. */y f •'in-' '" i..'1 Ihm &0 W Redigirt von Dr. II. Potonie, Doeenten der Pflanzenpalaeontologie an der Kgl. Bergakademie zu lierlin und Geologen an der Kgl. Preuss. geologischen Landesanstalt. ~&m<- EUNTER BAND ♦«§- (Januar bis December 1894). TgpT BERLIN. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. Inhalts-Verzeiehniss. Die Original-Abhandlungen, -Mittheilungen und -Abbildungen sind durch die Beifügung der Abkürzung „Orig." gekenn zeichnet; ausserdem sind viele Autoren an den Referaten über ihre Arbeiten dadurch betheiligt gewesen, dass sie die Correcturen gelesen haben. Seite Allgemeines und Verschiedenes. Haacke, Schöpfung und Wesen der Organismenformen (( big.) .... 385 Hennig, Zur Sintfluth und Eiszeit- Frage (Orig.) 255, 404 Kerner, Aus der Geschichte der Ges. Deutscher Naturforscher und Aerzte 535 Lucks, Noch einmal über die Ursache des natürlichen Todes (Orig.) . . 318 Maas, Bemerkungen zu Hennig's „Zur Sintfluth und Eiszeit-Frage" (Orig.). 367 Petzoldt. Begriff der Entwickelung und einige Anwendungen desselben (Orig.) 77 Schwalbe und Field, Wissenschaft- liche Fachliteratur und die Mittel, dieselbe allgemein und leicht zugäng- lich zu machen .261 Philosophie. Klein, Aesthctik auf naturwissenschaft- licher Grundlage (Orig.) .... 301 Klein, Philosophie der reinen Erfah- rung (Orig. mit Urig.-Abb.) ... 1 Mach, Frincip der Vergleichung in der Physik 535 Sc he 11 wien, Bemerkungen zu Klein's Aufsatz „Philosophie der reinen Er- fahrung" (Orig.) 490 Philosophische Gesellschaft in Berlin . 187 Anthropologie. Bartels, Geburt von Siebenlingen . 553 Bancalari, Hausforschung in Oester- reich . 505 Finsch, Ethnologische Erfahrungen aus der Südsee 127 Flechsig, Hirnphysiologie .... 635 Glück, Einfluss der Religion auf Täto- wirungen 480 Herr mann, Geruchssinn 504 Hildebrandt, Urgeschichtsforschung in Schweden 489 Ho er nes, Chronologie der Gräber von St. Lucia 490 Kaltenegger, Geschichtliche Ent- wickelung der Riliderrassen . . . 502 Löbisch, Ernährungsfrage .... 501 Maschka u. Krziz, Mammuth und Mensch 503 Mies, Gehirngewicht 504 Seite Montelius, Kupferzeit in Schweden 503 — , Aelteste Geschichte des Wohn- hauses 505 Movessiantz, Armenisches Bauern- haus 505 Preyer, Graphologie vom psycho-phy- siologischen Standpunkt .... 330 Ranke, Aufrechter Gang von Affen . 504 Reber, Vorhistorische Sculptursteine der Schweiz 490 Schaefer, Farbige Begriffs-Bilder (Orig.) 108 — , Entwicklungsgeschichte derBogen- gänge (Orig.) 253 Szouibathy, Prähistorische Forschung in ( testerreich 489 Toi dt, Somatologie der Tiroler . . 488 Virchow, H., Knochen- und Muskel- system 218 Virchow, R., Frage nach der Ent- stehung des Menschen 488 — , Zwergrassen 504 Wald ey er, Gehirne der Bevölkerung Ostafrikas 504 Wieser, Urgeschichtsforschung in Tyrol 488 Deutscher Antropologen-Congress in Innsbruck 488 Gefahr der Hypnose 480, 506 Zoologie. Aurivillius. Maskirung von Deka- poden 211 Bardeleben, Knochen und Muskeln von Hand und Fuss 612 Bolau, Der erste erwachsene Orang- Utan in Deutschland 418 Braun, A. u. O. Ehrhardt, Ent- wickelung der Holostomiden . . . 369 Child, Die „Ohren" der Kerfe ... 516 Dahl, Leuchtende Copepoden . . . 452 D rün er , Kern- und Zellendegeneration 393 D üb o i s, Krebspest 86 Eisen, Anatomische Studien an Ocne- rodrilus 139 Emery, Arbeiterstand der Ameisen . 96 Gott seh aldt, Synascidien von Spitz- bergen 405 Goverts u. Reichenow, Picus major (Orig.) 123 Guerne, Muschel-Verbreitung durch Wirbelthiere 6 Haacke, Entstehung des Säugethieres 47 — , Geschichte des Säugethieres (mit Abb.) 242 Seite Hertwig, Experimente über das Ke- generations- und Gestaltungs- Ver- mögen G05 Hess, Räuberisches Leben der After- skorpione 626 H ey m o n s , Entstehung der Geschlechts- zellen bei Insecten 60 — , Fortpflanzung der < (hrwürmer (mit Orig.-Abb.) 194 Hickson, Hagen u. a., Aufenthalt von Afterskorpionen 233 Ijima, Fauna von Tsushima .... 113 Kienitz -G er 1 off, Der Thierschutz in der Natur (Orig. mit z. Th. Org.- Abb.) 569 Kolbe, Aus der Insectenkunde (mit Abb.) 65 Lenssen, Buteo ferox in der Rhein- provinz 6 Linden, Schwimmen der Schnecken . 150 Littledale, Wilde Kameele .... 637 Lucet, Neumann, Railliet, Trou- essart, Milben auf Säugern . . 196 Lucks, Eine Erscheinung; aus dem Leben der Saatkrähe (Orig.) • • . 492 v. Martens, Das Schwimmen der Schnecken an der Wasserfläche (Orig.) 624 Matschi, Anthropopithecus erectus (Orig.) 122 — , Die Kuhantilopen (I >rig. mit Orig.- Abb.) ............ 329 — , Zoogeographisehe Ergebnisse der Expedition O. Neumann's (Orig.) . 417 Me.helv, Verbreitung der Kreuzotter 524 Möbius, Geographische Verbreitung u. Lebensweise der nutzbaren Walfische 565 Moritz, Ueber die Reblaus .... 576 Nagel, Geruchs- und Geschmackssinn und ihre Organe 608 N e h r i n g , Der seh warzbrüst ige Hamster in Ost-Bulgarien (Orig.) .... 193 — , Verbreitung des Hamsters in Deutsch- land 10S — , Kegelrobbe des Berliner Aquariums (Orig.) . 540 Oudemans, Die grosse Seeschlange . 564 Philippi, Europäische und chilenische Crustaceen 626 Planta, Herkunft der Ameisensäure im Honig 7 Kaillet u. Mo rot, Schmarotzer in der Bauchspeicheldrüse 71 Raymond, Subalpine Mollusken der Sierra Nevada 189 Reh, Vererbung erworbener Eigen schatten . . ' - - 211 3 8319 IV [nhalts-Verzeichniss. Seite Ritzema Bos, Ineestzucht 136 — , Pflanzenfressende Laufkäfer . . . 553 S eli a u il inn , Systematische Stellung and Fortpflanzung von Hyalopusn. g. (Orig. mit Orig.-Abb.) 169 — . Fortpflanzung der Foraminiferen . 340 — , Kei'ntheilung mit Körpertheilung bei Amoeba erystalligera . . 588, 615 Sehewiak of f, Fortschreitende Bewe- gung der Gregarinen 636 See] iger, „Segmontation" des Ruder- sehwanzes der Appendicularien . 370 Sem on, Die Thierwelt Nord-Austra- liens 319 — , Ceratodus Forsten 600 Wasniaiin. Emerv, Ritzema-Bos, Sociale Beziehungen der Ameisen . 515 Wegener, Statische Labyrinth theorie (Orig.) 189 Werner, Gerüche der Thiere . . . 601 Winogradoff, Neues Distomum beim Menschen 341 Biologische Station zu Plön .... 602 Erhaltung der Fauna Neu-Seelands . 38 Ornithologisches Centralbureau in Un- garn 87 Säugethiere aus Togoland 137 Verschlagene Landvögel auf hoher See 611 Botanik. Ainelung, Blütheiibihlung im Finstern 485 Artault, Spaltpilze in Hühnereiern . 61 Aschers on, Herkunft des Namens „Lilium convallium" (Orig.) • 241, 310 — , Zwei Nachtschattenarten des nord- ainerikanischen Prairiegebietes als Adventivpflanze in Europa (Orig. mit Orig.-Abbildungen) 17 — und Wittmack, Ueber Anthoxan- thum Puellii 296 Baenitz, Herbarium Europaeum . . 567 Bail, Das Auftreten der einfach- und doppelt-gefiederten Blätter der Gle- ditschia 321 Behrens, Zur Geschichte des „ent- deckten Geheimnisses der Natur" (Orig.) 629 Bolle, Ueber Fagus Sieboldii und silvatica (Orig.) 281 Brandegee, Flora der Cap - Region von Baja California 139 Burgerstein, Anatomie des Fichten- und Lärchenholzes 137 Colin, Kalk- und Kiesel-Absätze ge- bildet durch Pflanzen 99 — , Thermogene Bacterien 331 Conwentz, Fossiles Vorkommen von Trapa natans und im Schwinden be- griffene Waldbäume 199 Dodel, Bedeutung der Synergiden . 93 Dreyfuss, Cellulose in Bacillen u. s.w. 36 Dubois, Leuchtbacterien 47 Engler, Vegetation von Usambara . 440 Farn in tzin, Chlorophyllkörner der Samen und Keimlinge ..... 225 Gilg, Reduction im Pflanzenreich und ihre Verwerthung für ein System der Gewächse (Orig.) 581 Göbel, Biologie von Genlisea . . . 160 Graebner, Insectenfang durch Sym- phytum ofticinale 296 Haberlandt, Wassersecernirende und absorbirende Organe an tropischen Laubblättern 333, 601 — u. Wiesner, Nutzen dm- Reizbar- keit von Mimosa pudica 225 Harschb erger, Studie über Mais . 51 Hennings, Exotische Pilze in den Gewächshäusern des Berliner botan. Gartens (Orig.) 295 Hock, Vergleich der Bueheubegleiter und ihrer Verwandten in ihrer Ver- breitung mit der der Fageen (Orig.) 277 .Seite Holle, Neue Kautschukpflanzen . . 160 Ihne, Einfluss der] geographischen Länge auf die Aufblütlierzeit von Holzpflanzen 310 — Untersuchung in der Blüthenentfal- tung 1S92 und 1893 (Orig.) ... 177 Jonescou, Weitere Untersuchungen über die Blitzschläge in Bäume . 356 Karsten, Ursprung der Centrosomen 72 Klebs, Hvdrodictyon utriculatuin (mit Orig.-Nachb.) 41 Knuth, Blumen und Insecten auf den Halligen . 196 Köhne, Ueber Fagus Sieboldii und sil- vatica (Orig.) 280 — , Zur Nomenclatur-Frage 333 Lindau, BlüthenstaubderAcanthaceen 516 — , Die Organismen im Saftflusse der Bäume (Orig.) . . . ' 631 Miyoshi, Chemotropismus derPollen- schläuche 333 Möller, Hymenolichenen 35 Molisch, Zur Physiologie des Pollens 71 Nawaschin, Chalazogamie und ihre Deutung (mit Abb.) 525 Neubauer, „Schwefelregen" (Orig.) . 273 Neumeister, Vorkommen und Bedeu- tung eines Eiweiss lösenden En- zyms in jugendlichen Pflanzen . . 273 Otto, Einfluss von Strychninsalzlösun- gen auf die Entwickelung von Pflanzen im Sand und Humus (Orig.) 625 Peter, Kulturversuche mit ruhenden Samen 123 Philippson, Vorkommen der Ross- kastanie und der Buche in Nord- griechenland (Orig. mit Orig.-Karte) 421 P o t o n i e , Insectenfang durch die Laub- blätter von Symphytum und von Des- modium trii|uetrum 296 — , Pseudo-Viviparie an Juncus bnfonius (mit Abb.) 485 Prantl, System der Monocotyledonen 99 Rosen, Tinktion. Unterscheid, ver- schied. Kernbestand, u. der Sexual- kerne bei Pflanzen 7 Schleichert, Diastatisches Ferment der Pflanzen 481 — , Versuche über Wasserleitung u. Transpiration der Gewächse (Orig.) . 622 Seh w ende ner u. Krabbe, Turgor- dehnung und Längenzunahme wach- sender Organe 110 Stahl, Transpiration u. Assimilation der Pflanzen 540 Taubert, Neue Physostigma-Art . . 224 Wiesner, Klebs, Vöchting, Ame- lung, Potoni e, Einfluss des Lichts auf die Pflanzen 475 Wittmack, In Eis keimender Roggen (Orig.) 283 Ziegenbein, Eiweisszerfall bei Aus- schluss atmosphärischen Sauerstoffs (Orig. mit Orig.-Abb.) 222 Botanische Gärten 62, 87 Botanischer Verein der Provinz Branden- burg, LX. Hauptversammlung . . 277 Palaeontologie. Fuchs, Pflanzenähnliche Fossilien her- vorgebracht durch rinnendes Wasser (Orig. mit z. Th. Orig.-Nachb.) . . 229 Nathorst, Ueber pflanzenähnliche „Fossilien" durch rinnendes Wasser hervorgebracht (Orig.) 313 — , Paläozoische Flora der arktischen Zone 470 — , Eine Probe aus dem Torflager von Lauenburg an der Elbe (Orig.) . . 533 P o t o n i e , Folliculites Websteri (Orig.) 22 1 — , Ueber foss. Pflanzen (Orig.) . . . 220 — , Art der fossilen Pflanzenreste und Spuren (Orig.) J 527 Raciborski, Fossiles Lebermoos . . Zimmermann, Weiteres über ange- zweifelte Versteinerungen (Spiro- phyton und Chondrites) (Orig.) . Anthropopithecus erectus .... Seit« 99 361 59 Mineralogie und Geologie. Andreae, Geysire 97 A s c h 1 ey, Biegungsverinögcn von Felsen 139 Cremer, Conglomerate d. westfälischen Carbons (mit Orig.-Nachb.) ... 182 Da mos, Flötzformation Helgolands D4 Fiebelkorn, Alter der Festländer (Orig.) 129 — , Geologische Ausflüge in die Um- gegend von Berlin (Orig. mit z. Th. Orig.- Abbild.) .... 349,497, 509 Gill, Griechenlands Erdbeben auf der Cap-Sternwarte bemerkbar . . . 321 Harle,Fossilrestedergestreiften Hyäne 406 Hauchecorne, Tiefstes Bohrloch der Erde 221 Heim, Absolutes Alter dt r Eiszeit . 482 Herz, Zonarstruetur der Plagioklase . 111 Houssay, Zur Geologie Vorderasiens mit Karte 380 Jan nasch und Locke, Chemische Untersuchungen der Topase . . . 334 Kotö, Erdbeben in Centraljapan 1891 113 Linck, Krystallgefiige des Meteor- eisens 127 Lindgren, Eruptivgesteine aus Mon- tana 139 — , Geologie und Petrographie von Baja California 139 Michael, Cenoman, Turon, Senon bei Cudowa 99 Ochsenius und Potonie, Bildung der Steinkohlen (z. Th. Orig.) .... 183 Partseh, Vergletscherung des Riesen- gebirges 342 Regel, Glacialwirkungen in Ober- schwaben und im Bodenseegebiet (Orig. mit Orig.-Abbild.) . . . . 179 Reyer, Condensation kosmischer Kör- per (Orig.) 373 Rinne, Ueber Skolezit 493 Rousseau, Künstliche Darstellung der Diamanten 69 Schenck, Geologisches aus Deutsch- Süd-West-Afrika 161 Tenne, Gesteine der aethiopischen Vulkanreihe 36 Toula, Miocän von Kralitz .... 127 Traube, Py roelektrisehe Eigenschaften und Krystallform des Prehnits . . 589 Traut seh old, Bewegung des Erd- oceans 99 Ule, Die Katastrophe an den Mans- felder Seen (Orig.) 325 Wahnschaffe, Entstehung des nord- deutschen Flachlandes (Orig.) . . 218 — , Geologische Reisebilder aus den Ver- einigten Staaten von Nord-Amerika (Orig. mit z. Th. Orig.-Abb.) I. Washington und seino Umge- bung 117 IL Von Washington nach dem Felsengebirge 155 III. Der YellowstoneNational- Park 201 Physik. Elster und Geitel, Lichtelektrische Versuche 442 Klimpert, Oberflächenspannung und ihre Umsetzung in kinetische Energie (Orig. mit Orig.-Abb.) 132 Koppen, Zu Klimpert's Aufsatz über Oberflächenspannung (Orig.) . . . 231 Lüpke, Aus der Theorie und Praxis der Elektrochemie 220 Inhalts -Verzeichniss. van der Mensbrugghe, Kritische Bemerkungen zu Klimpert's Aufsatz „Ueber < >berflächenspannung" (Orig.) 316 Pietzker, Dynamische Erzeugung elektrischer Ströme ohne Vorwon- dung von Eisen 493 Rubens, Neuere Versuche auf elektro- dynamischem Gebiet (Orig.) . . . 219 Sczymanski, Versuche auf dorn Ge- biete der Optik, Electricität, des Magnetismus, der Mechanik und Akustik (Orig.) 219 Wobei-, Atmosph. Elektricität ... 12 Tesla's elektrische Versuche .... 451 Mathematik. S c li u b c r t , Mathematische Spielereien in kritischer und historischer Be- leuchtung. IX. Umfüllungsaufgaben (Orig.) 104 — , Dasselbe. X. Problem der 15 Christen und 15 Türken (Orig.) 165 — , Dasselbe. XI. Die Euler'schen Wanderungs - Aufgaben (Orig. mit Orig.-Abb.) 314 — , Dasselbe. XII. Die Hamilton'sehe Rundreise-Aufgabe (Orig. mit Orig.- Abb.) 433 Deutsche Mathematiker-Voreinigung . 62 Astronomie. Cerulli, Enke'scher Komet .... 566 Oppolzer, Ursache der Sonnenflecken 12 Pfeil, Graf von, Atmosphäre und ( Iberfläche des Mars (Orig.) ... 101 Scheiner, Oberflächentemperatur der Sonne und der Fixsterne .... 2S6 - und Stete feldt, Bewohnbarkeit der Planeten 405 Wilsing, Doppelstern 61 Cygni . . 237 Marsopposition 442 Neuentdeckte AVeltkörper 186 Neuer Komet 226 Vertheilung der Nebelflecke und Stern- haufen 517 Meteorologie. Berson, Luftfahrt dos Ballon „Phö- nix" vom 4. Deccmber d. J. . . . 637 Blenck, Zunahme der Blitzgefahr . 612 Börnstein, Elektrische Beobachtungen bei 2 Ballonfahrten 345 Ekholm und Arnherius, Einfluss des Mondes auf den elektrischen Zu- stand der Erde 614 Hennig, Kälterückfälle im Spät- frühling (Orig.) 341 — , Mondregenbogen-Beobachtung (Orig.) 450 Hess, Hagelschläge in der Schweiz 1883—1893 597 Janssen und Richard, Meteorograph von sehr langem Gang 626 Pfeil-Burghauss, Less und Hen- nig, Ueber Hagelfall (Orig.). 357, 452 Ballon „Cirrus" 517 Meteorologische Station in Peru . . 126 Witterungs-Berichte; . . . 506, 553, 602 Chemie. Baker, Einfluss der Feuchtigkeit auf Reactionen 49 Bayer, A., Chemische Constitution und optische Activität 286 Bayer, K. J., Ein neues Element . . 322 Brand, Maltol 251 Cohn, Verhalten einiger Pyridin-, Naphtalin- und Chinoiinderivate im thierischen Organismus 638 Galitzine, Zustand der Materie in der Nähe des kritischen Punktes ... 11 Seite Gernhardt, Vorrichtung zur Ver- hütung des Siedeverzugos .... 345 Guntz, Gewinnung metallischen Li- thiums 61 Helm, Mauerfrass und Salpeterbildung 211 Jahns, Trigonellin 345 Kciser, Atomgewicht des Palladiums 197 Laire und Tiomann, Iridin ... 24 Lobry de B ruyn und Franchimont, KrystallisirteAmmoniakdoiidatovon Kohlehydraten ....... 284 Pictet, Einfluss der tiefen Temperatur 37 Prever, Eigenschaften der organischen Elemente 234 Purdieund Walker, Chemie im Raum 10 Rayleigh und Ramscy, Entdeckung eines Gases 453 Rosenfeld, Einwirkung von Na auf ILO 162 Smith u. Co., (lonoskopin 10 Tiemann und Krüger, Veilchen- aroina 72 Geographie und Verwandtes. Boys, Newton's Constante der Gravi- tation 526 Dofforges, Anomalien der Erd- schwere 196 Fisher, Physikalische Eigenschaften der Erdkruste 171 Forster, Temperatur der Flüsse Mitteleuropas 585 Koto u. a.. Das mitteljapanische Erd- beben von 1891 (mit Original-Nach- bildungen) 289 Krasnow, Steppen des südlichen Russland 283 Möller, Aus Sa. Catharina, Brasilien (Orig. mit ( >rig.-Abb.) 1. Blumenau als geeigneter Ort für eine botanisch-zoologische Tro- penstation . 445 2. Vom „Stadtplatz" Blumenau . . 617 Neh ring, Steppen des südlichen Russ- lands (Orig.) 333 Pouch et und Diguet, Farbe des Meeres 137 Preston, Veränderlichkeit der geo- graphischen Breite 86 Regel, Baumann's Reise durch Deutsch- Massailand und zur Quelle des Ka- gera-Nil 7 Semon, Reise nach Australien und dem Malayischen Archipel 23 Bericht der Cominission für wissen- schaftlich eLandeskunde vonDeutsch- land 261 Expeditionen, Reisen 62, 322 Unterricht. Popov, Geschichte des Physiologi- schen Instituts zu Moskau .... 369 Schwalbe, Methodik des physiologi- schen Unterrichts (Orig.) .... 217 Vogel, Entwurf zu einem Lehrplan für das Königstädtische Real-Gym nasium 555 Errichtung einer Filiale des „Wissen- schaftlichen Theaters Urania" in Berlin 299 Ferienkurse, naturwissenschaftliche, für Lehrer höherer Schulen . 151, 217 339 Ferienkurse in Jena 261 Gruppe „Unterricht und Erziehung" der Berlin. Gewerbe-Ausstellung 1896 26, 482 Schulhygienisches 548 Medizin, Hygiene und Verwandtes. Albu, Function der Schilddrüse und ihre Störungen (Orig.) 271 Behring, Diphtherieheilserum . . . 557 Seite Borchardt, Pfeiffer's Influenza Ba cillus 46 Buttersack, Bacterie der Pocken Erisman, La lutte contre la morl ."> 1 7 Esmarsch, Sonnendesinfection . . . 260 Gaule, Trophische Eigenschaften der Nerven :i7 Gerhardt, Ueber Syphilis .... 171 Gruber, Metschmkoff, Pertik, Eisner, Ueber Cholera '.|s Hubert, Die sogenannten Doppel- Empfindungen (Orig.) 233 Hirt, Epidemie von hysterischen Krämpfen 99 llueppe, Nachweis des Choleragiftes beim Menschen . 429 Hueppe und Fajans, Culturen im Hühnerei und Anaerobiose der Cho- lerabacterien 429 J er sin, Pestbacillus 548 Kraepelin, Ueber geistige Arbeit . :'.17 Lewin, Geschmacksverbesserung von Medicamenten und Saturationen. . 505 Leyden, Van Swioten und die mo- derne Klinik 593 Leyden und Koranyi, Versorgung tuberculoser Kranker 549 Lindner, Zur Kenntniss der parasiti- schen Eigenschaften stielloser Vorti- cellen (Orig.) (7;; Loeffler, Roux, Aronson u. a., Ueber Diphtherie 546 Loos, Wenig bekannter Parasit des Menschen 636 Matz, Pfeilgifte (Orig.) ;;75 — , Das Diphtherieheilserum (Orig.) . 557 Neisser, Psorospermosen der Haut . 98 Neumann, Laelaps stabularis als Pseudoparasit 35 Philipp, Desinfection durch Formal- dehyd 635 Sabrazes und Chambretont, Mi- kroben-Weg bei Puerperal-Infection 108 Schäffer, Hygienische Reiseeindrücke aus Hamburg (Orig.) 53 Schuschny, Langenau, Kotel- mann, Cohn u. a.. Schulhygic- nisches 548 Traube, Verfahren, Wasser in grossen Mengen keimfrei zu inachen . . . löll Weizmann und Zirn, Seifige Milch. '_'■"' 1 Masern auf Samoa 392 Landwirthschaft und Verwandtes. Ba.b, Aberglauben der Griechen und Römer im Feld- u. Gartenbau (Orig.) 192 Bruhne, Neuer Schädling der Gersten- pflanze 588 Elschnig, Herstellung wasserfreien Celloidins 250 Hahn, Aufforstungen in Schleswig- Holstein 1-".' Moritz sowie M. von Ritter, Reb- laus-Bekämpfung und Desinfection von Setzreben 576 Sorauer, Bacteriose Gummosis der Zuckerrüben (Orig.) 46 Wittmack, Die Moorwiesen in der Königlichen < (berförsterei Zehdenick und die Veränderung ihres Be- standes (Orig.) 281 Wollnv, Permeabilität de.- Bodens für Luft" Iio Technik und Instruineiiteiikunde. Blum, Formol als Conservirungsflüssig keit Boltzmann, Luftschifffahrt . . . . 633 Lützen, Lichtquellen der Projections- lampen (Orig. mit Abb.) .... 551 Neumann, Die Schutzwirkung des Blitzableiters (Orig. mit Orig. -Aldi.) 337 VI Inhalts-Verzeichniss. Seite Neumann, Flugtechnische Aufgaben (Orig.) 521 Rühle, Gleichstrom, Wechselstrom, Drehstrom (Orig. mit Orig.- Abb.) . 457 Valenta, Photographie in natürlichen Farben 297 Gruppe „Wissenscbaftl. Instrumente" der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1S96 62 Geschichtliches, Biographieen, Nekrologe, Personalien. lliippe, Semmelweiss 546 Preyer. Romanes t (< •rig.) .... 309 Regel, Zum Gedächtniss Emin Pascha's (Orig. mit Orig.- Abb.) 29 — , Zum 60. Geburtstag von E. Häckel (Orig.) . ._ . . . . . . _. . . 141 Schalow, Emin Pascha's ornitholo- gische Thätigkeit (Orig.) .... 153 VV ü n s che, Goethe als Naturfreund und als Naturforseher 259 Brehm-Schlegel-Denkmal 49 Chareot-Denkmal 62 Haeckel-Feier 111 Helmholtz f 469 Liebe-Denkmal 394 Middendorf f 126 Mitscherlich-Denkmal 602 Personalien, kurze Angaben von Er- nennungen, Jubiläen, Todesfällen, Versetzungen u. dgl. 12, 25, 38, 49, 61, 73. 87, 98, 111, 126, 138, 150, 162, 174, 186, 197, 213, 226, 238, 251, 261, 274, 286, 298, 311, 322, 334, 345, 358, 370, 382, 394. 406, 430. 442, 454, 470, 482. 494, 506, 517, 528, 542, 554, 566, 579, 590, 602, 614, 626, 638. Vereinswesen, Museen etc. Anthropologen-Congress, Deutscher, in Innsbruck 488 Ausstellungen 26, 151 Botanischer Verein der Provinz Branden- burg 277 Congresse, Wissenschaftliche Versamm- lungen 98, 126, 162,197,214,238,251, 261, 277, 311, 322, 334, 345, 382, 394, 406, 454, 482, 488, 535, 545, 567. Deutsche Gesellschaft für volkstüm- liche Naturkunde 554 Internationaler Congress für Hygiene und Demographie 545 Internationaler Geologen-Congress . . 126 Landessternwarte in Heidelberg . . . 214 Museum in Para 261 Museum in Wernigerode 87 Naturwissenschaftliche Ferienkurse für Lehrer an höheren Schulen . . 217, 339 Preis-Aufgaben ......... 138, 334 Versammlung der Gesellschaft Deut- scher Naturforscher und Aerzte 251, 535 Zoologischer Garten zu Berlin, 50jährige Jubelfeier 469 Litteratur. Andree's allgemeiner Handatlas . . 50 Arendt's naturhistorischer Schul- atlas 26 Arnold, Repetitorium der Chemie . 639 Bachmann, Leitfaden für mikrosko- pische Dauerpräparate 198 Baer, Der Verbrecher 431 Bail, Leitfaden der Botanik .... 359 Bardey, Formeln quadratischer Glei- chungen 543 Bebber, Meteorologie 38 Bechhold's Handlexikon der Natur- wissenschaft und Medicin .... 13 Seite Beetz, Physik 215 Behla, Abstammungslehre .... 322 Behine, Geologischer Führer v. Goslar 627 Behrens, H., Mikroskopische Gefüge der Metalle und Legirungen . . . 591 Behrens, W. J., Botanik 383 Bernard, Paläontologie . . . 174, 626 Bcrthelot, Thermochem. Messungen 443 Bertram. Flora von Braunschweig . 395 Beyrich, Stoff- und Weltäther . . 638 Bezold, August Kundt 615 Blasius, Seeschiffe und Orkane . . 518 Blas ins, Stürme und moderne Meteo- rologie 112 Boas, Zoologie 383 Börner, Experimentalphysik .... 112 Boltzmann, Maxwell's Theorie der Elektricität und des Lichtes . . . 215 Borinski. Artikul. Phonetik ... 238 Born t raege r, Desinfection .... 49 Bourdeau, Histoire de l'alimentation 482 Brass, Atlas zur Zoologie und Ana- tomie 98 Brauns, Mineralogie 215 Br es lieh u. Koepert, Bilder aus Thier- und Pflanzenreich .... 346 Bremer, Naturlehre 50 Brockhaus' Convorsations - Lexikon 13, 127, 311, 482, 638 Brücke, Farbenwechsel des Chamä- leons 299 Buchenau, Flora von Bremen und Oldenburg 335, 371 Büchner. E., Mammalia Przewalskiana 518 Büchner, L., Darwinismus und Socia- lismus 73 Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik 274 Caro, Entwickelung der Theerfarben- Industrie 443 Clapeyron, Bewegende Kraft der Wärme 495 Coup in, L'amateur des Coleoptcres . 383 Credner, Rügen 13 Cundill, Dictionnaire des explosifs . 198 Daffner, Voralpenpflanzen .... 13 Damm er, O., Handbuch der anorga- nischen Chemie 50 Dammer. U., Anleitung für Pflanzen- sammler 615 Darwin's Reise 138 Darwin, Fr., Charles Darwin . . . 345 Dary, Elektrochem. Untersuchungen 311 David, Rathgeber für Anfänger im Photographiren , . 335 David & Scolik, Photographischc Notizen und Nachlagebuch . . . 323 Descartes, Geometrie 323 Dippel, Laubholzkunde 214 Dodel, Biologischer Atlas der Botanik 87 Du rege, Theorie der Functionen einer completten veränderlichen Grösse . 198 E n g 1 e r u. P r a n 1 1 , Natürli che Pflanzen- familien .... 13, 138. 174, 299, 443 Epstein. Electrotechnik 627 Faulmann, Im Reiche des Geistes . 238 Favarger, Electricität und ihre Ver- werthung zur Zeitmessung .... 359 Fischer, Handbuch der chemischen Technologie 51 Fletscher, Die optische Indicatrix . 127 Florschütz, Fontes Mattiaci . . . 554 Folin, Peches et chasses 73 Forsyth, Differenzialgleichungeu . . 138 Fort u. Schlö hmilch, Analytische Geometrie 455 Fricker, Antarctisches Treibeis . . 38 Friedrich, Die Biber an der Elbe . 626 Fuss u.Hensold, Lehrbuch der Physik für den Schul- und Selbstunterricht 639 Galvani, Elektricität und Muskelbe- wegung 470 Gauss, Intensive der erdmagnetischen Kraft 603 Seite Gay-Lussac, Dalton, Dulong, Petit, Rudberg, Magnus, Reg- it ault, Das Ausdehnungsgesetz der Gase 286 Göbel, Pflanzenbiologische Schilde- rungen ......... 163, 431 Goursat, Integration der partiellen Differenzial-Gleichungen 1. Ordnung 113 Grulich, Bibliothek.? -Kathalog der Leopoldina 113 Günther, Bakteriologie 26 Gutzmann, Bericht über Polyklinik für Sprachstörungen 39 Haeckel, Indische Reisebriefe . . . 197 Haacke, Gestaltung und Vererbung . 151 — , Schöpfung der Thierwelt .... 26 Haas, Sturm- und Drangperiode der Erde 286 Hagen, Synopsis der Mathematik . 347 Hart leben 's Reisebücher 26 Hauptmann, Metaphysik in der mo- dernen Physiologie 506 Hayek, Zoologie 431 Hecht, Krystallberechnung .... 395 Hegar, Geschlechtstrieb 554 Hehn, Culturpflanzen und Hausthiere 371 Heim, Sehen und Zeichnen .... 454 Hertwig, Präformation oder Epigo- ne seV 418 Hertz, Principien der Mechanik . . 590 v. Hübl, Collodium-Emulsion . . . 287 H übne r's geographisch-statistische Ta- bellen 74 Humboldt u. Gay-Lussac, Volum- gesetze gasförmiger Verbindungen . 27 Huyghens, Ursache der Schwere . 495 Ih n e , Beschreibende Naturwissenschaft und Chemie 383 Jaoger, Natur- und Menschenleben . 197 Jolly, Irrthum und Irrsein .... 26 Kämpfe, Tafel des Integrals u. s. w. 323 Kaerger, Künstliche Bewässerung in den wärmeren Erdstrichen und ihre Anwendbarkeit in Deutsch-! Istafrika 406 Kafka, Recente und fossile Nagethiere Böhmens 227 Kahl bäum, Theophrastus Paracelsus 470 Karsch, Vademecum botanicum . . 518 Keilhack, Geologische Schriften und Karten von Preussen östlich der Elbe 74 Kerville, Leuchtende Thiere und Pflanzen 73 Keyserling, Tagebuchblätter . . . 603 Kirchhoff, Vorlesungen über mathe- matische Physik 239 Klobs, Verhältnisse des männlichen und weiblichen Geschlechts . . . 359 Klein, H., Astronomie 74 — , H., Mathematische Geographie . . 322 — , J., Chemie 567 Knuth, Blumen und Insekten auf den nordfriesischen Inseln 112 — , Blüthen-Biologie 543 Koken, Vorwelt 50 Korn, Gravitation und elektrische Er- scheinungen 519 Kraepelin, Leitfaden für den bota- nischen Unterricht 543 Krass u. Landois, Lehrbuch der Botanik 38 K rause, Nordische Herkunft derTroja- sage 214 Krebs, Erhaltung der Mansfelder Seen 431 K r ü s s , Specielle Methoden der Analyse 50 Lainer, Anleitung zur Ausübung der Photographie 287 Lassar-Cohn, Arbeitsmethoden für organisch-chemische Laboratorien . 73 Lauenstein, Festigkeitslehre . . . 286 Lie, Continuirliche Gruppen mit geo- metrischen u. s. w. Anwendungen . 98 Linnaei Systema naturae 518 Linstow, Giftthiere . 554 Löwe, Gebirgsbildende Felsarten . . 443 Inhalts -Verzeichniss. VII Seite Lombroäo u. Ferrero, Das Weib als Verbrecherin u. Prostituirte . . . 274 Lüddecke, Beobachtunga-Unterricht iu Naturwissenschaft etc 162 Mach, Grundriss der Physik .... 395 Marischier, Teplitzer Tief bohrungen 287 Mars hall, Neu eröffnetes, wunder- sames Arzeneikästlein 174 Merkel, Molluskenfauna von Schlesien 383 Michaelis, Der Kaffee 286 Mich eisen , Bestimmung algebraischer Gleichungen des 1. bis 4. Grades . 14 Mietlie, Grundzüge der Photographie 639 Moldenhauer, Gold des Nordens . 543 Müller, J., Anatomie von Compositen 50 — , Lehrbuch der kosmischen Physik 323 Münch, Physik 39 Nebel, Käfer von Anhalt 383 Neu haus, Photographie auf For- schungsreisen und Wolkenphoto- graphie 287 — , Mikrophotographie und Projection 555 Neumann, Vorlesungen über mathema- tische Physik 274 ( ) e 1 1 e 1 , Anleitung zu elektrochemischen Versuchen 275 Ostwald, Chemische Energie ... 14 — , Physiko-chemische Messungen . . 38 — , Klassiker der exaeten Wissen- schaften 27 — , Wissenschaftliche Grundlagen der analytischen Chemie 603 Partsch, Vergletscherung des Kiesen- gebirges 274 Picard, Traite d'analyse 27 Pilling, Fingerzeige beim Unterricht in der Botanik 359 Piper, Idiotie 62 Pizzighelli, Anleitung zur Photogra- phie für Anfänger 639 Planck, H. Rud. Hertz 335 Poincare, Theorie mathematique de la lumiere 199 — , Theorie des tourbillons 215 — , Thermodynamik 163 Poincare, Uscillations electriques . 519 Pokorny, Thier- und Pflanzenreich . 371 Potonie, Elemente der Botanik . . 226 Potonie, Flora des Rothliegenden von Thüringen 197 Prantl-Pax, Lehrbuch der Botanik . 227 Quatrefages, Emules de Darwin . . 346 Rabonhorst's Kryptogamenflora . . 518 Ranke, Der Mensch 226, 382 R a w i t z , Histologie 226 Reichel, Magnetismus und seine Phä- nomene 528 Reinheimer, Leitfaden der Botanik 38 Richter, M., M. , Lehre von der Wellenberuhigung 322 Richter, Benzinbrände 443 Rivinus, Was ist Krankheit? . . . 431 Rottger, Nahrungsmittel-Chemie . . 627 Rosenkranz, Pflanzen und Volks- aberglauben 214 Roser, Wie behütet mau seine Kinder? 335 Roulo, L'embryologie comparee . . 615 >S ad t ler, Organ. -technische Chemie . 627 Scheffler, Technische Hochschulen und Bergakademieen 407 Schnauss, Photographisches Taschen- Lexikon 1 12 Schlei chert. Botanische Beobach- tungen und pflanzenphysiologische Experimente (103 Schnellinger, 5 stellige Tafeln für die lOner Logarithmen 359 Schrank, Urheberrecht an Photo- graphieen 286 Schreiber, Klimatographie des König- reichs Sachsen 238 Sehroeter, Pilze 98, 335 Schubert, Park von Abazzia . . . 286 Schulze, Flora germaniae .... 359 Schult ze, Zeitgeist in Deutschland . 418 Seite Schumann, Lehrbuch der Systematik. Phytopalaeontologie und Phyto- geographie 638 Schweiger - Lerchen feld , Grotten und Höhlen des Karst 26 Sievers, Amerika 138 Sprengel, Entdeckte Geheimnisse der Natur 151, 214 Stentzel, Weltschöpfung 494 Sturmhoefel, Akustik des Bau- meisters 542 Sumpf-Papst, Physik . ... 39, 627 Timm, Das Wetter 174 Traube, Physikalisch-chemische Me- thode . 113 Trinius, Alldeutschland 112 Tyndall, Die Wärme 543 Ule, Mansfelder Seen u. s. w. ... 198 Ungar, Schutzimpfungen 87 Valenta, Photographie in natürlichen Farben 287 Vetter, Moderne Weltanschauung . 370 Vilmorin's Blumengärttferei .... 261 Vi olle, Akustik 51 Virchow, Gründung der Berliner Uni- versität 26 Voigt, Vogelstimmen 359 Weidefeld, Elementare Rechnungen aus der mathematischen Geographie 406 Weierstrass, Gesammelte mathe- matische Werke 251 Weiler, Spannungselektricität ... 74 Weinert, Grundbegriffe der Chemie . 38 Weismann, Allmacht der Natur- züchtung 482 W e i s m a n n , Aeusscre Einflüsse als Entwickelungsreize 507 Weiss, Flora von Bayern (bezw.) Deutschland 529 Westermaier, Allgemeine Botanik . 163 Weyl, Studien zur Strassenhygiene . 174 Wiebe, Tafeln über die Spannkraft des Wasserdampfes 443 Wiedeman n, Lehre von der Elektricität 347 Wies engrund, Elektricität .... 627 Wilbränd, Grundzüge der Chemie . 38 Willkomm, Supplementum prodromi florae Hisp. 394 Winkelmann, Handbuch der Physik 14, 347 Wittwer, Grundzüge der Molekular- physik u. der mathematischen Chemie 175 Würzburg, Nahrungsmittel- Gesetz- gebung 512 Ziegler, Naturwissenschaft und social- demokratische Theorie 334 Annalen des k. k. Naturwissenschaft- lichen Hofmuseums 127 Archiv der Mathematik und Physik . 199 Atti della Reale Accademia dei Lincei 603 Ausland 39 Beiträge zur Geophysik 199 Bergmannstag, der fünfte allgemeine deutsche, 114 Berichte der naturforschenden Gesell- schaft zu Freiburg i. B 175 Berichte über die Verhandlungen der königlich sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig . . 591 Berichte über die Verwaltung der natur- historischen, archaeologischen und ethnologischen Sammlung des west- preussischen Provinzial-Museums . 199 Bericht über die 3. Versammlung des Vereins zur Förderung des Unter- richts in der Mathematik und der Naturwissenschaft 579 Bericht über die Senkenberg'sche natur- forschende Gesellschaft in Frank- furt a. M 543 Bücher und Abhandlungen, Liste im Buchhandel erschienener 14, 39, 51, 63, 87, 114, 151. 215, 227, 239, 263, 287, 335, 347, 359, 371, 407, 419, 431, 443, 483, 495, 507, 519, 531,543, 555, 603, 627, 639. Seite Bulletin de Pacademie de science des St. Pctersbourg 433 Calendar Year 1892—1893 Universität Japan 51 Comntes rendus hebdomadaires des seances de PAcademie des Sciences G15 Contributions from the botanical I ratory of the University of Pennsyl- vania ..... 5i Das Thierreich, eine Zusammenstellung und Kennzeichnung der recenten Thierformen 275 Die Botanisehen Anstalten Wiens 1894 Forschungsberichte aus der biologischen Station zu Plön ....... IST. 215 Fortschritte der Physik U:i Illustrirtes Jahrbuch für Kleinthier- züchter 335 Jahrbuch der Chemie |:;i Jahrbuch der Königliehen Preussischen geologischen Land. ■sanstalt und Berg- akademie 227 Jahrbuch für Photographie und Repro- duetionstechnik 419 Jahresbericht der geographischen! resell- schaft zu Greifswald 39 Jahresbericht der naturforschenden 1 re Seilschaft in Emden 7.1 Jahresbericht der schlesischen Gesell- schaft für vaterländische Kultur 98, 507 Jahresbericht, des Vereins für Natur- wissenschaft zu Braunschweig . . 27 Journal College Science Imperial Uni- versity Japan 113 Journal für reine und angewandte Mathematik 495 Journal-Revue 495 Kataloge über Bücher, Sammlungen und Apparate 27, 151. 175, 187, 3->ä, 495, 627 König!. Svenska Vetenskaps - Akade- miens Handlingar 470 Märkisches Provinzial-Museum ... 74 Mathematische Litteratur . . 455, 4S3 Mittheilungen der naturforschenden Gc- sellschaft in Bern G3 Nachrichten üher Geophysik .... 114 North American Fauna 346 Philosophische Litteratur 495 Proceedings California Acadeiny Science 139 Repertoire bibliographique des sciences mathematiques 483 Schriften des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien 531 Sitzungsbericht der kais. Akademie der Wissenschaften zu Wien .... 455 Sitzungsbericht der königl. Preussischen Akademie der Wissenschaften . . 407 Sitzungsbericht der mathematisch-physi- kalischen Classe der königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften zu München 555 Unser Hausarzt 603 Verhandlungen der Gesellschaft dem scher Naturforscher und Aerzte 74, 323, 627 Weltkarte, deutsche, mit Meerestiefen u. s. w 14 Wissenschaftliehe Mittheilungen :iu;- Bosnien und der Herzegowina . . 311 Zeitschrift für Naturwissenschaft . . :171 Zeitschrift, für praktische Geologie . 63 Zoologisches Centralblatt 99 Verzeichniss der Abbildungen. Amauris maria (Orig.) 575 Ameisenigel 245 Amphidasis betularia (Orig.-Nachb.) . .'.71 ApparatzuZiegenbein's Untersuchungen über Eiweisszerfall (Orig.) .... 223 Bad Lands in Nord-Amerika (Orig.) 159 Beehive Geyser 208 VIII Inhalts - Verzeichnis». Seite Benzingebläsebrenner 552 Beutelthiere 246 Blumenau (Orig.) .... 617, 618, 620 Caloptenus italicus 82 Calopteron bifasciatum (Orig.) . . . 574 Calosoma 66 Canon des Yellowstone River (< >rig.- Nachb.) 210 Carabus aüronitens, Tracheenstamm . 69 Cerambyx heres, Larve 66 Ceratites nodosus 354 Chalazogame Ovula 526 Danais chrysippus (Orig.) 575 Delta im glacialen Stausee bei Ravens- burg (Orig.) 181 Dictyomenia volubilis (Orig.) .... 362 Duftorgane von Insecten 84 Echidna • • • • 245 Encrinus liliiformis . . • • • • • _ • 354 Figuren zu Schubert'* Artikel „Die Euler'schen Wanderungsaufzählun- gen" (Orig.) 314, 316 Flyschfucoiden in ihrer natürlichen Lage 365 Frassgänge von Xvleborus 366 Gebäude mit Blitzableiter (Orig.) 337, 338 Gervillia socialis 354 Gespenstheuschrecke (Phasmide) (Orig.) 571 Harpyia vinula (Orig.-Nachb.) . . . 573 Hartebeeste (Bubalis buselaphus) in der südafrikanischen Boga (Orig.) . . 329 Helgoland 94, 95 Hyalopus Dujardinii (Orig.) .... 169 Hydrodictyon utrieulatum (Orig.-Nachb.) 42 Hypolimnas misippus (Orig.) .... 575 Imbauben und Bananen-Gruppe (Orig.) 621 Insecten-Längsschnitt 67 Inseeten-Tracneen-System 68 Inselchen im Itajahyfluss (Orig.) . . . 448 Juncus bufonius mit pseudo-viviparen Sprossen 486 Jupiter- Terrasse der Mammoth Hot Springs (Orig.) 202 Kailima Inaehis (Orig.) 573 Karte der Baum Verschiebung 1891 in Umehara (Orig.-Nachb.) 292 Karte des Gebirgs- und Thalsystems im nördlichen Mino (Orig.-Nachb.) . 290 Seite Karte der Gegend nördlich Takatomi (Orig.-Nachb.) 292 Karte der Riidersdorfer Kalksteinbrüche (Orig.) 353 Karte der Verschiebung der Ackerdämme bei Nishikatabira (Orig.-Nachb.) . . 291 Karte der Verwerfung von 1891 im Fujitani (Orig.-Nachb.) 293 Karte des Braunkohlengebirges in der Mark Brandenburg 500 Karte des Hauptschüttegebiets von 1891 in Centraljapan (Orig.-Nachb.) . . 289 Karte des Mississippi bei Minneapolis (Orig.) 158 Karte des nordamerikanischen Glacial- gebietes (Orig.) 156 Karte des südlichen Theils der grossen Verwerfungen beim japanischen Erd- beben (Orig.-Nachb.) 290 Karte des Yellowstone National-Parks (Orig.) 201 Karte mit Uebersicht der Bohrlöcher von Berlin und Spandau (Orig.) . 498 Karte von Nord-Griechenland mit An- gabe des Vorkommens der Rosska- stanie und der Buche (Orig.) . . . 422 Karte zur Geologie Vorderasiens (Orig.- Nachb.) 381 Katzenfell-Zeichnungen 247 Leda Deshayesiana (Orig.) 500 Lima striata 354 Locusta viridissima, Mundwerkzeuge 66, 83 Locustiden-Kopf 66 Lophonocerus histicornus (Orig.) . . 574 Markgrafenstein, der kleine, (Orig.) . 512 Minerva - Terrasse des Mammoth Hot Springs (Orig.) 203 Müller, Dr. Fritz (Orig.) 445 Myophoria orbicularis 354 Myophnria vulgaris 354 Narwal 248 ( (brwürmer 194 Old Faithful-Geyser (Orig.) 206 PalaeochondritesMeunieri (Orig.-Nachb.) 365 Papilio merope (Orig.) 576 PHanzenähnliche „Fossilien" (z. Th. Orig.-Nachb.) 229, 230 Seite Phyllium (wandelndes Blatt) (Orig.) . 572 Phyllopteryx eques (Naehb.) .... 571 Pionia lycoides (Orig.) 574 Plan des National-Museums in Washing- ton (Orig.) H8 Porträt von Emin Pascha 29 Porträt von Riehard Avenarius (Orig.) 4 Potomac-Unterlauf (Orig.) 119 Profil der Gegend von Essendorf (Orig.) 180 Profil der localen Grundmoräne bei Rüdersdorf 353 Profil des märkischen Tertiärs . . . 500 Profil eines Steinbruchs mit Spirophyten 364 Profile durch Braunkohlenschächte (Orig.-Nachb.) . . 510 Profile durch den Untergrund Berlins und Spandaus (Orig.) 499 Profile des westfälischen Carbons (Orig.- Nachb.) 183 Profil in derThongrube am Scharmützel- see bei Rauen (Orig.) 512 Projectionslampe 551 Rhein thal unterhalb Schaff hausen, Profil, (Orig.) 181 Riella helieophylla (Orig.-Nachb.) . . 364 Schemata zu Klimpert's „Oberflächen- spannungen" (Orig.) 144 Schemata zu Rühle's „Gleichstrom, Wechselstrom, Drehstrom". (Orig.) 457, 459 Schemata zu Schubert: „Hamilton'sche Rundreise-Aufgaben (Orig.)" . . . 433 Schwäbische Terrassenlandschaft, Pro- fil, (Orig.) 180 Sesia apiformis (Orig.) 574 Sinterkegel des Castle-Geysers . . . 209 Sinterkegel des Old Faithful-Geysers . 207 Smithsonian Institution (Orig.) . . . 119 Solanum rostratum (Orig.) 18 Spirophyton Eifeliense (Orig.-Nachb. und Orig.) 361 Stauropus fagi (Orig.-Nachb.) .... 573 Terebratula vulgaris 354 Thalassiophyllum clathrus (Orig.-Nach- bild.) 363 Tropidosoma Spencii (< )rig.) .... 574 Volucella (Orig.) 574 4§®# Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den 7. Januar 1894. Nr. 1. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- v Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 -Ä. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.— dö sprechenden Rabatt. Beilagennach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 4 extra Postzeitungsliste Nr. 4575. JL bei allen Annoucenbureaux, wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die Philosophie der reinen Erfahrung. Von Dr. Maximilian Klein*). I. Einleitung und Uebersieht. Noch nicht gar lange ist es her, seit die Philosophie in Naturforscher-Kreisen wieder zu besserem Ansehen ge- langt ist, als sie es in den mittleren Jahrzehnten unseres Jahrhunderts genoss. Die metaphysische Struwwel- peterei der ersten Jahrzehnte wirkte lange nach und zwar um so mehr, als die Naturforscher sich an jenem Treiben, bei dem die ungezügelte Phantasie ihre Orgien feierte, mitbeteiligt hatten und als Folge einen heftigen Katzenjammer davon trugen. Dass sie aus solcher Stim- mung heraus über die böse Urheberin, die speculative Philosophie, das schärfste Urtheil fällten, ist selbstver- ständlich und auch begreiflich, dass sie dies absprechende Urtheil zu weit ausdehnten, ja sogar schliesslich soweit, dass alle Philosophie verworfen wurde, dass man die Philosophie für völlig überflüssig erklärte und mit allem Nachdruck, ja mit Fanatismus die Ansicht vertrat, dass die Naturwissenschaft allein genüge, und die Hineintragung philosophischer Erörterungen in dieselbe nur schädlich wirken könne. Man hielt fälschlicherweise Philosophie *) Es ist den Naturforschern nicht sehr zu verdenken, wenn sie es seit der Mitte unseres Jahrhunderts verschmäht haben, sich ein- gehender mit den Werken der „echten" Philosophen zu beschäf- tigen, und wenn auch noch heute die ineisten derselben sich nicht sonderlich um die Thiitigkeit auf dem Gebiete der Philosophie kümmern, sind doch die Resultate der Pliilosophieen, wie sie sich gestaltet haben, mit den Errungenschaften der Naturwissen- schaften vielfach nicht in Einklang zu bringen, und gehen doch die zur Zeit herrschenden Philosophen oft von Grundlagen aus, die nicht diejenigen der Naturforschüng sind. Es giebt nur eine Naturwissenschaft, aber es giebt viele Pliilosophieen: für den Natur- forscher Grund genug, dass das, was man heute im Allgemeinen wenigstens unter „Philosophie" versteht, keine Wissenschaft sein kann. Die Geschichte der Naturwissenschaft hat noch kürzlich gelehrt, dass eine weitgehende Berücksichtigung philosophischer Hypothesen nicht zum Vortheil der Entwic'kelung der .Natur- wissenschaft ausgeschlagen ist, ja dass dieselbe, wenn ein.' solche Freundschaft mit der Philosophie geschlossen worden war. hier- unter stark gelitten hat und in ihrem Fortschritt aufgehalten werden ist. Jcli brauche ja nur an die Oken'sche Naturphilo- sophie zu erinnern. Bei dieser Sachlage ist es wahrlieh begreif- und Metaphysik für identisch, ignorirte die Erfahrungs- Philosophie, sah hinweg über die Thatsache, dass eine Reihe der grössten Naturforscher zugleich Philosophen ge- wesen waren. Diese der Philosophie so ungünstige Strö- mung wurde besonders von den Materialisten gepflegt, die oft die Ausdrücke „Philosoph" und „konfuser Kopf- für ziemlich gleichbedeutend erklärten. Der Materialismus, der besonders um die Mitte des Jahrhunderts herum sich stark auszubreiten begann, wurde für lange eine Lieblingsanschauung- in Naturforscher- Kreisen. Seine Grundlehren — die Materie allein ist der Träger und Inbegriff alles Wirklichen, aus ihr gehen auch die geistigen Zustände hervor, die Verdoppelung des Menschen (der Seelenglaube) und die Verdoppelung der. Natur (der Gottesglaube) sind ebenso wie die Annahme der „Willensfreiheit", d. h. der grundlosen Willkür des Handelns zu verwerfen, dagegen die Gesetzmässigkeit des Geschehens, die „eiserne Nothwendigkeit" als Haupt- grundsatz für die Naturbetrachtung aufzustellen — diese Lehren sind anscheinend so einfach, sie — und zwar be- lich, wenn von Seiten der Naturforscher eine Verfolgung der „wissenschaftlichen" Thiitigkeit der Philosophen im Allgemi inen als eine rnüssige Sache angesehen wird. Es ist deshalb auch nicht wunderbar, dass die Naturforschüng bisher noch so gut wie keine Nntiz von den letzten, seit 1S88 erschienenen genialen Werken von Richard Avenarius, o. Prof. der Philosophie an der l'niver- sität Zürich, genommen hat. Es ist diesem Gelehrten gelungen, den Weg aus dem ungeheuren Labyrinthe vorgefasster Meinungen, eingefleischter aber wissenschaftlieh unbegründeter Ansichten zu finden. Wir haben in seinen seit 1888 erschienenen Werken end- lich eine Grundlegung der einzigen Philosophie erhalten, die zu suchen auch die Naturwissenschaft auf dem langen Wege ist. Bewundernd steht derjenige, dem durch eifriges Studium der Werke des genannten Philosophen die ersehnte Mörgenröthe zu dämmern beginnt, vor dem geschaffenen, fest und gewaltig gefügten Lehr gebäude, das endlich einmal ein Heim der exakten Wissenschaff werden muss. — Mit dem obigen und den folgenden Artikeln aus der Feder eines der ersten Schüler von Avenarius soll dem Leser kreise der „Naturw. Woehensehr." der Inhalt der genannten Werke nahe gerückt und das Studium derselben erleichfc rt worden. P. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 1 wegtragen ausgegebe gleichzeitig sonders die starke Betonung des Wirklichkeits- und Er- fahrungs-Charakters dieser Lehre — sind dem Denken des „strengwissenschaftlichen" Forschers so zusagend, dass die Verbreitung des Materialismus in Naturforscherkreisen nicht Wunder "nehmen darf. Diese Verbreitung ist aber auch ein Zeichen mehr für den leider nicht zu selten vor- handenen Mangel an logischer Vor- und Durchbildung der Naturforscher. Logisch geschultere Köpfe mussten doch Anstoss nehmen an dem völlig unklaren Begriff der Materie (die bezüglichen Lehren sind in Wirklichkeit die reinste Metaphysik, da die ..Materie" doch nichts Gege- benes ist, sondern nur als der „Träger" des Gegebenen „erschlossen" wird!), au dem unklaren Begriff der „Kraft" und der höchst unklaren Verkuppelung derselben mit der Materie, mussten insbesondere auch Anstoss nehmen an der völlig verworrenen Ableitung des seelischen Lebens aus der Materie. Wurden doch die seelischen Vorgänge bunt durcheinander (so z. B. von L. Büchner) bald als körperliche Bewegungen, bald als Wirkungen von Be- bak! als unlösbar verknüpft mit Bewegungen (trotz dieser starken Verwirrung wurde aber immer wacker über die Philosophen als un- klare Köpfe hergezogen)! Man denke auch an das plumpe Uebersehen des principiellen Unterschiedes von körper- lichen und seelischen Thatsachen in dem bekannten Aus- spruche von Karl Vogt, dass die Gedanken vom Ge- hirn ebenso abgesondert werden, wie der Urin von den Nieren! Alle diese Schnitzer durften doch nicht über- sehen werden über den ja sicher anerkennenswerthen Sätzen vom Ausschluss des über die Erfahrung Hinaus- gehenden und von der Gesetzmässigkeit sämmtlichen Ge- schehens. Der erstgenannte Einwand insbesondere trifft auch diejenige Abart des Materialismus, die sich in der letzten Zeit unter dem Namen ..Monismus" geltend zu machen gesucht hat. Denn die von dieser Lehre angenommene Weltsubstanz (bezw. Materie oder Weltstoff) ist ja auch ein völlig unvollziehbarer, weil über die Erfahrung hinaus- gehender, metaphysicher Begriff. Er ist eine reine Con- struetion und zwar eine wegen der ihm beigeleg- ten Eigenschaften (absolut, unendlich, qualitätslos) eine widerspruchsvolle, unklare, unausdenkbare. Kurz: der Materialismus ist meines Erachtens, wie ich im Laufe meiner Ausführungen noch näher zeigen werde, in jeder seiner Formen eine durchaus dogmatische und metaphy- sische Anschauung. Die Einsicht in die Schwächen des Materialismus und das erneute Aufleben des Kant-Studiums riefen bei uns in den sechziger Jahren die Reaetion des ideali- stischen Neukantianismus (idealistischen Positi- vismus) hervor, der dem Materialismus viel Boden ab- gewann. Insbesondere seit der geistvolle und mit umfassendsten naturwissenschaftlichen Kenntnissen aus- gerüstete Friedrich Albert Lange seine prächtige „Geschichte des Materialismus" veröffentlicht hatte, ge- wann der Neukantianismus auch unter den Naturforschern Anhang. Seine Hauptsätze waren ja zwar weniger ein- fach, schienen aber von so zwingender Logik zu zeugen, dass sich insbesondere die feineren Köpfe unter den Naturforschern (man denke an Helmholtz, Tyndall und Wundt) in mehr oder minder hohem Grade der Kantischen Richtung zuwandten. Die bezüglichen Hauptsätze des von Lange vertretenen neukautischen Idealismus waren nun die folgenden. Es werden den Aussendingen nicht nur mit den Atomistikern die sog. sekundären sinnlichen Qualitäten (Farben, Töne, Gerüche u. s. w.) abgesprochen und die lebenden Wesen als die wahren Farben- und Tonschöpfer bezeichnet, sondern es wird auch geltend gemacht, dass sämmtliehe Eigenschaften der Dinge, also auch die räumlichen, im Grunde nur Beschaffenheiten gewisser Zustände unseres Bewusstseins seien. Die Dinge sind hier- nach also nur Komplexe bestimmter wirklicher oder mög- licher Empfindungen unsererseits, und wir können nie von etwas anderem als von unseren eigenen Empfindungen (Bewusstseinszustäuden) ein unmittelbares Bewusstsein haben. Kurz: wir können mit unserem Denken gar nicht zur Realität, zum Sein gelangen. Das Denken bleibt'also ewig .drinnen' und die Dinge ewig ,draussen', und beide - wenn sie auch noch so starke Sehnsucht nach ein- ander haben — können einander nie erreichen. Unsere Empfindungen bieten uns eben nur unsere eigenen Zu- stände; alles (so auch die ganze Materie, Raum und Zeit, und der ganze Zusammenhang in der Natur) ist also durch unsere geistig-körperliche Organisation bedingt. Wir können mit unserer Erkenntniss doch nicht den Kreis der Subjektivität durchbrechen: wir können uns selbst sogar nicht so erkennen, wie wir sind, sondern nur so, wie wir uns erscheinen. Die Dinge au sich (die Noumena) sind für uns völlig unerreichbar. Die ganze Aussenwelt be- steht also nur aus „Vorstellungen" oder „Erscheinungen." Diese Ansicht, die wegen ihrer anscheinend ätzend scharfen Logik, ihres wissenschaftlichen Gewandes und des idealen Zaubers, der sie umgab (wenigstens in der Lauge'schcn Darstellung), viel Beifall auch in Natur- forscherkreisen erntete, scheitert meines Erachtens ein- fach schon an ihren Konsequenzen. Denn die noth- wendige Folgerung aus dieser Ansicht ist die, dass wir von dem Dasein anderer Dinge ausser unserm eignen Ich, also auch von der Existenz unserer Nebenmenschen, kein Wissen haben: nur dass ich selber und meine seelischen Zustände (ego ipse solus) existiren, weiss ich sicher. Diese radikal- idealistische Ansicht — Solipscismus nennt man sie gewöhnlich — ist so widersprechend mit den Anforderungen des Lebens (zu denen doch die An- erkennung der Existenz unserer Mitmenschen in erster Reihe gehört), dass sie allein dadurch völlig gerichtet ist. Denn die Brauchbarkeit im Leben ist der höchste Maassstab für unsere Ansichten, den wir besitzen. Sehr richtig ist, was der ältere Fichte (im 5. Briefe an Rein- hold) hierüber sagt: „Der höchste Trieb des Menschen geht auf absolute Uebereinstimmuug mit sich selbst, des theoretischen und praktischen Vermögens, des Kopfes und Herzens: anerkenne ich praktisch nicht, was ich theo- retisch anerkennen muss, so versetze ich mich in klaren Widerspruch mit mir selbst." Und damit ist denn der Idealismus durch die Forderungen des Lebens allein schon abgethan. Dazu kommen dann aber noch eine Reihe schwerer Widersprüche und Unklarheiten, die uns weiterhin noch eingehender beschäftigen werden. Hier mag vorläufig kurz vermerkt werden, dass es zunächst ganz unbe- rechtigt ist, die Farben, Töne u. s. w. den „Dingen" ab- zusprechen; wir finden sie doch vor, also müssen wir sie, wenu anders wir uns streng beschreibend verhalten wollen, den Dingen zuschreiben und nicht uns! — Dann ist die ganze Bewusstseinslehre, d. h. die Ansicht, dass das uns unmittelbar Gegebene das „Bewusstsein" sei, entschieden zurückzuweisen: die Körperwelt ist uns genau so un- mittelbar gegeben! — Vor allem aber ist der (allerdings nur bei manchen Neukantianern vorkommende) Begriff des „Dinges an sich" unvollziehbar. Es wird damit eine Unweit, etwas Absolutes statuirt, das zu beschreiben, zu begreifen oder auch nur denkbar zu machen uns nicht weniger denn alle Mittel fehlen. Der Begriff des Absoluten ist unvollziehbar; wir kennen nur Relatives. Und im be- sonderen lässt sich das Causalitätspriucip nur auf Er- fahruugsthatsachen anwenden, nicht aber zur Erschliessung Nr. 1. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 3 oder auch nur Verauthung von „Dingen an sich" benutzen. Entweder Solipscism us oder „Dinge an sich": das ist nun aber die Alternative, vor die der Idealismus sich ge- stellt sieht. Erstem- (der Solipscismus) ist aber die Ver- neinung des practischen Lebens, und andererseits der Begriff des Dinges an sich ein völlig unvollziehbarer! — Gegen letzte- ren möchten wir nur noch ein lustiges Jugendgedicht des Zürcher Philosophen Richard Avenarius (welcher uns dessen Abdruck auf unser besonderes Ersuchen hin gütigst gestattete) citiren; es lautet: Das Ding an sich. Eine tragiphüosopüische Geschichte. 1. 's war Einer, dem's zu Herzen ging, zu Herzen t;ing, • Dass er nicht kannt' an sich das Ding, an sich das Ding — — Das Ding an sich dahinten. Ja, ja, ho, ho! ja, ja, ho, ho! Das Ding an sich dahinten. 2. Er hatte just beim Kant entdeckt, beim Kant entdeckt. Dass hinter der Erscheinung steckt, Erscheinung steckt, Das Ding an sieh dahinter etc. 3. Er rief: verdammt Noumenon! Noumenonü Ich komme noch dahinter schon, dahinter schon! Ja, Ding an sich, dahinter etc. 4. Doch ach! wohin er kam, da fand — er kam, da fand Er der Erscheinung Scheidewand — ja Scheidewand — Das Ding an sich dahinter etc. 5. Es ward die ganze Aussenwelt, ha Aussenwelt Als Vorstellung ihm vorgestellt, ja vorgestellt — Das Ding an sich blieb hinten etc. ti. Er wendet sich zum eignen Ich, ha eignes Ich! Und sucht das Ding an sich in sich, an sich in sich - Das Ding an sich dahinten cte. 7. Doch fand auch auf der Seele Grund, ha Seele Grund, Er vor nur der Erscheinung Schund, Erscheinung Schund, Das Ding an sich blieb hinten etc. 8. Wie er sich wendet, wie sich dreht, ha ha sich dreht, Stets hinter der Erscheinung steht, Erscheinung steht, Das Ding an sich ganz hinten etc. 9. Er dreht sich rechts, er dreht sich links, ha ha sich links, Er wurde nicht gewahr des Dings, gewahr des Dings, Des Dings an sich dahinten etc. 10. Er dreht sich früh, er dreht sich spät, ja früh und spät, Er wurde schliesslich selbst verdreht, ha ha verdreht, Das Ding an sich blieb hinten etc. 11. An der Erscheinung Scheidewand, ja Scheidewand Hat da den Kopf er eingerannt, ha eingerannt, 0 Ding an sich dahinter! — etc. 12. Ein Weiser lässt das weislich sein, lässt's weislich sein, Zeigt lieber sich, von vornherein, von vornherein Dem Ding an sich von hinten! etc. Die bezeichneten Mängel und Gebrechen des Idealismus (Subjectivismus, Spiritualismus) und seiner Spielarten (auch der Positivismns gebort im wesentlichen wegen seines subjectivistischen Charakters hierher), die wenigstens theil- weise bald mit mehr oder minder Glück aufgedeckt wurden, trieben viele, die auch dem Materialismus keinen Ge- schmack abgewinnen konnten, dem Skepticismus in die Arme. Dessen Lehre — wir sind von einer Fülle von Räthseln umgeben, eine sichere Entscheidung zwischen Wahrheit und Irrthum, eine Autheilung der Welträthsel, und zwar am allermeisten bezüglich der wichtigsten Fra- gen, ist unmöglich, wir wissen über sie nichts und werden auch nichts wissen (ignorabimus!) — schien den Vor- sichtigeren das rettende Schiff zu sein und der Skepti- cismus hat denn, besonders in etwas verwässerter Form, auch in Naturforscherkreisen auf Kosten des Materialismus und Idealismus einige Verbreitung erlangt. Jedoch auch er ist für den schärfer Zublickenden unhaltbar. Gegen ihn lässt sich zunächst theilweise das verwerthen, was gegen den Idealismus gesagt ist. Denn auch der Skepticismus hat ein stark subjeetivistisches Gepräge. Auch nach ihm soll „das Innere (das Wesen) der Natur" für uus nicht zu enträthscln sein. Ignorabimus, sagt E. Du Bois-Reymoud. Abgesehen von dem starken Dogmatismus, der in diesem Ausspruche steckt, ist er nicht annehmbar, weil hier wieder die Idee eines Ab- soluten, die Idee von Dingen an sich auftaucht, die das „Wesen" der Natur bilden sollen. Für den wirklich un- befangenen Naturforscher aber zeigt die Natur kein solch völlig verborgenes Wesen; für ihn besteht das Wesen in der Gesammtheit aller Beziehungen zwischen den Natur Thatsachen. Würden diese Beziehungen ermittelt und auf Gesetze gebracht sein, dann hätten wir damit das „Wesen" der Natur erkannt. Und demzufolge sind wir auf dem besten Wege, das Wesen der Natur zu entschleiern: wir besitzen bereits heutigen Tags ein gut Stück Erkenntniss desselben, und es ist nicht einzusehen, warum es für uns in diesem Erkennen eine Grenze geben soll. „Müsset im Naturbetrachten „Immer ein's wie alles achten! „Nichts ist drinnen, nichts ist draussen, „Denn was innen, das ist aussen". . . „Natur hat weder Kern noch Schale. „Alles ist sie mit einem Male." I' the.| Ferner wird von vielen Skeptikern zu sehr das In- dividuell-verschiedene betont, das Allgemein-menschliche aber vernachlässigt oder übersehen. — Auch wird nicht darauf geachtet, dass die Gewinnung von „Wahrheiten" erst ein Ergebniss der Entwickelung ist: erst letztere zeigt uns, welche Einsichten und Ansichten haltbar (weil brauchbar) sind, und damit, welche Meinungen wir als ..Wahrheiten" anzuerkennen haben. Und dass ^tatsächlich dies Herausbilden von halt- baren Ansichten, d. h. von Wahrheiten, stetig stattfindet, zeigt uns die bisherige Entwickelung der Menschheit. Der Skepticismus übersieht eben gänzlich den biologischen Charakter der Wahrheit, d. h. den Zusammenhang derselben mit unserem Erhaltungsstreben, mit unserem Streben nach unserer Erhaltung günstigen Dauerzuständen. Auch auf diese Punkte werden wir weiterhin noch öfter zurückzukommen Gelegenheit haben. Das Gesagte möge vorläufig genügen zur Begründung unserer Ansicht, dass auch diese dritte in den Natur- forscherkreisen der Gegenwart verbreitete Philosophie keine haltbare ist und nicht die Anerkennung verdient, die ihr oft gezollt wird, und zwar um so weniger, als in letzter Reihe jeglicher Skepticismus mehr oder minder lähmend auf das Naturforschen wie auf alles Vorwärtsstreben wirkt. Anzuerkennen am Skepticismus ist wesentlich nur der oft hervorgekehrte Relativismus, d. h. die Betonung, dass in letzter Linie alles Wahre, Gute und Schöne relativ, d. i. von uns Mensehen abhängig' sei, dass es also ein „absolut" Wahres, Gutes und Schönes nicht gebe. Die geschilderten und krilisirten Weltanschauungen und Forschungsrichtungen sind von uns als durchaus un- haltbar abgelehnt, da sie theils an groben inneren Wider- sprüchen und Unklarheiten leiden, theils mit dem Lehen in Widerspruch stehen, theils die Ergebnisse der so mäch- tigen naturwissenschaftlichen Umwälzung unserer Zeit nicht gebührend in Betracht gezogen haben, theils über die Er- fahrung hinausgehen (Metaphysik sind). Eine Philosophie, die es verdienen würde, in natur- wissenschaftlichen Kreisen die herrschende zu werden, müsste durchaus drei Anforderungen gerecht «erden, nämlich: 1. die reichen Ergebnisse der naturwissenschaft- lichen Forschung unserer Zeit, insbesondere der Ent- wickelungsgeschichte, der Biologie und Physiologie, ge- bührend verwerthen; 2. mit dem unbefangenen, durch Theorien nicht getrübten Denken und so auch mit den Anforderungen des Lehens in Einklang stehen, und :'.. sich dementsprechend streng an das Vorgefundene, an die Wirklichkeit halten, im strengsten Sinne eine Philosophie der reinen Erfahrung, der strengen Beschreibung sein. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 1 Eine solche Philosophie thäte der — noch so sehr an Methaphysik leidenden — Naturwissenschaft, wie unserer Zeit überhaupt noth; und — mit Freude und Stolz dürfen wir es sagen — unsere Zeit, unser Volk hat eine solche hervorgebracht! In der Philosophie der reinen Er- fahrung („Empiriokriticismus") von Richard Avena- rius (zur Zeit in Zürich lebend) besitzen wir ein System, das jenen Anforderungen in der vorzüglichsten Weise gerecht wird. In ihm scheint sich die naturwissenschaftliche Bildung unserer Zeit in geklärter Form geradezu concentrirt zu haben; in ihm kommt die natürliche Weltansicht wieder zu ihrem unverj ährlichen Rechte; in ihm feiert die Methode der stren- gen Beschreibung ihre schönsten Triumphe. Die Philosophie von Rieh. Avenarius, reich an lichtvollen, ganze Forschungs- gebiete erhellenden Gedanken, ist eine wahrhaft bahn- brechende Leistung, mit der in der Geschichte der Philosophie eine neue Periode sich einführt! Es soll nun in folgendem unsere Aufgabe sein, den Lesern der „Naturw. Wochen- schrift" in grossen Zügen die Hauptgedanken der Avenarius- schen Philosophie erläuternd vorzuführen*). Bevor wir aber in die einzelnen Gedanken- kreise eintreten, wollen wir eine kurze Lebensbeschreibung von Avenarius und eine über- sichtliche Vorführung der Hauptsätze seiner Philosophie bringen. Zunächst also einiges aus dem Leben von Avenarius, der vor einigen Wochen seinen 50. Geburtstag gefeiert hat. Richard Avenarius, väter- licherseits ans einer alten Theologen - Familie i Haber- mann), mütterlicherseits aus einer angesehenen künstleri- schen Familie stammend (seine Mutter war eine Halbschwester Richard Waguer's, wurde am 19. November 1843 zu Paris geboren. Er genoss den gröss- ten Theil seines Jugendunter- richts in Berlin, erwarb dann in Leipzig, wo sein schon vor Jahren verstorbener Vater Buch- händler war, das Reifezeugniss am St. Nicolai-Gymnasium. Av. sollte ursprünglich wie sein Vater Buchhändler wer- den. Aber innere Neigung trieb ihn zur Philosophie, deren .Studium, sowie dem der Physiologie und Psy- chiatrie, er in Zürich, Berlin und Leipzig oblag. Er promovirte an letzterer Hochschule 1868, habilitirte sich ebendaselbst 187G und folgte 1877 einem Rufe als ordentlicher Professor der induetiven Philosophie au die Züricher Hochschule. Im selben Jahre heirathetc er Maria Semper, ans der bekannten Hamburger Familie stam- mend, die ihm eine treue, aufopfernde Lebensgefährtin wurde und an seiner wissenschaftlichen Arbeit, sowie an seiner akademischen Lehrthätigkeit den regsten und treuesten Antheil nimmt; ihr ist sein (unten genanntes) letztes, die philosophischen Principienfragen behandelndes Werk ge- sophensitz in der Klossbachstrasse in der Züricher Vorstadt Hottingen aufgeschlagen, wo er neben seinen Vorlesungen im Laufe der Jahre, insbesondere auch durch die von ihm geleiteten „philosophischen Abende" („Systematischer Abend" und „Philosophische Gesellschaft") sich einen Kreis von warmen Verehrern seiner Philosophie herangezogen hat, besonders von Deutschen, wie auch Amerikanern, Polen, Bussen u. s. w., von denen einige begonnen haben, die von Av. eingeleitete Richtung schriftstellerisch zu vertreten, zum Theil in eigenen »Schriften, zum Theil in Aufsätzen, so in der von Av. 1876 im Verein mit C. Gbring, M. Heinzc und W. Wundt begründeten „Vierteljahrsschrift für wissen- schaftliche Philosophie", die Av. seitdem ununterbrochen leitete (XVIII. Avenarius' Jahrg., eigene ■■ ...■ ' Il&^ • ' widmet. Seit Jahren hat er seinen gemüthlichen Philo- *) Ganz kurze Hinweise auf die Avenarins'sche Philosophie Bind selx.n erfolgt: Bd. VII, S. 10G f. u. Bd. VIII, S. 45 ff. u. 162 f. Leipzig 1894). Werke sind die folgenden: 1. Ueber die beiden ersten Phasen des Spinozischen Pantheismus und das Ver- hältniss der zweiten zur dritten Phase. Nebst einem Anhang: Ueber Reihen- folge und Abfassungszeit der älteren Schriften Spi- noza's. Leipzig 1868. 2. Philosophie als Denken der Welt gemäss dem Prin- cip des kleinsten Kraft- maasses. Prolegomena zu eiuer Kritik der reinen Er- fahrung. Leipzig 1876. 3. Kritik der reinen Erfah- rung. 2 Bände. Leipzig 1888-1890. 4. Der menschliche Weltbe- griff. Leipzig 1891. Die beiden letzteren sind es, in denen er die Ergeb- nisse seiner langjährigen For- schungen niedergelegt hat. Dieselben, von den Anhängern der alten Richtungen bis- her möglichst todtgeschwiegen, beginnen trotzdem langsam, aber sicher sieh Bahn zu brechen und werden — das lässt sich schon jetzt mit unbedingter Sicherheit voraus- sagen — auf Philosophie und Naturwissenschaften eine tief- greifende, ja theilweise gerade- zu umwälzende Wirkung ausüben. — Als diese Wirkung etwas verzögernd, darf man die Knappheit der Darstellung (die ja — von einem andern Gesichtspunkte aus be- trachtet — ein Vorzug von Av.'s Werken ist) und die leider doch zu sehr gehäuften Fremdwörter bezeichnen, an denen man merkt, dass die Werke in einem deutschen Grcnzlandc geschrieben wurden. Jedoch wollen wir andererseits aner- kennen, dass die neue Terminologie, wenn sie auch dem Anfänger Schwierigkeiten bereitet und auch vom vater- ländischen Standpunkte aus nicht zu billigen ist, doch ab- gesehen davon als eine sehr geschickte bezeichnet werden muss. Die Gliederung ist ungemein klar und scharf logisch, die Ausdrucksweise sauber und alles Ueberflüssige vermeidend. Soviel über Leben und Werke von Avenarius. — Die Hauptsätze seiner in der „Kritik der reinen Er- fahrung" und im „Menschlichen Weltbegriffe" niedergelegten Weltanschauung siud die folgenden: 1. Das Verfahren (Methode) ist das beschrei- bende, descriptive. Wir sollen es maehen, wie die alten Nr. 1. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Philosophen: uns auf den Markt des Lehens stellen, beob- achten und das Gegebene und seine Zusammenhänge so beschreiben, wie sie von uns vorgefunden werden. — Da- mit fällt für uns weg die Methode der Metaphysiker, das Erschliessen mittelst des „reinen Denkens", das uns nichts als leere Phantastereien liefert. Für uns giebt es also nicht zwei Erkenntnissarten: sinnliche Wahrnehmung und Denken, sondern nur eine: die auf planmässige Wahr- nehmung gestützte Beschreibung des Vorgefundenen. Und dies Vorgefundene bildet unsere Erfahrung. Dieselbe ist „reine" Erfahrung überall da, wo der Aussagende selbst dem Inhalte seiner Aussage den Charakter der Er- fahrung, des Vorgefundenen - ■ und nur diesen - - (still- schweigend oder ausdrücklich) beilegt, wo also eine reine blosse Kenntnissnahme erfolgt. 2. Der Ausgangspunkt ist der natürliche Welt- begriff, d. h. die Weltansicht des unbefangenen Men- schen, nicht das „Bewusstsein". Das sog. unmittelbare Gegebensein des Bewusstseins ist nichts anderes als der Ausfluss einer allmählich entstandenen Theorie. „Vom Bewusstsein oder dem Denken . . . ausgehen, heisst im besten Falle also, um nicht einen drastischeren Vergleich zu gebrauchen, beim Ende anfangen!1' (Kritik I, S. VIII.) Damit ist dem Idealismus (Subjectivismus) von vornherein der Boden entzogen, auf dem er einzig gedeihen kann. 3. Der leitende Gesichtspunkt, der uns den tiefsten Einblick in das Weltgetriebe gestattet, ist das Streben nach Ruhe- und Dauerzuständen, die die Erhal- tung der Systeme am besten gewährleisten. Das ganze Streben des menschlichen Organismus oder genauer jedes Theilsy stemes desselben ist dementsprechend dahin ge- richtet, die durch die Umgebung verursachten Störungen der Systemruhe (die Vitaldifferenzen) zu beseitigen und die Systemruhe und damit den Standpunkt für die best- mögliche Erhaltung unseres Systemes wiederzugewinnen. — Zu beachten ist, dass in unserem Organismus, der ein System von Systemen ist, bis zu einem gewissen Grade die einzelnen Systeme für sich wirtschaften, etwa so, wie in einem Bundesstaate die einzelnen Staaten, Provinzen u.s.w. ihre eignen Interessen oft selbst auf Kosten des Ganzen befriedigen oder zu befriedigen trachten. Dieser Zustand tritt im Organismus z. B. im Zustande der Leidenschaft ein. 4. Die Reihen von Vorgängen i nervöser und seelischer Art), die dazu dienen, die gesetzten Störungen (die Vital- differenzen) und das durch sie verursachte Nicht-Gleich- gewicht zwischen den beiden Grundvorgängen in unserem Organismus, zwischen Arbeit und Ernährung, wieder auf- zuheben, werden als Vital reihen bezeichnet, und von den unabhängigen Vitalreihen (den Vorgängen im Centralnervensystem) die abhängigen Vitalreihen (die seelischen Vorgänge oder in der Av.'schen Sprache: die Aussage-Inhalte oder E- Werthe*) unterschieden**). Die E n t w i e k 1 n n g geht aus a u f mögli chs t voll k o m m e n e und darum haltbare Vitalreihen. -- Der Begriff der Vitalreihe ist einer der wichtigsten des Systems und dient in vorzüglichster Weise zur klaren Erfassung auch der verwickeltsten Vorgänge nervöser oder seelischer Art, — Av. entwirft einen Schematismus der Ilirnthätigkeit, der als erster seiner Art die höchste Beachtung verdient. 5. Körperliche Vorgänge und seelische Vorgänge (Aussage-Inhalte) sind sauber auseinander zu halten; es besteht aber zwischen ihnen kein Dualismus: Sachen und Gedanken sind nicht Miliig andersartig i heterogen), sondern lassen sich miteinander vergleichen: *) Ich gebrauche das Wort „seelisch" nur aus Bequemlichkeit in Anlehnung an den alten Sprachgebrauch. Av. vermeidet es völlig. **) Dass gerade die seelischen Vorgänge als abhängige Vitalreihen bezeichnet werden, ist aus rein methodologischen Rücksichten erfolgt. so z. B. das Gedankenbild eines Freundes von mir mit dem vor mir liegenden Lichtbilde desselben. Zwischen hei den Vorgangsreihen besteht eine Funktionalbeziehung, d. h. ändert sich die eine Reihe, so ändert sich auch die andere. — Der Ausdruck ..Funktion- ist hier also nicht im physiologischen Sinne gehraucht, also nicht etwa gemeint, dass die Aussage-Inhalte (die seelischen Vorgänge) eine Hirn Verrichtung seien, sondern es ist „Funktion" im mathe- matischen Sinne gemeint: beide Grössen stehen in einem Abhängigkeitsverhältnisse zu einander, so das-, wenn die eine von beiden sich ändert, sich auch die andere ändert. Es ist zwischen beiden Grössen eine gewisse Proportionalität oder Korrespondenz vorhanden; man kann auch sagen: eine Art von Parallelismus. Wir können unsere Ansicht auch so ausdrücken: die seelischen Werthc (die Aussage Inhalte) sind eine mathematische Funktion der physiolo- gischen Funktion des Centralnervensystems. Av. hat nun in weitgebender und oft ungemein licht- voller Weise den Versuch gemacht, die Beziehungen zwischen beiden Vorgangsreihen nachzuweisen . also im einzelnen zu zeigen, welche nervösen und seelischen Vor- gänge zusammengehören. Er gewinnt auf diese W eis, auch eine treffliche, manch neuen Gesichtspunkt bietende Eintheilung der seelischen Werthe. 6. Von ungemeiner Bedeutung für unser Leben ist insbesondere die Uebung. Das Auftreten nicht geübter Werthe ergiebt die Aussage-Inhalte: fraglich, zweifelhaft, beunruhigend, räthselhaft u. s. w., und damit ..Probleme-, die — ais Vitaldifferenzen — den Anfangsahschnitt einer Vitalreihe bilden. Diese Probleme werden zu lösen ge- sucht durch Sammeln von Erfahrungen u. s. w.: dies bildet den mittleren Abschnitt der Vitalreihen. Endlich im Schlussabschnitte derselben wird das Problem und damit die Vitaldifferenz) aufgehoben durch die inzwischen erlangten „Erkenntnisse", „Wahrheiten" u. s. w. Da es ja auf die Uebung (die Ererbte und die erworbene; ankommt, so können alle möglichen Aussage-Inhalte als Probleme gesetzt oder auch als Problemlösungen benutzt werden. Und auch gerade die entgegengesetztesten Aus- sage-Inhalte können von verschiedenen Personen oder auch von derselben Person in verschiedenen Lebensaltern als Problemlösung angesehen werden. Was z. B. das Ver- hältniss von Gott "und Mensch anbetrifft, so meinen die einen, Gott habe <\cn Menschen nach seinem Bilde ge- schaffen, während die anderen behaupten, die Mensehen haben Gott (bezw. die Götter) nach ihrem Bilde geschaffen. Und so fort! Die Begriffe Wahrheit, Erkenntniss u. s. w. sind etwas durchaus von der Uebung abhängiges, d. h. etwas relatives. Von einer absoluten Wahrheit zureden, ist ein Unding. Die dauerhaftesten, die stabilsten An- sichten, das sind die grössten Wahrheiten*). 7. Von etwas Absolutem kann von .ledern, der sich auf den Boden der Erfahrung stellt, überhaupt nicht ge- sprochen werden, weil ein solches nicht erfahren werden kann. Zur Erfahrung gehört immer eine Beziehung, eine „Principialco Ordination", deren eines verhältnissmässig beständiges Glied, das Centralglied, das ..leb- ist, deren anderes, verhältnissmässig wechselndes Glied, das Gegen- glied, ein ümgebungsbestandtbeil ist. Letzterer wird er- fahren. Zur Erfahrung gehören aber unbedingt beide Glieder: Ich und Umgebungsbestandtheil. Centralglied und Gegenglied. Beide sind unzertrennlich und gleichwertig. Ich kann also nur einen Umgebungsbestandtheil erfahren und beschreiben, der Gegenglied in einer Principial- *) Vergl. hierzu den Aufsatz des Herausgebers dieser Zeit- schrift, Dr. II. Potonie, in No. 1.".. Bd W (1891) „Ueber die Entstehung der Denkfor n", der manches hierher gehörige ent- hält. Ich gedenke in einem späteren Artikel ausführlich auf die Auslassungen des Herrn Potonie einzugehi □< Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 1 coordination ist, deren Centralglied ich selber bin. Da nun ein Absolutes nicht Gegenglied sein kann (das wider- spricht dem Begriffe!), so ist damit gesagt, dass wir ein Absolutes weder positiv noch auch negativ bestimmen können: denn das würde heissen: etwas Undenkbares durch Denkbarkeiten zu bestimmen versuchen. (Welt- begriff, S. 129 ff.) — Die Umgebungsbestandtheile habe ich so, wie ich sie vorfinde, zu beschreiben: also auch als farbig, tönend u. s. w., wenngleich zuzugeben ist, dass diese Eigen- schaften der Dinge nicht so geeignet zu einer interindividuell (allmenschlich) gültigen Beschreibung derselben sind, wie etwa die Schwingungen der Luft u.s. w. Aber ikrSeinswerth ist ein genau so grosser, wie der letzterer. Und keineswegs sind etwa zwar die Schwingungen ein Seiendes, aber die durch sie „erwirkten" Töne u. s. w. ein Schein! Vielmehr ist unbedingt daran festzuhalten, dass Schwingungen und Töne (Farben) in gleicher Weise ein Seiendes, in gleicher Weise Eigenschaften der Umgebungsbestandtheile sind. Was übrigens den Begriff des Seins anbetrifft, so bedeutet er, soweit er das Seiende des gewöhnlichen philosophischen Sprachgebrauches anbetrifft (er hat aber strenggenommen eine andere, später anzumerkende Be- deutung), vom Av. 'sehen Standpunkte aus: Gegenglicd einer Principialcoordination sein; d. h. : es giebt nur ein relatives, aber kein absolutes Sein. 8. Die widerspruchsvollen („gefälschten") Weltbegriffe sind auf „Introjection" (Einlegung) zurückzuführen. Hierunter versteht Av. jenes der unbefangenen Erfahrung widersprechende Verhalten, durch das die eine Thatsache, nämlich die wahrgenommenen Sachen, in zwei gespalten werden, in Sache und Wahrnehmung. Die Sachen hatte ich „vor mir" wahrgenommen. Nun aber wird aus dem „vor mir" ein „in mir", aus dem Vorgefundenen ein Vorgestelltes, aus der Sache eine Empfindung, (Wahr- nehmung) oder Vorstellung. Sache und Wahrnehmung, (Vorstellung), treten nun auseinander und gegeneinander. Und zu den Wahrnehmungen im „Innern" des Menschen wird auch ein Träger derselben (Seele, Geist, Bewusstsein) in den Menschen hineingelegt. Die unbefangene Erfahrung hatte uns nichts derartiges gezeigt. — Diese Hineinlegung (Introjection) der Wahrnehmung in den Menschen ist von den weittragendsten Folgen : es entsteht der Gegensatz von Innenwelt und Aussenwelt, es erwächst der Glaube an Seelen, Geister, Götter, es bilden sich die idealistisch- subjeetivistischen Weltanschauungen, die in den durch In- trojection in den Menschen hineingelegten Wahrnehmungen das einzige unmittelbar sichere Sein, dagegen in den Um- gebungsbestandtheilen mindestens ein geringeres Sein, weiterhin aber nur einen Schein erblicken. Auch die neue Erkenntnissart, das Erschliessen mittelst des „reinen Denkens", stellt sich hier ein. U. a. m. Die Beseitigung der Introjection würde auch zur Be- seitigung des Idealismus, wie überhaupt der widerspruchs- vollen Weltbegriffe führen 9. Letztes Ziel der Entwickelung*) ist die Erreichung von stabilen Verhältnissen, von Dauerzuständen, die für die Erhaltung die denkbar günstigsten sind. Dieser Gesichtspunkt gilt für die theoretische, wie für die praktische Philosophie. Wir suchen einerseits Dauer- zustände auf theoretischem Wege zu erreichen: dies sind die („ewigen") Wahrheiten; wir suchen andererseits Dauer- zustände auf praktischem Gebiete zu erreichen: durch Bildung sozialer Verbände (Congregalsysteme), deren ein- zelne Systeme hierdurch die denkbar günstigsten Erhaltungs- bedingungen erlangen. — Ein Fortschritt in der Rich- tung auf das letzte Ziel der Entwickelung findet unbedingt statt, und, sofern keine Störungen von anderen Welt- systemen aus erfolgen, wird auch höchstwahrscheinlich einst jenes Ziel erreicht werden. 10. Zu den Co n Sequenzen der angeführten Lehren Av.'s gehören einerseits die Beseitigung der Metaphysik und Speculation, die Beseitigung der sog. Welträthsel (es giebt nur lösbare Weltprobleme!) und andererseits in prak- tischer Hinsicht Beseitigung der Unduldsamkeit und ein gut begründeter Optimismus. — Gute Fingerzeige findet der Naturforscher überhaupt, wie im Besonderen der Psychologe, der Aesthetiker, der Logiker, der Sprach- forscher (für eine Theorie des Wesens der Sprache), ferner auch der Politiker, der Jurist, der Pädagoge, u. s. w., u. s. w. — Die ganze geschichtliche Betrachtung, insbeson- dere der Entwickelung der Philosophie, würde eine andere werden: die einzelnen Systeme würden als Stufen in der sich stetig vollziehenden Annäherung an den idealen Dauer- zustand anzusehen sein! Diesen Standpunkt bewahrt Av. auch gegenüber seinem eigenen Systeme, das er natürlich nicht etwa für den Gipfel der Vollkommenheit, sondern durchaus für weiter vervollkommnuugsfähig hält. — Dies also wären die Hauptpunkte der Av. 'sehen Philo- sophie, deren nähere Ausführung, Begründung und Be- leuchtung die Aufgabe weiterer Aufsätze sein soll. ax. *) Ueber den Begriff der Entwickelung wird die „Naturw. Wochenschr." demnächst aus der Feder des Herrn Dr. J. Petzoldt einen Aufsatz bringen. — Bed. Weitere Mittbeilungen über die seit 1878 durch Ch. Darwin bekannt gewordene Verbreitung von Muscheln durch Wirbelthiere verdanken wir Jules de Guerne. Dissemiuation des Pelecypodes d'eau douce par les Ver- tebres. (Soc. Biol. Paris T. 5, 1893. S. 625). Sphaerimn corneum L. wurde festgeklemmt an einer Zehe sowohl einer Kröte als auch einer Bekassine in England ge- funden. Sphaerimn ist ovovivipar, kann seine Muskeln lange contrahirt halten und trotzt geraume Zeit der Aus- trockinnu ('. M. Buteo ferox in der Rbeinprovinz erlegt. — Am 5. October dieses Jahres, schreibt Robert Lenssen in den Ornithol. Monatsber. (Red. A. Reicheuow), empfing ich von dem fürstl. Salm Krautheimschen Förster W. Cba- teau in Hackenbroich bei Dormagen (zwischen Düsseldorf und Köln) ein Packet mit der Angabe: „Theilen Sie mir bitte mit, ob der Vogel der Mühe des Versendens werth war." Zu meinem Erstaunen fand ich ein junges Männchen von B. ferox vor, welche Art meines Wissens bisher in Deutschland noch nicht erbeutet wurde. Umgehend erbat ich mir nähere Auskunft über die Erlegung des Vogels und erfuhr, dass derselbe bereits seit Aufgang der Hühnerjagd in dem betr. Reviere beobachtet worden sei. Der 15jährige Sohn des Försters hätte ihn Abends auf dem Anstände in einem kleinen Felsgebölz angeschossen und am nächsten Morgen erst gefunden. DieMaasse des Adlerbussards sind folgende: Totallänge 62 cm, Breite 142 cm, Schwanz überragt die Flügel um 4 cm, Schwanz 25 cm, Flügel vom Bug bis zur Spitze 46 cm. Iris hochgelb mit einem Stich ins Braune 14 mm Durchmesser; Sehnabel grauschwarz; Wachshaut grün- gelb; Fnss gelb; Krallen tiefschwarz. Im Magen fand ich 4 Feldmäuse i A. arvalis) unver- sehrt vor. Das Gefieder ist auf Kopf, Hals und Brust gelblich- weiss mit ganz feinen braunen Schaftstrichen. Nach dem Bauche zu sind die Schaftstriche viel breiter und mehr rostroth. Hosen rostrotlibraun mit ganz dunklen sehr feinen Schaftstrichen. Rücken rostgelb, jede Feder mit Nr. 1. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. sehr breiten braunen Schaftflecken und breit rostgelb ge- kantet (ähnlich wie bei Milvus regalis), Schwingen grau- braun. Obere Schwanzdeckfedern rostfarbig', untere gelb- lichweiss. Schwanz schmutzig graubraun, nur am Ende der äusseren Steuerfeder eine Spur von Querbinden, im Gegensatz zu Riesenthal's Angabe: „zahlreiche braune Querbinden", aber alle Federn dem Schafte entlang sehmal dunkelbraun gefleckt. Auf der Unterseite nur grauweiss. Ich stopfte den Vogel für meine Sammlung aus. Sollte Buteo ferox hier gebrütet haben? Es ist dies fast wahrscheinlicher, als dass der junge Vogel sieh von Russ- land aus bereits Ende August hierher verflogen haben sollte: und wenn dies der Fall wäre, sollte ein so wander- lustiger Gesell ca. 5 Wochen lang in demselben Reviere geblieben sein'.-1 Die Herkunft der Ameisensäure im Honig ist Gegenstand eines Vortrags von A. v. Planta in der Naturforschenden Gesellschaft Graubündens (Sitzungsber. 1893. S. 65) gewesen. Nach diesem Autor kann die Säure nicht von aussen, etwa im Neetar, dem Honig zugeführt werden. Denn, wenn man Honig von Bienen untersucht, die noch nicht ausgeflogen und mit reiner Zuckerlösung gefüttert waren, so enthält auch dieser in den verdeckelten Zellen unzweifelhaft, in den unverdeckelten nicht so deut- lich nachweisbar Ameisensaure. -- Die Bienen im Stocke geben durch bald willkürliehe, bald unwillkürliche Ent- leerung der Giftdrüsen immer etwas Säure ab, die alsbald verdunstet. Da nun Zuekerlösungen aus der Luft Ameisen- säure zu absorbiren vermögen, so böte sieh in diesem Zu- sammenhange eine einfache Erklärung des Problems, wenn nicht der Säuregehalt der Luft des Stockes ein viel zu geringer wäre. Zur Desinfection ist er allerdings aus- reichend und sehr zweckmässig. - - Es bleibt nach dem Gesagten nur die Annahme übrig, dass die Säure den Bienen selbst entstammt; jedoch auch nicht in der Weise, wie Müllenhof sieh dies vorstellt. Dieser sagte (Eich- städter Bienenzeilung 1884, No. 6): „Ist die Zelle unge- fähr gefüllt, so wird, wenn der Honig nicht für den augen- blicklichen Gebrauch bestimmt ist, ein Tropfen von dem Secret der Giftdrüse hinzugefügt, sodann wird die Zelle, nach Auftragen von reinem Wachse auf die Prismenseite und darauf folgendes Zusammenbiegen dieser Zellenränder zunächst halb geschlossen, alsdann wird die Zelle gefüllt und schliesslich durch Vervollständigung des Zellendeekels ringsum geschlossen. Dieser hermetische Abschluss be- wirkt, dass der Honig vor Verdunstung geschützt ist." Dieser Auffassung kann nun nach Planta die Wirklichkeit nicht entsprechen. Denn wenn man in möglichst getreuer Nachahmung derselben soviel Arbeiterzellen, wie zu 100 gr. Honig gehören, mit je einem Tropfen Ameisensäure von der ungefähren Concentration der Bienensäure im Gift- stachel beschickt, so ergiebt sich ein den natürlichen um das Zweihundertfache übersteigender Gehalt des Honigs au Ameisensäure. Seh. Mit der tinktionellen Unterscheidung verschiedener Kernbestaiidtheile und der Sexualkerne bei Pflanzen hat sich F. Rosen (Cohn's Zeitschr. zur Biol. der Pfl.) beschäftigt. Leopold Auerbach zeigte in seiner „Zur Kenntniss der thierisehen Zellen" betitelten Abhandlung ivergl. „Naturw. Wochenschr. VI. S. 425), dass in den ruhenden, d. h. nicht in mitotischer Vermehrung begriffenen Zell- kernen der Amphibien sich zweierlei Nucleolen unter- scheiden lassen, welche er als „erythrophile" und „kyano- phile" bezeichnete. Diese Benennung bezieht sich darauf, dass die zweierlei Nucleolen neben anderen Unterschieden bei Doppelfärbungen eine tinktionelle Differenz zeigen, derart, dass, wenn ihnen gleichzeitig oder nacheinander ein rother und ein blauer Farbstoff geboten wird, gewisse Nucleolen sich roth, andere sieh blau färben. Rosen kommt nun nach seinen Untersuchungen an Pflanzen zu dem Resultat: In den vegetativen Kernen von Scilla sibirica lassen sich zweierlei Kernkörperehen unterscheiden, von welchen die einen erythrophil sind (Eunucleolen), die anderen kya nophil (Pseudonucleolen). Diese letzeren gehören zu dem chromatischen Gerüst des Kernes oder vertreten dasselbe. Das chromatische Kerngerüst, sowie seine Producte, der Kernfaden und die „ Trennungsfäden ", sind kyanophil; die (Eu-) Nucleolen, die Spindel- und Verbindungsfäden, sowie die Zellplatte sind erythrophil; ebenso das Cyto- plasma. Der generative Kern des Pollenkorns ist kyanophil, wie die Spermatozoenköpfe bei den Wirbelthieren; er ist auch im Bau sehr verschieden von dem sogenannten vegetativen Kern des Pollenkorns, welcher erythrophil ist. Der Eikern, sowie alle Kerne im Embryosack sind erythrophil. Die Erythrophilie macht sich schon an dem Kern der Embryosack-Mutterzellc deutlich kenntlich. Es besteht in Bezug auf die Chromatophilie eine vollkommene Uebereinstimmung zwischen den Sexualkernen der untersuchten Liliaceen und denen der von L. Auer- bach studirten Wirbelthiere. Dr. Oskar Baumann's letzte grosse Reise „Durch Deutsch-Massailand und zur Quelle des Kagera-Nil". (Nach seinem am 24. November in der Geographischen Gesellschaft zu Jena gehalteneu Vortrag, *'mitgetheilt von Prof. Fr. Regel.) — Auf die grosse Bedeutung der letzten und grössten Reise des verdienten Geographen und Topo- graphen wurde in diesen Blättern bereits ganz kurz hin- gewiesen (vgl. „Naturw. Wochenschr." No. 14). Dr. Bau- mann hat inzwischen die Originalkarte seiner über 4000 km umfassenden Routenaufnahmen bei Justus Perthes in Gotha eingereicht; Dr. Bruno Hassenstein leitet die Herausgabe und ist namentlich bemüht, alles erreichbare Material für diese grosse Karte zu verwerthen, welche einem Er- gänzungsheft zu Petermann's Mittheilungen und etwa gleich- zeitig dem bei Dietrich Reimer erscheinenden Reisewerk Baumann's beigegeben werden soll. Namentlich stehen für dieselbe werthvolle Aufnahmen und Positionsbestim- mungen zur Verfügung, welche Capitän Spring in Bruch- sal im Süden und Südsüdosten des Victoriasees unlängst ausgeführt hat. Durch seine und Baumann's Arbeiten sind nunmehr endlich zuverlässige Grundlagen ge- schaffen, um auch ältere Reisen, wie z. B. diejenige von Dr. Fischer (1883), genauer kartographisch fixiren zu können. Bei der hervorragenden Bedeutung von Bau- mann's Reise für die Kenntniss des Massailandes, der Gebiete im Ostendes Victoriasees, und vor allem für die end- giltige Lösung des Nilquellenproblems gehen wir hier auf dieselbe etwas näher ein. (Bei dem kürzlich in Jena ge- haltenen Vortrage waren zum ersten Male öffentlich nach der Originalkarte Baumann's die kartographischen Ergeb- nisse von ihm und Dr. Hassenstein auf die von der Deutsehen Kolonialgesellschaft herausgegebene Karte von Ostafrika dargestellt. Wir können hier jedoch auf die vorläufige Skizze hinweisen, welche in den Verb. d. Ges. für Erdkunde zu Berlin, 1893, No. 5, veröffentlicht ist. Der dort niedergelegte Bericht ist für das Folgende mit verwerthet worden.) I. Die Anregung zu Baumann's Expedition ging aus von der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, zur Durch- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 1 führung wurde sie jedoch gebracht vom Deutschen Anti- sklaverei-Comite. Der Auftrag lautete auf Erforschung der deutschen Massai-Gebiete, jener wenig bekannten Landstriche zwischen den Küstengebirgen und Dnyamwesi, und auf Gewinnung einer möglichst directen Route nach dem Victoriasee. Baumann verliess Europa im Oktober 1891, warb auf Grund seiner zahlreichen Verbindungen von früheren Reisen in Ostafrika, ohne Vermittelung von Zwischen- händlern, rasch die erforderliche Anzahl von 200 Mann (60 Soldaten und 14<) Trägern) an und war am lf>. Januar 1892 in Tanga marschbereit. Zunächst zog die Expedition längst des Nordfusses von Usambara nach Kisuani im Pare-Gebirge; den niedrigen Sattel zwischen Mittel- und Nord-Pare übersteigend, gelangte sie nach Uriter-Arusha, von wo der Maisch in die Massai-Stcppc beginnen sollte. B. hatte sich bereits auf der Herreise möglichst mit Proviant, besonders Getreide und Hülsenfrüchten versorgt, welcher nunmehr in Säcken auf kräftige Lastescl verpackt wurde. Hierzu nöthigten die eigentümlichen Verhältnisse im Massailande: die Massai, ausschliesslich Vieh-Nomaden, haben durch eine in ganz Ostafrika auftretende Rinder- seuche fast ihren ganzen Viehstand verloren und sind daher, nur von Fleischnahrung lebend, von einer furcht- baren Hungersnoth heimgesucht, sie verlassen vielfach die weiten von ihnen durchstreiften Gebiete und siedeln sich an den Rändern der Steppe an, auf das Almosen der ackerbautreibenden Stämme angewiesen, oder sie stellen mit den flüchtigen Waudorobbo gemeinsam dem Wild nach. Durchziehende Karawanen treffen daher ent- weder gar keine Massai, oder sie werden von Ver- hungernden, meist Weibern und Kindern verfolgt, welche selbst Hilfe suchen und natürlich keinen Proviant ge- währen können. Am 18. Februar begann die Durchquerung der Steppe; bereits am folgenden Tage wurde der Rand des Massaiplateaus erreicht, welches hier allmählich ansteigt. Aus der buschbedeckten Landschaft erheben sich insel- artig die kristallinischen Bergkuppen. Jede Spur eines Weges fehlt: das frühzeitige Einsetzen der Regenzeit hatte die Ebene stellenweise in einen schwer zu passireu- den Sumpf umgewandelt. Nur einige flüchtige Waudorobbo und sehr wenige, zu Skeletten abgemagerte Massai wurden auf dem 13tägigen Marsche bemerkt. Am 2. April wurde die Landschaft Umbugwe er- reicht : ihr Dorfgebiet dehnt sich mit den niedrigen, kaum über einen Meter hohen, flachen Temben von 20 — 30 qm in völlig baumloser Ebene aus. Jenseit der letzteren er- hebt sich ein 400 — 600 m hoher, nordsüdlich verlaufen- der Steilabfall, der Rand des grossen ostafiikanischen Grabens, welcher eine der merkwürdigsten Terrain- bildungen Afrikas darstellt. Die Eingeborenen von Umbugwe sprechen zwar Bantu, haben jedoch höchst- wahrscheinlich nördliche (hamitischc oder nilotische) Bei- mischungen; sie sind ein schöner kräftiger Menschenschlag, mit welchem die Expedition in Folge Verweigerung des Mahongo (Weggeldes) heftige Kämpfe zu bestehen hatte; bei denselben wurden jedoch über 200 Rinder erbeutet. Ein Jahr später waren sie aus Feinden gute Freunde geworden. Den breiten, wasserreichen Kwoufluss überschreitend, erreichte B. das Südende des Manyara- Sees und ver- folgte 4 Tagereisen lang sein Westufer: der See ist ein Salzbecken, dessen Wasser ganz ungeniessbar ist. Das Ostufer ist flach und wüstenhaft; hinter dem mit üppiger Vegetation bedeckten Westufer erhebt sich der krystalli- nische Steilabfall, dem zahlreiche Bäche entströmen. Im Norden des Manyara begann nach Passirung einer öden Kalkregion die mühsame Ersteigung des hier voll- kommen basaltischen Plateau- Abfalls. Auf der Höhe breitete sich ein leicht gewelltes, von vielen Rächen durchzogenes, theils grasiges, theils dicht mit hoch- stämmigem Bergwald bestandenes Land aus, das Plateau von Mutiek Heber den Kessel des Ngorongoro- Secs gelangte die Karawane zum Nairobi-Plateau, einem Hochland von 2000 m Höhe. Hier war es so kühl, dass Nachts Temperaturen von 5° C. vorkamen. Kalte Winde, eine zarte Grasvegetation und knorrige, flechten- bedeckte Bäume erinnern hier an die Alpen. Die hier lebenden Stämme waren nicht so von der Viehseuche betroffen. Die Massai leben ausschliesslich von Fleisch und Milch. Ehe sie letztere gemessen dürfen, nehmen sie ein Brechmittel. Mit einem eigenartig geformten Speer lassen sie den Rindern zur Ader, saugen Blut und unter- binden dann geschickt die Wunde. Die Träger waren von der ihnen ungewohnten, an- dauernden Fleischnahrung zum Theil erkrankt, so dass B. nach dem Victoriasee weiter eilen musste. Am 23. März gelangte er plötzlich und völlig unerwartet an das Nord- ende einer ungeheuren Spalte, welche von einem grossen See erfüllt war, dessen blauer Spiegel wohl 1000 m unter dem Reisenden lag, dessen Südende am Horizont ver- schwamm; die Massai nennen den bis jetzt gänzlich un- bekannten See den Ei'assi. Am nächsten Tage wurde in steilem Abstieg das Seeufer erreicht; das Wasser erwies sich ebenfalls durch Salz ganz ungeniessbar. Auf das Plateau zurückgekehrt, wurde der Marsch nach NW. fortgesetzt: Das Land senkt sich hier zu der weiten baumlosen Serengeti-Ebene ab, aus welcher einzelne Granitkuppen emporragen. Ein starker, wohlgenährter Waudorobbo -Stamm durchstreift dieselbe. Am 31. März wurde der Oberlauf der Simiyu überschritten, am 2. April das bewohnte Gebiet von Ikoma erreicht, welches die ackerbautreibenden Was- hashi bevölkern; ihre Sprache ist nächstverwandt mit jener von Usindja und Ussui (nach Dr. Stuhlmann identisch mit Unyoro), Am 12. April wurde endlich Katoto am Speke-Golf des Viktoria -Nyansa erreicht, woselbst B. seinen ermüdeten Leuten eine längere Er- holung gönnte, weil hier vegetabilische Lebensmittel in Fülle zu haben waren. Er selbst unternahm mit Com- pagnieführer Langheld einen Ausflug über den herr- lichen, von Granitufern und üppiger Vegetation einge- säumten See nach der deutschen Station Mwansa. II. Am 6. Mai brach B. von Katoto auf zur Er- forschung der Gebiete östlich vom Viktoria- Nyansa. Nach Ueberschreitung des schmalen Rugedzi- Canales gelangte er nach der waldreichen, starkbewohnten Ukerewe-Insel. Von hier aus wurde die Insel Ukara besucht, deren grosse, sehr tiefstehende Neger ihm kriegerisch begegneten. Ueber die Grantbei nach Nagita übersetzend, fand B. hier eine tiefe, fjordartig landein- wärts sieh ziehende Bucht von vielen hohen und be- wohnten Inseln durchsetzt, welche fast dem Speke-Golf gleichkommt. Er gebrauchte 6 Tage, um diese Bucht (welche seinen Namen führen wird) zu umgehen. Gegen- über den Kunisu-Inseln gelangte er wieder an den offenen Nyansa. In den folgenden Tagen waren blutige, aber glück- liche Gefechte mit den Waruri und Wogaya zu be- stehen, ehe sie nach den von den Washashi bewohnten Gebieten gelangten. Letztere sind bergig, die Dörfer liegen malerisch zwischen Granitblöcken. In Ngoroi'ne tritt vulkanisches Gestein auf; hier beginnt bereits der Westrand der Massai-Steppe. Im N. fliesst der Ngare- dabash vorbei, welcher sich mit dem Mora identisch Nr. 1. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 9 erwies. Im S. wurden nun die offenen, grasigen Land- schaften Nata — hier entspringt der Ruvanafluss — , Ikoina und das nördliche Usukuma durchzogen. Die Wasukuma sind bereits Wanyamwesi, gehen fast unbe- kleidet, sprechen jedoch vielfach Swahili und haben gute Felder. Nach Uebersehreitung des Simiyuflusses wurde Meatu, der äusserst« Vorposten der Wasukuma gegen die Steppe erreicht; hier besitzen einige Elefantenjäger von der Küste ein befestigtes Lager. Ein viertägiger Vorstoss in die Steppe führte B. bis zu dem öden, vege- tatiousleeren Nyarasa- (Wemberre-) Graben, der südlichen Fortsetzung des Ei'assi - Sees. Diese Ebene durchströmt der salzige Simbiti, welcher in den E'iassi mündet. Nach Meatu zurückgekehrt, marschirte B. sodann nach Mwansa am Beikumbi-Golf des Viktoriasees. III. Die Expedition war so vorzüglich im Gang, dass B. seiner Instruction zuwider sieh nunmehr speciell dem Nil quellen prob lern zuwandte. Speke hatte wohl die uralte Frage in der Hauptsache gelöst, indem er den Zusammenhang mit den beiden grossen Seebcckeu nach- wies und auch bereits den Kagera als den bedeutendsten Zufluss des- riesigen Viktoriasees bezeichnete. Stanley hatte den von ihm „Alexandra-Nilu genannten Kagera viele Tagereisen weit vorfolgt, aber noch war der auf dem Quellgebiet liegende Schleier zu lüften. Baumann gelang es, die Quellen des Kagera-Nils zu finden und damit die Nilquellenfrage zu lösen! Am 8. August übersetzte er den Bakumbi-Golf und betrat nun die bananenreiche, von schmiedekundiger Be- völkerung bewohnte Landschaft Usindja. Am 21. August wurden die papyrusreichen Ufer des Viktoria-Nyansa ver- lassen, es begann der Vormarsch nach Westen, zunächst in die Landschaft Ussui; sie ist ziemlich dicht bewohnt, das echte Bild eines afrikanischen Despoteustaates, dessen Oberhaupt Kassusura nicht nur über Leben und Tod seiner zahlreichen Untergebenen verfügt, sondern auch alleiniger Grundbesitzer des weiten Gebietes ist. Vermag der Reisende sich mit ihm gut zu stellen, so stehen ihm die sämmtlichen reichen Hilfsquellen des Landes zur Verfügung. Baumann wurde hier die glänzendste Gast- freundschaft gewährt: Boten eilten seiner Expedition voran; sobald er das Lager bezog, waren schon Vorräthe für ihn angekauft, welche ihm Kassusura spendete. — Das westliche Ussui steht unter Yavigamba. Am 5. September wurde der hier tief eingeschnittene Kagera- Nil — hier Ruvuvu genannt — erreicht, welcher seine braunen Wogen zwischen steilen, von Vegetation um- rankten Granitfelsen nach Norden wälzt. Er bildet die Grenze gegen Urundi. Letzteres ist ein bislang gänz- lich abgeschlossenes Bergland mit vielfach steilen, grasigen Hängen, au denen die zahlreichen Dörfer mit Bananen- hainen und Gruppen jener glänzendblättrigen Bäume zerstreut sind, aus denen das Rindenzeug gewonnen wird. Hier sieht man kein einziges europäisches Er- zeugniss mehr, sondern nur Producte einheimischer In- dustrie. Hier erwartete die Bevölkerung in grossen Schaaren den von Norden kommenden Reisenden mit einer ihm natürlich zunächst ganz unverständlichen Be- geisterung: sie führten ihm zu Ehren Tänze auf, die Weiber breiteten zu seinem Empfang die Arme aus, die alten Leute streuten Gras auf den Weg, Tausende von Eingeborenen begleiteten schliesslich unablässig die Ex- pedition. Endlich wurde durch einen Dolmetscher diese seltsame Begeisterung, welche natürlich bald sehr lästig wurde und nur mit Aufbietung aller Kräfte dem Reise- führer die ununterbrochene Fortführung der topogra- phischen Arbeiten gestattete, aufgeklärt: die Warundi waren von einem hellfarbigen (haniitischen) Königs- geschlecht Jahrhunderte hindurch regiert worden, dessen letzter Sprosse noch leben und einst von Norden in ihr Land kommen sollte. In Baumanu glaubten nun die Warundi den ersehnten Abkömmling der Mwesi Monde) glücklich gefunden zu haben! Die Ueberzeugung, dass seine Berechnung sie von dem lästigen Ungeziefer, dem Sandflohe, befreien würde, veranlasste ein fortwährendes, ungestümes Hindrängen nach der Person des Reiseführers, welches auch durch energisches Zurückweisen nicht ab- gestellt werden konnte. Am 11. September übersetzte die Expedition in Cauoes den breiten papyrusreichen Akanyarifluss, welcher hier mehr einem Sumpfe gleicht, und machte einen Vorstoss nach Ruanda, dessen Bewohner von Watusi beherrschte Warundi sind; alle stehen unter dem grossen Despoten Kigere. Die Warundi wollten die Rückkehr nach Urundi nicht ohne Erlaubnis» Kigeres gestatten, welcher weit entfernt am Mfumbiro residiren soll. Letzteren aufzusuchen, lag jedoch nicht in Baumann's Absicht, vielmehr setzte er abermals über den Akanyari und betrat wieder das merkwürdige Urundi, hier ein hohes, grasiges Plateauland, welches gegen ein hohes Waldgebirge ansteigt. An der Grenze fand ein naiver Angriff von 15 Kriegern statt, welche die Rückkehr nach Urundi verhindern wollten und von der Wirkung der 200 Gewehre und zugehörigen Munition, über welche die Expedition verfügte, gar keine Vorstellung hatten. Ein Luftschuss genügte, um sie in die wildeste Flucht zu jagen. Am 18. September erreichte B. wieder den Kagera, hier nur noch ein klarer, rasch fliessender Bach und ver- folgte ihn bis dahin, wo er in einer engen Schlucht des Waldgebirges seinen Ursprung nimmt. Diese Quelle des Nil (Kagera-Nil) betrachten die Eingeborenen mit aber- gläubischer Scheu. Sie begruben hier ihre verstorbe- nen Könige, die Mwesi (Monde) und nennen das Ge- birgeMisosiya, BergederMwesi, Mondberge. Vonder Nähe des riesigen Tanganikasees hatten jedoch die Einge- borenen selbst keine Ahnung, da sie ihr Land nie verlassen; es gewährte daher dem Reisenden, welcher über dieselbe natürlich unterrichtet war, eine hohe Befriedigung, als ei- sernen Leuten in den nächsten Tagen nach Uebersteigung der au 3000 m hohen, theils bewaldeten, theils mit Bambus bedeckten Bergkette in der Feine den schimmern- den Spiegel des Tanganika zeigen konnte. Die Berge fallen nach Westen gegen den breiten Graben ab, den der Rusitsi durchströmt und der im Süden vom Tanganika erfüllt ist. Am 25. September wurde bei Usige das Nordufer erreicht. Mit seiner mächtigen Brandung, seiuen von Oel- palmen umsäumten Ufern und den steilen Randbergen von Urundi einerseits und Ushi andererseits gewährt derselbe einen ungemein grossartigen Anblick. IV. Der Rückmarsch zur Ostküste erfolgte ebenfalls auf theilweise ganz neuer Route; vom Tanganika wurde zunächst wiederum die Höhe des Urundi -Plateaus ge- wonnen, welches hier grasig und von den südlichsten Kagera-Zuflüsseu durchströmt wird. Die Watusi fürchteten Sklavenraub und traten daher ohne Anlass der Expedition von vorneherein kriegerisch entgegen; es waren daher verschiedene Gefechte zu bestehen. Dann gelangte B. in das Gebiet des Mlagarasi, welches von der waldreichen Landschaft Uha eingenommen wird. Die Waha sind den Warundi nahe verwandt. Am 25. Oktober wurde Ki- rambo und damit das westliche Unyamwesi mit schönen Dörfern und Feldern, mit freundlichen gewerbthätigen 10 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 1 Bewohnern, welche weite Reisen bis Ungoro und bis zur Küste unternehmen, erreicht. Einige Tage wurden in der gastlichen Mission Urambo zugebracht, wo Mr. Schaw nun schon 10 Jahre lang abgeschlossen lebt, aber keine Bekehrungserfolge aufzuweisen hat, da die Wanyamwesi wohl alle möglichen Kulturverbesserungen gern annehmen, in religiöser Be- ziehung aber indifferent sind, ganz anders wie die Wa- ganda, welche mit Eifer für eine bestimmte christliche Konfession Partei ergreifen und Andersgläubige fanatisch bekämpfen. Am 7. November wurde Tabora erreicht, welches mit seinen staubigen Plätzen und vernachlässigten arabi- schen Temben die Spuren des Verfalls zeigt, lieber Uyui weiterziehend, erreichte B. durch ein wasserarmes Granit- gebiet vordringend Tambarale (Mwana Tombolos). Der Häuptling hatte von Sicke in Tabora die Weisung, den nächsten Europäer niederzumachen, wobei es auf eine von der Küste erwartete Munitions- Kolonne abgesehen war. Der Befehl wurde ohne Rücksicht darauf, dass B. von einer anderen Richtung anlangte, wörtlich genommen und so war ein ernstlicher Zusammenstoss unvermeidlich. In- folge der guten Bewaffnung der Gegner führte gleich der erste Versuch, den Ort zu nehmen, zu erheblichen Ver- lusten, so dass erst am Abend eine regelrechte Beschickung des Platzes erfolgte. Der AViderstand Hess erst um 2 Uhr Nachts nach und es konnte gegen Morgen zum erfolg- reichen Sturmangriff geschritten werden. B. erhielt selbst eine schwere Verwundung am Oberarm und musste sich im Süden von Usongo Erholung gönnen. Als die Heilung der Wunde halbwegs fortgeschritten war, brach er durch die hier schmale Wainbere-Steppe nach Usure, dem öst- lichsten Platze von Unyamwesi auf. Von dort gelangte er nach dem sandigen Turuplateau, welches sehr niedrig- stehende, nackte Eingeborene bewohnen. Am 20. Dezember war wiederum der Steilabfall des grossen Grabens erreicht. Von Uuyangauyi, einer An- siedlung in der Sohle desselben, unternahm er sodann einen Ausflug nach Usandari, deren merkwürdige Be- wohner Schnalzlaute gebrauchen. In der Araberkolonie in Irangi fand B. Ende Dezember eine sehr gastliche Aufnahme. Im Norden von Irangi liegt die Plateau-Land- schaft Uassi, deren boshafte, in Temben hausende Be- völkerung eine eigenartige Sprache hat, welche weder dem Bantu noch dem nilotischen Komplex augehört. Durch schönes Waldland wurde der Altfall des Uassi- Plateaus gegen den grossen Graben erreicht, dessen Sohle hier der schöne Maitsimba-See einnimmt; an seinen Ufern liegt die Landschaft Ufiomi; die Ein- geborenen kleiden sich in Leder und legen in ihren Hütten unterirdische Schlupfwinkel an, in welchen sie im Kriegs- fall ihre Weiber und ihr Kleinvieh verbergen; es sind dies lange, dachsbauartige Gänge mit Erweiterungen, welche durch je einen Luftschacht mit der Oberwelt in Ver- bindung stehen. Auch jetzt war Alles in diese Kessel geflüchtet; durch Freilegung einiger Luftschacbte konnte mau erst das weibliehe Geschlecht dieser Gegend zu Ge- sicht bekommen. Im Januar 1893 fand B., diesmal in Umbugwe, freundliche Aufnahme. Er unternahm von hier "einen Ausflug auf das Iraku-Plateau; die Bewohner gehören theils den Wataturu, theils den Wairaku an. Letztere sind dadurch merkwürdig, dass sie ganz in unterirdischen Räumen wohnen, welche sie in die Lehmwände ein- schneiden; sie treiben neben Viehzucht auch Ackerbau und sind von gutmütigem Charakter. An einem Basalt- kegel von über 3000 m, dem Gurui- Berge, vorüber erfolgte der Rückmarsch durch Mangati mit dem kleinen Salzsee Balangata nach Umbugwe. In Eilmärschen wurde Anfang Februar die Massai-Steppe passirt, am 15. wurde Unguru und am 21. Februar Pangani an der Ostküste erreicht. Weitere Mittheilungen über Gonoskopiu von T. und H. Smith & Co. (Pharm. Jouru. and Trans. 52, 794.) — Das Gnoskopin hat sich durch die Untersuchung reinen Materials als C22H23N07, also isomer mit Xarcotin, er- wiesen. Von diesem unterscheidet es sich durch den um 50° höheren Schmelzpunkt (228°), ferner durch die weit geringere Löslichkeit in kochendem Alkohol, aus welchem es sich beim Erkalten fast vollständig in Form langer Nadeln abscheidet, und durch die Krystallisationsart des Chlorhydrats; dieses scheidet sich aus schwach ange- säuerter wässeriger Lösung in flachen, farblosen, glas- glänzenden Prismen aus, während das Salz des Narcotins unter gleichen Umständen harte Krusten, aus weissen, nadeiförmigen Krystallen bestehend, bildet. Das Gnoskopiu- chlorhydrat, C22H2SNO, • HCl 4- 3 H2( >, verliert sein Krystall- wasser beim Stehen an der Luft; bei 120° schwellen die Krystalle auf, und es hinterbleibt die freie Base als schwammige Masse. Mit Schwefelsäure und Salpetersäure giebt Gnoskopin dieselben Reactionen wie Narcotin, mit Braunstein und Schwefelsäure dieselben Oxydations-Pro- duete. — Narcotin kauu durch Erhitzen mit Eis-Essig im geschlossenen Rohre auf 130° theilweise in Gnoskopin verwandelt werden. Sp. Zur Chemie im Raum haben, wie wir dem Journal of Chemical Society entnehmen, die Herren Punlie und Walker einen sehr bemerkenswerthen Beitrag geliefert, van't HofT hat bekanntlich festgestellt, dass in jeder op- tisch activen Substanz ein sog. asymmetrisches Kohlen- stoffatom vorhanden sein muss, d. h. ein solches, bei welchem die vier Valenzen in verschiedener Weise, durch verschiedene Elemente oder Radikale, abgesättigt sind. Umgekehrt kann man von der Existenz eines solchen Kohlenstoffatoms auf die optische Activität der Substanz schliessen. Findet sich nun ein optisch inactiver Körper, welcher ein asymmetrisches Kohlenstoffatom enthält, so steht nach den Ausführungen van't lloff's zu erwarten, dass derselbe ein Gemisch zweier activen isomeren Sub- stanzen, welche sieh in ihrer Wirksamkeit gegenseitig autheben, darstellt. In seinem klassischen Werk S. 30—37 führt er des Näheren aus, wie man sich diese optische Neutralisation, oder, wie er sich ausdrückt, das Eintreten des neutralen Falls zu denken habe, andererseits bemerkt er (S. 41), wie ausserordentlich schwierig die Trennung zweier solcher in einer optisch inactiven Mischung befind- lichen mit entgegengesetztem Drehungsverniögen begabten Isomeren sei, er weist darauf hin, wie problematisch sich eine solche Aufgabe bei der vollkommenen Uebereiustim- mung des chemischen Charakters der beiden Isomeren gestaltet, und weiss nur ein Beispiel einer solchen Tren- nung, nämlich die Zerlegung der Traubensäure in die beiden activen Weinsäuren anzuführen. Um so ver- dienstlicher ist die oben erwähnte Arbeit, durch welche die Natur der optisch inactiven Milchsäure in vollkom- mener Weise aufgeklärt wird. Diese Gährungsmilchsäure CHaCHOHCO.H enthält, wie man sieht, ein asymmetrisches Koidenstotfatoin, ohne jedoch die Ebene des polarisirten Lichtstrahls abzulenken. Die Autoren sind also von der rich- tigen Ansicht ausgegangen, dass hier auch ein Complex zweier activen Isomeren vorliege, und haben diese Hypothese durch den Versuch glänzend bestätigt gefunden. Die Chemie kennt zur Scheidung derartiger Substanzen im Nr. 1. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 11 allgemeinen drei Wege, 1. fractionirte Krystallisation, 2. Darstellung der Strychnin- oder Zinkoninsalze, welclic sich durch verschiedene Eigenschaften unterscheiden, 3. die Aussaat von Schizomyceten. Purdie und Walker haben die beiden ersten Methoden in eleganter Weise coru- binirt und folgendes Verfahren eingeschlagen: Käufliche Milchsäure wurde in Wasser gelösst und aufgekocht, um das vorhandene Anhydrid — ca. 31 " ,, — in die Säure überzuführen. In eine genau berechnete Menge dieser Säure wurden 460 gr. Strychnin eingetragen, und die so erhaltene neutrale Lösung der fractionirteu Krystallisation unterworfen. Es wurden drei Portionen Krystalle erhalten, welche wieder getrennt von einander in Wasser gelöst und mit einem geringen Ucberschnss Ammoniak versetzt wurden. Die tiltrirten Lösungen wurden auf dieselbe Koncentration gebracht und gaben im 200 mm Rohr Ablenkungen von -4- 5,46, -f- 4,83, und — 1,33°. Die erste Lösung wurde mit Zinkoxyd gekocht und für sieh wieder zur fractionirteu Krystallisation stehen gelassen. Diese erste Portion erwies sich hierbei als reines Zinksalz der Linksmilchsäure und gab eine speci- fische Drehung von (a)0 = -f- 5,63. Die Drehung der Säure erfolgt in entgegengesetzter Richtung zu derjenigen ihrer Salze. Aus den Mutterlaugen wurden ebenfalls die Zinksalze gewonnen; durch successive Krystallisation wurde reines rechtsmilchsaures Zink erhalten von der speeifischen Drehung («)„ = — 5,71. Als die Autoren gleich Gewichtsmengen der beiden Zinksalze lösten und mit einander mischten, erhielten sie, wie zu erwarten stand, eine optisch inactive Flüssigkeit, welche beim Stehen Krystalle von gewöhnlichem Zinklaktat absetzte. Es ist also auf das deutlichste der Beweis erbracht worden, dass die gewöhnliche Milchsäure, welche optisch inactiv ist, aus zwei isomeren Componenten von gleich starkem, aber entgegengesetztem Drehungsvermögen be- steht. Dr. Kuh. Ueber den Zustand der Materie in der Nähe des „kritischen" Punktes hat kürzlich B. Galitzine (An- malen der Physik und Chemie, 1893, No. 11, S. 521 ff.) eine interessante Mittheilung veröffentlicht. Als „kritische" Temperatur bezeichnete man bisher diejenige Temperatur, bei welcher die Dichte einer Flüssig- keit, welche unter dem Drucke ihres gesättigten Dampfes steht, der Dampfdichte ihres gesättigten Dampfes gleich ist. Diese Temperatur stellt die untere Grenze des Zu- standes dar, für welchen eine Volumenverminderung un- bedingt eine Zunahme des Druckes erfordert. Die Bestimmung der kritischen Temperatur nahm mau nach dem Vorgange von Cagniard de la Tour gewöhn- lich in folgender Weise vor: Eine gewisse Menge Flüssig- keit wurde in einem zugeschmolzenen Röhrehen allmäh- lich erwärmt, bis die Trennungsfläche zwischen Flüssig- keit und Dampf verschwand, und der Rohrinhalt homogen erschien. Hierauf kühlte man das Rohr langsam ab, bis eine eigentümliche Nebelbildung im Rohre eintrat und der Meniskus plötzlich wieder erschien. Beide Tempera- turen sollten nicht nur, wie man stillschweigend annahm, einander gleich sein, sondern auch zugleich die kritische Temperatur des untersuchten Stoffes darstellen. Von verschiedeneu Seiten wurden jedoch auf Grund neuerer Untersuchungen Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser optischen Methode erhoben. Battelli (Ann. de Cheni. et de Phys. (6) 29, S. 400, 1893) z. B. zog aus seinen eigenen Untersuchungen den wichtigen Schluss, dass bei der kritischen Temperatur die eigentliche Ver- dampfung nicht aufhört, obgleich die Cohäsion zwischen den einzelnen FlUssigkeitstheileben schon so sehr abge- nommen hat, dass dieselben keine zusammenhängende Masse mebr bilden können, sondern sich in dem gegen überliegenden Dampfraum mehr und mehr ausbreiten müssen. Diese Verdampfung oberhalb der kritischen Temperatur ist als eine Auflösung, als eine Disso- ciation von grösseren Molecülcomplexen in klei- nere aufzufassen. Battelli glaubte sich zu dieser Annahme einer ver- schiedenen molekularen Beschaffenheit desselben Körpers im flüssigen und im gasförmigen Zustande umsomehr be- rechtigt, als dieselbe mit den neueren Thatsachen der modernen Chemie sowie auch mit den von ihm untersuchten thermischen Eigenschaften derDämpfe in Uebereinstimmung zu stehen scheint. Wenn die Sache sich wirklich so verhält, so kann ein gesättigter Dampf, der in Berührung mit der ihm entsprechenden Flüssigkeit steht, eine Anzahl Flüssig- keitsmoleküle enthalten, und seine Dichte muss, je nach der Anzahl derselben, eine veränderliche Grösse sein. Galitzine hat nun bei seinen mit gewöhnlichem Aethyl-Aether angestellten Versuchen in der That ge- funden, dass die Stelle des Meniskus im Versuchsrohr so- gar bei genau derselben Temperatur keineswegs con- stant ist, sondern sich mit der Zeit ändert. Sollte es sich auch bei anderen Flüssigkeiten herausstellen, dass die Flüssigkeit verschiedene Dichtigkeiten bei dem- selben Drucke annehmen kann, so bedürfte die gewöhn- liche Theorie des kritischen Zustandes auf jeden Fall einer Erweiterung und Vervollständigung. Galitzine fasst das Gesammtergebniss seiner Unter- suchungen in folgende Sätze zusammen: 1. Die Temperatur rc des wirklichen Erscheinens des Meniskus bei Abkühlung muss tiefer, und zwar beträcht- lich tiefer, als die wahre kritische Temperatur des Stoffes Tc liegen; folglich muss die optische Methode in ihrer gewöhnlichen Anwendung (Beobachtung der Nebel- bildung) zu unrichtigen Werthen der kritischen Temperatur führen. 2. Bei sehr langsamem und regelmässigem Abkühlen ist die vielbesprochene eigentümliche Nebelbildung keine nothwendige Bedingung der Erscheinung. 3. Die Temperatur, bei welcher der Meniskus wirk- lich erscheint, und die Temperatur t'c, bei welcher die letzten Spuren von Unhomogenitäten verschwinden, sind wohl als unabhängig von der Substanzmenge im Rohre anzunehmen. 4. Die Dichtigkeit q einer Flüssigkeit (in Berührung mit ihrem Dampf) und die Dichte # ihres gesättigten Dampfes ändern sich bei genau derselben Temperatur mit der Zeit und mit mehrmaligem Erwärmen über die kri- tische Temperatur hinaus, wobei q ah — und $■ zunimmt. 5. Beide Grössen q und # werden folglich nicht durch die Temperatur einzig und allein vollkommen ein- deutig bestimmt. 6. Bei Temperaturen, welche beträchtlich höher als die kritische Temperatur liegen, kann ein Körper, bei fast genau demselben Drucke, zwei (oder vielleicht mehrere) verschiedene Dichtigkeiten haben. Die Dichtig- keitsunterschiede können 21 — 25 Proc. betragen. 7. Die von verschiedenen Experimentatoren beob- achteten sonderbaren Anomalien, welche mit der gewöhn- lichen Theorie des kritischen Zustandes schwerlich in Ein- klang zu bringen sind, lassen sich jedoch auf Grund der neueren Anschauungen über die Molekularvorgänge in Flüssigkeit und Dampf ganz gut übersehen und recht- fertigen. Robt. Mittmann. 12 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 1. Ueber atmosphärische Elektricität hat Professor L. Weber neuerdings experimentelle Untersuchungen (vergl. Elektrotechn. Zeitschrift 1892, Heft 19) angestellt, die einige beachtenswerte Ergebnisse lieferten. Galvano- metrische Beobachtungen an einer längeren, isolirt in Luft endenden Leitung, deren anderes Ende zur Erde abgeleitet war, zeigten einen beständigen Abfluss von Elektricität, namentlich bei Nähe von Gewittern. Den Ver- suchen, dadurch Messungen über die atmosphärische Elek- tricität zu gewinnen, stellten sich allerdings in Folge der nicht absoluten Isolirung der Telegraphenleitung unüber- windliche Hindernisse entgegen, doch lässt sich auf diesem Wege wenigstens das Vorzeichen der Luftelektricität im Durchschnitt eines grösseren Terrains bequemer und sicherer ermitteln, als mittelst der bisher üblichen elektro- statischen Methoden. — Ferner konnte der genannte For- scher an einem grossflächigen, isolirt aufgehängten Con- ducton wenn er denselben durch das Galvanometer mit der Wasserleitung verband, das Auftreten elektrischer Stauungen und Stromstösse in dem Röhrensystem gleich- zeitig mit einschlagenden Blitzen constatiren. Gelegent- lich zeigten sich bei Nahgewittern auch dauernde Ströme von hoher Spannung, deren Existenz bei der Anlage von Blitzableitern zu berücksichtigen sein würde. — Weber hat endlich auch einen photographischen Registrirapparat für Entladungen in Blitzableitern construirt, der jedoch zunächst noch keine Gelegenheit gefunden hat, in dei beabsichtigten Weise zu funetioniren. F. Kbr. TJeber die Ursache der Sonnenflecken hat E. von Oppolzer vor Kurzem eine Theorie aufgestellt (Sitzungs- berichte der Akademie der Wissenschaften in Wien. Math.- naturw. Classe. Bd. CIL Abth. IIa. April 1893), die sich wesentlich auf einige eigentümliche Beobachtungen der jüngsten Zeit stützt. — Bezüglich des Sonnenfleck en- spectrums, das bisher vornehmlich als durch allgemeine Absorption abgeschwächt galt, ist es nämlich Duner ge- lungen nachzuweisen, dass sich die scheinbar allgemeine Absorption in ein zahlloses Heer von feinen, dicht gedrängt stehenden Linien auflösen lässt. Damit wäre constatirt, dass die Flecken Gasmassen sind, deren Absorption ver- mutlich in Folge niedrigerer Temperatur verstärkt ist. — Weiter haben neuere Beobachtungen sicher festgestellt, dass die Fleckenkerne in Vertiefungen der Photosphäre liegen, die zur Zeit des Fleckenmaximums am ausgeprägte- sten sind. — Von besonderer Wichtigkeit für die Erkennt- niss der Ursache der Fleckenbildung ist endlich nach v. Oppolzer die von Haie mit dem Spectroheliographen gemachte Entdeckung, dass über den Fleckenkernen in der Sonnenatmosphäre eine Temperaturumkehr statthaben muss, indem der kühlere Fleckenkörper von abnorm heissen Gasschichten überlagert wird, eine Thatsache, die mit thermischen Beobachtungen von Langley und Frost aufs Schönste übereinstimmt. Die Temperaturumkehr über eiuem Fleck lässt nun die hier vorliegende Erscheinung als ein Analogon der so häufig bei uns auftretenden und von Haun sorgfältig unter- suchten winterlichen Temperaturumkehr in der Erdatmo- sphäre erscheinen, die durch einen absteigenden und sich dadurch nach Gesetzen der mechanischen Wärmetheorie erwärmenden Luftstrom zu Stande kommt. Dieser ab- steigende Luftstrom bringt nämlich Ruhe und Klarheit der Atmosphäre mit sich und diese wird eine abnorme Ausstrahlung und dadurch bedingte Abkühlung der Erd- oberfläche hervorrufen, v. Oppolzer fasst sonach die Sonnenflecken in Anlehnung an bereits von Zöllner ge- hegte Ansichten als Strahlungsphänomene auf. Die Ent- stehung eines Flecks schildert er in folgender Weise: „Durch dynamische Ursachen, die in der Circulation der Sonnenatmosphäre, etwa in aufsteigenden Strömen, begründet sind, hervorgerufen, bildet sich über der Photo- sphäre eine herabsinkende Bewegung; in Folge des mit der Tiefe zunehmenden Druckes werden sich die herab- sinkenden Massen erhitzen und mit hoher Temperatur an der Oberfläche der Photosphäre anlangen; ist nun die dynamische Ursache noch genügend kräftig, so wird sich die Bewegung noch in die Photosphäre hinein fortsetzen und in Folge der grossen Hitze die hier lagernden Con- densationsproduete auflösen. Durch die grosse Erhitzung der sinkenden Massen wird ein Auftrieb derselben wach- gerufen, der der dynamischen Wirkung entgegentritt. Die Folge davon wird sein, dass die vertical abwärts gerichtete Bewegung schliesslich aufhört und die oben nachdrängen- den Massen gezwungen sind, ihren Weg seitwärts in horizontalen Bahnen zu nehmen. Es schwebt also gleich- sam ein anormal heisser Gaskörper unmittelbar an der Oberfläche der Photosphäre, der den hier lagernden, äusserst feinen, stark absorbirenden photospärischen Dunst auflöst, damit Klarheit erzeugt, dadurch die Strahlung der unteren Schichten wesentlich befördert und die Ursache zu einem Flecken giebt." Die interessante Untersuchung mit welcher der Sohn des unvergesslichen Theodor v. Oppolzer zum ersten Mal vor die Oeffentlichkeit tritt, ist zweifellos höchst beachtenswerth. Uebrigens werden in derselben nebenbei auch noch manche Fragen gestreift und durch theoretische Entwickelungen gefördert, die wir oben nicht erwähnten; so wird beispielsweise abgeleitet, dass die Temperatur der Photosphärenoberfläche wahr- scheinlich zwischen 20 000° und 100 000° liegen dürfte. In wie weit alle diese Einzelbehauptungen unwider- sprochen bleiben werden , und welche Beachtung die Oppolzer'sehen Ansichten bei Fachgenossen finden werden, muss freilich heut noch dahingestellt bleiben. Die oben skizzirte Theorie der Fleckenbildung hat jedenfalls etwas Bestechendes und dürfte mit derMehrzahl unserer heutigen Beobachtungen im Einklang stehen. Wird sie aber auch allen in Zukunft noch zu Tage tretenden Erscheinungen gegenüber Stand halten'? Wer vermöchte dies heute zu entscheiden? In allen Naturwissenschaften pflegen die Hypothesen mit dem Stande des Wissens derart ver- knüpft zu sein, dass sie nur temporäre Giltigkeit haben und beim Fortschritt des thatsächlichen Wissens durch neue verdrängt werden; gute Hypothesen werden aber trotzdem stets als Leitbahnen für die Forschung von unberechenbarem Werthe sein. F. Kbr. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Der ausserordentliche Professor Medicinal- Rath Dr. Franz Tuczek zum Leiter der Universitäts-Irrcnklinik in Marburg. — Der Direetor des Kgl. Botanischen Gartens und Museums in Berlin Professor Dr. Adolf Engler zum Geheimen Regierungs-Rath. — Der Privatdocent an der Universität Marburg Dr. Reinhold Brauns zum Professor für Mineralogie an der Technischen Hochschule in Darmstadt. — Der ordentliche Pro- fessor für Augenheilkunde an der Universität Innsbruck Dr. B o n - griekiewiezs zum Professor an der Universität Graz. — Der ausserordentliche Professor Dr. Wilhelm Czermak zum Ordi- narius für Augenheilkunde an der Universität Innsbruck. — Der Physiker Dr. Emil Arnold Budde, Mitdirector der Charlotten- burger Werke der Firma Siemens und Halske, zum Professor. — Dr. Adamy, ausserordentlicher Professor der Thierzuchtlehre an der Universität Krakau, zum Ordinarius. — Dr. J. Rüssel Rey- nolds zum Präsidenten des Royal College of Physicians in London. — Der Professor der Chemie an der Kgl. Forst-Akademie zu Eberswalde Dr. Remele zum Geheimen Regierungs-Rath. — Der ordentliche Professor der Philosophie an der Universität Nr. 1. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 10 o München Dr. Karl Stumpf zum Ordinarius an der Universität Berlin. Es hat sich habilitirt: Dr. Hermann Stroebe, Assistent am Pathologischen Institut der Universität Freiburg, für pathologische Anatomie daselbst. Geheimrath Dr. Pettenkofer, Professor an der Universität und Technischen Hochschule in München, legt die Professur für Hygiene an der Technischen Hochschule nieder. — Der ordent- liche Professor für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie an der Universität Dorpat Dr. Richard Thoma legt sein Amt nieder. — Unser Mitarbeiter der Chemiker an der Kgl. Preuss. Geolog. Landesanstalt Dr. H. Haefcke vertauscht seine Stellung mit der eines Assistenten an dem neu eingerichteten Versuchslaboratorium der Deutschen Land wirf hschaftsgcsellschaft. Es sind gestorben: Der Herausgeber der Deutschen Medicini- schen Wochenschrift Geheimer Sanitäts-Rath Dr. Samuel Gutt- mann in Berlin. — Der ordentliche Professor für Staatsarznei- kunde etc. an der Universität Halle Geheimer Medicinal - Rath Dr. Ludwig Krahmer in Halle. — Der Biologe Dr. Chabry in Paris. — Der Professor der Physiologie an der Universität Odessa Dr. P. A. Spiro. -- Der Mineraloge und Vorsteher des Naturalien - Cabinets der Grossherzog]. Technischen Hochschule in Darmstadt Geheimer Hofrath Professor Dr. Adolph Knop in Karlsruhe. L i 1 1 e r a t u r. Brockhaus' Conversations - Lexikon, 14. vollst, neubearb. Aufl. In 16 Bänden. 8. Bd. Gilde — Held. Mit 48 Tafeln, darunter 7 Chromotafeln, 12 Karten u. Plänen u. 216 Textabb. F. A. Block- haus in Leipzig, Berlin u. Wien. 1893. — Preis 10 M. Nunmehr liegt die Hälfte des auf 16 Bände berechneten Werkes vor. Wie uns die Verlagshandlung mittheilt, liegen be- reits 3260 Kritiken von Brockhaus' Konversations-Lexikon vor, die, mit Ausnahme von 4, übereinstimmen in dein Urtheil, dass in den bisher erschienenen Bänden das Programm in allen Theilen musterhaft durchgeführt ist. Wir haben ja schon mehrfach dar- auf hingewiesen, dass in der That das Menschenmögliche ge- leistet worden ist. Wir haben, wie schon in den früheren Bän- den, wieder einige naturwissenschaftliche Stichworte aufgesucht und sind von dem Text vollauf befriedigt worden, wenn man eben nie vergisst, dass ein Lexikon — eigentlich selbstverständlich — Spezialwerke natürlich nicht ersetzen kann und will. Sehr hübsch sind wieder die Bilder und Karten, unter diesen auch wieder, in guter Auswahl, Städtepläne wie Graz, Halle a. S., Hamburg und Hannover, von Hamburg ein Stadtplan und ein Plan „Hamburg und Umgegend". Sehr geschickt ist immer das Zeitgemässe be- handelt. Dass Brockhans' Conversations-Lexikon nach allem durch- aus zu empfehlen ist, haben wir wiederholt betont. Bechhold's Handlexikon der Naturwissenschaften und Me- dicin. Verlag von H. Bechhold. Frankfurt a. M. 1891 — 1893. — Preis 14,40 M. Auf den ersten Lieferungen wurden als Verfasser des Lexikons angegeben: A. Velde, Dr. W. Schauf, Dr. v. Löwenthal und Dr. J. Bechhold, von Lief. 5 ab kommen hinzu : Dr. G. Pulver- macher und Dr. C. Eckstein und von Lief. 9 ab noch Dr. L. Mehler und G. Arends. Es ist keine Frage, dass ein gutes Hand- lexikon der Naturw. u. Med. Bedürfhiss wäre; denn von wem kann man heutzutage verlangen, dass er alle die gerade in neuester Zeit geschaffenen Termini kennt, von denen hoffentlich das Meiste bald wieder verschwindet. Aber es ist doch nothwendig, sie zur Zeit zu kennen oder doch leicht ihre Definition finden zu können. Deshalb hätten die Verfasser gerade auf diese Seite ihr besonderes Augenmerk richten sollen. Von den Termini, die gerade heut- zutage die Litteratur unheimlich machen, deren Verstänndniss zu unterstützen, doch gerade ein Lexikon der Naturw. u. Med. ge- schaffen wird, fehlen aber leider sehr sehr viele. So vermissen wir die Ausdrücke Mikrosom (Mikrosomie wird erklärt), Centro- som, Cytoplasma, Pseudovum, Amphimixis, Siphonogam, Zoidiogam und viele andere; dafür wären gewiss Stich worte wie „Leuchten" und ..leuchtende Flamme" entbehrlich gewesen. Freilich muss man irgend wo Halt machen, um nicht ein unendlich langes Buch zu schreiben; in einem Werk von 1127 Seiten wie das vorliegende kann natürlich nicht Alles stehen, aber dem Ref. scheint, dass speciell die gerade heute von hervorragenden Richtungen angewendeten Termini in einem Buch, das zeitgemäss sein will, nicht fehlen dürften. Geschickt findet Ref., dass alle diejenigen Worte in den Be- schreibungen, die noch besonders definirt an der alphabetisch ent- sprechenden Stelle zu finden sind, cursiv gedruckt wurden. Was den wissenschaftlichen Inhalt anbetrifft, so lässt er vielfach zu wünschen übrig, namentlich scheint diesbezüglich die Botanik verhältniss- mässig schlecht weggekommen zu sein. So ist die echte Rose von Jericho nicht Anastatica Hierochuntica sondern Asteriseus pyg- maeus, die bei Jericho viel vorkommt, während Anastatica in der Umgebung dieser Stadt, nicht zu finden ist (vergl. Naturw schaftl. Wochenschr. I S. 178). Asplenium ist keine Ordnung, sondern eine Gattung der Polvpodiaceen; es könnte sich hier um einen Schreibfehler handeln, aber die Behandlung der botani- schen Artikel überhaupt lässt schnell durchblicken, dass ein eigent- licher Fachmann hier nicht thätig gewesen ist u. s. w. Die Ar- tikel aus anderen Disciplinen sind zweifellos besser gearbeitet. In manchen Fällen dürfte daher das Buch in Ermangelung eines besseren immerhin Dienste leisten. Dr. Franz T affner. Die Voralpenpflanzen, Bäume Sträucher, Kräuter, Arzneipflanzen, Pilze, Kulturpflanzen, ihre Beschrei- bung, Verwerthung und Sagen. Wilhelm Engelmann. Leipzig 1893. — Preis 8 M. Der Verf. steht mit der Botanik auf sehr gespanntem Fusse: das Buch ist daher durchaus verfehlt. Nur einige, ganz wenige, begründende Bemerkungen. Die Nomenclatur ist stellenweise ganz äntiquirt: Picea excelsa wird „pinus abies sive abies excelsa" genannt u. s. w. Die Nadeln dieser Pflanze sind nur in der Ju- gend hellgrün, später sind sie dunkel- bis sogar schwärzlich-grün. Die jugendlichen Stengel nennt Verf. „Stiele". Die Zapfen der Coniferon erklärt Verf. nach alter Weise für „Fruchtstände oder Sammelfrüchte'' ; er behauptet „unter jeder Schuppe . ._. liegen zwei kleine Samenkörnlein". „Die Schuppen (von Aspidium filix mas) entstehen — lesen wir auf S. 305 — aus den mehrzelligen, namentlich den gestrahlten Haaren durch Verbreiterung und seit- liches Zusammenwachsen der sie bildenden Zellen" u. s. w. u. s. w. Es wird in dem Buche vieles wörtlich anderen Büchern entlehnt. Wenn schon der Verf. so wenig botanisches Selbst-Urtheil besitzt, dass er sogar ganz elementare Dinge abschreiben muss , dann hätte er sich wenigstens bemühen müssen, die neuesten und besten Quellen zu benutzen, aber er kennt die Literatur gar nicht, wie aus der Liste der hauptsächlich benutzten Bücher hervorgeht. — Ein unerquickliches Buch, das man bedauernd aus der Hand legt. A. Engler u. K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien. Fortges. von A Engler. III. Theil. 7. Abtheilung. Mit 1011 Ein- zelbildern in 108 Figuren. Wilhelm Engelmann. Leipzig 1893. — Preis 15 (in Subscription 7,50) M. Mit dem Erscheinen der 96. Lieferung des schönen Werkes ist die im Titel bezeichnete 7. Abtheilung zum Abschluss gelangt (Lief. 72, 81, 87/88 (zum Theil), 94 und 96). Da die zuletzt erschienene Liefe- rung anstatt 3 nur 2 Bogen und 4 Seiten nmfasst, ist derselben ein in Heliogravüre ausgeführtes Ergänzungsblatt Nr. 1 zum III. Theil, 1. Abtheilung beigegeben, das eine Gruppe der Proteacee Leu- cadendron ai-genteum R. Br., des Silberbaumes (Silver tree), vom Wynberg Hill am Fuss des Tafelberges unweit Kapstadt darstellt, beigegeben worden. Der vorliegende Theil enthält die Lythraceen (bearb. von E. Koehne), die Blattiaceen, Punicaceen, Leeythidaceen (F. Niedenzu), Rhizophoraceen (A. F. W. Schimper), Myrtaceen (Niedenzu), Combretaceen (D. Brandis) , Melastomaceen (Fried. Krasser), Onagraceen, Hydroearyaceen (R. Raimann) und Halor- rhagidaceen (O. G. Petersen). Gleichzeitig theilen wir das Erscheinen von Lief. 95 mit, welche den Schluss der Stachyuraceen (E. Gilg) und den Anfang der Guttiferen (A. Engler) bringt. Prof. Dr. Rudolf Credner, Rügen. Eine Inselstudie (Forsch, zur deutsch. Landes- u. Volksk. herausg. v. Prof. A. Kirchhoff. VII. Bd. Heft 5). Mit 2 Karten, 3 Lichtdrucktafeln, 8 geolog. und 6 Höhenprofilen. J. Engelhorn. Stuttgart 1893. — Preis 9 Mark. Die vorliegende Monographie bespricht nach einer Einleitung, in der die Lagen-Verhältnisse, die Gliederung der Küstenumrisse und die Grundzüge der Oberflächengestaltung Rügens erläutert weiden, den geologischen Bau (obere Kreide, Diluvium, Alluvium) und die Beziehungen der Oberflächen-Gestaltung der Insel zu deren geologischem Bau. Verf. kommt zu dem Resultat, dass Rügen einst ein Archipel war, der oben „zu dem geschlossenen Inselkomplex des heutigen Rügen verschmolzen" worden ist. Die topographischen Verhältnisse werden wesentlich von einer Menge Bruchlinien bestimmt. Sturmrluthen haben oft grosse Stücke der Insel fortgerissen; Landzuwachs findet auch jetzt durch An- schwemmungen stetig statt. Das Heft möchten wir auch dem naturwissenschaftlich an- gehauchten Laien zur Belehrung bei einem Besuch der schönen Insel empfehlen : bei einer Vertiefung in die Natur-Eigenthümlich- keiten eines zur Erholung besuchten Punktes erwächst doppelter Genuss. Die gut ausgeführten Liehtdruck-Photographieen ge- 14 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 1. Währen Ansichten der bemerkenswerthesten Kreidefelsen Rügens. Die eine Karte bietet eine orographische Uebersicht der Insel im Maassstab um 1:150000, die andere eine Darstellung der Ober- eächen-Gliederung der Hall. -Insel Jasmund in 1:75000; beide sinil vorzüglich in Farbendruck ausgeführt. Deutsche Weltkarte zur Uebersicht der Meerestiefen und Höhenschichten, unterseeischen Telegraphen-Kabel u TJeber- land - Telegraphen, sowie der Kohlenstationen und Docks. Herausgegeben vom Reichs-Marine-Amt, Nautische Ab- teilung. Deutsche Admiralitäts - Karte. No. 7. Ausgabe mit Meerestiefen. 3 Bl. zusammengesetzt 0,90:1,71 Meter. Geo- graphische Verlagshandlung u. Globenfabrik Dietrich Reimer in Berlin, Inhaber: Hoefer & Vohsen. 1893. — Preis in Umschlag !-' Mark. Die vorliegende Ausgabe mit Meerestiefen, welche in fünf- facher blauer Färbung wiedergegeben, während die Länder nur mit einem gelben Ton überdruckt sind, dient hauptsächlich hydro- graphischen Zwecken. Sie giebt eine genaue Uebersicht der unterseeischen und hauptsächlichsten Ueberlaud-Telegraphen, die durch verschiedene Signaturen als deutsche, englische u. s. w. kenntlich gemacht werden, der Eisenbahnlinien sowie der Kohlen- stationen und Docks. Sie zeigt alle diejenigen Häfen der Erde, welche für die Schiffahrt und besonders den Dampferverkehr zur Einnahme von Kohlen und zur Ausbesserung von Schäden wichtig sind. — Bei der Angabe der Kohlenstationen werden durch besondere Signatur unterschieden: Stationen mit weniger als 500 Tonnen, solche von 500 bis 1000, von mehr als 1000 Tonnen und solche mit schneller Uebernahme. — Die politischen Grenzen sind fein punktirt eingestochen. — Für solche Käufer, welchen es auf eine deutliche Uebersicht der politischen Eintheilung der Erde ankommt, ist die Verlagshandlung erbötig. Exemplare nach den eingestochenen Grenzlinien zum Preise von 3 Mark koloriren zu lassen. Die Karte ist wie alle Karten des rühmlichst bekannten Verlages vorzüglich klar ausgeführt. Prof. Dr. Wilh. Ostwald, Lehrbuch der allgemeinen Chemie. II. Bd. 1. Theil: Chemische Energie. 2. umgearb. Aufl. Mit 77 Textfig. Wilhelm Engelmann. Leipzig 1893. — Preis 3t M. Von dem gewaltigen Werk liegt ein incl. dem Register nicht weniger als 1104S. umfassender Theil der 2. Auflage vor, die der Autor trefflich, soweit sich Referent zu Orientiren vermochte, den neuesten Fortschritten anzupassen gewusst hat. Man darf wohl den in dem vorliegenden Theil behandelten Gegenstand als den interessantesten des ganzen Werkes bezeichnen. Gerade auf diesem Gebiete hat die Wissenschaft neuerdings vieles geleistet, und so sehen wir denn das von Ostwald gebotene Material gegen die 1. Auflage um das Doppelte vermehrt. Völlig neu sind die Abschnitte über chemische Energie und über Elektrochemie, welcher letztere nicht weniger als 500 S. einnimmt. Dass das Werk keine blosse Compilation sondern eine geistige That ist, braucht kaum betont zu werden. Der Gelehrte wird dasselbe nicht mir als Nachsehlagebuch benutzen können, sondern er wird aus ihm Anschauungen des Verfassers, die in manchen Punkten eigentümlich sind, kennen lernen müssen. Es ist unmöglich auf diese Punkte im Einzelnen an dieser Stelle einzugehen, wir wollen nur noch die Disposition des Buches mittheilen. In der Einleitung werden besprochen Kaum, Zeit und Materie, die Energie und die Geschichte der Energetik. Es folgt dann der in 3 ,, Bücher" zer- fallende Haupttheil, nämlich 1, Buch Thermochemie, 2. Buch Elektrochemie, 3. Photochemie. Ein Autoren- und Sach-Register beschliessl die fleissige Arbeit. Handbuch der Physik. Herausg. v. Prof. Dr. A. Winkelmann. Mit Holzschnitten. 15— 17 Lief. Eduard Trewendt. Breslau 1893. Villi dem Handbuche der Physik liegen wiederum drei Lieferungen (15—17) vor, von denen das 15. und 17. Heft dem Bande 11 (Optik), die Lieferung 16 dagegen dem Bande III (Elektricität und Magnetismus) angehören. Von einer eingehenderen Besprechung vor Absehluss eines Bandes nehmen wir Abstal und geben zur Orientirung nur kurz den Inhalt der Lieferung« an. Es enthalten Lieferungen 15 und 17: Dioptrik in Med« mit continuirlich variablem Brechungsindex. Scintillation, Spectra analyse, Photometrie, Fluorescenz, Phosphorescenz, chemiscl Wirkungen des Lichts, Interferenz des Lichts, Beugung i Lichts. Die Lieferung 16 behandelt: Elektrische Endosmose i Strömiuvsstriiine. Polarisation. Accumulatoren, Sach- und Namei register zu Band III erste Abtheilung; Magnetismus, Magnetiscl Messungen. G. F. Michelsen, Die bestimmten algebraischen Gleichungen de ersten bis vierten Grades. Nebst einem Anhang: Unbestimmt Gleichungen. Für höhere Unterrichtsanstalten sowie für de Selbstunterricht. Verlag von Carl Meyer (Gustav Prior). Hai nover 1893. — Preis 4M. Das gute Buch bringt ausser der klaren methodischen l)ai Stellung des Gegenstandes auch eine Sammlung methodiscl geordneter Uebungsaufgaben. Jeder Reihe von Aufgaben geh eine Darstellung der zur Behandlung gelangten Gleichungsartei nach ihren wichtigsten Eigentümlichkeiten voraus, besonder «erden immer die einfachsten Auflösungsmethoden zunächs theoretisch erörtert. Einzig richtig erscheint dem Referentei für ein Lehrbuch, dass die theoretischen, abstrakten Auseinander Setzungen an der Hand von Beispielen erläutert werden. «& Brasch, Dr. Mor., Leipziger Philosophen. Leipzig. 5,20 M. Brass. Dr. Arnold, Atlas zur allgemeinen Zoologie und ver- gleichenden Anatomie. Leipzig. 16 M. Buddeberg, Dr., Bemerkungen über Männchen von Apion ausi der Gruppe des Aaevigatum Payk. Wiesbaden. 0,40 M. Caspari II, Lehr. W.. Einiges über Apatura Iris und ihre Ver- wandten. Wiesbaden. 0,40 M. Credner, H„ Zur Histologie der Faltenzähne paläozoischer Stego- cephalen. Leipzig. 4 AI. Gerhardi, Dr. Karl Aug., Ueber die Ewigkeit der Ursachen aller Bewegung, einschliesslich der menschlichen Gedanken und Handlungen. Bielefeld. 1,50 M. Hellmannj Prof. Dr. G., Schneekrystalle. Berlin. 6 M. Knuth, Dr. Paul, Blüthenbiologische Beobachtungen auf der Insel Capri. Kiel. 1 M. Koch, Dir. Dr. J. L. A„ Laienpsychiatrie. Ravensburg. 1 M. Kraus, Prof. Dir. Greg., Der botanische Garten der Universität Halle. 2. Hft. Leipzig. 8 M. — Geschichte der Prlanzeneinführungen in die europäischen bo- tanischen Gärten. Leipzig. 3 M. Kunze, Will. E , Ueber die quantitative Bestimmung und Trennung der Cacao Alkaloide. Wiesbaden. 1,20 M. Lang, Vikt. v., Krystallographisch-optische Bestimmungen IV. Wien. 1,20 M. Leonhard. Ch., Pflanzenphänologische Beobachtungen zu Wies- baden. Wiesbaden. 0,40 M. Marcuse, Dr. Adf., Die hawaiischen Inseln. Berlin. 9 M. Müller, G. E., u. F. Schumann, Experimentelle Beiträge zur Untersuchung des Gedächtnisses. Hamburg. ."> M. Pagenstecher, Dr. Arnold, Beiträge zur Lepidopteren-Fauna des malayischen Archipels. Wiesbaden. 2 M. Peter, Bruno v., III. Astronomische Ortsbestimmungen. Berlin. 22 M. Pfeffer, W., Druck- und Arbeitsleistung durch wachsende Pflanzen. Leipzig. 8 M. Reiss, W., u. A. Stübel, Reisen in Süd-Amerika. Berlin. Römer, Conserv. Aug., ('atalog der Skelette- und Schädel-Samm- lung des naturhistorischen Museums zu Wiesbaden. Wiesbaden] 0,60 M. Sandberger, Dr. F. v., Zur Geologie der Gegend von Homburg v. d. Höhe. Wiesbaden. 0,80 M. Seitz, Dir. Dr. A., Eine lepidopterologische Reise um die Welt. Wiesbaden. 1.20 M. lerl h1: Inhalt: Dr. Maximilian Klein: Die Philosophie der reinen Erfahrung. (Mit einem Portrait). — Verbreitung von Muscheln j durch Wirbelthiere. — Buteo ferox in der Rheinprovinz erlegt. -- Die Herkunft der Ameisensäure im Honig. — Die tink-1 tionelle Unterscheidung verschiedener Kernbestandtheile und der Sexualkerne bei Pflanzen. — Dr. Oskar Baumann's letzte I grosse Reise „Durch Deutsch-Massailand und zur Quelle des Kagera-Nil." — Weitere Mittheilungen über Gnoskopin von T. undl 1. Smith & Co. — Zur Chemie im Rl i. - Ueber den Zustand der Materie in der Nähe des „kritischen" Punktes. — Uebei atmosphärische Eloktricität. - Ueber die Ursache der Sonnenflecken. -- Aus dem wissenschaftlichen Leben. -- Litteratur: Brockhaua' Conversations-Lexikon. Bechhold's Handlexikon der Naturwissenschaften und Medicin. — Dr. Franz Daffnerl Die Voralpenpflanzen, Bäume, Sträuche, Kräuter, Arzneipflanzen, Pilze. Kulturpflanzen, ihre Beschreibung, Verwerthung und] Sagen. A. Engler u. K. Prantl: Die natürlichen Pflanzenfamilien. -- Prof. Dr. Rudolf Credner : Rügen. — Deutsche Weltkarte zur Uebersicht ihr Meerestiefen und Höhenschichten, unterseeischen Telegraphen-Kabel und Ueberland-Telegraphen, sowie ,1er Kohlen-Stationen und Docks. — Prof. Dr. Wilh. Oetwald: Lehrbuch der allgemeinen Chemie. II. Bd. 1. Theil: Chemische Energie. — Handbuch der Physik. — P. Michelsen: Die, bestimmten algebraischen Gleichungen des ersten bis vierten ( '.lade-. Liste. Nr. 1. 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Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den 14. Januar 1894. Nr. 2. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4375. Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 -A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagennach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux, wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Zwei Nachtschattenarten des nordamerikanischen Prairiegebiets als Adventivpflanzen in Europa. Von P. Ascher so n. Der sich (trotz aller Schutzzolltarife) über stets wei- tere Kreise erstreckende Welthandel begünstigt auch den Austausch von Pflanzen (und Thieren) der entlegensten Gebiete in einein früher nicht geahntem Maasse. Waren früher nur verhältnissmässig werthvolle Pro- duete, deren hoher Preis ein sorgfältiges Einsammeln und Reinigen an Ort und Stelle erforderte und lohnend machte, Gegenstand des internationalen Verkehrs, so er- halten wir jetzt in ungezählten Schiffs- und Waggon- ladungen die Rohstoffe unserer Kleidung und täglichen Nahrung aus entfernten Welttheilen. Vor allen anderen kommen hierbei zwei Waarengattungeu in Betracht: Wolle und Getreide. Die reiche Adventivflora, welche an Plätzen erscheint, wo die nach ihrer physikalischen Beschaffenheit so sehr zum Auffangen und Festhalten von Pflanzenfrüchten und -Samen, auch solchen, die nicht mit besonderen (Klett-) Vor- richtungen versehen sind, geeignete Schafwolle gereinigt wird, erregte schon in der ersten Hälfte des Jahrhunderts die Aufmerksamkeit südfranzösischer Botaniker. Delile, der hochverdiente Erforscher der ägyptischen Flora, be- schrieb während seiner langjährigen Lehrthätigkeit in Montpellier in den Samenkatalogen des dortigen botanischen Gartens zahlreiche neue Arten von den Wolhvaschplätzen des Port Juvenal, deren orientalische oder südamerika- nische Heimath vielfach erst später nachgewiesen wurde, oder deren Herkunft zum Theil noch heut unermittelt ist, Später haben sich Floristen ersten Ranges wie Godron*) und Cosson**) mit dieser „P^lorula Juvenalis" beschäftigt, die jetzt allerdings seit Jahrzehnten verschwunden ist. Schon 1879 fand ich keine Spur derselben mehr. *) Florula Juvenalis. Montpellier 1853. **) Bull. Soc. Bot. France 1859, S. 605 ff. Vgl. auch über die Adventivtfora des benachbarten Agde G. Lespinasse et A. Theveneau 1. c. S. 648 u. ff. Was aber an den sonnigen Gestaden des Mittelmeers nur noch in der Erinnerung Fortlebt, sollte unerwarteter Weise im Herzen unseres Vaterlandes wieder auferstehen. Ich meine hier nicht das seit Decennien in den Tuchfabrikstädten der Lausitz und der angrenzenden Theile Sachsens, der Mark und Schlesiens seit 1835, sowie auch gleichzeitig bei Aachen und Verviers beobachtete vereinzelte Auftreten von Xanthium spinosum*), mehrerer Medicago-Artcn und anderer „Wollkletten"**), sondern die erstaunlich reiche Flora der Döhrener Wollwäscherei bei Hannover, aus der erst einige der hervorragendsten Neuigkeiten in den Floren- berichten der Deutscheu Botanischen Gesellschaft seit 1889 mitgetheilt worden sind. Nicht minder bekannt sind seit 2—3 Jahrzehnten die zahlreichen fremden Ankömmlinge, welche an Plätzen er- scheinen, wo fremdes Getreide ausgeladen, aufgespeichert, gereinigt oder wohin die Abfälle dieser Operationen ver- bracht werden. An den Güterbahnhöfen und Hafen- anlagen der grossen Verkehrsmittelpunkte, wie München, Zürich, Mannheim, Hamburg, in den Umgebungen grösserer und kleinerer Mühlen (selbst an bescheidenen Windmühlen, wie der Bassumer, zu der mich vor Jahren Freund Beck- mann führte), hat sich an zahlreichen Orten Mittel Europas eine bunte Pflanzengesellschaft eingefunden, deren Mitglieder das gesainmte Gebiet vertreten, welches den Ueberschuss seiner Getreideernten, namentlich von Roggen und Weizen, auf unsere Märkte wirft. Die Pflanzen des südosteuropäischeu Steppengebiets, aus Ungarn und Süd- russland bildeten anfangs die Gesamnitheit und bilden auch heut noch die tonangebende Mehrzahl dieser Ad- ventivflora. Indess vermehren sich von Jahr zu Jahr die *) Weimann in Yerhandl. Schles. Ges. 1835, S. 102 und Natur 1859, S. 256. **) Wittmack. Verhandl. bot. Ver. Brandeub. 1875, Sitzungs- ber. S. 11. 18 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 2 fremden Gäste, die ihre Heimath in viel weiter entlegenen überseeischen Gebieten haben. Die bei Hamburg' ge- fundenen Trigonella hamosa L. *) und T. laciniata L.*) sind an den Ufern des Nils zu Hause; die eben dort beobachtete Arenaria (Lepyrodiclis) holosteoides (C.A.Mey.) Edgew. *) und der bei Mannheim und Berlin beobachtete Asphodelus tenuifolius Cav., dessen Samen Wittmack und ich schon vorher unter indischem Weizen erkannt hatten und die bei Rüdersdorf unweit Berlin aufgetretene Poa diaphora Triu. (songorica Boiss.)**) deuten wohl auf Nordwestindien, die bei Mannheim, Hamburg und Oranien- burg 1893 gefundene Amsinckia angustifolia Lehm.***) auf Chile. Schon vor 10 Jahren traten in Mannheim eine An- zahl californischer Pflanzen auff). Erst in neuester Zeit indess legen die in der Ueberschrift gemeinten beiden Solanum-Arten davon Zeugniss ab, dass die Steppenland- schaften im Herzen des nordamerikanischen Festlandes, welche meine Altersgenossen wohl zuerst aus den Er- zählungen Cooper's als die Jagdgründe der Chirokesen und Pawnees, als die Tum- melplätze des Bison und des „Prairiehundes" kennen ge- lernt haben, gegenwärtig bei der Versorgung Europas mit Brotkorn eine von Jahr zu Jahr bedeutsamer werdende Rolle spielen. Zunächst zwar hat sich für das bezeichnete Gebiet die Einbeziehung in den Welt- verkehr durch das verwü- stende Auftreten eines euro- päischen Unkrautes ff) aufs empfindlichste fühlbar ge- macht, wie denn überhaupt die europäischen Acker- und Schuttpflanzen, die sogenann- ten „Unkräuter" nicht minder an Lebenskraft und Vermehr- ungsfähigkeit sich den in Amerika einheimischen über- legen zeigen, als der euro- päische Mensch sich dem amerikanischen gegenüber bewiesen hat. Indess wäre es nicht ganz unmöglich, dass wenigstens die eine der beiden Solanum-Arten bestimmt ist, diese Schädigung ihrer Heimath an dem Vaterlande der „russischen Distel" sofort nach dem Princip des jus talionis heimzuzahlen. Betrachten wir in- dess zunächst die bis jetzt festgestellten Thatsachen. Um mindestens ein oder vielleicht einige Jahre früher dürfte die weniger auffällige und harmlosere der beiden Arten, Solanum trifiormn Nutt. zu uns gelangt sein. Solanum rostratum Dun. Ein Zwei« der Pflanze, etwa ■/, der natürlichen Grösse. Nach der Natur nach dem Exemplar des Herrn Apotheker Rave in Billerbeck. Links oben Seitenansicht der Bliithe (etwas verkleinert) nach R. v. Wettstein in Engler-Prantl, Nat. Pflanzen- familien IV. S. 22. *) Timm in Ber. D. Bot. Ges. 1887, S. CHI, 1888, S. CXXIII. **) Behrendsen, Abh. Bot. Ver. Brandenb. 1888, S. 284. Ascherson a. a. 0., S. 286. ***) Ascherson bei Mez, Ber. D. Bot. Ges. 1886. S. CLXXXV. Timm a. a. 0. 1887. S. CHI. t) Ascherson, Verh Bot. Ver. Brandenb. 1888. S. XXXI. tt) Eine von der in unserer märkischen Heimath vorkommen- den kaum zu unterscheidende Form von Salsola Kali L. ist als „russi- seheDistel", neuerdings ein Schrecken der amerikanischen Landwirt he geworden; vergl. L. H. Dewey, The Russian Thistle and other troublesome -\veeds in the wheat regions of Minnesota and North and South Dakota. U. S. Departement of Agrioulture. Farmer's Bulletin No. 10. 1893. Bemerkenswertherweise ist in der kürzlich erschienenen Flora des Minnesota-Flussgebietes vonConway Mac Mi 1 lau (The Metaspermae of the Minnesota Valley 1892, p. 213) eine andere Varietät der S. Kali, var. caroliniana (Walt.) Nutt. als einheimisch angeführt Uebrigens ist Salsola Kali auch in den russischen Steppen ein zuweilen recht lästiges Unkraut Vergl. Körnicke und Werner, Handbuch des Getreidebaues I. Seite 389. Diese Pflanze gehört, wie unser allgemein bekannter, kos- mopolitischer schwarzer Nachtschatten, S. nigruni L. in die Gruppe Morella Dun. der Section Pachystemonum Dun. und ist im Bau der Blüthen und Früchte nicht wesent- lich von dieser Art verschieden. Die spärlich, an den Blüthenständen etwas dichter behaarte Pflanze unterscheidet sich allerdings auffällig von derselben durch die mehr an die mancher Crueiferen und Cichoraceen, z. B. des ge- meinen Löwenzahns erinnernde Blattform. Die lang- gestielten, im Umriss länglichen Blätter sind tief- fieder- spaltig, die ziemlich entfernten durch stumpfe Buchten getrennten, länglich-lauzettliehen, spitzen Abschnitte ganz- randig oder mehr oder weniger gezähnt. Die Blüthen- stände sind viel armblüthiger als bei S. nigruni; die durch den Artnamen angedeutete Dreizahl ist das Maximum, das aber häutig auf die 2- oder 1-Zahl herabsinkt; die Blüthenstielchen sind zur Fruchtzeit, wie bei Galium tricorne With. hakenförmig zurückgekrümmt; die reifen Beeren grün, beträchtlich grös- ser als bei S. nigruni. Als Hei- mathgebiet dieser Art werden von A s a G ray Synoptical Flora of North America. Vol. II, Part. I, 1878, S. 227, die Hochebenen vom Saskatchawan bis Neu- Mexico angegeben und die Pflanze als ein besonders in der Nähe bewohnter Orte und auf cultivirtem Boden vorkommen- des Unkraut bezeichnet. In der neueren, mir nur durch den bota- nischen Jahresbericht von Just- K o e h n e (im Folgenden B. J. ab- gekürzt) zugänglichen Littera- tur habe ich nur eine Angabe gefunden, nach welcher die- selbe auch dort durch ihre zu- nehmende Verbreitung sich bemerkbar gemacht hat: F. W. Anderson: Solanum tri- florum (Botanical Gazette XII, 1887, S. 296) bemerkt, dass diese Art seit 5 Jahren immer häufiger im nördlichen Montana auftritt. (B. J.XV, II, S.241). In Deutschland, und soviel mir bekannt, in Europa wurde S. triflorum zuerst in der oben erwähnten Döhrener Woll- wäscherei im Oktober 1890 vom Seminarlehrer F. Alpers beobachtet, der unter den zahlreichen Freunden der ein- heimischen Flora in Hannover am eifrigsten auf die dor- tigen fremden Gäste fahndet. 1891 sammelte dasselbe Lehrer A. Junge in Hamburg bei Winterhude, und im Herbst 1892 Lehrer K. Bahr im Hafengebiet bei Mannheim (vergl. Ascherson, Ber. D. Bot. Ges. 1892, S. (82), (86). Ungleich bemerkenswerther in jeder Beziehung ist die zweite zu besprechende Art, Solanum rostratum Dun., von welcher der hier gegebene Holzschnitt eine hin- reichende Vorstellung gewähren wird. Diese Art gehört in die Section Nycterium Vent. und ist sehr nahe verwandt mit der als Zierpflanze in unseren Gärten befindlichen, hier und da in Europa*) auch ver- *) Deutschland: Potsdam : Bornstedt Matz nach Büttner. Abh. Bot. V Brandenb. 1883, S. 46; Kottbus: Branitz Fürst Pückler; Boitzenburg i. d. Uckermark, Zander; Kreuznach Ascherson, Fl. der Prov. Brandenburg I (1864), S. 454. Oester- reich-Ungarn: Pola in Süd-Dtrien an zwei Stellen 1874Freyn, Abh. Zool. Bot. Ges. Wien 1877, S. 384. Ragusa Sodiro nach Visiani, Suppl. Fl. Dalmat. (1872), S. 125. Italien: Florenz 1862, Bolle nach Caruel Prodr. Fl. Toscana, S. 469 (1863). Nr. 2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 19 wildert vorgekommenen Art, die mein unvergesslieher Lehrer A. Braun im Samenkatalog' des Freiburger Gartens 1849 unter dem sehr bezeichnenden Namen S. citrulli- folium beschrieb, die aber, wie schon Visiani a. a. 0. vermuthete und A. Gray (Synopt. Flora II, I, S. 231) bestimmt behauptet, mit dem früher beschriebenen S. hete- rodoxum Dun. zusammenfallt. Beide Arten unterscheiden sich indess schon auf den ersten Blick durch die Farbe der Blumenkrone, die bei S. heterodoxum schön blau, bei S. rostratum aber lebhaft gelb ist; ausserdem auch durch die Behaarung, die bei der ersteren Art grösstenteils aus einfachen Ürüsenhaareu, bei der letzteren ausschliess- lich aus Sternhaaren besteht. Im übrigen haben beide Arten die meisten Merkmale gemein. Sie haben einen bis 1 m hohen, ästigen Stengel, langgesticlte, unregelmässig, zuweilen unterbrochen-fiedertheilige bis -schnittige Blätter mit am Grunde verschmälerten, oben breiten stumpfen, genäherten Abschnitten, die gleichfalls durch gerundete Buchten getrennt sind, reichblütliige, trugdoldige Blüthen- stände, ansehnliche Blüthen mit zygomorpher Blumenkrone und völlig freien, sehr ungleichen Antheren, von denen vier gleich lang sind, während die fünfte, etwas ge- krümmte sie fast um das Doppelte überragt. Das nur um ein Jahr jüngere Synonym des S. rostratum, S. hete- randrum Pursli bezieht sich auf diese Eigenthümlichkeit. Die ganze Pflanze, besonders dicht aber der Stengel und der Kelch, welcher nach der Blüthe weiter wächst und die beerenartige Frucht vollständig einschliesst, sind mit nadeiförmigen, gelblichen Stacheln bedeckt. Bei S. rostra- tum sind die Blätter meist nur einfach -fiedertheilig, die Abschnitte sind aber öfters getheilt, so dass das Blatt fast doppelt-fiedertheilig erscheint, wie dies bei S. hete- rodoxum, dessen Blätter allerdings auffällig an die der Wassermelone erinnern, die Regel ist. Beide Arten be- wohnen Mexico und die angrenzenden Prairieen von Neu- Mcxico und Texas; das Wohngebiet des S. rostratum er- streckt sieh aber viel weiter nach Norden, nach A. Gray (a. a, 0. 1878, S. 231) bis Nebraska, Es ist übrigens noch in den Vorbergen des östlichen Colorado gemein nach N. L. Britton (Notes on the Autumn Flora of Sou- thern Wyoming and Eastern Colorado. Bull. Torr. Bot. Club IX, 1882, S. 156 nach B. J. X, II, S. 416). Indess scheint die Pflanze ihr Gebiet durch eine rasch vor- schreitende Wanderung nach Osten auszudehnen. Ob die- selbe in dem unmittelbar östlich an Nebraska grenzen- den Staate Iowa einheimisch oder erst neuerdings ein- gewandert ist, darüber sind die einheimischen Beobachter selbst verschiedener Meinung. B. ü. Halsted (Prelimi- nary List of the weeds of Iowa in Bull. Botan. Dep. of the" State Agric. Coli. Arnes. Ia. 1888; nach Bot. Centr. XXXVI, bezw. B. J. XVI, II, S. 152) giebt das Erstere an, L. H. Pammel (Report of the Dep. of Bot. etc. 1888 and 1889 nach Bull. Torrey Bot. Club XVII, S. 224 bezw. B. J. XVII, II, S. 113) das Letztere. Sicher ist dagegen die Einwanderung nach Missouri, wo bereits 1882 Frank Bush (Notes from Independence, Mo. Bot. Gaz. VII, S. 24 nach B. J. X. II., S. 415) diese Art, die schon ganz wie einheimisch erscheine, eine wahre Pest an Wegen und Strassen nennt. 1890 sagen Sereno Watson und Coulter in der von ihnen besorgten 6. Auflage von A. Gray's Manual of the Botany of the Northern States, S. 374, dass S. rostr. sich ostwärts bis Illinois und Tennessee verbreite. In letzterem Staate wird es schon 1877 von Th. Median (Proc. Acad. Sc. Philadelphia, S. 277 nach B. J. VI, S. 1030) erwähnt, welcher angiebt, dass er zu- erst östlich vom Mississippi bei Nashville beobachtet worden sei. Aber auch in den atlantischen Staaten ist es in den letzten Jahren mehrfach beobachtet worden, so im öst- lichen Massachusetts von C. N. S. Homer (Notes on some introduced plants in Eastern Massachusetts Bull. Torr Bot Ol. XIV 1887, S. 219 nach B. J. XV. II., s. 234) und bei Waverley, New- York von C. F. Milspaugh (Sola- num rostratum a. a. O.XVI, 1889, S. 1 :'(', nach 15. J . X \ II. II., S. HO). Dass die Pflanze in den westliehen Staaten stellenweise ein sehr lästiges Unkraut ist, wird auch ausser der erwähnten Aeusserung von Bush noch mehr- fach bezeugt. So bezeichnet sie Halsted a. a. < ». als ein sehr schädliches Unkraut in Iowa, und erwähnt sie noch einmal in einer besonderen Veröffentlichung über die schlimmsten Unkräuter der ganzen Vereinigten Staaten (Our worst weeds. Bot. Gaz. XIV, 1889, S.69—71 nach B. J. XVII. II., S. 103). Nach 0. E. Bessey A Few Notable Weeds of the Nebraska Plains. Amer. Natural. XXII 1888, S. 1114—1117 nach B. J. XVII, II., S. 114 be- deckt sie namentlich im südlichen Mittel-Nebraska weite Strecken und ist dort als Buffalo bur (Büffelklette) be- kannt. Wir sehen aus dem Vorstehenden, dass S. rostratum ein ungemein verbreitetes und sehr expansionsfähiges [H kraut in den westlichen Staaten der Union und neuer- dings auch im Mississippi -Thale geworden ist. Es kann daher nicht befremden, dass dasselbe auch den Weg nach Europa gefunden hat, seitdem gerade diese Gebiete in den Bereich des dorthin gerichteten Exporthandels ge- zogen sind. Dass eine so auffällige Pflanze sofort bei ihrem ersten Auftreten bemerkt wurde, ist gleichfalls fast selbstverständlich. Dass aber eine so grosse Anzahl von Fundorten (in den kaum drei Monaten, seitdem unsere Aufmerksamkeit auf die Pflanze gerichtet ist, sind deren schon neun zusammen gekommen) so schnell zu unserer Kenntniss gelangt ist, verdanken wir hauptsächlich der von dem hochgeschätzten Herausgeber dieser Zeitschrift mit der ihm eigenen Energie durchgeführten Einrichtung der „Pflan- zenbestimmungen". Seit einer Reihe von Jahren ertheilt derselbe den Lesern der „Pharmaceutischen Zeitung" (Berlin) Auskunft über eingesandte Gegenstände aus dem Pflanzen- reiche, und in anschaulicher und zutreffender Weise hat Herr Dr. H. Potonie in einer von ihm in der genannten Zeitschrift über das Auftreten des S. rostratum veröffent- lichten vorläufigen Mittheilung*) dargelegt, wie durch diese Einsendungen von „Botanophilen, die, mit Vorkenntnissen ausgestattet, neue Erscheinungen und Seltenheiten zu be- urtheilen verstehen", jährlich eine Anzahl der wissenschaft- lich werthvollsten Thatsachen an eine Centralstelle gelangt. Ich rechne es mir zu hoher Ehre, zuweilen an der Beant- wortung dieser Anfragen mich betheiligen zu dürfen, und habe dankbar der Aufforderung meines verehrten Freundes entsprochen, „die Bearbeitung des interessant gewordenen Falles" zu übernehmen. Ich muss indess vorausschicken, dass mein verehrter College Professor K. Schumann es war, der das fragliche Solanum, das Herrn Dr. Potonie von vier verschiedenen Orten aus West-Deutsch- land zugesandt worden war, zuerst richtig bestimmt hat; ich selbst fand es alsdann in zwei Proben, denen sich in den letzten Wochen noch eine dritte beigesellte, unter den mir von verschiedenen Seiten zur Bestim- mung zugesandten Adventivpflanzen. Die unmittelbare Folge von Dr. Potonie's Veröffentlichung war sodann die Bekanntgabe des Auftretens derselben Art in Däne- mark in dem dortigen „Blatt des Apothekergehülfen- vereins"**), sowie die Einsendung der Pflanze an mich von noch einer Oertlichkcit des Oberrheingebiets. *) H. Potonie, Die ursprüngliche Wirthspflanze des Colorado- käfers wandert bei uns ein! (Pliarmacoutische Zeitung, XXXVlll. Jahrg., No. 84, 21. October 1893, S. 653, 654.) **) 0. Gelert, En ny Ukrudtsplante fra Amerika. (Bind für Pharmaceutisk Medhjaelperforening, 4de Aargang, No. 3, 1. No- vember 1893, S. 40, 41.) 20 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 2 Die bis jetzt bekannten neuen Fundorte lassen sich ungezwungen in drei Gruppen eintheilen, von denen die erste das Oberrheingebiet, die zweite das niederrheinisch- westfälische Industriegebiet, die dritte die Umgebungen der Nord- und Ostseehäfen umfasst. I. Oberrheingebiet. 1. Als die „Einbruchsstelle" der Einwanderung muss jedenfalls das auch sonst durch Reichthum an Ad- ventivptlanzen (s. oben S. 18) ausgezeichnete Mann- heimer Hafengebiet betrachtet werden. Hier fand Lehrer K. Bahr die Pflanze zuerst 1891 in ver- einzelten Exemplaren und sandte sie sodann im folgenden Jahre an mich ein; 1893 ist die Pflanze im ganzen Hafengebiet in grosser Menge zu sehen gewesen. Dies ist bis jetzt die einzige Stelle, an der die Pflanze mehrere Jahre hinter einander beob- achtet worden ist, und wo anscheinend eine Re- produetion aus hier gereiftem Samen stattgefunden haben dürfte. Freilich ist auch hier die Mög- lichkeit einer wiederholten Einschleppung, auf der ja vielfach die scheinbare Constanz der Adventiv- floren beruhen dürfte*), keineswegs ausgeschlossen. 2. A ehern im Grossherzogthum Baden, Anfangs Sep- tember 1893 in einem Exemplare auf einer Wiese vom Apotheker Otto Leibin ger gefunden und au Dr. Potonie eingesandt. 3. Darm Stadt. Im August 1893 bei Eberstadt vom Chemiker Dr. Rahn gleichfalls vereinzelt gefun- den, von dem Procuristen der Firma E. Merck, E. Lettermann, mit Bezugnahme auf den Potonie- schen Artikel in der Pharm. Zeit, au mich gesandt. 4. St. Goarshausen a. Rh., im September 1893 vom Apotheker G. Kaiser au Dr. Potonie gesandt, früher dort noch nicht gesehen. II. Nie d errheinisch- westfälischer Industriebezirk. 5. Oberhausen a. d. Ruhr. Mitte August 1893 Herrn Oberlehrer F. Meyer von seinen Schülern gebracht und von demselben mir übersandt. G. Kettwig, Anfang September 1893 vom Lehrer Griesang an der dortigen evangelischen Volks- schule in einem Exemplare auf einem gepflasterten Wege an der Ruhr gefunden, vom Apotheker H. Du ring an Dr. Potonie gesandt. 7. Billerbeck, R.-B. Münster. Diesen Fundort glaube ich, obwohl nicht gerade im Industriegebiet ge- legen, an diese Gruppe anreihen zu müssen, für welche er dann die älteste Beobachtung darstellt. Apotheker Ad. Rave fand die Pflanze im Spät- sommer 1892 „einzeln verwildert" und sandte sie an Dr. Potonie ein. (Vergl. die Figur.) III. Nord- und Ostseehäfen. 8. Hamburg. Von Dr. Dietrich im Sommer 1893, anscheinend auch nur in einem Exemplare bei Eppendorf gefunden, mir vom Oberstabsarzt Dr. P. Prahl zur Ansicht eingesandt. 9. Kopenhagen. Voustud.mag.Ostenfeldt-Hansen auf der Insel Amager (auf der bekanntlich ein Theil der dänischen Hauptstadt steht) beobachtet, von 0. Gelert in Folge der Potonie'schen Mittheilung erkannt (0. Gelert a. a. 0.). Zweifellos wird mit den mitgetheilten Beobachtungen die Zahl der gemachten Wahrnehmungen noch nicht er- S. 134 ) Vergl. P. Ascherson, Abb. Bot. Ver. Brandenb. 1890, schöpft sein und ebenso unzweifelhaft werden manche An- siedlungen des neuen Ankömmlings von keinem Botaniker bemerkt worden sein. Ebenso zweifellos scheint es, dass wir auch in den nächsten Jahren noch öfter von dem Auftauchen der „Büffelklette" in Europa hören werden. Eine andere Frage ist es aber, ob wirklich, worauf Dr. Potonie wenigstens hypothetisch die Aussicht eröffnet, die Gefahr droht, dass unsere Pflanze auch bei uns sich als Unkraut lästig machen könnte, so dass er sogar schon an Vertilgungsmaassregeln denkt. Es ist natürlich stets ein missliches Ding, den Propheten zu spielen. Indess glaube ich mich doch berechtigt, diese Befürchtungen für einigermaassen verfrüht zu halten. Vorläufig sorgen die botanischen Beobachter noch dafür, dass der auffällige Gast, wo er sich blicken lässt, dadurch unschädlich ge- macht wird, dass er in ihre Herbarien wandert. Wo das nicht durch erwachsene Botanophilen geschieht, wird die wissbegierige oder selbst die muthwillige Jugend der fremdartigen Pflanze den Garaus machen. Das Beispiel des nahe verwandten S. hetorodoxum, das unseres Wissens von allen den oben erwähnten Stellen bald wieder ver- schwunden ist, stellt der Einbürgerung des S. rostratum kein allzu günstiges Prognostikon. Allerdings reicht die Heimath der blaublüthigen Art um einige Breitengrade weniger weit nördlich als die der gelbblühenden. Indess auch diese bedarf, um ihre Samen zu reifen, eines heissen, trocknen Spätsommers, wie er im continentalen Innern von Nordamerika herrscht, bei uns aber in den seltensten Fällen geboten wird. Eher wäre für eine solche Ein- bürgerung im Mittelmeergebiet, wo unsere Pflanze meines Wissens noch nicht aufgetreten ist, Aussicht. Sie könnte sich dort dem südafrikanischen gleichfalls stachligen S. sodomaeum L. beigesellen. Mehr als Mittel- und Nord- Europa dürften auch Ungarn und Südrussland bedroht sein, wo das bei uns an unzähligen Orten aufgetretene aber nirgends festen Fuss fassende Xanthium spinosum*) eine Landplage geworden ist. Wenn das Beispiel des S. heterodoxum nicht ganz zutreffend sein sollte, so darf ich wohl an die in den 60er und 70er Jahren stellenweise unter amerikanischem Rothklee massenhaft aufgetretene Ambrosia artemisiifolia L.**) erinnern, die gleichfalls spät blühend und schwer ihre Samen reifend, sich kaum irgend- wo mehrere Jahre hinter einander erhalten hat. Ob der Mannheimer Fall eine andere Perspective eröffnet, müssen weitere Beobachtungen lehren. Jedenfalls, und darin hat Dr. Potonie sicher Recht, sollte die Pflanze dennoch eine gefahrdrohende Ausbreitung zeigen, so würde es ver- hältnissmässig leicht sein, sie wieder auszurotten, da sie bei ihrem fremdartigen Aussehen schon frühzeitig von allen einheimischen Pflanzen leicht unterschieden werden kann und so spät zur Blüthe bezw. Samenreife gelangt. Uebrigens ist S. rostratum noch in mehrfacher anderer Hinsicht als wegen seines Auftretens als Wanderpflanze und lästiges Unkraut bemerkenswerth. Wie Freund Potonie im Titel seiner Mittheilung angedeutet hat, ist diese Pflanze, die, wie wir ja oben sahen, bis in die Thäler Colorados verbreitet ist, die ursprüngliche Nährpflanze des gefürch- teten Käfers, der von ihr, als die Besiedelung den Wohn- bereich des bisher unbeachteten Insects erreichte, auf die *) Vergl. Reissek in Abb. Zoolog. B. f. Ges. Wien, 1860, S. 105 ff. E. Ihne, XIX. Bor. Oberhess. Ges. f. Natur- u. Heil- kunde, 1880, S. 80 ff. V. v. Borbas, A szerbtövis hazäja es vändorlasa (de origine et itineribus Xanthii spinosi oocultis). Math, es terinesz. közlemenyek vonatkozolag a hazai viszonyokra. Kiadja a magyar tud. akad. math. es term. all. biz. XXV kiit. v. szam. Budapest 1893. Hoffentlich erfolgt bald eine deutsche Be- arbeitung dieser fleissigen und inhaltreichen Arbeit. **) Vergl. Wittmack, Annalen der Landwirthschaft in den Kgl. preuss. Staaten No. 68, 23. August 1873. P. Ascherson, Bot. Zeitung 1874, Sp. 769 ff. Nr. 2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 21 Kartoffelfelder überging und bald, deu grössten Tlieil der Vereinigten Staaten überziehend, bei seiner beispiellosen Gefrässigkeit, Vermehrung und Lebenszähigkeit unsäg- lichen Schaden anrichtete. Es ist in frischer Erinnerung, dass vor zwei Decennien auch Europa und speciell unser Vaterland durch das Eindringen dieses Schädlings in Schrecken versetzt wurde, dass es aber gelang, die schon weit gediehene Ansiedlung des Käfers am Rhein und in der Provinz Sachsen wieder zu vernichten. Mit Hinblick auf diese Thatsache sagte Th. Meehan (vergl. oben S. 19) von der ersten Ansiedlung des S. rostratum östlich vom Mississippi: „Der Kartoffelkäfer hat seine Nährpflanze verlassen und diese folgt ihm jetzt nach", ein Ausspruch, der auf unsere Heimath glücklicher Weise keine Anwen- dung findet.*) Recht bemerkenswert!] sind auch die Bestäubungsver- hältnisse in den Blüthen unserer Pflanzen. Prof. J.E.Tod d** in Tabor, Iowa, hat den Vorgang bereits vor mehr als einem Jahrzehnt beschrieben. Die Blüthen sind bei ihrer Entfaltung seitwärts gerichtet und der an der Spitze auf- wärts gekrümmte Griffel, der ungefähr ebenso lang ist als die lange, ebenso gekrümmte Anthere, wendet sich nach der dieser entgegengesetzten Seite der Mediane; in einigen Blüthen steht die Anthere nach links, der Griffel nach rechts (wie in unserer Abbildung), in anderen umgekehrt. In einer Wickel sollen die gleichzeitig geöffneten Blüthen nach Todd stets gleichwendig, auf einem Stocke da- gegen rechts- und linksgrifflige Blüthen annähernd in gleicher Anzahl vorhanden sein. Die Blüthen werden von Pollen sammelnden Hummeln besucht, die sich auf den beiden langen Geschlechtsorganen niederlassen ; in einer Blüthe, deren Griffel nach links gerichtet ist, behaftet sich die Hummel daher auf der rechten Hälfte ihrer Unter- seite mit Pollen, den sie beim Besuch einer rechtsgriff- ligen Blüthe auf deren Narbe überträgt. Auf diese Weise ist Kreuzliefruehtung mindestens unter Blüthen ver- schiedener Inflorescenzen gesichert, Autogamie aber und Kreuzung von Blüthen derselben Wickel unmöglich. Der Pollen der vier kurzen Antheren wird von der Hummel eingesammelt und dient nicht der Bestäubung. Ganz ähn- lich doppelwendige Blüthen besitzt Cassia Chamaecrista, bei der aber die lange Anthere durch ein einwärts ge- bogenes Blumenblatt vertreten wird, das dem Griffel gegenübersteht und auf welches während des Sammeins Pollenkörner fallen. Dieser Bestäubungsvorgang hat unseren unvergessliehcn H. Müller, der sich damals gerade mit der Functionstheilung unter verschieden ge- bauten und gefärbten Staubblättern beschäftigte, so inter- essirt, dass er kurz vor seinem Tode noch auf denselben zurückgekommen ist ***). Anhangsweise sei noch erwähnt, dass eine andere stachlige Solanum-Art, das in Süd-Amerika verbreitete S. sisymbrifoliumLam. f ), ebenfalls im Herbst 1893 aus dem rheinisch-westfälischen Industriebezirk an Dr. Potonie ein- gesandt wurde. Apotheker Friedr. Kaeder fand auf ausgebaggertem Ruhrkies bei Steel e ein Exemplar dieser *) Wenig bekannt dürfte sein, dass R. rostratum noch einen zweiten, nahe mit der Doryphora decemlineata verwandten Küfer ernährt: Leptinotarsa undecimlineata Stäl. Vergl. Duges in Ann. Soc. Entom. Belg. XXVIII (18S4) S. 1 ff. nach B. J. XIII. II, S. 582. **) On the flowers of Solanum rostratum and Cassia Chamae- crista (Amoric. Natural. Apr. 1882, S. 281 ff. nach B J. IX. I. S. 514). ***) Arbeitstheilung bei Slaubgefüssen von Pollenblumen, Kosmos VII (1883), S. 241—259 (nach B. J. XI. I. S. 173) f) Kerner, (Pflanzenleben II, S. 439), führt dies.. Art, ausser der schon erwähnten S. sodomaeum unter denjenigen Pflanzen auf, deren Früchte durch stachlige Hüllen gegen Angriffe von Thieren geschützt sind. Dies gilt natürlich auch für S. rostra- tum und S. heterodoxum. stattlichen Pflanze, welche am Stengel, auf den grossen unten gefiederten, oben fiederschnittigen Blättern und den Blüthenstielen und Kelchen zahlreiche schlankkegelförmige feurig-gelbrothe Stacheln trägt. 1 *ie w rissen oder hellblauen Blüthen enthalten 5 freie, aber gleich lange Antheren. Diese Art ist in den botanischen Gärten verbreitet und wohl auch in denen einzelner Privater zu finden. Ausser ihrer eigenartigen Tracht empfiehlt sie sich auch durch die etwas säuerlich aber nicht unangenehm schmecken- den, rothgelben Früchte. In diesem Falle ist es also nicht unwahrscheinlich, dass es sich um einen Garten- flüchtling handelt, obwohl ein directer Import aus der Heimath auch nicht ausgeschlossen ist. Haben doch z. B. Dr. Prahl und andere Botaniker Hamburgs seit 1891 eine Adventivlocalität bei den Altonaer Wasserwerken unterhalb Blankenese ausgebeutet, an der mit brasiliani- schen Kaffee- Abfällen zahlreiche südamerikanische Pflanzen, u. a. auch zwei Solanum-Arten, S. guineense Lam. und S. nodiflorum Jacq., beide zur Gruppe Morella gehörig, aufgetreten sind*). Nachschrift. Vorstehende Zeilen waren bereits dem Druck über- geben, als ich die Decembernummer 1893 der in New- York von Dr. Fr. Ho ff mann herausgegebenen Monats- schrift „Pharmaceutische Rundschau11 erhielt, in welcher sich S. 286, 287 ein vom Herausgeber verfasster Artikel „Solanum rostratum und der Colorado-Käfer- findet. Die oben citirte vorläufige Mittheilung von Dr. Potonie hat also bereits jenseits des Oceans ein Echo hervor- gerufen. Aber dieser Widerhall ist kein harmonischer, sondern stellt eine scharf zugespitzte Polemik dar, die sich merkwürdiger Weise gegen eine Ansieht richtet, welche Dr. Potonie nicht einmal direkt ausgesprochen hat, son- dern welche nur mit einigem hermeneutischen Scharfsinn aus seinen Worten herausinterpretirt werden kann. Dr. Potonie sagt in jenem Artikel: „die Auspicien sind für die Pflanze günstig, für die Landwirthschaft demgemäss ungünstig, denn abgesehen von der schon erwähnten Thatsache, dass sie die Nährpflanze des Coloradokäfers ist, der erst nachher auf die ihr verwandte Kartoffel übergegangen ist, ist sie in Nord-Amerika stellenweise ein lästiges, störendes Unkraut geworden." Hieraus folgert Dr. Hoffmann, dass Dr. Potonie „Besorgniss hege, dass das sporadische Auftreten eines der Solaneen-Unkräuter aus dem fernen Westen Nord-Amerikas an sich die Ge- fahr der Uebertragung des Coloradokäfers involvire." Ich habe die citirten Worte Dr. Potonie's nicht so verstanden. aber gesetzt auch, dass mein verehrter Freund mit den- selben mehr beabsichtigt hätte, als die Erinnerung an die Auffindung bezw. erste Nährpflanze des gefürehteten Käfers wieder aufzufrischen, so erscheint diese Besoiu niss doch ganz nebensächlich gegenüber der angedeuteten viel näher liegenden Gefahr der Einbürgerung eines neuen, möglicherweise lästig werdenden Unkrautes. Ob es daher ein sachgemässes Verfahren des Dr. Hoffmann war. über diese herausinterpretirte Käfer-Besorgniss ohne Berück- sichtigung der deutlich ausgesprochenen weit aetuclleren Unkrautbefürchtung drei Gutachten von hoch autoritativen Stellen, nämlich von der entomologischen Abtheilung des landwirtschaftlichen Ministeriums der Vereinigten Staaten (E. A. Schwarz, Washington. 13. November 1893 vom Ackerbau-Departement der Dominion of Canada (Director William Saunders und Fntomologe und Botaniker James Fletcher Ottawa, d. 20. November 1893) und Dr. John M. Coulter, Professor der Botanik an der Lake Forest University 111. (den 12. November 1893) zu *) Ber. D. Bot. Ges. 1892, S. (86). 22 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 2 extrahiren, überlasse ich dem Urthcile der Leser. Be- greiflicherweise kommen diese hochgeachteten Sachkenner, von denen Prof. Coulter auch in Europa als einer der besten Kenner der nordamerikanischen Flora und Mit- herausgeber des klassischen Asa Gray'schen Manual of the Botany of the Northern States rühmlich bekannt und, (fügen wir hinzu) eins der 30 Mitglieder der von dem Congress in Genua erwählten Nomenklaturkommission ist, zu dem Ergebniss, dass gegenwärtig nicht der geringste Zusammenhang zwischen der massenhaften Verbreitung des Coloradokäfers in Nord-Amerika und dem Solanum rostratum besteht, und dass das Auftreten des letzteren in Deutschland die Chancen der Einschleppung des ge- fürchteten Käfers um nichts gesteigert hat. Gegen dies Sachverständigen -Urtheil habe ich sicher nichts einzu- wenden, ich kann es aber nicht ohne Widerspruch hinnehmen, dass Prof. Coulter noch weiter geht und sich folgendermaassen äussert: „Die Pflanze (S. rostratum) ist durchaus nicht der ursprüngliche Nährboden des Colorado- käfers; diesen Vorzug theilt sie hier beinahe mit jeder andern in den Unionsstaaten gedeihenden Solanee." Das Wörtchen „hier" scheint allerdings darauf hinzudeuten, dass bei der Stellung der Frage, deren Beantwortung und vielleicht bei der Ucbersetzung der Antwort sich ein oder einige Missverständnisse eingeschlichen haben, denn ich kann nicht annehmen, dass Prof. Coulter die historische Thatsache, dass Doryphora decemlineata zuerst auf So- lanum rostratum beobachtet wurde und von dieser erst auf die Kartoffel bezw. andere Solanaceen übergegangen ist, in Abrede stellen wollte. Wie mir Prof. Gerstäcker schreibt, dessen im Auftrage des Kgl. preussischen land- wirthschaftlichen Ministeriums 1875 herausgegebenen popu- lären Schrift über den Coloradokäfer ich diese Angabe entnommen habe, kehrt diese Angabe in einer ganzen Reihe der aus Aulass der Coloradokäfer -Calamität in Amerika erschienenen Schriften wieder, so dass wir für dieselbe mit um so grösserem Rechte die Notorietät in Anspruch nehmen können, als sie durch die oben S. 21 citirte wunderliche Aeusserung Meehans direct bestätigt wird. Wenn Prof. Coulter ferner Solanum rostratum ein „un- bedeutendes Unkraut" nennt, so hat er sich darüber mit seinen Landsleuten Bush, Halsted und Pammel aus- einander zu setzen erwähnt haben. Erweist sich somit die Hoffmanu'sche Polemik min- destens zum grössten Theile als gegenstandslos, so finden sich doch in den mitgetheilten Gutachten einige That- sachen, die für die Leser von Interesse sein dürften. Nach den Angaben der canadischen Sachkenner hat sich Solanum rostratum auch seit etwa 12 Jahren inner- halb der Stadt Ottawa angesiedelt. Was den Colorado- käfer betrifft, so scheint man sich jetzt in Amerika an diese Landplage gewöhnt bezw. Mittel gefunden zu haben, durch deren zweckmässige Anwendung der Käfer in Schranken gehalten werden kann. „Pariser Grün und London-Purpur haben sich als zuverlässig bewährt, diese und ihre Anwendung siud viel billiger und zeit- sparender und unsere Farmer mit dem Gebrauche dieser Giftpulver vollständig vertraut geworden." Auch scheint ähnlich wie es bei uns an der Wasserpest beobachtet wurde, „die Vermehrung des Käfers nicht mehr so ausser- ordentlich stark und dessen Wandertrieb nicht mehr so entwickelt wie früher." Herr Schwarz hält daher wohl deren Aeusserungen wir oben S. 19 mit Recht die Gefahr einer Verschleppung nach Europa für geringer, als sie vor etwa 20 Jahren war. Unter den wildwachsenden Pflanzen, auf welche der Käfer in den östlichen Staaten übergegangen ist, nennt derselbe Solanum carolinense L. , eine nahe mit S. rostratum verwandte, gleichfalls stachlige, aber ausdauernde in den atlantischen Staaten verbreitete Art. In Canada bevorzugt der Käfer ausser der Kartoffel die Eierpflanze (Solanum Melon- gena L.), das Bittersüss (S. Dulcamara L.), das Bilsen- kraut (Hyoscyamus niger), Nicotiana affinis hört., und N. longiflora Cav. , während der Tabak (N. Tabacum L.) in allen seinen Varietäten wenig von dem Käfer ange- griffen wird. „Von der Tomate (Lycopersicum esculentum Mill.) werden zuweilen nur die jungen Pflauzen angegriffen und im Spätherbst, wenn die Kartoffelblätter verschwinden, auch die reifenden Früchte, sonst aber wird die Tomate von dem Coloradokäfer wenig gesucht." Ich darf wohl mit der nachstehenden Mittheilung schliessen , die ich der Güte des Geheimraths Prof. Dr. L. Wittmack verdanke. Derselbe sandte mir folgenden Auszug aus dem „Report of the Commissioner of Agri- culture for the year 1884, Washington", in welchem der Entomologe C. V. Biley in der Einleitung seines Special- berichts über den Coloradokäfer bemerkt: „ ... Es ist bisher nur bekannt gewesen, dass er allein auf der Gattung Solanum lebt, welche die Eierpflanze, die Pferdenessel (horse nettle) und einige wilde Arten westlich vom Mississippi umfasst, wie rostratum und cornutum, welche unter verschiedenen populären und Lokalnamen bekannt sind. Auf der Pferdenessel (S. carolinense), welche bei uns gemein, in Kansas aber meist durch das S. rostratum vertreten ist, scheint er (der Käfer) selbst lieber als auf der Kartoffel zu fressen und ich habe ihn ganz unschäd- lich für andere Arten derselben Gattung gefunden, so S. Warseewiczi, robustum Wendl., discolor und sieglinge (jedenfalls ein Druckfehler W.), welche oft wegen ihres ornamentalen Laubes gezogen werden.*) Die anderen Gattungen wie Physalis, Datura, Hyoscyamus, Nicandra, Nicotiana etc. scheinen ihm nicht recht zu behagen, ob- wohl er im Nothfalle sie alle fressen wird, besonders die erstgenannten. Cayenne-Pfeffer (Capsicum), in irgend welchem Umfange von ihm gefressen, wirkt giftig, wie wir von Dr. Le Baron erfahren. Unter diesen Umständen ist es eine interessante That- sache (welche beweist, wie eine neue Gewohnheit unter günstigen Umständen erworben werden kann), dass dieses Insect vergangenen Sommer positiv auf Kohl fressend gefunden ist Sicher ist es, dass er Kohl verwüstend gefunden wurde von Herrn H. H. Mc Affee, Superintendent der Wisconsin University Experimental Farm, während Frl. Mary E. Murtfeldt von Kirkwood, deren Zeugniss ich im höchsten Maasse vertrauen kann, fand, dass er in einem Theile von Nord-Illinois beträcht- lichen Schaden an wachsendem Kohl that und selbst in grosser Zahl darauf Eier legte". Aus obiger Mittheiluug geht wohl hervor, dass der Käfer seiner zuerst beobachteten Nährpflanze, S. rostratum, auch jetzt noch nicht so vollständig untreu geworden ist, als aus den bisherigen Nachrichten zu schliessen war. *) Diese und ähnliche auch bei uns viel als Blattpflanzen gezogenen Formen bleiben wohl wegen der dichten Filzbeklei- dung verschont. P. A. Nr. 2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 23 Die Forschungsreise des Professor J)r. Richard Semon (Jena) nach Australien und nach dem Malay- ischen Archipel (1891 — 1893). — Nach fast zweijähriger Abwesenheit ist Prof. Semon im Mai vorigen Jahres von einer Reise zurückgekehrt, welche hauptsächlich der näheren Erforschung der australischen Thierwelt, speziell der Eutwickclung des Ceratodus aus der Gruppe der Lurchfisclie, gewidmet war. Von den Mitteln der „Paul von Ritter-Stiftung für phylogenetische Zoologie" und weiteren Zuschüssen des in Basel lebenden Stifters wurde diese Reise bestritten, welche für die Aufhellung der Stammesgeschichte der Wirbelthiere ein ausserordent- lich werthvolles Material geliefert hat. Die Ergebnisse der sämmtlich mit demselben vorzunehmenden Unter- suchungen sollen nach und nach in 5 Bänden in den „Jenaer Denkschriften" veröffentlicht werden; so wird der erste Band, welcher bereits unter der Presse ist, der Lebensweise und Ent wickclungsgeschichte des Ceratodus Forste ri gewidmet sein, über welche erst diese Reise ein ausreichendes Material herbeigeschafft hat. Wie dasselbe im Innern des australischen Continents von Semon gewonnen wurde, kann vielleicht in einem späteren Artikel mitgetheilt werden, diesmal möge eine Episode, welche etwa 5'/2 Monate umfasst, aus dieser Reise Semon's eine Stelle finden; dieselbe hat das Thier- leben der Torresstrasse zum Gegenstand und be- schäftigt sich mit einem Theil von Englisch-Neu- guinea; in einem am 5. November v. J. in der Geo- graphischen Gesellschaft zu Jena gehaltenen Vor- trag theilte Prof. Semon etwa Folgendes mit: Die Hinreise erfolgte im Sommer 1891 von Genua aus auf der „Nürnberg", einem Schifte des Norddeutschen Lloyd, über Ceylon, Adelaide, Melbourne, Sydney nach Brisbane. Von hier aus besteht nur zu Schiff Verbindung mit dein nördlichen Queensland, der Halbinsel York und der Torresstrasse. Landschaftlich bieten diese Partieen wenig, die Küste Australiens ist auf weite Erstreckung vom Barriereriff umgeben, auf dessen Korallenboden ist nur ein dürftiges Pflanzenleben vorhanden neben dem üppigeren Leben mariner Thiere. Von wirklicher Schön- heit ist jedoch die Wit-Sunday-Passage. An der Nord- spitze der Yorkhalbinsel bei Kap York hat sich ein Weisser (Mr. Jardine) durch besondere Energie und Ent- schlossenheit seit längerer Zeit gegen die Eingeborenen behauptet; letztere sterben übrigens jetzt rasch dahin und gehen dem gänzlichen Verschwinden entgegen. — Mittelpunkt der Perlenfischerei oder vielmehr der Perlmutterfischerei ist Thursday-Island in der Torresstrasse, woselbst der Vortragende zunächst seinen Aufenthalt nahm. Zahlreiche kleinere Inseln ragen in der im ganzen seichten Meeresstrasse auf, welche trotz zahlreicher Vermessungen und trotz der englischen See- karten immer noch eine keineswegs gefahrlose Passage gestattet. Auf den Inseln, welche zum Theil nach den Wochentagen benannt wurden, befinden sich die Stationen der Perlfischer. Von den zahlreichen Abenteurern, welche sich hier aus allen mögliehen Gegenden zusammenfinden, werden übrigens, wenn die Unternehmer nicht selbst strenge Aufsieht führen, bei der Fischerei die Perlen meist gestohlen und nur das Perlmutter kommt dem Unternehmer selbst zu Gute. Das Tauchen geschieht in Taucheranzügen. Den Tauchern wird Luft zugepumpt, doch muss man sieh erst allmählich an diese Thätigkeit gewöhnen; bei unvorsichtigem Tauchen in grösseren Tiefen tritt sonst Bewusstlosigkeit ein infolge des be- deutenden Drucks der Wassersäule. Das Leben ist hier kein angenehmes und auch keineswegs sehr sicher; Ver- brechen sind vielmehr häufig. Für den Vortragenden war die Ausbeute hier nicht so lohnend, wie er gehofft, auch erwies sich die Beschaffung von brauchbaren Leuten schwierig, weil dieselben ihren leichten und sehr nuten Verdienst finden Neben der Perlmutterfischerei blüht übrigens auch die Erbeutung des Trepang (Holothurien . welche merkwürdigerweise bis jetzt nur nach China als geschätzter Leckerbissen gebracht werden, obwohl der Geschmack dieser „Seegurken" ein ganz vortrefflicher ist und etwa dem einer leckeren Schildkrötensuppe gleich- kommt. Von höheren Thieren leben in der Torresstrasse namentlich die in ihrer systematischen Stellung immer noch räthselhaften Dugongs oder „Seekühe" (Halicore), welche weder zu den Walen und Delphinen noch zu den Robben, eher vielleicht in die Nähe der Hufthiere gehören und ausschliesslich von Pflanzenkost leben. Im übrigen stellt die sonstige Thier- wie die Pflanzenwelt dieser Inseln einen Uebergang dar zwischen Neuguinea und dem australischen Festland; zweifellos haben zwar diese beiden Ländergebiete in geologischer Vergangen- heit ein Ganzes gebildet, wie dies auch in der Verwandt- schaft der Flora und Fauna sich ausprägt, doch ist die Lostrennung von Neuguinea bereits eine so alte, dass eine selbstständige Entfaltung der pflanzlichen wie thieri- schen Bewohner in beiden Gebieten vor sich gehen konnte. Auch die Eingeborenen der Inseln stellen eine Mischung zwischen Australnegern und Papuas dar. Von der Thier- welt gedenkt der Vortragende noch der hier sehr häufigen Schildkröten; sowohl die grossen Suppenschildkröten von 5 — 6 Fuss Länge als die Karettschildkröten, welche das echte Schildpatt liefern, beobachtete der Vortragende häufig. Sie kommen ans Land und legen jenseit der Fluthgrenze in eine selbstgewühlte Höhlung 100, ja 200 Eier ab, deren Eiweiss merkwürdigerweise auch bei noch so lang fortgesetztem Kochen nicht gerinnt. Auch Hai- tische sind ungemein verbreitet. Von hier aus unternahm nun Professor Semon nach einiger Zeit mit einem kleinen Segler von 10 Tonnen einen Ausflug nach Neuguinea; er engagirte einen Schotten (Mac Arthur) als Kapitän und 3 Leute als Matrosen, ausserdem sehloss sich noch der Neffe des Gouverneur von Thursday-Island, Mr. Douglas, der Ex- pedition an. Nach den Mangroveküsten in der Nähe des Fly-River zu gehen, lag nicht in der Absicht, da hier die tropische Vegetation schwer erreichbar erst jenseit des breiten Mangrovegürtels anzutreffen ist; man Hess deshalb das Schiff mit dem NW.-Monsun an der Südküste Neu- guineas entlang drei Tage in rascher Fahrt treiben, und hoffte später in gleicher Weise mit dem SO.-Monsun in umgekehrter Richtung wieder zurückfahren zu können. Der Ausblick auf die mächtigen Gebirge Neuguineas, namentlich die Mount Owen Stanley Ketten, besonders den erst vor einigen Jahren vom Gouverneur Sir William Mac Gregor erstiegenen 4000 m hohen Mount Owen Stanley selbst, machte diese Fahrt zu einer interessanten und an Abwechselung reichen. Im Gebiet der katholischen Mission vom heiligen Herzen um den St. Joseplifluss wurde gelandet. Ausser den Katholiken sind in Englisch- Neuguinea hauptsächlich protestantische Missionare der Englisch Church Missionary Society an der Südküste ent- lang thätig sowohl nach Ö. bis zur Ostspitze sowie nach W. hin bis zum Fly-River. Beide Gesellschaften arbeiten nach ganz verschiedenem System. Die Katholiken haben nur Weisse als Missionare angestellt; an der Spitze der Mission steht ein Erzbischof, ein Bischof, denen Missionare und Laienbrüder unterstellt sind, d. h. Handwerker, welche jedoch bis jetzt wenig Einfluss auf die Eingeborenen zu erlangen vermochten. Die Anhänger der Londoner Missionsgesellschaft haben hingegen auf ihren Seminaren in der Südsee namentlich eingeborene Südseeinsulaner zu Missionaren herangezogen, welche, 24 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. Nr. 2 wenn wie hier eine genaue Kontrolle ihrer Thätigkeit stattfindet, Gutes leisten. Es wurde eine Befahrung des St. Josephflusses unter- nommen auf einem Fahrzeug der Missionare, um die noch wenig von Weissen bewohnten Dörfer der Eingeborenen flussaufwärts kennen zu lernen, doch erwies sich die starke Strömung infolge anhaltender Regengüsse dem Unternehmen wenig forderlich. Die Colonisationsbestrebungen sind auch in dem eng- lischen Theil von Neu-Guinea noch in den ersten An- fängen. Das Studium der Papuas, welche im Gegensatz zu den Australnegern bereits eine gewisse Cultur, nament- lich eine entwickelte Fertigkeit im Häuser- und Bootbau, sowie grosse Gewandtheit in der Verzierung ihrer Watten und ihrer sonstigen Geräthe besitzen, gewährt ein hohes Interesse. Die Gesichtsbildung der Papuas ist bekannt- lich ebenfalls von derjenigen der Australneger ganz ver- schieden. Das krause Haar wird zu absonderlichen, kunstvollen Haartrachten aufgeputzt. Die Stellung der Frauen, denen hauptsächlich der Anbau obliegt, ist eine weit bessere als bei den Australnegern, auch die Kinder haben öfter eine berathende Stimme. Dabei finden sich jedoch nirgends grössere Staatswesen, daher treten auf relativ engem Raum zahlreiche verschiedene Dialecte, ja gänzlich verschiedene Sprachen auf, wodurch das Reisen natürlich sehr erschwert wird. Interessant sind manche Industrien, wie die Betreibung der Töpferei in Port- Moresby und ein regelmässiger, zum Theil weit aus- gedehnter Handelsverkehr zum Vertrieb und Eintausch der Landeserzeugnisse (die Sagofahrten u. a. m.). Die Zerspaltung in zahlreiche kleine Gemeinwesen führt jedoch zu häufigen kleinen Fehden; die erbeuteten Schädel der Feinde werden als begehrte Trophäen in den Dörfern aufgepflanzt, vielfach ist auch noch Kannibalismus üblich, merkwürdigerweise hat sieh derselbe theilvveise erst neuer- dings eingebürgert. Die ausgestellten ethnographischen Gegenstände geben dem Vortragenden Gelegenheit, die Kunstfertigkeit der Papuas an ihren Schnitzereien näher zu demonstriren ; er fand bei ihnen kaum irgend einen Gegenstand des täg- lichen Lebens ohne irgend welche kunstvolle Verzierungen ; letzere sind sämmtlich mit Muschelschalen oder Steinwerk- zeugen hergestellt, denn eine Kenntniss der Metalle haben die Eingeborenen nicht; sie leben noch vollkommen auf der Culturstufe der fortgeschrittenen Steinzeit. — Eine ausgebildete Religion haben sie ebenfalls nicht; ihre Todten bestatten sie unter den Pfahlhäusern, in der Mei- nung, dass ihr Geist leichter zur Ruhe komme, wenn sie über demselben schliefen. Eine aus hygienischen Gründen getroffene Verordnung des Gouverneurs, die Gestorbenen nicht mehr unter den Hütten zu begraben, hatte daher grossen Unwillen und Aufregung erregt und dürfte kaum durchführbar sein. Sehr interessant ist übrigens in coloni- satorischer Hinsicht der Versuch des Gouverneurs von Port Moresby, die Interessen der Eingeborenen in jeder Beziehung in die erste Linie zu stellen, um sie allmählich soweit zu bringen, der freien Conkurrenz mit den Euro- päern die Spitze bieten zu können. Es darf daher nur in ganz beschränkter Weise Landerwerb stattfinden, und zwar nur dann, wenn die Eingeborenen selbst ganz genau wissen, warum es sich dabei handelt, auch ist der Handels- betrieb der Weissen mit ihnen ein beschränkter, um sie gegen Uebervortbeilung zu schützen, der Verkauf von Waffen und Spirituosen ist ganz verboten. Natürlich treffen den Gouverneur, Sir William Mac Gregor, einen Mann von grossem Organisationstalent, die heftigsten An- feindungen der Colonisten in Queensland, doch ist bis jetzt dieser interessante Versuch nicht erheblich gestört worden. Kommt z. B. ein Mord vor, so verziehtet Mac Gregor, wenn der Thäter gar nicht zu ermitteln ist, lieber auf die Bestrafung, als dass dafür ein ganzes Dorf oder gar ein Distrikt verantwortlich gemacht wird. Von hohem Interesse sind die 60 bis 80' hoch angelegten Baumhäuser dieser Gegend, welche bei Angriffen als Zufluchtsstätten und sonst als Depots von Waffen, Steinen und Mund- »vorräthen dienen. — Den echten Typus eines Pfahldorfes bietet der Ort Hula dar, eine innerhalb des Riffs im ruhigen Wasser angelegte Ansiedelung. Wird eine solche Küstansiedelung von den kriegerischen Bergbewohnern angegriffen, so gehen die Bewohner einfach auf ihren Fahrzeugen in See und überlassen das Dorf ihren über- legenen Gegnern. Bis an die Küste reicht in diesen Gegenden der tro- pische Urwald, in welchen der Reisende auf einer fünf- tägigen Tour eindrang. Infolge eines Missverständnisses waren keine Decken und keine ausreichenden Nahrungs- mittel mitgenommen worden. Der Führer, ein Chinese aus Kauton, verstand nur sehr wenig Englisch und hatte die Lage von „Kala-, welches man aufsuchen wollte, dem Vortragenden nicht deutlich macheu können. Durch anhaltenden Regen und empfindlichen Nahrungsmangel wurde diese Tour eine sehr entbehrungsreiche, zumal die Fortbewegung in dem ganz durchweichten, von Nässe triefenden Urwald dem Europäer ohne Nagelschuhe kaum möglieh ist. Das dem Sonnenlieht undurchdringliche 40 bis 60 Fuss hohe Blätterdach erzeugt übrigens ein so düsteres Bild, dass es nur durch grosse Uebung möglich ist. die reich vertretene Vogelwelt, die Paradiesvögel, Kakadus u. s. w. wahrzunehmen, soweit sie sich nicht wie die Nashornvögel durch ihren geräuschvollen Flug bemerklieh machen. Nach vieler Mühe gelang es daher erst, einigeParadiesvögel und einen sehr seltenen schwarzen Kakadu zu erlegen, sowie eine durch wunderbare Farben- pracht ausgezeichnete Taubenart von bedeutender Grösse zu erbeuten. Der Glanz der Farben ist auf Neu-Guinea nicht nur den höheren Thieren, sondern z. B. auch den Iusecten, namentlich den Käfern und Schmetterlingen, eigen; ein Schmetterling, wie der wundervoll grüne Orni- thoptera Pegasus, versetzt nicht nur den Naturforscher in das grösste Entzücken und staunende Bewunderung. Die Rückfahrt hatte sodann mit grossen Widerwärtig- keiten zu kämpfen, da der günstige SO. -Monsun nicht eintreten wollte und man gegen den Wind zu kreuzen versuchte. Nach 14tägigen vergebliehen Versuchen musste jedoch der Ausgangspunkt nochmals angelaufen werden, ehe die Rückkehr gelang. Prof. Fr. Regel. G. de Laire und Ferd. Tiemanu: Uefoer Iridin, das Glucosid der Veilcliemvurzel. (D. Chem. Ges. Ber. 26, S. 2010). — Die Verfasser fanden in den Wurzelknollen von Iris florentina ein neues, durch Versetzen des alko- holischen Auszuges mit Wasser und einem Gemenge aus Aceton und Chloroform isolirbares, Glucosid. Sie nennen dasselbe Iridin. Es besitzt die Zusammensetzung Co4Hj(,Ni:i und bildet feine, weisse, an feuchter Luft sich leicht hellgelb färbende. Nadeln vom Schmelzpunkt 208°, kaum in Wasser, etwas leichter in Aceton löslieh. Durch verdünnte alkoholische Schwefelsäure wird es bei 80 — 100° nach derGleichung C24H26013 + H20 = CaH120B + C,8H1608 in Traubenzucker und eine gut krystallisirende, alslrigenin bezeichnete Verbindung, zerlegt. Das Irigenin, C18H1(;08, zeigt die Eigenschaften eines Phenols mit zwei Hydroxylgruppen. Es spaltet sich beim Erhitzen mit concentrirter Alkalilauge nach der Gleichung: C18H1608 + 3H20 = CHä02 + C.A^ + C7H804 in Ameisensäure, eine aromatische Oxysäure (C^H^Oö), Nr. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 25 Iridinsäure genannt, und ein Phenol (C7H,,04), das mit dem Namen Iretol belegt wurde. Diese Spaltung muss unter Ausschluss der Luft geschehen. Iridinsäure spaltet sich beim Erhitzen über ihren Schmelzpunkt in Kohlensäure und ein als Iridol be- zeichnetes Phenol. Beim Kochen mit Jodwasserstoffsäure spaltet sie Jodmethyl und zwar in einer zwei Methoxyl- gruppen entsprechenden Quantität ab. Ihre Formel kann sonach aufgelöst werden in C7H4(OCH3)2(OH)(C02H). Dem Iridol muss danach die Formel C7H,(OCH3)2 Olli zukommen. Es wird durch Chloroform und Alkali- lauge beim Erhitzen in zwei isomere Aldehyde umge- wandelt. Durch Jodmethyl wird das Iridolnatrium ver- wandelt in Methyliridol , C7H5 (OCH3)3, welches durch Oxydation mit verdünnter Kaliumpermanganatlösung in Triniethylgallussäure,_ C6H2(C02H)(OCH3)3, 3, 4, 5 über geht die Contitution CH3 Aus diesen Beobachtungen wird für das Iridol H,CO Oll OCH3 gefolgert, für welche noch weitere Wahrscheinlichkeits- grilnde angeführt werden. Für die Iridinsäure bleiben hiernach die folgenden Formeln : H3CO IL CH3 C02H HO,C Ho CO. / OH H,CO OH OCH3 OCH3 OCH und für die Methyliridinsäure die Formeln: I. II. CH3 CH2 • C02H III. CH2 • C02H OH H.CO C( LH OCH, und HoCO ;OCHo \/ OCH3 OCH3 übrig. Die weiteren Untersuchungen, insbesondere die Oxydir- barkeit der Methyliridinsäure zu Trimetliylgallussäure er- gab für letztere die Formel II, also für die Iridinsäure die Formel III als die richtige. Das dritte Spaltungsproduct des Irigenins, das Iretol enthält, wie die Behandlung mit Jodwasserstoffsäure er- gab, eine Methoxylgruppe. Durch Benzoylirung lassen sich ferner drei Hydroxylgruppen darin nachweisen, so dass es als Methyläther eines Tetroxybenzols, also als CBH2(OCH3)(OH)3 erscheint. Seine Constitution wird voll- ständig dadurch aufgeklärt, dass es durch Reduction mittelst Natriumamalgams nach der Gleichung C7H80+ -f- 2H = C6H603 -+- CH:i • OH in Phlorogluein und Methylalkohol übergeht, denn es kann ihm hiernach nur die Formel ( >CH, OH OH OH zukommen. Die Eigenschaften und Umsetzungen dieses Körpers, der ausser in der erwähnten Form C-OCH, HO.C HC C-OH OH C-OH auch in der tantomeren Form C • OCH3 HO • C H2C CO CO CH2 in Reaetion tritt, sind eingehend studirt worden. Aus den angeführten Ergebnissen bezüglich der Con- stitution der Spaltungspniducte sowie aus einer Unter- suchung der durch Hydrolyse entstehenden Körper wird dann für Ingen in die Constitution H,CO neu. H,CO- >-CH,-C-CO XoA OH OH und für das Iridin die Constitution H3CO OCHo HoCO-; ,0 • CH2 • C • CO • OC6Hn05 OH gefolgert. Einige Betrachtungen über wahrscheinliche physiolo- gische Beziehungen des Iridins, Irigenins und seiner Spaltungsproducte zu den Zuckerarten bilden den Sehluss Sp. der interessanten Untersuchung. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Dr. W a 1 1 e r Migula, Docent für Botanik an der Technischen Hochschule in Karlsruhe, zum Professor. — Der Privatdocent der Botanik an der Universität Moskau Dr. W. Laposchn ik of f zum Professor an der Universität Tomsk in Sibirien. — Der Geologe Oberlehrer Dr. Aurel Krause in Berlin zum Professor. — Dr. Zelinka, Privatdocent der Zoologie an der Universität Graz, zum ausserordentlichen Professor. — An der Universität Berlin Dr. Oskar Lassar, Privatdocent für Haut- krankheiten, — und Dr. Ernst Julius Remak, Privatdocent für Nervenleiden, zu ausserordentlichen Professoren. — Professor Dr. Fehling in Basel zum Director der Universitäts-Frauenklinik und Professor an der Universität Halle. Dr. Adolf Lindner ist als Chemiker in das Laboratorium der Kgl. Preuss. Geologischen Landesanstalt in Berlin eingetreten. Es sind gestorben: Robert Bentlev, ehemals Professor der Botanik an der Pharmacie-Schule der Pharmaceutical Society of Great Britain, in London. — Der auf dem Gebiete der Botanik thätig gewesene Kaiserl. Russische Staats-Secretär und Wirkliche Geheime Rath a. 1). Baron Karl von Küster in Darmstadt.— Der Afrikaforscher Sir Samuel White Baker auf seiner Be- sitzung Sandford, Newton Abbot. — Der Privatdocent der Hygiene an der Universität Wien Dr. Heider. — Der Professor der Physik an der Universität Bonn Dr. Heinrich Rudolf Hertz, — Hof- 26 Naturwissenschaftliche Wochenschritt. Nr. 2 rath Dr. Johann Friedrich Jencke, Director des Taub- stammen-Instituts in Dresden.— Der Botaniker Heinrich Schulze in Breslau. — Der Entomologe Franz von Micklitz, k k. Forst- meister in Wien. — Der Naturforscher H. J. Knik in Christiania. — Der Forschungsreisende von Schönberger in Paris.— Pro- fessor Dr. Eduard Strohl, früher Lehrer in der medicinischen Facultät der Universität Strassburg, daselbst. — Dr. Arthur Milnes Marshall, Professor der Zoologie am Owens College, in Folge Absturzes bei der Besteigung eines Berges. Gruppe XIX: Unterricht und Erziehung der Berliner Gewerbe-Ausstellung' 1896. — In Verfolg unserer früheren Mit- theilung in Bd. VIII. S. 515 ist das Folgende zu berichten. Die Gruppe XIX ist in einer Sitzung der Arbeits-Koinmission am 2. December 1893 in etwas anderer Weise in Abtheilungen zer- legt worden, als 1. c. mitgetheilt und gleichzeitig die Vorsitzenden dieser Abtheilungen gewählt worden. Die Gruppe zerfällt danach nunmehr in I. Einrichtung von Schulen; Schul-Hygiene (Vor- sitzender Prof. Baginsky). II. Lehr- und Unterrichtsmittel jeder Art. a) Physikalische, chemische und physiologische Apparate (Vors. Geh. Rath Landolt). b) Naturaliensammlungen, einschliesslich Abbil- dungen und Modelle (Vors. Geh. Rath Möbius). — Diese Unterabtheilung ist bereits von dem Vorsitzenden zu einer Sitzung am 29. December 1893 zusammenberufen worden, in der Prof. L. Kny zum zweiten Vors., Dr. H. Potonie zum ersten und Ober- lehrer Dr. E. Schmidt zum zweiten Schriftführer gewählt wurden. Wichtigere Beschlüsse dieser Unterabiheilung, die die Leser der „Naturw. Wochenschr.'" besonders interessiren muss, werden wir nicht verfehlen gelegentlich mitzutheilen. c) Geographie, geschichtliche und sonstige An- schauungsmittel (Vors. Prof. Trendelenburg). d) Bücher (Vors. Dr. H. Paetel). e) Turnapparate (Vors. Prof. Eckler). III. Technischer Unterricht (Vors. M. Lindemann- Frommel). IV. Handwerker-, Baugewerks-, Fortbildungs-, Kunstgewerbliche Schulen undAnst alten ( Vors . Dr. S z y - mänski). V. Korporative Ausstellungen (staatliche, städti- sche Behörden) (Vors. Prof. Schwalbe). L i 1 1 e r a t u r. Prof. Dr. F. Jelly, lieber Irrthum und Irrsein. Rede, gehalten zur Feier des Stiftungstages der militärärztlichen Bildungs- anstalten am 2. Aug. 1893. August Hirschwald, Berlin 1893. Der Vortrag des Directors der psychiatrischen Klinik der Universität Berlin hat ein weiteres Interesse und der Gegenstand ist auch allgemein-verständlich zur Darstellung gekommen. Jolly erläutert das Vorgehen des Arztes bei der Untersuchung eines Menschen auf seinen Geisteszustand und weist die Meinung man- cher Laien, dass man schliesslich jeden für geisteskrank erklären könne, entschieden zurück, der Arzt verfahre nach einer Methode, die zuverlässig sei. — Das Genie unterscheidet sich nach dem Verf. von dem Alltagsmenschen dadurch, dass ersteres die durch Intuition gewonnenen Gedanken methodisch prüft und induetiv zu beweisen sucht, jede dieser Kritik nicht Stand haltende Mei- nung aber verwirft, während sich schwächere Geister blenden lassen und dann handgreifliche Thatsachen, die entgegenstehen, unbeachtet lassen. — Geisteskranke wirken durch „Faseination1' leicht auf Gesunde ein; nur zur Geisteskrankheit Disponirte leiden aber dauernd darunter (folie simultanee ou communiquee). Einen Ueborgang zum ganz gesunden Menschen bildet der „epidemische Unsinn" sonst Gesunder, die falsche Ideen aufnehmen und aus Denk- faulheit beibehalten. „Mag der Prophet einer solchen Gemeinde noch so krause Gedankensprünge machen, seine Anhänger leben in dem Vertrauen, dass er die Beweise für dieselben noch „in seinen Akten" habe, und in diesem Vertrauen verzichten sie auf eigenes Urtheil. Zum Glück für die Menschheit steht der Neigung, Suggestionen zu unterliegen, die Fähigkeit gegenüber, eine grosse Menge von Irrthümern aufnehmen zu können, ohne dass der psychische Mechanismus dadurch aus den Fugen gebracht würde." Rudolf Virchow, Die Gründung der Berliner Universität und der Uebergang aus dem philosophischen in das naturwissen- schaftliche Zeitalter. Rede, gehalten am 3. August 1893 in der Universität Berlin. August Hirschwald. Berlin. Eine Rede aus Anlass des Geburtstages König Friedrich Wilhelms in., des Begründers der Universität Berlin, in der namentlich die philosophische Periode der Universität Berück- sichtigung findet bis zum Auftreten A. v. Humboldt's und zu seinem Wirken für die Universität, womit die naturwissenschaft- liche Periode beginnt. Arendt's Naturhistorischer Schulatlas. R. venu. u. verb. Aufl. von Oberlehrer Dr. Friedr. Traumüller: 76 Taf. mit 1099 Abb. in Holzschnitt und erläuterndem Texte. F. A. Brockhaus, Leipzig, 1892. - Preis 2,50 M. Zu dem bezeichneten, ausserordentlich billigen Preise liefert die Verlagshandlung einen anregenden Atlas, der die ans anderen Verlags-Werken der Handlung entnommenen guten Abbildungen enthält aus den Gebieten der Zoologie, der Botanik, der Minera- logie und Geologie. Das reiche Material dürfte an der Hand eines geschickten Lehrers in der Schule vorzügliche Dienste leisten. Dr. Wilhelm Haacke, Die Schöpfung der Thierwelt. Mit 469 Abbildungen im Text und auf 20 Tafeln in Farbendruck und Holzschnitt nebst 1 Karte. Bibliographisches Institut in Leipzig und Wien. 1893. — Preis geb. 15 M. Das vorliegende Buch des Mitarbeiters an der neuen Auflage von Brehm's Thierleben ist in geschicktester Weise sowohl den Bedürfnissen des Gelehrten angepasst, der es in Fragen der Biologie (im engern Sinne) als treffliches Nachschlagebuch be- nutzen kann und wird, als auch den Anforderungen des Laien, dem kaum ein mit mehr Geist geschriebenes Buch aus den Ge- bieten der Zoologie, die diesen am meisten interessiren müssen, empfohlen werden kann. Klare Sprache, die es bedingt, dass nirgends irgend etwas zweifelhaft bleibt, vorzügliche und meister- haft ausgewählte Abbildungen, gediegener Inhalt, eine Ausstattung vorzüglich wie sie die bewährte Verlagshandlung stets liefert, bei alle dem ein massiger Preis: das sind die Merkzeichen des Buches. Niemand wird es unbefriedigt lesen; jeder, auch der Gelehrteste, muss Anregungen daraus schöpfen. Kennt doch der Verfasser nicht nur die freie Natur durch Reisen in entfernte Länder gründ- lich, und hat er doch durch seine Thätigkeit als Director eines zoologischen Gartens auch in der Heimath Gelegenheit gehabt, sich eingehend um das Leben der Thiere zu kümmern, sondern hat er doch auch gezeigt, dass er die Studirstube, das Labora- torium, zu schätzen und zu benutzen weiss: ein ganzer Natur- forscher! Gewiss ist das Buch eine treffliche Ergänzung zu Brehm's Thierleben, das sich mit den Thieren der Gegenwart allein be- schäftigt und in welchem zwar das Benehmen der Thiere zur an- ziehendsten Schilderung gelangt, aber die. eigentliche Biologie im engern Sinne nur untergeordnet berücksichtigt wird Zu einem Verständniss des Thier-Systems ist die Betrachtung der fossilen Thierformen, wie Haacke das thut, unerlässlieh Wir werden nicht verfehlen, dem Leserkreise der „Naturw. Wochenschrift" baldigst Proben der Abbildungen und des Textes aus dem schönen Buche vorzuführen. Dr. med. Carl Günther, Einführung in das Studium der Bak- teriologie mit besonderer Berücksichtigung der mikroskopischen Technik. 3. verm. n. verb. Aufl. Mit 172 nach eigenen Präpa- raten vom Verf. hergestellten Photogrammen. Georg Thieme. Leipzig 1893. — Preis 10 M. Schon wieder können wir über eine neue Auflage des aus- gezeichneten Buches berichten; erst Bd. VII (1891) No. 58 der Naturw. Wochenschr. hat die 2. Aufl. Besprechung gefunden, die wir einzusehen bitten. Dass bei der so recht in der Entwickelung begriffenen Bakteriologie ein Lehrbuch dieser Disciplin, wenn es stets auf der Höhe stehen will, einer permanenten Verbesserung bedarf, ist klar: Verf. ist diesen zahlreichen Fortschritten überall und in der fachmännischsten Weise gefolgt, sie haben eine gänz- liche Umarbeitung mehrerer Abschnitte bedingt. Auch eine Er- weiterung hat die vorliegende Aufl. erfahren. Die 2. umfasste 274, die vorliegende 3. bringt 376 Seiten bei gleichem Druck und gleichem Format. Von den 72 trefflichen Photogrammen sind 28 durch neue ersetzt worden. Günther's Compendium gehört zu den besten Bakteriologien, die wir kennen. A. Hartleben's Neue Reisebücher „Unterwegs" Nr. 7: A. von Schweiger Lerchenfeld , Die Grotten und Höhlen des Karst. (Laibach — Planina — Adelsberg — Divaca [St. Canzian] — Nabresina [Duino, Timavo] — Triest). Bearbeitet unter Mitwirkung des Regierungsrathes Franz Kraus. Mit 34 Abbildungen und sechs Karten. — A. Hartleben's Verlag Wien, Pest und Leipzig. — Preis 1 M. 80 Pf. Ueber das interessante Karst-Gebiet in geologischer Beziehung findet sich in der Naturw. Wochensch. Bd. III p. 155 ein Aufsatz. Nr. 2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Das vorliegende, für den Touristen berechnete Heft, betrachtet diesem Zweck entsprechend in erster Reihe die landschaftlichen Verhältnisse des Gebietes, giebt aber auch Aufschlüsse über seine Naturgeschichte. Die hübschen und gut ausgewählten Abbildungen geben vorzügliche Anschauungen über die Merkwürdigkeiten, wobei natürlich die Adelsberger Grotte, wie überhaupt die Höhlen besondere Berücksichtigung gefunden hallen. Die verschiedenen Abschnitte des Buches sind überschrieben: Der Karst und seine Unterwelt: 1. Die Adelsberger Grotte. — Die Tropfsteinbil- dungen. — Aus der Geschichte der Adelsberger Grotte. — Die Grotte von Gross-Ottok. — 2. Die Magdalenen-Grotte (Öerna Jama) und die Poik-Höhle (Piuka Jama). - - 3. Das Höhlenschloss Lueg. — 4. Die Kleinhäusel-Höhle. — Das Planina-Thal. — 5. Der Rakbach-Eessel und der Zirknitzer See. — 6. Die Grotten und Höhlen von St. Canzian. — Die grosse Doline. — Die Reka- höhlen. — 7. Von der Reka zum Timavus. — Kacna Jama. — Kronprinz Rudolf-Grotte. — Grotte von Corgnale. — Lindner- höhle. — Duino und der Timavus. Durch die Mitwirkung des Höhlenforschers Franz Kraus, der den Verfasser mit Material versehen und die Revision des Textes besorgt hat, hat das Werk auch für den Naturforscher Werth bekommen. Das Volumgesetz gasförmiger Verbindungen. Abhandlung von Alex. v. Humboldt und J. F. Gay-Lussac (lSOÖ— 1S08). Herausg. von W. Ostwald (Ostwald's Klassiker der exacten Wissenschaften, No. 42). Wilhelm Engelmann. Leipzig 1893. — Preis 0,60 M. In dem 38 Seiten umfassenden Heftchen werden die Abhand- lungen neu herausgegeben, in denen der wissenschaftlichen Welt die Thatsache, dass die Gase sich nach einfachen rationalen Volumverhältnissen verbinden und umsetzen, mitgetheilt worden ist Es sind das die Abhandlungen 1) A. v. Humboldt und Gay- Lussac's: „Experiences sur les moyens endiometriques et sur 1a Proportion des principes constituants de l'atmosphere" (1805) und 2) Gay-Lussac: „Memoire sur la combinaison des substances gazeuses, les unes avec les autres" (1808). Wie üblich in den Klassi- kern der exacten Wissenschaften finden sich aus der Feder des Herausgebers Anmerkungen am Schlüsse des Heftes Emile Picard, Traite d'analyse. Tome IL Fonctions harmo- niques et fonctions analytiques. Introduction a la theorie des equations differentielles, Integrales abcliennes et surfaces de Riemann. Gauthier-Yillars & fils. Paris 1893. — Prix 15 frcs. Was wir hinsichtlich der Bedeutung des Picard'schen Werkes gelegentlich der Besprechung des ersten Bandes (Naturw. Wochen- schrift Bd. VII, S. 243) gesagt haben, gilt durchaus auch von dem nunmehr vollendet vorliegenden zweiten Bande: der Picard'sche Traite gehört zu den bedeutendsten Erscheinungen der um the- matischen Litteratur und Gegenwart. Aus Vorlesungen hervor- gegangen, die der Herr Verfasser an der Sorbonne gehalten hat. stellt sich auch der zweite Band nicht gerade als Lehrbuch im engeren Sinne dar, welches ein abgeschlossenes Gebiet der höheren Mathematik im systematischen Aufbau vorträgt, sondern der be- wegt sich meist frei auf dem Felde der neueren und neuesten Forschungen, bald Bekanntes in originaler Darstellung bietend, bald neue Schlussfolgerungen und Sätze entwickelnd. In dieser freien Bewegung und Behandlung liegt ein grosser Reiz, nament- lich für diejenigen, welche selbst an den Forschungen betheiligt sind. Es wird das Picard'sche Buch daher auch in den Kreisen deutscher Mathematiker, von dem älteren Studenten bis zum ge- reiften Forscher, weiteste Verbreitung finden. Nach dem ursprünglichen Plane sollte der zweite Band haupt- sächlich der Theorie der Ditforentialgleichungen gewidmet sein, indessen findet man ausser einem einleitenden Capitel nichts über diese Theorie; der Herr Verfasser bemerkt hierüber in seiner Vor- rede, dass sich der Plan des Werkes bei der Arbeit erweitert habe, und dass der dritte Band voraussichtlich der wichtigen Theorie der Differentialgleichungen vorbehalten bleiben werde. Der wesentliche Inhalt des gegenwärtigen Bandes wird durch den Untertitel angegeben, welcher lautet: Fonctions harmoniques et fontions analytiques; Introduction ä la theorie des equations differentielles, Integrales abcliennes et surfaces de Riemann Es ist jedoch manchem Leser gewiss erwünscht, näher über den In- halt orientirt zu werden. Das Wichtigste, was uns der vorliegende Hand in seinem Theile bietet, ist das tiefgehende Studium der Laplace'schen Differentialgleichung, von der die ganze Theorie der analytischen Functionen abhängt. Hiermit ist das für die mathematische Physik und die Analysis gleich wichtige sogenannte Dirichlet'sche Princip aufs engste verknüpft und bei dem Beweise desselben (durch Neumann, Schwarz, Poincare) hat deshalb der Verfasser lange verweilt. Es mag bemerkt werden, dass dieser Theil denen von Werth sein wird, welche tiefer in die einschlägigen Untersuchungen des Herrn Verfassers, soweit dieselben in den Comptes Rendus und zwar meist in knapper Form, veröffentlicht sind, einzudringen wünschen. — Ein besonderes Interesse beansprucht auch das Ca- pitel über die Anzahl der zwei simultanen Gleichungen gemein- samen Wurzeln. Die Bestimmung der Anzahl der in einem ge- gebenen Bereiche liegenden gemeinsamen Wurzeln zweier Gleichungen ist bereits von Kronecker aufgenommen und erledigt worden, und bekanntlich ist Kroneckers letzte Arbeit dem Nach- weise gewidmet, dass er entgegen der Behauptung des Herrn Picard die Lösung richtig und vollständig gegeben habe. In dem in Rede stehenden Capitel geht nun Herr Picard auf diese Ar- beit nicht ein, sondern verharrt bei der Behauptung, dass Kro- neeker's Formel die Lösung nicht genau gebe. Dcingegetiühe] muss Referent, welchem es vergönnt war, Kronecker in der letzten Zeit des Lebens bei seinen Arbeiten zu unterstützen, bemerken, dass Kronecker bis zum letzten Augenblicke festhielt an seiner Meinung und gewiss auch nach den vorliegenden Darlegungen Picard's nicht vom Gegentheil überzeugt wäre. Es ist hier nicht der Ort, eine so subtile Frage näher zu erörtern, doch wollten wir nicht unterlassen, auf diesen Punkt hinzuweisen, der seiner definitiven Erledigung noch harrt. Die weiteren Theile des vorliegenden Bandes beschäftigen sich wesentlich mit den höheren Transcendenten, der Theorie der Differentialgleichungen und den Riemann'schen Flächen. Während man in Frankreich grossentheils noch heute an der Cauchy 'sehen Darstellung der mehrwerthigen Functionen festhält, gebührt dem Herrn Verfasser das Verdienst, einer der ersten unter denjenigen Mathematikern zu sein, welche den Riemann'schen Ideen in Frankreich Verbreitung zu geben suchen. Insofern schon bean- spruchen die bezüglichen Theile unser Interesse; aber wir finden nicht nur eine klare Darstellung über die Riemannjschen Flächen, sondern der Herr Verfasser hat vieles Neue hinzugefügt, wie das von einem so gründlichen und gedankenreichen Forscher nicht anders zu erwarten stand. Die Ausstattung des Bandes seitens der berühmten Verlags- buchhandlung ist über alles Lob erhaben. A. G. 7. Jahresbericht des Vereins für Naturwissenschaft zu Braunschweig für das Vereinsjahr 1889/90 und 1890/91. Com- missions-Verlag der Schulbuchhandlung Braunschweig 1S93. Das Heft, IV und 224 Oktav-Seiten stark, bringt auf Seite 1—32 Be- richte über Vereinsangelegenheiten und von Seite 33 bis zum Schluss den dritten Theil des Verzeichnisses der auf die Landes- kunde des Herzogthums Braunschweig bezüglichen Literatur, und zwar V., 3 Damköhler: Mundartliches, Sprach- grenzen, Ortsnamen; V., 6 und 7 Blasius: Hygiene (einschliesslich Bevölkerungsstatistik a) Landesherrliche Gesetze, Verordnungen u. dergl ; b) Städtische Statute, Reglements etc.; c) Hygienische Publicationen.) ; V.. S. d) Kybitz: Forst-, Jagd- und Fischerei- wesen; V., 8, e) und f) Landauer un d Fuchs: Industrie, Handel und Verkehrswesen: V, '.), b) und c) Koldewey: Landeskundliche Literatur auf dem Gebiete der Kirche und des Unterrichtswesens im Herzogthume Braunschweig; V., 9. d) Steinacker: Kunst im Herzogthume Brannschweig. Derselbe: Nachträge und Berich- tigungen zur Literatur der Ortskunde. — Die Wichtigkeit der artiger bibliographischer Nachweise bei der gegenwärtigen ge- waltigen literarischen Produktion, wobei oft wichtige Abhand- lungen in wenig verbreiteten, schwer zugänglichen Zeitschriften erscheinen, bedarf keines weiteren Coinmentars. Einen Antiquariats-Katalog von 40 Seiten Umfang über Arbeiten aus dein Gebiete der Coleopteren-Kunde bringt die Buchhandlung von J. B. Bailliere et lils in Paris zur Versendung. Inhalt: P. Ascherson: Zwei Nachtschattenarten des nordamerikanischen Prairiegebiets als Adventivpflanzen in Europa. (Mit Abbild) — Die Forschungsreise des Professor Dr. Richard Semon (Jena) nach Australien und nach dem Malayischen Arichipel (1891 — 1893). - G. de Laire und Ferd. Tiemann: Ueber Iridin. das Glucosid der Veilchenwurzel. — Aus dem wissen- schaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Dr. F. Jolly: Ueber Irrthum und Irrsein. -- Rudolf Virchow: Die Gründung der Berliner Universität und der Uebergang aus dem philosophischen in das naturwissenschaftliche /.ritalter. — Arendt's Natur- historischer Schulatlas. — Dr. Wilhelm Haacke: Die Schöpfung der Thierwelt. — Dr. med. Carl Günther: Einführung in das Studium der Bakteriologie. — A. Hartleben's Neue Reisebücher „Unterwegs" Nr. 7: A. von Schweiger-Lerchenfeld: Die Grotten und Höhlen des Karst. — Das Volumgesetz gasförmiger Verbindungen. -- Emile Picard: Traite d'analyse. — 7. Jahresbericht des Vereins für Naturwissenschaft zu Braunschweig. — Antiquariats-Katalog. 28 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 2. Zur Lieferung aller Arten preiswürdiger Uhren, besonders in verschiedenen Tempe- raturen und Lagen re- gulirter Ankeruliren, empfiehlt sich bei Zusicherung strenger Reellität C. Baker, Uhrmacher in Nauen b. Berlin. Mitgl. d. Vereinig, v. Fr. d. Astronomie u. kosm. Physik. 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Ein Original liefert 100 gute Copien in schwarzer, rother, violetter oder grüner Farbe. Prospecte und Schriftproben versendet gratis und franco die Fabrik von AUGUST RADICKE, BERLIN, Gneisenaustr. 61. TT i i i äHF" mifvltonitt atbcihUriilTfe £»ittc-r. nUnu6RUCtl6n. Sönigl. ßreufe. silberne StaatämebatHe. —- i Beniner 18,50 ÜJif. ^robe 5 kg poftfret 2,80 3JH. ßofliinol FIpicpIi ^»«iebaef juv «ufiutfit »oit ftiihucni, gafanen, UtSIluym-r IbIJsUi- Zaviitn. 3tr. 19 3JH. SßroBe 5 kg pofrfr. 3 35«. Berliner Huuclelcuciien-Fabrik J. Kayser in Tempelliof bei Berlin. In Ferd. Dümmlers Ver- lagsbuchhandlung in Berlin erschien: Stiien zur Astrometrie. Oosanmielto Abhandlungen von Wilhelm Foerster, Prof. u. Director der Kgl. Stern» warte zu Berlin. Preis 7 Mark. lJgj(Spe'cialitäT.) EÄ'Hintze iUi ;3erliti,N.37 MetseV^MT /fyeiscff.urante grafisifranco. . 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Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. .lt !!!!!!!!!!!!'■!!!!!'''•'!!'!'!'"!!!! itlt !!!!!!!!!!""!!!"!!!!"!!!!!!!!!!' *It 1K Soeben erschien in unserm Verlage: Lehrbuch der Differentialrechnung. Zum Gebrauch bei Vorlesungen an Universitäten und technischen Hochschulen Dr. Harry Gravelius. 331 Seiten gr. 8". Preis broschirt 6 Mark, gebunden 7 Mark. PATENTE iMaxMylius,,;?, in allen Länder durch Tneoflorovic & Ca BERLIN NW. Thurmstr. 14. ieit 1877 über 1 1000 Patente. Hempel's Klassiker-Ausgaben. Ausfuhr!. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. "k ■5 Wumbrun, QuIUts & Co. BERLIN C, Niederlage eigener Glashüttenwerke und Dampfschleifereien. Mechanische Werkstätten, Schriftmalerei und Emaillir- Anstalt. Fabrik und Lager sämmtli eher Apparate, Gefässe und Ge- räthe für wissenschaftliche und technische Laboratorien. Verpackungsgefässe, Schau-, Stand- und Ausstellungsgläser. Vollständige Einrichtungen von Laboratorien. Apotheken, Drogen-Geschäften u s. w. U SS R Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Berlin N. 4., Invalidenstr. 44, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. Verlag: Ferd. Dümmlers" Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den 21. Januar 1894. Nr. 3. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist. Jl 4.— Bringegeld bei der Post 15 4 extra Postzeitungsliste Nr. 4575. i Inserate : Die viergespaltene Petitzeüe 40 *A. Grössere Aufträge en t - sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux, wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Zum Gedächtniss Emin Paschas. Von Professor Dr. Fritz Regel. Seit etwa einem Jahrzehnt hat kaum eine Persön- lichkeit die Tagespresse, die colonialcn und geographischen Kreise so lebhaft beschäftigt, wie der Generalgouverneur der ehemaligen ägyptischen Aequatorialprovinz Emin Pascha (Dr. Schnitzer). Auch diese Blätter haben wiederholt seiner gedacht (zuletzt abgesehen von späteren kurzen Notizen am 16. Juli 1893 in No. 29 d. v .J.). Die damals noch nicht hinreichend sichere Nachricht von seiner Niedermetzelung durch Ara- ber und Manyeinas scheint gegen- wärtig Zweifeln keinen Eaum mehr zu gestatten: Wir wollen daher auch in diesen Blättern das Andenken an den seltenen Mann, einen unserer begabte- sten und erfolgreichsten Afrikaforscher, durch einen kurzen Rückblick auf sein Leben und seine Leistungen ehren. I. Leben und Persönlichkeit.*) Geheimnissvoll tauchte sein Name erst auf, als er schon längst im _—_»■; j i Sudan stand als ägyptischer Beamter /§f unter Gordou Pascha, und erst später wurde bekannt, dass sich hinter dem Tür- ken Emin Bey — Emin bedeutet der „Ge- i 3, in dem zehnten Abschnitte Quarz, Thon, Silikate, im elften die schweren Metalle und ihre Erze und im zwölften findet sich eine Uebersicht der wichtigsten Elemente und ihrer Verbindungen, sowie der wichtigsten Mineralien. • Prof. W. Ostwald, Hand- und Hilfsbuch zur Ausführung physiko-chemischer Messungen. Mit 188 Textfiguren und 6 Tabellen. Wilhelm Engelmann in Leipzig 1893. — Preis 8 M. Der rührige Verf. bietet namentlich dem Chemiker aber auch dem Physiker durch sein Hand- und Hilfsbuch eine werthvolle Quelle, aus der er bei seinen Untersuchungen vortheilhaft schöpfen kann. Dass Verf. die Beurtheilung der möglichen Fehler oder der erforderlichen Genauigkeit der Messungen und Rechnungen stets in den Vordergrund gestellt hat, ist durchaus am Platze und er- höht den wissenschaftlichen Werth des Buches. Die chemische Praxis findet in dem Werk treffliche Unterstützung, da die Dar- stellung der Hilfsmittel, der Handgriffe, überhaupt der prakti- schen Dinge in weitgehendem Maasse Berücksichtigung gefunden hat. So ist der Handhabung des Glases ein ganzes Capitel ge- widmet. Nr. 3. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 39 Dr. Peter Münch. Lehrbuch der Physik. Mit einem »Anhange: Die Grundlehren der Chemie u. der mathemafhisehen Geographie. Mit '6'21 Abb. u. einer Spektraltafel. 10. verb. Aufl. Herder'sche Verlagshandlung. Freiburg im Breisgau. 1893. — Preis 4 Mk. Das Buch ist für ein Schulbuch ziemlich umfangreich; es umfasst incl. Register 452 Seiten. Die 10. Auflage, die es seit 1870 erlebt, hat es mit Recht verdient. Es ist trefflich geeignet als Lehrbuch zu dienen. Die neueste Auflage ist dem momen- tanen Stande der Wissenschaft gebührend angepasst wurden. Von Neuerungen erwähnen wir die Aufnahme des absoluten Maass- systems und einer elementaren Behandlung der Potentialtheorie. Dr. K. Sumpfs Anfangsgründe der Physik. 6. verb. Aufl. Bearbeitet von Dr. A. Pabst. Mit 305 Abbildungen und einer Spectralkarte in Farbendruck. August Lax, Hildesheim 1893. — Preis 1,50 Mk. Das gute Buch enthalt ausser dem Lehrstoffe am Ende jedes einzelnen Paragraphen auch Uebungsstoff. Der Lehrstoff ist, um für grössere Repetitionen die Uebersicht zu erleichtern, so geordnet und durch Druck so unterschieden, dass die Gesetze und Erklärungen (namentlich erstere) stark hervortreten: der Uebungsstoff ist in Frageform gegeben und soll den Schüler zu eigenem Denken und zum Beobachten anregen. V. Jahresbericht der Geographischen Gesellschaft zu Greifs- wald. 1890 — 93. Im Auftrage des Vorstandes herausgegeben von Prof. Dr. Rudolf Credner. Mit einer Karte und einer Profiltafel. Verlag und Druck von Julius Abel. Greifswald 1893. V on den Aufsätzen seien hier genannt : D e e c k e : Ueber den Sarno in Unter-Italien (Provinz Neapel). Verfasser stellt Untersuchungen über die Quelle des Sarno (Sarnus der Alten) an und kommt zu dem Resultat, dass nicht, wie auf der Kiepert'schen Karte an- gegeben wird, der wasserarme Bach, welcher nordöstlich von Nocera im Thale von Solofra und Montoro superiore entspringt, als solche anzusehen ist, sondern dass der Fluss seinen Ursprung den zahlreichen starken Quellen verdankt, welche am West-Fusse des Apennins südlich des Ortes Sarno zu Tage treten. Der auf Kiepert 's Karte (Maassstab 1:400 000) von Unter-Italien als Quell- fluss des Sarno angegebene Bach erreicht kaum die westlich No- cera gelegene Ebene, da seine Wasser in den aus vulkanischen Tuffen bestehenden Boden hineinsickern. — Dietrich: Unter- suchungen über die Böschungsverhältnisse der Sockel oceanischer Inseln. Ein Beitrag zur Morphologie des Meeresbodens. Diese Publication ist nur ein Theil einer demnächst zu veröffentlichen grösseren Arbeit, Untersuchungen über die Böschungsverhältnisse des Meeresbodens, und behandelt nur 1, telefonische Inseln (vulkanische Inseln und Bruchinseln — isolirte Trümmer früheren Festlandes) und 2. Aufschüttungsinseln (spociell die Ko- ralleninseln). Die Böschungswinkel der Sockel vu lkanischer In- seln schwanken zwischen 1° und 60° — bei dem von Amsterdam sind sogar 80° gemessen worden — ; indessen darf als Durchschnitts- grösse ein Winkel von 7'/2 — 133/4 angenommen werden. Die Böschung ist in den verschiedenen Tiefenstufen nicht gleichmässig. Nach einer flacheren Litteralzone beginnt zwischen 100 bis 'J00 m der Steilabfall, welcher sein Maximum zwischen 400 und 500 in erreicht, um dann mit zunehmender Tiefe wieder flacherer Nei- gung zu weichen, die zwischen 3000 und 4000 m wiederum eine geringe Steigerung erfährt. Die Böschung des unterseeischen Sockels scheint regelmässig eine geringere zu sein als des aus dem Meere emporragenden Kegels. Das Verhalten der Böschungen scheint entgegen dem F. G. Hahn'schen Inselsystem nicht von dem Aufbau der Insel abhängig zu sein. Bei Vulkangruppen steigen die einzelnen Inseln nicht von einem gemeinsamen Sockel, sondern isolirt von dein Boden des Meeres auf. — Bei den Bruchinselu liegen die Grenzen der beobachteten Böschungs- winkel zwischen 0° 16'— 0° 20' (Sardinien, Süd-Sicilien und Sumatra) und 20°— 36° (Cuba, Capverden). Im Allgemeinen ist. die Böschung bis zur 100-Fadenlinie sanfter, im Durchschnitt 2°39'— 2°55', wird dann steiler (ca. 5°22') und bleibt ziemlich constant bis zu 3500 m (5° — 6°14'). Die Sockel vieler Inseln dachen sich nach ver- schiedenen Seiten verschieden stark ab, und in einigen Fällen ist hierin eine Beziehung zur Tiefe des angrenzenden Meeres erkenn- bar; der steilere Abfall nach dem tieferen, der sanftere nach dem flacheren Meere zu (z. B. Sicilicn, Gran Canaria etc |. Palma und Gomera besitzen dagegen ziemlich gleichmässige Gesammt- bösehungen. Die mit Vulkanen besetzten Bruchinseln haben meist steilere Böschungen. Die Bruchinselu besitzen im Gegensatze zu den reinen Vulkaninseln im Allgemeinen durch alle Tiefen hin- durch sanftere Böschungen, was besonders schart' in der Litteral- zone ins Auge fällt (2'/2— 3° zu 8^4 — 10'/.,°). In manchen Fällen steigen die Bruchinseln einer Gruppe von einem gemeinsamen flacheren unterseeischen Sockel auf, in anderen fehlt ein solcher wieder ganz. — Für die Koralleninseln hat Verf. durchschnitt- lich steilere Böschungen constatirt (70° — 75° Maximum): inde seil kommen auch sehr sanfte (0°45' — 1' bei den Bahamainseln) vor. Die Steilabstürze sind bei den Koralleninseln, mit Ausnahme einiger weniger Fälle, auf die Zone bis zu 300—350 m beschränkt. Die herrschende Ansicht, dass die Korallen inseln Krönungen sub- mariner Erhebungen sind, wird durch des Verfassers I suchungen unterstützt. Von den zahlreichen Vorträgen, welche eingehend referirt worden sind, seien hier diejenigen erwähnt, welche der Versitzende der Gesellschaft, Professor Dr. R. Credner, über seine Ausflüge in den Vereinigten Staaten (Yellowstone u. National Park. Neu- Mexiko und Grand Canon des Colorado in Arizona) gelegentlich seiner Theilnahme am internationalen Geologen - Congress in Washington hielt. Den Schluss des IV u. 270 Seiten starken i letavheftes bilden Berichte über Excursionen der Gesellschaft und die üblichen anderen Vereinsmittheilungen. Ueber seine Polyklinik für Sprachstörungen zu Berlin in den ersten Jahren ihres Bestehens 1891 und 1892 veröffentlicht der Gründer und Leiter derselben, Dr. H. Gutzmann, in der Monatsschrift für die gesammte Sprachheilkunde (Heft 8, 1893) einen Bericht, der wohl geeignet ist, einen Ueberblick über das Gebiet der Sprachstörungen zu geben. Das „Ausland", Wochenschrift für Eni- und Völkerkunde (Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung), zuletzt redigirt von Prof. Siegmund Günther, hat mit dem 66. Jahrgange No. 52 des vorigen Jahres zu bestehen aufgehört. Beyrich, Konr., Stoff und Weltäther. Warmbrunn. 3 M. Bronn's, H. G., Thier-Reich. 6. Bd. 4. Abth. Vögel. 46.-49. Lfg. Leipzig, ä 1,50 M. Buchenau, Prof. Dr. Frz., Flora von Bremen und Oldenburg. Bremen. 3,20 M. Darwin, Francis, Charles Darwin. Stuttgart. 8 M. Elfstrand, M., Hieracia alpina aus den Hoehgebirgsgegenden des mittleren Skandinaviens. Upsala. 2 M. Feldt, Wold., Ueber das Verhalten von Hvdroxylamin zu einigen Metallsalzen. Berlin. 1,50 M. Finsch, Dr. 0., Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee. Wien. 50 M. Gegenbauer, Leop., Das Additionstheorem der Funktionen Cn(x). Wien. 0,30 M. — . Eine Anwendung der Zahlentheorie auf die Integralrechnung. Wien. 0,40 M. Giberne, Agnes, Sonne. Mond und Sterne. Merlin. 4 M. Gumppenberg, C. Frhr. v., Systema Goometrarum zonae tompe- ratioris septentrionalis. Leipzig. 4 M. Haase, Dir. Dr. Erich, VIII. Untersuchungen über die Mimicry auf Grundlage eines natürlichen Systems der Papilioniden. 9.— 11. Lfg. '2. Tbl. Stuttgart. Holtermann, Carl, Beiträge zur Anatomie der Combretaceeu, Christiania. 2 M. Karte des I »eutschen Reiches. 1 : 10O00O. 67. Stolp. - 94. Köslin. - 156. Naugard. — 324. Kosten. Berlin. 1,50 M. — topographische, des Königreichs Sachsen. 1:25000. 106. Wal- tersdorf. — 115. Zschopau. — 145. Eibenstock. Dresden. 1,50 M. Keilhack, Landesgeol. Dr. Konr.. 14. Zusammenstellung der geologischen Schriften und Karten über den ost-elbischen Theil des Königr. Preussen, mit Ausschluss der Provinzen Schlesien und Schleswig-Holstein. Berlin. 4 M. Martin, Bath Friedl, Afrikanische Skizzen. München. 2,50 M Inhalt: Prof. Dr. Fr. Regel: Zum Gedächtniss Emin Pascha's. (Mit einem Portrait.) -- Pseudoparasitismus der Milbe Laelaps stabularis auf Menschen. — Ueber die Gruppe der Hymenolichenen. — Das Vorkommen von Cellulose in Bacillen, Schimmel- und anderen Pilzen. -- Ueber die Gesteine der äthiopischen Vuleanreihe. -- Der Einfluss der tiefen Temperaturen in dem Gesammtgebiete der Chemie. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. -- Litteratur: A. Reinheimer: Leitfaden der Botanik. - Seminardire cto r Dr. M. Krass und Prof. Dr. 11. Landois: Lehrbuch für den Unterricht in der Botanik. — Dr. Karl Fricker: Die Entstehung und Verbreitung des arktischen Treibeises. -- Prof. Dr. W. J. van Bebbor: Katechismus der Meteorologie. — K. Weinert: Die Grundbegriffe der Chemie. -- Dr. T. Wilbrand: Grundzüge der Chemie in chemischen Untersuchungen. — Prof. W. Ostwald: Hand- und Hilfsbuch zur Ausführung physiko-chemischer Messungen. — Dr. K. Sumpfs Anfangsgründe der Physik. — Dr. Peter Münch: Lehrbuch der Physik. — V. Jahresbericht der Geographischen Gesellschaft zu Greifswald. 1890—93. — Polyklinik für Sprachstörungen zu Berlin. — Das Ausland. — Liste tl) Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 3. Zur Lieferung aller Arten preiswiirdiger Uhren, besonders in verschiedenen Tempe- raturen und Lagen re- gulirter Ankernhren, empfiehlt sich bei Zusicherung strenger Reellität G. Baker, Uhrmacher in Nauen b. Berlin. Mitgl. d. Vereinig, v. Fr. d. Astronomie u. kosm. Physik. 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Preis 14 Mark, g ~l I I I I I I llilliilüiliiiilil II I llilili.lil r Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Soeben erschien in unserm Verlage : Lehrbuch der Differentialrechnung. Zum Gebrauch bei Vorlesungen an Universitäten und technischen Hochschulen Dr. Harry Gravelius. 331 Seiten gr. 8". Preis broschirt 6 Mark, gebunden 7 Mark. Für Laboratorien. Laboratorium-Lampen mit 1 — 2 blau brennenden und leicht regulirbaren Heizflammen. ähnlich dem Bunsenbrenner, von ausser- ordentlich iutensiTer Hitze. Die Regulirung der Flammen ist ebenso leicht wie bei Kohlen- gas-Bunsenbrennern. Die Flammen verursachen weder Geruch noch Russablagerung. Die Lampen sind überall ohne jode weitere Vorrichtung an- wendbar und können sofort an jedem beliebigen Platze benutzt werden, da jede Lampe sich das zur Speisung der Flammen nöthige Gas selbst herstellt! Prohelampe mit Leuchtmaterial M. Vi gegen Nachnahme. Grosse illustr. 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Postzeitungsliste Nr. 4575. JL Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 *V Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux, wie bei der Expedition. Abdruck ist ■■■■■■ mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Zur Naturgeschichte des Wassernetzes. In inneren, also der Forschung unzugänglichen Ur- sachen, erblickte man noch bis vor Kurzem den Grund für die wechselweise auf ungeschlechtlichem und-ttuf ge- schlechtlichem Wege erfolgende Entstehungsweise der- jenigen Gebilde, welche bei der weitaus grösseren An- zahl von Algen die Fortpflanzung vermitteln. Erst in jüngster Zeit hat Gg. Klebs*) diese als allgemein giltig betrachtete Annahme einer näheren Prüfung unterworfen und durch ausgedehnte Cultur versuche mit dem gemeinen Wassernetz Hydrodictyon utriculatum den sicheren Nach- weis führen können, dass die Bildung von Zoosporen und Gameten nicht von inneren, sondern vielmehr nur von äusseren Ursachen abhängig ist. Denn es ist ihm ge- lungen, die notwendigen Bedingungen aufzufinden, unter denen die eine oder die andere Art der Fortpflanzung bei dieser Alge eintritt. Durch diese Entdeckung wurde das bisher nur von morphologischen und anatomischen Gesichtspunkten aus bearbeitete Gebiet der Fortpflan- zungsphysiologie erst der experimentellen Forschung zu unterwerfen begonnen und noch die weitgehendsten Aufschlüsse über die Organisationsverhältnisse, sowie über die Fortpflanzungserscheinungen der verschieden- artigsten Lebewesen dürften sich von allen Unter- suchungen, welche in dieser Richtung angestellt werden können, erwarten lassen; empfing ja hierdurch Klebs selbst bereits die Anregung, die Bildungs weise der Fort- pflanzungszellen beim Wassernetz**) von diesem neuen Standpunkte aus zu untersuchen, obgleich von verschie- denen Forschern, worunter u. a. Validier, Areschoug, AI. Braun, F. Gohn und Artary hier angeführt werden mögen, sehr werthvolle Beobachtungen über diesen Gegen- *) Gg. Klebs, lieber die Vermehrung von Hydrodictyon utri- culatum, Flora 1890. Vergl. No. 12, S. 116 u. ff. im Jahrgang 1890 dieses Blattes. **) Gg. Klebs, Ueber die Bildung der Fortpflanzung«. Uen bei Hydrodictyon utriculatum, Bot. Ztg. 1891. stand vorliegen. Die von ihm hierbei gewonnenen Ergeb- nisse, welche er an einem anderen Orte ausführlich mit- getheilt hat, mögen in kurz gefasster Darstellung den Gegenstand des Nachfolgenden bilden. Der Bau der Zelle. Das Wassernetz erhielt sowohl seinen deutschen, als auch seinen dem Griechischen ent- lehnten wissenschaftlichen Namen von der netzförmigen Anordnung seiner einzelnen Bestandteile (vergl. Fig. a und b auf Seite 117 Band V der Naturw. Wochenschr.). Ein jeder derselben besitzt im AVesentlichen den typischen Bau einer Pflanzenzelle. Er ist von einer ringsum ge- schlossenen Zellwand, welche nach den äusseren Verhält- nissen oder je nach dem Alter mehr oderminder starkverdickt sein kann, umgeben. Die äusserste Lage derselben ist von cuticularer Beschaffenheit, wodurch sie selbst der Einwirkung von Schwefelsäure auf längere Dauer zu widerstehen vermag. Auf ihrer Innenseite ist sie in der Regel vollständig glatt, und zeigt nur unter der Einwirkung verschiedener äusserer Einflüsse z. B. in Maltoselösung locale oft ganz unregelmässig gestaltete Verdickungen, welche in das Innere der Zelle hineinragen. Der Zellen- leib besteht aus einer grossen Zellsaftvacuolc und dem sie ringsum einschliessenden, dünnen Protoplasmabeleg, welcher aus drei unter gewöhnlichen Umständen erkenn- baren Schichten, der Haut- und der Plasmaschieht, sowie der Vacuolenwand (Tonoplast) besteht. Unter diesen bildet die mittlere die Hauptmasse, denn in ihr ist das Chlorophyll abgelagert, welches nach den älteren An- schauungen diffus vertheilt oder in feinkörniger Form ent- halten sein sollte, nach den neueren Arbeiten von Schmitz und Schimper aber auch hier an einen bestimmt geformten Kiiipcr, den Chromatophor, gebunden ist. Derselbe ist ziem- lich leicht in einer Umhüllung von Protoplasma, welches der mittleren Schicht angehört, zu erkennen, steht aber noch auf einer verhältnissmässig sehr niedrigen Stufe der Entwickelun2-; denn er besitzt noch keine bestimmt 42 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 4 *S30 üäi 8& ausgeprägte Form, sondern bildet eine einzige zusammen- hängende Schicht, welche noch nicht einmal sich selbst- ständig und unabhängig zu vermehren im Stande ist, sondern bei der Fortpflanzung passiv in den Theiliingspro- eess des übri- gen Zellinhal- tes mit hinein- gezogen wird. Sie unterliegt hier wie alle anderen Be- standtheiledes Protoplasmas selbst dem Ein- fluss des Stoff- wechsels, in- dem sich der Ernährungszu- stand der gan- zen Zelle in der Art ihrer Ausbildung er- kennen lässt. Denn bei un- vollständiger Ernährung bil- det sie ein gro- bes Netzwerk, mit grossen Maschen und schmalen Bal- ken, welches an seinen Kno- tenpunkten et- was verdickt ist (Figur 1), während sie in einem besser ernährten Zu- stande sich als eine gleich- massige hin und wieder von helleren Stel- leu unterbro- chene Schicht darstellt (Fi- gur 2). Erst bei fortgesetz- ter Cultur in Nährlösung lässt sie ihren eigentlichen Aufbau erken- nen, welcher in einer dichtge- drängten Ver- einigung ein- zelner unter sich lose ver- bundener und nur strecken- weise durch schmale und helle Spalten von einander getrennter Stückchen zu einer scheinbar einheitlichen Schicht besteht (Figur 3). Durch diese Anordnung empfängt das Ganze das Aus- sehen eines feinen Stickmusters und macht erst umsoinehr den Eindruck eines feineren oder gröberen Netzwerkes, -.. -: je grösser die von farblosem Protoplasma erfüllten Zwischen- räume sind, welche zwischen den einzelnen Bestandtheilen der Chlorophyllschicht entstehen. Jedenfalls die grösste Entwickelung, welche das Chromatophor überhaupt zu er- reichen ver- mag, lässt sich durch eine län- gere Cultur der Zellen in einer 0,5 — 1,0 proc. Nährlösung er- zielen. Die aus der assimilatori- schen Thätig- keit des Chlo- rophylls her- vorgehenden Amylonkerne, welche von Vaucher zum ersten Male erkannt, von AI. Braun aber erst richtig ge- deutet wurden, bestehen aus einem centra- len Theil, dem Pyrenoid und einem periphe- rischen , der Stärkehülle, welche auf Be- handlung mit Jod oder mit quellenden Mitteln aus ein- zelnen Kör- nern zusarn- «c Bezeichnung der Figuren. Fig. 1. Die Chlorophyllschicht nach 2'/s monatlicher Dunkel- cultur. n = Zellkern. Die Chlorophyllschicht einer am Licht eultivirten Zelle, n Zellkern, a Pyrenoid. Die Chlorophyllschicht einer in 1 % Nährlösung eultivirten Zelle, n Zellkern, a Pyrenoid. Die mittlere Plasmaschicht vor ihrer Zertheilung. Der Beginn der Spaltenbildung. Fig. 6. Die weitere Zertheilung der mittleren Plasmaschicht. „ 7. Der Zerfall der Theilstücke. „ 8. a b u. c die verschiedenen Stadien des Zerfalles. „ 9. Stück einer in Zoosporen zerfallenen Zelle, das Plasmafortsätze in die hellen Räume der mitt- leren Plasmaschicht hineinsendet. „ 10. Die Anordnung der Zoosporen kurz vor ihrer Reife. lebendige teinkrystallen, was Schimper näher zu während Schmitz in ihnen activ kerne ähnliche Organe erblickt, welche übrigen Plasmabestandtheile durch sollen. Gegen die letztere Annahme spricht aber der Th eilung meugesetzt er- scheint. Das Pyrenoid bleibt nach er- folgter Auflö- sung der Stär- kehülle als eine rundliche, nach innen sich vorwölbende Scheibe im Chlorophyll- körper zurück. Ueber die Na- tur desselben gehen unter den verschie- denen For- schern die An- sichten ausein- ander. Meyer hält sie für Re- servestoffe in Form von Pro- suchte, dem Zell- sich wie die vermehren begründen Nr. 4. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 43 benierkenswerthe Umstand, dass sie zu gewissen Zeiten aufgelöst und wieder neugebildet werden können, wo- gegen eine Theilung derselben noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen wurde. Ihre Bildung hängt nicht etwa mit der Ernährung, sondern mit dem Wachsthuin der Zelle zusammen. Selbst die günstigsten Ernährungsbedingungen üben keinen merkbaren Einfluss auf die Entstellung neuer Pyreuoide aus, so lange die Zelle nicht wächst. Nur die Ausbildung derselben hängt zum Theil von der Ernährung der Zelle ab, denn bei Culturen in Nährlösungen nehmen sie gegen sonst an Grösse und Umfang erbeblich zu, so- lange das Licht seinen Einfluss dabei ausüben kann. Bei Ausschluss desselben werden sie dagegen aufgebraucht, selbst wenn auch die sonstigen Bedingungen zu ihrer Aus- bildung die denkbar günstigsten wären. Sie bleiben nur noch als unscheinbare Pünktchen im Chromatophor er- kennbar, welche nach kurzer Zeit bei Lichtzutritt zu ihrer ursprünglichen Grösse wieder heranwachsen können. Nur in einem bis jetzt ganz vereinzelt gebliebenen Falle wurde unter Lichtabschluss eine Ernährung der Pyrenoide wahr- genommen, indem von Klebs in einer zwei Monate lang verdunkelt gewesenen Cultur von 4% Glycerin derartige zum Theil zu eckigen oder zu rhomboi'dischen Körperchen umgestaltete und von einer zarten Stärkehülle umgebene Gebilde aufgefunden wurden. An die chlorophyllführende Schiebt legt sieh die- jenige Plasmalage an, in der sich die Zellkerne befinden. Die Kenntniss der letzteren verdanken wir AI. Braun, welcher sie in den bei der ungeschlechtlichen Fort- pflanzung bemerkbar werdenden hellen Flecken zu er- kennen glaubte. Strasburger gelang es, sie mit voller Sicherheit nachzuweisen. Sie sind in stärkearmen Zellen durch Behandlung mit Jod schon als bläschen- förmige Gebilde mit grossem Kernkörpcrchen bemerkbar, lassen sich jedoch mit Hilfe der gebräuchlichen Färbe- mittel mit grösster Leichtigkeit nachweisen. Sie sind über die ganze Zelle gleichmässig vertheilt. Obgleich sie in den Lücken des Chlorophyllnetzes am ehesten erkennbar sind, so kommen sie auch an anderen Stellen durch ihr stärkeres Lichtbrechungsvermögen zum Vorschein. Aus dem einzigen in der Zoospore enthaltenen Kern sind bei dem allmählichen Heranwachsen derselben die übrigen hervor- gegangen und vermehren sich auch noch bei fernerer Ver- grösserung derselben in entsprechendem Maasse. Wie bei den PyrenoTden, so hängt also auch hier die Anzahl der neugebildeten Kerne von der Lebhaftigkeit des Wachs- thums der Zelle ab. Diese Regel besitzt hiernach all- gemeine Giltigkeit, aber auch sie steht nicht ohne Aus- nahmen da, welche indessen keine Zweifel an ihrer Richtigkeit aufkommen lassen. Bei Culturen in Nähr- lösungen kann nämlich trotz des hierdurch unterbrochenen Wachsthums dennoch eine sehr lebhafte Vermehrung der Zellkerne stattfinden. Diese Erscheinung bietet keines- wegs etwas sehr Auffallendes, denn sie steht nicht mit dem Wachsthum, sondern mit der Fortpflanzung im engsten Zusammenhang. Durch sie wird nämlich die Zoosporen- bildung eingeleitet, woraus sich die ausgesprochene Nei- gung der aus solchen Culturen stammenden Zellen zur ungeschlechtlichen Fortpflanzung von selbst erklärt. Durch den Einfluss der Nährsalzculturen werden in den Zellen des Wassernetzes eine Reihe von Structur- eigenthütnlichkeiten hervorgerufen, welche an dieser Stelle eine kurze Erwähnung finden mögen. Durch die Auf- lagerung zahlreicher neuer Lamellen erfährt in diesem Falle die Zellwand eine mächtige Verdickung. Auf ihrer Innenseite bleibt sie auch nicht vollkommen glatt, sondern erhält wellige Falten. Die wesentlichsten Veränderungen erfährt aber der Chlorophyllkörper, in welchem ein grobes Netzwerk von schmalen, in der Mitte etwas angeschwollenen Balken von dunkelgrüner Farbe auftritt, welches an seiner Innenseite anzuliegen scheint. Die Maschen desselben sind vnii Innen her von einer zuweilen durchlöcherten Schicht bedeckt, deren Structur derjenigen der Chloro- phyllschicht sehr ähnlich ist. Hiernach wäre also das Chromatophor aus zwei Schichten zusammengesetzt, zwischen welchen durch die Netzleisten blasenförmige Räume abgetheilt werden. Es lösen sich hierbei die smi>t der äusseren Chlorophyllschicht angehörigen Amylonkernc von ihrer Unterlage los und rücken nach innen hin, wo sie von Zwischensubstanz allseitig umgeben, durch ein eigenes Netzwerk mit dicken, nach innen vortretenden Balken mit einander in Verbindung stehen. Ausserdem breitet sich auf der Innenseite der äusseren Chlorophvll- schicht zuweilen noch ein weiteres Netz von Leisten aus, welche frei nach innen hin auszulaufen scheinen. Die grösseren oder kleineren Zwischenräume, welche von den beiden Chlorophyllschichten umschlossen werden, sind von einer flüssigen Masse erfüllt, über deren Natur wir bis jetzt noch nicht näher unterrichtet sind. Eine derartige Ausbildung- des Chromatophors erstreckt sich keineswegs gleichmässig über alle Theile der Zelle, sondern beschränkt sich in mehr oder minder ausgesprochenem Maasse nur auf einzelne Stellen derselben. Wie bereits bemerkt wurde, gehen die Kerne in solchen Zellen, welche längere Zeit in Nährsalzlösungen zubringen, zuweilen in eine sehr lebhafte Theilung über. Aber an gut fixirten und gefärbten Objecten zeigt sich weiterhin die auffallende Erscheinung, dass sie unter sich durch Stränge netzförmig verbunden sind. Aus der näheren Untersuchung des Sachverhaltes ergab sich aber, dass dies nicht der Fall ist, sondern, dass wahrscheinlich durch die Chlorophyllleisten, auf denen die Kerne liegen, eine derartige Verbindung vorgetäuscht wird. Die Anordnung der Kerne, auf den Strängen und in den Knotenpunkten des Leistennetzes, welche bei der weiteren Ausgestaltung des Chromatophores eine höchst verwickelte wird, legt den Gedanken nahe, dass dieselben einen Einfluss auf die Lage der Leisten auszuüben im Staude wären. Alle die mitgetheilten Beobachtungen, welche der Forschung noch ein weites Feld eröffnen, sprechen jeden- falls für die unabweisbare Thatsache, dass durch die reichliche Zufuhr von Nährsalzen im Verein mit der Kohlenstoffassimilation im Lichte in den Zellen des Wasser- netzes eine grosse Anhäufung von protoplasmatischen Sub- stanzen stattfindet. Zum Einschluss des Zellsaftes dient die innere Plasma- schicht, welche bei der Plasmolyse zuweilen als ein feines, mit dem Protoplasten durch dünne Fäden verbunden bleibendes Häutchen sichtbar wird. Unter gewöhnlichen Umständen ist es vollkommen glatt, bildet aber in Nähr- salzlösungen Ausstülpungen von solcher Ausdehnung, dass die ganze Vacuole dadurch in einzelne Fächer zerfällt, welche unter besonderen Verhältnissen wieder zurück- gebildet werden können. Ueber die chemische Beschaffen- heit des Zellsaftes, deren Kenntniss von hohem Werthe wäre, sind wir bis jetzt noch nicht näher unterrichtet. Die Plasmolyse mittelst Salpeter oder Rohrzucker hat zur Folge, dass sich der ganze Protoplasmakörper von der Wand zurück- zieht, Es bleiben dabei feine Protoplasmafäden /.wischen beiden ausgespannt. Dieselben gehen von einem an der Zellwand zurückgebliebenen feinen Plasmabeleg aus nach dem contrahirten Protoplasten hin, werden aber bei fort- gesetzter Einwirkung der wasserentziehenden Mittel zu- letzt eingezogen, worauf sich der letrere unter Zutritt einer genügenden Lichtmenge wieder mit einer neuen, aber sehr dünn bleibenden Zellwand umkleidet. Nicht selten wird besonders in langen Zellen der Plasmakörper durch eine allzuheftige Zusammenziehung in mehrere 44 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 4 Stücke zertheilt, wovon sich ein jedes mit einer neuen Wand umgiebt. Dies geschieht jedoch nicht, sobald die Zelle geschnitten wird, weil der Protoplast sich gegen das von aussen eindringende Wasser nicht rasch genug zu schützen vermag. Die Stärkebildung. Die Ernährung, von welcher der regelmässige Verlauf des Wachsthuuies und der Fort- pflanzung abhängt, wird auch bei Hydrodictyou utriculatum durch die assimilatorische Thätigkeit des Chlorophylles bewirkt. Bekanntlich entstehen hierbei die Kohlehydrate, welche mit den aufgenommenen Nährsalzen unter Mit- wirkung des Sauerstoffes sich am Aufbau aller anderen Stoffe betheiligen. Die Bildung der Stärke, welche unter allen Assimilationsprodueten ihre Entstehung am ehesten verräth, wurde von Sachs genauer erforscht und ihre Kenntnis» in der jüngsten Zeit sehr erheblich durch die Böhm'sche Entdeckung gefördert, dass die Zelle ohne Kohlenstoffassimilation zur Bildung von Stärke aus Zucker- lösungen befähigt ist. Hieraus scheint hervorzugehen, dass bei der Assimilation überhaupt zuckerartige Körper entstehen, welche bei genügender Concentration in Form von Stärke aus ihrer Lösung ausgeschieden werden. In Folge des Umstaudes, dass Schimper die Abhängigkeit der Stärkebildung von der Concentration der Glycose- lösung bei verschiedenen Pflanzen festgestellt und Böhm diesen Vorgang in den Zellen von Sedum speetabile durch einfache Erhöhung der Concentration des Zellsaftes herbei- geführt hat, wäre derselbe als ein sehr einfacher Pro- cess aufzufassen, welcher nur von der Grösse des Zucker- gehaltes, sowie der Sauerstoffzufuhr abhängig ist. Allein so einfach liegen beim Wassernetz die Verhältnisse doch nicht, denn durch Mangel einer Arbeitstheilung spielen sich bei den meisten niederen Organismen die verschiedenen Lebensvorgänge nur in einer einzigen Zelle ab, wodurch eine engere Verkettung derselben mit der Stärkebildung bedingt wird. In den Zellen des Wassernetzes findet sich die Stärke sowohl als Hülle um die Pyrenoi'de, als auch in anderer Form in dem übrigen Theile der Chlorophyllschicht. Klebs nennt sie im einen Falle Pyrenoid-, im anderen Stroma- stärke. Im Allgemeinen entspricht die letztere derjenigen, welche in den Chromatophoren der höheren Pflanzen ab- gelagert wird, und scheint nach ihrem ganzen Verhalten in unmittelbarer Beziehung zum Stoffwechsel zu stehen. Sie entsteht nämlich aus dem Ueberschuss der erzeugten Kohlenhydrate, weshalb die vorhandene Menge von dem Verhältniss abhängt, in welchem Ernährung und Verbrauch zu einander stehen. Im Vergleich zu ihr zeigt die Pyrenoid- stärke ein ganz anderes Verhalten. Sie tritt im vegetativen Zustande der Zelle niemals in den Stoffwechsel ein, wes- halb sie auch nach ihrer Bildung, selbst unter den gün- stigsten Ernährungsbedingungen, kaum mehr irgend welche erheblichen Veränderungen erleidet. Nur bei längerem Verweilen im Dunkeln wird auch sie zur Ernährung der Zelle herangezogen, ein Fall, welcher sich in der freien Natur wohl kaum ereignen dürfte. Die beiden Stärkearten weisen auch in ihrem physio- logischen Verhalten noch sehr bemerkenswerthe Unter- schiede auf. Wenn die Zellen des Wassernetzes in eine 0,5 — l,Oprocentige Knop'sche Nährlösung versetzt werden, so erfahren die Amylonkerne dadurch keinerlei Verände- rungen, während die Stromastärkc unter der Einwirkung des Lichtes in wenigen Tagen vollständig gelöst wird. Obgleich durch die ungestört fortschreitende Assimilation eine Anhäufung von Nährstoffen in den Zellen stattfindet, so vollzieht sich die Auflösung der Stärke dennoch in viel kürzerer Zeit, als in verdunkelten Wasserculturen, trotz ihres ausschliesslichen Verbrauches von Stärke durch den Athmungsprocess. Das Zustandekommen dieser paradoxen Erscheinung führt Klebs darauf zurück, dass in einer 0,5 — l,Oprocentigen Nährlösung durch den grossen Vor- rath von anorganischen Nährsalzen, sowie durch die Er- zeugung von Kohlehydraten in Folge der ungehemmt fort- schreitenden Assimilation eine sehr ausgiebige Bildung von Proteinstoffen herbeigeführt wird. Eine Anhäufung von Stärke kann daher bei dem nebenhergehenden Ver- brauch derselben zur Athmung und zur Zellhautbildung nicht stattfinden und man beobachtet anstatt dessen eine ausserordentliche Vermehrung der protoplasmatischen Sub- stanzen, worüber schon an einer früheren Stelle nähere Mittheilungen gemacht wurden. Deswegen zeigen auch diejenigen Zellen, welche auf einige Zeit in einer Nähr- lösung verweilten, eine äusserst lebhafte Neigung zur un- geschlechtlichen Fortpflanzung, weil die Zoosporenbilduug zuerst durch das Vorhandensein einer grösseren Menge von plastischen Substanzen begünstigt zu werden scheint. Die Erklärung, welche Klebs von diesen Vorgängen gegeben hat, steht keineswegs im Widerspruch zu den von Schimper auf Grund zahlreicher früherer Arbeiten festgestellten Thatsachen, dass die Synthese der Eiweiss- stoffe bei den grünen Pflanzen in den chlorophyllführenden Zellen der Blätter auch nur unter dem Einfluss des Lichtes vor sich gehen kann, weil sie auf eine Umsetzung von Sulfaten und Nitraten mit den Producten der Assimilation beruht, welche nur unter der Einwirkung des Lichtes zu Stande kommt. Im Gegensatz zur Stromastärke unterliegen die Amylon- kerne, sowohl die Pyrenoi'de, als auch die Stärkehülle derselben, keinerlei Einflüssen durch den Stoffwechsel, scheinen vielmehr in einer vollständig unbekannten Weise vor Auflösung geschützt zu sein. Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Stärkearten besteht hinsichtlich ihrer Bildung aus Zucker unter Ausschluss des Lichtes. Ent- stärkte Pyrenoi'de können im Dunkeln aus Zucker ihre Stärkehülle nicht bilden, wogegen die Stromastärke unter solchen Umständen entstehen kann. Allein in Folge der Mitwirkung unbekannter Nebenumstände nimmt dieser Process nicht selten den entgegengesetzten Verlauf und es tritt alsdann selbst in hochconceutrirten Lösungen sogar eine völlige Entstärkung der Zellen ein. Am sichersten gelingt die künstliche Stärkebildung aus Zucker, wenn die Zellen nach längerem Aufenthalt in Nährsalzlösungen in eine verdunkelte Cultur mit Zuckerlösung gebracht werden oder wenn sie sich nach monatelangem Verweilen in derselben bei Lichtmangel sich zur Fortpflanzung an- schicken. Der Eintritt der Fortpflanzung ruft in den Zellen tief- greifende Veränderungen hervor, welche sich sogar auf das Verhalten der beiden Stärkearten erstrecken. Die Stromastärke erscheint in fein vertheilter Form in den- jenigen Zellen, welche aus dem vegetativen Zustand zur Bildung von Zoosporen und Gameten übergehen, weil da- durch alle Hindernisse, welche vordem in Culturen mit Nährsalz- und Zuckerlösungen ihre Entstehung unmöglich machten, beseitigt zu werden scheinen. Selbst in solchen Zellen, die in Zucker im Dunkeln zur Gametenbildung übergehen, wird sie gebildet, so dass die in Cultur ge- nommenen Netze neben entstärkten vegetativen stärke- reiche in Fortpflanzung begriffene Zellen besitzen. Im Gegensatz zu ihr wird jetzt die Pyrenoi'dstärke, welche im vegetativen Zustande der Zellen dem Einfluss des Stoff- wechsels entzogen blieb, aufgelöst, ohne Rücksicht auf die Umstände, unter denen die Fortpflanzung herbeigeführt wurde. Aus diesem entgegengesetzten Verhalten der beiden Stärkearten geht hervor, dass eine jede ihre eigene Rolle im Haushalte der Zelle spielt; die eine kommt im vege- tativen Zustande und die andere erst bei der Fortpflanzung der Zelle zur Verwendung. Es ist aber keineswegs aus- Nr. 4. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 15 geschlossen, dass beim Aushungern der Zelle durch lang- anhaltende Verdunkelung auch die Pyrenoi'dstärke schliess- lich der Auflösung anheimfallt, sobald die vorhandene Stromastärke aufgebraucht ist, weil zur Erhaltung des Lebens alle verwendbaren Bestandteile des Zellenleibes herangezogen werden. Die Pyrenoi'dstärke lässt sich in derselben Weise wie die Stromastärke auf künstlichem Wege innerhalb 2 bis 3 Tagen zur Auflösung bringen, sobald die Zellen im Dunkeln in Maltose eultivirt werden. Noch beschleunigen lässt sich dieser Vorgang, wenn man in Nährlösung ge- wesene Netze bei einer Temperatur von 26° in ver- dunkelte Maltoselösung versetzt, worauf sie bereits in 24 Stunden grösstenteils verschwunden ist. Worauf die auflösende Wirkung der Maltose beruhen mag, ist bis jetzt noch nicht näher bekannt. Ihr Einfluss auf das Ver- halten der beiden Stärkearten beschränkt sich nicht blos auf die im vegetativen Zustande befindlichen, sondern auch auf die sich fortpflanzenden Zellen, indem sie sogar das Auftreten von Stromastärke, welches für alle zur Zoosporen- oder zur Gametenbildung schreitenden Zellen äusserst bezeichnend ist, verhindert und somit zur Bildung vollkommen stärkefreier Fortpflanzungszellen führt. Wie bei der Maltose, so wird auch in verdünnten Lösungen organischer Säuren sowohl im Lichte als auch im Dun- keln eine Auflösung der Pyrenoi'dstärke beobachtet, deren nähere Ursache sich ebenfalls unserer näheren Kenntnis» entzieht. Die Zeit des Eintrittes der Fortpflanzung. Der Uebergang der Zellen aus ihrem vegetativen Zustand zur Fortpflanzung ist nicht an eine bestimmte Zeit des Jahres gebunden, sondern kann unter Mitwirkung äusserer Umstände, welche auf natürlichem sowie auf künstlichem Wege herbeigeführt werden können, zu jeder Zeit er- folgen. Was die Einhaltung einer bestimmten Tageszeit anbelangt, so verhält sich das Wassernetz ebenso wie die meisten anderen Algen, indem im Verlauf der Nacht die Bildung der Fortpflanzungszellen vor sich geht, welche mit dem Anbruch des Tages zum Ausschwärmen kommen. Wenn man also das Wassernetz aus einer Nährlösung in Wasser überträgt, so beobachtet man bei der Mehrzahl der Zellen am frühen Morgen der nächsten Tage die Ent- stehung junger Netze aus den gebildeten Zoosporen. Es fällt die Bildung derselben in die Nachtzeit. Da dieser Vorgang durch Verdunkelung in seinem Verlauf aufgehalten wird, so sollte man annehmen, dass durch den Wechsel von Tag und Nacht eine Unterbrechung desselben herbei- geführt werden müsse. Dies geschieht zwar auch, aber nur in den ersten vorbereitenden Stadien, welche sich in der Regel auf den vorhergehenden Nachmittag verlegen und nur selten auf die Zeit nach dem Eintritt der Dunkel- heit sich verschieben. Wenn der Process einmal einge- leitet ist, so spielt er sich ohne irgend welche Störungen im Dunkeln ab und erreicht mit dem Anbruch des Tages sein Ende. Die Verlegung der Zoosporenbildung in der Nachtzeit ist nicht etwa als eine erblich tixirte Eigenschaft, sondern gleichsam als eine Gewohnheit der Algenzclle aufzufassen. Denn es ist Klebs gelungen, durch eine passende Wahl des Zeitpunktes, mit welchem er die Zellen mit ausgesprochener Neigung zu ungeschlechtlicher Fort- pflanzung in Maltoselösung brachte, den Eintritt der Zoosporenbildung auf eine andere Tageszeit zu verlegen. In weit geringerem Maasse scheint die Gametenbildung, besonders bei Culturcu in Zuckerlüsungen, von dem Wechsel von Licht und Dunkelheit beeinflusst zu werden. Die Anfänge der Zoosporeubilduug. Die Zoosporenbildung verschliesst sich in ihrer ersten Anlage vollständig der Beobachtung und tritt in ihrem weil Verlauf erst dann sichtbar in die Erscheinung, wenn von ihren Wirkungen der Protoplast in allen seinen Theilen erfasst wird. Dies liisst sich einzig und allein an der Vermehrung der Zellkerne sowie an der Veränderung der eingelagerten Stärke erkennen, welche als die Folgen der bereits im Protoplasten vollzogenen Vorgänge aufzu- fassen sind. Beim Wassernetz hat Artari die Kerntheilung genauer untersucht und seine Beobachtungen befinden sieh in voll- ständiger Uebereinstimmung mit demjenigen, was Stras- burger bei anderen Beispielen gefunden hat. Sie ist an gut fixirten und gefärbten Objecten leicht wahrzunehmen. Wie bereits angeführt worden ist, findet in vollster Un- abhängigkeit von der bevorstehenden Zoosporeubilduug eine lebhafte Vermehrung der Zellkerne in Nährsalz- lösungen statt, wobei oftmals eine grössere Anzahl ge- bildet werden, als zur Bildung von Zoosporen erforderlich sind. Während unter gewöhnlichen Umständen auf 0,01 qmm im Durchschnitt zwanzig Zoosporen und also ebensoviel Zellkerne entfallen, so kann sich deren Anzahl bei Cul- turen in Nährlösungen zuweilen um das Doppelte und das Dreifache sogar erhöhen, als nachher Zoosporen dar- aus hervorgehen. Da eine jede einzelne Zoospore in der Regel nur einen einzigen Zellkern enthält, so muss man wohl annehmen, dass bei der Bildung derselben eine Ver: minderung der Kerne durch Wiederverschmelzung herbei- geführt wird. Die Veränderungen, welche die Stärke erleidet, sind im Allgemeinen der Beobachtung zugänglicher als die Kerntheilung. Die Stromastärke, welche im vegetativen Zustande als Körner von verschiedener Grösse und un- gleicher Vertheilung in der Zelle abgelagert war, wird jetzt in eine ganz gleichmässig in der Chlorophyllschicht vcrtheilte, feinkörnige Masse verwandelt, wodurch der Zellinhalt ein trübkörniges Aussehen empfängt. Wie schon an einer früheren Stelle erwähnt worden ist, lässt sich diese interessante Erscheinung beim Uebergang aus dem vegetativen Zustand zur Fortpflanzung auch in solchen Zellen beobachten, welche, solange sie in Nährlösungen im Lieht oder in Zuckerlösung im Dunkeln verweilten, keine Stärke enthielten. Nur in solchen Zellen, welche im Dunkeln in Maltoselösungeri eultivirt wurden, findet unter solchen Umständen keine Stärkebildung statt, worauf schon an einem frühereu Orte hingewiesen worden ist. Während die Pyrenoi'dstärke im vegetativen Zustande der Zelle von allen Stoffwechselvorgängen unberührt ge- blieben ist, so ist für sie mit dem Eintritt der Zoosporeu- bilduug der geeignete Zeitpunkt zu ihrer Verwendung gekommen. Sie fällt deshalb jetzt der Auflösung anheim. Die Stärkehülle zerfällt in einzelne kleine Körnchen oder schmilzt nach und nach ab. Das Pyrenoid vermindert sich zusehends bis zum völligen Verschwinden. Es ist dies deshalb noch besonders beachtenswerth, weil Schmitz in den Pyrenoiden activ lebendige Organe des Protoplasten erblickt, bei welchen er wohl eine Abnahme, aber niemals eine völlige Auflösung wahrgenommen hat. Gerade ihr Verhalten beim Wasseruetz spricht gegen diese An- nahme. Denn es steht ausser allem Zweifel, dass sie auf- gelöst und neugebildet werden können, jedoch nur dann, wenn die Zelle zur Fortpflanzung schreitet. Es scheint aus dieser ihrer einseitigen Verwendung hervorzugehen, dass sie aus einer besonderen Form von Eiweissstoffen bestehen, welche von einer Stärkehülle umschlossen wer- den. In welchen Beziehungen diese beiden Bestandteile der Amylonkerne zu einander stehen, ist bis jetzt noch nicht bekannt. (Schluss folgt.) 46 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 4 Beobachtungen über das Vorkommen des Pfeiffer- schen Inflnenzabacillus, über den wir Bd. VII, S. 27 und 56 berichtet haben, veröffentlicht Dr. M. Borchardt in der Berliner klinischen Wochenschrift. — Seit Pfeiffer'» Mittheilungen über die „Aetiologie der Influenza" sind nur sehr wenige Untersuchungen über den neu entdeckten Bacillus veröffentlicht worden, und diese wenigen stammen von Bactcriologeu oder Pathologen. Von klinischer Seite ist bisher weder eine Bestätigung, uoch eine Widerlegung der Pfeifferschen Entdeckung erfolgt; es ist dies um so auffallender, wenn man bedenkt, dass die Influenza seit Pfeiffer's Veröffentlichungen niemals völlig verschwunden ist, und andererseits genügend Gelegenheit gegeben war, seine Untersuchungen einer Nachprüfung zu unterziehen. Bei der Anfertigung mikroskopischer Präparate ist die grösste Sorgfalt am Platze, wenn man nicht gelegent- lich durchaus trügerische Bilder empfangen will. — Man muss nach Pfeiffer's Vorschriften ausschliesslich frisches Sputum verwenden, dasselbe durch Schwenken in — wenn möglich sterilem - - Wasser von den oberflächlich an- haftenden ßacterieu befreien, und aus der Mitte des ge- reinigten Ballens möglichst dünne Deckglastrockenpräparate herstellen; diese werden mit verdünnter Ziehl'scker Lö- sung (1 : 10 oder 1 : 20) gefärbt, einfach mit Wasser ab- gewaschen, oder in schwach essigsaurem Wasser entfärbt. Mit dieser Methode hat B. nach Pfeiffer's ersten Mit- theilungen häufig den Auswurf von Lungenkranken in influenzafreier Zeit untersucht, speciell die Sputa atypischer Pneumonien, die zu Anfang dieses Jahres in auffallend grosser Zahl zur Beobachtung kamen, genau durchmustert. Nur zwei oder drei Mal hat B. in geringer Anzahl Stäb- chen gefunden, die morphologisch den Pfeifferschen glichen. Sonst wurden die Stäbchen regelmässig vermisst. Desto überraschender waren die Befunde gleich zu Anfang der jetzigen Epidemie. Bei im Ganzen etwa 50 Influenzafällen hat B. in 35 Fällen die Pfeifferschen Stäbchen nachweisen können. In der einen Reihe der Fälle fanden sich neben ihnen noch andere Mikroorganismen, in der anderen fanden sie sieh in überwiegender Menge, oder so gut wie in Rein- cultur. In guten Präparaten sieht man die Stäbehen ent- weder gleiehmässig durch das Gesichtsfeld vertheilt, meist freiliegend, vielfach aber auch in Zellen eingeschlossen, oder man findet sie in Schleimflocken wie kleine Fisch- schwärme angeordnet, oder in Colonnen aufinarschirt, charakteristische Bilder, wie man sie bei anderen Mikro- organismen im Sputum kaum findet. Die Stäbchen Hessen sich in den Sputis der Kranken wochenlang nachweisen, in einem Falle waren sie am 28. Krankheitstage noch in Reincultur vorhanden. Im Allgemeinen zeichnen sich die Bacillen durch ihre Kleinheit aus, bisweilen jedoch wechselt ihr Längen- und Dickendurchmesser nicht unbedeutend; dasselbe gilt für ihre Färbbarkeit; meist sind die Pole stärker tingirt als die Mitte, und diese Thatsache giebt, wie Pfeiffer mit Recht hervorhebt, leicht zu der Täuschung Veranlassung, dass man es mit ausserordentlich kleinen Diplococcen zu thun habe. — In andern Fällen sind die Stäbchen fast gleiehmässig gefärbt, hier und da erscheinen die Enden etwas zugespitzt oder abgerundet. Obwohl in Folge dieser Differenzen die Beurtheilung auch dem geübten Auge bisweilen schwierig wird, so ist doch in uncomplicirten Fällen das Bild ein so charakte- ristisches, dass es nicht wohl verkannt werden kann, und häufig für den Eingeweihten die mikroskopische Unter- suchung allein genügt. Bevor uns aber die Morphologie des neuen Bacillus so in Fleisch und Blut übergegangen ist, wie die des Fränkel'schen Diplococcus, und solange uns eine speeifische heterogene Färbemethode für den Influenzabacillus fehlt, müssen wir versuchen, ihn durch die Cultur zu identificiren. Die Reincultur der Influenza -Stäbchen hat, obwohl sie von Pfeiffer genau beschrieben wurde, selbst namhaften Bac- teriologen grosse Schwierigkeit bereitet. Pfeiffer vertheilt eine sorgfältig ausgewählte Sputumflocke in Bouillon, und impft von der trüben Emulsion Platinösen auf Blutagar- röhren, die durch Ausstreichen von steril entnommenem Blut auf schräg erstarrtem Agar hergestellt sind. Nach 24 Stunden entwickeln sich schön isolirte, krystallhelle Intlueuzacolonien, während die entsprechend beschickten einfachen Agarröhrchen steril bleiben oder andere Colonien aufweisen. Streicht man die Sputumflocke direct auf Blut- agar aus, so entwickeln sich die Influenza-Colonien natur- gemäss üppiger und bisweilen schon nach 12—15 Stunden; allerdings finden sich neben ihnen dann noc Bacteriencolouien. Den 35 Beobachtungen, in denen die Pfeifferschen Ergebnisse bis in die Details bestätigt werden konnten, stehen nur wenige gegenüber, in welchen trotz der Diagnose Influenza die Stäbchen nicht gefunden wurden. Es mag wohl sein, dass die Sputa dieser Kranken nicht mit der nöthigen Sorgfalt untersucht worden sind. Ist die Akme der Erkrankung vorüber, dann kann es vorkommen, dass sich nur noch sehr wenige oder gar keine Stäbchen mehr finden; in solchen Fällen muss man den Auswurf zu wiederholten Malen untersuchen, ehe man ein sicheres Urtheil über das Vorhandensein oder die gänzliche Ab- wesenheit der Bacillen abgeben kann. In 7 weiteren Fällen handelt es sich um die nervöse Form der Influenza. In einem derartigen Fall, der mit grossem, leicht palpablem Milztumor einherging, wurde eine umfangreiche Blutaussaat gemacht. Sämmtliche Röhren blieben steril. Das gleiche Resultat ergab sich bei der Blutuntersuchung von 4 anderen Patienten, die an der respiratorischen Form der Influenza erkrankt waren; die Ergebnisse, stimmen auch in diesem Punkte mit den Pfeiffer- schen völlig überein. Damit wird man natürlich das gelegentliche Vor- kommen der Bacillen im Blute nicht unbedingt leugnen können, aber man ist zu der Annahme berechtigt, dass die schweren Allgemcinerscheinungen bei Influenza nicht durch die Bacillen selbst, sondern durch die Resorption der von ihnen producirten Toxine verursacht werden. Der Pfeiffersche Bacillus kommt nahezu constant im Auswurf der Influenzakranken vor; in zweifelhaften Fällen ist sein Nachweis geeignet, die Diagnose sicher zu stellen. Die bacteriose (xuinmosis der Zuckerrüben. In der Sitzung der Deutschen botanischen Gesellschaft vom 29. December v. J. konnte ich frisches Material von Zucker- rüben vorlegen, die an einer bis dahin nicht bekannten Krankheit litten. Man bemerkt die Erkrankung erst bei dem Durchschneiden des Rübenkörpers, dessen Schnitt- fläche eine anfangs rostrothe und später schwärzliche Streifung annimmt. Diese Streifung entsteht entweder durch Verfärbung des Fleisches zwischen den Gefäss- strängen oder der Gefässriuge selbst, wobei im letzteren Falle das Fleisch zwischen ihnen heller und nicht selten fast ganz gesund erscheinen kann. Aus den geschwärzten Ge- lassen sieht man bei stärkerer Erkrankung hier und da kleine, sich schwärzende Tröpfehen austreten, in denen nach kurzer Zeit eine sehr reichliche Bacterienvegetation sich nachweisen lässt. Wenn man derartige Rüben mikro- chemisch untersucht, ergiebt sich, dass stellenweis eine grosse Anhäufung von reducirenden Zuckerarten und an- deren Substanzen vorhanden ist, welche die Rohrzucker- Ausbeute schädigen. Würde diese Erkrankung an Intensität Nr. 4. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. zunehmen, wäre dies für unseren Zuckerrübenbau eine recht bedrohliche Erscheinung. Bis zu welchem Grade die Krankheit unter Umständen sich ausbilden kann, zeigt eine mir vor drei Jahren aus Slavonien zugegangene Sendung kranker Futterrüben. In dieser Sendung befanden sich Exemplare, welche schon äusserlich durch ihre geschwärzten und geschrumpften Wurzelenden auffielen. Bei dem Durchschneiden derselben bemerkte man, dass der Rübenkörper eine speckige Be- schaffenheit angenommen hatte und gänzlich schwarz ge- färbt war. Die Schnittfläche wurde binnen kürzester Zeit glänzend durch Austritt einer sirupähnlichen, bacterien- reichen Flüssigkeit, die stellenweis so stark hervorfloss, dass sie in Tropfen herabrann. Reducirende Substanzen waren im Uebermaass vorhanden und der Rübenkörper völlig unbrauchbar. Was aber die Krankheit besonders bedeutsam machte, war der Umstand, dass auf der Be- sitzung, zu welcher die kranken Rübenfelder gehörten und auf welcher die weniger stark ergriffenen Exemplare verfüttert worden waren, das Milchvieh in Folge dieses Futters erkrankte und in einzelnen Fällen sogar starb. Es musste also eine Zersetzung im Rübenkörper statt- gefunden haben, welche vergiftend auf den thierischeu Organismus wirkte. Wenn nun glücklicherweise auch bei uns in Deutsch- land die Krankheit in keiner so intensiven Form bisher bekannt geworden ist, so genügt doch schon die Fest- stellung der Thatsache, dass sie in ihren Anfängen gerade in unseren Zuckerrübengegeuden zu finden ist, um die Aufmerksamkeit der betheiligten Kreise in Anspruch zu nehmen, damit rechtzeitig Vorbeugungsmaassregeln ge- sucht und angewendet werden können. Zunächst handelt es sich darum, zu erfahren, ob die Krankheit von ge- wissen Boden- oder Witterungsverhältnissen und Ernährungs- bedingungen abhängig ist. Deshalb wäre es erwünscht, wenn alle diejenigen, welche Gelegenheit haben, Zucker- oder auch Futterrüben untersuchen zu können, eine Prü- fung der Bestände vornehmen wollten und Mittheilung von dem etwaigen Auftreten der Erkrankung und den Standortsverhältnissen der kranken Rüben machten. Ein schnelleres Hervortreten der charakteristischen Merkmale erzielt man, wenn man das Durchschneiden der Rüben in einem hellen, erwärmten Räume vornehmen lässt. Prof. Dr. Paul Sorauer. Einen Beitrag zur Naturgeschichte der Leucht- bacterien liefert Raphael Dubois. (Extinction de la luminosite du Photobacterium sarcophilum par la ruiniere. C. r. Soc. de Biol. de Paris, T. 5, 1893, S. 160.) Während es ihm schon früher gelungen war, auf See- fischen und Bohrmuscheln leuchtende Spaltpilze zu isoliren, lehrte er uns neuerdings einen auf einem todten Kaninchen aufgefundenen Leuchtpilz unter dem oben genannten Namen kennen. Es ist der erste, der auf Säugethier- fleisch reingezüchtet worden ist. Die Culturen verloren, wenn sie dem Licht bis ca. 10° ausgesetzt wurden, ihre Leuchtfähigkeit fast gänzlich, gewinnen sie aber im Dunkeln wieder. C. M. Ueber die Entstehung des Säugethiers hat Wilh. Haacke (Biolog. Centralblatt XIII. Bd., No. 23, S. 719 ff.) kürzlich eine bemerkenswerthe Hypothese veröffentlicht. Durch fünf Jahre laug fortgesetzte tägliche Beob- achtungen an lebenden Thieren ist H. zu der Ueber- zeugung gelangt, dass Aufbau und Functionen der Or- ganismen in der Mehrzahl der Fälle sich nur verstehen lassen auf Grund der Annahme einer Vererbung erwor- bener Eigenschaften, dass also die Organe des Thier- körpers ihren Ursprung in erster Linie den ererbten Wir- kungen des Gebrauchs und Nichtgebrauchs verdanken. H. glaubt deshalb, dass nur eine Rückkehr zu den Grund- zügen der Sehöpfungstheorie Lamarck's die Biologie fördern wird, und dass man einem grossen Theile dei darwinistisehen Anschauungen den Abschied geben muss. Die Umbildung der Organismen erfolgt mii Hilfe der constit utionellen Zuchtwahl, d. h. derjenigen Art der Auslese, welche die Constitution der Organismen — deren grössere oder geringere Widerstandsfähigkeit gegen äussere Einflüsse — betrifft. Da thatsächlich vielmehr Individuen erzeugt werden, als zur Fortpflanzung gelangen, da somit irgend welche Art der natürlichen Auslese statt- finden muss, so dürfen wir annehmen, dass diese Auslese in erster Linie die Constitution betrifft, zumal es haupt- sächlich die Jugendstadien der Organismen sind, die am leichtesten zu Grunde gehen. Dieser Umstand beweist. dass es weniger diejenigen Eigenschaften sind, die sieb erst am erwachsenen oder nahezu erwachsenen Organis- mus zeigen, welche den Fortbestand der Arten garan- tiren oder in Frage stellen, als vielmehr die Eigenschaften der Jugendstadien. Die letzteren sind aber hauptsächlich solche, welche die Constitution betreffen. Durch diese Art der Zuchtwahl muss sowohl die Grösse als auch die Form der Organismen im Laufe der Generationen verändert werden; die Organismen werden grösser und ihr Bau wird complicirter. Da die grossen Hauptabteilungen des Thierreichs und die Classen inner- halb jeder Hauptabtheilung sich schon sehr frühzeitig von einander gesondert haben, so wird es kaum möglich sein, die geologische Periode festzustellen, in welcher die Säugethiere entstanden sind-, denn es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die ältesten Säugethiere und ihre noch nicht als Säuger zu bezeichnenden Vorfahren ausser- ordentlich kleine Thiere gewesen sind, kleiner vielleicht als unsere Zwergspitzmaus. Nach der Gastraea-Theorie können wir uus alle Thiere vorstellen als Nachkommen einer Urform, welche eine aus einer Zcllcnschicht bestehende Hohlkugel bildete. An dieser entstanden im Laufe der Entwickelung Einstülpungen und Faltenbildungen, welche die ersten Anlagen von Orgauen darstellen. Auf solche Weise entstand auch die Lunge der Wirbelthiere als ein Sack, in welchem sich Luft sammelte. Durch die Wechselwirkung, in welche seine Zellen und das ihn durchströmende Blut mit der auf- genommenen Luft traten, wurde dieser aus einer Aus- stülpung des Darmrohrs hervorgegangene Sack zu einer Lunge umgebildet. An dieser traten in Folge der con- stitutionellen Zuchtwahl ebenfalls Faltenbildungen ein, welche schliesslich zur Entstehung eines schwammartigen Organs führten, wie es die Lunge der Vögel und Säuge- thiere darstellt. Der Verbrennuugsprocess im Körper musste in Folge der ausgiebigen Luftzufuhr, die durch die Vergrösserung der Lungenoberfläche ermöglicht war, ein viel lebhafterer werden, und er hatte eine Erhöhung der Bluttemperatur zur unmittelbaren Folge. Aus den kalt- blütigen Vorfahren der Säugethiere wurden somit Warm- blüter. Dies konnte deshalb geschehen, weil die Vor- fahren der Säuger sehr kleine Thiere waren, deren Lungen- oberfläche im Verhältniss zur Körpergrösse eine sehr be- trächtliche Ausdehnung hatte, während bei denjenigen Reptilien, welche ebenfalls eine compactere Lunge er- hielten, der Körper viel zu grosse Dimensionen hatte und dadurch eine Erhöhung der Bluttemperatur vereitelte. Das aus irgendwelchen Oberhautgebilden entstandene Haarkleid der Säugethiere lässt sich -- ebenso wie das Gefieder der Vögel — auf die höhere Bluttemperatur zurückführen. Denn der Reiz, welchen die äussere Haut 48 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 4 durch die umgebende kühlere Luft erfuhr, bewirkte eine stärkere Durchblutung und lebhaftere Ernährung der Haut- organe. Dass eine grosse Verschiedenheit zwischen der Temperatur des Blutes und der der Umgebung zu einer starken Entwicklung der Oberhautgebilde fuhren muss, hat Haacke dadurch bewiesen, dass er fünf Jahre lang viele Thiere tropischer Länder auch im Winter, und so- gar auch an Tagen, wo das Thermometer — 20c Cels. zeigte, im Freien gehalten hat. Diese Thiere wurden viel stärker behaart, als die Individuen derselben Arten in anderen zoologischen Gärten, wo man die Thiere im Winter in zum Theil geheizten Häusern hält. Ausserdem wissen wir ja, dass Polarthiere einen viel dichteren Pelz haben, als Thiere wärmerer Gegenden. Da das Haarkleid seiner- seits den Körper vor zu starker Abkühlung schützt, so unterliegt es kaum einem Zweifel, dass Warmblütigkeit und Haarkleid sich Hand in Hand entwickelt haben. Höchst wahrscheinlich lässt sich auch die Entstehung der Talgdrüsen auf erhöhte Bluttemperatur zurückführen. Die von warmem Blut durchströmte Haut wurde durch die kühlere Luft stärker gereizt, als die Haut eines Kalt- blüters, und da der Stoffwechsel der Warmblüter ohnedies ein lebhafterer ist, als der der Kaltblüter, so werden die Talgdrüsen schon von vorn herein eine grössere Thätig- keit entfaltet haben, als die ihnen entsprechenden Gebilde bei den kaltblütigen Vorfahren der Säugethiere. Wie der Körpersich die Sekrete verschiedener Drüsen (z.B. der Leber) zu Nutze gemacht hat, so sind wahrscheinlich auch die Abscheidungen der Talgdrüsen von grossem Nutzen für das Haarkleid geworden, weil sie die Haare einfetten und dadurch vor den schädlichen I^inflüssen der Nässe schützen. Umgekehrt werden aber auch die Haare sich allmählich den Eigenschaften der Talgdrüsen angepasst haben. Wären keine Talgdrüsen entstanden, so hätten die Haare andere Eigenschaften angenommen; sie hätten sich dann ebenfalls auf irgend eine Weise mit den Einflüssen der Umgebung ins Gleichgewicht gesetzt und würden nicht in Abhängigkeit von den Talgdrüsen gerathen sein. Aehnliches gilt von den gleichfalls in Folge der Warmblütigkeit und des erhöhten Stoffwechsels entstan- denen Schweissdrüsen. Auch ihrem Sekrete und den durch dessen Verdunstung herbeigeführten Wirkungen bat sich der Säugethierkörper angepasst. Die Vögel, denen sie fehlen, obwohl sie auch warmblütig sind, beweisen aber andererseits, dass der Körper sich mit seiner Um- gebung irgendwie abgefunden hätte, wenn Schweissdrüsen überhaupt nicht entstanden wären. Die Entstehung des Brutbeutels der niederen Säugethiere erklärt sich Haacke folgendermaassen- Wo wir unter den niederen Wirbelthieren (z. B. den Fischen und Amphibien) Fürsorge für die abgelegten Eier antreffen, ist es in den meisten Fällen das Männchen, das sich um sie kümmert, nicht aber das Weibehen. Die Entstehung dieser männlichen Brutpflege ist aber vom Boden der Zuchtwahllehre aus völlig unbe- greiflich. Wir müssen vielmehr annehmen, dass sich das Männchen in bewusster Weise um die Eier gekümmert hat. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass von den sich entwickelnden Eiern ein Duft ausgeht, ähnlich dem des Weibchens, und dass das Männchen dabei angenehme Nervenerregung empfindet. Hierdurch wurde es veranlasst, die Eier zu bewachen oder mit sich herumzutragen. Es hat sich dann allmählich au die so entstandene Brutpflege angepasst und die dadurch erworbenen körperlichen und geistigen Eigenschaften später durch Vererbung auf das Weibchen übertragen. Das Männchen ist dem Weibchen in der Entwicklung vorausgegangen. Wo wir männliche Brutpflege unter den Vögeln finden, handelt es sich stets um tiefsteheude Repräsentanten der betreffenden Vogel- Ausbildung gruppe. Es ist daher wahrscheinlich, dass es bei den Vorfahren der Säugethiere auch die Männchen waren, die sich zuerst der von den Weibchen gelegten Eier annahmen. Hierzu stimmt auch, dass die Mammardrüsen der männ- lichen Echidna (Ameisenigel) ausserordentlich gross sind. Wären Brutpflege und Mammarorgane zuerst von den Weibchen erworben, und wären die Mammardrüsen erst von diesen auf die Männchen vererbt worden, so würde man grosse Mammardrüsen am allerwenigsten bei den Männchen tiefstehender Säugethiere finden. Wie Haacke an anderer Stelle (Gestaltung und Ver- erbung. Leipzig 1893) nachzuweisen versucht hat, stammen die Säuger von Thieren mit langen Hinterbeinen und kurzen Vorderbeinen ab, Geschöpfen, die eine halb auf- rechte Körperhaltung, ähnlich der des Eichkätzchens, ein- nahmen. Wenn nun solche Thiere ihre Eier mit sich her- umtrugen, so werden sie dieselben an denjenigen Körper- stellen aufbewahrt haben, wo sie am wenigsten leicht verloren gehen konnten, und das wird am Unterleib der Fall gewesen sein. Bei hockender Stellung entstehen aber, wie man am eignen Körper beobachten kann, am Unter- leib leicht Falten, die bei den Vorfahren der Säuger ge- eignet gewesen sein dürften, die Eier einigermaassen fest- zuhalten. Waren sie das, so konnten sie sich durch fort- gesetzten Gebrauch und die Vererbung seiner Wirkungen zu einem Brutbeutel ausbilden. Der Brutbeutel wäre dem- nach eine directe Erwerbung der Vorfahren der Säuge- thiere; seine Entstehung ist im Lamarck'schen und nicht im Darwinschen Sinne zu erklären. In Folge der erhöhten Hautthätigkeit, die durch die des Brutbeutels und den Aufenthalt der Jungen in ihm direct hervorgerufen wurde, entfalteten auch die in ihn ausmündenden Hautdrüsen, besonders die Schweissdrüsen, eine lebhaftere Thätigkeit. Ihre Aus- scheidungen wurden stark genug, um von den Jungen auf- geleckt zu werden, und diese letzteren haben sich all- mählich an diese Art der ersten Ernährung angepasst. Sie sind dadurch zu saugenden Thieren geworden, und da sie vermöge der Gestalt des Brutbeutels, die eine ungleich- massige Verdunstung der Hautsekrete zur Folge haben musste, besonders an denjenigen Hautstellen leckten und später sogen, wo die Verdunstung nicht schnell genug eintreten konnte, so sind die Mammardrüsen hier localisirt worden. Durch den ausserordentlich grossen Reiz, welchen die saugenden Jungen auf die Drüsen ausübten, wurde deren Absonderung eine immer stärkere. Ihr Plasma löste sich gewissermaassen fortwährend in seine Bestand- teile auf, wodurch eine rasche Ersetzung des Plasmas, eine starke Ernährung der betreffenden Zellen herbei- geführt werden musste. Das Sekret konnte deshalb nährende Eigenschaften annehmen, die sich durch fort- gesetzten Gebrauch der Drüsen immer mehr ausbilden mussten. Dem von den Drüsen ausgeschiedenen Sekret hat sich dann der Stoffwechsel der jungen Säugethiere allmählich angepasst. Ein ähnliches Verhalten wie die Schweissdrüsen zeigten wahrscheinlich auch die im Brutbeutel befind- liehen Talgdrüsen. Sie bildeten sich gleichfalls zu Mam- mardrüsen aus und haben die Schweissdrüsen sogar später in der Entwickelung überholt. Der Brutbeutel und die Milchdrüsen sind also auf den directen Gebrauch der Organe zurückzuführen; sie sind zuerst vom Männchen er- worben und später durch Vererbung auf das Weibchen übertragen worden. Wahrscheinlich giebt es sogar heute noch Säugethiere mit männlicher Brutpflege. Ein solches Thier ist möglicher- weise der auf Neuseeland lebende Waitoteke, dessen man leider bisher noch nicht habhaft geworden ist. Durch die oben berührten Momente, welche nach Nr. 4. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 4!' Haacke zur Entstehung des Säugethiers beigetragen haben, wird eine ganze Reihe von physiologischen Fragen eröffnet, die der experimentellen Behandlung zugänglich sind. Man wird Beobachtungen darüber anzustellen haben, in welcher Weise Organe durch neue Thätigkeiten, zu denen man sie experimentell zwingt, umgebildet werden, und man wird dabei die histologischen Veränderungen verfolgen müssen, welche sie erleiden. Aus der Beobach- tung lebender Thiere wird sich ferner eine vergleichende Entwickelungsgeschichtc der Lebensäusserungen heraus- bilden. Die Phylogenie der Zukunft wird ihre Hauptaufgabe nicht in der hypothetischen Verknüpfung grosser Thier- gruppen suchen, sondern einerseits die Verwandtschafts- verhältnisse innerhalb kleinerer Thiergruppen aufzuklären und durch die Aufstellung von Entwickelungsreihen zu Entwickelungsgesetzen zu gelangen trachten, andererseits sicli die Momente klar machen, die zur Ausbildung der Orgaue und ihrer Thätigkeit geführt haben. Sie wird dabei die wohlfeilen Erklärungsversuche des Darwinismus verschmähen und überall auf die bewirkenden Ursachen zurückgehen. R. M. Der Einfluss der Feuchtigkeit auf das Zustande- kommen chemischer Reactionen ist bereits vielfach constatirt und es ist besonders mehrfach hervorgehoben worden, dass Gase wie Schwefelwasserstoff, wenn voll- kommen trocken, die ihnen gewöhnlich zukommenden, empfindlichen Reactionen nicht zeigen. Neuerdings hat H. Brereton Baker (Chem. Soc. Proc. 1893,94, 129) in einer vorläufigen Mittheilung einige weitere Belege für die auch schon früher (Chem, Soc. Trans. 1885; Phil. Trans. 1888) von ihm beobachtete Inactivität vollständig trockener Gase erbracht. So zeigen vollkommen ge- trocknetes Ammoniak- und Salzsäuregas beim Zusammen- tritt weder die üblichen weissen Nebel noch Contraction, während beides sofort nach Zutritt von wenig feuchter Luft eintritt. Das vollkommene Trocknen des Ammoniak- gases schien Schwierigkeiten zu bereiten, da dasselbe von Phosphorsäure, die hierfür nothwendig ist, verschluckt wird. Es zeigte sich aber, dass diese Absorption kaum noch merklich ist, wenn das Gas zuvor durch frisch geglühten Kalk getrocknet wurde. In ähnlicher Weise konnten dem Salzsäuregas durch Phosphorsäure die letzten Spuren Feuchtigkeit entzogen werden, wenn es zuvor durch Schwefelsäure getrocknet war. Es ergaben ferner Versuche mit vollkommen trocke- nem Schwefeltrioxyd, dass dasselbe weder durch Kalk, noch durch Baryt, noch durch Kupferoxyd absorbirt wird. Stickoxyd und Sauerstoff sollen im trockenen Zustand sich ohne jede Rothfärbung, also ohne Bildung von Unter- salpetersäure, mischen. Der letzteren Angabe ist indessen von W. Barns ay (Chem. Soc. Proc. 1893/94, 165) widersprochen worden. Derselbe hatte trotz sorgfältigsten Trocknens der Gase beim Zusammentritt von Stickoxyd und Sauerstoff stets Rothfärbung beobachtet. Er schliesst daraus, dass auch eine andere Substanz als Wasserdampf im Stande sein muss, derartige Vereinigungen herbeizuführen. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Professor Dr. Fink ler zum Leiter des neu errichteten hygienischen Laboratoriums an der Universität Bonn. — Der k. k. Hofgarteninspector Anton Umlauft in Schön- brunn zum Hofgartendirector. — Der Professor der Geologie an der Universität München Dr. Karl von Zittel zum Geheimen Rath. — Professor Dr. Friedrich Paulsen zum Ordinarius für Philosophie an der Universität Berlin. — Dr. Victor Eberhard, Privatdocent für Mathematik an der Universität Königsberg, zum Professor. — Der Director des hygienischen [nstitutes der Uni- versität Breslau Professor Dr. Karl Flügge zun leimen Mediemalrath. — Dr.Wilhelm Prausnitz, Privatdoci Universität München, zum Professor der Hygiene an der I sität Graz. — Der Professor der Mathematik an der Universität Bonn Dr. Hermann Minkowski zum Professor an der Univer- sität Königsberg. Professor Dr. Zschokke in Aarau zum Pro- fessor für Zoologie an der Universität Basel Der Privatdocent für Augenheilkunde an der Böhmischen Universitäl Prag Dr. Deyl zum ausserordentlichen Professor. —Der Privatdocent für äi sehe Chemie an der Technischen Hochschule in Wien Dr F. Ulzer zum ausserordentlichen Professor. — Der ausserordentlich! Pro fessor der Frauenheilkunde an der Deutschen Universität Prag Dr. Rosthorn zum Ordinarius. — Profe r Dr. Heubu Leipzig zum Leiter der Universitäts-Kinder-KHnik in Berlin. Es hat sich habilitirt: Dr. Bischler für Chemie an der Universität Zürich. . Der Professor der Geographie an der Universität Brüssel Elisce Reclus hat seine Entlassung nachgesucht. — Der ordent- liche Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie an der Universität Basel Dr. Ludwig Rütimeyer beabsichtigt von seiner Lehrthätigkeit zurückzutreten.— Der Professor der Augen- heilkunde ander Universität Wien, Dr. K. St eil wag von Carion, legt sein Amt nieder. Es sind gestorben: Der Begründer der Deutschen Seewarte Dr. Wilhelm Ihno Adolf von Fronden in Bonn. — Le Paule, Director der Obstbaumschule in Vincennes und General- inspector der öffentlichen Promenaden und Anlagen in Paris. — Marine-Oberstabsarzt Dr. Georg Thörner in Wiesbaden. — Der um die Schiffshygiene vordiente Arzt Dr. Roewer an seinen im Duell erhaltenen Wunden in Berlin.— Bergrath Carl Küekert, Salinendirector in Salzungen. — Dr. Gottlieb Adler, ausser' ordentlicher Professor für mathematische Physik an der Univer- sität Wien, daselbst. — Der Professor für Embryologie an der Universität Kiew Peter Iwanowitsch Peremesch'ko. Als im Herbste 1891 aus der Mitte der Naturforschenden Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg die Anregung zur Er- richtung eines gemeinsamen Denkmals für die drei Alten- burgischen Landeskinder, die namhaften Naturforscher und Ornitho- Iogen Chr. L. Brehm, Alfred Brehm und Hermann Schlegel*) gegeben wurde, fand dieser Gedanke so lebhaften Anklang, dass zahlreiche Beiträge aus dem In- und Auslände bei uns einliefen. Erfreulicherweise ist neuerdings unser Plan dadurch seiner Ausführung wesentlich näher gerückt, dass in der am 19. December 1893 abgehaltenen Coinitesitzung beschlossen wurde, den vom Architekten Herrn Goldmann hier entworfenen geschmackvollen stattlichen Obelisken zur Ausführung gelangen zu lassen, dessen Granitwürfel die drei vom Bildhauer Herrn Pfretzschner in Charlottenburg modellirten, broncenen Porträt- medaillons zieren werden. Da aber die verfügbaren Mittel zur Fertigstellung des Denkmals in dieser Form noch nicht ausreichen, so richten wir an alle Verehrer der drei Forscher, sowie an die naturwissenschaftlichen und ornithologischen Gesellschaften und Vereine die dringende Bitte, dem Comite weitere Spenden gütigst zukommen zu lassen, welche Dr. Köpert in Altenburg ent- gegenzunehmen gern bereit ist. Das Comite zur Errichtung' eines Brehm-Schlegel-Denkmals in Altenburg: Moritz Prinz von Sachsen- Altenburg. Prof. Dr. R. Bla- sius, Braunschweig. Realgymnasialdirector Prof. Plemming, Altenburg. Major A. v. Homeyer, Greifswald. Kommerzienrath Hugo Köhler, Altenburg. Dr. Köpert, Altenburg. Dr. med. Leverkühn, Sofia. Hofrath Prof. Dr. Liebe, Gera. Prof. Dr. Pilling, Altenburg. Dr. A. Reichenow, Berlin. Med.- Rath Dr. Rothe, Altenburg. Ritter von Tschusi zu Schmid- hoffen, Hallein. Dr. Voretsch. Altenburg. Litteratur. Kreisphysikus Dr. J. Borntraeger, Desinfection oder Verhütung und Vertreibung ansteckender Krankheiten Für Aerzte, Verwaltungsbeamte und Gebildete jeden Berufes. II. Härtung & Sohn (G. M. Herzog). Leipzig 1893. — Preis 2,40 M. Das Heft ist veranlasst durch die Cholera-Epidemie in Ham- burg von 1892. Es will namentlich dem Volk Aufschluss über alles geben, was an Verhaltungsmaassregeln bei ansteckenden Krank- heiten zu vermeiden ist. Es ist diesem Zweck gut ahgepasst; aber es steht doch dabei in dem Heft genug, sodass es auch dem Arzt von Nutzen sein muss. Yergl. „Naturw. Wochenschr." 1892, Bd. VII, S. 438. — Rod. 50 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 4 Johannes Müller, Beiträge zur Anatomie holziger und succu- lenter Compositen. Mit 14 Tafeln. R. Friedländer & Sohn. Berlin 1893. — Preis 3 M. Die Arbeit ist wohl geeignet, über den Gegenstand zu orien- tiren. Verf. kommt zu dem Schluss, dass bei den in Rede stehenden Compositen, wie anderwärts, systematisch ferner stehende Arten auch in anatomischer Beziehung in den „Hauptmerkmalen" gerin- gere Aehnlichkeit besitzen, dagegen „morphologisch nahe ver- wandte Arten" in ihrem inneren Bau mehr übereinstimmen. Hier- bei ist unter „Morphologie" die äussere Gestaltung der Pflanze gemeint. Somit sieht Verfasser mit anderen die Blüthenorgani- satiori als brauchbarstes Eintheilungsprincip an. G. Krüss, Specielle Methoden der Analyse. Anleitung zur An- wendung physikalischer Methoden in der Chemie. Mit 35 Textabi. 2., dnrchges. u. verm. Aufl. Leopold Voss, Hamburg 1893. — Preis 3,50 M. Der Untertitel der Schrift giebt genügenden Aufschluss über ihren Zweck. Dem Chemiker muss es angenehm sein, einen Leit- faden über das Gebiet zu besitzen aus der Feder eines Fachgenossen, der die Bedürfnisse des Faches am besten kennt. Wir finden behandelt die specifische Gewichtsbestimmung fester und flüssiger Körper, die Methoden der Molekulargewichtsbestimmung, zur Bestimmung der specifischen Wärme, der qualitativen Spectralanalyse, der Koloriemetrie und qualitativen Spectralanalyse und endlich der Polarisitionsanalyse. In einem Anhang finden sich Tabellen über spec. Gew. des H20 bei verschiedener Temperatur, der Spannkraft des H20 Dampfes u. s. w., im Ganzen 10 Stück. Professor Dr. Ernst Koken, Die Vorwelt und ihre Entwicke- lungsgeschichte. Mit 117 Abbildungen im Text und 2 lieber- sichtskarten. F. (). Weigel Nachfolger (Chr. Herrn. Tauchnitz). Leipzig 1893. — Preis 14 M. Mit dem vorliegenden Werke hat die populäre naturwissen- schaftliche Litteratur eine werthvolle Bereicherung erfahren. Seinen eigentlichen Inhalt bildet eine gemeinverständliche um- fassende Darstellung der historischen Geologie. Der Verfasser entwirft ein anschauliches Bild von dem Auftreten der Lebewesen in den einzelnen Epochen der Erde, namentlich der Thierwelt, und nicht allein der Laie wird seiner meisterhaften Schilderung, welche sich durch formvollendete Sprache auszeichnet, aufmerk- samst folgen, sondern auch der Fachmann wird sich gern und mit Nutzen der Lectüro des Buches hingeben und besonders den Ab- schnitten über die Wirbelthiere volles Interesse entgegenbringen, ist doch der Autor selbst Autorität auf diesem Gebiete. Das Werk kennzeichnet den sorgsamst prüfenden, scharf abwägenden Forscher und Gelehrten, welcher, nicht von abstracten Theorien ausgehend , von vornherein in seinen Untersuchungen eine Be- stätigung für dieselben finden will, sondern die Resultate seiner Arbeiten sorgfältig sammelt, zu einem Gesammtbilde zusammen- fügt und dieses erst mit den im Umlaufe befindlichen Ansichten vergleicht. Dass es mit den letzteren nicht an allen Stellen über- einstimmt, ist nicht zu verwundern, da einerseits die Theorieen vorläufig noch weiter nichts als eben Theorieen sind, die wohl grosse Wahrscheinlichkeit für sich haben, aber noch nicht durch die Wissenschaft in allen Theilen genügend gestützt werden; anderer- seits gerade die Geologie und Paläontologie, wie kaum eine andere Disciplin so grosse, durch die Natur selbst bedingte, ge- waltige, wohl niemals ausfüllbare Lücken aufweisen, dass sie der Entwickelungstheorie kaum je ein völlig festes, lückenloses Fundament werden bieten können. Der Verfasser hebt dies auch im Schlusskapitel hervor und betont den — wie er meint — sich immer schärfer ergebenden „Widerspruch gegen die Annahmen des Darwinismus." Hierin geht er zu weit; indessen wird dies den Fachmann nicht stören. Die Eintheilung des Stoffes ist eine zweckentsprechende, übersichtliche. Nachdem der Verfasser in den ersten 3 Kapiteln die Entstehung unseres Planeten und den jetzigen Zustand seines Innern und seiner Erstarrungsrinde, die Gebirgsbildung und den Zeitbegriff in der Geologie behandelt hat, werden im 4. bis 12. Abschnitte die einzelnen Formations - Systeme hinsichtlich ihrer Entstehung, ihrer Verbreitung, ihrer Fauna und ihrer Flora be- sprochen und die für sie charakteristischen Vertreter der Thier- und Pflanzenwelt bildlich dargestellt. Der Autor beginnt mit dem Cambrischen System, welches er als Ganzes für sich allein im 4. Abschnitt bespricht. Dann folgen das silurische (5. Abschn.), devonische System und seine Fauna (6. Abschn.), das carbonische und permische System (7. Abschn.) u. s f. bis zur „Quartär- und Eiszeit", worüber das 12. Capitel handelt. Das 13. enthält die Beschreibung der Thierwelt des Quartärs, und im Schlusscapitel wirft der Verfasser einen Rückblick auf die Geschichte der Vor- welt und stellt die sich ihm aus dem Studium derselben für die Entwicklungsgeschichte ergebenden Resultate dar. Zum Schluss noch einige allgemeine Worte über das Buch! Dasselbe ist kein populär-wissenschaftliches Werk, was man für gewöhnlich darunter zu verstehen gewohnt ist; vielmehr erfordert sein richtiges Verständniss eine nicht unbedeutende naturwissen- schaftliche Vorbildung, und namentlich gilt dies von den 3 ersten Capiteln. welche die sogenannte allgemeine Geologie zum Gegen- stande haben. Was die Ausstattung des 656 u. VIII. Seiten starken Bandes anbetrifft, so ist darüber nur Rühmendes zu sagen. Papier, Druck und Abbildungen sind vorzüglich. Zwei Karten gewähren eine Vorstellung von dem Aussehen der Erde zur Kreide- und Tertiär- zeit; ein ausführliches Sachregister, sowie endlich ein alphabetisches Verzeichniss der gebrauchten Fachausdrucke und ihre Erklärung dienen dem Verständniss des Lesers und erleichtern dasselbe wesentlich. Wir können nicht umhin, das Buch allen Freunden der Natur- wissenschaften wärmstens zu empfohlen und wünschen, dass ihrer recht viele es gern lesen mögen. F. K. Richard Andree's allgemeiner Handatlas. 3., völlig noubearb., stark vermehrte Aufl., herausgegeben von der Geographischen Anstalt von Velhagen & Klasing in Leipzig. 12 Abtheilungen. — Preis 24 Mk. Von dieser schon mehrfach in der „Naturw. Wochenschrift" erwähnten Neu-Auflage des mit Recht beliebten Atlanten liegt nunmehr der Schluss vor. Die Farbengebung ist überall sehr ge- schickt und erfüllt ihren Zweck aufs beste; so braucht man, um nur ein Beispiel herauszugreifen, nur einen flüchtigen Blick auf das Doppelblatt 7/8 zu werfen, um sofort über die Colonialgebiete der europäischen Staaten orientirt zu sein, die mit der Farbe des Mutterlandes bezeichnet sind. Ebenso genügt ein Moment, um sich über die Verbreitung der wichtigsten Verkehrssprachen über den Erdball Klarheit zu verschaffen. Wie sehr die Verlagshand- lung bemüht gewesen ist, das Neueste, Beste zu bieten, erhellt daraus, dass dem Atlas ein Doppol-Ergänzungsblatt (117a, 118a) beigegeben worden ist, zu den in früheren Lieferungen gebotenen Karten über Afrika. Die Ergänzung bringt eine vorzügliche Dar- stellung Mittel -Afrikas, in der die neuesten Ergebnisse Emin Pascha's und Stuhlmann's von 1890—92, Lugard's von 1891—92, Baumann's von 1892 — 93 u. s. w. sich eingetragen finden: eine im hohen Grade interessante Karte, die nicht nur dem Gelehrten nützlich sein wird, sondern auch dem Laien, der ja alle Augen- blicke durch Zeitungs - Nachrichten Veranlassung hat, sich mit Afrika zu beschäftigen. Inclusive der Ergänzungskarte bringt der Atlas nicht weniger als 142 Doppelblätter: eine reiche Fundgrube, die kaum den Anforderungen, die man an einen Handatlas stellt, unergiebig bleiben dürfte. Sehr dankenswerth und wichtig ist die Beigabe des in demselben Format wie die Blätter (Gross- Folio) gedruckten Verzeichnisses eines alphabetischen Namen- Registers, in welchem die Karten und die Stellen auf denselben angegeben sind, wo die genannten Ortschaften zu finden sind, und ein Verzeichniss der Abkürzungen und Erklärungen geographischer Namen : eine kolossale Arbeit, für die man dankbar sein muss. Um eine Vorstellung von dein Inhalt des Registers zu geben, wollen wir nur bemerken, dass dasselbe 166 (also Gross-Folio-) Seiten umfasst, in Petit gedruckt, jede Seite siebenspaltig; nach Angabe der Verlagshandlung bringt es circa 180 000 Namen. Dass dasselbe auch weitgehenden Ansprüchen genügen muss, liegt auf der Hand. Bei dem Gebotenen ist der Atlas so billig, dass man darüber nur staunen kann. Er ist ein wahrer Universal- Atlas. Wissenschaftlichen Bedürfnissen ist ebensowohl Rechnung ge- tragen wie kaufmännischen; in letzter Beziehung finden wir An- gabe der Telegraphenkabel, Dampfschiffsrouten, deutschen Con- sulatssitze, Verbreitung der Kohlenfelder u. s. w. Dr. C. E. Brewer, Katechismus der Naturlehre oder Erklärung der wichtigsten physikalischen, meteorologischen und chemischen Erscheinungen des täglichen Lebens. Vierte, umgearbeitete Auflage. Mit 53 in den Text gedruckten Abbildungen. Verlag von J. J. Weber in Leipzig. — Preis 3 M. Eine Sammlung von Fragen und Antworten. In der vor- liegenden Neubearbeitung ist die Anordnung eine neue und eine solche, dass die Fragen, die ihrem Inhalte nach zusammengehören, auch zusammenstehen. Der abgehandelte Stoff hat ebenfalls eine Aeuderung und Vermehrung erfahren. Dr. O. Dammer, Handbuch der anorganischen Chemie. Unter Mit- wirkung von Benedict, Gadebusch, Haitinger, Lorenz, Nernst, Philipp, Schellbach, v. Sominaruga, Sternenhaeen und Zeisel. III. Bd. Ferdinand Enke. Stuttgart 1893. — Preis 25 M. Der Herausgeber ist ein bewährter und als solcher längst bekannter Redacteur von Handbüchern. Wie alle von ihm unter- Nr. 4. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 51 nominellen Arbeiten trägt auch die vorliegende den Stempel der Ordnung, Gewissenhaftigkeit und Tüchtigkeit. Das Bandbuch der anorganischen Chemie ist daher dem Chemiker und Naturforscher überhaupt eine wichtige und verlässliche Fundgrube. Der vor- liegende .". Bd. des umfangreichen Werkes behandelt in ausführ- lichen Abschnitten: Yttrium, Cer, Lanthan, Neodym, Praseodym, Erbium, Holmium, Thulium, Dysprosium, Terbium, Gadolinium, Samarium, Decipiuui, Ytterbium, Bor, Aluminium, Glas, Mörtel. Thonwaaren, Ultramarin, Scandium, Gallium, Indium, Mangan, Eisen, Kobalt, Nickel, Chrom, Molybdän, Wolfram, Uran, Vana- dium, Tantal, Niobium, Gold, Platin, Ruthenium, Rhodium, Palla- dium, Iridium. Osmium. Der Band umfasst incl. dem guten und ausführlichen Register 895 Seiten. Ueberall finden sich für den- jenigen, der von der Originallitteratur Kenntniss zu nehmen wünscht, kurze diesbezügliche Angaben. Dr. Ferdinand Fischer. Handbuch der chemischen Technologie. (Zugleich 14. völlig umgearbeitete Aufl. von R. von Wagner's Handb. d. ehem. Techn.) Mit 716 Abb. Otto Wigand. Leipzig 1893. — Preis 15 M. Das treffliche Handbuch hat in der Fischer'schen Bearbeitung den Umfang von 1164 Seiten erreicht. Seit der 12. Aufl. ist das Werk in dieses Autors Händen, der als Nachfolger Wagner's für die zeitgemässe Umarbeitung, die bei jeder Auflage nöthig ist, zu den Berufendsten zählt. Die vorliegende, 14. Aufl. kann als vollständige Neuarbeit bezeichnet werden: von Aufl. zu Aufl. ist der Wagner'sche Text geschwunden. Auch die Disposition des bekannten Buches hat eine wesentliche, der jetzigen Wissen- schaft entsprechende Aenderung erfahren, wie aus der folgenden Aufzählung der Abschnitte hervorgeht: I. Brennstoff, II Metall- gewinnung, III. u. IV. Chemische Fabrikindustrie, V. Glas, Thon- waaren, Cement und Mörtel, VI. Nahrungs- und Genussmittel, VII. Chemische Technologie der Faserstoffe, VIII. Sonstige organisch- chemische Gewerbe, IX. Mechanische Hülfsmittel für Chemiker. An einem so einzig dastehenden Buche zu mäkeln, liegt uns ganz fern: ein jeder Fachmann, der sich an die Bearbeitungeines noch so kleinen Kompendiums gemacht hat, weiss, dass Fehler unvermeidlich sind, und welche grosse Aufgabe es ist, ein so ge- waltiges Gebiet, wie das in dem Wagner-Fischer'schen Handbuch zur Darstellung gebrachte, zu bewältigen. Wenn wir dennoch diesen Punkt berühren, so geschieht es nur im Interesse des Buches, an welchem vielleicht mancher Specialist gern berathend mit- arbeiten helfen würde. Man muss, es ist dem Kenner gar nicht anders möglich, die Leistung Fischer's bewundern, aber das ganze ge- sammte Gebiet in alle Einzelheiten beherrschen, ist einem Menschen einfach unmöglich. Könnten daher für bestimmte Gebiete einige Berather gewonnen werden, so müsste eine neue Auflage auf Grund des in dieser Geleisteten, einzig in der Reihe der bisherigen dastehen. Es ist selbstverständlich, dass der jetzige Bearbeiter ebensogut von der mehr oder minder grossen Mangelhaftigkeit, welche allen menschlichen Erzeugnissen anhaftet, überzeugt ist, aber wir wollten unseren Vorschlag anbringen, weil man ein un- entbehrliches Buch so exaet wünscht, als es die Umstände nur gestatten. Lässt er sich nicht ausführen, so ist billiger Weise von dem Werke nicht mehr zu verlangen, als es leistet. J. Violle, Lehrbuch der Physik. Deutsche Ausgabe von E. Gumlich, L. Holborn, VV. Jaeger und St. Lindeck. 2. Theil. Acustik und Optik. 1. Bd. Aeustik. Mit 103 Textfiguren. Julius Springer, Berlin 1893. — Preis 8 M. Der 1. Theil des trefflichen Lehrbuches (Mechanik) findet sich besprochen in der „Naturw. Wochenschr." Bd. VII, S. 80 und VIII, S. 303. Ein gutes Lehrbuch der Physik muss jeder, der sich ernstlicher mit Nal urwissenschaften beschäftigt, in Händen haben: wir können kein besseres empfehlen als das des Professors an der Ecole normale zu Paris. Der vorliegende Band erschöpft seinen Stoff in 10 Capiteln: 1. Wesen und Eigenschaften der Töne, 2. Musikalische Intervalle, 3. Fortpflanzung des Schalles, 4. Inter- ferenz des Schalles, 5. Pfeifen, 6. Schwingungen von Saiten, 7. Schwingende Stäbe, 8. Membranen und Platten, 9. Zusammen- setzung von Wellenbewegungen, 10. Intensität, Klangfarbe. Die ausserordentliche Klarheit der Auseinandersetzungen, die schon bei Besprechung des ersten Bandes hervorgehoben wurde, isl auch in vorliegendem Bande zu constatiren; es ist eine wahre Freude, in dem Buche zu lesen. Wo nur möglich, knüpft Violle an alltägliche, allbekannte Erscheinungen an; das tief in den Gegenstand eindringende Werk ist daher keineswegs allein dem Physiker ein vorzügliches Handbuch, der auch überall Litteratur- Angaben findet, sondern auch für den Anfänger, den Studirendon, der den Gegenstand nicht nur oberflächlich zu tangiren wünscht, trefflich geeignet. Contributions from the botanical laboratory of the Uni- versity of Pennsylvania. Vol. 1, No. 2. Philadelphia 1893 Das Heft bringt eine botanische und öconomische Studie über den Mais aus der Feder von John W. Harschberger, der I Tafeln beigegeben sind. Die eine derselben veranschaulicht die Heimath der Maispflanze und die geographische Verbreitung ihrer Cultur in der neuen Welt zu verschiedenen Zeiten. TheCalendar for the Tear XXV XXVI Meiji. (1892-1893.) Imperial University of Japan. (Teikoku Daigaku.) Published by the University. Sold by Z. P. Maruya and Co. Tokyo. Meiji XXVI (1893). — Das Heff giebt uns Aufschluss über die Einrichtungen der Kaiserlich Japanischen Universität Tokyo. Diese Stätte der Wissenschaft im fernsten Osten lässt in ihren Leistungen nicht erkennen, dass sie das Product einer Culturepoche ist, von welcher jetzt noch lange nicht das vierte Decennium vollendet ist. Man muss staunen, auf welch hohe — nach abendländischen Be- griffen — Stufe der Entwiekelung Japan in noch nicht einem halben Jahrhundert sich geschwungen hat — welche Zukunft steht diesem intelligenten Volke noch bevor! Möge Natur und Politik ihm gleich günstig sein und gewaltsame Störungen ihm fern bleiben! Der reiche Inhalt des IV und 204 und 12 Seiten starken OctavHeftes gliedert sich im Grossen wie folgt: Kalendarium, historischer Ueberblick über die Gründung und Entwiekelung der Universität, die akademischen Behörden, allgemeine Verordnungen für die Colleges (akademisches Jahr, Zulassung., Besuch, Erwerbung der Grade etc. etc.), Einrichtung der einzelnen Colleges, Biblio- thek, Statistisches u. a. m. Mehrere statistische Tabellen geben eine Uebersicht über die Zahl der Studirenden, ihre Nationalität, Vertheilung auf die verschiedenen Colleges etc., während ein Plan die Lage der Universität und der damit verbundenen Institute veranschaulicht Dirichlet, P. G. Iiejeune, Vorlesungen über Zahlentheorie. Braun- schweig. 14 M. Ehlers, Otto E., An indischen Fürstenhöfen. 1. Bd. '-'. Aufl. Berlin. 7 M. Heyne Alex., Die exotischen Käfer in Wort und Bild. 1. Lfg. Leipzig. 4 M. Kobell's, Frz. v., Tafeln zur Bestimmung der Mineralien mittelst einfacher chemischer Versuche auf trockenem und nassem Wege. 13. Aufl. München. 2,20 M. Liebe's, Hofr. Prof. Dr. K. Th., Ornithologische Schriften. Leipzig. 18 M. Lingg, Ingen.-Hauptm. a. D., 1. Assist., Ferd., Construction des Meridian-Quadranten auf dessen Sehne. München. 10 M. Luggin, H, Ueber das Potential der Metalle bei sehr kurz dauern- der Berührung mit Elektrolyten. Wien. 0,30 M. Steinen, Prof. Dr. Karl v. den, Unter den Naturvölkern Zen- tral-Brasiliens. Berlin. 12 M. Steinmann, G., Ueber triadische Hydrozoen vom östlichen Balkan und ihre Beziehungen zu jüngeren Formen. Wien. 1,50 M. Stuhlmann, Dr. Frz., Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika. Berlin. 40 M. Spengel, Prof. Dr. J. W., XVIII. Enteropneusten. Berlin. 150 M. Westermaier, Lyc.-Prof. Dr. Max, Kompendium der allgemeinen Botanik für Hochschulen. Freiburg. i./Hr. 0,40 M. Wiesner, J., Ueber ombrophile und ombrophobe Pflanzenorgane. Wien. 0,40 M. Willkomm, Prof. em., Mor., Prodromus florae hispanicae. Stutt- gart. 20 M Zittel, Prof. Karl A., Handbuch der Palaeontologie. Fortsetzung. München. 7,50 M. Inhalt: Zur Naturgeschichte des Wassernetzes. (Mit Abbild.) — Beobachtungen über das Vorkommen des Pfeifferschen [ufluenza- bacillus. — Die bacteriose Gummosis der Zuckerrüben. — Beitrag zur Naturgeschichte der Leuchtbacterien. — Ueber die Ent- stehung des Säugethiers. — Der Einfluss der Feuchtigkeit auf das Zustandekommen chemischer Reactionen. — Aus dem wissen- schaftlichen Leben. — Litteratur: Kreisphysikus Dr. J. Borntraeger: Desinfection oder Verhütung und Vertreibung an- steckender Krankheiten. — Johannes Müller: Beiträge zur Anatomie holziger und sueculenter Compositen. — G. Krüss: Specielle Methoden der Analyse. — Prof. Dr. Ernst Koken: Die Vorwelt und ihre Entwickelungsgeschichte. -- Richard Andree's allgemeiner Handatlas. -- Dr. C. E. Brewer: Katechismus der Naturlehre. — Dr. O. Dammer: Handbuch der an- organischen Chemie. — Dr. Ferdinand Fischer: Handbuch der chemischen Technologie. -- J. Violle: Lehrbuch der Physik. — Contributions from the botanical laboratory of the University of Pennsylvania. - The Calendar for Iho l'ear XXV— XXVI meiji. (1892-1893.) - Liste. 52 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 4. Zur Lieferung; aller Arten preiswfirdiger Uhren, besonders in verschiedenen Tempe- raturen und Lagen re- gulirter Ankeruhren, empfiehlt sieh bei Zusicherung strenger Reellität C. Baker, Uhrmacher in Nauen b. Berlin. Mitgl. d. Vereinig, v. Fr. d. Astronomie u. kosm. Physik. Goldene Herren- und Damenuhren unter iugale des (loldgewiehts der Miänse. Unbekannte Besteller werden um gefl. Angabe von Referenzen gebeten. Sauerstoff j jin Stahlcylind.ei-n.1 Dr. Th. Elkan, j | Berlin N., Tegeler Str. 15.1 Eine kleine Sammlung Seeigel, Seesterne mit Conchylien verkaufe billigst unterm Einkaufspreis bei frank. Zusendung. C. Bartels in Jena. 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Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den 4. Februar 1894. Nr. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Viertcljahrspreis ist M 4.— Bringegeld bei der Post 15 4 extra Postzeitungsliste Nr. 4575. 1 r Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux, wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Hygienische Reiseeindrücke aus Hamburg. Von Dr. med. Karl L. Schaefer. Wenn ich es hier unternehme, einen Theil von dem Vielen, was Hamburg einem Arzte an Lehrreichem und Interessantem bietet, zu skizzireu, so geschieht es mit dem Bedauern, dass die Dauer meines Aufenthaltes bei weitem zu kurz bemessen war, um alles Sehenswerthe mit ge- nügender Müsse und Gründlichkeit in Augenschein zu nehmen. Ich hatte mir zunächst vorgenommen, möglichst ein- gehend die neuen Wasserwerke, ferner die sehens- wertheren Krankenhäuser, vor allem die Cholerabaracken, das Crematorium und den Ohlsdorfer Kirchhof, jenen stummen und doch beredtesten Zeugen der furchtbaren Epidemie des Jahres 1892, zu besichtigen. Allein die ausserordentlichen Entfernungen von meinem Quartier, die bereits recht merkliehe Kürze der ersten Octobertage, die notwendigen Erholungspausen gestatteten mir die Aus- führung meines Programines nur theilweise. So sah ich von den vieleu Krankenhäusern nur das grosse Eppendorfer. Ich werde indessen nicht allzu viel versäumt haben, wenn ich hiernach die anderen unbesucht Hess; denn ein grossartigeres Etablissement, ein reich- licher und besser den modernen Anforderungen an Hygiene und Comfort entsprechendes Krankenhaus ist nicht wohl denkbar. Wenn man den Vorort Eppendorf hinter sich hat, sieht man bereits zur Linken der breiten Chaussee Ge- bäude aus rothem Sandstein auftauchen. Sie sind das St. Joseph -Stift und das Krankenhaus Bethanien, die nicht mit zum Allgemeinen Krankenhause gehören. Dieses liegt noch ein wenig weiter draussen und zwar einst- weilen noch auf freiem Felde. Iudess entbehrt darum die unmittelbare Nachbarschaft nicht einer gewissen land- schaftlichen Anmuth. In wenigen Jahren wird die An- stalt einem ansehnlichen, geschmackvoll angelegten Parke gegenüber liegen, der sich allerdings gegenwärtig noch im Jugendstadium befindet, auf dem aber das Auge dennoch schon jetzt mit Wohlgefallen ruht, bis der Blick auf einen links gelegenen Complex düsterer, niedriger Holzbaracken fällt, die alsbald an die ernste Bestimmung der so freundlichen Umgebung mahnen. Der Mahnung folgend, betrat ich die Einfahrt, eine säulengetragene Halle, welche das Untergeseboss des Ver- waltungsgebäudes halbirt, des Hauptgebäudes, worin sich Beamten Wohnungen, Garderobeni'äume, Consultationszimmer und die sechs Apotheker beschäftigende Apotheke befinden. Ein sogleich heraustretender Portier brachte mich, da der Direetor Rumpf abwesend, ins Inspectorat, wo ich meinen Wunsch, die Anstalt in Augenschein zu nehmen, wieder- holte. In liebenswürdigster AVeise übernahm einer der Herren selbst die Führung und war mir, wie gewiss schon manchem früheren der sehr häufigen Besucher, ein un- ermüdlicher Mentor während der fast zwei Stunden dauern- den und doch nichts weniger als erschöpfenden Be- sichtigung. Nicht etwa Fusswege, sondern Fahrstrassen ver- mitteln den Verkehr zwischen den einzelnen, eigent- lichen Krankenhäusern, Pavillons genannt, deren das Grundstück über 50 umfasst, und deren Preis beiläufig 80 — 150 0U0 Mark pro Haus beträgt. Auf dereinen Seite der Hauptstrasse liegen die Pavillons für Männer, wiederum in Gruppen für Chirurgie einerseits und innere Krank- heiten andererseits abgetheilt, — eine besondere Augen- station ist nicht da. Auf der anderen Seite liegen die Frauenräume. Eine Wanderung durch einen der Pavillons genügte, um die Einrichtung aller zu kennen. Dieselbe unterscheidet sich von der anderer guter Krankenhäuser nur in einem, aber recht bcmerkeuswertlien Punkte : der durchweg steinerne Fussboden ist heizbar! Ein dichtes Netz von Dampfheizungsröhren (ein jedes Haus hat übri- gens aus guten Gründen seine Separat -Heizanlage) zieht sieh unter dem Fussboden hin und der Patient kann auch bei bitterster Kälte mit blossen Füssen das Zimmer be 54 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 5 treten. - - Vom Pavillon gingen wir hinüber in die Privat- stationen, welche sich in eine dritte, zweite und erste Classe scheiden. Zeichnete sich auch nur die letztere durch eine gewisse Eleganz, z. B. durch teppichbelegte und mit gefälligem Mobiliar ausgerüstete Besuchszimmer für Angehörige der Kranken, aus, so ist doch die bis ins Einzelne gehende Fürsorge für die Patienten überall un- verkennbar. Dieser Eindruck erhöhte sich noch beim Durchschreiten des Badehauses. Auch hier besteht eine Männer- und eine Frauenabthciluug. Die Wannen der- selben sind gleichzeitig für permanente Bäder eingerichtet. Zu diesem Zwecke schwebt über dem Bassin an einem Flaschenzug eine Stellage, die man wohl am besten mit einer eisernen Bettstelle ohne Füsse vergleichen darf. Sie wird mit Gummikissen gepolstert, der Kranke hinauf- gehoben und dann nach Belieben tief in das Wasser, das fortwährend zu- und abfliesst, hineingelassen. Ich traf gerade eine solche Patientin im strömenden Wasserbade vor. Sie ruhte in halb liegender Stellung, eine Tischplatte mit Büchern und Medikamenten vor sich, einen Klingel- zug zum augenblicklichen Gebrauch zur Seite. Für elektrische Bäder ist ein besonderes Zimmer vor- handen. Die unteren Räume enthalten ein Zimmer für Kopfdouchen, Sitzdouchen, Rückendouchen und totale Douchen. Rechts davon liegt die Dampfschwitzkammer, auf der anderen Seite das Gelass für Heissluft- Trocken- bäder. Schliesslich wurde ich dann noch auf die Massage- Abtheilung aufmerksam gemacht. Sie enthält mehrere Tische, die jederzeit in Betten verwandelt und zur Massage- behandlung fertig hergerichtet werden können. Auch Kurse im Massiren werden hier ertheilt. — Wir wandten uns nunmehr einem anderen Theile des Krankenhauses zu, der durch ein hohes Gitter von dem übrigen getrennt war und mir als das Viertel für ansteckende Krankheiten bezeich- net wurde. Ueber der Thür der Einfriedigung las ich eben mit Bedauern die recht deutliche Inschrift: „Durch- gang strengstens verboten", als die Pforte sich auch schon bereitwillig öffnete. Wieder lag eine stattliche Zahl von Baulichkeiten vor uns. Es findet sich hier ein Pavillon für Erysipelas, für Diphtheritis und, mit roth- weissem Sonder-Geländer eingezäunt, ein solcher für Pocken. Wie ich hier gleich einschalten will, zeigte man mir später auch noch ein Separatgebäude für Deliranten. Was mich für den Augenblick aber begreiflicher Weise am meisten interessirte, waren sechs Baracken, schmale, lange, graue Holzbauten, vor denen sich weissgekleidete Wärter und Patienten bewegten. Meine Vermuthung: „Cholera- Ab- theilung" traf zu. Mir wurde erlaubt, einen Blick hinein zu werfen, und mit einem eigenen Respektgefühl betrat ich einen der verhängnissvollen Räume. Hatte ich indess halb unwillkürlich etwas Besonderes erwartet, so war ich ent- täuscht: Cholera -Reconvalescenten und leicht Erkrankte sehen nicht anders aus, als andere auch, und die Baracken- einrichtung hat ebenso wenig etwas Spezifisches. Ob Choleraleichen noch vorhanden, wusste mein Führer nicht zu sagen, zeigte sich jedoch sofort bereit, mich in den Leichcnkeller zu geleiten. Wir gingen also nach der sog. Anatomie; ehe wir jedoch das langgestreckte Gebäude selbst betraten, unterrichtete er mich über die interessante Art der Desinfection und Beseitigung der Anatomie-Ab- wässer. Diese gelangen nämlich, ehe sie in das Siel ein- gelassen werden, in einen Brunnen von nicht unbedeuten- den Dimensionen. Ueber demselben ist ein Brunnenhaus aufgeführt, das der Herstellung einer desinfizireuden Kalk- mischung dient. Durch Einflussöffnungen im Fussboden wird diese zu den Abwässern zugelassen und mittelst einer sinnreichen Maschinerie, welche ein Rad im Brunuen- häuschen in Bewegung setzt, innig damit gemischt. Dann erst erfolgt der definitive Abfluss nach aussen. Ein paar Schritte, brachten uns von hier nach jenem Flügel der Anatomie, in dem sich die, einem Prosektor unter- stellten, Seeirräume befinden. Des wichtigste ist der grosse Secirsaal selbst, in dem 4 oder 5 Obductionen gleichzeitig stattfinden können, und von dem aus die Leichen dann sofort per Fahrstuhl in den unmittelbar darunter liegenden Leichenkeller gelangen. Auch wir selbst stiegen alsbald auf einer dunklen Wendeltreppe in diesen hinab. Den üblichen Instanzenweg hinter sich, harrten hier mehrere Todte der Einsargung, die, falls die Angehörigen nicht besondere Dispositionen treffen, immer im Krankenhause selbst geschieht. Dementsprechend waren die Nischen des Kellergewölbes auch mit Särgen verschiedenster Form und Grösse auf Vorrath gefüllt. Wir eilten hindurch zum anderen Ende des Kellers — und wurden hier gerade Zeugen der Vorbereitungen zu einer Beerdigungs-Feier- lichkeit. Zwei Männer waren beschäftigt, eine schon auf- gebahrte Leiche mit Blumen zu schmücken; in einem Nebenzimmer wurde Stimmengemurniel laut: Die Leid- tragenden versammelten sich dort bereits. Schweigend öffnete mein Führer eine grosse Flügelthür, und ich trat in die Anstaltskirche, einen hohen und grossen Raum, der mit seinen, im farbigen Dämmerschein daliegenden Kirchen- stühlen, seinem Chor und seiner Kanzel einen feierlich- ernsten Eindruck macht. Lange durften wir jedoch nicht verweilen, die beginnende Dämmerung mahnte zur Eile. Nur einen flüchtigen Blick schenkte ich dem Saal für die chemischen Untersuchungen, dem mit dem ganzen Rüst- zeug moderner Technik ausgestatteten bakteriologischen Laboratorium und den beiden grossen Mikroskopirsälen für die Direktoren und die ca. 33 übrigen Anstaltsärzte. Die chirurgischen Operationssäle waren nun das nächste Ziel. Im Augenblicke unseres Eintrittes flammten gerade die elektrischen Bogenlampen auf, mit ihrem Mondscheinlicht durch die hohen Fenster das Treppen- haus des mehrstöckigen Gebäudes erleuchtend. Dass die innere Einrichtung allen Anforderungen in Bezug auf Anti- und Aseptik sowie in Bezug auf Bequemlichkeit der Opera- teure und Operirten in einfacher und sehr vollkommener Weise gerecht wird, bedarf kaum besonderer Erwähnung. Mir neu waren die heizbaren Operationstische und die Construction der Waschtische. Der Operateur braucht hier nicht mit blutigen Händen den Wasserhahn zu öffnen: Zu jeder Waschschüssel gehören drei aus dem Fussboden her- vorragende Metallzapfen, und ein Druck mit dem Fuss auf einen derselben lässt je nach Wunsch entweder kaltes oder warmes Wasser oder ein Desinfiziens dem Hahn ent- strömen. in das Fremdenbuch eingetragen, wurde auch die Verbandkammer und die Verband f ab rik zu be sehen. Namentlich die letztere ist bemerkenswerth. Hier werden alle möglichen Rohmaterialien verarbeitet; Kissen aus Holzwolle und anderen aufsaugenden Substanzen ge- fertigt ; Cambricbiuden geschnitten und mit Maschinen ge- wickelt u. a. m. Die fertiggestellten Sachen kommen in Weidenkörbe, werden in besonderen Apparaten sterilisirt und dann in einem Heissluftraum gründlieh getrocknet. Jeder Weideukorb enthält das zu einer Operation Wich- tigste; während der Austrocknung stehen immer mehrere zusammen auf einem rollenden Gestell, um in kürzester Zeit aus dem Trockenschrauk heraus oder hinein gefahren werden zu können. — Nach dieser lehrreichen Besichti- gung der Operationsabtheilung waren noch die Küchen-, Wasch- und Desinfektionsanlagen übrig. Um von der Grösse und dem Umfang der ersteren einen Begriff zu geben, wird die Angabe genügen, dass in jeden der Suppen-Kessel, der ausschliesslich mit Dampf betriebenen Männerküche, wenn er gescheuert werden muss, ein Mann hinein steigt und dass dieser Mann fast oder ganz darin Nachdem ich noch als 1168igster meinen Namen ich eingeladen, Nr. 5. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 55 verschwindet. Die Frauenküche ist ein grosser Raum für sich; die Cholerabaracken haben ihre eigene Küche. Neben der Dampfküehe liegt eine besondere Kartoffel- kammer, worin die Kartoffeln mit Maschinen gesäubert, geschält und zerschnitten werden. Waschhaus und Trockenboden waren des Sonntags wegen geschlossen. Durch die Fenster sah man aber verschiedene maschinelle Einrichtungen. Zu dem Betrieb gehören 70 Personen. Wäsche, die besonderer Desinfektion bedarf, wird mit einer kleinen Eisenbahn in die Desinfek- tionsanstalt überführt. Schmutzige Verbandstoffe werden je- doch verbrannt, wofür noch wieder ein Extraofen da ist. In dem Lapidarstil der letzten Beschreibungen spiegelt sich noch etwas von der Abspannung, welche allmählich das unausgesetzte Treppauf und Treppab, das Sehen, Fragen und Notiren erzeugte. Sie erleichterte mir den Verzicht auf die besondere Inaugenscheinnahme des Eis- hauses, des elektrischen Maschinenhauses, sowie des Feld- lazareths, das dem Krankenandrang gegenüber noch im Herbst des Jahres 1892 erbaut, auch mit Wasserleitung und elektrischem Licht bestens ausgerüstet wurde, aber nicht mehr in Function trat. Nach einem Blick aus der Ferne auf die Directorialwobngebäude verabschiedete ich mich, wieder im Verwaltungshaus angelangt, von meinem liebens- würdigen Begleiter mit aufrichtigem Danke. Ich möchte hier einschalten, dass die kleine Epi- demie von 1893 auf die Bevölkerung gar keinen Ein- druck gemacht hat. Nirgends sah man etwas von Des- infection der Strassen, von öffentlichen Warnungen oder dergleichen, und wo von Cholera die Rede war, handelte es sich um Schilderungen aus dem Jahre 1892, wo allerdings die Zustände entsetzlich gewesen sein müssen. So habe ich mir selbst denn auch keine besonderen diätetischen Maassregeln auferlegt; nur in Bezug auf das Wasser verhielt ich mich dem Wort jenes alten Professors gemäss, der behauptete, es sei dies eine Flüssigkeit, die im Alterthum als Getränk benutzt wäre. Es sei mir nun gestattet, mit wenigen Worten zu einem anderen Theil meiner Erlebnisse überzugehen. Ich habe mir — vor dem Krankenhausbesuche — auch die Hauptherde der Cholera, die Gängewohnungen und Hinter- häuser der Steinstrasse, Niedernstrasse und Spittalerstrasse angesehen. Auf die Zugänge rnusste ich zuerst thatsäch- lich aufmerksam gemacht werden. Meist wo zwei Nachbar- häuser zusammenstossen, öffnen sich dunkle, verräucherte Durchgänge, oft geradezu an Bergwerkstollen erinnernd. Unter dem Hochparterre oder der ersten Etage weg führen sie zu besagten Hinterwohnungen. Kurze, engste Gässchen ziehen sich zwischen diesen hin; der Streifen Himmel, der hier sichtbar wird, ist recht schmal, besonders wo die oberen Stockwerke über die unteren vorspringen, und wo in möglichster Ausnutzung jedes, auch des geringsten Raumes an Stangen zwischen den Fenstern und zwischen den Häusern Wäsche trocknet. Die Zimmer, in die hier und da ein Blick möglich war, imponirten durch Mangel an Licht, Luft und Raum. Trotzdem spielten hier Kinder, mit dem ganzen Frohsinn und der unkritischen Harmlosig- keit ihres Alters und in der an solchen Orten nun einmal üblichen Menge. Eines vermisste ich hier: die erwartete Unsauberkeit. Ich gewann nicht den Eindruck, als sei dies lediglich auf Rechnung des Feiertages zu setzen; aber wenn auch zehnmal ordentliche Hausfrauen versuchen mögen, diesen Behausungen Wohnlichkeit zu verleihen, vom hygienischen Standpunkt aus bleiben es Wohnhöhlen , ganz abgesehen davon, dass sie meist überhaupt nur für einen guten Turner zugänglich sind. In schroffem Gegensatz zu dem unhygienischen, un- modernen Eindruck, den diese Aufenthaltsorte für Lebende machen, steht der Anblick des grossen Ohlsdorfer Kirch- hofes; dies ist ein Fleck Erde, und kein unbeträchtlicher, der sich sehen lassen kann. Hier durchschritt ich grosse, ihrer Bestimmung noch nicht übergebene Partien, die mit ihren Teichen, ihren zierlichen Brücken, den wohl- gepflegten Wegen, Rasenplätzen und Boskets, vor allem alier mit ihrem Rosenflor dem Luxuspark manches Fürsteu- schlosses ebenbürtig an die Seite zu stellen sind. Ganz allmählich, wenigstens auf der .Seite, von der wir kamen, ging dieser Park in den eigentlichen Kirchhof über, ohne aber dadurch wesentlich seinen Charakter einzubüssen. Wir kreuzten mehrere breite Fahrstrassen, gingen an der für Leidtragende, die hier den Leichenzug erwarten wollen, erbauten Wartehalle vorüber, nahmen die grosse, schöne, mitten im Grünen liegende Capelle in Augenschein und näherten uns dann dem Viertel, wo die Cholera -Massen- gräber liegen. Während die unmittelbare Umgebung immer einfacher wurde und die Gartenanlagen öderen Strecken Platz zu machen begannen, erreichten wir end- lich die ominösen, quadratischen, unter sich wieder in sehmale Streifen abgetheiltcn Felder. Hier liegen die Opfer der mörderischen Krankheit, dicht gedrängt, Seite an Seite, Kopf an Kopf; Erwachsene und zahllose Kinder; ohne Hügel, ohne Schmuck, ohne Denkstein, ja ohne Namen. Das einzige Kennzeichen der Gräber ist ein Brettchen mit der Jahreszahl 1892 und einer Nummer: 5000, 10 000, 20 000 und darüber. Für gewöhnlich wer- den nach meiner Schätzung hier circa 10 000 Personen jährlich begraben: die Cholera hat diese Zahl verdoppelt. Trotzdem bereits, im wahrsten Sinne des Wortes Gras darüber zu wachsen beginnt, kann man diese Leicheu- felder nicht durchwandern, ohne ernst gestimmt zu wer- den — und doch sollte sich auch uns der Satz bewahr- heiten, dass vom Ernsten zum Komischen nur ein Schritt sei. In einer Ecke fanden wir einen vereinzelten Grab- stein, in den eine Photographie unter Glas und Rahmen eingelassen war, das bartlose Gesicht eines jungen Soldaten darstellend. Diese hervorragende Geschmack- losigkeit veranlasste mich unwillkürlich, auch die Inschrift in hübschen Goldbuchstaben zu betrachten. Ich las: „Dich, theurer Gatte, den Gott mir gab, Umsehliesset, ach, zu früh dies Grab. Verlassen, einsam steh' ich hier, Und denke sehnsuchtsvoll an Dir." Allmählich trafen wir mehr und mehr Grabsteine und traten zugleich auf das Gebiet der diesjährigen Beerdi- gungen über. Hier bemerkte ich mit Interesse, dass die Vorstellungen, welche man sich als Leser verschiedener Familienblätter von den Cholerabeerdigungen macheu musste, als seien sie nämlich etwas besonders Furchtbares, Exceptionelles, Pietätloses gewesen, wieder einmal dich- terischer Licenz ihren Ursprung verdanken. An dieser Stelle dieses Kirchhofes werden die Todten heute ebenso bestattet, wie zur Zeit der Epidemie; sind die allermeisten Gräber in derselben Weise, wie damals, nur an den Nummerbrettchen kenntlich. — Am äussersten Ende des Kirchhofes konnte ich mich noch besser über die herr- schenden Verhältnisse informiren. Wir traten hier an den Rand eines Massengrabes von ca. 2 m Tiefe und von der Länge und Breite eines mittelgrossen Zimmers. Auf dem Boden desselben stand eine Reihe von Särgen, grosse und kleine, ärmliche und bessere; fast mit Händen zu greifen, unbeaufsichtigt, erschienen sie jedem Angriff und jeder Witterung preisgegeben. Ich habe nicht erfahren, wie lange diese Särge so stehen bleiben; ob sie erst mit Erde bedeckt werden, wenn ein bestimmter Theil, oder gar erst, wenn die ganze Grube gefüllt ist; ich weiss es nicht, will mir auch keinerlei Kritik dieser Bestattungsweise er- lauben: der Gedanke jedoch tauchte recht bestimmt in mir auf, dass ich in dieser Weise weder mich noch die Meinigen begraben wissen möchte. 56 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 5 Ich hin übrigens von jeher ein Anhänger der Leichen- verbrennung gewesen, ebenso aus ästhetischen wie aus hygienischen Gründen; und bin darin womöglich noch be- stärkt worden, nachdem ich mich auch durch den Augen- schein von ihren überwiegenden Vorzügen überzeugte. Das Ohlsdorfer Crematorium liegt auf einem zum Garten um- gewandelten Grundstück, am Wege zum Kirchhof und ist ein in ernstem Styl gehaltenes aber dabei doch gefälliges Gebäude. Man tritt von aussen unmittelbar in die von schiin gemalter Kuppel überwölbte Haupthalle und hat dann vor sich den Katafalk, während rechts und links sich die grossen Nischen zur Aufnahme der Aschenurnen dem Blick darbieten. — Findet eine Feuerbestattung statt, so wird der Sarg unter Orgelklang auf den Katafalk ge- tragen; die Angehörigen nehmen zu beiden Seiten Platz; der Geistliche oder dessen Stellvertreter steht auf einem kleineu Podium am Kopfende. Sobald das Gebet ge- sprochen ist, schiebt sich unhörbar der Boden des Kata- falks, eine Wellblech -Eoll- Jalousie, zurück, und während die Orgel aufs neue ertönt, verschwindet der Sarg laug- sam in der Versenkung, die sich gleich darauf wieder ebenso geräuschlos schliesst. Damit ist die feierliehe Handlung zu Ende. Im Untergeschoss aber wird inzwischen der Sarg auf den, seiner am Boden des Fahrschachtes harrenden, niedrigen Wagen herabgelassen und in kürzester Zeit auf Schienen in den bereits weissglühenden < )fen gefahren. Mechanische Vorrichtungen ermöglichen einem einzigen Beamten die Ausführung aller nöthigen Mani- pulationen. Nachdem der Wagen leer wieder hervor- gezogen, wird die mit Chamottesteinen gedichtete, eiserne Verschlussklappe niedergelassen und nun von Zeit zu Zeit der Fortschritt der Verbrennung beobachtet. Zinksärge schmelzen fast augenblicklich, Holzsärge gebrauchen längere Zeit zur Veraschung, und die ganze Dauer der Verbrennung überhaupt belief sich bei den, während des bisherigen 7monatlichen Betriebes stattgefundenen, 34 Verbrennungen auf 3/4 bis 2 Stunden. Eine Verbrennung erfordert jedes- mal 10 bis 1 1 Centuer Feuerung und kostet für Mitglieder, wenn ich mich recht entsinne, 100 Mark, für Nichtmitglieder 150 Mark. Während er uns diese Details mittheilte, führte uns der Castellan weiter umher. Wir besahen noch ge- nauer den Ofen und den Raum für den bereits in Aus- sicht genommeneu zweiten, Hessen uns die Secirkammer und den Aufbewahrungsraum für die Leichen, welche aus irgend welchen Gründen nicht sofort verbrannt wer- den können, zeigen und warfen zum Schluss auch noch einen Blick in das Dienstzimmer des Beamten. Das Ganze der zuletzt beschriebenen Einrichtungen, vor allem das auch hier schon vorhandene Telephon, deuten auf die bestimmte Erwartung seitens der Erbauer und Erhalter dieser Anstalt hin, dass die Feuerbestattung, unaufgehalten durch grösstentheils thörichte Vorurtheile, sich die Sym- pathie des Publicums erwerben wird. Möchte diese Erwartung nicht enttäuscht werden. Zur Naturgeschichte des Wassernetzes. (Schluss.) Wie aus den vorstehenden Mittheilungen hervorgeht, offenbart sich der Beginn der Zoosporenbildung, soweit er dem beobachtenden Auge zugänglich ist, dadurch, dass die Zellen ein ganz charakteristisches Aussehen annehmen, indem sie von einer feinkörnigen, trübgrünen Schicht ein- genommen werden, in welcher zahlreiche Zellkerne in gleichmässiger Vertheilung wahrzunehmen sind. (Fig. 4.) Der Bildungsprocess der Zoosporen. Beim Wassernetz erfolgt die Bildung der Zoosporen durch jene Form der freien Zellbildung, bei welcher der Protoplast durch simultane Theilung in eine grosse Anzahl freier Tochterzellen zerfällt. Dieser Process konnte aber bei seinem raschen Verlauf nicht mit der erwünschten Genauig- keit bisher verfolgt werden. Klebs ist es au der Hand des geeigneten Materials gelungen, in der Erforschung desselben weiter vorzudringen, als dies seiner Zeit AI. Braun möglich war. Zu diesem Zweck hatte er Zellen verwendet, welche aus einer 1 procentigen Nährsalzlösung nach Knop'scher Vorschrift in eine verdunkelte 2 procentige Maltosclösung bei einer Temperatur von 26 — 28 ° gebracht worden war, um innerhalb 1 bis 2 Tagen zur Bildung von durchaus stärkefreien Zoosporen überzugehen. Auf diese Weise wurde der Bildungsprocess derselben der Beobachtung mehr erschlossen, zumal da diese in der feuchten Kammer vorgenommen werden konnte. Derselbe wird damit eingeleitet, dass die grüne, die Zellkerne ent- haltende Plasmaschicht von langen, schmalen und an ihren Enden spitz auslaufenden Spalten durchsetzt wird, welche anfangs nur die Chlorophyllschicht zu zertheilen scheinen. Es lässt sich dies am ehesten in verdunkelten Maltoseeulturen beobachten, ausserdem aber auch durch die Einwirkung von schwacher Wasserentziehung ver- mittelst einer 3 procentigen Knopf sehen Nährlösung oder einer 5 procentigen Rohrzuckerlösung. (Fig. 5.) Durch das Auftreten weiterer Spalten, welche sich mit den bereits vorhandenen vereinigen, wird die Chlorophyllschicht und mit ihr wohl auch die ganze zwischen Hautschicht und Vacuolenwand befindliche Plasmaschicht in zahlreiche einzelne Stücke zertheilt, welche durch feine Plasmafäden miteinander in gegenseitigem Verbände bleiben. Während- dem findet eine Zusammenziehung der mittleren Plasma- schicht statt, wodurch in derselben hellere, rundliche und scheinbar inhaltslose Räume (Fig. 6e) auftreten, deren Zahl und Grösse sich nach der Dicke des Wandbeleges richtet, welche bei inhaltsreicheren Zellen bedeutender zu sein pflegt als in inhaltsarmeren. (Fig. 6.) Diese hellen Räume, welche von der Hautschicht gegen die Zellwand und von der Vacuolenwand gegen den Zellsaft abge- schlossen werden, enthalten noch Plasma, was schon daraus hervorgeht, dass bei der Plasmolyse auch diese Stellen mit der Zellwand durch feine Fäden in Ver- bindung bleiben. Bei stärkerer Wasserentziehung lässt sich der Protoplast von der Wandschicht umgeben auch hier von seiner Zellhülle vollständig loslösen. Es unter- liegt daher wohl keinem Zweifel, dass die soeben ge- schilderte Zerstückelung der mittleren Plasmaschicht auf einer Sonderung des Protoplasmas in mehr oder minder dichten Massen beruht. Die Stücke, welche durch Spaltenbildung aus der mittleren Plasmaschicht hervorgegangen sind, besitzen meistens bandartige Form. Sie sind theils gerade, theils gekrümmt und können .von einander getrennt oder noch mit einander verbunden sein. (Fig. 7.) Zuweilen findet man neben kürzeren und längeren, sowie neben schmäleren und breiteren noch solche, welche sich der Länge oder der Quere nach spalten, um in kleinere Theil- stücke zu zerfallen. (Fig. 8 a — c.) Denn besonders in lang- gestreckten Zellen fällt die ganze Plasmaschicht nicht auf einmal, sondern vielmehr nach und nach ihrer Zerlegung anheim, sodass man in ein und derselben Zelle Theil- stücke von verschiedener Ausbildung vorfindet. Durch den weiteren Verlauf dieses Spaltungsprocesses werden Nr. 5. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 57 dieselben je nach ihrer Form und Grösse einer aber- maligen Zerlegung- durch Längs- und Quertheilung unter- worfen. Bei langen und schmalen Stücken namentlich erfolgt dies in der Weise, dass sie in Hälften zerfallen, welche sich ihrerseits schon wieder zerlegen, noch bevor die vorhergehende Theilung ihr Ende erreicht hat oder dass die Spaltung an einem Ende beginnt und unter fort- schreitender Ablösung einzelner Stücke am anderen abschliesst. (Fig. 8c.) Auf solche Art und Weise kommen die mannigfaltigsten Uebergänge zwischen succedaner und simultaner Theilung zu Stande. Die Theilung an sich scheint durch eine meistens einseitige, wohl aber auch von innen nach aussen oder von aussen nach innen vorschreitende Abschnürung zu geschehen, wobei die Theilungsebene in Form einer helleren Furche erkennbar wird. Dieselbe ist keine vollständige, da die in Trennung begriffenen Theil- hälften durch feine Plasmafäden miteinander verbunden bleiben. Auch die Zerlegung der grösseren Theilstücke in die kleineren muss wohl auf die gleichen Vorgänge zurückgeführt werden, welche die Entstehung der ersteren aus der einheitlichen Plasmaschicht veranlasst haben. Das Ganze ist wohl auch als eine Sonderung mehr oder minder dichter Protoplasmamassen aufzufassen, deren Zu- standekommen sich jeder Einsicht verschliesst. Die als hellere Linien erkennbaren Spalten, welche die Trennung der kleineren Theilstücke von einander herbeiführen, stimmen ihrer Natur nach nicht mit jenen hellen Räumen, welche in der einheitlichen Plasmaschicht beim Beginn der Zoosporenbildung auftreten, überein, sondern enthalten eine homogene Protoplasmamasse, welche die abgetheilten Stücke gegen diese Räume abschliesst und feine Plasma- fortsätze in dieselben hineinschickt. (Fig. 9.) Schon vor der Beendigung der letzten Theilungen dehnen sich durch inzwischen eingetretene Quellung die Theilstücke aus und kommen auf diese Weise miteinander in Berührung, wobei sie sich gegeneinander abplatten müssen. (Fig. 10.) Hierdurch kommt die polygonale Gestalt, sowie die regelmässige Lage der entstandenen Zoosporen zu Stande, welche den Anschein erweckt, als seien diese aus simultaner Theilung hervorgegangen. Ihre gegenseitige Abgrenzung erfolgt durch hellere Linien, welche von Berthold als zarte Anlagen einer feinen Um- hüllung betrachtet werden, während sie sich Klebs durch die gegenseitige Berührung ihrer Hautschichten entstanden denkt. Bei ihrer letzten Ausbildung rückt der Zellkern aus seiner centralen Lage heraus an eine an der einen Seite des Polygons befindliche hellere Stelle. Ausserdem erhalten sie zwei contractile Vacuolen und zwei Gilien, über deren Entstehung nichts Näheres ermittelt werden konnte. Die Zwischensubstanz, welche als farbloses und homogenes Protoplasma die bei der Zertheilung der mittleren Plasmaschicht entstandenen hellen Räume aus- füllte, ist, bis auf einen kleinen Theil, welcher in die bei der Entleerung stets vorhandenen periplasmatischen Massen verwandelt wird, aufgebraucht. Bis zur Reife der Zoosporen bildet die Zelle noch eine Einheit, indem ihr Inhalt sich trotz seiner Zerlegung in einzelne, nicht mehr von einander abhängige Theile bei der Plasmolyse als Ganzes zusammenzieht, wobei er noch durch feine Protoplasmafäden mit der Zellwand in Verbindung bleibt, Bis zu ihrer vollständigen Reife bleiben die Zoosporen dicht zusammengedrängt zwischen der Haut- schicht und der Vacuolenwand liegen. Es muss daher bei ihrer Entlassung zunächst die Hautschicht beseitigt werden, damit sie in den beweglichen Zustand übergehen können. In welcher Weise dies geschieht, entzieht sich vorerst noch unserer Kenntniss. Dem verändernden Einfluss des Bildungsprocesses bleibt offenbar auch der Zellsaft kaum entzogen. Es lässt sich dies daraus entnehmen, dass die Druckspannung desselben vom Beginn der Zertheilung bis zur Reife der Zoosporen in stetiger Abnahme begriffen ist. Sobald näm- lich zur Fortpflanzung geneigte Netzstücke in eine 3pro- centige Nährlösung gebracht werden, tritt die Plasmolyse in denjenigen Zellen, welche in Zoosporenbildung begriffen sind, viel eher ein, als bei den im vegetativen Zustande befindlichen. Die Druckkraft des Zellsaftes sinkt bis zu einer gewissen Grenze herab und hält sich alsdann bis zum Schluss auf der gleichen Höhe. Eine Zusammenziehung der Zellwand in Folge der Abnahme des Zellsaftdruckes dürfte wohl kaum eintreten, denn es vollziehen sich um diese Zeit Veränderungen an ihr, welche dies verhindern. Sie fängt nämlich an auf- zuquellen. (Fig. 6.) Durch die cutieulare Beschaffenheit ihrer Oberfläche ist sie jedoch gezwungen, auf ihrer Innen- seite damit den Anfang zu machen. In Folge dieses Um- standes dehnt sie sich nach innen zu aus, so lange ihr nicht durch die Druckspannung des Zellsaftes, welcher ihrem Ausdehnungsbestreben das Gleichgewicht hält, ein Hinderniss geboten ist. In solchen Fällen, wo durch Wasserentziehung der Turgor stärker herabgedriiekt wird, wie bei Culturen in Zuckerlösungen, schreitet die Quellung viel rascher vorwärts, so dass die Zellwand schon längst vor der Reife der Zoosporen eine beträchtlichere Dicke erlangt hat, als dies sonst der Fall wäre. Dadurch, dass unter gewöhnlichen Umständen ein bedeutender Spannungs- zustand zwischen Zellwand und Zellsaft bis zum Schlüsse herrscht, werden die Zoosporen derart zusannnengepresst, dass sie eine polygonale, tafelförmige Gestalt annehmen, obgleich sie durch ihr Bestreben, sieh abzurunden, einen Gegendruck ausüben müssen, welcher aber jenem keines- wegs das Gleichgewicht halten kann. Die Befreiung der Zoosporen und die Netz- bildung. Wenn die Zoosporeu zu vollständiger Reife gekommen sind, gehen sie in eiuem gegebenen Moment in eine langsam hin und her gleitende Bewegung über, wobei sie auseinandertreten und sich abrunden müssen. Es ist der Eintritt dieser Bewegung darauf offenbar zurück- zuführen, dass der Druck, welcher bisher in der Zelle geherrscht hat, aufgehoben worden ist. Sie lässt sich nämlich schon vor beendeter Reife herbeiführen, sobald man durch einen künstlichen Eingriff die Zelle öffnet und dadurch eine Aufhebung ihres Spannungszustandes ver- anlasst. Unter gewöhnlichen Bedingungen ist dies nur durch die Zerreissung der Cuticula möglich, welche durch die Quellung der inneren Zellwandpartien schon zum grössten Theil vorbereitet ist. Die Zoosporen des Wasser- netzes stimmen in ihrem Bau mit denen anderer Algen überein. Es sind nackte Protoplasmakörper von grüner Farbe, die an ihrem Vorderende zwei Cilien und zwei pulsirende Vacuolen besitzen. In anderen Beziehungen weisen sie aber gegenüber anderen Schwärmsporen sehr wesentliche Unterschiede auf. So ist ihre Bewegungs- fälligkeit eine äusserst beschränkte. Denn sie sind nicht im Stande, sich von ihrer Stelle fortzubewegen, sondern müssen auf derselben verharren. Die Form ihrer Be- wegung entspricht im Allgemeinen einem raschen Hin- und Herpendeln. Ausserdem bleiben sie niemals vereinzelt, sondern treten stets zur Bildung eines jungen Netzes zu- sammen. Dies geschieht unter der Mitwirkung verschie- dener förderlicher Umstände. Schon wurde hervorgehoben, dass sie nicht wie andere Schwärmsporen im Stande sind, umherzuschwännen, sondern selbst wenn sie durch einen gewaltsamen Eingriff auseinander gebracht worden sind, unter stetem Hin- und Herpendeln an demjenigen Platze verbleiben, wohin sie zufällig verschlagen wurden. Mehr jedoch wirkt dabei ihre auch schon mehrmals zur Sprache 58 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 5 gekommene gegenseitige Verkettung mit. Denn durch die Anordnung der polygonalen Täfelchen, von welchen ein jedes mit seinen Nachbarn durch feine Protoplasmafäden verbunden ist, ist schon längst vor beendigter Reife der Zelle die Anlage zu einem neuen Netz gegeben. Diese Verbindung, welche auch während der Bewegung fort- bestehen bleibt, lässt sich nur mit grossen Schwierig- keiten nachweisen, aber auch aus einem Grunde miisste sich nothwendigerweise ihr Vorhandensein ergeben, selbst wenn dieser Nachweis ganz unmöglich wäre. Wenn näm- lich durch die Quellung der Zellwand der Raum in der Zelle sich erweitert, dass die Zoosporen sich ausdehnen könnten, so sieht man sie nichtsdestoweniger auch noch ferner- hin in unmittelbarer Berührung mit der Zellsaftvacuole, was zum Theil ihrer losen Anheftnng an der Wand der- selben zuzuschreiben ist. Würde aber ausser dieser keine weitere und zwar gegenseitige Verbindung unter ihnen bestehen, so miisste die von ihnen umschlossene Vacuole nach Aufhebung des Druckes ihrer Oberflächenspannung nachgebend Kngelform annehmen. Sie behält aber ihre ursprüngliche Form bei, woraus sich ergiebt, dass die mit einander verketteten Zoosporen während der Bewegung immer noch einen derartigen Druck auf sie ausüben, dass dieser ihrer Oberflächenspannung gerade das Gleichgewicht zu halten vermag. Die Bewegung der Zoosporen ist nach einer Stunde beendigt. Es hat inzwischen vielleicht durch die Ver- kürzung der verbindenden Plasmafäden eine gegenseitige Annäherung und Berührung derselben stattgefunden, worauf sie sich mit festen Zellwänden umgeben, welche an ihren Beriihrungsstellen miteinander verkleben. Unterbleibt jedoch die Annäherung, so können sich die ausgespannten Plasmafäden in Cellulose verwandeln, sodass der gegen- seitige Verband der Zoosporen durch kurze und schmale Stränge vermittelt wird. Bei Culturen in Lösungen anorganischer und orga- nischer Verbindungen verläuft die Zoosporenbildung viel- mals unter mehr oder minder bedeutenden Abweichungen. So geht dieser Process in 5 — 10% Rohrzuckerlösungen infolge der Erniedrigung des Zellsaftdruckes durch die wasserentziehende Wirkung derselben häufig sehr un- regelmässig von Statten und führt auf diese Weise zur Entstehung von Missbildungen. Die meisten Unregel- mässigkeiten zeigen sich bei der Entleerung der Zoosporen, indem einzelne hierzu nothwendige Bedingungen dabei unerfüllt bleiben. So kann beispielsweise die Cuticula so fest gebaut sein, dass sie nicht gesprengt zu werden ver- mag. Es dehnt sich alsdann die auf ihrer Innenseite quellende Zellwand auf Kosten des Zellinhaltes aus. Die Zellsaftvacuole wird dadurch zerdrückt und die Zoosporen- masse wird auseinandergerissen und nach allen Richtungen zeitheilt, so dass sie nach kurzer Zeit der Bewegung in dem engen Raum zur Ruhe kommen müssen, ohne zu einem Netz zusammengetreten zu sein. Zuweilen geht auch die Cuticula nicht an verschiedenen Stellen zu gleicher Zeit auseinander, sondern öffnet sich nur an einer einzigen Stelle. Es drängt dort der Zellsaft, welcher dem im Innern der Zelle herrschenden Druck nachgeben muss, die Zoosporenmasse heraus, wodurch oftmals eine ganz unregelmässige Gestaltung der entstehenden Netze herbei- geführt wird. Unter anderen Störungen des normalen Verlaufes ist noch diejenige anzuführen, welche in Cul- turen mit Rohrzucker oder mit 0,5— 1°/0 Nährsalzlösungen zu beobachten ist. Es kommt nämlich hier niemals ein vollständiges Netz zu Stande, weil durch die wasserent- ziehende Wirkung der Lösung eine Contraetion herbei- geführt wird, infolge deren die gegenseitige Verbindung der Zoosporen aufgelöst wird. Einzeln oder zu kleineren Gruppen vereinigt bewegen sich daher die Zoosporen einige Zeit für sich umher, um hierauf auch für sich zur Ruhe zu kommen. Während der Netzbildung schreitet die Verquellung der Zellwand ununterbrochen fort, bis sie um das Netz einen zarten Schlauch bildet, welcher erst nach einigen Tagen vollständig verschwindet. Diese Veränderung, welche die Zellwand erfährt, ist jedenfalls auf eine be- sondere Wirkung des Protoplasten zurückzuführen, welche kurz vor der Entleerung der Zoosporen beginnt. Es ist anzunehmen, dass durch die Zoosporenmasse eine Substanz ausgeschieden wird, welche wie ein Ferment zersetzend auf die Zellwand wirkt. Denn es braucht noch nicht einmal der Protoplast mit derselben in unmittelbarer Be- rührung zu stehen, so sehreitet dennoch die Verquellung un- gehindert fort. Es zeigt sich dies am deutlichsten, wenn die Zelle kurz vor Beendigung derZoosporenbildung in eine 10% Rohrzuckerlösung gebracht wird. Trotzdem sich der Proto- plast von der Zellwand zurückgezogen hat, schreitet deren Verquellung unbehindert fort, bis sie vollständig aufgelöst ist. Die zur Ruhe gekommenen Zoosporen nehmen eine etwas in die Länge gestreckte Gestalt an und schreiten alsbald zu einer Umlagernng ihres Inhaltes. Die Chloro- phyllschicht, welche, aus einzelnen zusammenhängenden Stücken bestehend, ihre innere Auskleidung bildet und durch Freilassung eines farblosen Raumes an beiden Enden die Zellsaftvacuole deutlich erkennen lässt, muss wohl eine Umgestaltung in der Weise erfahren, dass sie aus ihrer ursprünglich plattcnähnlichen Form durch Verwachsung ihrer Ränder in diejenige eines Cylindermautels übergeht. Nach Artary's Beobachtungen vollzieht sich dieser Vor- gang in der jungen Zelle. Das Schicksal der pulsirenden Vacuolen hat Klebs mit besonderer Aufmerksamkeit ver- folgt, was wegen ihrer unscheinbaren Grösse mit beson- deren Schwierigkeiten verknüpft war. Er hat dabei ge- funden, dass sie noch mehrere Stunden, nachdem die Zoosporen zur Ruhe gekommen waren, sich in voller Thätigkeit befanden und diese auch noch fernerhin unter- hielten, während schon die Ausbildung der künftigen Zellsaftvacuole im Gange war. Es scheint daraus hervor- zugehen, dass diese mit den eontractilen Vacuolen, welche für sich entstehen und vergehen, in keinerlei Beziehungen stehen und in jeder jungen Zelle aufs neue gebildet werden, um nach ihrem Heranwachsen bei der Fortpflanzung wieder zu Grunde zu gehen. Die Gametenbildung. Unsere seitherige Betrach- tung galt dem Bildungsprocess derjenigen Schwärmsporen, welche auf ungeschlechtlichem Wege entstanden sind und wir können nunmehr noch die Entwiekelung der ge- schlechtlichen Schwärmer, der Gameten ins Auge fassen. Wir brauchen darauf nur in Kürze einzugehen , weil sie in ähnlicher Weise wie die Zoosporenbildung verläuft. Durch die Herbeiführung der erforderlichen äusseren Bedingungen ist es Klebs gelungen, die Zellen des Wassernetzes zur geschlechtlichen Vermehrungsweise in ähnlicher Weise zu veranlassen, wie zur ungeschlecht- lichen und er konnte daher an der Hand weitgehender Culturversuehe den Vorgang der Gametenbildung in seinen erkennbaren Einzelheiten verfolgen. Auch hier entzogen sich wieder die ersten Anfänge dieses Processes jeder Einsicht und es müssen daher die Ursachen, welche ge- rade diese Fortpflanzungsweise herbeiführen, für uns ein unenthiillbarcs Geheimniss bleiben. Der weitere Verlauf der Gametenbildung befindet sich mit der Zoosporenbil- dung in wesentlicher Uebereinstimmung und zeigt erst gegen das Ende hin deutliche Unterschiede von derselben. Wenn die Stromastärke in ihrer charakteristischen fein- körnigen Form abgelagert, die Pyrenoidstäike aufgelöst ist und die Zellkerne getheilt sind, fängt die mittlere Proto- plasmasehicht an, sich durch Bildimg von Spalten in Nr. 5. Naturwissenschaftliche Wochenschrift: ;.'.i einzelne Stücke zu zertheilen. Die Anzahl der entstellenden Theilstücke ist in diesem Falle viel grösser als bei der Zoosporenbildung und die Zusammenziehung derselben eine viel stärkere, wodurch die Plasmaschicht das Aus- sehen einer grobnetzförmigen, von zahlreichen farblosen Räumen durchbrochenen Masse erhält. Zur Zeit der Reife herrscht in den gametenbildenden Zellen ein ähnlicher Spannungsznstand, wie in den zoospo- renbildenden. Obgleich der Zellsaftdmek an und für sieh etwas abgenommen hat, so wird doch die Gameten- masse sehr stark zusammengepresst, weil die Zellsaftva- cuole dem Quellungsbestreben der Zellwand das Gleich- gewicht hält. Die nun eintretende Eutleeruug der reifen Gameten bietet auffallende Unterschiede gegenüber der- jenigen der Zoosporen dar, indem nicht wie hier die ganze Zellwand auf ihrer Innenseite aufzuquellen beginnt, uud die starre Cuticula in einzelne Fetzen zerrissen wird, sondern nur an einer einzigen Stelle derselben eine Quel- lung eintritt und eine Rissspalte entsteht. Ist dies infolge der sich immer mehr vergrössernden Druckspannung im Innern der Zelle eingetroffen, so folgt die von ihrem Druck befreite Zellsaftvacuole ihrer Oberflächenspannung und zieht sich zusammen. Sie wird durch die nachqucl- lenden Zellwandsehichten zur Rissspalte hinausgeschoben und bleibt noch mehrere Stunden in der Regel erhalten, bis sie abstirbt und vergeht. Die Gameten, welche zwischen Zell- und Vacuolenwand fest eingekeilt lagen, liegen in einer Blase, welche aus den verquollenen Schichten der Zellwand hervorgegangen ist, eingeschlossen und gehen vorerst noch nicht in eine selbstständige Be- wegung über, bevor ihnen durch die Zerstörung der- selben der nöthige Raum hierzu geboten ist. Zuweilen constatirt man Missbilduugen, die durch eiue unvollstän- dige Zertheilung der aus der mittleren Plasmaschicht her- vorgegangenen Theilstücke entstanden sind. Derartige Bildungen, welche aus Gruppen von zwei, drei oder mehreren Gameten zu bestehen pflegen, führten wahr- scheinlich zu der Annahme, dass mehr als zwei Gameten sich miteinander vereinigen können, um eine Zygote zu bilden. Indessen dürfte die Verschmelzung zweier Gameten die allgemeine Regel bilden. Das Schicksal der Zygote hat Pringsheim vor längerer Zeit genauer verfolgt und dabei gefunden, dass sie während der Ruhezeil mehrere Entwickelungszustände durchlaufen muss. Aus ihrer ur- sprünglich kugeligen form geht sie nach und nach in eine unregelmässig tetraedrische über und mit Beginn der nächstjährigen Vegetationsperiode schreitet sie zur Zoospo- renbildung, welche bekanntermaassen mit der Bildung eines jungen Netzes abschliesst. Auf diese Aufeinander- folge einer ungeschlechtlichen Generation auf eine ge- schlechtliche gründete sich die Annahme, dass bei dem Wassernetz ein Generationswechsel, wie er den Moosen und Farnen eigen ist, stattfinde, worin zugleich unzwei- deutig ausgesprochen liegt, dass die Fortpflanzung auf die eine oder die andere Art und Weise lediglich eine Folge innerer, der Beobachtung unzugänglicher Ursachen sei. Durch die verdienstvollen Untersuchungen, welche Georg Klebs gerade über die Vermehrung des Wassernetzes in dieser Richtung angestellt hat, werden wir indessen eines anderen belehrt, denn er hat den sicheren Beweis geführt, dass man diese Pflanze nach seinem Belieben zur einen oder zur anderen Fortpflanzungsweise zwingen kann, so- bald man sie unter die hierzu erforderlichen Bedingungen bringt. Dem gleichen Verfahren lässt sich auch Vaucheria sessilis mit Leichtigkeit unterwerfen, worüber wir in aus- führlicher Weise bereits berichtet haben. Vergl. „Natur- wissenschaftliche Wochenschr." VIII, Nr. 36, S. 381—386. Es kann daher kaum mehr ein Zweifel darüber bestehen, dass die Fortpflanzung von dem Einfluss der Aussenwelt abhängig ist. (x.) Dr. A. J. Schilling. Antliropopithecus erectus Eng. Dubois (Tijdsehrift van het Kon. Nederlandsch Aardrijkskundig Genootschap, Tweede Serie, Deel X, No. 2. Leiden, 31. März 1893). — Die von wissenschaftlicher Seite geleiteten Ausgrabungen an der durch das Vorkommen bemerkenswerther Reste fossiler Wirbelthiere bekannten Localität Trinil auf Java förderten während des 4. Quartales 1892 unter anderem zu Tage eine Unterkieferhälfte von dem Typus des Sus verrucosus (Warzenschwein), den Unterkiefer einer klei- neren mit Sus celebensis nahe verwandten Suiden-Art, ein bedeutendes Schädelfragmeut von Bos elephas und endlich als belangreichsten Fund den linken Oberschenkel- knochen (Feinur) eines Antliropopithecus. Letzterer er- wies sich nach sorgfältiger Vergleichung zu demselben Exemplare gehörend, von welchem ein Jahr früher ein Zahn und die Schädeldecke gefunden worden war. Die Skelett- theile lagen in demselben Niveau (altdiluvialer Tuff) eines alten Strombettes, dessen ehemalige Wasser die Schädel- fragmente 15 m stromabwärts geführt hatten, und gehören wahrscheinlich einem alten weiblichen Individuum an. Die bekannten Skelettreste weisen der neuen Form ihren Platz bei der Gattung Antliropopithecus an, lassen jedoch auch eine Verwandtschaft mit Hylobates erkennen. EigenthUinlich sind der Schädeldecke ihre bedeutende Grösse (Länge = 185 mm, Breite im hinteren Drittel der Länge = 130 mm), sowie die starke Wölbung und ganz geringe Entwickelung der Augenbraucnbogen. Hierin gleicht diese Form dem A. troglodytes in einem Alter, welches dem eines siebenjährigen Kindes entspricht und worin der das Gehirn unischliessende Theil, welcher bei allen Allen am kleinsten ist, noch weiter nach vorn reicht als beim ausgewachsenen Thier. Die Schädel -Capacität war etwa 2,4 mal so gross als im Durchschnitt beim Schimpanse, und das Gehirn betrug etwa das 2,3 fache von demjenigen des Gorilla, welcher unter den Menschenaffen das grösste ('/3 eines durchschnittlichen Menschenhirnes) besitzt. Die beiden hinteren Höcker der Krone des dritten Molaren sind noch stärker reducirt als bei A. troglodytes und A. sivalensis. Die Rückbildung ist soweit vorgeschritten, als es gewöhnlich am obersten Weisheitszahn des Menschen der Fall ist; im Gegensatz zum Menschen jedoch ist der hintere Seitenhöcker weniger entwickelt als der mittlere. Hierin stimmt A. erectus mit den beiden anderen Ange- hörigen der Gattung überein. Der Schenkel stimmt, abgesehen von geringen Unter- schieden, in Dimensioneu und Gestalt gut mit dem beim Menschen überein und unterscheidet sich durch seine Länge und Schlankheit von dem Femur der grossen lebenden Anthropoiden. Seine Länge beträgt 455 mm uud verhält sich zur Dicke der Schaftmitte wie 16 1/.2 : 1 (wie beim Menschen). Aus diesem Verhältniss ist der Schluss zu ziehen, dass — da die Tragfähigkeit der Last des Rumpfes entsprechen muss — der Oberkörper nicht schwerer als der beim Menschen war; ferner — da die Femur-Länge bei den Anthropoiden und beim Menschen im selben Ver- hältniss zur ganzen Unterextremität steht — verhielt sich das Bein zum Rumpf wie beim Menschen, während es bei den grossen lebenden Anthropoiden gegen den Oberkörper an Länge bedeutend zurücksteht. Anthrop. erectus ver- mochte daher auch nicht nach Art des Schimpanse, Gorilla oder Orang-Utang zu klettern (letztere besitzen dazu kurze 60 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 5 Beine mit Greiffüssen und lange Arme, sowie einen sehr schweren und langen Rumpf). Der ganze Bau des Feumr gestattet den Schluss, dass dem Beine des A. erectus die- selbe mechanische Rolle zukam, wie am menschlichen Körper. Der Gelenkkopf ist ebenso geformt und sein Hals bildet mit dem Schafte denselben Winkel, wie bei einem gleichlangen menschlichen Femur. Das untere Ende des Femurs ist ebenfalls breit, die Mitte der Gelenkfläche, welche der Articulation mit dem Schienbein dient, liegt wie bei den Anthropoiden nach hinten. In ihren Ab- messungen, ihrer Aushöhlung und Gestalt stimmt diese Gelenkfläche, sowie die für die Kniescheibe mit der ent- sprechenden menschlichen übereiu. Die gleichfalls schräge Stellung des Femurs deutet breite Hüften an. Der Femur- körper ist gross, die Kante ist deutlich entwickelt und die beiden oberen Fortsätze sind von den entsprechenden Tbeilen beim Menschen nicht zu unterscheiden. Der Femur unterscheidet sich von einem menschlichen durch die gerundetere Form des Schaftes an der Innen- seite, die geringere Entwickelung des untersten Theiles der schiefen Linie an der Vorderseite, die grössere Con- cavität der Partie zwischen den beiden oberen Fortsätzen und die geringere Ausbildung der Articulationsfläche für die Kniescheibe. Hierin stimmt er mit dem der Anthro- poiden überein. Aus dem gesammten Bau des Femurs ergiebt sich, dass die Haltung des Authropopithecus erectus eine auf- rechte war, worauf auch die hohe Lage und Differenzirung der rauhen Stelle hindeutet, welche dem zur Hacke gehen- den Muskel zur Insertion diente. Diese letztere Thatsache stimmt ganz mit der beim Menschen beobachteten überein und fehlt allen Affen und anderen Säugethieren. Die bisher bekannt gewordenen Skeletttheile weisen auf eine Form hin, welche auf einer höheren Entwicke- luugsstufe stand, als sämmtliche Anthropoiden, und die sich durch die aufrechte Haltung des Körpers, welche bislang als ausschliessliche Eigenthümlichkeit des Menschen angesehen wurde, diesem letzteren am meisten nähert. Wenn Lamarck und nach ihm Darwin als ersten Schritt zur Menschwerdung die Annahme der aufrechten Körper- haltung bezeichneten, so haben wir dieses Stadium hier vor uns. Daraus ist der weitere Schluss gestattet, dass Authropopithecus erectus die Beine ausschliesslich für die Bewegung gebrauchte und dementsprechend auch menschen- artig differenzirte Vorderextremitäten besass, die ihm zum Beschaffen der Nahrung, des Unterschlupfes und zur Ver- teidigung dienten. Man könnte leicht noch weiter schliessen, dass die fossile Form bereits höchstwahrscheinlich gewisse Werkzeuge anwandte, um in der Erlangung ihrer Lebens- bedürfnisse schneller und sicherer zum Ziele zu gelangen; indessen wollen wir es hier bei der Constatirung der bis jetzt erkundeten Thatsachen bewenden lassen — hoffent- lich liefern die fortgesetzten Ausgrabungen weiteres, voll- kommeneres Material. Ueber die Entstehung der Geschlechtszellen bei den Insecten veröffentlicht R. Heymons in den Sitzungs- berichten der Gesellschaft naturforschender Freunde eine vorläufige Mittheilung. — Nach der jetzt allgemein herr- schenden Anschauung sind die Geschlechtsorgane der In- secten mesodermaler Abkunft. Fast alle Untersuchungen führten zu dem übereinstimmenden Resultat, dass die Genitaldrüsen aus localen Wucherungen oder Verdickungen hervorgehen, die sich an den Wandungen der Cölom- säckchen bilden. Derartige Verdickungen befinden sich zumeist an den dorsalen, dem Dotter zugewendeten Theilen der Säckchen und kommen in der Regel bei mehreren aufeinander folgenden Urseamenten zur Anläse. Nur für wenige Insecten darf ein anderer Entstehungs- modus als erwiesen gelten. So z. B. für die Aphiden und Dipteren. Bei ihnen tritt die erste Anlage der Genital- organe bereits in einem Zeitpunkt auf, in welchem die Keimblätter noch nicht gesondert sind. Bei den Aphiden ist es eine Zelle, welche am hinteren Ende des Eies von der noch undifferenzirten Blastodermschiclit sich abschnürt, die durch weitere Theilung die späteren Fortpflanzungs- drüsen liefert. Bei den Dipteren kommen die Geschlechts- zellen sogar noch vor der Bildung des Blastoderms zur Anlage, und zwar am hinteren Eipole als sog. Polzellen. Allein das Verhalten bei diesen beiden Insecten- gruppen durfte um so weniger entscheidend ins Gewicht fallen, als sowohl die Aphiden wie die Dipteren als relativ einseitig entwickelte und isolirt stehende Formen aufzu- fassen sind, bei welchen die eine schnelle Aufeinander- folge der einzelnen Generationen bedingende rasche Ver- mehrung (Parthenogenese, Pädogenese) sehr wohl die Ent- wickelung der Geschlechtsdrüsen beeinflusst haben konnte. Gerade für sehr ursprüngliche Vertreter der jetzt lebenden Insecten, für die Orthopteren, und zwar für ver- schiedene Abtheilungen der Orthoptera geuuina, war da- gegen die mesodermale Entstehung der Sexualdrüseu sicher nachgewiesen worden. Die Entstehung der Sexualzellen bei den Orthopteren dürfte um so mehr Interesse beanspruchen, als auch bei Anneliden die Entwickelung der Geschlechtsorgane in ganz entsprechender Weise au den Wandungen der Cölomsäcke vor sich geht. Hierzu kommt, dass noch für einen an- deren Zweig des Arthropoden-Stammes, für die Crustaceen und Spinnen, mehrfache Belege für die mesodermale Ab- kunft der Geschlechtsdrüsen beigebracht worden sind. Die Abstammung der Geschlechtszellen von der Meso- dermschicht schien daher auch für die Insecten sicher gestellt. Die Untersuchungen, "welche H. an den Eiern des Ohrwurms (Forticula auricularia L.), sowie an denen einer Anzahl von Orthopteren angestellt hat, sind indessen ge- eignet, die jetzigen Anschauungen von der Entstehung der Geschlechtszellen bei den Insecten zu moditiciren. Bei For- ficula treten nach seinen Beobachtungen dieSexualzellen auf, ehe noch das Mesoderm gebildet ist, und zwar wandern sie am hinteren Ende der Embryonalanlage von der noch undifferenzirten Blastodermschicht in das Innere des Eies ein. Die Verhältnisse liegen hier also ähnlich wie bei den Aphiden, nur findet sich nicht, wie bei den letzteren, eine einzige Urgenitalzelle, sondern man beobachtet gleich eine grössere Anzahl von Geschlechtszellen. Zu dem Meso- derm haben dieselben keine Beziehung, indem sich letzteres erst später bildet. Bei der Feldgrille (Gryllus campestris L.) entsteht zunächst durch eine Art Invaginationsprocess das Meso- derm („unteres Blatt", „Entomesoderm" der Autoren). Erst später, und zwar gleichzeitig mit dem Auftreten der Amnionfalten, bildet sich am hinteren Ende des Embryos eine kleine Einseukung, eine „Geschlechtsgrube" aus, von deren Boden sich Zelten loslösen. Diese geben sich durch ihre charakteristischen Kerne mit deutlich differenzirtem Chromatingerüst sogleich als Geschlechtszellen zu erkennen. Es zeigt sich somit auch hier, dass eine Ableitung der Genitalzellen von Mesodermzellen nicht möglich ist. Ganz ähnlich wie bei der Feldgrille liegen die Ver- hältnisse bei der Hausgrille, dem Heimchen (Gryllus do- mesticus L.). Doch findet sich bei dieser Form der eine interessante Unterschied, dass die Zellen, welche sich von dem Boden der Geschlechtsgrube ablösen, sich zunächst in keiner Weise von den gewöhnlichen Mesodermzellen unterscheiden lassen. Erst viel später, nachdem sie in die Wandungen der Cölomsäckchen gelangt sind, gewinnen Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 61 sie die charakteristischen Merkmale von Geschlechtszellen. Würde man die Entwickelung des Heimchens verfolgen, ohne Kenntniss von den Vorgängen bei der Feldgrille zu haben, so könnte man sehr leicht die Geschlechtszellen des ersteren Insects irrthümlich vom Mesoderm ableiten. Die Entwickelung der Genitalzellen bei der Küchen- schabe (Periplaneta orientalis L.) vollzieht sich in ganz derselben Weise wie bei Gryllus campestris. Auch hier findet sich am hinteren Ende des Keim- streifens eine Geschlechtsgrube und von dieser wandern die Geschlechtszellen ein. Die Einwanderung lässt sich an Querschnitten deutlich beobachten. Eine directe Be- ziehung der Genitalzellen zu dem Mesoderm ist bei Peri- planeta anscheinend nicht vorhanden. Für einen nahen Verwandten der Küchenschabe, näm- lich für die deutsche Schabe (Phyllodroniia germanica L.), hat H. die mesodermale Entstehung der Geschlechtszellen ebenfalls nachgewiesen. Um eine nahezu völlige Ueber- einstimmung mit dem bei Periplaneta beschriebenen Ver- halten zu gewinnen, braucht man indessen nur anzunehmen, dass bei Phyllodroniia, ähnlich wie beim Heimchen, die vom hinteren Ende her einwandernden Geschlechtszellen sich erst in späterer Zeit differenziren. Ein directer Be- weis für diese Annahme lässt sich allerdings bei Phyllo- droniia insofern schwerer wie bei Gryllus domesticus führen, als die Geschlechtszellen des ersteren Inseets keine compacte Genitalanlage bilden, sondern einzeln zwischen den Mesodermzellen zerstreut nach vorn wan- dern. Für das thatsächliche Vorhandensein einer solchen Wanderung von Geschlechtszellen spricht aber vor Allem sehr überzeugend der Umstand, dass sich bei Phyllodroniia am hinteren Ende des Keimstreifens eine grubeuförmige Einsenkung vorfindet, welche in jeder Hinsicht der Ge- schlechtsgrube bei den Grillen und der Küchenschabe entspricht. Aehnlich wie bei Hiyllodromia und Gryllus domesticus liegen die Verhältnisse auch bei der Maulwurfsgrille (Gryl- lotalpa vulgaris Latr.). Aus den H. 'sehen Beobachtungen geht hervor, dass die Geschlechtszellen der Inseeten in verschiedenen Stadien der Entwickelung zur Dift'erenzirung kommen können. Treten die Genitalzellen bereits sehr frühzeitig auf, wie bei Forficula, den Aphideu und im extremen Fall den Dipteren, so sind die Keimblätter noch nicht gesondert und die Geschlechtszellen gehen aus der Blastoderinschicht hervor oder zeigen sich sogar noch vor der Bildung der letzteren. Wenn dagegen die Geschlechtszellen etwas später sich differenziren, so hat sich von einer oberflächlichen Zellenschicht (Ektoderm) eine tiefere Zellenlage (Meso- derm) abgesondert und die Geschlechtszellen wandern vom Boden der Geschlechtsgrube ein. Insofern als die letztere eine Einsenkung des Ektoderms darstellt, niüsste man hier folgerichtig von einem ektodermalen Ursprung der Geschlechtszellen sprechen. Dieser Fall trifft zu für Gryllus campestris und Periplaneta orientalis. Endlich können die Geschlechtszellen noch später be- merkbar werden und aus der Mesodermschicht resp. den Wandungen der Ursegmente sich differenziren. Dies wird veranschaulicht durch Gryllus domesticus und Phyllodroniia germanica. Hier hätten wir dann also einen mesodermalen Ursprung der Geschlechtszellen vor Augen. Durch den Nachweis einer Geschlechtsgrube am hinteren Ende des Keimstreifens von Phyllodroniia und Gryllus domesticus geht indessen hervor, dass im Falle einer mesodermalen Abkunft der Geschlechtszellen nur die Differenzirung der Zellen selbst in eine spätere Zeit verlegt ist, dass aber die Verhältnisse sonst in jeder Beziehung den bei den oben beschriebenen Inseeten gleich sein können. H. ist somit der Meinung, dass die Geschlechts- zellen der Inseeten überhaupt nicht von diesem oder jenem „Keim blatte " abzuleiten sind, son- dern nur scheinbar je nach dem Zeitpunkt ihres Hervortretens bald dieser, bald jener Zellen- schicht angehören. Wenn auch die Trennung zwischen somatischen Zellen und Geschlechtszellen bei den meisten Inseeten erst spät bemerkbar wird, so werden wir somit doch annehmen müssen, dass ein solcher Unterschied bereits vom Beginne der Entwickelung an vorhanden ist. (x.) Ueber das Vorkommen von Spaltpilzen in Hühner- eiern berichtet Stephen Artault in den C. r. Soc. de Biol. de Paris, '.). ser. t. 5. S. 78. In dem grün fluores- cirenden Weissen eines Eis konnte er eine Cultur von Bacillus pyoeyaneus entwickeln, ein anderes Ei enthielt Aetinoniyces, ein drittes Cysten eines Didyinium nahe stehenden Myxomyceten. C. M. Eine Verbesserung des Verfahrens zur Gewinnung metallischen Lithiums hat Guntz (Comptes rendus, tome CXVII No. 22, S. 732) kürzlich mitgetheilt. Die bisher erzielte Ausbeute erschien mit Rücksicht auf die Stärke des angewendeten Stromes auffallend gering. Die Thatsache, dass die Ausbeute sich ver- grösserte, wenn einerseits die Temperatur der Eleetrolyten erniedrigt wurde und andererseits das verwendete Li Ol mit NaCl und KCl verunreinigt war, veranlasste G., die Schmelztemperaturen von Gemischen dieser 3 Chloride festzustellen. Reines Li Cl schmilzt bei 600°, während 1 LiCl + 2 KCl bei etwa 550°, 1 LiCl -+- 1 KCl schon bei etwa 450° und 1 NaCl + 1 KCl sogar schon bei 380° schmilzt. Am besten eignet sich ein Gemisch von 1 LiCl + 1 NaCl + 1 KCl, dessen unter 450° liegender Schmelz- punkt während der Eleetrolysc beständig sinkt, in dem Maassc, wie das beigemischte LiCl zersetzt wird. „Das so erhaltene Metall ist frei von Fe und SiCL, enthält aber 1 — 2 Gewichtsprocent K, was höchstens ei nein Atom K auf 273 Li entspricht". Die Schwierigkeiten bei der Darstellung aus r< 'nein LiCl erklärt sich G. in der Weise, dass sich durch Aus- scheidung des metallischen Li die Temperatur des Schmelz- flusses auf 700° erhöht, wobei sich dann Lithitiin-Subehlorid (LLC1) bildet. Dieses leitet schlechter und vermindert, wie G. constatirte, die Stromstärke. Dass bei der Electrolyse Subchloride entstehen, scheint bei den Alkalien die Regel zu sein; doch hat G. durch diese Methode noch nicht genügend reine Verbindungen erhalten. R. M. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Mi'. W.Scott zum Diroctor der Forsten und des Botanischen Gartens auf Mauritius. — Der Privatdocent der Philosophie an der Universität Wien Alfred von Bergei zum ausserordentlichen Professor. — Der Professor der Philosophie an der Universität Berlin Dr. Zeller zum Wirklichen Geheimen Eath mit dem Titel Excellenz. — Der Vorsteher im Institute für Infectionskrankheiten an der Charite in Berlin Stabsarzt Dr. Pfeiffer zum Professor. — Der Assistent am Botanischen Garten in Göttingen Dr. Giessler zum Assistenten für Bakteriologie an der Centralmolkerei Lauterbach bei Fulda. — An der Universität Rostock der Privatdocent für Physik Dr. Mönnich — und der Privatdocent für Zoologie Dr. Will zu ausserordentlichen Pro- fessoren. — Der Privatdocent für Anatomie au det Universität Wien Di". Joseph Schaff er zum ausserordentlichen Professor. — Der Prosector am städtischen Krankenhause in Brunn Dr. Ludwig Kerscher zum Professor für Entwickelungsgoschicbtc au der 62 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 5 Universität Innsbruck. — Dr. Charles E. Coates zum Professor für Chemie an der Universität des Staates Louisiana. — Dr. J. N. Swen zum Professor für Chemie am Monmouth College, Illinois. — Dr. M. M. Metcalf zum Professor für Biologie am Woman'a College, Baltimore. Der Inspector an der zoologischen Sammlung in München Konrad Wilt ist von seiner Stellung zurückgetreten. Es sind gestorben: Der Elektriker Anton Rockonzaun in London. — Der Kliniker Quinquaud in Paris. — Der auf butanischem Gebiete thätig gewesene Ingenieur Alexander Stephan Wilson, in Aberdeen. — Der Moosforscher Olof Leopold Sillen in Gene, Schweden. Zur Errichtung eines Charcot - Denkmals ist eine Süb- scription eröffnet worden. Ein Botanischer Garten ist durch Herrn M. C. Thays in Buenos Ayres errichtet worden. Eine grosse wissenschaftliche Expedition ist soeben in Brasilien ausgerüstet worden, um die weniger bekannten Thcile des Amazonenstrom-Gebietes ethnographisch und naturwissenschaft- lich zu durchforschen. Berliner Gewerbe-Aussetllung 1896. - Die Gruppe XI — wissenschaftliche Instrumente — hat sich nunmehr auch wie folgt eonstituirt: Das Ehrenpräsidium hat in der Gruppe Geh Rath von Helmholtz übernommen; als sein Stellvertreter fungirt Professor Dr. Hagen, Direetor der physical-technischen Reichs- anstalt. Den Vorsitz in dieser Gruppe führt Commerz ienrath Paul Dörffel, und die Vorsitzenden der drei Unterabtheilungen sind: 1. für wissenschaftliche Apparate und Instrumente Herr H. Haensch, in Firma Franz Schmidt & Haensch: 2. für Uhren Herr Hofuhrmacher Engelbrecht, Vor- sitzender des Central Verbandes Deutseher Uhrmacher; 3. für chirurgische Apparate und Instrumente Herr C. Gef - fers, Obermeister der Chirurg. Instrumentenmacher. Weitere Mitglieder des Gruppen- Vorstandes sind die Mechaniker W. Handke und Ed. Sprenger, die Uhrmacher H. Ernst und F. Neuhofer und die Verfertiger chirurgischer Instrumente G. Windler und Carl Müller. Da in diesen 3 Unterabtheilungen der lebhafte Wunsch aus- gesprochen ist, den Rahmen für die Gruppe im Sinne des Pro- gramms auszudehnen, und zum Theil feste Abmachungen bereits vorliegen, so ist begründete Aussicht vorhanden, dass bei der 1896er Ausstellung die Gruppe Wissenschaftliche Instrumente ein glänzendes Bild ihres Könnens vorführen wird. Diese Gruppe war besonders in Chicago hervorragend gut vertreten; es lebt in allen Betheiligten das lebhafte Verlangen, auf der 1896er Aus- stellung alles Frühere vollständig in den Schatten zu stellen. Jeder aber, der mit dem Stande der Leistungsfähigkeit dieser Gruppe einigermaassen vertraut ist, weiss, dass gerade sie den Kampf mit keinem Lande der Erde zu scheuen hat. Excellenz von Helmholtz, sicher der berufenste Beurtheiler dieses Gewerbe- zweiges, bestätigt das durch Uebernahme des Ehrenpräsidiums. Deutsche Mathematiker - Vereinigung. — Dem Bedürfniss nach einem engeren Zusammenschluss der Mathematiker Deutsch- lands ist eine Vereinigung entsprungen, die auf den Naturforscher- Versammlungen zu Heidelberg (1890), zu Bremen (1891) und zu Halle (1892) feste Gestalt angenommen hat. Die bisherige Thätig- keit dieser ,. Deutschen Mathematiker-Vereinigung" be- gründet die sichere Hoffnung auf eine für die Wissenschaft und für den persönlichen Verkehr ihrer Jünger segensreiche Entwicke- lung. Gerade das verflossene Jahr hat den Beweis geliefert, dass die genannte Vereinigung thatkräftig und lebensfähig ist, und es dürfte daher nicht unangemessen erscheinen, auch weiteren Kreisen ein Bild von dem Wirken und den Erfolgen derselben zu geben. Wie die Deutsche Mathematiker-Vereinigung aus der mathe- matisch-astronomischen Abtheilung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte hervorgegangen ist, so hält sie auch ihre jährlichen Zusammenkünfte zugleich mit den Naturforscher- Versammlungen ab. Ihren Zweck: „in gemeinsamer Arbeit die Wissenschaft nach allen Richtungen zu fördern und auszubauen, ihre verschiedenen Theile und zerstreuten Organe in lebensvolle Verbindung und Wechselwirkung zu setzen", erreicht die D.M. -V. einmal durch die alljährlich stattfindenden Versammlungen und sodann durch die Herausgabe eines Jahresberichtes. In das Pro- gramm der auf den Versammlungen zu haltenden Vorträge und Mittheilungen werden nach Möglichkeit Referate über die Ent- wickelung einzelner Gebiete der Wissenschaft aufgenommen. Der Jahresbericht bringt, dementsprechend ausser den geschäftlichen Mittheilungen, Biographien gestorbener Mitglieder u. dgl. kurze Mittheilungen über die auf den Jahresversammlungen gehaltenen Specialvorträge und die grösseren wissenschaftlichen Referate. Es sei gestattet, auf die beiden ersten Bände dieses Jahresberichtes*) hinzuweisen, welche bisher vorliegen und wohl meist nur in Händen von Mitgliedern (diese erhalten sie zu Vorzugspreisen) sich befinden. Der erste Band (1890—91) enthält in der „Chronik" u. a. Nekrologe auf Benno Klein und Paul Günther, die ersten Mit- glieder, welche die D. M.-V. durch Dahinscheiden verloren hat. Der zweite Abschnitt umfasst die kurzen Referate über die Vor- träge, welche auf der Hallenser Versammlung gehalten worden sind; ihre Zahl beläuft sich auf 24. Den Hauptinhalt aber macht das Referat des Professor Franz Meyer aus: Bericht über den gegenwärtigen Stand der Invariantentheorie. Derselbe umfasst nahezu drei Viertel des ganzen Bandes. Inhaltlich ist dieses Referat als eino bedeutende Leistung anerkannt worden ; in der That ist die zur Bewältigung der ungemein umfangreichen und fast nicht mehr zu übersehenden Litteratur aufgewendete Mühe und Energie geradezu imponirend. Dieser Bericht beweist so recht, wie sehr es au der Zeit ist, die Entwickelung einzelner Gebiete der Mathematik zusammenfassend darzustellen. Im Jahre 1892 sollte die Zusammenkunft, der D. M.-V. (zugleich mit der Naturforscher-Versammlung) in Nürnberg abgehalten wer- den; es versprach diese Versammlung besonders interessant zu werden, da nicht nur zahlreiche Vorträge angemeldet waren, son- dern auch eine Ausstellung mathematischer und mathematisch- physikalischer Modolle, Apparate und Instrumente mit dieser Versammlung verbunden sein sollte. Die Vorbereitungen waren aufs beste getroffen, doch musste die Zusammenkunft wegen der Choleragefahr abgesagt werden. Demgcmäss ist der zweite Band des Jahresberichtes (1891 — 92) an Umfang geringer ausgefallen als der erste. Er enthält in der „Chronik" als besonders erwähnenswerth Nekrologe auf Kronecker und Schröter, im zweiten Theile sind einige Berichte über Vor- träge veröffentlicht worden, die für die Nürnberger Versammlung angemeldet worden waren. Den Beschluss des Bandes bildet ein Berieht des Dr. Fritz Kötter über die Entwickelung der Lehre vom Erddruck. Dieses etwa die Hälfte des Bandes füllende sehr sorgfältige Referat ist nicht nur für Techniker, sondern auch für Mathematiker von Interesse. Was das Jahr 1892 in Folge der ungünstigen Gesundheits- verhältnisse Deutschlands nicht zur Ausführung kommen Hess, das wurde im Jahre 1893 in noch schönerer Weise verwirklicht. Die Zusammenkunft fand in München (eine Woche vor der Natur- forscher-Versammlung zu Nürnberg) statt, und mit ihr war eine in hervorragendem Maasse lehrreiche und interessante mathe- matische Ausstellung verbunden, die in der Technischen Hoch- schule zu München untergebracht und während des ganzen Sep- tember zugänglich war. Bei einer Mitgliederzahl von etwa 250 ist es gewiss für das Interesse der Ausstellung und die Bedeutung der Versammlung zeugend, dass letztere von 105 Theilnehmern besucht war! Ein sehr sorgfältig gearbeiteter Katalog nebst Nach- trag ist seitens der Deutschen Mathematiker-Vereinigung verfasst und herausgegeben worden, der dauernden wissenschaftlichen Werth hat. Wir werden später vielleicht Gelegenheit nehmen, auf diese mathematische Ausstellung zurückzukommen, welche so recht ein Bild menschlichen Scharfsinnes bot! Schliesslich unterlassen wir es nicht, noch auf eine andore Schrift aufmerksam zu machen, welche durch die D. M.-V. heraus- gegeben und weiteren Kreisen zugänglich gemacht worden ist; wir meinen das „Verzeichniss der seit 1850 an den Deutsehen Universitäten erschienenen Doctor-Dissertationen und Habilitations- schriften aus der reinen und angewandten Mathematik". Wer selbst genöthigt gewesen ist, eine umfangreichere Litteratur durch- zusehen, wird wissen, dass gerade die Dissertationen und Habili- tationsschriften am wenigsten bekannt und zugänglich sind: dor Werth des vorliegenden Verzeichnisses ist deshalb durchaus nicht gering zu schätzen. So sehen wir die junge D. M.-V. bereits nach allen Seiten neue Anregungen verbreiten und grössere Unternehmungen ins Werk setzen. Möge sie, gestützt auf eine grosse Zahl von Mit- gliedern, weiter wirken zum Besten der Wissenschaft! DieAuspicien sind günstig. Litteratur. Hermann Piper, Zur Aetiologie der Idiotie. Mit einem Vorwort von Medicinalrath Dr. W. Sander. Fischer's medic. Buchhandl. (H. Kornfeld). Berlin 1893. Verf. ist Erziehungs-Inspector an der städt. Idiotenanstalt *) Die Jahresberichte erscheinen im Verlage von Georg Reimer zu Berlin. Kassenführer der Vereinigung ist Prof. Dr. W. Dyck in München, der Jahresbeitrag beträgt 2 Mk. zu Dalidorf bei Nr. 5. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 63 Berlin; er bringt in dem Buche ein grosses Material vor, das ihn zu folgenden Resultaten führt: Als ursächliche Umstände bei „angeborener" Idiotie lassen sich nachweisen: Krankheiten bei Eltern oder sonstigen Verwandten wie Schwindsucht, Geisteskrankheit, Krumpfe, Syphylis, Schwach- sinn. Herz-, Nieren-, Nervenkrankheit, Taubstummheit. Veran lassung zur Idiotie kann auch sein: gewohnheitsmässiges Trinken beim Vater, Sorgen, Fall, Schreck, Krankheit, Starrkrampf und Misshandlung der Mutter während der Schwangerschaft. 2 % unter 310 Fällen waren Frühgeburten, bei '/a % war die Mutter unterleibsleidend. Unter 10li Fällen „erworbener" Idiotie sind die Veranlassungen zu derselben meist überstandene Krankheiten; es wurden constatirt: Scharlach res]). Diphteritis oder Scharlach resp. Typhus (27%), Fall (20%), Masern (11%), Khachitis (9%), Ge- hirnentzündung (9 °/,.), schwere resp. lang andauernde Geburt ((5 %)> Schreck (5 %), Schlag (8 %) Gastrisches Fieber (3 %), Ueber- fahren werden (1 %) u. s. w. Mittheilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Bern aus dem Jahre 1892. No. 1279-1304. Redaction: Prof. Dr. J. H. Graf. Verlag von K. J. Wyst. Bern 1893. — Das XXXII u. 208 Gross-Octav-Seiten starke Heft enthält zunächst die Berichte über Gesellschaftsangelegenheiten und Referate über die in den Sitzungen gehaltenen Vorträge, in seinem weitaus grösseren Theile Abhandlungen, deren einige theilweise in den Versammlungen vor- getragen worden sind. Von den Vorträgen sei hier genannt der- jenige von Freudenreich, Ueber die Widerstandsfähigkeit der Bacterien gegen hohen Druck coinbinirt mit einer Erhöhung der Temperatur. Der Vortragende hat in Gemeinschaft mit Dr. Schaffer eine Anzahl von Experimenten ausgeführt, bei denen mit Mikro- organismen behaftete Milch in einer Sauerstoff- oder Kohlensäure- Atmosphäre bei einer Temperatur von 60 — 70° einem hohen Drucke ausgesetzt wurde. Die Erwartung, dass die Milch auf diese Weise würde sterilisirt werden können, hat sich nicht erfüllt; es zeigte sich vielmehr, „dass resistente Bacterien" — Milzbrand- und Milch- bacillus — „einem Kohlensäure-Druck von ca. 80 — 90 Atm. und einem solchen in Sauerstoff von ca. 60 Atm., vereint mit einer Erhöhung der Temperatur auf ca. 65°, leicht widerstehen." Die Milzbrandbacillen schienen nicht einmal geschwächt zu sein; denn damit geimpfte Meerschweinchen starben schon vor Ablauf von 48 Stunden. — Von Abhandlungen sind folgende enthalten: Anderegg: Generationswechsel bei Insecten. Biologisehe Studien. — Kaufmann, Die Ostracoden der Umgebung Berns. Aufzählung und Synonymik von 16 Schalenkrebsen, darunter einer neuen Art. — Baltzer, Glacialgeologisches von der Südseite der Alpen. Untersuchungen über die vom Verfasser im Herbst 1890 besuchten glacialen Aufschlüsse an mehreren Lokali- täten im Süden der Alpen (Pianico-Sellere, Stresa am Lago Mag- giore etc.). — Studer. Zwei grosse Hunderassen aus der Steinzeit der Pfahlbauten. Beschrieben werden zwei Formen, welche bisher in den westeuropäischen Pfahlbauten noch nicht gefunden wurden. Die eine (von Font am Neuenburger See) davon zeigt Aehnlichkeit mit dem Canis familiaris Inostranzewi Anutschin, die andere (von Bodman am Ueberlinger See) steht dem Canis matris optimae Jeitteles nahe, zeigt aber auch wieder davon abweichende Cha- raktere. 3 Tafeln. — Graf, der Astronom Joh. Jakob Huber (1733 — 1798) aus Basel. Diese biographische Skizze ist eine Fest- gabe der Berner Naturw. Ges. an die Baseler Naturf. Ges. ge- legentlich ihres 75 -jährigen Bestehens. 1 Tafel. — Fankhauser, die Kolonie von Alpenpflanzen auf dem Napf. Die weit in die schweizerische Hochebene vorgeschobene Insel des Napfes, dessen Höhe ca. 1000 m beträgt, zeigt eine Anzahl typischer Alpen- pflanzen, unter denen das sonst nur bis tiefst e.ns 1400 m hinab- steigende Hieracium aurantiacum das auffälligste ist. Verfasser glaubt, dass sich diese Fremdlinge zur Gletscherzeit hierher ge- flüchtet und nach deren Ende sich dort bleibend niedergelassen haben. — Rollier, Bericht über die paläontologischen Samm- lungen des Naturhistorischen Museums in Bern. II. Theil. Ueber- sicht der im Museum befindlichen thierischen Fossilien aus den Formationen der Kreide, des Tertiärs und des Diluviums. Der L, 1891 veröffentlichte Theil umfasste das Paläozoicutn und Meso- zoieum bis einschliesslich des Juras; der jetzt noch ausstehende III. Theil wird die fossilen Pflanzen enthalten. — Graf, Notizen zur Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften in der Schweiz. Zeitschrift für praktische Geologie mit besonderer Berück- sichtigung der Lagerstättenkunde. Bd. 1. Herausgegeben von Max Krahmann. Julius Springer. Berlin 1893. Original-Bei- träge in dem Bande sind: Fr. Beyschlag: Geologische Special- aufnahme von Preussen und den Thüringischen Staaten. Geologische Kartenaufnahmen von Oesterreich-Ungarn und einigen Nachbarländern. J. H. 1.. Vogt: Bildung von Erzlagerstätten durch Differentiationsprocesse in basischen Eruptivmagmata. I'. Wahnschaffe: Geologie und Ackerbau. A. Baltzer: Be rieht über einleitende Arbeiten am unteren Grindelwaldgletscher zur empirischen Bestimmung der Eiserosion. Th. Breidenbach: Das Goldvorkommen im nördlichen Spanien. P. Groth: Ueber neuere Untersuchungen ostalpiner Erzlagerstätton. 1>. Beck: Das Steinkohlenbecken des Plauenschen Grundes bei Dresden. R. Helmhacker: Die Mineralkohlen in Russisch-Asien. COch- senius: Ueber unterirdische Wasseransammlungen. — Bedeutung des orographischen Elementes „Barre" in Hinsicht auf Bildungen und Veränderungen von Lagerstätten und Gesteinen. - Die Bil- dung des Kalisalpeters aus Mutterlaugensalzen. — Ungarischer Kalisalpeter. A. Brun 1 echner: Das Grundwasser im Becken von Klagenfurt. E. Diekmann: Zur Entstehung des sog. Fichtel- sees. A. Goldberg: Ueber Entstehung der Mineralquellen, ins- besondere über die dabei stattfindenden chemischen Processe. A. Leppla: Ueber das Vorkommen natürlicher Quellen in den pfälzischen Nord-Vogesen (Hartgebirge). A. Denckmann: Hoher das Vorkommen von Mergel in den mesozoischen Schichten einiger Gegenden Nordwest- und Mittel-Deutschlands. W. M öric k e: Betrachtungen und Beobachtungen über die Entstehung von Gold- lagerstätten. J. H. Kloos: Die Tropfsteinhöhlen bei Kübeland im Harz und ihre Entstehung durch unterirdische Wasserwirkung. E. Geinitz: Die Grossherzogl. Meckenburgisehe Geologische Landesanstalt zu Rostock. L. Litschauer: Die Vertheilung der Erze in den Lagerstätten der metallischen Mineralien. — System der bergbau-geologischen Aufnahmen in Ungarn. F. M. Stapft': Taraspit. Ein neuer Ornamentstein. — Ein paar Worte über Bodentemperatur und artesische Strömung. - - Was kann das Studium der dynamischen Geologie im praktischen Leben nützen, besonders in der Berufs thätigkeit des Bauingenieurs'? A. Hof- mann: Einiges über die Aufstellung von Lagerstätteneammlungen. Chr. Tarnuzzer: Die Manganerze bei Roffna im Oberhalbstein (Graubünden). H. Credner: Die geologische Landesuntersuchung des Königreiches Sachsen. A Brunl echn er: Die Form der Eisenerzlagerstätten in Hüttenberg (Kärnten). J. Habe r feiner: Das Erzvorkommen von Cinque valle bei Roncegno in Südtirol. M. Lodin: Die Erzgänge von Pontgibaud. A. Sauer: Die neue ideologische Landesaufnahme des Grossherzogthums Baden. W. Ule: Heber die Beziehungen zwischen den Mansfelder Seeen und dem Mansfelder Bergbau. C. Blömeke: Erglagerstätten im Odenwald. A. Jentzsch: Ueber den artesischen Brunnen in Schneidemühl. K. Endriss: Die geognostische Specialkarte und die geognostische Uebersichtskarte des Königreichs Württemberg. G. Gürich: Die Kupfererzlagerstätte von Wernersdorf bei Rado- wenz in Böhmen. B. Lotti: Die geologischen Verhältnisse der Thermalquellen im toscanischen Erzgebirge. L. Rosenthal: Die metamorphosirende Einwirkung der Basalte auf die Braunkohlen lager bei Cassel. F. Klockmann: Beiträge zur Erzlagerstätten- kunde des Harzes. R. Lepsius: Die geologische Landesauf- nahme des Grossherzogthums Hessen. R. Zuber: Die wahr- scheinlichen Resultate einer Tiefbohrung in Lemberg (Galizien). Fric, Prof. Dr. Ant., 1. Studien im Gebiete der böhmischen Kreideformation. Prag. 6 M. Messtischblätter des Preussischen Staates. 828. Midlum. - 829. Westerwanna. — 918. Dornum. — 925. Dornm. — 926. Neuen- walde. — 1014. Westerholt, — 1022. Bramel. - 1 195. Loquard. — 1559. Schönfliess. — 1565. Wugarten. — 1567. Friedrichsdorf. — 1780. Birnbaum. — 1781. Zirke.— 1851.Prittisch.— 1852. Kahme.— 1853. Kwiltsch. — 2483. Quaritz. — 2571. Straelen. - 2714. Elmpt. Berlin. 1 M. Michalitschke, Assist. Ant., Ein Monochord mit spiralförmigem Stege zur Darstellung der pythagoräischen, der physikalischen und der gleichscbwebend temperirten Tonintervalle. Prag. _ 2 M. Molenbroek, Privatdoc. Dr. P., Anwendung der Quaternionen auf die Geometrie Leiden. 7 M. Münch, Arth., Heber ein exaetes Verfahren zur Ermittlung der Entzündungstemperatur brennbarer Gasgemische. Berlin. 1 M. Schmeil, Dr. Otto, 15, IL Deutschlands freilebende Süsswasser Copepoden. IL Tbl.: Harpaeticidae. Stuttgart. 25 M. Schroeter, Dr. J., 3. Filze. IL Hälfte. 2. Ll'g. Breslau. 3.20 M. Sievers, Prof. Dr. Wilh., Amerika. Leipzig. 15 M. Zimmermann, Privatdoc. Dr. A., Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pflanzenzelle. 2. Bd. I.Heft. Tübingen. 2 M. Inhalt: Dr. R. L. Schaefer: Hygienische Reiseeindrücke aus Hamburg. — Zur Naturgeschichte des Wassernetzes. (Schluss.) — Anthropopithecus erectus. — Ueber die Entstehung der Geschlechtszellen bei den Insecten. —Vorkommen von Spaltpilzen in Hühnereiern. — Eine Verbesserung des Verfahrens zur Gewinnung metallischen Lithiums. Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Hermann Piper: Zur Aetiologie der Idiotie. -- Mittheilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Bern. - Zeitschrift für praktische Geologie mit besonderer Berücksichtigung der Lagerstättenkunde, — Liste. 64 Naturwissenschaftliche Wochenschrift, Nr. 5. fr^h^X Zur Lieferung aller Arten preiswttrdiger Uhren, besonders in verschiedenen Tempe- raturen und Lagen re- gulivter Ankeruhren, empfiehlt sich bei Zusicherung strenger Reellität C. Baker, Uhrmacher in Nauen b. Berlin. Mitgl. d. Vereinig, v. Fr. d. Astronomie u. kosm. Physik. Goldene Herren- und Damenuhren unter Augalie dos lloldgowiclits der Gehäuse Unbekannte Besteller werden um gefl Angabe von Referenzen gebeten. In Fcrd. 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LSeilagennach Uebereinkunl't. lnserateiiannahiiie bei allen Anuonceubureaux, wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit v<»listäti
  • ll<'iii«ii«j:«äs<> gestattet. Aus der Insectenkunde. Nach H. J. Kolbe, Custos an der zool Sammlung des Königl. Museums für Naturkunde zu Berlin.*) Die Mundwerkzeuge. Die Mundtlieile (Fresswerkzeuge) der Insekten er- seheinen zwar in grosser Mannigfaltigkeit, können aber stets auf einen gemeinsamen Grundtypus zurückgeführt werden. Als Beispiel von elementaren Fresswerkzeugen, wie sie sieh namentlich bei Heuschrecken und Käfern finden, seien hier (Fig. 1) diejenigen der grünen Laubheu- scbrecke (Loeusta viridissima) im Hilde mitgetheilt. Um diese Fresswerkzeuge in natürlicher Lage zu zeigen, ist noch folgende Figur (2) von einer verwandten Laubheuschreekenart hinzugefügt. Die Deutung und der Zweck der Mundtlieile in der gegebenen Form und Ausbildung ergiebt sich unschwer. Die Nahrungsaufnahme wird bei Thieren von ge- strecktem Körperbaue passend mit Organen bewerkstelligt, welche sich am vordersten Körperende, befinden. Und nicht vermittelst einer einfachen Mundöffnung können ge- wöhnlich die Speisen aufgenommen werden; diese müssen vielmehr auch zerkleinert, beziehungsweise muss die Beute gefasst und zerrissen werden. Zur Besorgung dieser not- wendigen Arbeit erschienen gewöhnliche Segmentanhänge passend, welche der Mundöffnung zunächst lagen, die sich also hier zu Mundtheilen, an den Brustsegmenten zu Beinen ausbildeten. *) Das kürzlich im Ferd. Dümmler'schen Verlage in Berlin erschienene Buch Einführung in die Kenntniss der fnsecten" von II. .1. Kolbe bietet uns einen geeigneten Anlass, auf manche interessante Punkte in der Insectenwolt aufmerksam zu machen, und wir glauben dies am besten an der Hand «les Kolbe'schen Buches thun zu müssen, um zugleich auf dieses für alle Inseeten- freunde, Laien, Gelehrte und Sammler, empfehlenswefthe Werk die Aufmerksamkeit zu lenken. Um nun ein eii. Einblick in den Inhalt des Buches i nd in die Darlegung des Stoffes zu gewähren, sind im folgenden einige Auszüge aus dem Werke mitgetheilt, von Illustrationen aus dem- selben begleitet. Die Mundorgane sind in der einfachsten Form zu 3 oder 4 Paar vorhanden, von denen aber das dritte und vierte verwachsen sind. In manchen Gruppen sind die Mundtlieile zum Theil verkümmert oder einseitig zu einem Rüssel oder einem Stechorgan umgebildet. Je nach ihrer Bildung eignen sich die Anhangsgebilde des Kopfes zum Pressen, Trinken oder Saugen; sie sind so zueinander gestellt und zusammengedrängt, dass sie ihre Arbeit mög- lichst erfolgreich ausführen können. Eine natürliche Folge von der Concentrirung der die Mundtlieile bildenden Segmentanhänge ist die Verwachsung ihrer Segmente, und durch eine solche Verschmelzung zu einem Ganzen entstand der Kopf, an dem die ihn bildenden Segmente, welche als Ursegmente des Kopfes bezeichnet werden, nicht oder kaum mehr zu unterscheiden sind. Ein in das Gebiet der Physiologie gehöriger Abschnitt aus dem umfangreichen Capitel über die Mundwerkzeuge isl der folgende: Die Bedeutung der Taster. Wenn ein mit kauenden Mundwerkzeugen versehenes tnsect, etwa eine Ib Lischrecke oder ein Käfer, im Begriff steht, Nahrung zu sich zu nehmen, so treten die Taster in Thätigkeit, indem sie zitternd oder tastend, gleichsam eifrig prüfend, sieb bewegen, so dass es scheint, dass sie bei der Nahrungsaufnahme eine Rolle spielen'. Es wird auch die Meinung ausgesprochen, dass die Taster, den Fingern gleich, bestimmt seien, bei der Zuführung zum Munde behilflich zu sein. Indess wird ein Käfer nicht immer daran gehindert, Speise aufzunehmen, wenn ihm die Taster abgenommen worden sind. Plateau hat zahl- reiche Versuche in dieser Beziehung angestellt; er schnitt bald die Taster der Unterkiefer, bald diejenigen der Unter lippe, bald beide Tasterpaare ab, um aus der Wirkung des Defects in Beziehung auf die Nahrungsaufnahme sich 66 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 6 ein Urtheil zu bilden. Aber die Fortnahme der Taster blieb ohne Einfluss auf die Fähigkeit, die Nahrung zu erkennen und zu ergreifen. Weder der Verlust der Unter- kiefertastcr, noch der Unterlippentaster, noch beider Taster- paare zusammen hindert die Insecteu, in normaler Weise zu fressen. Auch der Geruchssinn, dessen Sitz in den Tastern gesucht wurde, wird durch die Fortnahme der- selben nicht beeinträchtigt; ohne Zweifel deshalb, weil er meist nicht hier, sondern in den Fühlern seinen Sitz hat. Wenn wir jedoch die Taster und deren grosse Mannig- faltigkeit betrachten, so drängt sich uns die Ueberzeugung den Insecten verdanken, gelangt nämlich zu der Ansicht, dass die Taster bei der selbstständigen Nahrungsaufnahme eine wichtige Aufgabe zu erfüllen haben. Zu solchem Schlüsse leitete diesen Beobachter schon die auffallende Thatsache, dass bei denjenigen Käfern und Hautflüglern, welche die selbstständige Ernährungsweise mehr oder weniger aufgegeben haben und von anderen Insecten ge- füttert werden, sich stets eine entsprechende Reduction der Taster bis zur gänzlichen Verkümmerung derselben zeigt, z. B. bei den echten Gästen der Ameisen und Ter- miten und bei den sclavenhaltenden Ameisen. Zu jenen Figur 1. Die Mundwerkzeuge der grünen Laubheuschrecke, Locusta viridüsima. Orig. I. Oberkiefer (mandibulae). a und ß, Gelenkvorrichtungen. U. Unterkiefer (maxillae). st, der Stamm des Unterkiefers; cd, die Angel; mi, innere Lade; me, äussere Lade; t, Taster; pm, Tasterträger. III. Iunenlijipe oder Zunge (endolabium). IV. Unterlippe (labium oder ectolabium). m, Kinn; g, Unterkinn; me, äussere Lade; mi, innere Lade; t, Taster; pm, Tasterträger. 3^567 8 9 10 11 12 13 et1 tb tb Figur 3. Larve des Eichenbockkäfers, Cerantbyx heros Scop. 1 bis 14, Zahl der Segmente; et, Kopf; p, die sehr kurzen Beine; tb, zur Fortbewegung dienende Rückenschwielen am 4. bis 11. Segment und Bauchschwielen am 5. bis II. Segment. Origin. I hl Figur 2. Kopf einer Heuschrecke (Locustide), von unten gesehen. Orig. — 1, Ober- lippe (labrum); k,, Oberkiefer (mandibula); k.. Unterkiefer (maxilla); k3m, die innere Lade der Unterkiefer; knm, die zweigliedrige äussere Lade; k2t, Taster der Unterkiefer (palpus maxillarum) ; k„s, stamm der Unterkiefer; k„ Unterlippe (labium); k,l, Laden der Unterlippe: k,t, Unterlippentaster (palpus labialis); k,s, der jederseitige Stamm der Unterlippe; g, Kehle; sohl, Schläfen (tempore). Bi B2 B3 i c ! P2 Pa Figur 4. Ein Laufkäfer, Calosoma. Orig. — A, Kopf; B,, Vorder- brust; B3, Mittelbrust; B:l. Hinterbrust; C, HiDterleib; a, ein ein- gezogenes verstecktes Segment desselben; a, Fühler; k,, Ober- kiefer; k3t, Kiefertaster; k,t, Lippentaster; p„ ein Vorderbein; p,, ein Mittelbein; p, ein Hinterbein; aa, Flügeldecken. auf, dass sie in irgend einer Weise dem Insect beim Ein- nehmen der Nahrung, wo sie ja auch in sichtbare Function treten, nützlich sind. Ein unnützes Organ wird rudimen- tär, und thatsächlich sind auch bei vielen Insecten die Taster sehr verkürzt oder verschwunden; aber bei hundert- tausenden verschiedener Insectenarten sind sie gut aus- gebildet. finden es daher bee-reiflich Untersuchungen Wir Richtung verlaufende ruugen dahin führen, den Tastern eine in dem beregten Sinne zuzusprechen Wasmann, dem wir bereits die Ziehungen zwischen Form und Function eines Ch- ili anderer Schlussfolge- wenn und gewisse Bedeutung Deutung vieler Be- ans bei gehören aus der Familie der Pselaphiden für die euro- päische Fauna Batrisus, Abatrisops, Centrotoma und Chen- nium. Diese haben ihren normalen Wohnort nur in Anieisen- nestern und besitzen ohne Ausnahme kürzere Kiefertaster, als ihre nicht oder nicht ausschliesslich bei Ameisen lebenden Verwandten, welche gut entwickelte viergliedrige Taster aufweisen. Auch die mit der ebengeiiannten Familie nahe ver- wandten Clavigeriden gehören, wie schon seit langer Zeit bekannt ist, zu den Ameisenfreunden. Sie sind echte Gäste der Ameisen, von denen sie gefüttert werden; und dementsprechend sind ihre Fresswerkzeuge, namentlich die Taster, so sehr verkümmert, dass letztere nur aus Nr. 6. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 67 Stamm der Unterkiefer einem einzigen, kaum über den vorragenden Gliedc bestehen. In Bezug auf die Reduction der Taster der sclaven- lialtendeu Ameisen führt Wasmann an, dass, während die nicht selavenhaltende Formica sanguinea und deren Ver- wandte lange, sechsgliedrige Kiefertaster und viergliedrige Lippentaster besitzen, die gewöhnlich auf die Fütterung durch Sclaven angewiesene Art Polyergus rufescens im Ver- hältniss dreimal kürzere Taster aufweist, von denen die Kiefertaster ausserdem auf vier, die Lippentaster auf zwei Glieder reducirt sind. Anergates atratulus, der vollständig abhängig ist von den ihn fütternden sogenannten Selaven- ameiseu, ist durch fast ganz verkümmerte Taster ausge- sie vorzugsweise zum Aufsuchen und zur Prüfung geeigneten Nahrung dienen. Hydrophilus piceus ge- dass der braucht seine Kiefertaster regelmässig als Finger, um den Bissen leichter in den Mund zu schieben. Staphylinus cacsareus berührt wenigstens mit den Kiefertastern jeden Bissen bei jeder neuen Bewegung der Kiefer. Manche Käfer vermögen nach Verlust sämmtlicher Taster keine Nahrung mehr zu sieh zu nehmen und müssen verhungern (Hydrophilus piceus), während andere noch die Nahrung auflinden, aber nur unbeholfen fressen, z. B. Dytiscus mar- ginalis und Cybister virens. Die Function der Taster wird jedenfalls durch die kegelförmigen, zum Tasten oder Riechen dienenden Pa- Figur 5. Seitlicher Längsschnitt durch ein Insect, um die Lage und Anordnung eines Theiles der inneren Orgaue zu zeigen. L>ie Flügel und Beine sind ver- kürzt dargestellt. Schemat. A, Kopf; a, Fühler; au, Auge; cl, Kopfscbild; 1, Oberlippe; k„ Ober- kiefer; kj, Unterkiefer; k„ Unterlippe; t, Taster. B„ Ba, B„, Vorder-, Mittel- und Hinter brüst; b„ b., b^, Vorder-, Mittel- und Hinterbein; f, Schenkel; h, Hüfte; tr, Schenkelring. C, Hinterleib; 1— lu, die zehn Segmente desselben. Der Nahrungskanal reicht von der Mundhöhle (ph) bis zum After (an) am Ende des letzten Hinterleibsringes. Die einzelnen Theile des Darmes sind von vorn an gezählt: oe, der Schlund; ig, dessen kropfartige Anschwel- lung; chl, der Magen; i, der Dünndarm; r, der Dickdarm. Die Malpighischen Gefässe (vm) münden vorn in den Dünndarm. Die Speicheldrüsen (gl) münden in die Mundhöhle. — Das langgestreckte Rücken gefäss (Herz) vd, das Centrum des Blut- cirkulationssystems, liegt in der Mittellinie unter der Rückenhaut und erstreckt sich von dem Hinterleibsende bis in den Vorderkörper. — Der Centralnervenstrang verläuft an der Bauchseite und besteht aus den knotenförmigen Anschwellungen g, den diese verbindenden Nervensträngen cm und den abgezweigten Nerven n; gs, oberer Schlundnervenknoten (Gehirn); gi, unterer Schlundnervenknoten; cms. Schlundcouimissur. Der Fortpflanzungsapparat liegt unterhalb und zu beiden Seiten des Darms. Von den beiden Eierstöcken (o) ist der rechte fortgelassen, ov, Ei- leiter; v, Scheide; bc, Begattungstasche; gl, Anhangsdrüse. — ap, Gabelförmige Chitinfortsätze (Apophysen), welche die Centralnervenkette stützen. zeichnet; die Kiefertaster sind zweigliedrig, die Lippen- taster eingliedrig. Diese Wechselbeziehungen führten den genannten Forscher zu der Annahme, dass die Selbst- ständigkeit der Nahrungsaufnahme in einer gesetzmässigen Beziehung zur Entwickelung der Taster steht. „Bei den Curculioniden und Tomiciden ist die Kleinheit der Taster — verkümmert kann man sie nicht nennen — dadurch bedingt, dass diese Käfer mit ihrem meist rüsselförmig verlängertem Kopfe in Pflanzcntheile sich einbohren ; längere Taster wären in diesem Falle unmöglich, weil sie verletzt würden." Auch die Larven der meisten Coleopteren, der Lepidopteren etc. besitzen sehr kurze Taster, welche wohl als unentwickelt zu betrachten sind. Was nun die functionelle Bedeutung der Taster an- belangt, so ermittelte Wasmann aus einigen Beobachtungen, pillen, die am Ende des letzten Tastergliedes sitzen, ver- mittelt. Graber fand, dass die Taster einiger Insecten auch auf Riechstoffe reagiren. Die Bewegungsorgane. In Fig. 3 ist die Larve eines Bockkäfers (Cerainbyx heros Scop.) dargestellt, um deren Bewegungsorgane zu zeigen. Wie sich zahlreiche Würmer vermittelst seitlicher Borsten oder borstentragender Stummeln vorwärtsbewegen, so vermögen auch die Larven vieler Insecten nur ver- mittelst kurzer fussartiger Stummeln oder schwielenförmiger Höcker, welche den einzelnen Segmenten aufsitzen, sich iortzube wegen. Das ist namentlich der Fall bei den holzbewohncnden 68 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 6 Larven der Bockkäfer, deren sehr verkümmerte Brustbeine für tue Fortbewegungsfähigkeit wenig zu bedeuten haben. Bei den Raupen der Schmetterlinge sitzen am Rande der stummelartigen Höcker Dörnchen, welche die Bewegung auf ebener Erde, an Wänden oder auf Blattern sehr be- günstigen; sie werden Selirinins.se genannt und finden sieh nur an den Segmenten des Hinterleibes, während sich an den drei auf den Kopf fol- genden Segmenten drei Paar kurzer Beine befinden, welche die Fortbewegung' des lang- gestreckten Raupenkörpers unmöglich allein ausfuhren können. Nichtsdestoweniger sind wohlausgebildete, nur an der vorderen Körperhälfte ange- brachte Bewegungsorgane viel tauglicher zur Fortbewegung, als kurze Füsse oder Stum- meln an den meisten Segmen- ten, also auch des Hinterlei- bes, in Folge dessen der hin- tere Körp6rtheil einfach mit- gezogen oder getragen wird. Solche wohlausgebildete Be- wegungsorgane sind die meist schlanken oder kräftigen Beine, die den Brustseg- menteu der entwickelten Iu- secten angefügt sind. Schein- füsse oder zur Fortbewegung dienende Schwielen, Borsten, Höcker oder andere Bildungen kommen bei den entwickelten Insecten nicht vor, ausser bei deu Borstenschwänzen und Springschwänzen, welche zu den niedrig organisirten un- echten Insecten (Apterygo- genea) gehören. Wirkliche, aus dem ge- dachten Grunde nur am Vor- derkörper befindliche Beine (Fig. 4) bewahren bei allen Insecten eine grosse Uebereiu Stimmung dadurch, dass sie stets an den gleichen Brust- ringeln und in der gleichen Zahl von drei Paaren vorhan- den sind. Abgesehen wird hier z. B. von nachträglicher der Schwerpunkt mehr nach vorn verlegt und die Be- wegung erleichtert wird. , innere Chitinhaut mit den in Form von Querstreifen auftretenden Verdickungen (sp). welche sich als einlacher Spiralfaden ausziehen lassen (spj; ep, äussere Zellen- schicht; c, Kerne derselben. siel den tnsectenlarven, welche nur an der Hinterleibsspitze oder nur hier und am Vorderkörper je ein Stigmenpaar besitzen, in welches die beiden Röhren münden (Dipteren, Dytisciden). Die Tracheen sind röhrenförmig um! von sehr verschiedener Stärke. Mii Luft gefüllt erscheinen sie wegen der vollkommenen I »urchsichtigkeii ihrer Wandungen silber- glänzend. An der iTrs|priiugsstelle bei den Stigmen sind die Tracheen braun, roth oder blau. Ihrer Zusammen- setzung nach bestehen sie aus einer äusseren Zellenschicbl (Peritouealhaut) (Fig. 7 ep) und der Intima oder inneren Chitinhaut (ip). Die merkwürdigste Beschaffenheii der letzteren besieht darin, dass sie im Lichten spiralförmig vorspringende und fortlaufende Verdickungen besitz! s|i . derart, dass sieh die Chitinhaut in Form eines Spiral- fadens ausziehen lässt (sp,). Der Spiralfaden i-t an den Tracheen in der Form von Querstreifen zu erkennen. Die Tracheen sind elastisch; Druck und Biegung üben daher keinen nachtheiligen Einfluss auf sie aus. Die Elasticitäl ist bedingt durch die spiralige Verdickung der Intima. Die letzten Ausläufer der Traeheenendzweige (Tracheencapillaren genannt) haben keinen Spiralfaden, die Intima ist einfach. Die Tracheen sind im frischen Zustande mit Luft gelullt, die letzten, des Spiralfadens ermangelnden Ausläufer aber, wie v. Wistinghausen mittheilt, mit einer Flüssigkeit. Bei einigen Inseeten erscheinen die Tracheen roth oder violett, nämlich bei Heuschrecken, oder röthlich braun, nämlich bei den Larven von Aescbna. Dies rührt daher, dass die äussere Zellenschicht ein feinkörniges Pigment enthält, welches diese Farbe besitzt. Die grösseren Tracheenstämme von Lampyris sind durch frei in das Lumen hineinragende Chitinborsten ausgezeich- net (Gerstaecker), und Leydig fand an deren Stelle bei Procrustes Chitinvor- sprünge. Bei manchen Inseeten verbinden die beiderseitigen Aeste der Längsstämme netz- niiteinander, Anastomosen bildend. Das ist z. B. in der Mittellinie des Kopfes von Carabus- Arten der Fall. Diese Anastomosen sind aber nicht zu verwechseln mit den letzten Ausläufern zweier Tracheenzweige, welche durch Anastomose das Trachcencapillarendnetz bilden; sie bedingen ohne Zweifel eine innigere Communication der Luftwege. (Schluss folgt förmig Ueber die künstliche Darstellung des Diamanten. ii. Seit Moissan's Aufsehen erregender Experimental- untersuchung über die Bildung von Diamanten beim schnellen Abkühlen eines auf seine Schmelztemperatur erhitzten mit Kohlenstoff gefüllten Cylinders aus Guss- eisen *), haben auch andere französische Forscher sieh mit der dem Chemiker und Physiker, wie dem Mineralogen in gleicher Weise interessanten Frage der Entstehungs- bedingungen des krystallisirten Kohlenstoffs beschäftigt. Es war ja zu erwarten, dass geschickte Experimentatoren *) „Naturw. Wochenschr." 1 81)3, No. 25. sich die Verwerthung der vielfachen Anregungen, welche in den Resultaten der Arbeit von Moissan gegeben waren, nicht entgehen lassen würden, wenngleich experimentelle Geschicklichkeit und Begeisterung für die Sache bei der- artig kostspieligen Untersuchungen allein noch keinen Er- folg verbürgen! Nur der Bevorzugte, dem ein gütiges Geschick der Galten Fidle in den Sei ss streute. - und es soll ja insbesondere in Deutschland nicht allzuviel Forscher geben, die dieses angenehme Bewusstsein haben wird sich au sie heranwagen können; sind doch die in der glücklichen kaue, über die Mittel eines reich ausgestatteten Staatsinstitutes zu verfügen. Wenigsten 70 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 6 Unter den Arbeiten, welche anknüpfend an die Unter- suchung- von Moissan, in der letzten Zeit die Frage nach den Entstehuugsbedingungen des Diamanten behandelt haben, ist in erster Linie eine in den Comptes rendus de l'Academie des Sciences veröffentlichte Abhandlung von Rousseau zu nennen, deren Ergebnisse interessant genug sind, um eine kurze Besprechung gerechtfertigt erscheinen zu lassen. — Es ist längst bekannt, dass der Diamant unter der Einwirkung des elektrischen Flammenbogens in Graphit übergeht. Jacquelin hat schon im Jahre 1847 diesen Versuch in sehr instruetiver Weise ausgeführt und die genaue Verfolgung desselben einem beliebig grossen Kreise von Zuschauern ermöglicht. Die Elektroden bestanden aus zwei Kohlencylindern, von denen der eine in einer flachen Höhlung den Diamanten trug, dessen Bild wahrend der Dauer des Experimentes vielfach vergrössert auf eine weisse Fläche projicirt wurde. Durch allmähliche Näherung der Electroden wurde der Diamant laugsam auf die er- forderliche Temperatur erhitzt, bis er plötzlich unter Auf- blähung mit lebhaftem Schein erglühte und sich mit glänzend -schwarzen, hexagonalen Graphitblättchen be- deckte. Dieser Versuch lässt sich, wie Moissan neuer- dings gezeigt hat, in noch einfacherer Weise anstellen, indem mau den Diamanten in einem kleinen Kohletiegel der Wirkung des Funkens aussetzt, und zwar genügt zu seiner Umwandlung in Graphit ein verhältnissmässig schwacher Strom von 30 Volt und 40 Amp. Bei der Temperatur des elektrischen Flammenbogens, deren genaue Feststellung zwar nicht möglich ist, die aber etwa bei 3000° liegt, vermag also der Diamant nicht zu bestehen, sondern geht auffallender Weise, ohne zu schmelzen, direct in die minder dichte Mo- dification über. Hiermit steht vollkommen im Ein- klang die Thatsache, dass überhaupt alle Arten von Kohle sich durch die Wirkung des Funkens in Graphit verwandelu, uud dass auch die Zersetzung der Kohlenwasserstoffe unter diesen Bedingungen Graphit liefert. Ein anderes Verhalten zeigen dagegen die kohlen- stoffhaltigen Verbindungen bei der weit niedrigeren Temperatur der hellen Rothgluth, bei welcher die Zer- setzung in allen Fällen unter Ausscheidung von Kohlen- stoff in der amorphen Form vor sich geht. Andererseits weiss man aber längst, dass zwischen der Temperatur der Rothgluth uud der höchsten durch den elektrischen Flammenbogen erreichbaren Temperatur eine Zone existirt, in der, wie z. B. bei der Schmelztemperatur des Eisens, wiederum vorzugsweise Graphit gebildet wird, eine That- sache, welche im Zusammenhange mit der besprochenen Umwandlung des Diamanten in Graphit bei 3000° die An- nahme a priori nicht unwahrscheinlich machte, dass der Graphit bei einer Temperatur von etwa 2000° in Diamant übergeht, so dass man es mit einem kreislaufförmigen Process: Graphit-Diamant-Graphit zu thun hätte, welcher sich in bestimmten Temperaturzonen abspielt. — Ein solcher Kreislaufprocess, eine derartige „cyclische Condensation", um mit Rousseau zu reden, ist in der That nicht ohne Analogie. Aehnliche Umbildungen hat Berthelot bei gewissen Kohlenwasserstoffen zwischen der Temperatur der Rothgluth und 3000° beobachtet, und auch Rousseau selbst hat interessantes Material zur Kenntniss dieser eigentümlichen Erscheinung beigebracht. Erhitzt man z. B. die mangansauren Salze des Baryums oder Strontiums von der allgemeinen Form Rü. Mn03, so entsteht bei 800° unter Verlust von Sauerstoff das Manganit (Salz des Mangansuperoxyds oder manganigsaures Salz) RO • Mnü.„ welches zwischen 1000 und 1200° in RO • 2Mn02 übergeht um sieh bei annähernder Weissgluth aus dieser Verbindung wieder zurtiekzubilden.*) Eine Beleuchtung derartiger Vorgänge vom thermochemischen Standpunkte würde ohne Zweifel für die Beurtheilung derselben fruchtbare Gesichts- punkte liefern, möchte aber an dieser Stelle zu weit führen. — Rousseau hat nun die Existenz eines Kreislaufes Graphit-Diamant-Graphit innerhalb der Temperaturzone von 2000 bis 3000° durch seine Versuche äusserst wahr- scheinlich gemacht. Als Quelle für den Kohlenstoff diente ihm das reaetionsfähige Acetylen, ein ungesättigter, gas- förmiger Kohlenwasserstoff der Zusammensetzung CJL, welcher innerhalb eines nach Art einer Gussform ausge- höhlten Kalkblockes aus Kohlenstoffcalcium durch Ein- tropfen von Wasser continuirlich entwickelt und gleich- zeitig durch einen Flammenbogen einer Dynamomaschine von 80 Volt und 25 Amp. zersetzt wurde. Die Wirkung des Funkens konnte vermittelst eines dirigirenden Magneten auf verschiedene Stellen des Ofens concentrirt werden. Die Temperatur im Innern des Blockes sehwankte zwischen 2000 und 3000°. Nach Beendigung des Versuches hatte sich an den weniger stark erhitzten Partieen des Ofens Graphit in beträchtlicher Menge abgesetzt; daneben fanden sich Körner von schwarzem Diamant, auf deren Oberfläche glänzende, durchsichtige Krystalle, allerdings von sehr kleinen Dimensionen, beobachtet wurden, sowie krystalli- sirter Kohlenstoff von etwas geringerer Dichte, welcher sich vollkommen identisch mit der gewöhnlich „Carbo- nado" genannten, dunkelen Varietät des Diamanten erwies. Die Gesammtausbeute an Diamant betrug bei dieser Ope- ration 20 mgr. Mannigfache Versuche, grössere Mengen da- von darzustellen, scheiterten stets an der Unmöglichkeit, er- heblichere Quantitäten des Kohlenstoff liefernden Gases zur Zersetzung zu bringen. Es erscheint das im Hinblick auf den Umstand auch sehr verständlich, dass das Acetylen zwar durch den electrischen Funken zersetzt wird, sich aber andererseits auch durch Einwirkung des letzteren auf seine Elemente Kohlenstoff und Wasserstoff zu bilden vermag. Man hat es also hier, wie in vielen anderen Fällen, mit einer umkehrbaren Reaction zu thun, deren Grenze durch den Gleichgewichtszustand bestimmt wird, welcher sich zwischen den beiden ent- gegengesetzten Processen einstellt. Ein nicht besseres Resultat wurde erzielt, als man Acetylen in dem von Du- eretet construirten electrischen Ofen durch einen continuir- lichen Strom von feuchtem Leuchtgas zersetzte oder als man den Flammenbogen direct auf mit Benzindämpfen gesättigtes Leuchtgas, einwirken Hess. Stets konnte nur ein sehr geringer Theil des kohlenstoffhaltigen Materiales unter Abschcidung von Diamant zersetzt werden. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die technischen Schwierig- keiten, welche bis jetzt eine einigermaassen ergiebige Darstellung des kostbaren Edelsteines verhindert haben, durch eine, vielleicht geringfügige, Aenderung der Ver- suchsanstellung gehoben werden können. Mögen nun auch die geschilderten Experimente an überzeugender Klarheit und Beweiskraft noch zu wünschen übrig lassen, mag man der Auffassung von Rousseau viel- leicht noch nicht ganz beipflichten, dass seine Versuche die Existenz eines Ringprocesses Graphit-Diamant-Graphit mit aller Sicherheit erkennen lassen, — denn man könnte sich ja auch denken, dass der Graphit, welcher an den weniger stark erhitzten Theileu des Ofens vorgefunden *) Es lässt sich zwar nicht verhehlen, dass zwischen der Auf- nahme und Wiederabgabe eines Atomcomplexes, wie in dem obigen Falle, und der Umwandlung der einen Modification eines Elementes in eine andere, welche sich ohne Aufnahme resp. Abgabe von Materie vollzieht, eine strenge Analogie nicht besteht; man kann aber gerade bei derartigen Erscheinungen zwischen chemischen und physikalischen Vorgängen schwerlich eine exaete Grenze ziehen. Nr. 6. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 71 wurde, sich dort durch Sublimation aus vergastem Dia- mantkohlenstoff gebildet habe — so darf doch eine That sache als erwiesen betrachtet werden, welche an sich schon interessant und wichtig- genug ist: Der Diamant ver- mag sich bei Atmosphärendruck zu bilden! Die einzig nothwendige Bedingung für seine Entstehung ist die, dass der Kohlenstoff einer Temperatur ausgesetzt wird, welche der Beständigkeitszone der Diamantmodi- fication entspricht, und diese liegt zwischen 2000 und 3000°. Eine Frage bleibt allerdings trotzdem noch offen und es ist auffällig, dass Rousseau dieselbe in seiner Abhandlung mit keinem Worte berührt. Spielt nicht vielleicht bei der Diamantbildung unter den oben besprochenen Versuchs- bedingungen das unzersetzte Acetylen, welches während der ganzen Dauer des Experimentes in grossem l'eber- schusse zugegen ist, eine entscheidende Rolle? Es ist das keine unberechtigte Frage seitdem man aus den interes santen Arbeiten von Osmond und von Roberts Austin weiss, in wie erheblicher Weise die Gegenwart seihst sehr geringer Mengen fremder Materie die Umbildungen der Elemente in ihre verschiedenen Modifikationen beeinflusst. Dieser Gesichtspunkt verdient um so grössere Beachtung, als der so nahe liegende Versuch, den Kohlenstoff mittelst des elektrischen Stromes bei gewöhnlichem Druck in Diamant überzuführen, schon früher wiederholt, aber stets ohne EriV angestellt worden ist. Dr. Rieh. Jos. Meyer. Schmarotzer in der Bauchspeicheldrüse. — In der Bauchspeicheldrüse sind bisher sehr selten Schmarotzer gefunden worden. Man kennt Echinococcen vom Menschen und einigen Wiederkäuern, Cysticercus cellulosae vom Menschen und Hunde, Sclerostoma equinum vom Pferd und den Spulwurm vom Menschen. Railliet und Morot (Ascaride dans le pancreas d'un porc. C. rend. hebd. Soc. de Biol. Paris, T. 5. 1893, S. 407) machen uns nun mit einem Fall bekannt, in dem sich Ascaris suilla Duj. im Pankreas eines an Apoplexie verstorbenen Schweines vor- fand. Der Wurm war offenbar durch den Wirsung'schen Canal eingedrungen. C. M. Zur Physiologie des Pollens hat Prof. H. Molisch (Zur Physiologie des Pollens, mit besonderer Rücksicht auf die chemotropiselien Bewegungen der Pollenschläuche. Sitzungs-Berichte der kais. Akademie der Wissenschaften, mathem.-naturw. Classe. 102. Bd., Heft 6 u. 7 Wien 1893) kürzlich neue Untersuchungen veröffentlicht, deren wesent- lichste Ergebnisse wir nachstehend mittheilen: Bereits viele Forscher haben die Frage, wieso es kommt, dass die auf der Narbe des Griffels auskeimenden Pollenkörner ihre Schläuche gewöhnlich in den Griffel hineintreiben, dann den Griffel oft in langer Bahn durch- dringend gerade auf die Mikropyle stossen und schliess- lich zur Eizelle gelangen, aufgeworfen, manche auch ex- perimentell geprüft, ohne dass es gelungen wäre, eine durch äussere Reize veranlasste Richtungsbewegung mit Sicherheit nachzuweisen. Dass sowohl für den Ort der Pollenschlauchanlage, als auch für dessen Richtung nicht blos die Schwerkraft, sondern auch Licht und Contact, soweit die Erfahrungen reichen, ohne Einfluss sind, hat bereits Kny (Sitzungs- Ber. des bot. Vereins d. Provinz Brandenburg, XXIII. Sitzung vom 12. Juli 1881) gezeigt. Den Untersuchungen von W. Pfeffer (Locomotorische Richtungsbewegungen durch chemische Reize. Unter- suchungen aus dem botan. Institut zu Tübingen, I. Bd., 3. Heft, S. 363. Ueber chemotaktische Bewegungen von Bacterien, Flagellaten und Volvocineen. Ebenda II. Bd., 3. Heft, S. 582) verdanken wir die Kenntniss der That- sache, dass gewisse bewegungsfähige Organismen, wie z. B. die Samenfäden von Farnkräutern, von Selaginella, ferner Bacterien, gewisse farblose Flagellaten und einige chlorophyllführende Volvocineen durch verschiedene Stoffe in specitiseher Weise angelockt werden. Mit Rücksicht darauf war es nicht unwahrscheinlich, dass gewisse äussere Reize auf Pollenschläuche doch richtend einwirken dürften. In der That hat auch nicht lange nachher E. Strasburger (Ueber fremdartige Bestäubung. Pringsheim's Jahrbuch, t. wissenscbaftl. Botanik. XVII. Bd., 1886, S. 92) für die Wachsthumsrichtung der Polleuschläuche chemische Reize und Berührungsreize als maassgebend hingestellt. Diese Annahme hat jedoch Pfeffer (Pringsheim's Jahrbuch II. Bd., '.'>. Heft, S. 656) selbst als unberechtigt zurückgewiesen, da die von ihm durchgeführten Versuche ein negatives Resultat lieferten und auch für Contact- wirkungen, sowie für chemische Reizwirkungen keinerlei Anhaltspunkte gewonnen wurden. Wenn es auch nicht gelungen wrar, eine bestimmte Ursache für die Wachsthumsrichtung der Pollenschläuche ausfindig zu machen, so war es doch in hohem Grade wahrscheinlich, dass solche Ursachen wirklich existiren. Von dieser Erwägung ausgehend hatte sich Molisch schon vor einigen Jahren mit der berührten Frage zu be- schäftigen begonnen und bereits kurz mitgetheilt (Ueber die Ursachen der Wachsthumsrichtungen bei Pollenschläuchen. Sitzungs-Anzeiger der kais. Akad. d. Wissenschaften, Wien, 17. Jänner 1889), dass der Sauerstoff und die Aus- scheidungen der Narbe bestimmend auf die Wachsthumsrichtung der Pollenschläuche ein- wirken. In der kürzlich erschienenen Mittheilung fasst M. die Resultate seiner Untersuchungen wie folgt zusammen : 1. Die Pollenschläuche zahlreicher Gewächse sind dem Sauerstoff und den Ausscheidungen des Gynäceums, namentlich denen der Narbe gegenüber, chemotrop: sie fliehen die atmosphärische Luft, sind also negativ aerotrop und wachsen in auffälliger Weise auf die Narbe und an- dere Theile des Gynäceums zu. 2. Pollenschläuche, welche negativ aerotrop sind, reagiren gewöhnlich auch in der angedeuteten Weise auf die Narbe. 3. Der Chemotropismus der Pollenschläuche ist keine allgemeine Erscheinung. Es gieht Pollenschläuche, welche weder die Luft fliehen, noch von der Narbe angelockt werden (Orobus vernus etc.). 4. Dem Chemotropismus muss bei der Wanderung des Pollenschlauches zur Eizelle, resp. bei der Auffindung derselben in vielen Fällen eine wichtige Rolle zufallen. 5. Die Arbeit enthält eine Reihe von Versuchen über die Keimung und die Keimfähigkeitsdauer von Pollen- körnern. Es ergab sich unter Anderein hierbei, dass manche Pollenarten noch in sehr bochprocentigen (40 bis 50°/0) Zuckerlösungen zu keimen und Schläuche zu bilden vermögen, in dieser Hinsicht also mit gewissen Pilzen erfolgreich wetteifern können. Es zeigte sich ferner, dass die Dauer der Keimfähigkeit für verschiedene Pflanzen eine recht verschiedene sein kann, zwischen 12 und 72 Tagen schwankt und den letzteren Werth nur höchst selten überschreiten dürfte. 6. Die Pollenkörner enthalten, entgegen deu bisherigen Angaben in der Litteratur, häufig Stärkekörnchen. 72 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 6 7. Die Pollenhäute der meisten Compositen und einiger anderer Pflanzen färben sich in concentrirter Schwefel- säure aus unbekannten Gründen augenblicklich roth-violett. Abgesehen von den oben erörterten Verhältnissen müssen bei der Auffindung der Samenanlage und ihrer Mikropyle die wellen- oder schraubenartig verlaufenden Nidationen von Bedeutung sein, welche die Pollenschläuche zahlreicher Pflanzen vollführen. Durch solche Bewegungen — man möchte sie fast tastende nennen — werden die Schläuche namentlich in der Fruehtknotenhöhle vor allzu langen Irrfahrten bewahrt und die Wahrscheinlichkeit er- höht, mit der Samenknospe in Berührung zu kommen, ähnlich wie einer windenden Pflanze durch die revolutive Nutation der Stammspitze die Erreichung einer Stütze erleichtert wird. Ueberdies findet sich innerhalb des Gritfels entweder ein häufig mit schleimabsondernden Zellen austapezirter Canal oder in Ermangelung eines solchen eine tela con- duetrix (lieber diese anatomischen Einrichtungen vergl. W. J. Bebrens: Untersuchungen über den anatomischen Bau des Griffels und der Narbe etc. Göttingen 1875) ein ..Leitgewebe", dem in der Wegweisung des Pollen- schlauches eine Rolle zukommen dürfte. Hobt. M. Ursprung der Centrosomen. — Bei dem eigentüm- lichen, als Karyokinese bezeichneten Zelltheilungsvorgang ist dieser z. B. nach E. Strasburger' s Darstellung der folgende. Der Kern der Mutlerzelle verliert zunächst seine schaffe Umgrenzung gegen das Cytoplasma und nimmt eine Fadenstructur an. Der Faden (Kernfaden) zerfällt in Stücke, Chromosomen, die sieh in einer den Mittelpunkt des Kernes schneidenden Ebene des Kernes zu einer Platte, der Kernplatte, sammeln. Von der Kernplatte aus ver- laufen nach den Polen des Kernes feine Verbindungs- fäden. Die Chromosomen theilen sich sodann der Länge nach, und je eine Hälfte der Theilstüeke wandert längs der Verbindungsfäden nach dem einen, die anderen Hälften nach dem anderen Pol, wo sieh besonders geformte Theile des Cytoplasmas bemerkbar machen, welche sehr kleine, kugelige Gebilde darstellen, in deren Mitte sieh ein punkt- förmiges „Centrosom" befindet. Sie sind gewöhnlich in Zweizabl neben dem Zellkern vertreten, wandern an dessen künftige Pole, wenn er in Theiluug eintritt, und ver- doppeln sieh während der Ausbildung der Tochterkerne. An den Polen lagern sich die Kernfäden in Richtung der Meridiane, und es findet eine deutliche Abgrenzung je eines Tochterkernes gegen das Cytoplasma statt. Die Vcrbindungsfäden verschwinden, falls nur eine mehrkernige Zelle erzeugt wurde, während bei einer Zelltheilung jeder Vcrbindungsfäden in seiner Mitte kugelförmig anschwillt, so dass im Aequator der Kerntonne (wie man das ganze Gebilde, die beiden Tochterkerne als Pole incl. Verbin- dungsfäden nennt) eine Platte aus Kügelcheu entsteht: die Zellplatte, die dann durch Verschmelzung der Kügel- chen die neue Zellwand bildet. G. Karsten hat nun an Psilotum triquetrum (Ber. d. D. bot. Ges. XI, S. 555) nachgewiesen, dass die Cen- trosomen nicht, wie oben dargestellt, dem Cytoplasma, also dem Plasma angehören, welches die Kerne (Nuclei) um- giebt, vielmehr gehen dieselben durch Theilungen der aus dem Kern auswandernden Kernkörperehen (Nucleolen) her- vor, und die so entstandenen Centrosomen werden dann in die jungen Tochterkerne eingeschlossen. P. Ueber Veilchenaroma. -- Ferd. Tiemann und Paul Krüger (Bericht der Deutsch. - Chem. - Ges.) ist es ge- lungen, diesen hochgeschätzten Riechstoff zu isoliren, seinen chemischen Charakter bis ins Einzelne festzustellen und durch synthetische Versuche wenigstens zu einem isomeren, in seinen Eigenschaften sehr ähnlichen Körper zu gelangen. Diese Resultate wurden nur dadurch möglich, dass die Genannten sich mit zwei hervorragenden Fabriken der Parfumbranche, Haarmann & Reimer in Holzminden und de Laire & Co. in Paris, in Verbindung setzten und hier- durch in den Stand gesetzt waren, die erforderlichen grossen Mengen des Ausgangsmaterials verarbeiten zu lassen. Als solches diente die Iriswurzel, in welcher, ebenso wie in den Blüthen, der Riechstoffsich in mini- maler Menge findet. Kr wurde daraus durch Ausziehen mittelst Aether und Destillation des ätherischen Extracts mit Wasserdampf gemeinsam mit Myristinsäure, deren Methylester, Oelsäure, einem Ester derselben, Oelsäure- aldehyd und einigen nicht näher untersuchten Substanzen gewonnen. Die Ester werden durch Behandeln mit alko- holischer Kalilauge verseift, das riechende Oel, dem der Name fron beigelegt wurde, durch Erschöpfen der al- koholischen Lösung mit Aether davon getrennt und in den leichtest flüchtigen Dampfdestillationsprodueten dieses Aetherextractes gewonnen. Nachdem sich seine Ketonnatur herausgestellt hatte, war der Weg zur weiteren Reinigung gewiesen. Nach Behandlung mit schwachen Oxydations- mitteln, um vorhandene Spuren von Aldehyden zu be- seitigen, wird es durch Condensation mit Phenylhydrazin und Zerlegung des entstandenen Phenylhydrazons mittelst Schwefelsäure gereinigt. — Das reine Iron destillirt unter IG mm Druck bei 144° über. Es hat bei 20° das spec. Gew. 0.939 und den Brechungsindex n„ = 1.50113. Die Ebene des polarisirten Lichtstrahles dreht es nach rechts und zwar in der 1 dm langen Schicht um ca. 40°. Es ist leicht löslich in Alkohol, Aether, Chloroform, Benzol und Ligroin, kaum in Wasser. Der Geruch ist scharf und scheint im concentrirten Zustand von dem der Veilchen durchaus verschieden; doch tritt letzterer in deutlichster Weise hervor, wenn man Iron in sehr viel Alkohol löst und das Lösungsmittel an der Luft verdunsten lässt. Die Zusammensetzung entspricht der Formel C13H2üO; es ist, wie erwähnt, ein Keton, und zwar ein Methylketon, wie sich durch Abspaltung des Methyls durch Natrium- hypochlorit erweisen Hess; die Formel kann also C13H17 • CO • CH3 geschrieben werden. Durch Behandlung mit Jod wasserstoffsäure und amorphem Phosphor spaltet es ein Molekül Wasser ab und geht in einen Kohlenwasserstoff, Iren C13H18, über. Durch Behandeln desselben erst mit seh wachen, dann mit starken Oxydationsmitteln, erhält man neben einer Anzahl von Zwischenproducten schliesslich eine als Ioniregentri- carbonsäure bezeichnete Säure von der Formel C^H^Og, deren Ammoniaksalz durch trockene Destillation im Kohlensäurestrom in eine Imidsäure CjoHnNO., verwandelt wird. Das Silbersalz dieser Imidsäure endlich geht bei trockener Destillation im Kohlensäurestrom unter Abspal- tung von Kohlensäure in das von S. Gabriel zuerst dar- gestellte Dimethylhomoplitalsäureimid, C6H4^ C(CH3)3.CO\ -00- XII, über. Aus der Natur dieser Abbauproducte und dem Ver- gleich mit dem durch Synthese aus Citral uud Aceton be- reiteten isomeren Ionon und dessen auf ähnliche Weise erhaltenen Abbau- und Oxydationsproducten, unter denen gleichfalls die Ioniregentriearbonsäure auftritt, ergiebt sich für das Iron mit Wahrscheinlichkeit die Constitutions- formel Nr. 6. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 73 H,G CH, C HCT HC1' CH • CH : CH • CO • CH3 /CH • CH3 CH2 während das Ionon sich nur durch die Stellung der Aethylenbindung davon unterscheidet, da ihm die Con- stitution H,C CH, C H2C HC CH-CH:CH-CO-CH3 CH • CH3 CH zukommen nmss. Es ist bemerkenswerth, dass der Geruch beider Substanzen nahezu gleich, der des Ionons lediglich etwas milder erscheint. Die Untersuchung soll, da einige Punkte noch sicherere Aufklärung erwünscht erscheinen lassen, fortgeführt werden. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Der Privatdocent für Geologie an der Universität Strassburg Dr. Gottlob Linck zum ausserordent- lichen Professor. — Der ausserordentliche Professor Dr. Stoelzle zum Ordinarius für Philosophie an der Universität Würzburg. - Dr. Heitmüller zum Lehrer der Zahnheilkunde an der Univer- sität Göttingen. — Dr. Geo. T. Stone zum Assistant Professor of Botany am Massachusetts Agricultural College zu Amkerst. — Der Privatdocent an der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin Dr. Hagemann zum Leiter des physiologischen Labo- ratoriums und Lehrer für Thierphysiologie an der Landwirt- schaftlichen Akademie in Poppeisdorf. — Professor Luigi Lu- ciani zum Professor der Physiologie (Nachfolger Moleschott's) an der Universität Rom. Der Professor der Geologie an der Universität Leipzig Hof- rath Dr. Hermann Credner hat einen Ruf an der Technischen Hochschule in Dresden als Ordinarius und Nachfolger von Pro- fessor Hans Bruno Geinitz erhalten, welcher am 1. April seine Lehrthätig einstellt. Es haben sich habilitirt: Dr. Bischler für Chemie an der Universität Berlin. — Dr. Dreser, Assistent am pharmakologischen Institut der Universität Bonn. Es sind gestorben: Der ordentliche Professor für specielle Pathologie und Therapie, sowie für Geschichte der Medicin an der Universität Berlin, Geheimer Medicinalrath Dr. August Hirsch. — Dr. Gustav Scheut hau er, Professor der Ana- tomie an der Universität Budapest. — Dr. Emil Weyr. Pro- fessor der Mathematik an der Universität Wien. -- Der Natur- forscher und Reisende Geheimrath Dr. Alexander Theodor von Middendorf, russischer Akademiker, auf seiner Besitzung Hellersorm in Livland. — Der frühere Professor der Mathematik an der Universität Göttingen Dr. Moritz Abraham Stern in Zürich. — Der Entomologe Hermann Gleissner, Rector der 63. Gemeindeschule in Berlin. Herr Professor Hermann Schaeffer in Jena feiert am 6. August d. J. seinen siebzigsten Geburtstag. Es werden hierdurch alle alten Schüler und Verehrer desselben aufgefordert, ihre Photo- graphie mit Widmung und Angabe der Studienzeit, unter Hinzu- fügung von 20 Pfg. in Briefmarken, zur Bestreitung der Unkosten, namentlich zum Ankauf eines Albums an Unterzeichneten baldigst einzusenden. Um möglichste Verbreitung dieser Aufforderung wird gebeten. Prof. Dr. Leo Sachse in Jena. Litteratur. Prof. Dr. Ludwig- Büchner, Darwinismus und Sozialismus oder der Kampf um das Dasein und die modern'' Gesellschaft. Darwinistische Schriften. 1. Folge No. 19. Ernst Günther. Leipzig 1893 („1894"). — Preis 1. M. Der Verfasser des seiner Zeit so viel Staub aufwirbelnden Buche- „Kraft und Stoff" kämpft noch immer muthig and unver- zagt. Man mag seinen Ansichten beipflichten oder nicht, beachtens- werth ist. was er sagt, immerhin. Büchner hält die sociale Frage lösbar durch Mittel, welche — wie er meint — die Naturwissen- schaft an die Hand giebt. Er will 1. den Grund und Buden aum Besitzthum der Gesammtheit gestaltet, 2. die Erbrechte reformirt, vielleicht gänzlich abgeschafft, 3. den Staat in eine allgemeine, soli- darisch verbundene Versicherungsgesellschaft gegen Krankheit. Alter, Unfall, Invalidität und Tod umgewandelt wissen. Büchner führt aus, wie das zu erreichen wäre. Wie wir diese drei Sätze nicht mehr wie jeden anderen Satz, der politischen Hintergrund hat, in Zusammenhang mit der Naturwissenschaft zu bringen ver- mögen, so entfernt sich auch der übrige Inhalt durch seine nor- mative Tendenz so sehr von der Methode der Naturwissenschaft, dass wir es bei dem Gesagten bewenden lassen müssen. Von Darwinismus ist in dem Schriftchen nicht viel zu finden. Marquis de Folin, Peches et chasses zoologiques. Avec 117 fig. (Bibliotheques scientifiques contemporaine) J. B. Baillicre et fils. Paris 1893. — Preis 3,50 Frcs. Das Buch beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Jagd und dem Fang der marinen Thiere als Sport- und zu Sammlungs- zwecken. Ausser Abbildungen zoologischen Inhaltes wird_ das Buch durch eine grössere Anzahl niedlicher Landschaftsbilder geschmückt. Henri Gadeau de Kerville, Die leuchtenden Thiere und Pflanzen. Aus dem Französischen übersetzt von W. Marshall. Mit 27 in den Text gedruckten Abbildungen und einem Titelbild. (We- ber's naturw. Bibliothek.) Verlag von J. J. Weber in Leipzig. — Preis geb. 3 Mk. Die hübsche Arbeit stellt die bis jetzt bekannt gewordenen leuchtenden Arten des Thier- und Pflanzenreiches zusammen und beschäftigt sich mit der biologischen Bedeutung und der Ent- stehung der Leucht- Erscheinungen. Verf. ist in seinem Gegen- stande ausserordentlich orientirt: es dürfte kaum etwas zu dem- selben Gehöriges übersehen sein, so dass sein Werkchen als grund- legend angesehen werden muss. Nach de Kerville dienen dieLeucht- organe den Thieren zum besseren Aufsuchen der Nahrung in den lichtlosen Meerestiefen, zum Anlocken der Beute, zum gegen- seitigen Erkennen, zum Bemerken drohender Gefahren, um Feinden Furcht einzuflössen u. s. w. Der Mensch benützt leuchtende Thiere als Schmuckgegenstand, als Lockmittel für Fische, zur Beleuchtung, wie z. B. den im tropischen Amerika vorkommenden Cucujo (Pyrophorus noctilueus); ja sogar ein Vogel, der im tropischen Asien vorkommende, dem bekannten Webervogel ähnliche Tisserin (Ploceus baya), macht sich das Leuchtvermögen gewisser Käfer zu nutze, indem er diese am Rande seines Nestes anbringt und dasselbe auf diese Art vor dem Besuche der Schlangen, Ratten und anderer ungebetener Gäste schützt. Privatdocent Dr. Lassar-Cohn, Arbeitsmethoden für organisch- chemische Laboratorien. Ein Handbuch für Chemiker, Medi- aner und Pharmazeuten. 2., vermehrte u. verbesserte Auflage. Mit 42 Textfiguren. Leopold Voss. Hamburg u. Leipzig 1893. — Preis 7,50 Mk. In den letzten Jahren sind eine grössere Anzahl methodischer Hilfsmittel über alle möglichen Seiten der Chemie erschienen, so dass dem Chemie Studirenden eine Fülle und Auswahl guter orientirender Bücher zu Gebote stehen, zu denen auch das vor- liegende gehört. Dass solche Werke dankbar aufgenommen werden, einem Bedürfniss nachkommen, beweist das Lassar-Cohn'sche Buch, das erst 1890 in 1. Auflage erschienen ist und — trotz seines Umfanges — schon jetzt wieder neu aufgelegt werden musste. Es bildet dasselbe eine vorzügliche Ergänzung zu jedem Lehrbuch der Chemie. Im Laboratorium darf es nicht fehlen, und da überall Litteratur angegeben wird, bietet es bei wissenschaftlichen Ar- beiten bequem die Quellen für denjenigen der die Original- Arbeiten einsehen muss. Im allgemeinen Theil werden Dinge wie Bäder, Destillation, Filtration, Kristallisation, Sublimation u. s. w., im speciellen Theil das Bromieren, die Darstellung von Salzen, das Nitrieren, das Verseifen u. dergl. besprochen. Zum Schluss wird einiges über die Elementaranalyse, die Erkennung und Bestim- mung des .V, der Halogene und des S in organischen Körpern mitgetheilt. 74 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. ß Prof. W. "Weiler, Die Spannungs - Elektricität. Eine Anleitung zur Anfertigung und Behandlung der zur Spam ungs-Elektricität gehörigen Apparate, zur Anstellung der damit vorzunehmenden Versuche und zur Ableitung der daraus folgenden Regeln und Gesetze. Nach methodischen Grundsätzen bearbeitet. Mit 179 Ab- bildungen und 1 Tafel. A. & R. Faber. Magdeburg 1893. Der Unter-Titel der Schrift giebt so genügend den Inhalt an, dass diesbezüglich in einem Referat kaum etwas hinzuzufügen übrig bleibt. Die Spitze des Titelblattes trägt den Vermerk „Polytechnische Bibliothek. II. Theil", und in der That kann das Buch dem Techniker bei der Klarheit der Darstellung und der Wichtigkeit des Gegenstandes für die heutige Technik nur em- pfohlen werden; aber nicht nur der Praktiker, jeder, der sich für den Gegenstand interessirt, wird mit Genuss in dem Buche studiren. Dr. Hermann Klein, Katechismus der Astronomie. Belehrungen über den gestirnten Himmel, die Erde und den Kalender. 8. vielfach verb. Aufl. Mit 1 Sternkarte und 163 Abbildungen. J. J. Weber. Leipzig 1893. — Preis 3 Mk. Verf. hat die von einem anderen Autor bearbeitet gewesene 7. Auflage sachgemäss verbessert, so dass das Buch zur Orientirung über den Gegenstand wohl empfohlen werden kann. Die Kate- chismenform (Fragen und Antworten) ist beibehalten worden. Otto Hübner's geographisch-statistische Tabellen aller Länder der Erde, 42. Ausgabe für das Jahr 1893, herausgegeben von Universitäts-Professor Dr. von Juraschek. Heinrich Keller, Buchhandlung in Frankfurt a. M. — Buch-Ausgabe, cartonnirt, Preis M. 1,20. Wandtafel-Ausgabe, Preis 60 Pf. Die allbekannten, von dem neuen Herausgeber gut vervoll- ständigten und zeitgemäss revidirten Hübner'schen Tabellen bieten dem Zeitungsleser, Kaufmann, Gelehrten u. s. w. ein bequemes und beliebtes Mittel schneller Orientirung. Um auch denjenigen, der die Tabellen noch nicht kennen sollte, über den reichen In- halt zu orientiren, führen wir denselben im Folgenden auf. Es linden sich angegeben: Name u. Regierungsform der Länder, Staats-! Iberhaupt, Thronfolger, Flächeninhalt, Bevölkerung, Volksdichtigkeit, Auswanderung, Nationalitäten, Konfessionen, Staats-Einnahmen, -Ausgaben und -Schulden. Papiergeld, Bank- noten, Armee, Kriegs- und Handelsflotte, Ein- und Ausfuhr, Haupt- erzeugnisse, Münzen und deren Werth in Reichsmark, Gewichte, Längen- und Flächeninaasse, Hohlmaasse für Weine und Getreide, Länge der Eisenbahn- und Telegraphen-Linien, Einwohnerzahl der Hauptstädte und der wichtigsten Orte aller Staaten der Erde, Vergleiche über die Volksbewegung, Volksbildung, Elementar- schulen, Zeitschriften der sämmtlichen Staaten Europa's, Boden- und Industrieproducte u. s. w. Dr. Konrad Keilhack, Zusammenstellung der geologischen Schriften und Karten über den ostelbischen Theil des König- reichs Preussen mit Ausschluss der Provinzen Schlesien und Schleswig - Holstein. Abgeschlossen am 1. April 1893. Ab- handlungen der Königlich Preussischen Geologischen Landes- anstalt. Neue Folge. Heft 14. Herausgegeben von der Königl. Preussischen Geologischen Landesanstalt. Im Vertrieb bei der Simon Schropp'schen Hof-Landkartenhandlung. Berlin 1893. Es Hegt uns hier eine sehr verdienstvolle Zusammenstellung vor, für welche jeder Fachmann dem Verfasser bei der stetig mehr und mehr anwachsenden, eine rasche Orientirung geradezu ausscbliessen- den Litteratur Dank wissen wird. Der Autor hat es verstanden, mit grossem Fleisse ein sehr bedeutendes Material zusammen- zubringen und dasselbe in zweckentsprechender, übersichtlicher Weise zu ordnen. Er führt im Ganzen 1862 Nummern auf, welche in drei Hauptgruppen angeordnet sind: 1. Bereits vorhandene Literaturzusammenstellungen, No. 1 — 23; II. Schriften, No. 24 bis H',s;;; 111. Geologische Karten, No. 1684-1862. Die Schriften sind ihrem Inhalte nach wiederum in folgende Abtheilungen gegliedert: 1. Allgemeines (No. 24—334); 2. Vorquartäre Schichten (No. 335 bis 801 . Diese Gruppe zerfällt wiederum in 9 Untergruppen, deren 1. die Eruptivgesteine, die 2. bis 8. die Formationen vom Silur bis Tertiär aufwärts, und die 9. die Tief bohrungen enthält. Unter den Formationen zeichnet sich das Tertiär durch eine reiche Lit- teratur aus (No. 469-801), wovon wiederum auf das Uuter- oligocän — Bernsteinformatiou — des Samlandes 206 Nummern [No.1525— 731] entfallen); 3. Diluvium (No. 862— 1431); 4. Alluvium (No. 1432— 1501); 5. Hydrographie (No. 1502— 1646); 6. Vermischtes (No. 1647— 1683). Letztere Abtheilung enthält diejenigen Schriften, welche über Mineralien, Meteoriten, Erdbeben, Sammlungen und Geschichtliches handeln. Ein alphabetisches Autoren-Verzcichniss bildet den Schluss der Arbeit. Dadurch, dass eines jeden Ver- fassers Schriften bei seinem Namen mit kurzer Ueberschrift und Nummer angeführt sind, wird die Handhabung des Buches ganz ausserordentlich erleichtert und das Auffinden eines jeden Werkes in kürzester Zeit ermöglicht. Noch näher auf die Arbeit einzu- gehen, verbietet uns der Raum. Für jeden Fachmann, überhaupt für jeden, der sich mit norddeutscher Geologie beschäftigen will, ist das Werk ganz unentbehrlich, da es bei seiner Gründlichkeit und Uebersiehtlichkeit das zeitraubende Znsammensuchen der Litteratur überflüssig macht. Der Umfang des Heftes beträgt XII und 136 Seiten; seine Ausstattung ist die bekannte tadellose der Publicationen der Königl. Geologischen Landesanstalt. Verf. ist mit einem Nachtrag beschäftigt. 77. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft in Emden pro 1891/92. Emden 1893. Das IV und 84 Octavseiten starke Heft berichtet über Ver- einsangelegenheiten (bis Seite 35), enthält eine Tabelle über die Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen in Emden im Jahre 1892, angestellt vom Navigationslehrer Matthies, und bringt einen Aufsatz von Droher, Kraft und Stoff: und das Gesetz der Beständigkeit beider Principion — sowie die Wiedergabe eines längeren in der Gesellschaft gehaltenen Vortrages von Brons, Ueber die Wasserversorgung Emdens. II. Märkisches Provinzial-Museum der Stadtgemeinde Berlin. Erste Ausgabe Berlin 1893. 1. Ernst Friedel, Ein theil ungsplan der Sammlungen für allgemeine Geologie. Als Vorbild hat dem verdienst- vollen Leiter des M. Pr.-M. die unter der Leitung Heim's stehende geologische Sammlung dos Eidgenössischen Polytechnieums und der Universität Ztürich gedient; natürlich hat der vorbildliche Plan durch locale Verhältnisse bedingte Abänderungen erfahren. Die Haupttheile der Berliner Sammlung sind folgende: A Kosmische Dynamik: I. Kosmische geologische Erscheinungen. B. Tellurische Dynamik: a. anorganische Kräfte. II. Wirkungen des vuleanischen Erdinnern: IU. Mechanische Wirkungen der Atmosphäre; IV. Wir- kungen des flüssigen Wassers; V. Wirkungen des festen Wassers; VI. Gesteins-Verschiebungen; VII. Mechanisch-chemische Gesteins- Umbildungen; b. organische Kräfte. VIII. Wirkungen der Orga- nismen; IX. Bildung des Humus; X. Wirkungen der Cultur. 2. W. Hartwig, Verzeichniss der lebenden Krebs- thiere der Provinz Brandenburg (Eintheilungsplau für Ab- theilung A. III. des Museums). Die vorliegende Arbeit hat ein weit über ihren eigentlichen Rahmen hinausgehendes Interesse, da sie die orste systematische Uebersicht sämmtlicher bisher in der Provinz Brandenburg lebend angetroffener Crustaceen giebt. Es werden im Ganzen 149 Arten aufgeführt, welche sich auf 58 Gat- tungen vertheileu und den Ordnungen der Podophthalmata (1), Isopoda (22), Amphipoda (3), Copepoda (22), Ostracoda (15) und Branehiopoda (86) angehören. Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte. 65. Versammlung zu Nürnberg. 11. — 15. September 1893. Herausgegeben von A. Wangerin und O. Taschenberg. I. Theil. Die allgemeinen Sitzungen. F. C. W. Vogel. Leipzig 1893. — Preis 4 Mk. Enthält ilie im vorigen Jahrgang der „Naturw. Wochenschr." ausführlich referirfcen Vorträge von His. Pfeffer, Strümpell, Gün- ther, Hensen und Hueppe, sowie einen Vortrag von E. v. Berg- mann: „Worte der Erinnerung an A. W. v. Hofmannn und W. v. Siemens, ferner die Protokolle und Berichte. Aus diesen erwähnen wir, dass die nächste Versammlung in Wien stattfinden wird und zu Geschäftsführern für diese Versammlung gewählt wurden Hofrath Kerner v. Marilaun und Prof. Siegmund Exner. Im Vorstande haben die folgenden Veränderungen stattgefunden. Es sind ausgeschieden R. Virchow, v. Bergmann und durch Tod v. Siemens, an Stelle derselben sind eingetreten Prof. Jolly, Geh. Rath v. Ziemssen und Prof. Victor v. Lang. Inhalt: H. J. Kolbe, Gustos an der zool. Sammlung des Königl. Museums für Naturkunde zu Berlin: Aus der Insectenkunde. (Mit Abbild.) — Ueber die künstliche Darstellung des Diamanten. IL — Schmarotzer in der Bauchspeicheldrüse. — Zur Physiologie des Pollens. - - Ursprung der Centrosouien. — Ueber Veilchenaroma. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prot. Dr. Ludwig Büchner: Darwinismus und Sozialismus. — Marquis de Folin: Peches et chasses zoologiques. - Henri Gadeau de Kerville: Die leuchtenden Thiere und Pflanzen. — Privatdocent Dr. Lassar-Cohn: Arbeits- methoden für organisch-chemische Laboratorien. — Prof. W. Weiler: Die Spannungs-Elektricität. — Dr. Hermann Klein- Katechismus der Astronomie. — Otto Hübner's geographisch-statistische Tabellen aller Länder der Erde. — Dr. Konrad Keilhack: Zusammenstellung der geologischen Schriften und Karten über den ostelbischen Theil des Königreichs Preussen mit Ausschluss der Provinzen Schlesien und Schleswig-Holstein. — 77. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft zu Emden. — Märkisches Provinzial-Museum der Stadtgemeinde Berlin. — Verhandl. d. Ges. deutscher Naturforscher und Aerzte. Nr. 6. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. «tf 5»i' -'Imjudit uou ftiilwcnt, Jyniaiicn, UCIIliyci-r IBIM.II- xanbtn. 3b. 19 SR*. $robe 5 kg poftfr. 3 W. Berliner Hiiufleknclieii-Falirii J. Kayser in Tempelbof bei Berlin. Gottfried Miincheberg I j i »• h t paus- Anstalt n. techn.-lithographisch.es Institut, BERLIN NW., Gotzkowskystr. 38 (Ecke Thurmstr.) Femsprech-Anschluss: Amt Moabit No. 4S6. Anfertigung vorzüglicher lj<'h(|i;iiisni (in schwarz. Linien auf weissem Papier, oder in weissen Linien auf blauem Grunde) in kürzester Frist. — Grösste Leistungsfähigkeit. - Preis 3.00 Mk. pro D in. Sämmtlictie Artikel zur Anfertigung von Lichtpausen vorrathig. Anfertigung aller Arten Druckarbeiten in Autographie, Gravur u. Photholitographie. 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Kj 1 W Illustrirter Katalog gratis und franco. 1 Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Berlin N. 4., Invalidenstr. 44, für den Inseratentheil : Hugo Bernstein in Berlin. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: ~? Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümrnlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den 18. Februar 1894. Nr. 7. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.— Bringegeld bei der Post \b 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. f Inserate : Die viergespalteue Petitzeile 40 -&. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdrnck ist nur mit vollstäiMfi ger Quellenangabe gestattet. Lieber den Begriff der Entwickelung und einige Anwendungen desselben. Von Dr. J. Petzoldt. Inhaltsangabe: 1. Die Uneuthehrlichkeit einer genauen Bestimmung des Entwiekelungsbegriffs. — 2. Naheliegende Definitionen desselben. — 3. Besondere ein- fache Fälle von Entwickelungsvorgängen. — 4. Hinweis auf Fechner's Vertiefung der Darwinschen Lehre. — 5. Verallgemeinerung des an den obigen einfachen Fällen Beobachteten. — 6. Definition des Begriffes Entwicklung. — 7. Beziehung der gewonnenen Begriffsbestimmung zum Begriff des „Kampfes um's Dasein". Bedenken gegen die Verallgemeinerung des letzteren Begriffes. — S. Her Begriff Tendenz. — V. Der Begriff System. — 10. Der Begriff Concurrenz. — 11. Gleichzeitiges und folgezeitiges Auftreten coneurrirender Tendenzen. — 12. Kriterien für die Beurtheilung der Stellung eines Systems innerhalb des Naturganzen. — 13. Die Dauer eines Entwickelungsproccsses. — 14. Die embryonale Entwickelung. — 15. Der Abschluss sich ent- wickelnder Systeme gegen ihre weitere Umgebung. — 16. Die Erweiterung der Umgebung im Laufe der Entwickelung und das Ziel der menschheitlichen Entwickelung. — 17. Der Stabilitätsjcrad der verschiedenen Theilsysteme des menschlichen Organismus und Virchow's Einwand gegen die Darwinsche Lehre. — 18. Der Unterschied in der Entwickelung organischer und unorganischer Systeme. — 19. Die Ursache des „natürlichen* Todes. — 20. Kritik der diesbezüglichen Hypothese von Lueks. 11 Ulli 111 1. Ob es wohl überhaupt der Mühe lohnt, nach der Definition für einen Begriff zu suchen, dessen Benen- aller Munde ist? Wer hält wohl inue, wenn ,Entwickehing" liest? Wer verstünde einem Ruche einen Satz darum nicht, „Entwickelung'- in ihm vorkäme? Wir ja alle Tage, und wir wissen doch alle, int ist. - - Aber gleichviel! So einfach er das Wort wohl in irgend weil das Wort gebrauchen es was damit gern« das auch erscheinen mag, es niuss deutlich ausgesprochen werden, was unter Entwickelung im letzten Grunde zu verstellen ist. Wir haben ja auch eine Definition für den anderen Hauptbegriff der modernen Naturwissenschaft, den der Energie, nötliig! Und mag sich in diesem Falle das Bedürfniss einer Begriffsbestimmung auch nur darum sofort geltend machen, weil „Energie1" etwas Messbares ist und somit der mathematischen Behandlung unter- worfen werden niuss, so führen doch auch andere Ueber- legungen zu der unabweislichen Forderung, das Wesent- liche jener Erscheinungen klar herauszuheben, die mit so alltäglichen Worten bezeichnet werden. Wer für Münzen kauft und verkauft, braucht ihren Feingehalt und das Gesetz, das das Nähere über ihre Prägung bestimmt, nicht zu kennen. Der Techniker zerbricht sich gewöhnlich nicht den Kopf über die ursprüngliche Bedeutung von Volt, Ampere und Ohm, ohne dass seine Belenchtungs- und Kraftübertragungs-Aulagen darum Schaden litten. Und doch beruht der Werth dieser keinen Augenblick entbehrlichen Maasse gerade auf ihrer scharfen Definition. Für die Wissenschaft ist es nicht minder nothwendig, ihre Scheidemünzen, ihre Maasse fest und unzweideutig zu be- stimmen, wenn auch das unmittelbare Drängen des prakti- schen Lebens nicht so starke Antriebe für sie hat. Wie soll eine scharfe Umgrenzung des Gebietes möglich sein, für das ein undetinirter Begriff angewendet wird? Wie soll das Un- wesentliche vom Wesentlichen sicher geschieden werden, wenn das Kriterium, das Scheidemittel fehlt? Und gar erst die Klassifikation der durch den Begriff unifassten Erscheinungen, wie soll sie von Willkür frei bleiben? Eine [■Classification kann nun und nimmermehr anders mit Sicher- heit zu einem endgültigen „natürlichen" System der einzu- teilenden Formen, bezw. Vorgänge führen, als durch eine saubere Anwendung eines sorgfältig bestimmten Begriffes. Wie weit reicht das Gebiet der Entwickelungsvor- gänge? Was unterfällt ihm noch und was nicht mehr? Was ist an einem besonderen Falle von Entwickelung das Wesentliche und was ist unwesentlich daran? Welche Factoren treten bei einer Entwickelung in's Spiel? Wie können wir die Eutwickelungsvorgänge einteilen? Oder, wenn wir statt im allgemeinen einmal im besonderen fragen wollen: ist die Krystallisation ein Eutwickelungs- vorgaug? Ist der Kampf um's Dasein für die Ent- wickelung wesentlich oder nur von seeundärer Bedeutung? Wie kömmt es, dass die Organismen bis zu einem Höhe- punkte ihrer Lebensbethätiguiig gelangen, um dann wieder der Auflösung entgegenzugehen? Ist dies Auf- und Absteigen Was ist überhaupt die der „Sinn" des „Todes?" Das sind alles Fragen, die wir nur auf Grund einer genauen Be- griffsbestimmung zu beantworten hoffen dürfen, d. h. auf Grand einer scharfen Heraushebung der Momente, in denen die Entwickelung bestellt, die ihr Wesen ausmachen. 2. Man könnte wohl zunächst unter Entwiekelung das Fortschreiten der Natur und des Geisteslebens zu immer höheren Formen oder Zusammenhängen verstehen — das Fortschreiten, das würde heissen: die Umbildung, die Aenderung des betreffenden Systems in Folge innerer und jeder Entwickelung eigentümlich ? , Wesen" Bedeutung, das 78 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. äusserer „Kräfte", wobei wieder mit „System" etwa ein allseitig begrenztes, von seiner „Umgebung" scharf ge- schiedenes Ganze von physischen oder psychischen Ele- mentarteilen (Zellen oder „Vorstellungen", „Begriffen") bezeichnet sein würde. Und man könnte festsetzen, eine Form oder ein Zusammenhang sei dann als ein höher- stehender zu bezeichnen, wenn er umfassender, reicher gegliedert wäre — man denke an die weiter gehende Arbeitstheilung der „höheren" Organisationen. Oder wollte man die Rückbildung z. B. der Organismen mit ein- beziehen, also den Begriff allgemeiner fassen, so wäre es vielleicht ausreichend, als Entwickelung nur die Aende- rung der Systeme unter dem Einfluss innerer und äusserer Kräfte aufzufassen. Man hätte etwa nur noch hinzuzufügen: die stetige Aenderung, um unstetige, auf plötzlichen Ereignissen beruhende Förderungen oder Schädi- gungen auszuschliessen ; denn man wird z. B. die theilweise oder völlige Zerstörung eines Organismus durch einen Blitz- strahl, die plötzliche Versetzung eines Individuums aus einer wenig günstigen in eine ihm vorteilhaftere Umgebung und die dadurch bedingte plötzliche Steigerung der Lebens- thätigkeit nicht als Entwickelungsvorgaug ansehen wollen. Uas mag ja nun alles im allgemeinen zutreffen und für den gewöhnlichen Gebrauch auch ausreichen. Damit kommen wir aber Fragen gegenüber, wie wir sie oben gestellt haben, nicht gut durch: der Kern der Sache ist noch nicht getroffen, die Factoren des Eutwickelungs- proecsses sind noch nicht genügend gekennzeichnet, und es sind auch nicht alle denkbaren Fälle beachtet. Es giebt ein Fortschreiten zu höheren Stufen, ohne dass auf den letzteren das betreffende System reicher gegliedert wäre oder mehr Theile umfasste als in den vorhergehenden Stadien, und doch müssen wir in solchen Fällen ebenfalls von Entwickelung sprechen. Wir wollen an einen ein- fachen Fall dieser Art anknüpfen. 3. Denken wir uns im leeren Räume bei Fortfall oder Konstanz äusserer Einwirkungen zwei verschieden grosse, dem Newton'schen Gravitationsgesetze unterworfene Massenteilchen mit beliebig grossen und beliebig ge- richteten Geschwindigkeiten in Bewegung gesetzt, so wird der Schwerpunkt dieses Systems eine gerade Linie mit gleichförmiger Geschwindigkeit durchlaufen, während die Theilchen im Allgemeinen relativ um einander Ellipsen beschreiben, und zwar tritt diese völlig regelmässige re- lative Bewegung sofort, also ohne Uebergangsstadiuni (ohne „Entwickelung") ein. Es ist das ein Bewegungs- zustand, der in sich keine Bedingung zu irgendwelcher Aenderung seiner selbst trägt, ein absolut stationärer Zu- stand. Fügen wir nun ein drittes Teilchen unter den gleichen Bedingungen hinzu, so bedeutet das zunächst eine Störung jenes Verhältnisses, nach einer gewissen Zeit aber, während welcher es sich „entwickelt", wird das er- weiterte System ebenfalls in einem stationären Bewegungs- zustand begriffen sein -- nicht in dem Sinne freilich, dass nach je einem relativen Umlauf oder nach einer gewissen Anzahl solcher Umläufe eines der Theilchen um eins der beiden anderen die gegenwärtige Stellung aller dreier und die Stellung ihrer Ebene zur Bewegungsrichtung des Systenischwerpunktes wieder die gleiche wäre; vielmehr ist anzunehmen, dass die Systemlage nach bestimmten Zeitabschnitten immer nur eine gewisse jeweilig grösste Annäherung an die erstbetrachtete Stellung zeigt und dass die so periodisch herausgegriffenen Zustände gleich- sam eine Oscillation um eine als berechenbar zu denkende mittlere Lage darstellen. Dieser Mittelwerth ist als der im System periodisch wiederkehrende Zustand zu denken, was dem ganzen Bewegungsvorgang den Charakter des Stationären verleiht, Vermehren wir dann das System in derselben Weise oder auch gleichzeitig durch eine grössere Anzahl weiterer Theilchen, so werden wir immer zunächst eine Störung des stabilen Verhältnisses, dann eine „Entwickelung" und schliesslich einen neuen Stabilitätszustaud beobachten. Das gleiche Resultat niiisstc sich ergeben, wenn wir von vornherein beliebig viele verschiedene Massen mit irgendwelchen und irgend- wie gerichteten Anfangsgeschwindigkeiten unter den gleichen äusseren Bedingungen in Bewegung setzten. Auch der Zusammenstoss mehrerer in den Process ein- gehender Elemente würde an dem endlichen Erfolg nichts ändern: es würden sich dann eben nur die betreffenden erst getrennten Massen zu einer einzigen vereinigen und ihre ursprünglichen Geschwindigkeiten nach dem Satze vom Parallelogramm der Kräfte zusammensetzen, wodurch dieser Fall auf die vorigen zurückgeführt wäre. Immer wird nach einer Reihe von Beobachtungen, nach einer „Entwicke- lung" ein Zustand eintreten, der Bedingungen für weitere Aenderungen nur ausserhalb seiner selbst finden könnte, 4. Freilich ist bei dieser Darstellung nicht zu vergessen, dass ein strenger Beweis für den Eintritt eines Dauer- zustandes unter den angegebenen Bedingungen mit den heutigen Hilfsmitteln allgemein noch nicht möglich ist, da selbst das „Problem der drei Körper" noch seiner allgemeinen Lösung harrt. Indessen ist das, worauf es hierbei ankommt, durch die Erfahrung anderweitig so wohl begründet, dass es eines mathematischen Beweises kaum noch bedarf. Fechner, der zum ersten Male darauf hinwies, dass Eutwickelungen mit Stabilitäts- zuständen schliessen*), hat damit nur auf eine Thatsache aufmerksam gemacht, die unbeachtet vor aller Augen lag und leider noch immer nicht gewürdigt wird. Er suchte nach der tieferen Grundlage der Darwin- schen Lehre und fand sie in seinem'„Princip der Tendenz zur Stabilität", einem Grundgesetz, das nicht nur das Gebiet der organischen, sondern das jeder Entwickelung überhaupt in die hellste Beleuchtung zu setzen vermag. In dem grossen Kampf, den man um die Veränderlichkeit der Arten führte, wurde von den Vertheidigern der Descendenztheorie der Ton so stark auf die Variabilität gelegt, dass eine fundamentale Thatsache gänzlich über- sehen wurde: die Thatsache, dass jede Entwickelung auf einen Zustand gerichtet ist, dessen Wesentliches, dessen Kern, dessen eigentliche Bedeutung in seiner Dauer, in seiner relativen Unveränderlich keit, in seiner Stabilität liegt. Heute, volle zwanzig Jahre nach dem Erscheinen der vortrefflichen Fechner'schen Schrift, ist es wahr- haftig an der Zeit, dass man aufhört, mit ihrem Inhalt nicht bekannt zu sein. Wie nöthig das ist, beweist der Umstand, dass in der grossen Stabilität tuierischer Ge- webeformen ein Widerspruch mit der Darwinschen Lehre erblickt werden konnte.**) Die Fechner'sche Vertiefung der Abstammungslehre ist tausend Mal mehr werth als ganze Mengen von Einzelbestätigungen der letzteren; denn sie erweitert den Gesichtskreis, sie entwirft einen neuen, viel umfangreicheren Grundriss des Gebäudes, für das jene Einzelfunde nur Bausteine bedeuten. Darum muss mit vollstem Nachdruck auf sie hingewiesen werden.***) 5. Unsere obigen Fälle gestatten leicht eine volle Ver- allgemeinerung: sie sind nur besonders ausgewählte und durch Abstraction erhaltene einfache Vorgänge, die nicht den Werth der Beschreibung des wirklichen Geschehens, sondern nur den seiner schematischen Darstellung unter *) Vgl. Fechner, Einige Ideen zur Schöpfungs- und Ent- wickelungsgeschichte der Organismen. Leipzig 1873. **) Wir werden diesen Einwand unten noch berühren. **) Die Fechner'schen Anschauungen sind dargelegt und be- sprochen in meiner Abhandlung: „Maxima, Minima und (•okonomie", Sonderabdruck aus der Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie 1890. Altenburg i. S.-A. Max Lippold. §§ 10—24. Nr. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 79 vereinfacht gedachten Bedingungen beanspruchen können. So angesehen, gewähren sie uns aber einen vollen Blick in das Wesen der Entwickelung. Wie hier, so treten bei jedem Entwickelungsvorgang -- gleichgültig ob auf ma- teriellem oder auf geistigem Gebiet — eine Reihe von Elementen in wechselseitige Beziehung: ein jedes becin- flusst andere oder alle anderen und sucht sich mit ihnen ins Gleichgewicht zu setzen, mag in Wirklichkeit der feste Endzustand, auf den der Process gerichtet ist, in Folge von äusseren Einflüssen auch nie und nirgends erreicht werden. Der gegenwärtige Zustand unseres Sonnen- systems, ein in hohem Grade stabiler, giebt uns direct eine Anschauung von Lagen- und Bevvegungsverhältnissen in einem Massensystem, wie wir es oben annahmen. Er gilt als das Resultat eines langen Entwickelungsprocesses, während dessen ein ununterbrochenes Fortschreiten von instabileren zu stabileren Verhältnissen stattgefunden hat. Nicht minder fassen wir die grosse Stabilität der Thier- und Pflanzenarten als das Product einer langen wechsel- seitigen Beeinflussung zahlreicher Individuen und Indi- viduengruppen bei den mannigfaltigsten äusseren Bedingungen auf. Eine jede an ihre Umgebung „an- gepasste" Art kann mit dieser Umgebung zusammen als ein einziges System angesehen werden, das zu einem relativen Dauerzustand gelangt ist. Und auf geistigem Gebiete ist oft genug ein „bleibender Besitz" erst als ein Ausgleich sehr verschiedenartiger und vielfach einander widerstreitender „Richtungen" gewonnen worden. 6. Bringen wir uns nun die Factoren des Entwickelungs- processes etwas näher. Zunächst bemerken wir, dass in ihn Elemente eines Systems eingehen, die wir - ohne alle metaphysischen Hintergedanken -- Tendenzen nennen wollen. Jedes unserer obigen Massentheilchen hat die Tendenz, mit seiner Anfangsgeschwindigkeit sich in der Richtung der letzteren ununterbrochen fortzubewegen. Mit dieser Tendenz tritt im Augenblicke der Gegenüber- stellung eines anderen Theilchens eine zweite Tendenz in Concurrcnz: nämlich die nach dem Newton'scheu Gesetz erfolgende Beschleunigung nach dem zweiten Theilchen hin. Beide Tendenzen finden sofort ihren Ausgleich in einer Resultante, sie setzen sich zu der neuen höheren — weil umfassenderen -- Tendenz zusammen: um das zweite Theilchen eine in ihren Dimensionen von der Grösse der Massen und ihrer anfänglichen Entfernung und Ge- schwindigkeit abhängige Ellipse zu beschreiben. Da in diesem einfachsten Falle der stabile Endzustand sich un- mittelbar an den Anfangszustand anschliesst, so kann hier von einer Entwickelung keine Rede sein. Diese tritt erst mit der Erweiterung des Systems ein. Denn mit jedem neuen Massentheilchen kommt nicht nur eine einzige, sondern eine von der schon vorhandenen Anzahl von Theilchen in ihrer Grösse abhängige Mehrheit weiterer einfacher Tendenzen in's Spiel, deren Ausgleich mit den schon vorhandenen um so längere Zeit erfordert, je com- plicirter das System geworden ist. Und denken wir uns die Theilchen wieder alle zu gleicher Zeit ihre Be- wegungen beginnen, also auch alle in Frage kommenden Tendenzen zu gleicher Zeit in Concurrcnz treten, so wird die Herbeiführung des endgültigen, einer weiteren Aenderung nicht mehr unterliegenden Zustandes ebenfalls um so längere Zeit in Anspruch nehmen, je zahlreicher die Glieder des ganzen Systems waren. Die Entwickelung ist hier nichts anderes, als der Durchgang des Systems durch alle die Zustände, die zwischen dem Anfang des Processes und dem Eintritt des Dauerzustandes gelegen sind. Und die einzigen Factoren dieser Entwickelung sind Tendenzen und Concurrenz. Aber auch für alle anderen Fälle haben wir eine ausreichende und das Wesen der Sache treffende Definition, wenn wir die Entwickelung als den Wegbestimmen, den dieResul taute co n cur rirend erTen- denzen nimmt, bis siezu dem schli esslichen Entwicke- lungsresultat, einem Stabilitätszustand, gelangt. 7. Beachten wir da zunächst bei den < Organismen den Fortschritt zu höheren Formen im „Kampfe ums Dasein-, so dürfen wir jedes einzelne Individuum, das in einen solchen Kampf eintritt, als eine Tendenz ansehen, die mit einer oder mehreren anderen coneurrirt — nur freilich nicht als eine einfache, sondern selbst wieder sehr zusammen- gesetzte Tendenz, als eine Tendenz höherer Ordnung, die — wie man zunächst anzunehmen geneigt sein wird — auf die Ueberwindung des Gegners bezw. auf die eigene Erhaltung gerichtet ist. Und fassen wir ganze Arten in ihrem „Kampfe ums Dasein" ins Auge, so darf uns wiederum eine jede als eine zusammengesetzte Tendenz, als eine Tendenz einer noch höheren Ordnung gelten, die wie jene niederen Tendenzen in diesem Kampfe um ihre Erhaltung zugleich auf einen schliessliehen Zustand ge- richtet ist, in dem sie keinen in seinem Ausgang frag- lichen Kampf mehr zu führen hat, also auf einen Stabili- tätszustand; denn während dieses Concurrenzprocesses passt sich jede der überlebenden Individuengruppen mehr und mehr ihrer Umgebung (wir rechnen die mit der betr. Gruppe coneurrirenden Individuen ebenfalls zu dieser „Umgebung") an, wird überhaupt erst durch diesen Pro- cess zur „Art", d. h. gelangt zu einem Zustand, der in sieh selbst im allgemeinen keine Bedingungen zu seiner eigenen Aenderung mehr trägt. Für viele Arten mag ein solcher relativer Stabilitätszustand bestanden haben, für die meisten noch jetzt bestehen, ein nur relativer Dauerzustand, weil die astronomischen, bezw. astro- physischen Verhältnisse des Sonnensystems keine Con- stanten, wenn auch nur sehr langsam veränderliche sind, oder weil sonstige nicht allmähliche, sondern plötzliche Aenderungen der Umgebung stattgefunden haben und noch stattfinden mögen (z. B. Eintritt des Menschen in eine vorher von ihm nicht berührte Gegend). Der Fortgang dieser Darlegungen wird die im bis- herigen nur in groben Umrissen skizzirten Verhältnisse in schärferen Linien hervortreten lassen; vorläufig handelt es sich nur um einen allgemeinen Ueberblick. Der „Kampf ums Dasein" ist nur eine besondere Art der Concurrenz. Man kann ja diesen Begriff verall- gemeinern und auf geistigem Gebiete für den Widerstreit von Ideen, Theorien, Richtungen, Schulen ebenfalls von einem Kampfe ums Dasein sprechen. Hier tritt indessen ein wichtiges Moment, das von einer solchen Begriffs- erweiterung abmahnt, noch viel schärfer zu Tage, als dort im Kampfe der organischen Lebensformen: die Aenderung der in den „Kampf eintretenden Elemente durch den Kampf selbst. In diesem handelt es sieh nie- mals um die blosse Erhaltung eines Individuums, einer Art, einer Idee, einer Theorie u. s. w. Keines dieser Elemente geht ungeändert aus dem Kample hervor,. sondern im überwindenden wirkt das unterliegende nach, die coneurrirenden Tendenzen haben sich zu einer Re- sultante vereinigt, der ein mittlerer Wertli zukommt. Am deutlichsten zeigt sich das auf dem Gebiete der geistigen Entwickelung. .Jede neue Theorie z. P>., die im Kampfe mit einer bis dahin herrschenden Sieger wird, hat sich in diesem Kampfe erweitert, vertieft, modificirt: sie niuss immer neue Angriffe des Gegners abwehren, immer neuen Einwänden begegnen, und so gelang! sie häufig zu einer in sehr wesentlichen Punkten ganz anderen Gestalt, als die sie bei ihrem ersten Auftreten zeigte. In diese Umänderungen der „siegenden" Tendenz setzt sich die unterliegende gleichsam um. Keine Tendenz kann ver- loren gehen. Wie ein Gesetz der Erhaltung der Energie 80 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 7 giebt es auch ein Gesetz der Erhaltung der Tendenzen : nur sollten wir besser sagen: Gesetz der Umwandlung, der Umsetzung oder der Nachwirkung der Tendenzen oder dergl. Völlig erhalten bleibt ja eben keine, jede vorhandene ist als eine Resultante zu fassen, die wieder mit anderen in Coneurrenz zu treten vermag. — Wir können das noch besser durchschauen, wenn wir nach dem Wesen von Tendenz und Coneurrenz fragen. 8. Dürfen wir irgendwelche Umstände durch zeitlich vorhergehende eindeutig bestimmt denken, so schreiben wir den letzteren eine Tendenz auf die er- steren zu. Diese Definition gilt ganz allgemein und ebenso für das psychische wie für das physische Ge- schehen. Dabei ist der Tendenzbegriff nur ein Hilfsmittel, um die Aufeinanderfolge verschiedener Zustände zu be- schreiben; es liegt nichts weiter in ihm als die Be- ziehung irgend eines Zustandes auf die ihm vorhergehenden und damit auch umgekehrt auf die ihm folgenden, soweit wir zwischen diesen Folgezuständen einen eindeutigen Znsammenhang annehmen dürfen. Es giebt einfache und zusammengesetzte Tendenzen. Die ersteren siud constante, während die letzteren in sich selbst noch der Umänderung fähig sind. Denken wir zwei völlig unelastische Masscn- theilchen von beliebigen Geschwindigkeiten unter belie- bigem Winkel zusammenstossen, — diesmal von der Newton'schen Anziehung abgesehen — so haben wir zwei einfache Tendenzen in einer einfachen Coneurrenz. Sie werden, zu einer Masse vereint, mit einer gemäss dem Satze vom Parallelogramm der Kräfte nach Grösse und Richtung bestimmten Geschwindigkeit sich weiterbewegen. Beim Zusammenstoss mit einer dritten Masse würden sie sich wie eine einzige verhalten, wir sehen sie darum in ihrer Vereinigung auch nur als eine einfache Tendenz an. In unseren obigen Beispielen dagegen, in denen wir ausser dem Kräfteparallelogramm auch noch das Newton'sche Gesetz wirksam dachten, haben wir in jeder der betrach- teten Mehrheit von Massenelementen eine zusammen- gesetzte, complexe Tendenz vor uns, gleichgültig, ob die Stabilität schon erreicht ist oder nicht: denn auch im ersteren Falle würde jede dieser complexen Tendenzen, sowie sie mit einer anderen in Coneurrenz träte, ihre Stabilität verlassen, um mit dieser zweiten einem höheren stationären Zustand entgegenzugehen. 9. Eine solche zusammengesetzte Tendenz, in der jedes Element mehr oder weniger von jedem der übrigen ab- hängig ist, wollen wir ein System nennen, und dieser Begriff sei ganz allgemein dahin definirt: ein System ist ein Gefüge von Elementen, die, unter einem bestimmten Gesichtspunkt betrachtet, unter einander in engerem Zu- sammenhange stellen, als mit irgend welchen anderen Elementen. Unter diesen Begriff fällt damit z. B. auch jeder einzelne Organismus, dann die Familie, die Gemeinde, der Stamm, der Staat, der Staatenbund, die Nation, das „Volk", die Gesellschaft und jede ihrer Gassen, ferner die Genossenschaft, die Kirche, und überhaupt jede Ver- einigung, und endlich jede Gesammtheit von Vorstellungs- coniplexen, die irgend eine Wissenschaft oder Kunst aus- machen*). Mehrere Systeme können zu einem umfassen- deren verschmelzen und dabei so in dem letzteren auf- gehen, dass sie nicht mehr als gesonderte Theilsysteme zu erkennen sind. In diesem Falle sprechen wir nicht von einem System höherer Ordnung. Nur wenn die zu einem umfassenderen zusammentretenden Einzelsysteme *) Was man sonst unter „System" einer Wissenschaft (z.B. natürliches System der Pflanzen, philosophisches System) versteht, bedeutet eine unter besonderem Gesichtspunkte gewonnene Ord- nung und damit einen relativ stabilen Zn.--t.nid der Vorstellungs- massen der betreffenden Wissenschaft. Unser obiger Begriff ist als der allgemeinere von diesem zu trennen. ihre Individualität im Ganzen bewahren, wollen wir ver- schiedene Ordnungen der Systeme unterscheiden. — Jedes System ist Träger einer Haupt-Tendenz und in jedem eoneurrirt eine grössere oder geringere Anzahl einzelner Tendenzen (niederer Tendenzen, Unter- oder Neben- tendenzen). Wir denken die Tendenz eines Systems nur von den inneren Kräften oder von den Theil-Tendenzen desselben abhängig. Der Zustand, in dem es nach einer gewissen Zeit begriffen sein wird, hängt ja auch noch von den Kräften ab, die von aussen auf das System wirken: es ist uns aber gerade daran gelegen, zu er- mitteln, welchen Anteil die inneren Kräfte an diesem Zustande haben, und darum empfiehlt sich, im Allgemeinen wenigstens, die obige Einschränkung. Wir sehen dem- gemäss den Zustand eines Systems in irgend einem Augen- blick als die Resultante an, die aus der Coneurrenz der Tendenz des Systems (bezvv. seiner Innen- Tendenzen) mit irgendwelchen Aussen-Tcndenzen hervorgeht. 10. Coneurrenz definiren wir allgemein als das Zu- sammentreffen von Tendenzen, die ihrer Natur nach überhaupt eine Resultante ergeben können; siud sie so ungleichartig, dass das letztere nicht möglich ist, so ist zwischen ihnen Coneurrenz auch nicht möglich. Bei jeder Coneurrenz treten irgendwelche Tendenzen in wechsel- seitige Beziehung. Eine jede beeinflusst die andere, soweit das nach Lage der Dinge in jedem Falle eben möglich ist: eine jede erscheint also, wie wir schon oben sahen, in der Resultante, in welcher beide voll aufgehen, geändert, wenigstens jede zusammengesetzte Tendenz - und um solche handelt es sich ja in der Wirklichkeit nur; die einfachen sind blosse Abstraetionen. Die Aende- rung der Tendenzen in Folge der Coneurrenz mag im einzelnen Fall oft eine nur geringe sein: gleichwohl darf sie auch schon aus praktischen Gründen nicht ausser Acht gelassen werden, da viele als einzelne unmerkliche Aenderungen in ihrer Gesammtheit schliesslich doch eine merkliche ausmachen können. 11. Ein Unterschied hinsichtlich der Entwickelung ergiebt sich, je nachdem die in Betracht kommenden Tendenzen gleichzeitig oder nach einander in Coneurrenz treten. Den ersteren Fall haben wir in unserem Sonnensystem in grosser Annäherung verwirklicht vor uns. Von einem gewissen Zeitpunkt an befanden sich alle Glieder dieses Systems gleichzeitig in Coneurrenz, deren Resultat der heutige relative Stabilitätszustand ist. Im Laufe seiner Entwickelung erreichte das Sonnensystem immer höhere Stufen der Stabilität, ohne dass doch neue Tendenzen hinzutraten, ja während wahrscheinlich einige (als Kometen) sogar ausgeschieden wurden; den etwaigen Eintritt von Kometen und sonstigen kosmischen Massen, die ihren Ur- sprung in anderen Sonnensystemen haben, lassen wir dabei freilich unberücksichtigt. Wir haben hier einen Fall, wie wir ihn oben andeuteten: höhere Stufen der Entwickelung eines Systems, ohne dass das letztere reicher gegliedert wäre, oder mehr Theile umfasste — insofern höhere Stufen, als sie zu immer grösserer Sta- bilität führen. — Im Gegensatz zu diesem im Wesent- lichen gleichzeitigen Concurriren aller in Betracht kommenden Tendenzen zeigt uns z. B. irgendwelche geistige Entwickelung ein folgezeitiges Auftreten der- selben. Das ist typisch für alle Geistesentwickelung. Die Tendenzen, die in irgend einer Persönlichkeit zum Ausgleich, zu einem Gleichgewichts- bezw. Stabilitäts- zustand gelangten, sind nie auch nur in eiuigermaassen grösserer Zahl zu gleicher Zeit in Beziehung getreten. Eine „Fülle" gleichzeitiger neuer Eindrücke ., verwirrt", und wir erlangen nur dadurch Herrschaft über die letzteren, dass wir sie trennen und einzeln oder in kleinen Gruppen nach einander „auf uns wirken" lassen. — Die Entwieke- Nr. 7. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 81 hing der Organismen beruht überhaupt im allgemeinen auf folgezeitiger, nicht auf gleichzeitiger Concurrenz der zahlreichen dabei auftretenden Tendenzen. Dieser Ge- sichtspunkt dürfte manche Einrichtungen und biologischen Eigentümlichkeiten namentlich hoch stehender Organismen in einem besonderen Lichte erscheinen lassen*). Damit hängt auch zusammen, dass die Tendenz, mit welcher ein Organismus in einem bestimmten Augenblicke in Con- currenz mit anderen Tendenzen -- z.B. in einem Kampfe um Nahrung — begriffen ist, niemals als die Resultante säm mtlicher in ihm vereinter Tendenzen gelten darf, sondern immer nur Resultante einer kleinereu oder grösseren Gruppe seiner Theiltendenzen ist. Von einer Gesammt- tendenz eines organischen Systems darf weder in phy- sischer noch in geistiger Hinsicht gesprochen werden; sie wäre eine ebenso wesenlose Abstraction, wie der specu- lative Begriff der „Seele" oder des „Ich". Jeder Or- ganismus ist ein System von durchaus nicht gleich- massig eng verbundenen Theilsystemen, von denen im einzelnen Falle immer nur einige zu einer Resultante zu- sammentreten. 12. Von Zahl und Mannigfaltigkeit der Tendenzen, mit denen ein System in Concurrenz und mehr und mehr in ein stabiles Verhältniss tritt, hängt die Stellung ab, die wir ihm auf der Stufenleiter der Systeme einzuräumen haben; ebenso aber von Zahl und Mannigfaltigkeit der Theiltendenzen, die in dem System vereinigt sind. Diese beiden Kriterien laufen indessen parallel. Ein organisches System z. B. zeigt einen um so einfacheren Bau, unter je einfacheren Bedingungen es lebt**), und Hand in Hand mit einer ausgedehnteren Concurrenzmöglichkeit muss für das System auch eine grössere Coneurrenz- fähigkeit gehen, d. b. eine differenziertere Einrichtung, eine reicher gegliederte Vereinigung von Theiltendenzen. Die festgewachsenen oder nur wenig bewegliehen Or- ganismen stehen daher auf einer verhältnissruässig tiefen Stufe der Organisation: sie treten mit verhältnissmässig nur wenigen und nur sehr einfachen Aussentendenzen in Concurrenz - - sie haben eine verhältnissmässig nur sehr beschränkte Umgebung, trotzdem sie durch die mehrfache Symmetrie ihres Körpers in dieser Hinsicht vor den höher stehenden Lebewesen begünstigt erscheinen könnten. Den letzteren aber wird durch ihre ausgiebige Beweglichkeit, ebenso die Umgebung mehr und mehr erweitert wie die vielfache Symmetrie des Körpers überflüssig gemacht. So treten sie mit immer neuen Tendenzen in Concurrenz und werden dadurch Glieder immer höherer Systeme : der Mensch muss schon darum als das höchst stehende Lebewesen gelten, weil er die umfassendste Umgebung hat wie ja innerhalb der Menschheit selbst wieder räumlich neben einander und zeitlich nach einander eine lange Stufenfolge von engeren zu immer weiteren Gesichts- kreisen, also von einer beschränkteren zu einer immer umfassender werdenden Umgebung, und damit von — unter diesem Gesichtspunkt wenigstens — niedriger stehenden zu höher stehenden Individuen führt. 13. Je geringer die Anzahl der eine Concurrenz ein- gehenden Tendenzen ist, von desto kürzerer Dauer ist der betreffende Entwickelungsprocess, desto schneller wird der endgültige Stabilitätszustand erreicht. Ein Entwiekelungs- vorgang ist nicht etwas Endloses. Zwar zeigt uns die Wirklichkeit stets nur relative, nie absolute Ab- schlüsse von Entwickelungsreihen : das liegt aber nur an *) Vgl. dazu das weiter unten über den Absehluss sich ent- wickelnder Systeme durch Herstellung einer besonderen Umgebung Gesagte. **) Vergl. z. B. die vereinfachte Organisation parasitisch lebender Thierc, deren Vorfahren unter weit complieirteren Ver- hältnissen lebten. der Unendlichkeit der Welt überhaupt. Könnte irgend ein Theil des Universums der übrigen Welt gegenüber völlig abgegrenzt, vor allen äusseren Einwirkungen völlig bewahrt und nur seinen Innen - Tendenzen überlassen werden, so wäre nach einer gewissen endlichen Zeil das betreffende System in einem absolut stationären Bewegungs- zustand begriffen, unter sonst gleichen Umständen um so früher, je weniger Umfang es hätte und je weniger Theil- tendenzen es enthielte. Näherungsweise - oft in sehr grosser Annäherung, bestätigt die Wirklichkeit diesen Satz aller Orten, nicht minder auf geistigem Gebiete wie auf materiellem. Der stationäre Gang einer Dampfmaschine ist das Resultat der Concurrenz einer ganzen Reihe von Ten- denzen, ein um so schneller erreichtes Resultat, je weniger die dasselbe bedingenden Tendenzen „gestört" wurden, je weniger also ausserhalb des betrachteten Gesammtsystems gelegene Tendenzen mit coneurrirten ; — zu dem Gesammt- system sind hier unter anderem selbstverständlich auch die Betriebsinannschaft, bezw. die für den gleiehrnässigen Betrieb beanspruchten Theile ihr . r Körper, im besonderen auch ihrer Centralnerveusysteme zu rechnen; erleidet der regelmässige Gang durch Verschulden des Heizers oder Maschinisten eine Störung, so hat sich eben eine Tendenz geltend gemacht, die ausserhalb der übrigen, in dem völlig stabilen Funetioniren der Maschine und Bedienungsmann- schaft restlos aufgehenden Tendenzen gelegen ist*). - Die niederen Thiere sind im Laufe der Entwickelung offenbar schneller zu ihrer bestimmten Form und Lebens- weise gelangt als die höheren. -- Die Culturstaaten ringen noch heute nach stabilen Zuständen, die - - nur auf viel niederer Stufe — mancher wilde Volksstamm, der welt- abgeschieden ein friedliches Dasein führte, in viel grösserer Annäherung verwirklicht hatte. - Tacitus durfte vielleicht noch mit Recht die Treue und Ehrlichkeit der alten Deutschen als typisches Merkmal rühmen. Beides war nur der Aus- druck für einen hohen Grad relativer Stabiltät, der in demselben Verhältniss vermindert wurde, als das relativ abgeschlossene System jener Stämme mit Aussentendenzen in Berührung kam. Man will ja beobachtet haben, dass Völkerschaften, die lange Zeiten ohne Verbindung mit anderen geblieben waren, eine besondere Wahrheits- liebe zeigten. Vom Standpunkte der dargelegten An- schauungen aus muss uns das unschwer verständlich sein. Wahrheitsliebe ist eben auch ein Zeichen eines stabilen persönlichen und gesellschaftlichen Zustandes. Die Ent- wickelung führt unvermeidlich zu solchen Zielen, sie wird auch die Menschen in ihrer Gesammtheit noch auf jene Stufe heben. — Wenn geistig frühreife Menschen. die sich vor ihren Altersgenossen auszeichnen, oft die Er- wartungen nicht erfüllen, die man von ihnen hegte, so liegt das vielleicht häufig nur daran, dass sie Systeme von verhältnissmässig wenig Tendenzen bezw. Anlagen sind, die darum auch schneller zur Stabilität gelangen und so den Eindruck früher Fertigkeit machen. Je schneller sich ein System entwickelt, zu einer desto we- niger hohen Stufe wird es gelangen. Die Wunderkinder, aus denen „nichts wurde", sind ein weiteres Beispiel da- für: bei ihnen mag oft hinzugekommen sein, dass man die Zahl der coneurrirenden Tendenzen durch vorwiegende Begünstigung der einen und Unterdrückung anderer künst- lich verringerte. (Schluss folgt.) *) Das angedeutete Beispiel kann hier nicht ausführlich be- handelt werden; die weiteren darin gelegenen Complicationen bieten ja aber keine prinzipiellen Schwierigkeiten. Es sei nur noch I» 'senders hervorgehoben, dass die < iesauimtheit dev \ orgänge. die schliesslich zu dem stationären Betrieb der Maschine führen, nach unserer Begriffsbestimmung eine Entwickelung darstelll 82 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 7 Aus der Insectenkunde. Nach H. J. Kolbe, Custos an der zool. Sammlung des Königl. Museums für Naturkunde zu Berlin. (Schluss.) Sinnesorgane ausserhalb des Kopfes. Aus dem Capitel über das Nervensystem und die Sinnesorgane an den Fühlern, den Tastern, der Zunge, der Unterlippe, in der Mund- höhle u. s. w. sei das folgende hier mitgetheilt, namentlich über den eigenartigen Gehörapparat am ersten Hinterleibsringe der Feldheuschrecken (Acridiiden). Wir dürften uns eigentlich darüber wundern, höchst com- plicirte Sinnesorgane, die wir gewohnheitsgemäss bei Mensch und Thier, auch, wie erwähnt, bei den Insecten, am Kopfe sehen, iu dieser letzteren Thier- classe jedoch nicht nur am Kopfe, sondern auch am Rumpfe und an den Beinen zu finden. Hinterleib !ilie'X?el?i1.p'!sc'tllTl'k Es sind zwar keine Augen, wohl aber Nervenendapparate, wel- che eine sehr feine und augenscheinlich einem ganz be- stimmten wichtigen Zwecke dienende Ausbildung erlangt haben. Die Naturforscher, welche darüber geschrieben haben, halten sie für Gehörorgane (Gehöror- gane an den Beinen und am Grunde des Hinter- leibes). An den Seiten des ersten Hinterleibsringes, und zwar auf dem Rückentheile desselben, gleich hinter dem Meta- thorax, befindet sich bei den Feldheuschrecken (Acridiidae) eiue ver- billtnissmässig grosse, scharf umgrenzte und mit einer feinen Haut überspannte Grube, an deren Aussenseite das Figur 8. Caloptenus italicus, mit dem Sinnesapparat Orig. a, der Sinnesapparat an den Seiten des ersten Ringe.«; h. Hüfte; t, Schenkelring; b, Schenkel; f, Hiuterflügel ; s,, s,, die beiden Hinterleibsringe. Stelle des Integuments. Rings herum, namentlich nach innen zu, ist letzteres verdickt und schliesst die Membran rabmenförmig ein (Tr). Bei manchen Arten ist diese fast verdeckt, so dass nur ein schmaler Spalt zu sehen ist. Auf der Mitte der Membran, etwas nach der Aussenseite zu, ist schon unter der Lupe eine schmale, dunkle Wuche- rung zu sehen, welche aus zwei Schenkeln (o und u) be- stellt und das sogenannte birn- förmige Körperchen (bi) aus- sendet. An dem Vereinigungs- punkte der beiden Schenkel und des birnförmigen Körper- chens springt ein nach aussen geöffneter Zapfen vor. An dieses Gebilde tritt ein am Ende zu einem Ganglion (ga) angeschwollener Nerv (n) (Hörnerv) heran, welcher vom dritten Brustganglion ent- weiches Hiermit sind springt, und verbindet sich mit dem Zellenlage das chitinige Gebilde zur Unterlage hat. kleine Stigma des ersten liegt. Figur 9. Fig. Hinterleibsringes (Fig. 8.) Dieses merkwür- dige Gebilde wurde von älteren Naturforschern (Latreille und Bur- meister) für ein Stimm- organ gehalten. Aber schon Johannes Müller und nach ihm v. Siebold und Leydig sprachen ihm die Bedeutung eines Gehörorgans zu, wofür es auch noch heute fast allgemein gehalten wird. Graber ist es, der diesem Sinnesorgane die eingehendsten Unter- suchungen gewidmet hat, und dem wir hier folgen. Nebenstehende Fig. 9 zeigt das Gehörorgan sehr ver- grössert. Das dünne trommelfellartige Häutchen T hat eine ovale Form und ist nichts weiter als eine stark verdünnte --CU Gehörorgan vom ersten Hinterleil'Sriuge einer Feldheuschrecke, Caloptenus italicus. Nach Grab er. T, trommelfellai'tige Haut; Tr, chitinöse Einfassung; o und u, eine aus zwei Schenkeln bestehende Wucherung auf der trommelfellartigen Haut; bi, birnförmiges Körperchen; ga, Ganglion; n, Nerv; st, Luftloch; m, Oeffnungsmuskel; m„ Schliessmuskel desselben; M, Spannmuskel des Trommelfells. Fig. tu. Nervenendigung aus dem Gehörganglion einer Feldheuschrecke. N*ch Graber. gz, Ganglienzelle; seh, Endschlauch mit dem stiftförmigen Körper sli (Hörstif ); f, End- faser; mu, Zellen der äusseren Haut; ca, Chitinschient derselben. die Elemente, wie sie in den Sinnesorganen der Insecten durchweg vorkommen, gegeben. Den feineren Bau betreffend, finden sich noch folgende ein- zelne Theile. Von der gangliösen Anschwel- lung des Nerven gehen eine Anzahl Nervenen- den ab, welche den Chitinzapfen umgeben. Eins dieser Nervenen- den ist in Fig. 10 darge- stellt. Es enthält in der schlauch artigen Fort- setzung (seh) der unte- ren Ganglienzelle (gz) ein stiftartiges Gebilde (Stift, Nervenstift) (sti), welches das eigentliche wirksame Organ der Ner- venendigung und von einem haarfeinen Faden durchzogen ist, der aus der Ganglienzelle her- vorzukommen scheint. Auch zu dem birnför- migen Körperchen und zu dein unteren Schenkel (Fig. 9 u) der Chitin- wucherung geht je ein Nervenbündel. Unter- halb der Membran be- findet sich eine grosse, zu dem Stigma (st) gehörige Tracheenblase. Eine trommelfellartige Membran wird gespannt durch Muskeln (m), welche sich in der Gegend der äusseren Einfassung befinden. Figur 10. Es ist annehmbar, dass treffenden Schallwellen von die die zarte Membran den Nervenendigungen Nr Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 83 weitergeleitet und dem Thiere zum Bevvusstsein ge- bracht werden. Ob alle Insecten überhaupt Gehörorgane besitzen, ist an und für sicli fraglich; dass aber die Feldheuschrecken des Gehörs bedürfen, ergiebt sich daraus, dass die Männ- chen fast ausnahmslos gute Musiker sind und mit ihren Schrilltöneu, wie das nicht anders anzunehmen, die Weib- chen zu locken suchen. Bei den Locustiden (Laubheusebrecken) und Grylliden (Grillen) liegen die Gehörorgane in den Beinen, wä Inend am ersten Hinterleibssegment keine Spur davon zu sehen ist. Aeusserlich erscheint der Apparat als eine kleine er- habene Scheibe von ovaler Form am Grundtheile jeder Vorderschiene. Bei den meisten Arten sind zwei solche Scheiben an jeder Schiene vorhanden, und zwar seitlich einander entgegengesetzte, wie die Fig. IIa zeigt. Die Scheibe besteht aus einem dünnen Häuteben, welches ganz oder theilweise von einem chitinösen Walle umgeben ist. Dieses dünne Häutchen wird als Trommelfell (Tympanum) aufgefasst. Zuweilen geht von dem Walle aus eine Hautfalte theilweise oder ganz über das Trommelfell hinweg. Schon Johannes Müller, der Entdecker dieses Organs, vermuthete, dass dieses Häutchen ähnlich funetionire, wie das Trommelfell in unseren eigenen Ohren. Der Bau des zugehörigen Ner- venapparates ist ein sehr complicirter. Der Hauptnerv theilt sich nach seinem Eintritt aus dem Schenkel in die Schiene in der Gegend des Organs in zwei Aeste Der eine Ast bildet am Ende eine ganglienförmige An- schwellung (das Obertrommelfellganglion, gau- glion supra-tympanicum). Der andere Ast des Hörnerven breitet sich nahe am Trommelfell zu einem länglichen flachen Ganglion (Siebold- sches Organ) aus. Die beiden Ganglien lösen sich am Ende in eine Anzahl Bläschen auf, welche je einen sogenannten Hörstift enthalten. Jedes Bläschen ist mit dem Ganglion durch eine Faser verbunden. Die Hörstifte sind lang und Vis"r n. dünn, Schlank, keulenförmig und hohl, Stark Vorderbein einer Laubheu- ,. , ,/ . t ' -, i , ...i- i r\ , r» l schrecke, Locusta viridissima, lichtbrechend, durchschnittlich 0,1b llim lang mit dem Sinnesapparat. Orig. und dem in Fig. 9 gezeichneten Hörstifte sti ^Z e"5£e£gS3' vaem sehr ähnlich. Diese stiftartigen Gebilde sind Grunde der Schiene, das eigentliche Nervenende und von einem haarfeinen Faden durchzogen, der direct in den Achsen- strang der peripherischen Verlängerung der Ganglien- zelle übergeht. Die Nervenenden sind hier nicht an die vibrirende Membran, das Trommelfell, angeheftet. Es wird demnach vermuthet, dass die auf das Trommelfell wirkenden Schwin- gungen der Luft auf die Hörstifte durch ein Medium über- tragen werden, vielleicht durch die Luft in den grossen Luftröhren (Tracheen), welche in den mit dem Gehör- apparat versehenen Schienen ausserordentlich entwickelt sind. Die Trachee nimmt, sobald sie aus dem Schenkel in die Schiene eintritt, an Umfang bedeutend zu, sie wird sackförmig und theilt sich bald in zwei Aeste. Zu jedem Trommelfell gehört ein Tracheenast, und zwar liegen die Nerven den Luftröhren dicht an. Die Untersuchungen über die Richtigkeit der Deutung des eben beschriebenen Apparates als eines Gehörorgans sind noch nicht beendet. Manche Beobachtungen sprechen für diese Vermuthuiig. Der Wiener Zoologe Chadima legte eine Laubheuschrecke (Ephippigera vitium) auf das Notenpult eines Klaviers und schlug einen sehr lauten und vollen Accord an, worauf das Thier hastig davon- sprang. Nachdem demselben aber die Vorderbeine, also die Träger des vermuthlichen Gehörorgans, abgeschnitten waren, verhielt es sich nach dem Anschlagen des Klaviers ruhig. Graber selbst aber kann auch Beweise vom Gegen- theil beibringen. Wichtig ist es, dass die Apparate sich gerade an solchen Insecten (Loeiistidac, Gryllidae) finden, welche nothwendig sehr gut hören müssen; denn das .Männchen lässt zur Zeit der Begattung die bekannte laute Lock- musik ertönen. Aber ähnliche Nervenapparatc sind auch an den Vorderschienen anderer Insecten gefunden, z. B. bei Ameisen (Lasius, Myrmica u. a.) von Lubbock, bei Perliden i Isopteryx) und gewissen Lepidopteren von Graber. Thatsächliche Beweise, dass die Nervenendapparate an den Vorderschienen und am ersten Hinterleibssegmenl Gehörorgane sind, liegen noch nicht vor. Nervenendapparate mit „Hörstiften" befinden sich auch an den Hinterleibsringen verschiedener Larven, z. B. Co- rethra. In einer Figur bei Graber entspringt von dem Ganglion des achten Körpersegments ein Nerv, welcher sieh spaltet und an zwei voneinander entfern- ten Stellen die Körperhaut erreicht. An der Stelle der Spaltung ist der Nerv zu einem kleinen Ganglion angeschwollen, und in der Nähe dieses Ganglions enthält der Nerv zwei bis drei „Hörstifte". Schliesslich fällt in unsere Betrachtung noch der vermuthliche Sinnesapparat am Grunde des Schwingers der Dipteren (Fliegen, Mücken). Weinland spricht dem mit „Hörstiften" aus- gerüsteten Nervenendapparat (dem chordoto- nalen Organe) am Grunde des Dipteren- schwingers, welches aussen an der Chitinhaut nicht kenntlich'hervortritt, die Bedeutung eines Sinnesorgans in dem erwähnten Sinne ab, glaubt in demselben aber einen Vermittelungs- apparat zur Regelung der Spannweite des Schwingers zu erkennen. Dasselbe solle auch für Nervenendapparate an den Hinterleibsringen der Corethra- Larve behufs Beeinflussung der schnellen Wendungen dieser Thiere im Wasser gelten. Nach Loeb hat das chordotonale Or- gan Beziehungen zu der Empfindung des Gleich- gewichts während des Fluges. Dagegen rinden sich am Grunde des Dip- terenschwingers andere Nervenendapparate, welche als Sinnesorgane angesprochen werden. Es sind drei kleine schmale Platten, von denen zwei auf beiden Seiten des Schwingers liegen und gewölbt sind, während die dritte sich nur auf einer Seite befindet. Diese Platten sind mit mehreren Querreihen von Pa- pillen besetzt, Die Papillenreihen der beiden ersten Platten stehen quer zur Achse des Schwingers, die der dritten Platte parallel zu derselben. Graber nennt die beiden ersten Platten skapale Platten, die dritte basale Platte. Die Papillen der skapalen Platten sind entweder vollständig von einander getrennt (Tipula) oder an ihren Seiten vollständig mit einander verwachsen, so dass die Querreilien wie Querleisten aussehen. Die Anzahl der Papillen beträgt 50 bis 170. Zu jeder Papille, welche von zwei, durch eine beiderseitige Chitinduplicatur ent- standenen, einen Spalt zwischen sich lassenden Lippen beschützt ist, führt ein sehr feiner Nerv. Dieser Nerv steht mit dem oberen Fortsatz einer bipolaren Ganglien- zelle in Verbindung und führt zu dein vom Hinterbrust- ganglion ausgehenden Nerven. Die Papillen der basalen Platte sind nicht nur durch ihre Stellung, parallel zur Achse des Schwingers, sondern auch durch ihren Bau von den Papillen der skapalen Platten verschieden. An der Stelle, wo sich die Papille befindet, wölbt sich eine dünne Lamelle halbkugelig über 84 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. die Platte hervor; diese Hervorwölbung ist nicht durch einen Spalt durchbrochen, sondern an der Innenseite mit einer äquatorial verlaufenden Kinne versehen. Der inner- halb an dieses Gebilde herantretende Nerv stellt einen Endstab in einer trichterförmigen Einsenkung dar. Nach der Ansicht Weinland's, dem wir die ausführ- lichsten Untersuchungen über diesen Gegenstand verdanken, bilden diese Nervenendapparate ein Sinnesorgan für die Wahrnehmung der Unterschiede in der Bewegung während des Fliegens, welche sich sowohl auf die Geschwindig- keit als die Richtung des Fluges beziehen. Sie sind also ein Sinnesorgan für die Messung der Bewegungsarten des Schwingers. Schliesslich ist auf die Sinnesorgane hinzuweisen, welche an den Anhängen der Hinterleibspitze aufgefunden wurden. Es sind die Schwanz- fäden der Schaben (Peri- planeta), die nach der An- nahme Graber's gleich den Kopffühlern Träger von Ge- ruchsorgauen sind. Graber A> fand bei seinen experimentel- len Untersuchungen, dass die Schwanzanhänge dieser Insec- ten gegen Riechreize empfind- lieh sind. Auch Packard schreibt über diesen Gegen- stand, und Anton Dohrn fand, dass die Schwanzanhänge der Maulwurfsgrille als wahre Tastorgane erscheinen. Auch die an der Spitze der Legeröhre befindlichen tasterähnlichen Anhänge der Bockkäfer (Cerainbyx cerdo, Leptura rubra) dienen bei der Vorbereitung zur Eiab- lage zum Abtasten einer pas- senden Stelle. Indem wir das schwierige Capitel über die Sinnes- empfindungen an der Haut und die Hautsinnesorgane verlassen, scheiden wir nicht in dem Bewusstsein, über diese Sache völlige Klarheit zu haben. Es fehlt hinsicht- lich der Sinnesorgane allzu- sehr au Homologieen zwischen Flg. IS Fig. 13. Fig. 14. den Insecten und dem Men- sehen. Einander ähnliche Nervenendorgane sind bei jenen über einen Theil der Körperhaut verbreitet; bei ihrem Anblick liegt es näher, sie meist alle für Tastorgane, als für specialisirte Organe der Geruchs-, Gehörs- und Geschmacksempfindung zu halten, wie wir selbst sie besitzen. Auch die vielen Ex- perimente, welche mit Insecten angestellt worden sind, schliessen nicht immer mit Sicherheit die Annahme aus, dass die Art der Empfindung auf blosses Tastgefühl und Lufterschütterung zurückzuführen ist, wenn es sich um die Auffindung des Geruchs-, Geschmacks- und Gehörsinnes handelte. Um über den Sitz der Geruchsempfindung' Auf- schluss zu erhalten, wurden von den experimentirenden Naturforschern häutig scharfe Mittel angewendet, z. B. Terpentin, Ammoniak, Chloroform etc., Mittel, welche auf die über den ganzen Körper vertheilten und äusserst em- pfindlichen Tastnerven sicherlich schmerzhaft einwirkten, nicht aber auf den Sitz des Geruchsorgans an einem be- stimmten Körpertheile schliessen Hessen. Es sind viel- mehr, sagt Forel, solche Substanzen anzuwenden, die dem betreffenden Thiere oder seinen Jungen als Nahrung dienen, die es überhaupt im natürlichen Zustande auf- sucht, oder die es zum Zweck der Selbsterhaltung fürchten muss, sind. wenn auch alle diese Dinge für uns meist geruchlos Die Wirkung mechanischer Erschütterungen auf die Tastnerven kann mit Gehör- sempfinduugen verwechselt werden. Graber's Experi- mente sind jedoch in dieser Beziehung klar und genau. Ob indess eine ausgespannte Membran wirklich zum Hören nothwendig ist, scheint nicht ausgemacht zu sein. Leydig glaubt sogar an das Vor- handensein eines sechsten oder siebenten Sinnes bei den Insecten, von dem wir uns aber keine Vorstellung machen könnten. Und wenn es wahr ist, dass blinde Fliegenmaden (ob vermittelst der über die allgemeine Körperhaut ver- theilten Tastorgane?) hell und dunkel unterscheiden können, wie aus Pouchet's Experimenten hervorgeht, so ist die theilweise geringfügige Differenzirung der Sinnesor- gane noch auffälliger. Die Duftorgaue. Das Capitel über die Duftorgane führt uns zu- gleich zu einem der inter- essantesten Punkte der Bio- der Insecten. Bei zahlreichen Schmet- (aueh bei einigen logie terlingen Fig. 16. Fig. 17. werden. Schmetterlingen anderen Insecten) sind Duft- vorrichtungen gefunden, wel- che aber nur dem männ- lichen Geschlecht eigen sind. Dass sie einem geschlecht- lichen Zwecke dienen und als Reizmittel zur Begattung ver- wendet werden, ist über allen Zweifel erhaben. Der von den Männchen ausströmende Duft mag deswegen als Reiz- Sowohl bei einheimischen als anderer Krdtheile ist er beob- duft bezeichnet auch bei achtet. Das Duftvermögen beruht auf der Anwesenheit von Duftschuppen, deren Form und Lagerung namentlich auf den Flügeln sehr verschieden ist. Die Dultschuppen em- pfangen ihr Secret von Zellen, welche unterhalb dieser Schuppen liegen. Aus der Zelle (Drüsenzelle) tritt die Duftflüssigkeit in die mit ihr verbundene Schuppe, welche ihr eine genügend grosse Fläche bietet, um durch Ver- dunstung zur Geltung zu kommen. Der Duft erinnert, wie von verschiedenen Beobachtern mitgetheilt wird, theils an Vanille, theils an Moschus, Opium u. s. vv. Um eine möglichst grosse Verdunstungsfiäche zu bieten, Nr. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 85 sind die meisten Duftschuppen am Ende verbreitert oder ficdrig oder büschelförmig verzweigt. In Fig. 12 bis 17 sind verschiedene typische Formen von Duftschuppen zur Anschauung gebracht. Fig. 12 zeigt eine Federbusch- schuppe von Argynnis niobe L., Fig. 13 eine Spitzschuppe von Hesperia mahne L., Fig. 14 eine Haarsehuppe von Cupido icarus Rott., Fig. 15 eine Gliederschuppe von Pamphila comma L., Fig. 16 eine B^ächerschuppe von Pamphila sylvanus Esp. und Fig. 17 eine Blasenschuppe von Cupido icarus Rott. Die Duftschuppe ist nichts anderes, als der Leitungs- appparat eines ätherischen Oeles, welches in der die Wurzel der Schuppe umgebenden Zelle enthalten ist. Eine haarförmige Duftschuppe von l'apilio protcsilaus ist von einem einzigen Achsencanal (dem Leitungsapparat) durch- zogen; mit zahlreichen Canälen sind breite Schuppen ver- sehen, und die Oeffnungen belinden sich dann entweder auf der Spitze feiner Franzen am Spitzenende, z. B. bei Argynnis, Heliconius u. a., oder die Fläche der Schuppen ist fein durchlöchert. Der dein ätherischen Oele ent- strömende Duft, den man deutlich an dem Finger wahr- nimmt, wenn man etwa einem lebenden männlichen Weiss- ling, Pieris napi oder rapae, den Flügelstaub mit den Fingern abwischt, geht ohne Zweifel von jenen Oeff- nungen aus. Einfluss der gewissen Raupen zur Nahrung dienen- den Giftpflanzen auf die Färbung der ersteren. In dem Capitel über die Färbung der Insecten handeln einige Abschnitte über die Ursachen specieller Färbungs- arten. Mitgetheilt sei davon Folgendes: Bekanntlich werden Raupen wie andere Larven der Insecten von Vögeln gern gefressen. Manche Vögel gelten sogar als nützlich, weil sie von jenen Thieren grosse Mengen vertilgen. Es ist aber aufmerksamen Beobachtern nicht entgangen, dass es namentlich nur mattfarbige und glatthäutige Raupen sind, welche von den Vögeln gern verzehrt werden: dass andererseits dornige und haarige oder buntgefärbte Raupen verschmäht werden. Die letzteren sollen sogar wegen ihres unangenehmen Ge- schmackes von den Vögeln verabscheut weiden. Die also an ihrer bunten Färbung kenntlichen übelschmeckenden Raupen geniessen dadurch den Vorzug des Schutzes gegenüber den als Nahrung beliebten Raupen. Weismann bezeichnet die bunte Färbung als Trutzfärbung, weil die Vögel schon aus einiger Entfernung die an ihrer Färbung leicht kenntlichen unappetitlichen Raupen erkennen. In diese Gattung von Raupen gehören diejenigen mancher Noctuen (Cucullia verbasci, asteris, lactucae u. a. und Acronycta-Arten), Spinner (Lasioeampa neustria), gewisser Spanner (Abraxas grossulariata), Schwärmer (Deilephila cuphorbiae), Zygäniden (Zygaena filipendulae). Wallace ist überzeugt, dass die bunten Farben der übelschmeckenden Thiere nur den Zweck haben, allgemein den lusectenfressern zur Warnung zu dienen. Er führt Fälle an, dass junge unerfahrene Vögel nach einem grell- gefärbten ungeniessbaren Thiere schnappten, es aber so- gleich fallen Hessen und sich vor Ekel schüttelten. Wahr- scheinlich genügte die gemachte Erfahrung in künftigen Fällen, in denen ihnen die auffallenden Farben als Ab- schreckmittel dienten. Es scheint danach, dass wir uns nicht täuschen, wenn wir diesen Combinationen wissen- schaftlichen Werth beilegen. So z. B. ist der auffallend feuerroth gefärbte und dadurch vor den übrigen Insecten unseres Landes aus- gezeichnete Feuerkäfer, Pyrochroa coccinea, durch seine Färbung geschützt; ,1. W. Slatcr stellte durch einen Ver- such fest, dass er von den Hühnern, die doch sonst gern Käfer fressen, entschieden verweigert wird. Hermann Müller schrieb an A. Speyer über die Raupen von Cucullia lactucae, einer schon eben erwähnten, zu den Eulen gehörigen Scbmetterlingsart: ..Ich nahm sie mit, weil die grellgelbe und schwarze Zeichnung und ihr völlig offenes Umherkriechen in mir sogleich die Ver- muthung erweckte, dass sie durch widrige Säfte geschützt sein müsse, und dass ihre Färbung als Widrigkeitszeichen oder Trutzfarbe diene. Der Versuch, den ich soeben mit ihr anstellte, hat diese Vermuthung bestätigt. Von den zahlreichen jungen und alten Hühnern meines Hühnerhofes rührten die meisten die Raupe, nach der sie neugierig die Hälse ausstreckten, gar nicht an; einzelne pickten da- nach, so zaghaft, dass ihre Schnäbel nur die Luft trafen. Einige endlich pickten an, warfen aber die Raupe weg oder gingen selbst davon, ohne einen zweiten Versuch zu machen. Nur ein junges Hähnchen sah ich nach einigen Minuten Zwischenraum zum zweitenMale anpicken." J. Jeiiner Weir hat sich durch zahlreiche Versuche überzeugt, dass alle Raupen mit glatter Haut und einer den Blättern oder der Baumrinde, worauf sie leben, ähn- lichen Färbung, von gefangenen Vögeln, denen er sie vor- warf, mit Gier gefressen wurden, während auffallend ge- färbte, oder mit Haaren und Stacheln versehene Raupen, verschmäht wurden. Wir verdanken es dem englischen Naturforscher Sinter, darauf aufmerksam geworden zu sein, dass jene auffallend bunten, bei den Vögeln nicht beliebten Raupen in der Regel auf Giftpflanzen leben, z. B. Deilephila cuphorbiae auf Wolfsmilch i Euphorbia i, Chaerocampa nerii auf* deander, die gleichfalls auffallend gefärbte Raupe von Danais ar- ehippus auf Arten von Äsclepias, diejenige von Thais polyxena auf Aristolochia. Dagegen sind die Raupen un- serer Smerinthus- und Sphinx-Arten, sowie der Chaero- campa elpenor und porcellus nicht auffallend bunt gefärbt und leben auch auf nicht giftigen Pflanzen. Unter der unausweichlichen Annahme, dass die Giftstoffe jener Pflanzen in den Körper der Raupen übergehen, sind die bunten Farben daher warnende Abzeichen. Da es auf Grund des oben dargelegten Einflusses der Nahrung auf die Färbung aber gleichfalls wahrscheinlich ist, dass diese Giftstoffe die bunten Farben hervorrufen, so hätten wir eine ganz verständliche Erklärung für die Entstehung der warnenden Farben der obigen Raupen. Der Geruch der Nährpflanze geht nach Lelievres Beobachtungen sogar noch auf den Schmetterling über. Aus den Puppen hervorkommende Stücke beiderlei Ge- schlechts von Thais polyxena strömten bei der blossen Berührung einen Geruch aus, der dem Gerüche der Aristolochia, von denen sich die Raupen nährten, nahe kam. Auch die Danais-Arten, deren bunt gefärbte Raupen. wie vorhin angeführt, auf den giftigen Aselepias-Arten leben, sind noch als Schmetterlinge ungeuiessbar und da- durch geschützt. Selbst im Tode bleiben sie unbehelligt, wie folgende Beobachtung zeigt. Meldola hatte einige Schmetterlinge zugesandt bekommen, welche die einzigen Ueberbleibsel einer durch Milben zerstörten Sammlung ausmachten; sie gehörten durchweg Gattungen an, die auch im Leben gemieden und also verschont werden, näm- lich den Gattungen Euploea, Danais u. a. Beachtenswerth ist es, dass in anderen Erdtheilcn wohnende Naturforscher Thatsachen beobachten, welche nicht mit den an europäischen Insecten gemachten Er- fahrungen übereinstimmen. So z. B. leben zwar die bunten Raupen der chilenischen Schwärmer Deilephila eupborbiaruin und D. aniiei auf Mühlenbeckia sagittae- folia und Oxybaptrus parviflorus; aber auch die einfach grüne, mit gelben Schrägstreifen versehene grosse Raupe von Protoparce (Sphinx) eurylochus Philippi nährt sich von der giftigen Litrea venenosa. (x.) 86 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 7 Die Bakterie der Pocken. — lieber ein Gebilde, welches sich in Trockenpräparaten von Vacine- und Va- riolalymphe sichtbar machen lässt, berichtet Dr. Butter- sack in den Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheits- amte (IX. Bd., I. Heft, S. 96 ff. Berlin 1893). — Die Schutzimpfung gegen die Blattern ist bekanntlich der älteste glückliche Versuch, den gesunden Körper durch künstliche Infection mit dem Blatternstoffe gegen die Krankheit selbst widerstandsfähig zu machen; indessen hat man über die Art und Weise, wie die Immunität zu Stande kommt oder auf welchen Vorgängen sie beruht, noch keine Kenntniss; ja noch mehr, man weiss nicht einmal sicher, was eigentlich der Vermittler der An- steckung ist, ob diese durch Uebertragung gewisser Ver- bindungen oder durch Lebewesen verursacht wird. Unter- suchungen hierüber sind schon des öfteren angestellt worden (so in den siebenziger Jahren von Ferd. Colin); haben aber noch zu keinem Resultate geführt. — Die Er- wägung, dass „die Substanz, welche den Impfschutz ver- leiht, beliebig von dem Einen auf den anderen über- tragen und dort vermehrt werden kann", führte B. auf den Gedanken, dass dieselbe ein Lebewesen sein müsse. Am sichersten und in grossen Mengen glaubte er diesen Pockenkeim in den Impfpusteln anzutreffen, da die klare Flüssigkeit derselben jedoch bei aller Vollkommenheit der Mikroskope nichts derartiges erkennen Hess, so schloss B. sehr richtig, dass die darin ganz bestimmt zu ver- muthenden Körper, mit der Flüssigkeit den gleichen Brechungsexponenten haben müssten, und suchte daher nach einem möglichst wenig brechenden Medium. Als solches erkannte er, nachdem eine geeignete Flüssigkeit nicht gefunden worden war, die Luft und bediente sich daher der von den Mikroskopikern wenig beliebten Trockenpräparate, indem er die Lymphe antrocknen liess und das Deckgläschen auf dem Objeetträger durch Wachs- tropfen befestigte. Um nicht bei der Untersuchung stö- rende Salze oder organische Körper anzutreffen, wurden die Präparate noch durch die Flamme gezogen und dann in Wasser, verdünnten Säuren und Alkalien ab- gespült. Das Material lieferten 8 Tage alte Impfpusteln von Erstimpflingen. Mit Ausnahme nur eines einzigen Kindes von ungefähr 100 untersuchten, wurde in der Lymphe aller nach erlangter genügender Ucbung ein un- gemein feines Netzwerk von zarten, hellen, langen Fäden wahrgenommen und in vielen Fällen neben und in den- selben noch hellere, kleine, runde, glänzende Körperchen. Die beiden neu entdeckten Gebilde zeigten ein derartiges Verhalten zu einander, dass dort, wo die Pusteln noch nicht eitrig waren, also im Beginne des Processes, die runden Körperchen überwogen und Fäden nur schwach sichtbar waren; auf der Höhe des Processes trat das Netzwerk der Fäden herrschend auf und beim Rück- gange desselben nahmen wieder die Körperchen mehr und mehr au Zahl zu. Dieselben Gebilde, (Fäden, wie Körperchen) traten in denselben Verhältnissen auch in der Umgebung der Pusteln im Gewebssafte auf und wurden gleichfalls bei Impfkälbern und auch bei Wieder- impfungen (am 8. Tage) angetroffen. Bei letzteren waren die Fäden nicht mehr so vorherrschend, bildeten kein Netzwerk, dafür aber traten die Körperchen, entweder einzeln oder in Ketten in den Vordergrund. Zahlreiche Control-Untersuchungen lehrten die Fäden unzweifelhaft als eigenartige Gebilde kennen, die nicht etwa blosse Zersetzungs- oder Niederschlagsproductc bereits bekannter Stoffe, sondern selbständige Formen sind. Sie fehlten in allen anderen untersuchten normalen sowohl wie patho- logischen Flüssigkeiten. Als speeifische Eigenschaften der Fäden ist anzusehen ihre sich gleichbleibende Breite, ihre Blassheit, ihre Widerstandsfähigkeit selbst in ganz feinen Schichten gegen Ammoniak und Natriumnitrat und endlich der Umstand, dass es nicht gelang, sie selbst mit irgend einem Stoffe zu färben. — Eine an sich selbst vorgenommene Impfung, bei welcher ein ca. 3/4 cm tiefer Schnitt am Oberarm mit Lymphe gefüllt wurde, in der die kleinen glänzenden Körperchen sich befanden, hatte folgenden Verlauf: Nach 6 Stunden zeigten sich einige wenige kurze Fäden, nach weiteren 6 Stunden waren dieselben zahlreicher und bildeten nach einer Gesammt- dauer des Processes von 24 Stunden das bekannte Faden- gewirr. „Nach 48 Stunden fingen die Gebilde an blasser zu werden, und nach dreimal 24 Stunden war der ganze Process wieder bis zum massenhaften Auftreten der zu Anfang überimpften kleinen Körperchen abgelaufen." Versuche an einigen Bekannten hatten einen gleichen Verlauf. - Nach diesen Untersuchungen darf man wohl die Fäden als die Vegetationsform der in den Pusteln und ihrer Umgebung auftretenden Gebilde, die kleinen Körperchen als ihre Sporen und als Dauerform betrachten. Die letzteren sind in der Lymphe vorhanden, sind die Träger der Ansteckung; aus ihnen entwickeln sich die Fäden, aus denen gegen Ende des Processes wiederum die kleinen Körperchen hervorgehen. Am längsten dauert der Process bei Erstimpfungen, während sein Verlauf bei Wiederimpflingen ein beschleunigter ist, Reagensglas- kulturen konnten leider nicht gezüchtet werden, indessen gelang es, die Gebilde in einer Serie von Kälbern viru- lent zu erhalten. Auch in den Pusteln an den Pocken erkrankter Personen konnte B. genau dieselben Gebilde nachweisen. Gelegenheit dazu boten ihm Fälle in Prag, Hamburg und Gera. Ueber die Ursachen der Krebspest theilt Raphael Dubois folgendes mit. (Recherches de pathologie com- paree sur la peste des ecrevisses. C. rend Soc. de Biol. Paris, T 5, 1893, S. 158.) Er untersuchte diese Krank- heit an den Bewohnern des Sees von Nantua, dessen früher äusserst ergiebige Krebszucht derart abgenommen hat, dass Deutschland für ausgeführte Krebse jährlich 12 bis 15 Millionen einnimmt. Man schrieb die verhee- rende Krankheit Pilzen, einem Distoma oder durch In- dustrie und Landwirtschaft herbeigeführten Verunreini- gungen der Gewässer zu. Dubois fand in den erkrankten Thieren kein Distoma, wohl aber im Juni und Juli in ihrem Verdauungskanal verlängert eiförmige, cylindrische oder in der Mitte etwas eingeschnürte Körper, deren va- cuolcnreicher Protoplasmakörper durch eine seitlich am Ende gelegene Oeffnung ausschlüpfte, um sich amöboid fortzubewegen. Vert. ist geneigt, diese Organismen für Sporozoen anzusehen. Der Umstand, dass in einem durch eine Barre abgeschlossenen Theil des genannten See- gebietes oberhalb dieser Barre keine kranken Krebse auf- traten, liess ihn vermuthen, dass vielleicht ein Fisch der Ueberträger der inficirenden Organismen sei. Es fand sich nun, dass mit Plötzenfleisch gefütterte Krebse im Fleisch und in den Eingeweiden Parasiten enthielten, die mit den Myxosporidien Thelohania Contejani Henn. et Tliel. identisch waren. Sie wurden im October gefunden. Ob sie mit den oben genannten Organismen im Zu- sammenhang stehen, müssen weitere Untersuchungen lehren. M. Veränderlichkeit der geographischen Breite. — In dem letztem „Bulletin" der „United States Coast and Geodetic Survey" erstattet E. D. Preston einen vorläufigen Bericht über die Ergebnisse der unter seiner Leitung auf der Sandwich -Insel Waikiki angestellten Beobachtungen über die Veränderlichkeit der geo- Nr. 7. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. graphischen Breite. Die Beobachtungen erstreckten sich über die Zeit von Anfang Juni 1891 bis Ende Mai 1892 und wurden in Cooperation mit denjenigen der Inter- nationalen Gradniessung ausgeführt. Die Amplitude der gefundenen Schwankung betrug 0,621 Secunden, und das Minimum der Breite des Ortes fiel auf den 14. September 1891, das Maximum aber auf den 2. Agril 1892. Die Schwankung ist also eine ähnlich starke wie die 1889 in Berlin, Potsdam und Prag festgestellte.*) E. Deckert. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: An der Universität Genua der Privat- docent für Physiologie Dr. Fano zum Professor. — Der Privat- docent für Frauenheilkunde an der Universität Würzburg Dr. Ernst Bumm zum ordentlichen Professor an der Universität Bern. — Der ausserordentliche Professor für Chemie an der Hochschule für Bodencultur in Wien Dr. Zeisel zum Ordinarius. — Der Geologe an der Kgl. Preuss. Geologischen Landesanstalt in Berlin Dr. August Leppla zum Kgl. Preuss. Bezirksgeologen. — Dr. Carlo Ca sali zum Assistenten für Botanik an der Universität Rom. - Herr Parchkjewich zum Obergärtner des Kaiser). Botanisehen Gartens in St. Petersburg. — Der frühere Gehilfe am Herbarium des Kaiserl. Botanischen Gartens in St. Petersburg Rudolf Nie- mann zum botanischen Gärtner am Botanischen Garten der Universität Petersburg. — Der Bergverwalter G. Helmhackor zum Lehrer an der Bergakademie in Przibram. — Dr. Hermann Minkowski, ausserordentlicher Professor der Mathematik ander Universität Bonn, zum Professor au der Universität Königsberg. — Unser Mitarbeiter Dr. Richard Otto, Assistent am pflanzen- physiologischen Institut der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule, zum Lehrer der Chemie am Kgl. Pomologischen Institute zu Proskau O.'S. Dr. Fr. Krüger aus Geisenheim ist als Assistent am pflanzen- physiologischen Institut der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin eingetreten. An der Universität München beabsichtigt der Professor in der medicinischen Facultät Dr. von Pettenkofer mit Ende des nächsten Semesters seine Lehrthätigkeit einzustellen. Es haben sich habilitirt: Dr. Vulpius als Privatdocent für orthopädische Chirurgie an der Universität Heidelberg. — Dr. Robert Regel, früher Conservator am Herbarium des Kaiserl. Botanischen Gartens in St. Petersburg, als Privatdocent für Botanik an der Universität Petersburg. Es sind gestorben: Der Realschul- Oberlehrer Professor Dr. Einil Reichert, bekannt durch seine Publicationen aus den Ge- bieten der Chemie und Physik, in Freiburg i. B. — Der Professor der Chirurgie an der Universität Wien Hofrath Dr. Theodor Billroth in Abba/.ia. -- Der Geheime Medieinalrath Dr. Karl Wenzel in Mainz. — Der speciell auf dein Gebiete der Augen- heilkunde thätig gewesene Arzt Dr. Alexander Brugscli in Kairo. — Der Zoologe Leopold von Schrenck in Petersburg. — Der Assistent am Institut für Infectionskrankheiten Dr. Ruprecht Zenthoefer in Charlottcnbürg bei Berlin. — Der Professor der Zoologie an der Universität Warschau Dr. A ugust Wrzcsn iowski. — Der Dermatologe Dr. Lailler in Champeaux, Dep. Eine. — Der Mediciner Dr.Michel Moreau-Wolf, Mitglied der Aeademio de medeciue, in Paris. - Der Professor an der medicinischen Facultät in Bordeaux Dr. J. Perrens. — Der Professor am Land- wirtschaftlichen Institut in Beauvais Charles Gossin. — Dr. Cesare Olivieri, Professor der klinischen Medicin und Direetor des Hospitals Pellegrini in Neapel. — Der Professor der Chemie an der Medical Sehool of Charing Cross Hospital Dr. C. W. H eaton. — Der Professor der Medicin Charles Clay in London. — Dr. Oscar Meyer, Direetor des Kinderasyls in Pargola (verdient um die Kinderheilkunde) in Petersburg. — Der Mineraloge Arcan- gelo Scacchi in Neapel. — Der um die Hebung des Gartenbaus in Kussland wohlverdiente Generalmajor Michael Nikola- jewitseh Rajewski, Präsident der Kaiserl. Russischen Garten- bau-Gesellschaft, in Sebastopol. Der Mineraloge Julius Frocbel, ehemals deutscher Goneraleonsul in Algier, in Zürich. Ein Botanischer Garten wird von der Societe des Touristcs du Dauphine auf dem 1875 in hohen Chamrousse bei Grenoble er- richtet unter der Leitung von Professor P. Lachmann. Ein Museum in Wernigerode beabsichtigt Fürst Otto zu Stolberg-Weruigerode zu errichten. Eine bedeutende Abtheilung desselben wird auch der Geologie gewidmet sein. Zum Conservator des Museums ist der Gymnasiallehrer Büsing in Wernigerode in Aussicht genommen. Ein ungarisches Central-Bureau für ornithologische Beob- achtungen ist in Budapest am 1. Januar d. .1 eröffnet worden und beginnt ein Beobachtungsnetz über das ganze Land einzu- richten. Organ dos Institutes wird eine in zwanglosen Heften erseheinende Zeitschrift, welche die einlaufenden Berichte enl halt. -n soll. Litteratur. Medieinalrath Prof. Dr. E. Ungar , Ueber Schutzimpfungen, insbesondere die Schutzpockenimpfung ( Holtzendorff-Moyor's Deutsche Zeit- und Streit-Fragen Hefe 1071. Vcrlagsanstall und Druckerei A.-G. (vorm. .1. F. Richter). Hamburg 1893 Preis 1 Mark. Das Heft schildert zunächst die Verhältnisse vor der Schutz- impfung, um dann auf die Schutzmittel gegen die Blattern einzu- gehen. Schon vor 3000 Jahren soll bei den Chinesen die Vario lation Gebrauch gewesen .-ein. indem sie Blatternschorfe um Bisam gelegt Kindern in die Nasenlöcher steckten oder ihnen Hemden Pockenkranker anzogen. Der Verf. geht sodann ausführlich auf die Frage ein. ob der Impfzwang berechtigt sei; zum Schiuss er- örtert er die Ansichten über die Frage, auf welche Weise der Impfschutz bei der Vaccination zu stände komme. Vergl. über den Gegenstand „Naturw. Wochenschr." V S. 41 und VI S. öle. Arnold Dodel, Biologischer Atlas der Botanik. Serie „Iris". Ausgabe für Horb- und Mittelschulen Mit 7 Tafeln S4 : 120 Centi- meter und erläuterndem Text. Verlag von Caesar Schmidt in Zürich 1KP4. _ Pnds 40 M. Hinsichtlich der sauberen und exaeten Ausführung der in ge- schicktester Weise und wahrhaft künstlerisch bunt gehaltenen Tafeln wüsste Referent dieselben nur mit den Kny 'sehen Wand- tafeln zu vergleichen. Das Format übertrifft aber alle gebräuch- lichen Lehrmittel genannter Art. Dodel hat sich als Herausgeber botanischer Tafeln schon durch Veröffentlichung seines wohl- bekannten „Anatomisch-physiolog. Atlas'1 bewährt, und das Werk, von welchem vorliegend eine Serie von 7 Tafeln geboten wird, wird gewiss eben solchen Anklang finden und von vielen wegen der peinlichen Gewissenhaftigkeit, mit der sie bearbeitet winden, und Verliefung des Gegenstandes, vorgezogen werden. Jede Serie — giebt Verf. im Vorwort an — wird für sieh ein Ganzes bilden, so zwar, dass sogar jedes einzelne Blatt unabhängig von den anderen Blättern beim Unterrieht im Lehrsaal oder im botanischen Laboratorium wiid zur Verwendung kommen können. Der Verleger wird zwar nicht einzelne Blätter verkaufen; doch verpflichtet die Abnahme der ersten Serie keineswegs zur Ab- nahme der weiterhin zu erscheinenden Serien. Das Sehematisiren tritt auf den neuen Tafeln Dodel's voll- kommen in den Hintergrund ; er bemüht sieh die Objecto so natur- wahr als nur irgend möglich zur bildliehen Reproduktion zu Illingen. „Ein jedes Blatt sei ein naturwahres Kunstwerk, lehr- reich und begeisternd zugleich — für Lehrer sowohl als für Schüler!" Die Tafel I erläutert -- zusammen mit den folgenden in monographischer Durchführung — die nothwendige Fremdbestäu- bung durch Insecten (Biene und Blume). II die Farbenpracht der Blume als Lockmittel und Saftmal, 111 die Morphologie des Androeceums und Gynaeceums, IV die reife Frucht und Morpho- logie des reifen Samens. Y die Entwickelungsgeschichte der Samen- Anlage bis zur Zeit der Befruchtung, VI die Befruchtung der Eizelle, Endosperm -Bildung und die Lutwickelungsgeschichte des Embryos, VII die Keimung des Samen.-. Die G7 Einzolfiguren sind Originalzcichnungen des Verfassers und entstammen einer noch niehl publicirten monographischen Studie über li is sibirica. Möchte das schöne Werk die verdiente Anerkennung linden und eine Zierde vieler Lehranstalten werden. *) Vergl auch „Naturw. Wochenschr." VIII, S. 561. Red. Brenner, Joach. Frhr. v., Besuch bei den Kannibalen Sumatras. Würzburg. 12 M. Dames, W., 5. Ueber Zeuglodonten aus Acgypten und die Be- ziehungen der Archaeoceten zu den übrigen Cetaceen. Jena. 16 M. Durege, Prof. i. R. Dr. H., Elemente der Theorie der l'une tionen einer complexen veränderlichen Grösse. 4. Aufl. Leipzig. 6,80 M. Giltay, Doc. Dr. E., Sieben < »bjeete unter dem Mikroskop. Leiden. 2 M. Meves, Frdr., lieber eine Art der Entstehung ringförmiger Keine und die bei ihnen zu beobachtenden Gestalton und Lagen der Attractionssphäre Kiel. 1,20 M. Strasburger, Prof. Ed., Histologische Beiträge, V. Leber das Saftsteigen. — Ueber die Wirkungssphäre der Kerne und die Zellgrösse. Jena. 2.50 M. Inlialt: Dr. J. Petzold: Ueber den Begriff der Eutwickelung und einige Anwendungen desselben. - II .1. Kolbe, Aus der Insectenkunde. (Mit Abbild.) Schiuss. — Die Bacterie der Pocken. — Ursachen der Krebspest. — ^ Veränderlichkeit der geo- graphischen Breite. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. Litteratur: Medieinalrath Prof. Dr. E. Ungar: Ueber Schutzimpfungen, insbesondere die Schutzpockenimpfung. — Arnold Dodel: Biologischer Atlas der Botanik. — Liste. 88 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 7. I'fiittliji't. lVefffttissfefftttitf i'fn'ffiffo. Quecksilber-Thermometer, untur Druck gefüllt, bis 550° C. sicher anzeigend, mit eingebr. Skale mich ges. gesch. Verfahren, wie für die Physik.-Techn. Reichsanstalt geliefert, empfiehlt mit und ohne Aich-Schein W. Nichls, Verfertiger metenrol. u. plivsik.. Instrumente. BERLIN N., Schönhauser-Allee 160. NB. Härte skale für Glas, ges. gesch., nebst Probierstäbchen in Kästchen zum Gebrauch in Laboratorien etc. und für den Unterricht in Schulen. SWAN^aft^- allerbeste ainerik. Arbeit. 14kar. Goldfeder m Iridium- Spitze. Unverwüstlich. Güte garantirt. 10,50 M. 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Postzeitungsliste Nr. 4575. f Inserate : Die viergespaltenc Petitzeile 40 -Ä. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger tjHellenaiijjabe gestattet. Ueber den Begriff der Entwickelung und einige Anwendungen desselben. Von Dr. J. P.-tzoldt. (Schkiss.) 14. Ein besonders auffallendes Beispiel für den raschen Fortschritt eines Systems bei Ausschluss der äusseren Concurrenz, also bei alleiniger oder doch fast alleiniger Concurrenz der inneren Tendenzen, bietet uns die embryo- nale Entwickelung. Sie hebt damit an, dass zwei com- plexe Tendenzen, Ei- und Samenzelle, gegen äussere Ein- wirkungen bis auf die freilich unentbehrliche der Ernäh- rung geschützt, in Concurrenz treten. Beide sind jeden- falls höchst coniplicirter Natur, vor Anfang des Processes aber in einem relativ stabilen Zustand begriffen, da keine allein einer weiteren Entwickelung fähig ist. Diese Sta- bilität wird im Augenblicke des Zusammentreffens gestört und damit beginnt eine Eeibe von Aenderungen ihr Spiel, deren Ziel ein neuer stationärer Zustaud ist, der beide Tendenzen umfasst. Da die Eigenschaften des letzteren nur noch sehr wenig klar gelegt sind, so können wir uns von jenen Aenderungen kein auch nur cinigermaassen genaues Bild machen. Immerhin gestattet aber unser Entwickelungsbegriff einige nützliche Betrach- tungen. Wir können das embryonale System mit einem einfacheren materiellen vergleichen; es wird sich ja da- bei trotz aller Verschiedenheiten auch manches Gemein- same herausstellen. Denken wir uns im leeren Räume ein materielles System, wie wir solches schon oben zur schematischen Veranschauliehung wirklicher Verhältnisse benutzten. Die Bewegung seiner Massenpunkte soll nach dem Newton- Sehen Gravitationsgesetz und nach gewissen anfänglichen Geschwindigkeiten erfolgen. Wir nehmen an, dass die Entwickelung des Systems bereits bis zu dem endgültigen stabilen Zustande, den wir als durch jene Bedingungen vollkommen und eindeutig bestimmt denken müssen, ge- diehen, dass es also für sich allein nicht weiter entwicke- lungsfähig ist. Die Anzahl seiner Massentheilclien soll eine sehr grosse sein und dieselben sollen sich wieder in zu Untersystemen verschiedener Ord- belicbigen Mengen nungen zusammengefunden haben. Die Bahnen der Theilchen und Theilsysteme werden dann „relativ" — um einander — und „absolut" — in Beziehung auf einen fest gedachten Punkt — sehr verwickelter Art sein; greifen wir aber irgend eine Systemlage heraus, so wird in regelmässigen Perioden immer wieder eine maximale Annäherung an dieselbe eintreten, bezw. es wird ein für jede Systemlage als berechenbar zu denkender Mittel- werth periodisch wiederkehren. In einem bestimmten Zeitpunkt mag nun mit diesem ersten System ein ähnliches zweites in Concurrenz treten. Anfängliche Lage und Ge- schwindigkeit des Schwerpunktes des letzteren in Be- ziehung auf das erstere mögen derartige sein, dass im Laufe der weiteren Bewegungen beide Systeme wenigstens theilweise einander durchdringen und dass auch Zusammen- stüssc einzelner Theilchen nicht ausgeschlossen sind. Mit dem Augenblicke der Gegenüberstellung beider Systeme tritt eine Störung aller ihrer stabilen Bewegungs- verhältnissc ein, ja, sowie sie einander durchkreuzen, wird der individuelle Bestand ihrer Theilsysteme und ihre eigene Selbständigkeit aufgehoben werden. Diese Zerstörung der bisherigen Formen bedeutet aber nicht bloss eine Vernichtung, sondern auch den Anfang einer Entwickelung, die nach kürzerer oder längerer Zeit zu einer neuen festen Ordnung aller Theilchen, zu neuen stabilen Thcüsystemcn und zu einem neuen stabilen Gesamnitsystem führt. Dabei mögen Theilsysteme ent- stehen und wieder untergehen, zu dem einen der letzteren Theilchen hinzutreten, dem anderen solche genommen werden, alle diese Aenderungen werden in der Richtung auf einen störungsfreien Zustand gelegen sein, und je mehr sieh das System demselben nähert, desto weniger tief werden im allgemeinen solche Störungen in den Be- stand der Theilsysteme der verschiedenen Ordnungen ein- greifen. Anfänglich wird daher die Entwickelung eine schnellere, die Fortschritte in den Stabilitätsverhält- 90 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 8 nissen werden grössere, der Vorgang dafür aber auch ein stürmischerer, unruhigerer sein ais in späteren Zeit- abschnitten, die in mehr und mehr abnehmender Ge- schwindigkeit dem endlichen Dauerzustande zuführen.*) — Wir wollen indessen verhindern, dass der letztere erreicht wird und unser Gesammtsystem zu diesem Zwecke zu irgend einer Zeit — etwa nachdem die Entwiekelung die stürmischen Anfangszeiten schon hinter sich hat und in ruhigere Bahnen eingelenkt ist — mitten hinein in ein ungleich grösseres, weit umfassenderes System gestellt denken, das ausser dem unsrigen schon zahlreiche ähn- liche Systeme in sich aufgenommen haben mag. Dabei mögen aber derartige Annäherungen dieser Systeme, die' den individuellen Bestand derselben oder den ihrer wichtigeren Theile bedrohen könnten, durch die räum- lichen Verhältnisse des nunmehrigen Gesammtsystems wenigstens im allgemeinen ausgeschlossen werden. Was wird nun die Folge dieser plötzlichen Versetzung für unser System sein':1 Offenbar zunächst wieder eine Aenderung aller seiner inneren Verhältnisse, nur — der gestellten Bedingung entsprechend — nicht so durchgreifender Art, wie das bei einer gegenseitigen Durchdringung auf ein- ander stossender Systeme der Fall wäre. Diese Aen- derung würde jedenfalls zugleich eine Erniedrigung des bereits erreichten Stabilitätsgrades bedeuten, da die plötz- lich eintretende Concurrenz mit so zahlreichen und eben- falls sehr complicirten Tendenzen das System von seiner bisherigen, durch eine viel geringere Anzahl von Ten- denzen bedingten Entwickelungsrichtung stark ablenken muss; mögen diese inneren Tendenzen auch — wieder der gestellten Bedingung entsprechend — ihrer relativ geringen gegenseitigen Entfernungen wegen auch relativ viel wirksamer als die äusseren sein, deren Träger sich in vielmal grösseren Abständen von ihnen befinden. Da- mit hängt zusammen, dass auch das Eiitwickelungsziel ein anderes geworden ist: der stabile Zustand, dem das System vor seiner Versetzung entgegen ging, bildet fin- den neuen, der erst zugleich mit und in dem endlichen Dauerzustände des neuen Systems erreicht werden wird, nur eine Komponente, die je nach Umständen für die endgültige Gestaltung unseres Systems mehr oder weniger eintiussreich, aber nicht überwiegend ausschlaggebend sein muss. Ausserdem aber wird — und das ist für den obigen Ausgangspunkt des gegenwärtigen Theils unserer Betrachtung besonders wichtig — der Fortschritt unseres Systems ein viel langsamerer sein als er es in der Iso- lirung gewesen wäre, da ja eine grössere Anzahl von Tendenzen auch eine längere Zeit zum Ausgleich braucht. Die Parallele der geschilderten Vorgänge mit der Entwiekelung etwa des menschlichen Individuums im em- bryonaleu Zustand imd nach der Geburt liegt wohl auf der Hand. Wir wollen nur einiges hervorheben. Zu- nächst erhalten wir eine Antwort auf die Frage nach der Bedeutung der Befruchtung. Die letztere ist, wie ja oben schon angedeutet, nichts anderes als die Ein- leitung einer Entwiekelung dadurch, dass zwei Tendenzen die einzeln einer weiteren Entwiekelung nicht fähig wären, also zwei relativ stabile Tendenzen in Concurrenz treten und sich so zu einem umfassenderen System vereinen. — Dann zeigt sich, wie werthvoll die Abschliessung des embryonalen Systems von der Aussen- welt ist. Diese Isolirung bedeutet im grossen und ganzen Konstanz der Umgebungsverhältnisse und zwar sehr ein- facher Umgebungsverhältnisse und damit Ausschluss störender Aussentendenzen, somit nicht nur Ermöglichung *) Man vergleiche den Zustand einer Wassermasse kurz nach einer stärkeren Erschütterung mit dem Zustande in späteren Zeitpunkten, oder man denke an die Sturm- und Drangzeit der Jugendjahre oder an die gährende der Völkerwanderung u. s. w. gewisser Entwickelungsstufen, sondern zugleich Beschleu- nigung der Anfänge einer Entwiekelung, die nach der Geburt in weit weniger raschem Tempo erfolgt, ganz un- serem obigen Fall entsprechend. Mit der Geburt, also mit der plötzlichen Versetzung des embryonalen in ein umfassenderes System beginnt die Concurrenz des Indivi- duums mit zahlreichen Tendenzen der Ausscnwclt; und wie oben, so hat auch hier diese unvermittelte Versetzung vorerst einen Rückgang in der Stabilität zur Folge, der ja für viele schwächliche oder besonders ungünstigen Umgebungsbedingungen ausgesetzte Neugeborene zum Untergang führt.*) 15. Der Abschluss des embryonalen Systems von derUm- gebung ist aber nur ein besonderer Fall der ganz allge- meinen Erscheinung, dass für das Aufsteigen zu höheren Organisationsstufen, zu höheren Entwickelungszustäuden eine eigentümliche Umgebung**) geschaffen wird, inner- halb deren das System, mehr oder weniger gegen Aussen- tendenzen geschützt, vorwiegend der Concurrenz seiner Innentendenzen unter einander und der Concurrenz der letzteren mit verhältuissmässig nur wenigen, durch jene Ümschränkung gleichsam besonders ausgewählten äusseren Tendenzen überlassen bleibt. Das ist, wie die folgenden Beispiele zeigen werden, ein ganz all- gemeines Gesetz. Schon für die Entwiekelung des Sonnensystems waren besondere Umgebungsverhältnisse erforderlich: die nächsten Sonnensysteme mussten ge- nügend weit entfernt sein und der Raum, der das unsrige durcheilte, durfte keine kosmischen Massen enthalten, die seinen Bestand gefährdeten; Aussenten- denzen waren somit ausgeschlossen, bez. ihre Einwir- kung auf die coneurrirenden Innentendenzen auf ein ge- wisses unschädliches Minimum herabgesetzt. Die Ent- wiekelung der Pflanzen- und Thierwelt setzte dann weiterhin einen hohen Stabiliätsgrad des Planetensystems voraus: die Eide musste sich mit einer festen Rinde um- kleiden, damit sie die kommenden Organismen gegen ihre eigene Gluth schützen konnte, u. s. w. Jede Ptfanzen- und Thierart wieder hatte eine eigentümliche Umgebung nöthig, die Störendes abhielt und vorwiegend nur das Förderliche zuliess. Das nervöse System konnte erst dann seine hohe Ausbildung finden, als Körper entstanden waren, die hinsichtlich des Verdauungs-, Blutkreislaufs- und Athmungsapparates einen hohen Stabilitätsgrad erreicht hatten und jenes empfindliche System durch eine sichere KnochenhUlle vor gefährdenden Tendenzen bewahren konnten. Schutzmittel und überhaupt besondere constante Ausseuverhältnisse treffen wir nicht bloss da, wo wir die Erhaltung, sondern auch da, wo wir die Entwieke- lung eines Systems gewährleistet finden, wie ja die Eib iille und der schützende mütterliche Organismus deut- lich zeigen. So hoch wir auch hinaufsteigen mögen in der Stufenfolge der Eutwickelungszustände, überall stossen wir auf dieselbe Erscheinung. Das Kind wird durch die Geburt nicht ohne weiteres allen Tendenzen der Ausseu- welt preisgegeben. Es findet in der Familie und Schule wieder besondere Umgebungen, die zahlreiche äussere Tendenzen abhalten und nur sorgsam ausgewählte zu- *) Auch für das Verständniss des Umstandes, dass der erste Theil der embryonalen Entwiekelung schneller als der letzte er- folgt, dass also in jenem ersten Abschnitt der individuellen Ent- faltung (Ontogenese) weit mehr Stufen der phylogenetischen Ent- wiekelung durchlaufen werden als im zweiten Abschnitt, auch hierfür liefert wohl unsere Parallele aufklärende Gesichtspunkte, die wir freilich jetzt nicht weiter verfolgen können. "*) lieber den Begriff der Umgebung vergl. R. Avenarius' „Kritik der reinen Erfahrung", Band I. Siehe auch den in Nr. 1 des gegenwärtigen Jahrgangs der „Naturw. Wochenschr." er- schienenen Aufsatz: M. Klein, „Die Philosophie der reinen Er- fahrung". Nr. 8. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 91 lassen wollen, nm eine gesunde Entwickelung zu ermög- lichen. Erst der Mann muss hinaus in's feindliche Leben; aber auch er braucht, wenn er nicht frühzeitig stumpf, nicht vorschnell stabil werden, sondern einer weiteren Entwickelung- fähig bleiben und eine solche wirklich durchlaufen soll, wenn er im besonderen in der Förderung seiner selbst zugleich die Art fördern will, auch er braucht dann eine schützende besondere Umgebung: anhaltende, eindringende geistige Arbeit ist wohl nur in gesicherter äusserer Lebensstellung möglich, und Kunst und Wissen- schaft gelangen nur im mütterlichen Schoosse einer reichen materiellen Kultur zu hoher Blüthe. Auch den Kampf um's Dasein lässt dieser Gesichtspunkt in besonderem Lichte erscheinen. Dieser Kampf schliesst für die Ueber- lebendcn störende Tendenzen aus, schafft also eine Um- gebung, innerhalb deren erst eine ungestörte Entwickelung möglich ist. 16. Wir haben beachtet, dass die Hülle, in welche so ein jedes sich weiter entwickelnde System eingeschlossen ist, nicht etwa nach aussen hin hermetisch abschliesst. Sie lässt vielmehr auch äussere Tendenzen einwirken. Gleich- wohl wird nach einer bestimmten Zeit das System in einem stationären Zustande begriffen sein, also am Ende seiner Entwickelung stehen, wenn die Hülle nicht ge- wechselt, die Umgebung nicht erweitert werden kann. Aller Fortschritt über eine jeweilig erreichte relative Sta- bilität hinaus beruht auf einer Aenderung, auf einer Er- weiterung der Umgebung. Die Thier- und Pflanzenwelt darf heute wohl in der Mehrzahl ihrer Arten als relativ stabil angesehen werden: für sie giebt es eine Umgebungs- änderung nur noch in geologischen Zeiträumen und damit allerdings auch noch eine entsprechende Entwickelung, dieselbe kann aber derjenigen, in welcher vor allem der Mensch noch heute begriffen ist, bei weitem nicht an die Seite gestellt werden. Die Biene und die Ameise haben die Lebensweise, die wir an ihnen kennen, schon vor vielen Jahrtausenden geführt und werden sie auch nach vielen Jahrtausenden noch so führen. Da ist kein Fort- schritt merklich. Ihre Umgebung ist constant. Die Ten- denzen derselben haben sich mit den Innentendenzen jener Individuen und ihrer „Staaten" in's Gleichgewicht gesetzt, das wohl nur noch, wenn wir von etwaigen Ein- wirkungen des Mensehen absehen wollen, durch kosmische Ereignisse und Umbildungen gestört werden wird. Anders beim Menschen. Seine Umgebung wird unausgesetzt durch wissenschaftliche Forschung, technische Erfindung, künst- lerisches Schaffen, durch Belehrung und wechselseitigen Verkehr erweitert. Namentlich hat der letztere, der ja besonders in unserem Jahrhundert durch eine Reihe von Erfindungen ausserordentlich gesteigert wurde und viel grössere Massen von Individuen als sonst in enge Be- rührung brachte das einzelne Individuum und die einzelnen Klassen in kürzester Frist zahlreichen und mächtigen neuen Tendenzen gegenübergestellt und so eine heftige Concurrcnz und stürmische Entwickelungszustände hervor- gerufen, die unserer Zeit ihr Gepräge verleihen. So end- los aber auch die Welt vor uns liegen mag, so unnennbar zahlreich und so unausdenkbar mannigfaltig die Probleme auch sein mögen, die der Wissenschaft und Technik, der Politik und dem socialen Leben noch harren, es muss ein Ende der Entwickelung kommen: nicht — zunächst wenigstens nicht — ein Ende, das den Untergang des Menschengeschlechts, sondern nur ein Ende, das seinen schliesslichen relativen Stabilitätszustand bedeutet. Der Ameisenstaat hat seine endgültige Form erreicht, das ge- sellschaftliche Zusammenleben der Menschen noch nicht. Das System des ersteren lässt keine inneren Bedingungen mehr erkennen, die zu einer weiteren Entwickelung führen könnten, während im menschheitlichen System noch äusserst zahlreiche und mannigfaltige rendeuzen der ver- schiedensten Ordnungen in lebhaftester Concurrenz be- griffen sind. Es liegt kein Grund vor anzunehmen, dass diese Tendenzen nicht zum stabilen Ausgleich gelangen werden. Denn die Geschwindigkeit der Entwickelung der Menschheit in historischen Zeiten ist so gut wie unab- hängig von der Aenderung der geophysischen und kos- mischen Verhältnisse gewesen und wir dürfen die letzteren im Vergleiche mit jener wohl auch für lange künftige Zeiträume als nahezu constante betrachten. Unter der Voraussetzung also, dass sich die Wärmestrahlung der Sonne, die Bahnen der Planeten und die Eigentemperatnr der Erde im Verhältniss zur Entwickelungsgeschwindigkeit des inenschheitlielien Gcsammtsystcms auch fernerhin nur wenig ändern werden, geht das letztere unvermeidlich einem Zustand entgegen, der in sich selbst keine Bedin- gung für eine weitere Entwickelung mehr tragen wird.*) 17. Die fernere Entwickelung der Gattung Mensch ist im wesentlichen eine Entwickelung des Nervensystems und damit der seinen Acnderungcn „parallelen" psychischen Vorgänge. Die übrigen Theilsystemc, wie Verdauungs . Blutkreislaufs- und Athmungsapparat, Knochengewebe, Hautgewebe u. s. w. dürften ihren endlichen Stabilitäts- zustand im allgemeinen schon erreicht haben. Für diese Theilsysteme ist ja auch die Umgebung eine konstante, insofern eben die Nahrungsmittel und die klimatischen Einflüsse im allgemeinen ihren Durchschnittswert!! nicht ändern. Mit dem durchschnittlichen Charakter der letzteren sind jene Gewebe in durchaus stabilen Be- ziehungen begriffen und nur wenn dieser feste Mittel- werth sich ändern würde, dürften wir auch von den in Rede stehenden Organen und Geweben eine weitere Umbildung erwarten. Wenn daher Vir cho.w in der rela- tiven Unveränderlichkeit von Gewebeformen eine Instanz gegen Darwin's Lehre erblickt, so bedeutet das eine Nichtbeachtung der Thatsache, dass alle Entwickelung auf stabile Endziele gerichtet ist, und dass für viele Ent- wickelungsreihen die relativen Abschlüsse bereits vor- liegen. 18. Wir wollen zum Schluss unser Augenmerk nur noch auf den Ilauptunterschied der Entwickelung der orga- nischen Systeme von derjenigen der betrachteten unorga- nischen richten. Er liegt darin, dass die ersteren nicht wie die letzteren einen absoluten Dauerzustand, sondern immer nur relative Stabilitätsgrade erreichen. Und damit stehen wir vor der Frage nach dem Grunde des Rück- schrittes aller Organismen, der auf eine Periode des Fortschrittes folgt und schliesslich zum Tode führt, einer Frage, die ja erst kürzlich in diesen Blättern behandelt wurde.**) Wir dürfen sie übrigens auf die Entwickelung der Sonnensysteme ausdehnen, die sich ja von unseren schematischen Fällen ebenfalls dadurch unterscheidet, dass sie über einen Höhepunkt hinweg zum endlichen Unter- gang führt. Uebcr den Grund für die — wenn übrigens noch nicht erfahrene, so doch aus verschiedenen Gründen höchst wahrscheinliche — Zerstörung der Planetensysteme hat man ja längst einleuchtende Annahmen gemacht. Von diesen kann man den Widerstand, den der räthsel- hafte „Weltäther" der Bewegung der Planeten entgegen- setzen soll, ruhig preisgeben — die Vergrösserung der Massen der einzelnen Glieder des Systems durch das Daraufstürzen der Trümmer herumirrender kosmischer ') lieber die Bedeutung dieser Folgerung vergl. „Maxiqna, Minima und Oeconomie" n a. 0., §45 ff. und „Einiges zur Grund- legung der Sittenlehre', Vierteljahrsscbrift für wissenschaftliche Philosophie, Jahrgang 1893 und -I894 **) VIII, S. 45;; ff, Lucks, Uebcr die Ursachen des natür- lichen Todes. 92 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. S Gebilde reicht vollkommen aus, um es verständlich zu machen, dass einst die Planeten unseres Sonnensystems sich wieder mit dem Centralgestirn vereinigen werden. Jedenfalls darf man nur äussere Einflüsse dafür verant- wortlich machen. Wäre die Einwirkung- derartiger äusserer Tendenzen ausgeschlossen, so müsste die Concurrenz der Innentendenzen des Systems zu einem absolut stationären Bewegungszustande führen, eine Rückentwickelung wäre dann ausgeschlossen. So aber führt die Concurrenz der complexen Tendenz des Systems mit jenen Aussenten- denzen zur Zerstörung der ersteren; und wir müssten an- nehmen, dass das in letzter Hinsicht zu Gunsten eines höheren stabilen Zustandes geschähe, der jene Aussen- tendenzen als iutegrirende Glieder eines höheren Systems mit umfasste, wenn der unumgängliche Gedanke der „Unendlichkeit" der Welt uns nicht zu dem Satze nöthigte, dass eine absolute Stabilität niemals möglich ist. Die Wirklichkeit kennt eben nur relative Stabilitätszustände. Die ausreichende — wenn in Wirklichkeit vielleicht auch nicht alleinige — Ursache für den Untergang der Planetensysteme liegt also in der Aufnahme von Massen in das System, die ihren Ursprung ausserhalb desselben haben, in einer Stoffaufnahnie. Woran gehen aber die Organismen zu Grunde? Wir dürfen vielleicht antworten: auch an der Stoffaufnahnie. Wir wollen diese Hypo- these im folgenden kurz begründen. 19. Die Stoffaufnahnie hat für die < Organismen nicht nur die Bedeutung, dass sie dem Körper Heizmaterial und Ersatz für verbrauchte Substanz liefert, und dass sie die Mittel gewährt, die dem heranwachsenden Organismus eine Vermehrung seiner Masse gestatten, sondern auch noch eine weitere wichtige Bedeutung, die freilich zum zwei- schneidigen Schwerte wird. Es ist nämlich höchst wahr- scheinlich, dass die Stoflfzufuhr wesentlich und zwar nicht bloss im Sinne von Substanzersatz und Waehsthum an der- jenigen Aenderung der Gewebe betheiligt ist, die den Orga- nismus auf die Höhe seiner Kraftentfaltung führt. An einem Theilsystem des menschlichen Körpers z. B. liegt das klar zu Tage: am Knochensystem. Die Knochenmasse besteht aus Knochenknorpel und Knoehencrde. Der erstere ist relativ in um so grösserer Menge vorhanden, je jünger der Organismus ist. Im Laufe der Entwickelung ändert sich das Verhältniss durch Einlagerung von anorganischer Substanz unausgesetzt zu Gunsten der letzteren. Dabei findet im ersten Theile dieser Entwickelung ein Aufsteigen zu einem günstigsten Zustande statt, der mit der grössten Leistungsfähigkeit des Knochens erreicht ist. Dieses Maxi- mum von Leistungsfähigkeit, das einen möglichst hohen Grad von Elasticität bei einer für jeden erforderlichen Gebrauch ausreichenden Festigkeit aufweisen niuss, hängt offenbar von dem Mengenverhältniss der beiden Substanzen ab. In demselben Maasse, in dem die Salzeinlagerung nach der Erreichung jenes Optimums fortgesetzt wird, entfernt sich der Zustand des Knochens von dem Höhepunkte seiner Entwickelung. Die Stoffzufuhr sorgt hier also nicht bloss für Stoffersatz und Waehsthum. Thäte sie das allein, so würden die Knochen des Erwachsenen keinen grösseren Festigkeitsgrad als die des Kindes zeigen. Wir brauchen nun bloss für alle anderen Gewebe, besonders aber für das Nervengewebe einen ähnlichen Process vor- auszusetzen, um Auf- und Absteigen der Lebensbahn und auch den ..natürlichen" Tod voll begreiflich zu finden. Auch für das Nervengewebe niuss der Stoffwechsel — vom Waehsthum abgesehen — noch mehr als ein blosser Wechsel des Stoffes sein, er rnuss vielmehr stetig eine Aenderung in der Zusammensetzung bewirken, die auf- wärts bis zur vollen Reife und ebenso wieder abwärts bis zum endlichen Versagen der ..Kräfte" gelangt. Hätte der Stoffwechsel diese Function nicht oder wäre sie etwa eine stetig abnehmende — am günstigsten so abnehmend, dass sie für jedes Gewebe ihren Nullwerth bei dessen günstigster Zusammensetzung erreichte — dann gäbe es keinen „natürlichen" Tod, im ersten Falle würde freilich auch die heutige Höhe organischer Entwickelung nicht möglich sein. Vielleicht dürfen wir annehmen, dass jene Veränderung der Gewebe durchweg wie beim Knochengewebe in einer Vermehrung bezw. Aenderung der Zwischenzellsubstanz bestellt, die das Gewebe für seine Function schliesslich unbrauchbar macht. Damit würde sieh dann die Er- scheinung gut vereinigen lassen, dass die Protozoen einen „natürlichen" Tod in dem gleichen Sinne, wie er bei den Metazoen auftritt, nicht haben. Das individuelle Ableben der Protozoen findet mit ihrer Theilung statt; und ist die letztere nun zwar auch eine Folge der Stoffaufnahnie, so wird sie doch nicht durch jene Seite derselben veran- lasst, die nach der obigen Hypothese den Tod der Gc- webethiere verursacht, sondern lediglich durch das Wachs tlium. Die Ausscheidungsproducte der Zelle würden in diesem Falle keine Umgebung herzustellen vermögen, die die Thätigkcit der eingeschlossenen Zelle schliesslich lahm legen müsste. — Uebrigens ist ja auch der Fall denkbar, dass die Nahrungsaufnahme allmählich die innere Beschaffen- heit der Zellen derart ändert, dass das Leben aufhören muss. Nur die Erfahrung kann entscheiden, ob in Wirk- lichkeit das letztere stattfindet oder ob wir für den „na- türlichen" Tod nur die Interzellularsubstanz verantwortlich machen dürfen, oder ob endlich die Natur auf beide Weisen verfährt. Eine genaue Vergleichung von Geweben verschiedenen Lebensalters wird diese Fragen beantworten und überhaupt das Urtheil über die dargelegte Hypothese fällen. Zu Gunsten der letzteren dürfte ihre Einfachheit sprechen, vor allem auch der Umstand, dass wir denselben Eintluss, der zum Tode führt, auch an dem Aufstieg der Lebensbahn betheiligt sehen. In dem ersten Abschnitt eines normalen Lebenslaufes bemerken wir schlechterdings nichts, was den kommenden Rückschritt andeuten könnte, wir sehen nur Fortschritt. Und nach unserer Hypothese ist in dieser eisten Zeit ja auch kein einziges Moment vorhanden, das rückwärts wiese: denn gerade diejenige Komponente des Lcbensprocesses, die später die ifück- entwickelung veranlasst, ist ja in dieser Periode voll und ganz an der Vorwärtsentwickelung betheiligt. 20. In diesen wie in anderen Hinsichten scheint mir die Anschauung, welche Lucks vertritt, weniger vorteilhaft zu sein. Nach ihm niuss selbst der „natürliche" Tod im letzten Grunde als ein gewaltsamer aufgefasst werden. Er i;ilt ihm nicht als eine ursprüngliche Eigentliiimlichkeit der Organismen. Ja. Lucks hält es nicht einmal für denkbar, „wie organische Substanz entstehen konnte mit der imma- nenten Nothwendigkeit, nach relativ kurzer Zeit zu Grunde zu gehen." So ist ihm der Tod eine ..gewaltsame Unter- brechung des Lebens, nur mit dem Unterschiede, dass dieselbe nicht erst bei dem betreffenden Individuum sich herausgebildet hat, sondern dass sie eine von den Vor- fahren erworbene, auf die Nachkommen vererbte und von diesen verstärkte ist". Er stützt diese Ansicht in erster Linie auf die für die Metazoen vorhandene Unmöglich- keit, „ganze Organe oder doch hochdifferencirte Theile derselben ersetzen zu können", und dann auf die Annahme, „dass erworbene Verletzungen etc. auf die entsprechenden Organe der Nachkommen schwächend einwirken, dass diese Schwächen im Laufe vieler Generationen sich immer mehr erhöhen und schliesslich Ursachen zum natürlichen Tode werden." Da nun aber auch, und zwar in hohem Maasse, solche Veränderungen vererbt werden, welche auf Organverbesserungen hinzielen, so sind zwei entgegenge- Nr. 8. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 98 setzte Vererbungsthätigkeiten als die Ursachen des Lehens und des Todes „in stetem Kampfe begriffen". Diese Auffassung ist weniger einfach als die oben dargestellte, da sie für Rückgang und Tod ein anderes Princip als für den Aufstieg zum Höhepunkt der Ent- wickelung einfuhrt. Vor allem macht sie aber eine Vor- aussetzung, die wenig Wahrscheinlichkeit für sich haben dürfte. Sollen wir wirklich glauben, dass die hypothetische Schwächung eines Organes, das bei einer vorhergehenden Generation irgendwie verletzt wurde, in Folge Vererbung eine so bedeutende sein könnte, dass sie im Laufe, wenn nicht einer, so doch mehrerer Generationen nicht wieder auszugleichen wäre? Sollen wir das glauben, wo wir doch am eigenen Körper den grossen Einfluss der Uebung in kürzesten Fristen fortwährend erfahren und wo wir starke Dispositionen zu körperlichen und geistigen Krankheiten sich durch Mischung des Blutes in folgenden Generationen so häufig mindern sehen? Und werden denn die Lebens- bedingungen für den Menschen wenigstens nicht immer günstigere, so dass er immer mehr in den Stand gesetzt wird, den Körper zu kräftigen, zu vervollkommnen? Schon um dieser Verbesserung der äusseren Lage willen müsstc es Lucks schwer werden, die Folgerung, die er bezüglich der durchschnittlichen Lebensdauer aus seiner Hypothese zieht, durch die Erfahrung zu stützen. Er sagt: „Es dürfte wohl mit einiger Mühe nachzuweisen sein, dass die durchschnittliche Dauer des Lebens that- sächlieh im Abnehmen begriffen ist." Wir brauchen hiergegen nur auf das eine Beispiel der Verminderung der Sterblichkeit hinzuweisen, die als Folge der Ein- führung der Kanalisation in grösseren Städten regel- mässig beobachtet wird. Nein, durch die Erfahrung wird sich die gegentheilige Annahme der Verlänge- rung der durchschnittlichen Lebensdauer weit eher be- gründen lassen. Das Thatsachcnmaterial, auf das Lucks seine Ansieht stützt, kann so nicht als ausreichend bezeichnet werden. Ausserdem aber scheint mir seine Theorie unter dem frei- lich ganz allgemeinen Mangel eines genügend scharfen Begriffes der Entwickelung zu leiden. Für die Beant- wortung von Fragen wie die eben behandelte, ist ein solcher wohl kaum zu entbehren. Denn es kommt dabei auf eine genaue Trennung der Factoren des betrachteten Processes an, auf die richtige Bestimmung des Antheils, den ein jeder derselben an ihm hat. Ein Satz, z. B. wie ihn Lucks am Schlüsse seines Artikels ausspricht: „Die Art in ihrer Entstehung, Entwickelung und Rückbildung' giebl uns ein vollständiges Bild von dem Werden und Vergehen des einzelnen Individuums und umgekehrt," ein solcher Satz ist unrichtig, zum mindesten ungenau. Zwar wieder- holt die Entwickelung des Individuums die Stufen, welche die Art durchlaufen hat, aber die Componenten für Fort- sehritt und Rückbildung der Art sind zu einem grossen Theile ganz andere als die Componenten für die Bahn, die das Individuum zurücklegt. Die Art als Ganzes ist ja auch ein System, das einem Stoffwechsel unterliegt : derselbe bedeutet aber nur Ersatz verbrauchter Theile - nämlich der gealterten Individuen — durch neue und Vermehrung der Zahl der Theile, d. h. Waehsthum — Ver- grösserung der Individuenzahl, so lange die Art noch in aufsteigender Entwickelung begriffen ist. Wir suchen aber in dem Organismus der Art, wenn man von einem solchen sprechen darf, vergeblich nach einer Tendenz, die den Untergang herbeiführen müsste: dem Stoffwechsel der Art fehlt offenbar jene dritte Eigenschaft, die den Stoffwechsel für das Individuum zum Danaergeschenk macht. Eine auf der Höhe der Entwickelung angelangte, also in einem stationären Zustande begriffene Art kann nur durch Um- gebungsänderung -- also etwa durch plötzliche oder all- mähliche Versetzung einer mit ihr coneurrirenden Art in ihren Wohnplatz oder durch Aenderung geologischer bez. kosmischer Verhältnisse -- zu Grunde gehen. Das Indi- viduum aber braucht sich durchaus nicht „im Kampfe mit den Mühsalen und Zufälligkeiten des Lebens" ..all- mählich bis zur Vernichtung" aufzureiben, sondern es findet auch in geschütztester Lebenslage, auf den Sonnen höhen des Daseins ein „natürliches" Ende durch ..innere Notwendigkeit". Man wird die Factoren eines besonderen Ent- wickelungsganges viel leichter auffinden, wenn man sich über die Factoren der Entwickelung im allgemeinen klar geworden ist. Eine sorgfältige Bestimmung des Ent- wickelungsbegriffs ist also nicht bloss theoretisch, für systematische, philosophische Bedürfnisse interessant, son- dern hat auch ihre sehr fruchtbare Seite für die praktische Forschung. Die Bedeutung der Synergiden. — Im Anschluss au meine Mittheilungen über den Begriff der Blüthe S. 175 und 584 Bd. VIII der „Naturvv. Wochenschr." möchte ich von den Untersuchungen A. Dodel's über Iris sibirica (vergl. die Besprechung seiner neuen Vorlesungs- Tafeln unter Litteratur in Nr. 7, S. 87) hier das folgende Re- sultat mittheilen. Bekanntlich werden in der Makrospore (im Embryo- sack) der Mono- und Dicotvledonen vor der Befruchtung 6 Zellen gebildet, von denen 3 am Gipfel, die 3 anderen an dem anderen Ende in dem Embryosacke Platz nehmen; die 3 ersteren sind der Eiapparat, da die eine derselben das Ovulum (die Eizelle) ist — die beiden anderen werden als „Synergiden", „Gehülfinnen", bezeichnet -- während die am entgegengesetzten Ende im Embryosack befind- lichen 3 Zellen, die „Gegenfüsslerinnen", „Antipoden", als rudimentäres Prothalliuin angesehen werden (danach wäre das Endosperm der Mono- und Dicotyledonen, das sich erst nach erfolgter Befruchtung bildet, in theoretisch- morphologischer Beziehung von demjenigen der Gymno- spermen, das vor der Befruchtung entsteht, zu unterscheiden. (Vergl. meine citirten Auseinandersetzungen.) Dodel hat nun beobachtet, dass an Iris sibirica gelegentlich auch die Befruchtung von Synergiden vorkommt, wesshalb er diese Zellen anders als in der bisherigen Weise für abortirte Eizellen anspricht. Speciell über diesen Gegenstand hat Dodel bereits eine ausführliche Arbeit veröffentlicht (Beiträge zur Kenntniss der Befruchtungs- Erschcinungen bei Iris sibirica V. -- Beitrag zur Nägeli- Kölliker-Jubiläumsschrift. Zürich 189 F. Er bietet in dieser Arbeit Figuren, die auch auf den Vorlesungs-Tafeln prächtig wiedergegeben sind, an denen man sehen kann, d.iss in der That die Synergiden in Folge von Be- fruchtungen durch den Pollensehlauch Theilungen eingehen können, so dass die entstehenden Körper von typischen, aus der Eizelle hervorgegangenen Embryonen nicht zu unterscheiden sind. Dodel spricht dann von Synergiden- Embryonen im Gegensatz zum Ovular Embryo. Synergiden Befruchtung scheint öfter vorzukommen, da dieselbe von Dr. E. Overton auch bei Lilium Martagon eonstatirt wer- den konnte. Es liegt nun freilich nahe, die Polyembryonie als eine Folge von Synergiden - Befruchtung anzusehen P. M Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 8 t& iliÄ^Ä^'^ m --J-. Figur 1. Helgoland von der Düne aus Aus August. Trinius. Wort nur] 'Bild. Ferd. Alldeutschlnnd i Dümnilers Verla MiaiK in Berlin. 1894. Ueber die Gliederung der Flötzformationen Hel- golands veröffentlicht Professor W. Dam es in den Sitzungsber. d. Kgl. Preuss. Ak. d. W. (7. Dec. 1893 - - S. 1019 bis 1039) eine Abhandlung, welche über die Zusammensetzung dieses vorgeschobenen Fleckes deutschen Landes ganz neues Licht verbreitet. Bisher war auf Grund der älteren Untersuchungen die Meinung maassgebeud, dass Helgoland und seine Klippen nur aus Gesteinen mesozoischen Alters (abgesehen vom Dilu- vium) — der Trias-, Jura- und Kreideformation — bestehe. Durch das Studium der in Berlin, Hamburg und auf Helgo- land selbst befindlichen Sammlungen, vor Allem aber durch sorgfältige, während eines mehrwöchentlichen Aufenthaltes auf der Insel an Ort und Stelle vorgenommene Forschungen ist D. zu einem wesentlich anderen Resultat gelangt, welches sich auf eingehenden Vergleich der Helgolander Ablagerungen mit denen der gleichalterigen Forma- tionen der zunächst gelegenen Punkte stützt und daher der Wirklichkeit entspricht. Danach nehmen — abgesehen von quartären Bildungen, deren Bearbeitung Sjögren zum Abschluss gebracht hat, sodass D. sie unberücksichtigt lässt — an der Zusammensetzung der Insel und ihrer Klippen Gesteine paläozoischen und mesozoischen Alters theil. Bevor wir auf die Ausführungen näher eingehen, seien hier einige orientirende Bemerkungen vorausgeschickt über die Urographie der Insel, wie sie sich auf den See- karten darstellt, und über ihre Tektonik, welche wir gütiger mündlicher Mittheilung des Herrn Prof. Dam es verdanken. Die Hauptinsel stellt ein langgestrecktes, nahezu gleich- schenkliges Dreieck mit nach NW. gerichteter Spitze (Nathurn) dar, längs dessen Westküste wenige vereinzelte Felsenpfeiler aus dem Meere hervorragen — Mönch im Süden, weiter nordwestlieh Hoyshörn, vor dem Nathurn der Hengst. Etwa 1300 m östlich der Ostspitze liegt ein anderes langelliptisches kleines Eiland, die sogenannte Düne, Fig. 1, deren Längsachse gleichfalls nach NW. gerichtet ist. Um beide Inseln dehnt sieh in verschiedenen Abstufungen eine Zone niedrigen Landes aus, das bis zu 6 in unter das Meer hinabgeht, eine submarine Brücke zwischen beiden bildet und sich in der allgemeinen Streiebrichtung von der Düne aus nach NW. in zwei langgestreckten Klippenzügen fortsetzt: Olde Höve Brunnen und Wite Klif einerseits, Kälbertanz, Krid Brunnen und Seile Brunnen andererseits, östlich vom ersteren, an welch letzteren Zug sich nördlich vom Seile Brunnen der Peck Brunnen anschliesst. Beide Klippenzüge werden durch das von NW. hereinreichende Skit Gatt getrennt. Zwischen das System der Hauptinsel und dasjenige der Düne drängen sich von NW. die Gewässer des Nordhafens, von SO. die des Südhafens und schnüren die 6 m-Zone ein. Um die letz- tere zieht sich wiederum eine tiefere, bis 10 m unter Wasser tauchende Terrasse, welche ihrerseits wieder auf einer bis 20 m unter dem Wasserspiegel liegenden auf- sitzt; auf diese folgen endlich grössere Tiefen. Die Ausdehnung dieser Terrassen ist nach N. und 0. eine grössere als nach W. und S. -- Was die Tektonik Helgolands anbelangt, so ist nach D.'s Auffassung das ganze System der Insel als ein Sattel an- zusehen, dessen westlicher Theil gegen den östlichen abgesunken ist. Das Einfallen der Schichten ist ein umgehendes, das Streichen im Allgemeinen ein SO. — NW. gerichtetes. Zum Palaeozoicum stellt 1). den unteren der beiden die Hauptinsel zusammensetzenden Schichten-Complexe, den die beiden älteren Monographen Helgolands, Wiebel und Volger, für Buntsandstein ansprachen und welcher „aus einer einheitlichen Folge rothbrauner, dickbankiger, kalkhaltiger, auf den Schichtflächen Glimmerblättchen führender Thone besteht, welche nur durch einige etwa 20 cm mächtige Schichten eines weissen, zerreiblichen Sandes (Katersand der Einwohner) unterbrochen wird nud ausserdem Kupfermineralien (Rothkupfererz, Ziegel- erz, Kupferglanz, gediegen Kupfer) führt." Verschieden grosse, innen oft hohle, elliptische Kalkmandeln charakteri- siren ferner diesen Schiehten-Oomplex, welcher „gemäss dem Streichen und Fallen der Schichten . . . etwa in der Mitte der Westseite aus dem Meere emportaucht und bis zur Nordspitze derart . . . ansteigt, dass er am Nathurn und Hengst fast den ganzen Steilabfall bildet" (vergl. Figur 2). Nach oben zu wird derselbe durch 1 m mächtige helle, grün- lich graue, glimmerführende Kalksandsteine begrenzt, welche bereits dem oberen Systeme angehören. Das Vorkommen der Kupfererze, sowie der ganze petrographische Habitus lassen den unteren Schichtencomplex als ident mit den Ablagerungen von Lieth bei Elmshorn und von Stade er- kennen, weisen ihn also dem obersten Theil des Palaeo- zoieums, den Zeeh Steinletten, zu. Das Mesozoicum wird durch Ablagerungen der Trias und der Kreide vertreten, der Jura fehlt gänzlich, die darauf bezüglichen Angaben der älteren Autoren be- ruhen auf falscher Deutung von Kreidefossilien. Von der Trias sind Buntsandstein und Muschelkalk entwickelt, Keuper fehlt. Zum unteren Buntsandstein stellt l). den oberen Schichten-Complex der Hauptinsel, welcher ihre Oberfläche bildet und „aus einem häutigen Wechsel rother, oder roth und grün gefleckter, kalkarmer Thone, grünlich-grauer Kalksandsteine und grauer, dünngeschichteter, etwas dolo- mitischer Kalksteine besteht". Die petrographische Aus- bildung und die concordante Auflagerung auf Zechstein- letten, welche mit den entsprechenden Verhältnissen des subhereynischen Hügellandes übereinstimmen, sowie end- lich das einzige im Gestein der Hauptinsel bisher gefundene Fossil, die Rippe eines Sauriers, deren flügelartiger An- satz an Formen erinnert, welche im Buntsandstein an- Nr. 8. Naturwissenschaft liehe Wochenschrift. derer Loyalitäten (Stegocephalen der schwäbischen Trias) gefunden worden sind, bestätigen die Richtigkeit dieser Zustellung. Wiebel hatte diese Schichten für Kcuper, Volger für Buntsandstein angesehen; ihr Unterschied von den" unteren ist so auffallend, dass er schon auf Photo- graphien der Westküste hervortritt.*) - Durch Recon- struetion der zwischen der Hauptinsel und Wite Klif jetzt fehlenden Schichten, sowie durch Vergleich der Mächtigkeit der auf ersterer anstehenden Buntsandstein- ablagerungen mit derjenigen anderer Lokalitäten ist der Schluss berechtigt, dass auch der mittlere und obere Bunt- sandstein einst hier anstehend vorhanden war und jetzt höchstwahrscheinlich noch den Boden des Nordhafens (zwischen Hauptinsel und Wite Klif) bildet, eine Folgerung, welche durch bei Dredgezügen heraufgeschaffte Gesteins- stiieke bestätigt wird. Auch die zweite Gruppe der Trias, der Muschelkalk, wird in seinen drei Abthei- lungen, dein unteren, mitt- leren und obe- ren Musehei- kalke, ange- troffen. Der un- tere Muschel- kalk ist an- stehend nicht bekannt; je- doch kann man aus den auf der südlich der Wite Klif ge- legenen Düne so massenhaft vorkommen- den Geschie- ben, welche „mehr den Eindruck auf- gearbeiteter Schichtenköp- fe erwecken", auf das nahe Anstehen der Schichten schliessen.Aus demselben lassen sich der Wellenkalk, Schaumkalk (petro- graphisch mit Rudersdorf übereinstimmend) und die oberste Partie des unteren Muschelkalkes, die Zone der Myophoria orbicularis, nachweisen. — Dem mittleren Muschelkalk, der Anhydritgruppe, gehörte die Klippe an, welche bis Anfang des vorigen Jahrhunderts der Hauptinsel parallel an der Wite Klif sich hinzog und letzterer den Namen gab. Das hellgraue und weisse Gestein derselben gleicht u. a. dem Gyps der Anhydritgruppe am nördlichen Harz- rande , es wurde in früheren Jahrhunderten technisch ver- werthet, bis 1711 eine Sturmfluth den noch übrig ge- bliebenen Theil der Klippe zerstörte. — Zum oberen Muschelkalk gehört der als Geschiebe vorkommende „glaukonischc Kalkstein" Eck's, sowie die unten- Kalk- bank der Wite Klif, welche in die Ceratitenzone zu stellen ist. Die darüber liegende Thonschiehl und die die letztere überlagernde obere dolomitische Kalkbank mit Monotis Albertii und Fischresten der Wite Klif sind wahrscheinlich ein Aequivalent der Lettenkohle. Die jüngste Schicht der Trias wird uumitelbar über- lagert von den Bildungen der Kreide. Dieselben sind in reicher Gliederung vorhauden, treten jedoch nur noch zum kleinen Theil allein bei Ebbe zu Tage, während sie andererseits vollständig unter Wasser liegen oder nur als Geschiebe bekannt sind. Sie bilden den Boden des etwa 500 m breiten, grabenartigen Skit Gatt und die östlich daranstossenden, höchstens bei Ebbe trocken gelegten Riffe des Krid Brunnen und Seile Brunnen, des Kälber tanz und des Peck Brunnen. Die Ablagerungen der un- teren Kreide nehmen den Moden des Skit Gatt ein und sind als Töek graues, schie- feriges Tl Nordspitze von Helgoland; Allgemeine Meereskunde, Verlag von J. J. Weber Figur 2. er einzelne Felspfeil *) Auf unserer Figur "2, welche wir nur bringen, um das Einfallen der Schichten im nördlichen Theile der Westküste zu zeigen, entspricht die Aufeinanderfolge derselben nicht der Wirk- lichkeit. Die Wechsellagerung verschieden gefärbter Schichten findet nur im oberen Schichteneomplex der Insel, also auf dem Bilde an der Nordspitze etwa im oberen Drittel des Steilabfalles statt, der untere Schichteneomplex ist gleichmässig gefärbt und enthält nur wenige ganz gering mächtige Zwischenlagen eines weissen Sandes, die sich in der Figur höchstens als ganz feine helle Striche darstellen würden. ion- gestein) bei den Bewoh- nern der Insel, ferner als rothe undgelbcKrei- de bekannt. Ihr Fossil- rciehthuni ist grösser als bis- her angenom- men und wird demnächstmo- nographisch dargestellt werden. Ein genauer Ver- gleich mit den berühmten, als Speeton Clav bekannten Ab- lagerungen Englands und den Kreide- vorkommen Norddeutsch- lands auf Grund des pa- laeontologischen Materials hat das Folgende ergeben: Die unterste Töck-Partie enthält neben Belemnites jaculum Belemnites pistilliformis und entspricht der Zone des Be- lemnites jaculum von Speeton, gehört also dem Neocom au. In ihr kommen wahrscheinlich die Schwefelkiespetre- facten, sowie die schwarzen Concretionen mit Olcostephanen und Hopliten vor. Darüber folgt die Zone des Ammonites brunsvicensis, Belemnites absolutiformis und Belemnites speetonensis, welch' letztere beiden aus norddeutschen Ab- lagerungen noch nicht bekannt sind. Hier dürften auch, wie bei Speeton, die in Geschieben nicht seltenen grossen Crioceren liegen. Diese Zone, sowie der orangerothe oder gelbe, thoureiche Kalk mit Belemnites fusiformis und Terebratula sella, welcher im Skit Gatt nahe dem Seile- Brunnen ansteht, gehören dem Aptien an. Ein hellgelber, rostroth geäderter Kalk (gelbe Kreide der älteren Autoren) mit Belemnites minimus und Schalen-Bruchstücken von Inoeeramus, der bisher nur als Geschiebe bekannt ge- worden ist; sowie endlieh graue „Sehieferthone (Töek) mit papierdünn gedrückten Ammoniten" — Schlönbaehia inflata und varicosa — , Geotheutis und Tcleostieru sind als oberer Gault anzusprechen. Den unteren des Hengst, in Leipzig 185)3). (Nach Johannes Walter, — Vergl. die Anmerkung 96 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. K und mittleren Gault hat man hisher noch nicht nach- weisen können. Der oberen Kreide gehört das Gestein der östlich des Skit Gatt gelegenen, oben genannten Klippenzüge an. Ein grosser Theil der hierher zu rechnenden Ablagerungen ist nur in Geschieben bekannt; doch lassen sich aus dem bisher Beobachteten alle drei Abtheilungen der oberen Kreide, Cenoman, Turon und Senon, mit mehr oder minder Sicherheit nachweisen. Am wenigsten vertreten ist das Cenoman. Mit Vorbehalt stellt Verf. dazu seltene, nuss- bis apfelgrosse, meist versteinerungsreiche Gerolle eines „ausseist zähen, splitterigcn, grauen oder gelblich-grauen" Kalkes mit Brauneisensteinbrocken und -Kügelehen. Die darin enthaltene ziemlich reiche Fauna besteht nur aus kleinen Formen, unter denen sich ziemlich sicher Terebratula depressa, ferner eine dem Pecten orbicularis nahestehende Art, eine Verwandte von Pecten Nilsoni und noch näher zu bestimmende Species von Avicula, Astarte und Proto- cardia nachweisen lassen. Vom Turon ist die unterste Partie, die Zone des Inoceramus mytiloides (labiatus), nur durch zwei Gerolle bekannt, welche im Hamburger Mu- seum aufbewahrt werden. Die darüberliegende Zone des Inoceramus Brongniarti (darin auch Rhyuchonella Cnvieri und Terebratula semiglobosa) umfasst die der weissen Schreibkreide ähnlichen, Feuerstein führenden Gesteine des Krid Brunnens und Seile Brunucns. Ein petrographisch ähnliches Gestein setzt auch die Klippe des Kälbertanz zusammen, erweist sich jedoch durch seine Fossilien, unter denen besonders Holaster planus leitend ist (u. a. ferner kleine Exemplare von Terebratula semiglo- bosa), zu einer jüngeren Zone als der des Scaphites Gei- nitzi gehörend. — Das Senon ist in der Kreide mit Feuerstein am Peck Brunnen entwickelt, deren Fossilien auf die Zone des Inoceramus lobatus, also unteres Unter- senou, hinweisen. Der obere Horizont, die Zone der Belenmitella quadrata, des Untersenon, sowie das Ober- seuon (die Zone mit Belenmitella inucronata etc.) sind nur durch au den Strand geworfene lose Petrefacten be- kannt. Aus ersterem sind Scheiden von Belemnitella subventricosa und quadrata, sowie Steinkerne von Epiastcr gibbus und Galerites albogalerus gefunden worden; aus letzterem Scheiden von Belemnitella inucronata, Schalen von Gryphaea vesicularis und Steinkerne von Auanchytes ovata, Echinoconus vulgaris etc. Dass östlich vom Peck Brunnen noch sehr bedeutende Kreide-Ablagerungen am Meeresgründe anstehen, geht daraus hervor, dass 1600 m davon entfernt auf der Seekarte noch Kreide- Vorkommen angegeben werden. Von hier dürften auch die losen Petrefacten herstammen. Die jüngsten Ablagerungen Helgolands gehören dem Quartär an, Tertiär ist nicht bekannt. Am Aufbau Helgolands und seiner Klippen nehmen demnach folgende Formationen theil: Palaeozoieum: Perm — Zechsteinletten; bildet das untere Schichtensystem der Hauptinsel. Mesozoicum: Trias. — 1. Buntsandstein: unterer Buntsandstein bildet das obere Schichtensystem der Haupt- insel; mittlerer Buntsandstein und oberer Buntsandstein sind anstehend nicht beobachtet, kommen jedoch als ge- legentlich herausgefischte Gesteinsstücke vor und bilden höchstwahrscheinlich — gemäss der Lagerung der Schichten — den Boden des Nordhafens. — 2. Muschel- kalk: unterer Muschelkalk, in zahlreichen Geschieben auf der Düne vorhanden, welche dem Wellenkalk, Schaum- kalk und der Zone des Myophoria orbicularis angehören ; mittlerer Muschelkalk, als Gyps au der Wite Klif ent- wickelt; oberer Muschelkalk, zu ihm gehören die Geschiebe des Glaukonit-Kalkes und die untere Bank der Wite Klif. -- Kreide. - 1. Untere Kreide: Neocom: Zone des Belemnites pistilliformis (Töck des Skit Gatt); Aptien: Zone des Belemnites brunsvicensis (Töck des Skit Gatt) und Zone des Belemnites fusiformis (rothe Kreide des Skit Gatt); oberer Gault: Zone des Belemnites minimus (gelbe Kreide des Skit Gatt) und die über Wasser nicht an- stehend beobachtete Zone der Schlönbachia intlata (schie- feriger Töck des Skit Gatt). -- 2. Obere Kreide: Ceno- man: Seltene Geschiebe mit Brauneisenstein und Tere- bratula depressa; Turon: zwei Gerolle von röthlichem Kalk mit Inoceramus mytiloides, — Zone des Inoceramus Brongniarti (Kreide mit Feuerstein am Krid Brunnen und am Seile Brunnen), -- Zone des Scaphites Gcinitzi (gelb- liche Kreide mit Holaster planus am Kälbertanz); Senon: Zone des Inoceramus lobatus (Kreide mit Feuerstein am Peck Brunnen) — Zone der Belemnitella quadrata und der Belemnitella mucronata (nur aus losen, an den Strand geworfeneu Fossilien bekannt). Die Ansieht, dass Helgoland geologisch zu England gehöre, ist hinfällig'; ein zeitweiser Zusammenhang damit lässt sich allerdings während der Kreidezeit coustatireu. Die untersten Schichten der Insel stimmen mit solchen überein, welche nur im Unter-Elbe Gebiet bekannt sind. Die Trias schliesst sich an die norddeutsche an: der Buntsandstein entspricht dem des subhereynischen Hügel- landes, der Muschelkalk dem bei Rüdersdorf, der Gyps der Wite Klif ist vielleicht ein x\equivalent desjenigen am Kalk- und Schildberg bei Lüneburg und die rothen Thone und die dolomitische Kalkbank des Olde Höve Brunnens (?Lettcnkohle) ist vielleicht eine Parallelbildung der un- teren Thone und Kalke der Schafweidc bei Lüneburg. Während Zechsteinletten und Muschelkalk in England fehlen, ist die Juraformation dort reich entwickelt, fehlt dagegen gänzlich in Helgoland, ein Beweis, dass bis zum Schluss dieser letzteren keine Verbindung bestanden hat, Eine solche hat jedoch während der Neocom-Zeit bestanden, da die petrographische Entwicklung wie 'die Einschlüsse an Fossilien in beiden Gebieten gleich sind; indessen lassen sich dieselben Beziehungen auch mit den gleich- altrigen Ablagerungen in Hannover und Braunschweig constatiren, so dass Helgoland während der Absatz-Zeit derselben eine Verbindung zwischen den norddeutschen und englichen Sedimenten hergestellt hat. Lokale Ab- weichungen stellen die Schichten des Helgolander Gault und Cenoman dar. Die turonen Zonen des Inoceramus mytiloides und Brongniarti stimmen wieder auf Helgoland und am Zeltberg bei Lüneburg überein, ebenso die senonen Ablagerungen, soweit sie im Gebiete der Insel bekannt sind. Das Fehlen der Zone mit Scaphites Geinitzi am Zeltberg bei Lüneburg deutet auf zeitweise Unter- brechung hin. Nach allem aber „stellt sich Helgoland als ein vor- geschobener Posten deutschen Bodens dar. Durch seine Einverleibung in Deutschland ist auch politisch ein Zu- sammenhang wieder hergestellt, der geologisch seit dem Schluss der palaeozoischen Formation fast ununterbrochen bestanden hat." (x.) Dr. Fr. Kaunhowen. Die Entstehung und Ausbildung des Arbeiter- standes bei den Ameisen sucht C. Emery in einer kürzlich erschienenen Mittheilung (Biolog. Centralbl. 14. Bd. N. 2 S. 53 ff.) mit Hülfe der Weismann'schen Keiniplasma-Theorie zu erklären. — Durch vielfach bestätigte Beobachtungen wissen wir, dass alle weiblichen, d. h. befruchteten Eier der Bienenkönigin denselben Werth haben, nämlich, dass jedes derselben die Fähigkeit besitzt, sich zu einer Arbeiterin oder zu einer Königin zu entwickeln. Der Gang der Entwickelung hängt von den Verhältnissen ab, welchen die Larve unterworfen wird: von Wohnraum und Nr. 8. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 97 Nalirunt;. Vor Kurzem hat Grassi für die Termiten ähn- liche Verhältnisse klargelegt, und zwar ist es ihm ge- lungen zu beweisen, dass es die Termiten in ihrer Macht haben, die Zahlenverhältnisse der Arbeiter und Soldaten zu reguliren und letztere je nach Bedürfniss zu züchten, ebenso wie sie die Geschlechtsreife anderer Individuen durch eine entsprechende Nahrung zur Erzeugung von Ersatzgeschlechtsthieren beschleunigen können. — Es liegt also nahe, zu vermuthen, dass die Arbeiter aller gesellig lebenden Insecten auf ähnliche Weise aus Keimen, welche im Stande wären, normale Geschlechtsthiere hervorzu- bringen, gezüchtet werden. Ausgehend von der Annahme, dass die Arbeiterbil- dung' der Ameisen auf der gewissen Hymcnopteren- Gat- tungen eigenthümlichen Kunst der Arbeiter Züchtung be- ruht, gelangt E. zu dem Schlüsse, dass die Entstehung des Arbeiterstandes mehr von der verschiedenen Quali- tät der Nahrung, die Differencirung mehrerer Sorten von Arbeitern mehr von der Quantität derselben abhängt. Dadurch wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass auch im letzteren Process qualitative Unterschiede im Spiele sind. Es ist dies sogar wahrscheinlich, wenigstens in einzelnen Fällen, wie bei dem von E. beschriebenen Melissotarsus Beecarii, welcher zwei gleichgrosse, aber mit verschieden geformtem Kopf versehene Arbeitersorten darbietet. Die Eigenschaften, durch welche sicli die Arbeiter von den entsprechenden Geschlechts1 thieren unterscheiden, sind also nicht ange- boren oder blastogen, sondern erworben, soma- togen. Sie werden auch nicht als solche vererbt, son dem in Form einer dem Keimplasma zukommenden Eigenschaft, je nach den Lebensverhältnissen während der Ontogenese verschiedene Entwickelungsbalmen ein- zuschlagen. Eine derartige Eigenschaft des Keimes können wir mit der erblichen Anlage zu gewissen Krankheiten ver- gleichen, welche nur unter gewissen Bedingungen sich entwickeln, z. B. der erblichen Kurzsichtigkeit. Das Auge ist beim erblichen Myopen zur Kurzsichtigkeit blas- togen disponirt, wird aber erst dann kurzsichtig, wenn der Acconiodationsapparat durch anhaltende Arbeit über- mässig angestrengt wird. Die Kurzsichtigkeit entsteht wie die Eigenschaften der Ameisen - Arbeiterinnen soma- togen auf einer blastogenen Anlage. R. M. , Die trophischen Eigenschaften der Nerven. Von Justus Gaule. Vortrag in der physiologischen Section der 63. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. (Sonderabdruck aus der Berliner Klin. Wochenschrift, 1893, No. 44). — In der Entwicklung der Pathologie spielen die trophischen Eigenschaften der Nerven eine grosse Rolle, und wurden ihren Störungen mancherlei Erkran- kungen zugeschrieben. Zu allgemeiner Anerkennung sind sie nicht gekommen, weil der experimentelle Nachweis fehlte. Nach den vom Verf. angestellten Versuchen sind es mehr die Verletzungen der Ganglienzellen als der eigentlichen Nervenfasern, welche tiefgreifende Zer- störungen der Gewebe im Gefolge haben. Besondere tro- phische Nerven, in dem Sinne wie motorische, sensible, secretorische u. s. w., giebt es nicht. Trophische Wir- kungen fand Verf. sowohl an sensiblen, wie an sympa- thischen Nerven, wahrscheinlich sind auch die motorischen dabei betheiligt. Der Nachweis wurde besonders geführt durch das Experiment Mageudie's der intracranicllen Durchsehneidung des Trigeminus. Da bei dem Versuch das Messer verdeckt in der Schädelhöhle arbeitet und man trotz grosser Uebung nicht genau wissen kann, wo man den Nerv durchschneidet) andererseits von dem Ort der Durchsehneidung der Erfolg abhängt, so ist eS nöthig, bei jedem Versuch durch die Section den Ort der Durch- sehneidung zu ermitteln und den während des Lebens eingetretenen Erfolg damit zu vergleichen. Man komm! dann zu dem Ergebniss, dass nur die Durchschneidung im Ganglion trophische Veränderungen bewirkt, nicht aber ausserhalb desselben. Die Verletzung der Ganglien- zellen ist es daher, welche trophische Störungen bedingt. Ueber Geysire. — Prof. A. Andrcae in Heidelberg veröffentlicht im Neuen Jahrbuch für Mineralogie, 1893, II. Bd., 1. Heft, einen sehr interessanten Aufsatz ..über die künstliche Nachahmung des Geysirphänomens" und bespricht dabei im Anscliluss an diese Versuche das Auf- treten solcher Geysire in der Natur, ihre verschiedenen Arten und die Theorie ihrer Entstellung. Geysire (der Name stammt von geysa, altnordisch, sich ergiessen) sind die in der Natur vorkommenden heissen Spring- quellen, welche in mehroder weniger regelmässigen Zwischen- räumen Eruptionen von Wasserdampf liefern. Die Ursache solcher Eruptionen ist die in einem grösseren Reservoir, das unter hydraulischem Druck steht, plötzlich erzeugte Dampfmenge. Ist der dem herrschenden Druck ent- sprechende Siedepunkt erreicht, so beginnt die Dampf- bildung. Im Geysirrohr steigt Dampf und überhitztes Wasser empor, expandirt und hebt den Druck auf. In Folge dessen beginnt ein heftiges Kochen im Reservoir, womit die Eruption ihren Höhepunkt erreicht hat. Diese plötzlich erzeugte Dampfnicngc hat aber Wärme verbraucht, in Folge davon fliesst nun abgekühltes Wasser wieder zurück. Dadurch erfolgt weitere Condensatiou von Dampf und vermehrter Rückhluss durch heftiges Einsaugen. Hier- mit hat dann die Eruption ihr Ende gefunden. Professor Andreae unterscheidet je nach dem Verhalten des Geysirrohres an «einer Mündung A. Geysire mit Bassin und B. Geysire ohne Bassin. Zur ersten Art gehört z. B. der grosse Geyser auf Island und der Saw-Mill und der Grand- Geyser im Yellowstone Park; Beispiele für die zweite Art sind die Geysire im Norris- oder Gibbon-Bassin im Yellow- stone-Park. Ebenso gehört hierhin der bekannte Old- Faithful und der Bee-Hive. Die Geysire sind jedenfalls nur eine mehr oder minder kurze Phase im Entwiekelungsgang heisser Quellen. Die Erwärmung des Quellwassers und die Dämpfbildüng rührt wohl daher, dass Dampf aus tiefen abyssischen Lava- reservoiren zuströmt, über welchen im Erstarren betind- liche, Wasserdampf abgebende Eruptivmassen lagern. Die aufsteigenden überhitzten Wasserdämpfe mengen sich also mit den Quellwassern und erzeugen die heissen Quellen. Für die normale Bildung eines Geysirs nimmt Professor Andreae folgende Entstehungsweise an: Eine reichliche, Dampf führende Thermalquelle tritt auf einer Spalte in das überliegende Gestein. Sehr bald beginnt der Absatz von Kieselsinter, der fortschreitend zur Bildung eines kreis- oder trichterförmigen Wasserbeckens führt. Mit der Zeit entsteht ein Sinterkegcl, der nur noch inmitten einen Oanal für das aufsteigende Wasser enthält. Den als Sinter oder in Lösung fortgeführten Substanzen entsprechend, hat aber in der Tiefe eine Zersetzung und Fortführung von Gestein stattgehabt, was zur Bildung von Höhlungen und den für die meisten Geysire erforderlichen Reservoiren resp. Dampfkesseln führt. Im Uebrigen scheint es, als ob Geysire nur da auf- treten, wo Kieselsinter absetzende Quellen sind. Kalk ablagernde Quellen, wie z. B. die Mannnoth- Hot -Springs im Yellowstone-Gebiet, geben keine Geysire. Dr. A. Klautzseh. 98 Naturwissenschaftliche Wochenschritt. Nr. 8 Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Albert F. Woods, Assistent für Botanik an der Universität Nebraska, zum Assistant -Pathologist in der Section für pflanzliche Pathologie des Departement of Agriculturc in Washington, U. S. — Der Privatdocent für Chemie an der Universität Heidelberg Dr. Karl Friedrich Auwers zum ausser- ordentlichen Professor. — Professor der Medicin an der Univer- sität Königsberg Dr. Grünhagen zum Geheimen Medicinalrath. Dr. Adolf Klautsch ist als Assistent am mineralogisch- petrographischen Institut der Universität Berlin eingetreten. — Dr. Rüge ist in den Dienst der zweiten medicinischen Klinik an der Kgl. Charitee in Berlin getreten. Hofrath Professor Dr. Hermann Credner hat die Berufung zum ordentlichen Professor der Geologie an der Technischen Hoch- schule in Dresden abgelehnt. Der ordentliche Professor für Mineralogie und Geologie und Director des Mineralogischen Museums der Universität Jena Dr. Ernst Kalkowsky hat einen Ruf an die Technische Hochschule in Dresden erhalten als Nachfolger von Geheiinrath Professor Dr. Hans Bruno Geinitz. — Professor Richard Altmann in Leipzig hat einen Ruf an die Universität Halle erhalten als zweiter ordentlicher Professor für Anatomie. Professor Dr. von Noorden tritt von seiner Stellung bei der zweiten medicinischen Klinik der Königl. Charitee in Berlin zurück. Es sind gestorben: Der Chemiker Edmond Fremy, Director des Museums des Jardin des Plantes, in Paris. — Der Archäologe Professor an der Universität Kiel Dr. Peter Wilhelm Forch- hammer daselbst. — Der Chemiker H. Liedtke in Berlin. — r Peter Redpath, der in grossem Maassstabe das Studium der Naturwissenschaften in Canada gefördert hat, in Chislehurst. — Dr. Adolf Meyer, erster Assistenzarzt bei Professor Schönborn in Würzburg, in Folge Blutvergiftung. — Geheimer Bergrath Ernst Adolf Lindig in Erfurt. — Der Conservator des Museums in Bergen Fiseherei-Inspector Sophus Andreas Buch. Der XI Internationale Medicinische Congress findet in der Zeit vom 28. März bis 5. April in Rom statt. Litteratur. Dr. Arnold Brass, Atlas zur allgemeinen Zoologie und ver- gleichenden Anatomie. 30 Tafeln in Lichtdruck mit erläutern- dem Text. Rengersehe Buchhandlung (Gebhardt & Wilisch) in Leipzig, 1893. — Preis 16 Mk. Der Atlas enthält 750 Einzeldarstellungen, betreffend das Wichtigste über Körperform und Bau des thierischen Körpers. Den Figuren sind die Bezeichnungen der einzelnen Körpertheile in den technischen Ausdrücken beigegeben. Ein 9 Quart-Bogen um- fassender kurz erläuternder Text ist beigegeben. Der Inhalt der Tafeln ist der Folgende: I. Bau des Thierkörpers im Allgemeinen. II. Wichtige Zellen und Gewebe des thierischen Körpers. III. All- gemeine Darstellung der Verdauungswerkzeuge. IV. Allgemeine Darstellung des Blutkreislaufes. V. Allgemeine Darstellung der Athmungswerkzeuge. VI. Allgemeines über Zeugungsstoffe und Geschlechtswerkzeuge VII. Allgemeine Darstellung verschiedener Drüsen. VIII. Allgemeines über Bewegung. IX. Allgemeines über Ausbreitung der Nerven. X. Allgemeines über Sinneswerkzeuge. XL Urthiere I. Xn. Dicyemiden, Schwämme und Nesselthiere I. XIII. Nesselthiere II. XIV. und XV. Würmer. XVI. Stachel- häuter. XVII. und XVIII. Krebse. XIX. Spinnenartige Thiere. XX. Kerfe I. XXI. Kerfe II. Tausendfüsser. XXII. Muschel- thiere, Bauchfüsser. XXIII. Kopffüsser und Weichthierähnliclie. XXIV. Muschelthiere. XXV. Wiibelthiere: Fische. XXVI. Lurche XXVII. Kriechthiere. XXVIII. und XXIX. Vögel. XXX. und XXXI. Säuger. Dr. J. Schroeter, Pilze. 2 Hälfte 1. Lief. Krvptogamen- Flora von Schlesien (herausg. v. F. Colin). J. U. Kern's Verlag (Max Müller). Breslau 1893! — Preis 3,20 Mk. Die treffliche und eingehende Arbeit, deren umfangreiche 1. Hälfte wir Bd. IV S. 280 besprochen haben, ist ein Werk, das, wie dort schon gesagt, den Fachleuten unentbehrlich ist. Dem Botanophilen, der sich mit der Pilzflora beschäftigt, möchten wir es als Flora zur genauen Bestimmung zweifelhafter Arten an- gelegentlichst empfehlen. Das vorliegende Octavheft von 128 Seiten bringt den Anfang der Ascomyceten, also gerade eine Gruppe, mit der sich der botanische Pilzsammler neben den Basidiomyceten vorzugsweise zu beschäftigen pflegt, da die Arten dieser Gruppe bei den im Allgemeinen grösseren Körperformen, die sie bieten, diesem auf den Exkursionen oft augenfällig entgegentreten. Wir hoffen auf Bd. II nach seinem vollständigen Erscheinen näher ein- gehen zu können, Sophus Lie, Vorlesungen über continuirliche Gruppen mit geometrischen und anderen Anwendungen. Bearbeitet und herausgegeben von Dr. Georg Scheffers. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1893. — Preis 24 M. Seit dem Jahre 1870 hat Herr Sophus Lie, von Geburt Nor- weger, eine grosse Reihe sehr abstracter Untersuchungen angestellt und veröffentlicht, die über viele Gebiete der Mathematik ganz neues Licht verbreiten. Dieselben waren aber wenig zugänglich und fanden nur bei einer kleinen Anzahl von Fachgenossen die Beachtung und Berücksichtigung, welche sie theils ihrer prin- cipiellen Bedeutung, theils ihrer Tragweite und Fruchtbarkeit wegen mit Recht verdienen. Erst nachdem Herr Lie nach der Uebersiedelung von Professor Felix Klein nach Göttingen einen Ruf an des letzteren Stelle nach Leipzig erhalten hatte, konnte er daran gehen, unter thatkräftiger Mitwirkung seiner Schüler Prof. Engel und Dr. Scheffers eine systematische Darstellung seiner Entdeckungen und Untersuchungen zu veröffentlichen. Es erschien dann seit 1888 in mehreren Abschnitten das grosse Werk über die Theorie der Transformationsgruppen, herausgegeben unter Mitwirkung von Prof. Friedrich Engel, und im Jahre 1891 wurden die Vorlesungen über gewöhnliche Differentialgleichungen mit bekannten infinitesimalen Transformationen durch Herrn Dr. Scheffers bearbeitet und herausgegeben. Obwohl nun der Einfluss der Lie'schen Untersuchungen seit seiner Thätigkeit in Deutschland und namentlich in Folge Veröffentlichung der genannten Werke immer zugenommen hat, so dass sich heutzu- tage die Mathematiker nicht mehr der Kenntnissnahme der Theorie der Transformationsgruppen und ihrer zahlreichen und vielseitigen Anwendungen entziehen können, so liegt doch immer noch das Bedürfniss nach einem Werke vor, das auf möglichst einfachem Wege und ohne grosse Vorkenntnisse so frühzeitig als irgend an- gängig in das genannte Gebiet einführt. Denn die abstracto Natur des Gegenstandes erheischt grosse Vertrautheit mit den neuen Begriffen, um erfolgreich und mit Verständniss die allgemeine Theorie in Angriff zu nehmen, die in dem oben zuerst genannten Werke entwickelt ist. Diesem Bedürfniss suchen die vorliegenden Vorlesungen gerecht zu werden, und es kann von vornherein be- merkt werden, dass sie sicher ihrem Zwecke entsprechen und der Lie'schen Theorie neue Anhänger gewinnen werden. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, an dieser Stelle auf den in dem ungemein umfangreichen Werke behandelten überreichen Stoff näher einzugehen; es hätte dies auch nur für wenige Leser Interesse. Hervorgehoben möge aber noch werden, dass der Ent- wickelungsgang so gehalten ist, dass der Studirende von ein- fachen, anschaulichen Betrachtungen ganz allmählich zu den ab- stracten Entwickelungen aufsteigt. Durch die Bearbeitung des vorliegenden Buches hat sich Herr Schefl'ers ein grosses Verdienst um die Verbreitung und Er- schliessung der Untersuchungen seines Lehrers erworben, und gewiss wird ihm jeder Mathematiker, der in das neue Gebiet ein- zudringen wünscht, dafür dankbar sein, dass er ihm die Pfade dazu geebnet hat. Dr. A. G. Siebzigster Jahres-Bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft im Jahre 1892; nebst einem Ergänzungsheft bibliographischen Inhalts. G. P. Aderholz, Buch- handlung. Breslau 1893. 1. Jahres-Bericht. Nachdem über die Vorgänge innerhalb der Gesellschaft be- richtet ist, wird über die Sitzungen der medicinischen (I), natur- wissenschaftlichen (II) und historise.h-Btantswissenschaftlie.hen (III) Abtheilungen derselben referirt. Aus der grossen Zahl der Vor- träge seien hier die folgenden aufgeführt; Chun, Ueber die pelagische Thierwelt in grossen Tiefen. Nach kurzem historischen Ueberblick über die Geschichte der Erforschung der pelagischeu Thierwelt entwirft der Vortragende ein allgemeines Bild der Tiefsee-Formen, wie sich dasselbe nach den neuesten Forschungen, besonders nach den Untersuchungen der Plankton-Expedition ergeben hat. Neisser. Ueber die sogenannten „Psorospermosen" der Haut Im Volke ist allgemein der Glaube verbreitet, dass manche kleinen Hautgeschwülste, z. B. auch die bekannten Warzen an den Händen, durch Ansteckung erworben werden. Für letztere ist, obwohl vielerlei auch bei ihnen für Ansteckung spricht, das dieselbe be- wirkende Mittel noch nicht gefunden worden ; bei anderen Haut- krankheiten sind in letzter Zeit jedoch Gebilde beobachtet worden, welche viele Forscher zu den kleinsten Lebewesen, den Psoro- spermien, Gregarinen oder Coccidien gehörig halten Diese Gebilde „sind sehr schwer von den Zellen des menschlichen Epithelgewebes, zwischen denen sie liegen, zu unterscheiden, weil sie keine charakteristische Farbenreaction, wie die Bacterien geben; auf der anderen Seite sehen sie aber den erwähnten Protozoen sehr ähnlich, und es sind Degenerationsproducte der Epithelzellen, welche ein gleiches Aussehen haben, bei anderen Processen nicht bekannt." Am charakteristischsten zeigt diese psorospermien- Nr. 8. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 99 artigen Gebilde eine kleine, „Molluscum contaginum" benannte Hautgeschwulst „sieher ansteckender Natur", ferner gehört hierher die zuerst von dem Engländer Paget beschriebene Haut- krankheit Psorospormosis follicularis vegetans oder Keratosis follicularis. Hier reiht sich auch die so wichtige Frage an, oh der Krebs ansteckender Natur ist, und ob gewisse im Krebsgewebo sehr häufig nachzuweisende „Zelleinschliisse" parasitärer Natur sind. Eine Beantwortung aller dieser zum Theil sehr wichtigen Fragen steht vor der Hand noch aus. — Hirt, Ueber eine von ihm an einer Dorfschule (Gross Tinz bei Liegnitz) beobachtete Epidemie von hysterischen Krämpfen. Von 38, neun bis zwölf Jahre alten Mädchen erkrankten im Laufe von 4 Wochen 20 theils an hysterischem Zittern, theils an Krämpfen, während die 32 im selben Klassenzimmer anwesenden Knaben ganz gesund blieben. Eine Ursache dieser seltenen Epidemie Hess sich um so weniger ermitteln, als die hygienischen Verhältnisse der Schulräume gute und die Mädchen vorher völlig gesund waren und auch nicht mit Hysterie erblich behafteten Familien entstammten. Das Schliessen der Schule erwies sich als nicht erfolgreich, da auch nach demselben Erkrankungen, selbst noch nicht schulpflichtiger Mädchen vor- kamen. Dio Epidemie dauerte bis in den October hinein, nach Wiedereröffnung der Schule am 20. desselben Monats kamen keine Fälle mehr vor. H. meint, dnss die Ansteckung der durch die ausserordentliche Hitze des Juni prädisponirten Mädchen als eine Art Autosuggestion aufzufassen sei, „ebenso wie das Gähnen an- steckt — man sieht es von Anderen, man überredet, sich, man müsse es nachahmen, und gähnt ebenfalls." Durch Verabreichung verhältnissmässig grosser Brom-Mengen und in zwei besonders schweren Fällen durch Anwendung der Suggestion (in beiden er- folgreich) trat man dem Uebel entgegen. — Gürich, Ueber den geologischen Bau der Berge bei Jauer. Es werden kurz die an dem Aufbaue betheiligten Schichten ihrem Alter nach besprochen, das Vorkommen und dio eventuelle Gewinnung nutzbarer Mine- ralien, sowie endlich ein neuer Fund diluvialer Säugethierknochen erwähnt. — Derselbe, Ueber die Form der Zellmündung von Monograptus priodon und über Silur und Devon des polnischen Mittel- gebirges. Der Vortragende giebt eine von älteren und auch neueren Anschauungen zum Theil abweichende Darstellung des genannten Graptoliten und vergleicht von ihm im polnischen Mittelgebirge unterschiedene Horizonte mit solchen der baltischen Länder und des Rheinischen und Harzer Devons — Michael, Ueber Cenoman und Turon bei Cudowa in Schlesien. Dem Vor- tragenden ist es gelungen, an der im Nord-Westen der Grafschaft. Glatz gelegenen Lokalität die drei Abtheilungen der oberen Kreide, das Senon, Turon und Cenoman nachzuweisen, während man bisher annahm, dass nur das letztere Glied der Kreide dort entwickelt sei. — von Trau tschold: Ueber die Bewegung des Erdoceans während der geologischen Perioden. Der Vortragende, ein Gegner der Theorie von der feurig -flüssigen Beschaffenheit des Erdinnern, sucht die Erscheinung, dass ganze Formationsreihen sich über ungeheuren Arealen (wie in Russland und Amerika) gleichmässig haben bilden und in ungestörter Lagerung erhalten können, dadurch zu erklären, dass nicht das Land sich gesenkt oder gehoben habe, sondern dass das Meer die betreffenden Ge- biete zu verschiedenen Epochen überfluthete und sich dann ebenso häufig wieder zurückzog. Er bezeichnet die Meinung, dass die Erde oscillire, das Meer feststehe, das Niveau des Oceans sich nicht ändere, als irrig. — Althans: Ueber die nordische Eiszeit. Es werden die wahrscheinlichen Grenzen der ersten und zweiten Eisbedeckung Nordeuropas besprochen. — Kunisch: Neue Bei- träge zur paläontologischen Kenntniss des oberschlesischen Muschel- kalkes. Es wird besonders eine grosse, vom Vortragenden vor- züglich präparirte Platte mit Resten von Sauriern (Nothosaurus) besprochen. — von Raciborski: Ueber ein neues fossiles Leber- moos. Ein in der Sammlung des Breslauer mineralogischen Mu- seums befindliches, von Reimer gesammeltes und als Thaumatopteris Münsteri ß longissima etiquettirt.es Pflanzenfossil hält Vortragender zu den Lebermoosen gehörig und benennt es Paläohepatica Roemeri. — Stenzel: Ueber die Artberechtigung von Asplenium Germani- cum Weis. Der Verfasser ist nach seinen Untersuchungen der Ansicht, dass das fragliche Asplenium möglicher Weise das Product einer Kreuzung zwischen A. triehomanes und A. septentrionale ist. — Runge: Ueber ein neues Vorkommen der Stigmaria fieoides auf der Steinkohlengrube Piesberg bei Osnabrück.*) — Ferdinand Colin: Ueber Entstehung von Kalk- und Kiesel- gestein durch Vermittelung von Pflanzen. Schon 1S62 hat der Vortragende beobachtet, dass in den Karlsbader Quellen mächtige Kalksteinablagerungen „innerhalb der lebendigen Decke blaugrüner Schizophyceae abgeschieden weiden"; 1863 machte derselbe die gleiche Beobachtung hinsichtlich des Travertins des Anio und der Kalkkrusten an den Wänden des vom Kardinal [polito d'Este er- bauten Kanales zur Ableitung der warmen Wässer des Lago
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Bernstein, Berlin .SW. 12. »^ Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den 4. März 1894. Nr. 9. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. 1f T Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 ■&. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdrnck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die Atmosphäre und die Oberfläche des Mars.'1') In Anlehnung an einen Autsatz Sehiaparelli's aus der Zeitschrift „Natura cd arte" dargestellt von L. Graf von Pfeil. Derjenige Planet, welcher den Verhältnissen unserer Erde am meisten entspricht und den wir dabei am besten beobachten können, ist der Mars. Während unsere Erde, von aussen betrachtet, in der Färbung der Luft und des Meeres, also blau erscheinen müsste**), ist Mars röthlich gefärbt. Wir dürfen daraus auf einen hohen Grad von Feuchtigkeit schliessen, denn wir wissen, dass auch unsere Atmosphäre sich röthlich färbt, wenn sie stark mit Dünsten geschwängert ist. Wir sehen es an der Morgen- und Abendröthe, an dem Glühen entfernter Schneegebirge, als einer Vorbedeutung von Regen, an dem röthlichen Farben- ton von Meergegenden in der heissen Zone. Auch die Spectralanalyse hat bestätigt, dass das rötbliche Aussehen des Mars nicht einer besonderen rothen Farbe seiner Oberfläche zuzuschreiben ist, sondern dass der Planet eine Atmosphäre besitzt, deren Zusammen- setzung von der unsrigen nicht wesentlich abweicht, und dass vor allem diese Atmosphäre reich an Wasser- dampf ist. Die Temperatur auf Mars ist weit wärmer, als sie sein würde, wären die Verhältnisse seiner Atmosphäre der unsrigen gleich. Da Mars wegen seiner grösseren Ent- fernung von der Sonne nur etwa halb so viel Wärme em- pfängt wie die Erde, so dass die Sonne dort, wenn sie im Zenith steht, nur mit gleicher Stärke wirkt, wie etwa *) Wir machen unsere Leser darauf aufmerksam, dass der vor- liegende Aufsatz neben einer Zusammenstellung vieler sicherge- stellter Beobachtungsthatsachen auch einen versuch, dieselben hypothetisch zu deuten, enthält. Die diesbezüglichen Speculationen des Herrn Verf. dürften mit Reserve aufzunehmen sein, da es sich hier um Möglichkeiten handelt, die jeder bestätigenden Controlle vorläufig entbehren. Ob die hier ausgesprochenen Ansichten sich lebensfähiger erweisen werden, als die zahlreichen, von anderer Seite geäusserten Hypothesen, muss abgewartet werden. lud. **) Da es sich hier um Licht handelt, das in der Luft Ab- sorption erfahren hat, würde doch wohl auch für den Erdstern eine röthliche Farbe resultiren. Red. in Wien oder New- York an Weihnachten zu Mittag, und da ferner seine Atmosphäre — wie gezeigt werden soll — weit leichter ist als die unsrige, noch nicht dem Druck auf unseren höchsten Bergspitzen entsprechend, so muss der ganze Planet wesentlich mit Schnee und Eis bedeckt sein. Dabei verschwindet jedoch das Eis um den Sommer pol weit mehr als auf unserer Erde. Dies gilt insbesondere vom Südpol, wo ein weisser Fleck, vom Meere umgeben, sich im Hochsommer so verkleinert, dass der geometrische Pol des Planeten fast ganz frei wird. Am Nordpol um- giebt sich im Sommer ein weisser Fleck mit einer zeit- weiligen Ueberschwemmung, welche nach allen Seiten abfliesst. Der Schnee aber ist ein Thermometer, dessen Gang von jedem anderen Einfluss ungestört bleibt und dessen Scala weit durch die Himmelsräume deutlich lesbar ist. Die Temperatur auf Mars ist aber unter der stärkeren Wirkung der Sonnenstrahlen in der dünnen Luft nicht nur wärmer, sondern auch weit gleichmässiger als auf der Erde. Die Schnelligkeit der Luftströmungen ist dort über doppelt so gross, wie die unserer heftigsten Stürme, darum die Ausgleichung des Luftdruckes und der Temperatur sehr regelmässig. Die Temperatur auf Mars scheint wenig über und unter dem Gefrierpunkt zu stehen. Auf unserer Erde dagegen hat man Kältegrade von 08° C. und dem gegenüber eine Wärme von 55° C. im Schatten beobachtet. Man bemerkt auf Mars keine Wolken, oder doch nur selten schwache Spuren davon. Leichte Nebel ziehen rasch am Boden hin, verdichten sich, sobald die Sonne sinkt, zu Schnee, welcher die Planetenseheibe wie ein leuchtender King umgiebt. Auf Mars trübt sich die Atmo- sphäre sogleich, wenn die Sonne dem Horizont nahe rückt. Die in der Mitte sichtbaren dunklen Flecke verschwinden darum, wenn sie sich dem Rande nähern. Ebenso wird die röthliche Farbe des Planeten am Rande schwächer, weil die sich abkühlende Atmosphäre durch die ent- 102 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 9. stehenden Niederschläge getrübt undurchsichtig wird. Wenn das Polareis dort im Sommer, von Wasser umgeben, sogar eine geringere Ausdehnung hat, als auf unserer Erde, so sind dagegen die wärmeren Gegenden oft mit frischgefallenem Schnee und Schneenebeln bedeckt. Das System der atmosphärischen Bewegungen ist dort weit einfacher. Auf Mars erheben sich die Dünste an einer Stelle und verdichten sich an einer anderen, so wie die Sonnenwärme sie erhebt oder die Nachtkälte sie nieder- schlägt. Die Nebel, welche zur Zeit der Tag- und Nacht- gleichen die polaren Gegenden bedecken, sie lichten sich im Hochsommer. In den Epochen der Sonnenwende, so scheint es, ist die eine Halbkugel ganz oder fast ganz der Dunstbildung geweiht, die andere der Verdichtung. In den Zwischenzeiten ist eine Zone der Dunstbildung von zwei anderen der Niederschläge eingeschlossen. Alles dieses deutet auf eine luftarme Atmosphäre, eine solche, welche Wolken nicht mehr trägt, in der die Niederschläge, wie oft auf der Erde an Bergeshöhen, so- fort als Nebel zu Boden sinken. Wir haben hier eine schwache Analogie in dem Verhalten hoher Berggipfel. Der Druck der Atmosphäre setzt sieh im Wesent- lichen aus 2 Theilen zusammen: dem Druck der trockenen atmosphärischen Luft und dem Druck der darin aufge- lösten Wasserdünste. Während der erstere sich bei einer Veränderung der Temperatur fast gleich bleibt, hängt der Druck der Wasserdünste allein von ihrer Temperatur ab; er steigt durch Erwärmung und sinkt durch Erkältung, wobei sich, Sättigung vorausgesetzt, die vorhandenen Dünste im letzteren Falle zu Nebel verdichten, im ersteren aus dem Nebel oder aus dem Wasser die Luftform annehmen. Mit der Verdichtung bezw. mit der Dunstentwickelung verbindet sich zugleich eine sehr grosse Raumveränderung. Wasserdunst z. B., der sich bei 0° am Meeresufer zu Wasser verdichtet, nimmt nur den 1200sten Theil des früheren Raumes ein. Die entstehende Lockerung bezw. Verdich- tung der Luft muss sich darum durch Luftströmungen aus- gleichen. Die Ausgleichung muss bei niederem Druck stärker sein als bei höherem. — Ebenso ist die Dunst- entwickelung bei niederem Druck stärker als bei hohem. — Je geringer der Druck der Atmosphäre ist, um so grösser ist der Antheil, den der Wasserdunst dabei beansprucht. Ein halb so grosser Druck der Atmosphäre verdoppelt darum den Antheil, welchen die Wasserdünste daran nehmen. Auf Mars überwiegt das Land das Wasser, welches man als dunkle Streifen erkennt. Ausgedehnte Flächen sind mit seichten Gewässern bedeckt. Diese Gewässer sind nicht von gleicher Farbe, sondern braun gemischt mit grau, nicht immer von gleicher Intensität. Die Nordseite des Planeten bis zum Nordpole ist von den Massen der Continente eingenommen, in welchen die Orangefarbe vorherrschend ist, welche bisweilen dunkel- roth, andere Male wieder gelb und weisslieh wird. Ausser diesen dunklen und hellen Gegenden, welche wir als Meere und Continente bezeichnen und deren Natur gegenwärtig nur wenig Zweifel lässt, existiren noch einige andere, freilich wenig ausgedehnte von amphibischer Natur, welche bisweilen gelb werden und wie Continente aussehen, zu anderer Zeit wieder sieh bräunen (in gewissen Fällen auch schwarz werden) und den Anschein von Meeren annehmen, so dass man zweifelhaft bleibt, zu welcher Classe sie zu rechnen sind. Besonders Inseln zeigen diese Eigenschaft. Die Farbe scheint nach der Tiefe des Wassers zu wechseln. Die Continente bilden auf der Nordseite eine einzige und zusammenhängende Masse, mit Ausnahme des sog. mare Acidalio, dessen Ausdehnung sich zu ver- ändern scheint je nach der Zeit und zusammenzuhängen scheint mit den TJeberschwemmungen, welche, wie gesagt, lange Räume mit regelmässigem Lauf, nichts dem schlangenförmigen Laufe unserer Flüsse Einige kürzere kommen nicht bis 500 km von dem Schmelzen der Schneemassen um den Norpol herum hervorgebracht werden. Einzelne Flecken scheinen nur zeitweilig zu bestehen und dann wieder zu ver- schwinden. Der ganze Continent ist durchfurcht von einer Anzahl von Linien und schwachen Streifen von mehr oder weniger ausgesprochen dunkler Farbe, deren Aussehen sehr ver- änderlich ist. Sie durchziehen auf dem Planeten bisweilen sehr lange Räume mit regelmässigem Lauf, welcher in eicht. während andere sich über Tausende von Kilometern ausdehnen, indem sie '/4 und bisweilen auch l/3 des ganzen Umkreises des Planeten einnehmen. Ihre Breite kann bis 200 km, auch 300 km erreichen, während sie für andere vielleicht nicht einmal auf 30 km kommt. Ihre Sichtbarkeit ist sehr wechselnd, bisweilen im Zeitraum von einer Woche zur andern, und diese Veränderungen sind nicht gleichzeitig und unter- liegen keinem gemeinsamen Gesetze und folgen in der Hauptsache gleichsam launenhaft, keinen uns bekannten Regeln. Manchmal werden die Canäle ganz unsichtbar, manchmal erscheinen sie vergrössert. — Jeder Canal mündet entweder in ein Meer oder in einen See oder in einen andern Canal; niemals sieht man einen in der Mitte des Continents aufhören. Das normale Aussehen eines Canals ist das eines fast schwarzen oder wenigstens dunklen Streifens, ähnlich dem der Meere, dessen regelmässiger Lauf kleine Unterschiede im Abstände der beiden seitlichen Ränder nicht aus- schliesst. Oft kommt es vor, dass ein solcher duukler Faden, wenn er sich in das Meer ergiesst, sich in Form einer Trompete ausbreitet und so eine weite Bai bildet, ähnlich der Ausmündung mancher Flüsse der Erde. Man sieht deutlich die Oberfläche solcher Estuarien sich fortsetzen in den Canal. Man kann daraus mit Sicher- heit schliessen, dass die Canäle einen Zusammenhang mit jenen Wasserbecken besitzen. Es geht hieraus hervor, dass die Canäle wirkliehe Furchen flüssiger Massen sind, welche ein hydrographisches System bilden, bestimmt, das flüssige Wasser der Schnee- schmelze aus den nördlichen Schneemassen abzuleiten. — Es war schon gesagt, dass diese Schneemassen beim Schmelzen wie von einer dunklen Zone umgeben sind und so eine Art von zeitweiligem Meere bilden. Zu jener Zeit erscheinen die Canäle schwärzer und breiter und scheinen die ganze gelbe Oberfläche zwischen dem Rande des Schnees und dem 60. Breitengrade in kleine Inseln zu verwandeln. Dieser Zustand hört nicht eher auf, als bis die Schneemassen, auf ihr kleinstes Maass zurückgeführt, aufhören zu schmelzen. Um die Verhältnisse auf der Oberfläche des Mars zu beurtheilen, muss man vor allem das Verhalten der dort allnächtlich niederfallenden Schneemassen in Erwägung ziehen. Diese Schneemassen, von heftigen Winden fort- während bewegt, häufen sich in den Thälern in unge- heuren Mengen auf und gleichen möglichst alle Uneben- heiten aus. Sie können von den Sonnenstrahlen ebenso- wenig durchgethaut werden, wie auf unserer Erde der Schnee des Mont Blanc oder des Riesengletschers, welcher Grönland bedeckt. Nur auf einzelnen Hochebenen ist es möglich, dass die Schneedecke abschmilzt und der Erd- boden zu Tage tritt. Dieser mag sich dann in dem langen Sommer wohl mit einer Pflanzendecke überziehen, der unserer arktischen Gegenden ähnlich. Mit dieser Auf- fassung stimmt auch das Aussehen des Planeten überein. Die einzig richtige Erklärung der Canäle ist darum die von Schiaparelli gegebene einer grossen Ueber- schwemmuug, hervorgebracht durch das Schmelzen der Schneemassen. Nr. 9. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 103 Die Veränderung des Aussehens der Canäle zeigt, dass ihr Zustand kein beständiger ist. Wenn sie ver- schwinden oder zweifelhafte .Spuren zurücklassen, so kann man auch annehmen, dass sie sehr dürftig oder ganz aus- getrocknet sind; alsdann erscheint an der Stelle der Canäle entweder nichts oder höchstens ein gelblicher Streifen, wenig verschieden von dem umgebenden Grunde. Offenbar werden die Canäle, sobald sie austrocknen, von frisch gefallenem Schnee wieder ausgefüllt. Manchmal nehmen sie einen nebelhaften Anschein an, wohl eine Bildung von Wasserdünsten in der leichten Luft. Andere Male dagegen bringen sie Erweiterungen hervor von 100, 200 und mehr Kilometer Breite, und dies geschieht auch bei Cauälen, welche von dem Nordpol sehr weit ent- fernt sind. Aber das überraschendste Phänomen der Canäle des Mars ist ihre Verdoppelung, welche hauptsächlich in den Monaten hervorzutreten scheint, welche der grossen nörd- lichen Ueberschwemmung vorausgehen, und in denen, welche ihr folgen, ungefähr zur Zeit der Tag- und Nacht- gleiche. In Folge eines schnellen Vorganges, welcher gewiss nur wenige Tage, vielleicht auch nur wenige Stun- den dauert, und dessen Besonderheiten man bis jetzt noch nicht sicher feststellen konnte, verändert ein Canal sein Aussehen und wird in seiner ganzen Länge in zwei Linien oder Streifen umgewandelt, meistens unter einander parallel wie die Schienen einer Eisenbahn. Zuerst zeigt sich ein leichter, schlecht begrenzter Schatten parallel zu dem Canal; darauf erscheinen diese Theile mit weissen Flecken bedeckt und nach etwa 7 bis 8 Tagen ist die Verdoppe- lung des Canals hergestellt. Man hat diese Verdoppelung der Canäle bis jetzt in dreissig verschiedenen Fällen wahr- genommen. Muthmaasslich sind deren noch mehrere vor- gekommen, welche als zu klein vom Fernrohr nicht auf- gelöst wurden. Die eine Linie nimmt, so oft es möglich ist, den alten Lauf ein, während die andere einer neuen Bahn folgt. Aber auch in diesem Falle verliert die alte Linie alle kleinen Unregelmässigkeiten und Krümmungen, welche sie haben konnte; aber mitunter begegnet es auch, dass die beiden Zwillingslinien von den beiden Theilen des früheren Canals eine ganz neue Bahn einnehmen. Der Zwischenraum zwischen den beiden Linien ist in den verschiedenen Verdoppelungen verschieden, von 600 km und mehr fällt er bis zur äussersten Grenze, in welcher zwei Linien noch sichtbar als getrennt erscheinen können, weniger als 50 km Zwischenraum. Die Breite jedes Strei- fens für sich kann von der Grenze der Sichtbarkeit, welche wir auf 30 km annehmen, bis mehr als 100 km variiren. Die Farbe der beiden Linien schwankt zwischen schwarz und blass-roth, welches man kaum von dem gelben Grunde der continentalen Oberfläche unterscheidet. Der Zwischen- raum ist meist von jenem Gelb, aber oft erscheint er weiss. Die Verdoppelungen sind nicht unbedingt noth- wendig an die Canäle allein gebunden, sondern sie scheinen sich auch bei den Seeen zu zeigen. Oft sieht man einen von diesen sich in zwei kurze breite dunkle Streifen theilen, unter einander parallel, durch eine gelbe Leiste getrennt. Die Verdoppelung bildet sich nicht überall zu gleicher Zeit, sondern da und dort, in unregelmässiger Weise ge- trennt, oder wenigstens ohne eine leicht erkennbare Ord- nung. Manchmal, nachdem sie einige Monate gedauert haben, werden die Canäle schwächer; so sieht man in gewissen anderen Jahreszeiten, z. B. in der südlichen Sonnenwende, sehr wenige oder auch gar keine. Bei den Canälen und ebenso bei ihren Verdoppe- lungen findet ein höchst eigenthümliches Vorkomnmiss statt: Sie sind ihrer ganzen Länge nach, kleine Unregel- mässigkeiten abgerechnet, geradlinig, wie mit Lineal und Zirkel gezogen (come di riga o di compasso). Eine solche Regelmässigkeit kann nur in der Beschaffenheit der Oberfläche des Planeten be- gründet sein. Untersuchen wir die Zustände dieser Oberfläche: Die Schwere an der Oberfläche des Mars beträgt nur 0,4 derjenigen am Meeresufer unserer Erde. Wird der Luft- druck am irdischen Meeresufer zu 760 mm angenommen, so kann er auf Mars nicht grösser sein als 304 mm; muth- maasslich ist er kleiner, da die Masse des Planeten nur etwa 7s derjenigen unserer Erde beträgt. Ein Druck von 304 mm würde einer Berghöhe auf unserer Erde von 7300 m entsprechen. Wir wissen, dass auf hohen Bergen die Niederschläge sehr stark sind. Auf Mars erfolgen die Sehneeniederschläge jede Nacht in unennesslich grösserer Menge als auf der Erde. Erwägen wir, dass der ganze Betrag der täglichen Abdunstung allmählich gegen die Nachtseite hin durch Stürme getrieben wird, welche, wie bereits erwähnt wurde, die auf unserer Erde vorkommen- den weit übertreffen; erwägen wir ferner, dass in einem Winter von der doppelten Länge des unsrigen kein Aufthauen dieser Schueemassen stattfindet, so begreift sich, dass sich dieselben zu Ungeheuern Gletschern auf- häufen müssen. Dächte man alle Niederschläge der Erde, wie sie als Regen, Schnee und Hagel herabfallen, in der Umgebung unseres Winterpols vereinigt, so könnte man sich einigermaassen eine Vorstellung machen von den gewaltigen Schneemassen, welche den Winterpol des Mars allnächtlich und alljährlich bedecken. Diese Schneemassen und diese Gletscher müssen alle Unebenheitcu des Bodens ausfüllen und an ihrer Oberfläche gleichmässig abfallende Flächen darstellen. Aehnlich ist es in den oberen Theilen der Gletscher unserer Erde. Die heutige Erde zeigt nur in Grönland eine schwache Analogie. Das Inlandeis ist dort als eine ungeheure plastische Masse aufzufassen von solcher Mächtigkeit, dass die Form seiner Oberfläche nur in sehr beschränktem Grade von der Form des Untergrundes abhängig sein kann. Die Oberfläche einer solchen Masse gestaltet sich zu einer ellipsenähnlichen Curve. Dass das Inlandeis nur geringe Abweichungen von der mathemathischen Ge- stalt aufweist, ist durch die Mächtigkeit der Eismassen bedingt.*) Auf Mars sind die aus unermesslich stärkeren Nieder- schlägen bestehenden Gletscher so dick und so kalt, dass das darüber im Sommer hinrieselnde Thauwasscr sie nicht gänzlich zu durchnagen vermag. Das Thauwasser des Sommers bleibt also (Gletscherbächcn ähnlieh) sämmtlich an der Oberfläche und rinnt in langsamer Bewegung, weil mit geringerer Schwere auf die Unterlage drückend, über die gleichmässige Eisfläche herab, dabei die gerade Rich- tung beibehaltend. Die gerade Richtung der Canäle kann nur in der Form des Untergrundes bedingt sein; sie bekundet un- zweifelhaft, dass diese Eisunterlage, ähnlich dem Grön- land bedeckenden Gletscher, eine ebene, fast nur nach der Kugelgestalt des Planeten gekrümmte Fläche dar- stellt: wie eine solche eben nur durch gletscherbildende Schneeverwehungen und auf keine andere Weise erzeugt werden kann. Üeber solch geebnetes Gletschereis kann selbstredend das Schmelzwasser nur in geraden Richtungen fliesseu. Das Schmelzwasser nagt sein lieft aus und ver- tieft dieses. Sobald mit der steigenden Sonnenwärme sieh das Wasser vermehrt, tritt es aus seinem Ufer, und zwar *) Die Untersuchung von Nansen bei seiner Durchquerung Grönlands ergab, dass dasrrofil mit einem Kreisbogen von 10382km Radius zusammenfallt, was um so auffallender, als der Untergrund wahrscheinlich ein Bergland ist, Norwegen ähnlich. Die Betrachtungen wurden in einer Höhe von 2C00 m bis 2300 m über dem Meere gemacht. 104 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 9. an der westlichen Seite, wenn es aus Parallelkreisen von langsamerer Umdrehung in solche von schnellerer gelangt. Das austretende Wasser löst dabei den frisch gefallenen Schnee und verwandelt ihn in Gletschereis, aus dem sich zuletzt ein Damm und vor diesem ein zweiter Canal bildet. So entsteht der zweite Canal gleichlaufend mit dem ersten, und beide vermögen zuletzt das ganze rinnende Wasser aufzunehmen, so dass die zwischen ihnen liegende Fläche trocken bleibt. Dabei nagt sich die zuerst gebildete Wasserrinne auch am tiefsten in das Gletschereis ein und nimmt ebenfalls das daneben niessende Wasser auf. In ähnlicher AVeise nagen sich auf unseren nördlichen Con- tinenten durch die Umdrehungsbewegung der Erde die in nordsüdlicher Richtung fliessenden Ströme auf ihrer Ost- seite in das Uferland ein. — Veränderungen in der Fär- bung scheinen dabei auf seichteres oder tieferes Wasser oder auf ein theihveises Freiwerden des Untergrundes hinzuweisen. An m In dem Julihefte 1803 No. 10 von: „Himmel und Erde" findet sich nach Flammarion eine Ansicht ausgeführt, wonach die Canäle riesige Kunstbauten sein und ihre Verdoppelung einer eigentümlichen Luftspiegelung beizumessen sein könne, so dass auf Mars möglicherweise andere uns unbekannte Naturgesetze ob- walten möchten. Um den Planeten für eine Ueberrieselung zu planiren, müssten erst die Berge abgetragen und die Thäler aus- gefüllt werden. Man sieht aus der vorstehenden Darstellung, dass dergleichen sonderbare Speculationen nicht nöthig sind, sobald man sich von dem Grundsatz der Analogie leiten lässt. Der Winter der Südseite des Planeten bildet, wie bereits erwähnt wurde, die Canäle nicht oder doch nur in sehr geringem Grade. Es erklärt sich diese Verschie- denheit aus dem Umstände, dass die Niederschläge um den südlichen Winterpol nicht auf festes Land, sondern in das dort befindliche Meer fallen. Im Meer aber ist die Bildung eines Gletschers unmöglich und deshalb auch die Bildung der Canäle. Die Stürme, welche den Betrag der täglichen Ab- dunstung, an der Liehtgrenze in Regen, dann in Schnee verwandelt, nach der Nachtseite des Planeten hinführen, sie werden beeiuflusst und gelenkt theils von der Rotation des Planeten, theils von der Stellung seines Aequators gegen die Sonne hin, theils von der wechselnden Ent- fernung der Sonne, theils von der Anziehung der den Planeten in grosser Nähe umkreisenden Monde, theils von dem Widerstände einzelner, den Gletscher überragender Bergspitzen, welche sich durch eine immerwährende Schnee- bedeckung auszeichnen. Aus diesen verschiedenen Ein- wirkungen erklärt sich die verschiedene Lage der Canäle, während diese gleichwohl überall gerade Linien bilden. Die feste Oberfläche des Planeten kann hiernach im Wesentlichen nur aus Eis und Schnee bestehen. Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht auch die Farbe des Planeten. Die Dichte des Planeten beträgt nur 0,737 der- jenigen der Erde, wenig mehr, wie die unseres Mondes (0,617). Da sich nicht annehmen lässt, Mars enthalte andere Bestandteile als Erde und Mond, so dürfen wir vermuthen, dass er von grossen Hohlräumen durchsetzt ist, die in der Tiefe das flüssige Wasser aufnehmen, für welches an der Oberfläche der Raum zu fehlen scheint. Man hat — bis jetzt nur in dem starken Fernrohr von Nizza - - unter dem 30° und 50° s. Br. auf Mars schnee- bedeckte Berghöhen wahrgenommen, welche erkennbar über den Rand hervorragen und deren Höhe nicht unter 50 — 60 km betragen kann, was bei der Kleinheit des Planeten doppelt auffällt. Vielleicht bringt man nicht mit Unrecht diese Riesenberge mit den beiden kleinen Mars- monden in Verbindung, indem man annimmt, dass der Planet einst durch eine Gruppe von Asteroiden gezogen sei, von denen einige auf seine Oberfläche niedergefallen sind, während zwei als Monde ihn umkreisen. Was nun die Möglichkeit organischen Lebens auf dem Planeten betrifft, so kann ein Thier- und Pflanzen- leben sich dort fast nur in seinen Gewässern und wie ge- sagt auf einzelnen eisfrei werdenden Hochebenen unter der Einwirkung der Sommersonne entwickeln. Ja man muss annehmen, dass solche Lebewesen den Winter über zu Eis erstarren und erst im Sommer wieder aus dem Todesschlaf erwachen, wie ja Aehnliches auch auf unserer Erde vorkommt. Auf dem Schnee und Eise des Landes dagegen kann wohl nur eine Entwickelung der aller- kleinsten und niedrigsten Lebewesen angenommen werden, welche bei der Schneeschmelze den Wasserthieren als Futter dienen. An ein Dasein höher entwickelter Ge- schöpfe ist auf Mars wohl nicht zu denken, denn nach der Analogie unserer Erde ist die höhere Entwickelung von dem grösseren Druck der Atmosphäre abhängig, wie ich dieses in meinem Aufsatz: „Temperaturveränderungen auf der Erdoberfläche" aus dem grösseren Athembedarf der nach einander folgenden Thiergeschlechter nachge- wiesen habe. Anm. Der berühmte Durchforscher des Mars beurtheilt und widerlegt in dem erwähnten Aufsatz die verschiedenen über die Canäle aufgestellten Erklärungsversuche, insbesondere die Hypo- these, welche die Verdoppelung einer Art Luftspiegelung beimisst, sowie die, nach welcher die Canäle Ströme flüssiger Kohlensäure sein sollen. Da die Kohlensäure, um flüssig zu bleiben, eines Druckes von 32 Atmosphären bedarf, der Druck der Atmosphäre des Mars aber nur 0,4 desjenigen der unsrigen betragen kann, so müsste die Atmosphäre des kleinen Planeten 32 : 4/10 = 80 mal die der Erde übertreffen, um die Kohlensäure flüssig zu halten. Mathematische Spielereien in kritischer und historischer Beleuchtung. Von Prof. Dr. II. Schubert. IX. Die Umfüllungs-Aufgaben. Unter dem Namen Umfüllungs-Aufgaben wollen wir die sehr verbreiteten Aufgaben zusammenfassen, welche voraussetzen, dass nur eine beschränkte Anzahl von Ge- fässen, deren jedes eine bestimmte Anzahl von Litern einer Flüssigkeit fasst, zur Verfügung stehen, und welche dann verlangen, dass durch wiederholtes Umgiessen schliess- lich eine vorgeschriebene Anzahl von Litern in das eine oder das andere Gefäss hineinkommt. Gewöhnlich setzt man voraus, dass nur drei verschieden grosse Gelasse vorhanden sind, dass das grösste dieser Gefässe voll- ständig gefüllt ist, die beiden andern aber ganz leer sind, und dass nun durch Umgiessen es erreicht werden soll, dass die Hälfte der Flüssigkeit in dem grössten Gefäss und die andere Hälfte in dem zweitgrössten Gefäss sich befindet, so dass eine genaue Halbirung möglich ist. Solche Aufgaben finden sich seit der Mitte des 16. Jahr- hunderts nicht allein in vielen Büchern, die arithmetische Belustigungen enthalten, sondern auch in Kalendern, Kinderbüchern und neuerdings in Unterhaltungsblättern. Als Flüssigkeit ist meist Milch oder Wein gewählt. Als Literzahlen für die drei Gefässe fand der Verfasser am häufigsten 8, 5, 3. Bachet giebt in seinem 1612 zuerst erschienenen „Problemes" der Aufgabe die folgende Fassung: Zwei Freunde haben sich S Maass Wein Nr. 9. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 105 zu theilen, sie besitzen denselben in einem 8 Maass fassenden Gefäss, haben aber ausserdem nur noch zwei leere Gefässe, von denen das eine 5 Maass, das andere 3 Maass fasst. Wie können sie den Wein in zwei genau gleiche Theile thei- len, indem sie sich einzig und allein der drei Gefässe bedienen? Zu dieser Aufgabe giebt Rächet zwei Lösungen, welche, wenn wir Liter statt Maass sagen, folgendermaassen lauten : 1) Man giesse den Wein in das 5 Liter fassende Ge- fäss, bis dasselbe voll ist; dann giesse man aus diesem Gefäss so lange in das 3 Liter haltende (lefäss, bis letzteres voll ist, so dass in dein zweitgrössten Gefäss 2 Liter übrig geblieben sind. Nun giesse man den Inhalt des kleinsten Gefässes in das grösste, so dass dasselbe nunmehr 6 Liter enthält. Dann giesse man die in dem zweitgrössten Gefäss zurückgebliebenen 2 Liter in das jetzt leere kleinste Gefäss. Darauf fülle man das zweit- grösste Gefäss, indem man ans dem grössten Gefäss soviel abgiesst, bis das zweite ganz gefüllt ist, so dass nunmehr die drei Gefässe der Reihe nach 1, 5, 2 Liter enthalten. Jetzt entleere man das zweite Gefäss soweit, dass das kleinste Gefäss voll wird. Dann sind im zweiten Gefäss 4 Liter zurückgeblieben. Man hat also nur noch die im kleinsten Gefäss vorhandenen 3 Liter in das grösste zu giessen, um zu erreichen, dass die 8 Liter halbirt sind. 2) Bei der zweiten von Bachet gegebenen Lösung giesst man zuerst in das 3 Liter haltende Gefäss, bis dasselbe voll ist, darauf die so erhaltenen 3 Liter in das mittelgrosse Gefäss. Nun füllt man wiederum das kleinste Gefäss, indem man aus dem grössten ausgiesst, so dass im grössten 2 Liter zurückbleiben. Nun giesst man aus dem kleinsten so lange in das zweitgrösste, bis dieses voll, und dann den ganzen Inhalt desselben in das grösste Gefäss, das nun 7 Liter enthalten muss, während im kleinsten 1 Liter vorhanden ist. Dieses giesst man nun in das mittelgrosse Gefäss. Endlich füllt man aus dem grössten Gefäss in das kleinste, bis dieses voll ist, so dass im grössten 4 Liter enthalten sein müssen, und die Auf- gabe also gelöst ist, wenn man noch die im kleinsten Gefäss enthaltenen 3 Liter in das mittelgrosse Gefäss übergiesst. Man kann diese Lösungen übersichtlicher und kürzer darstellen, wenn man den drei Gefässen 3 Columnen zu- ordnet, und nach einander in diese Columnen die Zahlen schreibt, welche angeben, wieviel Liter nach jedem Um- füllen in den Gefässen enthalten sind. Diese kürzere Darstellungsweise wollen wir auch im Folgenden immer beibehalten. Ferner wollen wir die drei Gefässe mit A, B, C bezeichnen, so dass A das grösste, B das zweitgrösste, C das drittgrösste bedeutet. Die Zahl der Liter, die jedes Gefäss über- wir unter Ä, B, C, und zwar in Klammern. So gewinnen die beiden oben ausein- ander gesetzten Lösungen die nebenstehende übersicht- liche Gestalt. Man kann das oben besprochene Problem in dreierlei Richtungen verall- gemeinern : erstens dahin, dass man statt der Zahlen (8), (5), (3) beliebig gewählte andere Zahlen setzt, welche angeben sollen, wieviel Liter die drei Gefässe A, B, C fassen sollen, zweitens dahin, dass man als Ziel nicht bloss die Halbirung, sondern die Erreichung jeder haupt fassen kann, setzen 1 2 A B C A B C (8) (5) (3) (8) (5) (3) 8 0 0 8 0 0 3 5 0 0 0 3 3 2 3 5 3 0 6 2 n 2 3 3 6 0 2 2 5 1 1 5 2 7 0 1 1 4 3 7 1 0 4 4 0 4 4 1 4 3 0 A B C D (24) (13) (11) (5) 24 0 0 (i 13 0 11 0 8 0 11 5 0 8 11 5 11 8 0 5 16 8 0 0 IG 0 8 0 3 13 8 0 3 8 8 ~> 8 8 s 0 möglichen Literzahl betrachtet, drittens dahin, dass man mehr als drei (iefässe als zur Verfügung stehend voraussetzt. Da die dritte Erweiterungsrichtung weniger Interesse bietet, weil die Auffindung einer Lösung da- durch zu sehr erleichtert wird und die Anzahl der denk- baren Lösungen zu gross wird, so wollen wir diese Er- weiterung des Problems nicht eingehender behandeln, sondern nur ein Beispiel geben, das wir den „Mathe- matical Recreations" von Ball entnehmen. Das Gefäs- A sei voll und enthalte 24 Liter, die Gefässe B, C, D sind leer und fassen 13, 11, 5 Liter. Man soll die 24 Liter durch Umfüllen in drei gleiche Theile theilen. Eine sehr kurze Lösung des Problems ist folgende: Obwohl Ball in dem oben erwähn- ten Buche die Ansicht ausspricht, dass solche Umfüllungs- Aufgaben nur durch Versuche, nicht aber mathematisch, gelöst werden können, so wollen wir doch eine kritische Behandlung der- selben versuchen. Dabei wollen wir uns das Problem in den beiden ersten der oben genannten Verallgemeine- rungsrichtungen, nicht aber in der dritten ausgedehnt denken, das heisst, wir wollen nur drei Gefässe A, B, C betrachten, aber annehmen, dass jedes eine beliebige Anzahl von Litern fasse, und dass auch jede beliebige Zahl von Litern durch Umfüllen erreicht werden soll. Dabei sollen die Zahlen für die von A, B, C gefassten Liter beziehungsweise a, b, c heissen. Zuerst sieht man nun leicht ein, dass bei dem Umfüllen immer nur zweierlei stattfinden kann. Entweder man macht das Gefäss, aus dem man giesst, ganz leer, oder man macht das Gefäss, in das man giesst, ganz voll. Daher kann es, wie oft man auch umgicssen mag, niemals vorkommen, dass keins der Gefässe ganz leer und zugleich auch keins ganz voll ist. Wenn also bei unserer tabellarischen Dar- stellung der Umfüllungsarten in einer Reihe keine 0 vor- kommt, so muss nothwendig entweder die zweite Zahl gleich b oder die dritte Zahl gleich c sein. Dass die erste Zahl gleich a ist, konnte ausgelassen werden, weil immer vorausgesetzt wird, dass überhaupt nur a Liter der Flüssigkeit vorhanden sind. Wenn man nun auf alle möglichen Literzahlen von 1 bis a durch das Umfüllen kommen soll, so muss man bei der Reihenfolge der Um- füllungen darauf achten, dass man niemals auf eine Zahlen- gruppe stösst, die mit einer schon dagewesenen überein- stimmt, weil man ja sonst alle Gruppen einfach nur wiederholen müsste, die zwischen den beiden identischen Gruppen liegen. Ausserdem hat man bei der Auffindung einer Methode, die alle möglichen Zahlen liefert, noch darauf zu achten, dass mau möglichst spät auf die An- fangsgruppe a, 0, 0 zurückgelangt, Methoden, welche diese Bedingung erfüllen, lassen sich mehrere finden. Eine derselben besteht aus folgenden Vorschriften: Man giesse aus A in C, bis C voll ist, dann den In- halt von C in B, darauf wieder aus A in C, bis C voll ist, und auch wieder den Inhalt von C in B. So fahre man fort, bis B ganz voll wird. Darauf fülle man den Inhalt von B in A, und wenn in C ein Rest geblieben sein sollte, diesen in B. Jetzt wiederhole man das anfäng- liche Verfahren, und zwar wiederum so lange, bis B voll ist. Dann giesse man den Inhalt von B wieder in A, und, wenn in C ein Rest geblieben ist, diesen in B. Wenn man dieses Verfahren immer weiter fortsetzt, so gelangt man schliesslich zur Anfangsgruppe zurück, und man hat dann alle möglichen Zahlen erreicht, Es fragt sich jedoch, ob auch immer in A soviel Flüssigkeit ist, dass (' ganz gefüllt werden kann. A ist jedenfalls am leersten, wenn 106 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 9 in B b Liter sind. Dann aber soll man ja aus B in A füllen. Sind aber in B nur b minus ein Liter, und ist C noch leer, so fragt es sich, ob in A soviel Flüssigkeit ist, dass C ganz gefüllt werden kann. Da aber alle Flüssig- keit zusammen immer a Liter sind, so musste in A a minus b plus ein Liter sein. Dies darf also nicht kleiner sein, als c, d. h. a darf nicht kleiner sein als b plus c minus eins. Wenn diese Bedingung aber erfüllt ist, so führt das Verfahren immer dazu, dass in B sämmtliche Zahlen von 1 bis b vorkommen. Nur wenn b und c einen gemeinsamen Theiler haben, können nicht alle Zahlen erscheinen, sondern natürlich nur diejenigen, welche eben- falls diesen Theiler haben. Wir stellen daher zunächst die Bedingung an a, b, c, dass erstens a nicht kleiner ist als b plus c minus eins, und dass zweitens b und c keinen gemeinsamen Theiler haben. Diesen Bedingungen ent- sprechen die folgenden Beispiele, bei welchen die oben auseinandergesetzte Methode angewandt ist. Mau bemerke bei diesen Beispielen dann auch, dass, wenn C leer ist, und in B y Liter sind, in A a minus y Liter sein müssen, so dass in A alle Zahlen, die grösser als b sind, vor- kommen müssen, wenn nur a minus b gleich oder kleiner als b plus eins ist. Ist aber diese dritte Bedingung nicht erfüllt, also a noch grösser als das um 1 vermehrte Dop- pelte von b, so sind naturgemäss in A die Zahlen nicht vorhanden, welche grösser als b aber kleiner als a — b sind; dies immer in dem Falle, dass C leer ist. Nun kann man aber, wenn C leer ist, C aus A füllen, woraus man erkennt, dass nur dann Zahlen ausfallen müssen, wenn a minus b minus c grösser ist als b plus eins, d. h., wenn a grösser ist, als das um c plus eins vermehrte Doppelte von b. Wir fassen das nunmehr erlangte Resultat noch einmal kurz zusammen: Die oben auseinander- gesetzte Umfüllungs-Methode führt zu sämmt- lichen Zahlen von 1 bis a, wenn b und c keinen gemeinsamen Theiler haben, und wenn ausser- dem die folgende Bedingungs-Ungleichung er- füllt wird: 1 2b 1. Unter den folgenden Beispielen erfüllen die Bedingung, dass b und c keinen gemeinsamen Theiler haben sollen, sämmtliche, die Bedingung, dass b -+- c — l 12 2 14 0 2 14 2 0 7 2 7 7 9 0 0 9 7 0 12 4 12 0 4 12 4 0 5 4 7 5 11 0 aber diese zu keinen andern Ergebnissen führt, wie die erste Methode, und dass insbesondere die erreichbaren sowohl wie die unerreichbaren Zahlen bei beiden Methoden übereinstimmen, aber in verschiedener Reihenfolge erseheinen. Na- mentlich zeigt sich auch, dass, wenn a, b, c die oben abgeleitete Bedingungs - Unglei- chung erfüllen, alle Zahlen von 1 bis a erhalten werden können, nach der zweiten Methode ebenso gut, wie nach der ersten Methode. Diese zweite Methode lautet folgendermaassen : Man giesse aus A in B, bis B voll ist, dann aus B in 0, bis C voll ist, dann den Inhalt von C in A, dann nochmal aus B in C, bis C voll ist, und dann aus dem vollen C in A, und wiederhole dies so lange, bis es nicht mehr gelingt C aus B ganz zu füllen. Darauf giesse man trotz- dem diesen Rest in C, so dass B leer wird. Nun fülle man von neuem aus A in B, bis B voll ist, und wiederhole nun den eben beschriebenen Process, bis wieder- um in B weniger als c ist. Dann giesse man diesen Rest in C, fülle das leere B aus A, giesse aus B in C, bis C voll ist, u. s. w. Nach dieser Methode ist in dem beistehenden Beispiele verfahren. Man bemerke, dass, wenn die Bedingungs- Un- gleichung über a erfüllt ist, die Reihen- folge der erreichten Zahlen-Tripel genau umgekehrt zu der bei der ersten Methode erlangten Reihenfolge ist. Ist aber jene Bedingungs -Ungleichung nicht erfüllt, so wird es vorkommen, dass in A nicht hin- reichend Flüssigkeit ist, um B ganz füllen zu können. Dann hat man es soweit wie möglich zu füllen und in der Befolgung der Methode fortzufahren. Das Ergebniss aber ist dann, dass gewisse Zahlen als unerreichbarausgeschlossen bleiben könnten, und zwar sind dies dann dieselben Zahlen, die auch bei der ersten Methode ausfallen mussten. Um dies zu verdeutlichen, behan- deln wir das oben nach der ersten Me- thode durchgeführte Beispiel, woa = 16, b = 12, c = 7 ist, jetzt auch nach der zweiten Methode. (Siehe nebenstehendes Beispiel.) Man sieht, dass wiederum die Zahlen 1, 3, 6, 8, 10, 13, 15 ausfallen, alle an- deren Zahlen von 1 bis 16 aber erscheinen. Was das Geschichtliche dieser Um- fiillungs- Aufgaben anbetrifft, so finden sich dieselben zuerst wohl in Tartalea's Schriften (erste Hälfte des 16. Jahrhunderts), dann bei Bachet in dessen Recreations, die 1612 zuerst erschienen. Im Anfang unseres Jahrhunderts zog Ozanam (1803) diese Aufgaben wieder ans Tageslicht, und seitdem sind sie in allen möglichen Büchern und Schriften, die Zahlenbelustigungen enthalten, zu finden. Eine kritische Behandlung dieser Aufgaben für den Fall, dass a, b, c beliebige Zahlen sind, und jede Zahl von 1 Liter bis a Liter durch Umgiessen erreicht werden soll, dürfte in diesem Artikel wohl zuerst geliefert sein. A B C (16) (11) (6) Hl 0 ii 5 11 0 i> 5 i; 11 5 0 1 1 0 5 0 11 5 0 10 6 (i 10 0 6 4 6 12 4 0 12 0 4 1 11 4 1 9 6 7 9 0 7 3 6 13 3 0 13 0 3 2 11 3 2 8 6 8 8 0 8 2 6 14 2 0 14 0 2 3 11 2 3 7 Ü :i 7 0 9 1 6 15 1 0 15 0 1 4 11 1 4 6 6 10 •3 0 10 0 6 16 0 (1 A B C (10) 10 (12) (7) 0 n 4 12 0 4 5 7 11 5 0 11 0 5 0 11 0 0 9 7 7 9 0 7 2 7 14 •> 0 14 0 2 2 12 2 2 7 7 9 7 0 9 0 7 16 o 0 108 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 9^5 Weg der Microben bei der Piierperal-Infection. — Zur Erforschung des Weges, den die bei der Puerperal- infection vorkommenden Microben einschlagen, um von dem mütterlichen Organismus auf den des Kindes überzugehen, haben Sabrazes und Chambretent Versuche angestellt. (Conipt. rend. hebdom. Seances Soc. de Biol. Paris, T. 5, 1893, S. 388.) Es werden Streptococcen, Staphylococcus aureus und Bacterium coli trächtigen Kaninchen eingeimpft, und nach kurzer Frist waren die Foeten inficirt. Der Ueber- tritt schien nicht von gröberen Verletzungen der Gefässe ab- zuhängen. Namentlich bei jungen Embryonen waren die Microben in den Geweben äusserst zahlreich, so dass es scheint, dass sie sich dort reichlich vermehrt hatten. C. M. Farbige Begrift'sbilder. — Der Aufsatz „Die Gehör- farben" von R. Liesegang in Band VIII No. 34 dieser Wochenschrift behandelt ein eigenartiges Capitel der Psychophysiologie. Die Gehörfarben, also die Anknüpfung einer Farbenvorstellung an eine Tonwahrnehmung, ist ein Specialfall einer Reihe von Erscheinungen, die man viel- leicht am besten unter dem Namen „Farbige Begrift's- bilder" zusammenfasse Da ich die farbigen Begriffsbilder aus eigener Selbstbeobachtung kenne, so möchte ich mir einige ergänzende Bemerkungen zu dem angeführten Auf- satze erlauben. Wenn ich von dem Tone „c" sprechen höre oder ihn in Buchstabenform geschrieben sehe, bezüglich vorstelle, erscheint mir das „cu gelblich; dagegen ist „d" unbe- stimmt grauschwarz; „e" rein weiss; „f" dunkelbraun; „g" hellröthlichbraun; „a" wasserblau; „h" schwarz. Auf dem Ciavier oder auf einem anderen Instrumente ange- geben, erwecken aber diese Töne nicht die geringste Farbenvorstellung in mir; eigentliche Gehörfarben im Sinne des citirten Artikels habe ich also nicht. Ebenso wenig tritt eine Farbenwahrnehmung auf, wenn ich die genannten Noten eben als Noten auf Notenpapier lese. Es ist also das Farbigsehen bei mir lediglich an die Buchstaben als solche gebunden, nicht an die Töne; und wenn Liesegang 1. c. S. 360 schreibt: „De Briale (La Nature, 1885, 2, S. 343) glaubt die Erscheinung durch eine unvollkommene Er- innerung an eine Farben Wahrnehmung deuten zu können, welche früher mit dem Hören oder Lesen des Buchstaben verknüpft war. Die .betreffenden Personen könnten z. B. in ihrer Jugend Bücher gehabt haben, in welchen der Buchstabe A roth, E violett u. s. w. war. Es wäre das ein weiterer Beweis für meine Annahme einer unvoll- kommenen Association", so kann ich mich dem nur ohne weiteres anschliessen. Ich entsinne mich nicht mehr, ob mir als Kind bei den ersten Lernversuchen farbige Buch- staben vorgeführt sind, von den Zahlen weiss ich es be- stimmt: Die Ziffern von 1 bis 100 waren auf einer grossen Papptafel in grellen Farben aufgemalt; und etwa bis zum 14. oder 15. Jahre habe ich stets eine, jedenfalls die ent- sprechende, Farbe mit der Vorstellung der Ziffer assoeiirt. Später ist mir diese Fähigkeit nach und nach verloren gegangen. Die Färbung der Buchstaben, welche in der Tonleiter Verwendung finden, hat sich mir aber bis auf den heutigen Tag erhalten, und ausserdem sehe ich inner- lich den Buchstaben „i" intensiv grassgrüu, wenn er in dem mathematischen Sinne von l/^T vorkommt. Lese ich die genannten Lettern in fliessendem Zusammenhange mit anderen als Druck oder Schrift, so verbindet sich keine Farbenvorstellung damit. Aus gewissen Selbstbeobachtungen glaube ich schliessen zu dürfen, dass ich ursprünglich alle Buchstaben farbig und die Wörter in der Mischfarbe ihrer Buchstabencom- ponenten gesehen habe; wie denn das kindliche Denken überhaupt wesentlich mit sinnlichen Wahrnehmungen und deren Reproductionen arbeitet. In späteren Jahren, zumal wenn der Lebensberuf ein wissenschaftlicher ist, verblasst der sinnliche Hintergrund der Begriffe immer mehr, und zwar für diejenigen Abstracta zuerst, die am öftesten und in recht verschiedenen Combinationeu gebraucht werden. Man kann aber vielleicht auch noch auf andere Weise zu farbigen Begriffen kommen. So könnte recht gut ein Kind, dessen Mutter während seiner ersten Lebensjahre eine bestimmte Farbe für ihre Garderobe bevorzugte, den Begriff „Mama" zunächst stets mit dem Erinnerungsbild dieser Farbe verknüpfen. Wenn dann im Lauf der Jahre durch die mannigfachen Eindrücke, Beobachtungen und Erfahrungen der Begriff „Mama" erst ein Collectivum für eine grosse Summe von Einzelerinnerungen geworden ist, mag in dieser Summe die primäre Farbigkeit verschwunden oder aber auch geblieben sein, wenn ihr Eindruck seiner- zeit tief und nachhaltig genug gewesen. Oder ein anderes Beispiel. Wenn Jemand in einer dem Gedächtniss sich fest einprägenden Situation ein Musikstück gehört hat, etwa im Walde oder auf der See, so wird später wahr- scheinlich das Anhören derselben oder verwandter Melodien auch die Erinnerung an jene Situation wieder wachrufen, und wenn auch die übrigen Einzelheiten schon dem Ge- dächtniss entschwunden sein sollten, kann immer noch die Neigung bestehen, die Töne mit der grünen oder bläu- lichen Farbenvorstellung zu verbinden, die damals die Gruudstimmung des optischen Gesammteiudrucks bildete. Die Gehörfarben auf eine mechanische Reizung des Opticus zurückzuführen, dürfte gänzlich verfehlt sein. Auf eine Reizung des Opticus hin würde man doch wohl weiss sehen; vor allem aber müsste man dann die Farbe irgendwo sehen. Für die farbigen Begrift'sbilder ist es aber, wenig- stens bei mir, charakteristisch, dass die Farbenerscheinung nicht localisirt werden kann. Wenn ich beispielsweise „i" im Sinne von J ' — l grasgrün sehe, so erscheint mir nicht etwa der Buchstabe oder das Papier in dieser Farbe. Ich sehe vielmehr richtig Schwarz auf weissem Grunde. Die Farbe ist nicht räumlich an die Schrift gebunden, ist überhaupt nirgends im Räume vorhanden. Schon hier- aus geht wohl hervor, dass es sich um einen corticaleu Vorgang, um eine physiologische Function der Hirnrinde handelt. Wenn die hier vorgetragene Auffassung des inter- essanten Phänomens auch offenbar am meisten unserer gegenwärtigen Erkenntuiss desselben entspricht, so sind darum doch weitere Forschungen noch durchaus nicht überflüssig. Mit Experimenten wird allerdings wenig aus- zurichten sein, wohl aber eröffnet sich hier der Selbst- beobachtung ein dankbares Feld. Sollte also einer der Leser in der Lage und geneigt sein, entweder in dieser Zeitschrift oder durch gütige Vermittelung der Redaction mir persönlich solche Beobachtungen mitzutheilen, so würde damit der Psychophysiologie eine sehr erwünschte Förde- rung zu Theil werden können. Dr. Karl L. Schaefer. Die Verbreitung des Hamsters (Cricetus vulgaris) in Deutschland hat Prof. Dr. A. Nebring (Arch. f. Naturgesch. 1894, S. 15—32) auf einer Karte veröffentlicht und besprochen. Er sagt: Der Hamster findet sich im Elsass, Rheinbayern, Rheinhessen, in einzelnen Districten der preussischen Rheinprovinz, in gewissen Gegenden des öst- lichen Theiles der Provinz Hannover, im grössten Theile des Herzogthums Braunschweig und der Provinz Sachsen, im Herzogthum Anhalt, an manchen Orten der Provinz Brandenburg (Reg.-Bez. Potsdam*), an einigen Orten des Grossherzogthums Mecklenburg-Strelitz und des nächst *) Vergl. „Naturw. Wochenschr." VII, S. 355. Nr. 9. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 109 benachbarten Gebiets der Provinz Pommern, ferner in Schlesien, im Königreich Sachsen, in Thüringen, in einigen Bezirken der Königreiche Bayern und Württemberg, sowie des Grossherzogthums Baden. Der Hamster fehlt in Westfalen, in vielen Theilen der preussischen Rheinprovinz, ferner in den westlichen und nördlichen Theilen Hannovers, im Grossherzogthum Oldenburg, in Schleswig-Holstein, sowie in den Gebieten der freien Städte Bremen, Hamburg und Lübeck, im Grossherzogthum Mecklenburg-Schwerin, in der Provinz Pommern (mit Ausnahme einiger Orte im SW.), im Osten der 1'ioviny, Brandenburg (vielleicht mit Ausnahme einiger Orte im SO.), in den Provinzen Posen, West- und Ost- preussen; auch in den westliehen Gebieten des ehemaligen Fürstcnthums Göttingen scheint der Hamster zu fehlen, ebenso in den angrenzenden Theilen des Reg. -Bezirks Cassel, sowie in den meisten Gegenden von Bayern und Württemberg. Die Gründe für diese eigenthümliche Verbreitung des Hamsters in Deutschland sind offenbar verschiedene. Manche Gegenden sind dem Hamster zu felsig und ge- birgig, manche zu feucht und sumpfig, andere zu dürr und sandig, noch andere wegen zusammenhängender Be- Waldung unbewohnbar. Aber es giebt in Deutschland offenbar auch weite Gebiete, welche an und für sich dem Hamster günstig wären, und in denen er trotzdem fehlt, liier scheinen historische Gründe vorzuliegen, d. h. das Fehlen des Hamsters erklärt sich in vielen Fällen daher, . von der Becke in Dortmund. — Der Professor der Chirurgie an der Universität Strassbnrg I>i\ Georg Albert Lücke Die Feier von Ernst Häckels 60. Geburtstage nahm in Jena folgenden Verlauf. Mittags !_' Ohr versammelten sieh am 17. Februar zahlreiche Mitglieder der Universität und Vertreter der Bürgerschaft, Schüler. Freunde und Verehrer des Jubilars im 112 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 9 festlich geschmückten Auditorium des Zoologischen Instituts, im Ganzen etwa 180 Personen zu einem Festaktus : in der vordersten Reihe hatten die Familienmitglieder und die Verwandten Platz genommen; unter den Klängen der Musik betrat der Jubilar den Saal. Im Namen der älteren Schüler sprach zunächst Professor R. Hertwig (München) und übergab ihm die von Bildhauer Kopf in Koni angefertigte wohlgelungene Marmorbüste. Im Namen der jetzigen Schüler sprach sodann stud. rer. nat. L. Schultze aus Jena; Hofrath Prof. Gärtner überreichte hierauf das Diplom als Ehrenmitglied der Jenaer medizin.- naturw issenschaftlichen Gesellschaft, Prof. Fr. Regel dasjenige eines Ehrenmitgliedes und ständigen Ehrenpräsidenten der Geographischen Gesellschaft für Thüringen zu Jena und würdigte seine Verdienste für die Geographie, ins- besondere für die marine Thiergeographie und die Plankton- forschung. Schliesslich sprach Hofrath Prof. M. Fürbringer (Jena) im Namen des Festcomitees, verlas eine ganze Reihe von auswärtigen Ehrungen, sowie ein Telegramm des italienischen Kultusministers, und die Mittheilung, dassam gleichen Tage in Rom eine Häckelfeier stattfinde. Ausserdem übergab er dem Jubilar die Ueborschüsse der vom Komitee veranstalteten Sammlung im Betrage von 7000 bis 8000 Mark zur freien Verfügung für wissenschaftliche Zwecke. Häckel dankte in längerer, be- wegter Rede, welche namentlich auf seine Entwicklung zum Naturforscher und auf die fördernden Momente Jenas näher einging; für alle die ihm gewordenen Glückwünsche und Aus- zeichnungen sprach er seinen tiefgefühltesten Dank aus. Von auswärts waren ausser den Verwandten — unter diesen auch Dr. Hans Meyer mit Frau aus Leipzig — zur Feier erschienen: Geh. Oberbergrath H. Credner (Leipzig), Geh. Rath Waldeyer (Berlin), Geh. Reg.-Rath Prof. Conrad (Halle), Prof. O. Hertwig (Berlin), R. Hertwig (München). Dr. Haacke (Darmstadt), Dr. Haller (Heidelberg), Prof. Dr. Büsgen (Eisenach), Dr. Bresgen (Frankfurt a. M.). Dr. Kaesewieter (Bad Wildungen), Dr. An tipa (Bukarest), der Marschendichter Hermann Allmers und der Botaniker Dr. < ». Pocke (Bremen). Dieser Festfeier schloss sieh ein sehr animirtes Festessen mit ausgewähltem Menü im „Bären" an (etwa 125 Personen): eine künstlerisch von A. Gilsoch entworfene Speisekarte erregte be- sondere Aufmerksamkeit. Zum Festmahle waren von der Zoo- logischen Station in Neapel Lanzettfische (Ainphioxus lanceo- latus), geliefert worden, welche auf Kaviarschnitten genossen wurden. Die Studentenschaft feierte den Jubilar durch ''inen Fest- kommers, an welchem über 500 Personen Theil nahmen, hier wurden einige der über 150 eingelaufenen Telegramme verlesen, darunter eine von S. Hoheit dem Herzog Georg von Meiningen, der Erbgrossherzogin Paulina von Sachsen-Weimar, vom Fürsten ßis- marck u. s. w. Auch von Prof.! Kükenthal war aus Batavia ein telegraphischer Glückwunsch eingegangen. Auch mehrere Gedichte wann dem Jubilar gewidmet worden von E. Bormann, H. All- mers, auch sind ihm zahlreiche andere Widmungen, namentlich auch mehrere Gemälde übergeben worden, so von Gabriel Max, die „Urfamilie", ferner ein Gemälde von Prof. Körner (Berlin), von dem holländischen Maler Mokier u. s. w. Die ganze Feier nahm einen sehr schönen, durch keinen Missklang gestörten Ver- lauf und bek lete das hohe Maass von Liebe und Verehrung. welche' der Jubilar durch seine Persönlichkeit und seine wissen- schaftlichen Leistungen sich erworben hat. Fr. Regel. Litteratur. August Trinius, Alldeutschland in Wort und Bild. Eine malerische Schilderung der deutschen Heimath. III. Band. Mit OS Illustrationen. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. Berlin 1893. — Preis 4,80 M. Das hübsele Werk liegt nunmehr vollständig vor zum Ge- sammtpreise von 15,60 M. in drei reichlich und gut illustrirten Bänden. Der vorliegende Band bespricht den Harz, die Nord- und Ostsee, das Riesengebirge, die sächsische Schweiz und die Mark Branden- burg. Im Winter ist passende Zeit zum Lesen, und Reisepläne für den Sommer werden oft geschmiedet, wenn's draussen friert und schneit. Wer einen bestimmten Plan noch nicht gefasst hat oder eine Orientirung über bestimmte Erholungsorte sucht, de können wir das vorliegende Werk nur aufs Angelegentlichsi empfehlen. Der Berliner wird speciell in dem vorliegenden Bande mannigfache Anregungen zu Ausflügen erhalten und freundliche Belehrungen über Besonderheiten, welche die Mark Branden- burg bietet. Von den Abbildungen haben wir Gelegenheit gehabt, dem freundlichen Leserkreise in Nr. 8 auf S. 9 1 eine vorzuführen. m Ste Dr. Paul Knuth, Blumen und Insecten auf den nordfriesischen Inseln. Mit 33 Holzschnitten in 110 Einzelabbildungen. Kiel und Leipzig. Lipsius u. Tischer. 1891, 207 S , 8". — Preis 4 Mk. Der Verfasser, als eifriger Forseher auf dein Gebiete der Blüthenbiologie bekannt, dem diese junge Wissenschaft schon manche werthvcdle Bereicherung verdankt, veröffentlicht hier die Ergeb- nisse seiner einige Jahre hindurch fortgesetzten Untersuchungen über die Bestäubungseinrichtungen und die Befruchter der Blüthen- pflanzen, welche auf den vier Hauptinseln der nordfriesischen Gruppe, Rom, Sylt, Amruin und Föhr vorkommen. Seine Beob- achtungen sind sehr erfolgreich gewesen, denn von den 400 in dem bezeichneten Gebiete heimischen Phanerogamen sind ihm nur bei 19 die Blütheneinrichtungen unbekannt geblieben, eine Zahl, die sich übrigens bei erschöpfender Benützung der allerdings sehr zerstreuten Litteratur noch um etwa ein Drittel hätte erniedrigen lassen. Die grösste Anzahl der in dem Buche dargestellten Blütheneinrichtungen waren natürlich schon früher bekannt, aber über eine nicht unbeträchtliche Menge werden zum ersten Male Mittheilungen gemacht. Auf eine Einleitung, welche eine Ein- führung in die Blüthenbiologie enthält, folgt eine Schilderung des allgemeinen Eindruckes der Insectenwelt und deren Beziehungen zu den Blumen auf den vier Inseln, und sodann, den grössten Raum in dem Buche einnehmend (S. 16— 146) die Darstellung der Bestäubungseinrichtungen der einzelnen Arten. Hierbei ist jeder Familie und ebenso jeder Gattung eine blütenbiologische Charak- teristik beigegeben, welche das der betreffenden Pflanzengruppe Gemeinsame heraushebt. An diesen Abschnitt schliesst sich eine Aufzählung der beobachteten Insectenbesuche. Die letzten Kapitel des Buches sind den Zusammenstellungen und Schlussfolgerungen gewidmet und geben insbesondere die Vertheilung der Insel- pflanzen auf die Blumengruppen und Pflanzenklassen, eine Zu- sammenstellung der beobachteten Insecten nebst Angabe der von ihnen besuchten Blumen, und die Vertheilung der Insectengruppcn auf die Blumenklassen, Das für jeden Fachmann unentbehrliche Werk bezeichnet einen weiteren Schritt zur Erreichung des vom Verfasser mit Recht als nächste Aufgabe bezeichneten Zieles, die Einrichtungen und die Bestäuber sämmtlicher Blüthen der deutschen Flora festzustellen, und es ist nur zu wünschen, dass die Beiträge hierzu sich recht bald so mehren, dass an eine zusammenfassende Darstellung der Bestäubungseinrichtungen der deutschen Phane- rogamen, die ein wirkliches Bedürfniss ist, gedacht werden kann. O. Kirchner. Wm. Blasius, Stürme und moderne Meteorologie. 4 Vorträge gehalten in Braunschweig 1891 — 189-'. Mit 6 Abbild. Albert Limbach. Braunschweig 1893. — Preis 2,60 Mk. Die vier Vorträge sind einzeln erschienen und finden sich zu dem vorliegenden Hefte vereinigt. Der erste beschäftigt sich mit den Braunschweiger etc. Hagelstürmen am I.Juli 1891, der zweite mit dem Dampfschiff Indiana im Orkan am 29. August 1891, der dritte mit der sogenannten „modernen, geläuterten" Meteorologie und endlich der vierte und umfangreichste mit den Ursachen der Barometerschwankungen. Die Gegenstände beanspruchen ein allgemeineres Interesse. Dir. Dr. H. Börner, Leitfaden der Experimental-Physik für sechsklassige höhere Lehranstalten. Mit 165 Text-Abbildungen. Weidmann'sche Buchhandlung. Berlin 1893. — Preis 2,20 Mk. Des Verfassers treffliches Lehrbuch der Physik wurde in Band VIII, S. 133 besprochen. Der vorliegende' Leitfaden ist ge- w issermaassen ein Auszug aus dem umfangreichen, für neunklassige höhere Lehranstalten berechneten Lehrbuche. Die Methodik des Leitfadens ist ausgezeichnet: erst finden wir überall die Thatsachen angegeben, die zu den Gesetzen, Theorien, führen Ueberall ist nicht nur der Schulmann fühlbar, der die Praxis gründlich kennt, sondern auch der Gelehrte, der den Stoff gründlich beherrscht: das Buch sieht in jeder Beziehung auf der Höhe. Wir möchten übrigens das Buch auch dem gebildeten Laien empfehlen: das was der Verfasser bringt, sollte jedem Gebildeten geläufig sein. Dr. Julius Schnauss, Photographisches Taschen-Lexikon. Ein Nachschlagebuch für Berufs- und Liebhaber-Photographen nebst Vocabularium. Deutsch, Englisch, Französisch, Lateinisch. Wilhelm Knapp. Halle a. S. 1893. — Preis 4 Mk. In der That macht die Photographie — wie Verf. im Vorwort sagt — zur Zeit „erstaunliche Fortsehritte" und so dürfte den im Titel genannten das Lexikon sehr gelegen kommen. Zur Orien- tirung ist es vorzüglich geeignet. Die Erläuterungen der Stich- worte sind kurz und klar und man wird nur selten etwas ver- missen; das Hauptsächliche ist nach mehreren Stichproben, die Referent gemacht hat. in dem lieft enthalten; es dürfte leicht Verbreitung linden. Nr. 9. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. [13 Privatdocent Dr. J. Traube. Physikalisch-chemische Methoden. Mit 1)7 Text-Abbildungen. Leopold Voss. Hamburg und Leipzig 1893. — Preis 5 M. „Die Zeit ist vorüber, in welcher Dampfdichte, Schmelz-, Siedepunkt und specifisches Gewicht die einzigen Constanten waren, deren Feststellung dem organischen Chemiker ausreichend sein konnte." Das vorliegende Buch unterrichtet den Chemiker über die physikalisch-chemischen .Mit Imden, die sich entwickelt haben, derartig, dass er fremde Hülfe entbehren und die zeit raubende Durchsicht der Litteratur — die sich übrigens in dem Buche angegeben findet — entbehren kann. Namentlich bei or- ganisch-chemischen Untersuchungen wird das Hülfsbuch dem Forscher gute Dienste leisten. Dir Abbildungen sind in jeder Beziehung ausreichend. Das Buch ist umfangreicher als «bis früher (Bd. VIII. S 2111 besprochene Buch von Krüss „Spec. Mcth. der Analyse"; es um- fasst 234 S° incl. Register. E. Goursat, Vorlesungen über die Integration der partiellen Differentialgleichungen erster Ordnung. Bearbeitet von V. Bourlet. Autorisirte deutsche Ausgabe von H. Maser Ver- lag von B. G. Teubner, Leipzig 1893. — Preis 10 Mk. Den Jahrzehnten intensiven Forsehens und Schaffens ist jetzt im Gebiete der Mathematik eine Zeit des Sammeins und Sichtens gefolgt; auf fast allen Gebieten der reinen und angewandten Mathematik liisst sich dieser „Zug der Zeit" beobachten. Es ist dies eine ganz natürliche Entwickeluugsstufe der Wissenschaft, dir zur Klärung und Läuterung wesentlich beitrügt und somit eine solide Unterlage für weitere zu erwartende Fortschritte und Entdeckungen abgiebt. Vorliegendes Werk hat gleich bei seinem Erscheinen in Frank- reich (1891) eine solche Aufnahme und Aufmerksamkeit erregt, dass es sicher einem dringend empfundenen Bcdürfniss entgegen- gekommen ist. Es war aber auch wirklich zeitgemüss, die Resul- tate der eindringlichen Untersuchungen über die Theorie der partiellen Differentialgleichungen und namentlich die Lieschen Resultate in systematischem Aufbau und einheitlich durchsichtig zu entwickeln. Man muss sagen, dass erst durch die von Herrn Lie geschaffene Theorie ein Abschluss auf dem genannten Ge- biete erreicht worden ist. Aber die zahlreichen, zerstreuten und oft schwer zu lesenden Abhandlungen Lie's fanden naturgemäss nur einen beschränkten Leserkreis und bedurften daher in hohem Masse einer zusammenhängenden Darlegung. Diese ist nun zum ersten Male im Zusammenhange der ganzen Theorie, der Integration, der partiellen Differentialgleichungen erster Ordnung im vorliegenden Werke entwickelt worden, und es ist daher gewiss ein verdienstliches Unternehmen, ein Werk von so hoher Bedeutung den Kreisen deutscher Mathematiker zu- gänglicher gemacht zu haben. Herr Maser hat sieh wieder als zuverlässiger und sorgfältiger Herausgeber erwiesen und verdient mit Recht die Anerkennung, welche Herr Lie ihm in einem der Uebersetzung beigegebenen Begleitwort gezollt hat. Aber auch Herr Bourlet hat sich um das Werk durch die gute Bearbeitung der Vorlesungen des Herrn Goursat (gehalten an der Faeulte des sciences zu Paris) ein hohes Verdienst erworben Vini grossem Interesse ist das erwähnte, <}qy deutschen Aus- gabe beigefügte Begleitwort des Herrn Lie. da es in kurzen Worten die Entwiekelung der Theorie der partiellen Differential- gleichungen von Lagrange an scharf ehavacterisirt und die Be- deutung der neuen, durch Herrn Lie selbst geschaffenen Methoden hervorhebt. Da das Original bereits 1891 erschienen ist, haben wir nicht die Aufgabe, auf den Inhalt des Werkes im Speciellen einzugehen. Wir schliessen daher unser Referat mit dein Bemerken, dass Herr Maser der Uebersetzung einen Anhang beigefügt hat. in welchem er einige Beispiele zur Uebnng und weiteren Erläuterung der Methoden hinzugefügt und die bereits im Text enthaltenen Auf- gaben gelost hat. Dr. A. G. Oskar Grulich, Katalog der Bibliothek 'der Kaiserlichen Leo poldinisch-Carolinischen .Deutschen Akademie der Natur- forscher. Bd. I und Bd. II. Lief. 1. In Comm. bei W. Engel- mann. Leipzig 1887—1893. -- Preis Bd. I: 9 Mk., Bd. II, 1: 3 Mk. Der umfangreiche Katalog (Bd. 1 umfasst nicht weniger als 732 Seiten) hat begreiflicherweise nicht nur Werth für die Be- nutzer der Bibliothek, sondern für jeden, i\cr mit naturwissen- schaftlichen Litteraturen zu thun hat, da er bei bestimmton Unter- suchungen leicht auf Schriften aufmerksam gemacht wild, die er vielleicht noch nicht kennt, die aber für ihn wichtig sind, wenn auch bei der Abfassung des Kataloges „der Gedanke, zugleich ein biblio- graphisches Hilfsmittel zu bieten, vollständig fem" lag. Hand I enthält mit vielen fachmännisch gegliederten Rubriken die fol- gende Litteratur: A. Bibliotheks Wesen, B. Biographieen und Geschichte der Naturwissenschaft und Medicin, < '. Allgemeine naturwissenschaftliche Schriften. I >. Mathematische Wissenschaften (incl. Astroi lie), E. Physik und Meteorologie, I'. Chemie, G. Technologie, Land- und Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei. Nachträge. Drei werthvolle Register sind beigegeben: 1. ein al- phabetisches Sachverzeichnis. _' ein geograph. Verzeicbni Akademieen, Bibliotheken, Gesellschaften, Institute, Museen u s w . von denen noch übrigens die Schriften aufgeführt « erdi n alphabetisches Namensverzeichniss. Lie Lieferung 1 von Bd M 1,1-inut die vorhandene Litteratur zur Geographie und Ethno die auf XIII Seiten systematisch gegliedert wird. The Journal of the College of Science, Imperial Univeisity, Japan. Vol. V Published by the University. Tokyo, Japan. 1892 9;;. [shikawa, Studien über Reproductions-Elemente. I. Sper- matogenesis, ( »vogenesis und Fortpflanzung bei Diaptomus. Hierzu 1 Tafel. — Mitsukuri, Weitere Studien über die Bildung der Eihäute bei Cheloniern. (Beiträge zur Embryologie der Rep- tilien. 111.) Der Verfasser bat seine \nr einigen Jahren um Professor Ishikawa an Trionyx japonicus angestellten \ i flirtgesetzt und auf Clemmys japonica ausgedehnt. Erbat Eier verschiedener Gelege in allen Stadien der Embryo-Entwiekelung untersucht und eine sein- vollständige Reihe von Entwickclungs- Phasen erhalten. Er kommt zu dem Ergebnisse, dass bei < heloniern nur die mittlere Partie der späterhin Chorda-Hypoblast genannten Anlage sich zur Chorda dorsalis umbildet, während die Seiten- theile unter Umständen in das Mesoblast übergehen. Hierzu 3 Tafeln. — Kama Kichi Kishinouye, Ueberdie Entwiekelung von Limulus lougispina. Hierzu 7 Tafeln. Wir kommen auf dii fleissige Arbeit noch an anderer Stelle der „Naturw. Wochcnschr." zurück. — Derselbe. Ueber die Seiten-Augen der Spinnen. Er- gänzende Bemerkungen über die Seiten-Augen der Spinnen zu einer früheren grösseren Arbeit des Verfassers. — 1. Ljim.i. Notizen über eine Sammlung von Vögeln von Tsushima. Die Insel Tsushima liegt zwischen der Japanischen Insel Kiushiu und der Halbinsel Korea und ist ein Rest jener Landbrücke, welche einst beide Gebiete mit einander verband. Da sich dieselbe durch eine Fauna auszeichnet, welche mehrern bemerkenswerthe Formen aufweist (von Säugethieren eine den anderen Japanischen Inseln fremde Wililkatze unter <\<-n Vögeln eine Spechtart, Thri] a\ Richardsi, welche nur von Tsushima bekannt ist), bislang aber noch nicht zoologisch gonügend erforscht worden, so waren die Assistenten Namiye und Tsuchida vom zoologischen Institut des Science » tollege dorthin gesandt worden und hatten vom 19. Februar bis 7. April 1891 gesammelt. Der ornithologischen Ausbeute dieser Reise, welche in 136 Vogolbälgen von 48 Arten bestand, isl die vorliegende Arbeit gewidmet. Hierzu 1 Tafel, Thriponax Richardsi darstellend. — S. Hatta, Tel. er die Bildung der Eihäute bei Petromyzon. Die im zoologischen Laboratorium des Science College an Petromyzon Planeri oder einer Varietät desselben aus- geführten Untersuchungen beziehen sich auf die Gastrulation und die Bildung des Mesoblasts. Nach dem Verfasser stimmt die Bildung der Eihäute bei Petromyzon gut überein mit dein all- gemeinen Bildungsgang derselben bei den Wirbelthieren (soweit bisher beobachtet) überhaupt. — A TanakadatV und II. Na gaoka, die mit dem Mino-Owari Erdbeben von 1891 in Ver- bindung stehenden isomagnetischen Störungen. — R.Takizawa Optische Notiz. — B. Kotö, Die archaische Formations-Gruppe des Abukuma-Platoaus. — Derselbe, Ueber die Ursache des grossen Erdbebens in Central-Japan im Jahre 1891. Ueberdie Erdbeben, auf das wir noch ausführlicher zurückkommen werden, stellt uns unser Mitarbeiter, der Königl. Bezirksgoologe Dr. E. Zimmermann das folgende Referat zur Verfügung. Ende October 1891 wurde der mittlere Tli.-il ,1er Hauptin i I Japans von einem überaus verheerenden Erdbeben heimgesucht, welches sich über 243 000 Quadratkilometer (soviel wie Gro britannien, Holland und Dänemark zusammengenommen) fühlbar machte. Es betraf vornehmlich die drei Provinzen Owari, Mino und Echizen, welche sich von SSi i nach NNW quer durch die Insel erstrecken. Owari i,-t eine grosse Alluvialebene am Unter- lauf des Kiso-Stromes und das Hauptland des japanischen Reis baues; Mino, besonders im Norden, und Echizen sind gebirgig und bilden Tbeile der „Japanischen Alpen", aufgebaut aus paläo und mesozoischen Schichten, welche in dem speciell in Betracht kommenden Gebiet ungefähr O-W-Streichen besitzen. Die Wirkungen des Erdbebens auf den Boden waren folgend* : In den Alluvialebenen traten, wie auch anderwärts so gewöhnlich, Myriaden von Sprüngen auf, das Grundwasser drang auf vielen derselben hervor und lieferte kleine Schlammvulkane, 1 fersteil ränder glitten in grosser Ausdehnung entlang von Kissen abwärts; die die Reisfelder so zahlreich durchziehenden Dämme und Ein- deichungen wurden derart zerstört, 'lass über öl»! km det 111 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 9 wiederherzustellen waren. An den Bergabhängen fanden zahl- reiche Abstürze von Felsen und beträchtliche Bergschlipfe statt. Die interessanteste Erscheinung war aber ein Erdriss (earth- rent), welcher sieh über Berg und Thal in ziemlich gerader Richtung in bemerkenswerther Regelmässigkeit und Schärfe von Katabira in Owari bis Fukui in Echizen llä Kilometer weit fort- setzte und ungefähr NW -S< •-Richtung hatte. Kote hat denselben auf G4 km seihst verfolgt und schildert seine Erscheinungsweise folgendermassen. Dieselbe ist einigermassen wechselnd: bald dein Auge des Laien kaum bemerkbar ist sie durch eine daran entlang stattgefundene Verschiebung von Gegenständen zu constatiren {-/.. IS. zwei Bäume beiderseits des Bisses, welche vorher in OW- Richtung standen, befanden sich nach dem Erdbeben in NS- Richtung); oder der earth-rent erscheint wie ein niedriger Wall aus lockerer lüde, einem Riesen=Maulwurfsgang vergleichbar (so nennt ihn auch das Volk), oder er bildet gar 'ine bis 6 m hohe Stufe, dir, von der Seite gesehen, einem Bahndamm gleicht. In letzterem Falle hat sich (bis auf eine einzige Ausnahme von ge- ringer Ausdehnung) stets gezeigt, dass das Land nordöstlich von der Spalt.- tiefer war als .las südwestlich gelegene Gebiet. Kotö giebt von diesen Erscheinungen 'ine Reihe anschaulicher Bilder im Text, wie auch 6 gut gelungene Rcproductioncn nach Photo- graphien, leider aber beziehen .-ich diese Bilder und genauen Beschi i ■ibungen nur auf die Erscheinungen in den Ebenen und Thalböden, während diejenigen an den Bergen und im festen Fels mit der oben citirten kurzen Bezeichnung Bergschlipfe abgethan sind; hier wären gewiss ausgezeichnete Rutschflächen (Harnische) und Reibungsbreccien zu beobachten gewesen. Der earth-rent ist nämlich, wie Kotö selbst sagt, nichts geringeres als eine vor unsern Aueen mit einem Ruck entstanden!' Verworfung von 0 bis 6 in Sprunghöhe, bei welcher gleichzeitig auch noch eine Hori- zontalverschiebung des, wie schon gesagt, auf der NO-Seite ge- legenen Senkungsfeldes um 1 bis 2, zum Theil sogar bis 4 m nach NW stattgefunden hat. Es sei nebenbei mich erwähnt dass sich die aus dem Senkungsfeld kommenden Müsse naturgemäss an der durch die Verwerfung geschaffenen Stufe, am stehen gebliebenen Theile, aufstauten und zum Theil beträchtliche Ueberschwemmungen verursachten. Die Verwerfung ist, wie ans dem Gesagten hervor- geht, eine Quer Verwerfung; eine erneut darauf stattgefunden Bodenverschiebung war also die Ursache des Erdbebens, und es war dies so verheerend, wie es fast stets die tektonischen Beben, und wie es unter diesen vor allen wieder die „BJattbeben" sind. Die bisher gebrauchten Ausdrücke „ Senkungsfeld ■* und „stehengebliebener Theil" sind nur relative. Welcher Theil der absolut bewegte war, oder ob beide Theile. dann allerdings in verschiedener Weise, sich bewegten, darüber konnte Kotö nichts mittheilen, weil die Verwerfung sich an der Küste nicht bemerkbar gemacht hat und im Innorn des Landes keine genauen absoluten Höheumessungen von früher vorlagen, auf die man neuere Messungen hätte beziehen können. Auch über die Breitenausdehnung des Senkungsfeldes, rechtwinkelig zur Spaltenrichtung gemessen, war nichts zu ermitteln; Kotö neigt der Meinung zu. dass sie nur wenige Kilometer betrug — Wegen ihres Verlaufes vorzugsweise im Thale des Neo-Flusses nennt Kotö die Verwerfung Neothal- Spalte. Eine Uebersichtskarte in 1:400000 ist der Arbeit bei- gegeben, welche ihren Verlauf sowie auch das meizosciste Gebiet kenntlich macht, und hier bemerkt mau auch noch, ein weites Stück von diesem Gebiet entfernt, ein zweites kleines Gebiet eines gleichzeitigen Erdbebens. Dies letztere wird als ein Relais- beben im Sinne Lasaulx' bezeichnet. Der V. Allgemeine Deutsche Bergmannstag in Breslau \ k— 6. September 1892. Fostbericht und Verhandlung, heraus- gegeben im Auftrage des Vorsitzenden des vorbereitenden Aus- schusses vom Geheimrath am Oberbergamt zu Breslau E. Althans. Mit -1 Tafeln. C. Dülfer. Breslau 1894. Enthält von Vorträgen u.a.: Alt haus, J >ie geologischen und bergbaulichen Kartenwerke Schlesiens; Gürich, Uebersicht über die geologischen Verhältnisse des Oberschlesischen Excursionsgebiets; Dathe, Uebersicht über die geologischen Verhältnisse von Niederschlesien; Klinisch, Flora und Fauna des Oberschlesischen Muschelkalks. Zwei weitere Vor- träge, einer über Hüttenrauch-Anlagen und einer über Münzner's Fangvorrichtung, interessiren nur den Bergmann. Das Heft schildert in seinem II. Theil die Vorbereitungen zum Bergmanns- tage, bringt in seinem III. einen Festbericht und in einem Anhang 3 „Anlagen", unter diesen ■/.. B. die Satzungen des Deutschen Bergmannstages vom 5. Sept. 1889. Der nächste Bergmannstag findet im September 1S95 in Hannover statt. Nachrichten über Geophysik nennt sich eine neue „Zeitschrift. für Geologie, Hydrographie, Meteorologie, Erdmagnetismus, physi- sche Völkerkunde, Pflanzen- und Thiergeographie", die von .1. Borriiiger und Job. F. Fehlinger herausgegeben wird und in Wien im Selbstverläge erscheint. Brücke, Ernst, 43. Untersuchungen über den Farbenwechsel des afrikanischen Chamäleons. Leipzig. 1,20 M. Cantor, Mor. , Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. 1. Bd. 2. Aufl. Leipzig. 22 M. Davis, Prof. Humphry, 45 Elektrochemische Untersuchungen. Leipzig. 1,20 M. Descartes, Rene, Die Geometrie. Berlin. 3,60 M. Egger, Kreisrned.-R. Dr. Jos. Geo., Foraininifercn aus Meeres- grundproben. München 8 M. Faulrnann, Prof. Karl, Im Reiche des Geistes. Wien. 15 M. Foerster, Dr. Frdr. Wilh., Der Entwicklungsgang der Kantischen Ethik bis zur Kritik der reinen Vernunft. Berlin. 2 M. Jenkins, Walt. Herbert, Zur Kenntniss des «- Pbenylbutylamins und des «-Phenylbutyl-Benzylamins. Göttingen. 0,80 M. Karsch, weil. Prof. Dr. A., Vademecum botanicum. Leipzig. 29 M. Kirchhoff. Gust., Vorlesungen über mathematische Physik. 4. Bd. Leipzig. 39 M. Klecki, Valerian v., Analytische Chemie des Vanadins. Ham- burg. 1,50 M. Lendenfeld, B. v., Die Spongien der Adria. Leipzig. 2 M. Lenhossek, Mich, v., Beiträge zur Histologie des Nervensystems und der Sinnesorgane. Wiesbaden. 12,60 M. — Die Geschmacksknospen in den blattförmigen Papillen der Kaninchenzirage. Würzburg. 2 M. Mach, Ludw , Üeber e. Interferenzrefractometer. Wien.. 0.90 M. Martin, Paul, Untersuchungen über die wahrscheinlichste Bahn des Cometen 1825. I. und über seine Identität mit dem Cometen 1790. Göttingen. 3,60 M. Mayer's, Tobias. Sternverzeichniss. Leipzig. 22 M. JV oleschott's, Jac, Rede bei seiner Jubiläumsfeier in Rom am 16. December IS92. Giessen. 1 M. Neumann, Geh. Reg.-R. Prof. Dr. Frz., Vorlesungen über die Theorie der Capillarität. VII. Hft Leipzig. 8 M. Pütz. Ernst, Zur Erinnerung an Ferdinand Senft in Eisenach. Jena. 0,30 M. Bothpletz, A., Ein geologischer Querschnitt durch die Ost-Alpon, nebst Anhang über die sogenannte Glarner Doppelfalte. Stutt- gart. 10 M. ' Schiffs, Mor., Gesammelte Beiträge zur Physiologie. 3 Bände. Lausanne. 48 M. Schleichert, Lehr. Frz., Das diastatische Ferment der Pflanzen. Halle. 3.50 M. Schotten, Dr. Heinr., Inhalt und .Methode des planimetrischon Unterrichts. 2. Bd. Leipzig. 8 M. Spezial-Karte, Geologische, des Königreichs Sachsen. 1 : 25,000. Blatt 2i/38. Welka - Lippitsch. Blatt 39/24. Baruth - Neudorf. Leipzig. 3 M. — 84. Königstein — Höllenstein. Leipzig. :'. M. Sprengel. Chrn. Conr , Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Anastatischer Neu- druck Berlin. 8 M. Verhoeff, C, Blumen und Insekten der Insel Norderney und ihre Wechselbeziehungen. Leipzig. 9 M. Ziegler. Prof. Dr. Heinr. Ernst, Die Naturwissenschaft und die socialdeniokratisehe Theorie, ihr Verhältniss dargelegt auf Gr I der Werke von Darwin und Bebel. Stuttgart. 4 M. Inhalt: L. Graf von Pfeil: Die Atmosphäre und die Oberfläche des Mars. — Prof. Dr. 11. Schubert: Mathematische Spielereien in kritischer und historischer Beleuchtung. IX. -- Das Uebergehen der Microben von dem mütterlichen Organismus auf den des Kindes. - Farbige Bcgritfsbilder. — Die Verbreitung des Hamsters (Cricetus vulgaris) in Deutschland. — lieber die Be- ziehungen zwischen dem Maass der Turgordehnung und der Geschwindigkeit der Längenzunahine wachsender Organe. — Ueber die Permeabilität des Hodens für Luft. — Ueber die Zonarstructur der Plagioklase. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteralur : August Trinius: Alldeutschland in Wort und Bild. — Knuth: Blumen und Insccten auf den nordfriesischen Inseln. Win. Klasiiis: Stürme und moderne Meteorologie. — Dir. Dr. 11. Börner: Leitfaden der Experimental-Physik. — Dr. Julius Schnauss: Photographisches Taschen -Lexikon. — Privatdocent Dr J. Traube: Physikalisch - chemische Methoden. -- E. Goursat: Vorlesungen über die Integration der partiellen Differentialgleichungen erster Ordnung, — Oskar Grulich: Katalog dor Bibliothek der Kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Deutschen Akademie der Naturforscher. — The Journal of the College of Science, Imperial University, Japan. — Der V. Allgemeine Deutsche Bergmannstag in Breslau. — Nachrichten über Geophysik. — Liste. Nr. 9. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 115 $>n unferm Setlage erfaßten : IDaI?rI?afttgfett (The emcs of miety £8. £. Stifforö. ,A u t o r i I' i e v t e U b e v l' e 1; ii n g »011 |Uij 0011 ©tjijxlit. Hut einem Dortnort ron Prof. (Seorg oon (Sijycft. 4ii Seiten gv. 8". — SPrets 60 2?f. ■ — Scligton unb ZlToral. Iiiitroart auf nur in öir „ffiüjifdp ünltm" gesellte i'-nuir oon $raf ci'eo thiflioij. 21h;. 6em rufjtfdjen ItTanufcript üivrfekt roii Sophie 23er/r. 37 Seiten gv. Dttnu ^3ret§ 60 $f. Die ctl)i|*d)e ffekitMttfidjt Sßoit 25t ili am 2Jir. (ijeovft non (SHjtjcki. 22 Seiten gr. Dftan, $m§ 40 $f. |S tr a xt m c. SSon ©linc §rl)irhuT. Jtutorifierte Überfe^ung reu gSargarefe Sobf. iMit einer (Einleitung tum Dr. fiieiutri) 3oM. 10(5 Seiten Mein Dftau. ^SreiS Drofcfiicrt 1,60 Tl., elcg. geb. 2,40 3K. Der ZTloralunterric^t ber Zunber. SSon <#cli$ ^ölcr. ^lutorifierte Ueberfeijung rou ^>eorg von (Stießt. 176 Seiten gr. 8. flreis 2 fflaxk, geb. 2,60 4Mnvh. §u besiegen burdj alle 53udjbanMuttgen. Jcrö. Bummlers PciiatislnufjIjanMunii in Berlin SW. gimmerffrajje s«liope und Mikropliotographisclie Apparate erster* Qualität, in vollständigeren und einfacheren Zusammenstellungen, Illustrirter Katalog gratis und franco. m 116 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 9. In Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12 ! ! erschien vor Kurzem: ' I KometisGlie Süimipii auf „er Ertisriclie j ■ ii ■ ; iiinl das ! : : ■ Gesetz der Analogie im Weltgebäude. : : Von : ■ ■ L. Graf von Pfeil. 5 ■ ■ ; Vierte, mit den neuesten Entdeckungen verstärkte um! um- S ■ ! gearbeitete Auflage. ! ÖS) . ; Mit sechs Kurten. 323 Site». Pfis 7 Mark : Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12 Soeben erschien in unserm Verlage : Lehrbuch der Differentialrechnung. ei Vorlesungen an Universitäten technischen Hochschulen EQaaQGi^raaooDDQEJEiEOEi £ £ £ £ .f: £ £ £ £ £ £ £ £ £ £ £ £ £ £ £ £ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Die Illustration Q • ^^^^^^^^^-^-^^-^^^ Verlag von Friedr. Vieweir&Soliii 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 rr Seit 1. 3a»«(rr 1893 cvfchdiit in nnfenn ätetlcige: €tl|t|l1^ 5lllltltt[ I ü^MTunrti « co. 1 Itlin1icii|i1)iift inr ildlivcitiiiiii ttliiftliti ÖtHnliiiniitii. «• | wissenschaftlicher § Q Werke ® @j erfolgt am besten und billigster £ ^ durch die modernen, auf Photo- jr^ ai graphie beruhenden Reproduc- f • : ......... n*A * i.t.; t.i ■iiim.il ! □ roauc- o •li als «. tionsarten. Die Abbild dieser Zeitschrift gelten Proben dieses Verfahrens und sind hergestellt in der grapfci- in Berlin-Schöneberg, □■ hj. welche bereitwilligst jede Ans- rd H kunfl ertheilt. N ;H S OEinEiOElOC p •-•jr-iriFi; innnnnfl in Braunschweig. (Zu bezieben durch jede Buchhandlung.) So e b e n er schien: Die Fortschritte der Physik im Jahre 18HH. I largostellt von der physikalischen Gesellschaft zu Berlin. r rtuutrii'r z ifßst er Jaitrffoiii;/. e Abtheilung, enthaltend: Phy- sik der Materie. Rcdisirt von Richard ßörnstein. gr. 8. geh. Preis *~0 II. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦*♦♦♦♦♦♦♦ r^erousgetjeben von JJinfiiTiu- Dr. (ÖJcanj mm (Tiiniri'.i. In Ken). 1>ü in ni lers Vcrl&gKbnchlinnil- IDöd?entlid) eine Hummer üon 8 Seiten gr. 4". '"' in 1!"r,i" 8W- " i3t erst"ic"en: Studien zur Astrometne. Zur Lieferung allci Arten preis würdiger Uhren, besonders in ,,, . . ..... ... , .... .,.. , . ..,, ,_, ,, . .... .„, verschiedenen Tempe- pP1«^ UICttcl|ilhrilri) ],<•<> V.U. 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Geologische Reisebilder aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Von Professor Dr. F. Wahn seh äffe. I. Washin* ton und seine Umgebung. auf der grossen Vereinigten Staaten Ex- im Nachdem im rorrgen Jahre die grosse eoliimbische Weltausstellung in Chicago stattgefunden hat und nicht wenige unserer Landsleute Nordamerika aus eigener An- schauung kennen gelernt und uns durch Wort und Bild über die dort empfangenen Eindrücke berichtet haben*), sind unsere Gedanken noch immer mehr denn je auf das grosse Land im fernen WTesten gerichtet. 1 »iesen Umstand möchte ich benutzen, um das Interesse für eine Reihe vor- wiegend geologischer Reisebilder**) in Anspruch zu nehmen, die ich beim Besuch des fünften internationalen Geologen- Gougresses in Washington, sowie cursion nach dem Westen de Jahre 1891 gewonnen habe. Es war ein sehr glücklicher Gedanke, dass man Washington zum Versammlungsort der Geologen gewählt hatte, denn die Hauptstadt der grossen Republik ist eine durchaus würdige Vertreterin derselben. In dem nahezu rechteckigen, drei deutsche Quadratmeilen umfassenden District of Columbia gelegen, welcher als parteiloses Ge- biet für die Bundesregierung im Jahre 1791 aus Theilen der Staaten Maryland und Virginia gebildet und mit be- sonderen Rechten ausgestattet wurde, vereinigt sie in sich die Eigenthümlichkeiten der Nord- und Südstaaten. Die grosse Zahl der schwarzen Bevölkerung, welche ein Drittel der Einwohnerschaft bildet, sowie der üppige zum Theil subtropische Pflanzenwuchs erinnert an den Süden der Union, während die öffentlichen Gebäude die Nord-Staaten vertreten, die dem Süden auf allen Gebieten der Cultur bedeutend überlegen sind. Die Bundeshauptstadt breitet sich am linken Ufer des *) Vergl. z. B. auch „Xaturw. Wochenschr." VIII, S. 465. **) Bei Abfassung derselben sind mehrfach die Reiseberichte benutzt worden, die ich in den Jahren 1891 und 18!)- in der Weaerzeitung veröffentlicht habe. Potomac auf einer breiten, nach Süden zugespitzten halb- inselartigen Landfläche aus (siehe Fig. 3), welche durch den Zusaminentluss des von NW. nach SO. flicssenden Potomac und seines von NO. nach SW. gerichteten Nebenarmes, des Anacostia-River, gebildet wird. Bei der Annäherung an die Stadt sieht man auf den ersten Blick zwei mächtige Bauten aus dem Häusergewirr emporragen, die Kuppel des Capitols und die Spitze des Washington- Obelisks, welche als" Merkzeichen der historischen und politischen Einheit der Union der Stadt ihr charakteristisches Gepräge verleihen. Mit Recht kann man Washington als die Stadt der Denkmäler und der grossen öffentlichen Bauten be- zeichnen. Sie besitzt breite, asphaltirte Strassen, die zum grossen Theil mit hohen, schattigen Ahorn-, Platanen- und Tulpenbäumen bepflanzt sind und dadurch einen sehr freundlichen Anblick gewähren. Besonders schön sind die grossen, innerhalb der Stadt gelegenen öffentlichen Parks. Da das feuchte und im Sommer sehr heisse Klima Washingtons namentlich dem Wachsthum der Bäume sehr günstig ist, so hat man eine grosse Zahl ein- heimischer und fremdländischer Bäume angepflanzt, die zum Theil subtropischen Gebieten angehören und hier vortrefflich gedeihen. Für die Botaniker der unmittelbar vor dem internationalen Geologencongress tagenden „Ameri- can Association for the Advancement of Science1' hatte der Chef der Forstabtheilung Mr. B. E. Fernow in Gemein- einen sehr öffentlichen schaft mit dem Botaniker Geo. B. Sündworth brauchbaren Führer durch die Baumflora der Parks von Washington mit genauer Angabe ortes der verschiedenen Arten ausgearbeitet. Angaben befinden sich in den Anlagen des Departements 71 Coniferen und 182 Laubhölzer, sowie im Lafayette Square und dem zum „White House" ge- hörigen Park 31 Coniferen und 75 Laubhölzer. Die regelmässige Anlage der Stadt, in welcher sich die meisten Strassen in nord- südlicher und ost-westlicher des Stand- Nach ihren Agricultu'r- 118 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 10. Richtung schneiden, während wiederum andere, meist breitere Strassen in Nordwest -Südost- oder in Nordost- Südwest-Richtung gehen, wie beispielsweise die Penn- sylvania- unddieMadison-Avenue, erleichtert die Orientirang sehr. Ein gutes Merkmal, um sich immer wieder zurecht zu finden, bildet der schon erwähnte, von verschiedenen Punkten der Stadt sichtbare Washington-Obelisk, welcher aus weissem Maryland -Marmor erbaut worden ist. Die Spitze der Pyramide besteht aus einem soliden Aluminium- block von 61/* Pfund, während das Gesammtgewicht des Monuments 80000 Tonnen (1 Tonne = 2240 Pfund) be- trägt. Die Kosten der Herstellung beliefen sich auf 1 200 000 Dollar. Das Denkmal, welches die stattliche Höhe von 555 Fuss (168,72 m) besitzt, so dass es bis zum Bau des Eift'el-Thurines in Paris das höchste Bauwerk der Welt darstellte, ist durch- aus keine monumentale Zierde für die Stadt, weshalb ihm vom Volkswitz die treffende Bezeichnung „the big chim- ney" (der grosse Schornstein) beigelegt worden ist. Das grösste und schönste Gebäude der Hauptstadt und über- haupt Nordamerikas ist das Capitol, welches bis zur Helm- spitze der den Kuppelbau krönenden Freiheitsstatue eine Höhe von 87,25 m erreicht. Dieser grossartige, als Sitz der Regierung und der gesetz- gebenden Körperschaften er- richtete Prachtbau, zu welchem Washington selbst am 18. Sep- tember 1793 den Grundstein legte, macht auf den Beschauer trotz einzelner ästhetischer Be- denken einen überwältigenden Eindruck. Aus dem Grün herr- licher Parkanlagen tritt uns der blendend weisse reich sreelie Figur 1. Plan des Nationalmuseums. genannten Bundes-Kassenscheine, hergestellt wird, das landwirtschaftliche Departement, das Smithsonian Institut und das National-Museum. Die Privathäuser sind in Washington meist aus rothen Ziegelsteinen gebaut und entbehren im Grossen und Ganzen des ornamentalen Schmuckes. Abgesehen von den Haupt- verkehrsadern, wozu namentlich die Pennsylvania-Avenue gehört, sind die Strassen im Allgemeinen ruhig, und man empfindet es sehr angenehm, dass ihnen völlig das hastige und lärmende Leben und Treiben fehlt, welches wir in den Geschäftsvierteln der grossen Handelsstädte Nord- amerikas zu finden gewohnt sind. Während Washington sonst in den Sommermonaten ganz besonders still zu sein pflegt, da sich die reicheren Einwohner auf ihre Land- sitze zurückziehen und die ge- setzgebenden Körperschaften nur im Winter tagen, war die Stadt in der Zeit vom 17. August bis zum 1. Sep- tember 1891 ausnahmsweise belebt durch die vielen Ge- lehrten, welche aus den ver- schiedensten Theilen der Vereinigten Staaten sowie aus anderen Welttheilen hier zusammen gekommen waren. Vom 17. bis 25. August tagte die American Association fortheAdvancementofScience, welche etwa unserer Natur- forscherversammlung ent- spricht, daran schlössen sich am 24. und 25. die Sitzungen der Geological Society of America, während am 26. der internationale Geologen- Congress eröffnet wurde und am 1. September endete. Die Mitglieder des Geologen- Congresses waren eingeladen 1 Haupteingang. — 21, 31 und 42 Nehencingänge. — 1* Saal für Vorträge. flpvtp Marmm-nnlaet rmr^eoYnan 47 Fischereiausstellung. — n Vlämische Gobelins, Andenken an Washington, TOr>r Bibliothek u. s.w. bestimmt. Verzeichniss der American As- sociation for the Adv. of Sc. eisernen Kuppelbau. Auch die anderen monumentalen öffentlichen Gebäude, welche mehrfach von schönen Parkanlagen umgeben sind, machen einen würdigen und vornehmen Eindruck. Er- wähnenswerth ist hauptsächlich das weisse Haus oder „the Executive Mansion", die Wohnung des Präsidenten, welches in den Jahren 1792—1799 nach dem Vorbilde eines Schlosses des Herzogs von Leinster in Dublin er- richtet wurde. Westlich davon liegt der grossartige, in modernem Styl gehaltene Gebäudecomplex, welcher die drei Departements für Staatsangelegenheiten, Krieg und Marine umfasst, während östlich davon das im altklassischen Styl erbaute Schatzamt sich befindet. Sehr imposant ist das in gleichem Styl erbaute Patentamt, welches durch sein grossartiges Museum von Maschinenmodellen einen interessanten Einblick in die Entwickelung der amerikani- schen Technik gewährt. Ferner sind zu nennen die Cor- coran Gallery of art, die Staatsdruckerei (Bureau of Engraving and Printing), in der das amerikanische Papier- geld, die wegen ihrer grünen Rückseite „Greenbacks" zu ersehen, in welches sich 653 Personen eingetragen hatten. An dem internationalen Geologencongrcsse nahmen im Ganzen 247 Personen Theil, welche sich auf folgende Staaten vertheilen: Belgien 3, Canada 2, Chile 1, Deutsch- land 23, England 14, Frankreich 5, Mexico 3, Norwegen 1, Oesterreich-Ungarn 3, Peru 1, Rumänien 4, Russland 9, Schweden 4, Schweiz 2, Vereinigte Staaten 172. Die im besten Theile der Stadt gelegene Columbian University hatte ihre weiten Räume geöffnet, um den Gelehrten der drei Gesellschaften als Sammelpunkt für ihre Sitzungen zu dienen. Sie wurde durch Congressbeschluss im Jahre 1821 als eine höhere Schule (College) errichtet und im Jahre 1873 zur Universität erhoben. Sie bietet höheren Schulunterricht, sowie juristische und niedicinische Aus- bildung. Es würde zu weit führen, auf die Verhandlungen des internationalen Geologencougresses hier einzugehen. Erwähnt sei nur, dass in den Sitzungen eine grosse Reihe an die sich meist sehr lebhafte Discussionen anschlössen. Ein Umstand trat da- von Vorträgen gehalten wurden. Nr. 10. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 119 bei sehr deutlich hervor, dass nämlich die Erforschung der eiszeitlichen Bildungen (Drift), mit der von den amerikanischen Geologen besonders Chamberlin, Davis, Gilbert, Mc Gee, Salisbury, Shaler, .Spencer, Upham, Wright und viele andere eifrig beschäf- tigtsind, gegenwärtig das grösste Interesse in Anspruch nimmt. Zwar werden bei der- artigen Congressen durch den Meinungs- austausch der Gelehr- ten die brennenden geologischen Fragen nicht gelöst, doch hat es gewiss jeder dank- bar empfunden, für seine specicllen For- schungen eine Fülle neuer Anregung er- halten zu haben. Die amerikanischen Geo- logen waren eifrig be- müht, während der nicht durch die Sitzun- gen in Anspruch ge- nommenen Zeit für die fremden Fachge- nossen den Aufent- halt in zu einem lehrreichen und an genehmen zu gestal- ten. Die Congressmitglicder wurden von zahlreichen Ein- ,reo- Washington möglichst Figur 2. Das Smithsonian-Institut. (Die Photographie, nach der diese Abbildung hergestellt wurde, verdanke ich der liebenswürdigen Vermittelung des Herrn Dr. Stejneger, Curator am Nationalmuseum in Washington.) ladungen, unter anderen auch von dem Director der b logischen Landesuntersuchung, Mr. J. W. Powell, sowie den Beamten derselben be- ehrt. Dabei bot sich die Gelegenheit, die schönen Räume dieses Instituts, sowie die ganzen Einrichtungen desselben kennen zu lernen. Diese Anstalt wurde im Jahre 1879 durch einen Congressbesehluss unter der Be- zeichnung „United States Geological Sur- vey" errichtet und erhielt als ersten Direc- tor den berühmten Geologen Clarence King. Als derselbe im März 1881 sein Amt nieder- legte, trat Major J. W. Powell an seine Stelle, unter dessen Leitung die neugegrün- dete Anstalt eine grossartige Entwickelung erlangt hat. Um eine gute topographische Grundlage für die geologischen Karten zu besitzen, ist mit der Geological Survey eine geographische Abtheilung verbunden, wel- che zahlreiche Topographen beschäftigt und durch ausgezeichnete Lithographen die Karten im Institut selbst herstellen lässt. Bei unserem Besuch war im obersteu Stock des Hauses eine vortreffliche neue Maschine in Thätigkeit, welche uns den Druck der Karten vor Augen führte. In dem Institut befindet sich eine Bibliothek von 30 000 Bänden, 42 000 Broschüren und über 22 000 Figur 3. Karten, Während die paläontologischen Abschnitt aus dem Mittel- und Unterlauf Sammlungen zum Theil im Smithsonian In stitut, zum Theil im National-Museum untergebracht sind; in letzterem befindet sich auch das chemische und phy- sikalische Laboratorium. Aus den ausgedehnten, schönen Parkanlagen, die den des Potomac-River. Namen „The Mallu führen, treten die drei, nahe bei ein- ander gelegenen, der Wissenschaft geweihten Pracht- bauten, das National-Museum, das Smithsonian - Institut und das Agricultur-Departement sehr wirkungsvoll hervor. Die reichen natur- historischen Samm- lungen, welche die- selben enthalten, win- den von uns mit grossem Interesse be- sichtigt. Das National- Museum wird unter- halten durch jähr- liche Zuwendungen des Congresses, die unter der Leitung des Smithsonian - Instituts zur Verwendung ge- langen, da der As- sistant Secretair des- selben zu gleicher Zeit der oberste Museunisbeamte ist. Der quadratische, 9510 □ Meter be- deckende und im Jahre 1881 vollen- dete Ziegelbau (siehe den Grundriss Figur 1 ) mit seinen von je zwei Thürmen flan- kirten vier Eingän- gen und den zwei- etwas vorspringenden Eckgebäuden umfasst von denen die vier mittleren höheren ein griechisches Kreuz bilden, welches in seinem Schnittpunkte von einer flachen Rotunde gekrönt wird. Die Hallen stellen unter einander durch weite Bogen in Ver- bindung und sind durchweg sehr hell. Die Verwaltung des Museums gliedert sich in 17 wissenschaftliche Abtheilungen, welche durch Kunst und Industrie, Ethnologie, prähistorische Anthropologie und die ge- sammten Zweige der Naturwissenschaft ge- bildet werden. Von den Sammlungen der letzteren ist das National- Herbarium wegen Raummangel im Agricultur- Departement untergebracht worden, während die Vögel, die Eiersammlung, die Fische, die .Mol- lusken und die anthropologische Sammlung im Smithsonian - Institut Platz haben. Die zoologischen Sammlungen ge- währen eine vortreffliche Uebersicht über das Thierleben der Vereinigten Staaten. Besonders schön ist die Aufstellung von Gruppen der grösseren einheimischen Säuge- thiere, wie beispielsweise der Büffelgruppe (Bos americanus). Die Vogelsammlung um- fasst 60 000 und die Eiersammlung 40000 Nummern. Das Smithsonian-Institut (Figur 2), ein herrlicher Sandsteinbau im normannischen oder romanischen Style des zwölften Jahrhunderts, welcher im Jahre 185ß vollendet wurde, verdankt seine Entstehung der hochherzigen Gesinnung des um die Wissenschaft auch als Forscher verdienten Engländers James Sniithson. Derselbe stückigen, 17 geräumige Hallen gefunden 120 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 10. wurde gegen 1754 in England geboren, lebte in London, wo er sich vorzugsweise mit analytischer Chemie, sowie mit mineralogischen und krystallographischen Untersuchungen beschäftigte und starb 1829 in Genua. Sein ganzes Ver- mögen vermachte er den Vereinigten Staaten mit der Bestimmung, in Washington unter dem Namen „Smithsonian Institution" eine Anstalt zu gründen, welche die Zunahme und Ausbreitung von Wissen unter den Menschen (the increase and diffusion of knowledge among men) fördern solle. Diesen Zweck sucht das Institut zu erreichen durch die Herausgabe dreier Publicationen (Contributions to Knowledge, Miscellaneous Collections and Annual Reports), durch die Anlage wissenschaftlicher Sammlungen, durch eine grossartige in der Congress-Bibliothek untergebrachten Bibliothek und durch die kostenlose Zusendung von wissen- schaftlichen Schriften an gelehrte Gesellschaften und Forscher der ganzen Welt. Die jährlichen Einnahmen des Instituts betragen 42 180 Dollars. In dem Park nahe dem nord- westlichen Theile des Gebäudes ist die vortrefflich aus- geführte Broncestatue von Professor Joseph Henry, des ersten Sccretärs (Directors) der Smithsonian Institution, aufgestellt. Mit dem schönen, an die französische Renaissance erinnernden Agricultur- Departement in Verbindung steht ein landwirtschaftliches Museum, welches eine Uebersicht über die Culturgewächse der Vereinigten Staaten bietet. Von Interesse ist ferner die Buch- und Samenabtheilung, wo die Publicationen und Samenproben des Departements zur Versendung verpackt werden, die Herbarien, die Ge- wächshäuser, die Weinrebencultur, das Rosenhaus und der Versuchsgarten. Ueber die geologischen Verhältnisse der näheren Umgebung von Washington wurden wir unter Führung von Mr. Darton durch mehrere kleine Exemtionen belehrt, bei denen uns der von Mc Gee unter Mithilfe von Williams, Darton und Willis bearbeitete und den Congressmitgliedern als Geschenk überreichte geologische Führer von Washington und Umgegend vortreffliche Dienste leistete. In dem östlichen, dem atlantischen Oeean zugekehrten Theile der Vereinigten Staaten treten drei sowohl oro- graphisch als geologisch scharf von einander geschiedene Zonen hervor. Im Westen dieses Gebietes sehen wir die schmale appalachische Zone, die sich aus den parallelen, bis zu 2044 m sich erhebenden, von NO. nach SW. streichenden Bergketten der Alleghanys und Blue Ridges zusammensetzt. Hieran schliesst sich das wellige, 150 bis 300 m über dem Meere gelegene Piedmont-Plateau (siehe das Kärtchen, Figur 3) und zwischen diesem und dein Oeean dehnt sieh als ein verhältnissmässig ebenes Flach- land die Küstenzone aus, die sich vom Meere aus all- mählich bis zu 90 m erhebt. Das appalachische Kettengebirge besteht aus paläo- zoischen Schichten, die vom Carbon bis zum Cambrium oder wahrscheinlich bis zum Algonkian hinabreichen und eine concordant gelagerte Schichtengruppe von 7600—12000 m Mächtigkeit bilden. Während der westliche Theil eine Reihe langer symmetrischer Falten aufweist und die Architectur des centralen Theiles durch die Combination von Faltung und Bruchbilduug cbaracterisirt ist, fehlen in dem öst- lichen Theile die symmetrischen Falten ganz und gar und es treten grosse Längsbrüche auf, an denen normale Ver- werfungen und Ueberschiebungen stattgefunden haben. In letzterer Zone linden sich vorwiegend metamorphisehe Gesteine; die Kalksteine sind in Marmor, die Schiefer- thone in Schiefer und die Sandsteine in Quarzite umge- wandelt worden. Die Gesteine des Piedmont-Plateaus bestehen aus mehr oder weniger krystallinischen metamorphischen Schiefein und Gneissen, die zuweilen von Eruptivgesteinen durch- brochen werden. In der Gegend von Washington treten im westlichen Theile nach Osten einfallende halbkrystalli- nische Schiefer und Phyllite auf, während im östlichen Theile echte Gneisse vorhanden sind, die ein Einfallen nach W. besitzen. Innerhalb der Piedmont-Zone kommen ausser- dem, local über beträchtliche Gebiete verbreitet, rothe Sandsteine und rothe Thonschiefer mit eingelagerten Conglomeraten vor, die mau gewöhnlich zur Trias rech- net. Die rotheu Sandsteine sind vielfach als Baumate- rial verwendet worden. So ist beispielsweise das Smith- sonian Institut aus diesem Sandsteine erbaut, welcher ungefähr 37 km oberhalb Washington am Potomac an- stellt. Die Küstenzone wird durch meist lockere Ablage- rungen der Quartär-, Tertiär- und Kreideformation ge- bildet, welche ganz schwach nach dem Meere zu geneigt sind und keine Störungen erlitten haben. Die maeauder- artig gewundenen Flussthäler, welche innerhalb des Pied- mont-Plateaus enge Felsschluchten darstellen, gehen bei dem Eintritt in die losen Ablagerungen der Küstenzone in breite, fjordartige, den Einflüssen der Ebbe und Fluth ausgesetze Canäle über; dabei zeigt jeder Fluss bei dem Uebergange von der einen iu die andere Zone Wasserfälle und Stromschnellen, z. B. der Potomac bei Little Falls. Ebenso wie die appalachische Zone nach Osten durch die Quarzitrücken der Blue Ridges gegen das Piedmont- Plateau scharf abgegrenzt ist, tritt auch die Grenze zwischen letzterem und der Küstenzone durch die krystal- linischen Felskuppen, von denen man auf das flache Küstengebiet herabblickt, in ausserordentlicher Deutlich keit hervor. Die letztgenannte geologische Grenzlinie hat auch eine hohe eulturhistorisehe Bedeutung, da alle grossen Städte im Osten der Vereinigten Staaten von New- York bis zu denjenigen von Süd-Carolina längs dieser natür- lichen Landseheide erbaut worden sind. Dasselbe ist auch bei Washington der Fall, in dessen westlichstem Theile die Diorite und Gneisse des Piedmont-Plateaus zu Tage treten, während der übrige Theil der Stadt auf den sedi- mentären Ablagerungen des durch die Erosion der Flüsse in mannigfachster Weise durchschnittenen und terrassirten Küstengebietes errichtet worden ist. Wir sollten den geologischen Bau desselben auf einer Excursion näher kennen lernen, welche unter der Leitung von Mr. Darton am Sonntag den 30. August auf dem Potomac-River strom- abwärts bis zu dem am linken Ufer gelegenen Pope's (reck unternommen wurde (siehe das Kärtchen, Figur 3). Wir fuhren um 8 Uhr Morgens mit dem bequemen Fluss- dampfer „Pilot Bov" von Washington ab und hatten bei dem schönen klaren Wetter Gelegenheit, die landschaft- liche Scenerie des sieh auf dieser Strecke bis zu 5 km verbreiternden Stromes mit seinen etwa 30 m hohen, zum Theil mit Wald bedeckten Ufern, sowie die sich dar- bietenden geologischen Aufschlüsse zu besichtigen. Zu letzterem Zwecke hielt der Dampfer an fünf Punkten, bei Fort Washington, Glymont, Freestone Point, Clifton Beach und Popes Creek, an. Die am Ufer sich darbietenden Profile gewähren einen Aufschluss über den geologischen Bau, an welchem nach Darton sich folgende Sehichten- reihe betheiligt: Alluvium: Mächtigkeit unbekannt; der Hauptsache nach unter dem Wasserspiegel; ungestört, abge- sehen von der jetzt noch statt- findenden Senkung der Küste Erosionsintervall; Bildung der Spät-Pleistocän (Jung-Quartär) und recent. Pleistoeän Columbia-Terrassen ) (Mittel-Quartär). Nr. 10. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 121 a ■■x o © *— .* 'S a o Columbia: Mächtigkeit 1,5 — 12m;| Früh-Pleistocän Höhe 46 m; ungestört | (Alt-Quartär). Erosionsintervall ; ausgedehnte 1 Ausschürfung der Lafayette- Pliocän? schichten I Lafavette: Mächtigkeit 1,5 — 15 m; ] .,.. .. Höhe 150 m; ungestört j ' ""C"IU- Erosionsintervall: ausgedehnte! »,. .. *,. , n\ i Miocan. Linebenung von Unesapeake | Chesapeake: Mächtigkeit3— 38m; ) ■.■• ... schwach geneigt; fossilführend j Erosionsintervall; ausgedehnte | Eincbenung von Pamunkey ? und Severn I B o Pamunkey: Mächtigkeit 1 — 30 in; ) schwach geneigt; fossilführend j Erosionsintervall; ausgedehnte j Einebenung von Severn und , Eocäu. Potomac W Severn: Mächtigkeit 0,5 — 7 m; see- 1 wärts geneigt; fossilführend . . | Erosionsintervall ; tiefe Aus- ( furchung des Potomac . . . . | Potomac: Mächtigkeit 1,5 — 150m; l beträchtlich geneigt ; fossil- führend ' Langer Zwischenraum von aus- 1 gedehnter und tiefer Erosion j Kreide. Kreide. Aeltere Kreide. Jura (?; Die oberste Decke der niedrigeren Terrassen inner- halb des Potomac-Beckens wird gebildet durch fluviatile Lehme mit Geröllbänken an der P>asis, die zu den pleisto- cänen Columbiaschichten gerechnet werden. Zwischen Washington und Alexandria bilden dieselben ausgedehnte, bis unter die Oberfläche des Potomac hinabreichende Decken, die namentlich auf der westlichen Seite des Flusses in bedeutendem Maasse zur Ziegelfabrikation ab- gebaut werden. Die meisten Privathäuser Washingtons sind aus diesem Materiale hergestellt. Unter diesen Schichten folgen, im Fall sie nicht durch Erosion verschwunden sind, die vielleicht zum Pliocän zurechnenden Lafayet te-Schichten. Sie bestehen aus Granden und grandigen Sanden, welche die hohen Terrassen in weiterer Entfernung vom Flusse bedecken, und werden unterlagert von den zum Miocän gehörigen, diatomeenführenden thonigen Sanden von sehr feinkörniger Beschaffenheit, die als Chesapeake bezeichnet worden sind und sehr schön an dem Steilabsturz bei Popes Creek zu Tage anstehen. Hierunter folgen die zum Eocän gehörigen Pa- munkey-Schichten, grüne Sande und Mergel, die an dem verwitterten Ausgehenden meist roth gefärbt sind und an einigen Punkten einen grossen Reichthum von marinen Schalresten enthalten. So linden sich in einer Schlucht bei Fort Washington unter Anderem gut er- haltene Exemplare der Cucullea gigantea und bei Clifton Beacb gehört zu dieser Formationsabtheilung eine sehr schön aufgeschlossene fossile Austernbank. Das Tertiär wird unterlagert von K rei d e bildu ngen , zu oberst bestehend aus dunklen Sanden und Thonen, welche als Severn bezeichnet werden, während darunter die Potomac-Schichten folgen, zusammengesetzt aus ( ionglomeraten. grosses Interesse bietet die Entstehung der Fluss Sanden und Sandsteinen, theilweise mit Pflanzenresten, und zuunterst aus Ein _ thäler und der sie begleitenden Terrassen innerhalb der Küstenzone. Der amerikanische Geologe Mc Gee hat sich mit diesen Verhältnissen besonders eingehend be- schäftigt und in seiner Arbeit „Three formations of the middle Atlantic Slope*) in klaren Zügen die junge geo- logische Geschichte dieses Gebietes entworfen. Die eigent- liche geologische Ostgrenze der Küstenzoue fällt nicht mit der gegenwärtigen Küstenlinie zusammen, sondern liegt durchschnittlich 160 km östlich von derselben im Atlantischen Ocean, wo sie durch den submarinen, 900 bis 3000 m tiefen Absturz angedeutet wird, an welchem der Golfstrom entlang tliesst. Das gegenwärtige Relief und die Ausdehnung der Küstenzone über dem Meeres- spiegel ist hervorgerufen durch die Ablagerung der Sedi- mente, durch die Erosion der Flüsse und durch die ver- schiedenen Hebungen und Senkungen, denen dieses Gebiet ausgesetzt gewesen ist. Die Entstehung der breiten Wanne unterhalb Washington, in deren Mitte der Potomac gegen- wärtig fliesst, reicht zurück bis in die Ablagerungszeit der Lafayette-Schichten. Längs der Linie des Flusslaufes breiten sich die Lafayette-Ablagerungen in einem breiten, jedoch nicht sehr tiefen Becken aus, das durch die Wasserläufe der Lafayette - Periode in den mioeänen Ohesapeake-Schichten ausgeschürft wurde. Nach Absatz der Lafayette-Schichten fand eine Hebung des Gebietes statt und es wurde in dem centralen Theile der von ihnen eingenommenen Wanne eine breite Rinne ausgenagt, wäh- rend zu gleicher Zeit durch diese Emporhebung auch das Gefälle der seitlichen Zuflüsse vermeint wurde, sodass dieselben tiefe Rinnen in die Lafayette-Schichten ein- graben konnten. Längs der Flussufer bildeten sich Terrassen von 25 — 42 m Höhe und am Fusse derselben wurden die Columbia-Schichten abgelagert. Nach den Untersuchungen von Mc Gee sind dies littorale, in See- buchten abgesetzte Flussbildungen. Ihr Material unter- scheidet sich von den jüngeren Alluviohen durch das Vor- kommen grösserer Gerolle, sowie überhaupt durch das Vorwalten gröberer Sedimente im Allgemeinen und ferner durch die weniger vollständige Zertrümmerung und Ver- witterung derselben. Aus diesen Anzeichen folgert er, dass in diesem südlich der Glacialgrenze gelegenen Gebiete das Klima der frühglacialen Columbiaperiode lange und kalte Winter mit häutigen Schneefällen und starker Eisbedeekung der Flüsse besass, sodass bedeutende Schmelzwasser wäh- rend der Sommerszeit aus dem vergletscherten Hinterlande mächtige Schuttmassen herbeischaffen und ablagern konnten. Auf die Columbiaperiode folgte eine Hebung des Küsten- ebietes, während der Potomac sein gegenwärtiges Bett zu grosser Tiefe unter dem gegenwärtigen Meeres- spiegel einsägte. Es entstanden die Columbiaterrassen an dem Hauptstrome und an den Nebenflüssen. Nach dieser Emporhebung trat ein allmähliches Sinken des Landes ein, welches noch gegenwärtig fortdauert. Die Vergrösserung der Sumpfgebiete hält gleichen Schritt mit dieser allmählichen Untertauchung des Landes, und die tiefen, sich bis weit in das Meer hinein fortsetzenden Flussrinnen können nur vor der Senkung entstanden sein. Die jüngsten Bildungen sinken jetzt in Folge des ver- minderten Gefälles in den erweiterten Flusscanälen nieder, zu deren allmählicher Verschlammung sie beitragen. Dass letztere ziemlich rasch vor sich geht, beweist der umstand, dass der Anaeostia-River noch vor 100 Jahren von trans- atlantischen Schiften bis Blaudensburg befahren werden konnte, während er seit dieser Zeit so sehr mit Schlamm ö. bis *) Ainuric. Journal of Science XXXV. 1888. 122 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 10. erfüllt worden ist, dass die Schiffe mir noch bis zum Marinearsenal in Washington gelangen können. Auf unserer Potomac-Excursion hatten wir ausserdem noch Gelegenheit, an der Mündung von Popes Creek eine etwa 4 m mächtige und 25 m über dem Potomac ge- legene Anhäufung von Kjökkenmöddinger zu beobachten, die aus zerbrochenen Austernschalen besteht und zahl- reiche Reste von Artefacten der indianischen Urbevölke- rung geliefert hat. In hohem Grade interessirte mich auch die schöne Flora, welche die meist mit Buschwerk bewachsenen Ufer des Flusses darboten. Ich erwähne hier nur den mit herrlichen weissen Blüthen geschmückten Hibiscus mo- schatus, den Giftsuraach (Rhus Toxicodendron) mit seinen dreizähligen Blättern, der so giftig ist, dass seine Aus- dunstung bei heissem Sonnenschein schon schädlich ist und seine Berührung gefährliche Anschwellungen und brennende Ausschläge auf der Haut hervorruft. In voller Blüthe stand die canadische Goldruthe (Solidago canadensis) mit ihren kleinen gelben Blüthenköpfchen; mehrfach zeigte sich der Storaxbaum (Liquidambar styracifluai mit seinen hübschen fünflappigen gezähnten Blättern. Sehr schön war eine gelbblühende Cassia, eine blühende Bohne (Pha- scolus diversifolius) und vieles Andere. Leider wird der untere Theil des Potomac-Gebietes wegen der hier vor- handenen sumptigen Niederungen stark vom Wechsel- fieber heimgesucht, und dies ist auch der Grund, weshalb das früher gut cultivirte Land an vielen Punkten von den Ansiedlern verlassen worden ist und jetzt öde da- liegt. Erst um 1 Uhr Nachts kehrten wir sehr befriedigt von diesem Ausfluge zurück. Nachdem am Vormittag des 1. September die letzte Sitzung des Congresses stattgefunden hatte, erhielt derselbe seinen Abschluss durch eine Lustfahrt mit dem Dampfer Macalester auf dem Potomac, welche unter Betheiligung zahlreicher Damen nach Mount Vernou und Marshall-Hall gerichtet war. Die vortreffliche Marinecapelle, deren Leistungen wir bereits bei einem im Arlington-Hötel uns zu Ehren veranstalteten Concerte schätzen gelernt hatten, und welche uns auch auf dieser Fahrt begleitete, trug wesentlich dazu bei, die festliche Stimmung bei dieser Abschiedsfeier zu erhöhen. Mount Vernon, 22,5 km süd- lich von Washington am rechten Ufer des Potomac ge- legen, ist als ein Nationalheiligthum der Vereinigten Staaten anzusehen, denn hier befindet sich das Grabmal George Washingtons und seine Villa, in der er am 14. December 1799 starb. Jeder Amerikaner, gleichgültig, welcher Partei er auch angehören möge, tritt nur ent- blössten Hauptes an das Grabmal seines Nationalhelden heran und betrachtet alle die vielen Andenken an den- selben, welche in seiner Villa verwahrt werden, mit wahr- haft rührender Pietät. Keine wahreren Worte konnten auf der Vorderseite des Sockels der schönen Statue Washingtons, die vor dem Capitol Aufstellung gefunden hat, eingegraben werden, als: „First in the hearts of bis countrymeil (der Erste in den Herzen seiner Landsleute)". In Marshall-Hall, das auf dem linken Ufer gelegen ist und namentlich an Sonntagen einen vielbesuchten Ver- gnügungsort bildet, verlebten wir unter den schattigen Bäumen einen sehr angenehmen Nachmittag. Wir waren hier zu einem Abschiedsessen vereinigt und trennten uns mit dankbarem Gefühl gegen die amerikanischen Collegen, die uns während des ganzen Congresses in Washington eine so liebenswürdige und gastliche Aufnahme bereitet hatten. Aiitliropopitheciiis erectus Eng. Dubois. Das in No. 5 (4. Febr. 1894) dieser Zeitschrift befindliche Re- ferat über die Auffindung eiues höchst merkwürdigen, dem Menschen nahestehenden, anthropoiden Affen giebt mir Veranlassung zu folgenden Bemerkungen. Leider war es mir bisher noch nicht möglich, die von Dubois gegebene Original-Beschreibung von A. erectus einzusehen; ich beziehe mich daher auf die in der Tijd- schrift van het Kon. Nederlandsch Aardrijkskundige Ge- nootschap. Ser. II, Theil 8, No. 2 erschienene, aus dem Veslag van het Mijnwezen over het 4 de K wartaal 1892 entnommene Mittheilung. Das Material, welches Herrn Dubois zu Gebote stand, beschränkte sich auf eine Schädeldecke, einen einzelnen Zahn und einen linken Oberschenkelknochen, welche bei Trinil auf Java in einem alten Strombette aufgefunden waren. Der Schenkelknochen lag 15 m stromabwärts in altdiluvialem Tuff. Aus diesen Funden wird geschlossen, dass „in dezen iiudpleistocenen anthropoid van ons eiland (Java) de eerste overgangsvorm bekend geworden is, die den mensch met zijn naast levende verwanten onder de zoogdieren op onmiskenbare wijze in nadere verbinding brengt." Der Beweis wird lolgendermaassen geführt: Weil der Femur in demselben Niveau gefunden wurde, in welchem ein Jahr früher die Sehädeldecke und der Zahn entdeckt worden sind, deshalb gehören alle drei Theile zu einem Individuum. Die Sehädeldecke ist 185 mm lang, sehr stark ge- wölbt und hat sehr gering entwickelte Augenbrauenbogen; deshalb ist das Gehirn 2,3 mal so gross wie das'des Gorilla. Die beiden hinteren Höcker der Zahnkrone sind noch stärker reducirt als beim Schimpanse; die Rückbildung ist soweit vorgeschritten, als es gewöhnlich am obersten Weisheitszahn des Menschen der Fall ist; im Gegensatz zum Menschen jedoch ist der hintere Seitenhöcker weniger entwickelt als der mittlere. Der Schenkel stimmt im allgemeinen mit dem eines Menschen überein, ist 455 mm lang; seine Länge verhält sich zur Breite wie 16V2 : 1, und er unterscheidet sich von einem menschlichen Femur durch die mehr abgerundete Innen- seite, die geringere Entwickelung des untersten Theiles der schiefen Linie an der Vorderseite, die mehr ausgehöhlte Rollhügelgrube und die kleinere Gelenkfläche für die Knie- scheibe. Aus dem gesammten Bau des Oberschenkels ergiebt sich, dass die Haltung der A. erectus eine aufrechte, die Vorderextremitäten menschenartig waren und der Trinil- Affe das Bindeglied zwischen dem Menschen und Affen darstellt. Quod erat demonstrandum! Zunächst steht der Beweis der Zusammengehörigkeit aller drei Theile, wie ersichtlich, auf sehr schwachen Füssen. Wenn aber die Sehädeldecke, der Zahn und der Schenkel einem und demselben Individuum angehört haben, so war dies kein Affe, sondern ein Mensch. Die stärksten Gorilla des Berliner Museums haben Oberschenkel von kaum 39 cm Länge, kein anderer anthropomorpher Affe erreicht eine derartige Grösse. Bei keinem einzigen anthropomorphen Affen verhält sich ferner auch nur an- nähernd die. Länge des Femur zu seiner Breite wie I6V2 : 1- Dagegen sind die Unterschiede des Femur von A. erectus von dem menschlichen Oberschenkel geringer als sie zwischen den betreffenden Theilen bei Javanern und Europäern sind. Nr. 10. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 123 Auf keinen Fall gehört der Obersehenkel einem mit dem Schimpanse, (Gorilla oder Orang verwandten Arten an, vielmehr sehr wahrscheinlich einem Menschen. Auch der Zahn unterscheidet sich von einem menschliehen Zahn nur dadurch, dass der hintere Seitenhöcker geringer ent- wickelt ist als der mittlere, ist aber von demjenigen des Schimpanse wesentlich verschieden. Ohne Vergleichung des betreffenden Objectes lässt sich hier kein Urtheil fällen. Sehr verdächtig bei der Beschreibung der Schädel- decke wirkt endlich der Umstand, dass der neue Affe mit Schimpanse und Gorilla verglichen wird, aber gerade zu dem in nächster Nähe von Java lebenden Orang in keine Beziehung gebracht wird. Gerade der Orang hat die Augenbrauenbogen wenig entwickelt und den Schädel stark gewölbt wie A. erectus. Beide Eigenschaften zeigt allerdings auch der Schädel des Menschen, und die für A. erectus angegebene Gehirn-Grösse (das 2,3faehe von demjenigen eines Gorilla) lässt fast vermuthen, dass auch die Schädeldecke einem Menschen angehört hat. Jedenfalls sind die Bestandtheile des Anthropopi- thecus erectus dringend einer Nachprüfung bedürftig und die auf diesen Fund aufgebauten Schlussfolgerungen nicht ernst zu nehmen. Die „conclusie schijnt toch wel wat haastig gemaakt", wie mutatis mutandis der Heraus- geber der holländischen Zeitschrift, Timmerman, in einer Randbemerkung sagt. Paul Matschie. Ueber Picus (Dendrocopius) major (Koch) Lin. — Bekanntlich sind die Spechte sehr nützliche Vögel, da dieselben viel schädliches Ungeziefer vertilgen, wenn auch einige Vertreter hier und da dem Forstmanne anscheinend Schaden durch Aushöhlen in den Nadelholzstämmen an- richten, indem sie mit ihrem fleissigen Kriekkriekkriekkriek Borkenkäfer, Holzwespen u. s. w. nachjagen. Die Spechte sind unruhige, listige und scheue, den ganzen Tag an den Stämmen und Aesten in senkrechter Stellung kletternde, meist in gemischten Hölzern lebende Vögel. Die Grenze ihres Vorkommens in Deutschland scheint nicht bestimmt, in dem bekannten Leuuis - Ludwig linde ich nichts über die Verbreitung der oben erwähnten Art. Giebel giebt nur an, dass Picus (Deudrocopus) major, der Roth-, Schild-, Elster - Specht, Baumpiter, die häu- figste und gemeinste Spechtart, zumal in Nadelwäldern, ist. Dennoch vermuthe ich, dass Picus major für Nord- deutschland (Pro v.Schleswig-Holstein, Pro v. Hannover etc. bis Berlin) ein seltener Gast (Strichvogel) ist. Er ist ein richtiger Buntspecht mit seinem schvvarz-weiss-rothen Ge- fieder, der sich vielleicht auf seiner Reise von Norden (Skandinavien) nach Thüringen verflogen haben mag. Nicht gering interessirte es mich, als ich diese Specht- art an den nach Osten und den nach Norden hin bele- genen Fütterungsplätzen hier in Niendorf a. d. St. (Lauen- burg) vor den Fenstern eine ganze Woche beobachten konnte. Seinen Nistplatz, ich will es nicht unerwähnt lassen, hatte Picus major in hohen Kiefern beim Hause. Auffallend ist es, dass diese Art, weil sie sehr scheu, so nahe der menschlichen Wohnung kam.*) W. J. Goverts. *) Der Ornithologe, Herr Dr. A. Reichennw vom Museum für Naturkunde in Berlin, theilt uns zu Obigem gütigst mit: Der grosse Buntspecht, Dendrocopus major (L.), ist Stand- oder Jahresvogel in ganz Deutsehland und die häufigste der vier Buntspecht-Arten. Weniger allgemein verbreitet, mehr örtlich be- schränkt, wenngleich ebenfalls Jahresvögel, sind der mittlere und kleine Buntspecht, D. medius (L.) und D. minor (L.). Nur ver- einzelt kommt der in Nord- Europa heimische Elsterspecht, D. eueonotus (Bchrt.) in Deutschland vor. Culturversuche mit „ruhenden" Samen hat Prof. A. Peter angestellt. (Nachrichten von der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften und der Georg- Augusts- Universität zu Göttingen, i — Wenn an einer bestimmten Localität mit einer plötzlich eintretenden Veränderung der Bodenoberfiäche rasch auch der Charakter ihrer Pflanzendecke wechselt, wenn Arten daselbst auftreten, die früher hier nichl ge- sehen wurden, oder wenn in sehr grosser Individuenmenge bestimmte Pflanzenarten erscheinen, von denen vor Ein- tritt jener Veränderung nur wenige Exemplare zu beob- achten waren, so wird die Frage nach den Ursachen solcher Erscheinungen nicht immer dahin beantwortet, dass die herrschenden Verbreitungsmittel der Pflanzen (Wind, Thiere, Regengüsse etc.) die Samen der in Bede stellenden Gewächse kürzlich erst hieher transportirt hätten. Die meisten Landwirthe und Forstmänner vielmehr wie manche Gelehrte nehmen an, dass der Erdboden selbst die Be- dingungen eines raschen Wechsels in der Zusammen- setzung seiner Pflanzendecke insofern enthalte, als er die Früchte, Samen, Rhizome, Zwiebeln, Knollen einer ehe- mals bestandenen Vegetation lange Zeit hindurch im keim- resp. wachsthumsfühigen Zustande bewahre, auch dann, wenn inzwischen diese Vegetation von einer neuen anders gearteten oder anders zusammengesetzten Pflanzendecke überwuchert worden ist. Träten dann wieder einmal Ver- änderungen ein, welche günstige Bedingungen für das Auf- gehen und Auswachsen der begraben gewesenen Pflanzen- keime schaffen, so erstehe die ehemalige Artengemeinschaft ganz oder theilweise aus ihrem Schlafe, die „ruhenden Samen" würden wieder activ. Nicht wenige Beobachtungen in der That sprechen für die Richtigkeit einer solchen Annahme. Die Mit- theilungen indessen, welche bisher vorliegen, beschreiben nicht etwa die Verfolgung des Vorganges von Anfang an, sondern sie geben nur die zufällig bemerkten Resultate von Vorgängen, die sich ungesehen in freier Natur bereits abgespielt hatten. Hier aber waren die Oertlichkeiten wie die Pflauzenindividuen unbekannten Einflüssen zu- gänglich gewesen, die also auch nicht controlirt und mit berücksichtigt werden konnten. Die Schlüsse, welche aus dem plötzlichen Auftreten von Pflanzen an ungewohnter Stelle, nachdem letztere eine Veränderung ihrer Boden- decke erfahren, gezogen wurden, entbehren demnach des Beweises, so dass nicht ohne Grund Bedenken gegen die Erklärungsversuche solcher Vorkommnisse aus der An- nahme „ruhender Samen" geäussert worden sind. Derartige Beweise beizubringen aber erscheint un- thunlich, wenn es sich um sehr lange Zeiträume handelt. Man braucht hierbei noch nicht einmal an Mumienweizen und ähnliche Dinge zu denken, bezüglich deren die be- haupteten Keirnungserfolge sich ja bisher als unrichtig erwiesen haben. Es kann z. B. auch die durch Heldrcich bekannt gewordene Beobachtung vom Berge Laurion in Attika auf ihre Ursachen nicht mit aller Sicherheit ge- prüft werden. Hier trat plötzlich ein Glaucium auf, welches bis dahin unbekannt gewesen war, zugleich mit ihm in Menge die in Attika noch nicht gefundene Silene .luve- nalis Del., als der seit dem Alterthum lagernde 3 m mächtige Minen- Abraum weggeschafft wurde. Niemand verfügt über Samen von so hohem Alter, in denen man überhaupt noch Keimkraft vermuthen dürfte. Die Forde- rungen müssen, was das Alter der Sämereien betrifft, ganz erheblich herabgesetzt werden, und es wäre schon ein Fortschritt, wenn wir bezüglich der Bewahrung der Keimfähigkeit unter solchen Verhältnissen, wie sie in der freien Natur gegeben sein können, über die Dauer von ein paar Menschenaltern Aufschluss bekommen würden. Diese Aufgabe werden die botanischen Gärten ohne Zweifel früher oder später ins Auge fassen. Für jetzt aber hat 124 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 10. es Interesse durch Versuche zu prüfen, ob der Erdboden thatsächlich vergrabene pflanzliche Keime enthält, ob er die Keimfähigkeit der letzteren auf eine kürzere oder längere Dauer zu eonserviren vermag, und welche Arten es sind, deren Samen sieli in dieser Weise unverwest längere Zeit hindurch erhalten? Gelingt es mit der hier überhaupt mögliehen Sicherheit den Nachweis zu führen, dass derartige Vorkommnisse zu den regelmässigen Er- scheinungen gehören, so gewinnt die Existenz „ruhender" Samen eine allgemeinere Bedeutung, und sie wird zu einem Factor, mit welchem die Pflanzengeographie dort zu rechnen hat, wo in nicht allzu langsamer Folge be- deutendere Veränderungen der Bodenobeifläche stattfinden, so z. B. bei Uebersehwemmungen, Waldbränden, Ver- muhrungen, Dünenwanderung etc., oder bei den durch menschliche Bethätigung herbeigeführten Eingriffen in die Bekleidung des Erdbodens, als: Abliolzungen und Auf- forstungen, Plaggennutzung, Entwässerungen, Aushebung und Auffüllung von Erdreich, Urbarmachung von Wald, Heide und Unland, Verkoppelungsarbeiten, Melioratio- nen, Ablagerungen resp. Aufschüttungen von Abfällen, Schlacken, Schutt, Abraum aus Steinbrüchen und Berg- werken u. s. w. Bei Culturversuchen für den genannten Zweck musste es sich darum handeln, Bodenproben zu untersuchen, an deren Oberfläche schon längere Zeit hindurch keinerlei Vegetation existirt hatte; ferner musste die Auswahl so getrofl'en werden, dass es genau bekannt war, ob an diesen Stellen jemals eine erhebliche Aenderuug in der Beschaffenheit der Pflanzendecke stattgefunden habe; end- lich waren die Proben so zu entnehmen, dass die Wahr- scheinlichkeit der Einschleppung von Sämereien durch Wind, Verschwemmung, Vögel, Mäuse, Weidevieh und Wild aller Art mögliehst gering war. Die gegenwärtige Bedeckung der betr. Localitäten mit Wald blieb dabei gleichgültig, weil etwa aufgehende Waldbaumsamen als solche leicht zu erkennen und zu elimiuiren wären. P. wählte hauptsächlich solche Forstorte aus, welche nachweisbar ehemaligen Ackerboden oder grössere Weide- flächen einnehmen. Zum Vergleich wurden auch einige Proben aus uralten Waldbeständen entnommen, die nie- mals anderen Zwecken gedient hatten. Demgemäss hat P. die Versuche in folgender Weise angeordnet und durchgeführt. In sehr dichten Wald- beständen wurden grössere Flächen aufgesucht, auf denen entweder überhaupt keine Vegetation vorhanden war oder nur vereinzelte Moosindividueu kümmerlich sich hinfristeten. Mitten aus solchem Fleck heraus wurde eine absolut pflanzenlose quadratische Stelle von 30 cm Seite ausge- wählt und aus dieser unter Beobachtung grösster Vorsicht der Boden zunächst 8 cm tief ausgehoben^ Die so ge- wonnene Erdmassc wurde sofort in einen neuen dichten Leinwandsack geschüttet und verschlossen nach dem botanischen Garten zu Göttingen gebracht. Dasselbe ge- schah mit der nächsten 8 cm mächtigen Erdschicht aus dem nämlichen Loch, und meist abermals dasselbe mit einer dritten 8 cm-Schicht. Die Ergebnisse der Culturen zeigen eine so grosse Uebereinstiramung, dass sie schon aus diesem Grunde Interesse beanspruchen. Bei jedem Versuch mit ehe- maligem Ackerboden ergab sich mindestens eine Mehr- zahl, zuweilen selbst ein fast reiner Bestand von Acker- unkräuteru, ersteres sowohl was die Arten als auch was die Individuenmeuge betrifft; und diese Erscheinung zeigte sich nicht bloss in der obersten Bodenschicht, sondern sie wiederholte sich auch in den tieferen Schichten. Ganz ebenso verhielten sich die Versuche mit Bodenproben von aufgeforsteten früheren Weideflächen. Die zur Controle angestellten Culturen des Erdreiches aus alten Wald- beständen hingegen ergaben ganz überwiegend Arten der Waldflora. Uebersicht der Culturen. Göttinger 1. Buchenhochwald, etwa lOOjährig. Wald unweit der „Tuchmacherquelle". Boden mit starker Laubschicht bedeckt. Hier ist von jeher Buchenwald gewesen. Fragaria vesca, Rubus idaeus, Hypericum perforatum, Hypericum hirsutum, Betula pubescens, Galeobdolon lu- teum, Cirsium arvense, Juncus glaueus, Luzula pilosa, Carex silvatica, Gräser. Die Gesammtzahl der Exemplare betrug in der oberen Schicht 53, in der unteren 50. 2. Buckemvald-Rand. Wald ca. lOOjährig wie in Versuch 1. Göttiuger Wald südöstlich von Herber- hausen. An den Waldrand grenzen breite Raine und weiterhin feuchte Aecker. Ranimculus repens, Fragaria vesca, Rubus idaeus, Hypericum perforatum, Epilobium montanum, Betula verrucosa, Galeobdolon luteum, Scrophularia nodosa, Atropa Belladonna, I'lantago major, Juncus glaueus, Carex silvatica, Carex rernota, Aira caespitosa, Gräser. Ge- sammtzahl in der oberen Schicht 104, in der unteren 94. Meist Waldpflanzen lichter Bestände, daneben auch einige Rain- und Ackerpflanzen. 3. Fichtenbestand, 32jährig, Reihenpflanzung, sehr dicht und tief schattig, in weiter Ausdehnung fast vege- tationslos. Göttinger Wald, bis 1861 Weideland mit einzelnen alten Eichen gewesen, die sogenannte „Kerst- lingeröderfelder Weide". Fragaria vesca, Rubus idaeus, Potentilla Tormentilla, Trifolium repens, Linum catharticum, Sagina procumbens, Betula pubescens, Betula verrucosa, Hieracium Pilosella, Hieracium Auricula, Gnaphalium uliginosum, Veronica serpyllifolia, Plantago major, Juncus glaueus, Luzula pi- losa, Carex silvatica, Gräser. Gesammtzahl oben 67, unten 64. 4. Fichtenwald-Rand. Bestand ca. öOjährig. Göttinger Wald, am „Lichten Meer" unweit des Hainholz- hofes. An den Waldrand grenzen feuchte Wiesen und Aecker, ehemals ein Sumpf mit Umgebung. Ranunculus repens, Fragaria vesca, Hypericum per- foratum, Nasturtium palustre, Stellaria media, Linum catharticum, Gnaphalium uliginosum, Cirsium arvense, Sonchus arvensis, Stachys arvensis, Mentha arvensis, Gras. Gesammtzahl oben 31, unten 17. Fast alle Arten gehören zur Flora feuchterer Aecker, nur einzelne zur Waldflora. 5. Schwarzkieferbestand, 22jährig. Göttingen, am Hainberge östlich vom Reiusbrunen. Bis 1871 Acker gewesen. Sinapis arvensis, Cerastium triviale, Torilis Anthriscus, Betula pubescens, Euphorbia helioscopia, Myosotis hispida, Polygonuni aviculare, Polygonum Convolvulus, Cheuo- podium album, Cirsium arvense, Sonchus oleraceus, Ve- ronica polita, Convolvulus arvensis, Anagallis arvensis, Melica nutans, Gräser (alle gleich). Gesammtzahl oben 44, unten 32. Ausgesprochene Ackerflora, nur wenige Waldpflanzen beigemengt. 6. Fichtenbestand, 22jährig. Göttingen, bis 1871 Acker gewesen (die sog. „Lutzenbreite" östlich vom Reiusbrunnen). Papaver Rhoeas, Sinapis arvensis, Hypericum per- foratum, Stellaria media, Alchemilla arvensis, Torilis Anthriscus, Aethusa Cynapium, Daucus Carota, Polygonum Convolvulus, Chenopodium album, Betula pubescens, Euphorbia helioscopia- Leucanthemum vulgare, Galium Nr. 10. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 125 tricorne, Myostis hispida, Linaria vulgaris, Veronica ser- pyllifolia, Gräser, Unbestimmte Sämlinge (ungleiche). Ge- sammtzahl oben 42, mittlere Schicht 14, unten 13. Die Ackerpflanzen überwiegen weit. 7. Buchenbestand, 20jährig, sehr dicht; ehemals bis 1872 sehr steiniger Acker über feuchtem Grunde. Göttingen, in der „Langen Nacht" unter dem Klepper- berge. Ranunculns repens, Papaver Rhoeas, Hypericum per- foratum. Stellaria media, Alchemilla arvensis, Daucus Carota, Toriiis Anthriscus, Betula pubescens, Polygonum Convolvulus, Chenopodiuni album, Leucanthemum vulgare, Galiuni tricorne, Linaria vulgaris, Veronica polita, Veronica agresüs, Myosotis hispida, Anagallis arvensis, Plantago major, Campanula rotundifolia, Gräser, Unbestimmte Säm- linge (ungleiche). Gesammtzahl oben 108, in der Mitte 41, unten 19. Es ergiebt sich demnach eine reiche Ackerflora, zu welcher nur vereinzelte Waldpflanzen kommen. 8. Fichtenbestand, 22jährig, sehr dicht; ehemals Ackerland und Weidefläche. Göttingen, Kehrwald im Grunde unweit des Hainholzhofes. Ranunculns repens, Thlaspi arvense, Capsella bursa pastoris, Sinapis arvensis, Stellaria media, Alchemilla arvensis. Potentilla Tormentilla, Daucus Carota, Euphorbia helioscopia, Polygonum Convolvulus, Chenopodiuni album, Sonchus arvensis, Leontodon hispidus,Taraxäcum officinale, Picris hieracioides, Galium tricorne, Stachys palustris. Staehys arvensis, Glechoma hederaceum, Veronica polita, Anagallis arvensis, Plantago major, Gräser, Unbestimmte Sämlinge. Gesammtzahl oben 104, in der Mitte 66, unten 43. Ausschliesslich Acker- und Weideflora. 9. Fichtenbestand, 32 jährig, identisch mit 3. Ehemals Weideland. Potentilla Tormentilla, Trifolium repens, Juncnsglaucus, Luzula campestris, Carex glauca, Gräser. Gesammtzahl oben 14, in der Mitte 12, unten 3. Im Vergleich mit Versuch 3 ist wenig aufgegangen; der Charakter der Weideflora erscheint indessen hier eben so wie dort. 10. Fichtenwald, 45jährig, dicht und tief schattig. Göttinger Wald, unter „Rohns Amerika", tiefere Lage. Bis 1836 gemischter Waldbestand (vorherrschend Fagus silvatica), dann gerodet und bis 1848 als Acker benutzt (je 2 mal Weizen und Hafer abwechselnd, darauf 8 Jahre lang Onobrychis vieiifolia), seitdem aufgeforstet. Fragana vesca, Linum catharticum, Sagina procumbens, Betula pubescens, Gnaphalium uliginosum, Filago minima, Pinnella vulgaris, Veronica polita, Juncus glaueus, Luzula campestris, Carex silvatica, Carex glauca, Gräser, Un- bestimmte Sämlinge. Gesammtzahl oben 66, in der Mitte 104, unten 61. Gemischt aus AValdpflaiuen, Weidepflanzen und wenigen Ackerkräutern. Auffallend ist die grosse Anzahl der aus den tieferen Schichten aufgegangeneu Exemplare von Juncus glaueus. 11. Fichtenbestand, 45jährig. Göttinger Wald, bei der Ruine von „Rohns Amerika", höhere Lage. War bis 1836 gemischter (Buchen-) Wald, dann bis 1848 Acker, seitdem durch Pflanzung in die Brache aufgeforstet. Ranunculus repens, Fragaria vesca , Rubus idaeus, Vicia tenuifolia, Trifolium repens, Trifolium pratense, Arenaria serpyllifolia, Cerastium triviale, Hypericum per- foratum, Epilobium montanum, Sonchus oleraeeus, Gna- phalium uliginosum, Filago minima, Calamintha Aeinos, Veronica polita, Veronica serpyllifolia, Atropa Belladonna, Juncus glaueus, Luzula campestris, Gras, Unbestimmte Sämlinge. Gesammtzahl oben 51, in der Mitte 29, unten 29. Brachlandflora mit einigen Waldpflanzen. 12. Lärchenbestaud, 46jährig. Göttinger Wald, unterhalb „Rohns Amerika" unweit Herberhausen. Bis 1817 Ackerland, dann mit Coniferen aufgeforstet. Ranunculus repens, Sagina procumbens, Rubus idaeus, Trifolium repens, Hypericum perforatum, Epilobium mon- tanum, Gnaphalium uliginosum, Veronica serpyllifolia, Plantago major, Anagallis arvensis, Juncus glaueus, Lu- zula campestris, Holcus lanatus, Gräser, Unbestimmte Sämlinge. Gesammtzahl oben 55, in der Mitte 23, unten 14. Acker- und Brachlandpflanzen, wenig Waldbewohner. 13. Schwarzkieferbestand, 36jährig, mit viel Monotropa Hypopitys. Göttinger Wald, im „Runden Busch" bei Herberhausen. War bis 1857 Acker, wurde dann aufgeforstet. Ranunculus repens, Alchemilla arvensis, Trifolium re- pens, Hypericum perforatum, Daucus Carota, Polygonum Convolvulus, Leucanthemum vulgare, Valerianella dentata, Prunella vulgaris, Gräser, Unbestimmte Sämlinge (un- gleiche). Gesammtzahl oben 67, in der Mitte 23, unten 6. Nur Acker- und Weidepflanzen. 14. Fichtenbestand, 36jährig, sehr dicht und schattig. Göttinger Wald, im „Runden Husch" unweit Herberhausen. War bis 1857 Ackerland, dann aufgeforstet. Fragaria vesca, Kubus idaeus, Sagina procumbens, Euphorbia helioscopia, Sonchus arvensis, Gnaphalium uli- ginosum, Luzula campestris, Gräser, Unbestimmte Sämlinge. Gesammtzahl oben 13, in der Mitte 12. unten 0. Gemischt aus Acker- und Weidepflanzen. 15. Nadelholzbestand, 36jährig, sehr dicht und schattig. Göttinger Wald, im „Runden Busch" unweit Herberhausen. Bis 1857 Acker gewesen, dann mit Fichten, Lärchen, Schwarzkiefern aufgeforstet. Ranunculus repens, Arenaria serpyllifolia, Stellaria graminea, Holosteum umbellatum, Hypericum perforatum, Epilobium montanum, Daucus Carota, Euphorbia helio- scopia, Leucanthemum vulgare, Cirsium lanceolatum, Leontodon hispidus, Taraxacum officinale, Knautia ar- vensis, Calamintha Aeinos, Anagallis arvensis, Gräser (ver- schiedene), Unbestimmte Sämlinge. Gesammtzahl oben 30, in der Mitte 12, unten 2. Hauptsächlich Weidepflauzen, daneben einige Arten der Aeckcr und Wälder. Aus den Versuchen geht im wesentlichen folgendes hervor. Alle untersuchten Waldböden aus der Göttinger Um- gebung, «eiche von vegetationslosen Stellen in dichten tief schattigen Beständen entnommen wurden, enthielten verborgene lebende Pflanzenkeime; letztere sind grössten- theils sog. „ruhende Samen". Diese ruhenden Samen gelangten zur Entwickelung, als der Boden gelockert, befeuchtet und beliebtet wurde. Sie ergaben normale Individuen mit normalem Eintritt der Lebensphasen. Im allgemeinen erschien die Intensität aller Keimungs- vorgänge bei der Entwickelung ruhender Samen schwächer als bei frischen Samen. Aus tieferen Bodenschichten kamen successive weniger Arten und überhaupt weniger Keimlinge als aus den oberen Schichten. Wurden Bodenproben aus solchen Wäldern entnommen, welche von jeher Wald gewesen sind, so gingen aus den- selben auch fast nur Waldpflanzen auf: kamen die Boden- proben aus gepflanzten Beständen auf ehemaligem Acker- oder Weideland, so erschienen in den Culturen neben 126 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 10. wenigen Arten der betr. Waldflora auch vorwiegend die- jenigen der vorausgegangenen Pflanzendecke oder nur letztere allein; — an Acker- und Weidepflanzen circa 70 Arten. Derartige Resultate ergaben sich bei gepflanzten Wäl- dern, deren Aufforstung vor 20 bis 46 Jahren erfolgt war. Die Keimfähigkeit der Sämereien ist also eine nahezu eben so lange Zeit hindurch im Erdboden con- servirt worden. Nach diesen Versuchen erscheint es möglich, aus dem Ergebniss der Culturen von Bodenproben aus Wäldern auf die frühere Beschaffenheit und die ehemalige Art und Weise der landwirthschaftlichen Verwendung dieser Län- dereien zu schliessen. (x.) Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: An der Universität Kiel die Privat - docenten Dr. Friedrich Da hl für Zoologie — und Dr. Franz Schutt für Botanik, zu a. o. Professoren. — Dr. Oswald Külpe, Privatdocent für Psychologie an der Universität Leipzig, zum Extraordinarius. — Dr. von Gudden zum Assistenten an der psychiatrischen Klinik der Universität Tübingen. — Der Professor der Psychologie an der Universität Königsberg Dr. Grünhagen zum Geheimen Medicinal-Rath. — Dr. Andreae, ausserordent- licher Professor für Geologie an der Universität Heidelberg, zum Director des von der Familie Roemer gegründeten Mineralogischen Museums in Hildesheim. — Der Prosector am anatomischen In- stitut der Universität Göttingen Privatdocent für Anatomie Dr. Disse zum ausserordentlichen Professor. — Der Botaniker Henry O. Forbes zum Director des Museums in Liverpool. Dr. Theodor Lipps, Ordinarius für Philoeophie an der Universität Breslau hat einen Ruf an die Universität München als Nachfolger von Professor Stumpf erhalten. Es haben sich habilitirt: Dr. Bernhard von Beck in der medicinisehen Facultät der Universität Heidelberg. — Der Assistent am Hygienischen Institut der Universität Bonn Dr. Kruse in der medicinisehen Facultät daselbst. Es sind gestorben: Der auch geologisch vielfach thätig ge- wesene Senator ür. Hermann Roemer in Hildesheim. — Der Philosoph und Mathematiker Professor Dr. Theodor Ludwig Wittstein in Hannover. — Der Botaniker Rev. George Gor- don zu Bimie, Forfar. Eine Meteorologische Station (die höchste überhaupt I ist auf dem 6096 m hohen Chachani in Peru, einem 19 km nördlich von Arequipa gelegenen Berge, auf Kosten eines Bürgers der Vereinigten Staaten von Nordamerika errichtet worden. Der für April festgesetzte Congress für innere Medicin wird wahrscheinlich wegen des Internationalen Medicinisehen Con- gresses in Rom auf das Jahr 1895 (und zwar vom 18. — 21. April) verlegt werden. Der VI. Internationale Geologen - Congress rindet vom 29. August bis 2. September d. J. in Zürich statt. Es sind drei Sectionen gebildet worden: 1. für Allgemeine Geologie und Tektonik; 2. für Stratigraphie und Paläontologie; 3. für Minera- logie und Petrographie. Das Bureau besteht aus den Professoren E. Renevier in Lausanne als Vorsitzenden, Alb. Heim in Zürich als Stellvertreter, und H. Golliez in Lausanne als Secretär. Die Anmeldung von Vorträgen, sowie die Vorlegun2; wissenschaft- licher Objecto ist an Prof. A. Heim zu richten. Eine bedeutende Zahl von Excursionen ist sowohl für die Zeit vor, wie nach dem Congresse geplant und ihre Arrangements sind dem Schweizer Reisebureau von Ruffieux und Ruchonnet in Lausanne übertragen worden. 1. Ausflüge zu Fuss in den Jura vor dem Congresse: Unter Prof. Schardt's Leitung von Genf aus in den benachbarten fran- zösischen Jura (6 Tage); unter Prof. Jaccard's Leitung in den Vaadtländer und Neufcbateller Jura (5 Tage); unter des Geologen Rollier's Leitung von Delemont aus in den Berner Jura (6 Tage); unter Prof. Schniidt's Leitung von Basel aus in den Baseler und Aargauer Jura (5 Tage); unter Prof. Mühlberg's Leitung von Aarau aus in den Aarauer und Solothurner Jura (5 Tage). 2. Ausflüge zu Fuss in die Alpen nach dem Congresse: Unter Prof. Heims Führung in die östlichen Schweizer Alpen, St. Gallen und Tessin; unter Prof. Schmidt's Führung durch die Central- alpen von Zürich bis Lugano; unter Prof. Baltzer's Führung in die Berner Alpen von Luzcrn nach dem Tessin; unter Prof. Schardt's Führung durch die Schweizer Ostalpen bis Domo-d'Ossola. Ausserdem sind zwei grössere Rundreisen geplant, von denen die eine, vor dem Beginne des Congresses, vom 15. bis 28. August, durch den Jura führen wird. Der vorgeschlagene Weg — im Ganzen 852 km — soll von Genf ausgehen, von hier zwei Tage durch die Umgegend dieser Stadt führen, dann Lausanne, Yverdon, Ste-Croix, Neufchätel, Chaux- de -Fonds, Bienne, Basel und Um- gegend, Neuhausen kreuzen und in Zürich enden. Die zweite Rundreise, nach Schluss der Sitzungen — 913 km Weges — geht durch die Alpen und dauert vom 3. bis 15. September. Sie führt von Zürich nach dem St. Gotthard, den vier Waldstädten, der Jungfrau-Region, dem Grindelwald, dem Thuner See, dem Genfer See und Rhone-Thal, dem Monte Rosa, Simplon und den Ober- italienischen Seeen. Des weiteren sind verschiedene kleinere Ausflüge nach geolo- gisch besonders wichtigen Localitäten geplant. Das Beitrittsgeld beträgt 25 Francs. Der geologische Reise- führer (300 Seiten stark, mit Croquis, Illustrationen und farbigen Profilen) kostet 10 Francs. Das Geld ist an Herrn Casp. Escher- Hess, Zürich, Bahnhofstrasse, zu senden. Dr. Alexander Theodor v. Middendorff. — Am 16. Januar starb — wie schon in der „Naturw. Wochonschr." mitgetheilt — zu Hellenorm in Livland Dr. Alexander Theodor von Middendorf im Alter von 7S'/-j Jahren, „eine Leuchte der Wissenschaft", eines der berühmtesten Mitglieder der kaiserlichen Akademie der Wissen- schaften. Er wurde am G.August 1815 als der Sohn des Directors des pädagogischen Central-Institutes zu St. Petersburg geboren. Von 1832— 1835 studirte er in Dorpat Medicin und errang sich am 2. Juni 1837 die Doctorwürde. Hierauf setzte er in Berlin, Er- langen, Wien und Breslau seine Studien fort und habilitirte sich 1839 als Adjunct der Zoologie au der Universität zu Kiew. Vom nächsten Jahre an begann sein Reiseleben, indem er an der Beer- schen Expedition in das Weisse und Eis-Meer Theil nahm. 1841 erhielt er seine Bestätigung als ausserordentlicher Professor der Wladimir-Universität und wurde 1842 von der Akademie der Wissenschaften zum Leiter der Expedition in den hohen Norden und äusseren Osten Sibiriens erwählt, wodurch er in den Dienst der Akademie übertrat. Nach seiner Rückkehr wurde er 1845 Adjunct für Zoologie, 1850 ausserordentlicher, 1852 ordentlicher Akademiker; von 1855—1857 war er ständiger Secretär der Aka- demie und von 1859—1860 Präsident der Kaiserlichen Freien Oeconomischen Gesellschaft zu St. Petersburg. In dem letzt- genannten Jahre erhielt er die Erlaubniss, als Akademiker ausser- halb der Hauptstadt zu leben und begab sich auf seine Güter Hellenorm und Pöddafer, nahm jedoch 1865 gänzlich seinen Ab- schied. Die Akademie ernannte ihn zu ihrem Ehrenmitgliede. Lange sollte er jedoch nicht Ruhe haben, denn schon 1867 bereiste er mit dem Grossfürsten Ale.xei Alexandrowitsch das Mittelmeer und den Atlantischen Ocean, und besuchte die Kanarischen Inseln und die Inseln des Grünen Vorgebirges. 1869 machte er dann mit dem Grossfürsten Wladimir Alexandrowitsch eine Reise in das mittlere und südliehe Sibirien, und ein Jahr später sehen wir ihn wieder zusammen mit dem Grossfürsten Alexei auf dem Wege nach dem Norden Russlands, dem Weissen Meere, Nowaja Semlja, der Nordküste Europas und Island. 1873 trat Middendorft' seine berühmte Reise in das Feoghena-Gebiet an, welche Stoff zu einer hochinteressanten, praktisch wie wissenschaftlich bedeutenden Schrift bot. In den 80er Jahren endlich erhielt er von der Re- gierung den Auftrag, den Norden Russlands zu wissenschaftlichen Zwecken zu bereisen. Der Tod hat der Wissenschaft in Middendorft' einen Mann entrissen, welcher als Reisender, Schriftsteller und Administrator ungewöhnliche Thaten und Leistungen vollbracht hat. Besonders in ersterer Eigenschaft hat er der Wissenschaft in der auf- opferndsten Weise gedient, wobei ihn sein kräftiger Körper und reger Geist, die Abhärtung gegen Strapazen alier Art und die Gewandtheit im Gebrauche der russischen Sprache auf das wesent- lichste unterstützten. Von seinen Werken sind als besonders hervorragend zu nennen: „Bericht über die oruithologischen Ergebnisse der natur- historischen Reise nach Lappland während des Summers 1840'; „Reise in den äussersten Norden und Osten Sibiriens während der Jahre 1843-1844"; „Die Isopipteren Russlands (1855); „Die Anforderungen des Cavalleriewesens an die Pferdekunde"; „Die Barabä"; »Der Golfstrom ostwärts vom Nördkap" (1870); „Ein- blicke in das Fcoghenathal" etc. etc. In der wissenschaftlichen Welt stand Middendorf in hohem Ansehen, wie die vielen Zeichen von Anerkennung und Verehrung beweisen, welche ihm von wissenschaftlichen Gesellschaften etc. zugingen. Bis 1887 waren 13 Thier- und 11 Prlanzenarten mit seinem Namen benannt. Es ist in der kurzen von uns gegebenen Uebersicht nicht im Entferntesten möglich, ein Bild von der grossen Thätigkeit des Nr. 10. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 12« verstorbenen Gelehrten zu geben; so viel dürfte jedoch ans der obigen Zusammenstellung ersichtlich sein, dass in dem Dahin geschiedenen ein Mann gestorben ist, der seinem Vaterlande und der Wissenschaft bedeutende Dienste geleistet hat. Mit Wehmuth, aber auch mit Stolz können seine Landsleute in Erinnerung an ihn das Wort Goethe's gebrauchen: „Denn er war unser, mag das stolze Wort Den lauten Schmerz gewaltig übertönen " M. F. Litteratur. Brockhaus' Konversations - Lexikon. 14. vollständig neu- I bearbeitete Auflage. In 16 Bänden. 9. Band Heldberg - Juxta. Mit 150 Tafeln, darunter 9 Chromotafeln. 11 Karten und Pläne, 192 Textabb. F. A. Brockhaus. Leipzig, Berlin und Wien 1894. — Preis 10 M. Die verschiedenen Auflagen von Brockhaus' Konversations- Lexikon spiegeln ihre Zeit in hervorragender Weise wieder, ganz besonders die vorliegende auf politischem Gebiete : alier auch die anderen Disciplinen sind in hinreichender Weise vertreten. Unter den 5 Kartentafeln ist eine, welche die Truppendisloeation in Italien darstellt. Diesem Lande sind nicht weniger als 138 Spalten gewidmet. 8 Tafeln sind der Italienischen Kunst gewidmet, der Kunst überhaupt im Ganzen 18 Tafeln, unter ihnen 7 Chromo- tafeln. L. Fletcher, Die optische Indicatrix. Eine geometrische Dar- stellung der Lichtbewegung in Krystallen. Uebersetzt von H. Ambronn u. W. König. Johann Ambrosius Barth (Arthur Meiner). Leipzig 1893. — Preis 3 Mk. „Die Bedeutung des vorliegenden Büchleins liegt ausschliess- lich in seiner Methodik". Mit diesen Worten kennzeichnen die Uebersetzer gleich zu Anfang den Zweck der Abhandlung. Die- selbe leitet die bekannten optischen Eigenschaften der doppel- brechenden Krystalle auf einem neuen, höchst originellen Wege ab, der vor den früher eingeschlagenen den Vorzug aufweist, dass man den thatsächlichen Sachverhalt klarstellt, ohne irgend welche Vorstellungen über die Natur der Lichtschwingungen zu Grunde zu legen. Bekanntlich besteht die Wellenfläche bei ein- axigen Krystallen aus einem Rotations - Ellipsoid und einer mit ihm concentrischen Kugel. Die erstere Fläche liefert bei der Huyghens'schen Construction den ausserordentlichen Strahl, die letztere den ordentlichen. Fletcher zeigt nun. dass das Rotations- Ellipsoid allein ausreicht, um die Eigenschaften der gebrochenen Strahlen zu bestimmen. Diese Bestimmung erfolgt durch die geometrischen Eigenschaften eines zugeordneten Punkts auf der Ellipsoidfläche. Die Richtung des Strahls ist die eines Durch- messers, der die Normale des Ellipsoids an jenem Punkte recht- winklig schneidet; die Geschwindigkeit ist dem dadurch be- stimmten Abschnitt der Normale umgekehrt proportional, die Po- larisationsebene des Strahls steht senkrecht zu ebenderselben Normalen. Die ordentlichen Strahlen gehören danach zu Punkten auf dem Aequator des Ellipsoids. Fletcher bezeichnet nun dieses Ellipsoid, das zur Bestimmung der Strahlen dient, als „Indicatrix". Eine naheliegende Verallgemeinerung führt nun dazu, als Indica- trix optisch zweiaxiger Krystalle ein dreiaxiges Ellipsoid an- zunehmen, das der Form nach mit dem „Elasticitätsellipsoid" an- derer Autoren identisch ist. In der That ermöglicht diese Bezugsfläche die Ableitung aller, Eigentümlichkeiten der Wellen- bewegung in optisch zweiaxigen Krystallen. wie die mit grosser Vollständigkeit in der vorliegenden Abhandlung gebotene Durch- führung der Rechnung beweist. Recht glücklich finden wir die dabei eingetretene Ersetzung der Bezeichnungen „primäre" und „seeundäre optische Axen" durch die Worte „Binormalen" und „Biradialen". — Uebrigens ist die vorliegende deutsche Ausgabe gegen das englische Original wesentlich gekürzt, indem sie von den fünf Kapiteln desselben nur das zweite und vierte wieder- giebt, durch welche der eigentliche Zweck des Büchleins in aus- reichender Weise erreicht wird. F. Kbr. Annalen des K. K. K aturhistorischen Hofmuseums. Redi girt von Dr. Franz Ritter von Hauer. VIII. Band. — 1893. Mit vierzehn Tafeln und 119 Abbildungen im Texte. Wien 1893 Der stattliche, vornehm ausgestattete Band in Gross - Octav bringt folgende Arbeiten: 0. Finsch, Ethnologische Erfahrung und Belegstücke aus der Südsee. Dritte Abtheilung: Mikro- nesien (West-Oceanien). Die als beschreibender Catalo i ner Sammlung im K. K. naturhistorischen Hofmuseum in Wien an gelegte, umfangreiche Arbeil des bekannten Süd ee Rei i i len überschreitet weit den Rahmen eines blossen Verzeichnisses nw\ stellt sich als sine ebenso fleissSge als bedeutende ethnographische Monographie der betreffenden Gebiete dar. Aeltere Arbeiten dar- über werden einer sich meist auf eigene Beobachtungen stützenden Kritik unterzogen; so bildet vor allem die vorliegende Arb eine wichtige Ergänzung des beschreibenden Cataloges des Mu- seum Godeffroy in Hamburg und der schwer zugänglichen Stu lien des Mikronesien - Reisenden S. Kubary. Nachdem in einet- Ein- leitung ein Ueberblick in anthropologischer und ethnologischer Beziehung über 'las ( le.saimntgcbiet gegeben ist, werden die ein- zelnen Insel -Complexe einer genaueren Untersuchung in der fol- genden Anordnung unterzogen: Gilbert - Archipel, Marschall- Archipel und Carolinen (1. Kuschas, 2. Ponape, 3. Ruk und Mortlock). Die Behandlung der einzelnen Gruppen wird jedesmal eingeleitet durch einen kurzen geschichtlichen Abriss, eine Ueber- sicht der Literatur, einen geographischen, floristischen, faunistischen und statistischen Ueberblick, es wird ferner der Missions- und Schutzherrschafts- Verhältnisse gedacht, und dann erst tritt der Verfasser in die nähere Erörterung der anthropologischen und ethnologischen Verhältnisse ein. Ein Nachtrag zu den früher veröffentlichten Abschnitten bildet den Beschluss der Arbeit. Hierzu acht Tafeln und 65 Textfiguren. — Emil Rzehak, Cha- rakterlose Vogeleier. Verf. hat eine Anzahl von Gelegen der 3 Krähen-Arten Corvus corone, C. cornix und C. frugilegus unter- sucht und kommt zu dem Ergebnisse, dass die Eier dieser 3 Spe- cies im Gegensatz zu manchen anderen Vögeln keine die Art andeutenden Charaktere besitzen (daher charakterlose Eier). — G. Linck, Ueber das Krystallgefüge des Meteoreisens. Nach Tschermak und Brezina werden die Meteoreisen gemäss ihrem Gefügein drei Gruppen getheilt: 1. „Octaödrische Eisen" mit scha- ligem Aufbau nach den Octaederflächen, 2. „hexaedrische Eisen" mit einheitlicher Spaltbarkeit durch das ganze Individuum und 3. Eisen mit scheinbar unregelmässig feinkörniger Structur. Bei der ersten Gruppe treten auf polirten Flächen die Widman- stätten'schen Figuren, bei der zweiten theilweise die Xeumann- schen Linien auf. Der Verfasser hat gefunden, dass das sog. „uctaödrische Eisen" polysynthetischen Zwillingsbau nach (len vier Flächenpaaren des Oct. zeigt (die Octaederfl. sind Zwillings- ebenen und Vevwachsungsflächon zugleich!, dass zahlreiche „oct. Eisen1' (in Uebereinsthnrnung mit Rose) innerhalb der einzelnen Lamellen gleichfalls Neumann'sche Linien zeigen, und dass nach allem nur die chemische Zusammensetzung des oct. und hexaedr- Eisens verschieden sein könnte. — A. Hand 1 i rsch, Neue Arten der Gattung Gorytes Latr. (Hymenopteren). Beschreibung von 8 neuen Species des genannten Genus. - Toula, Die Miocänab- lagerungen von Kralitz in Mähren. Bei Gelegenheit der Ausfüh- rung von Bahnarbeiten entdeckte der Ingenieur Pelz bei dem mährischen Orte Kralitz ein bisher noch unbekanntes, petrafacten- reiehes Tertiärvorkommen. Dasselbe ist das in Mähren am wei- testen nach Westen vorgeschobene und Iässt deutlich zwei Horizonte unterscheiden: einen unteren, aus mürben, gelblich oder grünlich gefärbten Mergeln bestehenden, welcher sich durch das stellen- weise massenhafte Vorkommen von Pecten denudatus als zum Schlier gehörig erweist, und einen oberen, aus lockeren, fossilienreichen Mergeln bestehenden, die viele Knollen von Litho- thamnien enthalten. Die vorläufige Bestimmung Hess bereits 243 Arten erkennen und eine eingehende Untersuchung wird die Zahl derselben noch wesentlich vermehren. Besonders ins Auge fällt die grosse Zahl der Foranunifera. deren bislang constatirte Arten sich auf mehr als 115 belaufen. Des weiteren hat die Fauna bis jetzt 1 Spongie, 4 Anthozoen, 3 Arteroidea, über 15 Echi- noidea, 5 Anneliden, über 84 Bryozoa, mehrere Brachiopoda, 13 Lamellibranchiata, 2 Gastropoda, mehrere Crustacea, und vor schiedene Fisch-Species erkennen lassen. — A. Zahlbruckner, Pannaria austriaca. Beschreibung einer neuen flechte. 1 Tafel. — F. Berwerth, Leber Alnöit von Alnö. Studien über eine durch Rosenhusch von den Melilithbasalten abgetrennte Gruppe. 1 Tafel — F. F. Kohl, Ueber Ampulex Jur. (s. 1.) und die damit enger verwandten Hymenopteren - Gattungen. Die vorliegende Arbeit bildet eine Vorstudie zu einer Monographie der zu einer Gruppe zu vereinigenden Gattungen Ampulex Jur. (s. 1 ). Aphe- lotoma Westw., Trirogma Westw. und Dolichurus Latr. Hierzu 3 Tafeln. — F. Siebenrock, Das Skelett von Uroplates fimbri- atus Schneid. (Osteologische Studie). 1 Tafel - Des ferneren enthält der Band den Jahresbericht über .las K. K Naturhisto rische Hofmuseum, Inhalt: Professor Dr. F. Wahnschaffe: Geologische Reisebilder aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika. (Mit Abbild.) — Anthropopithecus erectus. — Ueber Picus (Dendroeopus) major (Koch) Lin. - Culturversuche mit „ruhenden" Samen. - Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Brockhaus' Konversations-Lexikon. — L. Fletscher: Die optische Indicatrix. - Annalen des K. K. Naturhistorischen Hofmuseums. 128 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. Nr. 10. PATENTE ^«M?', in allen Landi i n iliircli meodorovic & C« ISERl/IN SW. Thurmstr. 14. iit 1877 über 11000 Patente. Mikroscope n. Spectral- apparatÖ wegen Aufgabe dieser Artikel preiswerth ver- käuflich, iul. Peters, Optiker, Berlin NW.« Hessische-Str. 12. GLOBUS. Illustrierte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde. Begründet 1862 vou Karl Andree. Herausgegeben von Richard Andree. Vereinigt seit 1894 mit der Zeit- schrift DAS AUSLAND. Jährlich -! Bände in 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und PoBtan&talten zum Preise von 12 Mark für den Band zu beziehen. Deutsche Zeitung« -Preisliste für 1894, Nr. 2663. Probe- Nummern gratis und franco. Verlag vou JFriedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig. atent- u.techn. Bureau Fritz Schmidt BERLIN N., Chaussee-Str. 2a. Sauerstoff [in Stahlc.ylindei'n«J Dr. Th. 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In elcg. Holzrahmen M. 160.— . 3. Geognostische Reliefkarte vom Kaiserstuhl i.B. um Grundlage der topographischen Landesaufnahme und der geognostischen Karl.' von A. Knop (Leipzig 1892 ; modellirt von Dr. Fr. Vogel. Maass- 3tat] 1:25, vierfache üeberhöhungj In elegantem schwarzen Holz- rahmen M. 50.—. Verlag der Aschendorff'schen Buchhdlg., Münster i./W. K? Beckhaus, " m\n !Sn,; Ära höh Üpffäfen. Qic in t>cv 'JSi-oviii,; 2tti'ftfa(cn luilb Hindifcitbcii ©efäfc ^flanjen. 9t ad) beei Serf Sofae fjerauägegeben oon ftaffe, Sefirer in Sffiitten. XXIV. 1096 ©. Su. Sßreii 10 9JII Verlag von Gustav Fischer in Jena. Vor Kurzem sind erschienen: Dr. August Schulz. Grundzüge einer Entwicklungsgeschichte der Pflanzenwelt Mitteleuropa'« seit dem Ausgang- der Tertiärzeit. Preis: 4 Mark. Dr. Eduard Strasburger. a. o. Professor der Botanik an der Universität Bonn. lieber das Saftsteigen. lieber die Wirkungssphäre der Kerne und die Zellgrösse. Preis: « Mark SO Pf. Dr. August Weismann. Professor in Freiburg i./Br. Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Preis: « Mark. ff « 5 ■ aBT" nntvltnmit ßcfeciljlirliftc« futter. [iU'nu6KUCH6n Ü'onujl. $reui;. Silberne StacttSmebaiflc. uwuwvubmivii, Qmtnet 18,.3U SD«. Sßrobe 5 kg poftfrei 2,80 SRI ßofliinol Floicph Swiebod im' 9luijud)t uon .plmcni, Jniaimi, tf eiiuyei-r iciduii- 2:nuben. gtr. 19 DHr, Sßro&e 5 kg poftfr. 3 SD«. Berliner Huiidelüicheii-Falmi J. Kayser in TenmelM bei Berlin, Neu! Hectographen-Papier. Neu! Einfachstes und billigstes Vervielfältigungsveifahren. Kein Ab- waschen mehr! Ein Original liefert 100 gute Copien in schwarzer, rother, violetter oder grüner Farbe. Prospecte und Schriftproben versendet gratis und franco die Fabrik von AUGUST RAD1CKE, BERLIN, Gneisenanstr. 61. 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Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Berlin N. 4., Invalidenstr. 44, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den 18. März 1894. Nr. 11. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Bringegeld bei der Post 15 •) extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. f Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 -&. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannabme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist mir mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Das Alter der Festländer. Von Dr. Max Fiebelkorn. Uie Frage, ob die Continente im Laute der geolo- gischen Perioden in ihren Umrissen wesentliche Verände- rungen erlitten haben, oder ob sie sich während dieser Zeit in ihren Hauptzügen gleich gehlieben sind, ist schon seit einer Reihe von Decennien eine viel umstrittene. Drei Richtungen unter den Geologen stehen sich hei dem Ver- suche, dieselbe zu lösen, gegenüber. Die eine schliesst sich der Auffassung Lyell's an, welcher, auf der Lehre: Playfeir's und L. v. Buch's von den säkularen Hebungen und Senkungen fussend, die Ansicht vertritt, dass im Laute der geologischen Perioden ganze Continente in den Mecres- fluthen verschwinden, um anderen Platz zu machen, und dass die Unirisse der Festländer sich nur für die einzelnen geologischen Formationen gleichbleiben, während sie im Laute längerer Perioden in ihren Umrissen weitgehenden Veränderungen unterworfen sind, so dass in einer Periode die Landvertheiluug mit der welche Aehnlichkeit besitzt. Die beiden anderen Richtungen gehen von den Resul- taten aus, welche die Challenger Expedition bei ihren Tiefseeforschungen gewonnen hat. Einzelne Forscher, wie Neumayr, sind der Ansicht, dass gerade diese Er-: der früheren kaum irgend viele Ablagerungen aus früheren gebnisse uns nöthigen Perioden als echte Tiefseebildungen anzunehmen und so- mit den Umriss der Continente nicht als etwas Unver-; änderliches zu betrachten, während nach anderen Geologen, wie Dana, Geikie, Wallace und Agassiz, die Ablagerungen der tiefsten Wannen der Oceaue im Laufe der geolo- gischen Perioden niemals aus dem Meere emporgetaucht sind, und mithin kein Theil der heutigen Festländer als Tiefseebildung zu betrachten ist. Besonders Agassi/, ist zu dem Resultate gekommen, dass die Gestalt der Fest- landsmassen innerhalb der 200- Fadenlinie sich seit den ältesten Zeiten unverändert erhalten habe. Die Auffassung Lyell's ist wenig geeignet, sich Ari- der zu verschaffen, da die Existenz der säkularen Hebungen und Senkungen der Festländer sehr fraglich und unwahrscheinlich ist; sollten dieselben jedoch wirk- lieh vorhanden sein, so könnte, wie Neumayr gezeigt hat, aus ihnen höchstens auf eine langsame Verminderung der Abplattung des Erdsphäro'i'ds geschlossen werden, wodurch sich solche Veränderungen in der Lage der Continente, wie sie Lyell annimmt, unmöglich erklären lassen. Wir können daher die Lyell'sche Ansicht als unwichtig über- gehen und beschäftigen uns im Folgenden nur mit den beiden anderen Annahmen, welche sich auf die Resultate der Challenger Expedition stützen. Wir werden versuchen, den Nachweis zu führen, dass die Umrisse der Festländer sich im Laufe der geologischen Perioden im allgemeinen gleich geblieben sind, zu welchem Zwecke wir zunächst die Tiefseeablagerungen der Jetztzeit betrachten, um dann zu untersuchen, ob Tiefseeablagerungen aus älteren Perioden bekannt sind. Aus den gewonnenen Resultaten ergeben sich dann weitere Schlüsse. a) Die Tiefseebildungen der Jetztzeit*). Als Tiefseeablagerungen der heutigen Meere werden alle Bildungen betrachtet, welche ausserhalb der 100- Fadenlinie entstanden sind. Sic umfassen die pelagischen und einen Theil der terrigenen Ablagerungen. Die beiden letzten Abtheilungen zerfallen wiederum je in eine Anzahl von Unterabtheilungen, wie nachfolgende Ucbersicht zeigt: *) Vergl. dazu: John Murry and A. F. Ronard. Report on Deep-Sea Deposits bäsed on the speeimens, eöllected dufirig tfie voyage of H. M. S. Challenger in th'e ycars 1872 to 1876. London 1891. Dazu stehe.: K. Futterer. Referat aus dein N. Jahrb. f. Min. etc. lü'JÖ. li. Band. 130 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 11. Tiefsee- Ab- lage- rungen. Rother Thon Radiolarienerde (ooze) Diatomeenerde Globigerinenerde Pteropodenerde Blauer Schlamm (mud) Rother Schlamm Grüner Schlamm Vulkanischer Schlamm Korallen-Schlamm I. Pelagische Ablagerungen. II. Terrigene Ablagerungen. den temgenen Ab- Aus Zweckmässigkeitsgründen mit lagerungen beginnend, unterwerfen wir dieselben hier nur einer kurzen Betrachtung. Vulkanischer Schlamm wie Korallen-Schlamm bilden sich um submarine Vulkane resp. Korallenriffe, der grüne Schlamm kommt im tiefen Wasser nicht vor, sondern tritt in der Regel zwischen IOC) und 900 Faden an Steilküsten auf, an denen keine Flüsse münden, der rothe, nur von der brasilianischen Küste her bekannte Schlamm verdankt seine Existenz wohl dem Latent, welcher durch die an der Ostküste Brasiliens mündenden Flüsse in das Meer geführt wird. Der blaue Schlamm endlich tritt im tiefereu Wasser um continentales Land und in den tieferen Theilen von Seebecken auf. Wir sehen mithin in diesen terrigenen Sedimenten Absätze, welche aus der mechanischen Abtragung der Festländer hervor- gegangen sind. Die fünf ebengenannten Arten von terri- genen Ablagerungen sind daher nicht eigentlich Tiefseeab- lageruugen, sondern stellen Uebergangsbildungen zwischen den Seichtwasserablagerungeu und den echten Tiefsee- bildungen dar. Diese letztgenannteu Bildungen haben den Namen „Pelagische Ablagerungen" erhalten und sind für unsere weiteren Untersuchungen von viel grösserer Wichtigkeit, als die soeben abgehandelten. Was zunächst die Pteropodenerde betrifft, so ist sie durch üebergänge mit der Globigerinenerde verbunden und nur als locale Abart der letzteren zu betrachten. Die Schalen der Pteropoden und Heteropoden, welche sie zu- sammensetzen, zeigen sich nur bis zur Tiefe von 2000 Faden. In grösseren Tiefen fehlen sie. Am typischsten zeigen sie sich in Tiefen, die nicht unter 1400 Faden hin- aus gehen. Die Globigerinenerde unterscheidet sich von der Pteropodenerde hauptsächlich durch den geringen Procent- satz von Organismen mit Kalkschalen, welche nicht Fora- miniferen sind. Ihrer Zusammensetzung nach besteht sie hauptsächlich aus Foraminiferen, welche besonders durch die Gattungen Globigerina, Orbulina und Pulvinulina ver- treten sind. Ihre Schalen liegen theils vollständig er- halten, theils zerbrochen, in ungeheuerer Menge auf dem Meeresboden. Jedoch rührt das Material, welches die Foraminiferen für die Bildung der Globigerinenerde liefern, wohl sicher nicht von Wesen her, welche auf dem Meeres- boden leben, sondern von frei schwimmenden Thieren, deren Schalen nach dem Tode ihrer Träger in die Tiefe sinken. Dafür spricht besonders der Umstand, dass aus grösseren Tiefen nie ein lebendes Exemplar emporgebracht wurde, während solche an der Oberfläche in unendlichen Mengen erbeutet wurden. Ausser den genannten Gat- tungen spielen in der Globigerinenerde noch viele andere Genera eine Rolle, so besonders die Kokkolithen, kleine, runde oder elliptische Kalkscheibchen mit einem Kern in der Mitte, die Rhabdolithen, winzige, stabförmige Kalk- theilchen, und die Rhabdosphären oder Stabkugeln. Die Natur- und systematische Stellung dieser kleinen Wesen ist noch durchaus zweifelhaft; durch die Untersuchungen Whyville Thomson's hat sich zwar gezeigt, dass die Kok- kolithen als isolirte Fragmente der Coccosphaeren zu be- trachten sind, jedoch ist die Herkunft aller dieser kleineu Organismen immer noch in ein dichtes Duukel gehüllt; es ist sogar sehr zweifelhaft, ob man es hier wirklich mit Lebewesen zu thun hat. Von mineralischen Bestandteilen trifft man in der Globigerinenerde besonders Mengen von Fragmenten vulkanischer Gesteiue, Glas, Hornblende, Plagioklas u. dgl. Die typische Entvvickclung der Globi- gerinenerde zeigt sich in ca. 2000 Faden Tiefe. Die nun folgende Diatoineenerde stellt eine in nassem Zustande gelbliche, getrocknet weisse Masse dar und be- steht ausser den zu den Pflanzen gerechneten Dia- tomeen aus anderen kiesligen Organismenresten, wie Radiolarienskclette und Schwammnadeln. Koccolithen und Rhabdolithen tindeu sich in ihr nicht. Andererseits sind jedoch Gesteinsfragmente von Granit, Glimmerschiefer, gliinmerhaltigen Sandsteinen, Amphibolithen, Gneisen und Schiefern nicht selten. Die Radiolarienerde kommt nur stellenweise und in den grössten Meerestiefen vor und besteht vorherrschend aus Radiolarienschalen. Daneben zeigen sich Diatomeen- und Spongienreste, ferner durch amorphe Kieselsäure verbundene Reste von kieseligen Organismen und vulka- nischem Material. Die Farbe der Radiolarienerde ist roth, braun oder gelblich. Als letzte und wichtigste Bildung unter den pela- gisehen Sedimenten bleibt uns schliesslich noch der rothe Thon übrig. Er ist die charakteristischste Tiefseebildung und kommt überall nur in den grössten Tiefen der Oceane vor. Er ist, wie Murray nachgewiesen hat, ein Zer- setzungsproduet von Thouerdesilikateu aus subaerischen und submarinen vulkanischen Producten. Seine Farbe ist röthlich oder bräunlich, kann aber auch bläulich werden. Gewöhnlich erscheint er in Meerestiefen von mehr als 2200 Faden und fehlt deshalb im Atlantischen Ocean. An thierischen Resten ist der rothe Thon stellenweise reich, Pulvinulinen, Sphäro'idinen und Rhabdolithen neben am Meeresboden lebenden Foraminiferengattungen sind in ihm stellenweise häufig; durch zahlreiches Auftreten von Globigerinen geht er einerseits in Globigerinenerde über, während andererseits Reste von pelagischen Organis- men mit Kieselsäureskeletten den Uebergang zu der Radio- larienerde herstellen. In grossen Meugeu linden sich oft Zähne von Haifischen und die Ohrkuochen von Walen. Zähne wie Ohrknochen sind Reste von abgestorbenen Thieren, deren Kadaver nach dem Tode auf den Meeresboden ge- sunken und bis auf die eben genannten widerstands- fähigeren Reste vom Meereswasser aufgelöst sind. Be- sonders bemerkenswerth ist, dass sich unter den Haifisch- zähnen auch solche finden, deren Träger der Tertiärzeit angehören, so die Riesenexemplare der Gattung Carcha- rodon; auch Ohrknochen sonst noch unbekannter Walarten kommen vor. Neben den thierischen Resten sind anorganische Bei- mengungen ebenfalls nicht selten. Besonders bemerkens- werth sind unter ihnen mehr oder weniger zersetzte Bim- steinknollen, welche durch vulkanische Eruptionen in das Meer gelangten, einige Zeit auf der Oberfläche umher- schwammen und ganz allmählich zu Boden sanken. Da neben zeigen sich sehr häufig Mangankuollen, über deren Bilduugsweise viel gestritten ist. Am wahrschein- lichsten ist die Annahme Murray's, nach der sie durch Zer- setzung der basischen vulkanischen Gesteine und Mineralien entstanden sind. In der That finden sieh auch z. B. die Bimsteinknollen mit einer Manganrinde überzogen. Ausser- dem finden sich Kupfer, Kobalt und Nickel, welche wohl theilweise in Gestalt von Meteorstaub in das Meer kamen. Kleine magnetische Kugeln mit metallischem Kerne, welche in dem rotheu Thone stellenweise häufig vorkommen, sind Nr. 11. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 131 ebenfalls wohl kosmischen Ursprungs. Hier und da treten Krystalle von Phillipsit auf. Gesteine und Mineralien, welche direct vom Festlande herrühren, finden sich eben- falls zuweilen in grossen Stücken, und sind durch Treib- eis an Ort und Stelle gebracht, was daraus hervorgeht, dass sie nur an solchen Stellen vorkommen, wohin Treibeis gelangt. Die Mächtigkeit des rothen Thones ist überaus ge- ring; als eine Lage von wenigen Centimetern Dicke be- deckt er die Tiefen der Oeeane. Besonders interessant und für die überaus langsame Entstehung des rothen Thons charakteristisch ist der Umstand, dass die Haifisch- zähne der Tertiärzeit nicht unter solchen der Jetztzeit liegen, sondern die Zähne aus beiden Foimationen neben einander ruhen. b) Tiefseeablagerungen aus älteren geologischen Perioden. Nachdem wir die Ticfseeablagerungcn der Jetztzeit kennen gelernt haben, fragt es sich, ob wir eben solche Ablagerungen auch aus früheren Perioden kennen. Hier- bei können wir denTheil der Tiefseeablagerungen, welcher zu den terrigenen Bildungen gehört, als unwichtig über- gehen, da solche Bildungen in der Nähe des Festlandes vorkommen und theils als locale Absätze, wie der rothe Schlamm, entstanden sind, theils sich, wie der vulkanische und Corallen-Schlamni, zu allen Zeiten gebildet haben müssen. Es bleiben uns mithin nur die pelagischen Ab- lagerungen zum Vergleiche mit den Bildungen früherer Formationen übrig, wobei wir unzweifelhaft annehmen dürfen, dass in früheren Perioden die gleichen Bedingungen für die Bildung der Tiefseeablagerungen geherrscht haben, wie heute, zumal in der That Tiefseeablagerungen bekannt sind, welche denen der Jetztzeit vollkommen entsprechen. Jedenfalls sind wir nicht berechtigt, die Bedingungen für die Entstehung der Tiefseeablagerungen nach unserem Geschmacke umzumodeln. Eine derartige Willkür sehen wir z. B. bei Neumayr*), welcher einerseits leugnet, dass der Manganreichthuui der Tiefseeablagerungen zu allen Zeiten derselbe gewesen sein muss, während er anderer- seits annimmt, dass der rothe Thon, entsprechend der heutigen Mächtigkeit seiner Absätze, auch in früheren Foimationen nur als „ein äusserst unscheinbarer, kleiner Horizont" auftreten muss. Wir beginnen wiederum mit der Pteropodenerde, von der bereits gezeigt ist, dass sie nur als eine lokale Ab- art der Globigerinenerde aufzufassen ist und in ihr stets eingebettet liegt. Ihre entsprechende Ablagerungen aus früheren Perioden der Erdgeschichte sind nicht bekannt, was um so weniger auffällig ist, da erst aus der Jura- und Kreideformation zweifelhafte Pteropodcnreste nach- gewiesen sind, und die echten Pteropoden erst im Tertiär vorkommen, wo sie jedoch keine Ablagerungen bilden. Nicht viel anders steht es mit der Globigerinenerde, deren grosse Verbreitung in der Jetztzeit die Vermuthung nahe legt, dass die Globigerinen auch in früheren Erd- perioden eine bedeutende Rolle gespielt haben müssen. Dem ist jedoch nicht so. Allerdings werden viele Ablage- rungen als Acquivaleutbildungen der Globigerinenerde an- geführt, so vor allem die Nummulitenkalke, welche aus jenen ausgestorbenen Riesen unter den Foraminiferen entstanden sind, deren abgestorbene Gehäuse, zu Milli- arden zusammengekauft, mächtige Systeme von Kalk- steinen aufgebaut haben. Urnen schliesseu sich die Miliolidenkalke des Pariser Beckens an, aus winzigen Schälchen der Milioliden bestehend. Die weisse Kreide, soll ebenfalls der Globigerinenerde entsprechen, zumal bei Erdgeschichte I. S. 363. ihrer Zusammensetzung Foraminiferen, besonders die Tex- tularien, Rotalien und Kokkolithen eine Hauptrolle spielen. Ferner sind nach Neumayr die Fusulinenkalke der Kohlen- formation, die Alveolinenkalke des Tertiärs und eine ganze Reihe dichter Kalke, welche in Dünnschliffen die Durchschnitte zahlreicher Foraminiferen zeigen, als Aequi- valentbildungeu der Globigerinenerde zu betrachten. Trotz der grossen Aehnlichkeit jedoch, welche manche dieser Ablagerungen mit der Globigerinenerde der Jetztzeit haben, ist es sehr zweifelhaft, ob sie wirklich als Parallelbildungen zur Globigerinenerde aufzufassen sind, da nicht Globige- rinen, sondern ihnen verwandte Formen in der Zusammen- setzung der genannten Gesteine herrschend sind. Es folgt die Diatomeenerde, welche als Süsswasser- bildung bedeutende Ablagerungen hervorgebracht hat, so den Polirschiefer von Bilin in Böhmen, die Kieselgur, das Lager in der Lüneburger Heide u. a. Als marine Ablagerungen der Diatomeenerde aus früheren Perioden werden zwei Bildungen von weiter Verbreitung betrachtet: die Feuersteine und die Kicselschiefer. Erstere, deren Entstehung eine viel umstrittene Frage ist, wurden früher für Kicselschwämme angesehen, welche bei dem Ver- steinerungsproeesse ihre Form und Struktur verloren haben. Nach neueren Untersuchungen hat sich jedoch gezeigt, dass die Feuersteine aus Diatomeen, Radiolarien, Schwamm- nadeln und kieseligen Organismen bestehen, so dass also die Feuersteine als ein Aequivalent der Diatomeenerde zu betrachten wären. Dass die Kieselschiefer eine ähn- liche Zusammensetzung besitzen, haben die Untersuchungen von Gümbel und Rothpletz erwiesen, welch' Letzterer in ihnen kieselige < »rganismen, Radiolarien, Spongiennadelnetc. gefunden hat. Trotzdem ist es auch bei diesen Bil- dungen nicht sicher, ob sie wirklich der Diatomeenerde entsprechen, zumal dann die Feuersteine als Producte der Diatomeenerde schichten weise in der Kreide als Er- zeugniss der Globigerinenerde lägen, was doch sehr selt- sam wäre. Die nun folgende Radiolarienerde ist unzweifelhaft aus früheren Perioden bekannt. Eine Parallelbildung der- selben ist vor allen die dem Tertiär angehörende Radio- larienerde von Barbados: ferner gehören einige Bildungen des Unter-Silur in Schottland und gewisse lokale Ablage- rungen in der Kreide dahin. Die letzte zu besprechende Abteilung der pelagischen Ablagerungen ist der rothe Thon. Wenn wir Parallel- bildungen zu ihm in älteren Formationen suchen, so dürfen wir natürlich nicht immer Haitischzähne und Wal- tischknochen in ihnen suchen, da die Träger dieser Reste in den älteren Perioden noch nicht existirt haben; wohl aber können wir verlangen, dass die von uns gesuchten Aequivalentbildungen im übrigen dieselben Eigenthümlich- keiten aufweisen, welche den rothen Thon der Jetztzeit charakterisiren. Vor allen Dingen dürfen wir mächtige Kalkablage- rungen nicht als Parallelbildungen desselben betrachten, da sein Kalkgehalt in höheren Regionen zwar bis zu 20 °/0 anwachsen kann, in der Tiefe jedoch nur 1 — 2% beträgt. Vollständig erhaltene Molluskenschalen etc. dürfen in den Ablagerungen auf keinen Fall zu fiiiden sein, weil der feste Kalk in derartigen Tiefen, wie sie der rothe Thon einnimmt, vom Wasser gelöst wird, so dass wir hier einen schönen Kreislauf betrachten können, indem der in der Tiefe aufgelöste Kalk durch die Meeresströmmung in die oberen Regionen gebracht und von neuem von den Orga- nismen verarbeitet wird, worauf er nach dem Tode der letzteren in Gestalt von Schalen etc. untersinkt, um wiederum aufgelöst zu werden. Da nun, wie bemerkt, Kalk- ablagerungen mit Petrefaktcn nicht ais Acquivalente des rothen Thones betrachtet werden können, so fallen damit 132 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 11. auch alle jene Beispiele, welche in so grosser Zahl als ehemalige Tiefseebildungen angeführt werden, wie z. B. mächtige, an Hornstcin und Kalkspathadern reiche Kalke des oberen Jura mit wenigen Versteinerungen, besonders Aptychen, seltener Ammonitengehäusen ; ferner die rothen Ammonitenkalkc der Alpen, welche nach flüchtigen Unter- suchungen Newuayr's meist ziemlich reine Kalke darstellen, die durch Beimischungen geringer Mengen eines sehr eisen- reichen Thones gefärbt sind und nicht selten Mangan- uiid Branueisensteinknollen enthalten. Neuinayr möchte anscheinend diese Kalke, wie auch die rothen Orthoeereukalke des Silur, am liebsten als Aequivalente des rothen Thones betrachten, zumal Murray die Ansicht ausgesprochen hat, „dass eine Probe der al- pinen Vorkommnisse den Tiefseevorkommnissen unter allen ihm bekannten Gesteinen am nächsten stehe." Er fasst diese Kalke jedoch nicht ganz in der angedeuteten Weise auf, sondern stellt sie in eine Region an der Grenze zwischen der Tiefenstufe des Kalkschlammes und des rothen Thones. Hier sollen fortgesetzte Schwankungen des Wasserspiegels stattgefunden haben, wobei sich bald Kalk, bald rother Thon bildete, durch deren Vermischung dann die rothen Aunnonitenkalke entstanden. Ist es an und für sich schon unwahrscheinlich, dass die Schwankung des Wasserspiegels für jene Tiefen Bedeutung hat, so ist auch die Vermengung des Kalkschlammes mit dem rothen Thone wenig einleuchtend. Ausserdem ist durchaus nicht klar, wo wir uns die Bildung des Kalkschlammes zu denken haben. Der Ort für dieselbe könnte doch nur eine der nächsten Abtheilungen der pelagischen Ab- lagerungen sein und es müssten sich dann unzweifelhaft Dia- tomeen, Radiolarien, Globigerincn etc. in den Kalken nach- weisen lassen, was bis jetzt noch nicht geschehen ist. Wir dürfen mithin die rothen Ammonitcnkalke der al- pinen Trias, ebenso wie die rothen ( Irthocerenkalke des Silur durchaus nicht ohne Weiteres als pelagische Bil- dungen auffassen; da auch bei der künstlichen Lösung mineralogisch-reinen Kalkes sich ein rother, oft 20°/0 Eisen haltiger Rückstand zeigt, so können wir vielmehr die rotte Farbe jener Kalke als durch Anreicherung dieses Rückstandes entstanden ansehen. Ferner ist Neuinayr der Ansicht, dass überaus fein- körnige Thongesteine, welche an manchen Orten die äl- teste Trilobitenfauna einschliessen , dem rothen Thone entsprechen dürften. Indessen ist auch dies nicht wahr- scheinlich; denn einerseits besteht nur in der thonigen Beschaffenheit der erwähnten Gesteine eine Verwandtschaft mit dem rothen Thone, während ihnen Manganknollen und alle übrigen Einschlüsse des rothen Thones vollkommen fehlen, andererseits schliessen die genannten Thone auch Kalkschälen tragende Organismen ein, wodurch die Gleichstellung beider Bildungen in jeder Weise ausge- schlossen ist. Schliesslich erwähnt Neuinayr aus den ungarischen Gespanschaften Zips und Saros mächtige Kalkmassen, „welche allgemein als Tiefseebildungen betrachtet werden," in welchen eine dünne Schicht zarter rother Schieferthone mit Aptychen vorkommt. Neumayr nimmt an, dass nach Bildung der unteren Kalkschichten die Meerestiefe während längerer Zeit bedeutender wurde, so dass sich rother Thon bilden konnte und die Schalen der Ammoniten aufgelöst wurden, während ihre Deckel zuriickblieben. Auch diese Annahme Neumayr's scheint angreifbar, da auch hier der erwähnte Schieferthon nur in seiner thonigen Ausbildungsweise dem rothen Thone der Jetzt- zeit gleicht. Ein Widerspruch zeigt sich bei Neumayr auch in dem Punkte, dass sich einmal wie oben der rothe Thon mit dem sich absetzenden Kalke mischen soll, wäh- rend dies hier wieder nicht der Fall ist. Die Bildung der erwähnten dünnen Schicht von Schieferthon ist wohl nur in einer Auslaugung von Kalken zu suchen. Schliesslich werden in den Osak-Mountains im Staate Missouri, wie in der Bleiregion von Wisconsin 20—120 Fuss mächtige rothe Thone gefunden, die in ihrem Aus- sehen völlig den rothen Tiefseethonen entsprechen. Aber auch diese sind, wie das sie umlagernde Gesteinsmaterial beweist, lediglich als Zersetzungsrückstände von Kalken und Dolomiten aufzufassen. Wir sehen somit, dass die Einwände, welche gegeii den Mangel von Aequivalcntschichten des rothen Thones aus älteren geologischen Perioden gemacht werden, widerlegt werden können. Wo wir auch suchen, nirgends halien sich bis jetzt Ablagerungen gefunden, welche dem rothen Thone der Jetztzeit völlig entsprechen. c) Ergebnisse. Das Fehlen von Schichten aus älteren Formationen, welche eine Parallele zu dem rothen Thone der Jetztzeit bilden, kann somit als höchst wahrscheinlich angenommen werden; beweisen lässt sich dasselbe natürlich nicht, da der grösste Theil der Erde geologisch überhaupt noch nicht genau untersucht ist. Das gewonnene Resultat ist für uns von der grössten Bedeutung, da wir aus dem Mangel genannter Bildungen aus früheren Perioden den Schluss ziehen können, dass sich seit unendlich lauger Zeit die tiefsten Wannen der Oceane nicht über die Meeresoberfläche erhoben haben. Hieraus folgt aber mit Notwendigkeit, dass auch die Unirisse der Festländer in derselben Zeit keine wesentliche Veränderung erlitten haben können. Allerdings finden sich, wie wir gesehen haben, hin und wieder Bildungen von sicher pelagischcm Ursprünge, jedoch ist zu berücksichtigen, dass derartige vereinzelt vorkommende Bildungen als lokale Erhebungen des Meeresbodens angesehen werden können, was der vorhin ausgeschlossenen Ansicht von der Beständigkeit der abyssischen Regionen in keiner Weise widerspricht, da die oben aufgestellte Anschauung lokale Aenderungeu natürlich nicht in Abrede stellen will und kann. Ueber Oberflächenspannung und deren Umsetzung in kinetische Energie."1") Von I!. Klimpert. Wenn eine Flüssigkeit eine Veränderung in der Crosse ihrer Oberfläche erfährt, so wird eine mechanische *) Die vorliegende Arbeit wurde veranlasst durch den in- teressanten Aufsatz des Herrn Regierungsbaumeistera K. Schmidt in No. 24 Bd. VIII der „Naturw.Wochcnschr." betitelt:,, Ueber dasStrö- men von Flüssigkeiten." In diesem Aufsatze werden die Ursachen der verschiedenen Geschwindigkeiten im Querprofil eines Flusses, ab- weichend von den bisher gebräuchlichen Erklärungsarten gesucht in einem häutchenartigen Zusammenhang der einzelnen Flüssig- keitsfäden, resp. Schichten und zum Schluss wird der Wunsch aus- gesprochen; „Mögen diese Zeilen dazu dienen, die Aufmerksamkeit Arbeit geleistet, welche gleich der Oberflächenspannung, multiplicirt mit der Flächenvergrösserung ist, und dabei auf noch der Klärung bedürftige Fragen über die Bewegung des Wassers hinzuleiten. Wenn sie zur Bekanntmachung besserer Er- klärungen, wie die vorstehend versuchten beitragen, so haben sie ihren Zweck erfüllt." Herr van der Mensbrugghe sucht in der Oberflächenspannung des Wassers die Ursache von vielen Erscheinungen, welche wir bei der Wasserbewegung wahrzunehmen Gelegenheit haben; ob aber der genannte Physiker in vielen Punkten der Oberflächenspannung nicht eine zu bedeutende Rolle zuschreibt, das mögen die vorliegenden Zeilen erweisen. Nr. 11. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 133 verschwindet eine Wärmemenge, die gleich dem Producte aus der absoluten Temperatur in die Abnahme der Ka- pillaritätsconstante für einen Grad ist. Taucht man z. B. ein Drahtdreieck in Terpentinöl, die Spitze nach oben gerichtet und zieht dasselbe dann theilweise aus dem Oele heraus, so bildet sich eine minutenlang' bestehende La- melle. Nach dem obengenannten, sowohl von Thomson als auch von Mensbrugghe aufgestellten Satze muss die frisch gebildete Lamelle eine niedrigere Temperatur und damit eine grössere Kapillaritätsconstante haben, welche sie auch in Folge des Verdampfens beibehält. Es steigt daher immer neue Flüssigkeit in die Lamelle hinein und letztere ist oben dicker als unten. Mit Hilfe des an die Spitze unserer Betrachtung gestellten Satzes: „Flächen- vergrösserung = gesteigerte Oberflächenspannung = grössere Kapillaritätsconstante = Temperaturerniedrigung" sucht Herr van der Mensbrugghe die hohe Bewegungs- energie der Meereswellen, die Entstehung der hohen Fluth- wellen in sich verengernden Flussläufen, ja sogar die Gewalt des Golfstromes und andere merkwürdige und wichtige Naturerscheinungen zu erklären, welche bisher aus wesentlich anderen Ursachen gefolgert wurden. a) In Bezug auf die Energie der Meereswogen geht Herr Mensbrugghe von der durch vielfache Beobachtungen der Seefahrer sicher gestellten Thatsache aus, dass ein heftiger Wind die obersten Schichten des Meerwassers in eine fortschreitende Bewegung versetzt. Da aber der Wind zu gleicher Zeit nicht mit gleicher Intensität auf alle freien Oberflächenseliichten wirken kann, besonders wenn bei starker Wellenbewegung der Wellenberg die nachfolgende Wasserschicht vor dem Windstosse schützt, so folgt daraus, dass die von grösserer Schnelligkeit be- lebten Schichten über diejenigen gleiten, welche sich weniger schnell bewegen. Plateau und Quinke haben durch verschiedene Me- thoden gefunden, dass die Dicke der Wasserschicht, welche sich wie eine elastische Oberflächenhaut verhält, Väoooo mm lucnt überschreitet. Ebenso ist festgestellt, dass die Intensität der zusammenziehenden Kraft in der freien Oberflächenschicht für verschiedene Flüssigkeiten und verschiedene Temperaturgrade eine verschiedene ist und dass die Spannung für Wasser von 15° C etwa 7,5 mg auf den Millimeter beträgt, d. h. diejenige Kraft, welche man anwenden muss, um eine Oberflächenschicht Wasser von 1 Qmin zu verdoppeln, beträgt 7,5 mg auf einem Wege von 1 mm, also die zu leistende mechanische Arbeit, die sogenannte potentionelle Energie des Wasserspiegels pro 1 □mm ist 7,5 Millimetermilligramm. Das macht auf den Quadratmeter = 1000 000 □mm Oberfläche, da 1 kg = 1 000 000 mg und 1 m = 1000 mm hat, eine mechanische Arbeit von 7,5-1000 000 1 000 000 • 1000 : : 0,0075 mkg.*) Denken wir uns nun inmitten einer grossen Wasser- masse isolirt einen Wasserwürfel von 1 m Kante und 1 □m freier Oberfläche. Die oberste Schicht desselben hat bei Vaoooo mm Tiefe 0,0075 mkg an potentieller Energie. Wird nun durch die Wirkung des Windes diese oberste Schicht schnell auf sich selbst zusammengerafft, so wird sich die in ihr enthaltene gesammte potentielle Energie in Energie der Bewegung umsetzen, d. h. es wird eine Arbeitsmenge von 0,0075 mkg frei, während zugleich eine neue Wasserschicht von gleicher Ausdehnung bloss- gelegt wird, welche unter der andauernden Einwirkung des Windes gleichfalls aufgerollt, ein neues Quantum Be- wegungsenergie von 0,0075 mkg erzeugt und zugleich eine dritte Schicht freilegt. Denken wir uns dieses Auf- rollen der aufeinander liegenden Schiebten bis zu 1 m = 1000 mm fortgesetzt, so ergiebt sich, dass in den 20 000 x 1000 Schichten, aus denen unser Wasserwürfel zusammengesetzt erscheint, theoretisch eine Bewegungs- energie von 20 000x1000x0,0075 mkg = 150 000 mkg aufgespeichert ist, welche durch das Uebereinandcrschieben dieser Schichten bis zu 1 m Höhe frei wird. Die mechanische Arbeit, welche eine Masse in sich aufnimmt, wenn sie aus dem Zustande der Ruhe in eine Geschwindig- keit v versetzt wird, ist gleich dem Producte aus dem Gewichte dieser Masse und dem Quadrat ihrer Geschwindig- keit, dividirt durch die doppelte Beschleunigung der <: v2 Schwere , oder es ist A ->// demnach ist \/2Ai *) Vergl. G. van der Mensbrugghe, Sur Ies moyens proposes ponr calnier les Vagues de la mer. Bruxelles 1882, and Derselbe: Sur une particularitc eurieuse des cours d'eau etc. Bruxelles 1891, Hiernach kann die ganze Wassermenge von 1 cbm durch die freigewordene Bewegungsenergie eine Geschwindig- keit von 1/2.150 000- 9,81 ri9f. v= 1/ — = 54,25 in y looo erlangen. So gross wird auch, abgesehen von jeder störenden Nebenursache und von (lern kleinen Teile potentieller Energie, der sich in Wärme umwandelt, die Geschwindigkeit der Umfangs -Verminderung der äussersten Oberflächenschicht sein, welche der Sitz der zusammenziehenden Kräfte ist. Thatsächlich setzen sich die unteren Wasserschichten dieser Umfangsverminderung entgegen und werden dadurch selbst in ihrer eventuellen Eigenbewegung aufgehalten. Denken wir uns nun, das ein heftiger Wind die obersten Schichten des Meereswassers in fortschreitender Bewegung ununterbrochen über einander hinrollt, so ist es auf Grund der vorstehenden Rechnung leicht begreiflich, dass die Macht der Meereswogen eine unsere Vorstellung übersteigende Grösse annehmen muss. Es folgt zugleich daraus, dass jede Ursache, welche fähig ist, das auf- einander folgende Verschwinden der freien Oberfläehen- schichten zu verhindern, auch der Entfaltung der lebendigen Kraft der flüssigen Massen ein Hinderniss entgegenstellen wird. Eine dieser Ursachen bildet das Vorhandensein einer Oelschicht, welche sich auf der Oberfläche des Wassers mit grosser Geschwindigkeit ausbreitet. Durch eine solche Oelschicht tritt keine Verminderung, sondern eine Vermehrung der freien Wasserfläche ein, welche jetzt mit der Luft und den beiden Seiten der Oelschicht in Berührung ist, während die vorher freie obere Oelober- fläche verschwindet, sobald sich eine vom Winde ge- triebene Wasserschicht auf dem geölten Wasser aus- breitet.*) b) Bekanntlich ist die Geschwindigkeit des fliessenden Wassers in dem Querprofile eines Flussbettes an ver- *) Ueber die wellenberuhigende Eigenschaft des Oeles siehe: Beck, A. van, Heber die Eigenschaft des Oeles die Wellen zu stillen. Pogg. Ann. 57. Bd. 1842. Grossmann, Die Bekämpfung der Sturzwellen durch < »el. Wien 1892. Gerolds Söhne. Rottock, E., Die Beruhigung der Wellen durch Hei. Berlin 1887. Mittler & Sohn. Koppen, W., Verhalten der Oele und Seifen auf Wasser- oberflächen etc. „Annalen der Hydrogr. und Marit. Meteorologie. 1893. Hamburg. Kariowa, Die Verwendungen von Oel zur Be- ruhigung der Wellen. 1888 Hamburg. G. van der Mensbrugghe, < i'ut-li | iii-s Units sur ma'theorie du Filage de l'huile. Bruxelles. 1888. Klimpert, lt., Die Beruhigung der Meereswogen durch Oel. Prakt. Physik. 1892 und 1893. 134 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 11. schiedenen Stellen verschieden, und zwar nimmt sie von der Oberfläche nach dem Bette hin ab und ist am Boden und in der Nähe der Ufer am kleinsten, weil die den Wänden des Bettes näher liegenden Wassertheilehen in Folge der Adhäsion des Wassers an den Bettwänden in ihrer Bewegung um so mehr aufgehalten werden, und daher am langsamsten fliessen, während die darauf fol- gende Wasserschicht schon eine grössere Geschwindigkeit besitzt, woran sich wieder eine Schicht mit noch grösserer Geschwindigkeit anreiht u. s. f. Die grösste Strom- geschwindigkeit liegt aber keineswegs in der Mittellinie der Oberfläche, sondern in den Punkten, die ein wenig mehr als 0,3 der Tiefe unterhalb des Niveaus liegen und zwar erklärt mau diese, mit den Beobachtungen im Ein- klang stehende Erscheinung ganz allgemein aus dem Zu- sammenwirken der Boden- und Luftreibung.*) Die freie Oberfläche des Stromes steht mit der atmosphärischen Luft in Berührung, welche an dem fliessenden Wasser haftet und dadurch einen, wenn auch geringen Wider- stand herbeiführt. Nach einer Bemerkung Boileaus kann aber die merk- würdige Abnahme der Flussgeschwindigkeit gegen die Oberfläche des Wassers hin keinesfalls allein in dem AViderstande der Luft gesucht werden. Herr van der Mcnsbrugghe sucht vielmehr diese Abnahme aus der Oberflächenspannung des Wassers folgendermaassen zu erklären.**) Die freie, nur V20000 mm dicke Oberfläehen- sebicht ist beständig der Verdunstung unterworfen und deshalb bald durch eine andere Schicht ersetzt, welche, wie jede Wasserobcrflächenschicht eine Spannung von 7,5 mg pro 1 mm besitzt. Aber die zweite Schicht ver- dunstet auch und macht der nächstfolgenden dritten Schicht Platz, welche dieselbe Verwandlung erleidet. Es entstehen hierdurch auf einander folgende Verzögerungen, deren Wirkungen sich summiren und die Bewegung der obersten Wassertheilehen hemmen.***) Man hat weiter beobachtet, dass die Oberfläche, das sogenannte Luftprofil eines Flusses selten eine gerade Linie bildet, sondern, weil die im Wasserspiegel befind- lichen Elemente mit verschiedenen Geschwindigkeiten an einander hingehen und daher gegen einander mit un- gleicher Stärke drücken, so stellen sich die schnelleren Wasserkügelchen über die langsameren und deshalb steht das Wasser im Stromstriche am höchsten und an den Ufern am tiefsten. Es wird also nicht ausbleiben, dass mehr oder weniger Wassertheilehen in benachbarte Schichten eintreten und dann durch Theilchen ersetzt werden, welche von anderen wagerechten Schichten kommen. Indem die von der Oberfläche verschwin- denden Moleküle ihre potentielle Energie verlieren, nimmt ihre Geschwindigkeit zu, während die an die Oberfläche tretenden Elemente Oberflächenspan- *) Siehe z. B. Winkelmann, Handb. der Physik. I. Band S. 390. **) Sur une particularite curieuse des cours d'eau et sur Time des eauses des crues subites. Bruxelles. 1891. **) Besonders eingehende Versuche wurden im Auftrage des amerikanischen Kongresses von 1851 bis 1861 von Humphreys und Abbot am Missisippi angestellt. Zieht man, nach diesen Forschern, an verschiedenen Punkten einer senkrechten Tiefenlinie horizontale Linien gleich den Geschwindigkeiten, so bilden die Endpunkte dieser Linien nahezu eine Parabel, welche andern tiefsten Punkte der Tiefenlinie beginnt, weil dort die Geschwindigkeit gleich Null ist, und deren Achse der Oberfläche näher liegt als dem Boden Die Achse, an deren Stelle die Geschwindigkeit am grössten ist, liegt nicht so nahe unter der Oberfläche, wie man bisher allgemein annahm, so dass also der Reibung der < »berfläehe an der Luft und vielleicht auch der Flüssigkeitshaut ein grosser Einfluss zu- geschrieben werden muss. Im Missisippi liegt nach jenen Forschern die Stelle der grössten Geschwindigkeit, der sogenannte Strom- strich, in 0,317 der Flusstiefe. nung erlangen, aber dementsprechend an Geschwindig- keit verlieren.*) Ist diese Theorie richtig, so muss bei beschleunigter Verdunstung der Widerstand der Oberflächenschichten gegen das Fortfliessen sich steigern und unigekehrt bei geringerer Verdunstung die Geschwindigkeit derselben zunehmen. Folglich muss, unter sonst gleichen Umständen, der Wasserfaden von grösster Geschwindigkeit im Winter dem Niveau näher liegen als im Sommer. c)In sehr interessanter Weise erklärt Mcnsbrugghe auch das plötzliche Steigen der Flüsse, indem er die Wasser- masse derselben als durch eine unendliche Zahl von Kügelehen gebildet annimmt und eines derselben beschreibt. „In seiner Beförderung wird unser Wassertropfen seine Tbätigkeit auf ganz andere Weise als in der Luft aus- üben. Anstatt sozusagen für sich allein zu arbeiten, wird er sich mit den Milliarden sich selbst ähnlicher Kügelehen vereinigen und diejenigen, welche an der bewegten Ober- fläche des Wassers zusammenhängende Massen bilden, werden wie ein Armeecorps manövriren." — „Hört ihr die Wasser, welche brausend das Gebirge herunter- stürzen? Angeschwollen durch den Regen und das Schmelzen des Schnees, stürzt der Bach ins Thal herab; in diesem rasenden Laufe werden aber die oberflächlichen Schichten, das sind unsere Legionen kleiner Krieger, eine über die andere hinabgesehleudert und sonderbar, sie er- werben in dem Verhältniss mehr Kraft, als sie ihre Waffen, d. i. ihre wirkungsfähige Energie verlieren. Begegnen sie auf ihrem Wege einem Hinderniss, so legen sich die Schichten mit einer erstaunenswerthen Geschwindigkeit übereinander; sie schäumen wüthend vor demselben und stürzen es sehr häufig in den Abgrund. Wird die Um- wandlung der wirkungsfähigen Energie in kinetische, bei den grossen Wassermassen, welche plötzlich von den Ge- birgen herunterstürzen, nicht eine der Ursachen der Ver- wüstungen sein, welche sie hervorrufen und welche um so trauriger zu werden scheinen, je mehr Hindernisse sie auf ihrer Bahn zu überwinden haben?" Aehnliche Wirkungen zeigen sich, wenn ein Fluss durch Nebenarme und Bäche reichlichen Wasserzufluss erhält. In einem solchen Falle büsst derselbe viele Qm seiner freien Oberfläche ein, wodurch beziehungsweise be- deutende Mengen von Bewegungsenergie frei werden, welche die Geschwindigkeit des Wassers so steigern können, dass der Fluss austritt und die umherliegende Gegend überschwemmt. Gleichwie die Entstehung fort- während neuer Oberflächenschichten eine Verzögerung in den dem Niveau benachbarten Schichten hervorruft, so ist es umgekehrt nöthig, dass das Uebereinandergleiten der freien Schichten eine Beschleunigung in den Schichten hervorruft, welche ihre potentielle Energie verloren haben. Letzteres ist aber ganz besonders der Fall, wenn nach anhaltendem Froste plötzlich Thau- und Regenwetter ein- tritt. Das Wasser vermag dann nicht in die Erde ein- zudringen und so entstehen zahllose Mengen kleiner Wasserzüge, welche von allen Seiten dem benachbarten Flusse zueilen und durch ihre Vereinigung nicht allein in sehr kurzer Zeit grosse Wassermengen anhäufen, sondern *) Kann das Wasser frei abfliessen, so bildet es nach der Länge des Flusses eine konvexe Oberfläche, wird es aber in seinem Laufe gehemmt oder gestaut, so entsteht eine coneave Krümmung in dem Wasserspiegel. Man hat ferner beobachtet, dass das Wasser, wenn es in einem Flusse steigt, in der Mitte seines Quer- profiles höher als an den Ufern steht, wenn es aber fällt, so ist im Gegentheil die Mitte tiefer als beide Ufer; im letzteren Falle wird daher das Wasser von den Ufern gegen die Mitte zuströmen und jene Körper, welche am Ufer eingeworfen werden und am Boden nicht aufsitzen, werden gegen die Mitte des Flusses ge- trieben. R. Klimpert, Lehrb. d. Hydrodynamik. IL Bd. Stutt- gart. 1893. Nr. 11. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 135 auch durch die in den oheren Schichten veranlasste Auf- hebung unermesslicher Mengen freier Oberfläche eine stromartige Thätigkeit hervorrufen. Uni die auf solche Weise entstehenden Ueber- schwemniungen und Verwüstungen zu vermeiden, bringt Herr Mensbrugghe ein überaus einfaches, billiges und leicht anzuwendendes Verfahren in Vorschlag, welches vor- kommenden Falles unbedingt einmal auf seine Wirkungs- fähigkeit geprüft werden sollte. Bei Eintritt von Thau- wetter oder wahrend anhaltenden Regens soll man in der Nähe jedes Baches einen oder zwei grosse getheerte Leinwandsäckc anbringen, die mit Petroleum oder irgend einem anderen Oelc getränktes Werg enthalten, und die durch 3 oder 4 Oeffnungcn am Grunde des Sackes kleine Mengen Oel abgeben. Die sich auf den Wasser- oberflächen bildenden dünnen Oelschichten werden dem Uebereinandergleiten der Oberflächenschichten wider- stehen, hierdurch die Erzeugung einer grossen Menge kinetischer Energie verhindern und so die Stromge- schwindigkeit massigen und reguliren. d) In analoger Weise erklärt Herr Mensbrugghe*) die Entstellung derMascara oder des Mascarets, wel- cher bei jeder Fluth in der Dordogne eintritt, sobald niedriger Wasserstand herrscht. Derselbe ist eine, bald nur wie eine Tonne, bald wie ein Haus hohe Wassermasse, die sich unweit des Einflusses der Dordogne in die Ga- ronne bildet, und mit einer grossen Geschwindigkeit und Stärke längs dem Ufer unter lautem Getöse am Ufer des Flusses hinaufwälzt. Babinet giebt folgende Beschreibung des Mascaret au der Mündung der Seine: „Während im allgemeinen, sogar an der äussersten Mündung der Seine zu Havre und Honfleur, sich das Meer zur Zeit der Fluth unmerklich allmählich hebt, sieht man im Gegentheil in dem Theile des Flusses, oberhalb und unterhalb von Quilleboeuf, dass sich die erste Welle in einen Ungeheuern Wasserfall beschleunigt, eine rollende Welle darstellend, die, hoch wie der Aufbau des Ufers, den Fluss in seiner ganzen Breite (10 — 12 km) einnimmt, alles auf ihrem Wege umstürzend, und das ungeheure Bett der Seine augenblicklich ausfüllend. Es giebt nichts Majestätischeres als diese mächtige Woge, die so plötzlich entsteht. So- bald sie an den Quai von Quilleboeuf geschleudert ist, welchen sie mit ihrem aufspritzenden Wasser überfluthet, steigt sie in dem enger werdenden Bette des Flusses weiter hinauf, welcher dadurch mit der Schnelligkeit eines gallopirendeu Pferdes gegen seine Quelle eilt. Die erschütterten Schiffe, unfähig, dem Angriffe einer so wUthenden Woge zu widerstehen, gerathen, wie man so sagt, ins Verderben. Die Wiesen des Ufers, zerstört und verwüstet durch den Strom, „schmelzen", wie der Loeal- ausdruck heisst, und verschwinden. Es giebt nichts Er- staunenerregenderes als diese furchtbaren Wogenbänke, welche man an den heitersten Tagen, bei vollkommener Windstille beobachten kann. Ein massiger Seewind unter- stützt die Bildung der Bänke, ein heftiger Wind vertheilt die Gewässer und und vermindert ihre Höhe. In tiefen Gewässern ist die Wogenbank schwach, ebenso an zu seichten Stellen." Der Grund dieser Erscheinung ist, wenigstens nach Marbach's Physikal. Lexicon, für den ersterwähnten Fall darin zu suchen, dass die Fluth aus dem Meere sich in die Gironde ergiesst, von da in die breite Garonne; wäh- rend jedoch diese schief dem Strome der Fluth sich ent- gegenstellt und von bedeutender Breite ist, stellt sich die enge Dordogne demselben in gerader Richtung entgegen, die Fluth ist also genöthigt, hoch anzuschwellen und stürzt *) Cause de la produetion des masearets k rembouchure de certains Heuves. mit desto grösserer Gewalt in den Strom ein, je weniger Wasser derselbe führt und ihr entgegenbringt. Dem gegenüber erklärt, mit Bezug auf das zweite Beispiel, Herr Mensbrugghe die Entstehung der in Rede stehenden Erscheinung dadurch, dass auf meilenweite Entfernungen hin in Folge der sieb überholenden Wogen, beträchtliche Mengen freier Oberfläche verloren werden, woraus sich eine ungeheure Bewegungskraft, in der Richtung', in welcher die fortwährende Verminderung der freien Ober- fläche stattfindet, entwickelt, d. h. vom .Meere nach dem Lande zu. Hierdurch soll auch die grosse Schnelligkeit der in der Wogenbank enthaltenden unge- heuren Wassermassc, mit welcher sie auf mehr als in Meilen hin forteilt, erklärlich sein, da in dem Maasse, wie sie die freie Oberfläche des Flusses, den sie hinauf- steigt, bedeckt, dadurch fortwährend eine Bewegungskraft, welche zum Theil die durch Schwere erlittenen Verluste wieder ausgleicht, angesammelt wird. Ein massiger Wind vermag die Woge nicht zu zerreissen, er begünstigt das Rollen der Oberfläche und die Geschwindigkeit, während im Gegentheil ein heftiger Wind, die Wogen der Küste zutreibend, eine Oberfläehenveriuehrung, also eine Bewe- gungsvermiuderung erzeugt. c) Die grossartigste Bestätigung seiner Theorie findet Herr Mensbrugghe in der Kraft des Golfstromes.*) „Dieser ungeheuere Strom verdankt bekanntlieh seine Entstehung dem grossen Aequatorialstrome, welcher von der Küste von Guinea nach Brasilien fliesst; hier theilt sich der Strom und schickt einen seiner Arme Brasilien und Guiana entlang, bald drängt sich diese ungeheuere, in Bewegung stehende Masse durch die kleineu Antillen, durch das Caraibische Meer, dann engt sie sich ein zweites Mal ein, immer heisser werdend, im Caual von Yucatan, berührt dann die Küste des Golfs von Mexiko, ungeheure Sandmassen mit sich führend, die ihre Oberflächenkraft nur noch anregen; in der Meerenge, die Florida von Cuba trennt, angekommen, engen sich die Wasser nicht nur be- trächtlich ein, sondern stürmen noch gegen die Bank von Bahaina. Durch diese fortwährende und beträchtliche Anhäufung von Oberflächenverlusten erhält der Strom, welcher von da ab den Namen Golfstrom führt, eine Be- wegungskraft, die jede Erwartung übersteigt; seine Wasser, heisser, als die ihm begegnenden Wasserschichten, eilen mit grosser Geschwindigkeit die amerikanische Küste entlaug und durchströmen, sich erweiternd und abkühlend, Hunderte von Meilen. — Diese ungeheuren kinetischen und Wärmemengen, verbunden mit beträchtlichen elek- trischen Kräften, verdanken ihr Entstehen der Umsetzung der Potentialkraft von Flüssigkeitsoberflächen in wirkliehe Arbeit, in Wärme und Elektricität." f) Schliesslich sucht Mensbrugghe auch die Erschei- nung, dass ein Flüssigkeitsstrahl, welcher durch die Mün- dung einer dünnwandigen Röhre in nahezu senkrechter Richtung emporgeschleudert wird , sich nicht bis zum Niveau im Wasserbehälter erhebt, durch die Veränderungen in der Oberflächenspannung desselben zu erklären.**) Er erachtet die Reibung an der Mündung, in Verbindung mit dem Luftwiderstande, nicht für genügende Gründe, um den bisweilen beträchtlichen Druckkraftverlust des Wasserstrahls zu erzeugen und weist inathematisch nach, dass die freie Oberfläche in den einzelnen, übereinander- liegenden Abtheilungen, aus denen der Wasserstrahl be- stehend gedacht werden kann, in dem Verhältuiss kleiner wird, als die Flüssigkeit steigt und einen grösseren Querschnitt erlangt. Er findet, dass der Druckverlust des Wasserstrahls bei derselben Flüssigkeit und derselben *i Origine de la puissanee du Golfstream. *) Cause principale de la perte de charge d'un jet d'eau. 136 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 11. Mündung-, solange der Strahl ungetheilt ist, unabhängig vom Drucke selbst, ferner proportional der Potential- kraft der angewandten Flüssigkeit und endlieh im um- gekehrten Verhältniss der Dichtigkeit der Flüssigkeit und 2Ü T des Mündungsradius steht. D. h. es ist V =— -= — , wenn Ädie sieh in Bewegungskraft umsetzende potentielle Energie, T die Potentialkraft der Oberflächeneinheit, ä die Dichte der Flüssigkeit und r den Radius der Mündung bezeichnet. Auf Grund diesbezüglicher Versuche kommt Mens- brugghe zu dem Schluös, dass die Oberflächenvermiude- rung einer Flüssigkeit nicht nur (wie von ihm früher be- wiesen) den Grund zu Wärme- und Eiektricitätsentwicke- lung giebt, sondern auch, dass ein Theil l der verlorenen Potentialkraft sich wirklich in kinetische Energie umsetzt; und zwar entwickelt sich beim Verschwinden von 1 Gm Oberfläche eine kinetische Energie von ungefähr 0,0075 mkg (s. Prakt. Physik No. 1, 1893, Seite 14), welche in der Richtung der Schwerkraft wirkt. Die Erscheinung, dass ein durch eine kleine Oeffnung emporsteigender Wasser- strahl bei geringem Drucke fortwährend steigt und sinkt und bisweilen ganz aufhört, hat nach der vorstehenden Theorie ihren Grund in der Bewegungskraft, welche dem Wasser in Folge der Schwere eigen ist, welche aber durch die Entwickelung der entgegengesetzt wirkenden Kräfte, die ihren Sitz in der freien Oberfläche der Flüssigkeit haben, wieder vernichtet wird. Die vorerwähnte, ausführlich dargelegte Hypothese, wonach das Uebcreinandergleiten der freien Wasserflächen eine Beschleunigung in denselben bewirkt, während die Entstehung fortwährend neuer Oberflächenschichten eine Veränderung in den Wassermolekülen hervorruft, hat etwas über- aus Bestechendes und Ueberzeugendes, und Herr Mens- brugghe erklärt mit Hilfe derselben in eleganter Weise leicht und einfach die verschiedensten Erscheinungen. Trotz- dem scheint Herr Koppen nicht unrecht zu haben, wenn er behauptet, dass Herr Mensbrugghe in diesen Punkten wahrscheinlich erheblich zu weit geht, und welcher die Deutung des Vorganges, betreffend die Beruhigung der Meereswogen durch Gel, eine sehr gezwungene nennt, „die schon dadurch hinfällig wird, dass bei der so auffälligen Glättung der kleinen Windrippen auf dem Wasser bei ruhigem Wetter von einem Aufschichten von Wasser auf die Oelschicht gar keine Rede sein kann."*) *) Dr. W. Koppen, Verhalten der Oele und Seifen auf Wasser- oberflächen and Rolle der < (berfläehenspannung bei Beruhigung der Wellen. Separat-Abdruck. Zugleich muss hier besonders darauf hingewiesen werden, dass die Oberflächenausdehnung des Meeresspie- gels im Grossen und Ganzen als eine nahezu unveränder- liche anzusehen ist und dass schon in Folge hiervon eine wesentliche Veränderung in der Gesamintheit der poten- tiellen Energie der wellenbewegten Wasseroberfläche resp. ein grosser Gewinn an freiem Arbeitsvermögen gar nicht in Rechnung zu bringen ist. Je heftiger der Wind bläst, je höher die Wogen gehen, und je mehr sie sich in schäumende Wellenkämme auflösen, um so mehr müsstc (nach der in Frage stehendeu Hypothese), da hierdurch immer neue Oberflächenschichten mit gebundener Energie, ganz besonders in dem sprühenden Gischte der sturmge- peitschten Spitze des Wellenberges, entstehen, eine Gegen- wirkung des Windes, eine Verzögerung der darunter liegenden Wassermassen eintreten; denn Herr Mensbrugghe bemerkt in Bezug auf die Erscheinung des Maskarets selbst, dass ein heftiger Wind, die Wogen der Küste zu- treibend, eine Oberflächenvermehrung, also Bewegungsver- minderung erzeugt. Dasselbe muss demnach auch bei gesteigerter Wogenbildung auf dem Meere eintreten, wäh- rend bei ruhiger werdender See eine Verkleinerung der gesammten Oberfläche, also das Freiwerden einer ent- sprechenden Menge Energie der Bewegung, wieder der Wirkung des sieh legenden Windes entgegen, zu konsta- tiren wäre. Das sind Widersprüche der Erfahrung, welche das Bestehen der zu Grunde gelegten Hypothese in Frage stellen. Eine Steigerung der Bewegungsenergie durch Wogen- bildung findet auch nach Herrn Köppen's Ansicht nicht statt; derselbe macht vielmehr darauf aufmerksam, dass, eine gleichmässige und kreisförmige Orbital bewegung der Wassertheilchen in der Welle, sowie eine Fortpflanzungs- richtung der letzteren vorausgesetzt, jedes Quadratcenti- raeter Oberfläche in dem Verhältniss ., Wellenhöhe : Wellen- länge" = li : z beim Vorübergehen der Welle gedehnt und zusammengedrückt wird, und dass beim Sinken der Wassermoleküle in das Wellenthal ebenso viel actuelle Energie verbraucht wird als bei der Hebung auf den Wellenberg wieder frei wird.*) Von einem wesentlichen Plus an frei werdendem Arbeitsvermögen kann hiernach nicht die Rede sein. (Schluss folgt.) *) Ebenda. Die Stelle muss wohl umgekehrt lauten, also statt „actuelle" vielmehr „potentielle" eingesetzt werden, nach der Regel „Flächen vergrösserung = gesteigerte Oberflächenspannung", und höhere Lage um so grössere potentielle Energie, die beim Niederfallen in das Wellenthal wieder frei wird. Die Folgen der Zucht in engster Blutsverwandt- schaft (Incestzucht) hat Dr. Ritzcma Bos in den letzten Jahren eingehend studirt und kürzlich (vgl. Biolog. Cen- tralblatt 14. Bd. No. 3 Seite 75 ff.) darüber berichtet. — Die Erfahrung der Viehzüchter geht bekanntlich dabin, dass lange Zeit fortgesetzte Zucht in engster Blutsverwandt- schaft ungünstige Resultate liefert. R. B. hat nun während mehr als 6 Jahren, also durch mehr als 30 Generationen, Ratten (Mus decumanus) in engster Blutsverwandtschaft gezüchtet und sehr oft absichtlich Eltern mit ihren Kindern, sowie Geschwister mit einander zur Paarung gebracht. Es zeigte sieb hierbei, dass die mittlere Zahl der Jungen eines jeden Wurfes während der ersten 20 Generationen sich nicht erheblich verminderte, dann aber plötzlich schnell abnahm und auf weniger als die Hälfte der an- fänglichen Zahl herabsank. Auch vermehrte sich die Anzahl der Paarungen, welche keine Beiruchtung mit sich brachten, in den ersten Jahren nur wenig, in den letzten Jahren sehr stark (bis zu 40 bis 50 pCt.). Bcmerkenswerth ist namentlich das Resultat, dass die Paarung zwischen Geschwistern viel schlechtere Erfolge lieferte als die Paarung zwischen Mutter und Sohn resp. Vater und Tochter. Ferner starben in den letzten Jahren weit mehr Junge im frühesten Alter als in den ersten 20 Generationen. Auch werden die Ratten durch fortgesetzte Zucht in enger Blutsverwandtschaft in ihrer Fortpflanzung mehr von äusseren Bedingungen abhängig. So z. B. kamen anfangs Geburten während des ganzen Winters vor, in den letzten Jahren jedoch fanden in den Wintermonaten gar keine ( teburten mehr statt. Von Krankheiten bemerkte R. B. wenig. Crampe*) erhielt bei seinen (ebenfalls mit Ratten angestellten) Ver- *) Vergl. dessen Mittheilum bücher" 18t>3, Seite 421. ■li in „Landwirthschaftl. Jahr- Nr. 11. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 137 suchen zwar weniger günstige Resultate, jedoch nennt er selbst sein Zuchtmaterial „hinfällig und leistungsunfähig, schwer belastet mit erblichen Leiden". Es scheint also, dass die Verwandtschaftszucht resp. die Incestzucht per se die Enstehnng von Missbildungen, Abnormitäten und Krankheiten nicht selbst verursacht, sondern dieselben auftreten lassen kann bloss dadurch, dass sie die un- günstigen Eigenschaften der Stammeltern in den folgenden Generationen in hohem Grade steigert. Es wird zwar öfter behauptet, die Viehzucht liefere viele Beweise nicht bloss für die Verminderung der Frucht- barkeit sondern auch für das Entstehen von Missgeburten in Folge der fortgesetzten Verwandtschaffszucht; es muss alter betont werden, dass der Körperbau der meisten unserer Hausthicre, gerade deshalb, weil sie für bestimmte Zwecke gezüchtet werden, vom normalen Körperbau in hohem Grade abweicht. Vorkshireschweine, Merinoschafe, Holländische Milchkühe u. s. w. bilden ja, vom zoologischen Standpunkt aus betrachtet, gleichsam pathologische Kassen der Thierart, zu welcher sie gehören. Und es versteht sich, dass dergleichen abnormale, d. h. patho- logische Tliicre ihre (in physiologischer Hinsicht schlechten) Eigenschaften auf ihre Nachkommen über- tragen, ja dass sogar diese (absichtlich gepflegten) schlechten Eigenschaften im Laufe der Generationen derart sieh steigern, dass sie dem Fortbestehen der Rasse eine Schranke setzen. Mit dieser Anschauung stimmt die Thatsache überein, dass gerade diejenigen Hausthierrassen, welche am meisten vom normalen Körperbau abweichen, die grösste Neigung haben, nicht bloss unfruchtbar zu werden, sondern auch Monstrositäten, schwächliehe und kränkliche Producte zu gebären. So konnte z. B. das Leicestersehaf, welches durch strenge Inzucht als eine neue Rasse gezüchtet wurde, bloss dadurch erhalten bleiben, dass mau eine Zeit lang diese Zuchtniethode ein- stellte und neues Blut einführte. Aus seinen eigenen Züchtungsversuchen sowie aus den von den Viehzüchtern gemachten Erfahrungen zieht R. B. den Sehluss: 1. die fortgesetzte Zucht in engster Verwandtschaft ver- mindert das Fortpflanzungsvermögen, kann sogar schliesslich vollkommene Unfruchtbarkeit verursachen; 2. sie scheint nach vielen Generationen auch eine Ab- nahme der Körpergrösse zu veranlassen; 3. es ist möglich aber keineswegs bewiesen, dass die fortgesetzte Zucht in engster Verwandtschaft als solche eine grössere Prädisposition für Krankheiten und das Entstehen von Missbildungen verursacht. R. M. Säugethiere aus Togoland. — Bei der zoologischen Sammlung des Künigl. Museums für Naturkunde zu Berlin ist vor wenigen Tagen die erste Sendung des in Misa- hi'ihe, Togoland, stationirten Herrn Baumann eingetroffen. Dieselbe enthält u. a. mehrere sehr interessante Säuge- thiere. Es war bereits bekannt, dass die jungen Seiden- affen. Oolobus, ein schneeweisses Kleid tragen; nunmehr ist das Berliner Museum durch Baumann in den Besitz eines sehr interessanten Exemplars gelangt, welches den Uebergang des weissen Jugendkleides in den schwarzen Pelz des alten Thieres sehr schön zeigt. Auch von der Steppenform der Zibethkatze, welche Matsehie als Viverra orientalis beschrieben hat, enthält die Sammlung einige Jugendformen, welche merkwürdigerweise durch ihre dunkle Färbung sehr au das Aussehen der Urwaldform, Viverra eivetta, erinnern. Sehr bemerkenswert!) ist der Umstand, dass eine Anzahl der in der Nähe von Misahöhe lebenden Säugethiere zu den Charakterformen der nordwestlichen Steppenregion gehören, während der grössere Theil für die westafrikanische Waldfauna eigenthümlicli ist. Zu ersteren Arten gehören der Husarenaffe, die Zibethkatze, die Pferde -Antilope, die Kuh-Antilope und die Mhorr- Antilope. Sechs Arten waren bisher für Togo noch nicht nachgewiesen, die weissnasige Meerkatze, Cercopithecus fantiensis Mtsch., der Fleckenroller, Nandinia binotata (Tenim.), der Wasserbock, Colins unetuosus Laur., die Mhorr-Antilope, Gazella mhorr Beim., der Husarenaffe, Cercopithecus patas Erxl., und d;is Schmalschnauzen- Sebuppcntbier, Manis tetradaetyla L. Die rothe Tiger- katze, welche in Matsehie's „Säugethiere des Togogebietes" nach einem von Büttner eingesandten, verstümmelten Schädel für das Gebiet angeführt worden war, liegt jetzt in drei Fellen vor, ein Beweis dafür, dass sogar bei den schwer zu unterscheidenden Katzenschädeln selbst nahe verwandte Localforiuen gewisse durchgreifende cranio- logische Unterschiede zeigen. x. Vergleichende anatomische Untersuchungen des Fichten- und Lärchenholzes veröffentlicht Dr. Alfred Burgerstein in den Denkschriften der math. - naturw. Classe der K. K. Ak. d. Wiss. zu Wien. Diese Untersuchungen sind u. a. dadurch bemerkenswert!], dass sie wieder ge- eignet sind zu zeigen, dass die Species- Bestimmung von Holzstücken, wie solche z. B. für den Pflanzenpaläontologen ein Wunsch sind, äusserst schwierig und unter Umständen unausführbar ist. Die erschöpfende Untersuchung B.'s hat ergeben, dass zwischen dein anatomischen Bau des Holzes von Picea excelsa Lk. und Larix europaea DC. kein allgemein giltiger essentieller Unterschied besteht, sondern dass nur graduelle Verschiedenheiten gefunden werden. Die histologischen Elemente des Lärchenholzes sind gegen- über jenen des Fichtenholzes in Wurzel, Stamm und Ast derber, kräftiger entwickelt. Die Holzzellen des Lärchen- holzes sind länger, breiter, dickwandiger, die Tüpfel grösser und viel häutiger in zwei Reihen an den Radial- wänden der Frühlingstraehe'ulen ausgebildet, als bei der Fichte. Die Markstrahlen der Lärche sind in Bezug auf Zellenzahl umfangreicher; die Leitzellen sind höher, breiter (vielleicht auch länger) und in der Regel verharzt. Die Farbe des Meeres. — Pouchet, der unermüdlich die Farbe des Meeres und ihre Ursachen erforscht, giebt zusammen mit Diguet einen Bericht über das rothe Meerwasser des Kalifornischen Golfes. (Sur l'apparence, dite „Mer vermeille" du gölte de Caüfornie. C. rend. Soc. Biol. Paris, T. 5, 1893, S. 562). Die genannte Er- scheinung findet sich vom März bis zum November etwa eine oder zwei Stunden vor dem Eintreten der Dämme- rung. Doch ist sie auch gelegentlich am Vormittag zur Beobachtung gekommen. Das Meer muss völlig ruhig sein. Sein blaues Wasser verändert allmählich unter dein Auftreten metallischer Reflexe die Farbe in Roth. Einzelne Strömungen erscheinen kupferroth; sie enthalten unge- heure Schwärme von Noctilucen. Im Dunkeln blieben diese an der Oberfläche, während sich auf dein Boden des Sammelgefässes ein brauner Staub ablagerte, der aus Rhizolenia Calyptra Ehrenberg bestand. Weiter behandelt Pouchet die grüne und blaue Farbe des Meeres, die auf der Reise der .,1a Manche" be- obachtet worden ist. (Assoe. franc. etc., CongresdcPaul892.) Die beigegebene Karte zeigt, dass das Wasser östlich der Shetland-Inseln, dann unter dem 65° n. Br.. weiter etwa vom Polarkreis über Jan Mayen bis zum 75.°, in dem ganzen vor Spitzbergen iwestl. Seite) gelegenen Meere, wieder auf dem 75° und nachmals südlich der Bären- insel blau war, während die grüne Farbe in den zwischen 138 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 11. gelegenen Abschnitten, vornehmlich aber in den Fjorden Spitzbergens und an der ganzen norwegischen Küste vor- herrschte. Pouchet kommt zu dem Schluss, dass die grüne Farbe dadurch entsteht, dass in dem ursprünglich blauen Wasser eine gewisse Menge Phycophaein gelöst ist. Versuche, mit thierischer Kohle letzteres zu ent- fernen, bestätigten seine Annahme. C. Matzdorff. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Professor Dr. St anislaus Pawlic'ki zum Ordinarius für Philosophie an der Universität Krakau. — Der Privatdocent für allgemeine Chemie an der Universität Lem- berg Bronislaus Lachowicz zum ausserordentlichen Professor. — An der Technischen Hochschule in Brunn die ausserordent- lichen Professoren der Mathematik Dr. Hocevar— und Dr. Bier- mann zu Ordinarien.— Dr. Willoughby Dalton Miller zum ausserordentlichen Professor in der medicinischen Facultät der Universität Berlin. — Professor der Mathematik an der Universität Marburg Dr. Eduard Study zum Professor an der Universität Bonn —Der ordentliche Professor für Hygiene und Director des Hygienischen Institutes an der Universität Breslau Dr. K. Flügge zum Geheimen Medicinal-Rath. — Der Privatdocent für Zoologie an der Universität Greifswald Dr. Wilhelm Müller zum ausser- ordentlichen Professor.— Der badische Landesgeologe Dr. Gustav Klemm zum Lehrer für Bodenkunde an der Technischen Hoch- schule in Darmstadt. — Der Professor der Botanik an der Uni- versität- Zürich Dr. Hans Schinz zum Director des Botanischen Gartens daselbst. — Der Obergärtner am Kgl. Botanischen Garten zu Berlin Erich Wocke zum Obergärtner am Botanischen Garten in Zürich. Es haben sich habilitirt: Dr. Adb. Graf Dzieduszycki für Geschichte der Philosophie, Aesthetik und Ethik an der Uni- versität Lemberg. -- Dr. Julius Fessler für Chirurgie an der Universität München. Als Assistent der mineral. Abth. der Kgl. Preuss. geol. Landes- anstalt in Berlin ist eingetreten Bergassessor Haber. Geheimer Medicinal-Rath Professor Dr. Grünh agen von der Universität Königsberg stellt seine Lehrthätigkeit ein. Es sind gestorben: Der Botaniker Knut Fredrik The- denius in Stockholm.— Der Botaniker Theodor Chaboisseau in Athen — Geheimer Bergrath Pfähler in Wiesbaden. Preisausschreiben. — Die „Societe de physique et d'histoire naturelle de Geneve" schreibt für 1895 den A. P. de Candolle- schen Preis aus. Derselbe wird für die beste noch nicht publi- cirte Monographie einer botanischen Gattung oder Familie ver- liehen. Die Manuscripte können deutsch, lateinisch, französisch, englisch oder italienisch abgefasst sein, müssen jedoch mit lateini- schen Buchstaben geschrieben sein. Höhe des Preises 500 Francs. Termin bis 15. Januar 1895. die Laminariaceen, Lithodermataceen, Cutleriaceen, Tilopteridaceen und die Fucaceen (alle bearbeitet von F. K. Kj eil mann). Doppel- lieferung 98, 99 behandelt die Flacourtiaceen (O. W a r b u r g) , Turnera- ceen (E. Gilg), Malesherbiaceen und Passirloraeeen (H. Harms) und den Anfang der Caricaceen (H. Graf zu Solms-Laubach). L i 1 1 e r a t u r. Darwins Reise. Tagebuch naturgeschichtlicher und geologischer Untersuchungen über die während der Weltumsegelung auf I. M. Schiff Beagle besuchten Länder von Charles Darwin. Aus dem Englischen der 15. Auflage des Originals. Mit einer Ein- leitung und Anmerkungen von Prof. Dr. Alfred Kirchhoff. Nebst 14 Abbildungen. Otto Hendel. Halle a. d. S. 1893. - Preis 2,25 M. Diese populäre und billige Ausgabe von Darwin's „Reise eines Naturforschers um die Welt", die jeder gelesen haben sollte, wird hoffentlich dazu beitragen, die klassische und so überaus anregende Reiseschilderung Charles Darwin's weiteren Kreisen bekannt zu machen. Die Ausgabe ist gut und zuverlässig und so wird sie denn auch der Naturforscher benutzen können. Sogar ein Register (und zweckmässige Register, welche allen Dar- winschen Büchern beigegeben sind, erhöhen ihre Benutzbarkeit ungemein) fehlt nicht. Die Abbildungen sind natürlich ebenfalls übernommen worden, sodass die Ausgabe die billigste ist, dio wir besitzen. Der Herr Herausgeber hat den wissenschaftlichen Werth durch 51 zeitgemässe Anmerkungen erhöht. Als Titelbild ist Charles Darwin's Bildniss nach der letzten Aufnahme beigefügt Prof. Dr. Wilhelm Sievers, Amerika. Eine allgemeine Landes- kunde. Herausgegeben in Gemeinschaft mit Dr. E. Deck er t. und Professor Dr. W. Kükenthal. Mit 201 Text- Abbildungen, 13 Karten und 20 Tafeln in Schwarz- und Farbendruck. Biblio- graphisches Institut. Leipzig 1894. — Preis geb. 15 M. Von der Sievers'schen Serie der allgemeinen Länderkunde, aus der wir bereits die schönen Bände „Afrika" (Natunv. Wochenschr. VII. S. 99) und „Asien" (VII. S. 534) besprochen haben, liegt der hervorragende Band „Amerika" vor Der Inhalt beginnt mit der Erforschungsgeschichte Amerikas und einer all- gemeinen Uebersicht, es werden dann behandelt, zunächst Süd- amerika bezüglich seiner Oberfläc.hengestalt, seines Klimas, seiner Pflanzenwelt, Thierwelt und Bevölkerung, seiner Staatenbildung, seiner Colonien und seines Verkehrs, als 2. Hauptabschnitt Nord- amerika unter Schilderung seines Charakters, seines Klimas und seiner Bewässerung, seiner Pflanzen- und Thierwelt und seiner Staaten und Colonien, der 3. Hauptabschnitt beschreibt Grönland und den Arktischen Archipel und, nachdem die Erforschungs-Geschichte Berücksichtigung gefunden und eine allgemeine Uebersicht eine Vor-Orientirüng geboten hat, die Oberflächengestalt, das Klima, die Pflanzen- und Thierwelt, die Bevölkerung und endlich die Colonieen und den Handel. Studirt man das prächtige Werk in Berücksichtigung der Thatsache, dass Amerika doch erst vor 400 Jahren entdeckt wurde, so kann das staunende Gefühl nicht weichen: was alles seit jener Zeit in der „Neuen Welt" geschaffen wurde. Bei den vielfachen Beziehungen dieser zu Europa wird der Band Amerika den weitesten Kreisen gelegen kommen: jeder wird seine Freude an ihm haben. Zur allgemeineren < trientirung wird er auch im Speciellen dem Naturforscher von Nutzen sein, da — wie wir sahen — die naturhistorischen Verhältnisse ge- bührende Berücksichtigung gefunden haben. Die schönen Ab- bildungen und Karten sind vorzüglich ausgewählt. Chicago mit. seiner Weltausstellung fehlt unter ihnen nicht Wie sich die Herren Verfasser in die Arbeit getheilt haben, erfährt mau aus dem Vorwort. Sievers hat Süd- und Mittel-Amerika, unsere Mit- arbeiter Herr Deckert Nord-Amerika mit Mexiko und Herr Küken- thal Grönland und den arktischen Theil Nordamerikas bearbeitet. A Engler und K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien. Fortgesetzt von A. Engler. 97. — 99. Lieferung. Wilhelm Engelmann. Leipzig 1893. — Preis h 1,50 (resp. 3) M. Wiederum haben wir das Erscheinen mehrerer Lieferungen anzuzeigen. Lieferung 97 enthält den Schluss der Ralfsiaceen, Andrew Russell Forsyth, Theorie der Differentialgleichungen. Erster Theil: Exacte Gleichungen und das Pfaff'sche Problem. Autorisirte deutsche Ausgabe von H. Maser. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1893. — Preis 12 Mk. Das in seinem Lehrbuch der Differentialgleichungen (vgl. Naturw. Wochenschrift Bd. IV, S. 8) gegebene Versprechen, die theoretischen Untersuchungen über die Theorie der Differential- gleichungen zusammenhängend darzustellen, hat der Herr Verfasser- in der „Theory of differential equations" im Jahre 1890 insoweit erfüllt, als er darin eine auf historischer Grundlage aufgebaute und durch eigene Untersuchungsergebnisse ergänzte Darstellung der sogenannten exaeten Gleichungen und des Pfaff'schen Pro- blems gegeben hat; eine Darstellung, die durchgehend eine bei- fällige Aufnahme seitens der Fachkritik erfahren hat. Es sind in der That die zahlreichen und vielfach zerstreuten Untersuchungen mit einem unermüdlichen Fleiss und mit grosser Sachkenntnis* sowie in fast absoluter Vollständigkeit benutzt und an gebüh- render Stelle berücksichtigt worden. Der grosse Vorzug, welchen die Innehaltung des historischen Ganges — soweit eben bei einer einigermaassen systematischen Darstellung thunlich — eines For- schungsgebietes darbietet, ist dabei deutlich hervorgetreten, und diese Art der Darstellung ist deshalb auch recht geeignet, in die verwickelten und sehr schwierigen Untersuchungen einzuführen. Wie in dem erwähnten Lehrbuche sind auch diesmal zahlreiche Uebungsaufgaben dem Texte einverleibt worden. Jedem, der sich über das in Rede stehende Gebiet gründlich orientiren oder in dasselbe einarbeiten will, kann das Forsyth'sche Werk nur aufs wärmste empfohlen werden. In richtiger Werthschätzung des Forsyth'schen Buches über die Theorie der Differentialgleichungen hat Herr Maser, der bereits durch zahlreiche deutsche Ausgaben mathematischer Werke fremder Zunge bekannt ist und auch das eingangs erwähnte Lehrbuch der Differentialgleichungen des Herrn Forsyth übersetzt und er- gänzt hat, den deutschen Mathematikern die Kenntniss desselben durch eine deutsche Ausgabe erleichtert und vermittelt. Wir sind gewöhnt, aus der Feder des Herausgebers nur gediegene Ueber- setzungen zu erhalten, und auch diesmal ist die Sorgfalt zu rüh- men, mit der er zu Werke gegangen ist. Wir machen noch auf das Litteraturverzeichniss aufmerksam, das in der deutschen Nr. 11. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 139 Ausgabe gegen das englische Original ergänzt worden ist, indem u. A. namentlich auf die wichtigen Untersuchungen des Herrn Hamburger verwiesen worden ist. Es sei überhaupt bemerkt, dass uns das Autorenverzeichniss der deutschen Ausgabe erheblich besser gefällt als der „Index"' des englischen Originals Die Ausstattung ist die bekannte gute des Teubner'schen Verlages. Dr. A. G. Proceedings of the California Acaderay of Sciences. Second Bei'ies. Volume III. 1890— 1S92. San Francisco. Part. I issued September 1, 1891. Part. II issued Jufy 15, 1893. Von den Abhandlungen seien die folgenden genannt: Carl H. Eigenmann und Rosa S. Eigenmann, Beiträge zur Fauna von San Diego. Es wird eine Anzahl von Fischen beschrieben, welche entweder für die Wissenschaft überhaupt, oder nur für den genannten Fundort neu sind ; leider jedoch sind der Arbeit keine Abbildungen beigegeben. — Lindgren, Bemerkungen über die Geologie und Petrographie von Baja California, Mexiko. Es wird das Vorkommen und die Verbreitung kristallinischer Schiefer und Basalte auf dem südlichen Theile der Californisehen Halb insel, der Baja California, nach den Forschungen der 1889 von ihr Cal. Ac. of Sc. entsandten Expedition beschrieben. Kristal- linische Schiefer setzen an der W. - Küste der Halbinsel einen Gebirgszug zusammen, welcher einer alten Spalte entspricht und, allerdings mit sehr grossen Unterbrechungen durch den Ocean, auf eine Länge von 400 Miles von Cape San Lucas über die Insel Magarita, Cape San Lazaro, Point Abreojos, Cape San Eugenio bis Cerros Island und darüber hinaus verfolgt werden kann. Eine andere, jüngere Spalte, deren Entstehung in eine postcretaeeische Zeit verlegt wird, zieht längs der Ostküste der Californisehen Halbinsel hin. Von Basalten ist ein an Glimmer und Feldspath reicher aus der Nachbarschaft von Calamajuet im N. der Halb- insel zu erwähnen. — Derselbe, Eruptiv-Gesteine aus Montana. In den Belt Mountains oder Front Ranges, sowie in der Haupt- kette der Rocky Mountains von Montana sind Eruptiv-Gesteine nicht selten, treten jedoch nicht als oberflächliche Lavaströme auf, sondern sind den Schichten der Kreide und der in ihrer Stellung ob Kreide oder Tertiär noch nicht feststehenden Laramie- Formation zwischen- und eingelagert und haben in Folge der Erosion zu eigenthümliehen Höhenbildungen Veranlassung gegeben : isolirte Berggruppen mit steilen, gezackten Kämmen und Rücken, welche oft mehrere 1000 Fuss jäh aus der Umgebung empor- steigen, wie z.B. die Highwood und Crazy Mountains. Verfasser giebt von einer ganzen Reihe von Gesteinen dieses Vorkommens Beschreibungen, welche zugleich früher von ihm publicirte be- richtigen r-esp. ergänzen sollen. Aufgeführt werden: 1. Dacite, Hornblende - Andesite, Diorite; 2. Augit - Syenite; 3. Trachyte; 4. Plagioclas-Basalt und 5. Analcit-Basalte. — W. J. Raymond, Bemerkungen über die subalpinen Mollusken der Sierra Nevada in der Nähe des 38. Breitengrades. Verf. macht interessante Mit- theilungen über die verticale Verbreitung einer Reihe von Mol- lusken, die er meist selbst gesammelt hat, und beschreibt eine Anzahl zum Theil neuer Formen. Auch die Mollusken zeigen die allgemein bekannte Erscheinung, dass Arten, welche unter hohen Breiten im Niveau des Meeres leben, in einem wärmeren Klima nur in bedeutender Höhe über dem Meere fortkommen können und hier oft viele Tausend Fuss hoch im Gebirge angetroffen werden — z. B. Vitrina Pfeifferi Newcomb in Alaska in Meeres- höhe, in Californien in 4000 — 8000 Fuss, in den Rocky Mountains bis 10 800 Fuss Seehöhe, der circumpolare Conulus fulvus Dra- panaud geht in Californien bis 8000 Fuss, in den Rocky Mountains bis 1000Ö Fuss empor und steigt nördlich des 42. Breitengrades zum Meeresniveau herab. Andere Formen besitzen unter der- selben Breite eine bedeutende verticale Verbreitung. — Helix Mormonum Pfeiffer kommt vom Fasse des Gebirges bis zu 5500 Fuss Höhe vor; Pisidium occidentale geht vom Meere bis zu 9700 Fuss empor und kommt bis zum 32° der Breite häutig vor. Während manche Arten sowohl am West- wie am Ostabhang des Gebirges vorkommen, beschränkt sich eine ganze Anzahl anderer nur auf die eine Seite desselben. Mehr als die Wasser-Mollusken sind die das Land bewohnenden abhängig von der Temperatur, der Be- schaffenheit des Bodens und der Vegetation, sowie endlich auch der Feuchtigkeit. Am Westabhange wurden über 4800 Fuss nur noch Wasser bewohnende Mollusken angetroffen, am Ostabhange gehen die Land-Mollusken bis 8000 Fuss empor. (Eine Tafel.) - T. S. Brandegee, Flora der Cap-Region von Baja California — und Beiträge zur Flora der Cap-Rogion von Baja California. Mit der Bezeichnung „Cape Region" wird jener Theil der Californi- sehen Halbinsel belegt, welcher sich südwärts einer Linie er- streckt, die am Nordfusse des Gebirges von Todos Santos (West- küste) nach La Paz (Ostküste der Halbinsel) verläuft, Es i-t ein Hügel- "der Bergland mil wenigen breiten Thälern und gering Flächen ebenen Landes. Die höchsten Gipfel liegen in den, cen- tralen Theile und sind meist isolirte Kegelberge, die Bieh unver mittelt aus dem Hochlande erheben. Das grösste Thal i- jenige des bei San Jose" de! Cabo in den Ocean mündenden Rio San Jose, welches eine Anzald Dörfer enthält und in das ver schiedene mit guten Viehweiden bedeckte Canons münden. Der Rio San Jose ist der einzige Fluss, wehler das Jahr über auf seinem ganzen Lauf Wasser führt, wogegen die anderen entweder während der trockenen Zeit wasserlos .sind oder ihr Wasser beim Austritte aus dem Berglande verlieren. Der erstgenannte Fluss enthält auch nur allein eine Anzahl von Fischarten. Die Gipfi der bis 6000 Fuss aufsteigenden Berge sind während der nassen Jahreszeit (.luni bis Ortuber) von Wolken umhüllt, und Gewitter- stürme sind dann häutige Erscheinungen. Im Norden trennen dies abgesonderte Bergland zwei Stufen Flachland von den nächsten Höhen der Halbinsel, und im Osten wird es von der Küste des Continentes durch den über 100 Miles breiten Californisehen Mei busen geschieden; im Süden und Westen dehnt sich der Ocean aus. Das Klima ist — der Wendekreis des Krebses geht durch Todos Santos — ein warmes, wird aber durch den Erafluss <\r< Oceans und die Berge gemässigt; die Nächte sind selbst im Hoch- sommer kühl und Fröste treten im Winter in den Bergen nicht selten ein. Die Flora dieses Gebietes weicht denn auch von der der nächsten Gebiete wesentlich ab; sie ist an der Küste eine subtropische, zum Theil westindische, wozu eine Anzahl einge- wanderte Pflanzen beitragen, in den höheren Theilen ist sie stark sonorisch. Erforscht ist sie noch sehr wenig. Verf. hat in das Gebiet drei grössere Ausflüge zu verschiedenen Jahreszeiten unter- nommen, denen er die in den beiden Arbeiten niedergelegten Resultate verdankt. Er führt im Ganzen ca. 400 Gattungen mit 739 Arten auf, von denen gegen 700 den Siphonogamen ange- hören. I de artenreichsten Geschlechter sind Euphorbia mit 22, Ipomaea mit 14, Desmodium mit 11, Cereus mit 9, Cassia, Acacia und Daca mit 7 Species. Tamarindus indicus kommt eultivirt vor, von Mimosa und Caesalpinia sind 3 Arten vertreten, von Sa- pindus 1, ebenso von Rhus (Rh. Toxicodendron). Eine intensivere Durchforschung dürfte die Flora des Gebietes noch um eine sehr bedeutende Zahl von Gattungen und Arten bereichern. — Dou- glas H. Campbell. Ueber das Prothallium und den Embryo von Marsilia vestita. Biologische Studien! (2 Tafeln.) — T.G.Cööper, Ueber Land- und Süsawasser- Mollusken von Unter- Californien. Drei Abhandlungen, welche über die conehyliologischen Ergeb- nisse der von der Cal. Ac of Sc. nach Baja California und Mexiko entsandten Expedition berichten. Mit 2 Tafeln. -- G. Eisen, Anatomische Studien an reuen Arten von Ocnerodrilus. Die zu den Würmern gehörende Gattung ( (cnerodrilus seheint auf Amerika allein beschränkt zu sein, besitzt hier aber ein weites Verbreitungs- gebiet, welches die subtropische und die tropische Zone umfasst. Die systematische Stellung ist noch nicht fixirt. die Gattung zeigt Verwandtschaft sowohl mit den Wasser- als besonders mit den Land-Oligochaeten. Auf die Beschaffenheit des Samenleiters hin lassen sich ganz gut zwei Gruppen in dem Genus unterscheiden: bei der einen erweitert sich derselbe bedeutend, bei der anderen behält er auf seine ganze Länge denselben Durchmesser. Die oben genannte Expedition nach Baja California und Mexiko hat auch hiervon neues Material mitgebracht, worauf hin sich zwei neue Arten aufstellen Hessen. Im Ganzen sind jetzt einschliess lieh der 8 neuen Species des Verf. 10 Arten dieser Gattung be- kannt geworden, welche u. a. auf Grund des oben angeführten Verhaltens der Samenleiter gruppirt werden. Hierzu 0 Tafeln. — Derselbe, Ueber den anatomischen Bau zweier Kerria- Arten. Die beiden neuen Arten entstammen der Baja California und ge hören der Ocnerodilus nahe stehenden Gattung Kerria an. Verf. giebt eine sorgfältige Darstellung der beiden Formen und erläutert die systematische Stellung des Geschlechtes Kerria, welches er mit Ocnerodrilus, Gordiodrilus und Pygmaeodrilus zu einer grossen Gruppe (nicht Familie) vereinigen mochte. (2 Tafeln.) - George A. Aschley, Ein Beispiel für das Biegungsvermögen von Felsen. Verf. beschreibt eine li ' | ' lange, 2' 6" breite, ', dicke Grab- platte aus Marmor vom Laurell Hill Kirchhofe in San Francisco, welche, horizontal nur an den beiden Enden auf fester Unterlage ruhend, sieh, nachdem der ihre Mitte stützend.' Sand gesunken war, allmählich, ohno zu brechen, gebogen hatte, so dass die stärkste Abweichung von der Horizontalen 1,65" betrug. — An- thony W. Vogeles, Geologische Surveys im Staate Californien, Zusammenstellung der auf die Geologie Californiens bezüglichen Litteratur. — Ausser diesen Abhandlungen enthält der Band noch eine Menge kleinerer Arbeiten, meist Beschreibungen neuer For- men, sowie die Sitzungsberichte der Akademie. Inhalt: Dr. Max Fiebelkorn: Das Alter der Festländer. — R. Klimpert: Ueber Oberflächenspannung und deren Umsetzung in kinetische Energie. (Schluss folgt.) — Die Folgen der Zucht in engster Blutsverwandtschaft (Incestzucht). — Säugethiere aus Togoland. — Vergleichende anatomische Untersuchungen des Fichten- und Lärchenholzes. — Farbe, des Meeres. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur : Darwins Reise. — A. Engler und K. Prantl: Die natürlichen Pflanzenfamilien. — Prot. Dr. Wilhelm Sievers: Amerika. — Andrew Rüssel Forsyth: Theorie der Differentialgleichungen. Proceedings of the California Academy of Sciences. 140 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 11. PATENTE iMax, My|iuf f » in alle» Ländern durch Kl.li!.l\ JfW. Thurmstr. 14. Seit 1877 über 11000 Patente. Mikroscope n. Speetral- appaiate wegen Aufgabe dieser Artikel preiswerth ver- käuflich, lul. Peters, Optiker, Berlin NW., Hessische-Str. 12. ©!©i® ® ei® eioieieisisieieieiai© ® © ® Die Illustration wissenschaftlicher Werke erfolgt am bestell und billigsten durch die modernen, auf Photo- graphie beruhenden Reproduc- tionsarten. Die Abbildungen dieser Zeitschrift gelten als Proben dieses Verfahrens und sind hergestellt in der graphi- schen Kunstanstalt Meisenbach, Riffarth ä Co. I in Berlin-Schoneberg, o welche bereitwilligst jede Aus- M kunft ertheilt. 3QQnQf3E □CEinEIDEIEin.CDEG Zur Lieferung aller Arten preiswiirdiger Uhren, besonders in verschiedenen Tempe- raturen and Lagen re- gulirter Ankeruliren, empfiehlt sich bei Zusicherung' strenger Reellität C. Baker, Uhrmacher in Nauen b. Berlin. Mitgl. d. Vereinig, v. Fr. d. Astronomie u. kosm. Physik. Goldene Herren- und Damenuhren uiitor Augabe dos (ioldgowiehls der Gehäuse. Unbekannte Besteller werden um gerl. Angabe von Referenzen gebeten. GLOBUS. Illustrierte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde. Begründet 1862 von Karl Andree. Herausgegeben von Richard Andree. Vereinigt seit 1894 mit der Zeit- schrift DAS AUSLAND. Jahrlich 2 Bände iji 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und PoBtanstalten zum Preise von 12 Mark für den Band zu beziehen. Deutsche ZeitungB- Preisliste für 1894, Nr. 2663. Probe- Nummern gratis und franco. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn, Braunechweig. Ferd. 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Mit 3 Tafeln. 5 IM. 11. Lieferung: Timor und umliegende Inseln. Mit 2 Tafeln. 6 M. [II. Lieferung: Sumatra und Nachbarschaft. Mit 3 Tafeln. 7 M. IV. Lieferung: Borneo und Celebes. Mit 3 Tafeln. 7 M. Preis des completen Werkes 32 Mark. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in IJerlin SW. 12, Zimmerstrasse 94. Neu! Heciographen-Papier. Neu! Einfachstes und billigstes Vervielfältigungsverfahren. Kein Ab- waschen mehr! Ein Original liefert 100 gute Copien in schwarzer, rother, violetter oder grüner Farbe. Prospecte und Schriftproben versendet gratis und franco die Fabrik von AUGUST RADICKE, BERLIN, Gneisenaustr. 61. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Berlin N. 4., Invalidenstr. 44, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den 25. März 1894. Nr. 12. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.— Bringegeld bei der Post 15 •) extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 -A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Ucbereinkunft. lnseratenanuahiiie bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition Abdruck ist mir mit vollständiger t|nellenaiig;abe gestattet. Zum 60. Geburtstag von Ernst Häckel. E. Häckel ist am 16. Februar 1834 in Potsdam als zweiter Sohn des Oberregierungsrathes Karl Häckel ge- boren. Der Vater, ehemaliger Lützow'scher Jäger, ein Freund von Kheisenau und Scharnhorst, besass ein leb- haftes Interesse für Geographie und stand in Verkehr mit Karl Ritter und Heinrich Barth, zu denen auch der junge Ernst H. in persönliche Beziehungen trat. Den Sinn für die Natur nährte besonders seine Mutter, geb. Scthe. Schon früh tritt bei H. Neigung zur Botanik und zum Zeichnen hervor. Der Vater wurde nach Merseburg versetzt, woselbst Ernst die Schule und das Gymnasium besuchte. Trotz seiner Vorliebe für Botanik entschliesst sich H. für das medicinische Studium, um dereinst als Schiffsarzt fremde Länder sehen zu können. Er beginnt seine Studien im Sommer 1852 in Berlin, wohin seine Eltern gezogen; am meisten Anziehungskraft üben hier die Vorlesungen des Botanikers A. Braun auf ihn, der ihm ein väterlicher Freund wurde. Bereits im Herbst 1852 wendet er sich nach Würz bürg, hört hier drei Semester vorzugsweise bei Kölliker und Leydig, kehrt aber Ostern 1854 nach Berlin zurück; hier wurde Johannes Müller für seine Zukunft von bestimmendem Einfluss. In den Herbstferien 1854 ist er mit seinem Lehrer auf Helgoland und empfängt hier den ersten Eindruck des Meeres und lernt zuerst die pclagische Fauna aus eigener Anschauung kennen. Häckel's Vorliebe für Plankton- studien empfing somit hier ihre erste Nahrung. Abermals zieht ihn der bedeutende Ruf der medicinischen Schule von Würzburg Ostern 1855 dorthin; im Sommer 1856 ist er hier Assistent bei R. Virchow; in Virchow's Archiv er- scheint auch eine seiner ersten selbstständigen Arbeiten: „Ueber die Plexus chorioidei". Mit Job. Müller und Kölliker betreibt H. sodann in Nizza die marine Fischerei und wird durch ersteren auf die Gruppe der Radiolarien aufmerksam, welche seinen wissenschaftlichen Ruf begründen und ihn später noch lange Zeit beschäftigen sollte. Nach einem weiteren klinischen Semester in Beilin promovirt H. im März 1857 unter Ehrenberg als Dr. med. mit einer Arbeit .,über die Gewebe des Flusskrebses"; im Sommer desselben Jahres liegt er praktischen Cursen in Wien ob unter Skoda, Oppoltzer und Hebra, botanisirt alier nebenher eifrigst, mit grosser Vorliebe u. a. mit W. Focke (Bremen) und bestellt im darauf folgenden Winter (1857/58) in Berlin das medicinische Staatsexamen. Auf Job. Müllcr's Anregung beschliesst er, nunmehr sich ganz der Zoologie zu widmen, doch schon zu Ostern 1858 entreisst ihm ein plötzlicher Tod seinen Lehrer und Meister. In dieses Jahr fallt Häckel's Verlobung mit seiner Cousine Anna Scthe. Von seinen Universitätsfreunden seien Gegenbaur, Gerhardt, Max Schnitze, Claparede und Lachmann, ferner von Bayer, E. von Martens und Ferd. von Richtliofen genannt. Vom Januar 1859 an betreibt H. wiederum pelagisehe Fischerei im Mittelmcer, namentlich untersucht und sammelt er jetzt systematisch die noch wenig erforschten Radiolarien. Aus jener Zeit stammt seine Freundschaft mit Allniers. Auf Gegenbaur's Rath siedelt II. 1861 nach Jena über, habilitirt sich hier für Zoologie, wird bald ausser- ordentlicher, dann rasch auch ordentlicher Professur der Zoologie und hat seitdem wiederholt die verlockendsten Berufungen nach Würzburg, Bonn, Wien und Strassburg abgelehnt: Die Ruhe der kleinen Stadt, der Werth einer unmittelbaren Berührung mit einer schönen Natur, die Möglichkeit ungehinderter geistiger Coneentration Hessen ihn hier seine bleibende Wohn- und Arbeitsstätte linden. In nahe Beziehungen trat er zum damaligen Cnrator 142 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 12. Moritz v. Seeheck, innige Freundschaft verknüpfte ihn namentlich mit Gcgenbaur, welcher auf seinen lebhaften Geist den wohlthätigsten Einfluss ausübte. Den Schmerz über den Tod seiner Frau, mit welcher er nur ll/2 Jahre in glücklichster Ehe lebte, betäubt er durch intensivste Arbeit: Bereits 1862 war seine grosse Monographie der Radiolarien erschienen. Hier legte er sein erstes Bekenn tniss für Darwin ab. Darwins „Entstehung der Arten" machte seit ihrem Erscheinen im Jahre 1859 den tiefsten, nachhaltigsten Eindruck auf ihn; er ergriff' zuerst mit dem ihm eigenen Feuer die grossen Gedanken Darwins und die weittragende Bedeutung seiner Lehre und verfocht dieselbe auf der Stettiner Natur- forscher-Versammlung im Jahre 1863 mit wärmster Be- geisterung; im grössten Maassstabe aber werden die Con- sequenzen der Darwinschen Theorie gezogen und weiter verfolgt in seiner berühmten „Generellen Morpho^ logie" vom Jahre 1866; in diesem bahnbrechenden Werke werden die biologischen Thatsachen unter dem Gesichts- punkte der Dcscendenz und Selection nach ihrer natür- lichen Elitwickelung und ihren genealogischen Beziehungen durchdrungen und vereinigt und damit das Arbeitsgebiet der biologischen Wissenschaften auf eine höhere Er- kenntnissstufe erhoben. Hier ist auch das sog. „Bio- genetische Grundgesetz" zuerst entwickelt worden: Die Ontogenie oder die Entwickelnng des Indi- viduums ist die verkürzte und abgeänderte Wie- derholung der Stammesgeschichte oder Ph'ylo- genie, d. h. der gesammten Ahnenreihe. In Jena widmete ihm der Sprachforscher August Schleicher „Die Darwinsche Theorie und die Sprach- wissenschaft". 1866 tritt H. auf der Hinreise nach den Kanarischen Inseln in London mit Huxley, Lyell und auf dem Land- gut Down mit Ch. Darwin selbst in persönliche Beziehung. Im Sommer 1867 verheirathet sich H. mit Agnes Huschke, der Tochter des Jenenser Anatomen; Häckel's einziger Sohn Walther ist Maler, von den beiden Töchtern heirathete die ältere im Jahre 1891 den bekannten Rei- senden und Vorsteher des Bibliographischen Institutes in Leipzig, Dr. Hans Meyer. 1868 erscheint die Natürliche Schöpfungsge- schichte, welche 1889 bereits die 8. Auflage erlebt hat; von ihr liegen nicht weniger als 12 Uebersetzungen in das Dänische, Polnische, Russische, Französische, Eng- lische, Holländische, Schwedische, Spanische, Portugiesische, Serbische, Malaiische und Japanische vor. 1869 folgt die Entwicklungsgeschichte der Siphonophoren, 1870 reihen sich die Studien über Moneren und andere Protisten an, 1872 giebt H seine grosse Monographie der Kalkschwämme her- aus, namentlich auf Grund des 1869 in Norwegen und 1871 in Dalmatien gesammelten Materiales. Hier findet sich auch bereits der Kern der Gastraea-Theorie, welche in weiteren Monographien von ihm weiterhin des Genaueren ausgebaut wird.*) Anfangs heftig bekämpft, hat dieselbe den entwickelungsgeschichtlichen Forschungen eine gewaltige Anregung gegeben und ist jetzt durch zahlreiche Untersuchungen für alle Thierclassen bestätigt. 1874 gab H. eine populäre Darstellung der gesammten im Menschen gipfelnden Entwickelungsgeschichte in seiner an neuen Zusammenfassungen und Ausblicken reichen Anthropogenie; 1891 erschien diese zweite grössere populäre Schrift in 4. Auflage. *) Nach derselben durchlaufen alle vielzelligen Thiere oder Metazoen in ihrer Ontogenese eine gemeinsame Grundform, das Stadium der Gastrula, welches einer phylogenetisch reSien ausge- bildeten Form, der Gastraea, entspricht; hierbei ist jeMoch wohl zu unterscheiden zwischen Palingenie und Caenogenie. 1873 erscheint das Prachtwerk „Arabische Ko- rallen", die Frucht einer Reise nach dem Rothen Meer, hei welcher der Khedive einen Kriegsdampfer für For- schiingszwecke zur Verfügung stellte; 1875 bereiste H. Corsica, 1877 Corfu; ein Jahr vorher gab er die „Peri- genesis der Plastidule" heraus, 1875 selbst die „Ziele und Wege der heutigen Entwickelungsgeschichte". Sein Vor- trag auf der Naturforscherversammlung zu München im Jahre 1877 „Die heutige Entwickeln ngslehre im Verhält- nisse zur Gesammtwissenschaft" entzündete eine heftige Fehde mit seinem Lehrer R. Virchow; ihm antwortet H. in der Schrift „Freie Wissenschaft und freie Lehre". Sein Wahlspruch lautet „Impavidi progrediainur" ! Noch vor seiner Reise nach Ceylon vollendete H. 1881 die Monographie der Medusen. Diese Reise selbst füllte den Winter 1881 auf 1882 aus und ist durch die 1893 in 3. Auflage erschienenen Indischen Reise- briefe in den weitesten Kreisen bekannt geworden. Das vorige Jahrzehnt ist fast ganz ausgefüllt mit der Bearbeitung des von der Challenger-Expedition zu- sammengebrachten riesigen Materiales an Tiefseeformen. Häckel bearbeitete die Tiefsec-Medusen (1881), die Radiolarien (1887), die Siphonophoren (1888) und dieTiefsee- Hornsch wämme der Challenger-Rcise( 1889). Diese Monographien sind ein bewunderungswürdiges Denk- mal seines Fleisses und seiner eminenten Befähigung für morphologische Arbeiten; allein in dem mit 140 Folio- tafeln ausgestatteten Radiolarienwerke wurden nicht weniger als 4318 neue Arten den bisher bekannten 600 Speeies hinzugefügt. 1884 erschien von ihm noch „Ur- sprung und Entwickelnng der thierischen Gewebe". Im Jahre 1887 unternahm H. eine Forschungsreise nach Syrien und Rhodus, 1889 war er auf Elba und in Rom, 1890 bereist er Algier und Tunis; 1892 liegt er mit Dr. Murray, dem Herausgeber des Challengerwerkes, der Plankton- fischerei auf den Hebriden ob, und 1893 verweilt er in Messina zu dem gleichen Zwecke. Mehr als ein Menschen- alter hindurch sehen wir H. somit fast alljährlich Theile des grossen Mittelmeerbeckens zur systematischen Durch- forschung der Meeresfauna aufsuchen. Durch Häckel's Schriften begeistert, machte bekannt- lich im Jahre 1886 Dr. Paul von Ritter die nach ihm benannte Ritter-Stiftung, deren Zinsen theils der Aus- führung wissenschaftlicher Reisen zum Ausbau der Descen- denztheorie, theils der Begründung einer „Ritter-Professur für Phylogenie" in Jena dienen. Als erster Ritter- Pro- fessor wurde A. Lang berufen, sein Nachfolger ist W. Kükenthal. Die fast zweijährige Forschungsreise von R. Semon (1891 — 1893) nach Australien wurde theil- weise aus den Mitteln dieser Stiftung bestritten. 1890 veröffentlichte H. seine „Plankton-Studien", in welchen er die Ergebnisse seiner langjährigen pelagi- schen Untersuchungen über die Verbreitung der marinen Thierformen gegenüber den Behauptungen Hensen's ver- tritt; 1893 erschien sein Altenburger Vortrag „Monismus als Band zwischen Religion und Wissenschaft". Seine zahlreichen Schüler hier zu nennen, ist nicht möglich. Ein halbes Hundert von Akademien und gelehrten Gesellschaften nennt ihn den Ihrigen. Häckel's Schriften sind zum Theil Gemeingut der Gebildeten der ganzen Welt geworden. Eine grosse Meisterschaft erlangte er im Aquarelliren; von allen Reisen brachte H. reiche Studienmappen zurück. In früheren Zeiten hat er die wundervollen Tafeln zu seinen Monographien eigenhändig gemalt.*) *) Später gewann er in A. Giltseh eine vorzügliche, technisch geschulte Kraft für die Anfertigung der Tafeln. Nr. 12. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 143 Die Naturschilderungen in seinen zahlreichen Auf- sätzen: Reiseskizzen aus Sicilien, Besteigung des Pie von Teneriffa, Brussa und der asiatische Olymp, Corfu, Algier, vor allem seine „Indischen Reisebriefe ", sind durch ihre warme Empfindung und ihre vollendete Anschaulichkeit, nach Stil und Inhalt wahre Perlen in der deutschen Littcratur dieser Art geworden. In wissenschaftlicher Beziehung hat Häckel Darwin's Werk nach der morphologischen »Seite zum Abschluss gebracht-, er ergänzte Darwin's mehr physio- logische Richtung durch mikroskopische und ent- wickelungsgcschichtliche Forschungen. Hier ist Häckel's eigenstes Arbeitsfeld. Strenge Specialfor- schungen wechseln bei ihm mit allgemeinen, zu- sammenfassenden Werken. Seine glückliehe Gabe für Terminologie hat zahlreiche Ausdrücke geschaffen, welche jetzt allgemein von Anhängern wie Gegnern gebraucht werden. Mit Gegenbaur und lluxley wurde II. der Begründer der neueren zoologischen Morphologie. Prof. Regel. Lieber Oberflächenspannung und deren Umsetzung in kinetische Energie. Von II. Klimpert. (Schluss.) Da die Gesamintencrgie jedes materiellen Systems eine konstante Grösse ist, so dass die Zunahme der kine- tischen immer gleich der Abnahme der potentiellen Energie ist, und umgekehrt, so ist man zu dem Schlüsse berech- tigt, dass mit dem Ueberlluthen von Wasseroberflächen die in denselben enthaltene potentielle Energie sich in Energie der Bewegung umwandelt. Das Letztere kann aber doch nur dann der Fall sein, wenn Wasser von einer anderen Flüssigkeit, z. B. von einem Oel überfluthet wird, dessen Oberflächenspannung wesentlich geringer ist, als die des Wassers. Hiernach müsste sich aber die Be- wegung des Meeresspiegels steigern, sobald derselbe „geölt" wird, denn wo soll anders die verloren gegangene potentielle Energie zum Vorschein kommen? Wir wissen aber aus Erfahrung, dass gerade das Gegentheil eintritt, dass das Oel die Meereswogen beruhigt. Wenn aber z. B. von einem heftigen Nordwinde gepeitscht, die fort- getriebenen Wasserschichten sich über südlicher gelegene ruhigere Wasserflächen ergiessen, welche hierdurch ihrer freien Oberfläche und damit ihrer potentiellen Energie beraubt werden, so müssen in demselben Augenblicke cbensoviele nördlicher gelegene Wasserflächenelemente, jetzt von den nach Süden hinrollenden Wassermassen be- freit und an die Oberfläche kommend, ebenso viele po- tentielle Energie binden, als ihre südlicher gelegenen Kameraden abgeliefert haben. Gleich wie der Käufer für gelieferte Waare dem Verkäufer Geld bezahlt, so be- zahlt das unter die Oberfläche tauchende Wassertheilcben für seine erworbene Freiheit, für seine Auslösung aus dem Spannungsverhältniss der obersten Schicht dem an seiner Stelle in die Oberfläche eintretenden Molekül die Summe seiner potentiellen Energie. Herr Mensbrugghe dagegen ist der Meinung, dass, wenn zwei Flüssigkeitssehiehten sich über einander legen, die potentielle Energie der wieder- bedeckten Oberfläche verschwindet, sich alter als Wärme wiederfindet, wenn der Vorgang langsam ist, dagegen als Bewegungsenergie, wenn die Entlastung schnell statt- findet. Weht in derselben Richtung ein anhaltender Wind, dessen Stösse den Wasserspiegel unter einem sehr spitzen Winkel treffen, so wird durch die Reibung der Luft das Wasser nicht nur in schwingende, sondern auch in fort- schreitende Bewegungen versetzt. Die so einmal erregten Wellen werden durch die fortgesetzte Wirkung des Win- des auf diejenigen Theile der Wellenstücke, die in der Windrichtung fortziehen, sowie durch die Vereinigung' kleinerer Wellen die sieh in derselben Richtung fort bewegen, ferner durch den Druck, durch welchen jede vorausgehende Welle die ihr nachfolgende unterstützt und vergrössert, und endlich durch die Durchkreuzung meh- rerer Wellen, die sich in verschiedenen Richtungen an einander brechen, mehr und mehr in ihrer Masse sowie in ihrer lebendigen Kraft gesteigert. Diese Ursachen dürften, auch ohne Zuhilfenahme der Oberflächenspan- nung und der in ihr zum Ausdruck kommenden poten- tiellen Energie, das Anwachsen der Meereswogen ge- nügend erklären. Es fragt sich überhaupt, ob die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten wirklich gebundenes Arbeitsvermögen repräsentirt oder nicht. Gewiss ist, dass jeder elastische Körper inneres, gebundenes Arbeitsvermögen enthält, so- bald er deforniirt ist. Wenn wir einen solchen Körper zusammendrücken, ausdehnen oder verwinden, so erfahren seine Moleküle eine Verschiebung und haben das Bestreben in die frühere Lage zurückzukehren. Unsere Arbeit hat sich in Spannkraft verwandelt, deren Aeusserung wir mit dem Namen Elasticität bezeichnen. Ein Körper aber, der diese Eigenschaft besitzt, besitzt deshalb noch keineswegs potentielle Energie. Diese ver- langt er vielmehr erst während seiner Deformation, unter Aufwendung einer entsprechenden Menge kinetischer Energie. Wenn demnach zur Verdoppelung einer Wasser- oberfläche von 1 qm auch wirklieb ein Arbeitsaufwand von 0,0075 Meterkilogramm erforderlieh ist, so können wir noch keineswegs behaupten, dass die Fläche von ursprünglich 1 qm an potentieller Energie 0,0075 mkg enthalte, diese Arbeitsfähigkeit würde vielmehr erst in ihr enthalten sein, wenn sie auf 2 qm ausgedehnt worden wäre, was im natürlichen Zustande wohl kaum der Fall ist. Der Widerstand, welchen ein Körper seiner Form- und Lagenänderung entgegensetzt, wird eben erst erregt in Folge der auf ihn formändernd einwirkenden Kräfte und verschwindet wieder mit diesen, gleichviel ob wir es mit einem festen oder flüssigen Körper zu thun haben. Auch die Flüssigkeitsoberfläche besitzt eine gewisse Elasticität und Festigkeit; sie zeigt einen hohen Grad der Biegsandveit und äussert nach der Biegung eine elastische Spannung. Besonders deutlich tritt diese Eigen- schaft an Flüssigkeitslamellen hervor. Bläst man gegen eine solche Lamelle, so dehnt sieh dieselbe halbkugelig aus, zieht sieh aber nach dem Blasen wieder zusammen. Besonders schön ist die Oberflächenspannung in ebenen Lamellen durch die Herren Dupre und Mensbrugghe nachgewiesen worden. Der erstere nahm z. B. eine rechteckige senkrecht gehaltene Metallplatte, deren unte- rer horizontaler Rand einen rechtwinkligen Ausschnitt besass. Er benetzte die Platte mit Seifenlösung', legte an das untere Ende des Ausschnitts ein leichtes Stäbchen s (Fig. 1) und erzeugte in diesem Rechteck, dessen eine bewegliche Seite durch das Stäbehen gebildet wurde, eine Seifenlamelle. Wurde das Stäbehen herabgezogen, so schnellte es beim Loslassen wieder in die Höhe. Die Spannung der Seifenlamelle, welche ein Minimum der Oberfläche erstrebt, hebt also das Gewicht des 144 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 12. Stäbchens in die Höhe, leistet demnach mechanische Arbeit.*) Ob bei diesen Experimenten die Oberflächenspannung allein eine Folge der Kollusion der Wassertheilchen ist, oder ob und in wie weit hier die Adhäsionskräfte zwischen den benetzten festen Körpern und den Flüssig- keitstheilehen in Aktion treten, das ist eine unbeantwor- tete Frage und doch dürfte gerade den letztgenannten Kräften der wesentlichste Einfluss auf die entstehende Lamellenspannung zuzuschreiben sein. Dieser Einfluss fällt aber bei Wasserflächen von grosser Ausdehnung hin- weg und es durfte schon aus diesem Grunde zu bezwei- feln sein, dass bei überdies lebhaft bewegten oder fliessenden Wassermassen dieselben Spannungsverhältnisse in den Oberflächenschichten in Betracht zu ziehen sind, welchebei ruhenden Wassertropfen oder Flüssigkeitslamellen beobachtet werden. Wenn letztere ein Minimum der Oberfläche erstreben (viel- leicht haupt- sächlich in Fol- ge der Ad- häsionskraft zu ihrem festen Umkreise), so lässt sich ein gleiches Bestre- ben nicht von der Oberflä- chenschicht je- der beliebig grossen Wasser- masse behaup- ten, denn es herrschen in dieser Bezie- hung wesent- liche Unter- schiede. Zu- nächst ist, ganz abgesehen von der Adhäsion. die Seifenla- melle von grös- serer Zähigkeit als Fluss- oder Seewasser, auf beiden Seiten von Luft begrenzt, während der Wasserspiegel nur nach oben hin an dasselbe Medium grenzt, dagegen nach unten hin mit dem 770mal so dichten Wasser in innigster Be- rührung steht, dessen Kohäsionskräfte dem fraglichen Be- streben derl >berflächenschicht, sich auf einMinimum zurück- zuziehen, einen, diesem Bestreben proportionalen Wider- stand entgegensetzen werden. Eine andere ungelöste Frage ist die, wie gross denn eigentlich die Minimal- däche ist, bis zu welcher sich 1 Gm Wasseroberfläche zusammenzuziehen sucht. Ob jeder Dm Oberflächen- schicht von Vmooo mni Dicke bestrebt ist auf ein Mini- mum von 1 [cm Fläche von l/2 mm Dicke oder auf eine Fläche von 1 [mm Ausdehnung und 50 min Dicke sich zurückzuziehen, das ist nirgends erörtert; es wird nur bemerkt, dass jedem [in Oberfläche eine potentielle Energie von 0,0075 mkg entspricht, welche beim Ver- schwinden von 1 (Hm sich in kinetische Energie umsetzt. Wenn aber ein gleicher Kraftaufwand zur Verdoppelung *) Bezüglich der diesbezüglichen schönen Versuche, welche Herr Mcnsbrugghe ausführte, sei hingewiesen auf die „Praktische Physik" I. Jahrg. 1888 S. 312 und C. V. Boys „Seifenblasen" cleul cli von Dr. Gr. Meyer, Leipzig 1893. von 1 LJm Oberfläche nothwendig ist, so scheint der ganzen Rechnung des Herrn Mensbrugghe die Annahme zu Grunde liegen, dass jedes [jni Oberfläche bestrebt ist, sich auf das Minimum Null zurückzuziehen. Was aber von einem m Oberfläche gilt, das gilt dann auch von Tausend und Millionen Quadratmetern. Diese ziehen sich also in V20000 mm Dicke, ihrem natürlichen Be- streben folgend, und die Kohäsionskraft der zunächst darunter befindlichen Wassermoleküle auf ebenso vielen _jm überwindend, also mechanische Arbeit leistend, in ein Nichts zusammen und geben dabei per 1 Qm auch noch 0,0075 mkg potentieller Energie frei. Diese würde doch wohl, wenn wirklich vorhanden, schon durch die erwähnte mechanische Arbeitsleistung ganz oder grossentheils aufgezehrt werden, denn die Kohäsionskräfte der Flüssigkeitsmoleküle wirken einer Verschiebung entgegen. Sobald Verschiebungen eintreten, müssen not- wendigerweise auch innere Spannungen in der Flüssigkeit auftreten. Herr Mens- brugghe zwei- felt an der Ober- flächenspan- nung ausge- dehnter und be- wegter Wasser- massen nicht, da es nach sei- ner Meinung die Oberflächen- spannung ist, durch welche das Meerwasser an seiner Ober- fläche, selbst bei den grössten Stürmen, kleine, aufgeschüttete Oelmassen mit grosser Ge- schwindigkeit ausbreitet. Die- se Ausbreitung rührt (nach Quinke) daher, dass die Spannung des reinen Wassers die Summe der Spannungen des verwen- deten Oeles und der den beiden Flüssigkeiten gemein- samen Oberfläche überwiegt. Nach Quinkes Bestimmun- gen sind die Grössen der Oberflächenspannung z. B. für Wasser in Berührung mit Luft 8—8,5, für Petroleum in Berührung mit Luft 3,23, mit Wasser 3,83 in Sa. 7,06, für Terpentinöl in Berührung mit Luft 3,03, mit Wasser 1,18 in Sa. 4,21, und entsprechende Versuche haben wirk- lich ergeben, dass das Terpentinöl eine bedeutend grössere Ausbreitungsfälligkeit besitzt wie Petroleum und haben zu dem Satze geführt, dass die relative Ausbrei- tungsfähigkeit der Oele auf reinen Wasser- flächen wächst mit allnehmender Summe der Spannungen der oberen und unteren Grenzfläche des Oeles und anscheinend nur von dieser ab- hängt. Wäre dieser Satz für alle Fälle richtig, dann müste die Ausbreitung von Oel auf Salzwasser noch rascher vor sich gehen als auf Süsswasser, weil nach den Ver- suchen von Quinke u. A. die Oberflächenspannung mit dem Salzgehalte, wenn auch nur langsam wächst und die Spannung an der Grenzfläche von Oel und Salzwasser Nr. 12. Nulii i VVISSC118CII afilii Wochenschrift. 14.") noch geringer gefunden wurde als an der von Oel und Süsswasscr. Eine Reihe von Versuchen, welche Herr Koppen ausgeführt hat, haben aber für sämmtliche Oele viel langsamere Ausbreitung auf 37$ prozentiger Koch- salzlösung als auf süssem Wasser ergeben. Es soll hier niebt unerwähnt bleiben, dass in einem soeben erschienenen Schriftchen von M. M. Richter in Hamburg, betitelt: „Die Lehre von der Wellenbernhigung", die Löslichkeit der Oelsäure in Wasser als diejenige Eigenschaft bezeichnet wird, auf welcher die Ausbreitung des Oclcs auf Wasser und das Glätten der Wellen beruht. Gewiss treten bei einem Molekül, welches dem Wasser- spiegel so nahe liegt, dass ein Theil seiner überaus kleinen Wirkungssphäre über den Flüssigkeitsspiegel zu liegen kommt, abwärts gerichtete Kräfte in Thätigkeit, welche durch keine entgegengesetzt gerichteten Kräfte ausgeglichen werden, wie solches bei allen anderen Mole- külen der Fall ist, deren Wirkungssphäre vollkommen unter der ( Iberfläche liegt. Die Folge davon ist, dass die Flüssigkeitstheilchen in der äussersten Oberflächen- schicht von angeblich V20000 mm Dicke eine grössere Cohäsion besitzen, als im Innern der Flüssigkeit.*) In dem Augenblicke nun, wo durch Wind oder andere Ursachen die obersten Wasscnnolcküle von anderen über- schwemmt werden, in demselben Augenblicke werden auch die nach abwärts gerichteten Molekularkräftc der an- fänglich obersten Moleküle durch die anziehenden Kräfte der sich darunter lagernden Massentheilehen aufgehoben; sie erlangen in Folge dessen eine allen unter der Ober- fläche liegenden Wassertheilchen eigene leichtere Beweg- lichkeit, was aber wohl keineswegs mit kinetischer Energie gleichbedeutend ist. Diese ist erst vorhanden, wenn die ihrer Fesseln entledigten Moleküle durch ihre eigene Schwere oder durch den Stoss des Windes oder benach- barter Moleküle Geschwindigkeit erlangt haben. Die Elastizität und Festigkeit, welche in gewissem Sinne der Wasseroberfläche eigen ist, gehört nicht zu den Kräften, welche Bewegung zu erzeugen oder zu be- schleunigen im Stande sind, sondern, gleichwie der Wider- stand des Mediums und die Reibung zu den, jeglicher Bewegung widerstrebenden Kräften. Es kann sonach auch nicht von einer Energie der Lage hier die Rede sein, und eine potentielle Energie wohnt den Molekülen des Wasserspiegels nur insofern inne, als dieselben, gleich allen anderen Molekülen im Innern der Flüssigkeit, bei eintretender Bewegung in Folge der Schwerkraft eine tiefere Lage einzunehmen bestrebt sind, was sieh durch das Fliessen derselben kundgiebt. Ist aber keine poten- tielle Energie in der Oberflächensehicht enthalten, so kann beim Ueberflutcn derselben auch keine kinetische Energie in Thätigkeit treten. Dass die Frage über das Vorhandensein und die Entstehung der Oberflächenspannung noch nicht endgültig gelöst ist, dass geht aus den folgenden sieh wider- sprechenden Erklärungen hervor. In No. 24 der natur- wissenschaftlichen Wochenschrift (Jahrg. 1893) kann man lesen, das sich Herr K. Schmidt die Wasseroberfläche bestehend denkt aus nach oben gedrückten Resten von Flüssigkeitshäutehen, welche von den durch die fliessende Bewegung und Reibungswiderstände zerstörten Wasserhäutchen herrühren, aus denen man sich das ganze Innere der Flüssigkeit bestehend denken soll. Der Ausdruck „Flüssigkci tshäutehen" ist in *) Demgegenüber nimmt Herr Mensbrugghe an, dass die Moleküle an der Oberfläche weniger dicht liegen, also auch geringere Kollusion besitzen als die inneren Moleküle, und bemerkt dazu, dass die Verdunstung unmöglich wäre, wenn die Oberfläellenmoleküle grössere Koliäsion besässen als das Flüssig- kci tsinnere. Aufnahme gekommen, weil viele Erscheinungen den Ein- druck hervorrufen, als wäre die Oberfläche einer Flüssig- keit mit einem dünnen, zähen Häutchen überzogen. Die in demselben herrschende Kraft nennt man Ober- flächenspannung. So veranlasst z. B. eine feine Xäh nadel auf Wasser, oder ein Goldstück auf Quecksilber gelegt, eine leichte Einbiegung wie auf einem dünnen Gummihäutehen, und sinkt trotz seines grösseren speci- fisehen Gewichts nicht unter. Eisenfeilicht und Blattgold schwimmen auf Wasser und einige Insecten laufen uu- benetzt über das Wasser hin, weil sie dünne, fadenartig in 5 bis 6 Spitzen auslaufende Füsse haben, welche nicht einsinken, sondern nur eine kleine Vertiefung im Wasser- spiegel bilden. Auf Grund dieser Erscheinungen hat man die Behauptung aufgestellt, dass die Flüssigkeits- theilchen in der äussersten Oberflächenschicht eine grössere Cohäsion besitzen, als in ihrem Innern. Welches ist aber die Ursache, dass die Cohä- sion an der ( »berfläehe grösser erscheint als unterhalb derselben? Ist diese Cohäsion nicht eine Folge der Molekularwirkungen zwischen dem Wasser und der auf seiner Oberfläche lagernden atmosphärischen Luft? Letztere bildet, da die auf dem Wasser lagernden Luftmoleküle von den Wassermolekülen 7TU mal so kräftig angezogen werden, als von den über ihnen lagernden Luftmolekülen, auf dem Wasserspiegel eine stark verdichtete Luft- schicht. Diese wird überdem noch durch einen 1 (ruck von 1033 Gramm pro 1 H cm auf das Wasser, ja zum Theil in die Oberflächenmoleküle desselben hineingepresst. Plateau nimmt eine besondere Oberflächenzähig- keit an. Er Hess eine horizontale, sehr flache Magnet- nadel so schwingen, dass sie das eine Mal nur mit ihrer unteren Fläche die ebene Flüssigkeitsoberfläehe berührte; ein zweites Mal war sie ganz in die Flüssigkeit ein- getaucht. Er fand so für die Zeit, welche die Nadel brauchte, wenn sie 85° aus dem magnetischen Meridian abgelenkt war, um in denselben zurückzukehren, in beiden Fällen verschiedene Wert- e. Bei Alcohol, Schwefelkohlen- stoff, Aether, Terpentinöl ist umgekehrt wie bei Wasser die Geschwindigkeit der auf der Oberfläche sieh bewe- genden Nadel grösser als die der untergetauchten, wonach bei diesen Flüssigkeiten die Oberflächenzähigkeit kleiner ist als im Innern. Sehr intensiv ist die Oberflächenzähig- keit bei Saponinlösung, welche bei einem Gehalte von nur 7ia an Saponin die aus dem Meridiane von 90° ab- gelenkte Nadel ganz festhält, während sie die geringere Zähigkeit des Wassers zu haben seheint. Nach Marangoni ist eine Unterscheidung zwischen innerer und Oberflächenzähigkeit nicht gerechtfertigt. Er nieint. dass sich in Folge der Verdunstung eine Art Schleier auf dem Flüssigkeitsspiegel bildet, welcher zwei Spannungen besitzt: Die erstere, schwächere und fort- während wirksame rührt von dem entstandenen Schleier her, die zweite ist gebunden und wird erst frei, wenn das Häutchen zerrissen wird. Da die letztere Spannung grösser ist als die erstere, so folgt daraus, dass jede Kraft, welche das Oberflächenhäutchcn zu zerreissen strebt, einem Widerstände begegnet, dessen Grösse mit dem Unterschiede der Spannungen zwischen der Flüssig- keit und dem Häufchen wächst. Nach Koppen*) hat die gemeinschaftliche Grenzfläche zweier Flüssigkeiten (auch bei Wasser und Luft?) das Bestreben, möglichst klein zu werden. (Hiernach ist es unerklärlich, warum sich Oel auf Wasser möglichst aus- breitet!) „Die Kraft, welche dabei in der gemeinschaft- lichen Grenze wirkt, nennt man die Oberflächenspannung *) Annale» der Hydrographie und maritimen Meteorologie, April 1893. 146 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 12. der gemeinsamen Grenzfläche. Sie bedingt u. A. die Kugelgestalt der Tropfen und Blasen. Diese Kraft wirkt bei allen Flüssigkeiten völlig so, als ob die Grenzfläche derselben eine gespannte elastische Haut sei, wie etwa eine Kautsckukmembran, deren Theilchen aber die Eigenschaft der Flüssigkeiten, die freie Beweglichkeit nach allen Seiten, behalten, so dass die Haut nicht wie eine feste Haut Falten wirft bei einseitigem Zug.'- (Nach dem er- wähnten Versuche. Plateaus ist doch die allseitige freie Beweglichkeit der ( Iberflächenmoleküle wenigstens bei Wasser eine sehr beschränkte!) „Die grosse Spannung der Wasseroberfläche wird durch die geringste Verunrei- nigung auf demselben so vermindert ('?), dass es schwer ist, einen absolut gültigen Werth für die Flüssigkeiten festzustellen." Es darf hier nicht unerwähnt bleiben, dass sich nach Oberbecks Ermittelungen der Oberflächenwider- stand mit der andauernden Berührung des Wasserspiegels mit der Luft und den in derselben enthaltenen Staub theilchen steigert. Sehen wir uns nun einmal in den verbreitetsten und als vorzüglich anerkannten Lehrbüchern der Physik um, so finden wir fast eine und dieselbe Erklärung über die Entstellung des Flüssigkeitshäutchens resp. der Ober- flächenspannung. Diese Erklärung lautet im wesentlichen etwa folgendermaassen: Die überaus leichte Trennbarkeit der Flüssigkeits- theilchen, sowie das denselben eigenthüniliehe „Fliessen" berechtigen uns zu der Annahme, dass die Anziehungs- kräfte, mit denen die Flüssigkeitsmolecüle nach der ato- mistischen Theorie ausgestattet sind, nur auf einen sehr engen Umkreis in merklicher Stärke wirksam sind. Denken wir uns nun im Innern einer Flüssigkeit ein Mo- lccül in (Fig. 2) und um dasselbe eine Kugelschale in der grössten Entfernung r gezogen, bis auf welche die an- ziehenden oder die Cohäsionskräfte im günstigsten Falle noch wirksam sind, so erhalten wir die sog. Anziehungs- oder WT irkungsspliärc des betreffenden Molecüls. Alle Molecüle, welche innerhalb dieser Wirkungssphäre liegen, wirken anziehend auf das Molecül w. Da wir aber nur annehmen können, dass alle diese anziehenden Molecüle vollkommen regelmässig und symmetrisch um das Molecül m gelagert sind, so heben sich diese Anziehungskräfte paarweise gegenseitig auf. Bei einem Molecül ///, aber, welches der Oberfläche der Flüssigkeit so nahe liegt, dass ein Theil seiner Anziehungssphäre über den Klüssigkeits- spiegel zu liegen kommt, sind nur die anziehenden Kräfte derjenigen Molecüle miteinander im Gleichgewicht, welche in Bezug auf das Molecül ml eine symmetrische Lage zu einander haben, während die anziehenden Kräfte aller Molecüle, welche in dem Kugelabschnitt ede (Fig. :'> liegen, durch keine entgegengesetzt gerichteten Kräfte ausgeglichen werden und so eine senkrecht abwärts ge- richtete Resultirende R ergeben. Bei einem Flüssigkeits- molecül m2, welches in der Oberfläche selbst liegt, ist dies in noch viel höherem Grade der Fall, denn es liegt jetzt die Hälfte der Anziehungssphäre ausserhalb der Flüssigkeit (siebe Fig. 3), und so" werden alle Kräfte, welche von den in der unteren Halbkugel mno liegenden Molecülen auf »m2 ausgeübt werden, sich zu einer senkrecht abwärts gerichteten Resultante vereinigen, dakeine derselben durch ein symmetrisch gelegenes Molecül aufgehoben wird. Die der Oberfläche nahen Theilchen sind daher bis zu einer Tiefe, gleich dem Radius der Wirkungssphäre, einem zur Oberfläche senkrechten, nach einwärts gerich- teten Drucke, dem Cohäsionsdrucke, unterworfen und bilden gleichsam ein über die Oberfläche gespanntes dünnes Häutchen, dessen Beschaffenheitsich von derjenigen der inneren Flüssigkeit unterscheidet. Aus dieser Betrachtung geht hervor, dass der Nor- mal- oder Cohäsions druck an der Oberfläche selbst am grössten ist und nach dem Innern der Flüssigkeit hin stetig so abnimmt, dass er in dem Abstand r von der Oberfläche ganz aufhört, weil die Anziehungssphäre der hier liegenden Molecüle schon ganz in die Flüssigkeit hineinfällt. Zu diesem, bei ebener Oberfläche wirkenden Cohä- sionsdrucke kommt bei gekrümmter Oberfläche noch eine Kraft hinzu, die Oberflächenspannung, welche aus dem Bestreben der Molecularkräfte, die Oberfläche zu verkleinern, entspringt. *) Bezeichnen wir die Grösse des Normaldruckes pro Flächeneinheit einer vollkommen ebenen Oberfläche' mit K0, so vermindert sich derselbe bei einer con- eaven Fläche, wie durch saugende Wirkung nach aussen hin, vermehrt sich dagegen bei einer convexen Ober- fläche, wie durch eine Pressung von aussen her. Dass dem wirklich so ist und sein muss, beweisen die Figuren 4 n. ö. Bei der in der ersteren Figur dargestellten eon- eaveu Fläche sind, verglichen mit der ebenen Fläche, Theilchen hinzugekommen, deren Anziehungskräfte aus- geglichen werden-, folglich niuss die Resultirende der in dem Raum ede liegenden Molecüle und somit auch der Normalcohäsionsdruek kleiner sein als bei ebenem Fliissigkeitsspiegel. Dahingegen zeigt Fig. 5, dass bei convexer Oberfläche noch einige von den .Molecülen hinwegfallen, deren Kräfte bei ebener Oberfläche durch gegenüberliegende Molecüle im Gleichgewicht erhalten wurden, somit ist in diesem Falle zu der Kraft 7v0 noch eine positive Grösse hinzugekommen. Diese Grösse, um welche die Kraft K0 vermindert oder vermeint wird, nimmt der Theorie und der Erfahrung gemäss in dem- selben Vcrhältniss zu, in welchem die Krümmung der Überfläche zunimmt. Bezeichnen wir den Krümmungs- halbmesser mit R, so ist demnach jene Grösse dem reci- proken Wertke -^ direct proportional. Der ganze Cohä- sionsdiuck kann daher ausgedrückt werden durch die Formel: „ K = Ä'0 -f- -^ worin l! bei convexer Oberfläche positiv, bei con- caver Oberfläche negativ zu nehmen ist und ^ die Oberflächenspannung pro Flächeninhalt bezeichnet.**) Wenn die B'lüssigkeitsoberflächc nicht als Theil einer Kugelschale anzusehen ist, sondern in verschiedenen auf ihr senkrechten Durchschnitten einen verschieden grossen Krümmungsradius besitzt, dessen grösster und kleinster Werth mit R und fij bezeichnet wird, so ist an Stelle von -77 in voriger Gleichung /,' 1 / 1 (i + s) zu setzen. Der Cohäsionsdruck A", von aussen wirkend gedacht, ist alsdann für eine 1 coneave Fläche 2T= Ä"0 — A U + A ) *) Siehe z. B. Lommel, Lehrbuch der Experimentalphysik, Leipzig 1893, S. 125. ) // ist eine Constante, welche nichts anderes bedeutet, als die Oberflächenspannung auf der Flächeneinhoit einer Kugel vom Radius 1. *■**) Die Capillaritätsconstante A = '/» H bezeichnet eine an dor Flächeneinheit wirkende spannende Kraft, welche für die ganze / 1 l\ Oberfläche gleich sein muss, während A I „ + b- I denBeitrag be- zeichnet, den diese Spannung in Folge der Krümmung zum Cohä- sionsdruck liefert. Nr. 12. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 147 ebene ti. convexo K=K0 K=K0 ■'!;,:,:,) Die Oberflächenspannung ist also um so grösser, je stärker die Krümmung der Fläche ist. Bei ebenen Flächen ist die Oberflächenspan- n u n g = Ü. Nach diesem Gesetze kann also hei einer ebenen Oberfläche, wie wir sie im Grossen und Ganzen heim Fluss- und Meerwasser annehmen dürfen, von einer Oberflächenspannung also auch von einer potentiellen Energie überhaupt nicht die Rede sein. Wie lautet dem gegenüber die von Herrn Mensbrugghe gegebene Theorie? „In einer in Ruhe oder Bewegung befindlichen Wassscrmasse setzt sich die zurückstossende Kraft, welche, fähig ist, den im Innern wirkenden anziehenden Kräften das Gleichgewicht zu halten, an der freien Oberflächen- schicht um und bringt dort nach allen Richtungen mole- cnlare Seitenheweguugen und Zwischenräume hervor, die um so grösser sind, je näher die gedachten Horizontal- schichten der Oberfläche kommen. In der, der Ober- fläche parallelen Richtung bringen diese Seiten- bewegungen die Oberflächenspannung und in senkrechter Richtung die Verdunstung hervor. Dieser Annahme entsprechend haben diese Thcilchen, die einen Abstand zwischen sich erlitten haben, eine Zug- elastizität oder Spannung erworben, die um so grösser ist, je näher dieselben der Oberfläche liegen. Die Summe dieser Elastizitätskräfte pflanzt sich in alle Theile der Oberflächenschicht fort und macht die totale Spannung (7,5 mg pro 1 mm) aus, und sonach besitzt jede freie Flüssigkeitsoberfläche, ehe man sie mehr oder weniger deformirt, potentielle Energie." I>ie Begründung ist folgende: Wenn ich mir eine Halbkugel (Fig. 6) vom Radius r (dem Radius der Anziehungskraft) an der Oberfläche der Flüssig- keit denke, und in dieser Halbkugel einen Durchmesser c 0 clt in welchem sich die Molecüle n, b, c auf der einen Seite von 0 und ax bT c, auf der anderen Seite befinden, so ist erklärlich, dass jede Anziehung, die c auf 0 ausübt, aufgehoben wird durch die, welche Cj auf 0 ausübt. Wenn aber r das Molecül 0, oder 0 das Molecül c anzieht, also ein Bestreben vorhanden ist 0 und r. einander zu nähern, so wird dasselbe um so grösser sein, als c dem Molecül 0 näher liegt. Dasselbe gilt von der Anziehung von 0 auf r. Durch die vereinte Einwirckung von 0 auf a, b, c einer- seits und von 0 auf ax &, r, anderseits muss sieh in der unmittelbaren Umgebung des Molecüls 0 eine Verdichtung ergeben, welche nur im Gleichgewicht gehalten werden kann durch eine rückwirkende genau gleich grosse und entgegengesetzt gerichtete Kraft. Ferner wird der Grad der Cohäsion noch vergrössert durch die Einwirkung- von ox auf a, b und 6, auf a. Wenn es mehr als 4 Molecüle auf dem Radius r gäbe, würden die Kräfte, welche fähig sind, die Cohäsion in 0 zu vermehren, natürlich noch viel zahlreicher sein. Je mehr Durchmesser wir in einer so gedachten AVasserkugel (Fig. 7) annehmen, wo sich n Flüssigkeitsmole- cüle rund um das Molecül Ü des Centrums gelagert finden, um so' stärker wird die Cohäsion um 0 herum sein. Je näher nun die gedachten Wasserkugeln der Oberfläche liegen, um so geringer wird die Anzahl der Durchmesser sein, welche man sich noch vollständig' in jeder Wasser- kugel gezogen denken kann, und in der Oberfläche selbst kann man nur einen einzigen solchen ziehen, nämlich den horizontal gerichteten. Auf mon ist der Radius on mit Molecülen besetzt, aber der Radius op ist nur von o bis m besetzt. Hieraus last sieh folgern, r. Wilhelm Haacke: Gestaltung und Ver- erbung. — Christian Konrad Sprengel: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen — Büeher-Cataloge. — Liste. 152 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 12. Vorlag von Frietlr. Vieweg & Sohn in Braunschweig. (Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) Soeben erschien: Die Lehre von der Elektricität von Gustav Wiedemaim. Zweite unigearbeitete und vermehrte Auflage in 5 Bänden. Zugleich als vierte Autlage der Lehre vom Galvauismus und Elektromagnetismus. Zweiter Band. 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Beilage zur Naturwissenschaftlichen Wochenschrift, Wahrung der Priorität. Am 7. Mai 1857 hielt ich in Berlin eine Vorlesung über den „Einfluss der Kometen und Meteore auf die Ent- stehung und Entwickelung unserer Erde". Ich zeigte darin, es seien zahlreiche vulcanische Brüche der Erd- oberfläche vorhanden, welche sich rechnungsmässig auf Wasserströmungen von grosser Schnelligkeit zurückführen Hessen. Diese Strömungen seien vermöge ihrer Richtung und Geschwindigkeit durch eine kometische Berührung der Erdoberfläche zu erklären, deren Länge und Richtung sich ebenfalls durch Rechnung bestimmen lasse. Ich habe später diese Strömungen über eine Länge von 369 Breitengraden entwickelt und die Erklärung durch neue wichtige Gründe verstärkt. Ferner bewies ich durch die Meteoriten, dass die Grundstoffe im Weltgebäude überall dieselben sind und dass die Weltkörper sich im Wesentlichen aus Meteoriten entwickeln. Endlich wies ich nach, dass die Atmosphäre unserer Erde von einer Wasserstoffhülle überlagert sei, und ich schloss daraus, es müsse ein ähnliches Vorkommen auch bei anderen Weltkörpern, insbesondere bei der Sonne stattfinden. Auch hier bestehe die Corona aus Wasser- st offgasen und unter der brennend leuchtenden Schicht sei eine Atmosphäre der unsrigeu gleichartig anzunehmen. Drei Jahre später, 1860, wurde in Poggendorf's Annalen die erste Entdeckung der Spektralanalyse ver- öffentlicht. Sie bestätigte die Gleichartigkeit der Stoffe durch den ganzen Weltenraum, sowie die Wasserstoffhülle der Sonne. Die obere Wasser- stoffhülle unserer Erde und ebenso deren kometische Berührung harrt bis jetzt noch der Anerkennung durch die Wissenschaft, so nahe die Analogie liegt, und es bleibt darum den Gelehrten überlassen, für das plötzliche Verschwinden und Detoniren der Feuerkugeln in gewissen Höhen, sowie für das Fortglühen ihrer Schweife und für andere Vorkommnisse der oberen Atmosphäre, für die übereinstimmenden Formen der vulcanischen Brüche der Erdrinde die erklärenden Ursachen aufzusuchen. Auf die Vermehrung der Erdmasse durch die Meteoriten hat bis jetzt nur ein einzelner Gelehrter von Ruf, der berühmte Durchforscher des Nordens Freiherr von Nordenskiöld in seiner Schrift: Studien und Forschungen vom Jahre 1884, Gewicht gelegt. Um mir die Priorität der Entdeckungen zu wahren, gebe ich hier mit Uebergehung der für eine kometische Berührung der Erde beigebrachten Gründe einen wört- lichen Abdruck aus meinem damaligen bei Rudolf Wagner in Berlin gedruckten Vortrag: . . . Was von den Gesetzen, den bewegenden Natur- kräften gilt, das gilt auch von den durch diese Naturkräfte bewegten Stoffen. Luft und Wasser, dieselben Metalle, Ge- steine und Erden sind nicht nur, wie wir wissen, über den ganzen Erdboden verbreitet, sondern wir sind auch im Stande, die Stoffe aller übrigen Körper unseres Sonnen- systems, ja der fernsten Sonnen unserer Fixsterngruppe mit unseren Händen zu greifen, sie in den Schmelztiegel zu legen und ihre Gleichartigkeit mit den Stoffen unserer Erde zu untersuchen. Lässt sich der Beweis dieser Behauptung, wie es geschehen soll, mit Euklidischer Schärfe führen, so dürfen wir in der Verschiedenheit fremder Weltkörper nicht länger eine Verschiedenheit ihrer Bestandtheile, sondern nur eine Verschiedenheit der Formen, Verbindungen und Verhältnisse voraussetzen, in denen sich jene Bestandtheile befinden. ... Es scheint eins der Gesetze zu sein, welche in der ganzen Natur, der organischen wie der unorganischen, gleichmässig Geltung haben, dass alle grössere Körper aus kleineren gebildet und zusammengesetzt werden. Wir kennen mindestens von diesem Gesetz nicht eine einzige Ausnahme. Man hat die Theile der Materie bis an die äussersten Grenzen unserer Wahrnehmung verfolgt, doch ohne die kleinsten Theile zu erreichen. Die Theilbarkeit der Stoffe ist für unsere Sinne, wie für unseren Verstand, unendlich; und ebenso werden, so weit unsere Erfahrung reicht, alle kleine Körper aus kleinsten, die grösseren und grössten aber aus kleineren gebildet. . . . Sollte das Gesetz der Anhäufung, welches wir, soweit unsere Wahrnehmung reicht, bei allen Körpern als richtig erkennen, nicht auch bei den grössten, den Weltkörpern, seine Geltung haben ? . . . Dauert das Herabfallen der Meteormassen auf die Erde während eines sehr langen Zeitraumes in gleicher Weise fort, so muss dadurch deren Masse um eine merk- bare, dann um eine sehr bedeutende, zuletzt um jede be- liebige Grösse vermehrt werden. Und umgekehrt, gehen wir in der Dauer der Erde zurück, so sind bloss folgende Fälle möglich: Entweder das Fallen von Meteorsteinen hat in früheren Erdperioden nicht stattgefunden, oder die Erde ist zu jung, als dass ihre Masse durch die Meteor- steine erheblich vermehrt worden sein könnte, oder aber die Erde ist wesentlich aus Meteorsteinen entstanden, welche im Laufe der Zeit nach und nach auf dieselbe herabgestürzt sind. . . . Man [mag sich wohl die Frage vorlegen, wo denn eigentlich die ungeheure Menge von Wasserstoffgas und Kohlenwasserstoffgas hinkommt, welche aus den verschie- denen Processen des animalischen und vegetabilischen Lebens, aus den Salsen, aus den Kohlengruben u. s. w. entbunden wird. Ueberdies wissen wir, dass sich die Erde, in elektrischer Beziehung, wie eine galvanische Batterie verhält. Denn Beide sind aus verschiedenen Stoffen ge- schichtet, in Beiden tritt Wasser zwischen die Schichten und wirkt auf diese. Wir kennen in Beiden magnetische Strömungen: wir wissen, dass in Beiden Erhitzung und Schmelzung vorkommt. Wir kennen in Beiden Oxydations- processe durch Einwirkung des Wassers. Unzweifelhaft erfolgt auch in der Einen, wie in der Andern, die chemische Zerlegung des Wassers in seine Bestandtheile, Wasser- stoff und Sauerstoff. Es sprechen Gründe dafür, dass eine solche vorzugsweise an den Polen stattfindet. — Das dadurch entbundene Sauerstoffgas vermischt sich mit dem Meerwasser und liefert den Athembedarf der Seethierc; wo aber bleibt das Wasserstoffgas? Eine andere Frage! — Es ist durch zuverlässige Rechnungen festgestellt, dass unsere Atmosphäre, wenn sie bloss aus den bekannten Bestandteilen der atmo- sphärischen Luft bestände, nicht höher sein könnte, als etwa 10 Meilen. Nun wissen wir aber durch vielfache Beobachtungen, dass die Atmosphäre bei weitem höher ist: denn die Meteore werden in Höhen von bestimmt 30 Meilen und darüber, muthmaasslich sogar über 100 Meilen hinaus wahrgenommen. Es bleibt hiernach ein auffallender Widerspruch zwischen der berechneten und der beob- achteten Höhe unserer Atmosphäre übrig. Dieser Wider- spruch ist nicht zu lösen, sobald wir unsere Atmosphäre mit der uns umgebenden atmosphärischen Luft abge- schlossen denken. Wir sind also zu der Annahme ge- zwungen, dass die höchsten Schichten unserer Atmosphäre eine wesentlich andere chemische Beschaffenheit haben, als die tieferen. Gewiss dürfen wir in ihnen diejenigen Gasarten aufsuchen, welche an der Erdoberfläche, wie wir wissen, entbunden werden, und welche wir gleichwohl in der uns bekannten Schicht der Atmosphäre gar nicht oder nur im geringsten Maasse antreffen. . . . Was von dem Wasserdunst und dem Stickgas gilt, das findet gewiss in noch höherem Grade auf das weit leichtere Wasserstoffgas Anwendung. Obschon dasselbe durch Wasserzersetzung ohne Zweifel in grossen Massen entbunden wird, so ist es doch in der Atmosphäre, so weit sie uns zugänglich ist, ungebunden entweder gar nicht, oder nur in so geringer Menge vorhanden, dass die Chemie es bis jetzt noch nicht zu entdecken vermochte. Man kennt daselbst nur seine schwachen Spuren im Am- moniakgas oder in organischen Stoffen. Sein Sitz muss darum die höchste Schicht der Atmosphäre sein. Alle diese Gasarten, mit Ausnahme der letzteren, sind entweder schwerer oder doch nur um Weniges leichter als die Luft. Sie alle erklären darum nicht eine Höhe der Atmosphäre, wie wir sie aus der Beobachtung der Meteore mit Bestimmtheit kennen. Wasserstoffgas dagegen ist 141/» Mal so leicht als Luft. Ein Luftkreis, aus Wasser- stoffgas bestehend, kann darum 141 ., Mal so hoch sein, als ein solcher aus atmosphärischer Luft, mithin 145 Meilen, wenn dieser nach der Berechnung nur 10 Meilen hoch sein würde. Man hat in der That Meteore auf 145 Meilen Höhe geschätzt. Aber steigt das Wasserstoffgas nach oben, so würde es sich ohne Ende vermehren, wenn es nicht von Zeit zu Zeit wieder verzehrt würde. Es müssen darum in der obern Atmosphäre Processe vorgehen, welche die Aus- gleichung bewirken. Hier haben wir eine Erklärung des Polarlichts, welches wir in unserer Hemisphäre als Nord- licht bezeichnen. . . . Auch beim Explodiren der Feuerkugeln zeigt sich eine dichte Wolke, welche man nicht uneben den Dämpfen aus einer dahin eilenden Locomotive vergleichen könnte. Auch hier bildet sich mithin das Wasser. Die Explosion ist die bekannte Erscheinung beim Verbrennen von Knallgas. . . . Nach einer solchen Rechnung könnte die Geschwin- digkeit, mit welcher die Meteore die Erde erreichen, nur eine verhältnissmässig geringe sein. Die wirkliehe Ge- schwindigkeit ist aber viel zu gross, um nur die ent- fernteste Möglichkeit ihrer Abstammung aus einem Ringe in der Nähe der Erdbahn, ja aus uuserm Sonnensystem überhaupt zuzulassen. Die Geschwindigkeit der Meteore ist vielfach gemessen worden. . . . Die Geschwindigkeit der Meteore übertrifft diese Gi. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Ueber Emin Pascha's ornithologische Thätigkeit. Von Herrn an Schalow. Prof. Regel hat in dieser Wochenschrift (vergl. Nr. 3 d. Jahrg.) eine eingehende Schilderung- des Lebens und der wissenschaftlichen Thätigkeit Emin Pascha's gegeben und bei der Besprechung der letzteren auch der For- schungen des ausgezeichneten Mannes auf dem Gebiete der Ornithologie in kurzer Andeutung Erwähnung gethan. Da die vogelkundliche Arbeit wohl diejenige gewesen ist, der Emin von Jugend auf das wärmste Interesse entgegen- gebracht, und die er selbst in vielen Briefen als sein Lieblingsstudium bezeichnet hat, so möchte es vielleicht, nach der sorgfältigen, allgemeinen Schilderung Professor Regel's, nicht als überflüssig erscheinen, auf die hohe Bedeutung Emin's für die Entwickelung unserer Kennt- niss der Vogelkunde der äthiopischen Region noch einmal des besonderen hier zurückzukommen. Dürften es doch auch, neben den iuhaltvollen meteorologischen Aufzeich- nungen, vornehmlich die ornithologischen Sammlungen und Beobachtungen sein, welche Emin den Ruf eines wissen- schaftlichen Forschers von hervorragender Bedeutung ver- schafft haben. Im Jahre 1878 wurde Emin zum Gouverneur der ägyptischen Aequatorial- Provinz, mit dem Sitz in Lado, ernannt. Nachdem er hier einigermaassen geordnete Zu- stände geschaffen, und seine administrative Thätigkeit die freie Zeit gewährte, begann er mit seiner ornithologischen Arbeit. Aus diesen südlichsten Gebieten des ägyptischen Sudan war bis zu jener Zeit kein nennenswerthes Material in die Hände wissenschaftlicher Bearbeiter gelangt. Ein reiches Feld der Thätigkeit erschloss sich daher für Emin's sammlerisches Talent. Abgesehen von den Forschungen im eigentlichen Aegypten, dessen Vogelfauna aus der der äthiopischen Region auszuscheiden sein dürfte, waren es, neben denen Eduard Riippel's, vornehmlich des genialen Theodor von Heuglin Arbeiten, die uns die Kenntniss der Vogelwelt der oberen Nilländer, Abyssiniens, sowie des von den Zuflüssen des unteren Nil durchflossenen Gebietes, vermittelten. Einzelne Gebiete der ostafrikanischen Küste, vom Cap Guardafui bis hinab nach Mozambique, waren von den verschiedensten Sammlern durchforscht worden, und die Ornithologie besass in Finsch' und Hartlaub's grossem Werk „Die Vögel Ostafrikas" (1870) ein werth- volles Handbuch für die Kenntniss der genannten Theile des afrikanischen Continents. Alle dazwischen liegenden zu den grossen Binneuseeen, waren ornithologisch eine terra in- Diese Lücke unserer Kenntniss, den weitesten Umrissen nach, ausgefüllt zu haben, muss alle Zeit als bezeichnet werden. Er vor allem erforderlich waren Gebiete, vom Arbeitsfeld Heuglin's südwärts bis Binneuseeen, waren i eognita. i ein hervorragendes Verdienst Emin's war davon durchdrungen, dass genaue Detailarbeiten um dem Mangel abzuhelfen, welchen das dürftige Material für Schlussfolgerungen jeg- licher Art bot. „In erster Linie steht immer das Aulegen genauer Special-Listen für umschriebene Landestheile als Grundlage für allgemeine Uebersichten; eifriges Sammeln liefert das Material zu solchen Arbeiten", so schrieb Emin einmal in einem kleinen, zoogeographische Fragen behan- delnden Aufsatz. Und in diesem Sinne war er auch thätig, mit all der ungewöhnlichen Energie, die ihm inne- wohnte, „mit enthusiastischer, absolut uneigennütziger Liebe zur Natur und beseelt von dem unwiderstehlichen Drange, zur Kenntniss ihrer Schätze nach äussersten Kräften beizutragen." Reiche Sammlungen aus Lado wie aus den umgeben- den Gebieten, aus Wadelai, dem centralen Mombuttulande wurden von Emin zusammengebracht und inffen, ohne dass er eigennützige Ziele verfolgte, zur wissenschaftlichen Verwerthung nach Europa. Die Bälge waren vorzüglich präparirt. Die Angaben auf den begleitenden Etiquetten, meist in lateinischer Sprache geschrieben, enthielten die genauesten Einzelheiten bezüglich des Datums, des Fund- ortes, der Färbung der nackten Theile, der Maasse u. a. Die auf den Zetteln befindlichen Nummern correspondirten mit denen des sorgfältig geführten Catalogs, der wiederum werthvolle biologische Beobachtungen über die einzelnen Arten enthielt. Die Sammlungen bildeten das Entzücken eines jeden Bearbeiteis, in dessen Hände sie zu wissen 154 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 13. schaftlicher Verwerthung kamen; in jeder Beziehung- dürfen sie als mustergültige bezeichnet werden. Die meisten der Sammlungen gelangten an den Nestor der äthiopischen Vogelkunde, an Dr. Gustav Hartlaub in Bremen, der Emin, wie s. Z. auch Heuglin, stets mit Rath und That helfend und fördernd, oft aufmunternd und ermuthigeud von Beginn seiner Arbeiten an zur Seite gestanden. Vielfach finden sich in Emin's Briefen Worte herzlichsten Dankes für Hartlaub's Unterstützungen. Der Bremer Gelehrte hat über die ihm zugegangenen Sammlungen in Cabanis' Jour- nal für Ornithologie, in den Proceedings der Zoological Society in London, in den Abhandlungen des naturwissen- schaftlichen Vereins in Bremen wie in den Zoologischen Jahrbüchern während der Jahre 1880 bis 1890 wiederholt berichtet. Weitere werthvolle Sammlungen gingen nach Wien und nach London und fanden in August von Pelzeln und Ernest Shelley competente Bearbeiter. Emin's letzte ornithologische Sammlungen — ■ er befand sich bereits in deutschen Diensten — wurden während des Harsches von Bagamoyo nach Tabora und alsdann, in Gemeinschaft mit Dr. Stuhlmann, am Victoria Njansa zusammengebracht. Sie kamen nach Berlin und wurden von Dr. Reichenow bearbeitet. Es ist selbstverständlich und bedarf eigentlich nicht des Hinweises, dass die reichen Collectionen Emin's die Wissenschaft mit einer nicht geringen Anzahl neuer Arten bereichert haben. Die Zahl derselben dürfte über 70 be- tragen. Aus den Sammlungen vom Victoriasee konnte Reichenow allein deren 18 beschreiben. Es befinden sich unter den von Emin entdeckten Arten eine Fülle ausser- ordentlich interessanter Formen. Ich möchte u. a. erinnern an die schöne Sorella Emini, welche Hartlaub dem Ent- decker zu Ehren benannte, an den eigenthümlich rost- bäuchigen Würger, Lanius gubernator, den Hartlaub der Collurio- Gruppe einreiht, an die reizende Necta- rinia filiola, an den Cormoran des Victoriaseees, Pha- lacrocorax gutturalis, an die hübsche Cossypha polioptera Rchw. Eine grosse Anzahl der neuen Arten wurde nach Emin genannt. Es mögen deren 11 sein. Auch ein neues Genus, Eminia*), trägt des Entdeckers Namen (Hartlaub, Proc. Zool. Soc 1880). Emin hatte einen ungemein scharfen Blick für das Erkennen neuer Arten, bezw. für die Unterscheidung nahe- stehender Formen. Trotz geringer literarischer Hilfsmittel waren die meisten der von ihm gesammelten und nach Europa versandten Bälge bestimmt und richtig bestimmt. Oft befanden sich darunter Exemplare, welche er als nov. spec. bezeichnet hatte, ohne dieselben jedoch selbst zu benennen. Der Ehrgeiz, in den Annalen der Orni- thologie als Beschreiber einer neuen Art zu figuriren, lag ihm absolut fern. Nur in seinen letzten Aufzeichnungen, die nach seiner Ermordung im Lager von Kibungu auf- gefunden und an Dr. Reichenow zur Veröffentlichung ge- geben worden sind, bezeichnet er einen von ihm als neu erkannten Baumhopf als Irrisor Sharpei, zu Ehren des berühmten englischen Ornithologen R. Bowdler Sharpe vom British Museum. Welch' wunderbarer Zufall! Gerade diesen Vogel hatte Dr. Sharpe als Irrisor jacksoni kurze Zeit vorher selbst beschrieben, sodass der von Emin gegebene Dedicationsname zum Synonym herabsinkt! Emin hat kaum Nennenswerthes selbst veröffentlicht. Es scheint, als ob er sich die Publication der Ergebnisse seiner ornithologischen Forschungen, ebenso wie die seiner anthropologischen , ethnographischen und linguistischen Studien, für eine spätere Zeit der Ruhe und der wissen- *) 1891 hat P. Tanbert, ohne offenbar zu wissen, dass der Name Eminia schon vergeben war, in den Berichten der Deutsch, botan. Ges., Bd. IX, S. 29 einer neuen Papilionaceen-Gattung denselben Namen gegeben, nicht Emina, wie in der „Natur w. Wochenschr." Bd. IX, S. 34 angegeben. — Red. schaftlichen Vertiefung, für die Zeit ruhiger Arbeit in der Heimath, vorbehalten hätte. Ich kenne von ihm eigent- lich nur einen längeren, in den Mittheilungen des Vereins für Erdkunde zu Leipzig (1887) veröffentlichten Aufsatz, betitelt: Zoo-geographische Notizen, ferner von Hartlaub im Journal für Ornithologie herausgegebene: Mittheilungen aus den Ornith. Tagebüchern (1886 u. 1887), alsdann: Berichte über das Vogelleben am Ugogo iJourn. f. Ornith. 1891) und zum Schluss Briefliche Reiseberichte (ebenda 1891). Diese wenigen Arbeiten enthalten eine ausserordent- liche Fülle von Material, sowie den Hinweis auf inter- essante und wichtige ornithologische Fragen. Mehr als ein- mal kommt Emin in denselben auf die Gesetze zu sprechen, welche das Vorkommen und die Verbreitung der palaearc- tischeu Wintergäste in der äthiopischen Region regeln, die Frage zu erörtern, warum einzelne Arten so ausser- ordentlich weit nach Süden vordringen, während andere, wenngleich physisch schwächere, weit hinter jenen ersteren zurückbleiben, d. h. in nördlicheren Gegenden ihren Winter- aufenthalt nehmen, und dergl. mehr. Das isolirte eigen- tümliche Vorkommen der schönen Pitta angolensis in einem beschränkten District Westafrikas, das Fehlen dieser Lärradrossel im ganzen Osten des Continents und das Auftreten der Gattung Pitta erst wieder in der orienta- lischen Region, beschäftigt Emin vielfach in seinen Ar- beiten. Die von ihm dabei ausgesprochene Ansicht, dass sich verwandte Arten dieses schönen Vogels in der Region der feuchtwarmen geschlossenen Wälder Gentralafrikas finden dürften, und dass damit das eigenthümlich isolirte Vorkommen von Pitta angolensis in Westafrika hin- fällig werden würde, hat sich bis jetzt nicht bestätigt. Beim Beginn seiner ornithologischen Arbeiten glaubte Emin, dass eine central-afrikanische Region vorhanden sein müsse, welche eine sowohl vom Osten wie vom Westen differirende Vogelwelt besässe. Sehr bald kam er jedoch auf Grund seiner Sammlungen und Beobachtungen zu der Ueberzeugung, dass die Wallace'sche westafrikanische Subregion sich viel weiter nach Osten ausdehne, als man bis dahin angenommen, bis an den Westrand der grossen innenafrikanischen Seeen reiche und ihre natürliche Schranke in den Bergen finde, welche jene Seeen im Westen begrenzen. Und der Nachweis dieses Factuins muss in zoo-geographischer Beziehung als von ausser- ordentlicher Bedeutung bezeichnet werden. Emin's letzte Sammlungen vom Victoria Njansa haben auf das über- zeugendste nachgewiesen, dass die Länder im Westen und worden des genannten Seees vorwiegend den Charakter des Nestafrikanischen Faunengebietes tragen. Reichenow hebt mit Recht hervor, dass sie jedoch wegen der Bei- mischung zahlreicher rein östlicher bezw. nordöstlicher sowie eigentümlicher Formen ein selbständiges, von dem Charakter der westafrikanischen Küstenländer abweichendes Gepräge zeigen. Es muss daher auf Grund der Samm- lungen Emin's neben den bisher unterschiedenen Unter- gebieten der westafrikanischen Provinz: Ober- und Nieder- Guinea noch ein drittes, welches Reichenow das „mittel- afrikanische" nennt, und welches das Niam-Niamland, das Seeengebiet und vielleicht das obere Congogebiet umfassen dürfte, unterschieden werden. Den Arbeiten Emin's gebührt zweifellos das Verdienst, in die verworrenen zoogeographischen Verhältnisse des cen- tralen Afrika Klarheit gebracht zu haben. Wieviel hätten wir noch von ihnen erwarten dürfen, wenn es dem grossen Forscher vergönnt gewesen wäre, in die Heimath zurück- zukehren und die reichen, in langen Jahren gesammelten Beobachtungen der Wissenschaft zu schenken. Alle natur- wissenschaftlichen Disciplinen hätten aus der Heimkehr Emin's Vortheil gezogen, die Ornithologie zweifellos nicht am wenigsten! Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 155 Geologische Reisebilder aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Von Professor Dr. F. Wahnschaffe. II. Von Washington nach dem Felsengebirge. „Wer den Dichter will verstehn, muss in Dichters Lande gehn" — dasselbe lässt sich mit gleichem Recht auch vom Geologen sagen, denn in keiner Wissenschaft ist das Aufsuchen des Forschers in seinem Untersuchungs- gebiete so nothwendig wie in der Geologie. Mag die Beschreibung der geologischen Verhältnisse einer Gegend noch so vortrefflich sein, ein klares Verständniss und ein richtiges Urtheil erhält man doch immer erst durch die Anschauung in der Natur selbst. Aus diesem Grunde sollen die internationalen Geologencongresse zugleich auch die Gelegenheit bieten, die wichtigsten geologischen Grund- züge des Landes, in welchem der Congress stattfindet, kennen zu lernen, und zu diesem Zwecke hatte das Or- ganisationsconiite in Washington eine grosse Excursion nach dem Westen der Vereinigten .Staaten veranstaltet. Am Morgen des 2. September 1891 versammelten sich auf dem ungefähr in der Mitte von Washington gelegenen Bahnhofe der Baltimore - Ohio - Eisenbahn diejenigen Con- gressmitglieder, welche an dem grossen Ausfluge theilzu- nehmen gedachten. Der von dem Reisebureau der Herren Raymond und Whitcomb ausgerüstete Sonderzug, bestehend aus vier Pullman'schen Schlafwagen (sleeping cars oder sleepers), die am Tage in elegante Salonwagen umge- wandelt wurden, einem Speisewagen nebst Küche, einem Conversationswagen mit Rauch- und Schreibzimmer und einem Gepäckwagen, stand bereit, um uns nach dem Westen zu befördern und uns zu gleicher Zeit während des grössten Theiles der langen Reise als Wohnort zu dienen. Die Theilnehmer an der Excursion bestanden zufolge der ausgegebenen Liste aus 88 Personen, darunter 9 Damen, und gehörten 12 verschiedenen Nationen an. Man hatte ursprünglich beabsichtigt, nur 75 Personen in diesen Zug aufzunehmen, und für diese wäre auch aus- reichend Platz vorhanden gewesen. Da man aber, we- nigstens im Anfang der Reise, 108 Personen darin unter- gebracht hatte, so waren die im Allgemeinen recht bequem eingerichteten Pullman'schen Schlafwagen ganz und gar besetzt, ein Umstand, der sich namentlich bei dem An- und Auskleiden, sowie auch bei den Mahlzeiten in stö- render Weise fühlbar machte. Unsere Bedienung bestand ausschliesslich aus Schwarzen, die bei der starken Be- setzung des Zuges und besonders bei dem Aufwarten während der Mahlzeiten einen sehr anstrengenden und schwierigen Dienst hatten. Die Verpflegung war reichlich, doch liess die Zubereitung der Speisen manches zu wün- schen übrig. Es ist jedoch anzuerkennen, dass eine so grosse Anzahl von Personen aus der nur engen Küche ausreichend verpflegt werden konnte. Nachdem unser Zugführer durch den Ruf „all aboard" das Zeichen zur Abfahrt gegeben hatte, setzte sich unser Zug um 9 Uhr Vormittags in Bewegung. Wir hatten an diesem Tage das herrlichste Wetter, und dieses ist uns auch mit wenigen Ausnahmen während der ganzen Reise treu geblieben. Von Mr. S. F. Emnions war für die Theilnehmer an der Excursion unter der Mitwirkung einer grösseren Anzahl von Gelehrten ein vortrefflicher geo- logischer Führer nebst geologischer Uebersichtskarte der Vereinigten Staaten herausgegeben worden, welcher uns während der Reise sehr gute Dienste geleistet hat. Er enthielt für jeden einzelnen Tag eine allgemeine geolo- gische Uebersicht der durchreisten Gegend und bot so- dann spccielle Angaben für jeden einzelnen Punkt der Reiseroute. Die uns als Führer begleitenden ameri- kanischen Geologen waren ausserdem eifrig bemüht, uns während der Fahrt auf alle interessanten Erscheinungen aufmerksam zu machen. Aus den losen, fast horizontalen Ablagerungen der Quartär-, Tertiär- und Kreideformation der Küstenzone, welche wir auf der bereits beschriebenen Excursion auf dem Potomac keimen gelernt hatten, gelangten wir sehr bald bei Station Silver Spring an der Grenze des Colum- biadistrictes in das Gebiet des im Osten aus crystallinischen, im Westen aus halbcrystallinischen Gesteinen bestehenden Piedmont-Plateaus. Dasselbe besitzt eine wellig-hügelige Oberfläche, in welche die Flüsse tiefe, steil abfallende Felsenthäler eingenagt haben. Die Eisenbahn führt zu- nächst durch echte, steil nach West hin einfallende Gueisse, während westlich von Rockville, der freundlich gelegenen Sommerresidenz der reicheren Bewohner Washingtons, die halberystallinen Scricitsehichten sichtbar werden. Es ist selbstverständlich unmöglich, auf einer schnellen Eisen- bahnfahrt genauere geologische Beobachtungen zu machen, doch erhielten wir durch die Erklärungen, welche die uns begleitenden amerikanischen Geologen gaben, wenigstens einen allgemeinen Ueberblick über die geologischen Ver- hältnisse der durchreisten Gegenden. Im westlichen Theilc des Piedmont-Plateaus durchschnitten wir die rothen Saud- steine der Triasformation und beobachteten mit Interesse die Diabasgänge, welche dieses Gebiet durchziehen und davon Kunde geben, dass hier in der triassischen Zeit tiefgreifende Spaltenbildungen, verbunden mit dem Em- pordringen eruptiver Gesteine, stattgefunden haben. Ein sehr mächtiger, unter dem Namen „Ironstone Ridge" be- kannter Diabasgang, der in Folge seiner grossen Härte bei der nachträglich stattgehabten Erosion auch topogra- phisch aus den umgebenden weicheren Schichten hervor- getreten ist, erstreckt sich von N. nach S. durch den ganzen Staat Maryland bis nach Virginien hinein. Die Eisenbahn folgt in allmählichem Anstiege dem Laufe des Potomac-River, dessen bewaldete, bergige Ufer sehr schöne Landschaftsbilder darbieten. Leider zogen sie nur zu schnell kaleidoscopartig in stetigem Wechsel vor unseren Augen vorüber. In dem tiefeingeschnittenen Thale des Potomac durchquerten wir die Alleghanvs und hatten Gelegenheit, an den steilen Thalwänden den inne- ren Bau dieses Faltengebirges, wenn auch nur flüchtig, kennen zu lernen. Vortrefflich sind die Aufschlüsse in der Nähe der sehr schön gelegenen Stadt Cumberland, welche das Centrum der Kohlenindustrie des westlichen Maryland bildet und ausserdem durch die Fabrication eines vorzüglichen Portlandcements bekannt geworden ist. Unabsehbar lange Kohlenzüge waren uns bereits mehrfach auf unserer Fahrt begegnet oder standen zur Abfahrt auf den Bahnhöfen bereit. Die Umgebung von Cumberland bietet ein vollständiges Profil durch die ganze paläozoische Schichtenreihe des appalaehischen Systems vom Silur bis zur produetiven Steinkohlenformation herauf. Nachdem die Bahn in sehr steilem Anstiege die Wasserscheide überschritten, folgt sie auf eine Strecke dem Thale des Cheat-River. Von hervorragender Schönheit ist hier die Lage der Stadt Rowlesburg. Der Cheat-River hat in die zum Oberdevon gehörigen Catskillsandsteine, sowie in die carbonen Pocono- undPotsvillesandsteine eine tiefe Schlucht mit fast senkrechten Wänden eingegraben, an denn Rande die Eisenbahn entlang fährt, so dass man unmittel- bar in den 152 m tiefen Abgrund hinabschaut. Fast 156 Naturwissenschaftliche Wochenschrift, Nr. 13. THEIL DES NORDAMERIK. GLACIALGEBIETES mit seinen ENDMORÄNEN. nach T. C Cfiamber//n ti¥mm^>;: überall in den Alleghanys wird das Auge durch die sehöne Bewaldung und namentlich durch die grosse Man- nigfaltigkeit der Laubhölzer erfreut, durch welche der Wald dort ausgezeichnet ist. Am Abend unseres ersten Reisetages durchkreuzten wir bei Mannington einen der grossen Oeldistricte von Westvirginia und konnten die Beleuchtung dieser Stadt durch natürliches Gas von der Eisenbahn aus beobachten. Aus den Laternen stiegen grosse, Starkrussende Flammen empor und erschienen wie brennendes Pech, welches man bei Illuminationen in Pfannen abbrennt. Die eng zusammen- gedrängten, im Allgemeinen von NNO. nach SSW. strei- chenden Gebirgsfalten des appalachischen Systems hatten wir jetzt verlassen und befanden uns in den ausgedehnten welligen Schichten des Permo-Carbons, welche allmählich bei der Annäherung an die Prairiedistricte westlich vom Ohio-River mehr und mehr eine horizontale Lage anneh- men. Früh am Morgen hatten wir einen kurzen Aufent- halt in Bloomdale. dem Centrum des Trockengasgebie- tes, woselbst wir auf Veranstaltung des Staatsgeologen des Staates Ohio, Professor Edward Orton, eine Boh- rung in Thätig- keit sehen konnten. Bei der Oeffnung des Ventils strömte das Gas mit ge- waltigem Getöse aus dem Rohre hervor und zeigte, als es angezündet wurde, eine 20 bis 30 m lange Flam- me. Die gasfüh- renden Schichten finden sich hier 320 m unter der Oberfläche oder 93 m unter dem Meeresniveau. Einige in der un- mittelbaren Nachbarschaft gestossene Bohrungen ergaben in der ersten Zeit täglich 80 000—100 000 cbm Gas, welches mehrfach unter einem Druck von 30 Atmo- sphären stand. Die bedeutendste Bohrung dieses Ge- bietes lieferte 800 000 cbm Gas in 24 Stunden. Bei so starker Ausströmung jedoch haben die Gasquellen meinst nur ein kurzes Dasein, denn oft schon nach wenigen Tagen oder Wochen wird das Gas, wenn man es ungehindert ausströmen lässt, durch nachfolgendes Pe- troleum oder Salzwasser verdrängt. Das Gas von diesem und den benachbarten Feldern in den Staaten Ohio und Indiana wird in Rohrleitungen nach Toledo, Tiffin, San- dusky, Detroit, Fort Wayne, Indianopolis und vielen klei- neren Städten geleitet, woselbst es namentlich zu gewerb- lichen Zwecken, sowie im Hausgebrauch Verwendung findet, Eine einzige Stadt hat dort in den letzten drei Jahren täglich über 800 000 cbm Gas verbraucht. Ebenso bedeutend ist die dortige Petrolemngewinnung, denn der tägliche Ertrag des ganzen Gebietes kann auf 40 000 bis 50000 Barrels geschätzt werden. (1 Barrel = 151, v Liter.) Einzelne Bohrlöcher von 13 cm Durchmesser ergaben in der ersten Zeit 2000—8000 Barrels Petroleum. Ueberall sahen wir hier längs der Eisenbahn oft in geringem Ab- Oebiet der / *£n 2 *™ Vereisung Figur 1. stände von einander die schlanken, obeliskenartigen Bohr- thürmchen, welche uns einen Begriff davon gaben, welche gewaltigen Capitalien hier auf Petroleum- und Gasboh- rungen verwendet worden sind. Am Vormittag durchschnitten wir die fast ebene Land- schaft zwischen der Südspitze des Lake Erie und Lake Michigan, ein ausgedehntes, aus devonischen Schiefern bestehendes Gebiet, welches von den Absätzen der Eiszeit, namentlich von der lehmigen Grundmoräne des grossen Inlandeises, dem Till, in einer Mächtigkeit bis zu 30 m bedeckt ist. Die Bahn führt ziemlich nahe am Südufer des Lake Michigan entlang, sodass wir mehrfach die Wellen desselben gegen die nur flachen Ufer branden sahen. Das Südufer macht hier einen ziemlich öden Ein- druck, da die sandige Bodenbeschaffenheit zur Bildung von Stranddünen Veranlassung gegeben hat, welche sich in immerwährender Bewegung befinden und die Bebauung dieses Landstriches unmöglich machen. Nach achtund- zwanzig - stündiger Fahrt hatten wir die 1309 Kilometer lange Strecke von Washington bis Chicago zurückge- legt und benutzten einen mehrstündi- gen Aufenthalt, um einen Einblick in diese ausgedehnte Stadt zu gewinnen. Auf eine Schilde- rung der Sehens- würdigkeiten, wel- che dieselbe bietet, kann hier verzich- tet werden, da dieselben durch die zahlreichen Weltausstellungs- berichte zur Ge- nüge bekannt ge- worden sind. Auf der Fahrt über Milwaukee nach St. Paul er- reichten wir am 4. September in frühester Morgenstunde nach Ueberschreitung des Wisconsin-River bei Kilbourn City die sogenannte „Driftless Areau. Wie aus beifol- gendem Kärtchen*: (Fig. 1) ersichtlich, liegt inmitten der ausgedehnten, aus den Ablagerungen der Eiszeit be- stehenden Decke, welche über das obere Mississippi- Becken ausgebreitet ist und sich bis über den 39. Breiten- grad hinaus nach Süden erstreckt, ein von dem grossen Inlandeise während der Eiszeit völlig unberührt geblie- benes driftloses Gebiet von ungefähr 25 900 Dkm Flächen- inhalt. Dasselbe schliesst sich im Osten unmittelbar au den Endmoränenbogen von Wisconsin an und dehnt sich nach Westen bis zum Mississippi aus, den es bei der auf dem Kärtchen angegebenen Stadt La Crosse sogar etwas überschreitet, Seine Südspitze erreicht im Staate Illinois beinahe den 42. Breitengrad, während seine Nordspitze etwas über den 45. Breitengrad hinausreicht, sodass dem- *) Dieses Kärtchen ist bereits in der „Naturw. Wochense.br. " Jahrg. 1892. Bd. VII, Nr. 9 enthalten. Der nochmalige Abdruck geschah aus dem Grunde, um das Verständniss der in den geolo- gischen Reisebildern geschilderten geologischen Verhältnisse zu erleichtern. Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 157 nach die grösste Ausdehnung in nordnordwestlicher Richtung 45 geographische Meilen beträgt. Dieses merk- würdige Areal, welches theilweis tiefer gelegen ist als die vergletschert gewesenen Nachbargebiete und trotzdem von dem ehemals ringsum vorhandenen Inlandeise nicht über- schritten wurde, ist von den amerikanischen Geologen T. C. Chamberlin und R. D. Salisbury eingehend unter- sucht und beschrieben worden. Durch seine Lage ist es vortrefflich geeignet für das vergleichende Studium der ehemals eisfrei und vereist gewesenen Gebiete, besonders da in beiden dieselben älteren, dem Silur und Cambrium angehörigen Gesteinsschichten auftreten. Die verschie- denen Wirkungen der Eiszeit, welche sowohl in der Ab- tragung von Unebenheiten als auch in der Ausfüllung von Thälern und Einsenkungen der praeglacialen Landober- fläche bestehen, lassen sich am besten beurtheilen, wenn man die Oberflächenbeschaffenheit der „Driftless Area" mit derjenigen der angrenzenden Glaeialgebiete vergleicht. Seit der jüngeren Tertiärzeit hat sich durch die Erosion des Wassers in dem driftlosen Areal ein tief eingeschnit- tenes und weit verzweigtes Flussnetz ausgebildet. Als langgestreckte Hügelreihen mit sanften Abhängen oder schroff und unvermittelt, z. Th. sogar, wie im Potsdam- sandsteingebiet, in isolirte Partien aufgelöst, treten hier die Felsformen des meist horizontal geschichteten Silur- plateaus hervor. Der Contrast zwischen diesem und dem benachbarten, ehemals vom Inlandeise bedeckten Gebiete ist ein überraschender: auf der eiuen Seite ein vollkom- menes bis ins Kleinste ausgebildetes Entwässerungssystem mit tiefen, aber weiten Thälern obne irgend welche be- merkenswerthen Wasserfälle, in der Moränenlaudschaft ein nur unvollkommener, oft ganz fehlender Wasserabfluss ohne tiefe Thalrinnen, oder wenn solche, wie im Grenz- gebiete, wo der Wisconsin sich seit der Glacialzeit ein neues Bett hat graben müssen, vorhanden sind, mit steilen Gehängen; auf der einen Seite symmetrisch durch Fluss- läufe gegliederte Bergformen, auf der anderen höchst unregelmässig und wirr angehäufte Rücken und Hügel von Glacialschutt; hier nur eine verhältnissmässig dünne Decke von Verwitterungsmaterial, dort mächtige wellige Ablagerungen von vorwiegend fremdem Ursprung; hier verwitterte Felsoberflächen, dort geglättete, polirte und geschrammte. Nach Ansicht der genannten Geologen sind es hauptsächlich topographische Verhältnisse gewesen, welche das driftlose Areal vor der Vereisung schützten. Sowohl das Hochland im Norden, als auch die Einsen- kungen des Lake Michigan und Lake Superior lenkten die Eismassen nach rechts und links derartig ab, dass ihr Lauf diese Richtung noch auf eine grössere Erstreckung hin beibehielt. Auch klimatische Einflüsse machten sich dabei geltend. Immerhin ist das Problem noch nicht ganz gelöst. Als wir um 7 Uhr Morgens bei La Crosse das Mis- sissippithal erreichten, war es leider ziemlich neblig, so- dass wir die schöne Scenerie, welche der breite Strom und die steilen, mehrere hundert Fuss hohen Thalgehänge darboten, nicht völlig übersehen konnten. Diese bestehen bis zur Mündung des St. Croix-River bei Hastings aus dem cambrischen Potsdamsandstein, während von dort ab der untere Dolomit durchschnitten wird. Durch die nord- amerikanischen Geologen sind die Schichten dieses Gebietes folgendermaassen von oben nach unten gegliedert worden : Niagara-Kalk Hudson-River-Schiefer Galena-Kalk Trenton-Kalk St. Peter-Sandstein Unterer Dolomit Potsdam- Sandstein Cambrische Formation. Silur-Formation. Um 10 Uhr Vormittags hatten wir St. Paul erreicht und wurden auf dem Bahnhofe von einem Comite in Empfang genommen, welches sehr bequeme offene Wagen zur Besichtigung der Stadt für uns zur Verfügung gestellt hatte. Der Mississippi besehreibt hier einen stark nach Norden gekrümmten Bogen, an dessen nördlichstem Punkte die ausgedehnte Stadt auf den Uferterrassen zu beiden Seiten des Flusses gelegen ist. Es hatte sich in- zwischen ganz aufgeklärt und bei schönstem Sonnenschein konnten wir die herrliche Lage der Stadt bewundern, deren Häuser sich an die Gehänge des Mississippithaies anlehnen. Grosse Brücken vermitteln den Verkehr mit dem auf dem rechten Ufer gelegenen Stadttheil. Nach- dem wir vom Bahnhofe aus durch einige der Haupt- geschäftsstrassen gekommen waren, fuhren wir über die östliche Brücke nach dem südlich gelegenen Stadttheil. Ueberall sieht man hier den sehr weichen, hellgelben oder weisslichen St. Peter-Sandstein an dein Steilgeliänge auf- geschlossen. Ueber die elegante westliche Brücke kehrten wir nach dem linken Flussufer zurück, wo mau die festen Kalksteinbänke der Treutongruppe unmittelbar auf dem weichen St. Peter-Sandstein lagern sieht. Beim Anstieg auf das Plateau wurde an einem Wegeeinschnitt Halt gemacht, um die an Fossilien sehr reichen Schichten des Trenton-Kalksteins zu besichtigen. Wir durchfuhren sodann das schöne Villenviertel im Westen, von wo aus sich ein herrliches Panorama über die Stadt und das stark gewundene Mississippithal dar- bietet. Die sauberen Strassen sind hier meist mit schat- tigen Bäumen bepflanzt; die aus dem verschiedensten Material aufgeführten Landhäuser treten sehr wirkungs- voll aus den sie rings umgebenden grünen Rasenflächen hervor. Die Stadt St. Paul hat, wie so viele moderne Städte Nordamerikas, eine ganz ausserordentlich schnelle Eutwickelung gehabt. Aus einem indianischen Handels- posten entstand zunächst ein Dorf und aus diesem eine kleine Stadt, welche im Jahre 1850 erst 850 Einwohner besass. Von dieser Zeit ab hat die Bevölkerung in Folge der günstigen Lage der Stadt sehr rasch zugenommen, wie dies die nachstehenden Zahlen am besten beweisen: 1860 10 600, 1870 20 300, 1880 41498, 1890 133 156 Einwohner. Der Grund der Eutwickelung St. Pauls zu einer sehr bedeutenden Handels- und Fabrikstadt ist erstens darin zu suchen, dass hier der Mississippi schiffbar wird, und zweitens darin, dass der einen Flächeninhalt von 3918 GMeilen besitzende Staat Minnesota eine Fülle landwirt- schaftlicher Erzeugnisse besitzt, welche im Jahre 1890 den Werth von 60 Millionen Dollars darstellten. Be- merkungswerth sind die grossen Temperaturunterschiede, die man während einer längeren Reihe von Jahren in St. Paul beobachtet hat. Die niedrigste Temperatur be- trug hier im Winter — 39,4° C, die höchste im Sommer 36,6° C, was den sehr beträchtlichen Unterschied von 76° C ergiebt. Nach der Rückkehr zum Bahnhofe bestiegen wir einen für uns bereitstehenden Sonderzug, der uns nach Fort Snelling und Minneapolis bringen sollte. Auf der Fahrt nach Fort Snelling waren sowohl auf dem linken als auch nach Ueberschreitung des Mississippi, auf dem rechten Ufer desselben schöne Profile zu sehen, welche die Ueberlagerung der beiden Glieder des Unter-Silurs, des St. Petersandsteins durch den Trentonkalk zeigten. Der Blick auf den Strom ist meist durch dichtes Gebüsch verhüllt, welches sich an den Ufern hinzieht und sich auch auf den zahlreichen Bänken innerhalb des Strombettes angesiedelt hat. Fort Snelling (Siehe das Kärtchen 158 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 13. Fig. 2) liegt am rechten Ufer des Mississippi auf einem Vorsprunge des Plateaus, der dadurch gebildet wird, dass hier von südwestlicher Richtung her der Minnesota-River in den Mississippi einmündet. Auf Stufen steigt man an dem Steilufer zu dem Fort hinauf, unter dessen Schutze sich im Jahre 1826 einige Schweizer als die ersten An- siedler in Minnesota niederliessen. Auf einer kunstvollen Brücke gelangt man von dort auf die linke Seite des Mississippithaies und hat von der als Dreieck vorsprin- genden Spitze des steilen Felsufers einen ausgezeichneten Ueberblick über das von Minneapolis bis Fort Snelling von NNW nach SSO gerichtete enge Schluchtenthal des Mississippi, welches plötzlich bei der Einmündung des Minnesota-Rivers nach NO umbiegt und dem breiten hier von SW nach NO gerichteten Thale seines Nebenflusses bis St, Paul folgt, Herr Professor N. H. Winchell in Minneapolis, der uns von Washington aus begleitet hatte, erläuterte uns von diesem Punkte aus die das Sorgfältigste erforschte Geschichte der denen Thäler. Das 2,5 km breite, in die talen Schichten des Trentonkal- kes und St. Petersandsteins ein- geschnittene Thal, welches der Minnesota-River von Fort Snel- der ab von hier völlig ihm auf vorhan- horizon- hng ab stromaufwärts und dort missiouar Hennepin. Seit dieser Zeit sind eine ganze Reihe von Mittheilungen und sorgfältigen Aufzeichnungen über die jeweilige Lage der Fels-Oberkante, über die der Mississippi herabstürzt, gemacht worden, sodass von 1680 — 1856 eine Beobachtungsreihe von 176 Jahren vor- liegt. Nach den Berechnungen von Professor Winchell betrug der Rückschritt des Wasserfalls in dieser Zeit jährlich 5,53 Fuss (1,65 m). Legt man diese Zahl zu Grunde, so wären zur Aushöhlung der 13 km langen Schlucht von Fort Snelling bis zur gegenwärtigen Lage der St. Anthonyfälle 7803 Jahre erforderlich gewesen. Da die Bildung dieses Thaies aber im letzten Stadium der Eiszeit begann, so erhält man hier einen Maassstab, um die Länge der postglacialen Zeit annähernd berechnen zu können. Sie dürfte demnach kaum 10 000 Jahre über- schritten haben. Den Schluss unserer Excursion bildete ein Besuch des mit hübschen Anlagen umgebenen und durch den Dichter Longfellow verewigten Minnehaha-Falls, welcher durch einen kleinen, aus dem westlich gelegenen Minne- sotasee kommenden und ober- halb Fort Snelling in den Mis- Der Mississippi River Mississippi-River von stromabwärts einnimmt, ist prae- glacialen Alters und wurde durch die Grundmoränen der letzten Vereisung zum Theil ausgefüllt. Die Gehänge sind noch gegen- wärtig mit Moränenmaterial be- kleidet und über demselben dehnen sich auf beiden Seiten hohe aus Grand und feinem lehmigen Sand bestehende Fluss- terrassen aus. In dieses Thal mündete vor der Eiszeit ein tiefes und breites Thal ein, welches sicli von dem gegen- wärtigen Mississippithal nördlich von Minneapolis abzweigte und das alte Minnesotathal oberhalb Fort Snelling erreichte. Wie durch Bohrungen nachgewiesen worden ist, wurde es während der Eiszeit über 200 Fuss tief mit Driftablagerungen erfüllt. Im Gegensatz dazu bildet das gegenwärtige Thal des Mississippi von Fort Snelling ab auf- wärts bis zu den St. Anthonyfällen in Minneapolis eine schmale, nur 4U0 in breite Schlucht mit steilen, noch unverwitterten Felsabhängen, denen die Driftbedeckung vollständig fehlt. Schon hieraus erkennt man den verhält- nissmässig jugendlichen Charakter dieses Thalabselmittes. Solange durch das sich zurückziehende Inlandeis der letzten Vereisung im Oberlauf des Red-River of the North der von Warren Upham erforschte Lake Agassiz ange- staut wurde, war das alte Thal des Minnesota hoch mit Wasser erfüllt und es lagerten sich die Sande und Grande darin ab, welche gegenwärtig als Hochterrassen hervor- treten. Als das Inlandeis immer weiter zurückschmolz und der Lake Agassiz sich nach Norden zu entleerte, wurde der Wasserzufluss des Mississippi und Minnesota auf sein gegenwärtiges Maass beschränkt. Von diesem Zeitpunkt an musste das Wasser des Mississippi sich bei Fort Snelling über die Felswand herabstürzen und erodirte seitdem durch Zurückschreiten des Wasserfalls infolge von Unterspülung und Abbrechen der ( tberkante die annähernd 13 km lange Schlucht bis zu den St. Anthonyfällen. Der erst.', welcher dieselben im Jahre 1680 besuchte und eine genaue Beschreibung von ihnen lieferte, war der Jesuiten- ST. PAUL. KILOMETER. Figur 2. wischen Minneapolis und St. Paul. sissippi mündenden Bach gebil- det wird. Durch das Zurück- schreiten des Wasserfalls hat sich unterhalb desselben eine tiefe Schlucht gebildet. Unter- halb der harten Kalkplatten, über welche das Wasser hinab- stürzt, ist der Fels ausgehöhlt und bildet eine grottenartige Vertiefung. Bei der Ankunft in Minne- apolis fanden wir wiederum eine grosse Anzahl Wagen vor, wel- che die Bürger der Stadt in liebenswürdigster Weise für uns bereit gestellt hatten. Ich be- stieg ein einspänniges, bequemes Fuhrwerk, dessen Besitzer und Lenker ein sehr zuvorkommen- der Deutschamerikaner war. Wir fuhren zunächst über die um vom linken Ufer aus einen Ueber- m hohen St. Anthonyfälle zu gewinnen, welche die Wasserkraft zu grossartigen Mühlen liefern. Hier liegen die grössten Mahlmühlen der Welt, die Pitts- bury A und die Washburn A, von denen die erste täglich 7200 Barrels Mehl (1 Barrel = 196 Pfund), die letztere 4150 Barrels herzustellen vermag. Die tägliche Pro- duetion der 24 Mühlen der Stadt beträgt über 44 000 Barrels Mehl und die jährliche Production im Jahre 1890 überstieg 6 Millionen Barrels. Die grossen Getreide- magazine der Stadt vermögen 20 Milliouen Busheis (1 Bushel = 35,237 Liter) in sich aufzunehmen. Nächst- dem hat die Holzindustrie hier eine hohe Bedeutung er- langt. Auf dem Mississippi und seinen Nebenflüssen wird das Holz aus den Kiefern- und Tannenwaldungen der nördlichen Districte als Flössholz herbeigeschafft, um hier unter Benutzung einer Wasserkraft von 40 000 Pferde- kräften verarbeitet zu werden. Der Geologe bedauert es jedoch, dass durch die gewerblichen Anlagen die gross- artigen St. Anthony-Fälle viel von ihrer Ursprünglichkeit eingebüsst haben und so sehr verbaut worden sind, dass es gegenwärtig; nicht mehr möglich ist, einen Gesammt- Mississippibrücke, blick über die 25 gegenwärtig überblick über dieselben zu erhalten. Die uns noch übrig- bleibende Zeit wurde auf die Besichtigung der Haupt- strassen und der bedeutendsten Gebäude verwendet. Unser Führer machte uns unter anderem auf das schöne West- Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 159 Hotel, das aus herrlichem Material hergestellte Gebäude der Newyorker Lebensversicherung und auf das gewaltige Ghiaranty Loan Building aufmerksam. Dem letztgenannten Gebäude, welches zu den grössten Sehenswürdigkeiten von Minneapolis gehört, wurde ein Besuch abgestaltet. Das ganz feuersichere, der Hauptsache nach für Contore bestimmte Haus wurde von der Nordwestern Guaranty Loan Company gebaut und kostete 1 Million Dollars. Das Hauptgebäude, welches 12 Stockwerke besitzt, hat eine Höhe von 172 Fuss und wird von einem Thurme noch um 48 Fuss überragt, Die vier Aussenseiten des Hauses sind in gleicher Weise ausgeführt: bei den drei unteren Etagen wurde ein grünlicher Granit, bei den neun oberen ein rother Saudstein verwendet, während das Material im Innern aus Eisen, Backsteinen, Terracotta und Eichenholz be- Plateau du coteau du Missouri, eine Landschaft mit sanft geneigten Hügelformen, welche im Westen durch den Missouri zwischen Bismarck und Pierre, im Osten durch den James-River begrenzt wird. Die Hügel werden aus Schichten der Kreideformation gebildet, welche mehr oder weniger vollständig von Ablagerungen der Eiszeit bedeckt sind. Letztere werden westlich vom Missouri dünner und dünner, sind schliesslich nur noch in vereinzelten Ge- schieben zu erkennen und verschwinden gänzlich von der Station Sims ab. Mit diesem Verschwinden der frucht- baren Lehmabsätze der Eiszeit wird die (legend immer öder, bis sie in eine wüste Steppe übergeht, deren höchst eigentümliche Oberflächengestalt durch die Wirkungen der Erosion und die eigene Art der Verwitterung hervor gerufen ist. Der Landschaftscharakter dieses Wüstcn- ' Figur i. Aus den Bad Lands (nach einer Photographie von F. Wahnschiffe). steht. Grossartig ist der Eindruck, den man im Innern des Gebäudes von dem Lichthofe aus empfängt, da man von hier aus die rings umlaufenden Galerien bis zu ge- waltiger Höhe sich übereinander erheben sieht. Die elfte Etage wird durch ein grosses Restaurant eingenommen und auf dein flachen Dache hat man einen Garten mit Kieswegen angelegt, in welchem an den Sommerabenden Concerte stattfinden. Durch sieben Fahrstühle, von denen sechs für Personen eingerichtet sind , wird der Verkehr zwischen den verschiedenen Etagen vermittelt. Von der Plattform des Thurmes hatten wir eine herrliche Aussieht über die ausgedehnte Stadt, welche nach der Zählung vom Jahre 1890 164 738 Einwohner besitzt. Um 7 Uhr Abends verliessen wir die interessante Stadt, um nun in fast ununterbrochener Fahrt auf der „Northern Pacific" unsere Reise bis Cinuabar fortzusetzen. Als wir am Morgen des 5. September erwachten, erschien uns der Charakter der Landschaft, in der wir uns nun befanden, wesentlich anders als am vorhergehenden Tage. Westlich von Jamestown ersteigt die Eisenbahn das gebietes, welches von seinen ersten Erforschern wegen der ausserordentlich schwierigen Passierbarkeit als ,,mauvaises terres" oder „bad lands" bezeichnet wurde, ist ciu sehr merkwürdiger und steht im engsten Zu- sammenhange mit der grossen Regenarmuth dieser Gegend, denn hier zeigt der Himmel durchschnittlich überhaupt nur an 60 Tagen des Jahres Bewölkung. Von der West- grenze des Staates Minnesota bis zum Felsengebirge dehnen sich in gewaltiger Ausdehnung die Ablagerungen der Kreideformation aus. Die oberste Abtheilung der- selben, die Laramie - Schichten, welche einige Geologen bereits zum ältesten Tertiär, dem Eocän, rechnen, werden von der Northern Pacific in ihrer ganzen Breite durchquert, Sie bestehen zuoberst aus thonigen Schiefern, groben Sandsteinen mit ein- Das ursprünglich während die Basis aus gelagerten Kohlenflötzen gebildet wird vorhanden gewesene Plateau der vollkommen horizontal gelagerten Laramiesehichten ist nun in lauter regel- mässige, spitzzulaufende Kegelberge (siehe Figur 3) oder in blockartige Tafelberge, sogenannte Mesas, zersägt 160 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 13. worden, zwischen denen sich breitere oder engere wasser- lose Thäler ausdehnen. Zur Eiszeit, als die östlichen und nördlichen Nachbargebiete vom Inlandeise bedeckt waren, wurden die Bad Lands von wasserreichen Strömen durch- schnitten, welche tiefe Thäler in das Gestein einnagten. Nachher sind dann bei veränderten klimatischen Verhältnissen durch die dem trocknen Küstengebiet eigentümliche Ver- witterungsart, welche infolge der starken Differenzen der Tages- und Nachttemperatur einen raschen Zerfall des Ge- steins herbeiführt, sowie unter Mitwirkung der vom Winde fortbewegten und abschleifend wirkenden Gesteinspartikel- chen die gegenwärtigen Oberflächenformen gebildet worden. Trotz des trocknen Klimas fallen aber zuweilen in diesem Gebiete wolkenbruchartige Regen nieder, die den locker aufgehäuften Verwitterungsschutt in grossen Massen fort- schwemmen und dadurch die Bergabhänge von ihrem .Schuttmantel befreien und die Thäler durch reissende Fluthen, die in dieselben niederbrausen, gegen die Zu- schüttung schützen. Als wir diese Gegend durchfuhren, wölbte sich über der Landschaft vom (ruhen Morgen bis zum späten Abend ein wolkenloser klarer Himmel. Die Natur hat hier etwas ausserordentlich Starres und Lebloses. Nur in den zum Theil blindsackartigen, als „Rimrocks" bezeichneten und mit spärlichem Gras bewachsenen Thälern bemerkten wir einige Cowboys mit ihren Heerden. Diese Thäler sind für die meist berittenen Kuhhirten von hohem Werth, da sie das Vieh hineintreiben, ohne die Befürchtung, dass ihnen ein Stück abhanden kommen könnte, denn der steile Abhang von der Mündung bis zum Ende der Schluchten verhindert völlig das Entweichen der Thiere. Während im östlichen Theile der Bad Lands der Boden meist mit dürren Gräsern bedeckt ist, nehmen nach Westen zu strauchartige Artemisien, namentlich Ar- temisia tridenta, wie dies Figur 3 zeigt, immermehr über- hand und geben mit ihren grauen Blättern und gelben Blüthen, die mit den gelblich-grauen Farben der Laramie- schichten harmoniren, der Landschaft ein sehr eintöniges Cölorit. Bäume sind hier nur in unmittelbarer Nähe der kleinen, im Sommer fast austrocknenden Flussläufe vor- handen; man findet namentlich Cottonwood (Populus monilifera und angelata) nebst Wasseresche und Erle. Als unser Zug östlich von der Station Medora, in der Nähe vom Little Missouri-River, 20 Minuten Halt machte, benutzte ich die Gelegenheit, das beigefügte Bild (Fig. 3) dieser eigenthümlicheu Landschaftsformen auf- zunehmen. Als ich mit dem Aufstellen meines photographischen Apparates beschäftigt war, hörte ich dicht neben mir plötzlich ein verdächtiges Rasseln und sah wie eine ver- liältnissmässig grosse Klapperschlange eiligst in ein Erd- loch schlüpfte. Das sonstige Thierleben, das in diesem einsamen Gebiete von uns wahrgenommen wurde, be- schränkte sich auf einige Schmetterlinge, vereinzelte klei- nere Vögel und auf die drolligen Prairielumde (Cynomis ludovicianus). Diese kleinen Nager bewohnen das Wüsten- gebiet in grosser Zahl, bauen sich kleine Erdhügel und schlüpfen mit grosser Behendigkeit in ihren Bau, wenn man sich demselben nähert. Bei Glendive erreichten wir den Yellowstone-River, der seinen Namen von den ihn begleitenden, meist völlig- horizontal liegenden gelben Sandsteinen der Laramiefor- mation erhalten hat. Nachdem wir schon aus weiter Ent- fernung die Ketten des Felsengebirges am westlichen Horizonte vor uns hatten auftauchen sehen, kamen wir am 6. September V29 Uhr Vormittags in der bereits im Gebirge 1368 m über dem Meere gelegenen Station Livingstone an, von wo aus sich die nach Cinnabar führende Zweigbahn von der Northern Pacific trennt. In Livingstone bietet sich ein prachtvolles Panorama dar, da die Berge, welche das weite Thal einschliessen, sich bis zu 3658 m erheben. In Cinnabar verliessen wir unseren Zug. Angenehm kühlende Gebirgsluft erfrischte uns nach den Anstrengungen der langen Eisenbahnfahrt und er- wartungsvoll sahen wir den grossen Naturwundern ent- gegen, die wir im Yellowstonc Nationalpark kennen lernen sollten. Zur Biologie von Genlisea hat K. Göbel neuer- dings einige Beobachtungen gegeben, welche unsere Kennt- niss der interessanten insectenfressenden Pflanze erweitert. In Folge des eigenthümlichen Fangapparates für die Thiere nimmt Genlisea eine ganz hervorragende Stelle unter den Lentibulariaceen ein. Die verwandte Gattung Utricularia besitzt ja auch blasenförmig angeschwollene Organe, welche dem Thierfang dienen, indessen haben für Genlisea die ähnlichen Organe noch weitere Zwecke zu erfüllen. Bei Genlisea stehen die Blätter in spiraliger An- ordnung am Grunde des Blüthenschaftes, zwischen ihnen treten die sogenannten Schläuche auf. Dies sind lang- gestreckte, innen hohle Organe, welche am Ende in zwei spiralig gedrehte Fortsätze auslaufen. Die am Ende der Röhre befindliche Oeffnung ist zu einem Spalt zusammen- gedrückt, An den Enden dieser Spalte wachsen mit be- sonderen Vegetationsscheiteln die beiden erwähnten Fort- sätze heraus, wobei die Scheitel sich beim Wachsthum um die eigene Axe drehen. Die Spalte umläuft in Folge dieses Wachsthums die beiden Fortsätze spiralig; sie bildet keine zusammenhängende Oeffnung, sondern wird durch grosse Zellen in zahlreiche rundliche Löcher getheilt, welche ins Innere führen. Die Schläuche sind innen mit abwärtsstehendeu und scharfspitzigen Haaren besetzt. Soviel zur Orientirung über diese merkwürdigen Organe. Göbel beobachtete nun die Keimung von Genlisea violacea, Es entwickelte sich zuerst die Rosette von spateiförmigen Blättern und zwischen letzteren als um- gebildete Blattorgane die Schläuche, welche sofort nach unten wachsen und in den Boden eindringen. Hierbei dringen die beiden Arme mit den sich spiralig drehenden Scheiteln wie Bohrer in den Boden ein und verankern die Pflanze auf dem Substrat. Die jungen Schlauchblätter sind chlorophyllfrei, an älteren Schläuchen ist der über dem Boden befindliche Theil häufig grün. Die Schläuche erwiesen sich bei Untersuchung voll- gepfropft mit kleinen Copepodeu. In Zusammenhang mit der Ernährungsweise der Pflanze durch Thierfang steht nun, dass sie wurzellos ist. Zwar wird am jungen Exem- plar von G. violacea noch ein Kranz von Wurzelhaaren angelegt, dieselben werden aber bald functionslos. Der Pflanze ist indess ein Ersatz für die fehlenden Wurzeln in den Schläuchen geschaffen, welche, wie wir sahen, ganz wie die Wurzelorgane die Befestigung im Boden besorgen. Die Beziehungen, welche hier also zwischen rein mechani- scher Function eines Organes und der Nahrungsaufnahme durch dasselbe Organ bestehen, sind gewiss sehr merk- würdige. Göbel verspricht, sobald ihm mehr Material zu Gebote steht, noch einmal auf die Pflanze zurückzukommen. Dr. G. Lindau. Ueber einige neue Kautschuk -Pflanzen macht G. Holle (im Archiv d. Pharmacie, Bd. 231, Heft 9, S. 667 ff.) interessante Mittheilungen, denen wir das Folgende ent- nehmen : Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 161 Das nach Europa importirte Kautschuk (beiläufig etwa 400 000 Ccntncr jährlich im Werthe von etwa 145 Mil- lionen Mark) wird ans verschiedenen milchsaftführenden Pflanze» der tropischen Zone, welche den Familien der Apocynaceen,Artrocarpaccen und Euphorbiaceen angehören, gewonnen. So sind es namentlich mehrere Siphonia- Arten in Südamerika, besonders Siphonia elastica l'ers. (Hevea guianensis Aubl.), Ficus elastica Roxb. in Birma, auf Java, Madagaskar, mehrere Landolh'a-Arten in Afrika und Willughbeia-Arten auf Borneo, Hinter-Indien etc., welche bisher als Hauptlieferanten des Kautschuks dienten. In den letzten Jahren sind nun grössere Meilgen einer neuen Handelssorte, Balata-Kautsehuk genannt, von Para- maribo (Hauptstadt von Niederländisch-Gujana) aus nach England gelangt. Dieses Balata-Kautsehuk stammt (nach d. Jöivrn. Soc. Ar'ts XI, 1020) von dem Milchsafte von Mimusops gfebosa Gärtn. und Mimüsops bälata Gärtn. aus dem Flussgebiet des Demarara. Aber nicht bloss diese beiden Species, sondern sämmtliche zur Familie der Sa- potaeeen gehörigen (etwa 400) bekannten Arten scheinen Kautschukniilehsaft zu enthalten. Wie H. bei Bearbeitung der Sapotaceen des botani- schen Museums zu München eonstatirte, sind alle Ange- hörigen dieser Familie mit Milchsaft führenden Schläuchen ausgerüstet und besitzen neben einzelligen, zweiarmigen Haaren mit Milchsaftschläuchen auch noch eigcnthiunliehe tropfenförmige Kautschukkörper in den Zellen des Blatt- fleisches. Nach H. ist es dadurch sogar möglich, jede sterile Sapotacee als Familienangehörige mittelst eines einzigen Querschnittpräparats aus dem Blatt mit voller Sicherheit zu erkennen. Diese für sämmtliche Sapotaceen charakteristischen Milchsaftschläuche enthalten neben dem gummiharzigen Inhalt meistens auch noch einen feinkörnigen Krystallsand von Caleiumoxalat. Es kommen Schläuche vor, welche fast nur ganz reinen Krystallsand enthalten, sowie solche, in welchen mehr oder weniger Sand und Secret gemischt sind; ausserdem scheinen manche bloss Secret zu enthalten. Besonders die letztere Thatsache lässt es fast als sicher erscheinen, dass hier der Milchsaft unter gewissen Ver- hältnissen, vielleicht bei Mangel an Wasser oder sonst geeigneter Nahrung, die Rolle eines Reservematcrials zu übernehmen hat. Der Eintritt des Kalkoxalats in die Schläuche scheint gleichzeitig mit der Absonderung des Milchsaftes zu erfolgen. Für uns Deutsche besonders interessant ist die That- sache, dass Vertreter der Sapotaceen in ganz Afrika (mit Ausnahme des nördlichsten Thciles) vorkommen und somit als Culturpflanzen für unsere Colonien wichtig werden dürften. Da Deutsehland einer der Hauptproduccnten in der Kautschuk-Industrie ist, so wird es vielleicht dadurch in den Stand gesetzt werden, seine Millionen, welche es jetzt für den Rohstoff an andere Nationen weggiebt, dem eigenen Lande zuzuwenden. R. M. Gebirgsbau und Bodengestaltang von Deutsch- Südwest- Afrika betitelt sich ein von Dr. A. Schenck gehaltener Vortrag (Verhandlungen des X. deutsehen Geographen-Tages in Stuttgart 1893). — Deutsch-Süd- west-Afrika gehört zusammen mit Australien und der chilenischen Atakainawüstc in den südlichen der beiden Wüstengürtel, die sich nördlich und südlich der Tropen- zone um die Erde ziehen. Es besteht aus dem Gross- namaland mit der Lüderitzbucht (Angra Pequena) im Süden und Damaraland mit der Waltischbucht im Nor- den; hieran schliesst sich weiter nordwärts das Amboland. Diese Gebiete sind Gebirgsländer, die von der Küste aus allmählich bis 1500 und 2000 m ansteigen und sieh noch weiter ostwärts zur Kalahari- Wüste wieder senken. Damaraland besteht vorzugsweise aus (Kranit- und (Ineis.-- bergen und Stöcken. Xanialand hat Tafellandschaften und Tafelberge aus feinkörnigem, hartem Sandstein, Schiefer und Kalkstein von horizontaler bis schwach geneigter Lagerung, zuweilen mit Sockeln aus Granit und Gneiss; ein? Anzahl von Verwerfungen, Grabeneinbrüchen und Flexuren durchziehen die Schiehtentafeln. Am typischsten ist im Namaland der Wüstencharakter ausgebildet in dem Küstengebirge, welches bis 90 km breit ist und noch vorwiegend aus Granit und Gneiss besteht. Zwischen den Bergen aus diesen Gesteinen breiten sich weife Ebenen aus, welche mit Wüstenverwitterungssehutt erfüllt sind. In Damaraland ist das Gebiet von Granil und Gneiss noch weiter ostwärts ausgedehnt und im Zusammenhang damit auch der Wüstencharakter noch verbreiteter. Das Tafel- land zeigt mehr trocknen Steppen- und Buschcharakter.— In den Ebenen sind recentc Ablagerungen von Kalktuff und Kalkstein sehr verbreitet (namentlich in den nörd- lichen Gebietsteilen), die auf ein ehedem feuchteres Klima hindeuten; aber auch diesem soll nach den geologischen Befunden ein Wüstenklima vorausgegangen sein. Uebcr die Entstehung der landschaftlichen Formen der Wüstengebiete kommt Verf. zu ganz denselben An- schauungen, wie sie zuerst in so schöner und zusammen- hängender Weise Job. Walther in seiner bedeutsamen Schrift „Denudation in der Wüste" aufgestellt hat: die ans groben, verschiedenfarbigen Körnern zusammengesetzten („polychromen") Granite und Gneisse rcagireu mit ihren verschiedenen Bestandteilen verschieden auf das erste Wüstenagens, die Insolation (Sonnenbestrahlung), und zer- fallen in Folge davon; der so entstehende Schutt zersetzt sich aber nicht, weil das dazu nöthige ausdauernde Wasser fehlt; die Sandsteine widerstehen dagegen der Insolation besser und bilden in Folge dessen fast keinen Schutt. Der Zerfall der Granite und Gneisse erfolgt 1. in Blöcke, die zuweilen ganze Blockmeere bilden können; 2. durch Ablösung von Schuppen oder ganzen Platten parallel der ursprünglichen Oberfläche („Desquamation" Walther); 3. durch Zerbröckelung in Grus und Sand. — Die seltenen, dann aber meist um so heftigeren Regengüsse breiten den Schutt und Grus in den Thälern aus, füllen diese auf und bilden schliesslich Ebenen; selten erreichen die Wasser- läufe und mit ihnen der Schutt das Meer. — Das zweite Wüstenagens ist der Wind. Dieser führt zum Theil ge- waltige Dünen auf, zum Theil bewirkt er eine Sonderung in Kies-, Sand- und Staub- (Lehm-) Wüsten; ferner wirkt er abschleifend und glättend, selbst Rundhöcker und beckenartige Vertiefungen schafft er und die Erscheinungen sind zum Theil glacialen ähnlich, aber die feinere Mo- dellirung ist doch anders i pockennarbige Oberfläche, llerauspräparirung härterer und weicherer Lagen u. s. w. durch den Wind; durch letztere Wirkung gewinnen die Gneissberge gegenüber den Granitbergen eine charakte- ristische Furchung). Neben der genannten allgemeinen Eintheilung der Wüsten schlägt Schenck noch eine andere, auf genetischem Princip beruhende vor: 1. Eluvialwüsten sind solche, in denen der durch die Wüstenverwitterung gebildete Schutt nicht hinweggeräumt werden kann, — 2. Denudationswüsten solche, in denen aller Schutt weggefegt wird, — 3. Aufschüttungswüsten solche, woWiederablagerung des Schuttes stattfindet ; zu letzteren gehören die Dünen- und Lehmwüsten, zu den beiden ersteren je nach den speciellen Verhältnissen die Feis- und Kieswüsten. 162 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 13. Verf. hebt nochmals hervor, dass die Verwitterung in den Wüsten vorwiegend mechanisch ist, während sie in den feuchtwarmen Tropen vorwiegend chemisch, in den gemässigten Klimaten „mechanisch -chemisch" stattfindet. In vieler Beziehung ist dör Wüstenverwitterung diejenige in den arktischen Gebieten ähnlich: vorwiegend mechanisch (neben Insolation allerdings auch noch Spaltenfrost), — Bildung von Blockmeeren, Desquamation. An der spe- cielleren Gestaltung des Reliefs sind aber doch in beiden Gebieten noch vielfach andere Kräfte thätig. Zimmermann. Ueber die Einwirkung von Natrium auf Wasser hat M. Rosenfeld im Journ. f. pract. Chemie (Neue Folge, Bd. 48, Heft 12, S. 599) kürzlich neue Be- obachtungen mitgetheilt, denen wir das Folgende ent- nehmen : Die bei der Reaction zwischen Natrium und Wasser auftretenden heftigen Explosionen hatten zu der Ver- muthung geführt, dass sich als Zersetzungsproduct auch Hyperoxyd (H202) bildet, welches durch Sauerstoffabgabe die Entstehung von Knallgas veranlasse. R. versuchte nun, die Reaction in der Weise auszu- führen, dass der etwa gebildete Sauerstoff im Moment der Entstehung weggeführt und nachgewiesen werden konnte. Zu diesem Zwecke brachte er das Natrium in ein stumpfwinkelig gebogenes Eisenrohr, durch welches aus einem Glaskolben Wasserdampf getrieben wurde. Es zeigte sich nun, dass die Reaction ohne Explosion und ganz glatt verlief, und dass dem dabei resultircnden Wasserstoff kein Sauerstoff beigemengt war. Das Ergebniss dieses Versuchs und die von R. ge- machte fernere Beobachtung, dass Natrium bei seiner Einwirkung auf Wasser sowohl in offenen als auch in mit Wasser abgesperrten Gefässen im Momente der Explosion (wie bei der Erscheinung des sogenannten „Spratzens") von innen heraus zerstäubt wird, dass also das Explosions- centrum im Innern des Metalls liegt, machen es wahr- scheinlich, dass die Ursache der Explosion nicht in der Entstehung von Knallgas, sondern in der Bildung von Wasserstoffnatrium und der darauf folgenden plötzlichen Dissociation dieser Verbindung zu suchen ist. In demselben Artikel empfiehlt Verf. eine Methode zur Darstellung von chemisch reinem, festem Aetznatron aus Wasser und Natrium unter gleichzeitiger Gewinnung von Wasserstoff. Als Zersetzungsgefäss verwendet man einen Eisen- tiegel mit vorspringendem Rand, dessen Mündung durch eine auf den Rand aufgeschliffene Eisenplatte luftdicht verschlossen wird. Durch ein seitliches Rohr wird Wasser- dampf eingeblasen, während das entstehende Wasserstoff- gas unter Wasser aufgefangen werden kann. Wird die Einleitung von Wasserdampf nach Beendigung der Wasserstoff-Eutwickelung rechtzeitig unterbrochen, so er- hält man festes Aeznatron, welchem metallisches Eisen in fein vertheilter Form beigemengt ist. Wahrscheinlich bildet sich bei der Reaction zuerst eine Natrium-Eisen- lcgirung. welche sodann unter Abscheidung von Eisen zersetzt wird. Diese Methode wäre vielleicht auch zur Darstellung von AVasserstoff zum Zwecke der Füllung von Luftballons geeignet, weil dabei die Entwickelung des Gases sehr rasch und bis zur gänzlichen Zersetzung des Natriums gleiehmässig erfolgt und weil ferner zugleich ein werthvolles Nebenproduct erhalten wird. Durch Zersetzung einer genau abgewogenen Menge von Natrium lässt sich Natronlauge von bestimmter Con- centration zu Titrirungszwecken herstellen. Das entstehende Wasserstoffgas leitet man durch destillirtes Wasser. Das letztere, welches mitgerissenes Aetznatron enthält, wird zur Auflösung des entstandenen Hydroxydes verwendet. R. M. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Der Privatdocent Dr. Gustav Hausor zum Professor für Bacteriologie an der Universität Erlangen. — Der Bibliothekar an der Königl. Bibliothek in Berlin Dr. Armin Graeser zum Oberbibliothekar. — Der ausserordentliche Professor für Gynäkologie an der Universität München J. Amann zum Hofrath. Als Nachfolger von Professor Hertz hat Professor der Physik Dr. Heinrieh Kayser von dem Polytechnicum in Hannover einen Ruf an die Universität Bonn erhalten. Es haben sich habilitirt: An der Univer.-ität Wien Dr. Ho- bart für Kriegschirurgie, — Dr. Max Stern borg in der med. Fakidtät. — Dr. Krigar-M en zel für Physik an der Universität Berlin. — Der Assistent am physikalischen Institut der Universität Leipzig Dr. 0. Wiodeburg für Physik. Es sind gestorben: Der Botaniker Karl Keck in Aiters- heim, Ober-Oesterreich. — Der Geheime Medicinal-Rath Dr. Wil- helm Sarrazin in Münster. — Der Professor der Chemie an der Universität Heidelberg Dr. Friedrich Wilhelm Hermann Delffs daselbst. -- Der Geologe William Pengelly in Tor- quay, England. — Der Professor der Botanik Dr. Gustav Adolf Weiss in Prag. — Der Professor für Mineralogie und Geologie am Polytochnikum in Hannover Dr. Friedrich Ulrich — Der frühere Professor für Gynäkologie an der Universität Jena Dr. Ferdinand Frankenhäuser. Eine medieiiüsche Schule ist am 19. December 1893 in Tient- sin nach europäischem Muster errichtet worden. Die XI. Hauptversammlung des Preussischen Medicinal- beamten-Vereins findet am 26. und 24. April d. J. in Berlin statt. Vorsitzender: Medicinalrath Dr. Rapmund in Minden; Schrift- führer: Sanitätsrath Dr. Philipp in Berlin. L i 1 1 e r a t u r. Oberlehrer G. Lüddecke, Der Beobachtungs-Unterricht in Natui Wissenschaft, Erdkunde und Zeichnen an höheren Lehranstalten, besonders als Unterricht im Freien. Mit einem Vorworte von Geh. Rath H. Schiller. Otto Salle. Braun- schweig 1893. - Preis 2,40 M. Immer energischer scheint sich in der neueren Zeit der naturgeschichtliche Unterricht den Lebensvorgängen der Or- ganismen zuzuwenden. In den gebräuchlichen Lehrbüchern freilich ist davon erst wenig zu merken; sie geben günstigen Falles die Lclienserscheinungen als , Erläuterungen". Und die neuen „Lehrpläne" verfahren nicht anders. Sie verweisen die Lebenserscheinungen der Pflanzen anhangsweise erst in das Pensum der Quarta, obwohl es meines Erachtens einem vernünftigen Lehrer nicht beikommen kann •/.. B. die Bestäubungseinrichtungen der in Sexta und Quinta zu besprechenden Pflanzen zu ignoriren oder die mechanische Zweckmässigkeit des thierischen Organismus in diesen Klassen mit Stillschweigen zu übergehen. Im Interesse eines wahrhaft lebendigen Unterrichtes scheint es mir zu liegen, die Biologie in den Vordergrund zu stellen und ihr zu Liebe die Systematik zu kürzen. Ich glaube nicht, dass der Schüler an seiner Bildung etwas verliert, wenn er z. B. nicht „Repräsentanten" sämmtlicher Insectenordnungen gesehen hat; ganz abgesehen davon, dass es zwar vielleicht möglich ist, ihm einen Ueb -rblick über das System der Zoologie oder der Botanik zu verschärfen, dass aber damit noch lange kein Einblick erlangt ist. Alle diese Be- strebungen bleiben aber auf halbem Wege stehen, wenn sie nicht vollen Ernst damit machen, dem Schuler das Leben des Or- ganismus zu zeigen, wenn sie ihn nicht im Freien beobachten lassen. Denn ohne dies sieht der Schüler im besten Falle eine lebende Pflanze, herausgerissen aus ihrem ganzen Naturzusammen- hang. Und doch drängt die Wissenschaft des Organisehen, namentlich dir entwickelungtheoretiscbe Seite, immer energischer darauf hin, diesen Zusammenhang zu erfassen. So begriisse ich denn das Erscheinen des kleinen, aber gehaltvollen Buches von Lüddecke mit besonderer Freude, da es sich den verschiedentlicben Versuchen, unseren naturgeschichtlichen Unterricht in die oben erwähnten Bahnen zu lenken, nicht bloss anschliesst, sondern sie in mehrfacher Weise weiter fördert. Vor allem durch die schaif betonte Forderung den gesammten Beobachtungsunterricht — Physik, Naturkunde, Geographie, Zeichnen und theilweisc Rechnen Nr. 13 Naturwissenschaft! i< Wochenschrift. 163 — zu einem einheitlich organisirten Unterricht zusammenzufassen. Da der Verfasser folgerichtigerweise auch Gewerbe und Industrie, soweit sie die Naturkräfte in ihren Dienst nehmen — und wo wäre dies nicht der Fall — diesem Beobachtungsunterricht ein- gliedert, so ergiebt sich als Zukunftsforderung eine erheblich zu vermehrende Stundenzahl. Was dem Büchelchen meines Eraehtens besonderen Werth verleiht, sind die ins Einzelnste gehenden Aus führungen, die, auf dem Boden der Praxis erwachsen, die Duich- fübrbarkeit der entwickelten Gedanken verbürgen. Deshalb werden auch einzelne Bedenken nicht zu schwer ins Gewicht fallen und Schwierigkeiten bei gutem Willen von Seiten der Be- hörde und des Lehrers sich beseitigen hissen. So erscheint es z. B. wohl etwas bedenklich, bei der jetzigen Normalstundenzahl dem Lehrer als Verpflichtung etwa 3 Mal in der Woche anstatt der einen Lehrstunde mehrstündige (4 — 5stündige1 „Feldübungen" zuzumuthen. Hoffentlich regt der Verfasser zu recht häufigen Versuchen an, den Unterricht in der vorgeschlagenen Weise zu gestalten, damit unsere Jugend immer mehr lerne „mit den Dingen selbst, nicht bloss mit allgemeinen Formen und Sehematen und Rubriken und Systemen umzugehen.'1 Hk. Prof. Tr. K. Goebel, Pflanzenbiologische Schilderungen. I. Theil. Mit 98 Holzschnitten und Tafel I— IX. II. Theil. 1. Lief. Mit 57 Holzschnitten und Tafel X-XXV. III. Theil. 2. Lief. Mit 64 Textfiguren und Tafel XXVI— XXXI. X. G. Elwert'sche Verlagsbuchh. Marburg 1889, 1891 u. 1893. — Preis 36 Mk. In dem bedeutsamen, vorzüglich iilustrirten Werk behandelt Verf. eine Anzahl biologisch interessanter Pfianzengruppen vor allem nach ihren äusseren Gestaltungsverhältnissen. „Und zwar geschieht dies aus dem Grunde, weil neuerdings die Kenntniss der Gestaltungsverhältnisse mit blossem Auge sichtbarer Pflanzen vor dem Studium von mikroskopischen Bauverhältnissen sehr in <\rn Hintergrund getreten ist; es ist also eine Art biologischer Organographio", welche G. bietet. Verf. verwerthet besonders die Anschauungen, die er auf seinen Reisen nach Ceylon, Java und Amerika gewonnen hat. Das Werk beginnt mit einer 22 Seiten umfassenden Einleitung, welche über das Allgemeinste des Gebietes einen vortrefflichen Wink giebt Es ist aber liier weder möglich, auf den Inhalt dieser, noch auf den reichen Inhalt der einzelnen Abschnitte des Werkes im Einzelnen einzugehen; wir werden aber öfter Gelegen- heit haben, dasselbe in der „Naturwissenschaftlichen Wochen- schrift" zu citiren. Hier müssen wir uns damit begnügen, die Gegenstände anzugeben, mit denen sich die einzelnen Abschnitte beschäftigen. Der I. bringt Studien über die Sukkulenten, der IL über einige Eigentümlichkeiten der süd asiatischen Strand- vegetütion, der III. über Epiphyten, der IV. enthält eine Schilde- rung der Vegetation der venezolanischen Paramos, der V. be- schäftigt sich mit insectivoren Pflanzen, und der VI. mit Wasser- pflanzen. Bei der musterhaften Ausstattung des Werkes, der reichen lllustrirung und dem Umfange desselben (der 1. Theil umfasst 239, der 2. Theil 386 Seiten) ist derPreis ein sehr massiger. Dem Botaniker ist es unentbehrlich Eine künftige Morphologie, die sich zeitgemäss um die Beziehungen der „Glieder" der Pflanzen zu der Aussenw elt kümmert, die die Glieder als „Organe" behan- delt, muss aus Goebel's Arbeit schöpfen: sie wird dadurch zur Wissenschaft werden. Prof Dr. Max Westermaier. Compendium der allgemeinen Botanik für Hochschulen. Mit 171 Figuren. Herder'sche Ver- lagsbuchhandlung. Freiburg im Breisgau, 1893. — Preis 3.60 M. Das vorliegende gediegene Buch ist — wenn wir von G. Haberlandt's trefflicher „Physiologische Pflanzenana tomie" (Leipzig 1884) absehen — das zweite im Geiste der Schwcndener- schen Richtung geschriebene Lehrbuch der Botanik. Das erste der Schwendener'schen Schule angehörige, das Gesammtgebiet der Botanik behandelnde Werk, sind die von dem Unterzeichneten 1888 veröffentlichten „Elemente der Botanik" (Verlag von Julius Springer), deren 3. Auflage in einigen Tagen erscheint. Der Schwer- punkt, des Westermaier'schen Compendiums liegt in dem ana- tomischen Abschnitt. Als langjähriger Mitarbeiter (Assistent) Schwendendes und Gehilfe bei den von diesem an der Berliner Universität abgehaltenen Practica, gehört Westermaier zu den besten Kennern der Schwendener'schen Richtung. Es ist wohl dein Leserkreise der „Naturw. Wochenschr." bekannt*), dass Schwcndener im Gegensatz zu der früheren Behandlung der pflanzlichen Anatomie, die aus Mangel an hinreichender Kenntniss über die Functionen der Gewebe vorwiegend eine organographische war, seit der Entdeckung des mechanischen Gewebesystemes (1878) (Skelettes) der Pflanzen den entschied, neu Nachdruck auf die ( inippirung und Betrachtung der Gewebe und Gewebesysteme in erster Linie nach physiologischen Gesichtspunkten legte, wie das in der Zoologie, berinflusst durch die frühzeitigen und daher ver- hältnissmässig gereiften Studien über den Bau des Menschen, von vornherein geschehen war. Welcher Gelehrte zweifelt wohl heut- zutage daran, dass die physiologische Betrachtung der anatomischen Verhältnisse die einzig sachgemässe ist? Und doch — höchst be- lehrend für die Thatsache, dass auch der Gelehrte in seiner Wissenschaft nur ein gewöhnlicher Mensch bleibt — können -ich die Mehrzahl der botanischen Lehrbücher noch immer nicht von der alten Betrachtungsweise des Gegenstandes ganz frei machen, ja bleiben ganz überwiegend im gewohnten Geleise, das aber nicht zur Zukunft der Wissenschaft führt. Das Westermaier'sche Compendium zerfällt nach einer kurzen Kintheilung in 6 Theile: 1. Zellenlehre, 2. Lehre von den Geweben und einfachen Organen, 3. von den Organsystemen, 4. von der Fortpflanzung, 5. Allgemeine Chemie und Physik des Pflanzen- lebons, 6. Pflanzensystem. „Da — sagt Verf. im Vorwort — fast jedes wissenschaftliche Gebiet Berührungspunkte mit der allge- meinen Weltanschauung hat, so ist eine Stellungnahme in dieser Hinsicht keineswegs ausgeschlossen, sondern es tritt vielmehr bei dein einen oder anderen Autor mitunter deutlich das Bestreben hervor, den Leser in seinem (des Autors) Sinne auf die prin- cipielle Seite solcher Fragen aufmerksam zu machen. . . . Von dieser Licenz habe ich an manchen Stellen Gebrauch gemacht." Der Verf. hat sich an diesen Stellen u. a. bemüht, darauf hinzu- weisen, dass das von den Naturforschern als „gegeben" Ange- nommene als „geschaffen" anzunehmen sei. Ist das auch keine naturwissenschaftliche Frage, da die Naturforschung eben von „Gegebenem" ausgeht, so wird doch nur der fanatische Gegner Anstoss an die Aeusserungen nehmen, in denen Westermaier seinen werthvollsten Ueberzeugungen Ausdruck giebt. H. P. H. Poincare , Thermodynamik. Vorlesungen. Redigirt von J. Blondin, Privatdoeent an der Universität zu Paris. Autor, deutsche Ausgabe von Dr. W. Jaeger und Dr. E. Gumlich Mit 41 Textfiguren. Julius Springer. Berlin 1893. — Preis 10 Mark. Es ist ein höchst dänkenswerthes Unternehmen der Herren Assistenten der physikalisch - technischen Reichsanstalt, dem deutschen Gelehrtenpublikum eine Reihe von mustergültigen Werken ausländischer Gelehrter in sprachlich guter und sachkundiger Ueber- setzung zu übermitteln. Wenn es auch keinem Gebildeten erhebliche Schwierigkeiten bereiten dürfte, ein fremdsprachliches, wissen- schaftliches Werk zu lesen, so wird durch die Uebersetzung doch eine ganze Anzahl von Hemmungen, die die Concentration auf den Gegenstand schwächen könnten, beseitigt und zugleich wird Missverständnissen, die nur allzu leicht durch die fremde Sprache veranlasst werden "können, sicherlich vielfach vorgebeugt. Was die Güte der vorliegenden Uebersetzung betrifft, so bekennt Ref.. dass er bei der Lecture nirgends den französischen Ursprung der Darstellung hat bemerken können, und dies ist wohl das grössto Lob, das in dieser Hinsicht ausgesprochen werden kann. Auf den sachlichen Inhalt des Werkes hier nochmals näher einzugehen, können wir mit Rücksicht auf die in Bd. VII Nr. 32 befindliche Besprechung der französischen Ausgabe unterlassen. In klarster Weise weiden die mathematischen Folgerungen aus den Principien von Mayer, Carnot und Clausius gezogen und auf die verschiedenen physikalischen Erscheinungen angewandt. Die kinetische Gastheorie, die sonst in Verbindung mit der mechanischen Wäimetheorie behandelt zu werden pflegt, wird indessen mit keinem Worte erwähnt, Vermuthlich weil der Verf. auch hier den in Be- zug auf die Helmholtz'sche Theorie monoeyklischer Systeme aus- gesprochenen Standpunkt festhält: „Der Mechanismus ist unver- einbar mit dem Theorem von Clausius." Uebrigens sei schliesslich noch anerkennend bemerkt, dass der Preis der vorliegenden Uebersetzung. trotzdem die Ausstattung der Tradition des Verlages entsprechend tadellos genannt werden muss, niedriger ist, als der des Originalwerks. F. Kbr. *) Vergl. übrigens „X. W." Bd. IV, S. 82. Die Erneuerung des Abonnements wird den geehrten hierdurch in geneigte Erinnerung gebracht. Abnehmern dieser Wochenschrift Die Verlagsbuchhandlung. Inhalt: Hermann Schalow: Ueber Emiii Pascha's ornithologische Thätigkeit. -- Prof. Dr. F. Wahnschaffe: Geologische Reisebilder aus den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika. (Mit Abbild.) — Zur Biologie von Genlisea. — Ueber einige netto Kautschuck-Pflanzen. — Gebirgsbau und Bodengestaltung von Deutsch Südwest-Afrika. — LTeher die Einwirkung von Natrium auf Wasser. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Oberlehrer G. Lüddecke: Der Beobachtungs-Lhiterricht in Naturwissenschaft, Erdkunde und Zeichnen an höheren Lehranstalten, besonders als Unterricht im Freien — Prof. Dr. K. Goebel: Pflanzenbiologische Schilderungen. — Prof. Dr. Max Westermaier: Compendium der allgemeinen Botanik für Hochschulen. — H Poincare: Thermodynamik. KU Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. Kl r§J0EK3ElQUyUlJiJEii3ElE!EEJE Die Illustration . wissenschaftlicher | 3 Werke | erfolgt am besten uml büligsten £ | durch die modernen, auf Photo- | 3; grapliie beruhenden Reprodue- :[r 4 tinnsarteu. Die Abbildungen ajl dieser Zeitschrift gelten als =j Proben dieses Verfahrens und =j sind Hergestellt in der graphi- ä selien Kunstanstalt | Meisenbach, Riffarth & Co. in Berrin-Schöneberg, | Welche bereitwilligst jede Aus- S d kunft ertheilt. 3r3EiEinnncji3C3aoniBciEiaE na Berlin C , Rochst*. 1 Ecke Münzstr. 4i Erwirkung, Verwertung £ billigst, Borgfältig, schnell. ConstructionsburBau f. technische Anlagen M. 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Inseratenannabnie bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Mathematische Spielereien in kritischer und historischer Beleuchtung. Von Prof. Dr. H. Schubert. X. Das Problem der 15 Christen und der 15 Türken. Bachet gab in seinen 1624 in Lyon erschienenen „problemes plaisants" das folgende Problem auf: „Auf einem Schiffe befanden sich 15 Christen und 15 Türken. Als ein gewaltiger Sturm sich erhoben hatte und das Schiff schon dem Untergang geweiht schien, erklärte der Capitän, dass, wenn 15 von den 30 auf dem Schiffe befindlichen Personen über Bord geworfen würden, das Schiff und das Leben der übrigen 15 Personen gerettet werden könnte. Diesem Rathe wollte man Folge leisten. Mau kam über- ein, diejenigen 15, welche sich für die übrigen opfern sollten, auf folgende Weise zu bestimmen. Alle 30 Per- sonen sollten sich in eine Reihe stellen, dann sollte wieder- holt von 1 bis 9 gezählt werden, und immer derjenige über Bord geworfen werden, auf den die Zahl 9 fiel. Dabei sollte der erste als auf den letzten folgend ange- sehen werden, und nach jedesmaliger Ausscheidung des 9ten sollte bei der in der Reihe zunächst folgenden Person das Zählen von 1 bis 9 von neuem beginnen. Welche Plätze mussten die 15 Christen einnehmen, um zu er- reichen, dass sie selbst sämmtlich verschont blieben und gerade die 15 Türken ins Meer zu werfen waren?" Die- selbe Aufgabe findet sich auch bei Tartaglia, bei Ozanam und seitdem in allen Büchern, welche mathematische Unter- haltungs- Aufgaben enthalten, so dass wohl jeder Leser sich erinnern wird, diese Aufgabe oder eine geringfügige Abänderung derselben in seinem Leben schon einmal ge- lesen oder gehört zu haben. Die Lösung kann man durch Probiren leicht finden, wenn man sich 30 Striche macht, dann immer von l bis 9 zählt, jeden Strich, den die Zahl 9 trifft, irgendwie markirt und beim Weiterzahlen nicht versäumt, die so markirteu Striche zu überspringen. Auf solche Weise findet man die folgende Lösung des Problems: i •=* *=*-=i^^ d. h. in der Reihe müssen aufeinanderfolgen-: 4 Christen, 5 Türken, 2 Christen, 1 Türke, 3 Christen, 1 Türke, 1 Christ, 2 Türken, 2 Christen, 3 Türken, 1 Christ, 2 Türken, 2 Christen, 1 Türke. Bachet fügte dieser Lösung auch ein mnemotechnisches Hilfsmittel hinzu, näm- lich den Vers: Mort, tu ne falliras pas En ine livrant le trepas! Achtet man nur auf die Vocale dieses Verses, so hat man die Reihenfolge o, u, e, a, i. a, a, e, e, i, a, e, e, a, wo man für a als den ersten Voeal 1, für e 2, für i 3, für o 4, für u 5 zu setzen hat, um zu erkennen, wieviel Christen und wieviel Türken immer abwechseln müssen. Ozanam gab einen lateinischen Vers, der in derselben Weise die Lösung kennzeichnet, nämlich: Populeam virgam mater regina ferebat. In einem englischen Buche über mathematische Kunst- stücke las ich folgenden Vers, um die Lösung zu merken : From numbers' aid and art Never will fanie depart. Ein deutscher Merk -Vers, den der Verfasser vor einigen Jahrzehnten einmal gelesen bat. ist seinem Ge- dächtniss entfallen. Tartaglia theilte bei seiner Erörterung des Problems auch die Lösungen der Aufgaben mit, welche entstehen, wenn man irgend eine der zehn Zahlen von 3 bis 12 statt 9 einsetzt, und zwar gab er jede der zehn Lösungen durch einen italienischen Vers wieder, nach Art der obigen Verse. Dem Gedanken, welcher dem besprochenen Probleme zu Grunde liegt, ist im Laufe der Zeit ausser dem türkisch- christlichen Gewände auch noch manches andere Gewand angezogen worden. So tritt uns in Freund's Rätliselsebatz (bei Reelam 1885 erschienen) die Aufgabe in zweifachem 166 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 14. = 2 e-=3 e = 4 e= .; 8 = \ Kleide entgegen. Erstens sind an Stelle der 30 Schiff- brüchigen 30 Deserteure getreten, von denen 15 erschossen und 15 begnadigt werden sollen. Zweitens ist zwar der Gedanke der Schiffbrüchigkeit festgehalten worden; es sind aber an die Stelle der 15 Christen und der 15 Türken 16 Weisse und 16 Neger getreten, von denen natürlich die Neger zu opfern sind, und ausserdem soll nicht der Neunte, sondern der jedesmalige Zehnte über Bord ge- worfen werden, so dass eine „Decimirung" im eigentlichen Sinne des Wor- tes gefordert wird. Fasstman als das Wesent- liche des Pro- blems nur dies auf, dass n Per- sonen so an- zuordnen sind, dass bei Ent- fernung immer desjenigen, der beim Abzählen als d-ter er- scheint, gewisse im voraus be- zeichnete Per- sonen übrigblei- ben, solässtsich das Problem noch vorBachet und Tartaglia .. V. V V V V \. \ \ \ \ \ \ \ N, \ .. v \ .. \ A. \ V \ V \ \ 4-2 \ \ 4-3 \ \ 6-4 \ \ 6-5 \ \ \ \ \ \ \ \ 5-3 \ \ \. \ V \ \. 6 \ \ V \ \ \. \ \ \ \ \ \ \ \ \. 12-10 \ \ 12-11 \ \ 12 \ \ 12 \ \ 12 \ 12 \ 12 12 \ \ \ \ \ 15-13 \ \ 15-14 \ \ 15 \. \ \ N \ weiter zurück- verfolgen. Es kommt nämlich dann schon in der Schrift des Hegesippus„De hello Judaico" vor. und zwar im 16. bis 18. Ca- pitel des dritten Buches. Dort wird nämlich er- zählt, dass nach der Zerstörung Jerusalems der berühmteJuden- SchriftstellerJo- sephus sich mit 40 andern Juden in einen Keller geflüchtet hatte, von denen alle, ausgenommen Josephus selbst und einer seiner Freunde, sich selbst tödteten, und dass dies auf folgende Weise zugegangen sei. Alle, ausser Josephus und seinem Freunde, erklärten, dass sie lieber sterben, als den Siegern in die Hände fallen wollten. Josephus, der sich scheute, seine Absieht, leben zu bleiben, zu offen auszusprechen, schlug vor, dass die Tödtung in einer gewissen Ordnung sich vollziehe. Sie möchten sich alle in eine Eeihe stellen und dann solle der jedesmalige dritte sich den Tod geben, wobei der erste als auf den letzten folgend anzusehen sei. Der Vorschlag wurde angenommen, und dadurch, dass Josephus sich auf den Slsten Platz und seinen Freund auf den 16ten Platz stellte, rettete er sein und seines Freundes \. \ 4 \ 9-7 \ \ 9-8 \ \ \ 5-4 \ \ 7-5 \ \ 8-6 \ \ V V \ \ 10- 15 \ \ 15 \ 7-6 \ \ 8-7 \ \ \ \ \ 11-10 \ \ 10 \ \ \ \ \ 18-16 \ \ 18-17 \. \ \, \ \ \ \ 13-12 \ \ 11 \ \ 10 \ \ \. \ \ \ \ \ 11 \ V V \ \. \ \ \ 14 \ \ 13 \ \ 11 \ \ 10 , 9 e=10e = ll e=12e = 13i I 1 Leben, weil von den 41 Personen die übrigen 39 sich, dem angenommenen Vorschlage gemäss, schon vorher ge- tödtet hatten, ehe die Abzahlung unter den letzten beiden zu beginnen hatte. Dies ist wohl das älteste Vorkommen des Problems. Auch bei den Abzähl -Spielen der Kinder tritt das Problem in die Erscheinung. Wenn z.B. bei einem Sommer- Ausflug einer Schulelasse „Räuber und Soldat" gespielt werden soll, so stellen sich alle Schüler in einen Kreis und der beglei- tende Lehrer zählt ab, etwa von Ibis 7. Die- jenigen, welche als 7tc zuerst auszutreten ha- ben, werden Sol- daten,, die letz- ten werden Kali- ber, und der allerletzte wird das, was jeder am liebsten wer- den möchte, nämlich Räu- berhauptmann. Wenn nun der Lehrer im Stan- de ist. zu be- rechnen, wel- chen Platz von vornherein der- jenige einzu- nehmen hat, der zuletzt als Räu- berhauptmann allein übrig- bleibt, so kann er daraus ent- nehmen, bei wel- chem der um ihn stehenden Schüler er zu zählen anfan- gen muss, damit \ 10-9 \ 10 \ \ \ 13-11 \ 14-12 II V \ 10 \ \ 7 \ \ 17-15 \ \ 16 \ 14 \ 13 \ 10 \. u \ 19-17 . \ V \ 14-13 \ \ \ \ 16-15 \ \ 13 \ \ \ 10 \ \ \ \. \ \ 11 \ \ \ \ 16 \ 13 X 11 \ \. \ 14 \ \. \ 16-14 14 10 \ 17 auch derjenige Räuberhaupt- mann wird, dein er aus pädago- gischen Grün- den diese Würde am liebsten ge- Tabelle 1. ben möchte. Sind z. B. 41 Schüler da, so muss er, wie das eben be- sprochene Problem des Josephus lehrt, bei demjenigen Schüler anfangen zu zählen, welcher 30 Plätze vor dem in Aussicht genommenen Schüler steht, so dass dieser also als 3 Her dasteht. Wunderbarer Weise haben weder die älteren noch die neueren Verfasser von Büchern über mathematische Unterhaltungs- Aufgaben dem aus dem Probleme der 15 Christen und der 15 Türken hervorgehenden allgemeineren Probleme eine mathematische Behandlung wider- fahren lassen. Ja, Herr Rouse Ball sagt in seineu „Jlathe- matical recreations and problems" (London, II. Auflage, 1892) sogar (Seite 15), „dass Probleme, wie das der 15 Christen Nr. 14. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 167 und der 15 Türken leicht durch empirisches Zählen ge- löst werden können, dass es aber unmöglich ist, eine allgemeine Regel anzugeben". Der Verfasser dieser Ar- tikel hat es daher für seine Pflicht gehalten, den Versuch einer mathematischen Behandlung zu machen. Dieser Ver- such ist schliesslich vom besten Erfolge gekrönt gewesen. Da jedoch die mathematische Ueberlegung seihst mehr in eine rein mathematische Zeitschrift, als in diese Zeit- schrift liineinpasst, so wird es genügen, wenn hier nur die Resultate der Untersuchung Platz finden. Diese lassen sich auch in einer für Nicht -Mathematiker verständlichen Form wiedergeben. Zunächst geben wir dem Problem folgende Fassung: Auf einer Kreis-Peripherie liegen n Punkte, die, der Reihe nach, im Sinne eines Uhrzeigers, durch die Zahlen 1, 2, 3, . . . bis n bezeichnet sind. Man zählt, mit Punkt 1 beginnend, der Reihe mit x bezeichnet, x gleich d wird, wenn e gleich 1. und n nicht kleiner als d ist. Wenn ebenfalls e gleich 1, aber n kleiner als d ist, so ist x gleich dem Reste, der übrig bleibt, wenn man d durch n dividirt. Dies ist aus der Art des Abzählens unmittelbar ersichtlich. Damit sind für e = 1 alle Zahlen x bestimmt. Was die Zahlen für e = 2 angeht, so fand der Verfasser, dass dieselben aus denen für e=l dadurch hervorgehen, dass man die letzteren um <1 wachsen lässt; wenn man dabei auf eine Zahl stösst, die grösser als n ist, so hat man n einmal oder öfter abzuziehen, bis eine Zahl herauskommt, die nicht grösser als n ist. Doch ergiebt sich auf solche Weise aus einer für e = l richtigen Zahl diejenige für e = 2 richtige Zahl, welche sieh auf eine um 1 grössere Zahl von Punkten bezieht. Beispielsweise ist für d = 3, e = 1, n = 3, x = 3. Aus x = 3 folgt nun die auf d = 3, e = 2 und n nicht gleich 3, sondern gleich 4 bezügliche n 1 2~ 3 1 5 6 7 ~8 9~ 10 11 12 13 14 15 16 17 | 18 19 20 21 22 23 24 25 | 26 27 28 29 30 1 2 3 1 1 3 2 1 2 4 1 4 2 3 5 4 5 3 1 2 6 3 1 2 6 4 5 7 2 5 3 4 1 6 7 8 1 3 G 4 5 2 7 8 9 9 1 3 G 4 5 2 7 8 10 9 8 10 2 5 3 4 1 6 7 11 9 7 G 8 11 3 1 2 10 4 5 12 9 6 4 3 5 8 12 10 11 7 1 2 13 9 5 2 13 12 1 4 8 6 7 3 10 11 14 9 4 14 11 8 7 10 13 3 1 2 12 5 6 15 9 3 13 8 5 2 1 4 7 12 10 11 G 14 15 16 9 2 12 6 1 14 11 10 13 IG 5 3 4 15 7 8 17 9 1 11 4 15 10 6 3 2 5 8 14 12 13 7 16 17 IS n 18 10 2 13 G 1 15 12 11 14 17 5 3 4 IG 7 8 19 9 18 8 19 11 3 15 10 5 2 1 4 7 14 12 13 6 IG 17 20 9 18 7 17 8 20 12 4 19 14 11 10 13 16 3 1 2 15 5 6 21 9 18 (i IG 5 17 8 21 13 7 2 20 19 1 4 12 10 11 3 14 15 ■j-> 9 18 ü 15 3 14 4 17 8 22 16 11 7 6 10 13 21 19 20 12 l 2 23 9 18 4 14 1 12 23 13 3 17 8 2 20 IG 15 19 22 1 7 5 6 21 10 11 24 9 18' 3 13 23 10 21 8 22 12 2 17 11 5 1 24 4 7 16 14 15 6 19 20 25 9 18 ! 2 12 22 7 19 5 17 6 .'1 11 1 20 14 10 8 | 13 16 25 23 24 15 3 4 26 9 18 1 11 21 5 IG 2 14 26 15 4 20 10 3 23 19 17 22 25 8 6 7 24 12 13 27 9 18 ! 27 10 20 3 14 25 11 23 8 24 13 2 19 12 5 1 26 4 7 17 15 16 6 21 22 28 9 18 27 8 19 1 12 23 6 20 4 17 5 22 11 28 21 14 10 7 13 16 26 24 25 15 2 3 29 9 18 27 7 17 28 in 21 3 15 29 13 2G 14 2 20 8 1 23 19 IG 22 25 6 4 5 24 11 12 30 9 18 1 27 6 IG 2G 7 19 30 12 21 8 22 5 23 11 29 17 in 2 28 25 1 1 15 13 14 3 20 21 Tabelle 2. nach, die Punkte bis zur Zahl d. Der Punkt, den die Zahl d trifft, wird ausgestrichen. Bei dem in der Reihe nächstfolgenden Punkte beginnt man wieder zu zählen, und zwar wieder von 1 bis d. Der Punkt, den jetzt die Zahl d trifft, wird auch ausgestrichen, und so setzt man dieses Verfahren fort, bis alle Punkte ausgestrichen sind, wobei man nie versäume, die ausgestrichenen Punkte beim Zählen zu überspringen. Es soll berechnet werden, welche Nummer der Punkt hat, der als erster, welche, der als zweiter, und überhaupt, welche Nummer x der Punkt hat, der als e-ter Punkt ausgestrichen wird. Naturgemäss sind n, d, e, positive ganze Zahlen. Auch kann d kleiner, gleich oder grösser als n sein. Die Zahl e kann natürlich nicht grösser als u sein. Fragt man, welcher Punkt als letzter ausgestrichen wird, so hat man e = n zu setzen. Zunächst ergiebt sich sehr einfach, dass, wenn man die gesuehtc Nummer des ausgestrichenen Punktes immer I Zahl, indem man zu der Zahl 3, die eben für x galt, d, also 3, hinzufügt. Dies giebt 6. Da 6 aber grösser als 4 ist. niuss ich 4 abziehen, giebt 2. Dies heisst, dass, wenn man bei 4 Punkten immer von 1 bis 3 zählt, die als zweite ausgestrichene Zahl ursprünglich die zweite Stelle einnahm, was man leicht experimentell als richtig erkennt. In derselben Weise gehen nun aus den auf e = 2 und n bezüglichen Zahlen diejenigen hervor, die sieh auf e = 3 und n -+- 1 beziehen. Beispielsweise sei hier die Tabelle der auf d = 3 bezüglichen Zahlen x zusammengestellt. Da man immer d zu addiren und ausserdem nur eventuell um n zu vermindern hat, so kann man eine solche Tabelle ohne Nebenrechnung aus dem Kopfe hinschreiben (vergl. Tabelle 1). Es ist nun leicht, die Tabelle beliebig weit fort- zusetzen. Die schrägen Pfeile deuten die schrägen Reihen an, in denen jede Zahl aus der links drüber befindlichen durch Addition des Werthes 3 von d hervorgeht. Da, wo mehr als n herauskommt, ist die nothwendig gewordene Subtraetion von d durch eine unausgerechnet geschriebene 168 Naturwissenschaftliche Wochenschrift, Nr. 14. Differenz sichtbar gemacht. Uni ein zweites grösseres Beispiel zu haben, schreiben wir in derselben Weise alle sich für d = 9, n gleich 1 bis 30, e gleich 1 bis 30 er- gebenden Werthe. Die letzte Reihe giebt dann die Lö- sung des Problems der 15 Christen und der 15 Türken, und zwar nicht allein in der dort geforderten Form, son- dern auch so, dass man erkennt, in welcher Reihenfolge die 15 Türken über Bord geworfen werden. Bei der vorigen wie bei der nachfolgenden Tabelle beachte man den wichtigen Umstand, dass immer die n Zahlen, die in derselben Reihe mit n stehen, alle Zahlen von 1 bis n umfassen müssen, so dass nie eine solche hori- zontale Reihe von n Resultaten eine und dieselbe Zahl doppelt aufweisen kann. Hierdurch wird eine wichtige Controle bei der allmählichen Berechnung der Tabelle geliefert. Die nachfolgende Tabelle löst alle Auf- gaben, die sich auf d = 9 beziehen, wenn n eine der Zahlen von 1 bis 30 ist. Beispielsweise seien 28 Schüler in einer Classe. Der, welcher beim Abzählen von 1 bis 9 und Entfernung des jedesmaligen 9ten schliesslich allein übrig bleibt, soll für die Reinigung der Tafel sorgen. Welchen Platz hat der, dem dieses Amt schliesslich zu- fällt? Unsere Tabelle ergiebt für n = 28 und e = 28, dass derselbe den dritten Classenplatz inne hat (vergl. Tabelle 2). Die bisher auseinandergesetzte Methode, um bei ge- gebenen Zahlen d, n, e das zugehörige x zu finden, ver- langt, dass mau erst die Zahlen x für kleinere n nach einander berechnet, ehe man den Werth der Zahlen x für n selbst finden kann. Es fragt sich nun, ob nicht die Mathematik Mittel liefert, um direct aus den gegebenen Zahlen d, n, e das zugehörige x zu finden. Dies ist in der That möglich. Um diese directe Auffindung der Lösung unseres Problems verständlich zu machen, muss ich einige Erklärungen vorausschicken. Eine geometrische Reihe ist bekanntlich eine Reihe von Zahlen, bei denen jede folgende aus der unmittelbar vorangehenden entsteht, indem man diese mit einer und derselben Zahl, dem constanten Quotienten der Reihe, multiplicirt. So sind 1, 2, 4, 8, 16, 32, .... 16, 20, 25, 314,, 39T\T. geometrische Reihen, deren Anfangsglieder 1 bezw. 16 heissen, und deren constante Quotienten 2 bezw. •] sind. Ist nun der constante Quotient keine ganze Zahl, sondern ein Bruch, so müssen auch die Glieder der Reihe ent- weder sofort oder später gebrochene Zahlen werden, gleich- viel, wie das Anfangsglied hiess. Wenn man nun in diesem Falle, sobald ein Bruch entsteht, immer die nächst grössere ganze Zahl dafür setzt, und dann auch diese ganze Zahl mit dem constanten Quotienten multiplicirt, um das nächste Glied zu erhalten, so bekommt man eine Reihe von lauter ganzen Zahlen, die natürlich nicht mehr eine genaue geometrische Reihe darstellt, und die wir eine ganzzahlige Reihe nennen wollen. Um diese Ei-- klärung zu verdeutlichen, folgen hier einige solche Reihen, bei denen immer das Anfangsglied a, der constante Quotient q genannt ist: 1) a = l, q = | giebt: 1, 2, 3, 5, 8, 12. 18, 27, 41, 62, 93, 140, 2) a=10, q=]J giebt: 10, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 24, 27, ... . 3) a = 25, q = a giebt: 25, 30, 36, 44, 53, 64, 77, 93, Nach Feststellung dieses Begriffs lässt sich das Re- sultat des Verfassers bezüglich einer directeren Ermittelung der Platznummer x bei unserm Problem, wie folgt, dar- stellen: Man subtrahire e von n, multiplicire die Differenz mit d und addire dann 1. Die so erhaltene Zahl nehme man als Anfangsglied einer „ganzzahligen Reihe", als deren Quotient man d dividirt durch die um 1 verminderte Zahl d zu nehmen hat. Dann bestimme man in dieser Reihe das grösste von allen Gliedern, die noch nicht grösser als das Product von d und n sind. Der um 1 vermehrte Unterschied zwischen dem so bestimmten Gliede und dem eben genannten Producte ist stets die genaue Platznummer x. Hierfür einige Beispiele: 1) d = 3, n =14, e = 13 (vgl. die erste der beiden obigen Tabellen). Man hat also 14 Punkte, zählt immer bis 3 und fragt, welcher Punkt als vorletzter ausgestrichen wird. Das Anfangsglied d (n — e)-r-l = 3>l-4-l = 4. Der constante Quotient ist £, das Product d • n = 42. Die Reihe heisst daher: 4, 6, 9, 14, 21, 32, 48. Hier kann abgebrochen werden, da 48 schon grösser als 42 ist. Man hat also 32 zu wählen, von 42 abzu- ziehen, giebt 10, dazu 1 zu addiren. Also scheidet der Ute Punkt als vorletzter aus, wie auch aus der Tabelle hervorgeht. 2) d = 10, n = 8, e = 8. Man hat also 8 Punkte, zählt immer bis 10, und fragt, welcher Punkt zuletzt aus- zustreichen ist. Das Anfangsglied d (n — e) 4- 1 giebt hier 1. Der constante Quotient der Reihe ist 15°. Also fängt die Reihe an mit 1, 2, 3, ... . Man kann jedoch sofort mit den Gliedern 9, 10 beginnen, da die vorauf- gehenden Glieder ja alle Zahlen unter 9 sein müssen. So bekommen wir: 9, 10, 12, 14, 16, 18, 20, 23, 26, 29, 33, 37, 42, 47, 53, 59, 66. 74, 83. Da d • n gleich 80 ist, so ist die Zahl 74 zu wählen, die um 6 kleiner ist als 80. Also ist 6 + 1 = 7 die Nummer des Punktes, der zuletzt gestrichen wird. 3) Welchen Platz hatte der Türke, der, gemäss der ursprünglichen Fassung des Problems, zuletzt über Bord geworfen wurde"? Hier ist d = 9, n = 30, e = 15. Das Anfangsglied ist d (n — e) -+- 1 = 136. Der constante Quotient ■;, das Product, bis zu welchem die Reihe fort- zusetzen ist, 270. Also: 136, 153, 173, 195, 220, 248, 279. Also ist 248 zu wählen , 270 — 248 + 1 = 23. Folglich hatte der letzte geopferte Türke den 23ten Platz, wie auch die obige Tabelle zeigt. 4) Es sei die oben erwähnte im Räthsclschatz von Dr. Freund mit Nr. 269 bezeichnete Aufgabe zu lösen, bei welcher n = 32, d = 10, e = 1 bis 16 ist. Bezeichnet man die Werthe von x, die für e=l, 2, 3, ... heraus- kommen, bezw. mit x, , xä, x3, . . ., so hat man, um x,, x2, ... zu finden, ganzzahlige Reihen aufzustellen, deren Anfangsglieder bezw. 311, 301, 291 u. s. w. sind, und deren constanter Quotient übereinstimmend ',," beträgt. Das maassgebende Product, das von den zu wählenden Gliedern der Reihe nicht überschritten werden darf, ist 320. Also kommt: x, = 1 4- 320 —311 = 10, x, = 20, xa = 30, wie auch unmittelbar ersichtlich ist Um x4 bis x1B zu bilden, Nr. 14. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. L69 haben wir die folgenden Reihen zu beachten. Die letzte Zahl der Keihe ist immer von 321 abzuziehen, um den Werth von x zu liefern: 281, 313, also x4 = 8, 271, 302, also xä =19, 261, 290, also x6 =31, 251, 27V), 310, also x- =11, 241, 268, 298, also xs =23, 231, 257, 286, 318, also x„ = = 3, 221, 246, 274, 305, also x10=16, 211, 235, 262, 292, also xu = 29, 201, 224, 249, 277, 308, also x12 = 13, 191, 213, 237, 264, 294, also x13 = 27, 181, 202, 225, 250, 278, 309, also xu=12, 171, 190, 212, 236, 263, 293, also x15 = 28, 161, 179, 199, 222, 247, 275, 306, also xu; = 15. Die Neger müssen demnach den 3ten, 8ten, lOten, lllen, 12ren, 13ten, löten, 16ten, 19ten, 20ten, 23tcn. 27ten, 28ten. 29ten, 30ten, ölten Platz einnehmen. Zum Schluss sei noch erwähnt, dass, wenn d = 2 ist, der constante Quotient der Reihe j =2 wird, so da<- eine wirkliche ge etrische Reihe entsteht, wodurch die Be- rechnung des (iliedes dieser Reihe, um das 2n -)- 1 ver- mindert werden muss, sehr erleichtert wird. Ist ausser d = 2, auch e = n, so hat man einfach 2n + l um die nächst niedere Potenz von 2 zu vermindern. Sind z. B. 100 Personen abzuzählen, indem man immer nur bis 2 zählt, so ergiebt sich die Platznummer desjenigen, der zuletzt allein übrig bleibt, wenn man '_'i»l um die nächst niedere Potenz von 2, also um 128 vermindert. So er- hält man, dass der 73te zuletzt allein übrig bleibt. (Wird fortgesetzt.) Die systematische Stellung und Fortpflanzung von Hyalopus n. g. (Gromia dujardinii Schnitze) besprach der Unterzeichnete in der Januarsitzung der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. — Die Gattung Gromia wurde im Jahre 1835 von dem berühmten Rhizo- podenforscher Dujardiu aufgestellt. Er fand bei Toulon einen Rhizopoden von eiförmiger Gestalt mit durchsichtiger, chitinähnlicher Schale. Durch eine grosse Oeffnung streckte das Thier zahl- reiche Pseudopodien her- vor, die Körnchenströ- mung zeigten und häufig netzartig mit einander verschmolzen. Er nannte das Thier Gromia ovi- formis. Die erste genaue und mustergültige Be- sehreibung und Abbildung derselben lieferte Max Schnitze in seinem „Or- ganismus der Polythala- mien", und ich glaube, dass es kaum ein Lcbr- oder Handbuch der Zoo- logie giebt, in welches nicht eine Abbildung der Gromia oviformis nach Max Schnitze aufgenom- men wäre, weil die Pseu- dopodien dieses Rhizopo- den in der prachtvollsten Weise die Körnchen- strömung und Anasto- mosenbildung zeigen. In weiteren Kreisen ist die Gromia oviformis durch den erbitterten Streit Max Schultze's und Reichert's über die Beschaffenheit des Protoplasmas bekannt geworden (cf. Max Schnitze, „Reichert und die Gromien", Arch. f. micr. Anat. 11. 1866, S. 140). Ausser dieser weit verbreiteten Speeics fand Max Schultze in der Adria noch einen anderen Rhizopoden, den er auf Grand der Schalengestalt in die Gattung Gromia stellte und zu Ehren Dujardin's Gromia dujardinii nannte. Während die Sehale voll- ständige Uebereinstimmung mit dem Typus der Gattung, der Gromia oviformis, zeigte, fand Max »Schultze in Bezug auf die Pseudopodien und den in der Schale befindlichen Weichkörper eine wesentliche Abweichung nicht nur von i, n. m, IV. Figur I V. Schwärraspore von Hyalopus | VI. Zwei copulirte Schwärmer I den anderen Gromien, sondern von sämmtlichen Fora- miniferen. Die Pseudopodien waren nämlich körnchen- frei, hyalin, zähflüssig, und bildeten keine netzartigen Ver- bindungen. Die zweite Eigentümlichkeit betrifft das in der Schale befindliche Plasma, welches braune, stark licht- brechende Kugeln enthält, die sich durch grosse Resistenz gegen Alkalien und Säuren auszeichnen und bisher bei keinem anderen Rhizopoden gefunden worden sind. Diese beiden Charak- tere, die hyalinen Pseudo- podien und die braunen Körner des Plasmas machen Gromia dujardinii nicht nur unter den Gro- mien, sondern unter alleu Rhizopoden leicht kennt- lich. Ich fand dieses Pro- tozoon in grossen Mengen in den Seewasseraquarien des Berliner zool. Instituts der Universität, die ihre Füllung durch die zöolog. Station in Rovigno er- halten hatten. Das Erste, was mir bei meinen Untersuchun- gen auffiel, war, dass Gromia dujardinii durch- aus nicht immer nur eine ( »effnung in der Schale besitzt, ich fand zwei, drei, ja bei einzelnen sehr grossen Individuen sogar 20 bis 25 Öffnungen, aus denen Pseudopodien her- vortraten. Neue Mündun- gen konnte ich als Durch- brechungen der Schale erkennen. Auch in Bezug auf die Gestalt der Thiere habe ich einige merkwürdige Abweichungen von der Beschreibung Max Schultze's gefunden. Und zwar zeigte sieh hierbei eine interessante, Anpassungsfähigkeit dieser Organismen an ihren Aufenthaltsort. Während die auf dem Hoden der Aquarien im Schlamm lebenden Individuen, gleich- gültig, ob sie eine oder zahlreiche Mündungen besitzen, einfach kugelig oder oval sind (Fig. I), sind die auf ver- ästelten oder durcheinander geknänelten Algen lebenden Exemplare ganz anders gestaltet. Von ihrer Oberfläche er- heben sich lange, fingerartige, bisweilen sogar verästelte Hyalopus dujardinii mit einer Mündung. „ „ in Zweitheilung begriffen. „ „ mit zwei Mündungen iu Ureitheilung begriffen. „ „ mit acht Mündungen; die Arme können sich ablösen und zu neuen Individuen werden. — * ein gegliederter Armfortsatz; derselbe zerfällt später nach der Ablösung in drei Theile. -IV. vergr. circa ,5/,. vergr. "V, 170 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 14. Fortsätze. Durch diese mit Ausbuchtungen abwechselnden, soliden und rundlichen Fortsätze wird die Gestalt ganz unregelmässig, oft hirschgeweihähnlich (Fig. IV). Die Mündungen sitzen auf den Enden der armartigen Ausläufer. Als ich diese Thiere fand, glaubte ich, trotz der hyalinen Pseudopodien und der braunen Körner im Plasma, einen neuen Rhizopoden vor mir zu halten, doch überzeugte ich mich bald, dass zwischen den kugeligen, am Boden lebenden Individuen und den hirschgeweih artig ver- ästelten, auf Algen lebenden Thieren sich alle Ueber- gangsstadien finden lassen. Zur Sicherheit habe ich diesen Üebergang auch experimentell nachgewiesen. Ich setzte ein kleines, kugeliges, mit nur einer Oetfnung versehenes Thier, welches ich vom Boden des Aquariums nahm, iso- lirt in einem reich mit Algen bewachsenen Aquarium auf ein dichtes Geflecht von Fadenalgen und konnte in der Zeit zweier Monate die Umbildung oder besser das Aus- wachsen desselben zu einem grossen, füufarmigen Indivi- duum direet beobachten. Dass diese Art des Wachsthums für die zwischen Algengeflechten lebenden Thiere von Vortheil ist, kann leicht eingesehen werden. Denn erstens ist die Gefahr des Herunterfallens und damit der Entfernung aus einem guten Nahrungsgebiet kleiner als bei kugeligen Individuen, weil auch bei starker Erschütterung, wenn alle Pseudo- podien eingezogen werden, die Thiere mit ihren ver- ästelten, zwischen die Algen eingreifenden Armen hängen bleiben. Zweitens bietet aber die verästelte Gestalt auch einen Schutz gegen Feinde, weil sich die Thiere von den gleichfalls verästelten und oft sehr ähnlich gefärbten Algen nur wenig abheben. Sowohl unter den runden wie verästelten Individuen befanden sich solche von bisher bei diesen Thieren nicht bekannter Grösse. Exemplare von 5 mm Durchmesser gehören nicht zu den Seltenheiten und sind mithin diese Organismen zu den Riesen unter den Protozoen zu rechnen. Auf das Verhalten des Plasmas und der Keine kann ich hier nicht näher eingehen. Nach Abschluss meiner Untersuchungen wird hierüber eine eingehende Arbeit ver- öffentlicht werden. Ich will hier nur kurz erwähnen, dass es mir gelungen ist, mit Hülfe der Schnittmethode zahl- reiche verschieden gestaltete und strueturirte Kerne im Weichkörper der Gromia dujardinii zu finden. Dieselben sind bei längerem Nahrungsmangel kugelig und chro- matinarm, bei reicher Nahrung hingegen sehr chromatin- reich und treten dann in eigenthüinliehe Beziehungen, sowohl zu den oben erwähnten braunen Kugeln, als zu den Nah- rungskörpern. Sie sind nämlich denselben dicht angelagert und besitzen spitz zulaufende Fortsätze, welche die gelb- lichen Kugeln oder Diatomeen und andere Algenzellen umgreifen; oft liegen auch mehrere der genannten Inhalts- gebilde um einen grossen Kern, der mit seinen Fortsätzen zwischen dieselben hinein greift. Zwischen diesen aus braunen Kugeln, Nahrungskörpern und Kernen bestehenden Gruppen befinden sich spärliche Mengen hyalinen Plasmas. Ferner habe ich gefunden, dass die hyalinen Pseudo- podien nicht im Stande sind, Nahrungskörper ausserhalb der Sehale zu verdauen, vielmehr schaffen sie dieselben nur herbei und lagern sie vor der Mündung ab, wo sie zunächst in grossen Mengen angehäuft und dann langsam in das Innere der Schale befördert werden. Aus diesen Beobachtungen schliesse ich, dass die Kerne und braunen Körper gemeinsam die Assimilation der Nahrung besorgen, während die Pseudopodien nur zur Herbeischaffung der Nahrung und zur Locoinotion dienen. Eine ähnliche Differenzirung des Plasmas ist bei den übrigen Gromien, wie überhaupt den Foraminiferen nicht bekannt, vielmehr sind hier die körnehenführenden Pseudopodien im Stande, Nahrungskörper ausserhalb der Schale zu verdauen. Es besteht demnach nicht nur ein fundamentaler morphologischer, sondern auch physiolo- gischer Unterschied zwischen den Pseudopodien der Gromia dujardinii und denjenigen aller anderen Foraminiferen, der, wie ich glaube, genügt, um eine Abtrennung dieser Form von der Gattung Gromia zu rechtfertigen. Ich schlage auf den Rath des Herrn Gcheimrath Prof. Dr. Schulze für unseren Organismus den Gattungsnamen Hyalopus vor, wonach die vorliegende Species als Hyalopus dujardinii (M. Schnitze) zu bezeichen wäre. Ueber die nähere Ver- wandtschaft des Hyalopus lässt sich vorläufig nichts Be- stimmtes aussagen. Nach der Eintheilung der Rhizopoda, die F. E. Schulze gegeben hat, würde er in die Ab- teilung der Filosa zu stellen sein; jedenfalls nimmt er bei unseren heutigen Kenntnissen der Rhizopoden noch eine ganz isolirte Stellung ein. Ueber die Fortpflanzung unseres Thieres ist bisher nichts Sicheres bekannt geworden. Zunächst gelang es mir, Zweitheilung des Körpers sammt der Schale zu beob- achten. Ein ovales Individuum, das an beiden Polen Mündungen besass, wurde allmählich in die Länge ge- zogen, in der Mitte trat dann eine seichte Einschnürung auf, die langsam tiefer einschnitt, bis schliesslich zuerst das Plasma und kurz darauf auch die Schale in der Mitte durchriss. Die Rissstelle kann bei jedem der Theilstücke zu einer Mündung umgebildet oder auch verschlossen werden. Der Theilungsprocess ging sehr langsam vor sich, er dauerte ungefähr 3 Wochen. In ähnlicher Weise findet eine Theilung des Thieres in 3 Theile statt (cf. Fig. I bis III). Die Grössendifferenzen der Theilstücke können sehr bedeutend werden, besonders bei den hirschgeweihartig verästelten Individuen. Hier habe ich häufig beobachtet, dass einzelne, selbst sehr kleine, armarti&c Fortsätze sich ablösten und zu selbständigen Thieren wurden, und man kann diese Art der Fortpflanzung wohl als Knospung be- zeichnen. Bisweilen ist die Ablösung des Sprösslings noch mit ein- oder mehrmaliger Theilung desselben ver- bunden, indem ein solcher Armfortsatz schon vor seiner Ablösung durch 2 oder 3 Einschnürungen in segment- artige Theile gegliedert wird, die sich nach der Ablösung des ganzen Armes von einander trennen (Fig. IV). — Die Theilstücke waren in allen beobachteten Fällen viel- kernig. Ausser der Theilung, deren Modificationen, wie hier kurz angedeutet, sehr mannigfaltig bei unserem Organismus sind, habe ich noch eine andere, interessantere Art der Fortpflanzung beobachtet, nämlich die Bildung von Schwärmsporen, und zwar bisher in 7 Fällen, sodass ich nicht zweifele, dass dies eine normale Art der Ver- mehrung ist. Fünf bis zwölf Stunden vor dem Austreten der Schwärmer ziehen die Thiere ihre Pseudopodien ein und verschliessen ihre Mündungen. Das hyaline Pseudo- podienplasma vertheilt sich zwischen den sehr chromatin- reichen Kernen, und dann zerfällt der ganze Weichkörper in kugelige Stücke, die aus je einem grossen Kern be- stehen, der mit einer dem Volumen nach ungefähr gleichen Masse hyalinen Plasmas umgeben ist. Das anfangs amöboide Plasma rundet sich ab und entwickelt eine sehr lange Geissei. Die braunen Körner und die Nahrungs- reste sinken auf den Boden der Schale, die sie dann etwa bis zur Hälfte ausfüllen. In der anderen Hälfte be- wegen sich die Schwärmer lebhaft umher. Je zwei der- selben copuliren sich. Die Gestalt der Sporen (Fig. V) ist oval oder birnförmig, ihre Grösse schwankt zwischen ;") und 8 //, wovon 3 — 6 ^ auf den Durchmesser des Kernes zu rechnen sind. Die Länge der Geissei beträgt 30—38 fi. Der Kern liegt im vorderen Theil des Schwärmers, Nr. 14. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 171 dann folgt eine halbkugelige Kalotte hyalinen Plasmas. Bei sehr starker Vergrösserung zeigt dasselbe einen vaeuo- lären Bau (Fig. V). Die Waben sind sowohl uiii den Kern, als an der Oberfläche radiär angeordnet und erscheinen da- her im optischen Durchschnitt als regelmässige Alveolar- säumc. In der Mitte der Plasniakalotte liegt stets eine grössere Vacuolc und in der Nähe derselben ein dunkles Korn, welches vielleicht die Bedeutung eines Centrosoms hat. Bei eopulirten Schwärmern (Fig VI) finden sich immer 2 grosse Vacuolen und 2 dunkle Körner. Indessen ist es mir bisher noch nicht gelungen, das weitere Schicksal dieser Vacuolen und Körner zu verfolgen, ebensowenig wie ich anzugeben vermag, was aus den eopulirten Schwärmern wird; denn wenn dieselben erst die Schale ver- lassen haben, was meistens schon nach wenigen Stunden geschieht, verliert man sie wegen ihrer Kleinheit schnell aus den Augen. In der feuchten Kammer sterben sie nach kurzer Zeit. — Das Vorkommen von Schwärmer- bildung bei Hyalopus dujardinii ist von besonderem Inter- esse, weil in der Gruppe der Rhizopoden (s. str.) bisher nur selten diese Art der Fortpflanzung beobachtet worden ist. Mir sind nur zwei sichere Fälle aus der Litteratur bekannt geworden; der eine betrifft Protoinyxa aurantiaca Hekl; der andere Microgromia socialis P>. Hertwig. In der Abtbeilung der Radiolarien hingegen scheint die Schwärmerbildung allgemein verbreitet zu sein, auch bei Heliozoen liegen mehrfache Beobachtungen vor. Ich glaube, dass bei Erweiterung unserer Kenntnisse von der Rhizopoden-Fortpflanzung das Vorkommen von Schwärmern nächst dem Pseudopodien-Charakter für die systematische Stellung des Hyalopus maassgebend sein wird. Dr. F. Schaudinn. Ueber Syphilis und Rückenmark hielt Geh. Rath Prof. Dr. Gerhardt am lö. November 1893 in der Ber- liner medicinischen Gesellschaft einen sehr interessanten Vortrag (Beil Klinische Wochenschrift 1893 No. 50), welchen er mit folgenden sehr beaehtenswerthen Worten schliesst, die der Verbreitung iu weiteren Kreisen werth sind: „M. EL, ich wollte hier von Syphilis sprechen, weil ich glaube, dass von der Syphilis noch viel mehr ge- sprochen werden muss, dass man noch viel mehr zur Erkenntniss kommen soll all der ausgedehnten Schädi- gungen, die die Syphilis, die Folge oft nur eines un- überlegten Augenblickes, noch nach Jahren im Körper hervorrufen kann, in allen Systemen des Körpers, wie eine Masse von Menschen in ihrer späteren Lebens- freude,^ ihrer Arbeitsfreude, schliesslich in ihrer Lebens- dauer beeinträchtigt wird. Ich glaube, wenn man von der Syphilis noch viel mehr spricht, als es jetzt ge- schieht, wenn man sich dieser Folgen, dieser zahlreichen, namentlich in den inneren Organen eintretenden Folgen mehr und mehr bewusst wird, dann wird man viel- leicht auch später einmal dahin kommen, der Syphilis und den Syphilitischen gegenüber einen anderen Standpunkt, sowohl gesellschaftlich, als auch ärztlicherseits einzunehmen und namentlich auch von der Syphilis mit Leuten rechtzeitig zu sprechen, die jetzt oft im Anfange der Blüthe- zeit ihres Lebens nicht ahnen, welche traurige Bedeutung- ein solcher Moment für ihr ganzes späteres Leben haben kann." Physikalische Eigenschaften der Erdkruste. — Es sollen hier in Kürze einige rein theoretische Anschauungen vorgeführt werden, wie sie Rev. Osmond Fisher in seinem bereits in zweiter Auflage erschienenen Werke „Physics of the earth's - crust" entwickelt hat. Freilich können wir uns hier nicht auf eine ausführliche Kritik dieser zwar geistreichen, aber doch immer sehr zweifel- haften Speculationen einlassen, die selbst in Fachkreisen sehr verschiedene Aufnahme fanden. Da auf die Gestalt und Eigenschaften der Knikruste die unter derselben liegende Schicht, welche Fisher als feurig-flüssig annimmt,*) von grossem Einflüsse ist. so müssen wir uns zunächst diesem flüssigen Erdinneren zu- wenden. Bei allen Vulcanausbrüchen sehen wir das auf- steigende Magma innig verbunden mit überhitzten Wasser- dämpfen. Die Lage fast aller Vulcane in grösserer Nähe des Meeres könnte nun zu dem Schlüsse verleiten, dass Wasser vom Meere auf Spalten in die Tiefe dringt, mit dem Magma in Berührung kommt und mit ihm bei dem Ausbruche zu Tage tritt. Dem ist aber nicht so, denn die plötzliche Verdampfung so gewaltiger Wassermassen, wie sie die Vulcanausbrüche voraussetzen, würde Ex- plosionen veranlassen, die grosse Theile der Erdkruste zerreissen müssten. Es bleibt somit nur die Möglichkeit, dass das Erdinnere mit überhitzten Gasen und Dämpfen gesättigt ist, welche bei Verminderung des überlastenden Druckes der Erdkruste entweichen können. Durch Rech- nung findet Fisher nun, dass in einem derartigen Magma durch die Anziehung von Sonne und Mond keine Ebbe und Fluth veranlasst werden, und dass in Folge dessen auch die Erdkruste diesen Zugwirkungen nicht nach- giebt.**) Das Erdinnere kann keine zähe, unbewegliche Flüssigkeit sein, da sonst zur Bildung der 40 km dick angenommenen Erdkruste ein Zeitraum von 10 Millionen Jahren erforderlich wäre, der für die geologischen Epochen sicher zu kurz ist. Der Verdickung der Kruste tritt ein Hinderniss in Strömungen entgegen, welche das Magma durchsetzen, Wärme und Wasserdampf aus der Tiefe bringen und so die Schicht unter der Kruste beständig mit Gasen und Dämpfen gesättigt erhalten. Trotzdem verdickt sich die Kruste langsam in Folge des allmählichen Wärmeverlustes durch Ausstrahlung. Nimmt man nun an, dass auf einem derartigen Erd- inneren eine dehnbare Kruste von überall annähernd gleicher Dicke ruht, so erhielte man bei irgend einer Be- wegung des Inneren auf der Oberfläche guirlandenförmige Unebenheiten, ähnlich den Wasserwellen, wie sie sich in Wirklichkeit nirgends finden; Bewegungen der wegen der Sättigung mit Dämpfen incompressiblen Flüssigkeit würde aber jetler auf die dehnbare Kruste ausgeübte Druck hervorrufen. Bildet sich nun auf der, nach dem gesagten als undehnbar anzunehmenden Erdkruste durch irgend einen Seitendruck eine Erhebung, so wird die Kruste wegen der grösseren Belastung an dieser Stelle tiefer iu die unterliegende Flüssigkeit gedrückt; es wird also jedem aufragenden Theile der Erdoberfläche eine in das flüssige Erdinnere tauchende Protuberanz an der Innenseite ent- sprechen.*''*) Nimmt man nun als mittlere Dichte der Erd- kruste die des Granites, für das Erdinnere die des Basaltes an, so erhält man für beide fast das gleiche Verhältniss wie für Eis und Wasser; wir müssen demnach auch an- *) Es muss darauf hingewiesen werden, dass sich alle Er- örterungen Fisher's nur bei dieser Voraussetzung aufrecht erhalten lassen. Bekanntlich nehmen aber andere Geophysiker mit nicht geringerer Berechtigung an, dass das Erdinnere durchaus fest und starr ist; aber auch diejenigen, welche einen flüssigen oder gar gasförmigen Erdkern voraussetzen, lassen denselben durch den zähflüssigen Aggregatzustand nach aussen in den festen übergehen, was bei Fisher nicht der Fall ist. **) Dem widersprechen nicht die von Rebeur- Pasch witz an mehreren Punkten angestellten Beobachtungen, durch welche Be- wegungen der Erdkruste mit taglicher und jährlicher Periode festgestellt wurden, da selbst bei einer völlig starren Krde so geringe Bewegungen, wie dir beobachteten, möglich wären. ***) Die Idee dieser sog. Bergwurzeln wurde zuerst von Lo Conte ausgesprochen. 172 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 14. nehmen, dass jetler Erhebung der Erdkruste eine etwa 9 mal grössere Protuberans an der Innenseite entspricht. Jeder Druide, der eine Unebenheit der Erdoberfläche her- vorruft, niuss an dieser Stelle die »Schwere überwinden, muss die leichtere Erdkruste in das schwerere Erdinnere niederdrücken und muss endlich die Kruste gegen ihre Festigkeit verzerren; jeder Druck hat somit drei Func- tionen zu verrichten. Was die Uebervvindung der Schwere betrifft, so findet Fisher durch Rechnung, dass ein seit- licher Druck, je nach der Festigkeit des Materiales, viel eher im Stande ist, eine lang gestreckte niedere Erhebung als eine kurze von grosser Höhe zu veranlassen. Die Unterlage wird durch Reibung an der Innenseite der Kruste eine Abnahme der Höhe mit der Entfernung vom Angriffs- punkte des Druckes veranlassen, so dass die Steilseite stets an der Druckseite liegt. Zwischen den Theilen, die als Erhebung der Oberfläche emporragen, und denen, die als Protuberans iu das Erdinnere eindringen, müssen Theile liegen, welche ihre Lage nicht verändern, und diese neu- trale Schicht finden wir, wie die Rechnung lehrt, in 2/s der Gesammtdieke der Erdrinde, die wir hiernach be- rechnen können. Granit kann sich nur bei Gegenwart von Wasser bilden*); da dieses aber bei noch so hohem Drucke nicht entstehen kann, wenn die Temperatur höher ist als 580°, eine Temperatur, welche wir, unter Voraus- setzung einer geothemischen Tiefenstufe von 24 m**), in einer Tiefe von etwa 14 km erreichen, so müssen wir, da aus dieser Tiefe Gesteine noch gehoben sind, die neu- trale Schicht in grösserer Tiefe als 14 km annehmen. Da nun diese neutrale Zone sich in 2/6 der Gesammtdieke befindet, so erhalten wir für die Stärke der Erdkruste unseren anfänglich angenommenen Werth von etwa 40 km. Es ist dies allerdings nur ein Durchschnittswert!], da den grössten Erhebungen die grössten Verdickungen entsprechen. Daher kommt es auch, dass sieh die grösseren Meeres- tiefen an den Küsten finden, an denen die steileren Ge- birge liegen, weil an den Flachküsten die Flüsse durch die Sedimentation eine Belastung der Erdkruste und da- mit das Bestreben veranlassen, die ganze Gegend um ihren Schwerpunkt zu drehen. Durch derartige Spannungen entstehen Risse in der Erdkruste. Diese lediglich durch die Rechnung gefundenen Re- sultate finden eine Bestätigung in folgenden Beobachtungen. Die zu geringe Lothabweichung am Fusse grosser Ge- birgsmassen, wie die des Himalaya und der Alpen***), be- weist das Eindringen der weniger dichten Bergwurzeln in das dichtere Magma; dasselbe beweist die durch Pendel- beobachtuugen festgestellte zu geringe Schwere auf hohen *) Diese Hypothese wurde aufgestellt besonders auf Grund der sich häufig findenden Flüssigkeitseinflüsse, Libellen u. s. w., die dann als Reste des bei der Bildung betheiligten Wassers an- gesehen werden. **) Gewöhnlich nimmt man die geotherinisehe Tiefenstufe nicht unter 30 m an, wenn man aus den bisher in Bohrlöchern, Bergwerken und Tunnels gefundenen Werthen überhaupt ein Mittel nehmen will. Vergl. darüber den Aufsatz von Prof. Dr. F. WahnschafFe: Unsere gegenwärtige Kenntniss über die Temperatur des Erd- innern; Naturw. Wochenschr. Bd. V, S. 171. **) Bei der Gradmessung in Britisch-Indien zeigte sich die auffallende Erscheinung, dass am Fusse des Himalaya das Bleiloth durchaus indifferent gegenüber der Anziehung des Gebirges blieb. Man fand nämlich den Breitenunterschied zwischen Kalianpur (24° 7' 11" n. Br.) und Kaliana (29° 30' 48" n. Br.) trigonome- trisch zu 5° 23' 42. "294, astronomisch zu 5° 23' 37. "058 und schrieb den Unterschied von 5. "236 der Anziehung des Himalaya zu. Pratt fand bei directer Berechnung der Anziehung durch dieses Gebirge bei einem spec. Gew. desselben von 2.75, den Werth 15." 885. Aehnliche Resultate ergaben die Schweremessungen am Fusse der Pyrenäen, wo Petit keine Lothablenkung fand, und ebenso die Untersuchungen Stebnitzky's im Kaukasus. Anderer- seits fanden sich bei einzelnen Gebirgen gerade entgegengesetzte Erscheinungen, Abstossungen des Lothes. Bergen*); schliesslich werden die Bergwurzeln durch die hohe geothemische Tiefenstufe im Gebirge nachgewiesen; das Magma muss an allen Stellen unterhalb der Erd- kruste annähernd die gleiche Temperatur besitzen; eine geringere Wärmezunahme kann also nur auf grössere Entfernung vom Magma, auf eine grössere Dicke der Erd- kruste zurückgeführt werden. Derartige Temperatur- messungen wurden seiner Zeit von Stapff im Gotthard- tunnel ausgeführt**), wo sich eine geothemische Tiefen- stufe von 45 m, mithin, wenn man den Schmelzpunkt des Gesteins zwischen 1600 und 2000° Celsius verlegt, eine Krustendicke von etwa 70 km ergab. Der directen Beobachtung sind naturgemäss gänzlich unzugänglich die Theile der Erdkruste, welche den Grund der Occane bilden, und sie werden wohl auch stets un- zugänglich bleiben, wenn die Meeresbecken, abgesehen von kleinen Schwankungen, ihre Stelle beibehalten***). Ebenso wenig sind wir über den geologischen Bau jener Krustentheile unterrichtet und sind deshalb hier auf rein theoretische Erörterungen angewiesen. Die Schwerkraft hat sich auf den Oceanen gleich bedeutend erwiesen, wie auf den Continenten im Meeresniveau unter gleicher geo- graphischer Breite; da wir nun zu der Annahme berech- tigt sind, dass in der Nähe des Erdcentrums alle Theile des Erdkernes die gleiche Beschaffenheit besitzen, also auch denselben Einfluss auf die Schwerkraft ausüben werden, so muss bei der Bedeckung des Meeresgrundes mit einer Masse, deren Dichte 2'/., mal geringer ist, als die des' Festlandes, dieser Massendefect ersetzt werden durch eine grössere Dichte der oberen Theile der festen Kruste. Auf diesen Annahmen fussend erhält Fisher durch Rechnung folgende Resultate: 1. Die unter dem Meere liegenden Theile der Erdkruste ragen nicht so tief in das flüssige Erdinnere hinein, wie die Continentaltheile; 2. die Kruste unter dem Meere ist dichter in ihren oberen als in ihren unteren Theilen; 3. die oberen Theile der Kruste unter dem Meere sind von grösserer Dichte als die flüssige Unterlage; 4. das flüssige Erdinnere ist unter den Oceanen weniger dicht als unter den Continenten. Die unter den Oceanen liegenden Krustentheile müssen von geringerer Dicke sein als die unter den Continenten. Da man nun für die Wasserbedeckung eine Verdickung von ungefähr 2 kmf) setzen kann, so erhält man für die unteroceanischen Krustentheile eine Stärke von etwa 30—32 km. Da die dichtere Schicht der Krustenober- fläche so dünn sein muss, dass sie die mittlere Dicke der *) Solche anormalen Verhältnisse haben besonders die Pendel- beobachtungen des Herrn Oberstlieutenant von Sterneck im Ge- biete der österreichisch-ungarischen Monarchie erwiesen. Vergl. „Ueber Schwerestörungen und Lothabweichungen" in „Verhandl. des IX. Geographentages zu Wien" und Helmert, „Die Schwerkraft im Hochgebirge." **) Stapff schob seine Beobachtnngsstalionen im Gotthardtunnel bis 4100 in vom Südportal und 4400 in vom Nordportal vor und fand unter Berücksichtigung aller störenden Einflüsse auf der nördlichen Tunnelseite eine geotherinisehe Tiefenstufe von 20 5 in, unter dem Steilabfall von Wannelen 42. G m, auf der Südseite des Tunnels 45 m und unter dem Steilkamme der Cima Boita-Misura 62.3 m. Stapff seihst hat seine aus diesen Beobachtungen ge- zogenen Folgerungen in populärer Form niedergelegt in dem Auf- satz: „Geringe Temperaturzunahme unter Gebirgen als Beweis für sog. Bergwurzeln und Massendefecte", Himmel und Erde, Jahrg. IV. Von anderen diesbezüglichen Schriften desselben Autors seien genannt: „Studien über die Wärinevertheilung im Gotthard" und „Rapport trimestriel Nr. 30 du con^eil federal sur hi marchc des travaux du St. Gotthard, Annexe 14." ***) Es ist dies eine noch keineswegs allgemein anerkannte Hypothese, für welche allerdings die Tiefseeforschungen des Challenger in hohem Grade zu sprechen scheinen. (Vergl. darüber Dr. M. Fiebelkorn, „Das Alter der Festländer", Naturw. Wochen- schr., Bd. IX Seite 129). t) Nach den neueren Tiefseeforschungen beträgt die durch- schnittliche Tiefe der Meeresbecken 350O m. Nr. 14. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 17:; Gesanimtkruste nicht bceinflusst, so kann sie auch ein tieferes Einsinken in das Erdinnere nicht veranlassen; dies wäre freilich an den Stellen der grössten Tiefen, wie der Tuskaroraticfe im nördlichen paeifisehen Ocean*), wohl möglich, und dann könnten durch eine ruckweise Senkung- Erdbeben veranlasst werden, wie sie in Japan so häufig' sind. Wegen der geringeren Dichte des unter den Oceanen gelegenen flüssigen Erdinneren gegen- über der unter den Contincnten müssen wir liier Strömungen annehmen, und zwar eine aufsteigende an den Stellen ge- ringster Dichte, den Oceanen, eine absteigende an den Stellen grösster Dichte, den Continenten. Wegen des Kraftveiiustes bei der Bewegung muss das Gebiet der absteigenden Strömungen, das der Continente, kleiner sein als das der aufsteigenden, das der Oceane, eine Er- scheinung, die den in der Natur bestehenden Verhält- nissen völlig entspricht. An den Küsten haben die Strö- mungen eine horizontale Richtung. An den Stellen der < leeane, wo die grösste Wirkung der aufsteigenden Strö- mling stattfindet, erheben sich die untermeerischen Plateaus; die hier auftretenden submarinen Vulcane und die Vulcan- inseln sind auf den Druck des aufsteigenden Magmas gegen die Erdkruste zurückzuführen, der stellenweise wohl im Stande ist, die Erdrinde zu sprengen. Da man keinen Grund hat, anzunehmen, dass die Erdkruste aus dem Zu- stande grösserer Dichte in den geringerer Dichte über- gehen kann, so muss man die Permanenz der Meeres- becken, den ewig unveränderlichen Gegensatz zwischen ■Continentalmassen und Oeeanwanncn, zugeben. Die soeben erörterten, lediglich durch die Rechnung gefundenen Resultate erfahren eine Bestätigung in den Ergebnissen der Schweremessungen auf oceanischen In- seln. Beim Fehlen einer Insel würde mau an einer Stelle des Meeresniveaus die ihrer geographischen Breite ent- sprechende normale Schwere finden**}; die Gesteinsmasse der Insel, deren Dichte grösser ist als die des Wassers, verursacht eine Sehwerezunahme.***) Ist nun eine der Insel entsprechende Protuberanz in das Erdinnere vor- handen, so hnden wir dieselbe Erscheinung, wie bei den Gebirgen, eine gegenüber der berechneten zu geringe Schwere. Protuberanzen in das Erdinnere müssen wir aber nicht für alle Inseln annehmen, da viele derselben, besonders die vulkanischen und Koralleninseln, ohne eine Druckwirkung entstanden, sondern nur der Kruste auf- gesetzt sind; dem entspricht die Thatsache, dass nicht bei allen Inseln derartige Defecte nachweisbar sind. Auf welche Weise haben wir uns nun die Entstehung der Unebenheiten auf der Erdoberfläche zu erklären? Wir haben dabei zunächst zu beachten, dass wir grosse Unebenheiten nur auf den Continentalmassen, nicht am Grunde der Oceanbecken finden, dass wir die letzteren vielmehr als grosse Verebnungen anzusehen haben. Wir müssen deshalb nach Ursachen suchen, die eine Zusam- menpressung der Erdkruste an den Stellen der Continen- talmassen allein veranlassen können. Eine derartige Com- pression kann hervorgerufen werden durch Verkleinerung des Erdkernes und das Bestreben der Kruste, dem schwin- *) Die bedeutendsten Tiefen der Oceane sind überhaupt: 1. Tuscaroratiefe unter 44° 55' n. Br. und 152° 26' ö. L. mit S515 m ; 2. im Atlantischen Ocean unter 19° 39' n. Br. und 66° 26' \v. L. mit 8341 m; 3. südlich von den Ladronen unter 11° •-'4' n. Br. und 143° 16' ö, L. mit 8174 m. Alte grössten Tiefen liegen nicht, wie man früher wohl anzunehmen geneigt, war, in der Mitte der Oceane, sondern gerade in mehr und weniger grosser Nähe der Continente. **) I liese beträgt für einen Ort mit der geographischen Breite '/ 6? = 9v7810 -f- 0.0503 sin2 der allgemeine Theil behandelt, und zwar im ersten Kapitel erläutert, was die Paläontologie zum Gegenstände hat, ihr Verhältniss zur Biologie und Geologie und ein kurzer Abriss ihrer Geschichte gegeben. Im zweiten Kapitel wird das Verhältniss der Paläontologie zur Entwickelungs-Theorie speeiell besprochen (Seite 11 bis 35). Das dritte Kapitel behan- delt die Phylogenie, das vierte die Veitheilung der Organismen während der geologischen Perioden mit Rücksicht auf die jewei- ligen Lebensbedingungen und ihr Verhalten zum Lande und Wasser. Im fünften Kapitel wird der Fossilisationsproeoss be- schrieben und im sechsten eine gedrängte Uebersicht über die Formationen gegeben, sowie endlich kurz der paläuntologische Charakter derselben geschildert. Der zweite, specielle, Theil be- schäftigt sich zunächst mit der Paläozologie, und zwar gelangt der Verfasser in dem vorliegenden Buche, mit den Protozoen be- ginnend, bis zu den Lamellibranchiaten, in deren allgemeiner Be- schreibung dasselbe abbricht. Von den Zweigen des Thierreiches enthält das Werk bisher die folgenden: Protozoen, Spongien, Coelenteraten, Echinodermen, Arthropoden, Geissel- Würmer (Bry- ozoen, Brachiop.oden und Chaetopoden — Spirorbis, Ditrupa, Tentaculites — ) und Mollusken (Amphineuren — u. a. Chloe etc. — , Gartropoden, Lamellibranchiaten z. Fh.). Von einein jeden Zweige, resp einer jeden Klasse, wenn sie paläontologisch von Wich- tigkeit ist, wird zum Schlüsse der Besprechung eine Uebersicht der geologischen Verbreitung gegeben. Die Ausstattung des Buches ist eine durchaus solide, sein Format ein recht handliches, zum Gebrauch passendes. Es ist zu wünschen, das» das Werk recht bald vollendet wird, damit ein auch die .Resultate der jüngsten Forschungen um- fassendes, zum Studium wohl geeignetes, billiges Handbuch der Paläontologie vorliegt. An zahlreichen Freunden, auch ausser- halb Frankreichs, dürfte es demselben nicht fehlen. Wittwer, Grundzüge der Molekular-Physik und der mathe" matischen Chemie. i. Auflage. Verlag von K. Wittwer- Stuttgart IS93. Die Darstellung der Molekular-Physik in der vorliegenden Schrift baut sich auf einer eigenartigen Lehre vom Aether auf. Der Verfasser verhehlt sich nicht, durch seine Auffassung von der Wirkungsweise des Aethors mit verschiedenen gegenwärtig hellsehenden Ansichten in Collision zu gerathen, doch glaubt er, mit beobachteten That-achen nie in Widerspruch gekommen zu sein und darum sei bei den mangelhaften Resultaten der üblichen Molekularphysik ihr Versuch berechtigt, die Sache einmal von einer anderen Seite anzugreiten. Entgegen der landläufigen An- sicht nimmt Wittwer innerhalb der optisch dichteren Medien eine geringere Aetherdichtigkeit an, indem er die Constanz der Elasticität des Aethers leugnet, sodass die Lichtgeschwindigkeit im dichteren Aether sehr wohl grösser sein könne, da ja der Aether der Träger der Liehtbewegnng sei und das Licht durch den Aether nicht hindurchgehe, „wie die Kugel durch ein Brett." Der Cauchy 'sehen Annahme, dass sich die Aethertheilchen umgekehrt proportional der vierten Potenz der Entfernung ab- stossen, setzt ferner der Verfasser ein nach dem umgekehrten Quadrat der Entfernung wirkendes Gesetz entgegen. Als Analogon des Luftdrucks wird ein Aetherdruck angenommen, sodass ein dem Archimedischen Princip entsprechender Satz gilt: „Jeder Körper verliert an seiner Wirkung nach aussen so viel, als die Wirkung des verdrängten Aethers beträgt." — Nach Auseinander Setzung dieser Grund-Hypothesen werden die Beziehungen zwischen Massentheilchen und Aethertheilchen erörtert, wobei sich ergiebti Massojitheilchon stossen sieh gegenseitig nach demselben Gesetz wie Aethertheilchen ab, während letztere von den erstieren nach demselben Gesetz angezogen werden |>i,- Schwere i kleine Rest ausserordentlich starker entgegengesetzter Kräfte, «reiche zwischen den Massentheilchen und ihren Aetherhüllen wirken. Der Verfasser steht sonach völlig auf dem Boden der unerklärten Fernewirkung. Er meint, die Ferne Wirkung sei heute noch nicht zu umgehen, man schaffe sie nur gern als Gl vorn hinaus, um sie als Elasticität durch die Hinterthür wioder herein zu lassen. — Den ausgedehntesten Abschnitt des Werkes bildet die Ableitung der Grundzüge der Chemie aus der so gi wonnenen Grundlage und gewissen Annahmen über die Lagerung der Theilchen. Auf Einzelheiten hierbei einzugehen, würde uns zu weit führen. Erwähnt sei nur. dass Seite 67 auf einen Auszug aus der Mondelejeffschen Tafel verwiesen wird, den wir in dem Buche vergeblich gesucht haben. — Im vierten Abschnitt werden die Wärmeerscheinungen nach des Verfassers Hypothesen zurechtgelegt, die kinetische Gastheorie wird da'iei als unhaltbar hingestellt, da es unmöglich sei, dass die Aethertheilchen, welche der Erde die Sonnenwärme übermitteln, den viel massigeren Luft- molekeln grosse Geschwindigkeiten ertheilen könnten. — Endlich bespricht Verfasser im fünften Abschnitt noch die Elektricität, die er auf einen Ueberschuss (+), respective Mangel ( — ) an Aethertheilchen gegenüber der Aether-Dichtigkeit der Umgebung zurückführen will. Es lässt sich nicht verkennen, dass das System, das in diesem Buche zur Darstellung kommt, ein wohl durchgearbeitetes und im Allgemeinen auch widerspruchfreies ist. Ob die Wittwer- schen Ansichten sieh für den Fortschritt der Wissenschaft frucht- barer erweisen werden, als die zur Zeit herrschenden, muss vor- läufig dahingestellt bleiben. Das Studium des vorliegenden Werkes möchten wir immerhin allen denen empfehlen, denen unser positives Wissen nicht genügt, die vielmehr das Bedürfnis» haben, ins „Innere der Natur" zu dringen. F. Kbr. Berichte der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B. VIII. Bd. Ausgegeben im Januar 1894. Zoologische Ab- handlungen. August Weismann zu seinem GO. Geburtstage 17. Januar 1894 gewidmet. Mit 6 Tafeln und 14 Abbildungen im Text. Akademische Verlagsbuchhandlung von .1. C. B. Mohr (Paul Siebeck) in Freiburg i. B. und Leipzig 1894. — Preis 12. M. Der Band enthält die folgenden Abhandlungen: 1- Ueber eine be- sondere Form der Eibildung und die Goschlechtsyerhältnisse von Ophryotrocha puerilis. Von Dr. Eugen Korscheit, Professor in Marburg i. H. Mit 3 Abbildungen im Text. - 2. Die Cope- podenfauna des unteren Amazonas. Von Dr. Friedr. Da hl, Privatdocent in Kiel. Mit Tafel I. — 3. Amöben-Studien. Von Dr. August Gruber, Professor der Zoologie in Freiburg i B. Mit 3 Abbildungen im Text. — 4. Die Entwickelung der Wintßj: eier der Daphniden. Von Dr. Valentin Haecker, Privatdocent und Assistent am zoologischen Institut der Universität Freiburg i. B. M. Tafel. IL — 5. Ueber die Kerntheilung bei Noctiluca miliaris. Von Dr. C. Ishikawa, Prof. am Agricultural College, Imperial University, Tokyo, Japan. Mit Tafel III. — 6. Vergleich der Planktonproduction in verschiedenen holsteinischen Seeen. Von Dr. Carl Ap stein in Kiel. Mit 2 Tabellen. — 7. Beiträge zur Kenntniss von Hydrobia ulvae Penn und deren Brutpflege. Von Dr. H. Henking, Generalsekretär der Section für Küsten- und Hochseefischerei und Privatdocent in Göttingen. Mit Tafel IV. — 8. Studien zu einer Revision der Entwicklungsgeschichte der Nemertinen. Von Dr. Otto Bürger, Privatdocent in Göttingen. Mit Tafel V. und o Abbildungen im Text. -- 9. Ueber abnorme Zustände im Bienenstock. Von Dr. Otto vom Rath in Frei- burg i. B. — 10. Ueber Saison-Dimorphismus und -Polymorphismus bei japanischen Schmetterlingen. Von Dr. Adolf Fritze. Privat- docent der Zoologie an der Universität Freiburg i. B. — 11 Etüde sur la fecondation de l'oeuf de la Truite. Par Henri Blaue, Professeur de Zoologie et d'Anatomie comparee ä l'Universite de Lausanne. Avec Planche VI et 1 tigure en texte. — 12. Ueber das Verhalten der Kerne im Dotter der meroblastischen Wirbel- thiere. Von Dr. H. E. Ziegler. Professur der Zoologie in Frei- ■burg i. B. Mit 4 Abbildungen im Text. Einen Katalog antiquarischer botanischer Schriften ver- sendet die Firma J. B. Bailliere et fils iu Paris. Er zeichnet sich dadurch aus, dass eine grössere Zahl Schriften aus dem vorigen Jahrhundert zum Angebot gelangen. Inhalt: Prof. Dr. H. Schubert: Mathematische Spielereien in kritischer und historischer Beleuchtung. X. — Die systematische Stellung und Fortpflanzung von Hyapolus n. g. (Mit Abbild.) — Syphilis und Rückenmark. — Physikalische Eigenschaften der Erdkruste. — - Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratm Dr. Th. Weyl: Studien zur Strassenhygiene. — Wiliamm Marshall: Neueröffnetes, wundersames Arzeneikästlein, darin allerlei gründliche Nachrichten, wie es unsere Yorsltern mit den Heilkräften der Thiere gehalten haben. — A. Englcr und K. Prantl: Die natürlichen Pflanzenfamilien. — H. Timm: Wie gestaltet sich das Wetter? — Felix Bernard: Elements de Paläontologie. — Wittwer: Grundzüge der Molekular-Physik und der mathematischen Chemie. — Berichte der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B. 176 Nalurvvisscuscliailliclic Wochenschrift. Nr. 14. Verlas: toii Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien : Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen von Christian Konrad Sprengel (1793.) Herausgegeben von Paul Knutli. 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An Transportmaterial war ja in der Rückzugsperiode des Gletschers gewiss kein Mangel. Der in den See ein- tretende Fluss bricht seine Kraft an der in Ruhe befind- lichen Masse des Seewassers: zunächst senken sich die schweren Gerolle, dann der Sand, zuletzt der feinere und feinste Schlamm in den Seeboden und bauen das kegelför- mig angeordnete Delta auf: zu unterst — beim nahen Fried- hof aufgeschlossen -- zeigt sich eine Schlammmoräne, darauf ein Sandfuss und dann in einer Mächtigkeit von ca. 50 m die in Form von Kegelmänteln angeord- neten Schichten des Kieses, welche zu oberst sieh flach legen und in horizontale Lagerung übergehen: das Ganze, prachtvoll in zwei übereinander liegenden Kiesgruben auf- 182 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 15. geschlossen, bietet das schönste Modell einer typischen Deltabildung (s. die beistehende Abbildung 3). Fragen wir uns nun, welches Hemmniss den Seespiegel in dem langsam gegen S. sich neigenden Schussenthai aufgestaut hat, so können die bei Meckenbeuren lagernden" Moränen dies nicht vollbracht haben, dazu sind sie denn doch viel zu geringfügig; es bleibt nur die Annahme übrig, dass nur das Eis des Gletschers selbst, welches bei Meckenbeuren lange Zeit das Thal absperrte, diesen Stau- see von Ravensburg zu bilden vermochte. Das Eis selbst bildete also das südliche Gegenufer! Vielleicht noch deutlicher sind die Rückzugsstadien in 'le>' Salemer Senke nahe beim Ueberlinger See zu verfolgen. Am „Hochbild" oberhalb Ueberlingen trafen wir ebenfalls ein sehr schön aufgeschlossenes diluviales Delta an. Der Ueberlinger See war in jener Rückzugsperiode der jüngsten Vergletscherung gleichfalls ein Stausee. Wie die Lage des Deltas zeigt, stand sein Spiegel um ca. 55 m höher als der heutige Ueberlinger See. Es bestand damals ein Abfluss durch das heutige Trockenthal, das „Sauried", nach dem Untersee hin; er mündete unfern Radolfzell in den letzteren ein und baute 30 m über dem Niveau des heutigen Unterseespiegels sein' Delta auf. Nach den sehr eingehenden, eingangs genannten Unter- suchungen von Dr. Sieger war dieser frühere Untersee mit ca. 30 m höherem Stand der tiefstgelegenste der Eisseen, weil er durch seine Abflüsse in gewissen Grenzen gehalten wurde. Sein Niveau wurde bestimmend für das- jenige des sich bildenden Bodensees: sobald nämlicb der Ueberlinger Seegletscher soweit zurückgewichen war, dass er mit dem Untersee freie Verbindung gewann, nmsste auch er sich auf das Niveau des Uuterssees wegen des vor- handenen Abflusses einstellen; dieses Niveau erhielt sich aber nach Siegers Ermittelungen, bis der ganze heutige Bodensee eisfrei war, und stellt somit das älteste und höchste gemeinsame Bodenseeniveau dar. Nach unserer Ueberzeugung ist der Beweis dreier Eis- zeiten für das Gebiet des Rheingletschers in Oberschwaben und dem Bodenseegebiet durch die letztjährigen Unter- suchungen der Wiener Beobachter erbracht; es wird Aufgabe der Zukunft sein, auch für den Alpenantheil des Rheingletschers die entsprechenden Beweise zu beschaffen; erst dann lässt sich entscheiden, ob man in den Gletscher- perioden des Alpenvorlandes nur Gletscher Oscillationen im grossen Stil oder wirklich verschiedene Eiszeiten er- blicken darf. Es würde zu weit führen, wollte ich auch noch die hochinteressanten Beobachtungen näher ausführen, welche wir westlich vom Bodensee, in der Umgegend von Thaingen und besonders bei Schaffhausen anzustellen Gelegenheit hatten, zum Theil liegen dieselben auch auf prähistorischem Gebiet, da wir den grossartigen Aus- grabungen, welche Professor Nüesch in Schafl'hausen seit 1891 am „Schweizer Bild" leitet, beiwohnen konnten. Nicht unerwähnt aber darf der ganz unzweideutige und höchst lehrreiche Aufschluss bleiben, welcher dicht bei Schaff hausen am Fusse der Kohlfirst von Penck aufge- funden worden ist; hier liegt unter der Moräne der letzten Vergletscherung ein sonach zweifellos interglaciales Kalktufflager mit zahlreichen, noch näher zu bearbei- tenden Pflanzenresten, besonders Blattabdrücken. So charakteristische Reste sind allerdings aus der älteren Interglacialzeit noch nicht nachgewiesen, wie sie hier an der Randzone des inneren Moränenzuges in reicher Fülle zu Tage treten. Das Profil in der beifolgenden Figur 4 deutet die Lagerungsverhältnisse in ganz schema- tischer Weise an. Die Theilnehmer an dem fünftägigen, so lehrreichen Ausfluge sind dem Veranstalter desselben Professor Penck, sowie dessen Assistenten und Prof. Nüesch zu grossem Dank verpflichtet. Die Konglomerate des westfälischen Carbons und über die Bildung der Steinkohlen. — Die Konglomerate des westfälischen Steinkohlengebirges betitelt sich ein Aufsatz von Dr. Leo Cremer im „Glückauf" (30. Jahrg., S. 117 ff., Essen a. d. Ruhr, d. 27. Jan. 18941 — Zum bes- seren Verständniss des Folgenden wollen wir einige Worte über die verticale Eintheilung des westfälischen Stein- kohlengebirges mit Zuhülfenahme des beigegebenen Profils voraussenden. Der unterste Theil desselben wird als Mager- kohlenpartie bezeichnet und umfasst den Schichtencomplex abwärts von Flötz Sonnenschein bis zum flötzleeren Sand- stein. Das wichtigste Leitflötz dieser Partie ist Flötz Mause- gatt. Ueberlagert wird sie von der Fettkohlenpartie zwischen Flötz Sonnenschein und Flötz Catharina; auf diese folgt die Gaskohlenpartie zwischen Flötz Catharina und Flötz Zollverein Nr. 1 und auf diese endlich zuoberst die Gasflammkohlenpartie, aufwärts von Flötz Zollverein Nr. 1 mit Flötz Bismarck als wichtigstem Leitflötz. - In diesem mächtigen Schichtenkouiplexe nehmen die Konglomerate hinsichtlich ihrer Mächtigkeit nur eine untergeordnete Stellung ein, werden dafür aber hauptsächlich durch ihr nieist constantes Auftreten innerhalb gewisser Flötzgruppen und ihre leichte Unterscheidbarkeit von den anderen Gesteinen für Wissenschaft und Praxis gleicher Weise sehr wichtig. Sie bestehen aus im Durchschnitt Va — 2 cm im Durch- messer haltenden (nicht ausgeschlossen" sind natürlich klei- nere, nur wenige mm, sowie andererseits grössere, bis 5 cm dicke), stets abgerundeten (kugeligen, knolligen, zuweilen flach abgeschlitfenen, niemals eckigen und kan- tigen) Gerollen, von hauptsächlich Quarz, Kieselschiefer und Thoneisenstein oder eisenhaltigem Thonsehiefer, welche stets durch ein kieseliges Bindemittel zu einem oft sehr harten Gesteine verkittet sind. Sehr häufig liegen die Konglomerat-Bänke in Sandsteinschichten eingebettet, und es finden dann Uebergänge zwischen beiden Gesteinen statt. Das feinere und gröbere Korn der Konglomerate ist lagenweise abgesondert; eine Schichtung jed ;ch nicht vorhanden, dagegen sind Zerklüftungen nicht selten und in den entstandenen Hohlräumen haben sich häufig Mineralien abgeschieden. Die Festigkeit der Konglome- rate macht sie in mancher Hinsicht für den Bergbau ge- schätzt (in mächtigen werden Füllörter, Maschinenkammern u. dergl. angelegt) und lässt sie auch in der Technik aus- gedehnte Verwendung finden (z. B. zum Wegebau). Eine ganz allgemeine Erscheinung in den Konglomeraten sind gröbere undeutliche Pflanzenreste, welche von Rinden-, Stamm- und Stengelstücken, also resistenteren Pflanzen- tkeilen herstammen und oft in grossen Mengen vorhanden sind. Die Erhaltung ist meist in Kohle, die grösseren Stücke in Glanzkohle, auch echt versteinerte Holz- theile sind nicht gar selten. Die Farbe der Konglo- merate ist eine sehr wechselnde, und dieser Umstand in Verbindung mit der ausserordentlich verschiedenen Korn- grösse und der wechselnden Ausbildung des Bindemittels bedingt in ihrem Aussehen sehr verschiedene Gesteine. Im Ganzen unterscheidet Verf. 12 Konglomerat- schichten, welche, in drei Gruppen angeordnet, ein recht constantes Auftreten bewahren. Zu unterst, im unteren Drittel der Magerkohlenpartie liegt eine Gruppe von drei Konglomeratbänken, von denen Nr. 15. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 183 geeignet. Die dritte und angetroffen Bildung Kouglo- oberste Gruppe von Konglonie- ratschichten liegt in der oberen Hälfte der Gasflamnikohlen- partie und besteht aus fünf Schichten, deren untere, ziemlich mächtige, 120 — 130m über dem Leitflötze Bismarck liegt und auf allen in diesem Horizont bauenden Zechen worden ist. Verf. führt die dieser ausgedehnten meratschichten auf die Thä- tigkeit eines oder mehrerer grosser Ströme zurück und glaubt, dass dieselben während der ganzen Steinkohlenperi- ode gewirkt haben und aus einem und demselben Gebiet gekommen sein müssen — vielleicht aus dem rheinischen Schiefergebirge. Er glaubt ferner daraus, dass die hori- zontale Vertheilung der Kon- glomerate weder eine gesetz- mässige Abnahme ihrer Gerolle an Grösse, noch ihrer Lager an Mächtigkeit erkennen lässt, den Schluss ziehen zu müssen, dass die Ausdehnung der Formation eine weit grössere ist, als bislaug der Bergbau sie kennen gelehrt hat. Die verhültnissmässige Kleinheit der Gerolle führt er auf weiten Transport zurück. Das gänzliche Fehleu von Kalk- carbonat ist um so auflallender, als dasselbe in den devoni- schen und silurischen Gebieten, woher die Gerolle stammen dürften, stark vertreten ist. Die Schlussfolgerung des ist folgende : ,Die CS 10 CS ■S' FI. Rive-A Bismarck xx >ooooooxxxx>r<> Verf. schon erwähnte Häufigkeit stark zerstückelter, verkohlter Pflanzenreste in manchen Kon Flütz Dach XX>OOOC*XXXXXX>00=X>COOOOOOOOOOOOöOO<>0000 Fl. C Bismarck 0000000000OOOOOOo: > die beiden oberen dicht zusammenliegen, nur durch Flötz Striepen getrennt werden und im ganzen westfälischen Steinkohlenreviere verbreitet zu sein scheinen. Eine zweite Gruppe von Konglomerat- schichten liegt im oberenDrittei der Magerkohlen- und im un- tersten Viertel der Fettkohlen- partie. Hiervon ist die un- terste, unter Flötz Finefrau liegende Schicht durch ihre allgemeine Verbreitung und genaue Lagerung besonders wichtig. Ferner sind aus dieser Gruppe auch die bei- den oberen Schichten wichtig, deren eine unter, deren zweite ca. 150 m über Flötz Mausegatt liegt. Das allge- meine Vorkommen macht beide zu Horizontbestimmungen wohl Ablagerungsort Nr. IL' Nr. 11 Nr. in Fl. unben. Z. Hugo r- • K..XX . — gewisse aufrecht schwimmende Gewächse mit Luftkammern in ihrem unver- letzten Kopfende, wie z. B. hohle Schachtelhalme in das Becken gelangt und in die Kohlenmasse selbst wie in deren Deckschichten eingepflanzt worden sein. „Be- weise" für den ersten Fall finden sich in einigen Kohlen- feldern der Vereinigten Staaten. Aus Sandstein beste- hende, nicht flach-gedrückte Stämme von 60 cm Durch- messer rinden sich da aufrecht in Kohlenflötzen und ragen noch weit in das Hangende, den Schieferthon, hinein. Das Wurzelende des Stammes nahm, nach O.'s An- schauung, während seiner Wasserfahrt Sand in seine Höhlung auf und veranlasste das gerade Absinken in die noch weiche Kohlenmasse ; das weiterhin anlangende Kohlenmaterial legte sich um den mit Sand gefüllten Stamm, der noch mit seinem oberen Ende hervorragte, als der folgende niedrige Wasserstand über dem Riegel die Kohlenbildung unter- brach und nur dem den Schieferthon bildenden Spülgut den Eintritt gestattete. Den zweiten Fall nimmt 0. an für die französischen Flötze von St. Etienne, deren Verhältnisse immer an- geführt werden als Beweis für die autochthone Kohlen- bildung. „Von je 5000 eingeschwommenen Stengeln steht jedoch dort nur ein einziger aufrecht". Allerdings können an den Randpartieen eines Kohlenseces wachsende Pflanzen und deren Rhizome z. B. Stigmarien in den Ver- kohlungsprocess in situ mit hineingezogen worden sein, und intact eingeschwemmte Stigmarien können unter Bei- behaltung ihres ganzen Habitus und ihrer Wachsthums- stellung gesunken und von feinem Schlamm nachträglich so eingehüllt worden sein, dass sie scheinbar als darin angewurzelt gelten können**). Doch ist dieses nur bis auf gewisse Tiefen des Kohlensees anwendbar. *) Das Resultat muas jedoch in einem regelmässig mit Wasser bedeckten Sumpf, wie wir den Boden, in welchem die Carbon- pflanzen wuchsen , am besten annehmen können, ein anderes sein. — P. **) Das wird aber nach dem weiter oben Gesagten nur der- jenige anneinnen können, der den Bau der Stigmarien nicht genau kennt: das Ausstrahlen der Appendices nach allen Richtungen z. B. lässt 0, einfach ausser Acht; wir meinen nicht etwa, dass er dies absichtlich thäte, sondern vielmehr, dass er die von dem Unterzeichneten beschriebene Erscheinung nicht kennt und des- halb unberücksichtigt gelassen hat. Sie verlangt aber bei der Geschiebe, die bis zur Schwere von einem Centner sich inmitten der Kohlen gefunden haben, sollen von Baumwurzeln so umwachsen worden sein, dass sie mit eingeführt wurden. Bei Braunkohlen konnte man auch an den Transport auf Schollen wählend eines Eisaufbruches denken. Die Eisensteinablagerungen, die stellenweise in den Kohlenschichtenfolgen auftreten, rühren gewiss von zeil weiligen Zuflüssen eisenhaltiger Gewässer aus benach- barten Niederungen, die limonitartige Sedimente aufgesam- melt hatten, her. Die während des Zuflusses absinkenden pflanzlichen Stoffe wurden von dem Sauerstoffüberträger Kisen wegoxydirt (analog den Vorgängen des Mürbewer- dens und Zcrfallcns der organischen Faser in Geweben in und um einen Rostflecken) und verschwanden desshalb, indem sie die Kohlensäure für das Eisencarbonat her- gaben, unter dessen Form wir die Erze jetzt in den Kohlen, zuweilen als starke Lager antreffen. Kohlenge- steine zeigen aus diesem Grunde auch röthlichc Eisenfär- bung nur ausnahmsweise. Reste von Land- oder Süsswasserthieren stammen aus den Rändern des Kohlenseces oder aus dessen Fluss- gebiet: im See selbst soll schwerlich eine beträchtliche Fauna gelebt haben. Der Umstand, dass die Steinkohlenflötzeviel zahlreicher (bis zu 260 in einer Folge), aber weniger mächtig (bis zu 25 m höchstens) zu sein pflegen, als die Braunkohlenlager (nicht mehr als 30, jedoch bis zu 50 in stark), ergiebt sich aus dem Unterschiede der Dimensionen des Pflanzen- materials in Verbindung mit den Wasserstandsverhältnissen. Die Hölzer der Carbonzeit waren höchsten 1 m dick, hohl und schwammig*); es genügte also 1 m Wasser über dem Riegel, um sie einzulassen. Die Hölzer der Braunkohlen dagegen waren sehr solide und bis zu 10 m stark, bedurften daher eines weit höheren Wasserstandes über dem Riegel, um in den Kohlensee zu gelangen. Da nun ein Fluss mehr Zeit braucht zum Fallen von 10 m auf fast 0, als von 1 m, so folgt daraus, dass viele verhältnissmässig schwache Stein- kohlenflötze wenigen aber starken Braunkohlenlagern gegen- über stehen müssen, weil bei jenen häufige Unterbrechun- gen der Zufuhr stattfanden. Die wechselnde Beschaffenheit der Kohlen in nächst- liegenden Horizonten oder Flötztheilen mag (neben Verschie- denheit des Zersetzungsgrades) ebenso im Wasserstande begründet sein. Sparrige Cordaiten z. B. aus der Car- bonzeit mussten draussen bleiben im Flusse, wo cylinder- bürstenartig geformte Sigillarien noch glatt einsehwimmen konnten. Gleichfalls kann Vegetationsweehsel im Urwald- gebiete Ursache abgegeben haben. Holzarten lösen sich jetzt noch spontan im Laufe der Zeit in den Wäldern ab, wie die Vergleiche der gegenwärtigen Baumflora Däne- marks mit der früherer Perioden beweisen. Andererseits ist es möglich, dass ein Zufluss vorwaltend eine, der andere (im vorliegenden Falle der Pregel, wenn wir den neben der Nogat in Thätigkeit treten lassen) eine zweite ganz verschiedene Holzsorte aus seinem Gebiete an- bringt, und zwar dergestalt, dass nicht beide Sorten grossen Häufigkeit ihres Auftretens eine andere Erklärung als sie Ochsenius bietet. Ich wiederhole hier nicht die Schwierig- keiten, welche diese für die Erklärung der Entstehung der Stig- marien-Schiefer bietet, sondern verweise auf meine oben citirto Abhandlung in der Zeitschr. d. Deutsch, geolog. Ges. und auf das ebenfalls citirte Referat in der Naturw. Wochenschi'. — P. *) Die Araucarioxyla waren — wie die Anatomie lehrt - keineswegs hohl und schwammig, sondern entsprachen durchaus unseren Coniferenhölzern, ebenso entbehren die Lepidodendrou- Hölzer eines Markkörpers entweder ganz oder das, wie bei Lyco- podium, centrale Primär -Bündel besitzt in seinem Centrum reich- liches Aiiiyloin, das alier keinen grösseren Durchmesser besitzt als die Markkörper unserer heutigen Laub- und Nadelhölzer. — P 18(5 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 15. sich im Kohlensee mengen, sondern räumlich getrennt niedersinken. -Anhäufungen von Treibholz in Delta- gebieten der Flüsse können keine reinen Kohlenschichten erzeugen, weil Sand- und Schlammlagen die ge- sunkenen Stämme einhüllen und voneinander trennen müssen. In der offenen See gesunkenes Treibholz wird am Grunde zuletzt aufgelöst; unsere Tiefseeuntersuchungen lassen überhaupt keine zusammenhängenden Ablagerungen kohliger Substanzen am Meeresboden erkennen, und die Bildung fossiler Brennstoffe aus occanischen Gewächsen, wie Tange, ist nur in höchst beschränktem Maassstabe und in seltenen Fällen nachweisbar. Torfmoore können nur schwache Kohlenbetten er- zeugen, in denen das Bildungsmaterial, namentlich Sphag- numarten-Masse, deren Herkunft alsbald documentirt. Vor- tertiäre Kohlen sind nicht aus Torf ableitbar, weil es keine vortertiären Moose giebt*). Die autochthone Torfkohle enthält in ihrer Asche desshalb auch mehr lösliche Bodensalze, besonders Chlor- natrium, als die Stein- und Braunkohle, deren Bildungs- material durch den Transport bezw. Aufenthalt im Wasser immer mehr oder weniger ausgelaugt wurde. Die Analogie der Bildung von Kohlenflützen und Steinsalzlagern kommt nach 0. gleichzeitig mit dem An- tagonismus im Auftreten der beiden nebeneinander in fol- gendem Satze zum Ausdruck. „ . „. Ocean Becken vom onenen -=. r— ,. iu h lusslaut partiell abschnürt , bewirkt unter genügend chemische Eine Barre, die ein hinreichender Weise trockenem Klima die Trennung der mechanische Meerwasser gelösten Salze Süsswasser anlangenden Substanzen feuchtem verschiedenen im und veranlasst damit den Absatz eines Chlornatrium Steinsalz- Lagers , in welchem das Kohlen- .- zwischen liegenden und hangenden fossile Brennmaterial Caliumsulfat- „ . . , . Wiederauflösung , T — ; ö — 3— rFr^r, Schichten vor — v Grand-, Sand- und Schlamm- Verwesung , zerfliesslichen Salze . Meer- bewahrt wird, während die c, , . ttt— j — des ^ Schlammpartikeln Suss- wassers in den meisten Fällen zum grösseren Theil über die Barre in den Ocean .. . . . , . zurückkehren; dabei weiter stromabwärts in den Fluss Salz- Flötzes hängt die Mächtigkeit des entstehenden nur von der Beckentiefe und der Dauer der obwaltenden Verhältnisse ab. Wenn wir auch — wie oben mehrmals angedeutet — mit den Ausführungen des Hr. 0. nicht einverstanden sein können, so haben wir dieselben doch ausführlich mitgetheilt, weil sie geeignet sind, auf die Schwierig- keit des behandelten interessanten Problems aufmerksam zu machen. Die Theorie von Ochsenius der allochthonen Ent- stehung aller Carbonschichten bedarf der Modification. Nochmals: wir zweifeln nicht daran, dass sicher viele Horizonte allochthonen Ursprungs sind, ob auch die Stein- kohlen-Flötze bedürfte doch der nochmaligen Unter- *) Ich glaube zwar auch nicht, dass vortertiäre Kohlen aus Torfmooren ableitbar sind, aber aus einem anderen Grunde wie O. Torfmoore kommen nur unter gemässigten klimatischen Ver- hältnissen vor, aber noch zur Tertiärzeit herrschte im Ganzen überall mehr oder minder subtropisches Klima, wie die Pflanzenresto beweisen. — Vor dem Tertiär sind sehr wohl Moose bekannt ge- worden. So durch Kaciborski ein Lebermoos, Palaeohepatica Roemeri, aus dem Keuper. Ob Muscites polytrichaceus Renault aus dem Carbon ein Laubmoos ist, ist freilich noch zweifelhaft. — P. suchung, — wir wagen diesbezüglich keine Entscheidung. Dass aber gewisse Pflanzen, deren Reste wir finden, in demselben Gestein gewachsen sind, in welchem wir sie jetzt finden, das ist für uns so lange zweifellos, bis für die Erscheinungen, die diese bieten, eine bessere Erklä- rung gefunden wird. Ja, die grosse Ausdehnung und die ungemeine Häutigkeit der Stigmaria-Schiefer drängt die Ansicht auf, dass die Lepidophyten, deren Rhizome die Stigmarien sind, auch an demselben Orte lebten und wuchsen, wo heute ihre Reste eingebettet liegen. Neuentdeckte Weltkörper. — Am 26. März wurde von Deuning in Bristol ein neuer, lichtschwacher Komet im Sternbilde des kleinen Löwen entdeckt. Die Bewegung des Objects ist nach Südosten gerichtet und weist also auf den grossen Löwen hin. — Welchen Aufschwung in allerneuester Zeit die Entdeckung kleiner Planeten durch die Anwendung der Photographie gewonnen hat, geht deutlich aus einer Zusammenstellung der Entdeckungen des Vorjahres hervor. Danach wurden von Wölfin Heidel- berg 8 und von Charlois in Nizza 25 dieser kleinen Körper auf photographischem Wege, dagegen nur einer mit dem Auge, und zwar von Borelly in Marseille, entdeckt. Der früher so erfolgreiche Kometenjäger Palisa in Wien scheint sich dieser Concurrenz gegenüber ganz in den Ruhestand zurückgezogen zu haben. — Uebrigens sind diese zahl- reichen Planetenentdeckungen für die Wissenschaft ein Danaergeschenk, da es an rechnerischen Hilfskräften fehlt, um die Bahnen aller der neu aufgefundenen Planeten zu berechnen. F. Kbr. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Der bisherige commissarische Hilfs- arbeiter am Westpreussiscben Provinzial-Museum Dr. Komm in Danzig zum Custos der naturgeschichtlichen und vorgeschicht- lichen Sammlungen. — Der Privatdocent für mathematische Physik an der Universität Wien Dr. Einer zum ordentlichen Professor an der Universität Innsbruck. — Der Privatdocent für Chirurgie an der Universität Wien Dr. Victor von Hacker zum ausser- ordentlichen Professor und provisorischen Leiter der ehemaligen Billroth 'sehen Klinik. — Der Privatdocent für pathologische Anatomie an der Universität Rostock Dr. Otto Lubarsch zum ausserordentlichen Professor. — Der Privatdocent für Histologie an der Universität Greifswald Dr. Eduard Ballowitz zum ausserordentlichen Professor. — Dr. Hermann Runge zum Bibliothekar an der Universitätsbibliothek in Greifswald an Stelle des in den Ruhestand getretenen Dr. Alberti. — Professor 0. Mattirole zum Professor der Botanik und Director des Bo- tanischen Gartens in Bologna. — Dr. C. Avetta zum Professor der Botanik und Director des Botanischen Gartens an der Univer- sität Parma. — Dr. Casati zum ersten Assistentin für Botanik an der Universität Rum. — An dem fürstlichen Geheimen Archiv und der Bibliothek in Rudolstadt der Gymnasial -Oberlehrer Dr. Bangert zum Director — und der Gymnasial - Oberlehrer Dr. Kübesamen zum Bibliothekar. — Der ausserordentliche Professor in der phil. Fakultät der Universität Dorpat Dr. Tarn mann zum Ordinarius. — Der Professor der Chemie in Edinburg Dr. Arthur W. Bishop zum Professor am Maharajah College in Trivandrum, Travancore, Indien. — Dr. Thaddäus Sternal zum provisorischen Amanuensis an der Universitäts-Bibliothek in Lemberg. Der Professor der Botanik an der Universität Graz Dr. Hans Molisch hat einen Ruf an die deutsche Universität Prag er- halten an Stelle des verstorbenen Prof. Weiss. Es haben sich habilitirt: An der Universität Königsberg Dr. Max Askanazy für pathologische Anatomie — und Dr. Eugen Czaplewski für Hygiene und Bacteriologie. — Dr. Ludwig Bach für Ophthalmologie an der Universität Würzburg. Hofrath Dr. K. Th. Liebe, der bekannte Ornithologe und Mitarbeiter an der Kgl. Preussischen Geologischen Landesanstalt, bisher Professor der Mathematik und Physik am Gymnasium zu Gera (Reuss), ist in den Ruhestand getreten. — Ebenso der Archivrath Professor Dr. Anemul ler, Geheimer Archivar und Director der fürstlichen Bibliothek in Rudolstadt. Es sind gestorben: Der Professor der Zoologie am Musee Nr. 15. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. I-, d'Histoire Naturelle zu Paris Dr. Georges Pouehet. — Der Physiologe Edouard Brown-S£quard in Paris. — Der frühere Oberbibliothekar an der Kaiserliehen Bibliothek in Petersburg K. von Becker in Wiesbaden. Die Philosophische Gesellschaft ersucht die Verfasser der ihr eingereichten Preisschriften, durch Einsendung der gewünschten Adressen die Rücksendung der Preisschriften bis spätestens 1. Juni 1804 zu ermöglichen. t a Adolf Lasson. Litteratur. Forschungsberichte aus der Biologischen Station zu Plön. Theil 2. Herausgegeben von Dr. ( ). Zachanas. IM i t 2 lithogra- phischen Tafeln, 12 Text-Abbildungen, 2 Tabellen und 1 Karte des ostholst. Seeengebietes. R. Friedländer & Sohn. Berlin 1894 — Preis 7 M. Das 155 Seiten umfassende Heft, bringt zunächst eine Schil- derung der Geologie und Orohydrogr'aphie der Umgebung von Plön aus der Feiler Dr. Willi Üle's. Eine Uebersicht über die Flora von Holstein bietet Dr. Ernst H. L. Krause in Form einer Arten - Liste der Charäceen und Embryophyten. Paul Richter besehreibt eine Wasserblüthe der Plöner S m: Gloio- triehia echinulata, Prof. J. Brun zwei neue Diät aeeen von Plön und Graf F. Castracane giebt eine Liste der Arten dieser Fa- milie, die im Gr. Plöncr See gefunden worden sind. Der reichlich zwei Drittel des ganzen Berichts umfassende zoologische Theil besteht aus faun istischen Mittheilungen und einem Capitel über Plankton - Beobachtungc n. Diese Beitrage haben den Leiter der Station, Dr. Otto Zacharias, zum Verfasser. Hinsichtlich der Fauna des Gr. Plöner Sees er- fahren wir, dass bis jetzt für denselben 265 Arten festgestellt sind, darunter 93 Protozoen und 82 Würmer. Die Liste der Fische, welche bisher 20 Species aufwies, ist durch Auffindung eines Schwanns von Stinten (Osmerus eperlanus) um diesen Vertreter der Sahnonidenfamilie bereichert worden. Unter den Würmern belinden sich 8 Blutegel, wovon Placobdella Haboti bis- her nur aus dem Ivalojoki-Flusse (russ. Lappland) bekannt war. Die von Zacharias im verflossenen Jahre neu entdeckten und in dem betreffenden Capitel näher charakterisirten Formen sind die folgenden: Acanthocystis lemani, var. plonensis, Bicosocca oculata, B. laeustris, var. longipes, Mallomonas acaroides, var. producta, Diplosiga frequentissima , Asterosiga radiata, Chaenia similis, Dileptus trachelioides , Microstoma inerme , Floscuiara libera, Ascomorpha testudo und Tetrastemma lacustre (eine Nemertine). In einem Anhange zu den faunistischen Mittheilungen veröffent- licht derselbe verschiedene neue Präparations- und Färbungsme- thoden, von denen insbesondere die Behandlung zarter Objecto mit Essigearmin und citronsaurem Eisenoxyd - Ammonium ausge- zeichnete Resultate ergeben hat. Diese Färbungsprocedur hat sich auch sehr gut bei Herstellung von pflanzlichen Präparaten bewährt, so z. B. hinsichtlich der Sichtbarmachung feiner Details bei Diatomeen und Conjugaten. Ebenso nützlich hat sie sieh beim Studium der Kerntheilungsersch einungen erwiesen. Das wichtigste Capitel in dem vorliegenden Bericht ist aber das, welches über die ein Jahr lang continuirlieh fortgesetzten Planktonbeobachtungen handelt. Die in Rede stehenden Beobachtungen beziehen sich sämmt- lich auf den Gr. Plöner See. Verfasser giebt zunächst ein an- nähernd vollständiges Verzeiehniss der Planktonorganismen, die ihm während des Jahreslaufs (1892/93) bekannt geworden sind. 1 >as- selbe zählt 80 Speeies. Mehr als die Hälfte davon (55) sind continuir- lichvom October 1892 an bis zum Oetober 1893 beobachtet, worden, so dass genaue Data über das erste Auftreten derselben, die Erreichung einer Maximalzahl und über das Wiederverschwinden jeder einzelnen Form gewonnen worden sind. In 3 Tabellen werden diese Be- obachtungsergebnisse übersichtlich zusammengestellt, und man kann aus denselben Schlussfolgerungen in Betreff der Abhängig- keit mancher Planktonwesen von der sinkenden Wassertemperatur ziehen, _ während andere davon ganz unberührt bleiben und nur dann eine starke Verminderung oder gänzliches Erlöschen zeigen, wenn es ihnen an der gewohnten Nahrung gebricht. Für die Kruster besteht, ein Ersatznährmaterial in der alljährlich zerfal- lenden und vermodernden Pdanzenwelt der Uferzone, deren win- zige, (meist nur noch aus wenigen Zellen bestehende) Partikel durch die wechselnden Windströmungen über die ganze Seefläche vertheilt werden. Von diesem vegetabilischen Detritus leben die Entomostraken in den Monaten des Jahres, wo die Diatomeen ein Minimum des Vorkommens aufweisen. Dies lässt sich mit vollkommener Sicherheit durch eine mikroskopische Untersuchung Inhalt: Dr. E. Ihne: des Darminhaltes der Copepodeh, Bosminiden etc. feststellen, wenn ",':m aenselb t den frei im Wasser flottirenden Detritus Eli eleu vergleicht. Ein weiterer Abschnitt in demselben Capitel beschäfti mit den Schwankungen in der Indi viduenmenge plankto nischer Arten, und macht uns mit der Thatsache bekannt, manche Formen, obgleich jahraus, jahrein regelmässig zu stimmterZeit erscheinend, doch nicht immer in der gleichi □ Anzahl auftreten. Erwähnen wollen wir auch die Mittheilungen über die Schnelligkeit, der Vermehrung einer Anzahl limnotischer Organismen, besonders auch solcher Algen, welche eine Wasser iliithe hervorrufen können, wie z. B. Gloiotriehia echinulata und 1 olycystes aeruginosa. Von den speciellen Beobachtungen ist die Feststellung und genaue Beschreibung der mitotischen Kemtheilung bei Ceratium hirundinella hervorzuheben, welche Bütschli schon vor Jahren als sehr wahrscheinlich hinstellte. Zacharias hat die Wahrnehmung gemacht, dass manche Planktonthiere ihre Körpergestalt in den kalten Monaten auffallend verändern, was jedoch so zu verstehen ist, dass deren Junge, die bei Beginn dieser Jahreszeit heran wachsen, sich in sehr abweichender Form entwickeln. So /.. B. verlieren dann die Hyalodaphnien ihren langen, gekielten Kopf- helm und verkürzen den sonst lang hinausragenden Schalea- stachel an ihrem Hinterende. Bei den Bosminiden (Rüsselkrebsen) werden die grossen Antennen reducirt. Bei manchen Räderthieren hingegen (Bipalpus) tritt um dieselbe Zeit ein.; zipfelartige Ver- längerung des Abdomens ein. sodass dieses Thier in umgekehrter Weise auf Cnlturwirkungen zu reagiren scheint, als seine übrigen Planktongenossen. Verkürzungen wurden übrigens auch lud pflanzlichen Wesen (Asterionella for sa) festgestellt, bei we! eben Bacillariaceen die Frustein im Sommer durchschnittlich um ein Viertel länger sind, als im Winter. Die Breit«.' hingegen bleibt sich gleich. Manche Thiere not festsitzender Lebensweise geben letzlere zu Gunsten einer schwebenden oder schwimmenden auf, um auf diese Weise neue Chancen im Daseinskampfe zu gewinnen. Lies ist. bei mehreren Flosculariden unter ihn Räderthieren ihr Fall, desgleichen bei Vertretern der Infusorien - Gattungen Carchesium und Epistylis. Bezüglich der Dinobryen wird es wahrscheinlich gemacht, dass auch diese stockbildenden Flagellaten ursprüng- lich festsitzende Wasserbewohner waren, wie es gegenwärtig noch Dinobryon utriculus Klebs ist. In der Gattung Colacium scheint umgekehrt eine Gruppe von Geisseiträgern vorzuliegen, welche die ursprünglich freilebende und schwimmende Lebens- weise mit der festgehefteten vertauscht hat. Ueber die Vertheilung der Planktonorganismen inner- halb eines Sees das Folgende: Nach Zacharias zeigt sich die limnotische Organismenwelt nicht in solcher Weise „gleichför- mig" durch die Wassermasse unserer grossen binnenländischen Wasserbecken verbreitet, dass man auf Grund von nur wenigen Stichproben eine quantitative Auswerthung des unter dem Qua- dratmeter Oberfläche (bei gleicher Höhe, der Wassersäulei durch- schnittlich vorhandenen Planktons vornehmen könne. Zu manchen Zeiten des Jahres ist nach Verf. die Vertheilung sieher nicht gleichförmig; somit wäre die Hensen'sche Zähl methode — soweit dabei das Süsswasser in Betracht kommt — in ihrer Anwendung auf bestimmte Jahreszeiten (die aber auch erst noch zu ermitteln wären) beschränkt. Ganz Aehnliches hat Dr. R. H. France bei einer Durchfor- schung des Balatonsees in Ungarn beobachtet. France hat vor Kurzem einen vorläufigen Bericht über seine Befunde im Biol. Centralbl. (X... 2, 15. Jan. IS94) erstattet. France sagt: „Bezüg- lich ihrer einzelnen Formen zeigte die freischwebende Thier- und Pflanzenwelt des Balaton keine gleiche Vertheilung. Im Gegentheil finden sich neben ganz organismenarmen Wasserschichten solche, welche von einem Gewimmel der verschiedensten Planktonwe en belebt sind. Auch die einzelnen Formen sind ziemlich verschieden- artig vertheilt; ich konnte ganze Ceratium-, Bosmina-, Daphnia . Diaptomus- etc. Districte unterscheiden, welche fast ausschliess lieh von den betreffenden Entomostraken und Protozoon beleb! waren. Jedenfalls ergaben mir hunderte von zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten angestellten Beobachtungen mit totaler Gewissheit eine höchst ungleiche Vertheilung des Plankton." Den Schluss des Heftes bildet ein kurzer Aufsatz von Dr. Emil Walter: „Biologie und biologische Süsswasserstationen" und verschiedene kurze .Mittheilungen des Herausgebers. (zx.) Einen Katalog antiquarischer Werke über Dipteren, Neu ropteren, Orthopteren, Arachniden, Crustaceen, und Myria- poden bringt ii Verlagshandlung J. B. ßailliere vV- fils in Paris (1!» rue Hautefeuille) zur Versendung. _ >r. JJ. ihne: Ueber den Unterschied in der Blüthenentfaltung der Jahre L892 und 1893 -Prof Dr Fr R I- BuÄdSXfekM,l™8n,eSra^'U,i""^"^ Werke "'""' Dipteren. Neuropteren, Orthopteren, Änidcn, 188 X;itiir\vissciisebaitliclie Wochenschrift. Nr. 15. W' mm - i * Prima * Gartenschläuche § mit patentamtlich geschützten Schlauchschonern, welche die Haltbarkeit derselben ■ um das Doppelte erhöhen. Prospecte gratis und franco. Gustav Engel, | BERLIN W., Potsdamersir. 131 Berlin C. Rochstr. 1 Ecke Münzstr. * Erwirkung, Verwertung ft billigst. sorgfältig, schnell. Constructionsbureau f. technische Anlagen M. Meidner Vergünstigungen wie von keiner anderen Seite. SWANF^afteerer' allerbeste amerik. Arbeit. 14kar. Goldfeder m. Iridium- Spitze Unverwüstlich. Güte garantirt. 10,50 M. 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Dummlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. ,&■*"■ Hierzu oine Beilage von der Verlagsbuchhandlung Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschweig, betreifend: „Müiler- Pouillet's Lehrbuch der Physik und Meteorologie", die wir hier mit besonderer Beachtung empfehlen. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Berlin N. 4., Invalidenstr. 44, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. "/**£*- ^-^ Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den 22. April 1894. Nr. 16. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- -ir Inserate: nie viergespaltene Petitzeile 40 -A. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Gp sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. JL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die statische Labyrinththeorie. Von Herrn ii im We gener. Seit mehr als zwei Jahrzehnten beschäftigen sieh die Physiologen mit der Frage: Wie Orientiren wir uns im Räume, d. h. auf welche Weise erlangen wir Kenntniss davon, in welcher Lage unser Körper im ruhenden oder bewegten Zustande sich zur Senkrechten resp. Wagerechten befindet? Auf welche Weise nehmen wir den Uebergang von der Ruhe zur Bewegung und umgekehrt, wie einen Wechsel in der Richtung und Schnelligkeit der Bewegung wahr? Die Antwort scheint zunächst sehr einfach zu sein. Ob wir zur Verticalen geneigt und um wieviel, ob wir auf dem Rücken, der Seite etc. liegen, zeigt uns das Auge, der Druck der auf der Unterlage ruhenden Körper- theile, die Spannung der betreffenden Muskelpartien, der verschiedene Druck in den Gelenken u. s. w. Auf dieselbe Weise wird sich der Uebergang von der Ruhe zur Be- wegung-, sowie ein AVechsel in der Geschwindigkeit und Richtung bemerkbar machen, besonders dann, wenn der- selbe heftig und plötzlich vor sich geht. Wie aber stellt sich die Sache dort, wo die Hilfe des Auges und der Tastorgane ausgeschlossen ist und der Körper von einem ihm an Schwere fast gleichen Medium getragen wird, nämlich beim Schwimmen unter Wasser? Auch hier ist jeder Vollsinnige unter allen Umständen auf das Voll- kommenste über seine Lage im Räume orientirt. Anders verhalten sich viele Taubstumme. Diese werden beim Tauchen unter Wasser von einer unsagbaren Angst und Verwirrung erfasst, weil sie oben und unten, links und rechts nicht zu unterscheiden und sich deshalb nur durch einen Zufall an die Oberfläche des Wassers empor- zuarbeiten vermögen. Diese Erscheinungen weisen auf das Organ hin, das die Vollsinnigen befähigt, auch ohne die besprochenen Hilfsmittel sich mit Leichtigkeit im Räume zu orientiren. Es ist dies das Ohr mit dem dazu gehörenden Nervensystem, wie später genauer erörtert werden soll. Ohne diesen feinfühlenden Apparat würden unsere Bewegungen plump und langsam, equilibristische Künste, wenn nicht unmöglich, so doch wesentlich er- schwert sein. Um aber die folgenden Ausführungen ver- stehen zu können, scheint es angezeigt, in aller Kürze auf den inneren Bau des Ohres hinzuweisen. Das Ohr der Menschen und Säugethiere besteht be- kanntlich aus dem sog. äusseren Ohr, dem mittleren, Trommelfell, Paukenhöhle, Gehörknöchelchen und Tube umfassenden, und dem inneren Ohre oder Labyrinthe, welches aus dem Vorhofe, den drei halbkreisförmigen Canälen und der Schnecke zusammengesetzt ist. Der Vor- hof oder das Vestibulum wird gebildet aus dem Utriculus, in welchen die Bogengänge münden, und dem Sacculus, welcher sich in die Sehnecke fortsetzt. Die halbkreis- förmigen Bogengänge sind nun sehr annähernd den drei Dimensionen des Raumes entsprechend rechtwinklig zu einander orientirt; der vordere steht mit seiner Ebene senkrecht von vorne nach hinten, der hintere ebenfalls senkrecht von links nach rechts, der äussere wagerecht von innen nach aussen. Jeder bildet bei seiner Einmündung in den Utriculus an dem einen Ende eine blasenförmige Erweiterung, die Ampulle. In diese Ampullen mündet ein Zweig des Gehörnerven, welcher in den freien, mit einer Flüssigkeit, der Endolymphe, er- füllten Raum der Ampulle hineinragt und hier als letzte Endigungen ausserordentlich zarte, elastische Haare, die sog. Hörhaare, zeigt. Sobald die Flüssigkeit der Bogen- gänge durch eine Drehung des Kopfes, resp. Körpers, in Bewegung geräth, wird sie auf die elastischen Haare und durch diese auf den Nerven einen Reiz ausüben, der, dem Centralorgane zugeleitet, uns von der Drehung in Kennt- niss setzen wird. Allein mit diesem Apparate ist die orientirende Eigenschaft des Labyrinthes nicht erschöpft. Andere Theile desselben, nämlich der Utriculus und der Sacculus, tragen ebenfalls als Endigungen des Gehör- nerven zarte, elastische, in die Endolymphe ragende Fa- sern von geringerer Länge als diejenigen der Ampullen. Während jedoch die Haare der letzteren frei sind, stecken jene in einem sie verbindenden, äusserst zarten Häufchen und tragen auf diesem eine geringere oder grössere An zahl verschieden grosser Krystallc von kohlensaurem Kalk, die Otolithen oder Hörsteine. Auch sie werden bei Bewegungen einen Zug oder Druck erleiden und diesen vermittelst der Nervenendigungen übertragen. Während ' aber die Bogengänge uns von Drehbewegungen, wie 190 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 16. wir sie beispielsweise auf dem Carronssel, auf Curven der Eisenbahn etc. erleiden, benachrichtigen, ist der Otolithen- apparat ein Organ, welches die Wahrnehmung gerad- liniger Bewegungen im Räume vermitteln wird. Wir werden durch dasselbe im Staude sein, auch bei ge- schlossenen Augen, unter Ausschluss des Tastsinnes etc. die Richtung, den Anfang und das Ende einer gerad- linigen Bewegung, sowie eine Beschleunigung oder Ver- langsamung derselben, nicht aber die Schnelligkeit selbst, wahrzunehmen. Der Otolithenapparat befähigt uns jedoch auch, bei Ruhelage die Stellung des Kopfes und damit des Kör- pers zu erkennen. Es werden die Otolithen schon durch den Druck, den sie in der Ruhe auf die Nerveneudungen ausüben, die Orientirung im Räume ermöglichen. Denn dieser Druck wird bei verschieden schräger Stellung der Unterlage der Otolithen wechseln. Da nun die Erfahrung uns gelehrt hat, welcher Stellung des Kopfes der jedes- mal daraus resultirende Druck entspricht, so wird man umgekehrt aus diesem Drucke auf die Lage des Körpers im Räume sehliessen können. Dass auf diese Weise unter abnormen Verhältnissen Trugschlüsse, welche, wie wir sehen werden, /.um Beweise der Richtigkeit der Theorie benutzt worden sind, vorkommen können, ist einleuchtend. Hier sei nur noch auf den besonderen Umstand hinge- wiesen, dass, entsprechend der dreidimensionalen Anordnung der Bogengänge, auch die Otolithen an drei verschiedenen Partien des Labyrinthes in auf einander senkrechten Stel- lungen angeordnet sind, und zwar bei sänimtlichen Wirbel- thieren mit Ausnahme der Säugethiere, deren Labyrinth nur zwei Otolitheuflecke aufweist, da der dritte zur Schnecke sich ausgebildet hat. Diese letztere ist, nach dem jetzigen Stande der Forschung, mit höchster Wahrscheinlichkeit als das alleinige Schallempfindungen vermittelnde Organ anzusprechen, während die übrigen Theile des inneren Ohres der Orientirung im Räume dienen. Dies ist in Kürze der Inhalt der nach ihren ersten Begründern und Verfechtern benannten Goltz 'sehen oder Breuer-Mach'schen Labyrinth- oder Bogengang- theorie, welche eine Reihe von Autoren als Bearbeiter gefunden hat, nachdem zuerst im Jahre 1870 Goltz auf die Bogengänge als Sinnesorgan für die Orientirung hingewiesen hatte. Der Nachweis der Uebereinstimmung der theoreti- schen Erwägungen mit den thatsächlichen Ergebnissen des Experimentes soll der Gegenstand des Folgenden sein. Die von Mach auf einer Drehscheibe unter den nöthigeu Cautelen ausgeführten Versuche ergaben die oben er- wähnten Resultate, welche sich auf Wahrnehmung der Richtung, der Geschwindigkeit, des Anfanges und des Endes einer kreisförmigen Bewegung bezogen. Es zeigte sich bei diesen Versuchen nun auch die andere Thatsaehe, dass Personen, welche auf einer Drehscheibe gedreht wer- den, sich über die Richtung senkrechter Gegen- stände in der Weise täuschen, dass ihnen dieselben mit dem oberen Ende nach aussen, d. h. vom Centrum weg, geneigt erseheinen. Es werden nämlich in diesem Fälle bei senkrechter Stellung des Kopfes die Otolithen nicht nur durch die Schwerkraft, sondern auch durch die nach aussen gerichtete Centrifugalkraft beeinflusst, so dass auf sie eine aus beiden Resultirende schräg nach aussen und abwärts wirkt. Offenbar entspräche diesem Falle in der Ruhe eine schräg nach aussen geneigte Körperstellung. - Nun sind aber mit Neigungen des Kopfes, wie durch andere Beobachtungen bestätigt worden ist, compensatorische Raddrehungen der Augäpfel verbunden, und zwar in der Weise, dass bei links geneigtem Kopfe die Bulbi sich mit dem oberen Theile nach rechts, mit dem unteren nach links, also der Kopfdrehung entgegen, drehen. Diese Er- scheinung tritt auch auf der Drehscheibe auf; es drehen sich die Augen, da in Bezug auf die Resultirende der Körper bei gerader Haltung schräg nach aussen geneigt erscheint, radförmig mit dem oberen Theile nach innen. Senkrechte Gegenstände erscheinen uns daher nach aussen geneigt, bis wir durch Verlegung der Körperaxe in die Resultirende — wie z. B. Pferde eine solche in der Manege zeigen - - uns den veränderten Bedingungen augepasst haben. Diese schräge Einstellung erfolgt wie die Rad- drehung der Augen reflcctorisch. Eine andere, ebenfalls unwillkürliche, also reflectori- schc Augenbewegung, welche hier in Betracht kommt, kann man an sich selbst wie auch an anderen leicht beobachten, wenn man den Zeige- und .Mittelfinger jeder Hand fest auf die geschlossenen Augen legt und dann schnell den Kopf seitwärts dreht, resp. nach vorn hebt oder senkt. Man wird dann zunächst fühlen, wie der Bulbus eine doppelte Zuckung vollführt, und bei genaucrem Aufmerken constatiren können, dass derselbe zunächst zurückbleibt und dann schnell, der Kopfdrehung folgend, sich in die normale Axe wieder einstellt. De Cyou*) hat festgestellt, dass die compensatorischen Bewegungen der Bulbi durch Reizungen des der Drehungsebene entsprechen- den Bogenganges hervorgerufen werden können, woraus zu sehliessen ist, dass diese Bewegungen reflectorisch aus- gelöst werden, wie auch von Högyes nachgewiesen wurde. Functioniren die Bogengänge nicht, so muss auch die Be- wegung der Augen ausfallen; die letztere bildet also ein wertlivolles Kriterium für das Vorhandensein der halb- kreisförmigen Canäle. Alle diese Erscheinungen werden nun bei Taub- stummen häufig nicht beobachtet. Wenn nur ein be- stimmter Procentsatz derselben bei diesen Experimenten sowie bei den oben angeführten Beispielen der Des- orientirung derselben unter Wasser der Theorie entsprechend sich verhält, so liegt der Grund einfach darin, dass mit dem Verluste der Schnecke nicht immer ein theilweiser oder gänzlicher Defect des Labyrinthes verbunden zu sein braucht, sowie darin, dass Taubheit noch mancherlei anderen Gründen zugeschrieben werden muss.**) Im Jahre 1891 untersuchte nun Kreidl***) 109 Zöglinge der nieder- österreichischen Taubstummenanstalt, wobei sich folgendes Resultat ergab. Ungefähr die Hälfte der Taubstummen zeigte keine compensatorischen Augenbewegungeu, wäh- rend unter 50 von ihm untersuchten Vollsinnigen nur ein einziger sich befand, welcher „subnormale" Augenbewe- gungen erkennen Hess. — Um ferner festzustellen, ob Taubstumme in Folge des Mangels des Otolithenapparates auf der Drehscheibe der Täuschung in Bezug auf die Vertieale unterworfen sind, wurde denselben die Aufgabe gestellt, einen auf einer Scheihe befestigten Zeiger wäh- rend der Drehung senkrecht zu stellen. Die Versuchs- personen sassen mit dem Gesichte in der Richtung der Tangente, so dass also die eine Seite derselben nach aussen gekehrt war. Zur Vermeidung äusserer Einflüsse waren sie mit Leinewand eingehüllt. Während nun von 71 normalen Personen, mit einer einzigen Ausnahme, der Zeiger, der Theorie entsprechend, schief von oben innen nach aussen unten gerichtet wurde, stellten von 62 Taub- stummen 13 den Zeiger annähernd senkrecht. Dies waren zugleich diejenigen, welche beim ersten Versuche keine reflectorischen Augeubewegungen gezeigt hatten! Diese 13 Taubstummen nebst 4 anderen wurden dann auch noch in Bezug auf ihr Verhalten beim Stehen und *) De Cyon. Gesammelte physiol. Arbeiten, S. 305. **) Nach Sectionsbefunden von Mygind zeigten ca. 6G pCt. der Taubstummen „mehr oder weniger ausgesprochene pathologi- sche Veränderungen des Labyrinthes". ***) Alois Kreidl, Beiträge zur Physiologie des Ohrlabyrinthes auf Grund von Versuchen an Taubstummen. Archiv für die ges. Physiologie. Band 51. Nr. 16. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 191 Gehen auf unbewegter Unterlage untersucht, und in Ueber- einstimmung mit W. James*) ergab sich das Resultat, dass ihre Bewegungen auf ebener Erde unsicher und un- geschickt und manche ganz leichte equilibristische Leistungen, wie Stehen auf einem Beine etc., bei geschlossenen Augen überhaupt unmöglich waren. Diesen bisher erwähnten Experimenten steht eine Reihe von Versuchen an Thieren, besonders an Tauben und Fischen, gegenüber, welche wesentlich dasselbe Resultat ergeben haben. Nachdem schon von einer Anzahl von Physiologen -- wir nennen nur ganz besonders die müh- samen und werth vollen Versuche von Ewald — durch Exstirpationen und Reizungen der Bogengänge die ent- sprechenden Folgeerscheinungen studirt worden waren, wurden diese Versuche neuerdings durch Kreidl**) wieder aufgenommen. Er zerstörte Ilairischen zunächst die Oto- lithen, darauf die Bogengänge. Während normale Thiere, auf den Rücken gebracht, sofort die natürliche Lage wieder einnehmen, hat der otolithenlose Fisch augenscheinlich das Bewusstscin seiner Lage verloren, bleibt längere Zeit, oft eine halbe Stunde, auf dem Kücken oder der Seite liegen, schwimmt grössere Strecken mit dem Bauche nach oben etc. Dieselben Thiere boten bei Drehversuchen fol- gendes Bild: Während der normale Fisch, sobald die Rotation die genügende Schnelligkeit erlangt hat, sich in die Resultirende mit dem Kücken schräge nach innen ein- stellt, mit dem Kopfe gegen die Drehung gerichtet, zeigten die otolithenlosen Haie alle jene oben beschriebenen ab- normen Lagen im Wasser. - - Haifische mit zerstörten Bogengängen rollten, schwammen im Kreise umher, legten sich jedoch niemals auf den Rücken. Mit einer gewissen Berechtigung könnte man diesen Experimenten das Bedenken entgegenhalten, dass der- artige gewaltsame operative Eingriffe in ein so äusserst fein funetionirendes Organ, wie das Labyrinth, nicht ohne die tiefgehendsten physiologischen Störungen gedacht wer- den können. Dass aber trotz dieser Bedenken derartige Operationen werthvolle Resultate ergeben können, falls nur die nöthige Vorsicht geübt wird, zeigte Breuer***) an den für diese Zwecke besonders geeigneten Tauben. Er präparirte die knöchernen Ampullen frei, ohne sie jedoch im mindesten zu verletzen, so dass auf jede einzelne ein Reiz ausgeübt werden konnte, und zwar durch thermische (kalte Wasserstrahlen, heisses Eisen), elektrische und mechanische Reize. Durch dieselben wurde jedesmal eine in der Ebene des betreffenden Bogenganges lie- gende Kopfbewegung reflectorisch ausgelöst, und zwar nach zwei Richtungen, z. B. nach links oder rechts, .je nach der Richtung der Strömung der bewegten Endo- lymphe, mit welcher die Kopfbewegung gleichgerichtet war. Liesscn die bis jetzt erwähnten Experimente erkennen, dass ein Zusammenhang zwischen Labyrinth und Orien- tirung besteht, so sprechen dafür um so mehr noch die Versuche an Wirbellosen. Schäferf) hat durch ausge- dehnte Versuchsreihen constatirt, dass die bogenganglosen Evertcbraten nach passiven Drehungen gewisse Erschei- nungen von Drehschwindel vollkommen vermissen lassen, welche allen Vertebraten durchweg eigen sind. Diese Erscheinungen bestehen beim Mensehen darin, dass in *) W. James, Sense of dizziness in deafinutes. Harward Univ. Amor. Journ. of Otology. 1887. **) Alois Kreidl, Weitere Beiträge zur Physiologie des Ohr- labyrinthes. Sitzungsbericht der k. Akademie der Wissenschaften in Wien. 1892. ***) Breuer, Neue Versuche an den Ohrbogengängen. Archiv für die ges. Physiologie. Band 54. t) Karl L. Schäfer, Zeitschr. für Psych, und Physiol. der Sinnesorgane, Band III, S. 185; Naturw. Wochenschr., Band VI, Nr. 25. (Vergl. auch „Function und Funetionsentwickelung der Bogengänge". Zeitschr für Psych, und Physiol. d. Sinnesorgane, Band VII, Heft I.) sitzender Stelluni;' gedrehte Personen im Momenl des plötz- lichen Aufhörens der Rotation meinen, rück w ärts gedrehl zu werden; bei den Thieren darin, dass sie um die eben- falls empfundene Rückdrehung zu compensiren?) nach dem plötzlichen Aufhören der Rotation dieselbe activ stürmisch fortsetzen. Andererseits ergaben Versuche von M. Ver- worn*) an Rippenquallen, von Y. Delage** an Octopoden und Arthropoden, dass nach Entfernung' der Otolithen 1 lesorientirung eintrat. Als besonders geeignete Versucbstbiere zeigt sieh eine Gruppe niederer Thiere, die sich durch die Eigentüm- lichkeit der Otolithenbläschen auszeichnet. Einige Arten Krebse haben nämlich statt der sonst aus kohlensaurem Kalke bestehenden Otolithen solche aus Sandkörnchen oder anderen beliebigen Körperchen, welche bei der Häu- tung verloren gehen und von den Thieren selbst vermittels! der Scheeren in das nach aussen offene Otolithensäckchen eingeführt werden. Falls in der Gefangenschaft kein anderes Material vorhanden ist, benutzen sie die von ihnen selbst herrührenden Harnsäurekrystalle, Es war nun ein glücklicher Gedanke von Prof. Exner, diesen Krebsen als Otolithenraaterial fein vertheiltes Eisen darzubieten, auf diese dann mit einem Elektromagneten einzuwirken, um aus den beobachteten Gleichgewichtsstörungen auf die Function der Otolithen schliessen zu können. Die Aus- führung dieser Idee übernahm Kreidl***) und benutzte als Versucbsobjecte die Gattung Crevette iPalaemon). Die Ergebnisse waren folgende. Näherte man den Elektro- magneten auf eine gewisse Entfernung beispielsweise von oben rechts dem Thiere, so blieb dasselbe vollkommen ruhig, so lange der Strom nicht geschlossen war; beim Schliessen des Stromes neigte der Krebs sich mit dem oberen Theile des Leibes vom Magneten weg, so dass seine Medianebene schräg zu liegen kam, und zwar um so stärker, je mehr der Magnet dem Otolithen sich näherte. Bei Annäherung schräg von unten drehte sich das Thier mit dem Rücken dem Magneten zu. Diese Versuche be- stätigen die Theorie in vorzüglicher Weise. Bei Annähe- rung von schräg oben wird der Druck auf die etwas schräg (30°) nach aussen geneigten Unterlagen ein anderer werden; der veränderten Zugrichtung entsprechend wird sich das Thier in die Ebene der Resultirenden einstellen, d. h. vom Magneten weggeneigt. Es wird das Gefühl haben, schräg nach der Seite des Magneten geneigt zu sein und sich folglich nach der entgegengesetzten Seite drehen, wie in der Meinung, dadurch seine normale Lage wieder einzunehmen. Bei Annäherung von unten seitlich wird der Druck auf die Otolithen vergrössert werden; diesem Zuge entspricht unter normalen Verhältnissen eine nach links geneigte Lage des Thieres. Um diese auszugleichen, legt es sich nach rechts hinüber, dem Magneten zugekehrt. Haben wir im Vorhergehenden gesehen, auf welche Weise die mit Otolithen versehenen Thiere ihr Gleich- gewicht bewahren, so erhebt sich endlich die Frage, wie dies bei denjenigen Wirbellosen geschieht, welche der- selben entbehren, zumal da sich unter ihnen viele als vortreffliche Schwimmer resp. Flieger auszeichnen. Hier- hin gehören beispielsweise viele Insekten, manche Crusta- ceen, wie Asseln, Ruderfüsser, Blattfüsser. Dass der Gesichtssinn allein zur Erklärung nicht genügt, wird da- durch bewiesen, dass durch undurchsichtigen Lack ge- blendete otocystenlose Thiere beim Fliegen oderSchwimmen *) Max Verworn, Gleichgewicht u. Otolithenorgan. Pflüger's Archiv f. d. ges. Phys. Bd. 50, S. 423. Y. Delage, Sur une fonetion nouvelle des otoeystes comme organes d'orientation locomotrice. Arch. dezool.experim, et generale. Ser. II. turne V. 1887. ***) A. Kreidl, Weitere Beiträge zur Physiologie des Ohr- labvrinthes. Sitzungsberichte der k. Akademie d. Wissenschaften in Wien. 1893. 192 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 16. sich kaum wesentlich anders verhalten als solche mit normalem Gesichtssinne. Vielmehr ist die Erhaltung der Gleichgewichtslage bei ihnen nach Bethe*) auf rein mecha- nische Gesetze zurückzuführen. Der Körper, selbst des getödteten Thieres, stellt sich in dem ihn umgebenden Medium (Wasser oder Luft) stets in der Weise ein, dass der Schwerpunkt nach unten zu liegen kommt. Dies wird theils dadurch bewirkt, dass bei luftathme'nden Wasser- thieren im allgemeinen der Rücken durch die dort sich an- sammelnde Luft leichter als die Bauchseite ist, theils durch die ungleiche Anordnung der Massenthcile des Körpers unter einander und zu den ihn tragenden Flugwerkzeugen. Auf einem ganz neuen Wege, nämlich entwicke- lungsgeschichtlich, hat in jüngster Zeit wiederum Schäfer*) die Richtigkeit der Labyrinththeorie bestätigt. *) A. Bethe, Ueber die Erhaltung des Gleichgewichts. Biol. Centralblatt XIV. Band No. 3. 1894. **) Karl L. Schäfer, Function und Functionsentwickelung der Bogengänge. Zeitschrift für Psych, und Phys. der Sinnesorgane. Band VII, Heft I. Er stellte durch systematische Versuche lest, am wievielten Tage nach der (künstlichen) Befruchtung Froschlarven zuerst auf passive Rotationen mit den oben angeführten Drehschwindelsymptomen reagiren, und fand dann durch eine nachfolgende anatomische Untersuchung der Versuchs thiere, dass dieses erste Auftreten von Drehschwindel zeitlich ganz genau mit der Vollendung der Entwicke- lung des Bogengangapparates zusammenfällt, Aus dem Vorhergehende)) dürfte mit einem sehr hohen Grade von Wahrscheinlichkeit hervorgehen, dass der Mensch und die Wirbelthiere in den Bogengängen and den Oto- lithen ein Organ besitzen, das sie befähigt, sich im Räume zu orientiren und Drehbewegungen (AVinkelbesehleuui- gungen) wahrzunehmen. Es erscheint deshalb vollkommen gerechtfertigt, wenn Verworn die Otolithen als Statolithen bezeichnet und Breuer für diese Gruppe von Nervenend- apparaten den Namen „statisches Sinnesorgan" vor- schlägt. In der Tliat kann wohl auch nach diesen Aus- führungen die Existenz eines wohlausgeprägten sechsten Sinnes nicht mehr bezweifelt werden. Aberglauben der Griechen und Römer im Feld- und Garten-Bau. Von Arthur B a b. Die Natur, vor Allem die stets wechselnde, ewig junge Pflanzenwelt, hat nie verfehlt, auf die Menschen ihren er- quickenden und wohlthucnden Einfluss auszuüben, und ist ihre Pflege, ihre Cultur der älteste, einfachste und zugleich veredelndste Luxus, den wir bei allen Völkern und zu allen Zeiten gleich dicht nach der nothwendigen Sorge um Nahrung und Obdach finden. Ist doch ein Garten weiter nichts als ein erweiterter Wohnraum, der letzteren in warmen Gegenden, in denen sich die ersten Culturvölker ja meist befanden, fasst überflüssig erscheinen lässt. Aber ausser dem Eindruck des Erfrischenden hat die Natur von je her noch einen zweiten auf die Menschheit hervor- gebracht, nämlich den des Räthselhaften und Geheimniss- volleu. Denn der wunderbare, Vorgang des Wachsens und Vergehens, dieser nie endende Kreislauf, der erst in der neuesten Zeit vor dem forschenden Auge sich zu lichten beginnt, musste selbst den hoch entwickeltsten Nationen des Alterthums als ein unenthüllbares Geheim- niss erscheinen, dass sie sich nach besten Kräften, aber meist gänzlich falsch, zu deuten suchten. Aus diesen beiden Ursachen erklärt sich der scheinbare Widerspruch, dass wir zwar schon zu frühen Zeiten eine hohe Blüthe des Land- und Garten-Baues, jedoch dicht daneben den krassesten x\berglauben, das Verkennen vieler ihrer Grund- bedingungen finden, und es soll uns ersterer jetzt etwas näher beschäftigen, zumal uns ein reichliches Material in den Werken römischer und griechischer Schriftstellei' wie Theophrast's (um 320 v. Chr.), Strabo's (um 10 n. Chr. |, Dioskorides' (um 00 n. Chr.), Cato's des älteren (um 200 v. Chr.), Plinius' des Aelteren (starb 79 n. Chr.) und mancher anderer zur Verfügung steht. Die alten Völker legten nämlich einerseits den Pflanzen Verstand, zum mindesten Instinct oder sonst ganz undenkbare Eigenschaften bei; andererseits empfahlen sie bei den Culturen derselben Rücksichtsnahmen und Cere- monien, die uns heute nur ein Lächeln abnöthigen. So galt es als unheilbringendes Zeichen, um zunächst beim ersten Theile unserer Betrachtungen zu bleiben, wenn plötzlich Bäume an ganz unpassenden Stellen, namentlich auf Altären oder Götterbildern entstanden, oder aus einem Gewächse ein Schoss einer ganz anderen Pflanze hervor- kam, wie es z. B. kurz vor einer Belagerung in der Stadt Kyzikus sich ereignet haben soll, wo aus einem Lorbeer- baum sich der Trieb einer Feige entwickelte. Solchen und ähnlichen Nachrichten, die sich wiederholt finden, müssen wir schon an und für sich mit schwerem Miss- trauen entgegen treten, da wir wissen, dass die Natur keine solche Sprünge macht, Sie werden sicher, wenn nicht ganz erfunden, in Folge sehr mangelhafter Beob- achtungen entstanden sein; denn, wenn es auch bisweilen vorkommt, dass ein Trieb einer Pflanze plötzlich eine an- dere Form zeigt, so handelt es sich doch immer nur um verhältnissmässig geringfügige Abweichungen (Bildung von bunten Blättern, Hervorbringen von Nectarien an rauh- früchtigen Pfirsichbäumen etc.), die nicht gleich den Charakter der ganzen übrigen Pflanze verleugnen. — Unheil war nach dem Glauben der Altcu ferner zu be- fürchten bei dem plötzlichen Verwandeln von gut tra- genden Fruchtbäumen in wenig oder ganz unfruchtbare; die merkwürdigste Geschichte aber ereignete sich als prophetisches Zeichen kurz vor dem gewaltsamen Tode Kaiser Nero's im marucinischen Gebiet, wovon uns Plinius wörtlich Folgendes berichtet: „es versetzte sich nämlich der ganze Olivengarten des Vectius Marcellus, eines der angesehensten Männer aus der Ritterschaft, auf die an- dere Seite der Landstrasse, und die Felder, die jenseits gelegen gewesen, wanderten auf dessen frühere Stelle hinüber"! — Wunderbar, höchst wunderbar! — Aber wie die Pflanzen einerseits Gefahren vorher an- deuteten, so konnte man sich auch durch sie vor solchen schützen, und es giebt auch davon Vorschriften die Hülle und Fülle. Als Blitzableiter fuugirte der Lorbeerzweig, während man gegen den so verderblichen Hagelschlag einen ganzen Sack voll probater Mittel hatte, die zugleich auch gegen Raupen und sonstiges Ungeziefer schützen sollten. Mau hing nämlich in der Mitte des Gartens ein See- hundsfell, den Schädel einer Eselin oder, namentlich gegen Raupen, einen Krebs auf und glaubte sieh so vor jedem Schaden sicher. Ebenso bewährt soll sich das Eingraben oder Herumtragen einer Feuerkröte, das Umgeben des ganzen Gartens mit Zaunrüben (Bryonia alba) haben; ferner wird erwähnt das Bestreichen aller eisernen Ge- räthe mit Bärenfett oder, um den Himmel gründlich vor jeder bösen That einzuschüchtern, das Drohen mit blutigen Beilen. Diese letzteren beiden Mittel müssen jedoch, um zu wirken, ganz im Geheimen ausgeführt werden. Gegen eigentliche Pflanzenkrankheiten, insbesondere gegen den Getreidebrand, schützte das Aufstellen von Lorbeerzweigen, Nr. 16. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 193 während andere Gewächse wieder ausser den oft er- wähnten Zaubertränken menschlichen Krankheiten und Gefahren vorbeugen sollten. So scheinen gütige Schlangen gegen Eichenzweige und Sägespähne von Cedernholz eine unheimliche Angst bekundet zu haben; die Krokodile in Aegypten dagegen vor jedem Menschen, der ein Pota- niogeton (Laichkraut i bei sieh hatte, schleunigst ausge- rissen zu sein. Gegen alle möglichen Gefahren zusammen gab es ebenfalls Mittel, welche meist das Angenehme hatten, gleich ein ganzes Jahr zu wirken, zu welchem Behüte man sich z. B. aus den jungen Trieben der Nesseln ein Gericht machen lassen musste. Alyssum wurde in den Häusern gegen Behexung aufgehängt; Löwenmaul (Antir- rhinuin inajns) trug man als Amulet gegen Gifte; kleinen Kindern dagegen band man gerne Iriswurzeln um. Es empfahl sich jedoch, die letzteren gut zu bezahlen, denn wie Plinius berichtet, behielten die verkaufenden Kräuter Sammler gern ein Stück Wurzel zurück; vergruben das- selbe, wenn sie mit dem Erlös nicht zufrieden, wieder in den Boden, wodurch die von der Wurzel angewendete Krankheit nun erst recht zum Ausbruch kam. Wenden wir uns nun zum zweiten Theile unserer Be- trachtungen, dem Aberglauben bei der Cultur der Mauzen, so möchte man fast annehmen, dass nach damaliger An- schauung zum Betrieb einer Gärtnerei vor Allem ein tüch- tiger Astronom anzustellen sei; denn der Sternhimmel spielte dabei eine ganz gewaltige Rolle und musste namentlich unser nächster Nachbar, der Mond, scharf aufs Korn genommen werden. So verkündet Palladius, ein römischer Schriftsteller, in seinem um das Jahr 450 nach Chr. erschienenen Werke „de re rustica" als Grundgesetz, dass jede Aussaat beim zunehmenden Monde auszuführen sei, jede Ernte beim abnehmenden. Plinius hingegen, der fast 400 Jahre früher lebte, ist anderer Meinung und empfiehlt die Aussaat bei Neumond, da dies vor Ueber- wuchern des Unkrauts schütze. Ernte man hingegen auch bei Neumond, so hielten sich die Samen zwar länger, bei zunehmendem Monde wären sie zwar kürzere Zeit dauer- haft, nähmen aber selbst abgeerntet noch an Grösse zu. Letztere Methode empfehle sich also, wie der prak- tische Plinius meint, für die Anzucht beim Verkaufe. Man sieht, die Gelehrten waren sich auch schon damals nicht immer einig. — Ferner hatte der zunehmende Mond die angenehme Eigenschaft, dass durch seinen Einfluss die von Mäusen hohl genagten Saubohnen (Vicia Faba) — unsere heu- tige Speisebohne (Phaseolus vulgaris) stammt aus Süd- Amerika, war also den Alten natürlich unbekannt -- sich wieder füllten; und auch zum Veredeln der Obstbäume sollte man ihn abwarten. Besondere astronomische Vorsichtsmaassregeln waren auch bei dem Fällen von Bäumen, deren Holz zu Bau- zwecken verwandt werden sollte, nöthig, da man glaubte, dass seine Haltbarkeit davon sehr abhinge. Es stehen sich aber auch hier wieder zwei verschiedene Meinungen gegenüber, indem Plinius, der für den Neumond nun ein- mal eine Vorliebe zu haben scheint, das Fällen bei solchem empfiehlt; und soll diese Vorsicht auch öfter, zum Beispiel vom Kaiser Tiberius beim Bau einer Brücke angewendet sein. Als geeignetste Zeit dafür giebt Plinius die Nacht an, während Kato die Bäume an Nachmittagen, wo kein Südwind wehe, aber bei zunehmendem Monde gefällt wissen will. Wir ersehen aus dem eben Erwähnten, dass neben der Jahres- auch oft die Tageszeil zur Vornahme gewisser Arbeiten beobachtet werden musste; so auch namentlich hei Pflanzen, die als Heil- oder Zauber- Mittel dienen sollten. Dies, es sind hierbei namentlich Iris, die Schwert lilie, Ilellcborus, die Christrose, l'äonia, die Pfingstrose, und Atropa bella donna, die Tollkirsche, ins Auge zu fassen, musste nämlich Nachts unter Anwendung allerhand wunderbarer Ceremonien geschehen. Beim Ausgraben der Iris und Atropa sollte man die Pflanze dreimal mit dem Schwerte umschreiben und sie dann gen West gewendet ausgraben. Bei der Atropa, welche ja auch als Alraune in den deutschen Sagen ihre Rolle spielt, ist es ferner noch empfehlenswerth, wenn ein zweiter ringsum den Aus- grabenden im kühnen Salto mortale herumspringt; bei der Iris aber muss mau der Mutter Erde als Ersatz einen aus Weizenmehl und Honig gehackenen Kuchen verabfolgen. — Ob man ihr dazu laut und vernehmlich einen gesegneten Appetit wünschen soll, darüber schweigt unser Gewährs- mann Theophrast. Beim Erlangen des Helleborus sowie bei dem der Päonia soll man sich vor dem Anblick von Vögeln hüten, die dem Grabenden sicheren Tod bringen würden; im ersteren Falle ist es der Adler, im letzteren der Specht der unheimliche Geselle, welcher solches Un- heil anrichten kann. Zum Schluss sei noch ein merk- würdiges, allgemein empfohlenes Mittel erwähnt, um die Fruchtbarkeit der Obstbäume hervorzubringen; nämlich das Untergraben einer Meerzwiebel, Seiila, welche auch gleich das Platzen der Früchte am Baum verhindern sollte. — So widersinnig uns auch das eben Erwähnte alles er- scheint, so würde man durchaus fehlgehen, wenn man daraus auf einen niedrigen Stand der Gärtnerei im Alterthüm schliessen würde. Dieselbe stand vielmehr, namentlich in der römischen Kaiserzeit, in hoher Bliithe, begünstigt durch das milde Klima Italiens sowie den Reichthum und die Prachtliebe der römischen Grossen. Namentlich ent- wickelt und gepflegt scheint die Obstcultur gewesen zu sein; denn selbst die bedeutendsten Gelehrten, vor allen Plinius, verschmähen nicht, sich darüber ausführlich in ihren Werken auszulassen. Hervorragende Leistungen im Gartenbau werden hoch geschätzt und geachtet; ja er- regten sogar den bei grossem Erfolge nie ausbleibenden Neid und Missgunst der Mitwelt. So erzählt uns Plinius von einer Beschuldigung' wegen Hexerei gegen den Caius Furius Chressinus, der auf seiner kleinen Besitzung durch Tüchtigkeit und Fleiss bedeutend mehr hervorbrachte wie seine Ankläger auf grösseren. „Dieser aber brachte sein ganzes Geräth, seine Werkzeuge, sein rüstiges Gesinde und sein Lastvieh nach Rom, auf den Richtplatz und sprach: „Dies, ihr Quiriteu, sind meine Hexenkünste; die Anstrengung, mit der ich bei Tag und Nacht gearbeitet und der Schweiss, den ich vergossen, kann ich Euch freilich nicht vorzeigen und mit auf den Markt bringen." Er wurde freigesprochen und wir schliessen mit dem Wunsche, dass es auch unter den deutschen Gärtnern und Landwirthcn nie an solchen Hexenmeistern und Zauberkünstlern fehlen möge. Der schwarzbrüstige Hamster (Cricetus nigricans Brdt. ) in Ostbulgarien. Obgleich das Vorkommen des kleinen schwarzbrüstigen Hamsters schon 1870 für die Gegend von Shitangik zwischen Varna und Rustschuk in ( »stbulgarien durch Alfred Newton constatirt wurde (P. Z. S. 1870, S. 330), so erscheint es doch nicht uninteressant, dass die Existenz jener merkwürdigen Specics kürzlich auch für die steppenartige Umgebung von Schumla nachgewiesen werden konnte. Der bekannte Botaniker K. Poläk in Prag erhielt vor einiger Zeit zwei Exemplare des Cric. nigricans, welche ein Verwandter desselben, Herr Fr. Milde, dort bei einer Jagd im Spätsommer 1892 erbeutet hatte. Eines 194 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 16. dieser Exemplare habe ich vor wenigen Wochen für die mir unterstellte Sammlung erworben und kann bezeugen, dass es ein typischer Vertreter des Cric. nigricans Brdt, ist. Genaueies darüber habe ich in einein Aufsatze be- richtet, der demnächst im „Zoologischen Anzeiger" er- seheinen wird. Der sehwarzbriistige Hamster ist eine „gute Art", welche sieh nicht nur durch ihre geringe Grösse, sondern vor Allem auch durch deutliche Abweichungen in der Färbung des Haarkleides und in der Bildung des Schädels und Gebisses von dem geineinen Hamster (Cr. vulgaris seu frumentarius) unterscheidet. Das heutige Haupt- verbreitungsgebiet des Cric. nigricans wird von Abchasieu, Transkaukasien, Dagestan, Persien und Kleinasien ge- bildet. (Vergl. meine Abhandlung über „pleistocäne Hamster-Reste aus Mittel- und West-Europa" im Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien, 1893, Bd. 43, S. 182). Offenbar war diese Art einst weiter nach Westen verbreitet, als jetzt. Ihr heutiges Ver- breitungsgebiet in Ostbulgarien scheint von dem Haupt- verbreitungsgebiete gänzlich abgeschnitten zu sein; in Südrussland kommt Cr. nigricans, wie Eugen Büchner, der bekannte Zoologe in St. Petersburg, mir auf meine Anfrage mitgetheilt hat, heutzutage nirgends vor. Ob er auf der Balkan-Halbinsel noch weiter verbreitet ist*), muss erst noch festgestellt werden. Vorläufig erscheint Cr. nigricans in Ostbulgarien als ein „Relict" aus der Vorzeit. Fossil ist eine Species gleicher Grösse bei Beremend in Süd-Ungarn gefunden worden. (Siehe meine oben citirte Abhandlung über pleistocäne Hamster- Reste, S. 193). Auf nieine Frage, ob etwa auch in der Flora Bul- gariens Relicte aus der Vorzeit nachzuweisen seien, ant- wortete mir Herr K. Poläk Folgendes: „Die Flora Bul- gariens und speciell die der höheren Balkane (Balkan heisst bulgarisch jedes Gebirge; der Balkan im Sinne der europäischen Geographen heisst Stara Planina) zeigt einen so grossen Endemismus, wie kein zweites Land von Europa. Dieser Umstand spricht dafür, dass die Flora jener Gegend durch die geologischen Umwälzungen sieh relativ weniger als anderwärts verändert haben dürfte. Die bulgarischen Gebirgspflanzen lassen eine grössere Verwandtschaft mit der kaukasischen Flora als mit der- jenigen der Alpen erkennen. Doch die Berggegenden Bulgariens sind ja nicht die Heimath unseres Cricetus nigricans; derselbe findet sich vielmehr nur in den niedrigeren Theilen des Landes. Für diese wies ich zwei geographisch sehr interessante Pflanzen nach**), und zwar He dys a nun tauricum Pall., bisher nur aus Taurien bekannt, und Cyclamen coum Mill., letztere Pflanze innerhalb des europäischen Florengebietes nur aus Thracien und Taurien nachgewiesen." „Es sind dieses ganz isolirte, wenigstens nirgends mehr in Bulgarien gefundene Pflanzen, die analog, wie Crieetus nigricans, von ihrem eigentlichen Verbreitungs- gebiete ganz abgeschnitten erscheinen. Am bulgarischen Ufer des Schwarzen Meeres und an den umliegenden Höhenzügen finden sich mehrere Pflanzenarten, welche von der anderen Seite des Pontus herüberreichen; doch erwähnte ich besonders jene zwei Arten, weil sie für das bulgarische Gebiet des Cric. nigricans bezeichnend sind." In den citirten Publieationen giebt K. Poläk über Cyclamen coum Mill. an, dass es auf den Hochplateaus *) Leider wissen wir über die geographische Verbreitung der kleineren Säugethiere auf der Balkan-Halbinsel bisher sehr wenig! Und doch wäre es in vielen Beziehungen wichtig, mög- lichst genau darüber unterrichtet zu sein. **) K. Poläk, Zur Flora von Bulgarien, Oesterr. botan, Zeitsehr., 1891, No. 5, 1893, No. 11. der buschigen Berge um Schumla häufig sei und im Be- ginne des Frühjahrs zusammen mit Galanthus gracilis Celakovsky blühe. Ueber Hedysarum tauricum Pall. wird bemerkt, dass es auf der kreidigen Lehne „Razboj" bei Schumla sehr zahlreich vorkomme, doch, soweit Fr. Milde beobachtet habe, nur an diesem Standorte. Ueber den landschaftlichen Charakter der Umgebung von Schumla sagt Poläk a. a. 0. auf Grund eigener Anschauung Folgendes: „Schumla .... liegt am Fusse eines niedrigen, kurzen Gebirgszuges, durch den im .Süden eine weite, theils aus Aeckern, theils aus steppenartigem Weideland gebildete grosse Ebene zum Abschlüsse ge- langt. Die breit und flach abgeschnittenen Höhen ver- rathen von Weitem die Kreideformation, und es ist daher kalkreiches Gestein zumeist das Substrat der die Höhen und Niederungen bedeckenden Vegetation." Cricetus nigricans ist in der steppenartigen Niederung gefunden worden; er soll aber selten sein, wie man das bei einer als „Relict" in einem beschränkten Gebiete vor- kommenden Art meistens beobachtet. Ob neben diesem kleinen Hamster auch der grosse, gemeine Hamster (Cri- cetus vulgaris seu frumentarius) in Bulgarien lebt, konnte ich vorläufig nicht ermitteln; doch sind mir von Herrn Poläk Feststellungen hierüber in Aussicht gestellt worden. Prof. Dr. A. Nehring. Oben Weibchen mit Eierhäufchen, unten Männchen. Ueber die Fortpflanzung der Ohrwürmer. - Jeder- mann dürfte wohl der Ohrwurm ein recht bekanntes Thier- chen sein. In allen Gärten, namentlich dort, wo viel Obst und Gemüse gezogen wird, gehört er ja zu den ständigen Bewohnern und sogar in unseren Wohnungen wird er gar nicht selten als unliebsamer Eindringling angetroffen. Im Volke werden die Ohrwürmer auch vielfach als Ohrzangen bezeichnet, man pflegt vor ihnen meist eine abergläubische Furcht zu haben, indem der Glaube sich verbreitet hat, dass sie dem menschlichen Ohre ver- hängnissvoll werden könnten. Dies ist natürlich eine Fabel. Die beiden am Hinterende befindlichen Zangen, welche den Ohrwürmern ein etwas gefährliches Aussehen geben, sind überaus harmlose Waffen, welche in der Regel nur im Nothfalle zur Verteidigung gebraucht werden, dem Menschen aber in keiner Weise ein Leid zuzufügen vermögen. Wenn somit der Ohrwurm ein selbst in den weitesten Kreisen bekanntes, oder wenu man will, sogar ein be- rüchtigtes Thierchen ist, so dürften doch nur Wenige wissen, dass es zur Fortpflanzungszeit eine geradezu an Liebe und Hingabe grenzende Fürsorge für seine Nach- kommenschaft beweist. In den Sitzungsberichten der Gesellschaft Natur- forschender Freunde zu Berlin, Nr. 2, 1894, hat Dr. Richard Heymons einige Mittheilungen über die Fortpflanzung der Ohrwürmer, und zwar speciell über die eigenartige Brutpflege derselben, veröffentlicht, welche vielleicht ge- eignet sind, etwas mehr Interesse für das so allgemein verachtete und gehasste Insect zu erwecken. Heymons hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die bis- her noch völlig unbekannte Enibryonalentwickelung des Ohrwurmes (Forficula auricularia L.) zu erforschen. Zu diesem Zwecke waren von ihm eine grosse Anzahl von Individuen desselben beiderlei Geschlechts eingesammelt worden. Die Thiere wurden in geeignete Behälter ein- lrgend Nr. 16. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 195 gesetzt, deren Boden mit feuchter Erde bedeckt war. Durch zahlreiche in denselben künstlich angebrachte Schlupfwinkel, durch reichlich dargebotenes Futter (Obst, Brod, Mohrrüben u. s. w.) wurde es überhaupt versucht, den Ohrwürmern ihr ungewohntes Heim so behaglich wie möglich zu machen. In der That begannen die letzteren, und zwar nach den Beobachtungen von H. schon im Herbste, zur Fort- pflanzung zu schreiten. Die Thiere werden zu dieser Zeit überaus lebhaft und unruhig. Während sie sonst licht- scheue Wesen sind, die nur des Abends oder in der Nacht aus ihren Verstecken hervorzukommen pflegen, so zeigen sie sich jetzt auch schon am Tage. Dies gilt namentlich für die an ihren grossen und gekrümmten Zangen leicht kenntlichen Männchen (vergl. Fig. |, welche garnicht selten um den Besitz eines begehrten Weibchens sieh geradezu Kämpfe liefern. Mit hoch erhobenen, drohend und weit ge- spreizten Zangen gehen die Gegner auf einander los, machen Kehrt und suchen sich gegenseitig zu fassen. Dies Ziel wird freilich nur in äusserst unvollkommener Weise erreicht, und der Ausgang des hitzig begonnenen .Streites pflegt immer ein sehr harmloser zu sein. Es mag hier daran angeschlossen werden, dass die Ohrwürmer ausser ihren Zangen auch noch eine zweite Waffe besitzen. Es sind dies Stinkdrüsen, deren scharf riechendes Secret Jeder kennen lernen kann, der einen Ohrwurm etwas zwischen den Fingern reibt. Während die Zangen unter Uniständen, wie wir eben gesehen, auch eine Aggressivwaffe darstellen, mit der die Thiere sich gegenseitig attackiren, so wird der Saft der Stinkdrüsen, wie es scheint, nur in der Defensive, zur Abwehr grösserer Feinde angewendet. Nach vollzogener Begattung legt das Weibchen eine Anzahl von rundlichen Eiern ab, die von gclblichweisser Farbe sind. Die Zahl der Eier wechselt bei den einzelnen Individuen und beträgt durchschnittlich 20—30, auch wer- den dieselben nicht auf einmal abgesetzt, sondern an 2—3 aufeinander folgenden Tagen. Zur Ablage wählt sich das Weibchen von vorn herein eine ihm passend dünkende geschützte Stelle unter Steinen, Bindenstücken u. dergl. aus. Gar nicht selten aber kommt es vor, dass der Sehlupfwinkel sich später doch nicht als brauchbar erweist, dass z. B. Feuchtigkeit hineindringt, dass die Eier der Gefahr des Austrocknens ausgesetzt sind, oder dass der Versteck vor Störungen von anderen Thieren nicht sicher genug erscheint. In diesem Falle sucht sich das Weibchen nachträglich einen besseren Platz und trägt zu diesem seine Eier, indem es eins nach dem andern mit den Kiefern ergreift und hinüberträgt. Häutig graben sich auch die Weibchen tiefe nestartige Löcher in die Erde und schaffen in diese dann ihre Eier hinein, wo sie dann selbstverständlich am besten vor allerlei Un- bilden geschützt sind. In keinem Falle verlassen aber die Weibchen die Eier, welche sie abgelegt haben, sondern sie bleiben so lange bei den letzteren, bis die Jungen ausschlüpfen. Dies muss als eine etwas harte Geduldsprobe angesehen werden, wenn man bedenkt, dass die Embryonalentwicke- lung durchschnittlich etwa 4 — 5 Wochen in Anspruch nimmt, während welcher Zeit das Thier sich kaum von den Eiern entfernt. Nach den Beobachtungen von H. übt übrigens die Temperatur einen Einfluss auf den Verlauf der Entwicke- lung aus, indem dieselbe bei grösserer Wärme schneller, im entgegengesetzten Falle aber langsamer stattfindet. Die vorhin mitgetheilte Durchschuittsdauer bezieht sich auf eine Temperatur von 10—12° C. Der Schutz, welchen das Weibchen seinen Eiern an- gedeiheu lässt, wird jedenfalls als ein durchaus not- wendiger angesehen werden müssen. Die Ohrwurmeier sind nämlich ausserordentlich zart und dünnschalig. Viele Milben, Tausendfüssler oder andere kleine Thiere, welche in feuchtem Erdreich in der Regel vorhanden sind, würden sich schnell einfinden und die Eier als Leckerbissen und gleichzeitig als leicht zu erobernde Heute betrachten, wenn nicht das Ohrwurmweibchen dem Herannahen solcher Störenfriede ein energisches Hinderniss mit seinen Kiefern und Zangen entgegensetzte. Nach H. sind in der That fast alle Ohrwurmeier, die nach Entfernung des Weibchens sich selbst überlassen bleiben, dem Untergange geweiht, indem sie entweder anderen Thieren zum Opfer fallen, oder durch eindringende Pilzfäden rasch zerstört werden. Auffallend ist, dass während die Weibchen eine so aufopfernde Tliätigkeit für das Gedeihen der Nachkommen- schaft an den Tag legen, die Männchen keine Spur von Vaterliebe zeigen. Im Gegentheil dringen diese gar nicht selten in die Brutstätten der Weibchen ein und suchen trotz Gegenwehr der letzteren einige Eier zu erhaschen, die sie dann entweder verzehren oder planlos verschleppen. Nicht ohne Interesse sind einige Experimente, welche H. mit den Eiern der Ohrwürmer anstellte. Er hat ein- mal die Eier von verschiedenen Weibchen mit einander vertauscht und somit die Thiere veranlasst, Eier zu be- wachen, welche sie gar nicht selbst gelegt hatten. Dies ist auch immer gelungen. Die Ohrwürmer waren somit also nicht im Stande, ihre eigenen Eier als solche zu er- kennen. Nur dann schlug der Versuch fehl, wenn < Ihr- würmern, welche soeben Eier abgelegt hatten, solche Eier untergeschoben wurden, welche schon sehr weit in der Ent- wickelung fortgeschritten waren, und in denen das junge Thierehen sich schon sehr weit ausgebildet hatte. Der- artige Eier werden von den Weibchen nicht mehr als Eigen- tbum reclamirt, sondern ohne weiteres im Stich gelassen. Es hat ferner H. Proben angestellt, ob die Ohrwürmer ihre Eier von denen anderer Thiere zu unterscheiden ver- mögen. Er hat zu diesem Zwecke unter die Ohrwurm- eier Eier von Spinnen (einer Theridium- oder Linypbiaart), oder solche des Mehlkäfers (Tenebrio molitor L.) gemengt und diese darauf dem Weibchen zum Behüten gegeben. Allein die Versuche, die Ohrwürmer in dieser Weise zu hintergehen, hatten keinen Erfolg. Schon nach wenigen Stunden waren die fremden Eier von dem Ohrwurmweib- chen entweder aufgefressen oder bei Seite gebracht. Die Jungen, welche sich in den Eiern entwickeln, zerreissen die sie. umhüllende Sehale mit Hilfe eines eigen- thümlicheu, am Kopfende befindlichen stachel artigen Fort- satzes, der als Eizahn bezeichnet wird. Sie schlüpfen darauf durch die so entstandene Oeffnung aus. Das Vor- handensein eines Eizahnes, welcher von Heymons bei dem Ohrwurm aufgefunden wurde, ist deswegen bemerkens- werth, weil derartige Gebilde wohl bei niederen Glieder- füsslern (Myriapoden) vorzukommen pflegen, bei den In- secten aber bisher noch nicht beobachtet waren. Wenn die Jungen aus den Eiern auskriechen, häuten sie sich bereits und werfen bei dieser Gelegenheit auch den nun nutzlos gewordenen Eizahn wieder ab. Die jungen Thiere haben bereits im wesentlichen die Gestalt der Mutter. Interessant ist, dass sie zunächst noch für längere Zeit in der schützenden Nähe der letzteren verbleiben. Erst später, wenn sie grösser und kräftiger geworden, zerstreuen sie sich, um selbstständig auf eigene Gefahr den Kampf ums Dasein aufzunehmen, welcher ihnen, nachdem sie nunmehr den schädlichen Einflüssen mächtiger Naturgewalten und zahlreichen räuberischen Angriffen von oft tausendfach überlegenen Feinden ausgesetzt sind, wohl noch häufig genug ein verderbenbringender sein wird. 196 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 16. Ueber Milben, welche Säuger bewohnen, haben wir bereits einige Male in der „Naturw. Woehenschr.", Bd. VIII, S. 27 und '242, berichtet. Im Anschluss hieran mögen Mittheilungen über einige neuere Forschungsergebnisse folgen. Railliet setzte seine Studien über die Ucber- tragung der Krätzmilbe (a. a. 0. S. 242) fort. (De la gale du Lapin causee par le Sarcoptes scabiei; sa transmissi- bilite au Cobaye et au Füret. C. r. Soc. Biol. Paris, T. 5, 1893, S. 735.) Zunächst hat man als Erreger der Krätze beim Kaninchen ausser Sarcoptes minor Fürst, auch S. scabiei Latr., die Krätzmilbe des Menschen, durch G. Neumann kenneu gelernt. Doch scheint die letztere sehr selten zu sein. Eine Ansteckung von Kaninchen auf Artgenossen fand statt, doch ist die Incubationszeit oft ausserordentlich lang. Ebenso ging der Schmarotzer und damit die Krankheit auf Meerschweinchen über, die mit den Kaninchen zusammen hausten, und auch auf Frettchen waren beide übertragbar. Die mit den Versuchstieren beschäftigten Personen blieben gesund. Railliet unter- scheidet von der Stammform zwei Abarten, var. euniculi und var. furonis. Weiter berichtet G. Neumann über eine auf Mäusen wohnende Milbe. (Note preliminaire sur le Psorergates simplex, acarien parasite de la S« iuris. C. r. etc. S. 330.) Der im Titel genannte Schmarotzer ist 1857 von Gerlach entdeckt, 1883 von Tyorell in Canada, 1886 von Pinna und 1889 von Michael in England wiedergefunden, nun- mehr also auch in Frankreich beobachtet worden. Michael hat ihn auch an Feldmäusen gefunden. Railliet und Lucet lehren uns weiter einen neuen Sarcoptes, S. alepis, kennen. (Note sur le Sarcopte des Murides, S. alepis n. sp., a. a. 0. S. 404.) Er findet sich an verschiedenen mausverwandten Nagern und wurde 1865 von Legros an der Ratte entdeckt. Colin beobachtete ihn an der Wanderratte und die Verf. an Arvicola am- phibius L., sowie an Mus Rattus L. Während er früher für Sarcoptes minor oder eine Abart dieser Krätzmilbe gehalten wurde, können ihn die Verf. als eigene Art aufstellen. Endlich geht E. Trouessart auf verschiedene den Pelz von Säugern bewohnende Milben ein. (Notes sur les Sareoptides pilicoles [Listrophorinae]. a. a. 0. S. 698.) Während die Sarcoptes und Psorergates die Haut an- bohren, findet man die Listrophorus, Myocoptes und Cri- niscansor an der Behaarung von Nagern, Beutelthieren, Insectenfressern und Raubthieren. Eine neue Gattung lehrt uns Verf. in Campylochirus kennen. C. chelopus bewohnt Phal angist a Cooki, einen der australischen Kusus; andere Arten leben auf den Antecliinen desselben Erdtheiles und auf amerikanischen Didelpbys. Die Campylochirusarten, die auf Muriden und Sciuridcn sitzen, bilden einen Ueber- gang zu Listrophorus. Auf dem asiatischen Mus decumanus fand sich ein neuer L., cucullatus. Weiter weicht etwas ( lampyl. adherens n. sp. vom Flughörnchen des Congo im Bau ab. Die übrigen Arten besiedeln Nager aus den Gattungen Cricetomys, Dendromys, Otomys u. s. f.; nament- lich die südamerikanischen Nager sind reich an eigeu- thümlichen Formen. Nun haben Trouessart und Neumann 1890 Chirödiscus amplexans von dem australischen Vogel Podargus strigoides beschrieben. Es liegt daher die Vermnthung nahe, dass diese Milbe gewöhnlieh kleine baumbewohnende Beutler bewohnt und nur gelegentlich auf den Vogel gelangte. C. Matzdortf. Blumen und Insecten auf den Halligen. — Im An- schlüsse an sein Werk: „Blumen und Insecten auf den nordfriesischen Inseln" (vgl. das lief, in der Naturw. Wochenschr. Bd. 9, No. 9), welches die vier grossen Inseln derung der geologischen Verhältnisse Zählung der nur Rom, Sylt, Amruui und Föhr der nordfriesischen Gruppe behandelt, hat Dr. Paul Knuth (Botanisch Jaarboek, 6. Jahrg., 1894, S. 43 — 71, mit einer Karte der Halligen und der sie umgebenden Inseln; deutsch und holländisch.) auch die Beziehungen zwischen Blumen und Insecten auf den Halligen untersucht. Nach einer Aufzählung der jetzt noch vorhandenen Inselchen und Mittheilung ihrer Grösse und Bewohnerzahl (die grösste ist Lange ness von 1025 ha und 224 Einwohnern, die kleinsten bewohnten sind Süderoog: 72 ha und 9 Einwohner und »S ü df all: 63 ha und 5 Einwohner, die kleinste: Norde roog ist unbewohnt und nur 16 ha gross) folgt eine kurze .Schil- sodann eine Auf- aus 36 — 37 Pfianzenarten bestehenden Flora. Von diesen sind etwa 5 % wasserblüthig, 8 % bestäuben sich selbst, 47% sm(l windblüthig und 42% insectenblüthig. Letztere gehören zum grössten Theile den Blumen mit halb verborgenem Honig, den Blumen- gesellschafteu und den Bienenblumen an, und zwar ist es höchst bemerkenswerth, dass die sämmtlichen Blumen der spontanen Selbstbestäubung fähig sind. Von den vom Verf. auf den Halligen beobachteten, blumenbesuchenden 24 Insectenarten gehören 4 den Hyme- nopteren, 2 den Schmetterlingen, 6 den Syrphiden, 10 den Museiden, 2 den Käfern an. Verf. erhielt in Bezug auf die Auswahl, welche die Insecten beim Blumenbesuch treffen, dieselben Ergebnisse, welche er in dem eingangs genannten Werke für die Inseln Rom, Sylt, Amrum und Föhr nachgewiesen hatte, nämlich: 1. Die Blumen mit halb verborgenem Honig werden von den Fliegen mit Vorliebe aufgesucht. 2. Die Blumengesellschaften erhalten von allen Blumeu- klassen den bei weitem meisten Insectenbesuch. 3. Die Bienen- und Hummelblumen werden fast aus- schliesslich von Bienen und Hummeln besucht. Die der geologischen Schrift beigefügte Karte orientirt über die Verhältnisse der Halligen, der Inseln Nordstrand, Pellworm, Amrum, Föhr und eines Theiles von Sylt. (x.) Ueber Anomalien der Erdschwere auf dem Nord- amerikanischen Continent hat Defforges kürzlich (vergl. Compt. rend. 1894, Nr. 5, Seite 229 ff.) interessante Mittheilungen gemacht. — Die Differenzen in der Grösse von g, die man schon vor langer Zeit an verschiedenen Stellen der Erdoberfläche beobachtet hat, schrieb man einerseits entsprechenden Anomalien in der Gestalt der Erde zu, andererseits suchte mau sie in der ungleichen Vertheilung der Massen in der Erdrinde oder in Beob- achtungsfehlern, theils glaubte man, dass die zur Re- duetion auf das Meeresniveau dienenden Formeln nicht ausreichend seien. 1). hatte nun eine grössere Zahl von älteren und neueren Beobachtungen durch entsprechende (auf Bodenbesehaffenheit, geographische Lage etc. bezüg- liche) Correctionen vergleichbar gemacht und dabei ge- funden, dass g an der Küste eines jeden Oceans eine gewisse charakteristische Grösse besitzt, welche sich je nach der geographischen Breite nach dem Clairaut'schen Gesetz ändert Jedoch auf Inseln, die sich aus grosser Tiefe aus dem Meere erheben, zeigte sich eine beträcht- liche Erhöhung des an der Küste gefundenen Werthes von g, während sich in der Mitte der Continente (Europa, Asien, Afrika) ein bedeutender Fehlbetrag ergab, welcher den auf den Inseln beobachteten Mehrbetrag auszugleichen schien. D. hat neuerdings mittels eines von ihm constru- irten, ganz besonders empfindlichen Pendels festzustellen versucht, ob sich auf dem Nordamerikanischen Continent die in der „Alten Welt" gefundenen Anomalien ebenfalls Nr. 16. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 197 zeigen würden. Als Beobachtungsstationen dienten: Washing- ton (10 m Meereshöhe), Montreal (100 m), Chicago (165 m), Denver (1645 m), Salt Lake City (1288 m;, Mt. Hamilton (1282 m) und San Francisco (114 m). Es zeigte sieh nun in der That, dass sowohl von Washington als von San Francisco aus nach dem Innern des Continents hin der Werth von g beständig sinkt. Den geringsten Betrag erreichte derselbe in Salt Lake City auf dem hohen Pla- teau zwischen den Rocky Mountains und der Sierra Nevada. Der hier gefundene Fehlbetrag entspricht eben- falls fast genau dem auf den Inselu des Pacitischen Oeeans (z. B. lle-de-France) beobachteten höchsten Mehr- betrag, wenn man den an der Küste gefundenen Werth für g als normalen Mittelwerth zu Grunde legt. R. M. Ueber das Atom - Gewicht des Palladiums (Pd) haben Professor Keiser und Miss Breed neuerlichst Untersuchungen angestellt (Nature, Vol. 49, Nr. 1270). — Bei einer früheren Arbeit über das Atom-Gewicht des Pd im Jahre 1889 hatte sich Prof. Keiser des Pd (NH3Cl)o bedient und aus 19 Bestimmungen einen Werth von 106,27 erhalten. Drei seitdem ausgeführte Untersuchungen (Bayley und Lanib, Keller und Smith 1892 und Joly und Leidic 1893) ergaben Resultate, welche bis um 1,5 von einander altwichen. Prof. Keiser unternahm daher eine neuerliche Prüfung uud fand dabei eine Verbindung des Pd, welche in Dampfform übergeführt und so einer fractionirten Destillation unterworfen werden kann. Diese Verbindung ist das Palladiumchlorid PdCk, welche bei Rothgluth in einem Cl- Strom destillirt werden kann. Das so erhaltene reine Chlorid wurde in Pd(NH:iCl)2 übergeführt und letzteres in einem Strome von reinem Wasserstoff zu metallischem Palladium reducirt. Aus sämmtlichen Analysen ergab sich ein Mittelwerth von 106,25. Die grösste Differenz, welche die von Prof. K. erlangten Zahlen autwiesen, betrug 0,07, so dass also der von ihm gefundene Werth als der richtige angesehen werden darf. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Dr. Friedrich Rinne, Assistent am Museum für Naturkunde und Privatdocent für Mineralogie an der Universität Berlin, zum Professor für Mineralogie, Geologie uud Hüttenkundo am Polyteehnicum in Hannover. — Dr. August Blau, Bibliothekar an der Universitätsbibliothek in Breslau, zum Bibliothekar an der Königl. Bibliothek in Berlin. — Dr. Alfred pckler von der Königl. Bibliothek in Berlin zum Bibliothekar an der Universitätsbibliothek in Breslau. — Der ausserordentliche Professor für mathematische Physik an der Universität Czernowitz Dr. Tumlicz zum Ordinarius. — Der Privatdocent für Chirurgie an der Universität Wien Dr. Hohen egg zum ausserordentlichen Professor. — An der Universität Krakau der Privatdocent für Geologie von der Universität Lemberg Dr. Siemiradzki — und der Privatdocent für mathematische Physik Dr. Nathanson zu ausserordentlichen Professoren. — Der ausserordentliche Professor für Philosophie an der Universität Berlin Dr.Hermann Ebbing- haus zum Ordinarius an der Universität Breslau. — Der Privat- docent für Hygiene an der Technischen Hochschule in Karlsruhe Dr. Alexander Riffel zum Professor. — Der Prosector an der Universität Moskau Dr. Michael Nikiforow zum Professor für pathologische Anatomie an der Universität Dorpat. — Dr. Oskar Mass low von der Universitätsbibliothek in Göttingen zum Biblio- thekar an der Universitätsbibliothek in Bonn. — Oberbergrath Würtenberger in Hannover zum Geheimen Oberbergrath. Der Assistent am hygienischen Institut uud Privatdocent an der Universität München Dr. Ludwig Pfeiffer hat einen Kuf als Professor der Hygiene an die Universität Rostock erhalten. — Professor Dr. Kalkowski in Jena hat den Kuf an die Technische Hochschule in Dresden angenommen. — Der Kgl. Landesgeologe in Berlin Dr. Franz Beyschlag hat die Berufung an das Poly- teehnicum in Hannover abgelehnt. -- Professor Dr. Theodor Escherich von der Universität Graz ist zum Leiter des Kinder- krankenhauses und Professor an der Universität Leipzig an die Stelle \ du Professor Dr. Heubner berufen weiden. — Der badische Landesgeologe Dr. Chelius in Darmstadt hat den Ruf als Pro- fessor der Geologie und Mineralogie an das Polyteehnicum in Hannover abgelehnt. Es hat sich habilitirt: Dr. Bachhaus in der medicinischen Facultät der Universität Würzburg. Es sind gestorben: Der Lehrer der Anatomie an der Kunst- akademie in Düsseldorf Geheimer Sanitätsrath Dr. Ludwig Phi- lipp Zimmermann. — Der Bibliothekar an der ständischen Landesbibliothek in Fulda Ferdinand Zwenger. — Der Elektro- techniker Pawel N ik olaj e w itsch Jablotschkow in Ssaratow. - Der Kgl. Forstmeister Axt in Letzlingen. — Der Obergärtner am Botanischen Garten der Universität Czernowitz Kaiserlicher Rath Karl Bauer. -- Medicinalrath Professor Dr. Friedrich Ne eisen, Oberarzt und Prosector am Stadtkrankenhause in Dresden. Der IV. Congress der Deutschen Dermatologischen Gesell- schaft findet vom 14. — 16. Mai in Breslau statt. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Gustav Jäger, Aus Natur- und Menschenleben. Gesammelte Aufsätze und Vorträge. Ernst Günther's Verlag in Leipzig, 1894. — Preis 4 Mk. Das Heft des namentlich durch seine Bemühungen, Woll- kleidung allgemein einzuführen, bekannten ehemaligen Professors der Zoologie gliedert sich in drei Theile: 1. „Das Nordpolland" mit drei, 2. „Ueber den Ursprung der Sprache" mit zwei, und 3. „Einiges über die Darwinsche Theorie" mit acht Aufsätzen. Wenngleich Mannigfaches in den Aufsätzen zu theoretisch ist, das heisst sich nicht genügend auf bekannte Erfahrungsthatsachen stützt, so sind sie doch durchaus anregend und lesenswerth, da vieles in ihnen Gesagte durchaus grösserer Beachtung werth ist. Ernst Häckel, Indische Reisebriefe. 3. vermehrte Auflage. Mit «lein Portrait des Reisenden und 20 Illustrationen in Lichtdruck, sowie einer Karte der Insel Ceylon. Gebrüder Paetel. Berlin 1893. Wie alles, was Häckel schreibt, zeichnen sich auch die „In- dischen Reisebriefe" durch klare, leicht-verständliche Sprache aus, die das Buch, um so mehr, als tiefer gehende wissenschaftliche Kenntnisse zu seinem Verständniss nicht nöthig sind, als Leetüre für den weitesten Leserkreis geeignet machen. Man erhält, nicht zum wenigsten durch die trefflichen Illustrationen unterstützt, ein lebendiges Bild der Tropen, und zwar namentlich Ceylons, welche Insel das Ziel der im Winter 1881/82 von Häckel ausgeführten Reise war. Der Inhalt des Buches ist genügend bekannt, so dass wir auf denselben hier nicht eingehen können. H. Potonie, Die Flora des Rothliegenden von Thüringen. Mit 34 Tafeln. Abhandlungen der Königlich Preussisehen Geolo- gischen Landesanstalt. Neue Folge Heft 9, Theil II. In Ver- trieb bei der Simon Schropp'schen Hof-Landkartenhandlung (J. H. Neumann). Berlin 1893. — Preis 16 M. Der vorliegende stattliche Band ist der IL Theil eines von der Kgl. Preuss. Geologischen Landesanstalt herausgegebenen grösseren Werkes, welches den Titel führt: „Ueber das Roth- liegende des Thüringer Waldes." Leider ist der erste Theil des- selben noch nicht erschienen, indess lässt sich aus der beigege- benen Fundortsliste doch das wesentlichste über die strati- graphischen Verhältnisse des behandelten Gebietes entnehmen. Von geologischer Seite aus haben die Herren Beyschlag, Fritsch, Scheibe und E. Zimmermann klar gestellt, dass jene in ihrem geologischen Alter z. Th. schwankend, z. Th. unrichtig be- urtheilten Fundorte fossiler Pflanzen, welche wir unter den Namen Stockheim, Crock, Manebach, Breitenbach u. s. w. kennen, alle dem Perm angehören und von palaeontologischer Seite aus hat P. das in vollem Umfange bestätigen können: das verbreitete Vor- kommen der typischen Permpflanzen, u.a. Walchia filieiformis und W. piniformis, sowie der Farngattungen Callipteris und Callip- teridium u. s. w. ist diesbezüglich ausschlaggebend. Die ganze Schichtenfolge des Thüringer Perms hat Herr Beyschlag in fol- gende Horizonte getheilt: I. Gohrener Schichten mit den wich- tigsten Fundorten Stockheim in Bayern, Bahnhof Melius, (»ehren kanvmer bei Ruhla; IL Manebacher Schichten mit Manebach- Kammerberg bei Ilmenau; III. Goldlauterer Schichten mit Crock bei Eisfeld, Breitenbach, Friedrichsroda, Klein Schmalkalden; IV. Oberhöfer Schichten in der Gegend von Oberhof. Dass bei dieser Gliederung nicht allein die stratigraphischen Verhältnisse, sondern auch die Flora in Betracht gekommen ist, 198 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 1(5. ergiebt sieh aus dem vorliegenden Bande. Bei Beschreibung eines Sigillaria-Restes mit Rhytidolepis-Skulptur, die sonst für typisches Carbon, namentlich für das mittlere produktive Carbon, die Bchatzlarer Schichten, charakteristisch ist, macht nämlich P. auf S. 195 die Bemerkung: „Die übrige Flora Stockheims ist nun allerdings derartig, dass ich Stockheim von vornherein als den tiefsten Horizont der von uns behandelten Schichten ansehen musste, und die Stellung von Stockheim in der in dieser Arbeit vor- genommenen Gliederung der Horizonte hat denn auch ausschliess- lich auf Grund der eigenthümlichen Flora dieses Fundpunktes stattgefunden. Hierzu passt das Vorkommen einer Rhytidolepis am besten." Herr Potonie hat die Bearbeitung der verhältnissmässig reichen Flora des Thüringer Gebietes im Auftrage der geolo- gischen Landesanstalt übernommen und in mustergültiger Weise monographisch vollendet. Es lag zunächst die Absicht vor, die Arbeit ausschliesslich auf Grund der in dem Museum der oben genannten Anstalt und im Museum für Naturkunde befindlichen Materialien durchzuführen. Um derselben aber die möglichste Vollständigkeit zu geben, wurden später auch die reichen Sehätze besonders in den Museen von Jena. München und Gotha, sowie Originalien, welche sich in einzelnen Privatsammlungen befanden, besichtigt und berücksichtigt. Der Herr Verfasser, welcher sich um die Erweiterung der Kenntnisse über die fossile Flora, besonders aber auch um die Vertiefung derselben, so wesentliche Verdienste erworben hat, giebt nicht blos eine Aufzählung der im Thüringer Rothl. ent- haltenen Pflanzenreste , sondern fügt auch kritische Excurse über einzelne Objecto zweifelhafter Stellung, eingehende Be- sprechungen über schwierige und strittige Arten, sowie Unter- suchungen über die morphologische Natur einzelner Dinge hinzu. Es sei nach diesen Richtungen besonders auf folgende Einzel- heiten hingewiesen. Excipulit.es Neesii, ein Gebilde, welches sich durchaus als Fruchtkörper eines Pilzes deuten lässt, wurde bis- weilen für den Sortis der Farne gehalten, auf deren Wedeln es sich findet. Indem der Herr Verfasser den Körper auf fossilen Samen von Ilmenau nachwies, dürfte dieser Ansicht nunmehr jeder Boden entzogen sein. Eine längere systematische Auseinandersetzung über die von dem Herrn Verfasser aufgestellte Gattung Ovopteris und die Auf- zählung der meisten hierhergehörigen Arten aus der Sammel- gattung Sphenopteris schliesst sich an seine Ovopteris Cremeriana. Bei Gelegenheit der Darstellung der Pecopteris hemitelioides geht er auf die von ihm bei fossilen Farnen entdeckten Wasser- gruben ein und erläutert dieselben nach solchen Untersuchungen an Polypodium vulgare und Blechnum Spicant*). Die so ausser- ordentlich formenreiche Pecopteris Pluckenetii wird eingehend behandelt und es wird nachgewiesen, dass eine ganze Reihe bisher in sehr verschiedenen Gattungen untergebrachter Farne entweder sicher oder mit grosser Wahrscheinlichkeit dazu gerechnet werden muss. Bei der Behandlung der Neuropteriden, die kritisch gesichtet t werden, hielt er die Aufstellung einer Zwisehengat.tung Neurodon- topteris für wünschenswerte und zweckmässig. In der Behandlung von Annularia finden wir die schon in den Berichten der deutschen botanischen Gesellschaft früher veröffentlichte wichtige Unter- suchung über die Morphologie der Blattwirtel mit Bezug auf die Blattscheiden der Equiseten**). Es sei auch auf die Besprechung des Gomphostrobus bifidus, jenes merkwürdigen Fossils mit gabelspaltigen Sporophyllen hin- gewiesen, in dem er Beziehungen zu den Psilotaceen erkennt***). Von Interesse ist die Besehreibung von Gangrinnen resp. Frassrinnen, Platzminen. Als Runzelgallen möchte P. die blasen- förmigen Auftreibungen von dem als Weissites vesicularis (Schloth.) Göpp. beschriebenen Exemplar der Odontopteris osmundiformis (Schlotheini) Zeiller (= O. Schlotheimii Brongn.) deuten. Nach formaler Rücksicht scheint uns noch von Bedeutung, dass er auf S. 19 den Vorschlag macht, die Namengebung in der Phytopalaeontologie möchte nach einer einheitlichen Regelung in gleicher Weise, wie bei den Botanikern angestrebt werden. Prof. K. Schumann. Otto Bachmann, Leitfaden zur Anfertigung mikroskopischer Dauerpräparate. Mit 104 Abbildungen. 2. vermehrte Auflage. R. Oldenbourg. München und Leipzig 1893. — Preis G Mk. Das Buch ist wohl geeignet, dem Präparaten- Anfertiger und -Sammler, wie jedem, der das Mikroskop zum Studium der Orga- nismen benutzt, für die Anfertigung von Präparaten und ihre dauerhafte Erhaltung gute Winke zu geben. Es umfasst incl. Register 332 Seiten. Es ist zu loben, dass Verf. auch die Her- stellung von Schliffen bespricht. Freilich ist dieser Abschnitt sehr kurz gerathen: er umfasst nur 11 Seiten, mit 6 grösseren Ab- *) Vergl. auch Naturw. Wochenschr. Bd. VII, S. 486. — Red. **) Vergl. Naturw. Wochenschr. Bd. VII, S. 520. — Red. ***) Vergl. Naturw. Wochenschr. Bd. VIII, S. 343. — Red. bildungen, die noch Platz wegnehmen. Der sonst gut orientirte Verf. zeigt, hier, dass er die neueren Methoden nicht kennt; das Schleifen von einfach abgeschlagenen Splitterchen von Gesteinen für petrographiseke Untersuchungen und anatomische Studien an echten Versteinerungen wird zwar noch verwendet, wo es sich um eine vorläufige, schnelle Orientirung handelt, aber exaete Untersuchungen z. B. an fossilen Hölzern, deren Schliffe natürlich genaue Riehtungen aufweisen müssen, lassen sich durch diese ver- altete Methode nicht recht ausführen. Verf. hätte hier sollen auf die jetzt verwendete Kreis- Schmirgel- und -Diamant-Säge auf- merksam machen. Schliff-Folgen, jeder Schliff von vielen Quadrat- centimetern Querschnitt, wie sie bei pflanzenpaläontologischen Untersuchungen, z. B. bei Untersuchung von Pflanzenresten ent- haltenden Dolomitknollen des Carbons nöthig sind, lassen sich überhaupt, nicht ohne Kreissäge herstellen. Fig. 43 (S. 203), offen- bar ein Radialschliff durch einen Holzrest, ist bezeichnet als ein Schliff durch Steinkohle, die aber in Wirklichkeit unter dem Mikroskop ganz anders aussieht. Vielleicht benutzt Verf. diese Anregung für eine eventuelle Neu-Auflage. P. Dr. Willi Ule, Die Mansfelder Seen und die Vorgänge an den- selben im Jahre 1892. Mit 3 Karten und 5 Abbildungen. Ed. Winkler. Eisleben 1893. — Preis 2 M. Das allgemein-verständlich geschriebene Büchelchen orientirt gut über den Gegenstand. Die Mansfelder Seen haben durch die Vorgänge von 1892 das Interesse weiter Kreise erweckt: der Spiegel des salzigen Sees begann sich zu senken und gleichzeitig ersoffen mehrere Schächte des Mansfelder Bergwerkes. Die Ur- sache dieser Erscheinung erklärt Ule wie folgt: „Das völlige Versiegen der Brunnen während der letzten Jahre, sowie die stete Abnahme der Wassermenge in den Quellen und Bächen lehrt uns zunächst, dass dem Boden in der Umgebung der Seen schon seit, geraumer Zeit das Grundwasser entzogen ist. Diese Abnahme des Grundwassers ist aber, so vermuthen wir, eine Folge der gewaltigen Ausdehnung des Mansfelder Bergbaues. Mächtige Pumpwerke haben dort aus der Tiefe seit Jahrzehnten ungeheure Wassermassen emporgehoben und in einem künstlichen Stollen sind diese Wasser, die sonst in der Bösen Sieben und anderen Bächen dem See zuströmten, jetzt direct zur Saale ge- fördert. Dadurch wurden zunächst die überlagernden und benach- barten Gesteine ihres Sickerwassers beraubt, bald aber erweiterte sich das Quellgebiet der Schachtwasser entsprechend einer all- bewährten Erfahrung und schliesslich strömten zu den Mansfelder Schächten auch die Grundwasser aus grösserer Entfernung. Mit. dem Wasser aber entgingen dem Boden alle löslichen Gesteine, Hohl- räume entstanden und in diese stürzten die überwölbenden Decken ein, sobald jene Auslaugung hinreichend fortgeschritten war. Da- durch, dass ein solcher Erdfall in diesem Jahre innerhalb des See- bee.kens selbst erfolgte, wurde dem Seewasser, das sonst wegen des thonigen Absatzes auf dem Grunde als völlig abgeschlossen gelten durfte, ein Weg in die Tiefe geöffnet und ein plötzliches und schnelles Absickern desselben ermöglicht. Jahrzehnte hin- durch ist. die Katastrophe vorbereitet, in diesem Jahre ist sie zum Ausbruche gekommen." Herr Dr. Ule wird in der Naturw. Wochenschr. über den Gegenstand noch eingehender selbst berichten. Prof. Dr. H. Durege. Elemente der Theorie der Functionen einer complexen veränderlichen Grösse. Mit besoderer Be- rücksichtigung der Schöpfungen Riemann's. 4. Aufl. B. G. Teub- ner. Leipzig 1893. — Preis (3,80 Mk. Das ganz ausgezeichnete, jedem Mathematiker wohlbekannte Buch des Herrn Durege liegt in neuer Auflage vor. Gegen die dritte Auflage sind nur unbedeutende Aenderungen eingetreten, die sich auf kurze Zusätze, einige Beispiele und veränderte Styli- sivung beschränken. Die vierte Auflage ist 300 Seiten stark (gegen 268 Seiten der dritten Auflage), indessen ist die vermehrte Seiten- zahl zum nicht geringen Theile dem gefälligeren, bequemer lesbaren Satze und Letternschnitt zuzuschreiben. Die Vorzüge der Dar- stellung der Elemente der Funetionentherie von Durege sind allgemein anerkannt, sie überheben den Referenten in angenehm- ster Weise jedweder Empfehlung bezw. Kritik. Wir besitzen kein Buch, das so geeignet ist, in die neuere Functionentheorie nach Riemann'schen Anschauungen einzuführen und das Studium der Werke des letztgenannten grossen Mathematikers zu erleichtern, wie das hier besprochene. I )ie Ausstattung der verdienstvollen Schrift seitens der Verlags- buchhandlung ist eine durchaus gute. Dr. A. G. J. P. Cundill, Dictionnaire des Explosifs. Edition francaise re- maniee et. mise u jour avec le concours de l'auteur, par E. De- sortiaux, Ingenieur des poudres et salpetres. Librairie Gauthier- Villars et fils, Paris. 1893. - Prix 6 Fr. Dieses Dictionnaire enthält alle Explosivstoffe, die bisher An- wendung gefunden haben oder vorgesehlagen worden sind. Die Nr. 16. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 199 ursprüngliche englische Ausgabe ist nicht einfach übersetzt, son- dern gleichzeitig verbessert und vermehrt worden, In alpha- betischer Reihenfolge finden sich die Stichworte aufgeführt, es sind deren 1061. Eingeleitet wird das Buch durch eine allge- meine Einführung in den Gegenstand und Bemerkungen über die ( üassification der Explosivstoffe. Ein Register beschliesst das Werk. Die Disposition und der Inhalt des Buches ergiebi sich aus Folgendem: Introduction (S. 5 — 15). — Force des explosifs. Pression et travail. Travail maximum du potentiel. Donnees the'oriques. Observations pratiques relatives aux explosifs en güueral. Melauges de substances inertes avec des explosifs. Sensibilite des explosifs. Effets des explosifs ä distance. Notions gcnerales sur la classifieatiou des explosifs (S 15—42). ( lasse I: Poudres noires ordinaires. Classe II: Poudres nitratees autres que les poudres noires ordinaires. Classe III: Poudres chloratees. ClasselV: Dynamites. ClasseV: Pyroxyles. Classe VI: Poudres picriques et picrate.es. Classe VII: Explosifs du type Sprengel. Ciasso VIII: Explosifs ilivers et fulminates. Con- clusions. Dictionnaire des explosifs (S. 43 — 235). Index alphabetiquc des matieres premieres (S. 236 — 246). H. Poincare, Theorie mathematique de la lumiere. II. Kon- velles etudes sur la diffraction. -■ Theorie de la dispersion de Helmholtz. Lecons professees pendant le premier semestre 1891 — 1892. Redigees par M. Lamotte et D. Hurmuzescu, Lic. es etc. Georges Garn'. Paris 1892. — Prix 10 Frcs. Das vorliegende, nun mathematische Werk bildet die Fort- setzung zu einem ebenso betitelten Werk, das bereits im vierten Bande dieser Zeitschrift besprochen wurde. Während der in- zwischen verflossenen Zeit hat die elektromagnetische Lichttheorie eine solche Bedeutung erlangt, dass Verf. es für nöthig hielt, in diesem Bande zunächst die beiden Lichttheorien in paralleler Weise darzustellen und die Forschungsergebnisse der Begründer der Undulationstheorie in die neue Sprache zu übersetzen. Dabei kam es ihm nicht auf eine Vergleichung der beiden Theorien an, denn die optischen Erscheinungen werden von beiden in gleich befriedigender Weise erklärt und die Ueberlegenheit der Max- well'schen Theorie kommt erst in der Elektricitätslehre zur Gel- tung. Der Leser soll vielmehr nur in den Stand gesetzt werden, beide Instrumente mit gleicher Leichtigkeit zu handhaben. Frei- lich wird dies nur derjenige erreichen, der bereits durch eindrin- gendere Studien anderer Werke mit Maxwell's Anschauungen bekannt geworden ist und der das gesammte Rüstzeug der höheren Mathematik mit derselben Sicherheit handhabt, wie ein Schüler das Einmaleins. Ueberhaupt ist das ganze Werk, das auch neue Studien über die Diffraction und die Helmholtz'sehe Theorie der Dispersion behandelt, so rein theoretisch, dass es nur dem völlig ausgebildeten mathematischen Physiker, der im Stande ist, in Symbolen zu denken, empfohlen werden kann; dem Anfänger würde das Verständniss kaum möglich sein. F. Kbr. Bericht über die Verwaltung der naturhistorischen, archäo- logischen und ethnologischen Sammlungen des Westpreussi- schen Provinzial Museums für das Jahr 1893. Das 36 Quartseiten starke Heft berichtet zunächst in einem allgemeinen Tlieile über die Verwaltung, Unternehmungen und Beziehungen des Museums nach aussen hin, sowie über Personalien und bringt alsdann in einem speciellen (dem Haupt-) Abschnitte eine Uebersicht über die Entwickelung der einzelnen Sammlungen während des verflossenen Geschäftsjahres. Dieser zweite Theil ist dadurch von besonderem wissenschaftlichen Interesse, dass er nicht bloss eine einfache Aufzählung der Eingänge und Erwer- bungen bietet, sondern von den wichtigeren Gegenständen kurze Darstellungen ihres Vorkommens giebt und eine Anzahl (23) der- selben bildlich zur Darstellung bringt. Hierher gehört unter anderen die Wassernuss, Trapa natans L., deren fossiles Vor- kommen in der Provinz der Director des W. Pr. M. Professor Hr. Conwentz mit grossem Eifer und Geschick erforscht hat.*) Zuerst 1886 in Westpreussen fossil aufgefunden, kennt man jetzt bereits 10 Fundorte von Früchten dieser Pflanze Dieselben vertheilen *) Vergl. auch „Naturw. Woehenschr.", Bd. VIII, S. 337 u. 362 sich auf zwei Gebiete, deren ausgedehnteres auf 'lern rechten Weichsel-Ufer in den Kreisen Stuhm. Rosenberg und Graudenz liegt, während das zweite, wesentlich kleinere, dem Nordwi der Provinz angehört und Theile der Kreise Bereut und Kartliaus umfasst. In gleicher Weise wie früher über die Eibe hal V< rf. jetzt über zwei andere ..im Schwinden begriffene Waldbäuine" Erhebungen angestellt: die Eisbeere, Pirus torminalis Ehrh. und die Schwedische Mehll re, Sorbus scandica Fr. Die ersten ha derselbe auf seinen seit 1892 deshalb unternommenen Ben isuugen an einer ganzen Menge von Standorten, sowohl in königlichen wie in Privatwaldungen, angetroffen und hofft, im laufenden Jahre seine diesbezüglichen Untersuchungen zu Ende führen zu können. Die Schwedische Meldbeere kommt heute hauptsächlich im süd- lichen Schweden , und auf Bornholm wild vor und tritt vereinzelt auch auf den Älands-lnseln, an der Küste der russischen Ostsei Provinzen, Westpreussens und Hinterpommerns auf, in welch letzteren beiden Provinzen mehrere noch unbekannte Standorte entdeckt wurden. Im Kreise Lauenburg hat Verf. den Baum an mehreren Punkten angetroffen. Obwohl dieselben stets Wege ränder waren, der Baum hier also eultivirt wird, lässt sieh doch annehmen, dass der Abstammungsort dieser jetzt in Cultur be- findlichen Exemplare einst in der Nähe gelegen hat. Ein solches natürliches Vorkommen wurde im Walde von Gro.-s-Pode], Kreis Stolp, angetroffen, woselbst neben vielen Sträuchern ein Stamm von 2,55 m Unifang sich befindet, für dessen Erhaltung Sehritte eingeleitet worden sind. Die Blätter beider Species, sowie die Frucht von Trapa natans sind bildlich dargestellt Hinsichtlich der weiteren Ausführungen über die anderen Abtheilungen des Museums müssen wir auf den Bericht selbst verweisen, der gewiss nicht verfehlen wird, grössere Kreise von Fachleuten für die soweit nach listen gelegene Provinz unseres Vaterlandes immer mehr zu interessiren, als auch speciell in der Bevölkerung dieses Landestheiles selbst das Interesse für die Naturwissenschaften anzuregen. Archiv der Mathematik und Physik (herausgegeben von R. Hoppe). Das erste Heft des nun abgeschlossenen Zwölften Theils ist bereits in der „Naturw. Woehenschr.", Bd. VIII, S. 291, erwähnt worden; von dem Inhalte der übrigen drei Hefte sei Folgendes hervorgehoben: Ulrich Bigler, Einige Bemerkungen über die Lame'schen Functionen zweiter Art; Obenrauch. Zur Complanation des dreiachsigen FJlipsoides mittelst elliptischer Coordinaten; R. Hoppe, Osculirende Parabel; Strauss, Thei- lung eines beliebigen Winkels in eine beliebige Anzahl gleicher Theile mit Hilfe von Modellen; Krewer, Ueber das Problem, eine Fläche zweiten Grades in einem der Gestalt und Grösse nach gegebenen Kegelschnitte zu schneiden ; Oeki n gh aus, Zur Mechanik der atmosphärischen Bewegungen; Ernst Schultz, Ueber eine neue Construction der Lenmiskate; R. Hoppe, Gleichseitiges Tetraeder; Breuer, Die Gauss'sche Darstellung complexer Zahlen in geometrischer Beleuchtung; Liers, Ueber den Inhalt des vier- dimensionalen Pentaeders; Liers, Ueber eine Analogie des La- place'schen Determinantensatzes; R. Hoppe, Ueber eine Schar von C'nrven auf der Tangentenfläche; Himstedt, Ueber grad- linige Asymptoten algebraischer Curven; Glaser, Ueber die Tri- section des Winkels mittelst beliebiger fester Kegelschnitte; Kiechl, Analytische Entwickelung von Gleichungen über drei in demselben Punkte sich schneidende Transversalen eines Dreiecks: Speckmann, Zur Zahlentheorie. Beiträge zur Geophysik. Zeitschrift für die physikalische Erd- kunde. Herausgegeben von Prof. Dr. Georg Gerland. II. Band. 1. Heft. Mit 13 Abbildungen. E. Schweizerbart'sche Verlags- buchhandlung (E. Koch). Stuttgart 1894 — Preis 4 Mk. Das 196 Seiten umfassende Heft bringt 5 Artikel: I. Stapff, F. M. : Ueber die Zunahme der Dichtigkeit der Erde nach ihrem Inneren. (Mit 2 Holzschnitten). — n. Gerland, G.: Vulcanistischo Studien. I. — III. Günther, S.: Luftdruckschwankungen in ihrem Einflüsse auf die festen und flüssigen Bestandtheile der Erdober- fläche. (Mit 6 Holzschnitten). -- IV. Hergesell, H.: Die Ab- kühlung der Erde und die gebirgsbildenden Kräfte. (Mit ;> Holz- schnitten). — V. Gerland, G.: Zu Pytheas Nordlandsfahrt. Strabo C. 104. An Herrn Dr. Hugo Berger in Leipzig. Inhalt: Hermann Wegener: Die statische Labyrinththeorie. — Arthur Bab: Aberglauben der Griechen und Römer im Feld- und Garten-Bau. — Der schwarzbriistige Hamster in Ostbulgarien.— Ueber die Fortpflanzung der Ohrwürmer. — Milben, welche Säuger bewohnen. — Blumen und Insecten auf den Halligen. — Ueber Anomalien der Erdschwere. — Atom-Gewicht des Palladiums. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Gustav Jäger, Aus Natur- und Menschenleben. - Ernst Häckel, Indische Reisebriefe. — H. Potonie, Die Flora des Rothliegenden von Thüringen. — Otto Bachmann, Leitfaden zur Anfertigung mikroskopischer Dauerpräparate. — Dr. Willi Ule, Die Mansfelder Seen und die Vorgänge an denselben im Jahre 1892. — Prof. Dr. H. Durege, Elemente der Theorie der Funktionen einer complexen veränderliehen Grösse. — J. 1'. Cundill, Dictionaire des Explosifs. — H. Poincare, Theorie mathematique de la lumiere. — Bericht über die Verwaltung der naturhistorischen, archäologischen und ethnologischen Sammlungen des Westpreussischen Provinzial-Museums für das Jahr 1893. — Archiv der Mathematik und Physik. — Beiträge zur Geophysik. 21 H » Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 15 ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunscliweig. (Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) Soeb en ersch ien: Anschauungstafeln für den Unterricht in der Pflanzenkunde von Prof. Dr. F. 0. Pilling u W. Iflüller. Lieferung 1-4. Preis ä Lieferung 6 Mk. Pill in«. Prot. Dr. F. O., Begleit- schritt zu den Anschauungstafeln für den Unterricht in der Pflanzen- kunde. Fingerzeige für Lehrer und Lehrerinnen beim Klassen-Unterricht in der Botanik auf der untersten Stufe. 8. gell. Preis 50 Pf. ♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Berlin C . 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Nr. 49. w m,\. 3 Nlax Steckelmann,1 BERUN,(^ folgt zunächst dem jedoch bald in das bei der Berührung mit den heissen Felsflächen erwärmt und zum Theil in Dampf verwandelt würde. Allerdings ist es wohl zweifellos, dass die Geyserthätigkeit in hol Grade von der bedeutenden Menge der atmosphärischen Niederschläge abhängt, durch welche gerade das Park- gebiet ausgezeichnet ist, jedoch erscheint es wahrschein- licher, dass die Erwärmung dieser in die Rhyolithdecke eindringenden Atmosphärilien durch überhitzte, aus tiefen Lava-Räumen aufsteigende Dämpfe stattfindet. Der Um- stand, dass die Hauptgeysergebiete des Parkes, das Norris-, Lower-, Midway-, Upper- und Shoshone-Basin, fast genau in einer geraden Linie liegen, deren Richtung mit dem Verlauf des östlichen Bruchrandes der Gallatin-Berge übereinstimmt, scheint dafür zu sprechen, dass unter der Rhyolithdecke hier eine tief hinabgehende Spalte vorhanden ist, welche das Aufsteigen der Dämpfe aus dem Lava- reservoir vermittelt. Da das heisse Wasser der Quellen und Geyser die Fähigkeit besitzt, gewisse Substanzen der Gesteine aufzulösen und die schwerlöslichen Stoffe bei i seiner Verdunstung zu- uni den gros- «AVPÄ Abkühlung, Theil unter Mitwirkung Figur 3. Minerva-Terrasse der Marnmoth Hot Springs. (Nach einer Photographie von Haynes.) Thale des Yellowstone-River, Thal des Gardiner-River ein, biegt auf dessen linkem Ufer nach einiger Zeit die gegenwärtigen und früheren, am Gehänge des Thaies bis zu 701 m über den Wasserspiegel des Flusses sich erhebenden Kalkabsätze der heissen Quellen sichtbar werden. Auf den höchsten Theilen der früher gebildeten Travertin- Terrasse hat sich bereits dichter Föhrenwald angesiedelt, während vereinzelte an dem östlichen Abhänge befindliche Bäume, die in den Bereich des herabrieselnden heissen Wassers gelangten, abstarben und nun in die Kalkaus- scheidungen eingebettet werden. Die innerhalb des Natioualparkes in grossartigster Mannigfaltigkeit auf- tretenden heissen Quellen, Dampfausströmungen, Geyser, Schlammvulkane und Solfataren sind als die letzten Nach- wirkungen jener längst erloschenen vulkanischen Thätigkeit anzusehen, von der uns die gewaltigen Decken der vul- kanischen Gesteine Kunde geben. Von einigen Geolo, zubringen Wunderlande Sinterterrasse. Da Schichten der Jura- belädt sich das hie und zum der von Algen, wieder abzusetzen, so ha- ben sich in Folge dessen mächtige Sinterabsätze ge- bildet , die die heissen Quellen im Nationalpark um- geben. Das mit allem Comfort der besseren amerika- nischen Hotels aus- gestattete Marn- moth Hot Springs Hotel, ein freund- licher dreistöcki- ger Holzbau im schweizer Veran- dastyl mit 300 Fremdenzimmern, in welchem wir die erste Nacht im liegt selbst, auf einer alten einer verhältnissmässig sollten unterhalb der Terrasse kalkhaltige und Kreideformation anstehen, so empordringende heisse Wasser mit Menge von kohlensaurem Kalk, durch dessen Äusscheidun, decke gebildet worden ist, die sich allmählich erhebt. Nachdem wir uns im Hotel die gewaltige Sinter- verschiedenen Stufen durch ein sehr gutes en ist die Ansicht ausgesprochen worden, dass diese Decken von der Zeit ihrer gluthflüssigen Beschaffenheit her, trotz- dem die Eiszeit darüber mächtige Gletscher aufgethürmt hatte, in grösserer Tiefe unter der Erdoberfläche noch eine bedeutende Hitze bewahrt hätten, sodass das auf den Spalten des Gesteins hcrabsickerndc atmosphärische Wasser Mittagsmahl gestärkt hatten, wurden am Nachmittage die Mammoth Hot Springs und die durch dieselben gebildete herrliehe Sinterterrasse besichtigt. Zuerst erregt auf der untersten Terrasse eine isolirte, stumpfconische Säule, das sogenannte „Liberty Cap", die Aufmerksamkeit. Sie hat an ihrer Basis etwa 6 m Durchmesser, ist ungefähr 14 m hoch und besteht aus festem, schalig abgesondertem Kalk- tuff. Die Quelle, welche diesen Zuckerhut abgeschieden hat, ist versiegt und hat sich vielleicht durch die stetige Erhöhung ihrer Quellröhre selbst den Ausfluss verbaut und allmählich völlig verschlossen. Die etwas südlich davon sich erhebenden Stufen sind zum Theil aus schnee- weissem, glänzendem Kalktuff gebildet und bieten einen zauberhaft schönen Anblick dar. Oben auf jeder Stufe finden sich rundliche oder ovale Wasserbecken von 1 — 4 m 204 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 17. Durchmesser, deren crystallklares, dampfendes Wasser eine azurblaue oder grünliche Farbe besitzt. Es sind natürliche Badewannen, wie sie der raftinirteste Luxus nicht schöner zu gestalten vermag. Es ist jedoch nicht gestattet, dieselben zu diesem Zwecke zu benutzen ; nur ein weiter oberhalb und etwas abseit gelegenes Becken mit gut temperirtem Wasser, der Bath Lake, in dem man bequem schwimmen kann, ist hierzu freigegeben. Oben auf dem ausgedehnten Sinterplateau erblickt man grosse, halbkreisförmige Becken, in denen das aus Spalten empor- quellende dampfende Wasser eine Temperatur von 70 bis 74° C. besitzt. (Siehe Figur 2.) Nach den Unter- suchungen von Gooch und Whitfield enthält das Wasser in 1000 Theilen folgende Bestandtheile: CaCL 0,0009 NH4C1 0,0019 LiCl 0,0140 NaCl 0,1903 KCl 0,0976 KBr Spur Na2S04 0,U4S MgS04 0,3645 CaS04 0,1953 Na2B407 0,0326 NaAsO, 0,0041 €aC03 0,6254 A1203 0,0093 SiO., 0,0517 Feste Substanzen .... 1,7315 Freie C02 0,3537 Summa . 2,0852 In prachtvollen Cascaden stürzt sich das Wasser an dem Ostabhange des Sinterplateaus herab , alles mit weissen Kalkabsätzen überziehend. Von besonderer Schönheit sind die Minerva-, Pulpit- und Jupiter-Terrasse. Die erstgenannte stellt Figur 3, die letztere Figur 2 dar. Wenn sich das heisse Wasser beim Herabrieseln mehr und mehr abkühlt, siedeln sich alsbald Pilze u. Algen (Leptothrix, Mastigonema und andere Formen) darin an, die nach den in dieser Zeitschrift (Band VI Nr. 22) eingehend besprochenen Untersuchungen von W. H. Weed sogar eine Temperatur von 74° C. vertragen. In dem sehr heissen Wasser finden sich weisse Formen, die in der Strömung als lange, dicht zusammengehäufte Fäden flottiren, in dem lauwarmen grüne und in dem noch mehr abgekühlten orangegelbe und rothbraune. Die verschiedenen Farbentöne con- trastiren lebhaft mit den schneeweissen Kalkabsätzen. Sehr interessant war ein auf der oberen Terrasse befind- licher schmaler Kalksinterrücken (Narrow Gauge Terrace) von etwa 70 m Länge, der sich längs einer Spalte ge- bildet hat. Obwohl eigentliche Geyser hier nicht vor- kommen, so war doch auf dem Kamme des Rückens eine allerdings nur zwerghafte, jedoch äusserst lebhafte Geyserthätigkeit zu beobachten. Aus zahlreichen kleinen, selten über 3 cm breiten Löchern spritzten unaufhörlich Strahlen von kochendem Wasser und Dampf hervor, sodass der ganze Aufbau einer beständig arbeitenden Dampfmaschine glich. Es gab für uns dort so viel Neues und Interessantes zu sehen, dass wir erst bei eintretender Dunkelheit in unser durch electrisches Licht glänzend er- leuchtetes Hotel zurückkehrten. Am anderen Morgen, den 7. September, theilte sich unsere Reisegesellschaft in zwei Abtheilungen, von denen die eine unter Führung von Mr. Iddings, die andere unter Führung von Mr. Hague und Mr. Weed die Reise in das Geysergebiet antreten sollten. Ich wurde der Gruppe Mr. Hague's zugewiesen, welchem seit einigen Jahren die Leitung der weiteren Erforschung des Parkes von der geologischen Landesuntersuchung in Washington übertragen worden ist. Ich wählte meinen Platz auf dem Bock eines mit dem Kutscher acht Personen beherbergen- den Reisewagens, von wo aus ich während der ganzen Fahrt stets einen freien Ausblick über die Gegend hatte und zugleich die Geschicklichkeit nnseres Rosselenkers bewundern konnte, der uns auf oft sehr schlechten Wegen durch steile Schluchten und an jähen Felsabstürzen vor- über ohne den geringsten Unfall an unser Ziel brachte. Bis zum „Norris Geyser Basin" machten beide Ab- theilungen die Reise zusammen, und unser aus lauter vierspännigen Wagen bestehender Zug, den einige Geo- logen zu Pferde begleiteten, bot ein sehr wechselvolles Bild in der einsamen Landschaft. Wir folgten zunächst dem Thale des Glen Creek, eines rechten Nebenflusses des Gardiner - River , dessen Umgebung leider auf wreite Strecken durch grosse Waldbrände verwüstet worden ist. Diese Brände werden meist durch die Unvorsichtigkeit der im Freien campirenden Vergnügungsreisenden ver- ursacht und man findet daher die überall angeschlagene Aufforderung der Regierung sehr begreiflich, dass man nicht vergessen solle, beim Verlassen der Lagerstätte die Lagerfeuer zu löschen. Das Thal des Glen Creek verengt sich aufwärts mehr und mehr zu einer caüonartigen Schlucht, an deren Ende ein schöner Wasserfall niederbraust. Nachdem wir den Gardiner-River überschritten hatten, wurde zunächst beim Obsidian Cliff am Beaver Lake Halt gemacht, um die in 30 — 40 m langen Säulen abgesonderte Decke von schwarzem, glasigem Obsidian zu besichtigen, welche in steilen Wänden unmittelbar zur Linken des Weges auf- geschlossen ist. Von Mr. Iddings ist dieses Obsidian Cliff eingehend beschrieben worden; er hat sehr interessante sphaerolithische Entglasungserscheinungen darin nach- gewiesen. Der Beaver Lake ist dadurch entstanden, dass die Biber durch ihre Bauten einen kleinen Bach aufgestaut haben. Wir sahen jedoch keins von diesen scheuen Thieren und ebensowenig bekamen wir von der übrigen den Park bewohnenden Thierwelt, die sich eben- falls des staatlichen Schutzes erfreut, viel zu Gesicht. Der Grizzlybär (Ursus horribilis) haust in den entlegensten Felsschluchten. Zwei junge Exemplare, von der Grösse eines Pudels, sahen wir bei der Wohnung des die Auf- sicht über den Park führenden Militär-Commandanten in Mammoth Hot Springs. Sie lagen an Ketten und er- götzten uns durch ihre drolligen Purzelbäume. Die Zahl der gegenwärtig im Park vorhandenen Wapitis oder Elks (Cervus canadensis) wird auf 25 000, die der Büffel (Bos americanus) auf 300— 400 Stück geschätzt. Das Elenthier (Cervus alces), das Bergschaf i Ovis montana) und die Gabclgemse (Antilocapra anieiicana) gehören zu den seltenen Erscheinungen. Sehr häufig sahen wir auf unserer Fahrt die kleinen längsgestreiften amerikanischen Eichhörnchen (Tamias) über die umgestürzten Baum- stämme des Urwaldes huschen, während vom Rande der Seen, durch den Peitschenknall unseres Kutschers auf- gescheucht, sich eine Sehaar Wasservögel oder ein ein- samer Reiher erhob. Die Waldflora ist eine sehr eintönige. Der Haupt- sache nach ist es fast nur eine einzige Kiefernart (Pinus Murrayana), die den Hauptbestand des dortigen Waldes bildet. Dazu gesellen sich am Canon des Yellowstone und am Yellowstone Lake eine der vorigen verwandte Art (Pinus flexilis) und vereinzelte Tannen. Wo der Wald fehlt, sind die Flächen meist von dem dichten Ge- strüpp des graublättrigen Sagebrush (Artemisia tridentatai bedeckt. Obwohl die Gegend von gewaltigen Bergkuppen umgeben ist, von denen sich Mouut Holmes und Electric Nr. 17. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. •?i i? beiBesltllunginAbpeclinunggebrachl'.s,, Empfehlens werth : „Columbns"-Camera mit Stativ und vollständigem Laboratorium (9/12 cm „Westendorp & Webner"- Platten etc.) in guter Aus- fuhrung. Preis Mk. 30,—! Besprochen in der „Naturw. Wochenschr." Bd. VIII. Nr. 49. Gut bestimmte Herbarien deutscher Pflanzen zum Preise von 20 bis 100 Bark und eine geologische Sammlung. enthaltend Handstücke und Petrefacten aus allen Formationen, zum Preise von 150 Mark sind zu haben durch Vermittelung der Re- daction der Naturw. Wochenschr. PÄTllWiMax Mylius, „£. i—— ———••—— — ________ IThPnflnrnviP % P«p- HemPel's Klassiker-Ausgaben. ■■■■ 1 11ÜUUUI U 1 11. Oi Li Ausführt. Speeialverzeichnisse gratis. B^™7' Ferd- DümmlersVerlagsbuchnandl, in Uli. n Landern durch Itl.ltLIX KW. Thurmstr. 14. Seit 1887 über 11000 Patente. atent-technisches und Verwerthung-Bureau Betche. 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Postzeitungsliste Nr. 4575. JL Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 <&. Grössere Aufträge e>rff\ ^ \ sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenann^tmie bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger ifcnelleiiaiigabe gestattet. Der 4. naturwissenschaftliche Ferienkursus für Lehrer an höheren Schulen. , Abgehalten in Berlin vom 28. März bis zum 7. April gehaltenen Vorlesungen manche Gebiete kurze und bündige Uebersichteu ge- l'.ci der Bedeutung des „naturw. Ferienkursus für Lehrer an höheren Schulen" und dem Aufschwung-, welchen derselbe in der kurzen Zeit seit seiner Einrichtung genommen hat, wollen wir im Nachfolgenden, um einmal weiteren Kreisen eine Vorstellung- von demselben zu bieten, einen Abriss über den Verlauf des diesjährigen Kursus geben, umsomehr, als die Referate der über währen und daher auch von allgemeinstem Interesse sind. An dem Kursus nahmen Theil die Herren: Oberlehrer Bärthel (von der IV. Real-Schule in Berlin), wiss. Hülfs- lehrer Blankenburg, (Real-Gymnas. hi Frankfurt a. 0.), Prof. Borth (R.-G., Elbing), wiss. Hülfsl. Bühring (Gym- nasium, Wernigerode), Prof. Cords (G., Culm), Ober- Lehrer Dr. Danker (G., Stargard i. P.), O.-L. Dr. Door- mann (G., Brieg), O.-L. Fischer (V. R.-S., Berlin), O.-L. Friedrich (G., Anklam), O.-L. Dr. Fritseh (G., Oste- rode i. O.-Pr.), O.-L. Dr. Gercken (R.-G., Perleberg), O.-L. Grawe (G., Heiligenstadt), O.-L. Dr. Greve (R.-G., Itzehoe), Director Grott (R.-G.. Graudenz), O.-L. Günther (Fr. Wilh.-G., Berlin), O.-L. Dr. Heine (G., Ostrowo), O.-L. Dr. He nn ig er (R.-G., Charlottenburg), Ob. -Lehrer Dr. Hentig (Königst. R.-G., Berlin), Prof. Dr. Jahn (G., Dramburg), O.-L. Dr. Küsel (R.-S., Ottensen), O.-L. Dr. Lakowitz (G., Danzig), O.-L. Dr. Lange (Sophien- schule, Berlin), O.-L. Langer (G., Schneideinühl), O.-L. Dr. Lehmann (R.-G. Altana), O.-L. Marquardt (R.-Prog., Wollin i. P.), O.-L. Dr. Petzoldt (G., .Spandau), O.-L. Ratsch (G., Posen), O.-L. Robel (Luisenst. R.-G., Berlin), O.-L. Weber (G., Cottbus), O.-L. Wehle (Wilhelms-G., Berlin). Die Eröffnung wurde im Dorothecnstädtischen Real- Gymnasium vollzogen. Das Wort nahm zuerst zur An- sprachc der Director des Doroth. R.-G. Pr< der abwechselnd mit dem Director des Dr. Schwalbe, Köniarstädt. Rcal- Gymnasiums Dr. Vogel mit der Eröffnung betraut ist, während beide Herren zusammen die Vorsehläge für die Ein- richtung des Kursus dem Minister zu unterbreiten haben. Der Eröffnung wohut.cn bei Seine Exccllenz der Minister der Geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheitcn Dr. Bosse und der Wirkliche Geheime Ober-Regierungs- Rath und vortragende Rath Dr. Stauder. Seine Excellenz ergriff selbst das Wort zur Begrüssung und drückte seine Freude über den gedeihlichen Aufschwung des Unter- nehmens aus, das er auch künftig gern zu fördern bereit sei. Vielleicht werde es später möglich sein, dass der Staat grössere Geldmittel zur Verfügung stelle, so dass die Theilnehmcr nicht mehr so grosse Opfer, wie bisher, zu bringen hätten. Seine Excellenz hörte auch den ersten Vortrag mit an, welchen Professor Dr. Schwalbe über die Methodik des physikalischen Unterrichtes hielt. In dem- selben gab der Vortragende einen Ueberblick über die geschichtliche Entwickclung der Methodik mit besonderer Berücksichtigung der in Amerika eingeschlagenen Wege, sowie der in den letzten Jahren gemachten Vorschläge für die Gestaltung dieses Unterrichtes und legte dabei die betreffenden Schriften zur Ansicht vor. Nachdem als Prinzip für die Methode die Induction als Hauptbasis erörtert war, die vom Experiment ausgebt. wurden einige Einzelfragen des Unterrichts näher erörtert, da eine vollständige Darlegung der ganzen Methodik bei der kurzen Zeit nicht möglich war. Von diesen in sich abgegrenzten Fragen wurden dargelegt die Stellung der Nomenklatur und Terminologie sowie die Methoden, die Fremdwörter zu erklären, Gebrauch und Berücksichtigung der physikalischen Constanten (mit Beispielen), die An knüpfung einzelner Erscheinungen und Gesetze und an- derer Wissenschaften au die im physikalischen Unterricht gegebenen Darlegungen und Experimente (mit Beispielen aus der Geologie), die Beziehungen des Unterrichts zum Leben, Berücksichtigung der Technologie und Einrichtung 218 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 18. technischer Excursionen ; hieran schloss sich ein Ueber- blick über den Gang der praktischen physikalischen Ar- beiten der Schüler, wie er am Doroth. Realg. eingeführt ist, mit Angabe des Pensums für die einzelnen Classen- stufen. Auf die StoflVertheilung und den abschliessenden Unterricht in der Untersecunda konnte nur kurz ein- gegangen werden. Eine unsystematische Auswahl des Stoffes und zu schwierige Abschnitte, die von den Schülern nicht verstanden werden können, sind zu ver- meiden. Auch die Lehrbuchfrage wurde kurz berührt; näher begründet wird, weshalb es für 9classige Anstalten nicht zweckmässig ist, zwei verschiedene Lehrbücher oder zwei verschiedene Stufen desselben Lehrbuchs einzuführen. In der dritten Vorlesung wurde nach Hindeutung auf die Auf- stellung von Standard-Experimenten, auf die Zusammen- stellung von Gruppen-Experimenten, auf die Benutzung litterarischer Quellen für neue Experimente, Repetitions- experimente u. a. m. näher eingegangen, auf Zusammen- stellung von Experimenten aus verschiedenen Abschnitten der Physik, die sich einem Apparate anschliessen; es wurde diese Methode unter Vorführung einiger der be- treffenden Experimente erläutert, indem die vielfache Verwendung compriniirter Gase (Kohlensäure, Sauerstoff) die im Handel leicht zu haben sind, als Ausgangspunkt benutzt wurde; vorgeführt wurden die verschiedenen elek- trischen und calorischen Experimente mit der flüssigen Kohlensäure. Nach kurzem Ueberblick über die der Zeit wegen nicht durchgeführten Darlegungen wurde noch auf einige Apparate, die unmittelbar aus dem Unterricht hervor- gegangen sind, hingewiesen. Professor Dr. H. Virchow las im Hörsaale für Kunst- anatomie des I.anatom. Institutes: Ueber Knochensystem und Muskelsystem mit Berücksichtigung der Be- wegungsfragen. Als Fortsetzung dieses Vortrages hat für das nächste Jahr Geh.-R. Professor Dr. Waldeyer eine Vorlesung über Gehirn und Nerven in Aussicht gestellt. Die Vorträge waren mit umfassenden Demonstrationen von Muskeln- und Knochcnprüparaten verbunden. An der mit ausserordentlicher Sorgfalt frisch präparirten Leiche eines jungen, kräftig entwickelten Mannes wurden der Reihe nach der Rücken, die Brust, der Unterleib, die Beine und die Arme nach dem Bau ihrer Knochen, Gelenke und Muskeln eingehend erörtert. (Gerade dass der menschliche Körper selbst und nicht bloss Präparate und Abbildungen vorgefühlt wurden, erregte das lebhafteste Interesse der Zuhörer. Besonders erfreulich war es, dass Professor Virchow einmal auf die Punkte genauer einging, welche für den Unterricht sowie für das Turnen und die hygienischen Fragen von Bedeutung sind, sodann, dass er auch die ästhetischen Probleme, welche der menschliche Körper in Haltung, Aufbau und Bewegung darbietet, soweit es die Kürze der Zeit gestattete, behandelte oder doch wenigstens streifte. Dabei wurden zahlreiche Photographien abnormer Erscheinungen vorgezeigt. Bei der Erörterung der Wirbelsäule wies der Vortragende z. B. auf das ausser- ordentliche Biegungsvermögen der Schlangenmenschen hin. In ähnlicher Weise ging er bei der Besprechung armlos geborener Menschen auf die Entwickelung des Fusses ein, um das Wesen der Greifthätigkeit desselben darzulegen. Besonders genau erörterte der Vortragende die wichtigsten Gelenkverbindungen. Stets wies er in dankenswerther Weise auf die Wichtigkeit einer richtigen Körperhaltung hin. Insbesondere legte er z. B. dar, wie nothwendig es sei, die häufig vernachlässigten Bauchmuskeln kräftig zu entwickeln und welche turnerischen Bewegungen dieser Aufgabe förderlich seien, deren Missachtung eine mangel- hafte Blutbilduug und Blutvertheilung herbeiführe. Der ganze lebendige und anregende Vortrag fesselte die Hörer während seiner ganzen Dauer ungemein. Es wäre zu wünschen, dass Professor Virchow zur Drucklegung des- selben sich entschliessen möchte. Professor Dr. F. Wahnschaffe sprach in einer zwei- stündigen Vorlesung über die Entstehung des nord- deutschen Flachlandes. Als Einleitung gab er eine Uebersicht über die älteren Theorien, welche sich mit dieser Entstehung beschäftigt haben und zeigte darauf, dass heutzutage unsere diluvialen Bildungen nur durch die ToreH'sche Inlandeistheorie erklärt werden können.*) Als Beweise für dieselbe sind in erster Linie die Glacial- schrammen auf anstehendem Gestein zu nennen, welche sich besonders zahlreich auf Felskuppen im Randgebiete des Diluviums, z. B. im Königreich Sachsen, finden, aber auch in nördlicheren Gegenden, so bei Rüdersdorf östl. von Berlin, bei Osnabrück in Hannover, bei Vclpke in Braunschweig, bei Gommern unweit Magdeburg, und bei Magdeburg selbst, sowie in Schlesien und Posen nach- gewiesen wurden. Aber auch die Diluvialbildungen selbst weisen ein wichtiges Glied auf, den Geschiebemergel, welcher wegen seiner Moräncnstructur nur als Absatz des Inlandeises aufgefasst werden kann. Er führt in einer lehmig-sandigen, kalkhaltigen Grundinasse geschrammte und geglättete Geschiebe skandinavisch-baltischen Ur- sprungs, welche regellos in ihm verlhcilt sind. Dazu kommen die geklotzten einheimischen Geschiebe, welche erst in Norddeutschland der Grundmoräne des Inlandeises einverleibt wurden. Diese Grundmoräne wurde durch den gewaltigen Druck des Eises mitgeschleppt, über freiliegende Fclsflächen geschoben, die dadurch abgehobelt, geglättet und geschrammt wurden, und in weiche Schichten hinein- gewalzt. Solche Schichtenstörungen sind im Untergrunde des Geschiebelehms oder -mcrgels besonders häufig. So- dann sind als wichtiger Beweis für die ehemalige Ver- gletseherung Norddeutschlands die Endmoränen zu nennen, welche sich in schönster Ausbildung in Mecklenburg, der Uckermark**), der Neumark und Pommern finden und mehr oder minder zusammenhängende, bogenartig verlaufende Wälle und Hügel darstellen, die aus Geschiebepackungen, Grundmoränenmaterial oder aufgepressten geschichteten Absätzen bestehen und in letzterem Falle die Staumoränen Schröders bilden. In der zweiten Vorlesung behandelte der Vortragende die Gliederung der Glacialbildungen, sowie den Charakter, den sie der Oberfläche Norddeutch- lands aufgeprägt haben. Nach dem gegenwärtigen Staude der Forschungen wird die Glacialzeit Norddeutsch- lands in zwei grosse Perioden eingethcilt, die I. und II. Vereisung mit einer voraufgehenden Prä-, einer sich ein- schiebenden Inter-, und einer nachfolgenden Postglacial- zeit. In der Präglacialzeit kündigte sich das aus Skandinavien heranrückende Inlandeis bereits durch ge- schichtete Absätze an, welche durch die Gletschcrwasser aus der Grundmoräne ausgespült und direet über dein Tertiär abgesetzt wurden. Diese Präglacialbildungen sind zum Tlicil durch eine Fauna und Flora charakteri- sirt, welche entweder durch Bohrungen oder durch Auf- schlüsse bekannt geworden ist. In Berlin und seiner näheren Umgebung ist an 8 bis 9 verschiedenen Punkten eine Paludinenbank erbohrt, die, wie zuerst Berendt nach- wies, als sicher präglacial angesehen werden muss. Sie enthält in ungeheurer Menge Schalen der in Norddeutsch- land jetzt ausgestorbenen Paludina diluviana Kunth, welche als Leitfossil des untersten Diluviums betrachtet werden kann; ferner Lithoglyphus natieoides, eine kleine Deckelschnecke, welche erst in jüngster Zeit in die Mark Brandenburg wieder eingewandert ist und eine Reihe an- derer Conchylien, im Ganzen 12 Specics. Unter dieser *) Vgl. „Naturw. Woehenseh." II. N<> I. **) Vgl ebendaselbst. II. Nu. 17. Nr. 18. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 219 Paludincnhank ist bisher niemals Geschiebemergel, sondern ineist in verhältnissmässig geringer Tiefe Tertiär erbohrt worden. Sodann sind hierher zu rechnen Keilhack's Süss- wasserkalke von Beizig mit einer reichhaltigen, unserer jetzigen sehr ähnlichen Flora und Fauna (Cervus elaphus- canadensis, C. dama, C. alces, C. capreolus, Bos), die Süsswasserkalke von Hannover, welche jedoch Laufer nur als „diluvial" bezeichnet hat, und die Conchylieu- und Dia- tomeenschichten hei Nennhausen in der Rathenower Ge- gend. Alle diese Funde beweisen, dass Norddeutschland zur Präglacialzeif kein Meeresboden war, wie die Lyell'sche Drifttheorie vorausgesetzt hat, sondern dass sich die Ab- sätze der Eiszeit ganz unzweifelhaft auf einem von Süss- wasserseen und Flüssen durchzogenen Festlande ablagerten. Präglacialc marine Bildungen sind bisher nur in der Nähe der Nord- und Ostseeküsten bekannt geworden, z. B. in Schleswig durch Gotische, in Westpreussen durch Jentzsch, wo tue hocharetische FormYoldia aretia aufgefunden wurde. Das untere und obere Diluvium werden an einigen Punkten durch fossilführende Schichten getrennt, welche die Annahme einer Interglacialzeit erforderlich machen. Das am längsten bekannte und sicherste Profil dieser Art ist das Rixdorfer bei Berlin, in welchem zwischen mäch- tigem Filteren und Oberen Geschiebemergel, den Moränen der I. und II. Vereisung, grobe Grande mit einer sehr interessanten Fauna (Elephas primigenius, Rhinoceros tichorrhinus, Cervus euryceros, Cervus tarandus, Bos primi- genius, Ovibos fossilis u. s. w.) auftreten. In demselben Niveau sind auch in der weiteren Umgebung Berlins so- wie in Posen und Ostpreusscn ähnliche Funde gemacht worden. Ferner sind hier die Holsteiner Torfe Weber's zu nennen, das Lauenburger Torflager, auf Grund eines jüngst durch Keilhack gemachten Fundes von Cratopleura und der durch Nehring bekannt gewordene Klinger Torf hei Cottbus. In den Küstengebieten treten auch in diesem Niveau wieder marine Ablagerungen auf, in Schleswig, Mecklenburg, West- und Ostpreusscn, doch findet sich in den Diatomeenschichten zuweilen Wechsellagerung von marinen und Süsswasserformcn. Der spätglaciale Löss enthält nach Nehring eine subaretische und eine Steppen- fauna. Was die Oberflächenformen Norddeutschlands*) be- trifft, so sind in dieser Hinsicht von besonderem Interesse der baltische Höhenrücken mit seiner abwechslungsreichen Grund- und Endmoränenlandschaft und den durch sie be- dingten Seen sowie die grossen Thalzüge der Diluvial- hauptströme. Der Vortragende verwies zum Schluss auf sein in den „Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde" erschienenes Buch „Die Ursachen der Ober- flächengestaltung des norddeutschen Flachlandes" (Stutt- gart, Engelhorn, 1891)**), da viele wichtige Punkte der allzu knapp bemessenen Zeit wegen nur gestreift werden konnten. Dr. Sczymanski führte Versuche aus den Ge- bieten der Optik, Elektricität, des Magnetismus, der Mechanik und Akustik vor. — In der Optik wurden die Gesetze der Reflexion und Brechung dargestellt durch Milchglasscheiben, auf denen die Spiegel, Prismen und Linsen befestigt waren, sodass man auf dem Glase zu gleicher Zeit den eintretenden, reflektirten und gebrochnen Lichtstrahl erkennen konnte. Um den Verlauf der Strahlen im Wasser weithin sichtbar zu machen, war dasselbe mit Eosin gefärbt, was den Verlauf der Strahlen in einer Schusterkugel sehr deutlich erkennen Hess. Dass die Brechung beim Uebergang eines Lichtstrahls von einem dichteren in ein dünneres Medium entgegengesetzt der- jenigen beim Uebergang von einem dünneren in ein dichteres Medium ist, wurde mittelst einer biconvexen, *) Vgl. Naturw. Wochensdir.« VII. No. 30. **) Vgl. ebendaselbst VII. Nu. 27. im Innern mit Luft gefüllten Glaslinse gezeigt, im Wasser wirkte sie nämlich als Zerstreuungslinse, während eine biconcare, im Innern mit Luft gefüllte Glaslinse im Wasser als Sammellinse wirkte. Die Zusammensetzung des weissen Lichts aus farbigem wurde mittelst einer rotirenden Scheibe gezeigt, die an ihrer Peripherie in gewissen Abständen kreisrunde, mit Gelatinepapier überklebte Ausschnitte hatte. l>ie Herstellung- eines sehr reinen Spectrums wurde erzielt, indem die von der Lichtquelle kommenden Strahlen durch biconvexe Linsen genau parallel gemacht wurden. Ein höchst einfacher Polarisationsapparat wird erhalten durch zwei unter sich parallele, zum Horizont unter 35° geneigte Spiegel, welche in einer Hülle so ein- geschlossen sind, dass Lichtstrahlen von aussen her nur den einen Spiegel treffen können, von diesem zum anderen reflectirt werden und durch Reflexion an diesem polarisirt werden. Ferner wurde die Polarisation des Lichts zu veranschaulichen gesucht, indem eine Schnur mittelst einer Kurbel nach allen Richtungen hin in Schwingungen versetzt wurde, was den Schwingungen eines gewöhnlichen Lichtstrahls entspricht; dann wurde die Schnur durch ein zu diesem Zwecke construirtes Gestell gezogen, das der Schnur nur gestattete, nach zwei auf einander senkrechten Richtungen zu schwingen, was also den Schwingungen des polarisirten Lichts entspricht. Die Versuche aus dem Gebiet des Magnetismus zeigten, wie man die Grösse der magnetischen Wirkung direct durch die gewöhnliche Wage messen kann, und dass die Wirkung eines Magneten auf einen anderen nicht geradlinig vor sich geht. Hierauf wurde zur Darstellung- der Kraftlinien übergegangen und die verschiedensten Formen derselben mittelst auf Papier gestreuter Eisen- feilspähne gezeigt. Auch wurde gezeigt, wie durch das Schneiden solcher Kraftlinien Ströme entstehen, deren Intensität abhängig ist von der Zahl der sich schneidenden Kraftlinien und deren Richtung- bestimmt wird durch die Fleming-'sehe Dreifingerregel. Im Anschluss hieran folgten einige Hinweise auf die Construction von Dynamomaschinen zur Erzeugung von Strömen. Von den Versuchen aus der Akustik sind diejenigen mit Flammen zu erwähnen, die dadurch besonders sensibel gemacht waren, dass das Gas über einem vor die Mündung des Glasrohrs gebrachten Drahtnetze angezündet wurde. Mit Hülfe dieser sensiblen Flammen wurde gezeigt, dass feste Körper den Schall besser leiten als die Luft. Ferner wurde die Construction eines Ventils gezeigt, das, mit einem Manometer in Verbindung gebracht, die aufeinander- folgenden Verdichtungen und Verdiinnungen bei lougitudi- nalen Wellen zeigt. In Bezug auf die Mechanik wurde ein Apparat ge- zeigt, der in besonders iustruetiver Weise die Wirkung der Kräfte und besonders auch der Kräftepaare ver- anschaulicht. Viele dieser sehr zweckmässigen Theil- versuche, von denen nur einige mitgetheilt sind, finden sich beschrieben in Poske's Zeitschrift für den physi- kalischen und chemischen Unterricht. Dr. Rubens sprach über einige neuere Ver- suche auf elektrodynamischem Gebiet. — Die Vor- träge sonderten sich in einen vorbereitenden Theil, welcher die Hauptsätze aus der electroniagnetischen Lichttheorie wenigstens andeutungsweise brachte, und einen practischen Theil, welcher die wichtigsten Experimente, die dieser Theorie zur Stütze dienen, vorführte. In der theoretischen Einleitung wurde darauf hin- gewiesen, wie seit Newton die Wirkung- der Fernkräfte in der Physik der Erklärung vieler Erscheinungen zu Grunde gelegt wurde, so wenig sie auch den mensch- lichen Geist befriedigt. Erst Faraday war es, der die Fernkräfte wenigstens für einen Theil dieser Wissenschaft, 220 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. Nr. 18. die Electricität, durch unmittelbare zu ersetzen übernahm, indem er seine Kraftlinien aufstellte. Maxwell hat diese Ideen Faraday's mathematisch durchgeführt, Hertz sie durch Experimente zur Geltung gebracht. Von den bekannteren Beziehungen zwischen Elec- tricität und Optik bietet sieh zunächst die dar, dass der Quotient aus electrostatischem und electromagnetischem Maasssystem eine Geschwindigkeit ist und dass diese nahezu mit der Lichtgeschwindigkeit übereinstimmt. Es wurde kurz die Ableitung dafür gegeben, dass dies die Geschwindigkeit ist, mit welcher 2 eleetriseh geladene Leiter parallel an einander hinbewegt werden müssen, wenn weder Anziehung noch Abstossung stattfinden soll. Hieraus wurde sodann die ebenfalls schon bekannte Be- ziehung zwischen Dielectricitätseonstante und Brechungs- exponent entwickelt. Diese Beziehung, die sich also mathematisch ableiten lässt, war bei einer Reihe von Substanzen bestätigt, bei einer andern Reihe aber so wenig mit den Thatsachen in Uebereinstininiung gefunden, dass sie ebenso gut für wie gegen die Theorie ins Feld geführt werden konnte. Drittens wurde noch kurz eine Theorie der oscillirenden Entladungen, wie man dieselben jetzt deutet, gegeben und zwar für den einfachsten Fall, dass der geladene Körper eine Kugel ist, die nur Capa- eität (keine Selbstinduction) hat, und der Entladungsdraht nur .Selbstinduction, keine Capacität besitzt. Dann folgte der praktische Theil, welcher mit dem bekannten Hertz'schen Fundainentalversueh begann: Die oscillirenden Entladungen eines primären Leiters erzeugen in einem aus 2 parallel neben einander laufenden Drähten, von passender Länge bestehenden seeundären Leiter, dem electrischcn Resonator, stehende Schwingungen. Der Ver- such war hier so abgeändert, dass an Stelle der sonst bei den Schwingungen des Resonators zum Leuchten gebrachten Geissler'scheu Röhre (nach Leehner) ein sehr empfindliches Bolometer benutzt wurde, dessen Einrichtung auseinanderge- setzt wurde (nach Rubens). Es wurde ferner gezeigt, wie der Resonator als Ganzes und in Bruehtheilen f1 /-,, l/s u- s- w-) zum Schwingen gebracht werden kann, dass Knoten und Bäuche wie bei schwingenden Seiten vertheilt sind. Dass eigentlich nicht die Drahtleitung, sondern das Hingebende Medium die Störungen fortpflanzt, wurde an einem weiteren Versuche gezeigt, bei welchem die Drähte theilweise durch eine Petroleumwanne geleitet waren. An dem Experiment wurde zugleich praktisch die Be- rechnung der Dielectricitätseonstante resp. der Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der electrischen Störungen im Petroleum durchgeführt. Die Abweichung in der Be- ziehung zum Brechungsexponenten des Lichtes, die manche Stoffe bieten, findet ihre Erklärung darin, dass dieselben im ultrarotheu Spectrum anomale Dispersion besitzen. In der letzten Vorlesung wurden die Erscheinungen der Reflexion der electrischen Wellen vermittelst zweier einander gegenüber gestellten parabolischen Cylinder ge- zeigt. Das Experiment zeigte, dass Metalle und andere eleetrische Leiter, z. B. der menschliche Körper, den Wellen den Durchgang wehreu, dass sie also gleichsam den undurchsichtigen Körpern der Optik entsprechen, während die Isolatoren (Steinwand, Holz, Pech u. s. w. | sich wie die durchsichtigen Körper verhalten. Auch mehrfache Spiegelung konnte gezeigt werden. Ein Ver- such mit einem Gitter aus parallel gespannten Metall- drähten ergab, dass dasselbe sich verhielt, wie eine zu- sammenhängende Platte, wenn die Drähte parallel der (Funkenstrecke) Brennlinie der Parabel verliefen, dass es die Wellen ungehindert durchgehen Hess, wenn die Drähte senkrecht zur Brennlinie standen. Um Erscheinungen ähnlich der Polarisation des Lichtes beobachten zu können, musste man sein Streben darauf richten, kürzere eleetrische Wellen zu erhalten. Von Hunderten von Metern bis auf Wellen von 2 oder 3 m Länge war man bald gekommen, hier begannen die Schwierigkeiten. Es wurde die Methode gezeigt, mit der Righi in Bologna Wellen von 5 cm erzielt hatte, sodann der von Avons und Rubens construirte Apparat, welcher Wellen von nur 12 mm Länge zu erzeugen gestattete. immerhin alter noch sehr lange Wellen, wenn man be- denkt, dass die kürzesten im ultravioletten Spectrum 0,1 ," und die längsten mit dem Bolometer gemessenen im ultraroten Theil nur 8 << betragen. Die Benutzung dieser kürzesten electrischen Wellen und ihre Untersuchung mit einem feinen Drahtgitter hat schon eine schöne Frucht der neuen Theorie gezeitigt, nämlich die Entscheidung des alten Streites zwischen Frcsnel und Neumann: Das Licht schwingt parallel der Polarisationslichtung. Mit einem Ausblick auf die weiteren Auskünfte, welche die Theorie uns verspricht, über die Natur des Aethers, das Wesen der Krystallc u. s. w. schloss die Vorlesung. Dr. Lüpke besprach ausgewählte Capitel aus der Theorie und Praxis der Eleetrochemie. — Im ersten Theil wurde die moderne Theorie der Strom- bildung erörtert. Hierzu war es zunächst erforderlich, eine grössere Anzahl electrolytischer Proeesse vorzuführen, das Faraday'sche (leset/, und die Theorie der Eleetrolyse nach Heimholt/, zu entwickeln und ferner die Ergebnisse der Hit- torf'schen Forschungen, sowie die Kohlrausclf sehen Gesetze über die Leitfähigkeit der Elcetrolvte zu erläutern. Diese führten zur Theorie der electrolytisehen Dissociation der Jonen von Swante Arrhenius, die andrerseits durch die van't Hoff'sche Theorie der Lösungen gestützt ist. Nun- mehr folgte die Theorie der Concentrationsketten von Nemst. Ihr schloss sich die Theorie der constanten reversiblen und nicht reversiblen Ketten an. Auch das Capitel der Accumulatoren wurde kurz berührt, und das Verfahren, dieselben mit Telegraphen-Elementen zu laden, für die Schule empfohlen. Im zweiten Theil wurde eine kurze Uebersieht über die Verwendung des electrischen Stromes im Gebiete der chemischen Technologie gegeben. Die Vorlesung des Dr. II. Potonie in der König]. Berg - Akademie behandelte „Die Haupttypen der fossilen Pflanzen, ihre wesentlichen botanischen Eigentümlichkeiten und ihre Bedeutung als Leit- fossilien." — Unterstützt wurde dieselbe durch ein reiches Demonstrationsmaterial von Fossilien, recenten Pflanzen und Tafeln. Es wurde zunächst die Erhaltungsweise der fossilen Pflanzen-Reste und Spuren an besonders in- struetiven Beispielen demonstrirt, sodann wurde die re- lative Häufigkeit der pflanzliehen Reste in den einzelnen Formationen tabellarisch zur Anschauung gebracht und das Verhalten der Hauptabteilungen des Pflanzenreiches während der früheren Erdepochen und in der Jetztwelt besprochen und graphisch dargestellt. Von grösster Wichtigkeit sind die pflanzlichen Reste für die geologische Gliederung des Carbons, dessen Einthcilung sich über- haupt nur auf jene stützt. Bei der Besprechung der Haupttypen der fossilen Flora ging der Vortragende be- sonders auf ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu Formen der Gegenwart ein und wies darauf hin, wie das ganze Verhalten der Pflanzenwelt während der un- endlich langen Zeit ihrer Entwiekelung eine Bestätigung der Descendeuz-Theorie bilde, und in wie inniger Be- ziehung die biologischen und morphologischen Er- scheinungen jener zu den klimatischen Verhältnissen während ihrer Lebensdauer standen, so dass man sogar, analog den heutigen Erfahrungen aus ersterem Schlüsse Nr. 18. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 22 1 auf letztere zu ziehen berechtigt ist. Die in der „Naturw. Woehenschr. a (VIII. S. 513) erwähnte Beziehung der Blattformen fossiler Pflanzen zu den Niederschlägen wurde als Beispiel hierfür erwähnt. Hei der Besprechung der Stigmarien, der unterirdischen Stammtheile der Sigillarien und Lepidodendren streifte der Vortragende auch die Frage über die Autochthonie der Carbonpflanzen, die ebenfalls in der „Natarw. Woehenschr." (VIII. S. 312). besprochen wird. — Es kann sich hier nicht darum handeln, ein vollständiges Referat des Vorgebrachten zu geben. Wir erwähnen nur noch die Besprechung der Relicte, von denen namentlich die Sigillaria oculina Blankeuhorn aus dem Buntsandstein als Relict ihrer leiodermen Verwandten aus dem oberen Carbon und dem Rothliegenden Erwähnuni;' fand, und des Folliculites carinatus (Nehriug) Pot. aus dem interglacialen Torflager von Klinge bei Cottbus, der bei seiner nahen Verwandtschaft mit Folliculites Wehsten (Brongn. pro var.) Pot. aus dem Mitteltertiär ein sehr interessantes ausgestorbenes Relict dieser älteren Pflanze vorstellt und dadurch das Klinger Torflager zu einem alt-diluvialen stempelt.*) Der Director des Königstädtischen Realgymnasiums Dr. Vogel hatte die Theilnehmer zu dem Besuch seiner Anstalt eingeladen. Er sprach über die Beschaffung des botanischen und zoologischen Anschauungs- materials und führte den Theilnehmern in einer kleinen in der Aula veranstalteten Ausstellung von Lehrmitteln ein vorzügliches Material beider Diseiplinen vor. An der Ausstellung hatte sich auch die Linnaea betheiligt; die- selbe hatte insbesondere eine grosse Zahl ihrer trefflichen Metamorphosen, ferner Skelette, Modelle und einige ausge- stopfte Thiere sowie Spiritus-Präparate ausgestellt. An den Wänden der Aula waren die wichtigsten Abbildungswerke durch aufgehängte Tafeln vertreten (z. B. Dodcl - Port, Leuckhardt und Nitzsche, Zippel und Bollmann, Fiedler, Lcuteniann, Schreiber, die neuen Wandtafeln von Jung u. s. f.). Auf den Tischen lagen andere Werke in Mappen zur Ansicht aus. Den Glanzpunkt der zur Besichtigung gebotenen Gegenstände bildete aber eine Sammlung durch die Schüler verfertigter Lehrmittel, bestehend hauptsächlich in Pflanzenanalysen, Familientafeln und Insectenkästen. Bei den botanischen Präparaten sind die einzelnen Theile, resp. Pflanzen mit der grössten Sorgfalt gepresst, auf Carton befestigt und unter Glas gebracht. Die ganze Aus- führung ist eine so saubere und zweckentsprechende, dass diese Arbeiten eine Zierde jeder Sammlung bilden. Von den wichtigsten Inseetenformen sind so viele Präparate hergestellt, dass bei dem Unterrichte auf je zwei Schüler eins kommt. Welche Hülfe derartige Lehrmittel dem Unterricht gewähren, bedarf wohl keiner weiteren Erör- terung. Besichtigt wurden ferner für Unterrichtszwecke eingerichtete Sammlungen von Kolonialproducten, Hölzern, Nestern, Eiern u. s. f. In der Treppenhalle wurde das *) Vgl. „Naturw. Woehenschr." VIII. S. 395. Hier und in meiner Monographie der beiden genannten Arten (Neues Jahrb. f. Mineralogie etc. Stuttgart ISO:! Bd. II. S. 8G ff.) habe ich die tertiäre Art F. Kaltennordheimensis Zenker genannt, während ich früher (Sitzungsber. der Ges. naturf. Fr. zu Berlin 1892 S. 19:) ff.) ganz richtig den obigen Namen gebraucht habe. Clement Rcid hätte nämlich nach Erscheinen meiner letzt ci Urten Arbeit auf Grund einer Untersuchung der tertiären Art von dem Original- Fundpunkt Brongniart's (Insel Wight) behauptet, dass diese Früchte durch den nur ganz kurzen, die Putamen-Wandung direct durch: brechenden Leitbündel canal von den von mir untersuchten Früchten aus dem Tertiär Deutschlands verschieden seien; nach Erscheinen meiner Arbeit im „Min. Jahrb." hat dieser Autor jedoch Herrn Prof. Nehring brieflich mitgetheilt, dass der Canal- verlauf derselbe sei, wie an den von mir untersuchten Früchten. Foll. Websteri und Kaltennordheimensis sind also, wie von vorn- herein von mir angenommen, speeifisch identisch und der ältere Name Websteri hat somit Geltung. — P. grosse Foucault'schc Pendel der Anstalt in seiner Bewe gung beobachtet. Im physikalischen Kabinet wurden Skioptikon-Bilder gezeigt. Im chemischen Laboratorium führte Oberlehrer Prof. Dr. Schwannecke zunächst von ihm construirte verstellbare Krystalhnodelle vor, welche die Ableitung der verschiedenen Krystall formen in klarer Weise veranschaulichen. Ferner demonstrirte derselbe eine Anzahl nach seinen Angaben gefertigter, höchst sinnreicher Apparate zu Versuchen über den Luft druck, das Manotte-Gay-Lussac'sche Gesetz, sowie zur Be- stimmung der speeifisehen Wanne, Schmclzungswärme, Verdampfungswärme*) etc. Bei dein Hund gange durch das Museum für Naturkunde führten in den einzelnen Abtheilungen die Vorstände derselben; in der zoologischen Sammlung war Professor Dr. von Märten s, in der mineralogisch-petro- graphischen Geheimratb Professor Dr. Klein der liebens- würdige, zu jeder Erklärung bereite Führer. Geheimratb Klein erläuterte insbesondere die zweckmässigstc Art der Einrichtung mineralogischer Sammlungen und wies dabei nachdrücklich auf die Bedeutung der geographischen Anordnung hin. In dem Auditorium demonstrirte er ausserdem mit Hülfe eines Projectionsapparates, dessen grosse Nicols Bewunderung erregten, unter Benutzung von Zirkonlicht die optischen Eigenschaften der Krystallc, indem er die complicirten Erscheinungen klar und eindringlich er- läuterte. Die Aufmerksamkeit der Besucher wurde ferner auf eine Anzahl von Demonstrationsapparaten gelenkt, welche von der Firma Fuess construirt waren, deren Chef selbst anwesend war. Die Besichtigung der Königl. Geologischen Landesanstalt und Bergakademie fand statt unter Führung des Directors der Anstalten, Geheimen Oberberg- raths Dr. W. Ilauchceorne. Es wurde zunächst die in der Aula aufgestellte grosse Bernsteinsaniodung besichtigt, und hierbei erläuterte Geh.-Rath Hauchecorne das Vorkommen, die Gewinnung und die Verwendung dieses Minerals in höchst instruetiver Weise. Im Anschlüsse daran erklärte derselbe die Aufnahme, Herstellung und Bedeutung der verschiedenen geologischen Karten-Bilder. Nachdem die Besucher dann durch die Gallerie geführt worden und einen Blick in die Hauptsammlnng gethan hatten, ging es hinunter in den Lichthof, in die berg- und hütten- männische Sammlung und endlich in die Modellsammlung, wo Geheim-Rath Hauchecorne die Diamantbohrmethode erläuterte und bei dieser Gelegenheit auch des tiefsten Bohrloches der Erde, des fiscalischen Bohrloches Paru- schowitz V bei Rybnik in Oberschlesien gedachte, welches bis zu der enormen Tiefe von 2002,34 m niedergebrächt worden ist. Er zeigte auch ein Kernstück aus diesem Bohrloch aus der Tiefe von 2000 in vor, das noch einen Durchmesser von 4,5 cm besitzt. Ein Nachmittag war für den Besuch der in Potsdam auf dem Telegraphenberge gelegenen wissenschaftlichen Anstalten, nämlich des Meteorologisch-Magnetischen und des Astrophysikalischen Observatoriums be- stimmt. In der liebenswürdigsten Weise hatten die Dircctoren dieser Institute, Geheimen Regierungsräthe Prof. Dr. von Bezold und Prof. Dr. Vogel nicht nur die Besichtigung gestattet, sondern auch für freundlichen Empfang und sachkundige Führung Sorge getragen. Die Theilnehmer wurden in Gruppen getheilt, welche abwechselnd die 3 Observatorien besichtigten. Die führenden und erklärenden Herren unterzogen sich also der grossen Mühe, die Apparate, Untersuchungs- methoden, die erzielten und erstrebten Resultate der "*) Wir werden auf diese Apparate in einer späteren Nummer der „Naturw. Woclienscbr." noch näher zurückkommen. 222 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 18. Forschung wiederholt zu erläutern. Andererseits wurde es auf diese Weise den einzelnen Besuchern ermöglicht, von der Einrichtung dieser grossartigen wissenschaftlichen Institute genauere Kenntniss zu nehmen. Zu dem grössten Danke sind die Theilnehmer insbesondere dem Vor- steher des Meteorologisch-Magnetischen Observatoriums, Prof. Dr. Sprung, verpflichtet, der nicht nur selbst die Führung bei der Besichtigung der ihm untergebenen In- stitute übernommen hatte, sondern auch mit der grössten Bereitwilligkeit auf alle ihm geäusserten Wünsche und Bitten um genauere Auskunft einging. Bei der Fülle des Neuen und Interessanten, das dargeboten wurde, war es leider nur möglich, von dem Tburme des meteorologischen Observatoriums einen flüchtigen Blick auf die im hellen Sonnenlicht strahlende entzückende Landschaft zu werfen, die zu den Füssen der Beschauer ausgebreitet lag. Dass unsere Mark landschaftliche Reize besitzt, die denen keiner anderen Provinz unseres Vaterlandes nachstehen, diese Ueberzeugung hat sich aber sicherlich allen Theil- nehmern an diesem Besuche Potsdams und des Telegraphen- berges aufgedrängt. Bei dem Besuch der städtischen Elektricitäts- werke war durch das dankenswerthe Entgegenkommen der Direction für sachverständige Führung gesorgt. Die An- lagen der grossen Centrale in der Mauerstrasse wurden in Augenschein genommen und erklärt. In der Urania wurden alle physikalisch wichtigen Einrichtungen des Instituts besichtigt; ausserdem wohnten die Besucher der Vorlesung des Herrn Dr. Spics über magnetische Kraft bei. Bei Besichtigung der Königlichen Pore ellan manu- faetur in Charlottenburg wurden die Theilnehmer in zwei Gruppen von zwei Chemikern der Anstalt durch die Feld- spat- und Kaolinmühle, die Schlämmerei, an den Filter- pressen vorüber in die Dreherei, in den Arbeitssaal für Blumenmacherei, zu den Brennöfen, durch die Porcellan- malerei und zu den Muffelöfen geleitet. Die Besichtigung nahm l3/4 Stunden in Anspruch. Sehr anregend gestaltete sich auch der Besuch des zoologischen Gartens. Der Director desselben, Dr. Heck, hatte schriftlich sein Bedauern darüber aus- gedrückt, dass er durch eine Reise verhindert sei, die Führung persönlich zu übernehmen. Mit seiner Stell- vertretung hatte er Oberlehrer a. D. Dr. Müller be- traut, der die Theilnehmer am Eingange begrüsste und seiner Freude darüber Ausdruck gab, dass es ihm, dem ehemaligen Collegen vergönnt sei, die Herren zu führen. In Geleit des Oberwärters wurde der Garten sodann in allen seinen Theilen besichtigt, wobei die Thiere — auch die seltneren — durch die einzelnen Wärter vorgeführt wurden, während Dr. Müller ihre Erscheinungsweise und ihre Eigentümlichkeiten eingehend und sachkundig er- läuterte. Den grössten Eindruck machte dabei ins- besondere das Benehmen der Thiere bei der Fütterung. Geschlossen wurde der Kursus nach Beendigung der letzten Vorlesung des Dr. Potonie in der geologischen Landesanstalt durch eine kurze Ansprache des Direktors Dr. Vogel. Derselbe erinnerte zunächst an die gesellige Zusammenkunft, die unter zahlreicher Betheiligimg der Do- centen sowie der Theilnehmer schon am Abend vorher stattgefunden hatte. Gerade dies persönliche Nähertreten gebe den Kursen einen besonderen Reiz. Alte Universitäts- erinnerungen würden wieder aufgefrischt, neue Beziehungen angeknüpft. Von grosser Bedeutung sei auch, dass die Fachgenossen aus den verschiedenen Provinzen hier in der Reichshauptstadt zusammentreffen, um ihre Erfahrungen auszutauschen, Anregungen zu geben und zu empfangen. Er gab sodann dem Gefühle des Dankes gegenüber allen denen Ausdruck, die zu dein Gelingen des Unternehmens beigetragen hatten. In erster Reihe gebühre dieser Dank dem Dnterrichtsminister und seinen Räthen, die ihr leb- haftes Interesse an den Kursen wiederholt bethätigt hätten. Den innigsten Dank spreche er auch den Docenten, sowie den Direktoren und Leitern der besichtigten Institute aus, welche mit der grössten Aufopferung ihre kostbare, eigentlich der Erholung bestimmte Zeit, sowie ihre Kraft in den Dienst der Schule gestellt hätten. Ein besonderer Dank gebühre endlich auch dem Generalintendanten der Königlichen Theater, der durch die Gewährung zahlreicher Einlasskarten sich um die Förderung des Unternehmens ein hohes Verdienst erworben habe. Die Herren hätten des Tages Last reichlich getragen, um so erfreulicher sei es gewesen, dass ihnen am Abende in den Königlichen Theatern eine Stätte edler Erholung eröffnet worden sei. Wenn vielleicht nicht alle Erwartungen der Theilnehmer sich erfüllt hätten, so j;ebe er doch zu bedenken, welche Schwierigkeiten das Unternehmen bereite. Allen An- forderungen und Wünschen zu entsprechen, sei unmög- lich. Zugleich im Namen seines initauwesenden Kollegen, des Direktors Schwalbe, spreche er aber die Bitte aus, etwaige Wünsche und Vorschläge für die Zukunft ihm oder seinem Herrn Collegen initzutheilen. Dieselben würden gewissenhaft in Erwägung gezogen werden. An der Pforte der Bergakademie, die sich heute ihnen zum letzten Mal gastlich eröffnet habe, prange in grossen Lettern der Bergmannsgruss: „Glück auf!" Und so schliesse er den Kursus, indem erden Herren, die sich anschickten, wieder der Heimath zuzueilen, ein herzliches „Glück auf!" zu- rufe. Im Namen aller Theilnehmer richtete sodann noch Director Grott Worte warm empfundenen Dankes an die beiden Directoren Schwalbe und Vogel, welche durch die Einrichtung des Kursus wie durch seine Leitung und die Führungen sich um das Gedeihen desselben die grössten Verdienste erworben, aber auch die grösste Last ge- tragen hätten. Alle Theilnehmer würden ihnen sicherlich ein dankbares und freundliches Andenken bewahren. Daher möchten sie nicht ermatten, sondern auch in Zukunft ihre Kräfte in den Dienst dieses schönen und fruchtbaren Unternehmens stellen. Macht sich ein Eiweisszerfall im Protoplasma der Pflanze bei Ausschluss des freien atmo- sphärischen Sauerstoffs geltend? Von Dr. E. Z i egen l> e i n. ie, dass i Elemente des lebensthätigen Protoplasmas unter allen Um- ständen, sowohl bei Zutritt, als bei Abwesenheit des freien atmosphärischen Sauerstoffs, durch Dissociationsvorg;ini;e in stickstoffhaltige Körper (Amidosäuren und Säureamide) und in stickstofffreie Atomgruppen, welch' letztere dann bei der normalen und intramoleeularen Athmung verbraucht Für die heut als feststehend geltende Thatsael die verschiedenen Formen der Athmung, wie alle Lebens- processe überhaupt, durch das lebensthätige Protoplasma vermittelt werden, ist die Hypothese Detmer's*) von grösster Wichtigkeit. Nach derselben zerfallen die physiologischen ') Detmer, Lehrbuch der Pflanzenphysiologie, lS8o, S. 174. werden. Nr. 18. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 223 Dass die physiologischen Elemente (auch lebendige Eiweissmolecüle von Detmer genannt) bei Sauerstoffzutritt in erwähnter Weise sich zersetzen, unterliegt keinem Zweifel. Dagegen schienen uns die Beweise für das Stattfinden einer solchen Dissociation bei Sauerstoffabwesenheit, die also intramoleculare Athmung zu Folge haben muss, noch keineswegs durchaus einwandsfrei. Palladin*) suchte die Zersetzung der Eiweissstoffc bei Sauerstoffabwesenheit experimentell nachzuweisen, in- dessen seine Versuche sind mit Mängeln behaftet, auf die bereits Clausen**), der auf Anrathcn Detnier's über den Ei weisszerfall in Lupinenkeimlingen arbeitete, aufmerksam gemacht hat. Dieser Letztere fand, dass in solchen Keim- pflanzen, die in reinem Wasserstoff verweilen, thatsächlich eine Bildung von Säureamiden und Amidosäuren bei gleichzeitigem Verschwinden von Eiweissstoffen eintritt. Bei später angestellten Versuchen über die intra- moleculare AthmuDg der Lupinenkeimlinge wurde jedoch festgestellt, dass der Sauerstoff der atmosphärischen Luft nur sehr schwer aus der Luft der [ntereellularen der Keimpflanzen entfernt werden kann. Darum schien es geboten, nochmals Beobachtungen über den Ei weisszerfall bei Sauerstoffabwesenheit vorzunehmen, um die physio- logisch so wichtige Frage mit aller Bestimmtheit beant- worten zu können. Ich arbeitete gleichfalls mit den Keimlingen von Lu- pinus Intens, die 6 Tage alt, in feuchten Sägspähnen, unter Abschluss des Lichts gekeimt, bei einer Temperatur von 15— 20° C. eine Länge von 7— Sem erreicht hatten. Die Dntersuchungsobjccte wurden zunächst auf Gesammt- stickstoff und Eiweissstickstoff geprüft, entsprechende Mengen 24 Stunden in eine Atmosphäre reinen Wasser- stoffs gebracht, um dieselben nachträglich ebenfalls der Analyse zu unterziehen. Wie mehrfache Prüfungen er- gaben, waren die der Wasserstoffatmosphäre entnommenen Pflanzen noch vollständig lebenskräftig, ergrünten und wuchsen, in Sägspähne zurückgelegt, ungehindert weiter; nur die Wurzelspitzen waren nicht mehr völlig iutact. Die Untersuchungs- methode war die fol- gende. Das Wasser- stoffgas wurde in einem Kipp'schen Apparat aus arsenfreiem Zink und verdünnter Salz- säure ( lzul) entwickelt. Um das Gas von Koh- lensäure, Arsenwasser- stoff, Kohlenwasser- stoffen und Schwefel- wasserstoff völlig zu befreien, durchstrich es erstens ein Gefäss mit Kalilauge, zweitens ein solches mit gelöstem Kaliumpermanganat und drittens ein Gefäss, welches mit einer Lö- sung von Silbemitrat beschickt worden war. Das auf diese Weise gereinigte Gas trat in die Vorrichtung ein, welche zur Aufnahme der Vcrsuchsobjeete diente und eigens zu diesem Zwecke construirt war. Dic- *) Berichte der Ifoutschon bot. Gescllsch., Bd. II, S. 205 a. 206. **) Clausen, Beiträge. Laudw. Jahrbücher, 1890. Bd. 19, S. 915. selbe besass eine Capacität von 300 eem und bestand. wie Figur zeigt, aus einer kolbenartigen Hohlkugel a, welche sieh nach oben in ein rechtwinklig gebogenes enges Glasrohr h, das mit einem Glashahn // versehen war. ver jungte. Nach unten verengte sieh der Kolben in das gerade Ruhr c, das am unteren Ende eine Oeffnung be- sass, durch welche dieKeimliogc eingeführt werden konnten. An dieses Glasrohr <■ ist bei e das gebogene enge das röhr / angesetzt, welches in eine verjüngte offene Spitze auslauft. Um einen luftdichten Verschluss des Glasrohres c herbeizuführen, taucht dasselbe mit seinem unteren offenen Ende in ein 5 cm hohes Glasgefäss gr Subst. 0,0737 gr N Stickstoff der Eiweisskörper . 5 gr „ 0,0340 gr N b) Lupinenkeimlinge, die, nachdem sie 6 Tage alt geworden, noch 24 Stunden in Wasserstoff verweilten: Gesammtstickstoff 5 gr Subst. 0,0730 gr N Stickstoff der Eiweisskörper . 5 gr „ 0,0427 gr N Versuch II. a) G Tage alte Lupinenkeimlinge: Gesammtstickstoff 5 gr Subst. 0,0079 gr N Stickstoff der Eiweisskörper . 10 gr „ 0,0980 gr N b) Lupinenkeimlinge, die, nachdem sie 0 Tage alt geworden, noch 24 Stunden in Wasserstoll' verweilten: Gesammtstickstoff 5 gr Subst. 0,0070 gr N Stickstoff der Eiweisskörper . 10 gr ., 0,0778 gr N !:) Journal für Landwirthschaft 1881, S 103.] 224 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 18. Versuch III. a) G Tage alte Lupinenkeimlinge: Gesammtstickstoff 5 gr Subst. 0,0744 gr N Stickstoff der Eiweisskörper . 10 gr „ 0,107(5 gr N !>) Lupinenkeimlinge, die, nachdem sie (i Tage alt geworden, noch 24 »Stunden in Wasserstoff verweilten: Gesammtstickstoff 5 gr Subst. 0,07;") 1 gr N Stickstoff der Eiweisskörper . 10 gr „ 0,0854 gr N Versuch IV. a) 6 Tage alte Lupinenkeimlinge: Gesammtstickstoff 5 gr Subst. 0,0958 gr N Stickstoff der Eiweisskörper . 10 gr „ 0,1520gr.N b) Lupinenkeimlinge, die. nachdem sie G Tage alt geworden, noch 24 Stunden in Wasserstoff verweilten: Gesammtstickstoff -r> gr Subst. 0,0958 gr N Stickstoff der Eiweisskörper . 10 gr „ 0,1254 gr N Versuch V. a) G Tage alte Lupinenkeimlinge: Gesammtstickstoff 5 gr Subst. 0,0682 gr N Stickstoff der Eiweisskörper . 10 gr „ 0,0960 gr N b; Lupinenkeimlinge, die, nachdem sie 6 Tage alt geworden, noch 24 Stunden in Wasserstoff verweilten: Gesammtstickstoff 5 gr Subst. 0,0679 gr N Stickstoff der Eiweisskörper . 10 gr „ 0,0761 gr N c) Lupinenkeimlinge, die, nachdem sie 6 Tage alt geworden, noch 24 Stunden in feuchten Sägespähnen an der Luft verweilten: Gesammtstickstoff 5 gr Subst. 0,0691 gr N Stickstoff der Eiweisskörper . 10 gr „ 0,0721 gr N Versuch VI. a) G Tage alte Lupinenkeimlinge: Gesammtstickstoff 5 gr Subst. 0,0682 gr N Stickstoff der Eiweisskörper . 10 gr „ 0,0960 gr N b) Lupinenkeimlinge, die, nachdem sie 6 Tage alt geworden, noch 24 Stunden in Wasserstoff verweilten: Gesammtstickstoff 5 gr Subst. 0,0679 gr X Stickstoff der Eiweisskörper . 10 gr „ 0,0761 gr N c) Lupinenkeimlinge, die, nachdem sie 6 Tage alt. geworden, noch 24 Stunden in feuchten Sägespähnen an der Luft verweilten: Gesammtstickstoff 5 gr Subst. 0,06S9 gr N Stickstoff der Eiweisskörper . 10 gr „ 0,0794 gr N Versuch VII. a) 6 Tage alte Lupinenkeimlinge: Gesammtstickstoff 5gr Subst. 0,0637 gr N Stickstoff der Eiweisskörper . 10 gr „ 0,0622 gr N b) Lupinenkeimlinge, die, nachdem sie 6 Tage alt geworden, noch 24 Stunden in Wasserstoff verweilten: Gesammtstickstoff 5 gr Subst. 0,0635 gr N Stickstoff der Eiweisskörper . 10 gr „ 0,0473 gr N Die Resultate dieser Versuche ergeben die in der folgenden Tabelle zusammengestellten Werthe: Stickstoffgehalt von Lupinus Intens. "'I" »•per I. < resammt-N Eiweiss-N N anderweitiger Körper*) II. ( lesammt-N Eiw eiss-N N anderweitiger III. < resammt-N . . . Eiweiss-N .... N anderweitiger IV. < iesammt-N . . . Eiweiss-N .... N anderweitiger V. < resammt-N . . . Eiweiss-N .... N anderweitiger VI. Gesammt-N . . . Eiu eisS-N .... N anderweitiger VII. Gesammt-N Eiweiss-N N anderweitiger Körper Ki >rper vorper rpor Bei Beginn des Versuches "/.. N Ges. N = 10U 1.471 I (ISO 0,394 100,01) 73,26 26,7 I 1,358 0,980 0,378 1,488 1 076 0,412 100,110 72,31 27,69 1,916 1,520 0,396 1,364 0,960 0,404 100.00 72,31 27,69 100,00 79,27 20.72 1,364 0,960 0.104 1,274 0,022 0,652 100.03 70,38 29.02 100.00 70,38 29,02 100,00 48,82 51,18 Nach 24 stiindigeni Verweilen in Luft % N Ges.-N = um 1,382 0.721 0,661 1,378 0,794 0,584 109,00 52,61 42,39 100,00 57,01 42,39 Nach 24 stündigem Verweilen in Wasserstoff % N 1,460 0,854 0,606 Ges.-N = ino 100,00 58 in 11,51 1,502 ( i 85 1 o.Ols 1,502 o.8.">4 0,048 1,910 1,254 0,662 1110,110 26,S5 43,15 1,358 0,701 0,597 1 ,358 0,701 0,597 1,270 0,473 0,797 100,00 56,85 43.15 100,00 65,45 34,55 100,00 56,03 43,97 100,00 56,03 4;;,97 100.00 37.24 02,76 Unsere Untersuchungen gestatten die folgenden Sehluss- folgerungcn: 1. Die Versuche V und VI lehren, dass sich in Lupinen- keimlingen bei Gegenwart des freien atmosphärischen Sauerstoffs ein Zerfall der Eiweissstoffe geltend macht, eine Thatsache, die lange bekannt ist. 2. Die Hypothese Detmer's nimmt an, dass auch bei Sauerstotfabwcsenhcit ein Eiweisszerfall in der Pflanze zu Stande kommt, und wirklich haben unsere Experimente mit aller Bestimmtheit die Richtigkeit dieser Voraussetzung bewiesen. 3. Der Eiweisszerfall folgt nach meinen Versuchen ungefähr schwindigkeit bei Sauerstoffabwesenheit er- mit derselben Ge- wie derjenige bei Luftzutritt. 4. Freier Stickstoff wird von den Untersuchungs- objeeten, die nur 24 Stunden in Wasserstoff verweilen und dabei ihre Lebensfähigkeit bewahren, nicht aus- gegeben. *) Diese Zahlen drücken den Stickstoffgehalt der vorhandenen Amidosäuren und Säureamide aus. Derselbe ist jedoch nicht direkt bestimmt, sondern ergiebt sich als Differenz. Das Vorkommen einer zweiten Art der Gattung Physostigma theilte Dr. P. Taubert in der Märzsitzung der Deutsch, botan. Gesellschaft mit. Physostigma venc- nosum, die Stammpflanze der ihrer myopischen Wirkungen dieselben stehen bekanntlich zu denen des Atropins in directem Gegensatz findet sich etwa nach Kamerun verbreitet wegen geschätzten Calabarbohne, längs der Guineaküste von Sierra Leone bis Die Bohnen, die etwa zolllangen schwarzbraunen Samen, sind ungemein giftig und dienten früher ihrer Heimath zur und zweifelsohne auch heut noch in Ermittlung' von Zauberern oder Ver- brechern (daher die englische Benennung Ordealbean' Gottesgerichtsbohne). Bekannt wurde die Pflanze erst 1859 durch Balfour, während Fräser die eigenartigen Wirkungen ihrer Samen kurz darauf entdeckte. Seit jener Zeit sind die Bohnen zwar zahlreich nach Europa gekommen, die Pflanze selbst jedoch ist nur selten gesammelt worden. Bisher galt die Gattung als monotyp und auf West- afrika beschränkt. Taub ort. fand jedoch kürzlich eine zweite, von P. venenosuni sehr verschiedene Art, die als P. mesoponticum bezeichnet worden ist. im Kgl. botan. Nr. 18. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 225 Museum zu Berlin auf; dieselbe gehört der Flora Deutsch- Ostafrikas und zwar dem Gebiet der grossen Seeen (Ugalla- und Unjamwesi-Land) an. Leider sind bisher Blätter und Früchte dieser vor der Entwickeltmg der Blätter blühenden Art nicht bekannt geworden. Aus der Beschaffenheit des Fruchtknotens lässt sich schliessen, dass die Bohnen dieser Art kleiner, aber zahlreicher als bei der typischen sein müssen, die stets nur 2—3 Samen in einer Hülse trägt. Üebcr die Wirkungen dieser neuen Calabarbolme kann natürlich jetzt noch nichts gesagt werden, doch möge die Aufmerksamkeit der in Ostafrika sammelnden Botaniker, Missionare etc. auf das eigenartige Gewächs hingelenkt werden. Leicht zu erkennen ist dasselbe am Bau der violetten Blüthe; diese stimmt im allgemeinen mit der einer Bohne überein, doch zeichnet sich das Schiffchen durch einen langen, seiner linken Seite (wenn man die Blüthe von vorn betrachtet) anliegenden Sporn aus, der auf die aus der eingerollten Schiftchenspitze hervorragenden Narbe hin gerichtet ist. Die Innenseite des stark einge- rollten Griffels ist lang weissbärtig, während er an der Spitze plötzlich umbiegt und einen ziemlich langen, seinem Rücken eng anliegenden Anhang trägt. (x.) Der Nutzen der Reizbarkeit der Blätter von Mimosa pudica für diese Pflanze wird von G. Haber- landt in seinem prächtigen Buch „Eine botanische Tropen- reise" (vergl. „Naturw. Wochenschr." Bd. VIII, S. 538) in der folgenden Weise zu erläutern versucht: „In unseren Gewächshäusern zeigt M. p. — sagt H. — meist einen sehr aufrechten Wuchs; im Freien kriecht sie auf dem Boden dahin, so dass sich nach einer Er- schütterung die gereizten Blätter zum grössteu Theil unter den Schutz der mit Dornen bewaffneten Stengel begeben können. Darin liegt wohl hauptsächlich der biologische Sinn der so auffallenden Reizbewegungen dieser Pflanze; sie sucht sich vor weidenden Thieren zu schützen. Aller- dings habe ich auf Srngapore wiederholt die grossen Buckelochsen unbekümmert um Reizbewegungen und Dornenstiebe die Zweige von Mimosa pudica verzehren sehen, woraus nun freilich nicht mehr zu folgern ist, als dass die Pflanze in ihrer ursprünglichen Heimath von so grossen, wenig heiklen Weidethieren nicht gefährdet wird. Uebrigens ist nicht ausgeschlossen, dass die plötzlichen Reizbewegungen der Blätter auch ein Schreckmittel gegen anfliegende, schädliche Insecten vorstellen, welche bei jedem Versuche, sich auf den Blättern niederzulassen, ganz plötzlich den Halt unter den Füssen verlieren. Ich er- innere mich nicht, an den Blättern jemals Beschädigungen durch Insectenfrass wahrgenommen zu haben. Endlich ist es auch zweifellos, dass die Blätter, welche die Reiz- stellnng angenommen haben, vor mechanischen Beschädi- gungen durch die so überaus heftigen tropischen Regen- güsse bewahrt bleiben." Wiesner möchte nun, wie aus einer neuerdings ver- öffentlichten Notiz (Sitz. d. mathem. -naturw. Classe der k. Akad. d. Wiss. in Wien v. 8. Februar 1894) hervor- geht, den Nachdruck auf den Schutz vor starkem Regen legen. „Mimosa pudica — sagt dieser — gedeiht auf Java ausgezeichnet. Zumeist frei exponirt, ist sie der inten- sivsten Sonnenwirkung ebenso wie dem vollen Regen aus- gesetzt. Jedes Blättchen dieser Pflanze ist an sich „om- brophob" (also schattenscheu) und wie dies bei onibro- phobem Laube Regel ist, mit einem Fettüberzug ver- sehen. Aber der zarte Fettüberzug der Oberseiten der Blättchen würde nicht ausreichen, die letzteren vor länger andauernder Einwirkung des Wassers zu schützen. Die durch den fallenden Regen hervorgebrachte Erschütterung der Pflanze bringt das Blatt zum Schliessen. Die Ober- seiten der Blättchen bleiben hierbei trocken. Selbst nach 24 stündiger Untertauchung der Blätter bleiben deren Oberseiten vollkommen trocken, nicht selten sogar noch nach 2 — 3tägiger Einwirkung des Wassers. Nur dieser ausgezeichnete Schutz gegen die Wirkung des auf die Blättchen von aussen einwirkenden Wassers ermöglicht, dass eine Pflanze mit so stark ombrophobem Laube die intensiven Tropenregen erträgt. Die bisher doch un genügend erklärte biologische Bedeutung der Reizbarkeit des Mimosenblattes wird durch diese Beobachtungen dem Verständnisse näher gebracht." lieber Chlorophyllkörner der Samen und Keim- linge hat A. Famintzin in den Melanges Biologiques Tires du Bulletin de l'Academie Imperiale des Sciences de St. Petersbourg (Tome XIII.) veröffentlicht. Viele Forscher haben sich schon mit diesem Gegen- stande beschäftigt; indessen ist bis jetzt keine vollkommen befriedigende Arbeit darüber erschienen. Von einigen (Schimper, Meyer, Bredow) wird behauptet, dass die die grüne Farbe des jungen Embryo bedingenden Chronia- tophoren auch in dem reifen Samen erhalten bleiben und im letzteren nur deshalb schwer zu erkennen sind, weil sie zu dieser Zeit ihre grüne Farbe eiubüssen und farblos werden; während der Keimung des Samens dagegen er- grünend, sollen sie die grünen Chromatophoren der Keim- linge bilden. Nach der Meinung anderer (Sachs, Haber- landt, Mikosch, Beizung) enthalten reife Samen keine Chromatophoren, und bei der Keimung sollen die grünen Chromatophoren direct aus dem farblosen Plasma sich heranbilden. Die Structur des Zelleninhaltes des reifen Samens von Helianthus annuus, sagt F., lässt sich mit gewünschter Genauigkeit an 10 — 15 fi. dünneu, mittelst des Microtoms erhaltenen Schnitten studiren. Ein aus frischem Samen herausgeschnittenes Stückchen wird auf einem kleinen Korke mit geschmolzenem Paraffin befestigt und darauf am entgegengesetzten Ende mittels Microtoni in feine Schnitte zerlegt. Wegen des reichlichen Oelgehaltes lässt sich der Samen sehr schön schneiden. In einem Tropfen Oel untersucht, erscheint das Präparat vollkommen durch- sichtig, und an vielen Stellen können zwischen den Aleuronkörnern ausserordentlich scharf kleine, sowohl der Lage als der Dimension nach den Chromatophoren ent- sprechende Gebilde unterschieden werden. Es werden dabei aber noch bei Weitem nicht alle Chromatophoren sichtbar; es kommen unter Anderem Zellen vor, in denen nur vereinzelte Exemplare oder sogar gar keine Chroma- tophoren zu sehen sind, obwohl, wie ich sogleich zeigen werde, in allen Zellen des Embryo, inclusive den Epi- dermiszellen, Chromatophoren in bedeutender Zahl sich vorfinden. Um sie sichtbar zu machen, mnss der mittelst Microtom erhaltene Schnitt durch ein- bis zweimaliges Anhauchen befeuchtet werden. Es treten sodann in jeder Zelle, ausser vereinzelt gelegenen Chromatophoren, noch eine grosse Anzahl derselben in einschichtiger Lage auf der Oberfläche vieler durch das Anhauchen gequollener Aleuronkörner, als an dem Zellkern deutlich hervor. Sehr schön lassen sich diese Präparate in einer feuchten Kammer längere Zeit beobachten. Der erhaltene Schnitt wird auf ein Deckgläschen aufgetragen, dem letzteren, mittelst eines kleinen Pinsels behutsam angedruckt, durch Anhauchen befeuchtet und sodann auf einen ausgehöhlten, vorher mit Vaselin bestrichenen Objcctträger gelegt Durch das Anpressen des Deckgläschcus wird ein her- metischer Verschluss erlangt, Scharf conturirte Chroma- tophoren treten an solchen Schnitten auch in concentrirter 226 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. IS. Zuckerlösung, nach einiger Zeit hervor. Dass diese Ge- bilde in der That als Chromatophoren gedeutet werden müssen, hat sich F. mittelst folgender vier Methoden ver- gewissert: 1. durch die Färbung, nach Zimmermann 's Methoden, dieser Gebilde in den den reifen Helianthus- sanien entnommenen Schnitten, mittelst Säure-Fuchsin; 2) durch ihre Färbung mittelst Säure-Fuchsin an vorläufig mit 1% oder concentrirter (zur Hälfte mit Wasser ver- dünnter) Essigsäure; 3. durch die goldgelbe Färbung dieser farblosen Gebilde mittelst Ammoniak, Alkalien und kohlensaurer Alkaliensalze; 4. durch ihr Ergrünen, in einigen Fällen dagegen Braunwerden an den, dem reifen Samen entnommenen und in feuchter Atmosphäre ge- haltenen Schnitten. Aehnliche Resultate sind von F. auch für Lupinus erhalten worden. Aus den Beobachtungen und Experimenten von F. geht hervor: 1. dass die Chromatophoren, als kleine, zu- sammengeschrumpfte Gebilde in dem reifen Samen er- halten bleiben und 2. dass ausschliesslich aus ihnen sich die Chromatophoren der Keimlinge heranbilden. Neuer Komet. — Am 3. April wurde von Gale in Sidney ein neuer, als hell bezeichneter Komet entdeckt, der im Sternbild der „Pendeluhr" steht und eine östliche Bewegung zeigt. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: An der Universität Wien der Privat - docent in der medicinischen Facultät und Leiter des zahnärzt- lichen Institutes Dr. Scheff und — der Privatdocent und Custos am k. k. Hofmuseum Dr. Berwerth zu ausserordentlichen Pro- fessoren. — Professor Dr. vonNoorden zum Lehrer der speciellen Pathologie und Therapie au den militärärztlichen Bildungsanstalten in Berlin. — Der Professor der Chemie an der Kgl. Sächsischen Bergakademie in Freiberg Oberbergrath Dr. Win kl er zum Ge- heimen Bergrath. — Dermähri'cheLaudes-OberingenieurFriedri ch zum Ordinarius für das landwirtschaftliche Meliorationswesen an der Hochschule für Bodencultur in Wien. — Der Professor der Chemie am Royal College of Science, South Kensington, Dr. Thorpe zum Chef-Chemiker des Inland Revenue Department. - Der Lehrer am Masou College in Birmingham Professor Dr. Tilden zum Professor der Chemie am Royal College of Science, South Kensington, London. Es sind gestorben: Der Hygieniker und ehemalige Professor an der Universität Lausanne Dr. Wilhelm Löwenthal in Berlin. — Der Professor der Mathematik an der Kgl. Technischen Hochschule in Charlottenburg bei Berlin Dr. Wilhelm Stahl. — Der Professor der Botanik au der Universität Kiew Dr. J. F. Seh mal hausen. — Der Elektrotechniker Professor Karl Eduard Zetztsche, früher Telegraphen-Ingenieur beim Reichs-Postamt, in Berlin. — Der Professor der Physiologie an der Universität Dorpat Dr. Alexander Schmidt. L i 1 1 e r a t u r. Prof. Dr. Johannes Ranke, Der Mensch. Zweite, neubearbeitete Auflage. I. Band. Entwickelung, Bau und Leben des mensch- lichen Körpers. Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig und Wien. — Preis geb. 15 Mk. In dem Vorwort zur ersten Auflage sagt der Verfasser: „Die Grundlage aller in diesem Buche enthaltenen Betrachtungen bildet der allgemein anerkannte Satz, dass in gesetzmässiger, d. h. lo- gischer Weise die gesammte animale Welt in körperlicher Be- ziehung zu einer idealen Einheit zusammengeschlossen ist, an deren Spitze der Mensch steht. In diesem Sinne ist das Thierreich der zergliederte Mensch und der Mensch das Paradigma des ge- sammten Thierreich.es. — Gemäss dem Ausspruche des Altmeisters in der Wissenschaft vom animalen Leben, Johannes Müllers: „Die Hypothese gehört nur in das Laboratorium des Forschers", wurden die Hypothesen aus den Darstellungen der Forschungsergebnisse, soweit irgend thunlich, ausgeschlossen. Ebenso absichtlich wurden, den bisherigen Traditionen der exaeten Anthropologie in Deutsch- land entsprechend, alle Uebergriffe von dem Boden der Natur- beobachtung auf jenen der Politik, Philosophie und Religion ver- mieden. Es verbietet das schon die Würde der Wissenschaft, deren Ergebnisse und Fragen, um werthvoll und interessant zu sein, keiner .pieanten' Seitenblicke nach fremden Gebieten be- dürfen. Dazu kommt aber noch eine weitere Erwägung. Man hat bisher nur zu häufig, namentlich in populär-naturwissenschaft- lichen Werken, den augenblicklichen Standpunkt der naturwissen- schaftlichen, ewig wechselnden Hypothese mit den ebenso schwan- kenden politisch-philosophischen Tagesmeinungen verquickt; so musste nothwendig in dem der exaeten Naturforschung ferner stehenden Publikum die verhängnissvolle Meinung erweckt werden, als gäbe es naturwissenschaftliche Dogmen, welche den höchsten Idealen des Menschengeistes feindselig gegenüberstehen. Es wäre ein Lohn für die Mühen unserer besten Forscher, wenn es auf dem Gebiete der Anthropologie gelänge, diesem volksverderbenden Irrthum Schranken zu setzen." In der Einleitung findet sich eine allgemeine Uebersieht über Bau und Verrichtungen des menschlichen Körpers. — Der Band gliedert sich in drei Abschnitte: I. Ent wickel ungsgeschi cht e. 1. Das Ei als selbststän- diger Organismus. 2. Befruchtung und Ei-Entwickelung. 3. Be- ginn einer funktionellen Gliederung der Fruchtanlage. 4. Die Formung der Fruchtanlage zur fertigen Körpergestalt. 5. Natür- liche und künstliche Missbildungen der Menschengestalt. IL Die niederen Organe. 6. Herz und Blut. 7. Die Or- gane der Blutreinigung und ihre Thätigkeit. 8. Die Verdauung. 9. Ernährung. Nahrungsmittel. Animale Wärme. 10. Das Knochengerüst und seine Bewegungen. 11. Muskeln und Muskel- bewegungen. HL Die höheren Organe. 12. Mikroskopie, Physik und Chemie des Nervensystems. 13. Der Bau des Gehirns und des Rückenmarks. 14 Die Sinnesorgane und die Sprachwerkzeuge. Das prächtige, reich und mustergültig illustrirte bekannte Buch, dessen erste Auflage 1886 erschienen ist, hat in der vorlie- genden Auflage eine Revision und zum Theil auch grössere Umge- staltungen erfahren. „Im allgemeinen — sagt Verf. — wurde überall mehr Nachdruck auf die anatomische Beschreibung gelegt, da ohne exaete Kenntniss der Anatomie, dieser Hauptgrundlage aller anthropologischen Forschung, ein sicheres Verständniss der Resultate der letzteren unmöglich ist." Privatdocent Dr. Bernhard Rawitz, Grundriss der Histologie. Für Studirende und Aeizte. Mit 201 Abbildungen. S. Karger. Berlin 1891. - Preis 6 Mk. Das vorliegende Buch, welches die Grundzüge des thierischen Gewebaues behandelt, vorfolgt allein, den Zweck, in den Gegen- stand einzuführen und will nicht gleichzeitig der praktischen Untersuchung die Wege weisen. Desshalb hat Verf. von allen technischen, die Untersuchungs-Methodo betreuenden Angaben abgesehen. Die Arbeit scheint uns als Nachschlagebuch (ein Re- gister ist vorhanden) und zum Studium recht geeignet. H. Potonie, Elemente der Botanik, Dritte wesentlich vermehrte und verbesserte Auflage. Mit 507 Abbildungen. Verlag von Julius Springer, Berlin 1894. — Preis 4 Mk. Meine „Elemente der Botanik" sind ein Lehrbuch ; die Anlage desselben ist daher — namentlich mit Rücksicht auf denjenigen, der sich ohne Hülfe eines Lehrers in das Gebiet einzuarbeiten wünscht — von pädagogischen Gesichtspunkten aus ausgeführt. Nur soweit es pädagogische Rücksichten zuliessen, ist der Stoff systematisch-wissenschaftlich gegliedert worden, um nach Möglich- keit die verschiedenen Disciplinen hervortreten zu lassen. Es war mein Bestreben, in möglichst allgemein-verständlicher Fassung die Grundlehren der Botanik vorzutragen. Das Studium der Natur ohne eigene Anschauung ist nicht möglich; durch Abbildungen, die in grosser Zahl gebracht werden, wird dieselbe ganz wesent- lich gefördert. Dass ich an dem Buche viel umgearbeitet und mich bemüht habe, den neuesten Errungenschaften gerecht zu werden, lehrt der oberflächlichste Vergleich der vorliegenden mit der vorausgehenden Auflage. Herrn Geh. Rath Prof. S. Schwen- dener kann ich nicht genug danken für das Interesse, das er dem Buche entgegengebracht hat; er hat das umgearbeitete Manuscript bis zur Physiologie einschl. mit mir durchgesprochen und mir mancherlei Rathschläge gegeben. Die meisten Lehrbücher oder Grundrisse der Botanik bieten, wie das doch eigentlich in einem Lehrbuch oder Grundriss eigentlich zu verlangen ist, keineswegs Uebersichten über sämmtliche Disciplinen der Botanik: in meinen Elementen jedoch habe ich mich bemüht, diesbezüglich vollständig zu sein. Demgemäss finden sich in dem Buche ausser der oft allein berücksichtigten äusseren und inneren Morphologie, der Physiologie und der Systematik auch besondere Abschnitte, welche die Pflanzengeographie, Pflanzen-PalaeontOlogie, Pflanzen- krankheiten, pflanzliche Waarenkunde (die letztere bearbeitet von Dr. Th. Waage) und Geschichte der Botanik behandeln. Nr. 18. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. ■2'!', Ein ausführliches Register beschliesst den Band. Der morpho- logische Abschnitt ist wie folgt gegliedert: 1. Grundbegriffe, 2. Kntwickelungsgeschichte. 3. Aeussere Gliederung der Pflanzen, 4. Anatomie (Hautsystem, Skelettsystem, Absorptionssvstem, Assi- milationssystem, Leitungssystem, Speichersystem, I hirchlüftungs- system. Sckretiuns- und Exkretions-Organe, Förtpflanzungssystem). Es ist hieraus ersichtlich, dass die Anatomie im Sinne der ana- tomisch-physiologischen Schule behandelt worden ist. Durch eine physiologische Behandlung derselben werden die Bau Verhältnisse der Pflanzen bei weitem schneller erfasst, das Eindringen in die Diseiplin dem Anfänger gewaltig erleichtert, abgesehen davon, dass die Erkenntniss der Functionen der pflanzlichen Apparate das Ziel der Anatomie und somit die physiologische Behand- lung derselben die einzig richtige ist. P- Ferdinand Tax Prantl's Lehrbuch der Botanik. Mit 355 Figuren Neunte vermehrte und verbesserte Auflage. Wilhelm Engelmann. Leipzig 1894. — Preis 4 Mk. Erst Band VII S. 460 haben wir die letzte von Prantl noch solbst herausgegebene achte Auflage des bewahrten Lehrbuches angezeigt. Durch die Pax'sche Bearbeitung wird der gute Ruf des Buches der alte bleiben. Die Disposition ist im Wesentlichen die frühere geblieben; es werden behandelt der Bau, die Lebens- erscheinungen und die Systematik des Pflanzenreiches. Sehr er- freulich ist die wesentliche Veränderung des anatomischen Ab- schnittes, in dem der neue Herausgeber sich noch mehr als Prantl bemüht, der anatomisch-physiologischen Richtung, der der Unter- zeichnete in seinen oben besprochenen Elementen stricte gefolgt ist, gerecht zu werden; aber er nimmt doch immer noch eine nur vermittelnde Stellung ein. Die neu hinzugekommenen Abbil- dungen sind ebenso geschickt ausgewählt und exaet wie die früheren. Wie auch ich, folgt Pax dem natürlichen System A. Engler's. P. Josef Kafka, Kecente und fossile Nagethiere Böhmens. Mit 45 Textfiguren. Abdruck aus dem Arch. der naturwissschaft- lichen Landesforschung von Böhmen, Bd. VIII. I 13 Seiten in gr. Octav. Prag, 1893. In Commission bei Fr. Rivnac. Die vorliegende Arbeit, welche im Januar 1894 in den Buch- handel gekommen ist, bildet die deutsche Uebersetzung einer bereits 1892 erschienenen Abhandlung in tschechischer Sprache. Der Verfasser hat darin die Resultate seiner eigenen Forschungen, sowie diejenigen von Anton Fritsch, I. N. Woldrich u. A. in einer 'sehr ansprechenden Form und sehr übersichtlich zusammengestellt, indem er zugleich auf die Untersuchungen ausserböhmischer Forscher, namentlich auch auf die des Referenten, gebührende Rücksicht genommen hat. Von fossilen Nagethieren werden fast nur diluviale und alluviale Formen besprochen, vermuthlich weil Nagerreste aus älteren Formationen Böhmens bis auf den tertiären Nager von Waltsch bisher nicht bekannt sind. (Siehe S. 113.) Der erste Theil der Abhandlung S. 1 —42 beschäftigt sich mit der allmählichen Entwickelung der böhmischen Säugethier- fauna seit Beginn der Diluvialperiode; hierbei werden die wich- tigsten Fundorte in Bezug auf die Reihenfolge der abgelagerten Schichten besprochen und die Reste der dort festgestellten Species aufgeführt, unter Beifügung sehr instruetiver geologischer Profile und sonstiger Abbildungen der Fundstellen. Aus den Angaben Kafka's ergiebt sich, dass auch in Böhmen und namentlich in der Umgebung von Prag die von mir oft besprochene jungdiluviale Steppenfauna ein ganz bestimmtes Niveau einnimmt, eine That- sache, welche auch durch die Ausgrabungen des Dr. M. Kriz zu Steinitz in Mähren völlig bestätigt wird. Ich kann die Lectürc der betreffenden Abschnitte der Kafka'schen Arbeit allen Freunden und Gegnern der diluvialen „Steppentheoriö" nur aufs wärmste empfehlen. Der zweite Theil (S. 43 — 113) behandelt die recenten und fossilen Nagethiere Böhmens in systematischer Reihenfolge; er ist mit vorzüglichen Abbildungen versehen, welche sich meistens auf Schädel und Gebiss beziehen. In der Stellung und Be- zeichnung der Backenzähne von Myodes obensis (S. 88) sind einige Irrthümer untergelaufen, welche wohl in einer späteren Auflage ihre Berichtigung finden werden. Besonders interessant ist das zahlreiche Vorkommen von Resten des grossen Pferde- springers (Alactaga jaculus) in den Lehm- und Lössablagerungen der Umgebung von Prag: dasselbe beweist mit Sicherheit, cid auch jene Gegend während der Epoche, in welcher die Pferde Springer dort hausten, einen Steppencharakter gehabt hat. Ich selbst erhielt kürzlich eine Alactaga- Tibia aus der Gi ;end von Aussig im nördlichen Böhmen, nebst zahlreichen Resten von Spermophilus rufescens foss. Im Allgemeinen stimmt die diluviale Nagethier Fauna Böhmi durchaus mit derjenigen überein, welche ich von zahlreichen Fund- orten Deutschlands, namentlich von Thiede und Wostercgeln, nachgewiesen habe. Ein besonderer Vorzug der Kafka'schen Arbeit besteht in der Übersichtlichen Zusammenfassung der er- langten Resultate und in den guten Allbildungen. Prof. Dr. A. Nehring. Jahrbuch der Königlich Preussischen Geologischen Landes anstalt und Bergakademie zu Berlin für das Jahr 18:»2. Bd. XIII. Berlin 1893. — Der vornehm ausgestattete, mit 17 prächtigen Tafeln illustrirte Band enthält in seinem ersten Theile zunächst Mitthci- lungen aus der Anstalt, und zwar 1. den Bericht über die Thätig- keit der königlichen geologischen Landesanstalt im Jahn' 1^92. 2. den Arbeitsplan für die geologische Landesaufnahme im Jahre 1893, 3. Mittheilungen der Mitarbeiter der königlich geologischen Landesanstalt, über die Ergebnisse der Aufnahme im .Jahre 1892 (Th, Ebert, Loretz, Proescholdt, Bücking, Kayser, Grebe, Leppla, Berendt, Schröder, Müller, Grüner), 4, Personal-Nachrichten. Der zweite Theil enthält die folgenden Abhandlungen von Mitarbeitern der königlich geologischen Landesanstalt: Potonie: Ueber einige Karbonfarne (IV. Theil); Denckmann, Schwarze Goniatiten-Kalke im Mittoldevondes Kellerwaldgebirges; G. Müller, Ueber das Vorkommen von Ancyloceras eigas-Schichten bei Mellendorf nördlich Hannover; Leppla, Ueber den Bau der pfälzischen Nordvogesen und des triadischen Westliches; Bens- hausen, Ueber den Bau des Schlosses bei Mecynodus, nebst Bemerkungen über die Synonymik einiger Zweischaler des rhei- nischen Devon; Denckmann, Studien im deutschen Lias; Loretz, Bemerkungen über die Lagerung des Rothliegenden südlich von Ilmenau in Thüringen und Bemerkungen über den Paramelaphyr; Frantzen, Untersuchungen über die Diagonal- struetur verschiedener Schichten mit Rücksicht auf die Enstehung derselben im Buntsandstein und über die Bewegungen zwischen Landfeste und Meer zur Zeit der Ablagerung des Buntsandsteins und des Muschelkalkes in Deutschland; Keilhack, Der Koschen- berg bei Senftenberg; Halfar, Die erste Asteride aus den paläo- zoischen Schichten des Harzes. Im dritten Theile befinden sich von ausserhalb der königlich geologischen Landesanstalt stehenden Autoren folgende Abhand- lungen-: Rinne, Ueber norddeutsche Basalte aus dem Gebiet. der Weser und den angrenzenden Gebieten der Werra und Fulda; Soubeur, Die Lagerstätte der Zink-, Blei- und Kupfercrzgruhe „Gute Hoffnung" bei Werlau am Rhein. Das General-Doubletten-Verzeicbniss des Schlesischen Bo- tanischen Tausch-Vereins (gegründet 1*62) durch R. v Uechtritz, XXVI. Tauschjahr 1893/94 geht uns zu. Die Directum befindet sich in den Händen des Apothekers S Mayer in Mainburg (Nieder- bayern). Das Vcrzeiehniss umfasst incl. der Statuten 30 Folio- seiten. Ernst, Bergwerksdir. Alb., die mineralischen Bodenschätze des Donezgebietes in Süd-Russland. Hannover. — 3 M. Fuchs, Prof. Dr. Ernst, Lehrbuch der Augenheilkunde. 4. Auf- lage. Wien. — 14 M Gay-Lussac, Dalton, Dulong und Petit, Rudberg, Magnus, Kegnault 44. Das Ausdehnungsgesetz der Gase. Leipzig.— 3 M. Kronecker, Leop. , Vorlesungen über Mathematik. 1. Band. Leipzig. — 12 M. Lepsius, Prof. Dir. Dr. Rieh., geologische Karte des Deutschen Reichs. 1. Lieferung. Gotha. — 3 M. Messtischblätter des preussischen Staates, 1849. Biesen. — 2265. Weine. — 2336. Liebenzig.— 2360. Ascheberg. 2421. ( loch. 2427. Wesel. — 2431. Hamm. — 2499 Issum. — 2500. Rhein- berg. — 2501. Dinslaken. — 2505 Dortmund. — 2556. Gr. Logisch.— 2718. Düsseldorf Berlin. - ä 1 M. Müller-Pouillet's Lehrbuch der Physik und Meteorologie. 9. Auf- lage. 2. Band. 1. Abtheilung. 1. Lieferung. Braunschweig. -4 M. Inhalt: Der 4. naturwissenschaftliche Ferienkursus für Lehrer an höheren Schulen. — Dr. E. Ziegenbein, Macht sich ein Ei- weisszerfall im Protoplasma der Pflanze bei Ausschluss des freien atmosphärischen Sauerstoffs geltend? — Das Vorkommen einer zweiten Art der Gattung Physostigma. — Der Nutzen der Reizbarkeit der Blätter von Mimosa pudica für diese Pflanze. — Ueber Chlorophyllkörner der Samen und Keimlinge. — Neuer Komet. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. -■ Litteratur: Prof. Dr. Johannes Ranke, Der Mensch. — Privatdocent Dr. Bernhard Rawitz, Grundrisi der Botanik. — Ferdinand Pax, Prantl's Lehrbuch der Botanik. - Jahrbuch der Königlich , Preussischen Geologischen Landesanstalt Verzeichniss des Schlesischen Tausch-Vereins. — Liste. Komet. ... dir Histologie. Fotome, Josef Kafta, Recente und fossile Nagethiere Böhmens. und Bergakademie zu Berlin. — Das General-Doubletten 228 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 18. - In J. U. Kern's Verlag (Max Müller) in Breslau ist soeben erschienen: Molluskenfauna von Schlesien. Von E. Merkel, Lehrer am Realgymnasium zum heiligen Geist in Breslau. Herausgegeben mit Unterstützung der Schlesischen Gesell- schaft für Vaterländische Cultur. gross 8 . geheftet. Preis 7 Mark. Fremdländische Zierfisehe Macropoden, Telescop-Schleiersehwanz- Goldfische und andere Arten, sowie Wasserpflanzen iür Aquarien und Gartenhassins, (auch Einrichtung derselben), Durchlüftungs-Apparate, Hülfsmittel, Fischfutter etc. empfiehlt Lankwitz a. d. Bert. Anh. Bahn. Paul Matte, (Von Berlin in 12 Min. zu erreichen.) Züchterei fremdl. Zierfische. (Besichtigung ist gestattet.) Gut bestimmte Herbarien deutscher Pflanzen zum Preise von 20 bis 100 Mark und eine geologische Sammlung. enthaltend Handstücke und Petrefacten aus allen Formationen, zum Preise von 150 Mark sind zu haben durch Vermittelung der Re- daction der Naturw. Wochenschr. Berlin C. Boohatr. 1 Ecke Munzstr. y^eub^vub- -S Erwirkung, Verwertung £ billigst, sorgfältig, schnell. Constructionsbureau f. technische Anlagen 91. 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Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- y anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Ji 4.— dp Briugegel. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunt'I. Inseratenannabme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition V ImI i'in U in! nur mit vol l*liiii
  • enn bei der Hebung auf den Wellenberg findet Verkleinerung, bei der Senkung ins Wellenthal Vergrösserung des betr. Oberflächencleinents statt — das ist ein ebenso sieherer, als wichtiger und noch nicht genügend ge- würdigter Satz, den Theorie wie Beobachtung an Wasser- wellen ergeben; bei Flächenverkleinerung wird aber actuelle Energie frei, die bei ihrer Vergrösserung wieder gebunden wird. Darum wird „ein Theil der Ilebc- arbeit beim Aufstieg auf die Welle durch die Oberflächenspannung' geleistet und ein ent- sprechender Theil der lebendigen Kraft des Falls der Wassertheilchen beim Abstieg ins Thal auf die Herstellung derselben Spannung wieder verbraucht" (vergl. meinen Aufsatz S. 144). Bleiben wir beim Bilde des Bogens, so können wir sagen, dass beim Abstieg die Sehne gespannt, beim Aufstieg zum Wellenberg sie losgelassen wird. Dagegen beruht es auf einem Versehen, wenn ich auf derselben Seite ausspreche, dass der von der Krümmung der Oberfläche abhängige Summand des Cohäsionsdrueks bei einer Oelhaut ganz wegfalle; denn eben die entgegen- gesetzte Krümmung der parallelen oberen und unteren Fläche der Oelhaut bedingt es, dass die zur Grenzfläche senkrechte Componente der Oberflächenspannung auf beiden Flächen dieselbe Richtung haben muss. Die sogenannten Doppelempfindungen. — Man versteht unter einer Doppelempfindung die nur gewissen Individuen zukommende Eigeuthünilichkeit, bei vollständig adäquater Reizung eines Sinnesorgans nicht nur die be- treffende Sinnesempfindung, sondern gleichzeitig eine Mit- empfindung auf dem Gebiet irgend eines andern Sinnes zu pereipiren. Diese Eigenthümliehkeit ist selten und stets angeboren. Bis jetzt hat man folgende Arten von Doppelempfindungen beobachtet: 1. Farben- und Liclit- vorstelltingeii veranlasst durch Schallempfindungen • 2. durch Geschmacksempfindungen; 3. durch Geruchsempfindungen; 4. durch Tast-, Sehmerz- und Temperaturempfindungen; 5. durch gesehene Körper, also durch Formen. Das Zustandekommen dieser Doppelenipfinduugen kann man sich auf folgende Weise erklären: Da die Contra für die Sinnesempfindungen in einander benach- barten Partien des Gehirns belegen siud und miteinander durch Nervenfasern in Verbindung stehen, so bewirkt, in dazu disponirten Individuen, die Erregung des einen Ceiitrums eine wenn auch schwächere (induetive) Mit- erregung eines andern benachbarten Centrums, dessen Erregung nach dem Gesetz der excentrischen Protection als von einem aussen befindlichen Object herrührend ge- dacht wird. Eine zweite Erklärung dieser Erscheinung ergiebt sich durch das Heranziehen Darwinscher Prin- cipien. Bei gewissen, in der Stufenleiter der Organismen relativ niedrig stehenden Thieren findet man nämlich, dass ein Centrum die Empfindungen mehrerer Sinnes- organe vermittelt. Wendet man nun diese Thatsache auf die Inhaber solcher Doppelempfindungen an, so müsste man den Schluss ziehen, dass diese Individuen nicht in normaler Weise differencirte Sinnescentra besitzen, und man müsste ihre Doppelempfindungen auf eine Art von Atavismus im Darwinschen Sinne beziehen. Steinbrügge stellt sich die Sache so vor, dass an Stellen, wo mehrere Sinnesnervenbahnen neben einander Verlaufen, ein Sinnes- reiz von einer Nervenbahn auf eine benachbarte über- gehe oder dass er, letztere überschreitend, zu einem andern Centrum gelange und dort eine zweite Empfin- dung auslöse. Die Litteratur über diesen ( regenstand ist folgende : Bleuler und Lehmann, Zwangsmässige Lichtempfindungen durch Schall und verwandte Erscheinungen. Leipzig 1881. — Kaiser, Compendium der physiologischen Optik. Wies- baden 1872. S. 197. — J. A. Nussbaumer, Ueber sub- jeetive Farbenempfindungen, die durch objeetive Gehörs- empfindungen erzeugt werden. Wiener med. Wochen- schrift 1873. Nr. 1, 2 u. 3. — Derselbe, Mittheilungen des ärztlichen Vereins in Wien. Bd. II. S. 49. -- Schenk], Casuistischer Beitrag zur Association der Worte und Farben. Prager med. Wochenschrift 1881. Nr. 48. — Kaiser, Association der Worte mit Farben. Archiv für Augenheilkunde XI. S. 96 (1882). — Mayerhausen, Ueber Association der Klänge, speciell der Worte mit Farben. Klin. Monatsbl. f. Augenh. 1882. S. 385. — E. Aglave, De l'andition des couleurs. Rec. d'Ophthalm. 1882. Nr. 9. - Pedrono, De l'andition coloree. Annal. d'oeulist. Nov.- Dec. 1882. — Schenkl, Ueber Association der Worte mit Farben. Präger med. Wochenschrift 1883 X S. 94; XI S. 101. — Baratoux, De l'andition coloree. Rev. mens. d'Otol. 1883. Nr. 3. — F. Galton , Inquiries into human faculty and its development. London 1883. — Kaiser, Association der Worte mit Farben. Memorabilien XXVII. S. 524 (1883). — Hubert, Ueber Association von Ge- schmacks- und Geruchsempfinduiigen mit Farben und Association von Klängen mit Formvorstellungen. Klin. Monatsbl. f. Augeuheilk. 1884. S. 1. — Berthold, Ueber subjeetive Farbenempfindungen. Schrift d. phys. ökon. Ges. zu Königsberg XXIV. Sitzungsbericht S. 33 (1883). — Hubert, Zur Kenntniss der pathol. Faibenwarnelinuiugen. Memorabilien XXIX. S. 529 (1884). -- Ch. Fere, La vision coloree et equivalence des excitations sensorielles. Societe de biologie ä Paris. Dec. 1887. — Steinbrügge, Ueber seeundäre Sinnesempfindungen. Wiesbaden 1887. — Suarez de Mendoza, Contributions ä l'etude des fausses pereeptions sensorielles secondaires et particulierenient des fausses sensations des couleurs assoeiecs aux pereeptions objeetives des sens. Prag. m. W. Nr. 19. S. 375 (1890t. — Wahlstedt, To änne Fall af färghörscl, andition coloree. Verhandl. d. biol. Ver. zu Stockholm. Heft I u. II. 1890. Dr. med. R. Hubert. Die Frage nach der Bedeutung, die dem Aufenthalt von Afterskorpionen auf anderen Gliederfüsslern bei- zulegen ist, über welche wir in der ..Natur. Woclienschr.", VIII. Bd., S. 572, berichteten, hat wiederum mehrere neuere Beleuchtungen erfahren. Zunächst berichtet S.J.H ick so n*), dass bereits 1859 Hagen beobachtete, dass venezuelische Cheliferarten an Acroeinus longimanus schmarotzten. S. S. Haldeman fand sie 184<8 auf Alans oculatus. Endlieh erwähnte Hickson selbst in seinem bekannten Buche „A naturalist in N. Celebes" die Anwesenheit von After- skorpionen auf den Flügeln von Batocera celebiana. Alle diese Fälle betreffen also Käfer. Ferner veröffentlicht E. Berg**) Erfahrungen, die ihm E. Backhausen aus Feuerland mittheilte. Derselbe sah einen Afterskorpion *) Zool. Anz., Nr. 414, S. 93 **) Zool. Anz., \'r 434, S. 146. 234 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 19. mit einer Schecre an einer Sehmeissfliege hängen. Bald war das umklammerte Bein der Fliege steif und am andern Morgen war die Fliege todt, der Skorpion dick und voll- gezogen. Backhausen brachte nun 10 Pseudoskorpioniden in ein Gefäss, Hess sie hungern und sperrte sodann Fliegen zu ihnen. Diesen wurde von jenen nachgejagt. Die Parasiten klammerten sich mit den Seheeren an, und wenn der Beobachter auch keine Saugthätigkeit erkennen konnte, so starben doch die gepackten Fliegen und die Schma- rotzer krochen ihnen bis an den Hinterleib, indem sie sie zugleich unter Laub zogen. Es scheinen demnach die Afterskorpione liier als wirkliche Raubtbiere aufzutreten. Eine zusammenfassende Darstellung der hier vorliegenden Frage gab neuerdings R. Moniez.*) Er stellt zunächst sämmtliche bekannte Fälle zusammen und giebt eine Liste der beobachteten Arten, ihrer Wohnthiere und ihrer Beob- achter. Er kommt sodann zu dem Ergebniss, dass die Fliegen, Käfer und Spinnen, die Afterskorpione (Chernes, Chelifer, Obisium) tragen, nur als Transportthiere benutzt werden. Es erscheint ihm ein Angriff auf dieselben kaum möglich. Dazu komme, dass zahlreiche Milben des Landes und des Wassers sich von andern Thicren forttragen Hessen. Bemerkt mag werden, dass Moniez die oben citirten Beobachtungen Baekhausen's bei der Abfassung seines Aufsatzes unbekannt waren. C. M. lactis saponacei, bezeichnet. Die übrigen Bacterien wurden nicht benannt. ..bis sich an ihnen vielleicht weitere auf die Milchwirthsehaf't Bezug habende charakteristische Eigenschaften zeigen". Behufs Ermittelung der Herkunft der Bacterien wurde das für verdächtig gehaltene Stroh einer bacteriologischen Analyse unterworfen. Dabei wurden dieselben Bacterien gefunden wie in der Milch, und zwar nur diese. Der Ersatz der schlechten Streu durch gutes Stroh beseitigte den Fehler. In der zweiten Sorte von seifiger Milch wurde der Fehler im Futter, und zwar im Heu gefunden, welches äusserlich sehr gut aussah. Ueber „seifige Milch". Von Dr. H. Weizmann und Gg. Zim in Kiel. (Centralblatt für Bacteriologie und l'.uasitenkunde, 7. April 1894.) — Den Verfassern ging im letzten Winter von zwei verschiedenen Seiten „seifige" Milch zu, welche von ihnen bacteriologisch genauer studirt ist. Die Bezeichnung „seifige" Milch ist von Herz ein- geführt, das Charakteristische daran ist der laugig seifen- artige Geschmack, sie gerinnt selbst nach längerem Stehen nicht, sondern scheidet nur einen schleimigen Bodensatz aus, beim Verbuttern schäumt der aus ihr gewonnene Kahm stark. Die eine Sorte Milch stammte von einem Gut in der Nähe Kiels, welche täglich behufs Verarbeitung an die Vcrsuchsiueierei eingeliefert wurde. Sie zeigte alle die genannten Eigenschaften, die Butter nahm bereits am zweiten oder dritten Tage „einen unangenehmen kratzen- den Geschmack an und wurde nach mehreren Tagen geradezu ungeniessbar. Bei der Herstellung von Käsen zeigte die Milch nur geringe Abnormitäten." Der betreffende Stall wurde aufgesucht und die Milchgewinnung genau beaufsichtigt. Dabei zeigte sich, dass das Streustroh „nicht ganz frisch, sondern stellenweise etwas verfärbt war, ohne indess verdorben oder schimmelig zu sein". Anfangs wurde dieser Umstand nicht weiter beachtet und man kam erst später darauf zurück. Es wurden von der Milch im Stall selbst 6 Proben in sterilisirten Flaschen entnommen. Selbst nach mehrtägigem Stehen zeigte sich fast keine oder nur eine schwache Gerinnung. Die < Ge- rinnsel waren schleimig, weich, die übrige Milch sehr wässerig und durchsichtig. Die Proben verhielten sich mithin wie eine Milch, „welche mit der Reincultur einer peptonisirten Bacterie versetzt worden ist". Eine Probe wurde bei längerem Stehen grünlich, enthielt also eine fluorescirende Bacterie. Von den Proben wurden Platten- eulturen gegossen und Ueberimpfungen in sterilisirte Milch vorgenommen. Auf allen Culturen waren 5 ver- schiedene Bacterienarten, welche weiter in Reineulturen gezüchtet wurden. Die Bacterie I, welche am meisten vertreten war, inusste nach den weiter angestellten Ver- suchen als Ursache des Milchfehlers angenommen werden und wurde Bacillus der seifigen Milch, Bacillus *) Revue biolog. du Nord de la France, 6. annee, S. 47. Mz. lieber einige Eigenschaften der organischen Ele- mente wird Professor W. Preyer in den Jahrbüchern des Nassauischen Vereins für Naturkunde einen Vortrag ver- öffentlichen, den er am 10. December v. J. in Wiesbaden gehalten hat. Immer aufs Neue — sagt Preyer — ■ erweckt die ge- ringe Anzahl der organischen Elemente das Staunen des Naturforschers. Nur der fünfte Theil sämmtlicher be- kannten Grundstoffe dient zum Aufbau und Leben aller thicrischen, pflanzlichen, protistischen Wesen, mögen sie entwickelt oder unentwickelt, gesund oder krank, gross oder klein, häufig oder selten sein. Die Verbindungen von nur vierzehn Urstoffen genügen, die ganze unermess- liche Fülle des Lebens an der Erdoberfläche zu erhalten. Es giebt wenige Thatsachen, welche so sehr wie diese die Verwunderung des Beschauers erregen über die Un- erschöpflichkeit der Mittel in der lebenden Natur, und wohl lohnt sieb die Mühe, die Verbreitung und die Eigen- schaften jener bevorzugten einfachen Stoffe zu betrachten, schon weil sie die Hoffnung nährt, von einer neuen Seite her Licht in das Dunkel des grössten Räthsels, in das Geheimniss des Lebens, zu bringen. Zunächst die Anzahl der organischen Elemente. Es ist klar, dass aus den Thieren keine anderen gewonnen werden können, als aus den Pflanzen, weil jene auf diese angewiesen sind. Alle Thiere sind entweder carnivor oder herbivor oder beides, d. h. omnivor; die Carnivoren leben von Herbivorcn, so dass alle Thiere ohne Ausnahme schliesslich auf das Pflanzenreich angewiesen sind. Die Nahrung der Pflanzen, welche in der Luft, im Wasser, im Boden enthalten ist, muss dieselben Elemente ent- halten wie die Gewebe der Pflanze selbst, da bei der Un- veränderlichkeit jedes chemischen Elementes an der Erd- oberfläche kein neues erzeugt werden kann. Hieraus folgt mit zwingender Notwendigkeit, dass alle zum Leben der Thiere, den Menschen ein- geschlossen, erforderlichen Elemente in der Nah- rung der Pflanzen enthalten sein müssen. Wirk- lich haben auch zahlreiche sorgfältige Experimente der drei letzten Jahrzehnte dieses wichtige Erkenntniss immer fester begründet. Viele Pflanzen können wachsen, blühen und Früchte tragen, wenn nur bei Zutritt der gewöhnlichen, kohlen- säurehaltigen Luft in der Nährflüssigkeit enthalten ist: Wasser, Salpeter, Gips, Kochsalz, Magnesiumsulfat, Caleium- phosphat neben Spuren einer löslichen Eisenverbindung und Spuren eines Silicates und Fluorids. Hier sind ^tatsächlich alle organischen Elemente ver- einigt, und zwar in weit verbreiteten chemischen Ver- bindungen. Diese Verbindungen sind überall da, wo Pflanzen wachsen. Es klingt paradox und ist doch buch- stäblich wahr, dass die Elemente dieser wenigen Ver- bindungen der bescheidenen Pflanzennahrung genau die- selben sind wie die einer üppigen Mahlzeit, mögen die Nr. 1!). Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 235 Speisen noch so künstlich bereitet und die Gänge noch so zahlreich sein. Und abermals rinden sich nur eben diese Elemente in derjenigen Nahrung, welche wir alle zu Anfang unseres Lebens ausschliesslich zu uns nehmen, in der Milch; nur diese, in Wahrheit das einzige vollkommene Nahrungsmittel, ist im Stande, alles /.um Leben erforder- liche Material dem sich entwickelnden Mensch enkörper in der geeignetsten Form zu bieten, wie die Salze in der Nährfllissigkcit der Pflanze dieser bieten, was sie braucht. So gänzlich verschieden von der letzteren die Milch, Überhaupt jede menschliche Nahrung' ist, die Elemente sind in beiden dieselben, genau dieselben der Art und Zahl nach wie die des die Milch erzeugenden mütterlichen Körpers und wie die des Kindes, nämlich: 1. Kohlen- stoff, welchen die höheren Pflanzen aus der Kohlensäure der at sphärischen Luft beziehen. Sie zerlegen dieselbe unter dem Einrluss des Sonnenlichts vermittelst des Blatt- grüns in ihren Zellen und hauchen dabei Sauerstoff aus. t. .Sauerstoff Diesen entnimmt die Pflanze beim Athmen ebenfalls der Luft, hauptsächlich aber dem Wasser und damit zugleich 3. Wasserstoff. Es folgt 4. Stickstoff, den die Pflanzen vorwiegend dem Salpeter, d. h. den Nitraten der Alkalimetalle, aber auch dem Ammoniak ent- nehmen. 5. Schwefel, welcher von den Wurzeln unter Zerlegung- der schwefelsauren Salze im Boden, nämlich der Sulfate der Alkali- und Erdalkalimetalle, aufgenommen wird. 6. Phosphor. Er stammt von den Alkali- und Erdphosphaten. 7. Chlor, vielen Pflanzen nur in äusserst geringen Mengen erforderlieh, wird aus den Chloriden des Kalium und Natrium bezogen. 8. 9. 10. 11. Calcium, Magnesium, Kalium und Natrium - - letzteres oft nur in ganz minimalen Mengen erforderlich — werden der Pflanze aus dem Boden, auf dem sie wächst, zugeführt in den erwähnten Nitraten, Phosphaten, Sulfaten, Chloriden. 12. Eisen geht ihnen im Wasser, im kohlensauren und vielleicht auch phosphorsauren Eisen zu. Endlich 13. Sili- cium oder Kiesel ist in Silicaten und in der Kieselerde, und 14. Fluor in dem Calciumfluorid und in den Alkali- fluoriden, welche löslich sind, enthalten. Damit ist die Liste der allgemein verbreiteten organi- schen Elemente erschöpft. Mehr als 14 sind nicht er- forderlich, um die Nahrung der Pflanzen, und damit die der Thiere, zusammenzusetzen. Da beide nichts Elementares enthalten können, was die eingeathmete Luft und die aufgenommene Nahrung nicht in sie hineinbringen, so muss also jenes kleine Verzeiehniss alle unentbehrlichen organi- schen Elemente angeben. Alles körperliche und geistige Leben ist an sie unlösbar gekettet. Indessen, eine Behauptung von solcher Tragweite bedarf noch anderer Beweise, ehe sie als vollgültig an- erkannt werden kann. Offenbar muss jedes beliebige Thicr, jede beliebige Pflanze, ein winziges Ei eines Para- siten so gut wie der Riesen-Wal, in dem es sich ent- wickelt, ein mikroskopischer Pilz so gut wie der Baum, an dessen Rinde er haftet, ein Wurm so gut wie der Mensch, der ihn zertritt, bei der chemischen Analyse schliesslich immer die obigen 14 Grundstoffe liefern. Haben diese wirklich eine so fundamentale Bedeutung für das Leben, dann darf keiner fehlen, wo Leben ist. Noch mehr. Be- nötliigt der Organismus zur Erhaltung seiner Lebensthätig- keit nach jeder Richtung nur jener 14 Stoffe, freilich in immer wechselnden Verbindungen, dann darf ein fünf- zehnter und sechzehnter nicht ebenso regelmässig wie jene vorkommen. Was ergiebt nun die empirische Forschung? Zunächst hat sich herausgestellt, dass für zehn von jenen vierzehn organischen Elementen das allgemeine Vorkommen, die Existenz in jedem beliebigen Lebewesen, ganz unzweifel- haft sicher festgestellt ist, nämlich für Kohlenstoff", Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel, Phosphor, Calcium, Magnesium, Kalium, Eisen. Es ist leicht jeden Augenblick zu beweisen, dass jeder Thcil eines lebenden Körpers Kohlenstoff enthält. Denn wenn man ihn trocknet und erhitzt, so wird er schwarz, er verkohlt, Das Schwarze ist nur Kohle, weil es für sich im Sauerstoff verbrannt nur Kohlensäure liefert. Wasserstoff und Sauerstoff sind schon deshalb massen- haft in jedem lebenden Wesen vorbanden, weil jedes zu Zwcidrittel bis Dreiviertel oder Vierfünftel, auch wohl Neunzehntel, aus Wasser besteht. Corpora non vivunt nisi huinida. Stickstoff und Schwefel sind ausnahmslos vorhanden, weil das Eiweiss diese beiden Elemente enthält und es kein lebendes Gewebe ohne Eiweiss giebfc Phosphor, Calcium, Magnesium, Kalium und Eisen findet man jedesmal in der Asche einer verbrannten Pflanze oder eines verbrannten thierischen Oadavers, z. Tb. am bequemsten mittelst des Spectralapparats. v Niemand bezweifelt es, Jeder kann sich jeden Tag davon überzeugen. Nur darf man, um mit Bestimmtheit die Anwesenheit jedes Stoffes in jeder Pflanze zu er- kennen, zum Veraschen nicht eine zu kleine Probe ver- wenden, sonst könnten namentlich die geringen Eisen- mengen nicht nachweisbar sein. Nun aber die vier übrigen Elemente. Wie verhält es sich mit deren allgemeiner Verbreitung in der lebenden Natur? Vom Chlor und Natrium, welche im Kochsalz und Steinsalz zu den häutigsten Grundstoffen gehören, ist längst bekannt, dass sie keinem Thiere fehlen. Merkwürdiger- weise aber giebt es noch heute einzelne Botaniker, welche meinen, beide seien für den pflanzlichen Stoffwechsel nicht unentbehrlich, es gebe sogar viele höhere Pflanzen, die gar kein Natrium enthielten. Ich kann darauf nur ant- worten, dass niemals der Beweis dafür erbracht worden ist, vielmehr jedesmal, wenn man grössere Mengen von Pflanzentheilen oder ganzen Pflanzen verbrannte, in der Asche sich Chlornatrium fand — auch weit entfernt vom Meere, wo schon die Luft mehr davon enthält, als im Binnenlande. Aber die in pflanzlichen Geweben gefundenen Mengen Chlor und Natrium sind meistens im Vergleich zu animalischen gering Und ganz dasselbe gilt noch mehr von den beiden übrigen Grundstoffen Kiesel und Fluor. Viele Gewächse gedeihen in Nährfliissigkeiten, denen weder Silicate noch Fluoride zugesetzt worden waren. Aber daraus folgt nicht, dass nicht Spuren davon mit den übrigen Ingredienzien und zum Theil aus dem Glase , hinein- kommen. Wenn ich behaupte, dass höchstwahrscheinlich Silicium und Fluor ebenfalls zu den unentbehrlichen organischen Grundstoffen gehören, so stütze ich mich dabei auf die Thatsache, dass Fluor regelmässig in den Knochen, in den Zähnen, in der Milch vorkommt und eines der ver- breitetsten Elemente, des Erdbodens ist, sowie darauf, dass man jedesmal nach der Verbrennung einer grösseren Menge thierischer Organe in der Asche Kieselerde findet. Wo- durch anders, als durch die Pflanzen in der thierischen Nahrung sollte nun das Fluor und das Silicium in die höheren Thiere gelangen? Die Fülle von Kieselthieren im Meere allein schon spricht für eine biologische Bedeu- tung des Silicium. Es dient zur Festigung thierischer und pflanzlicher Gerüste. Wenn man nun nach dem Vorkommen anderer als jener vierzehn Elemente in lebenden Körpern forscht, so begegnet man einer grossen Anzahl solcher, von denen man mit voller Sicherheit behaupten kann, dass sie über- haupt nicht in Pflanzen und Thieren in der freien Natur 236 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 19. sich finden. Dahin gehören die schweren Metalle, wie Gold und Silber, Iridium und Platin, Ruthenium und Os- mium, Rhodium und Palladium, auch die seltenen Erd- metälle aus Norwegen, wie Erbium und Terbium, Samarium und Gadolinium, Scandium und Yttrium und eine lange Reihe anderer. Es versteht sich von selbst, dass diese einfachen Stoffe ebenso wie alle anderen, wie im Besonderen Arsenik, vom Menschen, der sie sich verschafft hat, in den eigenen Körper oder in den eines Thicres gebracht werden können, was auch bei Ar/neiverordnuugen oft geschieht, z. B. wenn Wismuth- oder Quecksilber -Präparate ange- wendet werden, aber darum handelt es sich hier durchaus nicht. Es fragt sich vielmehr, ob in der freien Natur noch andere, als die 14 Elemente regelmässig in Pflanzen und Thieren vorkommen. Und diese Frage muss mit Ent- schiedenheit bejaht werden. Vor Allem steht fest, dass Kupfer ein eonstanter Be- standteil des Blutes der Tintenfische ist. Kupfer findet sich aber auch in dem rothen Farbstoff der Flügelfedern des südafrikanischen Pisangvogels. Zink ist in den soge- nannten Galmeiveilchcn und anderen Pflanzen in der Nähe von Zinkhütten regelmässig gefunden worden. Aluminium bildet einen oft nach vielen Procenten zählenden Bestand- theil der Asche gewisser Lycopodium -Arten. Lithium wurde im Tabak, Rubidium im Thee und in Rüben, Caesium in Austern aufgefunden, Bor in italienischen Trauben und Melonen, Jod und Brom in verschiedenen Seepflanzen, Mangan in Stcckmuscheln. Und zwar sind alle diese und noch mehr Befunde durchaus nicht zweifelhaft, wiederholt von guten Beobachtern, welche unabhängig von einander au verschiedenen Orten arbeiteten, constatirt worden und nur der Anfang einer wahrscheinlich in der Zukunft zu einer grossen Zahl anwachsenden Reihe ähnlicher That- sachen. Es wäre wichtig, 'zu wissen, was bei solchem räthel- haftem Vorkommen einzelner Elemente ausser der Reihe in einzelnen Thier- und Pflanzen -Arten etwa nur zufällig ist. So wie gegenwärtig die Frage liegt, kann nur gesagt werden, dass ausser den 12 bis 14 allen lebenden Wesen an der Erdkruste ohne Ausnahme zukommenden all- gemein verbreiteten Leben»elementen einige Wesen als regel- mässige Bestandteile, vermöge eines sehr merkwürdigen Vermögens zu unterscheiden und zu wählen, noch andere ebenfalls sehr häufige oder loeal angehäufte Grundstoffe in sich aufnehmen Zu diesen gehören Jod, Brom, Lithium, Bor, Zink, Caesium, Rubidium, Kupfer, Mangan, Aluminium und viel- leicht noch einige, die ich nicht anführe, weil ihr Nach- weis nicht so sicher ist. Demnach erscheint es angemessen, alle aus lebenden Wesen erhaltenen Grundstoffe in zwei Gruppen zu sondern. Die constant vorkommenden unentbehrlichen sind die Ele- mente erster Ordnung, die nicht constanten, wenn auch in einzelnen Pflanzen- und in einzelnen Thier-Arten regelmässig vorhandenen, sind die organischen Ele- mente zweiter Ordnung. Hingegen gehören die nur temporär zu Heil- oder Forschungszwecken in den Orga- nismus künstlich eingeführten oder bei Gewerben in ihn eindringenden, wie Blei, Zinn u. a., überhaupt nicht zu den organischen Urstotfen, so wenig wie das Arsen der Arsenikesser in Steiermark. Für die theoretische Untersuchung sind nun offenbar die Elemente erster Ordnung von ungleich grösserer Be- deutung, als die zweiter, weil sie niemals den Lebewesen fehlen; aber es ist die Sammlung von Thatsachen über das Vorkommen von anderen Grundstoffen in der Nahrung der Thiere und Pflanzen seh m darum nicht zu vernach- lässigen, weil dadurch die Kenntniss der Leistungsfähig- keit lebender Zellen erheblich erweitert wird. Und wenn auch eine solche Beobachtung Jahre, Jahrzehnte lang un- verstanden, weil unvermittelt bleibt, wie z. B. das Vor- handensein von Aluminium im Bärlappsamen, trotzdem beide Hydroxyde desselben schon durch Spuren von Säuren, Alkalien oder Salzen unlöslich werden, so wäre es doch unzulässig, sie zu ignoriren. Indessen zunächst sind es die Elemente erster Ordnung, welche die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen müssen. Was verleiht ihnen die grossen Vorzüge vor allen anderen Elementen? Was macht sie allein tauglich zur Unterhaltung des Lebensprocesses in allen Zonen? Ich habe schon vor mehr als zwanzig Jahren hervor- gehoben, dass sie sämmtlich ein kleines Atomgewicht haben. Keines übersteigt 56 (Eisen); die Zahlen sind (mit Weglassun- der Decimalen): H 1, C 12, 0 16, Na 23, Si 28, S 32, K 39, N 14, Fl 19, Mg 24, P 31, Cl 35, Ca 40, Fe 56. Also gehören die 14 organischen Elemente erster Ordnung zu denjenigen 23 Elementen, welche das kleinste Atomgewicht haben. Die Bedeutung dieser Thatsache er- hellt sofort, wenn man erwägt, dass in gleichen Gewichts- mengen zweier Nahruugsarten die grössere Anzahl von Atomen da sein muss, wo die Bestandteile das geringere Atomgewicht haben. Beim Lebenschemismus kommt es aber, wie sich noch zeigen wird, auf die Wirkung von vielen Atomen im kleinsten Räume an. Ferner haben die genannten organischen Elemente ein auffallend niedriges speeifisches Gewicht. Wenn man den Fehlerquellen und Lücken in den Bestimmungen einen noch so grossen Spielraum anweist, die Volumgewichte der organischen Elemente bleiben doch die kleinsten, nämlich für den festen Aggregatzustand, das Wasser = 1 gesetzt: H 0,62 bis 0,73 (berechnet), C 1,8 bis 3,6, N 1,2 oder wenig mehr (berechnet), 0 weniir mehr als 1,1 (be- rechnet), Fl wenig mehr als 1,0 (berechnet), Na 0,97, Mg 1,7, Si 2,0 bis 2,49, P 1,82 bis 2,34, S 1,9 bis 2,1, Cl 1,8 (berechnet), K 0,86 bis 0,88, Ca 1,5 bis 1,8, Fe 6,9 bis 8,0. Somit hat allein das immer nur in minimalen Mengen in lebenden Körpern vorkommende Eisen ein hohes Volum- gewicht. Die Bedeutung dieser Thatsache von der geringen Dichte aller übrigen wesentlichen organischen Elemente liegt auf der Hand. Wenn die Kleinheit des Atomgewichtes die grössere Anzahl der Atome im Lebenschemismus be- weist, so weist die Kleinheit des Volumgewichts auf die grössere Anzahl der Molecüle hin, welche bei Gleichheit des Gewichts in Action treten. Leben ist Bewegung und bedarf leicht beweglicher Stoffe, besonders der Gase. Leben ist Wechsel der Stoffe. Die leichter beweglichen Stoffe sind die mit kleinem Atomgewicht und kleinem Volumgewicht, daher auch die häufigsten au der Erd- oberfläche, daher für die Unterhaltung der vitalen chemi- schen Reactionen die geeignetsten. Würden eines Tages die meisten organischen Elemente selten, dann müssten alle Pflanzen und Thiere verhungern. Die organischen Grundstoffe haben noch mehr Eigen- schaften, welche sie zur Lebenserhaltung vorzüglich taug- lich machen. Sie haben alle eine hohe specinsehe Wärme, welche, die des Wassers = 1 gesetzt, innerhalb der Gren- zen 0,10 und 0,46 eingeschlossen ist — die des Wasser- stoffs geht bis 5,88 — während alle übrigen Elemente eine speeifische Wärme von höchstens 0,10 und meistens viel weniger haben, bis zu 0,028 hinab. Aus der hohen speeifischen Wärme aller organischen Elemente, besonders aber des Wasserstoffs, folgt, dass auch die sämmtlichen wesentlichen Bestandteile der Gewebe lebender Natur- körper, welche nur aus deren Verbindungen sich auf- bauen, eine relativ hohe speeifische Wärme haben müssen. Nr. 19. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 237 Ja schon aus ihrem reichen Wassergehalt ersieht sich diese Folgerung. Die biologische Bedeutung derselben ist. wie bereits von anderer Seite (L. Errera) bemerkt wurde, jedenfalls darin zu suchen, dass die lebenden Göwebe, wenn ihn'en Wärme zugeführt wird, zwar dadurch leicht eine Steigerung der intramolecularcn Bewegungen, aber viel schwerer eine Temperaturerhöhung erfahren, als unter sonst gleichen Umständen anorganische Gebilde, z. B. die Edelmetalle. Da die Bestandteile der lebenden Körper auch fast alle schlechte Wärmeleiter sind, so können sie plötzlichen Temperaturschwankungen ihrer nächsten Umgebung nicht schnell folgen — die Baumrinde leitet noch schlechter als das Holz — und hierin liegt ein grosser Vortheil nament- lich für alle Landthiere und Landpflanzen, während im Meere überhaupt die Temperaturschwankungen viel weniger rapide sind und innerhalb engerer Grenzen nach oben und unten vor sich gehen, als in der Atmosphäre. Alles Leben auf der Erde und im Meere ist überhaupt in so enge Grenzen der Wärme eingeschlossen, dass beim Wechsel der Jahreszeiten, zumal in den gemässigten Zonen, ohne die hohe speeifische Wärme der organischen Elemente und das geringe Wärmeleitungsvermögen der aus ihnen auf- gebauten Gewebe, durch die Kälte noch viel mehr kleine und kleinste Organismen alljährlich vernichtet werden würden, als jetzt schon im Winter der Fall ist. Ausser den betrachteten für den Lebensprocess wich- tigen physikalischen Eigenschaften haben die organischen Grundstoffe noch die chemische Besonderheit an sich, dass sie die zahlreichsten Verbindungen mit einander eingehen und sehr grosse Molecüle bilden, Molecüle ans 4 oder 5, auch 6, sogar 7 verschiedenen Elementen. Und diese Verbindungen sind leicht löslich und zerfallen sehr leicht, wie z. B. das Blutroth, welches in seinen Krystallen 6 Elemente vereinigt. Auch die Eiweissmolecüle, ohne welche Leben nicht ge- dacht werden kann, sind sehr gross und zersetzen sich leicht. Sie verändern sich unter den geringfügigsten Einflüssen. Diese Labilität der organischen Verbindungen in leben- den Körpern ist zwar für die Erforschung derselben das grösste Hindcrniss, in theoretischer Hinsicht aber der wichtigste neue Ausgangspunkt der künftigen Biochemie. Wenn man sich nämlich vergegenwärtigt, was eigent- lich in lebenden Körpern lebt, so kommt man stets zu der Antwort: nur der Zellinhalt, das Protoplasma, lebt, und so verschieden die Meinungen über dessen Beschaffenheit auch sind, darüber herrscht kein Streit mehr, dass es ein ausserordentlich complicirtes Gebilde ist und nicht ein „schleimartiger" oder „eiweissartiger" Stoff. Das Protoplasma zersetzt sieh, so lange es lebt, immerzu. Den Eratz des bei dieser Selbstverzehrung verbrauchten Materials liefern eben die organischen Elemente in den assimilirbaren Verbindungen der Nahrung. Nur darf mau sich nicht vorstellen, dass die Dissimilation, die ganze Reihe der kataplastischen chemischen Vorgänge, in der Weise vor sieh ginge, wie bei den im Laboratorium ver- suchten Nachbildungen der Stoffwechselprocesse. Wenn man noch so viele Bestandteile lebender Thiere und Pflanzen durch künstliche Synthese darstellt, so würde man doch damit nicht in einem einzigen Falle nachge- wiesen haben, dass der lebende Körper ebenso verfährt. Und mit den Zersetzungen verhält es sich geradeso. Wie der Organismus die von ihm ausgeschiedene Kohlensäure bildet, ist unbekannt, und doch giebt es gar kein Leben ohne Kohlensäurebildung! Der Grund, weshalb dieses Problem noch nicht hat gelöst werden können, liegt ohne allen Zweifel wesentlich in der ungenügenden Keuntniss der Beschaffenheit des Ortes, wo die Kohlensäurebildung stattfindet. Dass die Oxydatiönsberde nur im Protoplasma liegen, ist gewiss, aber wie sehen sie aus? Da das Protoplasma eine erst seit der V ung der Mikroskope in der Neuzeit erkannte, ausserordentlich verwickelte Structur hat, wobei die sehr I äpalt- räume und Maschen, oft an der ('.reu/- der Sichtbarkeit, nicht einmal von Bestand sind, sondern sieh unter Augen des Beobachters ändern, so entstellt die Frage, ob in einer so eigentümlichen Localität überhaupt die ch sehen Reactionen in der gewöhnlichen Weise ablaufen können. Eine Untersuchung der für das Zustandekommen einer jeden chemischen Reaction notbwendigen Bedingungen hat ergeben. dass allerdings eine der wichtigsten im lebenden Protoplasma wegen der Kleinheil seiner Hohlräume nicht verwirklicht sein kann, nämlich die Massenwirkuug. Nur in sehr beschränktem Umfang im kleinsten Kaum zur Erzielung des chemischen Gleichgewichts kom- men. Dann inuss alter auch der Chemismus im lebenden Zellinhalt, der Protoplasma-Chemismus, d.h. die Wechsel- wirkung der leicht zersetzbaren Verbindungen der organi- schen Elemente, eine andere sein und andere Folgen haben, als im Probirglas und in der Retorte. Schon die ausser- ordentlich feine Yen Im il kleinsten Stückchens Nahrung, welches an Millionen und aber Millionen ver- schiedenen Stellen des ( »rganismus zur Verbrennung kommt, und dann namentlich die auffallend niedrige, äusserlicb inessbare I »urchschhitts-Temperatur der Verbrennungsherde machen es wahrscheinlich, dass im engen Maschenraum des lebenden Protoplasma es nicht mehr die grossen Mole- cüle. sondern die Atome im Momente ihres Freiwerdens sind, die aüfeinanderstürzen. Nicht die gewöhnlichen ehemischen Reactionen, bei denen ungeheure Mengen von Moleeiden massenbildend am gleichen Ort in Action treten, sondern atomistische Re- actionen sind es, die hier vor sich gehen, Einzelkämpfe mit starken ungesättigten Affinitäten frei werdender Atome im Status nascendi, und zwar nirgends in genau gleicher Weise, da die Protoplasmen individuell verschieden sind wie die Organismen. So verspricht die genauere Ermittelung der Eigen- schaften lebenswichtiger Verbindungen aus organischen Elementen im Zusammenhang mit der Erforschung der feinsten Structur des pflanzlichen und thierischen Proto- plasmas helles Licht zu werfen auf die Grundlage alles Lebens: die biochemischen Processe. - Der Doppelstern <>1 C.vgni, bekanntlich einer der uns nächststehenden Fixsterne, ist seit dem Herbst 1890 von Wilsing in Potsdam zum Zweck einer genaueren Parallaxenbestimmung häufig photographirt worden. Bei der Ausmessung der Aufnahmen zeigte sich nun, abge- sehen von dem bereits bekannten jährlichen Zuwachs der •Distanz beider Componenten um '»."1. eine bisher ver- muthlich durch Beöbachtungsfehler maskirt gebliebene periodische Schwankung der Distanz um 0,";». die etwa nach 22 Monaten wiederholte. Diese merkwürdige Erscheinung, die eine definitive Ermittelung der Parallaxe noch nicht zum Abschluss kommen liess, glaubt AVilsini;- durch den störenden Kinlluss eines nicht sichtbaren Be- gleiters erklären zu sollen, doch können genauere Unter- suchungen über dieses interessante Problem der „Astro- nomie des Unsichtbare] f Grund weiter fortge- setzter Aufnahme-Serien Erfolg versprechen. Bemerkens- werth ist jedenfalls, dass sieh hier die Photographie auch bezüglich der Positivmessurigen der unmittelbaren Beobachtung überlegen gezeigt hat. F. Kbr. 238 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 19. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Dr. Hans Rebel — und Dr. August von Böhm zu wissenschaftlichen Hilfsarbeitern am k. k natur- historischen Hofmuseum in Wien. — An der Universität Wien die ausserordentlichen Professoren Dr. Josef Gruber — Dr. Adam Politzer für Otiatrie — und Dr. Karl Stoerck für Laryn- gologie zu Ordinarien. — Dr. Wilhelm Becken zum Director der westfälischen Provinzial - Augen - Heilanstalt in Münster an Stelle von Geheimrath Dr. J Osten. — Der Oberarzt zu Alt- Scherbitz Dr. Karl Hardt zum Director der Provinzial -Irren- Anstalt in Apierbeck, Westfalen. — Mr. W. Esson zum Deputy Savilian Professor of Geometry an der Universität Oxford. — Der Professor der Chemie an der Universität Marburg Dr. E. Schmidt zum Geheimen Begierungsrath. — Der Privatdocent an der Uni- versität Bonn Dr. Bufs zum Assistenten am mineralogischen In- stitut der Universität Marburg. — Professor Dr. Kadyi von der Thierarznei-Hochscbule in Lemberg zum Ordinarius für Anatomie an der dortigen Universität. Dr. Oskar Hovorka Edler von Z d eras — und Dr. Josef Prazak sind als Volontäre beim k. k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien eingetreten. Es sind angenommen: Dr. Klautsch zum ersten, — Bergbau- beflissener Esch zum zweiten Assistenten an der mineralogisch- petrographischen Abtheilung des Museums für Naturkunde zu Berlin. Der Prosector an der Universität Giessen Dr. Karl Wilhelm Zimmermann hat einen Ruf als Prosector an die Universität Bern erhalten. Es haben sich habilitirt: Dr. Hermann Schwarz für Philo- sophie an der Universität Halle. — Dr. Theodor Paul für Chemie an der Universität Leipzig. Der Geologe Professor Dr. Oskar Fraas, erster Conservator am Naturaliencabinet in Stuttgart, ist Ende April von seiner Stellung zurückgetreten. — Der Professor der Geometrie an der Universität Oxford Dr. Sylvester legt sein Amt nieder. Es sind gestorben: Der Professor für innere Medicin an der militär - ärztlichen Academie in St. Petersburg Dr. Nikolaus Sokolow. — Der Zoologe Dr. Karl Alfred Fiedler in Zürich. — Der Physiker Professor Dr. Johann Josef Oppel in Frank- furt a. M. — Der Director der Landesbaumschule in ßraunschweig Garteninspector Koch. — Der Americanische Aerzte- und Chirurgen -Congress wird am 29. Mai in Washington unter dem Vorsitze von Alfred L. Looinis aus New- York eröffnet. Die Frühjahrs Versammlung des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg findet in Templin statt am Sonntag den 20. Mai. Abfährt von Berlin 6 Uhr Morgens vom Stettiner Bahnhof. Der Verein zur Förderung des Unterrichts in der Mathe- matik und in den Naturwissenschaften hält seine diesjährige Hauptversammlung in Wiesbaden ab in der Zeit vom Montag, den 14 bis Donnerstag, den 17. Mai. — Vorsitzender des Orts- ausschusses: Dr. Kaiser. Die 17. Haupt- Versammlung des Westpr. Botanisch-Zoolo- gischen Vereins findet vom 11. bis 16. Mai in Pr. Stargard statt. Der Vorstand besteht aus den Herren: von Klinggraeff, Con- wontz, Brischke, Walter Kauffmann. L i 1 1 e r a t u r. Karl Borinski, Grundzüge des Systems der artikulirten Pho- netik zur Revision der Principien der Sprachwissenschaft. Verlag von G. J. Göschen, Stuttgart 1891. — Preis 1,50 M. Verf. giebt zunächst einen Abdruck seines auf dem 41. Pbilo- logontag in München gehaltenen Vortrages. Aber auch für die- jenigen Faehgenossen, welche den Vortrag mit angehört haben, ist diese Schrift nicht überflüssig, denn B. fügt eine grosse An- zahl von Anmerkungen hinzu — fast die Hälfte des Büchleins einnehmend — , welche weitere Ausführungen des in dem Vortrage nur Angedeuteten enthalten. Borinski will statt des hergebrachten negativen Weges einen positiven einschlagen, indem er auf die cardinale Bedeutung der phonetischen Wissenschaft eingeht, nämlich melische Phonetik (Musik) und articulirte Phonetik (Sprache). Dabei verwahrt er sieh ausdrücklich dagegen, dass seine Schrift ein gegen die Jung- grammatiker gewendetes Programm sei. Diese werden freilich vielfach angegriffen, wenn er z. B warnt vor übertriebener An- wendung des Begriffes Sprachgesetz, vor der Hochhaltung er- träumter Schätze angeblich exaeter Resultate u. s. w., wenn er fordert, man solle endlich den alten Schlagbaum zwischen „stimm- haft" und „stimmlos" fallen lassen, da Stimmlosigkeit in eim m Laute (wie Lichtlosigkeit in der Farbe) ein Nonsens sei. Die ganze Sprachwissenschaft des gegenwärtig ablaufenden Jahrhunderts mit ihrem chaotischen Hin- und VViderschwanken bezeichnet er als eine fortlaufende Beunruhigung philologischer Gemüther. Im Einzelnen wäre etwa noch Folgendes zu bemerken. S. 51 fehlen unter den Beispielen für den Wechsel von k- und p-Laut die sehr bekannten Beispiele Graben — Gracht, Luft — Lucht (plattdeutsch), Phönizien — Kanaan; für teton (S. 48) ist teton zu schreiben. S. 58 ist der Satz unverständlich: Der Effect jenes Verfalls der Kirchentöne war schliesslich unser Moll. S. 42 heisst es: ,.Die Realisirung stellt den Effect der Blasinstrumente mit Knickung des Ansatzrohres (Oboe, Fagott) dar". Dies ist falsch. Di') Oboe hat kein geknicktes Ansatzrohr, und das Fagott ändert seine Klangfarbe nicht, auch wenn es ohne gebogenes Ansatzrohr (wie in früheren Zeiten — Bourdon, Bommer — ) angeblasen wird. Dem Verf. hat unzweifelhaft der Klangunterschied zwischen Hörn und Trompete vorgeschwebt. Jedenfalls ist das Büchlein äusserst anregend und lehrreich, und sei daher allen Phonetikern, mögen sie den Standpunkt des Verf. theilen oder nicht, bestens empfohlen. Prof. Dr. Zelle. Prof K. Faulmann, Im Reiche des Geistes. Dluatrirte Geschichte der Wissenschaften. Mit 13 Tafeln, 30 Beilagen und 2u0 Text- abbildungen. Wien, A. Hartleben's Verlag. 1894. - - Preis 15 Mark. Was seit zweitausend Jahren die Gelehrten beschäftigte, in seiner geschichtlichen Entwickelung im Mittelalter und von Jahrhundert zu Jahrhundert bis zur Neuzeit, übersichtlich und gemeinverständlich zu schildern, hat sich das vorliegende, reich ausgestattete Werk zur Aufgabe gestellt. Eine Anzahl photo- graphisch copirter Abbildungen von Holzschnitten und Kupfer- stichen seltener und kostbarer wissenschaftlicher Werke und an- dere geschickt ausgewählte Abbildungen beleben das Werk in interessanter Weise. Das Buch zerfällt in fünf Abschnitte, von denen der erste das Wissen des Mittelalters, der zweite das Wissen des XVI., der dritte das Wissen des XVII., der vierte das Wissen des XVIII. und der fünfte das Wissen des XIX. Jahrhunderts behandelt. Das ganze Werk umfasst über 900 Seiten. In jedem Abschnitt werden die einzelnen Wissenschaften im Ganzen nach der folgenden Dis- position abgehandelt: Schulen, Akademien, Sprachwissenschaft, Zoologie, Botanik, Mineralogie, Geologie, Land-, Forstwissenschaft, Chemie, Physik, Mathematik. Geographie, Astronomie. Geschichte, Kriegswissenschaft, Theologie, Staats-, Rechtswissenschaft, Medicin. Diese Aufzählung giebt einen Blick in den roichen Inhalt des Buches: Es ist wahrhaft erstaunlich, wie gut der Verf. orientirt ist, wie geschickt er das colossale Material verarbeitet hat. Dass der Specialgelehrte in den Darstellungen, die seine Disciplin be- treffen, hier und da manches Verbesserungswürdige findet, ist nicht anders möglich: ein Gesammtüberbliek über die Entwicke- lung der gesammten Wissenschaften bietet, das Werk in vorzüg- licher Weise und das ist das Wesentliche, was das Werk er- reichen will. Prof. Dr. Paul Schreiber, Klimatographie des Königreichs Sachsen. Erste Mittheilung. (Forsch, zur deutsch. Landes- und Volkskunde. Herausgegeben von A. Kirchhoff, 8. Bd. Heft 1). Mit 2 Tafeln. J. Engelhorn, Stuttgart 1893. — Preis 4 Mk. Der verdiente Director des Königl. Sachs. Meteorologischen Instituts in Chemnitz giebt in der vorliegenden bereits 1891 voll- endeten Arbeit in gedrängter Form die Ergebnisse der Forschungen über die klimatischen Verhältnisse des Königreichs Sachsen, welche an den von C. Bucher und C. Krutzsch i. J. 1861 begründeten Beobachtungsstatiouen gewonnen wurden; für das letzte Lustrum (1886 — 1890) konnte bereits das gegenwärtige dichte Netz von Stationen verwendet werden; für die tägliche Temperaturperiode standen ihm Notirungen in Leipzig vom Jahre 1831 an zur Ver- fügung. Die auf ein riesiges Beobachtungs- und Zahlenmaterial sich stützende Arbeit ist gewissermaassen ein für weitere Kreise geschriebener Bericht über dis bisherige vielseitige Thätigkeit des Königl. Sachs. Meteorologischen Instituts. Von amtlicher Publika- tion des letzteren liegen vor: 1. Ergebnisse aus den Beobachtungen an den Königl. Sachs, meterolog. Stationen von 1864 bis 1875, heraus- gegeben von C. Buch er. 2. Jahrbücher der Königl. Sachs, meteo- rolog. Stationen von 1883 bis 18!) 1, herausgegeben von P.Schreiber. 3. Klima des Königreichs Sachsen, in zwanglosen Heften, von demselben (bis 1891 waren 2 erschienen). Die vorliegende Arbeit, deren Inhalt wir hier wegen des reichen Zahlenmaterials nur andeuten können, zerfällt in 3 Ab- teilungen. Die erste beschäftigt sich mit der täglichen Nr. 19. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 239 Periode der Witterungserscheinungen in Sachsen, 1887 bis 1891, die zweite giebt die Ergebnisse der Beobach- tungen über Temperatur und Feuchtigkeit der Luft, Bewölkung und Niederschläge in den Jahren 1864 bis 1890, die dritte behandelt die Windrichtung desselben 25jährigen Zeitraums. Als Anhang sind 6 Seiten „Klimatafeln" beigefügt, deren Herstellung eine ungeheure Arbeitssummo reprä- sentirt; den Beschluss bilden 2 interessante Tafeln: die erste derselben veranschaulicht die jahrliche Periode der Tagesmittel der Temperatur in Leipzig 1831 bis 1890, die zweite die jährliche Periode der Stärke des Niederschlages im Königreich Sachsen. Gehen wir auf die Construction dieser beiden graphischen Darstellungen etwas ein, so weiden aus den 60jährigen Tempe- raturbeobachtungen für Leipzig für einen jeden Tag des Jahres die 60jährigen Temperaturmittel gebildet und deren Ver- lauf durch den oberen Rand des auf Tafel I verzeichneten Bandes dargestellt; als kältesten Tag kann man den 13. Januar mit — 21°C. Mitteltemperatur betrachten, als wärmsten den 15. Juli mit 18a°C, so dass die Schwankung der Tagestemperatur in Leipzig 21i°C. beträgt; die Bewegung vom Minimum zum Maximum vollzieht sich aber nicht gleichmässig, sondern geht in Wellenbewegungen vor sich: vom Minimum weg haben wir eine starke auf- und niederschwankende Temperaturbewegung bis in die zweite Hälfte des März hinein; erst, von hier ab wird die Amplitude dieser schwingenden Bewegungen kleiner; es erfolgt ein kräftiger Anstieg der Temperatur, wenn auch zu Anfang April und in der zweiten Hälfte des Mai sich noch starke Rückfälle der Kälte bemerklich machen. Juni, Juli, August zeichnen sicli durch starkes Auf- und Niederwogen der Temperatur aus; von Mitte August ab beginnt die Temperatur mit riachen Wellen und kleinen Wärmerückfällen, deren grösste auf Ende September fällt, bis Mitte November stark zu sinken. Die zweite Hälfte des November und des December zeigen wiederum die starke Wellenbewegung des Januar und Februar und der Sommermonate. So starke Schwankungen im üOjährigen Mittel setzen einen sehr regelmässigen Vorlauf und ein Gebundensein derselben an gewisse Zeiten voraus, sonst müsste eine viel grössere Abrlaehuug und ein gleichmässigerer Verlauf der Curve in die Erscheinung treten. Wesentlich gleichmässigcr verläuft die Curve, wenn man die Pentadenmitt ol bildet; dies ist durch den unteren Rand des auf Tafel 1 dargestellten Bandes veranschaulicht; als Minimum ergiebt sich — 2,° am 13 Januar, als Maximum -t- 184° am 18. Juli, also eine um 06° geringere Schwingungsweite; die Wellenbewegungen erscheinen stark ab- geflacht. In Tafel II gelangten die Gesam mtmittel der Nieder- schlagsmengen für 2.") Jahre durch Säulen zur Darstellung: um einen Ueberblick der Niederschlagsverhältnisse für Sachsen zu erlangen , Hess der Verfasser aus den Beobachtungen der ca. 20 Stationen, welche seit 1864 in Thätigkeit sind, für jeden Tag des Zeitraumes 1864 bis 1890 die Mittel bilden (diese' Mittel wurden bereits früher veröffentlicht) und an den für einen jeden Kalendertag in den genannten 25 Jahren gefundenen 25 Nieder- schlagsmengen die Lustrenmittel und schliesslich die Gesammt- mittel feststellen. Die einzelnen auf Tafel II abgebildeten Säulen haben also die Bedeutung von N o rin alme ngen für die ein- zelnen Tage. Die ganz autfallende Verschiedenheit der Tagesweite lehrt sofort, dass 25 Jahre nicht als ausreichend und maassgebend für die Niederschlagsmittel anzusehen sind; man sieht allerdings deutlich, dass die Niederschlagsmengen im allgemeinen im Sommer grösser als im Winter sind, aber man rindet im Winter Tage mit recht grossen und im Sommer mit relativ kleinen durchschnitt- lichen „Landesmengen", wie Verf. die dem Lande durchschnittlich im Laufe eines jeden Tages zukommende Wassermenge kurz bezeichnet. Um das Gesetz etwas besser hervor- und die Zufällig- keiten zurücktreten zu lassen, fand eine Ausgleichung dieser j 25jährigen Mittel derart statt, dass je 10 benachbarte Werthe zu dem Mittel vereinigt wurden. Diese sind in Tafel II als die obere, Säulen schneidende Curve zur Darstellung gebracht worden. Diese Curve stellt also das Gesetz der normalen Tagesmengen dar; am kleinsten sind die letzteren in den ersten Tagen des Januar, sie steigen alsdann bis Anfang Februar an, um im Februar auf kurze Zeit wieder beträchtlich zurückzugehen; etwa vom 20. Februar an beginnt ein neuer Anstieg bis in die ersten März- tage, dann folgt eine abermalige Senkung bis Anfang April und darauf ein rasches Steigen bis Mitte April; hier wird ein für längere Zeit fast constanter Werth erreicht, welcher bis Ende Mai anhält, nunmehr schwellen Gewitterregen die Niederschlags- menge rasch an; von Anfang Juni nimmt die Ergiebigkeit aller- dings auf- und niederschwankend ab, bis Anfang November; nach einer hier plötzlich auftretenden Erhöhung sinken die Tagesmeugen von da an bis zum Minimum ziemlich gleichmässig hinab. Referent hält es, abgesehen von diesen Erläuterungen der beiden richtigen graphischen Darstellungen, nicht für geboten, auf die Einzelheiten dieser inhaltsreichen Arbeit näher einzugehen; alle diejenigen, welche es mit den klimatologischen Verhältnissen Mitteldeutschlands zu thun haben, werden es dem Verfasser Dank wissen, dass er hier in klarer, leicht übersichtlicher Weise die sämmtlichen auf die Witterung des Königreichs Sachsen bezüglichen Factoren auf Grund der speciellen, oben genannten Publikationen zusammen- fassend zur Darstellung gebracht und kritisch beleuchtet hat. Prof. Fr. Regel. Gustav Kirchhoff, Vorlesungen über mathematische Physik. 4. und letzter Band: Vorlesungen über die Theorie der Wärme, herausgegeben von Prof. Dr. Max Planck. Mit 17 Text- figuren. B. G. Teubner, Leipzig 1894 — Preis 8 Mk. Mit dem vorliegenden Bande findet das verdienstliche Unter- nehmen der Drucklegung der Kirchhoff'schen Vorlesungen über mathematische Physik seinen Abschluss. Der geniale Begründer der Spektralanalyse hatte in den späteren Lebensjahren bekanntlich seine ganze Kraft der mathematischen Physik zugewandt und dieses abstrakte Gebiet mit fruchtbaren Ideen und neuen Auf- fassungsweisen mannigfach bereichert, während er den Ausbau der spektralanalytischen Forschung anderen, mehr zum F^xperiinent hinneigenden Talenten überliess. Die Vorlesungen über die Theorie «1er Wärme umfassen dieselbe bei knappster Behandlung in ihrer ganzen Ausdehnung. Die ersten vier Vorlesungen behandeln die reine Wärmelehre, d. h. diejenigen Erscheinungen, bei denen nur Temperaturänderungen ins Au^c zu fassen sind. Alsdann folgt die mechanische Wärnietheorie, d. h. die Theorie derjenigen Erscheinungen, bei denen ausser Temperaturänderungen auch Bewegungen berücksichtigt worden müssen. Im Anschluss daran wird dann von der dreizehnten Vorlesung ab die kinetische Gastheorie vorgetragen, die einen glücklichen Versuch darstellt, die Begriffe der Temperatur und der Wärmemenge auf Begriffe der Mechanik zurückzuführen. - Die Veröffentlichung ist auf Grund des von Kirchhoff selbst redi- girten Collegienheftes mit gelegentlicher Ergänzung aus Zuhörer- heften erfolgt Für die zahlreichen, kurzen Anmerkungen, welche die meist sehr kurz mitgetheilteu und nicht selten schwierigen Entwickelungen des Textes leichter verständlich machen sollen, werden die Leser dem Herausgeber sicherlich dankbar sein. Jeder Versi ch einer Erweiterung des Textes ist vom Herausgeber ver- mieden worden, da das Werk in erster Reihe nicht sowohl ein vollständiges Lehrbuch, als vielmehr ein getreues Abbild der vom Verfasser wirklich gehaltenen Vorträge sein soll F. Kbr. Planck, Max, Heinrieh Rudolf Hertz. Rede. Leipzig. —,60 M. Schuck, A., magnetische Beobachtungen an der Unterelbe. Hamburg. 1. — M. Schulz, Dr. Aug., Grundzüge einer Entwicklungsgeschichte der Pflanzenwelt Mitteleuropas seit dem Ausgange der Tertiärzeit. Jena. 4, — M. Strauss, Bob., über die Konstitution der Anilide und Toluide der Glykosen. München. 1, — M. Sprengel, Chrn. Konr., Das entdeckte Geheiinniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. 4 Bändchen. Leipzig. ä 2, - M. Schulze. Dr. Erwin, FloraeGermanieae Pteridophyta Kiel. — ,80M. Hchulze, M., Orehidaceen. '■). und Kl. Lieferung. Gera 1,- M. Vanhöffen, 1 r. Ernst, Nachtrag zu den Akalephen der Plankton- Expedition. Kiel. 14 M. Zirkel, Prof. Dr. Ferd., Lehrbuch der Petrographie. 2. Aufl. 2. Bd. Leipzig. 2,50 M. Tuttle, Franklin Elliott, Neue Beobachtungen über die Ses- quiterpene und ihre Derivate. Gottingen. I M. Briefkasten. Herren Prof. D., Prof. H. u. m. a. — Die im Bd. VIII, S. 591 ff. der „Naturw. Wochenschr." veröffentlichte Biographie L. Kro- necker's stammt, wie Sie auch dem Inhaltsverzeichniss zuBd.\ III entnehmen können, aus der Feder von Hrn. F>r. Gutzmer. Inhalt: Theodor Fuchs: Ueber pflanzenähnliche Fossilien durch rinnendes Wasser hervorgebracht. — Prof. Dr. W. Koppen: Zu Klimpert's Aufsatz über Oberflächenspannung. — Die sogenannten Doppelempfindungen. — Aufenthalt von Afterskorpionen auf anderen Gliederfüsslern. — Ueber „seifige Milch". — Ueber einige Eigenschafton der organischen Elemente. — Der Doppelstern 61 Cygni. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Karl Borinski, Grundzüge des Systems der artiku- lirten Phonetik zur Revision der Principien der Sprachwissenschaft. — Prof. K. Faulmann, Im Reiche des Geistes. — Prof. Dr. Paul Schreiber, Klimatographie des Königreichs Sachsen. — Gustav Kirchhoff, Vorlesungen über mathematische Physik. — Liste. — Briefkasten. 240 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 19. Preisgekrönt. Weltausstellung Cfiicago. 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Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 -! extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. Jl bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdrnck ist nnr mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Zur Entwickelungsgeschichte der Bogengänge. Von Dr. Karl L. Schäfer. In seinem Aufsätze „Die statische Labyrinththeorie" *) hat H. Wegener die experimentellen Beweise dafür zu- sammengefasst, dass das Ohrlahyrinth des Menschen und der Wirbeltiere als der Sitz eines statischen Sinnes- organes anzusehen ist. Bei der Wichtigkeit, welche das Labyrinth dadurch für die Sinnesphysiologie erhalt, wird es für den Leser nicht ohne Interesse sein, auch in die Ent- wickelungsgeschichte desselben und besonders seiner Bogengänge einen Einblick zu bekommen. Während bezüglich der ana- tomischen Grundbegriffe auf die Arbeit von Wegener verwiesen werden kann, sei zunächst darauf aufmerksam gemacht, dass man sich den Entwickelungsmodus der Bogengänge vom theoretisch- aprioristischen Standpunkte auf dreierlei Weise vorstellen könnte. Die Bogengänge oder Halb- zirkelcanäle wachsen ja aus der ursprünglich als Vertiefung der Epidermis angelegten, dann durch Abschnürung von der Oberfläche zu einer unregelmässigen Hohl- kugel umgestalteten primitiven Gehörblase (Fig. 1) hervor, und dieses Hervorwachsen könnte nun so zu Stande kommen, dass für je einen Bogen an einer gewissen Stelle der Blase ein Hohlzapfen hervorspriesst, sich beim Weiter- wachsen zugleich zurückbiegt und schliesslich wieder mit der Blase in Commuuication tritt (Fig. 2a, 2b). Oder aber es könnten statt des einen Zapfens zwei solche einander Fis Fi? . 1. (Wie auch die folgenden stark schematisch). Primitive Geliörblase. o = oben, u = unten, m — medial, l~ lateral. . 2 a, 2 b, 3. Falsche Vorstellung der Entwickelung eines Bogen- ganges. Fig. 4 a— d. Wahre Entwickelung der Bogengänge. Rechtes Gehör- organ; a—c von hinten; d = c in der punktirten Linie durch- schnitten und von oben gesehen. In Fig. 4'1 bedeutet o = vorn und u = hinten. *) Naturw. Wochsnschr. Bd. IX, No. IG. entgegenwachsen und etwa in der Mitte verschmelzen (Fig. 3). Drittens endlich wäre es möglich, dass zuerst eine flache Tasche als seitliche Ausstülpung aus der Blase- hervorwüchse, dass dann die Wände der Tasche durch trichterförmiges Wachsthum nach innen sich einander näherten und zuletzt zur Verschmelzung kämen. Damit wären dann die Mittelpunkte der Wände durch einen soliden Pfeiler verbunden, um den das übrig gebliebene Lumen der Tasche in Form eines Hohlringes, eines Bogenganges, herumführen würde (Fig. 4a-d). Alle drei Erscheinungen haben denn auch ihre Vertreter gefunden. Der ersten huldigte Valentin*); die zweite hat *) verfochten. Dem Entstehung der Bogengänge durch Taschen- und Faltenbildung schon 1839 von Rathke***) behauptet worden. Eine Reihe von Autoren stimmten seiner Ansicht zu und erklärten dabei gleich ihm, dass jeder Bogen aus einer gesonderten Anlage hervorginge; wogegen zuerst Böttcherf) ausdrücklich betont, dass sich die beiden verticalen Canäle aus einer *) Handbuch für die Entwickelungsgeschichte des Menschen. Berlin 1835. **) Zur Anatomie und Entwickelung des inneren Ohres. Berlin 1888. ***) Entwickelungsgeschichte der Natter. Königsberg 1839. f) Ueber Bau und Entwickelung des Gehorlabyrintb.es nach Untersuchungen an Säugethieren. Verhandl. d. Kais. Leop. Carol. Academiu. Bd. 35. Rüdinger' gegenüber ist die 254 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 21. gemeinschaftlichen Tasche abschnüren. Die Auffassung- Böttchers wird vollkommen getheilt von R. Krause*), dessen Abhandlung- auch die vorstehenden Litteratur- ang-aben entnommen sind. Während Krause seine Untersuchung an Embryonen von Kaninchen und .Schweinen anstellte, gab mir eine physiologische Untersuchung**) im Sommer 1893 Gelegen- heit die Bogengangseutwickelung bei Kaulquappen syste- matisch zu studiren. Die Kaulquappen waren durch künst- liche Befruchtung gezüchtet. Vom 9. Tage nach der Be- fruchtung an wurden täglich um dieselbe Zeit eine Anzahl derselben lebend in Müllersche Conservirungsflüssigkeit gethan und einige Wochen darin aufbewahrt. Dann wurden sie ausgewässert, mit Alauncarmin gefärbt, in Alkohol von steigender Concentration gehärtet, in Chloro- form und Chloroform-Paraffin aufgenommen und schliess- lich in Paraffin eingebettet. Nunmehr schnittfertig, wurden die Präparate mit dem Jung'schen Mikrotom teils in Querschnitte, teils in horizontale Längsschnitte zerlegt. Die Schnitte, 20 /.i dick, wurden mit Nelkenöl-Collodium auf Objectträger geklebt und nach Entfernung des Paraffins in Canadabalsam uuter Deckgläschen einge- schlossen. Es zeigte sich, dass die Bogengänge sich in der Zeit vom 10. bis zum 15. Tage entwickeln. Von jedem dieser 6 Tage erhielt ich durchschnittlich 5 lücken- lose Schnittserien. Aus dem Studium derselben ergab sich der, a. a. 0. wie folgt von mir beschriebene Verlauf der Labyrinthbildung. „Am 10. Tage ist die Gehörblase noch von unregel- mässig kugeliger Gestalt. Die Gegend, in welcher sich später der horizontale Bogengang entwickeln wird, ist aber bereits durch eine leicht angedeutete Ausstülpung- gekennzeichnet. Am 11. Tage ist die Wand der Gehürblase an der Stelle des späteren horizontalen Canales bereits deutlich taschenförmig ausgestülpt. Zugleich zeigt sich bei den besser entwickelten Larven schon jetzt die Labyrinth- blase in der Längsrichtung gestreckt und das vordere wie das hintere Ende etwas nach aussen gebogen, so dass die ganze Blase eine gewissermaassen nicrenförmige Gestalt mit der Concavität nach aussen annimmt, als erste Andeutung des künftigen Winkels, den die Ebenen des vorderen und hinteren Bogenganges miteinander im fertigen Zustande bilden werden. Am 12. Tage ist namentlich bei den besser ent- wickelten Thieren die horizontale Tasche sehr gross und deutlich. Die Mitte ihrer oberen Wand senkt sich triebter- oder zapfenförmig der unteren Wand entgegen, die gleich- zeitig einen ebensolchen Zapfen aufwärts sendet. Diese Zapfen sind sehr deutlich. Analoge Bildungen an der medialen resp. lateralen Wand des vorderen verticalen Canales sind in der ersten Entwickelung begriffen. Am 13. Tage sind die Zapfen des horizontalen Bogen- ganges miteinander zu einer soliden Brücke verschmolzen und der Canal damit als solcher vom Innenraum abge- grenzt. Die Zapfen des vorderen Verticalganges sind zum Theil ebenfalls schon verwachsen, zum Teil stossen *) Entwickelung der heutigen Bogengänge. Arel). f. mikrosk. Amitom. Bd. 35. S. -287 **) Function und Functionsentwickelung der Bogengänge. Zeitschr. f. Psych, u. Phys. d. Sinnesorgane. Bd. VII, Heft 1. ' sie wenigstens unmittelbar zusammen. Die Zapfenbildung des hinteren Canals beginnt. Am 14. Tage ist auch der vordere Canal fertig ab- geschnürt. Die Zapfen des hinteren stehen bis zur Be- rührung nahe einander gegenüber. Am 15. Tage ist endlich auch der hintere verticale Bogengang definitiv geschlossen." Hiernach stimmen meine Resultate hinsichtlich des Bildungsmodus der Halbzirkeleanäle mit denen Krauses vollkommen überein. Auch ich finde, dass die Bogen- gänge durch Taschen- und Faltenbildung- entstehen; dass die beiden verticalen aus einer gemeinsamen Tasche ihren Ursprung nehmen; dass die Ampullenbildung gleichzeitig mit der Bogengangsentwickelung stattfindet, und dass endlich die Cristae acusticac, die Träger der Nerven- Endigungen, schon sehr früh an der Epithelvcrdickung kenntlich sind. Nach allem diesem dürfte nunmehr wohl der Streit über die Art der Bogengangbildung definitiv zu Gunsten der alten Rathke'schen Auffassung entschieden sein, um so mehr, als auch inzwischen Wiedersheim*) dieselbe nach Präparaten von Anuren bestätigt hat. Anders aber ver- hält es sich mit der Reihenfolge der Canalabschnürung. Dass bei Kaulquappen der horizontale Canal sich zuerst entwickelt, geht aus meinen Schnitten mit solcher Klar- heit hervor, dass eine Täuschung ausgeschlossen erscheint. Dementsprechend schreibt mir auch Herr Prof. Wieders- heim in einer sehr dankeuswerthen brieflichen Mittheilung: „Nach erneuter Durchsicht meiner Präparate finde ich, dass sich bei Anuren der horizontale und vordere senk- rechte Bogengang nahezu gleichzeitig abschnüren, während der hintere verticale später zur Ausbildung kommt." Da- gegen sagt Krause 1. c. S. 304 ausdrücklich: „Zuerst von Allen entsteht der obere verticale Bogengang, dann folgt der untere verticale und als letzter schnürt sich der hori- zontale Bogengang ab." Nicht ganz im Einklang mit diesem, wesentlich durch die Untersuchung eines Schweins- embryo von 18 mm Länge gewonnenen Resultate scheint folgende Bemerkung Köllikers**) über das häutige Labyrinth eines 19 mm langen Rindsembryo zu stehen: „. . . ; nur zeigt dasselbe den äusseren (= horizontalen) halbkreis- förmigen Canal weiter entwickelt und in der Abschnürung- begriffen, was auch vom oberen Canale gesagt werden kann." Dieser Satz dürfte doch wohl nur so aufzufassen sein, dass der Horizontalbogen dem oberen, d. h. vorderen verticalen ein wenig in der Entwickelung vorauseilt; von dem hinteren verticalen ist überhaupt nicht die Rede. Ehe man daher aus dem Gegensatz zwischen dem Befunde von Krause einerseits und von Wiedersheim und mir andererseits den wichtigen Schluss zieht, dass die Reihenfolge, in der die Bogengänge sich entwickeln bei höheren Wirbelthieren eine andere ist als bei den niederen, dürfte wohl noch eine Reihe weiterer Unter- suchungen hierüber an Säugethierembryonen nothwendig und damit das nächste und wichtigste Problem der Ent- wickelungsgeschichte des Ohres gekennzeichnet sein. *) Grundriss der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Jena 1893. S. 346/347. **) Grundriss der Entwickelungsgesehichte der Menschen und der höheren Thiere. Leipzig 1884. S. 307. Nr. 21. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. •_'.).) Zur Sintfluth- und Eiszeit-Frage. Von Richard Hon nie. Unter den zahlreichen, Mythen und Sagen, die sicli im alten Testament in der Genesis finden, sind die meisten der schaffenden Phantasie des Volkes ent- sprungen. Nur wenigen liegt ein wirklicher historischer Kern zu Grunde, und auch diese wenigen sind noch mit mannigfachen Zusätzen ausgeschmückt. Von allen Er- zählungen des ersten Buches Mosis ist die von der Sint- fluth vielleicht noch am wenigsten entstellt; diese stellt zweifellos ein wirklich geschehenes Naturereigniss dar, denn solche gewaltige Schilderung von der Wirkung ent- fesselter Elemente kann der Volksgeist nicht erfinden, ein Gemälde von so grausenvoller Grossartigkeit kann nur durch einen wirklich stattgehabten, furchtbaren Natur- paroxysmus veranlasst worden sein. Heutzutage zweifelt wohl auch Niemand daran, dass die mosaische Sintfluth einen thatsächlichcn Hintergrund hat. Nur darum dreht sich schon seit langem der Streit, ob die Fluth über die ganze Erde verbreitet war, oder ob sie nur einen Theil von Mesopotamien betroffen hat. Die heutige Wissen- schaft vertritt die letztere Ansicht und behauptet, die Fluthsagcn bei andern Völkern stünden mit der biblischen absolut nicht in Zusammenhang, sondern auch ihnen lägen nur Ueberschwenimungen ganz localer Natur zu Grunde, die vielleicht zu einer ganz andern Zeit stattgefunden hätten, als die biblische. Identisch mit dieser seien nur die Fluthen, von denen die griechische, die assyrische und die babylonische Sage berichtet. Von diesen beiden letzteren ist ja der jüdische Bericht, wie durch die vor ungefähr 20 Jahren gemachten assyrischen Funde un- zweifelhaft nachgewiesen ist, nur eine Nachbildung, während hingegen der griechische eine Umformung des mosaischen sein dürfte. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle auf die Unter- suchungen von Suess hinzuweisen, und zwar möchte ich den Auszug daraus anführen, wie er sich in der ..Erd- geschichte" des leider gar zu früh gestorbenen Dr. Melchior Neumayr findet, der sich durch dies Werk um die Wissen- schaft, zumal um die populäre, gar nicht genug anzu- erkennende Verdienste erworben hat. In diesem Werke heisst es (Bd. I S. 292): „Die meiste Achulichkeit mit dem biblischen Bericht hat die Fluth, welche man auf den mit Keilschrift be- deckten Thonscherben der alten assyrischen Ruinenstädte gefunden hat. Die Ausgrabungen in Ninive haben diese kostbaren Ziegeltrümmer zu Tage gefördert, auf denen meist unter der Regierung des Assurbanipal im 7. Jahr- hundert v. Chr. eine Reihe älterer Werke copirt worden war. Unter andern wurde ein in zwölf Gesängen ab gefasstes Lied, das Izdubarlied, entdeckt, welchem die Erzählung der Sintfluth als Episode eingefügt ist. Der Held Izdubar zieht nach der Mündung des Euplirat und Tigris hinab, wo sein zum Gott gewordener Ahn Hasis Adra, der assyrische Noah (im Babylonischen Xisuthros), ein unsterbliches Leben führt, und dieser erzählt ihm die Ereignisse seines Lebens und seine Errettung aus der Fluth: Die grossen Götter haben beschlossen, die uralte Stadt Surippak, in der Nähe der damaligen, noch weiter landeinwärts gelegenen Eupliratniündung, durch eine Fluth zu vernichten. Ea, der Gott des Meeres, warnt Hasis- Adra und heisst ihn auf trocknem Lande ein Schiff bauen und all sein Hab und Gut, Proviant, seine Familie, Vieh und Wild hineinbringen. Nach einiger Weigerung baut Hasis-Adra das Schiff, dichtet die Aussen- und Innenseite mit Erdpeeh, befrachtet es mit seinen Schätzen, mit ver- schiedenen Thieren und mit Korn, und zieht sieh mit den Seinen in dasselbe zurück. Nun erheben sich Sturm und Ungewitter, Wasser bricht aus der Erde hervor und der Wettergott bringt die Fluthen; Finsterniss bricht ein; sechs Tage und sieben Nächte dauert die Verwüstung. Endlich lässt der Sturm nach, es wird wieder hell und das Wasser verläuft sich, das Schiff aber strandet an den die Tiefen Mesopotamiens umsäumenden Höhen von Nizir, einer etwas südlich von Ninive gelegenen Land- schaft. Dann sendet Hasis-Adra, wie Noah, Vögel aus; der grosse Gott Bei schwört, keine Sintfluth mehr ein- treten zu lassen; die Göttin Istar hebt zur Bekräftigung den grossen Bogen des Ani in die Höhe (die Erscheinung des Regenbogens) u. s. \v.u „Die Uebereinstimmung zwischen dem Berichte der Bibel und demjenigen des Izdubarliedes ist eine so ausser- ordentlich grosse, dass beide aus derselben Quelle ge- schöpft sein müssen oder der eine aus dem andern hervorgegangen ist, und es entsteht nun die Frage, welche von beiden die ursprünglichere ist, die hebräische Ueberlieferung ans dem Jordanthale oder die assyrische aus den Niederungen des Euplirat. Für die letztere spricht schon das Fehlen der unmöglichen Angaben von der Ueberfluthung der höchsten Berge uud ferner die in derselben bekundete bessere Bekanntschaft mit der Schiff- fahrt. Zudem zeigt das Izdubarlied eine deutliche Local- farbe; es bezieht sich vielfach auf Orte und Verhältnisse des Euphratthales, während dem biblischen Berichte ein Anklang an Palästina fehlt; von Bedeutuug aber ist es, dass die Ueberlieferung von Noah Züge enthält, welche augenscheinlich aus Mesopotamien herübergenommeu sind. Hasis-Adra hat sein Schiff aussen und innen mit Erdpech gedichtet, und auch von Noah wird dasselbe erzählt. Es muss sehr auffallen, dass dieser nebensächlich scheinende Umstand in beiden Urkunden ausdrücklieh betont wird; ja, es wäre kaum verständlich, wenn eine gewöhnliche Schiffszimmerung vorläge (es folgt dann ein Bericht des Eisenbahn - Ingenieurs Cernik, wonach noch heut am Euplirat die z. B. zum Petroleumtransport bestimmten Schiffe ebenso gebaut werden) .... Aus all' dem und einer Reihe ähnlicher Anhaltspunkte erhellt, dass die assyrische Ueberlieferung die ursprüngliche ist, aus welcher die biblische entlehnt wurde, und dass der Schauplatz der Katastrophe in den weiten Niederungen des Euplirat und Tigris gesucht werden muss." So führen Neumayr und Suess den wohl unbestreit- baren Nachweis, dass der mosaische Fluthbericht nur eine Umformung des altem assyrischen ist. Uebrigcns spricht hierfür schon mit absoluter Sicherheit der eine im Citat nicht genügend hervorgehobene Punkt, dass die assyrische Sage nichts von einer Ueberfluthung der höchsten Berge weiss; denn wenn von zwei Sagen die eine aus der andern hervorgegangen ist, so ist selbstverständlich die am wenigsten phantastische die ursprüngliche*). Weiterhin legt sich Suess die Frage vor: „Welche Naturereignisse brachten jene Ueberschwemmung hervor?" Er kommt dabei auch zu dem Resultat, die Sintfluth sei rein localer Natur gewesen, und zwar auf Grund folgender Betrachtungen: (Neumayr II S. 629): „Man könnte au heftige Regen güsse denken, welche ein beispielloses Anschwellen der *) Eine glänzende Widerlegung der biblischen Behauptung, dass die höchsten Berge überfluthet worden seien, findet sich in Lyell's Principlea of Genlogy, Theil III, Capitel 19. 256 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 21. Flüsse verursachten, wodurch in jener weiten Tiefebene, wo auf grosse Strecken kein Hügel und kein Berg eine Zuflucht gewährt, die furchtbarsten Verwüstungen ent- stehen niussten. Allein dem widerspricht eine Thatsache: eine solche Fluth mlisste natürlich in ihrem ganzen Ver- laufe von oben nach unten gerichtet sein; sie müsste das Schiff des Hasis-Adra in den Persischen Meerbusen hinaus- tragen, während es in Wirklichkeit von dem nahe der Mündung gelegenen Surippak weit landeinwärts getragen wurde. Die Richtung der Strömung ging also nicht thal- abwärts, sondern sie kam vom Meere gegen das Land. Es ist dabei zu bemerken, dass auch im biblischen Be- richt die Ankündigung der Fluth eine solche Deutung zulässt. Dieselbe lautet nach der gewöhnlichen Ueber- setzung: ,Ich will eine Sintfiuth mit Wasser kommen lassen'; allein nach dem hebräischen Text ist die Deu- tung ebenso zulässig, welche sagt: ,Eine Sintfiuth vom Meere her.'" „Wenn die Fluth vom Meere herkam, so ist der Be- reich der Möglichkeit schon bedeutend eingeengt; denn wir kennen nur zwei Factoren, welche im Stande sind, das Wasser des Meeres in so gewaltigen Massen land- einwärts zu treiben, dass sie Verwüstungen der schreck- lichsten Art anrichten: die eine Möglichkeit bieten die Erdbebeuwogen, aber noch verderblicher in ihren Wir- kungen sind die Wirbelstürme in den tropischen und subtropischen Regionen, wenn sie ungeheure Wasser- massen gegen flache Küsten treiben und in den Mün- dungen grosser Flüsse das Wasser stauen." Es folgt nun ein Nachweis, dass gerade in jenen Gegenden, zumal im Busen von Bengalen, colossale Sturmfluthen, von deren Furchtbarkeit wir uns gar keinen Begriff machen können, verhältnissmässig häufig stattfinden. So kostete eine mit Erdbeben verbundene Sturmfluth an der Mündung des Ganges in der Nacht vom 11. auf den 12. October 1737 nach einem freilich wohl übertriebenen Berichte 300 000 Menschen das Leben. Eine ähnlich schwere Katastrophe trat noch in der neuesten Zeit ein, ist aber verhältniss- mässig nur wenig bekannt geworden: nämlich der Cyklon von Bakergunge an der Mündung des Brahmaputra in der Nacht auf den 1. November 1876, wobei nach dem Bericht Blanfords 100 000, nach dem des Gouverneurs Sir R. Temple sogar 215 000 Menschen umkamen. Doch sind diese beiden angeführten Fälle nur die furchtbarsten, nicht die einzigen der Neuzeit. Suess zählt noch einige weitere Cyklone in der Bucht von Bengalen in der Zeit von 1737 — 1876 auf, die er dem von Blanford entworfenen Sturmfluthen-Catalog entnimmt. Am 19. und 20. Mai 1787 Sturmfluth von Coringa am Delta des Godavery (20 000 Menschen und 500 000 Stück Vieh ertranken). Am 19. October 1800 Wirbelsturm mit Erdbeben zu Ongole und Masulipatam, an der Mündung der Kistna. Juni 1822 Sturmfluth von Burisal und Bakergunge (50 000 Menschen). 31. October 1831 Sturmfluth südlich von Calcutta (11000 Menschen). 21. Mai 1832 Sturmfluth im Gangesdelta (8000 bis 10 000 Menschen). 12. bis 17. November 1837 Sturmfluth zwischen den Andamanen und Coringa (6700 Menschen). 2. bis 5. October 1864 Sturmfluth im Hoaghly (48 000 Menschen, 100 000 Stück Vieh). Suess meint nun, und ihm schliesscn sich Neumayr, Hoernes u. a. an, auch die Sintfiuth sei nichts andres ge- wesen, als eine solche, freilich noch ungleich gewaltigere Sturmfluth an der Euphratmündung. Diese Fluth sei während eines schweren Erdbebens eingetreten, und zu- gleich sei das Grundwasser durch die in der Erde ent- standenen Spalten in sehr beträchtlichen Mengen hervor- gequollen. Dies schliesst er aus den Worten der Izdubar- sage: „Annumaki bringen Fluthen herauf, die Erde machen sie erzittern durch ihre Macht." Eine hierauf bezügliche Angabe macht ja auch die Bibel: „Der Tag, da aufbrachen alle Brunnen der Tiefe", wie auch die griechische Sage davon weiss, denn Lucian, der sie in der ihm zugeschriebenen Schrift: „Von der syrischen Göttin" (Cap. 12) nacherzählt, sagt: „avrixa 9) y^ noXXov vdoiQ txdidol, xai opßqo [ifyühoi iy?i'0)'TOLl. Die Ergebnisse seiner Untersuchung fasst Suess in den folgenden Worten zusammen: 1. „Das unter dem Namen Sintfiuth bekannte Natur- ereigniss ist am untern Euphrat eingetreten und war mit einer ausgedehnten und verheerenden Ucberfluthung der mesopotamischen Niederung verbunden." 2. „Die wesentlichste Veranlassung war ein beträcht- liches Erdbeben im Gebiete des Persischen Meerbusens oder südlich davon, welchem mehrere geringe Erschütte- rungen vorangegangen sind." (Hierüber hat sich S. schon vorher verbreitet; er schliesst dies daraus, dass Hasis-Adra zuvor ,gewarnt' wurde.) 3. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass während der Periode der heftigsten Stösse ein Cyklon aus dem Per- sischen Golfe von Süden her eintrat." 4. „Die Traditionen andrer Völker berechtigen in keiner Weise zu der Behauptung, dass die Fluth über den Unterlauf des Euphrat hinaus oder gar über die ganze Erde gereicht habe." Dieser Ansicht Suess' hat sich die heutige Wissen- schaft entschieden angeschlossen. Weshalb aber Suess gerade auf das Erdbeben das Hauptgewicht legt (Punkt 2), ist mir nicht recht klar: meiner Ansicht nach kann doch nur die Sturmfluth der bedingende, das Erdbeben hin- gegen nur ein verstärkender Faktor für die Sintfiuth ge- wesen sein. Doch abgesehen von diesem einen, übrigens ziemlich gleichgültigen Punkte kann man die drei ersten der aufgestellten Sätze unbedenklich als richtig aner- kennen. Mit dem vierten jedoch, dem wichtigsten, kann ich mich nicht einverstanden erklären, sondern ich bin nach eingehender und möglichst unparteiischer Prüfung der Verhältnisse doch der festen Ueberzeugung, dass die Sintfiuth sich über den grössten Theil der Erde erstreckte und an der Mündung des Euphrat und Tigris durch eine sehr wahrscheinlich mit Erdbeben verbundene Sturmfluth nur besonders heftig auftrat. Diese Ansicht will ich im folgenden Theil zu begründen suchen: Ich kann mir nicht denken, dass die vielen Flutli- sagen, die sich bei allen Völkern der ersten historischen Zeit finden, und die oft auffallend mit einander überein- stimmen, dass diese viele Fluthsageu, sage ich, gänzlich unabhängig von einander sind und sich auf lauter locale Ueberschwemmungen beziehen, die zu ganz verschiedenen Zeiten und aus ganz verschiedenen Ursachen stattgefunden haben müssen. Weshalb soll sich bei allen Völkern gerade die Erinnerung an eine grosse Fluth erhalten haben, die noch dazu von vielen Sagen für dieselbe Zeit angesetzt wird? Weshalb berichten nicht die Sagen überein- stimmend auch von andern ungewöhnlichen Naturereig- nissen, von gewaltigen Feuersbrüusten, von einer grossen Dürre und Trockenheit und andren ähnlichen Katastrophen, wie sie doch auch jedes Volk zweifellos einmal betroffen haben werden? Man kann hier nicht einwenden, dass dies deshalb nicht der Fall gewesen sei, weil bei der spärlichen Vertheilung der Menschen z. B. eine grosse Feuersbrunst ausgeschlossen gewesen sei; denn wenn sich beispielsweise bei den Juden eine solche Sage findet (Untergang von Sodom und Gomorrha), so liegt kein Grund vor, weshalb sie nicht in eultivirteren und städte- Nr. 21. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 2cw reicheren Ländern, wie Aegypten und China, auch ent- standen. Ebenso findet sich vereinzelt auch die Er- zählung von einer grossen Dürre, nämlich in Griechenland (Phaetonsage) und in Judäa-Aegypten (7 magre und 7 fette Kühe). Weshalb also tritt die Erwähnung solcher und ähnlicher Katastrophen nur ganz vereinzelt auf? Weshalb findet sich bei keinem Volk die Erzählung, die ganze Menschheit mit Ausnahme eines frommen Ehepaares sei durch eine Epidemie vernichtet worden? Mir scheint also die Erklärung der Fluthsagen durch verschiedene lokale Ueberschwemmungen völlig unhaltbar zu sein. Man konnte nun ferner versucht sein, anzunehmen, dass alle Völker die Sage von den Assyrern resp. Juden und Christen übernommen haben, zumal da der Name des geretteten Mannes mehrfach an Noah anklingt (Chinesen: Niau-we, Sudanneger: See des Noah u. s. w.). Diese Aehn- lichkeit des Namens lässt sich freilich zweifellos auf die Einwirkuni;- christlicher Missionare zurückführen, mit den Sagen selbst kann man dies hingegen nicht thun, da man erstens von den meisten Sagen weiss, dass die betreffen- den Völker sie schon vor ihrer Berührung mit den Christen hatten, und da zweitens kein Volk von fremden Eindring- lingen eine Sage annehmen wird, die ihm gar keine An- knüpfungspunkte in seinen eignen Ueberlieferungen bietet. Ausserdem passen aber die meisten Sagen dermaassen auf das Klima der betreffenden Länder und weisen so viel originelle Züge auf, dass au eine Umformung anderer Berichte auch nicht im Entferntesten gedacht werden kann. So berichtet, um ein Beispiel herauszugreifen, der Stamm der Hundskopf-Indianer im centralen Nord-Amerika nicht von einer Ueberschwemmung, sondern von einem un- geheuren Schneefall, und auch in Einzelheiten weicht die Sage völlig von der biblischen ab. Ferner mache ich auf einen weiteren, sehr beachtens- werthen Punkt aufmerksam: eine genauere Ausmalung der Sintfluth in all ihren Einzelheiten findet sich nur bei den Völkern in wärmeren Klimaten, während die in käl- teren Gegenden entstandenen Sagen, z. B. die der Ger- manen und einiger Indianerstämme, nur wenige An- deutungen einer Ueberschwemmung erhalten, hingegen sich weit ausführlicher über einen damit zusammen- hängenden)!), sehr langen Winter auslassen. Damit ist aber unzweifelhaft auf eine geologisch festgestellte, wenn auch noch völlig unerklärliche Thatsache, die Eiszeit, hin- gewiesen, welche vor mehreren Jahrtausenden über die ganze Erde hereinbrach und alles, was sich auf beiden Halbkugeln zwischen dem 50. und 90. Breitengrade befand, unter einer ungeheuren Eisdecke begrub. Um zu zeigen, wie einfach und ungezwungen sich die nordischen Sagen von dem langen Winter auf die Eiszeit beziehen lassen, und wie deutlich auf eine eng damit zusammenhängende Sintfluth angespielt wird, führe ich die germanische Sage nach Siinrocks Uebersetzung, wie sie sich in der jüngeren Edda im Gylfaginning 4—8 findet, im Auszug an, wobei ich mir einige Randbemerkungen erlauben werde: „Manches Zeitalter vor der Erde Schöpfung war Nifl- heim entstanden .... vorher(!) aber war im Süden (!) eine Welt, Muspel geheissen: die ist hell und heiss, so dass sie flammt und brennt und allen unzugänglich ist, die da nicht heimisch sind und keine Wohnung da haben .... Als die Fluthen, welche Eliwagar Messen, soweit von ihrem Ursprünge kamen, dass der Giftstrom, den sie enthielten, erhärtete, wie der Sinter, der aus dein Feuer fällt, ward er in Eis verwandelt (d. h.: zunächst machen sich die Schmelzwasser der von Norden vor- rückenden Gletscher bemerkbar, dann tritt die Vereisung selbst ein). Und da dies Eis stille stand und stockte, so fiel der Dunst darüber, der von dem Gifte kam und ge- fror zu Eis, und so schob ciue Eislage sich über die andere .... So wie die Kälte von Nif lheim kam und alles Ungestüm, so war die Seite, die nach Muspelheim sah, warm und lieht, und Gimumgagap dort so lau wie windlose Luft, und als die Gluth auch dem Reif begegnete, also dass er schmolz und sich in Tropfen auflöste da er hielten die Tropfen Leben durch die Kraft dessen, der die Hitze sandte (das Eis schmilzt durch die Sonnen strahlen). Da entstand ein Menschengebild, das Ymir ge- nannt ward .... als er (Ymir) schlief, fing er an zu schwitzen: da wuchs ihm unter seinem linken Arm Mann und Weib und sein einer Fuss zeugte einen Sohn mit dem andern. Und von diesen kommt das Geschlecht der Hrimthursen (Frostriesen = Gletscher) .... Bors Söhne (Bör ist der Sohn Buris, welcher durch die Kuh Audhumla aus dem Eise hervorgeleckt wurde und der erste Mensch war) töteten den Riesen Ymir, und als er fiel, da lief so viel Blut aus seinen Wunden, dass sie darin das ganze Geschlecht der Hrimthursen ertränkten bis auf einen, der mit den Seinen davon kam (das aus dem Eise entstehende Schmelzwasser bringt eine Ueberfluthung hervor, während welcher die Gletscher zu Grunde gehen): den nennen die Riesen Bergelmir. Er bestieg mit seinem Weib ein Boot (Wiege) und rettete sich so. und von ihm kommt das (neue) Hrinithursengeschlecht " Dass die gegebene Deutung der Feuerfunken und des Blutes richtig ist, ersieht man aus folgenden Stellen: „Die Söhne Bors bildeten aus Ymir die Welt: aus seinem Blute Meer und Wasser .... Dann nahmen sie die Feuer- funken, die von Muspelheim ausgeworfen umherflogen, und setzten sie an den Himmel (!), oben sowohl als unten, um Himmel und Erde zu erhellen." Man sieht also, wie klar und unzweideutig die ger- manische Sage auf die Eiszeit hinweist, und wie eng der Zusammenhang zwischen dieser und der Sintfluth ist. Eine ähnliche Verquickung von Fluthenmythus und Eis- zeitsage findet sieh in der Zendavesta. Mau kann also mit Sicherheit daraus schliessen: wenn überhaupt eine allgemeine Ueberfluthung stattgefunden haben sollte, so kann dies Ereigniss nur während und nach der Eiszeil eingetreten sein. Theoretisch aber bietet die Annahme, dass gleichzeitig mit der Vereisung der kälteren Gegenden in den wärmeren Zonen eine „grosse Fluth", oder besser gesagt, eine langsam vor sich gehende Versumpfung und Ueberfluthung der Niederungen, erfolgt sei, durchaus nichts unwahrscheinliches. (Ich will von jetzt an nur von der nörd- lichen Halbkugel sprechen, um die bisher vermiedenen, bequemeren Bezeichnungen ..nördlich" und „südlieh" an- wenden zu können.) Denn es ist doch wohl selbstver- ständlich, dass dieselben Ursachen, welche für den ganzen Norden einen so ungeheuren Wechsel in den klimatischen Verhältnissen hervorriefen, auch für den Süden von nach- haltigstem Einfluss gewesen sein müssen; die Geologie lehrt ja auch, dass überall eine bedeutende Vermehrung der Niederschläge stattfand, und einzelne Erscheinungen, auf die ich noch nachher zu sprechen kommen werde, lassen sich überhaupt nur dadurch erklären. Nun ist es aber sehr wahrscheinlich (da kein Grund gegen solche Annahme spricht), dass die Vermehrung der Niederschläge überall ungefähr die gleiche war. Wenn nun die Zunahme der Niederschlagsmengen in den vereisten Gebieten eine so ungeheure war, dass die Gletscher in Deutsehland bis zu 1000, in Skandinavien bis zu 2000, ja auf der süd- lichen Halbkugel sogar bis zu 3000 Meter Höhe anwuchsen, so muss allerdings in denjenigen Ländern des Südens, die schon zu normalen Zeiten regenreich sind, die grosse Ver- mehrung der Regenmengen zu den ausgebreitetsten, dauern- den Versumpfungen, Seeenbildungen u.s.w. Anlass gegeben haben. Ausserdem ist zu beachten, dass die gewaltigen Wassermassen, welche von der nördlichen Gletscherregion 258 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 21. ständig- abflössen und hauptsächlich durch die Flussläufe weit nach Süden befördert wurden, die Wirkung der vor sich gehenden Ueberfluthung bedeutend verstärkt haben müssen. Den schlagendsten Beweis dafür, dass wirklich gleich- zeitig mit der Eiszeit eine grosse Ueberschwemmuug statt- gefunden hat, wenigstens in den westlichen Gebieten Nord- Amerikas, bieten nun aber die grossen diluvialen Seen dieser Landstrecken, von denen als einziger bedeutenderer Ueberrest nur noch der grosse Salzsee der Mormonen vor- handen ist. Sie bieten den besten Beweis dafür, wie un- geheuer die Wirkung der vermehrten Niederschläge in einem abflussloseu Gebiet gewesen ist, ich entnehme des- halb eine Schilderung von ihnen der Neumayrschen Erdgeschichte (Band II S. 630—632): „ .... Die umfangreichen Seeen, welche sich damals in dem grossen Becken befanden, dem Gebiete ohne Ab- fluss nach dem Meere, östlich von der kalifornischen Sierra Nevada, welches an Ausdehnung Frankreich übertrifft, liegen in einem dürren, vegetationslosen Lande, zum grössten Theil Wüste, von mehreren nord-südlich streichenden Gebirgen der Humboldtkette durchzogen; die Flüsse des Gebietes sammeln sich theils in abflussloseu Salzseeen, theils bilden sie in der nassen Jahreszeit, ja oft nur für wenige Tage nach starken Regenschauern Wasserflächen, und manche versickern und verdunsten einfach in ihrem Verlaufe. „In der Diluvialzeit war es anders, die Niederschläge waren stärker, die Verdunstung geringer, und so bildete sich eine grosse Zahl von Seeeu, welche zum Theil einen bedeutenden Umfang erreichten. Weitaus die wichtigsten unter ihnen haben von den amerikanischen Geologen den Namen Bonneville- und Lahontan-See erhalten. Der erstere liegt am Bande des Beckens am Fusse des Wahsatch- Gebirges und bedeckte ein Areal, das etwa zwei Drittel des Königreichs Bayern betragen mochte, heute ist er be- deutend eingeschrumpft, der Ueberrest des ehemaligen Bonneville ist der berühmte grosse Salzsee der Mormonen in Utah, dessen Oberfläche noch 15 000 qkm beträgt .... ausserdem sind noch 19 geringere diluviale Seen erkannt worden, welche heute entweder ausgetrocknet oder stark eingeschrumpft sind. Die Ablagerungen sind von zweier- lei Art; zu Unterst liegt ein gelber Thou, und dieser wird von einem weniger mächtigen weissen Mergel bedeckt .... Die stärkere Wasserbedeckung begann in der Diluvialzeit, und wir können innerhalb derselben zunächst zwei ver- schiedene Abschnitte unterscheiden; in dem ersten wurde der gelbe Thon, in dem zweiten der weisse Mergel ab- gelagert; die Ursache, welche diese Veränderung des Sediments veranlasst hat, ist noch nicht hinreichend auf- geklärt, wenn man aber die Grenzen beider Ablagerungen an günstigen Aufschlüssen beobachtet, so findet man ein wichtiges Verhältniss, dass sich nämlich Flussschotter zwischen beide einschieben, und dass an solchen Stellen die Oberfläche des gelben Thons denudirt ist. Man kann daraus nur den einen Schluss ziehen, dass zwischen der Bildung des gelben und weissen Sedimentes der grösste Theil des Bonnevillesees eintrocknete, es konnte sich nun Flussschotter bilden, rinnendes Wasser das unterliegende Sediment augreifen, dann nahm die Wassermenge wieder zu, und es bildete sich der weisse Mergel. „Es ist von Wichtigkeit, zu bemerken, dass ganz ent- sprechende Beobachtungen auch am Lahontan gemacht wurden, dass auch dieser während der Diluvialzeit ein- trocknete und sich wieder füllte. Gehen wir noch weiter auf die Verhältnisse ein, so finden wir, dass die erste Anschwellung des Sees nicht ganz so hoch reichte, wie die zweite, und dass zu jener Zeit kein Abfluss vorhanden war; die zweite Anschwellung, die 330 m(ü) über das heutige Niveau des Salzsees reicht (die erste 300 m. Anm. d. Ref.), verschaffte sich einen Abfluss nach Norden, und diese ablaufenden Wasser tieften den Kanal weiter aus, wodurch die Oberfläche des Sees sank. „Es ist sehr naheliegend, die zweimalige Füllung und Wiedereintrocknung dieser Seeen denselben Ursachen zu- zuschreiben, wie das zweimalige Vorrücken und Wieder- abschmelzen der Gletscher. Etwas erniedrigte Temperatur und etwas (V?) erhöhte Niederschlagsmengen konnten die Füllung der Seebecken, wie die Vereisung veranlassen, und wohl sehr mit Recht fuhrt Gilbert beiderlei Erschei- nungen auf ein und dieselben Ursachen zurück." Man kann sich hiernach ein Bild machen, wie gross die Niederschläge gewesen sein müssen, welche einen See von der Grösse Frankreichs entstehen Hessen, dessen Oberfläche 300 resp. 330 in über dem heutigen Seeniveau liegt. Allerdings muss man bedenken, dass mau es hier mit einem abflusslosen Gebiet zu tbun hat, und dass viel- leicht nirgends auf der Erde die Bedingungen für eine Ueberfluthung so günstige waren, wie hier; andererseits aber ist wieder zu beachten, dass an der amerikanischen Seenbildung nur die Niederschlagsmengen betheiligt waren, und nicht die gewaltigen Ströme Gletscherwassers, die von der nordischen Eisregion abschmelzen, denn die Gegend, um dir es sich hier handelt, liegt in ihren tiefsten Punkten 1280 in über dem Meer und ist ringsum von 3000—4000 m hohen Beigen eingeschlossen, so dass nur allenfalls die Gletscher, welche möglicherweise auf den umliegenden Gebirgen sich bildeten, zur Seenbildung in geringem Maasse beigetragen haben. Doch nicht nur für Nordamerika ist diese Vermehrung der Niederschläge in der Eiszeit zweifellos nachgewiesen, sondern auch für andere Gegenden, unter andern für die Sahara, auf die ich noch kurz eingehen will. In ihr konnte selbstverständlich eine Versumpfung nicht eintreten, da diese ja von der absoluten Menge Niederschlags ab- hängt, während in der Eiszeit nur die Zunahme der Feuchtigkeit überall dieselbe war, und daher in der zu gewöhnlichen Zeiten wasserlosen Sahara zwar eine üppige Vegetation, aber keine Versumpfung eintreten konnte. Neumayr sagt von den klimatischen Verhältnissen der Sahara während der Diluvialzeit (Band II S. 627): „Schon eine der verbreiterten und charakteristischsten Erscheinungen, das Auftreten der zahllosen Trockenthäler oder Wadi in heute durchaus wasserlosen Gegenden be- weist, dass früher hier reichlichere Niederschläge vor- handen waren, denn diese Rinnen müssen durch fliessen des Wasser ausgetieft sein. Dasselbe beweist uns das Vorkommen von Tropfsteinhöhlen und Kalktuffen im Ge- biete der Wüste, und die Auffindung eines Blattes einer immergrünen Eiche in dem Tuffe durch Zittel zeigt, dass liier eine Baumvegetation vorhanden war, wie sie in den feuchteren Gegenden der Mitteltneerlünder noch jetzt herrscht. Offenbar war damals ein kühleres und regen- reicheres Klima in der Sahara, die zum grossen Theil mit Wald bedeckt gewesen sein mag, und wir können mit Sicberheit(l) die Epoche, während welcher dies der Fall war, als gleichzeitig mit der Vereisung Europas bezeichnen." Ja, man hat sogar Anzeichen gefunden, welche zweifellos auf eine wahrscheinlich recht zahlreiche Bevölkerung der Sahara in jener Zeit hinweisen. Also hier wie dort dieselbe beispiellose Vermehrung der Niederschläge, wie in den kälteren Zonen! Diese frappanten Beispiele berechtigen aber wohl vollauf zu dem Analogieschlüsse, dass jene kolossale Zunahme der Feuch- tigkeit auf der ganzen Erde eintrat. Daraus würde sich aber mit grosser Wahrscheinlichkeit der Sehluss ergeben, dass in allen Gegenden, die sich nicht durch eine beson- ders ungünstige Bodenbeschaffenheit auszeichnen (wie die Karstländer), oder in denen zu normalen Zeiten nicht Nr. 21. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 259 grosser Feuchtigkeitsmangel herrscht (wie in der Sahara), dass in allen jenen Gegenden, sage ich, eine lange an- dauernde Versumpfung resp. Ueberfluthung eintrat, welche eben jene allgemeine „grosse Fluth" ist, von der die Sagen der Völker berichten. Damit ist aber eine völlig befriedigende Erklärung für die Sintfluth gegeben, da selbst der mit Vorliebe gegen die Allgemeinheit derselben angefühlte Einwand, die ganze Erde könne nie gleichzeitig von einer Katastrophe heini- gesucht worden sein, hinfällig wird: denn die Versumpfung, welche natürlich über viele Jahrhunderte sich erstreckt hat, kann ebensowenig als eine Katastrophe im obigen Sinne bezeichnet werden, wie die Eiszeit. Alter ein anderer Einwand wird mir hier gemacht werden, nämlich : es sei bedenklich, die Volkssagen, welche von einer schweren, sehneil hereinbrechenden Ueberschweimnung berichten, durch eine ganz allmählich vor sieh gehende Versumpfung erklären zu wollen. Man muss aber be- denken, dass zweifellos im Laufe der Jahrhunderte bald hier, bald da meteorologische Einflüsse der verschiedensten Art (wie z. B. der Cyklon an der Mündung des Euphrat und Tigris), ein rapides Anwachsen der Fluth hervorrufen konnten, das oft genug zu den schwersten Katastrophen Veranlassung gegeben haben mag. Nach derartigen Paroxysmen dürfte übrigens die aufgestaute Wassermasse sich nicht so bald wieder verlaufen haben, wie zu gewöhn- lichen Zeiten, sondern sie kann das einmal erreichte Niveau für die Zukunft behauptet haben. Diese Annahme, dass die eigentliche, verderbenbringende „grosse Fluth" nur eine Episode der Versumpfung- gewesen sei, wird da- durch um so wahrscheinlicher, als auch viele Sagen von Warnungszeichen sprechen, welche der Hauptkatastrophe vorangegangen sind. In dieser Erklärung der Sintfluth scheint sich nun aber noch ein Widerspruch zu finden: man sollte nämlich meinen, es sei unmöglich, dass gleichzeitig auf der ganzen Erde sich die Niederschläge vermehrten, und noch dazu in so ungeheurem Maasse, wie ich es annahm. Man muss unwillkürlich fragen, woher denn all' diese Feuchtigkeit kommen soll, denn wenn diese in einer Gegend zunahm, hätte sie doch einer andern entzogen werden müssen; man sollte also meinen, dass z. B. bei reichlicheren Nieder- schlägen im gesammten Norden im Süden grosse Trocken- heit hätte herrschen müssen und umgekehrt, dass aber niemals in allen Zonen eine Zunahme der Feuchtigkeit hätte stattfinden können, wie ich sie voraussetze. Nichts- destoweniger ist diese allgemeine Vermehrung der Mieder- schläge, so räthselhaft und widerspruchsvoll die Erschei nung auch zu sein scheint, unzweifelhaft nachgewiesen in allen Ländern des Nordens und Südens, die man bisher überhaupt daraufhin untersuchen konnte. Ich durfte diese Thatsache deshalb mit vollem Recht zu meiner Erklärung der Sintfluth benutzen. Die gezwungene Annahme lauter localer Fluthsagcn kann auch eine höchst beachtenswerte Thatsache nicht recht erklären, für welche meine Theorie eine befriedi- gende Deutung zu geben im Stande ist: es ist nämlich sehr auffallend, dass sich in einem der Länder mit ältester Cultur, in Egypten, keine Fluthsage findet. Nimmt man eine Sintfluthsage zu Hülfe, so ergiebt sich, dass wegen des trockenen Klimas in Egypten die diluvialen Nieder- schlagsmengen in diesem Lande keine Versumpfung her- vorbringen konnten, ebenso wenig wie dies in der Sahara der Fall war, und ebenso wenig wie die vermehrte Feuchtigkeit mitten in der Eisregion in einigen Trocken- gebieten Sibiriens, Nordamerikas und der Anden eine Vergletscherung bedingen konnte. Aber auch gegen die Einflüsse des von den nordischen Gletschern abströmenden Wasserschwalls war Egypten durch das Meer völlig ge- schützt, so dass sich die Diluvialzeit in Egypten wahr- scheinlich nur durch grössere Fruchtbarkeit und ein be- deutendes Steigen des Nilniveaus bemerkbar machte. Um so bedeutungsvoller wird das Fehlen einer Fluthsage für Egypten dadurch, dass die Egypter von grossen Fluthen bei anderen Völkern sehr wohl zu erzählen wussten; so sagte z. B. ein egyptischer Priester nach Piatos Bericht im Timäus zu Solon, „während andere Länder und deren Einwohner (7tciq' vfiZv xctl rolc lillotc) (!) durch grosse Naturereignisse zu Grunde gerichtet seien, habe Egypten, durch seine eigentümliche Lage begünstigt, den zer- störenden Mächten der Natur Jahrtausende hindurch Widerstand geleistet, so dass in Folge dessen alle ge- schichtlichen Erinnerungen erhalten geblieben seien . . ." (siehe Brughsch: Die Piatonisehe Insel Atlantis. Voss. Zeitung Sonntagsbeilage No. 20 v. 14. Mai 1893). i Portsetzung folgt.) Goethe als Naturfreund und als Naturforscher betitelt sich ein von Prof. Otto Wünsche im Jahres- bericht des Vereins für Naturkunde zu Zwickau veröffent- lichter Vortrag. Immer und immer finden Goethe's naturwissenschaft- liche Studien und Forschungen Beleuchtung, sodass es heutzutage kaum mehr möglich ist, die Gesammtlitteratur über Goethe als Naturforscher zusammenzubringen. Wünsche stützt sich nach seiner Angabe auf die einschlägigen Ar- beiten von R. Virchow, Haeckel, S. Kalischer, R. Steiner, M. Büsgen und K. von Bardeleben, er hätte noch viele ebenso wichtige Veröffentlichungen in Rücksicht ziehen können, wie die ausgezeichnete Arbeit von Helmholtz, (die W. übrigens in seiner Arbeit citirt und vorn wohl nur zu erwähnen vergessen hat) und diejenige E. du Bois-Rey- mond's, ferner haben u. a. K. F. Jordan, Th. Hob, Alois John, Maximilian Haberland, Alfred Kirchhoff, der Goethe- Biograph Lewes, ich selbst in der "Naturw. Woehenschr." u. s. w., u. s. w. Goethes naturwissenschaftliche Thätigkeit mehr oder minder eingehend beleuchtet. Es dürfte freilich schwer sein, jetzt noch mehr „neues Licht über bisher dunkle Punkte des Goethe'schen Wesens anzuzünden" und W. will denn auch „nur der weitver- breiteten Ansicht entgegentreten, dass sich Goethe bloss gelegentlich und nebenbei mit den Naturwissenschaften beschäftigt habe und dass er seine naturwissenschaft- lichen Entdeckungen nur glücklichen Zufällen verdanke." Es blickt aber noch ein anderer Gedanke hindurch, der dem Verf. wohl noch mehr am Herzen lag . . . „Sollte die kleine Arbeit -- sagt nämlich W. -- in dem Leser zugleich den Gedanken anregen, dass die Wissenschaften, in denen der grösste deutsche Dichter „das Mittel seiner Vollendung und die unversiegbare Quelle seiner inneren Beruhignng gefunden hat", auch für die geistige und ge- müthliche Ausbildung anderer Menschenkinder von grösstem Werthe sein müssen, so würde ich mehr erreicht haben, als ich zu hoffen wage." In Berücksichtigung des Berufes des Verfassers, der Schulmann ist, wird man diese Stelle leicht dahin inter pretifen, dass nach seiner Meinung die naturwissenschaft- lichen Lehrfächer für den Schulunterricht von nicht zu unterschätzender hoher Bedeutung sind, worin wir ihm nur voll und ganz beistimmen können. Goethe'n galt — wie W. mittheilt — ein gründliches Studium der Natur für eins der vorzüglichsten Bildungs- mittel, für die sicherste Sprosse, um zu einer höheren 260 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 21. Bildungsstufe aufzusteigen, und nichts drückt seine reine Begeisterung für die Naturwissenschaften kräftiger aus, als jenes Wort, das er, der Kunstkenner, inmitten der Kunstschätze Korns aussprach: „Plato will keinen Nieht- geometer in seiner Schule leiden; wäre ich im Stande, eine zu machen, ich litte Keinen, der sich nicht irgend ein Naturstudium ernst und eigentlich gewählt." Wünsche tust diesem die Anmerkung hinzu: „Sollte diese Aeussc- rung Goethe's, der die menschlichen Verhältnisse übersah, wie kein anderer Sterblicher, nicht auch die Beachtung der hohen Schulbehörden verdienen! Wie klein erschei- nen dagegen die Forderungen der meisten pädagogischen Fachleute! Auf ein Referat des Gesammtinhaltes des Vortrages kann verziehtet werden, um so mehr, als die „Naturwissen- schaftliche Wochenschrift" (Bd. II S. 190, V S. 46, VI S. 385 und VII S. 272 u. 273) sich wiederholt mit dem Thema beschäftigt hat: ich will nur Gelegenheit nehmen, einige wenige Bemerkungen dem Früheren hinzuzu- fügen. Kaum irgendwo eindringlicher als in der Frage um Goethe's „Verdienste" um die Naturwissenschaft ist die psychologische Wahrheit zu constatiren : „Was man wünscht, das glaubt man am leichtesten." So haben denn manche von Goethe's Bewunderern nicht verfehlt, ihm auch Ruhm auf naturwissenschaftlichem (iebiete zu verschaffen, ihm, der zwar gern auch hier geglänzt hätte, aber dieses Glanzes doch wahrlich nicht bedurfte, Er ist zum Vorgänger Darwins gemacht worden, obwohl es in Wahrheit durchaus unsicher ist, ob er den Gedanken der Blutsverwandtschaft aller organischen Wesen klar er- fasst hatte (1. c. VI S. 385) u. s. w., und wenn sich hei Goethe Gedanken finden, die sieh mehr oder minder an solche anlehnen, die die Wissenschaft jetzt zu den ihrigen gemacht hat, so ist nicht zu vergessen, dass sich solche Anklänge leicht bei allen bedeutenderen Geistern finden lassen, die sich damals über naturwissenschaftliche Dinge geäussert haben; aber das Interesse, nach solchen /.u suchen, ist bei einem Manne wie Goethe natürlich grösser als bei anderen Männern und verführt leicht zu dem Trug- schluss, dass er sich ganz hervorragend ausgezeichnet habe. Nun soviel geht freilieb aus den Werken Goethe's hervor: hätte er sich ausschliesslich der Naturwissenschaft gewidmet, so dürfte er eiu grosser Naturforscher geworden sein; aber soll mau es bedauern, dass er lieber unser Goethe wurde, dass er seinen wahren Beruf voll er- füllt hat? Auf geologischem Gebiet hat Goethe manche gute Bemerkung gemacht. ..Es wird nun bald -- sagt er — die Zeit kommen, wo man Versteinerungen nicht mehr durch einander werfen, sondern verhältnissmässig zu den Epochen der Welt rangiren wird." Er verlangt, „dass man bei Erklärung der verschie- denen Erdbildungen nur alsdann gewaltsame Revolutionen zu Hülfe rufe, wenn man mit ruhigen Wirkungen, die doch der Natur am allergemässesten sind, nicht mehr auskommen könne." In mannigfachen Wendungen spricht er die Ueberzeugung aus, dass die Natur, „ruhig und langsam wirkend, auch wohl Ausserordentliches vermag" und er verlangt, dass man „einer freiwirkenden Natur selbst zu ihren örtlichen Umgestaltungen Jahrtausende Zeit" lässt. Goethe hat nicht nur eine einstmalige grössere Aus- dehnung der schweizerischen Gletscher, sondern auch be- reits eine „Epoche grosser Kälte" überhaupt, also eine „Eiszeit" angenommen. Es ist dabei daran zu erinnern, dass 1832 — worauf Prof. W. Dames aufmerksam macht — A. Bernhardi, weiland Professor an der Forstakademie zu Dreissigacker, in einem kurzen Aufsatz: „Wie kamen die aus dem Norden stammenden Felsbruchstiickc und Ge- schiebe, welche man in Norddeutschland und den benach- barten Ländern findet, an ihre gegenwärtigen Fundorte?" folgendes geäussert: „Vollständiger als durch die bis jetzt zur Kenntniss des Verfassers gelangten Hypothesen däucht ihm jene Erscheinung erklärt zu werden durch die Annahme, dass einst das Polareis bis an die südlichste Grenze des Landstriches reichte, welcher jetzt von jenen Fclstrttmmern bedeckt wird, dass dieses, im Laute von Jahrtausenden, allmählich zu seiner jetzigen Ausdehnung zusammenschmolz, dass also jene nordischen Geschiebe verglichen werden müssen mit den Wällen von Felsbruchstücken, die fast jeden Gletscher in bald grösserer, bald geringerer Ent- fernung umgeben, oder mit anderen Worten nichts anderes sind, als die Moränen, welche jenes ungeheure Eismeer bei seinem allmählichen Zurückziehen hiuterliess." Es wäre interessant, nachzuforschen, ob Goethe durch Bern- hardi beeinflusst worden sein könnte. P. Ueber Soniiendesiiifection, von Prof. E. von Es- march. (Zeitschrift für Hygiene und Infections-Krank- heiten. 16. Bd. 2. Heft). — Ausgehend davon, dass man in modernen Desinfectionsapparaten, die im Allgemeinen Sicheres leisten, nicht alle Inventarien eines inficirten P.aumes desinficiren kann, wie Leder, Pelze u. s. w., stellte v. Esmareh Versuche an zur Feststellung, ob durch Ein- wirkung directer Sonnenstrahlen auf und in den ver- schiedenen Stoffen haftende pathogene Keime getödtet werden könnten. Nachgewiesen war von Boutusoff, dass die chemisch wirksamen Strahlen ziemlich tief in die Stoffe eindringen, dieselben sogar durchdringen, wenu sie nicht zu dicht sind. Dass verschiedene Bacillen durch Sonnen- strahlen getödtet werden können, ist seit Jahren erwiesen, so für Milzbrandbacillen von Arloing, für Pneumonie- bacterien von Patella, für Tuberkelbacillen von Koch u. e. A. v. Esmareh verwandte, um für die Praxis brauch- bare Resultate zu erzielen, nur solche ^toffe, „welche häufiger zur Desinfection kommen, wie Möbelüberzüge, Bettkissen mit verschiedenem Inhalt, vor Allem dann auch Felle, da diese ja in keinem Falle der Dampf desinfection zugängig sind"'. Die betreffenden Stoffe wurden mit pathogenen Baeterien imprägnirt, auch mikrokokken- haltiger Eiter wurde direct benutzt, um die Wirklichkeit möglichst nachzuahmen. Sehr genaue Tabellen geben über die Resultate Aufschluss. Eine ziemlich bedeutende Wirkung kommt den Sonnenstrahlen zu, soweit sie ober- flächliche Schichten treffen, die Wirkung nimmt aber schnell ab, sobald darüber liegende Stoff lagen die Baeterien schützen. Cholerabacillen gingen auch in tieferen Schichten bald zu Grunde, von ihnen war es früher schon bekannt, dass sie durch einfaches Austrocknen getödtet werden. Auch der Diphtheriebacillus ging im Inneren von Kissen nach tagelanger Sonnenbestrahlung zu Grunde. Dagegen wurden Eiterkokken in den Kissen wie im Fell bei noch längerer Besonnung in keiner Weise geschädigt. Bei ober- flächlicher Ablagerung pathogener Keime auf Effecten und Möbeln bewirkt die Sonne in einigen Stunden sichere Des- infection, aber sehr häufig dringen die Baeterien tiefer in die Ocjecte ein, wie beim Typhus und der Cholera, dann lässt die Sonne mehr oder weniger im Stich, so dass wir in der Sonnenbestrahlung ein brauchbares Des- infectionsmittel für die Praxis nicht besitzen. Man wird in solchen Fällen, wo die Dampfdesinfection aus irgend einem Grunde nicht möglich ist, vorläufig in der alten Weise verfahren müssen, „d. h. die Objecte durch Besprengen mit einer Desinfectionsflüssigkeit, in den weitaus meisten Fällen wohl Carbol, zu desinficiren suchen". Nr. 21. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 261 Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurde ernannt: Der Botaniker Hofvath Prof. Dr. Pfitzer in Heidelberg zum Geh. Hofrath. Es wurde angenommen: Der bisherige Assistent an der Kgl. geol. Landesanstalt und Bergakademie Dr. Schulte als Rilfs- geologe. Ferienkurse in Jena im August 1894. — Es wird beab sirhtigt. wie in de" Jahren 1889—93 zu Jena vom 1.— 16. August die folgenden zweiwöchentlichen Kurse, welche für akademisch gebildete Lehrer und Lehrer an Seminaren (nicht für Volks-chul- lehrei ) bemessen sind, abzuhalten: 1. Das Mikroskop: Dr Straubel. 2. Grundzüge der Unterrechtslehre: Prof. Dr. Rein. 3. Grund- begriffe der Naturlehre vom heutigen Standpunkte aus: l'rof. Dr. Auerbach. 4. Lieber Bau und Leben der Pflanzen: Prof. Dr. Detmer. 5. Anleitung zu botanisch-mikroskopischen Arbeiten und pflanzenphysiologischen Experimenten: Prof. Dr. Detmer. 6. Anleitung zu physikalischen Experimenten: Prof. Dr. Schütter. 7. Moderne physikalische Demonstrationen: Prof. Auerbach. 8. Schulhygiene: Hofrath Prof. Dr. Gärtner 9. Zeit und Orts- bestimmung mit praktischen Uehungen auf der Sternwarte: Dr. Knopf. 10. Demonstrationen elektrischer und magnetischer Messungen: Dr. Straubel. 11. Neuere Ergebnisse der theore- tiseeen und experimentellen Chemie- Prof Dr. Wolff. 12. Physio- logische Psychologie: Prof. Dr. Ziehen 13. Anleitung zu zooto- mischen Arbeiten: Dr. Römer. 14. Anleitung zu Untersuchungen mit Spektral- und Polarisationsapparaten: Dr. Gänge. 15. He- bungen im Glasblasen: Glasbläser Haak. Das Honorar für jeden einzelnen Kursus (10—12 Stunden) beträgt 15 Mk. Diejenigen Herren, welche sieh an den Ferien- kursen betheiligen wollen, ersuchen wir. uns von ihrer Absieht in Kenntniss zu setzen. Auskunft über Wohnungen erhalten die Heeren Theilnehmer am Mittwoch, den 1. August, im botanischen Institut. Mittwoch, den 1. August, Abends 8 Uhr gesellige Zu- sammenkunft im Weimarischen Hof- Anmeldungen nehmen ent- gegen und nähere Auskunft ertheilen Prof. Detmer und Prof Rein. Den Bericht der Central-Comrnission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland über die zwei Geschäftsjahre von Ostern 1891 bis Ostern x893 veröffentlicht Prof. Dr. Albert Penck in den Verhandlungen des X. Deutschen Geographentages in Stuttgart, 1893. Seitdem gelegentlich dos Wiener Geographentages der letzte Bericht der Commission erstattet worden ist, hat sicli in der Leitung derselben ein Wechsel vollzogen. Der bisherige Vor- sitzende derselben, Prof. Dr. Alfred Kirchhoff, hat diese Würde niedergelegt, und die Kommission hat P. mit derselben betraut. Stadtrath E. Friedel in Berlin, Diiector des Märkischen Pro- vinzial-Museums. übernahm die ins Leben gerufene Obmannstello für die Provinz Brandenburg und den Stadkreis Berlin Der bisherige Obmann für das Königreich Rayern. Prof. Siegmund Günther, traf wegen Ueberlastung mit Geschäften aus der Commission aus, und letztere erwählte auf Grund seines Vor- schlages Prof. Oberhummer in München zu seinem Nachfolger. Bedauerlicherweise sah sich jüngst auch Prof. Rein in Bonn ge- nöthigt, aus gesundheitlichen Gründen die Obmannstelle für die Provinzen Rheinland und Westfalen niederzulegen. Dankbar gedenkt die Commission der Jahresspende von 50fl Mark, welche sie wie früher Seitens des Königlichen Proussi- schen Cultus-Ministeriuins erhielt, und welche ihre einzige Ein nähme war; denn sie erfuhr keine Förderung Seitens des Wiener Geographentages, dessen Ortsausschuss in seiner Majorität sieb in diesem Punkt die sonst befolgte Gebahrung früherer Tagungen nicht zum Vorbild nahm. Mit der genannten Einnahme hat die Commission haushälterisch gewirthschaftet, um so viel als möglich wissenschaftlichen Unternehmungen zuführen zu können. Sie ge- wahrte Dr. Willi Ulo in Halle für dessen Untersuchungen der norddeutschen Seen Unterstützungen im Betrag von 330 Mark, und Herrn A. E. Forster in Wien 2u0 Mark als Beihilfe .zu der von demselben begonnenen Bearbeitung der Wasserstände der Donau So wurde ein Drittel aller Ausgaben auf wissenschaft- liche Arbeiten verwandt. Den grössten Theil glaubte die Com- mission zur Fortsetzung der vom Bibliothekar Dr. P. Richter in Dresden übertragenen Ausarbeitung einer Bibliographie der wissenschaftlichen Litteratur über das Deutsche Reich verwerthen zu sollen. R. hat nunmehr nicht weniger als 13 000 Titel der vor 1889 erschienenen landeskundlichen Werke aus dem deutschen Bücherlexikon ausgezogen und damit eine ausserordentlich mühe- volle Arbeit geleistet, welche einen soliden Grundstock der all- gemeinen Bibliographie bilden wird. Rüstig sind die „Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde" fortgeführt worden, welche Namens der Commission Professor Kirchhoff in Halle weiter herausgiebt. Seit Ostern 1891 sind der VI. und VII. Band erschienen. Wir haben die ge- diegenen Arbeiten in der „Naturw. Wochensehr." besprochen. Leider sind die Veröffentlichungen verhält.nissmässig theuer und stehen so ihrer grösseren Verbreitung entgegen. Von dem anderen von der Commission geförderten Unter- nehmen, nämlich den „Handbüchern zur deutschen Landes- und Volkskunde" wurde die Schlusslieferung des ersten Bandes der gross angelegten „Geologie von Deutschland" von Lepsius heraus- gegeben. Endlich veranlasste die Commission das Erscheinen der „Beiträge zur Numon-Verbosserung der Karten des Deutschen Reichs", von A. Wessinger, H. Witte und H. Herbers, sie unter- breitete diese Schrift dem Chef der Köuigl. Preussischen Land« - aufnähme, welcher ihr Anerbieten zur Mithilfe bei der Feststellung der Namen von Höhen, Gewässern und Thälern, für welche das Gemeindelexikon keinen Anhalt bietet, bereitwillig annahm. Die Regierung von Parä hat. beschlossen, ein Museum für Naturgeschichte und Ethnographie ins Leben zu rufen. Zum Director ist Dr. Emil A. Goeldi ernannt worden. Deutsche Geologische Gesellschaft. Wegen des im Herbsl in Zürich tagenden VI. Internationalen Geologen-Congress wird die diesjährige Hauptversammlung der Deutschen Geologischen Gesellschaft, welche nach Beschluss der vorjährigen Versammlung in Coburg tagen sollte, um ein Jahr verschoben. Litteratur. Vilmorin's Blumengärtnerei, Beschreibung, Kultur und Ver- wendung des gesammten Pflanzenmaterials für deutsehe Gärten. Dritte, neubearbeitete Auflage unter Mitwirkung von A. Siebert, herausgegeben von A. Voss. 1. Lieferung. Paul Parev in Berlin 1894. — Preis 1 M. Im Hinblick darauf, dass das bekannte Buch in seiner neuen deutschen Gestalt weiteres Interesse finden dürfte, da es eine Flora der deutschen Gartenpflanzen, nicht nur der einjährigen Pflanzen und Stauden, sondern auch der Gehölze werden soll, beeilen wir uns schon beim Erscheinen der 1. Lieferung wenigstens zunächst auf die neue Erscheinung aufmerksam zu machen. In dem Text befinden sich zahlreiche Habitus- Abbildungen, ausserdem aber sind zahlreiche Tafeln in Buntdruck beigegeben. TJeber wissenschaftliche Fachliteratur und die Mittel, dieselbe allgemein und leicht zugänglich zu machen hat Prof. Dr. B. Schwalbe, Director des Dorotheenstädtischen Real-Gym- nasiums zu Berlin, ein besonderes Schriftchen veröffentlicht als Sonder-Abdruck aus dem „Central-Organ für die Interessen des Realschulwesens". Welcher wissenschaftlich Arbeitende hat nicht schon oft schaudernd an die Zukunft gedacht, im Hinblick auf die Erwägung, wie es einmal für den irgend einen Specialgegenstand bearbeiten- den Forscher mit der Bewältigung der Litteratur seines Gegen- standes werden soll? Referent hat oft gemeint, dass gute, um- fassende Compendien in vielen Fällen als Grundlage und Quelle werden benutzt werden müssen, wie das übrigens hier und da schon jetzt bis zu einem gewissen Grade in den Fällen geschieht, in denen ein Zusammenbringen der gesammten Originallitteratur mit unüberwindlichen Schwierigkeiten verbunden ist. Die Aus- arbeitung umfassender Nachschlagewerke und systematischer Com- pendien hat dem Referenten daher stets eine wichtige Aufgabe geschienen, und Werke wie Engler- Prantl's natürliche Pflanzen- familien und ähnliche sind daher von grosser Wichtigkeit. Dass solche Compendien aber für die Bearbeitung der meisten Special- fragen nie genügen können und bei der sehneilen Production auf wissenschaftlichem Gebiete nur gar zu schnell veralten, liegt auf der Hand. Für solche Fälle werden Jahresberichte, wie Just- Koehne's botanische Jahresberichte natürlich dem, der nicht die Gesammtlitteratur seines Gebietes zur Verfügung hat — und das ist doch nur ganz ausnahmsweise der Fall — unentbehrlich sein. Schwalbe möchte die Herstellung solcher Jahresberichte beson- ders organisirt wissen. Hören wir den Verfasser selber. Der von der Royal Society ins Werk gesetzte Catalogue of scientific papers 1800 bis 1863 soll sämmtliehe mathematische und physikalische Arbeiten der bekannten Zeitschriften unifassen; einzelne Broschüren u. s. w. sind ausgeschlossen; dieser letztere Weg der Publication wird auch mehr und mehr schwinden, da so ausserordentlich viele Zeitschriften offen stehen, und jene Einzel- schriften für spätere Zeiten fast ganz unzugänglich werden; nur bei Festgelegenheiten, Programmen und dergl. mehr und da, wo es sich um agitatorische Fragen handelt, ist dieser Weg gerathen. — Ueber die Einrichtung des englischen Katalogs kurz Folgendes: Band 1 erschien 1807 und umfasst nur die Autornamen A— Chi. 262 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 21. Es ist eine Liste der Abkürzungen der einzelnen für die Kataloge benutzten Journale vorangeschickt und sind dabei auch die biblio- graphischen Nachweise der einzelnen Bände gegeben. Die Zeit- schriftliste umfasst 78 Seiten. Die Autoren sind alphabetisch aufgeführt, die Titel in der Sprache, in der die Arbeit erschien. Die genaue Angabe des Journals mit Band, Jahres- zahl und Seite ermöglicht das schnelle Auffinden. Die Ar- beiten der Autoren sind nummerirt, so finden sich von Brücke 62 angeführt. Da das Werk die biologischen Wissenschaften mit umfasst, so ist es ausserordentlich umfangreich. Kennt man den Namen des Autors, so ist es mit Hülfe dieses Werkes, das aller- dings für die Beschaffung durch einen Privatmann zu kostspielig ist und auch nur in dem Besitz weniger Bibliotheken sich be- findet, nicht schwierig, die betreffende Arbeit zu finden, während, wenn man dem Stoffe, dem Gegenstände nach sucht, dasselbe wenig Anhalt bietet. Zugleich muss dabei hervorgehoben werden, dass die Orientirung dem Namen nach, immer leichter ist und man wohl voraussetzen darf, dass derjenige, der mit einer Sache sich beschäftigt, auch mit dem Namen der Forscher auf dem betref- fenden Gebiete sich bekannt gemacht hat. — Aber selbst bei den grossen Mitteln der Royal Society of London ist eine absolute Vollständigkeit nicht erreicht, und das Werk kann allein dem wissenschaftlichen Bedürfniss nicht genügen. Auch gibt es nicht über den laufenden Fortsehritt Auskunft. Wichtig ist vor allem, dass eine der ersten Akademien dadurch anerkannt hat. dass solche Uebersichten vorhanden sein müssen, und dass grosse Mittel nicht gescheut werden dürfen, um sie herzustellen. Wenn Ende dieses Jahrhunderts ein ähnliches Unternehmen für die Litteratur von 1860 bis 1900 von einem grossen Institut unternommen wird, so wird sich zeigen, dass dies kaum möglich ist ohne laufende wohlgeordnete Jahresberichte. Es wäre dies aber ein Unternehmen, mit welchem das a b 1 a u f e n d e Jahr- hundert dem kommenden eine der grössten Wohlthaten erwiese Das sog. naturwissenschaftliche Jahrhundert, das zu Rüste geht, könnte zeigen, dass es die Einheit der zukünftigen kulturellen Bildung für alle Nationen gelegt hat, indem es ein solches zusammenfassendes litterarisches internationales Hülfsmittel über die ge- sammten Forschungen auf naturwissenschaftlichem Gebiete schafft. Keiner der erscheinenden Jahresberichte wird allein von be- hördlicher Seite, sei es staatlich oder akademisch, herausgegeben; entweder sind es wissenschaftliche Gesellschaften oder einzelne Gelehrte, welche die beschwerliche, unentbehrliche Uebersicht zu- sammenstellen; nur Einzelne haben da oder dort direct eine lau- fende Beihülfe erhalten, oder dieselbe wird dem Institute, das die Herausgabe besorgt, überwiesen. . Wie sehr solche Jahresberichte die wissenschaftliche Arbeit erleichtern, wie sehr sie ermöglichen, über einen bestimmten Gegenstand sofort in kürzester Zeit die wichtigste Litteratur zusammenzustellen, wie viele Fingerzeige sie für verwandte Stoffe geben, davon überzeugt sich jeder, der einmal in die Lage ge- kommen ist, sie zu benutzen. Aber auch füi diejenigen, welche nicht produetiv an der Wissenschaft mitarbeiten, sondern die Aufgabe haben, dieselbe zu übermitteln, sind sie vollständig ge- eignet, um auf dem Laufenden zu erhalten, und sie sollten des- halb nicht bloss in grossen Bibliotheken, sondern auch für Schulen mehr Beachtung finden ; denn auch die Lehrer müssen, wenn sie sich frisch und tüchtig erhalten wollen, stets den Fortschritten in den Fachwissenschaften zu folgen streben und das heraussuchen, was für den Unterricht verwerthbar ist. Freilich tritt hierbei bisweilen der Uebelstand hervor, dass der Bericht verhältniss- mässig spät erscheint; zum Theil ist dies bedingt durch die Schwierigkeit die fremdsprachlichen Abhandlungen rechtzeitig zur Benutzung herbeizuschaffen, zum Theil liegt es in der Lieferung der Referate, zum Theil kann auch sonstige Behinderung der einen oder anderen Art (Krankheit etc.) einen Aufenthalt herbei- führen. Dass die Idee, in irgend einer Weise Vorrichtungen für systematische Litteraturübersichten zu treffen und diese möglichst übersichtlich zu gestalten und das ganze Unternehmen sicher zu stellen, auch in anderen Ländern vorhanden ist, dafür spricht u. A. der Artikel: Shufeldts plan for a national bureau ofscience Science 1886. S. 159. Anlehnungspunkte könnten nun in verschiedenen, schon jetzt bestehenden Institutionen gefunden werden. Bei den physika- lischen Wissenschaften würde man zunächst an das neugegründete Reichsinstitut denken können. In demselben besteht eine tech- nische und wissenschaftliche Abtheilung, deren Aufgaben genau bestimmt und vorgesehen sind; eine litterarisch-bibliographsehe ist nicht vorhanden, es sind vielmehr die für die Bibliothek aus- gesetzten Mittel nur eben ausreichend für den laufenden Bedarf. Wenn eine besondere Abtheilung zum Zwecke, die physikalische und die physikalisch-technische Litteratur schnell zugänglich zu inachen und übersichtlich zusammenzustellen, gegründet würde, so wäre damit der Anfang für diese Einrichtungen gemacht. Dazu würde eine besondere Persönlichkeit angestellt werden müssen, deren Gesammtthätigkeit durch die Herstellung des Berichts, die Sammlung der Referate, die übersichtliche Darstellung und die Herausgabe der Gesammtübersieht nach möglichst kurzer Frist in Anspruch genommen sein würde. Dass dadurch auch den anderen Abtheilungen einerseits Erleichterung, andererseits aber auch Heranziehung zu litterarischer Mitarbeit in gewissen Grenzen er- wachsen würde, ergiebt sich von selbst. Die Kosten werden nicht bedeutend sein, da die Beschaffung des Büchermaterials durch Tausch und Geschenk sehr erleichtert sein würde. Es erscheint hier überflüssig, auf eine solche Einrichtung in ihrer Organisation näher einzugehen; sollte später das litterarische Bedürfniss zu einer solchen Einrichtung drängen, so lässt sich die Special isirung leicht durchführen. Vielleicht wäre schon innerhalb der jetzigen Orga- nisation eine Anbahnung dazu möglich. — Freilich wäre dadurch nur für einen Theil der Wissenschaften die Verwerthung der Journallitteratur sicher gestellt. Ob der Gedanke, solche Reichs- institute auch für andere Gebiete zu gründen, durchgeführt wird, wie im Parlamente schon in Beziehung auf Chemie die Anregung gegeben ist, und in Beziehung auf Meteorologie und Geologie ein dringendes Bedürfniss vorliegt, ob die Einrichtung solcher Institute möglich ist, mag hier unerörtert bleiben. .Man wird, sollte dies geschehen, nicht leugnen können, dass es auch Aufgabe solcher Institute ist, der Zersplitterung der wissenschaftlichen Litteratur immer durch nachherige Zusammenfassung derselben zu begegnen. Ein anderer, literarischer Zentralpunkt von allgemeinerer Bedeu- tung wäre in den Akademien gegeben. Die frühere Aufgabe der- selben war hauptsächlich die Förderung der reinen Wissenschaft durch Original-Untersuchungen — zugleich sollten sie eine Stelle darbieten, wo solche Arbeiten veröffentlicht würden; sind doch die meisten früheren wissenschaftlichen Arbeiten in solchen Schriften der Akademieen niedergelegt; diese Arbeit ist jetzt von einem weit grösseren Kreise übernommen, und es bilden die Aka- demien, wenn auch noch die am meisten geehrten, doch nicht die alleinigen Stätten für diese Zwecke. Die Verwerthung der reichen literarischen Schätze, die ihnen auf allen Gebieten der Wissenschaften zufliessen, könnte sehr wohl in den Rahmen ihrer Thätigkeit aufgenommen werden. Nicht, dass sie die Arbeit selbst unternehmen und ausführen sollten, sondern nur, dass unter ihren Auspizien der Unternehmung Sicherung und Dauer gewährt, die möglichste Vollständigkeit gewährleistet würde, und auch durch peeuniäre Hülfsmittel die schnelle Herausgabe ermöglicht wird, nicht für ein Gebiet des Wissens allein, sondern für alle Wissens- zweige. — Man wird zuerst gegen den Gedanken einwenden, dass dadurch die Unabhängigkeit der Berichte verloren gehen könnte, es wäre möglich, dass bei den Berichten die eine Richtung be- sonders hervorgehoben würde, andere gegnerische dagegen zu wenig Berücksichtigung fänden. Dieser Einwand setzt zuerst eine ausserordentliche Engherzigkeit bei dem zunächst betheiligten Kreise voraus, aber selbst wenn man annimmt, dass die Referenten, welche von den Mitgliedern der Akademie vorgeschlagen weiden, in der That so verfahren, so ist bei dem häufigen Wechsel der Referenten und dem kleinen Gebiete, das jeder einzelne zu bear- beiten hat, eine wirkliche Gefahr für die Wissenschaft für die Dauer ausserordentlich gering, wenn die Berichte derartig gehalten werden, dass nur das Inhaltliche angegeben und keine Kritik weiter hinzugefügt wird, sondern dieselbe durch das Referat selbst bei dem Leser hervorgerufen wird. Ueberdies ist bei der jetzigen Methode die Gefahr dieselbe, auch da wird der einzelne Referent seiner Neigung, seiner Specialrichtung nach das eine ausführlicher, das andere weniger ausführlich berücksichtigen, während man- cher Autor einer kürzer referirten Arbeit gewiss das Recht auf ebenso ausführliche Berücksichtigung zu haben glaubt und viel- leicht auch hat. Wie wenig in dieser Beziehung die Referate zu Recriminationen Veranlassung geben, dafür spricht eine langjährige Erfahrung. Auch Hesse sich leicht, wenn solche Uebelstände ein- treten sollten, Abhülfe schaffen; hat doch der Redacteur zunächst selbst die Pflicht nachzusehen, dass möglichst alle wichtigen Ar- beiten referirt sind, und bei Zurseiteschiebung gewisser Arbeiten entweder selbst dafür einzutreten oder anderweitig für ein Referat zu sorgen. Ausserdem geht der ganze Einwand von einer unzu- treffenden Voraussetzung aus, denn die Fälle, bei denen es über- haupt möglich ist, spielen im Vergleich mit dem Ganzen gar keine Rolle. Der andere Einwand, dass die Sache keine Aufgabe der Akademie sei und nicht in ihren Institutionen vorgesehen sei, ist ebenfallls hinfällig. Bei Gründung der Akademien lag dafür kein Bedürfniss vor, es musste erst eine wissenschaftliche Litteratur geschaffen weiden; die Institution selbst aber widerspricht einer solchen Aufgabe nicht. Dass die Sicherung der gesammten wissenschaftlichen Forschung, die Erleichterung in der Benutzung derselben zu erstreben, die Akademien von ihrer jetzigen Thätig- keit ablenken würde, ist wohl nicht zu erwarten. — Den Akade- mien steht vor allem ein Hülfsmittel zur Verfügung; die gesammte einschlägige Fachlitteratur in ihrer Vollständigkeit, einem Um- fange wie bei keiner wissenschaftlichen Gesellschaft oder sonstigen Nr. 21. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 263 staatlichen Einrichtung. Gerade für Privatpersonen, wie selbst wissenschaftliche Vereine, sind die Schriften der verschiedenen Gesellschaften und Akademien ausserordentlich schwer zu be- schaffen. Tauscdi ist zu diesem Zwecke in einzelnen Fällen möglich, Benutzung der Bibliotheken verschafft zwar den Titel, ohne die Arbeit dem Referenten zugänglich zu machen, während für die Akademie, die an und für sich eine solche wissenschaft- liche Centralstclle ist, dies alles ein leichtes wäre; gern würden die meisten Gesellschaften zu dem bestimmten Zwecke sogar ein besonderes Exemplar ihrer Berichte und Druckschriften regel- mässig einsenden, da sie dann die Sicherheit haben, dass die Pu- blication allgemein bekannt und berücksichtigt würde, und auch die ausländischen Gesellschaften, grosse und kleine, werden sich mit grösstem Entgegenkommen betheiligen, selbst dann, wenn viel- leicht nicht überall Tausch möglich wäre. Die einzelnen Fach- journalo wären sowieso zu beschaffen, auch hier würden manche in der Aussicht auf regelmässige Berücksichtigung umsonst ein- gesandt werden, die vielleicht für den Augenblick noch nicht ein absolutes Bedürfniss ist, die aber für später, soll nicht vieles ver- loren gehen, eine Notwendigkeit wird. Die Hauptthätigkeit müsste der Redacteur, der von dem wissenschaftlichen Institut er- nannt und besoldet würde, leisten. Derselbe wäre verpflichtet, den betreffenden Band der Jahresberichte spätestens zwei Jahre nach Ablauf des Jahres, über welches zu berichten ist, erscheinen zu lassen, da ein früheres Erscheinen wegen der schwierigen Be- schaffung der ausländischen Journale nicht möglich ist und auch manche Berichte über die wissenschaftliche Thätigkeit einer Ver- einigung erst im folgenden Jahre erscheinen (Reports of Brit. Assoc). Der Redacteur müsste sämintliche Journale Studiren, die einschlägigen Arbeiten ausziehen, kopiren, den Abtheilungen nach ordnen und nachher den Referenten die fertig zusammengestellte Litteratur zur Bearbeitung übergeben. Die Referenten für die einzelnen Gebiete würden sich leicht finden, namentlich wenn einzelne Mitglieder der Körperschaft jüngere Kräfte darauf hin- weisen. Die Thätigkeit würde schon für eine Gesammtwissen- schaft. die Arbeit eines Mannes in Anspruch nehmen. Auch könnte der Redacteur, der mindestens die drei Sprachen englisch, deutsch, französich beherrschen müsste, verpflichtet werden, alle zehn Jahre einen Registerband mit Sach- und Namenregister herauszugeben. Für die Arbeiten, welche der Sprache wegen nicht in Deutschland referirt werden könnton, müssten auswärtige Referenten hinzu- treten, doch immer so, dass der Redacteur die Verantwortlichkeit für die Vollständigkeit übernimmt. Man könnte ein Auskunftsbureau damit verbinden, d. h. wünscht jemand zu erfahren, ob eine Sache überhaupt oder was darüber gearbeitet ist, so würde er sich an den Redacteur wenden und in kürzester Zeit die sämmtliche Litteratur aller Länder darüber erhalten können. Freilieh müssen die Bibliotheken, Schulen, Polytechniken, Universitäten das Unternehmen unter- stützen, das eine Arbeitserleichterung schaffen würde, welche nicht unbedeutende Kräfte für andere Aufgaben frei machte. — Auch vom Auslande her würde eine solche Einrichtung eifrig be- nutzt werden und die deutsche wissenschaftliche Arbeit würde allgemein überall befruchtend wirken. Gern würden die meisten Privaten und Gesellschaften die jetzt solche Jahresberichte der Fortschritte herausgeben, mit einem solchen Unternehmen in Ver- bindung treten, ja vielfach würde sich leicht eine Ucber- fühiung bewerkstelligen lassen, da es wünschenswerth wäre, dass die Fortsetzungen der Jahresberichte im Anschluss an die be- stehenden ausgeführt würden. Das Bedürfniss nach bibliograph ischer Reform wird in allen Gelehrtenkreisen dringend empfunden. Eine Notiz von Dr. Herbert Haviland Field (Biolog. Centralblatt v. 1. April 1894 S. 274 ff.) beschäftigt sich ebenfalls mit derselben. Sie hat zunächst zoologische Interessen im Auge, die aber ganz all- gemein sind. Um das Ziel einer Reform womöglich zu erreichen — berich- tet F. — ist neuerdings in Russland ein Comite gewählt und in Frankreich die Wahl eines solchen vorbereitet worden, die ihrer- seits der event. Bildung einer entsprechend zusammengesetzten internationalen Commission entgegensehen. Es wird ferner beab- sichtigt, den Gegenstand im nächstjährigen Congress zu Leiden zur Discussion zu bringen. Durch ein Missverständniss sind bis jetzt in Amerika keine bestimmten derartigen Beschlüsse gefasst worden, obwohl die Bewegung eigentlich daselbst ihren Ursprung hatte. Die Reform, welche F. am meisten anspricht, besteht zu- nächst darin, dass man ein internationales Centralburcau errichtet, welches die nächsten Aufgaben der Litteraturverarbeitung be- sorgen würde. Dieses Centralbureau wäre in der Nähe der grösseren zoologischen Bibliotheken zu begründen (London, Neapel), so dass sämmtliche oder wenigstens die Mehrzahl der Publica- tionen den Bibliographen zugänglich sein würden. Allein es wäre zu hoffen, dass die Autoren vielfach Separatabdrücke ihrer Ab- handlungen einsenden würden. Diese Sitte würde wenigstens viel verbreiteter als jetzt werden und die Arbeit ihr Bibliographen bedeutend erleichtern. Die erste Aufgabe des bibliographischen Bureau würde darin bestehen, vollständige Listen von sämmtlichen neuen Publicationen anzulegen. Sobald eine solche Liste die Länge eines Druckbogen erreicht hätte, würde sie in zwei verschiedenen Formen gedruckt werden. Die eine Form würde eine einfache Brochure; für die andere Form würde man sich eines stärkeren Papiers bedienen und die Titel durch grosse Intervalle getrennt drucken lassen. Solehe nur auf einer Seite bedruckten Blätter würde man dann den einzelnen Titeln entsprechend zu kleinen Zetteln aufschneiden, die zum Zwecke einer weiteren Verarbeitung der Litteratur Ver- wendung finden würden. Während der Herstellung genannter bibliographischer Listen würde es ferner Aufgabe der Bibliographen sein, die einzelnen Publicationen rasch durchzumustern, um für jede Abhandlung die Gegenstände genau angeben zu können, welche in derselben be- handelt werden. Diese Bestimmung würde nun einen doppelton Zweck erfüllen. Erstens ist sie eine nahezu unentbehrliche Vor- arbeit für die Herstellung der von verschiedenen Specialisten aus- zuarbeitenden Referate, und zwar könnte man jedesmal den be- treffenden Referenten sofort einfach durch Zusendung der in sein Fach einschlagenden Titel benachrichtigen. Zweitens würde man die gedruckten Zettel nach und nach zu einem permanenten Zettelkatalog sammeln und klassificireu. Da die Zettel gedruckt sind und folglich sich unbegrenzt vervielfältigen lassen, so könnte man ganz ähnliche Kataloge in anderen zoologischen Centren be- gründen, wobei das Centralbureau die Zettel nebst Inhalt und Anmerkungen liefern würde. In ganz analoger Weise könnte man nun ferner dem einzelnen Forscher Theile des Katalogcs liefern oder aber specielle Auskünfte geben, was uns endlich zu der wichtigsten Leistung des bibliographischen Bureaus führt. Sie besteht darin, dass das Bureau jeden Abonnenten sofort durch Zusendung des betreffenden Zettels jedesmal benachrichtigt, dass eine sein s p e c i e 1 1 e s Gebiet b e - beh and elnde Arbeit veröf fen t .lieh t worden ist. Dies ist es gerade, was jeder Forscher gerne erfahren möchte, allein zugleich ist es eine Aufgabe, welche keine der jetzt erseheinenden biblio- graphischen Publicationen befriedigen kann. Was die Litteraturberiehte resp. Referate betrifft, so ist nur zu bemerken, dass die Arbeit der Referenten durch die Thätigkeit des Centralbureaus nicht unwesentlich erleichtert wird. Von ver- schiedenen Seiten ist es ferner betont worden, dass man bei einem derartigen internationalen Unternehmen viel eher im Stande wäre, die active Unterstützung der Autoren selber zu gewinnen. Albrecht, Sectionschef Prof. Dr. Th., Formeln und Hülfstafeln für geographische Ortsbestimmungen. 3. Autlage. Leipzig. - 17 M. Behrens, Prof. H., Das mikroskopische Gefüge der Metalle und Legierungen. Hamburg. — 14 M. Bertram, Exkursionsflora des Herzogthums Braunschweig mit. Einschluss des ganzen Harzes. Braunsch« eig. — 4 50 M. Bois, Dr. H. du, magnetische Kreise, deren Theorie und Anwen- dung. München. — 10 M. Büchner, Prof. Dr. Ludw., Kraft und Stoff oder Grundzüge der natürlichen Weltorduung. 18. Auflage. Leipzig. — 2,50 M. Engel, Gust., Entwurf einer ethnologischen Begründung des Sein- sollenden. Berlin. — 4.(i0 M. Feldegg, F. Ritter v., Das Verhältnis der Philosophie zur em- pirischen Wissenschaft von der Natur. Wien. — 1,24 M. Gutberiet, Dr. Const., Lehrbuch der Philosophie. Naturphilo- sophie- 2. Autlage. Münster. — 3,60 M. Heath, Prof. R. S., M. A., D. Sc, Lehrbuch der geometrischen Optik. Berlin. - 10 M. Kahn, Solly, Untersuchungen über das 2Methylakridon und das 2Methylakridin. München. — 1 M. Keller, Prof. Dr. Conr., Das Leben des Meeres. 1. Lieferung. Leipzig. — IM. Ostwald, Prof. Dr. Wilh., Elektrochemie. Ihre Geschichte und Lehre. 1. Lieferung. Leipzig. — 2 M. Potonie, Doc. Dr. H., Elemente der Botanik. 3. Aufl. Berlin. — 4 M. Prantl's Lehrbuch der Botanik. 9. Auflage. Leipzig. - 4 M. Stoklasa, Agronom Insp. Dr. Jul., Die wasserlöslichen Ver- bindungen der I'hosphorsäure in den Superphosphaten. Prag. — 3 M. Vogler. Prof. Dr. Ch. Aug., Lehrbuch der praktischen Geometrie. Braunschweig — 1 1 M. Inhalt: Dr. Karl L. Schäfer: Zur Entwiekelungsgeschicht» der Bogengänge. — Richard Hennig: Zar Sintfluth- und Eiszeit- Frage. — Goethe als Naturfreund und als Naturforscher. — Ueber Sonnendesinfection - Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur. — Vilmorin's Blumengärtnerei. — Ueber wissenschaftliche Fachliteratur und die Mittel, dieselbe allgemein und leicht zugänglich zu machen. - Liste. 264 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 21. "33orfacj tvn gtetröirtattö f£«fto in ,S»ti*it5.-. Spiegel-Detectiv-Camera incl. 3 Doppel-Cassetten und Unihänge- Tasche. Mk. 75.-. .Westendorp & Wehner" -Platten. PATENTEiMax my|ius^ -L XX X JJll X XJ 1 r ITlieotlorora & O KKKfilX kw. Thurmstr. 14. Seit 18X7 Über 110W1 1' Hempel's Klassiker-Ausgaben. Ausführl. Speeialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchiian 1. jmbet'fd)e gicrfagsljanbfuiig, -Jrcibiug im SBveiognu. Soeben ift erfdjienen unb burd) olle SBiidj&nnblungeh ju bejieben: 3riunblicit§ uflcge. 3Rebijin unb !|>lmiiologir; ßnnbei' unb äSblferiiinbe; ©anbei; SnKufttte unb Serftljr SReuttter ^ahrtiami. Unter SOtttroutiing tum gncbniiinnern hcruiiegcgebcu oon 'l>r. 28a.r §Bifb ermann. 3)(it -.'4 in den Sert gebruetten ©ofofehnitten unb 2 Mrtdjen. gr. 8°. (XVI u. 536©.) M. 6; in eleg. Driginal=@inbanb : Beinmnnb mit ©ecfenprejfung M. 7. — 5)ie ©inoartbbeefe 70 Pf. Safirgang II— V fönnen jum ermäßigten greife tum :'i M. 3, geb. .1/. 4, ricidjbcjogcn roerben; Snhrgong VI, VII unb VIII für je M. 6, geb. M. 7 einzeln ju haben Seber 3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger «Quellenangabe gestattet. Zur Sintfluth- und Eiszeitfrage. Von Richard Hennig. (Fortsetzung und Schluss). Ehe ich in meiner Untersuchung' nun weiter fortfahre, möchte ich noch auf Eins aufmerksam machen: während mir persönlich die Richtigkeit der bisher geäusserten An- sichten sehr wahrscheinlich ist, kann ich das, was ich jetzt vorbringen werde, nur als möglich hinstellen, da die alten Volkssagen jetzt fast meine einzige Stütze sind. Sollte nämlich die Annahme richtig sein, dass die Sintfluth nichts weiter als eine natürliche und nothwendige Begleiterscheinung resp. Folge der Eiszeit ist, so würden sich daraus noch weitere interessante Schlüsse ergeben: die Geologie hat es bekanntlich wahrscheinlich gemacht, dass schon mehrere Eiszeiten auf der Erde stattgefunden haben, so scheint ja eine solche sogar schon für das paläozoische Zeitalter, und zwar für die karbonische For- mation nachgewiesen zu sein; denn es zeigen sich „ge- wisse auffallende Erscheinungen, welche man als Spuren einer karbonen Eiszeit der südlichen Heinisphäre gedeutet hat. Dieselben offenbaren sich im Auftreten grosser und kleiner, zum Thcil geschliffener und geschrammter, fremder Gesteinsblöcke innerhalb der thonig-sandigen Basisschichten jenes Complexes, welche dadurch den Habitus einer Grund- moräne erhalten." (Oredner: Elemente der Geologie. 7. Aufl. S. 511.) Ferner heisst es bei Neumayr (Band II S. 397 1 bei Erwähnung' der diluvialen Eiszeit: „Wir linden also auch auf diesem Gebiete kein ununterbrochenes Fort- schreiten (nämlich der Temperatur), sondern Schwankungen, welche an dieser einen Stelle sicher nachgewiesen sind, deren Vorhandensein aber, allerdings in minder auffallender Weise, auch für einzelne (!!) Zeitpunkte des Tertiärs wahr- scheinlich ist." (!!) Aber selbst im Diluvium allein schei- nen mehrere Eiszeiten stattgefunden zu haben. Es ist nachgewiesen, dass die Glacialperiode in zwei Teile zer- fällt: Nach einer allgemeinen Vereisung zogen sieh die Gletscher weit zurück, wahrscheinlich bis in die Gegenden, wo sie sich noch heut befinden, die Jahrestemperaturen mögen wieder bis zu der Höhe gestiegen sein, die sie jetzt innehaben*), und diese Interglacialzeit dauerte lange genug, um in der Schweiz die Bildung neuer Kohlenlager zu er- möglichen, also einige tausend Jahre, dann erfolgte eine nochmalige Vereisung, die allerdings die Ausdehnung der ersten nicht ganz erreichte. Ja, Penck hat es sogar ziem- lich wahrscheinlich gemacht, dass ein dreimaliges Vor- rücken der Gletscher und eine doppelte Interglacialzeit stattfand. Die meisten Geologen neigen sich nun zwar der Ansicht zu, dass man es hier nur mit über lange Zeit sich erstreckenden Schwankungen einer und derselben grossen Eiszeit zu thun habe, andere hingegen, unter ihnen Oswald Heer, der sich vielleicht am eingehendsten an Ort und Stelle (in der Schweiz) mit der Eiszeit beschäftigt hat, nehmen zwei resp. drei ganz verschiedene und von einander unabhängige Vereisungen an. Sind nun die oben ausgeführten Vermuthungen richtig, so würde daraus folgen, dass bei jeder neuen Vereisung, wobei es augen- blicklich ganz gleichgültig ist, ob die einzelnen Glacial- perioden unter sich zusammenhängen und einer grossen Eiszeit angehören oder nicht, dass also bei jeder neuen Vereisung auch eine neue Sintfluth eintrat. An dieser Stelle muss ich nun auf die Ausführungen eines Mannes verweisen, dessen Name zwar in der Wissen- schaft keinen allzu guten Klang hat, und dessen Be- hauptungen man im Allgemeinen mit Recht skeptisch gegenübersteht, der mir aber doch in dem hier in Be- tracht kommenden Punkte Recht zu haben scheint: ich meine Rudolf Falb, und seine Ausführungen, die ich im *) Das Vorkommen der Legföhre in den interglacialen Bil- dungen der Schweiz lässt z\v;tr auf ein etwas kälteres Klima sehliossen, andrerseits aber deutet ein gleichfalls in der Schweiz aufgefundenes Palmblatt entschieden wieder auf höhere Temperatur tun, so dass wohl die Annahme gleicher VVärmo der Wahrheit am nächsten kommt. 266 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 22. Auge habe, beziehen sich auf ein ganz anderes Gebiet, als das bisher behandelte, nämlich auf das der ver- gleichenden Sprachforschung. Auf diesem Gebiet kann ich nun zwar Falb nicht coutrolliren, aber da die betreffenden Behauptungen meines Wissens nie bestritten worden, glaube ich annehmen zu können, dass sie richtig sind. Auch wird wohl Nie- mand behaupten wollen, dass Falb wissentlich falsche Angaben macht; sagt doch sogar Hoernes, der vielleicht gefährlichste und erbitterste Gegner Falb's in seiner „Erd- bebentheorie Falb's (S. 5): „Ich weiss, dass Rudolf Falb von der Richtigkeit seiner Ansichten durchdrungen ist und mache ihm keinen Vorwurf in dem Sinne, als ob er wissentlieh und absichtlich Falsches lehre." Hätte er aber auf dem Gebiet der Sprachforschung dennoch wider besseres Wissen falsche Behauptungen aufgestellt, so wäre dies wohl bekannt geworden, und seine zahlreichen Gegner hätten sich die Gelegenheit, ihm etwas am Zeuge zu flicken, sicher nicht entgehen lassen. Falb also verweist darauf, dass bei mehreren Völkern des Alterthums die Sage allerdings nur andeutend von einer grossen 10 000 — 12 000jährigen Periode spricht, innerhalb deren jedesmal eine allgemeine Ueberfluthung resp. Vereisung eintritt. So stossen wir bei den Tartaren auf die Fluthsage des Wan. Dies Wort bezeichnet aber im Chinesischen die Zahl 10 000, im Sanskrit heisst es Wasser (arr, vana). (Man denke auch an den Wansee in Armenien.) Ferner findet sich bei den meisten Völkern des Alterthums eine Sage von der alle 12 000 Jahr er- folgenden Wiederkehr des Vogels Phönix. Ich muss hier eine Bemerkung einschalten: Die Phönixperiode wird für gewöhnlich als 500-, 540- oder 1461 jährig angegeben, vereinzelt auch als 660- und lOOOjährig. Mir fiel deshalb die mit so grosser Be- stimmtheit angegebene Zahl 12 000 auf, und um über die Gründe für diese Annahme Aufschluss zu erhalten, wandte ich mich schriftlieh an Herrn Falb mit der Bitte, mir die Stellen mitzutheilen, welche 12 000 Jahre für die Phönixperiode angäben. Herr Falb hatte nun die Liebens- würdigkeit, mir folgende Antwort zugehen zu lassen: „Die von Ihnen citirten Phönixperioden von 500 bis 1461 Jahren sind die aus Herodot Euterpe II, 73 und Tacitus Annal. VI, 28 bekannten, gewöhnlichen Termine, Ich möchte sie die exoterischen nennen, im Gegensatz zu den esoteri- schen, wie ja nach anderer. (?) Stelle schon die Egypter einen falschen Phönix von dem wahren unterschieden und Aelian: historia animalium VI, 58 selbst von der 500jähri- gen Periode sagt, dass sie nur wenigen unter den Priestern bekannt sei*). Allein schon, oder, vielmehr noch Plinius weiss, dass das Alter des Phönix mit dem grossen oder platonischen Jahr identisch ist: Histor. nat X, 2**)j Die Tradition vom grossen Jahre aber wurde in letzter Zeit auf die astro- nomische Periode der Präcession von 25 1)00 Jahren bezogen. Nun aber wurzelt diese Tradition in einer Zeitepoche, in welcher man die Präcession noch nicht kannte, so dass zuletzt ein Compromiss der alten (iranisch-indischen) Ziffer mit dieser letzteren nothwendig wurde, und diesen Com- promiss giebt Solinus: Liber de mirabilibus mundi cap. 45 (in meinem Buche: Das Land der Inea, p. 421, ist durch einen Druckfehler cap. 75 citirt worden) in der Form *) ibv öirüiv nt via/.ooiw . hiov xqovov nitjQOÄfiivov iaaati' Ai- yvniiuH' t, Ttg rj ovdhis, iiXiyot ö't xojtid'tj xai ovrot rtur Uqüoi'. **) cum huius alitis vita magni conversionem anni fieri prodit idem Manilius, iterumque signifieationes tempestatum et siderum easdern reverti, hoc autem circa meridiem ineipere, quo die signum arietis sol intraverit. 12 944-grosses Jahr*) an, ohne jedoch die Entstehung dieser Zahl zu rechtfertigen. Offenbar ist damit ein Anschluss an die halbe Präcessionsperiode = 12 950 gemeint; er hatte davon aber keine Ahnung. Dass es gleichzeitig das Resultat eines Compromisscs mit der alten iranisch- indischen Tradition sei, wonach in der Burg der aus der Fluth Geretteten sie „für einen Tag halten, was ein Jahr ist", habe ich bereits in meinem Buche „Von den Um- wälzungen im Weltall" II. Aufl.- p. 155 dargethan." Falb's Annahme, dass die „wahre" Phönixperiode 12 000 Jahre betrage, scheint also vollauf berechtigt zu sein, zumal durch das angefühlte Citat aus Solinus wird sie stark bestätigt. Was hat nun aber dies alles mit der Eiszeit zu thun? Nun, Falb hat darauf aufmerksam ge- macht, dass der chinesische Name des Vogels Phönix, nämlich Hoang, gleichzeitig Eis bedeutet, sein egyptischer Name hingegen heisst Ueberfluthung (siehe 1. Beil. der Voss. Ztg. JSfo. 91 vom 23. Februar 1890). Ferner „legt die Lehre des Zoroaster der Welt im Ganzen eine Dauer von 12000 Jahren bei". (Falb: Land der Inca, S. 424.) Ich selbst möchte auch noch auf eine Stelle in dem schon vorhin citirten Timäus hinweisen: der egyptisehe Priester sagt zu Solon (St. III pag. 23 Aj: „ . . . . xal näXiv di' tiwd-.oimv sziSv öJffTTty i'Ltirjfia fau (ftQÖptvov avTote Qtvpa ovQc'o'ior.u Der Ausdruck di' i-imüörüiv iimv („nach Verlauf der gewöhnlichen Frist") weist meiner Ansicht nach unzweideutig auf eine periodische Wiederkehr der Fluth hin, und gerade wegen des Fehlens einer Zahlenangabe ist es mir sehr wahrscheinlich, dass Plato für diese Periode den Zeitraum annahm, nach dessen Verlauf sich, wie er glaubte, die Welt immer neu bildete. Dies Weltjahr aber, das nach ihm den Namen platonisches Jahr trägt, umfasste ursprünglich nicht 26 000 Jahr (die Periode der Präcession), welche Zeit- dauer man jetzt mit seinem Namen zu bezeichnen pflegt, sondern 10000 Jahre, es spricht also von demselben Zeit- raum, wie die Fluthsage des Wan. Diese, wie ich glaube, einzige Erklärung des merk- würdigen Ausdrucks: di' tlwö-OTwv it&v und die anderen angeführten Zahlenangaben für grosse durch Eis oben und Wasser hervorgerufene Weltperioden stimmen aber dermaassen auffallend tiberein, dass wir, wenn alle diese Berichte nur der schaffenden oder übertreibenden Phan- tasie der Völker entsprungen sein sollten, dies schon nicht mehr als einen sonderbaren Zufall, sondern geradezu als ein unerklärliches, beispielloses Wunder betrachten müssten. Uebrigens lässt auch der Ausdruck, organor Qsv,aa im Timäus, ebenso wie die Worte öfißyoi /tt-ycdoi bei Lucian interessante Aufschlüsse zu, doch begnüge ich mich mit diesem kurzen Hinweis darauf. Falb sucht auch ans der Bibel einen meiner Ansicht nach recht glücklichen Beweis für eine zweimalige Sint- fluth zu führen, und zwar aus den ersten Versen des ersten Capitels der Genesis. Er bezieht sieh zwar nur auf die Worte: „Und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser," doch den gesuchten Beweis kann man weit besser aus den folgenden Versen führen: denn trotzdem es am Anfang heisst: „Gott schuf Wasser und Erde" (dies ist die genauere Lesart für „Himmel und Erde", hamajim für haschamajim), muss das Wasser erst durch eine Veste geschieden werden und die Erde aus dem Wasser empor- tauchen. Der Vers 6 — 7: *) In der mir vorliegenden Mommsen'sehen Ausgabe des So- linus rindet sich diese höchst merkwürdige Stelle im Kap. 33 § 13 und lautet: cum huius (seil, phoenicis) vita magni anni fieri con- versionem rata fides est int er auetores: licet plurimi eorum non quingentis quadraginta (!), sed duodeeim milibus nongentis quinquaginta quattuor (also 12 954, nicht wie Falb angiebt 12 944 Jahr) annis eonstare dicant. Nr. 22. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 267 „Es werde eine Veste zwischen den Wassern und die sei ein Unterschied zwischen den Wassern. Da machte Gott die Veste und schied das Wasser unter der Veste von dem Wasser über der Veste" lässt sich ganz ungezwungen auf das Aufholen des Regens deuten, und der Vers 9: „Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel ;ui besondre Oertcr, dass man das Trockne sehe" auf das Ende der grossen Ueberschwemniung. Betrachtet mau all' diese meist von einander un- abhängigen Einzelheiten zusammen, so muss man aller- dings zugeben, dass die merkwürdige Uebereinstimmung der verschiedenen Sagen der Geologie höchst beachtens- werthe Daten an die Hand giebt. Freilich wird man den Einwand machen, dass sich die Erinnerung der Völker nicht durch Jahrzehntausende erhalten könne, und dass die Völker der prähistorischen Zeit viel zu uncultivirt waren, als dass man ihren Sagen irgend welche Be- deutung beilegen könne. Auf diesen Einwand möchte ich nur eine Stelle aus Pomponins Mela anführen, welche speciell für die Egypter beweist, dass sie schon ungemein lange auf einer verhältnissmässig hohen Culturstufe ge- standen haben müssen, so dass man ihren Zahlenangaben sehr wohl Beweiskraft zusprechen darf. Die bezügliche Stelle bei dem genannten Schriftsteller lautet (I, 59): „ipsi vetustissimi ut praedieant hominum trecentos et tri- ginta reges ante Amasim, et supra tredeeim milium auno- rum aetates certis annalibus referunt, mandatumque litteris servant, dum Aegyptii sunt, quater cu'rsus suos vertisse sidera ac solem bis iam oeeidisse unde nunc oritur." (!!) Diese Angabe muss aber wahr sein, denn mögen die egyptischen Priester sonst auch eine lebhafte Phantasie und ein grosses Renommagegelüst besessen haben: eine solche Ueberlieferung konnte nur durch lange astronomische Beobachtungen, nicht durch nachträgliche Berechnungen entstehen. Wir haben also hiernach das Alter der Egypter allein für die Zeit, wo sie schon auf die Himmels- erschcinungen aufmerksam wurden, auf zwei volle Prä- cessionsperioden, ungefähr 50000 Jahre, festzusetzen, und ich halte es durchaus nicht für unmöglich, dass sich Ucberlieferungen in einem Lande, welches von Einflüssen anderer Völker nicht berührt wird, durch einen so langen Zeitraum erhalten können. Nicht viel jünger dürften aber auch die Culturen der Chinesen, der Inder, der Azteken und des grossen, schon in vorhistorischer Zeit ausgestor- benen peruanischen Culturvolkes sein, dessen ungeheure Bauten am Titicacasee noch jetzt unsere höchste Be- wunderung erregen. Daher kann sich bei ihnen aber sehr wohl die Erinnerung an ungeheure Naturereignisse durch Jahrzehntausende erhalten haben. Was lässt sich nun aber aus den Sagen von einer alle 10 000—12 000 Jahre erfolgenden Wiederkehr der Vereisung und Ueberfluthung entnehmen? Dass min- destens drei oder vier durch je 10000jährige Interglacialzeiten von einander getrennte Eis- zeiten (und Sintfluthen) stattgefunden haben müssen, denn sonst könnten die Sagen nicht von Welt perioden berichten. Ja, Falb folgert sogar ohne Weiteres, dass die Erde seit ihrer Entstehung alle 10 000 (genauer 10 500) Jahre von derartigen Katastrophen heimgesucht worden sei. Dieser Schluss ist zwar kühn aber durchaus nicht allzu phantastisch. Die Geologie kann bei dem geringen Stande ihrer bisherigen Kenntnisse durchaus keinen Beweis vom Gegenthcil erbringen und hat deshalb nicht das Recht, diese Theorie so gering- schätzig zu behandeln und so entschieden dagegen Front zu machen, wie sie es bisher gethan hat. Ich werde auf diesen Punkt noch einmal am Schluss zu sprechen kommen. Interessant ist ferner die Frage, ob wir uns auch jetzt vielleicht nur in einer „Interglacialzeit" befinden und in absehbarer Zeit eine neue Eiszeit zu erwarten haben. Unter Zugrundelegung obiger Periode müsste man dann berechnen können, wann diese ungefähr eintreten wird, denn das Ende der letzten Siutfluth kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit in den Ausgang des fünften Jahr- tausends v. Chr. verlegen. Alle Berechnungen, nach denen sie in einer späteren Zeit stattfand, sind sicher falsch, so die Angabe der hebräischen Chronologie, die sie in das Jahr 1656 versetzt, und die des Petavius, der das Jahr 2327 annimmt, ebenso die von Bosanquet, welcher das Jahr 2379 angiebt. Die furchtbare Ueberschwemniung des Gelben Flusses, durch welche China unter der Regierung des Kaisers Yao im Jahre 2537 heimgesucht wurde, steht mit der Sintfluth nicht in Zusammenhang, sondern ist rein localer Natur. Die Sintfluth selbst muss früher statt- gefunden haben. Branco weist mit vollem Recht darauf hin, dass wir, wenn sie in historischer Zeit stattgefunden hätte, zweifellos auf den Denkmälern oder in den sonstigen Schriften, die wir aus jener Epoche noch besitzen, Be- richte über das ungeheure Ereigniss finden müssten; da dies aber nicht der Fall ist, muss sie schon in einer Zeit stattgefunden haben, aus der uns keine schriftlichen Auf- zeichnungen erhalten geblieben sind, wie Hoernes in seiner „Erdbebenkunde" (S. 441) nachweist, vor 3800. Man sollte eigentlich von der Geologie Aufschlüsse über die ungefähre Zeit der grossen Vereisung erwarten, aber sie ist nicht im Stande, Anhaltspunkte irgend welcher Art bieten zu können. Sie verhält sich vorläufig ganz passiv und lässt ebenso die Annahme gelten, welche das Ende der Eiszeit um 4000 sucht, als die, welche es zwischen 80 000 und 100 000 ansetzt (Croirsche Theorie). Aber wenn man selbst bei solchen Völkern, die erst ver- hältnissmässig kurze Zeit in ihrem Lande wohnen können (wie die Germanen), Sagen findet, welche sieh sehr deut- lich auf die klimatischen Verhältnisse des betreffenden Landes beziehen, so kann das Ende der letzten Eiszeit nicht gut vor dem fünften Jahrtausend eingetreten sein. Jedenfalls sprechen die meisten Gründe dafür, das es in diesem Jahrtausend stattgefunden hat (nach Falb um 4100). Bei dieser Voraussetzung würden wir also, wenn wir uns wieder in einer Interglacialzeit befinden sollten, zwischen den Jahren 5000 und 8000 (nach Falb 6400) eine neue Eiszeit und mit ihr verbunden eine neue Sint- fluth zu erwarten haben, und da diese g-ewaltige klima- tische Aenderung nicht plötzlich, sondern nur ganz all- mählich sich vollziehen kann, so würden wir die für un- sere Nachkommen wenig erfreuliche Aussicht haben, dass unsere Mitteltemperaturen fortgesetzt abnehmen werden, bis sich die Region des ewigen Eises wieder bis zum 50. Breitengrad und darüber ausdehnt. Falb, der diese neue Eiszeit mit positiver Sicherheit erwartet, meint, wir könnten schon jetzt einen schwachen Nachweis liefern, dass die Witterung bereits kälter ist, als noch vor we- nigen Jahrhunderten, denn die Jahrhunderte, welche so- wohl von der letztvergangenen als von der nächst- folgenden Eiszeit am entferntesten liegen, welche also auch die grösste Wärme aufweisen müssen, sind nach seiner Theorie die von 1100 — 1300, und seit jener Zeit müsste es also schon etwas kälter geworden sein. In der Schweiz sind nun aber nach 800 Jahren die Gletscher in ständigem, wenn auch zeitweilig auf Jahr- zehnte hinaus (z. B. von 1850 — 1891) unterbrochenem Vorwärtsgehen begriffen, ein anderer von Falb angeführter Beweis, dass sich früher die Weincultur bis Litthauen aus- dehnte, während heut schon die Grüneberger Reben keinen allzu guten Ruf gemessen, dürfte kaum stichhaltig sein, aber auf einen andern Punkt möchte ich noch aufmerk- 268 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 22. sam machen: Grönland war, als es durch die Normannen entdeckt wurde, an der Küste noch ein „grünes Land", wie ja sein Name besagt, während es jetzt völlig vereist ist. Ebenso ist es recht wahrscheinlich, dass in der Zeit des klassischen Alterthums, wo man durch einen kürzeren Zeitraum von der vorausgehenden Eiszeit getrennt war, als wir es von der folgenden sind, Eis und Schnee in Italien und Griechenland häufiger war, als jetzt. Doch wozu soll man sich mit dieser unfruchtbaren Speculation den Kopf zerbrechen, ob in 4000 — 5000 Jahren uns eine neue Eiszeit bevorsteht oder nicht. Vorläufig ist ja diese Frage noch ohne jede praktische Bedeutung, und für die Wissenschaft kann sie auch noch kein Inter- esse haben, da sie sich mit Sicherheit doch erst ent- scheiden lassen wird, wenn wir über die Gründe der Eis- zeiten im Klaren sind. Doch dies ist leider bisher noch gar nicht der Fall: Die Eiszeit ist für uns noch ein völlig unlösbares Kätlisel, und wir haben auch nicht einmal die geringsten Anhalte- punkte, in welcher Richtung wir nach einer Erklärung suchen sollen. Zwar ist die Zahl der Deutungsversuche eine sehr grosse, doch gegen alle bisher vorgebrachten Hypothesen lassen sich Bedenken der allergewichtigsten Art geltend machen, an denen die Erklärungen scheitern: Zunächst dachte man daran, dass die Erde zeitweise in kältere und wärmere Theile des Weltalls geräth. Dem ist aber gegenüberzuhalten, dass mit Ausnahme der Regionen, welche in der Nähe einer Sonne liegen, die Temperatur des Raumes überall dieselbe sein muss. Da wir uns aber augenblicklich nicht in der Nähe einer Sonne befinden, vielmehr der nächste Fixstern ungefähr 3 Lichtjahre von uns entfernt ist (selbstverständlich immer abgesehen von unserer eigenen Sonne), so wäre es un- möglich, dass die Temperatur jetzt eine höhere ist, als vor 6000 Jahren. Diese Hypothese ist also ganz unhaltbar; die Wissenschaft hat sie auch schon ziemlich früh fallen lassen, wenngleich mau ihr in Laienkreisen noch heute hin und wieder begegnet. Eine andere Theorie, an die wohl ihr Erfinder, Gott- hilf Heinrich von Schubert, allein geglaubt hat, sei hier nur der Curiosität halber erwähnt: der alte, würdige Herr meinte nämlich, die grossen Massen Eisenoxydhydrat, welche sich in der Erde befinden, hätten ihre 14 Procent Wasser an die Oberfläche abgegeben und dadurch Eiszeit und Sintfluth hervorgerufen. Eine weitere Hypothese hat Ehe de Beaumont auf- gestellt, der ebenso wie die folgenden Forscher nur eine Eiszeit annahm und für diese eine Erklärung suchte. Er behauptete nämlich, durch die plötzliche Erhebung der Anden aus dem Meer sei eine so gewaltige Menge Wasser verdrängt worden, dass dadurch auf der ganzen Erde die gewaltigsten Veränderungen in der Vertheilung von Land und Wasser und in Folge dessen auch in den klimatischen Verhältnissen verursacht worden seien. Diese phantastische Ansicht ist bereits von Lyell abgefertigt worden und hat auch niemals Anhänger gewonnen. Desto weitere Verbreitung hat hingegen zeitweilig die von Escher von der Linth im Jahre 1852 aufgestellte Ansicht gefunden. Escher meinte, die Sahara sei früher von Meereswasser bedeckt gewesen, daher konnte nicht, „wie es jetzt bei dem von der Sonne erhitzten Boden der Fall ist, ein warmer Luftstrom aufsteigen, welcher nach den die Natur beherrschenden physikalischen Ge- setzen in der Höhe der Atmosphäre sich nordwärts wendet und zeitweise als Föhnwind über die Oberfläche unseres Landes (der Schweiz) hinwegzieht". Man muss also da- mals angenommen haben, dass von der Schweiz aus, wo in Folge des fehlenden Föhnwinds eine Vergletscherung eingetreten sein soll, die Eiszeit sich über ganz Nord- europa verbreitet habe. Den Umstand, dass sie auch in anderen Continenten geherrscht hat, kannte man entweder nicht, oder man übersah ihn. Die Escher'sche Theorie fand grossen Anklang, selbst Lyell trat 1864 entschieden für sie ein, und der grosse Dove, der sich ihr wider- setzte, wurde geradezu verketzert, nichtsdestoweniger aber hat er doch Recht behalten. Er sagt nämlich, er gebe zwar zu, dass noch in quarternärer Zeit die Sahara Meeresboden gewesen sei*), der Föhn sei aber überhaupt gar kein Wüstenwind, sondern ein ganz gewöhnlicher heftiger Südwind, welcher durch den beim Ueberschreiten der Alpen eintretenden Verlust an Feuchtigkeit not- wendig beim Herabsinken ins Thal als ein sehr trockener Gluthwind auftreten müsse. Durch diese ungemein ein- fache und zweifellos richtige Erklärung des Föhns bricht aber die Ansicht Escher's über das Wesen des Windes und damit auch seine ganze Theorie über die Ursachen der Eiszeit in sich zusammen, gegen die sich auch noch andere gewichtige Bedenken geltend machen lassen. Dove selbst, der sich übrigens dagegen ausgesprochen hat, dass man „der Erde, wie einem belebten Wesen periodische Anwandlungen von Frost und Hitze zuiuuthet", (Eiszeit, Föhn und Scirocco, S. 4), war der Meinung, durch Aendcrungen in der Vertheilung von Land und Meer könnten die Temperatur- und Niederschlags- Verhältnisse sich dermaassen modificiren, dass sich daraus die Ent- stehung der Eiszeit erklären Hesse; ähnlich ist eine ältere, von Lyell aufgestellte Hypothese: dieser nahm an, Nord- Europa sei früher überfluthet gewesen, und die bedeutende Feuchtigkeit in Folge dieser Wasserbedeckung habe das Anwachsen der Gletscher veranlasst. Gegen diese beiden letzten Ansichten lässt sich aber einwenden, dass sich dadurch zwar die Vereisung in Europa, aber nicht die gleichzeitig in Amerika, Süd -Afrika, Neu - Seeland, Indien u. s. w. auftretende erklären lässt. Durch denselben Einwand werden auch zwei andere Hypothesen hinfällig: die, welche als Grund eine zeit- weise Aenderung in der Richtung des Golfstroms annimmt**), und zweitens der von Charpentier aufgestellte, später aber von ihm selbst zurückgezogene Erklärungsversuch, in einer weit bedeutenderen Höhe der Alpen und einem dadurch verursachten gänzlichen Mangel au warmen Südwinden die Ursache zu suchen. Auch an eine Veränderung in der Lage der geo- graphischen Pole oder der Kältepole hat man gedacht, hiergegen bemerkt jedoch Neumayr mit Recht, dass man „kaum eine Stellung derselben finden kann, welche alle Erscheinungen erklärt". (Erdgeschichte Band II, S. 646). Auch dürfte sich mit dieser Annahme die Thatsache schwerlich vereinen lassen, dass die Bewegung des Eises einmal von Nord nach Süd, das andere Mal hingegen von Ost nach West gerichtet war. Eine weitere von James Croll aufgestellte und von Adhemar, Pilar, Wallace u. a. ausgebildete Hypothese, die in einer zeitweilig höheren Excentricität der Erdbahn die Ursachen der Eiszeit sucht, ist zweifellos die be- merkenswerteste und bedeutendste unter allen bisherigen Theorien. Sie ist niedergelegt in Crolls Buch: „Climate and time", London 1875, und hochbedeutende Männer, wie z. B. Kirchhoff in seinem umfangreichen Werk: „Unser Wissen von der Erde" sind lebhaft für sie ein- getreten. Ich entnehme dem letzteren Werk einige zu- sammenfassende Angaben über die Croll'sche Theorie (Band I, S. 580): „Stone und Croll haben mit Hilfe der Formeln von *) Nach neueren Untersuchungen muss auch diese Ansicht als irrig bezeichnet werden. **) Es ist übrigens jetzt nachgewiesen, dass der Golfstrom zur Eiszeit denselben Weg eingeschlagen hat, wie jetzt. Nr. 22. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 269 Leverrier berechnet, dass die Excentricität der Erdbahn z. B. vor circa 1 Million Jahren nahezu gleich war der jetzigen (heute hat die nördliche Halbkugel die Sonne t> Tage länger im Zenith, als die südliche), vor S50 000 Jahren nahezu 4' ,.,ma\ so gross, so dass bei einer be- stimmten Stellung der Absidenlinie oder der grossen Axe der Erdhahn die Differenz zwischen Sommer und Winter 36 Tage betrug (erste Eiszeit?) Vor 400 000 Jahren be- trug die Differenz 8 Tage, vor 200 000 Jahren nahezu 28 Tage (zweite Eiszeit V), vor 100 000 Jahren noch 23 Tage, vor 5000 Jahren dagegen nur 6,3 Tage". Dem- gegenüber wendet aber Neumayr ein (Band II, S. 648): „Wir linden aber noch, dass die Grundlage der ganzen Theorie eine vollständig haltlose ist, indem ein Beweis dafür, dass derartige Perioden starker Excentricität vor- kommen, durchaus nicht existirt. Die mathematischen Formeln, mit deren Hilfe man die thatsächlichc Existenz berechnet hat. gründen sich auf Beobachtungen über die Gestalt der Erdbahn, welche einen ausserordentlich kurzen Zeitraum umfassen, und in Folge dessen sind auch deren Resultate nur richtig, solange man sie auch wieder auf die Berechnung der Acnderungen während kurzer Zeit- räume anwendet. Sowie man aber die Gültigkeit der Formeln ausdehnen und, wie es geschehen ist, auf lange Zeiträume übertragen will, ergaben sich falsche und un- genaue Resultate". Neumayr meinte sogar, „dass auch der Nachweis, dass starke Excentricität Kälte mit sich bringt, sehr viel zu wünschen übrig lässt" (S. 647). Ferner rechnet er jene Zeit hoher Excentricität vor 850 000 Jahren, die Kirchhoff als der ersten diluvialen Eiszeit entsprechend ansieht, entschieden als zur Tertiärzeit gehörig, denn er sagt (S. 647): „Vergebens sucht man z. B. im Verlaufe der Tertiärzeit nach den Anzeichen der Kälteperioden, die vor 800 000 und vor 2'/2 Millionen Jahren (in dieser Zeit soll die Excentricität ungefähr ebenso gross gewesen sein, wie um 850 000. Anm. d. Ref.) stattgefunden haben sollen". Doch diese von Neumayr angeführten Einwände können insgesammt noch nicht als stichhaltig angesehen werden, auch gegen sie lassen sich wieder mancherlei Bedenken erheben. Aber durch einen anderen gewichtigen Punkt wird auch die geistvolle Croll'sche Hypothese hinfällig: War nämlich z. B. auf der nördlichen Halbkugel der Winter 28 oder 36 Tage länger als der Sommer, so muss auf der südlichen Hemisphäre das Gegentheil der Fall gewesen sein, diese müsste sich also durch ungewöhnliche Wärme ausgezeichnet haben. Die Gletscherperioden könnten also nur allenfalls auf beiden Halbkugeln alterni- rend aufgetreten sein. Ein sehr gezwungener Versuch Wallace's, dennoch eine gleichzeitige Vergletscherung da- durch zu erklären , dass die Interglacialperiode der je- weiligen warmen Erdhälfte nicht im Stande gewesen sein soll, die in der vorausgegangenen Glacialzeit angesam- melten Eismassen völlig zu schmelzen, ist gänzlich unzu- reichend. Eine Abwechselung der Eiszeiten aber kann unmöglich stattgefunden haben. Neumayr sagt darüber (S. 648): „So können wir einen Wechsel sehr wohl einsehen, wie die gemässigten und dem Pole genäherten Regionen abgekühlt werden, aber in tropischen Gebieten dürfte sich nichts Derartiges zeigen, und wir können dabei' mit Penck das Auftreten alter Gletscherspuren in der Sierra di Santa Marta in Kolumbien (11° nördl. Br.) und in den Anden von Merida (7° nördl. Br.) als einen entschiedenen Beweis dafür betrachten, dass die Vereisung auf der nördlichen und südlichen Halbkugel gleichzeitig stattfand." Einen noch schlagenderen Beweis dürfte der Umstand liefern, dass man von der einzigen in den älteren Schichten der Erde sicher nachgewiesenen Eiszeit, nämlich der karbonischen, sowohl auf der nördlichen, wie auf der südlichen Halb- kugel Spuren gefunden hat, ebenso in Indien, wie in Süd- Afrika und Australien. Als rincii Beweis für die Croll'sche Annahme pflegt man besonders häutig anzuführen, dass augenblicklich auf der südlichen Halbkugel, wo ja der Winter sechs Tage länger ist als der S mer, die Verglctscherung weil be deutender ist als auf der nördlichen, wo das umgekehrte Verhältniss stattfindet, dass man sich also dort gewisser- maassen jetzt in den ersten oder letzten Stadien einer Eiszeit befindet. Aber diese bedeutendere Vereisung dürfte nur in sehr geringem Maasse in der längeren Dauer des Winters ihren Grund haben, die Hauptursachc ist in dem rein zufälligen Umstand zu suchen, dass auf der südlichen Hemisphäre im Gegensatz zur nördlichen die Wassermenge (also auch die Feuchtigkeit) bedeutend die Continental- massen überwiegt. Um nun aber auch noch die letzten Einwände gegen die Croll'sche Hypothese vorzubringen, so kann diese nichf erklären, woher die ungeheuere Vermehrung der Nieder- schläge in der Diluvialzeit stammte, denn die vcrhältniss- mässig geringe Abnahme der Temperatur (höchstens sechs Grad kälter als jetzt) kann nur zum geringsten Theil dazu beigetragen haben. Und endlich ist es, wie schon vorhin gezeigt wurde, durchaus unwahrscheinlich, dass das Ende der Eiszeit bereits 80 000 und der Beginn gar 240 000 Jahre zurückliegt, wie Croll annimmt, da man sonst die Volkssagen, auf die ich immer wieder zurückkomme, lallen lassen muss. Uebrigens sind diese Sagen auch im Stande, die wichtige Frage, ob die Eiszeiten auf beiden Hemisphären abwechselnd aufgetreten seien oder nicht, zu entscheiden und zwar in verneinendem Sinne. Denn setzte man den Fall, die letzte Eiszeit habe sich nur auf einer Halbkugel, sagen wir der nördlichen, geltend gemacht, so würde sich mit notwendiger Consequenz ergeben, dass die Erinne- rung an Eiszeit und Sintflut!) sich bei den Völkern der nördlichen Hemisphäre viel lebhafter erhalten haben müsste, als bei denen der südlichen, wo sich die letzte derartige Katastrophe um so und so viel Jahrtausende früher er- eignet haben würde. Thatsächlich aber ist bei den süd- lichen Völkern die Sage von der „grossen Fluth" ganz ebenso verbreitet wie bei den nördlichen. Man ersieht dies aus folgender Zusammenstellung der wichtigsten Völker, bei denen sieh die Sage findet: die Grönländer erzählen davon, die säninitlichcn Indianerstämmc Nord- Amerikas, die Germanen (Edda), die nordasiatischen Völker, die Chinesen, Perser, Inder, Jeziden, Assyrer, Babylonicr, Israeliten, die Azteken (welche sogar von vier grossen durch gewaltige Natnrum wälzungen getrennten Welt- perioden sprechen!), ebenso aber auch die Sudanneger, die Hottentotten, die Chibcha (Ureinwohner von Neu- Granada), die Peruaner (Inkas), die Mandan-lndianer und andere Indianerstämme in Süd-Amerika, von denen die am Orinoko wohnenden z. B. Alexander von Humboldt erzählten, dass ..zur Zeit des grossen Wassers" ihre Vor- fahren in Kanoes bis zu den höchsten Felsenspitzeu ge- langt seien.*) *) Es erscheint mir geradi zu als anlogisch, bei dieser er- drückenden Fülle von Beispielen zu behaupten, dass alle jene Sauen lokalen Ursprungs seien und dass »der Entstehung solcher Sagen an verschiedenen Punkten der Erde die Thatsache zu Grunde liegt, dass fast überall auf hohen Bergen fossile Muscheln und Thierknochen gefunden werden (!)" (Meyer's Conversations- Loxicon). Nichtsdestoweniger würde ich troiz alledem die All- gemeinheit der Pin t li willig leugnen, wenn ich nur einen einzigen stichhaltigen Grund wüsste, der dagegen spräche. Um einen solchen zu rinden, habe ich die verschiedensten Werke nachgelesen; in den meisten aber fand ich statt eines Gegenbeweises nur eine mehr 270 Naturwisscnsehaftli Wochenschrift. Nr. 22. Zum Schluss will ich noch auf einen modernen Deu- tungsversücb, den Falb'schen, eingehen, der zwar keine wissenschaftlich gebildeten Leute als Anhänger gewonnen hat, wohl aber zahlreiche Laien. Für gewöhnlich pflegt man diese Erklärung einfach dadurch zu widerlegen, dass man sich damit begnügt, die von Falb behauptete Wir- kung seiner „Fluthfactoren" und „kritischen Tage" in Abrede zu stellen. Aber selbst, wenn man zugeben wollte, dass alle Witterungsparoxysmen nur durch jene Con- sulhitionen von Sonne und Mond bedingt werden, so kann dennoch die Falb'sche Theorie über die Entstehung der Eiszeit unmöglich befriedigen, wie man aus folgender Be- trachtung ersieht: Falb nimmt bekanntlich sieben Fluthfactoren an: Nähe der Sonne, Nähe des Mondes, Aequatorstand der Sonne, Aequatorstand des Mondes, Sycygium (besonders Finsternisse), Stand des Mondes in der Ekliptik und Qua- dratur (Rotationsschwung). Sycygium und Quadratur sehliessen sich natürlich stets aus, ebenso kann in der Jetztzeit nie die Sonnennähe am 2. Januar mit dem Aequatorstand der Sonne am 21. März oder 23. September zusammenfallen Es können daher jetzt höchstens find' Factoren zusammentreten. Da nun aber die Tag- und Nachtgleichen im Laufe der Jahrhunderte immer weiter vorrücken (in 72 Jahren einen Tag, in 25 900 Jahren ein ganzes Jahr), die Zeit der Sonnennähe hingegen in weit längeren Zeiträumen allmählich zurückweicht (in ungefähr 300 Jahren einen Tag, in mehr als 100 000 Jahren ein Jahr), so kann zeitweise der Aequatorstand der Sonne mit ihrer Erdnähe zusammenfallen, und zwar tritt dieser Fall alle 10 500 (genauer 10 4(55) Jahre ein. so in den Jahren um 4100 v. Chr. am 13. December und in den Jahren um 6400 n. Chr. am 17. Januar. Dann können also unter besonders günstigen Verhältnissen auch einmal sechs Fluthfactoren zusammenwirken, und dieser Umstand soll nach Falb den letzten, wichtigsten Anstoss zur Herbei- führung der grossen Katastrophe geben: denn die Folge einer solchen Constellation müssen nach Falb'scher Theorie die furchtbarsten, über die ganze Erde verbreiteten Un wetter sein, welche überall ausgedehnte Ueberschwem- mungen und im Norden ausserdem ein bedeutendes Vor- rücken der Gletscher veranlassen müssten (es ist eine be- obachtete Thatsache, dass nach heftigen Niederschlägen die Gletscher weit schneller vorwärts gehen als sonst). Die verursachten Wirkungen müssen um so gewaltigere sein, als ja schon vorher Jahrtausende hindurch die An- zahl und die „relativen Fluthwerthe" der „kritischen Tage erster Ordnung1' zu gewissen Zeiten des Jahres ständig gewachsen waren, wodurch mit jedem Jahrtausend die Heftigkeit der Paroxysmeu sich bedeutend erhöht und die Versumpfung und Vereisung weiter um sich gegriffen haben musste. Gegen diese Falb'sche Erklärung lässt sich aber trotz der Beibehaltung der Voraussetzung, dass der behauptete Einfluss der Fluthfaktoren auf die Witterung wirklich vor- oder minder bestimmt ausgesprochene Bemerkung, „dass die An- nahme einer allgemeinen Ueberfluthung der Erdoberfläche mü- der populären Vorstellung angehört, kann bei dem heutigen Stande der Wissenschaft als ausgemacht gelten" (Brockhaus' Conversaüons- Lexicon). Gewöhnlich fand sich dann noch ein Hinweis auf irgend ein Buch, in welchem die Gegenbeweise zu finden sein sollten; las ich aber diese Bücher nach, so fand ich nur die Widerlegung der Ansieht von der Ueberfluthung der höchsten Berge und den Nachweis, dass nie über die ganze Erde eine plötzliche Fluth hereingebrochen sein könne Der erste Beweis trifft aber nur die biblische Anschauung, und der zweite widerlegt die Möglichkeit einer allgemeinen Fluth gar nicht, da zur Herbeiführung einer solchen ja keine Katastrophirnng nöthig war, sondern eine ganz allmähliche, vielleicht durch Jahrhunderte und Jahrtausende zu- nehmende Versumpfung dazu genügte, deren Ausbreitung möglicher- weise proportional dem vom Eise bedeckten Areal wuchs. banden ist, noch gar mancherlei einwenden. Zunächst wäre es doch höchst sonderbar, wenn die wenigen Tage, an denen sich die sechs Fluthfactoren geltend machen, auf viele Jahrhunderte hinans die eiuschneidensten Ver- änderungen in den klimatischen Verhältnissen bedingen sollten, während sich in der Jetztzeit die Nachwirkungen der kritischsten Tage güustigsten Falls einmal auf ein paar Wochen erstrecken, trotzdem von den sechs Fluthfactoren nur einer, der im Verhältniss zu dem durch das Sycygium bedingten Fluthwerth recht unwesentliche Einfluss der Sonnennähe, fehlt. Sollte aber nicht das Zusammentreten der sechs Fluthfactoren die Hauptursachc für die Eiszeit und Sintfluth sein, sondern das langsame Wachsen der Anzahl und der Fluthwerthe der kritischen Tage erster Ordnung, so müssten die Witterungsparoxysmen jetzt schon in merklich schwererer Form auftreten, als zur Zeit des Minimums der kritischen Tage im 12. oder 13. Jahrhundert, -ebenso wie die Temperatur seit jener Zeit etwas abgenommen hat. Wir haben nun leider nur für Europa Angaben über die ungefähre Witterung der damaligen Zeit. Vergleicht man aber diese mit den heutigen Verhältnissen, so findet man, dass gerade in jenen Zeiten elementare Ereignisse eingetreten sind von einer Gewalt und Furchtbarkeit, wie sie uns heute ganz un- bekannt sind. Gerade in das 12. und 13. Jahrhundert fällt der Untergang einiger grosser Städte der Ost- und Nordsee: der von Vineta (um 1183), von Stavoren, von Wenningstedt u. s. w. Zu derselben Zeit, im Anfang des 13. Jahrhunderts, wurde das ganze Land, das den Zuider- see vom Ocean trennte, grossentheils vom Meere ver- schlungen, und die heutige Gestalt erhielt die dortige Gegend bei Gelegenheit einer furchtbaren Sturmfluth am 26. November 1282, wobei 80 000 Menschen umkamen. Auch in der Nacht vom 19. auf den 20. November 1420 erfolgte eine ähnliehe Katastrophe. Alle diese Sturm- fluthen müssen von so elementarer Gewalt gewesen sein, dass sich ihnen die grössten Stürme der letzten Jahr- hunderte nicht zur Seite stellen können: der vom 3. Fe- bruar 1825, der vom 13. November 1872, ja selbst nicht einmal der vom 11. October 1634 und der vom Weihnachts- tage 1720, bei welchem ein grosser Theil von Helgoland in den Fluthen versank. All' diese Thatsachen widersprechen also der Falb- sehen Erklärung der Eiszeit und Sintfluth auf das Ent- schiedenste, und bedenkt man nun gar noch, dass auch die Voraussetzung nur angenommen war, und dass auch sie sich zum Mindesten angreifen, wenn nicht gar wider- legen lässt, so verliert die Hypothese jeglichen Halt. Es ergiebt sich also, dass wirklich von den zahlreichen Ansichten, welche über das Phänomen der Eiszeit auf- gestellt sind, keine einzige eine auch nur eimgermaassen befriedigende Erklärung zu geben im Stande ist. Ich glaube, bei künftigen Deutungsversuchen wird es not- wendig sein, dass man die so merkwürdig übereinstimmen- den Sagen von grossen Weltperioden berücksichtigt, denn dass mindestens 3—4 Eiszeiten, die durch je 10 0D0 bis 12 000 Jahre von einander getrennt waren, allein im Diluvium stattgefunden haben, ist mir persönlich recht wahrscheinlich. Ganz von der Hand weisen aber darf man selbst nicht einmal die übrigens schon vor Falb ge- äusserte Ansicht, dass die Eiszeiten sich schon von jeher in 10 500 jährigen Perioden wiederholt haben. Die Geologie spricht sich zwar sehr energisch dagegen aus: „ein stän- diger, starker Wechsel der klimatischen Verhältnisse in so überaus kurzen Perioden muss als allen Erfahrungen widersprechend abgelehnt werden" (Neumayr H, S. 647), denn sonst müsste, so meint sie, die Forschung doch zahl- reichere Spuren von Vereisung nachgewiesen haben, aber sie selbst muss zugeben: „Obwohl nun diese Annahme Nr. 22. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 271 (der „oftmaligen periodischen Wiederkehr") der nöthigen Begründung- entbehrt, so lässt sieh doch kaum mehr in Abrede stellen, dass aus einzelnen (!!) Formationen, na- mentlich aus den letzten Phasen der paläozoischen Aera, Erscheinungen vorliegen, die kaum anders als durch die Wirkung grosser Eismasscn erklärt werden können" (Neu- mayr II, S. 28). Man muss aher auch bedenken, dass man erst seit wenigen Jahrzehnten auf diesen Funkt auf- merksam geworden ist, und dass den Hauptnachweis für eine Vereisung die meist kaum einen Millimeter tiefen Gletscherschrammen bilden, welche sich im Laufe der Jahrhunderttausende und Jahrmillionen natürlich leicht verwischen konnten. Wenn nun trotz des spärlichen Ma- terials schon allein für die Quaternärzeit zwei Vereisungen sicher nachgewiesen sind und eine dritte wahrscheinlich gemacht ist, wenn ferner ein Vorhandensein von Eiszeiten „in minder auffallender Weise" (!) auch für einzelne Zeit- punkte des Tertiärs wahrscheinlich ist, wenn man endlich bedenkt, dass sehr wohl Dauer und Ausdehnung der ein- zelnen Glacialepochen variircu konnten, so will der Um- stand, dass sich für die ganze Primär- und Secundärzeit bisher nur eine einzige Vereisung nachweisen Hess, nicht viel bedeuten. Wenn nun aber diese Auffassung der häufigen Wieder- kehr der Eiszeit auch noch sehr problematisch ist, so sollte die Geologie doch bedenken, dass ein Zusammen- wirken der verschiedenen Wissenschaften viel weiter führen wird, als wenn sich eine jede streng von den anderen abschliesst, und sie könnte deshalb wohl mit der aus der Sagenkunde und der vergleichenden .Sprachforschung ge- folgerten Annahme, dass wenigstens in den letzten Jahr- zehntausenden Eiszeit und Sintfluth mehrfach in periodi- schen Intervallen wiedergekehrt sind, rechnen, anstatt die Volkssagen so zu ignoriren, wie sie es bisher gethan hat. Es sieht dies sonst so aus, als ob sie meinte, dass sich eine ernste Wissenschaft doch nicht mit den kindischen Märchen uncultivirter Völker gemein machen könne. Oder ist sie etwa der Ansicht, dass auch der Entstehung dieser Sagen von den Weltperioden „nur die Thatsacbe zu Grunde liegt, dass fast überall auf hohen Bergen fossile Muscheln und Thierknocben gefunden werden?" Um nun zum Schluss noch einmal nach dem Vorgang von Suess die Resultate dieser Untersuchung kurz zu- sammenzufassen, so hat sich ergeben: 1) Die mosaische Sintfluth ist nur eine Nachbildung der assyrischen Fluthsage, deren Schauplatz an der Euphrat- und Tigrismündung zu suchen ist, und zwar war die Ver- anlassung zur Hauptkatastrophe ein vom Persischen Meer her ins Innere des Landes sich bewegender Cyklon, der wahrscheinlich mit Erdbeben verbunden war. 2) Dass sich die Fluthsage bei fast allen alten Völkern beider Erdhemisphären findet, lässt sich mir aus der all- gemeinen Verbreitung der Sintfluth erklären, denn da>s jede Sage sich auf eine locale Ueberschwemmung bezieht, ist nicht anzunehmen, ebensowenig, dass sich die assyri- sche resp. mosaische Sage zu allen Völkern verbreitet bat. 3) Die Sintfluth trat gleichzeitig mit der Eiszeit auf und zwar aus denselben uns unbekannten Gründen wie diese. Zum Theil wurde sie durch die kolossale Ver- mehrung der Niederschläge, zum Theil auch durch die von der Eisregion abströmenden Wassermassen verursacht. 4) Sie bestand in einem langsamen Versumpfen und Ueberfluthen der Niederungen südlicher Gegenden. Zeit- weilig mag hier und da durch besondere meteorologische Einflüsse ein rapides Wachsen der Fluth erfolgt sein. Einzelne Länder blieben verschont, z. B. Aegypten. 5) Sintfluth und Eiszeit sind in der letzten Zeit alle 10 000—12 000 Jahre wiedergekehrt. Nicht unmöglich ist es, dass dies schon immer der Fall war. 6) Eine befriedigende Erklärung dieser Erscheinungen giebt es nicht; die bisherigen Deutungsversuche sind un- haltbar. Ueber die Function der Schilddrüse und ihre Störungen. Von Dr. med. Alb. Albu. Seit eine physiologische Wissenschaft existirt, hat sie nicht aufgehört, von jedem Organ des menschlichen Körpers den Zweck und die Art seiner Wirkung zu erkunden, und dennoch ist diese Wissenschaft schon in Ehren grau geworden, ohne dass es ihr gelungen, das Räthsel zu lösen, welches ihr einzelne Organe des Menschen darbieten. Wir zählen jetzt fünf solcher Organe, von denen die Physiologie ehrlieh bekennt: wir wissen nicht, wozu sie da sind. Es sind die Milz, die Schilddrüse, die Thymusdrüse, die Neben- Nieren und die Zirbeldrüse. Erst im letzten Jahrzehnt beginnt sich das vollständige Dunkel etwas aufzuhellen. Zwar herrscht nirgends Tageshelle, aber schon können wir ahnen, wie es hier und da aussieht. Der Fortschritt der Erkennt niss ist vor allem der Milz zu Gute gekommen. Ihr Anthcil an der Blutbildung scheint jetzt ausser Zweifel gestellt. Es ist nicht die Absicht, an dieser Stelle darauf näher einzugehen. Eine fast noch wichtigere Function, eine lebens- wichtige Bedeutung hat man an der Schilddrüse erkennen gelernt, jenem kleinen drüsigen, unmittelbar vor dem Kehl- kopf gelegenen Organ, das die jungen und alten Aerzte niemals einer besonderen Beachtung gewürdigt haben. Erst jetzt ist diese Drüse unserem Verständniss näher gerückt, und wir sehen plötzlich in ihr einen werthvollen Besitz unseres Organismus, den wir um keinen Preis missen möchten. Nicht ohne schwere Opfer ist dieser Sieg der Erkenntniss errungen worden. Die Aerzte des Alterthums warfen die Schilddrüse mit noch einigen anderen Organen, deren Zweck ihnen nicht klar war, zusammen in die grosse Gruppe der Speicheldrüsen. Seit die Anatomie den Körper des Menschen durchsucht und ihre Organe klassificirt hat, hat sie die Schilddrüse zumeist den sogenannten Blut- oder Blutgefässdrüsen zugezählt, die bei aller ihrer son- stigen Verschiedenheit nur das eine gemeinsam haben, dass sie keinen Ausführungsgang wie andere Drüsen be- sitzen. Die Zahl der Theorien, die man über die Function der Schilddrüse aufgestellt hat, ist fast Legion: keine von ihnen hat das Richtige getroffen. Am bekann- testen ist die Schreger - Liebermeister'sche Theorie, wonach die Schilddrüse die Blutcirculation des Gehirns in der Weise regulirt, dass sie durch Aufsaugung des nach dem Kopf aufströmenden Blutes eine plötzliche Anfüllung des Gehirns oder eine abnorme Schwankung der Blutverhältnisse im Gehirn verhütet. Diese noch vor wenigen Jahren als wahrscheinlich richtig angenommene Theorie ist heute sicher als falsch erkannt worden; nur das hat sich bestätigt gefunden, 272 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 22. dass die Schilddrüse für das Leben des Gehirns von grösster Bedeutung ist. Die Physiologie war diesem winzigen Organ gegen- über fast zum Eingeständniss ihres „Ignorabimus" ge- kommen; ja, die Schilddrüse hatte darum fast schon das allgemeine ärztliche Interesse verloren, als es in der Mitte der siebziger Jahre von Neuem wachgerufen wurde durch Beobachtungen, welche von einigen englischen Aerzten Im Jahre 187H beschrieb nämlich ein neues Krankbeitsbild unter der gemacht worden waren. Gull in London Bezeichnung „die Entwickelung eines cretinoiden Zustandes bei einer erwachseneu Person." Der Cretinismus an sich ist den Aerzten seit Alters her wohlbekannt; ja, er ist leider in manchen Gegenden so häutig, dass seine Kennzeichen auch dem Volke ge- läufig sind. Der Cretinismus ist eine Entwickelungs- krankheit. Die Cretins bleiben in ihrer körperlichen und psychischen Entwickelung auf kindlicher Stufe stehen, und erstere sowohl wie die letztere nehmen dabei all- mählich eine Entartungsform an. Die Hauptkennzeichen des Cretins sind folgende: Ihre Figur ist klein, unter- setzt, dick, unförmig. Die Arme sind laug, die Heine kurz, die Gelenke verdickt. Der Kopf ist abnorm gross. Der Schädel ist sehr unregelmässig gestaltet, meist seit- lich zusammengedrückt. Das Gesicht ist breit, die Wangen hängen schlaff herab, die Lippen dick, gewulstet. Die Haut ist welk und fahl. Die Physiognomie ist im höchsten Grade stumpfsinnig. Geistige Fähigkeiten mangeln ihnen gänzlich, sie verständigen sieh durch ungeschickte Ge- berden oder unarticulirtes Schreien. Nur die sogenannten Halbcretins vermögen massige Grade geistiger Entwickelung zu zeigen. Der Cretinismus findet sich zumeist gemeinsam mit einer anderen auffallenden Veränderung des menschlichen Körpers, dem sogenannten Kropf, mit welchem Namen man die geschwulstartige Veränderung der Schilddrüse bezeichnet. Seitdem man diesen Dingen eine erhöhte Aufmerksamkeit zuwendet, weiss man, dass das Zu- sammentreffen von Kropf und Cretinismus kein zufälliges ist, sondern der letztere nur ein Folgezustand des ersteren ist, und zwar dadurch bedingt, dass die lebenswichtige Function der Schilddrüse dem Organismus und besonders dem Gehirn verloren gegangen ist. Weshalb nun diese Schädigung nicht bei allen Leuten, die einen Kropf tragen — oft das ganze Leben hindurch ohne jeden Nachtheil — hervortritt, ist noch nicht aufgeklärt. Der Cretinismus pflegt sich im Gefolge des Kropfes fast stets nur da zu finden, wo beide endemisch auftreten. Ein diesem Cretinismus ähnlicher Zustand war es also, den Gull bei einer zuvor ganz gesunden Frau innerhalb einer kurzen Zeit sich entwickeln sah. 1878 gab Ord, der dieses Leiden inzwischen öfter beobachtet hatte, ihm den Namen Myxoedem, und stellte bei der Section einer daran gestorbenen Frau eine ihm auffallende Veränderung, nämlich eine bedeutende Verkleinerung der Schilddrüse, fest. Diese Beobachtung ist für die medi- cinische Forschung äusserst fruchtbar geworden. Bald kam aus Frankreich die Bestätigung der Beob- achtungen der englischen Aerzte. Der berühmte Charcot beschrieb das Krankheitsbild wiederum unter einem neuen Namen: „Cachexie paehydennique", und seine Schüler haben zahlreiche Beiträge zum Studium derselben ge- liefert. In Deutschland hat Virchow die Aufmerksam- keit darauf gelenkt. Nach unseren gegenwärtigen Kennt- nissen lässt sich die Krankheit in ihren wesentlichen Zügen folgendermaassen beschreiben : Im Laufe weniger Jahre verändert sieh das Aus sehen dieser Kranken derart, dass sie kaum wiederzu- erkennen sind. Das Gesiebt ist unförmlich dick ge- worden , die Haut glatt und glänzend , die Farbe schmutziggelb. Die Augenlider sind geschwollen. Die Nase ist breit, die Ohren dick, die Kopfhaare sind grösstenteils ausgefallen. Die Lippen sind wulstig und gespannt, die Zähne fehlen, die Zunge ist plump und schwer beweglich, die Sprache schwerfällig, die Stimme rauh. Die Haut des Körpers ist überall blass und gedunsen. Es ist aber nicht wahres Fett, das die Haut so enorm verdickt, sondern eine schleimige gallertartige Masse, welche zu der Krankheitsbezeichnung „Myxoedeai" geführt hat. Der Gang der Kranken ist mühsam und watschelud, sie haben „Elephantenfüsse" und „Maulwurfstatzen". Die Hände sind zu jeder feineren Arbeit unfähig. Doch das psychische Verhalten der Kranken ändert sich wesentlich: sie werden verstimmt, apathisch, ihr Denkvermögen lässt erheblich nach und dergleichen mehr. Kurz, diese Unglücklichen machen einen cretinoiden Eindruck, und ihre Umgebung erfasst allmählich Entsetzen vor ihnen. Ueber Wesen und Entstehung des Myxoedems hatte man die mannigfaltigsten und kühnsten Theorien auf- gestellt, als ein erhellendes Streiflicht auf diese dunkle Frage durch eine Entdeckun fast gleichzeitig durch zwei geworfen wurde, welche hervorragende Schweizer Chirurgen Reverdin in Genf und Kocher in Bern ge- macht wurde. Indem die klinische Medicin mit der physiologischen Forschung Hand in Hand ging, hat sich das Dunkel der Schilddrüsenfunction aufgehellt. Die früher wegen ihrer Gefahr gefürchtete Operation des Kropfes hatte nach Einführung der autiseptisehen Wundbehandlung ihre Schrecken verloren, und mit uner- schütterlicher Sicherheit waren die Chirurgen daran ge- gangen, auch die grössten Kropfgesehwülste total zu entfernen. Da machten plötzlich im Jahre 1882 die ge- nannten Chirurgen auf eine furchtbare Gefahr dieser Operation für den Organismus aufmerksam. Sie hatten mehrfach nach vollständiger Entfernung der Schilddrüse ein Krankbeitsbild sich entwickeln sehen, das dem oben beschriebenen Myxoedem auf ein Haar glich. Der Eine nannte diese Folgekrankheit der Totalextirpation des Kropfes „operatives Myxoedem". Geläufiger ist die andere Bezeichnung: „Cachexia strumipriva" geworden. Man hat fortan nicht mehr gezweifelt, dass dieser eretinistisehe Zustand eine Folge der Entfernung der Schilddrüse und des Fortfallens ihrer Function ist. Seit- dem lassen die Chirurgen stets kleine Reste des Kropfes zurück. Die Entdeckung der Chirurgen hat die Veranlassung dazu gegeben, dass die physiologische Forschung sich von Neuem mit grossem Eifer auf das Studium der Schilddrüsenfunction gelegt hat. Alle Nationen haben sich in gleich lebhafter Weise daran betheiligt. Das Hauptvcidienst kommt aber Professor Schiff in Bern zu, welcher zuerst nachwies, dass Thiere, denen die Schilddrüse entfernt wird, zu Grunde gehen. Man beob- achtet bei ihnen nach mehreren Wochen den Eintritt von Krankheitserscheinungen, welche denen des Myxoedems durchaus gleichen. Für Hunde, Arten und Katzen er- weist sich der Besitz der Schilddrüse von gleichem Werth. Bei einzelnen Thieren, welche nach der Entfernung der Schilddrüse am Leben blieben, hat man die Ursache dieses abnormen Verhältnisses in dem Vorhandensein und Zurückbleiben kleiner Neben-Schilddrüseu entdeckt, die oft an verborgener Stelle sitzen. Professor Schiff war auch der Erste, der gezeigt hat, dass man schilddrüsen- lose Thiere vor dem Tode retten kann, wenn man ihnen die Schilddrüse nach Stunden oder Tagen wieder in den Körper einpflanzt, am besten in die Bauchhöhle. Dieser Nr. 22. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 273 oft wiederholte und gelungene Versuch zeigt, dass es nur der Saft der Schilddrüse sein kann, Welcher sich für das Lehen der Thiere so nothwendig erweist. Auf das Studium des bei Thieren künstlich erzeugten Myxoedems ist sehr viel Mühe und Eifer verwendet worden. Dr. Victor Horsley in London hat es wesent- lich gefördert, es z. B. auch bei Schafen hervorgerufen, und Horsley hat auch zuerst empfohlen, die Schilddrüse von Thieren, besonders des Schafes, zur Heilung des Myxoedems beim Menschen zu verwenden. Er empfahl, die Drüse unter die Haut oder in die Bauchhöhle einzu- nähen. Der Erfolg hat gezeigt, dass die Drüse beim Menschen wie bei den Thieren schnell und sicher ein- heilt, und ihr Saft gelangt alsbald sicher in die Blutbahu des Organismus und übt dadurch seine heilende Wirkung aus. Dem Körper wird das wieder eingeführt, was ihm durch Erkrankung der Schilddrüse verloren gegangen ist! Von diesem etwas rohen Heilverfahren war nur ein kleiner Schritt zur Anwendung des Schilddrüsensaftes selbst, welchen man aus der Drüse durch Extraction mittelst Glyccrin leicht herstellen kann. Dies gethan zu haben, ist das Verdienst des Engländers George Murray. Er erzielte durch Einspritzung dieses Saftes unter die Haut bei seinen Patienten eine erhebliche Besserung lies Myxoedems. Sein Beispiel hat zündend gewirkt. In derj medicinischen Litteratur sind seit 1891 eine ganze Zahl von erheblichen Besserungen und sogar Heilungen von Mvxoedem durch Einspritzung von Schilddrüsensaft mitgetheilt worden. Einen weiteren Fortschritt machte Professor Howitz in Kopenhagen, indem er die gekochte Schilddrüse ver- zehren liess. Maekenzie und Fox haben 1892 die weitere Verbesserung eingeführt , dass sie die Kranken sogar frische Schilddrüse von Thieren essen Hessen. Die Schild- drüse vom Schaf, Kalb und Rind hat sich gleichwerthig erwiesen. Jetzt rl und für Abkürzungen der Autor- namen die Berliner Antbrliste maassgebend sein. — Alle Tempe- raturangaben sind nach der hunderttheiligen Scala (Celsius), alle Maass- und Gewichtsangaben nach dem metrischen Systeme (Meter. Gramm) zu machen. — Die Bearbeitung soll in deutscher Sprache, nur ausnahmsweise in englischer, französischer oder lateinischer Sprache erfolgen, und es sind auch die Diagnosen nur in der von dem betreffenden Autor gewählten, nicht aber in der eventuell abweichenden Sprache der ( Iriginalbeschreibnng zu geben. — Zu Anfang eines jeden, in sich abgeschlossenen Theiles ist ein systematisches, am Schlüsse ein alphabetisches Register aller darin vorkommenden systematischen Namen zu geben. — Das Werk soll in Grossoktav, sogenanntem Lexikonformat (wie Bronn's Klassen und Ordnungen des Thierreiches), auf holzfreiem, schreibfähigem Papiere, mit lateinischen Lettern, deutlich und gut lesbar, mit nicht zu schmalem Rande gedruckt werden. — Die Deutsche Zoologische Gesellschaft wählt einen Generalredacteur, welcher die Leitung und Controlle des Werkes, sowie die Ver- handlungen mit dem Verleger übernimmt und in jeder Jahres- versammlung Bericht über den Stand der Arbeiten erstattet. — Die Gesellschaft wählt ferner einen siebengliedrigen Ausschuss, dessen Entscheidung oder Rath der Generalredacteur in schwie- rigen oder zweifelhaften Fragen jederzeit einholen kann. Dieser Ausschuss sorgt auch für die Fortführung der Geschäfte, falls der Generalredacteur vorübergehend oder dauernd daran ver- hindert ist. — Auf Vorschlag des Generalredacteurs wählt der Ausschuss Redacteure für die Hauptabtheilungen des Thierreiches, welche die Verantwortung für die richtig'1 und rechtzeitige Her- stellung der Bearbeitungen aller einzelnen Gruppen ihrer Ab- theilung durch die Bearbeiter übernehmen, also eine stete Ueber- wachung und Controlle auszuführen und über sachliche Fragen einerseits mit dem Generalredacteure, andererseits mit den ein- zelnen Bearbeitern zu verhandeln haben. — Der Generalredacteur bestellt nach Verständigung mit dem betreffenden Abtheilungs- redacteure und dem Ausschusse die einzelnen Bearbeiter. — Die Zahl der Bearbeiter ist nicht beschränkt und nur durch sachliche Gründe bedingt. Mit jedem einzelnen Bearbeiter ist ein Contract .'durch den Generalredacteur abzuschlicssen. in welchem ein Termin für die Ablieferung des Manuscript.es festgesetzt und die Be- stimmung enthalten sein muss, dass die Gesellschaft das Recht hat, die betreffende Bearbeitung einem andern Bearbeiter zuzu- weisen, falls der zuerst engagirte sein Manuscript nicht recht- zeitig abliefert oder andere vereinbarte Bedingungen nicht erfüllt. Bei der Thatkraft und Umsicht des gewählten General- redacteurs, der auch als Gelehrter, wie nur wenige, geeignet ist, ein solches Amt für die in Rede stehende Sache zu vorwalten, ist die begründetste Hoffnung vorbanden, dass die Zoologie in dein Werke eine kräftige Säule erhalten wird. Inhalt: Richard Hennig: Zur Sintrluth- und Eiszeit frage. Fortsetzung und Schluss. —Dr. med. Alb. Alba: Ueber die Function der Schilddrüse und ihre Störungen. - „Scliwefelregen". — Leber das Vorkommen und die Bedeutung eines Eiweiss lösenden Enzyms in jugendlichen Pflanzen. Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur. — C. Lombroso und G. Feirrero, Das Weib als Verbrecherin und Prostituirte — Prof. Dr. Franz Neumann, Vorlesungen über Mathematische Physik. — Prof. Dr. Joseph Parlsch, Die Vergletscherung des Riesengebirges zur Eiszeit. — Moritz Cautor. Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. — Dr. Oettel, Anleitung zu elektrochemischen Versuchen. — Das Thierreich, eine Zusammenstellung und Kenn- zeichnung der recenten Thierformen. 276 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 22. ■ IIHMHhiiTTil Schuster & Bufleb, -i** Architektur-Buchhandlung. : lillülllll _ In unserem Verlage erscheint soeben: Akustik des Baumeisters oder Der Schall im begrenzten Kaume entwickelt von A. Sturmhoefel, Stadtbaurath a. D. Mit 22 Abbildungen im Text, gr. 8". broschirt M. 3. 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Abdruck 1*1 nnr mit vollstiin dijfei ■ Quellenangabe gestattet. Die LX. (XXXVI. Frühjahrs-) Haupt-Versammlung des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg am 20. Mai 1894 zu Templin (Uckermark). Seit seinem Bestehen pflegt der Botanische Verein der Provinz Brandenburg die löbliche Gewohnheit, eine seiner Hauptversammlungen, und zwar die Pfingstversannn- lung, ausserhalb Berlins abzuhalten und dieselbe gewisser- maassen als Stiftungsfest feierlich zu begehen. Diesmal hatte der Vorstand die Stadt Templin, in welcher bisher die Wanderversanimlung noch niemals stattgefunden, ge- wählt und dorthin begaben sich am Sonntag nach Pfingsten eine stattliche Zahl der Berliner Mitglieder. (Im Ganzen nahmen ca. 40 Mitglieder und Gäste Theil.) Sie wurden am Bahnhof von Freunden der Botanik herzlich begrüsst und von ihnen in die freundliehe Stadt geleitet. Nach einem Imbiss begab man sich in den Schulsaal, der von der Stadt freundlichst zur Verfügung gestellt war, zur wissenschaftlichen Sitzung. Der Vorsitzende, Professor Schumann, sprach einige einleitende Worte, in denen er die Anwesenden begrusste und für ihr zahlreiches Er- scheinen dankte. Er wies darauf hin, dass die Stadt und Umgebung in doppelter Hinsicht für einen Märker von Interesse sei, einmal war sie als einer der nördlichsten Posten im Havelgebiet ein fester Halt, zugleich aber ein Ausfallsthor gegen die Mecklenburger und Pommern. Hier schloss Markgraf Waldemar 1317 den bekannten Frieden nach der Schlacht bei Gransee mit den nordischen Mächten. In botanischer Rücksicht ist die Umgebung Templins als eine der am besten gekannten in der Mark zu bezeichnen, namentlich ist die Erforschung den rastlosen Bemühungen des verstorbenen Landgerichtspräsidenten Peck und des Herrn Lehrer Heiland in Lychen zu danken; den letzteren hatte die Versammlung die Freude, in ihrer Mitte begrüssen zu können. Den ersten wissenschaftlichen Vortrag hielt Herr Dr. F. Hock, dessen Manuseript mit einigen Ergänzungen und Zusätzen in der Form von Anmerkungen versehen, der Vortragende uns freundlichst für die Naturw. Wochenschr. überlassen hat. Er zog einen Vergleich der Buchen- begleiter und ihrer Verwandten in ihrer Ver- breitung mit der der Fageen. Von Herrn Prof. Ascherson — schreibt Herr Dr. Hock — wurde an mich die Bitte gerichtet, auf diesem Ausflug hier einen kurzen Vortrag über die Ergebnisse meiner Studien über Buchenbegleiter zu halten. Obgleich allen denen, welche Mitglieder unseres botanischen Vereins sind, erst in diesen Tagen eine Arbeit über diesen Gegenstand*) zugegangen ist, habe ich mich doch entschlossen, dieser Aufforderung zu folgen, da sie mir Gelegenheit giebt, den dortigen speciellen Untersuchungen ein gewisses allge- meines Interesse beizufügen, dass sie als etwas Anderes als eine reine Zusammenstellung erscheinen lässt. Auch muss ich zugeben, dass diese Gegend für einen Vortrag über Buchenwaldpflanzen geeignet ist, wie wenig andere in der Mark, da sie vor den meisten Theilen unserer Provinz durch Reicht!) um an Buchenwäldern ausgezeichnet ist**). Die meisten von Ihnen, m. H., mögen diese Wälder, welche wir heute Nachmittag zu sehen die Freude haben werden, in Gedanken nach Süden versetzen; vielleicht taucht eine schöne Erinnerung au interessante Gebirgs- reisen in Ihnen auf, Sie werden an die herrlichen Buchen- wälder am Abhang des Harzes oder Riesengebirges oder an das schöne Thüringerland erinnert. Mich und viel- leicht gleichfalls einige von Ihnen versetzen sie in Ge- danken zurück in die nordische Heimath, in die Küsten- *) „Brandenburger Buchenbegleiter11 in Abhandl. des botan. Vereins der Provinz Brandenburg, XXXVI. Heft 1, S. 7—50. **) Einige charakteristische Buchenwaldpflanzen konnten die Theilnehmer an dein Ausflug auch Nachmittags selbst sammeln. Diejenigen, welche nicht gefunden wurden, möchte ich den ucker- märkischen Faehgenossen zu besonderer Beachtung empfehlen, namentlich behufs genauer Beachtung der Standortsverhältnisse. 278 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 23. länder des baltischen Meeres. Kaum aber wird einer der aus der Ferne heute hier weilenden Gäste an Theile un- serer Provinz erinnert werden, wenigstens sicher nicht an die Gegend zunächst um und südlich von unserer Hauptstadt. Es ist auffallend genug-, nach Norden und nach Süden von der Mitte der Mark erscheinen Buchenwälder in grösserer Zahl und von weiterer Ausdehnung, während die Mitte und der Süden der Mittelmark solcher fast ganz entbehrt, und ähnliche Verhältnisse finden sich im ganzen nordostdeutschen Tiefland. Im Gebirge einer- seits und auf dessen Ausläufern bildet die Buche herr- liche Bestände, die Gestade der westlichen Ostsee werden von den köstlichen Wäldern, in welchen dieser Baum vor- herrscht, umsäumt, aber dazwischen ist Fagus silvatica, die sonst viel eher als unsere Stieleiche auf die Bezeich- nung als echt deutscher Baum Anspruch erheben könnte, von Anpflanzungen abgesehen, ziemlich selten. Woher dies kommt, ob es nur die Bodenzusammensetzung oder klimatische oder Terrainverhältnisse sind, wir wissen es noch nicht sicher. Gewiss ist, dass die Buche durchaus nicht, wie man wohl aus ihren Vorkommnissen auf Rügen und in Thüringen geschlossen hat, im Uebermaasse ein kalkliebender Baum ist. Dennoch ist ein reiner Sandboden ihr wenig angenehm, vor Allem aber scheint sie mehr Feuchtigkeit zu lieben als dieser ihr bietet. Sicher ist. dass auch in dem Flachland sie häufiger auf wellig-hügligem Terrain als in der flachen Ebene auftritt*). Mit der Buche vereint treten in beiden Gebieten eine grosse Reihe von anderen Gewächsen, namentlich Stauden auf, die mehr oder weniger eng in ihrer Ver- breitung sich an die Buche anschliessen, und daher von mir als Begleitpflanzen derselben bezeichnet sind. Mit deren Einzelaufzählung und deren specieller Verbreitung in unserer Provinz will ich Sie heute nicht langweilen, zumal Sie diese besser in Ruhe an der Hand der vorher genannten Arbeit zu Hause studiren können, 20 Arten mindestens zeigen einen sehr genauen Auschluss an die Buche, während bei anderen, den „ferneren Begleitern" solcher weniger deutlicher hervortritt. Dass nun nament- lich bei ersteren dies auch ausserhalb unserer Provinz der Fall ist, viele derselben die Buche bis zu ihren Grenzen begleiten**), und diese oft mit ihr theilen, andere auch über die Verbreitungsgrenzen unserer Fagus deren Ver- *) Nachträglich machte mich Herr Dr. H. Potonie darauf aufmerksam, dass die Verbreitung der Buche zuweilen in auffallender Weise (z. B. bei Chorin) mit den glacialen End- moränen übereinstimme, die ja bei ihrem Mergelgehalt treff- lichen Untergrund für Blieben abgäben, üass weder aber die Con- figuration noch die Zusammensetzung des Bodens allein die Ver- breitung der Buche bedinge, beobachtete Verf. kürzlich in Reit- wein, wo ein Theil der Reitweiner Nase, aber eben nur ein Tlieil, mit herrlichem Buchenbestand bewachsen, während das tiefer leigendeLand herum nur Kiefernwälder zeigte. Auch hier wäre der Einfiuss früherer Gletscher denkbar; sicher aber bat die Kultur da sehr verändernd gewirkt, worauf einerseits der häufige Wechsel des Baumbestandes, andererseits der fast gänzliche Mangel an charakteristischen Buchenwald]) rlanzen hindeutet, während anderer: seits Anemone silvestris und Si 1 en e nu tans, die dort stellen- weise auch im Buchenbestand auftreten, mehr für ursprünglichen Kiefernbestand sprechen könnten, erstere aber namentlich neben der gleichzeitig von mir da gefundenen Adonis vernalis und der früher bei Reitwein beobachteten Campanula sibirica Glieder einer anderen Association sind (vgl. Loew. in Linnea XLII), von denen aber manche gleich der Buche und vielen ihrer Be- gleiter Vorliebe für Kalkboden zeigen. Auch anderswo zeigen in der Frankfurter Gegend, wo sonst die Buchenwälder schon im Gegensatz zur nordöstlichen Neumark seltener werden, Vorliebe für hügeliges Terrain, z. B. im Schlaubethai und bei Rosengarten, was aber auch möglicherweise durch verschiedene Zusammensetzung lies Untergrundes bedingt sein kann, die aber wieder ihrerseits von früherer Ausdehnung der Gletscher nicht unabhängig ist. **) Dies habe ich schon in einer früheren Arbeit (Botan. Centralbl. 1892, No. 50) zu zeigen gesucht, zu welcher hier einige Ergänzungen und Verbesserungen gegeben sind. Ganz unabhängig von jener Arbeit ist der zweite Theil dieses Vortrags. wandten folgen*) oder in deren Gesellschaft selber durch Verwandte ersetzt sind, das nachzuweisen ist die Haupt- aufgabe dieses Vortrags. Von den Grenzen der Buche ist besonders die Ost- grenze höchst charakteristisch und vielfach schon von Pflanzengeographen discutirt. Dieselbe zieht sieh von Skandinavien durch Ostpreussen und Polen nach dem südwestlichen Russland hin**). Aehnliehe Grenzen zeigen aber von den näheren Buchenbegleitern namentlich die für die Templiner Buchheide charakteristische***) Zahn- wurz (Dentaria bulbifera), dann die gemeine Hohlwurz (Corydalis cava), das Waldschaumkraut (Cardamine silvatica), die grossblättrige Linde iTilia grandi- folia) und der Bergahorn (Acer pseudoplatanus), ziemlich genau auch das Leberblümchen, die Sanikel und das europäische Haargras (Elymus europaeus). Nicht wenige treten trotz ihres Fehlens im grössten. Theil von Südrussland gleich der Buche in der Krim und im Kau- kasus wieder auf oder sind dort durch nahe Verwandte ersetzt. So erscheinen z. B. in der Krim wieder Stellaria nemorum, Cypripedium, Sanicula und Epipogon, während z. B. Corydalis eava durch die nahe Ver- wandte C. Marschalliana ersetzt ist. Im Kaukasus er- scheinen beispielsweise wieder Anemone ranuneuloides, die sonst in ihrer Ostgrenze weniger Uebereinstimmung mit der Buche zeigt, ferner Hypericum montan um, Ge- ranium silvaticum, Aquilegia vulgaris, Actaea spicata u. a., theilweise in besonderen Varietäten, vor allem aber auch die in der Krim fehlende Dentaria b ulbi- fera, während beispielsweise Tilia septentrionalis, eine nahe Verwandte der kleinblättrigen Linde, unsere Tilia- Arten ersetzt; in beiden Gebieten, der Krim so- wohl als dem Kaukasus treten beispielsweise zwei der holzigen Buchenbegleiter auf, die auch sonst in der Ost- grenze unserer Fagus ähneln, nämlich der Bergahorn und der Epheu, desgleichen auch die Hainbuche, die nach Koppen aber wahrscheinlich ihr Fehlen im östlichen Russ- land nur schonungslosen Verwüstungen zu verdanken hat. Gleicherweise zeigen manche Begleiter in ihrer Nord- grenze in Skandinavien f) Aehnliehkeit mit der Buche z. B. Ranunculus lanuginosus, Actaea, Corydalis cava, Stellaria holostea und Elymus europaeus. Das Gleiche gilt für viele derselben bei einer Ver- gleichung hinsichtlich der West- ff) und Süd- 1||) Grenze. *) Wobei sie vielfach in den dazwischen liegenden Gebieten mehr oder weniger ganz fehlen; so fehlt z. B. Hepatica im gröss- ten Theil von Xordasien ganz, erscheint aber in Ostasien wieder. **) Ueber den genaueren Verlauf derselben vgl. Koppen, Holzgewächse Russlands. **) In der Versammlung in trocknen Blüthenexemplaren ge- zeigt, da jetzt schon verblüht. (Auf der Nachmittagsexcursion mit Bulbillen besetzt gefunden. — Red.) t) Für manche der Bnchenbegleiter ist auch ungefähr die Flözgrenze in Nordwest-Deutschland Nordgrenze, was sich nament- lich aus „Beckhaus-Hasse, Flora von Westfalen" ergiebt und wegen der ziemlich untergeordneten Rolle, die die Buche im nord- u estdeutschen Flachland spielt, wohl erklärlich ist. tt) Im Westen auf den brit. Inseln zeigen z. B. Aehnlieh- keit in der Verbreitung mit der Buche beide Linden. Sorbus torminalis, Lonicera Xylosteum, Phyteuma spicatum, Primula elatior. Pulmonaria officinalis, Asarum euro- p a cum, Carpiuus Betulus und Elymus europaeus. ttt) Im Süden zeigen beispielsweise für Italien grosse Aehnliehkeit in ihrer Verbreitung mit der Buche Hepatica, Stellaria nemo- rum, V e r o n i c a montana. M e r c u r i a 1 i s perennis, 0 r c h i s purpurea, Allium ursin um, Qar ex silvatica. — ; Dass auch bis an die Südostgrenze diese Pflanzen oft in derselben Gemeinschaft bleiben, zeigt das häufige Auftreten derselben Fundorte bei ihnen in „Boissiers Flora orientalis" z. B. Pontus Lazicus; wenn auch nur in seltenen Fällen, z. B. bei Actaea, wo sich die Angabe „fagetis Affghaniae" findet, diese ausdrücklich als Buchenwälder bezeichnet sind. Letztere Angabe ist deshalb doppelt von Interesse, als bei Fagus Afghanistan nicht als Fundort genannt wird, ihre Südost- Grenze dadurch also erweitert wird. Nr. 23. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 279 Es zeigen also die Glieder dieser Gruppe ein ähn- liches Verhalten wie die anderer Associationen, im Wesent- lichen gleiche Verbreitung, während an den Grenzen einige mehr oder minder genau sich an die Leitpflanze anschliessen, etwas weiter oder weniger weit als diese reichen, während andere gut einen Vergleich mit der selben aushalten. Dass dabei nicht dieselben Arten auf allen Grenzen ein gleiches Verhalten zeigen, darf uns nicht wundern, da die verschiedenen Grenzen nicht durch gleiche Verhältnisse bedingt sind, beispielsweise bei der Ostgrenze die Niederschlagsverhältnisse, bei der Nord- grenze mehr die Temperaturverhältnisse bedingend auf- treten, während die Grenzen auf den britischen und italischen Inseln vielleicht mehr entwickelungsgeschichtlich zu erklären sind*). Während ich bis soweit früher schon den Vergleich geführt hatte, wenn auch hier einige Ergänzungen dazu geboten werden konnten, war es mir namentlich nun von Interesse, festzustellen, wie weit noch von einem weiteren Vergleich der Buehenbegleiter und deren Verwandten mit den Fageen im Allgemeinen die Rede sein kann. Echte Buchen kommen ausser in Europa und West- asien**), in welchem Gebiet nur unsere Fagus sil- vatica***) bisher nachgewiesen, noch in Japan und dem östlichen Nordamerika vor; die japanischen Buchen sind den europäischen theil weise so nahe stehend, dass sie gar von früheren Forschern theilweise als Formen unserer Waldbuche betrachtet sind, und auch die hordamerika- nischen Rüchen erinnern so deutlich an unsere europäischen, dass es sicher keine zu sehr gewagte Hypothese ist, alle Buchen von einer gemeinsamen Urform abzuleiten, zumal da diese durch geologische sowohl als teratologische Funde gestützt wird.|) Nur wenige und meist nicht gerade die charakte- ristischsten Begleiter kommen auch in jenen Gebieten neben den Buchen vor und zwar in beiden Gebieten neben Hcpatica und Actaea spicata, Convallaria maialis, Smilacina bifolia und Circaea-Arten, die mindestens den unserigen sehr nahe stehen, wenn sie vielleicht auch nicht ganz identisch mit ihnen sind. Ausserdem linden sich in Japan ff) neben Formen, die zu Aquilegia vulgaris zu ziehen sindff-j-), noch Car- daminc silvatica, Lonicera Xylosteuni und Pla- tanthera chlorantha, sowie Asperula odorata, Myo sotis intermedia, Chrysospleuium altemifolium und Viola Riviniana von ferneren Begleitpflanzen, da- gegen im östlichen Nordamerika noch Bromus asper, Milium effusnm, Brachypodium silvaticuin und Anemone nemorosa, während Cardamine silvatica *) Vgl. neben meiner genannten Arbeit im Bot. Centralbl, namentlich „Koppen, Holzgewäehse Russlands". **) Mit Recht wurde in der auf den Vortrag folgenden Dis- cussion von Herrn Dr. C. Bolle hervorgehoben, dass die Buche durchaus nicht in ganz Westasien vorkomme, sondern südlich von Kleinasien und Nordsyrien fehle. (Vergleiche auch weiter hinten. — Red.) ***) Im Anschlussan den Vortrag bemerkte Herr Prof. E. K o eh n e, dass die ihm bisher zu Gesicht gekommenen Fagus-Stücke aus dem Kaukasus sich viel eher mit F. Sieboldii Japans als mit unserer F. silvatica vergleichen Hessen, vielleicht von ersterer kaum speeifisch verschieden seien. Auch Herr Dr. Bolle berichtete, dass ihm bekannt sei, dass von russischen Botanikern auf Unter- schiede der kaukasischen von unserer Buche hingewiesen sei. (Vergl. weiter hinten. — Red.) f) Vergl. neben Koppen a. a. 0. besonders Krassan in Engler's bot. Jahrb. IX, S. 391 ff. tt) Fast alle deutschen Buchenbegleiter, die in Japan vor- kommen, finden sieh nach Franchet u. Savatier bei Hakodate, wo ebenfalls unseren Buchen nahe stehende Formen beobachtet sind, ttt) Vergl. hierzu auch Brühl im Journal Asiat. Society of Bengal LXI, part II, No. 3, 1892. hier durch die auch bei uns häufigere C. hirsuta*) er- setzt scheint. Von Gattungen finden sich weitaus die meisten in beiden Gebieten; beiden Gebieten fehlen, wenn man nur die näheren Begleiter berücksichtigt, die mehr als 2ü Gat- tungen repräsentiren, fünf, nämlich: Ar um, Epipogon, Ne- ottia, Melittis und Pulmonaria, ausserdem in Japan nur noch Dentaria, in Nordamerika noch Gagea und Phyteuma**), während z.B. die in Japan fehlende Gat- tung Dentaria im nordamerikanischen Uucheugebiet durch mehrere Arten vertreten ist. Ob nun die Arten der zahl- reicheren in beiden (Gebieten vertretenen Gattungen auch in Japan und Nordamerika Buchenwälder bewohnen, das zu entscheiden muss dortigen Botanikern überlassen bleiben; wie schon so oft bei deutschen Arten, lässt hier bei den aussereuropäischen die Litteratur uns im Stich. Nur für Sanicula geht dies aus „Beal-Wheeler, Michi- gan Flora" deutlich hervor. Auch konnte ich wenigstens bis jetzt noch nicht für alle Gattungen sicher nachweisen, wie die Verwandtschaftsverhältnisse der europäischen Buchenbegleiter zu ihren Gattnngsgenossen in den ausser- europäischen Erdtheilen seien. Doch habe ich nirgends, wo ich aus den mir zur Verfügung stehenden systema- tischen Arbeiten Aufklärung darüber erhielt, gänzlichen Mangel an Anschluss bemerkt. Zwar ist beispielsweise die kleine Gruppe der Vernales, welcher unsere Pri- mula elatior angehört, wesentlich auf Europa und das westliche Asien beschränkt, zeigt aber (nach Pax) die nächsten Beziehungen zu der auch in Japan vertretenen Sect. Sinenses und im atlantischen Nordamerika kommt nur eine zwar dieser Gruppe fernstehende Art P. fari- nosa vor, die aber selbst auch in Europa, allerdings an ganz anderen Standorten als P. elatior, auftritt. Weit näher sind die Beziehungen in der (ebenfalls von Pax monographisch bearbeiteten) Gattung Acer, da A.Pseudo- platanus ganz nahe Verwandte (Sectionsgenossen) so- wohl in Japan als im atlantischen Nordamerika aufzu- weisen hat, ebenso ist die Gruppe der Acres, zu welcher Ranunculus lanuginosus gehört, in allen ausser- europäischen Buchengebieten entwickelt und perennirende Cr acca- Arten, zu denen unsere Vicia silvatica gehört, finden sich im östlichen Nordamerika, desgleichen die Untergattung Sorbus, der unser Pirus torminalis an- gehört, desgleichen die Sect. Xylosteou aus der Gattung Lonicera u. s. w. Aber auch die fehlenden Gattungen sind häufig durch nahe Verwandte ersetzt, so z. B. die kleine Gattung Neottia im atlantischen Nordamerika durch Arten der zunächst verwandten Gattung Listera, von denen eine, L. cor data, in ähnlicher Weise wie die erwähnte Primula farinosa auch in Norddeutschland, doch in anderem Formationsbestand vorkommt. Ebenso ist die monotypische Gattung Epipogon in Nordamerika durch Arten der gleichfalls bis zu uns reichenden verwandten Gattung Epipactis vertreten. Aehnlich können Allium- Arten in der neuen Welt als Ersatz für die fehlende Gattung Gagea gelten, während z. B. als Stellvertreter für die in Japan fehlende Gattung Dentaria die dortigen Arten aus der nächst verwandten Gattung Cardamine angesehen werden können. Besonders interessant ist in der Beziehung die Gattung Paris, auf die ich daher, obwohl sie nicht zu den näheren Begleitern gehört, eingehe. Sie selbst ist (nach Engler, Xat. Pflanzenfam.) nur in Europa und dem gemässigten Asien vertreten, reicht aber ost- *) Ebenso tritt zwar nicht Veronica montana, aber die nach Wettstein (in Xat. Pflanzenfam.) ihr nahestehende V. scutel- lata in Nordamerika auf. **) Auch Asperula z. B. ist in Amerika nur durch Cultur eingeführt. 280 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 23. wärts nicht bis Japan, dagegen findet sich die nahe ver- wandte Gattung Tri lliu in hier sowohl als in Nord- amerika und die beiden einzigen anderen Gattungen, die neben diesen die kleine. Gruppe cjer Parideae bilden, Medeola und Scoliopus, sind ganz auf Nordamerika beschränkt. Ist schon hinsichtlich der anderen Arten der Gattung Fagus nur geringe Uebereinstimmnng bezüglich der be- gleitenden Arten vorhanden, so hört diese natürlich ganz auf, sobald wir die Untersuchung auf die übrigen Fageen, also die Vertreter der Gattung Not ho fagus ausdehnen, die gänzlich auf die altoceanischen Gebiete im Sinne Englers oder auf Drudes austräte Florenreichsgruppe be- schränkt sind. Dennoch mag ein kurzer Ausblick auch auf diese von Interesse sein, da auch sie höchst wahr- scheinlich allerdings in weit älteren Perioden der Erde Zusammenhang mit den eigentlichen Fagus -Arten gehabt haben (vergl. auch Krasan a. a. 0.). Von Interesse ist daher, dass trotz langer Trennungszeit und grosser Zwischenräume doch noch immer Anknüpfungspunkte be- züglich der Begleiter sich finden. So sind z. B. unter alleiniger Berücksichtigung der näheren Begleiter aus Chile die Gattungen Anemone, Ranunculus, Carda- niine, Viola, Geranium, Vicia, Chrysosplenium, Sanicula und Galium*) zu nennen, deren Zahl durch Erweiterung des Gebiets wie andererseits durch Heran- ziehung fernerer Begleiter sich wesentlich vergrössern Hesse. Dass dabei von naher Ucbereinstimniung bezüglich des Standorts wenig mehr die Rede sein kann, darf uns nicht wundern, denn wenn die Arten wirklich mit unseren Buchenbegleitern gleichen Ursprung gehabt haben mögen, so muss doch seit jener Zeit, in welcher die Voreltern, deren Nachkommen jetzt einerseits unsere Buchenwald- pflanzen, andererseits jetzige Bewohner des südlichen Südamerikas sind, existirten, eine Reihe von Jahrtausenden verflossen sein, in welcher die jedesmaligen Nachkommen sich an immer mehr verschiedenartige Bedingungen an- passen mussten. Wundern muss uns, dass sich trotzdem noch einige ziemlich nahe systematische Beziehungen finden. So ist vor allem, wenn auch nicht in Chile, so doch im amerikanischen Nothof agus-Gebiet eine Art vorhanden, die auch bei uns vorkommt, ohne dass ihre Standortsverhältnisse ihre Einschleppung wahrscheinlich machen, und für die neuerliche selbständige Einwanderung gänzlich undenkbar ist, da ihr nächster in Landverbindung damit stehender Standort um fast 90 Breitengrade davon entfernt ist. Es ist dies die schon genannte Primula farinosa, deren südamerikanische Formen sich kaum von den nordischen als Varietät abtrennen lassen. Haben wir hier in den in Betracht kommenden Gattungen eine Uebereinstimmung bezüglich der Art mit nord- deutschen, wenn auch nicht speciell Waldbewohnern, so finden wir mehrfach Sectionsgenossen von unseren Buchen- waldpflanzen z. B. in den Gattungen Oxalis und Valeriana, von denen 0. Acetosella und V. sambuci- folia zwar nicht zu den charakteristischen Buchen- begleitern gehören, aber doch vielfach in unseren Buchen- wäldern auftreten. Wenn auch bei einigen der Gattungen weniger nahe Beziehungen vorliegen mögen, so können wir doch an- nehmen, dass im Wesentlichen eine gleiche oder ähnliche Entwicklungsgeschichte alle die durchlaufen hallen, die mit den Fageen überall in gleichen Gebieten vertreten sind oder durch nahe Verwandte hier und da ersetzt werden. *) Dagegen treten Asperu la- Arten und zwar (nach Schu- mann in Nat. Pflanzenfam.) aus derselben Gruppe wie A. odorata in Australien mit No th o fagus- Arten zusammen auf; desgleichen (nach Pax eb.) mit Arten aus der gleichen Stellaria-Gruppe wie unsere S. nein omni und holostea. Verschiedenheiten hinsichtlich der Beständigkeit und daher grössere Unterschiede in den systematischen Be- ziehungen einerseits wie hinsichtlich der Standortsverhält- nisse andererseits sind bei der grossen Ausdehnung des Gebietes nichts Auffallendes. In jeder Beziehung aber charakterisiren sich die Buchenbegleiter meist als Glieder einer Association, d. h. einer Gemeinschaft von Pflanzen ähnlicher Verbreitung mit wesentlich gleicher Ent- wickelungsgeschichte. Doch giebt es andererseits auch unter den Buchen- waldpflanzen Norddeutschlands solche, die für die For- mation charakteristisch sind, aber muthmaasslich eine gänz- lich andere Geschichte durchlaufen haben als die Buche. Als Beispiel erwähne ich hier nur Ar um maculatum. Obgleich diese Art in ihrer mitteleuropäischen Verbreitung nicht wenig Uebereinstimmung mit der Buche zeigt, wenn auch nicht überall mit Bestimmtheit ihre ursprüngliche Spontaneität nachweisbar ist, so muss die Entwickelungs- geschichte der Gattung, welcher sie angehört, eine ganz andere gewesen sein als die der Gattung Fagus, denn jene Gattung ist, von unserer Art abgesehen, rein medi- terran und hat ausser im Mittelmeergebiet nahe Verwandte nur noch in Indien, während die Mehrzahl ihrer ferneren Verwandten bekanntlich in den Tropen zu suchen ist (vergl. Engler, Nat. Pflanzenfam.). In geringerem Grade zeigen sich ähnliche Gegensätze auch an anderen Gattungen, so dass also deutlich wird, dass Angehörige gleicher Formationen durchaus nicht nothwendig auch solche gleicher Associationen sind, dass beide Arten der Untersuchungen wohl neben ein- ander hergehen können, nicht aber in ihren Endresultaten sich decken müssen. Wir gelangen zu einem Ergebniss, auf das bezüglich einer anderen Association schon früher der allverehrte Schriftführer unseres Vereins, Herr Professor Aseherson, bei seinen Studien über Ledum und Myrica in unserer Vereiuszeitschrift (Bd. XXXII S. LXVI) hin- gewiesen hat. Diesen Gegensatz aber wollte ich noch einmal hier hervorheben, da er bei meinen Studien über Kieferwaldpflanzen nicht genügend beachtet zu sein scheint. Herr Prof. E. Koehne bemerkte im Anschluss an diesen Vortrag, es sei bezüglich der Begleitpflanzen der Buche von Interesse, hervorzuheben, dass die kaukasischen Buchen wahrscheinlich von der europäischen verschieden sind und entweder zu der japanischen Fagus Sieboldii Endl. ge- hören oder ihr doch sehr viel näher stehen als der euro- päischen F. silvatica L. Wenigstens zeigten alle von ihm gesehenen Herbarexemplare kaukasischer Buchen dieselbe Ausbildung der Anhängsel der Fruchthülle wie diejenigen japanischer F. Sieboldii. Es sind nämlich die unteren Anhängsel so lang wie die Hülle, zu schmal linealischen bis verkehrt-eilänglichen, nichtj stechenden Blättchen verbreitert, die oberen allmählich viel kürzer und stehender werdend, während bei F. silvatica alle Anhängsel pfriemlich und stechend, viel kürzer als die Hülle und unter sich ziemlich gleich lang sind. Schon De Candolle im Prodomus hatte diesen Unterschied be- merkt und die kaukasischen Buchen als var. macro- pbylla und var. asiatica von F. silvatica abgetrennt. Es scheint aber viel richtiger zu sein, beide Varietäten zu F. Sieboldii zu ziehen, deren Verbreitungsgebiet allem Anschein nach die gebirgigen Gebiete von Kleinasien und den Kaukasus bis Persieu, ausserdem Japan umfasst. Es ist deshalb Aufgabe der Reisenden, die grosse Lücke von Persien bis Japan durch Feststellung des Vorkommens von Fagus Sieboldii in Zwischengebieten auszufüllen. Nr. 23. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. •281 Herr Dr. C. Bolle wies in Anknüpfung hieran darauf hin, ein wie ungeheurer buchenloser Zwischenraum Japan vom Kaukasus trenne. Eine genetische Verwandtschaft sei aus diesem Grunde schwer denkbar. Da F. Sieboldii in den meisten Stücken, auch habituell, weit mehr mit F. silvatica zusammenfalle als die amerikanische F. fer- ruginea dies thut, so sieht er in ihr weit eher als eine besondere Species, vielmehr eine geographische vermittelst des Kaukasus sich angliedernde Form ein und derselben Art. Charakteristisch für die Kaukasusbuche ist, nach dem Bericht aller Forscher, denen sie zu Gesicht kam, ihre schmale prononeirt pyramidale Kronenbildung, stark abweichend von dem breitausgreifenden Geäst des euro- päischen 'Baumes. Genannte Eigentümlichkeit ist auch der Buche des politischen Gebirges in Kleinasien eigen. Das Dasein der Buche in Syrien, mehrfach behauptet und wieder bestritten, ist jetzt nach den Funden des Dr. Post wenigstens für den äussersten Norden dieses Landes als sicher konstatirt worden. Den folgenden grösseren Vortrag hielt Herr Geh.-Rath Prof. L. Wittmack, der die Moorwiesen in der Königl. Oberförsterei Zehdenick und die Ver- änderung ihres Bestandes behandelte. - Auch das Manuscript zu diesem Vortrage ist uns gütigst vom Vor- tragenden zugestellt worden. Herr Geh.-Rath Wittmack schreibt: Das Königliche Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten beauftragte den Referenten im Jahre 1890, die neu angelegten Moorwiesen auf der Königl. Oberförsterei Zehdenick, Station Neuhof, Kreis Templin, mehrere Jahre nach einander botanisch zu untersuchen, um die Veränderungen im Bestände festzu- stellen, wie sie theils durch blosse Entwässerung und Düngung mit Kaihit und Thomasschlacke, theils durch Entwässerung, Düngung, Besandung und Neusaat von Grassamen veranlasst wurden. Die Wiesen liegen an drei getrennten Orten. Die ältesten Wiesen wurden im Jahre 1888 angelegt, und zwar in Form von sogenannten Moordäramen, nach Rinipau'schcr Methode, indem man in Entfernungen von etwa 2ö m Gräben zog, den Sand aus dem Untergrunde 8 cm hoch auf die Fläche vertheilte, diesen Sand (nicht den Untergrund) mit 12 Ctr. Kainit und 8 Ctr. Thomas- schlacke düngte und nun ein Grassaniengemisch einsäte. Es sind dies die sogenannten alten Moordämme, auf Theilen der Jagen 119, 120, 121, 122, 130, 131, im Ganzen 32,0852 ha, davon 0,88 ha Versuchsfläehen grösseren Stils, nicht zu verwechseln mit den später zu erwähnenden Proberiächeu zur botanischen Analyse, die nur je 1 qm gross sind. Gleichzeitig wurden auch auf dem weit davon ent- fernten, sehr kalkhaltigen Jagen 197 ähnliche Moordämme in kleinerem Maasse angelegt. Auf beiden Stellen blieben einige Flächen unbesandet und unbesät, um zu sehen, wie allein durch Entwässerung und Düngung der ursprüngliche Bestand sich ändere. Die dritte Anlage sind die ehemaligen Wesendorfer Wiesen, welche 1890 in Dämme gelegt wurden. Nach den Untersuchungen meines verehrten Oollegen Prof. Dr. Fleischer, Curator der Moorversuchsstation Bremen, ist der Boden der Jagen 120, 121, 131, welche so zu sagen den Durchschnitt der alten Moorculturen darstellen, sehr reich an Phosphorsäure, 1,31 % der Trockensubstanz, nur massig reich an Stickstoff, 0,44 u/u, reich an Mineralstotfen, Sand etc., aber arm an Kalk, nur 0,99%. Es ist mehr ein anmooriger als ein eigent- licher Moorboden. Das Jagen 197 ist noch etwas reicher an Mineral- stoffen, 90,07 °/(l, enthält darunter auch etwas uiehr Kalk, 2,33%; aber sehr wenig Phosphorsäure, nur 0,11%. Der Stickstoffgehall ist fast wie oben, 0,47% in der Trocken- substanz. Die Wesendorfer Wiesen haben in dem eigentlichen \\ iesenboden 0,50% Stickstoff in der Trockensubstanz, 38,16% Mineralstoffe, darin Kalk nur U,72° 0, Phosphor- säure 0,21%. — Der torfige Theil der Wiesenfläche ent- halt 1,30% Stickstoff, nur 64,71% Mineralstoffe, darin Kalk 2,26% und den ungemein hohen Gehalt von 1,12" „ Phosphorsäure. Im Allgemeinen muss man sämmtlichc Flächen, mit Ausnahme vielleicht der letzteren, als ann rig, nicht als Moor bezeichnen, wie ein Vergleich mit dem als [dcal geltenden Kunrauer Moor ergiebt. Dort sind in der Trockensubstanz 3,20% Stickstoff, nur 6,10% Mineralstoff, darunter 6% Kalk und 0,25% Phosphorsäure. Auf eine Fläche von 1 ha kommen in der 2U cm mächtigen Oberschicht bei: Wesendorfer Wiesen Kun- Jagen Jageu 120, aj elgentl b) Moorfläche rauer 191 121,131 Wiesen- l. obere ä.tiefere \i„„,. boden Schicht ■"'"" kg kg kg kg kg kg Stickstoff 8098 7748 9078 12844' 8474 16000 Kalk 40146 17440 12816 22329 15237 30000 Phosphor- säure.. 1895 23070 3738 11066 12498 1200 Das Kunrauer Moor hat 93,90",, verbrennliche Be- standteile, Jagen 197 nur 9,93%, Jagen 120, 121, 131 12,50%, der Wiesenboden der Wesendorfer Wiesen 11,84, die obere Moorschicht der Moorfläche daselbst 35,29, die tiefere 35,23%. Der Kunrauer Moor ist, wie aus der grossen Menge verbrcnnlicher Substanz hervorgeht, viel lockerer, und es enthält daher 1 ha auf 20 em Tiefe lange nicht so viel Substanz, als die Zehdeuicker Flächen. Dies erklärt, dass die letzteren verhältnissmässig nach Kilo pro ha, in 20 cm Tiefe berechnet, nicht so ungünstig mehr sind, als es bei dem blossen Vergleich der Procente in der Trocken Substanz erscheint. Immerhin überragt das Kunrauer Moor die Zehdeuicker Flächen auch unter diesen Umständen durch seinen Stickstoff und Kalkgehalt, welch letzterer nur bei Jagen 197 höher ist. Dagegen übertreffen die Zehdenicker Flächen das Kunrauer Moor ganz bedeutend im Phosphorsäuregehalt, in Jagen 197 ist er freilich nur IV2 Mal, auf den Wesendorfer Wiesen aber 5 — 10 Mal, auf Jagen 120, 121, 131 sogar fast 20 Mal so gross. Ich sah die alten Moorculturen erst 1890, kann also über den Bestand von L889, wo sie zum ersten .Male ge- mäht wurden, nichts berichten. Wie es aber vor der Melioration ausgesehen haben muss, ergab sieh aus den umliegenden, noch nicht in Angriff genommenen Flächen (Jagen 132). I. Die unveränderten Flächen stehen so zu sagen einen trockenen Erlenbruch, mit anmoorigem Boden dar. Sauergräser waren gar nicht vorhanden, dafür sehr viel Ruchgras und feinblätterige Schwingelarten, Festuca rubra etc. Hin und wieder zeigten sich die steifen Horste von Aira (Deschampsia) caespitosa, etwas Holcus lanatus, nur wenig Aira flexuosa und Poa-Arten. Alles war niedrig, und hat sieh das bis heute so erhalten. II. Die im ursprünglichen Zustande belassenen, aber entwässerten und gedüngten Flächen ein Theil von Jagen 121) wiesen in Folge der Düngung eine viel üppigere Grasvegetation auf, aber meist grobe Gräser, vor Allem Holcus lanatus, Aira caespitosa, weniger häutig 282 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 23. die besseren Gräser, Poa trivialis und pratensis, doch zeigte sich auch Poa serotina. Dazu kam viel Unkraut, besonders Brennnesseln, ausserdem Ranunculus accr, Geum rivale, Cardamine pratensis, Runiex acetosella, Luzula cam- pestiis etc. III. Die besandeten und gedüngten Flächen boten das Bild der schönsten Kleegraswiesen; Hauptmasse: Timothee. Auf einigen nur mit Kainit gedüngten Flächen mehr Holcus und Festuca rubra. Schachtelhalm war ab- gestorben durch Eggen und wohl auch durch das Salz. IV. Die Wesendorfer Wiesen zeigten 1890 vor der Melioration das Bild eines echten Moores. Jagen 11)7 wurde 1890 noch nicht untersucht. Auf allen Wiesen wurden je 2 Probeflächen ä 1 qm durch Pfähle bezeichnet, und der Schnitt von diesen 2 Mal im Jahre nach Gewicht und Zahl der Triebe untersucht. Das Jahr 1891. I. Zuerst wurde am 3. Juni das Jagen 197 unter- sucht. Dort war es früher so nass, dass daselbst Enten- teiche bestanden; seit 1891 ist es aber durch die vielen Ziegeleien in Neuhof, die wahrscheinlich das unter dem Moor liegende Thonbecken angeschnitten haben, so trocken geworden, dass mau die Fläche kaum noch als Moor in Betracht ziehen1 kann. Ein in der Nähe befindliches Erlenbruch zeigt noch die ursprüngliche Vegetation: Sehr viel Aira caespitosa, Festuca rubra und Carex riparia, und die ganze Gegend würde man nach Weber zum Typus oder der Subforma- tion der Aira caespitosa rechnen müssen. Die unbesandeten, nur gedüngten Flächen des Jagen 197 sind schlecht bestanden, sehr viel Aira caespitosa in mächtigen Horsten, ferner viel Ranunculus acer, Valeriana dioiea, an einzelnen Stellen noch Binsen. Die zweite Besichtigung bot nichts besonderes. Das besandete und besäete Terrain zeigt nur niedrige Gräser, viel Potentilla anserina, ferner Ranun- culus acer und Veronica Ckamaedrys, auch noch viel Carex riparia. Die zweite Besichtigung, am 14. August 1891, zeigte zum ersten Male eine Papilionacee, Lotus uliginosus, die sich also erst nach 2 Jahren einstellte. Andere Papilionaceen, wie sie sonst nach Düngung mit Kainit und Phosphor- saure aufzutreten pfiegen, sind bisher fast nicht beobachtet. Einzelne Sumpfpflanzen kommen auch wieder hervor, sogar Carex Pseudocyperus. II. Die alten Moorculturen zeigten ebenfalls 1891 bei der ersten Besichtigung den bis dahin vermissten Lotus uliginosus, im übrigen einen guten Bestand von Gräsern; doch fehlt das Untergras auf den besandeten Flächen. Neu hinzugetreten sind dort Anthoxantum odoratum, Orchis latifolia, Ajuga genevensis, Centaurea rhenana etc. I'lialaris (Baldingera) arundinacea, das 1889 mit ein- gesät war, machte sich mehr bemerkbar. Bei der zweiten Besichtigung zeigte sich auf den un- besandeten Flächen viel mehr Untergras, und die Pächter boten für diese Strecke mehr als für die besandeten; sie hatten sich aber doch getäuscht, das Quantum Heu war von den (1889) besandeten und besäten Flächen grösser. Das Hauptuntergras war ausser Poa pratensis, Festuca rubra var. fallax, das aber nur wenig wiegt. Dasselbe gedeiht von der Küste bis in die Alpen, und gerade auf den Alpwiesen bildet es, wie Stebler und Schröter zuerst nachwiesen, einen bürstendichten Bestand. III. Die Wesendorfer Wiesen zeigten im ersten Nutzungsjahr 1891 einen vortrefflichen Stand der ein- gesäten Gräser und Kleearten, aber ebenso wie die alten besandeten Moorcultureu Mangel an Untergras. Das Jahr 1892. Während 1891 der erste Schnitt auf allen Zehde- uicker Moorwiesen wegen der Dürre und Kälte wenig, der zweite viel ergab, war es 1892 umgekehrt, weil der Nachsommer sehr trocken war. Im übrigen blieb sich der Bestand ziemlich gleich, mit folgenden Ausnahmen: Phalaris arundinacea hat überall zugenommen, selbst auf dem trockenen Jagen 197. Auf den alten Moorculturen wird es fast bedenklieh, denn seine riesen- grossen Horste dehnen sich mit Hülfe der unterirdischen Kriechtriebe immer weiter aus. Beiläufig bemerkt, ge- deiht dies Gras ebenso ausgezeichnet auf den Versuchs- flächen von Stebler und Schröter, auf der Fürstenalp in Graubünden, 1782 m Höhe, wo ausser der erwähnten Festuca rubra sich noch ganz besonders Alopecurus pra- tensis, ein typisches Gras der Ebene, vorzüglich bewährt. Phleum pratense ist auch dort ziemlich gut, aber weniger winterhart als Alopecurus. — Das Timotheegras, das man meist für ein lange dauerndes Gras ansieht, hat nament- lich im ersten Schnitt abgenommen. Knaulgras, Wiesen- schwingel und Rispengräser haben zugenommen. Neu ein- gestellt hat sich Arrhenatherum elatius. Die Kräuter haben auf den besandeten Flächen an Zahl der Arten nicht ab- genommen; an Stelle einer Art ist aber oft eine andere ge- treten. Potentilla anserina droht manche Flächen ganz ein- zunehmen, ebenso an einzelnen Stellen Cirsium palustre, die an anderen wieder verschwunden ist, — Auf den un- besandeten, aber gedüngten Flächen ist zum ersten Male eine schwache Abnahme der Zahl der Arteu zu verzeichnen. Das Jahr 1893. In diesem Jahre konnte ich die Besichtigung nur vor dem ersten Schnitt vornehmen, die vor dem zweiten erfolgte, da ich in Nordamerika war, durch meinen Assi- stenten, Herrn Dr. Waage. Ein so trockenes Jahr, wie das von 1893, erscheint so recht geeignet, die Gräser kennen zu lernen, welche als alte Getreue ausharren, trotz alles Mangels an Wasser. Dazu gehört das Knaulgras, das leider wenig vorhanden, weil es in der Saatmischung nicht enthalten war; ferner der Wiesenschwingel, das Timothee und besonders das Wiesenrispengras. I'lialaris ist durch die Dürre zurück- gegangen, nur nicht auf den feuchten Wesendorfer Wiesen, und so ist denn dieser junge. Riese, der schon früh seine Glieder reckte, in seine Schranken gewiesen. Ein trockenes Jahr hat also auch für eine Wiese sein gutes. Es würde viel zu weit führen, die botanischen Ana- lysen hier näher zu besprechen. Ich muss dafür auf die Abhandlungen in Thiel's Landwirthschaftlichen Jahr- büchern 1891 tf. verweisen. Hier sei nur bemerkt, dass, wie erwähnt, auf jeder der verschiedenen Arten von Wiesen 2 Probeflächen ä 1 qm abgesteckt und der erste und zweite Schnitt im Laboratorium untersucht wurden. Der Uebersichtliehkeit wegen ist von den wichtigsten, am längsten beobachteten Flächen, den sogenannten alten Moorculturen, folgendes Bild entworfen, welches von 1890 bis 1893 auf Kreisen die Zu- oder Abnahme der wich- tigsten angesäten Gräser in Form breiterer oder schmä- lerer Sektoren angiebt, (Die graphische Darstellung, die wir hier nicht wiedergeben können, wurde vorgezeigt.) Zehdenick. 1S90 1891 1. Schnitt ,?' Schnitt 1. Schnitt 2. Schnitt (berechnet) 1. Festuca pratensis . 20,83 21° 2. Phalaris arundinaea 2,60 5 3. Phleum pratense . 47,70 31 4. Poa-Arten 3,54 5,5 % 0/ '0 25,28 26,91 9,41 23,49 50,54 33,63 6,67 11,54 Nr. 23. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. •283 1. Festaea pratensis . 2. Phälaris arundinaea 3. Phk'iun pratense . 4. I'oa Arten 1. Festuca pratensis . 2. Phälaris arundinaea 3. Phleum pratense . . 4. Poa-Artcn Hinzugefügt sei noch 5. Dactylis glomerata 1892 1893 Schnitt 2 Schnitt 1. Schnitt 2. Schnitt 0/ 0/ 0, 0 /o /o /u 0 27,45 23,54 23,64 28,90 14,88 29,06 11,51 17,02 28,80 24,80 30,34 21,84 9,78 17,88 18,01 14,37 Slll 1890 % 20,9 3,8 39,8 4,5 beider Schni tte. 1891 "I 26,09 16,45 42,08 9,15 1S92 25,50 21,1)7 26,80 13,83 2,73 2,63 1893 Ü 26,27 14,27 26,10 16,20 6,90 Herr Geheini-Rath L. Wittmack sprach ferner über in Eis keimenden Rossen. - Der Bahnhofswirth Herr an ge- Aug. Stock in Löwenberg i./Mark schrieb am 15. Mai die Landwirtschaftliche Hochschule, dass er am dachten Tage auf einer Eisscholle welches aufgegangen 3 cm Länge entwickelt in seinem Eiskeller ein Roggenkorn gefunden habe, war und einen Hahn von ca. hatte, während die Würzelchen bis 4 cm tief das Eis durchbohrt hatten. In Folge dessen bat Vortragender Herrn Stock, ihm für heute die Sache zur Verfügung zu stellen. Herr Stock hatte aber inzwischen noch viel mehr keimende Roggenkörner gefunden eine ganze Kiste mit grossen Eisstuciien uDersanüt, denen zahlreiche Wurzeln tief eingewachsen zu sehen waren, während die Blattkeime sich nur da entwickelt hatten, wo die Eisschollen nicht zu dicht aufeinander lagen. — Wie sich herausgestellt hat, hatte ein Bauer, welcher im Winter das Eis zu Herrn Stock brachte, auch Roggen geladen, von dem dann eine Anzahl Körner mit in den Keller gekommen sind. In der Literatur findet sich, soweit Vortragendem bekannt, nur ein ähnlicher Fall erwähnt. Dr. Uloth in Bad Nauheim berichtet „Ueber die Keimung von Pflanzen- samen in Eis" in Flora oder Allgemeine botanische Zeitung, Regensburg 1871 S. 185 und theilt mit, dass beim Aus- leeren des Eiskellers eines dortigen Restaurateurs sieh Eisbrocken gefunden hatten, in welchen vollständig ent- wickelte Keimpflanzen vom Spitzahorn, Acer platanoides, und vom Weizen steckten. Das Eis hat vor dem Ein- und der Versammlung mit grossen Eisstücken übersandt, bringen auf einem Hofe gelegen, der mit Acer platanoides bepflanzt war, das Eis war dann im Keller mit Weizen- stroh zugedeckt worden. — Uloth sehloss aus diesem Be- funde, dass Ahorn und Weizen schon bei 0° oder selbst weniger keimen können, und zwar nicht nur ausnahms weise. De Candolle hatte weissen Senf auch bei <>L keimen sehen, aber von 30 Samen nur 5. — Mit Rechl weist Uloth darauf hin, dass das Eindringen der Wurzel eben in das Eis nur dadurch erklärlich sei, dass die bei der Keimung der Samen entwickelte Wärme das Eis zum Schmelzen bringe, so dass die Würzelchen nachfolgen können. Hat die Keimpflanze keinen Stützpunkt durch darüber liegende Eisschollen, so dringen sie nicht oder wenig ein. Die Samen lagen von December an zwischen dem Eis, die Entwickeluug der Keimpflanzen war aber erst Mitte Juli beendigt. Nach Uloth betrug die Temperatur an den Stellen, wo die Samen lagen, genau 0°. — Ob aber nicht mit- unter in einem Eiskeller die Temperatur durch ( leffnen der Thüren höher steigt als 0°, scheint dem Vortragenden durchaus nicht ausgeschlossen, und so dürfte denn doch wohl die Anregung zur Keimung bei etwas über 0C er- folgt sein. Ist die Keimung einmal eingeleitet, so kann die weitere Entwickelung, wie dieser Fall dartbut und wie auch Kerners Beobachtungen au Alpenpflanzen zeigen, vor sich gehen. (A. Kerner, Sitzungsbericht des naturw. medic. Vereins zu Innsbruck vom 15. Mai 1873, Botan. Zeitung 1873 S. 437, citirt bei Nobbe, Handbuch der Samenkunde S. 237, wo auch die Uloth'scbe Beobachtung angeführt ist.) — In Wittmaeks Gras- und Kleesamen S. 14 ist angegeben, dass die Temperatur der Luft in einem Eiskeller oft 4—6° beträgt, da wäre der Beginn der Keimung also sehr wohl möglich. — Auch Kerner sagt nicht, dass die Samen der Alpenpflanzen bei 0° zu keimen beginnen, sondern nur, dass sie das jedenfalls bei einer Temperatur unter + 2° C. thun. — In seinem Pflanzen- leben I S. 521 sagt er: die Samen des weissen Senfes, des Hanfes, des Weizens und des Roggens, des Spitz- ahorns und des Ackerveilchens keimen schon bei einer Temperatur, welche dem Eispunkte sehr nahe steht, zwischen 0 und 1°. Im übrigen bildet er bei S. 466 meisterhaft ab, wie Soldanella pusilla ihre Blüthen- köpfehen aus einem Firnfelde hervorstrecken. Auch sie haben durch die bei der Athmung frei werdende Wärme das Eis zum Schmelzen gebracht und sich Kanäle zum Durchtritt gebildet. (Schluss folgt.) Ueber die Steppen des südlichen Bussland, ihren Ursprung, ihre Entwickelung, Flora und Beziehungen zu den Steppen Asiens und den Prärien Nordamerikas hat A. Krasnow in den „Annales de Geographie" (Jahrg. III, Heft 3) einen längeren Aufsatz veröffentlicht, dem wir Folgendes entnehmen. Zunächst entwickelt Krasnow entgegen den bisherigen Anschauungen die Begriffe Wüste und Steppe folgender- maass.cn: Wüsten sind baumlose Landstriche in so trockenem Klima, dass Bäume nur an den Flussufern gedeihen können, in denen man Getreide nur bei künstlicher Bewässerung bauen kann, in denen endlich alle ein- heimischen Gewächse ihrer ganzen Organisation nach an grösste Trockenheit des Klimas und des Bodens ge- wöhnt sind; Steppen dagegen sind mit Gräsern und Kräutern bedeckte Ebenen, in denen mau auch ohne künst- liche Bewässerung Getreide bauen kann, in denen die klimatischen Verhältnisse für den Baumwuchs ebenso günstig sind, wie für den Graswuchs, in denen die ein- heimischen Gewächse keine besondere Organisation be- sitzen, in denen aber aus später zu entwickelnden Gründen Baumwuchs sich nur an den Flussläufen oder an Stellen findet, wo er durch Menschenhand hervorgerufen wurde. In das Gebiet der siidrussischen Steppen rechnet der Verfasser das Gebiet nördlich vom Schwarzen Meer, aus- schliesslich der eigentlichen Küstenzone, bis zu einer Linie über Kiew Tschernigoff, Orel, Tula, Riazan, Tamboff, Nischni-Nowgorod, Kasan, Vialka, Perm; die Ostgrenze bilden das Uralgebirge und die Salzwüsten um Astrachan, im Westen erstrecken sich die Steppen bis an die Kar- pathen und nördlich der Donau fast bis zum Eisernen Thor. Dieses ganze Gebiet ist charakterisirt durch das Tschernosem, die Sehwarzerde, die Krasnow als typischen Steppenboden ansieht und die die grosse Fruchtbarkeit des südlichen Russland bedingt. Unter der Schwarzerde finden sich in den nördlichen Theilen lössartige Bildungen, welche wiederum Glacialablagerungen mit nordischem Geschiebematerial verdecken, im Süden thonige Süss 284 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 23. wasserbildüngen und im Osten und Südosten Nieder- schläge eines Quartärmeeres. Die heutigen Niveau- verschiedenheiten sind, mit Ausnahme einiger inselartig aufragender Theile erst in relativ junger Zeit durch die Flüsse hervorgerufen worden und ihre Bildung dauert auch gegenwärtig noch fort. Die heutige Grenze des Steppengebietes gegen das Waldgebiet Centralrusslands ist keine klimatische Grenze, ebensowenig ist sie durch die Bodenbeschaffenheit bedingt oder gar durch ein allmäh- liches Vorrücken des Waldes gegen die Steppe. Bäum- wuchs rindet sich innerhalb des Steppengebietes nur in den Flussthälern oder auf coupirtem Terrain. Die alt- gemeine Baumlosigkeit ist auf folgende Ursachen zurück- zuführen. Im Frühling ist die Sonne den über die Steppe verstreuten Bäumen, besonders den jungen, sehr schäd- lich, weil im März und April der Boden trotz der heissen Sonnenstrahlen gefroren bleibt*). Die Schneestürme ver- ursachen grossen Schaden, indem alleinstehende Bäume unter der Schneelast zusammenbrechen. Die Schwarzerde ist in natürlichem Zustande für Wasser schwer durch- lässig; das Regenwasser verdunstet deshalb, ohne den Wurzeln zu Gute zu kommen. Baumwuchs fehlt also, weil sich junge Bäume nicht erhalten können. Auf cou- pirteni Terrain dagegen finden die Bäume besseren Schutz gegen die Stürme; die Schneedecke hält sich länger; das Wasser kann langsam in den Boden ein- dringen ; der Boden ist wegen grösserer Nähe des Grund- wassers an sich feuchter; die Circulation des Wassers ent- fernt die schädlichen Salze. Nach den Höhenunterschieden und den dadurch be- dingten Bewässerungsverhältnissen theilt Krasnow die Steppen ein in primäre undseeundäre. Erverstehtdabei unter primären Steppen jene einförmigen Ebenen, in denen sich zahlreiche Sümpfe und Salzsümpfe, aber nur wenige un- bedeutende Erhebungen rinden. Secundäre Steppen da- gegen besitzen coupirtes Terrain und tief eingeschnittene Flussthäler und nehmen stets die höhereu Gebiete ein, weshalb ihnen ein relativ höheres Alter zugeschrieben wird. — Durch Vergleichung der Floren der primären und seeundären Steppen kommt der Verfasser zu folgenden Schlüssen. Die Flora der primären Steppen ist die ärmste der russischen Steppen; sie enthält keine einheimischen und für die Steppe charakteristischen Formen. Die Flora der seeundären Steppen ist dagegen sehr mannigfaltig und zeigt in den verschiedeneu Theileu des Gebietes auf- fallende Unterschiede, die auf klimatische Verhältnisse zurückzuführen sind. Die reichste Steppenflora findet sich in den Gouvernements Charkow, Jekaterinoslaw, den süd- lichen Theilen des Gouvernements Simbirsk, Saratow uud Podolien, also in den Gebieten grösster Meereshöhe, wo sich die Steppen- und Waldfloren gemischt finden. Von NW. gegen SO. nimmt in den Steppengebieten die mittlere Niederschlagsmenge ab und in gleichem Maasse ziehen sich die Bäume in die Flussthäler zurück, bis sie im Gouvernement Astrachan völlig aus der Ebene ver- schwinden. Ebenso macht hier die Steppenflora der Wüstenflora Platz. Die Flora der eigentlichen Schwarz- erdesteppe besteht vorzugsweise aus lebhaft gefärbten Arten aus den Familien der Ranunculaceeu, Coniferen, Linaceen, Caryophyllinen, Malvaceen, Papilionaceen, Um- belliferen, Compositeen, Dipsacaceen, Boragineen, Scrophu- lariaceen, Labiaten, Liliacecn, Euphorbiacccn und Grami- neen. Nach SO. bin ziehen sich mit zunehmender Trocken- heit die meisten Formen in die Thäler zurück, und es gewinnen die Gräser die. Oberhand, welche die grosse *) Die Knospen brechen daher auf und vertrocknen, bevor lie Wurzeln Feuchtigkeit aufzunehmen im Stande sind. Einförmigkeit der Steppe hervorrufen, die nun einem vom Winde bewegten Meere gleicht; von Dicotyledonen finden sich nur noch einige Arten wie Astragalus, Onosma, Diantlius catnpestris und Iris. Die Grenze dieser Vege- tation bilden die Ergeny-Hügel in Westen von Astrachan, der frühere Uferrand des Caspischen Meeres, bei denen das Gebiet der Salzwüste beginnt, mit ihrer aus Wermuth- kiaut und anderen einjährigen Pflanzen bestehenden Flora; nur einzelne aus diesem Gebiete inselartig auf- ragende Punkte zeigen noch die letzten Reste der Steppenflora. Auf Grund der Vertheilung der Steppenflora wendet sieh Krasnow gegen die weitverbreitete Annahme, dass die für die Steppe charakteristischen Pflanzenformen, die sich zum grossen Theil auch in anderen Gebieten Europas und Asiens finden, von dort in die Steppe eingewandert seien; besonders will er nicht den Kaukasus und die Krim als Heimath der Steppenflora ansehen, da die meisten Formen gerade in den diesen Gebieten vorgelagerten primären Steppen fehlen. Auch die Entstehung der Steppe aus einer Tundra, wie sie Nehring voraussetzt, weist er für Südrussland zurück, da die aufgefundenen Reste von Elephas primigenius eine reiche Vegetation zu der Zeit voraussetzen, als diese Thiere lebten. Er sieht in den Steppenformen vielmehr die Reste einer alten Flora, die bereits vor der Glacialzeit über das ganze Gebiet ver breitet war, sich auf den inselartigen Erhebungen erhielt und von hier aus sich wieder ausdehnte. G. Maas. lieber krystallisirte Amnioniakderivate von Kohle- hydraten haben Lobry de Bruyn und Franchimont interessante Mittheiluugen gemacht (Rec. des travaux chimiques des Pays-Bas 12, 286). Nur Salze einiger derartiger Körper waren bisher bekannt und auf indirec- tem Wege, durch Abbau complicirter Verbindungen, gewonnen. Es schien aber von besonderem Interresse, solche Verbindungen in Gestalt freier Basen direct durch Einwirkung von Ammoniak auf Kohlehydrate zu gewinnen, weil man so einen Anhaltspunkt für den Zusammenhang der wichtigsten Arten von Pflanzenstoft'en, der Kohle- hydrate und der Alkaloi'de, zu erlangen hoffen darf. Die Verfasser erreichten dies Ziel , auf der Beobachtung fussend, dass die sehr geringe Löslichkeit einiger Kohle- hydrate in Aethyl- oder meist noch deutlicher in Methyl- alkohol durch die Gegenwart von Ammoniak beträchtlich vermehrt wird. Ueberlässt man so erhaltene Lösungen sieh selbst, so scheiden sich innerhalb einiger Wochen die freien Osamine krystallisirt aus. Es wurden bisher erhalten: 1. d-Glucosamin, isomer dem aus Chitin erhaltenen sogenannten Glucosamin von Ledderhose; 2. Laktosamin (Galaktosamin); 3. Fructosamiu, wie es scheint, in zwei Isomeren, von denen eins mit E.- Fischer 'a bisher in reinem Zustande nicht bekannten Isoglucosamin identisch sein dürfte. Diese Basen sind von sehr verschiedener Beständig- keit; so entlassen d- Glucosamin und Laktosamin ihr Ammoniak schon bei kurzem Kochen mit - Schwefelsäure, während Fructosamin sogar mit dem Kjeldahl' sehen Säuregemisch längeres Erhitzen erfordert. Das Laktosa- min scheint seinen Eigenschaften nach ein Aldehydammo- niak zu sein. Sp. Ueber Isotypie. — Isotypie ist ein neuer Ausdruck, den Professor Rinne kürzlich in die mineralogische Wissen- schaft eingeführt hat. Er will damit die Erscheinung bezeichnen, dass „gewisse Typen der Krystallformen in Nr. 23; Nu turwissen.schaftliehe Wochenschrift. 285 beliebigen Abteilungen des chemischen Mineralsystems wiederkehren. Krystallc beliebiger chemischer Verbin- dungen, welche im obigen Verhältniss zu einander stehen, können als isotype zusammengefasst werden." Rinne kommt zu der eben angeführten Definition bei Gelegenheit einer äusserst interessanten Arbeit „Ver- gleich von Metallen mit ihren Oxyden, Sulfiden, Hydro- xyden und Halogenverbindungen bezüglich ihrer Krystall- fornien", welche er vor Kurzem im Neuen Jahrbuch für Mineralogie etc. 1894, Band I veröffentlicht hat. Vom chemischen Standpunkt aus muss es über- raschen, Elemente, Oxyde, Sulfide etc. in Gruppen be- züglich ihrer Krystallform eng vereinigt zu sehen, wird doch die stoffliche Natur der Elemente durch ihre Ver- einigung mit Sauerstoff oder Schwefel, durch ihre Um- bildung zu einem Hydroxyd oder einer Halogenverbindung sehr verändert. Und dennoch finden sich fast durch- gängig die Krystallformen der Metalle bei ihren Oxyden, Sulfiden, Hydroxyden und Halogenverbindungen wieder. Die Uebereinstimmung ist vielfach eine sehr grosse, so- wohl in den Winkelverhältnissen, wie in der äusseren Erscheinung der Krystalle. Ueberblickt man so die ver- schiedenen Formen der genannten Verbindungen, so lassen sich verschiedene Krystallreihen aufstellen; natürlich ge- hören diese nicht, wie Verfasser noch besonders betont, in das Gebiet des Mitscherlich'schen Isomorphismus, da die einzelnen Glieder der Reihen ja chemisch gar nicht analog sind. Die wichtigsten Formentypen bei den Metallen sind: 1. der reguläre Typus; 2. der Magnesium- typus: die Substanzen sind hexagonal, von holoedrischem Aussehen, prismatisch oder tafelförmig nach oP, unter Ausbildung von Pyramiden erster Ordnung, das Axen- verhältniss ist etwa a:c= 1:1,63; 3. der Arsentypus: die Krystalle sind mehr oder weniger rhoniboedrisch. Ihr Axenverhältniss ist a : e= 1 : 1,38. — Diese drei Typen stehen auch unter sich in Beziehung. Der dritte ähnelt dem ersten: der Würfel, eine seiner trigonalen Axen als Vertikalaxe genommen, entspricht einem Rhom- boeder mit einem Winkel von 90°. Andrerseits stumpft R der Arsengruppe die Stammpyramide P der Krystalle vom Magnesiumtypus gerade ab, sie stehen also zu ein- ander in der einfachen Beziehung wie R zu 4, ;iP2 an einem und demselben Krystallcomplex. — 4. Der a-Zinn- typus: die Krystalle sind tetragonal, a : c ist etwa = 1 : 1,16. 5. Der Zinkealciumtypus : ebenfalls tetragonal, a : c = 1 : U,6.">. Beide Krystalltypen zeigen hauptsäch- lich Pyramiden erster und zweiter Art, auch zugehörige Prismen. 6. Der /S-Zinntypus : rhombisch, nach ooPoo tafel- förmige Krystalle, a : b : c = 0,3874 : 1 : 0,3558. Verfasser weist nun systematisch der Reihe nach diese Beziehungen für die einzelnen Metalle und ihre Verbindungen mit Sauerstoff, Schwefel, der Hydroxyd- gruppo und den Halogenen nach. Zum Verständniss der Art und Weise, wie er dieses thut, wollen wir hier nur ein Beispiel anführen. Beryllium ist hexagonal, prismatisch oder tafelförmig nach oP. Der Winkel oP : P ist 118° 43' 30", der Pol- kantenwinkel von P = 127° 59',. das Axenverhältniss a:c = 1 : 1,5802. — Das Berylliumoxyd bildet gleichfalls hexa- gonale Prismen, hemimorph in der Richtung der c-Axe, indem Pvramidenfiäeheu nur an einem Säulenende auf- treten. Der Winkel oP : P ist = 117° 58' 30", der Pol- kantenwinkel von P = 127° 35', das Axenverhältniss a : c = 1 : 1,6305. In seinen kryställographischen Verhältnissen stimmt es also vollkommen mit dem Magnesium überein, das also für es den Typus abgiebt. Auch dieses ist hexa- gonal, der Winkel oP : P ist = 117° 51' und der Pol- kantenwinkel von P = 127° 31' 30". - - Weitere inter- essante Beziehungen folgen für den Chrysoberyll, BeOAl203. Dieses rhombische Mineral bildet bekanntlich jene schönen Drillinge, bei denen die zusammentretenden Flächen von ooPoö" eine sechseckige Fläche bilden, sodass man, wollte man den Krystall hexagonal auffassen, dieses Sechseck zur Basis machen müsste. Dann würden die bisherige^ Domen zu hexagonalen Prismenflächen, die Pyramiden- flachen zu einer hexagonalen Pyramide. Das so her- gestellte Prisina misst 119° 46' 34" statt 120°. Würde man PY des Chrysoberylls als P auffassen, so wäre sein Axenverhältniss a : b : c = 0,579956 : 1 : 0,939958. In dieser Stellung hat dann der Chrysoberyll eine starke Aehnlichkeit in Form und Winkeln mit Berylliumoxyd und Beryllium selbst. Fasst man die hexagouale Combi- nation von BeO-oP, P, oP für den Augenblick als rhom- bischen Drilling der Combination « P, P, oP auf, so wird für ihn a : b : c = 0,577350 : 1 : 0,941354. Mit Recht be- merkt hier der Verfasser: „Gewiss eine beachtenswerthe Uebereinstimmung zwischen einem Metall, seinem Oxyd und seinem Alüminat." Zum Schluss seiner in dieser Weise durchgeführten Arbeit giebt Verfasser eine Uebersicht der gewonnenen Resultate in tabellarischer Form. Es sei gestattet, diese im Auszug wiederzugeben. 1. Der reguläre Typus: Beispiele: Platin Pt, Gold Au, Silber Ag, Kupfer Cu, Blei Pb, Eisen Fe, Zink Zn, Cadinium Cd, Periklas MgO, Ziukoxyd ZnO, Cadmium- oxyd CdO, Manganosit MnO, Rothkupfererz Cu20, Spinelle ROR,03, Zinkblende ZnS, Bleiglanz PbS, Eisenkies Fe2S und Verwandte, Steinsalz NaCl, Chlor- silber AgCl. 2. Der Magnesiumtypus: Hierher gehören sowohl hexa- gonale Metalle, Oxyde etc. von holoedrischem Aeusseren, sowie pseudohexagonale (rhombische) Körper. Bei- spiele: Beryllium Be, Magnesium Mg, Cadmium Cd, Berylliumoxyd BeO, Zinkoxyd ZnO, Eis H20, Würtzit ZnS, Greenockit CdS, Magnetkies FeS, Jodsilber AgJ, Jodcadmium CdJ2. Von pseudohexagonalen Substanzen gehören hierher: Antimonzink ZnmSb", Tridymit Si02, Chrysoberyll BeOAL,03, Kupferglanz Cu„S, Autimonchlorür SbCl3, Diaspor A10-OH, Olivin Mg2Si04. 3. Der Arsentypus: Beispiele: Arsen As, Antimon Sb, Wismuth Bi, Tellur Te, Zink Zn, Graphit C, Eisen- glanz Fe.,Uj, Titanoxyd Ti203, Titaneisen (Fe,Ti).,03, Korund A1203, Beyrichit NiS, Brucit Mg(OH).,, Wille- mit Zn2Si04. 3a. Der Quarztypus: Derselbe schliesst sich an Typus 3 an. Das Rhomboeder dieser Substanzen stumpft P2 der Glieder des Arsentypus gerade ab, ist also be- zogen auf R des Arsens 3/i R. Beispiele: Quarz Si02, Zinnober HgS, Covellin CuS, Phosphorjodür PJ3, Dioptas (CuH2)Si04. 4. Der a- Zinntypus: Beispiele: a-Zinu a-Sn, Bor B, Hausmannit Mn304, Anatas Ti02, Quecksilberchlorür Hg2Cl2. 5. Der Zinkcalcium- oder Rutiltypus: Hierher gehören gleichfalls wieder tetragonale wie pseudotetragonale (rhombische) Körper. Beispiele: Zinkcalcium ZniaCa, Rutil (Ti02)2, Ziun- stein (Sn02)2, Zirkon ZrO,-Si02, Pölianit (MnO?)2, Queeksilberjodid HgJ2, Braunit Mn2Q3, Kupferkies Cu2SFe2S3. Pseudotetragonale, hierher gehörige Körper sind: Blcioxyd PbO, Antimonglanz Sb2S3, Zinnjodid SuJ4. 6. Der /S-Zinntypus: Meispiele: ß-r/Ä\m p'-Sn, Valentinit Sb203, Wismuthoxyd Bi203. Dr. Klautzsch. 286 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 23. Beziehungen zwischen chemischer Constitution und optischer Activität. — In einer längeren Abhand- lung „über Ortsbestimmungen in der Terpenreihe" (5. Mit- theilung) weist Adolf Baeyer überzeugend nach, dass dem Dipenten die Constitution eines A]i3 Terpadiens, nach der in derselben Abhandlung vorgeschlagenen Nomen- clatur, also qj_j C H2C H.,C CH. CH CH CH j.3 VCH3 zukommen muss. Nach dieser Constitutionsformel ent- hält das Dipenten kein asymmetrisches Kohlenstoffatom im Sinne der Lebel - van 't Hoff sehen Theorie. Be- kanntlich ist es aber die racemisebe Verbindung zweier enantiomorpher Substanzen , des Rechts- und des Links- limonens; „deren optische Activität beruht daher auf einer Asymmetrie des Molecüls, welche nicht an das Vorkommen eines asymmetrischen Kohlen- stoffs im Sinne der Lebel und van 't Hoff'schen Lehre gebunden ist." (Ber. d. D. Chem. Ges. 1894, 436.) Sp. Die Oherflächenteinperatur der Sonne und der Fixsterne dürfte nach J. Scheiners Untersuchungen zwischen 3000° und 15000° gelegen sein, so zwar, dass die Temperatur der Sterne vom dritten Spectraltypus der unteren dieser Grenzen, die der Sterne vom ersten Typus der oberen Grenze nahe liegen muss, während die Sterne vom Sonnentypus eine etwa in der Mitte zwischen diesen Extremen gelegene Oberflächenwärme besitzen mögen. Diese Schlussfolgerung Scheiners stützt sich auf ein eigen- thümliches Verhalten zweier Magnesiumlinien in den zu Potsdam photographisch aufgenommenen Sternspectren, das in dem Verhalten derselben Linien im Spectrum des elektrischen Flammenbogens und des Entladungsfunkens der Leydener Flasche seine Analogie findet, sodass man berechtigt ist, die Temperaturbestimmungen dieser irdischen Erscheinungen auf die unseren directen Temperatur- messungen unzugänglichen Sterne zu übertragen. Kbr. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Der ordentliche Professor für Philo- sophie an der Universität Greifswald Dr. Wilhelm Schuppe zum Geheimen Regierungsrath. — Der ausserordentliche Professor für Hautkrankheiten an der Universität Krakau Dr. Rosner zum Ordinarius. — Der Director der deutschen Seewarte in Hamburg Dr. Georg Balthasar Neumayer zum wirklichen Geheimen Admiralitätsrath. — Dr. Heinrich Adams von der Universitäts- Bibliothek in Bonn zum Hilfsbibliothekar an der Kgl. Bibliothek in Berlin. — Der Hilfsbibliothekar an der Universitätsbibliothek in Göttingen Dr. Adalbert Schroeter zum Hilfsbibliothekar an der Landesbibliothek in Wiesbaden. Es sind gestorben: Der Kliniker Dr. Eduard Leonharil Sperck in St. Petersburg. — Der Bibliothekar der öffentlichen Bibliothek in Chicago Frederic William Poole. — Der auch schriftstellerisch thätig gewesene Geheime Sanitätsrath Dr. Trau- gott Pancritius in Gross-Liehterfelde bei Berlin. — Professor Dr. Amandus Josef Fischer, Sectionschef im Königl. Geo- dätischen Institut und Centralbureau der Internationalen Erd- messung zu Potsdam. — Der frühere Professor der Anatomie und Prosector am Anatomischen Institut und der Universität Breslau Dr. Grosser. Der 22. Aerztetag findet am 29. und 30. Juni in Eisenach statt. L i 1 1 e r a t u r. Ad. Alf. Michaelis, Der Kaffee (Coffea arabica) als Genuas- und Heilmittel. Mit 1 Abbildung. Fr. Junge. Erlangen 1894. — Preis 1 M. Das Heftchen bespricht kurz den Kaffee in botanischer Be- ziehung, seine Geschichte und Verbreitung, die Kaffeesorten, die Zubereitung, seine chemische Beschaffenheit, diätischen und medi- cinischen Eigenschaften, äusserliche Anwendung, Schädlichkeit und die Surrogate und Kaffeeverfälschungen. Carl Schubert, Director der k. k. Gartenbau-Gesellschaft in Wien, Der Park von Abbazia seine Bäume und Gesträuche. Mit einer Schilderung der Vegetation der Umgebung von Abbazia von Dr. Günther Ritter v. Beck. Ein Plan der dortigen Süd- bahn-Gartenanlagen und 16 Abbildungen. A. Hartleben's Verla« Wien, Pest und Leipzig. 1894. — Preis 2 M. Im Jahre 1882, nachdem die ganze Besitzung von Abbazia, jener Perle Istriens am Strande des Golfes von Fiume, von der Südbahn-Gesellschaft angekauft worden war und die Idee des Schriftstellers Dr. Heinrich Noe, an diesem Orte einen klimatischen Curort zu errichten, sich verwirklichte, erhielt Schubert den Auf- trag, die neu zu schaffenden Gartonanlagen auszuführen und den alten Park zu reconstrniren. Das Hauptaugenmerk wurde stets darauf gerichtet, dass nur immergrüne Bäume und Gesträuche und zwar solche in Verwendung gebracht wurden, welche die dortigen Winter ohne Bedeckung, in freien Grund verpflanzt, aushalten. Dem Zwecke gemäss, als Wintei-curort im Süden zu dienen, soll das frische, schöne, saftige, grüne Laub das Auge des Curgastes erfreuen und ihm ein schönes Stimmungsbild vor die Seele fuhren, um von den bezaubernden Gärten, über blühende Azalien, Camelien und Rhododendren in den Wintermonaten, die schneebedeckten Berge des croatischen Küstenlandes zu beschauen. Professor Dr. Hyppolit Haas, Aus der Sturm- und Drang- periode der Erde. Skizzen aus der Entwickelungsgeschiclue unseres Planeten. Zweiter Theil. Mit 163 Abbildungen. Schall & Grund in Berlin 1894 — Preis 4 M. Der 1. Band des vorliegenden Werkes wurde in Bd. VIII auf S. 391 der Naturw. Wochenschr. besprochen. Auch der zweite ist ein gediegenes Buch, auf dessen Inhalt man sich verlassen kann. Verf. bespricht zunächst die Gebirgsbildung und Erdbeben, sodann die Sedimentärgesteine und ihre Fossilien und in einem besonderen 3. Abschnitt die diluviale Eiszeit in Nordeuropa und den diluvialen Menschen. Die Bilder sind gut. Wer einen Ueberblick über das Gebiet der Geologie wünscht, dem sei das kleine Werk- angelegentlichst empfohlen. Das Ausdehnungsgesetz der Gase. Abhandlungen von Gay- Lussac, Dalton, Dulong, und Petit, Rudberg, Magnus, Reg- nault (ISU2 — 1842). Herausgegeben von W. Ostwald. Mit a3 Textfiguren. (Ostwald's Klass. d. exakt. Wiss. No. 44). Wilhelm Engelmann in Leipzig 1884. — Preis 3 M. Die gebotenen Abhandlungen sind historisch und wissen- schaftlich von hohem Werthe und ihre gemeinsame Veröffent- lichung wird daher Physikern und Chemikern gelegen kommen. Prof. R. Lamenstein, Die Festigkeitslehre. Elementares Lehr- buch für den Schul- und Selbstunterricht, sowie zum Gebrauche in der Praxis nebst einem Anhang, enthaltend Tabellen der Potenzen, Wurzeln, Kreisumfänge und Kreisinhalte. Mit 83 Abb. 2. Aufl. J. G. Cotta'sche Buchhandlung. Stuttgart 1893. — Preis 3 M. Das vorliegende Heft dürfte keineswegs allein den das In- genieurfach Studirenden interessiren, sondern auch den Biologen, der mit den Principien der Festigkeitslehre vertraut sein muss oder doch sein sollte. Ist es doch — um nur ein Beispiel anzu- führen — nicht möglich die Skelettconstruction im Pfianzenkörper zu verstehen und zu durchschauen, ohne diese Principien zu kennen (vergl. „Naturw. Wochenschr.'' Bd. IV. S. 82 ff.). Für technische Schulen, auch zum Gebrauche in der Praxis ist das Buch sehr geeignet. Die vorliegende 2. Auflage ist stellenweise wesentlich gegen die erste, im Jahi-e 1889 erschienene, verbessert worden. Encyklopädie der Photographie. Verlag von Wilhelm Knapp. Halle a. S. Unter diesem Titel giebt die Verlagsbuchhandlung photogra- phische Schriften heraus, von denen bis jetzt 5 vorliegen. Es sind dies: Heft 1. Ludwig Schrank, Der Schutz des Urheber- rechtes an Photographien. Ein Beitrag zur Herstellung jener Gesetze und intern. Rechte, welche der Photographie als Kunst Nr. 23. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 287 und Kunstgewerbe, zum Schutze des realen und geistigen Eigen- tluinis unentbehrlich sind. — 1883 Preis 2 M. Heft 2. Eduard Valenta, Die Photographie in natür- lichen Farben mit besonderer Berücksichtigung des Lipp- man'schen Verfahrens. Mit 2 Textabbildungen. — 1S94. Preis 3 M. Wir werden über diesen Gegenstand noch ausführlich in der Naturw. Wochenschr. berichten. Heft 3. Arthur Freiherr von Hübl, Die Collodium- Emulsion und ihre Anwendung für die photographische Auf- nahme von < lelgemälden, Aquarellen, photographischen Copien und Halbtoii-Originalen joder Art. Mit 3 Text-Abbildungen u. 3 Tafeln — 1894. Preis 5 M. Heft 4. Alexander Lainer, Anleitung zur Ausübung der Photographie. Mit 12 Text-Abbildungen. — 1894. Preis 2 M. Heft 5. R. Ncuhauss, Die Photographie auf For- schungsreisen und die Wo lk enpho to grapli i e. — 1894. Preis 1 M. Dem photographischen Fachmann wird die Encyklopädie ge- legen kommen: die genannten Themata haben für diese alle grösstes Interesse; aber auch der Gelehrte, der sieh um Photographie kümmert, wird dem Unternehmen sein Augenmerk zuwenden. Norbert Marischier, Die Ergebnisse der Teplitzer Tief bohrungen in geologischer und bohrtechnischer Beziehung und Vorschläge zur Erreichung eines Spindeis. Nebst einem Anhang: Studien über den Ursprung der Teplitz-Schönauer Thermen. Mit 1 geo- logischen Karte. Adolf Becker in Teplitz. Ohne Jahreszahl. - Preis 2 Mk. Das 80 Seiten starke Heft enthält zwei Arbeiten des Verf., deren eine (S. 1 — 48) den Stand der Teplitzer Thermen-Angelegen- heit bis nach dem dritten Wassereinbruch im Victorin -Schachte am 25. Mai 1892 behandelt, während die andere bereits im Jahre 1888 vollendet und veröffentlicht worden ist. Im Jahre 1879 fand am 13. Februar auf der Döllinger Grube bei Osseg, SW. von Teplitz, ein Wassereinbruch statt, in Folge dessen die Thermalquellen des bekannten Bades z. Th. aussetzten; die Calamität wurde jedoch durch Verdammen der Einbruchsstelle gehoben und der alte Zustand nahezu wieder hergestellt. Am 28. November 1887 fand indessen ein neuer Einbruch auf der von ersterer nicht weit entfernten Victorin-Grube statt, welcher wiederum die Teplitzer Quellen schwer in Mitleidenschaft zog. Es wurden hierauf umfassende Vorsichtsrnaassregeln ergriffen, eine neutrale Zone, welche vom Bergbau nicht berührt werden durfte, wurde festgesetzt, die neue Einbruchsstelle endlich glücklich verstopft und ausserdem wurden durch eine Vereinbarung zwischen den Kohlengruben- und den Quellenbesitzern die Mittel zu einer Tief- bohrung aufgebracht, welche durch Erschliessung der Thermal- quelle einer Wiederholung der Wasserentziehung vorbeugen sollte. Der Bohrversuch, welcher an nicht günstig gewähltem Orte unter- nommen worden war, verlief in Folge nicht zu beseitigenden Vit klemmens des gebrochenen Gezähes bei 386 m Teilte resultatlos. Eine Wiederholung desselben war vor der Hand wegen Erschöpfung der Mittel ausgeschlossen; zu diesem Missgeschick gesellte sich als grösstes am 25. Mai 1892 ein erneuter Wassereinbruch in den Victorin -Schacht, welcher nicht gehoben werden konnte. Von zwei anderen, von privater Seite unternommenen Bohrungen hat die nahe Wisterschau, 3 km s. ö. Teplitz angesetzte, die Thermal quelle wirksam erreicht und wichtige Ergebnisse geliefert. Verf. hat alle diese Vorgänge aufmerksam verfolgt, er hat sorgfältige Untersuchungen angestellt und ist zu wichtigen Re- sultaten gelangt. In der öfteren Wie lerkehr der Einbrüche sieht er eine gewisse Perioateität, darauf beruhend, dass die unter- irdischen thermalen Stauwasser nach einiger Zeit immer wieder ihre höchste Spannung erreichen und dieselbe dann gewaltsam auszugleichen streben. In Folge seiner Untersuchungen sprach er schon 1888 die Ansicht aus, dass die Thermal wa»ser nicht dem Porphyr, sondern dem Basalte entstammen. Ihre Entstehung ver- danken sie den atmosphärischen Niederschlägen, welche im Basalte leichter in die Tiefe sinken können, als im Porphyre; daher ist auch ihre Herkunft in dem Gebirge zu suchen, wo das erst- genannte Gestein ansteht, d. i. im Böhmischen Mittelgebirge, und nicht, wie bisher angenommen wurde, im Erzgebirge. Für eine Herkunft der T herin ahvasser vom basaltischen Böhmischen Mittel- gebirge spricht auch die Thatsache, dass von demselben nur sehr wenige und dazu noch ganz unbedeutende Wasserläufe herab- kommen, welche gar nicht den Niederschlagsmengen entsprechen; letztere müssen also in bedeutender Stärke in den Boden hinein- sickern. Der unterirdische Lauf der Thermalwasser ist also ein süd-nördlichcr. Dieser Thatsache muss daher auch beim An eines Bohrloches in erster Linie Rechnung [retragen- werden. Zum Verständnisse dieser Verhältnisse muss auf die Tectonik des Bodens eingegangen werden, auf welchem Teplitz gebaut ist und dem die Thermalquellen entsprudeln. Durch den Teplitzer Porphyr geht WSW. zu ONO. eine Verwerfung, welcher die Abhänge der Königs- und Stefanshöhe entsprechen und in Folge deren der süd- östliche Theil des Porphyrs um etwa 100 in gehoben, resp. die nordwestliche Partie desselben um soviel gesunken ist. Nahezu senkrecht auf die Verwerfung ist der höhere südöstliche Theil geborsten, wodurch ein schmales Thal entstanden ist, in welchem die Präger Strasse verläuft. Der nördliche, tiefergelegene Theil des Porphyrs hat sich als stark zertrümmert erwiesen. Auf der Verwerfung liegen die Thermalquellen, und Verfasser glaubt die bislang unaufgeklärte Unabhängigkeit der nahe beisammenliegenden Schönauer und Teplitzer Quellen von einander mit dem Auf- einandertreffen der Zerklüftungsspalte auf die Verwerfung in Ver- bindung bringen zu dürfen. Die von Süden, vom Mittelgebirge, herabkommenden Gewässer stauen sich an dem Porphyr und treten auf der Verwerfung zu Tage; in Folge der Einbrüche in die bei Osseg gelegenen, oben genannten Kohlengruben wurde jedoch die Spannung ausgelöst und die Wasser flössen, ohne zu Tage zu treten, weiter. Soll demnach die Quelle so erbohr! wei den, dass sie von den Folgen eines eventuellen erneuten Einbruches in die Gruben nicht beeinträchtigt wird, so kann dies nach dem Verfasser nur in dem südöstlich von der Verwerfung gelegenen Theile des Porphyrs geschehen — Von den weiteren Ausführungen des Verfassers wollen wir hier noch eine interessante Beobachtung mittheilen, welche in dein schliesslich aufgelassenen Bohrloche hinsichtlich der Temperatur der Thermalquelle gemacht wurde: das wärmste Wasser wurde in 55 m Teufe angetroffen, v la ab bis zur erreichten grössten Teufe von 386 m nahm die Temperatur desselben ab. — Ein besonderer Abschnitt ist dem bohrtechinschen Theile gewidmet. Die verschiedenen Bohrmethoden werden er- läutert und es wird nachgewiesen, dass die angewandte penn- sylvanische Seilbohrmethode die den Bodenverhältnissen am besten angepasste war; endlich werden Vorschläge für die Lage, die Be- schaffenheit und Weite eines eventuell wieder niederzubringenden Bohrloches gemacht Näher auf die interessanten Ausführungen M.'s, zumal auf seine Ansichten über den Wärmebezug der Quellen, einzugehen, ist hier nicht der Ort, wir verweisen deshalb auf die Arbeit selbst. Bertram, W., Exkursionsflora des Herzogthums Braunschweig mit Einschluss des ganzen Harzes. Der Flora von Braunschweig 4 Auflag. Braunschweig. — 4,50 M. Buchenau, Prof. Realsch.-Dir. Dr. Frz , Flora der nord.ves deutschen Tiefebene. Leipzig — 7 M. Fischer, Prof. Dr. Bernh., Die Bakterien des Meeres nach den Untersuchungen der Plankton -Expedition unter gleichzeitiger Berücksichtigung einiger älterer und neuerer Untersuchungen Kiel. — 6,- M. Howard, Luke, o on the modilieations of clauds. London — 3M. Keilmann, Alex., Der Placentarboden bei den deeiduaten Thieren. Jurjew. — 2 M. Kiens, Prof. Dr Geo., Ueber das Verhältniss des männlichen und weiblichen Geschlechts in der Natur. Jena. — 0,80 M. Klingatsch, Ingen. Adjunct A., die graphische Ausgleichung bei der trigonometrischen Punktbestininuuig durch Einschneiden. Wien. — 3,— M. Krieger, Gymn.-Oberlehr. Dr. Rieh., Ein Reitrag zur Kenntnis- der Hymenopterenfauna des Königreichs Sachsen. Leipzig. — IM Läska, Dr. W., Einführung in die Funktionentheorie. Stuttgart. — 1,50 M. Lohmann, Paul, Lebensmittelpolizei. Leipzig. — 8 M. Looss, Dr. A., Die Distomen unserer Fische und Frösche. Stutt- gart, Subscr.-Pr. 20 M.; Einzelpr. 24 M. Merkel, Realgymn.-Lehr. E., .Molluskenfauna von Schlesien. Breslau. — 7 M. Potonie, H„ Ueber das Rothliegende des Thüringer Waldes. II. Theil: Die Flora des Rothliegenden von Thüringen. Berlin. — IG M. Weissermel, Wald., Die Korallen der Silurgeschiebe Ostpreussons und östlichen Westpreussens. Königsberg. — 1,60 M. Inhalt: Die LX. (XXXVI. Frühjahrs-) Haupt-Versammlung des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg. — Ueber die Steppen des_ südlichen Russland. — Ueber krystallisirte Ammoniakderivate von Kohlehydraten. -- Ueber Isotypie. -- Beziehungen zwischen chemischer Constitution und optischer Activität, -- Die Oburflächentemperatur der Sonne und der Fixsterne. Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur. — Ad. Alf. Michaelis, Der Kaffee (Cotfea arabica) als Gcnuss- und Heilmittel Carl Schubert, Der Park von Abbazia, seine Bäume und Gesträuche. — Professor Dr. Hyppolit Haas, Aus der Sturm- und Drangperiode der Erde. — Das Ausdehnungsgesetz der Gase. Abhandlungen von Gay Lussac, Dalton, Dulong und Petit, Rudberg, Magnus. Regnault. — Prof. R. Lauenstein, Die Festigkeitslehre. - Encyklopädie der Photographie. Norl Marischier, Die Ergebnisse der Teplitzer Tiefbohrungen. — Liste 288 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 23. Verlas Biologische Station zu Plön. von R. Friedländer & Sohn, llerlin NW., Carlstr. Forschungsberichte aus der Biologischen Station zu Plön. Herausgegeben von Dr. Otto Zacharias. Direktor der Biologischen Station. I. fheil. Mit 1 lithogr. Tafel M. 2,50. Inhalt: I. Fauna des Gr. Plöner Sees. — II. Beschreibung der 12 neuen Arten. — III. Biologische Mittheilungen. II. Theil. Mit 2 lithogr. Tafeln und 1 color. Karte (des ostholstein. Seengebiets) in Folio, 2 Periodicitäts-Tabellen u. 12 Abbildungen im Texte M. 7 — . Inhalt: Ule, Geologie und Orohydrographie der Umgebung von Plön. — Krause, Uebersicht der Flora von Holstein. — Richter, Gloiotrichia echinulata. — Graf Castracane, Die Diatomaceen des Gr. Plöner Sees. — Brun, Zwei neue Diato- meen von Plön. — Zacharias, Faunistische Mittheilungen. Zacharias, Beobachtungen am Plankton des Gr. Plöner Walter, Biologie und biolog. Süsswasserstationen. rias, Hydrobiolflgisehe A|ihorismen. r Sees. — Z a c h a - atent-technisches und | Verwerthung-Bureau Betelie. Berlin S., Kommandantenstr. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Vor Kurzem erschien und ist durch jede Buchhandlung gratis zu be- ziehen: Verlags-Katalog von Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. 1808—1892. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ HISTOIRE NATURELLE - ANATOMIE - MICRO&RAPHIE - LIBRAIRIE ZOOLOGIE, BOTANIQUE, GEOLOGIE, MINERALOGIE MAISON EMILE DEYROLLE LES FILS D'EMILK HEYROLLIÜ. NATURALISTKS, SUCCESSRURS 46, RUE DU BAC, PARIS USINE A VAPEUR A AUTEUIL, 9, RUE CHANEZ Les Catalogues suivants sont adresses gratis et franco sur demande Instruments pour les recherches des objets d'histoire naturelle et Ieur classement en collection. Pieces d'anatomie humaine et comparee, en mutiere ela-tique, staff et cire. Mammiferes, prix ä Ia piece Oiseaux, prix ä la piece. Reptiles et poissons, prix ä la piece. Coleopteres d'Europe. prix ä la pie.ce. Coleopteres exotiques, |uix ä la piece. Papillons d'Europe. prix ä la piece. Papillons exotiques, prix ä la piece Coquilles, prix ä la piece. Fossiles, prix ä la piece. 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No. 1 Mint ini'l KriistalhiwJelk; Mo. // Palaeontologie und allgemeine Geologie (ill); No. III Gt/psmodelle Oll); No. IV Gesteine nnd Dünn- schliffe, stehen auf Wunsch portofrei zur Verfügung, Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Berlin N. 4., Invalidenstr. 44, für den [naeratentheil : Hugo Herastein Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12.; [!. Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den 17. Juni 1894. Nr. 24. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- -ir anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— dö Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. JL Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 -A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseraten annähme hei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit, vollständige i- Quellenangabe gestattet. Das mitteljapanische Erdbeben von 1891. Wohl selten nur haben die Geologen so gute Gelegen- heit gehallt, den lange verinutheteu Zusammenhang «wischen Erdbeben und Dislo- cationen zu beobachten, wie bei jener Katastrophe, die imOctober des Jahres 1 b91 einen grossen Theil von Centraljapan heim- suchte. Zwar kannte man schon früher Oberflüchenveränderun- gen, die bei Eidlichen eingetreten waren, wie das Verschwinden des Quais von Lissabon, die Hebungen der chilenischen Küste, die Hebung ei nes grossen Flächen- gebietes auf der Nordinsel von Neuseeland im Jahre 1855 und die Entstehung des „Mound of God" oder Ullah-bund im Indus- delta während des Erdbebens vom 16. Juni 1819. Aber immer Hess man noch die Frage offen, besonders in dem erst- und letztgenannten Falle, ob die tectonische Veränderung die Ur- sache oder die Folge des Erd- bebens war. Schon aus diesem Grunde wird das grosse mittel- japanische Erdbeben in der Erd- bebenchronik eine ganz hervor- ragende Stelle einnehmen, ganz abgesehen von seiner Inten- sität, welche vielleicht noch die derRcvolutionen der Ansei- Periode von 1854 und 1855 übertraf. Es dürfte sich des- halb wohl der Mühe lohnen, etwas näher auf Ursachen und Wii klingen Figur 1. Das Hauptschiittergebiet in Centraljapan. diese furchtbare Katastrophe in ihren einzugehen. Zuvor jedoch müssen wir uns mit dem hauptsächlich heim- gesuchten Gebiet, mit den geo- logischen und topographischen Verhältnissen der Provinzen Mino und Owari bekannt machen. Die beiden Provinzen, eine auf drei Seiten von Gebirgen umrahmte Ebene, liegen ungefähr in der Mitte der japanischen Haupt- iusel, östlich von Kyoto, am Nordende der vom Pacifischen < »cean her tief einschneidenden Ise-Bai. Die Ebene mit einem Areal von 1051 qkm neigt sich etwas nach W hin und bietet einen an sich ziemlich eintönigen Anblick dar. Vor dem Unglücks- tage des 28. October 1891 war dieselbe ein Garten, von einem Netzwerk natürlicher und künst- licher Wasserläufe durchzogen, bedeckt mit Reisfeldern und Baumpflanzungen, aus denen Weiler und grössere Ortschaften, wie Nagoya, Gifu, Ogaki, her- vorragten; sie gehörte mit 304 Einwohnern auf dem qkm zu den bevölkertsten Distrieten des ganzen Centraljapan. Der Haupt- tiuss der Ebene ist der Kiso gawa, der sich mit dem Nagara gawa, Ibi-gawa und einigen kleineren Gewässern vereinigt 290 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 24. CTu{a und nahe dem Hafenort Yokkaichi in die Isebai mündet. Der Kiso-gawa und seine Nebenflüsse bringen aus ihrem sehr reissenden Gebirgslaufe grosse Mengen von Schlamm und Saud mit sich, die sie in der Ebene absetzen. Man er- zählt sich deshalb, das ganze äusserst fruchtbare Tiefland, das durch seineu Reisertrag mehrere hunderttausend Menschen ernährt, sei erst in historischer Zeit durch die Fhissablagerungen aus einem Sumpfe geschaffen worden, als dessen Rest man den im Westen gelegenen See Shimoike anzusehen habe. Es ist dies allerdings nur eine Fabel, der aber doch die Thatsache zu Grunde liegt, dass die Ebene in letzter Zeit bedeutend gegen die See hin ge- wachsen ist, wobei wohl ausser der Flusssedimentation auch eine nega- tive Strandverschiebung thätig war. und dass sie nach Beseitigung der Kanäle und Dämme in kurzer Zeit in einen Morast verwandelt sein würde. Das Tiefland wird, wie bereits erwähnt, auf drei Seiten Gebirgen eingeschlossen. von bildet das breite, Granit bestehende Gebirgsland Provinz Mikawa: der Granit, welchem Hornblende, Biotit Die aus der in und Muskovit als vorwiegende Kom- ponenten auftreten, nimmt häufig Gneisstructur an und schliesst grössere Blöcke und Schollen von Gneis, Glimmerschiefer und Amphibolschiefer ein. Im Westen wird die Ebene von dem malerischen, 715,5 qkm grossen Biwa-See, einem Binnensee, durch dasSuzaka- und das dem- ihre Schneemassen absetzen. Jenseits dieses Gebirges liegen die Provinzen Echizen und Kaga, das Stromgebiet des Kudzuryu-gawa mit dem Hauptort Fukui, ein geo- logisch noch wenig bekanntes Gebiet, in welchem meso- zoische Schichten und jüngere Eruptivgesteine auftreten, die in der Mino-Owariebene völlig fehlen. Im Süden dieses Grenz- gebirges treten zunächst Hornsteine, Crinoiden- und Foraniiniferenkalke auf, die nach Norden einfallen und von E-W streichenden Schiefern über- lagert werden; dann folgen wieder Hornsteine , Saudsteine, Schiefer u. s. w. ; im Norden grenzen die Hornsteine gegen die Granitporphyre des Hakusan Mayeyama. Im Streichen der Schichten zeigt sich hier ein auffallender Wechsel, wie ihn die schematische Figur 2 veranschau- licht; dieselbe Richtungsänderung fanden wir bereits beim Suzukage- birge. Nach Koto ist dies die Folge einer Torsionswirkung, der auch die tief eingerissenen, parallelen Quer- thäler des Tokuno, Neo. Mugi und Itatori ihre Entstehung verdanken, während der Zickzacklauf dieser Thäler auf Transversalspalten, Dia- klasen Daubrees, zurückzuführen ist. ,Die Fisur 2. Gebirgs- und Thalsysteme im nördlichen Mino selben vorgelagerte, von ihm ge- be- Ge- als Resultat sondern dass kruste der man nördlichen derartige Ver- keineswegs liegenden aber getrennte Yorogebirge schieden. Beide Gebirge stehen aus palaezoischen steinen, versteineruugsannen grauen Sandsteinen und schwar- zen Thonschiefern, mit denen Hornsteine und Radiolarienthone wechsellagern. Da C. Schwager in einigen hier und da auf- tretenden Kalkbänken typische Carbonfossilien nachweisen konn- te, so wird man wohl in den versteinerungsfreien Schichten das übrige Palaeozoikum zu suchen haben. Das Streichen der Schichten ist bei nord- westlichem Einfallen im Süden S-N, dann weiter nach Norden ein wenig NE, dann rein E-W, um schliesslich an der Nordost- ecke von Mino wieder gegen NE einzubiegen, wie es sich weit in das Gebirgsland von Hida verfolgen lässt. Nördlich hiervon erhebt sich ein zweites palaezoisches Gebirge, das erst dann nach NE umbiegt und Der südliche Theil der grossen Verwerfung. von SW nach E und sich durch die Provinz Hida hinzieht bis zur Vulcaugruppe des Hakusan in der Provinz Kaga, die sogenannten Japanischen Alpen, die Hauptwasserscheide in diesem Theile der Insel zwischen dem Pacifischen Ocean und der Japansee, an deren Westseite im Winter die kalten sibirischen Winde der Katastrophe, morgens um 6h die 37 Wirkungen hatte. Der heftigste; er warf die festen, Häuser, die eisernen Brücken fähif und Bauwerke eine Thäler im Mino,sagt Koto, zeigen Rcgelmässigkeiten in ihrem laufe, dass man sie Erosion allein auffassen kann, ihre Entstehung tief in der Erd- Lücken zuschreiben muss." Die letzten stärkeren Erd- beben in Centraljapan hatten stattgefunden in den Jahren 1826, 1827, 1854 bis 1855, die sogenannte Anseiperiode, und 1859. Dann war eine längere Zeit der Ruhe eingetreten. Seit 1885 hatte nun die seismische Thätigkeit wieder zugenommen und am 12. Mai 1889 war be- reits ein starker Stoss erfolgt. Auch im Jahre 1891 waren schon vor jenem Unglückstage des 28. October die Erd- erschiitterungen im allgemeinen ziemlich häufig, besonders in den Provinzen Musashi und Shimosa; man zählte von Januar bis October 26 Stösse, zu denen noch 17 im October selbst hin- zukamen; aber diese beschränk- ten sich alle mehr oder weniger auf die Umgegend von Tokio; das übrige Centraljapan blieb ohne Vorboten des kommenden Unglücks; es blieb ruhig bis zu paroxysmatisch am 28. October, 1 llsec eintrat und grauenhafte erste Stoss war zugleich der mit Schiefer gedeckten und andere widerstands- wie die Strohhütten, ebenso begrub grosse Zahl nieder, der unglücklichen Bewohner Nr. 24. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 291 unter den Trümmern. Von vielen Hänsern wurden die Dächer abgedeckt und unversehrt auf den Hoden gesetzt, sodass sie aus der Ferne den Anblick riesiger Sättel ge- währten. Zwischen Nagoya und Gifu reihte sich trüber Dorf an Dorf, sodass der Weg einer einzigen fortlaufenden Strasse von über 20 Meilen Länge glich; das Erdbeben schob eine Ortschaft in die andere und warf die Häuserreihen nieder, sodass nur ein schmaler Pfad zwischen zwei uudefinirbaren Trümmerhaufen übrig blieb. In einigen Ortschaften, wie Ogaki, Gifu und Kasamatsu, brach nach den ersten Er- schütterungen unter den Ruinen Feuer aus, und manches Menschenleben, das vielleicht sonst noch hätte gerettet werden können, fand so den Untergang. Gifu, der Haupt- ort der Ebene, besass vor dem Erdbeben in 6035 Häusern 28 73 1 Einwohner; von diesen fanden 230 den Tod, während 1200 mehr oder weniger schwer verwundet wurden; von den Gebäuden wurden 740 völlig, 3002 halb zerstört, und zwar fielen 113 dem Feuer zur Beute. Ogaki, die frühere Residenz der Prinzessin Toda, wurde völlia: dem Erdboden gleich gemacht. Kasamatsu, am Gifu, Echizen, war auch nicht ein Gebäude ganz ohne Risse geblieben, war auch nicht einer der die Wasserläufe be- Deiche ganz gesehätzt. ganze Alluvial- o<1 südlich von hatte dasselbe Schicksal und seine Trümmer glichen nur einer rothen Masse von Ziegeln und Schutt; von den 4732 Ein- wohnern wurden 221 getötet und 408 verwundet, während von den lu06 Gebäuden 983 völlig und 2'-! halb zerstört wurden, hier blieb also kein Haus stehen; freilich wurden 553 Gebäude ein Raub der Flammen. Takegahana, süd- westlich von Kasamatsu, erging es nicht besser, wenn nicht noch schlimmer; denn von den 1950 Einwohnern fanden 268 den Tod und wurden 283 ver- wundet; von den 1180 Häusern wurden, einschliesslich der 525 niedergebrannten, 1172 ganz und zwei halb zerstört. Von dem namenlosen Elend, welches durch das Erdbeben veranlasst wurde, kann selbst der offizielle Bericht nur eine unbestimmte Vorstellung geben, dass über 7000 Menschen getödtet, über 17O00 verwundet und über 270 000 Gebäude mehr oder weniger zerstört wurden. Die nachstehende Tabelle giebt einen Ueberblick über die Vertheilung der Ver- wüstungen auf die sechs zum Hauptschüttergebiet ge- hörigen Districte. gleitenden Deiche ganz unversehrt geblieben; 510 km betrug die Gesammtlänge der auszubessernden Damm- theile; auf 17 km war die Eisenbahn völlig zerstört; die Eisenbahnbrücken, welche nicht eingestürzt, waren mehr oder weniger unbrauchbar geworden. Der ilireete und indireete Verlust, den Handel und Gewerbe in Na- goya allein erlitten, wird auf 1 778 693 yen oder .V ., Mill. Mark, der Gesammtschaden auf 90 Mill. Mark Während der Erschütterungen glich die ebene und die benachbarten Gebirgstheile einer wogenden See. Ueberall, besonders in der Umgegend von Nagoya, entstanden im Boden zahlreiche Spalten und Risse. Kleine Schlanimvulcane, ähnlich den Sandkratern beim Erdbeben von Acbaja, bildeten sich ebenfalls an vielen Orten, hauptsächlich am Shonai-gawa. Bei Biwashima, einer Vorstadt von Nagoya, wurden im Flussufer viele Sprünge und Abbruche veranlasst. Hier wurde auch ein grosses, mit Bambus und Fichten bestandenes Stück des Deiches um 60 Fuss zur Seite geschoben, ohne dass die Bäume ihre senk- rechte Stellung veränderten, eine Erscheinung, die sich nur durch eine plötzliche Verschiebung er- In Gifu g-ing das Figur 4. Verschiebung der Ackerdämme bei Nishikatabira. Distrikt Menschen Gebäude zerstört ver- wundet ge- tödtel *•» *«»> ssä durch Feuer und Erdbeben Mino 12 311 4 889 114616 30 9941 249 5 934 4 877 2 357 SO 428 43 845 196 — Mikawa .... 49 13 1020 1 464 — — Echiüon .... 98 12 1 OSO 1 188 — — Omi 47 0 153 366 — — Miye 11 2 233 439! — — Summe 17 393 7 279 192 530! 78 276 445 5 934 Bei der durch das genauer Untersuchung ergab Erdbeben verursacht von Menschenhand bei erst anzunehmen genei der stärksten Zerstörun sich später, dass e Schaden an Werken weitem grösser war, als man zu- ;-t gewesen; denn in dem Gebiete g, im nördlichen Mino und südlichen klären lässt. Gerücht, der Mittelpunkt der Zerstörung liege in der Nähe des Neothales, und hier seien ausserordentliche physikalische Veränderungen eingetreten. Zur Untersuchung des Thatbestandes wurde der Director des Meteoro- logischen Institutes in Gifu ab- geschickt, der Folgendes fest- stellte. Bei Nogo war eine be- trächtliche Senkung der Erd- oberfläche eingetreten und das allgemeine Aussehen von Midori war völlig geändert. Im Neothale, dem scheinbaren Ausgangspunkte der Erschütte- rungen, waren grosse Geröllmassen von den steilen Thalgehängen niedergestürzt, deren Volumen stellenweise, /.. 1). bei Kiinbara, so gewaltig war, dass die Thalwände in den Fluss geschoben schienen; hier und da wann ganze Erdschollen mit ihrem Baumbestande abgerutscht, und die das Thal durchziehende Strasse war völlig zer- stört. Die auffallendste Erscheinung war jedoch der grosse Erdriss, der sich an der Oberfläche über Hügel und durch Felder hin verfolgen Hess. Hier war das weiche Erd- reich in Schollen aufgeworfen, wie auf einem frisch- gepflügten Acker, und die Reihen der Erdhaufen wurden von den Einwohnern treffend mit Maulwurfshügeln ver- glichen. Wahrscheinlich wurde durch eine ähnliche, bei einem früheren Erdbeben aufgetretene Bildung der alte Glaube der Japaner veranlasst, die Erdbeben würden durch die Bewegungen eines unter dem japanischen Reiche liegenden Ungeheuers hervorgerufen. In einem Kalender aus dem 11. Jahrhundert findet sich dieser Glaube durch ein sog. Erdbebeninsect illustrirt, ein Geschöpf mit zahl- reichen Anhängseln und einem Drachenkopf, das auf dem Rücken eine Karte von Japan trägt. Die Bildung von Spalten und Rissen ist eine bei heftigen Erdbeben häufig beobachtete Thatsache, für welche sieh eine Unzahl von Beispielen anführen lässt; erinnert sei nur an die Erdbeben von Caracas, Riobamba und Calabrien. Aber in diesem Falle hat man es doch nicht mit einer Erscheinung ge- wöhnlicher Art zu tliun; denn hier sah man thatsächlich 292 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. Nr. 24. sich, Bei der man Midori im den Namen Verwerfung Neothale war der Boden Länge des Thaies nach gespalten und eine Seite war eine Bildung vor beilegen musste. der in die Tiefe gesunken, sodass eine steile Stufe von 5 bis 6 m Höhe entstanden war; au der Bruchstelle zeigte sich regelmässige Böschung und gewährte von Osten her, dem Thale, den Anblick eines Eisenbahndammes. die Höhe weniger bedeutend war, dehnte sich ein 60 cm hoher Kamm aus eine aus Wo 50- bei liehe Shimoshiragane Richtung lockerer Erde grösste Maulwurfsgange aus, der die Aehulichkeit mit einem ^_.iu_i oesass. Wir müssen hier etwas ge- nauer auf dieses eigenartige Phaenomen der neugebildeten Dislocation eingehen und wollen dasselbe seinem Verlaufe nach von Süden an verfolgen. (Vergl. die Karte Fig. 3.) Bei Nishi- Katabira, einem kleinen, zwischen Hügeln aus grauen Tertiärsand- steinen gelegenen Dorfe im Districte Kani, Provinz Mino, liegt eine Koze genannte Loca- lität; hier befand sich am Ab- hänge eines Hügels das Budd- histenkloster Fukudenji. Der Hügel war mit den Gebäuden in das flache Land gesunken, welches sich in einzelne Erd- klumpen aufgelöst hatte und 5 m hoch aufgeschwollen war. Weiter nach NW. hin war das Gelände durch eine scharfe Linie zerschnitten, an der sich die NEseite und um 1 — 12 m nach NW. verschoben hatte. Die Hori- zontalverschiebung wurde dadurch bewiesen, dass die Grenzwälle zwischen den Feldern schräg durchschnitten und die Theile gegen einander verschoben waren, wie es die scheniatische Fig. 4 zeigt. Die Verwerfung zieht sich weiter nach NW. bis Tsuchida, wo sich der Boden am Uferdamme des Kani, eines kleinen Nebenflusses des Kiso-gawa, eine Meile weit gesenkt hatte. Figur 5. Die Veränderungen bei Takatomi. ein wenig gesenkt Der Berg Dai- tenjin, dicht bei Tsuchida und am Süd- ufer des Kiso, wurde scharf durchschnitten und die Ostseite war etwas gegen die Westseite abgesunken, wie dies an dem steilen Kisoufer deutlich sichtbar war. Die Linie kreuzt nun den Kiso-gawa öst- lich von Katsuyama am Nakasendo, wo der Boden für den Weizen- und Gersten- bau terrassirt war; ein Theil desselben, 2000 qni, innerhalb des Bezirkes des Buddhistenklosters Kakuzenji, wurde so vollkommen umgewühlt, dass alle Spuren des bebauten Landes vernichtet wurden und nur Erdklumpen und Wurzeln die Oberfläche be- deckten; es muss hier durch den Stoss die lockere Ackerkrume vom unterlagernden festen Gestein geradezu abgeschleudert sein. Der Grund hierfür ist darin zu suchen, dass nur eine dünne Lage lockeren Bodens auf der festen Gesteinsbasis ruhte. Die Dislocation setzt sich nun in der Richtung N10°W durch Hügel und Felder Ortschaften Ösugi, dann nach einem viel- Verschiebung der Bäume in Umehara. Richtung fort bis zu den schwer geschädigten Hazaiua und Nishitabara, kreuzt fach gewundenen Laufe den Tsubo-gawa, durchquert die Dörfer Kurachi und Oyana, setzt sich über den Nagara fort und nimmt dann eine nordwest- an über Senbiki, Toda, den Mugi-gawa, gegen Mori und Sebo bis Ishiwara. Hier befand sich ein grosser künstlicher Teich zur Feldbevvässerung, der von Norden her durch eine Quelle gespeist wurde und im Süden seinen Abfluss hatte; die Verwerfung ging in ost-westlicher Richtung mitten hindurch, und der nord- liche Theil senkte sich mit dem umliegenden Gebiete, 17 851 qm, bei gleichzeitiger Verschiebung nach NW.; die Wirkung war, dass nun der Aus- lass zu hoch liegt; trotzdem vermehrt sich bei beständigem Zufiuss von N. her die Wasser- menge des Teiches nicht, wahr- scheinlich weil durch eine neu- gebildete Spalte das Wasser in demselben Maasse abfliesst, als die Quelle zufuhrt. Der Riss verläuft nun durch Taromaru, dann längs der Südseite der neuen Chaussee zwischen Seki und Takatomi und ist hier an der schwachen nördlichen Sen- kung des sonst ebenen Gelän- des zu erkennen. Ungefähr 500 Schritt vor Takatomi wird die Strasse durchschnitten; der Nordtheil senkte sich um 1,5 m bei gleichzeitiger Verschiebung nach NW. um 1 m. Takatomi, ein ziemlich ansehnlicher Ort, mit 1746 Einwohnern, wurde völlig zerstört; alles wurde durch- einander geworfen und mit den einzelnen Erdschollen emporgehoben; 87 Menschen fanden den Tod, während 158 mehr oder weniger verwundet wurden. Nördlich von dem ( Irte ist die Verwerfung doppelt, wie die Karte Fig. 5 veranschaulicht; nach Norden hin ist der Boden gesenkt und nach Westen ver- schoben, so dass das früher ebene Feld jetzt einen natürlichen Abhang bildet. Ein Gebiet von 2 qkm um den Toba-gawa, einen Nebeufluss des Nagaragawa, im Be- reiche der Dörfer Nislii- und Higashi- Fukase, nördlich von Takatomi, erlitt eine bedeutende Senkung, sodass der Fluss zu einem tiefen See aufgestaut wurde, der ebenso, wie zwei kleinere derartige Ge- bilde, im Osten von Takatomi, später durch einen Kanal entwässert wurde; da ; das Erdbeben gerade in der Zeit der Reisernte fiel, so sahen sich die Ein- wohner gezwungen, sofern sie ihren Feld- ertrag nicht einbiissen wollten, den Ueis von Kähnen aus zu schneiden. Einige Hütten am Nordrande des neugebildeten Sees blieben wunderbarer Weise erhalten, kaum 2 km von dem unglücklichen Takatomi der Grund ist der, dass sie sich hinter also im Erdbebenschatten befanden; in und aus demselben Grunde blieben oft- in den Seitenthälern unberührt, während alles vernichtet wurde. Die Verwerfung J&> «. obgleich sie entfernt lagen; einem Hügel, gleicher Weise mals Gebäude in der Ebene kreuzt nun das Dorf Toba, dessen Häuser in Schutthaufen verwandelt wurden und setzt sich dann westlieh bis Horachi fort, wo der Nordttheil gesenkt und dem er- wähnten neuen See einverleibt wurde. Sie lässt sich dann über die Hügel von Mochiuari und Azukizaka bis Nr. 24. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 293 ^j |li II! w Hl Hl W An, mm um* 'ijtl Ift «i * ff « « iL.-.:1 ^ zunr Weiler Uniehara verfolgen. Hier standen in einem Garten zwei Bäume in ost-westlietaer Richtung zu ein- ander; die Verwerfung ging zwischen ihnen hindurch, und in folge der Verschiebung des nördlichen Theiles nach NW. erhielten sie nunmehr, wie die schematische Figur li darstellt, eine nord-südliche Richtung, ohne sonst eine Verletzung zu zeigen; da die Verwerfung hier an der Erdoberfläche als eine dem ungeübten Auge unsichtbare Linie angedeutet wurde, so war die Verschiebung der Bäume für die Einwohner des Ortes ein unerklärliches Räthsel. Etwas weiter hin lag ein Gebäude, wie viele andere auch, dicht an einem kleinen Gewässer; der Unter- grund senkte sich ein wenig und das Gebäude wurde unter Wasser gesetzt. Am Wege nach Omori wurde auf dem Hügel Koshigirizaka von der Dislocation ein fester Felsen durchschnitten, dessen Nordseite sich senkte. Die Dörfer Omori, Ögura, Fujikura, Horada und Matsuo liegen in einer beckenförmigen Erweiterung des Ijirathales, welches, entsprechend dem Hauptthalssystem im nördlichen Mino, das Gebirge nach SE durchbricht. Omori, im alten Flussbett gelegen, litt natür- lich am meisten ; viele Stücke des Bodens senkten sich, andere hoben sich; der Untergrund des ganzen Dorfes war nach allen Richtungen hin geborsten, sodass es schwierig ist, in diesem Chaos von Spalten und Rissen die eigentliche Ver- werfung zu verfolgen. Diese ver- läuft durch die Hügelreihen dieses Gebietes nach NW, biegt dann über NNW nach N um und setzt sich in das Neothal fort, welches sie bei Kimbara erreicht. Dieser Ort liegt dicht an dem Risse und litt deshalb bedeutenden Schaden. Weiter nördlich liegt das Gebiet grösster Zerstörung; hier waren, wie gesagt, Bergstürze von sol- chen Dimensionen erfolgt, dass die Thalwände näher an einander gerückt schienen, und der Weg im Thale war völlig zerstört und verschüttet; tagelang noch lösten sich Felsmassen los und stürzten nieder. Die Dislocation tritt dann wieder auf östlich von Hinata, wo der Neofluss zahlreiche Windungen macht. Beim nächsten Dorfe weiter oberhalb, Hirona, liegt er auf dem linken Flussufer und tritt nördlich von Midori auf das rechte über. Hier durchschneidet er einen neuen Weg, dessen westlicher Theil um 6 m gesunken ist; wahrscheinlich hat sich jedoch der östliche, der auch, wie durch den Wechsel der Wegrichtung angedeutet wird, um 4 m nach Norden verschoben ist, gehoben, eine in diesem Falle zwar ab- norme Erscheinung, die aber dadurch bewiesen wird, dass etwas oberhalb, da, wo früher die Brücke lag, der flache Fluss zu einem tiefen See aufgestaut wurde, den man später durch einen Seitenkanal entwässern musste. Die Verwerfung, die bei Jtasho vollständig einem Maulwurfs- gange gleicht, zieht sich durch Ichiba und Kodokoro, er- scheint wieder an der Strasse bei Naka und geht mitten durch die Felder von Osso. Bei Nagashima, wo der Riss an der Landstrasse entlang läuft, senkte sich der Boden mit den Häusern um 1 m bei gleichzeitiger Verschiebung gegen Norden um 2 m. Bei Nogo tritt die Spalte in das Kanakanithal, ein Seitenthal des Neothales, ein und erreicht die Hügel hinter dem Gongentempel, der voll- ständig zerstört wurde. Dieser Tempel war ein für japa- nische Verhältnisse uralter Holzbau, im Jahre 1673 erbaut, grosse Verwerfung Figur 7. Die Verwerfung im Fujitani. und hatte bisher allen Erdstösscn, von denen dieses Gebiet keineswegs verschont gehlieben war, standgehalten. Am Eingange in das enge Fujitani (Fujithal) hat sich ein 1—1,5 m hoher Erdwall gebildet, an dessen Ostseite das Land abgesunken und nach Norden verschoben war. wir es die schematische Fig. 7 darstellt. Von allen das Thal umgebenden Höhen stürzten gewaltige Erdmassen sammt ihrem Baumbestande nieder, und der kleine Bach wurde zu einem See aufgestaut. Ebenso wurden in dem tief eingeschnittenen Konokamathale, am Fusse des Hakusan, grosse Bergstürze veranlasst, die durch ihren Lärm und die aufgewirbelten Staubmassen den Gedanken an einen Vulcanausbruch nahelegten; der Bach wurde hier von der Westseite des Thaies auf die Ostseite gedrängt und eine Strecke weit überdeckt. Auch aus weiter nördlich gelegenen Gebieten werden noch Bergstürze und Spalten bildungen gemeldet, sodass es wahrscheinlich ist, dass sich die nur wenig über den Hakusan hinaus verfolgte st in nordwestlicher, dann in nörd- licher Richtung bis Fukui hin- zieht, also im ganzen von Kata- bira an in einer Länge von 112 km. Auf der ganzen Strecke ist, abgesehen von der einen er- wähnten Ausnahme von Midori, überall die Ostseite gesunken und nach Norden verschoben. Nach dem offlciellen Berichte umfasste das Gebiet stärkster Zer- störungen, in welchem Gebäude völlig oder fast völlig zerstört wurden, 11 111 qkm; dasselbe zog sich von der Küste von Mikawa an bandförmig durch die Provinzen Owari, Mino und Echizen und war in der Ebene dreimal breiter als im Gebirge; zu diesem Erschütterungsgebiete erster Ordnung gehörte auch die Umgegend von Hikone am (»st- ufer des Biwasees, von dem Haupt- theile durch das verhältnissmässig ruhige Suzukagebirge getrennt: hier hat man wahrscheinlich einen selbständigen Erdbebenheerd anzunehmen, der mit dem der Mino-Owariehene nur in indirecter Beziehung stand, also ein sogenanntes Relaisbeben Lasaulx'. Das Schtittergebiet zweiter Ordnung, in welchem noch Gebäude schweren Schaden litten, Mauern, Deiche und Brücken theilweise zerstört und die Brunnen getrübt wurden, umfasste ein Areal von 44 907 qkm und dehnte sich bis über Tokio hinaus aus. Auf einer Fläche von 52 315 qkm, bis zur Mitte der Insel Shikoku, entstanden noch Risse in den Mauern, blieben Uhren stehen und wurden Hausgeräthe umgeworfen. Deutlieh gefühlt wurden endlieh die Stösse noch bis über Sendai einerseits und Nagasaki anderer- seits, also in einem Oebiete von KU 722 qkm. Das ge- sammte Erdbebengebiet in Centraljapan umfasste demnach ein Areal von über 243 000 qkm oder mehr als 60% des ganzen japanischen Reiches. Ueberhaupt bemerkbar machte sich die Erdrevolution selbst noch auf der Stern- warte zu Berlin und dem Magnetischen Observatorium in rnetische Wage 20 Minuten lang in Potsdam, wo die ma zitternde Bewegung gerieth. Mit der Katastrophe des 28. October hatte indessen die Erdbcbenthätigkeit dieser Periode noch keineswegs ihr Ende erreicht. Stösse von geringerer Intensität waren noch lange Zeit hindurch wahrzunehmen und zwar in be- trächtlicher Anzahl, wie die nachstehende Tabelle zeigt. 294 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 24. D a t u in Gifu Nagoya in Gifu m o h r Zahl der Tages- mittel Zahl der Stösse Tages- mittel te1 !Tases- SWsse!1»^1 < »kt. 28— Okt. 31 Nov. 1 — Nov. 4 Nov. 5— Nov. 8 Nov. 9- Nov. 12 Nov. 13— Nov. 20 Nov. 21- Nov. 27 1891 Nov. 28 — 1892 März 31 April 1— Okt. 25 719 350 207 162 210 109 831 404 180 87.5 51.75 40.5 26.25 15.6 6.7 1.9 438 137 83 40 87 54 209 77 121 31.25 20.75 10 11 7.9 1.7 0.4 236 213 124 122 iL'.". 55 6(i2 327 59 53.25 31 30.5 15.25 7.7 5 1.5 Summe 2 992 1 170 1822 Aus der bedeutend grösseren Zahl der Erdstösse in Gifu geht hervor, dass dieser Ort dem eigentlichen Herde des Erdbebens bei Weitem näher lag, als Nagoya. Dieser befand sich, wie die an umgestürzten Grabsteinen und Tempelsäulen angestellten Intensitäts- und Richtungsbe- stimmungen Omoris ergeben haben, in unmittelbarer Nähe der grossen Verwerfung, wie sich auch schon aus den hier vorgekommenen Veränderungen und Zerstörungen schliessen Hess. Ueber die Ursachen des grossen „mitteljapanischen Erdbebens" sind die verschiedensten Vermuthungen aus- gesprochen worden. Auf abergläubische und abenteuer- liche Vorstellungen, wie die Thätigkeit eines Erdbeben- ungeheuers, kosmische Ursachen oder dergleichen mehr, brauchen wir nur hinzuweisen. Thatsache ist zunächst, dass nirgends in dem ganzen Gebiete früher oder später ein Vulkanausbruch stattgefunden hat, mit dem mau die Erscheinung in Verbindung bringen könnte; mit einem sogenannten vulkanischen Beben haben wir es also nicht zu thun. Dr. Berry vom Doshisha-Hospital in Kyoto will in Ogaki, wo er sich damals aufhielt, drei Secunden vor dem ersten Stosse ein Geräusch, wie einen fernen Donner, gehört haben, eine Erscheinung, die an sich nicht unge- wöhnlich wäre, aber in diesem Falle unwahrscheinlich ist, da ihre Beobachtung von sonst Niemand bestätigt wird; Berry glaubt dadurch seine Ansicht bekräftigt zu sehen, dass bei diesem Erdbeben nur elektrische Kräfte im Spiele waren, wie denn seiner Ansicht nach überhaupt jedes Erdbeben lediglich ein „elektrisches Gewitter im Erdinnern" darstellt. Iguchi, der Director des Mete- orologischen Observatoriums zu Gifu, der von der Regie- rung zu Untersuchungen in das Neothal geschickt war, hält das Erdbeben für die Folge eines Einsturzes. Im Fujitani nämlich sollen vor ungefähr fünfzig Jahren einige Löcher von 2 m Durchmesser entstanden sein, die unend- lich tief waren; denn, warf man einen Stein hinein, so hörte man denselben minutenlang ('?!) aufschlagend nieder- fallen; im Laufe der Zeit schlössen sich die Oeffnungen wieder, und nach dem Erdbeben war an ihrer Stelle eine flache Einsenkung vorhanden. Durch einen unterirdischen Einsturz sollen nun die Bergstürze an dieser Stelle ver- anlasst sein, und diese sollen durch die hervorgerufenen Erschütterungen die übrigen Erscheinungen im Gefolge gehabt haben; es sollen sich nämlich durch die locale Senkung sechs vom Fujitani ausstrahlende Linien gebildet haben, an denen entlang sich die Erdbeben wellen fort- pflanzten. „Nur durch den Bergsturz im Fujitani, sagt Iguchi, wurde das grosse Erdbeben veranlasst, da alle Gebiete, durch welche sich die erwähnten sechs Linien hinziehen, schwer erschüttert wurden." Dieser an sich wohl möglichen Annahme widerspricht die gewaltige Ver- breitung des Bebens, da derartige „Einsturzbeben" stets nur auf ein kleineres Gebiet beschränkt bleiben. Unter diesen Umständen bleibt natürlich nur noch die Annahme einer tektonischen Veranlassung übrig, und da kommt natürlich in erster Reihe die grosse Verwerfung in Be- tracht; es handelt sich nur darum, ob wir dieselbe als Ursache oder als Folge des Erdbebens ansehen wollen. Die Entstehung von Spalten und die Hebung und Senkung einzelner Theile ist eine bei heftigen Erdbeben häutig beobachtete Erscheinung, die man in der Regel als Folge der Erschütterung im Alluvialboden anzusehen hat. Hier hat man es jedoch mit einer Bildung ganz anderer Art zu thun. Wir haben einen Bruch der Erdoberfläche von über 100 km Länge, der sich in gleicher Weise durch die Ebene und das Gebirge hinzieht; auf dieser ganzen Strecke hat sich eine Erhöhung des Erdbodens gebildet, die bald einem mehrere Meter hohen Damme, bald einem niederen gerundeten Rücken, bald einem riesigen Maul- wurfsgange gleicht und nur stellenweise fast ganz ver- schwindet; auf der ganzen Strecke hat sich, mit Aus- nahme der Umgegend von Midori, die östliche resp. nördliche Seite um oft mehrere Meter gesenkt und nach W resp. N verschoben. Eine derartige Zerreissung der Erdkruste können wir unmöglich als Folge des Erdbebens ansehen, da sie jeder Analogie entbehren würde, selbst bei viel gewaltigeren Erschütterungen. Trotzdem die geologische Structur des von der Verwerfung durch- laufenen Gebietes weniger bekannt ist als die von Lago di Croce, werden wir doch nicht fehl gehen, wenn wir auch hier eine Anzahl von Dislocationslinien annehmen, und wenn wir das Erdbeben vom 28. October 1891 ledig- lich als die Folge einer erneuten Bewegung auf der Basis er begrenzten Fossa magna" heftiger Erdstösse einer dieser schon vorher bestehenden, das nördliche Mino und südliche Echizen von NW bis SO durchziehenden Linien, etwa der des Neothales, auffassen. Da indessen die Verwerfung nirgends die Meeresküste erreicht, so ist, bei dem völligen Mangel an absoluten Höhenmessungen, nicht zu entscheiden, ob wir es mit einer Hebung oder Senkung zu thun haben und, wenn das letztere der Fall, ob mit einer Senkung des ganzen Inselgebietes östlich der neuen Bruchlinie oder mit einer eng Grabenversenkung, was in Analogie zur ,. das wahrscheinlichere ist. Auch über die Art der Ausbreitun hat das mitteljapanische Beben werthvolle Aufschlüsse geliefert. Wie schon beim Erdbeben von Kumamoto auf Kyü-Sbü am 28. Juli 1889, so konnte Koto auch hier nachweisen , dass sich derartige Erschütterungen nicht über eine seismische Fläche, sondern nur an seismischen Linien innerhalb enger Grenzen fortpflanzen. Es kann dadurch vorkommen, dass von zwei nicht weit von ein- ander entfernter Ortschaften oder Gebäude, das eine völlig zerstört, das andere verhältnissmässig wenig beschädigt wird, ohne dass man von der Wirkung eines Erdbeben- schattens reden könnte; mau könnte in solchen Fällen, wie der erwähnte Dr. Berry's, eher von besonderen eigeu- thümlichen „Launen der zerstörenden Kraft" bei Erdbeben sprechen. Dieselbe Erscheinung mag auch bei Erdstössen geringerer Intensität auftreten; nur werden sich hier ihre Folgen mehr verwischen und im berücksichti verwischen werden.*) Allgeu weniger G. Maas. *) Die wesentliche Original-Litteratur über das besprochene Erdbeben, die in Obigem Verwendung gefunden hat, findet sich in „Journ. Coli. Sc. finp. Univ. Japan" und „Tour du monde". Milne und Burton haben ein eigenes Werk veröffentlicht: „Earth- quakes of Japan." Nr. 24. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 295 Die LX. (XXXVI. Frühjahrs-) Haupt-Versammlung des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg am 20. Mai 1S94 zu Toiri]ilin (Uckermark), (Schluss/ Herr Professor P. Aschcrson theilte mit, dass, wie ihm Herr Professor Pfuhl von Posen gemeldet, der dort schon seit mehr als einem halben Jahrhundert bestehende Naturwissenschaftliche Verein eine botanische Commission niedergesetzt habe, tun die Erforschung der Flora dieser Nachbarprovinz energisch zu fördern. Zu diesem Zwecke sollen nach dem Vorbilde unseres Vereins Wander-Ver- sammlungen*) und die Herausgabc einer Zeitschrift dienen. Oberlehrer Spribille in Inowrazlaw, gegenwärtig der beste Kenner der Flora der Provinz, ist Mitglied dieser Commission. Ferner legte derselbe einen an der Küste Hinter- pommerns ans Land gespülten, gebleichten Pflanzenkörper vor, der ihm zur Bestimmung eingesandt worden war. Er erwiess sich als das holzige Skelett eines zu alt ge- wordenen Kohlrabi, das durch die Fäulniss frei geworden und durch den Aufenthalt im Salzwasser auf das Sauberste präparirt worden war. Die dann folgende anerkennende Besprechung der kürzlich erschienenen Flora des nordwestdeutschen Tief- landes von Professor Buche na u wird in diesen Blättern ausführlich mitgetheilt werden. Im Anschluss daran schilderte Vortragender die Eindrücke eines Ausfluges nach der Lüneburger Haide, den er kürzlich mit Herrn Graebner ausgeführt hatte. Die Seltenheit oder das Fehlen mancher in der Mark gemeiner Pflanzen (Ononis, Holosteum, Bromus tectorum, Papaver Rhoeas und dubium, Pluphorbia Cyparissias, Saxifraga granulata, Tragopogon- Arten), die Häufigkeit mancher bei uns fehlender Heide- und Moorpflanzen (Empetrum, Myrica, Narthecium) sind gleich auffällig. Herr Gustos P. Hennings sprach über Exotische Pilze in den Gewächshäusern des Berliner bo- tanischen Gartens. — Er schreibt uns: Während der letzten Jahre besonders sind zahlreiche exotische Pilzarten in Warmhäusern des botanischen Gartens aufgetreten und haben sich zum Theil stark ver- breitet, welche mit importirten Pflanzen oder Hölzern aus den afrikanischen Kolonien eingeschleppt worden sind. Einzelne der interessanten und grösseren Arten will ich hier namhaft machen. Tremella fueiformis Berk. kommt nach Saccardo in Brasilien, C. Amerika, Cuba, Ost-Indien und auf Ceylon vor. Das botanische Museum erhielt diese Art ausserdem aus Kamerun, Togo, Madagascar und Usambara in Alkohol zugesendet. Bereits im Jahre 1890 trat dieser Pilz, welcher aus einem viellappigen, gallertigweichen, reinweissen Fruehtkörper, der sich aus einem kurzen chromgelben Strunck entwickelt, und welcher mit einer sehr grossen gefüllten, weissen Camellieublüthe gewisse Aehnlichkeit hat, an einem Holzstück, woran eine epiphytische Aracee eultivirt wurde, auf. Dieses Holzstück stammt nachweislich aus Kamerun und wurde 1888 von Job. Braun übersendet. Seit jener Zeit hat sich dieser schöne Pilz in mehreren Warmhäusern stark verbreitet und zwar an verschiedenartigen Stammstücken heimischer Laubhölzer, so an Ulmen, Erlen, Pflaumen etc. Eine besondere Eigenthümlichkeit dieses Pilzes besteht darin, dass, wenn mau die lappigen Fruchtkörper von der *) Die erste dieser Versammlungen hat inzwischen /.u Samter getagt. wulstigen, chromgelbcn Uasis, die aus dem Stamm her- vortritt, bei ihrer Reife regelmässig abpflückt, sich diese stets von Neuem üppig entwickeln. So konnte ich von einem Ulmenstammstück, dessen eine Seite etwa 1 Fnss hoch mit dem Pilz bewachsen war, die Fruchtkörper von regel- Ende October 1893 bis Anfang Mai 1894 fast massig alle 8 Tage ernten. Geschieht dieses Abnehmen der reifen Pilze jedoch nicht, wie ich es an anderen Stellen constatirte, so faulen sie und es geht ebenfalls die Basis und oft auch das Mycel zu Grunde. Das auf der Versammlung zu Templin vorgelegte Exemplar war aus einem Pflaumenstammstiick gewachsen und durch be- sondere Grösse und Schönheit, welche jedoch durch den Transport ungemein abgenommen hatte, ausgezeichnet. Das Exemplar hatte etwa 3 Monate zu seiner Entwicke- lung gebraucht. Im frischen Zustande misst es reichlich 50 cm im Unifange, 15 cm im Durchmesser, 7 cm in der Höhe. Eingetrocknet, schrumpft der Fruchtkörper des Pilzes wie alle Tremellinen bald auf ein geringes Maass zusammen, nimmt jedoch angefeuchtet sehr bald wieder seine ursprüngliche Gestalt, Grösse und Färbung an. In mit Va Wasser versetztem Alkohol bleibt die Tremella un- verändert, während sie in stärkerem Alkohol stark ver- schrumpft, dagegen aus diesem in Wasser gelegt wieder völlig weich wird und die ehemalige Form gewinnt. Gleichzeitig mit der Tremella wurde an Holz, welches mit einem Polypodium bewachsen war, ein zierlicher Ascomycet, Xylaria Arbuscula Sacc. aus Kamerun ein- geschleppt. Dieser Pilz besteht aus 1 — 5 cm langen, verästelten, schwarzen, zottigen, an der Spitze oft eigen- thümlich traubig-verzweigten Keulen, die meist eine pfriem- liche Spitze tragen. Das Museum erhielt diese Art aus Kamerun, Togo, Usambara in Alkohol vielfach zugesendet. — Auch dieser Pilz hat in Gewächshäusern des botani- schen Gartens sehr günstige Bedingungen für seine Ent- wicklung gefunden und sich hier überall auf Stamm- stücken heimischer Laubhölzer, wie Birken, Erlen, Ulmen u. s. w., die oft rasig-dicht mit den zierliehen Frucht- körpern bewachsen sind, angesiedelt. Aber nicht nur auf todtem Holz, sondern auch auf lebende Pflanzen geht dieser Pilz über und er vermag diesen sehr schädlich zu werden. So fand ich ihn auf Rhizomen von Costus Lucanusianus und auf solchen von Nelumbium speciosum, die das Mycel des Pilzes, welches rhizoniorphenartig ist, völlig zerstört hatte. Der Ascosporenform geht wie bei allen Xylarien eine Conidienform voraus, an der später sich erstere ent- wickelt. Diese besteht aus etwas breiten tilzigen, an der Spitze meist bandförmig getheilten Stämmchen von 1 — 5 cm Höhe, welche im oberen Theil weisse Conidien, die einen feinen mehlartigen Staub darstellen, erzeugen. Häutig tritt dieser Pilz am Grunde der eingegrabenen Stämme oberhalb der Erdbeete auf. Hier bilden die dicht ge- drängt stehenden Stämmchen des Pilzes gute Schlupf- winkel für Kellerasseln, Scolopender, Sehnecken und anderes Gethier. Die zarten weichen Spitzen der Conidienträger werden oft an solchen Orten von Nacktschnecken abgenagt. Aus den bleibenden Stümpfen kann sich jetzt kein keuliger Ascosporen-Fruchtkörper mehr entwickeln, wohl aber bilden sich diese zu kugeligen oder kopfigen Fruchtkörpern aus und stellen so den Typus einer anderen Pyrenomyeetcn 296 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 24. Gattung, nämlich die Gattung Kretzscbmaria dar. — Die Perithecien, Asken und Sporen beider sind völlig gleich und finden sich häufig auch Stämmchen der typischen Xylaria, deren Spitzen von den Schnecken nicht abgefressen wurden, inmitten der Kretzschmaria- Easen, sowie alle Uebergänge von der einen Form zur andern. Ein gleichfalls in Gewächshäusern an Stammstücken beobachteter Pilz, der höchst wahrscheinlich ebenso aus Kamerun eingewandert, ist der äusserst zierliche Corallo- myces elegans Berk. et Gurt. 1 )iese strauchförmige Ncc- triacee ist bisher nur aus Guiana, Venezuela und Bra- silien bekannt. Neuerdings erhielt ich sie auch aus Kamerun von Herrn Düsen zugesendet. Der Pilz bildet in Ge- wächshäusern an den Spitzen Conidien aus, welche aus einem von rothgelben Borsten gebildeten Hecher an der Spitze der Stiele in Kugelform, erst klar wie ein Thautropfen, dann weiss, waehsartig werden, hervorquellen. Die seitlich am Stiel sich entwickelnden eiförmigen, purpur- roten Perithecien entwickelten bisher wohl Schläuche, aber keine reifen Sporen. — Von weiteren interessanten Pilzen, soweit diese bekannt und jedenfalls exotischer Herkunft sind, nenne ich hier nur noch Guepinia fissa Berk.; G. ramosa Gurt., die in Ostindien, Neu -Guinea, trop. Africa vorkommen, deren orstere ebenfalls auf im- portirtem Holz aus Kamerun, letztere an einem faulenden Pandaneenstamm beobachtet wurde. Ferner will ich noch einer in Brasilien und Surimen heimischen merkwürdigen Thelephoracec, der Hypolyssus Moutaguei Berk. erwähnen, die auf Wurzeln einer aus Brasilien eingeführten Also- phila-Art im botanischen Garten entstanden ist. Die Zahl der in den Warmhäusern auftretenden exotischen Pilze ist, zumal wenn wir die Arten der Sphaeropsidecn, Melanconi- ceen u. s. w. mitzählen, eine überraschend grosse, wohl über 100 Arten. Darunter haben sich natürlich zahl- reiche neue Arten gefunden, die, obwohl aus den Tropen noch nicht bekannt, zweifellos dort ihre Heimath haben. Herr P. Graebner legte im Namen des Herrn Dr. Arth. Weisse rosablühende Maiblumen vor, die dieser in den Pfingsttagen (wie schon in den vorjährigen Pfingstferien) im Elysium bei Buckow gesammelt hatte. Derselbe legte ferner Exemplare von Symphytum officinale vom Eibufer bei Arneburg in der Altmark vor, auf dessen Laubblättern sich Insecten gefangen hatten. Herr Dr. H. Potonie machte im Ansehluss hieran darauf aufmerksam, dass sich im Königl. botanischen Garten zu Berlin eine Pflanze befindet, die Insecten in gleicher Weise fängt. Die erste Mittheilung über das Insectenfangen der in Rede stehenden Pflanze scheint der frühere Director des botanischen Gartens Alexander Braun in der Sitzung vom 18. Juni 1872 der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin (S. 58, 59) gemacht zu haben. Die betreffende Pflanze stammt aus Ostindien und gehört zur Familie der Papilionaceen. Bentham stellte sie früher zur Desvaux- schen Gattung Pteroloma, die er mit Hooker in den „Genera plantaruni" als Section zur Gattung Desmodium bringt. Sie heisst somit jetzt wieder Desmodium tri- quetrum DC., womit Bentham noch zwei weitere Arten De Gandolle's vereinigt, nämlich D. alatum und D. pseudo- triquetruin. Das Insect, welches im botanischen Garten von Desmodium triquetrum gefangen wird, bestimmte Herr Dr. Ferd. Karsch von der entomologischen Abtheilung des Berliner Museums für Naturkunde als die in Deutsch- land verbreitete Chloria demandata (Fabricius), welche zur Abtheilnng Ulidinae der Familie Muscidae gehört, Diese Fliege wird von allen Laubblatt- und Stengel- Theilen gefangen und sie muss, da sie sich nicht aus ihrer Gefangenschaft erlösen kann, verhungern. Unsere gewöhnliche Hausfliege scheint sich ohne Gefahr auf die Pflanze niederlassen zu können und auch Blattläuse und Ameisen sah P. ungefährdet über die Blattfläche kriechen. Die ganze Pflanze ist mit zweierlei Haaren besetzt, von denen die spärlicher vertheilten, einfach -borsten- förmigen, grösseren Haare mit einer Länge von ungefähr 0,50 mm, schon mit blossem Auge zu sehen sind, während die in grosser Menge zwischen diesen befindlichen, weit kleineren, nur ohngefähr 0,10 mm laugen Haare allein in Vergrösscrung sichtbar werden. Ganz ebenso verhält es sich bei Symphytum officinale. Diese kleineren Haare bestehen bei Desni. tr., aus zwei Zellen: einer kleineren Fusszelle und einer etwa viermal so langen, au der Spitze wie ein Angelhaken eingebogenen Endzelle, deren sehr scharfe äusserstc Spitze besonders dicht und fest ist, weil die Zellhöhlung sich nicht bis in diese hineinzieht. In diese harten Angelhaare gerathen die Füsse der Chloria, sobald sie sich auf die Pflanze setzt, unfehlbar hinein. Die Chloria wird energisch festgehalten, weil ihre Füsse gerade bequem in die Angeln hineinpassen und die Gliederung derselben, sowie die Krallen an den Spitzen ein Festhaften begünstigen. Die Fliege sucht vergeblich sich aus der Gefangenschaft zu befreien und muss endlich verhungern. Die Füsse unserer Hausfliege sind für die Augelhaare zu dick, diejenigen der Blattläuse und Ameisen zu dünn. Ob das Fangen der Fliegen für die Pflanze mit irgend einem Nutzen verbunden ist, darüber vermag P. nichts an- zugeben, auch Braun sagt nichts hierüber. Vielleicht ist es nur eine zufällige Erscheinung. Es wäre möglich, dass es sich um eine Schutzvorrichtung gegen gewisse aufkriechende „unberufene Gäste" handelt. Eine Mittheilung im Wesentlichen gleichen Inhaltes hat Herr P. in der November-Nummer von 1882 der ein- gegangenen Zeiscbrift „Kosmos" veröffentlicht.*) Schliesslich vertheilte Herr Graebner in lebenden Exemplaren Anthoxanthum Puelii von Roggenfeldern bei Soltau (Prov. Hannover) und Lithospermum purpureo-coeru- leum vom hohen Eibufer bei Arneburg. Herr Geh.-R. Witt- mack bemerkte, dass neuerdings die leicht zu gewinnenden Samen von Anthoxanthum Puelii, welches als nicht aus- dauernd für Wiesenkulturen völlig werthlos ist, im Samen- handel als Verfälschung der Samen des Ruchgrases (A. odoratum) vorkommen. Er knüpfte hieran Bemerkungen über den Futterwerth des Ruchgrases, welcher nur in massiger Beimengung den weidenden Thieren angenehm, in zu grosser Quantität aber widerwärtig und vielleicht selbst schädlich ist. Im Ansehluss au die vorhergehenden Mittheilungen bemerkt Herr P. Asch er so n, dass die bisher wohl nur an sehr wenigen Orten gefundene Convallaria majalis L. var. rosea Rchb. Fl. saxon. zuerst in Sachsen unweit Dresden, in unserer Mark aber von Herrn Förster Kein - nitz in der Bredower Forst gefunden sei. Das zarte Rosa des Perigons, welches frisch dunklere Längsstreifen zeigt, geht beim Welken in ein schmutziges Hellgrün über. Anthoxanthum Puelii ist seit der Mitte dieses Jahr- hunderts in der Lüneburger Heide beobachtet worden, wo *) Ich habe nachträglich Symphytum officinale wiederholt im Hinblick auf das oben Gesagte beobachtet, aber eine ganze Anzahl verschiedener kleiner Insekten-Arten ungefährdet über die Laubblattflächen kriechen sehen. Die „Angelhaare" von Sym- phytum sind übrigens nicht immer genügend umgebogen, um einen Fang zu unterstützen. — P. Nr. 24. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 291 es auf Roggenfeldern eine der gewöhnlichsten Pflanzen ist (bei Soltau war dieselbe schon am 15. Mai im Beginn der Blüthe), und, weil es beim Mühen des Getreides die Sensen stumpf macht, Sensendiiwel genannt wird. Von dort aus hat es sich sowohl nach Westen in die Um- gebungen von Stade, Bremen, nach Westfalen ausge- breitet, als auch nach Norden (Hamburg) und Osten (Pritzwalk in der Priegnitz). Bei Berlin ist es bisher nur vorübergehend und sporadisch aufgetreten: Wiener Strasse 1879 E. Uleü Wiesengraben 1882 Schcppig; Zehrensdorf bei Zossen 1880 Ruhmer! Bahnhof Bellevue 1882 Lucas; Köpnick: Dampfmühle 1890 Conrad! Steglitz 1893 Graebnerü Es fand sich theils an bekannten Ad- ventiv-Localitäten, theils (wie bei Zossen) mit Grassamen ausgesäet. Dass es im Lünebuigischen ursprünglich ein- heimisch sein sollte, während es in den westlicheren Landschaften der Provinz Hannover, Oldenburg etc. früher entschieden nicht vorkam, ist kaum wahrscheinlich. Nicht undenkbar wäre es, dass es in der Napoleonischen Zeit, in der die Lüneburger Heide von der Grenze zwischen dem französischen Kaiserreiche und dem Königreiche Westfalen durchschnitten wurde, aus Frankreich durch den damals lebhaften Personen- und Güterverkehr ein- geschleppt wurde. Nach Schluss der Sitzung fand ein Festmahl statt, das durch viele Reden gewürzt wurde. Es schloss sich daran eine Excursion nach der wegen ihrer Schönheit mit Recht gerühmten Buchheide. Die charakteristische Buchenflora bot einen vielgestaltigen und reichlichen Stoff für die Sammlungen. Von Buchenbegleitern wurden ausser der Dentaria bulbifera beobachtet Carex digitata und silvatica, Neottia nidus avis, Milium eff'usum, Pul- monaria ofh'cinalis, Asperula odorata, Orobus vernus u. a. Besonders ergiebig aber war die Ausbeute an Pilzen, von denen nicht weniger als ca. 65 Arten constatirt wurden, unter diesen, nach Mittheilung des Herrn Hennings, Hypocrea fungicola Karst, auf Polyporus betulinus Fr. schmarotzend, für die Mark neu. Dieser Pilz wurde bis- her nur in Finnland, Süd-Tirol und Schlesien gesammelt. Die Photographie in natürlichen Farben mit be- sonderer Berücksichtigung des Lippmann'schen Ver- fahrens. — Bereits im Jahre 1891 hat die „Naturw. Wochenschr." zwei Notizen in Bd. VI. Heft 10 und 12 veröffentlicht, welche die Versuche zur Photographie in natürlichen Farben behandeln. Eine vollständige Zusammenstellung aller dahin zielenden Versuche hat jetzt E. Valenta in einem kleinen Buche gegeben, welches wie schon in der „Naturw. Wochenschr." augezeigt — unter obenstehendem Titel als 2. Heft der Encyklopädie der Photographie bei W. Knapp in Halle kürzlich erschienen ist. Besonders ist das Lipp- niannsche Verfahren von Valenta nachgeprüft und durch zahlreiche Versuche derartig präcisirt worden, dass es jetzt mit Hülfe der Valentaschen Recepte möglich er- scheint, dieselben Versuche mit einiger Aussicht auf gutes Gelingen zu wiederholen, während die Lippmannschen Originalmittheilungen zu allgemein gehalten waren, sodass die Versuche desselben meistens ohne jeden Erfolg wieder- holt worden sind. Im Folgenden mögen nun die wich- tigsten Punkte des Lippmannschen Verfahrens nach dem Hefte von Valenta zur Darstellung gelangen. Die voraus- geschickten historischen Angaben, die bis in das vorige sollen dabei in Rücksicht auf Jahrhundert zurückgreifen Bd. VI Heft 10 der „Naturw. gleichen Inhalt hat, unberück- die erwähnte Notiz in Wochenschr.", die den sichtigt bleiben. Sämmtliche Versuche zur Herstellung farbiger Photo- graphien beruhen darauf, dass die das Bild erzeugenden farbigen Lichtstrahlen mit den hinter oder in der licht- empfindlichen Schicht reflectirten zur Interferenz kommen und nun die lichtempfindliche Schicht nur in einer Anzahl von parallelen Ebenen wirksam treffen, welche um den Abstand einer halben Wellenlänge des betreffenden farbigen Lichtes von einander entfernt sind. Diese über einander gelagerten Ebenen werfen dann nach der Ent- fernung der dazwischen liegenden unbelichteten licht- empfindlichen Theilchen im darauf fallenden Tageslichte gerade die Lichtsorte besonders zurück, welche eine Wellenlänge gleich dem doppelten Abstände der ebenen Lamellen besitzt, indem ebenfalls für diese Lichtsorte Interferenzen entstehen, bei denen gerade die Wirkungen der betreffenden Lichtstrahlen sieh addiren, während die übrigen Farben sich einzeln scliwäcbcn resp. vernichten. Das Lippmannsche Verfahren erreicht nun die Inter- ferenz der Strahlen in der lichtempfindlichen Schicht sicherer und exaeter als bei den früheren Verfahren da- durch, dass hinter der Schicht eine spiegelnde Queck- silberfläche angebracht wird, mit welcher die empfindliche Schicht direct in Berührung ist. Da hier also der Licht- strahl erst die ganze empfindliche Schicht durcheilen muss, um bis an die spiegelnde Oberfläche des Queck- silbers zu gelangen, so muss diese Schicht ausserordentlich dünn sein. Ferner muss das Korn der lichtempfindlichen Schicht so fein sein, dass die Grösse der einzelnen licht- empfindlichen Chlorsilber-, Jodsilber- oder Bromsilber- theilchen kleiner ist als die Wellenlänge der Lichtstrahlen, welche die Zersetzung in der Schicht bewirken. Daraus ergiebt sich, dass die gewöhnlichen photographischen Bromsilbernegativplatten für den genannten Zweck völlig unbrauchbar sind, da bei diesen die Korngrösse 0,003 bis 0,004 mm beträgt, während die Wellenlängen der sicht- baren wirksamen Lichtstrahlen zwischen ca. 0,000 759 und 0,000 397 mm sich bewegen. Lippmann musste sich also für seine Zwecke eine sehr dünne, kornlose Emulsion von Jodsilber oder Bromsilber erzeugen, bei denen das Korn der lichtempfindlichen Silbersalze so klein war, dass die Platten entgegen dem Aussehen der gebräuchlichen photographischen Negativplatten völlig durchsichtig er- scheinen und nur auf der Schichtseite eine geringe bläu- liche Opalescenz zeigen. Die Herstellung einer solchen Emulsion wurde im Jahre 1892 auch von Louis Lumiere in der Societe des sciences industrielles in Lyon vor- geführt und unabhängig davon gleichzeitig von E. Valenta in Wien vorgenommen. Die genaueren Vorschriften der beiden Forscher liegen jetzt vor und ich gebe im Folgenden die von Valenta erfundene und im genannten Werke ver- öffentlichte Methode. Zwei Lösungen: | Gelatine A. Wasser l Silbernitrat [ Gelatine B. | Wasser I Bromkalium 5 gr werden auf ca. 35° C. abgekühlt und im Dunkelzimmer unter Umrühren langsam gemischt, so dass eine fast durch- sichtige Flüssigkeit entsteht. Diese Emulsion wird rasch auf die verwendeten Glasplatten gegossen, nachdem sie vorher durch eine Schicht von Glaswolle filtrirt wurde. Damit die Schicht recht dünn ausfällt, verwendet Valenta 10 gr 300 gr 6 gr 20 gr 300 gr 298 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 24. eine Drehscheibe und befestigt auf dieser die frisch ge- gossenen Platten horizontal, wobei dann durch das Ro- tiren der Scheibe der Ueberschuss an Emulsion von der Platte geschleudert wird. Sind die Platten erstarrt, so erhalten sie zunächst ein Bad von verdünntem Alkohol (sonst bekommt die Schicht nach dem Waschen und Trocknen viele kleine Löcher), dann erfolgt ein Waschen der Schicht durch 12 — 15 Minuten in fliessendem Wasser. Darauf werden die Platten getrocknet, sie erscheinen nachher ganz durchsichtig. Alle diese Operationen müssen natürlich im Dunkelzimmer ausgeführt werden. Die Bromsilberschicht dieser Platten ist weit weniger empfindlich als die der gebräuchlichen Platten, besonders für rothe und gelbe Strahlen ganz unempfindlich. Man muss also, wie bei den orthochromatischen Platten Farb- stoffe der Schicht der Platte einverleiben, welche die- selben für die rothen und gelben Strahlen empfindlich machen. Valenta verwendet dazu ein Gemisch von alko- holischen Lösungen des Cyanins und Erythrosins und zwar auf je 100 cem Emulsion 1 — 2 cem einer Mischung von 4 cem alkoholischer Cyaninlösung (1 : 500) und 2 cem alkoholischer Erythrosiulösung (1 : 500). Ausserdem kann man die Allgemeincmpfindlichkeit der Platten dadurch steigern, dass man dieselben kurz vor dem Gebrauche in einer Lösung von 5 gr Silbernitrat in 1 Liter Alkohol unter Zusatz von 5 gr Essigsäure badet. Die Exposition dieser Platten geschieht durch das Glas derselben hindurch, indem die lichtempfindliche Schicht auf eine spiegelnde Fläche von Quecksilber ge- bettet wird. Die Dichtung erfolgt durch Kautschuck und eine hintergelegte verschraubbare Eisenplatte. Die Zeit der Belichtung zur Aufnahme z. B. eines Spectralbandes bei einer Spaltöffnung des Spectrographen von 0,3 mm und Sonnenlicht beträgt l/2 bis 1 Minute. Beim Entwickeln der Platten dürfen nur solche Ent- wickler angewendet werden, welche einen hellen Silber- niederschlag erzeugen, während derselbe sonst bei den photographiseken Negativen schwarz oder braun aus- fällt. Für einen solchen Entwickler giebt Valenta fol- gende Anweisung: A. B. Pyrogallol 4 gr Wasser 400 gr Salpetersäure 6 Tropfen Bromkalium 10 gr Wasser 400 gr Einf. Ammoniumsulfit 12 gr Ammoniak 14 cem (D = 0,91). Man mischt 2—3 Theile von B mit 1 Theil von A und 12 — 14 Theilen Wasser. Es ist wichtig, dass die Ammoniaknüssigkeit das angegebene speeifische* Gewicht hat. Die entwickelten Platten werden in unterschweflig- saurem Natron (1:5 in Wasser) fixirt, gewaschen und getrocknet. Diese Processe gehen bei der geringen Dicke der Schicht sehr schnell vor sich. Die Farben erscheinen erst nach dem Trocknen und sind bei gutem Gelingen sämmtlicher Operationen von grosser Brillanz. Sehr interessant ist endlich die Angabe verschiedener Anomalien, durch welche eine Verschieb barkeit der Farben aus ihren Speetralbereicben eintreten kann, so dass Farben von grösserer Wellenlänge solche von kleinerer vertreten oder umgekehrt. Diese Anomalien sind bereits von H. Krone in der Deutschen Photographenzeitung 1892, S. 187 und Eder's Jahrbuch für Photogr. 1893 veröffentlicht worden: „Das wahrheitsgetreue und lokal-richtige Auftreten der Farben im Bilde ist nicht absolut, sondern relativ und hängt ohne Ausnahme ab von a) einem peinlich genauen günstigen Zusammenstimmen des in der Schicht aufs feinste ver- theilten Haloidsilbers mit dem Farbenscnsibilisator und dessen Dosirung, b) von dem Wärmegrade beim Trocknen der Schicht, c) von der Belichtungsdauer bei der Auf- nahme, d) von der Entwickelung. So kann es sich er- eignen, dass bei minder günstigem Zusammenstimmen der erwähnten Factoren z. B. in der Region des Blau Grün, in jener des Roth Gelb u. s. w. auftritt." Besonders geben Platten, deren Emulsion über 40° C. erwärmt wurde, oder deren Emulsion längere Zeit vor dem Giessen gestanden hat, Resultate, welche eine der- artige Farbenverschiebung zeigen, weil die Emulsion für die sehr kleine Wellenlänge der blauen und violetten Strahlen bereits zu grobkörnig geworden ist, obwohl mikroskopisch ein Korn der Platten noch nicht nach- gewiesen werden kann. Auch eine Veränderung des Feuch- tigkeitsgehaltes der photographischen Schicht während der einzelnen Prozesse, sowie auch nach Fertigstellung der Bilder vermag eine Verschiebung der Farben in einen anderen Spectralbereich herbeizuführen. Eine vor der Exposition bei 100° C. getrocknete Platte zeigte nach der Entwickelung und Trocknung bei gewöhnlicher Temperatur alle Farben nach dem weniger brechbaren Ende zu verschoben. Sogar ein völlig gelungenes Bild mit richtiger Farbenwiedergabe zeigt eine gleiche Ver- änderung der Farben, sobald durch Anhauchen die Gela- tineschicht mehr Feuchtigkeit erhält und aufquillt. Da- durch werden nämlich die einzelnen Lamellen des redu- cirten Silbers etwas weiter von einander entfernt und eine Farbe von grösserer Wellenlänge, als die ursprüngliche, erzeugt. Wenn es also Lippmann und im Anschlüsse an ihn Lumiere und Valenta gelungen ist, sowohl Spectralbänder als auch farbige Gegenstände mit Mischfarben, wie eine Glasmalerei, einen Teller mit Orangen und einer Mohn- blume, eine Fahnengruppe, einen Vogel, eine Landschaft farbig zu photographiren, wozu im Sonnenlichte eine Ex- position von 5 — 10 Minuten, im zerstreuten Tageslichte von mehreren Stunden nötliig war, so ist doch das Ge- lingen dieser Aufnahmen an die peinlichste Beobachtung so vieler Factoren geknüpft, dass eine praktische Verwen- dung seitens der Fachphotographen besonders für Porträt- aufnahmen zur Zeit noch gänzlich ausgeschlossen ist. Aber die angewendeten Methoden sind doch vom mathematisch- physikalischen Standpunkte äusserst inter- essant und lehrreich. Dieselben haben auch bereits eine mathematische Behandlung gefunden durch G. H. Niewen- glowski in Eder's Jahrbuch für Photogr. für 1894, S. 73. H. Kahle. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Der ausserordentliche Professor Dr. Stoorek zu Wien zum ordentlichen Professor der Laryngologie; der ordentliche frofessor Dr. med. Helferich in Greifswald zum Geheimen Medicinal-Rath; der Privatdocent Dr. med. Karl Posner in Berlin zum ausserordentlichen Professor; der ordent- liche Professor Dr. med. O. Heubner in Berlin zum Geheimen Medicinal-Rath; der ordentliche Professor der Physik Dr. H. Kays er in Hannover zum Nachfolger von Professor Hertz in Bonn; der Privatdocent Dr. L. Jost in Strassburg zum ausserordentlichen Professor der Botanik; der Privatdocent Dr. W. Natanson in Krakau zum ausserordentlichen Professor der mathematischen Physik; der Privatdocent Dr. J. Siemiradzki in Lemberg zum ausserordentlichen Professor der Geologie; der Privatdocent Dr. med. A. Riffel in Karlsruhe zum ausserordentlichen Professor der Gesundheitspflege; der ausserordentliche Professor Dr. Jo- hannes Walt her in Jena zum ordentlichen Professor der Palä- ontologie und Geologie; der Lehrer der Geodäsie an der Akademie zu Poppeisdorf Dr. phil. Karl Reinhertz zum Professor; der Privatdocent Dr. phil. Otto Wiener in Aachen zum Professor Nr. 24. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 299 der Physik; der ausserordentliche Professor I>r. med. Rosner in Krakaü zum ordentlichen Professor Für Hautkrankheiten. Es wurden berufen: Dr. med. Soltmann, Professor für Kinderheilkunde in Breslau nach Leipzig; Professor Dr. med. Renck in Halle nach Dresden; Professor Dr. med. Otto Wil- helm Madelung in Rostock als Professor der Chirurgie nach Strassburg; Privatdocent Dr. med. A. Benda, Assistent an der mikroskopisch-anatomischen Abtheilung des physiologischen In- stitutes zu Berlin, an das städtische Krankenhaus am Urban für pathologisch-anatomische Arbeiten; der Privatdocent Dr. H. Ebert als ausserordentlicher Professor der theoretischen Physik nach Leipzig; der ausserordentliche Professor der Botanik an der tech- nischen Hochschule zu Graz Dr. H. Molisch zum ordentlichen Professor nach Prag; der ausserordentliche Professor Dr. med. Disse in (Jöttingen in gleicher Eigenschaft nach Halle; Privat- docent Dr. med. Schmor] in Leipzig als Prosector an das städtische Krankenhaus zu Dresden; Dr. A.Blau aus Breslau an die kgl. Bibliothek zu Rerlin. Es haben sich habilitirt: Dr. O. Wiedeburg für Physik in Leipzig; Dr. Seh reber für Physik in Greifswald. Abgelehnt: Professor Czerny in Heidelberg die Berufung nach Wien als Nachfolger Billroth's. Aus dem Lehramte zu scheiden beabsichtigt: Lord Kelvin (Sir W. Thomson), Professor der Naturwissenschaft an der Uni- versität Glasgow. Es sind gestorben: Ad olf Lei pner, Professor der Botanik am University Golleg zu Bristol; der Algologe Professor Alp hon se Derbes in Marseille; Dr. Mielberg, Director des physikalischen Observatoriums in Tiflis; George John Romaues, Professor der Biologie an der Universität Cambridge; der Docent an der Forstakademie zu Münden Forstmeister a. D. Knorr; Dr. August Kundt, ordentlicher Professor der Physik in Berlin; Fürst Eugenio Ruspoli, der auf einer Forschungsreise im Somali- lando begriffen war; der als Botaniker und Geologe bekannte Dr. E. H. Vinen, Mitglied der Linnean Society; Ete Szilägyi, Professor der Augenheilkunde in Klausenburg; Dr. Karl Fiedler, Privatdocent der Zoologie in Zürich; Dr. Georges Pourchet, Professor der vergleichenden Anatomie am Museum d'histoire natu- relle in Paris; Charles Bro wn-Sequard, Professor der Ex- perimentalphvsiologie am College de France in Paris; Dr. Max Weigel, Directorialassistent am kgl. Museum für Völkerkunde zu Berlin; der durch Sammeln um die Kenntniss der Flora Ost- afrikas verdiente Gärtner Karl Holtz in Ostafrika; der Geologe Hofrath Professor Dr. K. Th. Liebe in Gera. Die Errichtung einer Filiale des „Wissenschaftlichen Theaters Urania" in Berlin in grosserer Nähe des Stadt-Centrums wird von dem Director der Anstalt Dr. M. Wilhelm Meyer in einer Denkschrift vorgeschlagen, welche einen Anhang zu dem Bericht des Vorstandes der Gesellschaft Urania für das Geschäfts- jahr vom 1. April 1893 bis 31. März 1894 bildet. Dr. Meyer meint, dass bei Errichtung einer Filiale in einer verkehrsreichen und von allen Seiten bequem erreichbaren Gegend die geschäftliche Lage sich wesentlich bessern müsste. Die Anstalt in Moabit würde nach Errichtung einer Filiale in beschränkter Thätigkeit bestehen bleiben, um dadurch, berech- tigten Anforderungen entgegenkommend, zwei Stufen der Dar- bietungen auszugestalten. Die alte Urania in Moabit würde den höheren geistigen Interessen Genüge zu leisten trachten; dem- gemäss würde zunächst die Sternwarte mit allen ihren Einrich- tungen in derselben Weise bestehen bleiben, wie sie jetzt ist, während im Theaterraum vielleicht nur zweimal wöchentlich die, eine höhere Bildungsstufe gegenüber den decorativen Vorträgen voraussetzenden Protections- und Experimentalvorträge gehalten würden, für welche letzteren die Bühne dauernd eingerichtet werden könnte. Man würde dann auch in der Wahl der Experi- mente insofern nicht mehr beschränkt sein, als man in dem alten Schnürboden einen vortrefflichen Ableitungscanal für Dämpfe fände, die jetzt peinlichst vermieden werden müssen, da sie einer- seits das Publicum belästigen, andererseits die Decorationen ver- nichten. Die Denkschrift erwähnt dies nur als einen von den ungemein vielen Fällen, in welchen die gezvvungenermaassen allzu vielartige Inanspruchnahme der Räume eine freie Bewegung und Entwicklung auf das empfindlichste hemmt. Auch noch viele andere Veranstaltungen können nur durch das Vorhandensein zweier verschiedener Localitäteu sich gedeihlich entwickeln. So die Abonnementsvorträge hervorragender Gelehrten und die Lehr- eurse, welche nur deshalb nicht genügend frequentirt wurden, weil es nicht möglich war, sie auf eine bequeme Abendstunde zu ver- legen. Im Physiksaal, der während des Winters leer stehen würde. könnten im Sommer, während der Ausstellungspark eröffm Sonderausstellungen verschiedener Art stattfinden, dir speciell mit den Bestrebungen der Urania in Verbindung stehenden Interessen dienen. Das Moabiter Institut würde im Winter erst etwa um 7 Uhr Abends geöffnet werden und auch nur an denjenigen I an welchen entweder ein Projections- oder Experimental-Vortrag stattfindet, oder die Beobachtung des Himmels möglich ist. Die Verwaltung dieses Gebäudes würde also eine sehr einfache sein L i 1 1 e r a t u r. A. Engler und K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien. Fortgesetzt von A. Engler. Wilhelm Engelmann in Leipzig. Von den soeben erschienenen Lieferungen 103— 103 enthält die Lieferung 103 den Schluss der Begoniaceen (0. Warburg), die Datiscaceen (W ) und den Beginn der Caetaceen (K. Sehnmann), die Doppellieferung 104/105 den Schluss der grossen Familien der Leguminosae und der Compositae (0. Hoffmann), die Gattung Hieracium dieser Familie bearbeitet von A. Peter. Durch die Erledigung der Compositen ist die 5. Abtheilung des IV. Theiles abgeschlossen worden: ein Band von 402 Seiten mit 1170 Einzel- bildern in 162 Figuren, dessen erste 3 Bogen schon 1889 erschienen sind. Er enthält die Cucurbitaceen, Campanulaceen, Goodeni- aeeen, Candolleaceen, Calyceraeeen und also die grösste Siphono- gamen - Familie , die Compositen, auf S. 87—387: eine höchst schätzenswerthe Musterleistung O. Hoffmann's. Wird jeder, der die natürlichen Pflanzenfamilien zu schätzen weiss und jede Lieferung mit gespanntem Interesse erwartet, über den Abschluss dieser Familie und damit der erwähnten 5. Abtheilung des IV. Theiles erfreut sein, so noch viel mehr über die durch das Erscheinen des Schlusses der Leguminosen nunmehr erledigte 1. Hälfte des III. Theiles, welche 6 Abtheilungen mit Dicotylen- Familien umfasst, die zusammenzubinden sind und uns dadurch den zweiten fertig gestellten Band (der 1. längst fertig gestellte Band II enthält die Gymnospermen und Monocotylen) des grossen Werkes schenken. Die einzelnen Abtheilungen dieses Bandes haben wir, mit Ausnahme des eben erst fertig gewordenen dritten, bereite in der „Naturw- Wochenschr." besprochen. Diese letzte enthält die Rosaceen (W. O. Focke), die Connaraceen (E. Gilg) und die Leguminosae (P. Taubert), die letzteren auf S. 70—388; sie bringt 811 Einzelbilder in 13G Figuren, und hat seit 1888 ge- braucht, um fertig zu werden. Der Gesammtband (III. Theil, 1. Hälfte) enthält nicht weniger als 3926 Einzelbilder in 673 Fi- guren, 6 Vollbilder, 2 Heliogravüren. Auf 9 Seiten (excl. Titel- blatt) findet sich, wie in dem abgeschlossenen Band II eine ge- nügende Uebersicht des reichen Inhaltes, und jeder der 6 Ab- theilungen ist, wie üblich, ein besonderes Register der Gattungen und grösseren Gruppen, sowie der Nutzpflanzen und Vulgärnamen angeschlossen. Bei der hohen Wichtigkeit des Gesammtwerkes, nicht nur für jeden, der sich mit Botanik beschäftigt, sondern für jede Bibliothek, die naturwissenschaftliche Fächer berücksichtigt, wollen wir noch mittheilen, dass die Verlagshandlung zur Er- leichterung der Anschaffung das Werk künftig auch in Parthien von je 5—10 Lieferungen bei Verpflichtung zur Abnahme des ganzen Werkes zum Subscriptionspreis von 1,50 Mk. pro Liefe- rung abgeben will. Diejenigen Interessenten, denen die An- schaffung sämmtlicher erschienenen Lieferungen auf einmal bisher zu viel war, seien auf diese Bezugsweise besonders aufmerksam gemacht. Schulbibliotheken z. B., die durchaus dahin streben sollten, das Werk zu besitzen, können auf diese Weise — wenn sie auch nur einen kleinen Etat, für solche Werke zur Verfügung haben — in aller Bequemlichkeit, kleine Posten auf mehrere Jahre vertheilen. Ernst Brücke, Untersuchungen über den Farbenwechsel des afrikanischen Chamäleons. Herausgeg. von N. v. Frey. (Ost- wald's Class. d. exaet. Wissensch. Nr. 43) Mit 1 Tafel. Wil- helm Engelmann, Leipzig 1893. — Preis 1,20 M. Der Inhalt der grundlegenden 1851 und 1852 erschienenen Arbeit Brücke's ist in der That — wie der Herausgeber sagt - von allgemeinem Interesse, denn der Farbenwechsel durch beweg- liche Gewebselemente ist eine im Thierreich sehr verbreitete, mit den Lebensbedingungen innig zusammenhängende Erscheinung, wie es denn sehr wahrscheinlich ist, dass auch der von der Jahres- zeit und dem Klima abhängende Farben- und Haarwechsel der Säugethiere, ferner die unter gleichen Umständen stattfindenden Veränderungen im Pigmentgehalt der menschlichen Haut an die Anwesenheit solcher wandernder oder doch beweglicher Gewebs- elemente gebunden ist. — Die Tafel ist wohlgelungen. Inhalt: G. Maas, Das mitteljapanische Erdbeben von 1891. (Mit Abbild.) — Die LX. (XXXVI. Frühjahrs-) Haupt-Versammlung des Botanisehen Vereins der Provinz Brandenburg. (Schluss). — Die Photographie in natürlichen Farben mit besonderer II.' rücksichtigung des Lippmann'schen Verfahrens. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur. — A. Engler und K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien. — Ernst Brücke, Untersuchungen über den Farbenwechsel des afrikanischen Chamäleons. 300 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 24. F r em d 1 an di sehe Zierfisch e Macropoden, Telescop- Schleierschwanz -Goldfische und andere Arten, sowie Wasserpflanzen für Aquarien und Gartenbassins, (auch Einrichtung derselben), l>urchlüftungs- Apparate, Hülfsmittel, Fischfutter etc. empfiehlt Lankwitz a. d. Berl. Anh. Bahn. Paul Matte, (Von Berlin in 12 Min. zu erreichen.) Züchterei fremdl. Zierfische. (Besichtigung ist gestattet.) I Dr. Wasserstoff Sauerstoff. Th. Elkan Berlin N., Tegelerstr. 15. 1 Soeben erscln.ein.t: 9000 Abbildungen, 16 Bände geb. ä 10 M. oder 256 Hefte ä 50 Pf. 16000 SeitenText Brockhaus\ Konversations-Lexikon. 14 Auflage. IßOOTafeln. 20 Chroraotafeln 1300 Karten. Schwarzdrnck. Soeben erschien: Japaner und Altaier. Von Heinrich Winkler. 24 Seiten gr. 8". Preis 1 Mark. Diese linguistische Studie ist für alle Sprach- und Altertumsforscher von hohem Interesse. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. ~Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Jcro. ilnimnlcr» Urrlnitsbudilianblunq in SBerlm SW. 12. Soeben erjdn'cn: ©ebanfeti über llnfrr ßDtntnrn iittb töfjjrn. Jlolnnoi|ffnfi{u[l[iJifS ©foiiBcnsficfirnnlnis. 24 Seiten, - ot. 8. — SB*ei3 «O 'JJf. Sn l'tortK» buidi alle 3miMu)iarn- ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦< Tn unserm Verlage erschien soeben: Elementare Rechnungen aus der mathematischen Geographie für Freunde der Astronomie in ausgewählten Kapiteln gemeinverständlich begründet und vorgeführt von O. Weidefeld, Oberrossarzt a, D. und Mitglied der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik. - Mit einer Figurentafel. 64 Seiten gr. 8°. Preis 2 Mark. 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Es ist ein Grundnatur- gesetz, dass die Entwickelung der Menschheit zu solchen Zielen führt. Von diesem Entwickelungsgesetze aus (wir werden dasselbe demnächst etwas eingehender zu behandeln haben) haben wir nun auch das menschliche Streben zu beurtheilen. Die Sittengesetze und Sittenlehren und Sittenlehrer sind ja nichts anderes als ein Ausfluss desselben. Gut ist das, was im Sinne des letzten Zieles der menschheitlichen Entwickelung geschieht, d. h. also das, was die Erreichung von menschheitlichen Dauer- zuständen zu fördern geeignet ist, das, was die Erhaltung des socialen Systems höchster Ordnung (der Menschheit i begünstigt, oder — noch anders ausgedrückt ■ — das, was die bestmögliche Erhaltung fördert, das, was zur Er- reichung des Erhaltungsmaximums für die Menschheit bei- trägt. Alle menschlichen Ideale laufen auf die Er- sehnung, auf das mehr oder minder heisse Verlangen nach jenen Dauerzuständen (die eben, weil sie dauerhaft sind, die innere Harmonie voraussetzen) hinaus: die „Ver- einigten Staaten der Welt", die Schiedsgerichte zur Ent- scheidung der zwischenvölkerlichen Streitigkeiten (der „ewige Friede"), die immer umfassendere, einheitliche Regelung der gesellschaftlichen Bedürfnisse durch den Staat (später durch die ganze menschliche Gesellschaft) sowohl in Hinsicht auf Körper- und Geistespflege (Er- ziehung, öffentliche Gesundheitspflege u. s. w.), als auch bezüglich des Wirthschaftslebens (die Verstaatlichungs- bestrebungen: Staats-Monopole, Socialisnius, Kommunismus u. s. w.), sie alle sind nichts anderes als der Ausdruck des Heisshungers nach Stabilität, nach Dauerzuständen! Und so wie der einzelne normale Mensch eher „keine Ruhe" hat, ehe er in feste Bahnen (in die Bahnen des „Philister"- Lebens) gelangt ist, so wird es auch der Menschheit gehen: auch sie wird ihre Ruhe und Zufriedenheit erst bei annähernder Erreichung der Erhaltungsmaximum-Zu- stände finden. Aber nicht nur in der eben angeführten Weise — im „praktischen" Verhalten des Menschen — zeigt sich die Stabilitäts-Sehnsucht: ebenso auch auf dem Gebiete des „theoretischen" Verhaltens: des Erkennens. Immer schärfer tritt auf dem Gebiete der Wissenschaft das Be- streben hervor, alles Unsichere und Ueberflüssige zu beseitigen und sich mit dein anscheinend Unbedingt- sicheren zu begnügen. Wenn E. Mach in seiner Geschichte der Mechanik einmal sagte*), dass die Wissenschaft „als eine Minimumaufgabe angesehen werden kann, welche darin besteht, möglichst vollständig die Thatsachen mit dem geringsten Gedankenaufwand e darzustellen", so ist das ein charakteristischer Ausdruck für diese heutige Richtung. Denn diese Worte enthalten nichts anderes, als die Forderung der zwar vollständigen, aber einfachsten, sich streng an die Wirklichkeit haltenden Beschreibung der Thatsachen! Noch deutlicher wird der Sinn dieser Forderung, wenn wir uns vor Augen fuhren, was denn mit jener Forderung verneint, ausgeschlossen wird! Verneint wird damit jegliches über die Grenzen des Er- fahrbaren hinausgehende Forschen, jede „Speculation", jegliche Metaphysik (die leider heutigen Tages auch noch immer in deu Naturwissenschaften hier und da herumspukt). So lange das spekulative Denken in den Wissenschaften geduldet wird, so lange ist auch — bei der völligen Unsicherheit der Ergebnisse der Meta- physik — die Erreichung von Dauerzuständen auf dem Gebiete der Wissenschaft ausgeschlossen. Die gründliche, gänzliche Beseitigung aller Methaphysik auf wissensehaft- *) S. 462 in der 2. Auflage. liebem Gebiete ist eine unumgängliche Voraussetzung für die Gewinnung fester, sicherer, haltbarer Ergebnisse, d. h. für die Erreichung der „Wahrheit". Denn was ist es, was wir als wahr bezeichnen? Es sind Gedanken, An- sichten, Anschauungen, die sich bewähren, die sich uns überall brauchbar erweisen, die das menschliche Er- haltungsstreben fördern, die sich gegenüber allen Um- gebungsbestandtheileu und Kombinationen solcher ver- wenden lassen, die — so könnte man immerhin in diesem Sinne auch sagen — mit der Umgebung in Harmonie stehen. Diese überall verwendbaren, also sich be- währenden, brauchbaren, nützlichen Ansichten zeichnen sich natürlich auch durch Haltbarkeit aus. Denn würden wir durch die Umgebung, durch gemachte Er- fahrungen, belehrt werden, dass eine Ansieht für die Menschheit nicht brauchbar, nicht nützlich ist, so würden wir sie ablehnen, bezw. sie fallen lassen. Brauchbarste Ansichten und haltbarste Ansichten sind Wechselbegrifi'e. Brauchbarkeit (Nützlichkeit) und Haltbarkeit (Stabilität) sind zwei Eigenschaften der Gedanken, die ebenso noth- wendig mit einander verbunden sind, wie Gleichseitigkeit und Gleichwinkligkeit bei den Dreiecken. Nach so halt- baren Ansichten, die wir eben als „Wahrheiten" be- zeichnen, streben wir mit aller Macht: der Drang nach Wahrheit ist doch stärker als die Lust am Truge. Und der Lessiug'sche Ausspruch, dass das Streben nach Wahrheit dem Besitze derselben vorzuziehen sei, wird schwerlich den Beifall eines diese Verhältnisse über- schauenden, logischen Kopfes finden, sicher aber wird er durch den Gang der menschheitlichen Entwickelung ständig verleugnet. Wir wissen und wir werden wissen! Die Erreichung einer Weltansieht, die uns in einer haltbaren (weil brauchbaren) AVeise über die Wirk- lichkeit orientirt, muss und wird stets ein Hauptziel der Stabilitäts-huugrigen Menschheit sein. So lange wir Menschen nicht einheitliche, dauerhafte Ansichten über die Natur und ihr „Wesen", d. h. so lange wir nicht die ., Wahrheit" erreicht haben, werden wir stets von innerer Unruhe (d. h. von Vitaldifferenzen) geplagt werden, die wir endgültig nicht eher los werden, ehe wir nicht zu stabilen Ansichten gelangt sind. Und wir wüssten auch nicht, was der Erreichung einer solchen haltbaren Weltansicht Der Verzicht auf die Wahrheit im Wege stehen sollte ist ja nur aus einer Gedankenverwirrung über das sogenannte Wesen der Natur hervorgegangen, wie ich das in meinem früheren Aufsatze (Seite 3 d. Jahrg.) bei Besprechung der Ansichten von Du Bois-Reymond nachzuweisen gesucht habe. Wir brauchen haltbare An- sichten über die Natur; ohne sie ist keine Dauer der menschheitlichen Verhältnisse möglich. Stabile Ansichten sind die Voraussetzung der Erreichung stabiler socialer Verhältnisse. Ohne die Erreichung der Wahrheit keine Verwirklichung des Guten! Wir müssen also die Wahrheit zu erreichen suchen und — wir werden sie auch erreichen! Aber nicht nur ein „praktisches" und ein „theore- tisches" Verhalten giebt es im menschlichen Leben, son- dern auch noch ein drittes: das „ästhetische". Die Beziehungen des Guten und Wahren zum letzten Ziele menschheitlicher Entwickelung haben wir kennen gelernt und ihre Begriffe danach bestimmt, es fragt sich nun, was denn das Schöne ist und in welchen Beziehungen es zum letzten Ziele menschheitlicher Entwickelung, und im besonderen zum Guten und Wahren, steht. Diese Fragen — es gehört dazu auch eine genauere Feststellung des Be- griffs des Aesthetischen — wollen wir nun durch eine Analyse der Bedingungen des Schönen, d.h. durch Darlegung (Beschreibung) seiner notwendigen Merkmale, zu erledigen suchen, welche Analyse uns von unserem Stand- Nr. 25. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 303 punkte aus mit Notwendigkeit zu einer streng natur- wissenschaftlichen Grundlegung der Aesthetik im Sinne der Philosophie der reinen Erfahrung führen niuss. — Von einer eingehenderen Berücksichtigung der hier in Betracht kommenden geschichtlichen Arbeiten, (dies sind vor allem diejenigen von Lotze und Fechner) sehe ich bei der Knappheit des mir zur Verfügung stehenden Raumes ab. Die Darlegung der Merkmale des Schönen wollen wir nun an der Hand eines einfachen Beispiels vor- nehmen. — Schwellende Knospen, keimende Blatter, junges Grün, thaufrische Blüthen, lachender Sonnenschein und laue Lüfte, wessen Sinn wäre verschlossen für die Schönheit dieser Eindrücke, die uns Repräsentanten des Frühlings sind?! Sie — in Wirklichkeit oder, soweit es geht, bild- lich dargestellt — werden schwerlich je verfehlen, in einem empfänglichen Gemüthe jene eigenartige Stimmung hervor- zurufen, die wir als Anzeichen des Schönen zu betrachten gewohpt sind. Sehen wir nun zu, was für charakte- ristische Merkmale des Schönen wir diesem Beispiele und denjenigen andern, die wir zu seiner Unterstützung nötigenfalls beibringen werden, zu entnehmen im Stande sind. Als erstes Moment können wir feststellen eine Beziehung zwischen einem „Subjekt" und einem „Objekt", einem Ich und einem Umgebungsbestand- theil (beziehungsweise einer Gruppe von solchen). Das Schöne ist nicht einseitig auf Seiten des Objektes zu suchen. Ein „Schönes an sich", ein Absolut-Schönes giebt es nicht. Wir kennen überhaupt nichts absolutes. Alles, worüber wir Aussagen machen können, was wir erfahren, das muss zu uns in Beziehung stehen. Es niuss Gegen- glied in einer „Principialkoordination" (Beziehung) sein, dessen Centralglied das aussagende Ich ist. Zu jeder Erfahrung, zu jeder Aussage (so also auch zu der bezüg- lich des Schönen) gehören zwei Glieder: Ich und Um- gebungsbestandtheil. Wir können keines der beiden Glieder entbehren: weder den Umgebungsbestandtheil, das Objekt (das ist selbstverständlich), noch aber auch das Ich. Von einem für sich bestehenden Schönen zu sprechen, „scheint mir — so meint Lotze*) — um Nichts begründeter, als von einem Schmerze zu sprechen, der schon Schmerz wäre, ehe ihn Jemand litte, und der in Folge dessen jedem weh thun müsste, welcher zufällig auf ihn stiesse." In der That, von einem für sich bestehenden Schönen, einem „Schönen an sich", zu reden, das in jedem, der zufällig auf es stösst, Lust erregt, hat genau so viel Sinn, als von einem für sich bestehenden Magenkrämpfe oder Zahn- schmerze zu reden, der jedem weh thäte, der zufällig auf ihn stiesse. Das junge saftige Grün, die schwellenden Knospen u. s. w., die in uns das ästhetische Behagen erregen, sind nicht „für sich" schön, sondern nur insofern sie zu jenem menschlichen Individuuni, das sie schön findet, in Beziehung stehen. Dasselbe gilt z. B. von den Sinnbildern der Jugend: rothen Wangen, glatter Haut, glänzenden Augen u. s. w. Sie sind nicht an und für sich schön, sondern nur insofern, als Jemand da ist, der sie schön findet. Das Schöne ist eben nicht etwas Ab- solutes, sondern etwas durchaus Relatives. Allerdings, die Umgebungsbestandtheile (bezw. die Verhältnisse, Er- eignisse, Handlungen), die wir schön finden, müssen ihrer- seits den Anstoss zu der ästhetischen Gefühlserregung geben. Es sind eben beide Glieder der Beziehung unbedingt nothwendig. — Das Vorhandensein einer solchen Beziehung zwischen Ich und Umgebung wäre nun erste Bedim also die Schönen. *) Geschichte der Aesthetik in Deutschlan Seite 64. für das Vorhandensein des München 1868. Eine solche Beziehung ist nun aber erst eine ganz allgemeine Vorbedingung; wir hätten nun zweitens zu untersuchen, wie beschaffen das Ich und der Gegenstand sein müssen, damit eine lustvolle ästhetische Gemüthser regung, d. h. damit das Gefühl des Schönen zu Stande komme. Suchen wir zunächst die Beschaffenheiten des Subjekts festzustellen. Das Centralglied der ästhetischen Beziehung, das Ich (das Subjekt) muss nicht nur zu Sinneswahrnehmungen fähig sein, sondern auch ein geübtes Auge und ein geübtes Gehör oder genauer ein geübtes Gehirn besitzen: es muss „Blick haben". Es ist selbstverständ- lich, dass der Geübtere, der, welcher mehr „Blick" hat, auch mehr ästhetischer Eindrücke fähig ist und reicheren Genuss aus solchen zu schöpfen vermag. Je mehr Jemand aus Eigenem zur ästhetischen Erfassung eines Objekts hinzuzu- bringen im Stande sein wird, um so leichter und sicherer, um so tiefer und reiner wird er jenes auffassen. Ganz anders wird sich der „Gebildete" als der einfache Landarbeiter in ästhetischer Beziehung verhalten, und anders wiederum Ofticier, Jurist, Künstler, Aesthetiker, Philosoph, je (von der Anlage abgesehen) nach der Vorbereitung. Wer eine reichere Gedankenwelt, eine umfassendere Erfahrung ver- bindet mit warmem Gefühl und lebhafter Phantasie, kurz wer ein geistig hochentwickelter, reifer Mensch ist, der wird - - was die allgemeine Vorbereitung und der zur Erfassung des Schönen Veranlagung anbetrifft bestvorbereitete, bestveranlagte Mensch sein. Ihm werden nicht so viele Objekte „unverstanden" bleiben, ihm dann nicht durch die bezüglichen Rätbsel oder Unklarheiten Vital- differenzen gesetzt werden, die ihn aus dem ästhetischen in das theoretische Verhalten (ins Ueberlegen und Grübeln) hineintreiben würden. Er wird auch im Stande sein, eine reinere, von fremder, selbstischer Beimischung freie, ästhe- tische Betrachtung durchzusetzen. Kraft seiner Bildung wird er nicht so leicht in das praktische Verhalten (in das Begehren) geworfen werden, sondern sich dem Schönen gegenüber verhalten, „wie iran die Sterne sieht, wie man den Mond sich beschaut, „sich an ihnen erfreut und innen im ruhigen Busen „nicht der entfernteste Wunsch, sie zu besitzen, sich regt," (Goethe, Alexis an Dora.) „Die Sterne, die begehrt mau nicht, man freut sich ihrer Pracht", wie Goethe an anderer bekannter Stelle sagt. Ein solches von jedem fremden Nebeninteresse (bezüglich Nutzen, Besitz, Ehre u. s. w.) freies, nicht selbstisches, nicht begehrendes Verhalten*) des Subjekts, ist ein Hauptkennzeichen des ästhetischen Verhaltens. Das Subjekt soll dem Objekte so unbefangen, von jedem Begehren frei gegenüber stehen, wie dem Grün der weiten Wiesen, dem lichten Schimmer des Wassers, den mannigfachen Farben der Blätter und den wechseln- den Formen der belaubten Bäume, dem wogenden, goldig schimmernden Kornfelde, dem leuchtenden, tiefblauen Sternenhimmel u. s. w. Wir müssen gänzlich unbetbeiligt sein, uns wesentlich passiv verhalten. Alle Vitaldifferenzen (Störungen), die das Subjekt in das theoretische oder praktische Verhalten hineinwerfen, wirken unästhetisch. Das Subjekt muss endlich für die besondere Art des Schönen, um die es sich etwa handelt, Interesse haben, für dasselbe empfänglich sein. Es darf auch keine Abstumpfung durch Gewöhnung eingetreten sein, ander- seits aber kann wohl Verfeinerung der Empfänglichkeit, Erhöhung des Verständnisses, Schärfung des Auffassungs Vermögens durch Uebung zu erzielen gesucht werden. - Dass das Subjekt im Einzelfalle nicht zu ermüdet sein darf. *) Das darum — aber keineswegs glücklich — von Kaut als „uninteressirt" bezeichnet wurde. 304 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 25. dass es vielmehr genügende Frische besitzen und „in Stim- mung" sein niuss, sind selbstverständliche Forderungen. Soviel über die Anforderungen an das Subjekt. Wir gehen nun über zu der schwierigeren Bestimmung der Eigenschaften, die das Gegenglied in der Beziehung (Principialkoordination), d. h. also das Objekt, der Um- gebungsbestandtheil, besitzen muss, um als schönes Objekt zu gelten. Jedes Objekt, jeder Umgebungsbestandtheil, ist ein Verband (Komplex) von „Elementen" (wie grün, roth, Ton a, süss, sauer, warm, wohlriechend u. s. w.) oder „Sinneswahrnehmungen" oder „einfachen Empfindungen", wie die gewöhnliche Psychologie sagt. Diese einzelnen sinnlichen Reize oder — wie wir sie im Anschlüsse an Avenarius nennen wollen — Elemente (also: Farben, Klänge, Wärmegrade, Härte u. s. w.) aus denen das Objekt zusammengesetzt ist, müssen in uns das Gefühl der Lust hervorrufen: sie müssen angenehm sein. Zu solchen sinnlich-angenehmen Eindrücken sind z. B. das frische Frühlingsgrün, das Himmelsblau, das sanfte Licht, klare Töne, milde Wärme zu rechnen. Wir würden natürlich auch solche Elemente zu den angenehmen rechnen, die nur ein schwach-angenehmes Gefühl hervorrufen (wie z. B. der Anblick der braunen Farbe der Knospen), aber auch selbst solche, die wir im gewöhnlichen Leben als „gleich- gültige" zu bezeichnen pflegen, die also hart an jenem (angenommenen) Punkte liegen, wo das Gefühl des An- genehmen in das des Unangenehmen übergeht. Ausnahms- weise können aber auch unangenehme Elemente (wie grelle Farben, schrille Töne u. s. w.) im schönen Objekte vorkommen, nämlich da, wo sie bei einer besonderen Grup- pirung zur Steigerung des Werthes der angenehmen Ele- mente beitragen, also — wenn auch eben nur mittelbar — doch Ursache des Gefühls des Angenehmen sein können. Und so wäre die erste Forderung, die wir an das Objekt, das als schön gelten soll, stellen, die, dass seine Elemente — unmittelbar oder mittelbar — Lust (das Gefühl des Angenehmen) hervorrufen. Aber nicht nur die Elemente, in die wir die Objecte zerlegen, sollen Lust verursachen, sondern auch die Elementen -Verbände, die Gruppirungen derselben, ihre Formen und deren Vereinigung zu einem Ganzen sollen Ursachen von Lust sein, und zwar von jener Art von Lust, die zur Unterscheidung von der vorhin be- sprochenen als das Gefühl des Wohlgefälligen be- zeichnet werden kann. Zum Wohlgefälligen gehören die Tonharmonien (Har- monie, Consonanz, Melodie), Farbenharmonien, der Rhyth- mus, räumliche Figuren und Linien (wie z. B. Regelmässig- keit, Symmetrie und der Aufbau der Gestalten, Gebäude und sonstiger räumlicher Gebilde — Kirchen wie Fenster- kreuze u. s. w. — nach dem „goldenen Schnitte", d. h. nach dem Verhältnisse von 5 : 8 oder von 1 : 1,618 . . und nach dem Principe der ästhetischen Mitte, das die Bevorzugung des Normalwerthes eines Objects, also die Ver- meidung des Extremen z. B. bei einer Nase, verlangt). Es gilt aber auch hier, was bei den einzelnen Elementen gesagt wurde, dass das Nichtlustvolle dieses Gebiets insoweit im schönen Object vorkommen kann, als es - mittelbar — zur Steigerung der Lust am Objecte bei- trägt, wie unter Umständen z. B. die Dissonanzen in einem Tonwerke. — Die einzelnen Elementen- Gruppen sollen dann zu einem Ganzen geordnet sein, das klar und übersichtlich, einfach und leicht fasslich, consequent und widerspruchslos ist. Die Erkenntnisskräfte sollen den Gegenstand wie im Spiele begreifen, unsere Vor- stellungen über ihn sich also leicht und klar ordnen. Das Object soll leicht appereipirbar (leicht fassbar, be- greifbar) sein. Sonst würden wir durch die mit der Unklarheit gegebene Vitaldifferenz aus dem ästhetischen Verhalten ins theoretische, d. h. ins Ueberlegen und Grübeln und Zweifeln hineingeworfen werden; und jede solche Vitaldifferenz (Störung), die ein theoretisches Ver- halten zur Folge hat, wirkt unästhetisch. Dementsprechend sind hier eine Reihe von Principien aufgestellt worden, die die genannten Forderungen vertreten. So vor Allem das Princip der Einheit in der Mannigfaltigkeit, das einerseits Einheit in der Mannigfaltigkeit (Regel- mässigkeit, Ordnung, Gesetzlichkeit u. s. w.) verlangt, da ohne dieselbe Unübersichtlichkeit und Unklarheit, also schwere Fassbarkeit (Appereipirbarkeit) vorhanden sein würde, — und das anderseits Mannigfaltigkeit fordert, da ohne solche Eintönigkeit gegeben wäre und durch dieselbe eine allzuschnelle Abstumpfung der Sinnes- empfänglichkeit eintreten würde. So ferner das Princip der Widerspruchslosigkeit (Einstimmigkeit), das Uebereinstimtnung des Gegenstandes mit sich selbst verlangt. Ein Widerspruch wird in starkem Maasse bei uns Unlust erwecken, da eben hier eine Grundvoraus- setzung von Befriedigung das Fernsein von Hemmungen ist. Ein widerspruchsvoller Zustand würde unser lie- greifen des Objects hemmen und somit in uns eine er- hebliche Vitaldifferenz hervorrufen , die uns aus dem ästhetischen Verhalten heraus- und ins theoretische hinein- werfen würde. Aehnlich verhalt es sich bei dem Princip der Klarheit, welches verlaugt, dass die inneren Verhältnisse des ästhetischen Objects (z. B. Gleichheit oder Ungleichheit) zur klaren Abhebung gelangen und uns nicht etwa Räthsel aufgeben. So endlich auch das wichtige Princip des kleinsten Kraftmaasscs (Princip der ökonomischen Verwendung der Mittel), das einen möglichst geringen Kraftaufwand (die „einfachsten" Mittel, so z. B. in einem Schauspiele, wie in einem Werke der bildenden Kunst) verlangt. Dies Princip, das die Ge- brüder Weber, der Physiologe Vierordt und besonders Richard Avenarius in seiner 1876 veröffentlichten Habilitationsschrift*) aufgestellt hatten, hat aber, wie Fechner in seiner Besprechung desselben mit Recht ausführt**), keine unbedingte Geltung. „Dass es uns überhaupt gefalle (sagt Fechner), möglichst geringe Kraft zu brauchen, lässt sich nicht sagen, sondern nur relativ geringe im Verhältniss zu einer bezweckten Leistung." Also nicht in der absoluten, sondern in der relativen Kleinheit des Kraftaufwandes für eine bestimmte Leistung, in der Zweckmässigkeit der Kraftverwendung wäre demnach die Ursache der Lust zu suchen. — Ebensowenig übrigens, wie das Object unverstanden bleiben darf, weil es uns dann aus dem ästhetischen ins theoretische Verhalten (Ueberlegen, Forschen, Grübeln) hineinwirft, ebensowenig darf es in besonders starker Weise auf die Sinnlichkeit des Menschen wirken, da es auch dann Vitalditferenzen — wenn auch von anderer Art — setzt und uns wieder aus dem ästhetischen Verhalten heraus- und in ein anderes — hier aber nicht in das theoretische, sondern in das praktische (in das Begehren) — hineinwirft. — Und so wäre die zweite Forderung, die wir an das Object, das als schön gelten soll, zu stellen haben, die, dass die Formen des Objects im einzelnen und im ganzen — unmittelbar oder mittelbar — reine Lust, und zwar das Gefühl des Wohlgefälligen, hervorrufen. Wir kommen zur dritten Forderung, und das ist die: das Object muss Gegenstand einer ästhetischen Auffassung (Betrachtung) sein. Aber — so höre ich manchen Leser einwerfen ist das angenehme und *) Philosophie als Denken der Welt gemäss ilein Principe des kleinsten Kraftinaasses. Leipzig 1876. S. 71 ff. **) Vorschule der Aesthetik. Leipzig 1876. Bd. N, S. 263 f. Nr. 25. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 305 wohlgefällige Object nicht ohne Weiteres ein ästhetisches unil schönes? Was bedarf es da noch weiterer Bestim- mungen? — Indes gerade die wichtigste fehlt noch. Die wohlgefälligen Objecto oder angenehmen Elemente sind noch keineswegs ästhetisch, beziehungsweise schön. Vielmehr steht das ganze Gebiet des Angenehmen oder Wohlgefälligen noch ausserhalb des ästhetischen Reiches: es kann ästhetisch aufgefasst werden und dann das Prä- dicat „schön" erhalten, es braucht es aber nicht. Die Ansicht jener, die meinen, das sinnlich Angenehme oder das Wohlgefällige (z. B. ein Tonwerk rein für sich ge- nommen, also von den Erinnerungen, die es weckt, abge- sehen) sei das Schöne, ist entschieden zurückzuweisen. Ohrenkitzel — mag er auch noch so sehr gefallen - - ist noch lange kein Schönes. Der Standpunkt .jener, die behaupten, dass die directe Wirkung der Musik das Ge- fühl des Schönen hervorrufe, gleicht, so bemerkt mit Recht E. v. Hartmann*), dem Standpunkte eines Menschen, der behauptet, er höre Gedichte nur darum so gerne, weil ihn die Versbauformen und der Wohllaut der Sprache interessiren. Gewiss kommt es auch auf das Angenehme und Gefällige an, und dieser Punkt ist bei der Würdigung des Schönen sicher nicht zu unterschätzen. Die Stärke des Gefühls des Schönen ist sicher wesentlich mitbedingt durch die Stärke des sinnlichen Eindruckes, der überhaupt das ganze Gefühl veranlasst hat. Aber zwischen ange- nehm und gefällig einerseits und schön anderseits ist eine scharfe Grenze zu ziehen. Die Ursache davon, dass mir etwas gefällt, ist keineswegs als die Ursache davon zu bezeichnen, dass die bezügliche Sache ästhetisch wirkt. Eine Sache für sich ist das Gefallen, eine andere Sache die ästhetische Wirkung. Die Grenze zwischen gefällig und ästhetisch ziehen wir, indem wir als dritte Forde- rung eben die aufstellen, dass das bezügliche Object Gegenstand ästhetischer Betrachtung sein soll. Und was heisst das? Wie verhalten wir uns, wenn wir uns ästhe- tisch verhalten, also die Gefühle des Schönen oder Häss- liehen haben? Wir bestimmen zunächst das Negative, und dies ist, dass wir uns einerseits nicht theoretisch, anderseits nicht praktisch verhalten. Nicht theoretisch, d. h. nicht forschend, grübelnd, zweifelnd, erkennen wollend. Di- dactische „Dichtungen" fallen deshalb ausserhalb des Be- reiches des Aesthetischen, d. h. sie sind keine wirklichen Dichtungen, ebenso wenig wie die „Gemälde" der „Sym- bolisten", die uns öfter ganze Reihen von Räthseln auf- geben, hierher gehören. — Aber auch nicht praktisch verhalten wir uns bei der ästhetischen Betrachtung, d. h. nicht begehrend, nicht handelnd, nicht activ. Wenn wir nach Nahrung, Erwerb, nach dem Besitze einer geliebten Person, nach socialen Veränderungen streben, verhalten wir uns praktisch, und Objecte, die uns in das praktische Verhalten hineinwerfen, wie die politische „Poesie", oder manche „Dichtungen" moderner Naturalisten, z. B. Zola's, oder manche „Gemälde" Wereschagin's u. A. , gehören nicht in das Bereich des Schönen, beziehungsweise Aesthe- tischen, so bedeutend ihr eulturhistorischer Werth auch immer sein mag. Beim ästhetischen Verhalten sind wir in einem mehr passiven, beschaulichen Zustande, wir sind dann wesentlich fühlend. Indes, das ist zwar schon unter- scheidend gegenüber dem Theoretischen und Praktischen, aber nicht gegenüber dem Angenehmen und Gefälligen. Das ganz Eigentümliche des Aesthetischen liegt nun darin, dass die Objecte unserer Gefühle des Angenehmen und Wohlgefälligen (beziehungsweise Unangenehmen und Miss- fallenden) als Sinnbilder aufgefasst werden. Die *) Philosophie des Schönen. Leipzig 1887, Seite 660. ästhetischen Objecte müssen leicht abfliessende Gedanken- reihen (Erinnerungen), die sich auf Grund der Asso eiationsgesetze an dasselbe knüpfen, hervorrufen. Jedes Object, mit dem wir umgehen vi.. 1!. Tisch. Haus, Apfelsine, rothe Hände, Posthorn), hat, wie Fechner das bezeichnete, seine „geistige Farbe", iL h. es isl charakterisirt durch eine Resultante von Erinnerungen an Alles, was wir je bezüglich dieses Dinges und selbst verwandter Dinge äusserlich und innerlich erfahren, ge- hört, gelesen, gedacht, gelernt haben. Diese Resultante knüpft sich eben so unmittelbar an den Anblick des Dinges, wie die Vorstellung desselben an das Wort, mii dem es bezeichnet wird. Das ist seine „geistige Farbe". „Nach Maassgabe nun, als uns das gefällt oder missfällt, woran wir uns bei einer Sache erinnern, trägt auch die Erinnerung ein Moment des Gefallens oder Missfallens zum ästhetischen Eindrucke der Sache bei, was um andern Momenten der Erinnerung und mit dem Ein- drucke der Sache in Uebereinstimmung oder Conflict treten kann."*) So sehr nun anzuerkennen ist, wie entschieden Fechner — nächst Lotze - - den associativen Factor im ästhetischen Genüsse betont hat, mit unserem Stand- punkte stimmt der seine nicht überein. Einerseits lässt er alle möglichen Associationen (Erinnerungen; zu, wir nur diejenigen, die das Object als Sinnbild (Symbol.) eines Werthvollen oder Schädlichen kennzeichnen, ander- seits kennt er auch andere ästhetische Factoren ausser der Association (nur die „halbe Aesthetik" will er dem Principe unterordnen**), wir nicht; wir ordnen die ganze Aesthetik diesem Principe unter. Für uns ist „ästhe- tische Betrachtung" mit „sinnbildlicher Auffassung" identisch. Eine Anzahl Beispiele mögen dies erläutern. Wes- halb wirken junges Grün, schwellende Knospen u. s. w. so ungemein ästhetisch? Ist es z. 15. beim Grün die frische Farbe? — Nein, sie ruft nur den Eindruck des sinnlich Angenehmen hervor. Wenn wir näher zusehen, so finden wir, dass die schwellenden Knospen, die keimen- den Blätter, das junge Grün, die thaufrischen Blüthen u.s. w. in uns ausser dem Eindrucke des Angenehmen, beziehungs- weise Gefälligen noch eine ganz eigenartige Stimmung hervorrufen: es tauchen in unserem Geiste Erinnerungen an Jugend und Glück auf, an frisches „frühlingsmässiges" Vorwärtsstreben und Vorwärtsstürmen, die Hoffnung wagt sich wieder hervor und gaukelt uns Bilder vom Leben in seiner schönsten Gestalt vor („man weiss nicht, was noch werden mag!" wie es bei U bland heisst); auch unsere Brust schwillt, wie die Knospen, wehmüthige Sehnsucht nach Glück, warmes Mitgefühl mit allem Lebendigen, fröhliche Thatenlust wogen auf, und wir fühlen uns so eigenartig süss gehoben, in eine so glück- liche unternehmungslustige Stimmung versetzt, dass wir wieder einmal meinen, es mit einer „Welt" voll Hinder- nissen aufnehmen zu können, wieder einmal hoffen, dass es doch auch in der Menschheit Leben endlich einmal „Frühling" werden wird. < »der ein anderes Beispiel: nehmen wir an, wir wandeln an einem Gebirgssee und treffen dort einen einsamen, aber sorgfältig gepflegten Grabhügel mit einem schlichten Kreuze. Auf demselben besagt eine Inschrift, dass bei dem Gewittersturm am soundsovielten Juli des Jahres soundso der Landarbeiter X. beim Ketten einer in grossei Gefahr befindlichen Familie seinen Tod fand. Die wesentlich durch das Eingreifen des N. Geretteten haben ihrem Hauptretter das schlichte Denkmal in der Nähe der *) Vorschule der Aesthetik. Bd. I, besonders S 93 u. 94. *) Vorschule der Aesthetik, Bd. I, S. 87. 306 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 25. Uferstelle gesetzt, wo N. seineu Tod fand. — Wirkt dieser Grabhügel ästhetisch? Unzweifelhaft! Und worin besteht hier das Eigenartige unseres Seelcuzustandes? Hier stellen sich ein die Bilder vom Sturm, der Todes- angst der in Noth befindlichen Erwachsenen und Kinder, die kühnen Rettungsversuche, die schliessliche Rettung, bei der der kühnste der Retter zu Grunde geht. Und unser Herz schwillt von warmer Sympathie für den schlichten Landmann, der sein Sein geopfert hat für das seiner Nebenmenschen, es steigt in uns ein froh-stolzes Gefühl auf, dass trotz allem und allem ein stetig wachsen- der Zug der Solidarität durch alles geht, was Menschen - antlitz trägt, der — sei es auch erst in ferner Zu- kunft — uns zur Erringung glücklicher, harmonischer Zu- stände für die Menschheit verhelfen wird. Und von diesem Ausblicke auf die Erreichung glücklicher Lebens- verhältnisse für die ganze Menschheit gehoben, getröstet, geläutert, schauen wir doppelt bewegt auf das schlichte Sinnbild der edelsten aller menschlichen Eigenschaften, der Hingabe des Einzelwillens für das Ganze. Das Gemeinsame in beiden Beispielen ist, dass in uns eine eigenartige, glückliche, gehobene Stimmung her- vorgerufen wird durch die Erinnerung an frisches fröh- liches Streben oder an die Selbstaufopferung des Einzelnen für seine Mitmenschen. Das junge Grün und jener ein- same Grabhügel waren uns Sinn bilde 1' von Hohem und Herrlichem, sie waren uns Symbole von werth- vollen Lebensgütern. Sie riefen Gedanken in uns hervor, die sich auf das höchste Ideal der Menschheit, die stabilen Endzustände, bezogen. Das ist das unter- scheidende Merkmal des Aesthetischen, dass es alle Ob- jecto seiner Betrachtung zu Sinnbildern macht, von denen es die Einen, die Sinnbilder von werthvollen Lebensgütern, die Symbole der Stabilität (wie wir auch kurz sagen können) als schön, die anderen, die Sinnbilder des Lebensfeindlichen und Antisocialen, die Symbole des Stabilitätmangels, als hässlich bezeichnet. Dies können wir auf Schritt und Tritt nachweisen. Denn was kann nicht alles als Sinnbild aufgefasst werden und damit ästhetisch wirken? Der Leichenzug eines selbsti- schen Tyrannen (als Sinnbild dafür, dass auch der schlimmste antisociale Geist einst vernichtet werden wird), wie auch andererseits ein altes Reisetuch, das nach langjährigen „treuen" Diensten bei Seite gelegt werden muss und uns dabei so manches Liebe und Freundliche zu erzählen weiss (wie uns das des öfteren in Gedichten geschildert worden ist); — ein Haufe Lumpen (seidene Strümpfe und Unterkleider u. s. w.), der Ueberrest einer verkrachten Börsenjobberwirthschaft mit Maitressenhaltimg, kann so gut sinnbildlich aufgefasst werden, wie die Ueberbleibsel einer alten Raubritterburg. Unendlich vielfältig ist die ästhetische Betrachtung der Natur: die Jahreszeiten, der Mondwechsel, Tag und Nacht, Luft, Wind und Wolken, Feuer, Wasser und Erde sammt allen lebenden Wesen können als Sinnbilder ver- wandt werden, können also ästhetisch-wirksam sein. Man denke nur, wie oft das Feuer als Sinnbild des Lebens und des Guten verwandt worden ist (z. B. in der persischen Religion, in der Philosophie des Heraklit und vielfach anderswo), man erinnere sich nur, wie wir vom Wasser sagen, dass es murmele und gurgele, dass es singe, zische, grolle, tose, brülle u. s. w., kurz es als etwas Lebendiges betrachten. w. u. s. Und wie herrlich tritt nicht diese ästhetische Betrachtung der Natur in der Göttersage unserer Ur-Vorfahren, der Arier (am meisten wohl des griechischen Zweiges, nächstdem des germanischen Stammes) hervor! Wie prächtig haben nicht auch unsere Dichter dieselbe durchgeführt! Man denke nur au die schön- sten Lieder und Balladen Goethes, so an sein Mondlied, so besonders auch an sein „Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!" in dem er den Abend die Erde wiegen, die Dunkel- heit (Nacht) au den Bergen hängen, die Eiche im Nebel- kleide dastehen und die Winde leise Flügel schwingen lässt, während die Nacht tausend Ungeheuer schafft, die Finsterniss mit tausend schwarzen Augen aus dem Gesträuch sieht und der Mond von einem Wolkenhügel kläglich aus dem Dufte her vorsieht. Andere Wendungen, wie die, dass der See atlimet, die Wellen lispeln, der Bergrücken sich streckt, der schwarze Abgrund uns entgegen gähnt, die Wolken wandern, die Lüfte necken, der Sturm heult, die Bäume sich schaurig rühren, die Blumen sich zu einander neigen u. s. w. u. s. w. kommen in Hülle und Fülle vor. Sie alle haben denselben Zweck, die Naturgegenstände zu Sinn- bildern menschlichen Lebens zu machen. In dieser an- throponiorphistiselien Tendenz erblicken wir das Wesen des Aesthetischen, nur dass wir die besondere Beziehung auf die stabilen Endzustände der menschheitlicheii Entwicke- lung noch betonen möchten. Es ist nicht schlechthin die Versinnbildlichung des menschlichen Lebens, sondern des werthvollen menschlichen Lebens, desjenigen, das im Sinne der stabilen Endzustände eingerichtet ist. Eine solche bewusst - ästhetische Betrachtung der Natur und der mit derselben in enger Verbindung stehende Naturgeuuss ist übrigens — streng genommen — erst ein Ergebniss der neueren Zeit. Der Widerwille gegen die Ueberkultur rief die Sehnsucht nach der freien un- gebundenen Natur wach, und da die Voraussetzung eines reichen Geisteslebens gegeben war, so war die Hinein- tragung der eigenen Stimmungen in die Natur, die sinn- bildliche Auffassung derselben eine selbstverständliche Folge. Kinder und ungebildete Erwachsene (z. B. Land- leutc) stehen der Naturschwärmerei der Gebildeten und ihrer sinnbildlichen Auffassung der Natur mit voller Ver- ständnisslosigkeit gegenüber und wundern sich, wie man Berge, Sanddünen, das Wogen der Getreidefelder und Baumwipfel u. s. w. schön finden kann. Bemcrkenswerth ist noch, wie auch Elemente in ihrer verhältnissniässigen Vereinzelung (soweit von einer solcher zu sprechen überhaupt zulässig ist) zu Sinn- bildern werden, z. B. die Farben. Grün gilt als Sinnbild des süssen Genügens, Gelb als Symbol des Heiteren, Roth als Sinnbild von Kampflust und kühnem Unternehmungsgeiste. Und so versinnbildlichen weiter Purpur das (Welt-)Gericht, Violett die Sehnsucht, Blau das Laue oder Traurige, Kalte. Auch bei den Klängen, bezw. Instrumenten haben wir etwas Aehnliches. Die Trompete nimmt hier die Stelle des Hoch-Rothen, das Waldhorn die des Grün, die Flöte die des Sanft-Blauen, die Posaune die des Purpur u. s. w. ein. — Und so kann alles Mögliche zum Symbole werden! Wie feinfühlig waren nicht unsere germanischen Vorfahren, als sie ihre Namen zu Sinnbildern von Treue, Kühnheit, Muth, Kraft, Macht, Kampf, Sieg, Klugheit, Besonnenheit, Heiterkeit, Liebe, Frieden, Wonne, Heiligkeit u. s. w. machten!*) Es kann schliesslich — von einem Frommen — die ganze Welt als ein „Gleichniss", ein Symbol einer besseren übersinnlichen Welt aufgefasst werden. (Vergl. das Ende des 2. Theiles von Goethe's Faust.) — Und damit wären wir am Ende der Betrachtung unserer dritten Bedingung bezüglich des Objectes: es muss ästhetisch wirken, d. h. es muss sinnbildlich aufgefasst werden können. Je geringer die Möglichkeit, dass etwas sinnbildlich aufgefasst werden kann, um so geringer ist auch sein Werth in ästhetischer Beziehung; je grösser jene Möglichkeit, um so höher auch dieser Werth. *) Vergl. „Deutsches Namenbüchlein" von Prof. F. K h u 1 1. Braunschweig 1891. (Herausg. v. „Deutschen Sprachverein.") S. 5 fl". Nr 9*i Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 301 Und so sind wir an der Schwelle der vierten und letzten Bedingung bezüglich des Objekts angelangt, die übrigens schon in der vorhergehenden Betrachtung ausgesprochen wurde; das Object inuss nicht nur einerseits sinnlich an- genehm und gefällig sein, und anderseits sinnbildlich äuf- gefasst werden können, sondern es inuss, um eben als schön zu gelten, Sinnbild der Stabilität sein, d. h. Werthvolles repräsentiren. Es inuss dementsprechend unser gesammtes Seelenleben in einen harmonischen, Instvollen Zustand ver- setzen, es inuss r e 1 ati v st abile, ha r ni o n i s che G e m ü t h s - zustände herbeiführen. Die durch das Object hervor- gerufenen Gedankenreihen müssen in der Richtung auf die Harmonie, d. h. (relative) Stabilität des menschlichen Entwiekelungsprocesses liegen, während umgekehrt also der Gegensatz des Schönen, das Hässliche, Ideen ausdrückt, die den letzten Zielen menschheitlicher Entwickelung zuwiderlaufen, eine Verherrlichung des Unsittlichen und Unwahren und Lebensfeindlichen bietet, neben der noch eine Verletzung der Principien des Angenehmen und Gefälligen eintreten kann. Hässlich sind in der Natur die Kümmerlichkeit der Vegetation, die Oede und Wüste, die Stätten, wo Krankheit und Leiden (das „Traurige"), wo Tod und Verwesung herrscht. Hässlich werden ferner in der Regel wirken: Galgen und Richtbeil, ein Be- trunkener (natürlich auch die Darstellung eines solchen auf einem Gemälde rein für sich), Düngerhaufen und Aas (auch von den Gefühlen des Unangenehmen und Ungefälligen ganz abgesehen), aber auch die welken Blätter einer Rose, ein verrosteter Nagel, ein verkrüppelter Baum, ein geborstener Fels u. a. m. Hässlich, durchaus hässlich sind auch derartige Gemälde, wie jene Darstellung von schlechten Menschen oder Betrunkenen oder Kranken oder Sterbenden oder Gestorbenen, die Darstellung einer Vi- visection oder einer Krankenoperation oder die Abfragung der Kranken in der Klinik für Tuberkulose oder des Kindes, das aus dem 4. Stockwerke herabgestürzt ist und nun mit zer- schmettertem Kopfe unten daliegt, die Darstellung des Gräss- lichen überhaupt, wie etwa einer Schädelpyramide u. s. w. Alle jene Naturgegcustände, wie diese Kunstobjecte (mögen letztere technisch auch noch so vollendet sein) veranlassen Vitaldifferenzen, ohne sie aufzu- heben, sind also hässlich. Das charakteristische Kenn- zeichen des Schönen aber ist, dass es nicht Vital- ditferenzen (Störungen) hervorruft, sondern vorhandene — mehr oder minder — aufhebt, bezw. wenigstens zum vor- läufigen, manche sicher auch zum dauernden Abschlüsse bringt. Der Anblick des Vollendeten, des Idealen, des auf die Stabilität Gerichteten, dieser Abbilder und Sinn- bilder von den Gegenständen und Geschehnissen unserer Sehnsucht, weckt immer von neuem die Hoffnung und den Glauben an die dereinstige Herbeiführung unserer Ideale und stärkt diese Hoffnung, diesen Glauben. Wir nehmen die Zukunft, die Erreichung des Idealen vorweg!! Das ist das Beste am Schönen in Natur und Kunst. In dieser Vorwegnähme gewinnen wir Freiheit von den Beängstigungen und Beunruhigungen, von den Sorgen und Qualen der Gegenwart, fühlen uns weit hinausgehoben über Dunst und Qualm des Erden- lebens: unser ganzes geistiges Sein erscheint uns wie nach einem erquickenden Bade gereinigt, geläutert und ver- edelt. Wir gewinnen Trost und Beruhigung in dem Ge- danken, dass es dereinst doch besser auf Erden wird. Wir gewinnen Hoffnung und freudige Zuversicht auf die einstige Herrschaft von Liebe und Gerechtigkeit auf Erden. Wir glauben das Morgenroth einer besseren Welt, der Stabilitäts-Welt, zu schauen und fühlen uns wieder einmal froh und glücklich in unserem Mensch-sein! Indem wir uns weit über die Schranken des Individuellen und Gegen- wärtigen hinausgehoben fühlen, nehmen wir Theil au der dereinstigen Harmonie des ganzen menschheitlichen Systems. Betrachten wir von den beiden Arten des Schönen (dem Naturscbönen und Kunstschönen | zunächst kurz das Naturschöne, d. h. das Schöne, bei dem die Bearbeitung der Natur nur innerlich geschieht. Der Anblick des ge stirnten Himmels, des gewaltigen Meeres, die Beobachtung des Naturgeschehens überhaupt, besonders da, wo wir die Naturgesetzlichkeit stark hervortreten sehen, wie bei den astronomischen (überhaupt den physikalischen) Er- eignissen, sie reissen uns heraus aus dem Einzelsein: die feste Gesetzlichkeit, das strenge Beharren flössen uns Be- wunderung ein, aber auch < Geringschätzung des scheinbar von allerhand Zufälligkeiten beeinflussten individuellen Seins. Je mehr wir uns in die erhabenen Naturschönheiten ver- tiefen, desto mehr glauben wir zu fühlen, wie unser Ich aufgeht im allgemeinen Sein. Nicht stumpf und seelenlos erscheint uns dann die Welt, der Kosmos, sondern als ein grosses Lebendiges. Wir glauben dieselben Kräfte, die ausser uns wirken, auch in uns lebendig. Das Leben in uns und das Lesben ausser uns erscheint uns als im wesent- lich Eines: wir fassen unser persönliches Sein nur als einen kleinen Sonderfall des allgemeinen Lebens auf. „Vom ersten Ringen dunkler Kräfte „Bis zum Erguss der ersten Lebenssäfte, „Wo Kraft in Kraft und Stoff in Stoff verquillt, „Die erste Blüth', die erste Knospe schwillt, „Zum ersten Strahl von neugeboinem Lieht, „Das durch die Nacht wie zweite Schöpfung bricht „Und aus den tausend Ausen der Welt „Den Himmel, so Tag wie Nacht, erhellt, „Ist- Eine Kraft, Ein Wechselspiel und Weben, „Ein Trieb und Drang nach immer höherin Leben]" (Schelling.) Unser Einzelleid erscheint uus dem grossen Welt- geschehen gegenüber so unbedeutend, dass wir mit Er- gebung und Humor über dasselbe hinwegkommen. Auch hier wird wieder Beruhigung und Trost und heitere Seelenruhe erzielt. Nur entspringen sie mehr dem Gefühl der schlichten Ergebung. Es kann aber durch die Natur, wie wir schon früher sahen, auch freudiges Hoffen erweckt werden: der Sturm da draussen, auf den bald lachender Sonnenschein folgt, der Winter, dem bald der Frühling folgen wird, der Frühling selbst mit seinem Erwachen der Natur: sie können uns zum Ausharren wie zum frischen Vorwärts- streben ermuntern. Und auch in der Natur können wir überall eine rastlose Aufwärtsentwickelung, ein unauf- hörliches Streben nach Erreichung von Dauerzuständen, von stabilen Verhältnissen feststellen. Wir können auch aus der Naturbcobachtung das Ergebniss gewinnen, dass das einzig richtige Losuugswort, wenn man nicht zu Grunde gehen will, das Wort „Vorwärts!" ist. Was wäre übrigens der Naturgenuss ohne diese sinn- bildliche Auffassung der Natur? Er wäre seines schönsten Zaubers beraubt. Es ist ja wahrhaftig nicht zu ver- achten, frische Luft eiuzuathmen, im goldigen Lichte zu wandeln, sich am Grün der Fluren und Wälder, am „lustigen" Wolken-„Wandern"zu ergötzen: aber jener eigen- artige Zauber, der im Naturgenusse des modernen, wirklich gebildeten Menseben steckt, der kommt nur durch die sinn- bildliche Auffassung zu Stande, die auch sicher fortdauern wird, so lange wir nicht die Stabilität»- Welt erreicht haben. Was nun schliesslich das Kunstschöne anbetrifft, das durch äusserliche Bearbeitung der Natur und Isolirung der Objecte gewonnen wird, so soll die Kunst, trotz- dem sie ihre Objecte räumlich und zeitlich der Wirklich- keit gegenüber absondert, nicht ein Reich über dem Leben 308 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 25. sein. Kunst und Leben gehören eng zusammen. Erstere ist die Krönung des letzteren. Sie würde, wenn sie etwas anderes sein wollte, als ein schmückender, belebender, erfrischender Bestandtheil des Lebens selbst, ihre natür- liche und damit beste Grundlage verlieren. Sie steht. wie das Naturschöne, durchaus im Dienste des Erhaltungs- strebens der Menschheit. Ihre Anlange, bezw. Vorstufen gehören drin täglichen Leben des Urmenschen an. Ins- besondere die Lust sich um des besseren Erfolges bei der Paarungswahl willen zu schmücken, Farben. Töne, rhyth- mische Bewegungen u. s. w. als Lockmittel beim Liebes- werben zu benutzen, weiterhin dann auch die Freude am Zierrat bei Wallen und Geräthen, der Sinn für Ordnung und Wohnlichkeit der Umgebung, der Drang zur Bewe gung um ihrer selbst willen, d. li. zum Kampf-Spiel, zum Tanzen, Springen und Singen, der starke Nachahmungs- trieb, die anthropomorphistische Belebung der Natur, das sind die ersten Keime jenes Kulturzweigs, der, nachdem sich die Menschheit erst einmal mehr von der Noth des Augenblicks befreit hatte, eine so stolze Entwickelung hat. Die Aufgabe der heutigen Kunst kann von unserem Standpunkte aus nicht zweifelhaft sein: sie hat uns Formen zu schaffen, die für uns Sinnbilder der Welt der Werthe sind, d. h. sie hat das Schone darzustellen. Sie hat dementsprechend nicht einfache Nachahmung der Natur zu sein, sondern soll nur ihre Motive aus der Natur entnehmen, dieselben zwar im echten Wirklichkeitsgeiste behandeln, aber doch eine idealisirte, d. h. eine von allem Gleichgiltigen, Nebensächlichen und Fremdartigen absehende Darstellung von Erscheinungen der Wirklichkeit geben, die geeignet sind, für uns Sinnbilder von Werth - vollem zu sein. Die Darstellungen der Kunst sollen einem Mangel der Wirklichkeit abhelfen. Aus der un- übersichtlichen Breite letzterer sehen wir selten ein Be- gebiiiss lückenlos und anschaulich hervorleuchten. Die Kunst — auf ihr Recht der Idealisirung gestützt — drängt den Inhalt zusammen, so dass das Object in naturwahrer Weise charakteristisch wiedergegeben wird. Hierin, in der Form also, liegt das unterscheidende Merkmal der Kunst, nicht aber ihr Wesen. Letzteres istviel- mehr, wie nach obigem selbstverständlich, darin zu suchen, dass sie zur Stillung des Stabilitäts-Hungers und zur Herbei- führung der ersehnten Verhältnisse ihr Thcil beiträgt. Sie soll den Menschen im Daseinskämpfe stärken, trösten, läutern, ihn geeigneter für den Kampf, für das Streben nach den Idealen machen, indem sie ihm sinnlich lebendige Bilder des für ihn Werthvollen vor Augen führt. Die Kunst wird für den Menschen um so werthvoller, je mehr derselbe mit der Noth, mit den Bitternissen des Daseins zu ringen hat. Sie unterstützt den Menschen eben nicht nur im Liebeswerben, sondern vor allem tröstet sie den Entbehrenden, den Leidenden, den Unglücklichen, indem sie ihm theils sein Leiden und seine Entbehrungen sub specie aeternitatis zeigt, d. h. von allgemeinsten, weitesten und höchsten Gesichts- punkten aus beleuchtet, es allgemeinen Geschehen, als weist, theils, indem sie es überwindlieh hinstellt, indem bilder vor Augen führt! (Schiller, Ideal und Leben.) Die Kunst läutert uns aber auch, indem sie das Unrechtthun, das gegen die Stabilisirung handeln, als strafwürdig hin- stellt und die sich vergehenden Helden zu Grunde gehen lässt. (Keine wahre Tragik, sondern etwas Hässliches ist es, wenn der Held nicht in Folge eigener Schuld, son- dern in Folge äusserer Zufälle zu Grunde geht: aus welchem Gesichtspunkte heraus Schiller in einer allerdings auch nicht völlig befriedigenden Weise den Fiesko in der als einen Einzelfall im jetzt „nothwendig" er- als vorübergehend und sie uns lichte Zukunfts- Dichtung ein anderes Ende nehmen Hess, als es in Wirk- lichkeit einst geschah.) Dass die Kunst, wir meinen die echte, in dieser Weise verfährt, lässt sich leicht nachweisen. In den echten Kunstwerken sehen wir die Ereignisse so dar- gestellt, wie wir — die Voraussetzungen (Charaktere und Verhältnisse) als gegeben angenommen — vom Stabilitäts- Gesichtspunkte aus wünschen, dass sie sich vollziehen. So in Dichtkunst und Malerei, d. h. bei denjenigen Ar- beiten, die eben den Namen eines Kunstwerkes verdienen. Aber auch die Musik hat eine entsprechende Aufgabe. Nicht ist es ihre Aufgabe, Gefühle darzustellen, aber wohl ist es ihre Sache, solche hervorzurufen oder zu beleben, zu kräftigen, zu steigern. Und dass diese Gefühle nicht solche von Schwächlingen und Lüstlingen sind, sondern solche, die im Sinne des stabilen Endzustandes gerichtet sind, erwarten wir von der echten Tonkunst, die mehr sein will, als blosser Sinnenkitzel. Auch bei der Bildnerei ist kein Zweifel möglich. Sie führt uns weniger Ereig- nisse, als vielmehr in erster Linie Idealgestalten vor, d. h. Gestalten, wie wir vom Stabilitätsgesichtspunkte aus wünschen, dass sie seien. Endlich auch die Baukunst: ihre Werke -- sie ist ja eine „unfreie" Kunst — dienen praktischen Zwecken, sind aber (oder sollen es seiu !) gleich- zeitig in ihrem Ausdrucke Sinnbilder zweckmässiger socialer Einrichtungen oder solcher, die doch bei sehr vielen da- für gelten (wie z. B. Regierungssitze, Gerichtsstätten, Schulhäuser, Gottesdienst-Häuser, Wohnhäuser u. s. w. *) Dass das Kunstschöne, wie überhaupt das Schöne, an Werth sehr verschieden ist, versteht sich von un- serem Standpunkte aus von selbst. Für diejenigen Aesthetiker, die meinen, was als schön gelte, sei nur eine Machtfrage (Semper, Dilthey), giebt es allerdings einen solchen Maassstab, wie wir ihn in unserem Stabilitäts- Principe besitzen, nicht. Für uns aber ist das Schöne um so werthvoller, je bedeutender der Werth des Dar- gestellten für die Lebenserhaltung im Sinne der Gesannnt- heit ist, oder — mit andern Worten — je mehr das schöne Objekt die ersehnte Stabilität zum Ausdrucke bringt, d. h. je mehr es geeignet ist, ein Stabilitäts-Symbol abzugeben. Deshalb also ist das lineare < »rnament in seinem Schönheitswerthc ziemlich belanglos, ebenso „fast charakter- lose" Gebäude, „flache" Musikstücke, ziemlich nichts- sagende Statuen und Gemälde, oder die ganze Fülle der mehr oder minder rückgratlosen seichten Roman- litteratur u. s. w., u. s. w., wenn auch diese Werke nicht geradezu hässlich sind. Am meisten werthvoll sind die Darstellungen des höchsten Strebens der Menschen: ihres Ringens nach Erkenntniss, nach Beseitigung des Rohen, Schlechten, Gemeinen, ihrer schweren Kämpfe und Leiden beim Ringen für das Ideale, der Hingabe und Aufopferung des Einzelnen für dieGesammtheit. Kurz: das sociale Ringen der Menschheit nach Durchsetzung der Forderungen der Gerechtigkeit und Freiheit und das faustische Ringen nach Erkenntniss, das sind — mag das von der Mode des Tages durch Bezahlung oder Ehre anerkannt weiden oder *) Die Kasernen kann ich leider nicht mitanführen: denn so nothwendig das Kriegswesen für unseren modernen Staat ist und so zweckmässig die Kasernen sind (d. h. der Idee nach), so kenne ich persönlich doch keine Kaserne, die als ein Kunstwerk in obigem Sinne anzuführen wäre: oder man miisste meinen, dass die betreffenden Gebäude Sinnbilder für die Eintönigkeit des Drills und für den starken Zwang, der dem Individuum angethan wird, seiu sollten, was man im Ernst doch nicht wird behaupten wollen. Ich vermisse bei solchen Bauten durchaus den Ausdruck dafür, dass es Stätten sind, wo die jungen Staatsbürger zur Ausübung einer der edelsten und vornehmsten Pflichten, zur Verteidigung des Vaterlandes (des socialen Systems höherer Ordnung, dessen Theilsystenie sie selber sind und mit dem sie sieh unbedingt soli- darisch fühlen sollten) erzogen werden. Nr. 25. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 309 nicht — das sind die weitaus werthvollsten Gegenstände für die Kunstdarstellungen. Bei der Abschätzung des Werthes eines Kunstwerkes kommt natürlich in zweiter Linie auch die Technik in Frage, deren Werth darin besteht, dass wir mit ihrer Hülfe die Bedeutung des Kunstwerkes möglichst intuitiv (ohne viel Nachdenken) erfassen. Je leichter wir das Werthvolle aus dem Kunstwerke herausfühlen, um so höher steigt ja auch sein Schönheits- Werth ! Und diese Leichtigkeit wird durch gute ^Technik" erreicht. — Es erübrigt uns zum Schlüsse noch die Stellung des Schönen (und der Kunst) zum Guten und Wahren schärfer zu präcisiren. Dass das Schöne durch- aus dem Guten untergeordnet ist, ergiebt sich ohne Weiteres. Letztes Ziel des gesammten menschlichen Strebens ist eben die Erreichung von Dauerzuständen : ein in diesem Sinne gerichtetes Streben bezeichnen wir als gut. Die Kunst, das Schöne hat keine andere Auf- gabe als ihr Theil zur Erreichung dieser letzten Ziele, d. h. des Guten, beizutragen. Wäre letzteres erreicht, so wäre die Kunst überflüssig. Der oberste Maassstab bleibt also durchaus stets der sittliche, mag sich ein grosser Theil der Künstler hiergegen auch noch so sehr sträuben. Die Kunst ist nur daseinsberechtigt, sofern sie auf das Strengste alles Unsittliche, Rohe, Gemeine, Lüsterne, Fri- vole u. s. w. von sich fern hält. Im Begriffe des Schönen liegt ja das sittliche Soll deutlich ausgeprägt. Denn Schön ist doch nach unseren Darlegungen das gefal- lende (bezw. angenehme) Objekt, das uns als Sinnbildvon Werthvollem (als Stabilitäts-Symbol) dient und als solches in uns einen harmonischen, stabilen Gemüthszustan d hervorruft. Das Schöne darf anderseits aber auch nicht dem Wahren widersprechen. Ein Gegenstand kann uns doch nur dann als Sinnbild für Werthvolles dienen, wenn er „wirklich", wenn er „naturgetreu" ist, d. h. die Welt- gesetze in einem Einzelfalle sinnlich getreu zum Ausdrucke bringt. Ausgeschlossen ist also vom Schönen alles, was uns der Wirklichkeit entfremdet, alles Hoch-roman- tische, alles wirklich Unwahre. Ich erinnere beispiels- weise an die Malerschule der Symbolisten, an die Opern (die in ihrer heutigen Form durchaus verwerflich sind, da kein Mensch auf dem weiten Erdboden sein Handeln, Kämpfen und Sterben singend vollzieht*) von den zahl- *) Ich würde mir nur allenfalls die musikalische Begleitung eines Gesprächs gefallen lassen: aber das wäre auch das äusserste. Gesungene Gespräche sind ein Unsinn, ausser man beabsichtigt, eine Parodie auf die Wirklichkeit zu liefern. reichen Dichtungen, die der Wahrhaftigkeit ins Gesicht schlagen, ganz zu schweigen. Audi ein guter Theil der Märchen wäre verwerflich; nicht ausgeschlossen wären diejenigen Märchen und sonstigen Kunstwerke, wo die er- dichtete Form (z. B. eine Fee) nur das ohne weiteres erkennbare Sinnbild einer Naturkraft ist (Feen des Wohl- wollens, der Arbeitslust, des Frohsinns u. s. w., aber keine des „Glücks"; denn eine solche Erdichtung würde nur j schwächend wirken!). — Die Forderung der Wahrheit ist heute oft in übertriebener Weise betont worden, und zwar meist von solchen, die vom sittlichen Maassstabc nichts wissen wollen! Man meint auch oft, man sei nur dann „wahr", wenn man den Schmutz darstelle, gerade wie wenn die Wirklichkeit vorzugsweise aus Schmutz bestände. Erdgeruch sollen unsere Kunstwerke haben, aber nicht (man verzeihe das derbe Wort) — Mistgeruch! Dass solche Werke (wie z. B. die meisten Zola'schen) keine Kunstwerke, sondern nur (technisch meisterhafte) Sitten- schilderungen sind, ist für mich selbstverständlich. — Und damit wäre ich am Ende meiner heutigen Be- trachtungen angelangt. Nur zu einer vorhin gemachten Bemerkung möchte ich noch ein paar erläuternde Worte hinzufügen, nämlich zu der Frage nach der Zukunft der ] Kunst. Ich sagte, dass die Kunst überflüssig sei, sobald der Idealzustand ganz oder nahezu erreicht sei. Sicher! Je stabiler die Verhältnisse, um so zufriedener sind die Gemüther, um so mehr gehen sie in der Gegenwart auf und um so weniger tragen sie Verlangen nach der tröstenden Wirkung der Kunst. Wozu auch dann der Trost? Wenn's eben der Menschheit gut geht! Die Er- reichung des höchsten Ideals der Menschheit, des stabilen Endzustandes, würde das Ende der Kunst bedeuten, wie es auch das Ende der Wissenschaft, wie überhaupt der geistigen Vorwärtsentwickelung bedeuten würde. Im „Paradiese" sind Kunst und Wissenschaft überflüssig. Geistige Beweglichkeit und Ringen mit der Noth des Lebens gehören nothwendig zusammen. Hört letztere auf oder wird stark eingeschränkt, so schwindet auch erstere. Man könnte das auch so ausdrücken: geistige Beweglich- lichkeit, geistige Vorwärtsentwickelung, Blühen von Kunst und Wissenschaft sind eine Funktion der Noth des Lebens! Ohne Lebensnoth keine Kunst und keine Wissenschaft! Vorläufig sind wir nun allerdings noch in Noth, und zwar gehörig und leider wohl noch für recht lange Zeit: da hat die Kunst, die Pflegemutter des Schönen, noch genügend Zeit und Raum, um in dem harten, bitteren Kampfe ums Dasein ihr mildes und er- quickendes Trösteramt auszuüben! Romanes f. — Am 23. Mai d. J. starb in Oxford an einer Apoplexie, erst 46 Jahre alt, der auch in Deutschland wohlbekannte Britische Biologe George John Roinanes, einer der angesehensten Nachfolger Darwins. Er war geboren am 20. Mai 1848 zu Kingston in Canada, wo sein Vater, einer alten schottischen Familie entstammend, Professor des Griechischen war, studirte in Cambridge und wurde seit 1874 von Burdon-Sanderson und Darwin, dem er bis zu dessen Tode (1882) nahe stand, sehr stark beeinflusst. Seine erste bedeutende Leistung, ein in der British Association zu Dublin 1878 gehaltener Vortrag über den Verstand der Tbiere, lässt schon er- kennen, wie entschieden er psychologische Probleme nicht etwa nur physiologisch, sondern auch von Grund aus Darwinistisch behandelte. Und dieser Richtung ist er in allen seinen späteren, sehr zahlreichen und gediegenen Arbeiten treu geblieben. Zu den besten ihrer Zeit ge- hören seine Untersuchungen über die Bewegungen der Seesterne, Seeigel und Medusen, obwohl der Beweis, dass sich alle nur auf Reflexe zurückführen lassen sollen, uielit gelang. Von seinen Büchern sind die über die geistige Entwickelung der Thiere und des Menschen, sowie das „Darwin und nach Darwin" betitelte populäre Werk auch in Deutschen Ausgaben erschienen. Einen grossen, viel- leicht zu grossen Theil seiner Zeit und Kraft widmete Romanes kleineren, wesentlich kritischen Aufsätzen, welche eine ungewöhnliche Geschicklichkeit in der Gruppirung von Thatsachen zu Gunsten oder Ungunsten der einen oder an- deren Hypothese bekunden. Durch diese polemischen Briefe und Essays, welche stets maassvoll und sachlich gehalten sind, hat er zur klareren Formulirung mancher evolutio- nistischen Frage erheblich beigetragen, auch den Ausbau des Darwinismus durch seine „Physiologische Selection" zu fördern gesucht. Eine nicht geringe Anzahl vmi ex- perimentellen Arbeiten ist ebenso, wie ein ganzer Band poetischen Inhalts, nicht veröffentlicht worden. Als ich 310 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 2ä; im Sommer 1891 mit dem schon damals leidenden Freunde im Engadin zusammen war, wo er vergeblich Heilung suchte, hatte er mehrere Versuchsanordnungen im Kopfe, die erst nach Jahren ein Ergebniss versprachen. Nun ist sein reiches Wissen und Können, das so viel für die Zukunft in Aussicht stellte, plötzlich dahin. Seine Fachgenossen, seine Freunde und Schüler be- trauern in ihm einen der gewissenhaftesten Forscher, einen trefflichen Lehrer, einen ungemein fruchtbaren Schriftsteller, einen edlen Menschen. Er hatte manchen wissenschaftlichen Gegner, aber keinen Feind. Ganz aus freiem Willen, ohne irgendwelche Bestrebung, äussere Vortbeile zu erringen, hat er den biologischen Natur- wissenschaften sich zugewendet und sie mit eisernem Fleisse, mit einer für seine Gesundheit vermuthlich zu grossen Ausdauer und mit wachsendem Erfolge bis zum letzten Athemzuge zu fördern gesucht. Die Wahrheit zu finden war sein Lebensziel und diesem weihte er sich, wie namentlich die vielen Briefe an mich aus den letzten 14 Jahren zeigen, mit einer sogar in England, geschweige denn bei uns seltenen inneren und äusseren Unab- hängigkeit. W. Preyer. Nachschrift zu meinem Aufsatze: Die Herkunft des Namens „Lilium convalliuni". — Johannes Trojan, der sinnige Betrachter und gemüthvolle Schilderer der heimischen Pflanzenwelt, hatte die Güte, mir einen von ihm in der Zeitschrift „Daheim" (Jahrg. 1888 S. 502) veröffentlichten Aufsatz über das Maiglöckchen mitzutheilen, in welchem er über den von mir (Naturw. Wochenschr. Nr. 20) behandelten Gegenstand Ausführungen macht, mit denen sich die meiuigen in allen wesentlichen Punkten decken. Nach der von mir aufgefundenen handschrift- lichen Notiz aus dem 17. Jahrhundert war ich auf litte- rarische Vorgänger wohl gefasst, erwartete dieselben aber eher in der theologischen Litteratur, vielleicht des Aus- landes (England'?). Dass ein auch von mir so hoch ge- schätzter, mir persönlich befreundeter Schriftsteller erst vor wenigen Jahren in einer viel gelesenen Zeitschrift ähn- liche Mittheilungen gemacht, dies zu erfahren war mir überraschend. Immerhin dürften dieselben, wie mir, so wohl vielen für die Sache interessirten Pflanzenfreunden unbekannt geblieben sein, und so glaube ich immer noch nicht „eine offene Thtir eingestossen" zu haben. Freund Trojan hatte vor seiner Veröffentlichung meinen hochverehrten Amtsgenossen, Ober-Konsistorialrath Pro- fessor D. Kleinert zu Rathe gezogen, der ihm die Un- richtigkeit von Luthers Uebersetzung und die Richtigkeit der Version der Vulgata bestätigte. Ihm folgend bezieht T. die schöschanna des Hohen Liedes auf die„weisse Lilie". Lilium candidum L. ist indess der Flora Palaestinas kaum minder fremd als das Maiglöckchen. Mein ehrwürdiger Freund Wetzstein hat es während seines 15jährigen Aufenthaltes in Syrien nie gesehen, auch nicht als Garten- blume. Nach Boissier kommt es nur im Libanon vor, doch darf auch dort sein Indigenat bezweifelt werden. Ich bin immer noch der Meinung, dass schüschan oder schöschanna ein allgemeiner Name für die schön und gross- blühendeu Liliifloren war; wird doch durch eine etymo- logische Spielerei der Name mit der Zahl 6 (hebr. schesch) in Zusammenhang gebracht, wegen der Zahl der Perigon- blätter! Keinesfalls bedeutete er speciell eine Lilium- Art. Das Wort findet sich auch im heutigen Arabischen als schüschan oder süsan; am häufigsten bezeichnet es blau blühende Iris-Arten, aber ich notirte es auch für Pancra- tium maritimum L., also dieselbe Art, welche im heutigen Sa- rona für die in der ersten Hälfte des betreffenden Verses „chabasseleth-hasch-scharön" (Blume von Saron) genannte gehalten wird, eine Deutung die mindestens ebenso be- rechtigt ist als die von Gesenius vorgezogene „Herbst- Zeitlose" oder die in der neuesten, von Prof. Kautzsch herausgegebenen deutschen Bibelübersetzung angenommene „Narzisse". Das Wort „chabasseleth" deutet allerdings auf ein Zwiebelgewächs; „bessel" ist der hebräische fauch als „bassal" im Arabischen allgemein gebräuchliche) Name der gewöhnlichen Zwiebel (Allium Cepa L.) Allem Anschein nach stehen wir aber in der Frage über Gattung und Art derselben für immer vor einem „Ignorabimus". Herr Trojan constatirte an der Mosel einen von Pritzel- Jessen nicht erwähnten Volksnamen der Maiblume: Finkel- fang. Auch dieser gehört sicher zu den Nachklängen von Lilium convalliuni, obwohl von den ursprünglichen Lauten dieses Namens recht wenig übrig geblieben ist. Unter den von G eisen heyn er hauptsächlich in der südlichen Rheinprovinz gesammelten deutschen Pflanzennamen (Jahrb. des Vereins f. Naturk. Nassau 42) finde ich Fiukelche (auch Dinkelcher, Ginkelcher und Kadenkelche) für Viola arven- sis. Hier ist Finkel wohl ein Nachklang von Viola. An die Gleichung Lilium = Hilgen erinnert der Name von Lilium candidum: Hilgenblume. P. Ascherson. Ueber den Einfluss der geographischen Länge auf die Aufblühzeit von Holzpflanzen in Mitteleuropa hat E. Ihne eine Arbeit veröffentlicht. (Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte. Nürn- berg 1893.) — Wie schon in vielen früheren Arbeiten zeigt Verf. in dieser, dass die Feststellung phänologiseher Daten nicht in das Gebiet des „geschäftigen Müssiggangs" gehört, wie einige Botaniker zu glauben scheinen, sondern da- durch, dass Stoff zur Erklärung botanischer Thatsachen an der Hand geographischer Kenntnisse geboten wird, eine wesentliche Stütze der Pflanzengeographie bildet. Während ein Einfluss der geographischen Breite auf die Aufblühzeit ganz klar ist, hat Verf. für Mitteleuropa auch einen solchen der geographischen Länge nachge- wiesen. Er zeigt, „dass das Aufblühen der Frühlings- und Frühsommerpflanzen an Orten gleicher Höhe und Breite im Westen früher eintritt als im Osten." Natürlich war dies aus den bekannten klimatischen Verhältnissen wahr- scheinlich, bedurfte aber doch noch eines speziellen Nach- weises und der konnte nur durch Zusammenstellung phäno- logiseher Daten gegeben werden. Vor allem aber lehren diese auch die Grösse der Verspätung, nämlich „dass sich für eine Längenzunahme um 111 km. der Eintritt der Blüthezeit der bei uns im Frühling und Frühsommer zur Blüthe gelangenden Holzpflanzen durchschnittlich um 0,9 Tag verzögert", ferner dass „für die früher im Jahre zur Blüthe gelangenden Pflanzen der Betrag der Ver- spätung des Aufblühens für je 111 km. Längenzunahme grösser als für die später zur Blüthe gelangenden." Eine Ausnahme dagegen bildeten die Küstenstationen, wo sich eine Verspätung des Eintritts der Blüthezeit an den west- lichen Stationen gegen die östlichen zeigte, was wohl durch den Einfluss des Meeres zu erklären ist. Dass da- gegen die englischen Stationen gegenüber unseren Nord- seestationen Verfrühung zeigten, ist noch kaum sicher zu erklären. Vor allen Dingen aber wird zur sicheren Fest- stellung dieser Thatsaehe noch weitere Aufnahme phäno- logiseher Daten wünsebenswerth und wir können daher nur Verf. beistimmen, wenn er immer wieder zu neuer Errichtung phänologiseher .Stationen auffordert. Er gerade, der so viel zur Verarbeitung des gesammelten Materials beigetragen, hat das vollste Recht von den Fachgenossen Unterstützung in Feststellung der Einzelbeobachtungen zu verlangen. Dr. F. Hock. Nr. 25- Naturwissenschaftliche Wochenschrift, 311 Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Dr. Johannes Müller von der könig- lichen Bibliothek zu Berlin zum Oberbibliothekar des Reichstages; der bisherige Assistent der Reichstagsbibliothek Bloemeke zum Bibliothekar; der Bibliothekar Dr. Jessen zum Director der Bibliothek des Kunstgewerbe - Museums in Berlin; Dr. S. J. Hickson vom Downing College im Cambridge zum Professor der Zoologie am Owens College zu Manchester; Privatdocent Dr. Alfred He t tu er in Leipzig zum ausserordentlichen Professor der Geographie; Forstassessor G. Sarauw zum Assistenten am Nationalmuseuni in Kopenhagen; der bisherige Lector der Botanik zu Cambridge John E. Willis zum Senior Assistant in Botany an der Universität und zum Lector am Queen Margaret College in Glasgow; M. A. Carleton, Assistent am Agricultural College in Manhattan, Kansas, zum Assistenten an der Division of Vege- table Pathology in Washington; Dr. Alexand«r König zum Professor der Zoologie in Bonn; der Privatdocent Dr. Reinhold zu Freiburg i. B. zum ausserordentlichen Professor der inneren Medicin; Dr. med. Rosin aus Breslau zum Assistenten an der medicinischen Poliklinik der Universität Berlin; der Privatdocent Dr. L. Berend in Kiel zum ausserordentlichen Professor für Chemie; der ausserordentliche Professor der Psychiatrie Dr. med. F. Tuczek in Marburg zum ordentlichen Professor; der Biblio- theksassistent Dr. phil. A. Reuter in Marburg zum Bibliothekar; der Privatdocent Dr. med. A D übler in Basel zum ausser- ordentlichen Professor für pathologische Anatomie; der Privat- docent W. A. Afanassjew in Petersburg zum Professor der pathologischen Anatomie in Dorpat; der bisherige Volontär Dr. Milk an zum Hilfsbibliothekar an der Universitätsbibliothek zu Berlin. Es wurden berufen: Dr. Jungloer an die Universitäts-Augen- klinik zu Berlin; Dr. Rüge an die Klinik zu Berlin; Dr. Wahren- dorf f an die Irrenklinik der Charit ee zu Berlin; Dr. Wilm und Dr. Wolpert an die hygienischen Lehranstalten zu Berlin; der Privatdocent Dr. med. Robert Langerhans an das städtische Krankenhaus zu Moabit; der Prosector am anatomischen Institut der Universität Giessen Dr. med. W. Zimmermann nach Bern; der Privatdocent Dr. med. L. Pfeiffer in München als Professor der Hygiene nach Rostock; Dr. Malassez für pathologische Ana- tomie nach Paris an Stelle Charcots; Professor Dr. E. Rathay zum Director der önologisch-pomologischeu Lehranstalt in Kloster- neuburg bei Wien. Vorgeschlagen: An Stelle des Professors der Augenheilkunde zu Wien Dr. Stelwag die Professoren Schnabel in Prag, Sattler in Leipzig und Borysiekie wiez in Graz. Abgelehnt: Professor Dr. Mikulicz in Breslau den Ruf nach Wien an Stelle Billroth's. Es haben sich habihtirt: Dr. Schaper für Anatomie in Zürich; Dr. Wachholtz für gerichtliehe Medicin in Krakau; Dr. Beck für Physiologie in Krakau; Dr. phil. Robert Haussner für Mathematik in Würzburg; Dr. med. Alessandro Acchini für specielle klinische Patologie und propädeutische Klinik in Perugia; Dr. Maximilian Sternberg für innere Medicin in Wien; Dr. Ernst Blase hke für Arithmetik in Wien; Dr. med. Fe er für innere Medicin in Basel. Aus dem Amte geschieden sind: Professor von Noorden von der zweiten medicinischen Klinik zu Berlin; Dr. med. Davids vom hygienischen Institut zu Berlin. Es sind gestorben: Francisco Quiroga y Rodriguez, Professor der Kristallographie in Madrid; Dr. Thomas Marong, Curator des Columbia College; der Professor für innere Krank- heiten Dr. med. N. Ssokolow in Petersburg; der auf geologischem Gebiete thätig gewesene Oberlehrer Professor Dr. W. Bölsche in Osnabrück. Der III. Allgemeine Deutsche Journalisten- und Schrift- stellertag findet zu Hamburg in der Zeit vom Donnerstag, den 28. Juni bis Dienstag, den 3. Juli statt, Die jährliche Ver. ammlung der British Association, welche in F.ngland die Stelle der deutschen Naturfori-cheiveisauimlung einnimmt, soll in diesem Jahre vom 8—15. August zu Oxford abgehalten «erden unter dem Vorsitz des ehemaligen Premier- ministers, des Marquis von Salisburv, der zugleich Elirenkanzler dor Universität ist. Das Interesse, an der alten Universitätstadi könnte wohl manchem deutsehen Gelehrten ein Grund sein, seine Ferienreise nach England zu machen, um der Versammlung bei- zuwohnen. Auskunft über Reisegelegenheit, Wohnungen u. s. w. ertheilt das Kecrelarint (University Museum, Oxford). L i 1 1 e r a t u r. Brockhaus' Conversations - Lexikon. 14., vollständig neu- bearbeitete Auflage in lü Bänden. 10. Band: K— Lebensversiche- rung. Mit 77 Tafeln, darunter 12 Chromotafeln. 19 Karten und Pläne und 292 Textabbildungen. F. A. Brockhaus. Leipzig, Berlin und Wien, 1894. — Preis 10 Mk. Der vorliegende, besonders reich auch auf naturwissenschaft- lichem Gebiete illustrirte Band ist den bisher erschienenen 9 Bänden der neuen Auflage ganz ebenbürtig. Wie uns die Ver lag.-handlung mittheilt, sind bei ihr bis jetzt nicht weniger als 4503 Kritiken eingelaufen, unter denen sich 4498 durchaus günstige und nur 5 ungünstige befinden Man fragt sich, was wohl zu ungünstigen Aeusserungen Ver- anlassung geben kann, bei einem so trefflich redigirten Werk, wie das vorliegende, das allen Anforderungen, die man an ein Con- versations-Lexikon stellen kann, genügt. Es ist für jeden Fach mann eiüe Kleinigkeit an jedem Lexikon zu mäkeln; wer das aber bei einem Werk wie dem Brockhaus'schen, thut, der hat sich einfach die Aufgaben, welche einem solchen gestellt sind, und die Schwierigkeit ihrer Lösung nicht klar gemacht. Wir begrüssen jeden neuen Band mit Freuden: jeder derselben bietet jedem zahl- reiche Anregungen und Belehrungen. Humphry Davy, Elektrochemische Untersuchungen. Heraus- gegeben von W. Ostwald. Mit 1. Tafel. (Ostwald's Class. d. exakten Wissensch. Nr. 45.) Wilhelm Engelmann. Leipzig 1893. — Preis 1,20 M. Davy's hier wieder abgedruckte Untersuchungen sind in den Philos. Transactions zu London 1807 und 1808 erschienen; sie sind schon einmal in deutscher Uebersetzung in den Annalen der Physik, Bd. 23, dem deutschen Publikum vorgelegt worden. Diese L. W. Gilbert'sche Uebersetzung bietet in Revision das vor- liegende Heft der Klassiker. Der Chemiker nutss die Arbeit kennen. Wissenschaftliche Mittheilungen aus Bosnien und der Herzegowina. Herausgegeben vom Bosnisch - Herzegowinischen Landesmuseum in Serajewo. Redigirt von Dr. Moritz Iloerues. Erster Band. Wien, 1893. Zweiter Band. Wien 1894. Die Einleitung von Band I bringt einen Artikel von Hör- mann, Constantin, Zur Geschichte des bosnisch - herzegowi- nischen Landesmuseums. — Die meisten der übrigen Artikel und Notizen gehören in die Gebiete der Archäologie und Geschichte, sowie der Volkskunde. Abhandlungen naturwissenschaftliehen Inhaltes sind: Balif, Philipp, Ergehnisse der meteorologischen Beobachtungen über Temperatur, Niederschlag und Bewölkung in Bosnien und der Herzegowina, 1889. (Mit 3 Tafeln). — Karlinski, Dr. Justin, Die Messungen der Tiefe des Borkesees bei Konjika. (Mit 3 Tafeln und 3 Abbildungen im Texte). — Fiala, Franz, Beiträge zur Pflanzengeographie Bosniens und der Herzegowina. (Mit 1 Farbentafel). — Zwei interessante Nadelhölzer des bos- nischen Waldes. (Mit 2 Farbentafeln und 2 Abbildungen im Texte). — Ein botanischer Ausflug in die Kiek planina. — Die Osjecenica und Klekovaca planina bei Petrovac. — Seunik, J. und Delic, Stefan, Daphne Blagayana Freier. (Mit 1 Abbildung im Texte). Auch im II. Band überwiegen die 3 erstgenannten Disciplinen. Von naturwissenschaftlichen Artikeln finden sieh in diesem Bande: Apfelbeck, Victor, Fauna insectorum balcanica. Bericht über die im Jahre 1892 ausgeführte entomologische Expedition nach Bulgarien und Ostrumelien. -■ Knotek, Johann. Die bosnisch-herzegowinischen Borkenkäfer. (Mit Tafel VIII, IX). — Tomasini, Otto Ritter v., Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Herzegowina. — Reiser, Othmar, Matirialien zu einer Ornis balcanica; — Ueber die Krbeutung eines Flug- hundes in der Herzegowina. — Karlinsky, Dr. Justin, Ver- zeichniss der bis zum Jahre 1S92 in Bosnien und der Herzegowina gesammelten Myriopoden (Tausendfüssler). Inhalt: Dr. Maximilian Klein, Aesthetik auf naturwissenschaftlicher Grundlage. - Romanos t- — Nachschrift zu meinem Autsatze: Die Herkunft des Namens „Lilium convallium". — Lieber den Einrluss der geographischen Länge auf die Aufblühzeil von Holzpflanzen in Mitteleuropa. — Aus dem wissenschaltlichen Leben. — Litteratur. — Brockhaus' Conversations-Lexikon. - Humphry Davy, Elektrochemische Untersuchungen. — Wissenschaftliche Mittheilungen aus Bosnien und der Herzegowina. 312 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 25; illUlIIIT IIIIIIIIlJ H Prima Gartenschläuche 1 pf| mit patentamtlich geschützten iy Schlauchschonern, S welche die Haltbarkeit derselben jjjjjj um das Doppelte erhöhen. Prospecte gratis und franco. f4 Gustav Engel, BERLIN W., Potsdamerstr. 131 ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦*♦♦♦♦♦♦♦♦♦ reib. Jliimmlcro Urrlnnsbudilinitblmta iu Serlin SW. 12. Soeben ertdrien: - rath; der ausserordentliche Professor der Mathematik zu Graz Dantsc her von Kollesberg zum ordentlichen Professor; der Privatdocent Dr. med. Louis Lew in in Berlin zum ausserordent- lichen Professor; der Privatdocent. Dr. Ludwig Schlesinger zu Berlin zum ausserordentlichen Professor der Mathematik; der Privatdocent Dr. Ernst Rudolf Kutter zu Berlin zum ausser- ordentlichen Professor der Mathematik ; der Privatdocent und Custos der mineralogisch-petrographischen Sammlung des könig- lichen Museums für Naturkunde zu Berlin Dr. August Tenne zum a. o. Professor; Professor Dr. Frankland zum Professor der » !hemie und Metallurgie am Mason College in Birmingham; Professor Charles Walcott zum Director der geologischen Anstalt in den Vereinigten Staaten an Stelle des Majors I. W. Powell; der Privatdocent Dr. Hans Jahn in Berlin zum Professor der Chemie. Es wurden berufen: Professor Dr. Ludwig Boltzmann in München als Professor der Physik an die Universität Wien; der Prosector am anatomischen Institute der Universität Giessen Dr. med. Erich Kallius an das anatomische Institut der Universität Göttingen; Professor Dr. Gussenbauer in Prag als Professor der Chirurgie nach Wien an Stelle Billroths. Es sind gestorben: der um die deutsche Fischzucht verdiente Kamnierherr Max von dem Borne zu Berneuchen (Neumark). Ein Congres International de Chimie appliquee findet vom Sonnabend den 4. bis Sonnabend den 11. August in Brüssel statt - Präsident: E. Hanuise. H. van Laer. General-Secretäre: F. Sachs und Für die am 20. August in Upsala stattfindende internationale Meteorologen- Versammlung ist folgendes Programm in Aussicht genommen: 1. Bericht des Präsidenten und des Secretärs; 2. Ein- richtung eines internationalen meteorologischen Bureaus; A. Land- wirtschaftliche Meteorologie; 4. Einrichtung von Stationen zur Beobachtung der Richtung und der Geschwindigkeit des Wolken- zuges; 5. Herstellung eines Wolkenatlas; 6. Möglichste Beschleuni- gung dir Wetter-Telegramme; 7. Beobachtungen von Stern-Sciu- tillationen. Im Kilimandjaro-Gebiet sind, wie die dort thätigen Forscher Dr. Volkens und Dr. Lent mittheilen, die zugleich mit meteoro- logischen Untersuchungen ausgeführten Kartenaufnahmen auf 8 Blätter angewachsen. Zu ihrer Fertigstellung wurden 112 tri- gonometrische Rundsichten und 970 Höhenmessungeu verwendet. Die bisher angelegten botanischen Sammlungen umfassen weit über 2000 Arten. Einem Zoologen würde sich ein überaus reiches Arbeitsfeld bieten. Litteratur. Dr. Robert Behla, Die Abstammungslehre und die Errichtung eines Institutes für Transformismus. Ein neuer experimen- teller phylogenetischer Forschungsweg. Lipsius & Tischer. Kiel und Leipzig 1894. — Preis 2 M. Von dem praktisch-experimentellen Grundgedanken des Buches vorerst abgesehen sind die theoretischen und kritischen Ausfüh- rungen des Verfassers über die Abstammungslehre weder neu, noch enthalten sie sonst eine klare Sichtung und Stellungnahme innerhalb des herrschenden Hypotheseuwerkes. In diesem Bezug ist der Ideengang des Buches flüchtig, Richtiges steht neben Falschem, und allerlei locker verbundene allgemein naturwissen- schaftliche und anthropologische Betrachtungen lenken fortwährend vom Kern der Sache ab. Der Grundgedanke: Verfasser gelang, Kaninchen, sowie Hunde j e untereinander künstlich zu befruchten, indem er sofort nach der Begattung mittelst einer Spritze das frische Sperma der Vagina entnahm und sogleich unter mikroskopischer Controle in die Vagina des Versuchsthicres injicirte. — Verfasser baut dar ;uif den Plan, dass es gelingen könnte, verschiedenste der Begattung widerstrebende Arten zu kreuzen; — und hofft, dass auf diesem Wege gänzlich neue Thierarten synthetisch hergestellt werden könnten. — Da er nun ferner glaubt, dass ein grosser Theil der heutigen Arten Kreuzungsproducte ursprünglicherer Arten seien, so wäre dann Grund zu d er weiteren Hoff nung einer experimentellen Lösung des Problemes der Artenentstehung bezw. eines experimentellen Beweises der Abstammungslehre; nämlich wenn es durch Kreuzung gewisser vorhandener Arten und weiterer Synthese aus deren Kreuzungsproducten gelänge, andere vorhandene Arten künstlich herzustellen bezw. gar im günstigsten Falle eine ganze Reihe des wirklichen Stammbaums experimentell zu reconstruiren. — Nun — „wenn i a Ketterl hätt', möcht' i a Böckerl dran binden, wenn i an's hätt'." Im Uebrigen soll dem Verfasser gern zugegeben werden, dass zielbewusst angestellte Züchtungsversuche auch ev. mittelst künst- licher Befruchtung wissenschaftlich ungeahnte Ergebnisse liefern könnten, und dass ein wissenschaftlich geleitetes derartiges Institut gewiss von höchstem Werthe für die Biologie wäre. Nur dass sich aus den speciellen Hoffnungen des Verfassers die Begeisterung für dessen Begründung entzünden wird, glaubt. Refe- rent nicht. Carl Hauptmann. Dr. M. M. Richter, Die Lehre von der Wellenberuhigung. Robert Oppenheim (Gustav Schmidt). Berlin 1894. — Preis ■2 Mark. Das gründliche Werk ist dem sich für den Gegenstand inter- essirenden angelegentlichst zu empfehlen: es ist eine Monographie über denselben. Verf. kommt zu dem Schluss: nicht das Oel als solches, sondern die in demselben oft in minimalen Mengen in freiem Zustande sich vorfindenden flüssigen ungesättigten Fett- säuren, die Oelsäuren, wirken wellenberuhigend. Oelsäure ist in llJi löslich und hierauf beruht die Ausbreitung derselben auf H..U und die Welleuberuhigung. Dr. Hermann Klein, Katechismus der Mathematischen Geo- graphie. Zweite, umgearbeitete und verbesserte Auflage. Mit 114 in den Text gedruckten Abbildungen. Verlag von J. J. Weber in Leipzig. — Preis geb. 2,50 M. Das Buch hat in der neuen von J. Klein herausgeg. Auflage (die erste hatte Dr. A. Drechsler zum Verfasser) seine Katechismus- Form beibehalten, die manchem Anfänger angenehm ist. Das Nr. 26. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. H2o Buch setzt keine besonderen inathemathischen Vorkenntnisse vor- aus. I >ie neuen Errungenschaften der Wissenschaft haben in der Aufl. gebührende Berücksichtigung erfahren. Ludwig- David und Charles Scolik, Photographisches Notiz- und Nachschlagebuch für die Praxis. Mit 7 Kunstbeilagen. 4. amgearb. Aufl. Wilhelm Knapp in Halle a. S. 1894. — Preis 4 M. Erst in Bd. VIII, S. 133 haben wir die 3. Aufl. des prak- tischen und guten Büchleins besprochen, und könnten das dort Gesagte hier nur wiederholen. Wir bemerken, dass das Buch ..der Bequemlichkeit halber" in der neuen Aufl. ein kleineres Format erhalten hat. Joh. Müller's Lehrbuch der kosmischen Physik. Fünfte umgearbeitete und vermehrte Auflage von Dr. C. F. W. Peters, ordentlichem Professor und Director der Sternwarte zu Königs- berg i. Pr. Mit 447 eingedruckten Holzstichen und 25 dem Texte beigegebenen, sowie einem Atlas von 60 zum Theil in Farben- druck ausgeführten Tafeln. Verlag von Friedrieh Vieweg und Sohn. Braunschweig. 1894. — Preis 26 Mk. Vor ca. 38 Jahren erschien die erste Auflage des ..Lehrbuches der kosmischen Physik"; die letzte noch von J. Müller heraus- gegebene 4. Auflage erschien vor 19 Jahren. Seitdem haben sich unsere Kenntnisse bezüglich der in dem Werk behandelten Gegen- stände vielfach vermehrt, sowohl durch neue Entdeckungen, als auch durch theoretische Untersuchungen. Auf astronomischem Gebiete mussten manche Capitel in der neuen Auflage nicht un- erheblich gegen früher verändert werden; man denke nur an die neuen Entdeckungen, bezüglich der Rotation des Meiern- und der Venus, der Monde des Mars und Jupiter, der veränderlichen Sterne vom Algol-Typus und der Erklärung ihres Lichtwechsels durch Pickering, sowie deren Bestätigung durch die photo- graphischen und spectralanalytischen Arbeiten Vogel's. Der Abschnitt über Ebbe und Fluth ist wesentlich verändert worden, wobei im Atlas die Karte mit Whewell's lsorachien, deren Be- rechtigung schon seit langer Zeit von den Fachgelehrten be- anstandet wurde, fallen musste. Das dritte Buch, welches die calorischen Erscheinungen auf der Erdoberfläche behandelt, wurde zum grossen Theile gänzlich umgearbeitet; — hat sich doch die Meteorologie m einer Weise entwickelt, wie man es vor zwanzig Jahren kaum ahnen konnte. Hinsichtlieh der Constitution des Erdinneren ist man in wissenschaftlichen Kreisen mehr und mehr der Ueberzeugung geworden, dass die frühere Ansicht vieler Geologen über die gluthflüssige Beschaffenheit des grössten Theiles der Erde, welche letztere lediglich mit einer wenige Meilen dicken abgekühlten Schicht bedeckt sein sollte, auf einer völligen Verkennung' der beobachteten Thatsachen beruhte. Be- züglich der Ursachen und der Erscheinungen des Erdmagnetismus stehen wir jetzt noch auf der Stufe des Sammeins von Beob- achtungen. Peters ist bestrebt gewesen, dem Buche auch in der neuen Auflage seinen bisherigen Charakter zu bewahren; es soll ein Lehr- und Nachschlagebuch für weitere gebildete Kreise sein. Um das Nachschlagen zu erleichtern, ist die neue Auflage mit einem ausführlicheren Register als die früheren versehen worden. Das Werk zerfällt in 4 Bücher, von denen das erste die Be- wegungen der Himmelskörper und ihre mechanische Erklärung. das zweite die kosmischen und atmosphärischen Lichterschei- nungen, das dritte die calorischen Erscheinungen der Erdober- fläche, des Erdinnern und der Atmosphäre und das vierte die Erscheinungen der Luftelektricität und des Erdmagnetismus be- handelt. Rene Descartes, Geometrie. Deutseh herausgegeben von Ludwig Schlesinger. Mit 2 Figurentafeln. Maver ^ Müller in Berlin. 1894. - Preis 3,60 Mk. Schlesinger hat die Descartes'sche Geometrie von 1637 in dem vorliegenden Heft geschickt deutsch wiedergegeben. Die uns jetzt alterthümlich anmuthende Darstellung des Originals hat Schi sich bemüht, in der Uebersetzung nicht ganz zu verwischen, aber er hat die Gleichungen etc in der gegenwärtig üblichen Form geschrieben. Bruno Kämpfe, Tafel des Integrals "I1 , 2 f- "tfT dt. Wilhelm Engelmann. Leipzig 1893. — Preis 0.6(1 M. Die vorliegende, vier Seiten umfassende Tafel für das üben genannte, sehr wichtige Integral ist ein Separatabdruck ans Wundt, Philosophische Studien, Band IX. Der Schnitt der Ziffern ist sehr schön. Die Werthe von y laufen von 0 bis 2.89. die von <1>(T) sind auf vier Stellen angegeben. Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte. 65. Versammlung zu Nürnberg, 11.— 15. September 1893. Herausgegeben im Auftrage des Vorstandes und der Ge- schäftsführung von Albert Wangerin und Otto Taschenberg. 2. Theil I. Hälfte: Naturwissenschaftliche Abtheilungen. — Preis 5 Mk. 2. Theil II. Hälfte: Medicinische Abtheilungen. — Preis 10 Mk. Verlag von F. (' W. Vogel. Leipzig 1894. Die I. Hälfte umfasst 231 Seiten und bringt nicht weniger als 1 18 längere oder kürzere (notizartige) Abhandlungen, und zwar die Ab- theilung für Mathematik und Astronomie, Abhandlungen von Gordan, Lampe. Schapira, Bjerkness, Molen broek, Wangerin und Königsberger; die Abtheilung für I nstrum entenkun de von Lom- mel, Archenhold, Fürchthauer, Hartwig, Pulfrich, Kahlbaum, Haensch sen , Plato, Weinstein, Neumayer und Günther; die Abtheilung für Physik von Boltzmann, Lenard, Zehnder, Schering, v. Lang, Drude. Ostwald, Kahlbaum, Nerust, Pictet, Schmidt, Neumayer, Graetz, König, Des Coudres, Meyer, Meverhoffer, Wiedeburg; die Abtheilung für Chemie von Stohmann, Kaemmerer, Schottländer, Michaelis, Meyerhoffer, Ottmann, Moldau, Tafel, Marckwald, Ephraim, Wislicenus, Goldschmidt, Bredt, Stockmeier, Thilo, Ehrenberg, Elbs. Peters. Küster. Seubert, Knorr, Kraut; die Ab- theilung für Lan d wirthschaft von Liutner, Haselhoss, Klien, Bauer und Sutter; die Abtheilung für Zoologie und Ento- mologie von L. Koch, Palacky, Mueller-München, Hoffmann und Lampert; die Abtheilung für Botanik von Hansen, Pfeffer, v Wettstein, Colin. Magnus. Heydrich. Klemm, De Toni, Müller- Berlin, Miyoshi, Fünfstück. Karsten. Kirchner und Reinitzer; die Abtheilung für Mineralogie und Geologie von Spiess, Brezina, Schmidt, Pfeifer, Langsdorff, Bodländer und Glass; die Abtheilung für Geographie von Ihne, Palacky, Träger, Gruher, Neumayer, Günther und Hess; die Abtheilung für Ethnologie und Anthropologie von Schmidt-Leipzig, Scheidemantel und Carthaus; die Abtheilung für mathematischen und natur- wissenschaftlichen Unterricht von liecknagel , Haas, Schotten, Archenhold, Adami, Rudel, Günther, Kurz und Stimpfl. — Bei der reichen Fülle von Einzelheiten ist es hier gar nicht möglich, näher auf den Inhalt einzugehen; wir werden aber über einige besonders interessante .Mittheilungen referiren. Die II. Hälfte (medicinische Abtheilungen) umfasst nicht weniger als 571 Seiten mit Mittheilungen aus den Gebieten der 1. allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie, 2. der inneren Medicin, 3. der Chirurgie, 4. der Geburtshilfe und Gynä- kologie, 5. der Kinderheilkunde. 6. der Neurologie und Psychiatrie, 7. der Augenheilkunde, 8. der Ohrenheilkunde, 9. der Laryngologie und Rhinologie, 10 der Dermatologie und Syphilis, 11. der Zahn- heilkunde, 12. der Anatomie, 13. der Physiologie, 14. der Pharma- kologie, 15. der Hygiene und Medicinalpolizei, 16. der gerichtlichen Medicin. 17. der medicinischen Geographie, Klimatologie und Hygiene der Tropen, 18. des Militär-Sanitätswesens, 19. der Vete- rinännedicin und 20. der Pharmacie und Pharmakognosie. Die Erneuerung des Abonnements wird den geehrten Abnehmern dieser Wochenschrift hierdurch in geneigte Erinnerung gebracht Die Verlagsbuchhandlung. Inhalt: A. G. Nathorst, 1'eber pflanzenähnliche ..Fossilien" durch rinnendes Wasser hervorgebracht. - Prof. G. van der Mensbrugghe, Kritische Bemerkungen über Dr. Klimpert's Aufsatz „Lieber < )berflächenspannungu. — Prof. Dr. H. Schubert, Mathematische Spielereien in kritischer und historischer Beleuchtung. — Ueber g.-i.-tige Arbeit. — Noch einmal über die Ur- sache des natürlichen T.ides. — Ueber die Thierwelt Nord-Australiens. — Ueber das Auftreten der einfach- und doppelt- gefiederten Laubblätter der Gleditschia. — Das letzte grosse Erdbeben in Griechenland. — Ein neues Element. — Aus dem ftlichen Leben. -- Litteratur. — Dr. Robert Behla, Die Abstammungslehre und die Errichtung eines Institutes für M. Richter, Die Lehre von der Wellenberuhigung. — Dr. Hermann Klein. Kathechismus der Transformismus. . — Dr. M. Mathematischen Geographie. — Ludwig David und Charles Scolik, Photographisches Notiz- und Nach i ttlagebuch für die 1 raxis. — Johann Müller's Lehrbuch der kosmischen Physik. — Rene Descartes, Geometrie. -Bruno Kämpfe, Tafel des Integrals. — Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte. 324 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. Nr. 26. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Soeben erschien: Dr. Georg Klebs, Professor der Botanik in Basel. Ueber das Verhältnis des männlichen und weiblichen Geschlechts in der Natur. Preis 80 Pfg. Soeben erschien : Japaner und Altaier. Von Heinrich Winkler. 24 Seiten gr. 8". Preis 1 Mark. Diese linguistische Studie ist für alle Sprach- und Altertumsforscher von hohem Interesse. Zu beziehen durch alte ßuchhandlungen. Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. tatent-u. ftechn. Bureau Fritz Schmidt BERLIN N., Chaussee-Str. 2a. Verlag von Leopold Voss in Hamburg. Soeben erschien Lieferung 31 at ent e p 4 aller Länder erwirken und verwenden Brögelmann & Hirschlaff, Ingenieure. Berlin SW., Zimmerstr. 13. I. IIIlIlI Uli IlII'IISl Prima Gartenschläuche H mit patentamtlich geschützten ^ Schlauchschonern, "T T S welche die Haltbarkeit derselben af •! um das Doppelte erhühen. 3 ^ Prospecte gratis und franco. jd f Gustav Enge!, | BERLIN W., Potsdamersir. 131. § Hempel's Klassiker-Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandl. •©•»«••©••»»©»••©••e» Fremdländische Zierfische Macropoden. Telescop- Schleierschwanz -Goldfische und andere Arten, sowie Wasserpflanzen für Aquarien und Gartenbassins, (auch Einrichtung derselben), Durchlüftungs-Apparate, Hülfsmittel, Fischfutter etc. empfiehlt Lankwitz a. d. Berl. Anh. Balm. Paul Matte, (Von Berlin in 12 Min. zu erreichen.) Züchterei fremdl. Zierfische. (Besichtigung ist gestattet.) 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Kayser in Temnelliof hei Berlin. atent-technisches und I Verwerthung-Bureau Betche. Berlin S., Kommandantenstr. ♦♦♦»♦»»♦»♦♦♦♦♦»»♦♦♦ Vor Kurzem erschien und ist durch jede Buchhandlung gratis zu be- ziehen: Verlags-Katalog von Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung. I 1808—1892. ♦♦♦♦♦"♦♦♦«♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ■'i'' fk' .ßfcj ,ri'> .ei'.' ''k ßfa .<~k' ''k' ck\ ('A ■X» . ^* . *x* •X* . *X* *X<- - "X* *Xp •X" ' . "X* . Yi^^»KW^^wSiflw^>rS->r^e-rn-V-''r-+n-TiOir^- "■™~^^TV<>'7--''^Nt'^tt: 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 II 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 i 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 (Seit 1. 3onuor 1893 erjdjetnt in unferm SBerloge: Ctljifdje, 8luliitx[ Pudlfiifujrift je iHtoihntj rtljtldjrr fcltrrlniiiijtii. herausgegeben von |hiifcf|'iu' Dr. ©corg unit (JfHjijdü. IPccbentlicb eine Hummer von 8 Seiten gr. 4U. ^rete utcrtcljäljrliri) 1,60 Wl. ober tu Woitrtt-Jf)cftcn ä 60 Sßf. 2lbomtement§ burtf) fämtlidje Sucfjbanblungen unb Sßoitcmftalton. ^lolijEitungslifte 2092. = SßroBettummern gratt§ unb franf'o. = £tvit. iütinmlciö ^ c v 1 a $ $ t* tt df 1} a it b 1 n n g ^ in Berlin SW. 12, Jimmerjlraße 94. 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11 tfKf.i .£ % .t. :Y. i $ t Jf 'f Neu! Hectographen-Papier. Neu! Einfachstes und billigstes Vervielfältigungsverfahren. Kein Ab- waschen mehr! Ein Original liefert 100 gute Copien in schwarzer, rother, violetter oder grüner Farbe. Prospecte und Schriftproben versendet gratis und franco die Fabrik von AUGUST RADICKE, BERLIN, Gneisenaustr. 61. In unserm Verlage erschien: Lehrbuch der Differentialrechnung. Zum Gebrauch bei Vorlesungen an Universitäten und technischen Hochschulen Dr. Harry Gravelius. 331 Seiten gr. 8". 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Nr. 2 r Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jt 4.— Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 ■&. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkuuft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die Katastrophe an den Mansfelder Seen. Von Dr. Willi Ule. Der deutsche Boden ist in Kurzem um einen land- schaftlichen Schmuck ärmer; als ein Opfer industrieller Unternehmungen wird noch in diesem Jahre einer der bekannten Mansfelder Seen verschwinden. Es ist das der seines salzigen Wassers wegen merkwürdige Salzige See bei Eisleben. Die Mansfelder Seen liegen inmitten des Mansfelder Hügellandes, das sich als eine sanftwellige Hochfläche südöstlich an den uralten Gebirgsstock des Harzes an- schliesst. Mit einer Höhe des Wasserspiegels von 94 m im Süssen See und 89 m im Salzigen See ist das weite Thal dieser Wasserbecken tief eingeschnitten in jene Hochfläche, der eine mittlere Höhe von etwa 200 m zu- kommt. Die sonst einförmige Gegend erhält dadurch eine belebende Abwechselung, welche um so mehr das Auge erfreut, als ja das mittlere Deutschland arm an Seen ist. Und es waren keine kleinen Wasserflächen; der grössere Salzige See bedeckte bei einer Länge von 6,2 km und einer mittleren Breite von etwa 1,5 km eine Fläche von 8,75 qkm. Er bestand eigentlich aus zwei Seen, dem Salzigen See und dem Bindersee, der sich unmittelbar an ihn anschloss, nur durch eine schmale Landzunge, die so- genannte Teufelsbrücke, von ihm getrennt. Beträchtlich kleiner als der Salzige See, aber immer noch ganz an- sehnlich ist der Süsse See ; er misst 2,63 qkm, ist 5,2 km lang und 0,8 km breit. Der grossen Ausdehnung der Wasserflächen stand nun keineswegs eine entsprechende Tiefe gegenüber; beide Seen sind vielmehr ausserordentlich flache Becken. Es sind flache Thalmulden mit sauftwelligem Boden, in denen sich das Wasser angesammelt hat. Während der Süsse See im Meistwerth nur eine Tiefe von 7,7 m aufweist, zeigte der Salzige See allerdings an einer Stelle doch 18 m Tiefe. Allein auch dieser ist im Allgemeinen sehr flach; denn jene tiefste Einsenkung ist nur eine eng- begrenzte, die darum auch im Volksmund einen besonderen Namen „die Teufe" führt. Inmitten des Seebeckens findet sich noch eine zweite derartige trichterförmige Ver- tiefung; das sogenannte Heller Loch mit 17,25 m Tiefe. Ausserhalb dieser Stellen erreichte dagegen das Loth meist schon bei 7 bis 8 m den Grund. Nur im Bindersee fanden sich im allgemeinen grössere Tiefen. Dort treten zwei durch einen Rücken getrennte, steil abgeböschte Einsenkuugeu von 10,8 und 11,5 m Tiefe auf. Das Merkwürdige au den Mansfelder Seen war aber. dass sie trotz oberirdischen Abflusses salziges Wasser be- sassen. Das ist den Naturforschern früherer Zeiten geradezu ein unlösbares Räthsel gewesen. Bei abfluss- losen Wasserbecken erklärt sich der Salzgehalt des Wassers einfach aus der steten Verdunstung, von der nur das Wasser, nicht aber die im Wasser vorhandenen Salze betroffen werden. Und hier kam noch hinzu, dass die oberflächlichen Zuflüsse sämmtlich süsses Wasser führten. Man hat deshalb früher gemeint, der Grund der Seen be- stehe aus Salz. Jetzt, wo die geologischen Verhältnisse jener Gegend gut erforscht sind, ist über den Ursprung des Salzgehaltes kein Zweifel mehr. Derselbe entstammt zahlreichen Quellen, die aus dem salzführenden Zechstein hervorkommen. In grösserer Tiefe des Bodens trifft man in der Umgebung der Seen fast überall auf salzhaltiges Quellwasser. Man bezeichnet allgemein nur den grösseren der beiden Seen als den Salzigen. Allein in den letzten Jahrzehnten hat auch der Süsse See ein salzhaltiges Wasser be- sessen. Im Jahre 1887 betrug der Salzgehalt dieses Sees mit 0,31 pCt. sogar das Doppelte von dem des Salzigen Sees, der zur selben Zeit nur 0,15 pCt. aufwies. Konnte auch der höhere Salzgehalt damals auf einen durch Menschenhand bewirkten Vorgang zurückgeführt werden — man hat die salzreichen Schachtwasser von den Eis- lebener Gruben direet in den See geleitet - , so ist doch aus einer Reihe von Nachrichten zu entnehmen, dass der Süsse See niemals völlig süss gewesen ist. Er ist wohl nur weniger salzig gewesen als sein grösserer Nachbar und hat so seinen Namen erhalten. Es wird diese An- nahme noch dadurch wahrscheinlicher, dass ohne Zweifel der Salzgehalt des Salzigen Sees früher erheblich grösser gewesen ist. Genauere Angaben darüber fehlen uns zwar: 326 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 27. allein wir dürfen auch aus den wenigen Andeutungen, die uns überkommen sind, so schliessen. Das Salz des Wassers entstammt also dem Zechstein; aber diese Formation bildet keineswegs den Untergrund der Wasserbecken. Diese sind vielmehr eingebettet in den unteren Buntsandstein, unter dem erst der Zechstein lagert. Auch die Ufer werden vorwiegend von den Ge- steinsschichten des unteren Buntsandsteins gebildet. Nur auf der Südseite ist der Buutsandstein von tertiären und diluvialen Ablagerungen bedeckt. Um aus den geologischen Verhältnissen einen Schluss auf die Entstehung der Seen machen zu können, bedarf es noch eines tieferen Eindringens in den Untergrund jener Gegend. Erst wenn wir erfahren, dass der Bunt- sandstein hier überall unterteuft wird von den Schichten des Zechsteins, ist eine Erklärung für die Seen möglich. Denn die Schichten des Zechsteins bestehen in der Gegend von Eisleben, wie auch unterhalb der Seen selbst, aus Steinsalz, Kalksteinen, Aschen, Gipsen, Rauchwacken, Letten, lauter Gesteinsarten, die durch Wasser mehr oder weniger angegriffen und ausgelaugt werden. Solche unter- irdischen Auslaugungen veranlassen natürlich dort, wo sie nicht von einer hinreichend festen Decke überlagert sind, Erdfälle und grössere Bodensenkungen. In der That sind diese Bildungen im Mansfelder Gebiet häufig zu finden und besonders treten in der Nähe der Seen zahlreiche Spuren einer Senkung des Bodens auf. Vor allem möchten wir die trichterförmigen Löcher im See selbst als solche Einstürze ansehen. Die Mansfelder Seen würden hiernach als Auslaugungsbecken zu bezeichnen sein; sie würden ähnlichen Ursprungs sein wie die zahlreichen Teufels- löcher und Pingen am Südrande des Harzes, die nach- weislich durch Einsenkung des Bodens in unterirdische Hohlräume, sogenannte Gipsschlotten enstanden sind. Beweise für eine derartige Bildung der Seen dürfen wir auch in der Thatsache erblicken, dass die Schichten des Buntsandsteins im Mansfcldischen, wo sie aufgeschlossen sind, sich meist in gestörter Lagerung zeigen. Im Thale der bösen Sieben bei Eisleben ist nach Credner die Ursache für die Schichtenstörung in einem solchen Aufschluss deutlich zu erkennen. Die Schichten sind dort eingebrochen, wo im unterteufenden Zechstein Gipsschlotten sich befanden. Aber die zahlreichen thatsächlichen Erdfälle, die sieh während der letzten Jahre in der unmittelbaren Umgebung der Seen vollzogen haben, sind vielleicht noch beweis- kräftiger; sie führen uns gewissermaassen sichtbar den Bildungsvorgang vor Augen. Auch die jüngsten Boden- senkungen in Eisleben selbst, in Folge deren schon mehrere Häuser unbewohnbar geworden sind, möchte ich auf eine gleiche Ursache zurückführen. Tritt in den Erd- fällen die Beckenbildung plötzlich in die Erscheinung, so giebt uns die gegenwärtige Katastrophe in der Zeising- strasse in Eisleben ein Bild der allmählichen Entstehung eines Sees durch Auslaugung. Solche Erdfälle und Bodensenkungen sind meist an Verwerfungen der Schichten gebunden. Auch in der Umgebung der Mansfelder Seen scheint dies der Fall zu sein, obwohl sichere Beweise für mächtigere Verwerfungen noch nicht erbracht sind. Die reihenweise Anordnung der Erdfälle, sowie neuerdings gewonnene Aufschlüsse lassen eine solche Vermuthung allerdings fast zur Wahr- scheinlichkeit werden. Diese Ansicht über die Entstehung der Seen wird freilich nicht von allen Geologen getheilt. Und in der That ffiebt es einige Punkte, welche auch noch eine andere Bildung möglich machen. Die vorwiegend gleich- massige Bodengestaltung der Becken, die Ablagerungen des Diluvium, sowie der muthmaassliche alte Lauf der Unstrut deuten an, dass wir es hier vielleicht auch mit alten Flussthälern zu thun haben, in denen das Wasser zum »See aufgestaut wurde. Da sich nun in den Lage- rungen der Braunkohle östlich des Sees deutliche Pressungen und Störungen als Beweise einer jüngstzeit- lichen Bodenbewegung gezeigt haben, so würde damit auch die Ursache der Aufstauung der Wasser gegeben sein. Wir möchten beide Anschauungen unter Berück- sichtigung der thatsächlichen Gegebenheiten in folgenden Satz zusammenfassen: Die Mansfelder Seen sind alte Flussthäler, deren Boden sich in Folge der Auslaugung der unterteufenden Zechsteinsehichten gesenkt hat, in denen möglicher Weise aber auch eine jüngstzeitliche Bodenbewegung das Wasser aufgestaut hat. Eine solche Auffassung von der Entstehung der Seen soll uns nun auch den Schlüssel zum Verständniss der Vorgänge geben, die sich seit 1892 an den Mansfelder Seen vollzogen haben. Obwohl dieselben durch die Tagespresse den weitesten Kreisen bereits bekannt ge- worden sind, wollen wir doch hier eine kurze Schilderung davon einfügen. Der Spiegel des Salzigen Sees, der die letzten Jahr- zehnte hindurch fast unverändert in der gleichen Lage bestanden hatte, begann im Februar 1892 sich stetig zu senken, erst langsam und kaum wahrnehmbar, im Mai aber in immer schnellerem Tempo, sodass sehr bald schon der oberirdische Abfluss desselben, die Salzke, völlig trocken lag. Diese schnelle Abnahme dauerte auch in der Folgezeit an; nur vorübergehend verminderte sich dieselbe oder hörte völlig auf. Au einzelnen Tagen er- niedrigte sich der Wasserspiegel um 2—3 cm, ja am 24. October 1892 sogar um 4 cm, was einen Verlust an Wassermasse von rund 250 000 cbni, also von 200 cbm pro Minute ergiebt. Da das Bett der Salzke zu dieser Zeit trocken lag, so mussteu die gewaltigen Mengen dem See auf unterirdischem Wege entströmen. Am Ende des Jahres 1892 hatte sich der Seespiegel bereits um 2 m gesenkt. Das Bild, was der See zu dieser Zeit darbot, war schon ein sehr betrübendes. Von den oft malerisch aufsteigenden Ufern wurde die silberglänzende Wasser- fläche durch einen öden, vegetationslosen Landstreifen ge- trennt. An vielen Stellen hatte dieser trocken gewordene Seeboden eine Breite von 100 m erreicht. Im Laufe des Jahres 1893, wo der Seespiegel um weitere 3 m abnahm, verschlimmerte sich das Aussehen der Landschaft natür- lich noch erheblich, da nun bereits der todte Seeboden die belebende Wasserfläche an Ausdehnung überwog. Ein Besuch des Sees in dieser Zeit stimmte voll Weh- mut!]; war doch der geliebte See unerbittlich dem Tode verfallen ! Diese Abnahme des Sees ist nicht ganz unerwartet gekommen. Die Vorboten derselben sind nur von den Anwohnern nicht beachtet und zum Theil auch nicht ver- standen worden. Zunächst ist zweifellos der Seespiegel auch in der Zeit vor 1892 schon etwas, allerdings in sehr geringem Betrage zurückgegangen. Sodann ist in den letzten Jahren das Versiegen fast sämmtlicher Brunnen in den Ortschaften am See gewiss eine auffallende Er- scheinung gewesen, eine Erscheinung, die auf einen Rückgang des Grundwassers deutete. Letzterer gab sich auch dadurch klar zu erkennen, dass zahlreiche Quellen versiegten und gleichzeitig die Wassermengen in den Bächen sich erheblieh verminderten. Indirect liess sich weiter das Sinken des Grundwasserspiegels im Boden erweisen durch die stete Abnahme des Salzgehaltes im Salzigen wie im Süssen See. Wasser des Salzigen Sees, das im Januar 1887 geschöpft war, zeigte noch 0,152%> solches vom September 1890 0,130%, und im Juni 1892 fanden sich sogar nur noch 0,118%. Und iu nahezu gleichem Maasse hat sich der Salzgebalt des Süssen Sees Nr. 27. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 327 verringert. Da ohne Zweifel den Seen das Salz durch das Sickerwasser des Untergrundes zugeführt wurde, so kann die schnelle Verminderung desselben nur in der Entziehung dieser, d. h. also in einer Erniedrigung des Grundwasserspiegels begründet gewesen sein. Der Rückgang des Grundwassers hatte aber andere Vorgänge zur Folge, die schliesslich die eigentliche Ur- sache der Katastrophe am See selbst wurden. Das Grund- wasser konnte docli nur dadurch zurückgehen, dass ent- weder die Speisung desselben sich vermindert hatte oder dass ein Abfluss entstanden war. Da erstercs eine Klima änderung voraussetzen würde, von dieser aber nichts wahrgenommen ist, so nmsstc eine unterirdische Fortleitung des Sickerwassers zweifellos vorhanden sein. Und in der That ist das der Fall, allein nicht in Folge natürlicher Vorgänge, sondern bewirkt durch das künstliche Ein- greifen des Menschen. Etwa 6 — 10 km westlich von den Seen liegen die Gruben der Mansfelder Gewerkschaft. Diese Gruben befinden sich mit ihren Sohlen bereits um 270 m unterhalb des Seespiegels; sie haben ununter- brochen gegen einen starken Wasserandrang zu kämpfen. Nur durch Anlage ganz gewaltiger Pumpen konnte man Herr des andrängenden Wassers werden. Das Wasser alier, was hier durch Maschinen aus der Tiefe hervor- gehoben wurde, bildete früher das Gebirgs- und Grund- wasser. Mit Beginn der unterirdischen Wasserentziehung musste also dieses sich vermindern. Thatsächlich beginnt die Wassernoth in jenen Gegenden mit der Zeit, wo die Schächte in grössere Tiefe getrieben wurden. Nun ist aber das Wasser, welches aus den Schächten gepumpt wird, kein reines Wasser, sondern dasselbe kommt reich be- laden mit Salzen zu Tage. Zu Zeiten hat das Schacht- wasser über 25% Salz besessen. Dieses Salz nimmt das Wasser bei seinem Durchgang durch die im Wasser lös- lichen Gesteine des Zechsteins auf. Es ist uaturgemäss, dass auf solche Weise innerhalb des Untergrundes jener Gegend bald grosse Hohlräume und, wenn diese vorher schon vorhanden waien, beträchtliche Erweiterungen der- selben entstehen niussten. Sobald nun die Hohlräume, hier Schlotten genannt, eine derartige Ausdehnung erlangt hatten, dass die überdeckenden Schichten, der Stütze beraubt, sieh nicht mehr zu tragen vermochten, stürzten dieselben ein und gaben dadurch zur Bildung von Erdfallen oder wenigstens von Erderschütterungen Veranlassung. Solche Vorgänge sind in der Umgebung der Mans- felder Seen und zum Theil innerhalb derselben selbst wiederholt in die Erscheinung getreten, und sie sind die augenfälligsten Anzeichen für die grossen Umwandlungen, welche sieh hier im Boden während der letzten Jahrzehnte vollzogen haben. Schon im Jahre 1891 ereigneten sich, als die ersten Vorboten der kommenden Katastrophe, zwei Erdfälle, der eine auf dem sogenannten Seeplatz bei Erdeborn westlich des Sees, der andere im See selbst bei Unter-Röblingen nahe am Südufer. Der bedeutendste Einsturz vollzog sich jedoch während des Jahres 1892 wieder auf dem Untergrund des Sees in der schon als ein alter Einsturztrichter bezeichneten Teufe bei Ober- Röblingen. Durch wiederholte Lothungen ist die all- mähliche Vertiefung der Teufe genau festgestellt worden. Nach der Aufnahme von 1886 betrug die Tiefe hier 18 in. Eine am 4. Juni 1892 vorgenommene Messung ergab bereits 23 m; am 18. Juni fanden sich 30 m und am 2«. sogar 42 m. Diese 42 m wurden nur an einer einzigen Stelle in einer brunnenartigen Einsenkung ge- lothet. Anfang Juli 1892 hatte dann der Einsturz sein Ende erreicht; denn die späteren Messungen zeigten sogar, wahrscheinlich in Folge einer Zuschläinmung, eine Ali nähme der Tiefe bis auf 32 m, in welcher die Teufe dann dauernd verblieben ist. Der Einbruch der Teufe war für den Salzigen See verhängnissvoll. Durch denselben ist dem Wasser ein Weg in die Tiefe eröffnet worden. Es kann jetzt, wo in Folge des Rückganges des Seespiegels die Teufe völlig isolirt daliegt, kein Zweifel mehr darüber bestehen, dass hier die hauptsächlichste Abtlussstelle des Sees sich be- funden hat. Denn gegenwärtig nimmt das Wasser in der Teufe noch immer schnell ab, während die übrige Wasser- masse nahezu unverändert bleibt. Die Richtigkeil dieser Ansicht geht auch daraus sehr deutlich hervor, dass mit der Beendigung des Einsturzes und der theilweisen Zu- schüttung des Einsturztrichters am Anfang Juli 1892 gleich- zeitig ein Stillstand des Wasserspiegels beobachtet werden konnte. Gleichwohl sind wir aber nicht der Meinung, dass die Teufe etwa die einzige Abflussstelle im Seegrund ge- wesen sei. Das Auftreten von Spalten. Bissen und auch Erdfällen an anderen Stelleu des Seegrundes macht ein Absickern des Seewassers auch ausserhalb der Teufe zum mindesten sehr wahrscheinlich. Doch traten diese Ab- sickerungen dem Betrage nach völlig zurück hinter der- jenigen in der Teufe. Wohin das Wasser des Salzigen Sees sich ergossen hat, kann nach unseren obigen Ausführungen nicht mehr zweifelhaft sein; es fliesst schliesslich in die Schächte der Mansfelder Bergbaue hinein. Schon das zeitliche Zu- sammenfallen eines starken Wasserandranges in den Gruben bei Eisleben und der Beginn der Wasserabnahme im See ist dafür ein Beweis. Auch während des Ver- laufes der Katastrophe selbst bestand ein gewisser Paral- lelismus zwischen diesen beiden Vorgängen. Allein es ergiebt sich aus alledem nur die Thatsaehe, dass zwischen dem See und den Schächten ein Zusammenhang besteht. Ob dieser ein mittelbarer oder unmittelbarer ist, bleibt zuerst noch fraglich. Aber es liegen Erscheinungen vor, welche es sehr wahrscheinlich machen, dass die Be- ziehungen indirecte sind. Einmal hat doch nicht immer völliger Parallelismus zwischen dem Sinken des Seespicgels und dem Ansteigen des Wassers in den Schächten statt- gefunden. Weiter ist dann auffallend, dass das Schacht- wasser dauernd einen sehr hohen Salzgehalt — im Mittel des Jahres 1892 rund 13 % — behielt. Und schliesslich beweist das wiederholte Ersaufen von Schächten in frü- heren Jahren, ohne dass der See in Mitleidenschaft ge- zogen wurde, dass hier im Boden ungeheure Wasser- massen aufgespeichert sein müssen, welche allein zur Hervorrufung einer solchen Katastrophe, wie sie 1892 über die Schächte hereingebrochen ist, ausreichen dürften. Allein ein Zusammenhang zwischen Bergbau und See ist zweifellos vorhanden, und wir stehen sogar keinen Augenblick an, die während der letzten Jahrzehnte vorgenommene Erweiterung des Bergbaues als die Ur- sache der ganzen Katastrophe anzusehen. Der Salzige See ist eben dem Bergbau zum Opfer gefallen. Durch die gewaltigen Pumpenanlagen in den Schächten ist dem Boden in der Umgebung des Bergbaugebietes immer mehr das Wasser entzogen und mit diesem alles lösliche Gestein entführt worden. In die dadurch entstandenen Hohlräume ist die überlagernde Decke hineingestürzt. Ein solcher Erfall vollzog sich schliesslich auch unterhalb des Sees selbst und es erhielten auf diese Weise die. Wasser des Sees einen unterirdischen Abfluss. Dass thatsächlich durch den Bergbau hier gewaltige Umwälzungen im Boden hervorgerufen werden mussten, dafür sprechen ausserordentlich beweisend die Zahlen, welche uns die Menge des gehobenen Wassers für be- stimmte Zeiträume angeben. In der Zeit von 1884 bis 1886 sind 12 700 000 Cbm Wasser im Schaafbreiter Revier durch die Pumpen aus der Tiefe gefördert worden. Da diese Wasser im Mittel 20 " '0 Salz führten, so sind in den 328 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 27. erwähnten Jahren nicht weniger als 1 600 000 Cbm Ge- stein dem Boden entzogen worden. Noch gewaltiger sind die betreffenden Zahlen aus dem Jahre 1892. Die aus den ersoffenen Schächten gehobene Wassermenge betrug damals 34164 000 Cbm Wasser mit einem Salzgehalt von durchschnittlich 13 %• Daraus ergiebt sich ein Verlust von löslichem Gestein von rund 2 000 000 Cbm. Das sind doch gewiss Mengen, die recht wohl eine solche Kata- strophe, wie sie sich in den letzten Jahren am See voll- zogen hat, hervorbringen könnten. Die Thatsache, dass ein unterirdischer Zusammen- hang zwischen dem See und dem Mansfelder Bergbau besteht, hat Veranlassung gegeben, den Salzigen See durch künstliche Massnahmen trocken zu legen. Und gegenwärtig ist man mit den Arbeiten dazu bereits so weit gediehen, dass in wenigen Wochen das ganze Becken wasserlos sein wird. Diese Arbeiten waren ziem- lich umfangreiche. Um die früher den See speisenden Bäche abzuleiten, wurde rings um den See ein Graben angelegt, der schon jetzt den grössten der Bäche, die Weida, aufnimmt und direct der Saale zuführt. Zugleich soll in dem Graben den einzelneu Ortschaften das zum Schwemmen und Tränken des Viehs nöthige Wasser zu- geleitet werden. Bei jedem Ort ist zu diesem Zwecke ein kleiner Teich angelegt — ein sehr dürftiger Ersatz für die einstige Wasserfläche des Sees! Die Pumpen, welche aus dem tiefsten Becken das Wasser herausheben sollen, sind in der Mitte des Ostufers aufgestellt; es sind ganz ge- waltige Maschinen, die in der Minute über 100 Cbm heben. Sie schöpfen das Wasser aus einem tiefen Graben, der in der Mitte des Sees angelegt ist und später die Sicker- wasser, welche innerhalb des alten Seegrundes hervor- quellen, aufnehmen soll Wenn alles vollendet ist, wird von dem ursprünglichen See nur noch der Grund und Boden vorhanden sein; denn auch die tiefen Einsenkungen wie die Teufe, das Heller Loch und der Binder See werden theil weise durch Ausfüllung beseitigt werden. Dann tritt an die Stelle des einst so belebenden Wasser- spiegels eine eintönige, ebene Landfläche, die wahr- scheinlich als Ackerland verwerthet werden wird. Der zu tage getretene Boden ist fruchtbar und kann vielleicht einen guten Ertrag abwerfen. Er besteht zumeist aus einem feinkörnigen, kalkreichen Schlick. Nur an einzelnen Stellen tritt Sand und Kies als Bodenbedeckung auf. Hier gedenkt man, soweit darüber berichtet ist, Waldungen anzulegen. Wir würden es lieber gesehen haben, wenn man die ganze Fläche mit Wald bepflanzt hätte; denn einmal fehlt in dieser Gegend der Wald sehr, sodann wäre der Wald in klimatischer Hinsicht der beste Ersatz für die frühere Seefläche. Wahl würde die gefürchteten klimatischen Aenderungen am ehesten zu parallelisiren vermögen. Wir glauben zwar nicht, dass durch die Trockenlegung des Sees ein bedeutender Wechsel im Klima hervorgerufen werden wird; immerhin aber dürfte in den einzelnen klimatischen Factoren das Fehlen der Wasserfläche sich doch bemerkbar machen, wenn eben nicht an Stelle derselben die klimatisch wirksame Bewal- dung vorgenommen wird. Weit mehr als die klimatische Schädigung wird sich in jeuer Gegend nach Trockenlegung des Sees die hydro- graphische Umgestaltung des Bodens nachtheilig geltend machen. Schon in den letzten Jahren fehlte dem Boden in erheblichem Maasse das Grundwasser. Durch die Be- seitigung des stets Feuchtigkeit spendenden Wasserreser- voirs wird diese Austrocknung des Bodens noch stetig zunehmen. Und da man auch mit dem gewaltigen Aus- pumpen des Wassers in den Schächten bei Eisleben fort- fahren wird, so steht thatsächlich eine bedenkliche Aus- trocknung des ganzen Gebietes bevor. Immer mehr werden die Bäche und Quellen an Wasser verlieren und es könnte eine Zeit kommen, wo auch zur Be- schaffung des nothwendigsten Wassers für die Bewohner Wer sich die natürlichen Quellen nicht mehr ausreichen, genau verfolgt hat, wie in den letzten Jahren die hydrographischen Verhältnisse verändert haben, der wird unsere schwarzseherischen Ansichten wohl begreifen können. Sie drängen sich Einem unwillkürlich auf, wenn man z. B. durch das jetzt völlig trockene Mühlbachthal hindurchschreitet, das früher von dem wasserreichen Ab- fluss des Süssen Sees durchströmt wurde, oder wenn man von den zahlreichen Mühlen hört, die einst die Böse Sieben — jetzt ein ganz unansehnliches Rinnsal — gleich unterhalb Eisleben getrieben hat. Und es droht durch das gewaltsame Eingreifen in die Natur noch eine andere Gefahr. Je mehr Wasser auf dem Wege durch die Schächte hier aus der Tiefe zu Tage befördert wird, um so mehr verliert der Untergrund auch an Gesteinsmaterial. Denn es werden mit dem Wasser ja, wie wir oben gesehen haben, stets auch ge- waltige Salzmcngen fortgeführt. Dadurch werden immer mehr Hohlräume in der Tiefe geschaffen und die vor- handenen Schlotten immer mehr erweitert. Erdfälle und Bodensenkungen, wie sie in den letzten Jahren eintraten, werden sich stetig mehren und den Bewohnern jener Gegend immer neue Beunruhigungen und Gefahren bringen. Freilich durch die Trockenlegung des Sees hofft man andererseits den Segen des Mansfelder Bergbaues zu erhalten. Nun, wenn das wirklich gelingen sollte, wird man jene Schädigungen der ganzen Gegend gewiss im Interesse der allgemeinen Volkswirtschaft gern in den Kauf nehmen. Allein dieser Erfolg der Trocken- legung ist leider zur Zeit noch ein sehr zweifelhafter. Zunächst fragt es sich, ob wirklich dann die Schächte von jedem Wasserandrang befreit sein werden. Wir können nicht ganz an diesen günstigen Erfolg des Unternehmens glauben. Die unterirdischen Hohlräume erhalten auch nach der Beseitigung des Sees eine reich- liche Speisung durch die meteorischen Niederschläge. Durch die Salzke fliesst jetzt nur ein ganz geringer Procentsatz des Niederschlagswassers ab. Der grösste Theil desselben sickert in den wasserarmen Boden ein und gelangt durch diesen schliesslich in die unterirdischen Hohlräume. Hier können sich immer wieder grosse Wasseransammlungen bilden und von dort aus von Zeit zu Zeit immer wieder die Schächte ersaufen lassen. Gegen den Wasserandrang wird also der Bergbau nach wie vor zu kämpfen haben. Und da kommt denn die weitere Frage in Betracht, ob der Gewinn des Bergbaubetriebes dauernd ein solcher sein wird, um die mit der Trocken- haltung der Schächte verbundenen Kosten zu decken. Es ist schwer, diese Frage in einem bestimmten Sinne zu entscheiden. Aber die gegenwärtigen geringen Preise für Kupfer und Silber geben wenig Vertrauen zu einem guten Ausgang des Unternehmens. Hoffen wir, dass wir auch hier zu schwarz sehen, hoffen wir, dass es menschlichem Scharfsinn und menschlicher Thatkraft ge- lingen möge, die feindlichen Elemente zum Segen des Volkes hier siegreich zu überwinden. An diesen Sieg ist die Erhaltung des Wohlstandes, ja des Lebens vieler Tausende von .Menschen geknüpft. Nr. 27. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 329 Die Kuhantilopen. Von Paul Matschie, Assistenten bei dem Kgl. Museum für Naturkunde. Mit einer Originalzeichnung von Anna Held. Zu den schwierigsten Aufgaben der Säugethierkunde gehört die systematische Anordnung der Antilopen, weil es nur selten gelingt, für einzelne Gruppen allgemein zu- treffende Merkmale aufzustellen, und häutig Formen auf- treten, welche als Bindeglieder der verschiedensten Gattungen aufgefasst werden können. Oft bietet nun die sorgfältige Berücksichtigung der geographischen Verbrei- tung ein willkommenes Hilfsmittel für die Erkenntniss der näheren oder weiteren Verwandtschaft mehrerer formen betrachten und dann folgerichtig sich der ternaeren Nomenclatur bedienen. Nehmen wir einmal als Beispiel eine der interessantesten Antilopen-Gruppen, die Kuh- antilopen, welche unter den Gattungsnamen Bubalis, Alcelaphus, Buselaphus, Acronotus, Damalis u. s. w. zusammengefasst werden. Man kennt von diesen ungefähr 16 Arten, welche sich in zwei Gruppen theilen lassen, die eigentlichen Kuhantilopen (Bubalis) und die abweichenden Formen, von denen die meisten unter dem y Hartebeesteiin der südafrikanischen Boga. Originalzeichnung von Anna Held. Formen. Wenn von einer Gattung z. B. 30 gute, von einander durch kurze Diagnosen leicht zu unterscheidende Arten beschrieben sind, und wenn diese 30 Arten meinet- wegen sämmtlich im tropischen Afrika leben, so wird in der Regel ein Theil dieser Arten auf Westafrika, ein an- derer auf Süd- und Südostafrika, ein dritter vielleicht auf Nordost- oder Nordwestafrika beschränkt sein, ein vierter Theil wird sowohl im Nordosten als im Süden vor- kommen oder das ganze Gebiet bewohnen. Vergleicht man nun die Formen mit beschränkter geographischer Verbreitung mit einander, so wird man sehen, dass je eine sogenannte Art aus irgend einem Gebiet mit einer zweiten aus einem anderen Gebiet grössere Aehnlichkeit hat als mit einer anderen desselben Gebietes; man wird also die 30 Arten in mehrere Gruppen sondern können, deren jede in je einem Theilgcbiete je einen Vertreter besitzt. Will man nun eine übersichtliche Anordnung er- reichen, so muss man entweder jede dieser Gruppen als Untergattung auffassen, welche wieder mehrere Arten umfasst, oder aber jede Gruppe als Art mit ihren Lokal- Namen Damalis aufgeführt werden. Betrachten wir die geographische Verbreitung dieser Formen! In der Jetztzeit scheinen die Kuhantilopen auf Afrika südlich vom Wendekreis des Krebses beschränkt zu sein, mit Ausschluss des westafrikanischen Urwaldgürteis zwischen Gambia und Cuanza. Bekanntlich bildet der Südrand der Sahara ein von dem übrigen südlicheren Afrika abweichen- des Uebergangsgebiet, in welchem Rhinoceros, Elefant, Warzenschwein und Meerkatzen noch nicht vorkommen, aber die Charakterthiere des Mittelmeergebietes, Mähnen- schaf, Springmäuse, Wiesel bereits fehlen und für die Streifenhyäne die gefleckte Hyäne, für den braunen Caracal der rothe Garacal, für den Sumpfluchs die Falb- katze als ersetzende Form eintreten. Dieses Gebiet zer- fällt wiederum in zwei faunistisch verschiedene Unter- regionen, eine nordwestliche und eine nordöstliche, für welche wahrscheinlich der von Fessan nach Borku und Egei sich erstreckende Gebirgszug die Grenzscheide bilden wird. Zwei Kuhantilopen leben hier, die eine im Westen, B. mauritanica Ogilb, die andere im Osten, B. tora 330 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 27. Gray. Nach Süden schliessen sich an diese Uebergangsregi- onen drei verschiedene Faunengebiete neheu einander an, im Osten das Somali-Gebiet, nach Westen zunächst das Gebiet des oberen Nil und dann das Tschad-See-Niger-Gebiet. In jeder dieser Regionen finden wir je zwei Kuh- antilopen, B. swaynei Thos. und hunteri Thos. im So- mali-Lande, B. jacksoni Thos. und tiang Heugl. im Nil-Gebiet, B. tunisiana Gray und B. sencgalensis im Westen. Man sieht schon hier, dass in jeder zoo- geographischen Provinz je eine Form der echten Kuh- antilopen und je eine abweichende Form auftreten. Weiter nach Süden folgen im Osten das Seen-Gebiet des Nyansa und Tanganyika, im Westen das Gebiet des Congo. Für das erstere sind B. cokei Gthr. und jimela Mtsch. charakteristisch, in letzterem fehlen die grösseren An- tilopen, weil dichter Urwald grosse Landstrecken bedeckt. Es schliessen sich nun im Osten drei Gebiete hinter- einander an, dasjenige des Rovuma - Rufiji , welches 15. leucoprymnus Mtsch. bewohnt und für welches die entsprechende Damalis-Form noch nicht bekannt ist, ferner das Zambesi-Niassa-Gebiet mit B. lichtensteini Ptrs. und B. lunata A. Sm., endlich das Limpopo- Gebiet mit B. buselaphus Pall. und D. albifrons. Im Capland lebt nur eine Damalis-Form, die dem Blessbock sehr nahe verwandte Ü. pjgargus Pall. Die Westküste des südliehen Afrika bis zum Cunene ist, trotz- dem sie zum grössten Tbeil in deutschem Besitze sieh befindet, in Bezug auf die Säugethierfauna eine terra incognita; ich kann daher nicht sagen, ob dort Kuh- antilopen leben, wenngleich die Wahrscheinlichkeit der Auffindung solcher vorliegt. Die eigentlichen Bubalis- Formen sind nahe ver- wandt mit einander, die als Dam aus zu bezeichnenden abweichenden Arten bieten z. Tb. grössere Unterschiede gegeneinander. Die Hauptfärbung aller echten Kubantilopen ist hell- gelbbraun bis dunkelrothbraun; auf diesem Grunde treten schwarze, zuweilen auch weisse Zeichnungen auf. Jede Loealform bat einen besonderen Farbeuton; buselaphus und swaynei zeichnen sieh durch schwarze Stirn aus; buselaphus, leucoprymnus, jacksoni und tunisianus haben schwarze Flecken oder Streifen auf den Schultern und Beinen; die übrigen Formen sind einfarbig oder auf der Stirn, dem Rücken und der Vorderseite der Beine nur satter gefärbt. Merkwürdig ist es dabei, dass stets in der Verbreitung auf eine Art mit schwarzer Zeichnung eine andere folgt, welcher diese fehlt. Wir haben von Süden nach Norden buselaphus, lichtensteini, leuco- prymnus, cokei, swaynei; abwechselnd eine schwarz- gezeichnete und eine ungezeichnete Form; dann die un- gezeichnete jacksoni und die schwarzschenkelige tuni- siana nach Westen und endlich im Norden zwei unge- zeichnete Formen nebeneinander. Wohl alle Kuhantilopen lieben ein welliges, mit kleine- ren Gehölzen bestandenes Terrain, in welchem sie oft gemein- schaftlich mit Wasserböcken und Zebras weiden. Zur Zeit der grössten Hitze rasten sie meistens stehend an Baum- stämmen und Termitenhügeln; ihr lederfarbener Körper fällt dann so wenig in der gleichfarbigen Umgebung auf, dass sie sich den Blicken des Spähenden leicht entziehen können. Schweinfurth erzählt, dass B. jacksoni zur Brunstzeit sonderbare Spiele auffuhrt; paarweise umjagen sie ein grosses Baumbosket im Kreise, während mehrere Gruppen von 3—4 Antilopen gleichsam als Zuschauer dabei stehen und nacheinander die in Action befindlichen ablösen. Herr Oscar Neu mann, der unserer Sammlung eine grössere Anzahl wohlerhaltener Felle und Schädel von B. cokei zum Geschenk gemacht hat, beschreibt das Benehmen einer solchen Antilope sehr anschaulich: „Ein einzelner Bulle nahte unter seltsamen Bocksprüngen, flüchtete plötzlich, kehrtmachend, stets unter sonderbarem Prusten, das in verkleinertem Maassstabe dem von einem auftauchenden Nilpferd erzeugten Geräusche gleicht. Die Flucht geht meist zuerst in einem prächtigen spanischen Trab vor sich, wobei die vorderen Sprunggelenke bis zur Mitte des Halses heraufgezogen zu werden scheinen. Später kurzer, gezogener Schulgalopp. Zuerst sehr neu- gierig, dann sehr sehen. Flüchtet für sieh, nicht mit Gazella granti zusammen." Sehr häufig sieht man Kuhreiher auf dem Rücken der Kuhantilopen und unser Reisender erwähnt besonders den eigenthümlichen Anblick, welchen der auf dem flüchtend galoppirenden Wild balan- cirende Vogel gewährt. Das Bild, welches Frau Anna Held für die Nattirw. Wochenschrift gezeichnet hat, giebt eine lebenswahre Anschauung der barocken Ge- stalten dieser Antilopen, welche durch ihren stark über- bauten Körper, den langen schmalen Kopf und das kräftige, winklig gebogene Gehörn sich auszeichnen. Die dar- gestellte Form ist das Hartebeest, B. buselaphus, wohl auch B. caaina genannt. Die Graphologie vom Standpunkte des Psycho- Physiologen aus einer wissenschaftlichen Kritik zu unter- ziehen, hat W. Preyer iu einem Aufsatz in der Deutschen Rundschau, Heft 8 des XX. Jahrganges, Mai 1894, „Hand- schrift und Charakter" betitelt, unternommen. Der geist- volle Physiologe, der vor einer Reihe von Jahren auch eine physiologisch exaete Erklärung des Gedankenlesens gegeben hat, erblickt in den Schriftzügen eines der besten und sichersten Kennzeichen für die Eigenart eines Menschen; Manuscripte sind bleibende Zeichen, die man in aller Ruhe mit den ebenso unveränderlichen Schrift- zeichen anderer Individuen vergleichen kann, während die charakteristischen Merkmale des Ganges, des Mienen- spiels, der Sprache flüchtig und vergänglich sind und nur eine Vergleichimg mit Erinnerungsbildern zulassen. So unabweislich richtig die Thatsache ist, dass der Unter- schied der Schreibart verschiedener Menschen und die trotz mannigfachen Wechsels von Zeit, Raum und Material bleibende Uebereinstimmung der Zeichen eines und des- selben Verfassers unter einander deutlich die speeifische Individualität der Psyche offenbart, ebenso auffallend ist es, dass eine echt wissenschaftliche Untersuchung diese1' Beziehung zwischen Schrift und Charakter niemals in Angriff genommen wurde, obwohl das Schreiben doch „eine Art des Sprechens ohne Stimme, also ein physio- logisch-psychologischer Vorgang ist, dessen Mechanismus aufzuklären eine Aufgabe der Physiologie sein muss." Die Folge ist gewesen, dass die Graphologie bisher fast ausschliesslich von Laien bearbeitet, das allmählich an- gesammelte Thatsachenmaterial nur zur praktischen Be- nrtheilung von Handschriften benutzt und dabei viel Richtiges mit manchen Irrthüniern vermengt worden ist. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn die meisten Fach- gelehrten dem Graphologen mit viel Skepsis und wenig Vertrauen begegnen. So ist es auch Preyer selbst er- gangen, bis er durch eine graphologische ßeurtheilung seiner eigenen und einiger fremder Handschriften sich davon überzeugte, dass diese junge „Wissenschaft" ernstlicher Beachtung vverth sei. Seitdem bemühte sich Preyer zu ermitteln, wie aus der Handschrift diese oder jene Eigentümlichkeit des Schreibers erkannt werden könnte. Sowie man sieh die Nr. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 331 rhythmischen Pulsschläge durch Uebertragung der Stusse auf Schreibhebelvorrichtungen in Form einer Curve graphisch zur Anschauung zu bringen vermag, so wie man Athmungscurven, Herzstosscurven u. a. m. herstellt, so sind auch die zusammenhängenden Schriftzüge nichts anderes, als eine Art Curve, und zwar gewissermaassen eine Gehirncurve, denn das Gehirn liefert ja die Impulse zu jenen Handbewegungen, welche die Schritt erzeugen; und je nachdem die Denkvorgänge hastig, ängstlich oder in beschaulicher Kühe ablaufen, werden sich diese mo- mentanen oder dauernden Stimmungen in der Schritt wiederspiegeln müssen, gleichwie die normale Regel- mässigkeit oder krankhafte Schnelle des Pulses in der Pulscurve. Welche Art von Curven aber der Physiologe auch aufnehmen mag, stets wirken die Eigenschwingungen des übertragenden Hebelwerks die sich zu den vom Or- ganismus gelieferten Impulsen addiren, störend und sind geeignet, das klare Bild, welches sonst die Curve der organischen Bewegung geben würde, zu verwischen. Solche Mängel haften jedem graphischen Apparat an, also auch den Händen und Armen, welche beim Schreiben eben die Rolle eines solchen Schreibhebels spielen, und von deren nachtheiligem Einfluss die „Gehirncurve" möglichst befreit werden muss. Das lässt sich erreichen, indem man ausser mit der Hand auch mit dem Fuss, mit dem Munde schreiben lässt oder die Feder an Kopf, Ann oder Schenkel befestigt. Mit diesem Mittel erzielt man von einander verschiedene Schriftproben; aber gewisse Charakteristika bleiben unverändert allen gemeinsam und können daher ausschliesslich auf die Psyche bezogen werden. Derartige Versuche sowie auch Studien über Spiegelschrift, ausgeführt mit der linken Hand und dem linken Fuss, ergaben die unzweifelhafte Thatsache, dass für den Charakter der Handschrift die Hand selbst von ganz untergeordneter Bedeutung ist. Desgleichen ist auch die Controlle durch das Auge be- langlos für die Eigenart der Schriftzüge und somit hängt diese völlig von der Beschaffenheit und Functionsweise unseres Seelenorganes ab. Erste Aufgabe einer wirklich physiologischen Grapho- logie ist es demnach, zu bestimmen, welche Merkmale der Handschrift und welche psychischen Charakteristika ein- ander entsprechen. Goethe, Lavater, Adolf Henze haben wohl den Werth der Graphologie gewürdigt, ihre theo- retische und praktische Bedeutung erkannt, aber kein eigentliches System, keine brauchbare Methode aus- gearbeitet. Als eigentlich bahnbrechend ist trotz mancher Mängel der Abbe J. Hippolyte Michon zu bezeichnen. Preyer hat sich der Aufgabe unterzogen, dessen Lehrsätze einer Nachprüfung zu unterwerfen, und giebt u. a. folgeude interessante Anhaltspunkte für graphologische Urtheile. Steigen die Zeilen von links nach rechts aufwärts, so ist auf Optimismus und Unternehmungsgeist, gehen sie dagegen abwärts, auf Unlust und seelische Depression zu schliessen. Durchweg unregelmässig wellige Linien deuten auf diplomatische Gewandtheit, ja Verstellungskunst; während absolute Geradlinigkeit als Zeichen eines be- sonnenen, überlegenden Charakters gelten muss. Eine enge, steile Schrift kündigt sich dadurch als die eines Geizigen an; der Freigebige, mehr noch der Verschwender, wählt einen weiteren Spielraum für seine Schriftzeichen. Wer selbst die Worte, nicht nur die Buchstaben durch Haarstriche verbindet, ist ein logischer Kopf; Menschen dagegen, die alle Buchstaben getrennt schreiben, nennt der Graphologe „rein intuitiv". Von grosser Bedeutung ist auch die Schriftlage. Nach links zurückgelegte Buch- staben sprechen für Vorsicht, Misstrauen, denn solche Schrift kann nur langsam und bedächtig geschrieben werden. Impulsive Naturen schreiben eilig und ihre Buchstaben sind stark von links nach rechts gegen die Horizontale geneigt. Die wichtigsten Kennzeichen jedoch entnimmt der kundige Kritiker der Beschaffenheit der einzelnen Buchstaben, worauf hier nichl näher eingegangen werden kann; dicke und dünne Grundstriche, Schnörkel und Schleifen hallen ihre besondere Bedeutung, nicht minder die Art, wie der Schreiber die Interpunktion- /.eichen ZU setzen pflegt. Die vielleicht bedeutungsvollste Seite der grapho- logischen Forschung ist die Möglichkeit, aus der Schrift Erkrankung des (icistes zu erkennen und vorherzusagen, und in der That nimmt die Beurtheilting der Schrift in der psychiatrischen Diagnostik bereits eine wichtige Stelle ein. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein stets klar und kühl Denkender nicht zerfahren und confus schreiben wird: dass der Geizige seine Schriftzüge zu- sammendrängt, um Papier zu sparen, dass der Künstler, in dessen innerem Lehen das Schauen und Schaffen schöner Formen vorherrscht, eine hässliche Schrift verab- scheut. Wenn nun etwa solche charakteristischen Hand- schriften anfangen, in das Gegentheil umzuschlagen, wird dies den Verdacht auf schwerwiegende Aenderungen der Denkweise wecken, die oft den Beginn ernstlicher Er- krankungen ankündigen, und es ist eine häufige Er- fahrung der Irrenärzte, dass vom ersten Anfang gewisser Gehirnkrankheiten an alle Stadien derselben sich in der Schrift wiederspiegeln, von den frühesten kaum merklichen Charakteränderungen bis zur sinnlosen Kritzelei. Dieser Thatsache hat sich auch schon das Experiment be- mächtigt, insofern man gezeigt hat, dass in hypnotischen Zuständen sich der < 'harakter der Schrift in der ver- schiedensten Weise auf dem Wege der Suggestion ver- ändern lässt. Es bietet sich hier der Experiruental- psyehologie ein reiches Feld für werthvolle Forschungen.*) (*■) Schaefer. Ueber thermogene Bacterien veröffentlicht Fer- dinand Cohn in den Verh. D. Naturforscher und Aerzte eine Mittheilung. Bekanntlich erhitzen sich die verschiedenartigen Stoffe, wenn sie durchfeuchtet und in grossen Massen zusammen- gehäuft sind (Malz, Dünger, Tabakblätter, geschnittenes Gras, Wollsäcke, Kaffeesäcke u. s. w.); in einzelnen Fällen soll die Selbsterhitzung bis zur Selbstentzündung vorschreiten (Steinkohlen, Heuschober, Baumwollenbaileu u. a.). C. beschäftigte sich seit längerer Zeit mit Unter- suchungen über Selbsterhitzuug und ist zu dem Ergebniss gelangt, dass in allen Fällen, die von ihm bisher geprüft wurden, es sich um Fermentationen handelt, die von thermogenen Mikrophyten erregt werden; Fälle von Selbstentzündung, an deren thatsächlichem Vor- kommen er indess nicht zweifelt, sind ihm bis jetzt noch nicht zur Untersuchung vorgelegt worden. Baumwolle soll angeblich zu Selbstentzündungen in Schiffen, Speichern und Spinnereien die Veranlassung geben. Die Versuche mit derselben wurden in einem Apparate angestellt, der im wesentlichen aus einem grossen, mit Deckel verschliessbaren Blechkasten besteht, dessen Wände allseitig von sehr zahlreichen Löchern durch- brochen sind; der Kasten steht in einem grösseren Korbe, und die Zwischenräume sind mit Watte sorgfältig ausge- stopft. Thermometer, die durch den Deckel hindurch- gehen, zeigen die Temperatur im Innern des Kastens an. Der Kasten wird mit ca. 5 Pfd. Baumwolle gefüllt. Die Einrichtung bezweckt, der letzteren einen zwar verlang- *) Wir bemerken, dass sich kürzlich in Berlin unter dem Vorsitz unseres Mitarbeiters Dr. M. Klein eine „Gesellschaft für Grapho- logie und Physiognomik" gebildet hat. — Red. 332 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 27 samten, aber ausreichenden Gaswechsel mit der äusseren Luft zu gestatten, den Wärmeverlust durch Ausstrahlung- oder Ableitung- aber mögliehst einzuschränken. In diesem Apparat, Thermophor genannt, konnte C. weder au trockener noch an feuchter Baumwolle auch nur die mindeste spontane Temperaturzunahme er- kennen. Hierin stehen seine Untersuchungen mit denen anderer Sachverständiger, und insbesondere auch mit denen von Dr. Haepke in Einklang;*] er kommt zu dem Ergebniss, dass noch niemals, weder in trockenen noch in leuchten Baumwollenballen ein Brand durch Selbstent- zündung entstanden sei, sondern dass immer Funken oder brennende Körper, von aussen anfliegend, den Ballen an einer Stelle zum Glimmen gebracht haben; die Gluth kann sich dann wochen- und monatelang unbemerkt ins Innere fortpflanzen und unter Umständen (Luftzug) in offene Flammen ausbrechen. Das zunderartige Fortglimmen der Baumwolle beruht offenbar auf ihrer vollkommenen Poro- sität gegen Luft. Dagegen nimmt Haepke an, dass durchfettete Baumwolle sich selbst entzünden könne, und es müssen sogar auf polizeiliche Anordnung in den Fabriken fettige Baumwollenbäusche, Putzlappen u. dergl. in feuer- sicheren Behältern bewahrt werden; indess hat C. auch an Baumwolle, die mit 50 % Rüböl getränkt war, keine spontane Temperaturerhöhung wahrgenommen. Bei diesen durchaus negativen Resultaten war es C. unerwartet, als ihm Prof. Friedrich Müller die Mittheilung machte, dass in Augsburg Gewächshäuser mit Baumwolleu- abfällen geheizt würden; es würden nämlich daselbst gemauerte Kästen vier Fuss hoch mit den Abfällen voll- geschüttet und die Pflanzen mit den Töpfen hinein- gestellt; sobald die Abfälle mit der Giesskanne ange- feuchtet werden, erhitzen sie sich, und zwar um so stärker, je grösser die Wasserzufuhr. Die aus Amerika kommenden Baumwollballen ent- halten noch viele Unreinigkeiten, hauptsächlich Staub und Kapselreste, die vor dem Verarbeiten in den Spin- nereien Europas durch besondere Maschinen (Wolf) ent- fernt werden; diese Abfälle, im wesentlichen also sehr schmutzige Baumwollenfasern, Nissel genannt, sind es, mit denen C. in Folge der Mittheilungen des Prof. Friedr. Müller im Juli d. J. eine Reihe von Versuchen angestellt hat: Wurde eine Quantität Nissel (ca. 5 Pfd.), mit dem anderthalbfachen Gewicht Wasser angefeuchtet, in den Thermophor gebracht, so stieg die Temperatur sofort, erst langsam, stündlich 0,°1, dann rascher (0n,2; 0°,3 in der Stunde); nach 5 — 6 Stunden rapide, stündlich 2°, 3° — 4°; 24—30 Stunden später war das Maximum (67,2° beob- achtet) erreicht; von da ab sank die Temperatur langsam, aber stetig, so dass nach etwa 6 Tagen die Masse wieder Lufttemperatur (21 — 23°) zeigte. Hierbei entwickelte sich ein penetrirender Geruch nach Heringslake (Trimethy- lamin), ein Gährungsproduct vieler Pilze z. B. der Blut- bacterien (Micrococcus prodigiosus) und des Steinbrands (Tilletia Caries). Die Abfälle nahmen dabei eine schwarz- braune, humusartige Beschaffenheit an. Offenbar geht in den Baumwollenabfällen eine Fermentation vor sich, bei welcher stickstoffhaltige Verbindungen (Trimethylamin) erzeugt, aber auch die Cellulosefaser selbst angegriffen und in einen kohlenstoffreicheren Körper umgewandelt wird. Er- reger der Gährung sind Mikrokokken, deren Kügelchen sich in unendlicher Menge in jedem Tröpfchen des aus den Abfällen ausgedrückten Wassers linden; bei längerem Stehen in einem Glasgefäss überzieht sich solch ausgepresstes Wasser mit einer schleimigen Micrococcus- haut. Dass in der That die Bacterien die einzige Ursache der Fermentation und der damit verbundenen Selbster- *) Vergl. Naturw. Wocbenschr. VIII, S. 447 ff. hitzung der Baumwollenabfälle sind, lässt sich leicht da- durch erweisen, dass, wenn letztere in strömendem Wasser- dampf sterilisirt sind, sich in denselben selbst bei neun- tägiger Bewahrung im Thermophor weder Fermentation noch auch die mindeste Teinperaturzunahme zeigte, während durch Uebergiessen mit dem aus Irischen Baum- wollenabfällen ausgepressten Wasser sie sich alsbald zu erhitzen begannen. C. stellte ferner fest, dass bei der Fermentation der Baumwollenabfälle ein lebhafter Verbrauch von Sauerstoff und eine ebenso lebhafte Erzeugung von Kohlensäure stattfindet, und dass die Energie dieses Gaswechsels mit der Temperaturzunahme in directer Proportion steht, dass aber bei Ausschluss von Sauerstoff die Selbsterhitzung sofort zum Stillstand kommt, um erst dann wieder fort- zuschreiten, wenn der Luft wieder der Zutritt zu den fer- mentirenden Massen gestattet wird, dass endlich, sobald das Maximum überschritten ist, keine weitere Kohlen- säurebildung stattfindet. Hiernach stellt sich der ganze Process heraus als bedingt durch die Athmung von aeroben Bacterien, welche bei dem durch die erhöhte Temperatur noch geförderten, rapiden Wachsthum und Vermehrung ihrer Zellen ausserordentlich energisch vor sich geht; ist ja doch bei diesen Mikrophyten, ebenso wie bei allen anderen ( »rganisraen, die Athmungswärme die Kraftquelle für alle Lebensprocesse. Das Material aber, das beim Wachsthum und der Vermehrung der Bacterien theils in lebendige Zellen assimilirt, theils durch die Ath- mung verbrannt wird, stammt aus den Nährstoffen, in unserem Fall aus Baumwolle und deren Verunreinigungen, und ist theils an sich schon im Durclifeucktuugswasser löslich, theils wird es ohne Zweifel erst durch gewisse, von den Bacterien erzeugte und ausgeschiedene Fermente (Enzyme) löslich gemacht, und eben dadurch deren Zer- setzung und Fermentation erregt. Die Keime jener Gährungserreger (Zymophyten) gelangen in die Baumwolle offenbar mit dem Staube, d. h. mit dem vom Winde fortgewehten feinsten Pulver des Erdbodens der amerikanischen Baumwollenfelder; sie gehören also zu der so überaus mannigfaltigen und bedeutungs- vollen Klasse der Bodenbacterien; sie finden sich in den Abfällen gewisscrinaassen concentrirt, während sie in den ßaumwollenballen selbst relativ zu spärlich vor- kommen, um nachweisbare Wirkungen auszuüben. Auch bei der Selbsterhitzung des Heues und des Düngers sind es die Keime (Sporen) gewisser Bodenbacterien (der Heu- bacillen), welche bei ihrer rapiden Entwickelung und Ver- mehrung eine mit Erzeugung von Ammoniakverbindungen und Humuskürpern, sowie mit sehr hoher Temperatur- steigerung (70° beobachtet) verbundene Fermentation verursachen. Bei unseren Versuchen im Thermophor, wo die Luft von allen Seiten zu den fermentirendeu Baumwollenab- fällen Zugang hat, läuft der ganze Process sehr rasch ab, sei es, dass die denselben erregenden Bacterien in einen Ruhezustand (Sporen) übergehen, sei es, dass sie durch die von ihnen selbst erzeugte und aufgespeicherte Hitze getödtet werden. Wenn dagegen der atmosphärische Sauerstoff nur einseitig von der Oberfläche in das Innere der gährenden Masse gelangen kann, wie bei Versuchen in offenen Flaschen und auch in den Hitzkästen des Augsburger Gewächshauses, so verläuft die Fermentation sehr langsam, und die mit derselben verbundene Tem- peratursteigerung erreicht ein bei weitem niedrigeres Maximum (ca. 35°), hält sich dagegen wochenlang auf nahezu gleicher Höhe. Es ist anzunehmen, dass eine thermogene Wirkung auch anderen Bacterien und Pilzen zukommt, wenn die- selben sich rapid vermehren und entsprechende Gährung Nr. 27. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. ■333 erregen; für einzelne Fälle (Hefepilze, Essigbacterien, Aspergillus Oryzäe, Aspergillus fnmigatus) ist eine bedeu- tende Temperatursteigerung auch nachweisbar, wenngleich im allgemeinen die Bedingungen für eine Wärme- aufspeicherung, nämlich Umhüllung mit einem sehr schlecht leitenden, aber für Gaswechscl vollkommen permeablen Medium, nur ausnahmsweise gegeben sind. Ueber Chemotropisnins der Pollenschläuche giebt M. Miyoshi in den Verb. d. Ges. D. Natnrf. und Aerzte das Folgende an. Schneidet man ein .Stückchen des Griffels einer Pflanze mit der Narbe ab und legt dieses auf einen Agar-Agar oder Gelatinewürfel, dessen Oberfläche mit Pollenkörnern derselben Pflanze bestäubt ist, so sieht man, dass nach dem Ankeimen die Pollenschläuche stark nach dem Schnitt- ende des Griffels, zumeist nach der Narbe hin gewachsen sind. Diese Thatsaehe, die Molisch schon vor einigen Jahren beobachtete, ist öfters eine so auffallende Erschei- nung, dass zweifellos das Vorhandensein eines Chemotro- pismus der Pollenschläuche anzunehmen ist, die durch die Ausscheidungsflüssigkeit der Narbe resp. des Griffels dahin angelockt werden. Besonders auffallend aber ist diese Erscheinung bei den Fruchtknoten. M. hat die Fruchtknoten, entweder von der Placenta getrennt oder mit Stückchen der letzteren und entweder mit destillirtem Wasser gewaschen oder ohne Waschen, auf den Agar- Agarwürfel gebracht, dessen Oberfläche mit Pollen- schläuchen bestäubt wurde. Die Anlockung ist öfters so gross, dass alle Pollenschläuche gesellig nach der Mikro- pyle — einige durch eine bedeutende Entfernung — hin- wachseu. Aeusserst interessant aber ist zu constatiren, ob die Pollenschläuche einer Pflanze nach dem Ovulum von anderen Arten, anderen Gattungen, sogar anderen Familien wachsen können. M. fand, dass dies wirklich der Fall ist, und es ist ihm gelungen, sogar die Pollen- schläuche einer monocotyledonen nach dem Ovulum einer dicotyledoneu Pflanze wachsen zu lassen oder vice versa. Worauf Strasburger in seiner Untersuchung über „Fremd- artige Bestäubung" hingewiesen hat, das ist also auch hier eine universelle Erscheinung. Dass die Pollen- schläuche durch verschiedene Zuckerarten, Dextrin, Pflauinendccoct chemotropisch anlockbar sind, darauf hat M. schon in seiner letzten Arbeit „Ueber Cliemotropismus der Pilze" aufmerksam gemacht. Ueber wassersecei-nireude und -absorbirende Organe an tropischen Laubblättern theilt Prof. Dr. G. Haber- landt in den Sitzungsber. d. Wiener k. Akad. der Wiss. das Folgende mit. Bei einer Anzahl von Tropenpflanzen aus sehr verschiedenen Verwandtschaftskreisen kommen epidermale Wasserausscheidungsorgane, „Hyda- thoden", vor, welche nach zu starker Transpiration auch die Fälligkeit besitzen, Wasser aufzusaugen und die nor- male Turgescenz des Blattes wieder herzustellen. Nur bei zwei Pflanzen (Gonocaryum pyriforme und Anamirta Cocculus) sind diese Organe einzellig, dabei aber von complicirtem Bau und ihrer Function in hohem Maasse angepasst. Bei den übrigen Pflanzen (Papilionaceen, Piperaceen, Bignoniaceen, Artocarpoideen) erscheinen die Hydathoden als drei- bis vielzellige Trichome, gewöhnlich in Gestalt von Keulen- oder Köpfchenbaareri oder in Ge- stalt von Schuppen. Der Plasmareichthuin und die meist grossen Zellkerne charakterisiren sie in anatomischer Hin- sicht als drüsige Organe. Die oft sehr reichliche Wasserausschcidung erfolgt, sobald bei gehemmter Transpiration der Blutungsdruck im Wasserleitungssystem eine gewisse Höhe erreicht, also unter denselben Voraussetzungen , unter welchen die Wasseraüssclieidung aus den sogenannten Wassrrspalten vor sich geht. Man kann demnach die Wassersecretion auch mittelst des Druckes einer genügend hohen Queck- silbersäule erzielen. Dass die Secretion des Wassers kein blosser Filtrationsprocess ist, sondern auf aetiver Pressung seitens der lebenden Protoplasmakörper der Hydathoden beruht, geht daraus hervor, dass nach Ver- giftung der letzteren durch Bepinselung mit subliinat- lialtigem Alkohol die Wasserausschcidung trotz der Fort- dauer des Quecksilberdruckes unterbleibt; dafür tritt dann sein- häufig Injection der Durchlüftungsräuine des Blattes mit Wasser ein. Die Fähigkeit dieser Organe, nach starker Tran- spiration, wenn die betreffenden Blätter mehr oder minder Welk geworden sind, beträchtliche Wassermengen aufzu- saugen, wurde durch Versuche mit Farbstoff lösungen, besonders durch Lebendfärbungsversuche und durch die Wägung von welken und dann eine Zeitlang mit Aus- schluss der Schnittfläche unter Wasser getauchten Blättern erwiesen. So funetioniren die geschilderten Hydathoden als Regulatoren des Wassergehaltes der Blätter, beziehungs- weise der Pflauze, und stellen bei jenen Gewächsen, welche in feuchtem Tropenklima zu Hause sind, zweifels- ohne sehr wichtige und auch weitverbreitete Organe der Laubblätter vor. Die Dringlichkeit der Regelung der Nomenclatnr für die organischen Wesen illustrirte Prof. Dr. E. Koehne in der Sitzung des Botan. Vereins d. Prov. Brandenburg vom 8. VI. durch die folgende Mittheilung. Die Gattung Halesia Ellis wurde von N. L. Britton 1893, da der Name, wie er gefunden hat, bereits vergeben war, und zwar für Halesia P. Browne (jetzt synonym zu Guettarda L.) in Mohria umgetauft. Wenige Wochen später vertauschte Greene aber den Namen wegen Morea mit Carlomolnia. Nur 5 Tage später wandelte N. L. Britton selbst wieder den Namen wegen der altbekannten Farn-Gattung Mohria Swartz in Mohrodendron um. — Möchte doch der Con- gress, der endlich einmal in weitergehender Weise als 1864 (De Candolle, Lois de la nomenclaturc i die Nomen- elatur-Frage zu einem vernünftigen Ende bringt, nicht zu ferne sein! (x.) Zu dem Referat über die Steppen des südlichen Russlands, welches G. Maas im Anschluss an eine kürz- lich veröffentlichte Arbeit Krasnow's in Nr. 23 des laufen- den Jahrgangs dieser Zeitschrift geliefert hat, möchte ich mir folgende Bemerkungen erlauben. Es heisst dort gegen Ende des Referats: „Auch die Entstehung der Steppe aus einer Tundra, wie sie Nehring voraussetzt, weist er für Südrussland zurück, da die aufgefundenen Reste von Elephas primigenius eine reiche Vegetation zu der Zeit voraussetzen, als diese Thiere lebten." Hiergegen habe Folgendes zu bemerken: 1. Die Entstellung der Steppe aus einer Tundra habe ich für Südrussland nirgends behauptet oder voraus- gesetzt. 2. Für ansehnliche Gebiete Mitteleuropas habe ich allerdings auf Grund von zuverlässigen Ausgrabungen die Aufeinanderfolge einer Tundren- und einer subark- tischen Steppenfauna nachgewiesen, woraus sich wichtige Schlussfolgerungen auf die Flora und das Klima der entsprechenden Epochen für Mitteleuropa ergeben. Man braucht darum aber nicht allgemein „die Entstehung der 334 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 2< Steppe aus einer Tundra" vorauszusetzen. Auch gefällt mir diese Ausdrucksweise überhaupt nicht; ich nehme nur eine Aufeinanderfolge von tundraähnlichen und steppenähnlichen Verhältnissen der Flora, der Fauna und des Klimas für gewisse grosse Gebiete Mitteleuropas wäh- rend der nach der Haupteiszeit folgenden Epochen an. 3. Ob das Vorkommen von Mammuth-Resten überall ohne weiteres auf eine ehemalige reiche Vegetation schliessen lässt, muss ich stark bezweifeln; ich habe mich über diesen Punkt in meinen „Tundren und Steppen", S. 163 f. bereits ausgesprochen. Man vergleiche auch Ch. Darwin, Reise eines Naturforschers um die Welt, S. 97 ff. Prof. Dr. A. Nehring. Chemische Untersuchung der Topase betitelt sich eine Arbeit (Zeitschrift für anorganische Chemie Bd. VI, 1894) von Prof. P. Jannasch und J. Locke. — In einer schon vorangegangenen Publication in demselben Band derselben Zeitschrift hatten beide Verfasser als Resultat ihrer Topasanalysen festgestellt, dass der Topas Wasser führe. Die angeführten Analvsen führten zu der Formel Si04 • Al2 (F • OH)2 oder s4?A1 \ CK 0- Al(F-OH)2 = Si /g>Al(F.OH) \°>A1(F.0H). Die bisherigen Analysen hatten zu der empirischen Formel Si6O25Al12F10 geführt. Es wurde dieses betrachtet als eine isomorphe Mischung von Andalusit (Si04-Al-A10) und einem analog zusammengesetzten Fluorsilikat, in welchem die einwerthige Gruppe A10 durch das gleich- wertige A1F2 ersetzt worden ist. Diese Annahme er- schien geboten, einmal wegen der Schwankung des Axenverhältnisses des Topases bei verschiedenem Fluor- gehalt und andererseits wegen seiner Umänderung, wie auch der des Andalusits, zu Muskovit. Eben deswegen stellten Clarke und Diller im Americ. Journ. of Science (1885) 29, 378 die Formeln dieser Mineralien folgender- maassen auf: Si04 = AI Al-Si04 = AI / Si04 = AI Al-Si04 = Al XSi04 = (A1F2):J XSi04 = A1(A10)3 Topas Andalusit Si04 = AI Al-Si04 = Al XSi04 = KH2 Muskovit Fasst man aber nun nach den Resultaten der Verfasser das Wasser im Topas als ein das Fluor ersetzendes Hy- droxyd auf, so erscheint obige Annahme nicht unbedingt nothvvendig, da sich nun die Schwankungen im Axen- verhältniss durch Ab- und Zunahme des Hydroxyd- gehaltes erklären lassen. Dr. A. Kl Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Dr. med. Paul Kubier zum Regierungs- rath beim kaiserlichen Gesundheitsamt in Berlin; Dr. med. Edgar Wu tzd orf f zum Regierungsrath beim kaiserliehen Gesundheitsamt in Berlin; der Privatdocent Dr. med. Ernst Sonntag zu Frei- burg i. B. zum ausserordentlichen Professor der Gynäkologie; der Privatdocent Dr. med. Gustav Hauser in Erlangen zum ausser- ordentlichen Professor der pathologischen Anatomie und Bakterien- kunde; der ausserordentliche Professor Dr. med. Lehmann in Würzburg zum ordentlichen Professor der Hygiene; der Professor der Mathematik Weyer in Kiel zum Geheimen Regierungsrath: der Privatdocent Dr. Karl Stoehr in Kiel zum ausserordent- lichen Professor der Chemie; der Hilfsbibliothekar an der Uni- versitätsbibliothek zu Bonn Dr. Mas slow zum Bibliothekar; der ausserordentliche Professor Dr. Karl Fromme in Giessen zum ordentlichen Professor der mathematischen Physik; der Privat- docent O. Dieffenbach in Darmstadt zum ordentlichen Professor der chemischen Technologie und Elektrochemie; der ausserordent- liche Professor Dr. J. Grub er in Wien zum ordentlichen Professor derOhrenheilkunde; der ausserordentliche Professor Dr.A. Politzer in Wien zum ordentlichen Professor der Ohrenheilkunde; der Privatdocent Dr. med. J. Scheff in Wien zum ausserordentlichen Professor der Zahnheilkunde; der Bibliothekargehilfe B. Cordt in Dorpat zum Oberbibliothekar in Kiew; der ausserordentliche Professor Dr. A. G. Polotebnow in Petersburg zum ordentlichen Professor der Dermatologie. Es wurden berufen: der Hilfsarbeiter am Kupferstichkabinet in Bremen Dr. phil. Gustav Pauli als Bibliothekar an die Akademie der bildenden Künste in Dresden; der ausserordentliche Professor Dr. med Gabriel Anton in Innsbruck als ordent- licher Professor der Irrenheilkunde nach Graz; der Volontär an der Universitätsbibliothek zu Berlin Dr. Wenzel nach Bonn. Es haben sich habilitirt: Dr. med. Braunstein für Augen- heilkunde in Charkow; Dr. med. Trachtenberg für innere Medicin in Charkow; Dr. med. Tschujewski für Physiologie in Charkow. Abgelehnt hat Dr. C. V. Riley die Stelle eines Entomolo- gisten am U. S. Departement of Agriculture. Es sind gestorben: der Professor der Physiologie Withney in Yale; Professor J. Jäggi, Director des botanischen Museums in Zürich; der Inspector des pharmaceutischen Institutes zu Stock- holm Professor Dr. Oscar Sand ah 1. Der Anthropologencongress findet in Innsbruck vom 23. August ab statt. Freisaufgabe der Fürstlich Jablonowsky'schen Gesellschaft zu Leipzig für das Jahr 1897. — Die von Monge, Ampere und Darboux herrührenden Integrationsmethoden der partiellen Diffe- rentialgleichungen zweiter oder höherer Ordnung finden bekannt- lich nur für solche Gleichungen Anwendung, die mit anderen Gleichungen Lösungen gemein haben, welche nicht nur von arbi- trären Constanten abhängen. Es geht andererseits aus Lie's Untersuchungen über unendliche Gruppen hervor, dass Gleichungen, die eine unendliche Gruppe von Berührungstransformationen ge- statten, im Allgemeinen zu anderen Gleichungen in der soeben besprochenen Beziehung (Involutionsbeziehung) stehen. Die Ge- sellschaft wünscht, dass die aus dieser Bemerkung fliessenden Integrations- methoden entwickelt und an möglichst instruetiven und vollständig durchgeführten Beispielen illustrirt werden. Der Preis beträgt 1000 Mark. Die in deutscher, lateinischer oder französischer Sprache verfassten Bewerbungsschriften sind anonym bis zum 30. November 1897 an den Secretär der Gesell- schaft einzusenden, mit einem Motto versehen, welches auch auf einem versiegelten Umschlage stehen muss, der die Adresse des Verfassers enthält. L i 1 1 e r a t u r. Prof. Dr. H, E. Ziegler, Die Naturwissenschaft und die sozial- demokratische Theorie, ihr Verhältniss dargelegt auf Grund der Werke von Darwin und Bebel. Zugleich ein Beitrag zur wissenschaftlichen Kritik der Theorien der derzeitigen Social- demokratie. Stuttgart 1894. Verlag von Ferdinand Enke. Preis 4 Mark. Verfasser stellt die naturwissenschaftlichen Anschauungen und Forschungsresultate den socialdemokratischen Lehren gegenüber, indem er einerseits Darlegungen von Darwin, andererseits Citate aus dem bekannten Buche Bebeis („Die Frau und der Socialis- mus") zu Grunde legt. Doch sind auch neuere zoologische und ethnologische Schriftsteller beigezogen und wird zur Erläuterung der socialdemokratischen Theorien auch auf Engels und Morgan zurückgegangen. Insbesondere hat der Verfasser die von Morgan herrührende hypothetische Entwickelungsgeschichte der Familie, welche einen so wichtigen Theil der socialdemokratischen Socio- logie bildet, in einer eingehenden und kritischen Weise behandelt; auf Grund naturwissenschaftlicher und ethnologischer Argumente verwirft er sowohl die Promiscuitätshypothese als auch die an die Lehre vom Mutterrecht sich knüpfenden Theorien. Zur Ergänzung dieser Erörterungen folgen die Abschnitte über die monogame Ehe, die Polygynie und die Polyandrie. In einem andern Capitel Nr. 27. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 335 wird der Plan der Gleichstellung der Frau erörtert. Der Gegen- satz, welcher zwischen der Lehre Hebels und der Lehre Darwins besteht, tritt am deutlichsten im 7. und im 8. Abschnitt des Buches hervor, welche von der Volksvermehrung und vom Kampf ums Dasein handeln. Die Meinung, dass man im socialistischen Zu- kunftsstaate die Volksvermehrung werde reguliren und den Kampf ums Dasein werde aufheben können, findet, wie der Biologe weiss, in der modernen Naturwissenschaft gar keine Stütze. Im 9. Ab- schnitt bespricht der Verfasser die verschiedenen Formen des Gesellschaftslebens, welche im Thierreich vorkommen, besonders diejenigen, welche bei einer naturwissenschaftlichen Ableitung des socialen Lebens des Menschen in Betracht kommen können. Die beiden folgenden Abschnitte betreffen die Herleitung des Staates und des Privateigenthums. Der letzte Abschnitt des Buches handelt von der Gleichheit. Max Planck, Heinrich Rudolf Hertz. Rede zu seinem Gedächt- niss in der Sitzung der physikal. Ges. zu Berlin am 16. Februar 1»94. Johann Ambrosius Barth (Arthur Meiner). Leipzig 1894. — Preis 0,60 M. Die Rede bietet namentlich eine Würdigung der wissenschaft- lichen Verdienste des kürzlich verstorbenen Physikers Hertz; wir erfahren aus derselben, dass dieser ein Werk hinterlassen, das sich mit den allgemeinen Principien der Mechanik beschäftigt, auf das die Gelehrtenwelt gespannt sein darf. Dr. Karl Böser, Wie behütet man seine Kinder vor tubercu- lösen Drüsen- und Gelenkerkrankungen, vor Diphtherie und Gliederverkrümmungen? Was kann man gegen die Entstehung der Blutvergiftung, des Krebses und der Unterleibsbrüche thun? Nach einem öffentlichen Vortrage. J. F. Bergmann. Wiesbaden 1892. — Preis 1 M. Verf. behandelt die im Titel genannten Gegenstände in all- gemein verständlicher Form und so, dass jede Mutter das Heftchen mit Interesse lesen wird. Ludwig David, Rathgeber für Anfänger im Photographiren. Behelf für Vorgeschrittene. Mit 65 Abbildungen und 2 Tafeln. 2. gänzlich umgearbeitete Aufl. Wilhelm Knapp. Halle a. S, 1893. — Das handliche Büchelchen ist dein Amateur und dein Natur- forscher, der photographiren will, sehr als Einführung in die Praxis zu empfehlen. Es denkt an Alles, was den Anfänger interessiren muss, und giebt unter vielem anderen diesem werth- volle Notizen, z. B. auch Rathschläge für den Ankauf eines Apparates. Jean Bungartz, Illustrirtes Jahrbuch für Kleinthierzüchter für 1894. (Haus- und Wassergeflügel, Stubenvögel, Hunde, Ka- ninchen, Aquarien- und Terrarienbewohner etc.) A. Twietmeyer, Verlag, Leipzig. — Preis 1,20 M. Das Heft umfasst 106 Seiten. Thierfreunde und Liebhaber weiden es gern durchsehen und manche guten Winke erhalten. Um nur Einiges anzuführen, so finden wir in dem Heft eine Tragezeit- und eine Trächtigkeitstabelle, ein Capitel über Ka- ninchenfleisch als Volksnahrungsmittel u. s. w. Mehrere Artikel haben andere Autoren zu Verfassern. Der Preis ist in Ansehung der guten Illustrationen sehr billig zu nennen. Prof. Dr. Franz Buchenau, Flora von Bremen und Oldenburg. Zum Gebrauch in Seh len und auf Excursionen. Mit 102 Text- abbildungen. 4. verm. u berichtigte Aufl. M. Heinsius' Nachf. Bremen 1894. — Preis 3,20 Mk. In der 4. Auflage der Buchenau'schen Flora von Bremen und Oldenburg liegt eine jener nicht gerade zahlreichen Floren vor, die in systematisch-botanischer Hinsicht durchaus auf der Höhe der Systematik stehen, und die bei der persönlichen langen Durch- führung seitens des Verfassers auch wissenschaftlichen Werth haben. In einer Einleitung finden sich die Haupt-Termini übersichtlich erläutert, und auf einen einheitlichen Gebrauch derselben ist in dem Buche überall zweckmässig und gewissenhaft geachtet worden. Es folgt dann eine Uebersicht der in der Flora von Bremen ver- tretenen Familien der Pteidophyten und Siphonogamen (Ballo- phyten und Byophyten werden, wie üblich, in den „Floren" auch in der vorliegenden weggelassen) und eine Tabelle zum Bestimmen der Hauptgruppen und Klassen, sowie eine solche zum Bestimmen der Familien. Dann beginnt die Aufzählung und Beschreibung der Arten in der üblichen Weise derartig, dass die Arten nach der Lamarck'schen Methode bestimmbar sind. Verdienstlich ist die Beigabe von Abbildungen, die in einer Flora für Anfänger nicht zahlreich genug sein können, und ich selbst habe es daher auch in der 4. Auflage meiner illustrirten Flora auf nicht weniger als 598 Abbildungen gebracht. Uebrigens entstammen die von Buchenau gebotenen hübschen Habites-Abbildungen nicht, wie er im Vorwort angiebt, aus Krepelin's Excursionsflora, sondern dieser und andere Floristen, auch ich grossentheils in meiner illustrirten Flora, haben diese Abbildungen dem trefflichen kleinen, von Fitch und Smith herausgegebenen Atlas entlehnt: „Illustration* of the British Flora", „forming — wie die Autoren sagen — an illustrated companion to Mr. Benthatn's handbook and other British Floras." Den Beschluss der Buchenau'schen Flora bilden 2 Anhänge, von denen der 1. die Fundorte der selteneren Pflanzen in der Umgegend der Stadt Oldenburg, der 2. die Pflanzen der deutschen Nordseeküste, sowie der ost friesischen Inseln (nebst Neuwerk), soweit solche nicht in der Flora von Bremen vertreten sind, anführt. Die Volksnamen des Bremer Floren-Reviere« hat Buchenau angegeben. Dr. J. Schroeter, Pilze. 2. Hälfte. 2. Lief. Kryptogamen-Flora von Schlesien (herausg. von F. Cohn). J. H. Kern's Verlag (Max- Müller). Breslau 1893. — Preis 3.20 Mk. Kaum haben wir das Erscheinen der 1. Lieferung angezeigt (IX S. 98), und schon können wir die 2. Lieferung anmelden Wie schon dort gesagt, ein ausführlicheres Eingehen auf das wichtige Werk bis zum vollständigen Erscheinen desselben ver- schiebend, soll hier nur noch mitgetheilt werden, dass Band II der Pilze nunmehr bis Seite 256 gediehen ist, sodass von den Ascomyceten vorliegen die Discomyccten, Tuberinei, Elaphomy- ceten und ein ziemliches Stück der Pyrenomyceten. Bachmann, Paul, Zahlentheorie 2. Thl. Die analytische Zahlen- theorie. Leipzig. — 12 M. Bastian. A., Indonesien oder die Inseln des malayischen Archipels. 5. (Schlüss-) Lieferung. Berlin. — 8 M. Boas, Lect. Dr. J. E. v., Lehrbuch der Zoologie. 2. Auflage. Jena. — 10 M., geb. 11 M. Cantor, Mor., Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. 3. Bd. Leipzig. — 6 M. Caruelii, Theodori, Epitome florae Europae terrarumque afnnium. Fase. II. Dicotyledones. Berlin. — 5.50 M. Christiansen, Prof. Dr. C, Elemente der theoretischen Physik. Leipzig. — 10 M. Dünnenberger, Apoth. Dr. C, Chemische Reagentien und Reac- tionen. Zürich. — 1,30 M. Fischer-Benzon, Prof. Dr. R. v., Altdeutsche Gartenflora. Kiel. 8 M. Gänge, Doc. Dr. C, Die Polarisation des Lichtes. Leipzig. — 1,80 M. Hagen, Dir. Joh. G. S. J., Synopsis der höheren Mathematik. 2. Bd. Berlin. - 30 M. Jelinek, C, Psvchrometer-Tafeln für das lOOtheilige Thermometer- Wien. - 3 M. Pohl, Dr. Jul., Botanische Mitteiluung über Hydrastis canadensis. 29. Heft. Stuttgart. — 8 M. Specialkarte, geologische von Elsass-Lothringcn. 24. St. Avold Von H. Grebe, E Weiss und L. van Werveke. Mit einer Be- schreibung des lothring. Steinkohlengebirges von R. Nasse — 40. Stürzelbronn. Von Dr. L. van Werveke. Berlin. — 2 M. Studer, Th. u. V. Fatio, Katalog der schweizerischen Vögel. Bern. — 3,— M. Stur, Dionys, Geologische Specialkarte der Umgebung von Wien. Wien. — 15 M. Tietze, Ob.-Bergr , Chefgeol Dr. Emil, Geologische Karte von Olmütz. Wien. — 3 M. Woerlein, Zahlmstr. a. D. Geo., Die Phanerogamen- und Gefäss- Kryptogamen-Flora der Münchener Thalebene. München. — 3,50 M. Inhalt: Dr. Willi Ule, Die Katastrophe an den Mansfelder Seen. — Paul Matschie. Die Kuhantilopen. (Mit einer Original- zeichnung von Anna Held). — Die Graphologie vom Standpunkte des Psycho-Phvsiologen. — Ueber thermogene Bacteiien. — Ueber Chemotropisinus der Pollenschläuehe. — Ueber wassersecemirende und -absorbirende Organe an tropischen Laubblättern. — Die Dringlichkeit der Regelung der Nomenclatur für die organischen Wesen. — Die Steppen des südlichen Russlands. — Chemische Untersuchung der Topase. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur. — Prof. Dr. H. E. Ziegler, Die Natur- wissenschaft und die socialdemokratische Theorie. — Max Planck. Heinrich Rudolf Hertz. — Dr. Karl Roser, Wie behütet man seine Kinder? — Ludwig David, Rathgeber für Anfänger im Photographiren. — Illustrirtes Jahrbuch für Kleinthierzüchter für 1894. — Prof. Dr. Franz Buchenau, Flora von Bremen und Oldenburg. — Dr. J. Schroeter, Pilze. — Liste. 336 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 27. Verlas von FERDINAND ENKE in Stuttgart. .Soeben erschien: Drude, Prof. Dr. P., Physik des Aethers auf elektromagnetischer Grundlage. Mit ü'6 Abbildungen, gi-. 8. 1894., geh. M. 14. Schumann, lT0L Lehrb. der systematischen Botanik, Phytopaläontologie und Phytogeograpliie. Mit 1 93 Fi- guren und einer Karte in Farbendruck, gr. 8. 1894. geh. M. IG. Preisgekrönt. Weltausstellung Cliicago. Quecksilber-Thermometer, unter Druck gefüllt, bis 550 C. sicher anzeigend, mit eingebt-. Skale nach ges. gesch. Verfahren, wie für die Physik. -Techn. Reichsanstalt geliefert, empfiehlt mit und ohne Aich-Schein W. Niehls, Verfertiger meteorol. u. physik. Instrumente. 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Geognostische Reliefkarte vom Kaiserstuhl i./B. auf Grundlage der topographischen Landesaufnahme und der geognostischen Karte von A. Knop (Leipzig 1*92); modellirt von Dr. Fr. Vogel. Maass- stab 1 : 25,umo (vierfache Üeberhöhung.) In elegantem schwarzen Holz- rahmen M. 50.—. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Berlin N. 4., Invalidenstr. 44, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. V*->- ^^ Redaktion: f Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den 15. Juli 1894. Nr. 28 Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jft 4.— Bringregeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. ][ T Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 -A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die Schutzwirkung des Blitzableiters. Von Dr. Karl E. 0. Neumann. ^1 Der Anlage eines Blitzableiters pflegt man die Regel von dein sogenannten Seh utzraum e zu Grunde zu legen, dcrzufolgc ein mit einem Blitzableiter versehenes Gebäude gegen Blitzschlag geschützt ist, sobald es ganz und gar innerhalb des Raumes eines geradstehenden Kegels gedacht werden kann, dessen Spitze mit der Spitze der Auffange- stange zusammenfällt und dessen Grundfläche einen Halb- messer besitzt, welcher mit der Hohe des Kegels über- einstimmt. Ist z. B. // (Fig. 1) ein Gebäude mit dem Blitz- ableiter a, so stellt der Kegel A< /> den Schutzraum dar, welchen der Blitzableiter gewähren soll. Die Auffangestange a muss daher so hoch genommen werden, dass die ganze Höhe BC gleich dem Halbmesser AB der Grundfläche des Kegels ist, dessen Raum das Haus // mit allen seinen Ecken und Kanten cinsehliesst. Man nennt dieseu Schutzraum den einfachen zum Unterschiede von dem l1/»"» 2-, 3 fachen u. s. w., bei welchem der Halb- messer AB bezw. l'/n 2-, 3 mal grösser genommen wird als die Höhe BC. Man wird vergeblich nach positiven Gründen suchen, welche die Richtigkeit jener Regel darthun. ja sogar die Frage, ob ein nach derselben mit einer möglichst voll- kommenen Blitzableiteranlage versehenes Gebäude auch durchaus und stets gegen die gefährlichen Wir- kungen eines Blitzschlages geschützt sei, in verneinendem Sinne beantworten müssen. Zum Be- weise hierfür nur einige von den Beispielen, welche sich alljährlich wiederholen. Als Verfasser vor einer längeren Reihe von Jahren seinem Onkel, dem damaligen Ingenieur der Festung Königstein a. d. E., den nunmehr verstorbenen Herrn Major Nemnann einen Besuch abstattete, war nur wenige Tage vorher etwa 4 Schritt von einem an einer hohen Stange befestigten Blitzableiter entfernt, ein Maurer durch einen Blitz erschlagen worden. Letzterer hatte, wie Be- obachter von den in der Nähe gelegenen Gebäuden aus wahrgenommen, den Arbeiter direct getroffen, war also nicht erst vom Blitzableiter ab- und auf den Mann über- gesprungen. Ausserdem hatte er an der betreffenden Stelle in dem starken Kasemattengewölbe einen etwa 1 cm weiten, fast die ganze Breite des Gewölbes durch- setzenden Sprung verursacht. — Im Jahre 1889, den 17. Mai, schlug der Blitz trotz der gewissenhaft ausgeführten Blitzab- leiteranlage in das grosse, am König- stein gelegene Magazin, welches Tau- sende von gefüllten Sprengstoffen barg und wurde so die Veranlassung zu einem lange Zeit andauernden, ebenso schönen wie gefährlichen Feuerwerke. - Vor wenigen Jahren zertrümmerte in Berlin der Blitz einen Fabrikschorn- stein, ungeachtet der nach Vorschrift angelegten Blitzschutzvorrichtung. - Wie wenig selbst eine grössere Menge von Blitzableitern — wahrscheinlich, wenn sie noch nicht in genügender Anzahl vertreten — ganz in der Nähe befindliche Gegenstände zu schützen vermag, das zeigt folgendes Beispiel. Während eines Gewitters, welches über Dresden un- gefähr in der Richtung von SW nach NO bereits hinweg- gegangen war, nahm ein Blitz seinen \Yc^ in ganz schräger Richtung zurück nach der Stadt und schlug dort in eine der vielen Linden, welche die Umgebung des Albertplatzes schmücken. Es geschah dies in unmittel- barer Nähe der daselbst reichlich mit Blitzableitern ver- sehenen Villen, ihrer eisernen Gartenzäune und des nur etwa 3 .Minuten entfernten, mit ehernem Knopfe, Kreuze und einem Blitzableiter versehenen Thurmes der Dreikönigs- 338 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 28. kirche. Jene Linde, welche etwa eine Spanne breit an ihrem Stamme herab von der Rinde entblösst und daselbst zugleich versengt worden war, ist noch erhalten und leicht herauszufinden. Es kann sonach niemals von einem Schutz- raum im »Sinne einer dadurch gewährten voll- ständigen Gefahrlosigkeit innerhalb gewisser, räumlicher Grenzen die Rede sein, und zwar, wie sich aus der einfachen Betrachtung der gewöhnlichen Blitzform leicht ergeben dürfte, mit vollem Rechte. Dieser grosse elektrische Funke macht, entgegen seiner ganzen Natur, als plötzlicher Ausgleich zweier hochgespannter Elektricitäten, immer den kür- zesten, also einen geradlinigen Weg einzu- schlagen, meist einen krummlinigen, ja oft sehr grossen Umweg. Diese Erscheinung ist nur durch den Umstand erklärbar, dass dieser mächtige Funke sich unterwegs selbst noch gewaltigere Widerstände oder Hindernisse — vielleicht die isolirenden Melsens'schen „Luftprojectile" - schafft, welchen nach wechselnden Richtungen auszu- weichen er gezwungen ist. Kommt nun ein solches Hinderniss auf dem Wege eines Blitzes nach einem Blitzableiter in unmittelbarer Nähe des letzteren derartig zu Stande, dass der Funke demselben durch einen Sprung nach der Seite aus- weichen und sich dabei vom Blitz- ableiter wieder entfernen muss, so trifft er ganz nahe an letzterem einen anderen Gegenstand, er tödtet Menschen, entzündet oder zertrüm- mert Gebäude u. s. w. und macht dadurch das Gesetz von dem so- genannten Schutzraume hinfällig. Gewährt also der Blitzableiter gegenüber dem plötzlichen Aus- gleich zweier hochgespannter Elek- tricitäten ■ — der Gewitterwolke und der Erdoberfläche — nicht denjenigen Nutzen, den man sich ~~---i von ihm zu versprechen pflegt, so erweist er sich um so nützlicher gegenüber dem all- mählichen Ausgleich jener Elektricitäten in seiner Eigen- schaft als Metallspitze durch seine mächtige, saugende Wirkung. Von Waltenhofen*) führt als Beispiel dieser Art von Schutzwirkung die Thatsache an, dass die Tele- graphenstangen der dalmatinischen Telegraphenlinien, seit- dem sie und zwar jede dritte — mit Blitzableitern versehen worden, von den sie früher so häufig zerstören- den Blitzschäden verschont bleiben. — Als Verfasser einst, auf einer Fusswauderung be- griffen, ein, dem Namen nach ihm leider nicht mehr be- kanntes, in unmittelbarer Nähe der Stadt Waldheim i. S. hoch und frei gelegenes Dörfchen passirte, machte er die Entdeckung, dass jedes Haus, jedes Strohdach desselben mit einem Blitzableiter versehen war. Ein dortiger Be- wohner, wegen dieser auffälligen Erscheinung befragt, be- hauptete, dass das ganze Dorf seit dem Bestehen dieser Einrichtung von den gefährlichen Blitzschlägen, die es früher fast bei jedem Gewitter heimsuchten, nunmehr ver- schont bleibe. — Die Mitte von Dresdens Altstadt, wo der Schloss- thurm, der Thurm der katholischen Hofkirche, die beiden Thürme der protestantischen Hofkirche, die der Frauen- kirche und der Thurm der Kreuzkirche, sänimtlich mit A *) Siehe: „lieber Blitzableiter" von Dr. A. von Waltenhofen. Braunschweig, Friedrich Vieweg & Sohn. Blitzableitern versehen, verhältnissmässig sehr dicht neben- einanderstehen und ausserdem noch viele öffentliche und Privatgebäude mit Blitzableitern ausgestattet sind, wird im Allgemeinen selten von Blitzschlägen getroffen, während kein Jahr vergeht, wo nicht die Vorstädte davon über- rascht werden. — Ein einfaches Experiment, auf welches schon von Waltenhofen aufmerksam macht, erläutert uns diese Erscheinung klar und deutlich. Mit Hilfe eines zur Erde abgeleiteten Funkenziehers vermag man dem Con- duetor einer im (lange befindlichen Reibungselektrisir- maschine, welcher mit (positiver) Elektricität genau so geladen erscheint, wie eine Gewitterwolke, kleine Blitze zu entlocken , welche bei einer grossen Winter'schen Seheibenmaschine die Länge von 40 bis 60 cm erreichen können. Hält man aber von einer anderen Seite her gleichzeitig demselben Condnctor eine ebenfalls zur Erde abgeleitete Mctallspitze entgegen, so hört plötzlich alle Funken- bezw. Blitzentladung auf, es tritt an ihre Stelle die allmähliche Entladung durch die .Metallspitze. Diese Beispiele beweisen klar und deutlich die mächtige, saugende, also blitzverhütende Wirkung der Blitzableiterspitzen. Mclsens' Blitzschutzsystem, wel- ches sich im Wesentlichen auf diese Thatsache stützt, dürfte daher wohl bei der Anlage von Blitzableitern die meiste Beachtung verdienen. Statt der (bis 5 m) hohen Auffangestangen, wie man sie gewöhnlich vorfindet, wendet Melsens mehrere (8 und mehr) zu einem Büschel vereinigte Metall- spitzen an, die, je nach der Stelle, die sie gerade an einem Gebäude einzunehmen bestimmt sind, ver- schiedene Länge (von ' ., bis 2 m) erhalten, i I _,*' Also nicht auf die den Blitz ab- !_,- -" leitende, sondern auf die den Blitz verhütende Wirkung der Blitzab- leiter werden wir vornehmlich unser Augenmerk zu richten haben. Wir sollten daher auch gar nicht von Blitzableitern, sondern nur von Blitzverhütern sprechen. Befindet sich ein Stück Erdoberfläche mit einer darüber oder in der Nähe stehenden Gewitterwolke im Zustande der höchsten elektrischen Spannung, so wird der Ausgleich der beiden Elektricitäten niemals plötzlich, d. h. in Gestalt eines Blitzes vor sich gehen, sobald die Zahl und die Höhe der auf diesem Stück Erdoberfläche errichteten Blitzab- leiter gross genug ist, den möglichst schnellen Ausgleich allein durch Aufsaugung oder Ausströmung zu bewältigen. Man wird dreist behaupten können, dass eine Stadt, in welcher sämmtliche Ecken und Spitzen aller Gebäude, alle Fahnenstangen, eisernen Geländer, Telegraphen- und Telephonstangen u. s. w. mit Blitzableitern, oder noch besser, mit Spitzenbüscheln vei sehen, und diese unter- einander sowohl, als mit säinmtlichen über, wie unter der Erde befindlichen Metallkörpern gut leitend verbunden wären, höchst wahrscheinlich vor jedem Blitzschlage ver- schont bleiben würde. Magazine, welche zur Aufspeicherung grosser, werth- voller Vorräthe irgend welcher, namentlich aber solcher von feuergefährlicher und explosibler Art bestimmt sind, sollte man immer in einer der Fig. 2 ähnlichen Form aus- führen. Wir sehen hier eine grosse, kugelig gestaltete, aus starkem Kupfer- oder Zinkblech hergestellte Kuppel, welche noch einige Meter tief in den Erdboden — wie Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 339 die punktirten Linien andeuten — eingesenkt und mit einer jThür oder mehreren symmetrisch gelegenen Tliüren (<() und Fenstern (6) und ausserdem mit einem Spitzen- büschcl auf einer hohen Eisenstange oder mehreren gleich- falls symmetrisch vertheilten Büscheln versehen ist. Das Kuppeldach muss natürlich innen von einem geeigneten Holz- oder Eisengerüst getragen werden. Diese grosse metallene Kuppel würde die in ihr eingeschlossenen Vor- räthe gegen die schädliche Wirkung des directen Blitz- schlages auch noch auf Grund der Thatsache schützen, dass nur die Oberfläche eines Leiters als der Sil/. der Elektricität zu betrachten ist, dass, wir Fara- day in seiner Kammer mit metallener Oberfläche, Melsens mit seinen aus Draht gefertigten Käfigen erfahren, der von einem metallenen Leiter umgebene Raum von der Elektricität und ihrer schädlichen Wirkung befreit bleibt. Die innerhalb der modernen Panzerthürme aufge- speicherten Vorräthe verschiedener Art werden aus dem selben Grunde gewiss vor jedem Blitzschlage verschont bleiben. — Der naturwissenschaftliche Feriencursus in Göttingen. Gleichzeitig mit dem 4. naturwissenschaftlichen Ferien- cursus in Berlin, über den Nr. 18 dieses Blattes einen aus- führliehen Bericht gebracht bat, fand auch in Göttingen ein solcher statt, und zwar daselbst zum dritten Male. Aus den Provinzen Rheinland, Westfalen, Hessen-Nassau und Hannover waren je 6 Lehrer höherer Schulen zu- gelassen worden, zu denen noch einer auf seinen be- sonderen Wunsch aus Westpreussen hinzukam. Es waren dies die Herren: Ober-Lehrer Dr. Bernbach (Gymnasium Münstereifel), Director Dr. Buchholz (Cassel), Prof. Busch (G. Cello, O.-L. Dr. Fennel (Ober-Real- Schule Cassel), D.-L. Gcisenheyner (G. Kreuznach), Prof. Hermes (G. Lingen), Prof. Dr. von der Heyden (R.-G. Essen), O.-L. Hoffmann (G. Fulda), O.-L. Humpert G. Bochum), O.-L. Kersting (R.-G. Lippstadt >, Dr. Krische (Landwirthsehafts- schule Marienburg), O.-L. Kroenckc (R.-Prog. Eimbeck), Wissenschaftlicher Hilfslehrer Dr. Manno (R.-G. Dortmund), O.-L. Moureau (R.-Prog. Biedenkopf), O.-L. Sauerborn (R.-Prog. Geisenheim), O.-L. Dr. Schotten (Prog. Schmal- kalden), O.-L. Stein (R.-S. Dortmund), Prof. Dr. Stein- brinck (R.-G. Lippstadt), O.-L. Taegert (R.-Prog. Ems), O.-L. Dr. Vonhöne (G. Osnabrück), Prof. Wagenknecht (G. Hanau), O.-L. Wenker (G. Meppen), O.-L. Dr. Winzer (R.-Prog. Düren), O.-L. Dr. Zimmermann (R.-S. Elberfeld), Prof. Dr. Zoesinger (R.-G. Ruhrort). Nachdem am Abend des 1. April die meisten Treu- nehmer und die den Cursus abhaltenden Docenten sieh im Stadtpark zusammengefunden hatten, um in gemüth- lichcr Weise gegenseitige Bekanntschaft einzuleiten, wurde am Morgen des 2. April durch den Vorsitzenden des zu dem Cursus beauftragten Professorencollegiums, den Herrn Geh. Rath Prof. Ehlers, derselbe in feierlicher Weise in der Aula der Universität eröffnet. Nach der Eröffnungs- rede wurden sämmtliche Theilnehmer officiell einander und den Herren Professoren vorgestellt und ihnen Erlaubniss- karten zum Besuche der Räume der geschlossenen Gesell- schaft Union übergeben, die den Gästen ihre Localitäten in liebenswürdiger Weise für die Zeit des Aufenthaltes in Göttingen öffnete. Unter den verschiedenen Gegenständen, auf welche sich die Vorlesungen bezogen, war die Physik am meisten berücksichtigt, ausserdem aber auch Botanik, Zoologie, Chemie und Mathematik in den Bereich der Arbeit gc zogen. In 2 fast zweistündigen Vorträgen führte Oberlehrer Dr. Behrendscn aus der Elektricitätslehre das Ober- seeundapensum unter Zugrundelegung der experimentell abgeleiteten Begriffe des Potentials, der Kraftlinien etc. vor. Er zeigte dabei viele neue, zum Theil von ihm selbst construirte Apparate, die dem neuesten Stande der Wissenschaft entsprechen, und machte es klar, wie man mit deren Hilfe und durch Heranziehen und stete Ver glcichung mit verwandten Erscheinungen anderer Gebiete der Physik (Optik) sonst schwierigere Begriffe in einfacher Weise veranschaulichen könne. Prof. Dr. Riecke hielt dreimal eine zweistündige Vorlesung. In der ersten entwickelte er im Anschluss an zahlreiche, sehr gelungene Versuche die Maxwell'sche Theorie des elektromagnetischen Feldes. Die zweite war besonders den Demonstrationen zur Lehre von den dynamo- elektrischen Maschinen gewidmet, und die dritte brachte höchst interessante Versuche aus der Wärmelehre, ganz besonders zur Lehre von der Veränderung des Aggregat- zustandes. An diese äusserst lehrreichen Darbietungen sehloss sich eine Besichtigung der Räume und der Ein- richtungen des physikalischen Institutes unter Leitung des Herrn Prof. Riecke, des Hauses, das ja schon als Ort der Thätigkeit von W. Weber und gewissermaassen als Geburtsstätte des ersten elektrischen Telegraphen das Interesse jedes Gebildeten in Anspruch nimmt. Ein solches brachten die Theilnehmer auch dem daselbst auf- bewahrten ersten, noch so unvollkommenen Apparate von Gauss und Weber entgegen, der kurz vorher von der Ausstellung in Chicago zurückgekommen war. Im mineralogisch - petrographischen Institute führte Prof. Dr. Liebisch in drei Vorträgen die Versuche von Abbe über die Entstehung mikroskopischer Bilder und über die Grenze der mikroskopischen Wahrnehmung vor, zeigte in Kürze den Aufbau eines neuen Krystallsystems nach den Spaltflächen und demonstrirte zahlreiche neuere Lehrmittel für den mineralogischen Unterricht. Ausserdem leitete er in sachkundiger und überaus liebenswürdiger Weise die Besichtigung der so reichhaltigen Mineralien- sammlung. Prof. Dr. Wallach sprach im chemischen Labora- torium unter Vorführung einer grossen Zahl prächtig ge- lungener Versuche über Verbrennungserscheinungen. Einen zweiten Vortrag hielt er über Atommodelle und ihre Ver- wendung beim Unterricht, woran sich eine Besichtigung des chemischen Laboratoriums und seiner theilweise vor- züglichen Einrichtungen sehloss. Zootomische Uebungen an wirbellosen Thieren sollten bei Prof. Ehlers vorgenommen werden. Bei der ersten wurden den Theilnehinern Regenwürmer vorgelegt, deren innere Organe, besonders die der Ernährung dienenden, präpärirt wurden. Das war Vielen recht ungewohnte Arbeit, die trotzdem bei der steten Hilfe und Anweisung des Herrn Prof. Ehlers ganz gut von Statten ging, ob gleich die Aufmerksamkeit oft getheilt werden nmsste, da stete Erklärungen und Veranschaulich ungen durch Abbildungen und Präparate, besonders die Entwickclungs geschichte betreffend, nebenhergingen. Zur zweiten Uebung hatte sich eine weit grössere Anzahl von Herren eingefunden, so dass die vorhandenen Plätze kaum ausreichten. Und als nach Beendigung des Pensums, das in der Zergliederung der Larve des Nas- 340 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 28. hornkäfers bestand, wobei auf die Athmungswerkzeuge und das Nervensystem besonderes Gewicht gelegt wurde, diese Uebungen zu Ende waren, wurde das von den Meisten aufs Lebhafteste bedauert. In mehrstündigein Rundgang durch die reichhaltigen zoologischen Samm- lungen hatte Herr Prof. Ehlers noch vielfach Gelegenheit, von den Schätzen seines umfassenden Wissens den An- wesenden mitzutheilen. Herrn Prof. Dr. Peter waren die botanischen Vor- träge übertragen worden. Er gab zunächst eine übersicht- liche Darstellung der Entwickelungsgesetze des Pflanzen- reiches im Anschlüsse an die von Nägeli und Schwendend1 darüber veröffentlichten Ansichten. Durch zahlreiche Tafeln, grösstentheils selbst entworfen, sowie durch Vorzeigen der betreffenden lebenden Pflanzen aus den reichen Schätzen des Gartens und der Gewächshäuser wusste der Vortragende das Interesse der Hörer bis zum Schlüsse rege zu erhalten. Unter seiner Führung wurde auch der botanische Garten eingehend besichtigt, was bei der Grösse desselben mehrere Stunden in Anspruch nahm, und ausserdem fanden noch 2 zweistündige Besprechungen über Lehrmittel auf dem Gebiete der Botanik statt im Anschlüsse an eine ein- gehende Besichtigung der Räume des botanischen In- stitutes. Bei dem herrlichen Wetter fand der Vorschlag, eine botanische Excursion zu unternehmen, eine sehr willige Aufnahme. Sie richtete sich nach einem schön gelegenen Punkte der weiteren Umgebung, der Plesse. Wenn auch die frühe Jahreszeit die Flora noch nicht voll zur Eutwickeluug hatte kommen lassen, so war doch in Folge des milden Wetters schon manche Pflanze zu finden; besonders waren alle Theilnehmer über die un- geheure Menge von Leberblümchen erstaunt, das dort auf der Muschelkalkformation vorkommt und gerade in der schönsten Blüthenentfaltung stand. Von Interesse war es auch, einen Restbestand (etwa 1200 Exemplare) eines aussterbenden deutschen Waldbaumes, der Eibe (Taxus baccata), in Augenschein zu nehmen, der in früherer Zeit dort so viel und in so starken Exemplaren vorgekommen ist, dass in einem der nahen Dörfer das Balkenwerk der älteren Häuser ganz aus Eibenholz besteht. Zu den vielen angenehmen Ueberraschungen dieses Ausfluges gehörte es auch, dass die Stadt Göttingen den guten Gedanken gehabt hatte, die von der Hitze stark leidenden und durstenden Botaniker durch einige Fässer guten Göttinger Bieres zu erfrischen. Spät am Abend erst kamen sie von der vielfach anregenden Tour zurück, nicht ohne von einem der Collegen oben auf der Plesse photographirt worden zu sein, und allgemein voll Dankes für den unermüdlichen Leiter und Führer, Herrn Professor Peter. Prof. Dr. Klein gab zunächst in sehr anschaulicher Weise eine Erklärung der reichhaltigen mathematischen .Sammlung, die nicht nur für die algebraische Geometrie, die Differentialgeometrie, die Functionentheorie und die Mechanik die neuesten Modelle bietet, sondern auch sinn- reiche und sehr brauchbare Messapparate. Es wurden u. a. vorgeführt der Polarplanimeter von Amsler in Schaff- hausen, mittelst dessen man den Inhalt einer jeden ge- schlossenen Curve durch Umfahren ihrer Peripherie findet, der Integraph von Abdank- Abdankanowitsch, mittelst dessen man zu jeder Curve durch Nachfahren die ent- sprechende Integralcurve findet. Weiter sprach Professor Klein in einem zweiten Vortrage über die Quadratur des Kreises, wobei er nach einem geschichtlichen Ueber- blick über die Forschungen auf diesem Gebiete den erst I im vorigen Jahre veröffentlichten Gordan'schen Beweis der Transcendenz von n vorführte. Mit grosser Spannung sahen die Cursisten den 4 an- gekündigten Vorträgen des Prof. Dr. Drude, über die Ilertz'schen Versuche, entgegen; machten doch die meisten kein Hehl daraus, dass dieser Theil des Cursus für sie zur Anmeldung bestimmend gewesen sei, da doch die meisten an Orten wohnen, wo sie selten oder nie Ge- legenheit haben, derartige Versuche, die einen so grossen und umfangreichen Apparat erfordern, zu sehen. Das sehr grosse Interesse gerade, an diesem Gegenstande be- kundete sich auch darin, dass noch eine Anzahl Lehrer aus Cassel und Hannover Urlaub genommen hatten, um diesen Vorträgen beiwohnen zu können, und dass sich die Zuhörerschaft von Vortrag zu Vortrag vergrösserte. Der Vortragende verstand es vortrefflich, in knapper und doch verständlicher Form seine Vorführungen einzuleiten und zu erklären. Die Versuche selbst sind ja bekannt, sie sind auch in dem Feriencursus in Berlin gemacht worden und in dem Referate darüber in Nr. 18 der Naturw. Wochenschr. geschildert. Hier wurden sie mit geringen Abweichungen ebenso angestellt. Ausser der Erscheinung der Zurück- werfung der elektrischen Strahlen wurde auch ihre Brechung gezeigt, indem sie durch ein 12 Ctr. schweres Prisma von Pech geleitet und dadurch von ihrer Richtung abgelenkt wurden. Schliesslich wurden auch noch die Tesla'schen Versuche hinzugezogen. Diese, bei sehr hoher Spannung und Wechselzahl vorgenommen, wurden zu- nächst bei Isolirung beider Pole des Transformators ge- macht, und zeigten u. a. auf das Prächtigste die im dunkeln Räume sichtbare Büschel-Entladung. Bei Ab- leitung des einen Pols zur Erde leuchtete eine mit dem andern Pol verbundene Glühlampe, und zwar bei Be- rührung mit der Hand viel stärker, ebenso eine damit verbundene Geissler'sche Röhre, desgleichen eine eben- solche isolirte Kugel. Aus dem Körper des diese Be- rührenden wurden Funken gezogen, isolirte Geissler'sche Röhren leuchteten in der Umgebung der Kugel ebenso wie in der Nähe des letzten Gliedes einer Kette von Menschen (bis zu 5), deren erster die Kugel berührte. Wurde der eine Pol zu einem grossen Blechschirm ge- leitet; so war zwischen diesem und dem andern Pol ein breites Band von Lichtbüscheln sichtbar, und wurde eine Glasplatte dazwischen geschoben, so erschien auf dieser eine weithin sichtbare Lichtenberg'sche Figur. Wurden endlich die beiden Pole mit parallelen Blechschirmen ver- bunden, so war das Aufleuchten beliebig vieler Vacuum- röhren in dem elektrischen Felde die Folge und gab ein hübsches Schaustück. L. Geisenheyner. Ueber die Fortpflanzung der Foraminif'eren hat F. Schaudinn, der kürzlich über die systematische Stellung und Fortpflanzung von Hyalopus dujardini n. sp. in dieser Zeitschrift berichtete, (Nr. 14 pag. 169.) im zoologischen Institut in Berlin umfassende Unter- suchungen gemacht und über seine interessanten Befunde im biologischen Centralblatt (Band 14. 1894) berichtet. — Die Foraminiferen oder Thalamophoren bilden jene Gruppe der marinen Protozoen, welche durch ihre grosse Individuen- und Artenzahl eine hohe Bedeutung für die Umgestaltung der Erdoberfläche besitzen. Ihre aus kohlensaurem Kalk bestehende Gehäuse sinken nach dem Tode der Individuen in ungeheurer Anzahl auf den Boden des Meeres herab und haben dadurch in allen Perioden der Erde zu der Ablagerung neuer Gesteins- schichten beigetragen. Die Vermehrung geschieht in der für alle Pro- tozoen charakteristischen Weise durch Theilung und Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 341 zwar durch Vieltheilung, indem sich das Mutterthier in zahlreiche Tochterthiere (Schaudinn beobachtete bei einer Species über 80) theilt. Bei der Kerntheilung, die den Beginn der Fortpflanzung ankündigt, treten eigen- thümliche und bisher nicht beobachtete Vorgänge auf. Der Kern stellt in Folge seines Chroinatinreichthunis eine gleicbmässige intensiv gefärbte Kugel dar, an der Structurverhältnisse nicht wahrzunehmen sind. Doch zeigen dieselben schon früh eine grosse Gestalts- Ver- änderlichkeit, indem sich von der Oberfläche spitze Fort- sätze erheben, die mit tiefen Einbuchtungen abwechseln. In diesen liegen Flüssigkeitströpfchen, die aus dem umgebenden Plasma aufgenommen sind; zunächst dem Kern nur oberflächlich anliegend, werden sie allmählich in das Kerninnere aufgenommen. Nach der Aufnahme einer grösseren Anzahl solcher Tröpfchen rundet sich der Kern ab und scheidet eine Membran aus. Die Flüssigkeits- tröpfehen sind erst gleichmässig im Kern vertheilt und führen eine Auflockerung des Ghromatins herbei. Später sammelt sich die Flüssigkeit, die man nun Kernsaft nennen kann, in Form von kleinen Tröpfchen in gleichmässiger ■ Vertheilung im Kern an, zwischen denen sich aus achro- matischer Substanz bestehende Fäden, die mit Chromatin- körnchen dicht besetzt sind, ausspannen. Dicht unter der Kernmembram sind die Flüssigkeitströpfchen radiär an- geordnet, so dass die Peripherie des Kerns auf optischen Durchschnitten wabenartig erscheint. Sodann wird das bis- her gleichmässig im achromatischen Gerüst vertheilte Chromatin nach dem Kerninnern, meist in der Mitte, zu- sammengelagert und bildet dort schliesslich einen soliden, structurlosen Klumpen. Durch diese Zusammenziehung des centralen Waben werks werden die pheripheren, an die Membran gehefteten Waben in die Länge gezogen und durch Vereinigung mit dem im Kerninnern ent- haltenen Kernsaft vergrössert; es entstehen radiär um den Chroniatinklumpen angeordnete Flüssigkeitsstreifen, die durch achromatische Fäden getrennt sind. Kaum hat sich jedoch der Chroniatinklumpen im Innern gesammelt, so beginnt auch schon wieder seine Zerklüftung; kleine Brocken lösen sich los und wandern auf der Bahn der achromatischen Fäden an die Membran, wo sie mit ein- ander zu einem kugeligen Klumpen verschmelzen. Schliesslich ist dadurch ein bläschenförmiger Kern ge- bildet, in welchem eine grosse Anzahl kugeliger Körper von starker Färbbarkeit gleichmässig vertheilt an der Innenfläche der Kernmembran liegt, während der übrige Inhalt nur aus Kernsaft bestellt. Nach Auflösung der Kern- membran gelangen diese Kugeln in das umgebende Plasma und bilden die Kerne für die jungen Foraminiferen. Die Foraminiferen sind ein- oder vielkernig, und so kommen auch auf die jungen Thiere ein oder mehrere Kerne. Nach der Kerntheilung erfolgt die Theilung des Weichkörpers in bei den einzelnen Individuen verschiedene Theilstücke, welche sich alsdann mit einer Kalkschale umgeben und weiterwachsen. Die Theilung des Weichkörpers und die Bildung der Schale verläuft durchaus nicht immer in derselben Weise; vielmehr sind dabei drei Modifikationen beobachtet worden : 1. Der Weichkörper theilt sich im Innern der mütter- lichen Schale; hier umgeben sich die Embryonen auch mit einer Schale und verlassen als ausgebildete Thiere die Mutterschale, entweder durch die Mündung, oder wenn diese zu eng ist, durch Aufbrechen der Schale. 2. Der Weichkörper theilt sich im Innern der mütter- lichen Schale; dann aberverlassendie Theilstücke als nackte Plasmodien unter lebhafter Pseudopodienbildungdie Mutter- schale und setzen sich an nahrungsreicher Stelle fest. Hier beginnt erst, oft nach langer Zeit, die Schalenbildung. 3. Der gesammte Weichkörper verlässt unter lebhafter Pseudopodienbildung die Schale, theilt sieh in verschieden zahlreiche Theilstücke, die eine Sehale absondern. Einzelne Theilstücke wandern noch längere Zeit nackt umher und können sieh sogar noch mehrmals theilen. Dr. F. Römer. Ein für den Menschen neues Distomum fand Winogradoff in Tomsk, wie M. Braun im Centralbl. f. Bacter. u. Parasitk., XV, Nr. 16 berichtet. W. beob- achtete den Parasiten bei 124 Sectioncu achtmal 6,45 °/o) und zwar nur bei Männern. Im Vergleich zu anderen Helminthen war dieser Saugwurm dort der häutigste Parasit, indem Taenia saginata nur in 3,2 ,,. Echino- kokken in 2,4 °/0, Ascaris lumbrieoides in 1,6 " „ und Oxyuris vennicularis nur in 0,8 % ('er Obductions-Fälle constatirt werden konnten. Das Distomum findet sich in den Gallengängen der Leber und ruft dort eine Cirrhosis parasitaria hervor, die jedoch in keinem Falle als die eigentliche Todesursache zu betrachten ist. W. nimmt eine spätere Auswanderung der Distomen aus der Leber und die Möglichkeit einer dann eintretenden spontanen Heilung des erkrankten! >rganes an, wie sieauch bei Schafen bei den durch Distomum hepaticum und lanceolatum hervorgerufenen Erkrankungen vorkommt. Winogradoff hält den Parasiten für neu und nennt ihn Distomum sibi- ricum. Aus W.'s ausführlicher Beschreibung geht jedoch nach Braun hervor, dass der Wurm mit dem in Deutsch- land und Italien in Katzen und Hunden beobachteten Dist. felineura Rivolta identisch ist, nmsomehr, als auch Winogradoff seinen Parasiten ebenfalls zugleich bei letzteren Thieren gefunden hat. Der Zwischenwirth ist leider noch nicht bekannt. Ausser diesem eben ge- nannten Distomum hat W. noch in einem Falle kleinere, ganz bestachelte Distomen in der Leber des Menschen beobachtet, welche nicht genauer beschrieben sind, aber nach Brauns Ansicht möglicherweise zu Dist. truncatum (Rud.) gehören. ( 'ollin. Ueber Kälterückfälle im Spätfrühling. — Gnädig sind diesmal die gefürchteten, kalten Tage des Mai vor- übergegangen. Man sah ihnen diesmal mit besonderem Bangen entgegen, weil sie gerade in die Ptingsttage fielen, aber die Furcht war unbegründet, heiter und warm lachte die Sonne während der kritischen Zeit herab. Erst in den Tagen vom 18. bis 20. Mai trat der diesjährige Kälterückfall ein; zwar hat er auch in diesem Jahr noch mancherlei Schaden gestiftet, aber er zeichnete sich doch nicht durch abnorme Heftigkeit aus. Jedermann weiss von der Existenz der kalten Tage, aber es ist merkwürdig, wie wenig Leute, selbst in natur- wissenschaftlich gebildeten ' Kreisen, über die wahren Gründe der in jedem Jahr, bald früher, bald später wiederkehrenden Abkühlung aufgeklärt sind. Früher glaubte man, dass in den Tagen um den 11. bis 14. Mai vielleicht ein grosser Sternschnuppen schwärm oder Komet vor die Sonne träte und der Erde einen Theil des Lichtes und damit der Wärme entzöge. Als Beleg für diese Ansicht wurde eine alte Erzählung angeführt, wonach sich am 12. Mai 1706 in Schwaben die Sonne so verdunkelte, dass die Fledermäuse umher- flogen und Licht angezündet werden musste; doch nach- träglichen Berechnungen zu Folge handelte es sich in diesem Falle nur um eine ganz gewöhnliche, durch den Mond, und nicht durch einen Kometen verursachte Sonnen- fin stern i ss. Auch einem anderen Berichte, wonach sich im Dorfe Biskopsberga bei Skenmaga in Schweden am Kl. Mai 1808 eine röthliche Verdunkelung der Sonne ge zeigt hat, ist gar keine Bedeutung beizulegen, zumal da der betreffende Tag sehr warm war. 342 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 28. Der wirkliche Grund der Altkühlung ist ein ganz anderer: Da im Anfang des Mai die Zunahme der Er- wärmung eine unverhältnissmässig rasche ist, so bildet sich in den am stärksten erhitzten Theilen Südeuropas ein umfangreiches barometrisches Minimum ans, das in Folge der Beschaffenheit der Lokalität sich über der grossen ungarischen Tiefebene und südlich davon einige Tage hindurch festsetzt. Dadurch kommen naturgemäss in Deutschland nördliche Winde zur Herrschaft, und diese sind es, welche die Abkühlung bedingen. Daher erklärt es sich auch, dass in Russland, welches zuerst von den kalten Winden betroffen wird, die kalten Tage früher ein- treten als bei uns, während sie sich immer mehr ver- späten, je weiter man nach Süden kommt: in Norddeutsch- land fallen sie auf den 11. bis 13., in Süddeutsclilaiid auf den 12. bis 14. Mai. Der südlichste Punkt, an dem sich die Wirkung der Eismänner noch manchmal geltend macht, ist Bologna. Auch dies spricht für die Richtigkeit der genannten Erklärung. Uebrigens giebt es ausser diesem Kälterückfall im Mai noch einen andern im Juni, der weit intensiver und regelmässiger ist, als der erste und auf denselben Ursachen beruht. Man kann ihn in den Mitteltempera- turen der Tage zwischen dem 15. und 19. Juni deutlich erkennen, da. diese um fast einen vollen Grad zurück- weichen, während in den durchschnittlichen Tagesmitteln der kalten Maitage kaum ein Rückgang zu bemerken ist. Der Grund, weshalb dieser Kälterückfall im Juni trotz seiner viel schärferen Ausprägung fast gar nicht beachtet und bekannt ist, liegt einfach darin, dass er nur in den seltensten Fällen noch der Landwirtschaft zu schaden vermag, während die kalten Tage des Mai nicht selten noch Schnee, Reif oder Frost bringen. Daher ist man auf die Kälteperiode des Juni erst seit kurzer Zeit durch Vergleicliung der Tagesmittel aufmerksam geworden, während die jenige des Mai schon 1777 von Toaldo erwähnt wird. Die letztere tritt mit besonderer Intensität dann auf, wenn entweder" der vorangegangene Winter oder Frühling sehr wann war, während Amerika einen sehr harten Winter hatte, dessen Kälte dann noch nachträglich zu uns herüberkommt, oder wenn der Winter in Nord-Europa sehr lange anhielt und durch nördliche Winde sich noch einmal nach Süden verbreitet. Als ein vorzügliches Bei- spiel der ersten Art ist der Mai des Jahres 1836 anzu- führen. Ein „italienischer Winter" war vorhergegangen, der Frühling setzte mit auffallend grossscr Wärme ein, dann aber folgte ein Rückschlag von solcher Heftigkeit, dass der Mai 1836 nur noch von dem des ganz abnormen Jahres 1740 an Kälte übertroffen wurde: Petersburg, wo man am 2. Mai 18° Wärme beobachtete, hatte am 10. Mai 2° Kälte, in Berlin, wo am 3. Gewitter und 17.6° Wärme geherrscht hatten, trat am 7. und 11. leichter Frost und Schnee ein, München brachte es am 11. auf 7° Kälte, in Siebenbürgen lag vom 9. bis 12. fusshoher Schnee, im Gebirge dauerten Frost und Schnee auch noch fernerhin an; so lag er am 27. auf dem Heuberg in Schwaben zwei Fuss tief, am 28. sah man im Erzgebirge Eiszapfen, und der Dünger wurde auf Schlitten zu den Feldern gefahren. Anfang Juni schneite es noch in Wiesbaden, und selbst bis nach Kleinasien erstreckte sich die abnorme Witterung, wo am 23. Mai noch in Smyrna Schnee tief Durch Kälte in Nordeuropa wurden dagegen die abnormen Maimonate 1740, 1814 und 1838 herbeigeführt. Von besonders bemerkeuswerthen historischen Kälte- rUekfällen des Spätfrühlings seien noch folgende Fälle aufgezählt. Nur die Berichte, welche Deutschland und besonders Berlin betreffen; mögen herausgegriffen werden, trotzdem auch französische und englische Annalen genug interessante Fälle bis zum Jahre 892 zurück aufführen. Im Jahre 1323 herrschte vom 12. bis 20. Mai Frost, trotzdem wurde es ein gutes Weinjahr. 1353 fiel am 12. Mai Schnee, der sechs Tage lang liegen blieb. Am 10. Mai 1439 brachen zu Braunschweig Bäume vor der Last des Schnees. 1448 fiel zu Pfingsten .Schnee. In Berlin fiel am 25. und 26. Mai 1705, nachdem es schon an den beiden vorhergehenden Tagen sehr kalt gewesen war, soviel Schnee, dass in der „Lindenallee in der Neu- stadt" (der heutigen Strasse „Unter den Linden") „ganze Wagen abgebrochener Aeste hinweg gefahren werden mussten"; trotzdem aber gedieh die Kornernte. Der Winter von 1739 auf 1740 war der härteste und langan- dauerndste von allen, die jemals in Deutschland beobachtet worden sind. Der winterliche Charakter dauerte noch den ganzen Mai über an; im April waren die Strassen noch mit fusshohem Eise bedeckt gewesen, im Mai trat noch mehrfach Frost und Schnee ein, selbst in südlicheren Gegenden; so schneite es am 9. und 17. Mai sogar noch in Padua, und in Berlin trat der letzte Frost und Reif erst am 13. Juni ein. Ueberhaupt ist das vorige Jahr- hundert reich an späten Frösten und Schneefällen. So trat in Berlin 1759 noch in der Nacht auf den 27. Mai, 1773 gar noch zwischen dem 4. und 10. Juni, 1779 am 2. Juni Frost ein, 1787 wird vom 16. Mai starker Nacht- frost gemeldet, 1788 vom 21. Mai. Breslau meldet aus den Jahren 1793, 1799, 1800 und 1806 Junifröste, einmal sogar vom Monat Juli (16. Juli 1799). In diesem Jahr- hundert ist in Berlin zweimal noch im Juni Schnee ge- fallen, am 2. Juni 1837 und am 21. (!) Juni 1821. Der späte Kälterückfall des Jahres 1833 ist bemerkenswerth wegen seiner Intensität: zwischen der Hitze, welche an den eigentlichen Eismännertagen vom 11. bis 13. Mai herrschte, und den kalten Tagen, die vom 30. Mai bis 1. Juni eintraten, war ein Unterschied von nicht weniger als 18 bis 20 Graden. Seit der Zeit, wo nun regelmässige, genaue Wetter- beobachtungen eingerichtet sind (in Preussen seit 1848), ist, abgesehen vom Jahre 1857, wo in München am 2. Juni noch — 1,4° C. beobachtet wurden, eigentlich nur einmal ein besonders bemerkenswerther Rückfall der Kälte beobachtet worden, und zwar im Jahre 1885. Während leichter Thauschnee im Mai noch mehrfach be- obachtet ist (in Berlin zuletzt am 6. Mai 1892, spätester Termin 24. Mai [1*67]), und selbst schwacher Frost noch hier und da vorkam (am stärksten 4. Mai 1864: —2°), waren die kritischen Termine des Jahres 1885 von den schwersten Schädigungen begleitet, zumeist in Wien, wo nach 12 stündigem, ungewöhnlich heftigem Regenfall am Abend des 15. Mai ein Schneesturm aus West einsetzte, der bis zum folgenden Morgen anhielt, so dass in der Nacht auf den 16. des „Wonnemonds" sechs Menschen erfroren, und am Morgen ein Haus unter der Schneelast einstürzte (!). Es waren an Regen und Schnee in 24 Stunden die für Wien beispiellose Menge von 139,3 nun gefallen. Seitdem sind die Kälterüekfälle stets nur massiger Art gewesen, wenn sie sich auch in jedem Jahr mehr oder weniger pünktlich eingestellt haben. R. Hennig. Die Vergletscherung des Riesengebirges zur Eis- zeit. -- Im achten Bande dieser Zeischrift (1893, Nr. 17) befindet sich ein mit drei Abbildungen ausgestatteter grösserer Aufsatz, betitelt „Der Gletschergarten auf dem Adlerfels in Schreiberhau im Riesengebirge"; in demselben wurde die Auffassung wiedergegeben, welche der Landes- geologe Prof. G. Bereu dt in der Abhandlung „Spuren einer Vergletscherung des Riesengebirges" (Jahrb. Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 343 der Preuss. Geol. L.-A. für 1891) entwickelt hat. Es war zu erwarten, dass dieselbe Widerspruch finden würde, da hier hauptsächlich die im Riesengebirge weitverbreiteten, jedoch nur an das Vorkommen des Grauits geknüpften eigentümlichen Vertiefungen, die Schaalen- oder Opfer- steine, als Strudellöcher oder Gletschertöpfe aufgefassl und als Beweise einer sehr ausgedehnten, ehemaligen Vergletscherung der ganzen Nordseite des Riesengebirges hingestellt werden. Genauer wurde von Berendt eigent- lich nur das Zackenthal ins Auge gefasst, ein mächtiger Gletscher „der Schreiberhauer-Gletseher" mit seiner Firn- mulde reconstruirt und auch bildlich dargestellt. Die Consequenzen wären im Falle der Richtigkeit von Berendt's Behauptungen sehr weittragende gewesen, da auch für andere Theile der Sudeten, ferner für das Fichtel- gebirge, den Franken- und Thüringerwald mit Einsehluss des Voigtländischen Bcrglandes und andere deutsche Mittel- gebirge die Annahme einer weitgehenden Vergletscherung unabweislich zu sein schien. Zweifellos hat Prof. Dr. G. Berendt das Verdienst, durch seine Behauptungen einen kräftigen Anstoss zur Wiederaufnahme der Untersuchungen gegeben zu haben, welche Prof. Dr. J. Partsch in Breslau im Jahre 1882 be- gonnen hat*); letzterer hatte die Moränenlandschaft der Schneegruben genau aufgenommen, den glacialen Ursprung der Blockwälle zu beiden Seiten der Lomnitz unter den beiden Teichen unter dem Koppenplan dargethan und namentlich von dem grössten diluvialen Gletscher des Gebirges, dem fünf Kilometer langen, mehr als 100 in mächtigen Aupa- Gletscher eine erschöpfende Vorstellung gewonnen. Die Gesaumitheit seiner Beobachtungen führte zu der Annahme, dass die Schneegrenze der Eiszeit im Riesengebirge nicht tiefer als 1150 m über dem Meeres- spiegel gelegen haben könne. Nahezu ein Jahrzehnt ruhte dann die Gletscherforschung im Riesengebirge, nur Dr. P. Scholz in Hirschberg wies in übereinstimmender Höhenlage Moränen unterhalb des Kessels an der Kessel- koppe und am tiefen Graben unterhalb Agnetendorf nach. Sind nun auch die von Partsch nachgewiesenen Gletscher, namentlich der genannte „Aupagletscher" nicht so winzig, dass die Bezeichnung „Gletscherchen", welche Berendt gebraucht, gerechtfertigt erscheint, so stehen sie allerdings in ihren Dimensionen doch noch weit zurück hinter dem 10 km langen, fast 3 km breiten „Schreiber- hauer Gletscher", welcher sich nach Berendt zwischen dem Riesen- und Isergebirge vom Becken der Iserwiesen bis zur Gegend des Petersdorfer Bahnhofes ausgedehnt haben soll. Den entscheidenden Beweis für seine einstige Existenz erblickt Berendt, wie gesagt, in den zahlreichen Höhlungen, die auf der Oberfläche der Granitfelsen im Riesengebirge sieh vorfinden und von Altertumsforschern früher als „Opferkessel" einer heidnischen Urbevölkerung gedeutet wurden. Diese oi't zu Dutzenden vereinten Hohl- formen des Gesteins habe das durch Eisschachte eines Gletschers niederstürzende Wasser auf die Gesteinssohle des Gletscherbettes ausgehöhlt. Die Oberfläche des in Berendt's Besitzthum zu Schreiberhau gelegenen Adler- felsens erscheint ihm als ein würdiges Gegenstück zum Gletschergarten in Luzern. In sehr eingehender Weise hat nun Prof. Partsch die Auflassung von Berendt geprüft in einer mit zwei Karten, vier Lichtdrucktafeln und neun Textabbildungen aus- gestatteten Schrift**», über welche wir hier nur einen kurzen Bericht erstatten wollen, ohne den reichen Inhalt derselben nach irgend einer Seite erschöpfend behandeln *) Die Gletscher der Vorzeit in den Karpathen und dem Mittelgebirge Deutschlands, Breslau 1882. **) Die Vergletscherung des Kiesengebirges zur Eiszeit. (Forsch. zur deutschen Landeskunde, Bd. VIII, Heft 2.) zu können. Partsch vermag die Berechtigung der Gleich- setzung von Opferkesseln und Gletschertöpfen nicht an- zuerkennen: beide Erosionsgebilde haben nur das in j t einander gemein, dass sie ausserhalb von Wasser betten liegen und beide nicht der Strudelwirkung eines heutigen Wasserlaufes ihre Entstehung verdanken. Die wesentlichen Merkmale echter Glctschertöpfc fehlen den Opferkesseln: Die innere Wandung des Kessels ist immer eine rauhe Verwitterungsfläche, keineswegs eine geglättete, zu spiraligen Wirkungen ausgeschliffene Wand, wie die Strudellöcher sie haben, und dementsprechend ist der Boden des Kessels fast stets ein flacher, mit Verwitterungs- grus bedeckter Teller, kein spiraliger Sack mit Reib steinen. Solche Reibsteine sind nie in einem Opferkessel gefunden worden. Für das Vorkommen der letzteren ist zu beachten, dass sie nicht auf feststehendes Gestejn be- schränkt sind, sondern auch auf losen Blöcken sich finden; dieselben sind ferner vom Kamme des Gebirges bis zu den untersten Stellen des Beckens von Warmbrunn ver- breitet, sofern nur der Granitit vorhanden ist. Die Opfer- kessel sind daher eine für dieses Gestein charak- teristische Verwitterungsform und stehen in gar keiner Beziehung zur Vergletscherung. Dieselbe findet sich auch im Isergebirge, im Fichtelgebirge, in denen keine Anzeichen alter Vergletscherung gefunden worden sind. Auch in England kommt ganz ausserhalb der dilu- vialen Vereisung Grossbritanniens dieselbe Erscheinung auf den Granitfelsen des Hügellandes von Dartmor und selbst auf den Scilly-Inseln vor. Damit ist aber die Hauptstütze der Berendt'schen Annahme erschüttert. Partsch begnügt sich aber keineswegs damit, Berendt zu widerlegen, er hat vielmehr seine früheren Studien auf Grund der inzwischen, namentlich im Alpengebiete ge- wonnenen neuen Gesichtspunkte in ihrem ganzen Um- fange wieder aufgenommen und ein in den Haupt - zügeu vollendetes Bild der einstigen Ver- gletscherung des gesammten Riesengebirges ent- worfen. Die sicher nachweisbare Ausdehnung der alten Gletscher ist von ihm auf einer sehr schön ausgeführten Karte des Rieseugebirges übersichtlich zusammengestellt, Noch gar nicht in Angriff genommen war aber für das Riesengebirge die genauere Altersbestimmung der ver- schiedenen Gletscherspuren, so wie sie A. Penck und seine Schüler für das Alpenvorland bereits durchgeführt haben. Die vorwaltenden Gesteine bieten hier dem Versuche, die ( ! letscher der Vorzeit aufzuspüren, nur ziemlich beschränkte Anhalts- punkte; der Granitit und die Reihe der kristallinischen Schiefer sind nicht geeignet, eine ausgeprägte Abschleifung anzunehmen und zu bewahren. Deshalb sind echte ge- schrammte Geschiebe, wie sie in anderen Gletschergebieten als die eigentlichen „ Leitfossilien " der Gletscherforschung angetroffen werden, hier ausserordentlich selten; auch der Nachweis von Rundhöckerformen versagt, weil auch die Verwitterung die Granititfelsen in täuschender Weise zu runden vermag. Die Forschung muss sich daher haupt- sächlich auf die Ablagerungen der alten Gletscher stützen, auf die nach ihrem Schwinden zurückgebliebene Gesteinsfracht der Moränen. Dieselben bewahren meist im Landschaftsbilde ihre charakteristische Form, ihre Selbst- ständigkeit gegenüber den Lehnen des Thalrahmens, am Gletscherrande den gegen die Thalmitte strebenden Bogen- zug. Am besten erhalten sind im Riesengebirge die gross- artigen rechten Seitenmoränen des Aupaglctschers: die älteste, am höchsten an der Thalwand emporreichende, liegt 105 m über dem unteren Ende des Riesengrundes; dieses wichtige und unzweideutige Denkmal der Eiszeit erregte im Sommer 1893 auch die lebhafte Bewunderung von A. Penck und E. Richter. Der ungeheure Blockwall 344 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 28. erreicht in 810 in Meereshöhe die Thalsohle; ein Stein- metz verwerthet hier die herrlichen Granitblöcke, welche der Gletscher aus dem kleinen Kessel 4 km weit thal- abwärts getragen hat. Dein Wanderer fallen jedoch am unmittelbarsten die jüngsten Moränen ins Auge: wiesen- bedeckte, nur von einzelnen Blöcken noch gekrönte Hügel züge mitten im Riesengrunde, die, von den Thalwänden sich ablösend, gegen den Bach der Thalmitte konvergiren. Hier ist ein Moränenamphitheater der Zerstörung durch den Thälbach entgangen. Das schönste Beispiel eines Moränenendes im Riesengebirge ist erst 1893 entdeckt worden und zwar 20 Minuten westlich von Petzer, dicht an einem vielbegangenen Touristenwege. Im Jahre 1889 war dasselbe noch vom Hochwald verhüllt, jetzt ist es schön zu übersehen: zwei mächtige, 30 m hohe Seiteu- moränen, schroff gegen das Gletschergebiet, sanfter nach aussen abfallend, lösen sich beiderseits von der Thalwand ab und treten einander zur Bildung der Endmoräne so nahe, dass dem Thalbach nur eine schmale Austrittsöffnung aus dem alten Gletscherbett verbleibt. Der Gletscher, der diese Moränen aufschüttete, kam vom Südhang des Fuchsberges (dieser ist nur 1363 in hoch) aus dem Braun- kessel, letzterer heisst volksthümlich „der Kranz". Die meisten Moränen treten aber keineswegs so klar im Landschaftsbilde hervor, sie wollen vielmehr mühselig aufgesucht sein in pfadlosen Thalwinkeln. Bartsch ge- langte nun zu folgendem Gesammtbilde der Vergletscherung des Riesengebirges: Das Gebirge besass entsprechend der von dem Querthal der Elbe und dein Sattel des Madeluren bewirkten Theilung in zwei Flügel auch zwei gesonderte Gletschergebiete; jedes hatte in seinem Kern als Nähr- boden der Gletscher eine centrale Hochfläche und um sie herum ein System von Thälern zur Aufnahme der aus- einandergehenden Eisströme. Da die Schneegrenze nicht unter 1150 m hinabreichte, war der Südabhang des Gebirges an Ausdehnung der Firnfelder und in der Ent- wickelung der Eiszungen der Gletscher dem steileren Nordabhange weit überlegen. In 805 — 950 ni Meeres- höhe befanden sich die unteren Gletscherenden zur Zeit der grössten Vergletscherung. Im Ostflügel wurden bisher acht grosse Gletscher nachgewiesen in den Thälern der Grossen und der Kleinen Lonmitz, des Lörren- baches, der Grossen Aupa, im Zehgrund, unter dem Braun- kessel, im Langen Grunde und im Weisswassergrunde. Im Westflügel sind bisher fünf (iletscher ermittelt, in den Thälern der Elbe und des Kesselbaches sowie im Vorland der drei Schneegruben. Der Flächeninhalt des von Eis und Schnee dauernd bedeckten Areals betrug im Westflügel 30, im Ostflügel 53 qkm, zusammen also 83 qkm oder V/2 Quadratmeilen. Auf die Ernährung der Gletscher werfen die Beobachtungen am Gletscher des Langen Grundes ein bedeutsames Licht: das Firnfeld der Gletscher reichte hier über die heutige Wasserscheide hinüber auf die Hochfläche der Weissen Wiese empor, wie der Ge- steinstransport von dorther darthut. Es entsprach die Vergletscherung des Riesengebirges dem norwegischen Gletschertypus: hier hat bekanntlich jedes Gletschergebiet als Kern ein Firnplateau, von welchem dann die einzelnen Eisströme wie die Quasten eines Kissens in die umliegen- den Thäler niederhängen. Fast jedes der vormals vergletscherten Thäler zeigt nun in verschiedenen Höhen des Thaies mehrere, oft weit von einander getrennte Moränen: in der Regel steht einer niederen Moränenregion von zwischen 800 und 950 in Meereshöhe eine höhere gegenüber, die meist in 1100 bis 1200 m Höhe lagert. (Nur im Aupathale enden alle Moränen tiefer.) Die beiden Moränensysteme, die man in der Regel aneinander halten kann, sind nun entweder verschiedene Stadien einer und derselben Gletscherperiode oder sie gehören zwei gesonderten Eiszeiten an. Für die Entscheidung dieser Frage bietet die Untersuchung der Moränen meist keine sicheren Anhaltspunkte. Eine Ausnahme macht jedoch das Moränengebiet unter den Schneegruben. Hier ergiebt sich zweifellos, dass zur Zeit der grössten Gletscherentwickelung jede der beiden Gruben einen besonderen Gletscher entwickelte. Nicht aus der Periode ihres Rückzuges, sondern nur von einer späteren, unter anderen räumlichen Bedingungen heranwachsenden Vergletscherung kann der obere Wall sich gebildet haben, der die Geschiebefracht beider Gruben in eine gewaltige Bogenlinie aufnahm. Unmittelbar aus dein Grundriss der Moränen ist in diesem Falle der Beweis zu liefern, dass die beiden, verschiedenen Höhen angehörigen Moränenterrains nicht die Erzeugnisse einer Gletscherperiode sind, sondern von zwei ver- schiedenen Vergletscherungen herrühren, von denen die zweite die schwächere Eisanhäufung brac htc. Für die anderen Gletschergebiete des Gebirges führt die Betrachtung der Flussablagerungen der Eiszeit zum Ziele. Wie wir kürzlich näher dargelegt haben (vergl. No. 15 dieses Bandes), hat hierin zuerst A. Penck ein Mittel zur Altersunterscheidung der Moränen erkannt. In normal-vergletscherten Gebieten begegnet man überall ausgedehnten fluviatilen Ablagerungen, welche mit den Moränen in unverkennbarem Zusammenhange stehen. Vor der Endmoräne eines Gletschers bildet sich eine Geröllanhäufung, die erst noch moränenähnlich, an grossen Blöcken reich ist, weiterhin aber aus feinerem Schotter besteht. Ihre Bildung dauert fort, so lange der Gletscher wächst. Zieht er sich aber zurück, so beginnt die Ero- sionsarbeit des Baches, der nun die früher geschaffenen Ablagerungen zu zerschneiden beginnt und sie in seine Ufer überragende Terrassen zerschneidet. Bei nur einmaliger Vergletscherung ist das Bild der Moräne und der unter ihr hervortretenden zugehörigen Terrassen einfach; verwickelter wird jedoch der Bau der Thalsohle, wenn mehrere Vergletscherungen aufeinander folgten. Dann legt das jüngere Geröllsystem der Nieder- terrassen sich ein in ein Erosionsthal, welches in der Geröllanhäufung der älteren Vergletscherung in dem Hoch- terrassenschotter ausgewaschen ist. Diese Gestaltung, welche Penck, Brückner und du Pasquier in zahlreichen Thälern des Alpenvorlandes vorgefunden und als Kenn- zeichen wiederholter Vergletscherung gedeutet haben, zeigt der Thalboden der kleinen Lomnitz am Ausgang des Melzergrundes , ebenso deutlich auch das Thal des Elbseifens. Der Antheil zweier Gletscherperioden lässt sich in den Glacialbildungen des Riesengebirges wie im Diluvium der Ebene am deutlichsten scheiden, doch bietet die Moränenlandschaft der Schneegruben auch Anhaltspunkte für die Annahme von drei Vergletscherungen, welche für das Alpenvorland sicher erwiesen sind, ja auch eine vierte, viel schwächere Eiszeit, welche A. Schulz*) annimmt, scheint hier ebenfalls in der jüngsten Moräne ihre Spuren hinterlassen zu haben. Dies sind etwa die Grundzüge der Studienergebnisse, welche in der genannten Schrift von Partsch näher aus- geführt vorliegen. (Für diese Uebersicht wurde ein Vor- trag von Partsch vom 8. Januar 1894 mit verwerthet.) An ernster Arbeit hat derselbe es wahrlich nicht fehlen lassen. Die Liebe zu den Bergen seiner Heimath hat ihm den Bergstock und dann die Feder iu die Hand gedrückt, um diese treffliche Studie zu vollenden: die nachweisbaren *) Grundzüge einer Entwiekelungsgeschiehte «1er Pflanzen- welt Mitteleuropas seit dem Ausgange der Tertiärzeit. Jena, G. Fischer 1894. Nr, 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Üb Spuren der Vergletscherung desEiesengebirges möglichstge- nau zuverfolgen. Das vorliegend besproelienelleft der „For- schungen" verdient es, von allen Interessenten recht ein- gehend studirt zu werden. Möge der „Verein für deutsche Landeskunde" auf dem nächsten Geögraphentag in Bremen ins Leben treten, damit die bis jetzt sehr kostspieligen Forschungen" einen immer grösseren Leserkreis finden en! Prof. Fr. Regel. )7 mö Trigonellin, C7H7NOo, das Alkalo'i'd aus Trigonella Foenum graeeum, welches s. Zt. von Jahns aufgefunden und als identisch mit dem Methylbetai'n der Nicotinsäure erwiesen wurde, findet sieh nach einer Untersuchung von E. Schulze und S. Frankfurt (Ber. d. D. Chem. Ges. 181)4, 769), auch neben Cholin in den Samen von Pisum sativum und Cännabis sativa. Sp. Eine Vorrichtung zur Verhütung des Siedever- zuges. — Beckmann hatte, um durch Verhinderung par- tieller Ueberhitzung das Sieden stark stossender Flüssig- keiten zu erleichtern, in den Boden seines Siedegefässes einen starken Platinstift eingeschmolzen und zur besseren Befestigung desselben späterhin die Verbindung mit der Gefässwand durch das vortheilhaft bekannte Jenaer Ein- schmelzglas vermittelt. Beim Arbeiten mit einem solchen Apparat beobachtete nun Victor Gernhardt (Ber. d. D. Chem. Ges. 1894, 964), dass das Sieden nicht vom Platinstift, sondern nur vondem Einschmelzglas ausging, und er erreichte den beabsichtigten Zweck vollständig, wenn er, unter Fortlassung des kostspieligen Platinstiftes, einen solchen aus der erwähnten Glasart in den Boden des Siedegefässes einschmolz. Sp. Ueber „Elektrische Beobachtungen bei zwei Ballon- fahrten" hat Prof. Börnstein einen Artikel in Nr. 5 der „Zeitschrift für Luftschiffahrt und Physik der Atmosphäre" veröffentlicht. - - Diese Ballonfahrten hat er selbst am 18. August und 29. September vorigen Jahres mit dein Phönix unternommen, um zu untersuchen, ob das elek- trische Potentialgefälle bei wachsender Höhe steigt oder fällt, da hiermit die alte Frage erledigt werden musste, ob mit dem von der negativ geladenen Erdoberfläche aufsteigenden Wasserdampf negative Elektricität in die Atmosphäre gelangt, wie es von Exncr angenommen wurde. In den einleitenden theoretischen Betrachtungen weist Prof. Börnstein zunächst nach, dass das Potentialgefalle gleich — 4 TT y'pdh -)- B sein muss, worin q die Dichte der Elektricität in einem Punkte, h die Höhe des Punktes und die Integrationsconstante B gleich dem Potentialgefälle am Boden ist. Daraus folgt, dass eine Abnahme des Potential- gefälles mit der Höhe auf positive, ein Wachsen auf nega- tive Luft-Elektricität sehliessen lässt. Auf zwei früheren durch die Herren Lecher und Tiuna ausgeführten Ballon- fahrten schien thatsächlich eine solche Zunahme des Ge- fälles nachgewiesen zu sein; Prof. Börnstein wollte nun diese Beobachtungen einer Prüfung unterziehen und die Erfahrungen vervollständigen. Die Art und Weise, wie die Beobachtungen angestellt wurden, mag hier übergangen werden, um gleich zu den Ergebnissen der Fahrten überzugehen. Bei der ersten Fahrt am 18. August wurden sehr starke Schwankungen des Potentialgefälles beobachtet, im ganzen aber zeigte sich eine zweifellose Abnahme nach oben hin. Dennoch waren die gefundenen Werthe für genauere Berechnungen nicht zu benutzen, da an dem betreffenden Tage an der deutschen und dänischen Küste Nordlichterscheinungen • beobachtet wurden, welche gewöhnlich Unregelmässig- keiten und Störungen des Poteutialgcfälles bedingen. Auf der zweiten Fahrt am 29. September kamen zwar auch noch Schwankungen des Potentialgefälles vor, doch war diesmal der (iruud in der verschiedenen Bewölkung des Tages zu suchen. Im ganzen wurden 41 Beobachtungen des Gefälles ausgeführt, aus denen sich ebenfalls zur Evidenz ergab, dass es mit steigender Höhe stetig abnimmt. Die Börnstein'schen Beobachtungen wurden durch drei andere, unabhängig von ihm ausgeführte Ballon- fahrten bestätigt, die Herr Le Cadet in Paris am 1. und 9. August 1893 und Herr Baschin in Berlin am 17. Fe- bruar 1894 anstellte. Auch bei diesen Fahrten zeigte sich eine stetige Abnahme des Gefälles nach oben zu. Herr Prof. Börnstein kommt demnach zu dem Resultat, dass dieser Zustand der regelmässigen Vertheilung ent- spricht; „so muss die Annahme, nach welcher mit dem Wasserdampf negative Elektricität in die Luft gelangt, aufgegeben werden." Die negative Ladung mancher Wolken bleibt also vorläufig noch unerklärt. (x.) R. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Professor Dom. Lo visat o zum Director des botanischen Gartens in Cagliari; Dr. pfajl. Ernst Hoepfner vom Cultusministerium zum Curator der Universität Göttingen; Professor May zum Honorar-Professor für speciellen Pflanzenbau an der landwirtschaftlichen Abtheilnng der technischen Hoch- schule zu München; der Privatdocent Dr. Altmann in Frei- burg i. B. zum ausserordentlichen Professor der Botanik ; Dr. Freys zum Bibliotheks-Secretiir an der Universität Würzburg; Dr. Wilhelm Haas zum Custos der Universitätsbibliothek in Wien. Es wurden berufen: der ordentliche Professor der Mathematik Dr. Rudolf Mehmke in Darmstadt nach Stuttgart; der ordent- liche Professor der Experimentalphysik Dr. Friedrich Kohl- r au seh in Strassburg nach Berlin als Nachfolger Kundt's. Es haben sich habilitirt: Dr. Schulz für Botanik in Halle; Dr. Ritter für Mathematik in Göttingen. Es sind gestorben: der mit der Ordnung der zoologischen Sammlungen m Bangkok beschäftigte Privatdocent au der Uni- versität Königsberg Dr. Erich Haase; der Chemiker Dr. Mori t z Traube in Berlin; der als Anthropologe bekannte Oberstabsarzt Dr. Moritz Vater aus Berlin in Dresden; der als Chirurg be- kannte Geheime Sanitätsrath Dr. Werner Hagedorn in Magde- burg; Ed. Lefevre in Paris, bekannt durch ein Werk über Ento- mologie und Botanik. Die 77. Jahresversammlung der Schweizerischen natur- forschenden Gesellschaft findet vom Sonntag den 2'. Juli bis 1. August in Schaffhausen statt. Der Jahresvorstand: Präsident: Prof. J. Meister, Sekretäre: Dr. J. Nüescli u. II. Wa'nner- S c h a c h e n m a n n. Litteratur. Francis Darwin, Charles Darwin, Sein Leben, dargestellt in einem autobiographischen Capitel und in einer ausgewählten Reihe seiner veröffentlichten Briefe. Antorisirte deutsche Aus gäbe. Aus dem Englischen übersetzt von .1. Victor Carus Mit Porträt und Schriftprobe. E. Schweizcrbart'sche Verlagsbuchh (E. Koch). Stuttgart 1893. — Preis 8 Mark. Das vorliegende Buch ist im Ganzen genommen eine gekürzte Wiedergabe des Inhaltes der dreibändigen ebenfalls von Francis Darwin herausgegebenen „Leben und Briefe' (vergl. Naturw. Wochcnschr. VII p. 151), und zwar sind die rein naturwissen- schaftlichen Briefe weggelassen oder nur durch Anführung einiger weniger Sätze angedeutet worden. Dadurch tritt das Persönliche mehr in den Vordergrund. Nach einem kurzen Eingehen auf die unmittelbaren Vorfahren Darwin's folgt seine Autobiographie, dann ein Capitel über seine Stellung zur Religion und eines, das Erinnerungen des Sohnes an seinen Vater enthält. Es wird dann das Leben in Cambridge geschildert und die Reise auf dem Beagle Die nächsten Capitel sind überschrieben: London und Cambridge 1836 — 184 '2 und Leben in Down 1842 — 185*4. Nicht weniger als 5 Capitel sind der Grundlegung, dem Wachsthumj der Abfassung. 346 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 2«. Herausgabe u. s. w., auch den Anzeigen und Kritiken der „Ent- stehung der Arten", sowie der Verbreitung des Darwinismus ge- widmet. Es folgen dann Miscellanea und zum Schluss geht Francis Darwin auch auf die botanische Thätigkeit seines Vaters ein, welche in den späteren Perioden seines Lebens bevorzugt wurde. A. de Quatrefages , Les Emules de Darwin. Avec notice et preface par M. M. Edm. Perrier et Hamy, membres de l'Intitut, professeurs au Museum d'Histoire naturelle de Paris. 2 vol. Biblio- theque scientifique internationale LXXVII und LXXVIII — Felix Alcan editeur ä Paris 1894. — Prixl2 Frcs. Der verstorbene Quatrefages war bekanntlich einer jener grossen Naturforscher aus der Zeit Charles Darwin's, welche der Descendenz-Theorie des letzteren Opposition machten; er tritt in dem vorliegenden Werk und in dem früher erschienenen „Charles Darwin et ses precurseurs francais" als Geschichtsschreiber dieser Zeit auf. Er kommt in dem vorliegenden Werk zu dem Schluss, dass sich aus dem Studium Darwin's, seiner Vorgänger und Nach- eiferer „leider nur der Eindruck unseres Unvermögens ergebe, gegenwärtig das grosse Problem zu lösen, das so viele bedeutende Männer vergeblich in Angriff genommen hatten". Für Quatrefages sind die „Arten" fest und beständig wie die Elemente der Chemie; nur „Varietäten" und „Racen" können nach ihm neu entstehen. Quatrefages sagt aber nicht „ignorabimus", sondern besser „igno- ramus". Das Verhalten von Quatrefages ist dem Psychologen ein Beispiel mehr für die vielen, welche zeigen, dass, wenn eine ganz fest gewurzelte Gewohnheit im Denken vorhanden ist, diese kaum ausgerottet werden kann. Wie sich aus der Urzeit der Menschen noch heute Gewohnheiten (Gespensterfurcht u. s. w.) erhalten haben, trotz der vielfachen Bekämpfung derselben und theore- tischen Aufklärung, so nimmt es den Kenner der geistigen Ge- setze nicht Wunder, dass Ansichten, die als Abhängige eines auf festgefügter Organisation beruhenden Gehirnlebens aufzufassen sind, trotz der uns anderen zwingend erscheinenden Gegenmomente, von den betreffenden hartnäckig festgehalten werden. North American Fauna. Heft 1-5. Washington 1889—1891. Herausgegeben vom U. S. Department of Agiiculture, division of ornithology and mammalog}\ Gross Octav, mit vielen Ab- bildungen. Das landwirtschaftliche Ministerium der Vereinigten Staaten von Nordamerika hat in den Jahren von 1889 — 91 5 Hefte über die nordamerikanische Fauna herausgegeben, durch welche unsere, Kenntniss von den Wirbelthieren und insbesondere von den klei- neren Säugethieren der Vereinigten Staaten in ungeahnter Weise vermehrt und erweitert wird. Dr. C. Hart Merriam, der Chef der Abtheilung für Ornithologie und Mammalogie, welcher dem Referenten persönlich bekannt ist, hat mit grossem Eifer und bewunderungswürdigem Fleisse die kleineren Säugethier-Arten der Union revidirt und ausserdem viel neues Material durchgearbeitet Das Resultat ist überraschend! Eine grosse Zahl neuer und merk- würdiger Säugethier-Arten wurde entdeckt und meist eingehend beschrieben, unter Beifügung vieler instructiver Abbildungen. Daneben hat auch die Ornithologie, sowie die Reptilien- und Ba- trachier-Kunde manche Förderung erfahren. Das 1. Heft bringt eine Revision der nordamerikanischen Taschenmäus|e , d. h. der Mäuse mit äusseren Backentaschen. welche den Geschlechtern Perognathus und Cricetodipus ange- hören. Bisher waren nur 6 Arten bekannt; Merriam hat ihre, Zahl auf 18 erhöht und ausserdem noch 3 Subspecies be- schrieben. Zugleich weist er nach, dass der Genus-Name Crice- todipus (von Baird und Coues) nur ein Synonym von Perou- gnathus ist. Das 2. Heft ist in mancher Hinsicht noch interessanter als das erste. Dasselbe enthält zunächst eine Beschreibung mehrerer neuer Arten von Grashüpfer-Mäusen (Genus Onychomys); dann ; folgt eine neue Murmeltbier-Art (Arctomys Dacota) aus diu schwarzen Hügeln von Dacota, ein neuer Pfeifhase (Lagomys schisticeps) aus der Sierra-Nevada von Californien, zwei neue Ziesel-Arten, und zwar die eine (Spermophilus Mohavensis) aus den Steppen am Mojave-Flusse in Californien, die andere (Sper- I moph. neglectus) aus Arizona, ein neues Backenhörnchen (Tamias leucurus) aus dem Gebiete am unteren Colorado-Flusse, zwei neue Fledermäuse der Gattung Nyctinomus, endlich die Beschreibung eines neuen Nager-Genus (Phenacomys) mit 4 Arten. Dieses Genus verdient ein besonderes Interesse, weil es die Charaktere der Genera Myodes, Synaptomys, Cuniculus, Arvicola , und Evotomys in einer merkwürdigen Weise combinirt. Die Backenzähne zeigen, von der Kaufläche betrachtet, im Ganzen grosse Aehnlichkeit mit denen der Lemminge und Feldmäuse; aber, von der Seite betrachtet, sehen sie wesentlich anders aus, und besonders merkwürdig ist der Umstand, dass jeder Backen- zahn mit 2 deutlich ausgebildeten Wurzeln versehen ist, wie bei den Muriden. während die Lemminge und Feldmäuse wurzellose, zeitlebens weiterwachsende Backenzähne besitzen. Die Entdeckung der Gattung Phenacomys in Nordamerika erscheint um so interessanter, als dieselbe Gattung oder doch eine sehr nahe verwandte Gattung einst in Europa gelebt hat. In meiner Abhandlung über „Fossilreste kleiner Säugethiere aus dem Diluvium von Nussdorf bei Wien", welche im Jahrbuch d. k. k. geolog. Reichsanstalt 1879, S. 475 ff. erschienen ist, habe ich am Schlüsse einige Bemerkungen über die kleinen Säugethiere aus der Knochenbreccie von Beremend (Süd-Ungarn) hinzu- gefügt und über die dort vertretenen Arvicolinen Folgendes be- merkt: „Bei Beremend haben wir statt der Nussdorfer Arvicola- Arten drei ganz eigentümliche Arvicolinen, deren Backen- zähne im oberen Theile (d. h. an der Kaufläche) zwar arvicola- ähnlich, im unteren Theile dagegen ganz abweichend gebildet, nämlich mit je zwei Wurzeln versehen sind, ähnlich wie es bei alten Exemplaren von Arv. glareolus der Fall ist. Dabei sind sie aber sonst von A. glareolus völlig verschieden, theils in der Grösse, theils in der Bildung der Schmelzfalten. Sie scheinen einem bisher unbekannten Genus anzugehören, worüber ich bald Genaueres veröffentlichen werde." (S. 491.) Diese von mir damals in Aussicht gestellte Publication ist bisher noch nicht erschienen, aus verschiedenen Gründen, die hier bei Seite gelassen werden können. Dagegen hat der bekannte englische Geologe E. T. Newton in seiner ausgezeichneten Ar- beit über die „Vertebrata of the Forest Bed Series of Norfolk and Sutfolk", London 1882, S. 83 ff. und Tafel 13 eine neue fossile Species von Arvicola unter dem Namen Arvicola (.Evo- tomys) intermedius beschrieben, welche offenbar mit den von mir erwähnten Arvicoliden von Beremend nahe verwandt ist, da auch bei ihr die Backenzähne je 2 deutlich ausgebildete Wurzel- äste zeigen. Wie es scheint, dürfen diese fossilen Arten Europas direct zu dem Merriam'schen Genus Phenacomys gerechnet werden. Daraus ergeben sich höchst interessante Beziehungen zwischen der heutigen nordamerikanischen Fauna einerseits und der fossilen Fauna des Forest Bed und der Ablagerungen von Beremend in Ungarn andererseits, worüber ich demnächst an einem anderen Orte mich genauer auszusprechen gedenke. — Das 3. Heft bringt zunächst die Resultate einer biologischen Untersuchung des Gebiets der San-Francisco-Berge in Arizona, sowie der Wüste des kleinen Colorado in demselben Territorium, aus der Feder von Hart Merriam. Wir finden darin höchst inter- essante Bemerkungen über die Verbreitung der Pflanzen und Thiere in den genannten Gebieten, erläutert durch graphische Darstellungen. Sodann folgt eine kürzere Abhandlung über den Grossen Canon des Colorado zwischen den Kaibab- und Cocanini- Plateaus, nebst Listen der dort beobachteten Säugethiere und Vögel; ferner eine Besprechung der in den oben genannten Ge- bieten von Arizona gesammelten Säugethiere, Vögel, Reptilien und Amphibien. Das 4. Heft enthält die Beschreibungen von 26 neuen nord- amerikanischen Säugethieren; es sind meist kleinere Raubthiere und Nagethiere. Das 5. Heft behandelt die biologischen Verhältnisse des süd- lichen Theiles von Central-Idaho in ähnlicher Weise, wie das 3. Heft die der oben genannten Gebiete von Arizona. Es werden zunächst die allgemeinen Resultate in klarer Disposition vorge- führt und sodann die Säugethiere, Vögel, Reptilien und Amphibien genauer behandelt Zum Schluss giebt Hart Merriam noch die Beschreibung eines neuen Genus zwergartiger Känguruh-Ratten aus Nevada; er benennt dasselbe Microdipodops, vorläufig vertreten durch eine Species: M. megacephalus. Dieses neue Genus vermittelt zwischen Perognathus und Dipodops. — Der Inhalt der 5 besprochenen Hefte ist ein überraschend reicher! Man kann wohl behaupten, dass wenige neuere Publi- cationen gleichen Umfangs eine solche Fülle neuen Materials für die Erweiterung unserer Kenntnisse von den Wirbelthieren der nördlichen Halbkugel geliefert haben, wie diese 5 Hefte über die „North American Fauna". Prof. Dr. A. Nehring. Oberlehrer Dr. W. Breslich u. Oberlehrer Dr O. Koepert, Bilder aus dem Tier- und Pflanzenreiche. Für Schule und Haus bearbeitet. Heft 2: Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische. Stephan Geibel. Altenburg. S. A. 1893. — Preis 3 M. Heft 1 wurde in Bd. VIII S. 550 besprochen. Das vorliegende bringt 37 Aufsätze, von denen 1 — 23 Breslich, die übrigen Koepert zu Verfassern haben. Im übrigen verweisen wir auf unser früheres Referat. Das Werk ist voll geeignet, beim Schüler Liebe und Interesse für die Natur zu erwecken und dem Lehrer einen Ersatz für eine kostspielige und umfangreiche Bibliothek zu bieten. Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 347 Johann G. Hagen, Synopsis der höheren Mathematik. Zweiter Band, Geometrie der algebraischen Gebilde. 4". 416 Seiten. Verlag von Felix L. Dames, Berlin 1894. Wir haben hei Gelegenheit des Erscheinens des ersten Bandes der Hagen'schon Synopsis der höheren Mathematik ausführlich Plan und Ziel des grossartigen Unternehmens angegeben (vergl. „Naturw. Wochenschr." Bd. VII. S. 29, 110) und wir können an- gesichts des nunmehr vollendet vorliegenden zweiten Bandes unser Lob und die wärmste Empfehlung wiederholen. Es ist dem Referenten selten vergönnt, so rückhaltlos wie im vorliegen- den Falle seine Freude über ein sowohl zeitgemässes als auch durchweg gelungenes litterarisches Unternehmen auszusprechen. Die Erwartungen, welche wir an das Hagen'sche Werk bei dem Erscheinen des ersten Bandes gestellt haben, sind bei letzterem, wie sich in der längeren Zeit des Gebrauches herausgestellt hat, durchaus in Erfüllung gegangen; die Genauigkeit und Zuverlässig- keit der Angaben lässt wirklich nichts zu wünschen übrig. Denselben höchst vorteilhaften Eindruck gewinnt man auch bei dem zweiten Bande, und wir sind überzeugt, dass diese aus einer Reihe von Stichproben gewonnene günstige Meinung sich bei längerem Gebrauche erhalten und befestigen wird, ebenso wie dies beim ersten Bande der Fall ist. Wenn wir in Bezug auf die Disponirung des im ersten Bande verarbeiteten Materials einiges zu kritisiren hatten, können wir uns mit der Anordnung des Stoffes in dem zweiten Bande nur durchaus einverstanden erklären; sie ist naturgemäss und über- sichtlich zugleich. Zur Orientirung wird es genügen, die allge- meinen Inhaltsangaben der dreizehn Abschnitte, in welche sich der vorliegende Band gliedert, wiederzugeben : I Die Grundlagen der Geometrie. II. Die projectivische Geometrie. III. Die Coor- dinatensysteme. IV. Die linearen und quadratischen Linien- systeme. V. Die Ausdehnungslehre. VI. Die ebenen Curven im Allgemeinen. VII. Die ebenen Gebilde ersten und zweiten Grades. VIII. Die ebenen Curven dritten Grades. IX. Die ebenen Curven vierten Grades. X. Die Raumgebilde im Allgemeinen. XL Die Raumgebilde ersten und zweiten Grades. XII. Die Flächen dritten Grades. XIII. Die Flächen vierten Grades. Grosse Sorgfalt hat der Herr Verfasser wiederum den Registern zugewendet. Ausser dem die Disponirung gebenden Inhaltsver- zeichniss finden wir ein Verzeichniss der hauptsächlichsten in diesem Bande benutzten Werke und ein alphabetisches Sach- verzeichniss. In einer Beziehung ist ein von uns früher geäusserter Wunsch in Erfüllung gegangen; wir hatten nämlich bei Besprechung des ersten Bandes den Vorschlag gemacht, dass bei Abfassung der späteren Bände der Rath von Fachgenossen eingeholt werden möchte. Der Herr Verfasser hat denn auch bei diesem Bande (wenigstens von Bogen 41 ab) die Unterstützung des Herrn Franz Meyer in Clausthal gefunden, „die sich als sehr fruchtbar erwies." Hoffentlich finden sich auch für die späteren Bände derartig qualificirte Mitarbeiter! Eine Schwierigkeit bei der Abfassung eines Werkes von dem Charakter des vorliegenden bietet die richtige Limitirung. In dieser Beziehung hat nun der Herr Verfasser vor allem Voll- ständigkeit in so weit erstrebt, „als der Stoff in den maass- gebenden Lehrbüchern und in den gesammelten Werken der grossen Meister sich zusammengestellt findet." Aber mit rich- tigem Takt hat er häufig diese Vollständigkeitsgrenze über- schritten, namentlich da, wo es sich um den Abschluss von Untersuchungen handelt, die noch nicht in dieser Vollständigkeit in die Lehrbücher übergegangen sind, so dass man behaupten kann, dass sich in dem vorliegenden Bande im allgemeinen der heutige Stand des behandelten Gebietes widerspiegele. Die Hagen'sche Synopsis stellt sich somit als ein Werk dar, das nicht nur in keiner Üniversitäts- und Schulbibliothek fehlen darf, sondern das auch für jeden Mathematiker u. a. insbesondere darum so werthvoll ist, weil es ihm den Zusammenhang seines Specialfeldes mit dem übrigen Gebiete vor Augen führt. Dass sich die Verlagsbuchhandlung durch die Ausstattung des Werkes das grösste Lob erworben hat, ist schon früher betont worden; wir können uns in dieser Beziehung lediglich wieder- holen. Dr. A. G. Gustav Wiedemann, Die Lehre von der Elektricität. 2. umge- arbeitete und vermehrte Auflage, zugleich als 4. Auflage der Lehre vom Galvanismus und Elektromagnetismus. 2. Band. Mit 163 Holzschnitten und 1 Tafel. Friedrich Vieweg & Sohn. Braunschweig 1894. — Preis 28 M. Der nunmehr vorliegende zweit"' Band des geschätzten Hand- buchs der wissenschaftlichen Elektricitätslehre bringt zunächst den Abschluss der Behandlung der Nichtleiter, nämlich die für dir theoretischen Speculationen so wichtigen Erscheinungen der dielektrischen Polarisation, sowie die Besprechung der mitunter die Elektrisirung begleitenden Erscheinungen (Töne, Aenderung des Volumens etc.). Ausserdem absolvirt der Band die beiden grossen Capitel über die Beziehungen zwischen Elektricitäl und Wärme und über die Elektrolyse. Das erstere dieser Capitel giebt mit der dem Werke eigenen Vollständigkeit die thermischen und mechanischen Wirkungen sowohl bei der Batterieentladung, als auch beim galvanischen Strom au, doch vermeidet es Verfasser, auf rein elektrotechnische Untersuchungen, wie z. B. die Abhängig keit der Leuchtkraft der Glühlampen von der Spannung und Stromstärke, weitläufig einzugehen. Es folgen alsdann die Lehre von der Thermoelektricität und die an das Peltier-Phaenomen sich anschliessenden Erfahrungen. Auch der Elektricitätserregung durch Wärme und Druck in Krvstallen ist ein besonderer Unter- abschnitt gewidmet. In dem Abschnitt über Elektrochemie wird zunächst die Elektrolyse der verschiedensten Körper beschrieben, ein zweites Capitel behandelt die durch die Elektrolyse bedingte Polarisation, ein drittes die Veränderung der elektromotorischen Kraft der Metalle durch Einwirkung der Flüssigkeiten. Daran sehliessen sich dann zwei umfangreiche Capitel in denen die Theorien der Elektrolyse und der Contactelektricität dargestellt werden. Den Abschluss des Bandes bildet die Besprechung der Arbeitsleistungen und Wärmewirkungen bei den eloktrolytischen Processen. Aus dieser kurzen Inhaltsangabe wird der Leser bereits er- sehen, welche Unmenge von Material auch in diesem Bande des Werkes wieder in comprimirter Gestalt geboten wird, während die hier zusammengetragenen Angaben doch andererseits so voll- ständig sind, dass in vielen Fällen das Befragen der Original- quellen auch bei spezielleren Untersuchungen unnötig sein wird. F. Kbr. Handbuch der Physik, herau-gegeben von Prof. Dr. A Winkel- iiiann. Mit Holzschnitten. Verlag von Eduard Trewendt, Breslau 1893. Das wiederholt angezeigte Werk ist bis zur 19. Lieferung vorgeschritten und bringt mit der letzteren den Abschluss des zweiten Bandes. Die Erwartungen, welche wir an das Werk vom Beginn des Erscheinens desselben an knüpften, sind durchau, er füllt, wenn nicht übertroffen worden. D is Ineinandergreifen der verschiedenen Theile, welche von verschiedenen Verfassern her- stammen, ist so, wie man e-i nur wünschen kann. Die Darstellung ist eine gediegene, echt wissenschaftliche, und mit grosser Sorg- falt ist die vorhandene Litteratur zur Verwerthung gelangt. Gewiss werden die ungemein zahlreichen litterari-uhen Anmer- kungen den Benutzern des Handbuches sehr willkommen und dienlich sein. Wir wünschen dem Werke, das auch in typographischer Hin- sicht allen Anforderungen genügt, auch weiterhin einen guten Fortgang und recht weite Verbreitung. Föppl, Prof. Dr. A., Einführung in die Maxwell'sche Theorie der Elektricität. Leipzig. — 10 M. Ganter, H. und F. Kudio. Proff. DD.. Die Elemente der ana- lytischen Geometrie der Ebene. - Auflage. Leipzig. — 2,40 M. Haas, Prof. Dr. Hippolyt, Wandtafeln für den Unterricht in der Geologie und physischen Geographie. 1. Lieferung. Kiel. — 8 M. Hermes, Osw., Ueber Anzahl und Form von Vielnachen. Berlin. — 1 M. Herz, Dr. Norb., Geschichte der Bahnbestimmung von Planeten und Kometen II. Tlieil. Leipzig. — 10 M. Heyne, Alex., Systematisches und alphabetisches Verzeichniss der bis 1892 beschriebenen exotischen Cicindelidae. Leipzig. — 1,60 M Hoffmann, Dr. Otto, Die neuere Systematik der natürlichen Pflanzenfamilien der Compositen. Berlin. — 1 M. Fort, O., und O. Schlömilch, Lehrbuch der analytischen Geometrie. 1. Theil. Analytische Geometrie der Ebene 6. Auflage. Leipzig. — 4 M. Robel, Oberlehrer Dr. Ernst, Die Sirenen. 2. Theil. Qie Arbeiten deutscher Physiker über die Sirene in dem Zeiträume von 1830 bis 1856. Berlin. — IM. Inhalt: Dr Karl E. O. Neumann, Die Schutzwirkung des Blitzableiters (mit Abbild.). — Der naturwissenschaftliche Feriencursus in Göttingen. — Ueber die Fortpflanzung der Foraminiferen. — Ein für den Menschen neues Distomum. — Ueber Kälterückfälle im Spätfrühling. — Die Vergletscherung des Riesengebirges zur Eiszeit. — Trigonellin. — Eine Vorrichtung zur Verhütung des Siede- verzuges. - Ueber „Elektrische Beobachtungen bei zwei Ballonfahrten". Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur. — Francis Darwin, Charles Darwin. — A. de Quatrefages, Les Emulcs de Darwin. — North American Fauna -- Oberlehrer Dr. W. Breslich und Oberlehrer Dr. C. Koepert. Bilder aus dem Tier- und Pflanzenreiche. - Johann G. Hagen, Synopsis der höheren Mathematik. — Gustav Wiedemann, Die Lehre von der Elektricität. — Handbuch der Physik. — Liste. 348 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 28. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Urämisch» eis- (Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) Soeben erschien: Jahrbuch der Chemie. Bericht über die wichtigsten Fort schritte der reinen und angewandten Chemie unter Mitwirkung von mehreren Gelehrten herausgegeben von R i c li a r «I M e y e v Braiiiisoluvii- . III. Jahrgang. 1893. gr. 8. In Leinen geb. Preis 15 M., iu Halbfranz geb. Preis 16 Mark 50 Pf- Soeben eridjien: Sic ^ufftnge rinrs nrum enjiaim tSnstrB. 3)on l?3ifl)efm ^ocrftt't, Vrofeffor inte Direftor cer fiöniglid'en ©tevnwatte Ju Berlin. " 28 Seiten gr. 8". Preis 60 JOf. 3u briirlirn burd) nllc t3tiri)l>anMiin[Uii. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦ Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Urämisch weig. (Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) Soeben erschien: l>ie Ijngeruiig; der Atome im Räume von .1 II. van *t Hüft'. Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Johannes Wislicenus. Mit 19 Holzstichen, gr. 8. geh. 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Der Borten der Umgegend von Berlin setzt sich, ab- gesehen von den alluvialen Bildungen der breiteren Fluss thäler, hauptsächlich aus Diluvialablagerungen zusammen, welche aus Lehm-, Thon-, Mergel- und Sandschichten bestehen und häutig plateaubildend auftreten. Der von den diluvialen Bildungen mantelartig umhüllte Untergrund ist durch natürliche Aufschlüsse verhältnissmässig selten zu erblicken; meistens sind wir hei der Untersuchung desselben auf bergmännische oder industrielle Unterneh- mungen angewiesen. Die natürlichen Aufschlüsse in den älteren Formationen sind zur Untersuchung der Ablagerungen meistens nur wenig geeignet. Um so erfreulicher ist es daher, dass uns in um so grösserer Zahl künstliche Aufschlüsse einen Ein- blick in den Untergrund der Umgebung unserer Hauptstadt gewinnen lassen; die Bedeutung derselben wird durch den Umstand noch erhöht, dass sie in den Ablagerungen der verschiedensten Formationen angelegt sind und es uns so ermöglichen, durch Untersuchungen an Ort und Stelle: Kenntnisse in der Formationskunde zu erwerben resp. die bereits erworbenen zu bereichern. Wenn wir diese Aufschlüsse zum Ziele geologischer Excursionen nehmen wollen, so ist es natürlich von Wichtig- keit, solche aufzusuchen, deren Material uns in recht' characteristischer Art und Weise die typische Ausbildung der betreffenden Schichten vor Augen führt. Es ist Zweck' der nachstehenden Zeilen, derartige Aufschlüsse vorzu- führen, geologische Excursionen dorthin zu beschreiben und auf alle geologisch wichtigen Erscheinungen aufmerksam zu machen. Die der Arbeit beigegebenen Karten machen weniger Anspruch auf die grösste Genauigkeit, sie sind viel- mehr als Skizzen zu betrachten , welche es möglich machen sollen, geologische Excursionen in die Umgegend von Berlin zu unternehmen, ohne sich Kartenmaterial an- schaffen zu müssen. Auf Angabe von Litteratur ist ver- zichtet worden, da das von K. Keilhack*) zusammen- gestellte Verzeichniss dieselbe übersichtlich enthält und jedem leicht zugänglich ist. Die in der Arbeit erwähnten Orte kennt der Verf. durch zahlreiche Ausflüge, welche er theils allein, theils unter der gütigen Führung der Herren Professoren Dr. Dames und Dr. Wahnschaffe dorthin unternommen hat. Beiden genannten Herren ist der Verf. für die freundlichen Be- lehrungen und Unterweisungen, welche sie ihm im Colleg wie bei den Excursionen haben zu Theil werden lassen, zu aufrichtigem Danke verpflichtet. Herrn Prof. Dr. Wahn- schaffe ist der Verf. besonders noch dadurch Dank schul- dig, dass er ihn bei Anfertigung dieser Arbeit in jeder nur möglichen Weise auf das Gütigste unterstützte. Derselbe Dank gebührt Herrn G. Maas, welcher dem Verf. in vieler Beziehung freundlich zu Diensten war. I. Der Untergrund der Umgegend von Berlin. Die Ablagerungen, welche den Untergrund der Um- gebung Berlins zusammensetzen, vertheileu sich auf die geologischen Formationen derart, dass das Paläozoicum nur durch das dem Zechsteine ('?) angehörende Gips- und Steinsalzlager bei Sperenberg vertreten ist. Von dem dann folgenden Mesozoicum zeigt sich bei Büdersdorf ein Trias- Vorkommen, welches in seinen drei Abtheilungen voll- ständig ausgebildet ist und besonders einen vortrefflichen Einblick in die Ausliilrtungsweise rtes Muschelkalkes ge- stattet; die Juraformation dagegen ist nur bei Hermsdorf *) ZuBanjmenstelluiig der geologischen Schriften und Karten über den ost-elbischen Theil des Königreiches Preussen mit Aus- schluss der Provinzen Schlesien und Schleswig-Holstein. Abb.. d. Kgl. Pr. ecoi.rLaiHl'es- Anstalt, ftenc, Folge, Heft 14. Berlin 1893. 350 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 29. als Lias erbohrt, während der braune und weisse Jura ebenso wie die Kreideformation nur in Gestalt von Geschieben bekannt sind, deren Heimath in der Nähe der Oderniündungen oder nördlich davon zu suchen ist. Lassen sich somit das Paläozoicum und Mesozoicum in der Umgebung- Berlins nur an zwei Punkten, bei Sperenberg und Rüdersdorf, beobachten, so ist das Käno- zoieum in Gestalt des Tertiärs in zahlreichen guten Auf- schlüssen zu studiren, obwohl es ebenfalls nicht in seinen sämmtlichen Stufen vorhanden ist. Das Pliocän fehlt, wie überhaupt im Untergrunde des norddeutschen Flachlandes, in der Umgegend unserer Hauptstadt vollständig, während das Eocän nur einmal als Paleocän bei Lichterfelde er- bohrt und sonst nur durch sehr seltene Geschiebe bekannt ist; das Hauptmaterial für die Zusammensetzung unserer Tertiärschichten liefern somit das Oligocän und Miocän, von welchen beiden das letztere wieder von viel geringerer Ausdehnung ist, als das erstere. Fassen wir die gewonnene Uebersieht über die den Untergrund der Umgegend Berlins bildenden Formationen noch einmal zusammen, indem wir nur die anstehenden Bildungen berücksichtigen und von den Geschieben ab- sehen, so erhalten wir folgende Uebersieht: A. Paläozoicum B. Mesozoicum Zechstein I 1. Trias { 2. Jura (Liasi [ 1. Eocän C. Kaenozoicum (Tertiär) 2. Oligocän I 3. Miocän A. Das Paläozoicum. Der Zechstein (Sperenberg). In der Nähe der Stadt Zossen, 42 km südlich von Berlin, liegt das Dorf Sperenberg an einem kleinen See, dem Krummensee, dessen Nordufer durch den 26,68 m hohen Sehloss- oder Weinberg gebildet Wird. Nach SO. fällt derselbe steil ab, während sich nach NO. eine sanfte Abdachung bemerkbar macht. Der Berg besteht aus Gips von gelblicher oder rauchgrauer Farbe, welcher sich in Bänken von mehreren Metern Mächtigkeit absetzt, die ihrerseits wieder aus mehr oder weniger dünnen, meistens sehr deutlich geschichteten Lagen bestehen. Häufig bildet der Gips grosse Krystalle, welche meist büschelförmig zusammengehäuft sind und speerförmige Gestalt besitzen, woher der Ort seinen Namen bekommen hat. Auch Krystalle von wachsgelbem Gipse finden sich nach Klödens Angabe zuweilen, jedoch sind dieselben undeutlich und an den Enden der Säule abgebrochen. Neuerdings sind nach einer Mittheilung des Herrn Betriebsführers Liss jedoch auch schön ausgebildete, ganz durchsichtige, perlmutterglänzende, alabasterartige Krystalle von tafelartiger Form nicht selten angetroffen worden. Die gewöhnlich rauchgraue Farbe des Gesteins ist durch organische Substanzen bedingt, was sich auch darin zeigt, dass es beim Brennen schneeweiss wird. Der Gips ist stark zerklüftet und zwar stehen die meisten Klüfte fast senkrecht. Oft sind sie ganz leer, oft mit Sand oder Lehm und nordischen Geschieben angefüllt. Bisweilen zeigen sich in ihnen auch seeundäre Gipskrystalle. Von Interesse ist das Vorkommen von Krystallen von Dolomitspath, welche bei der später zu erwähnenden Bohrung in dem den Gips unterlagernden Steinsalze ge- funden worden sind. Es ist nicht anzunehmen, dass die- selben aus dem Salze selbst stammen, sondern sie werden vielmehr nach Ansicht von Laspeyres durch Nachfallen oberer Gesteinsbrocken in das tiefere Niveau gelangt sein, nachdem sie vorher in dem das Steinsalz überlagernden Gipse eingebettet gewesen waren. Die Krystalle waren nur 1 — 1 V2 Linien gross. Die Streichrichtung des Gipslagers läuft von SO nach NW und fällt dadurch mit der Streichrichtung des Schloss- berges zusammen. In den nordöstlichen Gruben zeigt der Gips ein nordöstliches Einfallen von 5—12°, in den süd- westlichen ein südwestliches von 9 — 10°. Das Speren- berger Gipslager bildet somit einen Sattel , dessen Sattellinie von NW nach SO gerichtet ist. Das geologische Alter des Sperenberger Gipses ist noch nicht sieher festgestellt. Anfangs hielt man den- selben für tertiär oder triassisch; das massenhafte Vor- kommen des Gipses in Sperenberg lässt sich jedoch nicht mit den kleinen Gipseinlagerungen der einzelnen Glieder der Triasformation vergleichen, während andererseits im Tertiär des norddeutschen Flachlandes grössere Gips- vorkommnisse sich überhaupt noch nirgends gezeigt haben. Huyssen hielt ihn daher für eine Zechsteinbildung und stützte sich besonders auf die grosse Mächtigkeit desselben, wodurch das Sperenberger Gipslager an die Gipsmassen am südlichen Harzrande erinnert. Jedoch machte er auch darauf aufmerksam, wie unähnlich beide Vorkommnisse in mineralogischer Hinsicht sind, indem der Gips von Speren- berg späthig, dagegen der des Harzrandes dicht ist. Dames verweist den Sperenberger Gips ebenfalls in die Zech- steinformation, indem er ihn den Ablagerungen bei Lüb- theen, Segeberg etc. gleichstellt, welche wohl sicher der genannten Formation angehören. Von besonderer Wichtigkeit und grossem Interesse für das Sperenberger Gipslager ist die Erbohrung von Steinsalz unter demselben. Ursprünglich hatte man die Ansicht gehegt, dass das Liegende des Lagers aus Sand bestehe, eine Aunahme, welche ihren Grund darin hatte, dass man sich beim Bohren durch eine mächtige mit Sand gefüllte Kluft hatte täuschen lassen. Ein später nieder- gebrachtes Bohrloch, welches das Liegende des Flötzes erreichen sollte, gerieth wieder in eine Kluft, welche das weitere Bohren zwar so erschwerte, dass man aufhören musste, jedoch wenigstens die frühere Ansicht widerlegte, dass das Liegende des Gipses Sand sei. Auf Betreiben des Öber-Berghauptmanns Huyssen wurde am 27. März 1867 ein neues Bohrloch gestossen, welches durch die erreichte Tiefe wie durch die gewonnenen Resultate eine ungeahnte Bedeutung erlangte. Die Schichten, welche das Bohrloch durchsauk, waren folgende: 0,63 m Schutt, 85,21 m hellblauer Gips, 1,57 m heller, fast weisser, mit Anhydrit gemengter Gips. 0,60 m reiner Anhydrit, 0,80 m steinsalzhaltiger Anhydrit, 1182,64 m reines Steinsalz, 1271,45 m. In ca. 1272 m Tiefe wurde am 15. September 1871 die Bohrarbeit eingestellt, ohne dass man das Liegende des Salzlagers erreicht hätte. Das Salz war klar und farblos und enthielt selten über 4,2 — 4,6 % Anhydrit; von Magnesia zeigten sich Spuren, während Kali gänzlich fehlte. Da das Bohrloch im reinen Steinsalze stehen blieb, ist über das Liegende desselben nichts bekaunt. Leidig hat die Ansicht ausgesprochen, dass die bei Stassturt das Steinsalz begleitenden Abraumsalze bei Sperenberg vielleicht unter dem Steinsalze liegen, ebenso wie sich bei Elmen und Schönebeck durch Bohrungen magnesia- haltige Salze unter dem reinen Steinsalze gefunden haben; jedoch ist diese Annahme rein theoretisch und auch unwahrscheinlich. Nr. 29. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 351 Wahrend der Bohrung wurden Untersuchungen Über die Zunahme der Wärme nach dem Erdinnern angestellt, welche um so werthvoller sind, als bei ihrer Ausführung die grösste Sorgfalt angewandt wurde, und das Bohrloch in sich stets gleichbleibendem Material in eine vorher bei weitem nicht erreichte Tiefe niedergebracht wurde. Die Beobachtungen begannen in der Tiefe von 477 m. Ein Beispiel für die Zunahme der Wärme nach dem Erd- innern zu giebt folgende Tabelle: ,-, Also Zunahme Comgirt von „ ,, auf ,00._ 700' 17,06° R. 17,275° R. 900' 18,50 18,780 0,752° 1100' 20,80 21,147 1,183 1300' 21,10 21,510 0,181 1500' 22,80 23,287 0,883 1700' 24,20 24,741 0,732 1900' 25,90 26,504 0,881 2100' 28,00 28,668 1,082 3390' 36,15 37,238 0,664 Im Allgemeinen hat sich ergeben, dass die Tempe- ratur nach dem Innern der Erde auf 31,39 m um 0,76°, (1. h. auf 31,8 m um 1° C. zunimmt.*) Ueber den Betrieb der Sperenberger Gipsbrüche hatte Herr Betriebsführer Liss die Güte, mir folgende Mittheilungen zu machen, welche mich ihm zu Danke verpflichten. Die Gipsbrüche bei Sperenberg blicken auf eine etwa 300jährige Ausbeutung zurück. In dem Bau- material alter Kirchen und Wohnhäuser der Umgegend hat man Ueberrestc von Gipsstein gefunden, welche auf Verwendung und Gewinnung des Gesteins in so früher Zeit schliessen lassen. Aus dem Jahre 1568 finden sich die ersten gedruckten Nachrichten über das Sperenberger Gipslager: in dem genannten Jahre ordnete der Kurfürst Joachim IL in einem Rescripte an, dass aus dem Hellen See ein Canal gezogen werde, um so einen Transport des Gipses und des nöthigen Bau- und Brennholzes durch das Nottefliess zur Spree zu ermöglichen. Der Canal ist gegenwärtig wieder vollständig verschwunden. Die im Betriebe stehenden sieben Brüche sind jetzt nicht mehr fiscalisch, sondern befinden sich in Privatbe- sitz. Der Abbau des Gesteins geschieht in ähnlicher Weise wie in Rüdersdorf; er ist wegen der Zähigkeit des Materials jedoch weit schwieriger als in den Muschel- kalkbrüchen. Die Oberfläche des Gipslagers ist sehr un- eben, während das Innere desselben bis zu 20 m Tiefe, d. h. bis auf den Wasserspiegel, aus einem Gemenge von Blöcken besteht, deren Zwischenräume durch festen Lehm ausgefüllt sind; ausserdem zeigen sich auch häufig Gips- schlotten, wodurch die Ausbildung des Gesteins sehr un- regelmässig wird. Erst vom Wasserspiegel an erscheint das Gestein geregelter und mehr in Lagen. In Folge dessen lässt sich der Gips nicht von der Oberfläche aus gewinnen. Es wird vielmehr der auf dem Gipsfelsen stehende Abraum vom Bruchrande des Gipses, auf eine Entfernung, welche der halben Höhe der Bruchwand ent- spricht, abgetragen, indem bei der Wegräumung des Schuttes gleichzeitig eine Böschung von 45° innegehalten wird. Hierauf wird mit dem Schränen in die Felswand hinein begonnen. Dies geschieht auf die Art, dass ein Theil des Gipses von etwa 10 — 12 m Länge und 7 — 8 m Tiefe aus der Felswand herausgearbeitet wird, während *) Vergl. auch : F. Wahnschaffe : Unsere gegenwärtige Kennt- niss über die Temperatur des Erdinnern; Naturw. Wochenschr. Bd. V, S. 171. (Red.) gleichzeitig Pfeiler von 1 qm Querschnitt als Unter- stützungspunkte stehen bleiben, auf welchen die Ge- steinsmasse ruht, bis sie durch Sprengen der Pfeiler zum Sturze gebracht wird. Die Sprengung geschieht in sechs Brüchen mit in Patronen gefülltem Pulver, während im Tiefbaue Roburit angewandt wird. Die Schüsse werden mittels Zündschnur abgefeuert; bei den letzten Pfeilern erfolgt die Entzündung theils durch Zündschnur und Zündpapier, theils durch eine galvanische Batterie. Bei der Sprengung stürzt das Gestein vermöge seiner Zähigkeit in Blöcken von mehreren hundert Centnern ab; derartige Blöcke werden dann abermals gesprengt. Hierbei gewinnt man drei Gipssorten: Brenngips, Düngergips und Abfall. Die erste Sorte wird für die Bildhauer- und Stuckateurarbeiten, zur Spiegel -Manu- factur und Mörtelfabrikation verwendet, während die beiden anderen einen werthvollen Dünger für Klee, Lupinen und andere Hülsenfrüchte liefern und unter ge- eigneten Verhältnissen glänzende Resultate erzeugen. Der Gips wird in Folge dessen per Bahn und auf Kähnen weithin verfrachtet. Die Menge des gewonnenen Gipses richtet sich nach dem Bedarf; gewöhnlich werden mehrere Tausend von Cubikmetern gleichzeitig gebrochen. Die Sperenberger Gipsmühlen, welche aus 8 Dampf- und 6 Kosswerk-Mahl- gängen bestehen und 40 Brennöfen besitzen, verbrauchen allein pro Monat gegen 1800 cbm Gips. (1 cbm = 25Ctr). An Arbeitern werden in den Steinbrüchen über 120, in den Gipsmühlen 50 — 60 Mann beschäftigt. Im Tiefbau befinden sich 2 Wasserpumpen und ein Bremsberg; die Wasserhebung und Gesteinsförderung geschieht mittels einer Dampfmaschine von 50 Pferde- kräften. B. Das Mesozoicum. 1. Die Trias. (Rüdersdorf.) Gebilde der Triasformation finden sich in der Um- gegend von Berlin nur bei dem Dorfe Rüdersdorf. Hier haben grossartige Aufschlüsse im Muschelkalke von jeher die Aufmerksamkeit von Laien wie Gelehrten auf sich gezogen, weshalb auch die Litteratur über Rüdersdorf eine ungeheure Anzahl von Abhandlungen umfasst, welche in neuerer Zeit noch wegen der auf den Schichtenköpfen des Muschelkalkes sich zeigenden prachtvollen Glacial- erscheinungen einen ungewohnten Zuwachs erhalten haben. Die bei Rüdersdorf aufgeschlossenen Triasgebilde be- stehen aus Buntsandstein und Muschelkalk, während der Keuper nur durch Bohrung nachgewiesen werden konnte. Die Schichten streichen im allgemeinen von SW nach NO und fallen nach NW ein. Bei der Bedeutung, welche der Rüdersdorfer Muschel- kalk für die Geologie des norddeutschen Flachlandes erlangt hat, dürfte es im Folgenden angebracht sein, vor der Beschreibung der Excursion und der genaueren Ein- thcilung der Rüdersdorfer Triasbildungen zunächst einige Notizen über die Geschichte der Muschelkalkbrüche und ihre geognostische Kenntniss zu geben. a. Geschichtliches. Im Jahre 1250 belehnten die Markgrafen Johann I. und Otto III. das Kloster Zinna behufs Gerinanisirung mit der Gegend zwischen den Rüdersdorfer Gewässern, Straussberg, dem rothen Luch, der Löckniz und der Spree. Vom Kloster wurden darauf Mönche in das neue Gebiet gesandt, welche das Land an Bauern verpachteten und die Entstehung mehrerer Dörfer, zu 352 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 29. denen auch Rüdersdorf gehört, veranlassten. Bald darauf führte der Bauer aus Rüdersdorf Klage, dass er auf seiner Feldmark durch ein zu Tage tretendes Gestein beim Pflügen grosse Schwierigkeiten zu überwinden habe. Eine genauere Untersuchung führte zur Entdeckung des Kalklagers, worauf die Mönche mit der Ausbeutung des- selben beganpen. Nach dem Hussitenkriege (1432) ver- pachtete das Kloster Zinna einige Brüche und später er- warben Straussberg, Colin und Berlin solche käuflich. Im Jahre 1549 kamen die Kalksteinbrüche durch Säkularisirung der Klöster an den damaligen Landes- herrn, Joachim II. Derselbe überwies 1557 der Stadt Fürstenwalde' einen Bruch, und 1591 erhielt die .Stadt Berlin vom Kurfürsten Johann Georg auf 10 Jahre das Privilegium, jährlich 24 Prahm (= ca. 10 080 Cubikfuss) Kalksteine zu brechen, welche Masse später auf 40 Prahme gegen Zahlung von 24 Gulden Zins erweitert wurde. 1618 bewilligte Johann Sigismund der Stadt Berlin, 200 Wispel Kalk zu brennen, jedoch nur unter der Bedingung, dieselben ausserhalb des Landes zu verkaufen. Während des dreissigjährigen Krieges ruhte der Be- trieb und wurde erst unter dem grossen Kurfürsten wieder aufgenommen, welcher verordnete, dass alle Neubauten in Berlin massiv aufzuführen seien. Zur Erleichterung des Wassertransportes wurde darauf der,, Kalkgraben" zwischen Kessel- und Kalksee und die Woltersdorfer Schleuse angelegt, Das Jahr 1769 bezeichnet einen wichtigen Abschnitt in der Geschichte des Bruchbetriebes, indem die Ver- waltung von dem Domänen-Amte an das Bergwerks- und Hüttendepartement in Berlin überging, worauf wenige Jahre später in Rüdersdorf das Kgl. Bergamt gegründet wurde. 1777 wurde der Stadt Fürstenwalde statt des Kalksteinbruches nur eine Concession zum Brennen des Kalkes für ihre öffentlichen Gebäude ertheilt und 1855 einigte sich der Fiscus mit der Stadt Berlin dahin, dass der Betrieb auf gemeinschaftliche Kosten erfolgen und der Fiscus 6/6, die Stadt Berlin ty6 des Reinertrages er- halten solle, — ein Vertrag, welcher heute noch besteht. b. Geschichtliches über die geognostische Kenntniss des Rüdersdorfer Kalklagers. *) Leopold v. Buch war der erste, der sich mit dem Alter des Kalklagers beschäftigte. Er hielt es (1802) möglicher- weise für Zechstein. Keferstein stellte dasselbe jedoch 1828 zum Muschelkalke und Kloeden bewies die Richtigkeit dieser Stellung, jedoch erkannte er wahrscheinlich die richtige Stellung der unter dem Muschelkalke liegenden Mergel und Letten noch nicht. 1829 behauptete Bone die Zugehörigkeit der letzteren zum bunten Sandsteine, ohne jedoch einen siche- ren Nachweis zu führen. Erst Ovcrwey führte 1850 aus, dass die das Liegende des Kalklagers bildenden Mergel und Thone dem oberen bunten Sandsteine, und dass nur der blaue Kalk dem Wellenkalke gleichzustellen sei; andererseits deutete er jedoch die Schichten des Kricnbruches als Lettenkohle, worin ihn v. Strombeck widerlegte. Nach- dem dann von Credner und Beyrich 1851 resp. 1858 Pa- rallelen einzelner Schichtencomplcxe mit solchen anderer Gegenden gezogen waren, gab 1872 Eck seine bekannte geognostische Monographie über Rüdersdorf und Um- gegend heraus, aus welcher Dames später einen vortreff- lichen Auszug lieferte. c. Eintheilung der Rüdersdorfer Triasbildungen. Wie wir gesehen haben, sind sämmtliche drei Stufen der Trias bei Rüdersdorf aufgeschlossen resp. erbohrt. *) Nach Eck. Entsprechend den Triasbildungen anderer Gegenden wird die Rüdersdorfer Trias folgendermaassen eingetheilt (von oben nach unten): Keuper I Schichten mit Ceratites nodosus Oberer \ Glaukonitischer Kalkstein I Schichten mit Myophoria vulgaris Mittlerer 1 Schichten mit Myophoria orbicularis Unterer Schaumkalk [ Wellenkalk Muschel- kalk Buntsandstein Roth Mittlerer Unterer Die Beschaffenheit und die Einschlüsse der genannten Schichten sollen bei der nun folgenden Beschreibung der Excursion Erläuterung linden. d. Die Excursion. Um eine geologische Excursion nach Rüdersdorf von Berlin aus zu machen, können wir zwei Wege einschlagen, indem wir entweder die Ostbahn oder die Niederschlesisch- Märkische Bahn benutzen. Wir wählen den letzteren Weg, welcher uns nicht nur durch eine an Wald und Naturschönheiten reiche Gegend führt, sondern es unsauch in Rüdersdorf ermöglicht, die Schichten vom Liegenden in das Hangende nach einander zu durchqueren. Wir fahren zunächst bis Erkner und setzen dann ver- mittels des Dampfers über den reizend gelegenen Flakcn- see nach der Woltersdorfer Schleuse über. Das Westufer des Sees fällt meist steil ab und besteht aus Thalsanden. An unserem Ziele angelangt, versäumen wir nicht, den Aussichtsturm auf den Kranichsbergen zu besteigen •, welcher uns eine weite Aussicht eröffnet. Im Südosten erblicken wir die Rauenschen Berge, gleichsam wie ein Massengebirge in der Ebene ruhend, im Südwesten zieht sich die Kette der Müggelbcrge am Südufer des Müggelsees hin, im Norden zeigen sich die Halden der Rüdersdorfer Kalkbrüche, während sich zu unseren Füssen der Kalksee ausbreitet. Von der Woltersdorfer Schleuse aus wandern wir am Kalksee nach Norden weiter. Links von uns sehen wil- den „Werder", aus Dünensand bestehend, mit dem Wolters- dorfer Kietz*). Nach wenigen Schritten kommen wir zu einer Stelle, an der rechts vom Wege auf der Grenze /.wischen unterem Mergel und ihn überlagerndem unteren Sunde ein frischer Quell aus dem Berge hervorsprudelt. Derselbe ist in Stein gefasst und mit der Inschrift ver- sehen: „Aus märksehem Sand entspring ich hell Als Labetrunk und Licbesquell." Unser Weg führt uns immer am Seeufer entlang. Häufig sehen wir hier Aufschlüsse im unteren Mergel, welcher von unteren Sauden bedeckt ist. Mehrere Gruben sind zur Gewinnung des Mergels resp. der Sande ange- legt. Kurz hinter „Seebad Rüdersdorf" stossen wir auf eine solche, und sehen hier in den Mergel neben nor- dischen Geschieben zahlreiche Bruchstücke von Kalk ein- gelagert, welche fast sämmtlich dem oberen Muschelkalke angehören. Dieselben sind durch die von Norden kom- menden Eismassen hierher geschleppt, wo sie zusammen mit dem sonstigen Material der Grundnioräne abgesetzt sind und eine Localmoräne bilden. *) Unter „Kietz" verstand man früher denjenigen Theil eines Dorfes, welchen die Fischer bewohnten; so z. B. auch der „Lichtcu- berger Kietz" am Rummelsburger See. Nr. 29. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 353 Das westliche Ufer des Kalksees setzen untere Sande zusammen, welche durch den Mangel jeder Vegetation einen eintönigen Anblick gewähren. Am Ende des Kalksees angekommen, verfolgen wir den „Kalkgraben" weiter bis zum „Kesselsee", wo wir zunächst Gelegenheit nehmen, inmitten grüner Sträucher ein einfaches Denkmal aus nordischen Geschieben zu be- trachten, welches ein Verehrer Toreil, jenem hoch be- rühmten schwedi- darüber folgenden rothen, grünlichen, z T. glimmerführenden und kalkigen Sandsteine werden wahrscheinlich das Aequi- valent für den mittleren Buntsandstein darstellen. Von besonderem Interesse ist, dass in diesen letzten' Schichten durch Bohrungen das Vorhandensein von Rogensteinen feste-estellt ist, welche bisher nur aus der unteren Ab- theilung des Buntsandsteins bekannt waren. Von dem genannten Aufschlüsse besteigen wir sehen Forscher, ge- setzt hat. Es trägt die einfache " In- schrift : OTTO TORELL, Geologe. Uns von dem Denkmal nach Osten wendend*), sehen wir in unmittelbarer Nähe hinter dem Hause Nr. 35 der Friedrichstrasse einen prachtvollen Aufschluss im Hunt- sandstein. Derselbe besteht erst seit kur- zer Zeit, während man früher nur in zwei viel kleineren, etwas südlicher ge- legenen Gruben Ge- legenheit hatte, die Schichten des Bunt- sandsteins zu stu- diren. In dem genann- ten Aufschlüsse zei- Fi srn r 1 . Unterer Muschelkalk gen sich die Schichten, welche die obere Abtheilung des Buntsandsteins, den Roth, repräsentiren. Diese Abtheilung besteht in ihrem unteren Theile aus blauen Mergeln mit ein gelagerten Schnüren von Fasergips. Derselbe zeigt sich in mehr oder weniger dicken Platten von meistens schnce- weisser, häufig aber auch gel- ber Farbe; den dem cigent- Figur 2. liehen Fasergipse beim An- _N. schleifen typischen Seiden- glanz zeigt er nur wenig, da seine Fasern dazu nicht die nöthige Feinheit besitzen. Daneben findet sich auch blättriger Gips von schmutzig- graugrüner Farbe. Der obere Theil des Roths setzt sich aus rothen und grünen dolomitischen Mergeln, grünlichgrauen mergeligen Sandsteinen und gelben Hier- aus zunächst den Aus- sichtsthurm auf dem Schulzenberge, von dem wir die Kalk- brüche überblicken und uns so für unsere fernere Wanderung orientiren können. Durch die von der Colonie Rüders- dorfer Grund nach Tassdorf führende Strasse werden die Brüche in zwei Theile zerlegt. Die ganze östliche Hälf- te nimmt der ge- waltige AI vensleben- bruch ein, welcher sich nur an der Ost- wand durch Abbau erweitert. Von ihm nördlich liegt an einem sich zum Kriensee hinziehen- den Kanäle der Krienbruch, welcher jetzt nielit mehr im Betrieb ist. Die westliche Hälfte wird in der Hauptsache vom Tiefbau eingenommen, zwischen dem und der genannten Strasse der Redenbruch liegt. Der letztere wird in Kürze durch den weiter vordringenden Tiefbau eben so verschwinden, wie der früher am westlichsten gelegene Heinitzbruch, welcher bereits vollständig in dem Oberer Museheikalk Tiefbau aufgegangen ist. °':.'LS^-; Nachdem über Brüche klar grehen wir von wir die Lage der uns so einzelnen sind, dem Thurnie geworden vyfji1?, gSgK ms&aBSBk mm ;.\ . w/T/m' gerigen Dolomiten zusammen. Versteinerungen finden sich in dem Aufschlüsse nicht häufig und sind stets nur schlecht erhalten. Nicht selten sind dagegen Kalkstücke mit Fischresten der mannig- faltigsten Art.. Vor ganz kurzer Zeit ist in diesem Aufschlüsse auch ein vollständiges Exemplar eines Fisches gefunden worden. Der untere Buntsandstein ist in Riidersdorf nur durch Bohrungen bekannt. Er besteht aus rothen, grünen und blauen, z. Th. glimmerführenden Mergeln (und Thonen). Die *) Vergl. von jetzt an die beigefügte Geologische Karte (Fig. 1), auf der der Weg durch Pfeile angezeigt ist. aus am Südrande des Alvens- lebenbrnches weiter. Der Boden, auf welchem uns unser Weg dahinführt, be- stellt aus Wellenkalk, welcher sich in Gestalt von festen, splitterigen und wulstigen dich- ten Bänken zeigt, zwischen denen sich hin und wieder petrefactenreiche Schichten streicht hier von Westen nach im Heinitz- und Redenbruche eine Streichrichtung von Südwesten nach Nordosten besitzt. Die Veränderung in der Streichrichtung beruht auf einer etwa 34 m breiten, mit Diluvialmassen angefüllten Kluft an der Chaussee zwischen Riidersdorf und Tassdorf. Nach einigen Minuten gelangen wir zu einer Stelle. an der wir die Wirkung des über die Kalkschichten fort- geglittenen Inlandeises sehen können. Die Schichten sind dicht unter der Diluvialdecke zerquetscht, in Stücke zerbrochen nur theilweise in die Grundmoräne aufgenommen. finden. Der Wellenkal Osten, während er 354 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 29. Unsere Abbildung (Fig. 2) zeigt uns diese Erscheinung von einem jetzt leider verschütteten Punkte, an dem dieselbe noch deutlicher ausgeprägt war. Von Mineralien erscheinen im WellenkalUe auf Klüften und in Drusen Kalkspath, Eisenkies, Markasit und als besonders interessantes Vorkommen! Cölcstin, letzterer stets krystallisirt. Er ist farblos, röthlich, bläulich, seltener bräunlichgelb und weiss. Von hervorragender Schönheit zeigen sich die Wir- kungen des Inlandeises auf den Schichtenköpfen der Ost- wand des Alvenslebenbruches, durch welche Torell be- kanntlich veranlasst wurde, seine jetzt allgemein anerkannte Glacialtheorie auch für Norddeutschland anzunehmen. Haben wir das Glück, unsere Excursion gerade zu einer Zeit zu machen, in der die genannten Schichten- köpfe entblösst sind, so fällt uns zunächst die plateau- artige Abhobelung derselben auf, indem die Schichten in beschriebenen Gletschertöpfe oder Rieseukessel von Inter- esse, welche an der Oberfläche eine kreisartige oder längliche Form besitzen und kesselartig in den Muschel- kalk hineingehen. Nicht selten finden sich zwei solcher Kessel mit einander verschmolzen, wodurch ihre Oeffnung lemniscatenartig geformt ist. Die Riesenkessel sind theils mit braunem Lehm, theils mit Sand und nordischen Ge- schieben angefüllt. Ihr Durchmesser beträgt 0,5 — 1,5 m, ihre Tiefe 1—6 m. Viele derselben erweitern sich nach unten, was auf den Rückprall des herabfallenden Schmelz- wasserstrahles zurückzuführen ist, welcher in seiner Wirkung nicht mehr bis zum Rande des Kessels emporreichte. Nach Besichtigung der hochinteressanten Glacial- erscheinungen gehen wir über eine kleine Grandbank in der nordöstlichen Ecke des Bruches auf die Sohle des- selben und in die Schaumkalkregion hinein, welche gerade an der Ostwand in einem vortrefflichen Profile Flgu Figur 8. Fiel«' '■>■ einer geraden Linie abgeschnitten und eine deutliche Rundung und Glättung zeigen. Schon Girard hatte diese Erscheinung beobachtet, jedoch ihre Entstehung auf Wellenschlag zurückgeführt. Daneben macht sich überall eine in deutlichster Weise ausgebildete Schrammung be- merkbar, welche sich über die ganze Fläche fortsetzt. Durch Messungen, welche G. de Geer zusammen mit Wahnschaffe vornahm, ist festgestellt, dass in Rüdersdorf zwei sich kreuzende Schrammensystenie vorkommen, von deneu dasälterevon NNWnach SSO dasjüngere vonO nach W gerichtet ist. Das jüngere System zeigt sich in Gestalt von breiten und tiefen Furchen, das ältere in ganz feineu parallelen Linien. Benierkenswerth ist, dass mit den angegebenen Schrannnenrichtungen, welche die Bewegung des Eises anzeigen, die schon obengenannte Zer- quetschung der Kalkschichten und die am „Seebad Rüders- dorf gefundene Verbreitung von Muschelkalkgeschiebon im Diluvium übereinstimmt, welch letztere sich nur im S. und SO. des Kalklagers gefunden haben. Ausser der Abhobelung und Schrammung der Schichten- köpfe sind die von Dames aufgefundenen und von Noetling zu sehen ist. Eck unterschied ca. 70 Schichten, und theilte sie in 5 Gruppen, welche sich dem Beobachter schon durch ihre verschiedene Färbung zu erkennen geben. Der Schaumkalk besitzt eine grosse Porosität, und zeigt deutlich, dass dieselbe auf Auslaugung von Oolithen beruht. Besonders häufig finden sich in ihm Stylolithen, jene interessanten Bildungen, welche schon von Kloeden beschrieben sind und jetzt meist durch Gebirgs- druck entstanden gedacht werden. An Versteinerungen ist der Schaumkalk sehr reich, obgleich sich dieselben aller- dings meistens in Gestalt von Steinkernen finden. Besonders häufig sind: Terebratula Schi, vulgaris (Fig. 3), Pecten dis- cites Schi., Gervillia socialis Schi. (Fig. 4), Lima striata Schi. (Fig. 5), Chemnitzia sealata Schi., Zähne und Knochen von Placodus Ag. und Nothosaurus mirabilis Mustr. Von Mi- neralien sind bis jetzt gefunden: Kalkspath, Bergmilch, Born- stein, Eisenkies, Speerkies, Brauneisenstein und Zinkblende. Es folgen jetzt die Schichten mit der Myophoria or- bicularis, welche am Wege östlich des zum Kriensee führenden Canales gut aufgeschlossen sind. Sie haben ihren Namen von einer kleinen, fast kreisrunden Muschel Nr. 29. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 355 (Fig. 6), von deren Wirbel nach hinten ein schwacher Kiel mit ihn begleitender Furche verläuft. Die Abtheilung be- steht aus wechsellagernden Schichten von dichten gelben, mergeligen und grauen splitterigen Kalksteinen; in den letzteren ist die Myophoria orbicularis überaus häufig, indem sie dieselben bisweilen fast ganz zusammen- setzt, leider allerdings nur in Gestalt von Stein- kernen. Bei der Verwitterung des Gesteins fallen die- selben heraus und lassen sich an manchen Stellen zu Hunderten von Exemplaren sammeln. Ebenso häufig sind Exemplare von Rhizocorallium Jenense Zenk., einem Horn- schwamme (?), welcher besonders im Redenbruche anzu- treffen ist. Bei unserer weiteren Wanderung au der Ostseite des Krienkanals kommen wir in den mittleren Muschelkalk, welcher an den beiden Seiten des genannten Kanales aufgeschlossen ist. Die Abtheilung besteht aus gelben mergeligen und grauen festen Dolomiten, sowie aus blauen dolomitischen Mergeln und zu oberst aus dolomitischem Kalkstein. Etwa in der Mitte der Schichtenfolge findet sich eine versteinerungsreiche Dolomitschicht , welche jedoch nur kurze Zeit aufgeschlossen war. Der Kalk- stein findet Verwendung zur Cementfabrication. Der obere Muschelkalk ist nur im Krienbruche, dem nördlichsten der Kalkbrüche, eutblösst, welcher zwar nicht mehr in Betrieb ist, jedoch die drei Abtheilungen des oberen Muschelkalkes noch erkennen lässt. Der Krien- kanal durchschneidet den Bruch gerade in der Mitte. Da die Aufschlüsse auf der Westseite des Krienkanales am besten sind, überschreiten wir denselben auf einer etwas weiter nördlich gebauten Brücke, und stossen dann dicht am Kanäle zunächst auf die Schichten mit der Myophoria vulgaris (Fig. 7), welche sieh durch eine hohe und eine niedrige Kaute mit dazwischen liegender dieser und liegt bisweilen schwacher Furche auszeichnet. Sie kommt in Abtheilung nur als Steinkern vor in zahllosen Exemplaren auf den Schichtflächen. Die Schichtenfolge besteht aus wulstigem Kalkstein, welcher selten Knollen von grauem splitterigeu Hornstein, häufiger abgerollte Stücke grauen Kalkes mit daraufsitzeuden Austern führt. Nach oben wird der Kalkstein dick- bänkig, grau und dicht. Ausser der Myophoria vulgaris sind Versteinerungen selten. Etwas weiter westlich finden sich Aufschlüsse im glaukonitischen Kalksteine. Derselbe ist weiss oder gelb und dicht. Der Glaukonit durchsetzt das Gestein voll- ständig und liegt theils in Gestalt von Fasern auf den Schichtflächen, theils bildet er einen Ueberzug von kleinen Kugeln oder Ellipsoiden, deren Inneres meist aus dichtem Kalke besteht. Durch das genannte Mineral erhält das Gestein eine seladongrüne Farbe. Versteinerungen sind in ihm nicht selten, besonders ist der Reichthum an Fisch- resten ein ganz beträchtlicher. Schon bei kurzer Be- trachtung der Blöcke sieht man überall Schuppen und Zähne in den Kalk eingebettet, welche sich bei der Verwitterung leicht aus dem Gesteine herauslösen und von der Oberfläche der Blöcke ablesen lassen. Nördlich von diesem letzten Aufschlüsse zeigen sich an einem kleinen Vorsprunge die Schichten mit Ceratites nodosus (siehe Fig. 8). Zu ihnen gehört das Material, welches dicht neben dem Vorsprunge zusammengehäuft ist. Die Schichten selbst sind nur unbedeutend auf- geschlossen, und bieten zum Sammeln wenig Gelegenheit. Sie bestehen aus grauen, gelben, dichten, splitterigen Kalk- steinen mit Thonzwischenlagen. Versteinerungen sammelt man am besten auf den genannten Steinhaufen, wo man sie beim Zerschlagen der Blöcke häufig findet. Hin und wieder zeigen sich hier Bruchstücke des für Rüdersdorf jetzt seltenen Ceratites nodosus. Daneben fiudet man die zer- stivuten Stielglieder von Encrinus liliiformis Schi. (Fig. 9 unten, oben der Kelch mit einem Stück Stiel) bisweilen in grosser Häufigkeit. Von dem Aufschlüsse am Kcsselscc ausgehend, haben wir so die ganze Schichtenfolge der Rüdersdorfer Trias durchquert. Wir nehmen unseren Weg jetzt weiter an der Westseite des Krienkanals entlang, wo wir abermals den mittleren Muschelkalk durchschneiden. Aus dem Durchschnitt herauskommend, bemerken wir rechts. von uns eine kleine Halde, welche früher viele Versteine- rungen geliefert hat und auch noch jetzt solche liefert, trotzdem sie sehr abgesucht ist. Auch Brauneisenstein ist auf ihr nicht selten. Dicht neben der Halde zeigt sich ein zwar kleiner aber schöner Aufschluss im Schaum- kalke, welcher reich au Steinkernen und Kalkspath- krystallen ist. Unter der Brücke hindurch, über welche die Strasse Rüdersdorf-Tassdorf hinweggeht, gelangen wir nach kurzer Wanderung in den Redenbruch, dessen Kalk ebenfalls zahlreiche Versteinerungen cinschliesst. Bemerkenswerth ist hier eiue Schicht von reinster Farbe und geringer Härte, von der Bruchstücke mit vielen Petrefacten zu finden sind, deren Schale noch vollständig erhalten ist, so dass sich die Schlosszähne der Muscheln nicht schwer herauspräpariren lassen. Steigen wir im Redenbruche den Fusspfad aufwärts, so kommen wir wiederum in die Schichten mit Myophoria orbicularis. Von unserem Platze aus können wir in den im Schaumkalke liegenden Tiefbau hinabblicken. Das Be- treten desselben ohne Erlaubuiss ist verboten. Am Eiseu- bahndurchschnitt weitergehend, sehen wir links von uns noch einmal den mittleren Muschelkalk aufgeschlossen, und begeben uns dann in das dicht am Rande des Tief- baues jenseits des Bahndammes liegende Maschinenhaus, dessen Maschinen sehenswerth sind. Durch dieselben wird das Wasser aus dem Tiefbau gehoben und durch den Querschlag in das Mühlenfliess ausgegossen. Jede Maschine vermag in der Minute ca. 340 Cubikfuss 100 Fuss hoch zu fördern. Gewöhnlich ist aber nur eine der beiden Maschinen in Thätigkeit, während die andere als Re- serve dient. Vom Maschinenhause aus besteigen wir schliesslich noch den Glockenberg und das Kriegerdenkmal, welche beide herr- liche Ausblicke nach Berlin resp. dem Kalksee zu gestatten, womit die interessante Exeursion ihr Ende erreicht hat. Der Keuper ist, wie oben bereits erwähnt, nur aus einem Bohrloche bekannt, welches am Wege von Tass- dorf nach Grünerlinde niedergebracht wurde und folgendes Ergebniss lieferte (nach Eck): Fuss Zoll Ackererde ....... — 6 oberer Diluvialsand .... 8 .6 unterer Geschiebemergel . . 38 — mittlerer Diluvialsand ... 79 6 Septarienthon ...... 19 — Keuper ........ 64 10 Die Deutung der letzten Schichten als Keuper ist noch nicht völlig sichergestellt, da aus ihnen keine Ver- steinerungen bekannt geworden sind, e. Statistische Mittheilungen. Nach den gütigen Angaben des Herrn Oberbergrath v. d. Decken werden in den letzten Jahren in den Kalk- brüchen ca. 940 Mann beschäftigt. Dieser Belegschaft ist jährlich ein Reinverdienst von reichlich 800 000 Mk. oder ein Schichtlohn von reichlich 3 Mk. pro Kopf ge- zahlt. An rohen Steinen wurden jährlich ca. 350 000 cbm, und an gebranntem Kalke rund 40 000 Tonnen gewonnen. 356 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 29: Der erzielte Reingewinn schwankte zwischen 600 000 und 300 000 Mk. Ausser den Bureaubeamten hat das Werk etwa 15 Werksbeamte beschäftigt. 2. Die Juraformation. (Lias bei Hermsdorf.) Wie oben bereits bemerkt, ist von dieser Formation in der Umgegend von Berlin nur Lias anstehend bekannt, wäh- rend der Dogger und Malm lediglich durch Geschiebe ver- treten sind. Leider ist auch die erstgenannte Abtheilung der Juraformation nur durch eine einzige Bohrung erschlossen, welche zu dem Zwecke, eine Soole zu erschroten, im Anfang des Jahres 1889 bei Hermsdorf östlich der Oranienburger Chaussee angelegt wurde. Bei der Wichtigkeit, welche dieselbe für die geologische Kenntniss des Untergrundes von Berlin besitzt, scheint es zweckmässig, sie hier nicht zu übergehen, trotzdem sich die Liasbildungen durch Ex- cursionen an Ort und Stelle nicht studiren lassen. Die Ergebnisse der Bohrungen waren nach Berendt folgende: 0 — 36,8 m Quartär, 36,8—223,6 m Tertiär (Septarienthon und Glimmersand), 223,6 — 323,5 m mittlerer Lias. 1. Das Quartär setzte sich aus Sanden und Granden des unteren Diluviums zusammen, welchen ein dünnes Bändchen von unterem Geschiebemergel eingelagert war. Von 14,9 m an trat ein fetter Thon mit vereinzelten nor- dischen Geschieben auf, eine Bildung, welche als eine Localmoräne zu betrachten und durch Vermischung des in der Nachbarschaft und in der Tiefe anstehenden Septarienthoues mit der Grundmoräne entstanden ist. 2. Das Tertiär bestand aus Septarienthon und dar- unterliegenden Glimmersanden von wahrscheinlich unter- oligoeänem Alter. Im Thone fanden sich zwar keine erkennbaren Sehalenreste, wohl aber Septarienreste mit Schwefelkiesknollen. Von 184,1 m an wurde der Thon sandiger und wasserführend und enthielt Phosphorite, Thoneisensteine, Kalkstein. Der nun folgende Glimmer- sand zeigte sich in einzelnen Bänken zu Sandstein ver- kittet und schloss Braunkohlenstückchen, Schwefelkies- knollen, Phosphorite und Thoneisensteine ein. 3. Der Lias wurde unzweifelhaft nachgewiesen durch Ammonitcn von Amaltheencharakter und einen typischen Amaltheus margaritatus Schi. Lose kamen ferner mit Bohrwassern aus der Tiefe herauf Amaltheus laevis Qu. und ein Stück von einer der Stachel tragenden Va- rietäten, wie Amaltheus gibbosus, spinosus oder coro- uatus Qu. Bemerkenswert!) war jedoch, dass der Bohr- kern, aus welchem obige Reste stammten, sofern sie nicht lose aus der Tiefe kamen, nur eine Einlagerung in Letten bildete. Da jedoch ähnliche Sehalenreste sieh schon vorher durch den Bohrer zerstossen gezeigt hatten, und die Kalksteingerölle und Einschlüsse durch die ganze vorhergehende Schichtenfolge gefunden waren, so ist für den gesammten Schichtencomplex bis zur Tiefe von 319,37 in das Alter als Lias J, Zone des Amaltheus mar- garitatus, festzusetzen. Von obengenannter Tiefe an bis zu 323,47 m trat ein weisser Kalkstein auf, von dem es nicht feststeht, ob er noch zu dem obigen Schichtencomplexe gehört oder einem tieferen Horizonte zuzurechnen ist. Leider war eine weitere Untersuchung dieser Frage unmöglich, da in dieser Tiefe eine 3procentige Soole gefunden und die Bohrung eingestellt wurde. Fassen wir den soeben über die Bohrung gegebenen Ueberblick noch einmal zusammen, so erhalten wir fol- gendes Schema: 0,0 — 14,9 m Alluvium und Diluvium, 14,9 — ■ 36,8 m Localmoräne, 36,8 — 184,1 in Mittel-Oligocän (Septarienthon), 184,1 — 223,6 m (?) Unter-Oligocänod.älter(Glimmersand), 223,6 —319,37 m Mittlerer Lias S, 319,27-323,47 m (?) Mittlerer Lias r. Maurenbre'cher in Leipzig; der Bibliothekar Dr. Eckard in Freiburg i. B.; der Professor der Agriculturehemie an der Landwirtschaftlichen Akademie zu Hohenheim Dr. E. v. Wolf f. Abgelehnt hat der Geheime Mcdicinalrath Professor Dr. Fl ügge in Breslau den Ruf nach Halle. Es sind gestorben: der Geheime Medicinalrath Dr. Julius Wilbrand in Giessen; Dr. Louis de Co u Ion in Nenchatel. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Alwin Voigt, Exeursionsbuch zum Studium der Vogel- stimmen. Praktische Anleitung zum Bestimmen der Vögel nach ihrem Gesänge. Robert Oppenheim (Gustav Schmidt) in Berlin, 1894. — Preis geh 2,50 Mk. Bei der Schwierigkeit durch die gewöhnliche Schrift oder durch Noten Vogelstimmen darzustellen, hat sich Verfasser ge- nöthigt gesehen, die Notenschrift geschickt durch besondere Zeichen zu ergänzen. Zunächst bietet das Buch eine Uebersicht der verbreitetsten einheimischen Vögel, geordnet nach der Zeit ihrer Ankunft, die Jahresvögel nach der Zeit, in der sie sich am meisten hören lassen. Das folgende Capitel behandelt die schrift- liche Darstellung der Vogelstimmen, dann folgt der systematische Theil (S. 14—173). In einem Schlusswort werden dem Anfänger praktische Rathschläge ertheilt, und in einein Anhang werden verschiedene Ausflüge beschrieben und eine Tabelle zum Be- stimmen der gewöhnlichen Vogelstimmen gebracht. Das Buch ist ausserordentlich geeignet, die Vögel nach ihren Stimmen kennen zu lehren. Prof. Dr. F. O. Pilling, Fingerzeige für Lehrer und Lehre- rinnen beim Klassen - Unterricht in der Botanik auf der untersten Stufe. Begle-itschrift zu den Anschauungstafeln fin- den Unterricht in der Pflanzenkunde von Pilling und Müller. Friedrich Vieweg u. Sohn. Braunschweig 1894. — Preis 0,50 Mk. Von den Tafeln liegt uns eine vor, Tafel X: Wilde Rose, Birne, Kirsche, die als gelungen und für den Unterricht brauchbar zu bezeichnen ist. Die ..Fingerzeige" geben dem Lehrer gute Winke, wie er beim ersten botanischen Unterricht die Tafeln erspriesslich verwenden1 kann. Prof. Dr. Bail, Neuer methodischer Leitfaden für den Unter- richt in der Botanik in engem Anschlüsse an die Lehrpläne der höheren Schulen Preussens von 1891. Mit Textabbildungen und 2 Tafeln. 0. R. Reisland. Leipzig 1894. — Preis 2 Mk. In dem 1. Abschnitt werden 22 Angiospermen beschrieben, in dem 2. nahe verwandte Angiospermen beschreibend mit ein- ander verglichen und im 3. wird eine vergleichende Beschreibung verwandter Arten und Gattungen mit Berücksichtigung der Lebenserscheinungen und eine Uebersicht über das natürliche System geboten. Der folgende Abschnitt, „4. und 5.", bietet Er- weiterungen der im 1. bis 3. gewonnenen Kenntnisse, und der letzte, 6. Theil endlieh bringt ganz Elementares aus der Ana- tomie und Physiologie, sowie über Thallophyten und Pflanzen- Pathologie. Diese Disposition ist in pädagogischer Hinsicht sehr zweckmässig. Prof. Dr. Georg Klebs, Ueber das Verhältniss des männlichen und weiblichen Geschlechts in der Natur. Gustav Fischer. Jona 1894. — Preis 0,80 Mk. Der Vortrag bietet eine treffliche kurze Zusammenstellung über den Gegenstand, den Klebs so glücklich war, in einigen wichtigen Punkten zu fördern. Erwin Schulze, Flora germaniae. Pteridophyta. Kiliae. In libraria Lipsii et Fischeri. 1894. — Preis 0,80 M. Das Heftchen umfasst nur 29 Seiten und beschreibt 79 Arten in lateinischen kurzen Diagnosen. Varietäten werden angegeben, die Bastarde nur aufgeführt. Die Verbreitung der Arten im Gebiet ist kurz angemerkt. Ingenieur A. Favarger, Die Elektricität und ihre Verwerthung zur Zeitmessung. Autorisirte Uebersetzung (nach der 2. fran- zösischen Auflage) von M. Loeske. Mit 139 Abbildungen. Emil Hübner (Eduard Rühl's Verlag). Bautzen 1894 - Preis 7,80 Mk. Das wichtige Buch ist entstanden durch eine Vereint einer Reihe von Artikeln des Verfassers. Es entwickelt zweck- mässig in einem ein'eitenden Theil die Elementarbegriffe bezüp lieh der Elektricitätsquellen, und bespricht die Wirkungen und tiosi'tzo der Voltaisehen Ströme, um auch den weniger Ein- geweihten zunächst einzuführen. Die Ausführungen über die elektrische Uhrmachcrei nehmen den grösserer Theil des Buches ein, und der Schluss (40 Seiten) behandelt die elektrischen Registrirapparate. Leber die Wichtigkeit des Gegenstandes ist kein Wort zu verlieren; das Buch sei den Interessenten aufs wärmste empfohlen. Prof. Josef Schnellinger, Fünfstellige Tafeln für die Zehner- Logarithmen der natürlichen und trigonometrischen Zahlen. Manz'sche k. u. k. Hof-Verlagshandlung. Wien 181)2. - Preis geb. 1 fl. 10 Kr. Die in den letzten Jahren fast allgemein durchgedrungene Uebeiv.eugung, dass man, namentlich für die Zwecke der Schule, mit fünfstelligen Tafeln bei logarithmischen Rechnungen aus kommen kann, hat zu den erfreulichen und erfolgreichen Be- strebungen Anlass gegeben, die Correctionen der fünften Deci- malen so genau wie irgend thunlich zu gestalten. In dieser Richtung sucht nun der Verfasser der vorliegenden neuen Tafeln weiter vorzudringen. Durch einen einfachen Ge- danken hat er es ermöglicht, dass in seiner Tafel der Fehler allerhöchstem 0,36 Einheiten der fünften Decimale beträgt. Einige Versuche, die wir mit der Tafel angestellt hallen, fielen sehr zur Zufriedenheit aus, und wir glauben, dass diese Tafeln auch im Schulunterricht von Nutzen sein werden. Jedenfalls möchten wir die Herren Lehrer nachdrücklich auf die Schnellinger sehen Tafeln aufmerksam machen und zu einem genauen Studium derselben veranlassen. Eine Auseinandersetzung der Einrichtung an dieser Stelle würde zu weit führen, und über die pädagogische Brauchbarkeit kann nur ein Versuch in grösserem Maassstabe beziehungsweise ein genaues Studium vom Standpunkte des Unter- richts aus entscheiden. Wir sind aber überzeugt, dass ein der- artiger Vorsuch günstig ausfallen würde. Ihren Mönatscatälog Nr. 43: „Bibliographie des sciences naturelles. Catalogue mensuel de livres d'oecasion" bringt die bekannte Verlagsbuchhandlung J. 1!. Bailiiere et fils in Paris (rue Hautefeuille 19) zur Versendung. Er führt botanische Arbeiten namentlich zur Flora Frankreichs auf. Carl Apstein, Ergebnisse der Plankton-Expedition der Humbold! Stiftung. 2. Bd. Kiel. E. a. B. Die Thaliacea der Planton- Expedition. B. Vertheilung der Salpen. — Einzelpreis 7,00 M. Albrecht, Th., Vierstellige Logarithmentafel. Leipzig. — 1,20 M. Berg, Gust. Frhr. v., An ine Lieben in der Heimat. Reise briefe aus Nord-Amerika vom 25. Juli bis 28. Novbr. 1893. Wien. — 6 M. 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Catalogue mensuel de livres d'oecasion". — Liste. 360 Naturwissenschaftliche Wochenschrift; Nr. 29, ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦ Bakteriologische Kurse,» ♦ Unterricht in Nahrungsmittel-, ♦ ♦ Sowie Harnanalyse, monatlich. ♦ 2 Gelegenheit zum Ausführen ^ J selbstständiyer Arbeiten. ^ ♦ l'ebeiiiahine von technischen inid^ ♦ wissenschaftlichen Untersuchungen ♦ ^ jeder Art. ♦ ♦ l)r. E. Ritscrt's Bakteriologisch- ♦ ♦ chemisches Institut, X Inli Dr. Tli. Ueuthcr. X J Berlin N., Friedrichstrasse 131 d. J ♦*♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ atente aller Länder erwirken und ver wend en Brögelmann & Hirschlaff , liigenieure. Berlin SW., Zimmerst*. 13. I. p Mit Register über ca. 5000 Artikel. Kurzes chemisches Handwörterbuch sioieio eieioioiaie ejoioioioioiois nn Hempel's Klassiker-Ausgaben. Ausfahrt- Specialverzeichmsse gratis. Ferd. 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I. iiiiub. ©cut[ct)Ianb8 üanbgebiet im ungemeinen mid) feinen 58il= buugenuiffen, (Siitimdielunge'ftabieii, Oberjüidjenfoimen, feie- tmifjevu im ö feiner gegemuürtigen Dberftäcbeugriebeiung. 8°. Srofd). 2,S0 J(. II. 23anb, l. l'lbthi. S55rtnberungen bind) bucs öftlidje unb roefilidje Gebiet besl beutfeben StieflanbeS nnb ber anliegenben 'Jnfeln. SJJii einer Karte mm •WlguInnD im ßuftanbe besS^S., l:!. nnb IT gnfjrbuiiberts S". SBrofd). 2 .)/. II. Üniib, 2. Slbtijl. SBanberungen bind) bie (Sebiete ber beutfdien äHittelgebirgglänber. 1. 2hl ©ie äJtittelgebirgdjone im äülgeineinen foujie (äruppe 1. Tie niittetbeutfdjen SBerg* ober Spiateciuliinber mit ben Söctfaltgebtrgegruppen ('B.ogelä* bevg, SBJeifener, unb :)£hüu.) 8". Slivofd). 1,50 JC. - 2. '11)1. JKiefengebirge. 8°. 93rufd). .00 i*f. — :j. unb -1. 21)1. (fr-, gebt ige unb a iditelgebirge. 8". Sjrofd). 60 v|!j. — .'). 21)1. 2 l)ii ringen. 8". Sörqfcb. üü ^f. - (j. 21)1. «iiij. 8°. ih'ojrt). 60 Vf. — 7. 21)1. ©d)»urj" lunlb n üb Cben am Ib. 8". örefd). (SO SJSf- .pciu n.ooer unb Seipjig. .Vxilin'fdic ^uri)l|iiiiül nun. Preisgekrönt. Weltausstellung Chicago. Quecksilber-Thermometer, unter Druck gefüllt, bis 550 C. sicher anzeigend, mit eingebr. Skale nach ges. gesch. Verfahren, wie für ilie Physik. -Tcchn. Reichsanstalt geliefert, empfiehlt mit und ohne Aich-Schein W. Nichts, Verfertiger meteorol. u. pliysik. Instrumente. BERLIN N., Schönhauser-Allee 160. Nu. Härte-Skale für (llas, ges. geseh., nebst Probierstäbehen in Kästchen zum Gebrauch in Laboratorien etc. und für den Unterricht in Schulen. Gottfried Müncheberg Lichtpans-Anstalt u. teclin.-litlioni-aphisclies Institut, BERLIN NW., Gotzkowskystr. 38 (Ecke Thurmstr.) Fernsprech-Anschluss: Amt Moabit No. 426. Anfertigung vorzüglicher Lichtpausen (in schwarz. 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JL bei allen Annoneenbureaux wie bei der Expedition. Abdrnck ist nur mii vollständiger Quellenangabe gestattet. Weiteres über angezweifelte Versteinerungen (Spirophyton und Chondrites). Von E. Zimmermann, kgl. Preuss. Bezirksgeolog. Im Anschluss an eine frühere ausführlichere Arbeit von mir besehrieb ich nochmals kurz in Nr. 16 des VIII. Bandes dieser Wochenschrift (April 1893)die ,, Dictyo- dora Liebeana Weiss, eine räthselhafte Versteinerung", nannte auch Vexilluni aus dem westeuropäischen Untersilur als eine verwandte Gattung, und gab dieser Gruppe wunderbarer Verstei- nerungen den Namen Daeda- leae. In einer Anmerkung zu der genannten Schrift machte Herr Dr. Potonie zwar darauf aufmerksam, dass dieser Name bereits vergeben sei, trotzdem möge er auch für meine Gr.uppe vorläufig noch bestehen bleiben bis dahin, wo .Sicherheit über eine neu von mir vermuthete Verwandtschaft mit der bekannten, aber erst noch unvoll- kommen erkannten Gattung Spirophyton Hall erlangt ist. Th. Fuchs, Üirector am Königliehen Wiener Hofmuseuin, hat in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie der Wissenschaften (math.- naturw. Klasse, Bd. CII, Abth. 1, November 1893) „Beiträge zur Kenntniss der Spirophyten und Fueoiden" veröffentlicht, in denen er uns mit dem natürlichen Vorkommen und der Gestalt der im Flysch der Wiener Gegend vorkommenden Spirophyten genau bekannt macht. Ehe wir darauf ein- gehen, sei hier mitgetheilt, was wir bisher über Spiro- phyton wussten. Die Gattung Spirophyton ist von Hall für gewisse Versteinerungen aus dem Mittel- und Oberdevon Njord- Seitenansieht. Figur I. Oberseite. Spirophyton Eifeliense Kayser.] ^^ amerikas aufgestellt worden, die durch ihre sichelförmige Berippung an einen Hahnenschwanz erinnerten, und darum zuerst den Namen Fucoides Cauda galli erhalten hatten; Hall fand die spiralige Aufrollung des blattartigen Ge- bildes, und gründete darauf den neuen Gattungsnamen. Wegen mir mangelnder Ori- ginallitteratur kann ich gegen- wärtig leider nichts näheres berichten. Aus Deutschland beschrieb E. Kayser das erste Spirophy- ton Eifeliense) im Jahre 1872 (Ztschr. d. deutsch, geol. Ges. S. 696-699). Es durchsetzt in der Nähe von Prüm in der Eitel einen dem ober- sten Unterdevon angehörigen Sandstein zum Theil in sol- Gestein davon erfüllt ist, wie amerikanischen und die nachher zu besprechenden österreichischen Spirophyten thun. Die Gestalt dieses Spirophyton geht genug- sam aus den beifolgenden, der Kayser'schen Schrift entnommenen Abbildungen (Fig. 1" u. 1") hervor. Es windet sich also, um Kayser's Worte zu gebrauchen, „um eine mittlere Axe, die eine Art Stengel bildet, ein dünnes Laub oder Lager mit langsamen Aufsteigen Spiral in die Höhe, indem es von der kleinen Anhaftstelle aus" (die übrigens nicht direct beobachtet, sondern als Haftstelle nur vermuthel zu sein seheint. Z.) „beständig an Breite zunimmt. Der mittlere, der Axe zunächstliegende Theil des Lagers ist mehr odi r weniger kelchförmig vertieft, während der äussere Kami oft eben Massen, dass das es in gleicher Weise die 3C2 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 30. mantelartig herabsinkt." (Dieser herabfallende Mantel soll bei der Eifeler Art besonders lang- sein und den Artcharakter ausmachen; in der Figur la ist er fortgedacht, damit die inneren Windungen sichtbar werden.) „In Folge dessen zeigen einzelne abgetrennte Windungen eine coneave Oberseite und eine entsprechend convexe Unterseite." Auf Grund dieser Beschreibung habe ich den schema- tischen mittleren Längsschnitt (Fig. 2) construirt. „Das Lager, welches wahrscheinlich eine lederartige Beschaffen- heit hatte, ist mit zahlreichen markirten, aber unregel- mässig starken Runzeln oder Falten bedeckt, welche vom ( lentrum auslaufende, sich stark zurückbiegende, zuletzt dem Rande parallel verlaufende Streifen bilden, die mit den zurückfallenden Federn eines Hahnenschwanzes ver- glichen worden sind." Der Durchmesser der ersten (er- haltenen) Windung an einem grossen Exemplar betrug 30, derjenige der letzten Windung etwa 100 mm; das höchste von Kayser gesehene Exemplar besass 130 mm Höhe, doch war auch dies wohl nur ein unvollständiges Bruch- stück. Ueber die gegenwärtige Dicke und Beschaffenheit des Lagers macht Kayser keine Mittheilungen; die von mir in hiesigen Sammlungen gesehenen, zum Theil auch von andern rheinischen Fundorten stammenden Stücke zeigten eine papierdünne Spreite, die zwar dunkler als das übrige Gestein gefärbt war, aber nicht an allen Stücken kohlenstoffhaltig, sondern vorwiegend thonig zu sein schien. Spricht dieser Umstand nach der übrigens von mir nicht getheilten Meinung einiger übrigens Gelehrten gegen die 5^5"- organisehe Natur des Spirophyton, so berichtet andererseits Kayser, dass er in den Zwischenräumen zwischen den verschie- denen Windungen kleine Spiriferen, Choneten u. s. w. gefunden habe, „die sich ursprünglich offenbar an der Ober- und Unterseite des Lagers angeheftet hatten." — Die Schnelligkeit, mit der das Lager um die Axe aufsteigt, ist nicht bei allen Exemplaren gleich; im Alter scheint sie oftmals geringer zu werden. Die meisten von Kayser untersuchten Exemplare sind rechts, nur eines von 12 war links gewunden. Meines Wissens sind seit 1872 keine Spirophyten wieder aus Mitteleuropa beschrieben worden; die oben erwähnte Schrift von Fuchs ist also die erste wieder über diesen Gegenstand, — doch wird in ihr Kayser's keine Erwähnung gethan. Die Uebereinstimnnmg der Flyschform mit der devonischen ist eine sehr grosse. Fuchs schreibt, dass die Umgänge ebenfalls Hahnen- schwanz-, beziehungsweise Beseuskulptur besitzen*), — dass sie ebenfalls mit kleinem Durchmesser beginnen und allmählich immer breiter und breiter werden, — dass der Saum der einzelnen Umgänge selten einfach, sondern meist wellig gelappt ist, und die Lappen oft lang, zu förmlichen Bändern, ausgezogen sind, — dass endlich die Grösse bei einigen Exemplaren (ob auch in dem- selben Steinbruch? Z.) wenige Millimeter, bei andern 50 cm und mehr im Durchmesser der Umgänge beträgt. Körperlichkeit oder organische Substanz sei ebenfalls niemals vorhanden, höchstens sei die Oberfläche der Windungen mit einer fremden, mergeligen Substanz dünn überzogen. Einen besonderen Artnamen stellt Fuchs nicht auf. Wir wenden uns nun der Frage zu, welchen leben- den Organismen die Spirophyten ihrer Gestalt nach am nächsten stehen! Dass man da zunächst an Algen, an Tange gedacht hat, ist leicht begreiflich. Kayser hat seine Sachen dem Berliner Botaniker A. Braun vorgelegt, und dieser ihn auf die im Mittelmeere lebende Dictyo- m e n i a (== V i d a li a) v o 1 u b i 1 i s = Volubilaria mediterranea, eine Floridee, hingewiesen, von der wir hier auch eine Abbildung (Fig. 3) beifügen. Der Güte des Herrn Prof. Hieronymus am hiesigen königlichen botanischen Museum verdanke ich es, dass ich die dortigen Herbarexemplare selbst vergleichen konnte, wie mir auch Herr Dr. Potonie sein in Glycerin aufbewahrtes Präparat freundlichst zur Untersuchung geliehen hat. Ich ersehe daraus, dass die Vidalia ein bis etwa 1 cm breites, mehrere Decimeter langes, zuweilen verästeltes, nicht skulpturirtes, knorpeliges Band ist, welches an beiden Rändern gezähnt ist oder kleine Fransen aussendet, eine Art Mittelnerv besitzt und sich in der Regel (mit wenigen Ausnahmen) um diesen Nerv als Axe spiralig dreht, sodass also zwei gleichartige Spirallinien (eben die beiden gezähnten Bandränder) frei um die Axe herumlaufen. Die spiralige Rollung ist also nicht derart, dass die Windungen sich gegenseitig um- hüllen und nach der einen Richtung immer weiter nach innen liegende, - - nach der anderen immer weiter aussen gelegene Windungen folgen, und dass man daraus das gegenseitige Altersverhältniss der Windungen ersehen kann; im Gegentheil, wenn man ein Stück aus dem Bande heraussehneidet, so kann man an diesem ebenso- wenig wie au einem Korkzieher erkennen, welches das untere (proximale), welches das obere (distale) Ende ist, — wenn nicht die Richtung der Bezahnungs- spitzen einen Anhalt giebt. Diese Art der spiraligen Drehung ist also eine ganz andere, als bei Spiro- phyton; auch mangelt diesem letzteren ganz der Mittelnerv, die Symmetrieaxe. In Schimper-Zittel's Handbuch der Paläon- tologie, II. Bd. S. 55, wird die Aehnlichkeit mit Dictyomema volubilis. Nach d. Natur Vs der nat. Gr. keit, geol. *) „Wer des Morgens bei seiner Toilette mit der Zahnbürste halbkreisförmige Touren auf seiner Seife beschreibt, kann sich mit Leichtigkeit die schönsten Spirophyton-Skulpturen erzeugen." — Fuchs. einer anderen Algengattung hervorgehoben, mit dem zu den Laminariaceen, also Brauntangen, gehörigen, aus dem Behringsnieer stammenden Thälassio- pbyllum clathrus (Fig. 4 u. 5), eine Aehnlich- an die meines Wissens zuerst Dumortier (Bull. soc. de France 1861, S. 579) erinnert hat. Auch Fuchs erwähnt nur Thalassiophyllum, ohne der Vidalia zu ge- denken. Aber dieser Forscher leugnet jede Aehnlichkeit mit Spirophyton, indem er sagt, er habe sich ein Tha- lassiophyllum selbst angesehen: es sitze eine flache, halb- kreisförmige Spreite auf einem kurzen dicken Stiel, ihre Basis ziehe sich an der Uebergangsstelle in den Stiel, eine kleine Strecke weit an diesem Spiral herab, aber das sei auch alles; „von einem Thallus, der in seiner Gänze spiral gewuuden wäre, ist gar nicht die Rede, und von der für alle Spirophyten so bezeichnenden Besenskulptur an der vollends keine Spur zu entdecken." Ich muss hier dem Wiener Gelehrten, dem ich sonst sehr dankbar dafür bin, dass er sich der von den meisten Forschern so sehr vernachlässigten Problematica mit Eifer annimmt, — allerdings, um sie dann meist in das von Nathorst zu weit ausgedehnte Reich der „Spuren" zu versetzen*), — ich muss hier also Fuchs auf Grund eigener Beobachtungen an Material des hiesigen könig- lichen botanischen Museums und des Studiums einer Monographie Rosenthal's (in Flora 1890) widersprechen. Ich thue das nicht, um eine thatsächliche Verwandtschaft der Spirophyten mit Thalassiophyllum zuzugestehen oder zu retten, an die ich vielmehr aus einem anderen, nachher Alge *) Man vergl. z.B. auch seine in Nr. 19 dieses IX. Wochen- schriftsbandes erschienene Arbeit über Rieselspuren. Nebenbei möchte ich hier darauf aufmerksam machen, dass u. a. typische derartige Spuren aus bretonischom Untersilur durch Lebesconte (Bull. soc. geol. de France, IIIn>e serie, tome XIV 1887, S. 786ff.) als Kalkschwämme boschrieben und in zahlreichen Heliographien abgebildet sind. Nr. 30. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 363 zu besprechenden Grunde vorläufig selbst nicht glaube, sondern um einerseits das wahre Verhalten des Thalassio- phyllum festzustellen, und weil andrerseits für die Paläon- tologie doch einmal ein Nutzen daraus entspringen kann. Thalassiophyllum, Fig. 4 und 5, ist also ein grosser dick lederiger Brauntang von folgender auffälligen Gestalt: ein von vielen Löchern (ähnlich der bekannten Zimmerpflanze Philodendron) durchbrochenes, etwa halbkreisförmiges, bis über "2 dm Radius erreichendes, radial gefaltetes Laub besitzt einerseits (vergl. in Fig. 5 die Kaute hervorgegangene Heft vor; bc, besonders gegen b hin, ist die noch wirksame Schneide, ca die durch Abnutzung entstandene Klingenkante. Hei v befindet sich der Vegetationspunkt, von dem aus Laub und Stiel weiter wachsen und wo auch die Lücher als nadelstichfeine Foren entstehen. Würde das Absterben am Rande c « langsamer vor sich gehen, so könnten offenbar mehrere bis viele voll- ständige, sich dütenartig umhüllende Spiralwindungen ent- stehen, und das Laub vollkommen dem von Spirophyton in der Gesammtform gleichen. Ja. stellen wir uns vor, dass die Löcher, welche für Thalassiophyllum so charakte- ristisch sind, eine besondere Anordnung und Gestalt an- nähmen i ähnlich wie in Figur 5 angedeutet), so könnte wohl auch, wenn sie beim Fossilisationsproeess mit Gesteins- masse ausgefüllt werden, das Laub selbst aber verfault oder eventuell durch eindringende schlammigmergelige Substanz ersetzt wird, die merkwürdige „ Besenskulptur " der Spirophyten sich ohne Schwierigkeit erklären lassen. Fisur •* Figur Soweit hätten wir also eine leidlich befriedigende äussere Ueberciiistiinmung zwischen Thalassiophyllum und Spirophyton wirklich nachgewiesen. Freilich sind au diesem letzteren noch nie Verzweigungen aufgefunden worden, während solche bei Thalassiophyllum sehr ge- wöhnlich sind. Sic kommen hier durch Wucherung von Randtheilen solcher Löcher zu Stande, welche dicht am Stiel gelegen sind. Andere Unterschiede werden wir später noch kennen lernen. Ich gehe nun zu einer dritten Pflanzenform über, mit welcher das Spirophyton verglichen wurden ist. Der Botaniker Keiner von Marilaun, der Verfasser des be- kannten Geschwisterbuehes zu Neumayr's Erdgeschichte, hat in eben seinem Buche, betitelt Pflanzenleben, das Spirophyton ohne weitere Begründung als mög- licherweise ein unter Wasser lebendes, spiralgewundenes Le- bermoos hingestellt, analog der heutzutage im Genfer See lebenden Riella Reuteri und der in Algier lebenden Riella helicophylla (vgl. Fig. 6, welche dem genann- ten Buche entnommen ist). Riella besitzt einen zarten Stengel mit zweiseitig angehefteten Blättchen und einem grossen, dorsal zwischen diesen sich hinziehenden, einzell- sehichtigen Flügelanhang, der meist unregelmässig geschlängelt ist; auch die R. helicophylla ist. wie die Abbildung in Engler- Prantl's natürlichen Pflanzen- familien (Jungermauniae ana krogynae S. 42) zeigt, nicht immer so regelmässig Spiral gewunden wie in umstehender Abbildung. Dass die Ricllen wie alle recenten Lebermoose kleine zarte Pflänzchen sind (die grössten sind 5 cm lang), muss bei einem Vergleich mit Spirophyton, wohl einigerinaassen. braucht aber nicht allzusehr in Betracht zu kommen, denn die paläozoischen Kryptogamen zeigen uns ja so häutig ganz riesige Dimen- sionen gegenüber den heutigen; bedeu- tungsvoller scheint auch hier die bei Riella vorhandene, bei Spirophyton noch nie beobachtete Verzweigung zu sein. — Haben wir somit 3 verschiedene Pflan- zengattungen kennen gelernt, die mit Spiro- phyton besonders in Bezug auf den charak- teristischen spiraligen Bau mehr oder min- der grosse Uebereinstimmung zeigen, so sind abgesehn von der Verzweigung zwei Unter- schiede zu erwähnen, die gross genug er- scheinen, um vorläufigjede nähere Bezieh in ig des Spirophyton zu jenen 3 Gattungen völlig auszuschliessen. Das ist erstens der Umstand, dass die Spirophyten mit ihrer Axe aufrecht stehend sich versteinert finden, während wir nach der Beschaffenheit der drei recenten Gattungen uns nur vorstellen können, dass diese umge- fallen, auf der Schichtfläche liegend, versteinern würden: und zweitens ist es der Umstand, dass Spirophyton gerade umgekehrt zu derjenigen Stellung im Gestein steckt, die man bei Vergleichung mit jenen 3 Gattungen verinuthen möchte, d.h. dass gerade derjenige Punkt, den man als An- haftstelle zu betrachten geneigt wäre (die in Fig. 2 364 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 30. nach unten gerichtete Spitze), in Wirklichkeit im an- stellenden Gebirge nach oben gerichtet ist. Gehen wir auf beide Punkte näher ein! Kayser hat in seiner Beschreibung des Sp. Eifelicnse allerdings über beide nichts gesagt, ja er hat, wie aus der nach seiner hervorgeht, Beschreibung entworfenen Figur 2 Spitze nach unten, die Entfaltung der oben gerichtet; da er aber nicht an an- stehendem Fels beobachtet hat, so kann seine Beschreibung in diesem Punkte nicht maassgebend sein. Ueberdies lässt sich auch, wenigstens an den mir vorliegenden Windungen ir die nach selben schwärzlichen Substanz wie die Spirophytenwin- dungen bedeckt sind; bisweilen sieht man, dass ein solcher Gang sich an die Basis (Spitze) eines Spirophyton anlegt, gewissermaassen einen umgebogenen Stiel desselben bil- dend. Niemals sieht man ein Sp. schief stehen, umge- fallen, zerbrochen oder verbogen. Bänken c und il finden sich die Schichte, und zwar In den zwei tieferen Sp. in der obersten sind es hier Formen, welche nur wenige dichtgedrängte Umgänge sehen, ob zu den zum nnn- Schichtfugen weil letztere Fugen eben Mittheiluugen von genannten Schrift hierüber belehren. losen Stücken, nicht desten die Stellung eine aufrechte ist, selbst nicht deutlich sind. Auch vom Autor der Gattung Spirophyton, von Hall, scheint nichts über die beiden fraglichen Punkte beobachtet zu sein; wenigstens wird in der deutschen Litteratur darüber nichts erwähnt. Somit dürften die wichtigen Fuchs in der oben- die ersten sein, die uns Fuchs berichtet, dass zuerstZig. de Bosniaski die Spirophyten im Tertiär, und zwar in einem Steinbruch auf Flyschsandsteiu bei Purkersdorf an dervonPressbauni nacliRappoltenkirchen in Niederösterreich führenden Strasse aufgefunden habe; sie bildeten dort ein ungewöhnlich reiches Lager, derart, dass sie die herausgebrochenen Blöcke oft durch und durch erfüllten, und man sie im anstehenden Fels dicht neben- einander in mehreren Horizonten über einander, stehen sehen konnte. Fig. 7*) stellt einen Theil des betreffenden Stein- bruchs im Profil dar. Die etwa 30 m mächtigen Schichten dort fallen mit etwa 45° nach Süden ein und sind in ihrem oberen Theile (16 m) fossilfrei; dann 4 m dünngeschichtete Sandstein- reichlichen Mcrgelzwischen- der Unterseite der Bänke mancherlei Wülste und Hiero- glyphen in kräftigem Relief, woraus der für das Folgende wichtige Umstand her- vorgeht, dass dort nicht etwa eine der im Flysch so häufigen Schichtentiber- kippungen, sondern nur eine Aufrichtung gewöhnlicher Art stattgefunden hat. Noch tiefer folgen 12 m massigen Saudsteins mit schwachen Mergelzwischenlagen und ebenfalls mit reichlichen Relief-Hiero- glyphen auf der Unterseite; in den obersten 3 Bänken dieser letzteren Zone finden sich nun die Spirophyten. Und zwar kommen sie in der etwa 1 m starken Bank b in deren unterer Hälfte, in lang- gestreckten Formen mit zahlreichen Um- Figur 6. Riella helicophylla. Etwa '/j der natürlichen Grösse. besitzen und in Folge dessen eine mehr tellerförmige Gesanimtgestalt zeigen (in der Figur 7 schraffirt). Auch hier aber ist die (scheinbare) Basis ausnahmslos nach oben, die Oeffnung des „Tellers" nach unten gerichtet; bei diesen flachen Sp.-Formen ist die Oberfläche nicht schwarz, sondern braun. Die Schichten, in denen sie vor- kommen, enthalten zahlreiche (in der Figur durch dicke Punkte deutet). Die warten natiirl Thongallen aufrechte und zwar wider Er- verkehrt aufrechte Stellung war l ein Umstand, der zur weiteren Untersuchung anregte, und Fuchs giebt Kegel folgen bänke lagen ; zeigen mit auf sich gangen vor; sie stehen vollkommen regel- mässig, wie die Orgelpfeifen, parallel neben- einander; die Spitze der flaehkegelförmigen Umgänge, also auch die vermeintliche Anhaftstelle, ist stets nach oben, die Oeffnung nach unten gerichtet. Die obere Hälfte der- selben Sandsteinbank b ist von federkieldicken Gängen durchzogen, welche parallel mit der Oberfläche oder etwas schief gegen dieselbe aufsteigend verlaufen und von der- *) Den Zinkstock für iliese Figur, wie auch für die Figuren 8, 10 u. 11 hat uns die k. Acad. d. Wiss. zu Wien zu dieser Publi- cation in dankenswerther Weise zur Verfügung gestellt. festzustellen, der dortigen Figur 7. denn auch an, noch an manchen anderen Orten im nieder österreichischen Flysch die Spirophyten anstehend, und zwar ausnahmslos immer wieder in derselben Weise mit der oder Dütenspitze nach oben, aufgefunden zu haben. Beachten wir nun die übereinstimmende Gestalt der in Fig. 2 und 7 abgebildeten Längsschnitte der devonischen und der tertiären Spirophyten, so ist dringend zu wünschen, dass sich im Gebiet des rheini- schen Devons sowie auch in Amerika Jemand der Mühe unterzöge wie die natürliche Stellung Vorkommnisse ist. Das (vorläufig wenigstens im Flysch stets beobachtete) Aufrechtstehen setzt, wenn, wie ich immer noch annehme, Spirophyton in der That einmal ein lebender Organismus war, eine ganz be- sondere innere Festigkeit oder so ganz eigenthüniliehe Waehsthumsverhältnisse des Organismus innerhalb des sich nieder- schlagenden Sandes oder Schlammes vor- aus, dass mich diese sozusagen physio- logischen Eigenschaften davon abhalten, vorläufig an eine nähere Verwandtschaft mit auch nur einer der drei besprocheneu lebenden Gattungen zu denken. Schon mehrere Jahre vor Fuchs habe ich aber nun nachgewiesen, dass die thüringische Gattung Dictyodora eben- falls stets aufrecht stehend im Gestein ge- funden wird (vergl. diese Wochenschrift 1893, Bd. VIII, Nr. 16), dass sie eben- falls (gewöhnlich) dütenförmig aufgerollt und die Spitze der Düte stets gegen das Hangende gekehrt ist, und man wolle die 1. c. S. 157, Fig. 5 von mir gegebene Darstellung eines Längsschnittes von Dictyodora mit den Figuren 2 und 7 dieses Aufsatzes vergleichen, um die grosse Uebereinstimmung der beiden Fossilgattungeu zu ersehen. Ja, ich kann gegenwärtig noch eine weitere Ueber- einstimmung zwischen meiner Dictyodora und Spiro- phyton feststellen, in dein Vorhandensein nämlich von hochge wunden en und von flachgedrückten Formen bei beiden Gattungen! Ich hatte früher dieses Verhalten bei Nr. 30. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 365 Dictyodora auch schon bemerkt, hatte es aber auf die Wirkung der Schieferung; zurückgeführt, also für < "SPS- *f*%- ^?>R *#fer r%^ *^ ^Frz seeundäre, nicht mit dem Wesen der Dictyodora selbst verbundene Eigentümlichkeit gehalten. Nachdem ich aber das obige Bild (Fig. 7) gesehen habe, gebe ich zu, dass man auch bei Dictyodora an ursprüngliche Höhendiffe- renzen denken kann; doch bleibt es dann immerhin auf- fällig, dass die seitherigen Funde noch keine hochge- wundene Dictyodora in einem Schiefer ergeben haben, dessen Transversalschiefe- rung mit der Schichtung ungefähr parallel läuft, Legt man auf das Aufrechtstehen im Gestein bei Dictyodora und Spiro- phyton denjenigen Werth, welcher dieser Erschei- nung bei ihrer grossen Seltenheit zukommt, und beachtet man ferner noch die Spirale, dütenförmige Aufrollung, sowie den Um- stand, dass immer die Spitze der Düte, entgegen den Erwartungen, nach oben gekehrt ist, so wird man die eingangs erwähnte nahe Verwandtschaft beider Gattungen gern zugeben. Aber es dürfen ihre wich- tigen Unterschiede doch nicht verschwiegen werden : es sind dies erstens die gut messbare Dicke (bis 2 mm) der Dictyodora gegenüber dem gegenwärtig fast hauch- dünnen Spirophyten, — 2. der Um- stand, dass die Spiralwindungen der ersten Gattung im ganzen, wie auch ihre einzelneu fächerartigen Radial- falten, ja sogar die Theile zweier Individuen sich gegenseitig ungestört durchkreuzen können, während von Spirophyton keine Selbstdurchwach- sungen der einzelnen Umgänge be- schrieben werden, — endlich 3. der Umstand, dass der distale (von der Windungsaxe und Kegelspitze abge- wandte) Rand der Dictyodora zu einem (unter dem Namen Crossopodia Henrici beschriebenen) Wulst ver- dickt ist, während der entsprechende Spirophytonrand dünn, lappig, ja in einzelne Bänder ausgezogen sein soll. — Es ist in hohem Maasse wünschenswerth, wenn Spirophyton gerade in Bezug auf diese Unterschiede nochmals ausdrücklich geprüft würde. Auf die Frage, ob Spirophyton und Dictyodora in der That ver- steinerte Organismen (was unver- hohlen meine Ueberzeugung ist) sind und welcher grossen Gruppe sie zugehören, oder ob es nur eigenartige Bewegungsspuren sind, gehe ich hier nicht näher ein, weil ich in Bezug auf letztere Gattung zur Zeit nichts Neues zu dem hinzufügen kann, was ich früher dar- über mitgetheilt habe, und weil ich in Bezug auf erstere Gattung keine genügende Autopsie zur Verfügung habe Diese Frage wird mit der Zeit schon noch ihre sichere Beantwortung rinden; wenn nur erst all die einzelnen Bausteine zusammengetragen sind, werden sie auch schon noch zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Als einen solchen Baustein betrachte ich auch Unter- suchungen über die sicheren, sowie die zweifelhaften Ver- dattungen Figur 8. Flyschfucoiden in ihrer naturlichen Läse in einer Mergelbank. (Schematische Darstellung.) steinerungen, welche mit Spirophyton und Dictyodora zu- sammen vorkommen. Mit letzterer zusammen, im selben Gesteinsblock, habe ich in der Regel bloss Chondrites antiquus var. minor Göpp. = Chondrites Göpperti Gein. gefunden, einmal auch ein gegen bandgrosses Stück ver kohlten Holzes; ausserdem noch die als Anneliden, aber auch als Kriechspuren gedeuteten Phyllodoeites thu- ringiacus undJacksoni, die aber gewiss zwei verschiedenen angehören, und von denen der zweite ein medianes Organ besitzt, welches auch allein erhal- ten sein kann und dann unter dem Namen Taeni iliuni praecarbonicum Güm- bel besehrieben worden ist. I'ln llodocites thuringiacus ist ein wurmartiger, weit über meterlanger, bis 3 cm breiter Korper, welcher in einem bis 4 mm hohen, bezw. tiefen Relief er- scheint, und zwar als Hohl form auf der Oberseite der Schicht, als erhabener darüberliegenden Schicht. Wulst auf der Unterseite Man könnte ihn danach Kriechspuren vergleichen, mit den gewöhnlichen Figur (t. wohl aber es ist beachtenswerth, dass er eine zwar mit dem ansitzenden Gestein über- einstimmende Masse, aber davon abweichende Structur besitzt, Da ich hierüber künftig nähere Untersuchungen anzustellen vorhabe, gehe ich heute nicht näher darauf ein. Beide Phyllo- dociten liegen auf den Schichtflächen des Gesteins, ebenso thut es das Holz- stück. Um so auffälliger ist, dass die überaus zart erscheinenden Cliondriten aufrecht im Gestein stehen wie die Dictyodoren, und ferner auch darin mit diesen übereinstimmen, dass dasjenige Ende, welches man als das untere, als die Basis, betrachten möchte, in Wirklichkeit nach oben gerichtet ist, eine auffällige Thatsache, die ich schon im vorigen Jahre in dieser Wochenschrift beschrieben habe. Es besteht nun in mancherlei Beziehung zwischen der < 'ulniforma- tion Thüringens und des Fichtel- gebirges, in welcher die Dictyodora und ihre Begleiter vorkommen, und der Flyschformation der Alpen eine unverkennbare Uebereinstim- mung; v. Gümbel, der wie wohl kein zweiter beide Formationen gleich- Palaeochoiidrit.es Meunieri Sap. aus Dachschiefer nach Saporta massig gut kennt, hatte sie schon in seiner „Geologie des Fichtelgebirges" hervorgehoben, aber auch mir hatte sie sich beim Lesen seiner „Geologie der bayrischen Alpen" aufgedrängt zu einer Zeit, da ich die be- treffende Stelle im ..Fichtelgebirge" noch nicht kannte. Zu dieser Uebereinstimmung tragen die Chondriten, sowie die Phyllodociten, Crossopodien, Helminthoiden, Taenidien und all die zahlreichen wurmartigen Dinge nicht am wenigsten bei. Hierzu gesellt sich nun neuerdings auch noch die Dictyodora einerseits, das Spirophyton anderseits, beide zufolge ihrer merkwürdigen Gestalt- und Wachsthuuisverhältnisse; - hierzu ferner noch die von Fuchs neuerdings auch im Flysch nach gewiesene verkehrt aufrechte Wachsthumsart der Chon- 366 Naturwissenschaftliche Wocheuscbrilt. Nr. 30. driten, auf die ich alsbald noch näher eingehen werde, — hierzu vielleicht - - wie ich aus Mangel an eigener Anschauung' nur ganz vermutliungs- weise hinzuzufügen wage — auch jenes Auftreten grösserer Gesteins- blöeke in einer feineren Grund- masse, welches aus dem Flyscb schon lange unter dem Namen der „erratischen Blöcke", aus dem Culm neuerdings i. durch Kalkowsky) unter dem Titel „Geröllthon- schiefer" beschrieben und beiden- orts mit Glacialtheorien in Ver- bindung gebracht worden ist. Doch kehren wir zu den Chon- driten selbst zurück! Ich erwähnte also, das* ich sie im thürin- gischen Culm scheinbar widersinnig verkehrt aufrecht im anstehenden Gestein gefunden habe, weswegen man sie eher mit einer nach unten zerfaserten Wurzel, als mit einem nach oben sich verzweigenden Stämmchen vergleichen kann. Und mit einer gewissen Freude las ich, dass Fuchs auch bei den Flysch- chondriten dasselbe Verhalten im an- stehenden Gestein festgestellt hatte, wie dies die seiner Abhandlung ent- nommene beistehende Fig. 8 beweisen soll. Doch soll dies, gerade nach Fuchs (1. c. S. 8) nur in den harten Mergelbanken der Fall sein, während sie „in den schieferigen Zwischenlagcn flach ausgebreitet gefunden werden." Es erscheint mir wichtig genug, dass nach der natürlichen Lage der Chon- driten im anstehenden Gestein die Frage genau erörtert werde, und so kann ich denn folgende Beiträge da- zu liefern. Der leider verstorbene Genfer Gelehrte Maillard, der meines Erachtens bisher in dieser Beziehung die genauesten und umfangreichsten Studien an Flyschchondriten ge- macht hat (Considerations sur les Fossiles decrites comme Algues. Mein, de la soc. paleont. suisse Vol. XIV, 1887), sagt in Kap. VII, dass diese Chondriten immer auf und parallel der Schichtfläche liegen und dass man 2 — 3 mm davon rechtwinkelig entfernt nichts mehr von den feinen Stricheln erkenne, als welche die Chondriten er- scheinen; er schliesst daraus, dass sie in das als es geschwemmt Figur 10. Frassgang von Xyleborus monographus in Eichenholz in V (Copie nach Eichhoff.) a= Rinde, b = Holzkörper. sie jetzt bergende Gestein, noch Schlamm war, eiu- worden sind. Andrer- seits beschreibt Saporta (Nouveaux documents relatifs ä des fossiles vegetaux et ä des traces d'Invertebres associes dans les anciens terrains. Bull. soc. geol. de France III.me Serie, Vol. XIV, 1886, S. 407] einen Palaeochondrites Meunieri Sap., der nach Figur 11. Frassgang von Xyleborus dryographus in Eichenholz in Vi- (Copie nach.Eichhoff.) a = Rinde, b = Holz. seiner Gestalt ebensogut mit Chondrites Targionii aus dem Flysch wie mit Chondritis Göpperti aus dem Culm verglichen werden kann, aber bei Chateaulin in Frankreich in Dach- schiefern gefunden ist, die Meunicr zum Unterdevon, Barrois zum Untercarbon rechnet; diese Pa- laeochondrites liegen also auf der Schieferfläche, welche „n'a cer- tainement ici rien de commun avec le mode de Sedimentation"; drei Individuen stehen da, wie unsere (seiner tab. XVIII, Fig. 1 ent- nommene) Fig. 9 beweist, parallel und mit ihren Hauptstämmen gleich- gerichtet neben einander. Dieser Umstand scheint mir zu beweisen, dass sie nicht eingeschwemnit sein können, sondern aufrecht in den Schichten gestanden haben müssen: doch geht nun nicht weiter aus Saportas Mittheilungen hervor, ob der Stamm oder die Zweige nach oben gerichtet waren. Eine, ich möchte sagen, geradezu identische Abbildung könnte ich auch von drei neben einander, mit ihren Axen senkrecht auf den deutlich sicht- baren Schichtlinien stehenden Chon- driten aus Iluusrück- (also devoni- schem) Dachschiefer von Beuren geben, nach einem Stück in der palaeophyto- logischen Sammlung der hiesigen geo- Andereiseits hier aber auch Chondriten aus Culm- und Devonschichten vor, welche z. Tb. wahrscheinlich, z. Th. sicher auf den Schichtflächen liegen. Aus allen diesen Beobachtungen können wir vorläufig nur scbliessen, dass die Chondriten im Devon, Culm und Flysch bald aufrechtstehend quer zu den Schichten, bald umgefallen auf den Schichten liegend sich erhalten haben können, und dass jede Er- klärung der Natur der Chondriten mit dieser Thatsache rechnen muss. Es würde für die gegenwärtige Arbeit allzuweit führen, wollte ich hier noch die verschiedenen Erklärungen besprechen, welche neuerdings in dieser Hinsicht aufgestellt sind, ins- besondere die Ansicht Maillards vom Zusammenhang der Chondriten mit Gaulerpen, und die Ansicht Fuchs', dass sie einmal ein System verzweigter hohler Gänge waren, welche sieh nach oben öffneten und von oben mit dem Materiale der darüber liegenden Schichte ausgefüllt wurden. Ich füge darum nur noch folgende zwei Bilder (Fig. 10 u. 11), darstellend Frass- Käferlarven in Eichenholz, bei, die Fuchs in seiner Schrift zur Erläuterung seiner Auffassung bringt. logischen Landesanstalt liegen mir Nr. 30. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 367 Einige Bemerkungen zu R. Hennig's „Zur Sintfluth- und Eiszeit-Frage". Von (i. Maas. Herr Richard I Ieiinii;- hat in der „Naturw.Wochenschr." (Nr. 21 und 22 d. .I.i einen Versuch veröffentlicht, den von E. Suess aufgestellten Satz zu widerlegen: „Die Traditionen andrer Völker berechtigen in keiner Weise zu der Behauptung, dass die Fluth über den Unterlauf des Euphrat hinaus oder gar über die ganze Erde gereicht habe." Hierzu das Folgende. Hätte sich der Geologe E. Suess nicht auf die Er- gebnisse der Assy riologie gestützt, so hätte wohl Herr H. keine Veranlassung zu seiner Auseinandersetzung ge- hallt. Andrerseits gründet sich aber der augezweifelte Satz gerade auf die Sa gen künde, wie ich sogleich dar- legen werde. Dass die vielen Fluthsagen, die sich bei den verschiedensten Völkern finden und die oft auf- fallend miteinander übereinstimmen, gänzlich unabhängig von einander sind und sieh auf lauter locale Ueberschwcmmungen beziehen, das, glaube ich, wird wohl heute Niemand ernstlich be- haupten wollen, am allerwenigsten ein Geologe. Es fragt sich nur, in welchem Zusammenhang dieselben zu einander stehen. Betrachten wir zunächst etwas näher die Verbreitung der Fluthsagen im allgemeinen.*) Der- artige Berichte kommen vor in ganz Vorderasien, Tibet, Vorder- und Hinterindien; sie erscheinen so verwischt und selten auf dem grossen ostasiatischen Archipel und in Kamschatka, dass man sie fast ganz übergehen kann; sie fehlen vollkommen in Arabien, Innerasien, Nordasien, China und Japan; denn die chinesische Erzählung von Yü rechne ich nicht zu den Fluthsagen; sie bezieht sich auf eine historische Thatsache, die Regulirung des Gelben Flusses, und die Provinz Jünnan, in der sich eine Sage findet, gehört zum tibetanisch-hinterindischen Gebirgsland. Ebensowenig ist eine Fluthsage in Afrika zu finden, da man die auf rein locale Erscheinungen, wie die Bildung eines Landsees u. s. w. zurückzuführenden Mythen der Neger füglich ausser Acht lassen kann. Einige andere aus Afrika gemeldete Sagen sind ganz jungen Alters, worauf ich noch zurückkommen werde. In Europa finden sich Fluthberichte nur vereinzelt, bei den Griechen, bei den Zeltzigeuneru Siebenbürgens, den Litthauen, den Wallisern (in Wales), den Wogulen und in der jün- geren Edda, welch letztere von den Mythen der eigent- lichen Germanen (in Deutschland) scharf zu trennen ist. Vom australischen Festlande an über Neuguinea, durch Melanesien, Mikronesien und Polynesien sind Fluthsagen bis zu den Sandwichsinseln vertreten. Ebenso finden sich dieselben in Amerika, von den Eskimos im Norden bis zu den Araukanern im Süden. Wir haben also zu unterscheiden zwischen grossen Gebieten, in denen Fluthsagen verbreitet sind, und ebenso grossen, in denen sie völlig fehlen. Woher weiss denn Herr H., dass sich bei anderen Völkern keine Sagen über grosse Feuersbrünste, Dürren und dergleichen finden? Hat er etwa schon alle Sagen gesammelt? In dem häufig von Steppen- bränden heimgesuchten Bolivia findet sich bei den Yuracares ein vielleicht mit der Sintfluth vergleich- barer Mythus, nach dem die Welt durch ein grosses Feuer untergeht. Die Quiche in Guatemala lassen die zweite, aus Holz und Harz geschaffene Menschen- *) Ich wurde mich in den nachstehenden Erörterungen häutig auf folgende sehr lesonswerthe Schrift beziehen: K. Andree, Die Fluthsagen; Brannschweig 1891. generation wegen ihrer Undankbarkeit durch einen Feuer- regen und ein Erdbeben untergehen. Die Arawaken in Britisch Guiana haben eine Sage, dass die Welt wegen der Uebelthaten der Menschen durch Feuer ver- nichtet sei. Ich will ferner nur an den Weltbrand in der nordischen Götterdämmerung erinnern. Woher weiss Herr II., „dass die meisten Völker die Sage schon vor ihrer Berührung mit den Christen hatten?" Zum grössten Thcil sind die Flutli- sagen erst sehr spät gesammelt worden, und je später, desto grösser erscheint bei ihnen die Gefahr, durch fremde Einflüsse, besonders christliche, entstellt zu sein. An den vielleicht vorhandenen echten Kern einer Ueberliefe- rung krystallisirte sich biblisches Beiwerk an. Eine Ver- mischung fand vielfach statt, aus der sich das Echte oft nur schwer ausscheiden lässt. Die meisten derartigen Berichte sind uns bekanntlich durch die Missionare über- bracht worden, und wie diese, bewusst und unbewusst, zur Neubildung von Mythen beigetragen, dafür giebt (»viedo in seiner „Historia generäl y natural de las Indias" ein treffliches Beispiel in einer Unterredung des Fray Francisco de Bobadilla mit einem Eingeborenen von Guatemala. Andree*) knüpft hieran die Bemerkung: „Sagte der Indianer zu den vorgelegten Fragen aus Denkfaulheit oder um dem Priester zu genügen einfach Ja', so war eine heimische Fluthsage vorhanden, die mit der biblischen sieh auf das schönste deckte." So mögen viele Sintfluthsagen entstanden sein. Ein Beispiel, wie wenig glaubwürdig oft die Berichte der Eingeborenen in Bezug auf Sagen sind, liefert auch der Missionar Mofl'at in seinen „Missionar}' labours in South Africa". Er hafte niemals eine Fluthsage bei den Völkern Südafrikas ge- funden, mit denen er in Berührung gekommen war, bis ein Nama ihm eine solche erzählte, die er niederschrieb. Indessen bald erhob sich bei Mofl'at der Verdacht, die Sage sei nicht echt und stehe unter dem Einfluss des biblischen Berichtes, obwohl der Nama versicherte, er habe sie von seinen Vorfahren gehört und sei noch nie mit einem Missionar in Berührung gekommen. Und doch war Mofl'at belogen worden; denn er lernte später den Missionar kennen, von dem jener die Sage hatte. Wir brauchen aber nicht immer gleich an christliche Einflüsse zu denken. Ebenso, wie sich nachweislich bei Griechen und Römern orientalischer Gottesdienst mit seinen Mythen und orientalische Wissenschaft Eingang verschafften -- die grossen griechischen Philosophen haben bekanntlich alle weite Reisen in den Orient unter- nommen**) — , e benso, wie sich arabische, spanische und französische Sagenstoffe in die Poesie des deutschen Mittelalters mischten, ebenso müssen wir auch annehmen, dass sich bei anderen Völkern Vorstellungen und Mythen ihrer Nachbarn ver- breiteten. Es ist hierbei noch besonders zu berück sichtigen, dass sich bei vielen kleinen Völkerschaften, wie den Indianerstämmen, die nur als Unterabtheilungen grösserer Einheiten aufzufassen sind, eine Ueberlieferung erhalten haben wird , wenn sie der Urstamm besass. Freilich werden sich dann derartige Einzelberichte im Laufe der Zeit vielfach ändern und oft nur noch wenige gemeinsame Punkte aufweisen. Für die Sintfluthsagen *) Andree, a. a. 0. S 112. **) Auf diesen Einfluss sind die Bekanntschaft Herodots mit dem babylonischen Sintfluthberichf des Berosus und die Kenntniss der Praezessionsperiode zurückzuführen. 368 Naturwissenschaftliche Wochenschrift, Nr. 30. speciell geht dies aus manchen in einzelnen Gebieten immer wiederkehrenden Punkten hervor, wie das Be- festigen des Fahrzeuges an einem Seil etc. Die meisten Flutlisagen berichten überhaupt nur von einer grossen Fluth. Von einer „genaueren Ausmalung der Sintflut! in all ihren Einzelheiten" ist auch bei den Völkern in wärmeren Klimaten keine Rede. Dagegen wissen die Eskimos, die Kamschadalen , Wogulen und die meisten nor- dischen Indianerstänimc nichts von einem mit der Fluth zusammenhängenden sehr langen Winter. Herr H. beruft sich, um den Zusammenhang der Siutfhith mit der Eiszeit zu beweisen, auf die jüngere Edda und die Sage der Montagnais*) (nicht Hundskopf-Indianer), in denen von Eis- und Schneemassen die Rede ist. Wie bereits gesagt, wissen andere, in gleichen oder höheren Breiten wohnende Stämme nichts davon; sie kennen nur eine grosse Wasserflut!]. Warum hat sieh denn bei ihnen die Erinnerung an die Eiszeit nicht er- halten? Ihre Wohnsitze waren ebenso, wie die der von Herrn II. angeführten Völker zur Diluvialzeit vom Inlandeise bedeckt, also unbewohnt. Also auch sie sind erst später ein- gewandert, Warum haben nur die genannten die Erinne- rung bewahrt? Warum besitzen überhaupt nicht alle in hohen Breiten wohnenden Völker eine Fluthsage? Warum haben nur die wenigen ange- führten eine solche mitgebracht? Wunderbar wäre es, wenn die Sintfluth in einer durch die Schmelzwasser des Inlandeises in südlicheren Breiten veranlassten allgemeinen Versumpfung bestand, dass kein Volk von einer solchen spricht, sondern alle nur von einer grossen, plötzlich hereinbrechenden Fluth. Herr H. vermag auf die Frage, woher die grossen Niederschlagsmengen der Sintfluth stammten und wohin sie später kamen, keine Antwort zu geben. Dagegen ist der von ihm vermisste Grund für das Fehlen der Fluth- sage in Egypten nicht allzu schwer zu finden. In einem Lande, in welchem periodische Ueberfluthungen stattfinden, liegt gar keine Veranlassung zu einer derartigen Sage vor. Hier ist das Aus- bleiben einer Uebersehwemmung viel auffallender, wie auch die egyptische Erzählung von den 7 fetten und den 7 mageren Kühen beweist. Herr 11. wirft den Geologen vor. dass sie sich bei Aufstellung von Theorien zu wenig um die vergleichende Sprachforschung kümmern. Nun, ich kann dazu uur sagen, die Ableitung einer 10 OUUjährigen Sint- flut hperiode aus dem „chinesischen" Begriff 10000, dem „Sanskritwort" für Wasser und der V e r e i n i g u n j beider mit dem „tatarischen" Namen Wan macht Herrn Rudolf Falb alle Ehre, sollte aber doch wohl von sonst Niemand für ernst genommen werden**). Schon die verschiedenen widersprechenden Angaben über das Erscheinen des Vogels Phönix hätten Herrn H. daran erinnern können, wie maass- gebend derartige Phantasiegeschöpfe für eine exaete Be- weisführung sind. Wer weiss, was der Phönix ursprüng- lich vorgestellt hat, ehe er in Egypten und bei den übrigen Völkern des Mittelmeeres bekannt wurde? Ein weiterer, echt Falb' sc her Beweis ist es, wenn der chinesische Name des Phönix, hoang, der wohl Eis bedeuten kann (!), neben dem egyp- ti sehen, der mit Ueberfluthung übersetzt werden kann (!), für die Eiszeitperiode benutzt wird. ) Andree, a. a. 0. S. 82. **) Dieser Beweis scheint mir ebenso werthvoll, als wenn Jemand unter Hinzuziehung der Südseeinsulaner, Inder, Babylonier, (■riechen, Hottentotten und Germanen eine Verwandtschaft der Indianer mit den aus Palästina vertriebenen luden herleiten wollte. Hängt etwa der Flussname Hoang-ho mit Eis zusammen oder bedeutet er nur Wasser? Die im Zendavesta oder besser im ßundehesch über- lieferte Sage von dem dreimaligen Erscheinen des Sternes Tistar, der in dreierlei Gestalt regnet, hat nach dem ganzen Inhalt der Sage mit der Sintfluth- oder Eiszeitperiode gar nichts zu thun; es ist nur eine dem persischen Dualismus angepasste Erklärung des Gewitters. (Tistar schwingt „die Blitze als Keule", und es entsteht ein Getöse, „wie wir es noch jetzt im Donner hören", i Herr H. spricht ferner von der 50 000jährigen Cultur der Egypter. Nun, wenn er sich durchaus auf Rudolf Falb berufen will, so mag er mit ihm das Ende der letzten Eiszeit in die Zeit um 4100 v. Chr., den Beginn der vorletzten also in die Zeit um 40 000 v.Chr.*) ver- legen. Herr H. würde nicht nur der Geologie, sondern auch vielen anderen Wissenschaften einen unendlichen Dienst erweisen, wenn er seine gewiss bedeutenden Beweise für den „ante- diluvialen Culturmenschen" veröffentlichte! Es ist in der That nicht ausgeschlossen, dass bereits gegen Ende der paläozoischen Formation die südliche Hemisphäre von einer Eiszeit heimgesucht wurde. Aber sowohl bei den hierfür sprechenden Ablagerungen als auch bei allen ähnlichen vordiluvialen Bildungen ist doch wohl der Ausspruch E. Kaysers**) zu beherzigen: „Wenn man mit Oldhani, Blandford, Waagen, Neumayr iL A. eine glaciale Entstehung der fragliehen Blockablagerungen annimmt, so liegt auch die weitere Annahme nahe, dass es das kältere, damals im Süden unseres Planeten ein- tretende Klima gewesen ist, durch welches die car- bonische Flora allmählich verdrängt und für die Ahnen der mesozoischen Flora Platz geschaffen wurde. Ja, Blandford und Waagen gehen noch einen Schritt weiter und wollen auch den Untergang der marinen paläozoischen Thierwelt mit der gegen das Ende des paläozoischen Zeit- alters auf der südlichen Hemisphäre eingetretenen Kälte- periode in Zusammenhang bringen". „Mau sieht, wie weitgehende Folgerungen an die be- sprochenen geschiebeführenden Ablagerungen der süd- lichen Continente geknüpft werden. Gerade deshalb aber wird man gut thun, noch weitere und all- seitigere Untersuchungen über diesen Gegen- stand abzuwarten, ehe man die glaciale Ent- stehung jener Bildungen als feststehende That- sache betrachtet". Herrn H. erscheint es unlogisch, „dass alle jene Sagen lokalen Ursprungs seien." Indessen hat dies meines Wissens Niemand behauptet. Vielmehr wird behauptet: es giebt über die Sintfluth zahlreiche Local- sagen; viele sind durch Verquickung der christ- lichen Ueberlieferung mit der einheimischen Mythologie entstanden; andere sind von be- nachbarten Völkern in Liedern übernommen worden oder sind, wenn mehrere Völker von einem grösseren Stamme ausgegangen sind, auf einen ursprünglichen Bericht zurückzuführen; schliesslich stellen einige reine, man möchte sagen philosophische Speculationen dar. Hierfür einige Beispiele. Ganz locale Erscheinungen schildern die Sagen der Eskimos auf der Prinz Wales-Halbinsel, der Makah und Washo in Californien, der Maidu im Sacra- mentothale, der Muyscas auf der Hochebene von Cundi- namarca, der Peruaner, der Araukaner, der Tibetaner und der Walliser. Bei allen diesen handelt es sich um See- oder Flussdurchbrüche oder um Erdbebenfluthen. Viele *) Dieser Zeitpunkt ist doch sicher zu weit hinausgeschoben. **) E. Kayser, Lehrbuch der geologischen Formationskunde Stuttgart 1891", S. 169. Nr. 30. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 369 Sagen der Südseeinsulaner lassen sich ebenfalls auf Erd- beben- und Sturmfluthen zurückführen. Christlich beein- flusst sind u. A. die Sagen der siebenbürgischen Zelt- zigeuncr, der Litthauer, die jüngeren indischen, die der Kolhs in Ostindien, der Sac- und Foxindianer, der Ma- kusi in Britisch Guyana und die Sagen der Mexikaner. Von benachbarten Stämmen beeinflusst oder auf einen ur- sprünglichen Bericht zurückzuführen sind beispielsweise die Sagen der zu den Tinne gehörigen nordamerikanischen [ndianerstämme *) und die der zu den Algonquins ge- hörigen Stämme**). Nur auf die Beobachtungen von Ver- steinerungen zurückzuführen, also reine Speeulationen sind die Sagen der Centraleskimos (nach Boas), der Grön- länder (nach Cranz), der Samoaner (nach Turner) und der Gesellschaftsinsulaner, die sich ausdrücklich auf die Fa- rero, die versteinerten Korallen und Muscheln, auf hohen Bergen berufen. Wir können aus dem Gesagten demnach folgende Schlüsse ziehen: *) Montagnais oder Chippewayans, Hundsrippen-, Sklaven-, Hasenfellindianer und Loucheux oder Dindji6. **) Algonquins, ( (dschibwäs, Sac- und Foxindianer. 1. Die weite Verbreitunt;' von Fluthsagen beweisl die Allgemeinheit der Sintfluth durchaus nicht, da solche Sagen z. Tb. locale Ereignisse schildern, z. Th. specu lativer Natur und z. Th. beeinflusst sind, besonders aber deshalb nicht, weil von einer allgemeinen Verbreitung der Fluthsagen keine Rede ist. 2. Die Abhängigkeit der Sintfluth vou der Eiszeil und das gleichzeitige Auftreten beider wird durch nichts bewiesen. 3. Die Annahme, dass die Sintfluth in einer allmäh- lichen allgemeinen Versumpfung der Niederungen in sttd liehen Breiten bestand, widerspricht den Fluthsagen durchaus. 4. Eine 10— 12 000jährige Periode der Eiszeit ist eine durchaus unbewiesene und unbegründete Hypothese. Für eine gleiche Sintfluthperiode sind keine Beweise er- bracht. 5. Bei verschiedenen Völkern finden sich Sagen von grossen Feuersbrünsten. 6. Der angezweifelte Suess'sche Satz ist in seinem vollen Umfange aufrecht zu erhalten. Die Geschichte des Physiologischen Institutes zu Moskau wird in einer kleinen Brochure von Dr. B. N. Popov: „Le laboratoire de physiologic de l'universite imperiale de Moscou" (Moscou 1893) und einer derselben beigefügten, mit vorzüglichen photographischen Abbil- dungen ausgestatteten Abhandlung „Appareils et instru- ments ä l'usage des physiologistes constrnits d 'apres les dessins de M. le professeur Leon Morokhovetz" veröffent- licht, mit der zugleich eine Aufzählung der ausgeführten Arbeiten und im Gebrauch befindlichen Apparate ver- bunden ist. Die Errichtung des Moskauer Physiologischen Insti- tutes datirt aus dem Jahre 1862. Zunächst unter Ein- brodt's Leitung stehend, Hess dasselbe infolge der ge- ringeren peeuniären Mittel noch an litterarischen und experimentellen Leistungen manches zu wünschen übrig. Eine Besserung trat erst allmählich seit dem Jahre 1882 unter Morokhovetz ein. Diesem gelang es dann auch, dem Institut 1893 ein neues, den modernen Anforderungen entsprechendes Heim zu gründen, nachdem er vorher auf einer Studienreise die bedeutendsten physiologischen An- stalten des Continentes besucht und ihre Einrichtungen kennen gelernt hatte. Aus der Schilderung und den Abbildungen der im jetzigen Moskauer Institute gebräuchlichen Methoden und Apparate ist zunächst eine neue Art der Ausführung chemischer Reactionen, die „Tropfenreaction" hervorzuheben. Auf Deckgläschen oder hohlgeschliffenen Objektträgern lässt mau je einen Tropfen der zu untersuchenden Flüssigkeit mit einem Tropfen des Reagens zusammenfliessen. Hier- durch wird Substanz gespahrt und eine genaue Dosirung möglich. - Ferner wird eine Verbesserung des Müller- schen Dialysators in Form des „Filterdialysator" aufge- führt. Um ein Anlegen des Filters an die Glaswand des Trichters zu verhindern und damit eine stete Er- neuerung der Filterflüssigkeit zu ermöglichen, wird der Filter zwischen zwei mit Vorsprüngen versehenen Ringen befestigt und in den Trichter gehängt. Das Wasser läuft von oben durch einen Hahn in den Filter, dann von unten durch eine aufwärts gekrümmte Röhre nach aussen ab. Durch die verstellbare Länge der letz- teren kann das Niveau des Wasserstandes der äusseren Flüssigkeit im Dialysator regulirt werden. Ein Stativ trägt eine Reihe solcher Filterdialysatoren, die nach Be- dürfniss mit einander communiziren können. — Einen kupfernen Trockenofen mit durchströmender Luft zeigt Tafel I, Fig. 9. Seine Borten sind derartig abwechselnd mit den gegenüberstehenden Wänden verbunden, dass der von unten durch einen Asbestfilter eintretende heisse Luft- strom gezwungen wird, nach einander sämmtliche Etagen des Ofens zu durchströmen, bis er oben den Apparat durch ein Rohr verlässt, dessen verstellbare Kappe die Ge- schwindigkeit des Stromes regulirt. — Die gewöhnlichen Quecksilberluftpumpen, die zur Blutentgasung dienen, haben den Fehler, dass der Recipient für das Blut mit der Luftpumpe unzweckmässig verbunden ist. Ein von M. construirter Recipient kann mit der Pumpe in jedem ge- wünschten Augenblick verbunden werden. Auch hat M. eine Doppelluftpumpe mit zwei Recipicnten und eine dritte mit Stiefel angegeben. — Figg. 5 — 7 geben dem Leser die Ansicht eines neuen Verschlusses für photogra- phische Apparate, nutteist dessen die Dauer der Expo- sition von 0,01 bis 2 See. variirt werden kann. — Mit Hülfe eines verbesserten Marey'sehen Tambours hat Verf. plethysmographische Curven erhalten, die alle bisherigen übertreffen. — Ein anderer Apparat beseitigt den Uebel- stand der gebräuchlichen Myographien, dass die Nerv- Muskelpräparate zu rasch austrocknen. Das Inter- essanteste ist aber das Pantoskop, welches zur Vorführung transparenter und nicht transparenter Objekte vor einem grösseren Auditorium dient. Die Objekte werden bis zur Erkennung mikroskopischer Details vergrössert. Es eignen sich zur Demonstration colorirte und einfache Zeichnungen, kleine Thiere, Pflanzen, Münzen, Krystalle u. s. w. Die Beleuchtungsquelle ist elektrisches oder Drummond'sches Kalklicht; unter Umständen genügt schon eine Petroleum- lichtquelle. Schaefer. „Zur Entwickeluiigsgescliiclite der Holostoiniden- giebt M. Braun nach seinen gemeinsam mit A. und 0. Ehrhardt angestellten Versuchen einen Beitrag (Centralblatt für Bact. u. Paras. XV., Nr. 18, und Zool. Anz. XVII., Nr. 446, 1894). Durch Untersuchungen Ercolani's ist zwar die Möglichkeit des Uebergangs einer der als Holostomiden-Larven angesprochenen Tetracotyle Formen in ein Holostomiun sp. /weifellos erwiesen, doch ist es bisher in keinem Fall möglich gewesen, die Eut- 370 Naturwissenschaftliche Wochenschritt. Nr. 30. wickelung irgend einer der zahlreichen Holostomidenlarven (als welche Tetracotyle, Codonocephalus etc. sicher auf- zufassen sind) in eine bestimmte Holostomiden-Art zu verfolgen. Den genannten Forschern ist es nun durch Fütterungs- versuche mehrfach gelungen, die Zusammengehörigkeit einiger Larvenformen mit entwickelten Holostomiden-Arten nachzuweisen und so unsere Kenntniss des Entwickelungs- cyclus dieser Familie der Saugwürmer zu erweitern. Das in Fischaugen (in Leuciscus rutilus und anderen Gypri- noiden) lebende Diplostomum volvens Nordm. geht im Darm von Laras ridibundus und anderer Möven in Hemi- stomuni spathaceum (Rud.) über; dieses Resultat ist um so sicherer, als alle Uebergangsstadien von der Larve bis zum geschlechtsreifen Hemistomum zur Beobachtung gelangten. — Tetracotyle ovata Linst, (im Peritoneum, am Herzen und in der Augenmusculatur des Kaulbarsches eingekapselt) entwickelte sieh im Dann der Lachmöve (Laras ridib.) und der Seeschwalbe (Sterna hirundo) zu Holostomum variegatum (Crepl.) Tetrocotyle colubri Linst., aus Ringelnattern und Kreuzottern bildete sich im Darm von Raubvögeln (Strix alueo und Butco vulgaris) zu Holo- stomum variabile Nitzseh aus. Ferner steht Hemistomum excavatum Nitzseh aus dem Storch wahrscheinlich zu einer im Frosch lebenden Tetracotyle-Form in Beziehung, doch war die letztere noch nicht genau speeiiisch festzustellen. C. Die Bedeutung der „Segmentation des Ruder- schwanzes der Appendicularien" hat 0. Seeliger (Zool. Anzeiger, XVII. Jahrgang, 1894) behandelt. — Die Appcndicularien, auch Copelata genannt, bilden die niedrigste Classe der Tunicaten, jener Gruppe der wirbel- losen Thiere, welche man auf Grund ihrer Entwicklungs- geschichte als die nächsten Verwandten der Wirbelthiere ansieht. Sie haben die Gestalt und Bewegung von Kaul- quappen und schwimmen frei im Meere umher mittelst eines Ruderschwanzes, in dessen Mitte die permanente Chorda dorsalis liegt. Da die beiden Muskelbänder im Ruderschwanze der Appendicularien nach Behandlung mit bestimmten Reageutien jederseits in zehn hintereinander gelegene Abschnitte zerfallen, so hat sich die Auffassung verbreitet, dass diese zehn Platten echte Muskelsegmente darstellen, welche an die Segmente des Amphioxus und der Vertebraten erinnern. Seeliger fand nun neuerdings durch eine Untersuchung von Fritillaria furcata und Oikopleura eophocerea, dass jedes „Muskelsegment" weiter nichts als eine einzige grosse Muskelzelle ist, und dass das ganze Muskelband jeder Seite lediglich aus zehn hintereinander gelegenen flachen Zellen besteht, die mit sehr grossen, netz- oder siebförmigen Kernen ausgestattet sind. Die vermeintlichen „Segmentgreuzen" sind also nur die Grenzen zwischen je zwei Muskelzellen und unterbrechen nicht einmal die Con- tinuität des Fibrillenverlaufes. Auch das Verhalten des Nervensystems wurde für das Vorkommen einer echten Segmentation im Appen- dicularienschwanze als Beweis herangezogen. Seeliger sah aber, dass die Zahl der Ganglien durchaus nicht mit der Zahl der „Muskelsegmente" übereinstimmt und dass auch die Lagebeziehungen zwischen den Ganglien und Muskelzellen durchaus nicht constant sind. Bei Fri- tillaria findet man in einzelnen Zellen zwei Ganglien, in anderen aber gar keins. Bei Oikopleura ist die Verkei- lung der Ganglien auf die Muskelzellen noch variabler. Die Ansichten von Langerhans und Ray Lan- kester, welch' letzterer angab, dass bei Fritillaria der Ruderschwanz aus sieben Segmenten bestände, und dass jedem Muskelsegment ein Ganglion entspräche, sind also nicht mehr haltbar. Wer nun aber ferner noch an einer „echten Segmentation" des Appendiculariensehwanzes fest- halten will, wird sieh mit den Thatsachen abfinden müssen, dass jedes „Muskelsegment" jederseits nur durch eine Muskelzelle dargestellt wird und dass die Zahl und die Vertheilung der Ganglien von jenen „Segmenten" völlig unabhängig und verschieden ist. F. Römer. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es «iirdcn ernannt: der Privatdocent Dr. Walther Wislicenus in Strassburg zum ausserordentlichen Professor der Astronomie; der ausserordentliche Professor der Anatomie Ih\ von Konstanecki in Krakau zum ordentlichen Professor; der ausserordentliche Professor der Hygiene Dr. Hans Buchner in München zum ordentlichen Professor; der Privatdocent Dr. phil. Franz Hillebrandt in Wien zum ausserordentlichen Professor der experimentellen Psychologie; Dr. phil. Lummer zum Professor an der physikalisch - technischen Reichsanstalt; Dr. phil. Eugen Brodhun zum Mitglied der physikalisch - technischen Reichs- anstalt; der Privatdocent Dr. Solereder in München zum Custos am botanischen Institut; der Privatdocent Dr. Hofer in München zum Custos an der zoologischen, zootomischen und vergleichend anatomischen Sammlung; der Privatdocent Dr. Grünling in München zum Custos der mineralogischen Samm- lung; der Privatdocent Dr. Schäfer in München zum Custos der paläontologischen Sammlung; der Privatdocent Dr. med. Emil Burckhardt in Basel zum ausserordentlichen Professor der Chirurgie. Es wurden berufen : der ausserordentliche Professor der Physik Dr. Konrad Dietirici in Breslau als ordentlicher Pro- fessor nach Aachen; der ausserordentliche Professor der Mathe- matik Dr. Georg Hettner in Berlin als ordentlicher Professor an die Technische Hochschule zu Charlottenburg; der Professor der Pathologie Dr. Rein hold in Freiburg i. B. als Chefarzt des neuen städtischen Krankenhauses nach Hannover. Es haben sich habilitirt: Dr. med. Alexander Westphal für Nerven- und Geisteskrankheiten in Berlin; Dr. med. Richard Greef für Augenheilkunde in Berlin; Dr. phil. Friedlieh Förster für anorganische Chemie an der Technischen Hoch- schule zu Charlottenburg; Dr. Stavenhagen für organische. Chemie und Bakterienkunde an der Technischen Hochschule zu Charlottenburg. Es sind gestorben: der ordentliche Professor der Anatomie Dr. Joseph Hyrtl in Wien; Professor Dr. Emil Dreisch von der Landwirtschaftlichen Akademie in Poppeisdorf; der ehe- malige Professor der Chemie an der Technischen Hochschule zu Charlottenburg Dr. Rudolf Weber; Professor Dr. med. Adolf Hannover in Kopenhagen. L i 1 1 e r a t u r. Benjamin Vetter, Die moderne Weltanschauung und der Mensch. Sechs öffentliche Vortrüge. Verlag von Gustav Fischer. Jena 1894. Der Verfasser, Professor der Zoologie am Polytechnicuni in Dresden, hat in diesen sechs Vorträgen, die er kurz vor seinem am 2. Januar 1893 erfolgten Tode gehalten hat, die Summe seines lebenslangen ehrlichen Ringens nach Wahrheit gezogen. Der ausserordentliche Erfolg, welchen die Vorträge bei einem grossen Zuhörerkreise fanden, war eine der letzten Freuden in Vetters entsagungsreichem Dasein. Die Ursache dieses Beifalls ist, wie auch Ernst Haeckel in seiner Vorrede hervorhebt, in der wohl- thuendeu Verbindung von rückhaltloser Wahrheitsliebe mit warmer Begeisterung für das Grosse, Gute und Schöne zu suchen. Nicht durch Compromisse und vorsichtiges Umgehen der Cönsequcnzen, sondern durch überzeugte und überzeugende Darlegung „der be- glückenden Wahrheit unserer heutigen, auf Erfahrung begrün- deten, einheitlichen Weltanschauung'' vermag Vetter optimistischen Idealismus und Naturforschung zu verschmelzen, die. so vielen minder tief Gehenden als unversöhnliche Feinde erscheinen. In den ersten drei Vorträgen, welche der geschichtlichen Entwickelung und dem Inhalt der modernen naturwissenschaft- lichen Weltanschauung gewidmet sind, wird derjenige Natur- forscher, dessen Interesse nicht mit seinem engen Specialfach überhaupt abgeschlossen ist, nicht erwarten können, wesentlich Neues zu rinden; wohl aber kann durch die knappe. Zusammen- fassung Manches auch ihm in klarerem Lichte sich zeigen. Die letzten drei Vorträge, welche die schwierigen Probleme der Ethik, Nr. 30. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 371 Religion uinl Philosophie von dieser Grundlage aus behandeln, können aber auch jedem Naturforscher durch viele lichtvolle neue Gedanken einen grossen Genuss verschaffen. Nacheinander zeigt der Verfasser, wie der Altruismus beim socialen Thiere als Waffe im Kampfe ums Dasein sich entwickeln muss, weil die Aufopferung des Ichs zur Erhaltung der Art nöthig ist; wie aber auf diese Weise sich ein zwiespältiges Sittengesetz entwickeln muss: Mitge- fühl, Hülfe, Aufopferung innerhalb der Familie, in gewissem Grade auch innerhalb des Stammes; aber Kampf in allen Formen der List und Gewalt gegen die übrige Welt, ja auch gegen die Nächst- stehenden, sofern nur dadurch das Gedeihen des Ganzen nicht merkbar beeinträchtigt wird. Sodann bei wachsendem Geistes- leben das Bewusstwerden dieses Zwiespalts und das Streben nach einein festen Maassstab für Gut und Böse, welcher zunächst am einfachsten in Vorschriften übernatürlichen, persönlichen Ursprungs gefunden wird, deren Befolgung Lohn, deren Ueber- tret mg Strafe mit sich bringt. Schliesslich immer weitergebende Ausdehnung der altruistischen Seite der Moral auf weiteste Kreise und Gewinnung immer grösserer Gebiete, auf denen bis dahin Furcht, Aberglaube und Rachsucht geherrscht hatten, für leiden- schaftslose Forschung und auf Wissensgrundlage ruhende Technik. Allerdings verlieren von diesem Standpunkte aus sehr viele noch heutzutage herrschende Anschuungen ihre Berechtigung; allein bei näherem Zusehen erkennt man vielfach, dass auch wirk- lich ihr Zusammenhang mit dem Denken und Handeln der jetzigen Gesellschaft nur ein sehr loser ist, und sie je länger je mehr als Reste aus einer ganz andern Weltanschauung in einer fremden Umgebung sich darstellen. Von interessanten Darlegungen möchten wir noch diejenige über den Einfluss der aufrechten Haltung des Menschen auf die eng zusammenhängende Entwicklung von Hand, Gehirn und Stimmorgan auf Seite 82 — 85 hervorheben. Vom physikalischen Standpunkte aus vermissen wir in dem Buche einen Hinweis auf den Zusammenhang zwischen der Dar- winschen Lehre und der, freilich noch höchst unentwickelten, Lehre von der Stabilität der Vorgänge und Zustände in der an- organischen Natur. Aus der Vereinigung beider dürfte die Natur- philosophie der Zukunft hervorgehen. W. Koppen. 1. Pokorny's Katurgeschichte des Thierreich.es für höhere Lehr- anstalten, bearbeitet von Max Fischer. 23. verbesserte Aufl. Mit 592 Abbildungen. — Preis geb. 2,50 M. 2. Pokorny's Naturgeschichte des Pflanzenreiches für Gym- nasien, Realschulen, höhere Bürgerschulen und verwandte Lehr- anstalten, bearbeitet von Max Fischer. 19. verbesserte Aufl. Mit 405 Abbildungen. — Preis geb. 2,50 M. Ver G. Freytag. Leipzig 1894. Bei Abfassung der Bücher ist nicht nur „auch den preussischen Lehrplänen von 1891" noch weiter Rechnung getragen worden als in den früheren von Fischer besorgten Auflagen. Sie sind zum Schulunterricht empfehlenswerth und zeichnen sich durch gute Abbildungen aus. lag von Victor Hehn, Culturpflanzen und Hausthiere in ihrem Ueber- gang aus Asien nach Griechenland und Italien, sowie in das übrige Europa. Historisch - linguistische Skizzen. 6. Auflage neu herausgegeben von 0. Seh rader. Mit botanischen Bei- trägen von A. Engler. Gebrüder Bornträger (Ed. Eggers), Berlin 1894. „Was ist Europa, als der für sich unfruchtbare Stamm, dem alles vom Orient her eingepfropft und erst dadurch veredelt werden mussteV" Diese Worte des Philosophen Schelling bildeten das Motto des Buches bei Hehn, der aber in dieser Beziehung — wie schon früher in der „Naturw. Wochenschr." (Bd. V, S. 272) an- gedeutet — vielfach zu weit gegangen ist. Wie der Herausgeber in der Vorrede begründet, stand er und Geheimrath Engler einer seit zwei vollen Jahrzehnten in allem Wesentlichen abgeschlossenen Untersuchung gegenüber. Die Botanik beantwortet die Frage nach der Herkunft und Verbreitung der Pflanzen nicht nur jetzt vielfach anders als Hehn, sondern seine Ansichten haben von vornherein bei botanischen Fachmännern bei aller Anerkennung Widerspruch gefunden. Wie Engler bemerkt, fällt die Geschichte der Cultur einer Pflanzenart, insbesondere ihrer Rassen, und die Geschichte der Verbreitung einer Art nicht zusammen. „Würde ein Botaniker seine Kennt- nisse und Erfahrungen mit der Hehn'schen Darstellung verwebt haben, dann würde das Charakteristische derselben erheblich ge- schmälert worden sein." Es erschien ihm daher das Richtige, die Revision des Hehn'schen Textes ausschliesslich dem Linguisten zu überlassen, und als Botaniker in Anmerkungen den nicht botanisch gebildeten Lesein eine kurze LTebersicht über den Standpunkt der naturwissenschaftlichen Kenntniss von der Her- kunft und Verbreitung der behandelten Pflanzenarten zu geben. Engler giebt in der Vorrede eine treffliche Uebersich't der Ge- sichtspunkte, nach denen der Botaniker die Beantwortung der Frage nach der Herkunft der Pflanzen zu gestalten hat, und macht darauf aufmerksam, dass viele der Typen, die Hehn für orientalisch hält, durchaus mediterran sind. Die zahlreichen An- merkungen aus seiner Feder erhöhen für den Botaniker den Werth des Buches ungemein. Auch der Zoologe — der Herausgeber wurde in zoologischen Fragen von Professor A. Nehring unterstützt — kommt zu der Schlussfolgerung, dass manche Arten ein viel höheres Alter in Europa besitzen, als Hehn annahm. Mit ausserordentlichem Geschick hat es Schrader verstanden, die ihm zufallende umfangreiche und schwierige Arbeit zu lösen: er hat das Buch Hehn's so schonend wie möglich behandelt, dabei aher die Errungenschaften der Linguistik gebührend be- rücksichtigt. Es wurde dadurch erreicht, dass der Haupttext völlig unverändert blieb, dagegen in besonderen, den einzelnen Abschnitten angehängton und durch den Druck unterschiedenen Anmerkungen, wie Engler, das Nöthige gesagt wurde. Nur in den Hehn'schen Anmerkungen sind hier und da Streichungen und Ueberarbeitungen vorgenommen worden. Da der Satz, der von den Abbildungen spricht, in meiner Besprechung von Buchenau's Flora von Bremen („Naturw. Wochenschr." S. 335) zu einem Missverständniss Veranlassung gegeben hat, sei derselbe näher ausgeführt. Buchenau giebt an, dass die Abbildungen, die seine Flora bietet, entstammen: 1. aus Kraepelin's Excursionsflora, 2. Callitrische-Früchte aus Hegelmeier's Monographie und 3. eine Anzahl von Cruciferen- und Umbelliteren - Früchten aus Karsten's Abbildungen zur deutschen Flora. Es könnte danach scheinen , als ob , abgesehen von den Callitrische-, Cruciferen- und Umbelliferen-Früchten, die übrigen Abbildungen alle aus Kraepelin's Flora stammen. Nun giebt Buchenau an, dass er diesem Werk 30 Holzschnitte entlehnt habe; es bleiben noch eine ganze Anzahl, nämlich die Habitus Abbildungen, übrig, für die B. keine Quelle angiebt. Diese ent- stammen aus dem in meiner Besprechung angegebenen englischen Werke. P. Zeitschrift für Naturwissenschaften. Herausgegeben von Dr. G. Brandes. G6. Bd. (5. Folge, 4. Bd. 3.-6 Heft). C. E. M. Pfeffer. Leipzig 1S93-1894. - Preis ä Heft 2 Mk. Durch das Erscheinen von Heft 3 — 6 ist der Band 66 abge- schlossen. Von den Original-Mittheilungen erwähnen wir: K. E. F. Schmidt, 1. Ueber Blitzschläge und Gewitterbewegungen, 2. Bedeutung der Faraday 'sehen Kraftlinien; E. Schulze, Faunae saxonicae mammalia enumerat; Veckenstedt, Das wilde, heilige und Gebrauchsfeuer; Alt, Ueber das sogenannte Gedankenlesen; Brandes, 1. Saisondimorphismus bei Schmetterlingen, 2. Brut- pflege der Fische; II. Brdmann, Neuere Entwickelung der pharmazeutischen Chemie; K. Knauthe, Ichthyologische Notizen ; 0. Schineil, Höhlenfauna des Karstes. Ausserdem finden sich in den Heften 1. eine Rundschau, 2. Refe rate aus der sächsisch - thüringischen Litteratur und 3. Bücher- Besprechungen aus der „allgemeinen Litteratur." Die Biber an ihr mittleren Elbe. Dessau. Wilh., Ortsnamen der Provinz Branden Friedrich, Dr. H., - 2 M. Hammer, Oberlehr. Dr. bürg, Berlin. — 1 M. Kerckhoff, Dr. Paul, Reiseerinnerungen aus Sicilien. Berlin. - 1 M Koenen, A. v., Das norddeutsche Unter-Oligocän und seine Möllns ken-Fauna. 6. Lieferung. Berlin. — 12 M. Kohl, Prof. Dr. F. G., Die Mechanik der Reizkrümmungen. Marburg. — 4,50 M. Maydell, Baron Gerh., Reisen und Forschungen im Jakutskischen Gebiet Ostsibiriens in den Jahren 1861 — 1871 1. Theil. Le — 19 M •ipzig. We Inhalt: E. Zimmermann merkungen zu R. 11 „Zur Entwiekelungsgeschichte der Holostomiden". — Die Bedeutung de larien". - Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur. — Benjamin V — Pokon eiteres über angezweifelte Versteinerungen (Spirophyton und Chondritcs). - <1. Maas, Einige Bi „Zur Sinthfluth- und Eiszeit-Frage". Die Geschichte des Physiologischen In.-titutes zu Moskau. „Segmentation dos Ruderschwanzes der Appendicu- tter, Die moderne Weltanschauung und der Mensch, irny s Naturgeschichte des Tierreiches. — Pokorny's pflanzen und Hausthiere. — Buchenau's Flora von Bremen. - Naturgeschichte des Pflanzenreiches. — Victor Helm, Zeitschrift für Naturwissenschaften. — Liste. Cultur 372 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 30. katent- u. techn. Bureau Fritz Schmidt BERLIN N., Chaussee-Str. 2a. Mit Register über ca. 5000 Artikel. Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Soeben erschien : Japaner und Altaier. Von Heinrich Winkler. 24 Seilen gr. 8". Preis 1 Mark. 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Apotheken, Drogen-Geschäften u. s. w. m S Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Berlin N. 4., Invalidenstr. 44, für den Inseratentheil : Hugo Bernstein in Berlin. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: ~f Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. IX. Band. Sonntag, den 5. August 1894. Nr. öl. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrapreis ist JL 4.— Bringegeld bei der Post lö 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. 1f Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 J>. Grössere Aufträge ent- d& sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme JL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Ueber Condensation kosmischer Körper. Von Prof. Dr. E. Reyer. Seit Heimholt/, und Thomson wird der Condensatioiis forgang in exacter Weise behandelt, doeh ergeben die Rechnungen bezüglich die Abkühlungsdauer der Sonne Werthe, welche mit den geologischen Thatsachen in Widerspruch stellen und zu einer Kritik der Prämissen auffordern. Zunächst ist das Mischungsverhältniss der Elemente bedeutungsvoll. Ein gasförmiger Eisenball wird sich (bei gleicher Masse) rascher abkühlen, als ein aus H2 -|- Ö gemischter Ball, indem im ersten Falle nur Condensation und Erstarrung, in letzterem aber auch eine chemische Verbindung sich vollzieht, wobei ein bedeutender Wärmc- vorrath disponibel wird. Abgesehen hiervon ist aber der Wärmevorrath im Wasserball bei gleicher Masse und bei gleicher Temperatur etwa 10 mal so gross als jener im Eisenball. Ferner ist bei gegebenem Mengenverhältniss der Elemente deren Anordnung von Wichtigkeit. Man nahm ursprünglich an, die Gase hätten das Pestreben, sich gleichmässig zu mischen, während die Diffusion offenbar eine begrenzte ist, und es tritt, wie die Anordnung der Gase auf der Sonne zeigt, eine Lagerung nach dem Atomgewicht ein. Diese Sonderung ist für den (ianjr der Abkühlung jedes Weltkörpers, sowie eines ganzen Systems wichtig. 1. Die Elemente von hohem Atomgewicht und niederer speeifischer Wärme beherrschen die Tiefe, wäh- rend die Elemente von geringem Atomgewicht und hoher speeifischer Wärme die Hülle bilden. 2. Der metallische Kern verflüssigt sich und erstarrt leicht, während die Substanzen von niederem Atomgewicht, welche in der Hülle gesammelt sind, grossentheils ans sogenannten permanenten Gasen bestehen und folglich lange Zeit eine schützende Atmosphäre bilden. Je mäch- tiger diese Hülle ist, desto grösser ist bei übrigens deichen Verhältnissen der Wärrnevorrath und desto langsamer voll- zieht sich die Abkühlung. 3. Diese Verhältnisse sind insbesondere wichtig für die relative Abkühlung der einzelnen Theile eines Planeten- systems. Da die Elemente von hohem Atomgewicht in centripetaler Richtung zur Herrschaft kommen, während die Stoffe von niederem Atomgewicht die Peripherie be- herrschen, besitzt bei gleicher Masse und Temperatur ein entfernter Planet einen viel grösseren Wärrnevorrath, als ein der Sonne naher Planet. Die fernen Planeten müssen eine mächtige Atmosphäre haben, während die nahen Planeten eine unbedeutende Atmosphäre aufweisen. Wir haben bezüglich der Abkühlungsdauer der Sonne zu beachten, dass nicht nur diese internen Verhältnisse den Gang der Abkühlung bestimmen, sondern dass auch externe Ursachen, insbesondere der Sturz meteorischer Massen, die thermische Energie mitbedingen. Endlich liegt den Berechnungen über die Abkühlungs- dauer die Voraussetzung zu Grunde, dass der Abkühlungs- vorgang von einem Strömungsausgleieh zwischen den centralen und peripherischen Theilen begleitet sei, was bei kleinen homogenen (lasmassen gewiss zutrifft, während es für grosse Weltkörper nicht gelten dürfte. Nehmen wir zunächst einen kosmischen Körper an, welcher aus flüssigen Substanzen besieht, welche nach dem speeiflschen Gewicht angeordnet sind, etwa einen Eisenkern mit einer Silicatschale. In diesem Falle werden nicht Strömungen vom Centrum bis zur Peripherie des Balles reichen, sondern es vollziehen sich gesonderte Strömungen im Kern und in der Schale. Da nun aber die Strömungen bedingt wurden durch die Viscosität und durch die Temperaturdifferenz, so folgt, dass die Strömungen in den übereinander folgenden Zonen einen wechselnden 374 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 31. Charakter haben müssen. In tieferen Schichten wird die Viscosität dem Druck entsprechend zunehmen; da aber überdies die Temperaturzunahme gegen das Centrum für gleiche Radialstrecken immer geringer wird (die ther- mischen Tiefenstufen wachsen), folgt, dass eine Grenze erreicht wird, bei welcher die geringe Temperaturdifferenz in verticaler Richtung nicht mehr genügt, um die Viscosität zu überwinden. Die Strömungen werden nur in den äusseren Zonen lebhaft sein und in der Tiefe aufhören. Der betreffende Weltkörper verhält sieh so, als ob er aus einem starren Kern bestände, welcher von einer Schale umgeben ist, innerhalb deren sich Strömungen vollziehen. Während die Wärmeabgabe der Schale namhaft ist, verliert der liquide Kern die Wärme so langsam, als ob er starr wäre, indem er nur durch Leitung seinen Wärmcvorrath abgeben kann. Dieselbe Betrachtung gilt für einen gasförmigen Ball, welcher aus Schalen von verschiedenem Atomgewicht besteht. Die thermische Energie wird aus den tiefen Theilen nicht durch Strömung, sondern im wesentlichen nur durch Leitung, mithin sehr langsam der Peripherie übermittelt. Besteht diese Ableitung zu Recht, so sind die üblichen theoretischen Ableitungen über den Abkühlungsvorgang gasförmiger Weltkörper zu modifieiren; die Abkühlungs- periode eines Körpers gleich der Sonne, mithin die Dauer der paläontologischen Aera, ist viel länger, als gemeiniglich angenommen wird. Kruste, Magma und Gaskern erstarrender W c 1 1 k ö r p e r. Die Zone, in welcher die Erstarrung eines gas- förmigen Weltkörpers beginnt, wird eine verschiedene Lage haben je nach den Mischungsverhältnissen und je nach der durch die Masse des Körpers bedingten Ballungs- temperatur. Wir setzen einen einfachen Fall: Der Kern eines kleinen Weltkörpers bestehe aus Eisen, darüber lagere eine Hülle sogenannter permanenter Gase. In diesem Falle beginnt die Condcnsation im Gebiete des Kernes, wenn die Temperatur unter den kritischen Punkt des Eisens gesunken ist; die Hülle condensirt sich erst in einem weit vorgeschrittenen Stadium der Abkühlung. Sollte jedoch durch Strömungen oder durch chemische Vorgänge in der Tiefe Eisengas in die peripherischen Gebiete getrieben werden, so kann hier allerdings Er- starrung eintreten, lange bevor der Kern so weit abge- kühlt ist, dass er in den starren Zustand übergehen kann. Während in den tiefen Zonen der Sonne eine so hohe Gluth herrscht, dass Condensationen unmöglich sind, können tiefe Partien (Eisengas u. s. f.), welche durch Eruption in das Gebiet der Corona geschleudert werden, daselbst partiell condensirt werden oder wohl auch zur Erstarrung gelangen.*) Hat ein Weltkörper von obiger Mischung eine grosse Masse, mithin eine hohe Ballungstemperatur, so kann die Condcnsation nicht im Kern, sondern sie wird in der Schale des Eisenkernes beginnen, sobald die Tempe- ratur in diesem Gebiete tief genug gesunken ist; der Kern bleibt gasförmig. Ueber der Kruste aber folgt die Atmosphäre. Die Erde repräsentirt diesen Typus; *) Da die Eruptionsgase sehr verdünnt sind, werden die condensirten Partikel minimal sein; ihre Oberfläche aber ist im Verhältnis« zum Volumen s-ehv gross. Da ferner wahrscheinlich bei Explosionen ein Theil der Energie in Klektrieität umgesetzt wird, begreift es sich, dass diese minutiösen Partikel trotz ihres hohen npeeifischen Gewichtes durch die elektrische Repulsion in der Region der Corona lange suspendirt erhalten werden. denn die Temperatur des Kernes liegt höher, als der kritische Punkt des Eisens, aus welchem Stoffe wahr- scheinlich die Hauptmasse der Erde besteht. Unterhalb der Kruste folgt ernptionsfähiges, durch den Druck verfestigtes Magma, welches sich partiell ver- flüssigt, sobald der Druck in Folge einer Ruptur in der Kruste vermindert wird. Unterhalb dieser Zone gelangen wir in Regionen, in welchen die Temperatur so hoch liegt, dass die Substanzen trotz des hohen Druckes nur als Gase bestehen können. Man könnte einwenden, dass der Kohlenstoff, welcher unschmelzbar ist, immerhin in diesen tiefen Regionen als starrer Körper existiren könnte; die Thatsache aber, dass 0 und H im Magma gegenwärtig sind, ferner das Auf treten von Kohlensäure und Kohlenwasserstoff im Gefolge von Eruptionen, endlieh der Kohlenwasserstoffgehalt der Meteoriten machen es wahrscheinlich, dass auch diese Substanz ganz oder theilweise in Verbindung mit II oder () in grossen Tiefen im gasförmigen Zustande existire. Die Gase müssen, dem hohen Druck entsprechend, im Gebiete des Kernes sehr dicht sein; ihr Volumen niuss dem Minimal- oder Molekularvolumen nahe kommen, so dass thatsächlieh die Erdkruste über einem Gaskern, welcher bedeutend dichter ist, als die Silicatkruste, schweben mag, wie schon Franklin sich vorstellte.*) Deformirenden Kräften gegenüber werden so dichte Gase sich etwa so verhalten, wie starre Substanzen; die Annahme bezüglich der Rigidität unseres Planeten wird durch die neue Erkenntniss nicht wesentlich alterirt. Die gegenwärtige Vorstellung über die Constitution eines Körpers gleich der Erde ergiebt das folgende Bild: Ueber dem pseudorigiden Kern, welcher im wesentlichen aus Eisengas bestehen mag, folgt die starre eruptions- fällige Zone (Magma), darüber die Kruste. Die drei Zonen sind mit einander durch Uebergänge verbunden. Die Dicke der Erdkruste wird verschieden ab- geschätzt **), je nach der Annahme über den Schmelz- punkt des Magmas. Diesbezüglich ist zu beachten, dass 1. die Temperatur nicht so hoch sein muss, dass alle Bestandtheile sich verflüssigen — es genügt die Ver- flüssigung des Theiles, welcher am leichtesten schmilzt; 2. dass die Temperatur, bei welcher die Silicate in der Ofengluth schmelzen, nicht maassgebend ist, weil be- kanntlich Laven in der Natur oft bei relativ niederer Temperatur (dunkler Rothgluth) noch plastisch sind, wäh- rend sie im Ofen allerdings erst bei hoher Weissgluth schmelzen. Die Gegenwart einer geringen Menge Wassers setzt eben den Schmelzpunkt der Silicate herab, wie ja auch der Schmelzpunkt der Salze durch dasselbe Moment wesentlich erniedrigt wird. Während die Laven im ( ifen weit über 1000° erhitzt werden müssen, bis sie erweichen, ist das gluthfeuchte Magma unter Umständen schon bei 700° plastisch. Dazu kommt, dass in Folge einer Ruptur der Erd- kruste bedeutende Tensionsdifferenzen in der Tiefe erregt werden, und dass hierdurch Temperatursteige- rungen von mehreren 100° verursacht werden können. Demnach ist es durchaus nicht unwahrscheinlich, dass im gegebenen Falle schon in 20 km Tiefe, bei einer Tempe- ratur von 500° in Folge einer tiefgreifenden Ruptur eine Deformationswärme Platz greifen mag, welche genügt, die starren Massen eruptionsfähig zu machen.***) *) Reyer, Physik der Eruptionen 1877 S. 192; S.Günther, Geophysik, über den gasförmigen Zustand des Erdkernes. **) 40 bis über 100 km. ***) Die Thatsache, dass auch weissgluhende. leichtflüssige Laven zur Eruption gelangen, steht nicht im Willerspruch mit dieser Ausführung: sie erklärt sich aus der verschiedenen Schnelligkeit der Rupturbildung und aus der Concurrenz der Schlieren. Nr. 31. N atur wissenschaftliche Wochenschrift. 375 Die Laven mögen also in manchen Fällen aus ge- ringer Tiefe stammen, woraus jedoch nicht folgt, dass wir der „Erdkruste" nur eine Mächtigkeit von ca. 20 km zuschreiben. Thatsächlich sind die Massen, welche unter- hall» der Kruste folgen, ebenso starr wie die Kruste selbst, mit welcher sie eine Einheit bilden. Innerhalb der starren Magmazone wird aber in Folge der Ruptur, den herrschenden Verhältnissen entsprechend, bald in geringer, bald in grösserer Tiefe locale Erweichung ein- treten, welche zur Injeetion bezw. Eruption führt. 1 »ie gasförmige Beschaffenheit des pseudorigiden Kernes berührt diese Frage nicht, weil diese Zone tief unterhalb der magmatischen Zone folgt; wohl aber ist die gasförmige Beschaffenheit des Kernes bedeutungsvoll für den Gang der Contraction. Die Lage der Moleküle mag unter dem hohen Druck im pseudorigiden Kern sehr gedrängt sein; sie kann aber doch nicht so knapp sein, wie in einem faktisch starren Körper, welcher unter dem gleichen Druck steht. Der gasförmige Kern muss immerhin in Folge von Temperatur- verlust eine namhafte Contraction erleiden, und wir werden der Contractionshypothese neuerdings ein grösseres Ge- wicht beimessen, als ihr seitens der Rigidisten eingeräumt wurde. Der Gaskern und explosive Processe. Associationen in der Tiefe eines Gasballes können Pulsationen oder Eruptionen veranlassen; bedeutendere Störungen des Gleichgewichtes im gasförmigen Kern können bewirkt werden durch Annäherung bezw. Colli- sion mit anderen kosmischen Massen. Ich bespreche hier nur den Fall der Annäherung. ( Klinkerfues und AVilsing heben hervor, dass die hier- durch bedingte Deformation und Druckvariation Gas- ausbrüche zur Folge haben können, und vertreten die Ansicht, dass das Aufleuchten in gewissen Fällen auf diese Versuche zurückzuführen sei. Die Frage gewinnt ein besonderes Interesse, wenn man das Stadium der beginnenden Krustenbildung (mit Gaskern) ins Auge fasst. Wenn sich einem derartigen Körper eine andere Masse nähert, tritt Deformation ein, und es mögen Gasausbrüehe eintreten, und zwar voll- zieht sich dies nur einmal, falls die Bahn des störenden Körpers hyperbolisch ist, während der Process rhyth- misch wiederkehrt, wenn der fremde Körper gefesselt wird und eine elliptische Bahn beschreibt. Ist die Masse und Annäherung bedeutend, so kann die Deformation zur völligen Zertrümmerung der Kruste führen. Die Gasmassen nehmen einen der Druckverminderung ent- sprechenden Raum ein; es treten Pulsationen mit wechseln- der Aufhellung und Verdunkelung ein, und die Trümmer der Kruste beschreiben innerhalb dieses pulsirenden Balles elliptische Bahnen. War die Masse des gestörten Gestirnes klein im Ver- hältniss zur Explosionsenergie, so kann eine partielle Ent- fremdung der Substanz eintreten; die Trümmer emaneipiren sich und werden centrifugal nach verschiedenen Richtungen in den Weltraum abgeschleudert. Dass explosive Processe im Kosmos eine Rolle spielen, ersieht man, wie Tester mak gezeigt hat, aus der petro- graphischen Struktur vieler Meteoriten, welche wir dem- nach deuten werden, entweder a) als vulkanische Ejecte kleiner Weltkörper, bei welchen die Gravitation überboten wurde durch die Ex- plosionsgeschwindigkeit; b) als Trümmer eines explodirten Weltkörpers. Die Planetoiden mögen in letzterer Weise ent- standen sein; — die Thatsache, dass deren Bahnen nicht einen gemeinsamen Kreuzungspunkt haben, erklärt sich wohl, wenn man annimmt, dass die Explosion durch An- näherung einer störenden Masse eingeleitet worden sei. Ueber Pfeilgifte. Von Stabsarzt Dr. Matz. Noch nicht zwei Deccnnien sind es her, dass gelegentlich der Untersuchung eines von Livingstone im Jahre 1868 aus dem Sambesigebiet Afrikas mit- gebrachten Pfeilgiftes der moderne Arzneischatz eine der werthvollsten Bereicherungen erhielt in dem Strophantus. Wusste man doch längst, dass die Pfeilgifte sehr wirk- same Stoffe enthalten, welche eventl. für die praktische Medicin nutzbar zu machen seien. Genaue Angaben darüber sind leider nicht immer mit Leichtigkeit zu er- halten, weil die Pfeilgifte oft nur von besonders Ein- geweihten, bisweilen von Medicinmännern, im Geheimen dargestellt werden, und auch die Herkunft geheim ge- halten wird. Um so dankbarer müssen wir daher sein, wenn es Reisenden gelingt, Näheres darüber in Er- fahrung zu bringen. So verdanken wir in neuerer Zeit Schinz , Stuhlmann und anderen Forschern werthvolle Angaben über Pfeilgifte. Botaniker, Chemiker und Phar- makologen haben sich bemüht, die genauere Zusam- mensetzung, Wirkung und Abstammung dieser Gifte näher zu studiren, ohne dass dies jedoch, bei dem Mangel bis- weilen jeder näheren Angaben und bei der geringenMenge der mitgebrachten Giftmenge, oft nur des an den Pfeilen haftenden, in allen Fällen gelungen wäre. Werthvolle Aufschlüsse verdanken wir neuerdings wieder L. Lewin, welcher sich schon seit Jahren mit diesem Gegenstand beschäftigt hat.*) Da aber noch Manches im Dunklen liegt, so wäre es äusserst wünschenswert!», wenn Reisende ihr Interesse dieser Frage ernstlich zuwendeten, damit dasjenige vom Untergange gerettet werde, was noch etwa zu retten ist. Denn wie lange wird es dauern bei dem heut so schnellen Bekanntwerden der Urvölker mit den Erzeugnissen der europäischen Industrie, bis die modernen Schusswaffen Bogen und Pfeil ganz verdrängt haben? *) Verfasser wollte anfangs nur eine kürzlieh erschienene Arbeit L. Lewin's: ..Die Pfeilgifte. Historische und experimentelle Untersuchungen" (Virchow's Archiv f. pathol. Anatomie etc. 136 Band), in welcher besonders über Untersuchungen ostafrikani- scher Pfeilgifte berichtet wird, referiren. Da aber in dieser Wochenschrift bisher über Pfeilgifte nichts veröffentlicht ist, so wurde das Referat durch eigene Studien wesentlich erweitert. Dr. L Lewin hat sich schon seit einer Reihe von Jahren mit diesem Gegenstand beschäftigt. Dahin gehörige Publicationen aus seiner Feder sind u. A.: ..Beiträge zur Kenntniss einiger Acokanthera- und Carissa-Arten" (Englers bot. Jahrbücher XYII. Band), „Ueber einige Acokanthera-Arten und das Ouaba'in" (Virchow's Archiv 134 Bd.), ,.Ueber das Haya Gift und das Ery- throphlaeVn" (Berl. klin. W. 1888 No. 4, und Virchows Archiv, 111. Bd.) — Einen Vortrag über Pfeilgifte hielt L. Lewin in der anthropologischen Gesellschaft zu Berlin am 19. Mai d. Js. (Referat in Berl. klin. W. 1894 No. 2(i.) — Arbeiten über Pfeilgifte im All- gemeinen besitzen wir von linsemann in der Real Encyclopädie der gesammten Heilkunde 2. Aufl. 22. Bd. mit Nachträgen im 24. u. 25. B. Sonst ist das Material ausserordentlich zerstreut. 37G Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 31. Schon den Alten war es wohl bewusst, dass ein Kampf aussichtsvoller ist, wenn er mit vergifteter Waffe geführt wird, als mit einfachen scharfen Instrumenten. Erinnert sei hier nur an die klassischen Stellen, Homer, Odysee I, 261 ff., wo Odysseus nach Ephyra steuert, „männermordenden Saft zu erkundigen, dass er mit solchem sich die ehernen Pfeile vergiftete" und an die allbekannte Ode des Horaz: „Integer vitae nee venenatis gravida sagittis." Auch die Thatsache war früh erkannt, dass das Fleisch der mit vergifteten Pfeilen erlegten Thiere nicht giftig sei. Die Gallier schnitten indess, nach Gellius, die wunde Stelle meist aus. In Europa waren Giftpfeile, wenn auch wohl nur vereinzelt, bis in das Mittelalter hinein im Gebrauch. Die Einführung der Schusswaffen verdrängten sie mit der Zeit vollkommen. Es würde uns zu weit führen, wollten wir eingehende Betrachtungen über die von den alten Schriftstellern an- gegebenen Stammpflanzen anstellen; genannt werden Aconit, Dorycnium, Helenium, Helleborus, Xenium, auch Oleandersaft. Dass sich der Gebrauch der Giftpfeile übrigens keineswegs bei allen Naturvölkern findet, selbst bei denen, die von der Cultur bisher völlig unberührt geblieben sind, ersehen wir aus Karl von den Steinen's Schilderung der zweiten Schingu - Expedition. Nirgendwo fand er ver- giftete Pfeile. Der Gedanke eines Wurfgiftes war aber auch bei jenen Völkern verbreitet; die Zauberer hatten eine Art theoretischer Giftpfeile, indem sie „mit kräftiger Hexen- kunst vergiftete Zweiglein" heimlich nach ihrem Opfer schleuderten. Es erinnert uns das an den magischen Schuss einiger Indianerstämme in Nord und Südamerika, mit welchem die Medicinniänner Abwesende auf die weitesten Entfernungen hin verwunden und tödten. Ihrer Wirkung nach sind die Pfeilgifte Herzgifte, Krampf erregende, die Athmung lähmende und örtliche Entzündung hervorrufende Gifte. Zu den Herzgiften gehören die Producte von Antiaris toxicaria Leschen, von Strophantus-, Acokanthera- und Erythrophloeum-Arten, das Echuja-Gift der Bergdamaras von Adenium Bochmianum Schinz u. A. Zu den Krampf erregenden Giften das Tieute von Strychnos Tieute Leschen, das Product der Amaryllidee Haemanthus toxi- carius Ait. Die Athmung lähmt das Curare, ferner das Gift verschiedener Aconitum-Arten. Oertliche Entzündungen rufen u. A. die Gifte verschiedener Ranunkel-Arten her- vor, wie man sieh nach L. Lewin leicht an unserem Ranunculus sceleratus L. u. R. acer L. überzeugen kann. Auch das Gift verschiedener Euphorbium-Arten wirkt derartig. Am zweckniässigsten betrachten wir die Pfeilgifte nach den Erdtheilen, aus welchen sie stammen. Asiatische Pfeilgifte. Dieselben sind wohl nicht so mannigfaltig als die afrikanischen. Hauptsächlich sind es drei ausserordentlich starke Gifte, welche uns hier entgegentreten: Tieute oder Upas radja, Antjar und das Bikh-Gift. Tieute, auch Upas radja, das fürstliche Gift — Upas ist der malayische Name für Gift — von den Ja- vanern Tjettek, in Hinterindien Sung-sig genannt, ist be- sonders auf den niederländisch-ostindischen Inseln im Ge- brauch und stammt von der Loganiacee Strychnos Tieute Leschen, einer ungefähr 30 Meter langen, armdicken Schlingpflanze von Java. Nach Blume wird das Gift durch Auskochen der Wurzelrinde zur Syrupconsistenz, unter Zusatz aromatischer Stoffe, bereitet und auf Java in Bambusrohren, auf Borneo in zusammengerollten, mit Cocosfasern umwickelten Palmenblättern aufbewahrt. Der wirksame Bestandteil des Tieute ist Strychnin, wovon es über 60 pCt. enthält, dagegen kein Brucin, das nur in den Samen vorkommt. In Folge des hohen Strychnin- gehaltes ist die Wirkung eine Krampf, selbst Starr- krampf erregende. Es ist zweckmässig, unmittelbar nach einer Verwundung mit Tieute, um die Reflexkrämpfe zu verhindern, den Betreffenden beständig in activer oder passiver Bewegung zu erhalten. Wirksamstes Arznei- mittel dagegen ist das Chloralhydrat. Das Fleisch der getödteten Thiere wird von den Eingeborenen gegessen, nachdem die Theile um die Pfeilspitze herum ausge- schnitten sind. Antjar ist ein ausserordentlich starkes Herzgift von Antiaris toxicaria Leschen, einer Artocapacee, welche auf den Sundainseln, besonders Java, Borneo und Celebes vorkommt. Aus der verletzten Rinde des ungefähr 20 bis 30 m. hohen Baumes fliesst in reichlicher Menge ein Milchsaft, welcher, an der Sonne langsam eingedickt, das Gift liefert. Dasselbe erzeugt auf der Haut grosse Blasen und selbst Geschwüre. Die Eingeborenen setzen dem Milchsaft zur Bereitung des Giftes noch verschiedene Stoffe hinzu; genannt werden gemahlener Pfeffer, Zwiebel- saft, der Saft einer als Njampos bezeichneten Arumart. Wirksamer Bestandtheil des Antjars ist ein dem Digitalis ähnlich wirkendes Glycosid, das Antiarin. Ein auf Bor- neo unter dem Namen Dajaksch vorkommendes Pfeilgift ist ebenso wie das Pfeilgift der Muongs am Barigebirge in Tonkiug Antjar. Neuere Untersuchungen von Doyon mit einem über 30 Jahre alten Antjar von Java haben die schon früher von Th. Huseinann aufgefundene ausser- ordentliche Haltbarkeit desselben bestätigt. Die Annahme, dass das besonders auf Malacca als Ipoh bezeichnete Pfeilgift ausschliesslich von Antiaris toxicaria stamme, ist nach den Mittheilungeu von New- bold, Wray und Holmes nicht mehr haltbar. Vermuthet, aber nicht mit Sicherheit nachgewiesen, wird für das als Ipoh mallaye bezeichnete Pfeilgift die Apocynee Thevetia neriifolia Sussier, jedenfalls auch ein Herzgift. Als Ipoh und Aker Lampong im Herbarium der Pharmaceutical Society bezeichnete Exemplare besitzen weder Früchte noch Blüthen und scheinen nach Holmes der Strychnos Walliehiana nahe zu stehen. Andererseits ist von Stockmann nachgewiesen, dass die beiden auf Strychnos- Arten zurückgeführten Drogen Herzgifte sind und keine Strychninwii kung haben. Reisende, welche sich auf Malacca aufhalten ganzes Interesse zuwenden. Bikh, Bish, auch Visha, wird in Nepal und auf dem Himalaya ein stark wirkendes Pfeilgift genannt, welches von Aconitum-Arten herstammt, besonders von Aconitum ferox Wallich, A. luridum Hook, et Thom. und A. pal- matum Don. Ein mit Bikh verwundeter Elephant soll höchstens nur noch einen Kilometer weit laufen. Das Pfeilgift der Ainos auf Jeso stammt nach neueren Untersuchungen auch bestimmt von Aconitum- Arten, angegeben werden A. ferox Wallich und A. ja- ponicum Thunb. Die jungen Seitenwurzeln werden nach Schreube im Sommer gesammelt und bis zum Herbst im Schatten getrocknet. Sie sollen weicher werden, indem eine Art Gährungsprocess eintritt. Afrikanische Pfeilgifte. Die Kenntniss derselben ist in neuerer Zeit besonders durch die schon erwähnten werthvollen Untersuchungen von L. Lewin sehr gefördert. Das Material lieferte hauptsächlich das Königliche Museum für Völkerkunde zu Berlin, mitgebracht u. A. von Fischer, P. Reichard und besonders von Johann Maria Hildebrandt und Stuhlmann. Die afrikanischen Pfeilgifte stammen zum grossen Theil von Pflanzen aus der Familie der Apocynaccen ; dahin gehören einige Strophantus- Arten, Strophantus hispi- dus De. und Str., Kombe Oliver, ferner Adenium Boehmia- sollten den dortigen Pfeilgiften ihr Nr. 31. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 377 mim Schinz und einige Acokanthera-Arten. Bekannt als Pfeilgift liefernde Pflanzen sind u. A. ferner Euphorbia heptagona L., Euphorbia Candelabrum Tremaux und Euph. venefica Tremaux, sowie Erythrophloeuni guineensc G. Don. Doch kommen, wie wir sehen werden, auch thierische Pfeilgifte vor. Von anderen afrikanischen Pfeil- giften ist sowohl die Abstammung wie das wirksame Prineip und die Wirkung unbekannt, so von dem von Harnier erwähnten Pfeilgift der Mandanins, den Giften der Annagoss u. v. A. In Nordafrika scheinen Pfeilgifte nicht im Gebrauch zu sein. Aus Ostafrika ist seit einigen Decennien ein Pfeilgift der Somali bekannt unter dem einheimischen Namen Wabayo, Wabai. Die Abstammung scheint indess, bei der grossen Ausdehnung des Gebietes, verschieden zu sein. So soll nach Oliver Adeuium Somalense Balf. dazu benutzt werden. Das eigentliche Somali - Pfeilgift stammt indess von dem Wabayo-Baum, wozu verschie- dene Acokanthera-Arten gerechnet werden. Die Mit- theilungen darüber verdankt L. Lewin Schweinfurth. Es sind ungefähr 5 Meter hohe, knorrige Bäume mit leder- artigen immergrünen Blättern, weissen oder rosa Blüthen und violettrothen Früchten. Das Holz ist gelblich, hart, die Wurzel lakritzen- ähnlicb. Folgende Arten kommen in Frage: 1) Ac. Schim- peri (A. De.) B. et Hock, im abyssinischen Hochland von 1800 m an und sonst in Ostafrika heimisch, nach Schimper von den Eingeborenen zum Vergiften von Hyänen ge- braucht. 2) Ac. Deflersii Schweinfurth, aus Erythraea und Yemcn, sowie 3) Ae. Ouabaio Cathelineau aus dem So- maliland. Aus den beiden ersten stellte Lewin ein amorphes Glykosid dar, das Ouabai'n, ein gelbliches, sehr hygro- skopisches Pulver. Dasselbe wirkt auf Schleimhäute tief anästhetisch. Die Anästhesie an der Cornea ist, ähnlich der des Erythrophlaeins, tiefer und anhaltender als beim Cocain, tritt aber später ein als bei diesem. Bei Fröschen mit blossgelegtem Herzen trat nach Injection von 0,0005 bis 0,002 g Ouabai'n Herzstillstand nach 7 —8 Mi- nuten ein. Sensibilität, Motilität und Reflexerregbarkeit sind dabei noch vollkommen erhalten. Nach einer wei- teren halben Stunde erlöschen auch diese Functionen all- mählich. Kaninehen, denen 0,003 — 0,005 g Ouabai'n sub- cutan injicirt war, bekamen nach 2—3 Minuten Lecken und Speicheln, die Thiere legten sich flach auf den Bauch, leichtes Zittern am Kopf trat ein, und nach ca. 30 Mi- nuten wurde die Athmung giemend. Die Athemnoth wächst, Exophthalmus erscheint und unter klonischen Krämpfen erfolgt der Tod. Tauben starben nach 3—5 mg unter Erbrechen und schwerer Dyspnoe in 3 — 10 Minuten. Auch vom Magen aus wirkte das Ouabai'n giftig. Nach Lewin übertrifft die Ouabäingruppe der Herzgifte an Heftigkeit und Schnelligkeit der Wirkung die übrigen herztödtenden Pflanzengifte, Digitalis, Strophantus etc. weit. Ein anderes aus dem wässerigen Auszug des Holzes und der Rinde von Aeokanthera Deflersii "dargestelltes gelblich weisses, pulvcrförmiges Präparat nannte Lewin Carissol. Dasselbe wirkte örtlich nicht anästhetisch. Die Herzthätigkeit blieb bei Fröschen im Gegensatz zum Ouabai'n qualitativ lange unverändert. Die Glieder wurden nach 3 — 5 Stunden gelähmt. Die Herzthätigkeit über- dauerte die Lähmung um mehrere Stunden. Bei einer Taube erfolgte nach subcutaner Injection einer geringen Menge der Tod nach 12 Minuten unter Dyspnoe. Von Aeokanthera Ouabaio erhielt Lewin von Schwein- tuith aus der Hildebrandt'schen Sammlung nur winzige Zweigstückchen im Gesanimtgewicht von 1 g, welche zu einer Abkochung benutzt wurden. Auch diese wirkte stark giftig. Ausser Aeokanthera - Arten untersuchte Lewin die Carissa-Arten edulis und bispinosa, ebenfalls zu den Apocynacecn gehörig. Abkochungen von Holz und Blättern schmeckten weder bitter noch hatten sie Giftwirkung. Acokanthera-Arten werden ferner zur Bereitung von Pfeilgift in Ostafrika mit ziemlicher Sicherheit benutzt: bei den Wataita, östlich von Kilimaudjaro, wahrscheinlich A. Schimperi ; bei den Wakamba, zwischen dem Kenia und Kilimandjaro, wahrscheinlich auch A. Schim- peri; bei den Wanika, Wa Giriama, nordwestlich von Mombassa, den Waschamba, den Massai, Wapare, den Wandorobo zwischen dem Kenia und Victoria Nyansa, nach Hildebrandt wahrscheinlich A. Schiiuperi. Während Lewin mit etwa 15 Jahre altem Wakamba-Gift arbeitete, und aus demselben ein amorphes Präparat darstellte, in dem sich einzelne wenige nadelförmige Krystalle erkennen Hessen, hatte Paschkis*) frisches zur Verfügung, welches von der Expedition des Grafen Teleki stammte. Paschkis stellte daraus eine krystallinische Masse dar, welche er nach dem Stammlande Ukambin nannte. Das Pfcil- gift der Wanyam wesi , südlich vom Victoria Nyansa, stellt keine einheitliche Substanz dar, enthält aber sicher ein örtlich reizendes Prineip und ein glykosidisches Herz- gift. Ein Kaninchen, welches 5 mg subcutan injicirt er- hielt, bekam nach 5 Minuten Athemnoth und starb nach 15 Minuten unter Krämpfen. Die Athmung stand vor dem Herzen still. Das Pfeilgift wird nach Stuhlinann **) von einem kundigen Manne weit vom Dorfe mitten im Walde geheimnissvoll hergestellt. „Er kocht die zer- stampfte Wurzelrinde von „Bungo-bungo" und „Mwclle- mwelle" genannten Bäumen zusammen und tlmt Eidechsen, Schlangenzungen und andere unheimliche Ingredienzien hinein, wie Kaspar in der Wolfsschlucht. Der entstehende Dampf soll sehr schädlich sein. Nach einiger Zeit nimmt er den Topf vom Feuer und lässt das Gift, das nunmehr eine schwarze, breiige Masse bildet, die Nacht hindurch abkühlen, um es später auf das Eisen der Pfeile aufzu- tragen." Ob das Holz von Acok. Schimperi stammte, konnte Stuhlinann nicht erfahren. Er bemerkte dabei, dass alles Pfeilgift, einerlei von welchem Baume es stammt, von den Sswahili „Utshungu", d. h. lütteres, der Baum, „Mtshungu" genannt wird. Das Pfeil gift der Wahoko, eines den Zwergen stammverwandten Volkes südwestlich vom Albert Nyansa, ist. wahrscheinlich ein zusammengesetztes Pfeilgift. Lewin stand zu Versuchen nur eine Lösung zur Verfügung, welche er aus dem Museum für Völkerkunde durch Ein- stellen von 2 Pfeilen in Wasser erhalten hatte. Er er- zielte daraus ein in Alkohol lösliches und ein unlösliches Präparat. Aus dem Löslichen wurde durch Eindampfen eine gelbliche Grundsubstanz mit zu Drusen angeordneten Krystallbündeln gewonnen. Die alkalisehe Masse erregte auf der Zunge ein nachhaltig brennendes, stechendes Ge- fühl. Weiter daraus durch Neutralisation mit Salzsäure und Eintrocknen gewonnene Krystalle wurde Fröschen subcutan beigebracht. Nach 12 Minuten trat Herzstill- stand, bald darauf Lähmung ein. Der in Alkohol unlösliche Antheil löste sich in Wasser zu einer trüben, nicht brennend schmeckenden Flüssigkeit, welche einem Kaninchen subcutan beigebracht wurde. Dasselbe starb nach .'!() Minuten unter KräTiipfen, schwerer Dyspnoe und Exophthalmus. Das Pfeilgift der Lendu, nordwestlich vom Albert Nyansa, ist eine braune, wie Kaffeepulver aussehende, in Wasser wenig lösliche Masse. Bei Kaninchen traten nach Einspritzung verliältnissinässig grosser Mengen nur leichte *) Paschkis. Uobc* ein ostafrikanisches Pfeilgift. Central- hl'ilt für die medic. Wissenschaften. I8Ü2. No. 10 u. 11. **) Stuhlmaun. Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika. S. 88. 378 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 31. fibrilläre Zuckungen der Ruckenmuskulatur und Unregel- mässigkeit der Athmung ein, wovon sich das Thier bald erholte. Nacli Emin Pascha bekam ein von einem Lendu- Pfeil getroffener Soldat furchtbare Schwellung und Eite- rung-. Es dürfte in dieser Gegend schon Eupborbiasaft benutzt werden, welcher nach Schweinfurth bei den Bongo und im Gebiet des blauen Nil zur Anwendung kommt*). Die Bongo, wie überhaupt einige Neger Centralafrikas, benutzen zum Vergiften der Pfeile auch Cayennepfeffer, woraus Schweinfurth**) schliesst, „dass in vielen Theilen Afrikas die Furcht vor Pfeilgift lediglich auf Humbug beruht". Das P l'e i 1 g i f t d e r W a w i r a , westlich vom Albert Ed- ward Nyansa, soll nach Stuhlmann aus einer Wurzelrinde und verschiedenen Blättern hergestellt sein, deren er jedoch trotz mehrfacher Bemühungen nicht habhaft werden konnte. Aus Ameisen, wie Stanley angiebt, soll das Gift, mit dem die Leute sehr geheimnissvoll thun, nicht hergestellt sein. Bei dem Pfeilgift der Wassongora scheint nach Stuhlmann***) der weissliche, an der Luft zu einer kleb- rigen Masse gerinnende Milchsaft einer Ficusart, die von den Wanyamwesi und Kiistenleuten „Mkuyu" genannt wird, als Bindemittel zu dienen. Ueberall sah er die glatte helle Rinde dieses Baumes mit zahlreichen Einschnitten versehen, durch die ihm der Milchsaft abgezapft wurde. Nach Lewin ist sicher ein glykosidisches Herzgift darin vorhanden, er glaubt iudess nicht, dass Acokanthera Schimperi dazu benutzt wird. Daneben muss ein das Athmungsccntrum lähmendes, krampferzeugendes und starke örtliche Gewebs- reizuug verursachendes Gift vorhanden sein. Das Pfeilgift der Monbuttu Zwerge, f) mit welchem die Stanley'sche Expedition zu Emin Pascha unangenehme Bekanntschaft machte, ist durch Stanley's Reisebegleiter, Parke, etwas näher bekaunt geworden. Die damit Verwundeten starben bis auf einen, dessen Wunde sofort ausgesogen wurde, und zwar fast stets unter den Er scheinungen des Tetanus. Fünf Ingredienzien sollen zur Darstellung des Giftes benutzt werden: 1. eine Rinde, von Erythrophloeum Gnineense G. Don., 2. Samen derselben Pflanze, 3. ein grüner Stamm, von Stiychuos Icaja, dessen wirksames Princip, Akazgin, möglicherweise mit Strychnin identisch ist und Tetanus bewirkt, 4. das Blatt von Palisota Barteri Bcnth. und 5. die Liane Combretum grandiflorum Don. Von den beiden letztgenannten Bestandteilen steht nicht fest, dass sie giftige Eigenschaften besitzen. Die drei ersten haben eine gemischte Wirkung auf Herz und Rückenmark. Die Pfcilgifte der nilotischen Stämme werden z. Th., wie schon von den Bongo angegeben, von Euphorbia- Arten gewonnen. Nach Schweinfurth (1. c. S. 329) ist der Saft von Euphorbia Candelabrum Tremaux, von den Bongo „kakoh" genannt, bei weitem nicht so gefährlich als der von Euphorbia venefica Tremaux, „bolloh". Letzterer hat, frisch auf die Haut gebracht, heftige Entzündung zur Folge. Der genannte Autor ist der wohl richtigen Ansieht, dass der Saft, wie man ihn gewöhnlich in den Pfeilspitzen der Bongo wahrnehmen kann, wo er als feste Harzmasse die Stacheln und Widerhaken überdeckt, dem Verwundeten nur geringe Gefahr zu bereiten vermag, da er sich schwer löst und ihm in der Wunde keine Zeit gelassen wird, sich dem Blute mitzutheilen. Die Barineger gebrauchen den Saft von Euphorbia Candelabrum Tremaux, doch wird angenommen, dass dies nur ein Bestandteil ist. Sie sollen den Saft einer Baum- *) Schweiufm'th. Im Herzen von Afrika. I, 328. **) 1. c. I. 278. ***) 1. c. S. 548. "j") Real-Encyclopädie der ges. Heilkunde. 2. AuH. 24. Bd. wurzel „Uiri" mit dem Decoct der Köpfe von giftigen Schlangen versetzen. Die Barumneger wenden Euphorbia venefica Tremaux an. Die Species der Kalika und Tschir ist noch nicht mit Sicherheit festgestellt. Die Sehilluk und Dinkha gebrauchen den Saft eines Baumes, welcher für Asclepias procera Ait. gehalten wurde; doch ist dem widersprochen. Ein angeblich aus Abyssinien in der Nähe von Harrar erlangtes Pfeilgift erhielt Lewin*) vor einigen Jahren aus London unter dem Namen Haya-Gift, welches irrthümlich von Anderen mit der Schlange Haje in Zusammenhang gebracht und als Schlangengift gedeutet wurde Der wahre Sachverhalt ist, dass der Geber des Giftes in London aus Geschäftsinteresse die Herkunft des Giftes nicht hatte mittheilen wollen; später erklärte er dasselbe von einem Mr. Hay aus Aden erhalten zu haben. Lewin wies in demselben Erythrophloein nach, dasselbe Alkaloid, welches in der Sassyrinde, auch N'Cassa ge- nannten Rinde von Erythrophloeum guineense Don., vor- kommt. Besonders die Versuche von Harnack und Na- broeki haben dargethan, dass das Erythrophloein eine digitalisähnliche Wirkung auf das Herz hat, daneben aber auch eine pikrotoxinartige, welche Krampferscheinungen verursacht. Lewin wies eine loeal anästhesirende Wirkung nach; wegen unangenehmer Nebenerscheinungen hat das Mittel jedoch keine weitere Anwendung gefunden. Die Rinde der Stammpflanze wird in Senegambien vom Stamme der Floups, sowie auf den Seychellen zur Bereitung von Pfeilgift und Gottesurtheilen benutzt. In Senegambien, Guinea und Gabun ist, selbst zur Erlegung von Elephanten, unter dem Namen Inee oder Gombi ein Pfeilgift in Gebrauch, mit welchem wahr- scheinlich schon um die Mitte des 15. Jahrhunderts die portugiesischen Seefahrer an der Küste südlich des Cap Verde bekannt wurden, wo da Cunha mit zahlreichen Be- gleitern an der Mündung des Gambia, der in '/2 Stunde tödtlichen Wirkung vergifteter Pfeile erlag. Das Gift wurde 1865 durch die Untersuchung von Pelikan als stark wirkendes Herzgift erkannt, nach Fräser sogar schon 1862 von Sharpey. Es stammt von Strophantus hispidus De., einer strauchartigen Apocynacee, mit ungefähr 30 cm langen Früchten, welche in ihrer lederartigen Hülse un- gefähr 100 — 200 Samen einschliessen. Diese enthalten das eigentlich wirksame Princip. Klinische Anwendung fand die Droge jedoch erst später in Folge Untersuchungen von Fräser, nachdem das von Livingstone aus dem Sambesi-Gebiete mitgebrachte Pfeilgift hinsichtlich seiner physiologischen Wirksamkeit erkannt war. Dasselbe, bei den Mangangah am Sehire, einem nördlichen Nebentiuss des Sambesi, unter dem Namen Kombi oderKombe gebrauchte Gift erwies sich als identisch mit dem westafrikanischen. Die Stamm- pflanze des westafrikanischen Kittes ist Strophantus Kombc Oliv. ( Hiver und Fräser wollen neuerdings Strophantus Kombc nur als Varietät von Str. hispidus betrachten, wo- gegen von anderen Autoren, u. A. von Pax, Einspruch erhoben ist, da beide Arten erhebliche Unterschiede auf- zuweisen haben.**) Möglicherweise dürften von den zahl- reichen in Afrika heimischen Strophantus-Arten noch an- dere bei Bereitung des Giftes in Betracht kommen, be- sonders Strophantus Emini Aschers, et Pax, welche im tropischen Ostafrika mehrfach gesammelt ist. so im Seen- gebiet, in Ugogo und hei Mpwapwa. *) L. Lewin. Ueber das Haya-Gift und das Ei vtliiophlaein. Berl. Klin. Wochenschr. 1888, Nr. 4 u. Virchow's Archiv, 111. Bd., S. 575. **) Dr. Pax, Ueber Strophantus, mit Berücksichtigung der Stammpflanzen des „Seinen Strophanti". Engler's Jahrbücher. 15. Bd., S. 3G2 ff. Nr. 31. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 379 Die Pfeile werden mit den gepulverten Samen von Strophautus ohne besondere Zubereitung-, jedenfalls nur nach Anrühren mit einer klebrigen Flüssigkeit, bestrichen, wie man an den Fragmenten der Haare erkennen kann, welche die Samen überziehen. Das Strophantin ist nach Fräser ein Muskelgift, das in grösseren Gaben Muskelstarre bewirkt, in kleinen Dosen wirkt es allein auf das Herz. Bei den Hottentotten sind nach Schinz („Deutsch- Südwest-Afrika" S. 88) Bogen und Pfeil ein Spielzeug der Jugend geworden: als Waffe haben sie seit der Einfuhr von Gewehren ihre Bedeutung verloren und eher geht der Besitzlose unbewaffnet, als dass er sich durch das Tragen des Bogens mit dem verachteten Buschmann auf eine Stufe stellt. Früher sollen die Pfeile mit den von verschie- denen Arten der Euphorbien, Amaryllidcen, — Halmanthus toxicarius Ait. — etc. gewonnenen Präparaten ver- giftet sein unter Beimischung' von Schlangengift oder des Eingeweidesaftes einer Raupe. Bei den Bergdamara und den Ovambo fand Schinz (1. c. S. 208 u. 285) ein Pfeilgift, welches dem Milchsaft einer buschartigen Apocynacee entstammte. Er benannte die Pflanze, von den Ovambo „echuja" genannt, zu Ehren des Professor Böhm in Leipzig, der die nähere Untersuchung des Giftes vornahm, Adenium Boehmia- num. Schinz hält dieselbe*) für unstreitbar den schönsten Strauch des deutschen südwest-afrikanischen Schutzgebietes, der unzweifelhaft auch bei uns berechtigtes Aufsehen er- regen würde; „die zahlreichen, grossen und rosafarbigen Blüthen inmitten des dichten, üppigen Laubes leuchten dem Wanderer schon auf weithin entgegen." Böhm**) nannte die wirksame Substanz des Giftes Echujin; das- selbe krystallisirt nur aus Aetheralkohol; aus Wasser und Alkohol erhält man es als amorphe gummiähnliche Masse. Seine Zusammensetzung ist (C5Hs02)n, also gleich der des Digitalins; in seinen chemischen Eigenschaften steht es dem OuabaTn und Strophantin aber näher. Böhm macht (1. e. S. 171) auf die Uebereinstimmung resp. Aehnliehkeit der elementaren Zusammensetzung der gluco- siden Herzgifte aufmerksam. Die Buschmänner bedienen sich, wie schon aus dem vorigen Jahrhundert bekannt und durch Schinz be- stätigt ist, eines thierischen Giftes zum Vergiften ihrer Pfeile. Dasselbe entstammt der Larve eines Käfers, welcher, wie schon Livingstone erwähnte, N'gawa genannt wird. Schinz wurde von den Buschleuten ein weit ver- breiteter Halbstrauch als Wirthpflanze der Giftlarve be- zeichnet, welche zwar blattlos war, aber von Volkens mit Hülfe der anatomischen Untersuchung als Commiphora afrikana (Arn.) Engl, erkannt wurde. Beim Ausgraben des Strauches fanden sich auch in der Nähe der Wurzeln einige der von den Eingeborenen so hoch geschätzten Larven. Dr. Fleck, welcher sich mehrere Jahre in Süd- west-Afrika aufhielt, ist in den Besitz erheblicher Quan- titäten des räthselhaften Thiercs gekommen, von welchen Professor Böhm in Leipzig grössere Proben zwecks Unter- suchung des Giftes erhielt. Dieselben stammen aus der Kalahari und wurden von Fleck auf der Rückreise vom Ngami-See gesammelt. Verschiedene Puppen hatten sich auf der Reise weiter entwickelt, so dass die systematische Stellung des Thiercs bekannt geworden ist. Der Koleop- terologe Fairmaire in Paris bestimmte den Käfer und nannte ihn Diamphidia locusta***). Es ist eine neue *) Schinz, Beitrüge zur Kenntniss der Flora von Deutsch- Südwest-Afrika. Verli. des bot. Vereins der Prov. Brandenburg. 30. Jahrg. S. 261. **) Böhm, Ueber das Echujin. Ein Beitrag zur Kenntniss der afrikanischen Pfeilgifte. Archiv f. exper. Pathologie und Phar- makologie. 26. Band. ***) Anmerk. Nach Kolbe vom zoolog. Museum in Berlin ist es Diamphidia simples Peiing. Berl. klin. W. 1894 p. 613. Species. Nach einer vorläufigen Mittheilung von Prof. Böhm (Ueber das Pfeilgift der Kalahari-San. Vorläufige Mittheilungen von Prof. Schinz, mit Beiträgen von Prof. Böhm und Fairmaire. Biologisches Ccntralblatt, 14. Bd., 15. Mai 1894i enthalten die Larven ein Gift aus der Gruppe der Toxalbumine, welches bei Kaltblütern schwach und langsam, bei Säugethieren sehr stark und je nach der Dosis in kürzerer oder längerer Zeit tödtlich wirkt. Nach subcutaner Injeetion der wässrigen Lösung traten Hämoglobinurie, Durchfälle und allgemeine Paralyse auf. Durch Erhitzen der wässrigen Lösung auf 80—100 C. wird die Wirksamkeit des Giftes vollkommen aufge- hoben. Ueberblieken wir die afrikanischen Pfeilgifte noch einmal, so haben höchst wahrscheinlich die grösste Ver- breitung die Herzgifte, mit den wirksamen l'rineipien Strophantin und Ouaba'in, letzteres besonders in der deutsch-ostafrikanischen Interessensphäre. Für Deutsch- Südvvest-Afrika dürfte am meisten das Echujin in Frage kommen. Leider ist die Therapie diesen Herzgiften gegenüber ziemlich machtlos. Am wirksamsten dürfte das sofortige Ausschneiden der Wunde sein. Amerikanische Pfeilgifte. Dieselben beschränken sich auf einige Indianerstämme Südamerikas, besonders in Guyana, Venezuela, Ecuador, Peru und Brasilien. Alle Gifte stimmen darin überein, dass das wichtigste Material zur Bereitung Rinden verschiedener Strychnos-Arten sind, und dass sie alle eine eigentümlich lähmende Wir- k ung auf die peripheren Nervenendigungen haben. Man fasste sie allgemein zusammen unter der Be- zeichnung Curare — Synonyme: Urari, Wurara, Wurali. — Sie unterscheiden sich eigentlich nur durch die ver- schiedenen Arten von Strychnos, aus welchen sie bereitet werden, durch die mannigfaltigen Zusätze, durch die Art der Aufbewahrung und Verpackung. Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts kamen durch spanische Schriftsteller Nachrichten über das süd- amerikanische Pfeilgift nach Europa.*) Ueber die Wir- kung berichteten 1595 Raleygh und 1639 Acuna. Conda- mine beschrieb zuerst die Darstellung; von ihm mit- gebrachte Proben wurden 1744 zu Leyden physiologisch geprüft. Sehr eingehend schildert die Zubereitung des Curare Alexander von Humboldt.**) Er war in der kleinen Missionsniederlassung Esmeralda am oberen Ori- noco, wo am besten am Orinoco das Gift bereitet wird, Zeuge, wie der Giftmeister — amo del Curare — , „der das steife Wesen und den pedantischen Ton hatte, den man früher in Europa den Apothekern zum Vorwurf machte", das Gift durch Einkochen des Materials be- reitete. Das Schlinggewächs, aus dem das Gift bereitet wurde, war der Bejuco de Mavacure. Obgleich die Bejucobündel. welche Humboldt im Hause des Indianers antraf, gar keine Blätter mehr hatten, so war es für ihn doch zweifellos, „dass es dasselbe Gewächs aus der Familie der Strychneen war (Aublets Rouhamon sehr nahe stehend)", welches er früher schon untersuchte. Nach Appun***) ist die Stammpflanze des Bejuco de Mavacure Rouhamon guianense Aublet (= Strychnos guianensis Martins). Der Indianer forderte Humboldt von Zeit zu Zeit auf, die Flüssigkeit zu kosten. „Nach dem mehr oder minder bitteren Geschmack be- *) Flückiger, Gegenwärtiger Stand unserer Kenntniss des Curare. Archiv der Pharmacie. 228. Band, S. 78 ff. Daselbst auch genauere Literaturangabe. **) Alexander von Humboldt's Reise in die Aöquinoctial- Gegenden. In deutscher Bearbeitung von Hauff. Stuttgart 1874. IV, S. 50 ff. ***) Appun, Unter den Tropen. Wanderungen durch Vene- zuela, am Orinoco, durch Britisch Guyana und am Amazonen- Strome 1849-1868. Jona 1871, II. Bd. 'S. 477. 380 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 31. urtheilt man, ob der Saft eingedickt genug ist. Dabei ist keine Gefahr, da das Curare nur dann tödtlich wirkt, wenn es unmittelbar mit dem Blut in Berührung kommt, Weitere Berichte über die Bereitung des Curare verdanken wir u. A. Köppig, Robert Hermann Schomburgk, Castelnan, Crevaux, Appun, Schwacke und Jobert. Flttckiger (1. c.) scheint den trefflichen Bericht von Appun nicht gekannt zu haben. Appun gelang es 18154 bei den Macuschis am Canuku- Gebirge (Britisch Guyana), einem alten Giftmischer, welchen er früher mehrmals ver- geblich ersucht hatte, ihm die zur Fertigung des Urari nöthigen Pflanzen und deren Rinden und Wurzeln zu bringen, und ihm einen hohen Preis dafür gesetzt, das Geheimniss zu entlocken, durch eine Flasche Cachaca — frischer weisser Rum aus Zuckerrohr. — 13 verschiedene Rinden und Wurzeln wurden dazu genommen. Den Haüpt- bestandtheil bildete Strychnos toxifera Rob. Schomburgk., „L'rari-ych" genannt, ferner Str. cogens Bcnth. und Str. Schomburgkii Kl. Von Strychnos toxifera wurde wohl achtmal so viel genommen, als von den beiden anderen Arten. Es wurde u. A. hinzugesetzt die Rinde einer Urostigma-Art, mit einem gelblichen, milchigen Saft, sowie die rothbraune dicke Wurzel eines strauchartigen, arm- dicken Schlingstrauches, welchen Appun für eine Pagamea oder einen Roubamon hielt. Nach ungefähr 24stündigeni Kochen wurde die Masse durch einen Trichter gegossen, der aus einem gewaltigen Blatte der Ravenala gedreht und innen mit dem lockeren schwammartigen Zellgewebe der Frucht von Luffa aegyptiaca zum Durchseihen der Flüssig- keit belegt war. Dem Extract wurde der schleimige Saft aus der mennigrothen Zwiebel von Burmannia bicolor Matt, hinzugefügt, worauf es sofort zu einer gallertartigen Masse gerann. Statt des Saftes der Burmannia wird auch der schleimige Saft der knolligen Wurzel von Cissus quadria- lata Hbldt., B. et Kth. zum Eindicken benutzt. Um die Stärke des Urari zu proben, ritzte der Giftkoch ein Huhn mit einem in das Gift getauchten Pfeilchen, sowie einige Eidechsen. Die Thiere starben nach wenigen Minuten. Nach Appun sollen Salz in die vergiftete Wunde gerieben und innerlich genommen, sowie Zuckerrohrsaft die besten Gegengifte bei Verwundungen mit Urari sein. Das Fleisch durch vergiftete Pfeile erlegter Thiere hat er selbst viel- fach ohne den mindesten Nachtheil gegessen. Ganz anders war die Bereitung, deren Zeugen 1877 Schwacke und Jobert waren, in der Mission Calderoä bei den Tecuna-Indianern am oberen Amazonenstrom, wo er den Namen Solimoes führt. Die Indianer schälten*) die Rinde von Stiychnos Castelnacaua Weddell, zerrieben sie unter Zusatz von Stengeln von Anomospermum grandi- folium Eichler, wickelten die Masse in Blätter der Ubi- pabne (Geonoma) und tauchten sie in heisses Wasser. Am folgenden Tage wurden zugegeben Blätter der Peti- veria alliacea (Phytolaccaceae), Stengel der Dieffenbachia Seguine (Araceae), Wurzeln einer Marcgravia und zweier Piperacecn, darauf wurde der Gesammtauszug eingedampft und in kleinen Schalen im Schatten getrocknet. Das Gift wurde an Fröschen geprüft. Das von Crevaux Ende der 70 er Jahre bis zu seiner L882 erfolgten Ermordung im nördlichen Südamerika ge- sammelte Material sichtete Planchon, und unterscheidet danach 4 Regionen: 1. Gebiet des oberen Amazonas, da- selbst wird Strychnos Castelnaeana Weddell verwendet. 2. Gebiet zwischen dem oberen Orinoco und Rio negro, welches von Humboldt besucht ist, hauptsächliche Be- nutzung von Str. Gubleri G. Planch. 3. Britisch Guyana: Str. toxifera Schomb., Str. Schomburgkii Klotzsch und Str. cogens Benth. 4. Französisch Guyana: Str. Crevanxii G. Planchon. Ueber die australischen Pfeilgifte*) ist noch wenig bekannt, In Neu-Guinea sollen die Pfeile iu ver- wesende Leichen gesteckt werden. Auf den Neu-Hebriden soll Erde mit vegetabilischer Substanz aus sumpfigem Terrain benutzt werden. Das wirksame darin sollen Schizomyceten sein, u. A. der Vibrio septicus und der Tetanusbacillus, doch ist der Tetanusbacillus bakterio- logisch noch nicht nachgewiesen. Wir schliessen mit der Bitte, dass alle Reisenden, welche in Gegenden kommen, wo noch Pfeilgifte in Ge- brauch sind, alles Wissenswertbe darüber in Erfahrung zu bringen suchen und das nöthige Material sorgfältig sammeln. *j Flockiger 1. c. p. SO. **) Real-Encyklopädie dergesammtenHeilkunde. 25. Bd., S .584. Zur Geologie Vorderasiens liefert Houssay unter | dem Titel: „La strueture du sol et son influence sur la vie des habitants" (Annales de Geographie, Jahrg. III, S. 278) einen interessanten Beitrag, auf den wir kurz ein- gehen wollen. Es handelt sich speciell um den geolo- gischen Bau des südlichen Persien, der bisher stets sehr stiefmütterlich behandelt wurde. Unsere ganze Kenntniss dieses Gebietes beruhte bisher lediglich auf einer provi- sorischen Karte, welche W. Kennet Loftus*) im Jahre 1855 entworfen und die, entsprechend den damaligen Verhältnissen, noch recht ungenau war, und einigen kurzen Notizen Tietzes in seinen Arbeiten über Nordpersien. Das Bild nun, welches Houssay auf Grund eigener Unter- suchungen entwirft, ist folgendes. Die Tiefebene von Mesopotamien besteht aus 350 bis 400 m mächtigen, z. Th. salzhaltigen marinen Mer- geln, die stellenweise Süssvvasserablagerungen, wie die Grobkalke von Rani Honnus mit ihrer Süsswasserfauna, einschliesscn. Diese Mergel, welche einerseits direct an den persischen Meerbusen grenzen und sich andererseits bis zu einer Linie über Susa, Almas, Rani Honnus, Baba- han, Daliki verfolgen lassen, enthalten stellenweise, bei ■*) W. Kennet Loftus, On the geology of portions of the Turko-Peisian frontier und of the districts adjoiniug (Quat. journ. of the geol. Soc. of London 1855). Schuster, Rani Honnus und Daliki, zum Theil durch Schwefel und Schwefelwasserstoff geschwärztes Petroleum, dessen Ausbeutung sich indessen nicht lohnt, und Bitumen, welches schon seit den ältesten Zeiten zum kalkfatern der Fahrzeuge benutzt wurde*). Die bisher allgemein verbreitete Ansicht, Mesopotamien sei durch jüngste Allu- vionen gebildet worden, ist grundfalsch; vielmehr stellen die hier auftretenden Mergel die ältesten Gebilde dieses ganzen Theiles von Südpersien dar, denen man das gleiche Alter zuschreiben uiuss, welches nach Tietze die petroleumführenden Schichten von Baku besitzen, also Miocän. In grösserer Entfernung vom Persischen Meerbusen werden diese Schichten noch von 1600 m mächtigen, j jüngeren Ablagerungen überlagert, Zunächst folgen über den Mergeln Konglomerate mit eingelagerten Sandstein- bänken in einer Mächtigkeit von 50 m. Die Flüsse haben aus den Geröllmassen mächtige Schuttkegel gebildet, die sie in mehreren Armen durchfliessen. Die Stadt Disful liegt auf einem aus diesen Konglomeraten gebildeten Hügel, in welchem zahlreiche unterirdische Wohnungen angelegt sind. In Schuster wird — ein Fall, der in Persieu ganz vereinzelt dasteht — der dort in grösserer Mächtigkeit auftretende Sandstein zu Bausteinen ver- *) Vergl. Suess, Antlitz der Erde. I. Bd., S. 3ü— 37. Nr. 31. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 381 wendet, weil ein zu Ziegeln verwendbares Material gänz- lich fehlt. Häufig finden sich in den Konglomeraten Bruch- stücke von Nummulitenkälk, ein Beweis dafür, dass diese Schichten auch in Persien vorhanden, und dass die Konglo- merate jüngeren Alters sind. Weiter nach Süden hin werden die Konglomerate, besonders oberhalb Daliki, durch eine 25 in mächtige Kalkbank ersetzt, die Iloussay für unteres Pliocän ansieht. Der Fuss bis zu einer Höhe von 400 m durch 3 Mergelschichten gebildet, die mit 0,5 — 3 ni Sandsteinbänken wechsel- lagern. Die Mergel enthalten Salz und Gyps, die durch die des Gebirges wird -10 m mächtige mächtigen h n 1 1 m>3 1 cTuictilc e^Unl.'u kalke 3 et hoi< ii m |'n tat .d\Iczq&( SS&tt.ä 6 &v ■ dK&cge£s 3 OH o i u p a K ' l e i 3ia. I k 9 Ö/ta vw f 1 1 c d. 3io h, 1 1 id 10 dbtnA t dtk xqq. ( AtVof-rt t stalt einer 1 m hohen Stufe umgiebt und aus Schalen noch lebender Meeresmollusken besteht, also eine ganz junge Bildung darstellt. Man hat also anzunehmen dass sich ein Miocänmeer von Baku bis Arabien erstreckte, welches auf den Nummulitenkalken eine gleiclnnässige Decke der jetzt petroleumführenden Mergel ablagerte. Im Pliocän lag dann Mesopotamien bereits trocken, und die Konglomerate von DisfuI und Schuster bezeichnen die Westgrenze des Meeres, in welchem zwischen zwei Mergel- bänken der Gyps zur Ablagerung kam. Gegen Ende des Pliocän begann dann das Ostufer des Meeres zu steigen, wie die Mergel bei Käse bau Flüsse ausgelaugt und an einzelnen Stellen wieder ab- gesetzt werden. Durch Ero- sion der weicheren Mergel- schichten erhalten die Fluss- tliäler ein äusserst zerrissenes und wildes Aussehen, ebenso sind die häufiger betretenen Karawanenwege an das Vor- kommen der Sandsteinbänke gebunden. In den oberen Par- tien finden sich in den Mergeln einzelne Gypskrystalle von auffallender Grösse, die den Uebergang zur folgenden For- mation bilden. Diese besteht aus einer etwa 400 m mäch- tigen Gypsbank, die sich höchst wahrscheinlich unter das iranische Hochland fort- setzt. Der Gyps wird viel- fach technisch verwerthet, ist aber vollkommen vegetations- los, so dass die ganze Gegend eine Wüste bildet, in die sich die Wasserläufe tief ein- geschnitten haben. Wie unter dem Gyps, so liegt auch über demselben eine etwa 50 m mächtige, stellenweise roth und grün gefärbte Mergel- schicht, die ebenfalls hier und da grosse Gypskrystalle enthält und durch die Erosion in trockene, vegetationslose Hügel zerlegt ist. Dieser ganze Schichtencomplex wird durch ein mächtiges Lager von compactem Kalk spät plioeänen Alters überdeckt, dessen mächtige Bänke von NW gegen SO streichende Höhen, wie den Zerd-i-Kuh, Kuh-i-Gerra und Kuh-i-Merveck bilden, welche durch tief eingeschnittene Thäler oder weite Ebenen von einander getrennt sind. Diese Niederungen sind völlig bedeckt mit Kalktrümmern, während das Gestein in natürlicher Lagerung nur in den genannten Höhen übrig geblieben ist. In diesem Kalkgebiet ist süsses Wasser reichlich vorhanden, und Nussbäume und grossblättrige Eichen be- decken die Flussthäler und die weniger steilen Gehänge. Am Kotal Bilisan, westlich von Schiras, wird dieser Kalk noch einmal von Mergeln überlagert, „das letzte Zeugniss der einstig Schliesslich sei noch der das östliche Ufer eHa-iporloo c^ITcci ^% Mecresbcdeckung des heutigen Iran.' des zerreibliclien Kalkes gedacht, des Persischen Meerbusens in Ge- und Kinn beweisen, und in dem übrig bleibenden schmalen Meeresarme, der das kauka- sische Gebiet mit dem in- dischen verband, gelangte der compacte Kalk zur Ab- lagerung. Vom Ostufer des Persi- schen Meerbusens an steigt das Land in mehreren stei- len Terrassen, sog. Kotais an, und zwar liegen zwischen Bender Buschehr und Sehiras die Kotais Baberkhane, Mälu, Kamäredj, Dokhtar und Pirisan. Am Strande findet sich zunächst der re- cente Küstenkalk, der bald den bis zu 83 m ansteigenden mioeänen Mergeln weicht. Der Fuss des Kotal Mälu be- steht aus einer Kalkbank, die als Aequivalent der Konglo- merate von Schuster aufzu- fassen ist und von den unteren gypsführeuden Mergeln be- deckt wird. Der Gyps selbst bildet dann den Steilabfall des Kotal Kamäredj, dessen Oberfläche aus den oberen gypsführeuden Mergeln be- steht, während der Kotal Dokhtar ganz aus festem Kalk gebildet wird. Obgleich nun dieser Kalk die oberste Schicht darstellt, liegt der höchste Punkt der Strasse noch über 1000 m höher, und zwar finden wir am Fuss des Kotal Pirisan wieder die oberen gypsführenden Mergel, die von Kalk und endlich den jüngsten, vielleicht post- pliocänen Mergeln überdeckt werden. Wir haben es hier also mit einer Dislocation zu thun, der der Kotal Pirisan und vielleicht auch der etwa 4000 m hohe Kuh-i-Merweck*) ihre Entstehung verdanken. Geht man von Bender Dilem nach Malamir, so trifft man von Rani Hormus au dieselbe regelmässige Schichtfolge, wie von Daliki bis zum Gipfel des Kotal Dokhtar. Aber bereits bei Babahan liegen die petroleumführenden Mergel gegen 500 m über dem Meere. Wir haben es auch hier mit einer Dislocation zu thun, durch welche zwischen Bender Dilem und Zeitun ein sehr fester Kalk blosgelegt wurde, den Iloussay als *) In der Karte ist der Name irrthümlich an einen weiter östlich gelegenen See gesetzt. Der Kuh-i-Merweck liegt südlich des mit 10 bezeichneten Kotal Pirisan. 382 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 31. Nuiumulitenkalk auffasst, der ja, wie die Gerolle des Konglomerates von Schuster beweisen, in dieser Gegend vorhanden sein muss. Auf Grund dieser Beobachtungen stellt Houssay nun folgende Theorie auf über die Ent- stehung der Höhen Zerd-i-Kuh, Kuh-i-Gera u. s. w. Der Gipfel dieser 4000—5000 m hohen Massive besteht aus ge- hobenen luiocänen und pliocänen Ablagerungen, unter denen man Nuiumulitenkalk, Kreide und Jura finden inüsste, also dieselbe Schichtenfolge, wie sie Tietze für den Eiburs annimmt. Für das Vorkommen älterer For- mationen scheint in der That das Auftreten von Kupfer-, Blei- und Zinnerzen am Zerd-i-Kuh zu sprechen. In dem Gebiete des compacten Kalkes hat man noch zahlreiche von NW gegen SO streichende Faltungen und Brüche anzunehmen, durch welch letztere der obere gypshaltige Mergel freigelegt, aber meist durch ein aus Kalktrümmern bestehendes Konglomerat wieder verdeckt wurde. Alle diese Dislocationen fanden in postpliocäner Zeit statt, als vielleicht schon Menschen in jener Gegend lebten. Auch gegenwärtig dauern dieselben noch an, wie die zahl- reichen Erdbeben in diesem Theile Persiens beweisen, so das grosse Erdbeben von Kaschan im November 1893, durch welches 12 000 Menschen ihren Untergang gefunden haben sollen. Auf einigen Spalten kamen auch Eruptiv- massen zum Ausbruch, wie die bereits nicht mehr streng in dieses Gebiet gehörigen Tracbyte des Demavend und die Granulite (?!) von Kohrud, die die spätplioeänen Kalke verworfen und geschwärzt haben. Soweit Houssay. Die Ausfuhrungen Houssays sind neu und gut. Nur schade, dass das Neue nicht gut und das Gute nicht neu ist. Wären nämlich die Beobachtungen über den Bau und das Alter der Schichten richtig, so würde dieser mittlere Theil des vom Zagros- und Kohrud-Gebirges gebildeten vorderasiatischen Gebirgsbogens in directem Gegensatz stehen zu den entsprechenden Bögen der Bal- kanhalbinsel, Kleinasiens und Indiens, in denen ältere Formationen auftreten und der Act der Gebirgsbildung in eine frühere Erdperiode, Anfang und Mitte des Tertiärs, fällt. Dass im Tieflande des Euphrat und des Tigris mioeäne Ablagerungen zu Tage treten und den ganzen Ostrand der Niederung einnehmen, ist richtig; ja, die- selben Bildungen finden sich sogar noch in einigen höher gelegenen Mulden eingefaltet. Das ist aber nicht neu. Dass dagegen in den höheren Theilen des Gebirges _ immer jüngere Bildungen, ja selbst oberstes Pliocän in mariner Entwickelung auftreten, ist grundfalsch. Dem Referenten liegen gerade aus den in Rede stehenden Gebieten, zwischen Yezd, Ispahan, Kaschan, Kum und Teheran, typische Kreide- und Jurabildungen, ja selbst ältere krystalline und eruptive Gesteine vor, wie sie sieh in den übrigen Gebirgsbögen ebenfalls finden. So lassen sich denn auch die „Granulite" von Kohrud erklären, die, wenn sie wirklich spätplioeäne Kalke durchbrochen hätten, wie Houssay behauptet, gänzlich unverständlich wären. Es ist jedoch überhaupt sehr fraglich, ob man es hier wirklich mit Granuliten zu tbun hat, da über den eruptiven Ur- sprung dieser Gesteine in typischer Entwickelung die Acten noch keineswegs geschlossen sind. Die Ueber- lagerung der Schichten, welche Houssay zur Annahme eines jüngeren Alters der oberen Theile veranlasste, ist lediglich auf einen Act der Gebirgsbildung, auf eine grosse, vielleicht mehrfache Ueberschiebuug zurückzuführen. Wir haben demnach für die südpersischen Gebirge keineswegs eine erst nach dem Pliocän eingetretene Bildung anzunehmen, und die Analogie mit den übrigen vorderasiatischen Gebirgsbögen bleibt gewahrt. Auch heute besitzen wir über diese Gebiete kein anderes Bild, als es Loftus und Tietze entworfen haben. Interessant aber bleiben die Untersuchungen Houssays trotzdem. Sie liefern uns einen Beweis, wie durch Beob- achtung der Lagerungsverhältnisse allein leicht ein ganz falsches Bild entstehen kann. G. Maas. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Dr. med. Wilhelm Wagner in Königs- hütte zum Professor; der Privatdocent Dr. Zimmermann in Tübingen zum ausserordentlichen Professor der Botanik; Dr. Wirtz, erster Assistent am elektrotechnischen Institut zu Darmstadt, zum ordentlichen Professor der Elektrotechnik ; der Assistent an der physi- kalisch-technischen Reichsanstalt Dr. Kurlbaum zum technischen Hilfsarbeiter; der Assistent an der physikalisch-technischen Reichs- anstalt Dr. Ebeling zum technischen Hilfsarbeiter; der Assistent an der physikalisch - technischen Reichsanstalt Blaschke zum technischen Hilfsarbeiter; der Assistent an der physikalisch- technischen Reichsanstalt Dr. Lind eck zum technischen Hilfs- arbeiter. Es wurden berufen: der ausserordentliche Professor der Physik Dr. Hermann Ebert in Leipzig als ordentlicher Pro- fessor nach Kiel; der Privatdocent Dr. Eduard Buchner in Kiel für organische und Nahrungsmittelchemie nach Hannover; der Privatdocent Dr. med. et phil. Robert Sommer in Würz- burg als ordentlicher Professor der Irrenheilkunde nach Innsbruck. Es hat sich habilitirt : Dr. Johannes Behrens für Botanik in Karlsruhe. Aus dem Lehramte scheiden : der Geheimrath Professor Dr. med. v. Pettenkofer in München; der Wirkliche Geheime Rath Professor Dr Eduard Zeller in Berlin. Es ist gestorben: Dr. Vincenz Knauer, Bibliothekar des Schottenstifts in Wien. Die Astronomische Gesellschaft hält ihre nächste Versamm- lung vom 10. bis 13. August in Utrecht ab. Der VIII. internationale Congress für Hygiene und Demo- graphie findet vom 1. bis 9. September in Pest statt. — Präsident Graf Stefan Kärolyi; General - Secrctär Professor Dr. C. Müller. — In Verbindung mit dem Congresse findet eine hygi- enische Ausstellung statt, und zwar nicht als Industrie- ausstellung, sondern speciell als Illustrationsausstellung für die auf dem Congresse zu haltenden Vorträge. — Dem deut- schen Comite gehören Charite - Director Spinola und Geheimrath Dr. med. Günther (Dresden) als Vorsitzende und Dr. med. Theodor Weyl und Regierungsrath Dr. med. Rahts als Schriftführer an. Leiter des Ausstellungscomites ist Professor Rubncr, Schriftführer Dr. Weyl. Die Jahresversammlung des Vereins der deutschen Irren- ärzte findet in Dresden am 14. und 15. September statt. Die Jahresversammlung der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft findet am 16. September in Mainz statt. — Vor- sitzender Hofmarschall v. St. Paul; Schriftführer Königl. Garten- Inspector L. Beissner. Die XIX. Versammlung des Deutschen Vereins für öffent- liche Gesundheitspflege findet zu Magdeburg vom 19. bis 22. Sep- tember statt. Die 66. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte findet in Wien vom 24. bis 30. September statt. — Geschäfts- führung Prof. Kerner von Marilaun und Prof. Sigin. Exner. L i 1 1 e r a t u r. Professor Dr. Johannes Ranke, Der Mensch. 2. gänzlich neu- bearbeitete Auflage. II. Bd. Die heutigen und die vor- geschichtlichen Menschenrassen. Mit 748 Abbild., 6 Karten und 9 Farbendrucktafeln. Bibliographisches Institut in Leipzig und Wien 1894. — Preis gebunden 15 M. Der vorliegende 2. Band des trefflichen Werkes behandelt nicht nur in vergleichender Betrachtung den heutigen Menschen in seiner äusseren Gestalt, Färbung und Knochen-Ausbildung, sondern auch die Ur-Rassen in Europa. Dieser letzte, II. Ab- schnitt des Bandes bespricht den Urmenschen des Diluviums, die ältesten Wohnstätten, die menschlichen Knochenreste aus dem Diluvium, die Hauptkälteperioden des vorgeschichtlichen Europa und die Pfahlbauten der Schweiz, sowie die jüngere Steinzeit und die Bronze- und erste Eisenzeit in Nord- und Mitteleuropa auf Nr. 31. Naturwissenschaftliche. Wochenschrift. 383 Seite 393-659. Der I. Abschnitt zerfällt in acht Kapitel: 1. die äussere Gestalt des Menschen und des menschenähnlichen Affen, 2. die Korperproportionen der Menschen, 3. die Körpergrösse und das Körpergewicht, 4. die Farbe der Haut und der Augen, 5. die Haare des Menschen, 6. die Schädellehre, 7. die Gruppirung der heutigen Menschenrassen, 8. Anthropologische Rassenbilder. Der gediegene, inhaltreiche Text und die vorzüglichen Ab- bildungen machen das Werk jedem werthvoll, der überhaupt eine Spur wissenschaftlichen Interesses für das ihm zunächst liegende besitzt. L. Nebel, Die Käfer des Herzogthums Anhalt. Beiträge zu ihrer geographischen Verbreitung. I. Cerambycidae. Rieh. Kahle's Verlag (Hermann Oesterwitz). Dessau 1894. Diese recht sorgfältig ausgearbeitete Abhandlung verdient mehr Berücksichtigung als manche sonstige Verzeichnisse ähn- lichen Charakters. Es sind in dieser Abhandlung die Bockkäfer Anhalts verzeichnet, unter Beifügung biologischer Angaben und Bemerkungen über Fundorte und Vorkommen. Die Zahl der aufgeführten Arten ist eine grosse, und lässt auf eine in dem- selben Maasse reichhaltige Flora des Gebietes schliessen, da die Cerambyciden ausnahmslos auf Pflanzennahrung angewiesen sind, und die allermeisten Arten ihre eigene Nährpflanze haben. Das Verzeichniss weist 101 Arten auf. Dass der Verfasser der Biologie der Coleopteren besondere Beachtung schenkt, geht aus der Schrift zur Genüge hervor. Eigenthümlich ist die nächtliche Lebensweise mancher Arten (■/.. B. Axinopalpus gracilis Kryn., Obrium brunneum F., Exocentrus adsperrus Muls.), während andere das Sonnen- licht bevorzugen (Arten von Clytus, Plagionotus, Leptura, Toxotus, Spondylis, Agapanthia). In der Einleitung sind die Bodenbeschaffenheit und die Vege- tation kurz besprochen und ihre Beziehungen zur Bockkäferfauna hervorgehoben. Die Cerambyciden suchen als Culturflüchter mehr den stillen, vom lärmenden Getriebe fern liegenden Wald auf. Dementsprechend sind die flachen, zu Culturland dienenden, mitt- leren Gebiete Anhalts arm an Arten, während das westliche, zum Unterharz gehörige Gebiet mit mannigfach gegliederter Boden- form, sowie das östliche waldreiche Gebiet reich an Gattungen und Arten sind. Der westliche Theil des Landes bildet die Nordostecke jener Region, die man im thiergeographischen Sinne den südwestlichen Thiergau Deutschlands nennt, während das östliche, reich und wechselvoll bewaldete Anhalt vorherrschend dem südöstlichen germanischen Thiergau angehört. H. J. Kolbe. Dr. J. E. V. Boas, Lector der Zoologie an der Kgl. landw. Hoch- schule Kopenhagen. Lehrbuch der Zoologie Für Studirende und Lehrer. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Mit 427 Abbildungen. Gustav Fischer. Jena 1894. — Preis 10 M. Die 1. Aufl. des Buches, die wir Bd. V S. 210 besprochen haben, ist erst 1890 erschienen; bei seiner Vortrefflichkeit und verhältnissmässigen Billigkeit war eine baldige Neu-Auflage vor- auszusehen. Es ist um 49 Abbildungen vermehrt, andere Figuren sind durch bessere ersetzt worden und es umfasst jetzt 603 Seiten, während die frühere Aufl. 578 Seiten brachte. Verf. hat die neuen Resultate seiner Wissenschaft mit Geschick verwerthet, so dass das Buch in jeder Beziehung zu empfehlen bleibt. Im Uebrigen verweisen wir auf unsere frühere Besprechung. E. Merkel, Molluskenfauna von Schlesien. Herausgegeben mit Unterstützung der Sehlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. I. U. Kerns Verlag (Max Müller). Breslau 1894. — Preis 7 Mk. Die vorliegende Molluskenfauna wird nicht nur — abgesehen davon, da-s der Fachmann, der sich in Deutschland mit Mollusken- kunde beschäftigt, sie überhaupt nicht wird entbehren können — von dem schlesischen Molluskenfreunde mit grossem Vortheil benutzt, werden, sondern ebensowohl von dem der anderen Pro- vinzen. Das Buch bringt Bestimmungstabellen, gute Beschrei- bungen der Arten und namentlich für den Anfänger sehr zweck- mässige Bemerkungen , die auf eventuelle Fehlgriffe in der Bestimmung geschickt aufmerksam machen. Sind auch — wie der Verfasser sagt — Abbildungen keineswegs immer ein Hinde- rungsgrund, falsch zu bestimmen, so ist es doch sehr zu bedauern, dass solche nicht beigegeben sind. Doch ist man dem Verfasser auch so für die Gabe Dank schuldig. Nach einer praktischen Einleitung folgt ein systematisches Verzeichniss der in Schlesien vorkommenden Weichthiere, sodann auf S. 14 — 243 die Besehreibung der Mollusken. Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich mit dem Sammeln, Reinigen, Aufbe wahren und Bestimmen der Weichthiere, und zum Schluss wird ein Rückblick auf die Vergangenheit der Binnenmollusken geboten, Der Original- Artikel des Prof. Dr. v. Martins: ..l>t Helix pomatia in Norddeutschland einheimisch?" ist übrigens nicht, wie der Verfasser S. 88 angiebt, im „Nachrichtsblatt d. I>. Mal.-Ges. 1888 S. 169— 176 ' erschienen, sondern in der „Naturw, Wochonschr." Bd III Nr. 3 vom 14. October ^8, S. 17—19. Offenbar handelt es sich in dem erstgenannten B'atte um einen blossen Abdruck aus der „Naturw. Wochenschr." H. Coupin, preparateur d'histologie zoologiipie ä la Sorbonne. L'Amateur de Coleopteres, guide pour la chasse. la prepara- tion et la eonservation. Avec 217 figures (Bibliotheques des connaissances utilcsi. Librairie J.-B. Bailiiere et fils — Prix 4 Frcs. Dem Anfänger ist das Buch zu empfehlen Verf. triebt zu- nächst Auskünfte über die Ausrüstung und Werkzeuge des Käfer- sammlers, um dann auf die Fundpunkte, die aufzusuchen sind, aufmerksam zu machen, gleichzeitig mit Angabe der dort häufigen und gewöhnlichen Käfer. Auch die Präparation, Aufbewahrung und Ordnung der Käfer findet Berücksichtigung, kurz, ihr An- fänger wird nichts Wesentliches vermissen. W. J. Behrens, Lehrbuch der Allgemeinen Botanik, ö durch- gesehene Aufl ige. Harald Bruhn in Braunschweig 1894. — Preis 3,60 Mk. Die 4- Aurlage des vorliegenden, sorgsam ausgearbeiteten Buches haben wir in Band IX S. 232 besprochen. Wir müssen auf dieses Referat verweisen, da die Neuauflage, wie uns der Vergleich lehrt, kaum Aenderungen zu bringen scheint. Der Titel hiess früher „Methodisches Lehrb. rl. Allg. Bot.", und das Buch war als für höhere Lehranstalten bestimmt bezeichnet. Die Kürzung des Titels ist nur zu billigen. Ihne, E., Beschreibende Naturwissenschaften und Chemie. (Sonderabdr. aus d. Jahresber. über d. höhere Schulwesen, 1893 S. 25-51.) Der vorliegende Bericht aus dem bekannten pädagogischen Jahresbericht behandelt: 1. Allgemeines, 2. Botanik, 3. Zoologie und Anthropologie, 4. Mineralogie und Geologie, 5. Chemie. Dass bei dem kleinen Raum, der den vielen Fächern eingeräumt, ganz entsprechend der geringen Stundenzahl, welche sie noch jetzt im Jahrhundert der Naturwissenschaft selbst in den höheren Schulen einnehmen, von Genauigkeit, d. h. specicllem Eingehen auf ein- zelne Erscheinungen wenig die Rede sein kann, ist selbstverständ- lich. Dennoch ist es erfreulich, dass, nachdem Professor Loew das Referat abgegeben, wieder ein Fachmann zum Referenten er- wählt ist, der selbst auch wissenschaftlich thätig ist. Denn nur zu oft finden wir in methodisch brauchbaren Büchern wissen- schaftlich falsche oder jedenfalls veraltete Ansichten; ich erinnere nur an das veraltete System diu- Säugethiere in dem bekannten und methodisch sehr guten Leitfaden von Vogel, Kienitz-Gerloff und Müllenhoff, an die so oft in Schulbüchern wiederkehrenden falschen Angaben über den Ursprung der Culturpflanzen. Der- artige Fehler sofort zu erkennen, vermag nur jemand, der selbst wissenschaftlich weiter arbeitet. Auf solche Einzelheiten etwas mehr zu achten, möchten wir dem Referenten für die Zukunft im Interesse der Schule rathen, natürlich nur, soweit der Platz dies zulässt. Sonst müssen wir anerkennen, dass die Arbeit durchaus ge- schickt abgefasst ist; sie liest sich sehr gut und giebt trotz der Kürze einen recht klaren Ueberblick über die wichtigsten neuen Erscheinungen. Vielleicht hätten einige Neuauflagen ganz anbe- rücksichtigt bleiben können, wenn auch vielfach wegen der durch die neuen Lehrpläne hervorgerufenen wesentlichen Aenderungen ein kurzes Eingehen darauf \\ iinschenswerth war. Aber daist entschieden „Tadeln leichter als Bessermachen." Aeusserst geschickt ist die Form, in der vielfach mehrere Arbeiten unter einen Gesichtspunkt vereint werden, was allerdings auch wieder unter Umständen zur Vereinigung recht heterogener Werke bezüglich der Güte fülnt, wie der von Bacnitz und Wossidfo. Im ganzen ist aber die zusammenhängende Darstellung statt der in Einzelreferaten für derartige Berichte schon deshalb vorzuziehen, weil sie den Leser weniger ermüdet. Sicher aber wird kein Fachgenosse diese Arbeit ohne Befriedigung bei Seite lesen, und wir wollen dem Berichterstatter nur wünschen, dass ihm in Zukunft mehr Raum gewährt werde, um sich weiter über Einzelheiten zu verbreiten. F. Hock. Inhalt: Prof. Dr. E. Reyer, Ueber Condensation kosmischer Körper. — Dr. Matz, Lieber Pfeilgifte. — Zur Geologie Vorder- asiens. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur. — Professor Dr. Johannes Ranke, Der Mensch. — L. Nebel, Die Käfer des Herzogthums Anhalt. — Dr. J. E. V. Boas, Lehrbuch der Zoologie. — E. Merkel, Molluskenfauna von Schlesien. — H. Coupin, L'Amateur de Coleopteres. — W. J. Behrens, Lehrbuch der Allgemeinen Botanik. — E Ihne. Beschreibende Naturwissenschaften und Chemie. 384 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 31. Zur Anschaffung für Schulfonds empfohlen Im Verlage der Osiander'schen Buchhandlung iu Tübingen ist_ so- eben erschienen und kann durchjede Buchhandlung bezogen werden: P (icineinfassliclie praktische ILZKUNDE für Schule und Haus IV von Steudel. Ausgabe A. Wandtaiel auf Lein- wand aufgezogen zum Einlegen in Mappe lud. Text Mk. 3. sowie Wandtafel auf Leinwand aufgezogen mit Stäben incl. Text Mk. 3. Ausgabe B. (Buchform.) Text mit ii.' kolor. Abbild, auf 14 Tafeln cartonirt Mk. 2,50. ferner: Text ohne Tafeln 50 Plg. SteUdel'S Pilzkunde gehört ent- schieden zum Besten, was auf diesem Gebiete bisher erschienen ist. Die kolor. Abbildungen werden durch ihre Naturtreue und Schönheit jeden Pilzfreund entzücken! 4^-4')4') c^"^' r^' "^ r^r^] ^^ ^ ''& r& r^' ^ ^fefete r4'' ' $♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦$ g£ds^^^.^.^:x^l^^ ♦Dakteriologische Kurse,» ~i i i i i i ! ! i i I I I t I I ■ I I I ! 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Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- "ir anstalfen. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrapreis ist M 4.— <3t3 Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. Jt Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 J,. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. VImIi'ik-K i«l nnr mit vollstiinili ger Quellenangabe gestattet. Schöpfung und Wesen der Organismenform. Eine historisch-kritische Studie über alte und neue Entwicklungslehren. Vod Wilhelm Haacke. 1. Einleitung. „Es ist nämlich ganz gewiss, dass wir die organischen Wesen und deren innere Möglichkeit nach blos media nischen Prinzipien der Natur nicht einmal zureichend kennen lernen, viel weniger uns erklären können ; und zwar so gewiss, dass man dreist sagen kann, es ist für Menschen ungereimt, auch nur einen solchen Anschlag zu fassen, oder zu hotten, dass noch dereinst ein Newton aufstehen könne, der auch nur die Erzeugung eines Grashalms nach Naturgesetzen, die keine Absicht geordnet hat, hegreiflich machen werde, sondern man muss diese Einsicht den Menschen schlechterdings absprechen." Diese Worte des grossen Königsberger Philosophen, durch welche er die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Erklärung der Thier- und Pflanzenformen leugnet, er- freuten sich bis über die Mitte unseres Jahrhunderts hin- aus mehr oder minder unbestrittener Geltung, sofern wenigstens die Mehrzahl der Forscher auf den Gebieten der Organismenwelt in Betracht kam. Was Kant als ein gewagtes Abenteuer der Vernunft erklärte, das wurde je- doch im Jahre 18.59 von Charles Darwin mit dem grössten äusseren Erfolge unternommen. Zwar begegnete sein epochemachendes Werk „Ueber die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl" zunächst einer ziemlich kühlen Aufnahme; aber schon in den sechziger Jahren fand eine allmähliche Umstimmung in den Ansichten der meisten Naturforscher statt, und man gewöhnte sich all- mählich an den Gedanken, dass die Thiere und Pflanzen, die gegenwärtig die Erde bevölkern, nicht in ihrer heutigen Form erschaffen worden, sondern dass sie das Produet einer allmählichen Entwickelung aus anders gearteten und zwar niedriger orgauisirten Vorfahren seien. Es ist namentlich den Bestrebungen deutscher Naturforscher, insbesondere Ernst Haeckel zu danken, dass die Er- forscher des Thier- und Pflanzenreiches sich immer mehr von der Wahrheit der durch Darwin neu begründeten Abstammungslehre überzeugten, und zwar in einem solchen Grade, dass etwa zwanzig Jahre nach dem Er- scheinen des Darwinschen Hauptwerkes kaum noch hier oder dort ein bedeutender Zoologe oder Botaniker ge- funden werden konnte, der die Abstammungslehre nicht als gesichertes Gemeingut der Wissenschaft betrachtete. Hand in Hand mit der festeren Begründung der all- gemeinen Abstammungslehre ging eine Umarbeitung des zoologischen und botanischen Systems im Sinne der De- scendenztheorie vor sich. Man stellte dem gemuthmaassten blutsverwandtschaftslichen Zusammenhange der einzelnen grösseren und kleinereu Organismengruppen entsprechende Stammbäume auf und begründete so eine Stammes- geschichte der Organismeu. Im Laufe der Zeit, nament- lich aber im letzten Jahrzehnt sind indessen immer stärkere Zweifel, zwar nicht an der Abstammungslehre, obwohl gelegentlich auch an dieser, so jedoch an der Tragweite der von Darwin eingeführten Erklärungsprinzipien laut geworden. Neben den Zweiflern an der Zulässigkeit des Darwinismus, als welcher nur die Lehre von der natür- lichen Zuchtwahl bezeichnet werden sollte, fehlt es aber gegenwärtig nicht an Naturforschern, die einzig und allein die darwinistische Erklärungsweise der organischen Welt gelten lassen. Hat doch kürzlich August Weismann ein Werk unter dem Titel „Die Allmacht der Naturzüchtung" veröffentlicht. Er sucht in diesem Werke nachzuweisen, dass nur die natürliche Zuchtwahl Darwins im Stande sei, die zweckmässige Einrichtung des Thier- und Pflanzen- 386 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 32. körpers zu erklären, und auf seine Seite sind Zoologen und Botaniker in beträchtlicher Anzahl getreten, so nament- lich auch der Mitbegründer der Zuchtwahllehre Alfred Rüssel Wallace. Diese Naturforscher sind der Ansicht, dass die Tragweite des Darwinismus auch von Charles Darwin selbst noch unterschätzt worden sei, dass Darwin vor einem fremden Götzen seine Kniee beugte, wenn er mit dem ihm eigenen Freimuth zugab, dass seine Theorie nicht ausreichend sei, um die Erscheinungen der orga- nischen Natur zu erklären. Es konnte nicht ausbleiben, dass diese scharfe Be- tonung der „Allmacht der Naturzüchtung" eine starke Reaetiop hervorrief, deren Träger eine grosse Anzahl, wenn nicht die meisten der Eigentümlichkeiten im Bau der Thiere und Pflanzen nicht durch die Theorie Darwins, sondern durch die des alten Jean Lamarck zu erklären suchten. Nach Lamarck bildet sich der Organismus seine Organe selbst, und was ein Thier durch deren Uebung an neuen Eigenschaften gewonnen hat, das soll sich auf seine Nachkommen vererben, die ihrerseits wieder die Er- werbungen ihrer Eltern durch eigene Uelnmgen der Or- gane steigern und in verbesserter Form auf die von ihnen selbst erzeugten Kinder vererben. Es stehen demnach heute die Neu-Darwinisten und die Neu-Lamarckisten einander gegenüber; aber daneben sind auch Stimmen laut geworden, die überhaupt an der Wahrheit der Abstammungslehre zweifeln und zum Theil solche, welche die letztere, in ihrer heutigen Form wenigstens, als völlig werthlos erklären. Eng verbunden mit dem Streit über die Factoren, die eine stammesgeschichtliche Umbildung der organischen Formen bewirkt haben, ist ein anderer, nämlich der über die Art und Weise, auf welche die Vererbung zu Staude kommt. Es wird aufs Erbittertste über die Frage gestritten, ob er worbene Eigenschaften, also solche, die der Körper eines Organismus erst durch seine eigene Thätigkeit oder in directer Anpassung an die Aussenwelt neu erworben hat, vom Körper aus in irgend einer Form auf die in dem betreffenden Organismus enthaltenen Keime der nächsten Generation übertragen werden können, und zwar so, dass sie bei dem sich aus diesen Keimen entwickelnden Individuen als angeborene auftreten. Eine nicht unbeträchtliche Partei, deren Haupt Weismann ist, bestreitet die Möglichkeit einer Vererbung er- worbener Eigenschaften. Andere Naturforscher sind ge- neigt, diesem Prinzip des Lamarekismus die Hauptthätig- keit bei der Vererbung zuzuschreiben; sie betonen, dass ohne die ständige Uebung der Organe auch keine vollständige Vererbung ihrer Eigenschaften stattfinden könne. Neben dieser Frage nach der Möglichkeit oder Un- möglichkeit der Vererbung erworbener Eigenschaften ist neuerdings noch eine andere in den Vordergrund der Discussion getreten; diese beschäftigt sich damit, zu er- gründen, ob in dem Keime, aus welchem sich ein tbierischer oder pflanzlicher Organismus entwickelt, schon die Organe des späteren erwachsenen Individuunis in grösserer oder geringerer Anzahl mehr oder minder vorgebildet seien, so nämlich, dass das befruchtete Ei eines Thieres oder einer Pflanze schon Keime für die einzelnen Organe des aus ihm sich entwickelnden Individuums enthielte, oder ob das nicht der Fall sei, ob nicht vielmehr von einer Vorbildung der einzelnen Organe im Keime keine Rede sein könnte, sondern ob diese sich nicht im Laufe der Keimesgeschichte neu bildeten auf Grund einer bestimmten, aber für alle einzelnen Theile des Keimes mehr oder minder gleichen Structur. Sowohl die eine als auch die andere Annahme hat beredte Vertreter gefunden, und der Kampf um die Organisation der Keime ist nicht weniger lebhaft entbrannt, als der über die Vererbbarkeit er- worbener Eigenschaften. Um die Verwirrung über die Grundfragen der Wissen- schaften von den Organismen noch mehr zu steigern, sind neuerdings Stimmen laut geworden, welche die Be- rechtigung der hergebrachten Erklärungsweisen mehr oder minder bestreiten, sodass das Gebiet der allgemeinen Biologie heute als ein wahres Chaos von sich bekämpfen- den und einander ausschliessendcn Theorien angesehen werden inuss. Dieser Thatsache verdankt der vorliegende Versuch seine Entstehung. Er will den Leser über die wichtigsten der älteren, neueren und neuesten Schöpfungstheorieen orientiren, und ihm die Möglichkeit einer eigenen Ent- scheidung an die Hand geben. Selbst dem Fachmann wird es heute ausserordentlich schwer, sich in dem Gewirr .der Meinungsverschiedenheiten zureeht zu finden, sofern er nicht die einschlägigen Fragen zum Gegenstand eines besonderen, eingehendsten Studiums gemacht hat; und doch ist es für jeden, der sich mit den Fragen der Abstammungstetire beschäftigt, unerlässlich, sich über die Hauptdifferenzen zwischen den Vertretern der heutigen Biologie zu unterrichten. Die Entscheidung in verworrenen wissenschaftlichen Fragen kann aber durch nichts so erleichtert werden, als durch eine präcise Gegen- überstellung der strittigen Punkte und eine sorgfältige Charakteristik der einander bekämpfenden Theorien. Es niuss deshalb zunächst unser Ilauptbestreben sein, die Unterschiede der vorzutragenden Ansichten scharf zu be- tonen und hervorzuheben. 2. Creatismus und Transformismus. Die Hauptfrage der Wissenschaft von den Organismen ist von jeher die gewesen, ob die Thier- und Pflanzen- arten selbständigen Schöpfungsakten ihr Dasein verdanken, oder ob sie sich aus früheren, heute untergegangenen, anders beschaffenen Organismenarten entwickelt haben, die ihrerseits von wieder anders und zwar immer ein- facher organisirten Stammelteru herzuleiten sind, eine Annahme, die eine zweite, nämlich die der Hervorbildung des Organischen aus dem Unorganischen nach sich zog. Man sollte glauben, dass die Wissenschaft heute über diese Frage entschieden hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Zwar sind die allermeisten Vertreter der Zoo- logie und Botanik felsenfest davon überzeugt, dass die Thier- und Pflanzenarten sich auf natürlichem Wege und durch keine anderen Kräfte, als durch die, welche auch die anorganische Natur beherrschen, entwickelt haben. Aber es sind neuerdings Ansichten aufgetaucht, und zwar nicht unter den Laien, sondern unter den Biologen von Fach, welche die Theorie einer gesonderten Erschaffung jeder einzelnen Thier- und Pflanzenform wieder auf den Schild erheben und sie zum Leitstern der organischen Naturwissenschaften machen wollen. Es ist deshalb nicht überflüssig, dass wir uns mit dieser Ansicht befassen, zu- mal etliche neuere Entvvickelungstheorien, obwohl sie von solchen Naturforschern aufgestellt sind, welche aus- schliesslich natürliche Erklärungsprinzipien zu befolgen suchen, bei consequenter Durchführung auf die Theorie gesonderter Einzelschöpfungeu hinauskommen. Wir können dasjenige Erklärungsprinzip der orga- nischen Natur, das allein die alte Theorie der unabhän- gigen Erschaffung der einzelnen Organismenformen zu Recht bestehen lässt, mit Haeckel als Creatismus be- zeichnen. Unter Creatismus wäre also diejenige Auf- fassung der organischen Natur zu verstehen, nach der die Erschaffung der einzelnen Thier- und Pflanzenarten nach einem vorbedachten Plane, durch besondere Willensakte erfolgt ist, und zwar in der Weise, dass jede Organismen- Nr. 32. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 387 art mit den für die ihr bestimmte Lebensweise nöthigen Organen ausgestattet wurde. Der Creatisnuis ist also im Wesentlichen nichts an- deres als das alte Schöpfungsdogma. Ihm steht gegen- über der Transformismus, dem zu Folge die Thiere und Pflanzen sieh ausschliesslich auf natürlichem Wege allmählich entwickelt haben und sich noch täglich aus- und umbilden, lediglieh mit Benutzung- derjenigen .Stoffe und Kräfte, die auch in den unorganisirten Naturkörpern enthalteil und wirksam sind. P^s wird demgemäss unsere Aufgabe sein, Untersuchungen darüber anzustellen, inwie- weit sich die älteren und neueren Theorien über die Thier- und Pflanzenschöpfung mit dem Creatismus auf der einen, mit dem Transformismus auf der anderen Seite vertragen. 3. Keimesgeschichte und Stammesgeschichte. Bei der Frage nach den Ursachen der Thier- und Pflanzensehöpfung kommt es nicht allein darauf an, zu erforschen, wodurch die Vorfahren der heute lebenden Thiere, vorausgesetzt, dass sie anders beschaffen waren als ihre jetzt existirenden Nachkommen, umgebildet sind, sondern auch darauf, durch welche Vorgänge das zur Etitwickelung bereite Ei der Thiere und die Eizelle der Pflanzen sich zu der erwachsenen Form umgestalten. Es handelt sieh also nicht nur um die Erforschung der Stammesgeschichte und ihrer Ursachen, sondern auch um die der Keimesgesehiehte. Unter Stammesgeschiehte eines Organismus haben wir die Geschichte seiner sänimtliehen Vorfahren zu ver- stellen. Sie ergründet einerseits die Beschaffenheit aller derjenigen Individuen, die der direkten Vorfahrenreihe des betreffenden Individuums angehören, andererseits die Ursachen, durch welche im Laufe der Zeit Veränderungen in dieser Vorfährenreihe stattgefunden haben, namentlich die Verhältnisse der Aussenwelt, denen sich die Organismen dieser Reihe angepasst hatten. Die Stammesgeschichte gelit also Hand in Hand mit der Entwickelungsgeschichte der Erde. Sie lässt sich ohne diese so wenig verstehen, wie die Völkergescliichte ohne Rücksicht auf die geogra- phische Beschaffenheit der von den verschiedenen Völkern bewohnten Länder auskommen kann. Die Keimesge- schichte dagegen beschränkt sich auf diejenigen Um- bildungsprocesse, denen heute jedes Thier und jede Pflanze im Laufe der individuellen Entwickelung unterworfen ist, und auf die Ursachen der keimesgeschichtlichen Umbil- dungen. Nach dem Vorgang von Haeekel bezeichnet man die Stammesgeschichte als die Wissenschaft von der Genesis oder Entwickelung des Phylums oder Stammes, als Phylogenesis oder Phylogenie, die Keimesgeschichte als die Wissenschaft von der Genesis des Individuums oder des ()n, als Ontogenesis oder Ontogenie. Es liegt schon ohne eingehende Analyse der in Be- tracht kommenden Verhältnisse für jeden denkenden Naturforscher von vornherein auf der Hand, dass eine Theorie, die eine befriedigende Vorstellung von den phy- logenetischen Vorgängen im Organismenreiche, geben will, dieses nicht thun kann, ohne auf die ontogenetischen Rück- sicht zu nehmen; denn die Phylogenesis ist aus lauter Ontogcnien zusammengesetzt. Ebensowenig ist eine be- friedigende Einsicht in die Keiniesgescbicbte denkbar ohne Rücksicht auf die Stammesgeschiehte. Wenn wir auch wüssten, wie die Keime, aus welchen sich die Thiere und Pflanzen entwickeln, beschaffen sind, so hätten wir dennocÜ zu fragen, wie sie zu demjenigen Aufbau, der ihre Umformung zu den erwachsenen Thierformen er- möglicht, gekommen sind. Die phylogenetische oder stammesgeschichtliche Forschung muss also mit der onto- genetischen oder keimesgeseliichtlichen Hand in Hand gehen, und es wird sich im Laufe unserer Untersuchungen herausstellen, dass uns diejenigen Schöpfungstheorien un- befriedigt lassen, die nicht auf jeden der beiden grossen Zweige der Entwickelungsgeschichte der Organismen Rücksicht genommen und beide gleichmässig in ihre Be- trachtungen hineingezogen haben. Es wird demnach auch unsere Obliegenheit sein, zu fragen, inwieweit die einzel nen Schöpfungstheoretiker der Doppelaufgabe, die Phylo- genie sowohl, als auch die Ontogenie zu erklären, gerecht geworden sind. Dabei wird sich vermutldich heraus stellen, dass diejenigen Theoretiker, die die individuelle Entwickelungsgeschichte durch eine unzulängliche Theorie zu erklären versucht haben, auch keine befriedigende stammesgeschichtliche Lehre zu liefern vermochten, und umgekehrt. 4. Die alten Präformisten. Die älteren Ansichten über die Thier- und Pflanzen- schöpfung haben sich im engen Ansehluss an die mosai- sche Schöpfungsgeschichte entwickelt. Den präcisesten Ausdruck dieser älteren Anschau- ungen finden wir vielleicht bei dem Reformator der sysie matischen Botanik und Zoologie, bei Carl von Pinne. Er sagte: „Species tot sunt, quot diversas formas ah initio creavit infinitum ens — Es giebt so viele verschie- dene Arten, als von Anfang an verschiedene Formen durch das unendliche Wesen geschaffen worden sind." Wenn aber solches der Fall war, wenn alle verschiedenen Pflanzen- und Thier-Arten, die beute auf unserem Planeten vertreten sind, oder ehedem der Erde angehörten, durch einzelne von einander unabhängige Schöpfungsakte her- vorgebracht worden sind, wenn jede Organismenart, wie Louis Agassiz es später ausgedrückt hat, einen verkör- perten Schöpfungsgedanken Gottes darstellt, dann erhebt sieh mit Recht die Frage, was denn die Entwickelung der einzelnen Thier- und Pflanzenindividuen aus dem Keime bewirke, oh hierzu auch jedesmal ein erneuter Schöpfungsakt nothwendig, oder ob und in welcher Weise dafür gesorgt worden sei, dass die „im Anfange" erschaf- fenen Thiere und Pflanzen befähigt waren, ihresgleichen hervorzubringen. Eine Welt, die täglich und stündlich des persönlichen Eingreifens des Schöpfers bedurfte, mochte den alten Naturforschern nicht als ein besonders grosses Meister- werk erscheinen: Eine Uhr, die bei jedem Pendelschlau wieder in den richtigen Gang gebracht werden muss, macht gewiss ihrem Verfertiger keine Ehre. Deshalb er- schien es als ungereimt, den Schöpfer mit einem schlechten Handwerker oder Baumeister zu vergleichen. Sein Werk musste von Anfang an so beschaffen sein, dass es ohne jeden Augenblick erneute Eingriffe von selbst diejenigen Aufgaben erfüllte, die der Schöpfer ihm bestimmt hatte, den Entwickelungsprocess durchlief, der ihm von Gott vorgeschrieben war. Aus solchen Erwägungen heraus wird die Präfor- mationstheorie der Naturforscher des 17. und IS. Jahrhunderts entstanden sein, eine Lehre, zu welcher sieh die hervorragendsten Vertreter der Wissenschaft jener Zeit bekannt haben, so Swammerdam, Malpighi und Lecuwen- hoek, Albrecht von Haller, Bonnet und Spalanzani. Die Theorie der Präformation oder der Vorbildung aller Organe im Keime, oder, wie sie auch genannl wurde, der Evolution oder der Auswickelung des in allen künftigen < Irganen des späteren Thieres vorgebildeten, aber eingefalteten oder eingewickelten Keimes, besagt, dass alle Theile des späteren Organismus, so /.. I!. die einzelnen Knochen und Muskeln, Augen, Ohren und sonstigen Sinnesorgane, die Organe der Athmung und Verdauung, die Haare, kurz alle im Organismus unter- 388 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 32. scheidbaren verschiedenen Theile schon im Keime ent- halten seien. Darauf, dass solches der Fall, schienen an Pflanzen gemachte Beobachtungen hinzuweisen. In einer kleinen Blüthenknospe findet man ja auch die einzelnen Blumenblätter, die Staubfäden und den Stempel vorge- bildet, und in ähnlicher Weise sollten die Organe der Thiere im Keime präformirt und, wie in der Blüthe, ein- gewickelt oder eingefaltet sein. Den prägnantesten Ausdruck hat der berühmte Phy- siologe Albrecht von Haller der Lehre von der Evolution oder Entfaltung, für die man erst neuerdings die bessere Bezeichnung der Präformationstheorie eingeführt hat, ge- geben: „Kein Theil im Tkierkörper", sagt er, „ist vor dem anderen gemacht worden, und alle sind zugleich er- schaffen.u So befremdlich manchem von uns diese Ansicht, nach welcher der Keim eines Menschen etwa schon mit Armen und Beinen, Augen und Ohren, Nase und Mund, ja mit Haupthaar und Bart ausgestattet ist und sich nur dadurch von dem entwickelten Menschen unterscheidet, dass er sehr viel kleiner, als Ganzes dem blossen Auge kaum sichtbar ist, auch erscheinen mag, so sehr müssen wir doch bei tieferem Nachdenken der Consequenz in den An- schauungen jener alten Naturforscher unsere Achtung und Bewunderung zollen. Wenn Linne's Ausspruch das Richtige getroffen hatte, dass nämlich die unterscheidbaren Formen der Thiere und Pflanzen, jede einzelne für sich, von Gott er- schaffen seien, so ist es nur folgerichtig, anzunehmen, dass zugleich mit den ersten Vertretern der Thier- und Pflanzen- arten auch die Keime aller zukünftigen Generationen, welche bestimmt waren, die Erde zu bevölkern, erschaffen worden seien. Zwar entstand die Annahme einer Ein- schachteluug der einzelnen Generationen in einander nicht von Anfang an mit der Präforniationstheorie, aber consequeute Denker mussten mit Nothwendigkeit zu ihr gelangen, und Albrecht von Haller und Andere haben sich auch nicht gescheut, diese Einschachtelung zu be- haupten. In früheren und auch in noch nicht weit hinter uns liegenden Zeiten ist über diese Einschachtelungslehre viel gelacht worden; allein, wer gerecht sein will, darf sieh den Lachern nicht anschliessen, denn die Einschachtelungs- theorie ist eine unvermeidliche Consequenz der Evo- lutions- oder Präformationstheorie, und wenn Albrecht von Haller wirklich soweit gegangen ist, in seinen Ele- menten der Physiologie die Anzahl der im Eierstocke unserer Stammmutter Eva eingeschachtelten Keime auf 200 000 Millionen zu berechnen, so macht er seiner Logik dadurch nur Ehre. Wenn es vielleicht auch gewagt von ihm war, eine bestimmte Anzahl von Menschen, die auf der Erde zu leben bestimmt waren, anzunehmen, so war es doch nur folgerichtig, wenn er die Anzahl der im Eierstock von Eva eingeschachtelten Keime als eine end- lich begrenzte betrachtete; denn wenn der Schöpfer die Eva und die Keime aller zukünftigen Menschenkinder, die von der Eva abstammen sollten, zu gleicher Zeit er- schuf, so konnte das Menschengeschlecht sich nicht ins Unbegrenzte fortpflanzen; wäre aber eine solche unend- liche Fortpflanzungsfähigkeit möglich, so liegt es auf der Hand, dass dann die Keime der Organismen nicht auf einmal erschaffen werden konnten, sondern dass der Schöpfer dann jedesmal bei der Entstehung eines neuen Organismus thätig eingreifen musste. Diese letztere An- nahme aber musste, wie wir oben gesehen haben, die Welt als eine unvollkommene und deshalb als eine des Schopfers nicht würdige erscheinen lassen. Eine so noth- wendige Consequenz der Präformationstheorie, wie die Einschachtelungslehre, war also die Annahme einer be- stimmten Anzahl von Keimen in den zuerst erschaffenen Individuen. Darüber indessen, ob diese Keime, wie Albrecht von Haller annahm, in dem weiblichen Individuum, oder, wie Andere meinten, im männlichen Vertreter der Art eingeschachtelt waren, wurde ein ganzes Jahrhundert hin- durch ein lebhafter Kampf geführt, in welchem auf der einen Seite die „Ovulisten", auf der anderen die „Animal- culisten" standen. Die Ersteren, z. B. Spalanzani, be- trachteten das Ei als den Keim des Thieres und meinten, dass der Samen nur dazu diene, es zur Entwickelung an- zuregen. Durch die Entdeckung Leeuvenhoek's waren je- doch 1G77 die Samenthierchen oder Samenfäden, die Spermatozoen, bekannt geworden, die mit einer lebhaften Bewegung ausgestattet sind und zur Entstehung des Streites die eigentliche Veranlassung gegeben haben. Die Animalculisten, also die Forscher, welche in diesen animal- culis und nicht, wie die Ovisten, im ovum den vor- gebildeten Keim erblickten, glaubten ausser dem Körper und dem Schwanz, mit welchem die Samenfäden aus- gestattet sind, an diesen auch noch einen Kopf, sowie Arme und Beine unter dem Mikroskop wahrnehmen zu können und betrachteten demgemäss das Ei nur als den Nährboden, in welchem sich die Samenthierchen zu der späteren Körpergestalt entfalteten. Die alte Präformations- theorie hatte demgemäss mit der Schwierigkeit zu kämpfen, die Frage, ob das Ei oder das Spermatozoon der eigent- liche Keim sei, ungelöst lassen zu müssen. Wir werden jedoch sehen, dass durch die in den letzten Jahren ent- wickelte neue Präformationstheorie von August Weismann der ungelöste Streit der alten Ovisten und Animalculisten in der Weise entschieden worden ist, dass man das spätere Individuum sowohl im Ei als auch im Sperma- tozoon und zwar in jeder Art von Fortpflanzungszellen viele Male vorgebildet sein lässt, eine Möglichkeit, an welche die alten Vertreter des Präformismus noch nicht gedacht hatten. Diesen aber müssen wir zugestehen, dass, abgesehen von der mangelnden Entscheidung dar- über, ob die männlichen oder die weiblichen Individuen Träger der in einander geschachtelten Keime seien, ihre Theorie eine solche war, dass sie sich dem folgerichtig denkenden Schöpfungsdogmatiker empfehlen musste. Sind die Thier- und Pflanzenarten Schöpfungsgedanken Gottes, die durch einzelne Schöpfungsakte verkörpert worden sind, sind sie nach vorbedachtem Plan in ihren einzelnen Organen erschaffen worden, und wollte Gott nicht un- unterbrochene Neuschöpfungen vornehmen, so müssen auch sämmtliche Nachkommen der ersten Organismen zu gleicher Zeit mit diesen und eingeschachtelt in ihnen in allen ihren einzelnen < »rganen vorgebildet und in bestimmter Anzahl in ihren Stammeltern enthalten gewesen sein. Ein Drittes giebt es nicht. Ohne den Präformismus kein Creatismus, und ohne die Einschachtelung kein Präformismus. Dieser steht und fällt mit dem prinzipiellen Zugeständniss an Albrecht von Haller, dass seine Annahme, nach der im Eierstocke der Eva alle ihre Nachkommen in bestimmter Anzahl eingeschachtelt gewesen seien, das Richtige ge- troffen hat. 5. Caspar Friedrich Wolff's Epigenesislehre. Im Jahre 1759, zu einer Zeit, als die Präformations- theorie noch in voller Blüthe stand, erschien unter dem Titel „Theoria generationis" eine Doctordissertation, die den preussischen Arzt Caspar Friedrich Wolff zum Ver- fasser hatte und als eines der bedeutendste« und bahn- brechendsten naturwissenschaftlichen Werke aller Zeiten betrachtet werden muss. Wolff vertrat den Satz, dass das, was im Keime nicht wahrnehmbar sei, auch nicht in ihm enthalten sein Nr. 32. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 389 könne, dass die Beschaffenheit des Keimes also nicht auf Präformation Itcruhe, sondern dass sich aus einem in sich gleichförmigen Keimstoff alle Organe des Thier- and Pflanzenkörpers erst nach und nach entwickeln. Wolff wurde dadurch zum Hauptvertreter der Theorie der Epi- genesis, welche besagt, dass die Entstehung der einzelnen Organe im Keime auf Neubildungen beruht, dass nicht jedes Organ für sich gesondert vorgebildet ist. Wolff suchte seine Theorie durch Thatsachen zu erhärten, indem er den Nachweis zu führen sich bemühte, dass die ein- zelnen Organe der Pflanzen nach und nach und all- mählich auftreten, sich sondern und ausgestalten, und dass beim sich im Ei entwickelnden Hühnchen der Darm aus einer blattförmigen Anlage hervorgehe. Obwohl nun Wolff durch seine Begründung der Theorie der Epigenesis oder Neubildung der Organe im Keime bahnbrechend geworden ist, so weist seine Lehre doch einen grossen Mangel auf, insofern sie den Keim des Organismus aus einem unorganisirten Stoffe entstehen lässt. Eine solche Annahme ist aber unmöglich. Die Organismen stellen ganz bestimmte Formen dar; eine be- stimmte Form kann sich aber nur auf Grund einer anderen bestimmten Form bilden; aus einein formlosen Brei oder einem wüsten Chaos können nie geordnete Formen- processe hervorgehen; deshalb kann es sich bei einer epigenetischen Theorie immer nur darum handeln, dass der Formenaufbau des Organismus zwar auf einen in sich gleichartigen, aber dennoch aus einzelnen Elementen von bestimmter Form zusammengesetzten Stoff, oder auf ein Stoftgeinenge, das diesen Anforderungen entspricht, zurück- geführt wird. Diese Concession muss jede epigenetische Theorie der Präformationslehre machen, und es mag schon an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass wir unter epigenetischer Entwickelung nicht sowohl die Entstehung des Geformten aus dem Ungeformten zu begreifen haben, als vielmehr die des in seinen einzelnen Theilen ungleich Geformten aus dem in allen Theilen gleich Geformten. Ebensowenig kommt es für den Begriff der Präformation darauf an, dass der Keim ein zwar verkleinertes und ein- gewickeltes, aber immerhin getreues Abbild des er- wachsenen Organismus ist, als vielmehr darauf, dass die einzelnen Theile des letzteren im Keime vorgebildet sind, wenn auch in anderer Anordnung als bei dem aus- gebildeten Thier und der entwickelten Pflanze. Diese Begriffsbestimmungen der Präformation und der Epigenesis müssen wir festhalten, wenn wir später die neueren Theorien untersuchen. Was aber die Epigenesislehre von Kaspar Friedrich Wolff' anlangt, so war sie insofern irrthümlich, als sie das Geformte auf Umgeformtes zurückzuführen suchte. Immer- hin ist sie es gewesen, die seinerzeit der Präformations- theorie trotz des dogmatischen Ausspruchs von Albrecht von Haller „nulla est epigenesis" den Todesstoss versetzt hat. Aber eine befriedigende Lösung des ontogenetischen Formenproblems konnte sie noch nicht geben. 6. Der Bildungstrieb Blumenbachs. Da sowohl die Theorie der Präformation als auch die der Epigenesis die ontogenetischc Entstehung der organischen Formen nicht erklärte, suchte Blumenbach den Process der Keimentwickelung durch die Annahme eines „Nisus formativus", eines Bildungstriebes be- greiflich zu machen. Dieser sollte die ungeformten Zeugungsstofl'c in eine bestimmte Form hineinzwängen, und er ist nach Blumenbach auch das, wodurch die Re- generation, die Wiedererzeugung verloren gegangener Körpertheile bewirkt wird. Man hat gesagt, dass die Annahme eines Bildungs- triebes nur den Ersatz eines unbekannten Vorgangs durch ein leeres Wort bedeute, ein Ausspruch, den wir nicht gutheissen können. Ohne irgend einen Bildungstrieb kommt unsere Wissenschaft nicht aus. In dem im Keim enthaltenen Bildungsstoff', der, wie wir gesehen haben, aus gesonderten und bestimmt geformten Elementen zu- sammengesetzt sein muss, falls sich überhaupt etwas mit ihm anfangen lassen soll, ist insofern ein Bildungstrieb anzunehmen, als wir die einzelnen Theile des Bildungs- stoffes mit deren Form entsprechend bestimmt geordneten, anziehenden und vielleicht auch abstossenden Kräften ausgestattet denken müssen. Wenn der Keimstotf aus einzelnen bestimmt geformten, mit Anziehungs- und Ab- stossungspolen versehenen Elementen besteht, so müssen sich diese, gemäss ihrer Form und den von ihnen aus- gehenden Kräften in bestimmter Weise anordnen, und da- durch wird allein die Möglichkeit einer Erklärung der organischen Form gegeben. Wie wir uns, um ein an- schauliches, wenn auch Aktives Verständniss für den Formenaufbau der Kiystalle zu gewinnen, diese aus be- stimmt geformten und sich anziehenden Molekülen zu- sammengesetzt denken müssen, so müssen wir uns auch den organischen Bildungsstoff aus auf einander ein- wirkenden Elementen aufgebaut denken. Es ist noch nicht genügend, dass wir diesen Elementen eine be- stimmte Form zuschreiben, sondern wir müssen sie auch mit polaren Kräften austatten. Die Annahme solcher Kräfte bedeutet aber die Anerkennung eines Bildungs- triebes, und insofern, als diese hier skizzirte Annahme eine nothwendige ist, hat Blumenbach das Richtige ge- troffen. 7. Goethe's Formenlehre. Mit den Anschauungen Blumenbachs verwandt sind vielleicht die, welche kein Geringerer als unser grösster Dichter über die in der organischen Natur wirksamen Kräfte ausgesprochen hat. Neben einem inneren nahm Goethe indessen auch einen äusseren Bildungstrieb an, und dieser arbeitet nach ihm jenem entgegen. Goethe muss demnach zu denjenigen Naturforschern gezählt werden, denen ein innerer Bildungstrieb allein nicht ge- nügt. Die so auffällige Anpassung aller Organismen an ihre Umgebung suchte er durch die Annahme eines äusseren Bildungstriebes zu erklären, und es erschien ihm nothwendig, eine Wechselwirkung zwischen dem Orga- nismus und der Aussenwelt bestehen, den ersteren durch die Einflüsse der letzteren umformen zu lassen, nach Maassgabe jedoch der dem Organismus durch den inneren Bildungstrieb vorgeschriebenen Formensphäre. Ernst Haeckcl, der für die Würdigung Goethes als eines der hervorragendsten Erforscher der Thier- und Pflanzenformen mit Recht voller Wärme und Entschieden- heit eingetreten ist, hat unter dem inneren Bildungstrieb Goethes das verstehen zu müssen geglaubt, was wir heute unter dem Begriffe der Vererbung zusammenfassen, wo- hingegen er den äusseren Bildungstrieb unseres grossen Dichters als übereinstimmend mit der directen Anpassung an die veränderten Verhältnisse der Umgebung zu iden- tificiren suchte. Gewiss hat Haeckel in letzterer Beziehung Recht. Uns will es jedoch bedünken, dass der innere Bildungs- trieb Goethes sich nicht mit dem, was unter Vererbung zu verstehen ist, decke. Wenn die Eigenschaften eines Organismus bei seinen Nachkommen in genau derselben Weise wie bei dem Erzeuger wieder erscheinen, so sprechen wir von Vererbung. Es ist aber etwas anderes, den Begriff der Vererbung aufzustellen, und etwas anderes, die Vererbung zu erklären. Es scheint nun, dass Goethe das Letztere beabsichtigt hat. Sein innerer Bildungstrieb 390 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 32. nimmt nicht die Vererbung als gegeben an, bedeutet nicht eine Umsehreibung der Thatsachen der Vererbung, sondern er sucht diese Thatsachen zu erklären, und wenn es Goethe auch nicht gelungen ist — und bei den mangelhaften koimesgeschichtliehen Errungenschaften seiner Zeit auch nicht gelingen konnte — den Vorgang der Vererbung zu veranschaulichen, so hat er doch mit tiefem prophetischem Blick das gesehen, worauf es bei einer Erklärung der Vererbung ankommt. Die Vererbung wird dadurch ermöglicht, dass der Vererbungsstoff ans geformten Theilen, die sich in bestimmter Weise anziehen und abstosseii, die also einem Triebe, und zwar einem geordneten Triebe, also einem Bildungstriebe, folgen, be- steht. Dass dem so sein muss, hat Goethe durch die Annahme eines inneren Bildungstriebes ausgesprochen. Dadurch aber ist die Vererbung im Princip erklärt. Goethe war also weit davon entfernt, die That- sache der Vererbung als ein Erklärungsprincip aufzu- fassen. Vielmehr hat er die Vererbung durch die An- nahme seines inneren Bildungstriebes erst zu erklären ge- sucht. Wenn er aber ferner die realen organischen Formen als ein Produkt der Wechselwirkung des inneren und des äusseren Biläungstriebes auffasste, so gab er damit, obwohl sicher mehr in ahnungsvoller als in klar bewusstcr Weise, zu, dass der innere Bildungstrieb durch den äusseren in andere Bahnen gelenkt werden könne, oder mit anderen Worten, dass sich erworbene Eigen- schaften vererben müssen, weil äussere Einflüsse die Formen und damit die Vertheilung der polaren Kräfte der Keimelemente ändern. Wir dürfen nach alledem in Goethe einen Propheten derjenigen Auffassung des organischen Formenbildungs- processes betrachten, wonach die Formen ein Produkt des Zusammenwirkens der an den Bildungsstoff der Or- ganismen gebundenen und der von aussen auf den Or- ganismus einwirkende Kräfte sind, und zwar in der Weise, dass Fornienveränderungcn, die sieh am Körper eines Thicres oder einer Pflanze in Folge directer Einwirkungen der Aussenwelt vollziehen, in irgend einer Weise auf die von diesem Organismus erzeugten Keime übertragen müssen, um bei den aus diesen Keimen entstehenden Individuen wieder zum Vorschein zu kommen. Goethe darf also als ein Mitbegründer der Lehre vim der Vererbung erworbener Eigenschaften betrachtet werden. Wir dürfen indessen nicht vergessen, dass nach seinem Ausspruch die Form im Geheimen das Urbild be- wahrt, dass also nicht der äussere Bildungstrieb und dessen Beeinflussung des inneren allein die Formen er- klären können, sondern dass auch das Urbild, also ge- wissermaassen das Grundschema, die stereometrischc Grundform der Organismen, dem inneren Bildungstriebe seine Entstehung verdankt. Wenn das aber der Fall ist, dann ist ein grosser Schritt vorwärts zur Erklärung der organischen Formen gethan, denn an allen Thier- und Pflanzenarten gewahren wir zwei Gruppen von Eigen- schaften, solche, die nichts mit einer speciellen Anpassung an die Verhältnisse der Aussenwelt zu thun haben, und andere, die es dem < »rganismus ermöglichen, den Anfor- derungen der Aussenwelt zu entsprechen. Es giebt mit amleren Worten constitu tioncl le Eigenschaften, die nicht als specielle Anpassungen an die Aussenwelt auf- gefasst werden können, neben Einrichtungen, die in hand- greiflicher Weise eine solche Anpassung darthun. Dass Goethe, wenn auch mehr mit dem prophetischen Blick des Dichters, als mit dem analysirenden Verstände des Naturforschers die Notwendigkeit der Unterscheidung dieser beiden Reihen von Eigenschaften erkannt hat, dass er mit sicherer Hand diese beiden Gruppen von Forinen- erscheinungen von einander trennte, genügt, um dem grössten Genius, den die teutonische Rasse jemals hervor- gebracht hat, auch einen der ersten Plätze unter den Vertretern der Wissenschaft von den Organismenfornicn zu sichern. 8. Die Abstammungslehre von Jean Lamarck. Der erste Naturforscher, der eine bis ins Einzelne durch- geführte Theorie der St a .mincsg'eschichte entwickelte und veröffentlichte, war der französische Naturforscher Jean Lamarck. Im Jahre 18W gab er seine „Philo- sophie zoolögique" heraus, in welcher er behauptete, dass die Thierarten keine Produkte selbstständiger und geson- derter Schöpfungsakte seien, sondern dass sie sich allmählich aus anders gearteten Vorfahren entwickelt hätten. Lamarck Hess die stammesgeschichtlichen Umbil- dungen der Thiere im Wesentlichen durch deren eigene Thätigkeit, durch die Uebung ihrer Organe", zu Staude kommen. Nach seiner ! Ansicht würde etwa der lange Hals der Giraffe dadurch entstanden sein, dass das Thier sich bemühte, Baumzweige zu fressen, wobei es ge- nöthigt war; den Hals möglichst weit nach oben auszu- strecken. Die Flügel der Vögel wären entsprechend dieser Auffassung durch ein beständiges Flugbestreben seitens der Vorfahre« der Vögel in das Dasein gerufen, der langgestreckte Leib der Schlange durch 'die Kriech- bewegung. Was durch das Bestreben, die Organe zu einem bestimmten Zweck zu gebrauchen, an diesen verJ ändert wurde, erschien' bei den Nachkommen Wieder in dieser neuerworbenen Gestalt. Die Nachkommen konnten ihre Organe durch fortgesetzte Uebung in bestimmter Richtung aus- und umbilden, und so konnte deren Anpas- sung vervollkommnet werden. So unzweifelhaft es nun aber auch ist, dass die ein- fachste Erklärung mancher organischer Einrichtungen durch den Nachweis der Notwendigkeit der directen Anpassung und der einer Vererbung erworbener Eigen- schaften gegeben sein würde, so wenig können wir uns verhehlen, dass Lamarck's Erklärung der FbrniCnmnbil- dung auch dann nicht völlig befriedigen würde. Wohl mochten die Vorfahren der Giraffe ihren Hals nach Baumzweigen ausrecken; wie aber dadurch die grosse Länge der Halswirbel, deren Anzahl bei der Giraffe keine höhere ist, als bei den meisten übrigen Säugetliicren, zu Stande gekommen sein könnte, ist nicht einzusehen, noch weniger aber, Woher die starke Verlängerung der Vorderbeine bei der Giraffe stammen könnte. Mit der La- marek'schen Erklärung der Entstehung von Organen, wie es die Flügel der Vögel und Insecten sind, steht es noch schlimmer. Was könnte die Vorfahren dieser Thiere veranlassen, Flugbewegungen zu machen, wenn sie noch Nichts, was den Flügeln ähnlich war, besassen? Wie sollten die flügellosen Urkerbthiere zu dem Bestreben, Flugbewegungen auszuführen, gekommen sein? Die meisten Beispiele, die Lamarck für seine An- schauungsweise beibringt, sind so unglücklich gewählt, dass sein Buch keinen Eindruck auf seine Zeitgenossen machte, und auch nach Unseren heutigen Anschauungen sind seine Erklärungsversuche durchweg nicht dazu ange- than, das Vertrauen zu dem Entwiekelungsprineip Lamarck's zu stärken. Indessen gewinnt dieses Princip sofort an Bedeutung durch folgende Betrachtung. Die langen Vorderbeine und der lange Hals der Giraffe verdanken sicher nicht dem Bestreben, Baumzweige abzupflücken; ihre Entstehung; sobald beide aber gegeben waren, wenn die Giraffe also, wie es thatsächlich der Fall ist, nur mit Mühe Gegenstände vom Boden aufnehmen konnte und durch ihre eigenthümliche Körperform darauf angewiesen Nr. 32. Naturwissenschaftliche Wochenschrift 391 war, vorwiegend Laub und Zweige von Bäumen zu fressen, so ist es wohl verständlich, dass sie dieses auch that, (1. Ii. dass sie sich in ihre eigentümliche korperfonn schickte und sich, die Möglichkeit dazu vorausgesetzt, im Einzelnen an die ihr durch ihre Gestalt aufgezwungene Lebensweise anpasste. So vermöchten wir denn wohl zu verstellen, weshalb die Zunge der Giraffe zu einem Greiforgan, das zum Er- fassen und IJei'ühterholen der Baumzweige dient, geworden ist. Diese Entstehung der Zungenforni bei der Giraffe Würde sich durch das Bestreben der letzteren, Baum- zweige zu pflücken und durch das fortgesetzte Ausstrecken der Zunge zum Zwecke des Ergreifens hoch hängender Zweige erklären. Es ist uns ja seihst möglich, unsere Zunge lang auszustrecken, und es würde uns auch wohl gelingen, die Form unserer Zunge durch fortgesetzte Uebung zu verändern, falls dergleichen erwünscht wäre. Wir könnten deshalb sagen, dass Thiere, deren Körperform aus irgend welchen Ursachen eine Veränderung erlitten hat, dadurch gezwungen würden, ihre Organe in bisher nicht üblicher Weise zu gebrauchen, und dass die Organe dadurch umgebildet würden. Würden wir diese Umbil- dung und die Vererbung erworbener Eigenschaften als uothwendig nachweisen, so würden wir einen wesentlichen Schritt auf dem Wege zum Ziele der Erklärung der orga- nischen Formenbildung gethan haben. Aber die Annahme, dass ein Thier sich bestrebt, seine Organe in bestimmter Richtung, d. Ii. zu einem be- stimmten Zwecke oder in neuer, eigenthümlicher Weise zu gebrauchen, setzt Veränderungen seines Körpers voraus, die auf andere Weise entstanden sein müssen, und ebenso müsste das Ausserdiensttreten und der darauf folgende Nichtgebrauch eines örgänes, der nach Lamarck zur Verkümmerung des betreffenden Organes führt, auf irgend eine Weise veranlasst sein. Wer diesen Anlass nicht in der durch irgend welche Ursachen bewirkten Veränderung der Körperform der Thiere, sondern lediglieh" in der Ver- änderung der Lebensbedingungen sehen wollte, würde in vielen Fällen keine befriedigende Erklärung geben können. Bei den Pflanzen würde es eher begreiflich sein, weshalb sie sich in Folge von Veränderungen der Lebens1 Bedingungen, also etwa des Klimas, der Bodenfeuchtig- keit und dergleichen mehr, umbilden würden, aher ■ bei den meist bewegliehen Thieren, die in allen Fällen be- wegliche Organe haben, würde ein entsprechender Er- klärungsversuch oft auf grosse Schwierigkeiten stossen; denn viele Thiere könnten sich den Veränderungen der Lebensbedingungen durch die Ortsbewegung entziehen. Immerhin lässt es sich nicht leugnen, dass sich durch den Lamarckismus die Einrichtungen mancher Thiere als Anpassungen an veränderte Lebensbedingungen erklären lassen würden. Wenn etwa eine Vogelart nach einer Insel verschlagen würde, wo ihre Mitglieder reichlich Nahrung fänden, ohne von irgend welchen Feinden be- lästigt zu werden, wenn diese Vögel sich demgemäss das Fliegen mehr und mehr abgewöhnten, so könnten ihre Flügel in Folge des Nichtgebrauchs verkümmern. Wir sehen ja auch wirklich, dass manche oceanischen Inseln Vögel mit verringertem oder vollständig verloren ge- gangenem Flugvermögen besitzen, aber in den meisten Fällen würden wir mit der Annahme einer solchen An- passung an veränderte Lebensbedingungen bei den Thieren nicht auskommen. Es ist nachgewiesen, dass das Pferd von fünfzehigen Vorfahren abstammt, und dass diese jede ihrer fünf Zehen in annähernd einer und derselben Weise mit dem Boden in Berührung brachten. Wie diese Vorfahren dazu ge- kommen sein sollen, die mittlere der fünf Zehen jedes Fusses stärker als die übrigen vier zu gebrauchen, was, wenn Lamarck Recht hat; eine bessere Ausbildung dieser mittleren Zehe und eine Verkümmerung der übrigen vier zur Folge gehabt haben würde, ist nicht einzusehen. Sobald aher durch irgend welche Wachsthumsverhältnisse, die mit der Anpassung im Einzelnen nichts zu thun haben, eine derartige Veränderung des Wachsthums eingetreten wäre, dass die mittlere Zehe den übrigen gegenüber im Waelisthum begünstigt wurde, so würden die betreffenden Thiere nothgedrungeoer Weise gezwungen gewesen sein, diese Zehe stärker als die übrigen zu gebrauchen, und dann hatte diese Zehe immer stärker ausgebildet werden können, während die anderen verkümmern mussten. Wodurch aber eine Verschiebung der Wachsthum- verhältnisse zu Stande gekommen sein könnte, ist auf Grund der Lamarek'schen Schöpfungstheorie nicht einzusehen. Wenn es möglieh ist, die Vererbung erworbener Eigenschaften als nothwendig nachzuweisen und wenn die Organe sich durch den Gebrauch ausbilden, durch den Nichtgebrauch aber verkümmern müssen, dann winde Lamarck's Lehre von ausserordentlicher Bedeutung und Tragweite sein, aber nur unter der Voraussetzung, dass ihr ein anderes Princip zu Hilfe käme, das uns zeigte, was denn eigentlich den Anstoss zu dem Gebrauch be- stimmter Organe in bestimmter Richtung gegeben hat. Es ist also verkehrt, bei den Thieren ohne Weiteres den Willen vorauszusetzen, ein < >rgan in bestimmter Weise zu üben oder in Unthätigkeit verharren zu lassen. Aber wir müssen doch zugestehen, dass die Thiere so or- ganisirt sind, dass sie bei gegebener Korperfonn und unter bestimmten äusseren Umständen auch den un- abänderlichen aber meistens unbewussten Willen haben, ihre Organe in bestimmter Weise und zu bestimmten Zwecken zu gebrauchen. Nach alledem könnte der Grundgedanke des La- marckismus wohl ein richtiger sein; aber zu der Er- klärungsweise des französischen Naturforschers müsste eine andere kommen, die die Lücken der Lamarek'schen Schöpfungstheorie ausfüllt und die Klippen, an welchen diese seiner Zeit gescheitert ist, glücklich vermeidet. Voraussetzung dabei ist freilich, dass die Noth wendigkeit einer directen Anpassung und einer Vererbung erworbener Eigenschaften bewiesen wird. Eine vollständige Theorie der Formenbildung hätte gerade zu erklären, auf welche Weise die Anpassung und die Vererbung nicht bloss überkommener, sondern auch neu erworbener Eigen- schaften möglich ist, falls sich der Lamarckismus iu neuer Form Geltung verschaffen soll. Lamarck selbst ist es noch nicht möglich gewesen, eine befriedigende Theorie aufzustellen. Wenn aber heute behauptet wird, dass die Darwinsche Theorie von der natürlichen Zuchtwahl den Lamarckismus verdrängt habe, und dass dieser iu seinen letzten Zügen liege, so ent- spricht eine solche Behauptung nicht dem Sachverhalte. Der Lamarckismus hat bisher überhaupt noch keine Gelegenheit gehabt, sich die ihm etwa ge- bührende Anerkennung zu erringen. Lamarck's Buch erschien im Jahre 1809, Darwins Hauptwerk volle fünfzig Jahre später, und in diesem halben Jahrhundert haben sieh nur sehr wenig Leute ernstlich mit der Ab- stammungslehre beschäftigt. Lamarck ist so unbekannt geblieben, dass selbst Goethe, der sich so eifrig mit den Fragen der organischen Formenbildung beschäftigte, nichts von dem französischen Naturforscher erfahren hat. Erst nachdem Darwin und seine Nachfolger, unter den Letzteren namentlich Haeckel, die Abstammungslehre zu Anseilen gebracht hatten, fing man wieder an, sich mit Lamarck zu beschäftigen, aber, wenige Ausnahmen abgerechnet, in völlig ungenügender Weise, und selbst Darwin hat sieh eher in abfälligem als in zustimmendem Sinne über 392 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 32. Lamarck's Bestrebungen geäussert. Dazu aber kam, dass die Selectionstheorie Darwin's, also der eigentliche Dar- winismus, von unerhörtem Erfolge begleitet war. Der Siegeslauf, den die Selectionstheorie antrat, nahm in einem solchen Grade Aller Augen in Anspruch, dass La- inarck von den einen kaum beachtet, von den andern mit Verachtung behandelt wurde. Erst in der allerletzten Zeit fangen die Grundprincjpien der Lamarck'schen Lehre an, neben denen der Darwinschen an Hoden zu ge- winnen, und in demselben Maassc, wie sie es thun, ver- liert der eigentliche Darwinismus an Bestand. Es ist also durchaus verkehrt, von dem Lainarckismus als einer alten Theorie, die sich überlebt habe, zu sprechen. Die Sache steht vielmehr so, dass der Lainarckismus erst allmählich zum Leben erwacht; und wenn nicht alle An- zeichen trügen, so steht ihm, nachdem er sich von der Ueberwucherung durch den1 Darwinismus befreit hat, ein schneller und ehrenvoller Siegeslauf bevor. Ob nun das Grundprincip des Lainarckismus nach Ueberwindung der ihm anhaftenden jugendlichen Unvoll- konimenheiten richtig bleibt oder nicht, soviel steht fest, dass Lamarck die ungesuchteste und von vornherein ein- leuchtendste, wir können sägen, die eleganteste Erklärung der stammesgeschichtlichen Umformungen activ gebrauchter Organe gegeben hat. Aber freilich auch nur der activ gebrauchten. Denn wir dürfen bei der Beurtheiluug der Schöpfungstheorie Lamarcks nicht vergessen, dass seine Lehre zwar zeigen könnte, auf welche Weise die selbstthätigen Organe zu ihren Formen gekommen sind, dass sie auch wohl im Stande sein könnten, Anpassungen zu erklären, wie sie sich etwa in der Festigkeit der Knochen, in der Schwielen- bildung an Hautstellen, die häufig mit dem Boden in Be- rührung kommen, und in ähnlichen Vorkommnissen aus- drücken, dass sie dagegen eine grosse Reihe zweckmässiger Einrichtungen der Organismen unerklärt lassen würde. Hierher würden in erster Linie die gehören, welche die Farbenanpassungen der Thiere betreffen. Warum die Thiere des Nordens weiss, die der Wüste gelb gefärbt sind, woher der Laubfrosch sein grünes Kleid hat, und wie es kommt, dass soviele Schmetterlinge , die eine gute Nahrung für Vögel und andere Thiere abgeben würden, anderen mit ihnen nicht verwandten Schmetterlingsarten in hohem Grade ähneln, die nicht den Angriffen feind- licher Thiere ausgesetzt sind, weil sie durch widrigen Geschmack und Geruch geschützt sind, das vermöchte der Lainarckismus nicht daizuthun, auch wenn er sich sonst als nothwendig erweisen sollte. Er würde also auch dann durch ein weiteres Erklärungspriucip zu er- gänzen sein. 9. Die Anschauungen Geoffroy St. Hilaire's. Etwas mehr Beachtung als Lamarck fand sein Zeit- genosse und Landsmann Geoffroy St. Hilaire, dessen Ent- wickelungstheorie unsere Beachtung verdient, weil neue Gedanken in ihr enthalten sind. Geoffroy St. Hilaire huldigte der Abstammungslehre, aber er Hess die staimnesgeschichtlichen Umbildungen der Organismen nicht sowohl durch den Gebrauch und Nicht- gebrauch der Organe, wie Lamarck es gethan hatte, zu Stande kommen, sondern durch die direkten physikali- schen und chemischen Einflüsse der Aussenwelt. Er hat damit auch eine vielleicht mögliche Erklärung mancher wichtigen Umbildungserscheinungen im Thier- und Pflanzen- reiche gegeben, oder doch wenigstens auf die Thatsacheu hingewiesen, welche solche durch directe chemische oder physikalische Einflüsse der Aussenwelt bewirkte Umbildungen darzuthun scheinen. Diese Thatsachen sind ausserordentlich zahlreich. In neuerer Zeit ist z. B. viel von dem sogenannten Saison- dimorphismus der Schmetterlinge die Rede gewesen. Es zeigte sich nämlich, dass zwei bis dahin als getrennte Arten unterschiedene deutsche Schinetterliugsformen, Vanessa prorsa und Vanessa levana, nur verschiedene Jahreszeitenformen einer und derselben Art sind, und dass bei der Hervorbringung dieser beiden Saisonformen die Temperaturverhältnisse derjenigen Jahreszeit, in welcher sie sich entwickeln, eine Rolle spielen. Kaum minder bekannt ist der Nachweis, dass ein kleiner Krebs salz- haltiger Binnengewässer, Artemia salina, dadurch, dass man ihn in stärker salzhaltiges Wasser, etwa in Meer- wasser versetzt und hier züchtet, in eine andere, im Meere lebende Art, Artemia milhauseni übergeht, während die Gattung Artemia die Charaktere der in süssen Binnen- gewässern lebenden Gattung Branchipus annimmt, wenn man Artemia salina in Süsswasser züchtet. Diese Beispiele zeigen also,, dass physikalische und chemische Einflüsse der Aussenwelt die Formen der Or- ganismen in irgend einer Weise beeinflussen können. Wie aber durch dergleichen Einflüsse die zweckmässige Gliederung und die schützende Ausstattung der Orga- nismen zu Stande gekommen sein könnte, ist auf Grund solcher Thatsachen noch nicht einzusehen. Die Theorie Geoffroy St. Hilaire's lässt also den grössten Theil der organischen Formenbildung' unerklärt; sie könnte sich zwar vielleicht als eine werthvolle Ergänzung des La- inarckismus, falls die Grundzüge des letzteren berechtigt sind, erweisen; aber auch die gegenseitige Ergänzung der Lehre Lamarck's und Geoffroy St. Hilaire's genügt noch nicht, um uns alle Formenverhältnisse der Organismen iu befriedigender Weise zu erklären. Vielmehr hat uns erst Darwin Ideen an die Hand gegeben, die uns einen Ein- blick in die Entstehung solcher Eigenschaften der thierischen und pflanzlichen Formen eröffnen, welche nicht direct auf äussere Einflüsse oder auf den Gebrauch und Nichtgebrauch der Organe zurückzuführen sind. (Forts, folgt.) Ueber Masern auf'Samoa berichtet die Münchener med. Wochenschrift 1894 S. 427: Bis vor wenigen Monaten sind die Masern auf dem zur Zeit so viel be- sprochenen Archipel der Samoainseln unbekannt gewesen. Im Juni v. J. wurde die Krankheit durch einen Dampfer auf den 500 Meilen entfernten Tongainseln eingeschleppt, wo sie grosse Verheerungen anrichtete. Drei Monate später brachte der gleiche Dampfer das Contagium nach Sanioa. Aehnlich wie bei früheren Gelegenheiten, wo bis dahin nicht durchseuchte Inselgruppen (Farör, Fidjiinseln) inficirt wurden, ergriffen sie auch hier in kurzer Zeit die gesammte Bevölkerung. Von den 34 500 Einwohnern der Inselgruppe starben nach einem Bericht von S. H. Davits im Brit. med. Journ. (19. Mai) bis Ende December 1893 etwa 1000, seither noch mehrere Hunderte, darunter fast die Hälfte Erwachsene. Die hohe Sterblichkeit fällt weniger der Heftigkeit der Epidemie als dem unver- nünftigen Verhalten der Erkrankten zur Last. Neun Zehntel der Todesfälle hätten nach ärztlicher Ansicht verhütet werden können. Fast alle Todesfälle erfolgten an Complicationen, worunter solche von Seiten des Darm- canals, Gastritis, Enteritis, Dysenterie die am häufigsten waren. Nr. 32. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 393 Beiträge zur Kenntniss «1er Kern- und Zellen- degeneration und ihrer Ursache hat L. Drüner ge- liefert, (Jenaische Zeitschrift f. Naturw. 1893. Band XXVIII. S. 294). — Der Verfasser fand einen neuen kernfressenden Parasiten in den Hoden von Salamandra maculosa, der früher zu Missdeutungen mehrfach Anlass gegeben hat. F lern innig beschreibt in seiner Abhandlung über die Kcrntheilung der Spermatocyten des Salamanders eine Degeneration von Zellen mit Kernen , die während der Sommermonate häufig im Hoden auftritt. Das Chromatin erscheint diffus im Kern vertheilt und verdeckt jede Structur desselben; dieser tingirbare Klumpen ist mehr oder weniger von Vacuolen durchsetzt, unter denen eine besonders gross und an die Peripherie gelagert zu sein scheint. Hermann, der zwei Jahre später diese eigen- thümlichen Vorgänge untersuchte, fand, dass es sieli dabei nicht um eine Durchsetzung des im Kern diffus vcrthcilten Chromatins mit kleineren oder grösseren Vacuolen handle, sondern, dass der ganze Kern in eine grosse Vacuole verwandelt und dadurch das Chromatin in Form eines derben, durchlöcherten Netzwerkes an der Kernmembran niedergeschlagen sei. Die achromatische Substanz des Kernes aber ballt sich zu einer kleinen, im Innern des Kernes gelegenen Kugel zusammen. Drüner färbte Hoden vom Salamander mit einer Doppelfärbung von Bleu de Lyon und Borax-Carmin (1 Theil einer lprocentigen Lösung von Bleu de Lyon in A([. dest. auf 10 Theile Borax-Carmin nach Grenacher) und fand die von Hermann beschriebene Kugel auf allen Präparaten blau gefärbt. An ihrer Oberfläche liegen meist kleine Brocken chromatischer Substanz und oft steht sie durch feine chromatische Fäden mit den Kernresten und den der Kernmembran anliegenden chromatischen Körnchen und Brocken in Verbindung. Die Grösse dieser blau gefärbten Kugeln ist sehr ver- schieden, ebenso ihre Lage in der Vacuole. Eine zarte Membran umgiebt ihren Inhalt, der je nach der Grösse des Körpers ein verschiedenes Bild darbietet. In der kleineren findet sich ein dunkelblau gefärbtes Korn; etwas grössere Stadien enthalten zwei und mehr solcher stark gefärbter Körner, welche meist dicht an der Mem- bran liegen. Auffallend ist dabei, dass das eine dunkle Korn der kleinsten Stadien stets etwa den doppelten Durchmesser der vielen Körner in den grösseren Stadien hat. Hier finden sieh oft zehn bis vierzehn derselben, die fast immer gleich gross sind. Neben diesen ältesten Stadien fand Drüner in Degeneration verfallene Kerne; die chromatische Kernsubstanz ist in lauter feine Körnchen aufgelöst, die theihveise schon zu mehreren zusammen- gebacken sind. Bemerkenswerth ist dabei, dass mit der fortschreitenden Degeneration der Kern- substanz im Allgemeinen ein Wachsthum und eine weitere Differenzirung des blauen Körpers ein her geht. Diese Thatsache berechtigte den Ver- fasser zu der Auffassung, dass jeder blaue Körper das Stadium eines sich selbstständig entwickelnden Organismus sei, der von den kleineren bis zu den grössten Formen ohne Theilung oder Verschmelzung mit anderen, denn dafür fanden sich durchaus keine Anhaltspunkte, heran- wächst, während zugleich sein Wohnort, der Kern, einer fortschreitenden Zerstörung verfällt. Hermann's achro- matische Kugel ist ein Parasit, Was bedeuten nun die kleinen blauen Körner im Parasiten? Da sich in manchen Kernen blaue Körper finden, welche an Stelle der blauen Körnchen eine Anzahl Löcher enthalten und in der Umgebung eine ganz massen- hafte Infection der Kerne zu bemerken ist, so nmss man dieselben als Sporen auffassen, die nach vollendeter Entwickelung den Parasiten verlassen und in neue Kerne einwandern. Die Einwanderung scheint vorwiegend in Cysten, deren Kerne in Ruhe sind, stattzufinden, während Cysten mit in Kerntheilung begriffenen Spermatocyten wenig befallene Kerne zeigen. Der Grund hierfür ist vielleicht darin zu suchen, dass sich die Degenerationsherde mit einem Bindegewebsseptuni umgeben, welches dem Durchwandern der kleinen Sporen und so dem Weiter- umsichgreifen über die Grenzen eines Septums hinaus er- hebliche Schwierigkeiten in den Weg setzt. Ob nun die erste Infection eines Kernes einer Cyste dadurch erfolgt, dass es doch ab und zu einmal einer Spore gelingt durch das Bindegewebsseptuni hindurch in eine neue Cyste zu gelangen oder ob die Keime auf dem Wege der Blut- und Lymphbahnen vom Darm aus in den Hoden gelangen, konnte der Verfasser nicht entscheiden. Für den ersteren Weg spricht jedenfalls der Umstand, dass man, wenn auch höchst selten, Bindegewebskerne inficirt findet. Trifft eine solche Infection von einigen Kernen eine Cyste, deren Zellen in lebhafter Theilung begriffen sind, so werden die inficirten in ihrer Entwickeluug gestört, während die übrigen sich weiter vermehren. Wenn aber Zelltheilung und endliche Samenbildung schneller erfolgen, als die Entwickelung des Parasiten, so wird die erkrankte Zelle abgestossen, bevor die Sporen frei geworden sind und eine weitere Infection stattfinden konnte. Dagegen in Cysten, deren Kerne längere Zeit in Ruhe waren, ent- wickelt der Parasit ungehindert seine Sporen, ergreift die umliegenden Kerne und verbreitet sich nach und nach durch die ganze Cyste. Von der Infection werden nun sowohl Follikelzellen als auch Spermatogonien er- griffen. Die Schnelligkeit des Zerfalles hängt von der Grösse der Infection ab. Da man anfangs Kerne mit zehn bis zwölf Keimen findet, später aber in einem Kern meist nur ein, selten zwei Parasiten gefunden werden, so kann man annehmen, dass die Parasiten auswandern, um sich in einem anderen Kern ein neues Feld der Thätig- keit zu suchen, zumal auch Kerne vorkommen, die noch keine hochgradigen Degenerationserscheinungen zeigen, aber einen Parasiten enthalten, der in seiner Entwickelung schon sehr weit vorgeschritten ist. Die Spermatogonien, welche schon durch ihre binde- gewebige Hülle den Sporen das Durchdringen erschweren, sind auch wahrscheinlich im Stande, die parasitären Ein- dringlinge jüngsten Stadiums in sich abzutödten und sich dadurch vor dem Zerfall zu schützen, denn man findet in ihnen Kerne, welche eine Vacuole mit einem der Wand lose anliegenden blauen Körper haben. Derselbe ist viel schwächer gefärbt als seine Altersgenossen in anderen Kernen, was man als ein Zeichen des beginnenden Ab- Sterbens auffassen kann. Ausser im Hoden fand Verfasser den Parasiten auch im Darmepithel, im Allgemeinen unter denselben De- generationserscheinungen. Neben den Epithelzellen waren bisweilen auch Leukoeyten inficirt, sowohl solche, welche zwischen die Cylinderzellen eingewendet waren, als auch solche, welche im submueösen Bindegewebe lagen. Diese Thatsache spricht für die Möglichkeit der oben erwähnten Verbreitung der Infection im Körper durch den Blutstrom, Mit den von Steinhaus aus dem Dünndarm von Sale- mandra maculosa beschriebenen Sichelkeimen und ihren Vorstufen hat der von Drüner beschriebene Parasit nichts gemein, denn Verbreitung und Vorkommen beider erscheint unabhängig von einander. Ausserdem sind ihre morpho- logischen Eigenschaften und ihr Verhalten gegen Karl» Stoffe grundverschieden. Für den Parasiten, der bisher in Salamandra macu losa und in Triton eristatus gefunden wurde, schlägt Drüner den Namen Micrococcidium caryolyticum 394 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 32. vor und für die durch denselben am Kern hervorgerufenen Veränderungen den Namen Karyolyse. Seine Emreihung in das System der parasitischen Protozoen stösst auf Schwierigkeiten. Denn er zeigt grosse Abweichungen von allen anderen bekannten Formen, was als eine Folge der Eigenart seiner Lebensweise im Zellkern anzusehen ist. F. Römer. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Chefingenieur Arnold zum ordentlichen Professor der elektrotechnischen Hochschule in Karlsruhe; Dr. Eduard Holzapfel von der technischen Hochschule in Aachen zum ordentlichen Professor der Geologie und Paläontologie; Privatdocent Dr. Cohn, genannt Lassar-Co Im, Assistent am Königsberger Laboratorium für medicinisohe Chemie, zum ausser- ordentlichen Professor; Dr. phil. Samuel Landauer von der Universitätsbibliothek in Strassburg zum Honorar - Professor in Berlin; die ausserordentlichen Professoren Dr. phil. Volk mann und Dr. phil. Garbe in Königsberg zu ordentlichen Professoren; Dr. K. Brunn er, Privatdocent für Chemie in Prag, zum ausser- ordentlichen Professor ; der ausserordentliche Professor der Mathematik Professor Dr. Ritter Dantscher von Kollosberg in Graz zum ordentlichen Professor. Es wurden berufen : der ausserordentliche Professor und 1. Assistent an der chirurgischen Klinik zu Tübingen Dr. Karl Garro als ordentlicher Professor der Chirurgie nach Rostock; Privatdocent Dr. Rudolf Wiener in Halle als ordentlicher Professor der Mathematik an die technische Hochschule in Darm- stadt; der ausserordentliche Professor Dr. Julian Schramm in Wien als ordentlicher Professor der Chemie nach Krakau; Dr. phil. Theodor Pfeiffer in Jena als ordentlicher Professor an die landwirtschaftliche Akademie in Hohenheim ; Professor H. S. Williams von der Cornell-Universität als Nachfolger des zurückgetretenen Professors der Geologie Dana an der Yale- Universität. Es haben sich habilitirt : Dr. phil. Ernst Gilg für Botanik in Berlin; Dr. Aschoff in der medicinischen Fakultät in Göt- tingen; Dr. Schmidt aus Bremen in der medicinischen Fakultät in Bonn; Dr. von Terey in der philosophischen Fakultät in Freiburg. Abgelehnt haben: eine Berufung nach Wien der ordentliche Professor der Philosophie Dr. Bäunacker in Breslau und Pro- fessor Dr. Windelband in Strassburg Es sind gestorben: der frühere Docent für Frauenheilkunde Dr. Isidor Cohnstein in Charlottenburg; der frühere Professor des archäologischen Instituts in Petersburg Dimitri Iwa- nowitsch Prosorowski, ein hervorragender Meteorologe; der Professor der Mineralogie an der Ecole Nationale Superieur des Mines in Paris Mallard; der Professor der Botanik in Bristol Dr. A. Leipner; der Phykologe A. Derbes in Marseille; der Pro- fessor der Zoologie und "Darwinist Michele Lessona in Turin: der Professor der Philosophie Priccini in Rom; der Director des Bergen-Museums Dr. Daniel Cornelius Danielssen; der Physiker Alfred Williams; der Afrikareisende Richard B u c h t a in Wien. Die Vereinigung von Freunden der Astronomie und kos mischen Physik (in Berlin) hält eine Generalversammlung vom 1.— 3. September in Gotha ab. — Vorsitzender: Dr. Foerster. Geh. Regierungsrath, Director der Kgl. Sternwarte und Professor der Astronomie in Berlin. Aufruf. Das unterzeichnete Comite beabsichtigt, das Andenken des am 5. Juni d. Js. in Gera verstorbenen Hofraths Professor Dr. K. Th. Liebe durch ein einfaches Denkmal im Walde zu ehren. Dasselbe soll in einem geologischen Aufbau aus wetterfesten Gesteinen Ostthüringens und einem den Aufbau umgebenden kleinen Vogelhaine bestehen. An geeigneter Stelle wird das Reliefbild des um die Geologie und Ornithologie hochverdienten Forschers Aufstellung finden. Alle Verehrer, Freunde, Bekannte und Schüler des weit über die Grenzen der Heimath bekannten Gelehrten werden gebeten, durch Spendung von Beiträgen die Errichtung des geplanten Denkmals ermöglichen zu helfen Geldsendungen sind an den mitunterzeichneten Hofbuchhändler Herrn R. Kind er mann in Gera (Reuss) zu richten. Gera, im August 1894. Das Comite für ein K. Th. Liebe -Denkmal. Kirchenrath L. Barth, Dr. med. Bäuerlein - Würzburg , Real- gymnasialoberlehrer Bender, Geh. Bergrath Professor E. Beyrich- Berlin, Professor Dr. R. Blasius- Braunschweig, Professor Dr. W. Blasius- Braunschweig. Director Dr. Bossler- Darmstadt, Sanitäts- rath Dr. Busch, Professor Dr. Büttner, Geh. Bergrath Professor Dr. H. Credner - Leipzig, Wirk! Geh. Ober - Regierungsrath und Regieruugs-Präsident von Diest-Merseburg, Reutier A. Eichenberg, Rechtsanwalt und Notar Fasold-Lobenstein, Geh. Commercienrath W. Ferber, Lehrer E. Fischer, Hofrath Professor Dr. M. Fürbringer- Jena, Geh. Hofrath Dr. H. B. Geinitz-Dresden, Gymnasialdirector Dr. A Gruinme, Professor E Hartenstein - Schleiz, Sradtrath G. Hartig , Präsident des Deutschen Thierschutz -Verbandes Otto Hartmann - Köln, Geh. Oberbergrath Dr. Hauchecorne - Berlin, Bahnhofsinspector F. Heller-Zwötzen, Oberförster Hempel-Ernsee, Dr. med. C. R. Hennicke-Leipzig, Major Alexander von Homeyer- Greifswald, Hofbuchhändler R. Kindermann, Geh. Regierungsrath Professor Dr. H Knoblauch - Halle a. S., Rechtsanwalt K. Liebe, Professor Dr. F. Ludwig - Greiz, Alphons Graf Mirbach-Geldern- München, Geh. Regierungsrath Professor Dr. K. Möbius - Berlin, Oberförster A. Müller- Darmstadt, Dekan K. Müller-Alsfeld, Pro- fessor Dr. Neliring-Berlin, Commissionsrath K. Nitzsche, Rentier R. Oberländer, Professor Dr. I'illing - Altenburg. Dr. E. Rey- Leipzig, Oberförster 0. von Riesenthal-Charlottenburg, Gymnasial- oberlenrer Dr. Rudert, Oberbürgermeister Ruick , Oberlehrer Seheidemantel-Torgau, Lehrer Ed. Schein, Professor Dr. Schneider, Dr. M. Schroeder, Dr. Siinroth - Leipzig, Kaufmann A. Stoeckel, Professor Dr. Taschenberg-Halle a. S., Victor Ritter von Tschusi zu Scbniidhoffen -Villa Tännenhof bei Hallein, Staatsrath von Wac- quant- Geozelles - Sophienhof bei Grupenhagen, Regierungs- und Forstrath Jaeobi von Wangelin - Merseburg, Commercienrath H. Weber, Dr. E. Zimmermann-Berlin (Die Comite-Mitglieder, deren Wohnort nicht angegeben ist, wohnen sämmtlich in Gera.) Litteratur. Maurit. Willkomm, Supplementum prodromi florae Hispanicae sive enumeratio et descriptio omnium plantaruni inde ab anno 1862 usque ad annum 1893 in Hispania deteetarum quae inno- tuerunt auetori, adjeetis locis novis speeieruin jam notarum. E. Schweizerbart (E. Koch). Stuttgartiae 1893. — 20 Mk. Es ist bekannt, dass di j Erforschung und Bearbeitung der so reichen und interessanten Flora Spaniens vorzugsweise Aus- ländern verdankt wird. Den Namen einos Clusius, Tourne- fort, Pourret, Boissier, Willkomm, Lange, Cosson, Rouy haben die Eingeborenen, obwohl sie seit den Zeiten Linnes bestrebt sind, diese Lücke ihrer wissenschaftliehen Thätig- keit auszufüllen, auch nicht annähernd ein Aequivalent gegen- über zu stellen; wohl verdienen Lagasca, Cutanda, Col- meiro und Perez Lara ehrenvolle Erwähnung; die bedeutendsten Systematiker, die Spanien bis jetzt gehabt hat, Cavanilles, Ruiz und Pavon, haben ihre Sporen nicht an der einheimischen Flora verdient. Unter diesen ausländischen Forschern hat, wie bekannt, der Verfasser des vorliegenden Werkes seit fast einem halben Jahrhundert die Führung übernommen. In rüstigen Jugendjahren hat er die interessantesten Localitäten der Halb- insel erfolgreich durchforscht und ist auch später noch wiederholt dahin zurückgekehrt. In den Jahren 18111 — 1880 hat er dann, in Gemeinschaft mit seinem Altersgenossen, dem auch um die Flora Dänemarks und Grönlands so hoch verdienten Johann Lange, in einem umfangreichen, meist sorgfältig bearbeiteten Werke die erste umfassende und kritische Uebersicht der Flora Spaniens gegeben; nun bietet er uns, in seinem 73. Lebensjahre, eine ebenso sorgfältige Zusammenstellung des reichen rloristischen Materials, das sich seit dem Erscheinen der betreffenden Theile des Prodromus angehäuft hat. Das Buch ist für jeden, der sich ernstlich mit der europäischen Flora beschäftigt, unentbehrlich. Es würde wohl kaum angebracht sein, an dieser Stelle über die systematische Behandlung bez. Nomenclatur dieser oder jener Gruppe mit dem Verfasser zu rechten. Ebenso unbillig wäre es, dieses Werk, eine Musterleistung wahrhaft deutschen Fleisses, wegen nicht absoluter Vollständigkeit zu bemängeln Jeder Fach- genosse, der sich ähnliche Aufgaben stellt, weiss aus eigener Er- fahrung, dass dieselbe, selbst für ein viel beschränkteres Gebiet, nicht zu erreichen ist, zumal wenn man, wie Verf., derselben nur Nebenstunden während eines arbeitsvollen Lebens widmen konnte. Vielleicht ist es aber nicht überflüssig, einige Ergänzungen zu liefern, wie sie sich dem Ref. durch seinen eigenen Studiengang dar- geboten haben. Althenia filiformis Petit, welche Verf. in Prodr. I. 26 zur Aufsuchung empfiehlt, wurde m der That schon von Bourgeau! bei Puerto Real gefunden (vgl. Nyman Consp. 684) und ebenda- selbst unter dem unrichtigen Synonym A. setacea „Del."' neuer- dings von Perez Lara gesammelt (Willk. Suppl. 333). Sparganium neglectum Beebv kommt nach dem Autor (Journ. of bot. 1885. 194, vgl. Oest. Bot. Zeitschr. 1893. 13) wahrscheinlich bei Pancorvo vor. Eleusine bareinonensis Costa (Prodr. 1. 46) = E. tristaehya (Lam.) Kth. vgl. Ascherson, Ind. sem. h. Berol. 1871 app. 4. Nr. 32. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. B95 Diese jedenfalls aus Südamerika (Montevideo oder Argentinien, wo sie Prof. Hieronymus sammelte) eingeschleppte Art s«dl nach V. v. Janka (bei Nvman, Consp. Suppl II.) auch in Unter-Italien (als K italica Terrae) vorkommen. Dir Identität von Carex a-turiea Willk. (Illustr. fl. Hisp.) mit C. brevicollis DC wurde schon von V. v. Janka erkannt, der durch die sehr be- merkenswerthe Thatsache der giftigen V^irkung, die von der Pflanze im Banat („das Gras, das die Pferde besoffen macht-1) wie in Spanien (nach Levier und Leresche, die die Pflanze in diesem Lande entdeckten) bekannt ist, darauf aufmerksam gemacht wurde (Oest. Bot. Zeitschr. 1884, 278 ff). Die im Prodi-. I 138 nach Boissier als Cyperus Eragrostis aufgeführte Art ist der mit Ausnahme Südspaniens nur in Afrika verbreitete und auch in ihn ägyptischen Oasen aufgefundene C. Mundtii (Nees) Ktli (vgl. Boissier, Fl. ür. V. Mir,). Atriplex albicans Willk. von Puerto de Sa. Maria ist wahrscheinlich mit dem aus Spanien noch nicht angegebenen A. laciniatum L. (= A. arenaria Woods, A. farinosa Dumort.) identisch (vgl. Ascherson, Bull. Herb. Boiss. I. 1893. 664, 665). Pulicaria arabica var. perennans Perez Lara wäre wohl mit der marokkanischen, auch in Aegypten häufigen P inuloides DC. zu vergleichen. Für die S. 111 als Species incertae eedis erwähnte Scorzonera chondrilloides Pourret bei Willd. Sp pl. Hl. 1505 trifft die Vermuthung des Verf., dass sie garnicht zu dieser Gattung trehöre, vollkommen zu. Ref. überzeugte sich durch Ein- sicht der im Herb. Willd. Nr. 14517 aufbewahrten dürftigen Reste, dass diese Art mit Zollikofena resedifolia (L.) Coss. = Z. chon- drilloides DC. identisch ist. Anthriscus vulgaris 'fi. neglectus Loscos et Pardo Prodr. III SO ist identisch mit der viel älteren, in den botanischen Garten öfter vorkommenden var. gymnocarpa Moris Fl. Sard. IL 235 (1S40— 1843). Ueber die Gattung Spcrgula hat Ref. in den Verh. Bot. Vor. Brandenb. XXX. (1^88) S. XLI bis XLIV kritische Bemerkungi-n veröffentlicht, die, weil sie un- glücklicher Weise ohne Ueberschrift sind, bisher noch fast von Allen, die es angeht, übersehen wurden. Für die spanische Flora ergiebt sich daraus, dass die von Willkomm (Prodr. 111. 162) richtig beschriebene S. viscosa Lag., eine äusserst seltene, bisher nur an wenigen Oertliehkeiten des cantabrischen Gebirges ge- fundene halbstrauchige Art, nicht mit der weit verbreiteten S. pentandra var. viscosa Boiss., einer Varietät (eeltiberica Aschers. 1 c ) der bekannten S. vernalis Willd. (Morisonii Bor.) zusammen- fallt, wohl aber mit der von W. (a. a. 0.) als Species nomine tantum nota aufgeführten S. rimarum Gay. Epilobium Carpeta- nnm Willk. Prodr III. 184 wird von Haussknecht (Monogr. Epil.) zu E. collinum Gmel. gezogen, dagegen E. Tournefortii Micbal., welches Lange (a. a. 0. 186) fraglich zu E. virgatuin Fr. zieht, mit Recht *ls eigene Art hingestellt. Ueber E. gemmiferum Lange a. a. 0. 18ö vgl. Hausskne'cht a. a. Ü 120, 158. E. mntabile P.oiss. et Reut. (Prodr. III. 185) gehört nach den in Valleyres cultivir- ten Exemplaren zu E. parviflorum Schreb.. während Haussknecht in der Original-Diagnose ein E. mbntanum x roseum verinuthet (a. a. 0. 67, 81.). Dass für Potentilla Nestleriana Tratt. der Name P. heptaphylla Mill. ebensowenig zutrifft wie P. intermedia L. , hat Ref. (siehe Verh. Bot. Ver. Brandenb. XXIV. 1882. 76, Anm. 2) nach- gewiesen. Die angeblich in Arragonien gefundene Euphorbia graeca Boiss. et Spran. wäre wohl mit der nahe verwandten E. tauri- nensis All. zu vergleichen. Lepidium viririnicum L. auch bei S. Sebastian, Nyman Consp. Suppl. II. 39 (1889); bei Hendiye an der Grenze Spaniens schon 1878, vgl. Clos in Bull. Bot. France XXV. 1878, 247. Von Interesse für die Nomenclatur einer den norddeutschen Botanikern immer geläufiger*) werdenden Art, des Anthoxanthum Puelii Lee. et Lam. sind die S. 10 gemachten Mittheilungen. Nachdem schon der hochgeschätzte Agrostograph Hackel, der selbst Spanien bereist hat, diese Art wiederum mit der älteren A. aristatum Boiss. vereinigt hatte, behauptet Perez Lara auf ( irund eingesehener Original-Exemplare von A. ovatum Lag. die spe- eifische Identität der beiden letztgenannten. A. Puelii würde danach also als A. ovatum Lag. var. aristatum (Boiss.) Perez Lara zu bezeichnen sein. Von besonderem pflauzengeographischeu Interesse sind einige in diesem Werke registrirte neue Funde. Leersia hexandra Sw. (besser wohl Oryza australis A. Br.) bei Algeeiras, neu für Europa; tropisch kosmopolitisches Sumpfgras, dessen Vorkommen manche Analogie mit dem des oben erwähnten Cyperus Mundtii bietet, sowie *) Dieselbe wurde auch in den letzten Jahren mehrfach als Adventivpflanze bei Berlin beobachtet. So auf den Rieselfeldern bei Blankenburg von Jörns; in Steglitz 1893, Wannsee und Hermsdorf 1894, an den drei letzten Orten von Herrn P. Graebner in Gegen- wart des lief. auch mit dem Vorkommen der neuerdings aus Portugal bekannt gewordenen palaeo tropischen Utricularia exoleta I.'. Kr. (vgl. Ascherson, ßer. D. Bot. des. IV. 1886, 109), Silaus peucedan« (M. B.) Boiss. (= S. virescens Gris.i wurde in Arrago n auf- gefunden; diese Art ist also jetzt von Spanien bis Armenien bekannt und scheint das deutsche Florengebiet in einem grossen Bogen (Bourgogne, Süditalien, Montenegro, Bosnien, Siebenbürgen) zu umgehen; die Auffindung an vereinzelten Punkten Süddeutsch- lands würde nicht überraschen; einigermassen ahnlich ist die Verbreitung von Geum heterocarpum Boiss.. das allerdings in Europa nur in Spanien und der Dauphin«' gefunden ist: Magnus hat neuerdings zwei wahrscheinlich zusammengehörige auf dieser Art schmarotzende Rostpilze, ein Phragmidium aus Spanien und ein Caeoma aus Armenien beschrieben (Ber. D. Bot. Ges IX. 96 ff., XII. 84 ff.). Die bisher nur von den nordatlantischen Inseln bekannte Hex Perado Ait. findet sich auch an ihr Südküste Spaniens, also in derselben (legend, wo Rhododendron ponticum L. var. R. baeticum Boiss. vorkommt Die bisher nur von den- selben Inseln und aus Portugal bekannte Prunus lusitanica L. findet sieh auch in den Bergen von Toledo und seihst in Navarra, ein Fund, der an die Entdeckung des nahe verwandten P. Lauro- eerasus L. in Serbien erinnert. P. Ascherson. Dr. Benno Hecht, Anleitung zur Krystallberechnung. Mit einer Figurentafel und fünf auf Pauspapier gedruckten Hilfs- projeetionen. Verlag von Johann Ambrosius Barth. Leipzig 1893. — Preis 3 Mk. Das Buch giebt nach der vom Verfasser herrührenden Me- thode mit Anwendung von Determinanten die allgemeine Lösung der bei Krystallberechnungen auftretenden Aufgaben. Nach kurzer Anführung elementarer Lehrsätze über Determinanten und goniometrischer und krystallographiseher Hilfssätze geht Verfasser auf die allgemeine Lösung der Aufgaben ein, und bespricht dann die Berechnung der Axenelemente und «lie Bestimmung der In- dices der Flächen für die einzelnen Kristallsysteme. Sehr an- genehm ist. für den Lernenden dabei die Zufügung von «lie ein- zelnen Fälle erläuternden Beispielen. Zum Schluss geht Verfasser dann noch auf die Transformation der Indices und «1er Axen- elemente und die Berechnung von Zwillingskrystallen ein. Anhangsweise wird noch für die Anfertigung der stereographischen Projection und die Herstellung der Parallelprojection aus jener eine einfache Methode angegeben. Es folgen dann noch eine Reihe von Uebungsbeispielen. KI. Mach's Grundriss der Physik. Für die höheren Schulen des deutschen Reichs bearbeitet von Dr. Ferd. Harbordt und Max Fischer. IL Theil: Ausführlicher Lehrgang Mit 424 Ab- bildungen. G. Freytag. Leipzig 1S94 — Preis geb. 8 Mk. Das für höhere Schulen bestimmte Buch des trefflichen Physikers Mach ist im Anschlnss an die Lehrpläne des deutschen Reiches und unter besonderer Berücksichtigung der neuesten preussischen Bestimmungen von zwei Schul- männern umgearbeitet worden. Da in den Realgymnasien und Realschulen wohl meistens ein besonderes Lehrbuch der Chemie in Gebrauch ist, so wurde «1er für das humanistische Gymnasium bestimmte Abschnitt über die chemischen Erscheinungen in der vorliegenden Ausgabe für Realanstalten weggelassen, dafür aber die. wichtigsten Erscheinungen aus der M'teorologie und Astro- nomie in einem Anhang behandelt. Von besonderem Werthe ist, dass Professor Mach selbst eine Correctur des Buches gelesen und auch mit seinem Rath den Herausgebern bei der Umarbeitung zur Seite gestanden hat. W. Bertram, Excursionsflora des Herzogthums Braunschweig mit Einschluss des ganzen Harzes. 4. erweiterte und gänzlich umgestaltete Auflage. Herausg. von Franz Kretzer. Friedrich Vieweg X- Sohn. Braunschweig 1894 - Preis 4,50 Mk. Bei der Ueberhäufung des Generalsuperintendenten Dr. Bertram mit Amtsgeschäften hat dieser «Im Herausgabe der Neu auflasre dem im Titel Genannten überlassen, jedoch hatte B. bereits «las Manuskript fertig Di«' Arbeit K 's beschränkte sich daher darauf, «He Bestimmungstabellen zu revidiren, und auf die Correctur des Buches. Die Erweiterung des Buches wird jeder Florist mit Freuden begrüssen (die frühere Autlaue behandelte nur «lie Flora von Braunschweig), namentlich dass der Harz in seinem ganzen Umfange Berücksichtigung gefunden hat. Inhalt: Wilhelm Haacke, Schöpfung und WeBeti der Organismenform. — Masern auf Samoa. — Beitrug«' zur Kenntniss der Kern und Zellendegeneration und ihrer Ursache. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. -- Litferatur. - Maurit. Willkomm, Supplementum prodroini florae Hispanica. — Dr. Benno Hecht, Anleitung zur Krystallberechnung. -■ Mach's Grundris der Physik. — W. Bertram, Exkursionsflora des Herzogsthums Braunschweig 396 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 32. F rem d län di s cli e Zierf isch e Macropoden, Telescop- Schleierschwanz -Goldfische und andere Arten, sowie Wasserpflanzen für Aquarien und Gartenbassins, (auch Einrichtung derselben), Durchlüftungs-Apparate, Hillfsmittel, Fischfutter etc. empfiehlt Lankwitz a. d. Berl. Anh. Halm. Paul Matte, (Von Berlin in 12 Min. zu erreichen.) Züchterei fremdl. Zierfische. (Besichtigung ist gestattet.) patent- u. techn. Bureau Fritz Schmidt BERLIN N., Chaussee-Str. 2a. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Soeben erschien : Japaner und Altaier. Von Heinrich Winkler. •-'1 Seiten gr. 8°. Preis 1 Mark. Diese linguistische Studie ist für alle Sprach- und Altertumsforscher von hohem Interesse. Es erschien: Studien zur Astrometrie. Gesammelte Abhandlungen von Wilhelm Förster, Prof. ii. Dimetor der Kgl. Sternwarte zu Berlin. Preis 7 Mark. f ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦ £-crb. OiimmUr» |)rrlaa«buri|ijaublun0 in SBerlin SW. 12. (soeben erfdjie» : (ßibünfen über llitfrr ßontnmi ltnb flkljfti. Jlaliirioi|[rn[ilinfl[i. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger «Quellenangabe gestattet. Schöpfung und Wesen der Organismenform. Eine historisch-kritische Studie über alte und neue Entwicklungslehren. Von Wilhelm Haacke. 10. Die Zuchtwahllehre Därwin's. (Fortsetzung.) unserer deutschen Singvögel brüten jährlieh zweimal und Der Bedeutung Rechnung tragend, die Därwin's Lehre in unseren Tagen erlangt hat, müssen wir uns mit ihr etwas eingehender beschäftigen, als mit den Anschau- ungen von Därwin's Vorgängern. Das Grundprineip derjenigen Lehre, die man aus- schliesslich als Darwinismus bezeichnen sollte, der Selektionstheorie nämlich, lässt sich allerdings mit wenigen Worten bezeichnen; es ist das Ueberlcbcn des Passen listen im Kampf ums Dasein. Zur Aufstellung dieses Princips, das gleichzeitig auch von Wallacc aufgestellt wurde, gelangte Darwin, nach- dem er auf einer grossen Reise um die Erde auf die Idee gekommen war, dass die heute lebenden Organismen nur veränderte Nachkommen anders gestalteter, heute aus- gestorbener Vorfahren seien, durch die Lektüre eines Buches des Nationalökonomen Malthus, worin dieser den Nachweis zu führen vei ein zwischen der Vermehrung der Menschen und derjenigen der zu ihrer Ernährung nothwendigen Nahrung. Die Vermehrung der Anzahl der Menschen sollte in geome- trischer Progression, die der menschlichen Nahrungsmittel nur in arithnietrischer vor sich gehen, Anschauungen, die zwar unhaltbar sind, die aber Darwin auf das Missver- hältniss aufmerksam machte, dass zwischen der Anzahl nebeneinander lebender Individuen einer Organismenart und der von diesen alljährlich erzeugten Keime und Jungen besteht. Dieses Missverhältniss fällt sofort in die Augen, wenn wir uns an irgend ein Beispiel erinnern. Die meisten rsuchte, dass in der Oekonomie des Menschengeschlechts ein Missverhältniss bestehe, legen durchschnittlich etwa 10 Eier im Jahre. Wir dürfen annehmen, dass aus diesen Eiern durchschnittlich fünf von einem Elternpaar erzeugte Männchen und ebcnsoviele Weibchen ausschlüpfen. Wollten wir nun annehmen, dass jedes Vogelpärchen während seines Lebens nur fünf Paar Junge erzeuge, und dass es sterbe, nachdem dies ge- schehen sei, wollten wir ferner annehmen, dass sämmt- lichejungeu Paare zur Fortpflanzung gelangten, so würden wir finden, dass die Erde bald keinen Raum mehr hatten würde für alle von einem einzigen Paar abstammenden Vögel. Im ersten Jahr würden wir nur ein einziges Paar haben; von diesem Paare und allen übrigen nehmen wir an, dass es im Alter von 1U — 12 Monaten 5 Paar Junge er- zeugt und dann stirbt. Im zweiten Jahre würden dann 5 Paare vorhanden sein, im dritten 5 mal b Paare, nach 100 Jahren 510" Paare. Was aber diese Anzahl bedeuten würde, geht aus den Berechnungen hervor, die man an- gestellt hat, um zu zeigen, wieviel Weizen dazu gehört, um auf das erste Feld des Sehachbretts 1 Weizenkorn, auf das zweite 2, auf das dritte 4, auf das vierte 8 und auf jedes der 64 Felder des Schachbretts immer doppelt so viel Weizenkörner zu legen, als auf das vorher- gehende. Wenn man alles feste Land auf der Erde be- nutzen wollte, um Weizen zu bauen, so würden doch mehr als 70 Jahre dazu gehören, dass die nöthige Menge tob Weizen zur Bedeckung des Schachbretts mit Weizenkörnen wachse. Die Zahl der einzelnen Weizenkörner, durch welche diese Menge repräsentirt wird, hat aber nur 20 Stellen, würde also recht klein sein im Vergleich zu der Anzahl von Vögeln, tue als Nachkommen eines einzigen Pärchens unter den von uns gemachten Voraussetzungen 398 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 33. nach Verlauf von 100 Jahren vorhanden sein müssten, falls nicht dafür gesorgt wäre, dass bei weitem die meisten Thiere und Pflanzen, die erzeugt werden, wieder sterben, ehe sie noch zur Zeugungsfähigkeit gelangt sind. Es ist also zweifellos, dass ein starkes Missvcrhält- uiss zwischen der Anzahl der alljährlich erzeugten Indi- viduen von Thieren und Pflanzen und den wenigen unter diesen, die wieder zur Fortpflanzung gelangen, besteht. Was beispielsweise unsere deutschen Singvögel anlangt, so sind wir froh, wenn ihre Anzahl eine stationäre bleibt, und nicht anstatt, dies zu thun, oder zuzunehmen, abnimmt. Im Grossen und Ganzen kann man den Satz aufstellen, dass die Anzahl der gleichzeitig lebenden Individuen einer Organismenart durchschnittlich jahraus jahrein dieselbe bleibt. Aus diesen Thatsachen zog Darwin den Schluss, dass ein Kampf ums Dasein unter den einzelnen um ihre Existenz ringenden Individuen einer Organismenart statt- finde, der mit dem Untergange der allermeisten Thcilnehmer endige. Dass dieser Kampf ums Dasein unbewnsst in ähnlicher Weise wirke, wie die Zuchtwahl des Menschen bei der Veredelung der Hausthiere und Kulturpflanzen, war eine weitere Annahme Darwins. Um diese Idee zu verfolgen, setzte Darwin sich mit Thier- und Pflanzenzüchtern in Verbindung, und züchtete selbst in ausgedehntem Maasse Haustauben. Dadurch, dass er verschiedene Taubenrassen mit einander kreuzte, wodurch Vögel, die sich von der wildlebenden Fclstaube nicht unterscheiden Hessen, entstanden, konnte Darwin den Nachweis fuhren, dass alle die so sehr verschiedenen Taubenrassen der Kulturvölker Abkömmlinge der weit verbreiteten Felstaube seien, und er nahm an, dass die verschiedenen Rassen der Haustaube durch die Zuchtwahl des Menschen entstanden seien, dass beispielsweise die Kropftauben ihre weiten Kröpfe der Absicht des Menschen verdanken, diese durch Zuchtwahl zu erzielen. Alle Tauben haben ja mehr oder minder die Fähigkeit, ihre Kröpfe aufzublähen; wenn nun, so folgerte Darwin, diese Eigenschaft dem Taubenbesitzer gefiel, und wenn er be- sonders diejenigen Individuen hochschätze, die ihre Kröpfe weiter als die übrigen aufblähen konnten, wenn er dem- gemäss diese zur Nachzucht wählte, und wenn die aus- gewählten Exemplare die weiten Kröpfe auf ihre Nach- kommen vererbten, wenn bei diesen wieder und wieder Zuchtwahl geübt wurde, wenn immer nur die Individuen mit den besten Kröpfen zur Fortpflanzung ausgelesen wurden, dann konnte eine Taubenrasse erzielt werden, wie es die heutige englische Kropftaube ist. Wenn Darwin nun auch darin geirrt hat, dass die meisten Rassen der Hausthiere und Kulturpflanzen ur- sprünglich der Zuchtwahl ihre Entstehung verdanken, so lässt sich doch nicht leugnen, dass auf die von Darwin angenommene Art neue Rassen durch bewusste Zucht wähl zu Stande kommen können, und es war gewiss die Mühe werth, die Zuchtwahlidee auf die wildlebenden Thier- und Pflanzenarten anzuwenden. Darwin dachte sich nun, dass eine unbewusste Zuchtwahl durch den Kampf ums Dasein ausgeübt würde, und dass sie ähnliche Resultate zu Wege brächte, wie die bewusste Auslese des Menschen. Erläutern wir dies durch ein Beispiel: Unsere Haus- meerschweinchen sind gewöhnlich schwarz, gelb und weiss gefleckt. Es kommen aber auch solche mit fahlen Flecken vor. Man kann sich durch einige Jahre lang fortgesetzte Zuchtversuche davon überzeugen, dass es möglich ist, Meerschweinchen, die einfarbig fahl sind, zu züchten, wenigstens solche, die neben der fahlen Färbung nur noch Weiss zeigen. Die fahle Färbung ist nun eine solche, wie sie viele Wüstenthiere zeigen. Gesetzt nun, in einer Wüste lebte eine Thierart, deren Angehörige anderen Thieren zur Beute dienten, und eine Färbung hätten, die nicht dazu geeignet wäre, die Individuen der betreffenden Thierart den Blicken der ihnen nachstellenden Feinde zu entziehen, angenommen aber ferner, dass nicht alle In- dividuen der beireffenden Thierart ungünstig gefärbt wären, sondern dass etliche mehr oder weniger in der Farbe dem fahlen Gelb des Wüstensandes ähnelten, so könnte man auf die Idee kommen, dass diese von ihren Nachstellern verschont würden, weil sie sich deren Blicke durch ihre Färbung entzögen. Würde nun aus irgend welchen Ur- sachen die Anzahl der Nachsteuer bedeutend vermehrt, so könnten möglicherweise alle diejenigen Individuen der verfolgten Thierart vertilgt werden, die nicht durch ihre Färbung geschützt waren; diejenigen dagegen, bei welchen das letztere der Fall war, würden überleben und ihre Eigenschaften auf ihre Nachkommen vererben. Unter diesen könnte eine gleiche unbewusste Zuchtwahl geübt werden, und eine fortgesetzte Auslese könnte allmählich zur Entstehung einer Thierart mit dem fahlen Kleide der Wüste führen. Eine solche Zuchtwahl könnte auch statt- finden, obwohl langsamer, falls sich die Anzahl der Feinde der betreffenden Thierart jahraus jahrein gleich- bleiben würde. So ungefähr dachte sich Darwin die Wirksamkeit des von ihm aufgestellten Princips der Naturauslese oder der natürlichen Zuchtwahl durch den Kampf ums Dasein. Dieses Princip setzt voraus: 1) die Veränderlichkeit der Organismen, 2) die Vererbung individueller Eigenschaften, 3) eine so geartete Auslese, dass nur diejenigen Indi- viduen überleben und zur Fortpflanzung gelangen, die sich durch irgendwelche Eigenschaften von den übrigen unter- scheiden. Es muss unsere nächste Aufgabe sein, diese drei Factoren, mit denen der eigentliche Darwinismus arbeitet, etwas näher zu untersuchen. Darwins Ansichten über die Veränderlichkeit der Organismen und über die Vererbung individueller Eigenschaften sind solche, die bei eingehender Prüfung auf den Präformismus hinaus- kommen. Darwin hat zwar oft betont, dass die gegen- seitige Beeinflussung der Organe eines Thier- oder Pflanzen Individuums bei den Veränderungen der Organismen eine grosse Rolle spielen, dass sich die einzelnen Theile eines Körpers in Abhängigkeit von einander entwickeln, dass, wenn ein Theil verändert wird, sich auch andere Organe umbilden müssen, indessen hat Darwin sich nicht eingehend darüber ausgesprochen, wie diese Correlation der ein- zelnen Theile zu erklären sei, und er hat neben der Correlation auch ein unabhängiges Variiren der einzelnen Organe angenommen. Dieser letzteren Annahme verdankt Darwin's Theorie der Pangenesis ihre Entstehung. Darwin hat diese Theorie als eine „provisorische" bezeichnet, woraus man irrthümlicherweise den Schluss gezogen hat, als ob es sich dabei nur um eine formale Erklärung der Vererbungs- und Abänderungserscheinungen handle. Das kann aber auf keinen Fall zugegeben werden; denn Darwin war trotz seiner Neigung zum Theoretisiren ein praktischer Engländer, dem formale Theorien fern standen; und wenn er seine Pangenesislehre als eine „provisorische" Hypo- these" bezeichnete, so wollte er damit nur ausdrücken, dass es eine verbesserungsfähige Hypothese sei, nicht aber, dass ihre Annahmen der Wirklichkeit nicht ent- sprächen. Die Pangenesislehre Darwins ist vielmehr so überaus anschaulich, wie es die meisten Darlegungen Darwins sind, und sie zeichnet sich dadurch vorteilhaft vor manchen anderen Theorien aus. In kurzen Zügen dargestellt, lehrt sie das folgende. Darwin nahm an, dass die Zellen, die Elementar- organe, aus welchen die Thiere und Pflanzen bestehen, und die man gewissermaassen als die Bausteine der Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschritt. 399 ( Organismen betrachtet, sich nicht blos durch Theilung vermehrten, sondern dass sie während der ganzen Dauer ihres Lehens kleine Keimchen, Gemmulae, wie sie Darwin nannte, aligäben, die aus den Zellen heraustreten und sich in den Fortpflanzungsorganen sammeln sollten, um hier die Keimzellen, die Ei- und Sammelzellen zu bilden. Dadurch also, dass von jeder Zelle eines Individuums während der ganzen Dauer ihres Daseins solche Gem- mulae abgegeben und den in diesem Individuum sich entwickelnden Keimzellen zugeführt würden, sollten die letzteren befähigt werden, alle diejenigen Entwickelungs- stadien wieder zu durchlaufen, die der elterliche Orga- nismus durchgemacht hatte, und zwar sollte dies dadurch möglich sein, dass sich zuerst diejenigen Gemmulae zu Zellen entwickelten, welche von den ersten Zellen, die aus der befruchteten Eizelle des elterlichen Organismus hervorgegangen waren, abgegeben worden waren, darauf die der nächstfolgenden Zellen, u. s. w. Aus dieser An- nahme ergab sich die Notwendigkeit der ferneren, dass die Umbildung der Gemmulae zu Zellen zu richtiger Zeit und am richtigen ( Irt stattfinden müsse, und dass die Entwickelung der Gemmulae davon abhängig sei, ob ge- wisse andere Gemmulae, die ihnen in der Entwickelung voraufgehen mussten, sich bereits zu Zellen ausgebildet hatten oder nicht. Von einer Vererbungslehre verlangt man nun aber, dass sie erkläre, warum die Vorgänge, die sie annimmt, vor sich gehen müssen, warum z. B. die Gemmulae sich nur dann zu Zellen umbilden, wenn ihnen bestimmte andere Gemmulae in der Entwickelung voraus- gegangen sind. Dies hat Darwin aber nicht zu zeigen vermocht, und deshalb ist seine Pangenesislehre un- genügend. Ausserdem alter stösst die Annahme eines Transportes der Gemmulae nach den Fortpflanzungsorganen hin auf grosse Schwierigkeiten. Man sieht nicht ein, wie die Gemmulae dazu kommen sollen, zu den Keimzellen hin- zufinden. Alier. wenn wir von diesen Mängeln der Pan- genesislehre absehen, so müssen wir doch zugeben, dass Darwin eine Theorie zu ersinnen suchte, die sieh die Vererbung auf möglichst einfache Weise zu erklären be- strebte. Darwin nahm nämlich ferner an, dass die Gemmulae verändert werden könnten, und daraus folgte, dass sich auch Veränderungen, die sich in Folge äusserer Beein- flussungen an irgend einem Theile eines Individuums vollzogen hatten, auf die sich in diesem Individuum ent- wickelnden Keimzellen und damit auf die aus diesen Keimzellen entstehenden Nachkommen übertragen mussten. Darwin suchte also die Vererbung erworbener Eigen- schaften zu erklären, weil er die Annahme einer solchen nicht entbehren zu können glaubte, während viele seiner heutigen Nachfolger die Möglichkeit einer Vererbung er- worbener Eigenschaften leugnen. Zu der von Caspar Friedrich Wolff aufgestellten Theorie der Epigenesis setzt sich Darwin's Pangenesis- lehre in Widerspruch. Sie ist im Wesentlichen präfor- niistisch, denn sie nimmt an, dass alle Zellen eines In- dividuums, das sich aus der befruchteten Eizelle ent- wickeln soll, in dieser letzteren durch einzelne Keime vorgebildet sind. Da nun aber Darwin durchaus nicht zeigen konnte, auf welche Weise das geordnete Werden des Organismus aus der Keimzelle zu .Stande kommt, so ist die Art von Präformationstheorie, die er vertritt, un- genügend. Falls die Präformationstheorie überhaupt richtig ist, muss sie, wie die alten Präformisten es gethan haben, einen Keim annehmen, in welchem die Keime der einzelnen ( Irgane schon so angeordnet sind, dass die letzteren dar- aus zur richtigen Zeit und am richtigen Ort entstehen müssen. Da nun aber die Annahme, dass die von den einzelnen Zellen des Körpers abgegebenen Gemmulae sieb in den in diesem Körper entstehenden Keimzellen in der rechten Weise ordnen, dazu führen müsste, die Gemmulae mit einem Ordnungssinn auszustatten, ihnen also eine völlig unbegreifliche Eigenschaft anzudichten, so ist die Verbindung einer Pangenesislehre, d. h. einer Ver- erbungslehre, welche die Vererbung von allen Theile n des Körpers aus zu Stande kommen lässt, mit der Präformationstheorie unhaltbar. Die Präformationstheorie lässt sich nur dann halten, wenn sie regelrecht aufgebaute, vorgebildete Keime annimmt; dann aber führt sie DOth- wendiger Weise zur Einschachtelungstheorie. Darwin's Hypothese der Pangenesis leidet also an einem inneren Widerspruch: Entweder erfolgt die Ver- erbung von allen Theilen des Körpers aus, entweder handelt es sieh also um Pangenesis, und dann ist eine Präformationstheorie unmöglich, oder die Annahme einer Präformation besteht zu Recht, und dann ist die Folgerung einer Einsehachtelung nicht zu vermeiden. Zu welchen Consequenzen dies aber führen muss, das werden wir später sehen. Wollen wir uns für die eine oder die andere Ver- erbungstheorie entscheiden, so müssen wir uns darüber klar sein, ob wir dem Präformismus oder der Epigenesis- lehre huldigen wollen: die Präformationstheorie führt mit Notwendigkeit zum Creatismus. Die Vererbungslehre Darwin's verträgt sich deshalb mit seiner Abstammungs- lehre nur dann, wenn sie consequenter Weise annimmt, dass die Keime aller Organismen, welche die Erde zu bevölkern bestimmt waren, zugleich mit den von Gott erschaffenen Stammeltern aller Thiere und Pflanzen ins Dasein gerufen wurden. Man könnte ja immerhin an- nehmen, dass die ineinandergeschachtelten Keime nicht gleich waren, sondern dass sie genau in der Weise von einander abweichen, um den Schein einer natürlichen Entwickelung und allmählichen Umbildung bei ihrer Aus- schachtelung hervorzubringen. In den fünfzehigen Vor- fahren des Pferdes etwa könnten die Keime der folgen- den Generationen in der Weise eingeschachtelt gewesen sein, dass zunächst vierzehige, dann dreizehige und zu- letzt einzellige Thiere, wie es die heutigen Pferde sind, entstehen mussten. Fassen wir das über Darwin's Pangenesislehre Ge- sagte kurz zusammen, so ergiebt sich, dass sie wegen ihres inconsequenten Charakters unannehmbar ist. Was sie mit dem Präformismus theilt, zieht nothwendiger Weise die Consequenzen des letzteren nach sich; will sie aber ihren präfortnistischen Charakter abstreifen, so bleibt von ihr weiter nichts übrig, als die Annahme, dass die Ent- wickelung auf Epigenesis beruht und, dass die Keimzellen von allen Theilen des Körpers, der sie umschliesst, be- einttusst werden. Aber eine Erklärung der epigenetischen Entwickelung und der Vererbung erworbener Eigen- schaften hätte Darwin dann nicht versucht. Wir werden uns später entweder für die consequent durchgeführte eine, oder die ebenso folgerichtig ergänzte andere Seite von Darwin's Pangenesislehre zu entscheiden haben. Ebenso unbefriedigt wie Darwins Vererbungstheorie lässt uns seine Auffassung von der Wirkungsweise des Kampfes ums Dasein. Die Auslese der für bestimmte Lebensbedingungen am passendsten organisirten Thier- und Pflanzenindividuen durch den Kampf ums Daseins ist eine unbewiesene An- nahme. Es ist keine Beobachtung bekannt, die darthäte, dass in irgend einem Falle ein Auge, ein Ohr, kurz ein Organ, das um ein Geringes besser war als das betreffende Organ bei anderen Individuen, seinen Träger vor dem Untergang geschützt hätte, während 400 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 33. jene anderen Individuen zu Grunde gingen. Vielmehr nimmt der Darwinismus an, dass es so sei, ohne seine Annahme irgendwie anders als durch theoretische Er- wägungen begründen zu können. Die Auslese durch den Kampf ums Dasein könnte die Organe nur dann zu einer bestimmten Form heranzüchten, wenn es nachgewiesen wäre, dass sie in dem von Darwin angenommenen Sinuc wirkte. Dieser Nachweis kann aber überhaupt nicht geführt werden. Es sind also willkürliche Hypothesen, auf die sich der Darwinismus stützt. Gleichwohl können wir das Be- stehen einer Auslese durch den Kampf ums Dasein nicht leugnen; aber wir können nicht nachweisen, dass diese Auslese die Beschaffenheit einzelner Organe, wohl aber, dass sie die Tüchtigkeit des gesannnten Organismus und vor allem dessen Constitution betrifft. Ein grosser Theil der Individuen, welche erzeugt werden, verdankt, wie es scheint, zunächst dem Zufall seinen Untergang, vielleicht der allergrösste, und die meisten Individuen gehen schon in früher Jugend, durchweg schon als unausgebildete Keime, zu Grunde. Was aber ein höheres Alter erreicht und vom Zufall verschont wird, das muss, wenn es dauernd der feindlichen Aussenwelt trotzen und zur Fort- pflanzung gelangen soll, eine gute Constitution haben. Dass schlecht constituirte Individuen zu Grunde gehen, können wir auf Schritt und Tritt beobachten; sei es, dass wir Thiere und Pflanzen züchten, oder uns als Beobachter der freien Natur davon überzeugen, dass im Grossen und Ganzen nur die Thier- und Pflanzen-Individuen, die eine gute Constitution haben, den schädigenden Einflüssen der Aussenwelt Trotz zu bieten vermögen. Es findet also un- zweifelhaft eine Auslese statt, und Darwin gebührt für die Aufstellung des Zuchtwahlgedankeus unser Dank. Wir können dem Manne, der uns auf diesen aufmerksam gemacht hat, das Zugeständniss nicht verweigern, dass er uns auf einen wichtigen Umstand für die Erfassung der Factoren der organischen Fornienbildung hingewiesen hat. Darwin hat uns gezeigt, dass nicht alle Individuen, welche entstehen, in diese feindliche Welt auf die Dauer hineinpassen. Dass aber das Ausleseprincip Darwiu's uns nicht erklärt, wie durch natürliche Zuchtwahl eine Fortbildung der Organismen zu höherer Vollkommenheit uud zu besserer Anpassung zu Wege kommen kann, lehrt fol- gende Betrachtung. Wenn wir die einzelnen Individuen einer Thier- oder Pflanzenart sorgfältig unter einander vergleichen, so finden wir, dass das eine nach dieser, das andere nach jener Richtung hin von der Norm abweicht, dass bei dem einen dieses, bei dem anderen jenes Organ besonders gut aus- gebildet ist, während hier das eine, dort das andere Körperwerkzeug eine mangelhafte Beschaffenheit zeigt. Hat nun das eine Individuum seinem guten Ohre, das andere seinem guten Auge seinen Fortbestand verdankt, während bei dem ersteren das Auge, bei dem letzteren das Ohr mangelhaft ist, und paaren sich solche In- dividuen mit einander, so werden dadurch Nachkommen erzeugt, bei denen die Abweichungen von der Norm wieder ausgeglichen werden, die aber in Folge irgend welcher Einflüsse ihrerseits wieder in der einen oder der anderen Weise von dem Durchschnitt abweichen können. Wenn also auch eine Auslese im Sinne Darwiu's statt- finden könnte, so könnte diese doch zu keiner Fortbildung führen, sondern sie müsste die betreffende Thier- oder Pflanzenart immer auf derselben Höhe der Ausbildung er- halten, man müsste denn annehmen, dass die Beschaffenheit eines einziges Organes den Ausschlag über das Fortbe- stehen einer Organismenart giebt. Diese Annahme führt aber, wie wir gleich sehen werden, zum Präformismus. Wenn die Organe ihre Ausbildung der natürlichen Zuchtwahl verdanken, so müssen sie auch durch die natürliche Zuchtwahl auf der Höhe ihrer Vollkommenheit erhalten werden. Es muss also, falls Darwinsche Zucht- wahl besteht, jedes einzelne Organ für sich durch seine gute oder mangelhafte Beschaffenheit für das Uebcrlebcn oder zu Grnndegehen des betreffenden Individuums aus- schlaggebend sein können. Dass solches thatsäehlieh der Fall wäre, lässt sich zwar nicht nachweisen; alter gesetzt, man wollte annehmen, dass es so wäre, so würde diese Annahme weitere Consequenzen nach sich ziehen. Wenn eine Auslese nach der Beschaffenheit der Organe stattfindet, so muss diese, wie wir eben gesehen haben, jedes einzelne Organ betreffen. Wenn das aber der Fall ist, so müssen sämmtliche Organe unabhängig von einander variiren können. Es darf dann also keine Corrclation stattfinden; denn wo diese besteht, kann die bessere Beschaffenheit eines Organs correlativ mit der mangelhaften Beschaffenheit eines anderen Organs ver- bunden sein, und eine Weiterzüchtung sämmtlicher Organe zu höherer Vollkommenheit wäre dann, wie wir gesehen haben, nicht möglich. Soll eine solche stattfinden, so muss sieh jedes Organ unabhängig von den übrigen ver- ändern können. Das könnte aber nur dann geschehen, wenn jedes Organ für sich im Keime vorgebildet ist. Die Annahme des Ausleseprincips, wie es Darwin sich vorstellte, zieht als nothwendige Cousequenz die einer Präformation des Organismus im Keime nach sieh, und diese die eben so unvermeidliche Folgerung einer Ein- scliachtelung der Keime in einander. Die aber führt zum Creatismus. Der eigentliche Darwinismus ist also nicht, wie man gewöhnlich annimmt, ein trausformistisches, sondern ein creatistisches Princip. Dass wir hier keinen Trugschluss begangen haben, werden wir klar erkennen, wenn wir die neueste der Schöpfungstheorien August Weismann's einer Betrachtung unterziehen. 11. Die Theorien Weismann's. Die Reihe der von dem Freiburger Zoologen August Weismann nach und nach aufgestellten Sehöpfungs- theorien, die wir, obwohl nur die letzte einigennaassen vollständig ist, sänmitlich besprechen müssen, weil wir sonst die in stetem Flusse befindlichen Anschauungen Weismann's nicht verstehen würden, wird eröffnet durch eine Unsterblichkeitslehre, entwickelt in einem im Sep- tember 1881 gehaltenen Vortrag: „Ueber die Dauer des Lebens." In dieser Veröffentlichung gelangt Weismann zu dem Ergebuiss, dass diejenigen Thiere und Pflanzen, die nur aus einer einzigen Zelle bestehen uud sich durch Theilung dieser letzteren fortpflanzen, unsterblich sind, während die mehrzelligen Organismen aus einem sterb- lichen und einem unsterblichen Theile beständen. Un- sterblich soll bei den mehrzelligen Thieren und Pflanzen diejenige Zellenreihe sein, welche die Keimzellen eines Individuums direct mit denjenigen seiner Vorfahren und Nachkommen verbindet, während die Zellen, die nicht dieser Reihe angehören, dem Untergang preisgegeben wären. Der Körper der mehrzelligen Organismen be- stände also aus zwei Theilen, einem Personaltheil und einem Germinaltheil. Der Germinaltheil würde, wie sein Name sagt, durch die Keimzellen und die die Keimzellen einer Generation direkt mit denen der vorhergehenden und der folgenden Generation verbindenden Körperteilen dargestellt, während der Personaltheil durch die übrigen Zellen des Körpers gebildet würde. Aus der zur Ent- wickelung reifen Eizelle gehen nach dieser Anschauung einerseits solche Zellen hervor, die wieder nach einer Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wocheusch ri i't . 401 grösseren oder geringeren Reihe von Zellengenerationen zur Bildung von Keimzellen führen, andererseits solche, aus denen keine Keimzellen, sondern Zellen der ver- schiedenen Organe des Körpers werden. Da die Organ- zellen nicht wieder zu Keimzellen umgebildet würden, so gingen sie, sagt Weismann, mit dem Tode des In- dividuums ohne Nachkommen zu Grunde, während die in der Zellenreihe des Germinaltheiles befindlichen Zellen von einem Individuum auf das andere übertragen würden, sieli also in ununterbrochener Reihe fortpflanzten und des- halb gleich den einzelligen Organismen, bei denen das- selbe der Fall sei, unsterblich seien, unsterblich wenig- stens insofern, als sie nicht den Keim des Todes in sich trügen. Es besteht also nach Weismann eine Arbeits- teilung zwischen dem Germinaltheil und dem Personal- theil eines mehrzelligen Organismus. Der erstere sorgt für den Fortbestand des Stammes, der andere dafür, dass die Individuen so lange leben, wie erforderlich ist, um sie zur Fortpflanzung gelangen zu lassen. Der Per- sonaltheil steht also lediglich im Dienste des Germinal- theils, sofern der Fortbestand des Stammes in Betracht kommt, und diese Arbeitstheilung soll durch natürliche Zuchtwahl herbeigeführt sein. Es soll nämlich nicht zweckmässig sein, dass auch der Personaltheil sieh eines ewigen Lebens erfreue, son- dern für den Fortbestand des Stammes soll es besser sein, wenn die einzelnen Individuen einer Organismenart nur eine beschränkte Lebensdauer haben. Andernfalls würden sie sich nach Weismaim sehr bald, da sie sich unausgesetzt vermehren , die notwendigen Existenz- bedingungen streitig machen, und die einzelnen Orga- nismenarten würden, da ihre Mitglieder gar nicht in dem Sinne unsterblich sein könnten, wie es etwa der Stoff und die Kraft sind, schliesslich wegen Mangels au allen notwendigen Existenzbedingungen zu Grunde gehen. Die Unsterblichkeit des Germinaltheils und die Sterblich- keit des Personaltheils ist also nach Weismaim ein Pro- duet der Naturzüchtung. Kurzes Nachdenken lehrt, dass die hier skizzirten Anschauungen Weismann's über Tod und Unsterblichkeit nur vom Boden des Präformismus aus haltbar sind. Auf welche Weise ein Gegensatz zwischen nicht präformirten sterblichen und unsterblichen Zellen zu Stande gekommen sein könnte, weiss Niemand zu sagen; denn so gut wie an den Zellen des Genninaltheils kennen wir an denen des Personaltheils die Fähigkeit des Waehs- thunis und der Fortpflanzung. Was nun dazu geführt haben könne, bei den Zellen des Personaltheils diese Fähigkeit zu beschränken, hat Weismaun nicht gezeigt. Wenn die Zellen des Personaltheils sterblich sind, wie es ja ^tatsächlich der Fall ist, so müssten es auch die lies Genninaltheils sein, und die Thatsachen sprechen zu Gunsten dieser Folgerung : Ei- und Samenzellen, die nicht zur Befruchtung gelangen, gehen zu Grunde. Wenn also keine Präformation bestand, so konnte die natürliche Zuchtwahl gar keine Zellen finden, die sich in Bezug auf die Dauer ihres Lebens unterschieden, und ausserdem wäre es nicht einzusehen, weshalb der Tod ein Product der natürlichen Zuchtwahl sein sollte. Gesetzt, die einzelnen Thier- und Pflanzenindividuen der mehrzelligen Organismen wären genau in dem Sinne von ewiger Dauer, wie es nach Weisniann die einzelligen Tliiere und Pflanzen sind, so brauchte die natürliche Zuchtwahl nicht einzugreifen, um den Fortbestand der Art zu regeln, auch dann nicht, wenn die ewig lebenden Individuen einer Art sich im Laufe ihrer Existenz durch Abnutzung zu unnützen Krüppeln entwickeln würden. Diese Krüppel würden allerdings, da sie ja nicht ewig im Sinne der Uiizerstürbarkcit sind, früher oder später auf die eine oder andere Weise um ihr ewiges Leben kommen, aber neben ihnen würde immer noch eine ge- nügende Anzahl von wohlausgebildeten Individuen be- stehen, die für die Fortpflanzung ihres Stammes sorgen könnten. Denn dass, wie Weismann annimmt, die Art dadurch untergehen könnte, dass die krüppelhaften In- dividuen den wohlausgebildeten die nöthigen Existenz- bedingungen streitig machten, etwa das erforderliehe Futter wegfrässen, ist eine Annahme, die haltlos ist. Nicht die krüppelhaften Individuen werden den gesunden und wohlausgebildeten das Kutter wegfressen, sondern gerade das Umgekehrte wird stattfinden. Die krüppel- haften müssten zu Grunde gehen und die den Existenz- bedingungen wohl angepassten müssten überleben. Auch bei dem Bestehen einer Unsterblichkeit des Personaltheils der Individuen müsste sieb die Anzahl der Individuen einer Organismenart sehr bald regeln. Sie würde schon im Laufe von wenigen Generationen auf einem gegebeneil Gebiete eine im grossen und ganzen beständige sein. Diese Weisinann'sche Lehre von Tod und Unsterblich- keit, ans welcher sich, wie wir sehen werden, die Reihe der Schöpfungstheorien, die Weisniann bis jetzt aufgestellt hat, zurückführen lassen, ist also unhaltbar, sofern man ihre Consequenzen nicht ziehen will. Diese Gonsequenzeii würden aber die sein, dass in den Keimzellen der mehr- zelligen Organismen der Germinaltheil in den Personal theil eingeschachtelt ist, und zwar in der Weise, dass sich bei der Entwickelung des Individuums der Personal theil entfaltet und später zu Grunde geht, während in den Zellen des Germinaltheils andere Keime, die ihrerseits wieder aus einem Gerniinal- und einem Pcrsonaltheil be- stehen, eingeschachtelt sind. Die Annahme dagegen, dass sich der Persoiialtheil immer erst durch Umbildung einer Portion des Genninal- theils entwickle, verträgt sich nicht mit der Unterschei- dung eines sterblichen und eines unsterblichen Theiles im Körper der mehrzelligen Organismen. Wie der Personal- theil zu seiner Sterblichkeit kommen sollte, wenn er sich aus dem unsterblichen Germinaltheil entwickelt hat, wüsste man dann nicht. Der Glaube, dass es dennoch so sei, würde denjenigen, der sich Weismanns Anschauungen au- schliessen will, zum Widerspruch mit sich selbst führen. Die Weisniann'sche Lehre über die Daner des Lebens führt also nothwendiger Weise zur Präformation und damit zum Creatismus. Die Trennung der Substanz der Keimzellen in einen unsterblichen Germinaltheil und einen zum Untergang be- stimmten Persoiialtheil niusste Weisniann auf die Idee bringen, dass die Vererbung erworbener Eigen- schaften unmöglich sei, eine Annahme, die nur als eine Consequenz der Trennung der Keimmasse in jene beiden Theile betrachtet werden kann. Wenn Persoiial- theil und Germinaltheil getrennte Wege wandern, so kann nicht wohl eine Uebertragung der von dem ersteren durch die Thätigkeit seiner Organe oder in Anpassung an neue Lebensbedingungen neu erworbenen Eigenschaften auf den letzteren stattfinden. In seinem Vortrage „Ueber die Vererbung" leugnet Weisniann denn auch die Möglichkeit einer Vererbung erworbener Eigenschaften. Er sagt, dass nur solche neue Eigenschaften vererbt werden könnten, die ihre Entstehung einer Veränderung des ewiglebendigen Germinaltheils verdankten, da ja dieser von einem Indi- viduum direct auf dessen Nachkommen übergehe. Auf diese Weise war die Vererbung für Weisniann verständ- lich geworden, aber nur die Vererbung solcher Eigen schatten, die entweder schon im Germinaltheil begründet, oder von diesem, nicht aber vom Pcrsonaltheil, neu er worben waren. Diese Annahme niusste umso bestechender 402 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 33. sein, als dadurch das Vererhungsproblem wesentlich er- leichtert zu werden schien. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass eine Trennung des Personaltheils vom Germinaltheil undurchführbar ist, wenn man nicht zur alten Einschachtclungstheorie zurück- kehren will; denn das ist eine nothwendige Consequenz der Trennung der Keimmasse in jene beiden Theile. Will man diese Folgerung nicht ziehen, dann gelangt man zu der Anschauung, dass sich der Personaltheil aus dem Germinaltheil hervorbildet, d. h., dass im befruchteten Eie der Thiere und Pflanzen nur eine einheitliche Keim- masse vorhanden sei. Wenn das aber der Fall ist, dann lässt sich der Unterschied zwischen der ewigen Dauer des Germinaltheils und der beschränkten des Personaltheils nicht aufrecht erhalten; wenn der Germinaltheil ewig ist, müsste es dann auch der Personaltheil sein, der ja nur umgewandelte Keimsubstanz sein würde, oder aber der Germinaltheil müsste ebenso dem Untergange unterworfen sein wie der Person altheil. Anzunehmen, dass ein und derselbe Keimstoff sich zu gleicher Zeit einer ewigen und einer beschränkten Dauer angepasst hätte, bedingt einen inneren Widerspruch. Weismann's Anschauungen über die Dauer des Lebens und über die Nichtvererbung erworbener Eigen- schaften sind nur dann haltbar, wenn man annimmt, dass in den entwickelten Individuen Keimzellen enthalten sind, in welchen abwechselnd ein Personal- und Germin altheil eingeschachtelt ist. In jeder Generation kommt dann zuerst der Personaltheil und später dann der Germinal- theil, aus welchem die neuen Keimzellen entstehen, zur Entwickelung, und die Anzahl der Generationen ist vom Schöpfer bei der Erschaffung der ersten Individuen eines jeden Thier- und Pflanzenstammes festgesetzt. Ebenso müssen dann in den ineinandergeschachtelten Keimen gleich diejenigen stammesgeschiehtlichen Veränderungen vorgesehen gewesen sein, die sich im Laufe der Zeiten vollziehen sollten. Die Annahme einer Vererbung erwor- bener Eigenschaften hat natürlich keinen Platz neben einer solchen Präformationstheorie ; die letztere schliesst die erstere aus. Nachdem Weismann im Jahre 1884 in seiner Schrift „Ucber Leben und Tod" seine Anschauungen über die Dauer des Lebens Angriffen gegenüber vertheidigt hatte, erschien im Jahre 1885 sein Werk über „Die Kontinuität des Keimplasmas als Grundlage einer Theorie der Ver- erbung." In diesem Werk sucht Weismann seinen Ideen eine festere Gestalt zu geben. Die Theorie von der Conti- nuität des Keimplasmas besagt im Grossen und Ganzen aber weiter nichts, als das, was früher schon von Weis- maun ausgesprochen war, nämlich, dass die Keimsubstanz oder das Keimplasma eontinuirlich von einer Generation in die andere übergeht und dass vom Körper erworbene Eigenschaften nicht auf das Keimplasma übertragen werden könnten. Da es Weismann aber nicht aufgefallen ist, dass seine Ansichten notwendigerweise zur alten Ein- seliachtelungstheorie,und, falls die Abstammungslehre richtig ist, zu der Annahme führen mussten, dass schon in den von Gott zuerst erschaffenen Organismen die Verände- rungen, welche die Thier- und Pflanzenstämme im Laufe ihrer Stammesgeschiehte durchmachen sollten, vorgesehen gewesen seien, da AVeismann's Theorie über die Con- tinuität des Keimpiasinas es aber andererseits nicht zu- liess, eine Vererbung erworbener Eigenschaften anzu- nehmen, so müsste er die Ursachen der stammesgeschicht- lichcn Veränderung der Organismen in anderen Umständen suchen. Diese glaubte er in der geschlechtlichen Fort- pflanzung gefunden zu haben. In seinem Vortrage über „Die Bedeutung der sexuellen Fortpflanzung für die Se- lectionstheorie", der im Jahre 1886 erschien, suchte Wcis- mann den Nachweis zu führen, dass durch die geschlecht- liche Fortpflanzung, also durch die Verbindung von Ei- und Samenzellen, die Keimsubstanz oder das Keimplasma fortwährend neu gemischt und dadurch verändert würde, sodass die natürliche Zuchtwahl zwischen den auf diese Weise erzeugten verschieden gearteten Individuen die passendsten auswählen konnte. Woher aber sollte die Verschiedenheit der Individuen kommen, die Weismann doch, um diese Theorie aufzu- stellen, notwendiger Weise annehmen müsste V Er will in dem citirten Vortrage zwar nicht völlig in Abrede stellen, dass äussere Einflüsse direct auf die Keime wirken, und sie verändern könnten, er glaubt aber, dass dadurch das Zustandekommen erblicher individueller Charak- tere nicht bedingt sei, wenigstens nicht, sofern die viel- zelligen Thiere und Pflanzen in Betracht kämen. Dagegen nimmt Weismann in diesem Vortrage an, dass die ein- zelligen Organismen durch äussere Einflüsse erblich ver- ändert werden könnten, und da einzellige Thiere und Pflanzen sich einfach durch Theilung fortpflanzen, da sie direct in ihre Nachkommen zerfallen, so müssen die Eigenschaften, die sie neu erworben haben, nach Weis- manu auch direct auf die Nachkommen übertragen werden, denn bei solchen Organismen sollte, wie Weismann schon früher angenommen hatte, noch keine Trennung zwischen Germinal- und Personaltheil, zwischen Keimplasma und Körperplasma, eingetreten sein, sondern das Plasma der einzelligen Organismen entspricht nach Weismann's da- maliger Ansicht dem unsterblichen Keimplasma der mehr: zelligen, es ist gleich diesem von ewiger Dauer und alle Veränderungen, die sich an ihm in Folge äusserer Ein- flüsse vollziehen, müssen auf die Nachkommen übertragen werden. Diese Veränderungen müssen aber nach Weis- mann bei verschiedenen Individuen verschieden sein, weil jedes Individuum seine besonderen Lebenschicksale hat. Es ist nun aber eine Inconsequenz, anzunehmen, dass die einzelligen Organismen in individuell verschiedener Weise durch die Aussenwelt verändert würden, dagegen zu bestreiten, dass bei den mehrzelligen Thiereu und Pflanzen individuelle Verschiedenheiten durch directe Ein- wirkungen auf das Keimplasma hervorgebracht werden könnten, obwohl das Keimplasma durch äussere Einflüsse zu verändern ist, und deshalb müssen wir hier feststellen, dass Weismann einen Fehler begangen hat, den er bei sorgfältiger Prüfung wohl nicht gemacht haben würde. Die Annahme, dass das Keimplasma der vielzelligen Organismen durch äussere Einflüsse wohl erblich verändert, aber nicht individuell verschieden werden könne, schliesst einen inneren Widerspruch in sich. Kann es verändert werden, so inuss es auch in Folge verschiedenartiger äusserer Einflüsse individuell verschieden werden können, kann es das letztere nicht, so kann es überhaupt nicht verändert werden. Weismann's im Jahre 1886 publicirten Ansichten über die Bedeutung der geschlechtlichen Fortpflanzung sind also nur dann haltbar, wenn das Keimplasma der mehr- zelligen Organismen überhaupt nicht mehr durch äussere Einflüsse verändert werden kann, sondern wenn nur ein- zellige Organismen veränderlich sind, und in Folge dessen, weil ja nicht auf alle Individuen einer und derselben ein- zelligen ( Irganismenart dieselben äusseren Einflüsse ein- wirken, verschieden werden müssen. War dies möglich und bestand bei den einzelligen Vorfahren der vielzelligen Thiere und Pflanzen geschlechtliche Fortpflanzung, d. h. verschmolzen die einzelligen Körper dieser Organismen miteinander, um durch nachherige Theilung neue Indi- viduen hervorzubringen, so konnte dadurch eine Mischung verschiedenartiger Bildungsstoffe oder Plasmen herbeige- Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 403 führt werden, und dies konnte nach Weismann eine grössere Variabilität und damit ein ausgiebigeres Material für die natürliche Zuchtwahl liefern. Da die mehrzelligen Thiere und Pflanzen von einzelligen Wesen abstammen, so inussten sie schon vielfach gemischte Plasmen von diesen erhalten haben, und durch fortgesetzte geschlecht- liche Vermehrung' und dadurch bedingte wiederholte Neu mischung konnte, so nimmt Weismann an, eine stete Ver- änderlichkeit garantirt werden. Aber auch diese Annahme ist nur auf Grund der Präformations- und Einschachtelungstheorie haltbar; denn durch die innige Vermengung verschiedener Keimsubstanzen, die ja doch von den durch äussere Einflüsse veränderlichen einzelligen Thieren und Pflanzen herstammen sollten, müssten die miteinander verschmolzenen Plasmen aufein- ander einwirken und dadurch ihre Verschiedenheiten aus- gleichen, man mtisste denn die Annahme machen, dass sie von dem Moment der ersten Verschmelzung zweier verschie- denen Plasmen einzelliger Organismen an unveränderlich geblieben wären. Die Plasmen, die vor dieser Versclnnel- zungnoeh veränderlich waren, würden dann plötzlich unbeein- flussbar durch äussere Einwirkungen geworden sein. Das schlösse aber wiederum einen inneren Widerspruch in sich, und deshalb verträgt sich mit der Weismann'schen Mischungstheorie der Plasmen nur die Annahme, dass die Plasmen von allem Ursprung an verschieden waren, und dass sie in demjenigen Zustand, in welchem der Schöpfer sie ins Dasein gerufen, ewig verharren mussten. Wir gelangen also auch hier notwendiger Weise wieder zur alten Präformations- und Einschachtelungs- theorie; nehmen wir aber diese an, so sehen wir nicht mehr ein, weshalb geschlechtliche Fortpflanzung über- haupt nöthig war. Geschlechtliche Fortpflanzung hat nur dann einen Sinn, wenn dadurch gewisse Veränderungen herbeigeführt werden; wenn aber das Keimplasma unver- änderlich ist, dann ist sie ohne jede Bedeutung. Indessen ist uns ja bei Annahme der Präformations- theorie überhaupt jede Frage nach der Bedeutung der Naturerscheinungen abgeschnitten; wir müssen dann eben annehmen, dass diese sich so abspielen, wie der Schöpfer es gewollt hat, und dass auch die geschlechtliche Fort- pflanzung in Gottes Absicht gelegen habe. Unter allen Umständen ist soviel sicher, dass Weismann's Varia bilitäts- lchrc von 1886 nur auf Grund der Präformations- und Einsehaehtelungstheorie haltbar ist. Es wäre ja möglich, dass Gott die Absicht geballt hätte, von vornherein eine Anzahl der im Thicr- und Pflanzenreich erzeugten Indivi- duen zum Untergang und die anderen zum Leben bestimmt, und dass er die geschlechtliche Fortpflanzung deshalb eingerichtet hätte, um dadurch gleich am Schöpfungs- tage Individuen mit zum Leben und solche mit zum Sterben führender Plasmamischung zu bestimmen. Es ist begreiflich, dass Weismann nach Thatsaehen suchte, die seine Ansichten über das Zustandekommen der Variabilität und der Vererbung zu stützen geeignet waren, und solche Thatsaehen glaubte er in den Keim- zellenreifungsprozessen gefunden zu haben. In seiner 1887 erschienenen Schrift „Ueber die Zahl der Richtungskörper und über ihre Bedeutung für die Vererbung" knüpfte er an seine früher ausgesprochenen Anschauungen über das Zu- standekommen der Variabilität wieder an und führte aus, dass die Anzahl der verschiedenen Keiniplasmenarten, die durch die geschlechtliche Fortpflanzung in einer einzigen Keimzelle zusammengebracht würden, nach und nach so gross werden müsste, dass die Keimzellen schliesslich keinen Raum für alle mehr halten würden. Um alle Arten von „Ahnenplasmen", wie Weismann nunmehr die individuell verschiedenen von den einzelligen Vorfahren der vielzelligen Organismen herstammenden Plasmen nannte, aufzunehmen, ohne dass dadurch die einzelnen Plasmen auf eine, zu geringe Quantität herabgedrückt wurden, musste bald auch die grösste Keimzelle zu klein werden. Eine Verminderung der Quantität der einzelnen Keimplasmen hätte ja schliesslich so weit führen müssen, dass jede Keimplasmaart nur noch durch ein einziges Molekül repräsentirt worden wäre, und bei einer weiteren Vermehrung der Anzahl der Ahnenplasmen hätten auch diese Moleküle auf einen noch kleineren Raum beschränkt werden müssen; dadurch wäre aber eine Veränderung ihrer Constitution nothwendig geworden, falls keine Hin- richtung getroffen wurde, die geeignet war, die Anzahl der Ahnenplasmen in gewissen Sehranken zu halten. Dass diese Anzahl nach verhältnissmässig wenigen Generationen eine ungeheure hätte werden müssen, lehrt eine einfache Ueberlegung. Wenn wir von Organismen ausgehen, die nur aus einem einzigen Plasma bestehen. und bei diesem die geschlechtliche Fortpflanzung ein- geführt denken, so musste durch Vereinigung zweier aus je einer Plasmaart bestehenden Individuen ein < »rganis mus mit zwei Ahnenplasmen hervorgehen. Verband sich ein solcher mit einein andern ebenfalls aus zwei Ahnen- plasmen bestellenden Individuen, so entstand ein Geschöpf mit 4 Ahnenplasmen, aus 4 und 4 wurden aber 8, und aus 8 und 8 wurden 16; schon nach zehn Generationen müsste die Anzahl der Ahnenplasmen 1024 betragen haben, nach 100 oder gar nach 1000 Generationen hätte sie ins Fabelhafte gestiegen sein müssen. 1000 Gene- rationen bedeuten aber im Leben einer Organismenart nur eine geringe Zeitspanne. Um die über alle Begriffe maasslose Vermehrung der Ahnenplasmen, zu der es hätte kommen müssen, zu ver- hindern, traf die Natur nach Weismann eine Einrichtung, die dazu diente, nach Erreichung einer gewissen Höhe in der Anzahl der Ahnenplasmen diese Höhe nicht mehr überschreiten zu lassen. Es wurde dafür gesorgt, dass, ehe eine Eizelle durch eine Samenzelle befruchtet wurde, die Anzahl der in jeder dieser beiden Keimzellen ent- haltenen Ahnenplasmen auf die Hälfte herabgesetzt wurde. Betrug sie etwa in Ei- und Samenzelle je 100, so wurde sie vor der Vereinigung dieser beiden Zellen in jeder von ihnen auf 50 herabgesetzt, sodass durch die Befruchtung die Anzahl der Almenplasmen wieder auf 100 stieg. Weismann glaubte nun in dem Verhalten der Ei- zellen vor der Befruchtung eine Bestätigung dieser An- schauung zu finden. Es werden nämlich von der heran- reifenden Eizelle kleine Zellen abgestossen, die sogenann- ten Richtungskörperchen, und Weismann nahm an, dass durch diese Richtungskörperchen die Hälfte der Ahnen plasmen aus der Eizelle entfernt würde. Eine ähnliche Reductionstheilung würde, so glaubte er, auch bei den Samenzellen zu finden sein. Nun war es ihm aber aut- fällig, dass bei den befruchtungsbedürftigen Eiern zwei Richtungskörper ausgestossen wurden, soweit wenigstens damals die Thatsaehen bekannt waren, dass dagegen Eier, die keine Befruchtung nöthig hatten, die sich also auf dem Wege der Parthenogenesis oder Jungfernzeugung entwickelten, wie es z. B. bei den Eiern der Bienen, aus welchen Drohnen werden, der Fall ist, nur ein Richtungs- körper ausgestossen wurde. Falls dieser eine Richtungs- körper die halbe Anzahl der Ahnenplasmen entfernte, so müsste bei Thieren, die sich durch viele Generationen hindurch parthenogenetisch fortpflanzen, wie es bei Muschel krebsen vorkommt, die Anzahl der Ahnenplasmen sehr bald erheblich vermindert werden. Zu einer solchen An- nahme mochte sich Weismann aber nicht verstehen, und deshalb sagte er, dass durch den einen Riehtungskörper der sich parthenogenetisch entwickelnden Eier keine Ahnenplasmen entfernt würden, sondern Stoffe, die aus 404 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 33. dem Körper der Mutter stammten und bei der Entwicke- lung der Eizelle eine Rolle gespielt hatten. Derartige Stoffe sollten auch bei den befruchtuugsbedürftigen Eiern durch den ersten der beiden Richtungskörper entfernt werden, während der zweite die Anzahl der Ahnenplasmen auf die Hälfte reduciren sollte. Eine Reductionstheilung der Eizelle fand also nur bei solchen Eiern statt, bei welchen Befruchtung nothwendig war. Wenn dies aber der Fall war, und wenn bei denjenigen Thicrcn, welche sich lange Zeit hindurch oder ausschliesslich partheno- genetisch fortpflanzen, keine Ahnenplasmen ausgestossen wurden, wenn also immer dieselben Ahnenplasmen von einer Generation auf die andere übertragen wurden, wenn nicht, wie es bei den befruchtungsbedürftigen Eiern geschehen sollte, bald diese, bald jene Com- binätion von Ahnenplasmen ausgeschieden und da- durch eine grosse Variabilität erzielt wurde, so war bei Thieren mit parthenogenetischer Fortpflanzung keine Variabilität möglich, und Weismann war consequent genug, diese zu leugnen. Er suchte den Nachweis zu führen, dass Thiere, von denen er annahm, dass sie sich nur parthenogenetisch fortpflanzen, unveränder- lich seien. Später ist er zwar gezwungen worden, diese Ansicht wieder aufzugeben , nachdem er thatsäehlich bei derartigen Thieren Variationen beobachtet hatte. (Fortsetzung folgt.) Nochmals die Sintflutli - Frage. — Zwar pflegt eine Discussion über Gegenstände, für die sich keine bestimmten lieweise, sondern nur Vermutliiingen beibringen lassen, meist ergebnisslos zu verlaufen, da eben Ansieht gegen Ansicht, Gefühl gegen Gefühl steht; aber ich möchte deich nicht unterlassen, eine kurze Erwiderung auf die Einwände, welche Herr Günther Maas in Nr. 30 dieses Blattes gegen meine Ausführungen über die Sintfluth gel- tend macht, zu veröffentlichen, da einige Ausführungen des Herrn M. auf Irrthum oder Missverständniss beruhen. Die Beweise, welche Herr M. dafür beibringt, dass in mehreren Sagen nachweislieh locale Ereignisse die Entstehung bedingt haben, oder dass eine Uebernahme der Sage von den Nachbarn stattgefunden hat oder end- lich eine Einwirkung christlicher Missionare im Spiel ge- wesen ist, sind grosseiitheils sicherlieh zutreffend. Aller- dings dürfen wir den Einfluss der Missionare, der mit Vorliebe angeführt wird, nicht zu hoch anschlagen; denn ihn wird man stets mit Leichtigkeit nachzuweisen im Stande sein, da sich in den in Betracht kommenden Sagen immer charakteristische und verrätherische Ueber- einstimmungen und Aehnlichkeiten mit dem mosaischen Bericht finden müssen; dies aber trifft nur für die wenigsten Ueberlieferungen zu. Wenn man aber auch alle jene Möglichkeiten in Abrechnung bringt, so bleibt, glaube ich, immer noch eine stattliche Menge von Fluthsagen übrig, für deren Entstehung eine ähnliche Erklärung un- möglich oder unwahrscheinlich ist. Jedenfalls sind diese immer noch bedeutend zahlreicher, als die ganz ver- einzelten Erzählungen von vernichtenden Feuersbrünsten, Erdbeben, Epidemien u. s. w.*) Es liegt aber, wie ge- sagt, gar kein Grund vor, weshalb diese nicht ebenso häutig vorkommen sollten, wenn wir die allgemeine Sint- fluth fallen lassen; denn die Zuthat der Missionare kann ja nur gering gewesen sein, ausserdem nur bei solchen Völkern Erfolg gehabt haben, deren eigene Ueberliefe- rungen den Christen Anknüpfungspunkte boten. Wenn ich mich ferner, um den Zusammenhang der Sintflutli und Eiszeit zu beweisen, wirklich nur auf zwei Volkssagen gestützt hätte, wie Herr M. behauptet, so wäre allerdings diese Beweisführung als recht schwach zu bezeichnen, aber gerade hier habe ich, meiner Ansicht nach, geologische Thatsachen von solcher Beweiskraft ins fehl geführt (die Seen Nordamerikas, die Fruchtbarkeit der Sahara), dass ich gerade diesen Nachweis für den am besten gelungenen in meinem ganzen Aufsatz ansehen möchte. Ausserdem dürfte auch jene theoretische, logische *) Dass diese überhaupt nicht vorkommen, habe ich natürlich nicht gesagt. Wenn übrigens Herr M. Sagen heranzieht, welche von einem zukünftigen Ende Wer Welt, durch Feuer sprechen, ist doch damit gar nichts für ihn gewonnen. Nur solche Sagen, die sich auf vergangene Ereignisse beziehen, wie z. B. die aus Neu- Granada, können mitgezählt werden. Schlussfolgerung nicht zu vernachlässigen sein, dass die ge- waltigen Umwälzungen, welche die Eiszeit in den höheren Breiten herbeiführten, doch in den niederen nicht spurlos vor- übergegangen sein können. Uebrigens sei mir die Frage gestattet, wie HerrM. die Verquickung der Fluthsage mit der Erinnerung an die Eiszeit, z. B. in der Edda, erklären will. Herr M. wirft mir dabei auch vor, dass ich keine Er- klärung dafür gebe, woher jene Niederschlagsmengen kamen und wohin sie sich später verliefen. Allerdings kann ich eine Erklärung dafür nicht liefern, fühle mich dazu aber auch gar nicht verpflichtet, so lange die Geologie zur Erklärung der Eiszeit mit genau denselben Voraussetzungen operirt. Woher die colossale Vermehrung der Niederschläge kam, wissen wir nicht, wie ich schon in meinem ersten Aufsatz sagte, aber wir müssen sie eben als sicher erwiesenes, nicht mehr anzuzweifelndes Factum hinnehmen. Die Bemerkungen, die Herr M. über meine Annahme einer 50000 jährigen Cultur der Aegypter macht, sind doch wohl ungerechtfertigt. Dass die Cultur der Menschheit viel älter ist, als man im allgemeinen annimmt, ist zweifellos: Wissen wir doch z. B., dass das älteste bisher be- kannte Culturvolk, von dem wir erst sehr wenig wissen, die Akader im Eupliratgebiet, schon um das Jahr 7000 ihre höchste Blüthezeit erreicht hatten. Ist doch auch der Streit nicht entschieden, ob der Isistempel von Ten- tyris (Denderah) mit seinem berühmten Thierkreis (Sol- stitium in der Jungfrau) nicht wirklich schon 15000 v. Chr. erbaut wurde. Am wichtigsten aber erscheint mir die citirte Stelle aus dem Solinus, auf deren Bedeutung ich noch einmal ganz ausdrücklich hinweise, da das Walten eines blossen Zufalls in der Uebereinstimmung meiner An- sicht nach ausgeschlossen ist. Wenn HerrM. meint, es sei „nicht ausgeschlossen", dass die „Südhemisphäre" von einer Eiszeit schon während der Carbonzeit betroffen wurde, so kann ich ihm nur versichern, dass der Anblick einer solchen carbonen Grundmoräne aus Australien, wie ich sie kürzlich photographisch abgebildet sah, von einer diluvialen überhaupt nicht zu unterscheiden ist. Ferner hat sich diese Eiszeit auch in Indien geltend gemacht, also nicht bloss auf der Südhemisphäre. Endlich will ich noch bemerken, dass die Annahme einer Periodicität der Eiszeit durchaus nicht mehr auf so allgemeinen Unglauben stösst, wie Herr M. anzunehmen seheint. Nachdem in den verschiedensten Formationen sich Spuren gefunden haben, die auf eine Eiszeit deuten, nachdem jetzt die dritte diluviale Eiszeit wenigstens für die Alpen durch Penck bewiesen ist, neigen sich, wie mir Professor Wahnschafte persönlich mittheilte, „die meisten (!) Geologen" zu der Ansicht, dass die Eis- zeiten mit der Präcession der Erdaxe irgendwie zusammen- hingen und in Folge dessen periodisch wiederkehrten. R. Mennig. Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 105 Die Synascidien, der Bremer Expedition nach Spitzbergen (1889) untersucht Dr. Roh. Gottschaldt in einer Inaugural-Dissertation. (Jena., (J. Fischer, 1894). Bekanntlich gehören die Synascidien in die eigenthümlich organisierte Klasse der Tunicaten (Manteltiere) und zwar zur II. Ordnung dieser Klasse. (Tethyodeen, Aseidiae- formes, nach Hertwig). Alle Ascidien zeichnen sich, mit Ausnahme der Pyrosomen, durch festsitzende Lehensweise aus. Man findet sie auf dem Grunde des Meeres oder an Felsen und sonstigen im Meere befindlichen Gegen- ständen angewachsen. Ein stark entwickelter Cellulose- Mantel bildet die schützende Hülle um den Thierkörper. Theils siud die Ascidien einzeln lebende Thiere (Mona- seidien), theils sind sie, und zwar in Folge der Ver- mehrung durch Knospung, zu Kolonien vereinigt, die in einen gemeinsamen Cellulosemantel eingebettet sind. (Synascidien und Pyrosomen). Mit den Synascidien be- schäftigt sieh vorliegende Arbeit. Eine Gruppe von nebeneinandergereihten Personen, denen ausser der Testa noch eine Kloakalhöble gemeinsam ist, bezeichnet Dr. Gottschaldt als Cormidium, während er ein Vielfaches von Cormidien oder von einzelnen, durch einen gemein- samen Mantel (Testa) verbundenen Personen Cormus nennt. Er schliesst sieh dabei ganz an die von E. Haeckel in die Wissenschaft eingeführten termini au. Der Ver- fasser untersuchte 5 neue Speeies und reihte sie dem System ein. Bei einer derselben (Polyclinopsis haeckeli) sali er sieh genötbigt, eine neue Gattung aufzustellen. Die zehn untersuchten Cormen dieser Speeies nehmen im System eine isolirtc Stellung ein. Den Polyeliniden, mit denen sie bezüglich der Vertheilung der Personen grosse Aehnlichkeii zeigten, konnten sie wegen des Baues der Geschlechtsorgane nicht zugerechnet werden. Von den Distomiden unterscheiden sie sich durch den Mangel ektodermaler Anhänge und eines Stieles, von den Di- demniden dadurch, dass sie ein Postabdomen, regel- mässige Cormidien, kreisförmige Ingestionsöffnung be- sitzen. Die übrigen Gattungen kommen nicht in Betracht. Die von Dr. G. aufgestellte neue Gattung Polyclinopsis kennzeichnet sieh durch folgende Merkmale : Cormus dick, massiv, gerundet. Cormidien kreisförmig, elliptisch, zuweilen zusaimuentliessend. Personen in drei Abschnitte getheilt. Postabdomen sehr lang, dem Abdomen seitlich durch einen langen Hals angefügt. Testa halbknorpelig-, durch eingelagerte Sandkorner steif gemacht. Kiemendarm gut entwickelt, ungefähr 12 Kiemenreihen. Rückengefässzungen und Dorsalmembranen vorhanden. Tentakeln einfach und zahlreich. Därmkanal bildet eine einfache Schlinge, die senkrecht in das Abdomen hineinhängt. Geschlechtsorgane getrennt. Hoden im Abdomen, Ovar im Postabdomen. Der Verfasser nennt die zu der neuen Gattung gehörende Speeies, die in der Deeviebai, nahe der Berentine-Insel, in einer Tiefe von 15 Faden auf mit Laminarien bewachsenen Steinen gefunden wurde, zu Ehren Haeckels P. haeckeli. Diese neue Speeies zeigte überdies noch einen in- teressanten Fall von Symbiose. Unmittelbar hinter den Tentakeln wurden zahlreiche Suktorien gefunden, welche an dein einen Ende festsassen, am freien geknöpfte Saug- röhren trugen. Dieselben sind jedenfalls im Jugend- zustande in die Synascidien gewandert, setzten sich an geeigneter Stelle dort fest, um die durch den Wasserstrom ihnen zugepeitschte Nahrung aufzunehmen. Die er- beuteten Infusorien werden jedoch von den Suktorien nur ausgesaugt, während der Rest ihres Zellleibes der Sy- naseidie als Nahrung zufällt. Das untersuchte Material ist von Prof. Dr. Kiikenthal in Jena auf seiner Bremer Expedition nach Spitzbeigen gesammelt worden. F. Schleichet. Die Frage nach der Bewohnbarkeit der Planeten ist in den letzten Jahren wieder mehrfach vom wissen- schaftlichen Standpunkt aus behandelt worden, nachdem die Ergebnisse astrophysikalischer Forschung eine etwas sicherere Grundlage für die Erörterung dieser vordem nur iu höchst phantastischer Weise beantworteten Frage ge- schaffen haben. Allerdings muss man sieh iu der Fragestellung wesent- lich beschränken, will man nicht einer wüsten, durch wissenschaftliche Kritik nicht mehr controllirbaren Specula- tion anheimfallen. Zweifelsohne ist es nämlich möglich und vielleicht auch wahrscheinlich, dass auf anderen Sternen ein völlig anders geartetes Leben als bei uns existirt, und dass es da und dort Wesen von übermensch- licher Vollkommenheit geben mag, aber eine Wissenschaft liehe Untersuchung kann sich natürlich nur auf ein dem irdischen ähnliches Leben beziehen, da wir nur von diesem die wichtigsten Daseinsbedingungen kennen. Schon die blosse Vorstellung eines übermenschlichen Daseins ist uns unmöglich, wie die Thatsaehe beweist, dass Religion und Kunst behufs Darstellung höherer Wesen nur die menschliche Gestalt mit Organen thierischer Wesen be- reichern konnte. Was nun die beschränktere Frage nach der Möglichkeit organischer Wesen in dem uns geläufigen Sinne betrifft, so kommen sowohl Seheiner, der vor einigen Jahren in „Himmel und Erde" einen diesbezüglichen Essay veröffentlichte, als auch Stetefeldt, der kürzlich den Gegenstand in den „Publications of the Astrononiieal Society of the Pacific" behandelte, zu recht ungünstigen Resultaten. Wenn Scheiner wenigstens auf unseren Nach- barplaneten organisches Leben noch für möglich hält, kommt Stetefeldt sogar zu dem Schluss, dass die Erde unter allen Planeten der einzige bewohnbare ist und dass wir uns denigemäss schon nach Planeten anderer Fixsterne umsehen müssten, um Wesen zu finden, die den irdischen analog wären. Stetefeldt's Schlüsse stützen sieh im Wesentlichen auf die Zöllner'sche Formel für die Dichtig- keit der Atmosphären der Weltkörper, eine Formel, die allerdings nicht einwurfsfrei ist, weil sie von unbewiesenen Voraussetzungen ausgeht. Zöllner nimmt nämlich an, dass die aus permanenten Gasen bestehenden Atmosphären keine den einzelnen Weltkörpcrn gesondert zugehörigen Gasbüllen seien, sondern dass dieselben nur durch die Gravitation bedingte Verdichtungen einer allgemeinen, den interplanetaren Raum erfüllenden, sehr feinen Weltluft darstellen. Zu dieser Annahme wurde Zöllner dadurch geführt, dass er das Mariotte'sche Gesetz nach der Seite der Verdünnung hin für unbegrenzt gültig ansah und darum die Möglichkeit einer Grenze der Atmosphäre leugnete. Unsere Luft niüsste dann iu der That in all- mählich fortschreitender Verdünnung sich ohne Grenze bis in den interplanetaren Raum hinein ausdehnen. Mit Hülfe der Zöllner'sehen Formel ergeben sich dann für die inneren Planeten und die Trabanten so ausserordent- lich viel dünnere, für die äusseren Planeten aber so un- verhältnissmässig dichtere Atmosphären, als auf der Erde, dass organisches Leben nach irdischem Zuschnitt überall völlig ausgeschlossen wäre. Wir können jedoch dieser Schlussweise nicht ganz beipflichten, denn man braucht nur anzunehmen, dass in einem gewissen Abstand von der Planetenoberfläche dem minimalen Rest von Expansions- kraft der Gasmolekel durch die Molekularanziehung- und Gravitation das Gleichgewicht gehalten wird, dass also das Mariotte'sche Gesetz auch nach dieser Seite hin schliesslich seine Geltung verliere, um eine Grenze der Atmosphäre für möglich zu halten und damit der Zöll- ner'schen Formel den Boden zu entziehen. Nach den Anschauungen der kinetischen Gastheorie müssten aller- dings an der Grenze der Atmosphäre fortwährend Molekel 406 Naturwissenschaftliche Wochenschrift, Nr. 33. den Bereich derselben dauernd verlassen, wenn nicht, was aber sehr wohl annehmbar ist, die Temperatur dem absoluten Nullpunkt so nahe läge, dass die Gravitation und Molekularaii/.iehuug im Stande ist, die mit nur ge- ringer Geschwindigkeit schwingenden Molekel zusammen- zuhalten. Sicherlich können wir, wie es Ref. scheint, vor- läufig über den Zustand der Atmosphäre in allergrössten Höhen und unter dem Einfluss der Gravitation und Mole- kularkräfte so wenig Bestimmtes aussagen, dass es gewagt erscheint, auf hypothetische Annahmen der erwähnten Art weitere Schlüsse zu bauen. Dr. F. Koerber. Fossilreste der gestreiften Hyäne im südwest- lichen Frankreich. ■ — Der eifrige Erforscher der Höhlen und Grotten des südwestlichen Frankreichs, Herr Eduard Harle in Toulouse, hat vor Kurzem die Resultate seiner neuesten bezüglichen Untersuchungen in dem „Bulletin de la Soc. Geol. de France", 1894, Bd. 22, p. 234 ff. mit- getheilt. Dieselben beziehen sich auf die Grotte von Montsannes (Departement Haut-Garonne), welche neben zahlreichen Coprolithen von Hyänen auch Zähne dieser Raubthiere, sowie auch Reste sonstiger Säugethiere ge- liefert hat. Durch letztere werden folgende Arten re- präsentiert: ein Affe, welcher mit dem heutigen Magot von Gibraltar nahe verwandt ist, ein grosser Bär, doch nicht identisch mit Ursus spelaeus, der Dachs, eine Canis- Art, kleiner als der diluviale Wolf, eine Katze, etwas grösser als die Hauskatze, das Kaninchen, der Biber, eine Elephanten-Art, welche von E. primigenius ver- schieden zu sein scheint, ein Rhinoceros vom Typus des Rh. Merckii, ein Pferd, ein Wildschwein, ein Hirsch vom Typus des Edelhirsches, eine Hirsch-Art von der Grösse des Rehs, ein Bovide (?) und ein Ovide (?). Besonders bemerkenswerth und charakteristisch für Montsannes erscheint das Vorkommen der gestreiften Hyäne (Hyaena striata), während bekanntlich die in den sonstigen Diluvial-Ablagerungen Mittel- und West- europas so häufig auftretende Hyaena spelaea der heu- tigen gefleckten Hyäne (H. crocuta) sehr nahe steht, ja, nach der Ansicht vieler Forscher mit ihr identisch ist. Herr Harle ist zu dem Urtheile gelangt, dass die Fauna der Grotte von Montsannes nahe verwandt ist mit derjenigen der Grotte von Lunel-Viel (Departement He- rault), wo ebenfalls die gestreifte Hyäne festgestellt wurde. Beide Faunen stammen wahrscheinlich aus der älteren Quaternär-(Dilu vial-)Zeit. Ich kann noch hinzufügen, dass Herr Harle mir kürzlich einen unteren Fleischzahn der von ihm gefun- denen Canis-Species von Montsannes zur Untersuchung übersaudt hat. Obgleich der lädierte Zustand eine ganz sichere Bestimmung nicht zulässt, so glaube ich diesen Zahn doch mit grosser Wahrscheinlichkeit der heute auf Central- und Südost- Asien beschränkten Gattung Cuon zuschreiben zu sollen. Diese interessante Caniden-Gattung war während der Quaternär-Zeit (oder während der älteren Epochen derselben) durch Mitteleuropa bis West- frankreich verbreitet, wie Bourguignat, Woldrich, Maska, ich selbst und Harle für verschiedene Fundorte Europas nachgewiesen haben. Prof. Dr. A. Nehring. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Professor Hermann Puetz, Docent für Thierheilkunde und Leiter der thierärztlichen Klinik der Uni- versitätsanstalt zum ordentlichen Professor; der Assistent an der Universitätsbibliothek in Königsberg Dr. Walter Meyer zum Hilfsbibliothekar an der Berliner Kgl. Bibliothek; Dr. Sapper an der Universitätsbibliothek zu Berlin zum Hilfsbibliothekar bei der Reiehstagsbibliothek; Dr. Paul Volk mann in Königsberg zum ordentlichen Professor; Privatdocent Dr. med. Otto von Herff in Halle, erster Assistent an der Hallenser Universitäts- Frauenklinik zum ausserordentlichen Professor; Dr. med Josef Freiherr von Mering in Halle, Hans Vaihinger, Docent für Philosophie in Halle und der ausserordentliche Professor Wohltmann in Halle zu ordentlichen Professoren; Salomou Kalischer, Privatdocent für Elektricität und Magnetismus au der technischen Hochschule zu Charlottenburg zum Docenten für physikalisch'' Grundlagen der Elektrotechnik; der ausserordent- liche Professor für Chirurgie in Giessen F. Fuhr zum etats- mässigen ausserordentlichen Professor; Professor C. H. Bedford zum Professor der Chemie, Physik und Toxiologie im Medical College (University of the Punjab) in Labore; Professor F. C. Lamont zum Professor der Anatomie ebendert. Es wurden berufen : der ordentliche Professor au der tech- nischen Hochschule in Graz Regierungsrath Dr. Martens nach Wien; der ordentliche Professor der Chemie Dr. Schramm nach Krakau; Privatdocent Dr. Wiener in Halle zum ordentlichen Professor der Mathematik nach Dannstadt an die dortige tech- nische Hochschule; der Director des Hygienischen Instituts in Giessen Professor Dr. Georg Gaffky nach Halle; der Privat- docent N. G. Uschiusky in Petersburg als Professor der allge- meinen und experimentellen Pathologie nach Warschau. Es haben sich habilitirt : Dr. G. .1. Turner für Medicin in Petersburg; Dr. Richard Kerry für medicinische Chemie in Wien; der Assistent Julius Stoklasa für Agrochemie an der böhmisch-technischen Hochschule in Prag und der frühere Privat- docent und seitherige Lehrer an der böhmischen Staats-Oberreal- schule in Karolinenthal Friedrich Prochazka ebendort; der Professor Dr. Martin Heidenhain aus Breslau für Anatomie in Würzburg; Dr. Ernst Stollev für Geologie in Kiel; Dr. G. Rössler für Elektrotechnik und Regierungsbauführer In- genieur A. Schlüter für Maschinenbaufach an der technischen Hochschule in Charlottenburg ; der Assistent an der Münchener Universitäts-Frauenklinik Dr. Otto von Franque in der medi- ciniseheu Fakultät in München. In den Ruhestand treten: der Curator der Universität Göt- tingen, Geh. Regierungsrath Dr. jur. Ernst Meyer; der ordent- liche Professor der Physik in Kiel Gustav Karsten; der ordent- liche Professor der medicinischen Pathologie und Therapie in Graz, Hofrath Remboldt; der ordentliche Professor der mecha- nischen Technologie an der technischen Hochschule in Graz, Freiherr von Kulmer. Es sind gestorben: der Aesthetiker Professor Walter Pater in Oxford; der Director des Münchener Polytechnikums und ordentlicher Professor für Geodäsie und Ingenieurwissenschaft, Karl Maximilian von Bauernfeind; der französische Fei schungsreisende Du treu il Derb ins (ermordet in Tibet); der ausserordentliche Professor der Pharmakologie, Director des pharmakologischen Instituts in Stockholm, O. Th. Sand ah 1; der Mineraloge Professor G. H. Williams in Baltimore; Edward Haie am Eton College. Di«; diesjährige Jahresversammlung der Allgemeinen Deut- schen Ornitnologisehen Gesellschaft rindet vom '29. September bis 1. October iu Berlin statt. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Karl Kaerger, Die künstliche Bewässerung in den wärmeren Erdstrichen und ihre Anwendbarkeit in Deutsch Ostafrika. Ein Beitrag zur Kolonisationslehre. Gergonne & Cie. Berlin 1893. — Verf. veröffentlicht in dem Heft — dem ein Kärtchen des Flussnetzes von Taugaland mit den von ihm vorgeschlagenen Stauwerken und Kanälen beigegeben ist — die Resultate seiner litterarischen Studien über die künstliche Bewässerung und Vor- schläge, die er betreffs Deutsch-Ostafrika an maassgebender Stelle gemacht hat, letztere durch einige noch weitergehende vermehrt, „da ich niemals" — sagt Verf. — „von der Hoffnung lassen kann, dass unsere Reichsregieruug sich von der hohen Wichtigkeit, eine positive Kulturpolitik in unseren Schutzgebieten zu beginnen, überzeugen lassen werde". 0. Weidefeld, Oberrossarzt a. D., Elementare Rechnungen aus der mathematischen Geographie für Freunde der Astronomie in ausgewählten Kapiteln gemeinverständlich begründet und vorgeführt. Mit eiuer Figurentafel. Ferdinand Dümmler's Verlags- buchhandlung. Berlin 1894. — Preis 2 M. Diese kleine Schrift (64 Seiten) hat das Bestreben, in wei- teren Kreisen das Interesse an rechnerischen Aufgaben der Astronomie zu wecken. Wie der Verfasser in der Vorrede sagt, hat sich „das Büchlein die Aufgabe gestellt, zu zeigen, wie man Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 407 auch ohne höhere mathematische Vorbildung, namentlich ohne Kenntnisse, in der sphärischen Trigonometrie zu interessanten Ergebnissen gelangen kann, wenn man nur noch mit den trigono- metrischen Functionen und der Logarithmenrechnung Bescheid weiss, und ein ebenes rechtwinkliges Dreieck aufzulösen vermag." Der erste Thei] des Büchleins besteht aus „Auffrischungen", der genannten mathematischen Rechnungsarten, so dass sich auch jeder, der seit der Schulzeit die Mathematik bei Seite gelegt hat, mit Leichtigkeit in die Secundaner - Kenntnisse wieder hineinarbeiten kann. Das erste Capitel: „Der halbe Tagbogen" giebt eine An- weisung, wie man die Sichtbarkeitsdauer eines Gestirns während irgend eines Tages bestimmen kann, wenn man die geographische Breite des Beobachtungsortes und die Deklination des Gestirnes für den betreffenden Tag kennt. Das zweite Capitel: „Der durch Refraktion vergrösserte halbe Tagbogen" giebt dann die Methode an, wie man die durch die Lichtbrechung in der Atmosphäre eintretende Veränderung der theoretischen Sichtbarkeit, also die wirkliche (verlängerte) Dauer der Sichtbarkeit bestimmen kann. Das dritte Capitel: „Der Stundenwinkel in Tiefen unter dein Horizont" leitet ferner die Formel ab, nach welcher man die Tiefe eines Gestirnes unter dem Horizont (besonders also der Sonne) für eine beliebige Zeit berechnet. Im vierten Capitel: „Der Stundenwinkel in Höhen über dem Horizont" findet sich dann eine Anleitung aus dem bekannten Staude der Sonne die wahre Zeit oder umgekehrt aus der genau bekannten wahren Ortszeit die Sonnenhöhe festzustellen. Das fünfte Capitel: „Das Azimut des Auf- und Untergangs" und das sechste: „Das Azimut in Höhen über dem Horizont" geben über das Wesen des sogenannten Azimuts und über die Art seiner Berechnung Auskunft. Das siebente Kapitel endlich „Die Hilfsmittel zur astronomischen Be- tätigung" bespricht noch die Bestimmung der geographischen Lange eines Ortes, die Arten der Uhr-Controle und die Einrich- tung des Sextanten. Die astronomischen Fachausdrücke, welche in dem Büchlein vorkommen, werden gut erklärt, und zu jedem einzelnen Capitel finden sich Anwendungen der gewonnenen Resultate auf bestimmte Zahlenbeispiele. Möge der Wunsch des Verfassers, „die Freude an astrono- mischer Beschäftigung zu erhöhen und der interessanten Wissen- schaft weitere Freunde zuzuführen", in Erfüllung gehen! R. H. Willi. Scheffler, Die technischen Hochschulen und Bergakade- mien mit deutscher Vortragssprache. Organisation und Ge- schichte, Ak. Institute, Sammlungen und Versuchsanstalten, Ak. Verbindungen und Vereine, Erlasse, Stipendien und Ver- günstigungen, Preisaufgaben und Prüfungen. Nach handschrift- lichen und gedruckten amtlichen Quellen. 6. Aufl. Arthur Felix. Leipzig 1893/94. — Preis 3 M. Der Titel der kleinen Schrift ist so ausführlich, dass in einem Referat über seinen Inhalt nichts mehr zu sagen übrig bleibt. Wir wollen nur bemerken, dass Verf. — unterstützt von den competentesteu Seiten — ein exaetes Nachschlagebuch geliefert, hat. Sitzungsberichte der Kgl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Zweiter Halbband, für die Zeit von Juni bis December 1893. — Der Band umfasst nicht weniger als etwa 050 Seiten und bringt eine grosse Fülle hochinteressanter Abbandlungen, von denen die naturwissenschaftlichen hier kurz erwähnt seien. Friedr. Kohlrausch und Friedr. Rose in Strassburg: 1 >ie Löslichkeit einiger schwer löslicher Körper im Wasser, be- urtheilt aus der elektrischen Leitungsfähigkeit der Losungen. Es wird eine neue, allerdings noch nicht ausgebaute Methode ange- geben, Löslichkeiten zu bestimmen und einige Anwendungen der- selben.— 0. Krigar-Me nz el und A.Raps: Die Bewegung gezupfter Saiten. Es handelt sich um die Vervollkommnung einer früheren Methode, den zeitlichen Verlauf der Bewegung eines Punktes einer schwingenden Saite zu pbotograpluren. Repro- duetionen von Photographien sind beigefügt.- — Dr. C. Wehin er in Hannover: Ueber Citronensäure-Gährung. — Prof J. Reinke in Kiel: Die Abhängigkeit des Ergrüuens von der Wellenlänge des Lichts. Aus 17 angestellten Versuchen ergab sich, dass alle leuchtenden Strahlen'des Spectrums zwischen den Fraunhoferschen Linien A nnd H Chlorophyll bilden können, zumeist die Strahlen zwischen B und D. — Franz Eilbard Schulze: Revision des S\ stemes der Hyalonematiden. Vergl. Nfäf squelle. Specialität: Insekten-Schranke, Kästen und Spannbretter. Man verlange Preis-Verzeichniss. welches franco versandt wird. I»«.«* ** *m ** -m •* *m » «-;•--«-.• >• .« -•» ■« .•»«»».*. HIST01RE NATURELLE - ANATOMIE - MICROGRAPHIE - L1BRAIRIE ZOOLOGIE, B0TANI0.UE, GEOLOGIE, MINERALOGIE MAISON EMILE DEYROLLE LES FILS D'EMILE DEYROLLE, NATURALISTES, SUCCESSEURS 46, RUE DU BAC, PARIS USINE A VAPEUR A AUTEUIL, 9, RUE CHANEZ Les Catalogues suivants sont adresses gratis et franco sur demande Instruments pour les recherches | renseignement secondaire et "enseignement superieur. les objets d'histoire naturell et leur classement cn colleetiun. 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(Fortsetzung.) Nachdem Weismann seinen Aufsatz „Ueber die Zahl der ' Riehtungskörper und über ihre Bedeutung für die Ver- erbung" publieirt hatte, wurden Entdeckungen gemacht, i die seine Ansieht im Wesentlichen zu stützen schienen. Oscar Hertwig entdeckte bei Untersuchungen über Keim- zellenreifungserseheinungen des Pferdespulwurms Processe, die durchaus für Weismann's Anschauungen sprechen. Es j ist nöthig, auf diese Processe näher einzugehen. Wir müssen uns dabei zunächst der Thatsache er- ' Innern, dass die Zellen, welche den Thier- und Pflanzeh- körper aufbauen, im Wesentlichen aus zwei verschiedenen Bestandteilen bestehen, nämlich aus Zellleib und Zell- kern. Ueber den Zellkern sind in der neueren Zeit wichtige Untersuchungen gemacht worden, und diese haben im Wesentlichen zu folgenden Ergebnissen gefühlt: Der im Zellkern enthaltene Stoff nimmt zu einer gewissen | Zeit die Gestalt eines Fadenknäuls an, d.h. die Substanz des Zellkerns ordnet sich in einen langen knänlförmigi aufgewickelten Faden.-- Dieser Faden zerfällt in einej Anzahl gleich langer Stücke, die bei.jeder Organismenart fest nonnirt zu sein scheint; die Stücke bezeichnet man als Kernstäbe, Kernschleifen oder Chromosomen. Diesel Chromosomen ordnen sich beim Process der Zelltheilung in einer durch den Mittelpunkt der Zelle gehenden Ebene kranzförmig an und jedes von ihnen theilt sich der Länge, nach in zwei Tochterstücke, von denen das eine in die eine aus der Zelltheilung hervorgehende Zelle hinein-1 wandert, das andere in deren Schwesterzelle. Es wird- also durch den Vorgang der Zelltheilung eine Halbirung, und zwar eine Längstheilung der Kernstäbe oder Chromo- somen bewirkt. So ist es bei dem gewöhnlichen Zell- theilnngsprocess; aber bei der Bildung der Riehtungs- körper zeigt sich ein anderes Verbalten der Kernstäbe. Wir brauchen auf die hierbei stattfindenden Processe nicht näher einzugeben, genug, dass dabei, und zwar sowohl bei den Eizellen, als auch bei den Samenzellen eine Re- duetiön der Anzahl der Kernschleifen stattfindet. Es wird, also aus der heranreifenden Eizelle sowohl, als auch aus der Samenzelle die Hälfte der Chromosomen ausgestossen. Dadurch, dass eine Samenzelle in eine Eizelle eindringt, nachdem diese Ausstossung erfolgt ist, wird die Anzahl der Kernschleifen wieder auf die für die betreffenden Organis- menarten charakteristische Höhe gebracht. Weisinann hätte also hier gerade das, was er brauchte. Weismann sagt nun, und zwar in seiner 1891 er- schienenen Schrift über „Ampbjmixis oder die Vermischung der Individuen1"*), dass in diesen Kernstäben oder Chromo- somen die sogenannten Ahnenplasmen enthalten seien, und zwar der Länge nach aufgereiht. Dass dem so sei, sucht er mit dem Hinweis zu begründen, dass man ja in den Chromosomen schon runde Körperchen, die sogenannten Mikrosomeu, die der Länge nach in den Chromosomen angeordnet sind, gefunden hätte. In diesen Mikrosomen, die Weismann jetzt Ide nannte, erblickte er die von den Urorganismen herstammenden Ahnenplasmen. Dadurch dass die Reductionstheilung der Keimzellen und ilu'e nachträgliche Befruchtung fortwährend eine neue Mischung von Ahnenplasmen oder Iden herbeiführte, sollte die Variation, sollte für das Hinsetzen einer Natur- auslese genügendes Material geschaffen werden. Wenn aber die Ide oder Abnenplasmen unveränderlich sind, wie wir cousequenter Weise annehmen müssen, obwohl Weis mann in dieser Beziehung von vornherein eine etwas schwankende Haltung eingenommen hat, so lässt sich leicht zeigen, dass durch den Process der Amphimixis oder der Mischung der Ahnenplasmen die Anzahl der letzteren in einer Thierart sehr bald bedeutend ver- mindert werden würde. Nur gewisse Ide könnten so be- schaffen sein, dass sie neuen an eine Orgahismenart heran- tretenden Lebensbedingungen entsprächen, desgleichen nur gewisse Mischungen von solchen Iden. Dann aber könnte die Anzahl verschieden gearteter Ide in einer Organisinenart nicht auf der ursprünglichen Höhe bleiben. Wir müssen uns nämlich daran erinnern, dass im Durch- Vevgl. Naturw. Woekenschr. Bd. VII, S. HI. Red. 410 Naturwissenschaftliche Wochenschrift, Nr. 34. schnitt für jedes Nachkommen zeugende Pärchen einer geschlechtlich getrennten Thier- oder Pflanzenart nur ein überlebendes und zur Fortpflanzung gelangendes Pärchen von Jungen kommt, denn die Anzahl der Individuen einer und derselben Organismenart bleibt im Grossen und Ganzen jahraus jahrein dieselbe. Von allen erzeugten Keimen gelangt also nur eine äusserst geringe Anzahl zur Entwiekelung und Erhaltung; alle übrigen gehen zu Grunde, und mit ihnen die in ihnen enthaltenen Ahnenplasmen. Da die Anforderungen, welche die Natur an den Bau der Organismen stellt, in jeder ein- zelnen Art sehr specielle sind, so können eben nur ver- hältnissmässig wenige Ahnenplasmen den geforderten Be- dingungen entsprechen; alle anderen müssen zu Grunde gehen, und deshalb müsste nothwendigerweise die Anzahl verschiedener Ahnenplasmen in einer Art mit der Zeit er- heblich vermindert werden. Die natürliche Zuchtwahl hätte, wenn Weismann's Anschauungen richtig sind, dazu führen müssen, dass die in einer Thier- oder Pflanzenart enthaltenen Ahnenplasmen einander immer ähnlicher wurden, dass also dadurch die Variabilität ganz bedeutend herabgesetzt wurde. Nament- lich niusste bei den höhereu Organismen die Variabilität eine viel geringere werden als bei den niederen. Dafür haben wir aber durchaus keine Beweise unter den That- sachen. Wir wissen vielmehr, dass der höchst entwickelte Organismus, den wir kennen, der des Menschen, einer ausserordentlich grossen Variabilität unterworfen ist, und das gleiche gilt beispielsweise von den Hausthieren, und schliesslich von allen Organismen überhaupt, einerlei, ob sie hoch oder tief stehen. Weismann's Ahnenplasmentheorie in ihrer Ursprung- linglichen Form führt also zu Consequenzen, die in di- rectem Widerspruch mit der Natur stehen; aber sie lässt sich so umgestalten, dass dieser Widerspruch fortfällt. Wenn wir die Einschachtelungstheorie, die wir schon früher als eine nothwendige Consequenz der Ahnenplasmentheorie erkannt haben, annehmen, wenn wir in jedem Ahnen- plasma, in jedem Id, andere vorgebildet und eingeschachtelt sein lassen, so können wir auch annehmen, dass der Schöpfer es so eingerichtet habe, dass diese Ahnenplasmen den voii der Natur an sie gestellten Anforderungen ent- sprachen. Die einen waren nach des Schöpfers Willen gut beschaffen, die anderen schlecht; jene erhielten sich, diese gingen zu Grunde. Die Thatsachen der stammes- geschichtlichen Entwiekelung und der Auslese durch den Kampf ums Dasein lassen sich sehr wohl mit dieser Ein- schachtelungstheorie und mit dem Präformismus ver- einigen, und wir haben ja auch gesehen, dass die Dar- winsche Theorie in ihrer ursprünglichen Form uoth- wendiger Weise zum Praeformismus führen muss. Wir können nach alledem Weismann's Ahuenplasmen- lehre und seine Amphimixistheorie nur dann aeeeptiren, wenn es uns gestattet ist, die sich aus diesen Lehren er- gebenden unabweisbaren Consequenzen zu ziehen. Und diese Consequenzen führen zur Annahme der alten Ein- schachtelungstheorie. Der Einschachtelungstheorie hat sich Weismann auch in seinem Werke über „Das Kcimplasma, Eine Theorie der Vererbung", das Ende 1892 erschien, mehr und mehr geuähert. Er nimmt indessen auch in diesem Werke eine schwankende Haltung gegenüber der Frage nach der Veränderlichkeit der Ahnenplasmen oder Ide ein. Während er in dem ersten Theile des Werks noch gelegentlich sagt, dass die Ide oder die Mikrosomen iii den Kern- stäben, durch welche die Ide nach Weismann dargestellt werden, in einer Organismenart alle untereinander gleich sein würden, falls geschlechtliche Fortpflanzung nicht existirte, was doch eine Unveränderlichkeit der Ide be- deutet, führt er dennoch im zweiten Theil des Werkes die Unterschiede zwischen den einzelnen Iden insofern wenigstens auf die Urwesen zurück, als er sagt, dass die „Veränderlichkeit" der Ide von diesen herstamme; das ist nun freilich etwas anderes, als die Ungleichheit der Ide. Wenn, Weismann's früherer Ansieht gemäss, die Ungleichheit der Ide von den einzelligen Vorfahren der mehrzelligen Organismen herstammt, wenn eine eon- sequente Festhaltung dieses Gedankens nothwendig zu der Annahme führen muss, dass die Ahnenplasmen bei den mehrzelligen Thieren und Pflanzen nicht mehr veränderlich sind, sondern dass die Veränderliekeit dieser Organismen nur durch Ainphimixis ermöglicht wird, dann stammt zwar die Ungleichheit der Ide von den Urwesen her, nicht aber ihre Veränderlichkeit. Wenn aber die Ide oder Ahnenplasmen bei den mehrzelligen Organismen sich nicht mehr verändern können, so muss man die Charaktere der vielzelligen Thicre und Pflanzen auf die- jenigen ihrer einzelligen Vorfahren zurückführen, was nicht wohl angeht. Eigenschaften, wie Auge und Ohr des Menschen, wären dann lediglich auf die Combination von Charakteren bei den einzelligen des Vorfahren Mensehen zurückzuführen. Diese nothwendige Consequenz der ursprünglichen Weisinann'sehen Ansichten wurde von anderen Natur- forschern gezogen, um damit die Unnahbarkeit der Weis- mann'schen Theorien darzuthun, und das mag Weismann veranlasst haben, seine Ansichten stark zu modificiren, insofern als er neuerdings in seinem Kcimplasmawerk die individuellen Unterschiede der Thiere und Pflanzen auf Veränderungen zurückführt, von welchen die einzelnen Ide fortgesetzt betroffen werden. Er lässt nunmehr jedes Id für sich variiren, obwohl er früher die Ansicht aus- gesprochen hatte, dass eine Veränderung des Keimplasmas durch direct von aussen kommende, auf das Keimplasma wirkende Ursachen zwar nicht unmöglich sei, dass aber seiner Ansicht nach individuelle erbliehe Veränderungen dadurch nicht zu Stande kämen. Wenn Weismann also neuerdings seine Ahnenplasmen oder Ide unabhängig von einander variiren und neue Eigenschaften annehmen lässt, so wird dadurch seine Ahncnplasmentheorie überflüssig; denn wenn das Kcimplasma auch der mehrzelligen Or- ganismen in Fohe von äusseren Einflüssen individuell vari- iren kann, dann brauchen wir die Wurzel der individuellen Verschiedenheiten nicht mehr bei den einzelligen Vorfahren der vielzelligen Organismen zu suchen. In seinem Werke über das Keimplasma hat Weismann diese Consequenz zwar nicht mit der wüuschenswerthen Schärfe gezogen, aber in einem ungefähr gleichzeitig erschienenen Wieder- abdruck seines Vortrags über „Die Bedeutung der sexuellen Fortpflanzung für die Selectionstheorie", in welchem ja die Ahnenplasmentheorie zuerst aufgestellt wurde, sagte er in einer neu hinzugefügten Anmerkung, dass man jetzt nicht mehr die individuelle Verschiedenheit der höheren Tiere und Pflanzen auf deren einzellige Ur- vorfahren zurückführen werde, sondern dass man sie in den hier so und dort anders auf das Keimplasma ein- wirkenden äusseren Lebensbedingungen zu suchen hätte. Zwar hat Weismann seine Theorie der Ainphimixis auch in dem Werke über das Keimplasma beibehalten und weiter ausgeführt; das muss aber als eine Inconsequcnz bezeichnet werden, da ja diese Theorie aus der Ahnen- plasmentheorie, die Weismann jetzt aufgegeben hat, her- stammt. Wenn jedes Id auf eigene Faust variireu kann, so dass es, wie Weismann annimmt, allein befähigt sein würde, den Organismus zu reproduciren, so ist die Theorie der Amphimixis überflüssig. Sie führt auch, wie wir demnächst sehen werden, zu eigenthümlichen Folgerungen, die Weismann zwar nicht gezogen hat, die aber unver- Nr. 34. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 411 meidlich sind, und das Gegcnthcil von dem bedeuten, was Weismann durch die Mischung' der Ide bewirkt sein lässt. Uni Weisinann's heutige Anschauungen, oder vielmehr die von 1892 — denn die heutigen kennen wir nicht — näher zu würdigen, müssen wir noch einmal auf den Bau der Zelle eingehen. Wir haben gesehen, dass bei der Theilung der Zelle der Kern die Kernstäbe oder Chromo- somen bildet, in welchen die Mikrosomen enthalten sind. Die Chromosomen nennt Weismann nun neuerdings Idanten, die Mikrosomen, wie bereits erwähnt, Ide. Da die letzteren in grösserer Anzahl in den Chromosomen enthalten sind, so muss man wohl annehmen, dass sich im Laufe der stammesgeschichtlichen Entwickelung die Anzahl der Ide, die ursprünglich nur 1 betrug, entweder dadurch ver- mehrt hat, dass die Ide sich theilten, oder dadurch, dass die Vielheit der Ide bei denjenigen Organismen, wo wir sie constatiren können, durch die successive Vereinigung von Urwesen mit einem Id zu solchen mit zwei, und von Organismen mit zwei Iden zu solchen mit vier u. s. w. in der Weise, wie Weismann es früher für seine Ahnenplasmen annahm, zurückzuführen ist. Weisman hat sich über diesen Punkt nicht klar aus- gesprochen, genug, dass nach ihm in den allermeisten Organismen eine grössere Anzahl von Iden in jeder Zelle enthalten ist. Die Ide sind aber nicht einfache homogene Wesen, die nur aus einer einzelnen Substanz bestehen, sondern sie setzen sich nach Weismann aus den Be- stimmungsstücken oder Determinanten zusammen, so- genannt, weil sie die einzelnen Zellen oder Zellgruppen, also die Organe des späteren entwickelten Organismus determiniren oder bestimmen. Es sind nach Weismann so viele Bestimmungsstücke oder Determinanten in den Iden einer bestimmten Organismenart enthalten, als selbst- ständig variable Eigenschaften in der betreffenden Art vorhanden sind. Wir wollen hier absehen von der Frage, ob es überhaupt selbstständig variable Eigenschaften giebt, Eigenschaften, die sich verändern können, ohne dass andere Eigenschaften desselben Organismus gleichzeitig verändert würden, sondern annehmen, dass Weismann Recht hat. Dergleichen Eigenschaften giebt es nun nach Weismann in den meisten Thieren und Pflanzen eine grosse Anzahl, so in einer einzelnen Pfauenradfeder vielleicht tausende, sodass man für eine solche Feder auch Tausende von Determinanten in den Iden annehmen muss. Die Determinanten setzen sich erst aus den eigent- lichen Lebenstrügeru oder Biophoren zusammen. Den Process der Keimentwickelung denkt sich nun Weismann folgendem) aassen: Aus der Theilung der be- befruchteten Eizelle geht ein mehrzelliger Körper hervor. Bei den Zell-Theilungsprocessen, die zur Hervorbringuug dieses Körpers nothwendig sind, werden die Ide in ihre Determinanten zerlegt, und diese Zerlegung geht so lange vor sich, als es noch Zellen giebt, in deren Kern Ide, die aus mehr als einer Determinante bestehen, vorhanden sind. Wenn die Zerlegung der Ide soweit gediehen ist, dass jede im Körper vorhandene Zelle nur noch eine einzige Determinante enthält, wandern die Biophoren, aus welchen diese letztere zusammengesetzt ist, aus dem Zellkern in den umgebenden Zellleib, und determiniren oder bestimmen hier, was aus der Zelle werden soll. In den- jenigen Zellen z. B., die zu Muskelzellen zu werden be- stimmt sind, wandern Biophoren oder Lebensträger, welche die Eigentümlichkeit der Muskelsubstanz haben, aus dem Kern heraus und in den Zellleib hinein, um aus diesem den Leib einer Muskelzelle zu machen. Die hoch complicirte Zusammensetzung der Ide ist nach AVeismann dadurch entstanden, dass die aus einer einzigen Biophorenart bestehende Ide der Urwesen in Folge von Ernährungs-Differenzen, die ihre einzelnen Biophoren trafen, zu Iden mit mehreren Biophorenarten wurden. Die Biophoren konnten sich also unabhängiger ron ein- ander verändern, infolge äusserer Einflüsse, die die einzelnen Parthien des anfänglich homogenen bis trafen; auf diese Weise konnten Determinanten oder Bestimmungsstücke entstehen. Diese Veränderlichkeit der Ide dauert auch heute noch an, und dadurch wird der natürlichen Zucht- wahl fortwährend neues Material zugeführt. Wir wollen untersuchen, zu welchen Consequeuzen diese Idologie Weisinann's führt. Lassen wir zunächst einmal die Amphimixistheorie bei Seite, und nehmen wir an, dass nur ein einziges Id in der Keimzelle enthalten sei, und dass die Determi- nanten, aus welchen dieses Id besteht, beziehungsweise die die Determinanten zusammensetzenden Biophoren auf eigene Hand variiren können: erinnern wir uns ferner, dass die Anzahl der Charaktere bei den allermeisten Organismen eine sehr beträchtliche ist, und dass diese Charaktere nach der Annahme des strengen Darwinismus, dem Weismann huldigt, aufs Genaueste den Existenz- bedingungen der betreffenden Art angepasst sein müssen, so ergiebt sich bei der von Weisniann angenommenen steten unabhängigen Veränderung der einzelnen Determi- nanten, dass alle die Tausende von Determinanten, die einen vielzelligen Organismus bestimmen, in günstiger Weise variiren müssen, falls das betreffende Individuum überleben soll. Wir brauchen etwa nur an die äusserst mannigfach verschiedene Form, Färbung und Zeichnung des Schmetterlingsflügels zu erinnern, um dies einzusehen. Die grosse Anzahl der Schmetterlingsarten und die Be- trächtlichkeit der Verschiedenheiten, welche die einzelnen Parthieen des Flügels bei einer einzigen Art aufweisen können, zwingen zu der Annahme, dass unter der un- geheuren Anzahl möglicher Variationen der Determinante für die einzelne Schuppe des Schmetterlingsflügels innerhalb einer Art nur eine einzige, oder höchstens einige wenige den durch die Lebensbedingungen ge- stellten Ansprüchen genügen, falls die Anschauungen der extremen Darwinisten die richtigen sind. Dann aber ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Variationen in der richtigen Weise vor sich gehen, eine äusserst geringe. Ein Beispiel möge dies erläutern: Gesetzt, es handele sich um einen variationsbedürftigen Schmetterliugsflügel, der nur durch 10 Determinanten bestimmt wird, und um eineVariabilitätsmöglichkeit für jede Determinante nach 10 verschiedenen Richtungen hin, unter welchen eine günstig ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine der 10 Determinanten sich in der einen günstigen unter den 10 möglichen Richtungen verändern würde, ist also 7iu> d. h. unter 10 möglichen Fällen ist einer günstig. Wenn nun, wie wir es hier annehmen, die Verhältnisse bei den übrigen 9 Determinanten ebenso liegen, so ist die Wahr- scheinlichkeit, dass 2 Determinanten in der einen gün- stigen Richtung variiren Vio " Vio = Viooi für 3 Determi- nanten ist sie Vio " Vio " Vio = Vioooj ™" a^c ^ ^e" terminanten würde sie Vioooooooooo j m Worten aus- gedrückt, ein Zehntausendniillionstel sein. Das bedeutet aber: Es müssen in unserem Falle, damit nur ein durch 10 Determinanten bestimmter Schmetterlingsflügel in der erforderlichen Weise variire, von einem in jeder Beziehung den Lebensansprüchen genügenden Schmetterlingsindivi- viduum tausend Millionen Junge erzeugt werden, falls die Wahrscheinlichkeit gegeben sein soll, dass der betreffende Schmetterling wenigstens einen einzigen Nachkommen hat, dessen einer Flügel in der erforderlichen Weise variirt hat. Bedenken wir nun aber, dass der Schmetter- ling nicht einen Flügel, sondern dercu vier besitzt, dass er ausserdem aber noch eine Reihe von anderen Organen hat, dass die allermeisten dieser Organe aus bedeutend 412 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 34. mein- als 10 Determinanten bestehen müssen, und dass jede Determinante in beträchtlich mehr als zehn Rich- tungen variiren kann, Annahmen, zu welchen wir, wenn wir uns zu den Weismann'schen Lehren bekennen, wohl oder übel kommen müssen, so ergiebt sieh die Not- wendigkeit, bei den allermeisten Organismenarten eine über alle Begriffe ungeheure Anzahl von Nachkommen anzunehmen, falls durchschnittlich in jeder Generation so viele den Existenzbedingungen genügende Nachkommen erzeugt werden sollen, dass die Art nicht untergeht. Die Anzahl der Keime, die, falls Weismann's Anschauungen richtig sind, und falls jeder Organismus nur durch ein einziges Id bestimmt wird, von jedem zur Fortpflanzung gelangenden Individuum erzeugt werden müsste, ist eine solche, dass sie allen Versuchen, sieh eine Vorstellung da- von zu machen, spottet. Die Erde würde nicht annähernd genug Raum haben, um diese Keime, auch wenn jeder nur von mikroskopischer Grösse wäre, zu fassen. Es geht deshalb nicht an, dass der entwickelte Organismus der durch viele Charaktere ausgezeichneten Thiere' und Pflanzen aus einem einzigen Id, dessen Determinanten unabhängig von einander variiren, hervorgeht. Wir wissen nicht, ob es Betrachtungen dieser Art gewesen sind, die Weismann veranlasst haben, seine Am- phimixislehre zum Nachweis dafür, dass immer genügendes Material für die natürliche Zuchtwahl vorliegt, zu benutzen. Nach Weismann besteht das Keimplasma ja in den aller- meisten Fällen nicht aus einem einzigen Id, sondern aus einer grossen Anzahl von solchen Iden. Jedes kann für sich variiren, und in jedem Id kann jede Determinante für sich variiren, und dadurch soll die Möglichkeit zur Erzeugung einer genügenden Zahl von Individuen, die den an die einzelnen Arten herantretenden Forderungen entsprechen, bedingt werden. Weismann meint also, dass das Keimplasma aus mehreren lden besteht, die bei der Keimentwickelung in ihre Determinanten zerlegt werden. Wenn demnach jede Zelle des Organismus durch Deter- minanten, die aus einer grossen Anzahl von verschiedenen Iden stammen, bestimmt wird, so wäre, denkt Weismann sich, immer genügendes Material für die natürliche Zucht- wahl vorhanden, sei es, dass eine Veränderung der Cha- raktere der Art, sei es, dass ein Sichgleichbleiben der die Art auszeichnenden Eigenschaften erwünscht sei. Es lässt sich aber leicht zeigen, dass solches nicht der Fall sein kann, dass die Wahrscheinlichkeit, dass unter den Nachkommen eines den Lebensansprüchen ge- nügenden Individuums sich ein einziges findet, das den durch die Aussenwelt gestellten Bedingungen allenfalls entspricht, eine noch viel geringere sein muss, als wenn das Keimplasma nur aus einem einzigen Id besteht. Wenn Weismanns Ansichten richtig sind, müsste, wie ich an einem anderen Orte gezeigt habe, jedes zur Fortpflanzung gelangende Individuum einer durch zahlreiche Ide und Determinanten charakterisirten Organismenart eine ins Fabelhafte gehende Menge von Nachkommen erzeugen, falls unter diesen Nachkommen ein einziger sein soll, der den Lebensbedingungen in jeder Beziehung entspricht. Daraus folgt aber, dass Weismann's Amphimixistheorie unhaltbar ist, wenn man nicht die Consequenzen dieser Anschauung ziehen will. Diese Consequenzen sind aber die, dass in den Vorfahren jedes Organismenstammes schon alle Keime ihrer späteren Nachkommen vorgebildet waren, und dass der Schöpfer von vornherein die Eigen- schaften der einzelnen Determinanten der ineinander- geschachtelten Ide bestimmt hatte, und eine genügende Anzahl von Iden mit in der erforderlichen Weise aus- gestatteten Determinanten versehen hatte, falls in jeder Art die vorgesehene Anzahl von Individuen zur Fort- pflanzung gelangen sollte. Weismanns Amphimixistheorie führt also mit abso- luter Notwendigkeit zur Einschaehtelungslehre. Es ist aber nicht die Ainphimixislehre allein, die ge- bieterisch eine Adoption der alten Einschachtelungsthcoiie fordert; auch die Lehre von den Iden macht die Annahme einer Einschachtelung nothwendig. Die Ide werden, wie wir gesehen haben, bei der Keimentwickelung dadurch, dass sie sich in die sie zusammensetzenden Determinanten der Körperzellen zerlegen, aufgebraucht. Da nun die Annahme eines Keimchentransportes im Darwinschen Sinne auf unüberwindliche Schwierigkeiten stösst, so muss dafür gesorgt werden, dass auch für spätere Generationen noch Ide vorhanden sind, und diese können nur in den sich zerlegenden Iden derart eingeschachtelt sein, dass sie gewissermaassen als Determinanten der Keimzellen in diese zu liegen kommen, um sich erst in der folgenden Generation zu zerlegen. Zwar hat Weismann diese Schlussfolgerung- nicht ge- zogen; er nimmt vielmehr an, dass sieh die Ide im An- fang der Keimentwiekelung theilen, und dass sieh von den aus der Theilung hervorgegangenen Iden die einen in ihre Determinanten zerlegen, und dadurch den Körper zur Entwickelung bringen, dass die anderen aber auf die folgende Generation übertragen werden. Auf diese Weise würde allerdings dafür gesorgt sein, dass immer eine genügende Anzahl von Iden vorhanden ist; aber die Form der Ide muss in den meisten Fällen eine derartige sein, dass sie eine Theilung, wobei jedes Tochterid dieselben Determinanten erhält wie sein Mutter- und Schwesterid, nicht zulässt. Ein Körper, wie der des Menschen zum Beispiel, welcher der Hauptsache nach zweiseitig-symmetrisch ist, also nur durch eine einzige Ebene in zwei spiegelbildlich zu einander gelegene, aber nicht kongruente Hälften zer- legt werden kann, muss aus Iden hervorgehen, die eben- solche Symnietrieverhältnisse zeigen. Man könnte zwar zunächst etwa annehmen, dass die Ide kugelförmig seien, und dass ihre gleichfalls kugelförmigen Determinanten in koncentrischen Schichten um den Mittelpunkt der Kugel vertheilt seien, dass diese Kugeln in die Länge wachsen könnten, dadurch zur Theilung getrieben würden und dass die Theilhälften dieser Kugeln sich endlich wieder zu ganzen Kugeln abrunden könnten. Es wäre auch wohl die Annahme möglich, dass die Ide nicht kugelförmig, sondern etwa cylindriscb seien, dass die gleichfalls cy- linderförmigen Determinanten in concentrischen Schichten um die Axc des Cylinders herumliegen und dass die Theilnngsebenen, durch welche die Ide in je zwei Tochter- ide zerfallen, senkrecht zur Axe des Cylinders läge. Auf beide Weisen wäre dafür gesorgt, dass jedes aus der Theilung hervorgehende Tochterid dieselben Determinanten erhielte wie das Mutterid; aber aus kugelförmigen oder cvlindrischen oder irgend welchen anders geformten Iden, bei welchen eine Theilung in zwei Tochteride, die dieselben Determinanten wie das Mutterid erhalten würden, möglich wäre, können keine zweiseitig-symmetrischen Ge- schöpfe, wie es die meisten Thiere sind, hervorgehen. Das ist nur möglieh, wenn die Determinanten in den Iden so angeordnet sind, dass aus der Zerlegung der Ide notwendiger Weise der zweiseitig-symmetrische Körper hervorgehen muss, und diesen Anforderungen entsprechen nur zweiseitig-symmetrische Ide. Es lässt sich auf keine erdenkliche Weise zeigen, dass aus Iden, die nicht zwei- seitig - symmetrisch sind, ein zweiseitig - symmetrischer Körper entstehen kann. Die Ide müssen also notwendiger Weise aus zwei einander spiegelbildlich gleichen Hälften bestehen. Nun könnte man sich allerdings wohl vorstellen, dass die Determinanten auch in solchen zweiseitig symmetrischen Nr. 34. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 413 Iden durch concentrische Schichten verschiedenartiger Biophoren dargestellt würden, dass also auch solche Ide sich theilen könnten, ohne dass die aus der Theilnng hervorgehenden Tochteride in ungleicher Weise bedacht sein würden. Eine solche Annahme ist aher nicht mög- lich, weil sie Weisniann'sehen Voraussetzungen wider- sprechen würde. Weismann nimmt ja an, dass die complieirten Ide der höheren Organismen aus homogenen lden von Ur- organismen entstanden seien, und /.war dadurch, dass die einzelnen Regionen der ursprünglich aus lauter gleichen Biophoren bestehenden Ide ungleichen Ernährungseiu- tlüssen ausgesetzt gewesen wären. Wie aber ungleiche Ernährungseinflüsse, welche die Ide treffen, eine concen- trische Schichtung der Determinanten zu Wege bringen sollten, wäre nicht zu sagen. Wenn sieh concentrische Schichten bilden sollen, müssen die Ernährungseinflüsse, die das Id treffen, jeweilig an der ganzen Oberfläche des Ids dieselben sein. Wenn aber dies der Fall gewesen ist, dann konnten die Ide überhaupt nicht zweiseitig symmetrisch werden. Eine zweiseitig symmetrische Form konnten die Ide doch nur dadurch erhalten, dass sie in den einzelnen Regionen jeder Körperhälfte ungleich, aber an symmetrisch zu einander gelegenen Regionen der beiden Kürperhälften gleich ernährt wurden. Gesetzt, die Entstehung zweiseitiger Ide wäre auf diese Weise zu erklären, so Hesse sich aber nicht einsehen, wie die aus der Theilnng eines Ids hervorgegangenen Hälften sich wieder zu ganzen Iden ergänzen könnten. Die Theilnng miisste doch schon durch die Mittelebene des zweiseitig symmetrischen Ids gehen, damit jede Theilungshälfte die- selben Determinantenarten erhielte. Wie aber diese Hälften dazu kommen sollten, sich in regelrechter Weise zu ergänzen, würde Niemand zu sagen vermögen. Die zweiseitige Symmetrie des Ids müsste doch erhalten bleiben. Das ist alicr nicht möglieh, wenn das Id sich durch eine mit seiner Symmetrieebene zusammenfallende Theiiungs- ebene theilt. Dadurch würden zwei, einander zwar spiegelbildlich gleiche, aber, für sich genommen, unsym- metrische Theilungsstüeke entstehen. Um diese aber wieder zweiseitig-symmetrisch werden zu lassen, miisste man seine Zuflucht zu der Annahme nehmen, dass eine derartige Gorrelation zwischen den beiden Hälften eines Ids besteht, dass das Id sich wieder zu einem symme- trischen Gebilde regeneriren kann. Derartige Annahmen verwirft Weismann aber ausdrücklich, und sie würden auch seinen sonstigen Ansichten durchaus widersprechen. Nun giebt es aber auch unsymmetrische Thiere, die nur aus unsymmetrischen Iden hervorgehen können; und wie solche Ide sich überhaupt derartig theilen können, dass aus ihrer Theilnng zwei untereinander und dem Mutterid gleiche Tochteride resultiren, ist vollends unbegreiflich. Mit der Annahme einer Theilung der Ide zu dem Zwecke, dass die eine Theilungshälfte sich in ihre Deminanten zerlege, die andere der nächsten Generation überliefert werde, stossen wir also auf unmögliche Voraussetzungen. Es bleibt dann nur noch die Hypothese übrig, dass die Ide zum Zwecke der Theilung in ihre Determinanten zerfallen, und dass die Determinanten sich dann aufs Neue ordnen und nun anstatt eines Ids deren zwei bilden. Eine solche Annahme würde aber die I »eterminanten gewisser- maassen mit einem Ordnungssinn ausstatten, eine Annahme, die Weismann ausdrücklich verwirft, und die auch nicht zu seinen sonstigen Voraussetzungen passt. Wie wir die Sache also auch drehen und wenden mögen, wir sehen keine Möglichkeit, uns eine Theilung der Ide in zwei gleiche Ide vorzustellen. Wenn demnach eine solche Theilung ausgeschlossen ist, so müssen die Ide alle zu gleicher Zeit von dem Schöpfer ins Dasein gerufen und generationenweise ineinander eingesehachtelt sein, damit sie in genügender Anzahl vorhanden sind, wenn sie ge- braucht werden. Um die Einschachtelungstheorie kommen wir nicht herum, wenn wir Weismann's Idologie und Determiuantenlehre aeeeptiren. Wir können hiermit die Betrachtung der Weismann- schen Lehren verlassen und unser Urtheil über sie dahin zusammenfassen, dass sie nur dann annehmbar sind, wenn man, was Weismann nicht gethan hat, die nöthigen Conse- queuzen zieht und zum reinen und unverfälschten Präfor- mismus zurückkehrt. 1 >ass dieser wohl mit der Abstammungs- lehre vereinbar ist, haben wir zur Geuüge dargethan. 12. Die Lehre von His. Schon lange vor Weismann haben andere Forscher ähnliche, wenn auch lange nicht so eingehend ausgebaute Theorien vertreten wie er. Unter diesen ist in erster Linie der Leipziger Anatom Wilhelm His zu nennen, dessen Lehre von den organbildenden Keimbezirken wenigstens insofern mit der Weismann' sehen Determinanten- theorie übereinstimmt, als sie keine homogene Keimsub- stanz annimmt. Sie unterscheidet sich aber dadurch von Weismann's Theorie, dass sie nicht den Kern der Eizelle, sondern deren Leib aus Organkeimen bestehen lässt. Im Zellleibe des Eis sollen sich verschiedene Bezirke unterscheiden lassen, die späteren Körperregionen ent- sprechen. Dadurch, dass jeder dieser Bezirke seiner eigenen Wachsthumsriclitung folgt, sollen, nachdem der Keim durch wiederholte Theilung der Eizelle mehrzellig geworden ist, Faltenbilduugeu entstehen, aus denen sieh die verschiedenen Organe des Körpers formen. Auf die Bedeutung solcher Faltenbildungen mit nach- träglichen Verwachsungen aufmerksam gemacht zu haben, ist ein grosses Verdienst von His. Wenn eine ovale Platte sich anVerschiedenen Stellen in verschiedener Weise aus- dehnt, so müssen nothwendigerweise Faltenbilbungen ent- stehen, und diese können leicht dazu führen, dass die einzelnen Falten sich berühren und miteinander verwachsen. In der That sehen wir denn auch, dass solche Falten- bildungen und Verwachsungen bei der Entwickelung des Embryo die grösste Rolle spielen. Unzweifelhaft sind sie durch' ungleiche Wachstlmmsverhältnisse in den einzelnen Körperregionen des Embryo zu erklären. Dass sich aber diese letzteren auf die ungetheilte Eizelle zurückführen lassen müssen, ist ohne weiteres klar: denn es würde nicht zu verstehen sein, wie etwa aus einer kugelförmigen Eizelle um deren Mittelpunkt herum die Keimsubstanz nach allen Seiten hin gleichmässig an geordnet ist, ein Zellenhaufen, dessen einzelne Zellen un- gleiches Wachsthum zeigen, hervorgehen könnte. Aus einer derartigen Eizelle kann sieh vielmehr nur ein Zellen- gebilde entwickeln, das in allen seinen Theilen gleiches Wachsthum besitzt. Die Eizelle muss also schon eine be- stimmte Form haben, wenn eine bestimmte Körpergestalt daraus hervorgehen soll, und daraufhingewiesen zu haben, ist ein grosses Verdienst von His. Die Beobachtung lehrt auch, dass sehr viele Eizellen schon aufs deutlichste be- stimmte Symmetrieverhältnisse erkennen lassen, so das Insecten- und Amphibienei. Aber diese Thatsachen zwingen nicht zu der An- nahme, dass in dem Körper der Eizelle schon die spä- teren Organe vorgebildet sind. Wir haben schon früher gesehen, dass jede Theorie der Epigenesis sich insofern zum Präformismus bekennen muss, als sie für die ein- zelnen Elemente des Plasmas eine bestimmte Form anzu- nehmen hat. Diese Annahme und die fernere, dass sieh die Plasmaelemente gegenseitig anziehen, führt aber zn der Folgerung, dass das Plasma sieh in bestimmter Weise um den Mittelpunkt der Eizelle herum anordnen muss. 414 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 34. Die Eizelle muss also notwendigerweise eine bestimmte Form und Structur haben und aus dieser muss sich die ungleiche Vcrthcilung des Wachsthums bei der Entwickc- lung des Embryo erklären lassen. Eine solche Annahme ist aber etwas ganz anderes als die, die der Präformismus Wcismann's macht, zumal Weismann die Beschaffenheit des Zellleibs als gänzlich nebensächlich betrachtet, die Determinanten der ver- schiedenen Organe vielmehr in den Kern verlegt. Wer die Bedeutung der Thatsachen, auf welche His aufmerksam gemacht hat, in dem Sinne auffassen will, dass ver- schiedene Körperorgane verschiedenen ihrer Form und chemischen Beschaffenheit nach in der Eizelle vorge- bildeten Keimen entsprechen, der darf allerdings nicht vor den Consequenzen dieser Anschauung zurückschrecken, und das würden keine anderen sein, als die, zu welchen Weismann's Theorie führt, nämlich die Adoption der Ein- sehachtelungslchrc der alten Präformisteu. Wenn in der Eizelle, einerlei ob im Kern oder im umgebenden Zell- leib, die einzelnen Organe vorgebildet sind, wenn in der Kcimcsentwiekelung also im Wesentlichen eine Zerlegung der im Keim präfonnirten Organe zu erblicken ist, so ist die Annahme einer Ehischachtelung der Keime ver- schiedener Generationen ineinander unerlässlich, denn durch die Zerlegung der Eizelle in ihre Bestandteile wird diese aufgebraucht. Woher also sollen die Eizellen, aus welchen sich die späteren Generationen bilden, kommen, wenn sie nicht schon in den Eizellen der vor- hergehenden Generationen eingeschlossen waren? Die Annahme einer Continuität des Keimplasmas in Verbindung mit der Präformationslehre führt zu nichts, denn zweiseitig symmetrische und manche andere Körper, in welchen die Organe im Keime vorgebildet sind, können sich, wie wir gesehen haben, nicht durch Tbeilung fort- pflanzen. Ob es sich dabei um den Zellkern oder um den Leib der Eizelle handelt, ist gleichgültig. Wer also aus den von His hervorgehobenen Thatsachen den Schluss ziehen will, dass sie zu ähnlichen Annahmen für den Leib der Zelle führen, wie die Lehre Weismann's für den Zellkern, der muss zur alten Einscliachtehmgstlieorie zurückkehren. 13. Wilhelm Roux's Ansichten. Den Anschauungen von Weismann und His ähneln bis zu einem gewissen Grade die von Wilhelm Koux. Dieser Forscher erblickte schon vor Weismann in dem Thcilungs- processe des Zellkerns eine Einrichtung, um diesen in die in ihm enthaltenen, verschiedenen Qualitäten zu zerlegen, und zwar zu dem Zweck, dass die dadurch gesonderten Keimstoffe auf bestimmte Regionen des sich entwickelnden Embryo vertheilt werden, um die Entstehung der einzelnen Organe zu veranlassen. Roux's Ansichten sind also prä- formistische. Roux legt grosses Gewicht auf die Form der Eier und die Anordnung der Zellen in den ersten Entwickelungs- stadien, und er hat eine Reihe glänzender Entdeckungen gemacht, die ihn dazu berechtigen. Aus dem Umstände, dass die Eier der Insceten und anderer Thiere schon zweiseitig-symmetrisch sind, und aus der von ihm selbst ermittelten Thatsache, dass das Froschei durch die erste Theilungsebenc in zwei Zellen zerfällt, von denen jede einer Körperhälfte des späteren Thieres entspricht, schliesst er, dass die Organe in der Keimzelle bis zu einem gewissen Grade vorgebildet sind. Er ist aber nach seinem eigenen Ausspruche kein reiner Präformist, sondern nimmt eine Mittelstellung zwischen dem Präformismus und der Theorie der Epigenesis ein. Was die Gestalt der Eizelle anlangt, so ist es ja klar, dass eine bestimmte Form resultiren muss, wenn sieh bestimmt geformte Plas- maelemente gegenseitig anziehen und dadurch um einen gemeinsamen Mittelpunkt ordnen. Mit derselben Not- wendigkeit, mit der etwa die die Eiskrystalle aufbauenden Moleküle des gefrierenden Wassers die sechsstrahligen Formen der Schneesterne erzeugen, müssen die einander anziehenden, mit einer bestimmten Form ausgestatteten Elemente des Plasmas Gebilde mit festen Symmetrie- verhältnissen hervorbringen. Aus der Thatsache also, dass schon Eizellen bestimmte Formenverhältnisse auf- weisen, lässt sich so wenig ein Schluss zu Gunsten des Präformismus ziehen, wie sieh behaupten lässt, dass die Schneesterne, deren einzelne Körperstrecken oft sehr von einander abweichen, nicht in allen ihren Theilen aus congruenten Wassermolekülen bestehen. Aber auch aus der von Roux und seinen Nachfolgern festgestellten Thatsache, dass in sehr vielen Fällen die beiden Körper- hälften zweiseitig symmetrischer Thiere, schon durch die erste Theilungsebene des sieh entwickelnden Eies geschie- den werden, lässt sich Nichts, was für die Präformations- theorie spricht, folgern. Dass sich eine zweiseitig- sym- metrische Zelle nicht in beliebiger Richtung theilen kann, ist von vornherein klar. Die Tbeilung muss entweder in der Symmetrieebene einer solchen Zelle erfolgen, oder in einer Ebene, die zur Symmetrieebene senkrecht steht. In dem einen, wie in dem anderen Falle müssen die Symmetrieverhältnisse der Zelle lvspectirt werden, so dass der aus der Tbeilung hervorgehende Keim noch dieselben Symmetrieverhältnisse zeigt, wie die ungetheilte Eizelle. Dass nun die Thatsachen dieser notwendigen Forderung entsprechen, ist nicht zu verwundern. Es wäre das nackte Wunder, wenn eine zweiseitig symmetrische Zelle sich so theilte, dass daraus ein unsymmetrisches Gebilde entstände, eine Form, die nicht durch eine Ebene in zwei, einander spiegelbildlich gleiche Hälften zerlegt werden könnte. Die Symmetrieverhältnisse der Eizelle sind aber durch die Formenhältnisse ihrer Plasmaelemente bedingt, müssen wir doch auch die Symmetrieverhältnisse der Krystalle auf die Formenhältnisse der sie zusammen- setzenden Moleküle zurückführen. So wenig aber, wie in den Krystallen besondere Substanzen auf bestimmte Stellen vertheilt sind, so wenig braucht das im Körper der Eizelle der Fall zu sein, womit allerdings nicht ge- sagt sein soll, dass sie nicht verschiedene Substanzen enthielte. Wenn sich das formengebende Plasma in der Eizelle nach bestimmten Symmetrieverhältnissen angeordnet hat, so müssen es auch die neben dem Plasma noch in der Eizelle enthaltenen Stoffe thun, sei es auch nur, dass sie dabei passiv dem Plasma folgen. Roux hat sich nun durch seine genialen Versuche, die bestimmte Symmetrieverhältnisse in der Eizelle der Thiere in unwiderleglicher Weise dargethan haben, ein Verdienst erworben, dessen Grösse kaum hoch genug an- geschlagen werden kann; ob aber darauf präformistisebe Ansichten zu begründen sind, ist fraglich. Mit der für Weismann unumgänglichen Notwendigkeit der Annahme einer Einschachtelung lassen sich ohnehin die Anschauungen nicht vereinigen, die Roux in seiner Schrift „Der Kampf der Theile im Organismus" entwickelt hat. Hier sucht er nachzuweisen, dass die Organe sich zum grossen Theil durch ihre eigene Thätigkeit ausbilden. Nach Roux ist beispielsweise die äusserst complicirte aber ihrer Thätigkeit entsprechende Anordnung der Binde- gewebsfasern in der Delphinflosse der Hauptsache nach auf die Thätigkeit der letzteren zurückzuführen. Er stellt sich vor, dass in den einzelnen < >rganen gewissermaassen ein Kampf der Theile stattfindet, insofern, als Theile, die stärker gebraucht werden, den anderen die Nahrung ent- ziehen, und dass die Anordnung der verschiedenen Faser- systeuie in der Schwanzflosse des Delphins dadurch zu Nr. 34. X a t n r\v i ssc i isc 1 1 :i l't 1 1 < - 1 1 1- Wochenschrift. 41f> Stande kommt, dass bei den Bewegungen, die die Flosse macht, ein Tlieil des ursprünglich wirr durch einander lie- genden Materials stärker in Anspruch genommen wird als der andere, dass hier die Fasern wachsen und sieh aus- dehnen, anderswo dagegen nicht gedeihen. Dieser Anschauung entsprechend könnte die Fasern- anordmvng von jedem Individuum immer wieder neu her- vorgebracht weiden. Es wäre dazu weiter nichts mithin-, als dass die Anfänge der Dclphinflosse mit ihren äusseren Svnnnetrieverhältnissen gegeben sind. Nun hat aber Kükenthal gezeigt, dass die Fasern in den Schwanzflossen ganz kleiner Walfischembryonen schon ebenso gelagert sind, wie bei ausgewachsenen Thieren, dass sie also nicht erst in jeder Generation durch die Thätigkeit der Schwanzflosse geordnet werden. Daraus geht hervor, dass entweder eine Vererbung erworbener Eigenschaften stattfindet, oder Präformation besteht, zwei Möglichkeiten, die einander ausschliessen. Eine Vererbung erworbener Eigenschaften nimmt Roux nicht an: ja er hat sogar die Hoffnung ausgesprochen, dass Weismann in diesem Funkte Recht behalten möge, weil die Erklärung der Vererbung erworbener Eigenschaften auf fast unüberwind- liche Hindernisse stosse. Dann aber können die so eigentümlich und der Thätigkeit des Organs ent- sprechend angeordneten Fasern in der Delphinflosse nur im Keime präformirt seien, womit sich Roux's epochemachende Theorie vom Kampf der Theile nicht verträgt. Nach Knochenbrüchen ordnen sieh die sieh neu bilden- den Knocbeutheilchen so an, dass sie den gegen früher oft gänzlich verschobenen Druck- und Zugverhältnissen, die auf die Knochen einwirken, entsprechen; hier voll- zieht sich also eine durch den Kampf der Theile be- wirkte funetionelle Anpassung. Will man sich aber zum Präformismus bekennen, dann muss man sagen, dass die Knochenbrüche so gut wie alles Andere im Schöpfungs- plaue vorgesehen seien, dass diejenigen Menschen z. B., die Knochenbrüche erleiden, hierzu vom Schöpfer aus- ersehen, und dass die Keime, aus welchen sie sich ent- wickeln, in der Weise präformirt seien, dass nachher eint Heilung des Bruches bewerkstelligt werden kann. Bei Annahme des Präformismus ergiebt sich also die Not- wendigkeit, die funetionelle Anpassung, die wir überall beobachten können, auch im Sinne des Präformismus und durch die Annahme einer Einscbachtelungstheorie, die auch Knochenbrüchen gerecht wird, zu erklären. Will man das nicht, will man die Selbstgestaltung der Orgaue vom Boden der Epigenesislehre aus erklären, verwirft man die Vorstellung, dass die Organe in allen Einzel- heiten im Keime vorgebildet sind, dann verwirft man damit den Präformismus überhaupt. Eine consequent durchgeführte Präformationstheorie lässt sich aber wohl mit den der Annahme einer functionellen Anpassung zu Grunde liegenden That- sachen vereinigen. Man braucht ja nur anzunehmen, dass z. B. bei den Muskeln, die, wie es beim Arm eines Turners oder Schmiedes der Fall ist, durch den Gebrauch bedeutend gestärkt werden, die Keime der sich scheinbar in Folge des Gebrauchs neu bildenden Muskelzellen schon präformirt waren. Der Präforniisnius führt zur Annahme des Kroatismus, zur Annahme des Schöpfers, der in menschlicher Weise seine Pläne macht und ausführt, und dieser Schöpfer konnte ja diejenigen Keime, aus denen sich Schmiede und Turner entwickeln sollten, so aus- statten, dass für eine genügende Anzahl von Muskelzellen auch eine genügende Anzahl im Keime präformirter De- terminanten vorhanden waren. Auch Wilhelm Roux wird, wenn er am Präfor- mismus festhalten will, nicht um die Annahme der Ein- schachtelungstheorie hinwegkommen; aber wir bezweifeln, dass seine Ansieliten ihn dahin führen werden.*) 14. Die intiaccllulare Pangenesis von de Vries. Eine Mittelstellung zwischen einer präfortnistischen und einer epigenetischen Entwickelungslehre nimmt die von dem holländischen Botaniker de Vries aufgestellte Theorie der intracellularen Pangenesis, die im Jahre 1889 publieirt wurde, ein. De Vries geht von der Darwin sehen Pangenesislehre aus, aber er verwirft die Annahme eines von den Körperzellen nach den Keimzellen hin er folgenden Keimchentransports-, er nimmt vielmehr an. dass alle Zellen Gemmulae, wie Darwin sie genannt bat, oder Pangene, wie de Vries diejenigen kleinsten Elemente des Plasmas nennt, in welchen die Zellen, stofflich wenigstens, vorgebildet sind, enthalten. Dem- gemäss würden in Muskelzellen Muskelpangene zur Aus- bildung gelangen; in Zellen, aus denen Nervenzellen werden sollen, würden sich die Pangene der letzteren entwickeln; dagegen würden in den Nervenzellen sowenig wie in den Muskelzellen die ursprünglich auch in ihnen enthaltenen Pangene etwa der Hautzellen oder der Knochenzellen zur Ausbildung gelangen. Nach de Vries wählt also jede Zellenart gewissermassen diejenigen Pan- gene, die ihre Natur bestimmen sollen, aus, um sich in die definitive Form umzubilden. Aber neben den in Aetion getretenen Pangenen bleiben andere Pangene, und in vielen Zellen, namentlich in denen der Pflanzen, alle Arten von Pangenen in einem ruhenden oder inactiven Zustande liegen, um erst dann zur Entwickelung zu gelangen, wenn besondere Umstände eintreten. Solche Umstände sind in allen denjenigen Ur- sachen zu erblicken, welche eine Regeneration verloren gegangener Körpertbeile oder auch eine Entwickelung ganzer Individuen aus einzelnen Zellengruppen oder aus einer einzelnen Zelle veranlassen. Bei Pflanzen, die sich durch Stecklinge fortpflanzen lassen, treten z. B. Wurzelpangene, die in dem Stecklinge enthalten sind, in Thätigkeit, um einem von der Mutterpflanze getrennten Theil neue Wurzeln zu verschaffen. In Begonienblättern können sich einzelne Zellen zu ganzen Pflanzen umbilden; in diesen Zellen miissten also alle Arten von Pangenen enthalten sein. Ebenso müssten in dem abgeschnittenen Arm mancher Seesternarten Pangene der übrigen vier Arme und der Mittelscheibe des Seesterns schlummern; denn die betreffenden Seesterne sind befähigt, aus einem abge- brochenen Arm heraus die Mittelscheibe des sternförmigen Körpers und die übrigen Arme wieder zu erzeugen. Was de Vries veranlasst, seiner Vererbungslehre be- sondere Bedeutung beizulegen, ist der Umstand, dass sie mit einer verhältnissmässig geringen Anzahl von Pangenen auskommen kann. Er sagt, die Organismen unterschieden sich nicht in erster Linie durch verschiedene Arten von Pangenen, sondern dadurch, dass die Pangenenniischungen bei ihnen in verschiedenen Verhältnissen vorkommen. So sollen bei vielen Pflanzenarten dieselben Arten von Pan- genen, aber bei jeder Species in einer besonderen Mischung vorkommen; durch speeifisebe Mischlings- Ver- hältnisse soll die speeifisebe Eigenthümlicbkeit der Thier- und Pflanzenarten bedingt werden. De Vries glaubt also mit einer verhältnissmässig geringen Anzahl von Pangenen auskommen zu können. Jedenfalls ist dieser Umstand geeignet, seine Ver- *) Anmerkung: Mir sind die Schriften Roux's, die leider in den verschiedensten Zeitschriften und sonstigen Publicationen zerstreut sind, nicht alle zugänglich; ich behalte mir eine eiii- gehende Würdigung der Leinen dieses hervorragenden Forschers, der eine leitende Rolle in der liioloirie spielt, für eine andere Gelegenheit vor. II. 416 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 34. erbungslehre zu empfehlen. Allein diese ist nicht geeig- net, die Thatsachen der Vererbung und Formbildung zu erklären; denn nicht die besonderen Mischungsverhältnisse der Pangene begründen die unterscheidenden Merkmale der einzelnen Thier- und Pflanzenarten, sondern die Art und Weise, in welcher Reihenfolge die Pangene, wenn wir einmal diese hypothetischen Gebilde annehmen wollen, im Keime zur Entwickelung gelangen. Man kann sich sehr gut vorstellen, dass zwei verschiedene Thier- oder Pflanzenarten aus genau denselben Arten von Pangenen in einem und demselben Mischungsverhältnisse bestehen und dass sie dennoch von einander verschieden sind, wie es Weismann gegenüber de Vries betont hat. Einem Architekten ist es ein Leichtes, aus demselben Material ganz verschiedene Häuser zu bauen, und Aehnliches ist auch in der Natur möglich. Es ist durchaus nicht ein- zusehen, auf welche Weise aus einer bunt und unregel- mässig zusammengewürfelten Gesellschaft von Pangenen ein Organismus mit jener charakteristischen Veitheilung der verschiedenen Arten von Zellen, wie wir sie an den Thieren und Pflanzen kennen, zu Stande kommen sollte. Es muss etwas da sein, was diese Veitheilung bewirkt. Dafür ständen aber zwei Wege offen. Entweder muss de Vries sich zu Annahmen verstehen, wie sie von Weis- mann gemacht wurden sind, wonach die verschiedenen Pangene oder Gemmulae oder Biophoren, oder wie man sonst die Keime der einzelneu Zellen oder der Gruppen gleicher Zellen nennen will, in bestimmter Anordnung in Gebilden höherer Ordnung, Iden, wie Weismann sie ge- nannt hat, in den Zellen enthalten sind, und dann wäre es ja zu begreifen, dass die einzelnen Pangene in regel- rechter Weise auf die aus der Theilung der Eizelle her- vorgehenden Körperzellen vertheilt werden müssten, oder de Vries muss die Anordnung der Zellen im Körper aus den Formverhältnissen eines neutralen Plasmas zu er- klären suchen, in derselben Weise wie es jede epigeneti- sche Theorie der Vererbung und Entwickelung thun muss, und es dementsprechend von dem Platze, den eine Körperzelle in der Gesammtanordnung einnimmt, anhängig sein lassen, ob aus dieser Zelle etwa eine Nerven- oder eine Muskelzelle werden soll, und dann hat er es aller- dings nicht mehr nöthig, eine Anzahl verschiedenartiger Pangenen von irgend welcher neunenswerthen Grösse an- zunehmen, dann kommt er mit verhältnissmässig wenigen Stoffen aus. Aber in diesen wären nicht etwa Biophoren im Weismannschen Sinne zu erblicken, etwa Nerven-, Knochen- oder Muskelbiophoren, sondern chemische Sub- stanzen, die in Wechselwirkung mit einander stehen, Stoffe, die durch eine Reihe von chemischen Processen das Material für den Aufbau der einzelnen Zellensorten liefern können; ja, man könnte sich vorstellen, dass der Zellleib aus einem einzigen chemischen Stoffe bestehe, und ebenso der Zellkern, und dass durch die Wechselwirkung dieser beiden Stoffe untereinander und mit der Ausseiiwelt eine Reihe von chemischen Processen eingeleitet würde, in deren weiterem Verlaufe immer neue chemische Stoffe auftreten und endlich auch die, welche das Material für die Bildung von Zellen mit speeifischen Eigenschaften liefern. Mit einer solchen Annahme würde de Vries aber vollständig auf den Boden der Epigenesistheorie treten, denn diese letztere nimmt zwar, wie wir bereits hervor- gehoben haben, im weiteren Verlaufe unserer Unter- suchungen aber noch näher ausführen werden, für die Bewirkung der Anordnung der Zellen im Körper nur einen einzigen Stoff, das Plasma, an, aber sie leugnet keines- wegs, dass ausser diesem Stoffe und dem des Zellkerns noch andere Stoffe in der Eizelle vorhanden sind. So- wohl im Zellleib, als auch im Kern sind verschiedene Substanzen vorbanden, wie wir durch mikroskopische und chemische Untersuchungen wissen. Mit diesen Stoffen tritt nach epigenetischer Anschauung der eigentliche Bildungsstoff, das Plasma, in Wechselwirkung, in einen Stoffwechsel ein, d. h., sobald die Entwickelung der Ei- zelle anhebt, beginnt eine Reihe von chemischen Pro- cessen, deren Endresultat die Ausbildung speeifischer Zellen, z. B. Nerven- und Muskelzellen, ist. Wie gross die Anzahl der verschiedenen Stoffe in der Eizelle ist, wissen wir allerdings nicht, wohl aber wissen wir, dass sie eine verhältnissmässig geringe ist, viel geringer als die Anzahl verschiedener Pangene, die de Vries annehmen zu müssen glaubt. Aber wenn die Anzahl verschiedener chemischer Stoffe in der Eizelle auch eine grosse, ja eine sehr grosse wäre, so brauchten keineswegs Muskelpangene oder Nervenpangene, Blüthen- pa'ngenc oder Wurzclpangene in der Eizelle enthalten zu sein, sondern alle diese Arten von Pangenen, oder viel- mehr die Stoffe, aus welchen die verschiedenen speeifi- schen Zellen des Organismus gebildet werden, könnten erst im späteren Verlauf der Entwickelung entstehen. Eine derartige Annahme würde also keineswegs mit im Keim präformirten speeifischen Zellbausteinen operiren, sondern die Bausteine der Zellen würden nach ihr erst im Laufe der Keimesentwickelung durch physikalische und chemische Processe in richtiger Form und aus richtigem Stoffe gebildet werden. Das aber wäre nichts weiter, als eine epigenetische Vererbungs- und Gestaltungstheorie, und daran würde der Umstand nichts ändern, dass die verschiedenen in der sich zur Entwickelung anschickenden Eizelle enthaltenen Stoffe für sich selbst assimiliren, da- durch an Masse zunehmen, und dass, sofern sie geformte Elemente bilden, diese sich auch theilen, wie es in sehr vielen Fällen wirklich zu geschehen scheint. Freilich würde es nicht genügen, in der Eizelle ein Gemenge verschiedener Stoffe anzunehmen, sondern man nüisste notwendiger Weise zeigen, wodurch die An- ordnung der Zellen im Organismus zu Stande kommt. Grade dies erste Erforderniss einer Vererbungs- und Form- bildungslehre hat aber de Vries nicht geliefert. Wenn er nun seine Theorie vervollständigen will, so stehen ihm zwei Wege offen. I »er erste Weg ist der, dass er ein formbildendes Plasma dafür sorgen lässt, dass die in der Eizelle ent- haltenen Stoffe, mit welchen dieses Plasma gemischt ist, auf die einzelnen sich bildenden Zellen des Körpers ver- theilt werden. Dann muss er von der Vorstellung, dass den Muskelzellen Muskelpangene, den Nervenzellen Nerven- pangene, kurz jeder spezifischen Art von Zellen spezifische Pangene im Keime entsprechen, abgehen, weil nicht ein- zusehen ist, wieso ein in allen Zellen aus gleichen Ele- menten bestehendes Plasma es fertig bringen sollte, diese verschiedenen Pangene in der richtigen Weise zu ver- teilen. Die specitische Ausbildung der Zellen kann viel- mehr nur dadurch geschehen, dass das Plasma mit den ein- zelnen aus der Keimzelle stammenden Stoffen in Stoffwechsel tritt, der in verschiedenen Gegenden des Körpers, weil diese in verschiedener Weise mit der Umgebung in Berührung kommen, ein verschiedener sein muss, eine Anschauung, die sich nicht damit verträgt, dass die einzelnen Zellen schon durch specitische Pangene vorgebildet sind. Will de Vries diese epigenetische Anschauung nicht zu der seinigen machen, so bleibt ihm nur ein enger An- schluss an Weismann übrig, und er muss dann notwen- diger Weise auch die Consequenz ziehen, die Weismann zwar auch nicht gezogen hat, die sich aber nichtsdesto- weniger mit Notwendigkeit aus jeder präformistischen Vererbungstheorie ergiebt, die Consequenz nämlich, dass die alten Einschachtelungstheoretiker das Richtige retroffen hatten. (Fortsetzung folgt.) Nr. 34. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 417 Zoogeographische Ergebnisse der Expedition des Afrikareisenden 0. Neumann. — Dem Königlichen Museum für Naturkunde in Berlin sind seit dem Ende des vorigen Jahres mehrere grössere Sendungen zoologischer Gegenstände als Geschenk überwiesen worden, welche Herr Oscar Neumann auf einer Reise von Tanga nach Irangi im deutschen Ostafrika gesammelt hat. Dieselben um- fassen sehr umfangreiche Collectionen der verschiedensten Thiergruppen, welche sowohl für die Kenntniss der Ver- breitung vieler Arten von ausserordentlichem Werthe sind. als auch bereits eine grössere Anzahl neuer Spec'ies der wissenschaftlichen Forschung zugeführt und wichtige Bei- träge für das Studium der verschiedenen Alters- und Jahreszeiten-Kleider so mancher Formen ergeben haben. Auch die Schausammlung des Berliner Museums hat werthvolle Bereicherungen durch die Sammeltätigkeit des Herrn Neumann erfahren, von denen hier nur ein in der Massai-Nyika erlegter, prächtiger alter Löwe und eine Suara-Antilope erwähnt sein mögen. Herr Neumann hatte von Irangi aus den Bubu aufwärts einen Abstecher zur Besteigung des Guirui-Berges gemacht, war von dort an den Manyara-See und an dessen Westufer hinauf nach Mgogo am Fusse des Mutikplateaus gezogen, wo ein un- geheurer Wildreichthum das Auge des Jägers entzückte. Während die bei Irangi und in dem etwas südlicher ge- legenen Usandawi erbeuteten Thiere mit denjenigen Arten übereinstimmen, welche vom Kiugani und Rowuma be- kannt sind, zeigte es sich, dass schon der Guiruiberg und die Salzsteppen zwischen dem Bubu und Manyara-See viel Aehnlichkeit in der Fauna mit denjenigen Gebieten haben, welche nördlich vom Pangani liegen. Auf die merkwürdige Grenzlinie: Pangani-Irangi-Speke Golf hatte schon Dr. G. A. Fischer hingewiesen, durch Neumann's Forschungen haben wir wiederum einige weitere Belege für das Vorhandensein dieser Scheide erhalten. So lebt z. B. Bubalis eokei, die nach Coke benannte Kuh- antilope, dort am Guirui, während bei Mpapwa schon die nächst verwandte Art vorkommt. Bubalis cokei kannte man bisher vom Kilima Ndjaro, dem Jipe-See, von Taita und dem Götterberg, vom Doenyo Ngai, vom Wapokomo-Land und vom Baringo-See. Neumann erreichte am 8. December des vorigen Jahres bei Ngaruka die Route Dr. Fischer's und ver- folgte dieselbe bis Sossian. Am Doenyo Ngai, dem ein- zigen noch thätigen Vulcan, welchen man in Afrika kennt, erlegte der Reisende einen kurzbeinigen Pavian mit schwarz und gelbbraun mehrten Rückeuhaaren, welcher einer anderen Art angehört als der bei Tanga, Mpapwa und Irangi beobachtete. Auch dieser Umstand spricht für eine zoogeographische Grenze. Am 2. Januar dieses Jahres verliess Neumann den Guassa Njiro, um nach Westen in die Berge aufzusteigen, welche die Wasser- scheide zwischen den zum Ocean und zum Victoria-See fliessenden Gewässern bilden. Am 23. Januar wurde der Ngare Mbusse, der erste westlich fliessende Bach er- reicht. Schon nach dem Ueberschreiten der Passhöhe hörten Nashornspuren fast gänzlich auf, auch die Kuhantilopen traten sein- zurück; dagegen wurden grosse rothgraue Antilopen mit dunklen Schultern und Hinterschenkeln zahlreich gefunden, welche nach der von dem Reisenden gegebenen Beschreibung unzweifelhaft zu der echten Senegal - Antilope, Damalis senegalensis , gehören. Diese Art kannte man bisher nur aus dem äussersten Nordwesten, vor Jahresfrist brachte dann Herr Lieutenant Werther vom Victoria Nyansa ein Fell mit; jetzt ist durch Neumann nachgewiesen, dass das Verbreitungs- gebiet dieser Form sich bis zum Ngare Mbusse er- streckt. Damit ist der Beweis geführt, dass die westliche Waldfauna bis zu dem Kamme des zwischen dem Victoria Nyansa und dem Guasso Nyiro liegenden Gebirges reicht. Durch G. A. Fischer wusste man bereits, dass die Ostküste des Nyansa nörd- lich vom Speke Golf und dem Nassa-Gebirge bis herauf nach Kavirondo eine westliche Fauna besitzt; derselbe Forscher hatte nachgewiesen, dass typische Vertreter dieser Waldfauna, wie die Musophaga rossae, ein prächtiger Helmvogel, bis zu den Bergen westlieb vom Baringo-See verbreitet sind. Nun haben Neumann's Entdeckungen die südliche Grenze dieser Fauna nach Osten festgestellt. Zwischen dem Ngare Mbusse und dem Ngare Dobasch macht sieh das Verschwinden der östlichen Formen mehr und mehr geltend. Die Kuhantilopen, die beiden Gazellen- Arten und die Gnus fehlen vollständig, nur die Zebra greifen in die westafrikanische Region über und ver- breiten sich bis Schirati zwischen der Mori und Kavi- rondo Bai. Dafür erscheinen rothstirnige Wasserböcke, wahrscheinlich Cobus defassa, zwei Riedbock- Arten und eine ockergelbe, mit weissen Längsstreifen gezierte Art. Neumann erreichte über Ngoroine, Mukenje und Uturi am 5. Februar den See, verfolgte alsdann die Küste bis zur Kavirondo Bai, zog hierauf östlich nach Kissowa und nordwärts nach Kwa Kitoto. Hier fand er eine typisch westliche Fauna, den stahlblauen Helinvogel, einen "schwarzen rothbäuehigen Capitoniden, den central- afrikanischen Guereza - Affen. Colobus occidentalis, die wTeissohrige, vom Albert - See bekannte Meerkatze, Cercopithecus stuhlmanni und den Cercopithecus neglectus mit der rothen Stirnbinde, welcher bisher nur am weissen Nil und im Congo francais gefunden worden ist. Von dieser letzteren, der buntesten Affen-Art, welche man aus Afrika kennt, sammelte er Exemplare in allen Alterskleidern. Das alte Männchen ist oben hellgrau, olivengelblich melirt; die Basis der Haare ist hellgelb durchscheinend. Ein halbmondförmiges Stirnband, welches hinten breit schwarz gesäumt wird, ist orangerostroth. Der obere Theil der Nase und die fast nackte Augen- gegend sind schwarz, die Nasenspitze, der daneben be- findliche Theil der Wangen und ein langer, spitzer Kinn- bart weiss. Die Unterseite des Körpers ist schwärzlich olivengraugrün, die Innenseite der Vorderbeine olivengrau- grün, und diese Farbe greift etwas auf die tiefschwarze Aussenseite über, von welcher sie durch einen gelblichen Rand getrennt ist. Die Aftergegend und die Innenseite der Hinterschenkel, sowie eine schmale, scharfe Linie auf der Aussenseitc derselben bis unter das Kniegelenk sind weiss. Vor dieser Linie sind die Hinterschenkel schwarz, hinter derselben olivengraugrün. Die Hinterfüsse und der Schwanz sind schwarz, der Hodeusack hellkobaltblau. Ein junges Exemplar zeigt ganz andere Färbung: Der Oberkopf ist röthlich mit schwarz und olivengelbgrün gesprenkelt, die Stirnbinde röthlich und schwarz melirt, der Rücken wie der Kopf, aber ohne röthlichen Sehein. Die Gliedmaassen sind schwärzlich , die Hinterfüsse schwarz und weiss melirt. Der Steiss und die Basis des Schwanzrückens sind rostroth, der Schwanz selbst bis zur. schwarzen Spitze schwarz und olivengelbgrün melirt; Die Unterseite ist weissgrau, hellgelb durchscheinend, die Nasenspitze, die Lippen und der Kinnbart sind weiss. — Die Entdeckung dieses schönen Affen an der Ost- grenze des Waldgebietes ist von grossem Interesse. Bei Kwa Kitoto leben auch wieder Kuhantilopen, welche einer anderen Form angehören als die vom Guirui bis zum Ngare Mbusse und Sossian beobachteten. Sie werden wahrscheinlich zu Bubalis jacksoni gehören, jener Form, welche vom Baringo-See, Elgon-Gebirge, vom Djttr \ind Central-Sudau bekannt ist und bei Mossirq ihre Süd- 418 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 34. grenze finden dürfte. Nach Eintreffen der grossen Samm- lungen Neumann's wird sich erst ein Urtheil über die Tragweite seiner Forschungen fällen lassen. Soviel steht jetzt schon fest, dass ein wichtiger Schritt wiederum ge- macht worden ist zur Feststellung der Begrenzung der- jenigen tbiergeographischen Regionen, welche in dem Osten des schwarzen Erdtheiles unterschieden werden müssen. Matschie. Der erste erwachsene Orang-Utan in Deutschland. — Im vorigen Winter hatte der Besitzer des Zoologischen Gartens in Leipzig, Herr Ernst Pinkert, in Antwerpen und Paris im Jardin d'Acclimation zwei männliche lebende Orang-Utans, die von Borneo gekommen waren, ausgestellt. Beide Thiere waren völlig ausgewachsen, lebten aber leider nur wenige Wochen. Jetzt ist es Herrn Pinkert gelungen, ein drittes, ebenso altes und nicht minder interessantes Exemplar zu erwerben. Am 1. April langte derselbe mit dem D. S. „Irene" im Hamburger Hafen an und wurde zunächst im dortigen Zoologischen Garten und dann in Leipzig ausgestellt. Herr Director H. Bolau, der ihn 14 Tage lang im Zoo- logischen Garten in Pflege hatte, berichtet (Zoologischer Garten, Band 35 j über sein absonderliches Aussehen Folgendes. „Anton" ist nur wenig kleiner, wie seine Vorgänger in Paris; er ist, wenn er sich aufrichtet — und das kann er nur mit Hilfe seiner langen Arme — 1,25 m vom Boden bis zum Scheitel hoch. Wenn er die Arme nach oben ausstreckt, so reicht er mit den Fingerspitzen über 2 m hoch. Wie man schon daraus ersieht, stehen die Glied- maassen in einem auffallenden Missverhältniss. Die Beine sind kurz und schwach, sowie völlig wadenlos. Die Arme sind über 1 m lang, sodass er, wenn er aufrecht steht, mit den Knöcheln der Hand den Boden berühren kann. Das Interessanteste am „Anton" ist das Gesicht. Es er- heben sich nämlich zu beiden Seiten desselben auf den Backen halbmondförmige , fleischige Wülste von etwa 18 cm Länge und 8 — 10 cm Breite, und unter dem Kinn liegt eine kropfartige Wamme. Das Kinn umgiebt ein schwacher Bart , der sich beiderseits etwas auf die Wangen hinaufzieht. Die Behaarung ist nicht sehr stark, vielfach schimmert die schwarzgraue Haut durch. Nur die Schultern und Oberarme deckt langes rothbraunes Haar. Antons Futter besteht aus Reis, Milch, Weissbrot und Bananen; auch verschmäht er eine Weinsuppe und rohe Eier nicht. Die Fütterung muss mit einiger Vorsicht ge- schehen; man darf sich seinem Käfig nur bis auf Arm- länge nähern, denn oft springt er plötzlich auf und sucht denjenigen, der sich zu nahe heranwagt, zu ergreifen oder mit der Hand zu schlagen. Wenn er nicht gestört wird, verhält er sich sehr ruhig. Er kann stundenlang zusammengekauert auf dem Boden sitzen, wobei er die langen Arme über Kopf und Nacken legt. Dabei beob- achtet er aber mit seinen kleinen Augen die Vorgänge umher sehr genau. Mit Sonnenuntergang zieht er sich in sein vom Wärter bereitetes Heulager zurück. — In der Wildniss baut sich der Orang-Utan ein Schlaf- lager aus abgebrochenen Zweigen. Ein solches Nest hat Professor E. Selenka aus Erlangen aus Borneo mit- gebracht und an das Museum für Naturkunde in Berlin abgeliefert, wo es in seiner ursprünglichen Form aus- gestellt werden konnte. Professor Möbius beschreibt dasselbe in den Sitzungsberichten der Berliner Akademie. Das Nest besteht aus abgebrochenen Zweigen, welche lose übereinander gelegt und niemals verflochten sind. Auf demselben liegen kleinere Zweige und lose Blätter. Es ist 1,40 m lang und 0,80 m breit. Nach Selenka bereitet sich der Orang-Utan jeden Abend oder jeden zweiten Abend ein neues Nest, meist in niedrigen Bäumen. Man kann daher im Unvalde an einem Tage oft ein Dutzend solcher Nester finden. Ein Orang - Utan , der im Berliner Aquarium seit vorigen Herbst lebt, baute sich aus in den Käfig ge- legten Erlenzweigen auf seinem Schlafbrett ein eben- solches Nest. F. R. L i 1 1 e r a t u r. Prof. Dr. Fritz Schultze, Der Zeitgeist in Teutschland, seine Wandlungen im 19. und seine muthmaassliche Gestaltung im 20. Jahrhundert. Ernst Günther's Verlag in Leipzig 1894. — Preis o Mark. Wie wir — sagt Verf. — unsern Zeitgeist richtig nur be- greifen können, wenn wir genau seine geschichtliche Entstehung aus dem vorhergehenden Zeitgeiste kennen, so vermögen wir auch über den Geist der Zukunft nur dann berechtigte Ver- muthungen aufzustellen, wenn wir sie in folgerichtiger Entwieke- lung aus den Verhältnissen unseres heutigen Zeitgeistes abzuleiten wissen. Die Wandlungen des Zeitgeistes vom Ende des vorigen Jahrhunderts, seit 1781, dem Jahre des Erscheinens von Kant's Kritik der reinen Vernunft und von Schiller's Räubern — Verf. nennt ihn den „Zeitgeist der Vernunft- und Naturherrschaft, des Idealismus und Realismus" — gedrängt und übersichtlich dar- zustellen, „um daraus Vernunft- und naturgemässe Schlüsse zu ziehen, ist die Aufgabe" der Schrift. Verf. bespricht in 4 Kapiteln 1. die idealistische Periode, 2. die ästhetische (klassische und romantische) Strömung im ide- alistischen Zeitgeist, 3. die freireligiöse Bewegung und die rea- listische Wendung des Zeitgeistes zum Naturalismus, Materialis- mus und Darwinismus und 4. den Pessimismus und ethischen Ma- terialismus, Sozialdemokratie und Ultramontanismus, die Noth- wendigkeit einer neuen Reformation, ihre Strebeziele und die muthmaassliche Gestaltung des Zeitgeistes im 20. Jahrhundert. Schnitze zieht die Schlussfolgerung: „So wird der berechtigte Realismus der neuen naturwissen- schaftlich-technischen Zeit sich mit dem berechtigten Idealismus der älteren philosophisch-ästhetischen Zeit zur Einheit verbinden. In diesem echten, mit Natur, Vernunft, Gewissen und Gefühl gleichmässig in Uebereinstimmung stehenden Realidealismus wird die Menschheit der Zukunft ihre Krlösung vom Uebel, vom geistigen, sittlichen und wirtschaftlichen finden, und der er- hebende Traum vom ewigen Frieden das Fest seiner Erfüllung feiern." Oscar Hertwig, Zeit- und Streitfragen der Biologie. Heft I. Präformation oder Epigenese? Grundzüge einer Ent- wickelungstheorie der Organismen. Mit 4 Abbild. Gustav Fischer. Jena 1894. — Preis 3 M. Dass in der Schrift die Weismann'schen Ansichten hervor- ragend im Vordergrunde stehen müssen, ist dem Sachkundigen von vornherein klar. Weismann — sagt Verf. — verlegt die Ursache für die gesetz- mässige Entfaltung der Anlagen in die Anlagesubstanz selbst hinein; diese ist ihm zugleich Grund und Bedingung für den Ver- lauf des Entwickelungsprocesses. Nach Weismann muss eine Zelle das werden, was sie ist, weil sie nur mit dieser bestimmten An- lage durch den im Voraus schon im Keimplasma gegobenen Ent- wickelungsplan ausgestattet worden ist. Wir dagegen machen die Entfaltung der Anlagen abhängig von Bedingungen oder Ursachen, die ausserhalb der Anlagesub- stanz der Eizelle liegen, aber trotzdem in gesetzmässiger Folge durch den Entwickelungsprocess producirt werden. Wir erkennen solche erstens in den Wechselbeziehungen, in welche die Zellen eines Organismus, während sie durch Theilung an Zahl zunehmen, in einer sich stetig verändernden Weise zu einander treten, und zweitens in den Einwirkungen der den Organismus umgebenden Aussenwelt. In geschickter Weise wird diese Anschauung begründet. Hertwig nimmt daher in der Frage: „Präformation oder Epi- genese?" eine vermittelnde Stellung ein, wie Nägeli, de Vries, Driesch u. A. , Evolutionistisch — sagt Hertwig selbst — kann man die Theorie nennen, weil sie als Grundlage des Entwickelungsprocesses schon eine specitisch und hoch organisirte Anlagesubstanz annimmt, epigenetisch dagegen ist sie, insofern nur durch Erfüllung zahl- loser Bedingungen, zu denen ich namentlich auch die mit der ersten Zelltheilung beginnenden chemischen Processe hinzurechne, die Anlage allmählich von Stufe zu Stufe sich umgestaltend Nr. 34. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 419 wächst, um schliesslich zum fertigen Entwickelungsproduct zu werden, ilas von seiuer ersten Anlage so verschieden ist, wie die ausgebildete Pflanze und das ausgebildete Thier von der sie auf- bauenden Zelle. Die Fortschritte der Physik im Jahre 1887. Dargestellt von der physikalischen Gesellschaft zu Berlin. Redigirt von Dr. E. Budde und Professor Dr. Assmann. Verlag von Georg Reimer, Berlin 1893 und 1894. Der dreiundvierzigste Jahrgang dieses bedeutsamen Werkes liegt jetzt für das Jahr 1887 in drei stattlichen Banden vor. Alle einigermaassen wichtigen physikalischen Abhandlungen, welche in dem betreffenden Jahre irgendwo erschienen sind, liegen hier in knappen Auszügen vor Der erste Band, enthaltend „Die Fortschritte der Physik der Materie", ist eingetheilt in die Unterabtheilungen: I. Allgemeine Physik. 1 a) Allgemeines; b) Maass und Messen; c) Laboratoriums- apparate. 2. Dichtigkeit. 3. Zusammensetzung der Molekel, physi- kalische Theorie des chemischen Processes: a)Krystalle. 4. Mechanik. 5. Hydromechanik. 6. Aeromechanik. 7. Cohäsion und Adhäsion: a) Feste Korper; b) Capillarität; c) Lösungen; d) Emulsion und Suspension; e) Diffusion, Osmose für Absorption und Adsorption. IL Akustik. 8. Physikalische Akustik. 9 Physiologische Akustik: a) Physiologische Schallerzeugung; b) Wahrnehmung des Schalles. Der zweite Band, welcher „Die Fortschritte der Physik des Aethcrs" bringt, enthält als Unterabtheilungen: III. Optik. 10. All- gemeine Theorie des Lichts. 11. Fortpflanzung des Lichts, Spiege- lung, Brechung und Dispersion. 12. Obiective Farben, Spectrum, Absorption. 13. Photometrie. 14. Phosphorescenz und Fluurescenz. 15. Interferenz, Beugung, Polarisation: a) Circularpolarisation; b) Krystalloptik, Doppelbrechung. 16. Chemische Wirkungen des Lichts. 17. Physiologische Optik : a) der dioptrische Apparat des Auges; b) Physiologie der Retina und der Leitung zum Centrum; c) Farbensinn; d) Psychische Verarbeitung der Gesichtseindrücke : e) Wirkung des Lichts auf Pflanzen und niedere Thiere. 18 Op- tische Apparate. IV. Wärmelehre. 19. Theorie der Wärme und calorische Maschinen : a) Allgemeines ; b) erster Hauptsatz ; c) zweiter Hauptsatz; d) Anwendung beider Hauptsätze auf ther- mische Vorgänge; e) kinetische Theorie der Materie; f) technische Anwendungen. 20. Thermometrie und Ausdehnung. 21. Quellen der Wärme. 22. Aendorung des Aggregatzustandes: a) Schmelzen. Erstarren; b) Sieden und Sublimiren, Condensation. 23. Calori- metrie, specirische Wärme. 24. Verbreitung der Wärme: a) Wärme- leitung; b) Wärmestrahlung: c) Radiometrie und Bolometrie. V. Elektricitätslehre. 25. Allgemeine Theorie der Elektricität und des Magnetismus. 26. Quellen der Elektricität. 27. Elektro- statik. 28. Batterieentladung. 29. Galvanische Ketten. 30. Gal- vanische Mess - und Hilfsinstrumente. 31. Theorie der Kette. 32 Elektrochemie. 33. Thermoelektricität des Stromes. 34. Irre versible Wärmewirkungen des Stromes. 35. Elektrisches Licht. 36. Magnetismus. 37. Elektromagnetismus nebst Wirkungen des Magnetismus auf den Strom, Hall'sches Phänomen. 38. Elektro- dynamik, Induction. 39 Anwendungen der Elektricität: a) Lehr- bücher und Zusammenfassendes; b) Mess-, Regulir- und Registrir- instrumente, sowie Anweisungen zum Gebrauch derselben iiir die Technik; c) Leitungen; d) Batterien und Aceumulatoren, Elektro- lyse; e) Dynamomaschinen und Kraftübertragung, Wechselstrom- maschinen, Transformatoren; f) Telephon und Mikrophon; g) Tele- graphie, Uhren, Signalwesen; h) Beleuchtung; i) Verschiedenes, Anhang. 40. Vermisehto Constanten. Im dritten Band findet man dann „Die Fortschritte der Physik der Erde." Diese Arbeit bildet den sechsten grossen Abschnitt und zerfällt in folgende Abtheilungen: 41. Astrophysik: a) All- gemeines, Theorie der Gestirnbewegungen, Beobachtungen von Observatorien; b) die Planeten und ihre Trabanten; c) die Fixsterne und Nebel; d) die Sonne; e) die Comcten; f) die Sternschnuppen; g) Meteorsteine; h) das Polar- und Zodiacallicht. 42. Meteorologie: a) Allgemeines, Theorie, kosmische Meteoro- logie , allgemeine Eigenschaften der Atmosphäre (Zusammen- setzung elc); b) Apparate; c) meteorologische Optik; d) Tempe- ratur; e) Luftdruck und Höhenmessungen; f) Winde; g) Feuchtig- keit , Wolken und Nebel ; h) atmosphärische Niederschlüge ; i) allgemeine Beobachtungen (Klimatologie), Beobachtungen auf Reisen. 43. Erdmagnetismus. 44. Atmosphärische Elektricität, Erdströme. 45. Physikalische Geographie: a) Physik der Knie: 1. Ortsbestimmungen, Pendelbeobachtungeu, allgemeine Eigen- schaften der Erde (Dichte etc.); 2. Boden- und Erdtemperatur; 3. Vulcane; 4 Erdlieben; 5. Hebungen und Senkungen, Gebirge, Thalbildungen, Niveauveränderungen , besondere Verwitterungs- erscheinungen ; 6. Theorien der Erdbildung, b) Physik des Wassers: I. Meere (Oceanographie); 2. Seen; 3. Flüsse; [.Quellen, Grundwasser; 5. Glacialphvsik: Eis, Eiszeit, Gletscher. 46. Geo- graphie und Reisen, in denen physikalische Beobachtungen sich vorfinden. Auch wer die bisherigen Bände nicht kennt, wird an diesem umfangreichen, scharf präcisirten Inhaltsverzeichniss sehen, wie jeder, der in seinem Berufe irgendwie mit Physik zu thun hat. in diesem Werke, das hervorragende Physiker zu seinen Mit arbeitern zählt, seine Rechnung finden kann. Da nun aber bei jedem Referat sich auch eine Quellenangabe findet, wo das Original zu finden ist, so wird das Werk für den, welcher nach eingehen den Litteraturangaben sucht, von geradezu unschätzbarem Werthe. Manchen Wissenschaften, so besonders der Meteorologie, bietet es ausserdem eine unübertreffliche Reichhaltigkeit statistischer An- gaben. Doch auch schon die blosse Leetüre gewährt hohen Ge- nuas und reiche Belehrung. Zu bedauern ist es nur, dass das Erscheinen der einzelnen Jahrgänge in Folge des immer weiter wachsenden Materials sich stetig mehr verspätet. Es verlautet jetzt allerdings, dass die fehlenden Jahrgänge von 1888—93 in bedeutend eingeschränktem Maasse in rascher Folge erscheinen sollen, und dass alsdann der Ueberblick über jedes Jahr sofort im nächstfolgenden Jahre er- scheinen soll, doch ob dies dem bisher so glänzenden Werke nicht sehr zum Nachtheil gereichen würde, bleibt recht fraglich. R. Hennig. Jahrbuch für Photographie und Reproductionstechnik für das Jahr 1894. Herausgegeben von Josef Maria Eder. 8. Jahr- gang. Mit 147 Figuren und 34 Tafeln. Wilhelm Knapp. Halle a.S., 1S94. — Preis 8 Mk. Wie die früheren Jahrgänge, bringt auch der vorliegende allerhand Bemcrkenswerthes und Wichtiges für den Fachmann und Amateur. Eine grosse Zahl von Original - Beiträgen (unter diesen zwei kleine von dem Physiker Mach) nehmen den grössten Theil des Bandes ein Ein Bericht über die Fortschritte der Photographie und Reproductionstechnik in den Jahren 1892 und 1893 bringt geschickt das Bemerkenswerthe. Eine Liste der Patente auf photographirte Gegenstände und eine solche über die Litteratnr beschliessen den Band vor den Autoren- und Sach- registern. Der Band bietet so eine Fülle gut zusammentragenen Stoffes. Behme, Dr. Friedr., naturwissenschaftlicher Führer durch die Umgebung der Stadt Goslar am Harz. 1. Theil. Goslar. — 0,60 M. Behrens, Dr. Wilh. Jul., Lehrbuch der allgemeinen Botanik. 5. Auflage. Braunschweig. — 4,20 M. Böse, Emil, Monographie des Genus Rhynchonellina Gemin.- Stuttgart. — 6 M. Dore, Realgymn.-Prof. Dr. R., Die Kreislinie und die Seite des kreisgleichen Quadrats annähernd darstellbar durch goniome- trische Functionen. Elbing. — 0,50 M. Drude, Prof. Dr. Paul, Physik desAethers auf elektromagnetischer Grundlage. Stuttgart. — 14 M. Harperath, Prof. Dr. Ludw., chemische Briefe. Erster Brief. Köln. — 3 M. Hartmann, Franz, M. D. F. T. S., Theophrastus Paracelsus als Mystiker. Leipzig. — ? M. Karte, geognostische, von Württemberg. Stuttgart. — 2 M. Kiebel, Aurel, Galilei's Untersuchung der Fallbewegung. Czei'- nowitz. — 0,50 M. Koch, Prof. Dr. Ant., Die Tertiärbildungen des Beckens der siebenbürgischen Landestheile. Erster Theil. Budapest. — 5 M. [Keyserling, Graf Alex.) Aus den Tagebuchblättern des Grafen Alex. Keyserling. Stuttgart. — 6 M. Marck, Dr. W. v. der, Die fossilen Fische der westfälischen Kreide. Stuttgart. — 5 M. Merriam, J. C, Ueber die Phvthonomorphen der Kansas-Kreide. Moldenhauer. Paul, Das Gold des Nordens. Danzig — 1,60 M. Nathorst, A. G., Zur fossilen Flora der Polarländer. Erster Theil. Erste Lieferung. Stockholm. — 15 M. Pfeil, L. Graf, Temperaturänderungen auf der Erdoberfläche. Leipzig. — IM. Schröter. Ludwig, Taschenflora des Alpen- Wanderers. Zürich. — 6 M Schumann, Kustos Prof. Dr. K., Lehiburch der systematischen Botanik, Phytopaläontologie und Phvtogeographie. Stuttgart. — 16 M. Weidefeld, Oberrossarzt a. D. O., Elementare Rechnungen aus der mathematischen Geographie. Berlin. — 2 M. Inhalt: Wilhelm Haacke, Schöpfung und Wesen der Organismenform. (Fortsetzung.) — Zoogeographische Ergebnisse der Expedition des Afrikareisenden 0. Neumann. — Der erste erwachsene Orang-Utan in Deutschland. -- Litteratur: Prof. Dr. Fritz Schnitze, Der Zeitgeist in Deutschland. — Oscar Hertwig, Zeit- und Streitfragen der Biologie. — Die ^Fortschritte der Physik im Jahre 1887. — Jahrbuch für Photographie und Reproductionstechnik für das Jahr 1894. — Liste. 420 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 34. Verlag von Leopold Voss in Hamburg, Hohe Bleichen 34. Soeben erschien: Lehrbuch der Allgemeinen Psychologie. Von Dl". JOHAMNES REHMKE, a. o. Professor der Philosophie zu Greifswald. 1894 Preis M. 10.-. atente D J£ aller Länder erwirken und verwenden Brögelmann & Hirschlaff, Ingenieure. Berlin SW., Zimmerstr. 13. I. ♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Scrb. fflümmlers ycrlnn.suud)l)nitöluiig in ««Im SW. VI. Soeben erfdnen: ©eöatifen fiter Jlnjrr fiomnifn unb (Bcljfit. 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Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: ' Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den 2. September 1894. Nr. 35. Abonnement : Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- V Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 -A. Grössere Aufträge ent- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— <3E> sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegehl bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. ■!!• bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur niit vollständiger «Jnellenangabe gestattet. Ueber das Vorkommen der Rosskastanie und der Buche in Nordgriechenland. Von Privatdocent Dr. Alfred Philippson. Bis vor lö Jahren war die Heimath der bei uns so vielfach als Zierbaum angepflanzten Rosskastanie (Aesculus Ilippoeastanuin L.) unbekannt geblieben. Mau wiisste nur, dass sie im 16. Jahrhundert über Con- stantinopel nach Europa gebracht worden sei. Die meisten glaubten , dass sie aus Indien oder Persien stamme, aber Niemand hatte sie dort wirklich gesehen. Die Leichtigkeit, mit der dieser schöne Baum bei uns gedeiht und seine Samen zur Reife bringt, hätte aller- dings vermuthen lassen müssen, dass das Klima seiner Heimath dem unserigen ähnlich sein müsse. Den Namen empfing der Baum wahrscheinlich von den Türken, welche den Früchten Heilkraft gegen den Husten der Pferde zu- schreiben. Schon im Anfang unseres Jahrhunderts kam der wissenschaftlichen Welt die freilich höchst unsichere Kunde zu, dass die Rosskastanie im Pindos- und im Pelion-Gebirge in Nordgriechenland wild wachse. Die Notiz fand sich in Sibthorp's und Smith 's „Florae Graecae Prodromus" (Londini 1806 — 1813), doch war Sibthorp selbst nicht bis in diese Gebiete vorgedrungen. Die Nachricht blieb daher unbeachtet. Erst in den siebziger Jahren fand der bekannte Athener Botaniker, Herr Th. von Hei drei eh*), die Rosskastanie thatsäch- Iich in den Gebirgen des westlichen Mittelgriechenland auf, und zwar in Evrytanicn am Chelidoni-Gebirge, an der Kaliakuda, am Veluchi (Thal von Stenoma); ferner am Kukkos (im grossen Eichen- und Tannenwalde von Muntzuraki) und bei Mavrolithari am Oeta. An allen diesen Stellen fand sich die Rosskastanie in schattigen feuchten Waldschluchten in einer Meereshöhe von 1000 bis 1300 m, an Oertlichkeiten, die den Gedanken an eine kunstliche Anpflanzung nicht aufkommen Hessen. Held- *) Verhandlungen des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg, 187U. Berlin 1880. S. loil — 153. reich stellte daher die bald allgemein angenommene Ansicht auf, dass diese Gebirge des nördlichen (1 riehen land die Heimath der Rosskastanie seien. Auf meiner Reise in Nordgriechenlaud im Frühjahr und Sommer 1893 habe ich die Rosskastanie noch an anderen Stellen weiter nördlich im Pindos • Gebirge beobachtet. Man ersieht die Lage der Vorkommnisse aus dem Kärtchen. Es sind die folgenden Oertlichkeiten: 1. bei Agrapha, in der Schlucht unterhalb des Ortes; 2. unterhalb Knissovo im mittleren Pindos; 3. am Wege von Kastania nach Krania an einem Quellfluss des Aspro- potanios; 4. im Thal des Aspropotamos unterhalb Chaliki; 5. in den Schluchten unterhalb Kalarrhytaes. Die drei letzteren Orte liegen im nördlichen Theil des griechischen Pindos. Auch ich fand den Baum in engen schattigen und feuchten Schluchten zwischen anderen Waldbäumen (Eichen und Platanen), immer nur in einzelnen oder wenigen Exemplaren. Die Meereshöhe betrug 600 bis 1300 m. Alle Funde machte ich zur Zeit, als der Baum in ßliithe stand (zwischen dem 23. Mai und 21. Juni*) und mit seinen prachtvollen Blüthenrispen die Aufmerk- samkeit auf sich zog. Es mag sein, dass vorher manches Exemplar meiner Beobachtung entgangen ist. — Nach der Aussage eines meiner Soldaten soll sich bei Nikolitsi am Ostabhang des Berges Kotsiakas bei Kala- baka ein ganzer Wald von diesen „wilden Kastanien" (aygtaig xaaraviafc) befinden. — Am Pelion ist die Ross- kastanie noch nicht wieder aufgefunden worden. Jedenfalls zeigen die genannten Fundpunkte, dass die Rosskastanie in dem ganzen Zuge des Pindos von der türkischen Grenze hinab bis Aetolien und zur Oeta ziemlich häufig verbreitet ist. Die Annahme von Held- reich's, dass die Heimath der Rosskastanie in diesen Gebirgen zu suchen sei, erfährt dadurch eine wesentliche *) Die liliithezeit hatte sieh wohl durch das überaus kalte Frühjahr verspätet. 422 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 35. Bekräftigung. Vielleicht wird es gelingen, diesen Baum auch in anderen Gehirgen der Balkauhalbinsel aufzu- finden. Das Klima der Standorte im Pindos entspricht in Temperatur und Feuchtigkeit wohl so ziemlich dem- jenigen Mitteleuropas. In den heisseu und trockenen Niederungen, selbst in den Gebirgen des südlichen und östlichen Griechenland, kommt der Baum nicht fort; auch habe ich ihn nirgends in Griechenland angepflanzt gesehen. Weniger sicher scheint die Ansicht von Heldreich 's zusein, dass auch der Wallnussbaum (Juglans regia) in den gleichen Gegenden beheimathet sei. Er fand ihn in grosser Menge wild wachsend, gemischt mit echten Kastanien und Eichen in den Wäldern, besonders in den feuchteren Thälern und Schluchten bis hoch hinauf in die Tannenregion, namentlich zwi- schen 700 und 1300 m Höhe am Korax, Oeta, Kuk- kos und in Evry- tanien. Auch ich sah ihn öfters unter ähnlichen Verhältnissen , z. B. oberhalb Smo- kovo im südwest- lichen Thessalien. Da aber der Nuss- baum überall in Griechenland häufig angepflanzt wird und die Lage der Siedelungen sich oft verschoben hat, liegt der Ver- dacht nahe, dass es sich hier mög- licherweise um verwilderte Exemplare han- delt. Auch die Weinrebe fand ich mitten im Wal- de zwischen Lipi- ana und Granitsa (östlich vom mitt- leren Aspropota- mos in der Eparchie Evrytania) frei an den Bäumen sich rankend — und hier liegt sicherlich Verwilderung vor. Noch ein anderer Baum zeichnet durch massenhaftes Vorkommen die Gebirge des nördlichen vor denjenigen des übrigen Griechenland aus, unsere Waldbuche (Fagus silvatica). Schon früher wusste man, dass dieselbe am Olymp, Pelion und Pindos vorkomme; von Heldreich fand sie an einer bedeutend südlicheren Stelle, au dem nach ihr genannten Oxya-Gebirge — öjixx heisst die Buche im Neugriechischen — zwischen Phthiotis und Evrytania in 38° 45' Breite. Es ist dies das südlichste Vorkommen der Buche auf der Balkauhalbinsel. Ich habe auf meiner Reise die Verbreitung der Buche in dem Pindos-Gebirge und dessen Umgebung näher feststellen können. »Sie fand sich ausser an dem eben erwähnten Oxya-Oebirge an fol- genden, auf dem Kärtchen verzeichneten Stellen: 1. dem ebenfalls Oxya genannten Glimmerschiefer-Rücken an der griechisch-türkischen Grenze östlich von Kalabaka; 2. am Zygos-Pass (Lakmon) und den demselben südlich benach- harten Bergrücken; 3. südlich von Kastania: beide Orte im nördlichen Theil des griechischen Pindos; 4. zwischen Kerasia und Petrilu im mittleren Pindos (Olymp und Pelion habe ich nicht besucht). Ausserdem erwähnt Chloros*) ein Vorkommen bei Karoplesi in Akar- nanien ('?). Wahrscheinlich ist damit Karoplesi in der Landschaft Agrapha gemeint, da es in Akarnanien keinen Ort dieses Namens giebt. An allen den genannten Stellen bildet die Buche ziemlich ausgedehnte und dichte Wälder, die freilich zum Theil durch die Axt der Holzhauer in einzelne Horste aufgelöst siud. Man findet dort noch prächtige alte Stämme von riesigen Dimensionen. So wurde mir an dem unter I genannten Walde eine Gruppe von Buchen gerühmt, welche den Namen der „ i0 Ge- schwister1' (ißdo- (MQPTOt ddthfia) trägt, die ich lei- der nicht selbst besucht habe, weil sie zur Zeit noch von tiefem Schnee weithin umgeben war. Ein herrli- cher ausgedehnter Forst ist auch jener an dem Oxya-Gebirge in Phthiotis. Nur der Buchenwald süd- lich von Kastania ist mit Tannen ge- mischt, die übri- gen sind ziemlich reine Bestände. Als der König von Griechenland nach der Besitz- nahme Thessaliens diese Provinz be- suchte, mögen ihm die schönen Bu- chenforsten eine freundliche Erin- nerung an seine nordische Heimath gewesen sein. Da- mals machte ihm die Nation einen grossen Wald im Süden von Mala- kasi am Zygos zum Geschenk — so erzählte mau mir dort — und in Folge dessen wird dieser Bestand sorg- fältig geschont. Die Buchenforsten liegen sämmtlich in der Höhen- region von 1300 bis 1700 oder 1800 m. Wo sie vor- handen sind, bilden sie die Baumgrenze. Sie liegen also nicht, wie in unseren Gebirgen, als eine Laubholz-Zoue unter dem Gürtel der Nadelholz- Wälder, sondern über oder neben denselben. Die Tannen und Schwarzkiefern gehen im Pindosgebiete weit tiefer hinab, als die Buchen, aber nicht höher hinauf. Alle die Buchenforsten, die ich gesehen, liegen nicht auf dem sehr verbreiteten Kalk- stein, sondern auf Glimmerschiefer, Serpentin, Flysch- Sandstein und -Schiefer. Es mag dies wesentlich zu der Erscheinung beitragen, dass die Buchen in Nordgriechen- land nur an den wenigen vereinzelten Flecken, dort aber in grosser Individuenzahl waldbildend auftreten. In der *) Die Waldverhältnisse Griechenlands. München 1884. S. 28. Nr. 35. Natur wissenschaftliche Wochenschrift. 423 That bilden die Vorkommen von Kerasia, von Karoplesi und des phthiotischen Oxya-Gebirges nur versprengte, nach Süden vorgeschobene Posten, während die Süd- grenze des häutigeren Vorkommens im Pindos s, hon in der Nähe des Zygos-Passes (etwa in 39° 40') zu liegen scheint. Einzeln stehende Buchen habe ich nirgends an- getroffen, ausser dort, wo sie sich deutlich als Reste eines gerodeten Waldes erkennen Hessen. Anhangsweise sei noch erwähnt, dass im Pindos zwei Strauch er häufiger vorkommen, welche im südlicheren Griechenland nur an vereinzelten Stellen gefunden sind; nämlich die Stechpalme (Hex aquifolium L.), die sonst im Königreich Griechenland auf dem Berge Delph in Euboea*) gefunden wird — hier wie dort mit dem auffallenden Namen Iccvqoc bezeichnet ferner der Buchs bäum (Buxus sempervirens L., rö Hv&qi), der von dem Berge Pixaria auf Euboea bekannt ist.**) Erstere fand ich zwischen Phurna und Spinassa in der Landschaft Agrapha, letzteren auf der < »stseite des Zygos-Passes, beide in der Nadelholzregion in 1 1 00 — 1400 m Höhe. *) v. Huldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands. Athen 1862. S. 56. — Cliloros (a. a. O. S. 32) erwähnt sie ebenfalls aus Kvrvtanien, Phthiotis, Thessalien. **J Cliloros a.a.O. S. 30. Schöpfung und Wesen der Organismenform. Eine historisch-kritische Studie über alte und neue Entwickelungslehren. Von Wilhelm H a a c k e. (Fortsetzung.) 15. Die Idioblastentheorie Oscar Hcrtwig's. Den Anschauungen von de Vrics hat sich Oscar Ilcrtwig angeschlossen. Die Einheiten, die im Plasma der Keimzelle enthalten sein sollen, und welche von Darwin Gemmulae, von de Vries Pangene genannt werden, nennt er Idioblasten. „Die hypothetischen Idioblasten", sagt Hertwig, „sind die kleinsten Stofftheilchen, in welche sich die Erbmasse oder das Idioplasma zerlegen lässt, und welche in ihm in grosser Zahl und verschiedener Qualität enthalten sind. Sie sind je nach ihrer ver- schiedenen stofflichen Natur die Träger besonderer Eigen- schaften und rufen durch direetc Wirkung oder durch verschiedenartig combiuirtes Zusammenwirken die un- zähligen morphologischen und physiologischen Merkmale hervor, welche wir an der Organismenwelt wahrnehmen. Sie lassen sich, um mich zweier Bilder zu bedienen, ein mal den Buchstaben des Alphabets vergleichen, die ge- ring an Zahl, doch durch ihre verschiedene Combination Wörter und durch Combination von Wörtern wieder Sätze von verschiedenartigstem Sinn bilden. Oder sie sind den Tönen vergleichbar, durch deren zeitliche Aufeinander- folge und gleichzeitige Combination sich unendliche Har- monien erzeugen lassen." Von den Idioblasten nimmt Hertwig dann an, dass sie sich durch Wachsthum und Selbsttheilung vermehren: „Die Fähigkeit der Selbsttheilung kommt nicht nur der einzelnen Zelle als dem Elementar-Organismus zu, sondern nachgewiesenermaassen auch kleinen, in der Zelle ein- geschlossenen, besonderen Stoffmengeu. So vermehren sich durch Einschnürung die Chlorophyll-, Stärke- und Farbstoff bildner; die an der Grenze des mikroskopisch Wahrnehmbaren stehenden Polkörperchen betheiligen sich an der Kernsegmentirung durch Einschnürung; die Kern- segmente selbst zerfallen durch Längsspaltung in Tochter- segmente, und dies beruht, wie mau vielfach annimmt, darauf, dass im Mutterfaden qualitativ verschiedene Ein- heiten, Mutterkürner, hinter einander aufgereiht sind, welche sich in zwei Toehterkörncr einschnüren und sich dann auf die Tochtersegmente gleiehmässig vertheilen. Wenn es sieh bei allen diesen Theilungen auch nicht um Idioblasten handelt, für welche wir eine viel geringere Grösse angenommen haben, so dürfen wir doch in ihnen Idioblastengruppen erblicken. Das Werthvolle der an- geführten Beobachtungen für unsere Theorie besteht darin, dass sie uns lehren, wie in der Zelle kleine Stoff- mengen selbständig wachsen und sich durch Theilung vervielfältigen können. Endlich sei noch eine letzte An- nahme der Idioblastentheorie*) kurz berührt. Wenn aus einer Summe einzelner Anlagen ein bestimmter Organis- mus zu Staude kommen soll, so müssen die einzelnen An- lagen während des Entwickelungsprocesses sich in einer regelmässigen Folge entfalten. Aus Buchstaben ent- stehen Worte und aus Wörtern bestimmte Sätze mit einem logischen Inhalt, und desgleichen entstehen aus Einzel- tönen Harmonien und ganze Tonwerke nur durch zweck- entsprechende Verknüpfung der Grundelemente. So müssen wir denn auch annehmen, dass in der Gesammt- anlage die zahlreichen Idioblasten in einer gesetzmässigen Zusammenordnung enthalten sind. Hier liegt der für unsere Vorstellung mit den grössten Schwierigkeiten ver- bundene Theil der Theorie." Die wörtlich citirte „letzte Annahme" enthält alles Wesentliche der Präformationslehre. Wenn wir, wie Hert- wig es thut, annehmen, dass in der Gesammtanlage die zahl- reichen Idioblasten in einer gesetzmässigen Zusammen- ordnung enthalten sind, so stellen wir uns damit ohne jeglichen Vorbehalt auf den Boden des nackten Prä- forinismus, und es wird uns nicht gelingen, andere davon zu überzeugen, dass wir Epigenetiker sind. Wenn wir uns aber, sei es auch nur indirect, zum Präformismus be kennen, so müssen wir auch die Consequenzen des letz- teren ziehen und die Einschachtelungstheorie adoptiren. Gerade aber gegen derartige präformistische Ansichten hat sich Hertwig mit Entschiedenheit gewandt. Die Mög- lichkeit, sich entweder dem Präformismus oder der Theo- rie der Epigenesis zuzuwenden, hat de Vries sich offen gelassen. Hertwig aber, der auf den Anschauungen von de Vries weiterbaut und zu dem Ergebniss gelangt, dass verschiedenartige Idioblasten in einer gesetzmässigen Zu- sammenordnung im Keime enthalten sein müssen, hat sieh dadurch für den Präformismus entschieden, und er müsste, wenn er sich weiterhin consequent verhalten will, die notwendigen Folgerungen, die sich daraus ergeben, *) Diese „letzte Annahme der Idioblastentheorie" Hertwig's gleicht, wie dem Leser nicht entgehen wird, aufs Haar der Weismann'schen Idlehre, ist aber unabhängig von dieser aufge- stellt uud ungefähr gleichzeitig mit ihr veröffentlicht worden, so dass Hertwig neben Weisiuann als Begründer des Neupr&formisinus zu gelten hat. Indessen ignorirt Hertwig in seiner erst nach der Niederschrift meines obigen Textes veröffentlichten neuesten Pu- blikation (Zeit- und Streitfragen der Biologie. Heft I. Präfor- mation oder Epigenesc? Jena. 1891) seine „letzte Annahme" uud setzt an die Stelle seiner früheren ..gesetzmässigen Zusammen- orduung" der Idioblasten „Anlagesubstanzen, die eine ausser- ordentlich hohe Organisation besitzen". Was darunter zu ver- stehen ist, sagt er freilich nicht. 424 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 35. ziehen. Dass er das nicht thut, ist zwar zu entschuldigen, denn weder Weismann noch jene zahlreichen Anhänger Weismann's, die jeden Wechsel in den Anschauungen des Freiburger Zoologen getreulich mitmachen, haben diese Consequenzen, welche die Annahme der Einschachtelimgs- theorie bedeuten, gezogen. Allein sie bleiben sich doch wenigstens insofern treu, als sie ihre Theorien als ..evo- lutionistische" bezeichnen, d. h. als solche, welche eine „Auswickelung" der im Keime „eingewickelten" Anlagen annehmen. Hertwig dagegen hat sich mit aller Ent- schiedenheit gegen derartige Lehren erklärt und sich da- durch zu seinen oben citirten Worten in Gegensatz ge- bracht. Will Hertwig Epigenetikcr bleiben, so muss er die Vorstellung, dass die Idioblasten im Keime gesetz- mässig angeordnet sind, fallen lassen und die sich daraus ergebenden Consequenzen ziehen, die wir bei der Be- sprechung der Theorie von de Vries hervorgehoben haben. 16. Nägeli's mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungslehre. Die bisher besprochenen naehdarwin'schen Ver- erbungs- und Formbildungstheorien waren mehr oder weniger präformistisehe. Im übrigen unterscheiden sie sich durch geringere oder grössere Vollständigkeit, und durch ihre mehr oder weniger weitverfolgten Consequenzen. In Bezug auf die Letzteren können wir keiner der be- sprochenen Lehren das Zugeständniss rücksichtsloser Auf- deckung der letzten sich aus ihnen ergebenden Folge- rungen machen, und die Vollständigkeit lässt manches zu wünschen übrig. Es ist aber von einer befriedigenden Theorie der organischen Gestaltung nicht allein die Keimesgeschichte, sondern auch die Stammesgeschichte zu erklären, und die Theorie hat zu zeigen, wie die An- passungen der Organismen und die geographische Ver- breitung zu Stande gekommen sind. Mehr als alle übrigen Theorien wird dieser Forderung die „Mechanisch-physio- logische Theorie der Abstammungslehre" von Nägeli ge- recht, obwohl auch sie nicht ganz vollständig ist, z. B. die geographische Verbreitung der Organismen nicht ge- bührend berücksichtigt hat. Nägeli verlegt die Vererbungssubstanz nicht in den Zellkern, sondern in den Zellleib, dessen wesentlichster Bestandteil nach ihm das „Idioplasma" ist, d. h. der die Gestalt der Organismen bedingende Bildungsstotf, den wir kurzweg Plasma genannt haben. Das Idioplasma hat nach Nägeli bei verschiedenen Organismenarten einen verschiedenen Bau, wie es ja un- umgänglich gefordert werden muss, und Nägeli's Schema dieses Baues ist das folgende : Die letzten Bausteine sind nicht die Moleküle, sondern Molekülgruppen, die Nägeli Micelle nannte. Diese Micelle sind von verschiedener Grösse und aus verschiedenen Stoffen aufgebaut; sie ordnen sich in Reihen an, die sich der Länge nach an- einander legen, etwa in der Weise, wie man Perlschnüre zu Bündeln vereinigen könnte. Dadurch entstehen aber nicht nur Längsreihen, sondern auch Querreihen von Mi- cellen in den Idioplasmasträngen, die durch die Anein- anderlagerung der Micellreihen gebildet werden. Diese Idioplasmastränge durchsetzen den Organismus der Thiere und Pflanzen, und die Verschiedenheit der Anordnung der Micelle in ihnen, sowie die Abweichungen in Grösse, Form und chemischer Zusammensetzung der einzelnen Micelle bedingen die Verschiedenheiten der einzelnen Thier- und Pfianzenarten. Wie nun aus der Eizelle der fertige Organismus nach und nach entsteht, hat Nägeli nicht gezeigt, oder wenig- stens nur angedeutet. Man muss annehmen, dass in der einen Körpergegend diese, in der anderen jene Micell- reihen zur Wirksamkeit gelangen, und dadurch die Natur der betreffenden Zellen bestimmen. Hieraus ist aber nicht etwa der Schluss zu ziehen, dass Nägeli's Theorie eine rein präformistisehe sei, dass die einzelnen Micellreihen ge- wissermaassen Determinanten für besondere Zellen oder Zellgruppcn seien, sondern Nägeli denkt sich, dass immer eine Anzahl verschiedener Micellreihen der Idioplasma- stränge zusammenwirken, um die Natur einer Zelle, be- ziehungsweise eines Organs zu bestimmen. In ähnlicher Weise wie man sich bei der de Vries- schen Theorie der intracellularenPangenesis vorstellen muss, dass in der einen Körpergegend diese, in der andern jene Pangene in Wirksamkeit treten, vorausgesetzt, dass man in den Pangcncn nichts weiter erblickt als Material, das erst durch mannigfache physikalische und chemische Veränderungen zu dem Baustoff der betreffenden Zelle umgearbeitet werden soll, hat man sich nach der Idio- plasmatheorie Nägeli's vorzustellen, dass es von der Lage der einzelnen Zellen in dem sich entwickelnden Körper abhängt, ob diese oder jene Combination von Micellreihen die Bildung des Organs bewirken soll. Nägeli denkt sich die Funktionen der Organe, die uns alle nur in sehr zusammengesetzter Form wahrnehmbar seien, im Idioplasma in ihre wirklichen Elemente zerlegt; aber er verwahrt sich ausdrücklich dagegen, dass er da, wo er von Anlagen spricht, diese im wörtlichen Sinne aufgefasst wissen wolle. Aher gerade deswegen bleibt es nach seiner Theorie unerklärt, weshalb in den einen Organen diese, in den anderen jene Combinationen von Micellreihen in Action treten. Nägeli hat zwar erkannt, dass die Vererbungssubstanz einen einigermaassen festen Bau haben muss. Was er aber mit dem von ihm ausgedachten Bau bezweckt, ist nicht recht klar. Weshalb an einer Körperstelle Nerven, an einer anderen Muskeln entstehen, ist ebensowenig zu begreifen, wenn die unter sich verschiedenen Bausteine des Körpers ungeordnet neheneinanderliegen, als wenn sie einen festen Verband, der in allen Zellen des Körpers ursprünglich derselbe ist, bilden. Nachdem einmal der Körper durch ungleichartiges Wachsthum und ungleichmässige Theilung seiner Zellen eine bestimmte Form erhalten hat, lässt sich allerdings begreifen, warum eine verschiedenartige Ausgestaltung der einzelnen Körperregionen erfolgen muss; allein wo- durch der stereometrische Aufbau des Körpers, bedingt wird, woher es kommt, dass die Zellen sich in einer ganz bestimmten Weise anordnen, das hat weder de Vries noch Nägeli gezeigt. Weismann erklärt diesen Aufbau durch seine Determinantenlehre, durch die Zerlegung der Ide in die einzelnen Determinanten, aus welchen die Ide nach einem ganz bestimmten Plan aufgebaut sind; eine epigenetische Theorie hätte aber zu zeigen, dass auch ohne die Annahme von Determinanten eine bestimmte Anordnung der Zellen im Körper zu Stande kommen muss, und dass diese dazu führen muss, dass die einen Zellen sich in dieser, die anderen in jener Weise aus- bilden. Da die Lehre von Nägeli dieses nicht zu Wege bringt, versteht man nicht, was durch die Annahme einer bestimmten Znsammenordnung der Micelle zu Micellsträngen gewonnen sein soll. Eine Gestaltungslehre hat in erster Linie den Formenaufbau, d. h. den geometrischen Aufbau des Körpers zu erklären; aber gerade diese Noth wendigkeit ist von Nägeli verkannt worden. Er sagt ausdrücklich, dass es sich nicht um eine geometrische Aufgabe handle, eine Verkennung der Sachlage, wie sie ärger nicht gedacht werden kann. Man könnte ebensogut sagen, dass es sich bei der Erklärung der Organismen- form nicht um den Formenaufbau der Organismen handle. Uebrigens scheint Nägeli sich in Bezug auf diesen Nr. 35. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 425 Punkt doch nicht ganz klar gewesen zu sein. „Die spc- cifische Beschaffenheit des Idioplasma wird", sagt er, „durch die Configuration des Querschnitts der Stränge ausgedrückt, in welcher die ganze Ontogenie mit allen ihren Eigentümlichkeiten als Anlage enthalten sein muss. Wir hätten die Lösung des grössten Räthsels der Ab- stammungslehre gewonnen, wenn wir jene Configuration zu erkennen vermöchten. Das ist aber nicht möglich; man könnte vielleicht den einen und anderen Punkt durch die Theorie befriedigend erledigen; man könnte vielleicht selbst eine Gesammtanordnung ausdenken, die den wich- tigsten Anforderungen ein Genüge leistete. Allein ich würde dies für unnütz und unfruchtbar halten. Die Con- tiguration des idioplasmatischen Systems ist keine geo- metrische, sondern eine phylogenetische Aufgabe. Die richtige Anordnung kann nur auf dem Wege erkannt und construirt werden, auf dem der Organismus dazu gelangt ist. Dazu müssten wir vor allem die Ahnenreihe einer Sippe von dein primordialen Plasmatropfen aus, mit dem die organische Entwickelung begonnen hat. kennen. Wir sind aber noch weit entfernt von einer solchen Erkennt- niss für irgend eine Pflanze oder irgend ein Thier. Wir müssen daher auf den eigentlichen Kern der Sache vor- erst gänzlich verzichten und uns mit einigen allgemeinen Beziehungen begnügen, welche von einer bestimmten An- ordnung in der Querrichtung der idioplasmatischen Stränge gänzlich unabhängig sind." Dieses Citat zeigt, dass Nägeli zwar die grosse Wichtigkeit, die den Formenverhältnissen des Plasma bei- zumessen ist, erkannt hat, dass er aber dennoch darauf verzichtet, diesen Formenverhältnissen auf den Grund zu gehen. Er sucht auf phylogenetischem Wege zum Ziele zu gelangen und vergisst dabei, dass es ein anderes ist, die Formenverhältnisse des entwickelten Organismus auf die des Plasmas seiner Keimzelle zurückzuführen, und ein anderes, zu zeigen, auf welchem Wege die Keimzelle zu ihrem plasmatischen Aufbau gelangt ist. Nur das letztere erscheint ihm als wichtige Aufgabe und eben deswegen ist seine Theorie unbefriedigend ausgefallen. Er lässt die Idioplasmastränge kreuz und quer die Zelle durchziehen, woraus sich natürlich nichts die Anordnung der Zellen im Körper Bestimmendes ergeben kann, und er versucht es nicht, seinen Idioplasmasträngen einen Querschnitt von bestimmter Form zuzuschreiben und aus diesem die Formen des Organismus zu erklären ; dagegen hat er sieh durch die Betonung der stanunesgeschicht- lichen Seite des Problems zu Annahmen verleiten lassen, die nicht haltbar sind. Nägeli ist nämlich zu dem Schluss gelangt, dass sich das Plasma im Laufe der phylogenetischen Entwickelung nothwendiger Weise auf Grund seiner Configuration von innen heraus verändern muss ohne Einwirkung von aussen, welch letzterer er nur eine untergeordnete Bedeutung zu- schreibt. Die Veränderungen, die das Idioplasma im Laufe der Stammesgeschichte erfahren haben soll, denkt er sich in folgender Weise: Er nimmt an, dass die Mi- celle, welche die Idioplasmastränge zusammensetzen, von Wasserhüllen umgeben sind, dass sich in dem Wasser, welches solchergestalt das Idioplasma durchdringt, gelöste Stoffe befinden, aus welchen die Micelle gewisse™ aassen herauskrystallisiren. In einem Idioplasmastrang von be- stimmtem Bau soll dadurch, dass sich zwischen den vor- handenen Micellen neue Micelle bilden , wodurch die älteren Micelle natürlich auseinandergedrängt werden müssen, eine Störung des ursprünglichen Baues, also eine Veränderung eintreten, die nicht wieder ausgeglichen wird und bei fortgesetztem Wachsthuni der Micellstränge durch Einlagerung neuer Micelle zu immerwährender langsamer Umbildung des Idioplasma führen soll. Die Idioplasma- stränge würden dadurch immer complicirter, und auf diese Weise soll die Thatsache, dass die Organisationshöhe der Organismen in der stammesgeschichtlichen Entwickelung fortwährend zugenommen hat, zu erklären sein. Nägeli hat aber nicht bedacht und vielleicht auch nicht gewusst, dass das Tempo der stammesgeschichtlichen Umbildung in verschiedenen Ländern ein sehr verschiede- nes gewesen ist. Die allermeisten Säugethiere Australiens stehen noch heute auf der stammesgeschichtlichen Stute. welche die Säuger Europas in der Secundärzeit einnahmen. Warum in Australien keine Fortbildung der alten Säuge- thierformen zu höheren Gruppen stattgefunden bat, weiss Nägeli's Theorie nicht zu erklären, denn der stammes- geschichtliehe Fortschritt wird nach Nägeli lediglich durch die geschilderte Umbildung des Idioplasmas von innen heraus bedingt und ist unabhängig von Einwirkungen, die das Idioplasma von aussen treffen. Die letzteren bringen die Anpassungen hervor, während die von innen her- aus erfolgende Umbildung des Idioplasmas den Organis- mus auf eine höhere Stufe der Organisation erhebt. Nun sehen wir aber gerade, dass die Säugethiere Australiens zwar ebensoweit gehende Anpassungen zeigen, wie die Säugethiere irgend eines anderen Landes, dass sie aber gerade in Bezug auf ihre Organisationshöhe weit hinter den Säugethieren aller übrigen Länder zurückgeblieben sind. Dies Letztere müsste aber nach Nägeli's Lehre unabhängig von äusseren Einflüssen geschehen sein. Haben diese aber nichts mit der Organisationshöhe zu thun, dann müssten die australischen Säugethiere durch- schnittlich auf ebenso hoher Organisationsstufe stehen, wie die der übrigen Länder. Da dies aber nicht der Fall ist, so können es nur die australischen Verhältnisse gewesen sein, die die dortigen Säuger in der Entwicke- lung gehemmt haben, wodurch Nägeli's Theorie als im Widerspruch mit den Thatsachen stehend, nachgewiesen ist. Nägeli ist ein Gegner des Darwinismus. Er ver- wirft die Zuchtwahltheorie Darwin's, erkennt aber an, dass Thier- und Pflanzenarten durch ihnen überlegene Arten vielfach verdrängt worden sind. Er nimmt also eine Auslese unter den einzelnen Arten, nicht, wie Darwin es gethan hat, unter den Individuen an, aber durch die Auswahl einzelner Arten gelangen nach Nägeli allerdings solche Arten zur Herrschaft, die besser als andere den Lebensbedingungen entsprechen. Eine Züchtung findet dadurch aber nicht statt. Die zweckmässige Einrichtung der Organismen erklärt Nägeli anders, als es Darwin ge- than hat, und zwar in ähnlicher Weise wie Lamarek. Nach Nägeli sind es die „Reize" der Ausscnwelt, die entsprechende Verlagerungen in den Idioplasmasträngen bewirken und dadurch zu Anpassungen an die Aussen- welt führen. Nägeli ist also ein Anhänger der Lehre von der Vererbung erworbener Eigenschatten. Er unterscheidet solche Eigenschaften, die den Organismen zum Zwecke ihrer Lebensführung dienen, und andere, welche die Or- ganisationshöhe betreffen Er unterscheidet also die Höhe der Organisation von der Anpassungsvollkommenhcit und lässt die ersterc durch die geschilderten stammesgeschicht- lichen Veränderungen im Querschnitt der Idioplasma- stränge zu Stande kommen, die letztere aber durch directe Einwirkung der Aussenwelt. Diesen Einfluss der Aussenwelt stellt sich Nägeli allerdings in manchen Fällen etwas mystisch vor. So erklärt er z. B. die Thatsache, dass manche Thiere ihrer Umgebung gleichen, und sogar die, dass es Thierarten giebt, die andere Thierarten täuschend nachahmen, auf dem Wege einer directen Bewirknng. Es giebt Schmetter- linge) die durch auffällige Farben ausgezeichnet und durch einen widrigen Geruch und Geschmack vor den Angriffen der Feinde geschützt sind, und andere, die zwar eine an- 426 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 35. nehnibare Speise für Vögel und andere Thiere liefern würden, aber jene geschützten Arten in der Färbung und Zeichnung gewissermassen nachahmen und, dasie an denselben Oertlich- keiten wie die geschützten Arten vorkommen, für diesen zugehörig gehalten und deshalb von den schmetterliugs- fressenden Thieren verschont werden. Nägeli meint nun, dass es die Furcht ist oder vielmehr ein durch die Furcht und durch das Bestreben, den Feinden zu entgehen, auf den Organismus ausgeübter Reiz, der bei den nicht- geschützten Arten zu einer Nachahmung der Zeichnung und Färbung geschützter Arten geführt hat. Diese Anschauungen sind inconsequent; sie vertragen sich nicht mit Nägeli's sonstigen Ansichten. Auf die Weise, wie Nägeli die Nachahmung anderer Thiere seitens un- geschützter Thiere erklärt, lässt sich diese Nachahmung nur begreifen, wenn mau annimmt, dass der Organismus von vornherein so eingerichtet ist, dass er bei der Ver- folgung durch Feinde das Ansehen solcher Thierarten annimmt, die durch Geruch und Geschmack geschützt sind und auffällige Farben zeigen. Eine solche Annahme führt aber zu der ferneren besonderer Schöpfungsakte und einer vorbedachten Organisation. Diese letztere aber lässt sich nicht anders verstehen, als auf Grund der alten Eiu- schachtelungslehre, vorausgesetzt, dass man nicht jedes mal einen neuen Schöpfungsakt annehmen will. Wenn der Schöpfer die Vorfahren etwa von Schmetterlingen, welche heute andere Schmetterlingsarten nachahmen, so ein- richtete, d. h mit in der Weise in einander geschachtelten Keimen ausstattete, dass bei eintretender Notwendigkeit Keime ausgeschachtelt wurden, die nachahmende Indi- viduen hervorbrachten, dann lässt sich ja, vorausgesetzt, dass man sich auf diesen creatistischeu Standpunkt stellen will, die Nachahmung von Thieren seitens Anderer oder die Anpassung der Thiere an ihre Umgebung verstehen. Anzunehmen aber, dass die Organismen nicht von vorn herein auf solche Nachahmung eingerichtet waren, dass sie nicht die Ausführung eines vorbedachten Zweckes bedeuten, dass sie aber dennoch zu der Zeit, da es noth- wendig wird, anfangen und zwar in Folge von von Aussen auf sie einwirkender Reize, die durch die Furcht hervor- gebracht werden, geschützte Arten nachzuahmen, schliesst einen Widerspruch in sieh. Sehen wir aber von diesem Mangel ab, so müssen wir zugestehen, dass Nägeli ein wohl durchdachtes und ziemlich weitgehenden Ansprüchen genügendes System der organischen Formenkunde gegeben hat, und zwar im Grossen und Ganzen ein epigenetisches. 17. Moritz Wagner 's Migration»- und Separations- theorie. In einem Punkte seiner Polemik gegen andere Natur- forscher hat Nägeli entschieden Unrecht gehabt, und zwar darin, dass er der Entwickelungstheorie, die von dem Reisen- den und Thiergeographen Moritz Wagner aufgestellt wurde, in heftigster Weise widersprach. Freilich müssen wir sogleich zur Entschuldigung Nägeli's anführen, dass er als Botaniker die einschlägigen zoologischen Thatsachen nicht kannte und deshalb auch kein rechtes Verständniss für die ihnen entsprechenden botanischen Vorkommnisse fand, und dass auch viele, wohl die meisten Zoologen die Bedeutung der von Moritz Wagner in erster Linie zur Erklärung der Entstehung der Thierarten heran- gezogenen Thatsachen verkannt haben. Die Thatsachen sind die folgenden. Wenn wir eine Tbierart bis an die Grenze ihres Verbreitungsgebietes verfolgen und diese Grenze über- schreiten, so stossen wir gewöhnlich sehr bald, und oft schon, ehe wir die Verbreitnngsgrenze der betreffenden Art erreicht haben, auf eine andere, und zwar auf eine mit der ersteren nächstverwandte Tbierart, die aber ein anderes Verbreitungsareal inne hat. Geben wir auch über das Gebiet dieser letzteren Art hinaus, so können wir auf eine dritte, vierte und fünfte Art stossen, von denen jede den beiden ersten nahe verwandt sein kann, und ein besonderes Verbreitungsgebiet bewohnt. Im Allgemeinen können wir den Satz aufstellen, dass es keine zwei nächstverwaudten Thierarten giebt, deren Verbreitungsgebiete sich vollkommen decken. Vielfach kann der Fall festgestellt werden, dass die Verbreitungs- gebiete zweier nächstverwandter Thierarten sich theil- weise decken; aber eine vollkommene Deckung ist noch in keinem Fall bei zwei oder mehr nächstverwandten Thierarten festgestellt worden. Es kann auch vorkommen, dass das Verbreitungsgebiet der einen Art vollständig innerhalb desjenigen der anderen Art liegt, dass also, so weit der Wohukreis der ersten Art reicht, ein Zu- sammenfallen mit dem Verbreitungsgebiet der zweiten Art stattfindet; aber in solchen Fällen dehnt sich eben die Heimath der einen Art über die der zweiten aus, so dass von Congrueuz der beiderseitigen Wohngebiete nicht die Rede sein kann. Näehstverwandte Thierarten sind ketten- oder, besser gesagt, netzförmig über die Erde verbreitet. Wie die Maschen eines Netzes reihen sich die Wohn- gebiete der Arten einer Gattung aneinander, und wenn auch, wie schon hervorgehoben, mancherlei theilweise Deckungen vorkommen, so hat sich noch in allen Fällen, wo man die Grenzen der Verbreitungsgebiete nächstverwandter Arten festgestellt hat, die Thatsacbe ergeben, dass keine voll- kommene Deckung statfindet. Aus dieser Thatsache können wir nun den Schluss ziehen, dass in einem und demselben Gebiete, soweit wenigstens alle Individuen unter denselben Verhältnissen leben, aus einer Art nicht zwei oder mehr neue Arten werden können. Diesen Schluss hat Wagner gezogen. Ob aber hierbei die Möglichkeit einer allseitigen Kreuzung, wie sie nach Wagner innerhalb eines und desselben Wohnkreises einer Art möglich sein soll, eine so grosse Rolle spielt, wie Wagner gemeint bat, muss dahingestellt bleiben. Wagner hat übrigens seine Ansichten im Laufe der Zeit geändert und es ist deshalb nothweudig, auf die Entwicklungsgeschichte seiner Ideen etwas näher ein- zugehen. Ursprünglich suchte Wagner seine Theorie mit der Darwinschen zu vereinigen. Nach der letzteren entsteht bekanntlich eine neue Art dadurch aus einer vorhandenen Art, dass die Lebensbedingungen andere werden, und dass nunmehr diejenigen Individuen seitens der durch den Kampf ums Dasein züchtenden Natur ausgewählt werden, die den neuen Lebensbedingungen am besten entsprechen. Wagner nimmt nun an, dass dies zunächst nur einzelne Individuen sein können, und dass nicht bloss sie, sondern noch eine grosse Anzahl anderer leben bleiben, so dass nicht allein die Möglichkeit, sondern auch die hohe Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass die den neuen Lebensbedingungen am besten entsprechenden, von den übrigen Individuen der betreffenden Organismenart ab- weichenden Vertreter der letzteren sieh mit denjenigen geschlechtlich mischen, die nicht in zweckentsprechender Weise abgeändert sind, wodurch die neuen Errungen- schaften wieder verloren gehen sollen. Wagner suchte also den Nachweis zu führen, dass die Darwinsche Selectionstheorie nicht geeignet sei, eine Züchtung neuer Thier- und Pflanzenarten ohne eine Hülfs- lebre, die er in seiner Migrationstheorie gefunden zu haben glaubte, nachzuweisen. Er meinte, dass die vor- theilhaft abgeänderten Individuen, wenn nicht in allen, so doch in manchen Fällen auswandern würden in eine Gegend, wo die Art, der sie angehören, nicht vertreten, Nr. 35. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. wo also die Möglichkeit einer Kreuzung mit unabge- änderten Individuen ausgeschlossen war. Allerdings wäre ja auf diese Weise die Entstehung einer neuen Organismenart aus einer vorhandenen zu er- klären; allein die Unwahrscheinlichkeit, dass abgeänderte Individuen auswandern, und dass sie, wenn solches wirk- lich vorkommen sollte, nach derselben Gegend hin aus- wandern, dass endlich sowohl Männchen als auch Weih- chen der betreffenden Abart oder wenigstens Weibchen, die von in gleicher Weise wie sie abgeänderten Männchen befruchtet worden sind, nach dem neuen Wohnsitz ge- langen, ist denn doch zu gross, als dass wir ernstlich die Möglichkeit einer Entstehung neuer Arten in Folge von Migration oder Auswanderung in gleicher Weise ab- geänderter Individuen erwägen könnten. Wagner meint nun allerdings, dass die in irgend welcher Weise sich von ihren Artgenossen unterscheiden- den Individuen durch die Neckereien der Letzteren ver- trieben und zur Auswanderung gezwungen wurden. I »ass solches geschähe, dafür lassen sich aber keine Beob- achtungen anführen. Im Gegentheil hat man Individuen, die sich in auffälliger Weise von ihren Artgenossen unter- schieden, Jahre lang an denselben Wohnsitzen beobachtet, beispielsweise Kuckuke, die sich durch einen ganz unge- wöhnlichen Ruf auszeichneten. Ich selbst habe Monate lang eine Amsel mit einem grossen weissen Fleck auf der Brust in einem und demselben kleinen Bezirk des Zoologischen Gartens in Frankfurt a. M. beobachtet und an einer anderen Stelle desselben Gartens einen nahezu weissen Sperling, der gleichfalls mehrere Monate lang einen eng umgrenzten kleinen Fleck Erde zu seinem Heim erkoren hatte, und der ebensowenig, wie die Amsel, von Artgenössen belästigt wurde. In zoologischen Gärten kommt es auch manchmal vor, dass Vögel ferner Länder ihren Behausungen entweichen und sich dann längere Zeit in dem Garten herumtreiben, ohne dass die ein- heimischen freilebenden Bewohner des letzteren Anstoss daran nehmen. So habe ich längere Zeit hindurch einen Wellensittich gesehen, der mit den Sperlingen an den Futterplätzen sass und sich auch mit diesen, wenn sie in einem Schwann einem benachbarten Baume zuflogen, eben dorthin begab. Aber gesetzt auch, eine Neckerei abweichend gefärbter Individuen einer Art seitens der normalen Vertreter der Letzteren fände häufig statt oder wäre gar die Regel — und dass sie gelegentlich vor- kommt, wollen wir nicht leugnen — , so müssten die von ihren Artgenossen verfolgten ungewöhnlichen Individuen meistens einen viel zu weiten Weg zurücklegen, ehe sie in ein von ihrer Art nicht bewohntes Gebiet gelangten. Viele unserer deutschen Vögel verbreiten sich von Spanien bis nach Kamtschatka, wohin also sollen abweichende Vertreter einer so weit verbreiteten Art gehen? Zu der Unwahrscheinlichkeit , dass abnorme In- dividuen irgendwo ein neues Heim finden , käme bei Verquickung der Migrations- mit der Selectionstheorie auch noch die fernere, dass die betreffenden Individuen doch diesem neuen Wohnorte angepasst sein müssten, um dort gedeihen und die Gründer einer neuen Art werden zu können. Und wer zeigt abgeänderten Pflanzen den Weg nach einem neuen Wohngebiete? Die Pflanzen sind in ihrer Verbreitung gänzlich auf den Zufall angewiesen. Zufällig abgeänderte Individuen müssten also zufällig verschlagen werden, und sie müssten zufällig ein solches Land erreichen, das zufällig geeignete Lebensbedingungen, die ihren Abänderungen entsprächen, bieten würde. Die Zumuthung, alle diese Zufälligkeiten anzunehmen, ist zu gross, als dass wir Wagner darin folgen könnten. Die ursprüngliche Wagner'sche Migrationstheorie, die mit allen diesen Zufälligkeiten rechnen muss, und zwar deshalb, weil sie mit der Darwinschen Theorie der natür- lichen Zuchtwahl verquickt ist, ist also unhaltbar, wenn man nicht, wie es allerdings auch seitens der orthodoxen Darwinianer consequenter Weise zu geschehen hätte, eine Einschachtclung präformifter Keime in den ersten Be- gründern der Thier- und Pflanzenstämme annehmen will. Will man das, und will man die Keime gleich so be- schaffen sein lassen, dass gegebenen Falles aus ihnen Individuen entstehen müssten. die den rechten Weg in ein ihren Eigentümlichkeiten entsprechendes Wohngebiet fänden, dann sind die Thatsachen, von welchen Wagner bei Begründung seiner Migrationstheorie ausgegangen ist, wenigstens auf Grund einer präformistischen und crea- tistischen Schöpfungslehre verständlich. Der Zufall kann kein solches .Spiel getrieben haben, wie Wagner es in seiner Migrationstheorie angenommen hat. Wenn diese also zu Recht besteht , dann thut es auch die Ein- schachtelungstheorie. Wagner hat aber frühzeitig genug die vielfachen Un- zulänglichkeiten seiner ursprünglichen Migrationstheorie eingesehen, und diese Lehre durch die der Separation oder der räumlichen Sonderung ersetzt, indem er zugleich die Verquickung seiner Anschauungen mit denen des Darwinismus zurücknahm. Nach Wagner's Separationstheorie bilden sich neue Arten dadurch, dass auf die eine oder andere Weise etliche Individuen einer Art in ein Gebiet gelangen, das vorher nicht von dieser Art bewohnt war. Die Ent- stehung neuer Arten erklärt sich dann nach Wagner dadurch, dass, da die Individuen einer Art ja alle mehr oder minder von einander abweichen, die wenigen Gründer der neuen Art ihre Besonderheiten bewahren und nicht durch Kreuzung mit anderen Individuen wieder einbüssen würden. Die zweckmässige Anpassung lässt Wagner aber im Sinne Lamareks Zustandekommen, und neben Einrichtungen, die den Organismen von Nutzen sind, er- kennt er andere an, die lediglich der Ausdruck eigen- tümlicher Struktur sind. Es lässt sich nicht leugnen, dass Wagner durch seine Umwandlung der Migrationstheorie zu der der räumlichen Sonderung einen grossen Sehritt vorwärts ge'than hat. Aber auch die Separationstheorie ist in der ihr von Wagner gegebenen Form nicht zutreffend. Gesetzt, nur ein einziges Thierindividuum, etwa ein trächtiges Weib- chen, wanderte aus seiner Heimath aus, um eine neue Art zu begründen, so ist dieses Weibchen ja von einem anderen Individuum befruchtet worden, und es wäre der krasseste Zufall, wenn das Männchen dieselben Eigen- schaften gehabt hätte wie das Weibchen. Aber selbst wenn dieses der Fall wäre, so könnte dennoch keine neue Art entstehen, weil, wie wir heute bestimmt wissen, jedes Individuum mehr als eine Entwickelungstendenz in sich hat, sofern es wenigstens auf dem Wege der ge- schlechtlichen Zeugung entstanden ist. Es hat von seinen Eltern her verschiedene Plasmamodificationen erhalten, und wenn es sich vermehrt, so tritt jeder dieser Keini- stoffe gelegentlich in seine Rechte und bedingt eine Ab- weichung der Nachkommen des betreffenden Individuums von den Eigenthünilichkeiten des letzteren. Es werden verschiedene Nachkommen entstehen, und diese werden sich von neuem mischen bald auf die eine, bald auf die andere Weise, sodass dadurch wieder Gelegenheit zur Ausgleichung, d. h. zum Rückschlag der Charaktere auf die mittleren Artmerkmale zuwege gebracht wird. Auf die Weise , wie Wagner sieh die Sache dachte, können also keine neuen Arten entstehen. Wenn sich eine Art aber über die Grenzen ihres Wohngebiets, die wir uns in der Form von Meeresannen, von Gebirgen, Wüsten und dergleichen vorstellen müssen, ausdehnt, so 428 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 35. gelangen die Individuen, welche diese Grenzen über- schreiten, in ein Wohngebiet mit neuen Eigenthiünlich- keiten, und diese neuen Lebensbedingungen werden die betreffenden Individuen umformen und ihnen, falls es eine Vererbung erworbener Eigenschaften giebt, einen neuen erblichen Stempel aufdrücken, und dadurch eine neue Art erzengen. Es ist also nicht die Separation au und für sich, sondern es sind die verschiedenen Lebensbedingungen, die sieh auf verschiedenen Wohngebieten finden, welche den dort lebenden Arten ihren eigenen Stempel auf- drücken, und das kann auch geschehen, wenn die Wohn- gebiete durch leicht überschrcitbare oder gar keine Grenzen von einander getrennt sind. Die Grenzen sind ja ohnehin sehr leicht zu über- schreiten. Wir wissen, dass das Mittelmeer ausserordent- lich leicht von unseren Zugvögeln überflogen wird, wir wissen ferner, dass im Nordwesten von Nordamerika Vögel brüten, die den Winter auf der östlichen Hemi- sphäre zubringen, und ebenso, dass viele Vögel Nord- asiens in Indien überwintern. Von einer schweren Ueber- schreitbarkeit der Grenzen kann also, bei Vögeln wenig- stens, keine Rede sein, und dennoch sehen wir, dass sich in verschiedenen Gebieten verschiedene Arten einer und derselben Vogelgattung gebildet haben. Zwischen dem Verbreitungsgebiet unserer deutschen Nachtigall und dem des Sprossers, der mehr den Osten Europas bewohnt, aber auch beispielsweise bei uns in Pommern vorkommt, wo die Nachtigall nicht mehr gefunden wird, ist über- haupt keine Grenze vorhanden. Von West- Deutsehland, etwa von Hannover aus, nach Pommern zu gelangen, ist nicht schwer, und dennoch sind die Wohngebiete des Sprossers und der Nachtigall, bei uns in Deutschland wenigstens, ziemlich scharf von einander getrennt. Wir sehen also, dass es auf eine räumliche Sonderung in dem Sinne Wagner's gar nicht so sehr ankommt. Wenn aber die Lebensbedingungen verschiedener Gegen- den verschieden sind und direct umbildend auf die Thier- und Pflanzenarten einwirken, dann müssen Unterschiede entstehen, auch wenn keine schwer überschreitbaren Grenzen vorhanden sind, denn Pflanzen haften an der Scholle und die meisten Thicre sind sesshafter Natur und entfernen sich gewöhnlich nicht weit über ihre Heimath hinaus, kehren auch oft, falls solches doch geschieht, regelmässig wieder in ihre Heimath zurück, was nament- lich von den so leicht beweglichen Vögeln gilt. Es giebt Vögel, die alljährlich im Winter von unseren Gegenden ans bis zur Südspitze Afrikas wandern und andere, die das gewaltige Gebiet, das sich zwischen Kamtschatka und Spanien dehnt, zweimal in jedem Jahre durchfliegen, endlieh solche, die den Nordwesten von Nordamerika be- wohnen, um in Nordost-Afrika zu überwintern. Alle diese Vögel kehren alljährlich wieder in ihr Brutgebiet zurück. So wissen wir von den Störchen, dass sie immer wieder ihr altes Nest aufsuchen, und man bat andere Vögel, die an irgend welchen Besonderheiten leicht kenntlich waren, z. B. Kukukc mit ungewöhnlichem Rufe, viele Jahre lang an einem und demselben eng umgrenzten Gebiet an- getroffen. Diese Sesshaftigkeit und Anhänglichkeit der Thiere an ihre Heimath ist es, welche der letzteren die Möglichkeit gewährt, ihren Bewohnern den eigenen Stem- pel aufzudrücken. Eine etwaige Mischung der Bewohner verschiedener Gebiete hat nicht viel zu bedeuten. Handelt es sich um zwei schon sehr verschiedene Arten, so entstehen aus der Mischung Bastarde, die meistens nicht fruchtbar sind; ist aber erst eben eine über ein Wohngebiet, das in ver- schiedenen Gegenden verschieden ist, ausgebreitete Art, in der Auflösung in mehrere neue Arten begriffen, ist also noch eine fruchtbare Mischung der den verschiedenen untergeordneten Gebieten angehörigen Individuen möglich, so ist diese deshalb nicht nachtheilig, weil eben die Lebensbedingungen der verschiedenen Gebiete ausschlag- gebend für die Bildung neuer Formen sein müssen, falls sich erworbene Eigenthümlichkeiten vererben. Wenn diese Lebensbedingungen genügend lange Zeit hindurch wirken, müssen sie einen entsprechenden Einfluss auf die ihnen unterworfenen Individuen ausüben und diesen einen ge- meinsamen Stempel aufdrücken. Das könnte nur da- durch verhindert werden, dass eine allseitige und regel- mässige Kreuzung auch zwischen den Individuen ver- schiedenartiger Gegenden möglich ist; aber von einer der- artigen Möglichkeit kann nicht die Rede sein. Die Nach- kommen von Vögeln, die in Spanien brüten, werden sich nicht nach England begeben, um dort eiu Heim zu grün- den, und die Schmetterlinge, die Norwegen bewohnen, werden sich nicht mit denen von Italien und nicht einmal leicht mit denen von Dänemark mischen können. Die Gefahren einer Mischung sind also von sehr geringer Be- deutung. Die Separationstheorie hat demgemäss nur dann Gültigkeit, wenn sie die verschiedenartigen Eigen- thümlichkeiten aneinanderstossender oder auch weiter von einander entfernter Wohngebiete die erste Holle spielen lässt. Das hat aber Wagner nicht gethan. Nach ihm sind beispielsweise die klimatischen Verhältnisse von sehr untergeordneter Bedeutung; wenn es aber nicht einmal auf diese ankommt, dann können noch viel weniger andere Verschiedenheiten, beispielsweise die Beschaffenheit des Bodens und der Nahrung eine Rolle spielen. Dann ist, wie Wagner es auch annimmt, die Verhinderung der Kreuzung von ausschlaggebender Bedeutung. Diese kann aber, wie wir gesehen haben, nicht das bewirken, was Wagner ihr zuschreibt. Wagner hat also mit seiner Separationstheorie noch nicht ganz das Richtige getroffen. Diese Erkenntniss darf uns indessen nicht daran hindern, ihm dafür dank- bar zu sein, dass er es gewesen ist, der uns auf die grosse Bedeutung der geographischen Verbreitung nächst- verwandter Arten einer Gattung aufmerksam gemacht hat. Die Thatsachen, auf welchen Wagner hinweist, müssen wegen ihrer Allgemeinheit von ausschlaggebender Be- deutung für eine Theorie der Formenbildung sein, und wir müssen ausserdem anerkennen, dass Wagner bemüht gewesen ist, eine consequente Theorie durchzuführen. Zwar lässt auch seine Separationstheorie noch manche Inconsequenzen erkennen, so z. B. huldigt er auch in ihr noch der Anschauung, dass die weisse Farbe der Polar- thierc und die gelbe der Wüstenthiere dadurch zu Stande gekommen ist, dass entsprechend gefärbte Individuen von Arten, welche andere Gegenden bewohnten nach den Polarländern und den Wüsten auswanderten. Diese An- schauung kommt schliesslich aber doch wieder auf die Notwendigkeit der Annahme der alten Einscbachtelungs- theorie hinaus, und die grosse Wichtigkeit, welche Wagner den individuellen Unterschieden zuschreibt, bedeutet im Grunde genommen nichts anderes. Wenn die individuellen Unterschiede wirklich eine so grosse Rolle spielen, wie Wagner glaubt, dann gelangt man bald dahin, anzunehmen, dass diese individuellen Unterschiede vorgesehen sind und im Plane des Schöpfers schon eine ausschlaggebende Bedeutung hatten. Der Schöpfer hat dann die einzelnen Individuen der Thier- und Pflanzenarten, welche bestimmt waren, die Erde zu bevölkern, schon im Anfange mit ihren Besonderheiten sännutlich erschaffen und zwar ein- geschachtelt in den Begründern der einzelnen Organismen- Stämme. (Fortsetzung folgt.) Nr. 35. Naturwissenschaft! irhe Wochenschrift. 429 lieber den Nachweis des Choleragiftes beim Menschen liegt aus dem hygienischen Institute der deutschen Universität Prag eine interessante Arbeit von Professor Ferdinand Hueppe (Berl. Klin. Wochenschr. 1894 No. 17 und 18) vor. H. hatte schon früher ermittelt, dass die Kommabacillen der Cholera asiatica im viru- lenten Zustand ein Gift auf gewissen Nährböden bilden, dessen Entstehung als eine Abspaltung aus einem ge- eigneten Eiweisskörpcr auffasste. Und zwar bildeten das Gift nur virulente, spaltungsfähige Culturen, während weniger virulente Culturen es weniger deutlieh, nicht virulente gar nicht entstehen Hessen. Er behauptet, dass der Nachweis einer Giftwirkung allein nicht genügt, um über die Herkunft des Giftes zu entscheiden. Man habe hei den bisherigen Untersuchungen die Art der Gift- wirkung nicht beachtet und gar nicht untersucht, ob 1. derartige Giftwirkungen speeifisch im Sinne der In- fection sind, oder ob sie 2. überhaupt speeifisch sind, oder ob sie 3. speeifische oder 4. allgemeine Beziehungen zum Impfschutz haben. Hueppe kommt zu der gar nicht mehr abzuweisenden Ansicht, dass die Gifte der Stoff- wechselproducte, die Toxine, welche die spe- eifische lnfection auslösen, nicht identisch sein können mit den protoplasmatischen Substanzen, welche die Immunität ermöglichen Unabhängig von Hueppe entwickelte Gamaleia dieselbe Ansieht und hob besonders hervor, dass die Toxine durch hohe Teru peratur vernichtet, die immnnisirenden Gifte unbeschädigt blieben. Im Körper combiniren sieh, wenn auch in ver- schiedenster quantitativer Weise, die Giftwirkung der Toxine und die imnmnisirende Wirkung der Protoplasma- gifte. Dadurch wird es verständlich, dass schwere Cholera- fälle nur einen schwachen Impfschutz, ganz leichte Fälle jedoch einen nachhaltigen Impfschutz verleihen können, dass sieh ferner bei ganz heftigen, rapiden Cholerafällen sehr wenig Kommabacillen im Darminhalt finden, während andererseits Fälle mit reichlichen Kommabacillen ganz leicht sein können. Hueppe betrachtet das Cholera- gift als ein Eiweissderivat, welches sieh ähnlich den Albumosen und Peptonen verhält und sich von diesen nur dadurch unterscheidet, dass es activ ist, dass seine Giftwirkung durch Binden an Säuren und durch Temperaturen von 60° und darüber vernichtet wird. Bei der Vegetation der Kommabacillen bilden sieh auch andere giftige Stoffe, wie Ammoniak und Schwefel- wasserstoff. Sind sie in genügender Menge vorhanden, so kann sich auch ihre Giftwirkung nebenbei bemerkbar machen. Dasselbe gilt von der salpetrigen Säure und den Nitriten, welche Emmerich und Tsuboi als das wahre Choleragift erklärten. Hueppe hat salpetrige Säure nie- mals gefunden. Zur Darstellung des Toxines für weitere Versuche verwerthetc H. während der Hamburger Epidemie nur Fälle, bei denen ein typischer reiswasserähnlicher Darm- inhalt vorhanden war, bei denen ausschliesslich oder doch fast rein Kommabacillen vorbanden waren. Die wirk- samen Körper wurden mit Alkohol gefüllt, getrocknet und in Gläsern eingeschmolzen, oder mit 40 % Glycerin oder Chloroform versetzt. Das Gift war sicher nur in den in Folge Wasserlöslichkeit leicht resorbirbaren Eiweisskörpern enthalten. Die chemischen Reactionen stimmten nicht ganz überein, entsprachen aber, wenn die Intensität der Wirkung am reinsten war, denen des Peptons. Die eigentliche Giftineuge selbst bei ähnlichem Aussehen des Darminhalts, schwankte daher sehr. Die Thiere. bei denen Versuche mit dem Toxin subcutan oder intra- pertional angestellt wurden, zeigten Temperaturabfall, Schwäche, tibrilläre Zuckungen, Krämpfe, und sterben zumeist. Auch im Blut und im Urin Cholerakranker wurde das Toxin nachgewiesen. H. kommt zu dem Schluss, dass er „in typischen fällen von Cholera asiatica beim Menschen ein Gift nachgewiesen bat, welches von den Kommabacillen ge- bildet sein muss und welches im Einklänge mit den Ex- perimenten über Cholera die typischen Symptome dieser Krankheit auslöst, welches sieh in Bezug auf den Ort seiner Bildung im Darmlumen und den Darmepithelen, seine Aufnahme in den Körper und seine Ausscheidung aus dem Körper so verhält, dass alle klinischen Symptome der reinen uncomplicirten Fälle dadurch eine ausreichende Begründung erfahren." Von Hueppe und A. Fajans liegt ferner eine Arbeit vor: lieber Culturen im Hühnerei und ober Anaerobiose der (holerabacterien (Archiv für Hygiene 1894). Hueppe hat schon vor mehreren Jahren die Eier zur Cultur von Microorgauismen eingeführt, um ihren hohen Nährgehalt und die günstige chemische Zu- sammensetzung zu verwerthen, aber auch „um annähernd die erschwerten Sauerstoft'verliältnisse des Darmes nach- zuahmen." Er kam zu der Ansicht, dass das Waehsthum der Bactericn innerhalb des Eies ein wesentlich anaerobes ist. Jetzt legte er sich die Frage vor: Wie steht es mit dem Sauerstotfgehalt im Ei während der Vegetation von Kommabacillen';' Die Versuche der directen Sauerstoff- bestimmung ergaben, dass in Folge der Wirkung der Vegetation der Konimabacillen stets eine Ab- nahme des Sauerstoffgehaltes der im Ei einge- schlossenen Luft erfolgt, die bei längerer Dauer des Versuches bis zum vollständigen Ver- schwinden des Sauerstoffs gehen kann. Weitere Versuche ergaben, dass die Anaerobiose der Cholera- baeterien thatsächlich möglich ist. Koch's an- fängliehe Vermuthung über die ätiologische Bedeutung des Koinmabacillus, welche so lauge in der Luft schwebte und als unbewiesen angesehen werden musste, als die Anaerobiose dieser Microbieu, ohne welche deren Waehs- thum im Darm ein unlösbares Räthsel bleiben musste, nicht bewiesen war, ist dadurch noch Hueppe von Neuem bedeutend gestützt. A. Matz. Die Aufforstungen in Schleswig-Holstein nach Hahn (Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen, Jahrgang 25, Heft 5). — Nach der Denkschrift vom 28. November IST"), betreffend die Ausführung der anderweiten Regelung der Grundsteuer, umfasste die Provinz Schleswig-Holstein, exel. Lauenburg, eine Fläche von 1 048 189 ha mit durch- schnittlichem Reinertrag von 7,75 Mk. pro Hectar. Als Holzungen sind catastrirt 80 487 ha mit durchschnittlich 3,58 Mk. Reinertrag. Das ergiebt 7,68 % Wald. Nach Krause haben folgende Küsten- und Inselstaaten ein niedrigeres Waldprocent: Dänemark 3,40, Portugal 5,10, Grossbritaunien 6,90, Belgien 7,0 %i wogegen Deutsch- land ein durchschnittliches Waldprocent von 25,78 °/t aufzuweisen hat. Seit der Cätastrirung aber ist in Schleswig -Holstein fleissig gearbeitet und dadurch eine bereits nicht un- wesentliche Erhöhung des Waldproceuts bewirkt worden. Während der Jahre 1876—1892 betrug die staatliche Aufforstung . . 7 990 ha die Provinzial-Aufforstung . . 922 ha die Aufforstung durch Private . 3 956 ha Summa 12 868 ha. Rodungen stehen diesen neuen Waldanlagen nicht gegenüber; denn die Grossgrundbesitzer, die adeligen Güter, die Klöster und die sonstigen Institute, die freie 430 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 35. Waldwirtschaft haben, roden nicht; Kommunalwald kommt in Schleswig-Holstein nur spärlich vor, und die Bondenhölzer (bäuerlichen Holzungen) sind zum aller- grössten Theil durch Staatsaufsicht gesetzlich in ihrem Bestände gesichert. Ende 1892 betrug demnach der Waldbestand Schleswig-Holsteins 93 355 ha, das Wald- procent 8,90 °/fl, sodass die 17jährige Arbeit eine Steige- rung des Waldbestandes um 16 % zur Folge hatte. Die bearbeiteten Bodenformen sind wesentlich: 1. armer, ausgebauter und trockener Acker, 2. Heide- flächen in zahlreichen Abstufungen, deren Untergrund ge- wöhnlich ein gelber oder graubrauner Sand bildet. 3. Hochmoor, dessen forstlicher Anbau indessen neuer- dings aufgegeben ist. Wegen der exponirten Lage Schleswig-Holsteins sind die Ergebnisse mit den verschiedenen Versuchspflanzen von besonderem Interesse: 1. Die gemeine Kiefer stirbt nördlich der Eider schon während ihrer .lugend ab, während sie bereits im nördlichen Holstein als Schutz- holz für die Fichte verwendbar ist. 2. Die Fichte weiss die Vortheile des feuchten Küstenklimas derart für sich auszunutzen, dass sie an den Boden äusserst geringe Ansprüche stellt, bedarf aber in der Jugend eines Schutz- und Treibholzes, wozu eine Zeitlang 3. die Bergkiefer verwandt wurde, welche zwar noch auf recht schlechtem Boden wächst, alier ein weder als Nutz- noch als Brenn- holz verwerthbares Material liefert und darum nicht mehr in früherem Maasse angepflanzt wird. Am meisten ge- schätzt ist gegenwärtig 4. die nordische Kiefer, eine im hohen Norden akklimatisirte Varietät der gemeinen Kiefer, welche so gut wie gar nicht der Schütte unter- worfen ist und an den Boden minimale Ansprüche macht. Dagegen hat der Anbau 5. der nordischen Fichte gänzlich aufgehört, da dieselbe äusserst langsam wächst und auch sonst keine Vortheile gegen die einheimische Fichte bietet. 6. Die Weissfichte, wächst zwar in der Jugend auch langsam, aber sie lässt sich durch die Stürme nicht im Geringsten in ihrem Wüchse beein- trächtigen. 7. Die Schwarzkiefer, welche mit fast jedem Boden fürlieb nimmt, sicher und rasch aufwächst und eine gewaltige Menge grosser und fetter Nadeln ab- wirft und so sieh zur Unterdrückung des Heidekrauts vorzüglich eignet, kann nur als Mischholz dienen, da sie mit etwa 15 Jahren abstirbt. 8. Weisstanne, Wey- mouthskiefer und Lärche können zur Zierde der Schonung in geringen Mengen eingesprengt werden, wo- bei allerdings nur die Tanne Aussicht auf Baumholz ge- währt. 9. Die Ausländer (wie Pinus rigida und Laricio) besitzen nicht die bei dem Klima nöthige Widerstands- fähigkeit-, dagegen erregt die Picea sitchensis gute Hoffnungen, besonders auf anmoorigem Haideboden. 10. Unter den Laubhölzern kommen besonders Birke und Erle als Schutzholz in Freilagen in Betracht. A. Lorenzen. Die aussergewöhnlich seltene Erscheinung eines prachtvollen Moiidregeiibogeus bot sich am Abend des 16. August den Besuchern der Neuen Schlesichen Baude im Riesengebirge. Da ich das Glück hatte, das Phänomen fast während seiner ganzen Dauer unter ausserordentlich günstigen Verhältnissen zu beobachten, so berichte ich hiermit über das Ereigniss. Seit etwa 7 Uhr Abends stand im Westhorizont der Neuen Sehlesischen Baude (1195 m über d. Meer) ein Gewitter, das bis gegen 9 Uhr den ganzen West und Nordwesthorizont überzogen hatte. Kurz vor 9 Uhr, als es ein wenig zu regnen begann, muss nun das Phänomen des „Regenbogens mitten in der Nacht" entstanden sein. Als ich um 9 Uhr 5 Minuten ins Freie trat, stand das Gewitter gegenüber dem am Südosthimmel schwebenden fast vollen Monde (Vollmond am 16.), und es spannte sich vom West- bis zum Nordhorizont mit dem höchsten l'unkte 25° hoch im Nordwesten ein ununterbrochener leuchtender Bogen, in dessen Ende man deutlich die Farben des Spectrums (aussen roth, innen violett) er- kennen konnte. Da ich ihn in Folge des günstigen Um- standes, dass ich mich auf einem Bergeshange befand, bis unter dem Horizont des Beobachtungsstandpunktes verfolgen konnte, so schätze ich die Gesammtausdehnung des sichtbaren Kreisbogens auf nicht weniger als 170°. Zeitweilig zeigte sich über dem linken Ende schwach au- gedeutet auch der zweite Bogen in milchigem Schinnner. Während anfangs der linke Theil stärker leuchtete, zeigte später meist der rechte lebhaftere Farbenentwickelung. Um 9h 13' oder 14' nahm die Helligkeit merklieh ab, um aber gleich nach x '410 Uhr noch einmal aufzuleuchten, fast ebenso schön, wie das erste Mal. Das Gewitter kam indessen näher unter sehr hellen Blitzen. Um 9 Uhr 21' verschwand der Bogen grösstenteils, doch leuchteten die beiden Enden um 9h 24' noch einmal auf, während der obere Theil trotz des voll zum Durchbruch gelangenden Mundes und des stärker werdenden Regens verschwunden blieb. Um Va 10 Uhr, also nach '/,, stündiger Dauer, hatte das herrliche Naturereigniss sein Eude erreicht. Der Regen hatte etwa von 9h 10' bis 91' 20' ausgesetzt. R. Hennig. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Dr. med Albert Oppel, Privatdoceht für mikroskopische Anatomie in Freiburg, zum ausserordentlichen Professor; der technisch« Hilfsarbeiter im Kaiaerl. Gesundheitsamt Dr. L. Brüh], praktischer Arzt, zum königlichen Sanität-rath; der ordentliche Professor der mathematischen Physik Franz Ernst Neumann in Königsberg zum Wirklichen Geheimen Rath mit dem Titel Excellenz; der Bibliothekar an der elsassischen Landesbibliothek Dr. phil. Christlich Gotthold Hottinger zum ausserordentlichen Professor : die Privatdocentcn in der philosophischen Fakultät zu Greifswald Dr. Liebs und Dr. Schmidt zu ausserordentlichen Professoren; der ordentliche Professor der Histologie und Embryologie Dr. Janosik an der böhmischen Universität Prag zum ordentlichen Professor der Ana- tomie ebendort; Dr. Rene Köhler in Lyon zum Titularprofessor der Zoologie. Es wurden berufen: Dr. M. Filhol zum Professor der ver- gleichenden Anatomie am Pariser Museum d'Histoire Naturelle als Nachfolger Pouchets: Dr. J. Playfair M. Murrich als Pro- fessor der Anatomie in der Michigan University Ann. Arbor. ; Dr. Paul Drude, Professor der mathematischen Physik in Glittingen, als ausserordentlicher Professor nach Leipzig; der ausserordentliche Professor Dr. med. Otto Soltmanu in Breslau als ausserordentlicher Professor nach Leipzig mit dein Lehr- auftrage für Pädiatrie; der ausserordentliche Professor der Landwirtschaft in Leipzig, Dr. August Föppl, als ordent- licher Professor an die technische Hochschule nach München; Professor Karl Nicoladoni in Innsbruck zum ordentlichen Professor der Chirurgie an der deutschen Universität und Director der chirurgischen Klinik in Prag als Nachfolger Professor Gussen- bauer's. Es haben sich habilitirt : Dr. phil. et med. Brandl in der medicinischen Fakultät zu München; Dr. Doeberl aus Wald- sassen und Dr. Mcrling in der philosophischen Fakultät eben- dort; der Assistent am chemischen Laboratorium der technischen Hochschule in München, Dr. Eibner als Privatdocont für allge- meine Chemie daselbst; Dr. Stobbe aus Tiegenhof für Chemie in Leipzig; der Assistenzarzt am klinischen Institut für Frauen- krankheiten in Berlin Dr. Gebhard an der dortigen Universität; Dr. Bleibtreu aus Bonn in der medicinischen Fakultät in Bonn; Dr. Nestler für Anatomie der Pflanzen an der deutschen Uni- versität Prag; Dr. Barvir für Photographie an der böhmischen Universität Prag; Dr. Ipsen für gerichtliche Medicin in Graz. Es tritt in den Ruhestand: Dr. Heller, ordentlicher Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie in Innsbruck. Es sind gestorben: Privatdocent Dr. Knauer in der philo- sophischen Fakultät zu Wien; der Professor der Chemie Karl Heumann in Zürich; der Professor der Geologie G. H. Williams in Baltimore. Nr. 35. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 431 L i 1 1 e r a t u r. Dr. Rivinus, Was ist Krankheit? Beiträge zur Lösung dieser Frage, für Aerzte und (lenkende Laien. Selbstverlag des Verf. Für die Buchh.: H. Buchwald in Birnbaum. 1892. Verf. sagt: Unter Krankheit verstehe irh gewisse Verände- rungen der Körperzellen und Körpergewebe, deren Ursachen im Allgemeinen „Gifte" sind, d. h. schädliche Stoffe, welche theils direct von aussen her in den Körper gelangen, theils erst im Körper selbst von niederen Pflanzen oder Thieren gebildet werden. Geheim. Sanitätsrath Dr. A. Baer, Der Verbrecher in anthro- pologischer Beziehung. Mit 4 lith'ograph. Tafeln. Georg Thieme. Leipzig 1893. — Preis 15 M. 1 >er Verfasser ist Überarzt an dem Strafgefängniss in Plötzen- see bei Berlin und überhaupt seit langem Arzt an grossen Straf- und Geffingnissanstalten, so dass ihm durch seine Stellung das Material zu dem behandelten Thema bequem zur Verfügung stand. Er versucht, die Lombroso'schen Ansichten, nach welcher der ge- borene Verbrecher als eine atavistische Erscheinung anzusehen isl (vergl. „Näturw. Woehenschr." II, S. 81, V, S. 429, VII, S. 121), einzudämmen. Et steht auf dem Standpunkte Topinard's, der behauptet hat. dass es keine Verbrecher-Anthropologie gäbe. Es ist kein Zweifel, dass Lombroso in Einzelnem zu weit ge- gangen ist, aber er wird selbst kaum meinen, dass nicht für die zu- künftige Forschung viel, sehr viel zu thun übrigbliebe. Hier zu feilen und zu bessern ist sicherlich verdienstlich; Baer hat das Seinige dazu gethan und sein neissiges Buch ist daher hoher Beachtung werth. Ob er sich aber nicht zu sehr — wie uns scheint — dein anderen Extrem nähert, wird die Zukunft lehren. Wo er eine Kausalität zwischen craniologitchen Eigenthümlickeiten und Ver- brechen zugiebt, nennt er die Organisation eine pathologische. Das scheint uns aber aus logischen Gründen verfehlt, denn es liegt hier in der Hand eines Autors, die pathologische Erscheinung beginnen zu lassen, wo es ihm beliebt. Andererseits betont B. immer wieder und sucht zu beweisen, das- die körperlichen Merk- male bei Verbrechern zum allergrössten Theile .ganz allein" durch die Lebensverhältnisse der Verbrecherklassen, d. h. durch die Einflüsse und Verhältnisse ihrer Umgebung bedingt werden- Für Baer ist daher mit anderen Autoren das Verbrechen kein indi- viduelles Phänomen, sondern ein sociales: „Der Verbrecher und der ehrliche Mensch hängt jeder ab von seiner Umgebung'' (Prins). Das Buch umfasst lhcl. des guten Registers 456 Seiten, die 4 Tafeln bringen die Abbildungen von Tätowirungen bei Gefan- genen im Strafgefängniss Plötzensee. S. 232 erklärt Verf., dass einzelne der Tätowirungen „ihrer Lascivität wegen abgeändert oder ganz fortgelassen werden mussten " In einem so wichtigen und wissenschaftlichen Werke wie dem vorliegenden, sollten solche Concessionen nicht gemacht werden. Wer die Lombroso'schen Werke studirt, wird das vorliegende nicht unbeachtet lassen dürfen. K. k. Regierungsrath und Professor Dr. Gustav von Hayek, Handbuch der Zoologie. IV. Band, IL Abtheilung (Schluss). Mit 742 Abbildungen. Carl Gerold's Sohn. Wien 1893. — Preis (1,80 Mk. Der nunmehr fertig vorliegende Band IV (Schluss des ganzen Werkes) enthält die Vertebrata Allan toidea: Reptilia, Aves, Maui- malia, der vorliegende Theil den Schluss der Vögel und die Säuge- thiere. Das Werk zeichnet sich durch eine Fülle vou Abbildungen aus: es ist mehr ein werthvoller Atlas mit begleitendem Text. Der ganze Band bringt nicht weniger als 1170 gute Abbildungen, und umfasst dabei 579 Seiten incl. Register. Krebs, Wilh.: Die Erhaltung der Mansfelder Seen. Vorschläge eines Meteorologen zur Selbsthülfe. Leipzig, Gustav Uhl. 1891. — Preis 0,75 M. Der Inhalt der kleinen Broschüre ist zum Theil in ver- schiedenen Zeitschriften schon veröffentlicht gewesen. Der Ver- fasser hat seinen früheren Veröffentlichungen nur noch einige er- gänzende Abschnitte beigefügt. Diesem Zwecke dient z. B. das erste Kapitel, das das Landschaftsbild der Seegegend schildert. Mil dem Verlauf der Katastrophe während der Jahre 1892 und 1893 werden wir im zweiten Abschnitt bekannt gemacht. Die Darstellung ist hier etwas oberflächlich und enthält überdies einzelne Ungenauigkeiten, die sich daraus erklären dürften, das- ler Verfasser nur vorübergehend um Sei sieh aufgehalten hat. Dem Inhalte nach am wichtigsten erscheinen die beiden nächsten Kapitel, welche uns zwar nicht die Mittel zur Erhaltung der Seen bringen, wohl aber eine immerhin beachtenswerthe Studie über die Grösse der Verdunstung jenes Gebietes enthalten. Krebs hat sich bei der Ermittelung der Vordunstungsgrösse eines Vor fahrens bedient, das, in richtiger Weise angewandt, recht wohl zu guten Resultaten fuhren könnte. Kr benutzte zu seinen Messungen in erster Linie das Psychrometer und zwar sucht er aus dem Unterschied dm- Temperatur am trockenen und feuchten Ther- mometer den Betrag der Verdunstung zu berechnen. Durch di- recte Bestimmung der Höhe der während eines gewissen Zeit- raumes in einem Gefäss verdunsteten Wasserschicht wird die „Psychochrometcr-Constante" ermittelt, d. h es wird festgestellt; wie viel Millimetertheile verdunsteten Wassers einem Grad der Psychrometerdifferenz entsprechen. Das Ungenaue dioses Ver- fahrens liegt wie bei allen Evapariinetern in dem Umstände; dass die Constanto aus einem den natürlichen Verhältnissen keines wegs analogen Experiment gewonnen wird. Aus diesem Grunde halten wir dtis Ergebniss der Messungen des Verfassers für völlig unsicher, ganz abgesehen davon. dass ihnen au h schon eim zu geringe Zeit zu Grunde liegt. Die Verdunstung soll innerhalb eines Tages 10 mm betragen, was nach unsoren bisherigen Er- fahrungen für Mitteldeutschland doch zu hoch sein dürfte. Im Anschluss daran giebt Krebs einige Anweisungen, welche zur weiteren Erforschung der Vcrdunstungs und Niederschlägst er- hältnissc führen sollen. Aber auch diese tragen das Gepräge grosser Ungenauigkeit und Unsicherheit Die in der Ueberschrift verheisseneii Mittel zur Erhaltung der Seen sucht man in dem Buch vergeblich Ule. Jahrbuch der Chemie. Bericht über die wichtigsten Fort- schritte der reinen und angewandten Chemie. Herausgegeben von Richard Meyer. III Jahrgang. Verlag von Friedrieh Vieweg & Sohn in Braunschweig. 1893 - Preis 15 M. -- Der trefflich zusammengestellte und ausserordentlich zweckdienliche 3. Band des Jahrbuchs bringt 14 Abschnitte: I. Physikalische Chemie (bearbeitet von W. Nernst). II. Anorganische Chemie (Gerhard Krüss).. III. Organische Chemie (C. A. Bischoff). IV. Physiologische Chemie (F. Röhmann) V. Pharmaceutische Chemie (H. Beckurts). VI. Chemie der Nahrungs- und Genuss- mittel (H. Beckurts) VII. Agriculturchemie (M. Märker und W. Schneidewind). VIII. Metallurgie (K F. Dürre). IX. Brenn- stoffe und anorganisch-chemische Technik (C. Häuser). X. Ex- plosivstoffe (C. Häusermann). XI. Technologie der Kohlehydrate und Gährungsgewerbe (M. Märeker, L. Bühring und W. Schneide- wind). XII Theer- und Farbenchemie (Richard Meyer). XIII. Chemische Technologie der Spinnfasern (Richard Meyer). XI\ . Photographie (J. M. Eder und F. Valenta). Exner, Prof. Dr. Sigm., Entwurf zu einer physiologischen Er- klärung der psychischen Erscheinungen 1. Theil. Wien. — 1 1 M. Hoff, J. H van't, Die Lagerung der Atome im Räume. 2. Autlage. Braunschweig. — 4M. Karte, geologische, von Preussen und den Thüringischen Staaten. 46. und 62. 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Der Vierteljahrspreis ist Ji 4.— Bringegeld bei der Post lä ^f extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 J>. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Mathematische Spielereien in kritischer und historischer Beleuchtung. Von Prof. Dr. H. Schubert. XII. Die Hamilton'sche Rundreise-Aufgabe. (Letzter Artikel dieser Serie.) Im Jahre 1859 erschienen in London zwei Geduld- spiele, welche von dem berühmten Mathematiker Hamilton, dem Entdecker der Quaternionen-Theorie, erfunden waren und ursprünglich beide dazu dienten, Beispiele für ge- wisse Berechnungen in dieser Theorie zu liefern. Das eine Spiel hiess „Die Reisenden auf dem Dodekaeder oder eine Reise um die Welt", das andere „Das Ikosaeder-Spiel". Beide Spiele sind wesentlich nicht verschieden, sie ähneln aussclich den in XI behandelten „Euler- schen Wanderungen", sind aber, bei näherer Betrachtung, von diesen ganz verschieden. Das Dodekaeder-Spiel ver- langt, durch Wanderung auf den Kanten eines regelmässigen Dodekaeders dessen 20 Ecken zu erreichen, jede aber nur ein- mal, und schliesslich auf den Ausgangs- punkt zurück zu kehren. Das analoge Ikosaeder-Spiel verlangt, die 20 Flächen eines regelmässigen Ikosaeders so zu be- reisen, dass jede Fläche nur einmal be- sucht wird, und der Uebergang von einer Fläche zu einer andern auf keine andere Weise als durch Ueberschreitung der Kante geschieht, in der sich beide Flächen schneiden. Da die beiden Aufgaben nur scheinbar verschieden sind, so wollen wir nur die Dodekaeder-Aufgabe näher be- trachten. Zur Vorstellung eines regulären Dodekaeders gelangt der Laie am einfachsten dadurch, dass er die beistehende Figur ansieht, und sich denkt, dass die äusseren fünf Fünfecke um die Kauten des inneren Fünf- ecks nach oben umgebogen werden. Auf das so entstan- dene Kästchen hat mau sich denn ein genau ebenso geformtes Kästchen so aufgesetzt zu denken, dass ganz oben wagerecht das innere Fünfeck des zweiten Kästchens zu liegen kommt, und die oberen Kanten des unteren Kästchens mit den unteren Kanten des oberen Kästchens zusammenfallen. Der so entstehende Körper wird von 12 Fünfecken begrenzt, sodass 20 Ecken entstehen, von denen jede 3 Kanten und also auch 3 Flächen aussendet. Als Gesammtzahl aller Kanten ergiebt sich 30. Da der Körper lauter gleiche Kanten, lauter gleiche Winkel zwischen zwei Kanten und auch lauter gleiche Winkel zwischen zwei Flächen besitzt, so gehört er zu den 5 regulären Körpern. Die Dodekaeder -Aufgabe verlangt nun, dass auf einer Wanderung von irgend einem Punkte aus längs des Kanten-Netzes jede der 20 Ecken einmal, aber auch nur einmal, berührt wird, und dass die Wanderung schliesslich zu dem Ausgangs- punkte zurückführt. Da nicht jeder ein Dodekaeder-Modell leicht zur Hand hat, und die Mühe wohl scheut, sich selbst eins zu verfertigen, so liegt es nahe, zu fragen, ob man nicht die auf einen Körper bezügliche Aufgabe durch eine Aufgabe ersetzen kann, die sich auf eine leicht zeichenbare ebene Figur bezieht, ohne dadurch das Wesentliche der Aufgabe zu beeinträchtigen. Das Wesentliche aber ist ja nicht, dass das zu durchwandernde Kanten-Netz einem Körper angehört, sondern nur, dass man 20 Tunkte hat, die durch 30 Linien so verbunden sind, dass von jedem Punkte drei ausgehen, und ausserdem noch, dass diese Linien und 434 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 36. Punkte 12 von geraden oder krummen Linien begrenzte Fünfecke bilden. Solche Figuren lassen sich aber leicht auf mannigfache Weise bilden, z. B. so, wie beistehende Diagramme zeigen: Wählen wir von diesen Surrogaten des Dodekaeders das zweite, das also aus drei concentrischen Kreisen be- steht, von denen der mittlere sowohl mit dem inneren wie mit dem äusseren durch je 5 gerade Quer-Strecken ver- bunden ist! Es wird nun jedem Leser leicht gelingen, die Linien dieser Figur sich so durchwandert zu denken, dass jeder Punkt einmal besucht wird und der Schluss- punkt mit dem Ausgangspunkt zusammenfällt. Hamilton stellte aber von vornherein die weitere Forderung, dass die fünf ersten Stationen vorgeschrieben sein sollen. Eine eingehende Untersuchung ergiebt, dass auch dann die Aufgabe noch immer lösbar ist, und dass bei dieser Be- schränkung 2 oder 4 Lösungen erscheinen, je nach der Wahl der ersten 5 Stationen. Sind z. B. A, B, C, D, E in der beistehenden Figur die ersten 5 Stationen, so ergiebt die weitere Wanderung FGH1KL MNOPQRSTUA eine sehr nahe liegende Lösung. Ein zweites Problem, das Hamilton stellte, schrieb die drei ersten Stationen und die nicht mit der Anfangs- Station identische Schluss-Station will- kürlich vor, hielt aber sonst an der grundlegenden Forderung fest, dass jede Station nur einmal besucht werden dürfe. Dieses zweite Hamiton'sche Problem führt zu 0, 1, 4 oder 6 Lösungen, je nach der Wahl der gegebenen vier Sta- tionen. Beispielsweise hat das Problem nur eine einzige Lösung, wenn A, B, C als Anfangs-Stationen, Q als Schluss- Station gegeben ist. Diese Lösung lautet: ABCDEFTUNMLKIHGRSOPQ, wo die Buchstaben sich auf die obige aus drei Kreisen zusammengesetzte Figur beziehen. Sind dieselben Anfangs -Stationen, aber eine andere Schluss- Station vorgeschrieben, so ergeben sich 2, 4 oder 6 Lö- sungen, ausgenommen in den Fällen, wo diese Schluss- Stationen K, D, F, P, M, N, T sind. In diesen Fällen hat das Problem nämlich gar keine Lösung. Eine dritte Modification, die Hamilton dem Problem gab, nahm mehrere aufeinanderfolgende Anfangs-Stationen als gegeben an und verlangte dann, dass nach einer vor- geschriebenen Anzahl von folgenden Stationen es unmög- lich werde, weiterzureisen, ohne dass die Hauptregel des Dodekaeder-Spiels, nämlich, jede Station nur einmal zu besuchen, verletzt werde. Z. B. seien T, S, Q, R vier gegebene Anfangs-Stationen, und sei verlangt, dass nach 6 weiteren Stationen die Fortsetzung der Reise unmöglich werde. In diesem Falle ergiebt sich die eine Lösung: TSQRIHDEFG. Endlich bestand eine vierte Modification des Geduld- spiels darin, dass eine vorgeschriebene Station bei der Reise ausgeschlossen sein sollte, sonst aber dieselben Bedingungen erfüllt würden, wie bei dem Haupt-Problem. Wenn z. B. A, B, C die Anfangs-Stationen, D die Schluss- Station sein sollen, und, wenn ausserdem der Ort M, den man sich etwa als von der Cholera heimgesucht vorstellen möge, ausgeschlossen sein soll, so ergeben sich zwei Lö- sungen, von denen die eine heisst: ABCKLPQIHGRSONUTFED. Kehren wir nach dieser Besprechung der Modifi- catiouen des Hatnilton'schen Problems zu seiner ursprüng- lichen Fassung zurück! Nach dieser sollen alle 20 Stationen, und zwar jede einmal, auf einer zum Anfangspunkt zu- rückkehrenden Rundreise besucht werden. Schon Hamilton gab in der Versammlung der British Association vom Jahre 1857 eine mathematische Behandlung des Problems, die auf folgenden Ueberleguugen beruht. Wenn man irgend eine Station erreicht hat, so bieten sich immer zwei Wege zur Weiterreise dar, weil die Station im ganzen drei Ausgänge hat. Von diesen beiden Wegen muss be- züglich der Richtung, in der man die .Station erreicht hat, der eine Weg rechts, der andere links abgehen. Wählt man den Weg rechts, so sei dies mit r bezeichnet, während das Links -Weiterreisen durch 1 ausgedrückt werde. In dieser Weise kann jede Hamilton'sche Rundreise durch 20 Buchstaben ausgedrückt werden, welche entweder r oder 1 heissen. Beispielsweise müsste die oben zuerst erwähnte Rundreise, bei welcher die Buchstaben in alpha- betischer Reihenfolge erscheinen, so ausgedrückt werden: rrrlllrlrlrrrlllrlrl. Da der Schlusspunkt immer mit dem Anfangspunkt identisch sein soll, so kann man aus dieser mit rrr be- ginnenden Reihenfolge beliebige andere Reihenfolgen ab- leiten, indem man an beliebiger Stelle anfängt und den ersten Buchstaben als auf den letzten folgend ansieht. Ebenso kann man auch jede solche Reihenfolge in um- gekehrter Richtung lesen. In solcher Weise kann man aus dieser einen als richtig erkannten Lösung alle existi- renden Lösungen ableiten. Wenn nämlich die fünf An- fangs-Stationen beliebig gegeben sind, so ist aus ihnen die Richtung zu entnehmen, die man beim Verlassen der zweiten, dann der dritten, endlich der vierten Station jedes- mal einschlagen muss, nämlich ob rechts oder links. Es kann also nur einer von den folgenden 8 Fällen eintreten: rrr, rrl, rlr, rll, Irr, lrl, llr, 111, Alle diese sind aber aus der obigen mit rrr be- ginnenden Reihenfolge als Anfänge von einer Reihenfolge zu entnehmen, und zwar erkennt man, dass mit rrr die obige und die umgekehrte Reihenfolge rrrlrlrlllrrrlrlrlll beginnen. Dadurch, dass man dem auf die Mitte folgenden rrr anfängt, erhält man keine neue Reihenfolge, sondern die alte nochmal, weil die zweite Hälfte der Reihenfolge ihrer ersten Hälfte genau kongruent ist. Die beiden er- haltenen, mit rrr beginnenden Reihenfolgen ergeben un- mittelbar die beiden Lösungen des Problems, welche möglich sind, wenn die fünf Anfangs-Stationen in der durch rrr angedeuteten Folge liegen. Wenn zweitens rrl der Anfang der Reihenfolge ist, so ergeben sich aus der obigen mit rrr beginnenden Reihenfolge wiederum zwei Reihenfolgen, nämlich: rrlllrlrlrrrlllrlrlr und: rrlrlrlllrrrlrlrlllr, woraus sich die beiden Lösungen ergeben, die möglich sind, falls die fünf Anfangs-Stationen in ihrer Lage dem Symbol rrl entsprechen, wie z. B. ABCDH. Ebenso Nr. 36. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 435 giebt es auch zwei mit rll beginnende Reihenfolgen. Und da durch Vertauschung von r und 1 der anfängliche Cyclus in seine Umkehrung tibergeht, so verhält sich 111 genau wie rrr, llr wie rrl und Irr wie rll. Es bleiben daher nur noch die Fälle rlr und lrl übrig, welche sich wieder gleich verhalten, und von denen jeder zu 4 Lösungen führt. So haben die 4 Lösungen, die sich auf rlr be- ziehen, die Symbole: rlrlrrrlllrlrlrrrlll und rlrrrlllrlrlrrrlllrl und rlrlrlllrrrlrlrlllrr und rlrlllrrrlrlrlllrrrl. Diesen 4 mit rlr beginnenden Lösungen entsprechen z. B. die 5 Anfangs-Stationen A, B, C, K, I, und wir er- halten, entsprechend den obigen 4 Lösungen die folgenden 4 Rundreisen: 1) ABCKIQRGHDEFTSOPLMNUA 2) ABCKIHDEFGRQPLMNOSTUA 3) ABCKIQRSOPLMNUTFGHDEA 4) ABCKIQPLMNOSRGHDEFTUA. Aus der Lage der gegebenen 5 Anfangs-Stationen lässt sieh also sofort entnehmen, ob 2 oder 4 Rundreisen möglich sind. Wenn V, W, X, Y, Z die 5 Anfangspunkte sind, so kommt es darauf an, ob man bei der Durch- reise durch W, X, Y sich rechts oder links wendet. Wenn man sich erst rechts, dann links, dann rechts wendet, so giebt es 4 Rundreisen, ebenso auch, wenn man sich erst links, dann rechts, dann links wendet. In allen übrigen Fällen giebt es nur zwei. Aus unserm Cyclus rrrlllrlrlrrrlllrlrl kann man auch erkennen, in welchen Fällen eine Rund- reise mit sechs oder noch mehr gegebenen Anfangssta- tionen gelingt. Bei 6 gegebenen Stationen handelt es sich darum, ob man sich bei dem Passiren der 4 mittleren Stationen so wendet, dass die 4 Wendungen in dem obigen vorwärts oder rückwärts gelesenen Cyclus vor- kommen. Aus den Buchstaben r = rechts und 1 = links lassen sich aber 16 Gruppen zu je vieren zusammen- stellen, von denen 12 in unserm Cyclus vorkommen, 4 aber nicht. Diese vier sind: rrrr,rllr, 1 rrl, 1111. Von diesen 4 Gruppen können rrrr und 1111 natur- gemäss nicht vorkommen, da diese sich auf die Umwan- derung eines Fünfecks beziehen, sodass als sechste Sta- tion wiederum die erste Anfangsstation auftritt. Es bleiben also danach nur die Fälle rllr und lrrl als solche übrig, bei denen eine Rundreise unmöglich wird. Der erste dieser Fälle tritt z. B. ein, wenn A, B, C, K, L, P als die 6 ersten Stationen vorgeschrieben sein sollten. Man sieht die Unmöglichkeit einer so beginnenden Rundreise auch daran, dass bei einem derartigen Reiseanfang die Station M nicht wieder verlassen werden könnte. Denn von ihren drei Nachbarn B, L, N sind B und L schon vorher passirt, so dass mau also zu M nur von N aus gelangen könnte, ohne dann die Möglichkeit einer Weiterreise zu haben. Aus dem von uns gewonnenen Cyclus ergiebt sich auch sehr leicht die Anzahl der möglichen Rundreisen in den Fällen, wo weniger als 5 Anfangsstationen ge- geben sind. Man erkennt dann die Richtigkeit der wohl schon von Hamilton aufgestellten Tabelle, die auch Herr Lucas in seinen Recreations anführt. Gegebene .. Anfangspunkte fuhren zu Losungen 8 oder mehr 1 oder 0, 7 2 oder 1 oder 0, 6 3 oder 2 oder 1 oder 0, 5 4 oder 2, 4 6 oder 4, 3 10, 2 20, 1 30. Alle diese Resultate flössen aus dem obigen von den Ruchstaben r und 1 gebildeten Cyclus. Dieser aber ent- stand aus einer schon als gefunden angesehenen Lösung. Daher entsteht die Frage, ob die Hamilton'sche Methode, welche ja aus einer Lösung alle Lösungen leicht ergiebt, auch im Stande ist, von vornherein eine Lösung theoretisch zu entwickeln. Die Bejahung dieser Frage erkennt man aus gewissen Relationen, die sich zwischen den Gruppirungen der Buchstaben r und 1 aus der Natur der grundlegenden Figur ergeben. Man ersieht daraus leicht, dass man immer zu dem- selben Ausgangpunkt zurück- <2^ 7~""""\3l kommt, gleichviel ob man zwei- /^ — I — ~^s\ mal nach einander links geht, / f ^4~^ ^\ \ oder erst rechts, dann dreimal /^/C^/^^fV-A°\ links und endlich wieder rechts. ' (^[ ) 1 ] Z. B. gelangt man, von U kom- \\t \* &/ /£J~ meud, über A und B nach M, ATn. /" — "\y/d indem man zweimal links geht. \ ^Sitz^/it / Man gelangt aber auch über ^^/HP-x^ A, E, D, C, B nach demselben ^"e ' Punkte M; wobei man erst rechts, dann dreimal links und zuletzt rechts geht. Man kann diese Erscheinung symbolisch so ausdrücken: ll = rlllr. Ebenso überzeugt man sich auch von der Richtig- keit der folgenden Gleichung lrl = rllr. Ferner erhält man aus diesen beiden Relationen noch zwei neue, wenn man überall r und 1 miteinander vertauscht. Diese Re- lationen kann man nun verwenden, um aus einer selbst- verständlichen Rundreise über nur fünf Stationen die auf alle 20 Stationen bezüglichen Cyclen abzuleiten. Wenn man den Umfang eines der Fünfecke, aus denen sich die Dodekaeder-Figur zusammensetzt, umkreist, so kehrt man zum Anfangspunkt zurück, indem man entweder fünfmal nach einander links oder fünfmal rechts umbiegt. Diese Thatsache nehmen wir als Ausgangspunkt. Dann erhalten wir mit fortwährender Benutzung der Relation 11 = rlllr die folgende theoretische Ableitung eines Cyclus : (11) 111 = (rlllr) 111 = (rrlllrlr) (rlllrl) = (ri-rlllrlrlr) (rrlll rlrl) = rrrlllrlrlrrrlllrlrl. Von welcher Relation man auch ausgehen mag, und wie man auch die Substitutionen vornehmen mag, man gelangt, sobald mau 20 Buchstaben erreicht hat, immer zu einer Gruppe, die sich von der eben gefundenen ent- weder nur dadurch unterscheidet, dass sie an einer andern Stelle anhebt, aber cycliseh mit ihr identisch ist, oder, dass sie statt vorwärts rückwärts läuft. Damit erkennt man von neuem, dass andere Lösungen, als die aus unserem Cyclus resultirenden unmöglich sind. Ausser Hamilton selbst bat auch der französische Artillerie-Offizier Hermary das Hamilton'sche Problem mathematisch behandelt. Von seinen beiden Methoden, um zu allen Lösungen zu gelangen, soll hier die (-ine kurz erwähnt werden. Wenn Jemand zwei aufeinander- folgende Strecken der Dodekaeder-Figur durchwandert 436 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 36. hat, so hat er dadurch immer zwei Seiten eines einzigen bestimmten Fünfecks passirt. Es kann daher beim Weiterwandern nur zweierlei stattfinden, entweder die dritte durchwanderte Strecke gehört mit den ersten beiden Strecken zu einem und demselben Fünfeck, oder die dritte Strecke gehört mit der zweiten Strecke zu einem andern Fünfeck, als das Fünfeck war, zu dem die beiden ersten Strecken gehörten. Im ersten Falle wollen wir die Art des Wanderns mit b als dem ersten Buchstaben von „bleiben" bezeichnen, im zweiten Falle mit w als dem ersten Buchstaben von „wechseln". Man kann daher bei jeder Rundreise zwischen zwei Stationen immer durch Angabe der Buchstaben b und w augeben, welche von den beiden Arten des Wanderns au jener Stelle befolgt ist, wie aus der folgenden Figur ersicht- lich ist, wo die grossen lateinischen Buchstaben in ihrer alphabetischen Reihenfolge die Rundreise angeben, und wo die Buchstaben b und w andeuten, ob die erste oder die zweite von den beiden eben angedeuteten Arten des Wanderns befolgt ist. Wir erhalten also die Reihenfolge: wwbb wbbw wwwwbbwb bwww, oder, da die erste Strecke bei einer Rundreise sich wieder an die erste anschliesst, 5 Wechsel, 2 Bleiben, 1 Wechsel, 2 Bleiben und dann in derselben Reihenfolge nochmal. Es zeigt sich leicht, dass alle Lösungen des Problems demselben soeben erhaltenen Gesetze gehorchen, wenn die Reihen- folge des Wechseins und Bleibens als cyclisch betrachtet wird, und wenn ausserdem jede Rundreise sowohl vor- wärts als rückwärts aufgefasst wird. Auch diese Methode von Hermary führt dazu, bei gegebenen Aufangsstationen leicht zu erkennen, wieviel Lösungen möglich sind, und damit die oben angegebene Tabelle der Lösungen zu bestätigen. Wenn insbesondere 5 Anfangsstationen ge- geben sind, etwa V, W, X, Y, Z, so können nur 4 Fälle eintreten, je nachdem nämlich die Strecke X Y demselben Fünfeck wie V W und W X oder einem neuen angehört, und je nachdem dann YZ demselben Fünfeck wie WX und X Y oder einem neuen angehört, d. h. wir haben nur die 4 Fälle bb, bw, wb, ww. Aus dem oben ge- wonnenen Cyelus von Buchstaben b und w entnehmen wir nun aber, dass anfangen : mit bb 2 Grup- pen, nämlich: mit b w 2 Grup- pen, nämlich: | bbwbbwwwwwbbwbbwwwww \ bbwwwwwbbwbbwwwwwbbw | bwbbwwwwwbbwbbwwwwwb \ bwwwwwbbwbbwwwwwbbwb 3) mit wb 2 Grup- J wbbwwwwwbbwbbwwwwwbb pen, nämlich: { wbbwbbwwwwwbbwbbwwww ( wwwwwbbwbbwwwwwbbwbb 4) mit ww 4 Grup- ) wwwwbbwbbwwwwwbbwbbw pen, nämlich: | wwwbbwbbwwwwwbbwbbww l wwbbwbbwwwwwbbwbbwww Aus diesem Resultat ergiebt sich immer sofort die Ent- scheidung, ob bei beliebig gegebenen fünf Anfangssta- tionen zwei oder vier Lösungen existiren. Auch die Ta- belle über die Anzahl der Lösungen bei einer andern Zahl von gegebenen Anfangsstationen konnte Hermary aus seiner Methode leicht ableiten. Trotz der grossen Eleganz sowohl der Hamiltoivsehen wie der Hermary'schen Untersuchungsmethode des Dode kaeder-Ruudreiseproblems, hält der Verfasser dieser Ar- tikel es dennoch für praktisch, eine dritte Methode noch anzufügen, welche zwar an Schärfe und Exactheit tief unter den eben besprochenen steht, aber doch den Vortheil hat, dass sie in gleicher Weise auf jede aus Punkten uud ihren Verbindungslinien bestehende Figur anwendbar ist. An eine Erweiterung des Hamil- ton'schen Ruudreiseproblems haben selbstverständlich schon Hamilton, Hermary und auch Lucas und Ball, der öfter genannte Verfasser der Recreations, gedacht. Auch der Leser wird vielleicht schon daran gedacht haben, ob die Rundreise, welche er im Sommer beabsich- tigt, die Hamilton'sche Bedingung erfüllt, dass jede Sta- tion, welche einmal berührt ist, nicht wieder berührt werden darf. Um also eine praktische Methode zu ge- winnen, welche auch bei beliebiger Anordnung von Punkten und Verbindungslinien zu Lösungen führt, be- trachten wir noch einmal unsere grundlegende Figur, die aus drei concentrischen Kreisen hervorgeht. Markirt man bei dieser Figur die durchwanderten Strecken, um sie von den nicht durchwanderten unterscheiden zu können, so mnss jede Rundreise immer 20 beschrittene und 10 unbeschrittene Strecken ergeben. Denn jede von den 20 Stationen verlässt man bei einer solchen Rundreise einmal, so dass ebensoviel Linien beschritten werden, wie es Stationen giebt. Da ferner 30 Linien im Ganzen vor- handen sind, so bleiben immer 10 unbeschrittene Linien übrig. Es ist ferner klar, dass jede Station eine, aber auch nur eine, unbeschrittene Strecke aussendet, weil von den 3 Strecken, die von ihr ausgehen, eine zur Hinreise und eine zur Abreise benutzt werden muss. Es handelt also darum, von den 30 Linien zehn auszulesen, so von jedem Punkte immer gerade eine ausgeht. Die wähl ist aber in praxi immer viel leichter, als die wähl der zu befahrenden Strecken, weil die Anzahl sich dass Aus- Aus- der letzteren 20, die Anzahl der nicht zu beschreitenden Strecken aber nur 10 beträgt. Bei- spielsweise ist die oben zuerst er- _,«.--" ~ --, wähnte Rundreise, bei welcher die Reihenfolge der berührten Stati- onen alphabetisch ist, in der bei- stehenden Figur so dargestellt, dass die 10 nicht beschrittenen Strecken continuirlich gezeichnet sind, die Rundreise selbst aber punktirt ist. Natürlich lassen sich die zehn nicht zu beschreitenden Linien auf mannigfache Weise auswählen, jedoch, wie man leicht sieht, auf nur zwei- oder vierfache Weise, wenn die 5 Anfangsstationen gegeben sind, was mit dem oben nach der Hamilton 'sehen oder Hermary'schen Methode gefundenen Resultat überein- stimmt. Beispielsweise stellen die vier folgenden Figuren r-« ■ • •>\ \z i s /.''s L \ ; --,3 A ;} V5 r— -, N 1 t l l /V'v -'S Vi A ! ! 3> 1 Nr. 36. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 437 beliebige die 4 Lösungen des Problems in dem Falle vor, wo A, B, C, K. I die 5 Anfangsstationen sind. Hier sind in allen 4 Figuren die 5 identischen Anfangsstationen mit 1, 2, 3, 4, 5 bezeichnet. Die nicht beschrittenen Strecken sind gar nicht, die beschrittenen punktirt gezeichnet Diese Methode lässt sich nun leicht auf Figuren übertragen. Man notire sich zunächst für jeden Punkt die Zahl der von ihm ausgehenden Linien. Die Hälfte von der Summe aller so notirten Zahlen ist immer die genaue Anzahl aller Linien. Vermindert man diese Anzahl um die Anzahl aller Punkte, so erhält man immer die Zahl der nicht zu beschreitenden Linien. Man hat dann soviel Linien, wie diese Zahl anzeigt, in der Figur als „verboten" zu markiren, wobei man nur auf zweierlei zu achten hat, erstens darauf, dass von jedem Punkte soviel verbotene Linien ausgehen, wie die um zwei verminderte, bei diesem Punkte nofirte Zahl angiebt, zweitens darauf, dass die so erhaltene Rundreise nicht in zwei oder mehr Kundreisen zerfällt, von denen jede in sich zurückläuft. Hat jeder Punkt, wie bei der Dode- kaeder - Figur drei Ausgänge, so muss von jedem Punkte eine verbotene Linie ausgehen. Dies ist z. B. bei der fol- genden Figur der Fall, in der 40 Punk- te durch 60 Linien miteinander zusam- menhängen, und in der wieder die 20 verbotenen Linien continuirlich ge- zeichnet sind, wäh- rend die daraus unzweideutig hervorgehende Rundreise selbst punktirt gezeichnet und überdiess noch durch die natürliche Zahlenreihe kenntlich gemacht ist. Während diese Figur einem Körper entspricht, der von 12 Fünfecken und z e h n Sechsecken begrenzt wird, ist die folgende Figur das Bild eines Körpers, der von I 12 Fünfecken und acht ! Sechsecken begrenzt wird, jedoch auch so, dass jede Ecke 3 Kanten aussendet. So entstehen 36 Punkte, die durch 36 zu be- schreitende und 18 zu vermeidende Linien zu- sind die zuerst bestimmten die Weee der Rund- Wicderum sammenhängen. verbotenen Wegen continuirlich reise selbst punktirt gezeichnet. Es bietet nun gar keine Schwierigkeit, die Methode, welche darin besteht, die verbotenen Strecken zuerst aus- zuwählen, auch auf solche Figuren auszudehnen, wo nicht jeder Punkt 3 Linien aussendet. Man hat dann bei iedem Punkte die um 2 verminderte Zahl seiner Aus- gänge zu notiren, und dann dafür zu sorgen, dass bei der Auswahl der nicht zu beschreitenden Strecken jeder Punkt soviel solcher Strecken aussendet, wie die bei ihm uotirte Zahl angiebt. Auf diese Weise sind die auf den Im] -enden Figuren punktirt gezeichneten Rundreisen ent- standen. erffiebt 0 4 \ 2 / * % k < ■7 ., \ % \ „ 2, % \ X > riebt Zum Schluss bringen wir noch eine 52 Stationen um- fassende Eisenbahnkarte, und überlassen es dein Leser, eine Rundreise aufzufinden, welche alle 52 Stationen, jede alier nur einmal, berührt, und welche keine andern Eisenbahnlinien benutzt als solche, die in der Karte ge- zeichnet sind. Die 52 Stationen sind ungefähr nach ihrer wirkliehen geographischen Lage angegeben, die Eisen- bahnlinien sind jedoch, der Einfachheit wegen, gerad- linig gezeichnet. Da nicht alle Stationen gleichviel Linien aussenden, und da die Figur sich aus Polygonen mit sehr verschiedener Seitenzahl zusammensetzt, so kann weder die Hamilton'sche noch die Hermary'sche .Methode zur Auffindung einer Lösung angewandt werden, wohl aber die zuletzt auseinandergesetzte Methode, die darauf beruht, dass man zuerst die nicht zu befahrenden Strecken methodisch ausschaltet.*) *) Die hiermit abgeschlossene Artikcl-Soi'ic wird bald auch in Buchform erscheinen. 438 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 36. Schöpfung und Wesen der Organismenform. Eine historisch-kritische Studie über alte und neue Entwickelungslehren. Von Wilhelm Haacke. (Fortsetzung.) 18. Die Lehren von Romanes und Gulick. Die Erkeuntniss, dass auf einem und demselben eng- begrenzten Wohngebiete aus einer Thier- oder Pflanzen- art nicht zwei neue Arten hervorgehen können, hat gleich Wagner auch den englischen Physiologen Romanes zur Aufstellung seiner von der Darwinschen abweichenden Artbildungslehre veranlasst. Es verdient, hervorgehoben zu werden, dass Romanes ein intimer Freund von Dar- win und sein Lieblingsschüler war, und dass Darwin ihm das Manuscript zu seiner berühmten Entstehung der Arten vermacht hat. Romanes sagt, dass die Darwinsche Theorie nicht, wie es der Titel des Darwinschen Hauptwerks vernmthen lassen könnte, eine Theorie über die Entstehung der Arten sei, sondern eine Erklärung der Anpassungen, und er begründet diese Anschauung in derselben Weise wie Moritz Wagner die seinige, nämlich dadurch, dass es der natürlichen Zuchtwahl unmöglich sei, aus einer Art zwei oder mehrere Arten zu züchten, weil die Kreuzung die Verschiedenheiten wieder beseitigen würde. Wohl könnte eine Art allmählich durch natürliche Zuchtwahl in eine andere Art umgewandelt werden, aber eine Trennung der Arten könnte das Darwinsche Princip nicht bewirken. Um die Entwicklung von zwei oder mehreren neuen Arten aus einer Stammart zu erklären, stellte Romanes seine Theorie der physiologischen Zuchtwahl auf, die von der Tkatsache ausgeht, dass nicht alle Individuen einer Art, welche sich geschlechtlich mit einander ver- binden, Nachkommen zeugen. Romanes nimmt au, dass viele Individuen einer Art mit vielen anderen Individuen unfruchtbar seien, dass aber dieselben Individuen mit vielen anderen sich auch fruchtbar verbinden könnten, etwa in der Weise, dass von den vier Individuen a, b, c, d sich a mit b und c mit d mit Erfolg begatten könnten, aber nicht a mit c und b mit d. Auf diese Weise soll eine Trennung der Arten entstanden sein, dadurch, dass eben nur bestimmte Individuen einer Art mit bestimmten anderen Individuen der Art Nachkommen zeugten. Diese Theorie würde ja allerdings die Artentrennung erklären können, wenn die Thatsachen nicht lehrten," dass die meisten Individuen einer und derselben Art unter ein- ander fruchtbar sind, und dass, wo Unfruchtbarkeit vor- kommt, diese in sehr verschiedenem Grade ausgebildet sein kann. Zwischen solchen Individuen, welche voll- kommen unfruchtbar miteinander sind, und solchen, die sich mit bestem Erfolge begatten, giebt es eine grosse Reihe von Abstufungen von sicli mehr oder minder er- folgreich begattenden Individuenpaaren, und die Wahr- scheinlichkeit ist die, dass sich in den meisten Fällen solche Individuen geschlechtlich mit einander verbinden werden, die zwar nicht im höchsten Grade fruchtbar, die aber auch nicht im höchsten Grade unfruchtbar mit einander sind. Im Grossen und Ganzen wird bei ge- schlechtlichen Vermischungen ein mittlerer Grad, der für die Art normale Grad, von Fruchtbarkeit vorliegen. Es kann also gar keine Trennung einer Art in zwei oder mehrere auf dem Wege, den Romanes angegeben hat, erfolgen. Hätte Romanes die Theorie von Moritz Wagner ge- kannt, so würde er wohl kaum zur Aufstellung seiner Theorie der physiologischen Zuchtwahl gelangt sein. Auch die Lehre von Romanes kommt schliesslich auf die alte Einschachtelungstheorie hinaus. Wenn wirklich der Nachweis geführt werden könnte, dass bei der Möglich- keit allseitiger geschlechtlicher Mischung in einem und demselben kleinen Wohngebiete trotzdem aus einer Stammesart zwei oder mehrere neue Arten hervorgehen könnten, und wenn die Auflösung einer Art auf dem von Romanes angegebeneu Wege erfolgte, so müsste man eben annehmen, dass die Individuen von vornherein so ein- gerichtet waren, dass iu den einen Fällen fruchtbare, in den anderen unfruchtbare Verbindungen erfolgen mussten, und dass die mit einander fruchtbaren Individuen sich von den Individuen, mit denen sie keine Nachkommenschaft lieferten, auch durch sonstige Eigenthümlichkeiten unter- schieden, die aber bei den mit Erfolg sich begattenden Individuen dieselben waren. Eine derartige mit der Un- fruchtbarkeit Hand in Hand gehende Verschiedenheit lässt sich aber, wie die unabgestufte Unfruchtbarkeit selbst, nur begreifen, wenn der Schöpfer von vornherein bestimmt hat, welche Individuen einer im Laufe der Zeit sich ent- wickelnden Art fruchtbar und welche nicht fruchtbar mit einander sein sollten, und das führt zur Einschachtelungs- theorie. In Wirklichkeit liegen aber die Thatsachen gar nicht so, dass Romanes gezwungen gewesen wäre, seine Theorie aufzustellen. Denn wo wir zwei auch noch so wenig von einander verschiedene Thierarten antreffen, sehen wir, dass ihre Wohngebiete sich nicht decken. Wenn aber Romanes mit seiner Lehre der physiologischen Zuchtwahl Recht hätte, so müsste eine solche Deckung in sehr vielen Fällen vorkommen, beispielsweise auf kleineren Inseln. Die Thatsachen fordern also keineswegs eine Lehre, wie sie Romanes zu begründen versucht hat. Ausser Romanes hat auch der Geistliche Gulick eine Theorie der Artensonderung, die durch dieselben Bedenken wie die WagnerSche und RomanesSche ver- anlasst worden ist, aufgestellt. Diese Theorie nimmt eine ganze Reihe von Momenten an, welche artentrennend wirken können. Es ist indessen nicht notbwendig, dass wir näher darauf eingehen; genug, dass nicht nur Wagner, sondern auch andere Naturforscher die Un- möglichkeit erkannt haben, durch die Darwinsche Zucht- wahllehre die Entstehung zweier Arten aus derselben Stammart innerhalb eines und desselben eng begrenzten Wohngebietes zu erklären, und dass folgerichtiges Denken zu dem Ergebniss führen rnuss, dass eine Auflösung einer Thierart in mehrere Arten innerhalb eines und desselben, in allen seinen Theilen gleichmässigen Wohngebietes bei der Möglichkeit allseitiger Kreuzung nur erfoigen könnte auf Grund einer Präformation. 19. SnellS Lehre vom Grundstamm. Zu denjenigen Schöpfungslehren, welche bei eon- sequenter Durchführung auf den Präformisums hinaus- laufen, gehört die Lehre vom Grundstamm, die von dem verstorbenen Jenenser Mathematiker und Physiker Snell aufgestellt worden ist. Snell war ein Anhänger der Abstammungslehre, aber für seine Lehre vom Grund- stamm war das Bestreben maassgebend, den Menschen, der, wenn die Abstammungslehre richtig ist, von niederen Thieren abstammen muss, möglichst von der Gemeinschaft mit den Thieren loszulösen. SnellS Gedankengang- war der folgende. Er sagt: Nr. 36. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 439 Alle diejenigen ausgestorbenen Thiere, die in der di- recteu Vorfahrenlinie des Menschen liegen, besassen die Fähigkeit, sich im Laufe der Stammesgeschichte zu Menschen zu entwickeln ; bei den übrigen Thieren da- gegen, nämlich bei denen, die es nicht zur Entwickelung von Menschen gebracht haben, sondern andere Thiere aus sich hervorgehen Hessen, war nicht die Fähigkeit vorhanden, sich zu Menschen umzubilden; sie war verloren gegangen. Auf diese Weise wird die Unterscheidung eines Grund- stammes der Schöpfung und seiner Seitenzweige er- möglicht. Wenn man sich den genealogischen Zusammenhang des gesainmten Thierreichs mit Einschluss des Menschen in Form eines Stammbaumes vorstellt , so liegen in dem Hauptstamm des letzteren, der oben in eine Spitze, den Mensehen nämlich, ausläuft, die directen Vorfahren des Menschen, und diese Ahnenreihe bildet den Snell'schen Grundstamm. Was sich aber von diesem Grundstamm abgezweigt hat, das konnte nicht mehr zu Menschen werden, und bildet die Aeste und Zweige des Stamm- baums. Im Grundstamm war stets die Fähigkeit, sich zu Menschen umzubilden, gewahrt geblieben. Sobald sich aber eine Thiergruppe vom Gruudstamm entfernte, ging diese Fähigkeit verloren, und zwar soll sie deshalb ver- loren gegangen sein, weil die betreffenden Thiere, wie Snell sich ausdrückt, mit den beschränkten Verhältnissen der Aussenwelt zufrieden waren, sich an sie anpassten, sich wohnlich in ihrer Umgebung einrichteten. Dagegen waren die dem Gruudstamm angehörenden Geschöpfe von einem dunklen Drange zu höherer Vollkommenheit beseelt, und dieser hinderte sie daran, sich in der be- schränkten Aussenwelt heimisch zu fühlen. Sie folgten dem Drange zur Vollendung und so entstand im Laufe der Zeiten der Mensch. In dieser Vorstellung liegt ein nicht genügend auf- geklärter Punkt der SneH'sehen .Schöpfungslehre. Was die einen Thiere veranlasst hat, sieh in der Aussenwelt heimisch zu machen und dadurch vom Gruudstamm, dem sie doch auch ursprünglich angehörten, abzuweichen, und, was ihre Brüder, die doch dieselbe Organisation besassen wie sie, zu immer höherer Entwickelung trieb, das hat uns Snell nicht gesagt. Der dunkle Drang zu höherer Voll- kommenheit, den nach ihm die Vorfahren des Menschen stets besessen haben sollen, lässt sich nur auf Grund der Prä- formationstheorie und der Einschachtelungslehre verstehen. Wenn die ineinander eingeschachtelten Keime der zu- künftigen Thiere, die zugleich mit den Stammpaaren des Thierreichs erschaffen wurden, von vornherein so einge- richtet waren, dass ein Theil der aus ihnen hervorgehenden Thiere sich durch einseitige präformirte Anpassung an die Aussenwelt gewissemiaassen in eine Sackgasse ver- rennen mussten, während andere von Generation zu Ge- neration zu immer höherer Vollendung gelangten, dann ist ja eine Erklärung für die Stammesgeschichte der Thiere und für die Form des Stammbaums gegeben. Mit dem Drang zu höherer Vollkommenheit, der nach Snell die Vorfahren des Menschen beseelt haben soll, können wir uns also nur dann einverstanden erklären, wenn wir die Präformationstheorie acceptiren. Wollen wir das nicht, so müssen wir die Vorstellung von einem Vervollkonminuugsstreben fallen lassen und durch die Einwirkungen der Aussenwelt erklären, weshalb die eine Thierreihe zu der Entwickelung von Menschen, andere zu der von Pferden, Hunden, Fischen, Insecten geführt haben. Dabei wird dann der von Snell ausgesprochene Gedanke von grosser Wichtigkeit sein, dass es die An- passung an die Aussenwelt ist, die die Thiere in be- stimmte Entwickelungsrichtungen hineindrängt, so dass aus ihnen nicht mehr alles Mögliebe werden kann. Wie etwa ein Pferd dazu gelangen sollte, sich nach und nach wieder zu einem fünfzehigen Thier, wie es seine Vor- fahren waren, umzubilden, ist nicht zu hegreifen, wenn wir, wie es die Theorie der Epigenesis thun mn-s, annehmen, dass das Pferd zu der starken Aus- bildung seiner einzigen Zehe und zu dem Verlust der übrigen vier, die bei seinen Vorfahren vorhanden waren, durch Gebrauch, beziehungsweise durch Nichtgebrauch gekommen ist. Die Lamarck'sehe Idee von der Wirkung des Gebrauchs und Nichtgebrauchs verträgt sich so, wie wir gesehen haben, mit der Theorie der Epigenesis. Das Pferd kann bei der einseitigen Ausbildung seines Fusses unmöglich seine einzige Zehe durch Nichtgebrauch zu ihrer ursprünglichen Kleinheit zurückbilden und seine ver- loren gegangenen vier übrigen Zehen durch Gebrauch wieder gewinnen. Aber auch wo die Anpassungen noch nicht in so einseitiger Weise ausgebildet sind, ist niemals eine Um- kehr möglich; wo einmal ein bestimmter Entwickelungs- gang eingesetzt hat, wird er auch, wie die Thatsachen lehren, beibehalten. Es konnten demnach allerdings nur solche Thiere zu Menschen werden, die sich nicht in allzu einseitiger Weise an die Aussenwelt angepasst hatten, die sich z. B. noch eine beträchtliche Grösse und leichte Beweglichkeit des Daumens der Hand bewahrt hatten, der beim Gorilla, dem Schimpansen und den übrigen Menschenaffen schon viel zu weit zurückgebildet ist, als dass aus diesen Thieren noch jemals Menschen werden könnten, selbst wenn alle Menschen plötzlich aus- stürben und die Menschenaffen dadurch vor der Con- currenz des Menschen gesichert wären. Der Mensch ist das, was er ist, zum grossen Theile durch die Ein- richtung semer Hände, und zwar deshalb, weil diese nicht in einseitiger Weise ausgebildet, weil ihre fünf Finger noch ziemlich gleichmässig entwickelt sind. Snell hat also Recht damit, wenn er sagt, dass bei vielen Thieren frühzeitig die Fähigkeit, Stammväter des Menschen zu werden, in Folge von Anpassung an die Aussenwelt verloren gegangen ist. Aber wenn wir eine epigenetische Erklärung für dieses Verhalten suchen wollen, so müssen wir jeden Gedanken au einen dunkelen Ent- wickelungsdrang, von dem der eine Theil der Thiere beseelt war, der andere aber nicht, verwerfen, und lediglich in den Verhältnissen der Aussenwelt die Ur- sachen der Entstehung der verschiedenen Zweige des thierischen Stammbaumes suchen. Wollen wir das nicht, dann müssen wir der Präformationstheorie folgen. 20. Kölliker's sprungweise Entwickelung. Die Anschauungen, die der berühmte Würzburger Anatom Albert von Kölliker über die Abstammung der Thiere vorgebracht hat, laufen gleich denen Snell's bei consequenter Durchführung auf die Präformations- theorie hinaus. Kölliker glaubt, dass die Umbildung der Thiere zu höheren Formen nicht allmählich, wie es die meisten Abstammungstheoretiker annehmen, sondern sprungweise erfolgt sei. In ähnlicher Weise, wie sich der Schmetterling gewissemiaassen sprungweise aus der Puppe und diese aus der Raupe hervorbildet, wie die junge Qualle oder Meduse aus dem anscheinend gänzlich verschieden geformten Polypen hervorsprosst, sollen die einzelnen Thierarten nach Kölliker auseinander hervor- gegangen sein. Daraus folgt aber, dass diese sprungweise Entwickelung nach einem vorbedachten Plane vor sich gehen muss, denn wenn aus irgendwelchen natürlichen Ursachen, die nichts mit einem vorbedachten Plane gemein haben, ein Thier plötzlich umgebildet wird, wie es ja in manchen Fällen in Folge von Einwirkung abnormer Ein- flüsse geschieht, wird in den allermeisten Fällen, ja, wir 440 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 36. können wohl sauen in allen Fällen, nichts lebensfähiges zu Stande gebracht. Da aber, falls Kölliker Recht hat, die sprungsweise aus ihren Vorfahren hervorgehenden neuen Arten der Thiere so beschaffen sein niüssten, dass sie den durch die Aussenwelt gestellten Anforderungen genügten, so kann die sprungweise Entwickelung zweck- mässig eingerichteter Thierformen nur nach einem vor- bedachten Plan erfolgt sein. Ist dem aber wirklich so, dann weiden wir zur Annahme der Präformation und der alten Einschachtelungstheorie gezwungen, dann ist bei- spielsweise in der Raupe der Schmetterling und im Schmetterling die Raupe, im Polypen die Qualle und in der Qualle der Polyp eingeschachtelt, dann waren die Keime der ersten Menschen eingeschachtelt, vielleicht in Affenweibchen, die plötzlich Menschenkinder gebaren. Die sprungweise Umbildung der Thier- und Pflanzen- welt zu Formen, die ebensosehr ihren Lebensbedingungen angepasst waren wie diejenigen, aus welchen sie plötzlich hervorgingen, lässt sich nach alledem nur auf Grund der Annahme einer Einschachtelung begreifen. Verwerfen wir diese, so müssen wir auch das Wesentliche der An- sicht Köllikers preisgeben. Indessen wird sich auch der Epigenetiker die Mög- lichkeit vor Augen halten müssen, dass eine Umbildung der Organismenformen zwar nicht plötzlich, in manchen Fällen aber sehr rasch stattfinden kann, wobei es dann theils zur Bildung lebensfähiger, tlieils zur Entstehung unzweckmässig gebauter Formen kommen kann. In allen den Fällen, wo eine schnelle Umbildung zu Arten stattfände, die nur in ganz geringem Grade von ihren Stammarten abweichen, würden wir es durchweg mit lebensfähigen Thierformen zu thun haben, in anderen dagegen, wo Thiere in Folge Versetzung in ganz abnorme Lebensverhältnisse sich stark umbilden, wird es meist nicht zur Entstehung lebensfähiger Geschöpfe kommen, wenigstens nicht solcher, die sich fortpflanzen und die gewonnenen Eigenthümlichkeiten auf die Nachkommen übertragen könnten. Wenn junge Aale und junge Flachfische auf die hohe See verschlagen und zu einer pelagiscben Lebensweise verurtheilt werden, so bilden sich die ersteren zu den sogenannten Leptocephalen, die letzteren zu den Plagusien um, beides eigenthüniliche Fiscliformen, die zwar eine Zeit lang leben, aber endlich doch ohne Nachkommen- schaft zu Grunde geben. Hier haben wir eine plötzliche Umbildung, wie Kölliker sie annimmt, aber wir sehen, dass sie nicht zu lebensfähigen Formen führt. Dagegen kennen wir Fälle von allmählicher Umbildung, die zur Bildung von neuen lebensfähigen Arten in verhältniss- mässig kurzer Zeit geführt haben. So ist das ratten- ähnliehe Kaninchen von Porto-Santo, einer kleinen Insel bei Madeira, in verhältnissmässig kurzer Zeit aus auf dieser Insel verwilderten zahmen Kaninchen entstanden. Wenn man aber der Erfahrung entgegen annehmen will,: dass die Organismenarten durch .. plötzliche Umbilduni;' aus ihren Stammarten hervorgegangen sind, ebenso, wie die letzteren aus anders beschaffenen Vorfahren, dann muss man sich auch zum Präformismus mit Eiuschluss der Einschachtelungstheorie bekennen, widrigenfalls mau die Kölliker'sche Lehre zu verwerfen gezwungen ist. 21. Haeckel's Perigenesis der Plastidule. Die Anzahl solcher Vererbungstheorien, die bei conse- quenter Durchführung auf reine Epigenesis hinauskommen, ist bedeutend geringer, als die der bewusst oder unbewusst präformistiscuen Lehren. Eine der bekanntesten unter den ersteren ist die Theorie von der Perigenesis der Plastidule oder der Wellenzeugung der Lebenstheilehen von Ernst Haeckel. Unter Plastidulen versteht Haeckel die Moleküle des Plasmas. Es sind also chemische Individualitäten, von denen er ausgeht. Diese sollen nun eine Zellen- bewegung ausführen, die sich von Generation auf Gene- ration überträgt und dadurch die Vererbung bewirkt, aber auch durch äussere Einflüsse allgeändert werden kann. Haeckel vergleicht diese Wellenbewegung mit der des Schalls und der des Lichtes; indessen ist ein solcher Ver- gleich kaum zulässig, weil es sich bei der Fortpflanzung der Schall- und Lichtwellen um Bewegung innerhalb eines ungegliederten gleichmässigen Mediums handelt, während dagegen die Wellenbewegung der Plastidule, wenn sie wirklich stattfände, den Stoff, in welchem sie vor sich geht, fortwährend neu erzeugen würde. Der Vergleich mit anderen Wellenbewegungen ist also schwerlich durch- lässig, und die Lehre Haeckel's hat es nicht vermocht, sich Anhänger zu gewinnen, wird auch heute von ihrem Begründer selbst wohl kaum noch aufrecht erhalten. Dem gegenüber muss aber betont werden, dass sie in ihrer Grundidee wenigstens keinen inneren Widerspruch enthält. 22. Die Ansichten von Gustav Jaeger. Als beachtenswerthe Ansichten haben wir die von Gustav Jaeger zu berücksichtigen. Jaeger hat zwar keine ausgearbeitete Theorie auf- gestellt; aber was er gelegentlich über die Ursachen der Formenbildung sagt, verdient Interesse. Vor allem muss hervorgehoben werden, dass Jaeger's Ansichten über Formenbildung im wesentlichen auf eine rein chemische Theorie herauskommen. Jaeger meint, dass es die vom Körper erzeugten Duftstoffe seien, die bei der Vererbung eine Rolle spielen; er geht sogar soweit, Ehegatten, die lange Jahre hindurch gegenseitig ihre individuellen Duft- stoffe eingeathmet haben, in ihrer Gesichtsbildung ein- ander ähnlich werden zu lassen. Ja, er lässt auch die Form von Pflanzenblättern durch den von gänzlich ver- schiedenen anderen neben ihnen stehenden Pflanzen aus- gehenden Duft beeinflussen. Nach alledem wären es also gewisse vom Körper erzeugte chemische Stoffe, die bei der Formenbildung eine grosse Rolle spielen und auch, indem sie die Keim- zellen imprägniren, die Vererbung bewirken. Jaeger's Theorie hat zum Theil wenigstens, das Piclitige getroffen. Es ist bekannt, dass Bestandteile der Nahrung die Formen der Organismen beeinflussen. So z. B. wirkt der stärkere oder geringere Salzgehalt des Wassers auf die Formen gewisser in ihm lebender Krebse und Fische ein. Chemische Einflüsse spielen sicher bei der Formen- bildung eine grosse Rolle, dürfen indessen nicht über- schätzt werden. (Fortsetzung folgt.) Ueber die Gliederung der Vegetation von Usam- bara und der angrenzenden Gebiete veröffentlicht der Director des Berliner Kgl. botanischen Gartens und Mu- seums, A. Engler, in den Abhandlungen der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften eine Arbeit. Er gliedert die Flora des Gebietes in VIII Zonen: I. For- mationen des Strandlandes, II. Formationen der Oeekzone (auf recentem Kalk), III. Form, des Buschlandes der Jura- steppenvorlandes, VI. Form, der tropischen Gebirgswaldkalk- formatdon, IV. Nyikasteppe, V. Form, des Buschregion, VII. baumlose und baumarme Formationen des höheren Gebirgslandes und VIII. der Hochgebirgswald über 17ÜÜ m. Nr. 36. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 441 Es ergiebt sich, dass Zone I in Uebereinstimmung steht mit den Küsten des indischen Oceans, dass Zone II auch noch einige in den Küstenländern des tropischen Asiens weit verbreitete Formen enthält, dass aber die Hauptmasse der in Zone II vorkommenden Arten zusammen mit denen von III — V dem Element der afrikanischen Steppen-, Steppenbusch- oder Savannengehölzflora an- gehört, welche sich unter mancherlei Abänderungen von Senegambien bis Abyssinien, von Abyssinien durch das Somali- und Gallaland bis nach dem Griqualand und um das Congogebiet herum bis nach Angola erstreckt. Dasselbe Element kehrt auch theil weise in der Zone VII wieder; aber hier treten ausserdem Typen wie Aristea, Myrica, Protea, *Faurea, Silene, Ranuneulus, Linnm, Gcra- nium, Pelargonium, Crassula, Alcheniilla, Trifolium, *Stru- thiola, Olinia, *Ericinella, *Philippia, Myrsine, Swertia, *Selago, Helichrysum und andere auf, die meistens in Abyssinien und dem Caplande wiederkehren (die mit einem * versehenen nicht in Abyssinien), von denen einige, je weiter wir uns dem Caplande nähern, um so häufiger werden. Andere Typen des abyssinischen Hochlandes, entweder dieselben Arten oder nahe verwandte, wie Lysi- machia, Veronica, sind bis jetzt südwärts von Usambara noch nicht beobachtet worden. Das mediterrane Element, welches in der abyssinischen Hochgebirgsflora so stark hervortritt, ist in der Hochgebirgsflora Usambaras ebenso wie in der des Kilimandscharo nur wenig bemerkbar; nur einige Typen wie Silene, Linutn und Trifolium, die süd- wärts wieder zu reicherer Artentwickelung gelangen, finden sich auch in Usambara. Auch die Flora der Zone VIII schliefst sich wie die der Zone VII grossentheils au die Flora des abyssinischen Hochlandes an. Etwas mehr als die Hochgebirgsflora Usambaras nähert sich die Tropenwaldflora Usambaras derjenigen der Savannen- gehölze; aber der feuchte untere Tropenwald (Via) ent- hält ein Element, welches mit der im ganzen Osten, im Norden und Süden Afrikas so reich entwickelten Steppen- und Savannengehölzflora in gar keiner verwandtschaft- lichen Beziehung steht, dagegen in hohem Grade mit der in Westafrika von Senegambien bis zum Congo ent- wickelten Tropenwaldflora. Zwar ist gegenwärtig Usam- baras Reichthum an hydromegathermen Arten bei Weitem nicht so gross, wie derjenige Kameruns und Gabuns; aber es ist sicher, dass bei weiterer Erforschung der Ur- wälder Usambaras die Zahl der hydromegathermen Arten sich noch erheblich steigern wird. Wie sind nun, da doch Usambara fast ringsum von Steppengebieten umgeben ist, die angedeuteten eigen- artigen Verhältnisse der Zonen VI bis VIII zu erklären? Bevor die Sammlungen Ho Ist's in unsere Hände gelangten, wusste man über den Charakter der tropischen Waldflora Ostafrikas nichts. Es war ja möglich, dass derselbe mehr mit dem Tropenwald Ostindiens überein- stimmte, als mit dem Westafrikas. Jetzt ist nachgewiesen, dass dieser Tropenwald aus Formen zusammengesetzt ist. welche entweder selbst in dem Gebiet von Senegambien bis zum Congo auftreten, oder mit den dort vorkommenden Arten nahe verwandt sind, und dass die ostafrikanische Tropenwaldflora nicht reicher an Beziehungen zur ost- indischen AValdflora ist, als die westafrikanische. Be- rücksichtigt man ferner, dass sich in den Sammlungen Schweinfurth's aus dem Ghasal - Quellengebiet eine grosse Anzahl Arten gefunden hat, welche zur west- afrikanischen Waldflora in gleicher Beziehung stehen, dass dasselbe auch noch in gewissem Grade von der AValdflora am Westfuss des abyssinischen Hochlandes gilt, dass die Sammlungen Dr. Stuhlmann's auf der Emin Pascha-Expedition ein Vordringen zahlreicher westafrika- nischer Waldtypen bis nach Unyoro und Uganda ergeben haben, dass nicht blos am unteren, sondern auch am oberen Congo und seinen Nebenflüssen sich breite Streifen geschlossenen Urwaldes erstrecken, dessen Bestandtheile uns allerdings nur durch Pogge's Sammlungen vom Lu- lua und Lualaba bekannt geworden sind, so kann an dem einheitlichen Charakter der tropischen Waldflora Afrikas nicht gezweifelt werden. Ks entstellt nun die Frage, ob die Waldflora des tropischen Ostafrika von Westen her in die Steppenflora eingedrungen ist, oder ob der Wald früher eine grössere Ausdehnung gehabt und die Steppen- oder Savannengehölzflora an Ausdehnung gewonnen hat. Das Letztere ist aus guten Gründen das Wahrscheinlichere. — Es stellen die ostafrikanischen Gebirge die Reste eines alten vorsilurischen Tafellandes dar, das in mehrere Schollen zersprengt und hier und da von eruptiven Ge- steinen durchbrochen und überlagert wurde. Es ist also ziemlich sicher anzunehmen, dass vor der Zersprcngung des ostafrikanischen Tafellandes im Osten desselben die Seewinde an mehr Stellen, als später und als gegen- wärtig die Entwickelung der tropischen Regenwald- und auch der Bergwaldflora begünstigten. Nach den Be- richten Dr. Stuhlmann's sind auch I'nguu, Ussagara und Ukami jetzt noch reich an Wäldern. Westlich vom Tanganyika-See stossen wir aber bald auf die von tro- pischem Urwald begleiteten Nebenflüsse des Congo. So waren also einerseits früher, als das Tafelland noch weniger zersprengt war, ausgedehntere Wälder vorhanden; andererseits muss auch in Betracht gezogen werden, dass vor dem Auftreten des Menschen in Afrika die Wälder dichter waren, als gegenwärtig, dass in dem Vorland (Zone Va, fruchtbares Buschsteppenvorland, und Vb, sehr fruchtb. B.), so lange der Mensch noch nicht Gehölze niederbrannte, sich ein reichlicherer Baumwuchs ent- wickeln konnte. Wenn also auch nicht ein zusammen- hängendes von Westafrika bis Ostafrika durchgehendes Waldgebiet vorhanden war, so waren doch die Stationen, auf denen die Waldpflanzen etappenweise vordringen konnten, einander mehr genähert. Ebenso lagen die Ver- hältnisse für die Wanderung der Gehölze und Kräuter der Regionen VII und VIII, für den Austausch zwischen Abyssinien und Südafrika günstiger, als die Gebirge noch mehr Zusammenhang besassen. Wenn es aber gerade die Seewinde sind, durch welche an den Abhängen der Ge- birge Ostafrikas Niederschläge geschaffen werden und die Entwickelung tropischer Waldflora sowie der Berg- wälder ermöglicht wird, so müssen auch immer im Westen der ostafrikanischen Gebirgsmassen und anderen Unter- brechungen Landstriche vorhanden gewesen sein, denen nur wenig Niederschläge zukamen und die deshalb zur Besiedelung durch xerophytische Pflanzen geeignet waren. Die xerophytische Flora Afrikas ist zwar mit derjenigen Ostindiens und des östlichen Mediterrangebietes recht ver- wandt; aber sie ist doch so reich an den merkwürdigsten endemischen Erzeugnissen, dass sie jedenfalls schon seit sehr lauger Zeit in Afrika vorhanden gewesen sein muss; auch ist zu beachten, dass wir Gattungen, ja sogar Familien (Zygophyllaceae) kennen, deren Vertreter sümintlieh, so- wohl in Asien wie in Afrika, xerophy tisch sind. Es zeigt ferner eine Revision der Früchte und Samen der Xerophyten Afrikas, dass dieselben fast durchweg mit ausgezeichneten Verbreitungsmitteln versehen sind. Geflügelte Früchte und Samen sind ganz auffallend häufig; ebenso finden sich Klettapparate an sehr vielen Früchten und Samen. Die erstereu befähigen zur Verbreitung durch die in den Steppen sehr häutig herrschenden heftigen Winde, die letzteren zur Verbreitung durch die ungemein reiche und wanderungslustige Thienvelt der Steppe. Da- zu kommt, dass es in der Steppe nie an Stellen fehlt, welche noch nicht von Pflanzen in Besitz genommen sind, 442 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 36. und dass also, wenn zufällig für die Keimung günstige Verhältnisse eintreten, die angewehten oder eingeschleppten Früchte und Samen auch zur Entwickclung kommen können. Da sich im Grasland und auf den Felsen Usambaras mehrere Pflanzen finden, welche auch an dem nahegele- genen Kilimandscharo vorkommen, so konnte mau ver- muthen, dass ein Theil der dem Kilimandscharo eigen- thümlichen Arten verwandschaftliche Beziehungen zu der Flora Hochusambaras zeigen würde. Dies ist aber nur zum geringen Theil der Fall; gerade die in den höchsten Kegionen vorkommenden eigenthümlichen Arten wie Bartsia kilimandscharica, Uebelinia rotundifolia, Alchemilla argyro- phylla, Lobelia Deckenii, Helichrysum Meyeri Johannis, auch die Blaeria-Arten und andere zeigen entweder Verwandtschaft zu abyssinischen oder zu südafrika- nischen Arten, theils auch zu Arten des Runssoro. Es sind noch zu viele Hochgebirge Afrikas unerforscht, um ein endgültiges Urtheil über die Herkunft aller afri- kanischen Hochgebirgsarten fällen zu können; aber so viel ist sicher, dass auf einem hohen Vulcan viel leichter auf alten Hochgebirgen entstandene Arten zur Ansiedelung gelangen, als Arten niederer Regionen sich in solche höherer Regionen umwandeln, gerade so, wie die plötz- lich nach dem Kilimandscharo versetzten Europäer sich ohne Schädigung ihres Wohlbefindens in Höhen ansiedeln können, in welchem die am Fuss des Kilimandscharo wohnenden Neger noch nicht Wohnsitze aufzuschlagen ge- wagt haben. Lichtelektrische Versuche sind bereits seit längerer Zeit seitens mehrerer Physiker angestellt, worden, ins- besondere haben die Herren Elster und Geitel zu Wolfenbüttel auf diesem Gebiete ausgedehnte Experimente gemacht und darüber interessante Mittheilungen ver- öffentlicht. In dem neuesten Heft von Wiedemann's An- nalen der Physik und Chemie (N. F., Bd. 52, Heft 3) berichten sie insbesondere über die Ergebnisse ihrer Ver- suche über die lichtelektrische Empfindlichkeit der Alkali- metalle Natrium, Kalium, Rubidium, auf welche hier kurz hingewiesen werden möge. Bereits früher haben die genannten Physiker darauf aufmerksam gemacht und den Satz als Regel hingestellt, dass die lichtelektrische Empfindlichkeit eines Metalles durch seine chemische Natnr in der Weise bestimmt wird, dass die am meisten elektropositiven auch die lichtempfind- lichsten sind. Es nimmt aber nicht nur die Empfindlich- keit für schwache Lichteindrücke mit dem elektropositiven Charakter des Metalles zu, sondern es ergiebt sich zugleich eine grössere Fähigkeit, auf Licht von immer grösseren Wellenlängen zu reagiren. Um die lichtelektrische Er- regung und Zerstreuung zu zeigen, muss man z. B. Platten von Platin, Silber, Kupfer durch intensives, ultraviolettes Licht bestrahlen lassen, hingegen wirkt auf Zink, Alu- minium, Magnesium schon das sichtbare Violett und Blau merklich ein, während schliesslich für die Alkalimetalle in einer Atmosphäre verdünnten Wasserstoffes der Em- pfindlichkeitsbereich sich bis in das spectrale Roth er- streckt und das Eintreten einer messbaren Wirkung bei Lichtintensitäten eintritt, die selbst für eine Schätzung mit dem Auge gering sind. Die in Rede stehenden Versuche hatten den Zweck, Vergleichungen der Farbenempfindlichkeit der genannten Alkalimetalle mit einiger Genauigkeit auszuführen. Wir übergehen hier die nur den Physiker interessirenden Ver- suchsanordnungen und beschränken uns auf eine Wieder- gabe der allgemeinen Ergebnisse. Dieselben lauten nach der angeführten Abhandlung: 1. Die drei Alkalimetalle Natrium, Kalium, Rubidium haben farbigem Lichte gegenüber verschiedene lichtelek- trische Empfindlichkeit. Ordnet man sie nach ihrer Em- pfindlichkeit gegen Licht grösserer Wellenlänge, so erhält man die Keihenfolge Rb, Na, K. Rubidium ist bei Bestrahlung durch weisses Licht den beiden anderen Metallen ebenfalls weit überlegen. 2. Bei Bestrahlung der ebenen Fläche einer Alkali- metallkathode durch polarisirtes Lieht wird die Strom- intensität am grössten gefunden, wenn die Polarisations- ebene zu der Einfallsebene senkrecht steht, am kleinsten, wenn sie mit ihr zusammenfällt. 3. Elektrische Schwingungen von sehr kleiner Pe- riode, wie sie durch einen Hertz'schen Oscillator geliefert werden, sind bei Gegenwart von Alkalimetallen auf ein verdünntes Gas durch Belichtung übertragbar, mag dabei das Gas einer eonstanten elektrischen Spannung ausgesetzt sein oder nicht. Schliesslich erwähnen wir noch einige Versuche über die lichtelektrische Empfindlichkeit von Flussspathvarie- täten, welche Elster und Geitel ebenfalls in der oben ge- nannten Abhandlung mittheilen. Bereits früher haben die Genannten darauf aufmerksam gemacht, dass Flussspath- stücke mit frischen Bruchflächen zu den Körpern gehören, die bei Bestrahlung durch Tages- und Sonnenlicht nega- tive Elektricität von ihrer Oberfläche entweichen lassen. Indesen ist diese Fähigkeit bei den verschiedenen Fluss- spathvarietäteu verschieden, und es ergiebt sich aus den augestellten Versuchen das Resultat: 4. Die lichtelektrische Zerstreuung von pulverisirtem Flussspathe aus ist von der Färbung des Minerals in der Art abhängig, dass die am tiefsten blauviolett oder grün gefärbten Varietäten die lichtempfindlichsten sind. Die im October des laufenden Jahres bevor- stehende Marsopposition, bei welcher sich der Planet 9° nördlich vom Himmelsäquator zeigt, verspricht eine ausserordentlich günstige zu werden, und uns eine Fülle näherer Kenntnisse über diesen, gegenwärtig im Vorder- gründe des Interesses stehenden Himmelskörper zu bringen. Schon im vergangenen Sommer sind nämlich nach tele- graphisch aus beiden Welten eingelaufenen kurzen Mit- theilungen hochwichtige Wahrnehmungen gemacht worden. Javelle in Nizza sah am 28. Juli und Douglas in Arizona sogar schon am 19. Juli am südlichen Theil der Licht- grenze des Planeten helle Hervorragungen, die möglicher- weise als bereits von der Sonne beleuchtete Bergrücken aufzufassen sein werden. Ausserdem kabelte kürzlich Pickering die Nachricht, dass Percival Lowell auf seinem Observatorium in Arizona festgestellt habe, dass die Binnenseen des Mars mit unpolarisirtem, der grosse polare Ocean jedoch mit polarisirtem Licht leuchte, wonach nur der letztere als Wasserfläche anzusehen sein würde. Ent- sprechend diesen Anfängen dürfen wir von der dies- jährigen Beobachtungsperiode unseres Nachbarplaneten gewiss viel erwarten und werden seiner Zeit nicht ver- fehlen, die definitiven Ergebnisse derselben unseren Lesern kurz zusammenzustellen. F. Kbr. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Dr. li. Scharizer zum ordentlichen Professor der Mineralogie au der Universität Czernowitz; Dr. W. Scott, zum Director des botanischen Gartens auf Mauritius; Privatdocent Dr. Solereder zum Custos am Königlichen Bota- nischen Institut in München; der ausserordentliche Professor der Medicin Dr. Hermann Lossen in Heidelberg zum ordentlichen Professor; der Privatdocent der gerichtlichen Medicin Dr. Fritz Strassmann in Berlin zum ausserordentlichen Professor; zum Leiter der bisher durch Professor Soltmann verwalteten Ab- Nr. 36. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 44:1. thcilung itn Allerheiligenhospital zu Breslau dessen bisheriger Assistent Dr. Tod teil höfer; der Bibliothekar di's kaiserlichen Gesundheitsamtes Dr. i 1 Arthur Würzburg, der technische Hilfsarbeiter daselbst I>r med. Leopold Brühl und Dr. med. Birawer in Berlin zu Sänitätsräthen ; Sanitätsrath Dr. med. C. E. Kalischer in Berlin zum Gehei n Sanitätsrath; der Privatdoeent und Honorardocent Saska an der böhmischen tech- nischen Hochschule in Prag zum ox-dentlichen Professor der tech- nischen Mechanik ; der Privatdoeent und Gymnasialprofessor Dr. Nouwirth zum ausserordentlichen Professor an der deutsehen Universität Prag. Ks wurden berufen : der Privatdoeent in der medicinischen Fakultät in Prag Dr. Adalbert Marianus Czerny zum ausser- ordentlichen Professor für Kinderheilkunde in Breslau; der Privat- doeent der Physiologie in Moskau, Dr. Popow nach Dorpat als ausserordentlicher Prpfes or Ks h.-dien sieh habilitirt': Dr. Heüsler für Chemie in Bonn; für Botanik die Doctoren: Saverio Belli in Turin, Eugen io Baroni am 11. .1. di Studi superiori in Florenz, Antonio Bottini in Pisa, Luigi B n scal ioni in Turin, Frid iana Ca va ra in Pavia, < Kv a Id o K ru c k in Koni. Aus dem Lehramt scheidet: der Doeent der therapeutischen Klinik in Moskau. ( ieheimrath Dr. Sacharjin. Es sind gestorben: der Gründer der Wiener freiwilligen Rettungsgesellschaft Baron Jaromir von Mundy in Wien (durch Selbstmord); der Assistenzarzt an der chirurgischen Ab- theilung des Moabiter Krankenhauses Dr. Albert Finkelstein; der Conservator des Zoologischen Museums der Petersburger Aka- demie der Wissenschaften S. M. Herzenstein: das correspon- dirende Mitglied der Section für Anatomie und Zoologie in der Pariser Akademie Gustave Cotteau; der ehemalige Professor für Geodäsie am Züricher Polytechnicum Johannes Wild. L i 1 1 e r a t u r. Engler und Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien, fortgesetzt von A. Engler, lut> — 108. Lieferung. Wilhelm Engelmann. Leipzig 1894. — Preis in Subseription a 1,50 sonst 3 M. Mit der Doppellieferung 106/107 ist Abtheilung 6a von Bd. III, enthaltend die Flacourtiaceen, Turneraeeen, Malesherbiaceen, Passifloraceen, Caricaceen, Loasaceen, Begoniaceen. Datiscaceen, Cactaceen, Geissolomaceen, Penaeaceen, i fliniaceen, Thymelaea- e.een und Elaeagiiaeeen ahgeselilossen worden. Ausserdem enthält diese. Doppellieferung die Fortsetzung der Borraginaceen. Lief. 108 bringt den Schluss dir Gesneriaceen, ferner die Columellia- ceen (bearb. von K. Fritsch) und den Beginn der Biguoniaceen (K. Schumann.) Professor Dr. Ferdinand Löwl. Die gebirgsbildenden Felsarten. Eine Gesteinskunde für Geographen. Mit 25 Abb. Ferdinand Enke. Stuttgart 1893. Das Büchelchen soll namentlich demjenigen Geographen dienen, der sein Arbeitsfeld von einer anderen als von geo- logischer Seite her betreten hat. Verfasser bemüht sich daher, den Bedürfnissen ungeschulter Leser durch eine elementare Ein- führung in die Gesteinskunde Rechnung zu tragen. Die Schrift „ist als Legende zu einer Sammlung von Handstücken gedacht, und soll angehende Geographen, die gar keine mineralogischen Vorkenntnisse besitzen, so weit bringen, dass sie die wichtigsten Gesteine mit den einfachen Hilfsmitteln, auf die man im Fehle angewiesen ist, bestimmen können." — Das Buch ist sehr empfchlenswerth. Hofrath Dr. H. Caro, Ueber die Entwickelung- der Theer- farben- Industrie. In Commission bei R. Friedländer & Sohn. Berlin 1893. — Preis 3.60 Mk. Die vorliegende treffliche, ursprünglich in den Berichten der Deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin erschienene Schrift ist demjenigen, der sich für die grosse Theerfarben - Industrie interessirt oder mit derselben in Berührung steht, angelegentlichst zu empfehlen. Sic ist von der Deutschen chemischen Gesellschaft besonders herausgegeben worden und ihr Ertrag für das Hoff- mann-Haus bestimmt. Dr. M. M. Richter, Die Benzinbrände in den chemischen Wäschereien. Robert Oppenhoim (Gu -t:u Schmidt ). Berlin 1893. ■ Preis 1 Mk. Verfasser ist Director einer chemischen Wäscherei und Färberei in Hamburg, und hat es sieh zur Aufgal teilt, die dunklen Ursachen mancher Benzinbrände zu erforschen. Die Brände beruhen nach Richter auf der Reibungselektricität, die beim Schwenken der Stoffe im Benzinbade en( teht. Verl giebt Mittel zur Verhütung solcher Brände an. M. Berthelot, Praktische Anleitung zur Ausführung thermo chemischer Messungen. Autorisirte Uebersetzung von Prof. G. Sichert. Johann Ambrosius Barth (Arthur Meiner). Leipzig 1893. — Preis 2 Mk. „Die Thermochemie — sagt Berthelot — gewinnt von Tag zu Tag eine grössere Bedeutung, weil sie- dat Maas für die bei den chemischen Vorgängen geleistete Arbeit liefert. Sie bildet die Grundlage der chemischen Mechanik." Ks ist deshalb ehi verdienstlich, dass B. sich entschlossen hat, dem Drängen von verschiedenen Seiten nachzugeben und das vorliegende Büchlein, welches die Methoden der Thermochemie beschreibt, zu ver- öffentlichen. Die deutsche Uebersetzung wird vielfach mit I reu den begrüsst worden sein. H. F. Wiebe, Tafeln über die Spannkraft des Wasserdampfes zwischen 96 und 101.5 Grad Auf Grund der Ergebnisse neuer Versuche berechnet. Friedrich Vieweg & Sohn. Braunschweig 1804. — Preis 2 Mark. Alle bisherigen Tafeln über die Spannkraft des Wasser- dampfes stützten sich auf die vor etwa 50 Jahren ausgeführten Versuche von Regnault. Dem Verfasser, einem Mitglied der physikalisch-technischen Reichsanstalt, machten sich jedoch bei Thermometerprüfungen gewisse Ungenauigkeiten in den vor- handenen Tafeln bemerklich und er unternahm darum im Verein mit Fr. Grützmacher im Auftrage der Reichsanstalt eine völlig neue, unabhängige Versuchsreihe, deren Ergebniss zur Berechnung der vorliegenden Tafeln führte, die gegenüber den früheren eine etwa fünffach gesteigerte Genauigkeit erlangt haben. Das Heft enthält zwei Tafeln, deren erste zum Argument der Temperatur (von hundertel zu hundertel Grad) die Spannkraft angiebt, wäh- rend die zweite zu letzterer als Argument (nach zehntel Milli- tern fortschreitend) die zugehörige Temperatur anzeigt Die erste Tafel ist zur Erleichterung hypsometrischer Bestimmungen aus Siedepunktsbeobachtungen, die zweite zur Ermittelung des Se depunkts der Thermometer bei beliebigem Luftdruck bestimmt. Sonach wird sowohl der Forschungsreisende als auch der praktische Physiker aus den genauen, neuen Versuchsergebnissen Nutzen ziehen können. Der Umfang der Tafeln wurde so gross gewählt, dass dieselben für fast alle an der Erdoberfläche vorkommenden Barometerstände ausreichen werden. Besonders wcrthvoll ist noch der Umstand, dass die Temperaturen in Graden des Luft-Ther- mometers ausgedrückt sind. F. Kbr. Canto, Aug., Der Positivismus in seinem Wesen und seiner Be- deutung, Leipzig. — SM. Dühring-, Dr. E., Gesammtcursus der Philosophie. 1. Theil. 4. Auflage. Leipzig. — 9 M. Kohlhofer, Pfr. Mathias, Die Natur des thierischen Lebens und Lebensprincip. Kempten. — 4 M. Ostwald, W., Die wissenschaftlichen Grundlagen der Chemie. Leipzig. — 4 M. Semper, Prof. Dr. C, Ueber die Niere der Pulmonaten. Wies- baden. — 24 M. Senft, weil. Geh. Hofrath Prof. Dr. Ferd., Geögnostische Wan- derungen in Deutschland. II. Band. '-'. Abtheilung. 2 — 7. Theil. Hannover. — Tyndall, Prof. John, Die Wärme betrachtet als eine Art der Bewegung. 4. Auflage. Braunschweig. — 12. M. Walther, Prof. Johs., Einleitung in die (loologie al historische Wissenschaft. III. (Schluss-) Theil. Jena. — 13 M. Windelband, Prof. Dr. Wilh., Geschichte und Naturwissenschaft. Strassburg. — 0,60 M. Inhalt: Prof. Dr. H. Schubert, Mathematische Spielereien in kritischer und historischer Beleuchtung. — Wilhelm Haacke, Schöpfung und Wesen der Organismeuform. (Fortsetzung). — lieber die Gliederung der Vegetation von Usambara und der grenzenden Gebiete. - Liehtelcktrische Versuche. — Die im Oktober des laufenden Jahre- bevorstehende .Marsopposition. angr__ Aus dem wissenschaftlichen Leben. -- Litteratur: Engler und Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien. - Professor Di- Ferdinand Löwl, Die gebirgsbildenden Felsarten. — Hofrath Dr. H. Caro, Ueber die Entwickelung der Theerfarben-Industrie. — Dr. M. M Richter, Die Benzinbrände in den chemischen Wäschereien. — M. Berthelot, Praktische Anleitung zur Ausführung thermochemischer Messungen. — H. F. Wiebe, Tafeln über die Spannkraft des Wasserdampfes zwischen 96 und 101,5 Grad. — I i te. 444 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 36. at ent e p f aller Länder erwirken und verwenden Brögelmann & Hirschlaff, Ingenieure. Berlin SW., Zimmerstr. 13. I. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Soeben erschien: Japaner und Altaier. Heinrich Winkler. 24 Seilen gr. S". Preis 1 Mark. 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Sonntag, den 1(3. September 1894. Nr. 37. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Brineegeld hei der Post 15 *j extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 ■&. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Iuseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger <»,uelleiiaiijjaue gestattet. Aus Sa. Catharina, Brasilien. Von Dr. Alfred Müller. 1. Blumenau als geeignetster Ort für eine botanisch-zpologische Tropenstation. Blumenau, die deutsche Kolonie am Itajahyfluss im brasilianischen Staat Sa, Catharina, ist unter den Gebildeten Deutsch- lands ein verhältnissmässig wohl- bekannter ( Irt geworden, und ganz besonders gut kennen es alle, die für Naturwissenschaften im Allge- meinen, für Biologie insbesondere, regen Sinn haben. Ist es doch die zweite Heimath des grossen Biologen, Dr. Fritz Müller's, der vor nunmehr 40 Jahren dorthin auswanderte. Ihm und seinen Arbeiten allein verdankt der weltferne kleine Ort im Unvalde, dass er bekannt wurde über die ganze Erde an allen Stellen, wo Botaniker und Zoologen arbeiten, lieber die Persönlichkeit Fritz Müller's drang oftmals Kunde nach Europa; immer grösser ist der Kreis derer geworden, welche jede solche Nachricht mit Freude und Antheil- nalmic begrüssen, immer grösser die Anzahl solcher, die ihn aus seinen Arbeiten kennen oder durch Briefe mit ihm in Verbindung getreten sind. Zu seinem 70. Geburtstage am 31. März 1890 brachte der kleine Flussdampfer Grüsse aus allen fünf Welttheilen deu Itajahy herauf nach Blumenau, und ein prächtig aus- gestattetes Album, welches die deutsehen Naturforscher, besonders Botaniker mit ihren Bildern und Namensunters» sandten, legte ein schönes, auch den Empfänger herz- Fig. 1. Dr. Fritz Müller am seiner Colonie am Rande des Waldes, der durch einen einlachen Zaun gegen die Weide hin abgesperrt ist. Nach einer photogr. Aufnahme von A. Möller im Deeember i«iü briften, lieh erfreuendes Zeugniss ab von der allgemeinen Verehrung, die in seinem Vaterlande für ihn gehegt ward, ein Zeug- niss auch für die Dankbarkeit, durch die gar viele For- scher sich ihm verbunden fühlen. Denn nie wohl hat sich ein wahrhaft strebender Naturforscher an F. Müller gewendet, ihn um Auskunft bittend oder um Material aus dem dortigen Walde, ohne dass er erhalten hätte, was immer nur zu erreichen möglich war. Rück- haltlos theilte er seine Beobach- tungen und Erfahrungen mit. und keine Mühe, keinen noch so be- schwerlichen Weg scheute er je, wenn es galt, für diese oder jene Arbeit brauchbares Material zu suchen, sobald er nur die Ucber zeugung hatte, dass es sieh um ernsthafte wissenschaftliche Unter- suchungen handelte. Briefmarken- sammler und Naturaliensammler ähnlicher Gattung freilich, wurden kürzer abgefertigt, doch eine Ant- wortpostkarte erhielten sie auch, wenn sie nicht gar zu unvernünftige und — was auch wohl vorkam — unbescheidene Anforderungen vor- gebracht hatten. Die eigene Person hat Fritz Müller stets in den Hinter- grund geseliolien mit einer fast zu grossen Geflissentlichkeit. Solange sein Bruder Hermann Müller in Lippstadt, solange Darwin lebte, war es seine grosse Freude, die boten Ergebnisse seiner Ben, achtungen in Briefen an diese niederzulegen, und diese Art der Mittheilung ihm vollkommen. Ihn freute es, wenn andere beiden genügte 446 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr.. 37. seine brieflich mitgetheilten Beobachtungen in ihren Ver- öffentlichungen verwerteten. Die Beobachtung war seine liebste, seine tägliche Beschäftigung, die Mittheilung hielt er für nothwendig an die wenigen, von denen er wusste, dass sie an dem betreffenden Gegenstande ein verständniss- volles Interesse nähmen. Umfangreiche schriftstellerische Arbeit, liebte er nie, sie hielt ihn von den Beobachtungen ab, und der Gedanke, durch Mittheilung seiner For- schungsergebnisse für seine Person Vortheile irgend welcher Art zu gewinnen, ist wohl nie in ihm aufgestiegen. Der Wunsch, den Darwin in einem Briefe einmal ausdrückte: „ich hoffe ernstlich, dass Sie sich von allen Ihren Briefen Notizen bewahren und dass Sie eines Tages ein Buch herausgeben: ,Notizen eines Naturforschers in Süd-Brasilien'", ist nicht in Erfüllung gegangen und wird auch wohl nicht in Erfüllung gehen. Hat doch Dr. F. Müller ausser der Schrift „für Darwin" kein einziges selbständig im Buchhandel erschienenes Werk geschrieben, und dennoch mag es wenige, wenn überhaupt irgend Jemand geben, der über ein reicheres, der Mittheilung wertheres wissenschaftliches Material verfügt, wie er, der in der Fülle des tropischen Reichthums mit nie ermüden- der Ausdauer und immer frischer Begeisterung Tag für Tag seit so langen Jahren arbeitet. Er liebte es. das Ergebniss mühevoller, jahrelang fortgesetzter Beobach- tungen auszugsweise, nur auf wenige Seiten zusammen- gedrängt, in Zeitschriften zu veröffentlichen. So giebt es zahlreiche Aufsätze von ihm im Kosmos, in den ento- mologischen Nachrichten und anderen zoologischen Zeit- schriften, in den Berichten der deutschen botanischen Gesellschaft und zerstreut an vielen anderen Orten in der Litteratur, welche auf wenigen Seiten das Wesent- lichste mittheilen von ausgedehnten Untersuchungsreihen. Die allmählich für eine solche Arbeit aufgesammelten Notizen nahmen oftmals wohl mehr als den zwanzig- fachen Raum der Mittheilung selber ein. Aber eben um ihres zusammengedrängten reichen In- halts willen wurden die kurzen Mittheilungen Fr. Müller's nun unter den Naturforschern berühmt, und trotz ihrer Kürze ging von ihnen auf viele Leser eine Fülle der Anregung aus, wie sie umfangreiche Bände vielleicht nicht reicher hätten spenden können. Auf Blumenau, den Ort, an dem so viele werthvolle naturwissenschaft- liche Ergebnisse gewonnen wurden, richtete sich die Aufmerksamkeit immer weiterer Kreise, und es konnte wohl nicht ausbleiben, dass manchem der Wunsch er- wachte, den Ort aus persönlicher Anschauung kennen zu lernen. Seit die vervollkommneten Hilfsmittel der Neu- zeit das Reisen erleichtern und verbilligen, ist schon eine verhältnissmässig beträchtliche Anzahl von Naturforschern zu Studieuzwecken in Blumenau gewesen. Als Sammler auf botanischem, ganz besonders auf kryptogamischem Gebiete hat Herr E. Ule, jetzt am bota- nischen Museum in Rio de Janeiro thätig, sich hervor- gethan. Mit ausserordentlichem Fleisse hat er nicht nur die nähere Umgebung Blumenaus, sondern auch die inneren Theile des Staates Sa. Catharina bis zur Serra Geral und die südlicheren Gegenden bis Tubaräo durch- forscht und viele neue und bemerkenswerthe Formen, besonders von Moosen, Lebermoosen und Pilzen den europäischen Sammlern vermittelt. Herr Lothar Hetschko sammelte in Blumenau mehrere Jahre lang Insecten, und ganz besonders merkwürdige Funde von myrmekophilen Käfern sind ihm zu verdanken. Herr E. Wasmann hat die Hetschko'schen Funde zum grossen Theil bearbeitet und die wunderbaren Käfer genauer kennen gelehrt, welche mit den brasilianischen Wanderameisen zusammen- leben, und das Aussehen ihrer Wirthe so vollständig nach- ahmen, dass nur das geübte Auge eines sorgfältigen Sammlers sie zu unterscheiden und aus der Schaar der wandernden Ameisen herauszufangen vermag. Zwei Jahre lang hielt sich Professor Wilhelm Müller (aus Greifswald) bei seinem Bruder in Blumenau auf. Neben einer grossen Menge von Beobachtungen auf ver- schiedenen Gebieten richtete er seine Hauptaufnierksam- keit auf die Nymphaliden Brasiliens, über welche er in einem umfangreichen Werke berichtete. Nicht unerwähnt wollen wir lassen, dass die Herren Professoren Carl von den Steinen und Vogel nach Voll- endung ihrer berühmten Forschungsreise im Innern des Riesenreiches Brasilien auch Blumenau, den ausgesprochen deutsch-brasilianischen Ort, aufsuchten und mit Dr. Fritz Müller in persönliche Beziehung traten. Im Jahre 1886 besuchten Professor Schimper und Dr. Schenck aus Bonn den freundlichen Ort, um für einige Zeit botanischen Studien obzuliegen. Man darf ihre Ausbeute wohl als überraschend reich be- zeichnen. Der überwiegende Theil der wissenschaftlichen Thatsachen, welche im I., IL, IV. und V. Bande der von Professor Schimper herausgegebenen botanischen Mit- theilungen aus den Tropen niedergelegt sind, ist in Blumenau gewonnen worden. Professor Schimper schilderte die wunderbaren Einrichtungen der Imbauben, jener südamerikanischen Charakterbäume, welche sich zum Schutz ihres Laubes gegen die blattschneidenden Ameisen ein Heer von Schutz- ameisen halten, denen sie Obdach und Nahrung gewähren (Band I 1. c). Weiter vervollständigte er seine bereits früher begonnenen Studien über die epiphytische Vege- tation. Im zweiten Bande der genannten botanischen Mittheilungen sind diese Ergebnisse niedergelegt, und in abgerundeter Darstellung wird dort die wichtige, für die Physiognomie des Urwaldes so bezeichnende Pflanzen- gesellschaft der Epiphyten behandelt. Schenck wiederum wendete den Lianen besondere Aufmerksamkeit zu, und sein mit zahlreichen Tafeln ge- schmücktes Werk über die Anatomie und Physiologie der Lianen (Band IV und V der botanischen Mittheilungen aus den Tropen) legte ein beredtes Zeugniss ab von der sorgsamen Vorbereitung, mit der die betreffenden Studien unternommen, und dem staunenswerthen Fleiss, mit dem sie durchgeführt wurden, und mit dem in verhältniss- mässig kurzer Zeit aus dem unerschöpflichen verwirrenden Reichthurn des tropischen Waldes ein gewaltiges Material zweckmässig zur Bearbeitung ausgewählt wurde. Auch mir schien Blumenau das geeignetste Reiseziel zu sein, als ich mich im Sommer 1890 aufmachte, um in tropischen Gegenden die künstliche Kultur der Fadenpilze nach Professor Brefeld's Methoden zu unternehmen, mit dem Wunsche, es möchte gelingen, neue Formen unter den noch nicht beobachteten, unscheinbaren Bewohnern des tropischen Waldes zu entdecken, welche zur Erweiterung unserer Kenntnisse von dem natürlichen Zusammenhange des Systems der Pilze ergänzend beitragen könnten. Unweit des Waldes, den ich, im Canoe über den Fluss setzend, in wenigen Minuten erreichen konnte, richtete ich mein Laboratorium ein, und beinahe drei Jahre lang war es mir vergönnt, dort mit vieler Freude zu arbeiten. Nie fehlte mir Dr. Fritz Müller's freundliche Theilnahme bei der Arbeit, mit Anregung und Belehrung unterstützte er mich während der ganzen Zeit meines Aufenthaltes. Nie kam er zu mir ohne irgend ein Blatt, eine Blüthe, eine Ranke, einen Zweig, an denen irgend etwas Bemerkenswerthes zu sehen war, und welch' nach- sichtiger gütiger Führer war er auf gemeinsamen Aus- flügen in den Wald, wo die Menge der nie gesehenen fremden Formen den Neuling schier zu erdrücken drohte. Nr. 37. Naturwissenschaftliche Wochenschrift, 44 i Blumenau ist, wie vielleicht kein zweiter Ort, wohl geeignet als wissenschaftliche Tropenstation für den deut- schen Zoologen und Botaniker. Die Zeit der grossen Sannnclreisen nähert sich ihrem Ende. Es handelt sich heute hei den meisten reisenden Botanikern und Zoologen nicht mehr darum, möglichst weite Länderstrecken zu durchqueren, ungezählte Nummern der Sammlung einzu- verleiben und die Berge der in den Museen bereits auf- gethürmten Leichen zu vermehren. Andere Ziele treten in den Vordergrund; nicht mehr die Systematik allein will von den Reisen Gewinn haben, die Anatomie, die Physiologie, die vergleichende Morphologie auf Grund der Entwickelungsgeschichte fordern dazu auf, die zu- nächst in Europa und an europäischen Formen ge- wonnenen Resultate ihrer Forschurgen zu prüfen an dein Material, welches die aussereuropäischen Florengebiete, insbesondere die Tropen in unerschöpflicher Fülle noch bergen, und die in Europa bewährten Methoden der Unter- suchung anzuwenden zur Erforschung der noch fremden Formenkreise. Die neuen Ziele erfordern neue Mittel. An Stelle der Sammelvorrichtungen in der Ausrüstung, an Stelle des schnellen Durchreisens weiter Länderstrecken tritt die Ausrüstung für einen bestimmten, vorher genau fest- gestellten Arbeitszweck, die Aufsuchung eines geeigneten Standquartieres und die Einrichtung eines zur Erreichung des besonderen Zweckes geeigneten Laboratoriums au jenem Standquartier. Es gilt Arbeitsräume in den Tropen- gegenden zu schaffen und einzurichten, um die fremden Pflanzenformen lebend und frisch zur Untersuchung bringen zu können. Dass die so angedeuteten Wege moderner Forschung die richtigen, zum Ziele führenden sind, hat das auf Java in Buitenzorg unter Leitung des Herrn Dr. Treub blühende botanische Institut glänzend bewiesen. Den Lesern dieser Wochenschrift ist dieses Institut aus den Schilderungen von Professor Tschirch (Jahrgang 1890, S. 62 ff.) wohl bekannt. Dort finden Naturforscher aller Länder Arbeits- räume, Instrumente und eine Bibliothek vor, inmitten der tropischen Vegetation. Der botanische Garten, welcher das Institut umgiebt, erfreut sich des besten Rufes. Schon ist eine grosse Anzahl, vorzüglich deutscher Bota- niker in Buitenzorg auf Java zu Studienzwecken ge- wesen, und alle sind einig in dem Lobe der durch Dr. Treub's Energie mit Unterstützung der holländischen Regierung geschaffenen Anstalt, welche einem dringen- den Bedürfniss der modernen Wissenschaft entgegen- gekommen ist. Ein ähnliches Institut, wie das Buitenzorger, fehlt zur Zeit noch in den westlichen, in den amerikanischen Tropen. Dass es geschaffen werde, ist ein wissenschaft- liches Bedürfniss. An eifrigen, thätigen Besuchern würde es ihm so wenig fehlen, wie es Buitenzorg daran nie ge- fehlt hat, und eine reiche Einte wissenschaftlicher Ergeb nisse könnte man ihm mit Sicherheit voraussagen. Ist diese Voraussagung nicht schon gerechtfertigt durch den oben gegebenen Hinweis auf das, was in Blumenau bisher mit so ausserordentlich geringen Mitteln, ohne ein Institut, geleistet worden ist? Scheint nicht der kleine Ort mit dem deutschen Namen seines thatkräftigen deut- schen Begründers gewissermaassen vorbestimmt als Platz einer deutschen wissenschaftlichen Station in den west- lichen Tropen? Es ist ja nicht ohne Beispiel in der Ge- schichte der Wissenschaft, dass grossgesinntc weitblickende Männer mit eigenen Mitteln wissenschaftliche Institute be- gründet haben. Mehrere nordamerikanische Universitäten sind glänzende Beweise derartiger Opferwilligkeit. Auf botanischem Gebiet insbesondere giebt es wohl kein glän- zenderes Beispiel als den herrlichen Shaw-Garden in St. Louis, der mit seinen zweckentsprechenden Gebäuden, Gewächshäusern, mit umfangreichem Grundbesitz von Benry Shaw der Botanik gewidmet worden ist. — Die zoologische Station in Neapel und das Buitenzorger Unternehmen, auch sie verdanken dem thatkräftigen opferfreudigen Auftreten ihrer Gründer oder Leiter in erster Linie ihr Da- sein. Sollte dereinst wohl auch der Stifter einer bin logischen oder einer zoologisch-botanischen Station für Brasilien erstehen, für Brasilien, das so vieler Natur forscher Sehnsucht gewesen ist, für dessen Wissenschaft liehe Erforschung so viele Opfer schon gebracht worden sind? Träte er jemals auf, der grossherzige Förderer der Wissenschaft, seinem Namen durch die Gründung' eines solchen Institutes unvergänglichen Glanz zu verleihen, und suchte er nach dem geeigneten Orte in dem gewal- tigen Reich, sein Blick müsste auf Blumenau zunächst haften bleiben. Aber, wird man sagen, Blumenau liegt ja gar nicht in den Tropen, es gehört der gemässigten Zone an. - Geographisch genommen ist das richtig: Blumenau liegt unter 26° 55' südl. Br., also südlich des Wendekreises. Pflanzengeographisch genommen gehört es aber durchaus den Tropen an. Es ist bekannt, dass das brasilianische Floren- gebiet,der immergrüne, grossblättrige, epiphytenreiche, lianen- durchwachsene Wald an der Ostküste des Kontinents in einem verhältnissniässig schmalen Streifen über den Wende- kreis hinaus bis etwa zum 30° südl. Br. reicht. Er erstreckt sich durch die brasilianischen Staaten Säo Paulo. Paranä, Sa. Catharina und endet in Rio-Grande-do-Sul. In dieser ganzen Erstreckung zieht sich unter dem Namen Serra do mar (im nördlichen), Serra Geral (im südlichen Theil) eine Gebirgskette parallel der Küste hin, welche bald näher, bald weiter von der Küste entfernt, im Staate Sa. Catharina ungefähr 150 km zurückliegt. Ihre Höhe soll nach H. Lange (Südbrasilien S. 7i bis 1300 m sein; in Sa. Catharina erreicht sie wohl kaum über 1100 m. Dieses Gebirge scheidet das tropische Küstengebiet von dem sogenannten Hochlande, d. h. von den westwärts sich langsam nach dem Stromgebiet der Paraguay ab- flachenden weiten Terrassen des Gebirgsstockes; dort zeigt die Vegetation einen ganz anderen, dem Nerophyten- Gebiet näher verwandten Charakter. Das weite Gebiet der Kolonie Blumenau gehört dem östlich des Gebirgs- stockes liegenden von den welligen Höhenzügen der Vorberge durchzogenen Lande an und seine Vegetation ist rein tropisch. Alle tropischen Typen sind hier vertreten. Wenn dem aber so ist, so ist die geographisch- subtropische Lage nur ein grosser Gewinn für die Anlage einer wissenschaftlichen Station. Kommt es bei einer solchen doch in erster Linie darauf an, dass das Klima, wenn irgend möglich, dem Europäer wenig feind- lich sei, ihm das Arbeiten während des ganzen Jahres ermögliche. Nun ist vielleicht auf der ganzen Erde kein zweiter Punkt zu finden, an dem das Studium der tropischen Flora für den Europäer unter so günstigen klimatischen Be- dingungen möglich wäre, wie gerade in St. Catharina, ins- besondere in Blumenau. Von gefährlichen tropischen Krank heiten weiss man dort nichts. Epidemien hat es noch nie dort gegeben. Das gelbe Fieber, die gefürchtete IV-i der ganzen brasilianischen Küste ist in Blumenau noch unbekannt, Der Gesundheitszustand ist im Ganzen ausser ordentlich gut zu nennen: gar manche schon hochbetagte und noch rüstige deutsche Kolonisten giebt es am Itajahy. Frische Gesichtsfarbe sieht man allerdings nicht; und die germanischen Bauernmädchen, die drall und rotbbackig hinüberkommen, sehen schon nach einigen Jahren ebenso bleich und gelblich aus, wie die im Lande geborenen; doch sind sie deshalb nicht weniger gesund. Wenn einer- seits der europäische, deutsehe Naturforscher also Krank- 448 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 37. heit wenig- zu fürchten hat, so verdankt er der subtropischen Lage fernerhin, dass auch übermässige Hitze ihm selten das Arbeiten unmöglich machen wird. Wie in anderer Beziehung in Blumenau schon manche Vorarbeit für die wissenschaftliche Station geleistet ist, so sind auch Witterungsbeobachtungen seit dem Jahre 1868 regelmässig angestellt, und vorzugsweise durch die Sorg- samkeit und Gewissenhaftigkeit des Herrn B. Scheide- mantel fast lückenlos bis auf die letzte Zeit fortgeführt. Während meines Aufenthaltes in Blumenau waren die äussersten Extreme der Temperatur 36°,8 C. am 10. De- cember 1890 (an demselben Tage war das Minimum 21°), 2,5° C. am 1. August 1891 (Maximum an demselben Tage 17,9°); 37,9° C. am 10. Januar 1892 (Min. 23,5°), 4.8° Cels. am 14. Juli 1892 (Max.: 15,2°) und 37,8° C. am 3. Februar 1893 (Min.: 24,2C). Das Jahresmittel der Tempe- ratur liegt um 21 c C. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die von Deutsehland Eingewanderten sich dem Klima sehr schnell und fast stets ohne Schaden anpassen. Auffällig für den Neuling und oftmals recht unan- genehm bemerkbar ist die sehr hohe Luftfeuchtigkeit, in Folge deren Stocken, Schim- meln und Verderben sich sehr fühlbar machen auch an Dingen, an denen wir es in Deutschland gar nicht gewohnt sind. Ueble Erfahrungen macht der Natur- forscher zumal an seinen Arbeits- geräthen und Instrumenten. So wird z. B. Zeichenpapier für Aquarellmalerei nach wenigen Wochen unbrauchbar, optische Gläser erblinden. Auf den Linsen meiner mikroskopischen und pho- tographischen ( »bjeetive fand ich, unreinigungen der offenen Öbjectträgerkulturen durch fremde, aus der Luft niederfallende Keime mir nicht zu schaffen machten. Die Menge der Nieder- ist sehr gross; aber eine eigentliche Regenzeit nicht und auch in diesem Umstände liegt eine jenart des Klimas. Jeder sonnig und trocken oder trübe allzuviel schlage giebt es ganz besonders Monat kann günstige vorwiegend und regnerisch sein. In der Regel sind Januar bis März gewitterreich, April, wie in Deutschland, launig, Mai bis Juli trocken, September nass, November, December heiter; doch ist das alles sehr wechselnd, die Regenhöhe kann bis zu 300 mm in einem Monat erreichen. Für die Jahre 1868-1874 berechnet H durchschnittliche Regenhohe von 1103 mm Lange für eine das 2. Inselchen im Itajahv „Stadtplatzes" Blumenau. A. Möller. trocknen; dass die wird und ver- vor; unlackirte Negative weil alsbald Silberflecke zu flüssig wenn ich von einem länger als Tage 14 Tage ausgedehnten Ausflug heimkehrte, Pilzycelimen vor. Argen Unannehmlichkeiten ist der Fi* Photograph ausgesetzt. Ohne Zu- hülfenahme von Alkohol ist es zeitweise unmöglich, Platten noch nicht trockene Gelatine dirbt, kommt nur gar zu leicht zu copiren, ist fast unmöglich, darin entstehen. Herbarienmaterial zu conserviren begegnet grossen Schwierigkeiten. Man muss entweder einen Back- ofen benutzen und die vom Backofen kommenden Sachen unmittelbar in gut schliessende Blechdosen verpacken oder die Seh weinfurth 'sehe Methode anwenden, und die zwischen Fliesspapier liegenden Pflanzentbeile in Blech- dosen mit Alkohol tränken und die Dosen alsbald ver- löthen. All die erwähnten Schwierigkeiten sind indessen nicht unüberwindlich, sie bringen Unbequemlichkeiten mit sich, aber sie können auf die Dauer den Fortgang der Arbeiten nicht hemmen. Man lernt sie allmählich immer besser überwinden: man gewöhnt sich an ihr Dasein, und trifft die Anordnungen im Laboratorium schliesslich alle derart, dass jene Schwierigkeiten ihre Bedeutung verlieren. Sie werden zudem reichlich aufgewogen durch die angenehmen Erscheinungen, welche die Folgen der- selben klimatischen Factoren sind, insbesondere durch die üppige Vegetation, durch die Schnelligkeit und Leichtig- keit, mit der im Garten Versuchspflauzen sich entwickeln und Beobachtungen ermöglichen. — Für meine mykolo- gischen Untersuchungen erwiesen sich die Umstände äusserst günstig, das Wachsthum war durchweg ein schnelles und die Luft war in Folge der im ganzen Jahr häufigen Regengüsse stets ziemlieh rein, so dass die Ver- fluss. Nach eine Meile oberhalb einer Photographie des von Jahr, Im Jahre 1891 hatten wir dagegen 2006 mm, im Jahre 1892: 1621. Zu den sehr günstigen Bedingungen der Vegetation und des Klimas, welche Blumenau als tropischer Arbeitsort bietet, kommen nun noch eine Reihe anderer nicht zuunterschätzender Vor- theile. Wo immer man auch in Blumenau wohnen mag, man wird nicht weit vom Walde entfernt sein. Es sind ja lini- erst verhältnissmässig schmale Streifen Landes längs der Fluss- läufe, welche in Kulturland ver- wandelt sind; noch ist keine grosse stadtühuliche Anlage vorhanden, und damit fallen zeitraubende Wege, um den Waldrand zu er- reichen, ganz weg. Ist aber der ( >rt auf der einen Seite noch ganz in der Wildniss gelegen, so ist er doch andrerseits soweit von der Kultur berührt, wie es für eine wissenschaftliche Arbeits- station unbedingt zu wünschen ist. Alle gewöhnlichen Lebens- bedürfnisse sind bei den Kauf- leuten in Blumenau zu haben, und an Handwerkern aller Art ist kein Mangel. Die Ein- richtung eines Laboratoriums wird dadurch sehr erleichtert. Für den deutschen Naturforscher liegt eine weitere Bequemlichkeit darin, dass er nicht nöthig hat, irgend eiue fremde Sprache zu erlernen In den älteren Theilen von Blumenau hört er nur deutsche Klänge und anderer- seits hat er Gelegenheit genug, so viel portugiesisch zu erlernen, wie nothwendig ist, um gelegentliche weitere Excursionen zu machen und sich mit den Brasilianern zu verständigen. Weiterhin ist Blumenau von Deutschland aus jederzeit leicht und bequem zu erreichen. Die Ham- burg-Südamerikanische Dampfschiffahrtsgesellschaft fährt mit sehr gut eingerichteten Dampfern regelmässig nach Rio und Santos, die Verpflegung an Bord dieser Dampfer ist ausgezeichnet, wenn auch natürlich nicht so übertrieben luxuriös, wie auf den nach Nordamerika fahrenden Schnelldampfern. Von Rio oder Santos benutzt der Reisende einen brasilianischen Küstendampfer bis Itajahy, dem Hafenorte an der Mündung des gleichnamigen Flusses. Es steht zu hoffen, dass die obengenannte Dampfergesell- schaft auch mit der Zeit die schon früher unternommenen Fahrten nach Säo Francisco wieder aufnehmen wird. Der Reisende hat dann die Annehmlichkeit, auf den bequem eingerichteten, deutschen Dampfern bis ganz nahe an sein Reiseziel zu kommen. Von Säo Francisco nämlich erreicht man in wenigen Stunden die deutsche Kolonie Joinville, die Nachbarkolonie Blumenaus und auch nach Blumenau kann man von dort aus zu Lande in ein bis zwei Tagen ganz wohl gelangen. Endlich will ich nicht unterlassen Nr. 37. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 449 zu erwähnen, dass, soweit meine Kenntniss reicht, die Reise nacli Süd-Brasilien erheblich billiger ist, als die- jenige in die östlichen Tropen. Abgesehen von den grössten Städten, wie Rio und allenfalls auch Santos findet man allerdings wenig europäische Bequemlichkeit; dabei kostet der Lebensunterhalt aber bei verständiger Einrich- tung auch nicht viel mehr, wie in einer mittleren Stadt Deutschlands; Irgend bestimmtere Angaben sind schon um desswillen nicht zu machen, weil der brasilianische Kurs in den letzten Jahren ganz ausserordentlich und unberechen- bar auf- und niedergegangen ist. Weitaus die meisten Fremden erreichen heut Blumenau, indem sie von Itajahy aus den gleichnamigen Fluss hin- auffahren. Ein in Dresden erbauter kleiner Dampfer, der Progresso, vermittelt den regelmässigen Verkehr. Er braucht etwa 8 Stunden zur Fahrt stromaufwärts. Der Fluss macht ungewöhnlich viele Biegungen, und der Schiffsführer muss sorgsam Acht haben auf die nur schmale Fahrstrasse. Auch in dieser hat er auf weite Strecken oft- mals nicht mehr als l'/2 in Tiefe zur Verfügung. In gerader Linie liegt der sogenannte Stadtplatz Blumenau, nur 50 km von der Küste entfernt. Fr hat den äussersten Punkt inne, bis zu welchem der Fluss schiffbar ist. Weiter hinauf finden sich Stromschnellen, und kleine Fälle, welche den Weg versperren. Land schaftlich freilich fangen die Reize des Flusses dort ersl an. In seinem untern Laute sind die Ufer flach und leicht wellig, und Wald tritt nur selten, in kleinen Stücken bis an die Ufer heran. Oberhalb von Blumenau dagegen nimm) der Itajahy seinen Weg auf lange Strecken zwischen den malerischen Waldrändern, sanftlinige Höhenzüge treten dicht an ihn heran -- in ihrer Formausbildung erinnerten sie mich immer an die Weserberge zwischen Münden und Karlshafen — und Fälle und kleine Inseln bilden erfreu- liehe Abwechselung. Unser Bild '_' stellt ein solches von nickenden Coqueiren (Cocos Romanzoffiana) geschmücktes Inselchen dar; es liegt etwa eine .Meile oberhalb des Stadtplatzes Blumenau, mitten in dem dort erheblich verbreiterten und mit seinen Stromschnellen ein belebtes Bild gewährenden Flusse. I Wird fort geset -' Schöpfung und Wesen der Organismenform. Eine historisch-kritische Studie über alte und neue Entwickelungslehren. Von Wilhelm Haacke. 23. Dreyer's Gerüstbi idungsmechanik.* Auf rein physikalische Ursachen, die bei der Formen- bildung eine Kolle spielen, hat Friedrich Dreyer im Anschluss an seine Studien über Radiolarien und andere einzellige Tbiere hingewiesen. Die Radiolarien zeichnen sich bekanntlich durch ein in äusserst mannigfacher Form auftretendes Skelett aus, und dieses betrachtet Dreyer gewissermaassen als Versteinerung eines Wabenwerks, das dadurch zu Stande kommt, dass sich in dem schlei- migen Körper des Radiolars Flüssigkeitstropfen, Vakuolen, ansammeln, in bestimmter Weise anordnen und sich da- durch gegenseitig abplatten. In den die einzelnen Va- kuolen von einander trennenden Wänden und in den Kanten, in welchen diese Wände zusammenstossen, sollen sich Kieselsäure und andere Stoffe, aus denen das Radio- larienskelett bestehen kann, ablagern und so dem Waben- werke des Körpers zu bleibendem Ausdruck verhelfen. Es sind demnach die Gesetze der Flüssigkeitsmechanik, die hier eine grosse Rolle spielen. Im übrigen hat Dreyer seine Ansichten noch nicht zu einer umfassenden Formen- bildungslehre zusanimengefasst. 24. Die Theorie des organischen Wachsens von Eimer. Sehr ausführlich hat Theodor Eimer seine An- sichten über die Formenbildung der Organismen begrün- det. Durch das Studium der Färbungs- und Zeichnungs- verhältnisse der Eidechsen, Säugethiere, Vögel und Schmetterlinge ist er zu dem Ergebniss gelangt, dass die Vertheilung der Farben auf der Oberfläche des Körpers, das Muster, das die Farben hier bilden, von keiner oder nur ganz untergeordneter Bedeutung für das Wohlergehen der betreffenden Thierc sind, sondern dass sie im wesentlichen den Ausdruck von Wachsthumsgesetzen darstellen, die den Organismus beherrschen. Gesetzmässiges Wachsen, organisches Wachsen, wie Eimer es nennt, beherrscht nicht nur die Keiines- entwickelung der Thiere und Pflanzen, sondern auch die (Fortsetzung.) Stammesentwickelung. Die Organismen wachsen gewisser maassen im Laufe der Zeiten über das ererbte Maass hinaus, nicht blos der Grösse nach, sondern auch in Be- zug auf die Waehsthumsvertheilung. die im Laufe der Zeit allmählich eine andere wird. Hierbei kommt ein völlig gesetzmässiges Verhalten des organischen Wachsens zum Ausdruck, insofern nämlich, als das Wachsen vor- wiegend in bestimmten Richtungen erfolgt. Eine Consequenz dieser Anschauung ist, dass die ein- zelnen Theile des Körpers nicht, wie Weismann und andere es annehmen, unabhängig von einander variiren, sondern dass der ganze Körper von einer Correlation der Theile beherrscht wird, die alle von einander abhängen *) Vergl. auch Naturw. Wochenschr. VIII, S. 225. und sich eben deswegen in gesetzmässiger Weise nach festen Normen weiterbilden müssen. Eimer's Formenbildungslehre ist also eine rein epi- genetische, und Eimer hat auch erkannt, dass eine solche Theorie nicht ohne die Annahme einer Vererbung von erworbenen Eigenschaften auskommen kann. Wenn alle Theile des Körpers von einander abhängen, und wenn sie nicht nach einem vorbedachten Plane präformirt sind, aber sich gleichwohl zweckentsprechend gestalten, dann muss eine Vererbung erworbener Eigenschaften stattfinden, denn ohne diese kann epigenetische Entwickelung nicht zur Ausbildung lebensfähiger Organismen führen. Da die Epigenesis ein in sich gleichartiges Plasma annimmt, da also sämmtlichc Organe des späteren Körpers von diesem Keimplasma abhängen und sich verändern müssen, wenn dieses Plasma verändert wird, so muss irgendwie dafür gesorgt sein, dass die im Keimplasma bewirkten Ver- änderungen die Organbildung nicht ungünstig beeinflussen, denn dass jede Veränderung des Keimplasmas jedes Organ in vorteilhafter Weise abändern Hesse, wäre eine An- nahme, die die Epigencsislehre nicht machen kann. Da nun aber die Organismen gleichwohl erhaltungsniässig ausgebildet sind, so ist eine epigenetische Theorie ge- zwungen, fortwährende Einwirkungen der Organe auf das Plasma der im Körper heranreifenden Keimzellen anzu- nehmen, also eine Vererbung erworbener Eigenschaften zu behaupten. Eine solche Einwirkung auf das Keim- plasma muss, falls sie überhaupt stattfindet, seitens aller 450 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 37. activ gebrauchten Organe des Körpers gleichzeitig er- folgen, und deshalb vermag sich das Keimplasma in einen Gleichgewichtszustand mit sämmtliehen Organen des Körpers zu versetzen. Wie dadurch eine Vererbung er- worbener Eigenschaften bewirkt werden könnte, hat Eimer freilich noch nicht gezeigt, wie denn auch die obige Begründung der Notwendigkeit einer solchen bei Annahme einer epigenetischen Vererbungstheorie nicht von ihm herstammt. 25. Herbert Spencer's physiologische Einheiten. Die epigenetische Vererbungstheorie des englischen Philosophen Herbert Spencer, die schon vor etwa dreissig Jahren aufgestellt wurde, ist in ihrer Bedeutung noch wenig gewürdigt worden. Spencer lässt den Körper der Thiere und Pflanzen aus sogenannten physiologischen Einheiten bestehen, die das Vermögen haben, die Formen der einzelnen Or- ganismenarten in ähnlicher Weise zu bestimmen, wie das System, in welchem eine Substanz crystallisirt von der Beschaffenheit ihrer Moleküle abhängt. Seine physiolo- gischen Einheiten stattet Spencer mit Polarität, mit An- ziehungspolen aus, und dadurch gewinnt er die Möglich- keit, aus den einander anziehenden Einheiten den Orga- nismus aufzubauen. Die Verschiedenheit der einzelnen Körpertheile eines und desselben Organismus soll durch Unterschiede in der Anordnung der unter sich gleichen Einheiten, die Verschiedenheit der einzelnen Organismen- arten dagegen, und die der Individuen einer Art auf Ver- schiedenheiten der Einheiten selbst beruhen. Aus alle- dem geht hervor, dass die Spencer'sche Theorie eine rein epigenetische ist. 26. Das Wesen der Epigenesislehre. Wir haben nunmehr die in erster Linie in Betracht kommenden Gestaltungs- und Vererbungstheorien aus älterer und neuerer Zeit kennen gelernt und gesehen, dass die einen epigenetisch sind, die anderen auf den Präfor- mismus und die Einschaehtelungstheorie hinauskommen. Ebensowenig, wie wir uns bis jetzt für oder wider eine bestimmte Ansicht ausgesprochen haben, obwohl wir con- sequente Theorien loben und inconsequente tadeln mussten, haben wir die Frage, ob Präformation oder Epigenesis das organische Werden beherrscht, entschieden. Um dieser Hauptfrage gegenüber einen bestimmten Stand- punkt zu gewinnen, müssen wir die noch nicht gezogenen Consequenzen der Präformationstheorie und der Epigenesis- lehre ziehen, was im Folgenden zunächst für die Theorie der Epigenesis geschehen soll. Die Epigenesislehre lässt den Organismus mit seinen vielfach und in complicirter und praktischer Weise angeordneten Organen aus einer in den meisten Fällen durch eine Samenzelle befruchteten Eizelle, die in keiner- lei Weise die einzelnen < Irgane des späteren Körpers ge- sondert vorgebildet enthält, heranwachsen. Die Eizelle besteht im Wesentlichen aus dem Kern und dem Zellleib. Diese beiden Hauptbestandteile der Eizelle sind zwar untereinander verschieden und bestehen aus verschiedenen Stullen, indessen ist nach der Annahme der Epigenesis- lehre im Zellkerne so wenig wie im Zellleibe irgend ein Organ oder auch nur eine Zelle des späteren Körpers vorgebildet. Sowohl der Kern als auch der Zellleib be- stehen indessen nicht aus einfachen chemischen Sub- stanzen, sondern hier wie dort haben wir es mit einem Gemenge solcher Substanzen zu thun. und es fragt sich nur, welches diejenige Substanz ist, die den Formenauf- bau des Organismus bedingt. Vergleichen wir, um hierüber Klarheit zu gewinnen, die thierische uud pflanzliche Form einmal mit einem Krystall! Vom Krystall wissen wir, dass seine Form von seiner chemischen Beschaffenheit abhängt, und zwar nicht von einer Mischung verschiedener chemischer Verbindungen, sondern von einer einzigen. In einem Krystall können mancherlei Einschlüsse fremder Natur enthalten sein, aber das System, zu welchem er gehört, wird lediglich durch diejenige Substanz bedingt, aus welcher er der über- wiegenden Quantität seines Baustoffes nach besteht. So crystallisiren der kohlensaure Kalk entweder im rhom- bischen oder im hexagonalen System, der Kohlenstoff und das Gold im regulären, die Kieselsäure im hexagonalen. Es fragt sich nun, ob wir, wenn wir auf dem Boden einer epigenetischen Eutwickelungslehre stehen, für die Organismen etwas Aebnliches annehmen dürfen, wie für die Krystalle, nämlich, dass auch bei ihnen vorwiegend eine Substanz die Körperform bestimmt, und zwar ver- möge ihrer chemischen Constitution. Dass chemische Einflüsse eine grosse Rolle bei der Gestaltung der Organismen spielen, haben wir bereits gesehen. Allein wir haben zu beachten, dass man sich zwei Organismen denken kann, die zwar beide aus che- misch gleichen Stoffen aufgebaut sind, aber in ihren Formenverhältnissen wesentliche Unterschiede zeigen, ebenso wie man sich zwei Häuser, die ganz verschiedenen Bauplänen folgen, aus demselben Material errichtet denken kann. Es müssen also bei der Formenbildung der I >r- ganismen noch andere Ursachen in Betracht kommen als lediglich chemische. Dennoch fragt es sich, ob es nicht doch eine bestimmte Substanz der Eizelle ist, die den geordneten Aufbau des Organismus regelt, und die Epigenesislehre muss diese Frage bejahen. An Stelle des aus einzelnen Organanlagen nach einem ganz bestimmten Plane aufgebauten Keimes, wie ihn die Präformationstheorie annehmen muss, hat die Epigenesis- lehre einen Keim zu fordern, dessen Form in erster Linie von einem einzigen der in der Eizelle enthaltenen Stoffe abhängt, einem Stoff, der bestimmt, welchen Eut- wickelungsgang die betreffende Eizelle nehmen soll, und den man zweckmässiger Weise den Bildungsstoff oder das Plasma nennt. Dieses Plasma allein bestimmt den Bauplan des Organismus, denn auf Grund einer epigene- tischen Theorie ist es auf keine Weise einzusehen, wie aus einem Gemenge verschiedener Substanzen geordnete Formenbildungsprozesse hervorgehen sollen, falls die Sub- stanzen nicht in bestimmter Weise geleitet werden. Sie auf verschiedene Regionen der Eizelle vertheilt sein zu lassen, wäre eine Annahme, die Präformation und nicht Epigenesis bedeuten würde, und deshalb kann es nur eine einzige Substanz sein, die der ordnende Erbauer des Organismus ist. Dass wir es aber hier mit etwas Aehnlichem zu thun haben, wie bei der Kristallisation chemischer Verbindungen, muss ohne Weiteres verneint werden; denn der Organismus ist kein Krystall. Alle chemisch reinen Substanzen krystallisiren, so- fern sie überhaupt Krystalle bilden, in einem der sechs bekannten Krystallsysteme. Mit diesen lassen sich aber die Formen der Organismen in keiner Weise vergleichen, abgesehen davon, dass hier wie dort bestimmte Symmetrie- verhältnisse vorliegen. Dass die Kieselsäure einmal fünf- seitige anstatt sechsseitige Pyramiden bilden sollte, wäre etwas Unerhörtes. Wir finden aber unter Medusen, z. B. Ohrenquallen, die in der Regel aus vier congrueuten Körperstücken bestehen, auch solche, die nur aus drei oder auch aus mehr als vier, aus fünf oder aus sechs gleich werthigen Stücken zusammengesetzt sind. Es handelt sieh also bei der organischen Formenbildung nicht um dasselbe wie bei der Kristallisation, und die Organismen- formen können deshalb nicht direct auf die chemischen Eigenschaften des Plasmas zurückgeführt werden. Nr. 37. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 451 Wenn das Plasma überhaupt krvstallisirt — und man darf annehmen, dass es dies thut, so ist es doch nicht die Krystaliform des Plasmas seihst, von welcher un- mittelbar die Form des Organismus abhängt. Wir können vielleicht annehmen, dass das Plasma des einen Organismus in dieser, das des andern in jener Weise krvstallisirt, und wir müssen annehmen, dass die Krystall- formen. des Plasmas eine Rolle hei dem Formen-Aufbau der Organismen spielt; wir dürfen andererseits aber nicht vergessen, dass zwei Organismen in der Form möglicher- weise stark von einander abweichen können, ohne dass eine chemische Verschiedenheit in der Zusammensetzung ihrer Plasmen und ein Unterschied in der Form der Kry- stalle, die dieses Plasma bildet, zu existiren braucht. Dass eine solche Annahme möglich ist, lehrt folgende Betrachtung. Wir können aus bestimmt geformten Bau- steinen, die alle aus demselben Material bestehen, und alle gleiche Grösse und gleiche Form haben, eine ganze Reihe verschiedener Bauwerke bilden, je nachdem wir die einzelnen Bausteine in dieser oder jener Weise anein- ander fügen. Wir können uns also auch vorstellen, dass die einzelnen Kryställchen des Plasmas bald in dieser, bald in jener Weise aneinander gelagert sind und dass die Art und Weise ihrer Zusammenfügung bestimmend ist für die Form der Eizelle, die aus dem betreffenden Plasma gebildet wird, dass diese aber ihrerseits wieder die Form des späteren Organismus bestimmt. Es kann also gewiss die Form der Plasmaelemente, der kleinen Krystalle aus Bildungsstoff, falls solche vorkommen, eine wesentliche Rolle spielen, insofern, als etwa kleine rhom- bische Säulchen, die aneinander gefügt werden, je nach der Grösse der Winkel ihrer rhombischen Grundflächen eine verschiedene Gestalt der durch ihre Aneinanderlage- rung hervorgebrachten Gebilde bedingen; aber abgesehen von den hierdurch bedingten Unterschieden können auch sehr wohl Unterschiede, die sich auf die Art und Weise der Aneinanderfügung der Krystalle beziehen, bestehen, und eine derartige Annahme kann vielleicht zu einer be- friedigenden Erklärung des Formenauf baus der ( hganisnien führen. Wenn dieser dadurch bedingt ist, dass kleine Plasmakrystalle von bestimmter Gestalt sich in bestimmter Weise anordnen, dadurch also zusammengesetzte Elemente bilden, die sich innerhalb der Keimzelle um einen ge- meinsamen Mittelpunkt ihren Formenverhältnissen ent- sprechend gruppiren, so ist für den Ausgangspunkt der keimesgeschichtlichen Formenentwickelung ein fester Anhalt gewonnen. Zwischen dem in bestimmter Weise angeordneten Plasma kann dann ein Geinenge anderer Substanzen liegen, das passiv der Anordnung des Plasmas folgt. An einer bestimmten Stelle des Zellleibes wird der Zellkern seinen Platz finden, an einer anderen mag sich soge- nannter Nahrungsdotter, der erst zu Plasma verarbeitet werden soll, befinden, kurz, wir kommen zu dem Ergeb- niss, dass die Form der Eizelle, die sich sowohl in ihrer äusseren Erscheinung als in ihrer inneren Structur aus- spricht, von der Form, in welcher das Plasma krvstalli- sirt, namentlich aber von der Art und Weise, wie die Kryställchen angeordnet sind, abhängt, und dass sich das, was im Verlaufe der Keimesentwickelung erfolgt, einerseits aus der chemischen Zusammensetzung und Krystaliform des Plasmas, andererseits aus der An- ordnung der Plasma-Elemente, sowie aus der chemischen Beschaffenheit der übrigen Substanzen des Zellleibes und des Kerns erklären lassen muss. Das Wesentliche der Epigenesislehre im Gegensatz zur Präformationstheorie besteht also darin, dass die Epigenesislehre einen einzigen Stoff annehmen muss, von welchem das geordnete Werden bei der Keimesentwicke- lung abhängt, während die Präformationstheorie eine Ver- keilung verschiedenartiger Substanzen auf ganz bestimmte Kegionen des Leibes oder des Kerns der Keim/eile zur Voraussetzung hat. Wir können indessen nicht bei den vielleicht kleine Krvstalle darstellenden Einheiten des Plasmas, die die Epigenesislehre annehmen muss, stehen bleiben, sondern müssen auf die Elemente, aus welchen diese Krystalle bestehen, zurückgehen. Das können nun nach unserer An- nahme, wonach das Plasma eine einheitliehe chemische Substanz ist, keine anderen sein, als die Moleküle dieser Substanz. Auch den Molekülen müssen wir eine bestimmte Form zuschreiben. Bekanntlich spielt in der neueren ( 'Inline die Frage nach der Anordung der Atome, aus welchen die Moleküle ihrerseits zusammengesetzt sind, eine hervorragende Rolle, und es hat sieh zur Erörterung dieser Frage eine besondere Wissenschaft herausgebildet, die Stereochemie, deren Aufgabe es ist, den architek- tonischen Bau der Moleküle der chemischen Verbindungen zu ergründen. In den Molekülen sind, wie die Chemie es annimmt, die Atome der verschiedenen Stoffe, aus welchen die Moleküle bestehen, in ganz bestimmter architektonischer Weise angeordnet, die bei jedem Stoff' eine andere ist. Somit wäre das letzte, auf das wir zunächst kommen, in den Atomen der chemischen Elemente zu erblicken. Bekanntlich ist es noch nicht gelungen, die chemischen Elemente oder Grundstoffe, etwa 70 an der Zahl, zu welchen das Gold, das Kupfer, das Eisen, der Sauerstott', der Schwefel, das Jod gehören, weiter zu zerlegen. Wir hätten somit bei diesen Grundstoffen Halt zu machen und sie und ihre constanten Eigenschaften als etwas Letztes, Gegebenes, Unerforschliches zu betrachten. Aber auch die „Eigenschaften1' der zusammengesetzten chemischen Ver- bindungen erscheinen uns als „gegeben" denn wir können sie, wie es scheint, nicht von denen der Elemente her- leiten. So wäre es, wird mancher behaupten, nicht mög lieh gewesen, vorherzusagen, dass aus der Vereinigung des Quecksilbers, eines schweren, flüssigen, glänzenden Metalls mit Schwefel, einer gelben, festen Substanz von nicht metallischen Eigenschaften, ein rother Farbstoff, der Zinnober, hervorgehen muss. Wir wissen anscheinend nur, dass, wenn Quecksilber und Schwefel eine chemische Ver- bindung von bestimmter Zusammensetzung bilden, diese die „Eigenschaften" desjenigen Farbstoffes hat, den wir Zinnober nennen. Wir haben diese Thatsache durch die Erfahrung gewonnen, hätten sie aber, wie wir nieinen, nicht vorhersagen können. Im Zinnober sind nun die „Eigenschaften" des Quecksilbers sowohl, als auch die des Schwefels vollständig verschwunden. Die chemische Analyse belehrt uns darüber, dass der Zinnober sich in Schwefel und Quecksilber zerlegen lässt; aber ohne diese wäre es uns nach unserer Meinung unmöglich, zu sagen, aus welchen Elementen etwa eine Substanz besteht. So er- scheint es gänzlich unmöglich, aus den Eigenschaften eines bekannten, unangenehm riechenden Gases zu schliessen, dass dieses aus Schwefel und Wasserstoff' zusammengesetzt ist, ebenso dass sich die Eigenschaften der Flüssigkeit, die wir Wasser nennen, aus denen des Sauerstoffs und des Wasserstoffs herleiten lassen. Alle „Eigenschafttcn" der chemischen Elemente und Verbindungen, kurz, alle stofflichen Eigenschaften sind uns allerdings zunächst empirisch gegeben: aber es ist ein Irrthum, zu glauben, dass wir über deren Zustande- kommen nicht philosophiren können. Wir haben zu bedenken, dass wir den Stoffen mit Unrecht diese oder jene „Eigenschaften" zuschreiben, dass wir etwas wissenschaftlich Unzulässiges bc- 452 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 37. gehen, wenn wir Qualitäten in der ausserhalb unseres Bewusstseins existirenden Welt unter- scheiden. Die rotbe Farbe ist keineswegs eine „Eigen- schaft1- des Zinnobers, wie aus folgender Betrachtung hervorgeht. Vom Zinnober werden Lichtstrahlen von bestimmter Wellenlänge reflectirt. Diese treffen die Netzhaut unseres Anges und erzeugen in ihr und in den Fasern unseres Sehnerven, deren Endigungen von den Lichtstrahlen ge- troffen werden, endlich in gewissen Zellen unseres Ge- hirns Bewcgüngserscheinungen. Ob diese Be- wegungserscheinungen physikalischer oder chemischer Natur sind, können wir zwar nicht mit Sicherheit ent- scheiden; wir dürfen aber mit Fug und Recht annehmen, dass es sieh dabei nicht bloss um rein physikalische, sondern auch um chemische Vorgänge handelt. Denn durch die Einwirkung von Licht auf unser Auge wird das letztere ermüdet; es werden in ihm gewisse Stoffe verbraucht oder zersetzt. An Stelle dieser Stoffe haben sich neue zu bilden, bevor das Auge wieder fähig ist, in derselben Weise wie vor dem Eintreten einer intensiven Fichteinwirkung zu funetionireu. Der Sehnerv und die Nerven überhaupt bilden also keineswegs ein Analogon zu einem Telegraphendrahte. Der letztere wird dadurch, dass er Elektricität leitet, nicht aufgebraucht; wohl aber wird die Sehnervenfaser, oder wenigstens ihre Endigung in der Netzhaut, durch intensive Lichteinwirkungen, die zu lange andauern, zer- stört. Es ist ja bekannt, dass in China Leute da- durch geblendet werden, dass man sie der Augen- lieder beraubt und sie in die Sonne zu sehen zwingt. Wir können nur mit Grausen an eine solche Strafe denken, weil wir wissen, wie kurz die Zeit ist, während welcher wir es aushalten können, in tlie am wolken- losen Himmel stehende Mittagssonne zu blicken. Daraus geht aber hervor, dass das Lieht mehr oder minder starke Zerstörungen in unserem Sehorgane bewirkt, die, falls das Letztere uns in normaler Weise weiter dienen soll, mit Regeneration der in Betracht klimmenden Substanzen abwechseln müssen. Es ist ja auch be- kannt genug, wie schädlich das Grossstadtleben auf unsere Nerven einwirkt. Sie werden hier vielfach in übermässiger Weise in Anspruch genommen und finden keine Zeit, die durch äussere Einwirkungen in ihnen her- vorgebrachten stofflichen Zersetzungen wieder durch Neu- bildung der betreffenden Stoffe auszugleichen. Diese und andere Betrachtungen zwingen uns aber die Ueberzeugung auf, dass auch die seelischen Vor- gänge, die Gefühlswahrnehmungen, von stoffliehen Zer- setzungen begleitet sind. Welche Wirkungen Stoffe, die in unserem Blute enthalten sind, auf unsere Seelen- thätigkeit ausüben können, ist bekannt; wir brauchen nur an den Alkohol zu erinnern. Ebenso wissen wir, dass ein Mensch, der stark geistig arbeitet, mehr und bessere Nahrung gebraucht als ein nur seine Muskeln ge- brauchender Arbeiter. Es kann also nicht dem aller- geringsten Zweifel unterliegen, dass die Empfindung von chemischen Vorgängen, von der Zerstörung und der Neu- bildung von Molekülen begleitet ist. (Schluss folgt.) Zusammenstellungen unserer Kenntnisse über die Leuehtthiere geben 1888 R. Dittrieh in Breslau (Ueber das Leuchten der Thiere) sowie neuerdings H. Gadeau de Kerville (Die leuchtenden Thiere und Pflanzen. Leipzig 1893. Vergl. „Naturw. Wochenschr." IX, S. 73). Ergänzt werden diese Schriften durch einen Aufsatz Friedrich Dahls (Leuchtende Copepoden. Zool. An/,., 1894, S. 10). Vanhöffen brachte von seiner Grönlandsfahrt Leuehtthiere mit, und die unter ihnen vorhandenen Copepoden gehören zu der hochnordischen grossen Form Metridia longa Lubb. Kopf und Abdomen leuchten besonders stark, zuweilen auch der Thorax. Die verwandte Gattung Pleuromma leuchtet auch; ob auch über den ganzen Körper oder nur an dein Seitenorgan, ist eine noch offene Frage. C. M. Nochmals zur Hagelbildung. — Die sehr interessanten Bemerkungen der Herren Meteorologen in No. 29 der „Naturw. Wochenschr." tragen so wesentlich zur Klärung der Hageltheorie bei, dass ich mich veranlasst sehe, darauf nochmals zurückzukommen. Herr Dr. Less be- zeichnet meine Erklärung des Lämmergewölks aus einer Verbrennung von Leuchtgas als eine Hypothese. Das ist sie nicht, wenn man nicht einen durch zahlreiche thatsäch- lichc Gründe gestützten Beweis als Hypothese bezeichnen will. Ich nenne von diesen Gründen nur einige: Die Zer- legung des Wassers durch elektrische Ströme, das Auf- steigen vt_in Wasserstoffgas in die Höhen der Atmosphäre, das Vorkommen von Kohlensäure in der oberen Luft, die Bildung des Lämmergewölks in Höhen, wo mächtige Niederschläge von Wasser aus schon vorhandenen Dünsten ganz unmöglich sind. Die Detonation der Feuerkugeln und das lange Fortglühen — nicht Brennen — ihrer abge- streiften Thcilchen, endlich noch die Analogie mit der die Sonne umgebenden Leuchtgasschicht. Diese und andere Gründe sind zuerst in meiner Vorlesung vom 7. Mai 1857 und zuletzt in meiner Specialschrift „Die Lufthülle der Erde, der Planeten und der Sonne" von Seite 1 — 24 voll- ständig entwickelt worden. Die Uebereinstimmung so zahlreicher und so verschiedenartiger Thatsaehen ist nur hei einer gefundenen Naturwahrheit möglich, nicht aber bei einer blossen Hypothese. — Die, mit Recht, tadelnde Bemerkung: ich hätte das Auftreten wechselnder Schichten in Hagelkörnern nicht betont: Diese Bemerkung bestätigt die Thatsache, dass der Hagel sich aus sehr kaltem Schnee bildet, indem dieser durch abwechselnd kältere und wärmere, trocknere und feuchtere Schichten fällt, ein Umstand, welcher auch durch oft zu beobachtende höhere und tiefere Wolkenschichten bestätigt wird. Bei den so- genannten Graupeln scheint ein solcher Wechsel der Temperaturen während ihrer Bildung zu fehlen, und sie stammen, wie auch das gegebene Beispiel zeigt, aus den tieferen Schichten der Atmosphäre. Die Bemerkung von Herrn Hennig, dass der Hagel vornehmlich bei Gewittern fällt, bestätigt ebenfalls seine Abstammung aus dein Lämmergewölk; denn entsteht dieses, wie ich nachgewiesen zu haben glaube, aus einer Ver- brennung Min Leuchtgas im Polarlicht, so wäre es wunder- bar, wenn die Bildung von Wasser durch Verbrennung von Leuchtgas nicht mit starker Elektricitätsentwickelung verbunden wäre, während die Zerlegung von Wasser durch Elektricität geschieht. Das Zusamnienfrieren von Hagelkörnern zu grösseren Massen setzt keineswegs eine Verzögerung der Schlössen in ihrem Fallen als nothwendig voraus, obwohl eine solche in einem heftigen Wirbelwinde nicht unwahrscheinlich ist. — Ueber den Unterschied von Hagelkörnern und Graupeln äusserte ich mich schon. Das seltene Fallen des Hagels bei Nacht dürfte viel- leicht auf die geringeren Veränderungen der Temperatur zurückzuführen sein, wenn die Wirkung der Sonne aus- geschlossen ist. — ■ Das beobachtete seltene Vorkommen von Hagelfällen bei Frosttemperatur, auf welches Herr Nr. 3 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 453 Hennig mit Recht grosses Gewicht legt, beweist un- widerleglich wie die Sckichtenbildung in Schlössen und andere Gründe, dass in unserer Atmosphäre häufig wärmere Luftströme über kältere hinstreichen. — Ich möchte hiernach glauben, dass die von den Herren Meteo- rologen gemachten Bemerkungen der von mir gegebeneu Erklärung nicht entgegenstehen, dieselbe vielmehr in jeder Hinsicht bestätigen. Was nun die Theorie betrifft, die eine Hagelbildung aus iiberkaltetem Wasser deuten will, so genügt die Bemerkung, dass überkaltetes Wasser nur vorkömmt und nur möglich ist, wo es sich nicht räumlich ausdehnen kann, wie in den Eishöhlen beim Filtriren durch dichtes Gestein und in fest verschlossenen Kanonenröhren. — Wenn es diese etwas sonderbare Erklärung ist, welche mit der heute von den Meteorologen im Allgemeinen angenommenen und mit der meinigen wesentlich überein- stimmen sollte, so rnuss ich mich gegen eine solche Ueber- einstimmung entschieden verwahren. — L. Graf Pfeil-Burghauss. Durch die vorstehende Entgegnung hat Herr Graf Pfeil seine Ansichten deutlicher und klarer dargelegt, als in seinem ersten Artikel, wo einige Bemerkungen etwas dunkel geblieben waren. Doch dürfte sich damit die Anzahl der willkürlichen, theils recht unwahrschein- lichen Annahmen eher vermehrt, als vermindert haben. Ohne mich auf eine längere Widerlegung einzulassen, möchte ich nur kurz auf vier Punkte hinweisen, welche entschiedenen Widerspruch verlangen. Nehmen wir an, dass sich aus den vom Grafen Pfeil angegebenen Gründen Leuchtgas in der Atmosphäre ent- wickelt, so ist doch die Annahme einer Entzündung des- selben durch Nordlicht (?) etwas wunderlich. Zwar kennt man trotz der unendlich vielen Hypothesen die Entstehung des Nordlichtes noch nicht, aber dass es eine rein mag- netische oder elektrische Erscheinung ist, ist wohl zweifel- los, und dass dabei eine Wärme entwickelt wird, welche Leuchtgas zu entzünden im Stande wäre, wird meines Wissens jetzt zum ersten Male behauptet. Ausserdem müsste nach Graf Pfeils Theorie das Maximum der Hagelfälle mit dem Maximum der Nordlichterentwicke- Iung zusammenfallen; in Wirklichkeit fällt aber das Ge- witter- und Hagelmaximum in die Zeit des Nordlicht- minimums. Die Verbrennung des Leuchtgases, also auch die stärkste Elektricitätsentwickelung, müsste sich ferner in sehr hohen Regionen (denen der „Lämmerwolken") abspielen, thatsächlich beträgt aber die Durchschnittshöhe der Gewitterwolken nur 1600 m, selten erheben sie sich über 3000 m und nur in ganz vereinzelten Fällen in die Regionen der Cirren bis etwa 8000 m. Wenn zwischen Graupeln und Hagel thatsächlich kein weiterer Unter- schied bestände, als Graf Pfeil angiebt, so wäre kein Grund einzusehen, weshalb bei Sommergewittern niemals Graupeln fallen, und statt der zahlreichen Graupelschauer im Frühling nicht auch ebenso oft Hagelschauer nieder- gehen könnten. Die Bemerkungen endlich über das über- kaltete Wasser beruhen auf Irrthum. Nicht nur in ge- schlossenen Räumen kommt überkaltetes Wasser vor, sondern es ist nicht selten auch in freier Atmosphäre zu finden, und zwar bis zu — 20° C. Temperatur und darüber. Selbst die theoretische Annahme, dass es sich nur bei ganz ruhiger Luft ausnahmsweise würde bilden können, ist widerlegt, seitdem durch Professor Assmann bei einem Winteraufenthalt auf dem Brocken die wunderbare und für uns ganz unerklärliche Thatsachc nachgewiesen ist, dass auch in solchen Wolken, welche vom Sturm ge- peitscht werden und in heftigster Wirbelbewegung be- griffen sind, unterkühltes Wasser in reichlichstem Maas- vorhanden sein kann. R. Hennig. Auf die vorstehenden Bemerkungen des Herrn Hennig erlaube ich mir Folgendes zu entgegnen: In Beziehung auf das Vorhandensein von Leuchtgas über unserer atmo- sphärischen Luft und dessen Verbrennung im Polarlicht verweise ich auf meinen Aufsatz in Xo. 29 d. Z. und meine darin citirten Schriften. Die beobachteten Maxima und Minima des Polarlichtes können in der Frage nichts ent- scheiden, weil solche bekanntlich in sehr hohen Breiten jede Nacht aufflammen. Die Gewitter aus dem Cirrus- gewölk, denen Herr Hennig selbst eine Höhe von 8000 m zugestellt, haben einen ganz verschiedenen Ursprung von dem der zahlreichen Sommergewitter, wie ich dieses in meinem Buche „Kometisehe Strömungen", Seite 186 — 193 nachgewiesen zu haben glaube. Die angebliche That- sache, dass sich tiberkaltes Wasser auch in freier Luft bilden könne, bin ich geneigt zu bezweifeln. Die für eine solche Annahme vorgebrachten, mir bekannten Gründe scheinen mir nicht ausreichend.*) L. Graf Pfeil. Entdeckung eines Gases. Eine überraschende Mittheilung kommt aus England. In der Jahresversamm- lung der britischen Gesellschaft der Wissenschaften be- richtete der Physiker Lord Rayleigh über die Ent- deckung eines in der atmosphärischen Luft enthaltenen, bisher unbekannten Gases, welche ihm und Professor Ramsey gelungen sei. Der Vortragende hatte sich die Aufgabe gestellt, die Dichtigkeit der Gase zu bestimmen; dabei bemerkte er, dass der in der Atmosphäre befindliche Stickstoff schwerer war, als der künstlich erzeugte. Die anfängliche Vermuthung, dass der Stickstoff, mit dem Lord Rayleigh experinientirte, nicht rein war, erwies sieh als irrig, denn der Chemiker Professor Ramsey, der in dieser Zeit von Rayleigh zu Hilfe gezogen wurde, fand bald, dass es sich in diesem Falle nur um ein in der Atmo- sphäre vorhandenes unbekanntes, noch indifferenteres Gas handeln konnte. Die ausschlaggebenden Versuche wurden derart angestellt, dass die beiden Forscher elektrische Funken durch eine mit gewöhnlicher Luft gefüllte Flasche schlagen, die Dämpfe der entstehenden salpetrigen Säure durch Potasche und die des Sauerstoffs durch pyrogallus- saures Kali absorbiren Hessen. Bei diesem Experiment zeigte es sich, dass noch ein Rest in der Flasche übrig- blieb, der weder Sauerstoff noch Stickstoff sein konnte und nach Prof. Rayleigh ohne Zweifel ein neues Gas dar- stellte. Dieses besitzt die Dichtigkeit 19 und bildet etwa 1 Procent der Atmosphäre und zeigt im Spectrum nur eine einzige blaue Linie, die aber bedeutend inten- siver, als die des Stickstoffs ist. Bis jetzt haben die beiden Forscher schon etwa 100 Kubikeeutimeter des neuen Gases hergestellt. Die Richtigkeit dieser Meldung stösst jedoch bei manchen Forschern auf Zweifel. Der englische Physiker, Professor Dewar, welcher die Ent- deckung in den „Times" bespricht, weist darauf hin, dass jedes auf bis 200° abgekühlte Gefäss sich rasch mit flüssiger Luft füllt. Stets erscheint nun aber beim Flüssig- werden der Luft ein weisser Stoff, der von dem Fest- werden der Kohlensäure und Verunreinigungen der Luft, die stets vorhanden sind, herrührt; möglicherweise bilde dieser Rayleigh's neues Element. Wenn der unbekannte Stoff thatsächlich die Eigenschaften besässe, die Rayleigh ihm zuschreibt, so müsste er weniger flüssig sein, als Sauerstoff und Stickstoff, und müsste, wenn diese Elemente abdestülirt sind, fest oder flüssig zurückbleiben, widrigen- *) Die Discussion erklären wir hiermit an dieser Stell.' für geschlossen. — Red. 454 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 37. falls er ein sehr seltsames Gas wäre, das sich von allen anderen ganz auffallend unterscheidet. Jedenfalls darf man weiteren Nachrichten über den interessanten Gegenstand mit grosser Spannung entgegen- sehen. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Professor Dr. Karl von Noorden in Berlin zum Oberarzt des städtischen Krankenhauses in Frank- furt a. M. als Nachfolger des Sanitätsrathes Dr. A. Knoblauch; Dr. K. Herxheimer zum Director der neuen Abtheilung für Hautkrankheiten ebendort; der ordentliche Professor der Mathe- matik H. A. Schwarz in Berlin zum Geheimen Regierungsrath, ebenso der ordentliche Professor der Geologie und Paläontologie K. Freiherr von F ritsch in Halle und der ordentliche Pro- fessor für Landwirthschaft W. Fleischmann, zeitiger Rector an der Universität Königsberg; zu Geheimen Medicinalräthen der ordentliche Professor der Chirurgie H. Braun und der ordentliche Professor für Anatomie L. Stieda, beide in Königs- berg; Mr. Andrew Herbertson F. R. G. S. zum Professor der Geographie in Manchester in Owens College; der ordentliche Professor, Wirkliche Staatsrath Dr. Lewschin in Kiew zum berathenden Mitglied des gelehrten militär-medicinischen Comites; Mag. ehem. Paul Waiden in Riga zum Professor der allge- meinen Pathologie für analytische und physikalische Chemie; der ordentliche Professor S. M. Lukjanow in Warschau zum Director des Instituts der Experimentalmediein. Es wurden berufen: Dr. Brettschneider, Professor der Stuttgarter Realanstalt als Doeent für Repetitionen in der Mathe- matik an die dortige technische Hochschule; der ordentliche Professor der mechanischen Technologie M. Kraft in Brunn zum ordentlichen Professor an die technische Hochschule in Graz; der Privatdocent Dr. med. L. W. Orlow an der militärisch- medieinischen Akademie in St. Petersburg als Professor nach Charkow. Abgelehnt haben: der ordentliche Professor der Chirurgie Th. Kocher in Bern eine Berufung nach Strassburg; der ordentliche Professor der Physik Friedrich Kohlrausch den Ruf nach Berlin als Nachfolger Kundt's; der ausserordentliche Professor der Agrikulturchemie Th. Gersbach in Jena den Ruf als ordentlicher Professor an die landwirtschaftliche Akademie zu Hohenheim. Es haben sich habilitirt: an der technischen Hochschule zu Charlottenburg die Herren Dr. Roessler für Elektrotechnik, Dr. Foerster für allgemeine physikalische und anorganische Chemie, Dr. Stavenhagen für Bakterienkunde einschliesslich der Technik bei mikroskopischen Untersuchungen und die Me- thoden der forensischen Chemie; Dr. Max Bleibtreu in Bonn für Physiologie; Dr. H. Pletzer aus Bremen in Bonn für Ge- burtshilfe; Dr. Friedrich Panzer aus Asch in der Münchener philosophischen Fakultät; Dr. Fricker aus Leipzig für Geo- graphie und Völkerkunde an der technischen Hochschule in Stutt- gart; Dr. Barth für Philosophie und Pädagogik in Leipzig. Es treten in den Ruhestand: der Professor der Agrikultur- chemie an der landwirtschaftlichen Akademie zu Hohenheim Emil von Wolff; der Professor für mathematische Repetitionen an der technischen Hochschule zu Stuttgart Dr. K. Cranz. Es sind gestorben: der Präsident und Director der physika).- techn. Reichsanstalt zu Charlottenburg Wirkl. Geh.-Rath Prof. Hermann v. Helmholtz; der Professor der Logik in Glasgow Dr. John Veitch; der ehemalige Professor in Dorpat Friedrich Bidder, einer der bedeutendsten Anatomen und Physiologen; Dr. Warnots, Professor der Chirurgie in Brüssel; die Mitglieder der Kaiser}. Leop.-Carol. deutschen Akademie der Naturforscher in Halle Dr. Moritz Eisner, ehemaliger Gymnasiallehrer aus der Fachsection für Botanik und Dr. A. E. Arppe, Professor der Chemie in Helsingfors, aus der Fachsection für Chemie; iJr. Jerome Allen, Dekan und Gründer der pädagogischen Schule an der University of the City of New -York in Brooklyn; der Gründer der Universität Tomsk, Nikolai M ichailo witsch Jadrinzew, ein berühmter Erforscher Sibiriens. Der französische Congress für innere Medicin findet am 26. October in Lyon statt. Der 5. Deutsche Mechanikertag (Generalversammlung der „Deutschen Gesellschaft für Mechanik und Optik") wird vom 20. bis 22. September in Leipzig stattfinden. Die Jahresversammlung des Vereins der deutschen Irren- ärzte fand nicht (wie S. 382 angegeben) am 14. u. 15 statt, son- dern wird erst am 21. u. 22. September in Dresden tagen. L i 1 1 e r a t u r. Professor Dr. Albert Heim, Sehen und Zeichnen. Vortrag ge- halten auf dem Rathhause zu Zürich 1. Februar 18'J4. Benno Schwabe (Schweighauserische Verlagsbuchhandlung), Basel 1894. - Preis 0,80 Mk. Die Lust am Zeichnen und Modelliren — sagt Heim — hat mich als Knaben zuerst in die Berge geführt. Die immer deut- licher reifende Einsicht, dass man die Berggestalten erst ver- stehen müsse, um sie richtig darzustellen, hat mich dann all- mählich zur Geologie geleitet. Mit der Entstehung des Netzhautbildes und seiner Leitung zum Gehirn ist noch lange nicht Alles geschehen, was zum „Sehen" führt. Es muss nun noch die Auffassung und Deutung des Bildes im Gehirn dazu kommen. Dieser Seite der Frage ist der Vortrag gewidmet. Unser Sehen ist mit allen Abstufungen viel häufiger unbewusst als bewusst. So lange wir einen Gegenstand noch nicht richtig zeichnen können, so lange kennen wir ihn noch nicht vollständig. Und wer sagt: Ich weiss schon, wie das Ding ist, ich kann es nur nicht zeichnen, der täuscht sich damit vielfach selbst. Stünde die Form vollständig klar vor seinem Geiste, so könnte er sie auch zeichnen. Auswendig zeichnen ist ist die Selbstcontrolle unserer Auffassung. Bei der Erwähnung der üblichen Ueberschätzung von Nei- gungen (vergl. Naturw. Wochenschr. VIII No. 28, S. 287) tadelt H. mit Recht die leider noch oft beliebten Ueberhöhungen von Reliefs, eine Manie, die wir früher auch in der Naturw. Wochenschr. (vergl. z. B. I. S. 170 u. III S. 73) eindrücklich zu tadeln Gelegen- heit hatten. Im Relief, sagt H, hat man früher stets absichtlich den Höhenmaassstab übertrieben in der Meinung, es mache „sonst nicht den richtigen Eindruck." Der Reliefkünstler bewies damit nur. dass er selbst noch gar kein an der Wahrheit erzogenes Auge habe und unfähig sei, andere zum richtigen bewussten Sehen zu erziehen. Jetzt stehen wir hierin auf einem anderen Standpunkte. Die Erfahrung hat gelehrt, dass bei richtiger scharfer Darstellung der Einzelheiten der Eindruck des Ganzen so stark zunimmt, dass daneben jede unnatürliche Ueberhöhung nicht nur unnöthig ist, sondern widerlich wirkt und zudem den Ausdruck der feinen Charakteristik hindert. Sehr gut und beherzigenswerth ist die folgende Bemerkung, die freilich bei den Nicht Sehenden, die leider noch immer den Hauptausschlag in der Organisation der öffentlichen Erziehung geben, vermöge ihrer nicht mehr gut zu machenden Kurzsichtigkeit im Winde verhallen muss. Wenn der junge Sohn der Civilisation — sagt also H. — das Unglück hat, in einer Stadt statt auf dem Lande aufzu- wachsen und ein Gymnasium statt einer Realschule oder Werk- stätte besuchen zu müssen, dann verschwindet die Beobachtungs- gabe des Auges oft in erschreckender Weise. Er beschäftigt sich nur noch mit einer Innenwelt von Vorstellungen, denkt an diese und gewöhnt sich immer mehr, die Aussenwelt nur ganz beiläufig zu beachten. Er kennt die Natur nur aus Büchern, nicht vom Sehen. Er bemerkt kaum mehr halb, was seine Augen sehen, seine Ohren hören, seine Nase riecht, und diese Nicht- beachtung der Sinneswahrnehmungen wird stets gewohnheits- gemässer. Sehr oft ist der schwere Verlust der Beobachtungs- gabe nicht mehr einzubringen. Der arme Mensch sieht sein Lebtag, ohne zu sehen und ohne zu merken, dass er nichts sieht. Viele Menschen können sogar so weit den Zusammenhang mit der Natur buchstäblich „aus dem Auge verlieren", dass sie die Deutung dessen, was sie sehen, ihrer Gedankenwelt unterordnen und das, was sie in ihrem Kopfe sich ausgedacht haben, nun auch in der Wirklichkeit zu sehen vermeinen, anstatt dass die Sinneswahrnehmungen ihre Gedanken leiten und befruchten. Je intensiver die Färbung der subjeetiven Brille wird, je mehr die Controlle durch die Beobachtung schwindet, desto unpraktischer und einseitiger wird allmählich der ganze Mensch. Wrie viele Irreleitungen in den Beobachtungen selbst und noch mehr in den Deutungen des Gesehenen entstehen nicht hieraus! Wie viele Menschen in allen Berufsarten, selbst Aerzte und Natur- forscher nicht ausgeschlossen, leiden nicht, bewusst oder unbe- wusst, daran, dass sie den „Blick" verloren haben und den Schaden nicht mehr vollständig auszubessern vermögen! Die Schule bildet zu einseitig das Denken und Sichvorstelleu, und vernachlässigt die Uebung der Sinneswahrnehmungen. Eine Menge von bezüg- lichen Erfahrungen an meinen Schülern haben mir das oft in erschreckender Weise gezeigt, selbst bei sicher, ursprünglich all- seitig gut beanlagten jungen Männern von hoher Intelligenz; und es ergiebt sich dabei sehr auffallend, dass das reine Gymnasium, diese Festung einer verknöcherten, dem Ideal gleich wie dem Zusammenhang mit den Bedürfnissen entrückten Scholastik, diese Naturentfremdung, besonders die Verkümmerung des bewussten Sehens, viel weiter bringt, als die der Wirklichkeit angepasstere Realschule. Der naturwissenschaftliche Unterricht, der sich an Nr. 37. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 455 der Mittelschule scharf auf die unterscheidende und vergleichende Selbstbeobachtung der Schüler aufbauen sollte, reicht als Gegen- gewicht nicht mehr aus, und wird zudem oft unpassend betrieben; der mathematische Unterricht wird zu abstrakt von der Natur losgelöst, das Zeichnen als Nebenfach vernachlässigt. Das ein- zige Correctiv — oft eine wahre Rettung — Hegt darin, wenn der Jüngling irgend einen Sammeltrieb hat, ein Handwerk als Nebenbeschäftigung oder einen Sport treibt, der ihn auf die Natur beobachtung führt; dann verlernt er doch das Sehen nicht ganz:! O. Fort und O. Schlömilch, Lehrbuch der analytischen Geo- metrie. Erster Theil: Analytische Geometrie der Ebene von 0. Fort. Sechste Auflage. Besorgt von R. Heger. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1893. VIII -+- 26t Seiten. — Preis 4 Mk. Das vorliegende Lehrbuch der analytischen Geometrie ist wegen seiner besonders für den Unterricht an technischen Hoch- schulen sehr wert h vollen Eigenschaften seit langer Zeit hoch- geschätzt. Klar und deutlich in der Ausdrucksweise, bietet es den nothwendig zu behandelnden Stoff in guter Disponirung, und genügt allen Ansprüchen, die man an eine gute Darstellung der analytischen Geometrie für den künftigen Techniker stellen kann Der Bearbeiter der neuen Auflage hat bereits die fünfte Auflage des ersten Theiles besorgt, und ist auf dem Gebiete der analytischen Geometrie ein wohlbekannter Mathematiker. Die Aenderungen, welche er in der neuen Auflage vorgenommen hat, dürften allgemeine Zustimmung finden; sie entsprechen ganz und durchaus den Wandlungen, welche die analytische Geometrie in neuerer Zeit erfahren hat. Es ist hier besonders hervorzuheben, dass das Theilverhältniss von Strecken und das Sinustheilver- hältniss von Winkeln, die Verwendung des Doppelverhältnisses und die projective Verwandtschaft von Strahlbüscheln und Punkt- reihen scharf hervortritt. Auch sonst sind Aenderungen ein- getreten, die man als Verbesserungen bezeichnen inuss. Uebeiall ist der bisherige Vorzug des Werkes, die geschickte Auswahl solcher Sätze, welche eine constructive Anwendung gewähren, im Auge behalten worden. Es ist daher wohl keine Frage, dass das Werk sich nicht nur seine alten Freunde erhalten, sondern zahl- reiche neue erwerben wird. Wie alle Werke des Teubner'schen Verlages ist auch das vor- liegende in Druck und Ausstattung vortrefflich. Dr. G. Sitzungsberichte der Wiener Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. CHI. Band, I bis 111 Heft. Die mathematisch- naturwissenschaftliche Classe der Wiener Akademie hat im Zeit- raum vom Januar bis März 1894 folgende Arbeiten veröffentlicht: Abtheilung I: Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Krystallographie, Botanik, Physiologie der Pflanzen, Zoologie, Paläontologie, Geologie, physischen Geographie und Reisen. 1. J. Wiesner, Pflanzenphysiologische Mittheilungen aus Buiten- zorg. a. Beobachtungen über die Lichtlage der Blätter tropischer Gewächse, b. Beobachtungen über Einrichtungen zum Schutz des Chlorophylls tropischer Gewächse, c. Ueber den vorherrschend ombrophilen Charakter des Laubes der Tropengewächse. 2. Carl Graf Attems: Die Copulationsflüsse der Polydesmiden. 3. Ant. König; Hemispeiropsis eomatulae, eine neue Gattung der Ur- ceolariden. 4. Prof. Dr. Carl Grobben aus Wien: Zur Kennt- uiss der Morphologie, der Verwandtschaftsverhältnisse und des Systems der Mollusken. 5. Dr. Friedrich Czapek: Zur Kennt- nis« des Milchsaftsystems der Convolvulaceen. (>. Ad. Stengel: Krystallbestimmungen einiger neuer organischer Verbindungen. 7. Dr. A. Nestler: Ueber Ringfascination. Abtheilung IIa: Abhandlungen aus dem Gebiete der Mathe- matik, Astronomie, Physik, Meteorologie und der Mechanik : 1. F. Mertens: Ueber die Fundamentalgleichungen eines Gattungs- bereiches algebraischer Zahlen. 2. J. Liznar: Eine neue magnetische Aufnahme Oesterreichs. 3. J. Hann: Beiträge zum täglichen Gange der meteorologischen Elemente in den höheren Luftschichten 4. Franz Streintz: Ueber eine Beziehung zwischen der elektrischen Kraft des Daniell-Elementes und dem Verhältnisse des Salzgehaltes seiner Lösungen. 5. Oberst A. v. Obermayer und Hauptmann Anton Schindler: Die trigonometrische Höhenbestimmung des hohen Sonnenblicks in der Goldberg-Gruppe der hohen Tauern. G. Leop. Gegenbauer: Ueber die Anzahl der Darstellungen einer ganzen Zahl durch ge- wisse Formen. 7. K. Zsigmondy aus Wien: Ueber die Anzahl derjenigen ganzen ganzzahligen Funktionen raten Grades von sc, welche in Bezug auf einen gegebenen Primzahl-Modul eine vor- geschriebene Anzahl von Wurzeln besitzen. 8. Dr. Gustav Jäger: Ueber die Beziehung zwischen Helligkeit und I bewegung der Fixsterne. 9. Josef Finger: Das Potential der inneren Kräfte und die Beziehungen zwischen den Detormationi m und den Spannungen in elastisch isotropen Körpern b< i Berück siehtigung von Gliedern, die bezüglich der Deformationselementc von :;. bezw. 2 < Irdnung sind. Abtheilung IIb: Abhandlungen aus dem Gebiete der Chemie. 1. J Herzig und Th. v. Smoluchowski: Zur Kenntnis des Aurins 2. J. Mauthner und W. Suida: Beiträge zur Kenntniss des Cholesterins. :i. Ed. Lippmann: Ueber ein isomen methyl-Brucin. 4. Prof. Dr. Ladislaus Niernilo wiez : Uebei die «-Epichlorhydrinpiperidin-Verbindungen. 5. 1 dz isla» Za wal kiewiez: Ueber 'ine neue pyknometrische Dichtebestimui .Methode der weichen Fette. 6. Dr. J. Herzig: Ueber Brasilien und Hämutnxylin. 7. Dr. Rud. Franz: Ueber die Umwandlung von Citaconsäure in Mesaconsäure. 8. P. Fortner und II Skraup Propyolinirte Schleimsänrerester. :». Hau- Meyer: Ueber einige Derivat.- der I 'lcolinsäure und die Ueborführung in «-Amidopyridin. 10. Dr. Adolf .] olles aus Wien: Das Xlargarin, seine Verdaulich- keit und sein Nährwerth im Vergleich zur reinen Naturbutter. Briefkasten. Herrn Gymnasiallehrer Mdl. in Böhmen. — Ueber die innere Dreiecksgeometrie orientiren Sie sich vortrefflich aus dem auch in der „Naturw. Wocheuschr.'1 (Band VI, S. 317) besprochenen Werke von Emmerich: Die Brocard'sehen Gebilde und ihre B Ziehungen zu den verwandten merkwürdigen Punkten und Kreisen des Dreiecks (Berlin. Georg Reimer, 1891). Ferner müssen Sie sich unbedingt mit den neueren Jahrgängen der mathematisch! n Zeitschriften bekannt machen, welche fast in jeder Nummer Auf- gaben, Sätze und grössere Arbeiten über den in Rede stehenden Gegenstand bringen. Besonders hervorheben möchten wir die folgenden Journale: Zeitschrift für mathematischen und natur- wissenschaftlichen Unterricht, Mathesis, Xouvelles Annales de MatheWtiques speciales, Journal de Matheinatiqnes eJementaires. An letzter Stelle finden Sie auch jährlich Zusammenstellungen der über die Dreiecksgeometrie erschienenen Litteratur aus der Feder des französischen Mathematikers Vigarie. Wegen sonstiger Litteratur verweisen wir Sie auf das Jahrbuch über die Fort- schritte der Mathematik. Herrn M. in M. — Das Ohm'sche „System der Mathematik" ist in der That veraltet, und enthält zahlreiche Mängel. Ein Werk, wie Sie es wünschen, aus welchem „die höhere Mathematik den neueren Forschungen und Errungenschaften gemäss in streng wissenschaftlicher und ausführlicher Weise zu erlernen" wäre, existirt weder in der deutschen, noch in einer der von Ihnen ge- nannten Sprachen. Es lassen sich natürlich die Werke verschie- dener Autoren so zusammenstellen, dass man daraus ein unge- fähres Bild des heutigen Standes der höheren Mathematik ge- winnen könnte. Aber vieles müsste man doch noch aus den Originalabhandlungen entnehmen, um wirklich bis in die Gegenwart vorzudringen, denn die Hand- und Lehrbücher sind naturgemäss fast ausnahmslos nicht so weit gediehen, da sie wesentlich nur abgeschlossene Untersuchungen aufnehmen Zum Erlernen der höheren Mathematik in diesem Umfange gehören lange Jahre angestrengten Studiums, und man erreicht höchstens in einigen Feldern eine derartige Kenntniss, dass man wirklich von einer Beherrschung des Gegenstandes sprechen kann. Wenn Sie uns Näheres über Ihre Absichten mittheilen möchten, insbesondere auch über Ihre Vorkenntnisse, so werden wir Ihnen gern mit Angabe der Litteratur u. s. w. behilflich sein. Ein Versuch zu einer Zusammenfassung des mathematischen Wissens liegt in dem „Handbuch der Mathematik" von Schlömilch (Breslau, Trewendt) vor, das einen Theil der Encyklopädie der Naturwissenschaften bildet, aber doch bei weitem nicht alles enthält, was man als die höhere Mathematik bezeichnet. Die mathematischen Unterrichtsbriefe von Burkhardt bilden ein Unter nehmen, das Ihren Wünschen — dem Prospect nach zu nrtheilen — entsprechen möchte, doch dürfte der erschienene Theil kaum über die elementaren Gebiete hinausgehen; wir kennen diese Briefe aber nicht aus eigener Anschauung. Ein anderes Unter- nehmen ist das „System Kleyer", doch ist der Werth der nach Frage und Antwort geordneten Bücher ein sehr ungleicher, und es erscheint uns auch wenig glaublich, dass man darnach eine gründlichere Kenntniss der Mathematik gewinnen kann, da alle höheren Gesichtspunkte bei dem System zurücktreten müssen. Ein weiterer Uebelstand bei demselbsn sind die recht erheblichen Anschaffungskosten; auch lassen sich die wirklich höheren Theile der Mathematik nicht in diesem „System" darstellen. Wir hotfen, weiter von Ihnen zu hören. Inhalt: Dr. Alfred Möller, Aus Sa. Catharina, Brasilien. — Wilhelm Haackc, Schöpfung und Wesen der Organismenformen. (Fortsetzung.) — Zusammenstellungen unserer Kenntnisse über die Leuchtthiere. — Nochmals zur biagelbildung. - Entdeckung eines Gases. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Dr. Albert Heini, Sehen und Zeichnen. — O. Fort und 0. Schlömilch, Lehrbuch der analytischen Geometrie. — Sitzungsberichte der Wiener Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. — Briefkasten. 4f)R Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 37. SII8 brittev Seil ber „Slllg enteilten Scalurfunbe" erfc^eint (oeben: Mkerkunto Bon qßrofeffor Dr. 3toette, neubear&cücte Stuf läge. Mit 1200 SExtbilbErn, 6 Karten unb 55 ffiafrln in Jarbenbrn* mtb Bnlifrrjmff. 28 2teferimgi.ii ju je 1 SKatf ober 2 ^atblebetbänbe 51t je 16 äTCari. Sonftänbig liegen bon ber „allgemeinen Statuvtuube" bot: 4>rcljiit. lirrlcbctt, 10 Ijalbleberbänbe ju je 15 SR f. — JpanrJe, Sitjöpimtg ber licrmelt. 3n §aI6 lebet, 15 Sit. — Monte, tu iDlcnjdj, 2 5>al6lebetbimbe su je 15 3Kf. — Hemer, IKflanjenleiien, 2 $alblebcr&änbe 51t je 10 31! f. — 'Jleiimniir, tirbtitjdjirijte, 2 ^atWebetbänbe ;,u je 16 SKf. Sßrofpefte grati§, bie erjte Sieferung ,yir \Mnjidit. f ©erlag bes ßtbliograpljirrtjtit Snftituts (Ceipjig 11. Wim. ^ atent - technisches und | Verwerthung-Bureau Betche. Berlin S. 14, Neue Rossstr. 1 ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Vor Kurzem erschien und ist durch jede Buchhandlung gratis zu be- ziehen: Verlags-Katalog von Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung. 1808—1892. Gottfried Müncheberg Lichtpaus-Anstalt u. techn.-lithographisclies Institut, BERLIN NW., Gotzkowskystr. 38 (Ecke Thurmstr.) 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Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den 23. September 1894. Nr. 38. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. * Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 -A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Gleichstrom, Wechselstrom, Drehstrom. Von G. Rühle. Die Elektrische Ausstellung in Frankfurt a. M. 1891 sollte ein Zeugniss ablegen von der Leistungsfähigkeit der heutigen Elektrotechnik, und es steht zu erwarten, dass jeder, auch der Niehtfachmann, ein Bild bekommen hat von dem rastlosen Mühen und Arbeiten, was die Elektrotechnik in den letzten Jahren zu ihrer jetzigen Bedeutung gebracht hat. Auf allen Gebieten, wo nur Elektricität Verwendung findet, bekommen wir dort an- schauliche Bilder der vielseitigen Wirksamkeit. Ist auch nicht Alles dem Laien verständlich, so sollte er sich doch über die hauptsächlichen Punkte dieser modernen Technik informiren. Wir wollen im Folgenden versuchen, die drei Hauptarten der Ströme, die heut zu Tage zur Verwen- dung kommen, zu besprechen, nämlich den Gleichstrom, den Wechselstrom und den Drehstrom. Wir wissen, dass ein galvanischer Strom, wird er um Eisen herumgeführt, dasselbe magnetisirt. Fliesst dieser Strom immer in derselben Richtung, so bleibt die Magnetisirung des Eisens auch immer dieselbe. Hier haben wir ein anschauliches Criterium des Gleichstromes, j Der elektrische Strom, den wir in diesem Falle Gleich- strom nennen, erzeugt immer einen Magnetismus, dessen ; Pole sich nicht verändern. Veranschaulichen wir uns [ diese Wirkung des Gleichstromes graphisch, indem wir in Figur 1 auf die Linie A B i die Zeittheile abtragen , in denen wir die Magnetisirung des Gleichstromes beobachten, , und in der Richtung der Linie A C den in jedem ein- zelnen Falle erzielten Magne- tismus durch eine Linie dar- stellen, so bekommen wir die Linie DE, die wesentlich von der Stärke des Stromes ab- hängt, die aber stets oberhalb der Linie A B liegt. Die anderen Wirkungen des Stromes sind bekannt. Da er magnetisirend wirkt, wird er auf Stahlmagnete auch an- IE Figur 1. ziehenden resp. abstossenden Einfluss haben, d. h. er lenkt die Magnetnadel ab. Umgekehrt wird ein Gleich- strom erzeugt, wenn sich eine geschlossene Drahtspule in bestimmter gleicher Richtung auf einen Magnetpol zu bewegt. Wird er von diesem Magnetpol entfernt, so hat der erzeugte Strom entgegengesetzte Richtung. Die Dynamomaschinen, die Gleichstrom liefern, be- stehen alle aus einem Magneten und einer Anordnung von Drahtspulen, die an den Polen des Magneten vorbei- geführt werden. Wenn wir nun aber gleichgerichteten Strom bekommen sollen, so sehen wir, dass wir eine Vor- richtung anbringen müssen, die den Strom dann umkehrt, wenn die Spule den Magnetpol passirt hat. Diese An- ordnung macht die Gleichstrommaschinen complicirt, ja sie gestattet die Ausführung derselben nur in ganz be- stimmten Grenzen. Dagegen sind manche Wirkungen des Gleichstromes, wie die elektrolytische, wieder von hoher Bedeutung. Durch die chemischen Wirkungen werden Stromsammler hergestellt, die Elektricität aufspeichern, um sie zu geeigneter Zeit abgeben zu können. Diese Art Strom wird stets ihren Platz in der Elektrotechnik behalten. War doch bis vor kurzem es nur mit Hilfe des Gleichstromes möglich, Kraftübertragung zu leisten. Man schickt in eine Dynamomaschine Strom, und da mit Hilfe der Umsteuerungsvorrichtuug der Strom in den beweg- lichen Spulen immer so fliesst, dass die anziehenden und abstossenden Kräfte in einer bestimmten Richtung wirken, so werden sich die Spulen drehen. Wir erwähnten aber schon, dass die Gleichstrom- maschine nur in engen Grenzen hergestellt werden kann. Die Umsteuerungsvorrichtung macht die Isolirung der ein- zelnen Tlieile schwierig. Es treten an der Stromabnahme- steile bei schwankender Belastung Funkenbildungen auf, die schwer ganz beseitigt werden können und die häufig Ursache der Schädigung der Isolation sind. Die chemische Wirkung des Stromes kommt noch hinzu, sodass, je höhere Spannung die elektrischen Ströme haben, es dem Con- 458 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 38. structeur immer mehr an Mitteln fehlt, diese Fehler zu beseitigen. So hat sich als praktische Spannung für Gleichstrom 100 bis 120 Volt — das sind elektrische Spannungseinheiten — ergeben. Die Arbeit ist gleich der Spannung mal der Stromstärke, wie bei dem AVasser gleich dem Gefälle mal der Menge des Wassers. Die Einheit der Stromstärke nennt man Ampere. 736 Volt- Ampere sind gleich einer Pferdestärke. Daraus ergiebt sich der einfache Schluss, dass bei einer Kraftübertragung von 100 Pferdestärken bei 100 Volt Spannung eine Strom- stärke von 736 Ampere nothwendig ist, wenn wir von allen Verlusten, die bei Umwandlungen von Kräften immer stattfinden, absehen. Grosse Strommengen erfordern, genau wie beim Wasser, grosse Querschnitte des Leiters, und vertheuern dementsprechend die Anlage. Wollten wir, um das Beispiel der 100 Pferdestärken beizubehalten, diese Kraft 500 m weit übertragen und in den Leitungen nur 10% Verlust haben, so stellt sich die Rechnung, wie folgt. Dieser Verlust setzt sich zusammen aus dem Widerstände .<■ der Leitung mal der Stromstärke, und dieses Product ist gleich 10°/0 der Spannung, d. h. 10 Volt. x ■ 736 = 10 _ 1J) ' — 736 Der Widerstand der Leitung ist proportional der Länge und umgekehrt proportional dem Querschnitt. Dieser Quotient muss mit einer Constaute multiplicirt werden, die abhängig ist vom Material. Bei Kupfer ist die Constante gleich 0,0175, wenn die Länge in Metern, der Querschnitt in Quadratmillimetern ausgedrückt wird. Das giebt uns für den Querschnitt = y. 2 -500- 0,0175 _ 10 y _736 y = 2 • 73,6 • 500 • 0,0175 qmm = 1244 qmm. Es müssen also Kupferstangen von zn 40 mm Durch- messer verlegt werden, oder eine Kupfermasse von 10000-0,1244-8,6 kg go 10 700 kg. Will man von den 100 Pferdekräften nur 50 be- nutzen, so kommen allerdings nur — = — = 2140 kg Kupfer zur Verwendung. Wir sehen, dass wir bei grossen Entfernungen und Kräften auf alle Fälle sehr ungünstig arbeiten. Die naturgemässe Aufgabe lautete nun für die Elektrotechnik: hohe Spannung anzuwenden. Würden wir 1000 Volt Spannung anwenden können, so wären, um bei unserem Beispiel zu bleiben, 73,6 Am- pere zur Ergänzung von 100 Pferdekräfteu nöthig. 10% Spannungsverlust bedeutet aber in diesem Falle 10(3 Volt. Diesmal lautet also die Gleichung: ,(,■ • 73,6 = 100 _ 100 _ 1000 X~ 73,6 — 736" Wir sehen, dass in diesem Falle der Widerstand des Kupferdrahtes 100 mal grösser sein kann, als in dem ersten Falle; das bedeutet aber bei der gleichen Länge einen lOOmal kleineren Querschnitt des Drahtes. Es ge- nügt also ein Draht von 12,44 qnim oder 4 mm Quer- schnitt. Die Kilozahl des Kupfers ist 106,98. Wir sehen in diesem Falle, dass wir mit weit günstigeren Be- dingungen arbeiten. Aber wie gesagt, treten beim Gleichstrom technische Schwierigkeiten auf, und der Elektrotechniker wandte sich wieder zum Wechselstrom, wo diese Verhältnisse der Stromabnahme einfacher liegen. Wir haben gesehen, dass der Strom in einer Spule sich umkehrt, wenn sie den Magnetpol passirte. Lassen wir nun die complicirte Stromumsteuerung weg, so bekommen wir Ströme, die periodisch das eine Mal in der einen, das andere Mal in der anderen Rieh tung der Spule tliessen. Es sind dies Wechselströme. Wie wird hier die magnetische Wirkung sein? Entwerfen wir uns ein graphisches Bild, wie wir es beim Gleich- strom gethan haben, und verfolgen den Magnetismus des einen Endes einer Drahtspule. Er wächst mit stärker werdendem Strome, z. B. der Nord- magnetismus, bis < ', dann nimmt der Strom ab, mit ihm der Magnetismus, bis er bei D Null wird. Jetzt beginnt der Strom in entgegen- gesetzter Richtung zu fliessen und mag- Figur 2. netisirt nun den Süd- pol. Auch hier steigt derSüdmagnetismus bis zu einem Maxi- mum bei E und fällt dann bis F zu Null ab. Das wieder- holt sich periodisch. Die Magnetisirungscurve des Wechsel- stromes ist also eine Wellenlinie, die bald über, bald unter A B fällt. Was sind nun die Wirkungen des Wechselstromes? Chemische Wirkungen wird er nicht aufweisen, denn durch den fortwährenden Wechsel wird, was bei der einen Stromrichtung zersetzt ist, bei der nächsten wieder zurückgebildet. Elektricitätssammler fallen hier weg. Die Lichtwirkungen bleiben wie beim Gleichstrom, wenn die Wechsel genügend schnell folgen. Wie wird es aber mit der Kraftübertragung? Be- antworten wir uns diese Frage, indem wir den Typus einer Siemens'schen Wechselstrommaschine besprechen. Die Maschine besteht aus zwei Systemen von Elektromagneten, jedes aus einer geraden Anzahl, die im Kreise fest an- geordnet sind (Figur 3 zeigt dies eine System in der Vorderansicht). Die beiden Systeme stehen gegenüber, und zwar ist die Windung der Elektromagnete so ein- gerichtet, dass bei den einzelnen Systemen immer Nordpol auf Südpol folgt, und dass dem Nordpol ein Südpol gegenübersteht. Zwischen diesen beiden Systemen von Elektromagneten bewegen sich Spulen, deren Zahl gleich der Anzahl Magnete eines Systems ist. Wir wollen eine Spule verfolgen , wenn wir den Wechselstrom in die Maschine schicken, und betrachten eine von den beweglichen Spulen. Die Spule stehe in der Stellung A, und es wird in dem Magneten 1 Nordpol, in der Spule A Südpol erzeugt. (Es wird hier kurz immer blos von einem Pol geredet. Es ist natür- lich gemeint, dass die Enden der Spulen, welche nebeneinander liegen, die entsprechenden Pole annehmen.) Es findet Anziehung statt und die Spule bewegt sich auf Magnet 1 zu. Tritt nun der neue Wechsel ein, so wird der Magnet 1 Südpol und Spule A Nordpol. Die Spule wird also, falls sie durch die Centrifugalkraft über den Magneten heraus- gekommen wäre, wieder zum Magnet 1 hingezogen und bleibt vor ihm stehen. Wir werden keine Bewegung be- kommen. Die anscheinende Unmöglichkeit, den Wechselstrom Figur 3. Nr. 38. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 459 Fignr 4. zur Kraftübertragung zu benutzen, bestimmen einen grossen Theil der Elektrotechniker, sich von dieser Art Elek- tricitätserzeugung loszusagen, bis der Amerikaner Tesle durch einen geistreichen Gedanken den Anstoss gab zu neuen Forschungen und Versuchen, die nun auch zu prak- tischen Erfolgen führten. Die Physik lehrt uns Folgendes: Lassen wir in einer Spule A (Figur 4) einen elektrischen Strom allmählich stärker werden, so wird in einer zweiten Spule B, deren Drahtenden geschlossen sind, ein Strom erzeugt, der in entgegen- gesetzter Richtung tliesst, als der in der Spule A. Nimmt aber der Strom in Spule A ab, so wird in der Spule B ein Strom erzeugt, der gleiche Richtung hat, wie der in Spule A. Die Stärke des Stromes in Spule B hängt ab von der Anzahl Umwindungen. Die Spannung des Stromes wird um so grösser, je mehr Win- dungen vorhanden sind. Das Product Spannung mal Strom muss dasselbe bleiben, wie bei Spule A\ es wird daher, je höher die Spannung wird, die Stromstärke umso niedriger. Wir können also in B einen Strom erzeugen, der eine beliebig hohe Spannung hat. Da nun der Wechsel- strom die Eigenschaft des Abschwellens besitzt, kann man mit Hilfe einer solchen Spulenanordnung Strom von niedriger Spannung und hoher Stromstärke in Strom von hoher Spannung und niedriger Stromstärke umwandeln, und umgekehrt, eine Eigenschaft, die uns den Wechsel- strom, wie wir aus dem vorherigen wissen, für Ueber- tragungen auf grosse Entfernungen sehr werthvoll macht. Die Apparate, durch die diese Umwandlung geschieht, nennt man Transformatoren. Doch wieder zurück nach dieser Abschweifung zu der Wechselstrommaschine. Diesmal wollen wir die Spule a in sich schliessen und die Elektromagnete in zwei Theile theilen, dass Magnet 1, 3, 5 und Magnet 2, 4, 6 von be- sonderen Strömen gespeist werden, die so angeordnet sind, dass wenn in Spule 1 ansteigender Nordpol herrscht, in Spule 2 ansteigender Südpol wirkt. Graphisch dar- gestellt sehen die Magnetisirungslinien der beiden Wechsel- ströme aus, wie Figur 5 zeigt. Ist 1 im Maximum des Nordpol, so ist 2 im Maximum des Südpol. Beide wurden zu gleicher Zeit magnetisch Null. Verfolgen wir die Wirkung in Figur 3. In der Stellung Ax wird bei in 1 ansteigendem Nordpol ein Strom in der geschlossenen Spule a erzeugt, der in entgegen- gesetzter Richtung tliesst als in der Elektromagnetspule 1, also z. B. Südpol erzeugt, und von 1 wird nun Spule AY angezogen. Hat sie die Stellung A2 erreicht, so sei der Moment gekommen, wo der Magnetismus Maximum Nordpol ist in 1. Durch den abnehmenden Nordpol wird nun in Spule « ein Strom umgekehrter Richtung erzeugt, der also die Spule nordmaguetisch macht und es wird Spule a von 1 abgestossen. In 2 fällt zu gleicher Zeit der Sudmagnetismus. In Stellung «3* sei der Magnetismus in 1 und 2 Null. Zuletzt wird in 2 ansteigender Nordpol und in 1 ansteigender Südpol herrschen. In der Spule A wird, wenn dieselbe näher an 2 liegt, was vermöge der Centrifugalkraft anzunehmen ist, nun wieder Nordpol in ducinirt und selbe, wie bei 1 Spule immer zu die Wirkung des Wechselstromes ist die- Aber wir erkennen leicht, dass die _anz bestimmten Zeiten die Magnete passiren muss. Denn tritt z. B. bei Stellung a._t durch äussere Einflüsse eine Verzögerung ein, so dass Pol 1 mehr Einfluss auf die Spule u bekommt, so wird die Be- wegung in entgegengesetzter Richtung stattfinden, also hemmend wirken. Ausserdem haben wir zwei todte Punkte. Die Stellung a2 un(l die Mittelstellung zwischen 1 und 2, wo die Spule in keine Bewegung versetzt wird. So geistreich alsn die Anordnung, die von Tesle stammt, ist, so hat sie doch Fehler, die sie in der Praxis nicht verwendbar machen. Dagegen führte dieselbe zu einer brauchbaren Anordnung von Wechselströmen, und diese sind von Dobrowolsky, der das Verdienst hat, dieselben praktisch verwerthet zu haben, Drehströme genannt worden. Tesle verschob 2 Wechselströme so, dass der eine nordmagnetisch wirkte, während der andere Süd- magnetismus erzeugte. Die Drehströme sind 3 Wechsel- ströme, die auf folgende Art geschaltet sind. Figur 6. Wir theilen (s. Fig. 6) die ganze Wirkungsperiode des einen Stromes AF in drei gleiche Theile AC, CE, EF und lassen den zweiten Strom zu Nordmagnetismus anschwellen, wenn das erste Drittel der Wirkungsperiode des ersten Stromes erreicht ist, und den dritten Strom lassen wir dann nordmagnetisch anschwellen, wenn das zweite Drittel der Wirkungsperiode des ersten, also das erste Drittel des zweiten erreicht ist. Die graphische Darstellung zeigt uns Figur 6. Der Deutlichkeit halber ist der Wechselstrom I, der die Spulen 1 u. 4 durchfliesst, ausgezogen, Strom II, der die Spulen 2 u. 5 durchfliesst, mit einzelnen Strichen, und der Strom III, der die Spulen 3 u. 6 durchfliesst, punktirt dargestellt. Die Wirkung wird uns klar, wenn wir zu unserer alten Anordnung (Fig. 3) zurückgehen und an der Hand der graphischen Darstellung dieselbe verfolgen. Die Spule A ist wieder in sich geschlossen. Sie stehe beim Anlassen des Motors bei A. Es wird dann in ihr, wenn Spule 1 zum Nordpol ansteigt, Südmagnetismns erzeugt und von Spule 1 angezogen. Fällt der Nordmagnetismus in 1, so ist 2 nahe am Nullpunkt und die abstossende Wirkung des durch den Abfall erzeugten Nordmagnetismus der Spule A treibt dieselbe immer weiter von 1. Jetzt tritt aber Spule 2 in lebhafte Wirkung, da bei 1 der Magne- tismus abnimmt, während er bei 2 zunimmt. Es wird, da 2 zum Maximum des Nordpols ansteigt, die Strom-Richtung der Spule A wieder derart, dass Sud- magnetismus erzeugt wird, also nun von 2 angezogen wird und so fort. Das Magnetische Feld „wandert" also immer weiter, es ,.dreht" sich. Hier können ruhig Ver- zögerungen eintreten, einen Stillstand giebt es nicht. Diese Anordnung ermöglicht also thatsächlich eine Kraft- übertragung durch Wechselströme. Wir sehen, dass die vielbesprochenen Drehströme nichts anderes sind als 3 Wechselströme, die auf drei Serien von Magneten derart wirken, wie wir eben besprochen haben. Dass mit dieser geistreichen Anordnung für die Elektrotechnik ein grosser Vortheil geschaffen ist, erhellt auf den ersten Blick. Wir sehen, dass wir Wechselstrom von niedriger Spannung in solchen von hoher Spannung verwandeln können. Bei der Maschine mögen wir eine Spannung von 300 Volt haben. Wir schalten nun einen Transformator ein, der das Uebersetzungs-Verhältniss von 1 zu 150 hat. Wir erhalten dann eine Spannung von 30 000 Volt. In dieser Form leiten wir den Strom bis zur Verbrauchsstelle und formen ihn wieder um in Spannungen, bei denen der 460 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 38. elektrische Strom dem menschlichen Körper nicht schadet und leiten ihn dann zu dem Motor, der dann mit ge- ringen Verlusten, die in der Umformung und der Leitung liegen, eine Kraft nutzbar machen kann, die weit von dem Verwendungsorte entfernt ist, ohne dass die Kosten der Leitung wesentlich grosse werden. Die Ausstellung in Frankfurt hat ein solches Beispiel in der Praxis vor- geführt. Von Lauffen am Neckar bis Frankfurt war eine Kraft von 300 Pferdekräften 175 Kilometer weit geleitet worden. Die Schwierigkeit, Ströme von hoher Spannung zu isoliren, ist nicht verkannt worden, und man hatte die sorgsamsten Vorkehrungen getroffen, Menschen und Thiere zu schützen vor der tödtlichen Kraft. Die Wechselströme haben ja eine bedeutende physio- logische Wirkung. Dadurch, dass die Muskeln sich zu- sammenziehen, kann der Berührende sich nicht von der Leitung befreien und geht, sind die Ströme von hoher Spannung, seinem Untergang entgegen. Tesle hat nun gefunden, dass diese Wirkungen aufhören, wenn die Wechsel pro Zeiteinheit bis zu einem gewissen Grade erhöht werden. Gelingt es der Elektrotechnik, auch noch die unangenehmen physiologischen Wirkungen zu beseitigen, so ist sicher der Wechselstrom in seiner Anordnung als Drehstrom berufen, eine wichtige Rolle in der Elektrotechnik zum Heile der Menschheit zu spielen. Schöpfung und Wesen der Organismenform. Eine historisch-kritische Studie über alte und neue Entwickelungsiehren. Von Wilhelm Haacke. (Schluss.) In dem Moment, in welchem wir etwa die Empfindung, die wir mit „roth" bezeichnen, haben, zerfällt oder ent- steht eine bestimmte chemische Verbindung. Ob das eine oder das andere der Fall ist, wissen wir nicht; dass aber eines von beiden stattfinden muss, dürfen wir mit Bestimmtheit annehmen. Dass nun die bei der von uns mit „roth" bezeichneten Empfindung in unserem Gehirn entstehende oder zerfallende Verbindung Zinnober oder ein anderer „rother" Farbstoff wäre, dürfte wohl schwerlich jemand annehmen wollen. Die Empfindung „roth" hat also nicht das allergeringste mit den „Eigenschaften" des Zinnobers oder irgend eines anderen Farbstoffes zu thun. Diese „Eigenschaften" sind uns vielmehr völlig unbekannt; aber es muss eine Eigenschaft derjenigen chemischen Verbindung, die bei der Empfindung „roth" in unserem Gehirn entsteht oder zerfällt, sein, in dem Moment ihrer Entstehung oder ihres Zerfalls von der Empfindung „roth" begleitet zu sein. Ein Beispiel wird dies klar machen: Nehmen wir an, in unserem Gehirn, und zwar an der Stelle, wo die Empfindung „roth" zum Bewusstsein kommt, bestände etwa eine chemische Verbindung mit der Zusammensetzung abede, so könnte durch den Reiz des rothen Lichts, d. b_ einer strahlenden Aetherbewegung von bestimmter Wellenlänge, die die Netzhaut des Auges trifft und von dieser in anderer Gestalt dem Sehnerven überliefert und durch ihn der Sehsphäre im Gehirn zugetragen wird, einen Zerfall der Verbindung abede in die beiden neuen Verbindungen ab und ede bewirkt werden, und hierbei könnte im Moment des Zerfalls entweder die Ver- bindung ab oder die Verbindung ede die Empfindung „roth" haben. Falls aber im Gehirne nicht ein Zerfall einer complicirten chemischen Verbindung, sondern die Neubildung einer solchen stattfände, so könnte in dem Moment, wo sich etwa aus ab und ede die Verbindung abede bildet, die Empfindung "roth" in dieser Verbindung stattfinden. Da die chemischen Verbindungen, die dabei in Betracht kommen können, aber sogenannte organische sind, so können wir nur sagen, dass es gewisse organische Verbindungen sind, denen die „Eigenschaft", irgend eine Gefühlswahrnehmung zu haben, zukommt. Wir wissen nun zwar durchaus nicht, welche chemi- schen Processe etwa der Empfindung „roth" entsprechen; das aberkönnenwirmit Bestimmtheit behaupten, dass es eine unzulässige Uebertragung der Er- scheinunngen des Seelenlebens auf die Aussen- welt bedeutet, wenn wir sagen: der Zinnober ist roth, der Schwefelwasserstoff stinkt, das Queck- silber ist schwer, das Wasser nass. Aus diesen Erwägungen gewinnen wir die un- umstössliche Ueberzeugung, dass die Natur zwei Seiten hat, eine äussere und eine innere, und dass jede eine besondere Betrachtung erfordert. Vorderhand dürfen wir diese beiden Erscheinungsgebiete nichts miteinander verquicken, da wir, wie wir ausgeführt haben, nichts über die chemischen oder physikalischen Vorgänge im Gehirn, die unseren Empfindungen , Wahrnehmungen und Ge- danken entsprechen, wissen. Wir haben nur die Ueber- zeugung, dass die letzteren Hand in Hand mit bestimmten chemischen und physikalischen Processen gehen und zwar untrennbar. Daraus ergiebt sich aber, dass die Natur in allen ihren Theilen bis in jedes Atom hinein beseelt ist. So feste Wurzeln diese Ueberzeugung nun auch in uns schlagen mag, sowenig vermag sie uns zu einer Ueberschreitung der uns gesteckten Grenzen des Natur- kennens zu verhelfen. Es ist möglich, dass wir dermaleinst sagen können: In dem Moment, in welchem sich diese oder jene chemische Verbindung bildet, entsteht diese oder jene Empfindung; auf welche Weise aber die Qualität dieser Empfindung mit der Constitution der betreffenden chemischen Verbindung zu- sammenhängt, vermögen wir nicht zu begreifen. Hier ist die Grenze, und zwar die eine der beiden Grenzen des Naturerkennens.*) Es giebt demnach zwei ge- sonderte Wissenschaften, diejenige, welche die Aussenwelt zum Gegenstand hat, und diejenige, die sich mit den Vorgängen in unserem Bewusstsein befasst. Die Letztere ist die Wissenschaft vom Seelenleben, die Psycho- logie; die erstere wollen wir als Mechanik bezeichnen.**) Wir haben also die seelischen Erscheigungen für sich zu erforschen, und ebenso die Erscheinungen der Aussenwelt gesondert von denen des Seelenlebens zu studiren. Wir können auch den Nachweis führen, dass die seelischen Vorgänge durchaus parallel laufen mit den physikalischen und chemischen Processen, und es wird gewiss nicht uninteressant sein, dieses Zusammen- gehen bis in die kleinsten Einzelheiten zu verfolgen, vorausgesetzt, dass die Wissenschaft einmal soweit ge- langen wird; aber es wird damit nicht das allergeringste gewonnen sein für eine Erklärung der seelischen Vorgänge, *) Anmerkung. Diese beiden Grenzen sind aber nicht die du Bois-Reymond'schen. **) Vergl. hierzu und zum Folgenden Naturw. Wochenschr. Bd. IX 8. 1 ff. - Red. Nr. 38. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 461 oder, sagen wir lieber, der Qualität in der Natur. Diese ist etwas schlechthin Gegebenes. Wir verstehen darunter aber nicht das, was man gewöhnlich darunter begreift, sondern Qualität ist uns der innere oder- seelische Ausdruck der in gewissen chemischen oder physikalischen Processen zum Bewusstsein kommenden Veränderungen. Wir können nun die Lehre von der Qualität oder vom Seelenleben, die Psychologie, in derselben wissen- schaftlichen Weise ausbauen, wie die Wissenschaft von der für uns qualitätlosen Natur, d. h. wir können auf dem Wege der Erfahrung und des Experiments untersuchen, welche Empfindungen für uns angenehm, welche unangenehm sind, und dergleichen mehr; wir können also die Objeete der Psychologie in ähnlicher Weise behandeln, wie die Gegenstände der Mechanik; wir können, in unserer Vor- stellung wenigstens, einmal dahin gelangen, die uns um- gebende Natur als ein System und eine Folge seelischer Vorgänge zu betrachten, ebenso wie wir sie als ein System und eine Folge qualitätsloser Bewegungs- erscheinungen auffassen können; wir werden aber nie dahin gelangen, zu begreifen, warum gewisse Bewegungs- vorgänge gewissen seelischen Vorgängen entsprechen. Indessen dürfen wir z. B. schon jetzt bei der Beschreibung von Thierarten die Instincte, welche die betreffenden Arten kennzeichnen, in der Artbeschreibung verwerthen, weil uns der Bau des Gehirns, der den Instincten zu Grunde liegen muss, unbekannt ist. Wir dürfen also Er- scheinungen, die das Seelenleben betreffen, parallelisiren mit den Erscheinungen der Körperwelt, wenn wir uns nur immer bewusst bleiben, dass es sich dabei um zwei Ge- biete handelt. Ebenso dürfen wir bei der Beschreibung chemischer Verbindungen sagen, dass die eine roth, die andere blau aussieht, dass die eine süss, die andere sauer schmeckt, und wir dürfen endlich auch physikalische Vor- gänge durch ihre scheinbare Qualität charakterisiren, wir dürfen das Wasser als nass, den Saminet als weich bezeichnen, wir dürfen aber niemals dabei vergessen, dass wir damit über die betreffenden Gegen- stände selbst nicht das allergeringste aussagen, sondern nur über die Vorgänge, die in unserem Gehirn durch Einwirkung jener Gegenstände als letztes Glied einer langen Reihe chemischer und physikalischer Processe entstehen. Die Aussenwelt ist also für unsere Wissen- schaft durchaus qualitätlos; wir haben es lediglich mit bewegter Materie zu thun, meinet- wegen mit einem System in bestimmter Weise ange- ordneter, nach bestimmten Richtungen sich bewegenderfnnd mit bestimmten Geschwindigkeiten ausgestatteter Punkte. Dieses Ergebniss unserer Erörterungen wird uns nunmehr dazu dienen, uns über das Wesen der Atome, soweit es der wissenschaftlichen Forschung zugänglich ist, greifbare Vorstellungen zu machen. Die folgenden Betrachtungen werden lehren, dass wir bei den Atomen der chemischen Elemente nicht Halt machen dürfen, sondern dass wir sie uns als aus Ur- atomen zusammengesetzt vorstellen müssen. Wir haben gesehen , dass bei der Bildung des Zinnobers die „Eigenschaften" des Schwefels sowohl als auch die des Quecksilbers verloren gehen. Es entsteht eine Verbindung mit ganz neuen „Eigenschaften." Da nun im Zinnober zweifellos die Schwefelatome und die Quecksilberatome auf einander einwirken, so müssen wir den einen sowohl als den anderen eine innere Beweg- lichkeit zuschreiben; dass heisst aber: Sie sind nicht das Letzte, sondern sie sind ihrerseits aus untergeordneten Elementen, aus Uratomen zusammengesetzt. Ob diese letzteren nun gerade das Allernächste in der Stufenfolge des molecularen Aufbaues oder, wie wir lieber sagen wollen, der Mikrotektonik der Stoffe sind, bleibt dahingestellt. Es ist wohl möglich, dass die chemischen Elemente noch nicht direct auf Combinationen von Uratomen zurückzuführen sind, sondern zunächst auf zwischen den Uratomen und den Atomen der bekannten einfachen Stoffe stehenden anderen Atomen. Diese Frage ist aber für unsere Betrachtungen gleichgiltig, denn wir müssen irgendwo Halt machen, und wo wir dies zu thun haben werden, können wir zur Zeit noch nicht sagen; möglich ist es indessen, dass wir uns später einmal sämmtliche Elemente in befriedigender Weise direct oder indirect aus Uratomen aufgebaut vorstellen werden. Für jetzt muss uns die Einsicht genügen, dass die Atome der uns bekannten Elemente etwas Zusammengesetztes sind. Dass dem so ist, können wir auch aus den verschiedenen Formen, in welchen das eine oder das andere Element vorkommt, schliessen. So krystallisirt der Schwefel in drei verschiedenen Formen, die sich vorläufig nicht auf einander zurückführen lassen; und wir haben daraus zu schliessen, dass die Atome des Schwefels sich nicht immer gleich bleiben, sondern dass sie in Folge ihrer Zusammen- setzung aus untergeordneten Atomen bald so und bald anders beschaffen sind. Diese Betrachtungen führen bei eingehendem Nach- denken zu dem Ergebniss, dass die verschiedenen Elemente verschiedene Gleichgewichtszustände einer und derselben Ursubstanz sind, und wir haben uns vorzustellen, dass die Atome der chemischen Elemente sich erstens durch die verschiedene Anzahl der Uratome, welche zu ihrer Bildung zusammentreten, und zweitens durch die Art und Weise der Gruppirung dieser Uratome unterscheiden. Die Welt löst sich also schliesslich in ein System von Gleich- gewichts- und Bewegungszuständen einer und derselben Materie auf, und daraus folgt un- mittelbar, dass überall in unserer Welt die Gesetze der Mechanik herrschen, und dass die Einzelerschei- nungen, sofern wir von dem Zusammenhang der Empfindungen mit den ihnen entsprechenden Be- wegung sprocessen absehen, principiell begreifbar sind. So können wir uns die Bildung eines chemischen Moleküls dadurch veranschaulichen, dass wir uns die beiden Atome a und b aus gleichen Uratomen, die aber bei a und b der Anzahl und der gegenseitigen Lagerung nach verschieden sind, zusammengesetzt denken, dass wir die Atome auf einander einwirken und dadurch die Lagerung der Uratome in beiden verändert werden lassen; diese Veränderung können wir uns principiell als auf rein mechanischem Wege entstanden vor- stellen. Wie sich bei dem Parallelogramm der Kräfte aus zwei auf einen Punkt wirkenden Kräften eine Resul- tante ergiebt, so entsteht bei der Bildung eines chemischen Moleküls aus zwei auf einander wirkenden Gleichgewichts- zuständen ein dritter aus diesem Aufeinanderwirken resultirender Gleichgewichtszustand. Sehen wir einmal davon ab, dass die Atome körperliche Gebilde sind, und denken wir uns die Uratome, aus welchen zwei auf ein- ander einwirkende chemische Stoffatomc bestehen, in jedem dieser beiden Stoffatome nur in einer Ebene an- geordnet, und zwar etwa so, dass die Anordnung der Uratome bei dem einen Stoff den Knotenpunkten eines Netzes, das aus quadratischen Maschen besteht, bei dem anderen den Knotenpunkten eines aus rhombischen Maschen bestehenden Netzes entspricht, so könnte durch das Auf- einandereinwirken zweier so beschaffener Atome ein Molekül entstehen, bei welcher die Maschen des Netzes zwar auch rhombisch sind, aber sich mehr einem Quadrat nähern, als die rhombischen Maschen des einen der beiden 462 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 38. in die Verbindung eingetretenen Atome. Dieser Vergleich, der ja nur dazu dienen soll, uns das, was bei der Bil- dung chemischer Verbindungen vorgeht, zu veranschau- lichen, zeigt uns auch, warum die „Eigenschaften" der Elemente bei der Bildung von Verbindungen verloren gehen, um den „Eigenschaften" eben dieser Verbindungen Platz zu machen. Können wir uns aber auf diese Weise dem Ver- ständniss der chemischen Processe nähern, so werden wir nicht mehr daran zweifeln, dass auch die Formen der Krystalle und der Thiere und Pflanzen schliesslich rein mechanisch zu erklären sind, dass es in der Körperwelt nichts giebt, das nicht durch Mechanik beherrscht würde. Freilich, wie aus der gegenseitigen Stellung der Uratome zu einander die Empfindungen zu erklären seien, darauf wird uns keine Zukunft eine Antwort geben, denn diese Frage bedeutet nichts weiter, als die unbeantwortbare Frage nach dem Ding an sich. Das Ding an sich ist für die Auffassung des Epigenetikers die aus lauter gleichen Theilen, die wir Uratome nennen, bestehende Substanz, aber was diese Uratome eigentlich sind, das werden wir niemals wissen. Diese Uratome sind ja schliesslich weiter nichts, als Gebilde der Phantasie, der Abstraktion. Unser Geist ruht aber nicht eher, als bis er bei irgendwelchen unter sich gleichen erdachten Gebilden Halt ge- macht hat. Ob man sich diese etwa als kleine Magnete von bestimmter Form vorstellen will, durch deren gegen- seitige Anziehung und Abstossung die Erscheinungen des Weltprocesses zu Stande kommen, oder ob man sie sich als ein System bestimmt gerichteter Bewegungen, das dann seinerseits freilich aus letzten Elementen zusammen- gesetzt wäre, denken will, ist schliesslich gleichgiltig. Wir kommen nicht über die Notwendigkeit hinweg, an irgend einer Stelle der sowohl nach der Richtung des Grossen als auch nach der des Kleinen unendlichen Welt Halt zu machen bei Urelementen oder Uratomen, in deren Jedem gewissermaassen die ganze Welt enthalten ist, so dass es von der Stellung der Uratome zu einander abhängt, welche der in jedem einzelnen Uratom latenten Eigenschaften der Substanz zu Tage treten soll. Wie jedoch durch die Stellung der Uratome zu ein- ander die Eigenschaften zu Stande kommen, die für uns qualitativ verschiedene Empfindungen sind, das begreifen wir, wie noch einmal betont sein mag, nicht. Hier ist die eine Grenze des Naturerkennens. Wir sagen, die eine, da dem Naturerkennen zwei unüberschreitbaro Grenzen gesetzt sind. Die zweite dieser beiden Grenzen ergiebt sich aus folgender Betrachtung. " Wir könnten den Weltprocess in Gedanken vorwärts in die Zukunft und zurück in die Vergangenheit ver- folgen, und fragen: Was war der Anfang unserer Welt und was wird ihr Ende sein? Man könnte sich vorstellen wollen, dass die Welt aus einem Gleichgewichtszustände hervorgegangen wäre, und durch eine Reihe von Ver- änderungen einem abermaligen Gleichgewichtszustande zustrebte, und man könnte auch vielleicht auf den Ge- danken kommen, dass der ursprüngliche Gleichgewichts- zustand einer gleichmässigen Vertheilung der Uratome durch den gesammten Weltraum entsprochen hätte. Diese Vorstellung ist aber durchaus unzulässig. Wenn die Uratome ursprünglich gleiehmässig vertheilt waren, so konnte keine Bewegung in die Welt hineinkommen, es sei denn, dass ein Schöpfer den Anstoss dazu gegeben hätte. Soweit wir auch in Gedanken den Weltprocess in die Vergangenheit zurückverfolgen mögen, soweit wir ihn in die Zukunft zu begleiten suchen, wir stossen unter allen Umständen auf ungleich vertheilte Materie. So wenig, wie wir die heutige Vertheilung der letzteren aus einer ursprünglich gleichmässigen Vertheilung hervor- gegangen denken können, so wenig ist es uns möglich, uns den Uebergang des gegenwärtigen Zustandes un- gleichmässig vertheilter Materien in einen solchen, wo sich die Uratome alle in gleichem Abstände von einander befinden, zu denken. Mit anderen Worten: die ungleich- massige Vertheilung der Materie und damit die Welt — denn eine Welt, die aus gleiehmässig vertheilten Ur- atomen bestände, wäre in der That keine Welt — ist schlechtweg gegeben, oder hat, wenn wir wollen, in jedem Zeitditferential ein Ende und einen neuen Anfang, die uns beide ungleichmässig vertheilte Materie zeigen. Bei dieser letzteren müssen wir Halt machen. Wir haben mit diesen Erörterungen die Epigenesis- theorie bis in ihre letzten Consequenzen durchgeführt, und diese auf das Weltganze angewandte Lehre der Epigenesis besagt Folgendes : Die AVeit besteht aus unter sich gleichen, aber ungleichmässig vertheilten Uratomen, aus deren Jedem Alles werden kann, je nachdem es in diese oder jene Lage zu seinesgleichen kommt. Es findet demnach eine fortwährende Neuschöpfung statt, in Bezug auf das Weltganze sowohl, als auch auf jedes einzelne Uratom. Das eigentliche Wesen der Schöpfung ist uns aber unbegreiflich. 27. Die Consequenzen der Präformationstheorie. Nach der Präformationstheorie sind die Organe des entwickelten Thieres und der entwickelten Pflanze im Keime gesondert vorgebildet. Jedes Organ hat in der Keimzelle einen eigenen Organkeim, und diese Organ- keime müssen in der Keimzelle nach einem bestimmten Plane angeordnet sein, sodass sie sich in richtiger Weise und am richtigen Ort entfalten können. Bei der indi- viduellen Entwickelung des Organismus wird der Gesammt- keim in die einzelnen Organkeime auseinandergelegt. Selbstverständlich geht er dabei zu Grunde. Wir haben nun gesehen, dass einzig und allein dadurch für weitere Nachkommenschaft gesorgt sein kann, dass die Keime verschiedener Generationen ineinander eingeschachtelt sind. Das ist eine notwendige Consequenz der Prä- formationstheorie, weil diese, wenn sie jene Consequenz nicht ziehen will, mit sich selbst in Widerspruch geräth. Jene Consequenz führt aber des Weiteren zu der An- nahme eines Schöpfers, der den Plan der organischen Schöpfung im voraus berechnet hat, die ersten Organis- men, die auf der Erde lebten und die die Stammväter der übrigen wurden, durch sein Schöpfungswort ins Da- sein rief und zugleich mit ihnen die Keime aller der- jenigen Generationen schuf, die er bestimmt hatte, die Erde zu bevölkern. Dass eine solche Annahme mit der Abstammungslehre in Einklang zu bringen ist, haben wir gesehen. Was aber folgt aus dieser Theorie der Organismenschöpfung für die unorganische Natur? Das ergiebt sich, wenn wir das eigentliche Wesen der Präformationstheorie zu erfassen suchen. Der Kern dieser Lehre ist die Annahme, dass nicht aus jeder Zelle, die wir in dem sich entwickelnden Organismus finden, alles mehr werden kann. Die Erfahrung lehrt, dass sich im entwickelten Orga- nismus Muskelzellen nicht in Nervenzellen umbilden, und Orüsenzellen nicht in Muskelzellen, dass jede speeifische Art der Zelle nur ihresgleichen erzeugt. Indem man diese Thatsachen auf die Zellen des Keimlings übertrug, ge- langte man zu der Behauptung, dass auch hier schon jede Zelle in ihrem Wesen prädestinirt sei. Hiermit wollten nun die Beobachtungen nicht recht Nr. 38. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 463 stimmen, und man wusste ja auch, dass nicht nur die Zellen des Keimlings noch vielfach einen unentschiedenen Charakter zeigen, sondern dass sich auch aus einzelnen Theilstücken mancher Thiere, z. B. des SUsswasserpolypen, der ganze Organismus wieder entwickeln kann, und dass in anderen Fällen wenigstens verloren gegangene Körper- teile regenerirt werden können. Hierbei müssen aber Umbildungen von Zellen stattfinden. Weismann hat des- halb mit anerkennenswerther Consequenz die Theorie aufgestellt, dass die seitens der Zellen erfolgende Annahme eines Charakters, zu dem sie ursprünglich nicht bestimmt waren, nur eine scheinbare sei, dass in solchen Fällen vielmehr bestimmte Reserve de terminanten im Kern vorhanden sind, deren Biophoren einen ganz be- stimmten Charakter haben und diesen der sich um- bildenden Zelle aufdrücken. Die Zelle bildet sich also nach Weismann nicht um, sondern in ihren sowieso charakterlosen Leib, der seine Eigenthümlichkeiten ja nur dadurch erhalten hatte, dass Biophoren von bestimmter Beschaffenheit aus dem Kern in den Zellleib einwander- ten, sind da, wo eine Umstimmung der Zelle stattgefunden hat, die unveränderten Biophoren einer anderen Zellen- art hineingetreten, und haben dadurch der Zelle einen neuen Charakter gegeben. Es handelt sich also nicht etwa um die Umbildung von Biophoren einer Zellenart in die einer anderen Zellenart, etwa von Muskelbiophoren in Nervenbiophoren oder umgekehrt; sondern dort, wo sich etwa eine Muskelzelle oder eine Zelle, die zu einer Muskelzelle bestimmt war, in eine Nervenzelle umbildet, treten anstatt der Muskelbiophoren Nervenbiophoreu aus dem Kern in den Zellleib über. Dagegen können sich unmöglich Nervenbiophoren in Muskelbiophoren ver- wandeln. Die Annahme, zu welcher der Präformismus auf diese Weise gelangt, ist also die, dass es kein im Anfang- indifferentes Plasma giebt. das sich je nach dem Ort, an welchem es sich im Organismus befindet, zu Plasma einer speeifischen Zellenart umbildet, sondern dass jede speeifische Zellenart ihr eigenes Plasma hat, das sich von Generation auf Generation überträgt. Nun nehmen aber auch Weismanu und wohl auch andere Präformisten an, dass stammesgeschichtlich aller- dings eine Umbildung eines indifferenten Plasmas zu Nerven-, Muskel-, Drüsenzellenplasma und zu den übrigen speeifischen Plasmenarten stattgefunden hat, denn die allerältesten Organismen bestanden nach Weismann nur aus einer einzigen Art von Biophoren. Wir müssen aber in dieser Annahme eine Inconsequenz er- blicken. Wenn sich indifferentes Plasma im Laufe der Starnmesgeschichte zu einer grossen Anzahl ver- schiedener speeifischer Plasmen umbilden konnte, so kann ein solcher Process auch im Laufe der Keimesgeschichte stattfinden. Dann aber ist die Annahme einer Präformation nicht nöthig; dann wird die Präformationslehre zu Epigenesistheorie. Wir sehen ja, dass sich ein vielzelliger Organismus in dem kurzen Verlauf der Keimesgeschichte aus einer einzigen Zelle hervorbildet; ganz ebenso nehmen wir an, hat sich die Stammesgeschichte abgespielt. Die Vor- fahren der vielzelligen Thiere waren einzellige Thiere; es findet also eine äusserst schnelle und kurze Recapi- tulation der Starnmesgeschichte durch die . Keimes- geschichte statt. Was sich stammesgeschichtlich im Laufe von unzähligen Jahrmillionen langsam vollzogen hat, das geht in der Keimesgeschichte im Laufe von wenigen Monaten, Wochen öder gar Tagen vor sieh. Wenn das aber möglich ist, so muss im Laufe der Keimesgeschichte auch eine ebenso schnelle Recapitulation derjenigen stammesgeschichtlichen Vorgänge stattfinden können, die zur Umbildung eines ursprünglich einheitlichen und in- differenten Plasmas in eine Anzahl speeifisch verschie- dener Plasmen geführt haben. Da der Präformismus die Möglichkeit, dass solches in der Keimes geschiente vor sich gehen könnte, leugnet, so muss er nothwendiger Weise auch die Möglichkeit einer stammesgeschichtlichen Umbildung des Plasmas bestreiten. Dass er dies nicht thut, ist nichts weiter als eine Inconsequenz. Wir sehen somit auch hier wieder, dass der Präformismus nothwendiger Weise zur Ein- schachtelungstheorie gelangen muss, und dass sein Grundprincip in der Annahme der Unveränderlieh- keit speeifischen Stoffes bestehen muss. Alle speeifischen Stoffe müssen also von Anfang an geschaffen seien, und es wäre im höchsten Grade inconsequent, wenn man dies nur für die orga- nischen Stoffe annehmen wollte. Man muss viel- mehr auch für die anorganische Substanz eine Erschaffung aller chemisch verschiedenen Stoffe am ersten Schöpfungstage annehmen. Nun aber lehrt uns die Chemie, dass die Stoffe fort- während andere „Eigenschaften" annehmen. Der Kohlen- stoff bethätigt sich in der Kohlensäure auf andere Weise als im Kohlenoxydgas; hier ist das Kohlenstoft'atom mit einem, dort mit zwei Atomen Sauerstoff verbunden, und die Unterschiede zwischen Kohlensäure und Kohlenoxyd- gas sind sehr erhebliche. Wir sehen also, dass that- sächlich in dem Moment, wo Kohlenoxydgas zu Kohlen- säure verbrennt, eine Veränderung des Kohlenstoffs statt- finden muss; und es fragt sich, wie sich ein consequenter Präformismus mit dieser Thatsache abzufinden hat. Eine bis in ihre letzten Consequenzen durchgeführte Epigenesislehre würde, wie wir gesehen haben, sagen, dass sich in dem Moment, wo eine chemische Verbindung gebildet oder aufgehoben wird, die Elemente, die zu der Verbindung zusammentreten, oder sich aus ihrem Verband loslösen, andere Eigenschaften annehmen, das heisst, dass sie sich in dem betreffenden Moment selbst verändern. Eine solche Annahme kann die Präformatioustheorie nicht machen, weil sie dadurch ihr eigentliches Wesen aufgiebt. Da bleibt dann nur ein einziger Ausweg: Sie muss Atome verschiedener Stoffmodificationen ineinander eingeschachtelt sein lassen: In dem Moment, in welchem Kohlenoxydgas zu Kohlensäure verbrennt, wird das Kohlenstoft'atom, das dem Kohlenoxydgas entspricht, völlig vernichtet, und an seine Stelle tritt ein in ihm eingeschachtelt gewesenes, wesentlich anders geartetes Atom, das der Kohlensäure entsprechende, Aehnliches geschieht mit dem Sauerstoff. Das einzige Sauerstoft'atom das im Kohlenoxydgas an das Kohlenstoffatom gebunden ist, hat andere Eigenschaften, als die beiden Sauerstoffatome, die iu der Kohlensäure mit einem Atom Kohlenstoff verbunden sind. Es hat also erstens das im Molekül des Kohlenoxydgases mit dem Kohlenstoff vereinigte Sauerstoffatom ein anderes Atom ausgeschachtelt, und zweitens hat ein Sauerstoffatom etwa der atmosphärischen Luft, das sich mit dem Kohlenoxyd- molekül zu Kohlensäure vereinigt, ein neues Atom, näm- lich das, welches der Kohlensäure entspricht, ausgeschach- telt. Der Vorgang liess sich auch etwa so darstellen, dass man sagt, im Moment der Verbrennung von Kohlen- oxydgas zu Kohlensäure schachteln alle drei in Mitleiden- schaft gezogenen Atome je ein neues Atom aus, dass wir füglich ein Kohlensäureatom nennen könnten, denn die Kohlensäure, gleich jeder anderen chemischen Verbindung, imponirt uns ja als etwas durchaus einheitliches, als ein chemisches Individuum. Was wir hier am Beispiel der Kohlensäure erläutert 464 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 38. haben, das muss eine streng bis in ihre letzten Conse- quenzeu durchgeführte Präformationstheorie für alle anderen chemischen Verbindungen annehmen. Daraus er- geben sich aber wieder weitere Folgerungen. Die An- zahl der chemischen Verbindungen, in welche beispiels- weise der Kohlenstoff eintreten kann, ist eine enorm grosse, Und die meisten chemischen Elemente überhaupt können eine beträchtliche Anzahl von Verbindungen bilden. Angesichts dieser Thatsache kommen wir zu dem Er- gebnis, dass beispielsweise in ein Kohlenstoffatom der Reihe nach eingeschachtelt sein können das Kohlenoxyd- gasatom, das Kohlensäureatom, das Atom des Calcium- carbonats, ein ferneres Kohlensäureatom, das Atom des Natriumcarbonats u. s. w. u. s. w. Für das Weltall und seine Schöpfung ergiebt sich aber hieraus folgendes: Gott hat im Anfang sämmtliche Atome im Weltall gleichzeitig erschaffen, jedem gleich- zeitig einen bestimmten Platz angewiesen und jedes mit einer bestimmten Bewegungsrichtung und einem bestimmten Maass von Energie ausgestattet. Ausserdem aber hat er von vornherein beschlossen, welches Schicksal jedes Atom im Laufe des Weltprocesses erleben sollte, und dem- entsprechend hat er die Atome, die sich der Reihe nach aus jedem Atom entwickeln sollten, mit den erforderlichen ineinandergeschachtelten verschiedenartigen Atomen der- jenigen chemischen Substanzen, in die das betreffende Stammatpm nach und nach eintreten sollte, in der von vornherein durch ihn festgesetzten und durch seinen Schöpfungsplan bedingten Reihenfolge ausgestattet. Da uns nun die Chemie noch nirgends ein Ver- schwinden irgend eines Atoms nachgewiesen oder auch nur wahrscheinlich gemacht hat, wir aber gleichwohl vom Boden der Präformationstheorie aus annehmen müssen, dass die Welt eine endliche ist, dass sie, da sie einen Anfang gehabt hat, auch ein Ende haben muss, so könnte die Weltmaschine von Gott so eingerichtet sein, dass in einem von ihm vorherbestimmten Momente das letzte Stück der ineinander eingeschachtelten Atomenreihe gleich- zeitig mit allen übrigen letzten Stücken zu Grunde gehen und dadurch das Ende der Welt bereiten würde. Der plötzlichen Erschaffung der Welt würde ihr ebenso plötz- liches Verschwinden entsprechen, und für eine neue Welt wäre Platz geschaffen. In anschaulicher Weise kann man sich dann die Schöpfung, den Anfang, den Verlauf und das Ende des Weltprocesses vor Augen führen, wenn man die Welt mit einem Feuerwerk und Gott mit einem Pyrotechniker ver- gleicht. Vor einem solchen Vergleich darf der Präfor- mismus unter keinen Umständen zurückschrecken, denn sonst ist er verloren. Ein Pyrotechniker nun, der etwa eine „grosse Sonne" oder dergleichen anfertigen will, be- rechnet von vornherein den Mechanismus des Feuerwerkes ; er bestimmt, wann und wo eine Drehung nach rechts oder eine solche nach links stattfinden soll, welche Bewegungen gleichzeitig vor sich zu gehen haben und welches die Reihenfolge der gesammten Processe, die sich an dem Feuerwerk abspielen, sein soll; er will, dass es bestimmte Lichteffecte hervorbringen soll, und muss deshalb die Ver- theilung der verschiedenen Mischungen, die rothes, blaues, grünes und weisses Licht erzeugen sollen, so vornehmen, dass die gleichzeitig oder nacheinander zur Geltung ge- langenden Lichteffecte einen befriedigenden Eindruck auf das Auge machen; endlich muss er noch dafür sorgen, dass der Sehlusseffect des gesammten Feuerwerks ein schöner ist, was er am besten dadurch erreicht, dass er alle einzelnen Theile des Feuerwerkes zu gleicher Zeit durch Explosion zum Erlöschen bringt. Es handelt sich bei diesem Bilde nicht um einen Vergleich; sondern das, was der Schöpfer nach einer consequenten Präformationstheorie gethan haben muss, ist nichts anderes, als das Werk des Pyrotechnikers im grossen. Wer sich einmal auf den Boden der Präforma- tionstheorie stellen will, der muss wohl oder übel alle die Consequeuzen ziehen, die wir aufgezählt haben. Der Präformismus besagt aber schliesslich nichts weiter, als dass nur ein einmaliger Schöpfungsact statt- gefunden hat: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Diesen Eingang des ersten Buches der Genesis muss der Präformismus zu seinem Motto machen. Nachdem aber einmal die Erschaffung der Welt stattgefunden hatte, läuft der Weltprocess wie ein Uhrwerk ab. Dagegen nimmt eine bis in alle ihre Consequenzen durchgeführte Epigenesislehre an, dass in jedem einzelnen Moment des Weltprocesses unzählige Neuschöplüngeu stattfinden. Wer sich aus einem Molekül Kohlenoxydgas und einem Sauerstoffatom ein Molekül Kohlensäure bildet, da findet eine Neuschöpfung statt, insofern, als die be- treffenden Stoffe plötzlich neue Eigenschaften annehmen. Für das plötzliche Auftreten neuer Eigen- schaften haben wir aber ebensowenig eine Er- klärung, wie für die Möglichkeit einer Ein- schachtelung der Atome ineinander, wie sie die consequent durchgeführte Präformationstheorie annehmen muss. Die Epigenesislehre sowohl, als auch der Präformismus stehen hier am Ende ihres Witzes, und schliesslich kommen sie auf ein und das- selbe hinaus. Es ist reine Geschmackssache, ob man eine plötzliche Erschaffung der Welt mit ineinander eingeschachtelten Atomen, oder ob man eine ewige Dauer des Weltprocesses mit fortwährenden plötzlichen Neuschöpfungen annehmen will. Wir müssen auf alle Fälle von einer während eines bestimmten Momentes ge- gebenen Anordnung aller Atome im Weltall ausgehen, wir müssen jedes Atom in diesem Momente mit einer be- stimmten Bewegungsrichtung und Geschwindigheit aus- gestattet denken und schliesslich jedes Atom uns so ein- gerichtet vorstellen, dass aus ihm eine Reihe anderer Atome mit anderen Eigenschaften hervorgehen kann. Wie die ursprüngliche Anordnung der Atome zu Stande ge- kommen ist, und was das eigentliche Wesen des Atoms ist, das wissen wir nicht, und das werden wir niemals wissen. Hier sind die beiden Grenzen unseres Naturerkennens und diese Grenzen sind für die Epigenesislehre und für die Präformationstheorie genau dieselben. Ob schliesslich hinter allem ein persönlicher Gott steht, oder ob die Welt ewig ist, darüber hat das religiöse Bedürfniss zu ent- scheiden. Der Wissenschaft kann diese Entscheidung völlig gleichgültig sein, weil sie auf wissenschaftlichem Wege nicht getroffen werden kann. Aus obigen Ausführungen ergiebt sich das zweifel- lose Resultat, dass in Bezug auf die letzten Elemente des Stoffes die Epigenesislehre keine grössere oder ge- ringere Berechtigung hat als die Präformationstheorie. Es ist lediglich Sache des Geschmacks, ob man sich be- züglich der letzten Elemente des Stoffes die eine oder die andere der beiden möglichen Auffassungen zu eigen machen will. Anzunehmen gezwungen sind wir aber das, was weiter aus diesem Hauptergebniss unserer Untersuchungen folgt. Wenn, was unbestreitbar, die Präformationslehre ge- nöthigt ist, eine Einschachtelung verschiedenartiger Atome ineinander anzunehmen, so dass zwei Atome desselben Stoffes in Bezug auf die Beschaffenheit und die Reihen- folge der in ihnen eingeschachtelten Atome anderer Stoffe durchaus verschieden sein könnten, so wird die Noth- wendigkeit der Ausstattung der Keimzellen mit gesonderten Organkeimen, die stofflich in dem- selben Grade von einander verschieden sind, Nr. 38. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 465 wie die Zellen des entwickelten Körpers, hin- fällig. Was könnte es für einen Zweck haben, die Organe schon so frühzeitig von einander zu sondern, wenn es nicht nöthig ist? Und nöthig ist es gewiss nicht! Der Organismus kann sich, wenn es nur auf das ankommt, was eingeschachtelt ist, sehr wohl aus einem Keim ent- wickeln, dessen einzelne Theile äusserlich untereinander völlig gleich sind. Die Präformation könnte ja eine derartige sein, dass sich die einzelnen äusserlich gleichen Plasmaelemente dadurch von einander unterscheiden, dass je nach ihrer Lage im Keim Verschiedenartiges in ihnen unsichtbar eingeschachtelt wäre. Die consequente Durchführung der Präformationstheorie gelangt also zu dem Resultat, dass die Präformation nur eine potentielle zu sein braucht. Das ist aber gerade die Annahme der Epi- genesislehre, die ja besagt, dass sich je nach der Lage der einzelnen Zellen im Embryo, trotzdem ihr Plasma ursprünglich gleich war, Verschiedenartiges aus ihnen entwickeln inuss. Da also diese Annahme, auf welche sowohl die Präformationstheorie als auch die Epigenesis- lehre hinauskommt, die einzige mögliche ist, so ist die Präformation unmöglich: Eine consequent durch- geführte Präformationstheorie vernichtet sich selbst! Im übrigen hat die Beobachtung darüber zu ent- scheiden, was im Keime vorhanden ist. Da die einzelnen Organe nicht im Keime vorgebildet sein können, so ist es unnöthig, dabei zu verweilen, dass die Beobachtung nicht den allergeringsten Anhalt für eine solche Annahme ergiebt, geschweige denn, dass „Bestimmungsstücke" im Keime sichtbar wären. Wir wissen vielmehr, dass sich bei den meisten Organismen die ersten Zellen, die sich durch die Theilung der Eizelle bilden, ausserordentlich schwer, wenn überhaupt, von einander unterscheiden lassen. Von Präformation kann dabei durchaus keine Rede sein. Weismann verlegt ja auch seine Determi- nanten in die Ide hinein, d. h. in die kleinsten Elemente der Kernstäbe, die noch durch das Mikroskop unter- schieden werden können. Die Weismanu'schen Determi- nanten werden wir niemals zu Gesicht bekommen, weil sie nicht existiren können. Da aber Weismann und seine Anhänger sich in die unsichtbaren Elemente des Plasmas zurückziehen müssen, so hat die Präformationstheorie nur für sie Bedeutung, für die Theorie und Praxis der Orga- nismenkunde hat sie ihre Existenzberechtigung verloren. Sie macht die abenteuerlichsten Annahmen nöthig; denn dass die Einschachtelungstheorie uns Vorstellungen auf- zwingt, die nicht abenteuerlicher gedacht werden können, wird heutzutage wohl Niemand bestreiten; darin werden uns Weismaun und seine Anhänger vollkommen Recht geben. Aber dann ist die Präformationstheorie, die diese Gelehrten vertreten, unhaltbar. Die Einschachtelungslehre ist eine absolut unvermeidliche Consequenz der Weismann- schen Präformationstheorie, und wer die erstere verwirft, versetzt der Präformation den Todesstoss. Dasselbe thut aber, wie wir gezeigt haben, auch der, welcher die Ein- sehachtelung annimmt. Wir haben uns nach allem Vorhergehenden mit diesen Ausführungen das Recht erworben, die Präformations- theorie als abgetban zu betrachten. Die Wissenschaft von den Organismen wird sich wohl oder übel mit der Epigenesislehre zu behelfen haben, was übrigens nicht gar so schlimm ist, da die Theorie der Epigenesis die ein- fachste und natürlichste Erklärung der Thatsachen giebt. 28. Die Aufgaben und Grenzen der Natur- forschung. Zur Präcisirung unserer Stellungnahme gegenüber der Frage nach den Aufgaben und Grenzen unserer Wissen- schaft sind wir durch die vorhergehenden Abschnitte vor- bereitet. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob die Fonnenbildung in der Natur eine auf Prä- formation beruhende oder eine epigenetische ist. Zur Kenn- zeichnung unseres Standpunktes brauchen wir die Resul- tate, zu denen wir gekommen sind, nur zu ordnen. Präformirt oder gegeben sind uns die Uratome, ihre Formen, und die Gesetze, die das Gleichgewicht und die Bewegung grösserer oder kleinerer Oomplexe von Uratomen beherrschen. Gegeben ist uns ferner der Kos- mos, d. h. eine ungleichmässige Vertheilung der Materie im Weltall, eine Gruppirung der Uratome, die von vorn- herein so beschaffen war, dass sich die Welt, wie sie heute ist, mit Notwendigkeit daraus entwickeln musste. Präformirt ist für uns also das Unendliche, Ewige. Der ewige, unendlich grosse Kosmos und die ewigen, unendlich kleinen Uratome, sowie die ewigen Gesetze, die alle Veränderungen im Kosmos beherrschen, das Ewige überhaupt, ist unerforschlich, und nur das Endliche kann Gegenstand der Naturforschung sein: Endlich sind aber, wie wir aus der Erfahrung wissen, die Individuen der Organismenarteu, die Organe, aus denen die indi- viduellen Vertreter des Tbier- und Pflanzenreichs zu- sammengesetzt sind, die Zellen, welche diese Organe auf- bauen, die Plasmaelemeute, welche die Bausteine für die Zellen darstellen und gleich den Krystallen bestimmte Formen haben müssen; endlich sind die Krystalle und die Moleküle, die diese und die Plasmaelemente aufbauen, endlich sind auch die Atome der chemischen Elemente, die zwar mit unseren heutigen chemischen und physi- kalischen Hülfsmitteln unzerstörbar sind, aber sich der- einst als aus ewigen Uratomen zusammengesetzt erweisen werden. Dass der Bau unserer Erde ein endlicher ist, wissen wir, und zweifellos ist es auch, dass die Erde selbst, sowie alle anderen Himmelskörper endliche Gebilde sind, kurz alles Zusammengesetzte ist endlich. Endlich sind auch die Energiearten: Elektricität kann in Wärme und Licht umgewandelt werden, Massenbewegung in Wärme, kurz alle Energiearten können in andere Energiearten übergeführt werden; sie sind endliche Formen einer ewigen Urenergie. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass alle diese endlichen Dinge der wissenschaftlichen Forschung zu- gänglich sind, denn die Wissenschaft hat ja gerade die Aufgabe, das Endliche auf das Ewige, Letzte zurückzu- führen. Dass aber die Stoffe, die Formen, die Energie- arten ewig seien, widerspricht der Erfahrung, denn sie sind alle mit einander Veränderungen unterworfen, haben also keine ewige, sondern eine endliche Existenz. Dass unter denselben Umständen immer dieselbe Form, der- selbe Stoff, dieselbe Energieart auftritt, ist selbstverständ- lich, aber kein Beweis dafür, dass die Formen, Stoffe und Energiearten ewig sind, sondern nur dafür, dass der Urstoff und die Gesetze, die ihn beherrschen, ewige sind. Was sich über die Gegenstände der Mechanik aus- sagen lässt, gilt auch von denen der Psychologie. Als ewig muss die Psychologie die in den Uratomen schlum- mernde Fähigkeit, unter bestimmten äusseren Einwirkungen bestimmte Empfindungen zu haben, betrachten. Eudliche Dinge sind dagegen das Selbstbewustsein, die Gedanken, die sich im Gehirn bilden, und die Handlungen, die den Vorstellungen im Gehirn entspringen. Unsere Anschauung von der Welt lässt sich also kurz dahin zusammenfassen, dass die Formen bestimmte Con- stellationen von Uratomen darstellen, dass sie gesetz- mässig veränderlich sind, dass das, was man die Eigen Schäften nennt, eine Funktion der Form ist, dass also sich mit alle Eigenschaften der Aenderung der Con. 466 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 38. stellation der Uratome gleichfalls ändern, dass sie Functionen dieser Constellation sind. Als wirkliche, neben den Formen bestehende Eigenschaften der Gleich- gewichts- und Bewegungszustände in der Natur, können wir aber nur die Empfindungen betrachten, denn wir dürfen nicht vergessen, dass wir die Eigenschaften eines in unserem Gehirn stattfindenden Vorgangs unberech- tigter Weise auf die Dinge, die diesen Vorgang her- vorgerufen haben, übertragen. Da nun die psychischen Vorgänge sicher mit denen in der Körperwelt zusammen hängen, und da die letzteren auf die ewigen Eigen- schaften eines Urstoffes und die Gesetze, die dessen Verän- derungen beherrschen, zurückgeführt werden müssen, so gelangen wir zu der Ueberzeugung, dass alle in Natur- und Geistesleben Veränderungen bewirkenden Ursachen nur causae occasionales, nur Veranlassungen sind. Die wirklichen letzten Ursachen alles Geschehens müssen wir als einfach gegeben annehmen; wir können das Wie und Warum ihrer Existenz nicht ergründen. Die Wissen- schaft hat es also einerseits mit der Aufdeckung gege- bener allgemeiner Naturgesetze zu thun, andererseits mit der Erforschung der Veranlassungen, welche die Einzel- erscheinungen in der Welt bewirken. 29. Das Wesen der organischen Formbildung. Die Betrachtungen des vorigen Abschnittes ermög- lichen es uns, gegenüber dem Problem der orga- nischen Formbildung einen festen Standpunkt einzu- nehmen. Wir können uns auf keine Weise der Notwendig- keit entziehen, für die keimes- und stammesgeschichtliche Entwickelung die Epigenesis anzunehmen, das Wesen der Formbildung als ein epigenetisches zu betrachten, epi- genetisch nicht in dem Sinne, dass der Baustoff der ältesten Organismen und der der Keimzellen, aus welchen sich die heutigen Thiere und Pflanzen entwickeln, eine einzige chemische Substanz ist, sondern in dem Sinne, dass keines der Organe des Thier- oder Pflanzenkörpers im Keim vorgebildet ist, und dass die einfachsten Vor- fahren der heute lebenden Organismen noch in keiner Weise die Organe ihre späteren Nachkommen vorgebildet enthielten. Dagegen werden wir zu der Anschauung ge- drängt und lernen diese als unabweislich einsehen, dass schon im Körper der ältesten Organismen, und ebenso in den Keimzellen der heute lebenden, verschiedene che- mischen Substanzen enthalten sein müssen, und zwar deshalb, weil es sich bei den Organismen um lebende Wesen handelt. Ein Krystall besteht nur aus einem ein- zigen Stoff; deshalb lebt er nicht. Wo aber mehrere Stoffe mit einander in Berührung kommen, da finden chemische Umsetzungen statt, da ist Bewegung, oder, was dasselbe ist, Leben. Lebende Wesen konnten also nur dadurch entstehen, dass Stoffe verschiedener Zu- sammensetzung mit einander in Wechselwirkung traten, und deshalb müssen schon die ältesten Organismen aus mehreren chemischen Substanzen bestanden haben. Nun könnte man zwar sagen, dass eine derartige Annahme für die Keimzellen der heute lebenden Organis- men nicht nothwendig sei, denn diesen wäre ja die Mög- lichkeit einer stetigen Beeinflussung durch ihre Umgebung, sei diese der elterliche Körper oder die freie Natur, ge- geben. Aber eben weil diese Möglichkeit gegeben ist, findet beständig eine Wechselwirkung zwischen der Substanz, aus welcher die Keimzellen bestehen und der ihrer Umgebung statt, und deshalb kann diese Substanz nicht aus einer einzigen chemischen Verbindung bestehen. Wenn die Keimzellen leben sollen, so müssen sie ver- schiedene Stoffe enthalten, denn dadurch allein ist das Leben möglich. Uebrigens lehrt ja auch die Beobachtung, | dass die Substanz der Keimzellen aus mehreren Stoffen besteht. Diese Stoffe sind aber in keiner Keimzelle so ver- theilt, dass sie irgendwie einer Vorbildung der späteren Organe des Körpers entsprächen, und es fragt sich des- halb, auf welche Weise die Ausbildung differenter Or- gane, die Differenzirung der Organismen zu Stande kommt, die stammesgeschichtliche, die allmählich aus ein- fachsten Urorganismen Thiere und Pflanzen von compli- cirtem Körperbau werden lässt, und die keimesgeschicht- liche, die innerhalb verhältnissmässig kurzer Zeit aus einem Keim, in welchem noch kein einziges Organ vor- gebildet ist, einen vielfach [gegliederten und durch ver- schiedene Organe ausgezeichneten Thier- oder Pflanzenleib hervorgehen lässt. Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, wollen wir zunächst die Entstehung eines bestimmten Organs an einer Körperstelle, wo bisher noch kein solches Organ war, zu veranschaulichen suchen. Gesetzt, es handelte sich etwa um ein Säugethier, das gleich dem Schnabelthier und dem Ameisenigel Australiens noch keine Zitzen an den Ausiiiündungsstellen seiner Milchdrüsen besässe. Die Bildung von Zitzen könnte auf zweierlei Weise zu Stande kommen, entweder dadurch, dass durch das Saugen der Jungen der Theil der Haut, wo sich die Ausführungsgänge der Milchdrüsen befinden, zu einer Zitze ausgezogen wird, die sich auf die Nachkommen des betreffenden Thieres vererbt, um hier durch fortgesetzten Gebrauch und die Vererbung seiner Wirkungen grösser und grösser zu werden, oder dadurch, dass sich an der betreffenden Stelle zufällig eine Art An- fang von einer Zitze bildete, und dass die Jungen eines Thieres, bei dem eine solche Zitze vorhanden war, besser gediehen als die von anderen Thieren, und die letzteren im Kampf ums Dasein verdrängten, dass sie ferner die Anfänge einer kleinen Zitze erbten und dass sich unter ihnen zufällig wieder etliche befanden, bei denen die Zitze grösser war, als bei den übrigen, dass endlich der ge- schilderte Process durch viele Generationen hindurch fort- gesetzt wurde. Die Entstehung der Zitze auf dem zweiten Wege würde den Annahmen der natürlichen Zuchtwahl Darwin's entsprechen. Das Wesen dieser Lehre besteht also darin, dass sie zufällige Veränderungen hier und dort im Körper auftreten lässt, die entweder nützlich sind, und deshalb im Kampf ums Dasein erhalten, oder schädlich, und des- halb ausgemerzt werden. Bei der Entstehung neuer Thier- formen wird aber nicht blos ein einziges Organ umgebildet. Der Darwinismns muss annehmen, dass alle Organe fort- währenden Schwankungen unterworfen sind, und dass zahlreiche Organe gleichzeitig weiter gezüchtet werden müssen. Dieser Nothwendigkeit kann er sich auf keine Weise entziehen, denn auch dann, wenn die Umbildung einer Organismenart nicht nothwendig ist, wenn es viel- mehr erwünscht ist, dass sie bei einer gegebenen Aus- bildung verharrt, kann dieses, falls eine natürliche Zucht- wahl im Sinne Darwins besteht, nur dadurch erreicht werden, dass nur diejenigen Individuen erhalten bleiben, deren Organe die erforderliche Beschaffenheit haben. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass viele Individuen erzeugt werden, deren Organe alle in der erforderlichen Weise ausgebildet sind, ist ausserordentlich gering, und wenn wir, was wir hier zu thun versuchen, die Zuchtwabllehre Darwins mit der Theorie der Epigenesis vereinigen, so gelangen wir zu der Ueberzeugung, dass bei der Aus- bildung und Erhaltung der Organe zufällige Variationen nur eine verschwindende Rolle gespielt haben. Wenn die Annahme einer epigenetischen Entwicke- lung richtig ist, wenn demnach der Keim zwar aus einem Nr. 3«. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 467 Gemisch verschiedener Substanzen besteht, aber kein ein- ziges Organ vorgebildet enthält, wenn sich also alle Or- gane aus einem und demselben Gemisch lebender Sub- stanz entwickeln, so variiren auch alle in Abhängigkeit von der Beschaffenheit dieses Gemischs. Wenn sich nun ein Organ in Folge von Veränderung der lebenden Sub- stanz der Keimzellen, die durch äussere Einwirkungen hervorgebracht worden ist, verändert, so müssen sich alle anderen Organe mit verändern, weil sie sich ja alle aus derselben lebenden Substanz bilden. Dass dabei alle in der erforderlichen günstigen Richtung variiren sollten, wäre eine Annahme, welche die Naturwissenschaft un- möglich machen kann. Dass z. B. bei günstiger Varia- tion des Auges sich auch das Ohr sowie alle anderen Organe in günstiger Richtung umbilden müssten, wäre auch dann eine teleologische Annahme, falls man sagen wolle, ein derartiger Fall brauche ja nur ausnahmsweise statt- zufinden. Es ist für den Epigenetiker geradezu undenk- bar, dass eine Keimsubstanz derartig beschaffen sein kann, dass alle Organe, die sich aus ihr entwickeln, in Folge von irgend einer Beeinflussung der Keimsubstanz in günstiger Richtung abänderten. Man könnte nur an- nehmen, dass eine bestimmte Keimesvariation, die einen Organe in günstiger, die übrigen Organe dagegen in indifferenter oder in ungünstiger Weise beeinflusste. Die natürliche Zuchtwahl würde dann so wirken, dass die einen Thiere auf Grund dieser, die anderen auf Grund jener Organe, die besonders günstig ausgebildet sind, über- leben würden. Nun findet aber bei den meisten Organismen ge- schlechtliche Fortpflanzung statt, und es ist keine Ein- richtung denkbar, die es verhindern könnte, dass etwa ein Thier mit besonders gut entwickelten Augen, aber schlechten Ohren sich mit einem anderen, dessen Gehör gut, dessen Gesicht aber schlecht ist, vermischte. Das Resultat einer solchen Mischung könnten aber höchstens Junge mit mittehnässigen Augen und mittelmässigen Ohren sein. Die Auslese könnte also eine Organismenart nicht vom Flecke bringen, sie würde beständig nivellirend wirken und die Verbesserungen der einen Organe ebenso sicher wieder ausmerzen, als die Verschlechterungen der übrigen. Wenn also die Annahme einer epigenetischen Ent- wickelung gerechtfertigt ist, wenn sie, wie wir gesehen haben, sogar unerlässlieh ist, dann kann die Fortbildung der Organismen nicht auf dem Wege der natürlichen Zuchtwahl zu Stande gekommen sein, sondern nur da- durch, dass sich an bestimmten Stellen in Folge besonderer Einwirkungen auf diese Stellen Organe bildeten, vervoll- kommneten oder rückbildeten, und dass die Veränderungen, die an den betreffenden Stellen stattfanden, vererbt wurden. Eine epigenetische Entwickelungslehre verträgt sich also nur mit der Annahme einer Vererbung er- worbener Eigenschaften. Unter erworbenen Eigen- schaften verstellen wir solche, die sich an bestimmten Körperstellen in Folge von Einwirkungen, die gerade diese Körperstellen treffen, bilden. Die Erhaltung der Organe in der erforderlichen Tüchtigkeit haben wir uns also so vorzustellen, dass der Gebrauch des Organs es auf seiner Höhe erhält, oder es auch noch weiter aus- bildet, und dass die in den Organismen heranreifenden Keimzellen dadurch derartig beeinflusst werden, dass sie das betreffende Organ wieder in derselben Weise repro- duciren. Da es sich aber meistens gleichzeitig um viele Organe handelt, so wird die Keimzelle gleich- zeitig von sämmtlichen Organen des Körpers aus be- einflusst. Welcher Art ist nun diese Beeinflussung? Dass es möglich sein sollte, dass sich die Substanz der Keimzellen ausschliesslich chemisch veränderte, und dass die chemische Zusammensetzung der Keimsubstanz die Uebertragung der Eigentümlichkeiten sämmtlicher Organe bewirkte, ist eine undenkbare Annahme. Was für eine chemische Umänderung könnte etwa die Ver- grösserung irgend eines Muskels im Keim bewirken, da der Muskel doch in allen seinen Fasern aus einem und demselben Gemisch chemischer Substanzen besteht? Die Annahme, dass irgend eine bestimmte Anordnung von Atomen in den Molekülen einer Substanz, die wir als hauptsächlichsten Träger der Vererbung anzusehen hätten, einer zweckmässigen Einrichtung der verschiedensten Or- gane entsprechen könnte, wäre eine durchaus unwissen- schaftliche. An Stelle dieser Annahme könnte nun eine zu treten versuchen, wonach das Gemisch von Substanzen, das wir in der Keimzelle vor uns haben, in der Weise vom Körper aus beeinflusst werden könnte, dass sieh etwa die eine Substanz in der erforderlichen Weise umbildet, falls ein Muskel verändert wird, die andere, wenn es sich um einen Nerven handelt u. s. w.; allein diese Annahme wäre ebenso teleologisch wie die vorhergehende. Dass die Grösse und die Anordnung der Organe irgend etwas mit der Constitution der Moleküle chemischer Substanzen zu thuu haben könnte, ist vielmehr völlig ausgeschlossen. Daraufhat bereits W. Pfeffer hingewiesen: „Wir dürfen nicht vergessen", sagt er, „dass mit demselben Messingstücke Apparate sehr verschiedener Art gebaut werden können." Wir können also die Vererbung nur auf die Weise erklären, dass wir annehmen, die Substanzen, die in der Keimzelle vorhanden sind, ordnen sich in Folge der Ein- flüsse, die die Organe des Körpers auf die Keimzellen ausüben, in einer Weise an, die zur Vererbuug erworbener Eigenschaften führen muss. Nun sehen wir aber, dass die Structur der Keim- substanz stark gestört werden kann, dadurch z. B., dass wir die Keimzellen verletzen, dass wir Stücke von ihnen abschneiden, u. dergl. mehr, und dass die Anordnung sich trotzdem ganz von selbst wiederherstellt. Wie aber ein Ge- misch verschiedener .Substanzen dazu kommen sollte, nach einer starken Störung wieder eine regelmässige Anordnung anzunehmen, ohne dass ein Regulator da ist, ist nicht einzusehen. Wir werden somit zu der Ueberzeugung ge- drängt, dass es vor allen Dingen eine Substanz ist, die den Formenaufbau der Keimzellen beherrscht, der die anderen in ihrer Anordnung passiv folgen. Diese Sub- stanz nennen wir das Plasma, im Gegensatz zu der herrschenden Auffassung, die im Plasma ein Gemisch ver- schiedener Stoffe erblickt. Wenn nun das Plasma nicht durch die chemische Constitution seiner Moleküle befähigt ist, Träger der Ver- erbung erworbener Eigenschaften zu sein, so kommen wir notwendiger Weise zu dem Schluss, dass die Vererbung erworbener Eigenschaften nicht durch eine Veränderung der molekularen Constitution des Plasmas bewirkt wird, dass das letztere nicht direct aus Molekülen zusammen- gesetzt ist, sondern aus Gebilden höherer Ordnung. Da aber das Plasma der Keimzelle von allen einzelnen Or- ganen des Körpers, in welchem sich die Keimzelle bildet, beeinflusst wird, so ergiebt sich mit Notwendigkeit die fernere Annahme, dass die betreffenden Elemente des Plasmas gegeneinander verschiebbar sind, woraus sich mit Notwendigkeit die Möglichkeit einer gleich- zeitigen Beeinflussung des Plasmas von allen Theilen des Körpers ergiebt. Der Körper bildet ja ein Gleichgewichtssystem. Thäte er dies nicht, so würde er auseinanderfallen; denn nur Körper, deren Theile im Gleichgewicht miteinander stehen, sind erhaltungsfähig. Die einzelnen Zellen des Körpers stehen also notwendiger Weise miteinander im Gleichgewicht, und zwar nicht blos die, welche am Organ- 468 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 38. auf bau theilnehmen, sondern auch die Keimzellen, die sich in diesem Körper bilden und später zur Ent- stehung neuer Individuen der betreffenden Orgauismenart führen. Wenn nun, wie es nicht anders sein kann, auch diese Keimzellen im Gleichgewicht mit dem Körper, in welchem sie sich bilden, stehen, wenn ferner die Ele- mente, welche die einzelnen Zellen des Körpers und die Keimzellen aufbauen, gegeneinander verschiebbar sind, so muss fortwährend eine Regulirung der Gleich- gewichtsverhältnisse eintreten. Bildet sich z. B. ein Muskel stärker aus, so muss eine Verschiebung der coustituirenden Elemente sämmtlicber Zellen des Körpers bis in die sich neubildenden Keimzellen hinein stattfinden, und dasselbe muss geschehen, wenn sich gleich- zeitig mehrere Muskeln und mit ihnen andere Organe, wie Knochen, Nerven u. dergl. in Folge bestimmten Ge- brauchs umbilden. Fortwährend müssen die Keimzellen sich ins Gleichgewicht mit dem betreffenden Körper setzen, fortwährend werden, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, Compromisse geschlossen unter den Einwirkungen, welche die Keimzellen von verschiedeneu Theilen des Körpers aus erfahren. Die Annahme, dass ihre Elemente, dass die Bausteine ihres Plasmas gegeneinander verschieb- bar sind, ist also eine unerlässliche. Diese Bausteine müssen aber eine bestimmte Form haben, denn das Plasma betrachten wir als eine che- misch reine Substanz, die, falls sie Individualitäten, die über den Molekülen stehen, bildet, was wir ja als eine unerlässliche Forderung eingesehen haben, diesen Indi- vidualitäten auch eine bestimmte Gestalt geben muss. Diese Individuen sind nichts weiter als kleine Krystalle. Das Plasma besteht also aus gegeneinander ver- schiebbaren Krystallen von bestimmter Form, und zwischen den aus solchen Krystallen be- stehenden Gebilden sind die übrigen Substanzen der Keimzelle verteilt. Die Selbstregulirung des Gleichgewichts im Körper ist besonders durch Roux betont worden; neuerdings hat Georg Pfeffer mit grossem Nachdruck auf sie hinge- wiesen, und von mir ist es ausgesprochen worden, dass der Körper ein Gleichgewichtssystem bildet, und dass sich die Keimzellen, die sich in ihm entwickeln, fortwährend ins Gleichgewicht mit dem Körper setzen müssen, dass sie ihr Gleichgewicht ändern müssen, falls sich das des gesammten Körpers ändert. Dadurch wird aber eine Vererbung erworbener Eigenschaften ermöglicht. Die Träger der Vererbung können aber, soweit bei der letzteren Verhältnisse in Betracht kommen, die nicht in chemischen Verschiedenheiten ihren Grund haben, nur gegeneinander verschiebbare Plasmaelemente von be- stimmter Form sein. Diese Elemente habe ich Gemmen genannt, und aus ihnen denke ich mir zunächst Gebilde höherer Ordnung zusammengesetzt, die Gemmarien, in welchen eben die Gemmen gegeneinander verschiebbar sind. Ist durch Einwirkung eines sich verändernden Organs auf die Keimzelle das Gleichgewicht der letzteren, also die Lagerung der Gemmen in den Gemmarien verändert worden, und werden diese Gemmarien dadurch die Träger der Vererbung, dass sich die betreffende Keim- zelle zu einem neuen Organismus entwickelt, so müssen sie eine Vererbung erworbener Eigenschaften bewirken. Wenn es an dieser Stelle auch nicht unsere Aufgabe sein kann, die Einzelseite des Vererbungsprocesses zu schildern, so geht doch soviel mit Sicherheit aus den obigen Auseinandersetzungen hervor, dass die Vererbung erworbener Eigenschaften eine not h wendige ist, und dass ihre Träger nur Gebilde aus gegeneinander ver- schiebbaren Plasmaelementen von bestimmter Form sein können. Was wir also von vorgebildeten Dingen im Keim an- nehmen müssen, ist ein Plasma, das aus unter sich gleichen Elementen, den Gemmarien, zusammengesetzt ist, die sich ihrerseits wieder aus Gemmen, die innerhalb der Gem- marien verschiebbar sind, aufbauen, und neben dem Plasma eine Anzahl anderer chemischer Substanzen, die, wahrscheinlich durch einander gemengt, zwischen dem Plasma veitheilt sind und den Stoffwechsel des sich ent- wickelnden Keims ermöglichen. Wir nehmen also zwar bestimmt geformte Elemente im Plasma an, aber von einer Präformation der einzelnen Organe des späteren Körpers ist dabei keine Rede. Präformation in dem Sinne, dass wir alle Formen immer wieder nur auf Formen zurückführen und damit niemals ans Ende kommen, ist indessen eine unerlässliche Annahme, und in diesem Sinne, aber auch nur in d i e s e m , sind wir Präformisten. Unser Präformismus besteht darin, dass wir bestimmt geformte, aber veränder- liche Plasmaelemente annehmen, und diese auf die Formen der Uratome zurückzuführen suchen. Diese Auf- fassung vom Wesen der organischen Formbildung ist aber niemals besser ausgedrückt worden als durch die Worte: „Alle Glieder bilden sich aus nach ew'geu Gesetzen, Und die seltenste Form bewahrt im Geheimen das Urbild, Also bestimmt die Gestalt die Lebensweise des Thieres, Und die Weise zu leben, sie wirkt auf alle Gestalten Mächtig zurück. So zeiget sich fest die geordnete Bildung, Welche zum Wechsel sich neigt durch äusserlidi wirkende Wesen". Litteratur: 1759. C. F. Wolff, Theoria generationis. — 1781. Blumen- bach, Ueber den Bildungstrieb und das Zeugungsgeschäft. — 1809. Lamarck, Philosophie zoologique. — 1828. E. Geoffroy Saint-Hilaire, Sur le principle de Turnte de composition orga- nique. — 1830. E. Geoffroy Saint-Hilaire, Philosophie zoo- logique. — 1859. Darwin, Ueber die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl. — 1863. Spencer, Principles of Biology. London — 1808—1880. Moritz Wagner, Die Entstehung der Arten durch räumliche Sonderung. Gesammelte Aufsätze. Basel 1889. — 1868. Darwin, Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. — 1872. Kölliker, Anatomisch- systematische Beschreibung der Alcyonarien. Frankfurt a. M. — 1874. His, Unsere Körperform und das physiologische Problem ihrer Entstehung. — 1876. Haeckel, Die Perigenesis der Plosti- dule. Berlin. — 1880. G. Jäger, Die Entdeckung der Seele. Leipzig. — 1881. Roux, Der Kampf der Theile im Organismus. Leipzig. — 1882—1891. Weismaun, Aufsätze über Vererbung unü verwandte biologische Fragen. Jena 1892. — 1884. Nägel i, Mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungslehre. Mün- chen. — 1885 — 1893. Roux, Beiträge zur Entwiekehmgsmechanik des Embryo. — 1887. Romanes, Physiological Selection. Journ. of Linnean Soc, Zoology. — 1888. Gulick, Divergent Evolution through Cumulative Segregation. Journ. of Linnean Soc, Zoology. — 1888. Eimer, Die Entstehung der Arten. Jena. — 1889. de Vries, Intracellulare Pangenesis. Jena. — 1892. Dreyer, Ziele und Wege biologischer Forschung. Jena. — 1892. Weis mann, Das Keimplasma. Jena. — 1892. O. Hertwig, Die Zelle und die Gewebe. Jena. — 1893. Haacke, Gestaltung und Vererbung. Leipzig. — 1893. Haacke, Die Schöpfung der Thierwelt. Leipzig. — 1893. Weismann, Die Allmacht der Naturzüchtung. Jena. — 1894. G. Pfeffer, Die Umwandlung der Arten. Hamburg.— 1894. O. Hertwig, Zeit- und Streitfragen der Biologie. Heft I. Jena. Nr. 38. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 469 Hermann von Helmholtz f. - II. v. Helmholtz ist — wie schon in voriger Nummer mitgetheilt — gestorben. Zu seinem 70. Geburtstage hat die „Naturw. Wochenschr." (VI. Bd., Nr. 35) bereits versucht, kurz an die gewaltigen Verdienste um die Wissenschaft zu erinnern, welche er sich erworben hat. Es soll hier nur weniges, seine geistige Entwickelung betreffend, hinzugefügt werden. Helmholtz selbst hat sich hierüber in einer Rede bei Gelegenheit der Feier seines 70. Geburtstages geäussert. „In meinen ersten sieben Lebensjahren", so erzählte er u. a., „war ich ein körperlich kränklicher Knabe, lange an das Zimmer, oft genug an das Bett gefesselt, aber mit lebhaftem Triebe nach Unterhaltung und nach Thätig- keit. Die Eltern haben sich viel mit mir beschäftigt; Bilderbücher und Spiel, hauptsächlich mit Bauhölzern, half mir sonst die Zeit ausfüllen. Dazu kam ziemlich früh auch das Lesen, was natürlich den Kreis meiner Unter- haltungsmittel sehr erweiterte. Aber wohl ebenso früh zeigte sich auch ein Mangel meiner geistigen Anlage darin, dass ich ein schwaches Gedächtniss für unzusammen- hängende Dinge hatte. Als erstes Zeichen davon betrach- tete ich die Schwierigkeit, deren ich mich noch deutlich entsinne, rechts und links zu unterscheiden; später, als ich in der Schule au die Sprachen kam, wurde es mir schwerer als andern, mir die Vocabeln, die unregel- mässigen Formen der Grammatik, die eigentlichen Rede- wendungen, einzuprägen. Der Geschichte vollends, wie sie uns damals gelehrt wurde, wusste ich kaum Herr zu werden. Stücke in Prosa auswendig zu lernen, war mir eine Marter — Von meinen Kinderspielen mit Bauhölzern her waren mir die Beziehungen der räumlichen Verhältnisse zu einander durch Anschauungen wohl bekannt. Wie sich Körper von regelmässiger Form aneinanderlegen und zusammenpassen würden, wenn ich sie so oder so wendete, das wusste ich sehr gut, ohne vieles Nachdeuken. Als ich zur wissenschaftlichen Lehre der Geometrie kam, waren mir eigentlich alle Thatsachen, die ich lernen sollte, zur Ueberrasehung meiner Lehrer ganz wohlbekannt und geläufig. So weit meine Rückerinnerung reicht, kam das schon in der Vorschule des Potsdamer Schullehrer- seminars, die ich bis zu meinem achten Lebensjahre be- suchte, gelegentlich zum Vorschein. — Ich stürzte mich mit grösstem Eifer und Freude auf das Studium aller physikalischen Lehrbücher, die ich in der Bibliothek meines Vaters auffand. Es waren sehr altmodische, in denen noch das Phlogiston sein Wesen trieb und der Galvanismus noch nicht über die Volta'sche Säule hinaus- gewachsen war. Auch versuchte ich mit einem Jugend- freunde allerlei Versuche, von denen wir gelesen, mit un- seren kleinen Hilfmitteln nachzumachen. Die Wirkung von Säuren auf die Leinwandvorräthe unserer Mütter haben wir gründlich kennen gelernt; sonst gelang wenig; am besten noch der Bau von optischen Instrumenten mit Brillengläsern, die auch in Potsdam zu haben waren, und einer kleinen botanischen Loupe meines Vaters. Die Beschränkung der äusseren Mittel hatte in jenem frühen Stadium für mich den Nutzen, dass ich die Pläne für die anzustellenden Versuche immer wieder umzuwenden lernte, bis ich eine für mich ausführbare Form derselben ge- funden hatte. Ich muss gestehen, dass ich manches Mal, wo die Classe Cicero oder Vergil las, welche beide mich höch- lichst langweilten, unter dem Tische den Gang der Strahlen- bünde] durch Teleskope berechnete und dabei schon einige optische Sätze fand, von denen in den Lehrbüchern nichts zu stehen pflegt, die mir aber nachher bei der Colistine tion des Augenspiegels nützlich wurden. — Die Physik galt damals noch für eine brodlose Kunst. Meine Eltern waren zu grosser Sparsamkeit gezwungen, also erklärte mir der Vater, er wisse mir nicht anders zum Studium der Physik zu helfen, als wenn ich das der Medicin dazu in den Kauf nähme. — Hier lernte ich die Thatsachen der Natur in breiterer Weise kennen. Ich wurde dabei vorzugsweise auf die Physiologie hingewiesen und suchte in ihr physikalische Begriffe geltend zu machen. Ich stiess da auf das Problem der Lebenskraft, das damals die Köpfe noch sehr bewegte, und kam so auf meine Theorie von der Erhaltung der Kraft. Ich glaubte etwas ganz Selbstverständliches aufgestellt zu haben und war sehr überrascht, dass u. a. auch die Akademie der Wissenschaft es für eine unsinnige und thörichte Spekulation hielt. Auch meine Untersuchungen über die Fortpflanzungs- geschwindigkeit des Nervenagens fanden nur das Lächeln der leitenden Physiologen. Ich kam so in argen Konflikt mit meiner Selbstschätzung. Ls ist überhaupt ausser- ordentlich schwer für den Autor einer Erfindung, für deren Werth selbst einen Maassstab zu gewinnen. Der Autor ist immer geneigt, nach der aufgewendeten Mühe zu urtheilen, und die war beispielsweise bei der Entdeckung des Augenspiegels sehr gering. Ich habe eigentlich nicht gearbeitet, um der Wissenschaft zu helfen, sondern um meine eigene Erkenntniss zu erweitern." Helmholtz hatte einen Schlaganfall erlitten, der sich wiederholte und ihn am 8. September zum Tode führte. Die 50jährige Jubelfeier des Zoologischen Gartens von Berlin. — Wie die Museen und Kunstsammlungen, so verdankt Berlin auch den Zoologischen Garten dem Königshause. Auf der Pfaueninsel bei Potsdam wurde der Grund gelegt zu dem heutigen Zoologischen Garten von Berlin. Die Potsdamer Thiersammlung König Friedrich Wilhelms III. wurde der Grundstamm des im August 1844 auf dem Platze der Königlichen Fasanerie zu Berlin-Char- lottenburg eröffneten Zoologischen Gartens. Durch die Ausgabe von Aktien konnte man damals nur eine sehr niedrige Summe aufbringen; aus Staatsmitteln wurde dem Institute die Geldunterstützung zu Theil, die nothwendig war, um die aus Potsdam mit allen erforderlichen Gerät- schaften nach Berlin überführten Vertreter der ausländi- schen Thierwelt auf dem von König Friedrich Wilhelm IV. bereitwilligst hergegebenen Parkgelände angemessen zu placieren. In den ersten 25 Jahren nahm das Institut, bei der Ungunst der Zeiten, nicht den raschen Aufschwung, auf den ein Alexander v. Humboldt, ein Lichteusteiu bei der Begründung gehofft haben; trotz der aufopfernden Sorg- falt weiter eines Knerk, Peters, Seliemioneck stockte die Entwickelung. Erst die vollständige Umgestaltung der Verwaltungsmaschinerie, die auf Anregung des Professors der Zoologie, Peters, im Jahre 1869 der damalige Finanzminister Frhr. v. d. Heydt herbeiführte, wobei be- sonders auch der damalige Regierungs-Commissar Geheime Regierungs-Rath v. Möller seine persönlichen Beobachtun- gen und Erfahrungen in anderen Gärten in wirksamster Weise zur Geltung brachte, ermöglichte es, den Garten auf eine Höhe zu bringen, wie sie erforderlich war. sollte Berlin nicht dauernd von jüngeren Anstalten anderer deutscher Städte überflügelt bleiben. Ein Aktien-Verein wurde 1869 gebildet behufs zweckentsprechender wirt- schaftlicher Ausgestaltung des Zoologischen Gartens; Aktien im Betrage von 100 000 Thalern, um so die er- forderlichen Mittel für Erweiterung des Gartens zu ge- winnen. Als Leiter der Anstalt wurde Dr. H. Bodinus nach Berlin berufen, der bis dahin dem Zoologischen Garten zu Köln vorgestanden hatte; unterstützt von der Huld Kaiser Wilhelms I. und der Kaiserin Augusta wirkte Dr. Bodinus von 1869 bis zu seinem am 23. November 1884 plötzlich erfolgten Tode hier zu Berlin und bewährte auch 470 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 38. an dem hiesigen Zoologischen Garten sein erprobtes Organisationstalent. Am 8. September feierte der Zoologische Garten mit der feierlichen Enthüllung des dem Andenken des Ver- ewigten von seinen Verehrern und Freunden errichteten Denkmals das Jubelfest seines 50jährigen Bestehens. Im Festschniuck prangte der Platz am „neuen Bärenzwinger", wohin die Büste Lichtensttins von ihrer alten Stelle unweit des grossen Raubthierhauses überführt war; rechts vom Lichtensteindenkmal hat hier das von Heinrich Kiese- walter geschaffene Marmorbild von Dr. Bodinus seine Auf- stellung gefunden. Mächtige Eichen bilden den Hinter- grund, Blumenbeete breiten davor ihren Teppich. Im Auftrage des Comite's für Errichtung des Denk- mals übergab der Generalconsul Herr William Schönlank, einer der verdienstvollsten Förderer des Gartens, in einer kurzen Ansprache an die geladene Festversammlung — Spitzen der Behörden, Männer der Wissenschaft, der Presse, der Kunst, Gönner und Freunde des Gartens — der Verwaltung das Denkmal. Die Hülle fiel, und ebenso lebenswahr und ähnlich, wie flott modellirt trat das Bild des Verstorbenen in hell leuchtendem Marmor ans Licht. Ein Eichengewinde, mit Blumen geschmückt, umkränzte den Sockel aufwärts bis zum Thierfell, das symbolisirend den Beruf des Gefeierten, des Bildners Hand um den Sockel gelegt hat. Herrschte tiefe Stille während der Rede, so brüllten mit einem Male die Bestien rings- umher, als der Vorhang, die rothe Hülle sank, als wollten auch sie einstimmen in das Lob des zu früh Dahin- geschiedenen. Ein Veteran aber unter den Wärtern legte einen Lorbeerkranz nieder am Denkmal mit der Inschrift: „Gewidmet von den Beamten des Zoologischen Gartens." Dann nahm das Wort der langjährige Vorsitzende des Vorstandes, Major a. D. A. Duncker. Die beiden Denkmäler an diesem Platze, Lichtenstein Bodinus, so führte der Redner aus, repräsentiren die beiden Epochen der Geschichte des Gartens. Prof. Lichtenstein, dem hochverdienten Naturforscher, gelang es einst, durch seinen Freund Alexander v. Humboldt, König Friedrich Wilhelm IV., für die Gründung eines Zoologischen Gartens in Berlin zu gewinnen. Hätte der Garten jene Grundlage nicht gehabt, so wäre er nimmer geworden, was er heute ist. Bodinus ward dann der Regenerator des Gartens in einer späteren Zeit; er fand aber auch in Dr. Max Schmidt, Dr. L. Heck Nachfolger, die seine Ideen weiter verfolgen, das Banner der Wissenschaft vor allem hochhalten: für den Zoologischen Garten handele es sich durchaus in erster Linie um die Förderung der Wissenschaft; wenn hier auch andere Veranstaltungen statt haben, so seien sie nur Mittel zum Zwecke. Das Leben seines vertrauten Freundes Bodinus skizzirte sodann Herr Lehrer Weigel, gleichfalls ein eifriger Förderer des Gartens. Dr. Bodinus, dem einst als Burschenschafter das Schicksal von Fritz Reuter drohte, lebte auf Rügen als praktischer Arzt, sodann zu Greifs- wald in wissenschaftlicher Arbeit, bis er zu Köln a. Rh. die Leitung des dortigen Gartens übernahm: wie der be- rühmte Kölner Dom, so ziehe heute auch der dortige Zoo- logische Garten den Fremden nach Köln. Was dann Dr. Bo- dinus hier in Berlin geleistet hat, sei in aller Gedächtniss; erfüllt sei aber auch das letzte Wort, das der Entschlafene an seine zurückbleibenden Freunde einst richtete: „Be- wahren Sie mir ein freundliches Andenken!" Dauernd erhalte das Andenken des Verewigten das errichtete Denkmal. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Dr. med. Georg Cornet zu Berlin zum Professor; der ausserordentliche Professor Dr. Fried- berg in der philosophischen Fakultät zu Halle zum ordentlichen Professor; der Oberbibliothekar an der Universität Strassburg Professor Dr. Barack zum Director. Es wurde berufen: Professor Karl Fränkel in Marburg nach Halle als Nachfolger des nach Dresden berufenen Professors der Hygiene Renk. Es sind gestorben: Medicinalrath Dr. Kuby aus Augsburg, bekannt als medicinischer Schriftsteller; Generalarzt a. D. von Beck in Freiburg i. B.; Dr. Erich Haase, Entomolog, früher Doeent der Zoologie in Königsberg, zu Bangkok in Siam. L i 1 1 e r a t u r. Georg W. A. Kahlbaum, Theophrastus Faracelsus. Ein Vor- trag, gehalten zu Ehren Theophrast's von Hohenheim am 17. December 1893 im Bernoullianum zu Basel. Benno Schwabe (Schweighauserische Verlagsbuchhandlung), Basel 1894. — Preis 1,50 Mk. Der 400. Geburtstag des Theophrastus Paracelsus, der sich selbst allermeist Theophrastus von Hohenheim nennt, ist der Anlass zu der vorliegenden Schrift, die eine gute Zusammen- stellung des Lebens, Charakters und der wissenschaftlichen Thaten des grossen Naturforschers und Arztes bietet. Verfasser meint, dass Paracelsus auf dem Gebiete der Chemie nachhaltiger gewirkt haben dürfte, als auf dem der Medicin. Die Schrift schliesst mit den Worten Hohenheim's: ..Habe kein Acht meines Elends, Du Leser, lass mich mein Uebel selbst tragen. Ich hab' zwei Gebrechen an mir, meine Armuth und meine Frommheit. Die Armuth ward mir vor- geworfen durch einen Bürgermeister, der etwa die Doctoren nur in seidenen Kleidern gesehen hatte, nicht in zerrissenen Lumpen an der Sonne braten. Jetzt wurde die Sentenz gefällt, dass ich kein Doctor sei. Der Frommheit werde ich von Pfaffen gerichtet, dieweil ich kein Zuthütler der Venus bin, auch mit nichten die- jenigen liebe, die da lehren, was sie selbst nicht thun." Aloisius Galvani, Abhandlungen über die Kräfte der Elek tricität in der Muskelbewegung. Herausgegeben von A. J. v. Oettingen. Mit 21 Figuren auf 4 Tafeln (Ostwald's Class. d. exakt. Wiss. Nr. 52). Wilhelm Engelmann, Leipzig 1894. — Preis 1,40 Mk. Die epochemachende, 1791 erschienene, im Titel genannte Abhandlung, die Galvani veröffentlichte, zu besitzen, wird vielen lieb sein. Der Herausgeber bezeichnet die von Sue in seiner Geschichte des Galvanismus mitgetheilte Geschichte, nach welcher Galvani durch Zufall zu seiner Entdeckung an Froschschenkeln kam, die zur Suppe vorbereitet werden sollten und die auf einen Tisch gestellt worden seien, auf welchem eine Elektrisirmaschine stand , als Legende. Oettingen weist darauf hin , dass sich Galvani von vorn herein systematisch mit dem Gegenstand bi- Bchäftigt hat Konigl. Svenska Vetenskaps-Akademiens Handlingar. Bandet 56, No. 4. Stockholm 1894. Das 80 Seiten starke und mit XVI Tafeln versehene Ouart- heft bringt eine wichtige Arbeit des bekannten schwedischen Pflanzenpaläontologen A. G. Nathorst betitelt „Zur paläo- zoischen Flora der arktischen Zone, enthaltend die auf Spitzbergen, auf der Bäreninsel und auf Novaja Zemlja von den schwedischen Expeditionen entdeckten paläozoischen Pflanzen. In dieser Arbeit beschreibt und revidirt N. die schon von Heer untersuchte paläo- zoische Flora Spitzbergens und der Bäreninsel sowie einige Reste von Novaja Semlja. Die Carbonflora Spitzbergens lässt sich nur als eine untercarbonische bezeichnen. Die Flora der Bäreninsel wäre bis auf weiteres wegen des zahlreichen Vorkommens der als Bothrodendron bekannten leiodermen Sigillarien als Ober-Devon anzusehen, ,.falls wirklich die Ablagerung bei Kiltorkan'', welche ähnliche Verhältnisse zeigt, „zum Oberdevon und nicht zum Carbon zu rechnen ist." Es zeigt sich, dass Heer in seinen Bestimmungen vielfach fehl getroffen hat; die Nathorst'sche Revision ist dabei- sein-werthvoll. Durch dieselbe ist unter vielem Anderen auch klar geworden, dass die Heer'schen Stücke in der That Bothrodendron in Zusammenhang mit Knorria zeigen (vergl. „Naturw. Wochen- schr." VII, Nr. 7 S. 62/63). P- Inhalt: G. Rühle, Gleichstrom, Wechselstrom, Drehstrom. — Wilhelm Haacke, Schöpfung und Wesen der Organismenform. (Schluss). — Hermann von Helmholtz t — Die 50 jährige Jubelfeier des Zoologischen Gartens von Berlin. — Aus dem wissen- schaftlichen Leben. — Litteratur: Georg W. A. Kahlbaum, Theophrastus Paracelsus. — Aloisius Galvani. Abhandlungen über die Kräfte der Elektricität in der Muskelbewegung, — Königl. Svenska Vetenskaps-Akademiens Handlingar. Nr. 38. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 471 Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. In unsevm Verlage erschien: Lehrbuch der Differentialrechnung. Zum Gebrauch bei Vorlesungen an Universitäten und technischen Hochschulen Dr. Harry Graveliu 331 Seiten gr. 8°. Preis broschirt 6 Mark, gebunden " 1 1 1 1 1 1 1 1 l|l|l|l|l|l|l|l|l|l[lll|l|l|l|l|l|l|l|l|l|l|l|l|l|l Ferd. Diimmlers Vci-lagsliucliliainlliinir in Berlin SW. 12. In unserm Verlage erschien: Einführung in die Kenntnis der Insekten. Von H. J. Kolbe. Custos an der zoolog. Sammlung des Kgl. Mus. für Naturk. in Berlin. Mit 324 Holzschnitten. — 724 Seiten gr. 8°. Preis 14 Mk. =- l|l|l|l|l|l|l|'l'l'|l|l| 'l'|l|l|l|'|l|'|l|l|l|'l'|l| "k rM 'k rk "k k k k k k k k "k % "k "k '4' k 'k- k "k 7 1 I I l l I I l l l l I i I l l i i i l l i l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l i i i i i l l i II l 1 1 Die Illustration wissenschaftlicher Werke erfolgt am besten und billigsten durch die modernen, auf Photo- graphie beruhenden Reproduc- tionsarten. Die Abbildungen dieser Zeitschrift gelten als Proben dieses Verfahrens und sind hergestellt in der graphi- schen Kuustanstalt Meisenbach, Riffarth & Co. in Berlin-Schöneberg, welche bereitwilligst jede Aus- kunft ertheilt. 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Bernstein, Berlin SW. 12. mmm Wu Jlo o»lar»lDrnv-Jik/l : i f 10 PorwJioiiff tafglebt tu wellum- fusendrn ldoeo and Mi locken- den Gebfld« dor PbUtAlW, wirf Ihr rrlthbch erwtzl dordi ge«tattet. Zur Kenntniss der parasitischen Eigenschaften stielloser Vorticellen. Von Generalarzt a. D. Dr. Lindner in Kassel Die bacteriologisehen Forschungen über die Ent- stehung und Verbreitung der Infectionskrankheiten haben bekanntlich bei einer Reihe von Krankheitsformen mit ausgesprochen! infectiösen Cliarakter ein negatives Resul- tat gehabt, indem bei ihnen sgeeifische bacterielle Krank- heitserreger nicht nachweisbar sind. In Folge dieser Thatsache hat sieh die Aufmerksamkeit der Aerzte und Naturforscher neuerdings mit grossem Eifer dem biolo- gischen Studium der Protozoen zugewendet , besonders seitdem man im Blute mancher in Malariagegenden leben- der Thiere, sowie im Blute malariakranker Menschen ganz regelmässig eigenartige, zur niedersten .Stufe des Thier- reichs gehörende Parasiten entdeckt hatte, deren ursäch- liche Beziehung zum Krankheitsprozess durch genaue Be- obachtungen ihrer Entwickelungsweise im kranken Organis- mus sich nachweisen Hess. Die in dieser Richtung fortgesetzten Forschungen haben thatsächlich zu der Er- kenntniss geführt, dass verschiedenen zu den niedersten Gruppen der Urthierchen gehörenden Lebewesen, nament- lich den Amöben, Sporozoen und Coccidien parasitisehe, bezw. Krankheit erregende Eigenschaften von hoher Bedeu- tung zukommen. Hinsichtlich der am meisten entwickelten Protozoen der Wimper-Infusorien (Ciliaten) — galt bisher die Meinung, dass sie keine Befähigung zum para- sitischen Leben, mithin auch keine Krankheit erregende Wirkung haben. Was beispielsweise die zur Abtheilung der heterotrichen Infusorien gehörenden Balantidien be- trifft, so weiss man zwar, dass das Balantidium coli zu- weilen, besonders im nördlichen Europa, als lebender Dannschmarotzer beim Menschen, namentlich bei catarr- halischen, oder typhösen Kraukheits-Processen mehr oder weniger massenhaft vorkommt, ob diese Mikrozoen aber blos zufällige Begleiter dieser Kranheitsformen, oder ob sie als pathogene Agentien zu erachten sind, das ist eine noch nicht gelöste Streitfrage. Dasselbe gilt von den Monaden und Cercomonaden, die sich bei Darmcatarrhen, sowie bei Geschwürsbildungen auf der Darmschleimhaut oft in zahlloser Menge lebend vorfinden. Während nun lebende parasitische Ciliaten in den Faeces beim Menschen nur selten beobachtet werden, findet man die Kapseln von Infusorien nach den An- gaben namhafter klinischer Lehrer sehr oft in den Dejec- tionen von Erwachsenen und Kindern. Diese eucystirten Protozoen hat man bis jetzt wenig beachtet, weil man sie für indifferente Mikroorganismen ansieht, welche durch den Verdauungsprocess mazerirt und mit den Fäces ent- leert werden. Auf Grund eigener weiter unten mitge- theilter Beobachtungen über die Biologie gewisser stiel- loser Vorticellen, für welche ich die Benennung Askoidien in Vorschlag gebracht habe, bin ich jedoch mit Rück- sicht auf die in ihrem Nucleus stattfindende Bildung kleinster Theilsprösslinge, sowie wegen der Aufnahme von allerhand Bacterien in ihre äussere Hülle bei Gelegen- heit ihrer Encystirung zu der Meinung geneigt, dass die in die Verdauungswege des Mensehen importirten Kapseln dieser Ciliaten nicht als gleichgültige Lebewesen in hygie- nischer Beziehung zu erachten sein dürften. Auf die betreffenden Protozoen wurde ich zuerst vor Jahren durch den Befund derselben in einem durch or- ganische Zersetzungsstoffe stark verunreinigten Brunnen- wasser aufmerksam , dessen Genuss bei zwei Fabrik- arbeitern nach ärztlichem Urtheil eine schwere typhöse Infection herbeigeführt hatte. In dem von mir unter- suchten, sehr bacterienreiclien Wasser zeigten sieh anfangs keine Mikrozoen, erst nach etwa sechstägigem Stehen- lassen kamen auf dem Wasserspiegel in den mit Watte- pfropfen geschlossenen Arzneigläsern jene Vorticellen zum Vorschein und sie vermehrten sieh alsbald massenhaft. Im Freien fand ich demnächst analoge lebende Vorti- cellen in Gossen und Sehwennnkanalwässern, besonders in den bluthaltigen Abfallwässern aus Schlächtereien. In derselben Zeit entdeckte ich die nämlichen Ciliaten in den Stuhlentleerungen verschiedener Typhuskranken. Aber auch in diesem Medium traf ich anfangs, ebenso wie in jenem unreinen Brunnenwasser, keine lebenden, vollstän- dig entwickelten Vorticellen, sondern nur die ruhenden Cysten oder Sprösslinge derselben, aus denen sieh die Mutterthierchen erst nach mehrtägiger Züchtung entwickeln. Bei den weiter fortgesetzten Nachforschungen nach dem Vorkommen jener Vorticellen im menschlichen Organis- 474 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 39. mus fand ich ihre lebens- und entwickelungsfähigen Keime öfters im Schleimhaut-Secrete bei Catarrhen der Luftwege - beim Schnupfen und Husten etc., desgleichen im Schleim- auswurf von Influenza-Kranken, und während einer hierselbst herrschenden Influenza-Epidemie habe ich dieselben Keime in dem vor meiner Wohnung aufgefangenen Regenwasser durch Züchtungsversuche mehrmals nachgewiesen. Bei den täglich wiederholten mikroskopischen Unter- suchungen der betreffenden Culturflüssigkeiten habe ich ferner gefunden, dass die Vorticellen-Cysten, bezw. ihre Sprösslinge nicht selten auf der behaarten Kopfhaut des Menschen haften bleiben und zu eczemartigen, juckenden Hautauschlägen Anlass geben. Bei Pferden scheinen sich die in der Luft suspendirten Vorticellenkapseln nicht selten auf den Mähnenhaaren abzulagern und durch die Lebensthätigkeit der in ihren Nuclei enthaltenen Spröss- linge eigenartige Zopfbildungen und Verpflichtungen der Mähnenhaare zu veranlassen, ohne dass die Haut dieser Thiere dadurch in Mitleidenschaft gezogen wird. Bei kurzhaarigen Hunden aber kann man durch Aufstreichen weniger Tropfen eines vorticellenhaltigen Wassers auf eine umschriebene Hautpartie einen von der Infectionsstelle allmählich über den ganzen Körper des Thieres sich aus- breitenden Pruritus erzeugen, desseu veranlassende Ursache in der locomobilen Eig\ nschaft der encystirten Vorticellen, vielleicht auch in der allmähligen Vermehrung der Indi- viduen mittelst der im Nucleus der Cysten befindlichen Sprösslinge zu suchen sein dürfte. Diese Vermuthung lässt sieh dadurch begründen, dass an den hier oder dort entnommenen Haaren des inticirten Hundes, sowie in den auf wundgekratzten Hautstellen gebildeten Schörfehen nach 6 bis 8tägiger Züchtung in geeigneten Nährflüssigkeiten regelmässig kräftig entwickelte Vorticellen zum Vorschein kommen.*) Die Biologie dieser merkwürdigen Ciliatcn habe ich zuerst vor zwei Jahren in der „Deutschen Medizin. Ztg." (1892, Nr. 30—32) näher erörtert und ihre Befähigung zum parasitischen Leben in einem später veröffentlichten Artikel derselben Zeitschrift (1893, Nr. 82, 83), sowie in den Monatsheften für pract. Dermatol. (XVI, 1893, Nr. 1) besprochen. Von den in genannten Blättern angeführten charak- teristischen Eigenschaften jener stiellosen Vorticellen ver- dienen namentlich ihr vorzügliches Gedeihen in Flüssig- keiten, welche faulendes Ei weiss, allerhand Batterien, niederste Pilze u. dergl. enthalten, ferner ihre ausserordent- liche Widerstandsfähigkeit gegen Fäulniss und Trockenheit und ihre mit energischen Gontractionen ihrer Cuticula verbundene Einkapselung beim Austrocknen ihres Nähr- bodens, sowie bei anderen ihre Existenz bedrohenden Einflüssen hervorgehoben zu werden. Ob die Encystirung hauptsächlich den Zweck hat, die in dem Nucleus der Mutterthierchen enthaltenen jungen Sprösslinge behufs Erhaltung der Art zu beschützen, sei dahingestellt. Durch diese Annahme lässt sich indessen leichter die Thatsache erklären, dass man besagte Vorticellen viele Monate hin- durch an Stäbchen eingetrocknet oder in Reagensgläschen in geeigneten Nährflüssigkeiten aufbewahren kann, ohne dass sie ihre Lebens- und Entwicklungsfähigkeit ein- büssen. Bei längerer Aufbewahrung im trockenen oder flüssigen Zustande zerfallen sie gewöhnlich in zahlreiche, matt opalisireude, rundliche Körperchen, meist so gross, zum Theil auch kleiner wie die Blutkügelchen. Aus diesen im Ruhezustand befindliehen Keimen entwickeln *) Die weitere Verbreitung der Vorticellensprösslinge auf der Haut des Hundes erfolgt wahrscheinlich durch das ijftere Belecken der juckenden Hautstellen. Die Vorticellen gedeihen nämlich sehr gut im Speichel, sowie in schleimhaltigen Vehikeln. sich nach einigen Tagen in eiweisshaltigen Nährsubstraten vollständig ausgebildete, stiellose Vorticellen (Askoidien), welche sich alsbald massenhaft in der a. a. 0. geschilder- ten Weise vermehren. Ihrer vollendeten Entwickelung sieht man in der Regel das Erscheinen von zahllosen kommaförmigen Cercomonaden, oder von grösseren ovalen Flagellaten vorangehen. Da die in Rede stehenden Vorticellen wie schon erwähnt, vorzugsweise in Flüssigkeiten gedeihen, welche oiganische Zersetzungsstoffe und Myriaden von Spaltpilzen enthalten, so kann es nicht ausbleiben, dass sie beim Einkapselungsvorgaug zahllose Batterien in ihre schleimige Hülle mit aufnehmen, was sieh auf dem Objectglase unter dem Mikroskop sehr gut beobachten lässt. Die getrock- neten Kapseln sind ausserordentlich leicht und vermöge ihrer porösen Oberfläche können sie durch jeden Luftzug aus den eingetrockneten Sehmutzwässern aufgehoben und verweht werden. Sie können daher sowohl auf die äussere Haut des Menschen, wie auf die Schleimhaut der Luftwege und — da sie gegen den sauren Magensaft ziemlich widerstandsfähig sind — auch auf die Ver- dauungswege, sei es durch die Luft oder das Regen- wasser oder durch die Nahrungsmittel und Getränke leicht übertragen werden. Aus dem a. a. 0. von mir nachgewiesenen häufigen Befunde der Vorticellenkapseln bezw. ihrer Sprösslinge an verschiedenen Stellen des menschlichen oder thierischen Körpers sowie im Regenwasser lässt sich schliessen, dass die betreffenden Ciliaten zu den ubiquitären Geschöpfen gehören , welche auf der bewohnten Oberfläche der Erde allenthalben zu finden sein dürften. Der Grund, weshalb diese Infusorien demungeachtet noch wenig bekannt und erforscht sind, ist wohl in den eigenthümlichen, iür ihre Entwickelung notwendigen Lebensbedingungen zu suchen, welche ein eingehendes und mühsames Studium erfordern. Nach meinen Beobachtungen entwickeln sieh die Askoidien meistens durch eine Metamorphose aus den in stehenden Wässern überall zahlreich vertretenen gestielten Vorticellen, namentlich aus Vorticella mierostoma, sobald als die fort- schreitende Fäulniss ihres Nährsubstrats die weitere Existenz derselben gefährdet In diesem Falle reisseu sich die gestielteil Formen gewöhnlich von ihrem Ansatzpuukte los und schwimmen eiue Zeit lang mit ihrem Stiele frei umher. Letzterer verschrumpft alsbald und an der Stelle seiner Anheftung entwickelt sich der hintere Wimpern- kranz Nachdem derselbe vollständig ausgebildet ist, dient er ihnen beim Rückwärtsschwimmen zum Rudern und indem sie mit den Wimperhaaren einen starken Strudel im Wasser erzeugen, halten sie alle für ihre Ernährung ungeeigneten Stoffe vom Peristomfelde fern. Durch diese Schutzeinrichtung Fäulniss ihrer Nährflüssigkeit besse ;estielten Vorticellen. sie sieh der fortschreitenden anzupassen wie die Diese Entwickelung durch Meta- morphose ist also wahrscheinlich der Grund, dass man besagte stiellose Vorticellen in der freien Natur nur selten lebend und vollständig ausgewachsen vorfindet. Ausser- dem lässt sich annehmen, dass die lebenden sowohl, als die encystierten Vorticellen hauptsächlich anderen, in stehenden Wässern lebenden niederen Thieren zur Nahrung dienen und dass ihre unbegrenzte Vermehrung dadurch verhindert wird. Um die Lebenseuergie der in angegebener Weise entstandenen stiellosen Formen zu fördern und sie selbst- ständiger zu machen, muss mau sie ab und zu in frische Nährlösungen verpflanzen. Alsdann lassen sie sich an- dauernd in den verschiedensten Flüssigkeiten züchten, ohne dass sie jemals wieder einen Stiel bilden. Bei meinen mannigfachen Züchtungsversuchen ist es mir wenig- stens noch nicht gelungen, eine Rückbildung der stiellosen Nr. 39. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 475 in die ursprüngliche gestielte Form durch Veränderung des Nährsubstrats zu bewirken*). Dass man aber auch die Vorticella uricrostoma in ihren Brutstätten in der freien Natur manchmal nicht voll- ständig entwickelt, sondern in ihren bewegungslosen Keimen vorfindet, die sich erst nach mehrtägiger Züchtung- unter Zusatz von geeigneten Nährstoffen zu Mutterthieren aus- bilden, davon habe ich in einer neuerdings in der Deutsch. Med.-Ztg. veröffentlichten Abhandlung (1894, No. 53), auf die ich hier verweise, Beispiele mitgetheilt. In diesem Aufsatze habe ich auch über folgende bei einemHunde gemachte neue Beobachtung von der patho- genen Wirkung jener stiellosen Vorticellen Bericht erstattet. Im vergangenen Frühjahr hatte ich zweimal in kurzen Zwischenräumen vortieellenhaltiges Wasser auf eine hühnerei- grosse Hautstelle des betreffenden Hundes aufgestrichen, um die Entstehung und weitere Verbreitung des Pruritus, welchen ich in den vergangenen Jahren wiederholt nach diesem Infektionsversuche auftreten sah, genauer zu beob- achten. Diese Wirkung blieb jedoch diesmal aus, weil *) Dass auch in der freien Natur eine solche Rückbildung nicht zu stände kommt, lässt sich nicht gut annehmen. — In frischen Regenwasser-Pfiitzen (auf den Strassen, in Gärten etc.) rinden sich öfters lebende gestielte Vorticellen (V. microstoma). Wahrscheinlich haben sich dieselben aus den in der Luft suspen- dirt gewesenen und mit den Regenwassertropfen präeipitirten Cysten stielloser Vorticellen in dem weichen Wasser entwickelt. das Infusorienwasser gleich nach dem Auf- deckt hatte. Einige Tage nach der zweiten der Hund pinseln ab Anfeuchtung der Haut mit der Protozoen haltigen Flüssig keit erkrankte der Hund plötzlich unter den Erscheinungen einer acuten Unterleibs-Entzündung mit sehr schmerzhafter meteoristischer Auftreibung des Leibes, Diarrhoe, Erbrechen, vollständiger Anorexie und heftigem Fieber. Diese Symp- tome steigerten sich bis zum dritten Tage in solchem Grade, dass ich mich veranlasst sah, dem qualvollen Leiden des Thieres durch eine Dosis Cyankali ein Ende zu machen. Bei der leider nur unvollständig vorgenommenen Sektion des Kadavers fand sich zunächst eine ausgebreitete entzündliehe Röthung des Bauchfells mit Luftansammlung im Peritonealraume. Aus einer kurz vor dem Tode ent- leerten breiigen Fäealmasse kamen nach dreitägiger Züchtung derselben in reinem abgekochten Wasser zahl- reiche, bereits abgestorbene Vorticellenkörper zum Vor- schein. In dem aus der linken Jugularveue entnommenen Blute fanden sieh ferner die oben beschriebenen, opali- sirenden, runden Körperehen in grosser Zahl und nach ein- bis zweitägiger Züchtung des Blutes kamen zahllose kräftige, mit voller Lebensenergie ausgestattete stiellose Vorticellen zur Entwickelung. Die Keime dieser Protozoen waren mithin höchst wahrscheinlich von der durch Knochen- splitter verletzten Darmsehleimhaut aus in das circulirende Blut gelangt. Neuere Untersuchungen über den Einfluss des Lichtes auf die Pflanzen. Wir wollen die folgenden Referate über mehrere Ar- beiten, die sich mit dem im Titel genannten Gegenstande beschäftigen, beginnen mit einer im vorigen Jahre er- schienenen Arbeit J. Wiesner's „Photonietrische Unter- suchungen auf pfianzenphysiologischem Gebiete" (Sitzungs- ber. d. k. Akad. d. Wissenseh. zu Wien). Unter den für das Leben der Pflanzenwelt erforder- liehen klimatischen Factoren: Wärme, Feuchtigkeit und Licht, steht in Bezug auf Bedeutung und Mannigfaltig- keit des Einflusses das Licht obenan. Die Beziehung zwischen Lichtstärke und physiologischen Wirkungen prägt sich in Tausenden von Thatsachen des Pflanzenlebens aus, welche uns am anschaulichsten in dem Vegetationscharakter der verschiedenen Erdzonen vorgeführt werden. Trotz ihrer augenfälligen Wichtigkeit sind photometrisch- physiologische Untersuchungen doch erst in vcrhältniss- mässig geringem Umfange unternommen worden. Was vor allem noth thut, das ist die Kenntniss der Abhängigkeit der einzelnen Lebensacte der Pflanze von der Inten- sität des Lichts überhaupt, und besonders von der Inten- sität jener Strahlengattungen, welchen erfahrungsgemäss im Leben der Pflanze eine bestimmte Function zufällt. Die bisher vorliegenden photometrischen Untersuchun- gen beziehen sich fast ausschliesslich auf den Zusammen- hang zwischen Lichtstärke und Heliotropismus und auf den Zusammenhang zwischen Lichtstärke und Kohlen- dioxyd-Assimilation. Die Beziehung zwischen den helio- tropischen Effecten und der Licht-Intensität hat Wiesner 1878 durch Untersuchungen auf das nachstehende allge- meine Gesetz zurückgeführt: Mit sinkender Licht- Intensität nimmt, von einem für jede Pflanze bestimmten Nullpunkte an, der heliotropische Effect continuirlieh bis zu einem bestimmten Lichtgrade zu, um von hier continuirlieh abzu- nehmen, und einen zweiten Nullpunkt zu er- reichen, welcher die untere Grenze der helio- tropisehen Empfindlichkeit bezeichnet. In Betreff der photomechanischen Lebensprocesse der Pflanze liegen keine weiteren genaueren Lichtmessungen vor. Was die p ho to che mischen Lebensprocesse der Pflanze anlangt, so ist nur eine einzige Arbeit zu er- wähnen, nämlich die Untersuchungen, welche Wolkoff 1866—67 ausführte, um die „Gasausscheidungen- gewisser Pflanzen im Lichte von verschiedener Intensität kennen zu leinen und damit der Lösung der wichtigen Frage über den Einfluss der Lichtstärke auf die Kohlendioxyd- Assimilation im Chlorophyll näher zu treten. Wolkoff gelangte zu folgenden Resultaten: 1. Die Intensität der Gasausscheidung aus den grünen Wasserpflanzen steht in keinem nachweisbaren Verhältniss zn den Intensitäten der chemischen Strahlen des .Spec- trums allein. 2. Die Ausscheidung der Gase aus Wasserpflanzen ist der Intensität des Lichtes proportional. Allerdings ist hierbei zu bemerken, dass die von Wolkoff angewendete Methode, die Gesammtenergie der Strahlung des Lichtes durch die chemische Intensität des Lichtes zu messen, nicht ausreicht, um diesen zweiten Satz auf mehr als mittlere Lichtstärken des gemischten weissen Tageslichts auszudehnen. Reinke hat später (1883) auf Grund von mit Elodea canadensis gemachten Versuchen gezeigt, dass das gemischte weisse Tageslicht „im Allgemeinen eine der Lichtstärke proportionale Zahl von Luftblasen in der Zeiteinheit entbindet, die Proportionalität aber aufhört bei Anwendung eines Lichtes, dessen Stärke derjenigen des Sonnenlichtes nahe kommt, indem jede weitere Erhöhung der Lichtstärke keine weitere Steigerung der Gasausscheidung zur Folge hat, aber auch keine Verminderung. Selbsi wenn man das Sonnenlicht auf mehr als das Hundertfache concentrirt, scheidet ein Elodea-Blatt die gleiche Zahl von Gasblasen aus, wie im einfachen Sonnenlicht." Die Hauptaufgabe, welche Wiesner sich zunächst gestellt hat, betrifft die Beziehung zwischen Lichtinten- sität und Formbildung der Pflanze Der Grund- gedanke, welcher W. bei Durchführung seiner Versuche leitet, ist folgender: Der Gestaltungsprocess der Pflanze steht soweil 476 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 39. er überhaupt vom Lichte abhängig; ist — im Allgemeinen unter dem Einflüsse anderer Strahlengattungen, als die Production der organischen Substanz. Im grossen Ganzen sind es die starkbrechbaren Strahlen, welche den Gestal- tungsprocess, und die schwachbrechbaren, welche die chemische Umwandlung' der organischen Stoffe in der Pflanze beherrschen. Pflanzen, welche bezüglich ihres Wachsthums eine grosse Empfindlichkeit dem Lichte gegenüber bethätigen, werden, zumal bei hohen Lichtintensitäten, auch durch schwachbrechbare Strahlen (hauptsächlichRoth— Ultraroth) beeinflusst. Allein bei allen Pflanzen kommen be- züglich des Gestaltungsprocesses der grünen Pflanzenorgane bei mittleren und geringen Lichtintensitäten nur die Wirkungen der stark- brechbaren Strahlen in Betracht. Wenn mau also von der Wirkung starken Lichtes auf sehr empfindliche Pflanzen absieht, so hat man in der Messung der Intensi- tät der starkbrechenden Strahlen ein Mittel, um die Be- ziehung der Lichtstärke zum Gestaltungsprocess zu finden; umsomehr als es gute Methoden giebt, die Intensität dieser Strahlen zu messen, die man wegen ihrer bekannten chemi- schen Wirkung gewöhnlich die chemischen Strahlen nennt. Obwohl wichtige chemische Proeesse des Pflanzen- lebens sich auch in anderen Bezirken des Speetrums voll- ziehen, so hat W. doch der Bequemlichkeit halber die Bezeichnung „chemische" Strahlen für den stark- brechbaren Theil des Speetrums beibehalten. W. hat gefunden, dass unter sämmtlichen einschlä- gigen Methoden für die bezeichneten physiologischen Zwecke keine sich besser eignet, als diejenige, welche von Bimsen und Roscoe erfunden und ausgebildet und 1862 veröffentlicht wurde, und die heute zur Bestimmung des „photochemischen Klima" in ausschliesslicher Ver- wendung steht, Im Wesentlichen besteht diese Methode darin, dass ein in bestimmter Weise präparirtes photographisches Papier der Lichtwirkung ausgesetzt, und aus der Zeit- dauer der Einwirkung und aus der Intensität der Färbung- unter Zugrundelegung einer Normalfarbe(„Nonnalsehwärze") auf die Intensität des Lichtes geschlossen wird. Diese Farbe entspricht aber nicht einer bestimmten Lichtintensi- tät, wie denn überhaupt kein einziger Farbenton, welchen das Licht auf dem normalen Papier hervorbringt, auf eine bestimmte Lichtintensität hinweist. Die Lichtintensitäts-Bestimmung beruht vielmehr auf dem von Bimsen und Roscoe ermittelten, innerhalb sehr weiter Grenzen geltenden Satze, dass gleichen Fär- bungen der im Lichte sich tingirenden Normal- papiere gleiche Producte aus Lichtintensität und Zeit entsprechen. Die bisher von Bimsen, Roscoe u. a. vorgenommenen Bestimmungen dienten, wie erwähnt, der Ermittelung des photochemischen Klimas verschiedener geographischer Punkte und gingen darauf aus, die Intensität des ge- sammten Tageslichtes festzustellen. Jedoch bei der grossen Bedeutung, welche die sogenannten chemischen Strahlen auf den Gestaltungsprocess der Pflanze ausüben, ist es von ganz besonderer Wichtigkeit, die chemischen Intensitäten der Standorte der Pflanzen zu ermitteln, welche von der „chemischen Intensität des gesammten Himmelslichtes" vielfach bis zu einem kaum glaublichen Grade verschieden ist, wie nachfolgendes Beispiel lehrt. Am 30. März war im Wiener Augarten die chemische Intensität des gesammten Tageslichtes um 10h 45m = 0,427. Am Südostrande eines dort befindlichen dichten noch gänzlich unbelaubten aus hochstämmigen Bäu- men zusammengesetzten Rosskastanienbestandes herrschte aber im vollen Sonnenlichte gleichzeitig bloss eine In- tensität = 0,299. Im Schatten eines Rosskastanienstammes (NE) betrug die Intensität nur 0,023. Eine ähnliche Abminderung erfährt die chemische Intensität des auf die Pflanze fallenden Sonnenlichtes in- mitten eines unbelaubten, ciue viel grössere selbst- verständlich inmitten eines voll belaubten Baum- und Strauchbestandes. Eine ebenso bedeutende Schwächung der starkbrechbaren Strahlen beobachtete W. aucli an den wintergrünen Nadelbäumen. Dieser Umstand erklärt die Erscheinung, dass die Blattknospen der winter- grünen Coniferen in der Peripherie des Baumes gelegen sein müssen, damit die Nadeln zur nor- malen En twickclung gelangen. Die sommergrünen Coniferen (Larix, Gingko) zeigen eine andere Vertheilung der Knospen. Wie bei allen sommergrünen Laubgewächsen reichen auch bei diesen zuletzt genannten Nadelbäumen die Laubknospen bis in die Tiefe der Krone, wo sie natürlich chemisches Licht von genügender Intensität zur Entwh kelung finden. Ganz ähnliche Verhältnisse, wie die bezüglich der wintergrünen Nadelbäume eben erwähnten, ergeben sich auch bei den wintergrünen Laubgewäehsen. Auch hier seilen wir die Tendenz, nur die im Vergleiche zum Laube peripherischen Knospen zur Ausbildung zu bringen (z. B. bei Buxus). Die sommergrünen Holzgewächse befinden sich also dem Lichte gegenüber in ganz anderen Verhältnissen, als die immergrünen, indem die Laubknospen in einer Zeit zur Entwicklung kommen, in welcher die Blätter des Vorjahres abgefallen sind, folglich die Laubknospen auch mitten in einer noch so reich entwickelten Krone zur Entfaltung gelangen können. Mit dem Wechsel der Belaubung ändert sich die chemische Intensität jenes Lichtes, auf welches die im Bereiche der Holzgewächse auftretende Vegetation ange- wiesen ist, in einem viel höheren Maasse, als es nach der Beurtheilung mit dem Auge den Anschein hat. Mit diesem Wechsel des chemisch wirksamen Lichtes hängt die Art der krautigen und Strauchvege- tation des Waldes und der Auen auf das Innigste zusammen. Die lichtbedürftige Kraut- und Strauch- vegetation des Waldes nmss vor der Belaubung der Bäume zur Laubentwickelung gelangen, und nur solches Unterholz, beziehungsweise solche Kräuter und Stauden, deren Laubentwickelung sieh auch bei schwachem Lichte zu vollziehen vermag (z. B. Cornus sanguinea, Hartriegel), können ihre Blattentfaltung verzögern, und bis über die Zeit der Belaubung der Bäume hinausschieben. Aus der vorerwähnten Thatsache erklärt es sich auch, dass der Laubwald eine reichlichere Flora krautiger und strauchartiger Gewächse beher- bergen kann, als der Nadelwald, wenngleich letzterer im Stande wäre, die Assimilations- thätigkeit einer reicheren Bodenflora zuzu- lassen, als er thatsächlich besitzt. Aber er bietet nicht Licht genug- zur Ausgestaltung der grünen Laub- blätter. Der sommergrüne Laubwald hingegen gestattet im Beginne der Vegetationsperiode dem chemischen Lichte noch einen so reichlichen Durchtritt, dass das Laub des Unterholzes und der krautigen Vegetation sich rasch und leicht entwickeln kann. Auch die grossen Schwierigkeiten, welche der so- genannten „Zimmerkultur" entgegenstehen, werden nach den Untersuchungen W.'s deutlicher, als nach den bis- herigen Vorstellungen. Die chemische Lichtintensität kann nämlich schon bei geringer Abnahme der Helligkeit in ganz unerwartetem Grade sinken, wie folgende Beob- achtung lehrt. Nr. 39. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 477 In einem im vierten Stockwerke gelegenen ein- fenstrigen Zimmer eines Hauses, welchem in der Ent- fernung von 17 m ein gleichfalls vierstöckiges Haus gegenüberstand, war bei einer Intensität des gesammten Himmelslichtes = 0,125 knapp an dem hohen und breiten Doppelfenster die Intensität nur 0,025; bei einer Entfer- nung von 3 m betrug die Intensität nur noch 0,005, und 6 m vom Fenster sogar nur 0,0006. In ebenso auffallender Weise sinkt die chemische Lichtintensität in unsern Gewächshäusern von der Glas- wand nach der Mitte hin; besonders ungünstig liegen die Verhältnisse in solchen Häusern, welche nur an der nach Süden gekehrten Front eine Glaswand besitzen. Ganz ähnlich verhält es sich mit den zu Zimmer- kulturen vielfach benützten Glaskästen. Als Hauptursache der mangelhaften Entwickelung der Pflanzen in unseren Wohnräumen wird die grosse Lufttrockenheit angegeben. Deshalb führte man ja die zierlichen Glaskästen, in welchem die Pflanzen im dunstgesättigten Räume sich befinden, in den Salon ein. Allein in diesem findet eine so starke Absorption des Lichtes statt, dass nur Pflanzen von sehr geringem Lichtbediirfniss darin gezogen werden können. Kurze Zeit halten sich auch sehr lichtbedürftige Pflanzen im feuchten Glaskasten. Aber bei längerem Aufenthalte leiden die meisten Zimmerpflanzen an einem mehr oder minder stark ausgeprägten Etiolement, in Folge Mangels an chemischen Lichtstrahlen. Eine rationelle Zimmerkultur muss darauf ausgehen, Pflanzen auszu- wählen, welche sowohl bei geringer Luftfeuchtigkeit, als bei geringer chemischer Lichtintensität gedeihen. Dass sich selbst sehr stattliche Pflanzen finden lassen, welche beiden Bedingungen genügen, lehrt die als Zimmerpflanze so beliebt gewordene Aspidistra elatior (Plectogyne varie- gata Lk. et Kth.). Die Beziehung der Lichtintensität zur Entstehung der Fortpflanzungsorgaue ist neuerdings wiederholt Gegenstand der Untersuchung gewesen. Wir beginnen mit einer Arbeit, welche G. Klebs (im Biologisehen Centralblatt November 1893) veröffent- licht hat und die sich betitelt: „Ueber den Einfluss des Lichtes auf die Fortpflanzung der Gewächse". Am Sehluss dieser Abhandlung giebt er eine kurze Uebersicht unserer Kenntnisse, der wir Folgendes entnehmen. Neben manchen sehr gelegentlichen und wenig entschei- denden Beobachtungen sind nur wenig experimentelle Ar- beiten erschienen. Vor allem hat J. v. .Sachs auf dem Gebiete die wichtigsten Forschungen angestellt. Die ersten Untersuchungen von Sachs zeigten, dass Zwiebeln von Hyazinthen, Tulpen, Crocos im Dunkeln getrieben, vollkommen normale Bliithen entwickeln. Askenasy, welcher später ähnliche Versuche anstellte, bestätigte diese Resultate, wenn er auch bei einzelnen Arten z. B. bei dunkelblauen Hyazinthen, bei Antirrhinum majus eine Schwächung der Farbenintensität beobachtete. Bei anderen Pflauzen dagegen, z. B. Tropaeolum majus, Cheiranthus Cheiri, Cucurbita etc. bemerkte Sachs, dass die Bliithen sich nicht im Dunkeln normal ausbildeten, obwohl die im Dunkeln wachsenden Triebe fortfuhren, vegetative Organe zu bilden. Daraus folgerte Sachs, dass es bei der Bildung der Bliithen nicht auf die Masse der Bildungssubstanz, sondern auf die besondere Qualität derselben ankäme. Er machte eine grosse Reihe weiterer Versuche, bei welchen die beblätterte Pflanze dem Licht ausgesetzt war, während der Gipfelspross in einen dunklen Behälter eingeführt wurde. Unter diesen Umständen bildeten die vorhin genannten Pflanzen im Dunkeln normale Blätter und auch Früchte aus. Für Cucurbita und Petunia giebt Sachs bestimmt an, dass ein Theil der Bliithen erst im Dunkeln überhaupt durch Neubildung entstanden waren. Diese Versuche beweisen, dass die im Licht assimilirenden Blätter alle die für Blätter notwendigen Bildungssub- stanzen erzeugen, sodass deren normale Ausbildung im Dunkeln erfolgen kann. Auf der anderen Seite lassen aber diese Versuche nicht klar genug erkennen, ob und in welchem Grade das Licht neben seiner Wirkung bei der Ernährangsthätigkeit der Blätter noch eine speeifische Bolle für die Bildung besonderer Blüthenstoffe spielt, so- dass z. B. Frank in seinem neuesten Lehrbuch gerade auf diese Versuche von Sachs hin den Satz aufgestellt hat, dass auf das Blüthenwacbsthum Licht oder Dunkel- heit überhaupt ohne Einfluss seien. Noch weniger entscheidend können in der vorliegenden Frage die Beobachtungen anderer Forseher sein. A. Kerner hat z. B. beobachtet, dass im Schatten stehende Pflanzen wie Epilobium angustifolium keine Blüten oder nur in geringer Zahl hervorgebracht hatten. Ferner macht Kerner darauf aufmerksam, dass im Allge- meinen Pflanzenstöcke an ihren beschatteten Theilen vor- waltend Laubknospen, an ihren besonnten Theilen mehr Blüthenknospen entwickeln. Einige Versuche hat M. Mo- fa ius angestellt. Er kultivirte eine Anzahl Pflanzen wie Borago officinalis, Phalaris eanariensis, Andropogon Ischae- nium in Töpfen und stellte einige sonnig und feucht, andere sonnig und trocken, eine dritte Reihe schattig und feucht, eine vierte schattig und trocken. Die Resultate sprechen für einen fördernden Einfluss auf die Blüthenbildung einerseits der Trockenheit, an- dererseits auch des Lichtes. Bei allen diesen und ähnlichen Beobachtungen lässt sich wohl die Folgerung ziehen, dass im Allgemeinen für viele Pflanzen helle Be- leuchtung die Blüthenbildung befördert; aber es ist nicht möglich, die verschiedeneu Wirkungen des Lichtes dabei klar auseinanderzuhalten. Von entscheidender Bedeutung sind nun in dieser Frage nach dem Liehteinfluss die Versuche von Sachs. bei welchen die Wirkungen eines Lichtes geprüft wurden, das seiner ultravioletten Strahlen beraubt war. Sachs kultivirte Pflanzen von Tropaeolum majus innerhalb ge- schlossener Kästen, deren eine dem Licht zugekehrte Wand durch eine gläserne Cuvette ersetzt war, durch die allein das Licht zu den Versuchspflanzen dringen konnte. Bei den einen Kästen wurde in die Cuvette reines Wasser gegeben, bei den andern eine Lösung von schwefelsaurem Chinin, welche die Fähigkeit besitzt, den ultravioletten Theil des Sonnenspectrums durch Fluoresceuz in Strahlen von geringerer Brechbarkeit umzuwandeln. Die Versuchspflanzen erhielten dabei- bei der einen Reihe der Kästen nur Licht, welchem die ultravioletten Strahlen fehlten; in Bezug auf Helligkeit war dagegen kein Unter- schied gegenüber denControllpflanzen hinter reinem Wasser zu bemerken. Die Versuche, welche während mehrerer Jahre durchgeführt wurden, zeigten, dass die Tropaeolum- Pflanzen hinter der Cuvette mit reinem Wasser zahlreiche Bliithen bildeten, während hinter der Chininlösung die Blüthenbildung fast vollständig unterdrückt war. So giebt z. B. Sachs an. dass 20 Pflanzen hinter Wasser 5(1 Bliithen gebildet hatten, während hinter der Chininlösung an 26 Pflanzen nur eine verkümmerte Blüthe entstanden war. Casimir de Candolle hat mit der glexhen Pflanze entsprechende Versuche gemacht und die gleichen Re- sultate erhalten, während die Versuche mit Lobelia Eriuus hinter einer Lösung von Aesculin, die ähnlich wie Chinin fluorescirt, nicht so prägnante Resultate ergeben haben. Die von Sachs beobachtete Thatsache des Einflusses der ultravioletten Strahlen auf die Blüthenbildung ist von sehr grossem Interesse; sie ist die erste sicher nach- gewiesene, welche eine speeifische Rolle des Lichtes für 478 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 39. die geschlechtliche Fortpflanzung kennen gelehrt hat. In welcher Weise und in welchem Stadium der Blüthen- entwickelung die ultravioletten Strahlen bei Tropaeolum wirksam sind, ist völlig räthselhaft. Sachs glaubt durch diese Versuche seine schon früher ausgesprochene Hypo- these über die Ursachen der Formbildung bestätigt zu sehen. Er nimmt an, dass in den Blättern neben den gewöhnlichen Nahrungsstoffen durch den Einfluss der ultravioletten Strahlen Stoffe besonderer Art in äusserst geringen Quantitäten erzeugt werden, welche nach den Vegetationspunkten hingeleitet, gleich Fermenten die dort hinströmende Nalirungssubstanz umwandeln und dadurch die Blüthen hervorrufen. Durch die Annahme solcher angeformter und doch formbildender Blüthenfermente steht Sachs in scharfem Gegensatz zu der heutzutage mehr vorwaltenden Anschauung, nach welcher die Form der Blüthen auf einer im Vegetationspunkte vorhandeneu, bereits irgendwie geformten Anlage beruht. Man könnte auch die Annahme machen, dass für die Entfaltung der in irgend welcher Form vorhandenen Anlage der Fort- pflanzungsorgane neben den gewöhnlichen Nahrungsstoffen noch chemische Processe besonderer Art thätig sein müssten, welche in vielen Fällen vom Licht abhängig sind. Sachs macht selbst darauf aufmerksam, dass die chlorophyllfreien Parasiten jedenfalls ihre Blüthen in voll- ständiger Dunkelheit entwickeln. Daher will Sachs das für Tropaeolum gefundene Resultat nur für die grünen Pflanzen gelten lassen. Aus den Untersuchungen von Klebs geht hervor, dass die Intensität des Lichtes die entscheidende Rolle spielt in allen denjenigen Fällen, wo es für die Fortpflanzungserscheinungen überhaupt maass- gebend ist. Erst in zweiter Linie" kommt der Einfluss der Strahlengattung in Betracht. Denn in jeder Strahlen gattung vom Roth bis Violett, genügende' Intensität vor- ausgesetzt, erfolgt bei Vaucheria sessilis schliesslich die Bildung der Geschlechtsorgane. Doch zeigt sich im All- gemeinen, dass die blauviolette Hälfte des Spectrums wichtiger für diesen Process ist, als die roth- gelbe. Hinter einer Lösung von Pikrinsäure, welche für das Auge hell durchsichtig erscheint, werden die Sexual- organe langsamer gebildet als hinter einer Lösung von Kupferoxydammoniak, welche fast undurchsichtig erscheint. Dagegen treten hinter Chininlösung in der Mehrzahl der Fälle die Geschlechtsorgane ebenso bald auf wie hinter reinem Wasser. Wie wir oben gesehen haben, kommen also z. B. nach Möbius stärkere Belichtung und Nahrungsmangel als wesentliche Agentien bei der Blüthenbildung der Siphono- gamen (Phanerogamen) in Betracht. Hermann Vöchting hat nicht nur diese allgemeine, sondern speciell auch die Frage nach der Beziehung zwischen Licht und Gestal- tung der Blüthen ventilirt in seinem Aufsatz: „Ueber den Einfluss des Lichtes auf die Gestaltung und Anlage der Blüthen" (Pringshemi's Jahrb. XXV. 1893). Um ihre Blüthenbildung in normaler Weise vollziehen zu können -- sagt V. — bedarf die Pflanze einer Be- leuchtung, die unter ein gewisses unteres Maass nicht sinken darf, deren Stärke aber bei den verschiedenen Arten sehr ungleich ist. Schatten- und Sonnenpflanzen bedürfen verschiedener Helligkeit zur Erfüllung derselben Function, und das Gleiche gilt, wenn auch in geringerem Grade, von den Arten der beiden Gruppen. So bringt Impatiens parviflora, eine Sehattenpflanze, vollständige Blüthen noch bei einer Beleuchtung hervor, bei der Malva vulgaris, einer Sonnenpflanze, kaum noch Knospen erzeugt. Und von den beiden Sonnenpflanzen Mimulus Tilingi und Malva vulgaris bildet jene unter der Beleuchtung des Gewächshauses noch Blüthen von normaler Grösse, wäh- rend diese nur solche von etwa halbem normalen Um- fange erzeugt. Lässt man die Beleuchtung unter das erforderliche Maass allmählich sinken, so nimmt die Grösse der ganzen Blüthe oder einzelner ihrer Theile ab, bis von einer ge- wissen Grenze an die Blüthenbildung gänzlich still steht. Dem völligen Aufhören der Blüthenerzeugung geht hei manchen Arten ein Stadium voraus, in dem zwar noch die Knospen angelegt werden, aber im frühen Jugendalter zu Grunde gehen. Die Intensität der Beleuchtung, die jene untere Grenze darstellt, ist für die verschiedenen Arten wieder sehr ungleich. Der Einfluss der verminderten Beleuchtung äussert sieh in erster Linie an der Blumen Krone. Bei einigen Arten, wie Melandryum album und rubrum und Silenc noctiflora, bleibt sie auf frühem Knospenzustande stehen, während Kelch-, Staub- und Fruchtblätter normale Grösse erreichen. Bei anderen nehmen zwar sämmtliche Theile der Blüthe an Grösse ab, so bei Mimulus Tilingi; die eigentlichen Geschlechtsorgane erweisen sich dabei aber weniger vom Licht abhängig, als die Krone. Das eben bezeichnete Verhältniss, das relativ rasche Schwinden der Blumenkrone und die grössere Wider- standsfähigkeit der Sexualorgane, liegt im Interesse der Pflanze. Der Schau- und Lockapparat wird über- flüssig, sobald, wie es unter der geringen Beleuchtung geschieht, der Insektenbesuch ausbleibt und die Blüthe auf Selbstbefruchtung angewiesen ist. Während sich die Blüthen der ein ■ n Arten bei ver- minderter Beleuchtung stets öffnen, selbst dann, wenn eine Verkleinerung der Krone oder der ganzen Blüthe eingetreten, bleiben sie bei anderen geschlossen. Das letztere geschieht besonders bei solchen Formen, die Neigung zur Klcistogamie haben, wie Stellaria media, oder eigentlich kleistogame Blüthen erzeugen, wie Linaria spuria. In diesen Fällen hat es der Experimentator in seiner Gewalt , ausschliesslich durch ungleiche Beleuch- tung kleistogame oder otfene, chasmogame, Blüthen ent- stehen zu lassen. Die sämmtlichen vorgeführten Thatsachen, besonders die zuletzt genannten, werfen Licht auf die Ent- stehung der kleistogamen Blüthen. Offenbar deutet alles darauf hin, dass zunächst äussere Ursachen, in erster Linie mangelhafte Beleuchtung, ihre Bildung herbei- geführt haben. Pflanzen, wie Stellaria media, Lamium purpureum u. a., zeigen dies augenscheinlich. Hier haben wir nur eine Blüthenform, die sich je nach den Be- dingungen bald so, bald so gestaltet. Einen Schritt weiter gehen Arten wie Linaria spuria. Bei dieser werden an demselben Stock zweierlei, jedoch nur wenig von einander abweichende Blüthengestalten erzeugt, dem hellen Licht exponirte chasmogame und dem Schatten oder dem Dunkel ausgesetzte kleistogame. Der ganze Bau der letzteren führt zu der Annahme, dass die Kleisto- gamie hier erst im Werden begriffen ist. Vielleicht bilden sich bei dieser Art im Laufe der weiteren Entwicklung einst ebenso ausgesprochen kleistogame Blüthen, wie wir sie heute bei Viola-, Impatiens- und anderen Arten beob- achten. Ein solcher Vorgang erscheint recht wahrscheinlich, denn es lässt sich nicht verkennen, dass die verhältnissmässig grosse Krone der Blüthe eine wohl zu ersparende Menge Nahrung beansprucht, indess sie zugleich beim Wachs- thum im Boden ein Hinderniss darstellt. Nichts steht aber im Wege, sich die ausgebildete Klcistogamie der vorhin erwähnten Pflanzen thatsächlich auf solche Weise entstanden zu denken. Und dass das Licht dabei von maassgebender Bedeutung gewesen, dafür spricht ausser den Versuchen auch der Umstand, dass manche Arten noch heute ihre kleistogamen Blüthen in das Dunkel Nr. 39. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 479 des Erdhodens, des Mooses oder abgefallenen Laubes versenken. Einige der gewonnenen Erfahrungen lassen sich vielleicht auch für die Ausbildung unserer Vorstellungen über die Ent- stehung zygomorpher Blüthen verwenden. In seinem Auf- sätze über die Ursachen der Zygomorphie hat V. eine Reihe von Thatsachen mitgetheilt, die die Annahme begründen, dass bei der Entstehung dieser Gestalten der Schwer- kraft eine wesentliche Rolle zukomme. Man braucht nur anzunehmen, dass die Zygomorphie der Lage erblich be- festigt worden sei, und es ist die Zygomorphie der Con- stitution gegeben. Die Blüthen solcher Arten, wie Ama- ryllis formosissima, veranschaulichen einen derartigen Vor- gang unmittelbar. In jenen früheren Untersuchungen konnte ein formgestaltender Einfluss des Lichtes nicht nachgewiesen werden. Die später mitgetheilten Beob- achtungen V. s lehren jedoch, dass auch dieses Agens eine gewisse Bedeutung hat, die zwar bisher sicher nur für Miinulus Tilingi, als wahrscheinlich auch für Tropaeolum majus festgestellt werden konnte. Sie besteht darin, dass bei verminderter Beleuchtung die obere Lippe all- mählich verkleinert und schliesslich zum Schwinden ge- bracht wird. Hierbei iuteressiren zwei Dinge: erstens der Einfluss wechselnder Helligkeit, zweitens und ganz besonders der Umstand, dass die Oberlippe sich als der schwächere, hinfällige, die Unterlippe als der widerstands- fähigere Theil erweist. Diese Thatsache gewinnt um so mehr Bedeutung, wenn man erwägt, dass in der grossen Reihe der zygomorphen Blüthen die Unterlippe in der Regel das reicher ausgestattete und grössere (Gebilde ist, dem gegenüber die Oberlippe mehr oder minder zurück- tritt. Es sei hier nur an die Formenreihe der Labiaten erinnert, die mit Gestalten wie Salvia beginnt und mit Ajuga und Teucriuni endet. Wir haben nun Grund zu der Annahme gewonnen, dass direct wirkende Ursachen, äussere und vielleicht auch innere, das Kleinerwerden der Oberlippe hervorgerufen haben. Die nähere Betrachtung der mancherlei zygomorphen Blüthen lehrt, dass die untere Lippe in ökonomischer Be- ziehung ungleich wichtiger ist, als die obere. Jene zieht durch Gestalt und Farbe die Insekten an und dient ihnen vor Allein als Stützorgan. Anders die Oberlippe. Sieht man von den Fällen ab, in denen sie, wie bei Salvia, eine schützende Hülle für die Geschlechtsorgane darstellt, so dürfte sich ihre Aufgabe in den meisten Fällen auf die eines Lock- und Schauapparates beschränken. Doch wäre noch zu erweisen, dass zu diesem Zweck die hohe Ausbildung erforderlich ist, die sie in der That in vielen Fällen besitzt. Bei der genanten Mimulusart würden die In- sekten zweifellos auch dann die Blüthen besuchen, wenn deren Oberlippe nur die Hälfte ihrer Grösse oder selbst noch weniger besässe. Vielleicht liegt aber der Nutzen der Oberlippe auf anderem Gebiete. Betrachtet man die jungen Entwicke- lungszustände, so tindet man, dass die obere Lippe im Wachsthum voraneilt und die untere nebst den Staub- blättern und dem Fruchtknoten umschliesst. Hiernach könnte sie als Schutzhülle dienen , und zwar um so mehr, als der Kelch die Krone doch nur sehr locker um- schliesst. Endlich freilich wäre auch noch möglich, dass der Oberlippe keine besondere derartige Aufgabe zukommt, und dass sie lediglich aus eorrelativen Gründen entsteht. Hierüber Vermuthungen anzustellen, dürfte sich jedoch nicht verlohnen. In den eben gegebenen Ausführungen ist versucht worden, den Ursprung der Kleistogamie sowohl als der Zygomorphie auf direct wirkende äussere Ursachen zurück- zuführen. Damit will V. aber keineswegs sagen dass die natürliche Zuchtwahl ohne alle Bedeutung für die frag- lichen Vorgänge gewesen sei. Er meint nur, dass sie immer erst seeundär eingreife, erst dann eingreifen könne, wenn der Körper in Folge der Wirkung directer physio- logischer Ursachen eine Gestalt angenommen hat. die von Nutzen für den Haushalt des Individuums ist und nun durch Selection erhalten werden kann. Jenen L'r Sachen nachzugehen, ist gegenwärtig Aufgabe der exaeten Forschung. Es will V. scheinen, als sei in der Zuehtwahl- Speculation auf dem Gebiete der Blüthentbeorie mehr als genug geschehen, und als sei manches des darin Ge- leisteten von ephemerer Bedeutung. Endlich weist V. noch auf die merkwürdige Thatsache hin, dass bei Linaria spuria die chasmogamen, zygo- morphen Blüthen die Fähigkeit der Orientirung zum Erdradius theilweise, die kleistogamen dagegen völlig- verloren haben. Dieses Vermögen erlischt ferner bei den Blüthen gewisser Arten, wie Impatiens parviflora, sobald ein gewisser Grad von Kleinheit erreicht ist. In einem zweiten Abschnitt seiner Arbeit sucht V. festzustellen, welchen Einfluss die Herabsetzung oder gänz- liche Unterdrückung der geschlechtlichen Thätigkeit der Pflanze auf deren vegetatives Leben ausübt. Bei Miraulus Tilingi wird durch Herabsetzung der Beleuchtung auf ein gewisses Maass unter die normale die eine grosse Seite der Lebensthätigkeit, die geschlecht- liche, gehemmt, dafür aber das vegetative Leben ge- steigert und, was besonders wichtig ist, in der Blüthen- region selbst die Bildung der vegetativen Triebe hervor- gerufen. Die letzteren treten hier also an die Stelle der Blüthen, eine gewiss merkwürdige Thatsache. Die Pflanze hat somit eine besondere Empfindlichkeit gegen Lichtunterschiede, sie reagirt auf relativ massige Diffe- renzen mit tiefgreifenden Aenderungen ihrer wichtigsten Lebensfunctionen. Die Untersuchungen lehren ferner die nicht unwich- tige Thatsache, dass die Achse des Blüthenstandes, ob- wohl durch ihr ganzes Wachsthum, durch die Form der Bracteen ausgezeichnet, und unter normalen Verhältnissen bestimmt, nur der geschlechtlichen Vermehrung zu dienen, doch ein Organ darstellt, dass zu diesem Zwecke nur erst theilweise speeifisch ausgebildet ist. Eine geringe Herabsetzung der Beleuchtung genügt, um zu veranlassen, neben den nicht zu vollendeter Entwickelung gelangenden Blüthen vegetative Sprosse zu erzeugen, eine der Tera- tologie angehörende Thatsache, deren Ursache hier nach- gewiesen wurde. Derartige Erscheinungen sind in der freien Natur bei verschiedenen Pflanzen als vereinzelte abnormale Vorkommnisse beobachtet und wiederholt be- schrieben worden. (Schluss folgt ). Das Tätowiren bei Angehörigen civilisirter Nationen steht, sofern nicht unter anderem blosse Nachahmung im Spiele ist, nach Lombroso in Zusammenhang mit ver- brecherischen Neigungen. Er giebt in seinem Buche „Der Verbrecher" als Gründe für das Tätowiren an: a) die Religion, b) die Nachahmung, c) die Langeweile, d) den Einfluss der Eitelkeit, e) den Corps- und Bandengeist, f) den Wunsch, ein Zeichen der Erinnerung zu haben, g) verliebte Neigungen, h) die Nacktheit (bei Wilden), welche den Wunsch regt, „sich mit einer Art von Hülle oder Schmuck zu bedecken", i) Atavismus, „d. h. die Tradition, da das Tätowiren ein besonderer Charakter des Urmenschen und des Mensehen im wilden Zustande ist." Nichts ist nun natürlicher — sagt L. als dass 480 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 39. eine mehr den Wilden und prähistorischen Völkern so eingewurzelte Sitte bei den roheren Menschenklassen sich wiederfindet, welche nicht nur die alten Gebrauche, den Aberglauben und sogar di ■ Volksgesänge hartnäckig fest- halten, sondern auch dieselbe Heftigkeit der Leiden- schaften, dieselbe Stumpfheit gegen den Schmerz, die- selbe kindliche Eitelkeit wie jene besitzen. Und namentlich muss dies der Fall sein bei den wildesten unter den lohen Volksklassen, bei den Verbrechern, namentlich dann, wenn das Gefängnissleben ihnen die Müsse zu derartiger Beschäftigung vergönnt." Ein Beispiel für den Einfluss der Religion auf Täto- wirungen scheint der folgende, neuerdings in den „Wiss. Mittb. aus Bosnien und der Herzegowina" (herausg. vom bosn.-herzegow. Landesmuseuni in Sarajevo, redigirt von Dr. M. Hoernes, II. Bd., Wien 1894) veröffentlichte Fall zu bieten. Unter dem Titel „Die Tätovvirung der Haut bei den Katholiken Bosniens und der Herzegowina" findet sich in dem genannten Bande ein illustrirter Artikel aus der Feder des Kreisarztes in Sarajevo Dr. Leopold Glück, in welchem er das Folgende ausführt: Nahezu jedes katholische erwachsene Mädchen und jede katholische Bäuerin ist an der Brust, den Ober- armen, Vorderannen, den Händen meist bis zu den Finger- gliedern und in seltenen Fällen auch an der Stirne tätowirt. Den Grundtypus dieser Tätowiiung bildet das von verschiedenen grossen Guirlanden , Zweigen und anderen Zieraten unirahmte Kreuz. Diese Erscheinung ist um so auffälliger, als man bei den Frauen der anderen Confessionen des Oecupatiousgebietes viel seltener die gleiche Beobachtung macht. Was die Männer an- belangt, so tätowiren sich dieselben im allgemeinen viel seltener als die Frauen; am häutigsten thun es aber wieder die Katholiken. Bei den Männern bildet das Kreuz gleichfalls das wichtigste Zeichen, welches ein- tätowirt wird; doch wird dasselbe weniger reich mit Ver- zierungen ausgestattet. Ueber den Ursprung und den Zweck dieser Täto- wiruugen in Bosnien und der Herzegowina lassen sich verschiedene Yeinuithungen aufstellen, von denen ich jene, welche mir die wahrscheinlichste zu sein dünkt, im Fol- genden darlegen will. Das Tätowiren war bei den alten Slaven, wenn auch die Frauen derselben keine Verächterinnen von Körper- zierat gewesen sein dürften, nicht Sitte, und für die An- nahme, dass dasselbe ein in seiner Form verändertes Ueberbleibsel aus der vorchristlichen Zeit sei, finden sich weder in den Annalen der slavischen Urgeschichte irgend- welche Anhaltspunkte, noch kann man bei den heutigen Slaven ausserhalb Bosniens und der Herzegowina, selbst unter der Landbevölkerung, das Tätowiren in irgend einem ausgedehnten Maasse beobachten. Es dürfte dem- nach diese Sitte im Oecupationsgebiete kaum auf die Zeit vor der ottonianischen Invasion zurückgehen. Da- gegen spricht schon der Umstand, dass das Tätowiren nur bei einem Theile der trotz eonfessioneller Verschieden- heit in ihren Sitten und Gebräuchen so gleichartigen Be- völkerung geübt wird. Wäre das Tätowiren ein alter Landesbrauch, so hätte es sicher eine eigene Bezeichnung; es heisst aber im Volke lediglich „kriz nabocati", was wohl schon au und für sich auf einen jüngeren Ursprung der Sitte hindeutet. Wenn nun das Tätowiren weder überhaupt ein alt- slaviseher, noch ein speeifisch bosnischer Landesbraueh ist, so fragt sich, wieso und wann derselbe entstanden ist und warum er gerade nur bei den Katholiken Eingang gefunden hat. In der letzten Zeit des Königreiches war das Pata- renerthum zwar scheinbar durch den Katholicismus ver- drängt, der letztere aber dem Volke bei weitem noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Jenes Secten- wesen hatte in Bosnien zu lange gewährt, es bildete zu lange das Glaubensbekenntniss der Mächtigen und der Armen, als dass es in einer kurzen Zeitspanne aus dem Gedächtnisse und dem Herzen des Volkes hätte schwinden können. Haben doch Viele den Katholicismus nur äusser- nd] und widerstrebend angenommen und blieben im Herzen dem alten „bosnischen" Glauben treu. Als die Osmanen die Balkanhalbinsel überflutheten, hat die Bevölkerung der nach einander eroberten Staaten nirgends in solchen Massen den muhammedanischen Glauben angenommen, als eben in Bosnien. Es ist nun selbstverständlich, dass die katholischen Priester, sobald einmal ein gewisser Stillstand eingetreten war, alle erdenklichen Mittel aufgeboten haben, um die weitere Glaubensabschwörung zu beschränken. Da der Islam das Kreuz als Symbol des Christcnthums verpönt, musste es den katholischen Priestern nahe liegen, durch Einpräguug des Kreuzes an einer sichtbaren Körperstelle die Annahme des muhammedanischen Glaubens zu er- schweren. Wollte nun ein tätowirter Katholik den Glauben wechseln, so musste er vor Allem das Kreuz von seiner Haut entfernen, was aber eine recht schmerzhafte Pro- cedat- war, weil man die Haut bis in die tieferen Schichten des Coriums vernichten musste. Da jedoch das Ertragen so grosser Schmerzen nicht Jedermanns Sache ist, so dürfte doch Mancher aus diesem Grunde vor dem entscheidenden Schritte zurückgeschreckt sein. Hätte sich aber dennoch Einer entschlossen, trotzdem den Glauben zu wechseln, so wäre derselbe durch die sicht- baren und recht ausgedehnten Narben, welche nach der Vernichtung der Tätowirung zurückbleiben mussten, in fataler Weise als Neophyt kenntlich geblieben. Der Brauch, Tätowirungen gewöhnlich an Sonn- und Feier- tagen nach der Messe und in der Nähe der Kirche vor- zunehmen, dürfte die obige Annahme über den Ur- sprung des Tätowirens in Bosnien einigermaassen unter- stützen. Die Grüude, welche zur Einführung des Tätowirens geführt haben, sind zwar geschwunden, aber der dem Menschen innewohnende Trieb der Nachahmung und das Festhalten an dem Hergebrachten dürften hinreichen, das Tätowiren noch lange als Volksbrauch bei den Katholiken Bosniens und der Herzegowina zu erhalten. Dass die Hypnose unter Umständen Gefahr bringen kann, scheint der folgende, von der Vossischen Zeitung (Abend-Ausgabe Berlin, den 19. September) ge- meldete Fall zu zeigen. Wir führen ihn an, weil einige Hypnotiseure die vollkommene Gefahrlosigkeit des hyp- notischen Zustandes zu betonen bestrebt sind. „Ein entsetzlicher Fall — wird dem genannten Blatt aus Budapest berichtet • hat sich heute auf Schloss Tuzor im Csabolczer Comitat zugetragen, das Eigenthum des Grundbesitzers Theodor v. Salamon ist. Dort trat der Hypnotiseur Neukomm auf. Er benutzte unter anderen Personen auch die Tochter des Schlossherrn, Ella v. Salamon, als Medium. Unter dem Einflüsse seiner Suggestion sollte das Fräulein eine Lungenleidende dar- stellen. Im Verlaufe der Vorstellung stiess plötzlich das Medium einen Schrei aus und stürzte als Leiche zu Boden." Bei Beurtheilung dieses Falles ist freilich zu erwägen, in wiefern der Zustand der Hypnose oder die Art der Nr. 39. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 481 Suggestion dem Medium gefährlich war. Dass diese in hohem Maasse .auf Leih und Leben einwirkt, wird viel- leicht durch den vorstellenden Fall bestätigt. Dass die Suggestion, unvernünftig ausgeübt, schaden kann, ist selbstverständlich; daraus folgt noch nicht ohne weiteres, dass das Hypnotisircn als solches gefährlich ist. Dass der Tod in der Hypnose snggerirt werden kann, ist neu; , für die Hypnotiseure ist also jedenfalls grösste Vorsicht \ im Erfheilen der Suggestion geboten, dadurch werden sich Unglücksfälle viel eher vermeiden lassen. Das diastatische Ferment der Pflanzen. — Unter diesem Titel veröffentlicht Franz Schleichert, Lehrer in Jena, ein Schüler des Professor Detmer, in den Nova Acta der Kaiserl. Leopold.-Carol. Akademie der Natur- forscher (Bd. LXII Nr. 1) eine physiologische »Studie, in welcher er sieh in erster Linie die Aufgabe stellte, die über die Diastase der Pflanzen und ihre Wirksamkeit be- kannten Thatsaehcn historisch und kritisch zu behandeln. Der Verfasser hat in klarer, übersichtlicher Weise das vorhandene Material geordnet zusammengestellt und durch die kritische Behandlung gezeigt, wo die Forschung ein- setzen muss, um die noch vorhandenen Lücken in der Erkenntniss dieses Ferments auszufüllen. An geeigneten Stellen der Abhandlung wurde besonders der Beziehungen zwischen Fermentthätigkeit der Diastase einer- und den Lebensvorgängen in den Gewächsen andererseits gedacht. Da die Diastase ein Körper ist, weleher in der Technik sowie, im Haushalte der Natur eine ausser- ordentlich wichtige Rolle spielt, so sei auf einige be- merkenswerthe Punkte hier hingewiesen. Was zunächst das Vorkommen der Diastase in höheren Pflanzen betrifft, so gelangt der Verfasser namentlich mit Rücksicht auf die bezüglichen Unter- suchungen Wortmann's zu dem Resultate, „dass allerdings in manchen Pflanzen, namentlich in stärkereichen Keim- pflanzen (Gerste, Weizen etc.), Diastase als besonderer Körper in freiem Zustande und in erheblicher Quantität vorhanden ist, der die Stärkeumbildung direct vermittelt, während dieser Process vielleicht in den meisten Fällen ohne Abspaltung freier Diastasemoleküle vom lebens- thätigen Protoplasma selbst vollzogen wird." Gewiss ist anzunehmen, dass die Amylumumbildung in gewissen Fällen durch die Thätigkeit des Protoplasmas vermittelt wird. Jedoch besonders bezüglich der Blattuntersuchungen auf Gehalt an freier Diastase ist ohne Zweifel, dass Wort- mann's Uutersuchungsmethode vielfach nicht zu richtigen Ergebnissen führen konnte, wie neuerdings durch die englischen Forscher Brown und Morris nachgewiesen wurde. Brown und Morris zogen nämlich die frischen Blätter nicht, wie es Wortmann that, .mit Wasser aus, | sondern trockneten sie zunächst bei 40 bis 50° C., zer- J rieben sie fein und fügten dieses Pulver der Stärkelösung ; hinzu. Getrocknetes Material giebt aber alle Stoffe, die j es enthält, viel leichter an ein Lösungsmittel ab, als das j frische. Bezüglich des allmählichen Auftretens und der; Vertheilung der Diastase in den Pflanzen sind; namentlich die Studien Detmer's, Kjeldahl's, Müller- Thnrgau's, Haberlandt's und die von Brown und Morris hervorgehoben und besprochen worden. Ueber das Vorkommen der Diastase in Bakterien stellte besonders Wortmann eingehende Untersuchungen an und gelangte zu dem Resultate, „dass die Bakterien befähigt sind, ihren Kohlenstoffbedarf aus der Stärke zu tezichen und ein diastatisches Ferment zu erzeugen, wenn ; ihnen , abgesehen dem Amyluni, keine oder keine irgendwie grösseren Mengen anderweitiger organischer Stoffe zur Disposition stehen-, Bedingungen, die nicht durchweg von allen Forschern Krabbe, Uaranctzky. Buesgen) bestätigt werden. Das aus Bakterien abge- schiedene Ferment gleicht in seinen Wirkungen auf Stärkekörner sowohl, als aufgelöste Stärke der Diastase höherer Pflanzen. Ein weiterer Abschnitt der Abhandlung behandelt die verschiedenen Isolirungsmethoden, die chemische Zusammensetzung und die Eigenschaften der Dia- stase und fasst die bisherigen Forschungsergebnisse über die Natur des Ferments dahin zusammen, dass das- selbe im nicht gereinigten Zustande eine gelblich-braune, spröde Masse, im reinen Zustande dagegen ein gelblieh- weisses oder weisses Pulver darstellt. Bis jetzt ist das Ferment nur im amorphen Zustande erhalten worden. Es ist löslich in Wasser und Glycerin, unlöslich in ab- solutem Alkohol. Von Bedeutung ist auch die von Detmer und Krabbe constatirte Diffusionsfähigkeit der Diastase. Auf Grund aller dieser Untersuchungen ist das Ferment als ein besonderer Körper mit speeifischen Eigenschaften, also als ein chemisches Individuum anzusehen, welches zwar den Eiweissstoffen sehr nahe steht, ja vielleicht zu ihnen gehört, aber dennoch eine nur ihm eigene Natur besitzt. Anzunehmen ist wohl die Identität aller aus Pflanzen und Bakterien isolirten Fermente. Was die Untersuchungen über die Productc der Diastasewirkung anbetrifft, so schliesst sich der Ver- fasser den maassgebenden Arbeiten von Brown und Morris und Brown und Heron (Liebig's Annalen der Chemie) an, nach welchen bei der Einwirkung der Diastase auf Stärke nicht nur Erythrodextriu und Aehroodextrin, sondern auch Maltodextrin neben Maltose entsteht. In diesem Abschnitt gelangen auch noch der Eiufluss der Concentrationsver- hältuisse , der Diastasemengcn und der Zeitdauer der Reaktion auf den Stärkeumbildungsprocess zur Be- sprechung. Bei der Darstellung des Auflösungsprocesses der Stärkekörner durch das diastatische Ferment finden namentlich die werthvollen Untersuchungen Baranetzky's und Krabbe's eingehende Berücksichtigung. Letzterer glaubt, im Gegensatz zu Baranetzky und andern For- schern, nicht an die Fähigkeit der Diastase, in die Stärke- körnersubstanz durch Diffusion eintreten zu können. Nach ihm erfolgt die Auflösung der Stärkekörner in der Pflanze und ebenso ausserhalb derselben, wenn das Amylum mit Diastaselösung oder Bakterienflüssigkeit in Berührung gelangt, stets derartig, dass der Process von aussen uach innen fortschreitet. Verfasser nimmt mit Krabbe an, dass das Zustandekommen der localen Corrosionen auf ähn- lichen Ursachen beruht, wie die Entstehung der Aetz- figuren, welche an sich auflösenden Krystallen hervor- treten. Die letzteren sind nach Ansicht der Physiker nämlich nicht allein Folge von Strnkturanomalien der Krystalle , sondern ihr Zustandekommen hängt auch wesentlich mit. 'der eigenthümlichen Wirkungsweise des Lösungsmittels zusammen. Das diastatische Ferment wird in den höheren Pflanzen nur bei Sanerstofl'zutritt in grösserer Menge ge- bildet, eine Thatsache, die besonders durch Detmer's Untersuchungen constatirt und eingehend beleuchtet wurde. Mit den hierbei von Detmer festgestellten Ergebnissen stimmen Wortmann's Beobachtungen über die Bildung des Ferments in Bakterien überein. Von hohem Interesse sind weiter in der Abhandlung die Abschnitte über Einwirkung von Druck-, Beleuch- tungs- und Temperaturverhältnissen, ferner über den Eiu- fluss von Alkalien und Säuren, sowie verschiedener orga- nischer und anorganischer Körper auf die Diastase und den Process der Stärkeumbildung'. 482 Naturwissenschaft liclic Wochenschrift. Nr. 39. Den Schluss der sehr eingehenden Studie bildet ein zusammenfassender Theil: Theoretisches über die Natur und Wirkungsweise der Diastase. Die Schleichert'sche Arbeit hat nicht nur für denjenigen Bedeutung, der sich speciell mit dem Studium der Diastase beschäftigt, son- dern bietet auch für das Studium der Fermente überhaupt willkommene Anhaltspunkte. (x.) Das absolute Alter der Eiszeit berechnet Professor Albert Heim in der Vierteljahrsschrift der Naturfor- schenden Gesellschaft in Zürich (39. Jahrg.). — Quer durch den Vierwaldstättersee unterhalb Brunnen zieht eine grosse Endmoräne. Das Seebodeustück zwischen dem Muottadelta und dieser Endmoräne ist erhöht durch die Concentration der Ablagerungen der Muotta auf diese Seestrecke. Diese Ablagerungen hinter der Moränenbarriere müssen jünger sein, als die Barriere. Das Volumen der Anschwemmung und die dazu nöthige Zeit lässt sich berechnen. In der Berechnung, die hier nicht wiedergegeben ist, stecken — wie H. sagt — eine Menge kleinerer und grösserer Fehlerquellen. Herr Wehrli wie ich haben uns dieselben alle eingehend überlegt und ihren Einfluss auf das Resultat zu berechnen versucht. Manche der Fehler heben sich gegenseitig wieder auf, andere nicht. Es lohnt sich nicht, dieselben alle zu discu- tiren. Wenn wir alle Fehler möglichst ungünstig sich combinirend und gross annehmen, mag sich das Resultat um 50 % — vielleicht sogar um 100 % ändern. Allein trotz diesem möglichen Fehler bleibt es immer noch ein interessantes nützliches Resultat. Auf grössere Ge- nauigkeit konnten wir von vornherein niemals hoffen. Wir haben soviel erreicht, sagen zu können, dass seit dem Rückzug der diluvialen grossen Gletscher der letzten Ver- gletscherungwenigstens 10000, höchstens 50 000 Jahre vergangen sind, und dass es sich jedenfalls bei der Frage nach dem Alter der Eiszeit weder um einzelne wenige Jahrtausende noch um Jahrhunderttausende, wohl aber um einige Jahrzehntausende handelt. Die Grössenordnung der Jahrzahl darf doch wohl als ein sicherer Gewinn unserer kleinen Untersuchung angesehen werden — ein Gewinn, der übrigens in vollem Einklang steht mit dem, was mir in Erwägung aller Thatsachcn stets als das Wahrscheinlichste erschienen ist. Wenn 16 000 Jahre seit der letzten Vergletscherung entschwunden sind, so schätze ich aus interglacialen Schieferkohlen, interglacialer Thalbildung etc., dass 100 000 Jahre seit Beginn der ersten Vergletscherung verflossen sein mögen. Nachdem das Manuscript schon in der Druckerei war — fügt der Verf. hinzu — erfuhr ich durch Herrn Prof. Dr. Brückner in Bern, dass er und Herr Dr. Steck das Alter der Deltabildungen zwischen Brienzer- und Thuner- See („Bödeli") zu 20 000 Jahren, das Alter der Aare- anschwemmungen oberhalb des Brienzer-Sees zu 14 000 bis 15 000 Jahren berechnet haben. Es ist nun sehr wahr- scheinlich, dass diese Anschwemmungen eben seit dem letzten Rückzug des Gletschers hinter diese Stellen be- gonnen haben, und somit ihr Alter nahezu gleichkommt demjenigen der Postglazialzeit. Diese Zahlen stimmen auffallend schön mit der von uns berechneten Uberein und bestätigen sich gegenseitig. (x.) Aus dem wissenschaftlichen Leben. Die Meldung in No. 37 von der Ernennung des Professors der Mathematik an der Universität Berlin H. A. Schwarz zum Ge- heimen Regierungsrath beruht auf Irrthum. Ernannt wurden: der bisherige Erste Assistent an der König- lichen Porzcllan-Manufactur in Berlin Dr. Hermann Hecht zum Chemiker der chemisch - technischen Versuchsanstalt; der ausser- ordentliche Professor der Anatomie Dr. von Kostanicki in Krakau zum ordentlichen Professor; Dr. phil. Franz Schwartz vom Staatsarchiv zu Posen zum Custos des dortigen Provinzial- Museums. Berufen wurden : der technische Director der Maschinenfabrik von J. Pallenberg in Mannheim von Lossow zum Professor für Maschinenbaukunde an die technische Hochschule zu München; Professor Dr. Friedrich Kraus von Wien nach Graz als ordent- licher Professor und Director der medicinischen Klinik als Nach- folger von Professor Remboldt; Stabsarzt Professor Dr. Behring in Berlin als stellvertretender Docent und a. o. Prof. für Hygiene nach Halle. In den Ruhestand tritt: Regierungsrath Dr. Teichmann, ordentlicher Professor der Anatomie in Krakau, wobei ihm der Titel „Hofrath" verliehen wurde. Es sind gestorben: Professor Dr. Christian Lemcke, Director der Poliklinik für Kehlkopf- und Ohrenkrankheiten; der medicinische und philosophische Schriftsteller Professor Dr. Paul Albrecht in Hamburg (durch Selbstmord); der Professor der Medicin an der Berliner Universität Dr. Oscar Fräntzel; der frühere Docent der Chirurgie in Freiburg Generalarzt Dr. von Beck. Den Vorsitz in der Gruppe XIX. Unterricht und Er- ziehung der Berliner Gewerbe- Ausstellung 1896 (vergl. „Natur- wissenschaftliche Wochenschrift") hat Geh. Commercienrath Gold- berger in Folge der im Arbeitsausschusse sich häufenden Arbeiten niedergelegt. Geheim - Rath Professor Bertram hat denselben übernommen. L i 1 1 e r a t u r. Brockhaus' Konversations-Lexikon. 14. vollständig neubearb. Auflage. II. Bd. Leber— More. Mit 59 Tafeln, darunter neun in Farbendruck, 27 Karten und Plänen und 242 Textabbildungen. F. A. Brockhaus in Leipzig. Berlin und W7ien 1894. — Preis 10 Mark. Dass das Brockhaus'sche Konversations-Lexicon sich bemüht, den Ereignissen auf dem Fusse zu folgen, lehrt auch der vor- liegende 11. Band: bei dem Artikel Lyon ist z. B. nicht vergessen, der Ermordung des Präsidenten der französischen Republik, Saili Carnot, Erwähnung zu thun; in dem Artikel Luftschiffahrt findet die Fahrt von Gross und Berson vom 11. Mai 1894 Erwähnung u. s. w. Auch in anderen Beziehungen könnten wir nur früher erwähnte Vorzüge wiederholen. Wrie in den früheren Bänden sind die geographischen Artikel, die bekanntermaassen mit am meisten in den Lexikas benutzt werden, besonders ausgiebig be- handelt, und von den wichtigen Städten sind wieder gute Pläne beigefügt worden. Der Artikel „London" nimmt 31 Spalten ein, und bringt Tafeln mit bemerkenswerthen Bauten, 2 Städtepläne in Doppelgrossoctav, eine Textfigur den Londoner Polizeibezirk dar- stellend und wie gewöhnlich bei Städte- Artikeln eine andere Textfigur das Wappen der Stadt veranschaulichend. Interessant sind die beiden Bilder beim Artikel „Leonardo", die nicht nur das berühmte Abendmahl nach Raphael Morghen's Stich, sondern auf einem besondern Schutzblatt auch eine getreue Reproduc- tion des jetzigen kläglichen Zustandes giebt, in dein sich dieses herrliche Bild jetzt befindet. Louis Bourdeau, Histoire de ['Alimentation. Felix Alcan editeur, Paris 1894. — Prix 5 Fr. Das eigenartige Buch bespricht zunächst die Natur und Pro- duetion der Nahrungsmittel, sodann ihre Aufbewahrungsarten, ihre Zubereitung, die Geschichte der Küche, die Geschichte der Brotbereitung, sowie der Getränke und endlich die künstlichen zur Verwendung kommenden Werkzeuge (Geschirr, Messer, Löffel und Gabeln, Trinkgefässe, Tische und Sitze, Tischwäsche). Es ist interessant, zu verfolgen, welche Wandlungen nöthig waren, um die jetzigen Methoden der Nahrungszubereitung zu erreichen und zu sehen, wie unser Vorfahr und wie man über- haupt früher allem, was mit dem Essen zusammenhängt, gegen- über stand. Aug. Weismann, Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Er- widerung an Herbert Spencer. Gustav Fischer in Jena, 1893. — Preis 2 Mk. Ueber den Inhalt der Schrift giebt der in der „Naturw. Wochenschr." veröffentlichte Artikel des Herrn Dr. W. Haacke genügenden Aufschluss, sodass wir uns hier auf eine Anzeige derselben beschränken können. Wir möchten nur bemerken, dass sich zwar der Haupttheil der Schrift gegen Spencer wendet, Nr. 39. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 483 der von der Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften überzeugt ist, dass aber auch Weismann den Versuch macht, andere Autoren, wie Wilckens, Buckman, Emery, zu widerlegen. Repertoire bibliographique des sciences mathematiqu.es. Wie auf anderen Feldern der Wissenschaft, so herrscht auch in der Mathematik das Bedürfniss nach einer Sammlung, nach einem Ueberblick über das, was bisher geleistet worden ist. Diesem Umstände verdankt eine ganze Reihe von Unternehmungen der letzten Jahre ihren Ursprung. Eines der grössten derartigen Projekte ist die bereits sehr weit gediehene Zusammenstellung der Titel aller Arbeiten mathematischen Inhalts, welche seit dem Jahre 1800 einschliesslich bis zum Jahre 1889 einschliesslich er- schienen sind. Dieses Unternehmen wurde auf dem Congres inter- national de bibliographie des sciences mathematiques zu Paris 188J beschlossen und es wurde eine ständige Commission mit der Arbeit betraut. Das herausgegebene Repertoire bibliographique wird auch die Titel der auf die Geschichte der Mathematik be- züglichen Arbeiten von 16C0 bis 1889 einschl. enthalten. Die Anordnung wird nicht nach den Namen der Verfasser, auch nicht nach den angewandten Methoden getroffen, sondern es findet eine Classifieirung nach dem Stoffe statt. Ueber die Gliederung und Anordnung des letzteren hat sich die Commission schlüssig gemacht und die Art der Classifieirung ist niedergelegt in dem bei Gauthier- Villars et Fils zu Paris erschienenen „Index du Repertoire biblio- graphique des sciences mathematiques". In der Commission befinden sieh auch zwei deutsche Mathe- matiker: Lampe und Valentin; es ist indessen das Cooptations- recht vorgesehen, und es wäre wünschenswerth, dass noch mehrere deutsche Mathematiker sich für die Anlegenheit interessirten. Die so überaus wichtige deutsche mathematische Litteratur muss möglichst ohne jede Lücke in dem Repertoire vertreten sein. Es wird übrigens geplant, von zehn zu zehn Jahren Fort- setzungen herauszugeben, in welchen auch die in den früheren Theilen des Repertoire entdeckten Lücken angegeben werden. Präsident der ständigen Commission ist Herr Poineare, Se- kretär Herr Laisant, Avenue Victor-Hugo 1G2, Paris. Eine recht bemerkenswerthe Mittheilung über den gegenwärtigen Stand dei Arbeiten hat Herr Laisant im Journal Officiel (31. Mars 1894) veröffentlicht. Bulletin de IVAcademie Imperiale des Sciences de St. Peters bourg. Nouvelle Serie III (XXXV) Nr. 1-3. — Diese Veröffent- lichungen enthalten folgende naturwissenschaftliche Artikel: 1. A. Karpinsky: Ueber das Vorkommen untersilurischer und cambrischer Ablagerungen im Gouvernement Minsk. Die alten falschen Angaben über das in geologischer Beziehung ziem- lich unbekannte Gouvernement Minsk werden richtig gestellt. — Andreas von Semen ow: Revisio Hymenoptorum Musei Zoo- logici Akad?miac Caesareae Scientiarum Petropolitanae. III. Fa- milia Evaniidae. Ausführliche Beschreibung der Unterarten von Evania, Gasteryption und Aulacus. — S. Herzenstein: Ichthyo- logische Bemerkungen aus dem Zoologischen Museum der Kaiser- lichen Akademie der Wissenschaften. Eingegangen wird auf Argyrocothus, Gymnodiptychus, Acanthogobio und Pungtungia. — Dm. Iwanowsky: Ueber die Mosaikkrankheit der Tabaks- pflanze. Die Ansicht Ad. Mayer's (Holland), dass die Mosaik- und die Pockenkrankheit des Tabaks nur verschiedene Ent- wickelungsstadien einer und derselben Krankheit seien, wird widerlegt. — Andreas von Semenow: Chrysididarum species novae. Beschreibung von 15 neuen Arten der genannten Gattung. — Eug. Büchner: Ueber eine neue Sminthus-Art aus China. Zu der einzigen bisher bekannten Art von Sminthus, S subtilis, kommt eine neue hinzu, S. concolor, welche ausführlich be- schrieben wird. — Tb. Pleske: Die ornithologische Ausbeute der Expedition der Gebrüder G. und M. Grum - Grzimailo nach Ceutral-Asien (1889—1890). - Th. Pleske: Uebersicht der Gat- tung Regulus, Cuv nebst Beschreibung einer neuen Art derselben. — Professor Dr. Alexander Poehl: Eine chemische Erklärung zur physiologischen Wirkung des Spermins. (Vorläufige Mit- theilung.) 2. Th. Bredikhine: Sur la dispersion des points radiants de meteores. Versuch einer mathematischen Erklärung für den Wechsel der Radiationspunkte im Perseidenschwarm. — Eug. Büchner: Zur Kenntniss der rothen Murmelthiere Central-Asiens. — P. Schalfee w: Carcinologische Ben. erklingen aus dem Zoo- logischen Museum der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Beschrieben wird das Genus Hapalogaster Brdt. und Verwandte. — K. von Chru stsch off : PJeber zwei neue Mineralsynthesen Bei der ersten jMineralsynthese handelt es sich um folgende Zu- sammensetzung: Kieselsäure 53,65, Thonerde 23,76, Zirkonerdo 14,54, Wasser (Verlust) 7,86, bei dem zweiten um die Zusammen- setzung,: Kieselsäure 32,84, Zirkonerde 67,14. — N. Kusnezow: Neue, asiatische Oentianen (Fortsetzung). Es werden darin zu den 7 bereits früher geschilderten neuen Gentianenarten aber- mals 8 neue beschrieben. 3. A. Beloposki: Spectrum der „Nova Aurigae" 1892, beob- achtet in Pulkowo. Es handelt sich um Beobachtungen und Be- rechnungen für den Theil H(j — Hs des Spectrums. Es ergiebt sich, dass das Aufleuchten des Sternes keiner Eruption zuge- geschrieben werden kann. Verfasser sucht eine andere Erklärung zu geben. — Dr. K. von Ch rus tschoff: Ueber eine Gruppe eigenthümlieher Gesteine vom Taimyr-Lande aus der Middendorf- schen Sammlung. Beschreibung und Zusammensetzung zweier Gesteine, welche ein in allen Beziehungen aussergewöhnlirhes Vorkommniss darstellen. — Eug. Büchner: Ueber eine neue Katzen-Art (Felis pallida n. sp.) aus China. Beschreibung zweier Exemplare aus der Gruppe der Chaus-Katzen aus der Süd-Tetung- Kette, Provinz Ganssu, welche eine neue Art repräsentiren. — N. Andrusson: Sur l'etat du bassin de la mer Noire pendant l'epoqne pliocene. Aus der Fauna des Schwarzen Meeres wird gefolgert, das Schwarze Meer sei früher ein Binnensee gewesen, der erst in sehr junger Zeit mit dem Mittelmeer in Verbindung trat. — F. Brioschi: Sur l'equation differentielle Lame-Hermite. - Th. Bredikhine: Sur les Perseides observes en Russie en 1892. Neues Material für den oben eiwähnten Aufsatz. Aber- mals zeigte sich eine allmähliche Verschiebung des Radiations- punktes nach Nord-Ost — S. Na wasch in: Zur Embryobildung der Birke (Vorläufige Mittheilung.) Vergleich der Befruchtungs- vorgänge bei der Birke mit denen der Casuarineen, die durch Treub entdeckt sind. Die Birke bildet die Vermittlung zwischen den Casuarineen und den Angiospermen (Apetalen). (vergl. Naturw. Wochenschr. VIII p. 142). — H. Wild: Ueber die Darstellung des täglichen Ganges der Lufttemperatur durch die Bessel'sche [nterpolationsformel. Nachweis, dass die Anwendung dieser Formel bei Anwendung von blos 3 oder 4 Gliedern den täg- lichen Gang der Temperatur nicht befriedigend darstellt. Anderssohn, AureL, Phvsikalische Prinzipien der Naturlehrc. Halle. — 1,60 M. Bezold. Wilh. v„ August Kundt. Leipzig. — 0,6(1 M Grimsehl, Oberlehr., Die Vorgänge beim elektrischen Strome. veranschaulicht durch Flüssigkeitsströme. Cuxhaven. — 1,50 M. Hertz, Heinr., Gesammelte Werke. III Band. — III. Die Principien der Mechanik. Leipzig. — 12 M., geb. 13,50 M. Jentzsch, Prof. Dr. Alfr., Der Frühlingseinzug des Jahres 1893. Königsberg. — 1,50. Lange, Frdr. Aug., Logische Studien. Leipzig. — 2,50 M., geb. 3 M. Reyer, Ed., Geologische und geographische Experimente. III. u. IV Heft. III. Rupturen. — IV. Methoden und Apparate. Leipzig. — 2 M. Schlemüller, Oberstl. Wilh., Die Fortpflanzungs-Geschwindig- keit des Schalles in einem theoretischen Gase. Prag. — 0,50 M. Schneller, Apoth. Karl, Reactionen und Reagentien. I. Band. Eichstätt. — 6 M., geb. 6,80 M. Stroh. Reallehr. Dr. Emil. Theorie der Combinanten algebrai- scher Formen. München. — 1 M. Briefkasten. Herrn M. — Nachdem wir durch Ihr Schreiben über Ihre Vorkenntnisse und Ihr Ziel inforniirt worden sind, empfehlen wir Ihnen, mit dem Studium eines modernen Lehrbuchs der Differential- und Integralrechnung zu beginnen. Es giebt deren eine grössere Zahl; wir nennen Ihnen: Stegemann-Kiepert, Differential- und Integralrechnung, 2 Bände; Serret-Harnack, 2 Bände; Jordan, Cours d'analyse, 3 Bände. Sie thun gut, daneben Euler's Einleitung in die Analysis des Unendlichen (Deutseh von Maser) und Cauchy's algebraische Analysis (Deutsch von Itzigsohn) zu studiren. — Für die Astronomie empfehlen wir Ihnen zunächst Brünnow's Lehr- buch der sphärischen Astronomie. Wenn Sie weiter vorgeschritten sind, werden wir Ihnen gern mit neuen Litteraturangabc.n ge- fälligsein; Ihnen heute eine grössere Liste vorzulegeu, scheint uns wenig Zweck zu haben. Inhalt: Dr. Lindner, Zur Kenntniss der parasitischen Eigenschaften stielloser Vorticellen. — Neuere Untersuchungen über den Einfluss des Lichtes auf die Pflanzen. — Das Tätowiren bei Angehörigen civilisirter Nationen. — Dass die Hypnose unter Um- ständen Gefahr bringen kann. — Das diastatische Ferment der Pflanzen. — Das absolute Alter der Eiszeit. — Aus dem wissen- schaftlichen Leben. — Litteratur: Brockhaus' Konversations-Lexikon. — Louis Bourdeau, Histoire de ('Alimentation. — August Weismann, Die Allmacht der Naturzüchtung. — Repertoire bibliographique des sciences mathematiques: — Bulletin de L'Aca- d£mie Imperiale des Sciences de St. Petersbourg. — Liste. — Briefkasten. 484 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 39. Stlä britter Seil bet „allgemeinen flaturtunbe" erfefieint foeben: Unltoktmüe ton > «ßrofeffot Dr. 3weite, neuDcarbettete 2luftagc. BKf 1200 ffitxtbtlbmi, 6 Harfin unb 55 Safeln in JarbEnbnuft mtb ^otjrrfjniH. 28 2teferungv.n 31t je 1 SWarE ober 2 §nlblebeibanbe ju je 16 3Karf. BottfUinblg liegen btm ber „Slllgrmrinen Waturtunbe" bor: »rebm, 2ierlcben, 10 ©utbleberbänbc j« je 15 »ct. — 4-iantfe, Srtibpfimg ber limuelt. Sit §oI6= lebet, 15 5D(t. — Wanfe, Set WeniUj, 2 öcilLUebertmiioc 31t je 15 »it. — fletner, iPflanjeMeben, 2 $al6leberbänbc 3» ie i6 Kt — '•»leumatir, erbgejd)ii*. Keim. Weiss, Professor und Direktor der k. k. Sternwarte zu Wien. Mit 14 lithographierten Tafeln und vielen Holzschnitt-Illustrationen Zur Erleichterung der Anschaffung wird die neue Auflage in höchstens 36 Lieferungen erscheinen , deren alle Monat zwei bis drei ausgegeben werden, so dass innerhalb Jahresfrist das ganze Werk beendet ist. Der Preis einer Lieferung ist auf nur 40 Pf. festgestellt. Jede Buchhandlung nimmt Bestellungen auf das Werk an und hält die erste Lieferung vorrätig. 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Tegelerstr. 15. s Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Berlin N. 4., Invalidenstr. 44, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: f Dr. H. Potonie. Verlag- : Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. B;md Sonntag, den 7. October 1894. Nr. 40. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist JL 4.— Bringegeld bei der Post IS ~$ extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. ■)[• Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 4(1 •£. Grössere Aufträge ent- <•;£> sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannabme -IL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Alxlraek is< mir mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Neuere Untersuchungen über den Einfluss des Lichtes auf die Pflanzen. (Schluss.) Erich Amelung hat (Flora 1894) die Sachs'sehen Versuche wiederholt und erweitert. Er experimentirte mit Cucurbita maxima. Wir wollen nur ein Resultat über die Blüthenbildung im Finsteren mittheilen. Es wurden sowohl weibliche als auch männliche Blüthen erzeugt. Im allgemeinen waren die zuerst entwickelten Blüthen von normaler Form und Grösse; was aber von besonderem physiologischen Inter- esse ist, ist die Thatsache, dass die Blüthen, welche im finsteren Kasten sich entwickelt hatten, zu eben derselben Morgenstunde aufblühten, wie die Blüthen der im Freien wachsenden normalen Pflanzen; ebenso war die Blüthe- zeit der im Finsteren erzeugten Blüthen dieselbe, wie diejenige der normalen, im Licht befindlichen Blüthen. Diese beiden Thatsachen sind um so mehr hervorzuheben, als sich die betreffenden blattbildenden Sprosse schon wochenlang im Finsteren befanden und dadurch für die Periodicität des Blühens mehr beweisen, als wenn man normale Pflanzen auf einige Tage in einen dunklen Raum bringt. Die ersten Blüthen waren völlig normal, wie schon deshalb vorausgesetzt werden konnte, weil die Blüthen- anlagen bei der Einführung in den finsteren Raum bereits ziemlich entwickelt waren und auch der Weg, den die blüthenbildenden Stoffe nehmen niussten, ziemlich klein war. Allmählich aber traten Abweichungen in der Aus- bildung der Fortpflanzungsorgane ein, während die Blumen- krone stets schön gelb gefärbt und gross blieb. Die ersten Störungen zeigten sich in der schwankenden Grösse der Pollenkörner; dann wurden auch die Antheren redu- cirt, um endlich ganz zu verschwinden. Die weiblichen Blüthen waren widerstandsfähiger, doch traten auch hier einige Abnormitäten auf, und zwar machten diese, im Gegensatz zu den atrophischen männlichen Blüthen, den Eindruck hypertrophischer Abweichungen. Wurde mit dein im Finsteren entstandenen Pollen eine im Freien entwickelte weibliche Blüthe bestäubt, so trat nie eine Befruchtung ein. Wurden dagegen im Finsteren ent- faltete weibliche Blüthen mit normalem, im Licht er- wachsenen Pollen bestäubt, so wurden Früchte erzielt. Der im Finsteren erwachsene Pollen war also degeuerirt, die weiblichen Organe aber blieben funetionsfähig. Die mikroskopische Untersuchung des Pollens zeigte die Hüllen gut entwickelt, das Nahrungsplasma füllte völlig- homogen das ganze Innere des Pollenkornes aus, dagegen waren die beiden Träger der Befruchtung, die Zellkerne, entweder ganz verschwunden oder nur einer derselben noch vorhanden. Die Besprechung einer interessanten Erscheinung, die H. Potonie an Juncus bufonius beobachtet hat und die er als „Pseudo-Viviparie'- bezeichnet, mag hier ange- schlossen werden. (Biolog. Centralblatt. Jan. 1894). Vgl. zum Folgenden die beigegebenen Figuren auf Seite 486. Bei der echten Viviparie (im botanischen Sinne) gehen unter besonderen Bedingungen in der Blütheuregion au Stelle der Blüthen ungeschlechtlich entstehende Laub- blattsprosse oder zwiebelartige Bulbillen hervor, die ab- fallen und wie Samen neue Pflanzenindividuen hervor- bringen, während bei Juncus bufonius besondere Umstände, die der Experimentator leicht herbeiführen kann, neben bereits vorhandenen Blüthen die Bildung von Laubsprossen veranlassen, die sieh ebenfalls — und das ist besonders bemerkenswerth und daher auch die Berechtigung, von „Pseudo-Viviparie" zu sprechen bewurzeln und also zu neuen Pflanzen auswaebseu können. Pseudo-viviparc Sprosse entstehen durch Herabsetzung der Belichtungsintensität. Geschieht dies, so passen sieh 486 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 40. die Pflanzen direct den neuen Verhältnissen an, indem sie durch Erzeugung- der Laubtriebe die durch die Be- lichtungsverminderung herabgedrückte Assimilation wieder auf die Leben erhaltende Höhe bringen. Die Thatsache des Auftretens neuer Laubblätter unter dem Einfluss verminderter Belichtung steht in der Tliat in klarstem Zusammenhang mit der unter diesen Umständen herabgedrückten Assimilationsthätigkeit der genannten Organe; denn wenn eine Pflanze bei starker Belichtung mit einer bestimmten Anzahl Laubblätter zur genügenden Lebenserhaltung auskommt, wird sie bei (lauernd verminderter Belichtung nur dann den Assimi- lationsprocess auf der vorigen Höhe zu erhalten im Stande sein, wenn zu den bereits vorhandenen neue Laubblätter hinzutreten. Abgesehen davon, dass also die pseudo - viviparen Sprosse durch directe Bewur- zelung auch der Fortpflanzung dienen , können sie noch am Mutterstock geschlossen bleibende (kleistogarne) Blü- then erzeugen, die keimfähige Samen produeiren. Auch diese Thatsache ist als eine directe Anpassung an die aufzu- Bewurzelung ein zweck- Wachsthum Organe ein, so kommen und Kapseln streuen ihre Bei gleiehmässig äusseren Verhältnisse fassen. Findet statt, so tritt entsprechemies der vegetativen bleibt sie aus, die Blüthen hervor und Samen aus. intensiver Belichtung und länger andauernder Wärme entstehen an Stelle der pseu- do - viviparen Sprosse neue und zwar offene (chasmogame) Blüthen, sodass die Blüthen in Köpfchen stehen. Eine Be- stätigung des Gesagten findet P. ausser in seinen Experi- menten noch in den folgenden Thatsachen ; Bei uns in Norddeutsch- land stehen die Blüthen in den Blüthenständen aller- meist einzeln, in Südeuropa hin- gegen, wo die Pflanze wegen der günstigeren klimatischen Verhältnisse länger leben kann, als hei uns, kommt aber von Jnueus büfonius eine von manchen Autoren als „Varietät", von früheren und andern sogar als „Species" angesehene Form häufig vor; Juncus mutabilis Sa vi (1798), J. hybridus Brotero (1804), J. insulanus Viviani (1824), J. fasciculatus Bertoloni (1839) J. büfonius var. compactus Celakövsky (1869) u. s. w. Sollten die hinzutretenden Blüthen dem den viviparen-ähu- lichen (also pseudo- viviparen) Sprossen der von P. cultivirten Exemplare entsprechen, derart, dass in Südeuropa, wo die Pflanze länger bei gleichbleibender Belichtung leben kann, auch bei Juncus büfonius L. 1. Keimpflanze, ara Gipfel des ersten Blattes (des Cotyledons) die emporge- hobene Samenhülle. 2. Stück aus dem Blütenstande der bei uns gewöhnlichen Form. 3. Wie 2. aber mit pseudo-viviparen, zum Theil mit kleistogamen Blüten besetzten Sprossen {p. v.) mit Bewurzlung fit'). 5. Schema zur Er- läuterung des Entstehungsortes der pseudo-viviparen Sprosse, xy Spross mit endständiger Blüte y\ d Deckblatt des Tochtersprosses 2; am Grunde des- selben in der Achsel des ersten Vorblattes v der pseudo-viviparen Spross p. v. mit einer kleistogamen Blüte. — 1. schwach vergrössert; 2., 3., 4. in natür- licher Grösse. gelegentlich und unter günstigen Bedingungen uns, eben in der Nähe der ersten Blüthen neue entstehen, an Stelle welcher bei verminderter Beleuchtung also pseudo-vivipare Sprosse in die Erscheinung treten würden':' so müsste man sie bei uns in Wenn dieser Gedankengang richtig erwarten, dass unter Deutschland hier und Verhältnissen, ist, wie 1 da als Ausnahme vorkommen, sie denjenigen gleichen, welchen P.'s Cultur nach der Samen- reife ausgesetzt wurde (nämlich bei verminderter Belich- tung), also dass ein warmer, bewölkter und demnach verhältnissmässig lichtschwacher Spätherbst auch in der freien Natur unser pseudo-vivipares Stadium veranlassen müsste. In der That ist so etwas in der freien Natur beobachtet. Später, namentlich wenn die Blüthen, die dann zum Theil auch offene, chasmogame zu sein scheinen, und die Kapseln der pseudo viviparen Sprosse besser hervortreten, sind dieselben Exemplare wieder zu einer neuen „Varietät" geworden oder sie nähert sich doch sehr einer solchen, nämlich der von D. J. Koch „Var. ß- fasciculatus", in deren Diagnose er angiebt: „Blüthen, zu 2 oder 3, büschelig", eine Form, die Koch „auf der Rhcinfläehe zwischen Mainz und Worms" gefunden hat. Nach alledem ist es wohl berechtigt, bis zur An- stellung weiterer Versuche anzunehmen : 1. dass die bei uns typische Form von Juncus büfonius mit e i n z e 1 n e n , dem sympodialen Blütlienstand dicht ansitzenden Blüthen nur das Vorstadium der folgenden „Varietäten" ist, dass die Pflanze in diesem Stadium gewöhnlich bei uns und zwar gezwungen durch tue klimatischen Verhältnisse zu Grunde geht, während, 2. wenn zwar in einem Spätherbst die Wärme noch genügt, um die Pflanze am Leben zu erhalten, aber die Belichtung schwächer wird, pseudo-vivipare Sprosse in die Erscheinung treten, die 3. bei längerer Dauer wärmerer resp. heller Witte- rung ihre Blüthen zur äusseren Erscheinung und zur Fruehtreife brin- gen (var. fasciculatus D. J. Koch). 4. Unter von vornherein günstigsten Belichtungsver- hältnissen endlich treten in der Nähe der ersten Blüthen neue auf, sodass Bliithen- köpfchen entstehen (var. compactus Celakövsky). Es würden danach die genannten vier Formen resp. Stadien des Juncus büfonius, die selbstverständlich je nach den Witteruugsverhältnissen zwischen sich alle er- denklichen Uebergäuge zeigen müssen, von Norden nach Süden vorschreitend in der erwähnten Reihenfolge im grossen und ganzen auftreten müssen, entsprechend den klimatischen und Witterungsverhältnissen, die ja P.'s Auffassung nach diese Formen bedingen. In Norddeutschland ist — wie schon angedeutet — die unter 1 aufgeführte Form die gewöhnliche, die Form mit pseudo-viviparen Sprossen und die „Var." fasci- culatus Koch sind zuerst in Mitteldeutschland gefunden worden, und endlich die Form 4 compactus ist in Süd- europa häufig. Die pseudo-viviparen Juncus bufonius-Stöcke stellen, da die pseudo-viviparen Sprosse Wurzeln bilden können, vorläufiger Nr. 40 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 487 eine Verbindung her /.wischen den aufrechten und den niederliegenden und aus oberirdischen Stengeln wurzeln- den Juncus-Arten, sowie zu den echt viviparen Arten. Wir können nach dem Gesagten von der Blüthen- bildung bis zur echten Viviparie vier Fälle unterscheiden: 1. Normale Blüthenbildung. 2. Entwiekelung von Laubblattsprossen an .Stelle von Blüthen in der Blüthenregion, die sieh wie die Laubsprosse in der Laubblattregion verhalten. (Mimulus Tilingi.) 3. Auftreten von mit Laubblättern besetzten bc- wurzelungs-, also selbständig lebensfähigen Sprossen in der Blüthenregion neben den Blüthen. (Pseudo- Vivi- parie: Juneus bufonius.) 4. Entwiekelung von abfallenden und selbständig lebens- und entwickelungsfähigen Laubsprossen, Knospen oder Bulbillen in der Blüthenregion an Stelle von Blüthen. (Echte Viviparie im botanischen Sinne: z. B. bei Poa bulbosa [vivipara], Allium vineale [compaetum] u. s. w.) Die kosmopolitische Verbreitung des Juneus bufonius erklärt sich nach alledem gewiss zum guten Theil aus der protensartigen, direeten Anpassungsfähigkeit der Pflanze an die äusseren Verhältnisse. In einem Klima, wie dem unsrigen, mit kalten, das äussere Pflanzenleben unter- brechenden Wintern sterben die Pflanzen nach der Samen- reife ab; unter günstigeren Verhältnissen, die sie am Leben erhalten, erzeugt sie neue Blüthen, neue Samen, die sofort keimfähig sind, resp. pseudo-vivipare Sprosse, wenn die Beleuchtungsverhältnisse Blüthenbildung nicht oder nur untergeordneter Art gestatten, und die Pflanze Ge- fahr läuft, wegen ungenügender Belichtung in ihrer Assi- milationsthätigkeit lebensgefährdend herabgedrückt zu werden. Je nachdem sich nach der Erzeugung pseudo- viviparer Sprosse nunmehr die äusseren Verhältnisse ge- stalten, kann die Pflanze durch Bewurzelung der pseudo- viviparen Sprosse sofort neue Stöcke erzeugen oder die in Rede stehenden Sprosse entwickeln, wie P.s Cultur zeigt, wieder Blüthen. Findet Bewurzelung der pseudo- viviparen Sprosse statt, so tritt zunächst ein zweck- entsprechendes weiteres Wachsthum der vegetativen Organe ein, auch dann, wenn die Belichtung intensiv genug ist, um unter anderen Verhältnissen chasmogame Blüthen zur Entwiekelung zu fördern; bleibt die Be- wurzelung aus, weil die Sprosse etwa keinen entsprechen- den, vor allem keinen genügend nassen Boden finden, so kommen bei derselben Belichtung Blüthen und Kapseln hervor, die Samen ausstreuen. Man muss eben stets fest- halten, dass für das Leben der Pflanze nicht allein die Blüthenbildung in Betracht kommt: liegen Umstände vor, welche andere Functionen, z. B. Assimilation, wichtiger erscheinen lassen, so tritt Blüthenbildung trotz günstigster Beleuchtung zurück, wie an den erst kürzlich bewurzelten Sprossen. Man muss stets berücksichtigen, dass Belichtung, Wärme, Vorhandensein oder Fehlen genügenden Nähr- materiales (namentlich Feuchtigkeit) die Gestaltungsver- hältnisse der Pflanze nicht allein bedingen: es kommen im wesentlichen noch Momente hinzu, die in der Pflanze selbst liegen. Einmal wird dieses, ein andermal das andere Moment den Ausschlag geben, je nachdem es für die Pflanze nützlich ist. Es dürfte kaum eine Pflanzenart geben, die sich besser in die jeweiligen Verhältnisse lebenserhalteud zu fügen wüsste, als Juneus bufonius. Dass sich auch in der freien Natur — wenn auch wegen des eintretenden Winters wohl kaum oder nur ausnahmsweise bei uns — die pseudo-viviparen Sprosse bei gegebenen Bedingungen bewurzeln, daran ist nicht zu zweifeln; denn die Stengel der Pflanzen werden im Alter und in unserem Falle wohl auch durch das Gewicht der pseudo-viviparen Sprosse niedergelegt, sodass für eine Bewurzelung derselben die allergünstigsten Umstände da sind. Bei uns werden die gelegentlich im Freien aus pseudo-viviparen Sprossen hervorgegangenen Pflanzen bald wegen des eintretenden Winters zu Grunde gehen, aber es ist nicht einzusehen, warum das auch unter günstigeren Klimaten, wo das äussere Pflanzenleben das ganze Jahr hindurch währt, geschehen sollte. In einem Klima mit genügender Tem- peratur zu allen Jahreszeiten mus> demnach Juneus bufonius sich in einem fort regeneriren : sei es in dieser oder jener Weise, die Pflanze versteht es unter allen Um- ständen, sich in höchstem Maasse erhaltungsgemäss zu benehmen. K. Goebel, hat in seinen „Pflanzenbiologischen Schilderungen" (II. Theil 2. Lieferung, 1893), in einem Kapitel, welches sich mit besonderen Lebensbedingungen der Wasserpflanzen und damit im Zusammenhang stehenden Structureigenthiimliehkeiten derselben beschäftigt S. 228 ff. I, darauf aufmerksam gemacht, dass — entsprechend dem Gesagten — bei Pflanzen, denen constant Wasser (Nah- rung) zur Verfügung steht, besondere Neigung zur Produc- tion vegetativer Organe zeigen. Nach dieser Richtung hin würde das Experiment mit Juneus bufonius eine gewisse Ergänzung erheischen, insofern, als noch zu untersuchen wäre, inwiefern die reichlich ständige Wasserzufuhr bei der Cultur von Juneus bufonius die Bildung pseudo- viviparer Sprosse eventuell mit veranlasst hat. Natürlich würde bei einer solchen Untersuchung das einfache Stehen- lassen der Cultur an der ursprünglichen Stelle — in der Meinung, dass dann das Licht die ganze Lebenszeit der Cultur hindurch ein gleichmässiges sei, da letzteres that- sächlich nicht der Fall ist, sondern im Herbst die Licht- intensität und Quantität wesentlich abnimmt — kein ge- nügendes Resultat ergeben. Hier liegt eine Schwierigkeit, die zu überwinden nicht ganz leicht sein dürfte. G. erwähnt (I.e. S. 372) Beobachtungen Fr. Buchenau's, der darauf aufmerksam macht, dass man Juneus bufonius an trockenen Stellen mit Blüthen- und Fruchtbildung findet, jedoch an feuchten Stellen mit Durchwachsungen und verminderter Blüthenbildung. Hier legen sich die Sprosse nieder und bewurzeln sieh an den Gelenken. Wenn die Pflanzen in Torfgräben selbst wachsen, ver- schwindet alle Blüthenbildung und Laubblattsprosse treten überall an die Stelle der Blüthenköpfchen. „Mir scheint hier — sagt G. -- deutlich eine Correlationserscheinung vorzuliegen. Die Feuchtigkeit des Standorts fördert die Entwiekelung des vegetativen Triebes und drückt da- durch die Blüthenbildung herunter. Ganz ähnlich wird übrigens die Erscheinung verlaufen, wenn gleichzeitig durch irgend einen Grund die Blüthenbildung verhindert, die Sprossbildung gefördert wird." Wenn man z. B. längere Zeit Exemplare von Juneus supinus in einem feuchten dunklen Raum hält. Die Blüthenbildung geht dann immer mehr zurück, bis nur noch Laubtriebe sich bilden. „Allein in diesem Fall findet, wie wir annehmen dürfen, nicht nur eine Correlation zwischen Sprosswachs- thum und Blüthenbildung statt, sondern auch eine Ver- minderung resp. Verhinderung der letzteren durch Licht- mangel." M. u. P. 488 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 40. XXV. Deutscher Anthropologen-Congress in Innsbruck vom 24. bis 27. August 1894. Die Deutsche Gesellschaft für Anthropologie, Ethno- logie und Urgeschichte blickt in diesem Jahre auf ein 25 jähriges Bestehen zurück. Sie ist auf der Natur- forscherversammlung in Innsbruck 1869 durch Carl Vogt, Virchow, Semper und einigen anderen begründet worden. In dieser Rückerinnerung haben sich die deutschen Anthro- pologen in diesem Jahre wieder in Innsbruck versammelt, und sich dort wieder einmal mit der Wiener Anthropolo- gischen Gesellschaft zu gemeinschaftlicher wissenschaft- licher Arbeit vereinigt, aus deren Reihe auch einige der Gründer der deutschen Gesellschaft sich befanden. Die Wiener Gesellschaft hat sich bald nach der Gründung der allgemeinen deutschen Gesellschaft von ihr getrennt, aber doch mit ihr ein dauerndes Freundschaftsverhältniss unterhalten. Schon 1880 in Salzburg und 1889 in Wien tagten beide Gesellschaften zusammen. Der heurige Con- gress war sehr gut besucht, Freiherr v. Andrian- Wcrburg und Virchow führten das Präsidium. Letzterer eröffnete die wissenschaftlichen Verhandlungen mit folgen- der Betrachtung: Blickt man zurück auf die Entwickelung der anthro- pologischen Wissenschaft während dieses Vierteljahr- hunderts, eine Entwickelung, an der ja die Deutsche anthropologische Gesellschaft lebhaften Antheil genommen hat, so fällt die vollständige Wandlung auf, welche in den Forschungszielen eingetreten ist. Vor 25 Jahren stand im Vordergrunde der Erörterung die Frage nach der Entstehung des Menschen. Auf Grund einer, wie wir heute wissen, etwas unkritischen Speculation konnte man damals hoffen, es werde sich die Frage nach der Entstellung des Menschengeschlechtes über kurz oder lang endgiltig beantworten lassen. Aber der damals theoretisch construirte Affenmensch wurde in Wirklichkeit bislang trotz emsigsten Suchcns ebensowenig aufgefunden, wie irgend eine sonstige thierähnliche Vorstufe des heutigen Menschen. Alles, was man von menschlichen Resten aus den ältesten Zeiten entdeckte, erwies sich schon als voll- ständiger Mensch, wenn auch in manchen Stücken etwas abweichend von dem, was wir uns heute als einen nor- malen Menschen vorstellen, so doch noch immer so sehr und so unzweifelhaft Mensch, dass von einer näheren Verwandtschaft mit irgend einem Thiere keine Rede sein kann*). So hat sich diejenige Forschung, welche sich wesentlich mit der Körperform des Menschen beschäftigt, mehr und mehr von der Suche nach dem thierischen Ur- ahnen des Menschen zurückgezogen und sich dem fertigen Menschen selber zugewandt, um seine Eigenart mit ihren typischen Verschiedenheiten genauer festzustellen, seine Rassenkennzeichen und damit der Herkunft der einzelnen Rassen, sowie den Verhältnissen ihrer Mischung näher zu treten. Neben dieser Forschungsrichtung hat sich aber eine andere herausgebildet, welche das zum Aus- gangspunkte nimmt, was der Mensch zu seinem Ge- brauche, zu häuslicher Verrichtung, Krieg, Jagd, Fisch- fang, Ackerbau, Viehzucht, Sehmuck und Annehmlichkeit aller Art, sowie zur Bethätigung seiner religiösen Be- dürfnisse angefertigt hat. Schon die ältesten der auf- gefundenen Menschen erfreuten sich einer gewissen Cultur, die sich in den mitaufgefundenen Geräthen u. s. w. aus- *) Es ist klar, dass diejenigen, die die Annäherung des Menschen an das Thier nicht wünschen, stets sagen können, dass etwaige Zwischenglieder noch „ganz Mensch" resp. noch _ganz Thier" sind. — Red. spricht, und das Studium dieser fortschreitenden Cultur bildet die zweite Seite der heutigen anthropologischen Forschung. Die grossartigen Sammlungen unserer anthro- pologischen Museen, Sammlungen, welche sich an die ethnologischen Sammlungen unmittelbar anleimen, weil letztere vielfach noch heute im Urzustände lebende Völker betreffen, geben beredtes Zeugniss für die Bedeutsamkeit der einschlägigen Studien. Selbstverständlich ist damit die Frage nach Ursprung und Alter des Menschengeschlechtes nicht einfach bei Seite geschoben. Aber die Fragestellung ist heutzutage eine exaetere geworden: man spricht nicht mehr einfach und allgemein davon, wann und wie der Mensch entstan- den sei, sondern man fragt zunächst, hat er schon zu dieser oder jener Zeit, in irgend welcher bestimmten Peri- ode der Erdentwickelung gelebt? Und da steht im Vorder- grunde der Betrachtung gegenwärtig die Frage, ob schon zur Zeit des Mammuth Menschen dagewesen sind. Von Seiten österreichischer Forschet ist diese Frage schon zur Zeit der Salzburger Versammlung bejaht worden, wohin- gegen von anderer Seite Zweifel erhoben worden. Es ist nun ganz vor kurzem geglückt, Funde zu machen, die ganz unmittelbar für eine zeitliche Zusammengehörigkeit von Mensch und Mammuth sprechen, und da gerade die Forscher, welchen jene Funde glückten, zu der Versamm- lung angemeldet sind, so dürfte der Innsbrucker Anthro- pologen-Congress mindestens zu einem wesentlichen Theile im Zeichen des Mammuthmensehen stehen. Danach sprach zunächst Hofrath Professor Toldt- Wien über die Somatologie (die körperlichen Eigenthümlichkeiten, die Leibesbeschaffenheit) der Tiroler. Anknüpfend an die mühevollen und fleissigen Messungen des Dr. Tappeiner in Meran, be- leuchtete er die craniologischen Verhältnisse, die Unter- suchungen über Haut-, Augen- und Haarfarbe, sowie über die Körpergrösse der Tiroler. 12 000 Schädehnessungen liegen vor und ergeben durchgängig einen hohen Grad von Kurzköpfigkeit (Brachycepbalie). Im einzelnen sind die Verhältnisse freilich ziemlich unterschieden, und zu- nächst tritt eine Verschiedenheit zwischen Deutschtirol und Wälschtirol insofern hervor, als letzteres sehr gleich- förmige, Deutsehtirol hingegen ziemlich wechselvolle Schädeltypen aufweist. Und zwar stossen in Deutsch- tirol Gebiete mit auffallend hochgradiger Kurzköpfigkeit unmittelbar mit solchen zusammen, die eine immerhin verhältnissmässig starke Beimischung von Langschädeln (Dolichocephalcn) und mittellangen Schädeln (Meso- cephalen) besitzen. Die Hauptmasse der Kurzschädel sitzt im Herzen des Landes, sowie im Osten Vorarlbergs, die der weniger ausgesprochenen Kurzschädel in den Grenzgebieten." Au einen Einfluss der aussertirolischcn Grenznachbarn ist indess nicht zu denken, da diese wieder ganz anders geartet sind. Während im allge- meinen die Langsehädel nur 1—3 vom Hundert der Be- völkerung ausmachen, steigt ihre Zahl im Zillerthale auf 18 vom Hundert neben 40 vom Hundert Mesocephalen. In Bezug auf Haut-, Haar- und Augenfarbe sind umfang- reiche Erhebungen an den Schulkindern angestellt worden. Im grosseu und ganzen deckt sich der dunkle Typus mit den wälschen Landestbeilen, der helle mit den deutscheu, doch zeigen sich wiederum bei den deutschen im ein- zelnen recht verschiedene Verhältnisse. Gebiete mit weisser Farbe, hellem Haar und blauen Augen sind das Lechthal, das Drauthal und die Kufsteiner Gegend. Nr. 40. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 489 Eigentümlich verhalten sich vielfach Stadt- und Land- bezirk. Innsbruck hat in der Stadt 88 vom Hundert Kinder mit weisser Haut, im Landbezirke nur 77 vom Hundert. Kinder mit heller Augenfarbe sind wiederum zahlreicher im Landbezirke als in der Stadt, wo es mehr dunkeläugige Kinder giebt. Aehnlich steht es in Trient und Bozen, umgekehrt in Roveredo. In Bezug auf Körper- grösse steht der Norden und Osten voran, gegen Westen und Süden ist eine Abnahme zu verzeichnen. Mit Rück- sieht auf die erhebliche Wichtigkeit, welche einschlägige Untersuchungen für das Studium der geschichtlichen Ent- wickelung Tirols besitzen, regte Redner die Einsetzung einer bosonderen Coinmission zur Fortführung der Unter- suchungen an. Die Conmiission habe in Anlehnung an die anthropologische Gesellschaft sonst aber selbständig zu arbeiten und von Zeit zu Zeit über ihre Ergebnisse Bericht zu erstatten. Den zweiten Vortrag hielt Professor v. Wieser, Leiter des Museum Ferdinandeuni zu Innsbruck, über die wichtigsten Ergebnisse der Urgeschichts- forschung in Tirol. Die ältere Steinzeit ist in Tirol nicht vertreten, die jüngere dagegen ziemlich reichlich, noch weit mehr die Broncezeit. Aus der Hallstattzeit bestehen Brandgräber- felder mit grossen Urnen voller Leichenbrand. Hin und wieder stösst man auch auf Steinkisten aus dieser Zeit. An Beigaben pflegt ein Krug oder Topf, dies oder jenes Schmuckstück, auch eine Zahl von Gebrauchsgegenständen vorhanden zu sein. Die Tene-Zeit, die mit etwa 400 v. Chr. beginnt, weist eine sehr lange Dauer im Lande auf. Charakteristisch für die Cultur des Landes ist auf der einen Seite die Beständigkeit der Verhältnisse — man kann die meisten Siedelungen von der Steinzeit an bis ins Mittelalter hinein verfolgen — , auf der andern das Eindringen fremder Culturen in das Land. Röinisehe und germanische Einflüsse lassen sich nachweisen, Gothcn, Longobarden, vor allem aber die Bajuvaren hinterliessen ihre Spuren. Da Tirol am besten von Süden und Osten her zugänglich ist, so drangen hier auch die fremden Culturen am weitesten in das Land hinein, so von Süd- westen gallische, von Süden italisch - etruskische , von Osten illyrische Elemente. Doch wurde die eingesessene Bevölkerung mit ihrer ureigenen Cultur durch diese Ein- flüsse nicht verdrängt, wie eben schon die erwähnte Dauerhaftigkeit der Siedelungen erweist. Am wenigsten kann von einer „Ausmordung" der Urbewohner die Rede sein, die Fallmerayer annimmt. Weiterhin gab der Custos des Wiener Hofmuseuins. Dr. Szombathy, einen Ueberblick über den Stand der prähistorischen Forschung in Oesterreich. Für die Erkundung des tertiären Menschen konnte Oester- reich keine Beiträge liefern, hingegen für die Erforschung des diluvialen Menschen durch bedeutende Funde Hervor- ragendes leisten. Die bedeutendsten Fundstätten dieser Art sind das Löss von Mähren, das Löss links der Donau und die böhmisch - mährische Hochebene. Die Gleich- zeitigkeit des Mammuths mit dem Menschen, die immer noch stark bestritten wird und neuerdings durch den dänischen Forscher Steeustrup entschieden in Abrede ge- stellt wurde, gewinnt an Wahrscheinlichkeit. Zur Fest- stellung des Alters der verschiedenen Perioden sind einige Anhaltspunkte gewonnen worden. Aus der älteren Stein- zeit ist nur eine verschwindend kleine Zahl von Artefacten vorhanden. Dagegen ist die jüngere Steinzeit vertreten durch reichliche Gräberfunde, in Galizien leitet die neo- lithische Stufe nicht, wie in den südlichen Gebieten, durch eine Kupferstufe in die Broncezeit über. Hier ist viel- mehr ein langandauerndes Stehenbleiben der neolithischen Periode zu bemerken. Was das Broncealter betrifft, so ist man über dessen Ausdehnung noch nicht ganz im Klaren. Immerhin lassen sieh in den nördlichen tiefenden drei Stufen, im Süden zwei Stufen der Bronceperiode feststellen. Für den Uebergang der Bronce- zur Eisenzeit bildet die Form der Brandgräber ein charakteristisches Merkmal, in Ungarn vor allem das Erscheinen der ein- fachen Bogenfibeln. Die eigentlichen Hallstattstufen in den Alpen gestatten sehr wohl die Unterscheidung einer älteren und einer jüngeren Periode. Hin und wieder werden Hügelgräber gefunden, die nur der einen oder der anderen Periode angehören. Im allgemeinen seheint die Hallstattperiode abgeschnitten zu sein durch die Tene- Stufe der keltischen Cultur etwa 400 v. Chr.). Der Uebergang ist aber ein allmählicher, wie die stellenweise vorkommenden, aus beiden Culturepochen gemischten Bei- gaben in ein und demselben Hügel beweisen. Eine der wichtigsten Fragen ist die zeitliche Gleichstellung der einzelnen Funde. Diese Aufgabe ist aber hei der Un- gleichmässigkeit der verschiedenen Stufen in den einzelnen Ländern nicht leicht zu lösen. Dr. H. Hildebrandt-Stoekholm: Ueher den stand der Urgeschichtsforschung in Schweden. Das Vorhandensein des interglacialen Mensehen in Schweden ist durch nichts bewiesen. Dagegen hat sich die nach der letzten Eisperiode langsam erfolgte Besiedelung wissen- schaftlich erweisen lassen. In dieser Frage haben die Geologen sehr dankenswerthe Aufschlüsse gegeben. Die Untersuchungen der Letzteren scheinen auch darauf hin- zudeuten, dass nach erfolgter Besiedelung noch einmal ein grosser Theil von Schweden vom Wasser bedeckt wurde, wenigstens lassen die Feuersteinsplitter, die man in einem quer über Torfmoor laufenden Sandrücken fand. diese Vermuthung nicht unberechtigt erscheinen. In dem Verfolg der Steinzeitreste macht sich bei den häufigen Funden von Steingeräthen ein um so mehr auffallender Mangel an Gräberfunden bemerkbar. Dieser .Mangel scheint aus der unvollkommenen Bestattungsweise hervor- zugehen, die nicht erkennen lässt, wo ein Bestattungsort zu vermuthen ist, Man ist also im wesentlichen auf den Zufall angewiesen, und so hat man lediglich durch Zufall kürzlich auf Oeland beim Sandln den zwei Skelette ge- funden, die einem Steinkistengrabe angehören. Beigaben, bestehend aus Feuersteinsplittern, Feuersteingeräthen und Bruchstücken von perlmutterglänzenden Muscheln wurden mitaufgefunden. Verhältnissmässig dunkel ist für Schweden die Broncezeit nebst ihren Uebergängen nach vorwärts und rückwärts. Dafür ist die sehr reiche Eisenzeit um so hesser studirt. Diese Periode umfasst für Schweden eine ganz eigenartige Cultur, in der die Ilallstattcultur nur spurenweise kenntlich wird, die aber von der Tene- Cultur nicht unbeeinflusst geblieben ist. Sie dauert hinein in Jahrhunderte, in denen Deutsehland und < testerreich längst auf historischem Boden standen, und schliesst erst ab mit dem Zeitpunkte, da das Christenthum in Schweden Eintritt fand. Was die Koste alter Siedelungen betrifft, so handelt es sieh bis jetzt im wesentlichen um drei Fundstellen. Die erste derselben liegt am Ufer des Ring- sees in Schonen, wo man sie nach einer Senkung des Wasserspiegels auffand. Man erschloss ein sogenanntes Depot, welches die Ueberreste einer Ansiedelung darzu- stellen scheint. Möglicherweise hat an dieser Stelle ein Pfahlbau gestanden. Die zweite dieser Siedelungen liegt auf Karlsö, einer kleinen, nur von Vögeln bewohnten Insel bei Gothland. Hier fand man zunächst in einer Höhle menschliche Ueberreste, und die daraufhin angestellten Ausgrabungen lieferten dann den unzweifelhaften Beweis, dass hier während der jüngeren Steinzeit eine grosse Ansiedelung bestanden hat. Die aufgefundenen Geräthe sind um des- 490 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 40. willen von besonderem Werthe, weil es sich um Gegen- stände handelt, die als Beigaben in Gräbern nicht ver- wendet winden. Eine dritte Ansiedelung ist auf Gothland selbst erschlossen worden, und hat ähnliche Ausbeute, wie die Ansiedelung auf Karlsö, ergeben. Dr. Moritz Hoernes-Wien sprach über die Chrono- logie der Gräber von St. Lucia. Die Unterscheidung einer älteren und einer jüngeren Hallstattstufe wurde vor 13 Jahren von 0. Tischler angebahnt und namentlich die Funde aus Hallstatt selbst mit denen aus der Um- gebung von Bologna verglichen. Heute besitzen wir aus den Nekropolen von Este und St. Lucia Zwischenglieder, welche uns einen tieferen Einblick in die Genesis der alpinen Hallstattcultur gestatten. Marchesetti, dem wir die genaue Beschreibung von 3000 Flachgräbern dieser Fundstätte verdanken — 3000 andere wurden für das Wiener Museum ausgegraben — , will derzeit die Möglich- keit einer Unterscheidung älterer und jüngerer Gräber noch nicht zugeben. Der Vortragende suchte demgegen- über an der Hand der Fibeln und anderer Typen, die in zwei grossen Gruppen der Gräber streng verschieden sind, darzuthun, dass eine solche Trennung gut durch- führbar ist. Es stellt sich heraus, dass die Stufe St. Lueia 1. der Periode Benacci, 2. bei Bologna und der 3. Periode bei Este entspricht. Daraus ergiebt sich, dass die Hall Stattzeit hier am Südrande der Alpenzoue in zwei Stufen zerfällt, welche den Hauptphasen der ersten Eisenzeit in Oberitalien entsprechen, indem die eine vor, die andere hinter das ezochale Ereigniss des Auftretens der Etrusker in Oberitalien fällt. Immerhin sind diese beiden Stufen nicht durch eine ähnlich tiefe Kluft getrennt, wie sich solche bei Bologna erkennen lässt. Es hat in St. Lueia kein Bevölkerungswechsel stattgefunden, vielmehr nur eine Verstärkung der Beziehungen zu Italien, welche fortan in immer steigendem Maasse die europäische Cultur be- herrschen. In der älteren Stufe finden wir neben dem italienischen noch ein starkes, einheimisches Element, Typen, die in Italien fehlen und von andersher in die Alpen verpflanzt sein müssen. Die Untersuchung anderer Fundstellen wird zu zeigen haben, wie dieses Element weiter in Norden und Osten stärkere Lebenskraft ent- wickelt und durch den italienischen Einfluss weniger ent- schieden in den Hintergrund gedrängt wird. Apotheker Reber- Genf legte Abbildungen vor- historischer Scul ptursteine der Schweiz, insonder- heit des Cantons Wallis vor, die er untersucht, zum grossen Theile sogar erst selbst aufgefunden hat. Die grosse Sammlung dieser interessanten Abbildungen, welche naturgemäss die Aufmerksamkeit der Versammlung leb- haft beschäftigte, ist das Ergebniss langjähriger emsiger Specialforschung. Vortragender ist unermüdlich von ( )rt zu Ort, von Thälchen zu Thälchen im Canton Wallis gewandert, und dabei in der That zu überraschenden Entdeckungen ge- langt, die, mag man sie zu deuten suchen, wie man will, an sich unzweifelhaft beachtenswerth sind und zu weiteren Untersuchungen auffordern. Es handelt sich dabei nicht nur um die bereits von Keller, Desor, Vionue und Troyon erwähnten Schalensteine, zu deuen sich damals noch ver- einzelt Binnen- und kreisförmige Austiefungen gesellten, sondern auch um Combination dieser Figuren , ferner solche, die als Reiter zu Pferd, menschliche Gestalten, Mensehenfüsse, Aexte gedeutet werden können, um rad- förmige, mit Speichen versehene Kreis: u. s. w. Vor- tragender fand sie massenhaft in entlegenen Hoehthäleru, und erklärt ihr bis dahin spärliches Vorkommen damit, dass in den zugänglicheren Gegenden die erratischen Blöcke, auf denen sie sich zu finden pflegen, zumeist als Baumaterial verbraucht sind. Sie kommen nie auf Kalk- stein oder anderen leichter zerstörbaren Gesteinen vor, sondern stets auf harten, schwer verwitternden Silicat- gesteinen, auf Granit, Gneis, Syenit, Serpentin, und sind oft bis 15 cm tief. Nach Ansicht des Vortragenden ist es ganz ausgeschlossen, dass es sich um blosse Erosion oder gar um Erzeugnisse kindlicher Spielerei handeln kann. An Charakteristik und Grossartigkeit übertreffen die Figuren womöglich noch die ähnlichen in Indien, England, Frankreich und Skandinavien. Als Hauptfund- stätten nannte Redner u. a. das Einfischthal bei St. Luc, St. Beau, Grimentz und Vessoye, wo sie bis zu einer Höhe von 1600 m über dem Meere vorhanden sind. Auf den von Vobsel „Druidenstein" genannten Riesenblocke, oberhalb St. Luc, befinden sich über 350 verschiedene, zu einem viele Quadratmeter umfassenden Sculpturen- complexe vereinigte Schalen, Kinnen, Dreiecke, Vierecke und dergleichen mehr. In Grimentz sieht man neben der monumentalen Pirra Martera (Marterstein) einen Block mit zwei fischfürmigen Sculpturen. Andere derartige Steine fand Vortragender in Vaters an der Furkastrasse, im Ganterthal auf dem Simplon, in Visp, St. Leonhard, besonders aber im Visper- thale oberhalb Zermatt, 2300 m hoch, in den sogenannten Hubelwängen, im Eringerthal oberhalb Evolena, am Ton- wege über den Co! de Torrent, 2400 in hoch, dann auf dem Hochplateau von Verbier, im Bregenthai, 1600 bis 1900 m und endlich in Salvan am Wege von Vernayaz nach Chamonix. Redner verbreitete sich über die muth- maassliche Bedeutung der Austiefungen; viele derselben mögen als Opfersteine anzusprechen sein. Es entspann sich im Anschlüsse an den Vortrag eine lebhafte Dis- cussion, in welcher namentlich davor gewarnt wurde, derartige Bildungen mit ähnlichen, in anderen entlegenen Ländern, namentlich in Amerika vorkommenden, iu Ver- gleich zu stellen. Die Frage, ob man es wirklich mit Werken der Menschenhand oder mit Wirkungen natür- licher Kräfte zu thun habe, Hess sich selbstverständlich nicht ohne weiteres beantworten. (Schluss folgt.) Einige Bemerkungen zur „Philosophie der reinen Erfahrung von Dr. Maximilian Klein."*) Von Robert Der Wettstreit zwischen Naturwissenschaft und Phi- losophie würde fruchtbarer sein, als er ist, wenn man sich zuerst darüber klar würde und einigte, was man unter Naturwissenschaft und Philosophie versteht. Dazu kann nun aber die herkömmliche Einordnung dieser Wissen- *) Herr Dr. Klein wird in seinem nächsten Aufsatz über die Philosophie der reinen Erfahrung in der „Naturw. Wochenschr." auf den obigen Artikel (auch im Sinne der Redaction) Bezug nehmen. — Red. Sc hei lwi e n. Schäften in die akademischen Fächer, äusserlich und historisch, wie sie ist, nicht dienen, sondern es bedarf klarer, aus dem Wesen der Sache geschöpfter Begriffs- bestimmungen. Wir versuchen es zunächst mit einer Definition der Naturwissenschaft. Naturwissenschaft ist die Erkenntniss der Gesetze, nach denen sich die sinnlich wahrnehm- baren, erfahrungsmässigen Naturerscheinungen, Nr. 40. Naturwissenschaftliche Wochenschrift 491 sowohl in ihrer Veränderung- als ihrem Sich- gleichbleiben, in Raum und Zeit vollziehen. Damit ist zunächst ausgesprochen, dass sinnliche Wahrnehmung gleichbedeutend mit Erfahrung, und dass sie die nothwendige und stete Grundlage der Natur- wissenschaft ist. Dies wird wohl auch kaum Widerspruch finden, und zwar um so weniger, als dasselbe für alles menschliche Wissen, also auch die Philosophie, völlig gleichmässig gilt. Aber die Definition besagt auch, dass die Natur- wissenschaft, um sie selbst, nämlich Erkenntniss der Naturgesetze, zu sein, nothwendig über die Erfahrung hinausgeht. Die Erfahrung ist überhaupt nicht Wissenschaft; sie liefert uns nur den Gegenstand der Wissenschaft, und zwar, wie von vornherein zur Ausschliessung von Missver- ständnissen betont sein mag, den einzigen wahren Gegen- stand aller Wissenschaft, auch der Philosophie, sodass auch diese nur eben diesen Gegenstand, den durch die Erfahrung gegebenen, zu erforschen und zu begreifen, ihn aber keineswegs durch andere oder neue Gegenstände zu verdrängen oder zu ergänzen vermag. Indessen die Erfahrung leistet auch nicht mehr, als dass sie uns den Gegenstand oder eine Masse zusammen- hängender Gegenstände liefert, und das Ergebniss der Wissenschaft ist eben, an und in den Gegenständen das- jenige zu entdecken und zur Erkenntniss zu bringen, was die Erfahrung nicht offenbar macht. Kehren wir nun zur Naturwissenschaft zurück, so ist dasjenige, was die Erfahrung ihr nicht offenbart, gerade ihr wesentlicher Inhalt, der Inbegriff der Naturgesetze. Was die Erfahrung ihr liefert, ist zu keiner Zeit etwas Anderes, als eine Reihe schlechthin einzelner Fälle, ein lediglich historischer Vorgang, der von Moment zu Mo- ment dahinrauscht, eine Offenbarung einzigartiger Facta und weiter nichts. Die Erfahrung kann auch nicht mehr sein, als das, denn sie ist für uns die einzige Quelle des Wissens von dem wirklichen Verlauf des Geschehens und den ihn bildenden schlechthin einzelnen Thatsachen, und, wenn diese Quelle nicht rein wäre, wenn sie irgend etwas anderes offenbarte, so wäre damit die Grundlage unseres geistigen Lebens zerstört. Das Sein erscheint in der Erfahrung durchaus nur in der Form der Zeit, immer nur, wie der Moment es mit sich bringt, und. ob es sich gleichbleibt oder verändert, stets hinfliessend von Augenblick zu Augenblick im Strome der Zeit. Erst das erkannte Gesetz offenbart das Sein von einer neuen, entgegengesetzten Seite, als unveränder- lich, als einen Inbegriff zeitloser Normen, die alles zeit- liche Geschehen maassgebend durchdringen und bestimmen, sodass nichts geschehen kann, was nicht ihnen gemäss ist, ob sie gleich keineswegs bestimmen, was im Einzelnen wirklich geschieht. Das Letztere allein lehrt uns die Er- fahrung, und aus ihr lässt sich das Gesetz ebensowenig ableiten, als aus dem erkannten Gesetz das wirkliche Geschehen. Ich weiss nicht, ob ich morgen, wie ich heute beabsichtige, in der Dunkelkammer den Lichtspalt öffnen und dem einströmenden Lieht ein Prisma in den Weg stellen werde; ich weiss es nicht, denn ich weiss nicht, ob ich morgen noch leben und noch desselben Sinnes sein werde, ob die Dunkelkammer oder das Prisma morgen noch unversehrt sein, ob die Sonne morgen klar scheinen oder von Wolken verhüllt sein wird. Dieses Alles kann ich erst wissen, wenn es wirklich geschieht, und nur in dem Moment, da es geschieht, ich kann es nur erfahren; aber ich weiss heute schon, dass, wenn die angegebeueu Umstände eintreffen werden, das Lieht durch das Prisma in einer ganz bestimmten Richtung hin- durehgeheu und nach diesem Durchgange sich auf einem ihm entgegen gehaltenen weissen Schirm als eine ganz bestimmte Farbenerscheinung, als Spectrnm, darstellen wird: ich weiss auch, dass dies nicht nur morgen, sondern zu aller und jeder Zeit, in der dieselben Umstände that- sächlich eintreten, stattfinden wird, ich weiss es als schlechthin unabänderliches Naturgesetz. So gewiss es nun ist, dass wir die Gesetze des Seins nicht erkennen können, wenn uns nicht allererst das wirk- liche Geschehen, für welches eben die Gesetze gelten, durch die Erfahrung gegeben ist, so gewiss ist es anderer- seits, dass uns die Erfahrung als solche nur das wirkliche Geschehen, nicht aber die darin waltenden Gesetze offen- bar macht. Erfahrung und sinnliche Wahrnehmung ist dasselbe; was wir nicht unmittelbar durch die Sinne wahrnehmen, doch alter erkennen, fliesst nicht aus der Erfahrung, sondern aus eiuer anderen Function des Wissens. Nun aber wird Niemand bezweifeln können, dass wir die Gesetze des Seins nicht sehen, hören, riechen, betasten, überhaupt nicht sinnlich wahrnehmen können. Das Auge, das die Gesetze des Seins erschaut, ist nicht das sinnliche Auge. Also fliesst unsere Erkenntniss der Gesetze des Seins, d. h. alle Wissenschaft, denn Wissen- schaft ist nichts anderes, als diese Erkenntniss, nicht aus dem Wissen, dem wir die Erfahrung verdanken, sondern aus einer anderen Function des Wissens, die zwar die Erfahrung zur nothwendigen Voraussetzung, nicht aber zur Quelle hat. Also giebt es keine Philosophie, ja es giebt überhaupt keine Wissenschaft der reinen Er- fahrung. Die Naturwissenschaft gebraucht diese Kraft des Wissens, durch welche die Gesetze des Seins erkannt werden, um die Naturgesetze, die in den erfahrungs- mässigen einzelnen Naturvorgängen waltende Gesetz- mässigkeit zu erblicken und zu constatiren. Sie ge- braucht diese Kraft, aber sie fragt nicht danach, worin dieselbe besteht und wie sie ihre Function vollzieht. Damit ist sie auch vollkommen im Recht, denn wir leben und denken durchaus in der unmittelbaren Gewissheit, dass das Wissen uns wahrhaft das Sein offenbart. Diese Gewissheit ist allerdings nur unmittelbare Gewissheit, Glaube, aber dieses gläubige Vertrauen zum Wissen ist auch allezeit der lebendige Trieb und Quellpnnkt aller unserer wissenschaftlichen Bestrebungen, und es würde schlimm um das Leben und die Wissenschaft bestellt sein, wenn unser Wissen, das beständig vom Nichtwissen zum Wissen fortschreitet, erst seine Vollendung, die es niemals erreichen kann, abzuwarten hätte, ehe es etwas wissen könnte. Wenn nun aber auch die besonderen Wissenschaften, welche die Kraft des Wissens gebrauchen und ihre Function vollziehen, ohne diese selbst zu erforschen, voll- berechtigt sind, so ist damit doch keineswegs der Wissen- schaft eine unüberschreitbare Grenze gesteckt, vielmehr ist ihr deutlich ein noch höheres Ziel gewiesen, nämlich die Erkenntniss des Wissens selbst, eine Sclbsterkenntniss des Wissens, das nicht mehr bloss in seinen ver- schiedenen Gegenständen, sondern in allen seinen Gegen ständen zugleich sich selbst erkennt. Eine solche allgemeine Wissenschaftslehre ist nun eben die Philosophie, und es ist klar, dass auch nur auf diesem ßodeu eine allgemeine Seinslehre erwachsen kann, denn nur auf diesem Wege ist eine wahrhafte Identität von Sein und Wissen zu erreichen, in den besonderen Wissenschaften aber bleiben beide immer in Differenz, und auch das Sein bleibt insoweit unerkannt, als das Wissen unerkannt bleibt. Die Philosophie hat also gar keinen besonderen Gegenstand, ihr Gegenstand ist, wie der aller Wissen- schaft, die durch die Erfahrung vermittelte Wirklichkeit, 492 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 40. sie geht nur in der Erforschung der Gesetze des Seins von der faetischen Ausübung des Wissens, die sie mit allen Wissenschaften theilt, über zur Erkenntniss des Wissens selbst und des Verhältnisses von Sein und Wissen. Die besonderen Wissenschaften brauchen sich nicht auf die Philosophie einzulassen, sie können ihre Geschäfte auch so betreiben und auch gut betreiben. Sie müssen sich dann aber bescheiden, dass sie nur Fragmente des \\ issens sind, und die Quelle, aus der sie hervorgehen, in Dunkel gehüllt bleibt; wenn sie aber von ihrem be- sonderen Standpunkte aus zu phüosophiren anfangen — und tlas thun sie mit Vorliebe — , so können sie damit kaum etwas Anderes erreichen, als trügerische Elemente in ihre eigenen Wissenschaften einzuführen. Damit ist erschöpft, was ich über diesen Gegenstand hier zu sagen mir vorgesetzt habe, und nur über einen Satz in dem in der Ueberschrift citirten Aufsatz mag eine kurze Erörterung hier noch Platz finden. Dieser Satz spricht aus, dass alle Wahrheit relativ ist und es ein Absolut-Wahres nicht giebt. Man darf fragen, ob dieser Satz absolute Geltung haben soll, oder nur relative. Wenn absolute, so wider- spricht er sich, denn er spricht dann eine absolute Wahr- heit aus und zugleich, dass es keine solche gebe; wenn nur relative, so besagt er nichts, denn eine nur relative Wahrheit spricht von der absoluten, wie der Blinde von der Farbe. Der Verfasser bemerkt an einer anderen Stelle seines Aufsatzes gegenüber dem radicalen Idealismus (Solipsis- mus) sehr richtig, dass wir schon deshalb das Dasein anderer Dinge ausser uus annehmen müssen, weil wir sonst auch die Existenz unserer Mitmenschen und damit auch den ganzen praktischen Gehalt unseres Lebens ver- neinen müssten. Indessen sein Satz, dass es nur relative Wahrheit gebe, hat eine ebenso unerträgliche Consequenz: die Unmöglichkeit eiues wahrhaften, intelleetuellen Ver- kehrs, einer Verständigung unter den Menschen. Dass alle Menschen individuell von einander verschieden sind, nicht nur in ihren physischen Organismen, sondern auch in ihren Meinungen, ist eine unleugbare Thatsache; wenn es nicht aber auch eine Sphäre des Bewusstseins gäbe, in der sie alle gleich sind und nothwendig übereinstimmen müssen, sobald sie nur in irgend einem Punkte dieser Sphäre mit Ueberwindung ihrer individuellen Verschieden- heit zusammentreffen, dann wäre alles Reden nur eine individuelle Kraftübung und völlig ohne Aussicht, die Ucberzeugung Anderer herbeizuführen. Mehr in die Tiefe dieses Gegenstandes einzudringen, ist hier nicht am Orte, aber ich kann mir nicht versagen, an dieser Stelle wieder- zugeben, was ein grosser Denker in seiner machtvollen Sprache darüber geäussert hat. Fichte ist es, der sich, wie folgt, ausspricht: „Zu diesen formalen Unvernunften gehört auch der Spott und die Verhetzungen gegen die Allein - Philosophen, welche man noch bis diesen Augenblick vernehmen muss. — Sage mir Du, ehrlicher Mann, mit dem ich mich darüber ins Gespräch setzen will, — wenn Du unaufgerufen hintrittst vor alles Volk und eine Behauptung machst, in welchem Sinne thust Du dies? Etwa in dem Sinne, dass Du für Deine Person, — Du, Cajus, dieser unmaassgeblichen Meinung bist? Dann hättest Du nur schweigen können, denn es ist unter allem Uninteressanten das Alleruninteressanteste, welcher unmaassgeblichen Meinung irgend ein Einzelner sei, und es ist von Deiner Seite eine Arroganz ohne ihres gleichen vorauszusetzen, dass wir begierig gewesen wären, zu ver- nclnnen, welcher Meinung Du seist, Du, Cajus. Wer bist Du denn, Du, Cajus? Wenn Du die Ehre haben sollst, zu reden, so musst Du einen Ausspruch der all- gemeinen Vernunft vorzutragen meinen, nicht aber den Deinigeu; und Du musst mit Deiner ganzen inneren Würde und Moralität dafür stehen können, dass Du in der Stunde, da Du redest, Du von der absoluten Allgemeingültigkeit Deiner Behauptung innigst überzeugt bist. So lange Du dies nicht kannst, zwingt Dich ja nichts, den Mund zu öffnen. So gewiss Du aber das erstere annimmst, so ge- wiss musst Du auch annehmen, — es ist da kein Ausweg - Du musst annehmen, dass Alle, die von Anbeginn der Welt an etwas anderes behauptet haben, als Du, und Alle, die bis au das Ende der Welt etwas anderes be- haupten werden, schlechthin Unrecht haben, und dass Du, und die, welche mit Dir übereinstimmen, allein recht haben, und das soll und muss alles Fleisch sich gefallen lassen, so lange, bis sie Dich widerlegt haben. — Du musst nur, indem Du redest, schlechthin nicht anders wissen, als dass Du allein recht habest, ausserdem hättest Du nicht reden dürfen. Das bleibt Dir unbe- nommen, dass eigenes reiferes Nachdenken oder die Zu- rechtweisung anderer in der Zukunft Dich eiues besseren belehre. Sollte dies erfolgen, so wirst Du dann Deine erste Behauptung zurücknehmen, und so ehrlich sein wie zuvor." Eine merkwürdige Erscheinung aus dem Leben der Saatkrähe. — Bei einer Reise in Ostpreussen hatte ich Gelegenheit, eine eigenthüm liehe Erscheinung zu beob- achten, welche mir interessant genug erscheint, um an dieser Stelle mitgetheilt zu werden. Ich habe die be- treffende Erscheinung bei meiner Reise zum ersten Mal gesehen und eine Wiederholung bei meinem Aufenthalte in jener Gegend nicht mehr wahrnehmen können. Die Sache ist kurz folgende: Ich fuhr auf der Chaussee von Kl. Gnie nach Wehlau. Während ich nun eiu paar Sperber beobachtete, welche nach Beute ausspähend vor mir die Luft durchkreisten, hörte ich plötzlich ein starkes Gekreische hinter mir, welches mich veranlasste, rückwärts zu schauen. Da er- blickte ich hoch in der Luft eine grosse Anzahl Saat- krähen (Corvus frugilegus) in derselben Richtung hin- ziehend, in welcher sich das Fuhrwerk fortbewegte. Das Eigentümliche dabei war nun, dass der Zug nicht in direeter Richtung geschah, sondern dass der Schwärm sich durch die Luft fortzuwälzen schien. Dabei nahmen die Thiere einen bestimmten Raum ein in der Weise, dass sie sich stets in der Ebene des Mantels eines aufrecht stehenden Cyünders hielten, so dass der innere Raum vollkommen tierleer war. Innerhalb des Schwarmes fanden nur geringe Verschiebungen statt. Diese cycloide Bewegung dauerte eine geraume Zeit an, doch bewegte sich der Schwärm nur ganz massig vorwärts, so dass ich Müsse genug hatte, die Einzelheiten des Vorganges genau zu betrachten. Endlich nahm die drehende Bewegung, die ebenfalls nicht zu schnell vor sich ging, allmählich bis zum völligen Stillstande ab. Dann aber fing der »Schwärm von Neuem an, stetig an Schnelligkeit zunehmend, sich in entgegen- gesetzter Richtung zu drehen, der Abstand vom Mittel- punkte wurde grösser und grösser, bis sich schliesslich die cycloide Bewegung in eine rein fortschreitende auf- löste, worauf nach und nach einzelne Partien vom Haupt- schwarme sich abtrennten und in kurzem Bogen an ver- schiedene Stellen in die herumliegenden Felder einfielen, bis der ganze Schwärm sich zerstreut hatte. R. Lueks. Xr..AQ.. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 493 Zur Keiintniss des Skolezits. — Der Skolezit, eines der Mineralien der Zcolithgruppe, gehört in das monöklirie System. In einer neuerdings im Neuen Jahrbuch für Minnaloyic etc. Bd. II, ,1894 crseliienenen Arbeit, betitelt „Beitrag zur Kenntniss des Skolezits" weist Prof. Rinne die monoklin geneigtflächig-hemiedrische Natur genannten Minerals nach. Zur Orientirung sei kurz auf das Wesen besagter Heniiedrie hingewiesen: Die einzige im mono- klinen System vorhandene klinopinakoidale Symmetrie- ebene bleibt, die Gestalten aber, die in der Vollrlächiijkeit mit vier Flächen auftreten, (Prismen, Klinodomen, Pyra miden) bilden mit je zwei Flächen, die in einer kliuo- diagonalen Kante zusammenstossen, eine sclbstständigc Form. Ihnen fehlen also die parallelen Gegenflächen. Ebenso tritt auch bei den Gestalten aus der ortho- diagonalen Zone ein Unterschied zwischen Fläche und Gegenfläche auf. Die Ausbildung der Skolezitkrystalle der Art, dass seine divergentstraklig gestellten Krystalle nur an dem einen Ende der Nadeln Endflächen zeigen, und auch seine Zwillingsbildung nach »P« haben die Erkenntniss seiner Heniiedrie ersehwert. Mittelst Aetzfiguren und Bestäubung lässt sie sich aber sehr gut nachweisen. Aetzt man mit verdünnter kalter Salpetersäure, so erhält man nach Verlauf einer halben bis ganzen Stunde sehr deutliebe Aetzfiguren. Aetzt man dieser Art einen durch Spaltung erhaltenen einfachen von den vier Prismen- flächen begrenzten Krystall, so erweisen sich die ent- standenen Aetzfiguren als unsymmetrisch auf den Prismen- fläehen , aber symmetrisch zu den klinodiagonalen Prismenkanten. Es herrscht eine deutliche Formen- verschiedenheit der Aetzfiguren auf den vorderen und den hinteren Prismenfläehen. Auf dem Klinopinakoid sind die Aetzfiguren nicht nur unsymmetrisch, sondern in ihren Umrandungen nach oben und unten auch verschieden. Bei Zwillingen wird der hemiedrische Aufbau des Skole- zits verhüllt, indem nach aussen hin gleichartige Flächen den Krystall begrenzen. Spaltblättchen nach ooP, aus einem solchen Zwilling genommen, zeigen aber auf der- selben Fläche verschiedene Aetzfiguren. Ebenso verhält sich der Skolezit in Bezug auf seine elektrischen Eigenschaften. Erhitzt man eine kurze Zeit bis zu 80° — 120° und bestäubt dann beim Abkühlen nach der Kundt'schen Methode mit einem Gemenge von Meunige- und Schwefelpulver, so erweisen sich bei einfachen Krystallcn die vorderen und hinteren Prismenflächen verschieden. Erstere erscheinen nach dem Bestäuben gelb, sind also positiv, letztere roth, also negativ elektrisch. Ebenso ist die obere, die Krystallsäulen abschliessende Bruchfläche gelb, die untere roth. Im gleichen Sinne er- scheinen Platten nach ooPöö nach der Bestäubung vorn gelb, hinten roth. Zwillinge wiederum erseheinen auf säniintlichen Prismen gelb, in der Mitte von qdPsö liegt längs der Zwillingsgrenze ein rother Streifen, an den Seiten sind neutrale Zonen. Die Pyramiden sind gelb, das untere abgebrochene Ende des Krystalls ist roth. Spaltblättchen nach 00 P, aus einem Zwilling genommen, sind zur Hälfte gelb, zur Hälfte roth. — Dr. A. Klautzsch. Unter der Ueberschrift „Dynamische Erzeugung elektrischer Ströme ohne Verwendung von Eisen" bringt das Heft 24 vom laufenden Jahrgang des Elektro- technischen Echo einen Aufsatz von Prof. F. Pietzker. I »er Verfasser beschreibt darin eine Construction eisen- freier Dynamomaschinen, auf die ihm inzwischen ein deutsches Patent (76 971) crtheilt worden ist. Der Kern dieser Construction besteht in der Anordnung zweier um dieselbe Axe drehbarer Hefnerscher Wickelungen, bei denen die Strom-Eintritts- und Austritts-Stellen der einen Wickelung gegen die der anderen um 90° verschoben sind. Lässt man beide Wickelungen oder eine derselben) rotiren, so inducirt jede in der anderen Ströme, die je nach der gewählten Drehungsrichtung gleiche oder ent- gegengesetzte Piehtung haben, wie die vorhandenen Ströme, also eventuell zur Erzeugung eines Gleichstromes (vielleicht auch eines Wechselstromes) dienen können. Eingeleitet wird der Inductionsprocess durch einen in die Maschine eingeführten äusseren Strom, der nach Ingangsetzung derselben ausgeschaltet wird. Die eben skizzirte gegenseitige Beeinflussung beider Wickelungen unterwirft der Verfasser einer eingehenden ma- thematischen Betrachtung. Der Natur seiner Construction gemäss sieht er dabei von Verwendung der die Theorie der Eisendynamomaschinen gegenwärtig beherrschenden Kraft- linienvorstellung ab und stützt sich allein auf das allseitig unbestrittene Gesetz über die Abhängigkeit der Indue- tionswirkung von der Entfernung. Er gewinnt so einen Ausdruck für das Verhältniss der Stärke des inducirten Stromes zu der des inducirenden. Wenn sich ein Zustand schaffen Hesse, bei dem dieses Verhältniss den Werth Eins übersteigt, würde die Stärke des durch wechselseitige Beeinflussung beider Wickelungen in jeder derselben ent- stehenden Stromes eine fortwährende Steigerung nach geometrischer Progression erfahren und damit die Ver- wendung der Maschine als Dynamomaschine ermöglicht sein. Der Verfasser hat mit einer kleinen, nach seinem Prineip construirten Maschine Versuche angestellt, deren Ergebniss er mittheilt. Danach fand sich, wie er angiebt, als er die innere Wickelung allein mit einer Geschwindig- keit von 3000 Touren per Minute rotiren Hess, für das eben erwähnte Verhältniss ein Werth von etwas mehr als ein Achtel, wenn die rotirende Wickelung kurz geschlossen war. Aber der für dieses Verhältniss autgestellte Ausdruck lässt erkennen, dass durch Vergrösserung der Maschinen- dimensionen ohne Ueberschreitung der für die Rotatious- geschwindigkeit bestehenden praktischen Grenzen der Zu- stand erzielt werden kann, bei dem dieses Verhältniss auch unter Annahme eines dem inneren Widerstände gleichen äusseren Widerstandes die erforderliche den Werth Eins übersteigende Grösse erhält. In einer seinen Aufsatz ergänzenden specielleu Berech- nung führt der Verfasser aus, dass wenn man der inneren Wickelung einen mittleren Durchmesser von 39 cm und eine Länge von 88 cm gibt und sie aus 3 Lagen von 3,3 mm dickem Draht bestehen lässt, 3600 Touren per Minute für den eben angegebenen Zweck genügen würden. Die äussere Wickelung steht dabei fest, sie besteht ebenfalls aus drei Lagen von etwas dickerem und längerem Draht und hat einen etwas grösseren Durchmesser, der innere Widerstand beider Wickelungen ist von gleicher Grösse. Bei Rotation beider Wickelungen ist die Tourenzahl halb so gross. Eine Tourenzahl von 3600 ist bei kleineren Dynamo- maschinen nichts Ungewöhnliches, übertrifft aber allerdings die bei Eisendynamomaschinen von den eben angegebenen Dimensionen übliche Drehungsgeschwindigkeit. Dafür bietet indessen der Fortfall des Eisenankers, wodurch die in Drehung zu versetzende Masse sich ganz bedeutend verrin- gert, einen mehr als hinreichenden Ausgleich. Der Fortfall des Ankers und der Feldmagnete verringert ausserdem die Grösse und das Gesauuntgewicht der ganzen Maschine, auch erfordert die zweite Wickelung der eisenfreien Ma- schine weniger Draht als die Bewickelung der Feldmagnete in einer zum Vergleich mit ihr geeigneten Eisendynamo- maschine. Die in beiden Wickelungen erzeugten Ströme lassen sich nun zu einem einzigen Strome vereinigen, wo- bei man zwischen der Parallelschaltung und der Reihen. 494 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 40. Schaltung wählen kann. In der Möglichkeit dieser Ver- einigung erblickt der Verfasser den Hauptvortheil seiner Construction. Bei den Eisendynarnomaschinen dient der eine der beiden sich gegenseitig beeinflussenden Factoren, nämlich der Magnetismus der Feldmagnete (resp. des Ankers) nur zur Unterhaltung des Inductionsprocesses, wird aber nicht direct ausgenutzt; an seine Stelle tritt bei der eisenfreien Maschine der in der zweiten Wickelung erzeugte Strom, der nicht nur den Inductionsprocess unter- hält, sondern auch eine ganz directe Verwendung erfährt. Eine vollständigere Ausnutzung der Iuductionswirkung er- hofft der Verfasser von seiner Construction ausserdem noch vermöge des Umstandes, dass dieser Ausnutzung hier nicht, wie bei den Eisendynamomaschinen durch den magnetischen Sättigungsgrad der vorhandenen Eisen- massen eine künstliche Grenze gesetzt wird. Zum Nachtheil gereicht der neuen Construction, wie der Verfasser selbst betont, der Umstand, dass man den äusseren Widerstand nicht über ein gewisses Maass hinaus steigern kann, ohne die Voraussetzungen aufzuheben, auf denen die Verwendung der Maschine als Dynamomaschine überhaupt beruht. Doch lässt sich diesem Uebelstande abhelfen. Man kann entweder innerhalb gewisser Grenzen die Drahtstärke der Wickelungen unter Vermehrung der Drahtzahl so ver- ringern, dass sie auch einem grösseren äusseren Wider- stände sich anpasst, oder — wo dieses Mittel versagt — in den äusseren Stromkreis einen Transformator einfügen. Der Verfasser glaubt, dass die Vortheile seiner Construc- tion sich auch unter diesen Verhältnissen wirksam geltend machen würden. Inwieweit diese Erwartungen gerechtfertigt sind, kann natürlich nur die praktische Probe lehren. (x.) Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden : Dr. vonMonakow, Privatdocent für Nerven- heilknnde und Anatomie des Nervensystems in Zürich, zum ausser- ordentlichen Professor; Professor Ludwig Mauthner in Wien zum ordentlichen Professor für Augenheilkunde und Director der Augenklinik im allgemeinen Krankenhause als Nachfolger von Professor Stell waag; Dr. W. Scott zum Director der Forste und des botanischen Gartens auf Mauritius. Berufen wurden : der ausserordentliche Professor der Astro- nomie und Geodäsie in Charkow Lewitzki als ordentlicher Professor nach Dorpat; der Observator der Dorpater Sternwarte Struwe als Nachfolger Lewitzki's nach Charkow; der ausser- ordentliche Professor für Landwirthschaft und Technologie in Petersburg Bo gusch e wski als ordentlicher Professor nach Dorpat; der ausserordentliche Professor der Medicin Dr. Lenhartz in Leipzig als Director des grossen allgemeinen Krankenhauses nach Hamburg; der ausserordentliche Professor der Botanik an der technischen Hochschule in Graz Dr Molisch als ordent- licher Professor der Anatomie und Physiologie der Pflanzen an die deutsche Universität Prag; Dr. Ferdinand Wo hitmann, Professor der Landwirthschaftskunde in Breslau an die Akademie zu Poppeisdorf; der ausserordentliche Professor der Zoologie in Berlin Dr. Heider zum ordentlichen Professor nach Innsbruck. Es hat sich habilitirt: Dr. Schulz in Halle für Botanik. Gestorben sind: der Professor der Geologie in Halle Dr. Dunker; der bedeutende Kenner der assyrischen Astronomie Pater Epping, S. J.; der Professor an der polytechnischen Lehr- anstalt zu Kopenhagen und Herausgeber der „Tidschrift for Physik og Chemie" C. A. Thomson; der als medicinischer Schriftsteller, noch mehr aber als Dichter des weltberühmten „Struwwelpeter" bekannte Dr. Heinrich Hoff mann, langjähriger Leiter der Irrenanstalten in Frankfurt a. M.; der medicinisehe Schriftsteller Etatsrath Dr. Ludwig Israel Brandes in Kopenhagen; der Forschungsreisende Max Moskowitz im Kong. L i t t e r a t u r. Arthur Stentzel, Weltschöpfungs Sintfluth und Gott. Die Ueberlieferungen "auf Grund der Naturwissenschaft. Mit drei Tafeln. Rauert & Roca Nachf. (D. Janssen). Braunschweig 1894. — Preis 4,50 Mk. Das Staunen über diesen merkwürdigen Titel vermehrt sich noch, wenn man als Titelbild — den grossen Septemberkometen des Jahres 1807 abgebildet findet. Die ganze Anlage des Buches, die Schreibweise, die ungeheure Gelehrsamkeit und Sprach- kenntniss des Verfassers erinnern auf das frappanteste an Falbs: „Land der Inka". Auch sonst ist der Verfasser von Falb ausser- ordentlich beeinflusst worden, er bekennt sich zu seiner Theorie der kritischen Tage (S. 179), zu seiner Theorie über die Ursachen der Sintfluth u. s. w. Was nun den Inhalt des Buches anbelangt, so findet sich derselbe in kurzem Auszug bereits in der Märznummer 1893 der spiritistischen Zeitschrift „Sphinx" („Der Stern der Sintfluth" von A. Stentzel), trotzdem es nicht recht ersichtlich ist, was des Ver- fassers Ausführungen mit dem Spiritismus zu thun haben. Das Werk zerfällt, wie schon der Titel angiebt, in drei Teile, der erste will nachweisen, dass die Kosmogonieen aller Völker sich nur auf eine Neuerschaffung der Erde nach der allgemeinen, grossen Fluth beziehen, dass auch der mosaische Schöpfungs- bericht bei richtiger Uebersetzung der beiden Anfangsverse der Genesis auf die vorhergehende Sintflut anspielt : „Im Anfang schuf Elohim neu den Himmel und die Erde. Und die Erde war wüste und leer, und es war dunkel auf der Oberfläche der Fluth, und der Geist Elohim sehwebte auf der Oberfläche der Wasser." Recht beachtenswerth und interessant dürfte die Vermuthung Stentzels sein, dass die Schilderung der Sintflut eigentlich an den Anfang der Genesis gehört, und dass die jetzigen ersten Kapitel eigentlich nur die Fortsetzung der Fluthsage sind. Im zweiten Theil. „Die Sintfluth" benannt, lässt sich der Verfasser zuerst sehr ausführlich auf die zahlreichen Sintfluth- sagen der meisten Völker ein. Dann sucht er seine Theorie über die Veranlassung zur Sintfluth aufzustellen und zu beweisen ; er äussert dabei ähnliche Ansichten, wie sie schon W. von Bruch- hausen 1845 veröffentlicht hat. „Der Wasserüberschuss der Nord- hemisphäre, das nördliche — damals bedeutend umfangreichere und tiefere — Polarmeer floss nach der südlichen Heinisphäre, um daselbst bis heute noch zu verharren." (S. 129.) „Die Sint- fluth ist eine plötzlicho, heftige, kurze Katastrophe im Beginn unserer Geschichte1', „eine ungeheure Hochflut der nördlichen Meere, hervorgerufen durch die Fernwirkung des Mondes und der Sonne' (S. 136). Am Schluss dieses Abschnitts sucht der Ver- fasser noch nachzuweisen: „Die Sintfluth hat zur Zeit der Herbst- Tag- und Nachtgleiche ihren Anfang genommen und Ende Oktober oder Anfang November ihr Ende erreicht" (S. 140). Der dritte Abschnitt, der die nicht recht verständliche und nur zum Theil zutreffende Ueberschrift „Gott" trägt, will eigentlich nachweisen, in welcher Zeit die Sintfluth stattgefunden hat. Da der Verfasser die Zusammenhäufung von 6 Falb'schen Fluthfactoren im Jahre 3986 v. Chr. Geb. als wirkende Ursache ansieht, so glaubt er, dies Jahr als frühesten Termin ansetzen zu müssen, als spätesten Termin giebt er das Jahr 2650 an, aus dem wir nach ihm die erste historische Ueberlieferung besitzen. Aus einer Reihe von Berechnungen soll sich dann übereinstimmend die zweite Hälfte des 34. Jahrhunderts als die Zeit ergeben, in der die Fluth stattgefunden haben muss. Das genauere Jahr be- stimmt dann der Verfasser auf eine höchst eigentümliche Weise: Aus den verschiedensten Religionen sucht er nachzuweisen, dass sich bei einer grossen Anzahl von Göttergestalten charakte- ristische Züge und Epitheta finden, welche auf ein räthselhaftes, während der Sintfluth erschienenes Doppelwesen hindeuten. Er glaubt aunehmen zu dürfen, dass dies nur ein sehr beller Komet gewesen sein könne, und zwar ein solcher mit zwei Schweifen, und behauptet schliesslich, es sei der grosse Septemberkomet des Jahres 1807, der eine Umlaufszeit von etwa 1720 Jahren hat und im Jahre 3332 v. Chr. Geb. erschienen sein muss, zumal da sein doppelter Schweif, seine Stellung am Himmel und die Jahreszeit in der er erschien, vorzüglich mit den alten Ueberlieferungen übereinstimmen. Diesem Kometen legt nun der Verfasser eine ausserordentliche Bedeutung bei: nicht nur, dass, wie schon er- wähnt, sich eine lebhafte Erinnerung daran in zahlreichen Götter- gestalten der verschiedensten Völker finden solle, Stentzel be- hauptet auch, dass die weitverbreitete Kometenfurcht der Jetztzeit noch eine Nachwirkung jenes Zusammentreffens von Komet und Sintfluth sei. Uebrigens muss noch betont werden, dass der Ver- fasser nicht etwa einen kausalen Zusammenhang dieses Zusammen- treffens annimmt, wie es Graf Pfeil gethan hat, sondern dass er es als rein zufällig betrachtet. Fragt man nun aber, woher denn die Sintfluth erst 6;>4 Jahre nach ihrer angeblichen Uisachc, der Kulmination der Fluth- factoren, eingetreten sein soll, so bleibt der Verfasser die Antwort darauf schuldig, er begnügt sich mit dem Hinweis, dass die stärksten Wirkungen immer eine Verspätung gegenüber den sie bedingenden Ereignissen aufweisen, und er verliert sich dabei gewissermaassen in Zahlenmystik, wenn er sich darauf einlässt, dass die Zahl der Jahre, welche zwischen Ursache und Wirkung verflossen, 654, gerade der 16. Theil des halben Apsidenumlaufes (10 464 Jahre) sei. Auch sonst dürfte sich noch mancherlei gegen seine neuaufgestellten Theorien vorbringen lassen — ganz ab- Nr. 40. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. I9f> gosehen davon, dass die älteren Hypothesen, von denen er aus- geht, unbewiesen sind. Ein naturwissenschaftlicher Werth dürfte daher dem Buche kaum zukommen, bevor nicht die sehr unwahrscheinliche Annahme bewiesen ist, dass die säeularen Hinüberfluthungen der Oceane von einer auf die andere Halbkugel plötzlich und katastrophen- artig vor sich gehen, dagegen dürfte für die vergleichende Sprach- wissenschaft und die prähistorische Forschung mancher Wink recht werthvoll sein. K, Hennig. E. Clapeyron, TJeber die bewegende Kraft der Wärme. Deutsch herausgegeben von Rudolf Mewes. Albert Friedläuder's Druckerei (Verlags Conto). Berlin 1893. - Preis 1,60 Mk. Wie der Uebersetzer in einein Schlusswort angiebt, hat ihm die in Poggendorfs Annalen, Bd. 59 veröffentlichte Uebersetzung aus dem Französischen als Grundlage gedient, jedoch hat er sich bemüht, die Mängel dieser Uebersetzung auszugleichen. Christian Huyghens, Abhandlung über die Ursache der Schwere. Deutseh herausgegeben von Rudolf Mewes. Albert Friedläuder's Druckerei (Verlags-Conto). Berlin 1893. — Preis 1,60 Mark. Die dem Fachmann wohlbekannte Abhandlung von Huyghens erscheint hiermit in einer guten Uebersetzung. Bei der Schwierig- keit, welche es für den Einzelnen hat, die Original-Abhandlung, die der Fachmann gern einsieht, zu besitzen, ist das Unternehmen, sie neu in Uebersetzung herauszugeben, verdienstlich. Journal für die reine und angewandte Mathematik. - Der Band 113 enthält folgende Abhandlungen: Wallenberg, An- wendung der Theorie der Differentialinvarianten auf die Unter- suchung der algebraischen Integrirbarkeit der linearen homogenen Differentialgleichungen. Caley, Ou the Sextic resolvent equations of Jaeobi and Kronecker. Hörn, Zur Briot-Bouquet'schen Theorie der Differentialgleichungen erster Ordnung. Stäckel, Biegungs- covarianten und Differentialparameter. Hensel, Untersuchung der Fundamentalgleichung einer Gattung für eine reelle Primzahl als Modul und Bestimmung der Theiler ihrer Discriminante. Hey mann, Integrable Fälle der Differentialgleichung (/J5y + P*)y' +/W! -fr-Psy +Pi£+'Po = 0- Kneser, Bemerkungen über die Frenet-Serret'schen Formeln und die analytische Unterscheidung rechts und links gewundener Raumcurven. Stäckel, Ueber Biegungen von n-fach ausgedehnten Mannigfaltigkeiten. Königs- berger, Ueber die von Poincare gegebene Erweiterung eines Cauciy'schen Satzes von der Existenz der Integrale gewöhnlicher Differentialgleichungssysteme. Hensel, Arithmetische Unter- suchungen über die gemeinsamen ausserwesentlichen Discrimi- nantentheiler einer Gattung. Schütz, Allgemeine Lösung der Magnetisirungsgleiehungen für den Ring. Henneberg. Ueber den Fall der Statik, in welchem das virtuelle Moment einen ne- gativen Werth besitzt. Meyer. Ueber indefinite ternäre qua- dratische Formen. Bohlmann, Zur Integration der Differential- gleichungen erster Ordnung mit unbestimmten Coefficienten. Mau dl, Ueber die Zerlegung ganzer, ganzzahliger Functionen in irreductible Factoren. Günther, Partialbruchzerlegungen in der Theorie der elliptischen Functionen. Heymann, Theorie der An- und Umläufe und Auflösung der Gleichungen vom vierten, fünften und sechsten Grade mittelst goniometriseher und hyper- bolischer Functionen. Hensel, Ueber die Classification der nicht homogenen quadratischen Formen und der Oberflächen zweiter Ordnung. Staude, Ueber permanente Rotationsaxen bei der Bewegung eines schweren Körpers um einen festen Punkt. Wendt, Arithmetische Studien über den letzten Fermat'schen Satz, welcher aussagt, dass die Gleichung an = bn + c" für «<2 in ganzen Zahlen nicht auflösbar ist. Vahlen, Ueber den Grad der Eliininationsresultate eines Gleiehungssystems. Journal-Revue Inhaltsangabe der wichtigsten in Deutsch- land und den deutschen Sprachgebieten des Auslandes er- scheinenden Zeitschriften. Herausgegeben von A. Kessler, I. Band von 1 — 4, 1891. Bad Oeynhausen i. Westfalen. Selbstverlag des Herausgebers. Bei der grossartigen Specialisirung, welche jetzt nicht bloss Naturwissenschaften, Medicin, sondern auch Technologie u. s. w. erreicht haben, ist es mit Freuden zu begrüssen, wenn sich jemand der grossen Mühe unterzieht, die Titel der in den wichtigeren (ca. 600) deutschen Zeitschriften veröffentlichten Arbeiten all- jährlich zusammenzustellen. Was das bei wissenschaftlichen Ar- beiten für eine Erleichterung bedeutet, kann derjenige so recht benrtheilen, dessen Arbeiten auch andere Gebiete, als in denen er gerade thätig ist, streifen. Speciell dem Botaniker bietet ja der Botanische Jahresbericht eine fast vollständige Sammlui einschlägigen Arbeiten, aber wie schwer ist es, auch nur die Titel der Arbeiten zu erfahren, die etwa ein Gallenbearbeiter aus dem zoologischen Gebiet nöthig hat! Diesem Mangel will die vor- liegende Zeitschrift, soweit er « enigstens deutsche Journale betrifft, abhelfen. Hoffentlich rindet sie in den Kreisen der Forseher die nöthige Unterstützung, damit sie fortbestehen und sich erweitern kann. Der Preis betrug im Abonnement bis zum 30. Mai d. Js. 25 Mk. für den 1. Band von 50—80 Bogen, nach diesem Termin sollte er sich auf 50 Mk. erhöhen. Referent konnte sich in mehr- facher Beziehung von der Ausführlichkeit und Uebersiehtlichkeil der ersten Lieferungen überzeugen und kann die Unterstützung des Unternehmens nur warm empfehlen. Lindau. Einen Katalog (No 26) antiquarischer entomologischer Schriften, der nicht weniger als 3201 Nummern aus allen Ge- bieten der Entomologie enthält, bringt die Firma Felix L. Dames in Berlin zur Versendung. Dalla Torre, Prof. Dr. C. G. v., Catalogus Hymenopterorum hueusque deseriptorum systematicus et synonymicus. I. Then- thredinidae incl. Uroceridae (Phyllophaga und Xyllophaga). Leipzig. — 20 M. Flammarion, Camille, Urania. Pforzheim. — 3,50 M , in Lein- wand geb. 4,50 M. Glaudner, Thdr., Ueber den Verlauf von Potentialfunetionen im Räume. Göttingen — 1,20 M. Lang, Prof. Dr. Arnold, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Thiere. — 4. Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Echinodermen und Enteropneusten. Jena. — 7 M. Preston, S. Tolver, Ueber das gegenseitige Verhältniss einiger zur dynamischen Erklärung der Gravitation aufgestellten Hy- pothesen. Leipzig. — 0,80 M. Schulze, Max, Die Orchidaceen Deutschlands, Deutsch» »Öster- reichs und der Schweiz. Gera. — 1 M. Briefkasten. Herrn H. Z. in Hecklingen. — Sie thun wohl am besten vorläufig nicht die Wundt'sche Logik, sondern zunächst gründlich die Logik von S ig wart und daneben vielleicht die bezüglichen Arbeiten von D robisch und Mi 11 durchzuarbeiten. Späterhin können Sie ja auch die von Wundt durchzuarbeiten versuchen. Wir halten aber die Sigwart'sche Arbeit nicht nur für die leichter verständlichere, sondern auch — unbeschadet mancher priucipiellen Abweichungen von unserem Standpunkte — für die bessere im Vergleich zu der von Wundt. — Was die Psychologie anbe- langt, so empfehlen wir Ihnen zunächst den vortrefflichen Grund- risse von Höffding (übersetzt von Bendixen) durchzuarbeiten, der sicli leicht liest, auf naturwissenschaftlichem Boden steht und nur — leider! — an der subjeetivistischen Auffassung krankt. Recht lesenswerth sind dann die Psychologieen von Külpe und Ziehen. \\ 'as die Wundt'sche anbelangt, so können Sie dieselbe, d. h. wesentlich nur den zweiten Band, als Ergänzung benutzen. Wir schätzen dieselbe nicht so hoch, wie es W.'s Lobredner thun. Sehr empfehlen würden wir Ihnen zur Gewinnung eines richtigen grundsätzlichen Standpunktes hinsichtlich der Psychologie (wie allerdings der Philosophie überhaupt) die Arbeiten von Richard Avenarius („Kritik der reinen Erfahrung" und „der natürliche Weltbegriff") und Ernst Mach (besonders seine „Analyse der Empfindungen") gründlich durchzuarbeiten. WTie man sich in die Arbeiten von Avenarius am leichtesten einarbeiten kann, darüber werden wir in einer der nächsten Nummern uns auslassen. - \\ ms endlich die Ethik anbelangt, so empfehlen wir Ihnen ausser dem bezüglichen Kapitel im ersten Bande der ..Krit. d. r. Erf." von Avenarius ganz besonders Sta udinger's ganz vortreffliches Buch „die Gesetze der Freiheit." Daneben mögen Sie die Arbeiten von Wundt, Schuppe u. a., sowie die leicht und geistvoll ge- schriebene Ethik von.Paulscn durchlesen. KL Inhalt: Neuere Untersuchungen über den Einfluss des Lichtes auf die Pflanzen. (Schluss). — XXV. Deutscher Anthropologen- Congress in Innsbruck vom 24. bis 27. August 1894. — Robert Schell wien , Einige Bemerkungen zur „Philosophie der reinen Erfahrung von Dr. Maximilian Klein". — Eine merkwürdige Erscheinung aus dem Leben der Saatkrähe. — Dynamische Er- zeugung elektrischer Ströme ohne Verwendung von Eisen. — Zur Kenntniss des Skolezits. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Arthur Stentzel, Weltschöpfung, Sintfluth und Gott. — E. Clapeyron, Ueber die bewegende Kraft der Wärme. - Christian Huyghens. Abhandlung über die Ursache der Schwere. — Journal für die reine und angewandte Mathematik. — Journal-Revue. — Katalog (Xo. 26) antiquarischer entomologischer Schriften. — Liste. — Briefkasten. 496 Naturwissenschaftliche Wocheaschritt. Nr. 40... Das schönste Stück Erde, ifiife Menneuendorf £_#!: Vorort, direct am Bahnhof, vis ii vis dem königlichen Forst, wird neu pareellirt. Wer noch für 20 bis ^0 Mk pro [ZJ-Unihe Baustellen mit Hochwald kaufen will, der wende sich möglichst gleich an untenstehende Adresse, denn die besten Parcellen werden, wie einem Jeden bekannt, zuerst vergriffen. Diese Baustellen eignen sich als Ruhesitz für Rentiers oder für Sa- natorien wundervoll und lasse folgeaVssen Niemand, der in der Lage ist, sich eine solche zu kaufen, diese Gelegenheit an sich vorüber- gehen. Reflectanten wollen sich an Scholz & Vogler, Berlin, Oranlenstr. 1Ä8, Teppich- Geschäft, wenden. ,atent-u. techn. Bureau Fritz Schmidt BERLIN N , Chaussee-Str. 2a. 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 ii i~i tiTm ii ii ii i riTi riTi ii rrrn TTTirrnTn n iii \ im Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin S)V. 12. 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Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck; G. Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den 14. October 1894. Nr. 4L Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 J,. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur niit vollständiger «Juelleiiangabe gestattet. Geologische Ausflüge in die Umgegend von Berlin. Von Dr. Max Fiebelkorn. (Fortsetzung von Nr. 29.) C. Das Känozoikum. Das Tertiär. Das Tertiär der Mark Brandenburg besteht, der Hauptsache nach, theils aus marinen Thonen, deren geo- logisches Alter durch Beyrichs für das Tertiär grund- legende Arbeiten als Mittel -Oligocän festgelegt wurde, theils aus Braunkohlen führenden Letten und »Sauden, welche nach Berendt in das Miocän gehören. Andere Ablagerungen tertiären Alters von geringerer Ausdehnung haben sich als Schichten des Ober- resp. Unter-Oligocäns sowie Eocäns erwiesen. 1. Das Eocän (Paleocän). In einem bei Lichterfelde niedergebrachten Bohrloche fanden sich unter dem Septarienthone in einer Tiefe von 333 — 340 m dunkle Thone mit Molluskenschalen, welche bei der Bohrarbeit leider stark zertrümmert und zerrieben waren. Später zeigten sich in 36Ü m Tiefe wiederum Reste von Schalen, welche mit den aus den oberen Schichten stammenden übereinstimmten. In dem Schlammrückstande der Bohrproben wurden darauf von Berendt 16 Arten von Schalthieren in leidlichem Erhaltungszustände gefunden und v. Koenen zur Bestimmung übergeben. Derselbe bemerkte sehr bald, dass diePetrefacten bisher aus dein norddeutschen Tertiärgebirge nicht bekannt waren, sondern vielmehr zu Formenkreisen gehörten, welche auf die älteren Tertiär- schichten hinwiesen; ein Versuch, dieselben mit Arten des französischen, belgischen oder englischen Eocäns oder Paleocäns zu identificiren, erwies sich jedoch als unmög- lich. Ebensowenig fanden sich aber auch vortertiäre Arten, denen die neuen Species glichen, sodass kein Grund vor- handen war, die sie führenden Schichten als Kreide- oder Juraablagerungen anzusehen, zumal die Fauna entschieden ein Tertiärgepräge zeigte, v. Koenen hält es daher für das Richtigste, als das Alter der erbohrten Schichten das Paleocän anzunehmen; welcher Stufe desselben die Fauna zuzurechnen ist, lässt er vorläufig noch dahingestellt; je- doch hält er es für zutreffender, dass sie dem älteren Paleocän angehört, da dasselbe verhältnissmässig wenig bekannt ist, während aus dem jüngeren Paleocän (Sande von Bracheux etc.) zahlreiche Arten beschrieben sind, ohne dass sich die Fauna der erbohrten Schichten auch nur in einer Species mit ihnen als ident erwiesen hätte. 2. Das Oligocän. Das Oligocän des Untergrundes Berlins und seiner Um- gegend ist, wie oben bereits erwähnt, durch Aufschlüsse oder Bergbau, wie auch durch Tiefbohruugen in seinen drei Ab- theilungen bekannt geworden. Die Tiefbohruugen sind fin- den Untergrund von Berlin von ganz besonderem Interesse, da uns durch dieselben nicht nur das Unter-Oligocän unter den Diluvialablagerungen bekannt geworden ist, sondern dadurch, dass sie auch wichtige Schlüsse auf die Lageruugs- verhältnisse der Tertiärbildungen ziehen lassen. Bis zum Jahre 1879*) waren in Berlin zwar schon mehrere Bohrungen vorgenommen worden, so auf dem Grundstücke der Maschinenbauanstalt von Kraft & Knust in der Ackerstrasse, auf demjenigen des Geheimen Com- mercienrathes Hansemann in der Thiergartenstrasse und die sogenannte Otto'sche Bohrung im Königl. Friedrich Wilhehus-Institut in der Friedlichstrasse; jedoch erlangten sämmtliche Bohrungen kaum die Tiefe von 100 m und hatten stets nur die die Diluvialbildungen unmittelbar unterlagernden märkischen Braunkohlenablagerungen er- reicht. Erst im Jahre 1879 trafen das Wigaukow'sehe Bohr- loch und bald darauf auch ein im Admiralsgartenbad niedergebrachtes zum ersten Male den Septarienthon. Von nun an endeten alle übrigen, mit Ausnahme des Span- dauer Bohrloches, durchschnittlich in einer Tiefe von 130 bis 150 m in dieser Abtheilung des Tertiärs. Das eben- genannte Spandauer Bohrloch allein durchsank den Sep- tarienthon, und blieb in den Schichten des Unter-Oligocäns *) Nueh Berendt. 498 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 41. stehen. Im Jahre 1887 veranlasste dann Berendt die Direction des Adniiralsgartenbades zu einer zweiten Boh- rung-, welche den Zweck hatte, springende süsse oder salzige Wasser zu erlangen.*) Der Septarienthon wurde in dem Bohrloche bei 230 m Tiefe durchsunken, und es fand sich in dem unterlagernden glaukomtischen Sande bei 234 m eine 3%ige Soole. Der ebengenannten Boh- rung sebloss sich eine Reihe anderer an, sodass in Berlin und Umgegend bis jetzt 13 in folgender Tabelle zusammen- gestellte Tiefbohrungen gemacht worden sind: Karte und die drei Profile Figur 10 — 13]*). Die durch die Auswaschung entstandene flussbettartige Rinne verläuft in der Richtung des Berliner Hauptthaies, welches früher von Berendt als Unter-Diluvial angesprochen wurde. Da die Auswaschung jedoch die oben angegebene Tiefe be- sitzt, so wird von ihm die Entstehung des Berliner Haupt- thales jetzt bis in das Tertiär zurückverlegt. Bemerkens- wert!) ist, dass die Rinne nicht einfach geradlinig ver- läuft, sondern sich entsprechend den Biegungen eines Flusses schlangenförmig windet, was daraus hervorgeht, Durchsunkene Bildungen o > ^ a § (Ö IM o i ä «ort Hl es s 3"? ~ Städtischer Brunnen, . Ackerstr. 94 tfol £ 22 | call 3 3 a CO © N 'Jl Ph Admiralsgarten- bad, Friedrich- strasse 102 'S Alexander- platz 3 cq l 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Alluvium und Diluvium °1 35 35J 0! [77 77j 01 46 46j °1 58 58) 01 62 62j °1 120 120j 0 1 °l 52 52) °1 50,B 50,J 0 ] 50 50 J 0 ] 40 40 J 01 i 01 . in; 126 hgJ i26j Märkische Braun- kohlenbiklungen Miocän 351 65 100) 771 12 89j 461 46 92j 581 31 89] 62) 35 97j — 41,261 49,3 99,J 521 38 90j 50,6 1 42,6 93) 50 I 39 89 J 40 | 44 si 1 — Ober-Oligocäner Glimmersand 1001 35 135j 891 40 129j 921 38 130) 891 43 132j 97) 142 139) 1201 22 142j 99,56 1 39,« 130 J 901 38 128j 93) 1 89 1 44 1 42 137j 131 J 84 1 50,6 134,B I 116) 24 140J 126) 90 216J Mittel-Oligocän. Stettiner Sand u. Septarienthon 1351 28 163j 129) 4 133j 1301 19 149J 1321 12 144j 139) 2 I4lj 142) 172 314) f30 1 76 206 I 1281 83 21 lj 137) 100 237j 131 -^ |93,5 224 J 134,51 79,5 214 J 140) 70 210j Unter-Oligocäner Quarzsand 314) 75 389j 206 1 G 212 1 211) l 2371 4 19 2löJ 256) 224,6) 10.6 235 J 214 ) 22 236 1 210) 38 248) 216) 34 250j Bildungen noch unbestimmten Alters 212 ) 37,6 249,B J 235 1 71 306 J Die verschiedenen, soeben aufgezählten Bohrlöcher stehen 2—5 km von einander entfernt, und haben sich in ihren Ergebnissen mit dem ca. zwei Meilen ent- fernten Spandauer Bohr- loche im allgemeinen als übereinstimmend erwiesen. Abweichend erscheint je- doch im Spandauer Bohr- loche die weit grössere Mächtigkeit des Septarien- thones gegen diejenige in den anderen Bohrlöchern (160 m gegen 70 — 100) und die Ausbildung des Stettiner Sandes, von dem sich unter Berlin nur in dem Bohr- loch auf dem Hamburger Bahnhofe eine Spur als Fortsetzung gefunden hat. Andererseits lässt sich im tiefe, durch die diluvialen waschung Figur 10. TJebersichtskarte über die Bohrlöcher in Berlin (rechts) und Spandau (linke). Spandauer Bohrloche eine Gewässer verursachte Aus- in den Tertiärschichten erkennen, welche die Brauukohlenbildungen vollkommen zerstört hat und sich unter Berlin fortsetzt, wo sie in den Bohrlöchern Friedrich- strasse 8 und Luisenufer 22 bis 116 resp. 126 m hinab- reicht und das Miocän und den Ober-Oligocänen Meeres- sand vollständig vernichtet hat [siehe die nebenstehende *) Vergl. die Original-Mittheilung des Herrn Prof. Berendt in der Naturw. Wochenschr. Bd. II Seite 9. dass das in der Thalrichtung, unterhalb der beiden oben erwähnten Bohrlöcher Friedrichstrasse 8 und Luisenufer 22 liegende Bohrloch Lützow- strasse 74 von einer Aus- waschung nichts erkennen lässt, während sich die Rinne bei dem Bohrergeb- niss im Generalstabsgebäude dadurch andeutungsweise zeigt, dass das Diluvium plötzlich von 50 m bis auf beinahe 80 m anwächst. Bei der Prüfung und Vergleichung der Ergebnisse in den einzelnen Berliner Bohrlöchern zeigte sich fer- ner, dass die Mächtigkeit der einzelnen Formations- glieder nicht wesentlich von einander abweicht. So schwankt z. B. die Mächtigkeit der Braunkohlenbildungen im allgemeinen zwischen 38 und 49 m, die des Ober-Oligo- cän zwischen 38 und 50 m, die des Mittel Oligocän zwischen 70 und 100 m und die des Unter-Oligocän in den beiden einzigen Bohrlöchern, in denen es durchsunken wurde, zwischen 6 und 10 m. Gleichzeitig ergab sich, dass die Schichten ziemlich horizontal gelagert sind. So fand sich die untere Grenze *) Figuren 1 — 9 im vorigen Artikel No. 29. Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 499 des Miocäns zwischen 84 und 93 m, die des Ober-Olig'ocäns zwischen 128 und 140 m und die des Septarienthones zwischen 206 und 237 m. Auch die Grenze zwischen Diluvium und Tertiär verlauft anscheinend fast horizontal, da die Unterkante des Diluviums zwischen 40 uud 52 m unter der < »berrläehe liegt, wobei natürlich die Auswaschung unberücksichtigt geblieben ist. Nachdem wir uns so mit den aus den Tiefbohrungen sich ergebenden Resultaten bekannt gemacht haben, werden wir jetzt im Folgenden die einzelnen Glieder des Oligocäns in ihrer Ausbildung näher kennen lernen. a) Das Unter-Oligoeäu. uns bereits aus den Tiefbohrungen lern Unter - Oligocän werden von Berendt in das Miocän gestellt, so- dass wir im Untergrunde Berlins und seiner Umgebung Schichten des Unter-Oligocäns nur aus den Ergeb- nissen der Berliner Tiefbohrungen kennen (vergl. die Tabelle), wo sie sieb lediglich in Gestalt von marinen Die früher dt Braunkohlen bildungen zugerechneten bekannten, märkischen Figur 11. Ablagerungen zeigen. Marines Unter-Oligocän zeigte sich in Spandau unter dem Sep- tarienthone in einer Tiefe von 314 bis 385,75 in als eine Schichten- folge von glaukonitischen Sanden und darunter bis zur Tiefe von 389 m in Gestalt glaukonitischer Letten. In dem grünen, Sehwefel- kiesconcretionen führenden Sande wurden zwei dünne, zu festem Kalksteine verhärtete Austernbänk- chen von 0,1 bis 0,15 m Mächtig- keit getroffen. Die Auster wurde als die für das Unter-Oligocän charakteristische Ostrea ventrilaL brum Goldf. erkannt, wodurch das Alter der Schichten festgelegt wurde. In gleicher Weise wurden die- selben Schichten noch in den Bohr- löchern Liitzowstr. 74, Paulstr. 6, Friedrichstrasse 102, Wedding, Alexanderplatz 3, Luisenufer 22, Friedrichstr. 8 augetroffen, besonderem Interesse war dem Bohrloche Paulstr. 6 Auffinden eines Exemplars Figur 12. fernten Hermsdorf. Wie Berendt betont bat, spricht dies in gewichtiger Weise für eine gewaltige Bewegungs- erscheinung des von Lossen für Berlin als besonders wichtig hervorgehobenen hereynischen Systems. Der Thon, welcher die Schichten des marinen Mittel-Oligocäns zusammensetzt, ist fett und plastisch. In trockenem Zustande zerspringt er in scharfkantige Stücken und lässt dann die Tageswässer leicht durch- sickern. Seine Farbe ist gewöhnlich lieht grünblau, seltener dunkelblau. In ihm sind Coucretionen in Gestalt von Ellipsoiden oder abgeplatteten Kugeln eingebettet, welche bis zu 1 m Durchmesser erlangen können und den Namen „Septarien" erhalten haben. Nach ihnen ist der Septarienthon benaunt, nachdem ihn v. Koenen früher als Rupelthon*) bezeichnet hatte. Im Inneren der Septarien bemerkt man zahl- reiche, mehr oder weniger weite Klüfte und Sprünge, deren Wände meist mit kleinen Krystallen von strontianhaltigem, braungelben Kalkspath bekleidet sind. Auf der Aussenseite der Septarien ist von diesen Klüften nichts zu sehen. Ausser den Septarien zeigen sich als Einschlüsse im Thone noch Schwefelkiesknollen, Gips in Drusen und Einzelkrystallen und Thon- eisensteinnieren. Die Fauna des Septarienthones ist sehr reich. Dieselbe ist zuerst von Beyrich aus Hermsdorf be- schrieben worden. Unter den ge- sammten 81 Arten, welche v. Koenen später aus dem Septarienthone beschrieb, sind einige Arten von Pelecypoden von besonderer Wich- tigkeit, so LedaDeshayesianaDuch. (Fig. 14), Axinus unicarinatus Nyst. Nucula Chastelii Nyst., Astarte Kickxii Nyst. u. a. Von Gastro- poden sind besonders Fusus- und Schliess- dass der Pleurotoma-Arten häutig Von bei das von Fig. 11—13. Profile durch den Untergrund Berlins und Span- daus. Die zu Jedem Profile gewählten Bohrlöcher sind in Fig. 10 durch Linien verbunden. Sämmtliche drei Pro- file sind auf die Verbindungslinie der Bohrlöcher 6 und 7 resp. der Verlängerung dieser Linie vom Punkte A aus (Fig. in) projicirt. Die Schraffirung in Fig. 11—13 stellt die wahre Tiefe der Bohrlöcher dar. Natica Phil, in 214 m Tiefe welche die Zurechnung ausser Zweifel stellt. in den glaukonitischen der letzteren zum hantoniensis Sanden, Unter-Oligocän a. gegen d b. Das Mitteloligocän. Derselbe ist zeigte Der von den Gruben Freienwalde angetroffen, rung. Schliesslich sere oben stehende Tabelle genannten Bohrlöchern. In Berlin bildet er in Unterlage, welche sich zwei Meilen weiter nach Spandau zu um ca. 20 m senkt. Die Oberkante des Septarien- thones liegt mithin in Berlin etwa 139 m, iu Spandau etwa 158 m tiefer, als in dem nur ca. \lL Meile ent- Septarienihon. Derselbe ist in der Um- Berlin besonders schon aufgeschlossen in bei Hennsdorf, Buckow, Joachimsthal und Auch durch Bergbau wurde er mehrfach so bei Frankfurt a. ( ». in überkippter Lage- er sieh, wie ein Blick auf un- ehrt, in sämmtlichen oben- ca. 135 m die regelmässige gezogen, dass er sich Faden (180—360 m) g ß. Der Stettiner Saud uud der näheren gründe lieh ist zu bemerken, Thon auch eine reiche Foramini- ferenfauna einschliesst. Ueber die Tiefe, in welcher der Septarienthon sich im Tertiär- meere abgesetzt hat, hat v. Koenen im Anschluss an den Erhaltungs- zustand der Fossilien den Schluss in einer Meerestiefe von 100 — 200 ebildet hat. Er ist aus dem Unter- ßerlins nur durch Umgebung Tiefbohrungen bekannt. Im Spandauer Bohrloche be- deckten glaukonitische, muschelreiche und Schwefelkies- concretionen führende Sande in 12 m Mächtigkeit den Septarienthon. Die Fauna dieses Sandes bestand fast nur aus Resten von Pectunculus Philippsi Desh., Cardium cingulatum Goldf. und Cyprina rotundata A. Braun. Durch den Umstand, dass die Sande den Septarienthon un- mittelbar überlagerten, sowie durch ihre organischen Reste erwiesen sich dieselben als gleichalterig mit dem Stettiner Sande und wurden somit in das versetzt. In grösserer Entfernung von Berlin tritt der Stettiner Sand zu Tage, so in der Thongrube bei Buckow als ein Ober-OIigocän *) Der Name ist von einer belgischen Loealirät hergenommen. 500 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 41. meistens grober, glaukonitischer Quarzsand, der deutlich den Septarienthon bedeckt und von ihm nur durch eine Thoueisensteinbank getrennt ist. Wir werden bei der Be- schreibung der Excursion nach Buckow später auf ihnzurückkommen. Schliesslich sind Sande mitteloligocänen Alters in einer Reihe wenig gekannter berg- baulicher Aufschlüsse von Freienwalde, Falken- berg und Frankfurt u. s. w. gefunden. c. Das Ober-Oligociin. Das Ober-Oligocän ist als eine Folge feiner Quarz- bis Glimmersande mit etwas glaukoni- tischen Letten an der Basis in den 13 oben er- wähnten Bohrlöchern in Berlin und Spandau getroffen worden. Schalenreste sind in denselben zwar nicht ge- funden, jedoch weisen die Lagerungsverhältnisse darauf hin, dass wir es Süa. Figur 14. Leda Deshayesiana Duch, bei diesen Sanden mit Schichten des ~^^™™Zää^gjfe Figur 15. Profil des märkischen Tertiärs nacl Marines Oligoeän Unteres Mittleres a. Aelteres Ge- birge. b. Glaukonit- Sand. c. Septarien thon. rf. Stettiner Sand. Ober-Oligocän zu thun haben. Zu Tage an- stehend sind die Sande in der Um- gegend von Berlin nur von Buckow her bekannt, wo sie sich in zahl- reichen Aufschlüs- sen zeigen und in der dortigen Thon- grube zusammen mit den Stettiner Sanden den Septarienthon bedecken. Ein von Beyrich und später auch von Berendt beobachtetes Vorkommen von Sanden über dem Septarienthone in einer der jetzt verschütteten Gruben von Lü- bars bei Hermsdorf wird wahrscheinlich ebenfalls hier hergehören. 3. Das Miocän. Wie Berendt gezeigt hat, sind wahrscheinlich die ge- sammten der märkischen Braunkohlenformation ange- hörenden Bildungen dem Miocän zuzurechnen, während dieselben früher allgemein als unter- oligoeäue Ablage- rungen betrachtet wurden. Als Beyrich's Arbeiten über das Tertiär 1847 und 1856 erschienen waren, wusste man über die Lagerungsver- hältnisse der Tertiärbildungen in Deutschland nur, dass die Braunkohlen führenden Bil- dungen bei Görzig unweit Cöthen mit Zwischenlage- rung mariner glaukonitischer Sande, dem sog. Magdeburger Sande, vom Septarienthone, lind nordwestlieh davon in der Gegend von Aschersleben und Bierenow noch von älteren, ebenfalls z. Th. von Septarienthon überlagerten marinen Sanden (den sogenannten Sanden von Egeln) bedeckt seien. Da man keinen Grund hatte, dass die märkischen Braunkohlenablagerungen von den soeben genannten Bil- dungen im Alter abwichen, anzunehmen, vertraten beson- ders Plettner und Girard die Ansicht, dass der Septarienthon und die Magdeburger Sande die märkischen Braunkohlenbildungen gleiclunässig bedecken, und dass die letzteren älter als das Lager von Egeln seien und sich gleichmässig von der Elbe bisWarschau und Königsberg erstrecken. Indessen sprach balduachherZaddach die An- sicht aus, dass die sächsische Braunkohlenbildung älter als die nordostdeutsche sei, welche letztere entweder dem Mittel-Oligocän zugerechnet werden müsse, oder als eine besondere Stufe zwischen den Septarienthon und das Lager von Egeln zu stellen sei — eine Auffassung, der sich auch Giebelhausen anschloss. Im Jahre 1885 hat dann schliesslich Berendt, wie be- reits oben erwähnt, Nord. iffarnn itdlilbnr« Berendt. Braunkohlen-Gebirge Oberes /. Untere tho- 9. Flaschen- *. Obere san- Feiner n'&e Ab- thon. dige Ab- Quarzsand. theilung. theilung. i Quartär. auf Grund einer Anzahl von Tief- bohrungen nach- gewiesen, dass die Braunkohlenbil- dungen der Mark überall die ober- oligocänen Meeres- sande überlagern und mithin ein mioeänes Alter be- sitzen (s. neben- stehendes Profil, Fig. 15.) Im Untergrun- eringer Mächtigkeit Figur 16. Das Braunkohlengebirge in der Mark (nach Zache). de Berlins ist die märkische Braunkohlenformation in sämmtlichen Bohr- löchern bei einer Tiefe von 100 m stets getroffen, und nur zwei derselben haben sie bei 58 m noch nicht erreicht. In allen Bohr- löchern besteht sie aus einer Wechsellagerung von Kohlen- sanden, Glimmersanden, Koh- lenletten und Braunkohlen, welche letzteren immer nur in sehr ; auftreten Haben sich bedeutende Braunkohlenflötze im Unter- runde Berlins bis jetzt nicht gefunden, so zeigen sie sich in der weiteren Umgebung der Hauptstadt dagegen ziem- lich häufig (Fig. 16), indem sie im Lande Barnim-Lebus ein breites Band bilden, wel- ches sich am Oderrande in einem 9 Meilen langen und 1 — 2 Meilen breiten Zuge in nordwestlicher Richtung von Frankfurt a. 0. bis nach Freien- walde erstreckt. Seitwärts von diesem Hauptzuge treten dieselben Bildungen noch ein- mal in den Rauen'schen Bergen bei Fürstenwalde und westlich davon bei Mitten walde auf. Das Vorkommen der Braunkohlen bildet somit einen nach Norden offenen Halbkreis um Berlin, in dessen Centrum Berlin liegt. Die sämmtlichen soeben genannten Braunkohlen Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 501 bildungen können wegen ihres gleichmässigen Charakters als ein geschlossenes Gebiet betrachtet werden, dessen Zusammenhang häutig durch Erosionswirkungen unter- brochen ist. Die Ablagerungen sind durch eine grosse Anzahl der auftretenden Flötze charakterisirt, welche sich in zwei scharf von einander geschiedene Horizonte trennen lassen*). Das hängendste Glied der Braunkohlenformation bilden gewöhnlich wasserhelle, scharfkantige Quarzsande, welche reich an Glimmersand sind, und von typischen Form- sanden und schwarzen, durch Aufnahme von Schwefelkies häutig in Alaunthou übergehenden Kohlenletten unterlagert werden. Unter diesen Schichten ruht die bangende Flötzpartie, deren Glieder als „Formsandflötze" bezeichnet werden. Die Zahl der Kohlenflötze schwankt zwischen 2 und 5. Als Zwischenmittel zwischen ihnen, als Hangendes und Liegendes, tritt Formsand auf, der nur selten durch dunkle, glimmerreiche Letten verdrängt wird. Es folgt dann unter der hangenden Flötzpartie die Stufe der „Kohlensande", welche die „untere Flötzgruppe" umschliessen. Sie besteht vorwiegend aus wasser bellen, gelblichen oder durch Aufnahme von Kohlenstaub dunklen Quarzsanden von grosser Reinheit und rundlichem, groben Korn, welche Zwischenmittel, Hangendes und Liegendes der Flötze bilden, und aus 3 bis 4 Kohlenflötzen, von denen jedoch meist nur das Hangende eine abbauwürdige Mächtigkeit besitzt. Diese Kohle ist an Güte bedeutend geringer als die der Formsandflötze. Die Lagerung der Flötze innerhalb der gesammten Braunkohlenbildung ist vielfach ausserordentlich gestört und zeigt an manchen Punkten ein recht verworrenes Bild, wie wir auch bei der Beschreibung derExcursion nach Rauen sehen werden (s. Fig. 17 — 19). Die Flötze sind in zahl- reichen Mulden und Sattelbildungnn abgelagert, deren Flügel Fallwinkel von 20 — 40° zeigen, oft aber auch steil aufgerichtet und überkippt sind. Das Muldentiefste ist meistens überhaupt noch nicht aufgeschlossen und ge- schlossene Sättel sind selten zu finden, da die Sattelrücken durch Erosion zerstört sind. Das Streichen der Mulden- und Sattelbildungen wechselt fortgesetzt und sogar auf ganz geringe Entfernungen. Neben den Mulden- und Sattelbildungen treten in den Flötzen zahlreiche Falten, Auswaschungen, voll- ständige Sprungklüfte, Verwerfungen und Ueberschiebungen auf, wodurch die bergbaulichen Aufsehluss- und Betriebs- arbeiten wesentlich erschwert werden, so dass z. B. in *) Nach Vollert, Der Braunkohlenbergbau im Oberbergamts- bezirk Halle und in den angrenzenden Staaten. Halle a. S. 1889. den Rauensch'en Bergen bei Fürstenwalde der Aufsehluss durch grössere, mit mechanischen Transportvorrichtungen zu erschwerende Scbachtanlagen unmöglich ist. Die Güte der in den Gruben der Mark gewonnenen Braunkohle isl eine verschiedene. Der märkische Berg- mann teilt sie, je nach der Grösse oder Kleinheit der Bruch- stücke, in welche die Kohle heim Abbau und der Förde- rung zerfällt, in Stückkohle, Knorpelkohle und Formkohle ein, zu welchen sich noch das bituminöse Holz gesellt. Da diese Einteilung das Wesen der Kohle nicht trifft, hat Plettner folgende treffendere gewählt: a Moorkohle. Sie setzt vorherrschend die Flötze der 1 sgenden Flötzpartie zusammen, ist von dunkelbrauner bis schwarzer Farbe und verbreitet heim Brennen einen unangenehmen, torfähnlichen Geruch. Bituminöses Holz ist in ihr selten. Hie ist ziemlich spröde und zerfällt in kleine, fettglänzende Bruchstücke mit ebenem bis muschligem Brache. b) Erdkohle. Dunkelbraun bis schwarz. Sie ver- breitet beim Verbrennen einen ähnlichen Geruch wie der Bernstein und schliesst viel bituminöses Holz ein. Der Bruch ist matt und uneben bis eben. Sehr häufig sind in ihr Punkte von Retinit. e) Blätterkohle. Lichtbraun und dünnsehiefrig. Auf den Schichtflächen zeigen sieb lichter gefärbte, mangel- haft erhaltene Pflanzenreste wie auch Pünktchen von Retinit. di Formkohle. Lichtbraun, erdig bis staubförmig. Sie findet sich da, wo Braunkohlen längere Zeit dem zerstörenden Einflüsse von Luft und Wasser ausgesetzt gewesen sind; sie ist daher nur als Zersetzungsproduet der Erdkohle anzusehen. Fast überall zeichnet sie sich durch reichen Gipsgehalt aus. e) Pechkohle, Sie hat sich nur bei Padligar und Zielenzig gefunden. Dieselbe ist pechschwarz, dicht, mit kleinmuschligem bis ebenem Bruche und verbrennt mit stark rossender Flamme. Wahrscheinlich ist sie nur eine dichtere Modifikation des f ) bituminösen Holzes, dessen bekannte Eigenschaften hier nicht wiederholt werden sollen. An Mineralien finden sich in der märkischen Braun- kohle Gips, Retinit, Schwefelkies und Schwefel. Der letztere hat sich, so weit bekannt, bis jetzt nur einmal als Zersetzungsproduet des Schwefelkieses bei Gelegen- heit, eines Grubenbrandes zu Spurlow gezeigt, während er sieh ein zweites Mal in kleinen zierlichen Krvstallen südöstlich von Zielenzig in der Braunkohle fand, wo er ebenfalls aus zersetztem Schwefelkies entstanden ist. (Schluss folgt.) XXV. Deutscher Anthropologen -Congress in Innsbruck vom 24. bis 27. August 189-1. (Schluss.) Die Ernährungsfrage in ihrer anthropologisch- ethnologischen Bedeutung, ein Thema allgemeinsten Interesses, wurde nunmehr von Prof. Lö bisch- Innsbruck behandelt. Die Anthropologie lehrt uns, die Ernährung als einen die somatische und kulturelle Entwickelung des Menschen beeinflussenden Factor zu erkennen. Die Er- gebnisse der Forschungen über den täglichen Bedarf des Menschen an Nahrung, über die Art seiner Ernährung in den verschiedenen Klimaten gehen alsbald in den Besitz- stand der Anthropologie über, welche jeden Fortschritt auf diesem Gebiete der Forschung als einen Beitrag zur Lehre von der Natur des Menschen zu verwerthen be- strebt ist. Von diesen Erwägungen ausgehend, erörterte Vor- tragender einige neuen Ergebnisse der Ernährungslehre, um daraus neue Aufgaben für die anthropologische For- schung abzuleiten. An die von Voit festgestellte Norm für das Bedürfniss des erwachsenen Menschen an Nähr Stoffen z. B. hei mittlerer Arbeit: 178 Gramm Eiweiss, r>6 g Fett und 500 g Kohlehydrate, knüpfte sich eine Anzahl von Fragen anthropologischen Interesses. Ist das X.iln- Stoffbedürfniss in allen Klimaten ein gleiches? Wird es am günstigsten durch thierische oder pflanzliche Nahrung gedeckt? Welche Combination der Nahrungsmittel ein spricht diesem Bedürfe in der kompendiösesten Form? Da zeigt sich denn, wie bekannt, dass in den heisseu Klimaten die Kohlehydrate, in den nördlichen Gegenden das Fett in der Nahrung bevorzugt werden. Neuere Unter- 502 Naturwissenschaftliche Wochenschritt. Nr. 41. suehungen über die Kost der Japaner belehren uns, dass diese sehr wenig- Fett geniessen. Da den Nähr- stoffen ausser dem stofflichen Werthe auch noch ein ca- lorischer zukommt, so entsteht die Frage: Wie viel von jedem der einzelnen Nährstoffe muss unbedingt in der Nahrung enthalten sein? Der theuerste Nährstoff ist das Eiweiss, und es wäre von grosser nationalökouomischer Bedeutung, wenn wir nur sehr wenig Eiweiss absolut nöthig hätten. Die Untersuchungen nach letzterer Hin- sicht haben zu keinem abschliessenden Ergebnisse ge- führt. Einige Autoren möchten die tägliche Eiweissration auf 100, andere auf 90 und auf 70 g täglich einschränken. Die sogenannte Reiskost des japanischen Soldaten ent- hält immerhin 85 g täglich. Die Lösung dieser und vieler anderer Fragen der Ernährungsphysiologie würden einer Lösung entgegengeführt werden, wenn man auch die Er- nährung der in einfachen Verhältnissen lebenden Alpen- bewohner, namentlich auch der in abgelegenen Hoch- und Seitenthälern lebenden studirte. Man würde dabei übrigens feststellen, dass diese Er- nährung so sehr arm an Eiweiss nicht ist, wie oft ange- nommen wird; denn Mehl und Milch, aus denen die Be- treffenden ihre Kost im Wesentlichen zubereiten, geben eher eine eiweissreiche Kost. Von besonderer Bedeutung wäre dabei aber dieThatsache, dass diese einfachen Bergbewohner jahraus jahrein von derselben ganz gleichförmigen Kost leben, was eine Feststellung des Nährstoffgehaltes ausser- ordentlich leichter macht, als bei dem an fortwährend wechselnde Kost gewöhnten Bewohner kultivirter Land- striche. Vortragender schloss mit einer Mahnung an die anthropologische Gesellschaft, sie möge den biologischen Verhältnissen des Menschen, insbesondere der Ernährungs- frage, künftig dieselbe Beachtung widmen, wie den ana- tomischen. Ganz neue Gesichtspunkte für das Studium der Frage, woher die verschiedenen Stämme einer gemischten Be- völkerung ihren Ausgang genommen haben, entwickelte der nun folgende Vortrag des Hofraths Kaltenegger- Brixen über die geschichtliche Entwickelung der Rinderrassen*). Vortragender hat im Auftrage der Re- gierung langjährige Ermittelungen über die Rindviehzucht in Tirol und grossen Theilen der übrigen österreichischen Alpenländer angestellt und ist dabei zu Ergebnissen ge- langt, welche, auf den ersten Blick überraschend, bei näherem Zusehen durchaus einleuchtend erscheinen und sehr willkommene Angriffspunkte für die Klarstellung der Herkunft eines Volkes bieten dürften. An der vom Hof- rath Toldt vorgeführten Karte über die Schädelformen der Tiroler begründete er den Satz, dass einer bestimmten durch gewisse Eigentümlichkeiten der Schädelform ge- kennzeichneten Bevölkerungsgruppe stets auch eine be- stimmte Hornviehrasse entspricht. So kommt in den von den ganz besonders kurzköpfigen Menschen bewohnten Landestheilen des mittleren Deutschtirol stets ein silber- weisses, sehr schlank gebautes, aber brachycephales Rind vor, während den im Osten angrenzenden Gebieten mit verhältiiissmässig stark dolichocephaler Bevölkerung und zwar nicht unter ganz genauer Innehaltung dieser Ab- grenzung — ein schwarzes, kurz und stämmig gebautes, aber dolichocephales Rind angehört. Die mehr meso- cephalen Gebiete des Nordens und Nordwestens führen das unzweifelhaft aus dem Norden stammende rothbunte Kind , während der hochgradig kurzköpfige Ostbezirk Vorarlbergs das bekannte auch im angrenzenden südwest- lichen Bayern verbreitete Allgäuer Rind aufweist. So deckt sich stets und unweigerlich im ganzen Deutschtirol *) Vergl. über den Gegenstand auch den Artikel des Herrn Prof. Werner, „Ein Beitrag zur Geschichte des europäischen Hausrindes'' in Bd. VII No. 1 ff. der Naturw. Wochenschr. — ■ Red. der krauiologisch charakterisirte Volksstamm mit einer ihm zugehörigen Rinderrasse. Wälschtirol macht dagegen scheinbar eine Ausnahme, insofern eine besondere, und zwar schwarzbraune, rothgezeichuete Rinderrasse in drei westlichen, judicarischen Bezirken, sonst aber ein ver- schiedentlich gemischter Bestand zu finden ist, während doch die Schädelform der Bevölkerung durchgehends sich gleichbleibt. Indess löst sich dieser scheinbare Widerspruch sehr bald und vollständig auf, wenn man ein wenig in der Geschichte zurückgeht. Es lässt sich nämlich ganz be- stimmt nachweisen, dass noch vor kaum hundert Jahren jene schwarzbraune Rinderrasse über das ganze Wälsch- tirol verbreitet gewesen ist. Versucht man nun weiter, auf Grund geschichtlicher Nachweise ein Bild zu ge- winnen von der Völkervertheilung im alten Tirol, so stösst man auf die drei Stämme der Rhäter, Vindelicier und Noriker, welche dort nebeneinander gewohnt haben sollen und den heute krauiologisch getrennten drei zumeist kurz- köpfigen Bevölkerungsgruppen entsprechen mögen; wo- gegen die dolichocephalere Volksgruppe des Westens ver- muthlieh später eingewandert ist, wofür die Thatsachc spricht, dass sich die entsprechende Rinderrasse als durch eine mittelalterliche Colonisation eingepflanzt erwiesen hat. Was nun die aussertirolische Verbreitung der ge- nannten Rinderrasseu betrifft, so findet sich das weisse Bind in Mittelitalien im Osten Europas und in Asien wieder. Es weidet auf der Pussta und in den Steppen Süd- russlands und lässt sich bis nach Turanien verfolgen. Das schwarze hingegen weist, wie einzelne demselben ent- sprechende, über gewisse andere Gebiete Italiens ver- breitete auf eine afrikanische Heimath hin. Bedenkt man nun, dass von der jüngeren Steinzeit an, in welcher der Mensch sesshaft ward, und einer höheren Kultur sich be- fleissigte, das Hornvieh bis auf die Gegenwart der treueste Begleiter des Menschen gewesen ist, so liegt auf der Hand, welche Bedeutung eine genaue Kenntniss der Rinder- rassen und ihrer Entwickelungsgeschichte für die Er- schliessung der menschlichen Kultur und namentlich für die Verfolgung der Wanderungen des Menschen gewinnen muss. Denn unzweifelhaft hat der Mensch in seinem nomadenhaften Dasein das Vieh, welches er besass, eben überall mit hingenommen, wohin er selbst ging, und kaum kann es einem Zweifel unterliegen, dass bei der zähen Festhaltung überlieferter Eigenart und ererbten Besitzes dasselbe Rind noch heute von demselben Volksstamm ge- züchtet wird, der es vor tausenden von Jahren züchtete — sofern er nur unter Verhältnissen lebt, die seine Ver- mischung mit den Nachbarn erschweren und die Er- haltung seiner Eigenart begünstigen, wie das bei den Alpenbewohnern zumeist der Fall ist. Und nun ergiebt sich für die Forschung dabei der grosse Vortheil, dass die Rasseneigenthümlichkeit beim Vieh sehr viel leichter zu erkennen und zu verfolgen, die Vermischung verschiedener Rassen und Schläge sehr viel leichter zu analysiren ist, als beim Menschen, so dass also die Beschäftigung mit den Hausthieren als ein äusserst schätzbares Hilfsmittel für das Studium der Urgeschichte erachtet werden muss. Im Anschluss an den einleitenden Vortrag Virchow's ergriff Pol aky- Prag das Wort, um einer Anzapfung der in Innsbruck erscheinenden klerikalen „Tiroler Stimmen" zu begegnen, welche die Frage aufgeworfen hatten, ob die von Virclmv berührte Thatsache, dass der Mensch schon dagewesen ist, ehe die Erdoberfläche ihre jetzige Gestalt besass, mit der Lehre von der Schöpfung zu ver- einbaren sei. Der Prager Gelehrte setzte — um jede etwa von anderer Seite erregte Empfindlichkeit der streng katholischen Bevölkerung zu beseitigen — auseinander, dass keine religiöse Ueberliefenmg irgend eines Volkes sich mit der Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 503 Thatsache des Diluvialmcnschen im Widerspruch befindet, dass vielmehr gerade diese Ueberlieferungen ausdrücklich von Sintfluthen und Aehnlichem, was doch unzweifelhaft eine Veränderung- der Erdoberfläche bezeichnet, reden. Weiter sprach Montelius - Stockholm über die Kupferzeit in Schweden. Für viele Länder, so für Oesterreicb, die Schweiz, Italien, Spanien, ist nachge- wiesen, dass dem Broneezeitalter eine Kupferzeit voraus- gegangen ist, die also den Uebergang von der jüngeren Steinzeit zur Broncezeit bildet. Neuerdings mehren sich die Beweise, dass auch Skandinavien eine Kupferzeit be- sessen bat, und in der That ist das schon an und für sich wahrscheinlich; ja es wird überhaupt eist verständ- lich, wie die Bronce vor dem Eisen auftreten konnte, wenn man sie aus dem einfachen Kupfer hervorgehen sieht. Das Eisen ist ein einfaches Metall, dessen Erze fast allenthalben vorkommen und ganz einfach zu ver- hütten sind. Die Bronce dagegen besteht aus zwei Me- tallen, Kupfer und Zinn, deren Erze weit seltener sind und eine verwickeitere Verhüttung erfordern. Es ist also an sich wenig wahrscheinlich, dass die Bronce früher hergestellt sein sollte, als das Eisen. Da indess einzelne Kupfererze sich sehr leicht ausschmelzen lassen, so ge- winnt die Frage ein ganz verändertes Aussehen, wenn man zunächst eine Kupferzeit feststellen kann. Kupfer- geräthe sind wegen der Weichheit des Metalles nicht zu allen Zwecken zu verwenden; es lag also für die Kupfer- leute nahe, auf Mittel zur Härtung des Kupfers zu sinnen, es zu legiren. Und da mag ein gar nicht so sehr fern liegender Zufall auf die Verwendung von Zinn geführt haben. Damit trat die Bronce an Stelle des Kupfers. Was die Abstammung der skandinavischen Kupfergeräthe betrifft, so weist die Vergleichung mit den entsprechenden Geräthen anderer Länder darauf hin, dass ein Import aus Oesterreich-Ungarn über Dänemark bestanden hat. Vermuthlich liegt aber die eigentliche Bezugquelle noch weiter ab und zwar im Orient. An den Vortrag schloss sich eine lebhafte Erörterung. Dr. Much-Wien berührte die Seltenheit der Kupferfunde. Sie erkläre sich einfach dadurch, dass man, sobald die Bronce erfunden war, die Kupfersachen einfach einschmolz und zu Bronce verarbeitete. Mit den Stein- geräthen ging es anders her, die waren zu nichts weiter zu verwenden und wurden, sobald die Broncegeräthe all- gemeiner in Gebrauch kamen, einfach fortgeworfen, nicht aber zerstört oder verarbeitet. Und deshalb finden wir soviel Steingeräth und so wenig Kupfer. Virchow wies auf die eigenthümliehen geschweiften Formen mancher Steinbeile aus der letzten Periode der Steinzeit hin. Eine innere Notwendigkeit, solche Formen aus dem schwer zu bearbeitenden Steine herzustellen, lag nicht vor. Man hat es also mit Nachahmungen von metallenen (kupfernen oder broncenen) Beilen zu thun. Selbstverständlich wurden Steingeräthe noch längere Zeit nach dem Er- scheinen des Kupfers gebraucht. Nur allmählich ver- schwanden sie vollständig und in dieser Periode der Mischung beider Kulturen sind jene dem Materiale nicht entsprechenden Formen der Steinbeile zweifellos ent- standen. Kaltenegger-Brixen theilte mit, dass seine Studien über die Entwickelung der Rinderrassen ihn auch auf die verschiedenen Kulturperioden geführt haben. Während Rütiineyer wichtige Aufschlüsse über das Haus- rind der jüngeren Steinzeit gegeben hat, ist Redner der Ansicht geworden, dass das silberweisse Rind des tiro- lischen Centralgebietes an die Broncezeit geknüpft ist. Ueberall bat er gefunden, dass das Auftreten der Bronce mit dem Auftreten dieser Rinderrasse örtlich wie zeitlich zusammenfällt, und da nach seinen Untersuchungen dies weisse Rind aus den turauischen Gebieten Asiens nach Europa gekommen ist, so verlegt er folgerichtig auch die Heimath der Bronce nach diesen Gebieten und meint, dass nicht der Handel die Broncen nach dem Westen gebracht habe, sondern dass die Völker, die sie in Asien besassen oder anfertigten, bei ihrem Wanderzuge nach Europa auch die Bronce mit dorthin führten. Es folgten Vorträge von Fi ala- Sarajewo über die Ausgrabungen auf dem Glasinac in Bosnien, von Professor A. Hermann-Budapest über die Zigeuner- studien des Erzherzogs Joseph, von Hofrath Moser- Triest über Höhlenfunde in der Umgegend von Nabresina. — Sodann kam die Mammuth frage zur Er- örterung. Ob der Mensel) noch gleichzeitig mit dem Mammuth gelebt hat, darüber streiten die Prähistoriker. Steenstrup erklärt sich gegen die Gleichzeitigkeit; auch Virchow neigt dieser Ansiebt zu. Eine Anzahl mährischer Forscher dagegen tritt entschieden für die Gleichzeitigkeit ein, so Wankel, Maschka und Krziz. Maschka, Oberrealschuldirector in Przedmost bei Prerau, hat vor Kurzem auf der altberühmten Diluvialstation von Przedmost neue Funde gemacht, über die er in einem Schreiben berichtete. Das Schreiben wurde verlesen. Es heisst da: „Anlässlich der seit Mai d. J. betriebenen systematischen Grabungen auf der Diluvialstation in Przedmost stiessen wir am 7. August in einer Tiefe von 2,3 m unter der ehemaligen Oberfläche auf menschliche Skelettreste, und zwar auf der Westseite der ehemaligen devonischen Kalksteinklippe 4 m vom gegenwärtigen Plateaurand entfernt. Sie nehmen einen elliptischen Flächenraum von 4 m Länge und 2,5 m Breite ein und befanden sich in einer seichten Vertiefung zum grössten Theil unterhalb der eigentlichen diluvialen Kulturschicht, von welcher sie durch einen bis 40 cm mächtigen Kalk- steinhaufen getrennt war, in reinem Löss eingebettet. Nur am Südrande, wo die Kalksteindecke fehlte, befanden sich Menschenknochen auch in der Kulturschicht. Eine Unterbrechung oder nachträgliche Störung wurde weder bei dieser Kulturschicht, noch bei der 30 cm höher lie- genden, gleichfalls diluvialen Kohlenschicht beobachtet. Das Grab, denn als solches ist die Fundstätte anzusehen, enthielt, soweit festzustellen war, die vollständigen Ske- lette von mindestens acht Personen, welche als liegende Hocker, mit dem Kopfende zumeist gegen Norden ge- kehrt, neben- und aufeinanderlagen. Dem Alter nach waren unter den Begrabenen zwei ältliche Personen mit bedeutend abgeriebenen Molaren, eine erwachsene Person mit abgeriebenem dritten Molar, drei jugendliche Indivi- duen, bei denen der dritte Molar noch nicht durch- gebrochen, aber in der Alveole bereits entwickelt war, ein Kind bloss mit dem ersten Molar und durchbrechenden unterem Gebiss. Die Skelette waren im Allgemeinen zu- sammenhängend, doch lagen nicht selten einzelne Skelett- theile, insbesondere Extremitätenknochen und Schädel- theile, abseits vom sonstigen Skelette. Kein einziger Schädel war unversehrt geblieben, vielmehr waren sänmit- liche Schädel in dem Masse zerfallen, dass die eiuzelnen Theile aus ihrem Nähteverbaud gewichen sind und nahe der Kopfgegend aufeinander lagen. Zu hoffen ist es, dass Die Die dunkel- braun bis schwarz gefärbten Menschenreste stimmen in ihrem Erhaltungszustand mit den in der Nachbarschaft vorgefundenen diluvialen Thierresten vollständig überein. An dem diluvialen Charakter derselben kann nicht ge- zweifelt werden. Bemerkenswerth ist noch, dass am Südrande der Fundstätte zahlreiche Eisfuchsreste, insbe- sondere Schädel, sich vorfanden. Ein Eisfuchsschädel lag etwa in der Mitte der Gräber auf den Menschen- knochen, ein von Menschen deutlich abgeschabtes Mammuth- eine Restaurirung der Schädel möglich sein wird Unterkiefer sind zumeist vorzüglich erhalten 504 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 41. Schulterblatt am nördlichen Ende und ein vollständiges Schulterblatt gegen das Südende des Grabes zu neben und auf den Menschenresten. Einzelne Knochenkohlen- Stückchen, vier Eckzähne vom Eisfuchs und drei Flint- späne wurden zwischen den Menschenknochen vorgefunden. Eine flüchtige Besichtigung dieser Menschenreste ergab, dass keine affenartigen Eigenschaften vorhanden sein dürften. Die Schädel sind doliehocephal mit niedriger Stirn und stark ausgebildeten Augenbrauen wülsten; die Tibiae (Schienbeine) sind im hohen Grade platyknemisch. Ein männliches Skelett ragt durch bedeutende Grösse hervor. Der eine kindliche Unterkiefer, welcher dieselbe Zahn- entwickelung wie der Schipkakiefer zeigt, weist keines der auffallenden, diesem Kiefer eigentümlichen Merkmale auf. Auf Grund der genau konstatirten Fundverhältnisse schliesse ich, dass wir es mit dem Grabe einer diluvialen Familie zu thun haben, welche durch irgend eine Kata- strophe gemeinschaftlich zu Grunde gegangen war. Die Bestattung erfolgte früher, „als die Bildung der diluvialen Kulturschicht an Ort und Stelle begann. Alle Umstände sprechen dafür, dass die Begrabenen und die Bestatter Zeitgenossen des Mammuth waren. Bemerkt wird noch, dass ein namhafter Theil des Grabes, etwa zwei Skelette umfassend, in ungestörter Lage sammt dem Erdreiche ge- hoben und verwahrt wurde." Dr. Krziz-Steinitz (Mähren) sprach nunmehr über die Gleichzeitigkeit des Mammuths mit dem Menschen. Vortragender befasst sich seit 30 Jahren mit Erforschung der quartären Ablagerungen Mährens, wie sie in Höhlen und ausser denselben auftreten. Behufs Erforschung der in den mährischen Devonkalkeu gele- genen Höhlen hat er 130 Schächte mit einer Gesammttiefe von 568 m abgeteuft und hierbei 88 Mal die felsige Sohle angefahren; ausserhalb wurden 30 Stollen und 10 Felder ausgehoben, im Ganzen 4021 kbm Erdmasse aus- gegraben und untersucht. Die wichtigste Höhle in geolo- gischer und archäologischer Hinsicht ist die Kulmhöhle bei Sloup, wo die knochenfiihrenden Schichten 16 m tief herabgehen, und wo die Kulturschicht 4 m mächtig ist. Reste vom Mammuth gehen von 1,50 m Tiefe bis auf die felsige Sohle herab und erscheinen in der Kulturschicht mit Ar- tefacten vergesellschaftet. Die Kulturschicht war unge- stört. Die Einbettung der Artefacte und der Mammuth- reste hier kann, wie Redner unter eingehender Kritik der Steenstrup'schen entgegengesetzt lautenden Ansieht aus- führte, nicht anders erklärt werden, als dass der Mensch mit dem Mammuth gleichzeitig gelebt hat. Die Steenstrup'sche Hypothese, dass der Mensch Jahrtausende nach dem Aus- sterben des Mammuths an die Stelle gekommen sei und aus den fossilen oder halbfossilen Knochen desselben Artefacte hergestellt habe, sei schon um deswillen unzulässig, weil in der Umgebung der Kulna kein Lösslager sich befindet, auf dem eine Mammuthheerde zu Grunde gegangen wäre. Im weiteren Verlaufe der Sitzung sprach Vi rchow über Zwergrassen und erörterte dabei besonders diebei den Aus- grabungen am Schweizersbild, der bekannten Rennthiersta- tion, gemachten Schädelfunde, die eine auffallende Kleinheit zeigten. Man war deshalb geneigt, von diesen Schädelfunden auf eine Zwergrasse zu schliessen, ein Schluss, vor dem Vir- chow warnt, weil es durchaus nicht selten ist, dass grosse Körper bei auffallend kleinen Schädeln und umgekehrt grosse Schädel bei sehr kleinen Körpern gefunden werden. Prof. Waldeyer erörterte die Gehirne der ein- heimischen Bevölkerung von Ostafrika. Er weist auf die Wichtigkeit der Gehirnuntersuchungen hin, da unsere Kenntnisse über das Gehirn noch sehr mangelhafte sind und wir mit der Schädelmessung allein nicht mehr weiter kommen. Was besonders die von ihm untersuchten, aus Afrika stammenden Gehirne bstrifft, so konnte an keinem derselben ein irgendwie affenartiges Merkmal ge- funden werden ; alle trugen vielmehr das speeifische Kenn- zeichen des menschlichen Hirnes, wenn auch einige ge- ringe Abweichungen vom Gehirn des Europäers die Zeichen der niederen Entwickelungsstufe erkennen lassen. Prof. J. Ranke (München) sprach über den auf- rechten Gang der menschenähnlichen Affen. Unter vergleichender Betrachtung des menschlichen Schädels mit dem Affenschädel setzte Redner auseinander, dass der auf- rechte Gang des Menschen bedingt wird durch die balan- cirende Stellung des Schädels auf die Wirbelsäule. Eine solche Stellung ist beim Affen nicht vorhanden. Vielmehr hängt dort gewissermaassen der Schädel au der Wirbelsäule, und der beim Affen zuweilen vorkommende Gang ist nur das Erzeugniss gelegentlicher Anwandlungen, welche, etwa wie beim Bären, namentlich dann auftreten, wenn es sich i'tir das Thier darum handelt, einem Feinde und insbesondere dem Menschen einen wuchtigen Schlag zu versetzen. Dr. J. Mies-Köln gab Mittheilungen über das Ge- hirngewicht beim heranwachsenden Menschen, auf Grund von mehr als 2000 aus der deutschen und ausländischen Litteratur zusammengestellten Fällen und unter Vorlegung von Tabellen und Wachsthumskurven. Von den einzelnen Thatsachen, welche Vortragender im Verlaufe seiner Ausführungen beibrachte, sei als besonders merkwürdig erwähnt, dass das von Virchovv bei einem dreizehnjährigen Knaben beobachtete, ganz ungewöhnlich grosse Gehirugewicht von 1732 gr, welches um deswillen noch weit auffallender war, weil es sich um ein blut- armes und überhaupt wenig Flüssigkeiten enthaltendes Gehirn handelte, neuerdings durch eine Beobachtung von Lorey in Frankfurt a. M. weitaus überboten worden ist. Lorey fand bei einem sechsjährigen Knaben ein anschei- nend ganz gesundes Hirn von 1840 gr. Gewicht. Anthropologisches über den Geruchssinn theilte der Ministerialrat!) Dr. E. Herrmann-Wieu mit. Der Geruchssinn sei das Stiefkind unter den Sinnen. Er scheine zurückzugehen, statt sich auszubilden. An Oert- lichkeiten, welche die meisten Gerüche aufweisen, finde mau den Geruchssinn am meisten ausgebildet, also, was die ver- schiedenen Erdregionen betrifft, in den Tropen oder wenig- stens in den gemässigten Klimaten, wo die reich entwickelte Pflanzenwelt die meisten Gerüche erzeugt. In den polaren Gegenden, sowie auf dem Meere leide der Geruchssinn, weil es dort keine Gerüche giebt, die ihn ausbilden können. Durch die Wanderung in kalte Zonen sei der Mensch zu einem übel- riechenden Wesen geworden, einmal, weil die Fleischnah- rung, der er sich hingeben musste, stinkt, ferner aber, weil das durch das rauhere Klima bedingte Zusammengedrängt- sein in engen Wohnungen seinen Geruchssinn abstumpft. Wie wenig empfindlich unsere Nase ist, lasse sich sofort daran erkennen, dass sich keine Stimme gegen die starken Zu- muthungen erhebt, welche Rauch und Russ in den Städten und auf den Eisenbahnen an unser Geruchsorgan stellen. Die Negeruase sei zur Wahrnehmung von Düften geeig- neter, als die Nase des Nordländers, die Nase des Ameri- kaners dagegen infolge des fortwährenden Schnupfens fast funktionsunfähig. Seine eigenen üblen Ausdünstungen nehme der Mensch fast garnicht wahr; erst wenn sie von einem Anderen kommen, werden sie ihm unangenehm. Und diese Unannehmlichkeit sucht er gewöhnlich weniger wirklich zu beseitigen, als durch Anwendung von Riech- stoffen zu vertuschen, zu verdecken. So seien die Par- füms geradezu ein Indikator für das Vorhandensein übler Gerüche. Redner ging dann auf die verschiedenen Be- kleidungsstoffe ein und deren Verhalten bei der Aufnahme von Gerüchen. Das Leinen lasse wenig Gerüche durch, halte vielmehr alle mögliehen Gerüche dauernd fest. Die Wolle lasse viele Gerüche durch, halte aber gerade die Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 505 fauligen Gerüche, u. a. den Leichengernch, fest. Am wenigstens aufnahmefähig für Gerüche sei die Seide, und deshalb bilde die Seide den besten Bekleidungsstoff. Es sei sehr merkwürdig-, dass die Kultur, welche für die anderen Sinne doch so viel geleistet habe, namentlich für Auge und Ohr, nicht im Stande sei, die Nase durch künst- liche Hilfsmittel zu unterstützen. Die primitive Einrichtung des Geruchsorganes scheine die Anwendung von Hilfs- mitteln nicht zu gestatten. Insbesondere die menschliche Nase erweise sich als sehr mangelhaft eingerichtet, sie bilde einen engen Schlot, durch welchen die Atheinluft mit Heftigkeit hindurchstreicht, und in welchem deshalb nur die fauligen und die sauren Gerüche leichter hängen bleiben. Dahingegen besitzen die pflanzenfressenden Thiere, deren Nase auf die sichere Tjnterscheidung sehr vieler Pflan- zendüfte angewiesen ist, sehrweite Nasen. Dermenschlichen Nase fehle das Unterscheidungsvermögen für Gerüche und ebenso das Gefuchsgedächtniss. Man vermöge ebensowenig aus einer Geruchsharmonie die einzelnen Bestandteile dieser Harmonie herauszukriechen, wie man manche sonst bekannte Gerüche unterscheiden könne, wenn man sie bei verbundenen Augen wahrnimmt. Wie die Berührung mit der mensch- lichen Kultur aber selbst bei Thieren den Geruchssinn ab- schwächt, zeige das Beispiel der Stuben- und Schosshunde. Redner forderte zum Schlüsse auf, dem bisher so allgemein missachteten Geruchssinn grösstmöglichc Aufmerksamkeit zu widmen, um die Hebung desselben anzubahnen. Prof. 0. iMontelius-Stockholin sprach über die älteste Geschichte des menschlichen Wohn- hauses. Das Haus ist zweifellos hervorgegangen aus dem Zelte. Dieses Zelt bestand in seiner ursprünglichsten Form aus einem Stangengerüst, welches mit Häuten oder irgend einem Gewebe überspannt wurde. Durch einen Unterbau wurde dann das, natürlich runde. Zelt gel und zum Dache. So entstand die erste Hütte, die in der Weiterentwickelung eine oblonge Form annahm. Aus der oblongen Hütte ging die viereckige hervor, welche die Grundform des Hauses darstellt. Durch die Anfügung des offenen Vorbaues an dieses Haus entstand dann durch Schluss dieses Vorbaues der zweite Kaum. Das Stock- werk tritt auf in dem Augenblicke, wo die offene Feuerungsanlage durch einen Herd ersetzt wurde. Archimandrit Mesrop Movessiantz vom Kloster am Ararat machte einige Mittheilungen über das arme- nische Bauernhaus. Die Hausform in Armenien ist durchweg eine viereckige. Ursprünglich besitzt dasselbe nur einen Raum, der stets aus Steinwänden aufgeführt ist. Auf die weitere Entwickelung dieses Hauses hat die Natur einen bedeutenden Einriuss geübt. Die vollen detsten Formen trifft man in den Thälern, während auf den Bergen nur eine primitive Form vorherrscht. Die Salz- burger Rauchhäuser und bauliche Entwickelung der Feue- rungsanlage am Salzburger Bauernhause machte Ober-Inge- nieur Eigl aus Salzburg zum Gegenstand einer Betrachtung. Zum Schluss berichtete Oberst a. D. Bancalari-Linz a. D. über die Hausforschung in < »est erreich, ihre Er- gebnisse und weitere Ziele. Die Ausführungen gipfelten in den Sätzen : Der Hauscharakter ist nicht notwendigerweise ein Kennzeichen für einzelne Völker und Stämme, und wenn das Haus auch zweifellos ein anthropologisches Object ist, so kann es doch höchstens in Nebendingen, in Geschmacks- sachen als ein ethnologisches Object bezeichnet werden. Die vorstehenden kurzen Referate geben ein Bild von der ausserordentlich regen Thätigkeit dieses Congresses, der in der Geschichte der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft als einer der bedeutsamsten verzeichnet werden wird. A. Ueber die Geschmacksverbesserung von Medi- canienten und über Saturationen bringt die „Berliner Klinische Wochenschrift" vom \). VII. d. Js. zwei Vor- lesungen von Professor L. Lewin. — Mit vollem Recht geisselt Lewin die althergebrachte Gewohnheit, angeblich als Geschmacks-Corrigeus Sirupe zu den Arzneien hinzuzu- setzen. Verbessert wird der schlechte Geschmack dadurch oft überhaupt nicht, wohl aber noch mehr verschlechtert; ausserdem wird das Medicament theurer und — last not least — die Sirupe sind nicht selten verdorben, gährend und schimmlig, sodass sie vor dem Gebrauch aufgekocht werden. Von pharinaceutischer Seite wurde daher sogar vor einiger Zeit empfohlen, diesen „Schmerzenskindern des Defectars" nach jedem Gebrauch „ein paar Tropfen einer Spirituosen Salieylsäurelösuug" hinzuzufügen. Kinder können darauf event. mit bedrohlichen Nebenwirkungen reagiren. .Mittel wie Saccharin, i. e. Benzoesäurcsultinid, oder Dulcin, i. e. Paraphcnetol - Carbamid sind keine Corrigentien mehr, sondern unter Umständen stark wirkende Arzneistoftc. Aetherische Oele und aromatische Wässer corrigiren bis- weilen ganz zweckmässig, indem sie die unangenehme Geschmacksempfindung übertönen. Keines der genannten Mittel ist jedoch Corrigens im wahren Sinne, d. h. keins hebt einen unangenehmen Geschmack, z. B. den des Chinins, völlig auf, um dafür einen angenehmeren zu setzen. Es giebt indess derartige Stoffe. „An der heran- wachsenden, kritisch erzogenen, medicinischen Generation liegt es, den Gebrauch solcher Stoffe zu erzwingen." Schon in der Bibel ist davon die Rede (2. Mose 15, 23 — 25): „Da kamen sie (die Israeliten) gen Mara; aber sie konnten des Wassers zu Mara nicht trinken, denn es war fast bitter. Daher hiess man den Ort Mara. Da murrte das Volk wider Mose und sprach: Was sollen wir trinken? Er schrie zu dem Herrn; und der Herr wies ihm einen Baum, den that er ins Wasser, da ward er süss." Dahin gehört die Wunderfrucht vom Sudan, Bumclia dulcifica, welche den bitteren und selbst sauren Geschmack in einen süssen umwandelt. Die gleiche Eigenschaft zeigt eine in der Sierra Leone angebaute Frucht ■ — Phryniuni Daniel li — eine Marantacee. Der Schleim, in dem die Samen eingebettet sind, lässt gegen seinen süssen Geschmack keinen anderen aufkommen. Noch anders wirkt Gymnema silvestre B. Br., eine in Indien und Ostafrika heimische Asclepiadacee, welche in der Medicin der Hindu längst eine Rolle spielt. Die Blätter lähmen die Geschmacksempfindung für Bitter und Süss, auch der bittere Geschmack des Chinins schwindet. Der wirksame Bestandteil der Drogue ist eine einatomige glykosidische Säure, die Gymuemasäure. Bitterer Ge- schmack wird verdeckt, wenn man vorher den Mund mit einer 0,5 % wässrigen, wenig weingeisthaltigen Lösung gespult hat. Eriodictyon glutinosum Benth., eine Hydrophyllacee aus dem südlichen Nordamerika, hat vielleicht denselben Angriffspunkt für seine geschmacks- ändernde Wirkung. Bitter wird nicht empfunden, wenn man die Blätter oder ein Fluidextract aus denselben oder deren wirksames Prinzip, die Eriodictyoninsäure, eine an- genehm schmeckende und riechende Säure nimmt. Das sind wahre Corrigentien. — Die Saturationen sind Flüssigkeiten. in welche ein kohlensaures Salz durch eine organische Säure zerlegt ist. Lewin hält sie mit Recht für überflüssig aus mehreren sehr einfachen Gründen, aufweiche wir hier nicht eingehen. Er schliesst seine Vorlesung mit den Worten: „Es ist Zeit, dass man anfängt, an Arzneiformen Kritik zu üben, und wo sie ungünstig ausfällt, aufzuräumen mit dem, was entweder ganz überflüssig ist, oder durch Zweckmässigeres ersetzt werden kann". Matz. 506 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 41. Zu dem S. 4&0, 4SI mitgetheilten Todesfall in der Hypnose theilt die „Vossische Ztg." vom 30. Sep- tember (Berlin) weiter mit, dass ein französischer Zeitungs- berichterstatter die bekannte Autorität auf dem Gebiete der Hypnose, Professor Bernheim in Nancy, nach seiner Meinung über den Fall ausgefragt hat. Bernheim äusserte sich folgendermaassen: „Ich habe in allen meinen Ver- suchen noch niemals eine Hypnotisirte angetroffen, die mir über Dinge, die sich in der Ferne zutrugen, Auf- schluss gegeben oder irgend eine Krankheit eines Andern erkannt und bestimmt hätte. Die Suggestion durch den blossen Gedauken ist nach meiner Erfahrung ebenso un- möglich wie das zweite Gesicht. Ich glaube nicht, dass der Hypnotismus den Tod verursachen kann. Das ist ebenso unmöglich, wie durch blosse Ueberredung Jemand zu köpfen. Allerdings, wenn eine sehr nervöse Person, die zugleich an einer Herzkrankheit leidet, eine heftige Gemüthsbewegnng erfährt, so kann sie in eine tödtliche Ohnmacht fallen. Diese Gemüthsbewegung kann natürlich in der Hypnose ebenso gut eintreten wie im wachen Zustand. Aber die Hypnose selbst hat dann nichts damit zu thun. So, wie der Fall in den Blättern dargestellt wird, muss er entweder schlecht beobachtet, oder schlecht erzählt, oder absichtlieh entstellt sein." Die Witterung des Monats September.*) — Wie schon mehrfach in den letzten Jahren, war der September auch diesmal mit Ausnahme weniger Tage auffallend kühl. Nach zahlreichen, im östlichen Deutschland un- gewöhnlich schweren Gewittern aml. herrschte allenthalben kühles, wenn auch noch meist schönes Wetter bis zum 6. Mit dem 7. trat jedoch ein völliger Witterungsumschlag ein: ein tiefes barometrisches Minimum lag, scharf aus- geprägt, am Skagerrak. Damit war der Wetterkarte ihr bisheriger sommerlicher Charakter plötzlich genommen, so dass man den 7. meteorologisch als ersten Herbsttag bezeichnen kann. Fast überall trat im Laufe des Tages Regenfall ein, und Mittags wurde an die westdeutsche Küste eine Sturmwarnung erlassen. Die Regenfälle steigerten sich bis zum 9. (Grünberg 45 mm Regen) und die Temperatur kühlte sich immer mehr ab. Am 10. machte ein Maximum (777 mm bei Cork) einen Vorstoss von England her, dadurch klarte zwar der Himmel auf, aber durch die entstehenden nördlichen Winde fielen die Nachttemperaturen stellenweise bis hart an den Gefrier- punkt (bei Mainz in der Nacht auf den 11. 72° Kälte.**) Im Riesengebirge, Odenwald, Schwarzwald und iu den Vogesen lag seit dem 9. Schnee, der am 14. im Riesen- gebirge schon l/2 Meter Höhe erreichte. Am 11. tauchte bei den Lofoten ein Minimum unter 740 mm auf, wo- durch die Wetterkarte ein rein winterliches Aussehen erhielt. Beim Fortschreiten des Minimums nach Ost-Süd- < »st traten in Folge der für diese Jahreszeit ungemein starken Luftdruckgegensätze in der (istlichen Ostsee stürmische Nord- und Nordwest-Winde am 13. und 14. ein. In Süd-Europa hatten währenddessen die seltsamsten Witterungsverhältnisse geherrscht. Spanien hatte am 11. verheerende Stürme und Unwetter zu verzeichnen, wo- durch die Temperatur stellenweis auf 2° herabsank. Iu Oberitalien war ein heftiger Wettersturz eingetreten, in Mantuas Umgebung schneite es bei —"2°, bei Padua soll die Temperatur auf —6° gesunken sein. In Molvena, *) Da in eleu letzten Jahren verhaltnissmässig häufig Witte- rungsverhältnisse eingetreten sind, welche ganz ungewöhnlich waren, werden wir von jetzt an, vielleicht dauernd, monatliche, kurze Uebersichten über den Verlauf der Witterung, speciell im centralen Europa geben. **) Die Temperaturangaben sind selbstverständlich immer als Celsiusgrade zu verstehen. San Giorgio u. s. w. herrschte Schneefall, während gleich- zeitig in Palermo das Thermometer durch einen Sirocco auf +41° getrieben wurde. Auch in Lemberg schneite es am 14. und 15. Nach dem 15. wurde in Deutschland das Wetter wieder schön, und die Temperatur stieg trotz der kühlen Nächte allmählich bis zum 20. Am 21. zeigte sieh in Finnland zuerst leichter Frost, der sich noch mehrfach wiederholte. In Deutschland herrschte vom 21. bis zum 23. wieder unfreundliches Regenwetter vor, her- vorgerufen durch mehrere von West nach Ost über Deutschland hinwegziehende Minima, wobei vielfach Ge- wi ttererscheinungen beobachtet wurden, die Temperatur war jedoch infolge der verhinderten nächtlichen Aus- strahlung inzwischen gestiegen. Während im nördlichen Deutschland die Niederschläge mit dem 24. wieder auf- hörten, dauerten sie in Süd-Deutsehland auch ferner noch an. Ein Minimum, das seit dem 26. entlang der deutschen Küste zog, erhöhte vorübergehend die Wärme etwas mehr, bis am 28. stark auffrischende Winde in Begleitung von Regen-, Graupel- und Hagelböen die Temperatur wieder herabsetzten. Auch am folgenden Tage hielt dies Wetter noch an, erst am 30. führte das vorrückende Maxi- mum Aufklaren und Tempuraturerhöhung herbei. Der September war also ungemein kalt, zwar haben in früheren Jahren die Kälteextreme des Septembers niedriger gelegen (1848, 1877, 1889), doch eine so lange Periode sehr kühlen Wetters dürfte kaum zuvor da- esen sein. Witterungsprognosen für die Zukunft lassen sich daraus natürlich kaum stellen, wenn man aber mit Ana- logieschlüssen rechnen darf, so steht uns ein milder Winter bevor, denn nach dem kalten September der Jahre 1850, 1877 und 1889 folgte jedesmal ein ungewöhnlich warmer Winter, und 1848/49 folgte nur eine vorübergehende, kurze Periode strengen Frostes, während sonst der Winter auch milde war. Aber, wie gesagt, bestimmte oder auch nur wahrscheinliche Prognosen lassen sich in keiner Weise stellen, zumal da auch z. B. dem durch seine Kälte berühmten Winter 1812/13 ein sehr kühler September voranging. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt sind: die Docenten für Frauenheilkunde in Wien Dr. Karl Breus und Dr. Gustav Lott und die Docenten für Haut- und verwandte Krankheiten ebendort Dr. Franz Mraczek und Dr. Ernst Finger zu Professoren; der Privatdocent der Mathematik Dr. Brunn in München zum Assistenten an der allgemeinen Abtheilung der technischen Hochschule daselbst; der ausserordentliche Professor der Philosophie in Würzburg Remigius Stölzle zum ordentlichen Professor; der ausserordentliche Pro- fessorder Zoologie in Czernowitz Dr. Robert von Lendenfeld zum ordentlichen Professor. Berufen sind: Dr. Michael von Lenhossek, Prosector in Würzburg als Professor nach Innsbruck; Privatdocent Dr. Oswald Külpe in Leipzig als Professor der Philosophie nach Würzburg; der Privatdocent für Pflanzenphysiologie in Göttingen Dr. Koch an die neu begründete Lehranstalt für Wein- und Obstbau zu Oppenheim; der Privatdocent der Zoologie iu Heidel- berg Dr. Wladimir Schewiakoff an das zoologische Labora- torium der Petersburger Akademie der Wissenschaften. In den Ruhestand tritt: Sir Joseph Lister in London, der Schöpfer der antiseptischen Wundbehandlung. Gestorben sind: Baron Gerhard Maydell-Stenhu sen, ein verdienter Erforscher Sibiriens, speciell in botanischer Hinsicht; der als Geograph, Astronom und Forschungsreisender bekannte Professor Ludwig Schwarz in Dorpat; der Chemiker Professor Josiah Parsons Cooke in Boston; der Forschungsreisende Sir Edward Augustus Inglefield. L i 1 1 e r a t u r. Carl Hauptmann, Beiträge zu einer dynamischen Theorie der Lebewesen. I. Die Metaphysik in der modernen Physio- logie. Eine kritische Untersuchung. Dresden. Verlag von L. Ehlermann 1893. — 2. Ausgabe vermehrt um ein Autoren- Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 507 verzeichniss. Jena Verlag von Gustav Fischer. 1894. — Preis 8 M. Die Vertreter der „Naturwissenschaften" rühmen sieh oft den Philosophen gegenüber, ihre bezügliche Wissenschaft sei „exakt", sei reine Erfahrung, die Philosophie dagegen ..Speculation", „Meta- physik" (nml natürlich darum überflüssig). Wer das so gläubig hinnimmt, der würde sieh doch arg über den wahren Stand der Sache täuschen. Denn wie es einerseits in der neueren Philoso- phie immer stäiker anwachsende Strömungen giebt, die unbe- dingte Gegner jeglicher Metaphysik sind und in der Philosophie selber nichts anderes als ein „Naturwissen" sehen — ich erinnere an den glänzendsten Vertreter dieser Richtung Richard Ave- narius! — . so giebt es andererseits in den gerühmten „Natur- wissenschaften" leider noch unendlich viel Metaphysik. Die „Naturwissenschaften" sind — eben leider! — heutigen Tages noch immer nicht so streng wissenschaftlich, wie ihre Vertreter oft rühmen und wie wir Vertreter der Philosophie der reinen Erfahrung wünschen, dass sie wären. So verhält es sich besonders auch mit der Physiologie und ganz besonders mit demjenigen Theile derselben, der allerdings wegen seiner innigen Berührung mit den Thatsachen des Seelenlebens besonders der Gefahr der metaphysischen Durehwuchcrung ausgesetzt ist, nämlich der Nervenphysiologie. Wäre die Physiologie — und besonders der eben genannte Zweig derselben — strenge Wissenschaft, so müsste doch vor allein einmal das oberste aller Naturgesetze, das Gesetz von der Erhaltung der Energie, streng beobachtet und der Organismus von der Physiologie demgemäss rein mechanisch betrachtet werden. Es müsste an der Spitze einer jeden Physiologie für sie' als unbedingt maassgebend und ausnahmslos gültig der Satz stehen: „alle Organismen sind mechanische Systeme, wel che in Abhängigkeit von gewissen Beschaffenheiten der übrigen Umgebung er hal tu ngsgemässe r Aonde- rungen fähig sind." Wie wenig das der Fall ist, wie viel mehr die Physiologie in hohem Grade metaphysische Elemente in sieh birgt, das zeigt uns in seiner oben genannten ungemein klaren und lichtvollen und darum höchst verdienstvollen Arbeit Dr. Carl Hauptmann, ein Zoologe aus der Häekel'sehen Schule, der aber durch reiche physiologische und philosophische Studien (letztere in der Richtung von Richard Avenarius, dem auch das Buch gewidmet ist) seinen Gesichtskreis erweitert und ge- klärt hat uud darum in hohem Grade zur Vornahme obiger Arbeit geeignet war. Hauptmann stellt an die Spitze seines Buches die oben angeführte Begriffsbestimmung der Organismen; und von diesem folgerichtig innegehaltenen Standpunkte aus beleuchtet er in drei kritisch-historischen Abschnitten die bezgl. physiologischen Ar- beiten von H. Lotze, Paul Flourens, Eduard Pflüger, Friedrich Goltz, Eduard Hitzig und Hermann Miink: Abschnitte, die von grosser Gründlichkeit, klarer Auflassung und kritischer Begabung zeugen. Im vierten Abschnitte beleuchtet der Verfasser dann die Hauptschwierigkeiteu, die sich der strengen Durchführung der mechanistischen Auffassung entgegenstemmen, im Zusammenhange und zeigt die Wege, auf denen sie vermieden werden können. Besonders gut sind auch hier wieder die vielen (hier besonders in den Anmerkungen gebotenen) kritischen Be- merkungen. Was die Beleuchtung der Schwierigkeiten anbelangt, so sind diejenigen naturphilosophischer Art besser behandelt, als diejenigen psychologischer Art. Besonders gut hat uns die Zurückweisung der Annahme letzter isolirter statischer Elemente der Körperwelt (der „Atome") gefallen. Seine von uns durchaus gebilligte Ansicht ist, dass wir lernen müssen, das ,.Atom" als Gesetz elementarer kosmischer Zusammenhänge zu fassen. „Es existirt für uns nur noch ein gesetzrnässiger, ewiger Wandel von Verkettungen letzter Grundprocesse." Auf diesen vierten, eine reiche Fülle von Anregungen bietenden Theil folgt noch ein fünfter Abschnitt: „Leitende Gesichtspunkte für eine dynamische Theorie der Lebewesen", der — über das eigentliche Thema dieses Bandes hinausgreifend — in sehr anregender, oft (z. B. bei seiner Kritik des Darwinismus) sehr lichtvoller Weise Hauptfragen der Biologie erörtert. — Wenn der Verfasser im Vorworte als seine Absicht die ausspricht, dazu beizutragen, „Physiologie und Psychologie für einen Standpunkt vorzubereiten, welcher schon von Spinoza klar bestimmt, in unserer Zeit von Ernst Mach und Ewald Hering physiologischerseits verwerthet, und von Richard Avenarius zu einer biologischen Grundlegung der sogenannten Geisteswissenschaften genommen worden ist", so ist sein Buch hierzu sicher — und zwar was die Physiologie an- belangt, in hohem Grade — geeignet, und wollen wir nur wärm- stens wünschen, dass es auch die Beachtung findet, die es ver- dient. Wir werden daher auf das Buch in dieser Zeitschrift noch eingehender zurückkommen und dann auch unsere Bedenken aus- sprechen, die wir bezüglich einzelner von Hauptmann vertretener Ansichten haben. Dr. M. Klein. August Weismann, Aeussere Einflüsse als Entwickelungsreize. Gustav Fischer. Jena 1894. — Preis 2 M. Verf. behandelt in der vorliegenden Oxforder „Romanos Lecture" die äusseren Einflüsse, welche als Reize bei der Umgestaltung der lebenden Substanz eine Kolle spielen, im Speciellen „die Ver- wendung des Reizes als Auslösung verschiedener Entwickelungs- anlagen " Verl. ventilirt schliesslich wieder die „Vererbung er- worbener Eigenschaften" und kommt zu dem Ausspruch: „Nicht die einzelnen zweckmässigen Structuren werden vererbt, sondern die Qualität des Materials, ihr Bausteine, aus welcher Intraselection sie in jedem Einzelleheii neu wiederaufbaut." Als Intraselection bezeichnet W. die Selectionsprocesse innerhalb des Organismus zwischen gleichartigen, eleichwerthigen Elementen. Eigenschaften von Biophoren, von Zellen sind es, sagt W., welche vererbt werden, und welche sich im Laufe der Generationen immer günstiger und zweckmässiger gestalten können, wenn sie der Naturzüchtung unterliegen. So steigerte sich im Laufe der Generationen die Reizempfindlichkeit für Zug und Druck bei ge wissen Zellen der Knochenanlage, und diese bildete dann in ji lein Einzelleben die Grundlage für die Processe der Intraselection. Nicht die einzelnen Spongiosabälkchen vererbten sich, wohl aber eine Zellenmasse, welche vom Keim her auf Zug und Druck so reagirt, dass die Spongiosastructur zu Stande kommen muss. Es ist ganz ähnlich, wie bei der Pflanze, deren geotropische Reiz- empfindlichkeit die Wurzel zwingt, nach abwärts zu wachsen, den Spross aber nach aufwärts und die Aeste schräg seitwärts; die Reizempfindlichkeit, der positive oder negative Geotropismus ist ererbt und beruht auf Kehuesaulage; die specielle Richtung aber, wolche der wachsende Theil einschlägt, wird durch die wechselnden Bedingungen des Einzellebens gegeben, sie wird in jedem Einzelleben neu erworben und kann nicht vererbt werden. Die grosse Bedeutung der Intraselection beruht nicht darauf, dass sie direct vererbbare Bildungen schaffte, vielmehr darin, dass sie die durch Personenselection hervorgerufenen Keimesanlagen den wechselnden Bedingungen gegenüber zweckmässig zur Entfaltung bringt. Intraselection bewirkt die Specialanpassung der Gewebe an die speciellen Entwickelungsbedingungen des einzelnen Indi- viduums. Die Anlagen selbst aber köunen nicht durch Intraselection geschaffen werden, sondern nur durch Personalselection. Was Darwin als Correlation bezeichnete, dürfte zum grössten Theil eine Wirkung der Intraselection sein. W. kommt in der lesenswerthen Schrift wiederum zu dem Sehluss, dass Selection allein das leitende und führende Princip bei der Entwicklung der Organismenwelt war und bis auf unsere Tage noch immer ist. 71. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vater- ländische Kultur. Enthält den Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft im Jahre 1893. — G. P. Ader- holz' Buchhandl. Breslau 1894. — Die Berichte der im Titel ge- nannten Gesellschaft enthalten stets eine Fülle interessanten Mat'eriales. Da die Veröffentlichungen alle meist kurz und bündig gehalten sind, ist eine Aufzählung aller Artikel des ziemlich um- fangreichen Bandes hier nicht opportun. Es sei daher nur mit- getheilt, dass nach dem Inhaltsverzeichniss der Band 44 kürzere oder längere Mittheilungen aus der medic. Section, 10 aus der hygienischen, 32 aus der naturwissenschaftlichen, 19 aus der bo- tanischen, 7 aus der Section für Obst- und Gartenbau und 8 aus der Abtheilung „Geschichte und Staatswdssenschaften" bringt. Bütschli, Prof. Dr. O., vorläufiger Bericht über fortgesetzte Unter- suchungen an Gerinnungsschäumen, Sphärokrystallen und die Struetur von Cellulose- und Chitinmembranen. Heidelberg. — 3 M. Fritsch, Prof. Dr. Ant., der Elbelachs. Prag. — - 5 M. Grassmann's, Herrn., gesammelte mathematische und physikalische Werke. Leipzig — 12 M. Hirsch, Dr. William, Genie und Entartung. 2. Aullage. Berlin. - 6 M. Hirth, Geo., die Lokalisationstheorie angewandt aut psycholo- gische Probleme. München. — 1,50 M. Holzmüller, Dir. Dr. Gust., methodisches Lehrbuch der Elementar- Mathematik. 2 Tl. Leipzig. — 3 M. Penzig, Prof. Dir. Dr. 0., f Hanzen-Teratologie II. Band. Genua. — 20 M. Rehmke, Prof. Dr. Jons., Lehrbuch der allgemeinen Psychologie. Hamburg. — 10 M. Spezialkarte, geologische, des Königreichs Sachsen. 54. Bautzen bis Wilthen. bb. Hochkirch bis Czorneboh. Leipzig. -13 M. Walter, L., unsere einheimischen Stubenvögel. Leipzig. — 3,60 M. geb. 4,50 M. I iihalt: Dr. Max Fie b el ko r n, Geologische Ausflüge in die Umgegend von Berlin. (Mit Abbild). (Fortsetzung). — XXV. Deutscher Anfhro- pologen-Cougress in Innsbruck vom 24* bis 27. August 1S94. (Sehluss ) — Ueber die Geschmacksverbesserung von .Medikamenten und über Saturationen. - Zum Todesfall in der Hypnose — 1 >ie Witterung des Monats September. - Aus dem wissenschaftlichen Leben. - Litteratur: Carl Hauptmann, Beiträge zu einer dynamischen Theorie der Lebewesen. 1. Die Metaphysik in der modernen i'hysi ologie. — August Weismann, Aeussere Einflüsse als Entwickelungsreize. — 71. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur. — Liste. 508 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 41. Baustellen zu Villen geeignet, mit Hochwald, 40 jähri- ger Bestand, herrlich am See ge- legen in Birkenwerder an der Stadtbahn, nächste Nähe Berlins, sind für nur M. 35 pro D Ruthe abzugeben bei Morgenstern! Dresdenerstr. 35. Das schönste Stück Erde, Ä Menneiiendorf £s* Vorort, direct am Bahnhof, vis ä vis dem königlichen Forst, wird neu pareellirt. Wer noch für 20 bis 30 Mk. pro n-Rathe Baustellen mit Hochwald kaufen will, der wende sieh möglichst gleich an untenstehende Adresse, denn die besten Parccllen werden, wie einem Jeden bekannt, zuerst vergriffen. Diese Baustellen eignen sich als Ruhesitz für Rentiers oder für Sa- natorien wundervoll und lasse folgedt'ssen Niemand, der in der Lüge ist, sich eine solche zu kaufen, diese Gelegenheit an sich vorüber- gehe 1 1 . Rerlectanten wollen sich an Scholz & Vogler, Berlin, Oranienstr. 128. 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Wer gut zu Fuss ist, kann dalier bequem dorthin gehen, jedoch bietet die sich immer gerade fortziehende Chaussee für eine solche Wanderung wenig Verlockendes. Es ist daher angenehmer, mit der Nordbahn bis zur Station „Waidmannslust" zu fahren. Von hier ist in etwa zehn Minuten die am Wege nach Lübars liegende Ziegelei zu erreichen, welche ihren Bedarf aus der von uns zum Ziele unserer Exeursion gewählten Thongrube ent- nimmt. Die Lagcrungsverhältnisse in der Grube sind die denkbar einfachsten: die Sohle liegt in dem dem Mittel- Oligoeän angehörigen Septarientbone von graublauer Farbe. Er ist zäh und fett und bereitet daher den Ar- beitern bei seiner Gewinnung nicht unbedeutende Schwierigkeiten; als Material für die Herstellung von Bausteinen ist er besonders geeignet und geschätzt. Er wird überlagert von gelbbraunem Diluviabnergel von etwa 5 m Mächtigkeit. Die Grenze zwischen beiden Forma- tionsgliederu ist durch die verschiedene Färbung des Ge- steins scharf ausgeprägt; auf ihr entspringen mehrere kleine Quellen, welche den Boden der Grube stets feucht und schlüpfrig halten. Ueber dem Mergel lagert Sand von ebenfalls etwa 5 m Mächtigkeit, in welchem ebenso wie im Mergel nordische Geschiebe häufig sind. Auf der Sohle der Grube bemerken wir an ver- schiedenen Stellen Haufen von Septarien, welche die Ar- beiter aus dem Thone ausgelesen und zusammengeworfen haben. Von Interesse ist, dass Laufer auf Septarien, welche an der Grenze des Thons zum Diluvium gefunden wurden, Glacialschrammen hat nachweisen können. Der Durchmesser der Hermsdorfer Septarien beträgt gewöhnlich 0,20 — 0,50 m; grössere sind selten. In ihrem Innern findet sich auf den Wänden der Sprünge und Klüfte bis- weilen an Stelle des Kalkspatbes bunt angelaufener Schwefelkies. Nicht selten scbliessen die Septarien Versteinerungen ein, von deren Schalen gewöhnlich nur Reste in Gestalt eines weissen Kalkanfluges erhalten sind. Nach Mit- theilungen der Arbeiter sollen sich bisweilen ganz von Petrefacten durchsetzte Septarien finden, jedoch ist es mir weder gelungen, eine solche zu finden, noch sie käuflich zu erwerben, so dass ich glaube, dass eine Ver- wechselung der Septarien mit den aus den Diluvial- schichten stammenden stets sehr Geschieben des braunen Jura vorliegt Der Tbon selbst ist an Petrefakten sehr reich, jedoch sind sie nicht ganz leicht zu finden, da sie der zähe Thon völlig umhüllt. Am besten sucht man sie nach einem Regen, da dann der Thon von den Schalen fortgespült ist und sie dem Auge besser sichtbar werden. Der Er- haltungszustand der Versteinerungen lässt viel zu wünschen übrig, indem die Schalen brochen, theils verkiest sind. Die Muscheln meistens besser conservirt als die Schnecken. Unter den Versteinerungen zeichnen sich durch Häufig- keit aus: versteincrungsreiehen häufig rocht theils /.er- haben sich 510 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 42. Leda Deshayesiana Duch. (s. Fig. 14). Nucula Chasteli Nyst. Axinus unicarinatus Nyst. Fusus Konincki Nyst. „ elatior Beyr. „ rotatus Beyr. Conus Semperi Speyer. Plcurotoma intorta Brocc. „ odontclla Ew. „ turbida Sol. „ Selysii de Kon. Surcula perspirata v. Koen. Natica Nystii d'Orb. Cassidaria nodosa Sol. var. depressa v. Buch. Ausser Conchylien sind thierische Reste in Hernisdorf selten. Bisweilen zeigt sich ein Scaphopode, Dcntaliuni Kickxii Nyst. Daneben wird eine Koralle, Trochoiga- thus(V) planus, erwähnt. Aus- serdem kommen auch, theils verkiest, theils in den Septa- rien, Bryozoen vor. Hai- fischzähne und Wirbel sind nicht häufig, dagegeu sind Fisch-Otolithen keineSeiten- heit; sie waren es, auf Grund deren Koken*) durch Ver- gleich mit den Otolithen lebender Gattungen eine grössere Anzahl von tertiä- ren Genera von Fischen hat nachweisen können, von denen bis dahin keine Spur bekannt war. Die Otolithen werden ebenso wie die zahlreichen Foraminiferen aus dem Thone durch Schlämmen gewonnen, am besten mit dem Schön'schen Schlemmapparate. Wer sich einen solchen nicht beschaf- fen kann, legt ein Stuck des Thones in die Mitte ein es kleinen Tuches, fasst das- selbe beutelartig zusammen und bewegt es in öfter zu erneuerndem Wasser so lauge hin und her, bis alle thonigen Theile entfernt sind und das Wasser sich nicht mehr trübt. Die Methode hat neben der grossen Mühe, welche sie bereitet, den Nachtheil, dass die Protozoen bei ihrer geringen Grösse meistens durch die Maschen des Tuches hindurchschlüpfen, jedoch können die grösseren Arten auf diese Weise gewonnen werden. Neben den thierischen Resteu zeigen sich im Thone auch pflanzliche in Gestalt von Blättern und Aststücken nicht selten. Dieselben sind entweder ganz verkiest oder mit einer dichten Hülle von Schwefelkies umgeben. Figur 17. sind im Innern mehr oder weniger verkohlt. An der Be- riihrungsstelle von Holz und Schwefelkies zeigen sich ge- wöhnlich zahlreiche kleine, bisweilen bunt angelaufene Schwefelkieskrystalle. An Mineralien finden wir in dem Thone besonders häufig den schon öfter erwähnten Schwefelkies, welcher nicht nur als Versteinerungsmittel, sondern auch in Form von Coneretionen auftritt. Häufig scheint das Doppelt- schwefeleisen nicht in seiner regulären Gleichgewichts- lage als Schwefelkies, sondern in seiner rhombischen als Markasit aufzutreten; wenigstens deutet die leichte Zersetzbarkeit vieler Coneretionen darauf hin. Die Farbe des Minerals ist stets dunkelgraugrün, auf dem frischen Bruche graugelb. Die spcissgelbe Farbe zeigt sich nur vereinzelt an wenigen Stellen. Die Gestalt der Coneretionen ist völlig regellos, das Gefüge dicht; strahlig, wie z. B. in der Rügener Kreide, habe ich es nie beobachten können. Kry- stalle zeigen sich nur auf den Wänden der Klüfte in den Septarien und in den oben erwähnten Holzresten; sie sind stets nur sehr klein. Bisweilen liegen auf der Oberfläche der Coneretionen völlig unverletzte Schalen, welche nicht die Veranlas- sung zur Bildung der Con- cretion gegeben haben kön- nen, sondern Figur 18. der Nähe lagen der Entstehen auf sie ge- Figur 19. Fig. 17. Profil durch den Wetterscbacht IV i links), und den Wetterschacht V (rechts I (nach Zincken). Die punktlrten Stellen bedeuten Sand. Fig. is. Profil durch den Carolinenschacht (links) und den Wetterschacht (weiter rechts) der consolidirten Gnadenreichgruben bei 3:(9 Lachter von der Mündung des Brahlstollns. Die punktirte Stelle bedeutet eine Sandspalte. Das Profil erstreckt sich von NW (links) nach SO (rechts) (nach Zincken). Fig. 1». Profil durch die Stolln Fanny. Hugo, Gute Hoffnung, Wilhelm, unter dem Stolln Hugo die eiste Hauptmulde, unter Gute Hoffnung und Wilhelm die zweite Hauptmulde. Ganz rechts ein Theil der dritten Hauptmulde. Die unterste wagerechte Linie bedeutet die Sohle des Beuststollns. Er- streckung des Profils von N (links) nach S (rechts) (nach Girard). vielmehr zu fällig in und beim Concretion raten sind. Andere Mineralien als Schwefelkies resp. Marka- sit scheinen dem Herms- dorfer Thone zu fehlen. Besonders ist es mir nie gelungen , die sonst im .Septarienthone so häufigen Gipskrystalle zu finden. Dieselben sind mir nur von der Sohle der Grube be- kannt, wo sie durch Zer- setzung von Markasitkugeln im Wasser in Form von weingelb gefärbten Säulen sieh zeigten.*) Exemplare, auch die gänzlich verkiesten, lassen Alle ihren ehemaligen Holzcharakter noch deutlich erkennen. Die Grösse der Holzreste schwankt, gewöhnlich ist dieselbe nicht bedeutend, doch gelang es mir, ein Stammstück von 17 cm Länge, 8 cm Durchmesser und 27 cm Umlang zu finden, welches die Jahresringe vortrefflich zeigte. Die mit Schwefelkies nur überzogenen Exemplare *) E. Koken, Ueber Fiseh-Otolithen, insbesondere über die- jenigen der norddeutschen Oligocän-Bildungen, Mit 4 Tafeln. Z. d. d. g. G. XXXVI. 1884. Seite 500-566. XL. 1888. Seite 274-305. 2. Miocaen Nicht weit von Hauen bei Fürstenwalde. Fürstenwalde liegt am Fusse ter nach ihm benannten Berge das Dorf Rauen, welches schon seit langer Zeit durch seine Braunkohlengruben, wie durch die „Markgrafensteine" den Geologen bekannt ist. Den Weg nach Rauen können wir vom Bahnhofe in Fürstenwalde aus nicht verfehlen, wenn wir immer den Telegraphendrähten quer durch die Stadt folgen. Nach- dem wir die Spree Überschritten haben, gehen wir noch eine Weile im Spreethale weiter. Allmählich hellt sich unser Weg und schliesslich kommen wir durch einen kleinen Hohlweg auf das Plateau, dessen Boden aus Geschiebemergel be- steht. Seine Höhe über dem Meere beträgt ca. 45 m; im " ) Gemäss der von mir angenommenen Disposition müsste liier die Beschreibung der Excursion nach ßuekow folgen. Ich bin jedoch von meinem zu Grunde gelegten Plane abgewichen, um das in Kürze eintretende Erscheinen der geologischen Karte nebst Erläuterungen von Blatt Müncheberg abzuwarten, und werde den Ausflug nach Buckow später in einem Nachtrag bringen. Nr. 42 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 511 allgemeinen ist es eben und wird nur hin und wieder von flachen Rinnen durchschnitten. Unvermittelt erheben sich aus ihm wie ein Massengebirge die Rauenschen Berge, welche von tiefen Schluchten durchschnitten sind und das Plateau um 103 m überragen, so dass der höchste Punkt derselben 148 m über dem Meeres-Spiegel liegt. Zache hat für die Entstehung der Rauenschen Berge folgende Ansicht ausgesprochen (gekürzt): „Als das In- landeis der ersten Vereisung heranrückte, füllten zunächst Sand und Schlammmassen die Unebenheiten aus, welche in der tertiären ( Oberfläche vorhanden waren. Auf diese Absätze schob sich das Eis hinauf, jedoch entstand durch die sicli entgegenstellende Bergmasse zunächst ein Hemm niss. so dass ein Aufenthalt in der Bewegung hervor- gebracht wurde, wodurch sich im Vorlande der Absatz von Sand, Kies und Schlamm steigerte. Beim Abschmelzen des Eises blieb die Grundmoräne auf den Höhen zurück und aus ihr stammen die grossen Blöcke (Markgrafen- steine. Der Verf.). Seltsamerweise hat sich von der Grundmoräne der ersten Vereisung ausser den gewaltigen Blöcken und den zahlreichen kleinen Geschieben nichts erhalten als Sand, welcher durch Auswaschung des Thones und der Grundmoräne übrig geltlieben ist. Von Bedeu- tung sind hierbei unzweifelhaft die Regengüsse gewesen, welche während der zweiten Vereisung mit dem Ab- schmelzen des Eises verbunden waren." „Die zweite Vereisung war nicht so mächtig wie die erste, das Eis überschritt daher nicht die Berge, sondern floss um sie herum und lagerte seine Grund- moräne an den Flanken derselben ab. Die Rauenschen Berge sind mit hin eine der sogenannten Durehragungen des unteren Diluviums durch das obere." In wieweit die Ansicht Zache's richtig ist, lasse ich hier dahingestellt; ich will auch nicht untersuchen, ob sich das Eis der zweiten Vereisung nicht einmal über ein so geringes Uinderniss, wie es die Rauenschen Berge bieten, hinwegschieben konnte. Unrichtig ist jedoch auf jeden Fall die Zurechnung der genannten Berge zu den Dureh- rägungszügen. Unter Dnrchragungszügen versteht Schröder, wie wir später seilten werden, wallartige Emporragungen, welche durch Stauung und Aufpressung durch den Eisrand beim Rückzüge der zweiten Vergletscherung während einer längeren Periode des Stillstandes entstanden sind. Da nun in den Rauenschen Bergen von einer Aufpressung der Diluvialschichten nicht die Rede sein kann und wir dieselben auch nicht als eine Endmoräne oder ein Stück derselben aufzufassen berechtigt sind, fällt die Ansieht Zache's vollkommen. *) Nachdem wir die Chaussee über das Plateau bis nach Rauen verfolgt haben, wenden wir uns unmittelbar vor dem Hause des Obersteigers nach links und gehen den ..Grubenweg" entlang durch einen herrlichen Wald bis zum Zechenhause. Die Einfahrt in die Gruben ist gern gestattet, jedoch vorherige Anmeldung gerathen. Herrn Steiger Kurth will ich nicht versäumen, für seine freund- lichen Bemühungen und Erklärungen beim Befahren der Grube an dieser Stelle nochmals meinen lebhaften Dank auszusprechen. Der Kohlenbergbau ist in den Rauenschen Bergen, nach den gütigen Mittheilungen', welche ich Herrn Ober- steiger Kempe verdanke, im Jahre 1842 in den Math- feldern Adam und Paul, am nordöstlichen Gebirgsabhange begonnen. Zuerst wurden die Kohlen aus kleineren Schächten gefördert; 1843 wurde darauf der Beuststolln angefangen, welchem 1847 der Kühnstolln, 1854 der Car- nallstolln und 18(57 der Simonstolln folgte. Während die *) Dnss die Durch ragnngszüge richtige Erdmoi'änen dar- stellen (s. Z. d. d. g. G. XLVI. 1S94. p. 293), konnte Zache natür- lich noch nicht wissen. drei ersten vom Nordabhange in die Berge getrieben sind, geht der Simonstolln vom Südabhange in das Gebirge. Der Beuststolln — genannt nach dein Oberberghauptmann Grafen v. Beust — war von den ersten dreien am längsten im Betriebe, er wurde 1892 abgeworfen und hat, ans schliesslich der Seitenörter, eine Länge von 1527 in er- reicht. Der Kühnstolln, welcher seinen Namen nach dem Geheimen Bergrath Kühn erhalten hat, wurde 1860 ab- geworfen und besass zuletzt eine Länge von 620 m. Der Carnallstolln wurde 1866 bei einer Länge von 480 m ab- geworfen. Der Simonstolln, welcher z. Z. allein noch im Betriebe steht, ist in gerader Richtung 1300 m lang und wird fortgesetzt noch auf das eifrigste verlängert. In den Rauenschen Bergen liegen drei Kohlenflötze über einander, von denen jedes 3 — 4 m mächtig ist. Sie werden von einander durch etwa eben so starke Lagen von Glimmersand (Formsand) getrennt. Bei normaler Ablagerung und mittlerer Mächtigkeit zeigt sieh in den Rauenschen Bergen nach Zinckcn fol- gendes Profil: 1. Grober graubrauner und gelblich grau- gestreifter Formsand von wechselnder Mächtigkeit. 2. Dunkele Kohlenletten, bald chokoladcn- braun, bald schwärzlich 2 — 5 Fuss 3. Weniger grober, grau- und braunge- streifter, nach dem Liegenden zu noch feiner werdender Formsand .... 10 „ 4. Dunkele Kohlenletten 4 „ 5. Feiner Formsand 3 „ 6. Dunkele Kohlenletten 2 „ 7. Feiner Formsand 7 „ 8. 1. Braunkohlenflötz 4 „ 9. Feiner Formsand 1- — l'/a „ 10. II. Braunkohlenflötz 2— 21/» „ 11. Feinster Formsand 6 — 8 „ 12. III. Braunkohlenflötz 10—11 „ 13. Gröberer brauner Formsand 14. Dunkele Kohlenletten oder schwarzer Thon. Die Lagerung ist eine überaus gestörte, wie es die beigegebenen drei Profile (Fig. 17 — 19) zeigen. An Heiz- werth steht die Kohle weit hinter der schlesischen Braun- kohle zurück, da sie ausserordentlich holzig ist. Die Struktur des Holzes ist an ihr noch vorzüglich zu er- kennen, so dass man häufig ganze Stämme in der Kohle finden kann. Besondere Einmengungen von Mineralien oder Petrcfakten führt die Kohle nicht; auch Blattabdrücke lassen sich nie beobachten. Die Gesammtkohlenförderung vom Beginn der Gruben bis Schluss 1893, also in genau 50 Jahren, betrug 28 268 088 Hektoliter, die grösstenteils nach Berlin und zu den umliegenden Ziegeleien und Fabriken gebracht wurden. Die Verfrachtung geschah fast ausschliesslich per Wasser mittelst eigener Kähne, deren die Grube jetzt 22 besitzt. Die beschäftigte Arbeiterzahl wechselte in den Jahren, mit Ausschluss des Anfaugsjahres, zwischen 7s und 220 Mann, welche letztere höchste Arbeiterzahl im Jahre 1850 QÖthig war. 1893 wurden 111 Mann beschäftigt. Im Durchschnitt bekommt der Mann pro Tag 3 M. und hat ca. 10 Stunden täglich zu arbeiten. Nach Besichtigung der Gruben ist es zweckmässig, eine Thongrube am Ufer des Scharmützelsees aufzusuchen, welche die Zerdrückungen und Verwerfungen der tertiären Schichten vortrefflich zeigt (Fig. 20.). Der Weg zu der Grube ist am besten im Zechenhause zu erfragen. Der Rückweg nach Rauen ist so einzuschlagen, dass er 512 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 42. an den beiden Markgrafensteinen (Fig. 21) vorüberfuhrt. Die- selben sind von Klöden bereits eingehend beschrieben worden, jedoch erwähnt dieser Forscher deren drei, während nur noch zwei vorhanden sind. Der grösste der beiden Blöcke zunächst eine gewisse Mächtigkeit erreichen müssen, und deshalb niussten sie sich auch schon wieder in einem ge- wissen rückwärtsliegenden Abstände vom Rande des In- Bevor das Eis eine derartige landeises niederschlagen. ^«iaaiitei.:-; . - : — .'a»? ^,- 0 Figur 20. Ansicht der Thongrube am Scbarmützelsee bei Kauen. (Für die „Naturwissenschaftliche Wochenschrift"Jnach der; Natur aufgenommen von Herrn K. Fechner.) ist gesprengt*) und aus seiner einen Hälfte ist unter Can- tians Leitung die bekannte Riesenschale im Lustgarten zu Berlin angefertigt worden. Die Arbeit begann im Mai 1827 und war nach einem Jahre so weit vor- geschritten, dass der 1600 Centner schwere Stein, der einen Unifang von 69 Fuss 7 Zoll besass, auf Holz- walzen auf einem zuvor gebauten Wege nach einem 3/4Meilen entfernten Punkte an der Spree befördert werden konnte. Nach ei- nem Transport von 6 Wo- chen kam der Stein am 6. November in Berlin an. Das Poliren desselben dauerte 21/2 Jahre. Lei- der bekam die Schale beim Schleifen einen Sprung und erhielt daher eine An- zahl von Gl anitwürfeln als Stütze, welche zu ihrer Verschönerung gerade nicht beitrugen. j '' 7 -V'' der üeber den Transport in Markgrafensteine Der kleine „Markgrafenstein". (Für die „Naturwissenschaftliche Wochenschrift" nach der Natur aufgenommen von Herrn K. Fechner.) Stärke hatte, ging es über die Blöcke hinweg, wobei die kleineren schon beweglicheren Geschiebe die Blöcke schrammten und rieben und auf diese Weise auf allen eine glatte polirte Oberfläche hervorbrachten. Ebenso ist auch die Aus- kehlung des einen der Markgräfensteine vielleicht die Folge dieses Scheuer- processes. A. Krause hat schon darauf hingewiesen, dass die erwähnte Auskehlung ihre Entstehung dem vom Winde getriebenen Sande verdankt, und ich glaube, dass es keinem Zweifel unterliegt, dass auch die geglättete Oberfläche auf die Kraft des Windes zu- rückzuführen ist. Nach Besichtigung der Markgrafensteine , welche mü übrigens nicht aus Granit, wie häufig angenommen wird, sondern aus Gneis bestehen, versäumen wil- der Eiszeit von ihrem Ur- sprungsorte an ihre jetzige Lagerstätte hat Zache fol- gende Ansicht geäussert: Die Eisdecke hat zweifellos, bevor sie die Riesen in Bewegung zu setzeu vermochte, *) Nach der Zeitschr. „Brandenburgia." Oktober 1894, S. 124. nicht, den erklimmen, Blick weit in das Land hinein gewährt. Wolfsberg zu welcher einen Kurz vor dem am Wege ein Dorfe Rauen zeigt sich dann noch dicht kleiner Aufschluss im Glimmersande, welcher die Beschaffen heit dieses Sandes recht deutlich erkennen lässt, (Wird fortgesetzt.) Ueber Forniol als Conservirungsflüssigkeit ver- öffentlicht Oberlehrer J. Blum im Bericht über die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft in Frank- furt a. M. 1894 eine Abhandlung, der wir Folgendes entnehmen: Die einfachste organische Verbindung bildet das Sumpfgas, Methan, CH4. Werden die vier Wasserstoffe durch je eine Hydroxylgruppe ersetzt, so entstehen, zum Theil unter Abscheidung von Wasser, nacheinander Methylalkohol, Methylenglycol, Ameisensäure, Kohlendioxyd. Nr. 42. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 513 Deutlich wird der Vorgang- in folgender Weise ver- anschaulicht: H I H — C — H = CH4 = Methan. I H OH I II - C — H = CH4U = Methylalkohol. I H OH H - C — OH = CH402 = Methylenglycol. CH4< ), - ILO = CH,( ) = Formaldehyd. H OH I H - C — OH = CU40., • CH403 — H2Ü = CH.O.. = Ameisensäure. I OH I OH - C - OH = CH4<)4 • C11404 - 2H,0 = COa = Kohlendioxyd. I OH Von diesen fünf Stoffen ist es der Formaldehyd, der uns hier beschäftigen wird. A. W. Hofmann stellte ihn zuerst im Jahre 1867 dar, indem er Holzgeist (Methyl- alkohol) und Luft über eine glühende Platinspirale strömen Hess. Leitet man, wie es bei der Darstellung des Formal- dehyds im grossen geschieht, den Dampf in Wasser bis zu seiner Sättigung, so erhält man zuletzt eine 40%ige Lösung. Diese concentrirte Lösung wird in Frankreich schon lange mit dem Namen Formol bezeichnet, ist unter diesem Namen von den Farbwerken vormals Meister, Lucius & Brüning in Höchst a. M. in den Handel ge- bracht und hat mir von dieser Fabrik zu meinen Ver- suchen zur Verfügung gestanden. Das Formol ist eine klare, wenig opalisirende Flüssig- keit von stechendem Geruch. Bei der Verdünnung wird dieser Geruch gemildert und die Flüssigkeit bleibt wasser- hell. Am zweckmässigsten bezieht man das Formol in Gl asge fassen. Der Sohn des Verfassers, Dr. med. F. Blum, hatte die Entdeckung gemacht, dass dem Formaldehyd neben seiner bekannten antiseptischen Wirkung die merkwürdige Eigenschaft innewohne, thierische Gewebe zu härten, ohne dass sie schrumpfen und ohne dass sie ihre mikroskopische Structur und Färbbarkeit verlieren. In Folge dessen stellte Verfasser Versuche an, deren wichtigste er mit- theilt. Mehrere menschliche Embryonen mit Eihäuten und ohne diese haben sich, je nach dem Alter der Frucht in 10 und 20 fach verdünntem Formol, also in 1 Raum- theil Formol und 10 oder 20 Raumtheilen Wasser (kurz 1:10 und 1:20) ausnehmend schön gehalten; selbst ein Fötus von 8 Monaten, bei dem die Placenta und die Ei- häute so vollkommen erhalten sind, dass er im Frucht- wasser schwimmt, hat in Folge Diffusion so viel Formol aufgenommen, dass er sich gehärtet durch die wider- standsfähig gewordenen Eihäute durchfühlen lässt. Dabei ist das Fruchtwasser dunkler und das umgebende Formol heller geblieben. — Fast noch schöner als das grosse Präparat nehmen sich die weniger alten Früchte aus. Bei einem etwa 14 cm langen Embryo ist das Amnion ebenfalls erhalten ; dieses ist natürlich viel dünner, und das Fruchtwasser zeigt keine Trübung. Dadurch aber ist jede Einzelheit an der Frucht selbst, sowie am Nabel- strang zu erkennen. Die Temporalarterie ist auf der durchsichtigen Haut wie ein brauner Strich gezeichnet, und darunter schimmert das Gehirn noch durch die Schädelkapsel hindurch. Bei einer etwas grössern Frucht, etwa 30 cm lang, haben sich die feine Behaarung und die Haarwirbel sehr instruetiv erhalten. Dieser Embryo liegt in 1 : 20. Versuche mit ganzen Leichen sind bis jetzt nicht gemacht worden; die Möglichkeit ihrer Erhaltung ist aber mit Sicherheit anzunehmen. Man hätte natürlich, um nicht injiciren zu müssen, die stärkere Lösung (mindestens 1 : 10) anzuwenden. Von Säugethieren sind manche schon länger, zum Theil über drei Vierteljahre, in Formol 1 : 10 gebettet: Mäuse, Hamster, Meerschweinchen. Die Flüssigkeit ist, ohne gewechselt worden zu sein, klar geblieben. Die Thiere sind gut gehärtet, Gestalt und Färbung unver- ändert, und das Haar haftet fest. Das Auge erhält sich bei den Säugethieren sowohl wie bei den übrigen Wirbel- thieren besser, als in Alkohol, immerhin aber stellt sich nach einiger Zeit eine Trübung, mehr bei der Linse als bei der Hornhaut, ein. Reptilien und Amphibien halten sich gut. Die Frösche seheinen in Folge des Eindringens von Flüssigkeit in die Spalträume der Haut wie aufgeblasen; erweisen sich aber im übrigen unverändert. Vorzüglich erprobt sich das Formol als Conservirungs- flüssigkeit für Fische, da das Mucin, der Schleim, den diese absondern, klar und durchsichtig bleibt, und nicht zu jenen weissen Fetzen gerinnt, die bei Alkoholpräparaten entstehen. Die meisten Fische bewahren ihre Färbung mehr oder minder vollkommen. Goldfische allerdings entfärben sich auch in stark verdünnten Lösungen all- mählich vollständig, und die rothen Punkte der Forellen werden mit der Zeit weiss. Man verwendet, je nach der Grösse des Thieres, eine 10, 20, 30 und mehrfach ver- dünnte Lösung. Die Fische werden nach kurzer Zeit sehr schön hart. Bei Schausammlungen ist Benutzung von Gläsern mit flachen Wänden und in der Grösse und Form, dass die Fische sich in schwimmender Lage be- finden, anzurathen. Gestützt werden unsere Fische durch drei in einem spitzen Winkel zu einander geneigte Glas- stäbchen mit einer Spitze, die in den Bauch des Fisches getrieben wird. Die Schnecken, besonders die Nacktschnecken, die durch den hellen Schleim hindurch Färbung und Zeich- nung zum Theil tadellos zeigen, sind besonders hervorzu- heben. Mindestens so gut wie Alkohol erweist sich das Formol für Insecten, Spinnen und Ernster. Ueber Hirudineen wird Bl. mitgetheilt, dass die lebenden Thiere sich bei Behandlung mit Formol mehr zusammenziehen, wie bei Alkohol ; die contrahirten Exem- plare sind zahlreicher, die ausgedehnten dagegen weniger zahlreich. Die strohgelbe Farbe verblasst schneller; da- gegen scheinen sich die orangegelbe, die grüne, die braune und die schwarze Farbe nicht zu verändern. Zwei Ohrenquallen (Aurelia aurita) in 1 : 20 getötet und dann in 1 : 30 und 1 : 50 gelegt, nahmen sofort festere Beschaffenheit an, ohne die Durchsichtigkeit und Färbung einzubüssen oder die Form zu verändern. Das Präparat in 1 : 30 ist das schönere. Beide Quallen sind noch nicht lange eingebettet. Einzelne thierische Organe oder Muskelslücke werden in Formol bald gehärtet. Wichtig ist dabei, dass der Blutfarbstoff ausgezeichnet erhalten bleibt. Allerdings verblassen die Blutbezirke und verschwinden zunächst scheinbar in der Formollösung. Nimmt man alter die Präparate aus dieser Flüssigkeit und taucht sie in nicht zu schwachen Alkohol (60 — 90%igen), so tritt die charak- teristische Blutfärbung an ihnen wieder hervor, und man erhält ein prächtiges Bild der Vertheilung der Gefässe in dem betreffenden Objecte. Am schnellsten erscheint die frische Blutfärbung in hoehprocentigem Alkohol. Der 514 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 42. Wechsel von Formol und Alkohol kann wiederholt wer- den, und es zeigen sich dabei immer wieder dieselheu Reactionen. Sehr gerühmt werden die in Formol gehärteten Ge- hirnpräparate. Theilstücke sowohl wie ganze Gehirne weiden in Formol ziendich schnell gehärtet, und die graue und die weisse Suitstanz scheiden sich scharf von ein- ander. Die Schnitte sollen viel besser gelingen, als an Chromsäurepräparaten. Es wurde oben schon betont, dass durch Formol weder die mikroskopische Struktur noch die Färbbarkeit von Gewebsstückeu zerstört wird. Es liegen Präparate vor von fast allen Organen und nach den verschiedenen Methoden gefärbt. Zellleib und Zellstruktur, sowie der Kern in ruhendem Zustande und in der Theilung be- griffen, sind in den Präparaten fixirt, und die Blut- körperchen heben sich scharf von der Umgebung ab. Auch die Eier (Hühnereier) wurden in den Kreis der Conservirungsversuche gezogen, und baben in mancherlei Beziehung zu recht interessanten Ergebnissen geführt. Unverletzte rohe Eier in 1:5 zeigten nach 8 Tagen das Eiweiss derart verändert, dass es einen weisslich-grauen Mantel, aussen dünnflüssig-, weiter innen von schleimiger Consistenz, um den Dotter bildete. Dieser aber war gegen Erwarten fast hart; nur innen hatte sich ein Th'eil noch flüssig erhalten. Der Härtungsvorgang war also hier umgekehrt, wie beim Kochen. In den folgenden Tagen nahm der Dotter immer festere Consistenz an, während das Eiweiss erst nach langer Einwirkungsdauer seinen Aggregatzustand änderte, ohne jemals sich dem Härtegrad des Dotters zu nähern. Nach 38 Tagen war nach dem Oeffnen eines Eies ein schwacher Formolgeruch wahrzunehmen. Der Dotter war hart, schnittfähig' und zeigte eine äussere Zone von l1/-, mm Breite und eine innere schön gelbe Masse. Den ganzen Dotter umgab ein graulicher, kaum schnittfähiger, gallert- artiger Mantel, in dem die Chalazen und der Keimfleck deutlich hervortraten. Um diesen Mantel herum lag eine ganz schwach opalisirende, dünne Eiweissflüssigkeit. Ein rohes Ei mit kleiner Oeffnnng unter sonst gleichen Bedingungen zeigte dieselben Erscheinungen, nur in wesentlich kürzerer Zeit, nach etwa 17 Tagen schon. Nach 68 Tagen war ein solches Ei merkbar" schwerer. Das fester gewordene Eiweiss haftete an der Schale, so dass sich das Ei wie ein gekochtes schälen liess. Das Eiweiss sah wie Gelatine aus, war fest, weisslicbgrau. Der Dotter war sehr hart und liess sich brechen. Annähernd ähnliche Veränderungen, wie angebohrte Eier in 1 : 5, zeigten unverletzte Eier in Formojdampf (verdunstenden Tropfen). Ein gekochtes Ei in Formoldampf sah nach 30 Tagen wie frisch gekocht aus, roch im Innern nach Formol und übte dementsprechend beim Genuss eines kleinen Stück chens auf Zunge und Haut eine starke Reizwirkung aus. Ein rohes, unverletztes Ei, das 75 Tage in Formol- lösung von 1 : 5 gelegen hatte, wurde 15 Minuten in siedendem Wasser gehalten. Dotter und Eiweiss zeigten dasselbe Aussehen, wie ein ähnliches, längere Zeit iu Formol gelegenes, ungekochtes Ei der vorhergehenden Beschreibung-. Der Dotter war hart und das Eiweiss gallertartig. Trotz des langen Kochens hatte das Eiweiss weder jene schöne, porzellanartige, weisse Farbe eines gekochten gewöhnlichen Eies angenommen, noch seine gallertartige festweiche Beschaffenheit verändert, Das Eiweiss der Hühnereier verliert durch die Einwirkung des Formols die Fähigkeit, durch Hitze zu gerinnen. Wenn, wie jetzt anzunehmen, die Eiwcisskörpcr die- jenigen Substanzen sind, die vom Formaldehyd in ihrer chemischen Beschaffenheit verändert werden, so ergeben sich aus dem Unterschiede des Verhaltens des Dotters und des Eiweisses der Hühnereier eventuell für das Studium der verschiedenen Albuminsubstanzen verwerth- bare Anhaltspunkte. Im allgemeinen hat sich das Formol zur Erhaltung der Farbe der Blumen auf die Dauer weniger bewährt; nichtsdestoweniger ist auch diese Conservirung als ein Fortschritt zu bezeichnen. Viele Blüthen, im Sommer in Formol gebettet, werden brauchbare Demonstrationsobjecte für den Winter liefern. So ist eine Passionsblume (in 1 : 20) nach nahezu 10 Monaten noch ein schönes Prä- parat. Gut gehalten haben sich ferner mehrere Com- positen, namentlich solche von gelber Farbe, wie Heli- anthus ärgyrophyllum, Calendula officinalis u. a. Auch eine Rhododendronblüthe (1:20), eine Rose (1:50), Akebia quinata (1 : 20), Cornus Mas (1 : 20) u. s. w. haben Form und Farbe wenig verändert. Wohlriechende Blumen und Früchte machen das Formol zu einer angenehm duftenden Flüssigkeit, Das Chlorophyll wird von Formol nicht aus- gezogen; aber die grüne Farbe verblasst bei zarten Blättern mit der Zeit, Eine Dieffenbaehia mit an der Scheide angewachsenem Kolben ist wohl abgeblasst, bildet aber trotzdem ein schönes Präparat. Derbe Blätter, wie die von Rhododendron, lassen bis jetzt wenig Verände- rung wahrnehmen. Als günstig erweist sich die Con- servirung von Früchten. Zum Theil seit Herbst 1893 liegen in Formol und haben sich gut, mitunter vorzüglich gehalten: Blaue Trauben, Zwetschen, Mispeln, mehrere Cratägusarten, Cepbalotaxus, Bai.;;, e, verschiedene So- laminiarten, Magnolia tripetala, Erdbeeren, Mangifera in- dica. Bei den wenigsten Früchten war ein Wechsel der Suspendirungsflussigke.it erforderlich. Die Verwendung allzusehr verdünnten Formols wirkt zuweilen nachtheilig, weil aus einer solchen Flüssigkeit das Wasser anscheinend stärker diffundirt, Wenigstens zeigte sich öfters ein Platzen der Früchte bei grosser Verdünnung. Kirschen z. B. hielten sich gut in 1 : 30, während sie bei 1 : 60 oder 1 : 80 auf- sprangen. Auch bei den Blumen ist das Eindringen der Flüssigkeit in die gefärbten Hüllen an dem wässerigen Aussehen auffällig. Wie gross die Verdünnung bei den verschiedenen Pflanzen sein soll, ist schwer zu sagen; sie muss ausprobirt werden. Die Individualitäten sind ver- schieden. Von niederen Pflanzen wurden Trüffeln (1 : 10) und zwei jugendliche Phallus impudicus (1:30) eingelegt. Eines dieser letzteren Exemplare ist der Länge nach halbirt und stellt ein prächtiges Präparat dar. Colin hebt hervor, dass Formaldehyd ein vortreffliches Mittel zur Conservirung von Leueonostoe und chromogenen Bakterien sei, da die Gallerte und die Farben nicht ver- ändert werden. Auf die Conservirung der Bakterien als Dauerpräparate hat zuerst Hauser aufmerksam gemacht, indem er zeigte, dass Gelatine, in der Microorganismen gewachsen sind, durch Formaldchyddämpfe so umgewan- delt wird, dass sie nicht mehr verflüssigt werden kann, und dass auch schon peptonisirte Gelatine von den Dämpfen wieder fest wird. Weder die Gelatine noch die Microorganismen erleiden dabei eine eingreifende Ver- änderung, und die Präparate können zu Demonstrations- tiiid Sammlungszwccken aufbewahrt werden. Mikroskopische Schnitte von Pflanzen, die mehrere Monate iu 20'fach verdünnter Formollösung gelegen haben, zeigen die Zellhaut, das Protoplasma und die Chlorophyll- körner wie von frischen Exemplaren. Im verflossenen kalten Winter sind in dem ungeheizten Aufbewahrungsraum die verdünnten Formollösungen nicht gefroren, und auch im Freien ist bei — 18° C. Lufttempe- ratur die concentrirte Lösung flüssig geblieben. Formol härtet also thierische Objecte , ohne sie Nr. 42?! Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 516 schrumpfend zu mächen und ohne ihre mikroskopische Structur und Färbbarkeit zu zerstören. In Formol gehärtete Thiere bewahren zum grossen Theile ihre natürliche Form und Farbe. Das Auge bleibt in Formol wesentlich klarer als in Alkohol. Das Muciu der Schleim absondernden Thiere gerinnt nicht und bewahrt seine Durchsichtigkeit. Der Blutfarbstoff, der bei den in Formt»! gebetteten Gewebsstücken scheinbar verschwindet, wird durch hoeh- proccntigen Alkohol rasch und besonders schön wieder hervorgerufen. Pflanzliche Gebilde werden in Formol mehr oder weniger gut conservirt; gut erhalten sich die meisten Früchte. Chlorophyll wird nicht ausgezogen, kann sich aber je nach der Beschaffenheit der Blätter mit der Zeit ver- ändern. Die Erhaltungsdauer der übrigen Farbstoffe ist ebenfalls bei den einzelnen Pflanzen verschieden. Mikroskopische Schnitte von Pflanzen , die selbst längere Zeit dem Formol ausgesetzt sind, liefern schöne Präparate. Das verdünnte Formol ist nicht brennbar, und ist wohlfeiler als der Alkohol. (x.) Die nach vielen Seiten hin merkwürdigen socialen Beziehungen der Ameisen werden immei wieder das Interesse zahlreicher Beobachter erregen, und die Beob- achtungen werden immer wieder aufs neue das Interesse jedes denkenden Naturforschers und -freundes lebhaft für sich in Anspruch nehmen müssen. Zur Ergänzung der Mittheilungen, die die „Naturw. Wochenschr." über die neueren Arbeiten von Wasmaim (siehe 7. Bd., S. 252), Emery (siehe 8. Bd., S. 361; 9. Bd., S. 96), Schund (siehe 8. Bd., S. 426), Keller (siehe 7. Bd., S. 496) und Möller (siehe 8. Bd., S. 247) brachte, berichten wir über folgende Schriften. Während E. Was mann in dem Werke, das an der oben angeführten Stelle besprochen worden ist, die Be- ziehungen der Ameisengäste zu ihren normalen Wirthen erörterte, behandelte er die „internationalen Beziehungen" dieser Gäste im „Biol. Centralbl.", 11. Bd., S. 331. Er untersuchte erstens das Verhältniss der Ameisengäste zu fremden Colonien derselben Ameisenart, zweitens das zu fremden Ameisenarteu. Da sich die Ameisen nicht allein gegen fremde Arten, sondern auch gegen die Artgenossen, die einem fremden Bau angehören, im allgemeinen feind- lich benehmen, so kann ihr Verhalten gegen „fremde" Gäste auf Entstehung und Wesen der Ameisenfreund- schaften Licht werfen. Die Blattläuse sind allen Ameisen bekannt; der Verkehr mit ihnen ist für sie eine alltägliche Lebensbeschäftigung. Die Ameisengäste dagegen kommen oft nur bei einer bestimmten Art und auch hier nicht einmal in allen Nestern vor. Manche Gäste verlassen gelegentlich ihr Wohnnest und gelangen sodann nicht wieder in dasselbe zurück, sondern suchen ein fremdes auf. Es finden sich diese Thiere nicht allein gelegentlich im Freien, sondern auch ausnahmsweise bei einer fremden Wirthsanicise. Sie werden dann auch im allgemeinen aufgenommen. Das- selbe geschieht natürlich mit den Käfern, die als Larven bei Formica-, als Imagines bei Myrmica- Arten leben. In andern Fällen vertreibt oder tötet eine Art die Insassen eines fremden Nestes, schont aber und hegt weiter die in diesem gefundenen Gäste. Dagegen wurden Paussus, die nur einzeln bei ihrem Wirth wohnen, getötet, als sie zu mehreren in ein Nest gesetzt wurden. Polyphile Gäste werden natürlich weit eher geduldet, als monophile. Zwei grössere Arbeiten über zum Theil bisher unbe- kannte „Ameisengäste" veröffentlichte R. Mo nie/. Me moirc sur quelques Acariens et Thysanoures parasites ou emnrnensaux des founnis. Revue biol. du Nord de la France, 4. annee, Lille, S. 377. Sur quelques Arthro podes trouves dans des founnilieres. Eb., 6. annee, S. 201. Nachdem Forel, Haller, Canestrini, Lubbock, Wasmaim, 4>erlese und Michael bereits eine Anzahl Ameisenbauten , bewohnender Milben beschrieben haben, kann nunmehr Moniez nach Sammlungen, die Wasmaim, Forel, Emery, I er selbst u. a. in Europa und in fremden Erdtheilen ge- macht haben, 27 Arten aufzählen. Ein Nest der Formica rufa zu Feldkirch in Vorarlberg lieferte eine nein' Uro- poda-Art, eins von Camponotus liguiperdus zu Prag den (neuen Tyroglyphus Wasinanni. Ferner konnte Verf. als neu beschreiben ein Lciosoma aus Neu-Seeland, je einen ILaelaps aus Exaeten in Holland, von Washington und aus Brasilien. Die ameisenfreundlichen Thysanuren be- ziffern sich auf 17 Arten. Neben bereits bekannten zählt UMoniez auf eine Entomobrya aus Washington, eine Drepa- ''nura von Neu-Seeland, Lipureu von ebendort, von Linz am Rhein und Lepismcn aus der Provinz Oran. Schliess- lich bespricht Verl. zwei Geophilus und drei Landasselu, die Ameisennester mitbewobneii. C. Emery („Zur Biologie der Ameisen", „Biol. Centralbl.", 11. Bd., S. 165) beschäftigt sich erstens mit in Akazicndornen wohnenden Ameisen Costa Ricas. (Ueber die Myrmekophilie afrikanischer Akazien vergl. „Naturw. jWochenschr.", 7. Bd., S. 496 und 8. Bd., S. 361). Belt fand zuerst in Nicaragua, dass Pseudomyrma bicolor Akaziendornen an der Spitze anbohrte, während ein Crematogaster den Dornengrund bewohnt. A. Alfaro fand iin Costa Rica drei neue Pseudomyrma- Arten: Belti, spini- jcola und nigrocineta, die nur auf Akazien vorkommen. iDoch besiedelt denselben Baum nur je eine Art, die dann alle Dornen der lebenden Zweige in Besitz genommen Ihat. Tote Zweige haben leere Dornen. Alfaro sah die ;Ameisen eine Eidechse überfallen und töten. Pseudo- myrma subtilissima bewohnt nach Emery's Forschungen nur einzelne Dornen uud kommt neben P. Belti vor. Die ; Dornen des toten Holzes nahmen Camponotus senex und plänatus in Anspruch, die aber auch an andern Oertlich- keiten sich finden. - - Zweitens schildert Emery Liome- topum microcephaluni, eine europäische Raubameise. Sie ■ist kolonienbildend und wohnt in Italien an Eichen. Sic schleppt Blattläuse fort und beisst sie, pflegt sie also nicht. Emery beobachtete, dass zwei Thiere eine Fliege, ja einen starken Ohrwurm so festhielten, dass Gefährten kommen und die Beute bewältigen konnten. Ein 2 cm langer Bock, Vesperus luridus, eine Aasfliege, ja auch andere Ameisen fielen ihnen zum Opfer. — Zur Frage des Hochzeitsfluges erörtert Verf. den Umstand, dass die Weibchen bei einigen Arten geflügelt sind und gut fliegen, bei andern schlecht fliegen und wieder bei andern flügellos sind. Für die Entwickelung bezw. Erhaltung des Flug- vermögens wirken die Vortheile der Kreuzung, sowie der Artverbreitung, für die Verkümmerung desselben wirkt der Vortheil der Sicherung der Befruchtung bei Inzucht. Auch können flügellose Weibehen einen umfangreicheren Hinterleib erwerben und daher mehr Eier entwickeln. Diese vier Punkte widerstreiten bezw. unterstützen ein- ander. — Die Ernte der südeuropäisehen Ameisen ist nach Emery an keine bestimmte Jahreszeit gebunden, sondern findet statt, wenn sich für sie Gelegenheit dar- bietet. — Schliesslich untersucht Emery die Verhältnisse von andern Iiiseeten zu Ameisen und stellt folgendes Schema auf. 1. Myrmecophagie findet selten statt, so bei Quedius brevis, Myrmedonia, Crabro curvitarsis. 516 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 42. 2. Myrmekasphalie, d. h. Sicherheit gegen den Angriff von Ameisen, wird erworben a) durch die Flucht, Springen, rasches Laufen, Fliegen u. dergl. mehr; b) durch geringe Grösse. Die Ameisen übersehen kleine Insecten. c) Ein harter Panzer macht z. B. den Hirschkäfer unangreifbar. d) Dichte Behaarung, wie bei Raupen, hindert den Angriff. e) Der Aufenthalt auf unwegsamen, klebrigen Zweig- spitzen macht z. B. die Larven des 1'appelUiifers unerreichbar. Dieselben werden sonst trotz ihres ekelerregenden Saftes gefressen. f) Endlich dienen Riechstoffe, wie bei dem Käfer Formicomus pedestris, als Abschreckungsmittel. 3. Myrmecophilie. Die unechten Gäste sind Thiere, die nicht gepflegt noch gefüttert werden. 4. Myrmecoxenie. Die echten Gäste werden gepflegt und gefüttert. Ferner giebt das in der „Naturw. Wochenschr.", Bd. 7, S. 252 besprochene Buch Wasmann's uuserm Ameiseuforscher Gelegenheit, sich über „Intelligenz und Instiuct der Thiere" zu äussern. („Biol. Centralbl.", 13. Bd., S. 151). Emery schreibt den Thieren Intelligenz zu, allein einmal unterscheide sich die thierische Seelen- thätigkeit von der menschlichen durch den viel geringeren Grad des Verstandes und zweitens fehle dem Thiere das Werkzeug der Sprache. Die Fähigkeit, aus den viel- fachen Erfahrungsbildern allgemeine Erkenntnisse zu ge- winnen und dieselben in Verbindung mit gegenwärtigen Sinneswahrnehmungeu zu bewussten, zweckmässigen Hand- lungen zu verwerthen, kommt auch den Thieren zu. Nennt man diese Fähigkeit Verstand, dann sind die Thiere in- telligent. Man würde dann unter Instinct nur die Fähig- keit verstehen, unbewusst zweckmässige Handlungen zu begehen. Da Emery eine mechanisch biologische Er- klärung der vorliegenden Fragen für nicht erreicht er- achtet, den Wasmann'sehen Standpunkt der Erklärung aus der Existenz eines menschlich denkenden Schöpfeis heraus aber auch nicht theilen kann, kehrt er „lieber zum ignoramus" zurück. Die Frage nach dem Gehör der Ameisen hängt innig mit dem Nachweise eines Vermögens, Töne hervorzu- bringen, zusammen. Wasmann („Biol. Centralbl.", 13. Bd., S. 39: „Lautäusserungen der Ameisen") berichtet nun, dass er die Beobachtungen Forel's und Wroughton's über solche Lautäusserungen bestätigen kann. Er konnte von einer aufgeregten Abtheilung der Myrmica ruginodis deutlich ein zirpendes Geräusch wahrnehmen. Swinton hat von dieser Ameise schon früher vernnithliche Sehrill- organe beschrieben. Sie befanden sich am Grunde des Hinterleibes und am zweiten Stielchenglied. Hierzu be- merkt C. Emery (eb. S. 189), dass grosse amerikanische Poneriden gleichfalls zirpen. Die feine Querstreifung der am ersten Hinterleibsgliede eingebeckten Fläche des zweiten scheint bei Paraponera- und Pachycondyla-Arten als Reibeplatte zu dienen. Schulz in Parä hörte Pachy- condyla flavicornis zirpen. — Nebenbei bemerkt sah der- selbe Beobachter die Ameisen Gigantiops destruetor und Odontomachus haematodes von Zweig zu Zweig springen. J. Ritzema Bos („Biol. Centralbl.", 13. Bd., S. 245) berichtet über eine starke Colonie der ursprünglich tro- pischen, jetzt kosmopolitisch gewordenen Pharao-Ameise, die zu Leeuwarden in der Provinz Friesland das Post- gebäude erobert hatte. Hierzu bemerkt Emery (eb. S. 435), dass seiner Ueberzeugung nach Ostindien die Heimath dieser Ameise ist, die durch Schiffe überall hin verschleppt wurde. Er fügt weitere Fälle solcher Verschleppungen an. Dr. C. Matzdorff. Die „Ohren" der Kerfe betrifft eine Mittheilung C. M. Childs im „Zool. Anz.", Jahrg. 1894, S. 35. Das in Frage stehende Organ schildert Verfasser an der ge- wöhnlichen Wespe als im kleinen zweiten Glied der Ar- tenne gelegen. Es besteht aus kleinen in der Gelenkliaut eingebetteten geschlossenen Poren oder Röhrchen , deren jedes eine Gruppe langer Stäbchen einschliesst. Während nun schon 1855 Johnston diese Gebilde als Gehörwerk- zeuge des Mosquito beschrieb, konnte Verfasser sie an allen untersuchten Zweiflüglern nachweisen, ferner aber auch an Homopteren, Schaben, Heuschrecken und Wespen. Wahrscheinlich dient dieses Werkzeug zugleich dem Tastsinn. C. M. Ueber die Structur des Blüthenstaubes bei den Acanthaceen und deren Bedeutung für die Systematik dieser Familie macht G. Lindau interessante Mitthei- lungen in Engler's Bot. Jahrbi, Bd. XVIII. 1893. Heft 1 und 2. Es ist zwar einerseits unbestreitbar, dass ein System, in welchem ein und dasselbe Eintheilungsprincip für die verschiedensten Formenkreise überall in gleicher Weise augewandt und als massgebend angesehen wird, nicht die natürlichen Verwandtschaftsverhältnisse zum Aus- druck bringen kann. Aber anderseits giebt es Formen- kreise, innerhalb welcher ein und dasselbe Merkmal für eine natürliche Gruppirung von so grosser Bedeutung ist, dass es zu einem ebenso bequemen wie durchschlagenden Einteilungsprincip erhoben werden kann. Wir werden eine derartige Gruppirung solange für natürlich ansehen, wie die Berücksichtigung anderer Merkmale nicht das Gegentheil zeigt. Radlkofer hat zuerst in der Structur des Pollens für die Acanthaceen ein solches Merkmal ge- funden und darauf hingewiesen. Lindau setzte nun diese Untersuchungen fort und erweitert sie in vorliegender Arbeit zu einem consequent durchgeführten System der Acanthaceen auf Grund der Pollenstructur. Es werden 12 verschiedene Pollenarten unterschieden, welche sämmtlich auf zwei Holzschnitten und zwei Tafeln in mehr als 150 Einzelfigurcn abgebildet sind. Manche sind sehr charakteristisch, wie z. B. der Wabenpollen, der Spaltenpollen, Stachelpollen u. a. Oft ist der Bau sehr eomplicirt, dass nur ein geübtes Auge sich ein deutliches Bild der wahren Gestaltung machen kann. Es herrscht eine geradezu erstaunliche Mannigfaltigkeit. Jedoch ist nach Lindau für die Gattungen die Pollenart constant; so dass oft ein einzelnes Pollenkorn genügt, um die Gattung, mindestens aber um die Tribus zu bestimmen. Man kann wohl kaum bestreiten, dass die Structur der Pollenkörner mit der Bestäubung im Zusammenhange steht. Jedoch liegen hierüber noch keine Beobach- tungen vor. Ebenso steht es mit den Beziehungen zwischen Pollen und Phylogenese. Nach kurzer Charakterisirung der Hauptgruppen wird der Zusammenhang derselben, wie ihn Verf. sich vorstellt, besprochen. Er hebt dabei aus- drücklich hervor, dass er „solchen phylogenetischen Spe- culationen" nur insofern Wert beilegt, als der behandelte Gegenstand dadurch „weiter verarbeitet" wird, verwahrt sich aber dagegen, das von ihm gegebene Schema für einen „Stammbaum" anzusehen. Während der letzte Bearbeiter dieser Familie, Ben- tham, in Benth. et Hook. Gen. pl. II, S. 1062 die Acan- thaceen zunächst in fünf Unterfamilieu (oder Tribus) Nr. 42. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 517 theilte, nimmt Verf. nur drei an. Nelsonioideae, Thunber- gioideae (beide ungefähr in Bentham's Sinne) und Acan- thoideae, worin Bentham's Buellieae, Acantheae und Justicieae zusammengefasst werden. Die Acanthoideae werden weiter eingetheilt nach der Deckung der Kronen- blätter in die Contortae mit 7 Tribus und die Imbricatae mit 9 Tribus. Auf das System genauer einzugehen, ist hier nicht am Platze. Ein eingehenderer Vergleich zeigt jedoch, dass Lindau sowohl die Tribus (resp. Subtribus im Sinne Bentham's) wie auch die Gattungen vielfach ganz anders abgrenzt als es sein grosser Vorgänger gethan hat. Am auffallendsten ist dies bei den Justicieen. Ausserdem ist die Zahl der neuen Gattungen eine sehr grosse. Der Verf. hat, eine spätere Publication hinzu- gerechnet, 14 neue Gattungen aufgestellt, die sich im Wesentlichen auf die Structur des Pollens gründen. Auch der Umstand, dass es dem Verf. gelungen ist, einen, wenn auch künstlichen Bestimmungsschlüssel der Gattungen einzig und allein auf Grund des Pollens zu liefern, ist ein Beweis der morphologischen Bedeutung, den dieser für die Systematik der Acantliaceeu hat, Th. Loesener. Der Ballon „Cirrus", welcher eigens zu dem Zweck erbaut worden ist, die Verhältnisse in den höchsten, dem Mensehen nicht mehr zugänglichen Regionen der Atmo- sphäre zu erforschen, hat am 7. Juli seine erste Fahrt gemacht. Die Resultate derselben, welche theilweis ge- radezu überraschend sind, werden jetzt des genaueren in der „Zeitschrift für Luftschifffahrt und Physik der Atmo- sphäre" mitgetheilt. Es betindet sicli in dem Ballon eine Vorrichtung, welche dauernd den Stand eines Assmann- schen Aspirations-Thermometers photographirt, ebenso den eines Barographen. Die Aspiration wird durch ein Exhaustorscheibenpaar herbeigeführt. Eine Auffahrt des Ballons ist, wie man sieht, immer ein Wagniss, da bei einer unglücklichen Fahrt (z. B. ins Meer) zahlreiche, werthvolle Instrumente verloren gehen würden. Nachdem am Abend des 6. Juli, 67a Uhr, der be- kannte Ballon „Phönix" mit den Herren Berson und Baschin vom meteorologischen Institut aufgestiegen war, Hess Professor Assmann am folgenden Tage um 3 Uhr 40 Minuten früh, kurz vor Sonnenaufgang, den mit Leucht- gas gefüllten Ballon „Cirrus" folgen, da dieser für seine Aufzeichnungen des Tageslichtes bedarf. Der „Cirrus", der mit kolossaler Geschwindigkeit aufstieg, schien anfangs dem „Phönix" folgen zu wollen. Dieser Umstand erregte Besorgnisse, denn der herrschende Siidost-Wind, welcher den „Phönix" nach 9stiindiger Fahrt nach Mittel jiitlaiid trieb, hätte den „Cirrus" leicht in die Ost- oder Nordsee verschlagen können. Bald aber änderte sich die Richtung des Ballons vollständig, und dieser wurde nunmehr nach Süden davongetragen, so dass man ausser Sorge sein konnte, da dem Finder für die Benachrichtigung eine Belohnung in mehreren Sprachen zugesichert war. Wie erstaunte man aber, als die Nachricht eintraf, der Ballon sei um 3 Uhr Nach- mittags am 7. Juli in Bosnien, und zwar an der Drina, der Grenze gegen Serbien, bei Tavua im Distriet Zvornik, niedergegangen und glücklich geborgen. Unter Ab- rechnung der Minuten, in denen er Anfangs nach Nord- west flog und der letzten halben Stunde, während welcher er nahe am Erdboden dahinstreifte, hatte er in zehn Stunden einen Weg von rund 1000 Kilometer zurück- gelegt, das heisst, seine mittlere Geschwindigkeit hatte die fast unglaubliche Höhe von 28 Metern pro Secunde erreicht. Herr Berson, der sich der Aufgabe unterzogen hatte, den Ballon aufzusuchen und zurückzutransportiren, brauchte zur Zurückleguni;' der gleichen Strecke volle 54 Stunden. Die Apparate waren fast unversehrt, und das erst nach 10 Tagen entwickelte Photogramm war von wünschenswerthester Deutlichkeit. Schon um 4 Uhr 30 Minuten, also 50 Minuten nach Beginn der Fallit, zeigte das Barometer einen Stand von nur 84 Millimeter Quecksilberdruck, was unter Berücksichtigung der gleich- zeitigen Temperatur von — 52° C. einer Höhe des Ballons von 16 325 m entspricht. Ein solcher Werth ist bisher noch niemals erreicht worden: die berühmte Fahrt, welche der englische Meteorologe Glaisher am 5. September 1862 unternahm, und auf welcher der kühne Forscher nur wie durch ein Wunder dem Tode entging, erstreckte sich nur bis 11 272 m, und andere frei aufgelassene Ballons er- hoben sich wohl auch nie über 13 000 — 14 000 m. Die genannte Höhe des „Cirrus" dürfte aber wohl noch nicht einmal die wirklich höchste gewesen sein, denn der baro- metrische Rcgistiirapparat war nur bis auf 85 mm ein- gerichtet worden, da man so colossale Werthe, wie sie thatsäcblich erreicht wurden, nach früheren Erfahrungen nicht erwarten zu dürfen glaubte. So zeigt zwar die so ausserordentlich wichtige Fahrt noch einige Mängel auf, doch darf man von der Zukunft noch unschätzbares Material von den Aufstiegen des „Cirrus" erhoffen, zumal da natürlich die Registrirapparate in angemessener Weise umgeändert werden sollen. Bei einer weiteren Fahrt des „Cirrus" im Anfang September, deren definitive Ergebnisse noch nicht ver- öffentlicht sind, und über deren Verlauf wir seinerzeit noch genauere Angaben machen werden, scheint der Ballon bei 53 mm Quecksilberdruck und — 67° C. eine Höhe von 18500 m erreicht zu haben. R. Heunig. Vertheilung der Nebelflecke und Sternhaufen. - In den „Monthly Notices of the royal astronomical society" wurden kürzlich Tafeln veröffentlicht, welche die Ver- theilung der Nebelflecke und Sternhaufen nach Dreyer's grossem Catalog von fast 8000 Nummern veranschau- lichen und dieselbe mit dem Verlauf der Milchstrasse, der kürzlich durch Boeddicker und Gould genau festgestellt wurde, zu vergleichen gestatten. Dabei tritt sehr auffällig hervor, dass die Sternhaufen dem Lauf der Milchstrasse genauestens folgen und fast ausschliesslich in deren un- mittelbarer Nähe zu finden sind, während die Nebelflecke im Gegentheil in den von der Milchstrasse entferntesten Theilen des Himmels am dichtesten stehen und jenen bekanntlich aus zahllosen teleskopischen Sternen bestehen- den Gürtel, den wir als Milchstrasse mit blossem Auge wahrnehmen, vollständig meiden. Dadurch gewinnt die Newcomb'sche Ansieht über den Bau des Weltalls er- höhte Wahrscheinlichkeit, nach der die Gesammtheit der Nebelmassen einen ungefähr kugelförmigen Raum aus- füllen sollen, in welchem nur längs einer Mittelebene bis jetzt eine Verdichtung zu Sternen und Sternhaufen statt- gefunden hat. F. Kbr. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: der ausserordentliche Professor der tech- nischen Mikroskopie und Waarenkunde an der technischen Hoch- schule in Wien Franz von Höhnel zum ordentlichen Professor der Botanik an der Hochschule für Bodencultur daselhst; Dr. Julius Euting und Dr. Ludwig Müller von der Universitäts- bibliothek in Strassburg zu ( >berbibliothekaren. Berufen wurden: der Professor der Hygiene an der Universität Halle Dr. F. Renk zum ordentlichen Professor in der chemischen Abtheilung der Dresdener technischen Hochschule; Dr. Charles L Edwards als Docent für Biologie an die Universität Cin- cinnati, Ohio; Mr. William Lunt vom Botanischen Garten in 518 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 42. Kew als Hilfsinspector an den Königl. Botanischen Garten in Trinidad. Abgelehnt hat: Professor Nicoladoni in Innsbruck den Ruf als Professor der Chirurgie nach Prag als Nachfolger des nach Wien übergesiedelten Professors Gussenbauer. Gestorben sind: der frühere Director der medicmischen Klinik an der Münchener Universität Professor Kossbach; der Botaniker Professor Dr. Nathan Pringsheim, Geh. Regierungs- rath und Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften; der hervorragende Londoner Arzt und medicinische Schriftsteller Dr. Henry Madge in St. Albans; der Assistent am hygienischen Institut in Hamburg Dr. Oertel. Litteratur. Caroli Linnaei, Systema naturae, Regnum animale. Editio decima, 1757, cura societatis zoologicae germanicae iterum edita, Sumtibus Guilelmi Engelmann. 1894. — Preis 10 M. Der wissenschaftliche Systematiker kann — namentlich aus uomenclatorischen Rücksichten — Linne's Systema naturae nicht entbehren, die vorliegende vorzügliche Neu-Ausgabe wird daher vielfach mit Freuden begrüsst werden. Das Werk ist dem Fach- mann zu bekannt, als dass mehr als eine Anzeige berechtigt wäre. Dr. L. Rabenhorst's Kryptogamen Flora von Deutschland, Oesterreich und der Schweiz. 2. Auflage bearbeitet von G. Winter, H. Eelim, Alfr. Fischer, F. Hauck, Chr. Luerssen, G. Limpricht und W. Migula. Verlag von Eduard Kummer. Leipzig 1880—1894. Es sind mir in diesem Jahre besonders im Herbst so aus- nahmsweise viele Thallophyten, namentlich Pilze, in Folge der stetig feuchten Witterung, zur Bestimmung zugegangen und es ist mir aus verschiedenen Kreisen so oft die Frage nach einer guten Bestimmungsflora für Thallophyten zugegangen, dass ich einmal Gelegenheit nehmen will, nachdrücklieh auf die im Titel genannte treffliche Flora aufmerksam zu machen: der einzigen, vollständigen, zeitgemässen Kryptogamen-Flora, welche wir be- sitzen. Freilich ist die Anschaffung der gesammten, übrigens noch längst nicht abgeschlossenen, in Lieferungen erscheinenden Werkes bei dem hohen, dabei aber keineswegs etwa zu theueren, sondern bei der guten Ausstattung und reichen Illustration durch- aus dem Gebotenen entsprechenden Preise, auch bei dem bedeu- tenden Umfang des Werkes nicht Jedermanns Sache. Bibliotheken, auch Schulbibliotheken, sollten aber auf keinen Fall versäumen, das Werk zu beschaffen, und der Einzelstehende kann aus dem Werk diejenigen Abtheilungen (etwa die Farnpflanzen für sich, die Pilze, u. s. w.), die ihn besonders interessiren, einzeln käuflich erhalten. Bis jetzt sind erschienen von den Pilzen: 1. Abth.: Schizomycetes, Saccharomycetes und Basidiomycetes. Bearbeitet von Dr. Georg Winter. 1880—83. (33,60 M.). 2. Abth.: Gymnoasceae und Pyrenomycetes. Unter Mitwirkung von Prof. A. de Bary und Dr. A. Rehm bearbeitet von Dr. Geo. Winter. 1884—87. (36 M). 3. Abth.: Hysteriaceae und Pezizazeae. Unter Mitwirkung von Prof. A. de Bary bearb. von Dr. H. Rehm. Lief. 28—42 (ä Lief. 2,40 M). 4. Abth. : Phycomycetes. Bearb. Ton Professor Dr. Alfr. Fischer. 1891 und 92. (19,20 M). — Von den Algen: Die Meeresalgen, von Dr. Ferd. Hauck. 1882—85. (28 M). Die Farnpflanzen oder Gefässbündelkryptogamen (Pteridophyta) hat Prof. Dr. Chr. Luerssen bearbeitet. 1884—89. (33,60 M), die Laubmoose. K. Gust. Limpricht. Von diesen sind erschienen die 1. Abth.: Sphagnaceae, Andreaeaceae, Archidiaceae, Bryineae (Cleistocarpae, Stegocarpae [Acrocarpae]). 1886—90. (31,20 M) und von der 2. Abth. : die Orthotrichaceae, Eucalyptaceae, Georgia- ceae, Schistostegaceae, Splachnaceae, Disceliaceae, Funariaceae, Bryaceae, Mniaceae, Meeseaceae, Aulacomniac, Bartramiac, Tim- miac, Polytrichac, Buxbaumiac. Fontinalac.,Cryphaeac, Neckerac. 1890—94. 24. Lief, ä 2,40 M. Von den Characeen, bearb. von Prof. Dr. W. Migula, sind 9 Abth., 1889—94, erschienen (ä Lief. 2,40 M). Wir haben uns über die 3 ersten Lieferungen der Characeen bereits ausführlich in der „Naturw. Wochenschr." Bd. V, S. 179 geäussert. Wir werden von jetzt ab nicht verfehlen, den Leserkreis regelmässig über den Fortgang des verdienstlichen Gesammtwerkes auf dem Laufenden zu erhalten. P. Eugen Büchner, Mammalia Przewalskiana*), Lief. 5. St. Peters- burg 1894. Nach längerer Pause, welche wohl hauptsächlich durch Mützel's Erkrankung und Tod veranlasst war, ist kürzlieh wieder eine Lieferung der von Eug. Büchner bearbeiteten „Mammalia Prze- *) Wissenschaftliche Resultate der von N. M. Przewalski nach Central -Asien unternommenen Reisen etc., Zoolog. Theil, Bd. I., Säugethiere. walskiana" erschienen. Dieselbe bringt zunächst als Fortsetzung aus Lieferung 4 die noch übrigen Lagomys- (Pfeifhasen-) Arten, nämlich Lag. ladacensis Günther und Lag. koslowi Büchner (n. sp.) nebst sehr schönen Abbildungen der Thiere selbst, sowie der zu- gehörigen Schädel. Sodann folgen mehrere Hasen- Arten, nämlich Lepus yarkan- densis Günther, L. tolai Pallas, L. O'ostolus Hodgs., L. pallipes Hodgs , L. timidus Linn. (= L. variabilis Pall ) Den Sehluss bilden die Katzen-Arten, und zwar Felis tigris Linn., F. uueia Schreb., F. pardus Linn., F. scripta A. Milne Edw., F. caudata (Gray), F. shawiana Blanf., F. pallida Büchner und F. lynx Linn. Bei jeder Art wird die vorhandene Litteratur ausführlich an- gegeben, die Synonymie erörtert, die vorhandenen Exemplare be- schrieben , die geographische Verbreitung und Lebensweise be- sprochen; Alles in musterhafter Weise. Die Abbildungen gehören zu den besten, welche die Säugethier-Litteratur aufzuweisen hat. A. Nehring. Professor Dr. A. Karsch, Vademecum botanicum. Handbuch zum Bestimmen der in Deutschland wildwachsenden, sowir in Feld und Garten, im Park. Zimmer und Gewächshaus kultivirten Pflanzen. Otto Lenz in Leipzig, 1894. — Preis 26 Mk. Ein Buch, wie das vorliegende, zu besitzen, ist nach meiner Erfahrung der Wunsch vieler Botanophilen. Deshalb hatte ich auch — um wenigstens zum Theil diesem Wunsche nachzu- kommen — begonnen, für die 5. Auflage meiner „Illustrirtcn Flora" die häufigsten und häufigeren Pflanzen unserer Gärten in grösserem Umfange einzuführen, als dies sonst in Floren üb- lich ist. Nach dem Erscheinen des vorliegenden Buches werde ich freilich die gethane Arbeit — und es war keine kleine! — , wenn auch nicht ganz, so doch zum guten Theil, wieder kassiren. Ausser den im Freien bei uns aushaltenden Gartenpflanzen und den häufigsten unserer Zimmer -Topfpflanzen, die ich allein (in kleinem Druck) zu berücksichtigen gedachte, hat aber Professor Karsch auch die häufiger in Gewächshäusern beliebten Pflanzen mit herangezogen; so finden sich über 80 Palmenarten in dem Buche aufgeführt. Verfasser wollte ein Hand- und Nachschlagebuch liefern „für Lehrer, Lernende, Gärtner, wie Garten- und Blumen- freunde, es soll Jedermann zur Orientirung dienen über ihm be- gegnende, ihn interessirende, ihm unbekannte Pflanzen" im Freien und sonst in der Heimath. Nehmen wir naturgemäss die botanischen Gärten aus, so muss ich sagen, dass das Buch in der That im Stande ist, Ansprüchen, die man an ein solches vernünftiger Weise stellen kann, zu genügen, d. h. über die systematische Zugehörigkeit und den Namen der bei weitem meisten, in unserer Heitnath lebend vorhandenen Siphonogamen und Pteridophyten bequeme Auskunft zu geben. Es werden fast 10 000 Arten behandelt. Die vielen kleinen, dem Werke ein- gestreuten, charakteristischen und gut ausgewählten Bilderchen (1723 Figuren !) werden dem Anfänger sehr gute Dienste leisten. Das Buch muss langer Hand vorbereitet gewesen sein, denn es zeigt durchweg gewissenhafte Arbeit. Wenn ich trotzdem darauf aufmerksam mache, dass eine Anzahl wichtiger Arten über- sehen sind (Humulus japonicus, Solanum sisymbriifolium u. s. w.), so geschieht das nicht etwa, um das Buch zu bemängeln, sondern nur, um nicht von Fachleuten hören zu müssen, dass ich das etwa übersehen hätte. Für die Kurzfassung von Gattungen, die „botanicorum crux et scandalum" sind, wie Rubus und Hieracium, wird derjenige, der ein Buch, wie das vorliegende, braucht, nur dankbar sein. Uebrigens giebt K. in solchen und anderen Fällen zweckmässig Litteratur an. sodass dem, den der momentane Stand der Art-Umgrenzung solcher Gattungen inter- essirt, oft zu den richtigen Quellen gewiesen wird. Vielfach sind dieselben veraltet; so wird bei Juncus Meyer's Arbeiten von 1819 und 1822 gedacht, aber nicht derjenigen Buchenau's u. s. w. Leider ist der Verfasser nicht mehr in der Lage, eine hoffenlich, einmal nöthig werdende Neuauflage selbst zu besorgen, da er schon 1892 durch den Tod abberufen wurde, aber bei der guten Anlage des Buches und dem Fundament, das es liefert, würde es einem tüchtigen Neu - Ueberarbeiter nicht zu schwer werden, an demselben weiter zu arbeiten. Die etwas veraltete Terminologie (z. B. nennt Verfasser bei den Kryptogamen S. LV die Sporen „Samen", und er sagt gar „Samen ohne Keimblätter") wird den Interessenten kaum stören. Schul- und Gartenbibliotheken, die nicht in der Lage sind, sich eine grosse systematische Bibliothek zu beschaffen, sollten nicht versäumen, das Buch zu kaufen. P. Wilhelm Blasius. Seeschiffe im Kampf mit Orkanen. Eine Verteidigung gegen eine Kritik im „Globus" (Deutsche See- warte). Verlag von Albert Limbach. Braunschweig 1894. — Preis 0,80 Mk. Es handelt sich in dieser kleinen Schrift lediglich um eine Ver- theidigung der Ansichten, welche der Verfasser in seinem früheren Nr. 42. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. .,!>) Werk: „Stürme und moderne Meteorologie" geäussert hatte._ Eine kurze Besprechung dieser grösseren Arbeit findet sich in der Naturwissenschaftlichen Wochenschrift" in der Nummer vom 4. Miliz 1894 (Nr. 9). H. Poincare, Les oscillations electriques. Lecons professees pendant le premier trimestre 1892 93. Redigees par M. Ch. Maurain. Georges Carre, editeur a Paris. 18'.)4. Nichts kann die Befruchtung, welche die physikalische For- schung durch unseren leider so früh verewigten Hertz empfangen hat, deutlicher vor Augen stellen, als das Erscheinen des vorlie- genden Werkes, das auf mehr als 300 Seiten in prägnanter Kürze ausschliesslich die Untersuchungen behandelt, die durch Hertz vor erst wenigen Jahren begonnen und seitdem von ihm im Verein mit einer grossen Schaar eifriger Jünger der Wissenschaft mit Erfolg weiter geführt worden sind. Poincare giebt im vorliegenden Werke nicht bloss eine Uebersicht über sämmtliehe einschlägige Experimentalunter- suchungen, sondern es wird besonderes Gewicht auf die Theorie der elektrischen Oscillationen gelegt und für alle Abweichungen der Ergebnisse des Experiments von den Forderungen der Maxwell- scheu Theorie werden die Ursachen erforscht, da ja der wesent- liche Zweck jener Versuche die Bestätigung der theoretischen Anschauungen Maxwell's ist. Nach einer allgemeinen Ausein- andersetzung der Theorie und der Hertz'schen Schwingungen wird das Phaenomen der Resonanz und der Ausbreitung der Schwingungen längs eines Drahtes behandelt. Hierbei werden namentlich die Vervollkommnungen der Hertz'schen Versuche durch Blondlot, Perot, Jones, Rubens und Bjerknes erörtert. Es folgt dann die Darstellung der Ausbreitung der Schwingungen durch die Luft, über die ausser Hertz namentlich Sarasin und de la Rive experimentirt haben. Ein dritter Abschnitt des Werkes beschäftigt sich mit der Ausbreitung der Schwingungen in von der Luft verschiedenen Dielektricis. Es werden hier die zahlreichen Methoden der Bestimmung der Dielektricitätscon- stanten auseinandergesetzt, deren Werth nach Maxwell gleich dem Quadrat des Brechungsexponenten sein müsste. Verschie- dene Umstände jedoch, vor Allem wohl die Unkenntniss der Function, welche die Abhängigkeit des Brechungsexponenten von der Wellenlänge angiebt, haben die zahlreichen Experimen- tatoren zu sehr abweichenden Resultaten, und nur wenige zu leidlich mit der Theorie stimmenden Werthen geführt. In beson- deren Anhangskapiteln giebt Poincare seinem Leser auch noch Kunde von Untersuchungen, die erst nach der Abhaltung der dem Werke zu Grunde gelegten Vorlesungen bekannt geworden sind. So wird z. B. auch die neueste directe Messung der Ge- schwindigkeit des elektrischen Stromes in Drähten von Blondlot beschrieben, die, entgegen den früheren Bestimmungen von Fizeau und Siemens zu einem mit der Lichtgeschwindigkeit sehr nahe übereinstimmenden Werthe geführt hat. Ebenso werden anhangs- weise die Versuche von Righi besprochen, welche sich auf die Frage nach der Richtung der Schwingungen im polarisirten Strahl beziehen und zu entgegengesetzten Ergebnissen geführt haben, als die von Klemencic. Demnach muss auch heute noch jene Frage als unentschieden gelten. — Das Buch bietet, wie wohl schon aus dem Gesagten hervorgeht, eine so reiche Fülle von Belehrung, dass es jedem sich ernstlich für dieses moderne Arbeitsfeld Interessirenden angelegentlichst empfohlen werden kann. F. Koerber. Dr. Arthur Korn, Eine Theorie der Gravitation und der elek- trischen Erscheinungen auf Grundlage der Hydrodynamik. I. Theil: Gravitation und Elektrostatik. IL Theil: Elektro- dynamik. I. Abschnitt: Theorie des permanenten Magnetismus und der konstanten elektrischen Ströme. Ferd. Dümmler's Verlagsbuchhandlung. Berlin 1892 und 1894. — Preis 1,50 und 3 Mk. Da3 Bestreben, die scheinbar in die Ferne wirkenden Kräfte auf Nahwirkungen zurückzuführen, zieht sich wie ein rother Faden durch die gesammte theoretisch - physikalische Forschung der Gegenwart. Indessen leiden alle bisher zu diesem Zwecke aufgestellten Theorien an zu grossem Mangel der Anschaulichkeit, oder unterliegen, wie die Maxwell'sche Theorie, gewissen Be- denken in Bezug auf die bei der Ableitung vorausgesetzten Eigenschaften des die Erscheinungen der Fernwirkung erzeugen- den Mediums. Darum ist bereits mehrfach , namentlich von Kirchhoff und Bjerknes, der Versuch unternommen worden, die Phänomene auf Vorgänge in einer den gewöhnlichen, hydro- dynamischen Gesetzen gehorchenden Flüssigkeit zurückzuführen, während Leahy und auch Hankel bei ihren Theorien ela Medien voraussetzten. Der Verfasser hat es im vorliegenden Werke unternommen, die Bjerknes'schen Ideen weiter zu ver- folgen und an einer vollständigen Theorie der Gravitation und der elektrischen Erscheinungen auszuarbeiten. Bjerknes unter- suchte die gegenseitigen Einwirkungen zweier pulsirender Kugeln auf einander, die sich in einer incompressiblen Flüssigkeit be finden und die, abgesehen von ihrer Pulsation, als starr ange- nommen werden. Er fand dabei, dass zwischen derartigen Kugeln in der That dem Entfernungsquadrat umgekehrt proportionale Centralkräfte auftreten, doch sind diese Kräfte bei gleichen Pul- sationsphasen beider Kugeln anziehende, bei entgegcng"iset/.tcn Phasen abstossende, was gowisscrinaassen einem umgekehrten Coulomb'schen Gesetz entspricht, während die Theorie der Gravi- tation weiter keine Schwierigkeiten bereiten würde. Es handelte sich daher für den Verfasser zur Begründung einer Theorie der elektrischen Erscheinungen darum, die Bjerknes'schen Annahmen so zu modifieiren, dass sich das umgekehrte Resultat ergiebt, und dazu gelangte derselbe durch eine Modifikation der Starrheit der pulsirenden Oberflächen. Korn nimmt nämlich als elektrisches Theilchen eine Kugeloberfläche an, durch deren poröse Ober- fläche periodisch Flüssigkeit eingesaugt und ausgestossen wird, sodass die starre Oberfläche in Ruhe bleibt. Die Schwingung- dauer dieser elektrischen Pulsationen wird derjenigen der Gravi- tationspulsationen gleich gesetzt und angenommen, dass das Vor- zeichen der Elektricität von der Phase der Pnlsation abhängig ist, dergestalt, dass ein negatives Theilchen die entgegengesetzte Phase besitzt wie ein positives, das seinerseits wieder eine ge- wisse Phasendifferenz mit der Gravitationspulsation haben kann Ausgehend von diesen Annahmen und noch einigen weiteren Hypothesen leitet der Verfasser nun im ersten Heft das Gravi- tationsgesetz und das Coulomb'sche Gesetz, im zweiten Heft jedoch die Gesetze des permanenten Magnetismus und der con- stanten elektrischen Ströme mathematisch ab. Ein näheres Ein- gehen auf die complicirten Vorstellungen und Rechnungen würde an dieser Stelle nicht angebracht sein. Es sei jedoch in Er- innerung gebracht, dass es sich bei derartigen Theorien der heutigen theoretischen Physik nicht um Hypothesen im alther- gebrachten Sinne, sondern um mechanische Versinnbildlichungen der ihrem wahren Wesen nach uns noch verborgenen Kraft- wirkungen handelt. Als Hypothesen im früher gebräuchlichen Sinne aufgefasst, würden diese und viele andere Theorien der neueren Phvsik allerdings gar vielen Einwendungen ausgesetzt sein. F. Kbr. Beiträge zur Geologie und Paläontologie des Herzogsthums Braunschweig und der angrenzenden Landestheile. I.Heft. Braun schweig. — 4,50 M. Bruhns, Geh. Hofr. Dir. Prof. Dr. C, Neues logarithmisch-trigo- nometrisches Handbuch auf 7 Decimalen. 4. Ausgabe. Leip- zig. — 4.20 M. Eder, J. M. u. E. Valenta, Absorptionsspectren von farblosen und gefärbten Gläsern, mit Berücksichtigung des Ultraviolett. Wien. — 1,60 M. Eifert, Dr. Th., Ueber die Auflösungsweise der sekundären Zell- membranen der Samen bei der Keimung. Stuttgart. — 8 M. Flügel, O., Abriss der Logik und die Lehre von den Trugschlüssen. 3. Aufl. Langensalza. — 1,50 M. Grebe, Landesgeol. H., Geologische Skizze der Umgegend von Bertrich und über das Alter der Eifeler Lavaströme, sowie einige Mittheilungen über neueste Funde in der vulkanischen Eifel. Trier. - 0,40 M. Groppler, Dr. Rob , Vergleichende Anatomie des Holzes der Magnoliaceen. Stuttgart. — 12 M. Gümbel, Oberbergdir. Dr. K. Willi, v., Geologie von Bayern in 2 Thln. 2. Bd. Cassel. — 60 M. Haas, Prof. Dr. Hippolyt, Wandtafeln für den Unterricht in der Geologie und physischen Geographie. Kiel. — 8 M. Heymans. Prof. Dr. G., Die Gesetze und Elemente des wissen- schaftlichen Denkens. Leipzig. — 6 M. Lech, Prof. Dr. W., Zur Entwickelungsgeschichte des Zahnsystems der Säugethiere 1. Lfg. Stuttgart. — 22 M. Moesch. D. C, Geologischer Führer durch die Alpen, I'ü-sc und Thäler der Centralschweiz. Zürich. — 2,60 M. Schwarz, Wilh.., Beiträge zur Kenntniss der umkehrbaren Um- wandlungen polymorpher Körper. Göttingen — 2,40 M. Inhalt: Dr. Max Fiebelkorn, Geologische Ausflüge in die Umgegend von Berlin. (Mit Abbild.) (Fortsetzung). — Formol als Con- servirungsflüssigkeit. — Sociale Beziehungen der Ameisen. — Ueber die „Ohren" der Kerfe. — Ueber die Structur des Blüthen- staubes bei den Acanthaceen und deren Bedeutung für die Systematik dieser Familie. — Der Ballon „Cirrus". - Vertheilung der Nebeltlecke und Sternhaufen. - Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Caroli Linnaoi, Systema naturae, Regnum animale. — Dr. L. Rabenhorst's Kryptogamen-Flora von Deutschland, Oesterreich und der Schweiz. — Eugen Büchner, Main malia Przewalskiana. — Professor Dr. A. Karsch, Vademecum botanicum — Wilhelm Blasius, Seeschiffe im Kampf mit Orkanen. - H. Poincare, Les oscillations electriques. — Dr. Arthur Korn, Eine Theorie der Gravitation und der elektrischen Erscheinungen auf Grundlage der Hydrodynamik. — Liste. 520 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 42. "lli Dierter felbftiinbiger Itil bor ,,'JllIn.cmciitcn SönberfunbE" crfdjciut focbcu: (Europa* Sott Dr.^.|JI)ili^}jrnn unb Sprof. Dr. g. |tnnmum. herausgegeben öon «Prof. Dr. Pilif. §ifüfrs. 4MU168ürrrtbtHi. llfiartnibeilagni u.28©afeln in «juijrnjri. u.4mrbim- öriHk. 14 ffiefermigen ;u je 1 ^Mk. ober in tfjalbleörr gebunden 16 ftln. SSonftänbtg liegen Bon bcr „OTgememen Sänbetfunbe" Bor: „afrifa", in ©albleber gebunben i295?arf. „9lfieu", in ©nttjlcoer gebnnben 15 Kort „"Jlmerifa", in öalbleber flt'buuben lj JBarf. „Suftralicir" wirb bas Sammelwerl im ©erfift 1895 aljfdjtiejjeii. Sie crfien Stefcrungen jur 9lnftdit. — ^Brof^ef te foftenfrei. ^f 13prl3n hp«BihlTiiiir;iiirnrrfiMi .Inrtifnfs in Trimm n.IPtrn. vS !?ErIagtirsBibIiLißra}iI)irrIicn Ilnftifnfsinlripn£i n.IPirn. ♦♦•»< Soeben erschien nnd ist durch jede Buchhandlung gratis zu beziehen: Illustrierter Weihnachts- Katalog Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. 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Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. JL bei allen Annoneenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur init vollständiger Quellenangabe gestattet. Flugtechnische Aufgaben. Von Dr. Carl E. 0. Neumann. Der Wunsch, dem Vogel gleich, in der Luft hoch aufsteigen, und daselbst nach beliebiger Rieht ung sich Bewegen zu können, ist vielleicht so alt wie das Menschengeschlecht. Im Bewusstsein seiner sonstigen grossen Vorzüge vor der gesammten Thierwelt musste der Mensch seine Unfähigkeit zum Fliegen doppelt schwer empfinden; kein Wunder daher, wenn sich die Be- strebungen, diesem Mangel durch künstliche Mittel ab- zuhelfen, sich zurück bis in die älteste Zeit des Menschen- geschlechts verfolgen lassen.*) Schon sehr frühe hätte das vor mehr denn 2000 Jahren bekannt gewordene archimedische Priueip, demzufolge jeder Körper von seinem absoluten Gewichte so viel ver- liert, als das Gewicht des von ihm verdrängten (Wasser-, bezw.) Luftquantuuis beträgt, in Verbindung mit der Er- fahrung, dass erwärmte Luft in kälterer Luft aufsteigt und leichte Körper mit sich in die Höhe reisst, eine wesentliche Unterstützung jener Bestrebungen bilden können, aber es sollte erst der oben erwähnte Zeitraum vergehen, bis die Gebrüder Mongolfier (zu Anonay) im Jahre 1783 den ersten Luftballon coustruirten, d. h. eine leichte, mit erwärmter atmosphärischer Luft gefüllte (Papier)-Hülle zum .Steigen braehteu. Die Kugelgestalt, mit einer an einer halsförmigeu Verlängerung (dem so- genannten Appendix) nach unten befindlichen Oeffnung war bald als die geeignetste Form der Hülle erkannt; Charles ersetzte die erwärmte Luft durch das viel leichtere Wasserstoff- und Green durch das in grösseren Städten leicht vorräthig zu habende Leuchtgas, und so entstanden denn die drei Luftballonarten: Montgolfieren, Charlieren und Greenieren. Die mit Ammoniak- und W gefüllten Ballons glauben wir ausser Acht lassen zu können, da sie schwerlich practische Ver- *) Sieho Handbuch der Luftscliiti't'ahrt von H. Mödebeck, I. Theih Geschichte der Aeronautik. Leipzig, Verlag von Edwin Schlump. vverthung finden werden. Die erste und wichtigste Auf- gabe der Flugtechnik, ein Mittel zu finden, mit dessen Hülfe man sich hoch in die Luft — Glaisher und Coxwell wollen einmal die Höhe von 11U00 m erreicht haben — erheben kann, war denn damit gelöst, wäh- rend die nächst wichtige Aufgabe, mit Hülfe desselben Mittels auch in der Luft frei nach Willkür in be- liebiger Richtung sich bewegen zu können, noch heute ihrer Lösung harrt. Dass man unmittelbar nach der Erfindung des Luft- ballons damit umging, denselben lenkbar zu machen, er- scheint erklärlich, und sind namentlich in neuerer Zeit so manche dahin abzielende Versuche unternommen worden. Schon in den Schulen wird im physikalischen Unter- richte möglichst klar auseinandergesetzt und lässt sich auch ohne kostspielige Experimente — wie z. B. durch den in jeder grösseren Spielwaarenhandlung für wenig Geld zu erlaugenden sogenannten „Flieger" — nachweisen, dass jeder im Wasser, in der atmosphärischen Luft, oder in einem anderen ähnlichen Medium freischwebender, fester Körper mittelst Schraube und Steuer bis zu einem ge- wissen Grade lenkbar gemacht werden kann. Man darf sich deshalb nicht wundern, dass man schon bei Zeiten daran dachte, den Luftballon auf diese Weise lenkbar einzurichten, und dass Männer, wie Dr. van Hecke im Jahre 1847, Helle im Jahre 1851, Labrousse im Jahre 1871, Bowdler 1874 und Opitz mit dem In- genieur Quirinus 1880 u. A. diesen Gedanken aus- sprachen, theils verwirklichten, ohne aber ein anderes Resultat zu erzielen, als dass man — wie es auch sein musste — eben eine schwache Wirkung verspürte. Auch die längliehe, zum Theil rtschartige Gestalt des Luft- schiffes zur leichteren Bekämpfung des Luftwiderstandes wurde schon frühzeitig, und zwar von dem Franzosen Baron Scott bereits im Jahre 1789 in Vorschlag, von dem Genie-General Meusnier gleichzeitig und darnach 522 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 43. bis auf die neueste Zeit von einer grossen Reihe von Luftschiifern in Ausführung gebracht. Der Amerikaner Rufus Porter machte im Jahre 1870 in der grossen Börsenhalle zu Washington einen Versuch mit einem lenk- baren, durch eine kleine Dampfmaschine bewegten Luft- schiff (welches 6,71 m Länge und 1,22 m Durchmesser hatte) einen Versuch, der insofern vollständig gelang, als das Modell, „11 mal hintereinander, seinem Steuer ge- horchend, gleich einem mit Leben begabten Wesen, die Rotunde durchflog". So ist denn fort und fort an der Vervollkommnung des Luftschiffes gearbeitet worden, bis es endlich den Gebrüdern Renard und dem Kapitän Krebs im Jahre 1884 am 9. August gelang, von dem Militär-Etablissement bei Meudon aus mit einem lenkbaren Luftschiff aufzusteigen und nach einer Fahrt von 25 Mi- nuten zu ihrem Aufenthaltsorte zurückzukehren. Mit diesem Versuche schien also mit einem Male ein Problem gelöst zu sein, woran sich vorher so Viele vergeblich ver- sucht hatten. Die Gestalt dieses Luftschiffes war die einer Cigarre mit einer etwas stumpferen vorderen und einer schärferen hinteren Spitze. Die Länge betrug von Spitze zu Spitze 50,42 m, sein grösster Durchmesser 8,4 m und sein Raum- inhalt 1864 Kubikmeter. Die nur 4 m vom Ballon ab- stehende Gondel glich einem beiderseits spitz zulaufenden Canoe von 33 m Länge und trug an ihrem vorderen Ende eine zweiflügelige Schiffsschraube von etwa 7 m Durch- messer, welche durch einen kräftigen elektromagneti- schen, mit einer galvanischen Batterie von 32 Ele- menten verbundenen Motor in rasche Umdrehung versetzt wurde. An dem hinteren Ende der Gondel befand sich das Steuer und im Innern des Ballons ein zweiter, weit kleinerer Ballon (ein sogenanntes Ballonet) der mit Luft aufgeblasen werden, und daher dazu dienen konnte, den Hauptballon an seiner Oberfläche straff aufgespannt zu erhalten und zugleich durch den auf das Traggas aus- geübten Druck den ganzen Apparat ohne Gasverlust be- liebig zum Sinken zu bringen. Der ganze Ballon war also ein sogenanntes Pneumodromon, wie es der In- genieur Partridge 1843 ersonnen hatte. Es wurden mit diesem Ballon später noch einige mehr oder weniger gelungene Versuche bei vollständig ruhiger, oder nur schwach bewegter Luft und von ganz kurzer Dauer, aber niemals längere Fahrten nach bestimmten Orten der näheren oder ferneren Umgegend und wieder zurück nach dem Ab- fahrtsorte unternommen. Die Leistung dieses Luftschiffes, welche damals grosses Aufsehen machte, wollen wir als Ausgangspunkt zur Erörterung der Frage annehmen, ob denn bei allen bis jetzt vorhandenen und bekannten Mitteln überhaupt die Lenkung eines Luftfahrzeuges im eigentlichen Sinne des Wortes möglich ist und welches demnach die nächst wichtig flugtechnische Aufgabe sein müsste. Es lässt sich wohl mit Sicherheit annehmen, dass man mit dem Renardschen Fahrzeug auch bei stark bewegter Luft — und das ist die letztere sehr oft — längere Fahrten nach entfernt gelegenen Orten und von da wieder zurück nach dem Abfahrtsplatze unternommen haben würde, wenn dieses Luftschiff die Eigenschaft der Lenkbarkeit im vollsten Sinne des Wortes, wenn es diejenige Energie besessen hätte, um auch nur eine Gegenströmung der atmosphärischen Luft von der mittleren Geschwindigkeit 7 i mit Erfolg zu überwinden. Fassen wir die Verhältnisse des Bewegungsapparates dieses Fahrzeuges näher ins Auge, so erscheinen uns dieselben sofort als äusserst ungünstige. Allein schon die geringe Umdrehungsgeschwindigkeit der zweiflügeligen Schraube (von fast 7 m Durchmesser), die nur 46 Um- drehungen*) in der Minute betrug, zudem in einem Medium, welches beinahe 777 Mal weniger dicht als das Wasser ist, sagt uns sofort, dass dem ganzen .Motor die nöthige Kratt fehlte. Eine 5, 10 u. s. w. Mal grössere Ge- schwindigkeit des Propellers, kurzum eine Geschwindig- keit, bei welcher die Flügel beinahe unsichtbar wurden, dürfte sicherlich ganz andere Resultate zu Tage gefördert haben, unter der Voraussetzung natürlich, dass säinmt- liche übrigen Verhältnisse des ganzen Lu ftschiffes dieselben geblieben wären. Diese Voraussetzung zu erfüllen, wäre aber unmöglich gewesen, denn eine grössere Energie in der Thätigkeit des Propellers hätte nur durch einen grösseren, somit schwereren Motor und durch eine entsprechend stärkere, daher gleichfalls schwerere Batterie erreicht werden können. Die auf diese Weise hervor- gerufene Vermehrung des Ballastes bedingt aber wieder eine Vergrösserung des Ballons, somit, des ganzen Wider- standsobjeetes , wenn dieselbe Steigkraft (derselbe Auf- trieb) erhalten bleiben soll, und diese allgemeine Ver- grösserung schliesslich wiederum die Vermehrung der den Ballon treibenden und lenkenden Kraft. Auf solche Weise steigern sich die Verhältnisse fort und fort gegen- seitig bis ins Unendliche und machen so eine günstige Lösung des Problems der Lenkbarkeit unmöglich. Wollte man andere der bisher bekannten Motoren-Arten ver- suchen, so würde man auch bei diesen finden, dass mit der Vermehrung ihrer Leistung diejenige ihrer Grösse und ihres Gewichtes gleichen Schritt hält. Wie viel günstiger ist doch in dieser Hinsicht der fliegende Theil der gesammten Thierwelt gestellt! Bei all der grossen Mannigfaltigkeit der Verhältnisse hinsicht- lich der Grösse, Schwere, Gestalt u. s. w. ihrer Körper — man vergleiche nur allein die Verschiedenheit der Flügel, die Flügel der Vögel mit den Flughäuten der Fleder- mäuse, mit der grossen Mannigfaltigkeit der Insecten- flügelformen, von den einfachen Flügeln der Fliegen an gerechnet bis zu den aus hornigen Oberflügelu und ein- schlagbaren, häutigen Unterflügeln bestehenden Doppel- flügeln der Käfer; man vergleiche nur bei den einzelnen Thieren die Verschiedenheit der Verhältnisse zwischen Körpergwicht und Flügelgrösse, z. B. die leichte Mücke mit ihren verhältnissmässig grossen Flügeln, die schwere Hummel mit ihren kleinen Flügeln, die kleiuen Körper der Tagefalter und ihre schweren, grossflächigen Flügel, die dicken und schweren Nachtfalter und ihre kleinen, schmalen Flügel u. s. w. — kurzum bei all' dieser grossen Mannigfaltigkeit in der Erscheinung der fliegenden Thierwelt zeigt sich ohne Ausnahme ein Verhältniss als ein durchaus constantes und das ist die grosse Aus- dauer und ungeheure Kraftleistung des eigent- lichen Flugapparates im Vergleich zu dem ver- schwindend kleinen Gewichte desselben. Hierin liegt ein deutlicher Fingerzeig für die zweite wichtige flugtechnische Aufgabe, d. h. die Construction eines Motors, der bei verschwindend geringem Gewicht eine mit grosser Ausdauer verbundene enorme Kraft zu leisten vermag. So lange dieses Problem nicht gelöst worden, er- scheinen alle Bemühungen um die Erfindung einer Flug- maschine, alle noch so sinnreichen Constructionen über- flüssig, da dieselben erst jenem Motor angepasst werden müssen. Vielleicht ist es einem gewissen Herrn Ganswindt in Schöneberg bei Berlin und dem Brünner Professor der Maschinenbaukuude, Herrn Wellner gelungen, Motoren von oben erwähnter Eigenschaft zu erfinden, um ihre Flug- maschinen damit erfolgreich in Bewegung zu setzen. Ersterer wandte sich Ende vergangenen Jahres, nachdem *) Siehe: Handbuch der Luftschifffahrt von H. Müdebeck. Leipzig. Verlag von Edwin Schlömp. Nr. 43. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 523 man ihm seitens der Regierung die für seine Erfindung geforderten 10 Mill. Mark nicht bewilligt, in einem den gelcsensten Zeitungen beigelegtem Circular an das Publi- kum um Unterstützung seines Unternehmens durch Geld- beiträge. Das Luftfahrzeug des letzteren ist eine sinnreich construirte „Segelrad-Flugmaschine", eine dynamische Flugmaschine, bei welcher die Anwendung eines Luft- ballons vollständig in Wegfall kommt. Wir sehen uns veranlasst, an dieser Stelle auf ein im Verlag von Hermann Lukaschik in München er- schienene Broschüre aufmerksam zu machen, welche den Titel führt: Die Losung des Flugproblems und das Luftschiff der Zukunft vonGustav Koch, Aeronaut; in allen Staaten zur Patentirung angemeldet". Der Herr Verlasser beschreibt und erläutert darin ausführlich unter möglichster Benutzung aller in der Neuzeit auf dem Ge- biete der Luftschiffahrt gesammelten Erfahrungen ein von ihm ersonnenes, gleichfalls ballonfreies „Schaufelrad- luftschiff". Schon die blosse Betrachtung der Figuren I, II und III auf Tafel 2 und derjenigen auf Tafel 3 lässt uns einen Schluss ziehen auf die sinnreiche Construction dieses Luftfahrzeuges. Aber — müssen wir auch hier fragend ausrufen — wo bleibt, Herr Koch, das belebende Element Ihres Luftschiffes?, wo der dasselbe leicht und sicher hebende und treibende Motor, dessen Gewicht bei ge- waltiger Leistungsfähigkeit die Null nicht wesentlich über- steigen darf"? Nichtsdestoweniger glauben wir dieses Werkchen allen, welche sich für die Lösung des Flugproblems inter- essiren, aufs wärmste empfehlen zu können. Nun, wir werden ja sehen, wer von den Erfindern mit seinem Flugapparate zuerst sicher von einem Orte aus nach einem vorausbestimmten Ziele , selbst bei widrigem heftigen Winde und wenigstens über mittelhohe Gebirgszüge hinweg zu fliegen vermag. Allen Geldlenten, aber auch nur solchen, welchen es gleichgültig sein kann, ob sie einige 1000 Mark mehr oder weniger in der Tasche haben, möchten wir rathen, dergleichen Versuche zu unterstützen, weil aus denselben, selbst wenn sie nicht direct von dem erwünschten Erfolge begleitet sind, meist nutzbringende Erfahrungen geschöpft zu werden pflegen. Weit günstiger erscheinen uns die Aussichten auf die Erfindung eines dem einzelnen Menschen angepassten Flug-Apparates, weil hier wieder der möglichst vollkommen entwickelte und doch verhältnissmässig sehr leichte Muskel Apparat des Menschen als der eigentliche Motor zu betrachten ist, und die gewiss sehr wichtige Aufgabe der Flugtechnik darin bestehen würde, einen Flug-Ap- parat so zu construiren, dass in ihm die mensch- liche Muskelkraft und Ausdauer in möglichst vollkommener und bequemer Weise zur Ver- werthung gelangt. Die Lösung dieser wichtigen Aufgabe, welche wieder eine grosse Reihe von Sonderaufgaben in sich schliesst, ist sehr frühe auf dem Wege der Theorie wie der Praxis versucht worden, und hat sich namentlich in neuester Zeit 0. Lilienthal*) durch seine theoretischen Untersuchungen des Vogelfluges und durch seine, namentlich den Segcl- flug betreffenden, ziemlich gut gelungenen Versuche um die Förderung der Lösung obigen Problems sehr verdient ge- macht. Die sich für diese Versuche speciell Interessirenden verweisen wir auf ein bei Mayer u. Müller (1894) in Berlin erschienenes, sehr klar und überzeugend geschrie- benes Broschürchen Lilienthals, betitelt: „Die Flugapparate, allgemeine Gesichtspunkte bei deren Herstellung und An- wendung". *) Siehe: „Zeitschrift des deutsehen Vereins zur Förderung der Luftschifffahrt", Jahrg. 1891, 1892, 1893 u. 1804. Berlin. Wir behalten uns vor, diesen Gegenstand in einer besonderen Abhandlung später noch ausführlicher zu be- sprechen, können jedoch nicht unterlassen, jetzt schon unserer Verwunderung Ausdruck zu geben darüber, dass man bei der Lösung der Aufgaben der Luftschiffahrt und des Einzeltluges des Menschen fast ausschliesslich nur auf die wissenschaftlichen Untersuchungen des Vogelfluges, so interessant dieselben ja auch an und für sieh sind, Rück- sicht nimmt. Der Vogelflug kann nur mit Vogel- flügeln und Vogelfedern unternommen werden. Letztere mit den uns bekannten Mitteln und Substanzen aber auch nur annähernd ähnlich so herzustellen, d. h. in ihnen die Eigenschaften einer ganz bedeutenden Festig- keit und eines beispiellos geringen Uewichtes zu vereinigen, wird für alle Zeiten für uns ein Ding der Unmöglichkeit bleiben. Die Flügel von Lilienthals Flug-Apparat sind daher auch nicht im entferntesten mit Vogelflügeln zu vergleichen, weit mehr ähneln sie den Fledermausflügeln. Bis jetzt sind sie aber im wahren Sinne des Wortes überhaupt noch gar keine Flügel, sondern bilden nur einen äusserst sinn- reich construirten Fallschirm, der dem Aeronauten ge- stattet, bei verhältnissmässig ruhiger Luft in bestimmter Richtung auf einer schiefen Ebene sanft zu Boden zu fallen. Bis zum Fliegen z. B. nach Art einer Fledermaus oder eines Schmetterlings ist noch eine himmelweite Kluft, welche zu überspringen kaum Jemand gelingen dürfte; und wer etwa mit Hülfe eines Motoren den Einzelflug zu ermög- lichen versuchen sollte, der ist verloren, sofern er nicht die von uns oben gestellte Aufgabe eines neuen Motors mit dem Gewichte = Null oder beinahe = Null gelöst hat. Die Unmöglichkeit, grössere lenkbare Luftfahrzeuge mit. den bisher bekannten Mitteln herzustellen, hat Ver- fasser in allgemeinen Zügen schon in einer mit „das lenkbare Luftschiff" überschriebenen Arbeit ange- deutet, welche bereits im Jahre 1890 in No. 24 der „Deutschen Volksschrift" für Nordböhmen und in No. 3 des leider wieder eingegangenen „Bilz'schen Haus- und Familienschatz" erschienen ist. In allen denjenigen Fällen nun, wo es nur gilt, von einem mehr oder weniger hoch gelegenen Punkte aus über einen etwas grösseren Terrain-Abschnitt Umschau zu halten — wie z. B. zum Zwecke der Orientiruug und Rekognoscirung im Kriege und auf Forschungsreisen — oder Fragen meteorologischen Charakters zu lösen, wo man also im allgemeinen nicht so streng an der For- derung der Lenkbarkeit des Luftschiffes festzuhalten sich veranlasst sehen dürfte, wird der Luftballon in seiner bisherigen Gestalt als das einfachste und wohl auch bil- ligste Mittel beibehalten werden müssen. Der Flugtechnik wird somit wie bisher die Lösung einer Reihe von Auf- gaben zufallen, welche die Vervollkommnung alles dessen betrifft, was sich auf alle drei oben genannten Ballonarten bezieht , denn jede derselben besitzt ihre besonderen, geeigneten Falles sehr gut verwerthbaren Vorzüge: die Montgolfiere wegen ihres äusserst billigen, überall leicht herzustellenden Traggases — erhitzte atmosphärische Luft — , die Charliere wegen ihrer bedeutenden Steig- kraft und die Greeniere in grösseren Städten mit Gas- beleuchtung wegen des daselbst immer vorräthigen Leucht- gases. Hier mögen nur einige jener Aufgaben eine nähere Berücksichtigung finden, weil sie nach unserem Dafür- halten seitens der Flugtechnik bisher noch nicht die nöthige Würdigung erfahren haben. Als eine naheliegende, sehr wichtige Aufgabe erscheint uns die Beseitigung des Ballon-Ventils und der Ersatz desselben durch eine andere geeignete Vorrichtung, den Ballon zum allmählichen Sinken bez. zur Entleerung 524 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 4:-}. seines Gasinhaltes zu bringen. Das Ballon-Ventil wird stets ein unzuverlässiger, unsicherer, ja gefährlicher Theil der Ballonhülle bleiben gerade an derjenigen Stelle, wo die Hülle am festesten und dichtesten sein soll. Das Ventil soll geschlossen ebenso luftdicht sich verhalten wie die Ballonhülle und doch sich leicht und ohne An- strengung öffnen und schliessen lassen, also Eigenschaften besitzen, die sich schwer vereinigen lassen. Man sollte meinen, dass es nicht gar zu schwer fallen dürfte, den Zweck des Ventils auch durch andere Mittel zu erreichen, viel- leicht durch die Verminderung des Ballonraumes auf dem Wege des Einschnüreus der Ballonhülle oder Einstülpung derselben von unten her (nach Jobert), oder endlich da- durch, dass man der Diffusion des Traggases und der atmosphärischen Luft einen möglichst grossen, aber von der Oeffnung des Appendix aus leicht zu regulirenden Spielraum lässt. Die Diffusion findet nach allen Rich- tungen, also auch nach unten hin statt; in je grösseren Flüchen sich zwei verschiedene Gase berühren, in desto grösseren Mengen diffundiren dieselben, desto schneller muss der Ballon sinken. Versehen wir also einen Wasser- stoff- oder Leuchtgasballon gleich der Mongolfiere mit einem Appendix von grossem Durchmesser und entsprechend grosser, aber durch eine geeignete Zugvorrichtung leicht zu regulirenden und zu verschließenden Oeffnung, so haben wir es in der Gewalt, das Traggas und die äussere atmosphärische Luft in beliebiger Ausdehnung in unmittelbare Berührung mit einander und die Diffusion in höherem Grade in Wirkung treten zu lassen. Wir wollen hiermit bloss flüchtige Andeutungen und Anregungen gegeben haben, wie man sich vielleicht anders als mit dem Ventil helfen könnte. Wir behaupten aber, dass es den unausgesetzten Bemühungen der Flug- technik gelingen muss, den Zweck des Ballon-Ventils auf einem sichereren und ungefährlicheren Wege zu er- reichen. Eine weitere, sehr wichtige und wohl auch zugleich schwierigste Aufgabe der Ballontechnik, welche wieder eine ganze Reihe von Sonderaufgaben in sich schliesst, besteht in der Herstellung eines gefesselten Ballons (Ballon captiv), weil ja die Möglichkeit, sich mit dem- selben jeden Augenblick im Kriege, wie auf Forschungs- reisen einen erhöhten Aussichtspunkt schaffen zu können, oft von unschätzbarem Werthe sein wird. Zahllos sind deshalb die seit Erfindung des Luftballons auf die Lösung jener Aufgabe abzielenden Versuche, um den Anfor- derungen der raschen, sicheren, bequemen, gefahrlosen und billigen Hantirung mit dem gefesselten Ballon mög- lichst vollkommen zu entsprechen, aber ohne bis jetzt allen diesen Bedingungen zu genügen. Man ist zwar sehr glücklich gewesen in der Erfindung von kompendiösen Apparaten zur Herstellung und zur Aufbewahrung grosser Mengen von Wasserstoffgas, hat aber damit einen Ballon- tross geschaffen, der vielleicht in grösseren Armeen weniger stören, dagegen in kleineren Truppen-Abtheilungen recht unbequem, aber in allen Fällen und unter allen Um- ständen, wie die neuere grosse Explosion in dem Etablis- sement der Berliner Militair-Luftschiffer-Abtheilung be- wiesen, recht gefährlich werden kann. Vor einer längeren Reihe von Jahren hatte Verfasser Gelegenheit, einen Franzosen, dessen Name ihm entfallen, sich mit einer Mongolfiere primitivster Art producireu zu sehen. Nur auf einem Querholz sitzend, welches von zwei genügend langen, testen, an dem Tragringe des Ballons befestigten dünnen Seilen gehalten wurde, stieg er ziem- lich hoch in die Luft, um dann nach einigen Minuten, während welcher Zeit infolge der allmählichen Abkühlung der heissen, im Ballon eingeschlossenen Luft der Auftrieb desselben sich zu mindern begann, langsam wieder herab- zusinken. Bisweilen geschah es, dass bei ziemlich be- wegter Luft der Ballon durch den Wind zum Theil zu- sammengedrückt und auf diese Weise zum vorzeitigen Fallen gebracht wurde, ein Uebelstand, dem der Luft- schiffer sofort hätte aus dem Wege gehen können durch Anbringung einer, oben schon angedeuteten, den Appendix nach unten leicht verschliessbaren Zugvorrichtung! Diese letztere, ähnlich vielleicht derjenigen eines Tabaksbeutels oder anders construirt, würde zugleich auch die Frist der Abkühlung der eingeschlossenen Luft von unten her durch die etwa 3 m weite Oeffnung des Appendix wesentlich verzögert haben. Die Ballonhülle bestand aus grobem, festem, uuge- tirnisten Stoffe-, das Ballonnetz fehlte; der Ballon war nicht sehr gross, er wurde zwecks seiner Füllung über einen mit Strohfeuer geheizten Ziegelofen gestülpt, von einer Reihe von Männern mit dem Tragringe fest gegen den Boden gedrückt und von oben her an einem Ringe, durch welchen ein zwischen zwei senkrechten hohen Stangen ausgespanntes und leicht zu lösendes Seil ge- zogen war, in aufgehängter Lage festgehalten. Die Fül- lung, von zwei Männern innerhalb des Raumes zwischen der inneren Wandung des Appendix und dem Ofen be- sorgt und geregelt, war' schnell beendigt. Auf ein kurzes Kommando des Luftschiffers, welcher mittlerweile die beiden Seile mit den Händen ergriffen und das Querholz unter das Gefäss gebracht, wurde der Ballon losgelassen. Er erhob sich rasch, ruhig und hoch genug, um dem Luftschiffer eine weite Aussieht zu gestatten, und lange genug — 10 und mehr Minuten lang — um einem geübten Beobachter wichtige Auf- schlüsse über die ferner liegende Umgebung zu gestatten. Angesichts dieses Schauspieles konnte Verfasser sich nicht des Gedankens erwehren, dass man, wenn die enormen Summen Geldes, die vielen, zeitraubenden Ver- suche, überhaupt die kolossale Mühe, welche mau auf die Herstellung von Charlieren, namentlich aber der ge fesselten, bisher aufgewendet hat, nur zur Hälfte auf die Vervollkommnung der bequemen Heissluft-Ballons ver- wendet hätte, heute zu einem recht befriedigenden Resultate gelangt sein würde. Wir halten die Vervollkommnung der Mongol- fieren für eine der wichtigsten und dringendsten Aufgaben der Flugtechnik. In Ergänzung unseres Berichtes über die Verbreitung der Kreuzotter (s. „ Natur w. Wochenschr." Bd. 8, S. 350) theilen wir die Untersuchungen L. von Mehelys über „Vipera Ursinii Bonap. , eine verkannte Giftschlange Europas mit (Zool. Anz., 1894, S. 57, 86). Die in jenem Berichte genannte var. räkosiensis hat sich als eine ge- sonderte Art, nämlich Vipera Ursinii Bouaparte, heraus- gestellt. Boulanger fand diesen Zusammenhang, und Mehely, der weiteres Material erhielt, kann ihm nur bei- pflichten. Interessant ist, dass Bonaparte's Thiere aus den Abruzzen, Boulanger's Exemplare dagegen von Luxen- burg bei Wien stammen und dass auch Mehelys' var. räkosiensis die heisse Steppe bewohnt. Inzwischen fand sich diese Schlange auch in Bosnien auf dem Gipfel der Dinara, in den Basses Alpes und im mittleren Sieben- bürgen. Vipira Ursinii ist kleiner als die Kreuzotter. Die Männchen messen höchstens 427, die Weibchen 5U0 mm. Der Kopf ist verhältnissmässig kleiner und häufig gedrun- gener. Die Schnauze ist schmäler und überragt den Unter- kiefer. Ihre Oberfläche ist nicht platt wie bei der Kreuz- Nr. 43. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 525 ottcr, sondern das Suprarostale und die Supranasalia neigen sich nach innen, so dass der Schnauzensaum wulstig sich erhebt. Die Zügelgegend vor den Augen ist deut- licher vertieft. Das Auge ist kleiner. Die Schuppen des Rumpfes stehen in 19, selten in 20 oder 21 Längsreihen. Die Sehuppenkiele sind scharfer als bei der Kreuzotter. Die Färbung wird vom Verfasser ausführlich beschrieben. Auch sie bietet Unterscheidungsmerkmale dar. Nahe ver- wandt mit V. Ursinii ist die asiatische V. Renardi Christoph. ('. M. Ueber Chalazogamie und ihre Deutung hat sich S.' Nawaschin in den Ber. d. deutschen bot. Ges. ge- äussert. Die Thatsaehe der Chalazogamie — also des Wachsthums des Pollenschlauches durch die Chalaza mit Vermeidung der Micropyle - - bei Retula hatte der Autor schon früher (vergl. „Naturw. Wochenschr." VIII, S. 142) mitgetheilt. Audi bei der Erle ist sie eoustatirt worden. N. fasst nun die Ergebnisse seiner Untersuchungen über die Birke und Erle, wie folgt, zusammen: 1. Die Blüthenanlage wird bei der Birke und Erle von einem Achselsprosse gebildet, dessen Scheitel in der Vertiefung zwischen beiden Carpellblättern verborgen ist. Aus den Carpellen entwickeln sich später nur die beiden Narben und der kurze Griffeltheil, während der übrige, viel grössere Tlieil des Fruchtknotens seine Entstehung einem späteren, interealaren Wachsthume der Blüthen- aclise verdankt. 2. Die Anlagen der Samenknospen erscheinen als seitliche Hervorwölbungen der Blüthenachse, die zu dieser Zeit mit der äusseren Fruchtknotenwand zum Theil verwächst. 3. Der definitive Aufbau des Fruchtknotens und die Placentationsverhältnisse werden vom interealaren Wachsthume der Basis des Fruchtknotens resp. der Blüthenachse in der Art beeinflusst, dass die fertigen Samenknospen scheinbar aus den Carpellrändern ent- springen; thatsächlich sind sie aber aehsenbürtig, d. h. auf der axilen Plaeenta inserirt, die eine säulenförmige Verlängerung der Blüthenachse darstellt, was alles be- sonders klar bei der Erle auffällt. 4. Der Fruchtknoten bleibt bis auf seine voll- ständige Ausbildung ungeschlossen, d. h. wird in seinem Griffeltheile von einem spaltenförmigen Längscanal durch- zogen , der zwischen den beiden Narben nach aussen mündet. 5. Die Pollenschläuehe wachsen jedoch nicht in dem erwähnten Griffeleanal, sondern intercellulär, im Ge- webe der angeschwollenen Carpellränder (Schacht's „un- fruchtbarer Samenträger") hinab, bis in den oberen Theil der axilen Plaeenta; durch das Gewebe der letzteren in den Funiculus der Samenknospe geleitet, dringt der Pollensehlauch endlich durch die Chalaza in den Nu- cellus ein. 6. Der Pollenschlauch erreicht den Gipfel des Em bryosaekes, während in letzterem noch die Kerntheilung vor sich geht. Meistens enthält der Embryosack in dieser Periode nur vier Kerne. Nach der Ausbildung des Ge- schlechtsapparates entsendet der Pollenschlauch eine An- zahl langer Fortsätze, welche den Embryosack vom Gipfel aus nicht selten bis zur Basis umfassen. Diese Fortsätze wachsen aus dem unregclmässig erweiterten und aufgetriebenen Ende des Pollenschlauches hervor, welches den Embryosack von oben bedeckt. Gegen das Ende der Befruchtung wird der Pollenschlauch durch Zerrung stellenweise verengt, sodass er zuletzt nur noch in der Chalaza und als ein Büschel von Ausläufern auf dem Embfyosacke sichtbar bleibt. 7. Die Entwickelung des Embryosackes verläuft nach dem Typus der übrigen Angiospermen. Der zur Befruchtung 'reife Embryosack enthält im oberen Theile den Geschlechtsapparat, bestehend aus dem Ei und zwei Synergiden — an der Basis drei Antipoden und zwei freie Kerne in der Mitte, die nicht verschmelzen, bevor die eigentliche Befruchtung eintritt. Die Befruchtung geschieh! unter Theilnahme einer der Synergiden, deren Inhalt sich unter Trübung desorganisirt. Das befruchtete Ei bedeckt sieh erst verhältnissmässig spät mit der Zell- stoffhaut, und zwar zuletzt an seinem untersten Ende wo man noch längere Zeit eine Lücke nachweisen kann. Um dieselbe Zeit geht der Embryosackkern in die Thei- lung ein, die zur" Bildung des Endosperms führt, I >ie Theilungen der Eizelle und die Embryoentwickelung \ er- laufen ganz nach dem Typus der übrigen Dicotylen. Auf Grund der erwähnten Thatsacheu unterscheide ich theoretisch die folgenden drei Stadien in der Blüthen- entwickelung bei der Birke und Erle : Erstes Stadium, vor der Bestäubung: Der Frucht- knoten ist noch unentwickelt, die Blüthenachse hat zwei erste Blätter, die Carpellblätter, getrieben; ihr Scheitel bietet eine (noch einfache) axile 'Plaeenta dar. Zweites Stadium, zur Zeit der Bestäubung: Die beiden Carpelle haben ihre vollkommene Ausbildung er- reicht, sie bilden jetzt zwei Narben und einen kurzen Griffeleanal; die Blüthenachse entwickelt sich weiter: sie ist zur Bildung eines folgenden Paares Blätter ge- schritten, welche die Anlagen der Samenknospen dar- stellen. In diesem Stadium erscheint die axile Plaeenta somit gelappt. Drittes Stadium, zur Zeit der Befruchtung: Die Car- pelle sind längst vertrocknet; die Blüthenachse ist aus- gewachsen und bildet den fertigen, zwar auch jetzt nicht geschlossenen Fruchtknoten. Der Scheitel der Blüthen- achse trägt zwei Samenknospen, die erst jetzt ihre voll- kommene Ausbildung erreicht haben. Zunächst ist es einleuchtend, dass der Fruchtknoten der Betulineen in seinem fertigen Zustande nach seinem Aufbau, besonders aber nach den Eigenschaften seiner Samenknospen, resp. des Embryosackes und Geschlechts- apparates, einen zwar sehr einfachen, dennoch aber typischen angiospermen Fruchtknoten darbietet; ferner aber auch, dass die eigentümliche Art der Entwickelung des Fruchtknotens (in dessen Ausbildung die Carpelle eine so untergeordnete Rolle spielen), besonders aber die auffallenden Erscheinungen bei der Befruchtung, der näheren Vergleie.hung der Betulineen mit den echten Angiospermen im Wege stehen. Es lag N. daher die Vermuthung nahe: es muss ein intermediärer Typus zwischen chalazogamen Pflanzen und echten Angiospermen existiren, welcher - einer der den Betulineen im Systeme nahestehenden Familie angehörend — sich von dem chalazogamen Typus durch beschleunigten Entwiekelungs- verlauf der Blüthe und durch verkürzten Weg des Pollen- schlauches auszeichnet. Einen solchen Typus hat N. nun in der Familie der Uliuaceen wirklich aufgefunden, denn Ulmus effusa, die er untersuchte, zeigt gerade die passenden Verhältnisse: Zur Zeit der Bestäubung finden wir bei dieser Pflanze die fast fertigen Samenknospen; der Pollenschlauch er- weist sich auch hier unfähig, in der Fruehtkuotenhöhle frei zu wachsen, und kann demnach noch viel weniger durch die Micropyle den Nucellus erreichen; er drängt sieh vielmehr durch das Gewebe des kurzen Griffels hin- durch, steigt im Innern des Funiculus bis auf die halbe 526 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 43. Die Entwicklungsgeschichte der uns, meinem Erachten nach, die Höhe der .Samenknospen hinab und wendet sich dem Scheitel des Nucellus zu, welchen er, die beiden Integu- mente durchbohrend, endlich erreicht (siehe Fig. 6). Die Clialazogamie ist somit nicht als eine Sonder- eigenthümlichkeit oder eine Art von Anomalie einer eng umschlossenen Pflanzengruppe, für dieselbe allein geltend, aufzufassen. Vielmehr lässt sich die bei den Angio- spermen verbreitete Befruchtungsart durch die Frucht- knotenhöhle und die Micropyle (Porogamie), wenigstens bei vielen Dicotylen, als eine von der Clialazogamie ab- stammende Anpassung deuten, welche die höheren Pflanzen im Laufe der Entwicklung durch das allmähliche „Ge- wöhnen" des Pollenschlauches an den kürzeren Weg und an ein schnelleres Wachsthum in den Höhlungen erworben haben. Dieser allgemeinere Gesichtspunkt führt uns nun zur Frage, ob wir nicht auch die Clialazogamie von irgend welcher uns bekannten ursprünglichen Art der Befruch- tung ableiten können? Betulineen-Blüthe giebt dazu nöthigeu Stütz- punkte. Wollen wir näm- lich das erste der oben angedeuteten Entwik- kelungsstadien der Be- tulineen-Blüthe als fer- tigen Zustaud eines sehr rudimentären Frucht- knotens betrachten, dessen einfache axilc Placenta in ihrem In- nern den Embryosack birgt (siehe Fig. 1). Die Pollenkörner kön- nen durch die offene Mündung solches pri- mitiven Fruchtknotens direct auf den Scheitel der Placenta gelangen ; der Pollenschlauch braucht somit nur eine kurze Strecke in das Gewebe hineinzuwach- sen, um den Embryosack zu erreichen. Stellen wir uns ferner vor, dass dieser rudimentäre Fruchtknoten hei einem höher entwickelten Pflanzentypus das wesent- lichste Merkmal eines angiospermen Fruchtknotens, d. h. die Narben und den Griffelcanal, bekomme; dabei kann die axile Placenta (die Blüthenachse) entweder einfach bleiben oder durch seitliche Sprossung die Anlage eines Blattpaares bilden (vergl. Fig. 2). In den beiden Fällen tritt ein Frucht- knoten mit nicht differenzirten Samenknospen uns entgegen, welchen Typus wir nur zumTheil als hypothetisch betrachten dürfen, indem derselbe theils von der zur Bestäubung fertigen Betulineen - Bliithe, theils von den Fruchtknoten mancher reducirten Pflanzen (Loranthaceen und Santa- laceen) thatsächlich dargeboten wird. Im Fruchtknoten mit einfacher Placenta muss der Embryosack in deren Gewebe eingesenkt werden, die beiden seitlichen Fort- sätze der Placenta bei dem zweiten Typus indess müssen je einen Embryosack in ihrem Innern enthalten. Es ist einleuchtend, dass die früheren Bedingungen des inter- eellulären und senkrechten Verlaufes für den Pollen- schlauch im ersten Falle erhalten bleiben, während in dem zweiten der Pollenschlauch eine krumme Bahn durch die Chalaza der (noch unentwickelten) Samenknospen brechen muss, um den Scheitel des Embryosackes zu er- reichen; sonst hätte der Pollenschlauch seine „Gewohnheit" an interccllulären Verlauf und an diesem Verlaufe ent- sprechende Ernährung plötzlich abändern müssen. Denken wir nun die beiden letzten hypothetischen Typen fortentwickelt und im einen Falle eine einzige grundständige (Fig. 3), im anderen aber zwei achsen- bürtige Samenknospen (Fig. 4 und 5) gebildet, so ge- langen wir zu den in der Natur thatsächlich existirenden Typen, deren erster von den nicht chalazogamen Myrica und Juglans, deren zweiter von den chalazogamen Be- tulineen dargestellt wird. Nun kommt es darauf an, ob wir den offenen Frucht- knoten -- der von uns als ein ursprünglicher Typus an- genommen worden und somit als Ausgangspunkt unserer Betrachtungen gedient hat — als ein ebenfalls wirklich existirendes Organ ansehen dürfen? N. hält seines Theils dafür, dass ein solches Organ wirklich existirt und nichts anderes als das sogenannte „gymnosperme Ovulum" ist. N. ist sich wohl "der Hindernisse bewusst, die einer solchen Deutung des weiblichen Organs der Gymno- spermen entgegenstehen, schliesst sich aber dennoch den vielen Morphologen an, die dieses Organ als einen rudimentären Fruchtknoten aufge- fasst hatten. Von den verschiedenen Deutun- gen, die das sogenannte „gymnosperme Ovu- lum'- bei letzterer Auf- fassung im Laufe der Zeit erfahren hat, wählt N. diejenige von Agardh, der die weib- lichen Blüthen der Co- niferen als nackte Fruchtknoten bezeich- net und mit denen der Amentaceen vergleicht. Agardh's Auffas- sung deckt sich mit der N.'s vollkommen, denn dieser Gelehrte hält gleichfalls den „Nucellus" der Coni- feren - Bliithe für eine axile Placenta, welche die auf ihre Einbryosäcke beschränkten Ovula (die sogenannten Corpuscula) enthält. Selbstverständlich ist die Agardh- schc Auffassung jetzt insofern zu inodificiren, als der „Nucellus" der Coniferen, nach der heutigen Deutung, nicht mehrere, sondern einen einzigen Embryosack enthält. N. ist überzeugt, dass die mannigfachen Beziehungen, die zwischen den Betulineen und Coniferen existiren und von verschiedenen Gesichtspunkten aus vielfach von meh- reren Botanikern angedeutet wurden, ihre weitere Be- gründung durch eine vergleichend - morphologische For- schung über die Blüthen- resp. Blüthenstandstheile bei den genannten Pflanzenfamilien finden werden. Mit den embryo- logischen Studien der Betulineen unternahm er daher gleich- zeitig die vergleichenden Untersuchungen über den Bau der Zapfen der verschiedenen Species der Birke, Erle, Cupres- sus, Thuja u. a., weil die Cupressineen als die den Betuli- neen am nächsten stehenden Nadelhölzer anzusehen sind. Die Newton'sche Constaiite der Gravitation hat Prof. Boys mit Hülfe eines besonders eonstruirten Appa- rates, in welchem die von ihm hergestellten Quarzfäden (vgl. „Naturw. Wochenschr." Bd. IV, S. 159) Verwendung finden, von neuem bestimmt, und zwar benutzte er Blei- Nr. 43. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 527 und Goldkugeln zu diesem Zwecke. Er veröffentlicht darüber einen kurzen vorläufigen Bericht in den Procee- dings of the Royal Society (vol. LVI, Nr. 337), aus dem wir als Resultat noch die Bestimmung der mittleren Dichte der Erde hervorheben. Für dieselbe findet Boys den Werth 5,5270. Art der fossilen Pflanzenreste und Spuren.*) — Dickere Organtheile, wie z. B. Braunkohlen-Hölzer, und überhaupt solche Reste, die in den jüngsten geologischen Horizonten (Alluvium und Diluvium) vorkommen, können in seltenen Fällen eine nur oberflächliche Umwandlung er- litten haben; meist jedoch ist mit den Pflanzenthcilen eine vollständige Veränderung vor sich gegangen. Entweder sind dann die Gewächse verkohlt, und zwar ist die Volumen-Reduetion bei der Umwandlung vou Pflanzen- Material in Steinkohle abhängig von dem Bergniittel, in welchem die Verwesung der Reste vor sich ging (man findet Reductionsbrüche von gegen '/3 — Vgo**j; °^er die Organe, namentlich dickere Thcile — wie .Stengel, Früchte und dergl. — haben im Laufe der Zeiten eine voll- ständige Umwandlung erlitten. Bei diesen ist der ur- sprüngliche, organische Stoff ganz oder fast ganz verloren gegangen und durch eine kieselige oder andere minera- lische Masse ersetzt worden, so dass wir echte Versteine- rungen***) erhalten, die jedoch die organischen Formen oft getreu wiedergeben. Man hat sich vorzustellen, dass die Pflanzenmaterialien von Wasser durchtränkt waren, welches mineralische Bestandteile in Lösung enthielt. Da nun verwesende Pflanzensubstanzen die Neigung haben, solche mineralische Bestandtheile niederzuschlagen, so werden die Zellmembranen allmählich durch dieselben mehr oder minder weitgehend ersetzt. Das versteinernde Mittel ist meist Kieselsäure (H,Siü4), Kalk (CaCOa), Dolomit (CaC03 -+- MgCOs) oder endlich Eisenearbonat (FeC03). Sehr wichtige uns hinterbliebene Spuren sind Ab- drücke von Pflanzentheilen in einer ursprünglich weichen und knetbaren, nach und nach steinfest gewordenen san- digen, thonigen oder kalkigen Schlammmasse, also eben- so entstanden wie die Abdrücke der Former und Giesser. Solche pflanzlichen Abdrücke wurden in den schlammigen Ablagerungen der Gewässer gebildet. Die z. B. im Herbst auf der Oberfläche eines Sees befindlichen, abgeworfenen Blätter verbleiben zuerst schwimmend oben, saugen sich jedoch voll Wasser und sinken alsbald zu Boden. Sie werden hier mit den bereits am Boden befindlichen an- deren Pflanzen bruchstücken von den durch einen Wasser- zufluss unter Umständen herbeigeführten und abgesetzten schlammigen, erdigen Theilchen bedeckt, „incrustirt", indem diese Sehlammmassen, sich allen Unebenheiten an- schmiegend, ein getreues Abbild der Blätter liefern. f) Nach und nach erhärtet der Schlamm und wird zu festem Ge- stein, welches uns nun — wenn wir es zerschlagen - die schönsten Abdrücke und Modellirungen zeigt. Der Pflanzen- rest selber kann durch Verwesung vollständig verschwinden oder mehr oder minder verkohlt sieh bemerkbar machen. Es brauchennicht immer angeschwemmte Materialienzusein, *) Der obige Artikel ist in Folge einer Anfrage an die Redaction aus dem Leserkreise über die Definitionen einiger in demselben zur Erläuterung kommenden Begriffe entstanden, die in ßd. VI, S. 232 (auf Grund der damaligen Frage) keine Er- wähnung gefunden hatten. Ich ziehe es aber vor, trotz der schon erschienenen Auseinandersetzung, hier einmal im Zusammenhange das ganze Gebiet über die Entstehung und die Erbaltungsweise der fossilen PHanzenreste kurz zu behandeln. **) Vergl. „Naturw. Wochenschr.-1 VIII, S. 485. ***) Unter Versteinerungen im weitesten Sinne versteht man alle fossilen Reste, mögen sie erhalten sein, wie sie wollen, t) Von manchen Autoren wird der Begriff der Incrustation enger gefasst und im Wesentlichen auf die chemischen Nieder- schläge beschränkt. welche die Pflanzenreste umhüllen, zuweilen sind es chemi- sche Niederschläge (z. B. von Calciumcarbonat [CaCO;i]), welche das Einbettungsmittel liefern. Die grünen Pflanzentheile nehmen ja das Kohlendioxyd C02) ihrer Umgebung als Nährsubstanz auf. Wachsen die Pflanzen im Wasser, so entnehmen sie das C02 aus dksem; bat ein an CO., reiches Wasser Gelegenheit, CaC03 aufzulösen, so Mint es dies in besonders reichlichem Maasse. Bei C02- Verlust, etwa durch den Assimilationsprocess grüner Pflanzen, schlägt sich das in weniger CO^-haltigem Wasser auch weniger leicht lösliche CaC03 auf der Pflanze nieder und bettet sie ein, incrustirt sie. Incrustationen kommen aber nicht nur zu Stande 1. durch einfache Einbettung in Schlamm-, Sand-, oder sonstige Massen und 2. durch che- mische Niederschläge in der vorerwähnten Art, sondern auch 3. in der folgenden Weise. Mineralische Substanzen schlagen sich gern an festeren Thcilen nieder oder an Tbcilen, die heterogene Bestandtheile in einer homogenen Masse bilden. Pflanzentheile, die sich z. B. in losem Sande eingebettet finden, werden daher die Ursachen für Niederschläge, Sinterbildungen, Concretionen sein können. Als Beispiel erwähne ich die Osteocolleu, die „ Beinbruchsteine", die sich in lockeren, nament- lich in Dünensand finden und welche Kalksintelbildungen, namentlich um abgestorbene Kiefernwurzeln darstellen, welche die Veranlassung zum Niederschlag des Kalkes in den cireulirenden Wässern gewesen sind*). Fault ein incrustirter Pflanzentheil ohne Hinterlassung von Substanz vollkommen weg, so erhalten wir einen Hohlraum, dessen Fläche der Abdruck (Negativ- Ab- druck, Hohldruck) des eingehüllt gewesenen Pflanzen- restes ist, wie z. B. bei der ganz überwiegenden Zahl der pflanzlichen „Einschlüsse" in Bernstein, dessen durch die eingeschlossenen Reste bedingten Hohlräume nur noch geringe Kohlenspuren aufweisen. Wird, wie das aber sonst meistens der Fall ist, der Hohlraum nachträglich von erhärtendem Schlamm, Sand u. s. w. ausgefüllt, so erhalten wir eine Nachbildung des ursprünglich eingebettet gewesenen Pflanzenrestes, einen Steinkern, dessen Aussenfläche das positive Bild derjenigen des ursprüng- lichen Pflanzenrestes wiedergiebt. Meist sind an Stein- kernen, die natürlich auch durch Ausfüllung in der Pflanze ursprünglicher Hohlräume entstanden sind, noch kohlige Reste der Pflanzen - Materialien erhalten geblieben ; namentlich sind es die chemisch widerstandsfähigeren Hautgewebe, welche in dieser Weise erhalten bleiben, und die Steinkerne, die dann natürlich verloren ge- gangen1 n Innentheilen der Pflanzen entsprechen, zeigen demgemäss auf ihren Oberflächen Sculpturen innerer Flächen. Steinkerne treten begreiflicherweise vorwiegeud als Erhaltungszustände dickerer Organteile auf. Flache Organe, wie Blätter, lassen allermeist einen ganz dünnen kohligen Rest zwischen den incrustirenden Mitteln zurück. Beim Aufspalten des solche Organe incrustirenden Gesteins wird die eine Seite der Spaltfläche deu Negativabdruck, nehmen wir einmal an, der Blattoberseite darstellen, während die andere Seite der Spaltfläche deu kohligen Rest des Blattes selbst trägt. Dieser zeigt natürlich das Positiv der Blattoberseite; um auch die Oberflächen- sculptur der Blattunterseite kennen zu lernen, wäre dem- nach die Entfernung der kohligen Bedeckung erforderlich. Man pflegt schlecht beide Seiten der Spaltfläche als Druck und Gegendruck zu unterscheiden; der eine derselben ist dann ein Hohldruck, ein Abdruck, der andere bietet eine Positiv-Oberfläche des kohligen Petrefacts selbst. Endlich sei noch der Erhaltung von Steinkernen als Halbrelief Erwähnung gethan, welche keinerlei ') Eine ausführliche Mittheilung über den Berliner Beinbruch- stein findet sich in der „Naturw. Wochenschr." VII, S. 292. 528 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 43. Spuren kohliger Reste aufweisen. Man stellt sich vor, namentlich Saporta, class sehr wasserreiche und während der Verwesung leicht zusammensinkende Pflanzen, wie die Algen, dies nach ihrer Erschliessung thun, sodass die noch weichen, deckenden Schlamm oder Sand-Massen nachsinken. Die organische Substanz versickert in der Unterlage, sodass von derselben später kaum noch etwas oder nichts mehr constatirbar bleibt. Dem entsprechend tragen die oberen Schiehtungsflächcn des Gesteins die Halbreliefs, während sich auf den unteren Hohldrücke be- finden. Weniger leicht zusammenfallende und verwesende Pflanzentheile müssen, wenn sie zur Erzeugung solcher Halbreliefs Veranlassung geben sollen, nach ihrer Ein- bettung wieder fortgeschwemmt und die Hohldrücke nach- träglich wieder ausgefüllt worden sein. Halbreliefs letzt- genannter Art sind freilich selten und das Vorkommen solcher erstgenannter Art wild von A. G. Nathorst bestritten. Thierfährten erhalten sich, wie namentlich dieser Gelehrte gezeigt hat, oft als Halbrelief. Ich werde hierauf in einem in Vorbereitung begriffenen Artikel über vermeint- liche und zweifelhafte Pflanzenfossilien näher eingehen. Nach der geschilderten Entstehungsweise müssen die Halbreliefs auf den Unterflächen der von zwei Schichtungsflächen begrenzten Platten auftreten, während die Oberflächen die Hohldrücke zeigen müssen. Es giebt aber Thiere, welche als Kriechspuren-Reliefe nicht Ver- tiefungen erzeugen, sodass in diesen selteneren Fällen die ersteren auf den Oberflächen der Platten zur Er- scheinung kommen müssen. Ein Fossil kann gleichzeitig mehrere der erwähnten Erhaltungsweisen zeigen, z. B. zum Theil verkohlt zum Theil versteinert sein; diesbezüglich giebt es versteinerte Hölzer, bei denen aber die sieh chemischen Einwirkungen gegenüber anders wie das Holz verhaltende Rinde, namentlich das Hautgewebe derselben, kohlig erhalten ist. Zur Entstehung der erwähnten Reste und Spuren ge- hören, wie man sich denken kann, besondere, ganz günstige Bedingungen, und da diese nur hier und da zusammen- treffen, so ist ersichtlich, dass ihre Aufbewahrung in der beschriebenen Weise von Zufällen abhängig ist, und wir werden leicht begreifen, dass uns im Vergleich zum Vor- handen - Geweseneu nur ein ausserordentlich ver- schwindend kleiner Theil erhalten bleiben konnte. Dass bei der geschilderten Sachlage sich Spuren und Reste der früher die Erde bewohnenden Pflanzen fast ausschliesslich in Gesteinen finden müssen, deren Bildung das Wasser veranlasst hat, also nur in neptunischen Bildungen, in Sedimenten, und ferner in solchen, deren Entstehung auf die Thätigkeit der Pflanzen selbst, zurück- zuführen ist, wie z. B. im Torf und in Gesteinen, die in der oben geschilderten Weise durch von Pflanzen veranlasste Niederschläge aus Lösungen entstanden sind, ist selbstverständlich. In vulkanischen (plutonischen) Ge- steinen werden nur unter ganz ausnahmsweise!! Be- dingungen, und dann nur Spuren von Pflanzen nachweisbar seiii können. Speciell in vulkanischen Aschen finden' sich Pflanzenreste resp. ihre Spuren verhältnissmässig am häufigsten. H. Potonie. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. Felix Ahrens, Privatdocent in Breslau, zum Professor und Director des technologischen Instituts der dortigen Universität; Privatdocent Dr. Nasse in Berlin zum Nachfolger des als Krankenhausdirector nach Hannover berufenen Dr. Schlange in der chirurgisch-propädeutischen Klinik in der Ziegelstrasse zu Berlin. Berufen wurden: der Privatdocent Dr. Schmorl von der medicinischen Fakultät in Leipzig als Prosector an das städtische Krankenhaus zu Dresden; Dr. Wilhelm Goetz, Privatdocent an der technischen Hochschule in München und Professor an den Militär - Bildungsanstalten zum Professor der Geographie nach Erlangen; Dr. Bonhoeffer, erster Assistent an der psychia- trischen Klinik in Breslau als Hilfsarbeiter in das Medicinal- collegium für Schlesien. Ans dem Lehramt scheiden: der ordentliche Professor der Phvsik Dr. Wal ther König in Leipzig; der ordentliche Professor in der medicinischeu Fakultät in Strassburg Dr. Aubenas. Gestorben ist: der frühere Professor der Anatomie und Phy- siologie am Üartmouth College in Boston Holmes. LJtteratur. Willy Reichel, Der Magnetismus und seine Phänomene. Ver- lag von Karl Siegismund. Berlin 1892, — Preis 1 M. Diese Schrift ist eine Umarbeitung eines früheren Werkes: „Der Heilmagnetismus" von demselben Verfasser. Die Zahl der Werke über irgend welche Themata, die mit einem mystischen Schleier umwoben sind und deshalb von der Naturwissenschaft bekämpft werden, schwillt wieder einmal bedenklieh an. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem „thierischen Magnetismus" und seiner Anwendung für die Heilkunde. Aber anstatt den Versuch zu machen, seine Anschauungen oder besser Ueberzeugungen ein- mal objeetiv vorzutragen und Beweise dafür beizubringen, wirft der Verfasser, wie es meist geschieht, den sogenannten Magnetismus und Spiritismus in einen Topf. Da nun die Lehren des letzteren allen Erfahrungen der Wissenschaft widersprechen und sieh bis- her noch kein einwandfreier Zeuge gefunden hat, der eine Lanze für ihn brach, ist man vollauf berechtigt, den Spiritismus zu leugnen und zu bekämpfen, und da der Magnetismus mit diesem stets verquickt wird, trifft ihn natürlicherweise das gleiche Schick- sal. Eine ruhige Debatte über den Magnetismus könnte sich erst entspinnen, wenn er losgelöst wird aus jener Verschmelzung, denn er hat thatsächlich mit den Lehren des Spiritismus gar nichts gemein. Dass der Magnetismus an und für sich von Voraus- setzungen ausgeht, welche durchaus sich mit den bisherigen wissenschaftliehen Thatsachen vereinigen lassen könnten, ist zweifellos. Warum sollte nicht schliesslich der Mensch, in dessen Körper nachgewiesenermaassen fortwährend elektrische Ströme kreisen, auch schwache magnetische Kräfte in sich haben? Es würden sich dadurch sogar manche Beobachtuugsthatsachen sehr einfach erklären lassen. Nur ist es höchst merkwürdig und für die Sache schädlich, dass man in solchen Eigenschaften, deren Existenz möglich ist, aber nicht mit apodiktischer Gewissheit be- hauptet werden darf, nun meistens auch die „Lebenskraft'' er- blicken will, mit der man Krankheiten heilen kann etc. Gerade in dieser letzteren Beziehung muss man sehr vorsichtig im Urtheilen sein, da man vielfach die wunderbaren Wirkungen des Hypnotismus fälschlicherweise dem doch mindestens sehr problematischen Magnetismus in die Schuhe schiebt. Unter den zahlreichen Fallen, die Reichel anführt, um die Heilkräfte des Magnetismus nachzuweisen, ist kein einziger, der nicht durch Wirkung hypnotischer oder gar nichthypnotischer Suggestion er- klärt Verden könnte; denn welche grenzenlose Bedeutung schon die blosse Suggestion unter Umständen erlangen kann, davon haben die meisten Menschen eine auch nicht annähernd richtige Vorstellung, und Herr Reichel ebensowenig, der auf Seite 29 z. B. sogar von der Hypnose sagt, sie sei nur für eingebildete Krank- heiten verwendbar, nicht aber für organische Leiden. Wenn Herr Reichel über die wahre Bedeutung des Magnetismus sich ein Urtbeil bilden will, so möge er sich zunächst einmal mit dem Wesen des Hypnotismus befassen. In dieser Beziehung entwickelt er bisher eine geradezu horrende Unkenntnis?, sonst könnte er z. B. nicht sagen, es könnte nur jemand hypnötisiren, , der starke Willenskraft hat", oder dass es „wohl möglich ist, jemand in Hypnose, zu versetzen, aber nicht immer ihn aus derselben zu er- wecken, und alsdann leicht Schlagfiuss eintritt, wogegen der magnetisch begabte Mensch durch Rückstriche, Anhauchen u. s. w. derartig in Schlaf versetzte sogleich erweckt". Er klagt: „Der Hypnotismus wird fortwährend mit dem Magnetismus verwechselt, doch hat er mit demselben nichts zu thun", und dabei macht er sich unausgesetzt sdbst dieser Verwechslung schuldig. Noch kann die Naturwissenschaft den Magnetismus nicht anerkennen und muss sich ihm gegenüber passiv verhalten, eben aus Mangel an triftigen Beweisen. Erst müsste von völlig ein- wandfreier Seito eine Heilung ei folgen, wo jede Suggestion ab- solut ausgeschlossen ist, also etwa eine Heilung ohne Wissen des Kranken, ehe die Wissenschaft den Magnetismus als sichere That- sache hinnehmen kann, dessen Existenz ja, wie gesagt, durchaus nicht gar so unwahrscheinlich ist; aber gerade Reicheis Aeusse- rung: „Es gelingt mir nicht, derartige Krankheiten für die Dauer zu beseitigen, wenn der Patient nicht für das Wort Gottes em- pfänglich ist" (S. 24 u. 25), ist höchst verdächtig. R. H. Nr. 43. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 529 Tr. J. E. Weiss. Doocnt clor Botanik an der königl. Universität in Miinchi'ii. königl. Custos .-im botanischen Garten in München, Schul- und Excursions-Flora von Bayern (bezw. Deutschland). München und Leipzig Dr E. Woltf, Wissenschaftlicher Ver- lag. IS94 kl. 8". XXXIX und 520 (bezw. 575) S. — Preis 4,50 bezw. 4 Mark. Unter diesem, bis auf die Worte Bayern (B.) bezw. Deutsch- land (D.) übereinstimmenden Titel sind zwei Bücher erschienen, die auch im grössten Theile ihres Textes wörtlich, ja buchstäblich übereinstimmen, sodass 1) augenscheinlich mit Benutzung des Satzes von B. hergestellt ist. Dies ergiebt sich aus der Wieder- kehr nicht nur der weiterhin zu besprechenden sachlichen Irr- thümer, sondern auch einer Anzahl z. Th recht sinnstöivnder Druckfehler. So B und I). XXXIX, wo die Sporenkapseln der Ophioglossaceac aus ungebildeten Blattabschnitten entstehen ; B. 213, D. 236 sind die Hüllblätter von Sherardia am Rande ver- wachsen (wohl eher Schreib- als Druckfehler, der sich genau ebenso B. 248 D. 273 in Bezug auf die gelbe Farbe der Strahlbliithen von Anthemis mixta wiederholt); B. 460, D. 506 sind die weiblichen Aehren von Carex atvata länglich-gestielt (statt länglich, gestielt!; B. 461, u. 506 haben die Deckblätter von Carex pilulifera grüne Stiele (statt Kiele); B. 508, D. 561 findet sich Scolopendium; B. 351, D. 387 steht der Autorname Suttor. Der einzige (abgesehen von den wenigen vom Verf. angezeigten) vom Ref. in B. (506) bemerkte Fehle]-, efen er in D. (560) verbessert fand, ist der Autorname Weiss der an der letzteren Stelle richtig Weis lautet. Ist schon diese Her tollung nach Art des Hektographen charakteristisch, sn hat Verf. eine besonders strenge Kritik auch dadurch heraus- gefordert, da.^s er wiederholt als Methodiker auf dem Gebiete der Fluristik und Pflanzengeographie aufgetreten ist. So hat er uns mit einem Vademeeum botanicorum beschenkt, das Ref. allerdings als recht unpraktisch bezeichnen muss. Dasselbe besteht aus einem alphabetischen Verzeichniss der in Deutschland vorkommen- den Arten; hinter jedem Namen ist nur Raum zum Notiren einer Anzahl Nummern, die ebensoviele Excursionen bezeichnen sollen. Ref. sollte doch meinen, dass Jedem, der überhaupt im Stande ist floristische Aufzeichnungen zu machen, das System ebenso geläufig sein müsste als das Alphabet; auch wird eine Excursion doch mehr als einen einzigen Fundort berühren. Ferner hat W. im ersten Jahresberichte der von ihm gegründeten Bayerischen botanischen Gesellschaft und in der Deutschen botanischen Monats- schrift 1890 didaktische Anweisungen für floristische Beobach- tungen gegeben. Von einem so lehrhaften Schriftsteller sollte man also eine Musterleistung oder wenigstens doch eine solche erwarten, die 'hinter den besseren vorhandenen nicht allzuweit zurücksteht. Sehen wir uns zunächst den descriptiven Theil an, der, wie bemerkt, beiden Büchern grösstentheils gemeinsam ist. Der Plan ist nicht unzweckmässig und die typographische Anordnung sogar geschickt zu nennen. Im Allgemeinen folgt Verf. der bekannten Flora Deutschlands von Gareke, in der Clavis-artigen Anordnung der Arten aber der Excursionsflora von Bayern von Prantl. Andere Litteratur dürfte er wohl nicht häufig benutzt haben; so sind die Nuphar- Formen nach Harz, die hellfrüehtigen Vaccinien nach den Arbeiten des Ref. und seines Collegen Magnus darge- stellt. Bei Rubus (Aufzählung nach Focke) vermissen wir die Arten des verdienstvollen bayerischen Forschers Progel, selbst die, welche Prantl schon aufgenommen, bei Rosa (nach Crepins System) die neueren Arbeiten über bayerische Formen, z. B. die von H. Braun in den Landshuter Berichten von 1889. Das Buch beginnt mit einem Schlüssel, durch den man nach dem Linne'schen System zur Bestimmung der natürlichen Familien bezw. der abnormen Gattungen gelangt. Das erscheint ja auf den ersten Blick nicht sehr wissenschaftlich, aber praktisch ist es, wenn sorgfältig und mit Sachkenntniss durchgeführt, wie z. B. in Wigands Flora von Kurhessen, ganz zweckmässig; Ref. hat sich schon vor Jahren (Bot. Zeit. 1878, Sp. 334) und seitdem öfter zu Gunsten dieser Methode ausgesprochen und ist auch durch den Widerspruch von so bedeutenden Botanikern und erfahrenen Pädagogen wie Buchenau und Koehne nicht vom Gegenthed überzeugt worden. Ja, aber Sorgfalt und Sachkenntniss! daran fehlt es in den W. 'sehen Büchern nur zu oft. So wird die Frucht der Rhamnaceen B. D. XVII eine Beere, die von Agrimonia B. D. XXIX (in Widerspruch mit B. 128, D. 138) eine Kapsel, die der Juncaceen B. D. XXII ein Nüsschen (B. 431, D. 475 aber richtig eine Kapsel) genannt, sowie an der ersten Stelle auch dieser Familie allgemein grasartige Blätter zugeschrieben werden. An der letzten Stelle werden die Junei genuini (mit Einschluss der thalassici) fi.dgenderinaassen charakterisirt: „Halme blattlos, spitz, fruchtbar oder unfruchtbar, . . . Spirre endständig aber durch das aufrechte Hüllblatt scheinbar seitenständig; die nicht blühenden Halme mit einem langen eylindrischen Blatt" Also der fruchtbare „blattlose Halm" trägt ein aufrechtes Hüllblatt und der unfruchtbare ein langes cylindrisches Blatt! Wie soll sich der Anfänger durch diese Widersprüche durchfinden V oder woher soll er wissen, dass mit Schiffchen und Kiel (B. 100, D. 108), dass mit Grundblättern [z. B. B. D. 7*)] und Wurzelblättern .z.B. B. 185, D. 205\ mit Grundaxe (B. 18, D. 191 und Wurzelstock I'.. D. 5). mit Blütenboden und Fruchtboden (B 22:;. 224, D. 2 1 : i dasselbe Organ genieint ist? ('der was soll er sich tiarunter vorstellen, dass B. 'J13, 214. D. 236, 237 die Krone von Asperula tinetoria „ge- spalten", die von A. cynanchica „4spaltig" genannt wird ? Dieser letztere Fehler gehört wohl in das Gebiet der „Verschreibungen", die ja einzeln auch einem gewissenhafteren Autor begegnen k die aber bedenklich «erden, wenn sie sich so oft finden wie hier und für den Anfänger so schwer zu deuten sind, wie die „quirl- ständigen Rosetten" der Androsaces-Arten II. 306, D. 329. Eher wird der Anfänger, wenn er der lateinischen Sprache mächtig ist, di' „stacheligen" Kapseln der Datura Stramonium var. inermis B. 33t), I). 365 als in <\or Hast untergelaufenen Schreibfehler er- kennen In dem in B. und I). nachgetragenen Artikel über Aldro- vandia ist die [nterpunetion so nachlässig, dass das Prädikat „durch Brutknospen; wie auch die Drosera- Arten überwinternd" auf das Subject „Blüthenstiel" bezogen werden kann; sogar das Semikolon steht in beiden Büchern an derselben verkehrten Stelle. Sehr zahlreiche Fehler sind zu den gemeinsamen in D. noch durch die, wie aus Obigem hervorgeht, nothgedrungen übereilte Ein- schaltung der ausserbayerischen Arten hinzugekommen. So ist Potamogeton marinus (D. 487) neben P. densus in die Abtheilung „Alle Blätter gegenständig. ... halb stengelumfassend'' gekommen. Trifolium Lupinaster, das doch sich durch die 5 zähligen Blätter von allen übrigen Klee- Arten unterscheidet, steht D. 117 neben T. montanum und geräth so unter die nicht zutreffende Ueber- schrift „Blumenkrone weiss oder blassrosa". In der Gattungs- tabelle D. 106, 107 wird der Anfänger diese Art überhaupt ver- geblieh suchen, da dort nur die Gegensätze „Blätter 3 zählig" und „Blätter gefiedert" vorkommen. Cornus suecica steht D. 231 unter der Ueberschrift „Blüten gelb, noch vor dem Erscheinen der Blätter blühend"; in der Diagnose heisst es „Krone purpurrot, gross". In manchen Fällen, in denen eine Art zwischen zwei bayerische hätte eingeschaltet werden müssen, erscheint sie statt nach der ersten hinter der zweiten, anscheinend nur um einen Scheerenschnitt und einen Strich mit dem Gummipinsel zu er- sparen. So steht Carex aristata D. 513 hinter statt vor C. filiformis, und wird durch diese von der nächst verwandten C. hirta getrennt. ITebrigens wird man an dieser Art oft vergeblich nach den in der Ueberschrift verlangten Haaren des Schlauchs suchen. Ganz verfehlt ist die Einschaltung von C. microstaehya D. 503; dieselbe hätte mit C. Gaudiniana eine Unterabtheilung zu bilden, statt dass diese mit C. mucronata (schon in B. fehlerhaft) zusammengestellt ist. Ebenso ist Lepidium virginieum schon B. 51 falsch untergebracht, da die Schötchen weder flügellos noch schwach ausgerandet sind. in D. 56 ist es dadurch weit von dem so nahe verwandten L. „incisum Roth" (richtiger L. apetalum Willd.) entfernt. Eine Musterleistung nach Form und Inhalt ist die Tabelle zur Bestimmung der Potamogetonaceen-Gattungen D. 4S7; nach derselben hat Ruppia „2 oder 4 Staubgefässe", Zostera aber gegenständige od. zu 3 quirlige Blätter (ursprünglich sollte dort wohl Najas stehen?) Sehr ungleich ist die Behandlung der Varietäten und Bastarde. WTährend von manchen gemeinen Pflanzen eine Menge unwichtiger Formen aufgezählt werden, z. B. Potentilla argentea B. 149, D. 167, fehlt die. interessante und sehr seltene Circaea lutetiana var. glaberrima Lasch, die Woerleinbei München entdeckt hat. Während B. 32, D. 35 Nasturtium aneeps mit dem Synonym N. amphi- bium x silvestre und N. palustre X silvestre, ebenso B. 314, D 347 Gentiana Kummeriana Sendtn. (lutea x pannonica) unter eigenen Nummern aufgeführt und besehrieben werden, ist häufig nur am Schluss einer Gattung die Existenz von Bastarden con- statirt (wovon der Anfänger sehr wenig hat) oder auch dies nicht einmal wie bei Orchis; unter Potentilla sind P. hybrida (alba X Fragariastrum) und P. mixta (P. Tormentilla X reptans)] B. 151. D 165, 170 beschrieben, alle übrigen Bastarde unerwähnt geblieben. Aehnlich ist es bei Carex. Verf. schreibt, wie Buchenau, die Namen sämmtlicher Autoren, ausser L. und DC. vollständig aus, was wohl zu billigen ist, da die durch die Abkürzung erzielte Ersparniss nicht der Rede werth ist. Allein um diese Reform durchführen zu können, muss man diese Namen kennen, oder wenn man sie nicht kennt, sie aufsuchen, und sich nicht auf Rathen einlassen. Sonst riskirt man, wie Verf. B. 161, D. 181 Rosa lutea irgend einem Müller statt Miller, B. 218, D. 241 Valeriana angustifolia dem Tauscher statt des gar nicht ab- gekürzten Namens Tausch, B. 310, D. 344 Syringa Emodi dem Wallroth statt Wallich, B 435, D. 475 Juncus Leersii dem Masson statt Marssou, B. 482, D. 531 Avena subspicata einen dem Ref. unbekannten Clairvau.x statt Clairville (der B. 362, 363, D. 398, 39!) richtig als Autor von Calamintha Aoinos und C. Nepcta ge- nannt ist) zuzusehreiben. Der berühmte Agrostograph Palisot, der sich nach seinem Geburtsorte nannte, darf nicht, wie B. 477, 483, D. 525, 529 allein mit dem Namen des letzteren, Beauvois, bezeichnet werden. Ausserdem sind folgende Arten unrichtig *) In D. ist diese Seitenzahl allerdings ausgeblieben, wie. auch 18. 530 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 43. Linne zugeschrieben: Dianthus caesius B. 66, D. 72, Anacyelus officinarum D. 273, Phyteuma nigrum B. 294, D. 326, Cerinthe alpina B. 323, D 358, Ruppia rostellata D. 491, Scirpus radicans B. 452, D. 496, Carex ehordorrhiza B. 455, D. 500. Weitere falsche Autoritäten sind: Crataegus monogyna Willdenow B. 162, D. 182, Vaccinium uliginosum var. leueocarpum „Magnus et Ascherson" B. 298, D. 330, Orobanche coerulea C A. Meyer B. 351, D. 387, Carex mucronata Gaud. (nach Prantl) B. 458, D. 503, Koeleria cristata Host B. 479, D. 527 und Phegopteris Dryopteris Michaux B. 503, D. 556 (wozu jedenfalls das sorglose Abschreiben aus Prantl, bei dem diese Art Nephrodium Dryopteris Michaux heisst, Anlass gab); den fehlenden Autor von Lappula patula B. 320 hätte Verf. in den Ber. D. B. G. V. 1887 LXXXVII rinden können. Die Schreibweise Miliropus D. 261 ist neu aber nicht nachahmenswerth; ebenso ist B. 479, D. 527 Koehleria unrichtig. B. 252, D. 277 steht „Seneeio vernalis L , Frühlings-Kr." statt vulgaris, also mindestens ein sehr hartnäckiger Schreibfehler. D. 278 folgt auf diesen pseudo-Linne- schen S. vernalis unbefangen S. vernalis Waldstein et Kitaibel, gleichfalls „Frühlings-Kr." übersetzt! Aus unrichtiger Auffassung von Garckes Text bezw. Combi- nation sind folgende Fehler entstanden: Atriplex laciniatum be- deutet bei Prantl die von Koch so genannte Art = A- tataricum L. bei Garcke. Dennoch bringt Verf. B. 382 (vgl. D. 420) die Prantl- schen Fundorte aus Bayern zu der Garckeschen Art, die auf die Nordseeküste beschränkt ist. D. 383 wird die Strandpflanze der Nord- und Ostsee irrig Odontites verna Rchb. genannt, welche mit der gemeinen 0. rubra Pers. synonym ist. Das als Futterpflanze eultivirte Symphytum ist nicht S. asperrimum, wie B. 322, D. 356 steht. Carex obtusata Liljebl. erw. umfasst bei Garcke (und im- plicite auch bei Prantl) ausser C. supina Wahlenb. die eigentlich von Liljeblad so benannte Pflanze, die bekanntlich in Deutschland nur bei Leipzig gefunden ist. Die Vereinigung dieser beiden Arten durch Reichenbach fil., Garcke und den Ref. war, wie Neu- mai) 1887 zeigte, irrthümlich. Verf. führt B. 461, D. 506 C su- pina auf, lässt aber C. obtusata ganz fort, wie auch C. triuervis Degland, diese Charakterpflanze der Xordseeinseln. weggeblieben ist, ebenso die neuerdings viel besprochene Sorbus scandica (letztere weil sie in der letzten Auflage von Garckes Flora irrthümlich als Bastard erscheint). Die beiden letzten Ausstellungen leiten uns nunmehr auf das speciell pflanzengeographische Gebiet hinüber. Wir wollen zu- nächst B. betrachten. Bekanntlich hat Verf. 1890 eine .Bayerische Botanische Gesellschaft zur Erforschung der heimischen'Flora" ge- gründet, und die Energie, mit der er alle sich für die Sache In- teressirenden unter seiner Leitung vereinigt, ansehnliche Geldmittel für dieselbe flüssig gemacht und eine Reihe wissenschaftlich werth- voller Arbeiten an die Oeftentlichkeit gebracht hat. verdient rückhalt- lose Anerkennung. Ein dringendes Bedürfniss für eine Neubearbei- tung der Gefässpflanzen Bayerns war aber kaum vorhanden, da das erwähnte Prantl'sche Werk, bei manchen Eigenheiten und einzelnen Missgriffen eine sorgfältige Arbeit von selbständigem wissenschaft- lichem Werthe, erst vor 10 Jahren erschienen ist. Wenn Verf. es dennoch unternahm, eine neue Flora auszuarbeiten, so durften die Mitglieder der B. B. G. doch wohl von ihrem I. Vorsitzenden eine brauchbare Unterlage für ihre weiteren Bemühungen erwarten, in erster Linie also eine vollständige und zuverlässige Registrirune; des von 1884 — 1893 hinzugekommenen floristischen Materials. Allein in dieser Hinsicht werden sie sich völlig enttäuscht fühlen. Einer der grössten Vorzüge des Prantl'schen Buches ist der, dass es reichhaltige, wohlgeordnete und kritische Standortsangaben für alle irgendwie geographisch bemerkenswerthen Arten bietet. Verf. hat aber den allergrössten Theil dieses werthvollen Materials weggelassen, unter dem Vorwande (B. III), „da, offen gestanden, von der Umgebung der grösseren Städte abgesehen, unser Ge- biet noch sehr oberflächlich durchforscht ist". Diese Behauptung nimmt sich sehr seltsam in der Vorrede eines Werkes aus, das an Gründlichkeit soviel wie Alles zu wünschen lässt. Gewiss wird auch in Bayern noch mancherlei Neues zu finden sein. Die Berichte der von W. geleiteten Gesellschaft bringen manche werthvolle Beiträge auch zur Keuntniss der Gefässpflanzenttora. Wenn man aber an die Jahrzehnte fortgesetzten Forschungen Sendtners, die sich über ganz Süd-Bayern und den Bayerischen Wald erstreckten, an die Bestrebungen des Botanischen Vereins zu Nürnberg, an die eingehenden Forschungen in dem weiten Umkreise von Würz- burg und Aschaffenburg, an die lange Reihe von Beobachtern denkt, die seit Pollich und W. Koch bis F. Schultz die Bayerische Pfalz durchsucht haben, so muss man W.'s Behauptung für völlig ungerecht und unzutreffend erklären und zugeben, dass Bayern es mit jedem andern Theile Mittel - Europas an Ge- nauigkeit der botanischen Erforschung aufnehmen kann. Ebenso unzutreffend ist die Behauptung des Verf., dass „alle in Bayern wachsenden Arten aufgeführt" seien. Er hätte zu diesem Zweck nur die sorgfältigen Referate zu benutzen brauchen, die der selige Prantl in deu Florenberichten der Deutschen Botanisehen Gesellschaft geliefert und welche Verf. dann einige Jahre fortgesetzt hat. Allein es fehlen sogar Arten aus den Berichten, die seinen Namen tragen. So u. a. aus dem letzten, im X. Bande der Ber. D. B. G. abgedruckten Potentilla procumbens S. (93) und Lappa nemorosa S. (94), welche letztere B. 259 als noch zu findende Art aufgeführt ist; ferner z. B. Bidens racliatus, den Prantl schon in den Ber. D. B. G. VI CXXX von Erlangen aufgeführt hatte, wo ihn Ref. 1892 unter Führung seines verehrten Freundes Schwarz sammelte. Noch weniger vollständig als der Bestand der Arten ist begreiflicher Weise derjenige wichtiger Fundorte registrirt; so fehlt z. B. Helianthemum Fumana bei Pegnitz, nach Ber. D. B. G. IX (141) einziges Vorkommen in Nord- bayern und zugleich jetzt einziger sichererFundort im diesrheinischen Bayern. Das reiche, in den von dem Verf. herausgegebenen Be- richten der Bayer. Bot. G. niedergelegte Material ist grösstentheils unbenutzt geblieben. Statt specieller Fundorte führt Verf. in dir Regel nur die Unterabtheilungen auf, in welche Prantl das Ge- biet eingetheilt hatte Es ist das eine treffende Selbstkritik der Eintheilung, die Verf. für die Thätigkeit der Bayr. Bot. G. vorge- zeichnet hat, welche allerdings so unzweckmässig wie möglich ist. Als Grenzlinien der Bezirke sind meist Flüsse, auch Canäle und selbst Eisenbahnlinien verwendet. Da nun bekanntlich merkwür- diger Weise „die grossen Flüsse stets an den grossen Städten vorbeifliessen" und zufällig auch die Verkehrslinien dieselben zu berühren pflegen, so werden die Umgebungen von Augsburg, München, Würzburg etc. in 2 — 3, die Nürnbergs sogar in 4 Stücke zerrissen. Unzweckmässig ist in der, vom Verf. aus Bequemlich- keit beibehaltenen Eintheilung Prantls nur die Zerlegung Nord- bayerns nach den geologischen Substraten Buntsandstein, Muschel- kalk, Keuper, Jura Theoretisch wäre dieselbe ja gerechtfertigt, praktisch stösst sie auf unüberwindliche Schwierigkeiten, da sie in zweifelhaften Fällen die Benutzung speciellster geologischer Karten und i'ine topographische Aufnahme der Fundorte erfordern würde. Prantl hat daher nicht wenige ältere Angaben und öfter auch neuere nur zweifelhaft unterbringen können. Unpraktischer Weise giebt W. z. B. Cuscuta CesatianaB. 327 „Weiden nur von K(euper) und B(untsandstein) bekannt" an. Kürzer und bezeichnender wäre gewesen „am Mainufer"; in den Berichten der Bayer. Bot. Ges. hätte Verf. auch Standorte von M(usehelkalk) finden können. Noch viel weniger als für eine bayerische war ein Bedürfniss für eine kurzgefasste deutsche Flora vorhanden; neben den in ihrer Weise vortrefflichen Büchern von Garcke, Will komm, Potonie, den Werken von Jessen und Wohlfarth, die immer- hin noch ungleich mehr selbstständige und sorgfältige Arbeit ent- halten als die des Verf.. ist es schwer abzusehen, was der Letztere dem ausserbayerischen Publikum Neues und Nützliches zu bieten glaubt. Die Angaben des Verf. über die Verbreitung der Pflanzen in D. sind noch viel ungenügender als in B. Seine Unbekanntschaft mit der Flora Nord- und Mitteldeutschlands tritt dabei häufiger zu Tage, als es hätte der Fall zu sein brauchen, wenn er sich nur gewissenhaft an die Angaben Garckes gehalten hätte. Zwar sind die Verstümmelungen von Ortsnamen nicht so häufig wie in den Referaten des Verf. in Justs Jahresbericht, die dadurch noch einen Theil ihres ohnehin nicht hohen Werthes verlieren; es kommen aber auch davon einige hübsche Proben vor. So ist B. 35, D. 38 aus der nicht gerade unbekannten, von Garcke richtig wiedergegebenen bayerischen Eisenbahnstation Hersbruck „Hundsbruck" geworden. D. 318 steht statt Kahlenberg bei der Kesselkoppe „K. bei der Kahlenkoppe". Wo diese mysteriöse Kahlenkoppe zu suchen ist, darüber fehlt jede Andeutung, da bei Garcke gerade au dieser Stelle nicht, wie bei mehreren unmittel- bar vorhergehenden Hieracium-Arten, die Kesselkoppe als im Riesengebirge gelegen bezeichnet ist. Ucberhaupt verfällt Verf., stets bestrebt, sich die Arbeit auf Kosten seiner Leser leicht zu machen, sehr oft in Fehler, wenn seine Thätigkeit eine Kleinig- keit mehr als blosses Abschreiben erfordert hatte. Recht charak- teristisch hierfür sind folgende beiden Fälle. Für Gymnadenia cucullata führt Garcke (16. Aufl.) zunächst einen Standort in Ostpreussen an und fügt dann ohne Bezeichnung der Provinz den von dem Herausgeber dieser Wochenschrift zuerst ermittelten bei Bromberg hinzu. W. begnügt sich D. 455 mit Ostpreussen. Ob er Bromberg in diese Provinz verlegt oder, wie dem Ref. wahr- scheinlicher, garnicht so weit gelesen hat (wie etwa D. 371 bei Linaria odora. wo das von Garcke zuletzt genannte östliche Hinter- pommern fehlt), bleibe unentschieden. Bei Campanula sibirica sind D. 329 nur Schlesien, Posen, Pommern und Preussen genannt. Dass von den Garcke'schen Angaben sich ein beträchtlicher Theil auf die Provinz Brandenburg bezieht, bleibt unbeachtet. Der Name dieser central gelegenen Provinz wird bei Garcke und folg- lich bei W. überhaupt selten genannt; Letzterer übergeht sie da- her in der Erklärung der Abkürzungen, hat aber doch D. 351 ein unerklärtes Br. D. 231 wird Cornus suecica nur aus dem nordöstlichen, D. 239 Galium Wirtgeni nur aus dem westlichen, D. 244 Dipsacus laciniatus nur aus dem südwestlichen Deutsch- land aufgeführt. D. 543 hat ungeschicktes Abschreiben zu einem ergötzlichen Ergebniss geführt. Garcke giebt Elymus europaeus als in Laubwäldern zerstreut an und fügt dann einige specielle Nr. 43. Naturwissenschaftliche W ocliciischrift. 531 Fundorte in West- und Ostpreussen hinzu. Bei W. lautet die Angabe: „Laubwälder, nur Pro und Prw sehr selten.*1 Der An- fänger kann das doch nur so verstehen, dass dies Gras nur in den beiden genannten Provinzen vorkomme. D. 405 ist die Gareke'sche Angabe von Marrubium eretieum von W. ebenso missverstanden worden wie seiner Zeit von Hallier. „Sehr selten verwildert so Halle und Wormsleben". Die von G. erwähnten Fundorte in Erdeborn liegen aber noch einige km weiter von der in dein Liede von den Walfischen in der Saale gemeinten Univer- sitätsstadt als Wormsleben, wo Ref. die Pflanze 1871 in grosser Zahl sah; nach Mittheilung des Herrn Rensch soll sie dort aber erst seit etwa 40 Jahren „angesalbt" sein. Freilich erwähnt Garcke schon 1856 (Fl. v. Halle II, 214) dies Vorkommen Archangelica officinalis ist nach D. 222 „nur im Riesengebirge wild, in Bauern- gärten hier und da kultivirf ; mag sein, wo bleibt aber da die in Norddeutschland so weit verbreitete A. litoralis? D. 224 wird der Kessel aus dem Gesenke ins Riesengebirge versetzt. Das Indigenat betreffen fahrende Missgriffe: Tordylium maxi- muni erhielt D. 225 kleine Schrift und soll nur „selten einge- schleppt" sein. Diese Pflanze ist mindestens so fest und an viel zahlreicheren Orten eingebürgert als das mit voller Schrift und Nummer versehene Marrubium eretieum. Centaurea Calcitrapa wird (in Uebereinstimmung mit Prantl) B. 262 als eingeschleppt ebenso bezeichnet wie C. solstitialis und C. Orientalis. Dies ist für die Pfalz sicher nicht zutreffend, vielleicht auch nicht für Dinkelsbühl, das sich wohl an die Fundorte in Württemberg an- schliessen wird; völlig verkehrt ist diese Bezeichnung aber in D. 289 und muss bei jedem, der die Pflanze bei Halle oder Magde- burg ebenso eingebürgert wie irgend eine andere Segetal- oder Ruduralpflanze gesehen, ein Lächeln hervorrufen, ebenso wie die Bezeichnung von Alopeeimis arundinaceus D. 522 als Adventiv- pflanze, welcher doch die Strandwiesen, deren autochthonen Cha- rakter selbst Ernst H. L. Krause nicht bezweifelt, bewohnt! Da- gegen erhält Crepis taraxaeifolia B. 272, D. 298 das volle Bürger- recht, und über die neuerliehen Wanderungen dieser Art in Ba3'ern wie in den Rheinlanden fehlt jede Andeutung; C. setosa ist dicht daneben als Adventivpflanze aufgeführt, obwohl sie in Ober- Schlesien seit 1S04 ununterbrochen beobachtet und fest einge- bürgert ist. Asclepias Cornuti B 312, D. 345 soll „wohl nirgends verwildert" sein. Folgende Arten die von W. in seinem letzten Referat in Just-Koehne's Jahresbericht für 1890 erwähnt werden, fehlen: Petasites Kablikianus, Potamogeton macrophyllus und Lyeium rhombifolium. Aus dieser Gattung erwähnt er" B. 328, D. 362 nur L. „barbarum" und „europaeum", steht also auf einem Standpunkt, der schon in C. Kochs Dendrologie 1872 überwunden ist. Dies ist um so auffälliger, als er auf die Aufnahme zahlreicher Zier- gehöl/.e und anderer Gartenpflanzen Werth gelegt hat. Aesculus Hippocastanum stammt bei ihm B. 95, D. 103 natürlich noch „an- geblich aus Indien", Syringa „dubia Pers." B. 310, D. 343 „wahr- scheinlich aus China"*). Ref. möchte auch bezweifeln, dass Di- anthus arenarius (B. 66) in Bayern als Zierpflanze eultivirt wird, eine Angabe, die noch bis D. 72 ihren Schatten geworfen hat, da es dort bei D. plumarias heisst „werden oft eultivirt'. Zahlreiche Fehler haben sich wieder dadurch eingeschlichen, dass bei der Metamorphose von B. in D. die ursprünglichen Angaben über die Verbreitung ganz oder theilweise stehen blieben. In manchen Fällen, wie bei Tanacetum macrophyllum B. 249. D. 274, Epipactis latifolia var. violacea B. 419, D '4ü8, Heleocharis acicularis B. 451, D 494 ist die Angabe des Vorkommens in B. *) Wir möchten bei dieser Gelegenheit einige unzutreffende Bezeichnungen und Angaben richtig stellen, die aus C Kochs Dendrologie in die Werke von Dippel und leider auch von Koehne (dessen Deutsehe Dendrologie die Arbeiten der beiden genannten Vorgänger so weit an wissenschaftlichem Werth und praktischer Brauchbarkeit zum Bestimmen überragt) übergegangen sind. Bei Syringa Emodi giebt C. Koch II, 1. 270 die unrichtige Erklärung: „Emodi ist ein Distrikt im weltlichen ILmalaya." In Folge dessen lautet der deutsche Name in den genannten drei Werken „Emodi-Flieder". In Wirklichkeit ist Emodus der antike Name eines Gebirges, das mit dem westlichen Himalaya identisch sein mag Ebenso übereinstimmend wird „Ungarn" als Heimath der S. Josikaea bezeichnet, die im nordöstlichen T eil dos eigent- lichen Ungarn erst neuerdings constatirt wurde. Neilreich kannte sie 1869 noch nicht; über die Auffindung im Marmaroser Comitat. der_die im Beregher voranging, vergl. Janka, (»est. Bot. Zeitschr. 1885, 313 ff. Früher kannte man diese Art nur aus Siebenbürgen, das zwar staatrechtlich zu Ungarn gerechnet, geographisch aber doch unterschieden werden muss. einfach beibehalten, bei Myosotis sparsiflora B. 325, D. 359 ist die ausserbayerische Verbreitung ungeschickt au die bayerische, die mit „nur' anfängt, angehängt. Noch schlimmer sind aber die sehr zahlreichen Fälle, in denen keine Fundorte angi b n ind und die allgemeine Angabe aus B. beibehalten wurde, die für l>. gänzlich unzutreffend ist. u. a. Arnica itana B. 251, 1). 276, Ceririthe minor B. 323, D. 357, Lithospermum purpureo-coeruleum B. 323, D. 308, Pilularia B. 499, D. 551. Um den bekannten Ausspruch „Unkel Bräsigs" anzuwenden: An „Fixigkeit" ist W. allen Concurrenten „über"; wie es abei um die „Richtigkeit" steht, darüber kann sieh jeder Leser nach den mitgetheilten Proben, die nicht etwa mühsam zusammenge- sucht, sondern in einigen Viertelstunden, die Ref. auf das Durch- blättern beider Bücher verwandte, bemerkt wurden, selbst sein Urtheil bilden. p. Ascherson. Schriften des Vereins zur Verbreitung^ naturwissenschaft- licher Kenntnisse in Wien. 34. Bd. Vereinsjahr 1893 94. Popu läre Vorträge aus allen Fächern der Naturwissen- schaft Selbstverlag des Vereins. In Commission bei W. Brau- müller & Sohn. Wien 1894. — Der in der Ueberschrift genannt.' Verein veröffentlicht alljährlich einen Band populärer Vorträge, tue zu dem gediegensten gehören, das auf dem Gebiete geboten wird. 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Lenz, Die sogen. Zwergvölker Afrikas, R. Benedikt, Die Milch und ihre Verar- beitung, Fr. Wähner, Geologische Bilder von der Salzach. — Wie aus diesem Verzeichniss ersichtlich, ist das Gebotene äusserst mannigfaltig und gewährleistet dem Buch allgemeinstes Interesse. Crookes, Will. F. R. S., Strahlende Materie und der 4. Aggregat- zustand. 4. Auflage. Leipzig — 1,50 M. Dennert, Gymn.-Lehr. Dr. E, Vergleichende Pflanzenmorphologie. Leipzig. — 5 M. Karstens, Karl, Eine neue Berechnung der mittleren Tiefen der 1 1« eane. Kiel, — 2 M. Kayser, Prof. Dr. H., Lehrbuch der Physik für Studirende. 2. Auflage. Stuttgart. — 11 M. Klimpert, Rieh., Wiederholungs- und Uebungsbuch zum Studium der allgemeinen Phvsik und elementaren Mechanik. Dresden. — 8 M., geb. 9 M. Leitfaden für das Aquarium der zoologischen Station zu Neapel. Leipzig. ■- 3 M. Loewinson - Lessing, Prof. F., petrographisches Lexikon IL (Schluss-) Theil. Jurjew. — 4 M. Müller, G. W., Die Ostracoden des Golfes von Neapel und di r angrenzenden Meeres-Abschnitte. Berlin. — 100 M. Messtischbläiter des preussisehen Staates •_':;", 1. (lex,.. - 2359. Lüdinghausen. — 2420. Üdeui. - 2428 Drevenack. 2485. Weisholz — 2504. Castrop. — 2506. Kamen. — 2507. Unna. - 2579. Horde. — 2580. Menden. - 272ü. Elberfeld. Nagel, Dr. Wiliib. A., Vergleichend physiologische und anatomische Untersuchungen über den Geruchs- und Geschmackssinn und ihre Organe. Stuttgart. — 22 M. Rubner, Prof. Dir. Dr. Max, Lehrbuch der Hygiene. 5. Auflage. Wien. - 20 M.. geb. in Halbfrz. 22,50 M. Schulze, Dr. Erwin, Florae germauicae Pteridophyta. Kiel. — 0,80 M Schuppe, Wilh., Grundriss der Erkenntnisstheorie und Logik. Berlin. — :l M Weierstrass, Karl, inathematische Werke. 1. Bd. Berlin. — 28 M. Weyer, Geh.-R. Prof. Dr. G. D. E., Ueber die parabolische Spi- rale. Kiel. - 1 M. Inhalt: Dr. Carl E O. Neumann, Flugtechnische Aufgaben. — Verbreitung der Kreuzotter. — Ueber Chalazogamie und ihre Deutung. — Die Newton'sehe Consfante der Gravitation. — Art der fossilen Pflanzenrcste und Spuren. (Mit Abbildung.) - Aus dem wissenschaftlichen Leben. -- Litteratur: Willy Reiche!, Der Magnetismus und seine Phänomene. — Dr. J. E. Weiss. Schul- und Excursionsflora von Bayern (bezw. Deutschland). — Schriften des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien. — Liste i32 Naturwissenschaftliche Woehenschritt. Nr. 43. s: "08 Dicttcr felbftöitbtgEr Xcil öcr „allgemeinen 2änberfiut&< er|d)cint focbcit: 7ä SSon Dr.^.|1l)ilij.H.'ron ""*> «ßrof. Dr. $. flnninum. a §erait'3gec)et>eit »on «Prof. Dr. fpU}. gtirutrs. 4JKttl68®:rrtbiH). 14€artrnbrilnqcn n.28ffiaftln in ^oitldjn- ij. iFarbra- bru*. 14 ffiffmtngfn jn \t 1 üHh. obrr in Ijalbkber gfburtotn W Alb. Sonftänbiq liegen »on bet „allgemeinen Säiibcrtunbe" bor: „Slfrifa", in .fmtbleoer gcbnnoen 129Harf. „Vfien", in §aI6[eoer geöunben 15 Wart, „ülmerifn", in galbleber gefiunben 15 Kart. „Suftralien" Wirb bos äamntetroert im geruft 1895 abfdjliefsen. ®ic erften Steferungen 3ur Wnftdjt. — «ßrofhefte foftertfret. teErlagbEsBibliDiu'apInrrfmt 3nrtitufBinIn)){igii.IPiEri. \fc Verlag von FERDINAND ENKE in Stuttgart. Soeben erschienen: Loew, y- E., Blütenbiologische Floristik des mittleren und nördlichen Europa sowie Grönlands. Syste- matische Zusammenstellung des in den letzten zehn Jahren ver- öffentlichten Beobachtungsmaterials. gr. 8. 1S94. geh- 11 Mark- Mülfer, J., üeber Ursprung und Heimatb des Urmenschen. 8. 18SM. geh. 1 Mark GO Pf. uoit S'dmmn, Ii, imittlitfl) mib Dölher- ninnurrungcit. 9)Ht II 2l6btlbungen. gr. 8. 1894. geh. 14 aKart. Unser Hausarzt" atent-technisches und I Verwerthung-Bureau Betche. 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Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band Sonntag, den 4. November 1894. Nr. 44. £ Abonnement : Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M i.— Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. * Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 ■&. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger «Quellenangabe gestattet. Eine Probe aus dem Torflager bei Lauenburg an der Elbe. Von A. G. Nathorst. Während einer im verflossenen Sommer (1894) vor- genommenen Reise nach Deutschland, benutzte ich die Gelegenheit, das bekannte Torflager am Steilufer der Elbe bei Lauenburg zu besuchen. Ich konnte mich bei diesem Besuche der lehrreichen und liebenswürdigen Führung des Herrn Professors Dr. E. Geinitz aus Rostock erfreuen, welcher bekanntlich sich sehr eingehend mit dem in Rede stehenden Lager beschäftigt hat. Für mich war die stratigraphisehe Untersuchung der Lagerreine diesmal die Hauptsache, und ich habe in dieser Hinsicht nichts zu dem hinzuzufügen, was schon Credncr, Geinitz und Wahnsc hafte constatirt haben. Bekanntlich glaubt Keilhack in seiner ersten Be- schreibung des Torflagers*) die Meinung aussprechen zu können, dass dasselbe von einer Geschiebemergelbank überlagert und von einer anderen unterteuft werde, oder mit anderen Worten, dass es seinen Platz zwischen zwei Moränenbildungen hätte und demzufolge interglacialen Ursprungs sei. Später zeigten Credner, Geinitz und Wah n seh äffe**), dass kein oberer Geschiebemergel vor- handen ist und dass Keilhack's diesbezügliche Angabe auf einem Irrthunie beruhte. Während Keilhack dies nunmehr zugiebt***), glaubt er jedoch, dass die Sande, welche im Hangenden des Torflagers vorkommen, z Th. als typischer „Geschiebesand", d. h. als Product einer zweiten Vereisung, zu deuten sind, in Folge dessen er *) K. Keil hack, Ueber ein interglaciales Torflager im Di- luvium von Lauenburg an der Elbe. Jahrb. der k. preuss. geolog. Landesanstalt für 1884. Berlin 1885. **) H. Credner, E. Geinitz und F. Wahnschaffe, 1'eber das Aller des Torflagers von Lauenburg an der Elbe. Neues Jahrbuch für Mineralogie etc. 1889. Bd. II. Briefl. Mit- theil., S. 194. ***) Keil hack, ibidem 1892. Bd. I. Briefl. Mittheil., S. 1. auch noch jetzt das Torflager als interglacial betrachtet. Nach Credner, Geinitz und Wahns ch äffe*) kommt aber kein echter Geschiebesand vor; was Keil hack als solchen gedeutet hat, verdankt vielmehr seinen Ursprung „der sich unter ähnlichen Verhältnissen überall wiederholen- den Abschwemmung von Materialien des beiderseits zu Tage tretenden unteren Geschiebemergels und der Ver- mischung derselben mit der ursprünglichen Oberflächen- schiclit des weissen Sandes der Torfmulde, wozu noch menschliche Eingriffe kommen." Während ich mit dieser Deutung allerdings voll- ständig einverstanden bin, wage ich jedoch bezüglich des Alters des Torfes im Verhältniss zur zweiten Eiszeit und zur Interglacialzeit augenblicklich keine bestimmte Meinung auszusprechen. Es ist in der That einleuchtend, dass die Entscheidung der Altersfrage öfters sehr schwierig sein muss, sobald es sich um Ablagerungen handelt, welche ausserhalb der Grenze der zweiten Eisbedeckung oder am Rande derselben vorkommen und nach Geinitz' Karte**) scheint es ja, dass Lauenburg sich ausserhalb des Gebiets der zweiten Eisbedeckung befindet. Die Altersfrage dürfte in solchen Fällen erst dann entschieden werden können, wenn man die ganze umgebende Gegend bis zum Gebiete der Moräne der zweiten Eisbedeckung genau untersucht hat. Nur im Verhältniss zur ersten Eisbedeckung kann demzufolge das betreffende Torflager als „posl glacial" (supramoränisch) bezeichnet werden, ein jedenfalls hier unzweckinässiger Ausdruck, weil eine Gleichzeitig- keit mit interglacialen Ablagerungen weiter nördlich nicht *) Credner, Geinitz und Wahnschaff e. ibidem 1893, Bd. I. Briefl. Mittheil., S. 33. **) E. Geinitz, Die Endmoränen Mecklenburgs. Sonder abdvuek aus den Landwirtschaftlichen Annalen. Rostock 1894. 534 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 44. ausgeschlossen ist. Auch Geinitz scheint jetzt diese Meinung- zu theilen und hält ebenfalls das Torflager für älter als die gewöhnlichen alluvialen Torfmoore. Leider haben wir noch keine zweckmässige Terminologie, welche die verschiedenen Möglichkeiten hinreichend deutlich be- zeichnet, und die Ansichten der verschiedenen Autoren weichen demzufolge wahrscheinlich scheinbar mehr von einander ab, als sie es thatsächlich thun dürfen. Wie schon oben erwähnt, stimmten die Resultate unserer Untersuchung der Lager vollständig mit der Be- schreibung derselben, welche Credner, Geinitz und Wahnschaffe geliefert haben, Uberein. Nur konnten wir konstatiren, dass eine Schicht von feinem, etwas thonigem Sand und höchstens 1 Meter mächtig — wie übrigens schon Fiseher-Benzon angegeben wurde*) im Liegenden des unteren humosen Sandes unter dem Torfe, d. h. zwischen jenem und dem Geschiebelelim, konstant vor- zukommen scheint. Doch konnten keine organische Reste in diesem Lager entdeckt („umgearbeiteter Geschiebemergel", Credner, Geinitz und Wahuschaffe 1889) werden. Für die Altersfrage würde eine genauere botanische Untersuchung des ganzen Torflagers, als es bisher statt- gefunden hat, von grosser Bedeutung sein. Da ich über die für eine solche Untersuchung nöthige Zeit nicht dis- pouiren konnte, begnügte ich mich damit, ein paar Proben von dem unteren Theile des Torfes mitzunehmen, und zwar weil sie Eicheln und Eichenblätter enthält. Nach meiner Rückkehr nach Stockholm dachte ich daran, dass es von Interesse sein müsste, eine Probe nach Dr. G. Anderssons Methode**) zu untersuchen. Die Probe hatte ich aber nicht mit Rücksicht auf eine solche Unter- suchung gesammelt. Da Dr. Ander sson seine Methode in einer deutscheu Zeitschrift selbst zu beschreiben denkt, kann es hier genügen, die Resultate der Untersuchung anzuführen: die Vortrefflichkeit der Methode tritt jeden- falls hinreichend hervor. Die benutzte Probe, welche ich Herrn Andersson zur Schlemmung überlieferte, war etwa 25 cm lang, 15 cm breit und 4 cm dick. Während die Oberfläche derselben nur einige Eicheln und Fragmente von Eichenblättern, Zweigreste, Moose etc. zeigte, hat die Schlemmung etwa 20 Phanerogamenreste geliefert. D. h. dies einzelne kleine Stück hat beinahe dieselbe Artenzahl geliefert, wie Keil- hack nach Untersuchung des ganzen Torflagers anführen konnte. (Keil hack erwähnt 22 Arten***)). Während selbstverständlich einige der Keilhack'schen Arten fehlen, kommen dagegen mehrere andere Arten vor, welche seine Liste nicht enthält. Dr. Andersson hat mir folgendes Ver- zeichniss der Arten nebst einigen Bemerkungen mitgetheilt. 1. Quercus Robur L. 37 Fruehtbecher, etwa 20 Eicheln und dazu noch eine Menge junger Exemplare beider!) nebst *) K. v. Fischer- Benzon: Die Moore der Provinz Schles- wig-Holstein. Abhandl. d. naturw. Vereins in Hamburg. Bd. 11, Heft 3, 1891. **) G. Andersson, (.Im metoden för växt paleontologiska under- sökninger af torfmossar; Om slamning af torf. Beide in Geolo- giska Förcuingensi Stockholma, Förhandlingar 1892. Bd. 14. **) Später soll er auch Samen von Cratopleura (Brasenia) gefunden haben. (Naturw. Wochenschr., Bd. 9, Nr. 18, S. 219, Sp. 1). Nachv.Fischer-Benzon 1. c. ist aber La rix in Keil h ack 's Liste zu streichen und auch Picea ist zweifelhaft. Theils nach eigener, theils nach Claudius' Sammlung konnte v. Fiseher- Benzon 5 andere Arten hinzufügen. — (Das Vorkommen von Brasenia-Samen kann ich bestätigen, da mir Herr Dr. Keilhack die aus der Meyen'schen Sammlung stammenden Reste gezeigt hat. Hoffentlich liegt keine Fundortsverwechselung vor? — H. Potonie.) f) Keil hack hatte im Ganzen nur 15 Fruchtbecher und 10 Eicheln gefunden, während nach Claudius Eicheln in sehr grosser Menge vorkommen sollen. einer sehr grossen Zahl von Blattfragmenten, Knospen, Zweig- und Rindenresten. Dass Quercus peduneulata Elirh. vorkommt, ist sicher, während das Material nicht die Entscheidung gestattet, ob auch Q. sessiliflora Ehrl), vertreten ist. *2. Fraxinus excelsior L. 5 Früchte. *3. Ulm us sp. Eine Frucht nicht vollständig, dem- zufolge der Specics nach nicht bestimmbar. 4. Cornus sanguinea L. 3 Steinkerne. 5. Carpinus Betulus L. Eine Nuss. *6. Viburnum cfr. Opulus L. Ein Steinkern. *7. Rhamnus Frangula L. Ein Steinkern. 8. Tilia grandifolia Ehrl). (?). 4 junge Früchte. *9. Viola sp. 3 Samen. 10. Arenaria trinervia L. Etwa 50 Samen.*) *11. und *12. Noch nicht bestimmte Samen. 13. Menyanthes trifoliata L. 10 Samen. *14. Lycopus europaeus L. 14 Nüsschen. 15. Iris Pseud-Acorus L. 2. Samen. *16. Sparganium sp. 2 Früchtchen. *17. Carex Pseudo-Cyperus L. Etwa 60 Früchte. *18. Nymphaea alba L. Etwa 25 Samen. *19. Potamogeton sp. Etwa 30 Nüsschen, welche vielleicht zu zwei verschiedenen Arten gehören. Dazu erinnert sich Dr. Andersson, beim Beginn der Schlemmung auch eine Frucht von *20. Alnus glutinosa L. beobachtet zu haben, obschon dieselbe nicht aufbewahrt wurde. Die in der Probe vorkommenden Moose wurden freundlichst von Dr. H. Lindberg aus Helsingfors be- stimmt. Folgende Arten wurden erkannt: Thyidium delicatulum (L. Hedw.) Mitt., Amblystegium flui- tans (L.) De N., Mollia sp., Hypnum striatum, Schreb. Aus der Beschaffenheit des Torfes glaubt Herr Andersson ganz bestimmt schliessen zu können, dass dies Lager in einem kleinen Busen eines Sees oder Teiches, welches ringsum von einem typischen Eichenwald um- geben war, gebildet worden ist. Da die Birke hier gänzlich fehlt, während dieselbe nebst Salix, Picea (?), Pin us doch von Keilhack angeführt wurde, meint Andersson, dass wahrscheinlich mehrere verschiedene Horizonte im betreffenden Torflager vorhanden sind, und dass demzufolge eine botanisch - stratigraphische Unter- suchung des ganzen Lagers sehr zu wünschen sei. Ich bemerke hierzu nur, dass die untersuchte Probe vom „unteren Flötz" des Lagers herrührt, d. h. dass sie ihren Platz zwischen dem unteren humosen Sande und dem Trapa führenden Sandlager in der Mitte des Torfes hat. Die im obigen Verzeichniss mit einem * bezeichneten Arten waren früher vom Torflager bei Lauenburg nicht bekannt, und es ist gewiss ein ausgezeichnetes Beispiel von der Vortrefflichkeit der Andersson'schen Untersuchungs- methode, dass aus dieser kleinen Probe mit einmal 13 Arten den vorher bekannten hinzugefügt werden konnten. Es wäre nun von grosser Wichtigkeit, wenn dieselbe Unter- suchungsmethode auch in Deutschland benuzt würde, und ich schliesse diesen kleinen Aufsatz mit der Versicherung, dass jeder Botaniker, welcher sich mit derselbeu vertraut zu machen wünscht, in der paläophytologischen Ab- theilung des Reichsmuseums in Stockholm willkommen sein würde. *) Wie mir Andersson mittheilte, hat er die Reste der häu- tigsten Arten nicht genau ihrer Häutigkeit nach ermittelt, sodass die Zahlenangaben dieser nur annähernd richtige sind. Nr. 44. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 535 66. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien vom 24. bis 30. September 1894. Die Geschäftsführung der diesjährigen Versammlung hatten die Professoren Anton Kerner von Marilaun und Sigm. Exner in Händen. Der erste der beiden genannten Gelehrten hat in einem vor Beginn der Versammlung in der „Neuen Freien Presse" veröffentlichten und uns als Separat-Abzug freundlichst übersandten Aufsatz einiges aus der Geschichte der Naturforscher-Gesellschaft mit be- sonderer Berücksichtigung der Wiener Versammlungen geschildert, aus dem wir das Folgende entnehmen. Angeregt durch den Pflanzen - Paläontologen Grafen Caspar Sternberg in Prag und den Herausgeber der naturwissenschaftlichen Zeitschrift „Isis", Professor Oken in Jena, versammelten sich am 18. September des Jahres 1822 in Leipzig dreizehn gelehrte Männer, und gründeten die „Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte", die erste und älteste jener Gesellschaften, deren Mitglieder sich alljährlich an einem andern Orte zusammenfinden. Durch den Wechsel des Versammlungsortes sollte nach der Absicht der Gründer den über alle deutschen Lande zerstreuten Naturforschern und Aerzte n Gelegenheit ge- boten sein, gemeinsame Ziele der Forschung zu besprechen und von den neuesten Entdeckungen, sowie den noch im Zuge befindlichen Untersuchungen Kenntniss zu nehmen. Als Hauptzweck der Versammlungen aber wurde in den Statuten der Gesellschaft die Anknüpfung persönlicher Bekanntschaften hervorgehoben, indem die Gründer von dem Gedanken ausgingen, dass durch den mündlichen Ideenaustausch viel rascher und sicherer als durch schrift- lichen Verkehr die Verständigung über abweichende Mei- nungen und eine gegenseitige persönliche Würdigung zu erreichen sei. Der von Leipzig ausgegangene Aufruf hatte bei den deutschen Naturforschern und Aerzten lebhaften Anklang gefunden. Die zweite Versammlung, welche in Halle im Jahre 1823 tagte, bestand zwar nur aus 38 Mitgliedern, aber dieselben zählten zu den hervorragendsten Gelehrten, welche ihre neuesten Entdeckungen besprachen. Auch die dritte, vierte und fünfte Versammlung, welche in Würzburg, Frankfurt a. M. und Dresden abgehalten wur- den, brachten eine Fülle von Vorträgen und anregenden Besprechungen. Die Berliner Versammlung von 1828, deren Geschäftsführer Alexander v. Humboldt und Pro- fessor Liehtenstein waren, war bereits von 458 Mitgliedern besucht. Die darauffolgende Versammlung in Hamburg ist darum bemerkenswerth, weil mit derselben zum ersten Male ein grösserer Ausflug verbunden war. Der Senat der Stadt Hamburg bewilligte nicht nur alle Auslagen für die Versammlung, sondern veranstaltete auch eine Seereise nach Helgoland, an welcher 412 Naturforscher und Aerzte theilnahmen. In Hamburg hatte man als nächstjährigen Versammlungsort Wien ausersehen, und es wurden zu Geschäftsführern der Botaniker Baron Joseph Jacquin und der berühmte Astronom J. J. Littrow ge- wählt. Da aber im Sommer des Jahres 1831 in Wien die Cholera mit grosser Heftigkeit aufgetreten war, musste die Versammlung verschoben werden, und fand 1832 statt. [m Ganzen hatten sich 462 Mitglieder zusammengefunden, die sich auf fünf Sectionen vertheiltcn. Die Zahl der Vorträge war eine erstaunlieh grosse. Alles in Allem wurden nicht weniger als 350 Vorträge gehalten. Dreiundzwanzig Jahre später wurde Wien neuerdings zum Versamiungsorte der Gesellschaft deutscher Natur- forscher und Aerzte ausersehen; seltsamer Weise musste aber, wie schon das erste Mal, wegen des Auftretens der Cholera die Versammlung wieder auf ein Jahr später als ursprünglich bestimmt, nämlich auf das Jahr 1856, ver- schoben werden. Die Gesammtzahl der Mitglieder und Theilnehmer der Versandung, welche sich in Wien zu- sammenfanden, betrug 1683, also um tausend mehr als vor 24 Jahren. Seit dieser nunmehr vorletzten Wiener Versammlung sind 38 Jahre verflossen. Mit der diesjährigen Versammlung war eine natur wissenschaftlich-medicinische Ausstellung verbunden. Sie umfasste neue Erfindungen auf physikalischem und che- mischem Gebiete, namentlich die modernsten Fortschritte in den verschiedenartigsten Anwendungen der Elektricität, die Anwendung der Photographie in der modernen Wissen- schaft, die Fortschritte der Geologie, die Entwiekelung der Städtehygiene-, eine historische Abtheilung gab ein Bild der alten naturwissenschaftlichen Forschung von den Zeiten der Alchymisten bis in unser Jahrhundert, und brachte auch eine grosse Anzahl mediciniseher Alter- thüiner, angefangen von antiken römischen ärztlichen In- strumenten bis in die Zeiten der „alten Wiener Schule", wie z. B. die sämmtlichen authentischen Objecte über die Entdeckung des Kehlkopfspiegels. Eine dritte Abtheilung veranschaulichte den jetzigen Stand des naturwissenschaft- lichen Unterrichtes an den österreichischen Mittelschulen durch eine Mustersammlung. Wie üblich, bringen wir in diesem Bericht mehr oder minder ausführliche Referate über die in den allgemeinen Sitzungen gehaltenen Vorträge, und zwar wollen wir mit demjenigen des Professors der Physik Mach in Prag be- ginnen, weil gerade diese bedeutende Auslassung für den Leserkreis der „Naturw. Wochenschr." ein besonderes Interesse haben dürfte. Aus diesem Grunde bringen wil- den Vortrag auch vollständig. I. Der Vortrag des Professors E. Mach behandelte das Princip der Vergleichung in der Physik. Als Kirchhof vor 20 Jahren die Aufgabe der Me- chanik dahin feststellte: „die in der Natur vor sieh gehenden Bewegungen vollständig und auf die ein- fachste Weise zu beschreiben", brachte er mit diesem Ausspruch eine eigentümliche Wirkung hervor. Noch 14 Jahre später konnte Boltzmann in dem lebensvollen Bilde, das er von dem grossen Forscher gezeichnet hat, von dem allgemeinen Staunen über diese neue Behand- lungsweise der Mechanik sprechen, und noch heute er- scheinen erkenntnisskritische Abhandlungen, welche deut- lich zeigen, wie schwer man sich mit diesem Standpunkte abfindet. Doch gab es eine bescheidene kleine Zahl von Naturforschern , welchen sich Kirchhoff mit jenen wenigen Worten sofort als ein willkommener und mäch- tiger Bundesgenosse auf erkenntnisskritischem Gebiet offenbarte. Woran mag es nun liegen, dass man dem philo sophischen Gedanken des Forschers so widerstrebend nachgiebt, dessen naturwissenschaftlichen Erfolgen Niemand die freudige Bewunderung versagen kann? Wohl liegt es zunächst daran, dass in der rastlosen Tagesarbeit, die auf Erwerbung neuer Wissensschätze ausgeht, nur wenige Forscher Zeit und Müsse finden, den gewaltigen psychischen Process selbst, durch welchen die Wissen- schaft wächst, genauer zu erörtern. Dann aber ist es auch unvermeidlich, dass in den lapidaren Kirchboff'scben Ausdruck nicht manches hineingelegt wird, was derselbe 536 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 44. nicht meint, und dass andererseits nicht Manches in dem- selhen vermisst wird, was bisher als ein wesentliches Merkmal der wissenschaftlichen Erkemitniss gegolten hat. Was soll uns eine blosse Beschreibung? Wo bleibt die Erklärung-, die Einsicht in den causalen Zusammenhang ? Wir kennen eine einzige Quelle unmittelbarer Offenbarung von naturwissenschaftlichen Thatsachen — unsere Sinne. Wie wenig aber das zu bedeuten hätte, was der Einzelne auf diesem Wege allein in Er- fahrung bringen könnte, wäre er auf sich angewiesen, und müsste jeder von vorn beginnen, davon kann uns kaum jene Naturwissenschaft eine genug demüthigende Vorstellung geben, die wir in einem abgelegenen Neger- dorfe Centralafrikas antreffen möchten. Denn dort ist schon jenes wirkliche Wunder der Gedankenübertragung thätig, gegen welches das Spiritistenwunder nur eine Spottgeburt ist, die sprachliche Mittheilung. Nehmen wir hinzu, dass wir mit Hilfe der bekannten Zauber- zeichen, welche unsere Bibliotheken bewahren, über Jahr- zehnte, Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg, von Faraday bis Galilei und Archimedes unsere grossen Todten citiren können, die uns nicht mit zweifelhaften, höhnenden Orakelsprüchen abfertigen, sondern das Beste sagen, was sie wissen, so fühlen wir, welch' gewaltiger, wesentlicher Factor beim Aufbau der Wissenschaft die Mittheilung ist. Nicht das, was der feine Natur- beobachter oder Menschenkenner an halbbewussten Con- jeeturen in seinem Innern birgt, sondern nur was er klar genug besitzt, um es mitt heilen zu können, gehört der Wissenschaft an. Wie aber fangen wir das an, eine neugewonnene Erfahrung, eine eben beobachtete Thatsache mitzutheilen ? So wie der deutlich unterscheidbare Lockruf, Warnungs- ruf, Angriffsruf der Heerdenthiere ein unwillkürlich ent- standenes Zeichen für eine übereinstimmende gemeinsame Beobachtung oder Thätigkeit trotz der Mannigfaltigkeit des Anlasses ist, der hiermit schon den Keim des Be- griffes enthält, so sind auch die Worte der nur viel weiter specialisirten Menschensprache Namen oder Zeichen für allgemein bekannte , gemeinsam beobachtbare und beobachtete Thatsachen. Folgt also die Vorstellung zu- nächst passiv der neuen Thatsache, so muss letztere alsbald selbstthätig in Gedanken aus bereits allgemein bekannten, gemeinsam beobachteten Thatsachen aufgebaut oder dargestellt werden. Die Erinnerung ist stets bereit, solche bekannte Thatsachen, welche der neuen ähnlich sind, d. h. in gewissen Merkmalen mit derselben überein- stimmen, zur Vergleichung darzubieten, und ermöglicht so zunächst das elementare innere Urtheil, dem bald das ausgesprochene folgt. Die Vergleichung ist es, welche, indem sie die Mittheilung überhaupt ermöglicht, zugleich das mächtigste innere Lebenselement der Wissenschaft darstellt. Der Zoologe sieht in den Knochen der Flughaut der Fleder- maus Finger, vergleicht die Schädelknochen mit Wirbeln, die Embryonen verschiedener Organismen mit einander und die Entwickelungsstadien desselben Organismus unter einander. Der Geograph erblickt in dem Gardasee einen Fjord, in dem Aralsee eine im Vertrocknen begriffene Lake. Der Sprachforscher vergleicht verschiedene Sprachen und die Gebilde derselben Sprache. Wenn es nicht üblich ist, von vergleichender Physik zu sprechen, wie man von vergleichender Anatomie spricht, so liegt dies nur daran, dass bei einer mehr activen experimentellen Wissenschaft die Aufmerksamkeit von dem conteni- plative n Element allzusehr abgelenkt wird. Die Physik lebt und wächst aber, wie jede andere Wissenschaft, durch die Vergleichung. Die Art, in welcher das Ergebuiss der Ver- gleichung in der Mittheilung Ausdruck findet, ist allerdings eine sehr verschiedene: Wenn wir sagen, die Farben des Spectrums seien roth, gelb, grün, blau, violett, so mögen diese Bezeichnungen von der Technik des Tatowirens herstammen, oder sie mögen später die Be- deutung gewonnen haben, die Farben seien jene der Rose, Citrone, des Blattes, der Kornblume, des Veilchens. Durch die häufige Anwendung solcher Vergleichungen unter mannigfaltigen Umständen haben sich aber den übereinstimmenden Merkmalen gegenüber die wechseln- den so verwischt, dass ersterc eine selbständige, von jedem Object, jeder Verbindung, unabhängige, wie man sagt, abstracte oder begriffliche Bedeutung gewonnen haben. Niemand denkt bei dem Worte „roth" an eine andere üebereinstimmnng mit der Rose, als jene der Farbe, bei dem Worte „gerade" an eine andere Eigen- schaft der gespannten Schnur, als die durchaus gleiche Richtung. So sind auch die Zahlen, ursprünglich die Namen der Finger, Hände und Füsse, welche als Ord- nungszeichen der mannigfaltigsten Objecte benützt wurden, zu abstracten Begriffen geworden. Eine sprachliche Mittheilung über eine Thatsache, die nur diese rein be- grifflichen Mittel verwendet, wollen wir eine directe Beschreibung nennen. Die directe Beschreibung einer etwas umfangreicheren Thatsache ist eine mühsame Arbeit, selbst dann, wenn die hierzu nöthigen Begriffe bereits voll entwickelt sind. Welche Erleichterung muss es also gewähren, wenn man einfach sagen kann, eine in Betracht gezogene That- sache A verhalte sich ivcht in einem einzelnen Merk mal, sondern in vielen oder allen Stücken wie eine bereits bekannte Thatsache B. Der Mond verhält sich wie ein gegen die Erde schwerer Körper, das Licht wie eine Wellenbewegung oder elektrische .Schwingung, der Magnet wie mit gravierenden Flüssigkeiten beladen u. s. w. Wir nennen eine solche Beselireibung, in welcher wir uns gewissermaassen auf eine bereits anderwärts gegebene oder auch erst genauer auszuführende berufen, natur- geniäss eine indirecte Beschreibung. Es bleibt uns unbenommen, dieselbe allmählich durch eine directe zu ergänzen, zu corrigiren oder ganz zu ersetzen. Man sieht unschwer, dass das, was wir eine Theorie oder eine theoretische Idee nennen, in die Kategorie der in- directen Beschreibung fällt. Was ist nun eine theoretische Idee? Woher haben wir sie? Was leistet sie uns? Warum scheint sie uns höher zu stehen, als die blosse Festhaltung einer That- sache, einer Beobachtung? Auch hier ist einfach Er- innerung und Vergleichung im Spiel. Nur tritt uns hier aus unserer Erinnerung, statt eures einzelnen Zuges von Aehnlichkeit, ein ganzes System von Zügen, eine wohlbekannte Physiognomie entgegen, durch welche die neue Thatsache uns plötzlich zu einer wohl- vertrauten wird. Ja die Idee kann mehr bieten, als wir in der neuen Thatsache augenblicklich noch sehen, sie kann dieselbe erweitern und bereichern mit Zügen, welche erst zu suchen wir veranlasst werden, und die sich oft wirklich finden. Diese Rapidität der Wissenserweite- i'ting ist es, welche der Theorie einen quantitativen Vorzug vor der einfachen Beobachtung giebt, während jene sieh von dieser qualitativ weder in der Art der Entstehung noch in dem Endergebuiss wesentlich unter- scheidet. Aber die Annahme einer Theorie schliesst immer auch eine Gefahr ein. Denn die Theorie setzt in Ge- danken an die Stelle einer Thatsache A doch immer eine andere einfachere oder uns geläufigere B, welche die erstere gedanklich in gewisser Beziehung vertreten kann, aber eben weil sie eine andere ist, in anderer Nr. 44. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 537 Beziehung doch wieder gewiss nicht vertreten kann. Wird nun darauf, wie es leicht geschieht, nicht genug geachtet, so kann die fruchtbarste Theorie gelegentlich auch ein llcnnnniss der Forschung werden. So hat die Emissionsthcoiie, indem sie den Physiker gewöhnte, die Prqjectilbahn der „Lichttheilchen" als unterschiedslose Gerade zu fassen, die Erkenntniss der Periodicität des Lichtes nachweislich erschwert. Indem Huygens an die Stelle des Lichtes in der Vorstellung den ihm vertrauteren Schall treten lässt. erscheint ihm das Licht vielfach als ein Bekanntes, jedoch als ein doppelt Fremdes in Bezug auf die Polarisation, welche den ihm allein be- kannten longitudinalen Schallwellen fehlt. So vermag er die Thatsache der Polarisation, die ihm vor Augen liegt, nicht begrifflich zu fassen, während Newton, seine Ge- danken einfach der Beobachtung anpassend, die Frage stellt: „An non radiorum luminis di versa sunt latera?" mit welcher die Polarisation ein Jahrhundert vor Malus be- grifflich gefasst oder direct beschrieben ist. Reicht hin- gegen die Uebereinstimmung zwischen einer Thatsache und der dieselbe theoretisch vertretenden weiter, als der Theoretiker anfänglich voraussetzte, so kann er hier- durch zu unerwarteten Entdeckungen geführt werden, wofür die couische Refraction, die Circularpolarisation durch Totalreflexion, die Hertz'schen Schwingungen nahe liegende Beispiele liefern, welche zu den obigen im Gegen- satz stehen. Vielleicht gewinnen wir noch an Einblick in diese Verhältnisse, wenn wir die Entwickelnng einer oder der andern Theorie, mehr im Einzelnen verfolgen. Betrachten wir ein magnetisches StahlstUck neben einem sonst gleich beschaffenen unmagnetischen. Während letzteres sich gegen Eisenfeile gleichgiltig verhält, zieht ersteres die- selbe an. Auch wenn die Eisenfeile nicht vorhanden ist, müssen wir uns das magnetische Stück in einem andern Zustand denken, als das unmagnetische. Denn dass das blosse Hinzubringen der Eisenfeile nicht die Erscheinung der Anziehung bedingt, zeigt ja das andere unmagnetische Stück. Der naive Mensch, dem sich zur Vergleichung sein eigener Wille als bekannteste Kraft- quelle darbietet, denkt sich in dem Magnet eine Art Geist. Das Verhalten eines heissen oder eines elek- trischen Körpers legt ähnliche Gedauken nahe. Dies ist der Standpunkt der ältesten Theorie, des Fetischis- mus, den die Forscher des frühen Mittelalters noch nicht überwunden hatten, und der mit seinen letzten Spuren, mit der Vorstellung von den Kräften, noch in unsere heutige Physik herüberragt. Das dramatische Element braucht also, wie wir sehen, in einer naturwissenschaft liehen Beschreibung ebensowenig zu fehlen, wie in einem spannenden Roman. Wird bei weiterer Beobachtung etwa bemerkt, dass ein kalter Körper an einem heissen sich so zu sagen auf Kosten des letzteren erwärmt, dass ferner bei gleich- artigen Körpern der kältere etwa von doppelter Masse nur halb so viel Temperaturgrade gewinnt, als derheissere von einfacher Masse verliert, so entsteht ein ganz neuer Eindruck. Der dämonische Charakter der Thatsache ver- schwindet, denn der vermeintliche Geist wirkt nicht nach Willkür, sondern nach festen Gesetzen. Dafür tritt aber instinetiv der Eindruck eines Stoffes hervor, der theil- weisc aus dem einen Körper in den andern überfliesst, dessen Gesammtmenge aber, darstellbar durch die Summe der Producte der Massen und der zugehörigen Temperaturänderungen, constant bleibt, Black ist zuerst von dieser Achnlichkeit des Wärnievorganges mit einer Stoffbeweguug überwältigt worden und hat unter Leitung derselben die specitische Wärme, die Ver- flüssiguugs- und Verdampfungswärme entdeckt. Allein durch diese Erfolge gestärkt, ist nun die Stoffvorstellung dem weiteren Fortschritt hemmend in den Weg getreten. Sie hat die Nachfolger Black's geblendet, und verhindert, die durch Anwendung des Feuerbohrers längst bekannte, offenkundige Thatsache zu sehen, dass Wärme durch Reibung erzeugt wird. Wie fruchtbar die Vorstellung für Black war, ein wie hülfreiehes Bild sie auch heute noch jedem Lernenden auf dem Black'schen SpecialgeSbiel ist, bleibende und allgemeine Gültigkeit als Theorie konnte sie nicht in Anspruch nehmen. Das begrifflieb Wesentliche derselben aber, die Constanz der erwähnten Prodnctensumme, behält seinen Werth, und kann als di reete Beschreibung der Black'schen Thatsachen an- gesehen werden. Es ist eine natürliche Sache, dass jene Theorien, welche sieh ganz ungesucht von selbst, so zu sagen in- stinetiv, aufdrängen, am mächtigsten wirken, die Ge- danken mit sich fortreissen und die stärkste Selbst- erhaltung zeigen. Andrerseits kann man auch beobachten, wie sehr dieselben an Kraft verlieren, sobald sie kritisch durchschaut werden. Mit Stoff haben wir unausgesetzt zu thun, dessen Verhalten hat sich unserem Denken fest eingeprägt, unsere lebhaftesten anschaulichsten Er- innerungen knüpfen sieh an denselben. So darf es uns nicht all zu sehr wundern, dass Robert Mayer und Joule, welche die Black'sehe Stoffvorstellung endgültig ver- nichtet haben, dieselbe Stoffvorstellung in abstracterer Form und modificirt auf einem viel umfassenderen Gebiet wieder einführen. Auch hier liegen die psychologischen Umstände klar vor uns, welche der neuen Vorstellung ihre Gewalt ver- liehen haben. Durch die auffallende Rötbe des venösen Blutes im tropischen Klima wird Mayer aufmerksam auf die geringere Ausgabe an Eigenwärme und den ent- sprechend geringeren Stoffverbrauch des Menschen- leibcs in diesem Klima. Allein da jede Leistung des Menschenleibes, auch die mechanische Arbeit, an Stoffverbrauch gebunden ist, und Arbeit durch Reibung Wärme entwickeln kann, so erscheinen Wärme und Arbeit als gleichartig, und zwischen beiden muss eine Pro- portlonalbeziehung bestehen. Zwar nicht jede einzelne Post, aber die passend gezählte Summe beider, als an einen proportionalen Stoffverbrauch gebunden, erseheint selbst substanziell. Durch ganz analoge Betrachtungen, die an die < >eko- nomie des galvanischen Elementes anknüpfen, ist Joule zu seiner Auffassung gekommen: er findet auf experi- mentellem Wege die Summe der Stromwärme, der Ver- brennungswärmc des entwickelten Knallgases, der passend gezählten elektromagnetischen Stromarbeit, kurz aller Batterieleistungen an die proportionale Zinkconsumtiou gebunden. Demnach hat diese Summe selbst sub- stanziellen Charakter. Mayer wurde von der gewonnenen Ansicht so er- griffen, dass ihm die Unzerstörbarkeit der Kraft, nach unserer Terminologie der Arbeit, a priori einleuchtend schien. „Die Erschaffuni;- und die Vernichtung einer Kraft — sagt er — liegt ausser dem Bereich mensch- lichen Denkens und Wirkens." Auch Joule äussert sich ähnlich und meint: „Es ist offenbar absurd, anzunehmen, dass die Kräfte, weiche Gott der Materie verliehen hat, eher zerstört als geschaffen werden könnten." Man hat auf Grund solcher Aeusserungen merkwürdiger Weise zwar nicht Joule, wohl aber Mayer zu einem Meta- physiker gestempelt. Wir können aber dessen wohl sicher sein, dass beide Männer halb unbewusst nur dem starken formalen Bedürfniss nach der neuen einlachen Auffassung Ausdruck gegeben haben, und dass beide recht betroffen gewesen wären, wenn man ihnen vor- 538 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 44. geschlagen hätte, etwa durch einen Philosophencongress oder eine kirchliehe Synode über die Zulässigkeit ihres Princips entscheiden zu lassen. Diese beiden Männer verhielten sich übrigens bei aller Uebereinstiiniuung höchst verschieden. Während Mayer das formale Bedürfniss mit der grössten instinetiven Gewalt des Genies, man möchte sagen mit einer Art von Fanatismus, vertritt, wobei ihm auch die begriffliche Kraft nicht fehlt, vor allen anderen Forschern das mechanische Aequivalent der Wärme aus längst bekannten, allgemein zur Verfügung stehenden Zahlen zu berechnen und ein die ganze Physik und Physiologie umfassendes Programm für die neue Lehre aufzustellen, wendet sich Joule der ein- gehenden Begründung derselben durch wunderbar an- gelegte und meisterhaft ausgeführte Experimente auf allen Gebieten der Physik zu. Bald nimmt auch Helm- holtz in seiner ganz selbstständigen und eigenartigen Weise die Frage in Angriff. Nächst der fachlichen Virtuosität, mit welcher dieser alle noch unerledigten Punkte des Mayer'schen Programms und noch andere Aufgaben zu bewältigen weiss, tritt uns hier die volle kritische Klarheit des 26jährigen Mannes überraschend entgegen. Seiner Darstellung fehlt das Ungestüm, der Impetus der Mayer'schen. Ihm ist das Princip der Energieerhaltung kein a priori einleuchtender Satz. Was folgt, wenn er besteht? In dieser hypothetischen Frage- form bewältigt er seinen Stoff. Ich muss gestehen, ich habe immer den ästhetischen und ethischen Geschmack mancher unserer Zeitgenossen bewundert, welche aus diesem Verhältnisse gehässige nationale und personale Fragen zu schmieden wussten, anstatt das Glück zu preisen, das mehrere solche Menschen zugleich wirken Hess, und anstatt sich an der so lehrreichen und für uns so fruchtbringenden Ver- schiedenheit bedeutender intellectueller Individualitäten zu erfreuen. Wir wissen, dass bei Entvvickelung des Energie- prineipes noch eine theoretische Vorstellung wirksam war, von der sich Mayer allerdings" ganz frei zu halten wusste, nämlich die, dass die Wärme und auch die übrigen physikalischen Vorgänge auf Bewegung beruhen. Ist einmal das Energicprincip gefunden, so spielen diese Hülfs- und Durchgangstheorien keine wesentliche Rolle mehr, und wir können das Princip, sowie das Black'sche, als einen Beitrag zur directen Beschreibung eines um- fassenden Gebietes von Thatsachen ansehen. Es möchte nach diesen Betrachtungen nicht nur rathsam, sondern sogar geboten erscheinen, ohne bei der Forschung die wirksame Hülfe theoretischer Ideen zu verschmähen, doch in dem Maasse, als man mit den neuen Thatsachen vertraut wird, allmählich an die Stelle der indirecten die directe Beschreibung treten zu lassen, welche nichts Unwesentliches mehr enthält und sich lediglich auf die begriffliche Fassung der Thatsachen beschränkt. Fast muss man sagen, dass die mit einem gewissen Anflug von Herablassung sogenannten be- schreibenden Naturwissenschaften an Wissenschaftlichkeit die noch kürzlich sehr üblichen physikalischen Dar Stellungen überholt haben, aus der Noth eine Tugend geworden Wir müssen zugestehen, dass wir ausser Stande sind, jede Thatsache sofort direet zu beschreiben. Wir müssten vielmehr muthlos zusammensinken, würde uns der ganze Reichthum der Thatsachen, den wir nach und nach kennen lernen, auf einmal geboten. Glücklicher- weise fällt uns zunächst nur Vereinzeltes, Ungewöhnliches auf, welches wir, mit dem Alltäglichen vergleichend, uns näher bringen. Hierbei entwickeln sich zunächst die Begriffe der gewöhnlichen Verkehrssprache. Mannig- AUerdings ist hier zuweilen faltiger und zahlreicher werden dann dieVergleichungeu, umfassender die verglichenen Thatsachengebietc, ent- sprechend allgemeiner und abstracter die gewonnenen Begriffe, welche die directe Beschreibung ermöglichen. Erst wird uns der freie Fall der Körper vertraut. Die Begriffe Kraft, Masse, Arbeit werden in geeigneter Modifikation auf die elektrischen und magnetischen Er- scheinungen übertragen. Der Wasserstrom soll Fourier das erste anschauliche Bild für den Wärmestrom ge- liefert haben. Ein besonderer, von Taylor untersuchter Fall der Saitenschwingung erklärt ihm einen besonderen Fall der Wärmeleitung. Achnlich wie Dan. Bernoulli und Euler die mannigfaltigsten Saitenschwingungen aus Taylor'schen Fällen setzt Fourier die mannigfaltigsten Wärniebewegungen analog aus einfachen Leitungsfällen zusammen, und diese Methode verbreitet sich über die ganze Physik. Ohm bildet seine Vorstellung vom elek- trischen Strom jener Fourier's nach. Dieser schliesst sich auch Fick's Theorie der Diffusion an. In analoger Weise entwickelt sich eine Vorstellung vom magnetischen Strom. Alle Arten von stationären Strömungen lassen nun gemeinsame Züge erkennen, und selbst der volle Gleichgewichtszustand in einem ausgedehnten Medium theilt diese Züge mit dem dynamischen Gleichgewichts- zustand, der stationären Strömung. So weit abliegende Dinge wie die magnetischen Kraftlinien eines elektrischen Stromes und die Stromlinien eines reibungslosen Flüssig- keitswirbels treten dadurch in ein eigentümliches Aehn- lichkeitsverhältniss. Der Begriff Potential, ursprünglich für ein engbegrenztes Gebiet aufgestellt, nimmt eine um- fassende Anwendbarkeit an. An sich so unähnliche Dinge wie Druck, Temperatur, elektromotorische Kraft zeigen nun doch eine Uebereiustinmiung in ihrem Verhältniss zu den daraus in bestimmter Weise abgeleitcten]Bcgriffen: Druckgefälle, Temperaturgefälle, Potentialgefälle und zu den ferneren: Flüssigkeits-, Wärme-, elektrische Strom- stärke. Eine solche Beziehung von Begriffssystemen, in welcher sowohl die Unähnlichkeit je zweier homologer Begriffe als auch die Uebereinstimmung in den logischen Verhältnissen je zweier homologer Begriffspaare zum klaren Bewusstsein kommt, pflegen wir eine Analogie zu nennen. Dieselbe ist ein wirksames Mittel, heterogene Thatsachengebiete durch einheitliche Auffassung zu be- wältigen. Es zeigt sich deutlich der Weg, auf dem sich eine allgemeine, alle Gebiete umfassende physi- kalische Phänomenologie entwickeln wird. Bei dem geschilderten Vorgang gewinnen wir nun erst dasjenige, was zur directen Beschreibung grosser Thatsachengebiete unentbehrlich ist, den weitreichenden abstracten Begriff. Was ist ein Begriff? Ist der- selbe eine verschwommene, aber doch immer noch anschau- liche Vorstellung? Nein! Nur in den einfachsten Fällen wird sich diese als Begleiterscheinung einstellen. Man denke etwa an den Begriff „Selbstinductions- coefficient" und suche nach der anschaulichen Vor- stellung. Oder ist der Begriff etwa ein blosses Wort? Die Annahme dieses verzweifelten Gedankens, der kürz- lich von geachteter Seite wirklich geäussert worden ist, würde uns nur um ein Jahrtausend zurück in die tiefste Scholastik stürzen. Wir müssen denselben also ablehnen. Die Aufklärung liegt nahe. Wir dürfen nicht denken, dass die Empfindung ein rein passiver Vorgang ist. Die niedersten Organismen antworten auf dieselbe mit einer einfachen Reflexbewegung, indem sie die heran- kommende Beute verschlingen. Bei höheren Organismen findet der centripetale Reiz im Nervensystem Hemmungen und Förderungen, welche den centrifugalen Process modi- fieireu. Bei noch höheren Organismen kann — bei Prü- fung und Verfolgung der Beute — der berührte Process Nr. 44. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 539 eine ganze Reihe von Cirkelbewegungen durchlaufen, bevor derselbe zu einem relativen Stillstand gelangt. Auch unser Leben spielt sich in analogen Processen ab, und alles, was wir Wissenschaft nennen, können wir als Theilc, als Zwischenglieder solcher Processe ansehen. Es wird nun nicht mehr befremden, wenn ich sage: Die Definition eines Begriffes, und, falls sie geläufig ist, schon der Name des Begriffes, ist ein Impuls zu einer genau bestimmten, oft complieiiten, prüfenden, ver- gleichenden oder construirenden Thätigkeit, deren meist sinnliches Ergeh niss ein Glied des Begriffsumfangs ist. Es kommt nicht darauf au, ob der Begriff nur die Auf- merksamkeit auf einen bestimmten Sinn (Gesicht) oder die Seite eines Sinnes (Farbe, Form) hinlenkt, oder eine um- ständliche Handlung auslöst, ferner auch nicht darauf, ob die Thätigkeit (chemische, anatomische, mathematische Operation) muskulär oder gar technisch oder endlich nur in der Phantasie ausgeführt oder gar nur angedeutet wird. Der Begriff ist für den Naturforseher, was die Note für den Ciavierspieler. Der geübte Mathematiker oder Physiker liest eine Abhandlung so, wie der Musiker eine Partitur liest. So wie aber der Ciavierspieler seine Finger einzeln und combinirt erst bewegen lernen muss, um dann der Note fast unbewusst Folge zu leisten, so muss auch der Physiker und Mathematiker eine lange Lehrzeit durchmachen, bevor er die mannigfaltigen feinen Innervationen seiner Muskeln und seiner Phantasie, wenn ich so sagen darf, beherrscht. Wie oft führt der An- fänger in Mathematik oder Physik anderes, mehr oder weniger aus, als er soll, oder stellt sich anderes vor. Trifft er aber nach der nöthigen Uebung auf den „Selbstinductiouscoefficienten" , so weiss er sofort, was das Wort von ihm will. Wohlgeübte T bätig - keiten, die sich aus der Notwendigkeit der Vergleichung und Darstellung der Thatsachen durch einander ergeben haben, sind also der Kern der Begriffe. Will ja auch sowohl die positive wie die philosophische Sprachforschung gefunden haben, dass alle Wurzeln durchaus Begriffe und ursprünglich durchaus nur muskuläre Thätigkeiten be- deuten. Und nun wird uns auch die zögernde Zustimmung der Physiker zu Kirchhoff's Satz verständlich. Die konnten ja fühlen, was alles an Einzelarbeit. Einzeltheorie und Fertigkeit erworben sein muss, bevor das Ideal der directen Beschreibung verwirklieht werden kann. Es sei nun das ideal für ein Thatsachengebiet erreicht. Leistet die Beschreibung alles, was der Forscher verlangen kann? Ich glaube Ja! Die Beschreibung ist ein Aufbau der Thatsachen in Gedanken, welcher in den experimen- tellen Wissenschaften oft die Möglichkeit einer wirklichen Darstellung begründet. Für den Physiker insbesondere sind die Maasseinheiten die Bausteine, die Begriffe die Bauanweisung, die Thatsachen das Bauergebniss. Unser Gedaukcngebilde ist uns ein fast vollständiger Ersatz der Thatsache, an welchem wir alle PLigenschafteu derselben ermitteln können. Nicht am schlechtesten kennen wir das, was wir selbst herzustellen wissen. Man verlangt von der Wissenschaft, dass sie zu prophezeien verstehe, und auch Hertz gebraucht diesen Ausdruck in seiner nachgelassenen Mechanik*). Der Aus- druck, obgleich naheliegend, ist jedoch zu eng. Der Geo- loge, Paläontologe, zuweilen der Astronom, immer der Historiker, Kulturforscher, Sprachforscher prophezeien, so zu sagen, nach rückwärts. Die descriptiven Wissen- schaften, ebenso wie die Geometrie, die Mathematik prophezeien nicht vor- und nicht rückwärts, sondern suchen zu den Bedingungen das Bedingte. Sagen wir lieber: Die Wissenschaft bat theilweise vorliegende *) Besprechung dieses Werkes erscheint baldigst in der Naturw. Woehenschr. — Red. Thatsachen in Gedanken zu ergänzen. Dies wird durch die Beschreibung ermöglicht, denn diese setzt Ab- hängigkeit der zu beschreibenden Elemente von einander voraus, da ja sonst nichts beschrieben wäre. Man sagt, dass die Beschreibung das Causalitäts bedürfniss unbefriedigt lasst. Wirklich glaubt man Bewegungen besser zu verstehen, wenn mau sich die ziehenden Kräfte vorstellt, und doch leisten die that- sächlichen Beschleunigungen mehr, ohne Ueberflüssiges einzuführen. Ich hoffe, dass die künftige Naturwissen schaft die Begriffe Ursache und Wirkung, die wohl nicht für mich allein einen starken Zug von Fetischismus haben, ihrer formalen Unklarheit wegen beseitigen wird. Es empfiehlt sich vielmehr, die begrifflichen Bestim- mungselemente einer Thatsache als abhängig von einander anzusehen, einfach in dem rein lo- gischen Sinne, wie dies der Mathematiker, etwa der Geo- meter, thut. Die Kräfte treten uns ja durch Vergleich mit dem Willen näher; vielleicht wird aber der Wille noch klarer durch den Vergleich mit der Massenbe sehleunigung. Fragen wir uns auf's Gewissen, wann uns eine That- sache klar ist, so müssen wir sagen, dann, wenn wir dieselbe durch recht einfache, uns geläutige Gedauken- operationen, etwa Bildung von Beschleunigungen, geome- trische Summation derselben u. s. w., nachbilden können. Diese Anforderung an die Einfachheit ist selbstredend für den Sachkundigen eine andere als für den Anfänger. Ersterem genügt die Beschreibung durch ein System von Differentialgleichungen, während letzterer den allmählichen Aufbau aus Elementargesetzen fordert. Ersterer durch- schaut sofort den Zusammenhang beider Darstellungen. Es soll natürlich nicht in Abrede gestellt werden, dass, so zu sagen, der künstlerische Werth sachlich gleich- wertiger Beschreibungen ein sehr verschiedener sein kann. Am schwersten werden Fernerstehende zu überzeugen sein, dass die grossen allgemeinen Gesetze der Physik für beliebige Massensysteme, elektrische, magnetische Systeme u. s. w. von Beschreibungen nicht wesentlich verschieden seien. Die Physik befindet sich da vielen Wissenschaften gegenüber in einem leicht darzulegenden Vortheil. Wenn z. B. ein Anatom, die übereinstimmenden und unterscheidenden Merkmale der Thiere aufsuchend, zu einer immer feineren und feineren Classification gelangt, so sind die einzelnen Thatsachen, welche die letzten Glieder des Systems darstellen, doch so ver- schieden, dass dieselben einzeln gemerkt werden müssen. Man denke z. B. an die gemeinsamen Merkmale der Wirbelthiere, die Classencharaktere der Säuger und Vögel einerseits, der Fische andrerseits, an den doppelten Blutkreislauf einerseits, den einfachen andrerseits. Es bleiben schliesslich immer isolirte Thatsachen übrig, die unter einander nur eine geringe Aehnlichkeit aufweisen. Eine der Physik viel verwandtere Wissenschaft, die Chemie, befindet sieh oft in einer ähnlichen Lage. Die sprungweise Aenderung der qualitativen Eigenschaften, die vielleicht durch die geringe Stabilität der Zwischen- zustände bedingt ist, die geringe Aehnlichkeit der coor- dinirten Thatsachen der Chemie, erschweren die Behandlung. Körperpaare von verschiedenen qualitativen Eigenschaften verbinden sich in verschiedenen Massenverhältnissen; ein Zusammenhang zwischen ersteren und letzteren ist aber zunächst nicht wahrzunehmen. Die Physik hingegen zeigt uns ganze grosse Gebiete qualitativ gleichartiger Thatsachen, die sich Hin- durch die Zahl der gleichen Theile, in welche deren Merkmale zerlegbar sind, also nur quantitativ unter- scheiden. Auch wo wir mit Qualitäten (Farben und Tönen) zu thuu haben, stehen uns quantitave Merkmale der- 540 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 44. selben zur Verfügung. Hier ist die Classification eine so einfache Aufgabe, dass sie als solche meist gar nicht zum Bewusstsein kommt, und selbst bei unendlich feinen Abstufungen, bei einem Continuumvon Thatsachen, liegt das Zahlensystem im Voraus bereit, beliebig weit zu folgen. Die coordinirten Thatsachen sind hier sehr ähnlich und verwandt, ebenso deren Beschreibungen, welche in einer Bestimmung der Maasszahlen gewisser Merkmale durch jene anderer Merkmale mittels geläufiger Rechnungsoperationen, d. i. Ableitungsprocesse, bestehen. Hier kann also das Gemeinsame aller Beschreibungen gefunden, damit eine zusammenfassende Beschreibung oder eine Herstellungsre gel für alle Einzelbeschrei- bungen angegeben werden, die wir eben das Gesetz nennen. Allgemein bekannte Beispiele sind die Formeln für den freien Fall, den Wurf, die Centralbewegung u. s. w. Leistet also die Physik mit ihren Methoden scheinbar so viel mehr, als andere Wissenschaften, so müssen wir andrerseits bedenken, dass dieselbe in gewissem Sinne auch weitaus einfachere Aufgaben vorfindet. Die übrigen Wissenschaften, deren Thatsachen ja auch eine physikalische Seite darbieten, werden die Physik um diese günstigere Stellung nicht zu beneiden haben, denn deren ganzer Erwerb kommt schliesslich ihnen wieder zu gut, Aber auch auf andere Weise kann und soll sich dieses Leistungsverhältniss ändern. Die Chemie hat es ganz wohl verstanden, sich der Methoden der Physik in ihrer Art zu bemächtigen. Von altereu Versuchen abgesehen, sind die periodischen Reihen von L. Meyer und Mendelejeff ein geniales und erfolgreiches Mittel, ein übersichtliches System von Thatsachen herzu- stellen, welches, sich allmählich vervollständigend, fast ein Conti nu um von Thatsachen ersetzen wird. Und durch das Studium der Lösungen, der Dissociation, über- haupt der Vorgänge, welche wirklich ein Continuum von Fällen darbieten, haben die Methoden der Thermodynamik Eingang in die Chemie gefunden. So dürfen wir auch hoffen, dass vielleicht einmal ein Mathematiker, welcher das Thatsachencontinuum der Embryologie auf sich wirken lässt, dem die Paläontologen der Zukunft vielleicht mehr Schaltformen und Abzweigungsformen zwischen dem Saurier der Vorwelt und dem Vogel der Gegenwart vor- führen können, als dies jetzt mit dem vereinzelten Ptero- dactylus, Archaeopteryx, Ichthyornis u. s. w. geschieht, dass dieser uns durch Variation einiger Parameter wie in einem flüssigen Nebelbild die eine Form in die andere überführt, so wie wir einen Kegelschnitt in den andern umwandeln. Denken wir nun an Kirehhoff's Worte zurück, so werden wir uns über deren Bedeutung leicht verständigen. Gebaut kann nicht weiden ohne Bausteine, Mörtel, (ieriist und Baufertigkeit, Doch aber ist der Wunsch wohlbe- gründet, den fertigen, nun auf sich beruhenden Bau dem künftigen Geschlecht ohne Verunstaltung durch das Gerüst zu zeigen. Es ist der reine logisch-ästhetische Sinn des Mathematikers, der aus Kirchhoff spricht. Seinem Ideal streben neuere Darstellungen der Physik wirklieh zu und dasselbe ist auch uns verständlich. Ein schlechtes didak- tisches Kunststück aber wäre es allerdings, wollte man Baumeister bilden, indem man sagt: Sieh hier einen Prachtbau, willst du auch bauen, so gehe hin, und thue desgleichen. Die Schranken zwischen Fach und Fach, welche Arbeitsteilung und Vertiefung ermöglichen, und die uns doch so frostig und philisterhaft anmutheu, werden all- mählich schwinden. Brücke auf Brücke wird geschlagen. Inhalt und Methoden selbst der abliegendsten Fächer treten in Vergleichung. Wenn nach 100 Jahren die Naturforscherversammlung einmal tagt, dürfen wir er- warten, dass sie in höherem Sinne als heute eine Einheit darstellen wird, nicht nur der Gesinnung und dem Ziele, sondern auch der Methode nach. Fördernd für diese Wandlung muss es aber sein, wenn wir uns die innere Verwandtschaft aller Forschung gegenwärtig halten, welche Kirchhoff mit so elassischer Einfachheit zu be- zeichnen wusste. (x.) Die Kegelrobbe des Berliner Aquariums. — Zu den interessantesten Thieren, welche das Berliner Aqua- rium seinen Besuchern bietet, gehört die in der Seehunds- grotte befindliche Kegelrobbe (Halichoerus grypus). Es ist ein grosses, altes Männchen, das im April 1887 bei Pillau (unweit Königsberg) in der Ostsee gefangen wurde. Schon damals war es ein grosses, starkes Thier; trotzdem gewöhnte es sich verhältnissmässig schnell an die Gefangen- schaft und wurde zunächst ca. ein halbes Jahr lang in zahlreichen Städten Deutschlands zur Schau gestellt. Als der Winter herannahte, verkaufte es der Besitzer an das hiesige Aquarium, und seitdem, also seit Herbst 1887, lebt jene merkwürdige, besonders durch ihre langgestreckte Kopfform ausgezeichnete Robbe im hiesigen Aquarium.*) In der Litterat ur ist noch kein Fall dieser Art be- kannt geworden; d. h. noch niemals wurde wissenschaft- lich festgestellt, dass eine Kegelrobbe so lange in der Gefangenschaft ausgehalten hat. Im Allgemeinen findet man in den zoologischen Handbüchern die Angabe, dass die Kegelrobbe unzähmbar sei und die Gefangenschaft nicht, ertrage.**) Dieses ist allerdings unrichtig; aber immerhin erscheint der vorliegende Fall sehr merkwürdig! Schon im April 1887 wog dieses Exemplar 3s/4 Centuer, bei einer Körperlänge von ca. 7 Fuss. Ob es in der Ge- *) Siehe meine Angabe im Sitzungsbericht d. Ges. nat. Fr., 1888, S. 8. **) Siehe Blasius, Säugethiere Deutschlands, S. 257. Bell, British Qaadrupedsj 18o7, S." 281. fangenschaft noch an Gewicht oder Körperlänge zuge- nommen hat, ist mir bisher nicht bekannt geworden. Jeder, der sich für die Thierwelt unserer Küsten inter- essirt, sollte sich die Kegelrobbe des Berliner Aquariums genauer betrachten; ein so starkes, charakteristisches Exemplar dieser merkwürdigen Specics kann man kaum irgendwo sonst in der Gefangenschaft sehen! A. Nehring. Versuche über Transpiration und Assimilation der Pflanzen hat Prof. Ernst Stahl in Jena angestellt und berichtet über dieselben in der „Botanisehen Zeitung" Heft VI, VII. Er wendet ein zu Demonstrationszwecken besonders geeignetes, neues Verfahren an, um nachzu- weisen, ob und in welcher Weise Pfianzentheile trans- piriren. Stahl stellte zu diesem Zwecke das sogenannte Kobaltpapier aus etwa 16 cm breiten Streifen Fliess- papieres her, welche in eine am besten öprocentige Kobalt- chlortirlösung eingetaucht und nachher am Ofen oder an der Sonne getrocknet worden waren. Im völlig trockenen Zustande erscheint das Kobaltpapier intensiv blau, wäh- rend es sich bei Wasserdampfaufnahme blassröthlich ver- färbt, Stahl zeigt an einer grossen Reihe von Versuchen, dass die Kobaltprobe als ein recht zweckmässiges Mittel zur Untersuchung von Fragen, welche Transpiration und Assimilation berühren, angesehen werden muss. Bekanntlich wird durch die Ptlanze eine grosse Menge von Wassergas ausgeschieden. Diese Ausscheidung Nr. 44. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 541 (Transpiration) wird zürn weitaus grössteu Theile durch die vornehmlich auf der Unterseite befindlichen .Stomata und nur zum gelingen Theile durch die Cuticula bewirkt. Um den Nachweis dieser Thatsache mittels der Kobalt- probe zu führen, verfährt man wie folgt: Man legt die Untersuchungsobjekte (von der Pflanze abgetrennte Blätter, z. B. von Salix, Syringa, Populus etc.) zwischen zwei frisch über einer Gasflamme getrocknete Stücke Kobalt- papieres und bringt sie so zwischen zwei Glasplatten. Schon innerhalb weniger Minuten zeigt sich an dem der Blattunterseite anliegenden Kobaltpapierstreifen intensive Rothfärbung, während das der Blattoberseite anliegende Papier nach längeren Zeiträumen keine oder nur un- erhebliche Veränderungen erkennen lässt. Das eben ge- schilderte Verhalten zeigen die meisten Blätter unserer Landpflanzen und zwar schon in der Knospenlage. Manchen Pflanzen, besonders den feuchte Standorte bevorzugenden, geht die Fähigkeit ab, die Transpiration in erheblichem Grade zu reguliren. Sie vermögen nicht, beim Welken die Spaltöffnungen zu schliessen, was eben- falls leicht durch die Kobaltprobe dargethan werden kann. Untersucht man mittels Kobaltpapiers Blätter mit fehlendem Spaltenverschluss, so kann man auch nach öfter wiederholter Erneuerung- des Papiers immer wieder Röthung derselben beobachten und zwar so lange, bis das Untersuchungsobject völlig trocken ist. Die mikro- skopische Untersuchung bestätigt das auf angegebene Weise ermittelte Resultat. (Objecte: Alisma plantago, Acorus calamus, Rumex aquaticus, Salix u. a.) Von Interesse sind auch Stahl's Beobachtungen über den Spaltenverschluss bei herbstlich verfärbten Blättern. Die der Kobaltprobe unterzogenen gelben oder rothen Blätter verhalten sich ungefähr so wie angewelkte. Zeigt sich an einem Blatte noch grüne Färbung, so macht sich der erwähnte Unterschied bemerkbar. Die Kobaltprobe kann auch mit Erfolg benutzt werden, wenn es gilt, zu untersuchen, welche Rolle den Spalt- öffnungen und der cuticularisirten Oberhaut bei dem die Assimilation begleitenden Gasvvechsel zukommt. Für Demonstrationszwecke geeignete Beweise, durch welche die Unentbehrlichkeit der Spaltöffnungen für einen energischen Assimilationsgaswechsel dargethan wird, erzielte Stahl durch künstlichen Verschluss der Stomata mit einer das Blatt nicht verletzenden Klebesnbstanz, welche durch Mischung von einem Thcil gebleichten Bienenwachs mit 3 Theilen Cacao- butter hergestellt wurde. Wir theilen im Folgenden einen hierher gehörigen Versuch Stahl's mit. Entstärkte Blätter von Prunus Padus wurden auf einer Hälfte ihrer Unterseite mitCacaowachs bestrichen und in diesem Zustande von 9 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags bei heiterem Himmel der Aprilsonne ausgesetzt. Nach Entfernung des Ueberzugs und Extraction des Chlorophyllfarbstoffs wurde die be- kannte Sachs'sche Jodprobe vorgenommen. Es stellte sich heraus, dass der der atmosphärischen Luft zugängliche Theil der Blattunterseite sich intensiv schwarzblau färbte, also reichliche Stärkemengen producirt hatte, während die andere mit Cacaowaehs bestrichene Blatthälfte gelblich gefärbt erschien. Die nachfolgende mikroskopische Unter- suchung ergab, dass in letzterem Falle das Assimilations- parenchyin vollständig stärkefrei war und dass sich nur längs der stärkeren Blattnerven vereinzelt Stärkekörnchen zeigten, ein Beweis dafür, dass in Folge der Verklebung der spaltöffnungführenden Unterseite bei sonst günstigen Assimilationsbedingungen die Stärkeproduetion unterdrückt wird und dass die spaltfreie Blattoberseite nicht im Stande ist, einen für die Aufspeicherung von Stärke hinreichenden Gaswechsel zu vermitteln. Nach alledem ist also an- zunehmen, dass bei normalem Kohlensäuregehalt der Luft der Assimilationsgaswechscl fast ausschliesslich vermittelst der Spaltöffnungsapparate und nur ganz minimal durch die cuticularisirten Häute stattfinden muss. Bei oberflächlichein Ritzen der cuticularisirten Ober- seite Hess sich in unmittelbarer Umgebung der Wunde reichliche Stärkebildung nachweisen. In einer weiteren, höchst interessanten Versuchsreihe weist Stahl nach, wie durch erhöhten Salzgehalt des Sub- strates die Assimilation beeinträchtigt wird. Es stellt sich nämlich nach der Aufnahme einer verdünnten Kochsalzlösung Verengerung und endlich Verschluss der Spaltöffnungen ein, der den Rückgang, bezw. Stillstand in der Vegetation herbeiführt. Weiter wird im Anschluss hieran die Frage erörtert, auf welchen Ursachen bei den Halophyten die Immunität gegenüber dem Salzgehalt des Bodens beruht und durch welche Organisationsverhältnisse sie befähigt sind, auf diesem Substrat, das doch den Binnenland- pflanzen schadet, zu gedeihen, besonders aber ungestört zu assimiliren. Stahl eultivirte eine Anzahl halophyter Pflanzen und konnte mittelst der Kobaltprobe zunächst eine ziemlich bedeutende Transpirationsgrösse und sodann den fehlenden Verschluss der Stomata constatiren, ein Ergebniss, welches durch die mikroskopische Untersuchung welkender Halophytenblätter bestätigt wurde. Wie sich früher ergab, können Binncnlandpflanzen auf salzreichem Substrat nicht gedeihen, weil in Folge des Spalten-Ver- schlusses (welcher dadurch herbeigeführt wird, dass die Schliesszellen, die nicht im Stande sind, den hinreichenden Wasserbedarf von den salzreichen Naehbarzellen auf- zunehmen, nur sehr schwach turgesciren) die Assimilation beeinträchtigt wird. Die Schliesszellen der Spaltöffnungen halophyter Pflanzen und die Spaltöffnungen selbst ver- halten sich eigeuthümlicherweise also ganz anders. Sie sind wohl im Stande, beträchtliche Quantitäten Kochsalz aufzunehmen, ohne dass Spaltenverschluss eintritt, und sie scheinen daher auch die Fähigkeit verloren zu haben, durch Schliessen der Stomata die Transpiration zu regeln. Stahl bringt mit dieser Erscheinung das bei halophyten Pflanzen so auffällige Auftreten von Schutzmitteln zur Herabsetzung der Transpiration in ursächlichen Zusammenhang. F. Schleichert. Die Tesla'schen elektrischen Versuche, auf die bisher in dieser Zeitschrift mich nicht eingegangen wurde, sind bisher in Deutschland der Oeffentlichkeit noch nicht vor- geführt worden. Nur in Hörsälen von Universitäten (so z. B. in Berlin und Leipzig) sind die Experimente, zum Theil wenigstens, im verwichenen Sommer angestellt worden, ebenso auf der letzten Naturforscher- Versammlung in Wien durch Prof. Tuma. Am 8. October nun führte der Berliner Privatgelehrte, Herr Gustav Amberg, die betreffenden Versuche in seinem eigenen bedeutenden Laboratorium physikalischer Apparate, Spcnerstr. 4 vor einer geladenen Gesellschaft*) aus, und zwar in einer ganz neuen, wesentlich vereinfachten Form. Nicolas Tesla, ein Amerikaner, stellte zuerst vor drei Jahren seine berühmten Experimente mit Wechsel- strömen von sehr hoher Spannung, sogenannten ..Hoch- frequenzwechselströmen" an. Herrn Amberg standen solcbe Ströme nicht zur Verfügung, er musste sich mit einem grossen Funkeninduktorium begnügen, welches Funken von 18 — 20 cm ergab, und es gelang ihm mit Hilfe eines eingeschalteten, in reinem Maschinenöl stehen- den Transformators auch damit die gewünschten Erschei- nungen hervorzurufen. Die beiden Enden des Inductoriums waren verbunden mit einem Funkenmikrometer und je *) Herr Amberg ist in Stettin u. St.-u-gard mit seinen Experi- menten nunmehr bereits vor die Oeffcntliehkeit getreten. Seil dem 1. Nov. werden die Versuche auch in der „Urania" in Berlin vorgeführt. 542 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 44. einem Paar von isolirt stehenden, grossen Leydener Flaschen (40 cm hoch, 13 cm im Durchmesser), und zwar mit der inneren Belegung derselben. Die äusseren Be- legungen waren wieder angeschlossen an den genannten Transformator. Das eine Ende desselben stand mit dem Erdboden in Verbindung, während von dem anderen ein Draht ausging, der zu einer grossen Metallkugel von V2 m Durchmesser führte. Diese Kugel vertrat die Stelle der grossen Blechscheibe Tesla's und erzielte die- selben Wirkungen wie diese: Geissler'sche Röhren leuch- teten in der Nähe der Kugel, als wenn ein Strom durch sie hindurchgeleitet würde, Menschen wurden, ohne das geringste Unbehagen zu empfinden, so stark elektrisch geladen, dass man allen Tbeilen des Körpers Funken entlocken konnte, und Geissler'sche Röhren leuchteten in ihrer Umgebung ebenso auf, wie in der Nähe der Kugel u. s. w. Die Amberg'schen Versuche sind besonders beachtens- werth, weil sie zeigen, dass die Tesla'schen ungeschlos- senen Ströme, denen ja zweifellos noch eine ungeheure Zukunft beschieden ist, sich noch weit einfacher hervor- bringen lassen, als man bisher glaubte. Ueber die Theorie der ungeschlossenen Ströme ver- mochte natürlich Herr A. nichts Neues vorzutragen; sie muss nach wie vor noch räthselhaft bleiben, nur soviel kann man mit Bestimmtheit behaupten, dass sich die Tesla'schen Versuche einzig und allein mit Hülfe der Maxwell- Hertz'schen Anschauung über das Wesen der Elektricität erklären lassen. Ebenso wunderbar bleiben vorläufig auch die physiologischen Wirkungen: Der Grund, weshalb Ströme von so hoher Intensität, dass sie eigent- lich den Menschen sofort töten müssten, sich nur auf der Oberfläche des Körpers verbreiten, ohne auch nur im ge- ringsten auf das innere Nervensystem einzuwirken, ist nicht einzusehen. Tesla selbst hat zwar versucht, die von ihm beobachteten Erscheinungen der ungeschlossenen Ströme theoretisch zu erklären; er fusst dabei auf der Crookes'schen Lehre vom „Bombardement der Moleküle"; doch sind seine diesbezüglichen Anschauungen gar zu problematisch, um nicht zu sagen phantastisch, als dass man mit ihnen rechnen könnte. Den Schluss der Amberg'schen Erläuterung bildete ein Ausblick iu die Zukunft der Elektrotecbnik. Dass diese durch einen weiteren Ausbau und die Verwerthung der Tesla'schen Entdeckung von Grund aus umgestaltet werden dürfte, kann kaum noch einem Zweifel unterliegen, zu- mal da, wie gesagt, die Tesla'schen Ströme den Organismus des Menschen niemals Gefahr bringen können. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: der Privatdocent Dr. med. Wilhelm Weintraud in Strassburg zum Assistenten an der zweiten medicinischen Klinik der Charite; der Professor der Anatomie an der medicinisch - chirurgischen Akademie in Petersburg Pro- fessor Lesshaft zum Leiter der neuen biologischen Anstalt ebendort; der Privatdocent der Chemie Dr. Hugo Erdmann in Halle zum ausserordentlichen Professor; die ausserordentlichen Professoren der Botanik in Wien Dr. Franz Ritter yon Hoehnel und Dr. Carl Wilhelm zu ordentlichen Professoren; der Honorardocent der Mineralogie und Geologie an der böh- mischen technischen Hochschule in Prag Slavik zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: zu leitenden Aerzten an den inneren Ab- theilungen der drei Berliner städtischen Krankenhäuser Dr. Ernst Stadel mann, früher Professor in Dorpat, und die Privatdocenten an der Berliner Universität Dr. Georg Krönig und Dr. Alfred Gold seh ei der; der Assistent am anatomischen Institut in Strassburg Dr. Heinrich Hoyer als ausserordent- licher Professor nach Krakau; der Privatdocent der Physik in Bonn Dr. Lenard als ausserordentlicher Professor nach Breslau als Nachfolger des nach Aachen berufenen Professor Dieterici. Es haben sich habilitirt: Dr. Karl Fricker für Geographie und Völkerkunde an der technischen Hochschule in Stuttgart; Dr. A. Burgerstein in Wien für Anatomie und Physiologie der Pflanzen; Dr. Friedrich Schumann in Berlin für Psychologie, früher Docent in Göttingen. Gestorben sind: Professor Dr. Ludwig Mauthner in Wien, einen Tag nach seiner Berufung als Docent an die dortige Augenklinik; Dr. med. Max Perles in München, bis vor kurzem Assistent an der Hirschberg'schen Augenklinik zu Berlin; der erste Director der Klosterneuburger Weinbauschide Baron August Babo. L i 1 1 e r a t u r. Bibliothekar im kaiserlichen Gesuudheitsamte Dr. Arthur Wttrzburg, Die Nahrungsmittel-Gesetzgebung im Deutschen Reiche und in den einzelnen Bundesstaaten. (Bibliothek für Nahrungsmittel - Chemiker.) Johann Ambrosius Barth (Arthur Meiner). Leipzig 1894. — Preis 6 Mk. Die Schrift, welche für Rechtslaien bestimmt ist, richtet sich an den Sachverständigen ebenso wie an den Studirenden, und will in zusammenhängender Form die im Deutschen Reiche wie in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Bestimmungen und Einrichtungen, welche sich auf Nahrungsmittel etc. beziehen, dar- stellen. Im Anhange sind die von reichswegen erlassenen Vor- schriften über die Prüfungen abgedruckt. Ein gutes Register macht seine Benutzung leicht. A.. Sturmhoefel. Stadtbaurath a. D. Akustik des Baumeisters oder der Schall im begrenzten Raum. Mit 22 Abbildungen im Text. Schuster und tiufleb, Berlin. 1894. — Preis 3 Mark. Es giebt gewisse Themata, welche jedermann interessiren, während andere nur bei der geringen Anzahl der betreffenden Fachleute Anklang finden. Was für Umstände es sind, durch welche ein allgemeines Interesse veranlasst wird, ist schwer zu sagen, dass aber auch solche Themata, die nur für Fachmänner uud Liebhaber berechnet zu sein scheinen, allgemein anziehend werden können, wird durch das vorliegende Schriftchen (88 Seiten) bestätigt. Nicht nur der Baumeister, wie man nach dein Titel vermuten sollte, und eventuell noch der Physiker werden es mit hoher Befriedigung lesen, sondern auch jeder Laie kann seine Freude daran haben. Mathematische Entwicklungen sind fast ganz vermieden, auch von der allgemeinen Schalllehre ist nur das unmittelbar Not- wendige aufgenommen, zumal solche theoretischen Betrachtungen in diesem Falle praktisch nicht verwertbar wären. Wo Rechnungen vorkommen, handelt es sich um einfache, leicht fassliche Bei- spiele. Physikalisch ist am beachtenswertesten der überraschende, aber unanfechtbare Nachweis, dass die Intensitäten des Schalles nicht, wie man denken sollte, analog der Lichtintensität, in um- gekehrt proportionalem Verhältniss zu den Quadraten der Ent- fernung von der Schallquelle stehen, sondei-n dass sie umgekehrt proportional der einfachen Entfernung abnehmen. Der Ver- fasser, der durch Beobachtung des Echos zuerst zu dieser Ver- muthung geführt wurde, ist zwar nicht der erste, der dieseii Nachweis geführt hat, sondern, wie er selbst erklärt, ist ihm Professor Vierordt in Tübingen schon 1885 mit einer fast un- bekannten Abhandlung: „Schall- und Tonstärke" vorangegangen, doch hat Sturmhoefel, abgesehen davon, dass er unabhängig von Vierordt zu deu gleichen Resultaten, wie dieser gelangte, das Verdienst, die praktische Modificirung des genannten Schall- gesetzes ausführlich erläutert zu haben. Für jeden Baumeister, der irgend welche für Vorträge zu benutzende Räumlichkeiten zu bauen hat, sind die Ausführungen des Verfassers über die Reflexwirkungen der Stimme von höchstem Werth. Unter anderm findet sich folgende, äusserst lehrreiche Tabelle. Es reflectirt: Nutzeffect Ein Wasserspiegel mit 95 °/o Polirte Stein- oder Kalkwand „ 95 % Polirte oder lackirte Holztäfelung ... „ 95 % Gestrichene Holztäfelung ...... * 90 "/« Glattgeputzte Wand 80—85 % Gefugte Wand „ . 75 °/o Reliefirte Wandfläche mit glattgeputztem Grunde . _ : . B 64 % Glattgestrichener Rappputz „ 50 °/0 Eben getretene Kiesnäche „ 50 % Mit kurzem Besen gerauhter Putz, soge- nannter Stippputz ........ „ 35 °/0 Ausgesteifte Theaterdekoration .... „ 30 °/o Faltige Plüschdraperie „ 20 °/o Echo eines Waldrandes „ 17 % Nr. 44. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 543 Leider kann hier nicht eingegangen werden auf die heaehtens- wert.hen Ausführungen, wie störende Reflexwirkungen, Nachhalle, zu vermeiden sind. Die längste Zeitdauer, um welche die ent- ferntesten Reflexe dem ursprünglichen Schal] nachschleppen dürfen, ohne störend zu wirken, hetriigt '/so Secunde, Daraus ergiebt sich als iiusserste „zulässige Wegedifferenz" der Wert von 17 m. Für Vortragende dürfte der Rath des Verfassers, mit der Grösse des Raumes den Vortrag zu verlangsamen, von hohem Werthe sein. Mit Recht beklagt es der Verfasser, dass so oft in öffent- lichen Räumlichkeiten der Architektur zu Liebe die gute Akustik aufgeopfert wird, „die Verschwendung eines Prachtkleides an einen für seine Hauptaufgabe unbrauchbaren Kaum." Das Pu- blikum hat das Recht, eine gute Akustik zu verlangen, und dass man diesen Anforderungen gerecht werden und sogar weit grössere Schalleffekte erzielen kann, als man annehmen sollte, zeigt der Verfasser an den antiken Theatern und den ( •borammergauer Passionsspielen, bei welchen 4000 Zuhörer bequem jedes Wort hören können. Das ganze Geheimniss liegt in der starken, stetig wachsenden Ueberhöhung der Sitzreihen. Von den sonstigen Vorschlägen des Verfassers sei nur noch die von ihm angegebene Reliefirung der DeckenHäche in Theater- logen und die beste Form einer Rednerbühne ganz besonderer Beachtung empfohlen. H. Prof. Dr. Karl. Kraepelin, Leitfaden für den botanischen Unterricht an mittleren und höheren Schulen. Mit 212 Fi- guren in Holzschnitt. Vierte verbesserte Auflage. B. G. Teubner. Leipzig 1893. — Preis 1 M. Das Buch gliedert sich in 5 Abschnitte. I. Organe der Pflanzen, II. Systematik, III. Innerer Bau der Pflanzen, IV. Bau und Systematik der Kryptogamen, V. Die Pflanze und ihre Um- gebung. Dr. Faul Knuth. Grundriss der Blüthen-Biologie. Zur Bele- bung des botanischen Unterrichts, sowie zur Förderung des Verständnisses für unsere Blumenwelt. Mit 3(i Holzschnitten. Lipsius & Tischer. Kiel und Leipzig 1894. Das Heft ist wohl geeignet, seinen Zweck zu erfüllen und Ref. glaubt, dass es namentlich in Lehrerkreisen vielfach An- klang finden wird; aber auch dem Pflanzensammler und Pflanzenfreund unter den Laien, der etwas tiefer zu dringen wünscht, muss es empfohlen werden. Paul Moldenhauer, Das Gold des Nordens. Ein Rückblick auf die Geschichte des Bernsteins. Carl Hinstorff's Verlagsbuchh. (Gustav Ehrke). Danzig 1894. — Preis 1,50 Mk. Der Schwerpunkt des Schriftchens liegt in dem II. Theil des- selben, der eine handelsgeschichtliche Betrachtung des Bernsteins enthält. Verfasser bespricht in demselben den Ausgangsort des ältesten Bernsteinhandels bis zu seinem Ende (1. Periode) und dann die Wiederaufnahme des Handels und seine Entwickelung unter den Ordensrittern bis zur Gegenwart (2. Periode). Zum Schluss finden sich Angaben über die Arten der Bernstein- gewinnung und ihre Geschichte, die Werthbestimmung des Bern- steins, seine Verwendung in der Vor- und Neuzeit und Etymo- logisches. John Tyndall, Die Wärme betrachtet als eine Art der Be- wegung. Autorisirte deutsche Ausgabe bearbeitet von Anna v. Helmholtz und Clara Wiedemann nach der 8. Auflage des Originals. Mit 125 Holzschnitten und einer Tafel. 4. ver- mehrte Auflage. Friedr. Vieweg & Sohn. Braunschweig 1894. — Preis 12 Mk. Das berühmte Buch des verstorbenen englischen grossen Physikers erscheint hiermit in 4. deutscher Auflage. 'Das in keiner, einigermaassen gleichmässig ausgestatteten, naturwissen- schaftlichen Bibliothek fehlende Werk ist zu bekannt, als dass wir auf dasselbe näher einzugehen brauchten. G. Wiedemann hat ihm eine kurze Biographie Tyndall's vorausgesandt. In das prächtige klassische Buch sieht man immer wieder gern, und dem Laien, der ein etwas tieferes Interesse für natur- wissenschaftliche Fragen hat, kann kein besseres Buch empfohlen werden, als das vorliegende: er schöpft hier an der Quelle. Ernst Bardey. Zur Formation quadratischer Gleichungen. Zweite unveränderte Ausgabe. Vorlag von B. . Auflage. Freiburg. — 2,80 M. Küster. Privatdoc. Dr. F. W., Logärithmische Rechentafeln für Chemiker. Leipzig. — 1,50 M. Littrow's Wunder des Himmels. 8. Auflage. 1. Lieferung. - 0,40 M. Middendorf, E. W., Peru. II. Band. Das Küstenland von Peru. Berlin. — 12 M.. geb. in Halbfrz. 16 M. Seguier, Prof. J., S. J., Formes quadratiques et multiplicatiou complexe. Berlin. — 12 M. Stricker, Prof. Dr. S., Ueber strömende Electricität. Wien. — 3,75 M. Briefkasten. Herrn Dr. P. in St. Ptg. — Der Zoologe Herr Dr. W. Haaeke wohnt in Darmstadt (Polytechnikum). — Beantwortung der anderen Fragen später. Inhalt: A. G. Nathorst, Eine Probe aus dem Torflager hei Lauenburg an der Elbe. — 66. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien vom 24. bis 30 September 1894. I. — Die Kegelrobbe des Berliner Aquariums. — Versuch.' über_ Transpiration und Assimilajion bei Pflanzen. — Die Tesla'schen elektrischen Versuche. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Bibliothekar im kaiserlichen Gesundheitsamte Dr. Arthur Würzburg. Die Nahrungsmittel-Gesetzgebung im Deutschen Reiche und in den einzelnen Bundesstaaten. — A. Sturmhoefel, Stadtbaurath a. D., Akustik des Baumeisters oder der Schall im begrenzten Raum. — Prof. Dr. Karl Kraepelin, Leitfaden für den botanischen Unterricht an mittleren und höheren Schulen. — Dr. Paul Knuth, Grundriss der Blütenbiologie. — Paul Moldenhauer, Das Gold des Nordens. — John Tyndall, Die Wärme betrachtet als eine Art der Bewegung. — Ernst Bardey, Zur Formation quadratischer Gleichungen. — Bericht über die Sencken- bergische naturforschende Gesellschaft in Frankfurt a. M. — Liste. — Briefkasten. 544 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 44. "US Bieder (elbfiänbifler Stil btr „51 II Bern einen üänberf unbe" M^ er|il)cint foeben: ^^ SSonDr.gl.Hhiltynroilunb ^prof. Dr. f. $lrumamt. §erau§flcflcbcn ton «Prof. Dr. pütj. §tfüerö. ilit 168® rrrbilö. 14ßartrnbrüngen H.28t&af£lii in floljfrrjn u.frtrbftt- imt*. 14 fftrfcningen ju \t 1 4Mk. obnr in falbliber grtuuiöcrt 1K ftln. SJolIilänbifl Iiccicn Bon bor „Slllflemeiiten Sifiiibcvfunbc" Bor; „9lfrifo". in öulbleber gcbunbcn 129Dc'art. „üirien", in .£nilblcbev gebnnben 153Rart „"Jlinetifa", in ftalbleber gebunben 15 Tlml „Slnftralien" wirb ba>i Snramclwcrt im ©erbft 1895 abfrfjliefeen. ®ie erften Sieferurtgen jur Wnficbt. — Sßrofhefte foftenfrei. Verlag braBUiIiographiruitn Unrütuts in Iriprig u.HHrn. ^ atent-technisches und | Verwerthunrj-Bureau Betche. Berlin S. 14, Neue Kossstr. 1 Soeben erschien und ist durch jede Buchhandlung gratis zu beziehen: Illustrierter Weihnacht s Katalog Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. Verzeichnis gediegener populärer Geschenkwerke und der Hempel- scheu Klassiker-Ausgaben. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Das schönste Stück Erde, Ä Hohenneuendorf SSt Vorort, (lirect am Bahnhof, vis ,i vis dem königlichen Forst, wird neu pareellirt. 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Postzeitungsliste Nr. 4575. Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 J,. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoucenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger (luelleuangaW gestattet. VIII. internationaler Congress für Hygiene und Demographie in Budapest vom 1. bis 9. September 181)4. Die Geschichte der wissenschaftlichen Gongresse hebt mit dein zweiten Jahrzehnt dieses Säculums an. In Deutschland schufen ihnen die Naturfnrscherversainni- lungen den linden. Schon um die Mitte des Jahrhunderts rief man die eisten internationalen Gongresse zusammen, die zu ungeahnter Blüthe emporgewachsen sind. Bei der Bedeutung, welche die Hygiene im öffentlichen Leben gewonnen hat, kann es nicht Wunder nehmen, dass die hygienischen Congresse von allen Culturvölkern geschätzt und besucht werden. In Pest waren jetzt über 3000 Männer beisammen, welche die Förderung der Hygiene dircct oder indirect sich zur Aufgabe gemacht haben. Ihr Kreis setzt sich keineswegs aus Aerzten allein zusammen, sondern einen grossen Bruchtheil aller hygienischen Versammlungen bilden Techniker und Verwaltungsbeanite. denen oft die Aufgabe zufällt, die Ergebnisse der Wissenschaft in die Praxis umzusetzen. Neben dem wissenschaftlichen Programm hat viele gewiss auch die Stadt Pest hingezogen, die seit langem in dem Rufe steht, eine interessante Stadt zu sein. Pest hat gehalten, was es versprochen, und der Congress ge- hörte wohl zu den bestgelungenen, die in dieser Art bisher veranstaltet worden sind. Das Magyarenvolk seheint eine Ehre darein gesetzt zn haben, den Gästen aus der ganzen Welt seine Thatkraft, sein Können und Wollen ad oculos demonstriren zu können. Alle Kräfte waren angespannt, und in der That hat Jeder, der auf diesem Congress in Pest war, die grösste Hochachtung vor diesem Volk mitgenommen, das gross durch seinen Nationalstolz geworden ist, Der Pester Congress war in doppelter Hinsicht ausgezeichnet: das wissenschaftliche Programm wurde mit geradezu erstaunlichem Fleisse er- ledigt, es ist besonders in den Sectionen mit Ernst und Ausdauer gearbeitet worden. Ebenso glänzend wurde der zweite Zweck der Congresse zur Wahrheit: der ge- sellschaftliche Verkehr der Theilnehmer. Die Gäste sind in Pest mit einer wahrhaft fürstlichen Freigiebigkeit auf- genommen worden, und jeder Unterschied der Nation verschwand in Angesicht solcher Gastfreundschaft, deren indirecter Nutzen für die Wissenschaft nicht ausbleiben wird. Wir geben im Folgenden einen kurzen Ahriss der Verhandlungen des Congresses, soweit er für die Leser dieser Wochenschrift von Interesse ist. Nachdem die Gäste am Abend des 1. September im Garten des Natioualmuseums bei Wein und Bier von der Statlt empfangen worden waren, fand am folgenden Tage die feierliche Eröffnung iu der hauptstädtischen Redoute statt, die für den Zuschauer ein farbenprächtiges Bild darbot, wie man es nicht oft im Leben zu sehen Gelegenheit hat: Cardinäle, Bischöfe und Prälaten iu ihren bunten Ornaten, Ministeruniformen, die prunkenden Trachten der ungarischen Magnaten und zahlreiche son- stige Nationaleostüme mannigfachster Art. Professor Födor, der Präsident des Congresses, trug den schar- lachrothen Mantel eines Ehrendoctors der Universität Cambridge. Erzherzog Carl Ludwig eröffnete den Con- gress, umgeben von den Rathgebern des grossen Magyaren- reiches: (lern berühmten Weckeile, dem Minister Hieronymi u. a. m. Die Delegirten der ausländischen Regierungen, für Deutschland der Geh. Oberregierungsrath W. von Scheel vom Statistischen Amt, hielten ihre offiziellen Begrüßungs- ansprachen. Am Nachmittage desselben Tages, eines Sonntags, wurden die Congressisten iu den Sitzungssaal der König- lich ungarischen Akademie der Wissenschaft, einem wahr- haften Prunksaal, zu einer Semmelweiss-Sitzung ge- laden. Der Name Semmelweiss ist leider iu den weitesten Kreisen Deutschlands, wie der ganzen civilisirten Erde unbekannt. Es ist darum als ein grosses Verdienst der Leitum endlich einmal der dieses Congresses zu betrachten dass sie Menschheit und der Wissenschaft 546 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 45. insbesondere die Gelegenheit bietet, die Ehrenschuld, die sie an diesen Mann haben, abzutragen. Gleich Galilei, Giordano Bruno u. a. ist er ein Märtyrer seiner wissen- schaftlichen Grossthat geworden. Den Vorsitz in dieser dem Andenken an Semmelweiss gewidmeten Sitzung fährte Professor Kesmarsky (Pest). Er erstattete Bericht über die Ergebnisse der Thätigkeit des Semmelweiss < 'omites. Die Sammlungen haben mehr als 12 000 Fl. ergeben, die in dreifacher Hinsicht Ver- wendung linden sollen: für ein Ehrengrab mit einem Denkstein, für eine Bezeichnung des Geburtshauses in Pest und für ein dort zu errichtendes Denkmal. Hierzu reichen leider die Mittel noch nicht ans, und es wird deshalb um weitere Beiträge gebeten. Darauf hielt Professor Hüppe (Prag) die Gedenkrede auf Ignaz Philipp Semmelweiss. Er ist 1818 als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns römisch-katholischen Glaubens in Ofen geboren, besuchte dort die Volksschule, dann das Gymnasium, studirte in Test und Wien Medicin und wurde 1S46 Assistent an der ersten geburtshilflichen Klinik in Wien unter Professor Klein. Hier fiel ihm die ungeheure Sterblichkeit an Kindbettfieber auf. Er fand nun die Lösung desRäthsels: Das Kindbettfieber ist eine Wundinfeetion, eine. Blutvergiftung mit Leichengift, dessen unmerkliche Spuren an den Hunden der Aerzte und Studirenden haften. Semmelweiss empfahl sogleich auch den Chlorkalk als desinficirendes Mittel. Nach Ein- führung desselben sank auch die Mortalität auf der Klein'sehen Klinik sehr schnell. Semmelweiss erkannte aber auch sehr bald, dass es nicht die Infeetion mit Leichengift allein ist, sondern auch Keime anderer Krank- heiten, die auf die Frauen übertragen werden. „Zersetzte organische Substanz" ist die Ursache des Kindbettfiebers. Aber auch im Tunern des Organismus selbst können sich solche Zustände entwickeln durch einen Vorgang, den Semmelweiss als Selbstinfection bezeichnet bat. Er em- pfahl, die Hände des Arztes, Untersuchungsinstrumente u. s. w. streng zu desinficiren und die gesunden Frauen von den kranken zu trennen. Auch die Kindersterblichkeit wurde durch diese Maassregeln ausserordentlich günstig beeinflnsst, und die Mortalität der Wöchnerinnen sank auf 0,8 °/u. So augenscheinlich die Erfolge waren, so geschah das Wunderbare, dass sie an maassgebender Stelle geleugnet wurden. Nicht nur Semmelweiss' eigener Vorgesetzter, sondern auch die Mehrzahl der deutschen Frauenärzte, der berühmte Scanzoni in Würzburg, Späth in Wien u. a. schenkten der Semmelweiss'sehen Behaup- tung entweder gar keine Beachtung oder sie erklärten sie für unsinnig. Die Engländer andererseits, besonders Simpson, bestritten ihm die Priorität der Entdeckung. Thatsächlich hat auch Semmelweiss 'einige Vorgänger gehabt, besonders Cruveilhier in Frankreich und Eisen- mann in Deutschland; aber Niemand hat vor ihm den Gedanken so klar und präcis ausgesprochen. Tief- gekränkt durch die erfahrene Missachtung zog sich Semmelweiss nach seiner Vaterstadt Pest zurück, wurde hier 1851 Primärarzt am Rochusspital und 1855 Professor für Geburtshilfe an der Universität. Wiederholt raffte sich Semmelweiss zu einer scharfen Abwehr seiner Gegner auf, 1861 erschien seine zusammenfassende Arbeit: ..Die Aetiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbett- fiebers." Dieses Buch, anfangs kaum beachtet, ist jetzt nicht zu beschaffen. Erst zu Beginn der 80er Jahre sind die deutschen Frauenärzte, einer nach dem andern, nachdrücklich für Semmelweiss eingetreten. Aber er sollte diesen Triumph nicht mehr erleben. Er starb schon 1865 im Irrenhause. Semmelweiss muss als Begründer der antiseptischen Wundbehandlung angesehen werden, ja er hat bereits die Asepsis geübt und eindringlich empfohlen, welche die Chirurgen und Geburtshelfer erst im letzten Jahr- zehnt allgemein ausgeführt haben. Er allein bat mit genialem Blicke all die Consequenzen gezogen, die sich aus einer Auffassung des Kindbettfiebers als Wund- infeetion ergeben. Nach Beendigung der Sitzung, welcher die Wittwe und die Kinder des Gefeierten beiwohnten, begaben sich die Congressisten nach dem Kirchhofe zum Grabe Semmel- weiss', wo Dr. Duka (London) einen Riesenkranz im Namen des Congresses niederlegte, Professor Chantemesse (Paris) einen kurzen Nachruf dem vielverkannten Ge- lehrten widmete und Professor Kesmarzky (Pest) den Denkstein enthüllte. „Bewahret, Ihr jungen Mütter, das Andenken dieses Mannes, denn er war der Schutzengel der Frauen." Die Verhandlungen des Congresses nahmen an den folgenden Tagen in erfreulicher Weise Fortgang Es wurde, wie schon erwähnt, in den Sectionen fleissig ge- arbeitet. Das Hauptinteresse nahm die Discussion über die Diphtherie in der Section für Bakteriologie in Anspruch. In ihr erstatteten zunächst die nationalen Comites Bericht über das Ergebniss ihrer Berathungen bezüglich des von der Congressleitung versendeten Frage- bogens, der sich auf die Aetiologie, die Verbreitung und Bekämpfung der Seuche erstreckte. Es ist ein sehr erfreuliches Resultat, dass in den Hauptpunkten sich keine Verschiedenheit zwischen den einzelnen Meinungen zeigte, insbesondere stimmten das französische und das deutsche Resume in allem Wesent- lichen überein. Letzteres wurde von Professor Löffle r (Greifswald) erstattet. Namentlich die praktischen Schluss- folgerungen sind von grösstem allgemeinen Interesse. Die wesentlichsten Punkte des Berichtes sind folgende: Der Erreger der Diphtherie ist der Diphtheriebacillus. Zweifel über die ätiologische Bedeutung dieses Bacillus bestehen nicht mehr. Es dürfen daher fernerhin nur solche Erkrankungen als Diphtherie bezeichnet werden, welche durch den Bacillus bedingt sind. Die Diphtherie- Epidemien zeigen ein wechselndes Verhalten, wie die Epidemien vieler anderer Infectionskrankheiten. Der Verlauf der Epidemien ist vielfach ein leichter, häufig aber auch ein sehr schwerer, gekennzeichnet durch die hohe Zahl der Todesfälle, die häutige Mitbetlieiligung des Kehlkopfes und der Nase, durch schwere Herz- und Nierenerkrankungen und consecutive Lähmungen. Aber auch innerhalb derselben Epidemie wechseln häufig schwere und leichte Erkrankungen regellos. Der Diph- theriebacillus kann im Rachen oder in der Nase gesunder Individuen vorkommen, ohne Krankheitserscheinungen zu verursachen; er verursacht solche erst, wenn er sich an irgend einer Stelle angesiedelt hat. Läsionen der Schleim- häute — kleine Verletzungen, catarrhalische Veränderungen — begünstigen die Ansiedelung. Bestimmte, zu Katarrhen der ersten Wege Anlass gebende Witterungsverhältnisse, besonders nasskalte Witte- rung, scheinen die Erkrankung aus diesem Grunde zu be- günstigen. Dieser Einfluss ist aber noch näher zu er- weisen. Die Diphtherie wird am häufigsten durch directen Contact von den Kranken auf Gesunde, übertragen durch Anspeien, Anhusten, Anniesen, durch Küssen und Hand- lungen, bei welchen die Hände, mit frischem Secret in Berührung gekommen, häufig aber auch durch Gegen- stände, welche der Kranke während seines Krankseins mit seinen Excreten beschmutzt hat — Getränke, Nah- rungsmittel, Ess- und Trinkgeschirre, Wäsche, namentlich Taschentücher, Spielsachen, auch längere Zeit nachderstatt- gehabten Infeetion derselben. — Der Kranke ist infectiös, so lange er noch Bacillen auf der Schleimhaut hat. Die Nr. 45. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 547 Bacillen verschwinden gewöhnlich mit oder kurz nach dem Verschwinden der localen Erscheinungen, sie können aber bisweilen Wochen, ja sogar Monate noch lebensfähig und virulent in Rachen oder Nase nachgewiesen werden. - In organisches Material eingehüllt und vor Licht ge- schützt können sieh die Bacillen eine Reihe von 'Monaten ausserhalb des Körpers lebensfähig erhalten. Anhäufungen von Schmutz, dunkle und feuchte Wohnungen begünstigen daher die Konservirung der Bacillen und die Verbreitung der Krankheit. Als Verhütungsm aassregeln sind zu empfehlen: a) Sorge für Reinhaltung, Trockenhaltung, ausgiebige Lüftung und Belichtung der Wohnung. b) Sorgfältige Reinhaltung des Mundes und der Nase, Gurgelungen mit schwachen Lösungen von Kochsalz und Natriumearbonat, häufiges Putzen der Zähne, Entfernen schlechter Zähne, Beseitigung tiefer Krypten in den Ton- sillen bezw. Entfernung hypertropischer Tonsillen. c) Kalte Abreibungen des Halses in diphtheriefreien Zeiten. Jeder diphtherieverdäcbtige Fall ist, wenn möglich, sofort baeteriologisch zu untersuchen. Den Aerzten müssen die für die Anlegung der Kulturen nothwendigen Mate rialien leicht zugänglich sein, z. B. in Apotheken. Die Untersuchung hat, wie bei choleraverdächtigen Fällen, durch Sachverständige zu geschehen. — Alle baeteriolo- gisch als echte Diphtherien eonstatirten Fälle, ebenso aber auch alle diphtherieverdächtigen Fälle, welche baeterio- logisch nicht untersucht sind, müssen polizeilieh gemeldet werden. — Jeder Diphtherie-Fall ist zu isoliren, entweder in einem besonderen Zimmer der Wohnung oder in einem Isolirkrankenhause. Um die Ausstreuung der Bacillen durch das kranke Individuum mögliehst einzuschränken, ist auch vom .Standpunkt der Prophylaxe der im Beginn locale Process local aniibaeillär zu behandeln, falls der Sitz der Erkrankung eine derartige Behandlung gestattet, Als eines der wirksamsten Mittel gegen die Verbreitung der Diptherie ist eine zuverlässige Schutzimpfung der in der Umgebung des erkrankten Individuums befindlichen Personen, namentlich der Kinder, anzuseilen. — Nachdem die Unschädlichkeit des Behring'schen Heilserums*) durch zahlreiche Injectionen zu Heil und Immunisirungs- zweeken festgestellt ist, erscheint es wünschenswerth, die Schutzkraft desselben durch möglichst ausgedehnte An- wendung in Familien, event. auch in Schulklassen, in welchen Diphtherienfälle vorgekommen sind, weiter zu er- forschen. — Bei jedem Falle von Diphtherie ist die Desinfection obligatorisch durchzuführen. Dieselbe hat sich auf alle von dem Kranken benutzten Gegenstände, sowie auch auf den Kranken und das Krankenzimmer zu erstrecken. Reconvalescenten von Diphterien sind nicht eher zum freien Verkehr (Kinder zum Schulbesuch) zuzu- lassen, als bis durch die bacteriologische Untersuchung das Verseh winden der Bacillen eonstatirt ist, und der Genesene sich in einem warmen Bade mit Seife gründlich gereinigt, reine Wäsche und Kleidung angelegt hat, Bei dem Aus- bruch von Diphtherie-Epidemien sind in öffentlichen Blättern Belehrungen über die Krankheit bekannt zu geben. Den englischen Bericht erstattete Dr. Seaton, den dänischen Dr. Sorensen, den österreichischen Di'. Wider- hofer, den bayerischen Prof. Büchner (an Stelle des Prof. von Ranke), den amerikanischen Dr. Billings, die übrigen Berichte wurden nur schriftlich entgegengenommen. Au diese Verhandlungen schlössen sich eine Reihe von Vor- trägen über die Behandlung der Diphtherie mit Blutserum, welche diese neue, grandiose Errungenschaft der Wissenschaft zu einem fait accompli gemacht haben. *) HcImt dir Ueilsfriiiiitherapie Ausführliches in der nächsten No. — Red. Zunächst empfahl Geh. Rath Heubner (Berlin) wann die Anwendung des von Prof. Behring in Berlin hergestellten Diphtherie- Antitoxins. Einen tiefen Findruck hinterliess der Vortrag Prof. Roux Paris , eines sehr lebhaften und geistreichen Franzosen. Es ist ihm gleichfalls gelungen, aus dem Blute diphtheriefester Pferde ein heilkräftiges Serum zu gewinnen, durch dessen Anwendung die Mortalität in einem Pariser Kinderhospital von 60% auf 20 °/0 herab- gedrückt worden ist. Roux sagte dieser Theorie eine grosse Zukunft voraus. Aronson (Berlin) theilte die Erfolge mit, die im Kaiser Friedrich-Krankenhaus in Beilin. sowie mehreren anderen deutschen Kinderkliniken mit dem von ihm her- gestellten Antitoxin gewonnen worden sind. In 248 Fällen ist die Mortalität auf 15,3 Procent gesunken. Einig waren sämmtliche Redner darin, dass der Erfolg zum grossen Theile abhängig von der Zeit des Beginnens der Behandlung ist. Je früher, desto sicherer und schneller der Erfolg. Schliesslich wurde ein aus Ver- tretern aller Länder bestehendes Comite gewählt, welch - aus den heute zur Verhandlung gekommenen Referaten den Kern herausschälen soll, der dann als Beschluss der Oeffentlichkeit übergeben werden soll. Im Sitzungssaal des Magnatenhauses, sonst dem Schauplatze politischer Kämpfe, hat während der Congresstage die Wissenschaft ihren friedlichen Einzug gehalten. Freilich galt es auch hier einem Kampfe, aber gegen den Tod. „La luttc contre la mort" hiess der Titel eines sehr geistvollen Vortrages, den Prof. Eris man (Moskau) dort unter Vorsitz des Prof. Koranyi hielt. Der Gedankengang des Vortrages war folgender: Der Tod traut nicht nach Recht und Gesetz, er wählt seine Opfer nicht nach dem Alter, sondern gerade unter den Jüngsten, den Neugeborenen, haust er am empfindlichsten. Aber diese hohe Mortalität erscheint nicht als unabwendbar, als naturnothwendig. Denn diese weist in den einzelnen Ländern eine sehr verschiedene Höhe auf. In Russland sterben 270 von 1000 Neugeborenen jährlich, in Deutsehland 200 und Schweden-Norwegen nur 108. Ebenso gross sind die Unterschiede zwischen einzelnen Städten. Auch die Sterblichkeit der Erwachsenen schwankt in den verschiedenen Ländern zwischen 22 und 40 auf je 1000 Einwohner. In Russland und Belgien sterben die Leute am frühzeitigsten. Es giebt also Bedingungen, durch welche die allgemeine wie besonders die Kinder- sterblichkeit herabgedrückt werden bann. Der Beruf ist von grossem Einfluss auf das Lebensalter, auch sogar auf das der Kinder. In der reichen und wohlhabenden Be- völkerung stirbt nur der dritte Theil oder die Hälfte der Neugeborenen der ärmeren Volksschichten. Diese Beob- achtungen sind überall dieselben. Der uneivilisirte Mensch steht dem Tode gleichgültig gegenüber. Kultur ist gleich- bedeutend mit Kampf gegen den Tod. Schon hei den Juden sehen wir sanitäre Maassregeln als Grundlage vieler Gesetzesvorschriften. Die grossartigen Erfolge in der Technik der Kanäle und Wasserleitungen, welche die Römer erreicht hatten, gingen mit ihrem Zerfall verloren. Wohl hat zu allen Zeiten und bei allen Völkern der Ein- zelne den Kampf gegen den Tod unternommen, aber >Wv Begriff einer öffentlichen Gesundheitspflege, an der das Interesse Aller ein gleichgrosses ist, ist erst in den dreissiger Jahren die es Jahrhunderts, als die Cholera nach Europa hereinbrach, entstanden. England ist mit Maassregeln dieser Art allen Kulturländern weit voraus gegangen, dort sind noch heute die besten hygienischen Zustände. Bei den Engländern ist die Sterblichkeit im Allgemeinen sowie besonders an ansteckenden Krank- heiten am geringsten. Der Kampf gegen den Tod ist 548 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 45. nicht in der Benutzung von Arzneimitteln zu suchen, son- dern in der Aufklärung des Volkes und Hebung seines Wohlstandes. Der Einzelne allein vermag nichts für sich auszurichten, die Gcsammtheit rauss das Wohl Aller im Auge haben. Dass gesundheitliche Maassregeln einen Einfluss auf die Mortalität ausüben, zeigt die Sterblich- keitsstatistik vieler Grossstädte. Am bekanntesten ist das Beispiel von München, das nach Assaniruug des Bodens eine fast typhusfreie Stadt geworden ist. Man kann durch systematische < Irganisation des Assanirungs- dienstes die Sterblichkeitsziffer überall um 30 bis 40 Procent beiabdrücken. Um die Kindersterblichkeit herabzusetzen, giebt es nur ein Mittel: man gebe den Kindern die Mütter wieder. Die naturgemässe Ernährung ist das beste Mittel im Kampf gegen das Sterben der Neugeborenen. In den vereinigten Sectionen für „Antiologie der Infectionskran k heiten " und „Prophylaxis der Epidemien" kam nach der Diphtheriefrage ein zweiter gleichwicbtiger Gegenstand, die Cholerafrage, zur Verhandlung. Das Ehrenpräsidium führte Prof.Leyden. Die Erörterungen waren darum von besonderer Wichtig- keit, weil neuerdings an der vollständigen Richtigkeit der Koch'schen Choleratheorie verschiedentlich gezweifelt worden ist. Diese Bedenken kamen hier zum Ausdruck durch Prof. Gruber (Wien). Er führte etwa folgendes aus: Die ätiologische Bedeutung des Kommabacillus als Erreger der Cholera steht ausser Frage, denn er rindet sich in allen Fällen dieser Erkrankung. Aber die bacterio- logische Diagnose der Cholera aus den von Koch ange- gebenen Momenten ist nicht möglich. Denn alle diese Eigenschaften, die Koch dem Kommabacillus allein zu- schreibt, finden sich auch bei vielen anderen Vibrioneu. Weder für sich, noch in ihrer Gesammtheit vermögen diese ErkenuungSKeichen die Entscheidung in zweifelhaften Fällen zu bringen. Die Erscheinungen der Choleraintoxieationen kann man bei Meerschweinchen durch Einspritzung des Proteus vulgaris und anderen Bacterien ebenso gut er- zeugen, als durch Cholerabacillen. Das Choleragift ist kein specitisches. Auch gelingt es, Thicrcn durch Vor- impfung mit gewissen anderen Bacterien, z. B. dem Vilario Metscharikouff, ebenso sicher gegen nachfolgende Cholera-Infection zu immunisiren wie umgekehrt. Die Schutzwirkung des Blutserums von choleraimmunen Thieren ist nicht zweifellos. Einen weiteren wichtigen Beitrag zur Choleraforschung lieferte Prof. Elie Metschnikoff (Paris), nächst Prof. Roux eine der interessantesten Persönlichkeiten auf diesem Congress. M. wies darauf hin, dass nicht jeder Mensch Cholera bekommt, der Kommabacillen verschluckt hat. Der Selbstversuch von Pettenkofer, der von anderer Seite mehrfach mit dem gleichen negativen Resultate wiederholt worden ist, ist ja noch in frischer Erinnerung. Nur unter der Mitwirkung gewisser anderer Bacterien gelangt der Cholerabacillus im menschlichen Darm zu seiner Wirkung. Es giebt Bacterien, welche sie fördern, andere, die sie aufheben. Durch Einbringung dieser begünstigenden Bacterien konnte Metschnikoff bei Thieren Cholera er- zeugen, die bisher als unempfänglich dafür galten. — Prof. Pertik (Pest) berichtet über Beobachtungen, die er bei den letzten Choleraerkrankungen dort gemacht hat. So fand er bei vollständig gesunden Soldaten Reinkulturen von Cholerabacillen. Ihre Form sah Pertik oft sehr ver- ändert, häufig z. B. ganz gerade. Sogar Sporen will er an ihnen beobachtet haben. Zwiebelsaft in einer Lösung von 1 auf 1000 tödtet die Cholerabacillen sicher ab. Dr. Eisner (Berlin) hat im dortigen hygienischen Institut eine werthvolle Methode zur schnelleren Züchtung von Rein- kulturen des Cholerabacillus auf Gelatineplatten gefunden. Er wendet statt der bisherigen 10% igen Nährgelatine eine solche, welche 25% Gelatine enthält. Dadurch gelingt es, die Gelatine noch bei einer Temperatur bis 30 Grad Celsius festzuhalten, während die gewöhnliche Gelatine schon bei ■23 Grad zu schmelzen anfängt. Bei einer höheren Temperatur wachsen nun aber die Cholerabacillen viel schneller aus, bei 27,5 bis 28 Grad erreichen die Colonien in 9 bis 10 Stunden die Grösse, die sie sonst nach 2 — 3 Tagen haben. Hier liegt ein erheblicher Vortheil für die Cholera-Diagnostik. - - An der weiteren Discussion zur Cholerafrage betheiligten sich Professor Hüppe (Prag), Altschiel (Prag), Chantemesse (Paris), Dr. Silva (Madrid), welcher von der gegenwärtigen Choleraepidemie in Spanien berichtete, Graber (Wien), Pertik (Pest). - - In derselben Sitzung kam durch Dr. Treibe (Paris), den Chef tles Sanitätswesens der französischen Kolonien, der Bericht des Dr. Jersin aus Paris über die Entdeckung des Pestbacillus zur Verlesung. Bekanntlieh wüthet die orientalische Pest (der „schwarze Tod") seit einigen Monaten mit solcher Heftigkeit in China und Ostasien überhaupt, wie sie seit dem Mittelalter nicht mehr auf- getreten ist. Vor etwa 8 Wochen wurde durch das englische Fachblatt „The Laneet" iritgetbeilt, dass Dr.Kita- sato, ein Schüler von Prof. Robert Koch, den Erreger der Seuche in einem Bacillus gefunden habe. Jetzt nimmt nun auch Dr. Jersin, übrigens ein hervorragender Bac- teriologe, der namentlich mit Prof. Roux zusammen wichtige Beobachtungen über den Diphtheriebacillus und sein Gift gemacht hat, das Verdienst, den neuen Bacillus entdeckt zu haben, für sich in Anspruch. Er Hess hier mikroskopische Präparate vorlegen, durch welche die Existenz des Bacillus ad oculos demonstrirt wurde. Wer nun den richtigen Bacillus gefasst hat, wird ja wohl die Zukunft entscheiden. Die Jagd nach Bacillen wird heute mit demselben Eifer betrieben, wie die nach dem Glück. An einem der folgenden Congresstage wohnte ich den Verhandlungen der Abtheilung für Schulhygiene bei, in der die leidige Überbürdungsfrage der Schul- kinder und ihre Nervosität wieder einmal zur Dis- cussion kam, ohne auch hier indess vollständig geklärt zu werden. Ja, es schien sogar, als ob man wieder ab ovo anfangen müsste. Denn ein Leipziger Pädagoge, Dr. Spitzner, bestritt den Antheil der Schule an der Ent- stehung der Nervenschwäche bei den Kindern. Er wollte mit den Medieinern über den Begriff der Nervosität rechten und ihnen falsche Urtheile über den Zusammen- hang psychischer Defecte mit körperlichen Zuständen nach- weisen. Die Mehrheit der Section hielt es für an- gezeigt, über diese Auffassung zur Tagesordnung über- zugehen. Dr. Schuschny (Pest) stellte folgende Forderungen auf: 1. Abschaffung des Fachlehrersystems, insbesondere in den unteren Klassen, wie auch 2. Ab- schaffung all jener Factoren, die Überbürdung verursachen, 3. wesentliche Verminderung der Hausarbeit und dadurch Ermöglichung einer genügenden Schlafdauer, 4. Pflege der Jugendspiele, des Scbwimmens und Schülerreisen, 5. Anstellung von Schulärzten und 6. Verbreitung hygienischer Kenntnisse. Dr. Langenau (Parisl forderte eine Verminderung der geistigen Arbeiten, eine Vermehrung der körperlichen Uebungen, Beschränkung des Auswendiglernens, Ersatz der Diktate durch Selbstabschreiben, Verminderung der Hausarbeiten, Zuspitzung des Unterrichts und besonders der Prüfungen auf die Gegenstände, die für den späteren Beruf der Schüler von Wichtigkeit sind. Von den Damen, die an den Verhandlungen dieser Section ebenso lebhaften Antheil nahmen wie an der Abtheilung für Samariter- wesen, — auch in vielen anderen Sectionen sab man einzelne Damen — ergriff zu dieser Frage Frau Luise Leistner (Chemnitz) das Wort. Sie tadelte insbesondere Nr. 45. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 549 streng die einengende Kleidung und die schlechte Leetüre der Mädchen als disponirende Ursache zur geistigen Ueberreiztheit. Dr. Koteiniann (Hamburg), einer unserer ver- dientesten Schulhygieniker, fasste seine Wünsche nach Reformbestrebungen auf dem Gebiete des Schul- wesens in folgende Sätze zusammen: Obgleich Deutsehland in den letzten Jahren eine Reihe von Reformen auf dem Gebiete des Schulwesens eingeführt hat, wie die Beschränkung des klassischen Unterrichts zu Gunsten des Turnens und der Jugendspiele, mediciniscli-pädagogischc Kurse für die Heilung stotternder Schüler, besondere Schulen für Schwachsinnige, so dürften doch noch folgende Punkte Berücksichtigung verdienen: 1. In der Volksschule darf die wöchentliche Schulzeit für das erste Schuljahr 18 und für jedes folgende Jahr zwei weitere Stunden nicht überschreiten, bis das Maxi- mum von 30 Stunden erreicht ist; dabei sind jedoch von jeder Schulstunde 15 Minuten für die Pause abzuziehen. 2. In den höheren Töchterschulen sollten die Prüfungen vereinfacht werden, da erfahrungsgemäss oft eine Ueber- bürdung damit verbunden ist. 3. Die Lehrmethode in den Gymnasien und Realgymnasien würde eine Ver- besserung erfahren, wenn man, wie bei dem mathematisch naturwissenschaftlichen, so auch bei dem übrigen Unter- richte die Anschauung möglichst zu Hilfe nähme und zu diesem Zwecke archäologische, historische und geographi- sche Sammlungen anlegte. Prof. Hermann Gohn (Breslau) erörterte in längerem Vortrage die Frage: „Was kann die Schule gegen die Onanie der Kinder thun?" und fasste seine Vor- schläge in folgende Sätze zusammen: Während des Unter- richts und während der Pausen hat der Lehrer darauf zu achten, dass die Schüler nicht mutuelle Onanie treiben. •_'. Der Lehrer muss die Schüler über die Schädlichkeit der Auto-Onanie und der mutuellen Masturbation belehren. 3. Straflosigkeit ist demjenigen Schüler zu versprechen, der die mutuelle Onanie zur Anzeige bringt, 4. Durch Vorträge und gedruckte Belebrungen sind auch die Eltern und Pensionsgeber darauf hinzuweisen, dass sie die Pflicht haben, den Kindern die Gefahren der Onanie auseinander- zusetzen. — In der Discussion machte sich ein lebhafter Widerspruch gegen die zweite Forderung geltend. Am Nachmittage des sechsten Congresstages fand wiederum eine allgemeine Sitzung in dem durch ein Riesengemälde von Munkaczy (Einzug der Ungarn in Pannonia) geschmückten Hörsaal des Nationalmuseums statt, Zunächst sprach Geb. Rath Leyden (Berlin): Ueber die Versorgung tuberkulöser Kranker Seitens grosser Städte. Die praktische Medicin wie die Hygiene haben einen merklichen Einfluss auf die sozialen Bestrebungen der Neuzeit in der Fürsorge für die Armen und Kranken ausgeübt. Namentlich im Kampfe gegen die Volkskrankheiten und Epidemien haben wir durch die Ergebnisse der bacteriologischen Forschung- bessere Schutzmaassregeln gewonnen. Die verbreitetste Volkskrankheit ist die Lungentuberkulose, und sie er- heischt vornehmlich die Fürsorge der Gesellschaft für ihre Opfer. Die Zahl der Brustkranken im Deutschen Reiche wird auf 1300 000 berechnet, davon sterben jährlich 170—180000, d. h. etwa 8 % aller Todesfälle' kommt auf die Tuberkulose. In Preussen beträgt die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle etwa die Hälfte von «lei- des Deutschen Reiches, in Berlin allein sterben durch- schnittlich jährlich 3800 Personen an Schwindsucht. Von dieser grossen Zahl fällt mindestens die Hälfte auf die Unbemittelten und gerade auf das arbeitsfähige Alter. Zu einer planmässigen Prophylaxe der Tuberkulose hat erst die Entdeckung des Tuberkelbacillus durch Robert Koch die Möglichkeit geboten. Die Krankheit schien dadurch als eine ansteckende erwiesen, und jeder damit Behaftete wurde als eine Gefahr für seineu Nachbar be- trachtet. Dil' weitgehenden Anschauungen haben sich im Lauf der Zeit sehr gemässigt, und man sieht gegen- wärtig nur noch in dem Auswurf der Kranken den Punkt, wo eine Prophylaxe der Tuberkulose ansetzen kann, die freilieh auch in diesem beschränkten Sinne nicht allgemein durchführbar ist. Die Bekämpfung der Schwindsucht durch therapeutische Bestrebungen ist zuerst von Dr. Brehmer in Görbersdorf mit Erfolg in die Wege geleitet worden. Er hat gezeigt, dass die Schwindsucht bei ge- eigneter Behandlung in Anstalten vollkommen heilbar ist. Unter den nach dem Beispiel der Brehmer'schen Anstalt geschaffenen ähnlichen Instituten ist in erster Reihe das- jenige in Falkenstein im Taunus zu erwähnen, dessen Verdienter Leiter Dr. Dettweiler auch das erste Volks- sanatorium für Lungenkranke daselbst errichtet hat.' Die Heilmethode, die sich für die Behandlung der Lungen- | Schwindsucht als die weitaus günstige erwiesen hat, ist die hygienisch-diätetische. In Falkenstein werden 13 Pro- cent der Kranken vollständig, 11 Procent relativ geheilt. Die Anerkennung dieser Heilmethode hat nur vorübergebend eine Unterbrechung durch die Entdeckung des Tuber- kulins erfahren. Bisher aber ist der Segen dieser Be- handlung leider zumeist nur den wohlhabenden Kreisen der Gesellschaft zugänglich. Erst in neuester Zeit hat man angefangen, für die Unbemittelten eine Fürsorge zu treffen, welche dem Können der Wissenschaft ent- spricht. England, das hinsichtlich des Hospitwesens einen weiten Vorsprung vor allen anderen Kulturstaaten hat, hat zuerst Specialkrankenhäuser für Schwindsüchtige errichtet, Das älteste derselben besteht seit 1814. Diese Hospitäler werden aber sämmtlich durch Privat- wohlthätigkeit erbalten. In Deutschland hat 1887 Dr. Goldschmidt (Reichenhall) in einem Vortrage „Ueber die Verpflichtung des Staates und der Ge- sellschaft gegen Lungenschwindsüchtige" zuerst den Vor- schlag gemacht, eine Colonie für unbemittelte Lungen- kranke zu errichten. In den nächsten Jahren haben Finklenburg (Bonn) und Leyden selbst diese Notwendigkeit nachdrücklich betont. Der Magistrat von Berlin hat sich den ihm gemachten Vorschlägen gegenüber lange Zeit ablehnend verhalten und erst Ende 1892 auf dem Riescl- gut Malchow eine Pflegstätte für Lungenkranke errichtet, deren Umfang und Einrichtungen indess den Anforderungen nicht genügen. Von mehr Glück waren die Bemühungen von Finklen- burg und Dettweiler begleitet, Ihre Anregung ist auf fruchtbaren Boden gefallen. 1892 ist in Falkenstein die erste Volksheilstätte unter Dettweiler's Leitung begründet worden, demnächst wird von Frankfurt aus eiue zweite in Ruppertshain bei Königstein eröffnet werden. Auch andere deutsche Städte, wie Worms, Bremen, Stettin u. a. sind dem Beispiele gefolgt. Der in Sachsen für diesen Zweck eigens ins Leben gerufene Verein gedenkt in Reinboldsgrün eine Anstalt aufzuthun. In Wien hat auf Anregung" des Prof. Schrötter Baron von Rothschild ein Schloss für eine solche humane Anstalt hergegeben. Sonst aber ist ausserhalb Deutschlands bisher wenig für die Ein geeigneter Anstaltsbehandlung zu Tbeil werden zu lassen, wird jetzt durch die Invaliditäts- und Krankenkassen angebahnt: ein erster Versuch dazu wird gegenwärtig von der hanse- atischen Versicherungsanstalt für Invaliditäs- und Alters Versicherung gemacht, die dadurch ihrer eigenen (»econo- mic Nutzen zu bringen hofft. Auf diesem Wege würden die deutschen Arbeiter auf Grund der modernen socialen Versorgung unbemittelter Lungenkranken geschehen, anderer Weg, auch den Armen die Wohlthat 550 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 45. Gesetzgebung aus eigener Kraft die Sorge für ihre Lungenkranken übernehmen. Für die grosse Masse der unbemittelten Lungenkranken werden aber die Slädte di i Fürsorge übernehmen müssen. Nacli dem heutigen Stande der Wissenschaft erfordert die Behandlung der Schwindsucht die Errichtung von Specialheilstätten. Sic gewährleisten nicht nur eine zweckmässige Behandlung, sondern auch eine Verhütung der Verbreituni;' und Uebertragnng der Tuberculose. Denn nur in Anstalten lässt sich der Aus- wurf der Schwindsüchtigen auf die Dauer mit Sicherheit unschädlich machen. Dass der Plan von Volksheilan- stalten durchführbar ist, zeigen schon die bisherigen Er- fahrungen. Leider steht aber die Mehrzahl der Gross Städte seiner Ausführung noch fern. Die Kosten sind keine unerschwinglichen; sie belaufen sich auf 2 — 2,50 Mk. pro Kopf und Tag. Die Schwerkranken sollen von den An- stalten ausgeschlossen sein und nur diejenigen Aufnahme finden, die eine bestimmte Aussieht auf Heilung oder er- hebliche Besserung haben. Nach dem Beispiele englischer Krankenhäuser soll man auch die Möglichkeit ins Auge fassen, die Kranken arbeiten zu lassen, um zu den Kur- kosten beizutragen oder sich selbst etwas zu verdienen. Denn zur leichteren Arbeit sind Lungenschwindsüchtige im ersten Krankheitsstadium befähigt. Solche Heilanstalten sollen in gesunder Umgebung er richtet werden, indessen ist Höhenlage und Waldluft nicht nothwendig. Am meisten ist Staub und scharfer Wind zu fürchten. Die Nähe der Stadt gewährt den Vortheil einer besseren Beaufsichtigung der Anstalt, für die Kranken den Verkehr mit ihrer Familie. Indessen bieten auch die ferner gelegenen Seeküsten geeignete Bedin- gungen für die Anlage solcher Anstalten. Auch wäre es wünschenswert!), da nicht alle Lungenkranken in diesen Sonderanstalten untergebracht werden können, in den allgemeinen Krankenhäusern besondere Abtheilungen für sie zu errichten. Auch ist eine specialistische poliklinische Behandlung ins Auge zu fassen. Sie giebt auch dem Gedanken, solche Anstalten auch innerhalb der Stadt anzulegen, eine Stütze. Leyden schloss mit dem Wunsche, dass die Autorität dieses internationalen Congresses einen neuen Impuls zur Förderung dieser Angelegenheit, welche für die humanen und socialen Bestrebungen unserer Zeit ein ruhmvolles Zeugniss ablege, geben möge. Der Vorsitzende der Sitzung, Prof. Koranyi (Pest) schloss an den beifällig aufgenommenen Vortrag folgende Mittheilungen: Die Lungentuberculose ist die schlimmste Krankheit, nicht nur deshalb, weil sie so zahlreiche Opfer fordert, sondern auch dadurch, dass sie den Druck der Armuth noch besonders schwer macht. Es giebt Krank- heiten, denen der Arme mehr ausgesetzt ist als der Reiche, wie z. B. der Cholera, aber es giebt keine Krankheit, deren Ausgang durch die Vermögensverhältnisse des Kranken so bestimmt wird als durch die Tuberculose. Und welch schwere nationalökonomische Schädigung schlägt sie den Völkern. In Pest sterben jährlich durch- schnittlich 3000 Menschen an Lungenschwindsucht, in Ungarn 45 000. Wenn man diese Sterblichkeitsziffer mit jener der Cholera vergleicht, dann ist die Cholera eine zahme Krankheit zu nennen. Fürsorge für unbemittelte Lungenkranke giebt es in Ungarn noch gar nicht. Auf die Ankündigung von Leyden's Vortrag hat ein hochherziger Menschenfreund 10 000 Gulden gespendet als Grundstock zu einem solchen Unternehmen. Deshalb wird der Name Leyden in Ungarn stets in Verbindung mit dieser humanen Einrichtung genannt werden. Nur mit dem Titel seien noch zwei Vorträge demo- graphisch-statistischen Inhalts erwähnt, die in allgemeinen Sitzungen gehalten wurden, aber nur ein beschränktes Interesse hatten: E. Levasseur (Paris); histoire de la Demographie und Unterstaatssecretär Dr. Georg Mayr (Strassburg) : Statistik und Gesellschafts- lehre. Zum Schlüsse wollen wir hier nur das positive Ergebniss der Sectionsverhandlungen wiedergeben. Ceber wissenschaftliche Meinungsverschiedenheiten entscheidet kein Majoritütsbesehluss. Wohl aber besteht der Congress eine seiner hauptsächlichsten Aufgaben darin, in administrativen Fragen die Anschauung der Mehrheit der Fachmänner, den Regierungen, den Behörden und dem grossen Publikum überhaupt zu unterbreiten. Zu diesem Zwecke war gestern eine General ■ Versamm- lung des Congresses nach dem neuen Rathhause be- rufen worden, welche die von den einzelnen Sectionen aufgestellten Resolutionen berathen sollten. Mit un- wesentlichen Abänderungen gelangten sie sämratlich zur Annahme im Plenum, mit einziger Ausnahme des in der Section für Gewerbehygiene gefassten Antrages auf Einführung des Achtstunden-Arbeitstages. Von diesen Resolutionen seien die wichtigsten hier wieder- gegeben. Von den angenommenen Anträgen haben folgende ein allgemeines Interesse: I. Die Regierungen werden ersucht, den hygienischen Zuständen der Kleingewerbe-Arbeiter eine erhöhte Auf- merksamkeit zu schenken. II. Es ist unstatthaft, Leistungen von Humanitäts- anstalten, welche durch öffentliche Mittel ganz oder theil- weise erhalten werden, den Zahlungsfähigen unentgeltlich zu überlassen. Die organisirte freiwillige Hilfe ist grund- sätzlich immer nur aufzufassen als Ergänzung der pflicht massigen Vorsorge des Staates. III. Prof. Hüppe (Prag): Dass zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und des Unterrichtes in der Hygiene an allen Hochschulen: 1. ordentliche und aus- reichend dotirte Lehrstühle für Hygiene errichtet und mit 2. zweckentsprechenden und ausreichend dotirten Insti- tuten und Arbeitsräumen ausgerüstet werden, und dass 3. die Hygiene als Pflicbtgegenstand in die ärztliche Prüfung eingereiht werde. Zur Verbreitung hygienischer Kenntnisse in allen Stufen des Unterrichts ist die Schaf- fung von Schulärzten und ein zweckentsprechender, am besten von solchen Aerzten ertheiltcr Unterricht in der Hygiene an den Lehrerbildungsanstalten nothwendig. IV. Dr. Theodor Weyl (Berlin,: 1. Unter allen Methoden der Müllbeseitigung empfiehlt sieh für grössere Städte am meisten die Müllvernichtung durch Feuer. 2 Ein internationales Comitee, bestehend aus Th. Weyl (Berlin), G. V. Povre (London), Joumet (Paris), Fodor (Pest), Pagliani (Rom), Krafft (Graz), wird ersucht, dem nächsten Congresse die besten Methoden der Müllbeseiti- güng zu referiren. V. Prof. Gärtner (Jena): Die Einführung der obli- gatorischen Viehversiehcrung liegt im eminenten Interesse der Volkshygiene und ist von Staats wegen allgemein und thunlichst beschleunigt anzustreben. VI. Dr. Böttger (Berlin): Den Interessen der Medi- cinalpolizei des Publikums und der Apotheker entspricht hinsichtlich der Errichtung von Apotheken am besten das Coucessionssystem. Eine amtliehe Controlle der öffent- lichen Apotheken ist wünschenswert!). Die Controlle hat sich auf die Güte und Reinheit der in den Apotheken ge- führten Arzneimittel und auf Ausfolgung der für den Apothekenbetrieb gegebenen Vorschriften mit Einschluss der Arzneitaxe, wo eine solche besteht, zu erstrecken. Der VIII. internationale Congress für Hygiene und Demo- graphie spricht den Wunsch aus, dass das Loos der Geisteskranken verbessert werde, und sollte aus finanzieller Nr. 4;'.. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 551 Hinsieht in Ländern, deren Bewohner sieh besonders mit Agricultur beschäftigen, nach Gründung colonialer Heil- anstalten getrachtet werden. VII. Axmann-Bela (Pest): Mit Hinsicht daranl'. dass 61 % der U1 den Fabriken vorkommenden Ver- letzungen zufolge Genusses geistiger Getränke verursacht werden, sollte die Aufmerksamkeit der Regierungen auf diesen Umstand gelenkt werden, und beantragt Dr. Ax- niann, dass es durch möglichst herabzusetzende Preise der weniger schädlichen geistigen Getränke, wie /.. 1!. des Bieres und dem gegenüber durch hochgradige Hebung der Preise der Branntwein-Getränke, erschwert werde, zu diesen Getränken zu gelangen. VIII. Wirth Wien;: Der Congress spricht den Wunsch ans. dass die statistischen Aetnter der verschie- denen Länder sich über eine übereinstimmende Ausar- beitung der Statistik der Berufsarten bei den nächsten Volkszählungen verständigen möchten in dem Sinne, dass die Zahl der selbstständigen, bemittelten Meister, Grund- besitzer und Fabriksleute, nebst den Familienangehörigen, unter besonderer Betonung derjenigen, welche im Geschäft der Eltern oder Familienvorstände miterwerbsuntbätig sind, sicherer ausgeschieden und die unselbstständigen, mittel- losen Arbeiter (ohne Rücksicht auf Spargelder) ermittelt werden. Im Hinblick darauf, dass dieinter ationaleVergleichung der Kindersterblichkeit sehr schwierig, ja in Folge der verschiedenartigen Aufarbeitungsweise der statistischen Daten oft geradezu unmöglich ist. erachtet es die Section für überaus wünschenswerth, dass wenigstens die Haupt- daten der Kindersterblichkeit in allen Staaten nach einem einheitlichen flaue veröffentlicht werden. IX. Ferraris (Rom) beantragt, der nächste Con- gress möge die Frage auf die Tagesordnnng setzen: Vom Einfluss der hygienischen Maassregeln auf die Vermehrung der Population und auf deren Qualität und die Folgerungen, welche man für die populationistische Theorie daraus ziehen kann. X. Dr. Vulpius: Die Section Pharmacic XVIII des Congresses beschliesst, dass das internationale Comitee, welches vom in London abgehaltenen (1881; pharniaceii- tischen Congress betraut wurde, betreffs der inter- nationalen Pharmakopoe Vorstudien zu machen und die zur Erlangung des Zweckes nöthigen Sehritte einzuleiten, mit dieser Aufgabe auch für weiterhin betraut werde. XI. Miss Nightingal 1: Die Tropische Section des Congresses hat die von Miss Florence Nightingall über ländliche Sanitation in Indien eingesendete Schrift in Betracht genommen und ist zur Ueberzeugung gelangt, dass diese Frage eine der wichtigsten sei, welche die Wohlfahrt und die Gesundheit so vieler Millionen von fleissigen und friedlichen Menschen berührt. Dr. med. Albu (Berlin). Die Lichtquellen der Projectionslampen. Von J. Lutz eri. Das Projectionswesen — früher und auch heute noch in der Hand mancher „Künstler" ein Unwesen ist jetzt zu einer Kunst ausgebildet, die ihre .Jünger in allen Kreisen hat. Seit Einführung der photographischen Dia- positive an Stelle der vielfach rohen und unwahren Male- reien ist sie ein werthvolles Hilfsmittel für alle Zweige des Anschauungsunterrichts geworden. Nicht nur die Naturwis- senschaften und die Geographie, auch die schönen Künste und die Geschichte können für Unterrichts/, wecke heute kaum noch die Protection entbehren. Mehr und mehr bür- gert sich dasSeioptikonindenScbulenein; wenn bislang nur eine kleine Zahl von Anstalten mit demselben ausgerüstet ist, so liegt das wohl an der Spärlichkeit der zu solchen Dingen zur Verfügung stehen- den Mittel, trotzdem es heute möglich ist, für weniges Geld einen zuverlässigen Apparat zu bekommen und zwar deut- scher Herkunft.. Dies soll ganz beson- ders deshalb erwähnt werden, weil im Fis Allgemeinen die englischen Laternen be- vorzugt werden. Bis vor einigen Jahren mochte diese Vor- liebe berechtigt gewesen sein, weil kaum eine gute deutsche Firma die Herstellung eiues solchen Spielzeugs - das war das Scioptikon vor 10 Jahren noch in unserem Vaterlande — für eine windige Bethätigung des Scharfsinns ihrer wissenschaftlich gebildeten Leiter hielt. Die gelötete Klempncnvaare aber, ..die Laterna magica für Künstler etc.," genügte nicht einmal den allergeringsten Ansprüchen. Seil einigen Jahren ist eine erfreuliehe Wandlung zu ver- zeichnen. Die bekannte Firma Schmidt & Haensch z. B. in Berlin liefert vorzügliche Projectionsapparate für alle Beleuchtungsarten in allen Grössen. Schreiber dieses hat einen derartigen kleineren Apparat, mit 10' a cm Be- leuchtungssystem in über 500 Projectionsvorträgen mit dem allerbesten Erfolge verwendet. Unter besonders günstigen Umständen gelang es ihm sogar, mit demselben bei Kalklicht-Beleuchtung einen Lichtkreis von 6 m Durch- messer in scharfer, von Dispersionen fast freier Umran- dung zu erhalten, der schön gleiehmässig beleuchtet war. In Fig. 1 geben wir die Reproduction der Photographie eines einfachen 107a ein Scioptikons, wie dasselbe besonders für Schulzwecke von dem Meekaniker Meckel in Berlin zu sehr massigem Preise gebaut wird. Die Apparate bei- der Firmen sind aus bestem Stahlblech hergestellt und zeigen keine Lötstelle. Ein Auseinanderschmelzen ist selbst bei der grössten Hitze nicht zu befürchten. Die Fortschritte, welche die Anwen- dung des Scioptikons so sehr verallgemei- nert haben, erstrecken sich einerseits auf • i- die Optik der Instrumente, dann auf die Beleuchtung und endlieh auf die Herstel- lung der Bilder. Ich will mich hier wesentlich auf die Beleuchtung beschränken, weil zwei wichtige Neuein- führungen allgemeiner bekannt zu werden verdienen, der verdichtete Wasserstoff und der Benzinbrenner. Die ein- schlägigen Verhältnisse sollen nicht vom theoretischen Standpunkte, sondern an der Hand einer fünfjährigen Erfahrung dargestellt werden. Wir können die vorhandenen Beleuchtungsvorrieh- tungen in drei Gruppen theilen. Als das Vollkommenste ist die Elektricität in Form des Bogenlichtes zu nennen. Leider ist gerade diese beste aller Beleuchtungsfornien aus mannigfachen Gründen am seltensten zu verwenden. 552 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 45. Dann haben wir die Beleuchtung mit Sauerstoffzufubf und endlich ohne Verwendung- von Sauerstoff. Von diesen beiden Arten geben die Brenner, welche mit Sauerstoff- zufuhr arbeiten, ein Licht, welches dem elektrischen am nächsten steht. Eine Beleuchtung- ohne Sauerstoffzufuhr, sei es Petroleumlicht, Auersches Gasglühlicht oder Magne- siumlicht ist nicht zu empfehlen. Abgesehen davon, dass das Petroleumlicht wenig hell ist, leicht russt und qualmt, modificirt es auch durch seinen gelblichen Ton, den selbst ein Campherzusatz nur wenig ändert, die zarteren Farben getonter Diapositive. Das Gasglühlicht g-iebt keine scharfen Bilder, weil die Lichtquelle zu sehr von der Punktform abweicht, ist auch wenig intensiv. Das Magnesiumlicht ist trotz seiner bedeutenden Helligkeit nicht zu verwenden, weil es unruhig brennt und bisher noch kein Mittel bekannt ist, um den lästigen Rauch zu beseitigen und das Beschlagen der Linsen zu verhindern. so wird es alle Es giebt keine leichter zu handhabende und gefahrlosere Der Preis stellt sich Wenn diese Uebelstände anderen Beleuchtungsarten beseitigt sind, verdrängen. bequemere, Lichtquelle bei gleicher Kerzenstärke billiger als bei den Sauerstoffbrennern. Von beinahe revolutionärem Einfluss ist die Einführung der Sauerstoffbrenner im Projections- wesen geworden. Sie kommen in den verschiedensten Formen im Handel vor, vom zierlichen Linde- mann'scheu Brenner, der 40 Mk. kostet, bis zum gelöteten 5 Mk.- Breuner, der bei dem ersten Ver- such ihn in Thätigkeit zu setzen, auseinanderschmilzt. Eine gute Brennerconstruction darf über- haupt keine gelöteten Theile zei- gen, alles muss durch vorzügliche Gewinde dicht gearbeitet werden. Das all diesen Brennern gemein- same besteht darin, dass sie eine mehr oder weniger der Punktform sich nähernde Lichtquelle erzeugen, Fis und ein helles, ruhiges, weisses Licht geben. Siesind bei richtiger Construction gefahrlos und leicht zu bedienen. Die früher allgemein eingeführten Mischbrenner, bei denen die Gase sich bereits vor der Verbrennung zu Knallgas vereinigen, kommen wegen der häufigen, zum Theil recht folgenschweren Esplosionen mehr und mehr lerrreitsbrenner vereinigen die der Verbrennung selbst. Sie ersteren um etwas nach, doch absolute Gefahrlosigkeit mehr nachfolgenden Beschreibungen bc- auf solche Sicherheitsbrenner. Die Siel »enbliek ausser Gebrauch. Gase erst im Au& stehen an Leuchtkraft den wird der Verlust durch die wie aufgewogen, ziehen sich dahe Die nur Alle Sauerstoff brenner benutzen das von Drummond eingeführte Princip, welches darin besteht, die durch Ver- brennung eines brennbaren Gases erzeugte Temperatur durch Zuführung eines Sauerstoffstromes derart zu erhöhen, dass ein dem Gebläse ausgesetztes Stück unverbrennbaren Materials in lebhaftes Glühen versetzt wird. Die Hellig- keit des so erzeugten Lichtes ist abhängig von der Hitze der Flammen und dem Emissionsvermögen des Glüh- körpers. Als solche verwendet man gebrannten Kalk, Zirkonerde und metallisches Iridium. lieber das letztere stehen mir Erfahrungen nicht zu Gebote, doch ist es wünsekeiiswerth, dass die Versuche weiter geführt werden, weil dieses seltene Metall eine Reihe von Eigenschaften hat, die es vorzüglich geeignet erscheinen lassen. Es oxydirt sich selbst in der stärksten Glühhitze nicht, schmilzt viel schwieriger als Platin, emittirt sehr gut und ist unverwüstlich, besonders äusseren Einflüssen unzu- gänglich. Viel weniger ist die Zirkonerde zu loben. Sie hat wie das Iridium, einen ziemlich hohen Preis, der noch da- durch erhöht wird, dass manche Fabriken es für nöthig halten, die Erde in einen Platinmantel zu fassen. Trotz desselben wird sie nach einigen Brennstunden unbrauch- bar, muss also durch ein neues Plättehen oder einen neuen Cylinder ersetzt werden. Ihr Emissionsvermögen ist nicht unwesentlich geringer als das des viel billigeren gebrannten Kalkes. Zirkou wird daher ausser in dem Lindemann'schen Brenner, der bei höchstens 150 Kerzen- stärken wegen seiner ausgezeichnet punktförmigen Licht- quelle für photographische Zwecke und Projectionen in kleinen Räumen (Bilder bis 2 m Durehmesser) zu empfehlen ist, wohl kaum benutzt. Auch in diesem Brenner ist das Zirkou nur deshalb zur Verwendung gelangt, weil Kalk der ungemein spitzen Gebläsenamme keinen ge- nügenden Widerstand bietet. Am allgemeinsten ist der Ge- brauch des gebrannten Kalkes, entweder als gewöhnlicher Maurer- kalk — Rüdersdorfer Kalk be- währt sich vorzüglich — oder als Wiener Kalk. Es ist wesentlich, nur Stücke von dichtem Gefüge, die möglichst saudfrei sind, aus- zuwählen. Vor allen Dingen dürfen sie nicht weich, auch nur tbeihveise durch die Luft zersetzt sein. Man muss also auch nach jedesmaligem Gebrauch ein neues Stück Kalk einsetzen. Dieser kleine Uebel- stand, sowie die Schwierigkeit vorher zurechtgeschnittene Stücke längere Zeit aufzubewahren, lassen sich nicht vermeiden. Es kommen freilich einige Arten von „lufthe- stäudigen Kalkcylindern" im Han- del vor, doch halte ich bisher noch -• kein Präparat gefunden, welches dem frischen, klingenden Wiener Kalk ebenbürtig wäre. In jeder grösseren Drogenhandlung kann man letzteren für wenige Pfennige kaufen. Der Ver- such, kohlensauren Kalk, Kalkstein, Marmor oder Kreide zu verwenden, zeigt die Minderwerthigkeit dieser Mineralien. Frischer, gebrannter Marmor ist dagegen selbst dem Wiener Kalk noch vorzuziehen. Soviel über den Gltih- köipcr. Der zweite wichtigere Punkt ist die als Heizquelle anwendbare Gasart. Es leuchtet ein, dass man jede brennbare Gasart, die bequem zu erhalten ist, benutzen kann. Als solche kommen in Betracht das Leuchtgas, der Wasserstoff und die Dämpfe leicht flüchtiger, brenn- barer Flüssigkeiten. Zumeist wird man Leuchtgas zur Verfügung haben. Seine Verwendung ist eine unge- mein bequeme, — man verbindet am besten den Brenner direct mit der Gasleitung mittelst eines nicht zu engen Schlauches. Für Orte ohne Gas war bisher das Petroleum die alleinige Lichtquelle auch für Projectionszwecke. Für grössere Städte ohne Gasanstalt, — ich nenne Goslar, das zwischen der Einführung von elektrischer oder Gasbeleuch- tung schwankt, — war daher die Vorführung grösserer Lichtbilder vor einem zahlreicheren Auditorium eine Un- möglichkeit. Freilich existiren schon seit geraumer Zeit die Spiritusgebläsebrenner, deren Licht durch die Ein- führung eines Sauerstoffstromes in eine Spiritnsflamme Nr. 45. Naturwissenschaft liehe Wochenschrift. 553 erhalten wurde. Das Licht war immerhin annehmbar, doch sind die Brenner wegen ihrer Feuergefährlichkeit — der Spiritusbeliälter befindet sich innerhalb des Lampen kastens — ■ nie recht in Aufnahme gekommen. Neuer- dings ist nun auch die Frage für diese gaslosen Orte gelöst worden. Das vollkommenste Brennmaterial, selbst dem Leuchtgas erheblich überlegen, ist das Wasserstoffgas. Die im „Hydrooxygengasgebläse" erzeugte Wärme ist die höchste, die Glühkörper kommen in die stärkste Wciss- glübhitze, emittiren also am meisten Lieht. Die Unbe- quemlichkeit der Herstellung grösserer Wasserstoffmengen ist beseitigt, seit das Gas im comprimirten Zustand in Stahlcylindern abgegeben wird. Die Handhabung ist be- quem. Als Brenner eignet sich der Lindemann'sche, dessen Zirkonplatte dann ungefähr 200 Kerzen einittirt. Die Schwierigkeit seiner sehr subtilen Einstellung ist in dem von dem Mechaniker Meckel gebauten Hydrooxygen- Sicherheitsbrenner umgangen. Das Licht wird durch eine Kalkplatte erzeugt, die 501) Kerzen emittirt. Be- denken könnten nur in Bezug auf die Gefährlichkeit und Explosionsgefahr des Wasserstoffs bestehen. Durch die Scliöneberger Explosion sind die Gemüther ein wenig er- regt worden. Von einer Neigung des Wasserstoffs, im comprimirten Zustande zu explodiren, kann nicht die Rede sein. Es ist den Ursachen jener Katastrophe, über welche ein offizieller Bericht noch nicht vorliegt, nachgespürt wor- den. Ich kann mich nur der Meinung anschliessen, dass lediglich eine nicht vorschriftsmässige Füllung, bei der Luft mit in die Cylinder gekommen ist, anzunehmen sein dürfte. Wenn daher der betreffende Experimentator nicht die un- bedingte Garantie seines Wasserstofflieferanten hat, dass das Gas luftfrei ist, so soll er die Hände davon lassen. Was nützt es, dass civilrechtlich jede Fabrik für den Schaden aufkommen muss, der durch die Explosion eines Wasserstort'cylinders entsteht, welcher unter Ausseracht- lassung der nöthigen Sorgfalt mit dem explosiven Gemisch gefüllt wurde. Ist dagegen der Wasserstoff rein, so ist er ebenso ungefährlich wie Leuchtgas, und meine eigenen Versuche bestätigen, dass der erzielte Lichteft'ekt ein un- vergleichlich schöner ist. Es ist jedoch eine kleine Vor- sichtsmaassregel nicht zu vergessen. Längere Schlauch- leitungen sind für Wasserstoff durchaus zu vermeiden. Sie sind aber auch unnöthig, da ein dickwandiger Schlauch von ca. 1 m Länge rollkommen zur Verbindung genügt. Die Verwendung von Wasserstoff ist nicht gerade billig, und es ist daher mit Freuden zu begrüssen, dass für ge- ringere Ansprüche der Benzingebläsebrenner construirl wurde, dessen Photographie wir S. 552 reproduziren. Der- selbe wird ebenfalls von Meckel gebaut und hat sieh seit drei Jahren bestens eingeführt. In dem Gefässe A befindet sieh möglichst reines Benzin (l/i k genügt für zwei Brenn-Stunden \, welches durch die Rohrleitung L dem Heizkörper H zugeführt wird. Letzterer wird durch eine kleine Menge Spiritus, der in der Schaale W zum Verbrennen gebracht wird, angewärmt, so dass das Benzin in ihm verdampft. Die Dämpfe schlagen aus der Gebläse-Oeffnung M heraus und werden ohne weiteres entzündet. Eine kleine Menge Benzindampf tritt durch das Heizröhrchen V zurück und erhitzt den Heizwürfel H dauernd. Zunächst zuckt die Flamme; wenn sie ganz ruhig die auf dem Kalkhalter A' augebrachte Kalkplatte umspült, so wird Sauerstoff' zugelassen, der durch das Rohr 8 in die Flamme tritt.*) Die Kalkscheibe geräth in helle Weissgluth und leuchtet mit ca. 200 Kerzen. Der Benzinbehälter be- findet sich ausserhalb des Apparates, wird also nicht im geringsten warm. Jede Gefahr ist ausgeschlossen. Bei dem Gedanken an Benzin in Nähe eines glühenden Kalkstückes und offener Flamme durchschauert selbst den Muthigen ein Grauen, aber der Brenner arbeitet so geräuschlos und sicher, dass es eine Freude ist. Ich habe ihn wohl 200 Mal verwendet, meist 1% Stunde hintereinander ohne Auf- sicht brennen lassen; er versagte nur dann, wenn ich ein- mal schlechtes Benzin erworben hatte. Jeder auf irgend eine Weise hingerathene Wassertropfen stört natürlich die Stetigkeit im Brennen. Petroleum und Spiritus können wegen ihrer schweren Flüchtigkeit nicht das Benzin er- setzen. Dagegen würden Ligroi'u, Gasolin, Petroläther wohl die gleichen Resultate geben. Ich kann die Brenner nach eigener Erfahrung nur bestens empfehlen; ich habe schöne Bilder bis zu 3 m Durchmesser mit ihm erhalten, die selbst in grossen Räumen von 800 Personen deutlich erkennbar waren. *) Das Riidcheu R dient zur Regulirung des Benzinzuthisses, der durch den Halm B ganz abgesperrt werden kann. Geburt von Siebenlingen. In der Sitzung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie vom 20. Octbr. d. J. machte Sanitätsrath Bartels eine Mittheilnng, welche ein Beweis dafür zu sein scheint, dass die vielfach bezweifelte Ansicht, dass eine Mutter gleichzeitig mehr als fünf Kin- dern das Leben schenken könne, doch ihre Richtigkeit habe. Wappaeus fährt in seiner Statistik der mehrfachen Geburten an, dass auf 10 Millionen Geburten 3948 Drillinge, 118 Vierlinge und 3 Fünflinge sind. Ebenso erklärte Schröder in seiner Geburtshilfe, dass kein Beispiel be- kannt sei, dass mehr als 5 Kinder zugleich geboren würden. In Hameln wurde vor einiger Zeit ein alter Grabstein aufgefunden und an einem ehemals einem ge- wissen Römer gehörigen Hause angebracht, der neben einer Reliefdarstellung eine Inschrift enthält, welche besagt, dass am 9. Januar 1600 Morgens um 3 Uhr die Frau des Römer Siebenlinge, 2 Knaben und 5 Mädchen geboren habe, die am 20. Januar Mittags verstorben seien. Sanitätsrath Bartels meint, dass in dem Datum wohl ein Irrthum des Steinmetzen vorliege, es werde wohl heissen müssen, dass die Kinder am 19. geboren seien, da es nicht anzunehmen ist, dass sie elf Tage lang lebensfähig gewesen seien. Professor Waldeyer fand einen Beweis für die Richtigkeit in der Reliefdarstelluug selbst. Die- selbe zeigt nämlich 6 der Kinder auf einem Tische lie- gend, während der Vater das siebente in den Armen hält. Zwei der auf dem Tische liegenden Kinder sind gegen- über den anderen auffallend klein. Da bekanntlich bei Mehrgeburten einige der Kinder meist weniger entwickelt sind, so erhöht die Darstellung die Glaubwürdigkeit. M. Pflanzenfressende Laufkäfer bilden in ihrer Familie eine Ausnahme. Bisher gehörten nur Arten der Gattungen Amara und Zabrus hierher. J. Ritzema Bos in Wage- ningen erhielt nun (Biol. Centralbl., 13. Bd., S. 255) Har- palus ruficornis zugeschickt mit dem Bemerken, dass dieses Thier in grosser Menge in Gemüsegärten vorkäme und die reifen Erdbeeren frässe. Von der starken Ver- mehrung dieses Laufkäfers kennt Verf. ein zweites Bei- spiel, doch wurde er in diesem Falle nicht als Frucht- fresser betroffen, sondern machte sich dadurch lästig, dass er Abends die Häuser aufsuchte, tun u. a. auch die Leute in ihren Betten zu beissen. C. .AI. Die Witterung des Monats Ortober im centralen Europa. — Der October trug im Gegensatz zu se uen 554 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 45. beiden Vorgängern in seinem überwiegenden Tlicile einen verhältnissmässig angenehmen Witterungscharakter zur Schau, zumal in seinem ersten Theil. Zwar begann er stellenweise mit empfindlich kühlem Wetter: bei Spa und Dresden trat in der Nacht auf den 1 ten leichter Frost ein, und den Schneefällen, die in allen deutschen Ge- birgen in den vorangegangenen Tagen niedergegangen, schloss sich am 1. ein sehr starker im Salzburgischen am (Salzburg 10 cm). Doch dann folgte bis zum 13. meist angenehmes, wenn auch vielfach trübes Wetter, wobei sich die Temperatur durchschnittlich etwas über der nor- malen hielt. Nur strich- und zeitweise trat eine wesent- liche Verschlechterung des Wolters ein: so verursachte ein vom Adriatischen Meer nordostwärts ziehendes Mini- mum am 3. und 4. in manchen Theilen Oesterreichs und Süddeutschlands ergiebige Regenfälle, wodurch in den Gebieten der Elbe, Moldau, Donau und des Mur vom 4. bis 6. Hochwasser hervorgerufen wurde. Am 8. wurde Sachsen und Thüringen von einer localen Wetterkata- strophe heimgesucht: vielfach entluden sich Gewitter, die besonders schwer in Leipzig und in Erfurt auftraten, wo gleichzeitig ein starkerHageltall niederging. Am folgenden Tage wurden Wien und Szegedin von ähnlichen, wenn auch nicht so schweren Unwettern betroffen. Seit dem 13. aber vollzog sich ein Witterungsumschlag, das Barometer sank von seiner Höhe herab, unangenehme, wenn auch nicht besonders ergiebige Regenfälle erfolgten überall, und an den Küsten erreichten die Nord- und Nordost- Winde stürmischen Charakter. Mehrfach zogen Minima in südöstlicher Richtung über die Ostsee, während ein Maximum über England verharrte, dabei wurde es empfindlich kühl. Im Riesengebirge und im Taunus fiel am 15. wieder Schnee, ebenso aber auch in Ostpreussen (Thorn am 16. bei ■ — 2° 3 cm Schneehöhe). In den Vor- alpen fanden Schneefälle statt, wie sie in dieser Jahreszeit „seit Menschengedenken" nicht beobachtet waren (Cam- marata di Bcdoria 30 cm). Am 17. und 18. klarte es in Deutschland vorübergehend auf, doch allenthalben zeigten sich auf der Wetterkarte bedrohliche Minima, so dass am 18. Mittags die Ostsee eine Sturmwarnung er- hielt. Am 19. verursachte eine adriatische Theildepression sehr schwere Hagelwetter in Belgrad und Semlin, und vereinigte sich später mit einem von Südwest kommenden Minimum, das am 18. in Andalusien Stürme und Ueber- schwemmungeu hervorgerufen hatte. Dadurch wurden in ganz Central-Europa am 20. sehr kräftige Regenfälle herbeigeführt, welche eine Gesammtsumme der Nieder- schläge ergaben, wie sie seit dem 29. Juli 1893 nicht mehr vorgekommen war; durch die gleiche Depression wurden auch die Sturmfluthen in Kiel am 20. und im Kanal in der Nacht auf den 21. veranlasst. Eine am 22. erfolgte Besserung des Wetters, wobei in Folge des klaren Wetters zahlreiche Nachtfröste ein- traten, war nur von kurzer Dauer. Am 23. zeigten sich zuerst die Anzeichen eines Minimums, das am Morgen des 24., unter 730 mm tief, südlich von Irland lag. Von diesem Tage an herrschte meistens trübes, regnerisches, oft stürmisches Wetter. Dem ersten Minimum folgte eine Reihe von anderen, welche alle vom Kanal durch die Nord- und Ostsee nach dem hohen Norden zogen. Diese Unruhe der Athmosphäre verursachte natürlich überall ein lebhaftes Steigen der Temperatur, auch im hohen Norden, wo sich seit dem 19. schon strenger Frost (Archangelsk — 10°, Haparanda — 13°, Kasan schon um den 13. — 10°) gezeigt hatte. Interessant war die Wetterlage am 30., wo ein Mini- mum auf der Nordsee die Witterung von fast ganz Europa beherrschte. Schwere Unwetter entluden sich besonders im westlichen Deutschland und in Frankreich, ergiebige Regen- fälle (am meisten Grisnez: 53 mm), Stürme, Gewitter, Hagel- schlag (in Stade) und Ueberschwemmungen (in einigen Theilen Frankreichs) brachten grosse Verheerungen her- vor. Gleichzeitig war in Haparanda unter dem Einfluss nördlicher Winde die Temperatur wieder gesunken und betrug am 30. schon — 22°, um allerdings bereits am folgenden Tag, wo die Wetterlage gänzlich verändert war (Minima an der deutsch-russischen Grenze und bei Irland, ein „Rücken" hohen Luftdrucks über Skandinavien, Däne- mark, Rheingebiet, Schweiz, etc.j wieder auf den Null- punkt zu steigen. Seit dem 31. vollzog sich auch in Deutschland eine Wendung der Witterung zum Besseren, wenngleich die Winde noch westlich blieben. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden : zu Oberärzten in der chirurgischen Ab- theilung der neuen drei Berliner stadtischen Krankenhäuser die bisherigen Assistenzärzte Dr. Adolf Brentano (Krankenhaus am Urban), Dr. Otto Hermes (Krankenhaus Moabit) und Dr. Alfred Neumann (Krankenhaus Friedrichshain); zum leitenden Arzt am Berliner Paul Gerhardt-Stift-Krankenhans an Stelle des nach Hannover berufenen Dr. Schlange der Privatdocont Dr. Gustav de Ruvter, früher Assistent an der chirurgischen Universitätsklinik zu Berlin. Berufen wurden: Professor Walter Nernst, Doeent für physikalische Chemie in Göttingen nach München; Professor Dr. Behring in Berlin nach Marburg an Stelle des nach Halle be- rufenen Professor Fränkel. Gestorben sind: der ehemalige Prosector der Petersburger Akademie und Collegienrath Dr. Alexander Andreje witsch Dostojew sky; die Forschungsreisenden, der Botaniker Dr. Karl Leu t und der Zoologe Dr. Kretzsehmer (beide ermordet im Kili- mandscharo-Gebiet). Deutsche Gesellschaft für volksthümliche Naturkunde nennt sich ein eben in Berlin ins Leben gerufener Verein. — Der Geh. Regierungs- und Stadtrath Friede] ersucht uns mitzutheilen, dass er die in der constituirenden Versammlung am 28. vorigen Monats auf ihn gefallene Wahl eines ersten Vorsitzenden höflich dankend, aber bestimmt abgelehnt hat. Litteratur. Sanitatsrath Dr. B. Florschütz, Fontes Mattiaci. Die Wies- badener Thermen und ihre Beziehungen zum Vulkanismus. J. F. Bergmaun. Wiesbaden 1894. — Preis 0,80 M. Eingangs giebt Fl. einen kurzen historischen Rückblick un- serer Kenntniss der Wiesbadener warmen Quellen, die schon Plinius ca. 49 — 79 n. Chr. erwähnt, um dann auf die geologischen Verhälnisse der Quellen einzugehen. Er holt dabei ziemlich weit aus, indem er mit der Entstehung und Entwickelung der Erde beginnt. Die Schrift ist namentlich geeignet, den Wies- badener Badegästen eine gediegene Anregung zu bieten. Prof. Dr. Alfred Hegar, Der Geschlechtstrieb. Eine social- medieinische Studie. Ferdinand Enke. Stuttgart 1894. Verf., der ursprünglich die ganze Frauenfrage bearbeiten wollte, sich aber auf die Darstellung des im Titel genannten Gegenstandes beschränkt hat, benutzt die Gelegenheit, „den falschen und überaus schädlichen Ansichten und Lehren entgegen- zutreten, welche durch verschiedene neuere Schriften, wie ins- besondere durch Bebel's ,Die Frau und der Socialismus' in die grossen Massen geworfen werden". Die Hegar'sehe Studie ist jedenfalls lesenswerth ; sie enthält mehr, als man vielleicht er- wartet. Oberstabsarzt Dr. O. von Linstow, Die Giftthiere und ihre Wir- kung auf den Menschen. Ein Handbuch für Mediciner. .Mit 54 Holzschnitten. August Hirschwald. Berlin 1894. In dem Buche sind ca. 60 auf den Menschen giftig wirkende Thier-Gattungen besprochen. Dem Arzt muss die bequeme und gute Zusammenstellung sehr gelegen sein, da er durch dieselbe eine umfangreiche und meist gar nicht, z. B. dem Schiffsarzt u. s. w., zur Verfügung stehende Litteratur entbehren kann. Wer sich weiter vertiefen will, findet solche übrigens in dem Buche an- gegeben. Die Thiere sind genügend beschrieben und es folgen dann die Angaben der Giftwirkung, hier und da mit Kranken- geschichten. Nr. 45. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 555 Dr. med. B. Neuhauss. Die Mikrophotographie und die Pro- tection ( Kncyclopädie der Photographie Heft 18) Mit ö Ah bild. Wilhelm Knapp. Halle a. S. 1894. — Preis 1 M. Das Heft umfasst nur ">8 Seiten; es wird denjenigen eine ge nagende Auskunft über Mikrophotographie und Projection geben, die nur eine Orientirung wünschen. Entwurf zu einem Lehrplan für das Königstädtische Realgymnasium in Berlin. Dir. Dr Vogel, Teil D.I. Natur- beschreibung. Programm der Anstalt 1N94. Das Programm bietet mehr als einen Entwurf; es giebt nicht mir eine Erörterung über die Hauptziele des Unterrichts, über das Unterrichtsverfahren und die Vertheilnng des Stoffes auf die einzelnen Klassen, sondern es giebt den Lehrplan, wie er aus dem Unterricht heraus erwachsen und in ihm wieder erprobt ist Das erkennt der Leser sofort, besonders auch an den zahlreichen Fingerzeigen für die Beschaffung und Gestaltung der Hilfsmittel beim Unterricht und für die Gestaltung des Unterrichts im Einzelnen. Der Plan ist das Ergebniss langjähriger, pädagogischer Arbeit. Kaum ein Fachgenosse wird das Programm weglegen, ohne diese oder jene Anregung daraus genommen zu haben, ohne an dieser oder jener Stelle zu sagen, das ist wohl besser, als du es bisher gemacht hast, und zwrar werden es grade die prakti- schen Fingerzeige sein, für welche die meisten Leser besonders dankbar sind. Den Inhalt im Einzelnen anzugehen, verbietet sich von selbst; hervorgehoben sei nur Folgendes: Ausserordentlich tritt die Betonung des Zusammenhanges von Form und Function für alle Stufen des Unterrichts hervor; einige beigegebene Unterrichts- skizzen (von Dr. Röseler entworfen) dienen ganz der Erläuterung dieses Gesichtspunktes. Eigenartig und beachtenswert!) ist die Verschmelzung von Naturgeschichte mit Physik und Chemie in der Lehraufgabe der Untersecunda. — Einzelheiten, in denen mancher Fachgenosse nicht zustimmen dürfte, liier anzuführen, möchte ich unterlassen: nur über einen allgemeineren Punkt, der mir bei dieser wie bei den meisten Ar- beiten über den naturgeschichtlichen Unterricht entgegentritt, möchte ich nicht hinweggehen. Es ist — kurz gesagt — das Missverhültniss zwischen der Aufgabe, die diesem Ünte; rieht ge- stellt wird, und der Zeit, welche dafür zur Verfügung steht. Oft genug ist eingehend auseinandergesetzt worden, was der natur- geschichtliche Unterricht leisten könnte, leisten sollte, ohne dass dabei nüchtern in Betracht gezogen würde, ob auch die äusseren Bedingungen für die Erfüllung solcher Aufgaben gegeben sind. Gewiss, die Beschäftigung mit der Naturgeschichte auf der unteren und mittleren Stufe könnte eine heilsame Ergänzung, ein ge- sundes Gegengewicht gegen Einseitigkeiten liefern, welche ge- wöhnlich aus dem Sprachunterricht fliessen: dass dies aber in nennenswerthem Grade und nachhaltig den zwei Stunden Natur- geschichte möglich ist gegenüber der Ueberfülle des Sprach- unterrichts, erscheint doch der nüchternen Betrachtung fraglich und dürfte sich auch an den Thatsachen kaum nachweisen lassen. Beobachten, anschaulich denken, induetiv schliessen lernen, kurz sieh an den Thatsachen zurechtfinden lernen und — wie von anderer Seite oft verlangt wird — die Anbahnung einer die Naturwissenschaften gebührend berücksichtigenden Welt -An- schauung sind gewiss erstrebenswerthe Ziele; die Naturwissen- schaften aber geben solche Förderung ihren Jüngern nur nach unverdrossener gründlicher Arbeit und schwerlieh in erheblichem Maasse bei zwei Stunden wöchentlich. Dazu kommt noch für die Grossstädte, dass diese erziehliche Aufgabe des Unterrichts be- sonders dadurch erschwert wird, dass hier der naturgeschichtliche Unterricht am Leben des Knaben ausserhalb der Schule kaum eine Unterstützung findet. Aber auch bezüglich des Inhaltes der Lehraufgabe dürften die Fachgenossen wohi je länger desto mehr darüber einig werden, dass für die gegebene Unterrichtszeit der Umfang des in den amtlichen Lehrplänen gegebenen Stoffes schon mehr als ausreichend ist, dass wenigstens Einiges, wie Pflanzen- geographie, Kulturpflanzen und Pflanzenkrankheiten wahlfrei bleiben möchte. In dem obigen Lehrplan wird nun zu den Auf- gaben der amtlichen Pläne noch das Linneische System und die Anfänge der Pflanzenpaläontologie hinzugenommen. Freilich heisst es, das Linneische System erfordere nur wenige Stunden; aber soll es anschaulich verstanden werden, so ist doch theils die besondere Durchnahme, theils die gründliche Wiederholung einer Reihe von Pflanzen nöthig, so dass ein guter Theil des Sommerhalbjahrs damit hingehen dürfte. Nun wird gewiss an einer Anstalt, wo wie an der oben genannten die fördernde Theil- nahme des Directors diesem Unterricht zur Seite steht, noch Manches durchführbar sein, was unter gewöhnlichen Verhältnissen versagt ist. Aber Alles in Allem kann . h doch nicht aber den Eindruck hinwegkommen, dass hier wie gewöhnlich zwischen der Aufgabe, welche dem Unterricht gestellt wird, und den äu Bedingungen kein rechtes Verhältniss ist. E. Schmidt. Sitzungsberichte der mathem -physik. Classe der KönigL bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München' Bd. XXIII. 1893. .München 1894..— Der Band enthält folgende Abhandlungen: F. von Sandberger: „Ueber die pleistocänen Kalktuffe der fränkischen Alb nebst Vergleichungen mit analogen Ablagerungen.- Das Ergebniss der Arbeit besteht darin, dass die betreffende Fauna „im Osten und Nordosten deutlich ausge- prägten osteuropäischen Charakter" zeigt, „während im Süden und Westen der westeuropäische vorherrscht." Deutlich weist eie auf ein kälteres Klima hin. — W. von Gümbel: „Geologische Mittheilungen über die Mineralquellen von St. Moritz im Ober engadin und ihre Nachbarschaft nebst Bemerkungen über das Ge- birge bei Bergün und die Therme von Pfäfers." — E. v. Lommel: „Aequipotential- und Magnetkraftlinien" und Ludwig Bolz- mann: „Ueber die Beziehung der Aequipotentiallinien und der magnetischen Kraftlinien". In der ersten dieser beiden Abhand- lungen wird u. a. eine Methode angegeben, die Aequipotential linien in durchströmten Platten sichtbar zu machen. In der zweiten werden einige Einwände gegen Behauptungen der ersten gemacht. — E. von Lommel: „Objectivu Darstellung von Interferenz^ erscheinungen in Spectralfarben." — Karl A. von Zittel: „Die geologische Entwickelung, Herkunft und Verbreitung der Sänge- thiere." Bildet das Schlusscapitel im 4. Band des Verfassers Handbuch der Paläontologie. — F. von Sandberger: „Das Erzvorkommen von Cinque valle bei Rocegno im Val Sugana ca. 30 km östlich von Triest." — E. von Lommel: „Aequipoten- tiallinien und Magnetkraftlinien. Zum Hallsehen Phänomen.'' Er- gänzung des obigen Aufsatzes. — L Sohncke: „Ungewöhnliche mikroskopische Bilder." Ausführungen über die vom Verfasser gemachte Beobachtung, dass es bei Betrachtung einer Abbe'schen Diffractionsplatte bei völlig unverändertem Mikroskop fünf ver- schiedene Abstände der Platte gab, bei denen mikroskopische Bilder auftraten. — L. Graetz: „Eine neue Methode von Selbst- potentialen und Inductionserscheinungen." — L. Graetz und L. Fonim: „Ueber ein Instrument zur Messung der Spannung bei elektrischen Oseillationen." — L. Graetz und L. Fomm: „Ueber die Bewegung dielektrischer Körper im homogenen elektro- statischen Feld." Beschreibung mehrerer interessanter Versuche und Ergebnisse derselben. — W. von Gümbel: „Die Amberger Eisenerzformation." — Ludwig Boltzmann: „Ueber die Be- stimmung der absoluten Temperatur." Versuch einer Berechnung der absoluten Temperatur nur mit Hilfe der Relationen zwischen Druck, Volumen und empirischer Temperatur. Bernstein, Prof. Dr. Jul., Lehrbuch der Physiologie des thierischen Organismus, im Speciellen des Menschen. Stuttgart — 16 M. Fischer, Prof. Dr. Emil, Die Chemie der Kohlenhydrate und ihre Bedeutung für die Phvsiologie. Berlin. — 1 M. Fickert, Dr. C, Die Fische Süddeutschlands. Stuttgart. — 4 M. Fresenius, Geh. Hofrath Prof. Dir Dr. C. Reinig., Anleitung zur qualitativen chemischen Analyse. 16. Auflage. 1. Abtheilung. Braunschweig. — 9 M. Haas, Prof. Dr. Aug., Lehrbuch der Differentialrechnung. 3. Theil. Stuttgart. — 7 M. Heim, ülb., und C. Schmidt. Proff. DD., Geologische Karte d er Schweiz. Bern. — 12 M.; auf Leinwand 13 M. Henke, Realgymn.-Oberl. Prof. Dr. Rieh., Ueber die Methode der kleinsten Quadrate 2. Auflage. Leipzig. — 2 M. Hochheim, Prof. Dr. Adf, Aufgaben aus der analytischen Geo- metrie der Ebene. 1. Heft. 2. Autlage. Leipzig.' — 1,60 M. Kitt, Prof., Tb.., Lehrbuch der pathologisch-anatomischen Dia gnostik für Thierärzte und Studirende der Thiermedicin. 1. Band. Stuttgart. — M M. Läska, Dr. W , Lehrbuch der Vermessungskunde. (Geodäsie). Stuttgart. — 10 M. Solms-Laubach, H. Graf, zu, Ueber Stigmariopsis Grand' Kurv. Jena. — 7 M. Wagner, Herrn., Lehrbuch der Geographie. 6. Auflage. 1. Lief. Hannover. — .'.! M Weiss, Dr. Berthold, Aphoristische Grundlegung einer Philosophie des Geschehens. Berlin. — 1,20 M. Inhalt: VIII. internationaler Congress für Hygiene und Demographie in Budapest vom 1. bis 9. September 1894. — J. l.iitzen, Die Lichtquellen der Projectionslampen. — Geburt von Siebenlingen. — Pflanzenfressende Laufkäfer. — Die Witterung des Monats October im centralen Europa. — Aus dem wissenschaftlichen Leben.— Litteratur: Sanitätsrath Dr. B. Florschütz. Fontes Mattiaci. — t Prof. Dr. Alfred Hegar, Der Geschlechtstrieb. — Oberstabsarzt Dr. 0. von Linstow, Die Giftthiere und ihre Wir- kung auf den Menschen. — Dr. med. R. Neuhauss, Die Mikrophotographie und die Protection. — Entwurf zu einem Lehrplan für das Königstädtische Realgymnasium in Berlin. — Sitzungsberichte der mathem -physik. ('lasse der Königl. bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München. — Liste. 556 Naturwissenschaftliche Wochensehriü. Nr. 45. Zu Schlanken zusa minenstellbare Schubfächer für Sammlungen jeder Art. D G. M. No. 2755!). • Prospekte franko! • Carl Elsaesser Schönau bei Heidelberg . 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Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Bringegeld bei der Post 15 -4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. y Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 J>. Grössere Auftrage ent- <3Ö sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenann ahme ■»■ bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit Tollständiger Quellenangabe gestattet. Ueber das Diphtherieheilserum. Von Stabsarzt Dr. Matz. Im Mittelpunkt aller medicinischen Fragen steht zur Zeit, wie aller AVeit bekannt, die Behandlung der Diph- therie mit dem Diphtherieheilserum. Kein Wunder! Handelt es sich doch um ein Mittel gegen eine Krankheit, welche all jii lirlich eine grosse Zahl von Menschen, be- sonders Kindern, aus den höchsten und niedrigsten Ständen, dahinrafft, häufig trotz aufopferndster Pflege und des Beistandes der ersten medicinischen Autoritäten. Da- her stand die Frage denn auch mit Recht in diesem Jahr auf dem Programm verschiedener medicinischer Congresse. (Siehe diese Wochenschrift vom 11. November 1894.) Wird das Mittel nun auch wirklich leisten was man erhofft? Gehört es nicht auch zu jenen, welche seit einigen Jahren mit grosser Reclame fast wie Pilze aus der Erde wachsen und in Folge des Sanguinismus, wenn nicht bisweilen der Gewissenlosigkeit oder ja der Unred- lichkeit einzelner Beobachter, alle möglichen Krankheiten heilen sollen, um bald wieder von der Bildfläehe zu ver- schwinden und einer ruhmreichen Vergangenheit anzuge- hören? Durchaus nicht. Auf dem Boden der strengsten natur- wissenschaftlichen Forschung herangewachsen, ist es nach mehrjähriger mühseliger Arbeit verschiedener Forscher, nach Tausenden von Versuchen und Gegenversuchen, Stabsarzt Behring gelungen, eine neue Methode in der Behandlung der Infectionskraukheiten aufzufinden und ein Mittel den Aerzten so zu übergeben, welches, nach den an Thieren erreichten Resultaten zu schliessen, bei richtiger, besonders sehr frühzeitiger Anwen- dung, in uncomplicirten Fällen von Diphtherie, fast mit mathematischer Sicherheit einen Heilerfolg er- zielen niuss. Ist auch ein abschliessendes Urtheil durch- aus noch nicht abzugeben, soviel steht fest, dass eine ganze Zahl von Heilungen schon zu verzeichnen ist, und zwar von den tüchtigsten, objeetivsten Beobachtern, nicht allein in Berlin, sondern auch in Paris von Roux u. A. Ist zwar auch die Blutsernrutberapie und die der- selben zu Grunde liegende Immunitätslehre in dieser Wochenschrift schon von anderer Seite im vorigen Jahr (1893, S. 6 u. 309 ff.) besprochen worden, so wollen wir an dieser Stelle dieselbe trotzdem noch einmal in ihren Hauptzügen vor Augen führen, da ohne diese Kenntniss die Schutzwirkung und die Behandlung der Diphtherie mit dem Diphtherieheilserum nicht zu verstehen ist. Auch werden sonst die Grenzen, welche der Anwendung des Mittels gezogen sind, nur zu leicht, auch von Aerzten, übersehen und kann dadurch das Mittel, wie die ganze Blutserumtherapie in Verruf erklärt werden. Unter Immunität versteht man im Allgemeinen die AViderstandsfähigkeit gegen Infectionskrank- heiten. Dieselbe ist für manche Thierarten gegen be- stimmte Infectionskrankheiten angeboren. So ist das Huhn immun gegen Tetanus, die weisse Ratte gegen Diph- therie.*) Die Immunität von Haus aus empfänglicher Arten kann aber auch erworben werden durch die künst- liche Schutzimpfung. Der Gedanke derselben ist uralt. Die Chinesen Hessen schon in vorhistorischer Zeit ihren Kindern Hemdchen von Blatternkranken anziehen und sie Pockenschorfe schnupfen, und die Brahminen legten mit Pockengift getränkte Haarseile an, weil sie durch die Er- fahrung wussten, dass die absichtliche Uebertragung des wirksamen Pockengiftes von Kranken auf Gesunde, diese vor dem zufälligen Eintritt der Krankheit schützen kann. Nach Europa kam die Methode des Pockenschutzcs Anfang des 18. Jahrhunderts. Aber erst zu Ende desselben, 1796 wurde die eigentliche Impfung eingeführt, rein empirisch, ohne eigentlich wissenschaftlich begründet gewesen zu sein, infolge der fortgesetzten Beobachtungen und Be- mühungen des englischen Arztes Jenner**). Die Schutz- impfung und damit die Immunitätslehre konnten jedoch erst Gegenstand wissenschaftlicher Forschung werden und praktische Erfolge von heut noch nicht abzusehender Be- deutung zeitigen, als Robert Koch durch seine epoche- machenden Entdeckungen gelehrt hatte, die speeifischen Erreger einzelner Krankheiten, besonders des Menschen, systematisch zu studiren, künstlich in Reinculturen zu *) Wassermann, Immunität. Real-Encyclop. d. ges. Heil- kunde. 2. Aufl., 26. Bd. **) Vergl. Naturw. Wocheiu-chr. VI, S. 516. 558 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 46. züchten und eine Infection durch die Reinculturen des parasitären Krankheitserregers willkürlich zu erzeugen. Die erste Entdeckung auf dem Gehiet der künst- lichen Immunität verdanken wir, angesehen von der Jenner'schen, Pasteur*). Er fand 1880, dass die Cul- tureu der für Hühner so sehr gefährlichen Bacterien der Hühnercholera durch sehr langes Stehen an der Luft be- deutend „abgeschwächt" werden, ihre „Virulenz" ver- lieren. Hühner, welche mit den abgeschwächten Cultureu geimpft wurden, starben nicht mehr an der Hühnercho- lerasepticämie, sondern erkrankten nur vorübergehend loeal und erwiesen sich alsdann immun gegen die Impfung mit virulenten Bacterien der Hühnercholera. Pasteur erkannte, dass es bei den Versuchen darauf ankam, die Culturen abzuschwächen und war der Ansicht, dass der lang dauernde Einfluss des Sauerstoffs der Luft wesentlich dazu beitrage. Den Grad der Ab- schwächung konnte er beliebig ändern, und so stellte er sich zwei verschieden stark abgeschwächte Impfstoffe her, I. Vaccin und II. Vaeein. Zuerst erhielten die Thiere das I. Vaccin, nach Ueberstehen der Impfung das weniger abgeschwächte II. Vaccin. Auch für den Milzbrand und die Hundswuth — von welcher letzteren die Erreger bis jetzt nicht bekannt — wurden durch Impfung mit abge- schwächtem Material die gleichen Resultate erzielt. Zur Abschwächung der virulenten Bacterien wurden in der Folge eine ganze Anzahl von Methoden ersonnen und aufgefunden. So gelingt die Abschwächung bei vielen Bac- terien durch Weiterzüchtung auf künstlichem Nährboden, ohne dass der Thierkörper weiter passirt wird. Auch länge- res Austrocknen, sowie der Zusatz chemischer Stoffe zu den Culturen bewirkt dieselbe, verdünnte Schwefelsäure, Car- bolsäure, verdünnte Lösungen von Caliumbichromat u. v. A. Man fragte sich nun, wie kommt die Immunität zu Stande, welches ist der Grund, dass der Organismus die spätere Einführung virulenten Infectionsstoffes ohne Schaden übersteht. Wir wollen hier nicht näher ein- gehen auf die verschiedeneu Hypothesen, die „Er- schöpfuugshypothese" von Klebs und Pasteur, die „Ren- tentionshypothese" von Chauveau, die Hypothese von Metschnikoff, welche den weissen Blutkörperchen und grösseren Organzellen — Phagocyten — die Fähigkeit zuerkennt, die in den Körper eindringenden Bacterien zu vernichten**). Sie alle beschäftigten sich mit den Vor- gängen bei Einführung von lebenden Bacterien. Da machten 1887 Salmon und Smith die Ent- deckung, dass eine Immunität auch möglich ist ohne die Mitwirkung lebender Bacterien, auf rein chemischem Wege. Es war ihnen gelungen, Tauben gegen Hog- Cholera — die amerikanische Schweineseuche — zu im- munisiren durch Einführung der bacterienfreieu, gelösten Stoffwechselproducte von Hog-Choleraculturen. Die Stoff- wechselproducte von Bacterien werden erhalten entweder durch Filtration, indem man u. A. die Culturen der Bac- terien unter Druck durch unglasirtes Porzellan filtrirt (Pas- teur-Chamberland'sche Porzellanfilter), oder indem man die Culturen durch Erhitzung von den lebenden Bacterien be- freit. Es war damit bewiesen, dass bei der Iinmunisiruug eine chemische Veränderung der Säfte des Körpers vor sich gehe, welche den Körper gegen den Angriff des viru- lenten Bacterienmaterials widerstandsfähig macht. Ferner beobachtete Fodor, dass frisch entnommenes Kaninchenblut im Staude ist, Milzbrandbacillen abzutödten. Man sehloss daraus, dass das Blut bacterienvernich- .*) Günther: Bakteriologie. 3. Aufl S. 178. Daselbst auch eingehende Litteraturangaben und Günther, Die Blutserumthe- rapie. Ihre geschichtliche Entwickelung etc. Deutsche med. W. 1893, Nr. 46. **) Vergl. Naturw. Wochenschr. IV, Seite 25. tende, „bacterieide" Eigenschaften besitzt. Diese Beobachtung wurde auch für das aus dem Blut gewonnene Blutserum, sowie für andere Körperflüssigkeiten, für die Herzbeutelflüssigkeit und für die wässrige Flüssigkeit der vorderen Augenkammer (Humor aqueus), gemacht. Man stellte aber bald fest, dass die bacterieiden Eigenschaften des Blutes sehr begrenzte sind, indem nur gewisse Bacterien von einem bestimmten Blute vernichtet werden und auch nur bis zu einem gewissen Grade. Ist ein Ueberschuss von Bacterien vorhanden, so verschwindet die bacterieuvernichtende Kraft und die Bacterien gedeihen weiter. Das Zustandekommen der Immunität konnte somit dadurch im Allgemeinen auch nicht erklärt werden. Aber die bisherigen Versuche waren angestellt mit dem Blut resp. Serum normaler Thiere. Da trat 1890 Behring*) auf mit den epoche- machenden Resultaten, welche er mit dem Serum künst- lich immunisirter Thiere erzielt hatte. Es war ihm unter Mitarbeit von Dr. Kitasato aus Tokio gelungen, Kaninchen gegen Tetanus zu immunisiren. Diese gegen Tetanus immunisirten Thiere waren geschützt sowohl gegen die Einführung lebender Tetanusbacillen, als auch gegen die directe Einführung der von den Bacillen pro- ducirten toxischen Substanzen und mau nahm an, dass bei diesen Thieren giftzerstörende, „antitoxische" Eigen- schaften im Organismus vorhanden sein müssten. Diese Annahme wurde dadurch bewiesen, dass das Blut und das Blutserum künstlich gegen Tetanus immuni- sirter Thiere, ausserhalb des Organismus mit dem Tetanusgift gemischt, dieses zerstörte, dass ferner Thiere, welche das zellenfreie Serum im- munisirter Thiere injicirt erhalten hatten, ge- schützt waren sowohl gegen Tetanusbacillen als Tetauus- gifte, und dass an Tetanus erkrankte Thiere durch Einführung des Serums geheilt wurden. Daraus zogen die Autoren den Schluss, dass die Immunität der künstlich gegen Tetanus immunisirten Thiere be- ruhe auf der Fähigkeit der zellenfreien Blut- flüssigkeit, dem Blutserum, die toxischen Sub- stanzen, welche die Tetanusbacillen produciren, unschädlich zumachen. Diese erhaltenen Resultate bilden die Grundlage der ganzen Blutserumtherapie, sowie der Behandlung der Diphtherie mit dem Diphtherieheilserum. Behring hatte nämlich gleichzeitig auch berichtet über ähnliche Re- sultate, welche er mit der künstlichen Immuui- sirung gegenüber der Diphtherie erzielt hatte. Da- bei hatte sich auch herausgestellt, dass das Serum gegen Tetanus immunisirter Thiere nur gegen Tetanus, das Serum diphtherie-immuner Thiere nur gegen Diphtherie schütze und es war somit die Specifität der „Antitoxine" erwiesen. Nach den alten Anschauungen hätte man bei der Widerstandsfähigkeit der immunisirten Thiere gegen die Wirkung der Tetanusbacillen wie gegen das Tetanusgift eine „Giftgewöhnung'" annehmen können, wie sie u. A. bei Alkoholikern und Morphinisten vorkommt, dann aber wäre die Möglichkeit der Uebertragung von Heilpotenzen eines immunisirten Thieres auf ein nicht immunes aus- geschlossen gewesen. Ehe wir näher eingehen auf die bei der Diphtherie erzielten Resultate, sei es gestattet, über den Diphtherie- bacillus**) das nothwendigste anzuführen. *) Behring und Kitasato, Ueber das Zustandekommen der Diphtherie-Immunität und der Tetanus-Immunität bei Thieren. Deutsche med. W. 1890, Nr. iphtherie gift ausgedrückt. Die angegebenen Zahlen sind, wie leicht einzusehen, für verschiedene Culturen, und somit auch für das ge- wonnene Gift, keine absolut feststehenden, da leider das Arbeiten mit lebenden Culturen mancherlei uncontrollir- bare Zufälligkeiten in sich schliesst wie, z. B. Ver- schiedenheiten der Temperatur und atmosphärische Ein- flüsse. Ein Diphtheriegift, in Bouillon gelöst, behält aber glücklicherweise seinen Wirkungswerth über Jahr und Tag, wenn die Lösung mit 1 0/0 Carbolsäuregehalt vor Licht geschützt, bei Zimmertemperatur in geschlossener Flasche aufbewahrt wird. Die von dem Immunitätsgrad der Thiere unmittelbar abhängige immunisirende Kraft des gewonnenen Serums wird ebenfalls durch Zahlen bestimmt. Behring hatte hierzu früher beim Tetanus eine Methode benutzt, die darin bestand, die Kraft des Serums nach derjenigen Menge desselben zu beurtheilen, welche nothwendig ist, um ein Thier von bestimmtem Gewicht gegen die sicher tödtliche Minimaldosis des Giftes zu schützen. Wurde z. B. eine Maus von 20 Gramm durch 0,01 Serum gegeu die Minimaldosis Gift geschützt, so entsprach der Werth des Serum 0,01 : 20 oder 1 : 2000. Ehrlich war auf andere Weise zu dem gleichen Resultat gekommen. Seit einiger Zeit sind beide Autoren übereingekommen**) die Werthbestimmung des Diph- ~*) Behring, Ges. Abhdlgn. II. S. 13 ff. **) Wassermann, Real. Kncylop. d.ges.Heilk. 26. Band. S. 328. t herieheilserums nach einer neueren von Ehrlich her- rührenden Methode vorzunehmen, welche grosse Sicherheit gewährt. Sie beruht auf der schon erwähnten, von Behring aufgefundenen Thatsaclie, dass Gift und Gegengift, ausser- halb des thierischen Körpers gemischt, sieh gegenseitig sofort neutralisiren und zwar nach einfachen Gesetzender Proportionalität. Dieselbe gestattet natürlich auch während der Immunisirungsperiode den Immunitätsgrad des Heil- serums genau zu messen, was für die Praxis besonders wichtig ist. Da das Diphtheriegift im Allgemeinen von wechseln- der Stärke ist, so ist es zunächst nothwendig, sieh ein auf seinen Werth genau geprüftes Gift stets vorräthig zu halten. Gewonnen wird dasselbe nach Behring*) aus Bouillonculturen , welche lange Zeit gewachsen sein müssen, um nennensvverthe Ausbeute zu erzielen. Das Maximum der Giftansammlung wird nach 2 — 4 Monaten erreicht, während es bei dem Tetanusgift schon nach 8 Tagen der Fall ist. Dann werden die Bacillen ab- getödtet durch Zusatz von Carbolsäure bis zu einem Ge- halt von 1%, während die in der Bouillon gelösten Gift- stoffe unverändert bleiben. Die Cultur bleibt stehen, bis die obersten Schichten der Flüssigkeit klar geworden sind, dann giesst man ab und prüft das Abgegossene auf seinen Giftgehalt an empfänglichen Thieren. Behring benutzt dazu Meerschweinchen, weil die individuelle Empfänglichkeit bei Kaninchen, welche gegen das Diph- theriegift eigentlich noch empfindlicher sind, zu sehr wechselt. Behufs der quantitativen Bestimmung wird nun ein „Diphtherienormalgift" benutzt, dessen Giftgehalt durch eine Art Titrirungsmethode bestimmt ist. Zum Ausgang der Titrirung ist eine Normalantitoxin lösung genommen, von welcher 0,1 ccm die Fähig- keit hat, die zehnfache für Meerschweinchen tödtliche Minimaldosis von Diphtheriegift für diese Thiere gänzlich unschädlich zu machen, wenn das Gift mit der Antitoxinlösung im Re- agenzglase gemischt wird.**) Diese Mischung, einem kleinen Meerschweinchen subcutan eingespritzt, wird re- actionslos resorbirt. Wird auch nur der fünfte Theil von der Antitoxinlösung weniger genommen, so bekommen die Thiere schon starkes locales Infiltrat, und zeigen durch Gewichtsabnahme eine Allgemeiuerkrankung an. In der Praxis geht man in der Weise vor, dass man mit einer rincette in mehrere Fläschcheu je 1 ccm des Normal- giftes thut und dazu das auf den Wirkungswerth zu prüfende Serum in abgestufter Dosis, z. B. 0,4 -- 0,3 — 0,2 — 0,1 — 0,05 ccm. Die umgeschüttelte Mischung wird, eventuell nach Zusatz bis auf 4 ccm physiologischer Kochsalzlösung, sofort Meerschweinehen von 200—300 g Körpergewicht eingespritzt, für welche das in der Mischung enthaltene Diphtheriegift mindestens das zehnfache der tödtlichen Minimaldosis darstellt, Zwei Tage nach der Einspritzung lässt sich ein sicheres ürtheil abgeben. Bleiben die Thiere mit den 0,4—0,1 ccm Serum völlig gesund, während das Thier mit 0,05 erkrankt oder stirbt. so würde die Lösung mit 0,1 Serum der einfachen Normal- antitoxinlösung entsprechen, da ja davon die zehnfach tödtliche Minimaldosis des Diphtheriegiftes neutralisirt ist. Würde die gleiche Wirkung erst durch den Zusatz von 1 ccm des zu prüfenden Serums erzielt, so hätte man eine Vio Normallösung, mit 0,01 ccm eine zehnfache. Ehrlich und Wassermann berichteten schon im Frühjahr *) Behring, Bekämpfung der Infectionskrankheiten. 1894. S. IT-.'. ') Man sagt auch, dass den Werth von einfacher Normal- antitoxin oder einer Immunisirungseinheit das Serum besitzt, von dem 0,1 genügt, um 1 ccm Behring's Normalgift zu neutralisiren. Ehrlich, Kossei u. Wassermann, [Jeher Gewinnung und Verwen- dung des D. H. S. Deutsche med. Wochenschr. 1894, Nr. 1(3. 562 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 46. dieses Jahres (Deutsche med. Wochenschr. 1894, Nr. 16), dass sie ein Serum gewonnen hatten, von dem 0,0015 ccm genügten, um 1 ccm Normalgift zu neutralisiren, das ent- sprach einem mehr als 60 fachen Normalantitoxin. Als Behring und Wernicke nach den bei Thieren mit so glänzendem Erfolg augestellten Versuchen zu der Ueberzeugung gekommen waren, dass die Versuche auch am Menschen angestellt werden müssen und die Menge des bei den kleinen Thieren gewonnenen Serums dafür natürlich zu gering sei, hatten sie sich an die Aufgabe gemacht, grössere, von Natur für die Diphtherieinfection sehr empfängliche Thiere möglichst hochgradig zu immu- nisiren, und benutzten dazu das Schaf. Dasselbe war auch deswegen sehr geeignet, weil es nach Behring*) für den Grad der heilenden Leistungsfähigkeit des Serums nicht so sehr auf den Grad der Im- munität an sich ankommt, als vielmehr auf die Grösse der Differenz zwischen dem ursprüng- lichen Grad der Widerstandsfähigkeit und dem später erworbenen. Später wurden auch Ziegen und Pferde benutzt. Damit traten die auf die Heilserum- gewinnung gerichteten Arbeiten aus der engbegrenzten Laboratoriumsthätigkeit heraus und wurden zunächst in Privatställen fortgesetzt. Bald wurde eine Centralisation nothwendig. Da staatliche Mittel und Bäume hierfür nicht zu bekommen waren, so richteten Behring und Wernicke mit privaten Mitteln einen Stadtbahnbogen in der Nähe des Instituts für Infectionskrankheitcn so ein, dass mehrere Pferde und ca. 40 — 50 Schafe bequem darin Unterkunft fanden. Die Stallungen wurden gleich- zeitig einem Laboratorium ähnlich, doch für den rein praktischen Zweck berechnet, eingerichtet. Auch für Desinfection der Thiere, Utensilien u. s. w. wurden ge- nügende Vorbereitungen getroffen. Um Misserfolge und unglückliche Zufälle zu vermeiden, wurde in erster Linie der Gesundheitsznstand der Thiere aufs sorgfältigste con- trollirt, und dazu alle Hilfsmittel benutzt, wie sie bei der klinischen Beobachtung des Menschen angewendet werden: Regelmässige Registrirung des allgemeinen Status, des Verhaltens der Herzthätigkeit und des Respirations- apparates u. s. w. , der localen und allgemeinen Re- actionen nach jeder medicamentösen Behandlung, Blut- und Harnuntersuchungen u. s. w. Besonders wichtig wurde die regelmässige Temperaturmessung und Ge- wichtsbestimmung gefunden. Jetzt haben die Herstellung von Heilserum unter Controlle von Behring und Ehrlich die Farbwerke vorm. Meister Lucius & Brüning in Höchst a. M. übernommen. Diese Fabrik liefert jetzt drei verschiedene Flaschen, von denen Nr. I ca. 600, Nr. II 1000, Nr. III 1500 bis 1600 Immunisiruugseinheiten enthält.**) Von Dr. Aronson wird Diphtherie-Antitoxin in der Schering'schen Fabrik in Berlin hergestellt. Was die Eigenschaften des im Diphtherieheilserum enthaltenen Antitoxins betrifft, so wissen wir über das- selbe bisher wenig mehr, als dass es eine wasserlösliche Substanz ist, welche das Diphtheriegift unschädlich macht. Das Diphtherieantitoxin übt im übrigen auch in den stärksten Concentrationen , in denen es bis jetzt her- gestellt ist, weder auf pflanzliche noch auf thierische Organismen irgend eine Wirkung aus. Das einzige Re- agenz auf dasselbe ist der lebende diphtherieinfieirte Körper, welcher dadurch entgiftet wird. Die Entstehungs- *) Ges. Abhandl. II, S. 304. **) Kossei, Deutsehe med. Wochenschr. vom 25. 10. d. J. — Anfang September d. J. wurden zwei Präparate mit ca. 600 resp. 1400 Immunisirungseinheiten ausgegeben. Siehe Behring, Die Blutserumtherapie zur Diphtheriebehandlung des Menschen Berl. klin. Wochenschr. 3. 0 d. J. weise des Diphtherieantitoxins, wie der übrigen speeifischen Blutantitoxine haben wir uns in der Art zu denken, dass seine Quelle das reactionsfähige Eiweiss des lebenden Organismus ist, „und zwar entsteht aus diesem reactions- fähigen Eiweiss unter der Einwirkung eines speeifischen Toxins das zugehörige Antitoxin unter solchen Umständen, welche auf eine allgemeine Störung der Regulirungsvor- riehtungen im Gesammtorganismus hindeuten." (Behring, Beil. klin. Wochenschr. 1894, S. 829.) Es sind übrigens bis jetzt nur für die Diphtherie die speeifischen Blut- antitoxine derart hergestellt, dass eine allgemeine Ver- werthung der Blutserumtherapie für die Behandlung des Menschen möglich ist. *) Die von Behring und seinen Mitarbeitern, sowie anderen deutschen Forschern angestellten Immunisirungs- und Heilungsversuche gegen die Diphtherie sind in anderen Ländern wiederholt, und haben im allgemeinen zu den- selben Resultaten geführt. Besondere Verdienste um die ganze Bearbeitung dieser Frage hat sich Roux in Paris, einer der hervorragendsten Schüler Pasteur's, erworben. Wir wollen hier nur das Verfahren mittheilen, welches er jetzt zur Gewinnung des Diphtheriegiftes anwendet,**) Dasselbe besteht in der Züchtung der Bacillen in einem feuchten Luftstrom. Man gebraucht Gefässe mit flachem Grunde, die mit einem seitliehen Rohre versehen sind, bringt in das Gefäss alkalische Bouillon, die 2% Pepton enthält, in solcher Menge, dass die FlUssigkeitsschicht eine gewisse Höhe erreicht, Nach der Sterilisirung impft man frische, sehr virulente Diphtheriebacillen und erwärmt auf 37° im Brutofen. Hat die Entwickelnng begonnen, so leitet man einen Luftstrom hinein. Nach 3 — 4 Wochen ist die Cultur genügend reich an Toxinen, um verwendet werden zu können. Die Cultureu werden durch das Chambcrland'sche Filter filtrirt. Behufs Immunisirung der Thiere — Roux benutzt zumeist Pferde — schwächt er, um keine allzu schweren Erscheinungen hervorzurufen, das Toxin in seiner Wirksamkeit ab und zwar durch Zu- satz von Jod in Form Gram'scher Flüssigkeit. Was nun die Anwendung des Heilserums beim Menschen betrifft, so sind zunächst alle Beobachter, u. a, Henoch***), Heubnerf), Kosselff), Rouxtt"f)> darin einig, dass das Mittel ein absolut unschädliches ist. Henoch gab schon im December 1892 an, dass er in keinem Fall, selbst bei starken Dosen, einen nach- theiligen Eiufluss beobachtet hat, weder local, noch im allgemeinen. Roux hebt besonders die Schmerzlosigkeit der Injection hervor. Den Beweis der Unschädlichkeit hatte Behring schon durch zahlreiche Versuche an Thieren bewiesen. Er hatte Meerschweinchen subcutan, intraperi- toneal und intravenös solche Quantitäten starker Anti- toxinlösung eingespritzt, welche, auf das Körpergewicht des erwachsenen Menschen berechnet, ungefähr der Dosis von 1 Liter entsprachen, ohne dass die Thiere auch nur vorübergehendes Unwohlsein zeigten. Eine Begleiterschei- nung, welche Heubner häufig beobachtete, ist ein urticaria- ähniieher Ausschlag, welcher am 8. oder 9. Tage auftritt, *) Aronson hatte das Diphtherieantitoxin in fester Form her- gestellt. Wegen sehr hoher Herstellungskosten ist dasselbe für die Praxis jedoch nicht verwendbar und kehrte er zum Diphthe- rieserum zurück. Berl. klin. W. 5. Novb. 1894. **) Annales de l'institut Pasteuv 1894, S. (140 ff. und Wiener med. Presse 1894, Nr. 38; daselbst der in Budapest auf dem inter- nationalen hygienischen Congress von Roux gehaltene Vortrag : Die Behandlung der Diphtherie mit Heilserum. — Vergl. auch Naturw. Wochenschr. IX, Seite 547. ***) Berl. klin. Wochenschr. 1893, S. 101. f) Jahrbuch .Irr Kinderheilkunde 38. Bd., S. 231. tt) Zeitschr. f. Hygiene 17. Bd., S. 489 ff. und Deutsche med. Wochenschr. 1894, Nr. 16. ttt) '• c. Nr. 46. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 563 ohne Störungen des Allgemeinbefindens, und in wenigen Tagen wieder verschwindet. Auch Kossei u. a. machten diese Beobachtung. Die Grenzen, welche dem Mittel gezogen sind, ergeben sich zum Theil aus dem oben Gesagten. Es ist selbstverständlich, dass nur diejenigen Erkrankungen be- einflusst werden können, welche durch den Lüffler'schen Diphtheriebacillus hervorgerufen sind. Alle Anginen, mögen sie auch noch so diphtherieäbnlicb aussehen, oder Scharlachdiphtherien bleiben unbeeinflusst und müssen von der Behandlung ausgeschlossen bleiben. Es hat immer Aerzte gegeben, welche die sämmtlichen Diph- theriefälle durch dieses oder jenes Mittel heilten, ihr Ruhm war ja dann besonders in den Augen der Patienten sehr gross. Wie weit es sieh dabei aber um wirkliche Diphtherie gehandelt hat, ist eine andere Frage. Behufs Aufstellung von Statistiken sollten daher nur die Fälle herangezogen werden, bei welchen der Nachweis der Diphtherie durch den mikroskopischen Befund erbracht ist, was sich ja besonders in Krankenhäusern leicht er- möglichen lässt. Ausgeschlossen von der Beein- flussung des Mittels sind ferner alle Complicationen, zumal Infection mit Streptococcen und Fränkel'schen Diplococcen, wie sie besonders bei schon länger dauern- den Fällen nicht selten vorkommen , ferner Nieren- entzündungen, Lähmungen und Störungen der Herzthätig- keit u. s. w. Ein gefährliches Moment der Krankheit besteht auch in der Ausbreitung auf die Athmungswege, wenn die Athmung durch diphtherische Membranen be- hindert ist. Verschafft in diesen Fällen der Kehlkopf- schnitt keine Erleichterung, so kommt auch die Seruni- behandlung zu spät. Auf alle diese Punkte hat Behring frühzeitig mit besonderem Nachdruck aufmerksam gemacht*), und es ergiebt sich daraus, dass die Aussicht auf Heilung mit dem Serum um so sicherer ist, je frühzeitiger mit der Behandlung begonnen wird. Das haben denn auch die bisherigen Statistiken ergeben. Eine derselben, welche die Beobachtungen von mehreren Berliner Krankenhäusern behandelt, ist die nachstehende:**) Summe der Behandelten Geheilt Ge_ j Heilung storbenl pfo£nt 220 168 52 76,4 Davon waren tracheotomirt Summe! Geheilt lsGrtenjPn^| 67 37 30 55,1 Noch besser tritt die Nutzwirkung hervor, wenn die Fälle nach den Krankheitstagen gruppirt werden, an welchen die Behandlung begonnen wurde. Die Zahlen in Klammern geben die Fälle an, in welchen der Kehlkopfschnitt ge- macht wurde: Krankheits- tag 1. 2. 3. 4. 5. Behandelt Geheilt ' Gestorben Heilung in Procent 6 66 29 39 23 1 6 64 ( 7 25 ( 7 30 (10' 13(4) u. s. w. 0 2(2) 4(1) 9(4) 10(6) 100 97 86 77 56,5 *) Behring, Lieber sogenannte „septische" Fälle von Diph- therie. Deutsche med. W. 1893, Nr. 18, Dasselbe: Ges. Abhandl. II, 345. — **) Ehrlich, Kossei und Wassermann, Deutsche med. W. 1894. Nr. 16. günstigen Resultate aus den ersten Tagen Solche sind bisher nicht beobachtet. Während nur 2 von 72 a den ersten beiden Tagen eingelieferten Kindern starben, verliefen nach einer über 7 Jahre sieh erstreckenden Sta- tistik von 72 Fällen ohne Serumbebandlung durchschnitt- lich 25 = 3l,i % tödtlich. Prof. Baginsky berichtet, dass er mit Aronson'schem Serum im Kaiser Friedrich Kinder- Krankenhause von 164 fallen nur 21 Todesfälle hatte = 12,24%. (Berl. klin. Wocbenschr. 1894. S. 1026. Roux berichtet (Wiener med. Presse 1894, S. 1413), dass vom 1. Februar bis 24. Juli d. J. im Höpital des enfants malades 448 Kinder mit Diphtheriesernm behan- delt wurden, von denen 109 = 24,33 ° 0 starben, wäh- rend die frühere Sterblichkeit von 1890—1894 -r>1.7l betrug. Unter gleichen Bedingungen verminderte die Serumbehandlung die Sterblichkeit um 27,38 %• Bn Höpital Trousseau wurden in der gleichen Zeit, in welcher Roux die Serumversuche machte, 500 Kinder an Diph- therie behandelt, von welchen 316 = 63,20 % starben. Der Nutzen der Serumbehandlung tritt aus den verschie- denen Zahlen auf das klarste hervor, er wäre jedenfalls ein noch weit grösserer gewesen, wenn man schon ein so hochwerthiges Serum gehabt hätte, wie es jetzt der Fall ist. In sehr schweren Fällen ist ein möglichst hoch- werthiges Serum zu verwenden. Ob und wie oft die Einspritzungen zu wiederholen sind, niuss erst die weitere Erfahrung lehren. Sollen gesunde Familienangehörige der Kranken ge- schützt werden, so erreicht man nach Kossei diesen Zweck mit den oben angegebenen Höchster Präparaten durch Injection des vierten Theiles von Flasche I (Deutsche med. W. vom 25. Oct. d. J.). Behring hielt vor einiger Zeit (Berl. kl. W. vom 3. Sept. d. J.) schon den zehnten Theil desselben Präparates für genügend. Die Erfahrungen darüber, wie lange der Schutz einer Injection anhält, sind noch keineswegs abgeschlossen , länger als 2 bis 3 Wochen wahrscheinlich nicht, da die Antikörper nach einiger Zeit wieder ausgeschieden werden. Jedenfalls handelt es sich jetzt noch nicht -um Monate und sind die Einspritzungen bei bedrohten Kindern lieber zu wieder- holen. Die Behandlung der Infectionskrankheiten und das sich Schützen gegen dieselbe ist, wie wir gesehen haben, durch das Auffinden des Diphtherieheilserums in neue, streng vorgeschriebene Bahnen geleitet. Die Tragweite dieser Entdeckung lässt sich zur Zeit noch nicht annähernd übersehen. Zu verwundern ist es nur, dass dieser Weg nicht weit eher aufgefunden wurde. Hat ihn doch die Natur selbst eigentlich angegeben, indem ein Mensch, der einmal eine Infectionskrankheit überstanden hat, wie Pocken, Masern, Scharlach, für lange Zeit, wenn nicht für immer gegen dieselbe geschützt ist. Auch die Jenuer'sche Einfuhrung der Schutzpockeniinpfung, so genial sie war, blieb ohne den richtigen Einfluss. Derselbe war aber auch erst möglich durch die Entdeckungen eines R. Koch, Pasteur und deren Schüler. Die altehrwürdige Wissen- schaft der Heilkunde aber hat mit der Entdeckung der Blutserumtherapie und des Diphtherieheilserums am Ende des 19. Jahrhunderts, welches schon so unermesslich reich ist an den grossartigsten Entdeckungen, besonders auf dem Gebiet der Naturwissenschaften im weitesten Sinne, einen neuen Fortschritt zu verzeichnen, an welchem sich die ganze Menschheit erfreuen kann. Wer aber mehr als alle anderen sich dieser Entdeeknn ist der Arzt. Denn sein ganzes Streben darauf gerichtet, Schmerz und Leid seines zu lindern und zu verhüten. zu freuen bat, ist ja doch Mitmenschen 564 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 46. Die grosse Seeschlange betitelt sich ein in den Schriften des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaft- licher Kenntnisse in Wien, 34. Bd. (1894) veröffentlichter Vortrag Dr. Emil v. Marenzeller's, in dem er nament- lich nach dem umfangreichen Werke des Directors des königl. zoologischen und botanischen Gartens zu Haag in Holland Dr. C. Oudemans „The great Sea serpent" ein Referat über die Beobachtungen des in Rede stehenden, meist abgeleugneten See-Ungeheuers bietet. Aus den von 0. gewissenhaft zusammengestellten Be- richten entnimmt M. über das Thier Folgendes. Der Körper ist ausserordentlich in die Länge ge- streckt von spindelförmiger Gestalt, am breitesten, wo der Rumpf in den langen Nacken übergeht. Die Hälfte der Länge entfällt auf den cylindrischen, spitz zulaufenden Schwanz. Die Haut des Thieres ist behaart. Die Farbe des Pelzes ist dunkelbraun, manchmal mit hellen Streifen oder Flecken auf dem Rücken, weiss auf dem Bauche. Der zur Grösse des Thieres verhältnissmässig kleine Kopf ist abgeplattet, am besten mit dem der Seelöwen ge- nannten Robben zu vergleichen. Die Augen sind gross. Zu Seiten der Nüstern stehen steife Schnurrborsten an der stumpfen Schnauze. Ueber die Ohren und das Gebiss fehlen Daten. Der Kopf sitzt einem schlanken, langen, allmählich in den breiten Rumpf übergehenden Nacken auf. Der Rumpf trägt zwei Paare mächtiger Flossen. Die vorderen sind etwas grösser als die hinteren. Die ersten nehmen ihren Platz am Ende des ersten Viertels, die zweiten an der Mitte des Leibes ein. In einigen Fällen beobachtete man auch eine lange braune Mähne, die sich vom Hinterhanpte bis zum Anfange des Schwanzes erstreckte. 0. betrachtet dieselbe als einen Geschlechts- charakter des männlichen Thieres, welches das weibliche auch bedeutend an Grösse überragen dürfte. Dadurch, sowie auch durch den Umstand, dass jüngere Individuen neben völlig erwachsenen beobachtet wurden, erklären sich die Differenzen in den Grössenangaben. Thiere von kaum 6 m Länge bis zu solchen über 70 m laugen wurden gesehen, und die Schätzungen geschahen von Männern, die in der Beurtheilung entfernter Objecte Uebung haben! Der Körper der Seeschlange ist ausserordentlich be- weglich. Sie taucht aus den Fluthen auf, einem Schwane gleich, den Kopf fast im rechten Winkel zum gebogenen Halse, sie streckt sich der ganzen Länge nach, sie krümmt sich U-förmig in senkrechter Richtung, dass der Kopf und das Schwanzende aus dem Wasser ragen oder bei Wen- dungen auch seitlich, dass sieh Kopf und Schwanz be- rühren. Am überraschendsten tritt die grosse Gelenkig- keit der Wirbelsäule bei der Fortbewegung des Thieres zu Tage. Diese scheint vorwiegend durch rasch auf einander folgende wellenförmige Krümmungen des langen Schwanzes in senkrechter Richtung, ähnlich wie bei schwimmenden Blutegeln oder bei manchen Raupen, zu geschehen. Schwimmt die Seeschlange tiefer, so verräth oft nur die Bewegung des Wassers ihre Anwesenheit, schwimmt sie hart am Wasserspiegel, so treten die Wellenberge, die convexen Theile des Schwanzes etwas aus dem Wasser heraus, die coneaven sind nicht sichtbar, und man wird, an einen Zug von Delphinen oder Fischen erinnert oder an eine Reihe von Fässern, die hinter einander schwimmen. Anders ist der Eindruck, wenn bei vollkommen ge- strecktem Körper die Fortbewegung nur durch die Thätig- keit der Flossen erfolgt, was indess nur selten beobachtet wurde. Man glaubt dann einen flottirenden Baumstamm oder Mast vor sich zu haben. Schwimmt das Thier mit gestrecktem oder wellenförmig gekrümmtem Körper, den Kopf gerade an dem Wasserspiegel, so dass es durch seine Nüstern athmen kann, so zeigt es nahezu seine ganze Länge, nur das Ende des Schwanzes ist unter Wasser. In solcher Lage wird der ganze Körper vom Wasser getragen, und das Thier hat nur die Reibung zu überwinden. Die Schnelligkeit, mit welcher sich die Seeschlange unter diesen günstigen Bedingungen fort- bewegen kann, wird als eine ausserordentliche geschildert. „Sie fliegt dahin wie ein Pfeil, schneller als Wale oder Fische" und wühlt das Wasser auf wie ein Schiff. Schätzungen liegen vor, die bis auf 111 km in der Stunde gehen. Sobald jedoch der Kopf oder ein grösserer Theil des Körpers in die Höhe gereckt wird, ändert sich der Gleichgewichtszustand. Rumpf und Schwanz sinken nach abwärts, man sieht weniger von dem Thiere, und die Schnelligkeit nimmt ab. In offener See hält es die gerade Linie ein, in ruhigen Buchten sah man es häufig die Richtung wechseln und Curven bilden. Eigentümlich verfährt es, wenn es an Ort und Stelle eine Wendung machen will, und es ist sehr bedeutungsvoll, dass der Vorgang von verschiedener Seite immer in der gleichen Weise geschildert wurde. Das Thier macht eiue rasche und kurze Bewegung, krümmt sich wie das Glied einer Kette, nähert dann den Kopf immer mehr dem Schwänze, so dass er anfangs parallel, dann ganz genähert erscheint, und Kopf und Schwanz bewegen sich einige Zeit in ent- gegengesetzter Richtung. Auch über die. seelischen Eigenschaften der See- schlange weiss 0. manches zu sagen, aber nur zu ihren Gunsten. Es ist kein einziger Fall verbürgt, dass sie aggressiv geworden wäre. Die Schlechtigkeiten, welche man ihr in alten Zeiten vorwarf, dürften auf das Kerb- holz der Kraken gehören. Sie ist neugierig und unbe- fangen, aber doch immer auf ihrer Hut, Die Seeschlange ist ein Kosmopolit. Man hat sie in allen Meeren beobachtet, am häufigsten jedoch im atlantischen Ocean, weil dieser der befahrenste ist. Nörd- lich traf man sie nicht über den 70. Breitengrad hinaus, südlich nicht über den 46. Sie besucht selten die Theile der Nordsee, welche Grossbritannien, Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark bespülen, dringt nicht mehr, wie in früheren Zeiten, in die Ostsee ein, und wurde auch im Mittelmeere nur ein einziges Mal gesehen. Unsere Thiere betreten niemals das feste Land. Sie verbringen ihr ganzes Leben im Meere. Wie sichergestellt, sind sie be- sondere Freunde warmen Wassers und schönen Wetters. Da sie diese Annehmlichkeiten nicht überall zu jeder Jahreszeit finden, so begeben sie sich auf die Wander- schaft, und zwar halten sie sich im atlantischen Ocean an die warmen Strömungen. Sie gelangen mit dem Golf- strom in nördliche Gegenden, wenn dort Sommerzeit ist, und verlassen dieselben wieder, sobald die Temperatur sinkt, wobei sie dann gegen die Strömung zu schwimmen genöthigt sind. 0. schliesst dies aus Zeit und Ort der bekannt gewordenen Begegnungen. Die meisten fanden während der Mouate Juli und August im nördlichen atlantischen Ocean besonders in der Nähe der norwegischen Küsten statt. Dorthin und um diese Zeit sollten sport- lustige Jachtbesitzer segeln und, ausgerüstet mit all den modernen furchtbaren Waffen, die man gegen die Wale in Anwendung bringt, sich allen Ernstes an die Auf- suchung der grossen Unbekannten machen. Gegen eine einfache Flintenkugel ist er, wie die Erfahrung lehrte, gefeit. Auch eine Explosiouskugel würde wenig nützen, da das getödtete Thier zweifelsohne untersinken wird. Das Sicherste ist die Harpune. Ein mitgenommener photographischer Apparat wird, falls die Jagd erfolglos bliebe, mindestens die Erscheinung fixiren und die Zweifler mehr überzeugen, als die genaueste Handzeichnung. Auch von dem erlegten Thiere mögen Aufnahmen gemacht Nr. 46 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 565 werden. Ferner sind, so räth 0.. die Maasse der ein- zelnen Körpertheile zu verzeichnen, und da zu befürchten steht, dass der Balg- nicht im ganzen wird erhalten werden können, sollen wenigstens Stücke der Haut des Kopfes, des Rückens, des Schwanzes und so viel wie möglich von dem Skelette aufbewahrt werden. 0. weist dem Thiere einen Platz in der Ordnung der Robben oder Pinnipedien an und zieht namentlich den Seelöwen (Zalophus californianus Less.) in Vergleich. Die „Sceschlangeu unterscheidet sich aber durch ihren langen Hals und Schwanz, sowie durch ihr vereinzeltes Auftreten von den in Herden lebenden, dahin gehörigen Formen der Jetztzeit und erscheint als letzter und seltener Repräsentant vorweltlicher Geschlechter, von denen uns die Reste des Zeuglodon oder Basilosaurus Kunde geben. Wenn auch die Seeschlange niemals in die Hände eines Naturforschers gelangte, so hat man ihr gleich- wohl schon vor längerer Zeit einen wissenschaftlichen Namen gegeben. Sie heisst Megophias megophias Rafi- nesque 1819. „Zu allen Zeiten — sagt 0. am Schlüsse seines Werkes — fielen Meteorsteine zur Erde. Viele hiervon wurden von Personen aufgefunden, die ihnen nachspürten. Diese bewahrten sie auf, und solche Sammlungen ent- standen nicht nur in den Raritätencabinetten Privater, sondern auch in naturhistorischen Museen. Viele Ge- lehrte glaubten an die Meteorsteine, doch viele andere verhielten sieh skeptisch, und deren Angriffe waren so heftig, und ihr Hohn über Steine, die aus der Atmosphäre fallen oder die gar von dem Manne im Monde auf uns Erdenbewohner geworfen werden, so beissend, dass mancher Sammler in seinem Glauben wankend wurde und die glücklichen Besitzer aus Scheu vor dem Gespötte der sogenannten Gebildeten ihre Schätze verbargen oder in den Kehricht warfen. „Da kam eines Tages ein Mann, Namens Chladni. Für ihn waren die Aerolithen eine unuinstössliche That- saehe. Er scheute nicht die Mühe, alle Meteoriten be- treffenden Daten von der ältesten Zeit bis in das 19. Jahrhundert zu sammeln, und bewies erstens die un- geheure Zahl von Fällen und zweitens die überraschende Uebereinstimmung der von einander unabhängigen Zeug- nisse." „Im Jahre 1829 veröffentlichte er zu Wien sein Werk, ,Ucber Fcucrmetcore', und nun tielen den Zweiflern die Schuppen von den Augen. Neue Funde von Meteor- steinen wurden gemacht, und es erwies sich, wie sehr sie von anderem Gestein unserer Erde abweichen. Von jenem Zeitpunkte an war der Glaube an die Meteoriten für alle Zeiten begründet. Der Verfasser des vorliegen- den Werkes war bemüht, alle Berichte über Beobach- tungen der Seeschlange zu sammeln. Seine Arbeit hat denselben Zweck wie die Chladni's. Es ist seine auf- richtige Hoffnung, dass sie auch von demselben Erfolge begleitet werde." Ueber die geographische Verbreitung und Lebens- weise der nutzbaren Walfische veröffentlicht Geh. Regv Rath Prof. Dr. K. Moebius in den Verhandlungen der Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin die folgende kurze Zu- sammenstellung. — Als luftathmende Säugethiere sind die Waltische genöthigt, sich in den oberflächlichen Wasser- schichten aufzuhalten. Um Luft zu holen, müssen sie wenigstens ihre Nasenlöcher, welche an der höchsten Stelle des Kopfes liegen, über das Wasser erheben. Sie ertrinken, wenn sie in Netze gerathen, welche sie unter dem Wasser zurückhalten. Beim Aus- athnicn l reiben sie weder ans den Lungen noch aus der Mundhöhle Wasser in die Luft, sondern verdichteten Wasserdampf oder nur das wenige Wasser, welches sieh in oder über ihren Nasenlöchern befand. Die mit bleibenden Zähnen versehenen Zahnwale (Dentricete) nähren sich vorzugsweise von Fischen und Tintenfischen, die Bartenwale Mysticete . welche nur embryonale Zähne haben, von Fischen, Tintenfischen und anderen massenhaft auftretenden schwimmenden und schwebenden kleinen Organismen (Sarpen, Ptero- poden, Mysidcen, Oopepoden, Quallen, Diatomeen). Den Bartenwalen dienen ihre dicht am Oberkiefer hän- genden Barten (Hornplatten, welche an ihrem Innenrand und unten haarartig zerfasert sind), als Apparate zum Abfiltrircn der Nahrung aus dem Wasser. Die Wale wandern ihren Nährthieren nach. Die werthvollsten Barten wale gehören zu der Gattung Balaena; diese hat lange Barten und keine Rückenfinne. Die bekannteste Species ist Balaena inysticetus, der grönländische oder arktische Waltisch, bis 19 m lang und 2300 Ctr. schwer. Er ist im nördlichen Eismeer eireumpolar verbreitet. Im 17. und 18. Jahrhundert war er häutig bei Spitzbergen. Seit Ende des 18. Jahrhunderts wird er in der Davis- Strasse, seit 1847 im Behrings-Meer und bei Kamtschatka gefangen. An der Westküste von Grönland tritt er nicht weiter südlich auf, als bis zum 64° n. Br. Er ist aber dort jetzt so selten, dass in den letzten Zeiten jährlieh kaum einer gefangen worden ist. Südlich von dem Eismeer-Gebiet des grönländischen Waltisches leben im nordatlantischen Ocean zwei Balaena- Species, welche kürzere Barten haben und einen oder mehrere Buckel mitten auf dem Oberkiefer: Balaena biscayensis im nordatlantischen und Balaena japonica im nordpaeifisehen Ocean. Balaena biscayensis ist 15 bis 16 m lang. Ihre Barten erreichen nur 2 m Länge. Auf ihr leben ein Rankeufusskrebs, Coronula balaenaris, und andere Wal- fischläuse, nämlich Cyamus ovalis und Cyamus erraticus, als auf Balaeua mystieetus, auf der Cyamus mysticeti sitzt. Die Basken erlegten Balaena biscayensis schon im 11. und 12. Jahrhundert mit Pfeil und Bogen und Harpunen. Später sehr selten geworden, erschien dieser Wal 1854 wieder an der Küste Nord-Spaniens. Südlich von Island wurden 1889 bis 1891 sechzehn Exemplare erlegt. Er ist von der Westküste Norwegens bis zu den Canaren und der Ostküste der Vereinigten Staaten Nord-Amerikas verbreitet und geht einzeln auch ins Mittelmeer hinein. Balaena japonica wird von San Francisco aus im nordpaeifisehen Ocean zwischen dem 30.° n. Br. und den Alenteu gefangen. An der asiatischen Küste tritt dieser Wal zwischen Sachalin und Formosa auf. Die Japaner fangen ihn an ihren Küsten seit mehr als zweihundert Jahren mit Netzen und Harpunen und verwerthen nicht nur die Barten und den Thran, sondern auch das Fleisch und die Knochen. Auf ihm leben zwei Arten Waltisch- läuse: Cyamus ovalis (welche auch Balaena biscayensis bewohnt) und Cyamus gracilis. Auf der südlichen Erdhälfte leben zwei Balaena- Species. Balaena australis wurde an den Küsten Afrikas und Süd-Amerikas zwischen dem 36.° und 48.° s. Br. ge- fangen. Einzelne Exemplare wurden auch am Cap Hörn, an der Westküste von Süd-Amerika und bei Neu-Seeland angetroffen. Die andere südliche Art: Balaena marginata ist von der Westküste Süd-Amerikas Ins Neu-Seeland, Tasmania, Süd- und Südwest-Australien verbreitet; nach Norden hin überschreitet sie den 30.° s. Br. wahrschein- lich selten. Auf den Südsec-Balänen leben die Ranken- fusskrebse Tubicinella trachealis und Coronula balaenaris. Nicht so werthvoll wie die langbartigen Balänen sind die Finnwale. Ihr Kopf ist kürzer, die Oberkiefer sind 566 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 46. niedriger, die Barten kürzer und weniger elastisch, als bei der Gattung Balaena. Auf dem Hinterrücken haben sie eine aufrechte Hautfinne, und sind an Kehle, Brust und Bauch gefurcht. An der Nordküste von Europa werden seit 1865 grössere Mengen von Finnwalen durch Dynamitgeschosse erlegt, die folgenden Arten angehören : Balaenoptera musculus, bis 22 m lang, von Grönland bis Nowaja Semlja verbreitet, streift, Fischzügen nach- schwimmend, südwärts bis in die Nord- und Ostsee und ins Mittelmeer. Balaenoptera sibbaldi, bis 27 m lang und 2300 Ctr. schwer, ist das grösste Thier der Erde. Dieser Wal wird nicht blos im nordatlantischen Ocean und im Eismeer zwischen Grönland und Nowaja Semlja gefangen, sondern auch im nordpacifischen Ocean zwischen Nordamerika, Nord China und Japan; auch in der Nordsee, an der Küste der Bretagne, an der Ostküste von Süd-Amerika und am Gap Hörn sind einzelne Exemplare vorgekommen. Die Japaner fangen ihn mit Netzen. Balaenoptera borealis, Seival, 12 bis 15 m lang, wird von den Lofoten bis Ost-Finmarken gefangen. Er nährt sich hauptsächlich von schwimmenden Krebsen. Balaenoptera rostrata, Zwergwal, 6 bis 9 m lang, ist von Norwegen bis Grönland und Labrador verbreitet. Er nährt sich vorzugsweise von Fischen (Heringen, Dorschen, Lodden). Megaptera boops, Knotenwal, bis 22 m lang, mit sehr langen Flossen und niedriger Rückentinne, lebt im nörd- lichen Eismeer, im nordatlantischen und nordpacifischen Ocean. An der japanischen Küste wird er mit Netzen gefangen. Er frisst Fische, Krebse und Flossenschnecken. Auf ihm leben eine ihm eigentümliche Walfischlaus: Cyamus boopis und die Rankenflusskrebse Coronula dia- denia und Conchoderma auritum. Im nordpacifischen ( leean wird an den nordamerikanischen und ostasiatischen Küsten noch ein kurzhartiger Wal gefangen, der keine Rückenfinne und keine Bauchfurchen hat, Rhachianectes glaueus, der Grauwal, bis 12 m lang, dessen Barten hell- farbig und nur 30 bis 45 cm lang sind. Er wandert im .Sommer nach Norden bis zu den Aleuten und Kamtschatka, im Winter bis zum nördlichen Wendekreis nach Süden. Die Japaner fangen ihn mit Harpunen und schätzen sein Fleisch und Gel. Unter den Zahnwalen ist der werthvollste der Pott- wal, Physeter macroeephalus; das Weibchen ist 10 bis 12 m, das Männchen bis 22 m lang. Er hat nur im Unterkiefer Zähne, Im Kopf und im Rücken sind mit flüssigem Fett (Walrat) gefüllte Höhlungen, im Enddarm Ambra. Er nährt sich hauptsächlich von Tintenfischen und Fischen. Man jagt ihn vorzugsweise in den wär- meren Theilen des atlantischen, indischen und paeifischen Oceans; er geht aber auch nord- und südwärts bis in die Eismeere. Der Dögling, Hyperoodon rostratus, 6 bis 9 m lang, anatomisch verwandt mit dem Pottwal, hat nur wenige kleine Zähne vorn im Unterkiefer und ist von Nowaja Semlja und Grönland bis an die Ostküste der Vereinigten Staaten verbreitet. Er geht im Sommer nach Norden bis Spitzbergen, im Winter sucht er südlichere Gebiete auf. Einzelne siud in der Nord- und Ostsee und an der West- küste Frankreichs gefangen worden. Er nährt sich vor- zugsweise von Tintenfischen. Ebenso weit verbreitet wie der Pottwal ist der Grind- wal, globiccps melas, der zwischen Norwegen und den Faröern zuweilen in Herden von mehreren tausend Indi- viduen auftritt und sieh von Fischen und Tintenfischen nährt. Auf den Faröern ist der Fang und dessen Ver- keilung an die Inselbewohner und Behörden seit 1584 gesetzlich geregelt. Man erlegt dort jährlich gegen 50 000 Stück. Auf dem Grindwal lebt Cyamus globici- pitis und der Rankenfüsskrebs, Xenobalanus globicipitis. Der Narwal, Monodon monoceros, ist durch das ganze nördliche Eismeer verbreitet, Bei Grönland erscheiut er zuweilen in dichten Schaaren. Die grossen linken Stoss- zähne der Männchen werden wie Elfenbein verarbeitet. Er nährt sich von Fischen, Tintenfischen und Krebsen. Ihn bewohnen die Walfischläuse Cyamus monodontis und Cyamus nodosus. Im ganzen nördlichen Eismeer kommt auch der Weiss- wal, Delphinapterus leucas, vor. Er wird 3 bis 7 m lang und nährt sich von Fischen, Tintenfischen, Krebsen und Flossensehnecken. Delphinus tursio, der grosse Tümmler, 3 bis 4 m lang, hat im Ober- und Unterkiefer jederseits 21 bis 25 Zähne. Er frisst Fische und Tintenfische und tritt zuweilen in Sehaaren von 100 bis 200 Individuen auf. Sein Wohn- gebiet ist der nordatlantische Ocean. Nordwärts über- schreitet er selten den 66°; er kommt oft auch in die Nord- und Ostsee. Phocaena communis, der kleine Tümmler, das Meer- schwein, 1 bis ll/a m lang, mit 25 bis 28 Zähnen jeder- seits im Ober- und Unterkiefer. Er frisst vorzugsweise Fische, lebt an den Küsten Nord-Europas und Grönlands und ist durch den ganzen nordatlantischen Ocean ver- breitet. Er kommt auch in die Nordsee, die Ostsee, das Mittelmeer und das Schwarze Meer. Die Ostsee verlässt er vom November an. Bei Middelfahrt am kleineu Belt werden vom November bis Februar gegen 1500 Stück gefangen. Der Walfischfang ist ein gewaltiger Eingriff in die Lebensgemeinschaften und den erhaltungsmässigen Stoff- umsatz der Meere. Wenn er in der jetzt üblichen scho- nungslosen Weise fortgesetzt wird, so werden die grössten Thiere der Erde bald nur noch als geistiges Eigenthuin der Menschheit in Wissenschaft, Kunst und Sage fort- leben. (x.) Der Encke'sche Coraet ist am 1. November von Cerulli im Pegasus genau an der von der Rechnung vorausbestimmten Stelle des Himmels aufgefunden worden. Es scheint daraus hervorzugehen, dass dieser durch die Kürze seiner Umlaufszeit (3V3 Jahr) ausge- zeichnete Comet in der seit seiner letzten Erscheinung verflossenen Zwischenzeit keine bedeutendere, aus unbe- kannter Ursache entspringende Bahnstörung erlitten hat, während er bei früheren Erscheinungen mehrfach eine rund 2Vs Stunden betragende Verkürzung seiner Umlaufs- zeit erfahren hatte, die man vielfach auf die Wirkung eines den Weltraum erfüllenden widerstehenden Mittels zurückzuführen geneigt war. Die genauere Beobachtung des interessanten, übrigens aber äusserst lichtschwachen Himmelskörpers wird uns vermuthlich bald in den Stand setzeu, die Zulässigkeit dieser Erklärungsweise der Un- regelmässigkeiten seiner Bewegung definitiv anzuerkennen oder abzulehnen. F. Kbr. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: der Professor der Chemie Alexander (■lassen von der technischen Hochschule in Aachen zum Geh. Regierungsrath; Dr. Scheiner am astronomisch - physikalischen Observatorium in Potsdam zum ausserordentlichen Professor an der Berliner Universität; die Privatdocenten Dr. Ulsch für Chemie und Ganzenmüller für Mathemathik an der Land- wirtschaftlichen Centralschule in Weihenstephan zu Professoren; Dr. Puchner, Assistent am huidwirthschaftlichen Versuchsfeld der Münchener technischen Hochschule, zum Lectov an der Land- wirthaohafÖiehen Centralanstalt in Weihenstephan; der ordent- Nr. 46. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 567 liehe Professor der Philosophie und Psychologie in Berlin Dr. M. Lazarus zum Geh Regierungsrath ; der Gymnasialdirector A. Wernicke, Docent für .Mechanik und Mathematik an der technischen Hochschule in Braunschweig, zum Director der Oberrealschule ebendaselbst; Professor Dr. K. A. Barack in Strassburg zum Director der Universitäts- und Landesbibliqthek daselbst; der ausserordentliche Professor für Naturgeschichte der Forstgewächse an der Wiener Hochschule für Bodenkultur K. Wilhelm zum ordentlichen Professor der Botanik. Berufen wurden: der Privatdocont für Mineralogie in Charkow Dr. K. von Chrustschoff als Professor der Mineralogie und Geologie an die Königl. militär-medicinische Akademie in Peters- burg; Dr. A. Morgen in Halle an die Akademie zu Hohenheim als Professor der Agriculturchemie und Director der landwirt- schaftlichen Versuchsstation; Dr. J. E. Ta Image für Geologie an die Universität Utah; Robin, der seines Amtes entsetzte Director des Waisenhauses in Cempuis als Professor der Päda- gogik an die neue socialistische Hochschule in Brüssel; R. J. Aley, Professor der Mathematik an der Indiana University nach der Leland Stanford Id. University; J. A. Miller, bisher Asso- ciates. Professor in demselben Fach von der letzteren Lehranstalt nach der Indiana University. Es haben sich habilitirt: Fräulein cand. math. Anna Vedel aus Kopenhagen zum Amanuensis für Mathematik an der Uni- versität Stockholm; Dr. med. Walther aus Darmstadt für Gynä- kologie und Geburtshilfe in Giessen; Dr. Roloff für pathologische Anatomie und Bakteriologie in Tübingen; Dr. Hans Hammer für Hygiene und Bakteriologie an der technischen Hochschule in Brunn; der Assistent Wilhelm Weiss für Mathematik an der deutschen technischen Hochschule in Prag; Dr. Emil Redlich für Neuropathologie und Dr. Karl Zsigmondy für Mathematik in Wien; Julius Marchet für Waldwegcbau an der Wiener Hochschule für Bodencultur; in der physikalisch-mathematischen Fakultät in Petersburg die Herren R" E. Regel, N. J. An- drussow, B. F. Werigo, A. Domoragow, J. A. Ssokolow und W. W. Lermontow. Aus dem Lehramt scheiden: Professor Gunning in Amster- dam, Stifter der dortigen Augenklinik, und Professor Quack ebendort. Gestorben sind: der Bergingenieur Heinrich Rebs in Thal; Dr. Marard, Professor der medicinischen Klinik an der Ecole de medeeine in Limoges; Dr. Rollet, Professor der Hygiene in Lyon; Dr. Josef Prodatzky, Chef des oster- reichischen militär - ärztlichen Officiereorps in WTien; Dr. Jakob Stolnikow, Professor der speciellen Pathologie und Therapie au der Warschauer Universität zu Jalta ; der wirkliche Staatsrath Professor Dr. M. Chomjakow, Professor und Director der Hospitalklinik in Kasan; Dr. Th. Morony, Curator am Columbia College; der Chemiker Dr. Maillot, früher Präsident des Ge- suridheitsrathes der Armee in Paris; der um die Geologie ver- diente Oberlehrer Professor Dr. W. Bö Ische in Osnabrück; der Anatom Gasco in Rom; der Director des meteorologischen Dienstes in Canada Charles Carpmael; der um die Entwicke- lung der botanischen Gärten zu Madras und Rangoon Robson Benson; der Ingenieur Edwin Clark; der ständige Bibliothekar der spanischen Akademie Aureliano Fernandez Guerra; der Astronom George Knott zu Cuckfield, Haywards Heath, Sussex; der frühere Director ihr Landwirtschaftlichen Versuchsstation zu Regenwalde Professor Dr. Heinrich Birner; der Director der Wiener Familien-Fideicommiss-Bibliothek Hofrath Dr. Josef Ritter von Zhishman; Professor Pe t er Mariager, der Ueber- setzer der Werke Alfred Brehm's ins Dänische; der Botaniker Professor Pierre Duchartre, Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften; Dr. med. Leopold Hermann Wenzel. Ein medicinischer Congress soll Ende December in Calcutta stattfinden. ein grosser Fortschritt, wenn der Schüler nur — wenigstens von der Schule aus — so viel gedrucktes Material in die Iläi rl käme, wie er durchaus braucht. Dr. C. Baenitz, Herbarium Europaeum. XXIII. Jahrg. Pro peel von 1895. Selbstverlag. — Preis 0,50 M. Durch die Herausgabe des bekannten Herbariums hat sich Dr. Baenitz nicht geringe Verdienste erworben. Der vorliegende 28. Prospect umfasst (incl. Inserate) 16 Seiten und bietet eine grosse Zahl seltener, interessanter und kritischer Arten aus Eu- ropa, Kleinasien und Amerika. Lieferung 81 umfasst 128 Nummern aus Ungarn, Siebenbürgen und Galizien. Mehrere neue Arten und Varietäten von Btocki und Borbäs, zahlreiche Arten aus den Gattungen : Knautia (Trichura). Hieracium und Equisitum sind bemerkenswert!!. Der Herausgeber hat übrigens über 70 Nummern dieser Lieferung auf seiner sechs- wöchentlichen Reise in Siebenbürgen selbst präparirt. Lieferung 82 (142 Nr.) und 83 (82 Nr.) berücksichtigen die mitteleuropäische Flora. Lieferung 83 bringt einige Holzgewächse aus den Gattungen : Populus, Rosa, Rubus (26 Formen), Salix (40 Formen) und Visamus. — Blüten und Blätter wurden hei den Weiden und von demselben Baume resp. Strauch ge- schnitten. Die grösste Seltenheit dieser Lieferung ist die Rosa vestita God. f. Strähleri Uechtr. Lieferung 84 (34 Nr.) enthält meist nordische Laubmoose und einige interessante Pilze aus Nordamerika. Für Lieferung 85 (44 Nr.) sandte E. Revcrchon hauptsächlich aus Spanien 30 meist neue Arten und Varietäten ein. Die Herren Nori, Steurer und Arven lieferten die Beiträge aus Italien, Triest und Schweden. Die 67 Nummern der 86. Lieferung gehören der Flora von Bulgarien, Makedonien, Rumänien und Serbien an. Viele neue Arten von Velenovsky dürften allgemeines Interesse erregen. Lieferung 87 (80 Nr.) bildet, das Herbarium Alchi- millarum normale, zusammengestellt von Dr. R. Buser und A. Schmidely. Dr. R. Buser-Genf, welcher dieser interessanten Gattung in neuerer Zeit seine volle Arbeitskraft zuwandte, hat zahlreiche neue Arten aufgestellt, welche in dieser Lieferung zu- erst publicirt werden. Besonders interessant ist die von Dr. Baenitz bei Predeal in Rumänien gesammelte Alchimilla acutiloba Stev. (Nr. 1) von riesigen Dimensionen, A. basaltica Buser (Nr. 7) aus Frankreich und A. Vetteri Buser (Nr. 78) aus Nord-Italien. Auch ältere Arten, wie A. Hoppeana Rchb. (Nr. 32—34), A. con- juneta Rabingt (Nr. 10 u. 11), A. minor Huds. (Nr. 43 u. 44), A pubescenz Lam. (Nr. 56 u. 57) etc. sind erwähnenswerth. — Uebrigens bietet die Lieferung nur authentisches Material, denn Dr. Buser hat fast alle Arten (bis auf 2) in allen Exemplaren durchgesehen und bestimmt. Das Inhaltsverzeichniss aller Lieferungen des Herb. Europ. versendet der Herausgeber Dr. C. Baenitz in Breslau, Gr. Fürsten- str. 22, I. Litteratur. Dr. Joseph Klein, Chemie. Anorganischer Theil. (Sammlung Göschen.) G. J. Göschen'sche Verlagsbuehh. Stuttgart 1894. — Preis geb. 0,80 M. Die kleinen elementaren Grundrisse und Schriften der Samm- lung (löschen sind mit Recht beliebt: auch der vorliegende Leit- faden ist empfehlenswert!]. Wenn in der Schule das gründlich durchgenommen würde, was in dem Büchlein steht, so wäre das für die Schüler ein hoher Gewinn, aber ohne umfangreiche und sehr viel kleinere Lehrbücher geht's gewöhnlich nicht ab: aller- meist wird der Inhalt nur zum kleinsten Theil verdaut. Es wäre Inhalt: Stabsarzt Dr. Matz, Ueber das Diphtherieheilserum. — Die grosse Seeschlange. — Ueber die geographische Verbreitung und Lebensweise der nutzbaren Walfische. — Der Encke'sche Comet. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Josef Klein, Chemie. — Dr C- Baenitz, Herbarium Europaeum. — Die Botanischen Anstalten Wiens im Jahre 1894. Die Botanischen Anstalten Wiens im Jahre 1894. 1894. Mit 11 Abbildungen. Carl Gerold's Sohn. Wien 1894. — Preis 3 M. Das 85 Seiten umfassende Gross -Octay - Heft erschien als Festgabe anlässlich der 66. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien, September 1894; es ist auch durch den Buch- handtd weiteren Kreisen zugänglich gemacht. Das bot. Museum und der bot. Garten wird von K. Fritsch beschrieben, das pflanzen- physiologische Institut von F. Krasser. Beide Anstalten gehören zur Universität. Die Schilderung des k. k. Hofgarten zu Schön- brunn, der einen „Pflanzen-Garten" und ein mächtiges dreitheiliges Gewächshaus besitzt, hat der k. u. k. Hofgarten-Director A. Um- lauft übernommen. Die botan. Abtheilung des k. k. naturhistor. Hofmuseums schildert A. Zahlbruckner unter Zugrundelegung eines Artikels von G. R. von Beck. Zum Schluss finden sich in dem Heft 1 eine Schilderung der Einrichtung und des Zwecks der k. k. geologisch-botanischen Gesellschaft, 2. ein Hinweis auf die den Botaniker interessirenden Sammlungen u. s. w. von ge- ringer Ausdehnung oder nur mittelbarer Beziehung zur wiss. Bo- tanik, wie die mit dem Lehrstuhl für Botanik an der k. k. tech- nischen Hochschule, verbundene Sammlung und endlich 3. ein Hinweis auf die botanischen Privatsammlungen namentlich auf das Herbarium E. v. Halascy's. Dem botanischen Systematiker wird das Heft u. a. dadurch' besonders werthvoll, dass in demselben S. 71 — 78 eine Aufzählung der im Herbarium des k. k. naturhist. Hofmuseums enthaltenen Pflanzensammlungen von Reisenden und Exsicaten geboten wird. 568 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 46. Ernst Meckel, Mechaniker. BERLIN NO., Kaiserstr. 32. Werkstatt für Projektionsapparate. «V Scioptikons, || Nebelbilder -Apparate, Kalklichtbrenner. Specialität: Benzin-Sauerstoff brenner. 3^"" Besprochen in der „Naturw. Wochenschr.", Band IX, Nr. 45. Systematische Samm- lungen bot.-mik. Präpa- rate liefert (Verzeichnisse kostenfrei) „ „ 1T „ Dr. E. Hopfe, Blankenbnrg, Sdunmihil. i atent-technisches und | Verwerthung-Bureau Betche. Berlin S. 14, Neue Rossstr. 1. 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Herausgegeben von der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik. = In 13 Sectionen: = VII. Aquila. X. Norma. VIII. Corvus. XI. Argo navi IX. Eridanus. XII. Phoenix. I. Cygnus. IV. Serpens, II. Ursa major. V. Cancer. III Perseus. VI. Pisces. lie künstlerische * Herstellung * von Illustrationen und Zink- cliches jeder Art und nach beliebiger Vorlage, für wissen- schaftliche und gewerbliche Zwecke, wird in meinem Insti- tut seit Jahren gepflegt Die Abbildungen in dieser Zeit- schrift gelten als Proben meines Verfahrens. Albert Frisch, Berlin W. 35. Lützowstr. 66. 1 5gJgr.I3r-Sa~^ .J-TZ&c&'&lM W.SPINDLER Berlin C. und Spindlersfeld bei Coepenick. Färberei und Reinigung von Damen- und Herren- Kleidern, sowie von Möbel- stoffen jeder Art. 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Abdruck i>s nur mit vollständiger «^uelieiianjjahe gestattet. Der Thierschutz in der Natur.*) Von Dr. F. Kienitz- G erlof f. Kein Goethescher Vers ist von den Anhängern der durch Darwin zu neuem Leben erweckten und seitdem seinen Namen tragenden Descendenztheorie öfter und lieber citirt worden, als der aus dem prächtigen, „Die Metamorphose der Thiere" betitelten Gedicht von 1819: „Also bestimmt die Gestalt die Lebensweise dos Thieres, Und die Weise zu leben, sie wirkt auf alle Gestalten Mächtig' zurück." Glaubte man doch, aus ihm den Schluss ziehen zu dürfen, dass bereits Goethe ein gewissermaasseu poetisch inspirirter Prophet jener Theorie gewesen sei, deren Grundzüge freilich sclnm 10 bis 15 Jahre früher Jean Baptiste Monet de Lamarck in seiner damals unbe- achtet gebliebenen „philosophie zoologique" ausgesprochen hatte. Allerdings irrt man, wenn man auf Grund des an- geführten Verses Goethe den wichtigsten Gedanken der Abstammungslehre zuschreibt, den nämlich, dass die heute die Erde bevölkernden Arten von Thiercn und Pflanzen nur die durch allmähliche Abänderung entstandenen Nach- kommen der ursprünglich geschaffenen, organisirten Wesen seien. Dieser Gedanke hat Goethe fern gelegen. Im Gegentheil , er hält gleich der Mehrzahl seiner Zeit- genossen an der ursprünglich auf Plato zurückführbaren Idee des Typus, des Grundplanes fest. Nur der Enthu- siasmus, den die lichtvollen Darlegungen Darwin' s in der deutschen Gelehrtenwelt hervorriefen, konnte zu einer Verkennung dieses Standpunktes führen, den Goethe selbst *) Wenngleich der nachstehende, ursprünglich im Weilburger Thierschutzverein vorgetragene Aufsatz seines populären Charakters wegen von den sonst in dieser Zeitschrift veröffentlichten Artikeln einigermassen abweicht, wird das Publicum diesen Umstand hoffent- lich damit entschuldigen, dass die Naturw. Wochenschr. auch früher zuweilen Zusammenfassungen bekannter Kragen geboten hat. Soweit die beigegebeneu Zeichnungen nicht entlehnt sind, habe ich sie nach Exemplaren der Universitätssammlung inGiessen hergestellt, die mir von Herrn Professor Spengel in liberalster Weise zur Verfügung ge- stellt wurden. Für seine grosso Liebenswürdigkeit spreche ich dem genannten Herrn an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank aus. D. Verf. in jenem nämlichen Gedicht wenige Zeilen vor den citirten in die Worte kleidet: „Alle Glieder bilden sieh aus nach ew'gen Gesetzen, Und die seltenste Form bewahrt im geheimen das Urbild." i:) Dachte aber unser grosser Dichter auch nicht im ent- ferntesten an eine Umwandlung der Arten ineinander, so konnten dem scharfsinnigen Entdecker des Zwischen- kiefers beim Menschen, dem genialen Begründer der Zurückführung des Schädelbaues auf eine Zusammen- setzung aus Wirbeln doch unmöglich die unendlich mannigfaltigen Anpassungen verborgen bleiben, die jenes von ihm supponirte Urbild unter den verschiedenen Lebensbedingungen erleidet, und die für die Ausbildung der Abstammungslehre in der That eine hervorragende Bedeutung gehabt haben. Dass die Extremitäten, ja der ganze Körper eines Fisches und eines Säugethiers nach den gleichen Gruud- zügen aufgebaut sind, das kann nur eingehende ver- gleichend-anatomische Untersuchung lehren. Aber andere Anpassungen sind durchsichtiger, wenn sie gleich, bis auf ihre verwickeltesten Fälle und auf ihre letzten Ur- sachen verfolgt, der Forschung kaum geringere Schwierig- keiten entgegenstellen. Auf eine Anzahl dieser Fälle möchte ich die Aufmerk- samkeit lenken, indem ich dabei von Dingen ausgehe, die einem jeden, insbesondere aber den Schützlingen des heiligen Hubertus, wohlbekannt sind. Ein Hass springt vor uns auf und flieht über den Sturzacker. Wir pressen den Flintenkolben an die Wange, wir sind im Begriff abzudrücken, da auf einmal ist der Hase verschwunden, er ist scheinbar in die Erde unter- getaucht. Unmuthig setzen wir das Gewehr wieder ab. Wir haben uns aber genau den Punkt gemerkt, wo der Hase unsichtbar wurde, wir gehen auf ihn zu und — angenommen das Thier spränge nicht wieder auf, so würden wir es an jenem Platze finden, ja wir würden *) Vergl. in der gleichen Frage auch Naturw. Wochen, ein Band IX, S. 229 u. früher. — Red. 570 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 47. es, auf unsern ursprünglichen Standort zurückgekehrt, jetzt vielleicht auch von diesem aus entdecken. Wie jedermann weiss, rührt die anfängliche Augentäuschung daher, dass der gedachte Hase genau die Farbe der Ackerschollen hat, eine Farbe, die ihn den Blicken seiner Verfolger verbirgt. Nicht bloss der Hase, auch andere Thiere tragen solche schützenden Färbungen. Brand- mäuse, Rebhühner, Wachteln und Lerchen sind ebenfalls erdfarbig, das Gefieder der Schnepfe, des Regenpfeifers gleicht dem Moorboden, der Edelmarder, der auf einem Baumast lauert, ist von der Borke kaum zu unterscheiden, das Eichhörnchen, der Fuchs entschwinden zwischen dürrem Buchenlaube dem Blick, unsere gemeine Eidechse ist im verdorrten Grase schwer zu erkennen. Der Laubfrosch, das Heupferd sind bei uns keine seltenen Thiere, man findet sie aber, selbst wenn sie schreien oder zirpen, nur bei grosser Aufmerksamkeit, weil ihre Farbe mit dem Grün der Blätter in Einklang steht, auf denen sie sich aufhalten. Man wird sie meist erst dann gewahr, wenn sie sich bewegen. Und sie selbst wissen auch recht gut, dass das Springen sie verräth. Der Laubfrosch drückt sich, statt zu fliehen, bei Ankunft eines gefährlich dünkenden Wesens fest auf das Blatt, das Heupferd sitzt still und lässt höchstens die Fühler hin und her pendeln gleich einem vom Winde bewegten Hähnchen. Es fliegt nur flach über dem Boden hin, wo es dem räuberischen Vogel unsichtbar bleibt, und wird erst nächtlicherweile munterer. Die eigentlichen Nacht- fhiere, Eulen, Ziegenmelker und Nachtfalter, sind, mit wenigen Ausnahmen, von düsterer Färbung. Als geschätzte Speise kennt jeder die Flunder, die Seezunge und den Steinbutt, zu denen sich in den See- städten noch die minderwerthige und deshalb im Inlande weniger bekannte Scholle gesellt, jene seltsamen Platt- fische, die statt auf der Kante, mit wellenförmiger Be- wegung auf der Breitseite schwimmen. Die nach unten gerichtete Fläche ihres Körpers ist silberglänzend weiss, die nach oben gewendete hat dagegen eine graubraune Farbe, die der des Meeresgrundes auffallend ähnelt. Während des grössten Theils ihres Lebens liegen die Thiere, oft bis zum Kopfe in den Sand eingewühlt, auf der Lauer und sind dann von ihrer Umgebung nicht zu unterscheiden. Mit dieser Lebensweise hängt dann noch eine merkwürdige Eigenthümlichkeit ihres Körperbaues zusammen. Der Kopf nämlich ist derartig um seine Achse gedreht, dass beide Augen auf die Oberseite zu liegen kommen, das ihr eigentlich angehörige aber ist grösser als das andere. Wer sich an unsern Küsten aufgehalten, namentlich wer Seebäder gebraucht hat, wird sich leicht der Quallen erinnern, die sich in oft tellergrosseu Exemplaren, z. B. in der Kieler Bucht, massenhaft umhertreiben. Ihr gallert- artiger Körper ist bis auf wenige Adern, die Magen- säcke und Eibehälter bläulich, fast farblos und dabei durchscheinend. Der geringe Unterschied, der zwischen dem Brechungsvermögen der Qualleugallerte und des See- wassers besteht, macht, dass man vom Schiff aus die Grenze ihres Leibes gegen das Wasser nur undeutlich erkennt, und dass man beim Baden leicht von jenen Thieren überrascht wird, deren Berührung auf der Haut ein höchst widerwärtiges brennendes Gefühl erregt. Aber wir brauchen nicht so weit zu reisen, um derartige Fälle aufzufinden. Denn auch die dem Ei eben entschlüpften Jungen unseres gewöhnlichen Flusskrebses, die den Ver- folgungen von Fischen in hohem Grade ' ausgesetzt sind, entziehen sich den Blicken ihrer Feinde vermöge ihrer glashellen Durchsichtigkeit. Verlassen wir unser Vaterland und begeben uns in fremde Erdtheile, so häufen sich die Beispiele ins Un- endliche. Im hohen Norden giebt es nur wenige Ge- schöpfe, die nicht die weisse Farbe des Schnees trügen. Eisbären und Eisfüchse, Schneehasen und Schneehühner haben ja ihre Namen davon erhalten. Löwe, Antilope und Kameel, die Hornviper und fast alle sonstigen Be- wohner der Wüste tragen auch das fahle Kleid ihres Wohnorts. Aber bilden nicht die farbenbunten Geschöpfe der Tropen, die Papageien, Finken, die Prachtkäfer, die herrlichen Schmetterlinge, bilden nicht ebenso die in den glänzendsten Farben schillernden Fische der äquatorialen Meere auffallende Ausnahmen? Ich werde später zum Theil auf sie und auf andere hierher gehörige Fälle zurückkommen, und wir werden dann dafür noch be- sondere Erklärungen finden, vorläufig aber will ich darauf hinweisen, dass diese bunten Thiere mit dem Farben- reichthum und Glanz der tropischen Blüthen, mit dem der herrlichen Seerosen, Seeanemonen, der Corallen, Schwämme und Rothtauge des Meeresgrundes im schönsten Einklang stehen. Selbst das prächtige Fell der grossen Katzen, des Königstigers, des Leoparden, ist aufs tau schendste ihrem Aufenthalt angepasst, denn der Tiger ist ein Junglethier, die Streifen seines Kleides gleichen den Bambusstengeln, alle seine grossen Verwandten, mit Ausnahme der Löwen, sind hingegen Baumthierc, und die Augen und Flecken ihrer Haut täuschen das Blatt- werk vor. Viel merkwürdiger wird die Erscheinung der Schutz- färbung dann, wenn sie sich nach der Jahreszeit oder nach anderen äusseren Umständen abändert. Von einheimischen Thieren ist in dieser Hinsicht das Hermelin das be- kannteste, welches im Sommer stein- und erdfarbig, im Winter, mit Ausnahme der Schwanzspitze, schneeweiss wird. Wahrscheinlich beruht diese Umfärbung auch bei ihm auf einem einfachen Verbleichen der Haare, sicher ist dies so bei dem Eisfuchs und dein Schneehasen. Von letzterem giebt es zwei Varietäten oder, nach anderen Forschern, Arten, wovon die eine, die im höchsten Norden lebt, das ganze Jahr hindurch rein weiss bleibt, während der Alpenschneehase im Sommer einfarbig grau- braun wird. Ganz ähnlich verhält sich das Schneehuhn, welches ebenfalls in den Polarregionen und auf den Alpen vorkommt. Im Winter, mit Ausnahme der schwarzen, lichtgesäumten Steuerfedern, blendend weiss, wiederholt das Sommerkleid auf den arktischen Tundren in der Zeichnung den Flechtenboden so täuschend, dass man durch eine ganze Herde hindurchgehen kann, ohne sie gewahr zu werden; auf den Schweizer Alpen aber ist es nach der Jahreszeit so verschieden, dass man sagen kann, seine Färbung sei in jedem Monat verändert. Die Ringel- natter des sumpfigen Wiesenterrains ist vorherrschend grüngrau, die mehr auf trockenem Wiesen- und Wald- boden lebende Spielart mehr oder minder hellbraun und wieder diejenige grosser schlammiger Sümpfe fast ein- farbig schwarz. Die sonst überwiegend graue Mauer- eidechse findet man auf röthlichein Sandboden unten tief ziegelroth, oben röthlichgrau gefärbt, und auf einem erdig- sandigen, mit vielen Scherben röthlicher Thongefässe be- streuten Hügel bei Alexandria fand Eimer den sonst fast eintönig sandfarbigen Rücken des Acanthodactylus Bos- kianus, ebenfalls einer Eidechse, mit kleinen, schwärz- lichen, besonders aber mit vier Reihen leicht kupferrother Flecken von der Farbe jener Thonscherben gezeichnet. Ich könnte die Zahl dieser eigentümlichen Fälle mit Leichtigkeit um viele vermehren, will aber statt dessen lieber auf einige noch sonderbarere Vorkommnisse ein- gehen, die eine freilich nur auf sie allein passeude Er- klärung gefunden haben. Der hellgrüne, auf hellgrünem Blatt sitzende Laubfrosch wird dunkelbraun, wenn man Nr. 47. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 571 und glienzei ihn in dunkle Umgebung; bringt. Bei geblendeten Laub- fröschen tritt aber eine solche Unifärbung nicht ein, und es hat sich feststellen lassen, dass seine Fähigkeit, die Hautfarbe der Umgebung entsprechend abzuändern, auf einem verwickelten Reflexmechanismus beruht. Gewisse Farbzellen der Haut stehen nämlich mit Nerven in Ver- bindung, welche aus dem Gehirn des Thieres kommen dort durch Vcrmittelung von Gan- len mit den nervösen Centreu des Sehorgans in der Weise zusammen- hängen, dass starkes Licht, welches die Netzhaut des Auges trifft, mittelbar eine Zusammenziehung der dunklen Zellen veranlasst. Hört der starke Lichtreiz auf, so dehnen sich die Farbstotfzellen wieder aus und bedingen dadurch eine dunklere Hautfärbung. Ganz ähnlieh ver- hält es sieh mit dem viel beschrieenen Chamäleon. Die landläufige Vorstellung freilieh, dass dieses Thier sein Aussehen unbedingt der Umgebung anpasse und dementsprechend im Stande wäre, jede beliebige Färbung anzunehmen, ist unrichtig. Aber allerdings kommen in seiner gewöhnlich grünen Farbe die Uebergänge vor von Orange durch Gelbgrün bis Blaugrün und die Schattirungen und Uebergänge jeder dieser Farben durch Grau oder Graubraun in Schwarz, Weiss, Fleischfarben, Kostbraun, Veilchenblau und Blaugrau und ausserdem noch Schillerfarben. Alle diese Veränderungen aber geschehen mit einer gewissen Regelmässigkeit und siud, wie beim Laubfrosch, Reflexerscheinungen, wobei Licht, Wärme und Feuchtigkeit, ausserdem aber Aeusseruugen des Gemeingefühls oder Ge- müthsbewegungen, Hunger, Durst, Ruhe- bedürfniss, Sättigung, Zorn, Angst u. s. w., Lagenveränderungen zweier Schichten ver- schiedenartiger Farbstoffzellen hervorbringen. der noch mit einer An- Ganz dieselben Ursachen rufen auch die Far benspiele der Kopffüsser unter den Wcich- thieren hervor, von denen der sogenannte Tintenfisch bekannteste ist. Hier also haben wir es kaum passung an die Oertlichkeit zu thun, während diese beim Laub- frosch noch sehr deutlich ist. Umsomehr bei den nun zu besprechenden Vorkommnissen, welche insofern auffallender als die bisher aufgeführten sind, als es sich um Modifikationen nicht nur der Farbe, sondern gleichzeitig der Gestalt handelt. Unter den Wirbelthieren freilich kommen solche Anpassungen nur verhält- nissmässig selten vor. Zu ihnen gehört der mit dem bekannten Seepferdchen verwandte, rothe australische Fetzenfisch (Phyllopteryx eques, Fig. 1), dessen bandartige Anhänge wie Fetzen eines Kleides von allen Seiten des Körpers herab- hängen. Das Thier hält sieh zwischen rothem Seetang auf und muss dort, ruhig sitzend, ganz unsichtbar sein. Es ge- hören hierhin ferner die grünen Pfeifenfische (Fistularia), die sich mit ihren Greifschwänzen an irgend welchen Gegenständen auf dem Boden festhalten, mit dem Strom umherflottiren und genau wie einfache cylindrische Algen aussehen. In der Insectenwelt jedoch ist das Princip der An- Raupe des Birkenspanners, Am- phidasis betularia. Nach Brehm VB der natürl. Grösse. passung der Thierc an die Umgebung am vollständigsten und schlagendsten durchgeführt. Welcher Schmetterlings- und Raupenjäger, dessen Auge für seine Lieblinge durch viele Uebung doch besonders geschärft ist, wäre nicht schon achtlos an vielen Raupen, insbesondere von Spannern vorbeigegangen, die ganz offen auf den Aesten der Bäume und Sträucher sitzen, aber, nur mit den Afterfüssen ihrer letzten Hinterleibs- ringe festgehalten, in Farbe, Form und Stellung einem dürren oder auch einem grünen Aestchen aufs täuschendste gleichen '? Vornehmlich ist hier der Birkenspanner (Amphidasys betularia, Fig. 2) zu nennen, der ausser auf dem Baum, dessen Namen er trägt, auf Ebereschen und andern Laubhölzern, liest mders auch auf der Eiche, lebt und je nach der Futterpflanze grünlichgrau, bräunlich oder gelblich ist. Welchem Käferfreunde sind nicht auch schon viele seiner Jagdthiere entgangen, weil sie, wie manche Blattkäfer, als glitzernde Thautropfen auf den Blättern sitzen oder, wie kleine Rüsselkäfer, sich Beinen und Fühlern beim Herannahen ovale Klumpen auf den Boden fallen lassen, wo man die bewegungslosen zwischen den ähnlich gefärbten Steinen und Erdklümpchen ver- geblich sucht? Wieder andere gleichen in ihrer rissigen, grauen, braunen oder ge- scheckten Oberfläche den Borkenschuppen, zwischen denen sie sitzen, und der englische Reisende Bates erwähnt einen kleinen Käfer (Chlamys resp. Carcinobius pilula), der für das Auge von Raupenkot ununter- scheidbar ist. Alle diese Vorkommnisse aber werden in den Schatten gestellt von den Gestalten gewisser Heuschrecken und Schmetterlinge, die vorzugsweise die Tropen bewohnen. Die Abtheilung der Phasmiden oder Ge- eeken ist in Europa nur durch wenige Fig. 1. Fetzerjfisch, Phyllopteryx etmes. Nach Brehm V3 der natürl. Grüsse. mit eingezogenen eines Feindes als spenstheuschr* Arten vertreten. Viele scheinen aber unter entbehren der Flügel, es Gespenstheuschrecke, Phasmide. Borneo. Nach der Natur gezeichnet. '/» der natürlichen Grüsse. er- ihnen stabartige Formen, die von keinem anderen Insect an Leibes- länge auch nur annähernd er- reicht werden. Die javanische, dornfüssige Gespenstheuschrecke (Cyphocrania acauthopus) wird bei 6,5 mm Leibesdurchmesser 215 mm lang, das Weibchen der geöhrten Stabschrecke (Bactria aurita) im Innern Brasiliens, er- reicht bei 3,25 mm Breite gar eine Länge von 246 bis 314 mm, wenn man die vorgestreckten Beine mit misst. Die Phasmi- den nun kann man wandelnde Stock-Insecten nennen, denn ihre ganze Färbung, ihre Form, ihre Rauhigkeit, die Anordnung des Kopfes, der Beine, der enorm langen Fühler sind derartig, dass sie die Tluere mit abgestorbenen Aesten absolut identisch machen. Sie hängen lose an Gebüschen im Walde, deren Blätter sie Nachts verzehren, verbringen den Tag in träger Ruhe und haben die ausserordentliche Gewohnheit, ihre Beine unsymmetrisch und unbeweglich auszustrecken, sodass die Täuschung noch vollständiger wird. Fig. 3. „Eines dieser Geschöpfe", erzählt Alfred Rüssel Wallace, „welches ich selbst auf Borneo erhielt, (Ceroxylus 572 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 47. blattartigen Excrescenzen von hell- bedeckt, so dass es genau einem von einem Kriechmoos oder einer Der Dajak, welcher es es sei, obschon lebend, nur nach einer sehr dass laceratus), war mit olivengrüner Farbe Stocke glich , der Jungermannia überwachsen ist. mir brachte, versicherte mich, doch mit Moos bewachsen, und nauen Untersuchung konnte ich mich überzeugen dem nicht so war." Es giebt indessen auch geflügelte Phasmiden, und — wunderbar — bei ihnen sind es nun wieder die Flügel, welche die täuschendste Aehnlichkeit mit anderen Gegen- ständen angenommen haben. Aeste und Zweige können dies der Form wegen nicht sein. Dagegen bildet nun die merkwürdige ostindische Gattung Phyllium, nicht bloss in Gestalt, Farbe und Aderung ihrer Vorderflügel ein grünes Blatt auf das vollkommenste in allen Einzelheiten ab, sondern auch der Leib und die Beine sind flach aus- gebreitet und blattähnlich, so dass, wenn das lebende Insect zwischen dem Laubwerke, von dem es sich nährt, ruht, die genaueste Beobachtung oft nicht im Stande ist, Thier und Pflanze von einander zu unterscheiden (Fig. 4). Andere süd- amerikanische Laubheuschrecken, Verwandte unseres Heupferdes, ah- men ebenfalls in ihren Flügeln bald frische, bald dürre, bald fleckige Blätter nach. Und doch werden selbst diese Geschöpfe von manchen Schmetter- lingen beinahe noch übertroffen, und einer von ihnen, die Gattung Kaili- ma, Fig. 5, die unserem Schillerfalter nahe steht, hat dadurch eine förm- liche Berühmtheit erlangt. Ueber ihn will ich Wallace, der ihn auf Sumatra beobachtete, selbst reden „Seine obere Seite" sagt lassen. er, „ist reich purpurroth, an ver- schiedenen Stellen aschgrau gefärbt, und quer über die vorderen Flügel geht ein breites, tief orangenes Band, so dass er im Fluge stets auffällt. Diese Art war in trocknem Gehölz und Dickicht nicht ungewöhnlich, aber ich versuchte oft ver- geblich, den Schmetterling zu fangen, denn wenn er eine kurze Strecke geflogen war, schlüpfte er in einen Busch zwischen trockene und todte Blätter, und wie sorgsam ich auch zu der Stelle hinkroch, so konnte ich ihn doch nie ent- decken, bis er plötzlich wieder herausflog und dann an einem ähnlichen Orte wieder verschwand. Endlich aber war ich so glücklich, genau den Fleck zu sehen, wo er sich niederliess, und obgleich ich ihn eine Zeit lang aus dem Auge verlor, so entdeckte ich ihn schliesslich doch dicht Ruhestellunff so sehr Fig. 4. Wandelndes Blatt, Phyllium. Mindanao. Nach der Natur gezeichnet. '/a der natürlichen Grösse. Wir sehen an J8 vor e verlor, so mir: aber er glich in seiner einem todten, an einem Zweige hängenden Blatte, dass man sich selbst dann täuschen musste, wenn man gerade daraufhinsah. Ich fing verschiedene fliegende Exemplare, und war so im Stande, zu beobachten, wie diese wunder- bare Aehnlichkeit hervorgerufen wird." „Das Ende der oberen Flügel geht in eine feine Spitze aus, gerade so wie die Blätter vieler tropischen Stauden und Bäume enden, während die unteren Schwingen stumpfer sind und sich in einen kurzen, dicken Ausläufer ausziehen. Zwischen diesen zwei Punkten läuft eine dunkele, gebogene Linie, welche genau der Mittelrippe eines Blattes gleicht, und von ihr strahlen nach jeder Seite hin einige schräge Striche aus, welche sehr gut die Seitenrippen nachahmen. Diese Striche sind an dem äusseren Theil der Basis der Flügel und an der inneren Seite gegen die Mitte und die Spitze hin deutlicher zu sehen "und werden durch Streifen und Zeichnungen hervor- gerufen, welche bei verwandten Arten sehr gewöhnlich sind, sich aber hier modificirt und verstärkt haben, so dass sie genauer die Nervatur eines Blattes nachahmen. Die Färbung der Unterseite variirt viel, aber stets hat sie eine aschbraune oder röthliche Farbe, welche mit der von trockenen Blättern übereinstimmt. Die Gewohnheit dieser Art ist nun die, stets auf einem Zweige zwischen todten und trockenen Blättern zu sitzen, und in dieser Stellung, mit den Flügeln dicht an einander, gleichen sie genau einem massig grossen, leicht gebogenen oder ge- runzelten Blatt. Die Enden der Hinterflügel bilden einen vollkommenen Stiel und berühren den Zweig, während das Insect .uif dem mittleren Beinpaare sitzt, das zwischen den umgebenden Zweigen und Fasern nicht beachtet wird. Kopf und Fühler sind zwischen die Flügel zurückgezogen, so dass sie ganz verborgen liegen, und gerade an der Flügelbasis ist ein Ausschnitt, in welchen der Kopf zurück- gezogen werden kann. Alle diese verschiedenen Einzel- heiten zusammen rufen eine Mas- kirung hervor, die so vollständig und wunderbar ist, dass sie jeden in Erstaunen setzt, der sie beobachtet; und die Gewohnheiten der Insecten sind derart, dass sie aus diesen Eigenthümlichkeiten Nutzen ziehen, und dass sie ihnen so sehr zum Vortheil gereichen, dass jeder Zwei- fel über den Zweck dieses sonder- baren Falles von Nachahmung schwindet, ein Zweck, der ebenso zweifellos in einem Schutz für das Insect zu suchen ist. Sein starker und schneller Flug genügt, um es im Fliegen vor seinen Feinden zu schützen, allein wenn es ebenso in die Augen fallend beim Stillsitzen wäre, so würde es bald ausgerot- tet sein, da ja insectenfiessende Vögel und Reptilien in tropischen Wäldern sehr zahlreich vorkommen." Soweit Wallace. diesem, wie auch schon an früher erwähnten Fällen, dass eben die Gewohnheiten der Thiere der Natur ihrer Schutzmittel genau entsprechen und um- gekehrt. Von diesem Gesichtspunkte aus ist auch die Vertheilung der Farbe bei Tag- und Nachtfaltern sehr lehr- reich. Erstere haben alle ihre brillanten Farben auf der Oberseite aller vier Flügel, während die andere Seite fast immer einfach und oft sehr dunkel gefärbt ist. Die Nachtfalter haben hingegen ihre Hauptfarbe auf den Hinterflügeln allein, und die oberen Flügel besitzen dunkle, einfache Farben. Das macht, sie sitzen in der Ruhe mit dachförmiger Flügellage, die Hinterflügel werden von den vorderen völlig bedeckt und diese haben wieder so täuschende Aehnlichkeit mit anderen Dingen, dass z. B. das sonst so auffällige rothe Ordensband, an der Baum- rinde sitzend, kaum entdeckt wird. Die Tagschmetterlinge hingegen schlagen in der Ruhe die nach oben gehaltenen Flügel zusammen und verdecken dadurch den gefähr- lichen Glanz der Oberseite. Es giebt jedoch unter ihnen einige wenige Arten, die die Flügel im Sitzen ausbreiten, und hier ist dann gerade die für gewöhnlich unsichtbare Unterseite die lebhafter gefärbte. Die Betrachtung solcher Gewohnheiten wird uns nun nach und nach zu einer anderen Klasse von Nach- ahmungen führen, deren wichtigste und interessanteste Fälle zuerst von dem „Naturforscher am Amazonenstrom", Nr. 47 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 573 und mit dem Namen worden sind. Vorkommnissen aus belegt dem Engländer Bates, aufgeklärt „Mimicry", deutsch „Nachäffung", Ich beginne auch hier mit einigen unserer Heimath. Die aus dem Ei ausschlüpfenden Räupchen des be- kannten Weinvogels (Sphinx elpenor) kleiden sicli ein- fach grün, was bei ihrer Kleinheit, um nicht aufzufallen, auch vollkommen ausreicht. Nach der ersten Häutung zeigt sich beiderseits des Rückens band, wodurch die schon grössere Raupe einem durch Stengel unterbrochenen Blatt- complex ähnlich wird. Beim weiteren Haut Wechsel schwin- den diese Bänder wieder, und aus ihren Ueberresteu ent- stehen auf dem vierten und fünften Leibesringel die aus einem dunklen Kern und einem irisartigen Kopfe ge- bildeten „Augen". Wenn man die Raupen in diesem Stadium reizt, so ziehen sie die drei engen Brustringe in das erweiterte vierte Segment zurück, das eben die auffäl- ligen Flecke hat, und nun, indem sich der Vorderleib zugleich sphinxartig erhebt, dem Thiere das Aussehen eines mit zwei feurigen Augen versehenen Ungeheu- ers verleiht. Dass dadurch feindliche Geschöpfe abge- schreckt werden, ist keines- wegs eine blosse Vermuthung. Professor Weismann legte ein weisses Läm eine solche Raupe in einen Hühnertrog. Ein Huhn lief auch eiligst auf sie zu, zog aber sofort den schon zum Schnabelhieb ausholenden Kopf zurück, sobald es die Fig. 5. Kalliuia Inachis. Ostindien. Links fliegend von der Oberseite, 'rechts am Zweige sitzend an der Unterseite. Nach der Natur gezeichnet. l/a der natürlichen Grösse. Raupe in der Nähe erst recht ansah. Aehnliche Schreckgestalten sind die abgebildeten Raupen (Fig. 6) von Harpyia vinula vom Buchenspinner (Stauropus fagi.) Allgemeiner kannt dürften die Gewohnheiten des Vogels „Wendehals" (Lynx torquilla) sein. „In der Angst, z. B. wenn er gefangen ist und man mit der Hand zugreifen will", sagt der grosse Vogelkundige Naumann, „macht er so sonderbare Grimassen, dass ein Unkundiger darüber, wenn nicht erschrecken, so doch erstaunen muss. Mit aufgesträubten Kopffedern und und be- halb geschlossenen Augen dehnt er den Hals zu besonderer Länge und dreht ihn wie eine Sehlange ganz langsam, so dass der Kopf währenddem mehrmals im Kreise umhergeht und der Schnabel dabei bald rückwärts, bald vorwärts steht." Dabei zischt wenigstens das auf dem Nest sitzende Weib- chen auch wie eine Schlange, und es unterliegt keinem Zweifel, dass der Wendehals durch die Nachahmung der Schlange, die den meisten Thieren furchtbar ist, seine Feinde oder Angreifer zu schrecken sucht. Wirklich hat man beob- achtet, dass ein Hund den geschickten Schauspieler nur anbellte, aber nicht anrührte. Nun, diese Gewohnheiten stehen ja offenbar mit dem Sträuben der Haare und Federn Fig. 6. a. Raupe des Buchenspinners. Stauropus fagi. b. Gabelschwanz-Raupe, Harpyia vinula. — Nach Brelun. '/. der nat. Gr. bei anderen Thieren auf einer Stufe, Bewegungen, die. auch zum Tlicil nur dazu dienen, das betreffende Thier grösser erscheinen zu lassen und dadurch seine Angreifer zu erschrecken. Wir sehen aber an diesem Falle, bis zu welcher hohen Vollkommenheit dergleichen Gewohnheiten ausgebildet werden können. Immerhin unterscheidet sieb das Gebabren des Wendehalses von dem der Weinvogel raupe dadurch, dass ihm nicht in dein Maasse wie dieser schreckende Farben zur Hülfe kommen. Solche sind es aber wieder allein, die besonders die Männchen und die älteren Weibchen unseres Kuckucks schützen, die selbst schwach und wehrlos, in ihrem Gefieder dem gefähr- lichen Sperber gleichen. Alle diese Erscheinungen haben das gemeinsam, dass ein harm- loses Geschöpf einem ge- fürchteten ähnlich und da- durch geschützt wird. Aber auch der umgekehrte Fall kommt vor. In der Nähe von Rio de Janeiro findet sich ein insectenfressender Falke (Harpagus diodon), und den- selben District bewohnt ein vogelfressender (Accipiter pileatus), der jenem genau ähnelt. Der bemerkenswerthe Umstand, der nämlich, woran man erkennt, dass hier das gefährliche Thier das harmlose nachahmt und nicht etwa umgekehrt, ist wie auch sonst der, dass das nach- geahmte, hier also der un- gefährliehe Vogel, eine viel grössere Verbreitung hat als der andere, und dass in jenen Gegenden, wo die insecten- f'ressende Art nicht gefunden wird, die vogelfressende ihr auch nicht mehr ähnelt. Was kann es nun aber für einen Nutzen für das ge- fürchtete Thier haben, das Kleid eines harmlosen oder die Farbe der Umgebung anzunehmen, wie es das eben erwähnte und die leicht zu vermehrenden Beispiele vom Eisbären und Polarfuchs, vom Löwen und Tiger zeigten, die doch alle eben durch ihre Gefährlichkeit selbst, schon hinreichend geschützt erscheinen? ( »ffenbar den, dass die nachstellenden Thiere ihre Beute durch ihre Gegenwart oder ihr Nahen nicht aufmerksam machen dürfen, weil sie sonst bald selbst Hungers sterben würden. Allerdings erstrecken sich die geschilderten Schutzmittel in noch weiterer Verbreitung auf solche Ge- schöpfe, die, an sich wehrlos, nicht durch Schnelligkeit ihrer Bewegungen entfliehen können. Nichtsdestoweniger linden wir eigentliche Raubthiere stets viel mehr geschützt als solche, die zwar nichl oder wenigstens nicht für gewöhnlich selbst angreifen, wohl aber irgend eine Verteidigungswaffe besitzen. die sie ihren Feinden unangreifbar oder selbst furcht- bar macht. Eine Menge von Thieren ist ja so auffällig, dass man ihren Körpereigensehaften eine schützende Bedeutung kaum einräumen kann. Gestalt und Farbe der Thiere dürfen auch keineswegs aus der Notwendig- keit des Schutzes allein erklärt werden, es spielt bei 574 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 47. ihrer Ausbildung vielmehr noch ein anderes Princip eine nicht zu unterschätzende Rolle, nämlich das der geschlechtlichen Zuchtwahl. Die Körpermerkmale dienen ja den Thieren auch zur gegenseitigen Erkennung, die um so mehr erleichtert wird, je auffallender jene sind, sie müssen aber zum Theil auch als Waffen und Zier- rathe aufgefasst werden, die besonders bei den Männ- ehen auftreten und diesen, je hervorstechender sie sind, um so mehr Vortheile in dem Concurrenzkampf um die Weibchen gewähren. Als Beispiele von Wirbelthieren, die auf den Schutz der Farben verzichten und durch sie sogar mehr oder minder auffällig werden, nenne ich zunächst die Schild- kröten, welche durch die oft sehr hervorstechenden Farben ihrer Schale nicht beeinträchtigt werden, weil gerade diese Schale ihnen einen meist sehr wirksamen Schutz verleiht. Wenn unser Feuersalamander nach einem Regen über den Weg kriecht, so kann man sich kaum ein auf- fälligeres und bei seiner Nacktheit, Weichheit und Un- behülflichkeit wehrloseres Tliicr denken. Trotzdem wird es kaum von irgend einem anderen Geschöpf angerührt, denn es hat eine wirksame Waffe in seinen Hautdrüsen, die es willkürlich und oft auf Fussweite spritzend entleeren kann, was es in der Angst auch regelmässig thut. Die Ab- sonderungen dieser Drüsen nun rufen auf den Schleimhäuten anderer Thiere nicht bloss ein heftiges Brennen hervor, sondern sie wirken, in den Magen ge- bracht, direct giftig, so dass Eidechsen, die man zwang, Salamander zu beissen, von Krämpfen befallen wurden und star- ben, Vögel, denen man grössere Mengen des Drüsensaftes eingab, ebenfalls unter Krämpfen verendeten. Hunde, Puter und Hühner freilich, die man zerstückte Sa- lamander fressen Hess, verdauten sie ohne Schaden, obgleich es zuweilen vor- kam, dass Hunde sich danach erbrachen. Aber kein Thier wird einen Salamander beissen, wenn das ausgespritzte Gift häute berührt hat, kein Thier, nachdem es diese Er- fahrung einmal gemacht hat, einen zweiten Angriff auf einen Salamander unternehmen. alle einen widerlichen Geruch, der dickleibige, stahl- glänzendc Mai wurm oder Oelkäfer sondert bei der ge- ringsten Berührung aus allen Gelenken einen ekelhaften, gelben, öligen Saft ab, die grellfarbigen Bärenraupen werden ihrer Behaarung wegen bekanntlich von allen Vögeln, mit Ausnahme des Kuckucks, verschmäht. Dennoch bleibt noch eine Menge von Insecten übrig, die sehr in die Augen stechen und bei denen man zu- nächst völlige Schutzlosigkeit anzunehmen geneigt ist. Eine grosse Zahl von Schmetterlingen ist prächtig gefärbt. In erster Linie trifft dies die Papilios, zu denen unser Schwalbenschwanz und Segelfalter gehören. Wallace macht nun darauf aufmerksam, dass manche dieser trag fliegenden Schmetterlinge oft mit durchlöcherten oder zerbrochenen Flügeln eingefangen werden, als wenn sie von Vögeln, denen sie wieder entkamen, ergriffen worden wären, und er weist darauf hin, dass das Insect, wenn seine Flügel im Verhältniss zum Körper kleiner wären, wahrscheinlich den Tod oder eine Verletzung an einem lebenswichtigen Theile erlitten haben würde. Demnach hätte hier die Vergrösseruug der Flügel direct vorteil- haft gewirkt. Sesia apiformis bifasciatum. d. Tropidosoraa Spencii. e. Lo phonocerus hirticornis. f. Pionia lycoi'des Vi der natürl. Grösse. überhaupt an- seine Schleim- In ganz derselben Lage befinden sich unter den niederen Wesen die prachtvollen Seerosen, Seeanemonen und Seenelken, die wir in den Aquarien bewundern und die den Meeresgrund zu einem Garten machen, welcher tropischen Blumengefilden an Schönheit nicht nachsteht. Auch sie besitzen in ihren Nesselorganen Waffen, die so gefürchtet sind, dass sie sich nicht nur selbst damit schützen, sondern dass andere Thiere sie als Schutz- wachen in ihren Dienst nehmen und Einsiedlerkrebse sie geradezu auf ihr Wohngehäuse locken. Die hervor- ragendsten Beispiele liefern aber wieder die Insecten. Die stachelbewehrten Hymenopteren, die Wespen, Bienen, Hornissen, sind in der Regel sehr auffallende brillante Insecten, und kein einziges Beispiel ist bekannt, wo eines von ihnen so gefärbt wäre, dass es einer Pflanze oder einem leblosen Gegenstände gliche. Die nicht stechenden Goldwespen halten die Fähigkeit, sich zu einem Ball zu- sammenzurollen, der fast so hart und glänzend ist, als bestände er wirklich aus Metall, und sie sind alle mit den prächtigsten Farben geschmückt. Die oft sehr augen- fälligen Wanzen senden einen starken Duft aus. die Marien- käfer sind hell gefleckt, als ob sie gerade die Aufmerksam- keit erregen wollten, aber sie können ebenso wie der Salamander unangenehme Flüssigkeiten ausspritzen. Die Laufkäfer mit ihren glitzernden Panzern besitzen fast So seltsam diese Annahme klingt, so ist ihre Richtigkeit doch experimentell be- wiesen worden. Ein Exemplar des zu den Eulen gehörigen Falters Triphaena pronuba, welches man in eine Voliere gebracht hatte, wurde von den Vögeln erst nach etwa 50 Fehlversuchen er- griffen, weil die Vögel immer nach den grell-ockerfarbigen Hinterflügeln haschten, die demgemäss zerhackt wurden. Immerhin wäre dies ein sehr küm- merliches Schutzmittel, insofern die Le- bensrettung mit einer nicht unbeträcht- lichen Verletzung erkauft wurde, und a ausserdem passt diese Erklärung nicht auf kleinflügelige Geschöpfe, auf die be- kannten „Blutstropfen" z. B., und unter den Spannern auf den Harlekin (Abraxas grossulariata), der bei Tage sorglos und offen dasitzt und selbst, wenn er bei einbrechender Dunkelheit seine taumelnden Umflüge hält, durch die hellen und bunten Farben leicht sichtbar wird. Fast ganz dieselbe Bema- lung wie er, in weiss, gelb und schwarz, trägt auch seine fast kahle Raupe, der das Stachelbeerlaub, auf dem sie lebt, auch keinen Schutz zu gewähren vermag. Solche Fälle von Raupen sind nicht selten, und auch der mehrmals genannte Reisende Bates theilte Darwin als ein Beispiel hierfür mit, dass die VoluceUa. er je ge- vorbeifliegenden .an Mr. Wal am auffallendsten gefärbte Larve, welche sehen habe, die eines Dämmerungsfalters (Sphinx), auf den grünen Blättern eines Baumes in den offenen Llanos von Südamerika lebe. „Sie war ungefähr 12 cm lang, quer schwarz und gelb gebändert und hatte Kopf, Beine und Schwanz hellroth. Sie fiel daher jedem vor- übergehenden Menschen in einer Entfernung von vielen Metern und ohne Zweifel auch jedem Vogel auf." „Ich wandte mich nun", sagt Darwin, lace, welcher ein angeborenes Genie hat, Schwierigkeiten zu lösen. — Nach mehreren vergleichenden Betrachtungen hielt es Mr. Wallace für wahrscheinlich, dass auffallend gefärbte Raupen dadurch geschützt seien, dass sie einen ekelhaften Geschmack hätten. Da aber ihre Haut äusserst zart ist und da ihre Eingeweide leicht aus der Wunde hervorquellen, so würde ein unbedeutendes Picken mit dem Schnabel eines Vogels für sie ebenso widerwärtig sein, als wenn sie gefressen worden wäre. Widriger Geschmack allein würde daher die Raupe nicht genügend schützen, Nr. 47. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 515 Danais chrysippus. afrika. Nach der Natur gez. nat. Gr. wenn nicht irgend ein äusseres Zeichen dem Thiere, welches sie fressen will, anzeigte, dass die vorgebliche Beute ein ekelhafter Bissen ist. Unter diesen umständen wird es in hohem Grade vortheilhaft für eine Raupe sein, augenblicklich und mit Sicherheit von allen Vögeln und anderen Thicren als ungeniessbar erkannt zu werden. »Somit werden die prächtigsten Farben von Nutzen sein.1' Diese Hypothese, die also auch die hervor- stechenden Farben des Feuersalamanders und der stachelbewehrten Insecten gleichsam als Warnungsfarben erklärt, scheint wohl auf den ersten Blick etwas gewagt, aber auch hier hat die experimentelle Prüfung durch mehrere Forscher ihre volle Richtigkeit erwiesen. Darwin macht den hübschen Vergleich, dass die betreffenden Thiere nach dem nämlichen Grundsatze gefärbt seien, nach dein die Apo- theker gewisse Gifte zum besten der Menschheit in auffallend gefärbten Flaschen oder wenigstens unter auffallender, mit Totenkopf und Gebeinen gekenn- zeichneter Etikette verkaufen. Während alle grün oder dunkel gefärbten Raupen begierig gefressen werden, werden z. B. der schon er- wähnte Harlekin und seine Raupe von zahlreichen Vögeln, von Eidechsen, Fröschen und Spinnen nicht angerührt, oder. zufällig ergriffen, mit Widerwillen wieder fortgeworfen. Sie müssen also ebenfalls einen widrigen Ge schmack besitzen, und so ist es auch mit vielen prächtig kolorirten und glänzenden Tagfaltern. Das merkwürdigste ist nun, dass namentlich Insecten, die durch ihren Stachel, ihre Drüsenabsonde- rnngen, ihren Duft oder Geschmack geschützt sind, gerade in derselben Weise, aber meist noch viel vollkommener von anderen völlig unschuldigen in Farbe und Form nachgeahmt werden, wie ich dies früher für Kuckuk und Sperber und besonders für leblose oder für Gegenstände aus dem Pflanzenreiche angegeben habe. Schon in unserer Heimath ist dies nicht selten, und die bekanntesten Beispiele dafür dürften wohl die jedem Schmetterlings- sammler vertrauten Sesieu sein, jene Glas- flügler, bei denen die für die Falter sonst so charakteristischen, schuppenförinigen Haare auf den Flügeln bis auf wenige Reste verschwunden sind, und deren Art- namen apiformis, bombieiformis, speeiformis u. s. w. schon auf ihre Aehnlichkeit mit stachelbewehrten Bienen und Grabwespen hindeuten. Dergleichen Nachahmungen sind verbreiteter, als man wohl für gewöhnlich annimmt. Schlupfwespen, Wespen und Hummeln werden besonders von harmlosen Fliegen häutig und aufs täuschendste kopirt, und die Arten der Fliegengattung Volucella ziehen von ihrer Bienenähnlichkeit den Nutzen, dass sie in die Nester der Bienen gehen und ihre Eier dort ablegen, so dass ihre Larven sich von denen der Bienen nähren können. Ein südbrasilianischer, ungeniessbarer Weichkäfer (Calop- teron bifasciatum) wird einmal von zwei anderen Käfern (Tropidosoma Spencii und Lophonocerus hirticornis) nach- geahmt, die sogar die Gewohnheit angenommen haben, wie jener mit ausgespreizten und abwechselnd gehobenen und gesenkten Flügeldecken umherzulaufen, ausserdem aber auch von einer Motte (Pionia lycoides), und doch kann man sich kaum Insecten denken, die ihrer Organi- Nord- :7* der Fig. 10. Amauris niavia. Sierra Leone, Nach der Natur gez. sation nach so verschieden wären wie eben Käfer und Schmetterlinge (Fig. 7). Ueberhaupt sind es wieder dieTro- peu, wo solche Fälle von Mimicrj zuerst entdeckt, aber auch um alleraugcnfälligsten sind. Ich berichte wieder unter Anlehnung' an Wallace. Es giebt in Südamerika eine ausgedehnte Familie von Tagfaltern, die Heliconidae, die sein- auffällig gefärbt sind, sein- langsam und schwach fliegen und so zahlreich in den Wäldern vor kommen, dass man sie häutiger als irgend welche anderen Schmetterlinge sieht. Nach Sonnenuntergang hängen sie an den Enden der Zweige und Blätter, vollständig den Angriffen der Vögel ausgesetzt. Sie besitzen jedoch einen stark stechenden, halb aromatischen oder niedi- einartigen Geruch, der alle Flüssigkeiten ihres Körpers zu durchziehen scheint. Infolgedessen werden sie von den Vögeln gemieden, und, wäh- rend die Flügel anderer, verzehrter Insecten oft auf dem Boden gefunden werden, trifft man nie solche von Heliconiden an. Diese Thiere nun werden von einer anderen, ihnen fernstehenden und mit unseren Kohlweisslingen verwandten Gruppe von geruch und ge- schmacklosen Faltern, den Leptaliden, bis zu einem wunderbaren Grade in Form und Färbung nachgeahmt. Jedes Band, jeder Fleck, jede Farbentinte und die verschiedenen Arten von Durchsichtigkeit, aber auch die einzelnen Theile des Rumpfes werden genau wiederge- geben. Sie besitzen auch die- selben Gewohnheiten und dieselbe Flugart, und da sie im Vergleich mit den Heliconiden immer nur spärlich, im Verhältniss etwa von 1 : 1000 vorkommen, so werden sie von ihren Verfolgern nicht herausgefunden. Ebenso werden die Heliconiden aber auch von ganz anderen Sehmetterlingsfamilieu, den Ery- ciniden, und einigen Gattungen von Tagmotten kopirt. In ganz ähnlicher Weise werden die übelschmeckenden Danaiden von Papilios, Elymnias- und Hypolimnas -Arten, die Amauris niavia von einer anderen Hvpolymnas und von Papilio merope nach- geahmt (Fig 8, 9, 10, 11). Da die Insecten sich nur einmal in ihrem Leben paaren, ist die längere Exi- stenz des Männchens in vielen Fällen für die Erhaltung der Rasse unnöthig. Das Weibchen aber muss lange genug leben, um die Eier an einen Platz niederzulegen, der für die Entwickelung der Brut passend ist. Daraus entspringt wieder ein bedeutender Unterschied in Bezug auf das Schutzbedürf- niss bei beiden Geschlechtern, und wir müssen daher erwarten, dass in einigen Fällen der speeielle Schutz, der bei dem Weibchen gefunden wird, bei dem Männchen in geringerem Grade vorhanden ist oder ganz fehlt. Die That- saehen entsprechen dieser Erwartung vollkommen. Bei den Gespenstheuschrecken gleichen oft nur die Weibehen in so auffallender Weise den Blättern, während die Männchen nur eine rohe Aimälrefung aufweisen. So ist es z. B. bei dem erwähnten „wandelnden Blatt". Die Männchen von Hypo limnas misippus und Elymnias undularis sind sehr schöne und auffallende Schmetterlinge ohne Zeichen einer schützenden und nachahmenden Färbung, die Weibehen aber sind ihnen völlig ungleich und sie eben kopiren die gemiedene Danais chrysippus mit der grössten Genauig- keit. Am allerauffälligsten ist die gleiche Erscheinung der Papilio merope, wo das Männcheu die Gestalt unseres Fig. 9. a. Männchen, b. Weibehen von Hypolimnas misippus. Nordafrika. Nach der Natur gez. */a der nat. Gr. '/? der nat. Gr. 576 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 47. Schwalbenschwanzes besitzt und gelbliehweisse Flügel mit schwarzen Rändern und Flecken tragt, das Weibchen hin- gegen grösstentbeils schwarz mit mattbläulichen, wenig beschuppten Flecken ist und keine Spur von den Flügel- schwänzen zeigt. In diesen Fällen hat es den Forschern Mühe genug gekostet, die Znsammengehörigkeit der beiden Geschlechter festzustellen. Gegenüber allen diesen wunderbaren Erscheinungen drängt sich uns natürlich die Frage auf: wie war es möglich, dass derartige Anpassungen überhaupt zu Stande kamen? Die Ansieht, dass Pflanzen und Thiere in der- jenigen Form von der Natur von vornherein geschaffen wurden, die sie gegenwärtig besitzen, wird beute — man kann es ohne Uebertreibung sagen — von keinem ein- zigen Naturforscher mehr gc- theilt. Sie alle sind von der Wahrheit der Abstammungs- lehre überzeugt. Die That- sache also unterliegt keinem Zweifel, nur über das „wie" gehen die Meinungen noch weit auseinander. Lamarck hatte seiner Zeit alle Aende- rungen aus unmittelbar wir- kenden Ursachen abgeleitet, also z. B. die Vergrösserung, Verstärkung und feinere Aus- bildung eines Organs aus seinem vermehrten Gebrauch, Farben aus der Nahrung, die die Thiere zu sich nehmen, aus dem Klima, in dem sie leben, u. s. w., und Darjwin hat sich ihm bis zu einem gewissen Grade angeschlossen. Wir haben am Laub- frosch und am Chamaeleon gesehen, dass thatsächlich solche unmittelbaren Einwirkungen stattfinden können, aber es ist ebenso sicher, dass diese auf sehr wenige und seltene Fälle beschränkt sind. Die vorsehreitende Forschung hat die Möglichkeit, dass erworbene Eigen- schaften durch Vererbung übertragen werden, nach und nach immer mehr eingeschränkt. Uebcrbleibsel von er- littenen Verletzungen gehen nicht auf die Nachkommen über, die Kinder eines Klaviervirtuosen erben nicht die Kunst des Klavierspicls, und es. dürfte kaum ein Beispiel geben, welches so zwingend die Unübertragbarkeit erwor- bener Charaktere beweise, als die menschliche Sprache. Erst kürzlich sind wieder von Rauber die Thatsachen zu- sammengestellt und verarbeitet worden, welche lehren, dass menschliche Kinder hocheivilisirter Nationen, wenn sie isolirt von Menschen in der Wildniss aufwachsen, Männchen, b. Weibchen von Nach der Natur gezeichnet. keine Spur einer Sprache aufweisen. Die Fähigkeit zu sprechen ist eine erworbene, keine vererbte Eigenschaft, sie vererbt sich nicht, sie vergeht mit ihrem Träger. Es würde mich zu weit führen, wollte ich hier auf die verschiedeneil Hypothesen eingehen, durch die man neuerdings die Entstehung der Variationen und ihre all- mähliche Vervollkommnung dem Verständuiss näher zu rücken versucht. Geringere Schwierigkeiten bietet die Erklärung der Erhaltung der Schutzmittel, und in dieser Hinsicht möchte ich noch einige Andeutungen machen, die den Schlüssel dazu geben. Wilde Kaninchen sind immer von grauer oder brauner Farbe, die wohl geeignet ist, sie zwischen Gras und Farnkräutern zu verbergen. Wenn diese Kaninchen gezüchtet werden, ohne irgend einen Wechsel im Klima oder in der Nahrung zu erleiden, so werfen sie die verschie- denartigsten Jungen, weisse, schwarze und fleckige, und diese Varietäten lassen sich, soweit man will, vervielfälti- gen. Ganz dieselben Varietä- ten werden auch im Zustande der Wildheit gelegentlich her- vorgebracht. Es giebt eben- so gut ab und zu weisse Schwarzdrosseln, Staare und Krähen, wie Elephanten, Ti- ger, Hasen, Maulwürfe und viele andere Thiere. Hier aber entsteht in keinem Falle eine permanent weisse Rasse. Denn abgesehen von arktischen Thieren und vom Wintergewande muss weiss oder irgend eine andere auf- fallende Farbe nachtheilig sein und in den meisten Fällen das Leben der Thiere verkürzen. Die uuzwecktnässig gefärbten Thiere also werden zu Grunde gehen, sie werden bei ihrem kürzeren Leben weniger Gelegenheit zur Fort- pflanzung finden, die zweckmässig gefärbten Varietäten werden hingegen um so länger leben und um so mehr Nachkommenschaft erhalten, je genauer sie ihrem Wohn- ort angepasst sind. Da aber nach der feststehenden Regel der Natur Gleiches Gleiches hervorbringt, so wird sich auch die zweckmässig gefärbte Rasse immer mehr befestigen. In diesen wenigen Sätzen liegt die Quintessenz des schöpferischen Gedankens Darwin's von der Auswahl des Passendsteu, dieses scheinbar so einfachen und doch erst nach so viel vergeblichen Mühen gefundenen Grundsatzes, der in seiner geistreichen Durchführung die Selections- theorie begründet, ihr zum Siege verholten und uns über den Wunderstandpunkt hinweg zu einer kausalen Er- kenntniss im Reiche der Lebewesen geführt hat. Papilio merope. 7a der natürlic Sierra Leone. len Grösse. Beobachtungen und Versuche, betreffend die Reb- laus, Phylloxera vastatiix PI., und deren Bekämpfung. — Unter diesem Titel hat der Rcgierungsiath Dr. J. Mo- ritz in den „Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheits- amte" Bd. VIII, S. 507—577, 1893, eine sehr gründliehe, vnii gewissenhaftester Beobachtung und grossem Scharfsinn zeugende Untersuchung herausgegeben. Sehr schöne, von Herrn Dr. Heise gefertigte photographische Abbildungen gereichen dem Werkchen zur besonderen Zierde. Herr Dr. Moritz beschreibt zahlreiche neue Beobachtungen und berichtigt eine Reihe von Irithümern in Betreff der Lebens- weise der Reblaus und stellt endlich Untersuchungen über deren erfolgreiche Bekämpfung an. Die Studien über die im Boden lebenden Rebläuse wurden in einem Vege- tationskasten vorgenommen, ähnlich dem, welchen die Botaniker zur Messung des Wurzelwachsthums benützen, der aber vom Verfasser sehr praktisch abgeändert wurde. Ueber die geflügelte Reblaus machte er in den Reblaus- herden an der Aar eingehende Beobachtungen. Folgendes sind in Kürze die wichtigsten der gewonnenen Resultate. Etwa 5 Tage nach der ersten, beinahe 10 Minuten dauernden Häutung der tiberwinterten, wurzelbewohnenden Reblaus erfolgt bei mittlerer Temperatur die zweite, etwa 9 Tage später die dritte Häutung. Die Ablage der Eier beginnt ca. 14 Tage nach der ersten Häutung. Es werden täglich etwa 4 Eier, anfangs oft mehr, später weniger und im Ganzen 40 und mehr gelegt. Bei zahlreichen Messungen erschienen einige Eier auf- fallend abgestumpft, also weit rundlicher als die übrigen. Ob diese eine besondere Bedeutung haben, etwa die Nymphen und geflügelten Rebläuse liefern, konnte Verf. noch nicht ermitteln. Die Zeit, welche zwischen der Ab- lage des Eies und dem Ausschlüpfen der jungen Reblaus liegt, ist nach der Temperatur sehr verschieden. Sie Nr. 47. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. bT, betrug bei nieist etwa 14—17° C. während einer Beob- achtung 11 — 13, während einer anderen 14 — 15 Tage, bei niedrigerer Temperatur sogar rund 6 Wochen. Bei 30—35° G. sollen die Eier nach Balbiani aber schon nach 4—5 Tagen aufbrechen. Ausser der Temperatur hat auch die Ernährung wesentlichen Einfluss auf die Schnelligkeit, mit welcher die Generationen einander folgen. Die von jungen Rebläusen befallenen Spitzen junger Wurzeltriebe des Weinstocks fangen nicht selten zu faulen an, bevor vollkommene knotenförmige Anschwellungen (Nodositäten) ausgebildet sind. Die Insectcn verlassen solche faulende Stellen, um sich anderweitig anzusaugen. Aber auch ohne erkennbare Veranlassung wandern sowohl junge wie geschlechtsreife Rebläuse oft von der Stätte ihrer anfänglichen Ansiedlung zu anderen Wurzeltheilen. Sie können sich, im Gegensatz zu Kessler 's Behauptung, auch an älteren Wurzeln festsetzen, selbst wenn die- selben keinerlei krankhafte Erscheinungen zeigen. Die Rebläuse wandern in der Erde nicht nur an den Wurzeln entlang, sondern auch durch die kleinen Hohlräume, welche alle zu Culturen dienenden Bodensarten mit Aus- nahme der reinen Sandböden besitzen. Dabei legen die ausgewachsenen theils an den Wurzeln, theils in den Bodenhöhlungen nach und nach ihre Eier ab, so dass man solche noch in einiger Entfernung von den Wurzeln finden kann. Auch von der Erdoberfläche her vermag das In- sect in den Boden einzudringen und eine Infection zu be- wirken. Der Stillstand in der Entwickelung der über- winternden Reblaus (die Winterruhe) kann schon bei mehr als 10° C. und lange (ca. anderthalb Monate) vor Ein- tritt der Vegetationsruhe bei der Rebe beginnen und unter Umständen über 7 Monate ohne Nahrungsaufnahme und Wachsthum andauern. Das Erwachen fand im Beob- achtungsfall erst Anfang Mai bei 17—19° C. statt. Die von Ende Juni ab entstehenden Individuen mit stummeiförmigen Flügelanlagen (Nymphen) finden sich stets am zahlreichsten an den saftigsten Stelleu der Wurzeln, den Nodositäten. Ihre Entstehung kann also nicht, wie C. Keller annimmt, durch allmähliche Nahrungsentziehung begünstigt werden. Die Nymphen wandern nicht immer aus dem Erdboden hervor, sondern entwickeln sich unter Umständen auch innerhalb desselben zu geflügelten In- sectcn, die in der Erde Eier legen und sterben, ohne je ans Tageslicht gekommen zu sein. Die Eier gelangen zu- weilen schon in der Nymphe zur Entwickelung, werden aber erst von der geflügelten Reblaus abgelegt. Ausser der gewöhnlichen sehr schlanken und orangcgelben be- obachtet man manchmalnoch einezweite kleinere Nymphen- form von hellgelblicher Farbe und breitovaler, der aus- gewachsenen Wurzellaus ähnlicher Gestalt, Die geflügelten Insectcn schwanken auffallend in der Grösse (zwischen 0,82 und 1,60 mm) und legen 1—7, meist 2 — 4 Eier ab. Diese sind ebenfalls von verschiedener Grösse, doch enthält jede geflügelte Reblaus gewöhnlich gleichgrosse Eier. Da nun die grösseren Eier die sich geschlechtlich fortpflan- zenden Weibchen, die kleineren die dazugehörigen Männ- chen liefern, so wären zur Gründung einer neuen Colonic mindestens zwei geflügelte Thiere erforderlich , die überdies ihre Eier nahezu gleichzeitig und auf demselben Rebstock ablegen nnissten. Somit kann die Verbreitung der Infection durch das geflügelte Insect gewöhnlich nur bei schon vorhandener grosser räumlicher Ausdehnung derselben und bei zusammenhängenden Rebenbeständen in der Nachbarschaft des Reblausherdes erfolgen. Bei nassem, kühlem Wetter treten geflügelte Rebläuse nur sehr spärlich auf, weil die Entwicklung- der Nymphen durch die Kälte des Erdbodens erheblich verzögert wird. Die letzte Häutung findet meist nahe unter der Erdober- fläche, selten über der Erde statt. Die geflügelten Reb- läuse erscheinen besonders zwischen 1 und 4 Uhr Nach- mittags. Sie sammeln sich stets an dem Licht besonders ausgeset/.en Stellen. Es gelang nur in zwei Fällen im Zuchtglase eine geflügelte Reblaus an Rebenblättern zu dauernder Ansiedlung zu bringen, nach dem Verf. wohl, weil dieselben dem ihnen innewohnenden Wandertriebe nicht genügen konnten. Diese beiden Insectcn blieben bis über eine Woche auf der Unterseite der Blätter sitzen ohne Eier zu legen. Doch konnten solche in ihrem Körper deutlich gesehen werden. Nach Valerv-Ma jet legen sie nur dann Eier ab, wenn sie 24 Stunden lang Nahrung zu sich genommen haben. Dr. Moritz ist übrigens der erste, welcher in Deutschland eine kleine, durch den Stich einer Reblaus erzeugte Galle an einem Rebenblatt beobachtet hat. Während die wurzelbewohnende Form der Reblaus in trockner Luft nur kurze Zeit ohne Nahrung zu leben vermag (nur ein Exemplar blieb über 20 Stunden lebendig), erhielt sich eine Nymphe in einer etwas feucht ge- haltenen Glaskannner 4 Tage ohne Nahrung am Leben. Geflügelte Rebläuse vermochten -il/2 Tage zu hungern, legten aber keine Eier ab. Reblauseier werden zuweilen in der Erde durch Lipura fimetaria L., ein gleich dem Gletscherfloh zu den Springschwänzen (Poduridae) gehöriges, 2 mm langes In- sect mit verkümmertem Springapparat, angegriffen und verzehrt, Einmal wurde auch ein grosser Theil der von einer Laus gelegten Eier durch einen Schimmelpilz ver- nichtet. Doch hält Verf. die natürlichen Feinde der Reblaus nicht für geeignet, eine wirksame Hilfe im Kampfe gegen letztere zu bieten. Als besonders prak- tische Mittel zur Vernichtung der Reblaus erwiesen sich Ueberbrausen mit Petroleum (1 — 2 1 pro Quadratmeter) und Eingiessen von Schwefelkohlenstoff in 60 cm tiefe Löcher. Weniger energisch wirkte Eingiessen von Lösungen des Kaliumsulfocarbonats in solche Löcher, obwohl auch dieses in genügender Menge angewendet und bei ausreichender Feuchtigkeit des Bodens sämmt- liche Rebläuse und Eier zu tödten vermag. Als Ueber- brausungsmittel ist Kaliumsulfocarbonat unbrauchbar. Ein nach dem Ueberbrausen mit Petroleum eintretender Regen erhöht die Wirkung beträchtlich. Regnet es dagegen vor dem Ueberbrausen oder ist die Bodenoberfläche sehr steinig, so kann die Wirkung des Verfahrens bedeutend beeinträchtigt oder ungleichmässig werden. Auch sind die Reblauseier gegen die Einwirkung des Petroleums (manche Insecteneier auch gegen Schwefelkohlenstoff — Ref.) weit unempfindlicher als die Thiere selbst. Eine Auswanderung der Rebläuse in Folge der Petroleum- behandlung findet nicht statt. Ein wesentlicher Einfluss der Bodenbeschaffenheit, d. h. eines höheren Gehalts des Bodens an Magnesium, Phosphorsäure oder Eisen (auf Stickstoff wurde nicht geprüft), auf die Widerstands- fähigkeit der Reben gegen die Angriffe der Reblaus konnte bei zahlreichen Untersuchungen des Bodens der verschiedensten verseuchten deutschen Weinberge im Gegen- satz zu der Annahme Dej ardin 's nicht nachgewiesen werden. Endlich constatirte Verf. noch die Möglichkeit einer Uebertragung der Reblaus durch die Fussbeklcidung der Arbeiter oder durch die an dem Arbcitsgeräth haf- tende Erde, und hält daher deren Desinfection für be- rechtigt. — Aus den Versuchen des Verf. über die Fähigkeit der Rebläuse, zu hungern, sowie über die Uehertragbar keit der Infection durch das geflügelte Insect kann man, was Verf. allerdings nicht tlmt, eine Verurtheilüng ein- zelner Bestimmungen der internationalen Convention zur Be- kämpfung der Reblaus folgern. Dieses in mancher Beziehung ja äusserst werthvolle und geradezu unentbehrliche Gesetz 578 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 47. hat seit langem die lebhaftesten Klagen der praktischen Gärtner und Blumenfreunde, der Botaniker und theilweise auch der Landwirthe hervorgerufen. In der That seheint es durch die bisherigen Erfahrungen nicht geboten, alle frischen Pflanzensendungen aus dem Auslande, ja, wie Ref. zu seinem Schaden selbst erfahren musste, zuweilen selbst getrocknete, zu Studienzwecken bestimmte Pflanzen, gleichgiltig ob am Einfuhrort Weinbau betrieben wird oder nicht, einer Untersuchung auf Rebläuse zu unterwerfen. Die Reblaus ist bisher noch nie an andern Pflanzen als der Rebe saugend beobachtet worden. Selbst zugegeben, was nach den erwähnten Ver- suchen wenigstens für Berlin und andere Orte ohne im grossen betriebenen Weinbau höchst unwahrscheinlich ist, dass eine Infection durch vielleicht in der Pflanzenerde vorhandene, Reblauseier möglich wäre, was bezweckt die Untersuchung der Pflanzenwurzeln (nicht von Reben) auf Nodositäten? Wäre nicht eine sofortige Desinfection der an den Pflanzen hängenden Erde mit Schwefelkohlen- stoff in verdächtigen Fällen der beste und sicherste Schutz? Das Gesetz schreibt aber ausdrücklich die Unter- suchung vor. Dasselbe lässt sich ja nun leider nicht so schnell ändern, als es entstanden ist. Um so mehr wäre es Sache der Regierung, im Interesse zahlreicher Staats- bürger alle damit verknüpften bureaukratischen Formali- täten nach Möglichkeit zu beseitigen. Zunächst dürften die Zollbeamten, selbst bei trefflichster Vorbildung für ihr schwieriges Amt, zur Zeit kaum competente Bcurtheiler für die Reblausverdächtigkeit einer Sendung abgeben. Daher finden denn auch die seltsamsten Verschiedenheiten bei der Untersuchung durch dieselbe statt, wofür Ref. charakteristische Beispiele beibringen könnte. Welchen Zweck hat sodann das Gesuch an den Reichskanzler um Auslieferung der Sendung, welches der Empfänger stellen muss? Für die gewöhnlich schon halb vertrocknet an- langenden Pflanzen bedeutet diese Formalität meist den sicheren Tod. Es sollte vielmehr jedem Zollamt ein in dieser Beziehung gründlich unterrichteter Beamter bei- gegeben werden, der in verdächtigen Fällen sofort selb- ständig und für den Empfänger kostenlos die Unter- suchung vorzunehmen hätte. Ein 8 — 14tägiger Cursus unter Leitung eines erfahrenen Sachverständigen, den je einer der Zollbeamten jedes Amtes durchzumachen hätte, dürfte nach Ansicht des Ref. vollkommen genügen, diesem die hierfür erforderliche Vorbildung zu geben. Viel Aerger und Unzufriedenheit, viele unnöthige Kosten könnten auf diese Weise einem grossen Kreise von Staatsbürgern er- spart werden. Nachschrift. Soeben sind noch zwei andere Arbeiten über die Reblaus erschienen, deren Inhalt auch für weitere Kreise von grösstem Interesse sein dürfte, und daher hier ebenfalls kurz erwähnt werden möge. 1. Desinfection von Setzreben vermittels Schwefelkohlenstoff zum Zwecke der Verhütung einer Verschleppung der Reblaus von Dr. Moritz und Ritter (47 S., Berlin, Springer's Verlag). Die Ver- fasser verwendeten für ihre Versuche über den Einfluss von Schwefelkohlenstoffdampf auf die Reblaus und die Reben bei normaler und erhöhter Temperatur einen mit Zinkblech ausgekleideten Kasten mit durch Wasserver- schluss luftdicht aufsitzendem Deckel, wie er von Bo- tanikern jetzt vielfach zur Desinfection von Sammlungen benutzt wird. Herr Dr. Moritz hatte schon früher beobachtet und stellte durch neue Versuche sicher, dass der Körpennhalt von todten Rebläusen und Reblauseiern mehr oder weniger geronnen ist, daher beim Zerdrücken der Objecte unter dem Deckgläschen nicht, wie im Leben, in dünnflüssigem Zustande in die umgebende Flüssigkeit ausströmt. Ent- weder tritt der Inhalt nach dem Absterben wegen voll- kommenen Gerinnens nur unter bedeutenderem Druck aus oder die herausgepresste Masse zeigt wenigstens eine compacte, mehr schmalzartige Consistenz, und enthält grössere Fetttropfen. Zahlreiche Versuche ergaben nun, dass bei mindestens 20 — 25° C. : einstündige Kin Wirkung von Schwefelkohlenstoffdanipf auf die ver- seuchten Reben sowohl die Rebläuse wie deren Eier stets sicher tödtet. Weitere Erhöhung der Temperatur steigert zwar die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs noch erheblich, doch sind die beim Oeffnen des Kastens aus- strömenden Dämpfe zu gesundheits- und feuergefährlich, um eine solche rathsam zu machen. Herr Königl. Garteninspector Ritter fand, dass die Desinfection bewurzelten Reben im Monat März, in welchem sich diese noch im Ruhestand befinden, wenig oder garnicht schadet, wenn die Dauer des Ver- fahrens bei 20° C. 120 Minuten, bei 25° C. 90 Minuten nicht übersteigt, Im Monat April, in welchem der Saft des Weinstocks am stärksten circulirt, werden bewurzelte Reben durch den Einfluss von Schwefelkohlenstoff er- heblich geschädigt. Im Mai endlich, in welchem der erste Saftandrang vorüber ist und sich schon junge Triebe entwickelt haben, werden zwar letztere durch die Des- infection vernichtet, doch behalten die bewurzelten Reben noch Kraft genug, sich später normal durch Nebenang'en zu entwickeln. Ünbewurzelte Setzlinge erleiden durch Behandlung mit Schwefelkohlenstoff bei 20 — 25° C. bis zu einer Dauer von 120 Minuten keinen wesentlichen Nachtheil. Selbst eine Desinfection bei 30° C. ertragen sowohl bewurzelte Reben wie Setzholz 70 bis SO Minuten lang ohne Schaden für ihre weitere Entwickelung. 2. Sechszehnte Denkschrift, betreffend die Bekämpfung der Rcblauskrankheit, 1893 (amtlich, 82 S. und drei übersichtliche Kartenblätter der 1893 im Deutschen Reiche aufgefundenen Reblausherde). Die Be- kämpfung der Reblaus verursachte den deutschen Bundes- regierungen 1893 über 564 900 Mk., im Ganzen bisher über 4 537 600 Mk. Kosten. Die Revision der in den Vorjahren vernichteten Herde hatte im Allgemeinen ein durchaus günstiges Ergebniss. Nur in der Provinz Sachsen fand man in Herden aus dem Jahre 1891 an zwei Stockausschlägen noch Rebläuse auf. Leider wurden 1893 im Deutschen Reiche wieder (nach Zusammenstellung des Ref.) 386 Reblauslierdc mit insge- sammt 21 598 inficirten Rebstöcken neu entdeckt, welche eine Flächevon annähernd 25,46ha einnehmen. Für 17,95ha vernichteter Reben wurden 139 700 Mk. Entschädigung gezahlt. Die gegenwärtige Gesammtinfection ist aus dem Bericht nicht zu ersehen. Die Herde vertheilcn sich auf die Gebiete links (unteres Ahrthal, Godesbcrg, Binger- brück, Rolandswerth etc.) und rechts (Hönningen, Rhein- brohl, Obercassel etc.) des Rheins, auf Hessen-Nassau (bes. St. Goarshausen), die Provinz Sachsen (starke Infection in den Gebieten der Unstrut und Saale in den Kreisen Naumburg, Querfurt und Weissenfcls), das König- reich Sachsen (Nieder- und Oberlössnitz bei Kötzschen- broda), Württemberg (Neckarweihingen , Poppenweiler etc.) und Elsass- Lothringen. Im Hinblick auf die Möglichkeit einer grösseren Aus- breitung der Reblauskrankheit hat die preussische Regie- rung schon vor einigen Jahren zunächst bei Gcisenheim, Eibingen, Engers und Trier Stationen zur Veredelung von Reben auf geeigneten amerikanischen Stöcken (Vitis Riparia, Vitis Solonis, York-Madeira etc.) geschaffen, über deren Erfolge die Commissare interessante Berichte (An- lage 14 und 15) eingereicht haben. Dass der Zustand bei uns immer noch recht günstig erscheint, lehrt ein Vergleich mit den Verhältnissen in Nr. 47. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 579 anderen Ländern. In Frankreich wurden durch Prä »idialverfflgüng vom 17. Februar 1894 240 Arrondissc- rnents in 67 (von 86) Departements für verseucht erklärt. Auch in der Champagne kennt man schon 15 Reblaus lierde. In Algier hat sieh das Inscct bei Philippeville derartig eingenistet, dass die Bekämpfung mit Schwefel- kohlenstoff als vergeblich aufgegeben werden musste. In Spanien wurden 15 (von 49) Provinzen amtlich als ver- seucht bezeichnet. In Portugal waren schon 1891, be- sonders im südliehen Theil, fast alle Regionen verseucht, im ganzen (auf dem Festland, Madeira und den Azoren) damals schon 75 487 ha! Seitdem hat sieh die Krank- heit noch bedeutend ausgebreitet, besonders in Estre- madura. In der Schweiz sind verseucht die Cantone Zürich, Neuenburg, Waadt, besonders aber Genf, in welchem 10 129 verseuchte Reben ermittelt wurden, so dass das bisherige Vernichtungsverfahren mehrfach nicht mehr durchführbar erscheint. In Italien waren 1893 519 Gemeinden in 26 (von 69) Provinzen verseucht. Bis Ende 1892 wurde die Infection in 9 Gemeinden unter- drückt, in 71 bekämpft. In den übrigen haben sieh die Verhältnisse ganz erheblich verschlechtert, besonders in Sicilien, wo 163 697 ha verseucht waren. Italien hat bis Mitte 1892 über 10 Millionen Lire zur Bekämpfung der Reblaus von Staatswegen aufgewendet. In Oestcrreich fand man 1893 nur in 23 Gemeinden (in Niederösterreich, Steiermark, Krain und Küstenland) Reblausherde. Da- gegen soll sieb die Infection in Ungarn noch weiter ausgebreitet haben und in Kroatien-Slavonien nach Zeitungsnachrichten schon 21 254 ha einnehmen. Im Kaukasus widersetzte sich die Bevölkerung in den Kreisen Schoropan und Kutais den Anordnungen der Coinmission so lange, bis die Reben durch die Insecten fast vernichtet waren, so dass es jetzt unmöglich ist, diese gänzlich auszurotten. Auch im Odessaer Gebiet haben sich die Verhältnisse erheblich verschlechtert, und im Kreise Jalta, im Süden der Krim, wurde die Reblaus neu entdeckt. Man setzt jetzt in Russland grosse Hoff- nungen auf den Anbau amerikanischer Reben. In Ru- mänien verhinderte man die weitere Ausbreitung der Reblaus. Dagegen sind in Serbien von 43 305 ha Weinland 9960 ha von der Reblaus vernichtet und 1 1 259 Hectar befallen. In der Türkei trat dieselbe im Vilajet Monastir bei Therapia und Constantinopel verwüstend auf. Auf Samos verbrannte man die Reben der ver- seuchten Districte Mytilini und Pajonda zur Erbitterung der Weinbauer. In der asiatischen Türkei endlich sind an der Küste 2000 ha und im Vilajet Aidin 15 000 ha befallen, (x.) R. Beyer. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wunlcn: cUt Privatdoeent der Medicin Dr. Dreser in Bonn zum ausserordentlichen Professor; der Volontär des natur- historisehen Hofmuseums in Wien Felix Kiirrer zum Königlichen Rath; Dr. med. Richard Oestreich in Berlin zum Assistenten an der dortigen pathologischen Universitätsanstalt, als Ersatz für den an das städtische Krankenhaus Moabit übergetretenen Dr. med. Robert Langerhans; der Director der landwirtschaft- lichen Versuchsstation in Königsberg i. Pr. Dr. phil. Georg Klien zum Professor; der Privatdoeent für Anatomie in Basel Dr. Rudolf Burckhardt, früher Assistent an der zweiten Berliner Univcrsitätsanstalt, zum ausserordentlichen Professor; Professor Friedrich Ahlfeld in Marburg zum Geh. Medieinal- rath; Dr. Rindfleisch und Dr. Dunsehmann zu Assistenten an der Berliner chirurgischen Universitätsklinik. Berufen wurde: Dr. med. Otto Körner in Frankfurt a. M. nach Rostock als Nachfolger des jüngst verstorbenen Professor Lemcke. Es habilitirten sich: Dr. Brandenburg in der philosophischen und Dr. Lange, Assistent am Leipziger Riuderkrankenhause, in dm- medicinischen Fakultät zu Leipzig; Dr. Haller in der natur- wissenschaftlichen Fakultät in Heidelberg. Aus ihrem bisherigen Lehramt scheiden: Professor Drai dorff und Professor Eduard Rudolf Kobert in der raodi cinischen Fakultät zu Dorpal Gestorben ist.: dir englische Geologe Professor William Topley zu Croydon. Litteratur. Bericht über die dritte Versammlung des Vereins zur Förderung des Unterrichts in der Mathematik und den Natur- wissenschaften zu Wiesbaden 1894. — ..Eher findet man 100 brauchbare Philologen als einen einzigen erträglichen Mathemal iker und Physiker unter den Scliulleuten", schrieb einst — 1806 — Prof. Fischer vom Cöllnischen Gymnasium in Berlin. Das hat sich nun freilich merklich geändert. Dass aber die Mathematik und die Naturwissenschaften die ungleich jüngeren Lehrfächer an unseren höheren Schulen sind, daran wird man immer und immer wieder erinnert. Auch der oben genannte Bericht thut es. Es ist der dritte in der Reihe, ich möchte sagen erst der dritte; wie lange schon haben sich dagegen die Philologen zusammen- geschlossen! Und wer bei der vorbereitenden Versammlung im Herbst 1890 in Jena zugegen war, der hörte damals aus dem Munde mancher Vertreter dieser Lehrgegenstände Mittheil ungen über die Zustände an ihren Anstalten, die noch lebhaft an das Wort der alten Thomasschule erinnerten: mathematicus non est collega. Auch deswegen ist, so hiess es damals in Jena, ein solcher Zusammenschluss, ein derartiger Verein wünschenswerth, um diesen Lehrgegenständen und ihren Vertretern an vielen Gymnasien eine angemessene Stellung zu erkämpfen. Mit Recht durften wohl die Begründer des Vereins erwarten, dass ein erklecklicher Theil der Fachgenossen sich anschliessen würde; nun ist er zwar seit seiner Begründung (1891) stetig ge wachsen — der Bericht der Braunschweiger Versammlung zählt 145, der der Berliner (Ostern 1893) 227 und dieser letzte 297 Mit- glieder auf — , aber soll der Verein recht seinen Zweck erfüllen, so muss der Anschluss der Fachgenossen noch weit zahl- reicher werden. Die Wiesbadener Versammlung war nach den Bemerkungen des geschäftsführenden Vorstandsmitgliedes (Prof. Pietzker, Nord- hausen) zum Theil gekennzeichnet durch die Anknüpfung einer engeren Verbindung mit den Lehrern der Universität. Dazu diente der Vortrag des Universitätsprofessors Wiedemann (Erlangen) über die Wechselbeziehung zwischen dem physikalischen Schulunter- richt und dem physikalischen Unterricht an höheren Lehr- Anstalten, ferner ein Vortrag über die Ausbildung der Mathe- matiker im Zeichnen (Presler, Hannover), der die Wünsche auf diesem Gebiete an die Universität zusammenfasste, und endlich die theilweise sehr eingehend wiedergegebenen Berichte über die wissenschaftlichen Ferienkurse in Berlin, Göttingen*) und Frank- furt a. M. Von mathematischen Vorträgen seien genannt: die Einführung stereometriseher Construetionen in dem Gymnasial- unterricht (C. H. Müller, Frankfurt a. M.), die Behandlung der Maxima und Minima in der Prima der Oberrealschule (Director Kayser, Wiesbaden) und die Behandlung der Congruenzsätze in der Quarta (Prof. Hermes). Der Physik gehörten an die Vor- träge: Wie ist das physikalische Pensum der Gymnasien zu be- grenzen (Prof. Richter, Wandsbeck) und die Notwendigkeit der Aufstellung gewisser Normen für die Einrichtung der physi- kalischen Sammlung an den höheren Schulen (Prof. Pietzker). Auf biologischem Gebiete legte Lüddecke (Frankfurt a. O.) seine auf tiefgreifende Umgestaltung des Unterrichts drängende Forde- rungen dar, wie sie aus seiner Schrift über den Beobachtungs- unterricht als Unterricht im Freien bekannt geworden sind. Ferner gab Professor Kienitz-Gerloff (Weilburg) seine Erfahrungen und Rath- schläge in dem Vortrag: Ueber die Gestaltung des Unterrichts in der Naturgeschichte, zunächst in der Botanik nach historischen und heuristischen Grundsätzen, und ihm reihte sich Prof. Reichenbach (Frankfurt a. M.) an mit seinen Forderungen für den Unterricht in der Biologie. Dem geographischen Unterricht gehörte endlich der Vortrag an: Ueber politische und volkswirtschaftliche Belehrungen im geographischen Unterricht (Endemann, Wiesbaden). Mehr und mehr trat übrigens der Wunsch hervor, den Nachdruck auf die freie gegenseitige Aussprache über die betreffenden Themata zu legen. Den Schluss der Versammlung bildete ein gemeinsamer Be- such der naturwissenschaftlichen Anstalten zu Frankfurt a. M. Als Versammlungsort für 1895 wurde Göttingen gewählt. E. Schmidt. *) Vergl. über diese beiden Feriencourse „Naturw. Wochen- schrift" S. 217 und S. 3ö9. Inhalt: Dr. F. Kienitz-Gerloff: Der Thierschutz in der Phylloxera vastatrix PI., und deren Bekämpfung. Aus d Versammlung des Vereins zur Förderung des Unterrichts in Natur. - - Beobachtungen und Vorsuche, betreffend die Reblaus, em wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Bericht über die dritte der Mathematik und den Naturwissenschaften zu Wiesbaden 1891. 580 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 47. atent-technisches und | Verweithnng-Bureau ISetelie. Berlin S. 14, Neue Rossstr. 1. Bietete ototweioietoiewiaiweisjvielo p Die Illustration wissenschaftlicher I Werke R erfolgt am besten und billigsten Mj durch die modernen, auf Photö- ra! graplüe beruhenden Reproduc- Hj tionsarten. Die Zinkätzungen H dieser Zeitschrift gelten als fcj Proben dieses Verfahrens und ]r] sind hergestellt in der graphi- M sehen Kunstanstalt j| Meisenbach, Riffarth & Co. in Berlin-Schöneberg, «l welche bereitwilligst jede Aus- H kunft ertheilt. UE33EIEIEIiEE30ai Systematische Samm- lungen bot.-mik. Präpa- rate liefert (Verzeichnisse kostenfrei) ,.,,„„ Dr. E. Hopfe, Blankenbnrg, Sthwamthal. undverwcrtlicn FRITZ SCHMIDT&C2 Patent-Bureau u. Chem. Lab. BerUihN.Chausseestr. 2£ ti± ± ± t rk t ~k cl2cm) unter Benutzung beliebig;«"'' Objective — das Objectiv dient also gleich- zeitig als Sucher. Der Moment. Schlitz- Verschluss niii Zähllad ist regulierbar tür kürzeste Belichtungen. Die Wechsel- lassette hat automatisches Zählwerk. ]\Iax Steckelmann, BERLIN S.. Ritterstr. 35. Versand-Geschäft für Photographie. Preisliste gratis. Allein- Vertrieb: Westendorp und Welmer-TroeUen platten. EfeH Ü:*-d ^r^icri h—j Zu Schränken zusammenstellbare Schubfächer für Sammlungen jeder Art. D. G. M. No. 27559. • Prospekte franko! • Carl Elsaesser Schbnau bei Heidelberg (llrossh. Baden.) Ferd Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. in unseiin Verlage erschien: Lehrbuch der Differentialrechnung. Zum Gebrauch bei Vorlesungen an Universitäten und technischen Hochschulen Dr. Harry Gravelius. 331 Seiten gr. 8°. Preis broschirt <> Mark, gebunden 7 Mark. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Berlin N. 4., Invalidenstr. 44, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag : Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den 2. December 1894. Nr. 48. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. ir Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 ■&. Grössere Aufträge ent- <3P sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme JL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist tun- mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Reduction im Pflanzenreich und ihre Verwerthung für ein System der Gewächse. Von Dr. E. Gilg. Bis zu Anfang unseres Jahrhunderts verstand man unter der schulgerechten oder sogenannten wissenschaft- lichen Botanik fast nur ein Beschreiben und Aufzählen von Arten, welche dann und wann übersichtlich zusamnien- gefasst und meist nach Aeusscrlichkeiten oder dem künst- lichen Linneschen System gruppirt wurden. Es gab aber auch schon früh Männer, ich nenne nur z. B. Adanson, Jussien, St. Hilaire, welche versuchten, die bis dahin bekannten Arten in Yerwandtschaftsverbände zu bringen, welche versuchten, ein natürliches System anzubahnen. Und doch forscht mau auch in den Werken dieser Letzeren vergeblich nach höheren Gesichtspunkten, nach einem wissen- schaftlichen Erstreben der Natürlichkeit für die so geschaffe- nen Gruppirungen. Der Begriff der Verwandtschaft der Arten war für diese Männer etwas Aeusserliches, Formales, ein Begriff, der nur aus der äusseren Aehnliehkeit der Merk- male entsprang, während wir jetzt etwas ganz anderes darunter verstehen, nämlich die Blutsverwandtschaft, den Ausdruck der Abstammung von einem Urtypus. Als dann in der Anatomie, Physiologie und der Morphologie wissen- schaftlich befestigte, der Systematik gleichberechtigte Zweige der Botanik entstanden, wurde auch versucht, die letztere zu vertiefen und auszubauen; man begann damit, die Artgruppen und dann weiter auch die Pflanzen- familien in der Weise zu bearbeiten, dass die sich bei ihnen bemerkbar machenden phylogenetischen Beziehun- gen hervortraten, ferner dann auch, nach diesen Be- ziehungen einmal die Arten innerhalb ihrer Verwandt- schaftskreise und dann die Familien unter einander zielbewusst zu gruppiren. An eine solche Aufgabe konnte sich nur ein solcher heranwagen, der zuvor ausgedehnte, über weite Strecken der Erde verbreitete Verwandtschat'ts- verbände eingehend studirt und die an ihnen zum Vor- schein kommenden Abänderungen in jeder Hinsicht er- wogen und nach ihrem Werthe berücksichtigt hatte. Fin- den Floristen, auch wenn er die Flora des ihn beschäfti- genden Gebietes noch so gen und gründlich studirt haben sollte, ist ein Erkennen der phylogenetischen Ver- wandtschaft der Arten eine Unmöglichkeit; denn er sieht dieselben ja nur einzeln, aus ihrem Verbände gelöst, und Schlüsse auf den verwandtschaftlichen Zusammenhang dieser Arten würden wohl meist durch Beobachtungen an Arten andererer Gebiete hinfällig gemacht werden. — Welches sind nun die Merkmale, welche es auf wissen- schaftlichem Wege ermöglichen, Formen zu Gruppen höherer oder niedrigerer Ordnung zu vereinigen? - Hätten wir von allen den ausgestorbenen Pflanzen- geschlechtern untrügliche Belegstücke in den Schichten unserer Erdrinde erhalten, könnten wir also einen Ueber- blick über alle die Formen erhalten, welche überhaupt jemals existirt haben, und dieselben oder wenigstens einen Theil derselben mit der jetzt lebenden Pflanzenwelt in Beziehung setzen, so wäre ein vollkommenes System er- reicht. Denn dann niüssten wir ja ganz genau darüber Auskunft geben können, wie sich die einzelnen Formen auseinander heraus entwickelt haben, welche von ihnen als die in der Eutwickelungsreihe am höchsten stehenden anzuseilen sind. Doch nur über einen sehr geringen Bruchtheil der ausgestorbenen Vegetation der Erde giebt uns die Phytopalaeontologie Auskunft, fast garnicht über die niedrigsten Lebewesen, wie Algen und Pilze, deren Entwickelungsgeschichte zu kennen für uns von ganz besonders grosser Bedeutung wäre. Mehr ist uns erhalten geblieben von den höheren Pflanzen, aber auch hier nur relativ wenig von den Geschlechtsorganen derselben, den Blüten, ferner auch den Früchten und Samen, welche erfahrungsgemäss für ein System am meisten in frage kommen. — Für den Aufbau eines Systems ist also die Beurtheilung der pflanzlichen Reste in erster Linie nicht von Bedeutuiii;- wohl aber kann dieselbe ein Gontrol- 582 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 48. mittel bilden, um mit Hülfe der verhältnissmässig wenigen, klaren und einwandsfreien Funde ein auf andere Merk- male basirtes System zu stützen und wahrscheinlich zu machen. — Die genetische Entwickelung des Pflanzenreichs auf diese Weise direct festzustellen ist also, wie wir gesehen haben, nur in wenigen Fällen mit Sicherheit möglich. Von viel bedeutenderem Werthe ist dagegen für ein System, nach unseren gegenwärtigen Kenntnissen wenig- stens, die Ermittelung der morphologischen Stufenfolge in der fortschreitenden anatomischen und morphologischen Differenzirung der gegenwärtig vor uns stehenden Pflanzen- formen. Dass ein aus zahlreichen Zellen bestehendes Individuum, dessen Einzelzellen oder Zellkomplexe ver- schiedenartige Autgabeu erfüllen, wo also schon eine offenbare Arbeitstheilnng eingetreten ist, in einem System höhergestcllt werden muss als ein einzelliges Individuum oder ein solches, bei dem alle Zellen gleichmässig sämmt- lichen Lebensfunctionen dienen müssen, dürfte wohl an und für sich keinem Zweifel unterliegen. Ebenso ist ein- leuchtend, dass eine Pflanze, welche zum Zwecke der Insectenanlockung eine auffallend gefärbte und eigenartig differenzirte Blüthenhülle zur Ausbildung gebracht hat. weiter fortgeschritten ist als eine solche, welche nur wenig oder keine Anlockungsmittel in ihrer Blüthe besitzt, ob- gleich sie der Insectenbefruchtung bedarl. Nicht stets aber ist die Entscheidung, auf welcher Seite der Fort- schritt stattgefunden hat, welche Form also als die jüngere zu betrachten ist, so leicht. Denn im Kampf ums Dasein haben sich die Arten verschiedenen äusseren Bedingungen angepasst, sie haben sieh zweckmässig so umgebildet, wie es ihr Standort, das umgebende Medium und die Be- fruehtuugsverhältnisse verlangten. So konnte es kommen, dass von hoch differenzirten Verwandtschaftskreisen zahl- reiche oder vereinzelte Vertreter Gestaltungsverhältnisse annahmen, welche sonst nur viel tiefer stehende Ent- wickelungsstufen aufweisen, dass also z. B. in Folge des Aufgebens der Fremdbestäubung die Blüten einfacher ge- baut und unansehnlicher werden, dass in Folge eigen- artiger Vegetationsverhältnisse Chlorophyll und Wurzeln schwinden u. a. m. Da durch alle diese zweckmässigen Erwerbungen die Lebensfähigkeit der betreffenden Pflanzen erhöht wird, so dass wir darin eine Weiterbildung, eine Progression zu erkennen haben, und da ferner diese Reductioneu auch stets etwas Secundäres, nachträglich Erworbenes darstellen, so ist es einleuchtend, dass die Reduetion bei der Bildung eines Systems grosse Berück- sichtigung verdient! — Die Entscheidung aber, ob wir im Pflanzenreiche in irgend einem Falle eine einfach gebaute Form als einen ursprünglichen oder durch Reduetion aus einem compli- eirteren hervorgegangenen Typus zu betrachten haben, ist oft ausserordentlich schwierig, ja häufig, besonders wenn Vergleichspunkte fehlen, ganz unmöglich. Auch in solchen Fällen zeigt es sich wieder, dass über Verwandtschafts- fragen höchstens demjenigen eine endgültige Entscheidung zustehen kann, welcher eine Familie oder eine Verwandt- schaftsgrnppe monographisch durchgearbeitet hat. Es fragt sich nun: Wo finden wir im Pflanzenreich unzweifelhafte, streng wissenschaftlich nachgewiesene Re- duetionen, welche uns gestatten, ihnen eine Bedeutung, einen Einfluss auf die Gliederung des Systems der Gewächse zuzuschreiben ? Sehen wir zunächst ab von den niedrigsten Gruppen, den Myxomyceten, Schyzophyten, Peridineen und Bacil- lariaceen, bei denen man nur sehr wenige Formen kennt, welche zweifellos als reducirt zu deuten sind, z. B. einige Chlorophyll- und membraulose Arten der Peridineen, welche auch im Allgemeinen noch viel zu wenig bekannt sind, als dass die bei ihnen vorkommenden morphologischen Differenzirungen als directer Fortschritt oder als Reduetion aufgefasst werden könnten, so sind auch bei den höheren Algen bis jetzt kaum Fälle bekannt, die für eine Re- duetion von höher organisirten Formen sprechen. Im Gegentheil, hier lässt sich fast durchweg ein directes Fortschreiten, eine morphologische Differenzirung von einfach gebauten bis zu sehr complicirt gestalteten Organismen erkennen, welche durch das System zum Aus- druck zu bringen ist. — Anfangend mit einzelligen In- dividuen sehen wir bei den Algen schrittweise fort- schreitend erst Formen auftreten, die zu Fäden oder Cou- gregaten vereinigte Zellen besitzen. Fast jede einzelne derselben besitzt aber noch ihre völlige individuelle Selbst- ständigkeit. Weiter beobachten wir dann solche, bei denen die Einzelzelle ihre Selbstständigkeit verloren hat, ohne dass eine Differenzirung in den Arbeitsleistungen für das Individuum eingetreten wäre. Dieser Arbeits- theilnng in die Lebensfunctionen der Pflanze begegnen wir dann endlich bei den höchstorganisirten Algen, wo einzelne Theilc des Thallus, obgleich ihrer morphologischen Natur nach völlig identisch, die Functionen der Wurzel, des Stammes und der Blätter höher organisirter Pflanzen übernommen haben. Hand in Hand mit dieser allmählich aufsteigenden morphologischen Differenzirung geht häufig die deutlich zu beobachtende Fortbildung der Geschlechts- organe und -Producte. Während die niedrigeren Formen eine Fortpflanzung durch Vereinigung unbeweglicher oder beweglicher Gameten zeigen, welche in durchaus gleich- artiger Weise ausgebildet sind, zeigen höher organisirte Individuen zwar auch noch eine Vereinigung schwärmender Geschlechtszellen, dieselben sind aber deutlich durch ihre Grösse und oft auch Färbung als männlich und weiblieh charakterisirt. Bei den die höchste Ausbildung zeigenden Arten endlich stellt die weibliche Eizelle eine grosse, meist unbeweglich in ihrer Bildungszelle ruhende Kugel dar, welche von den winzigen männlichen Spermatozoiden aufgesucht und befruchtet wird. Im Gegensatz zu den Algen sind die Pilze au deut- lich zu erkennenden Reductionserscheinungen überreich und ihr neuerdings von Brefeld aufgestelltes System basirt sogar fast ausschliesslich auf solchen. Vielleicht lässt sich nicht mit Unrecht das ganze Pilzreich als eine Reduetion des Algenreichs auffassen, da wir ja wissen, dass die Anfangsgrnppen jenes sich direct an gewisse Gruppen der Algeu, die Conjugaten und einzelne Familien der Gamophyceen, anschliessen, aber eben durchweg in Bezug auf das Chlorophyll reducirt erseheinen, d. h. in- sofern fortgeschritten sind, als sie sich der saprophytischen und parasitischen Lebensweise angepasst haben und ihre Nährstoffe anderen Lebewesen entnehmen. Eine schrittweise fortschreitende Reduetion erfährt bei den Zygomyceten sowohl wie bei den Oomyceten die Geschlechtlichkeit, welche bei den Anfangsgliedern meist mit ziemlicher Regelmässigkeit auftritt, bei anderen Formen immer seltener und unwillkommener wird, bis sie endlich völlig erlischt. Dass die Entwickelung nicht umgekehrt stattgefunden hat, d. h. also, dass nicht allmählich aus ungeschlechtlichen Formen geschlechtliche wurden, dass erhellt mit vollster Sicherheit aus der Art und Weise des Zurücktretens der Geschlechtlichkeit. Während bei den Anfangsgliedern der Zygomyceten nur dann Zygosporen gebildet werden, wenn sich die beiden Copulationsfortsätze getroffen haben, sehen wir dann auch solche Formen auf- treten, wo bei einem Verfehlen der Copulationsfortsätze trotzdem in dem Endteil jedes derselben eine Spore ge- bildet wird. Diese Arten leiten dann schon zu denjenigen über, bei welchen es überhaupt nie mehr zur Vereinigung der Copulationsfortsätze kommt, wo aber stets in reich- Nr. 48. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 583 Heber Menge Azygosporen zur Entwiekelung gelangen. Nicht anders ist dies bei den Oomyeeten, besonders bei den Saprolegniaceen, wo bei den Anfangsgliedern noch regelmässige Befruchtung der Oosphiire durch die Copu- lationsfortsätze stattfindet. Bei anderen Arten legen sich die Antheridienäste zwar noch an das Oogon an, ohne jedoch Befruchtungsschläuche zu entwickeln. Ferner kommt es vor, dass die Autheridieu bei manchen Arten nur noch sehr selten gefunden weiden, endlich auch, dass einzelne Arten überhaupt nie mehr Antheridien entwickeln, und die Oogonien sich trotzdem in regelmässiger Weise zu Oosporen umbilden. — Noch auf eine für das System der Pilze grosse Be- deutung besitzende Reductionserscheinung soll hier ein- gegangen werden, nämlich auf diejenige vom Sporangium zur Spore. Um nur ein Beispiel herauszugreifen, so zerfällt bei einzelnen Arten von Peronospora das Plasma des Sporangiums in mehrere Portionen, welche austreten und sofort zu Schwärmern werden. Bei anderen Arten werden zwar im Sporangium noch Plasmaportionen ausgegliedert, darauf tritt aber dann das gesammte Plasma, ohne zu zerfallen, als Ganzes aus, umgiebt sich mit Membran und wächst zu einem Mycelsehlauche aus. Bei den meisten Alten der Gattung bleibt jedoch überhaupt das Plasma des Sporangiums völlig homogen, verlässt auch das Spo- rangium garuicht, sondern es wird durch einen Porus am Scheitel direct ein Keimselilauch ausgetrieben, oder end- lich letzterer verlässt au völlig beliebiger Stelle das Spo- rangium, d. h. das Sporangium ist zur typischen Spore geworden. Ueber die weiteren Reductionserscheinungen im Pilzreiche will ich hinweggehen, obgleich noch manches hier hätte angeführt werden können, so vor allem die Entwiekelung der Conidien, der in unbegrenzter Zahl und an beliebigen Stellen am Mycel entstehenden Sporen zu dem in fast normirter Zahl gebildeten und von bestimmt geformten und meist auch eigenartig gelagerten Mycel- schläucheii hervorgebrachten Basidiosporen. - Von allergrösstem Werth für das System des Pflanzen- reichs sind die erst in neuerer Zeit aufgedeckten und vielleicht in manchen Einzelheiten noch nicht bis zum letzten Punkte geklärten Reductionserscheinungen, welche wir an den Embryophyten, von den Zoidiogamen zu den Siphonogamen aufsteigend, besonders aber an deren Ge- schlechtsorganen beobachten. — Auch in der ungeschlecht- lichen, embryonalen Generation begegnen wir solchen Reductionen. Bei den niedrigsten Formen der Farne stellen die Sporangien in grosser Zahl in Sori auf den Blattunterseiten zusammen, während die höheren Formen dieselben nur noch in geringerer Menge, die Equiseten z. B. nur noch wenige derselben aufweisen. Bei den Lycopodiales aber endlich finden wir die Sporangien einzeln auf dem Basalttheile der fertilen Blätter. Von hier aus führt die Fortbildung und Reduction der Sporangien lückenlos über die Gymnospermen bis zu den Angiospermen. Hier haben wir, wie schon bei manchen Pteridophyten Mikro- und Makrosporaugien, erstere meist als Pollensäcke, letztere als Nucelli oder als Knospenkern bezeichnet, beide meist in fest normirter, begrenzter Anzahl auftretend. Viel weitgehender und ins Auge springender sind jedoch die Reductionen, welche wir an der geschlecht- lichen, proembryonalen Generation beobachten. Aus der Spore der niederen Pteridophyten tritt ein Vorkeim, das Prothallium hervor, welches zwar sehr klein, aber mit blossem Auge doch noch sehr gut zu erkennen ist und meist einen ehlorophyllführenden, scheibenförmigen oder blattförmigen Körper darstellt, selten, nämlich bei den Ophioglossaceen und Lycopodiaceen, ein knollen- förmiges, unterirdisch liegendes, bleiches Gebilde re- präsentirt. Bei den heterosporen Pteridophyten tritt in sofern eine bedeutende Reduction ein, als sich hier aus der Mikrospore nur noch ein winziger Vorkeim entwickelt, das aus einer einzigen vegetativen Zelle besteht und nur ein einziges Spermatozoiden erzeugendes Antheridium hervor- bringt. Bei den Gymnospermen finden wir oft noch ein ganz ähnliches Verhalten, denn das Pollenkorn, die Mikro spore, führt häufig noch 3, 2 oder 1 vegetative Zellen, welche den reducirten Vorkeim repräsentiren. Eine einzige, kleine, meist nachträglich gebildete Zelle ist als Anthe- ridium aufzufassen, welche au die Spitze des Pollen- schlauchs wandert und die Befruchtung vollführt. Bei den Angiospermen schreitet die Reduction noch weiter. Wir linden dann in dem Polleukorn, der Mikro- spore, den vegetativen Theil (das Prothallium) überhaupt nicht mehr vom reproduetiven dem Antheridium) getrennt. Es liegen nur 2 durch zarte Plasmameinbrauen von ein- ander geschiedene, ungleich grosse Zellkerne in dem homo- genen Plasma, welche beide in dem austreibenden Pollen- schlauche mitwandern, von denen jedoch nur einer, der kleinere, die Befruchtung der Eizelle ausführt. — Sehr weitgehend sind auch die Reductionen, die wir hier an den weiblichen Organen beobachten. -- Der Vor- keim, welcher nach erfolgter Sprengung der Wand aus der Makrospore der Hydropterides hervortritt, erreicht noch eine ziemliche Grösse, er ergrünt und entwickelt mehrere oder einzelne Archegonien. Diese letzteren sind in ihrer Form schon ausserordentlich reducirt, sie sind tief in den Vorkeim eingesenkt und haben nur noch wenig Halskanalzellen entwickelt. Bei den Selaginaceae und den Isoetaceae verlässt der Vorkeim kaum noch die Makrospore und ergrünt infolgedessen auch nicht, es werden nur noch sehr wenige Archegonien gebildet, die nie über die Oberfläche des Vorkeims hervorragen. Ja bei Selaginella findet es sich, dass der Vorkeim sammt den Archegonien schon gebildet wird, während die Makro- spore noch auf der Mutterpflanze, der embryonalen Gene- ration, sitzt. — Bei den Gymnospermen schreitet dann die Reduction noch weiter. Hier entwickelt sich in der Makrospore, dem Embryosack, der Vorkeim als ein paren- chymatisches Gewebe, das stets eingeschlossen bleibt und an seinem oberen Ende mehrere Archegonien ent- wickelt. Diese zeigen in der Hauptsache durchaus den Bau der Pteridophyten archegonien, doch sind bei ihnen wie bei den höchst entwickelten Formen jeuer die Hals- kanalzellen sehr reducirt, d. h. auf vier oder zwei, ja manchmal sogar auf eine Zellschicht beschränkt. Nach- dem der eingedrungene Pollenschlauch die Eizelle be- fruchtet hat, teilt sich letztere sehr lebhaft und bildet so den Embryo, d. h. die ungeschlechtliche, embryonale Generation. Diese bleibt vom Makrosporangium fest um- schlossen und löst sich erst nach erfolgter Keife und nach- dem das Makrosporangium mannigfache Difi'erenzirungen durchgemacht hat, als Samen von der Mutterpflanze los. Noch viel weiter ist die Reduction endlich bei den Angio- spermen durchgeführt, wo sich in dem Embryosack, der Makrospore, der Vorkeim nur noch sehr undeutlich nach- weisen lässt. Im Embryosack werden durch fortgesetzte Theilungen des Kernes Primordialzellen von fest normirter Zahl gebildet, von welchen drei am oberen , drei am unteren Ende liegen, während die Mitte des Embryosackes durch den grossen aus der Vereinigung zweier Kerne hervorgegangenen (Vntralkern eingenommen wird. Nach- dem dann die mittlere der oberen Primordialzellen, die Eizelle, durch den Pollenschlauch befruchtet worden ist, wird durch die starke Theilung des Centralkerns resp, der Centralzelle das Nährgewebe gebildet. Wir sehen also, dass hier bei den Angiospermen eine Bildung der Archegonien durchaus unterbleibt und dass 584 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 48. ferner auch der Vorkeim in ungemein weitgehender Weise reducirt erscheint. Auch bei den höheren Pflanzen, den sog. Phanero- gamen, macht sich überall die Reduction deutlich bemerk- bar und zwar in anatomisch-vegetativer wie blütenmorpho- logischer Hinsicht. Ich kann mich hierüber kurz fassen, da alle diese Verhältnisse vor kurzem von anderer Seite dargestellt worden sind, und mich darauf beschränken, einige charakteristische Beispiele herauszugreifen. Passt sich eine Pflanze allmälig dem Leben im Wasser an, so bemerken wir zuerst vor allem eine oft auffallende Reduction des mechanischen Gewebes. Wie zweifellos nachgewiesen wurde, beruht dieser Vorgang darauf, dass diesen oft sehr hohen und kraftstrotzenden und mit mäch- tigen Blättern ausgerüsteten Pflanzen eben stetig Wasser in reichlicher Menge geboten wird, weshalb es ihnen auch möglich ist, stets ihre Zellen straff turgescent und dadurch Stengel und Zweige kräftig aufgerichtet zu er- halten. Sie bedürfen nicht der mächtigen mechanischen Zellbauten der Pflanzen trockener Standorte oder be- sonders von typischen Xerophyten, in deren Stengeln und Blättern sich stets mächtige Stränge oder Cylinder von mechanischen Zellen entwickelt finden, um zu verhindern, dass bei eintretender Trockenheit die lebenden Gewebe durch Collabieren und Verzerrungen geschädigt werden. — Wir müssen in der Reduction der mechanischen Gewebe der Wasserpflanzen einen Fortschritt insofern sehen, als durch sie eine ganz gewaltige Materialersparniss er- zielt wird. Die untergetaucht lebenden Pflanzen gehen noch weiter. Sie erhalten durch das Wasser allseitig Nähr- stoffe zugeführt, vor allem ist für sie eine Wasserleitung fast unnöthig; und so ist es einleuchtend, dass ihre lei- tenden Elemente auf das äusserste beschränkt werden und sich meist, besonders da sie oft die einzigen festen Elemente der auf Zug beanspruchten Pflanzen sind, als zweiter atiler Strang im Stengel derselben finden. Auf der anderen Seite sehen wir bei Pflanzen heisser und trockener Klimate, besonders bei den typischen Steppen- und Wüstenbewohnern, gerade das Gegentheil hierzu eintreten. Während bei jenen mächtige Assimi- lationsflächen entwickelt werden, zeigen diese eine auf- fallende Reduction der Blattspreite , ja dieselbe ver- schwindet häufig ganz, und die Assimilationsthätigkeit muss sodann vom Stengel mit übernommen werden. Da dieser aber nun, wie oben schon ausgesprochen, auch sehr stark mechanisch gebaut sein muss, die zur Erlan- gung der Biegungsfestigkeit nothwendigen mechanischen Zellen aber genau nach demselben Platze verlangen, welchen die nun im Stamme in reicher Menge auftretenden Assimilationszellen zu ihrer genügenden Beleuchtung be- dürfen, so sehen wir dann die wunderbaren Constructions- variationen auftreten, durch welche sich die echten Xero- phyten auszeichnen. — Alle diese soeben geschilderten Eigenschaften sind nachträglich gebildet, sind zweck- mässig erworbene Reductionserscheinungen, welche in so- fern einen grossen Fortschritt bedeuten, als sie bei mög- lichster Materialersparniss den betreffenden Pflanzen neue Vegetationsbedingungen für den Kampf ums Dasein ge- währen. Im gegebenen Falle müssen dieselben natürlich auch durch das System zum Ausdrucke gebracht werden. Auch über die pflanzlichen Parasiten lässt sich genau dasselbe sagen. Sie haben sich in der weitgehendsten Weise an eigenartige Vegetationsbedingungen angepasst und sich in ihren Vegetationsorganen so sehr von ihrem vermutlichen Urtypus entfernt, dass sie oft mit jenem hierin absolut nichts mehr gemein haben und ganz anderen Pflanzenklassen zuzugehören scheinen. Es ist darnach gewiss eigenartig, dass die Blütenmerkmale sich häufig nur sehr wenig verändert haben, und die Anreihung para- sitischer Pflanzengruppen im System oft nicht schwer fällt. — Die am häufigsten auftretende Reduction der Parasiten ist die, dass sie ihre selbstständige Assimilation aufgeben, dass ihr Chlorophyll verschwindet, und sie blasse, röthliche oder braune Färbungen annehmen. Andere haben dann ferner völlig ihre Wurzeln verloren, wie z. B. Co- ralliorrhiza, welche mit Hülfe ihrer eigenartig umgestalteten, weit verzweigten Rhizomstränge, sehr wahrscheinlich unter- stützt durch eine Mycorrhiza, dem Humus des Waldbodens ihre Nahrung entnimmt. Die weitgehendste Reduction der vegetativen Theile finden wir jedoch bei den Raffleciaceen, wo sich jene in mycelartige Stränge auflösen und die Gewebe der Wirths- pflanze durchwuchernd hier ihre Nahrung entnehmen. Diese Pflanzen haben also ihre Vegetationsorgane in zweck- mässiger Weise so weit umgebildet und reduciert, dass sie in dieser Hinsicht sich fast in nichts von der so tief stehenden Klasse der Pilze unterscheiden. Und doch wird Niemand leugnen können, dass in dieser Reduction ein grosser Fortschritt für diese wunderbaren parasitischen Pflanzen zu erkennen ist, denn sie haben eben dadurch einen neuen Weg der Gestaltung eingeschlagen, der sie zu ihrer eigenartigen Existenz befähigt macht! Auch die Reductionen in der Blütenregion der höheren Pflanzen sollen aus dem vorhin angegebenen Grunde nur kurz gestreift und an einigen Beispielen erläutert werden. — Sehr "bedeutende Reductionen treten in den Bluten- ständen mancher Familien auf, z. B. bei den Araceae- Lemnaeeae, den Centrolepidaceae und den Euphorbiaceae. Bei allen diesen erlangt der Blütenstand, wenigstens bei den am weitesten entwickelten Gattungen und Arten, völlig das Aussehen einer zweigeschlechtlichen Blüte und wir können z. B. bei den Araceae diesen Rückgang noch ganz allmälig verfolgen und von hier aus dann den An- schluss an die Lemnaceae gewinnen, welche man noch vor nicht allzu langer Zeit als mit echten Blüten ver- sehen ansah. Sehr mannigfach sind dann endlich die Reductions- erscheinungen an den Blütentheilen selbst. So zeigen die Thymelaeaceae, obgleich sicher aus einem diplochla- mydischen Typus hervorgegangen, häufig ein Zurückgehen oder sogar in weitaus den meisten Fällen ein völliges Verschwinden der Petalen. Der Grund hierfür mag der sein, dass ihnen in ihrem auffallend, petaloid gefärbten Receptaculum uud den gefärbten Kelchblättern ein Aequi- valent geboten ist, welches ganz wie Blumenblätter auf Insecten anlockend zu wirken vermag. Ganz das gleiche Verhalten treffen wir bei zahlreichen Passifloraceen an, welche verwandtschaftlich mit jenen gar nichts gemein haben; und wir können diese Uebereinstimmung als eine Stütze für die soeben ausgesprochene Ansicht betrachten. Es kommt ja auch nicht selten vor, dass die Petalen eine starke Reduction erleiden oder ganz versehwinden, wenn die Kelchblätter eine hochblattartige Färbung an- genommen haben, wie z. B. bei Helieteres, oder wenn die Staubblätter von auffallender Länge, Zahl und Farbe sind, wie z. B. bei Combretaceae uud Myrtaceae, oder endlich, wenn die Rolle der Anlockungsmittel auf die Hochblätter übergegangen ist, wie bei den Euphor- biaceae. Für die Reductionserscheinungen, welche wir an den eigentlichen Geschlechtsorganen der Bluthe, an Andröceum und Gynaeceum, beobachten, sollen hier nur kurz zwei überaus einleuchtende Beispiele angeführt werden. Die Blüthen der Connaraceen sind im Allgemeinen ausgezeichnet durch zwei Kreise von Staubblättern und einen Kreis von völlig freien Fruchtblättern. Während dies nun im Allgemeinen auch für die Gattung Connarus Nr. 48. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 585 festzustellen ist, finden wir in derselben aber auch Formen, hei denen einer der beiden Staminalkreise unfruchtbar zu werden beginnt, indem seine Filamente sehr kurz bleiben und die Autheren verkümmern. Wir kennen dann aber auch solche Arten, bei denen es überhaupt nicht mehr zur Bil- dung eines zweiten Staubblattkreises kommt, und wo na- türlich trotzdem eine reichliche Befruchtung erzielt wird. Noch weitgehender sind die Reductionen, welche uns im Gynaeeeum dieser Gattung begegnen. Wie schon an- geführt, besitzen die Arten von Connarus 5 freie Car- pelle, von denen aber durchweg nur ein einziges zur definitiven Ausbildung gelangt, während die übrigen in allen Stadien der Entwickelung stehen bleiben und absterben. Bei anderen Arten sind nun schon in der ersten An- lage einige, meist 4 der Fruchtblätter von bedeutend ge- ringerer Grösse als das fünfte, welches dann auch allein eine Befruchtung und ein nachträgliches Waehsthum er- fährt. Endlieh kommt es auch vor. dass überhaupt nur noch ein Fruchtknoten zur Entwickelung gelangt. Eine Connarusblüthe mit nur 5 Staubblättern und einem ein- zigen Fruchtknoten hat eine sehr starke Reduction vom ursprünglichen Typus der Familie und Gattung er- fahren. Und doch ist die Leistung der vollständigen und der reducirten ßlüthe genau dieselbe, denn auch die Letztere bringt constant, gerade so wie die Erstere, einen Fruchtknoten zur Reife. Die Pflanze mit den reducirten Bliithen alter ist fortgeschritten und jünger, denn sie hat aus Matcrialersparniss, in Folge Nicht- benutzung eines der beiden Staubblattkreise und einiger der Fruchtblätter dieselben gar nicht mehr zur Entwicke- lung gebracht. Eine noch viel bedeutendere Reduction linden un- endlich im Andröceum der Dilleniaceengattung Hibbertia. Bei den Anfangsgliedern umgeben die zahlreichen Staubblätter ohne Staminodien regelmässig den Frucht- knoten. In einer weiteren Section sind die Staubblätter an Zahl schon sehr vermindert und meist sind sie von Staminodien umgeben. In einer dritten Abtheilung ver- wachsen die Staubblätter je (> — '1 zu ."> mit den Blumen- blättern alternirenden Bündeln. In der vierten Section liegen nur noch auf der einen Seite des Fruchtknotens fruchtbare Staubblätter, während der Kreis um den Fruchtknoten durch sehr zahlreiche Staminodien ge- schlossen wird. In der fünften Section gehen die nur auf einer Seite des Fruchtknotens liegenden, zahlreichen Staubblätter nach aussen allmählich in Staminodien über, während der übrige Theil des Blüthenbodens völlig, von Staubblättern sowohl wie von Staminodien, frei bleibt. Bei der letzten Section endlieh sehen wir, dass nur n eh verhältnissmässig sehr wenige Staubblätter ausgebildet werden, welche — sämmtlich fruchtbar — auf einer Seite des Fruchtknotens liegen und oft mehr oder weniger hoch mit einander verwachsen sind. Auch hier, beim Verfolgen dieser von nahe mit einander verwandten Arten "schrittweise auftretenden Reductionserscheinungen können wir nicht daran zweifeln, dass wir darin ein Fortschreiten, eine zweckmässige Weiterentwickelung der zu Grunde liegenden Blüthenverhältnisse erblicken müssen, welche wohl in diesem Falle gerade auf eine Anpassung an Insectenbefruchtung verbunden mit den oben besprochenen Bildungsfactoren zurückzuführen sein dürfte. Die Temperatur der Flüsse Mitteleuropas. In dem jugendlichen Alter der modernen Geographie ist es begründet, dass auf dem Gebiete derselben noch immer weite Flächen unbearbeiteten Landes bestehen. Ueberall zeigen sich dieselben, in welcher Richtung wir auch das Gebiet dieser Wissenschaft durchschreiten. Und es harren da oft Felder noch der Bearbeitung, aus denen nicht blos für die geographische Disciplin selbst, sondern für die gesammte Wissenschaft, ja für den Fortsehritt der Cultur überhaupt hundertfältige Früchte zu gewinnen sind. Als ein solches Feld erscheint uns vor allem die Hydrographie oder Hydrologie des festen Landes. Die Erforschung der Binnengewässer, sei es der stehenden oder der fliessenden, hat in ergiebigerem Maasse erst in der allerjüngsten Zeit begonnen, und hier gilt es in der That, noch rastlos zu arbeiten, ehe wir nur einigermaassen von den allgemeinsten Erscheinungen und den ihnen zu Grunde liegenden Gesetzen hinreichende Kenntniss be- sitzen. Haben wir zur Zeit doch noch nicht einmal ein allgemeines Handbuch der Gewässerkunde ! Mit den stehenden Gewässern, den Seen, ist es da noch immer besser bestellt, als mit den Flüssen, deren geographische Erforschung recht im Argen liegt. Aber auch hier beginnt es sich zu regen, und in der letzten Zeit ist manche treffliche Arbeit auf diesem Gebiete geleistet worden. An sie reiht sich würdig eine Abhandlung des Wiener Geographen A. Forster*) an, der mit dankens- wertheul Fleisse Alles zusammengetragen hat, was bisher *) A. E. Forster, Die Temperatur fliesaender Gewässer Mittel- europas. (GeoRr. Abhandl. herausg. von Prof. Alb. Penck. Bd. V, Heft 4.) Wien, Ed. Hölzel. 1894. über die Temperatur der fliessenden Gewässer ermittel! worden ist, und das vorhandene Material in klarer und kritischer Weise verarbeitet hat. Er füllt durch seine Veröffentlichung eine klaffende Lücke aus, die bis auf diesen Tag in unserem Wissen von den physikalischen Verhältnissen der fliessenden Gewässer bestanden hat. Der Inhalt der Abhandlung ist von so hohem Interesse, dass es wohl lohnt, denselben auch weiteren Kreisen bekannt zu geben, schon aus dem einen Grunde, weil dadurch vielleicht Anregung gegeben wird zu weiterer Tbätigkeit auf diesem noch so vernachlässigten Gebiete der Forschung. Von der Bedeutung, welche der Kenntniss der Tem- peratur der Flüsse innerhall) der Wissenschaft zukommt, ist man im allgemeinen noch sehr wenig unterrichtet. Forster lenkt daher mit Recht in seiner Einleitung die Aufmerksamkeit auf diesen Punkt hin. Im Haushalt der Natur nimmt das Flusswasser zweifellos eine wichtige Rolle ein. Allein schon deswegen ist die Erforschung der Wärme desselben unerlässlich. Sowohl die Lösungs- fähigkeit des Wassers wie seine Transportfähigkeit festen Materiales hängt von den Temperaturverhältnissen ab. Kalte Ströme erodiren in anderer Weise als warme. Weiter bilden die breiten Flächen der Flüsse klimatisch wirksame Factoren innerhalb eines Geländes; denn das Wasser zeigt andere thermische Zustände als der feste Hoden. Und denken wir an das Leben der Organismen im Wasser, so wissen wir, dass dieses ebenfalls wesenl lieh beeinflusst wird durch die Temperatur. Hier tritt die Temperatur des Wassers sogar in engste Beziehung zu unserem eigenen Leben, da die Mikroorganismen des 586 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 48. Wassers für dasselbe nicht ungefährlich sind. Endlich dürfte auch ein Hinweis auf die Binnenschiffahrt, die doch aufhört, sobald die Temperatur des Flusses den Nullpunkt erreicht hat, den hohen Werth der Kenntniss der Fluss- temperaturen ins rechte Licht stellen. Wie wenig gleichwohl auf diesem Gebiete bisher ge- arbeitet worden ist, lehrt recht deutlich der historische Ueberblick, den Forster seinen Untersuchungen voraus- schickt. Die erste systematische Erforschung der Tem- peratur fliessender Gewässer ist darnach erst im Jahre 1876 ins Leben gerufen worden. Es wurden damals in einigen Garnisonorten der österreichisch - ungarischen Monarchie zum Zwecke hygienischer Untersuchungen auch Beobachtungen der Temperatur der Flüsse angeordnet. Vorher sind nur ganz vereinzelt Messungen der Fluss- wäime durch längere Zeit hindurch angestellt worden, so in der Rhone und Saone bei Lyon, in der Moldau bei Prag, in der Donau bei Dillingen, in der Themse bei Greenwich und in der Rhone bei Genf. Alle diese Beob- achtungen haben uns aber in der Erkenntniss der Wärme- verhältnisse des fliessenden Wassers nicht sonderlich ge- fördert, da sie theilweise über zu geringe Zeiträume sich erstreckten, theilweise aber auch noch zu vereinzelt vor- lagen, sodass der so lehrreiche Vergleich mit anderen Ortes gewonnenen Beobachtungsreihen nicht vorgenommen werden konnte. Das war auch der Grund, warum die immerhin beachtenswerthen Arbeiten von Fournet, Hertzer und Dove noch nicht zu einem positiven Ergebniss führten. Forster ist es nun gelungen, das Material von 45 Beobachtungsstationen zusammenzubringen. Dieselben liegen fast sämmtlich im Bereiche Mitteleuropas, nur ein- zelne besonders wichtige sind auch benachbarten Gebieten entnommen. Zur Verwendung kamen aber nur solche Beobachtungen, welche wenigstens die Dauer eines Jahres erreichten. Leider war das mühsam zusammengetragene Material nach Zeit und Art der Gewinnung ausserordent- lich ungleichmässig und es bedurfte einer scharfen und sorgfältigen Kritik, ehe dasselbe für die Untersuchung be- nutzt werden konnte. Das Ergebniss dieser kritischen Prüfung des seinen Ausführungen zu Grunde gelegten Materials fügt Forster in dankenswertber Ausführlichkeit seiner Abhandlung bei, so dass Jedem die Möglich- keit geboten ist, über den Werth der einzelnen Beob- achtungen sich selbst ein Urtheil zu bilden. Die zeitliche Ungleichmässigkeit der Beobachtungen machte eine directe Vergleiehung derselben untereinander unmöglich. Um diese Schwierigkeit zu überwinden, sah sieh Forster nach einem Werth um, welcher frei vom Einfluss des verschiedenen Beginnens und der verschie- denen Länge der Beobachtungsreihen ist. Einen solchen fand er in dem Unterschied zwischen den Monatsmitteln der Luft- und der Wassertemperatur. Bei einer Berech- nung der Abweichungen dieses Temperaturunterschiedes vom 15jährigen Mittel für die Marne bei Paris stellte sich heraus, dass in der That. dieser Werth eine überraschende Beständigkeit besitzt. Es kann daher durchaus als zu- lässig erachtet werden, dass auch zeitlich ungleichmässige Beobachtungen hinsichtlich dieses Temperaturunterschiedes in Vergleich gesetzt werden. Bei der Feststellung des Temperaturunterschiedes zwischen Luft und Wasser ist natürlich Gleichartigkeit und Gleichzeitigkeit beider Temperaturmessungen vorauszu- setzen. Da eine solche jedoch bei vielen Beobachtungen nicht bestand, so war der Verfasser zu einigen weiteren Vor- untersuchungen gezwungen, ehe er an die eigentliche Ar- beit herangehen konnte. Vor allem handelte es sich darum, den täglichen Gang der Temperatur des Wassers und den Unterschied zwischen Beobachtungen zu belie- biger Tagesstunde vom Tagesmittel festzustellen. Aus- reichendes Material zu einer solchen Untersuchung fehlt zwar zur Zeit noch, allein Forster konnte doch das Wesent- liche über den täglichen Gang der Temperatur ermitteln. In der Loire zu Vendöme erreichte nach den stündlichen Beobachtungen die Temperatur zwischen 7 und 8h a, ihr Minimum, um 3h p. ihr Maximum und zwischen llh und llh 30m a. das tägliche Mittel. Fast die gleichen Ein- trittzeiten von Minimum, Maximum und Mittel lieferten auch noch andere Beobachtungen, die für diese Unter- suchung geeignet waren, sodass man wohl annehmen darf, dass der Gang der Temperatur für sämmtliche Flüsse Mitteleuropas der gleiche ist. Es ergiebt sich daraus aber für die Ausführung solcher Messungen die wichtige Thatsache, dass einmalige Beobachtungen zwischen lla bis 12m im Allgemeinen völlig ausreichende Werthe liefern. Zweimalige Beobachtungen zur Zeit des Minimums und Maximums um 7h a. und um 3h p. sowie dreimalige um 7h, llh a. und um 3h p. geben keineswegs bessere Re- sultate. Der Betrag der Acnderungen der Wassertemperatur in den Flüssen während eines Tages zeigte sich überall sehr gering. Sowohl die periodische wie die aperiodische Tagesschwankung erreicht im Monatsmittel innerhalb Mitteleuropas nur wenig über einen Grad, die periodische bleibt sogar meist hinter diesem Werthe zurück. Eine grosse Ungleichmässigkeit des Materials konnte auch darin begründet sein, dass die Art der Messungen eine so verschiedene war. Allein zur Zeit kann noch nichts Bestimmtes darüber gesagt werden, welchen Unter- schied die verschiedenen Beobachtungsweisen ergeben, da entsprechende Untersuchungen noch nicht vorliegen. In- dess man darf annehmen, dass die durch Verschieden- artigkeit der Methode verursachten Fehler gering sind. Völlig einflusslos für das Ergebniss der Messung ist die Tiefe, in welcher dieselbe vorgenommen wird. Denn die Temperatur eines fliessenden Gewässers ist in ver- schiedenen Tiefen dieselbe. Davon hat sich auch der Referent durch wiederholte Messungen in der Saale über- zeugt. Nur in ganz langsam sich bewegenden Flüssen wäre eine Schichtung verschieden warmer Wassermassen denkbar. Ungleichheiten der Temperatur innerhalb eines Querprofils können daher in das Flussbett nur durch eintretende Quellen oder durch einmündende Nebenflüsse hervorgebracht werden. Auf Grund dieser Voruntersuchungen konnte Forster nun an die eigentliche Verarbeitung des vorhandenen Beobachtungsmaterials herantreten. Er stellte zunächst die Beziehungen zwischen Wasser- und Lufttemperatur näher fest. " Dabei ergab sich, dass der Unterschied zwischen Wasser- und Lufttemperatur, der in den Monats- mitteln an einem Orte grosse Beständigkeit zeigte, keines- wegs an allen Orten im Laufe des Jahres der gleiche war. Hieraus muss man schliessen, dass die Temperatur eines fliessenden Gewässers nicht immer nur durch die an dem Beobachtungsort herrschende Lufttemperatur be- stimmt wird, sondern dass auf dieselbe auch alle Factoren, die sich oberhalb des Beobachtungsortes geltend machten, erheblich einwirken können. Es wurde das sehr deutlich illustrirt durch die Zusammenstellung aller Stationen, die einen gleichen Gang des oben bezeichneten Temperatur- unterschiedes aufweisen. Forster erhielt so vier scharf charakterisirte Gruppen von Flüssen, die sich nach der Natur der in ihnen vereinigten Gewässer leicht unter- scheiden Hessen und zwar als Gletscherflüsse, als See- abflüsse, als Gebirgs- und Quellflüsse und als Flachland- flüsse. Bei den Gletscherbäcben liegt die Wassertemperatur während des Winters über der Lufttemperatur, während des Sommers aber oft ganz beträchtlich unter derselben, Nr. 48. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 587 was auch im Jahresmittel der Fall ist. Es erklärt sich das schon einfach aus dem Umstand, dass diese Gewässer im Sommer einen sehr starken Zufluss von kaltem Gletscher- schmelzwasser erhalten, im Winter dagegen vorwiegend durch die in dieser Jahreszeit wannen Quellen gespeisl werden. Wie hier der Gletscher, so bestimmt bei den See abflüssen der See den Temperaturgang. In den Seen, für welche fortlaufende Beobachtungen vorliegen, zeigt sich übereinstimmend fast das ganze Jahr im Wasser an der ( ►berfläche eine höhere Temperatur als in der Luft. Das nämliche Verhältnis» besteht auch im Jahresmittel. Kälter ist das Wasser nur im Frühling, besonders in den Monaten April und Mai, wo in Folge grosser Wärme- capacität des Wassers die Steigerung der Temperatur desselben viel langsamer sich vollzieht als in der Luft. Diesen Gang des Temperaturunterschiedes finden wir auch bei den Abflüssen der Seen, die wir deshalb als eine in thermischer Hinsicht eigene Gruppe hinstellen können. Dem Typus der Gletscherbäche nähert sieh sehr »lei- der Quell- und Gebirgsflüsse. Auch hier ist die Tem- peratur des Wassers im Sommer niedriger, im Winter höher als die der Luft, aber der Unterschied ist wenigstens im Sommer wesentlich geringer. Im Jahresmittel sind Wasser- und Lufttemperatur daher nahezu gleich. Das Maximuni des Temperaturunterschiedes fällt zumeist auf December- Januar und Juli-August. Die letzte Gruppe bilden die Flachlandflüsse. Sie stehen unter der Einwirkung der directen Sonnenbestrah- lung, und erfahren daher eine schnelle und starke Er- wärmung, sodass im Sommer ihr Wasser oft nur mehrere Grade wärmer ist, als die darüber lagernde Luft. Aber auch im Winter weisen diese Flüsse einen Ueberschuss an Wärme gegenüber der Luft auf, sie besitzen eben im allgemeinen das ganze Jahr hindurch eine höhere Tem- peratur als die Luft. Forster stellt für diese Gruppe drei Unterabtheilungen auf: 1. Flüsse, deren Temperatur- unterschied mit der Luft im Sommerhalbjahr grösser ist, als im Winterhalbjahr (Elbe, Saale, Weser, Loire, Seine, Marne, Themse); 2. Flüsse, deren Temperaturunterschied in beiden Halbjahren gleich gross ist (Oder, Moldau, Schloitzbach, Saöne) und 3. Flüsse, deren Temperatur- unterschied im Sommer kleiner ist als im Winter (Weichsel, AVarthe, Zilligerbach, Main, Donau bei Dillingen, Egge, Lech und der Wienflnss). In diese vier Gruppen lassen sich die Flüsse Mittel- europas natürlich nur dann einreihen, wenn man kleinere Abweichungen unberücksichtigt lässt. So wird bei den Flachlandflüssen in einigen Monaten die Temperatur des Wassers auch hinter derjenigen der Luft zurückbleiben können; wir weiden dieselben doch zu der vierten Gruppe rechnen müssen, sobald es sich herausstellt, dass dieser Abweichung vom normalen Gange eine besondere Ursache zu Grunde liegt, Uebrigens wird ein und derselbe Fluss in seinen Abtheilungen meist mehreren Gruppen angehören, was in der Natur der Entwicklung eines Flusses seine hinreichende Erklärung' findet. Der Einfluss jener Factoren auf die Temperatur der Flüsse, welche Forster zur Aufstellung obiger 4 Typen veranlasste, kommt auch im jährlichen Gang der Tempe- ratur zum Ausdruck. Zunächst besteht die allgemeine Thatsache, dass fliessende Gewässer in dem jährliehen Verlauf ihrer Temperatur durchweg- einen innigen Zu- sammenhang mit der Lufttemperatur zeigen. Beide, die Luft und das Wasser der Flüsse hängen in ihrem ther- mischen Verhalten eben von derselben Ursache, nämlich der Sonnenbestrahlung ab. Je nachdem nun ein Fluss durch Quell- oder Gletscherwasser oder durch den Abfluss eines Sees gespeist wird, wird dieser jährliche Temperatur- gang- etwas abgeändert erscheinen; vornehmlich werden die Eintrittszeiten der Wendepunkte sowie die jährliche Amplitude durch diese Fai toren wesentlich inodificirl werden. In einem besonderen Abschnitt wird auch noch das Verhalten der Flusstemperatur bei der Eisbildung näher erörtert. Aus den dort aufgezählten Beispielen ersieht mau, dass der Eisbildung stets ein Sinken der Wasser- temperatur auf 0° vorausgehen muss. Dies geschieht am schnellsten dann, wenn die Lufttemperatur unter der Frost- grenze bleibt. Alier auch dann kommt es zur Eisbildung nur bei Eintritt scharfen Frostwetters, was neuerdings auch durch andere Untersuchungen bestätigt ist. Von grossem Interesse sind weiter die Untersuchungen Försters über die Veränderlichkeit der Temperatur fliessender Gewässer, für welche allerdings nur 5jährige Beobachtungen verwendet werden konnten. Trotzdem konnte festgestellt werden, dass die Veränderlichkeit der Flusstemperatur einen deutlich ausgesprochenen jährlichen Gang mit dem Maximum im Sommer und dem Minimum im Winter besitzt. Hierin unterscheidet sieh das fliessende Wasser wesentlich von der Luft, da nach Hann die Tem peratur dieser in Mitteleuropa zwei Maxima der Ver- änderlichkeit zur Zeit der jährlichen Extreme aufweist. Er erklärt sich diese Verschiedenheit zum Theil einfach durch die Thatsache, dass das Wasser im Winter an allen Temperaturänderungen unter 0y nicht theilnehmen kann. Die gemeinsame Abhängigkeit des Temperaturganges beider Elemente von der Sonnenwärme ist aber gleich- wohl deutlich zu erkennen, indem bei beiden die Veränder- lichkeit der Temperatur mit der Continentalität zu- nimmt. Um die Factoren, welche für die Veränderung der Temperatur in fliessenden Gewässern von Einfluss sind, zu ergründen, war es nothwendig, auch die mittlere An- zahl der Tage, au denen eine Aenderung von einer be- stimmten Grösse vorkommt, sowie auch die grössten Be- träge der Temperaturändeningen festzustellen; denn eine Vergleichung dieser mit den vorausgehenden meteorolo- gischen Verhältnissen niusste zu Aufschlüssen über die Ursachen derselben führen. Als höchsten Betrag solcher interdiurner Veränderlichkeit der Temperatur fliessender Gewässer dürfen wir nach Forster etwa 5° ansehen, wo- bei allerdings Ausnahmefälle, wie sie bei Seeabflüssen sieh einstellen, ausser Betracht gelassen sind. Diese Maximalwerte fallen vorwiegend auf die Temperatnrab- nahme. Für den jährlichen Gang ist noch erwähnens- werth, dass die Fälle, in denen die Temperatur an zwei aufeinander folgenden Tagen zunimmt, vom Februar bis Juli, solche in denen sie abnimmt, vom August bis Januar in der Mehrzahl sind. Bei dem Vergleich dieser Temperatur veränderlichkeit mit den Witterungsverhältnissen fand nun der Verfasser wieder den innigen Zusammen- hang zwischen Luft- und Wassertemperatur bestätigt. Freilich fallen die grössten interdiurnen Veränderungen von Luft- und Wassertemperatur keineswegs immer zu- sammen; aber das erklärt sich ohne weiteres aus der verschiedenen Wärmekapacität beider Elemente, Im all- gemeinen erfolgt Zu- und Abnahme der Temperatur im Wasser und in der Luft nahezu gleichzeitig. Weiter konnte dann nachgewiesen werden, dass auf die Temperatur der Flüsse vor allem der Niederschlag sowie der Grad der Bewölkung vom höchsten Einfluss ist, Als abgeschlossen dürfen aber diese Unlersuchungen noch keineswegs betrachtet werden. Gerade liier zeigte es sich, dass das vorhandene Material noch sehr lücken haft ist. Wir stimmen daher dem Verfasser lebhaft bei, wenn er in seinem Schlusswort den Wunsch ausspricht, dass eine systematische Beobachtung aller bedeutenden 588 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 48. fliessenden Gewässer Mitteleuropas Hand in Hand mit den meteorologischen Beobachtungen vorgenommen werden sollte. Erst dann wird man die Ursachen der eigenartigen Temperaturverhältnisse in den Flüssen wirklich ergründen können. Ein solches Vorgehen würde zweifellos auch praktischen Nutzen bringen. Den ersten Schritt zu diesem Ziele hat aber der Verfasser selbst gethan, indem er ein- mal durch Zusammenstellen des vorhandenen Materials uns die Notwendigkeit derartiger Untersuchungen klar vor Augen stellte, indem er dann aber auch auf Grund der Er- gebnisse seiner Beobachtungen eine Anleitung zur Vornahme von Messungen der Temperatur fliessender Gewässer ge- geben hat. Möge dieselbe Beachtung und vielfache Ver- wendung linden. Dr. Willi Ule aus Halle a. S. Ueber Kerntheilung mit nachfolgender Körper- theilung bei Ainoeba crystalligera Gruber hat F. Schaudinn in den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1894, Bd. 38) eine Arbeit ge- liefert. Trotzdem die Amoeben ausserordentlich häufig sind und sich leicht in Aquarien in grossen Mengen züchten lassen, und obwohl viele Forscher versucht haben, die Theilungsvorgänge dieser Organismen kennen zu lernen, sind Mittheilungen über die Betheiligung des Kerns an diesem Vorgang sehr selten. Nur F. E. Schulze gab in seiner „Kerntheilung mit nachfolgender Körper- theilung bei Amoeba polypodia" die einzige sichere Beob- achtung hierüber an einer vollständigen Reihe von Stadien. Der gewöhnlich kugelige Kern streckt sich beim Beginn der Theiluug in die Länge, wird oval und dann hantei- förmig; hierauf trennen sich die beiden Endstücke der Hantel von einander, wobei das Verbindungsstück immer dünner wird und endlich zerreisst. Die beiden Tochter- kerne runden sich ab und rücken auseinander, worauf sich auch der Körper der Amoebe in zwei Stücke theilt. Dieser Vorgang der directen Kerntheilung, die man als Amiton bezeichnet, wurde von einigen anderen Forschern bestätigt. Die Untersuchungen wurden am lebenden Thier vorgenommen. Da aber die Veränderungen der indirecten Kerntheilung, der sogenannten Miton, im Leben schwer sichtbar sind und die directe Kerntheilung, die Amiton, nur an conservirten Thiereu durch die Tinetion mit Kernfärbemitteln sicher festgestellt werden kann, so konnte man immerhin annehmen, die Beobachter der directen Kerntheilung, welche die Kerne nicht färbten, hätten die Vorgänge der Miton übersehen. Schaudims conservirte daher Amoeben (Amoeba crystalligera Gruber aus einem Seewasseraquarium des Berliner zoologischen Instituts) mit heisser concentrirter Sublimatlösung, und be- handelte sie mit verschiedenen Farbflüssigkeiten. Das Ergebniss war folgendes: Der runde Kern zeigt in seinem Centrum einen ovalen, nur schwach gefärbten Körper, der ein ziemlich starkes Lichtbrechungsvermögen besitzt, den Nucleolus. Ihn umgiebt eine im optischen Durchschnitt des Kernes ringförmig erscheinende, völlig ungefärbte Zone, ein Hocolarsaum im Sinne Bütschlis. Auf diese helle Zone folgt die ebenfalls einen Ring darstellende, bei weitem dickere Chromatinschicht. Sie besteht, wie der ganze Kern, aus Waben, in deren Wänden das stark gefärbte Chromatin in Form von kleineren oder grösseren Klumpen suspendirt ist. Die Theiluug des Kernes be- ginnt nun mit einer schwachen Einschnürung, die sich auch auf den Nucleolus erstreckt. Die Chromatinschicht ist an den beiden Polen des Kerns dicker geworden, während sie an der Einschnürungsstelle nur aus einer Wabenlage besteht; die Waben s'nd hier etwas in die Länge gestreckt. Auf den ferneren Stadien besitzt der Kern Hantelform, der Nucleolus hat sich bereits durch- geschnürt und die Chromatinmasse ist noch mehr nach den Polen gewandert. Auf den letzten Stadien hat sich die Durchschnürung des Kerns vollzogen, beide Kern- hälften sind auseinander gerückt und der Weichkörper beginnt sich durchzuscheuern. Schaudinn bestätigte also somit am gefärbten Kern der Amoeba crystalligera die von F. E. Schulze bei Amoeba polypodia am lebenden Kern beobachtete directe Kerntheilung. R. Einen neuen Schädling der Gerstenpflanze schildert K. Bruhne in einer erst kürzlieh erschienenen ausführ- lichen Arbeit (in Zopf, Beiträge zur Physiologie und Morphologie niederer Organismen. Heft IV, S. 1, 1894). Wichtig sind die Untersuchungen nicht blos wegen ihrer Bedeutung für die Landwirtschaft, sondern auch wegen der interessanten Resultate, welche die künstliche Cultur des Pilzes auf den verschiedensten Substraten ergab. Seit mehreren Jahren schon war bei Halle eine Gerstenkrankheit aufgetreten, die sich äusserlich durch braune Flecken auf Blättern und Hahnen zu erkennen gab. Dabei blieben die Pflanzen niedrig und setzten nur wenige Körner an. Es Hess sich feststellen, dass die Krankheit regelmässig dort ihren Ursprung nalnn, wo am oder auf dem Felde Müll- und Kehrichthaufen lagerten. In der Nähe dieser Stellen war die Erkrankung am heftigsten, je weiter man sich davon entfernte, um so schwächer war die Inficirung der Pflanzen. Die mikro- skopische Untersuchung ergab als Ursache der braunen Flecke einen Pilz, der im Gewebe wuchert und seine Conidienträger zu den Spaltöffnungen herauswachsen lässt. Die Conidienträger schnüren die Sporen in Ketten ab. Diese Fructificationsorgane verweisen den Pilz in die Gattung Hormodendron, wo er die neue Art H. Hordei bildet. Von grossem Interesse ist nun, wie der Pilz sich den verschiedenen Nährsubstraten gegenüber verhält. Diese Versuche in grösserem Maassstabe auszuführen, war um so leichter, als der Pilz auf künstlichen Medien sehr leicht zu ziehen war. Da die Pilze für ihre Ernährung Kohlenstoff und Stickstoff dem Substrat entnehmen, so entstand in erster Linie die Frage, aus welchen chemischen Verbindungen vermag der Pilz beide Stoffe oder einen von ihnen zu entnehmen. Um dies zu entscheiden, wurde eine Grund- lösung von bestimmter Zusammensetzung hergestellt und ihr die zu prüfenden Stoffe in bekannter Menge zugesetzt und dann der Pilz in der Lösung eultivirt. Dabei ergab sich, dass N und C aus Pepton sehr gut entnommen werden können, während Leucin und Asparagin dazu weniger geeignet waren. Seinen Stickstoffbedarf kann der Pilz sowohl aus Ammoniaksalzeu wie aus salpeter- sauren Salzen decken. Allerdings geht die Ernährung schlechter als in Pepton vor sich. Den Bedarf an Kohlen- stoff können verschiedene Stoffe liefern, Kohlehydrate, organische Säuren resp. ihre Salze, mehrwerthige Al- kohole etc. Von den ersteren waren sowohl Stoffe der Rohrzuckerreihe wie der Traubenzucker- und Cellulose- reihe sehr wohl dazu geeignet, von den organischen Säuren vermochten nur wenige den Pilz zu erhalten, so z. B. Bernsteinsäure, Essigsäure, Milchsäure etc., während Weinsäure, Citronensäure, Oxalsäure u. a. absolut un- brauchbar waren. Indessen auch die erstgenannten er- nährten nur kümmerlich. Unter den mehrwerthigen AI- Nr. 48. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. :»'. I koholen finden sich ehenfalls nur wenige Stoffe, in welchen eine massige Entwickelung des Pilzes vor sich geht, z. B. Glycerin und Mannit. Es ist natürlich selbstverständlich, dass alle die geprüften Stoffe der Nährlösung nur in sehr geringer Concentration zugesetzt wurden, denn sobald stärkerer l'rocentgehalt genommen wurde, so traten morpho- logische Veränderungen in dem Pilze auf. Diesen ist ein ganzes Capitel gewidmet. Ich will von den vielen geprüften Stoffen nur wenige hervorheben. So wuchs der Pilz noch in 110% Rohr- zuckerlösung, in gesättigter Milchzuckerlösung, in ge- sättigter Lösung von Gummi arabicum, in 17% Kochsalz- lösung, in 27 % Chlorcalitunlösung u. s. w. Aus allen Versuchen geht hervor, dass die .Schnelligkeit des Wachs- thums mit dem Steigen der Concentration abnimmt. Während alle anderen bisher untersuchten Pilze nur ge- ringe Conceutrationen zu ertragen vermögen, liegen die Grenzen für Hormodendron Hordei sehr hoch; Concen- trationen, die für andere Pilze absolut tödtlich sind, vermögen noch ein üppiges Wachsthum zu unterhalten. Natürlich findet die Ausbildung des Pilzes nicht in allen Lösungen gleichmässig statt. Bald wird nur Mycelbildung, bald auch Conidienfructification, bald Deckenbildung beob- achtet, lauter Verhältnisse, die für bestimmte Lösungen und Concentrationen constant sind. Sehr merkwürdig ist nun die Ausbildung der Conidien. Während dieselben auf der Gerste sehr feinwarzig sind, werden auf gewissen Nährmedien nur glattwandige Sporen gebildet. In Lösungen von schwefelsaurer Magnesia haben die Conidien bei niederer und mittlerer Concentration Warzensculptur, bei höherer sind sie glatt, für Natronsalpeter tritt gerade das Umgekehrte ein. Diese Andeutungen mögen über die Ernährung des Pilzes genügen. Besonders wichtig ist die Feststellung, unter welchen äusseren Bedingungen, wie Temperatur, Feuchtigkeit etc., ein Pilz zu leben vermag, da sich aus diesen Thatsachen meistens die Mittel zu seiner Vernichtung ergeben. Auch hier verhielt sich unser Pilz höchst abweichend von vielen anderen. Als obere Temperaturgrenze für die Keimung der Conidien wurden bei Anwesenheit von Feuchtigkeit 65-70°, bei völliger Trockenheit 115 — 120° gefunden. Austrocknung konnten die Sporen sowohl im Zimmer wie im Exsiccator über zwei Monate ertragen. Gegen Gift- lösungen verhielt sich der Pilz sehr widerstandsfähig. So ergab 1,5% Schwefelsäure nach 16 stündiger Ein- wirkung noch Auskeimung , Salzsäure nach derselben Zeit in 1% Lösung, Kupfervitriol 0,5% etc. Nur 0,1% Sublimat und 5,0% Carbol tödteten absolut sicher. Als Verhütungsmittel würden, wie sich aus dem Gesagten ergiebt, Besprengungen mit Fungicideu kaum Zweck haben. Es ist vielmehr nothwendig, die Infections- ursachen zu entfernen. Dahin würde also in erster Linie gehören, dass die Schutthaufen von den Feldern fern- gehalten werden oder aber, dass der Gerstenbau an solchen Stellen nicht betrieben wird. Um die Infection vom Stroh aus zu verhüten, genügt es vollkommen, das- selbe als Streu im Stall zu verwenden und dann im Dünger unter zu arbeiten. Im Dung gehen, wie die Ver- suche des Verfassers zeigen, die Sporen sicher zu Grunde. G. Lindau. Ueber die pyroelektrischen Eigenschaften und die Erystallform des Prelmits. — Die pyroelektrischen Eigenschaften des Prelmits sind schon mehrfach studirt worden. Nach den Untersuchungen von P.Riess und G.Rose gehört er zu den „centralpolarischen Krystallen" mit zwei gegeneinandergekehrten elektrischen Achsen, deren analoge Pole zusammenfallen. Nach Hankel sollte solche central- polarische Vertheilung der Elektricität nicht vorhanden sein. Die Endflächen seien beim Erkalten negativ elek- trisch, ebenso die makrodiagonalen Seitenkanten, während die braehydiagonalen Seitenkanten sammt den anstossenden Prismenflächenstücken positiv wären. Neuerdings hat nun Herr Dr. II. T raube Prehnit- krystalle mittelst der Kundtschen Bestäubungsmethode untersucht. Das Resultat seiner Forschungen giebl er im Neuen Jahrbuch für .Mineralogie, 1894, Beilageband IX, bekannt in einer Arbeit .,übcr die pyroelektrischen Eigenschaften und die Krystallform des Prelmits". Seine Untersuchungen liefern im Allgemeinen eine Bestätigung der von P. Riess und G. Rose gefundenen Thatsachen; seine Ergebnisse bedingen aber für die Krystallform des Prelmits andere Symmetrieverhältnisse, als wie sie aus der geometrischen Anlage folgen. Der Prehnit ist nicht rhombisch holoedrisch, sondern rhombisch hemimorph in der Richtung der Brachyachse. Zur Untersuchung dienten die bekannten schönen Krystalle von Jordansmühl in Schlesien. Die Krystalle wurden 5 — 10 Minuten einer Temperatur von 80 — 100° C. ausgesetzt und nach dem vollständigen Erkalten bestäubt. Dann zeigt das vordere Prismenpaar positive, das hintere negative Elektricität, die Basis ist theils positiv, theils negativ elektrisch, an- schliessend dem positiven resp. negativen Prismenpaar. Zwischen beiden Theilen liegt auf der Basis eine neutrale Zone, die sich seitwärts auch über das Brachypinakoid hinweg erstreckt. Das ganze Verhalten bezeugt eine der- artige Vertheilung der Elektricität, dass die Ebene durch die Krystallachsen b c nicht mehr Symmetrieebene sein kann, sondern dass die Krystalle hemimorph in der Rich- tung der a-Achse sind, mit ihr fällt die elektrische Achse zusammen. Demgemäss zeigt auch z. B. eine Platte parallel dem Makropinakoid auf beiden Seiten, ent- sprechend 100 und 100, verschiedene Elektricität. — An- dere Krystalle von Jordansmühl zeigen einen pyramidalen Habitus durch vorherrschendes (331), sie sind meist mit dem einen Ende der Verticalachse aufgewachsen. Ausser- dem zeigen sie noch (031) und (001). Bei ihnen sind die braehydiagonalen Polkanteu der Pyramide vorn und hinten und schmale angrenzende Partien der nebeuliegeu Pyra- midenflächen negativ elektrisch, die Flächen (031) und schmale Flächenstücke der anliegenden Pyramidenflüchcu positiv. Auf der Basis liegt ein positiver Streifen im Sinn der b- Achse, der mit der Schwefelbedeckung auf (031) zusammenhängt. Die Basis ist vorn und hinten frei von jedem Belag. Die Pyramiden sind auch frei davon, doch zeigen sie des Oefteren feine gelbe und rothe Streifen, die durch das Auftreten von Nähten veranlasst werden. Die Vertheilung der Elektricität ist hier also der eines rhombisch-holoedrischen Krystalls entsprechend. Da nun die gewöhnlichen Krystalle hemimorph in der Richtung der a-Achse sind, so müssen diese pyramidalen Kry- stalle Zwillingsverwachsungen nach (100) darstellen. Bei genauerer Untersuchung erweisen sie sich sogar als Vierlinge: es sind hypoparallele Verwachsungen zweier Zwillingskrystalle, von denen jeder sich aus zwei mit ihren antilogen Polen symmetrisch zu (100) verwachsenen Individuen zusammmensetzt. Ganz diesem elektrischen Verhalten entsprechend zeigen auch die Aetzfiguren von Prehnit rein rhombisch- hemimorphes Verhalten. Säuren sind zu ihrer Hervor- bringung nicht geeignet, gute Aetzfiguren entstehen durch minutenlanges Eintauchen des Krystalls in schmelzendes Aetzkali. Auf der Basis sind die Aetzfiguren rhombische Figuren, bei denen aber die gegenüberliegenden stumpfen Winkel verschiedene Grösse haben. Auf den Prismen- flächen sind die Aetzfiguren Paralleltrapeze, die sich nach dem antilogen Pol hin verjüngen — alles Erscheinungen, 590 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 48. die den Hemimorphisuius in der Richtung; der Brachyachse bestätigen. Im Anschluss an obige Untersuchungen untersucht Verf. noch andere Prehnitvorkommnisse, wie von Striegau in Schlesien, Bourg d'Oissans in der Dauphinee, Kongsberg, Ratschinges bei Sterzing, Farmington in Connecticut, Monzoui in Tyrol — , die alle mehr oder weniger obiges Verhalten bestätigen. Dr. A. Klautzsch. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: der Professor der Physik Dr. Hermann Aron in Berlin zum Geh. Regierungsrath ; Dr. med. Fischer in Hamburg zum Assistenten der medicinischen Universitätsklinik in Breslau; Dr. phil. Arthur Kopp zum Bibliothekar der König- lichen Bibliothek zu Berlin; der Director der landwirthschaft- lichen Versuchsstation in Hildesheim Dr. Karl Müller zum Professor; Dr. Knorr zum Assistenten an der Berliner Uni- versitäts - Frauenklinik an Stelle des ausgeschiedenen Dr. Henck; Di-. Paul Richter zum Assistenten an der Berliner dritten medi- cinischen Klinik; Dr. Wegscheider in Berlin zum Assistenten bei der Frauenklinik der Charite an Stelle des Dr. Schäfer; Dr. Eisenberg zum Assistenten bei der Chariteklinik für Haut- krankheiten anstatt des Dr. Buzzi und Dr. Schulz zum Assi- stenten bei der Unterrichtsanstalt für Staatsarzneikunde als Er- satz für Dr. Strecker; Dr. Fellner in Franzensbad zum Kaiser- lichen Rath. Berufen wurden: der ausserordentliche Professor Dr. med. Garre in Tübingen nach Rostock als ordentlicher Professor; der Professor der Mathematik in Göttingen Heinrich Weber nach Strassburg; Dr. med. Störner in Frankfurt a. M. als ausser- ordentlicher Professor der Medicin nach Rostock. Es habilitirten sich: Dr. Sittmann, Assistent an der ersten medicinischen Universitätsklinik in München für innere Medicin daselbst; Killermann in Passau zum Assistenten für darstellende Geometrie an der technischen Hochschule in München; Dr. Lange für Kinderheilkunde in Leipzig. L i 1 1 e r a t u r. Heinrich Hertz, Die Principien der Mechanik in neuem Zu- sammenhange dargestellt. Herausgegeben von Ph. Lenard. Mit einem Vorworte von H. von Helmholtz. Verlag von Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1894. — Preis 12 Mk. Mit tiefer Wehmuth wird jeder das vorliegende Buch in die Hand nehmen, dessen Verfasser uns — viel zu früh nach mensch- lichem Ermessen — am 1. Januar d. J. entrissen wurde; ist es doch nicht der Sehmerz um den genialen Heinrich Hertz allein, der uns erfüllt; auch von Helmholtz, der seinem grössten Schüler in einem Vorworte ein schönes Denkmal errichtet bat, ist von uns gegangen. Und dieses Gefühl der Wehmuth wird sich steigern, je weiter man vordringt in dieses letzte Denkmal von Heinrich Hertz' irdischer Thätigkeit, wie von Helmholtz das Werk nennt, je mehr man die geniale Schöpfung bewundern muss, die uns in den „Principien der Mechanik" entgegentritt. ji h Und das Buch ist in der That eine durchaus geniale Schöpfung; seinem Ruhmeskranze hat Hertz damit einen neuen unverwelk- lichen Zweig eingefügt. Aber es erfordert eine ziemlich genaue Kenntniss der bisherigen Darstellungen der Mechanik, um den letzteren gegenüber die Schönheiten und Feinheiten der ent- wickelten Gedanken und Anschauungen völlig verstehen, würdigen und schätzen zu können. Wir verzichten auf ein Eingehen auf die geistvollen mathe- matischen Entwicklungen, und beschränken uns auf eine Skiz- zirung der von kritischem Scharfsinn und wissenschaftlicher Offen- heit erfüllten sehr wichtigen und lesenswerthen Einleitung, welche Hertz jenen vorangestellt hat. Hertz unterscheidet drei Bilder der Mechanik. Ein erstes ist in der gewöhnlichen Darstellung der Mechanik enthalten, wie sie in fast allen Lehrbüchern und Vorlesungen, bis auf Einzelheiten übereinstimmend, geboten wird. Sie folgt dem historischen Gange der Entwickelung, und benutzt als Grundlagen die Begriffe des Raumes, der Zeit, der Kraft und der Masse. Die Kraft ist dabei eingeführt als die vor der Bewegung und unabhängig von der- selben bestehende Ursache der Bewegung. Die eigentliche Wurzel der weiteren Entwickelung bilden das Galilei'sche Trägheitsgesetz und die Newton'schen Gesetze der Bewegung. Aber es treten hier Schwierigkeiten auf, die jeder empfindet, der diese Dar- stellung in sich aufnehmen oder denkenden Zuhörern klar machen soll. Einer der bekanntesten Schwierigkeiten begegnet man, wie Hertz unter anderem hervorhebt, bei der Beantwortung der Frage nach dem Wesen der Kraft. Auf die Behauptungen, das Wesen der Kraft sei noch räthselhaft, es sei eine Hauptaufgabe der Physik, das Wesen der Kraft zu erforschen, erwidert Hertz: „in gleichem Sinne bestürmt man den Elektriker immer wieder nach dem Wesen der Elektrizität. Warum fragt nun Niemand in diesem Sinne nach dem Wesen des Goldes oder nach dem Wesen der Geschwindigkeit? Ist uns das Wesen des Goldes bekannter, als das der Elektricität, oder das Wesen der Geschwindigkeit bekannter, als das der Kraft? Können wir das Wesen irgend eines Dinges durch unsere Vorstellungen, durch unsere Worte erschöpfend wiedergeben? Gewiss nicht. Ich meine, der Unter- schied sei dieser: Mit den Zeichen „Geschwindigkeit" und „Gold" verbinden wir eine grosse Zahl von Beziehungen zu anderen Zeichen, und zwischen allen diesen Beziehungen finden sich keine uns verletzenden Widersprüche. Das genügt uns, und wir fragen nicht weiter. Auf die Zeichen „Kraft" und „Elektricität" aber hat man mehr Beziehungen gehäuft, als sich völlig mit einander vertragen; dies fühlen wir dunkel, verlangen nach Aufklärung und äussern unsern unklaren Wunsch in der unklaren Frage nach dem Wesen von Kraft und Elektricität. Aber offenbar irrt die Frage in Bezug auf die Antwort, welche sie erwartet. Nicht durch die Erkenntniss von neuen und mehreren Beziehungen und Verknüpfungen kann sie befriedigt werden, sondern durch die Entfernung der Widersprüche unter den vorhandenen, vielleicht also durch Verminderung der vorhandenen Beziehungen. Sind diese schmerzenden Widersprüche entfernt, so ist zwar nicht die Frage nach dem Wesen beantwortet, aber der nicht mehr ge- quälte Geist hört auf, die für ihn unberechtigte Frage zu stellen." Die einzelnen Bedenken, die Hertz bei Betrachtung der gewöhn- lichen Darstellungsweise der Principien der Mechanik aufstossen, fasst er zusammen in folgenden Worten: „Was die Form anlangt, schien uns, dass der logische Werth der einzelnen Aussagen nicht hinreichend klar festgelegt worden sei. Was die Sache anlangt, schien uns, dass die von der Mechanik betrachteten Bewegungen sich nicht völlig mit den zu betrachtenden natürlichen Bewegungen decken. Manche Eigenschaften der natürlichen Bewegungen werden in der Mechanik nicht berücksichtigt; viele Beziehungen, welche die Mechanik betrachtet, fehlen wahrscheinlich in der Natur." Aber diese Ausstellungen dürfen und können nicht zu einer Missachtung der gewöhnlichen Darstellung der Mechanik führen; sie wird ihren Werth und ihre Stellung stets behalten. Anderer- seits aber erwecken sie doch den Wunsch nach anderen Dar- stellungen, die von den gemachten Ausstellungen frei sind und sich den darzustellenden Dingen noch enger anpassen. Dies führt uns zu dem zweiten Bilde der mechanischen Vor- gänge, das sich aus den Fortschritten der letzten Jahrzehnte entwickelt hat. Während man bis in die Mitte des Jahrhunderts als letztes Ziel für die Erklärung der Naturerscheinungen die Rückführung der letzteren auf unzählige Fernkräfte zwischen den A turnen der Materie betrachtete, ist man jetzt unter dem über- wältigenden Eindrucke, den das Princip von der Erhaltung der Energie hervorgebracht hat, dazu geführt worden, als Endziel die Rückführung der Erscheinungen auf die Gesetze der Energie- verwandlung zu betrachten. Es tritt in dieser Darstellung der Mechanik der Begriff der Kraft von Anfang an zurück gegen den der Energie. Aber auch hier treten Punkte auf, die dem nach einer logischen, abgeschlossenen Darstellung der Mechanik strebenden Geiste nicht Befriedigung gewähren. Hertz erörtert eine ganze Reihe derartiger Bedenken, und fasst dieselben in folgenden Worten zusammen: „Ueberblicken wir noch einmal dasjenige, was wir über die Vorzüge des zweiten Bildes vorzu- bringen hatten, so können wir von der Gesamintheit desselben nicht allzu befriedigt sein. Obgleich die ganze Richtung der neueren Physik uns anlockt, den Begriff der Energie in den Vordergrund zu stelh'ii und ihn auch in der Mechanik als Grund- und Eckstein unseres Aufbaues zu benutzen, so bleibt es doch mehr als zweifelhaft, ob wir bei diesem Vorgehen die Härten und Rauhigkeiten vermeiden können, welche uns in dem ersten Bilde der Mechanik anstössig waren. In der That habe ich auch diesem zweiten Wege der Darstellung nicht deshalb eine längere Besprechung gewidmet, um zur Beschreitung desselben zu er- muthigen, sondern vielmehr, um anzudeuten, aus welchen Gründen ich selbst ihn aufgegeben habe, nachdem ich zuerst ihn zu ver- folgen versucht hatte." Und nunmehr entwickelt Hertz eine dritte Anordnung der Principien der Mechanik, nämlich diejenige, welche er selbst in dem vorliegenden Werke ausführlich darlegt. Er unterzieht dieses neue Bild der Mechanik gleichfalls einer Kritik, entkräftet, die Einwände, welche dagegen erhoben werden könnten, und ge- langt zu dem Schlüsse, dass es in logischer Beziehung durchaus befriedigend ist und eine hinreichend genaue Beschreibung der Naturvorgänge gestattet. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal gegen die übrigen Darstellungen der Mechanik und ihrer Principien besteht in der Annahme von nur drei unabhängigen Grundvorstellungen, denen der Zeit, des Raumes und der Masse. Ein vierter Begriff, wie der Begriff der Kraft oder Energie, tritt nicht mehr als selbst- Nr. 48. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 591 ständige Grundvorstellung auf. Bekanntlich hat schon Kirchhoff in seiner Mechanik bemerkt, dass drei von einander unabhängigen Vorstellungen nöthig, aber auch hinreichend seien zur Entwicke- lung der Mechanik. Es wird aber noch eine Hypothese ein- geführt, um ein gesetzmässiges Weltbild zu erhalten. Diese be- ruht in der Annahme, „dass es möglich sei. den sichtbaren Massen des Weltalls andere, denselben Gesetzen gehorchende Masse hinzu- zudichten von solcher Art, dass dadurch das Ganze Gesetzmässig- keit und Verständlichkeit gewinnt", und zwar soll dies in allen Füllen möglich sein. „Was wir gewohnt sind, als Kraft und als Energie zu bezeichnen, ist dann für uns nichts weiter, als eine Wirkung von Masse und Bewegung, nur braucht es nicht immer die Wirkung grobsinnlich nachweisbarer Masse und grobsinnlich nachweisbarer Bewegung zu sein." Diese dynamische Erklärung der Kraft, als aus Bewegungsvorgängen entstanden, liegt eigent- lich der heutigen Physik sehr nahe; es braucht ja nur daran er- innert zu werden, dass die Kräfte der Wärme mit Sicherheit auf die verborgenen Bewegungen greifbarer Massen zurückgeführt worden sind, und es ist mit grosser Sicherheit zu vermuthen, dass elektrodynamische Kräfte die Wirkung der Bewegung verborgener Massen sind. Ebenso legen die Arbeiten von Lord Kelvin, sowie die von Helmholtz'schen Untersuchungen über die cyklischen Systeme die Möglichkeit dynamischer Erklärungen der Kräfte nähe. Hertz behält sich also vor, neben den sinnlich wahrnehm- baren Massen durch Hypothese verborgene Massen einzuführen. Hiernach werden nun zunächst die eingeführten Grundbegriffe in Beziehung zu einander gesetzt; ihre erfahrungsmässige allgemeine Verknüpfung finden sie in einem einzigen Grundgesetz, das dem gewöhnlichen Trägheitsgesetz sehr analog ist. Dasselbe bildet eine, wie uns scheint, sehr glückliche Zusammenfassung des ge- wöhnlichen Trägheitsgesetzes und des Gauss'schen Princips des kleinsten Zwanges, und wird von Hertz so ausgesprochen: jede natürliche Bewegung eines selbständigen materiellen Systems be- steht darin, dass das System eine seiner geradesten Bahnen ver- folgt. Dieser Satz sagt also z. B. aus, dass, wenn die Zusammen- hänge des Systems einen Augenblick gelöst werden könnten, sich dann seine Massen in geradliniger und gleichförmiger Bewegung zerstreuen würden, dass aber, da solche Auflösung nicht möglich ist, sie jener angestrebten Bewegung wenigstens so nahe bleiben, als möglich. Dieses Grundgesetz bildet den ersten und letzten Erfahrungssatz der eigentlichen Mechanik. Aus ihm wird mit Zuhilfenahme der zugelassenen Hypothese verborgener Massen und gesetzmässiger Zusammenhänge der übrige Inhalt der Mechanik deduetiv hergeleitet, und die anderen allgemeinen Principien grup- piren sich um diesen Satz je nach ihren Beziehungen zu dem- selben und zu einander als Folgerungen oder Theilaussagen. Mit Hilfe dieser Grundannahmen lässt sich die Mechanik völlig klar und befriedigend entwickeln. Aber aus Zweckmässig- keitsgründen wird der Begriff der Kraft hinzugenommen, jedoch nur als eine mathematische Hilfsconstructiou, die nichts Rätsel- haftes an sich hat. Es geschieht dies so. Ueberall da, wo zwei Köilier demselben System angehören, muss zu Folge dem Grund- gesetz die Bewegung des einen durch die des anderen mitbestimmt sein. Rein aus Zweckmässigkeit wird diese Bestimmung der einen Bewegung durch die andere in zwei Stadien zerlegt und dem- gemäss gesagt, die Bewegung des ersten Körpers bestimmt zu- nächst eine Kraft, diese Kraft erst bestimmt die Bewegung des zweiten Körpers. Jede Kraft ist also nicht nur Ursache einer Bewegung, sondern auch die Folge einer solchen; sie ist nur das gedachte Mittelglied zwischen zwei Bewegungen. Zu Gunsten dieses dritten Bildes der Mechanik sprechen eine ganze Reihe von Gründen. Als der wichtigste erscheint uns, dass man die vermeintliche Wirkung der Fernkräfte auf Bewegungs- vorgänge in einem raumerfüllenden Medium zurückfuhrt, dessen kleinste Theile starren Verbindungen unterliegen; denn die ver- feinerte Erkenntniss hat uns gelehrt, dass die Annahme unver- änderlicher Fernkräfte — wenigstens in dem Gebiete der elek- trischen und magnetischen Kräfte — nur eine erste Annäherung an die Wahrheit liefert. Damit haben wir in Anlehnung an die Einleitung den Ge- dankengang angedeutet, der Hertz bei der Abfassung seines Buches geleitet hat. Er hat ein folgerichtig entwickeltes System der Mechanik aufgestellt, das in sich geschlossen ist, und welches nach dem bisherigen Entwickelungsgange der Mechanik und nach den neueston Forschungen der Physik, an denen Hertz selbst ja so wesentlich betheiligt war, eigentlich — früher oder später — mit Notwendigkeit folgen musste. Dass Hertz bereits das Ge- biet nach allen seinen Richtungen ausgebaut habe, kann man nicht erwarten; das war für ihn der Kürze der Zeit und seines Leidens wegen nicht möglich. Hertz hat vor allem die neuen Grundlagen festgelegt; den Bau fortzuführen, das ist die nächste Aufgabe der theoretischen Mechanik und Physik. „Freilich werden noch grosse Schwierigkeiten zu überwinden sein bei dem Bestreben", so beschliesst von Helmholtz sein Vorwort zu dem vorliegenden Buche, „aus den von Hertz entwickelten Grundlagen Erklärungen für die einzelnen Abschnitte der Physik i ;eben Im ganzen Zusammenhange aber ist die Darstellung der Grund- gesetze der Mechanik von Hertz ein Buch, welches im höchsten Grade jeden Leser interessireu muss, der an einem folgerichtigen System der Dynamik, dargelegt in höchst vollendeter und geist- reicher mathematischer Fassung, Freude hat. Möglicher Weise wird dieses Buch in der Zukunft noch von hohem heuristischen Werth sein als Leitfaden zur Entdeckung neuer allgemeiner Charaktere der Naturkräfte." Dr. A. G. Prof. H. Behrens, Das mikroskopische Gefüge der Metalle und Legirungen. Vergl eichende Studien- Mit 3 Fig. und 16 Tafeln. Leonhard Voss. Hamburg ii. Leipzig 1894. — Preis 14 M. Zunächst bespricht Verf. die Methoden der Untersuchung, um im II. Abschnitt die einzelnen Metalle und Legierungen zu beschreiben. Die praktische Bedeutung solcher Untersuchungen ist ohne weiteres ersichtlich, aber sie find auch von bedeutendem, rein wissenschaftlichen Interesse. Aus dem reichen Inhalt wollen wir nur das Resultat hervorheben, dass Legirungen die Neigung zeigen, Verbindungen nach bestimmten Verhältnissen zu bilden. Scheiden sich z. B. in einer Mischung von Ag und Cu Krystalle aus, so sind diese Krystalle des im Ueberschuss vorhandenen Metalles, während die Legirung homogen ist, wenn sie der Formel Ag.Cu entspricht. Dem Metalltechniker muss das Buch von grossem Mutzen sein. Berichte über die Verhandlungen der Königlich-Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. Mathematisch- physische Classe. Fünfundvierzigster Band, 18;to. — Die weitaus überwiegende Anzahl der in diesem Bande enthaltenen 40 Ab- handlungen sind mathematischer Natur. Naturwissenschaftlichen Charakter im engeren Sinne des Wortes tragen die folgenden: W. Ostwald, „Die Dissociation des Wassers." Aus der Theorie der Gasketten wird ein Weg zur Bestimmung der Disso- ciation des Wassers abgeleitet. — A. Looss. „Zur Frage nach der Natur des Körperparenchyins bei den Trematoden." — W. Ostwald, „Zur Thermochemie der Ionen " — Robert Behrond, „Elektrometrische Analyse." Die Beziehungen zwischen den Po- tentialdifferenzen an der Berührungsfläche verschieden concen- trirter Lösungen von Elektrolyten und den osmotischen Drucken der Ionen in denselben werden an verschiedenen Beispielen be- sprochen. — F. Hausdorff, „Theorie der astronomischen Strahlen- brechung II." — R- Schumann, „Die Polhöhe der Leipziger Sternwarte." — Fr. Hayn über dasselbe Thema. — H. Ambronn, „Ueber eine neue Methode zur Bestimmung der Breehungsexpo- nenten anisotroper mikroskopischer Objecte." — Dr. Miyoshi- Tokio. „Die chemotropischen Bowegungen von Pilzkörpern." I »ie Lehre von der Lenkung der Pollenschläuche bis in die Samen- knospe durch chemotaktische Reizbarkeit der Pollenschläuche wird angebahnt. — Leuckart, „Ueber den Infundibularapparat der Hirudineen." — Professor Pfeffer, „Ueber die Ursachen der Entleerung der Reservestoffe aus Samen." Es wird über einige von Herrn Berthold Hanstein im Leipziger Botanischen In- stitut ausgeführte Untersuchungen berichtet. — P. S täckel-Halle, „Bemerkungen zur Geschichte der geodätischen Linien." — J. Hartmann, „Die Polhöhe der Leipziger Sternwarte." - W. Ostwald, „Ueber das Princip des ausgezeichneten Falles." Die Definition dieses Ausdrucks giebt folgender Satz: „Sind für irgend einen Vorgang unendlich viele Möglichkeiten vorhanden, so ist das wirklich eintretende Geschehnis der ausgezeichnete Fall unter den möglichen Fällen." — F. Stohmann, „Calorimetrische Unter- suchungen. 30. Abhandlung. Ueber den Wärmewerth der ali- phatischen Säuren." Untersuchungen von F. Stohmann, Cl. Kleber, H. Langbein und P. Offenhauer. — F. Hausdorff, „Zur Theorie der astronomischen Strahlenbrechung." Briefkasten. Hr. D. — Wir können Ihnen die Firma II. Kägler (vergl. Sie das Inserat in dieser Nummer) empfehlen. — Herr Custos Kolbe von der entomologischen Abtheilung des Königlichen Museums für Naturkunde schreibt uns: „Herr Kägler liefert seit Jahren an das Museum Nadeln; seine neueste verbesserte Sorte übertrifft die früheren Nadeln durch den geringeren Grad an Biegsamkeit." Inhalt: Dr. E. 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Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- y Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 ■&. Grössere Aufträge ent- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— aö sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. J<- bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdrnck ist nur niit vollständiger Quellenangabe gestattet. 66. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien vom 24. bis 30. September 1894. II. E. Leyden: Van Swieten und die moderne Klinik. — ... In Wien stand die Wiege der deutschen Klinik. Zu einer Zeit, da man im übrigen Deutschland die Medicin nur theoretisch lehrte, wurde die praktische Klinik begründet und so vollkommen organisirt, dass sie sich schnell zu grossem Rufe erhob und ihre Einrich- tungen das Muster für andere Hochschulen wurden. Der Mann, welchem das Verdienst gebührt, diese Einrich- tungen geschaffen und in so vollkommener Weise organisirt zu haben, ist Gerhard Van Swieten. 20 Jahre lang hat er als Schüler des berühmten Boerhave in Leiden das Lehrgebäude und die Lehrmethode dieses grossen Meisters studirt, hat dessen Vorträge aufzeichnen lassen uud ihrer Bearbeitung 30 Jahre seines Lebens gewidmet. Der medicinische Unterricht an den Universitäten war früher nur ein theoretischer gewesen und bestand zum grössten Theile in der Erklärung der Werke des Hippokrates, Galen und Avicenna. Die Ausübung der ärztlichen Kunst selbst blieb den Studirenden unbekannt, und wurde erst dann angefangen, wenn sie bereits als Aerzte über die Diagnose und Behandlung der Krankheit entscheiden sollten. Deutsche Studenten auf der italienischen Universität Pavia waren es, welche zuerst energisch darauf drangen, praktischen Unterricht zu erhalten. In Folge dessenbe- gannen um das Jahr 1578 die Professoren Oddi und Bottoni Unterricht am Krankenbette selbst zu ertheilen. Indessen nach dem Tode der beiden Professoren schlief diese Einrichtung wieder ein und erlangte keine weitere Bedeutung. Erst mehr als ein halbes Jahrhundert später, im Jahre 1630, eröffneten die holländischen Professoren Otto van Heurne und E. Schrevelius eine Klinik im Krankenhause zu Leiden , welche nunmehr zu einer dauernden und maassgebenden Einrichtung wurde. Der klinische Unterricht bestand darin, dass die Studirenden den Kranken examinirten und untersuchten, jetler der- selben seine Ansicht über Diagnose, Prognose und Be- handlung äusserte und dann der Professor die richtigen Ansichten bestätigte, die falschen widerlegte. Unter Franz de la Böe (Sylvius) entwickelte sich die Leidener Klinik zu grossem Ansehen, und erreichte den Höhepunkt ihres Rufes durch Boerhave, welcher als Arzt und klinischer Lehrer einen Weltruf ohne gleichen genoss und allgemein als Europae communis medicorum prae- ceptor gefeiert wurde. Mit Boerhave's Tod (1738) er- losch der Glanz der Leidener Klinik ; seine bedeutendsten Schüler wurden, da man sie nicht festhalten konnte oder wollte, an andere deutsche Universitäten berufen und setzten das in Holland so ruhmreich Begonnene in ihrem neuen Wirkungskreise fort. Während Albrecht v. Haller in Göttingen die Phy- siologie begründete, ging die holländische Klinik mit Van Swieten und später Anton de Haen nach Wien über. Bei diesem wichtigen Ereignisse spielte auch der Zufall eine Rolle. Die Erzherzogin Marianna, die Schwester der Kaiserin Maria Theresia, war zu Brüssel im Wochen- bette schwer erkrankt (1744). Van Swieten, der bereits einen grossen Ruf als Arzt genoss, aber seiner katholischen Confession wegen in Leiden nicht zum Professor gewählt war, wurde nun an das Krankenbett der Erzherzogin be- rufen. Obgleich die Patientin starb, hatte er sich das Vertrauen der grossen Kaiserin im vollkommensten Maasse erworben. Bereits im folgenden Jahre (1745) wurde er als Leibarzt nach Wien berufen , alsbald aber mit grösseren Plänen zur Reform des medicinischen Unter- richtes betraut. . . . Van Swieten wurde zum ständigen Präsideuten der medicinischen Facultät und zum Direetor aller medi- cinischeu Dinge ernannt. Sein Plan war es, den Unter- richt nach dem Muster der Leidener Schule zu begründen. Das von ihm begründete Reform -Edict zur Ordnung des naturwissenschaftlichen und medicinischen Unterrichts wurde 1749 von der Kaiserin sanetionirt. Er selbst be- gann Vorlesungen über die Methodologie der ärztlichen 594 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 49. Wissenschaft und die Boerhave'schen Institutionen zu halten; aber bald sah er ein, dass er den Unterricht auf- geben und seine Thätigkeit auf ein anderes Gebiet, das der Censur, coneentriren müsse. Im Jahre 1755, also zehn Jahre später als Vau Swieten, wurde Anton de Haen, ebenfalls ein Schüler Boerhave's, nach Wien berufen und ihm die neu eingerichtete Klinik im Krankenhause tibertragen. Die Klinik bestand aus zwei Abtheilungen, für Männer und für Frauen, jede aus nur sechs Betten. Ueberdies war dem Vorstand das Recht der Auswahl aus den übrigen Kranken eingeräumt. Die Methode des klinischen Unterrichtes blieb nahezu dieselbe wie in der holländischen Klinik, und auch der Inhalt des Vorgetragenen schloss sich eng an die Lehre des Meisters an. De Haen führte die regelmässige Temperaturmessung am Krankenbette ein. Sein hauptsächliches Verdienst besteht darin, dass er die Medicin in Oesterreich von dem Zwange der Scholastik befreite, sie aus den Irr- gängen einer überladenen und abergläubischen Heilmittel- lehre zur methodischen, wissenschaftlichen Krankenunter- suchung und zu einer einfachen, den hippokratischen Grundsätzen sich anschliessenden, fest begründeten The- rapie hinüberleitete. Die exspectative Behandlung und die hippokratische Diät wurden wieder in ihr Recht ein- gesetzt. Die althergebrachten „Hebel der ärztlichen Kunst", die Blutentziehungeu, Brechmittel und Abfüh- rungen, blieben in ihrem Rechte bestehen und wurden nach den autoritativ festgesetzten Grundsätzen angewendet. Unter de Haen erreichte die Wiener Klinik einen euro- päischen Ruf; so hatte sich die Schöpfung Van Swieten's schnell zu hoher Blüthe entfaltet; aber zur Erreichung dieses Zieles hatte es vieler Arbeit und vorsichtiger Zähig- keit bedurft. Als eine seiner wichtigsten Aufgaben er- kannte Van Swieten die Einrichtung der Censur - Com- mission, in welcher er selbst als Censor der medicinischen und philosophischen Werke 21 Jahre lang unermüdlich wirkte und länger als 12 Jahre den Vorsitz führte. In dieser Wirksamkeit wusste er einen freieren, wissenschaft- lichen Geist nach Oesterreicb hineinzutragen und die Ent- wicklung der Naturwissenschaften zu fördern. Vor allem waren es Chemie und Botanik, welche er als Hilfswissen- schaften der Medicin ausserordentlich hochschätzte. In dieser wie auch in mancher anderen Beziehung, z. B. bezüglich der Pockenimpfung, zeigte er einen freieren Geist als sein College de Haen, welcher mit dogmatischer Schärfe die absolute Selbständigkeit der Klinik forderte und dem Einflüsse der Naturwissenschaften nur wTenig Raum gestattete. Noch ein anderes Denkmal unermüdlicher Mitarbeit an der Entwickelung der klinischen Medicin hat sich Van Swieten in seinen berühmten Commentaren zu den Boerhave'schen Aphorismen gesetzt. Dieses grosse Werk, anfangs von der noch feindlich gesinnten alten medi- cinischen Facultät zurückgewiesen, wurde bald das be- rühmteste und verbreitetste Lehrbuch. Die beiden ersten Bände waren bereits in Holland erschienen (1742 bis 1744), der letzte kurz vor seinem 1772 erfolgten Tode. Dieses Werk repräsentirt das Gesammtergebniss der medi- cinischen Wissenschaft des XVIII. Jahrhunderts und ver- werthet in grosser Vollständigkeit die gesammte medi- cinische Litteratur von den ersteu Anfängen griechischer Medicin bis zu Boerhave hinau. Der leitende Gedanke dieses Werkes war der, das System seines Lehrers, welches er von Grund aus kennen gelernt hatte, zu einem festen unzerstörbaren Gebäude aufzurichten und so zu befestigen, dass es dem Sturm der Zeiten trotzen konnte. Das End- ziel dieses Systems aber ging dahin, der Heilkunde eine Gestalt zu geben, welche ebensowohl den wissenschaft- lichen wie den künstlerischen Ansprüchen Genüge leistete. Seit 1770 fing Van Swietens Gesundheit an zu schwanken, er erholte sich noch einmal, konnte wieder thätig sein, aber er erwarb seine frühere Kraft und Ge- sundheit nicht wieder. Mit klarem Blicke sah er furchtlos dem herannahenden Tode entgegen. Er starb am 18. Juni 1772. . . . Van Swieten war kein schöpferisches Genie, er hat keine neuen, bahnbrechenden Ideen in die Medicin hinein- getragen, aber er war für seine Zeit und Aufgabe der rechte Mann an rechter Stelle. Mit klarem Geiste und fester Hand hat er sein Reformwerk durchgeführt, welches darin bestand, die vollendetere Wissenschaft seines Vater- landes nach dem Orte seiner neuen Wirksamkeit zu über- tragen. Er verzichtete auf selbständige Originalität und begnügte sich damit, die Lehren seines bewunderten Meisters, welche für ihn unumstössliche Orakelspruche waren und blieben, aufzuzeichnen und auszuarbeiten. Um diese Resignation zu verstehen, hat man mit Recht darauf hingewiesen, dass sein Leben dem Zeitalter des Autoritäts- glaubens angehörte. Mit derselben unwandelbaren Treue, wie an seinem religiösen Glauben, hielt er an den Lehren seines Meisters fest. Dies gab ihm auch die grosse Sicher- heit und Festigkeit in seinem ganzen Handeln, eine Festig- keit, welche zuweilen in Härte und Tyrannei ausartete. Indessen behielt er immer die Sache im Auge, und hat seinen grossen Einfluss niemals zu persönlichen Interessen missbraucht. In der Geschichte der Medicin bleibt sein Name mit der Gründung der medicinischen Klinik in Wien ver- bunden. Die von ihm gegebene Organisation hat sich auf das vollkommenste bewährt, sie hat der Wiener Klinik das Fundament zu einer freien und glücklichen Entwicke- lung gegeben. Van Swietens Verdienste gehen aber noch weiter, indem er als Reformator des Unterrichts in Oester- reich, der Vermittler von freieren Anschauungen und Ideen wurde, welche auf den Gang des öffentlichen Lebens von wesentlichem Einflüsse geworden sind. Darin besteht seine historische Bedeutung. Nach dem Tode de Haens (1776), welcher Van Swieten nur um kurze Zeit überlebte, ging die Klinik an Maximilian Stoll über, und erreichte unter ihm ihre höchste Aner- kennung. Sie war zu dieser Zeit unbestritten das Vor- bild aller medicinischen Schulen; sie blieb dabei im Sinne ihres Begründers eine Schule des Hippokratismus. In vieler Beziehung repräsentirt M. Stoll diese Richtung am vollendetsten. Seine Persönlichkeit übte einen besonders wohlthuenden Zauber auf die Kranken aus. In der Therapie stellte er die Behandlung der gastrisch-biliösen Störungen in den Vordergrund. Er liebte es, seine Lehren in Aphorismen zu formuliren, welche in Form und Inhalt vielfach an die berühmten Sätze des alten Koers erinnern. Nach Stoll's Tode sank das Ansehen der Wiener Klinik, hob sich aber wieder, als Peter Frank im Jahre 1795, also jetzt nahezu vor 100 Jahren, das klinische Lehramt tibernahm. Schon 1804 gab er diese Stellung auf, um nach Russland überzusiedeln. Auch Peter Frank kann noch zu den Hippokratikern gerechnet werden. Mit ihm findet die erste ruhmreiche Periode der Wiener Klinik ihren Abschluss. Das bisherige autoritative System der Klinik und die anscheinende Vollkommenheit und Un- fehlbarkeit wurden ein Hemmschuh, und konnten dem Fortschritte der Zeit auf die Dauer nicht standhalten. Die Naturwissenschaften, denen man nur widerwillig Eingang in die Medicin gestatten wollte, erhoben sich siegreich zur glänzendsten Blüthe und begannen den Maassstab ihrer Methode auch auf die Medicin zu über- tragen. Die wissenschaftliche Kritik rüttelte stark an den Axiomen der alten Klinik; der Aderlass, die Hauptsäule Nr. 49. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 595 gebilde Magendie sagte: der bisherigen Therapie, wurde gestürzt, aus der alten Heilmittellehre hielt nur weniges stand, und seihst die Beobachtung und Untersuchung am Krankenbette erschien vielfach unvollkommen und willkürlich. Der neue revolutionäre Geist brach mit der Ver- gangenheit und verlangte nichts weniger, als das alte Gebäude der Medicin gänzlich zu stürzen. Broussais (1772 bis 1832) erklärte die herkömmliche Medicin für werthlos, die Krankheitsformen der Schule für Phantasie- und Ontologien , ihre Therapie verderblich. „La medecine est une science ä faire." Man verlangte nun auch für die Medicin die naturwissen- schaftliche Methode und das Experiment. Inzwischen hatte die pathologische Anatomie und die Experimentalphysiologie eine stattliche Reihe von Ent- deckungen zu Tage gefördert, welche unerwartetes Licht über viele Vorgänge am Krankenbette verbreitete. Der Schatz des wirklichen Wissens, über welchen die alte Klinik gebot, erschien nun auf einmal auffallend be- schränkt. Die Klinik bedurfte neuer Methoden, um die Entdeckungen zu verwerthen und den Anforderungen der neuen Zeit gerecht zu werden. Diese erhielt sie durch die Entdeckung der Percussion durch Auenbrugger (Wien 1762) und der Auscultation durch Laenec (Paris 1820). Die glückliche Organisation, welche die Wriener Klinik unter Van Swieten erhalten, bewährte sich auch dadurch, dass sie der neuen Richtung nicht nur nicht hinderlich war, sondern ihr eine ebenso schnelle und blühende Ent- wicklung gestattete, wie zur Zeit der ersten Wiener Klinik. Unter Skoda (1839) und Oppolzer entwickelte sich jetzt die neue wissenschaftliche Klinik, an welcher die physikalischen Untersuchungsmethoden neben der pathologischen Anatomie die Grundlage des Unterrichtes bildeten und zu einer Diagnostik von überraschender Schärfe und Sicherheit ausgebildet wurden. Zum zweiten Male wurde die Wiener Klinik der allgemeine Anziehungs- punkt, wiederum pilgerten Studirende und Aerzte aller Nationen nach Wien, um die neue Medicin zu erlernen. Von hier aus ging die wissenschaftliche exaete Klinik schnell auf die anderen Universitäten über. In Berlin fand sie unter Ludwig Traube ihren bestimmtesten Aus- druck. Seine strenge wissenschaftliche Lehrmethode, unter vollendeter Anwendung der physikalischen, che- mischen, mikroskopischen Untersuchungen, seine gewissen- hafte Verwerthung der pathologischen Anatomie, der Phy- siologie und des physiologischen Experimentes, seine scharfe Diagnose sichern meinem unvergesslichen Lehrer einen hervorragenden Platz in der Geschichte der medi- cinischen Klinik. Die grosse Bedeutung dieser Epoche besteht darin, dass die Klinik in die Reihe der Naturwissenschaften eintrat und dass das naturwissenschaftliche Denken und Arbeiten in derselben eingebürgert wurde. Sie übte objeetive Untersuchung und Beobachtung am Kranken- bette, lehrte uns den natürlichen Verlauf der Krankheiten kennen und schuf hiermit die Basis für die objeetive Beurtheilung jeder Therapie. Ihr Glanzpunkt war die exaete pathologisch-anatomische Diagnose. Ohne Zweifel wird diese Methode die Grundlage der Klinik und des klinischen Unterrichtes bleiben. Weniger glücklich war diese Zeit für die interne Therapie, welche ebenfalls nach exaet naturwissenschaft- lichen Methoden aufgebaut und der Kritik des Experi- mentes unterworfen werden sollte. Physikalische und chemische Mittel und Methoden fanden das meiste Ver- trauen. Man war bestrebt, aus den bisherigen, grossen- theils dem Pflanzenreiche entnommenen Medicamenten die wirksamen Stoße in chemischer Reinheit zu gewinnen und deren Wirkungen auf den gesunden thierischen und menschlichen Organismus zur Richtschnur ihrer thera- peutischen Anwendung zu machen. So hoffte man, ein- fache, klare Verhältnisse und die Grundlage für eine wissenschaftliche Therapie zu gewinnen. Allein diese Bestrebungen haben nicht so schnell zu den erwarteten Resultaten geführt. In der Praxis reduciite sieh die Therapie vorzüglich auf das Verschreiben von Reeepten, aber das Vertrauen zu denselben wurde mehr und mehr schwankend. Die Folge davon war der Rückschlag zum Nihilismus in der Therapie und zum Pessimismus in der Praxis. Man glaubte sich nahezu auf ein blosses Beob- achten des Krankheitsverlaufes und ein mehr oder minder unthätiges Zuschauen beschränkt. Diesen Standpunkt hat die interne Medicin gegen- wärtig glücklich überwunden; sie hat gelernt, nicht das Unmögliche zu verlangen , sich nicht allein auf Medi- camente zu beschränken; sie hat die Therapie ebenso- wohl nach der wissenschaftlichen Seite gefördert, wie die Ausbildung der ärztlichen Kunst sich angelegen sein lassen. Damit hat sie einen festeren Boden und grösseres Selbstvertrauen gewonnen. Der Irrthum des Nihilismus in der Therapie bestand darin, dass man nur Krank- heiten heilen und nur dasjenige gelten lassen wollte, dessen heilende Wirkung auf den Krankheitsprocess wissenschaftlich, d. h. experimentell erwiesen worden war. Jede andere Leistuug der Therapie wurde gering geschätzt. Hiermit wurde der Wirkungskreis und die Leistungsfähigkeit der Therapie erheblich eingeschränkt, man musste daher wieder einlenken. „Der Versuch, die Klinik ausschliesslich auf naturwissenschaftlichen Errungen- schaften zu basiren" — sagt J. Petersen gewiss nicht ohne Grund — , „hat sich als unausführbar gezeigt." Man durfte die Erfahrung und die ärztliche Kunst früherer Zeit nicht bei Seite schieben. „Die ärztliche Behand- lung" — sagt Peter Kruckenberg, einer der gefeiertsten klinischen Lehrer der Neuzeit — „ist und bleibt eine Kunst" — und er hat Recht behalten. Wir haben eben nicht nur die Krankheit, sondern das kranke Individuum zu behandeln mit allem ffuss auf ihn hat. So lange Menschen eine Kunst ist, die sich nicht mathematisch berechnen lässt, so lange wird auch die Therapie eine Kunst bleiben. Neben der localen und speeifischen Therapie kam nun wieder die Gesannnttherapie zur Geltung, ebenso- wohl in ihrer physisch - vegetativen, wie in ihrer psy- chischen Beziehung. In Fällen, wo wir den localen Krankheitsprocess nicht wesentlich beeinflussen können und seinen natürlichen Verlauf abwarten müssen, da bleiben uns noch viele Mittel, um die Kräfte des Kranken zu unterstützen und ihm im Kampfe mit der Krankheit zum Siege zu verhelfen. Auch hierbei beschränken wir uns nicht auf Medicamente, allein wir ziehen alles herbei, was unseren Zwecken dienen kann. Wir haben wieder den Werth einer richtigen, individuell geregelten Er- nährungstherapie für die Erhaltung und die Stärkung der Kräfte erkannt; wir müssen die Ernährung quanti- tativ nach dem Stoffverbrauch im Körper, qualitativ nach dem Zustand der Verdauungsorgane anordnen. In nicht wenigen Krankheiten und Krankheitsstadien, welche eine stärkende (roborirende) Behandlung erfordern, ist die methodisch durchgeführte Ernährung derjenige Factor, welcher den Erfolg am sichersten garantirt. Auch die psychische Therapie wurde wieder in ihr Recht eingesetzt, auch sie soll den Heilplan unterstützen und die moralische Widerstandsfähigkeit des Kranken erhöhen. Zu ihr gehört auch das Gebiet der Suggestion. Ich ü\p;e gleich hinzu, dass ich nicht den Hypnotismus meine, dem ich eine wissenschaftliche Berechtigung in was ihn umgiebt und was Ein- aber die Behandlung des 596 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 49. der Therapie bisher nicht zuzusprechen vermag. Da- gegen bin ich der Meinung, dass der Arzt am Kranken- bette der suggestiven Therapie nicht entbehren kann, und dass sie insofern und insoweit berechtigt ist, als sie im Interesse des Kranken den gesammten Heilplan fördert. Sie wirkt analog einem Heilmittel, und es wird die Auf- gabe des Arztes sein, sich ihrer in richtigem Maasse und zur richtigen Zeit zu bedienen. An dieser Berechti- gung wird meines Erachtens dadurch nichts geändert, dass die Suggestion missbraucht werden kann und von Charlatanen so häufig zur Täuschung des Publieums miss- braucht wird. Diese Heilmethode in dem angeführten Sinne hat man (neuerdings) als die hygienisch-diätetische Therapie bezeichnet, indem die Vermeidung alles dessen, was schädlich wirken kann, und die sorgfältige Durchführung einer zweckmässigen Lebensordnung mit Einschluss der Ernährung die Elemente dieser Behandlung bilden. In- dessen erschöpft diese Bezeichnung doch nicht das Ganze. J. Petersen iu Kopenhagen hat sie in einem geistvollen Vortrage auf dem Congress der inneren Medicin 1889 den modernen Hippokratismus genannt, und wir können uns dies gern gefallen lassen, sofern die alte hippo- kratische Medicin die Gesammtbehandlung und den künst- lerischen Beruf des Arztes in den Vordergrund gestellt hat. Die Medicin des Alterthums hat bei geringen Kennt- nissen von den Vorgängen im gesunden und kranken Körper die Ethik der ärztlichen Kunst zu hoher Voll- endung ausgebildet. Es scheint keine unwürdige Auf- gabe, die antike Kunst mit der modernen Wissenschaft in Harmonie zu bringen. Auf der anderen Seite hat die speeifische Therapie in der neuesten Zeit erheblich an Terrain gewonnen. Sie ist augenblicklich diejenige, auf welche alle Blicke mit den grössten Erwartungen gerichtet sind. Sie hat nach drei verschiedenen Richtungen hin wesentliche Fortschritte zu verzeichnen. Zunächst wollen wir der Pharmakologie gedenken, welche sich mit Hilfe der ausserordentlichen Fortschritte in der Chemie rasch und reich entwickelt hat. Sie ist nicht mehr wie früher darauf beschränkt, die Heilwirkung der Pflanzen, wie sie die Natur uns liefert, zu studiren, auch nicht mehr darauf, die wirksamen Stoffe in den Pflanzen chemisch rein darzustellen. Sie vermag jetzt selbständig Heilmittel zu construiren, und hat uns mit einer grossen Anzahl solcher neu construirter, wirksamer Heilmittel beschenkt; ich nenne von allen die Antifebrilia, die schmerzstillenden und die schlafmachenden Mittel, an welche sich noch eine grosse Zahl anderer anschliesseü. Freilich hat die Fruchtbarkeit der chemischen Industrie mehr geliefert, als dem Bedürfnisse entspricht, und den medicinischen Markt derartig überschwemmt, dass man den Werth des Einzelnen nicht mehr sicher beurtheilen kann, zumal die Anpreisungen und Reclamen sich nicht immer in den zulässigen Grenzen halten. Das grösste Interesse und die grösste Bedeutung haben gerade im gegenwärtigen Momente diejenigen Arbeiten erreicht, welche aus dem Gebiete der Bakteri- ologie hervorgegangen sind. . . . Die Möglichkeit, die pathogenen Mikroben in den Reinculturen zu studiren, erweckte frühzeitig die Hoff- nung, ihre Weiterentwickelung im erkrankten Organismus ebenso gut wie im Reagensglase durch chemische Mittel aufhalten zu können, indessen die Antiparasitica und Antiseptica, welche der Chirurgie gegen die Infection der Wunden so grosse Dienste geleistet haben, Hessen die innere Medicin im Stiche. Dieselben chemischen Substanzen, welche die Bakterien vernichten, sind auch dem Organismus selbst und den Geweben schädlich, ja die Bakterien zeigten sich vielfach gegen sie resistenter als die Gewebe selbst. Die Aufgabe, Mittel zu finden, welche die Erreger der Krankheit zerstören, ohne gleich- zeitig dem kranken Organismus zu schaden, die Lösung dieser Aufgabe musste auf anderem Wege gesucht werden. Man hat, wie bekannt, in diesem Sinne Methoden analog der Jenner'scheu Schutzpockenimpfung ins Werk gesetzt, nicht nur als Präventiv-, sondern auch als thera- peutische Impfung. Auf diesem Principe ist die berühmte Pasteur'sche Behandlung der Huudswuth begründet. Ferner wurden die Stoffwechselproducte der Bak- terien, welche, wie man annehmen durfte, nach einiger Zeit die weitere Entwickelung der Bakterien hindern, dem kranken Körper einverleibt, in der Absicht, die pathogenen Organismen unwirksam zu machen, doch sind entscheidende Resultate auf diesem Wege bisher noch nicht erzielt worden. Aussichtsvoller sind die therapeutischen Versuche zur Immunisirung des kranken Organismus gegen die in ihm sich entwickelten Bakterien-Toxine; man wünscht den Körper schneller immun zu machen, als es durch den natürlichen Ablauf des infectiösen Krankheitsproccsses geschieht, damit gleichzeitig die Krankheit, so weit sie auf der Toxinwirkuug beruht, schneller und gefahrloser verlaufe. Zu den grössten Erwartungen berechtigt gerade in diesem Augenblicke die von Behring geschaffene Heil- serumtherapie, welche darauf beruht, dass das Blutserum von Thieren, welche methodisch gegen die betreffende Krankheit immunisirt worden sind, als Heilmittel (Gegen- gift, Antitoxin) gegen die gleiche Krankheit beim Men- schen verwendet wird.*) . . . Ich muss noch einer anderen therapeutischen Strö- mung gedenken, welche auf wissenschaftlichen Forschungen basirt, gegenwärtig in der Entwickelung begriffen ist, aber auch ein bestimmtes Urtheil noch nicht gestattet, nämlich die Organsafttherapie. Sie hat bisher ihre besten Erfolge bei der als Myxödem bezeichneten Krankheit aufzuweisen. Diese eigenthümliche Krankheit entwickelt sich in Fällen, wo die Schilddrüse entweder auf opera- tivem Wege entfernt oder auf natürlichem Wege ge- schwunden ist. Solchen Kranken hat man den frisch bereiteten Saft aus der Schilddrüse gesunder Thiere ein- gespritzt oder das Gewebe der Schilddrüse selbst in Tablettenform eingegeben, und darnach wesentliche Besse- rung bei Krankheitssymptomen beobachtet. Nach ana- logen Indicationen werden auch andere Drüsen und Drüsensäfte therapeutisch verwendet; indessen das ganze Gebiet ist noch so unsicher, dass man nicht genug vor Uebereilung und Illusionen warnen kann**) . . . Dasjenige, was uns in der Fülle des Neuen und namentlich in dem Labyrinthe therapeutischer Neuerungen den richtigen Weg zeigt, den festen Halt giebt und das Gute vom Schlechten, den Weizen von der Spreu unterscheiden lehrt, das ist die Schulung in der objeetiven Beobachtung, in der Methode der Naturwissenschaften. . . . *) Vergl. „Naturw. Wochenschr." Nr. 46. — Red. **) Vorgl. „Naturw. Wochenschr." IX, S. 271. — Red. Nr. 49. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 597 Die Hagelschläge in der Schweiz in den Jahren 1883—1893. Nach Dr. Clemens Hess"1 Seit 1883 werden von der „schweizerischen meteoro- logischen Centralanstalt" in Zürich in ihren Annalen Zu- sammenstellungen der von den vollständigen meteoro- logischen Stationen und Regenmessstationen eingelaufenen Gewitterbeobachtungen sowohl in tabellarischer als karto- graphischer und beschreibender Form veröffentlicht, die einen deutlichen Beweis dafür liefern, dass die Schweiz in hohem Maasse der Tummelplatz von Hagelwettern ist, welche leider nur zu oft bedauernswerthe Spuren ihrer Thätigkeit zurücklassen. Schon das oberflächliche Durch- blättern der Gewittcrkärtchen erweckt die Erkeuntniss, dass die verschiedenen Landesgegenden in sehr verschiedener Zahl von den jederzeit unliebsamen Gästen heimgesucht werden, und die ausserordentlich mannigfaltige Gliederung der Schweiz legt jedermann die Vermuthung nahe, es möchte zwischen den oro- und hydrographischen Ver- hältnissen des Landes und der Häutigkeit der Hagelschläge ein engerer Zusammenhang bestehen. Eine unter Be- nützung der oben genannten Annalen durchgeführte Unter- suchung hat zu verschiedenen bemerkenswerthen Resul- taten geführt, welche nachfolgend in gedrängter Kürze zusammengestellt sind. Zur leichteren Uebersicht sind vom Verfasser der Arbeit sämmtliche Hagelzüge und Einzelbeobachtungen mittelst eines Quadratnetzes auf eine einzige Karte über- tragen und auf diese Weise die Frequenzzahl, d. i. diejenige Zahl bestimmt worden, welche angiebt, wie oft die betreffende Gegend in den fraglichen neun Jahren vom Hagelwetter heimgesucht worden ist. Die so gefundenen Frequenzzahlen liegen zwischen den Grenzwerthen 0 und 16, wovon die letztere allerdings nur einmal vorkommt und zwar im Entlebuch; die Zahlen 14 und 15 kommen gar nicht vor, 13 wieder nur ein ein- ziges Mal, nämlich oberhalb Flühli, im obersten Sammel- gebiet der Kleinen Emme; die Frequenzen 12 und 11 kommen zusammen nur 6 mal vor, 2 mal in Gruppen zu dreien; die eine liegt in der Nachbarschaft von Langnau im Kanton Bern, die andere am Nordfuss des Kurzberges, in der Umgebung von Stahlen, ebenfalls im Kanton Bern. Die Zahlen von 10 abwärts treten nun in solcher Häufig- keit auf, dass es thunlich erschien, dieselben gruppenweise durch Mittelwerthe zu ersetzen. Wo die einzelnen Zahlen in ziemlich gleicher Menge vorkamen, wurde gesetzt für 10, 9 und 8 die Frequenzzahl 9, 7, 6 „5 „ „ 6, 2 und 1 „ „ 1—2, 1 „ 0 „ „ 1. Wenn dagegen die eine Zahl in überwiegender Menge vertreten war, so wurde sie selbst als solche beibehalten. Auf diese Weise wurde es möglich, gleichwerthige Gruppen mit Curven zu umziehen und „Flächen gleicher Hagel- frequenz" abzugrenzen. Die Karte lässt erkennen, dass das Hauptgewicht der Hagelschläge unstreitig in die Gebirgsgegenden fällt, und zwar in das Gebiet der Voralpen; in diesen sind die Frequenzzahlen 6 und 9 weitaus vorherrschend. Auffallend ist, dass die südlichsten Grenzpunkte der Frequenzgebiete 3 fast genau in einer Geraden liegen, welche Aigle im *) Hagelschläge in der Schweiz in den Jahren 1883—1891 u. Theorie der Entw. u. des Verlaufes der Hagelwetter. (Beilage zum Progr. d. Thurgauischen Kantonschule für 1893/94). Frauen- te ld 1894. unteren Rhonethale verbindet mit Garns im unteren Ethein- thale und den Brienzer-, Urner- und Walensee bestreicht. Diese Linie läuft parallel zu den Axen der grossen Pluss- thäler der Rhone und des Rheins und bildet fast genau die Südgrenze des Voralpenlandes. Auch die Nordgrenze des Voralpengebietes, die Verbindungslinie Lausanne (Genfersee)-Arbon (Bodensee), welche direct über den Napf hinweggeht, das Nordufer des Zugersees berühr! und den Zürchersee in der Mitte durchschneidet, ist Ln den Frequenzgebieten erkenntlich, und zwar zieht sie sich den Nordgrenzen der Frequenzflächen ß in den Berner und St. Galler Voralpen entlang. Allerdings ist der Streifen nicht durchweg gleichmässig belastet; denn an zwei Stellen befinden sich auffallende Lichtungen, von denen die eine den Freiburger Voralpen, die andere dem Gebiete des Vierwal dstätter- und Zugersees angehört; aber trotzdem ist die mittlere Frequenz dieses Streifens grösser als diejenige der Jurakette und des Mittellandes. Der Jura ist hauptsächlich in seiner nördlichen Hälfte stark frequentirt und vom Solothurner und Basler Jura aus führt eine ausgesprochene Hagelstrasse gegen die St. Galler und Appenzeller Berge; ebenso besteht eine solche zwischen dem Emmenthale und dem Basler Jura. Von der Centralschweiz aus nehmen die Frequenzzahlen nordostwärts, gegen den Bodensee, Untersee und Rhein ab. Mit Ausnahme des oberen Theiles ist das Boden- und Unterseegebiet nur selten dem Hagelschlage aus- gesetzt gewesen, etwas mehr der Genfersec, am wenigsten jedoch das Flächenstück vom Neuenburger Jura bis in die Freibergcr Voralpen. Auf einen Punkt soll besonders aufmerksam gemacht werden, nämlich darauf, dass das Gebiet des Vierwald- stättersees, des Zugersees mit dem nördlichen Ufergelände, das Linththal von oben bis zum Walensee, der Walensee selbst, sowie das benachbarte Rheinthal bis nahe zum untern Ende ganz erheblich geringere Frequenzzahlen aufweisen, als die Nachbargebiete. Der Umstand, dass die angeführten Seegegenden und Thalschaften ausge- sprochene Föhugebiete sind, veranlasst zu der Frage, ob vielleicht der Föhn eine mildernde Rolle gespielt V Der Gang der Untersuchung führte zur Bejahung derselben. Die Ermittelung der Durchschnittswerthe für die, drei Gebiete Voralpen, Mittelland und Jura ergab folgende Frequenzmittel: Gesammtes Voralpengebiet 3,75 „ Mittelland . . . 3,12 „ Juragebiet . . 3,30 Frequenzmittel der Schweiz 3,38 Aus diesen Zahlen ergiebt sich, dass die grösste Hagelfrequenz dem Voralpengebiete zukommt, die zweitgrösste dem Jura und die geringste dem Mittel- oder Hügellande. In abgerundeten Zahlen sind im Verlaufe der Jahre 1883—91 im Gebiete der Voralpen und des Mittellandes jährlich je 3000 km3, im Juragebiete dagegen 1850 km'2 von Hagelwettern über- zogen worden; auf dem ganzen westlich, nordwestlich und nördlich von der Hochalpenkettc gelegenen Theil der Schweiz ergiebt dieses eine Fläche von 7850 km2, die, nebenbei bemerkt, 2/5 der Gesammtfläche ausmacht. Die fortschreitenden Hagelwetter verfolgten alle mög- lichen Himmelsrichtungen, jedoch in sehr verschiedener Häufigkeit. Auf die Gesanimtheit der Hagelschläge be- zogen ist die Verthcilung nachfolgende: 598 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 49. W-E, SW-NE, SN, SE-NW, E-W, NE-SW, N-S, NW-SE, 24,0 24,0 3,0 1,0 2,0 1,0 1,0 2,6% Wenn zwischen den Richtungen W-E und SW-NE noch die Zwischenrichtung WSW-ENE eingeschaltet werden, so ergeben sich die Procentzablen : W-E, WSW-ENE, SW-NE, S-N, SE-NW, E-W, NE-SW, 18,0 12,0 18,0 3,0 1,0 2,0 1,0 N-S, NW-SE, Summa 1,0 2,6 58,6»/o Hieraus folgt das Ergebniss, dass von der Gesammt- zahl aller Hagelzüge 48 % au* um' zwischen die Rich- tungen W-E und SW-NE und nur 10,6 % auf die übrigen Richtungen Helen; 41,4 °0 aller Hagelwetter waren rich- tungs- oder zugslos. Die Anfänge der einzelnen Hagelzüge fallen in die verschiedensten Landesgegenden, in die einen jedoch häufiger als in die andern. In einzelnen Gebieten war das Auftreten so zahlreich, dass es den Anschein hat, es möchte daselbst besondere Disposition zur Hagelbildung vorhanden sein. Von 200 Hagelzügen hatten ihren Aus- gangspunkt: 2ö am Genfersee, 7 im Waadtländer Jura, 9 im Neuenburger Jura, 6 im Solothurner Jura, 20 im Basler Jura, 8 im Schaft'hauser Jura, 8 im Saane- und Sensegebiet (Freiburger Vor- alpen), 17 im Berner Vor- und Mittelland, 4 im Berner Oberland, 7 im Entlebuch, 7 im Napfgebiet, 15 in den Flussgebieten der Suhr, Wynen und Reuss, sowie in den Gebieten des Sempacher, Balldegger- und Hallwylersees, 2 im Toggenburg, 5 im Säntisgebiet, 7 im Tessin und 53 zerstreut. Aus dem Vorangehenden folgt, dass es in der Schweiz Gebiete gegeben hat, welche sich von den benachbarten Gegenden dadurch unterscheiden, dass sie viel häufiger als die Ausgangspunkte von Hagelschlägen functionirten, und solche, welche mehr als andere von Schaden verur- sachenden Gewittern überzogen worden sind; letztere können eingetheilt werden in solche, welche hauptsächlich nur von einer und solche, die von verschiedenen Seiten her von Hagelwettern bestrichen worden sind; schliesslich zeichnen sich gewisse Gegenden dadurch aus, dass sie auffallend viel als Zielpunkte der Zugsrichtung gegolten haben. Auf Grund dieser Erfahrung kann das ganze Frequenzgebiet der Hagelzüge eingetheilt werden in Strahl- gebiete, Strichgebiete, Kreuzungsgebiete und Zielgebiete. Zu den Strahlgebieten sind zu zählen: a. in der Jura- kette: der Waadtländer, Neuenburger, Solothurner, Basier und Schaft'hauser Jura oder das Randengebiet, ß. im Mittelland: Genfund der Genfersee, y. im Voralpengebiet: das Sensegebiet, die Berner Voralpen, das Napfgebiet, das Entlebuch, das Säntisgebiet mit den Appenzeller Vor- bergen, J. in den Hochalpen: das Haslethal und schliess- lich e im Tessin (in geringem Maasse): das Gebiet der italienischen Seen. Von den Zügen, welche ihren Ursprung im Jura hatten, verliefen 42 °/0 entweder in der Kette selbst oder an den östlichen Abhängen, deshalb ist das Juragebiet gleich- zeitig auch ein Strichgebiet und der Basler Jura ausser- Wettingen, (St. Gallen) dem ein Zielgebiet. Da 62 % der im Alpengebiete ent- standenen Hagelwetter im Streifen selbst verliefen und dem nordöstlichen Ende zusteuerten, so war der Voralpen- streifen ein Strichgebiet und sein nordöstliches Ende, das Appenzellerland mit dem anstossenden Rheinthale, ein Zielgebiet. Strichgebiete sind im weiteren erstens der westöstlich gerichtete Landstreifeu vom Solothurner und Basler Jura aus über das Reussgebiet zwischen Brem- garten und Biugg, an den Lägern vorbei entweder nach dem Bodensee oder dem St. Galler-Gebirgslande, zweitens der Landstreifen von den Flussgebieten der Suhr und Wynen bis zum obern Bodensee, drittens das Nordufer des Genfersees in der Richtung E-W und umgekehrt, viertens der Landstreifen zwischen dem Sensegebiet einer- und Basler Jura anderseits, fünftens das Gebiet zwischen dem Emmenthal und dem Baslergebiet und schliesslich das Rheingebiet vom Randen aufwärts bis zum Untersee. Die wichtigsten Kreuzungsgebiete sind ein Laudcomplex öst- lich vom Bielersee, die Abhänge des Jura bei Grencheu, die Gegend von Rorbach und Madiswyl, die Thalschaften bei ob. Buchsiten und Hägendorf, die Gegenden der lu- zerncrischen und aargauischen Seethäler, das Gebiet des Pfäffikersees, die Umgebungen von Eschenz a. Rh., Wyl, Fischingen, Gossau und endlich Sulgen im oberen Thurgau. Die Hagelwetter sind nur in seltenen Fällen stationär; sie setzen meistens an ihrem Entstehungsorte mit Wucht ein, um sodann von hier aus eine grössere oder kleinere Fläche mehr oder weniger in ein Bild der Verwüstung zu verwandeln. Länge und Breite der überzogenen Ge- biete sind sehr veränderlicher Natur; neben Streifen von einer halben Wegstunde giebt es solche von 80, 100, 150, ja sogar 180 km Länge und neben 1/., km breiten giebt es auch solche, welche in der Breite 10 — 14 km messen. Manchmal sind die Streifen von Anfang bis ans Ende von gleicher Breite, zuweilen weiten sie sich jedoch aus und ziehen sich dann wieder zusammen, oder sie verzweigen sich, um später wieder in einen einheitlichen Streifen zu- sammenzulaufen, so dass mitten in einem breit gewordenen Striche unbeschädigte Gegenden wie Inseln zu Tage treten. Angesichts dieser Thatsachen fragt man unwill- kürlich nach dem Grunde dieser Erscheinungen und denkt dabei in erster Linie an die oro- und hydrographischen Verhältnisse des Erdbodens. Inwieweit diese im Spiele sind, ist in Folge der ausserordentlichen Mannigfaltigkeit derselben schwer zu entscheiden, immerhin treten einige Thatsachen deutlich hervor. Wenn die Lage der Frequenzmaxima hinsichtlich der landschaftlichen Verhältnisse geprüft wird, so zeigt sich dass solche vorzugsweise in Thälern liegen, welche nach Süden durch einen Gebirgszug abgeschlossen sind. Bei- spiele dafür finden sich im Gebiete der kalten Sense, im Emmenthal, Entlebuch, am Napf, in den Schwyzer Voralpen, im Sentisgebiete und auch der Jura weist angedeutete Situationen auf. Es scheint somit in solchen Thälern eine Disposition zur Hagelbildung vorhanden zu sein. Im Gegen- satze dazu ist auf die Eigentümlichkeit aufmerksam ge- macht, dass die Hochgebirgsthäler des Berneroberlands, das Binththal und der Walensee, das Reussthal mit dem Vierwald- stättersee, sowie das Rhone- und das Rheinthal von den Quellen bis hinunter nahe an die Einmündungen in die See- gebiete arm sind an grossen Frequenzzahlen; somit wären Föhuthäler zur Hagelbildung weniger disponirt, als andere. Auch die Hochalpen weisen wenig eigentliche Hagelschläge auf, weil die allerdings häufig auftretenden, festen Nieder- schläge meistens zur Kategorie der Riesel und Graupel zu rechnen sind. Im schweizerischen Mittellande eigneten sieh haupt- sächlich zwei Streifen zum Studium, nämlich einerseits Nr. 49. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 599 der Landstreifen vom nordöstlichen Vorlande, des Napfs bis zum Bodensee und unterem Rheinthale, andererseits der Strich vom Basier Jura bis zum eben genannten Ziel- gebiete. Die Grosszahl der Gewitterzüge mit Hagelbil- dung, welche eine der bezeichneten Routen nahmen, be- weist, dass die eigentliche Werkstätte, in der die ver- heerenden Geschosse geschaffen werden, hoch über den überschrittenen Bergrücken liegen muss; ein Resultat, zu dem auch die Untersuchung des Hagelschlages im Kanton Thurgau am 6. Juni 1891 vom gleichen Verfasser führte, und das um so eher ausgesprochen werden durfte, als schon im Jahre 1875 der berühmte Genfer Physiker Colladon 2 Hagelwetter beobachtete, welche Bergketten von 1500—2000 m Seehöhe (ca. 1100—1600 m relativ) überschritten, ohne in ihrer Geschwindigkeit und Richtung hierdurch merklich beeinflusst zu werden. Im Weiteren lässt das Steigen und Fallen der Frequenzzahlen von Thal zu Berg und umgekehrt erkennen, dass in den Thalsohlen häufiger Hagel fällt, als auf den benachbarten Bergrücken. Es kommt somit vor, dass sich Hagel- schläge beim Ueberschreiten von Gebirgskämmen in Riesel verwandeln oder in Regen auflösen, dann aber wieder mit Hagel einsetzen, wenn sie von neuem eine Thalsohle betreten. Ferner lässt sich ersehen, dass sich unter der stau- enden Einwirkung des ansteigenden Terrains Gewitter- regen in Hagelschläge umwandeln können; denn im Thal- gebiete der Hallwyler und Baldegger Seen ist die Fre- quenzzahl grösser als irgendwo auf der ganzen Profil- strecke; das Vorland des Lindenbergs fällt hier mit dem Seethal zusammen; vom Reussthal aus gegen die Albis- kette steigt das Terrain continuirlich und mit demselben auch die Frequenz bis zum Abstürze über dem Albis- riieken; im Thale von Greifensee und Pfäffikon zeigt sich die analoge Erscheinung und erst beim Ueberschreiten der Hörnlikette tritt wieder ein namhaftes Fallen der Frequenz- zahlen ein. Verfolgen wir noch einen Gewitterzug auf dem viel- besuchten Strichgebiete vom Solothuruer und Basler Jura aus ostwärts, so finden wir zuerst ein ausgesprochenes Frequenzmaximum über dem Aaregebiet zwischen Ölten und Aarau, dann wieder ein solches im Reussgebiete zwischen Bremgarten und Brugg, im weitern im Thale der Limmat zwischen Zürich und Baden, sowie zu beiden Seiten der Lägern. Die Lägern scheint in vielen Fällen als Wetterscheide aufzutreten. Die einen Gewitter ziehen nördlich derselben vorbei, kommen ins Thälchen des Surb- baches, sodann über Schöffiisdorf und Bülach, südlich am Irchel vorbei, bei Pfungen und Wülflingen ins Töss- thal, daselbst ein Maximum erzeugend und von hier aus in östlicher Richtung, der Eulach entlang, gegen Aadorf und Matzingen, über den Immenberg, bei Bürglen ins Thurthal und schliesslich an den Bodensee. Die andern Gewitter ziehen, indem sie bei Wettingen das Linunat- thal betreten, dieses hinauf, über Höngg, Schwamen- dingen und Dübendorf gegen Pfäffikon und Ulier das Töss- thal, bei Wyl ins obere Thurthal und gegen das untere Rheinthal. Die grossen Frequenzzahlen liegen auch hier in den Thalsohlen der grossen Flüsse, wie in den Thälern der Aare, Reuss, Limmat, Töss und Thur. Das Hügel- land zwischen Reuss und Limmat weist kleinere Zahlen auf, als die Thäler selbst und auf der Strecke von der Limmat bei Baden bis zum Tössthal bei Wülflingen nehmen die Frequenzzahlen continuirlich ab (6, 5, 3, 2); auch beim Uebergauge vom Limmatthale nach dem Greifen- see existirt eine Abnahme auf die Hälfte. Die Erfahrungen, welche wir auf dieser Tour gewonnen haben, stimmen somit überein mit denjenigen der Route Sempack-Boden- see und werden im weiteren bestätigt durch die ver- schiedenen Maxima des Juragebietes, das häufig seiner Längsrichtung nach von Gewittern überzogen wird. Von Süden nach Norden fortschreitend, finden wir hier zunächst ein Frequenzmaximum im Jouxthale zwischen den nord- östlich verlaufenden Bergketten des Mt. Tendre und des Mt. Risoux, das im Uebrigen auch nach Norden und Süden durch Gebirgszüge begrenzt ist. Weitere Maxima liegen nördlich vom Cret de Tiavers über den Sümpfen von Les Ponts, in einem nach Nordosten verlaufenden Thälchen, sowie in dem Thalkessel von Fontaines und Dombresson zwischen dem Mt. d'Amin und dem Chau- mont; das erstere verdankt seine Existenz dem Wasser- reichthum der Sümpfe, letzteres dagegeu der stauenden Wirkung der das Thal ein- und abschliessenden Berge. Dann folgen die hervorragenden Frequenzgebiete im Thale von St. Immer und dem Parallelthälchen zwischen dem St. Immerthale und dem Doubs und schliesslich diejenigen in den Thalschaften von Delemont Courgenay und Porrent- ruy. Ebenso schliessen sich den gemachten Erfahrungen die Maxima an, welche an den gegen die schweizerische Hochebene gerichteten Abhängen der Jurakette liegen. Sie verdanken ihr Dasein z. Th. den vom Jura ins Mittel- land heraustretenden, z. Th. jedoch auch den dem Jura entlang ziehenden Gewittern, welche über dem wasser- reichen Aarethal stellenweise reichlieh Nahrung zur Hagel- bildung vorfinden. Auch die kleinen Maxima um den Genfersee, ferner diejenigen in den Hochgebirgsthälern uud an den italienischen Seen machen keine Ausnahme." Dem Gedanken folgend, dass ein Vergleich der Hagelschläge mit den Niederschlagsverhältnissen über- haupt einige Lichtpunkte durchblicken lasse, kam der Verfasser der Arbeit zu folgenden weiteren Ueberleguugen und Schlüssen. „In Anbetracht des Umstandes, dass die Niederschläge der Sommergewitter einen wesentlichen Be- standteil der jährlichen Niederschlagsmenge ausmachen, war zu erwarten, dass in den Grundzügen der Hagel- und der Niederschlagsvertheilung einige Uebereinstimmung zu Tage treten werde; denn in den Niederschlägen sind ja auch die entsprechenden Wasseruiengeu der Hagel- schläge mit enthalten. Wir finden jedoch noch eine grössere Anzahl von Frequenzmaxima in der Hagelkarte, wo in der allgemeinen Niederschlagskarte keine Maxima der Jahressumme vorhanden sind, dagegen auch Nieder- schlagsmaxima an Orten, an denen die Hagelfrequenz sogar geringer ist, als in niederschlagsarmen Gegenden, au den ersteren Orten scheint eine ausgesprochene Dis- position zur Hagelbildung vorhanden zu sein, an den letzteren dagegen Zustände obzuwalten, welche der Hagelbildung weniger günstig sind. Bei der Durchmuste- rung des Beobachtungsfeldes nach den angedeuteten Ge- sichtspunkten ergab sich in erster Linie das Resultat, dass Flussthäler, welche in der Richtung der Gewitter- züge ansteigen uud abschliessen, die Hagelbildung zu begünstigen scheinen; dann aber glaubt der Verfasser auch eine Antwort erkennen zu könuen auf die Frage, ob und in welchem Maasse Waldungen Hagelschläge zu beeinflussen im Stande seien. Vom Basellandc aus ostwärts ist das Terrain sehr hügeliger bis bergiger Natur; Kuppen und Abhänge sind grösstenteils mit Wald bewachsen und zwar gilt dieses hauptsächlich für den Landstreifen nördlich der Linie Lägern-Sissach zwischen Baselland und Glattgebiet, wo- selbst die Hagelschläge wieder viel häufiger sind. Bei dieser Sachlage ist man nicht abgeneigt, die Abnahme der Frequenzzahlen dem Waldreiehthum der hügeligen Gegend zuzuschreiben. Wenn aber einem waldreichen Hügellande die angedeutete mildernde Rolle bei der Ent- wickelung der Hagelschläge oder im Verlaufe der llagel- züge wirklich zukommt, so müssen anderweitig bei gleicher 600 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 49. Sachlage auch analoge Erscheinungen zu Tage treten. Der starkbewaldete Irchel, der westlich im Glattgebiet und auch nördlich von grössern Frequenzzahlen umgeben ist, scheint allerdings zu Gunsten der Annahme zu sprechen. Auch in der südöstlichen Verlängerung des Irchels liegt ein ausgesprochenes Frequenzmaximum. Besonderer Be- achtung bedurfte der ausgedehnte Waldcomplex am Eschen- berg. Derselbe ist mit der Zahl 5 behaftet und stösst nördlich an das Maximum zwischen Winterthur und Wülf- lingen, südlich dagegen an das hochgradige Maximum auf der Nordseite des Pfäffiker Sees. Der Eiufluss des Waldes tritt hier unverkennbar zu Tage. Das eigentliche Tössthal, von Winterthur aufwärts bis nach „Wald", liegt seiner ganzen Ausdehnung nach quer zu einer sehr häutig verfolgten Zugsrichtung, hat aber trotzdem nur die Frequenzzahlen 3 und 4 (vor- herrschend 4), während im westlich gelegenen Seethale von Pfäftikon und Greifensee 6 — 10 figuriren. Das ganze Thal ist von einem stark bewaldeten Hügelgebiete ein- geschlossen, so dass also auch hier die in Frage stehende Vermuthung eine kräftige Unterstützung findet. Der auf der Ostseite, parallel zum Thale, von Süd nach Nord ver- laufende Hügel und Bergeomplex vom Schnebelhorn über das Hörnli bis zum Schauen berg besitzt die Frequenzzahl 2 ; Berg und Wald treten hier im gleichen Sinne der Ent- wickelung der Hagelschläge entgegen. Die Partie Pfäffiker Seethal-Thurthal (bei Wyl) ist bei der Unter- suchung von grosser Bedeutung und die Reihenfolge der Frequenz/zahlen Pfäffiker Seethal 8, bewaldetes Tössthal 4, bewaldeter Bergeomplex 2, flaches, wasserreiches Thur- thal (bei Wyl) 6 ganz besonders der Beachtung werth. Ein weiteres Gebiet, welches zur Beantwortung der Wald- frage in Berücksichtigung gezogen werden konnte, ist der Randen und seine Umgebung, und auch dieses führte zu dem Schlüsse, dass über stark bewaldeten Hügeln und Berglanden Hagelschläge seltener sind, als über wasserreichen Thalschaften und waldarnieni Flachlande. Dieses Ergebniss ist allerdings nicht neu; man ging sogar so weit, zu behaupten, dass Waldlücken von wenigen Hektaren Flächenraum und Ausschnitte von kaum 100 m Breite von Hagelschlägen überzogen werden, während seitlich liegende Waldpartien vollständig ver- schont bleiben. Obige Untersuchungen zeigen, dass solche Behauptungen nicht zutreffend sind. Vergleichen wir die Frequenzzahlen der ausgedehnten Waldcomplexe mit den- jenigen der Maximalgebiete, so finden wir als durch- schnittliches Verhältniss U,57. Wenn wir auch den ge- fundenen Zahlenwertheu keine absolute Genauigkeit bei- messen dürfen, so geben sie immerhin Fingerzeige, in welchem Maasse ausgedehnte Waldcomplexe in die Ent- wickelung und den Verlauf der Hagelschläge eingreifen. Die Bedeutung des Verhältnisses 0,57 kann dahin aus- gesprochen werden, dass von 100 Hagelschlägen, welche gegen ein waldreiches Hügelland heran- ziehen, circa 60 auch die Waldungen mit Hagel- körnern überschütten, die übrigen 40 werden entweder in Riesel oder in Regen aufgelöst. Es ist auf der Hand liegend, dass die auflösende AVir- kung den schwachen Schlägen zukommeu wird; da starke Hagelentladungen zumeist an den Rändern in Riesel und Regen übergehen, so wird bei solchen die Wirkung des Waldes in einer Einschnürung des Streifens bestehen. Nach den Untersuchungen des Hagelschlages vom 6. Juni 1891 im Kanton Turgau giebt es auch Unwetter, deren Entladungen über Waldcomplexen intensiver sind, als seitwärts, so dass es den Anschein hat, dass unter Umständen die stärksten Entladungen den grossen Wäl- dern folgen. Diese Thatsache ist nicht anders zu er- klären, als dass es Witterungsverhältnisse geben kann, in denen die Bedingungen zur Hagelbildung über den Waldcomplexen besser erfüllt sind, als über dem unbe- waldeten Terrain; doeli scheint diese Situation seltener zu sein, als die umgekehrte. Die Ergebnisse der Unter- suchungen können in folgenden Sätzen zusammengefasst werden: 1. Zur Hagelbildung disponirt sind diejenigen Thäler der Voralpen und im Jura, welche durch eine westöstlich gelagerte Gebirgskette gegen Süden abgeschlossen sind. 2. Föhnthäler sind weniger zur Hagelbildung dis- ponirt, als andere Thäler. 3. In den Thälern sind die Hagelwetter häufiger als auf den anstossenden Bergen; Bergrücken können Hagel- schläge lindern, in Riesel umwandeln oder in Regen über- führen. 4. In Sumpf- und Seethälern ist die Hagelbildung häufiger als über baumreichem Kulturboden. 5. Wenn ein Gewitterzug gegen eine querstehende Bergkette heranzieht und dieselbe überschreitet, so ist auf der Vorder- oder Angriffsseite die Hagelbildung häufiger als auf der Rückseite. 6. Flussthäler, welche in der Richtung der Gewitter- züge ansteigen und abschliessen, begünstigen die Hagel- bildung. 7. Ueber stark bewaldetem Hügel- oder Berglande sind Hagelschläge seltener als über wasserreichen Thal- schaften und waldarmem Flaehlande. 8. Von 100 Hagelschlägeu, welche gegen ein wald- reiches Hüaelland heranziehen, überschütten circa 60 auch die Waldungen mit Hagelkörnern, die übrigen 40 werden entweder in Riesel oder in Regen aufgelöst. 9. Beim Ueberschreiten eines ausgedehnten Kultur- gebietes oder einer waldreichen Gegend nimmt im All- gemeinen die Intensität der Entladung ab; die Disposition zur Hagelbildung vermindert sich. Verknüpfen wir nun die obigen Sätze mit dem vom Verfasser a. a. 0. gefundenen Ergebnisse, dass ein Hagelwetter, das sich einmal aus diesem oder jenem Grunde in einer bestimmten Richtung in Bewegung ge- setzt hat, die angenommene Bewegungsrichtung beibehält, ob Gebirgszüge und Thäler mit derselben übereinstimmen oder sie durchschneiden, so lässt sich über dessen Ver- lauf unter dem Einflüsse der Bodenbeschatienheit folgendes angeben: Kommt das Phänomen, in langgestrecktem Zuge sich bewegend, über ein Sumpf- oder Seegebiet, so tritt eine Erhöhung der Intensität des Schlages und eine Ausweitung des Hagelstreifens ein; rückt es gegen einen zur Fort- pflanzungsrichtung querstehendeu Gebirgszug, so wird im Vorlande desselben wiederum die vorherige Entladungsinten- sität gesteigert, auf der Kammhöhe und Rückseite dagegen geschwächt. Beim Uebergange werden starke Hagelschläge an den Rändern in Riesel und Regen aufgelöst, schwache der ganzen Breite nach in Gewitterregen umgewandelt: im ersteren Falle erfahrt der Hagelstreifen eine Ein- schnürung, im letzteren eine Unterbrechung. Ueberschreifet das Phänomen ein wasserreiches Thal, das senkrecht zur Strichrichtung steht, so findet wieder eine Verbreiterung oder ein erneutes Einsetzen des Hagelschlages statt; eine Ausnahme hiervon machen die Föhnthäler. Liegt ein Thal mit seiner Axe in der Fortpflanzungsrichtung, dann folgt der Schlag dem Thale. Ist dieses in der Fort- pflanzungsrichtung bei ansteigendem Terrain durch einen Höhenzug abgeschlossen, so ist die Hagelwahrseheinlich- keit grösser als im offenen Thale. Gelangt der Zug über ein waldreiches Hügelgebiet, so erfolgt, gegenüber Nr. 49. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 601 der früheren Breite, in der Mehrzahl der Fälle eine Schmälerung des Schädigungsstreifens, oft auch eine voll- ständige Sistirung des Schlages. Neue Wasserflächen oder Sumpfgebiete bringen immer wieder neues Lehen in die Naturerscheinung, während ausgedehnte, wasser- arme Kultur und Waldgebiete in der Vorwärtsverlänge- rung des Striches ein allmähliches Erlahmen der auf- geregten Elemente zur Folge haben. Die Wandlungen eines Hagelstreifens und das Intermittiren der Hagel- schläge sind somit die Folgen der Feuchtigkcits- und verticalen (x.) Kulturverhältnisse Gliederung. des Bodens und seiner jeder, der einmal Thiere wissen. Selbstverständlich der Chemie eine auf diese theilung der Gerüche noch nennung der Gerüche ist oft unmöglich. Thiere beschäftigt sich ein (Biol. Centralbl.,' 13. Band, Säugethieren Mit den Gerüchen der Aufsatz Franz Werner' s S. 86). Dass dieselben nicht minder mannigfaltig und kennzeichnend sind als die Düfte der Pflanzen, das wird gesammelt und gesucht hat, ist bei dem heutigen Stande isenschaft begründete Ein- nicht möglich. Auch die Be- daher äusserst mangelhaft, ja So wird, führt Werner aus, bei vielen jeder einen bestimmten Geruch wahrnehmen, ohne etwas darüber aussagen zu können. Viele Gerüche, die den Thieren nicht eigentümlich, aber doch für sie bezeichnend sind, stammen von ihrem Auswurf, ihrem Auf- enthaltsort, ihrer verwesenden Nahrung und ähnlichem her. Weit verbreitet ist der Moschus- bezw. Bisam- und Zibethgeruch. Es erzeugen ihn Spitzmäuse, Flatterthiere, unter den Räubern Gelictis und Viverra, der Nager Fiber zibethicus, das Moschusthier und das Moschusrind, das Nabelschwein, der Tamandua, die Moschusente, Krokodile, manche Schlangen und manche Wasserschildkröten. Von Wirbellosen sind der Moschusbock, der Moschuspolyp und eine Schnecke Fasciolaria trapecium zu nennen. Schliess- lich besitzen auch mehrere Pflanzen diesen Geruch. Vieler- lei eigenartige Gerüche weisen die Käfer auf, z. B. der Puppenräuber und andere Laufkäfer, der Rosen-, Todten-, Taumelkäfer, das Marienkäferchen. Ihnen schliessen sich die allbekannten Wanzen, dann Heuschrecken undTausend- füsser an. Laubfrösche riechen etwas süsslich, Kröten und Molche sauer. Die sogenannte Knoblauchsschnecke aber wies dem Verf. niemals einen Knoblauch duft auf. Den Säugern eigenthümlich ist der Geruch der Stinkthiere, des Marders und des Iltis. Bei Füchsen, Kaninchen, Pferden, Rindern, Bären, Kameelen, Halbatfen und Land- schildkröten rührt der unangenehme Geruch vom Harn bezw. den Excrementen her haltuug und kann durch strenge Rein- auf ein Mindestmaass zurückgedrängt werden. - Nahe verwandte Thiere riechen oft ähnlich, aber doch verschieden, so z. B. Nager. — Die Bedeutung der Ge- rüche ist eine verschiedene. Der Moschusgeruch dient wohl zum Auffinden der Geschlechter. Exeretionsgerüche sind eine nothwendige Folge physiologischer Vorgänge; wirken sie schadenstiftend, so können sie, wie bei der Maus durch schnelles Laufen, unschädlich gemacht werden. C. M. Anatomisch-physiologische Untersuchungen über (las tropische Laubblatt betitelt sich eine Artikel-Serie von Prof. G. Haberlaudt in den Sitzungsberichten der Wiener k. Akad. d. Wiss., deren erster Artikel „Ueber die Transpiralion eiuiger Tropenpflanzen" Bd. VIII, S. 179 der „Naturw. Wochenschr." ausführliche Berücksichtigung erfahren hat. Der II. Artikel behandelt wassersecer- nirende und -absorbirende Organe und ist in diesem Jahre erschienen. H. zeigt, dass bei einer Anzahl von Tropenpflanzen aus sehr verschiedenen Verwandtschaftskreisen an den Laubblättern epidermale Wasserausscheidungsorgane „Hy- dathoden", vorkommen, welche gegebenen Falls auch die Fähigkeit besitzen, Wasser aufzusaugen und nach zu starker Transpiration die normale Turgescenz des Blattes wieder herzustellen. In Bezug auf die Beschaffenheil ihrer Protoplasten erweisen sich diese Hydathodeu als drüsige Organe ; man kann sie, sofern man bloss ihre secernirende Thätigkeit betonen will, nicht unpassend als „Wasserdrüsen bezeichnen." Nur in zwei Fällen, bei Gonocaryum pyriforme und Anamirta coeculus, wurden einzellige Hydathodeu auf- gefunden, die aber eine hohe Differenzirung und eine weitgehende Anpassung an ihre Function zeigen. Gewöhn- lieh sind die epidermalen Hydathodeu Trichomgebilde von recht verschiedenartigem Bau. Am häufigsten sind aller- dings kurzgestielte Köpfchenhaare, die im einfachsten Falle bloss aus drei Zellen, der Köpfchen-, der Stiel- und der Fusszelle bestehen. Das Köpfchen fungirt als eigent- liches Wassersecretions- und Absorptionsorgau. Seine Aussenwände sind zart, von einer dünnen Cuticula über- zogen, die in einzelnen Fällen durch ein schleimartiges Wandsecret emporgehoben und gesprengt wird. Die Stiel- zelle repräsentirt gewissermaassen den mechanischen Apparat des Organs, indem ihre oft stark verdickten und fast immer ausgiebig cutinisirten Seitenwände einen festen Ring bilden, der die Aus- und Eintrittsöffnung für das Wasser stets gleich weit erhält. Das oft verbreiterte Fuss- stüek endlich vermittelt den Anschluss an die benachbarte Epidermis und das darunterliegende Gewebe. Es ist des- halb sehr dünnwandig, und häufig lässt sich beobachten, dass eine möglichst grosse Anzahl von subepidermalen Zellen (namentlich Palissaden) den unmittelbaren Anschluss an diesen Theil des Organes zu gewinnen sucht. Die Wasserausscheidung seitens der Hydathodeu be- ginnt, sobald der hydrostatische Druck im Wasserleitungs- system, respective der Blutungsdruek, bei gleichzeitig ge- hemmter oder verminderter Transpiration eine gewisse Höhe erreicht, sobald überhaupt ein Zustand höchster Turgescenz zu Stande kommt und die Gefahr der Injec- tion des Durchlüftungssystems mit Wasser nahe gerückt wird. Die nunmehr erfolgende Wasserausscheidung ist aber kein blosser Filtrationsprocess, die Hydathodeu stellen nicht etwa bloss die Stellen geringsten Filtrations- widerstandes vor. Es findet vielmehr eine active Wasser- auspressung statt, die Secretion ist an die Lebeusthätig- keit drüsig gebauter Organe gekettet. Dafür spricht ab- gesehen vom anatomischen Bau und dem Plasmareich- thum dieser Organe vor Allem das Ergebniss der aus- führlich mitgetheilten Vergiftungsversuche. Werden die Hydathoden durch Bepinseln mit sublimath altigem Alkohol vergiftet, so unterbleibt bei Druckversuchen die Wasser- ausscheidung gänzlich, dafür tritt eine mehr oder minder reichliche Injection der Durchlüftungsräume des Blattes mit Wasser ein. Nach zu starker Transpiration vermag die im vor- liegenden I. Theile dieser Abhandlung geschilderte Gruppe von Hydathoden von aussen, bei Regen- und Th auf all, dargebotenes Wasser in reichlicher Menge aufzusaugen und den übrigen Theilen des Blattes zuzuführen. Ver- suche mit Farbstofflösungen, besonders Lebendfärbuugs- versuche mit Methylenblaulösung, gestatteten einen Rück- schluss auf die Eintrittsstellen des Wassers; Wäguugs- 602 Naturwissenschaftliche Wochenschritt. Nr. 49. versuche Hessen die Menge des absorbirten Wassers be- urtheilen. So erweisen sich die beschriebenen Apparate der Laubblätter als wichtige Regulatoren des Wassergehaltes der Pflanze. Im feuchten Tropenklima, wo der Wurzel- und überhaupt der Blutungsdruck zweifelsohne sehr hohe Werthe erreichen kanu, und wo ferner die Transpiration eine viel nngleichmässigere ist als bei uns, indem sie einen grosseu Theil des Tages über fast ganz sistirt er- scheint, um dann bei directer Insolation plötzlich für kurze Zeit sehr hohe Werthe zu erlangen, sind derartige Regulatoren sehr am Platze und gewiss auch sehr ver- breitet. Ueber die Hydatkoden der recenten und fossilen Farne wurde in der Naturw. Wochenschr. Bd. VII, S. 486 aus- führlich berichtet. Die Witterung des Monats November im centralen Europa. — Der Monat November wurde fast während seines ganzen Verlaufes von derselben Vertheilung des Luftdrucks beherrscht: andauernd lagen barometrische Minima im Westen, Nordwesten und Norden Europas. In Folge dessen wehten über dem centralen Europa fast unaus- gesetzt Winde aus südlicher und westlicher Richtung, wo- durch natürlich die Temperatur dauernd milde und un- gemein gleichmässig blieb. Nichtsdestoweniger gab es verhältnissmässig nur wenig Regen, und man kann deshalb den diesjährigen November als recht begünstigt vom Wetter bezeichnen. Je mehr man sich freilieh nach dem Westen Europas wendet, um so ungünstiger wird der Gesammteindruck der Witterung. Zu Beginn des Monats schien es, als ob von Osten her sich der Frost allgemein verbreiten wollte: Memel meldete am 1. 7° Kälte, am 2. war die Kälte schon weiter nach Westen vorgerückt, und am 3. hätte vielleicht allenthalben Frost geherrscht, wenn nicht das dauernd im Westen lagernde Minimum wieder die Oberhand gewonnen und Trübung des Himmels herbeigeführt hätte. Als es am 4. dem Minimum gelang, nach Nordost durchzubrechen, war die Frostgrenze schon bis Galizien und Siebenbürgen zurückgedrängt. Wieder folgte nun, wie in der letzten Dekade des October, eine Depression der anderen. In Deutschland wurde das Wetter sehr angenehm und mild, grössere Regenfälle fanden nur vereinzelt statt, so wurden in den Niederlanden in den Tagen um den 5. bedeutende Ueberschwemmungen veranlasst. Bemerkenswerth ist, dass das Thermometer in Sardinien am 5. auf 37° stieg, während es wenige Stunden darauf in Haparanda auf — 20° stand. Am 8. stellte sich ein Maximum über Finn- land dem Andrang der Depressionen entgegen, während ein anderes Depressionsgebiet auf der Adria am 8. und 9. heftige Stürme hervorrief. In Deutschland sank die Temperatur allmählich wieder etwas, da erschien am 11. aus südlicheren Breiten als bisher ein tiefes Minimum, das sehr verhängnissvoll werden sollte. Am 11. rief es in der Gegend des Kanals neben stürmischen Winden enorme Regenfälle (auf den Scillys 77 mm) hervor, wodurch im Laufe der nächsten Woche in vielen Theilen Englands gewaltige Ueberschwemmungen veranlasst wurden, welche in manchen Orten eine Höhe erreichten, wie sie seit 1823 nicht mehr beobachtet war. Am Morgen des 12. lag die Depression mit fast 730 mm Tiefe am Eingang des Kanals und führte eine Verbrei- tung der stürmischen Witterung bis tief ins Innere Frank- reichs herbei (in Paris mass mau auf dem Eiffelthurm die colossale Windgeschwindigkeit von 43 m pro See). Am 13., dem Jahrestage der berühmten Sturmkatastrophe in der Ost- see, wurde auch das deutsche Gebiet von den schweren Stürmen erreicht, wodurch auf der Nordsee, zum Theil auch der Ostsee, zahlreiche Schiffsunfälle zu verzeichnen waren. Am 14. verschwand das Minimum am finnischen Meerbusen, doch schon drohte ein neues, noch tieferes bei den llebriden, einen abermaligen Sturm in der Nordsee hervorzurufen. Aber es zog, ohne Schaden zu thun, nach dem hohen Norden, auch die folgenden beeinflussten das deutsche Gebiet nur wenig, da sieh seit dem 17. ein Hochdruck- gebiet von Osten her auszubreiten begann. Nichtsdesto- weniger war das Herabgehen der Temperatur nur unbe- deutend, denn in Folge grosser Luftfeuchtigkeit fand ein Aufklaren nur vereinzelt statt. Ruhiges, mildes, nebliges und sehr feuchtes Wetter, vielfach schwacher Nebelregen, war die Signatur der nächsten Tage. Am 25. endlich trat eine durchgreifende Aenderung ein. Das östliche, hohe Maximum machte einen ener- gischen Vorstoss gegen Westen, wodurch es den grössten Theil Europas unter seine Herrschaft brachte. Die Zug- strasse der atlantischen Minima verschob steh infolge- dessen in den höchsten Norden, wo sehr milde Witterung eintrat. In unseren Gegenden aber rief ein Minimum auf der Adria, das am 26. in Triest einen gewaltigen Bora- sturm verursachte, lebhafte östliche Winde hervor, unter deren Einfluss das Thermometer endlich allenthalben auf den Gefrierpunkt herabgedrückt wurde. Der Frost blieb jedoch sehr massig, da die dicke Wolkenschicht noch immer nicht zerriss. Seit dem 28. wich die Anticyklone vor einem tiefen, nördlichen Minimum langsam nach Süden zurück. Dadurch gewannen bei uns wieder west- liche Winde die Oberhand, so dass am Mouatsschluss noch einmal die für diesen Monat charakteristische milde, augenehme Witterung herrschte. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt würden: Privatdocent von Hanseinann zum dritten Assistenten am Berliner pathologischen Institut; Candidat Kutta zum Assistenten für höhere Mathematik an der technischen Hoch- schule in München; Dr. Ulrich zum Assistenten am landwirth- schaftlichen Versuchsfeld des agrikultur- physikalischen Labora- toriums der Münchener technischen Hochschule; Dr. Heymons im zoologischen und Dr. Tauber am technologischen Institut zu Berlin zu Assistenten; Dr. Raszkowski zum Bibliothekar an der Berliner Universitäts-Bibliothek ; Prof. Dr. Ritter von Reuss provisorisch zum Leiter der ersten ophthalmologischen Klinik im allgemeinen Krankenhaus in Wien; Heinrich Rickert, Privat- docent der Philosophie in Freiburg zum ausserordentlichen Pro- fessor; der Privatdocent der Anatomie in Basel Dr. Burckh ard t zum ausserordentlichen Professor. Berufen wurden: Privatdocent Dr. med. Ernst Gaupp in Breslau als Prosektor nach Freiburg; Dr. Kurt Rümker, Privat docent in Halle, als Professor der Landwirtschaft und Nach- folger des Prof. Wohltmann nach Breslau; Privatdocent Dr. med. Ernst Neisser in Königsberg zum Leiter der inneren Abtheilung des Stettiner städtischen Krankenhauses; der Professor der Augen- heilkunde in Prag und Vorstand des ophthalmologischen Instituts der deutschen Universität daselbst Dr. Isidor Schnabel nach Wien als Nachfolger Prof. Mauthners; Ingenieur Haussner, Adjunct an der Bergakademie Leoben und Privatdocent an der technischen Hochschule in Graz an der technischen Hochschule in Brunn als ausserordentlicher Professor der mechanischen Techno- logie; Howard Ayres als Professor der Biologie an die Uni- versität Missouri. Es habilitirten sich: an der Berliner Universität Dr. Albert Loewy für Physiologie und Dr. Martin Mendelssohn für innere Medicin. Es starb : der Professor der Medicin an der Universität Christiania und Oberarzt des dortigen Reichshospitals Dr. Emanuel Winge. Ein Denkmal des berühmten Chemikers Eilhard Mitscherlich ist am 1. December im Kastanienwäldchen hinter dem Universitäts- gebäudr in [jurliii enthüllt winden Die Biologische Station zu Plön (geleitet von Dr. Ü. Za charias) hat sich — wie uns von dort mitgetheilt wird — im Nr. 49. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. t Es nrbeiteteu während der Monate Juli und August 9 Herren im Laboratorium, nämlich 4 Deutsche, 2 Engländer, 2 Franzosen und 1 Russe. Im Laufe des nächsten Frühjahres soll auch in Schlesien (bei «lern Orte Radziunz) eine Süsswasserst ition errichtet werden, welche namentlich teichwirthschaftliche Fragen ihrer Lösung näher führen soll. Diese Station wird in der Nähe der fürstlich Hatz- feldt'schen Teichdistricte begründet werden. L i 1 1 e r a t u r. Aus den Tagebuchblättern des Grafen Alexander Keyserling. Philosophisch-religiöse Gedanken mit einzelnen Zusätzen aus Briefen. Rerausg. von seiner Tochter Freifrau Helene von Taube. Mit einer Lebensskizze verfasst von Graf Leo Keyser- ling. J. G. Cotta in Stuttgart 1894. — Preis 6 M. Zahlreiche Gedanken eines geistvollen Mannes über alle Ge- biete des philosophischen Denkens, im Zeitraum von 18 Jahren (1873 — 91) allmählich niedergeschrieben, sind hier in einem Buche vereinigt. Als wichtigste Frage kehrt immer und immer wieder die Frage, ob ein Gott existirt oder nicht. Graf Keyserling fusst auf dem Boden der modernen Naturwissenschaft und baut sich auf diesem Grunde eine eigene Religion auf. „Gott ist das ewige Wellgesetz, das sich in dem Weltideal realisirt," zu diesem Schlosse führen ihn seine Betrachtungen (S. 83). Auch die Un- sterblichkeit der Seele, die ihm ein Herzensbedürfniss ist, beschäf- tigt ihn fort und fort, er sucht auch sie zu beweisen. Doch sind es nicht nur religiöse Fragen, sondern auch sociale Probleme, über die er uns sein Urtheil hören lässt. Wenn auch nicht alle Gedanken und Anschauungen con- sequent durchgedacht sind, und vieles zum Widerspruch reizt, so wird man doch dem Buche manche werthvolle Ideen und An- regungen entnehmen können und manchen tiefen und originellen Gedanken darin lindes. Franz Scheichert, Anleitung zu botanischen Beobachtungen und pflanzenphysiologischen Experimenten. Ein Hilfsbuch für den Lehrer beim botanischen Schulunterricht. Unter Zu- grundelegung von Detmer's „Pflanzenphysiologischem Prak- ticum." Zweite veränd. und vielfach verm. Aufl. mit 54 Abb. Hermann Beyer & Söhne. Langensalza 1894. — Preis 2 M. Die erste Auflage haben wir in Bd. VII, S. 10 angezeigt. Zu unserer Freude können wir heute von dem Erscheinen der 2. Aufl. der zweckdienlichen, guten Schrift Kenntniss geben. Sie hat offenbar in den Lehrerkreisen die gebührende Berücksichtigung gefunden und wird auch weiter dor Schule nützen. Hinzu- gekommen ist in der Neu-Auflage ein Abschnitt über Domatien, Gallenbildung und Honigtau und die Anzahl der Holzschnitte ist vermehrt worden. Die bessernde Hand ist überall bei einem Ver- gleich mit der ersten Auflage zu merken. W. Ostwald, Die wissenschaftlichen Grundlagen der analytischen Chemie. Wilhelm Engelmann. Leipzig 18S4. — Preis 4 M. Der fleissige Herr Verfasser bietet hiermit eine vorzügliche elementare Darstellung des Gegenstandes. Das Buch ist ganz besonders geeignet, dem Anfänger zu dienen und ihm gründlich einzuführen, aber auch der ausgebildete Analytiker wird es mit Vortheil studiren, denn, sagt Verf. treffend, dass thatsächlich überall statt der gedachten vollständigen Vorgänge unvollständige stattfinden, die zu chemischen Gleichgewichtszuständen führen, dass es keine absolut unlöslichen Körper und keine absolut ge- nauen Trennungs- und Bestimmungsmethoden giebt, bleibt nicht nur dem Schüler meist vorenthalten, sondern tritt auch dem aus- gebildeten Analytiker nicht so lebhaft in das Bewusstsein, als es im Interesse einer sachgemässen Beurtheilung analytischer Me- thoden und Ergebnisse zu wünschen wäre. Das Buch zerfällt in zwei Theile: 1. Theorie und 2. Anwendungen. — Das treffliche Buch wird hoffentlich weite Verbreitung finden. Carl Friedr. Gauss. Die Intensität der erdmagnetischen Kraft auf absolutes Maass zurückgeführt. Herausgegeben von E. Dom (< Istwald's Class. d. exakt. Wiss. Xr. 53). Wilhelm Engel- mann, Leipzig 1894. — Preis 1 Mk. Die Gauss'sche Abhandlung von 1832 ist von besonderer Wichtigkeit für die Physik gewordi durch das neu.' Princip der Messung physikalischer Grössen (d nannte absolute Mi ein) das Gauss anwendet. — Wir können nur wiederholen, dass die Auswahl der in Ostwald's Classikern er- scheinenden Neuausgaben elassischer Arbeiten eine ausser., lieh zweckmässige und geschickte ist. Atti della Reale Accademia dei Lincei; Rendiconti. — Unter den Abhandlungen, welche der zweite Ualbjahrsband 1893 enthält, heben wir nur die folgenden hervor, ol damit ein Urtheil über die hier nicht aufgeführten Arbeiten aussprechen zu wollen; Guglielmo, Bearbeitung einiger neuer sehr empfindlicher Me- thoden zur Messung des Druckes; Monticelli, Treptoplax rep- tans n. g. n. sp.; Magnanini und Bentivoglio, Electrisches Leitungsvermögen der Lösungen von Salzen organischer Sauren in Gegenwart der Borsäure; Ölerici, Das Pliocän am Fusse der Cornicolanischen und Lucanischen Berge; Bianchi, Ueber die reguläre Theilung des nicht-euklidischen Raumes in reguläre Po- lyeder; Pagliani, Ueber die Gleichungen für die Strahlen- brechung des Lichts; Naccari. Ueber den osmotischen Druck; Righi, Ueber die Polarisationsebene der Ilertz'schen Schwin- gungen; Battelli, Ueber das thermoelectrisehe Verhalten der magnelisirten Metalle; Brioschi, Ueber die Modulargleichungen ; Mosso und Paoletti. Einfluss des Zuckers auf die Muskelarbeit; Morera, Ein Fundamentalsatz der Mechanik; Can'tone, Ein- fluss des Deformationsprocesses auf die elastischen Eigenschaften der Körper; Arno, Quantitative Untersuchung über die Energie? vertheilung bei dielectrischen Körpern in einem rotirenden elec- Irischen Felde; Reina, Ueber die Bestimmung der Krümmungs radien einer Fläche vermittelst localer Messungen auf derselben; De Sanctis, Ueber die im Lanolin vorkommenden Fettsäuren; Krueh, Beitrag zum Studium der Morphologie der Blüte von Laurus nobilis; Todaro, Ueber das Sehorgan derSalpen; Aga- mennone, Ausbreitungsgeschwindigkeit des Hauptstosses des Erdbebens von Zante. Der erste Halbjahrsband 1894 ist ebenfalls besonders inhalts- reich, so dass die Rücksicht auf den zu Gebote stehenden Kaum nur die Anführung einiger weniger Abhandlungen gestattet; wir nennen: Marangoni, Ueber die Structur und Morphologie des Hagels; Bertini, Ueber die Riemann'schen Flächen; De Lo- renz o, Ueber die Geologie der Umgebungen von Lagonegro ; Majorana, Ueber die Schnelligkeiten der pbotoeleetrischen Phä- nomene des Selens; Capellini, Rhicocrinus Santagatai und Ba- thysiphon filiformis; Pizzetti, Ueber den Ausdruck der Schwere an der Oberfläche des ellipsoidisch vorausgesetzten Geoids; Tedone, Ueber die elastische Linie; Ascoli, Ueber den Magne- tismus von Eisencylindern ; Cancani, Ueber die Verwendung der Microphone in der Seismologie; Clerici, Lieber den Ursprung der vulkanischen Tuffs im Norden Roms; Mingazzini, Ueber die experimentelle Degeneration des Eies von Rana esculenta; Castelnuvo, Ueber algebraische Oberflächen, welche ein Netz hyperelliptischer Curven enthalten; Bianchi, Ueber die geome- trische Interpretation des Satzes von Montard. Unser Hausarzt, Wochenschrift für Gesundheitspflege, Natur- heilkunde und Lebenskunst, herausgegeben von Dr. med. Feh- lauer, nennt sich eine seit October erscheinende neue Zeitschrift, von der uns die bisher erschienenen Nummern vorliegen. Das Blatt steht auf dem Boden der Naturheilkunde. Krause, Karl Chrn. Frdr., Anleitung zur Naturphilosophie. 2. Auflage. Weimar. — 5 M. Levy, Dirig.-Assist. Dr. Max, Repetitorium der Drogenkunde. Königsberg. — 2.5Ü M. Loew, Realgymn.-Prof. Dr. E., Blütenbiologische Floristik des mittleren und nördlichen Europa sowie Grönlands. Stuttgart. — 11 M. Meusel, Dr. E., Das Atomvolumen in chemischen Verbindungen. Liegnitz. — 4 M. Winter. Gymn.-Prof. Wilh., Der Vogelflug. München. — o.(\> M. Wüllner, Adph., Lehrbuch der Experimentalphysik. 1 Band, 5. Auflage- Leipzig. — 12 M. Inhalt: 66. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien vom 24. bis 30 September 1S94. II. — Die Hagelschläge in der Schweiz in den Jahren 1883-1893. — Die Gerüche der Thiere. — Anatomisch-physiologische Unter- suchungen über das tropische Laubblatt. — Die Witterung des Monats November im centralen Europa. — Aus dem wissen- schaftlichen Leben. — Litteratur: Aus den Tagebuchblättern des Grafen Alexander Keyserling. - Franz Scheichert, Anleitung zu botanischen Beobachtungen und pflanzenphysiologischen Experimenten. — W. Ostwald, Die wissenschaftlichen Grundlagen der analytischen Chemie. — Carl Friedrich Gauss, Die Intensität der erdmagnetischen Kraft auf absolutes Maass zurückgeführt. — Atti della Reale Accademia dei Lincei, Rendiconti. — Lriste. 604 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 49. siejaieieieioieieieiaieie oioie»®i® ® s Die Illustration wissenschaftlicher Werke erfolgt am besten und billigsten durch die modernen, auf Photo- graphie beruhenden Reprodue- tionsarten. Die Zinkätzungen dieser Zeitschrift gelten als Proben dieses Verfahrens und sind hergestellt in der graphi- schen Kunstanstalt Meisenbach, Riffarth & Co. i» Berlm-Scliöneberg, welche bereitwilligst jede Aus- kunft ertheilt. ^ni^nr^FlfTFlFjFlFlFlFIFlI II 1! IMI^lF ntmit- technisches und | Verwerthung-Bureau Betche. Berlin S. 14, Neue Rossstr. 1. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦ Dakteriologische Kurse, ♦ ♦ Unterricht in Nahrungsmittel-,^ ♦ sowie Harnanalyse, monatlich. ♦ ^ Gelegenheit zum Ausführen ? ^ selbstständiger Arbeiten. T ♦ Uebernahme von technischen und + ♦ wissenschaftlichen Untersuchungen ^ ♦ jeder Art. + ♦ Dr. E. Ritsert's Bakteriologisch- ♦ chemisches Institut, ♦ ♦ Inh Dr. Th. <-< iit hei . ♦ J Berlin N., Friedrichstrasse I3I d. J ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ besorgen undverwcrtripn | .»^»^•»♦».»^».»'j»*^-»-»-;*.»'»^»»:*-^«:*«^« ->•«-*•'« ^^»«» r ^••sw zm-m--?* -m € P. BSmieki & I. ifosjjaann ^- Berlin S., Cottbuser Damm 100 — ■ Tischlerei für entomologisehe Arbeiten. 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Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. IX. Band. Sonntag, den IG. December 1894. Nr. 50. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jt 4,— BriiiKe^eld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4575. t Inserate : Die viergespaltene Petitzeüe 40 -A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Neuere Experimente über das Regenerations- und Gestaltungsvermögen der Organismen.*) Von Oscar Hertwig. Grosses Aufsehen erregten ihrer Zeit die Unter- suchungen, welche der berühmte Naturforscher Trembley 1744 über die Naturgeschichte des Süsswasserpolypen, der Hydra, veröffentlicht hat. Durch ihn wurde zum ersten Mal durch Experimente nachgewiesen, was für einen erstaunlich hohen Grad von Regenerations- und Gestaltungsvermögen einem niederen Organismus inne- wohnen kann. Der Süsswasserpolyp gehört zum Stamm der Coelen- teraten oder Pflanzenthiere und ist einer der wenigen Repräsentanten desselben, welche auch in unserem Süss- wasser vorkommen. Er besitzt die Form eines Schlauches, welcher sich mit dem einen Ende, das man als Fuss be- zeichnet, auf einer Unterlage befestigt, während das ent- gegengesetzte Ende, der Kopf, mit einer Mundöffnung versehen ist. Die Mundöffnung befindet sich auf einer Scheibe, welche ringsum von zahlreichen langen Fang- fäden oder Tentakeln garnirt ist. Trembley zeigte an diesem Geschöpf, dass fast jedes kleinste Stückchen desselben wieder im Stande ist, einen neuen, vollständigen Hydroidpolypen zu erzeugen. Er schnitt das Thier der Länge nach in zwei Hälften. Jede Hälfte wuchs in wenigen Tagen wieder zu einem ganzen Polypen aus. Er zerschnitt das Thier der Quere nach: das Fussende bildete darauf bald ein Kopfende, während das Kopfende wieder ein Fussende erzeugte. Er variirte auch das Experiment in der Weise, dass er mitten aus dem Körper ein ringförmiges Stück herausschnitt. In diesem Falle wurde an dem einen Ende ein Fuss, an dem anderen ein Kopf mit Fangfäden neu erzeugt. Er konnte das Thier zugleich auch in 8 — 10 kleine Stachen zerlegen, und aus jedem nach einiger Zeit wieder ein vollständiges Individuum heranzüchten. *) Ueber diesen Gegenstand bat Hr. Prof. Oscar Hertwig in der „Berliner klin. Wochenschrift" einen Vortrag veröffentlicht, den wir mit seiner freundlichen Genehmigung und mit derjenigen der Verlagshandlung August Hirschwald zum Abdruck bringen. In jüngster Zeit ist das von Trembley nachgewiesene Regenerations- und Gestaltungsvermögen auch bei anderen Organismen zum Gegenstand wissenschaftlicher Unter- suchungen gemacht worden. Dabei wurden viele neue und überraschende Erscheinungen, welche auf die ge- staltenden Kräfte im Thierreich ein Licht werfen, durch emsige Detailforschungen zu Tage gefördert. Die Re- sultate scheinen mir von so weittragender Bedeutung zu sein, dass ich mir wohl gestatten darf, auf dieselben in Kürze Ihre Aufmerksamkeit zu lenken. Ich habe hier namentlich die Untersuchungen im Auge von Loeb, von Driesch, von Wilson und von Oskar Schultze. Loeb, ein amerikanischer Naturforscher, hat in einer Reihe verschiedenartiger Experimente versucht, den Nach- weis zu fuhren, dass die thierische Formbildung in hohem Maasse durch äussere Einflüsse bestimmt wird, und dass in dieser Beziehung zwischen Thier und Pflanze kein principieller Gegensatz besteht. Was die Pflanzen betrifft, so ist die Abhängigkeit der Organbildung von äusseren Einflüssen bereits durch die bahnbrechenden Untersuchungen der Physiologen Sachs und Vöchting über alle Zweifel festgestellt worden. Um nur an Einiges zu erinnern: In der Entwicklungs- geschichte der Farrenkräuter bilden sich Vorkeime aus, die sogenannten Prothallien, dünne, blattähnlich aussehende und flächenartig ausgebreitete Lamellen grüner Zellen. Unter gewöhnlichen Verhältnissen bringt nun ein Pro- thalliuni an seiner unteren, dem Licht abgewandten Fläche Wurzelfäden sowie männliche und weibliche Geschlechts- organe, die Antheridieu und die Archegonien, hervor. Dies abzuändern und die Organbildung auf der entgegen- gesetzten, oberen Fläche hervorzurufen gelingt dem Ex- perimentator durch Eingriffe, mit denen uns zuerst der Botaniker Leitgeb bekannt gemacht hat. Man züchtet die Prothallien anstatt auf feuchter Erde in einem Glas- gefäss auf der Oberfläche einer Nährflüssigkeit. Wird hierbei die Oberfläche beleuchtet und die untere be- 606 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 50. schattet, dann entwickeln sich die Geschlechtsorgane au der unteren Fläche des Prothalliums. Lässt man da- gegen das Licht von unten auf das Prothalliuin ein- fallen, während die obere Fläche im Dunklen gehalten wird, so entstehen die Geschlechtsorgane an der oberen Fläche. Bekannt ist, dass auch bei den Phanerogamen die Wurzelbildung' abhängig ist von dem Einfallen des Lichtes. Theile von Weidenzweigen, in einem feuchten Räume ge- halten, beginnen an ihrer Basis rasch Wurzeln zu bilden, während sich am anderen Ende Blattknospen entwickeln. Wird nun auch der Weidenzweig ungleich beleuchtet, so entstehen Wurzeln niemals auf der belichteten Seite, sondern stets nur auf der Schattenseite. In ähnlicher Weise sind überhaupt die ersten Organ- anlagen bei der Pflanze durch äussere Einflüsse in hohem Grade abänderbar, so dass der Experimentator einen weiten Spielraum hat, den Wuchs junger Pflanzentheile nach seinem Willen zu lenken. „Ein und dieselbe Knospe", bemerkt Vöchting, „kann sich zu einem längeren oder kürzeren Laub-, zu einem Blütenzweig oder zu einem Dorn entwickeln, oder sie kanu auch ruhen bleiben. Die- selbe Wurzelanlage kann zu einem kräftigen, einer Hauptwurzel gleichen oder zu einem schwächeren Ge- bilde, einer Seitenwurzel, heranwachsen. Die Bedingungen aber, welche den Modus der Entwickelung eines Gebildes bestimmen, hat, wie wir gesehen haben und noch weiter sehen werden, der Experimentator gänzlich in seiner Hand und zwar kann er dies durch Schneiden, Krümmen, Horizontal-Binden u. dgl. erreichen". Vöchting bezeichnet daher die Pflanzen geradezu als eine in gewissem Maasse plastische Masse, die der Züchter formt, wie es seinen Zwecken entspricht. — „Um z. B. bei Prunus spinosa einen Langspross an Stelle eines Domes entstehen zu lassen, braucht man nur im Frühjahr einen im Wachs- thum begriffenen Langtrieb auf geeigneter Höhe zu durchschneiden. Aus der oder den unter dem Schnitt gelegenen Knospen entwickeln sich nun Langsprosse, welche dem mütterlichen Träger gleichen und dessen un- unterbrochenes Wachsthum fortsetzen, während sie sich an der unverletzten Axe zu Dornen ausgebildet haben würden. Wir verwandeln somit die Anlage eines Domes in die eines langen Laubsprosses." Die für das Pflanzenreich gewonnenen Erfahrungen hat der amerikanische Naturforscher Loeb zu einem Aus- gangspunkt für seine Untersuchungen genommen. Die Erscheinung, dass ein Organ sich in Folge äusserer Ein- griffe an Körperstellen bildet, wo es sich für gewöhnlich nicht entwickeln kann, oder dass eine Anlage sich in Folge von äusseren Einflüssen zu einem anderen Gebilde umformt, als es unter normalen Verhältnissen der Fall gewesen sein würde, bezeichnet er als Heteromorphose; und es ist ihm in der That auch gelungen, bei Thieren zahlreiche Heteromorphosen experimentell hervorzurufen, bei Tubularia mesembryanthemum, bei Cerianthus, bei Cione etc. Tubularia mesembryanthemum ist ein im Meere vor- kommender, schon etwas höher organisirter Hydroidpolyp, und zwar ein aus vielen Eiuzelthieren zusammengesetzter Hydro'idpolypenstoek. Von einem gemeinsamen Stamm gehen viele Nebenäste aus, die an ihrem Ende mit den einzelnen Thieren, den Polypenköpfchen, besetzt sind. Wenn man die Köpfchen abschneidet, wachsen dieselben bald wieder neu. Es liegen hier also dieselben Ver- hältnisse vor, wie bei unseren Süsswasserpolypen. Da- gegen sind neue Thatsachen durch folgende Experimente an das Licht gefördert worden. Loeb hat aus dem Stamm des Polypenstöckchens, welcher einen aus zwei Zellblättern gebildeten Schlauch darstellt, dessen Hohl- raum mit der Darmhöhle aller Einzelthiere der Colonie zusammenhängt, ein kleines Stück herausgeschnitten. Wenn hierauf der Schlauch in seiner natürlichen Lage orientirt vertical im Zuchtglas aufgestellt und das untere Ende in Sand eingegraben wurde, so entstanden an dem letzteren Wurzeln, mit welchen sich der Organismus auf der Unterlage festheftete, aus dem oberen Ende aber sprosste ein Polypenköpfchen hervor. Wurde dagegen das Experiment in der Weise vorgenommen, dass das ausgeschnittene Sehlauchstück umgekehrt wurde, sodass das Schnittende, das ursprünglich unten war, nach oben kam, dann entwickelte sich an dem durch die Versuche nach oben gebrachten, ursprünglich am Polypenstöckchen nach unten gewandten Ende ein Kopf und an dem anderen Ende Wurzeln. Loeb hat den Versuch auch in der Weise variirt, dass er das Schlauchstück horizontal im Wasser an einem Bindfaden befestigte, und hat dadurch erreicht, dass jetzt nach einigen Tagen an beiden Enden Köpfe entstanden. Es hängt also lediglich von der Stellung, welche man dem Schlauchstück giebt, ab, ob an den Schnittenden sich ein Köpfchen oder Wurzeln bilden werden. Durch Umkehren des Stückes kann man an dem ursprünglich oberen Ende Wurzelbildung, an dem ursprünglich unteren Ende Kopfbildung hervorrufen, und durch Horizontallegen des Stückes kann man an beiden Enden Kopfstücke erzeugen. Nicht minder interessant sind die Experimente, welche an einem höheren Coelenteraten, dem Cerianthus mem- branaeeus, angestellt wurden. Cerianthus ist ein der Actinie oder Seerose gleichgebautes Geschöpf, welches eine ziemlich beträchtliche Grösse — im ausgestreckten Zustand von etwa 10 cm — erreicht. Die den Mund umgebenden zahlreichen Fangarme können ebenfalls ausserordentlich laug ausgestreckt werden. Die Körper- wand besteht aus zwei Zellblättern, in welchen Muskel- elemente, Ganglienzellen, Nervenfasern entwickelt sind. Um die Mundöffnung herum befindet sich schon ein gut ausgebildeter Nervenring, eine Art Centraliiervensystem, vor. Loeb hat nun bei diesem Organismus in der Körper- wand einen Schnitt angebracht und die Schnittöffnung offen gehalten, sodass sie nicht wieder zuwachsen konnte. Die Folge war, dass nach Verlauf einiger Zeit die Schnitt- öffnung sich zu einem neuen Mund umgebildet hatte, in- dem an den Rändern des Schnittes zahlreiche lange Fang- fäden enstanden, die denjenigen gleich waren, welche den natürlichen Mund umgaben. In derselben Weise konnten bei Thieren, bei welchen durch 2, 3 oder mehrere Schnitte die Körperhöhle in verschiedenen Höhen oder auf verschiedenen Seiten geöffnet war, entsprechend zahl- reiche, seeundäre, mit Faugfäden garnirte Mundöffuungen willkürlich hervorgerufen werden. In dem dritten Fall handelt es sich um ein noch höher organisirtes Thier, um einen Repräsentanten der Ascidien, der Cyone intestinalis. Im System werden die Ascidien gewöhnlich zwischen Würmer und Wirbelthiere gestellt, besonders auf Grund ihrer Entwickelungsgeschichte, die durch Kowalewsky und Kupffer genauer untersucht worden ist. Denn hierbei hat sich die ihrer Zeit grosses Aufsehen erregende Thatsache herausgestellt, dass die Ascidien auf frühem embryonalem Stadium ein Nerven- rohr und auch eine wohl ausgebildete Chorda besitzen, wodurch sie mit den Wirbelthierembryonen eine sehr grosse Aehnlichkeit gewinnen. Im weiteren Verlauf der Entwickelung verschwindet letztere freilich vollständig, indem sich die Larve schliesslich zu einem grossen Sack umwandelt, der an einem Ende zwei Oeffnungen trägt, die eine zur Aufnahme von Nahrung, die andere zur Entleerung des unverdauten Restes. Mund- und After- öffnung sind von zahlreichen roth pigmentirten Augen- Nr. 50. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 607 flecken oder Ocellen umgeben. Loeb hat auch bei diesem Versuchsthier in derselben Weise wie bei Cerianthus in der Wand des Sackes eine künstliche Oeffnung an- gebracht und die Wiederverwachsung ihrer Ränder ver- hindert. Die Folge seines Eingriffes war, dass an der künstlich erzeugten neuen Oeffnung, die in den Athem- sack hineinführte, nach Verlauf längerer Zeit ebenfalls eine grössere Summe von Augenflecken entstanden war, von denen sonst nur Mund- und Afteröffnung gar- nirt sind. Loeb hat die verschiedenen, von ihm beschriebenen Heteromorphosen ohne Ausnahme durch Experimente an ausgebildeten Thieren gewonnen. Ein nach dieser Rich- tung ebenso ergiebiges und dankbares Gebiet versprechen die ersten Entwickelungsstadien der Thierc, und zwar sowohl der wirbellosen als auch der Wirbelthiere, zu werden. Auch die in Entwiekelung begriffenen Keime lassen sich durch äussere Eingriffe und durch Methoden, deren feinere Durchbildung noch von der Zukunft zu er- warten ist, in der verschiedensten Weise beeinflussen. So haben es die Naturforscher schon in vielen Fällen fertig gebracht, zu bestimmen, ob aus einem normalen und regelrecht befruchteten Ei sich ein einfacher Organis- mus oder ein doppelter oder ein mehrfacher entwickeln soll. Die Reihe dieser Experimente hat der Zoologe Driesch eröffnet, anknüpfend an die Untersuchungen, welche ich vor einer Reihe von Jahren an Seeigeleiern angestellt hatte. Ich hatte unbefruchtete, reife Eier im Meerwasser heftig geschüttelt, und dadurch einige von ihnen in eine Summe von kleineren und grösseren Stücken zerlegt, welche theils kernlos waren, theils den Eikern enthielten. Die Eifragmente lebten; sie begannen sich im Meerwasser nach ihrer Trennung vom Ei gleich ab- zurunden, und zwar sowohl die kernhaltigen als diejenigen, welche den Kern eingebüsst hatten. Als ich darauf den Fragmenten reifen Samen hinzufügte, wurden beide Arten von Stücken binnen wenigen Minuten befruchtet und beide begannen sich dann nach einiger Zeit zu theilen. Es Hessen sich sogar aus manchen Stücken noch Larven züchten, die nur durch eine geringere Grösse von gewöhn- lichen, normalen Larven unterschieden waren. Driesch hat die Schüttelmethode auch auf Seeigel- eier angewandt, die sich nach der Befruchtung in zwei Tochterzellen getheilt hatten. Durch Sprengung der Ei- hülle gelang es ihm in vielen Fällen, die beiden Theil- stücke von einander zu isoliren und sie dadurch zu zwingen, sich getrennt von einander weiter zu entwickeln. Und siehe da! aus jeder Theilhälfte entstand eine Keim- blase, aus dieser dann eine Darmlarve (Gastrula) und schliesslich ein Pluteus. Driesch hatte somit aus einem halben Ei eine wirkliche Seeigellarve gezüchtet, die von den gewöhnlichen Larven nur durch eine geringere Grösse unterschieden war, da sie ja nur aus der Hälfte des Materials hervorgegangen war. Die von Driesch geübte Methode versuchte darauf der Amerikaner Wilson beim Amphioxus, und zwar mit glänzendem Erfolge. Seine Experimente sind für uns von ganz besonderem Interesse, weil es sich beim Am- phioxus um ein Thier handelt, welches wir schon zu den Wirbelthieren hinzurechnen müssen; denn der Amphioxus hat einen Bau wie ein kleines Fischchen, enthält ein Rückenmark, eine Chorda, einen Atheinsaek, Nieren, Leibeshöhle, Muskelsegmente u. s. w. Das Ei des Am- phioxus theilt sich bald nach der Befruchtung in zwei gleich grosse Stücke; aus diesen gehen dann vier und aus diesen wieder acht Furchungskugeln hervor; durch noch weiter fortgesetzte Theilung kommt weiterhin ein Zell- haufen zu Stande, der sich in eine Keimblase umgestaltet. Die Keimblase stülpt sich darauf an einer Stelle ein und liefert so einen Becher, die berühmte Gastrula oder Darmlarve. Wilson hat nun Eier, die sich entweder auf der Zweitheilung oder auf der Vicrtheilung oder sogar auf der Achttheilung befanden, geschüttelt und es gelang ihm so auch in vielen Fällen die Furchungszellen von einander zu isoliren und sie getrennt weiter zu züchten. Auf diese Weise hat er, wie es schon Driesch bei Echinodermeneiern geglückt war, normale Larven erhalten, die nur aus der Hälfte oder nur aus einem Viertel oder sogar nur aus einem Achtelstück des ganzen Eis ihren Ursprung her- leiteten. Zuweilen war es vorgekommen, dass durch das Schütteln die Theilstücke nicht vollkommen isolirt worden waren. Aus solchen Eiern waren dann Doppel- und Mehrfach- missbildungen, d. h. zwei oder drei Embryonen hervor- gegangen, welche an dieser oder jener Stelle ihrer Körper bald in grösserer oder geringerer Ausdehnung wie die bekannten siamesischen Zwillinge zusammenhingen. In diesem Jahre, m. H., ist es endlich auch gelungen, aus einem Froschei lebende Doppelbildungen willkürlich mit ziemlicher »Sicherheit entstehen zu lassen. Das Ver- fahren hat Oscar Schnitze entdeckt. Es besteht darin, dass Froschcier, wenn sie sich eben zweigeteilt halten, in Zwangslage mit ihrem Schwerpunkt nach oben ge- bracht werden. Schultze hat vor Kurzem auf dem Ana- tomencongress in Strassburg Doppelbildungen, die er auf diese Weise erhalten hatte, demonstrirt. Das Nähere über die Anstellung des Experimentes kann ich Ihnen noch nicht mittheilen, da die Veröffentlichung der Unter- suchung erst in nächster Zeit zu erwarten ist. Aus den im zweiten Theil meines Vortrages be- schriebenen Experimenten lässt sich eine für die thierische Formbildung sehr wichtige Schlussfolgerung ziehen. Die ersten aus dem Ei durch Theilung entstandenen Zellen besitzen nicht nur die Fähigkeit, sich zu einem Theile. des Embryos umzuwandeln, wie es bei dem normalen Verlauf der Entwiekelung ge- schieht, sondern jede trägt gleichzeitig auch noch die Anlage zum Ganzen in sich. Ob sich eine Furchungszelle nur zu einem Thcil eines Embryo oder für sich allein zu einem ganzen Embryo entwickelt, hängt lediglich von gewissen äusseren Bedingungen ab, nämlich lediglich da- von, ob sich eine Furchungszelle unter dem Ein- fluss von anderen Furchungszellen befindet, mit denen sie zu einem Zusammengesetzen Ganzen vereint ist, oder ob sich die Furchungszelle, vom Ganzen abgelöst, für sich allein entwickelt. Wenn unsere aus den Experimenten gezogene Schluss- folgerung richtig ist, dass die ersten Furchungszellen so- wohl die Anlage zu einem Theile, als auch die Anlage zum Ganzen in sich tragen, so liegt es nahe, anzunehmen, dass man auf den ersten Entwickelungsstadien das Zellen- material willkürlich müsste verlagern können. Auch wenn die einzelnen Zellen ihren Platz im Keime vertauschen, müsste sich trotzdem ein normaler Organismus entwickeln können. Das ist nun auch in der That der Fall. Es beweisen das die Experimente, die einmal von dem Zoo- logen Driesch und zweitens von mir an Froscheiern an- gestellt worden sind. Das reife Ei von Rana fusea hat die Form einer Kugel, deren eine Hälfte schwarz pigmeutirt, die andere Hälfte weiss ist. Die erstere bezeichnet man als animale, die letztere als vegetative und ebenso unterscheidet man die Mittelpunkte ihrer Oberflächen als den animalen und als den vegetativen Pol des Eies. Die beiden Kugel- hälften haben ungleiches speeifisches Gewicht. In das Wasser gebracht, nimmt das Froschei stets eine solche Lage ein, dass der vegetative Pol nach abwärts gekehrt 608 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 50. ist, während der animale Pol nach oben sieht. Der Schwerpunkt liegt mithin unterhalb des Centrums der Eikugel. Normalerweise theilt sich das Froschei zuerst durch eine verticale Theilungsebene in 2 Kugelhälften; dann durch eine zweite ebenfalls verticale Ebene, die zur ersten rechtwinklig steht, in 4 Viertelstücke. Bei dem dritten Theilungscyclus ist die Theilungsebene unter normalen Verhältnissen stets eine horizontale und liegt dem animalen Pol näher als dem vegetativen. Dadurch werden von den Viertelstücken 4 obere kleinere Zellen, die pigmentirt sind, und 4 untere grössere unpigmentirte Zellen abgetheilt. Der eben beschriebene, vollkommen typische Verlauf des normalen Furchungsprocesses kann durch äussere Eingriffe in sehr erheblicher Weise abgeändert werden. Ein sehr einfaches Verfahren besteht z. B. darin, dass man das Froschei in dieser oder jener Richtung zu- sammendrückt und ihm dadurch eine verschiedene Form verleiht. So kann man entweder durch einen Druck zwischen zwei horizontalen Platten das Froschei vom animalen nach dem vegetativen Pole zu einer dünnen Scheibe abplatten, oder man kann dasselbe durch zwei vertical gestellte Platten von der linken nach der rechten Seite zu abplatten. Je nachdem man diesen oder jenen Eingriff vornimmt, gestaltet sich der Furchungsverlauf in einer sehr abweichenden Weise. Bei der dorsoventralen Abplattung (vom pigmentirteu schwarzen nach dem unteren weissen Pol) treten zuerst zwei verticale Furchen auf, wie bei der normalen Furchung. Dann aber kommt es nicht zur An- lage einer horizontalen Theilebene, sondern im dritten Theilungscyclus bilden sich zum dritten Male vertical ge- stellte Ebenen aus. In Folge dessen liegen jetzt alle 8 Zellen in einer Ebene nebeneinander, während sie beim gewöhnlichen Verlauf in zwei Ebenen über- einander angeordnet sind, so dass sich 4 Zellen um den vegetativen Pol des Eies und 4 um den animalen Pol herumgruppiren. Hat man dagegen das Ei zwischen vertical gestellten Platten zusammengepresst, dann ent- steht zuerst eine verticale Ebene; die zweite verticale Ebene aber, die normalerweise unter rechtem Winkel die erste schneiden sollte, bleibt aus, und anstatt dessen ent- steht jetzt eine Horizontalebene, durch welche von den beiden ersten Theilstückeu zwei obere kleinere Segmente abgetrennt werden. Wir erhalten also anstatt 4 in der Horizontalebene nebeneinander gelegenen Theilstückeu 4 Theilstücke, von denen 2 oben, 2 unten liegen, und dem entsprechend sind auch die nächstfolgenden Furchungs- stadien abgeändert. Wie leicht einzusehen ist, wird in Folge dieser ausser- gewöhnlichen Theilungsvorgänge das Kernmaterial, wel- chem wir ja für die gestaltenden Processe in der Ent- wickelung eine besondere Bedeutung beilegen, mit ganz verschiedenen Raumtheilen von Dottersubstauz in Ver- bindung gebracht. Der Experimentator kann, wie Driesch sich ausgedrückt hat, die vom befruchteten Kern der un- getheilten Eizelle abstammenden Tochterkerne wie einen Haufen Kugeln im Eiraum in sehr verschiedener Weise durcheinander würfeln. Trotzdem entstehen in allen Fällen aus dem Ei ganz normale Embryonen. Die Ihnen, m. H., heute mitgetheilten Untersuchungen sind in theoretischer Hinsicht von Interesse für viele Fragen allgemeiner Natur, welche in den letzten Jahren die Biologen lebhaft beschäftigt haben und sich auf das Wesen des thierischen Entwickelungsprocesses beziehen. Ueber die iuneren Vorgänge bei der Entwickelung be- stehen unter den Naturforschern auch heutzutage noch entgegengesetzte Ansichten, welche in vieler Beziehung Ansichten gleichen, die namentlich im vorigen Jahrhundert geherrscht haben und mit den Schlagworten „Präforma- tion" und „Epigenese" bezeichnet wurden. Ansichten, die mehr in der Richtung der Präformation liegen, sind in den letzten Jahren von Roux in seiner „Mosaiktheorie" und von Weismann in seiner „Keimplasmatheorie" aufge- stellt worden. Gegen diese präformistischen Anschau- ungen fallen nun aber schwer ins Gewicht die zahlreichen Experimente, die ich zum Gegenstand meines heutigen Vortrags gewählt habe. Es würde mich zu weit führen, wollte ich noch näher auf die theoretische Seite der Frage eingehen. Ich habe mich über dieselbe ausführ- lich in einer Schrift geäussert, welche unter dem Titel „Präformation oder Epigenese? Grundzüge einer Ent- wickelungstheorie der Organismen", soeben erschienen ist, und welche zugleich das erste Heft meiner „Zeit- und Streitfragen der Biologie" bildet. (x.) Ueber den Geruchs- und Geschmackssinn und ihre Organe liegen aus dem physiologischen Institut in Tübingen vergleichend -physiologische und -anatomische Untersuchungen von Dr. Willibald A. Nagel (Biologi- sches Centralblatt, Band XIV No. 15) vor. Der inter- essanten Arbeit entnehmen wir über die Sinnesorgane der niederen Thiere, besonders der Insecten, folgendes. Der Geruchssinn der Insecten zeigt in den einzelnen Familien sehr wechselnde Ausbildung, ist bald sehr fein entwickelt, bald sehr stumpf, fehlt aber (mit Ausnahme der echten Wasserinsecten) nie ganz. Er hat in den meisten Fällen seinen Sitz in den Fühlern, seltener in den Tastern, in letzterem Falle dann meistens zum Be- riechen aus nächster Nähe (sog. „Riechtaster") dienend. Insecten, welche auf grosse Entfernungen hin bestimmte Gerüche wahrzunehmen vermögen, thun dies stets mittels der Fühler. Häufig kommt Riechvermögen der Taster und Fühler nebeneinander vor. In der Anordnung der Riech- und Schmeckorgane der Insecten lässt sich folgendes Princip erkennen: das von einer zarten chitinösen Hülle nach aussen abge- schlossene Nervenendorgan soll dem umgebenden Auf- enthaltsmedium (Luft oder Wasser) möglichst zugänglich dargeboten werden, dabei aber gegen Beschädigung durch gröbere mechanische Einflüsse geschützt sein. Dies wird erreicht, indem das meist kegel- oder zapfenförmig ge- staltete Haargebilde, welches die letzten Ausläufer des nervösen Endapparates enthält, entweder durch über- ragende starke Haare (Sehutzborsten) oder durch Ver- senkung in eine Grube vor jeder Berührung mit festen Gegenständen gesichert ist. Besonders regelmässig ist eine oder beide Arten des Schutzes bei den Riechorganen zu finden, bei den Schmeckorganen kommen Schutzborsten nicht vor. Die Riech- oder Schmeckorgane der Insecten sind weder morphologisch noch physiologisch scharf von ein- ander geschieden, denn es giebt Organe, welche wechsel- weise bald zum Riechen, bald zum Schmecken dienen. Auch im Bau zeigen sie keine principiellen Verschieden- heiten: beide sind nur durch Verbindung mit Nerven um- gewandelte Haare, deren Charakteristikum in der stark verdünnten Chitinwand und in der gegen grobe mecha- nische Einflüsse geschützten Lage besteht. Die Unter- scheidung ist oft nur durch die Lage im Körper möglich, indem Riechorgane im Allgemeinen nicht mit der Nahrung in Berührung gebracht zu werden pflegen, und anderer- seits Organe, welche an den frei in die Luft ragenden Fühlern sitzen, keine Schuieckorgane sein können. Doch Nr. 50. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 609 giebt es schwer zu entscheidende Ausnahmefälle, wo Nervenendapparate als Wechselsinnesorgane des Geruches und des Geschmackes funetiouiren. Im Allgemeinen pflegt das eigentliche Haargebilde bei Geschmacksorganen eine kürzere, gedrungene Gestalt zu besitzen, als beim Riech organ, auch der mechanischen Berührung nicht ganz ent zogen zu sein. Dementsprechend erreicht seine Chitinhülle häufig nicht diejenige Zartheit, wie bei den meisten Riechorganen, und der „Geschrnackskegel" pflegt aus seiner Grube ein wenig hervorzuragen. Bei manchen Insecten ergiebt das Experiment ge- ringe Geruchsschärfe, während nach der Lebensweise des Thieres die Existenz eines feinen Riechvermögens anzu- nehmen ist. Die Ursache ist häutig die, dass das Riech- vermögen des ruhig sitzenden Thieres stumpfer ist, als dasjenige des laufenden oder fliegenden Insectes, welch letzteres experimenteller Prüfung weniger leicht zu unter- ziehen ist, als das ruhig sitzende Thier. Bei Insecten kann man, wie bei vielen anderen wirbellosen Thieren, unterscheiden zwischen inneren und äusseren »Schmeck- organen, von denen die ersteren innerhalb, die letzteren ausserhalb der Mundhöhle liegen; doch sind nicht bei allen Familien beide Formen aufzufinden. Innere Ge- schmacksorgane finden sich besonders am Gaumen, (ventrale Fläche der Oberlippe) oft in grosser Zahl, sowie an der Basis der Zunge oder Unterlippe. Aeussere Schmeckorgane kommen fast an allen Mundtheilen vor, Maxiellen, Taster, Unterlippe, Nebenzungeu. Bei kaueudeu Insecten überwiegen die inneren, bei saugenden die äusseren Geschmacksorgane, bei leckenden finden sich nieist beide gut entwickelt. Die Hautsinnesorgane der Wasser- und der Luft-In- secten sind im Allgemeinen nach dem gleichen Plane gebaut. Den Wasser-Insecteu fehlen aber alle Organe vom Baue typischer Riechorgane. Eine Ausnahme machen einige amphibische, d. h. theils im Wasser, theils auf dem Lande lebende Insecten, welche Riechorgaue an den Fühlern besitzen, die sie jedoch im Wasser nicht benutzen. Die Hautsinnesorgane an Fühlern und Mundtheilen der Wasserinsecten sind weniger den Organen an den Fühlern der Luft-Insecten ähnlich, als dem im |Munde, an deu Tastern und Kiefern der letzteren befindlichem Organe. Vor allem sind die bei Luftinsecten so zahlreichen Fühl- haare bei Wasserinsecten viel seltener; an ihre Stelle treten kurze gedrungene Kegel oder Zapfen. Einzelne Organ- formen kommen jedoch Wasser- wie Luft-Insecten in gleicher Weise zu. Vergleicht man die Hautsinnesorgane, speciell die Riechorgane verschieden grosser Arten einer Insecten- familie, so lässt sich häutig beobachten, dass mit der Grösse des Thieres nicht entsprechend die Grösse der einzelnen Nervenendorgane wechselt, sondern deren Zahl. Wenn z. B. eine grosse Schlupfwespe auf jedem Fühler- glied etwa 50 Porenplatten hat, so besitzt eine zehnmal kleinere Art nur 5 — 8 Porenplatten, die weniger klein sind als jene. Den Spinnen scheint jegliches feinere Riechvermögen zu fehlen. Die Tausendfüsser besitzen Riechorgane an den Fühlern, welche denjenigen der Insecten ähnlich sind, nmthmaassliche Geschmacksorgane an der Unterlippe und au den Maxillen. Bei den Krebsen sind innere Geschmacksorgane nicht bekannt und auch von Nagel vergeblich gesucht worden. Das Experiment machte jedoch die Annahme solcher, wenigstens bei den Dekapoden, nothwendig. Der Geruchssinn fehlt deu Wasserkrebsen aber vollständig; auch tragen ihre Fühler und Taster keine Organe, die als Riechwerkzeuge erscheinen könnten. Es fehlt daher bisher gänzlich an wissenschaftlich giltigenjBeweisen für die Annahme, dnss Krebse weithin zu riechen oder zu schmecken vermögen, das- sie den Köder oder das andere Geschlecht weithin wittern. Wie bei anderen Wasser- thieren ist hei den Krebsen der chemische Sinn und zwar in Form des Geschmacksinnes nur auf verhältnissmässig kleine Entfernungen hin wirksam. R. Verbreitung, Lebensweise und Fortpflanzung des Ceratodus Forsten. — Ueber diesen merkwürdigen Lungenfisch, der in längst vergangenen geologischen Epochen über die ganze Erde verbreitet war, jetzt aber nur noch in zwei kleinen Flüssen Australiens, im Burnett- und Mary-Fluss lebt, war bereits in No. 26 dieses Bandes der „Naturw. Wochenschr." in Semon's Schilderung von der Thierwelt Australiens kurz berichtet. Eine eingehende Beschreibung seiner Verbreitung und Lebensweise giebt Prof. R. Semon in dem ersten Heft seiner „zoologischen Forschungsreisen in Australien und dem Malayisehen Ar- chipel" (Jeua 1893), die in sechs bis acht Bänden die Bearbeitung des von einer fast zweijährigen Reise heim- gebrachten Materials bringen werden. Wir entnehmen der interessanten Schilderung Folgendes. Der Ceratodus Forsten wurde vom Curator des Museums in Sydney, Gerard Krefft, im Jahre 1870 zuerst beschrieben, in die Gruppe der bereits bekannten Lungenfische, Dipnoi oder Dipneusta, eingereiht und seinem Entdecker William Forst er zu Ehren benannt. Krefft hatte mit Scharfblick das neue Thier richtig erkannt und somit jeder Verwirrung in systematischer Beziehung von vornherein vorgebeugt. Zu einiger Verwirrung in der Biologie dieses merkwürdigen Thieres gab aber Forster dadurch Aulass, dass er den Ceratodus, den „Burnett Salmon" der Ansiedler, mit dem „Dawson Salmon", einem Knochenfisch (Osteoglossum Leichhardti) des nördlich vom Burnett gelegenen Dawson-Flusses, identificirte, wodurch in der Litteratur dem Ceratodus fälschlich auch der dem „Dawson Salmon" allein zukommende einheimische Name „Barramuuda" beigelegt ist. Infolge dieser Namen- verwechselung wurden manche Angaben über den Cera- todus, den Burnett Salmon, gemacht, die sich nur auf den Dawson Salmon, den echten Barramunda (Osteoglossum) beziehen und umgekehrt, so z. B. über die Verbreitung beider Thiere in den australischen Flussgebieten. Es bildet die Wasserscheide zwischen Burnett und Dawson auch die Scheidungslinie für die Verbreitung des Ceratodus und ( isteoglossuni. Letzterer findet sich nicht mehr im Burnett; seine südliche Grenze ist der Fitzroy und Dawson. Ceratodus dagegen geht nördlich nicht über den Burnett und südlich nicht über den Mary-River hinaus, er fehlt im Gebiete des Brisbane-River sowie in den Wasserläufen zwischen Brisbane- und Mary-River einerseits, Burnett- und Fitzroy-River andererseits. In deu Gebieten der beiden Flüsse Burnett und Mary ist sein Vorkommen auch auf den Mittellauf beider Flüsse und ihrer grösseren Neben- flüsse beschränkt. Im Unterlauf, soweit der Einfluss der Fluth reicht, im Quellgebiet und in den kleineren Neben- flüssen fehlt er gänzlich. Er hält sieh nur in den Er- weiterungen und Anstiefungen der Strombecken auf, den sogenannten „Waterholes" der Ansiedler, die mit einer üppigen Vegetation von Wasserpflanzen bedeckt sind und mehrfach eine Länge von mehreren Kilometern erreichen. Den grösseren Theil des Jahres zeigen nämlich die zur Regenzeit so mächtigen australischen Flüsse ein fast wasserleeres Flussbett, in dessen Mitte nur ein kleines Bächlein fliesst. In sehr trockenen Jahren trocknet das Flussbett manchmal sogar gänzlich aus und in wechselnder Entfernung bleiben die Austiefungen, die „Wasserlöcher" als isolirte Teiche zurück. Ein vollkommenes Austrocknen 610 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 50. der tiefsten dieser Wasserlöcher ist im Burnettgebiet seit Menschengedenken nicht beobachtet und darin erblickt Semon den Grund, dem wir das Ueberlebeu des Cera- todus bis in unsere Zeit zu verdanken haben. Sie bilden seinen Hauptaufenthaltsort, denn er geht nur selten in seichteres Wasser in die Nähe der Ufer, um Wasser- pflanzen zu verzehren und meidet die seichten Fluss- parthien zwischen den einzelnen Wasserlöchern. Dass die in früheren Perioden so weit verbreitete Gattung Ceratodus sicli allein in Australien erhalten hat, ist nicht sehr auffallend. Denn Australien, das in einer sehr frühen Periode von anderen Erdtheilen abgetrennt wurde, ist vor dem Eindringen vieler höherer Typen, die sich anderwärts entwickelt haben, bewahrt geblieben und hat dafür eine Reihe von niederen Typen erhalten, die ander- wärts ganz (Monotremen) oder fast ganz (Marsupialier) ausgestorben sind. Viel auffallender ist die beschränkte Verbreitung des Fisches in Australien selbst. Warum findet er sich nicht auch in den Flüssen nördlich und südlich von Burnett und Mary, die doch ihrer ganzen Be- schaffenheit nach dieselben Existenzbedingungen zu bieten scheinen"? Zunächst könnte man hier an das Ausrotten durch Feinde denken, durch Krokodile. Im Fitzroy und Dawson sind Krokodile häufig, im Burnett und Mary, der Heimath des Ceratodus, und in den südlich gelegenen Gewässern fehlen sie aber gänzlich. Selbst wenn man nun für die nördlich vom Burnett gelegenen Flüsse ein Ausrotten des Ceratodus durch Krokodile annehmen wollte, blieb immer noch sein Fehlen in den Flüssen südlich von Mary unerklärt, die weder Krokodile noch andere Feinde beherbergen und in denen er früher nachweislieh vorkam. Semon sucht nun die Erklärung hierfür in den grossen Schwierigkeiten, die sich der Verbreitung des Ceratodes von einem Flussgebiet in das andere entgegensetzen. Nur die wenigsten australischen Flüsse haben Seen- Reservoire, die sie in trockenen Zeiten mit Wasser ver- sorgen können. Kommt nun eine Trockenperiode, eine mehrere Jahre anhaltende Dürre, — ■ und es sind in Australien solche Perioden bekannt, in denen in sonst regenreichen Gegenden drei bis vier Jahre lang kein Tropfen Regen fiel, — so kann ein ganzes Flnss- System gänzlich austrocknen und die Wasserthiere desselben werden alle zu Grunde gehen bis auf die- jenigen, welche im ausgebildeten oder im embryonalen Zustand ein Austrocknen vertragen. Zu letzteren gehört der Ceratodus entschieden nicht, denn seine Eier sind ausserordentlich empfindlich und sterben rasch ab. Bei einer solchen Dürre würde der Ceratodus in allen Flüssen, welche keine ausgedehnten Wasserlöcher besitzen, ver- nichtet worden sein. Nur im Burnett und Mary, die im Besitz von sehr ausgedehnten Austiefungen sind, und deren Austrocknen vielleicht durch das Zusammentreffen be- sonders günstiger Umstände seit Menschengedenken ver- hindert wordeu ist, konnte er erhalten bleiben. Hört nun die Dürre auf und füllt sich der Fluss wieder mit Wasser, so findet auch allmählich von benachbarten Gebieten aus, die weniger unter der Dürre gelitten haben, wiederum eine Bevölkerung statt. Alle die Wege aber, die für die Verbreitung der Fische von einem Flusssystem in das andere in Betracht kommen, — Uebergang von Bewohnern im Quellgebiet zu Ueberschwemmungszeiten, Einwandern durch das Meer längs der Küste, directes Wandern über Land — sind dem Ceratodus verschlossen. Er vermeidet, wie schon erwähnt, die Quellgebiete, er ist sehr empfind- lich gegen Salzwasser und zum Wandern über Land überhaupt gänzlich unfähig. Und ein Transport der ohnehin sehr grossen Ceratoduseier durch Wasserthiere ist bei der Empfindlichkeit der Eier so gut wie aus- geschlossen. Wird also der Ceratodus durch irgend einen Grund in einem Flussgebiet ausgerottet, so ist es ihm sehr viel schwerer, von Nachbargebieteh aus wieder in dasselbe einzudringen, als anderen Fischen. Von den Eingeborenen jener Gegenden wird der Ceratodus mit Netzen gefangen-, sie bedienen sich dazu zweier kleiner Handnetze, die eins in die rechte, das andere in die linke Hand genommen mit ihren halbmond- förmigen Holzmündungen um den Fisch an einander ge- klappt und mit einem Ruck herausgehoben werden. Der Fischer taucht dabei zunächst unter Wasser, um die Position des ausserordentlich trägen und bewegungslos auf dem Grunde liegenden Gesellen zu erspähen, kommt dann meist noch einmal um Luft zu schöpfen an die Oberfläche und taucht wiederum unter, um den Fisch vorsichtig in die Netze einzuschliessen. Von den meisten Ansiedlern wird er auch mit der Angel gefangen; als Köder dient Fleisch aller Art, Schnecken, kleine Fische und am besten Süssvvasserkrebse. Das rosarothe Fleisch des „Burnett Salmon" ist dem Fleisch unseres Lachses durchaus unähnlich und ist kein Leckerbissen, während das weiche Fleisch des „Dawson Salmon", des Osteo- glossum, einen vorzüglichen Geschmack besitzt und ein allgemein beliebtes Nahrungsmittel bildet. Bei Tage liegt der Ceratodus meist lange Zeit be- wegungslos auf einem Fleck, mit Vorliebe längs oder unter den riesigen Baumstümpfen, die überall im Fluss- bett zerstreut liegen. Stets wählt er dabei die tieferen Stellen der Wasserlöcher aus; zum Fressen begiebt er sich auch in das seichtere Wasser nahe dem Ufer, nie- mals aber geht er ans Land. Bisher hielt man ihn ganz allgemein für einen Fisch, der sich ausschliesslich von vegetabilischen Stoffen nährt, und in der That findet man den ganzen Darm jederzeit mit Pflanzenstoffen aller Art vollgepfropft. Semon hält ihn aber nur für einen Pflanzen- fresser, glaubt aber nicht, dass es sich auch von diesen Pflanzen ernährt. Denn die Beschaffenheit der im Darmkanal befindlichen Pflanzentheile macht es im höchsten Grade un- wahrscheinlich, dass dieselben überhaupt verdaut und zu Nahrungszwecken verwendet werden. Sie sind nämlich vielfach noch ganz grün und frisch, zuweilen auch schwärzlich gefärbt und halb verfault, und sehen dann aus, als ob sie lange abgestorben im Wasser gelegen hätten. Ausserdem zeigen sich keine merklichen Unter- schiede, wenn sie im Anfangstheil oder im Endtheil des Darmes liegen. Hieraus zieht Semon den Schluss, dass die Pflanzen überhaupt nicht um ihrer selbst willen gefressen werden, sondern wegen der zahllosen Insecteu-, Fisch- und Amphibienlarven und -Laiche, Würmer, Mollusken u. s. w., die zwischen den Stengeln, Blättern und Blüthen der Wasserpflanzen ihren Wohnsitz haben. Hierfür spricht ja auch ferner der Umstand, dass der Ceratodus Fleisch als Köder beim Angeln annimmt. Ein fernerer Irrthum, der sich seit Beginn unserer Kenntniss über Ceratodus durch die ganze Litteratur schleppt, ist die Vorstellung, dass sich der Fisch während der trockenen Periode in den Schlamm eingrabe. Semon stellt aber auf Grund der Angaben kundiger Eingeborener und Ansiedler und besonders auf Grund eigener Beob- achtung und Experimente das Vorkommen eines Sommer- schlafes des Ceratodus und Coeonbildung irgend welcher Art auf das entschiedenste in Abrede. In einem trockenen Flussarm oder einem sumpfigen Teich abgesperrte Cera- toden machten gar keine Anstalten, sich in den schlammigen Boden einzugraben, obwohl das Wasser täglich schlechter und weniger wurde. Sie hielten sich vortrefflich in dem- selben und zeigten keine Spur davon, dass sie sich in einem für wasserathmende Thiere höchst ungesunden Aufenthaltsort befanden. Denn hier ist der Punkt, wo die Lungenathmung des Ceratodus in Frage kommt. Sie dient Nr. 50. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 611 ihm nicht auf dem Lande, nicht während des Sommer- schlafes im Schlamm oder Coeons, sondern sie ist für ihn das einzige Hülfsmittel, die in trockenen Zeiten für Kiemen- athmung so sehr ungünstigen Verhältnisse seiner ein- heimischen Gewässer zu überstehen. Er benutzt sie nicht etwa zeitweilig als einziges , sondern fortdauernd als accessorisches oder besser coordinirtes Athmungsorgan. In den Gewässern, die den Fisch beherbergen, kann man stets, bei Tag wie bei Nacht, auch dann, wenn das Wasser rein und klar ist, ein eigentümliches, grunzendes Geräusch wahrnehmen. Es ist unser Fisch, der vom Grunde an die Oberfläche steigt, um seine Lunge zu ent- leeren und mit frischer Luft zu lullen, wobei die Schnauzeu- spitze aus dem Wasser erhoben wird. Dort, wo ein Fluss zahlreiche Exemplare von Ceratodus beherbergt, hört man das charakteristische Grunzen zu allen Zeiten häufig und kann aus ihm auf die Anwesenheit des Fisches scbliessen. Einen längeren Aufenthalt in der Luft vertragen sie nicht, da ihre Kieme rasch eintrocknen, sogar ein mehr- stündiger Transport in nassen Tüchern bekommt ihnen nicht. Ceratodus ist demnach ein echtes Wasserthier, die bei ihm beobachtete Lungenathmung ist nicht als eine Anpassung au zeitweiliges Leben im Trockenen, sondern als eine Anpassung an ein Leben in zeitweilig zur Athniung untauglichem Wasser entstanden. Die Fortpflanzungszeit dehnt sich über die Monate April bis Ende November aus, denn zu dieser Zeit haben die meisten Thiere, die man öffnet, reife Geschlechtsprodukte, auch findet man in dieser Zeit an günstiger Stelle reich- liehe .Mengen von Ceratoduslaich. Weitaus die grössere Mehrzahl der Thiere scheint aber im September und Oc- tober zu laichen. Die Eier sind von einer schleimigen Hülle umgeben, die ganz ähnlich wie bei den meisten unserer Amphibien im Wasser zu einer gallertartigen Hülle aufquillt. Dieselbe ist in diesem gequollenen Zustande für die Spermatozoon undurchdringlich, die Befruchtung nmss also vor dem Quellen der Hüllen erfolgen. Beob- achtungen sind bisher darüber nicht gemacht worden, man kann aber wohl mit Sicherheit annehmen, dass die Be- fruchtung während oder kurz nach der Eiablage erfolgt, zumal die Möglichkeit einer innerlichen Begattung, die ja überhaupt bei Fischen sehr selten ist, bei dem Fehlen der Begattungsorgane und der plumpen Körperform des Ceratodus ausgeschlossen ist. Die Eier werden einzeln lose zwischen den Wasserpflanzen abgelegt, ein Ankleben an Pflanzentheile, wie bei unseren Tritonen, findet nicht statt. Das Legegeschäft nimmt daher eine grössere An- zahl von Tagen in Anspruch. Jedes Ei ist von einer sehr festen, elastischen Gallerthülle umgeben; die Ent- wickelung innerhalb der Hülle dauert 10 — 12 Tage. Die eben ausgeschlüpften Embryonen ernähren sich zunächst von dem reichlich vorhandenen Dottermaterial und liegen hier gewöhnlich bewegungslos auf dem Grunde. Im Freien bekommt man die jungen Fischchen nur äusserst selten zu sehen, viel seltener als diejenigen der übrigen Flussfisehe des Burnett. Sie müssen eine sehr versteckte Lebensweise auf dem Grunde führen und sich selten in höhere Schichten iu das Gewirr der Wasserpflanzen be- geben, in dem sich die Eier vor dem Ausschlüpfen be- finden. Ebenso selten fängt mau kleine Ceratodus von ein Fuss Länge und darunter, selbst Exemplare von zwei Fuss Länge sind Seltenheiten. Es ist etwas räthselhaft, wo und wie sich die kleinen Thiere verbergen. R. Verschlagene Laudvögel auf hoher See ist eine H. H. unterzeichnete Notiz in den Ann. der Hydro- graphie u. Maritim. Meteorologie (Heft IX, 1894) über- schrieben. — Die Thatsache, dass alljährlich viele Tau- sende von Landvögeln durch ablandige Winde auf's Meer hinaus verschlagen werden und dort umkommen -- sagt Verf. — ist den am Lande lebenden VogelfreuDden wohl kaum genügend bekannt. Jeder Seemann von längerer Fahrzeit weiss dies aber sehr wohl. Im Frühling und Herbst, zur Zeit, wann die Strich- und Zugvögel ihre Wanderungen ausführen, herrschen an der Westküste Mitteleuropas oft lange anhaltende Ostwinde, durch welche viele Vögel aufs Meer getrieben werden. Ermattet lassen sie sich dann häufig auf Schiffen nieder, denn sie ver- mögen augenscheinlich nicht den Weg zum Lande gegen den Wind wieder zurückzulegen. Einige vom Schreiber dieses selbst erlebte Beispiele mögen hier angeführt sein: Ein Taubenhabicht, der einmal während einer längeren Periode steifen Ostwindes an Bord eines auf den Aussen- gründen vor dem Kanal kreuzenden Schiffes gefangen wurde und der nach mehrstündiger Gefangenschaft entkam, schlug dann zwar sofort die Richtung nach dem Lande, dem Winde gerade entgegen, ein; kehrte aber nach mehreren Stunden, vor dem Winde fliegend, zum Schiffe zurück, wo er zum zweiten Male erhascht wurde. Unter den Vögeln, die sich so verirren und durch den Wind sieh vom Lande abtreiben lassen, scheinen Strich- und Standvögel, aber selten echte Zugvögel vertreten zu sein, was bei der wunderbaren Ortskunde, welche die Zug- vögel bezüglich ihrer Zugstrassen haben, erklärlieh er- scheint. Pflegen doch manche Zugvögel sehr weite Strecken über das Meer regelmässig zurückzulegen. So erscheinen auf den Hawaiischen Inseln z. B. im Spät- herbst stets Wildenten, von denen die dortigen Bewohner wohl mit Recht vermuthen, dass sie von der weiter als 2000 Sm entfernten Westküste Nordamerikas stammen. Vögel, die man am Lande sonst verhältnissmässig selten antrifft, lassen sich oft ermattet auf Schiffen nieder. In einem Falle flogen im Monat October eines Jahres Hun- derte von Goldhähnchen an Bord eines deutschen, im Englischen Kanal segelnden Schiffes, alle derart ermattet, dass sie nach wenigen Stunden starben. Dieses Vor- kommen war um so auffallender, weil hier in weiter Ferne Land in Sicht war. Die grosse Masse der nach See verschlagenen Vögel besteht indessen aus den ver- schiedenen Finkenarten, aus Staareu, Lerchen etc., Sper- linge trifft man nicht an, sie sind wohl zu gewitzigt und fliegen zu selten hoch, um sich verschlagen zu lassen. Ueber das Antreffen vereinzelter Rauchschwalben be- richten nicht selten Schiffe, die sich im Nordatlantischen Ocean, südwestlich von den Cap Verde-Inseln befinden. Auch in dem Madaskar benachbarten Meere wurden sie mehrfach beobachtet. Ueber einen recht lehrreichen Fall des Antreffens von Landvögeln auf See berichtet auch Kap. Kühlken vom Bremer Schiffe „Johannes". Als sich dies Schiff am 19. October 1889 in der Nähe von 45° N-Br. und 45° W-Lg. befand, hatte es dort einen schweren Sturm zu überstehen, in dem der Wind, nach vorhergehender kurzer Stille, von ESE nach NW umsprang. Das Schiff stand damals ganz nahe am Mittelpunkte eines Niederdruck- gebietes, das von West nach Ost zog und welches sieh auf seiner Bahn, in der betreffenden synoptischen Wetter- karte des Nordatlantischen Oceans, bis zum 16. October zurück verfolgen Hess. Zur Zeit der Windstille liesseu sich dann plötzlich viele Landvögel, unter denen sich auch zwei Habichte und zwei Reiher befanden, auf dem Schifte nieder. Neufundland, das nächste Land, war zur Zeit etwa 450 Sm. vom Schiffe entfernt, die Ostküste der Union aber, von woher der Luftwirbel diese Vögel wahrscheinlich fortgerissen hatte, mehr als 1000 Sm. 612 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 50. lieber Knochen und Muskeln von Hand und Fuss berichtet L. von 15a rde leben (Proc. Zool. Soc. London 1894, Heft 2). Er veröffentlicht besonders seine fast zehnjährigen Untersuchungen über die beiden eigenthüm- lichen Knochen, die vor dem Daumen und vor der grossen Zehe liegen und auf eine frühere Mehrzahl der Finger und Zehen hinweisen. Man nennt sie Praepollex und Praehallux. von Bardeleben fand sie in alleu Familien und Ordnungen der Säugethiere, die fünf Finger haben Bei Beutelthieren konnte er erstere 11 Mal, letztere 8 Mal nachweisen, bei Zahnarmen beide 4 Mal, selbst bei Huf- thieren, bei denen doch so reducirte Verhältnisse herrschen, fand er beide Knochen bei einem Elephanten-Embryo. Bei Walthieren hat Kükenthal die Existenz eines Prae- pollex nachgewiesen. Bei Nagern beobachtete v. B. den Praepollex 15—20 Mal, den Praehallux 14—15 Mal, bei Raubthieren jenen 36 — 39, diesen 14 — 17 Mal, bei Flossen- füssern jenen 1 — 2, diesen 1 Mal, bei Handflüglern nur den Praepollex 5 Mal. bei Halbaffen und Affen ebenfalls nur diesen und zwar 11, bezw. 13 — 15 Mal. Beim Menschen fehlen beide Knochen natürlich ganz. Sehr oft waren beide Knochen recht gut ausgebildet, so z. B. beim Ele- phanten-Embryo der Praepollex grösser als der Pollex, und bei Didelphys elegans bestand er sogar noch aus 2 Knochen. Immer haben sie die gleiche Lage in Hand und Fuss und dieselben Beziehungen zu den umgebenden Weichtheilen. Sehr oft werden sie noch von Muskeln oder sehnigen Fasern insecirt, die mau auch noch nach- weisen kann, wenn die Knochen selbst geschwunden sind. Aus dem Verhalten der Muskeln schliesst von B., dass beide Knochen, ebenso wie Erbsenbein und Fersenbein überhaupt keine ursprünglichen Kugelknochen seien, sondern gleichwerthig dem Mittelhand-, bezw. Mittelfuss- Knochen. — Bei einigen Thieren sind auf den Spitzen beider Knochen deutliche Flächen, die bei Pedetes einen wahren Nagel tragen. — Bei niederen Säugern sind sie besser entwickelt als bei höheren oder mehr differenzirten; dort sind sie noch frei, hier oft mit ihren Nachbaren verschmolzen, v. B. giebt allerdings zu, dass die beiden Knochen bei vielen Thieren nicht einen reducirten Zustand darstellen, sondern einen theilweise neuen, und dass nur die Grundlage zu ihrer Bildung vererbt sei. L. R. lieber die Zunahme der Blitzgefahr äussert sich der Director des Kgl. Statistischen Bureaus in Berlin Geh. Rath E. Blenck in einem in der Polytechn. Ges. zu Berlin gehaltenen Vortrag. — Es ist eine nicht zufällige Erscheinung, sagt Bl., wenn es sich in derselben Zeit, wo wir die Elcktricität in immer weiterem Umfange in den Dienst der Technik und Industrie zwingen, heraus- stellt, dass auch die gewaltsame Ausgleichung der elek- trischen Spannung unserer Atmosphäre zugenommen hat, und zwar in einer Weise, wie wir es früher nicht ahnen konnten. Als Beweis für die von mir angeführte That- sache dienen auf der einen Seite die Ergebnisse der Brandstatistik, auf der anderen die Untersuchungen der Meteorologie, die allerdings erst in ihren Anfängen stehen, und sich zum Theil wiederum auf die Brandstatistik stützen. Fassen wir nun zunächst die Ergebnisse der amt- lichen preussischen Brandstatistik ins Auge, welch letztere leider erst mit dem Jahre 1881 beginnt und auf Grund von Zählkarten mit der Besitzung als Zähleinheit erhoben wird, so finden wir vom Jahre 1882 ab bis 1885 eine stetige Zunahme der Zahl der vom Blitze getroffenen Be- sitzungen. Wir haben bis jetzt zwei einschlägige grosse amtliche Werke herausgegeben, sehr eingehend in je zwei dicken Bänden mit sehr ausführlichen Einleitungen, von denen sich das erste auf die Jahre 1881 — 84, das zweite auf die Jahre 1885—87 erstreckt; das Jahr 1888 liegt auch schon seinem vollen Ergebnisse nach vor; die vor- läufigeu Ergebnisse reichen bis 1891. Wir finden, sage ich, dass, wenn 1882 im preussischen Staate 732 Be- sitzungen vom Blitze getroffen und beschädigt wurden, diese Zahl sich 1883 auf 927, 1884 auf 1456 und im Jahre 1885 auf 1553, d. h. auf mehr als das Doppelte erhöhte. Weiterhin linden wir ein Fallen, das im Jahre 1886 mit 1361 einsetzte und im Jahre 1887 mit 838 ein Mindestmaass herbeiführte, worauf über 1029 im Jahre 1888 wieder 1406 im Jahre 1889, also nahebei das Doppelte der Ausgangszahl von 1882, erreicht wurde. Unterscheiden wir Stadt und Land, so ist von vorn- herein eine auffällige Verschiedenheit zu erkennen. Die Gründe dieser Verschiedenheit liegen nahe. Vergleichen wir die schädlichen Blitze mit der Zahl der jeweilig vor- handen gewesenen Besitzungen, so ergiebt sich, dass auf je eine Million derselben im Jahresdurchschnitte entfielen in runden Zahlen in den Stadtgemeinden 200 schädliche Blitze, in den Landgemeinden 400 schädliche Blitze, in den Gutsbezirken 750 schädliche Blitze, d. h. die Blitz- gefahr stellt sich in den Landgemeinden doppelt, in den Gutsbezirken nahebei viermal so hoch wie in den Städten. Es hat sich ergeben, dass Gebäude mit harter Dachung dem Blitze bedeutend besser widerstehen, als solche mit ganz oder theilweise weicher Dachuug. Die Ergebnisse von Untersuchungen von Bezold's sind folgende : 1. „Die Häufigkeit der zündenden Blitze, reducirt auf die gleiche Zahl versicherter Gebäude, hat seit dem Anfange der vierziger Jahre dieses Jahrhunderts, abgesehen von kleineren Schwankungen, eine beinahe stetige Zu- nahme erfahren, so dass die Gefährdung durch Blitz inner- halb des genannten Zeitraumes auf mehr als das Dreifache gestiegen ist. 2. Die kleineren Schwankungen scheinen einer Periodi- cität unterworfen zu sein, so zwar, dass auf jede Sonucn- fleckenperiode zwei solcher Perioden treffen, und dass einem Maximum der Sonnenflecken jederzeit ein Minimum von zündenden Blitzen entspricht. 3. Die Untersuchung der geographischen Verkeilung der zündenden Blitze lehrt, dass einzelne Gegenden ihren Charakter der besonderen Gefährdung oder des Verschont- seins während des ganzen in Betracht gezogenen Zeit- raums beibehalten, und dass das Verhalten einer Gegend in dieser Hinsicht, abgesehen von ganz lokalen Eigen- thümlichkeiten, wesentlich davon abhängt, welche Lage sie gegen die Zugstrasse besitzt, denen die grossen Ge- witter mit Vorliebe zu folgen pflegen. L Wenden wir uns den Ursachen der unbestreitbaren Erhöhung der Blitzgefahr zu, so dürfen wir nach den in Preussen gemachten Erfahrungen jene Zunahme nicht allein in den Erscheinungen selbst suchen, sondern müssen auch noch mit einem äusseren Umstände rechneu, dem nämlich, dass in den ersten Jahren der neuen brand- statistischen Aufnahme die durch Blitzschlag hervor- gerufenen kleineren Schäden sehr oft nicht zur Ermitte- lung gekommen sind. Indessen vermag diese, inzwischen auch beseitigte mitwirkende Ursache jene von mir fest- gestellte Thatsache doch in keiner Weise zu ändern. Forschen wir nach den weiteren Ursachen der Zunahme der Blitzgefahr, so haben wir dieselbe zu suchen: in der Veränderung der Erdoberfläche sowie in einer Verschlechte- rung der Atmosphäre. "" Die Einleitung zum Hefte 104 des amtlichen Quellen- werks der „Preussischen Statistik sagt: „Eine ganz allge- meine Ursache der Vermehrung von Blitzschäden erblicken wir inder Veränderuog der Bodenoberfläche. Wälder sind Nr. 50. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 613 ausgerodet, Hügel, durch Regen, Pflug und Egge abgekämmt worden, und wie die elektrische Spannung in der Atmo- sphäre jetzt seltener Gelegenheit zur Entladung nach natürlichen Hervorragungen findet, so ist ihr zugleich der einfachste Weg zur Selbstvernichtung in ausdünstenden Flächen mehr und mehr versperrt worden. Die Dränirung feuchter Aecker und nasser Wiesen hat ausserordentliche Fortschritte bis zu gelegentlichem Uebermaasse gemacht; die Versumpfung durch Drängwasser an Flüssen wehrt man vermittelst Schöpfmühlen ab; Ueberfiuthungen wurden durch Deichaulagen erschwert und die Strombetten zu Gunsten der Schiffahrt eingeengt; alte Stauwerke sind in Folge Ersatzes von Wasser- durch Dampfmühlen un- nöthig geworden. Vielleicht giebt es heute eine grössere Anzahl von Fischteichen als vor zwanzig Jahren; sie sind aber auf eine geringe Fläche beschränkt, wie auch die Schlammteiche der Fabriken. Darf man sich von den Rieselfeldern der Grossstädte eine örtliche Verminde- rung der Blitzgefahr versprechen, so wird dieselbe den entgegengesetzt wirkenden Veränderungen in der Be- schaffenheit der Oberfläche schwerlich die Stange halten. Eine Umgestaltung, der Ueberzug von Metall über der bewohnten Erde, ist wenigstens der Theorie nach von be- deutendem Werthe. Wie glatt polirt auch die Telephon- drähte an den Mittelpunkten der Gewerbe, die langen Linien oberirdischer Telegraphendrähte auch sein mögen, leichte elektrische Einströmungen aus der Luft gleiten in sie hinein, und eine oft wiederholte kleine Entladung kann recht wohl eine einzige starke verhindern. Die massiven Eisenbahnstränge gewähren, zumal auf ihren Hochstrecken, eine noch kräftigere Ableitung; ob die auf trockenen Dämmen liegenden Schienen zweckmässig mit dem Grundwasser verbunden sind, muss allerdings be- zweifelt werden. Wenn nun die Kulturfortschritte auf der einen Seite die Gewitterschäden verringern, so ent- steht auf der anderen Seite eine neue Gefahr durch die Einbürgerung der Elektricität in die Gewerbe; denn selbst die sparsamste Verwaltung dieser jungen Kraft- quelle hat ansehnliche Mengen unverbrauchter, zunächst in Form nicht umgewandelter Elektricität entweichender Kraft zu bedauern. Wo bleibt letztere und droht sie nicht die beständig neugebildete Luftelectricität zu ver- grössern? Die Meteorologen haben hier noch viel zu er- forschen. „Wenn es hinsichtlich aller vorgedachten Einflüsse an bestimmten Erfahrungen gebrieht, so kennt man desto sicherer die Folgen der veränderten Bauweise. Dass feuchte Dächer aus »Stroh, Schilfrohr oder Schindeln den zündenden Funken herabziehen, war längst bekannt; darum wirkt ja in der sonst wasserreichen Provinz Schles- wig-Holstein ein zwischen den beiden Meeren leicht ent- stehendes Gewitter so oft verderblich, und darum geben sich die Versicherungsgesellschaften so viele Mühe, mittels verschiedener Prämientarife und sogar Unterstützungen zum Umbau die harte Dachung zu begünstigen. Sie haben damit grossen Erfolg erzielt, wie die ausserordentliche Vermehrung der meistens mit geringem Schaden ver- laufenden kalten Schläge beweist. Ein zweiter günstiger Umstand ist die beträchtliche, von den Versicherungs- anstalten ebenfalls beförderte Zunahme der Blitzableiter sowie namentlich, nachdem man deutlich erkannt hatte, dass eine mangelhafte Vorrichtung der Art geradezu ver- derblich wirkt, die zweckmässige Anbringung und von Zeit zu Zeit wiederholte Prüfung dieser Vorbeugungsmittel. Hiermit ist aber fast alles erwähnt, was im neueren Bau- wesen als vortheilhaft für die Vermeidung von Gewitter- schäden zu gelten hat. Nachtheilig ist die Ersetzung der einfachen, niedrigen Bauwerke durch spitze, scharfkantige und hochragende. Besässe man eine Statistik der Zer- störung von Kirchen und Burgen auf natürlichem Wege, so würde man gewahr werden, dass gothische Hauten verhältnissmässig öfter als rumänische vernichtet worden sind; ein Rundthurm mag hässlieher als ein kühn auf- strebender aussehen, so leicht getroffen wie dieser wird er nicht; an den hohen Schornsteinen, deren unsere Pro- duetion von Massen nicht entrathen kann, muss die Güte der Blitzableiter sehr häufig untersucht werden." „Noch nachtheiliger als die veränderte Art des ein- zelnen Bauwerkes zeigt sieh die neuere Anordnung der Gebäude im Terrain. Eine massive Millionenstadt mag dem ärgsten Gewitter, das über ihren Dächern mit der- selben Gewalt wie im Freien tobt, in andächtiger Sorg- losigkeit lauschen; hier und dort ein mächtiger Schlag, aber selten ein merklicher Schaden, in der Kegel zurück- bleibend hinter dem, welchen durchgehende Pferde ver- ursachen oder nervenschwache Menschen erleiden. Wie anders auf dem Lande! Man löscht das Herdfeuer, um nicht durch den Rauch die örtliche Luftreibung zu ver- mehren; die Leute kehren vom Felde heim, das Spritzen- haus wird geöffnet, die Luken geschlossen, sobald der Donner um zwei Secunden dem Aufblitzen folgt, - - und man hat Grund zur Vorsicht. Zwar zieht sich das Ge- witter nicht mit besonderer Vorliebe über dem Dorfe zu- sammen, sondern rasselt ebenso gern in einen Hügel oder Baum oder ein Gewässer hernieder; liegt das Dorf in- dessen in freier Ebene, so stört es mehr als andere Gegenstände die freie Bewegung der Luft und ragt mit seinen Dächern näher an die im Zustande der Spannung- befindlichen Wolken Je nach der Höhe der elektrischen Spannung wird die Stelle der baldi- gen Entladung — nennen wir sie grob den Blitzsack — in grösserer oder kleinerer Entfernung von den Ge- bäuden vorüberziehen, wenn sie sich nicht über dem Orte, sondern seitwärts fortbewegte. Der Abstand, binnen dessen eine seitliche Entladung nach einem höher gele- genen Punkte erfolgen kann, ist nicht genau ermittelt und wird verschieden geschätzt." .... Es wird in unserer Quelle des Weiteren dargelegt, wie den getrennt vom Hauptkörper des Dorfes liegenden Abbauten gegen die geschlossene Dorflage das dreifache Maass der Gefahr droht. „Wenn wir nun wissen", heisst es weiter, „dass die moderne Landwirtschaft Aus- bauten inmitten der Aecker vortheilhaft macht und der gute Wegebau dieselben erleichtert, dass in der That die Auseinanderlegung der Ackergehöfte jährlieh fortschreitet, und dass der gewerbliche Grossbetrieb sich ebenfalls vielfach isolirt, so wird uns die mit der Zunahme einzelner Wohuplätze Hand in Hand gehende Vermehrung der Brände auf dem platten Lande nicht mehr in Verwunde- rung setzen." „Trotzdem kommen wir auf die Möglichkeit einer unmittelbaren Steigerung der gewitterlichen Erscheinungen, mögen sie Werthe vernichten, Blitzröhren im Erdboden er- zeugen oder spurlos im Wasser untergehen, zurück. Es kann nämlich die Wahrscheinlichkeit nicht geleugnet werden, dass die Atmosphäre sich verschlechtert hat. Tag für Tag verpuffen Millionen von Centnern Steinkohlen in die Luft. Was in Urzeiten Kohlensäure gewesen war und durch unaufhörliche Schöpfungsthätigkeit die Form von Pflanzen angenommen hatte, deren Reste die Gesteine bedecken, wird nach und nach wieder emporgeholt, um eine abermalige Umformung in Wärme zu erleiden. Kohlensäure, Koblenoxyd und Rauch durehwirbeln in fortwährend vergrößerten Mengen die Luft. Sie gesellen den ohnehin eine Reibung erzeugenden Ungleichmässig- keiten der Atmosphäre an Wärme und Wasserdunst ein sich jährlich verstärkendes Element örtlicher Beimischungen, die unbedingt die Reibung der Luftschichten wider ein- 614 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 50. ander steigern müssen. Und indem zugleich unverbrannte Stoffe oder halbverbrannte Gase in der Luft verbrennen, wird die Besorgniss rege, dass ein so genährter Feuer- strom auch brennbare Gegenstände des Festen häufiger in Flammen setze, als früher geschah." „Wie soll sich, wenn dem also ist, das Volk ver- halten, um der Blitzgefahr die Stirn zu bieten? Den Wettkampf der Nationen und den Absatz gewerblicher Erzeugnisse zu verhindern, geht nicht an; die Schätze der Vorwelt mögen, so lange sie ohne Vertheuerung her- halten, auch fortan in zunehmendem Maasse verbraucht werden. Allein sie verschleudern — und gar mit offen- barem Nachtheil für die brennbaren Theile des Volks- vermögens verschleudern — sollte man nicht; die Vor- richtungen zur Rauchverbrennung müssten verallgemeinert und damit wenigstens eine der allgemeinen Ursachen der Gewitterschädlichkeit nach Möglichkeit beseitigt werden. Ferner wäre der Verminderung des Binnenwassers end- lich einmal vorzubeugen, im Einvernehmen mit der neue- ren Empfehlung von Sommerdeichen und geschützten Wiesenflächen einerseits, der Zucht von Süsswasserfischen andererseits. Hochragende Fabrikschlote haben wir nöthig, spitze Kirchthürme mit vielen Zacken dagegen nicht in jeder Gemeinde, und für andere öffentliche Gebäude könnten die Architekten wohl schöne Formen ersinnen, die sich dem Rundbau nähern. Sodann wäre es zwar ein grösseres Uebel, den Ausbau aus geschlossenen Ortschaften zu verbieten; aber man vermag der schädlichen Ausbrei- tung der Blitzgefahr die Spitze abzubrechen, wenn die Ueberzeugung Platz gewinnt, dass man neue Häuser nicht auf Hügeln errichten und in der Ebene belegene Einzel- gehöfte mit guten Blitzableitern ausrüsten sollte. Die weichen Dachungen endlich durch harte, die leicht ent- zündlichen Umfassungswäude durch massive zu ersetzen, wird schon durchweg für so nothwendig erachtet, dass hierüber Weiteres nicht gesagt zu werden braucht." (x). Ueber den Einfluss des Mondes auf den elek- trischen Zustand der Erde haben Ekholm und Arrhenius eine sehr interessante Untersuchung angestellt, auf welche wir nach dem von Herrn L. Weber in dem Litteraturbericht der Meteorologischen Zeitschrift vom August d. J. veröffentlichten ausführlichen Referat kurz hinweisen wollen. Als Voraussetzung wird angenommen, dass sowohl die Erde als auch der Mond eine negative Ladung besitzen. Existirt dann wirklieh ein Einfluss einer nega- tiven Mondladung, so muss sich dieser darin äussern, dass bei wachsender Zenithdistanz des Mondes das Po- tentialgefälle an der Erde zunimmt. Zum Nachweise dieses Einflusses war deshalb ein Beobachtungsmaterial nothwendig, das aus fortlaufenden stündlichen Beob- achtungen gebildet wurde, und dieser Umstand Hess nur eine kleine Auswahl zu. Es wurden verwendet: 1) die Andree'schen Messungen am Cap Thordsen vom No- vember 1882 bis August 1893, 2) die Beobachtungen der französischen Expedition am Cap Hörn vom November 1882 bis Mai 1883 und 3) diejenigen in Helsingfors vom Januar 1890 bis April 1891. Eine genaue Discussion dieser Beobachtungen lässt nun in der That ein Anwachsen des beobachteten Po- tentialgefälles mit zunehmender Zenithdistanz erkennen. Am deutlichsten ist dies an klaren oder wenig bewölkten Tagen erkennbar. Es scheint, als ob Wolken, Regen und Staubgehalt der Luft den Einfluss des Mondes ver- wischen. Es ist noch zu erwähnen, dass die tägliche Periode der Variationen der Zenithdistanz nur einen kaum merklichen Einfluss ausübt, dass hingegen die monatliche Periode einen Einfluss sehr deutlich erkennen lässt. Aus einer Berechnung, welche die Verfasser an- gestellt haben, ergiebt sich noch ein weiteres auffallendes Resultat: darnach ist nämlich die Mondladung rund 1000 mal grösser als die Erde. Wenn sich dieses so verhielte, so würde damit eine Thatsache von erheblicher fundamentaler Bedeutung für das Studium der atmosphärischen Elektricität und für die kosmische Physik überhaupt gewonnen sein. Mit Recht wünscht daher Herr Weber, dass noch mehr Beob- achtungsmaterial gewonnen und nach der in Rede .stehen- den Richtung geprüft werden möge, und namentlich, dass auch überlegt werden möge, ob die gefundenen Ergeb- nisse und Beziehungen nicht vielleicht auf andere Weise zu erklären sind. Jedenfalls aber ist es ein besonderes Verdienst der Verfasser, die Aufmerksamkeit auf das Problem von dem Einflüsse des Mondes auf den elek- trischen Zustand der Erde gelenkt und die in Betracht kommenden Gesichtspunkte und Formeln aufgestellt zu haben. G. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Privatdocent der Meteorologie in Leipzig Dr. Arthur von Oettingeu, wirkl. Russischer Staatsrath, früher ordentlicher Professor in Dorpat, zum ordentlichen Honorar- professor in Leipzig; die Privatdocenten in der medicinischen Facultät zu Göttingen Dr. Otto Hildebrandt und Dr. Felix Droysen zu ausserordentlichen Professoren, ebenso der Privat- docent der Philosophie in Freiburg Dr. Grosse; der ausser- ordentliche Professor der allgemeinen Chemie an der technischen Hochschule in Lemberg Niementowski zum ordentlichen Pro- fessor, ebenso der ausserordentliche Professor der Chirurgie an der deutschen Universität Prag Dr. Weil; Prof. J. M. Coulter in Chicago zum Professor des neu errichteten Lehrstuhls für Bo- tanik an der dortigen Universität; der Assistent an der technischen Hochschule in Karlsruhe Forstassessor Dr. U. Müller zum ausser- ordentl. Professor in der Abtheilung für Forstwissenschaft; Dr. Hermann Freund, Privatdocent in Strassburg zum Director der dortigen Hebammenschule; Dr. med. Ernst Bolin in Upsala zum Docenten für Epidemiologie daselbst ; Prosek tor v. Hultkrantz in Stockholm zum stellvertretenden Professor der Anatomie da- selbst; James B. Henderson zum Professor der Physik am Yorkshire College in Leeds; Dr. med. W. Affana ssjew zum Professor der allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie in Dorpat als Nachfolger des Prof. Dr. ß. Thoma; Magister A. Szoelowsky zum ausserordentlichen Professor der Physik in Dorpat an Stelle des stellvertretenden ausserordentlichen Pro- fessors Magistrandus Fürst B. Golicyn ; der Professor der Gynä- kologie in Marburg Ahlfeld zum Geheimen Medizinal-Rath; Dr. B. Ssresnewsky in Dorpat zum ordentlichen Professor der physikalischen Geographie und Meteorologie. Berufen wurden: der Privatdocent Dr. med. Paul Mayer in Wien an den neu errichteten Lehrstuhl für Psvchiatrie und Nervenkrankheiten in Innsbruck; P. von Bjerken in Berlin als Lehrer der Elektrotechnik und Physik an das neu errichtete technische Institut in Coethen; Dr. Edler, Assistent am physi- kalischen Institut in Greifswald zum Assistenten am meteorolo- gischen Institut zu Potsdam; der Dozent der theoretischen Philo- sophie in Lund Dr. J. L. Ba yer-Sjögren in gleicher Eigen- schaft nach Upsala; der Professor der Logik und Philosophie in Cardiff W. R. Sorley als Professor der Moralphilosophie nach Aberdeen; der Docent für Pharmacie und Laborant der Universität Moskau Nicolai Alexandrow nach Dorpat. Abgelehnt hat: Der ordentliche Professor der physikalischen Chemie in Göttingen Walter Nernst den Ruf nach München. Es habilitirten sich: Stabsarzt Dr. Erich Wernicke, Assistent an der Hygieneanstalt der Berliner Universität in Berlin; Dr. Maass für klinische Medicin in Freiburg; Dr. phil. Bela Haller in der naturwissenschaftlichen Facultät zu Heidelberg; in Leipzig Dr. Hierony mus Lange, Assistenzarzt am dortigen Kinderkrankenhaus, für Medicin; Dr. C. Heinke für Elektro- technik an der Münchener technischen Hochschule ; Dr. S c h a p e r f ür Medicin in Zürich; Dr H. Goldschmidt für organische Chemie und Dr. W. Posthumus Meyer für Kehlkopf-, Nasen- und Ohrenkrankheiten in Amsterdam; Dr. St. Thugutt in Dorpat für landwirtschaftliche Chemie; Dr. P. Wosnessensski in Petersburg für Philosophie; Magister N. Kromer für Pharmacie in Dorpat. Aus dem Lehramt scheiden: Der ordentliche Professor der Philosophie Franz Brentano in Wien; Assistent Dr. Gull an Nr. bO. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 615 der Münchener technischen Hochschule; der Dozent für Physik in Upsala und Oberlehrer am Gymnasium zu Linköping I>r. K. L. Hagström; der Dozent für Pharmaeie Julius Klever am Veterinär-Institut zu Dorpat; der Professor der Mathematik Posse in St. Petersburg; der Privatdozent der Botanik in Tü- bingen Dr. Zimmermann. Gestorben sind : Der Professor der Astronomie in Königsberg und Director der dortigen Sternwarte Friedrich Peters; der Verfasser von The Antaretic Voyage of H. M. S. „Pagoda" Dr. Walter Dickson R. N. ; der Ingenieur Colonel R. Y. Arm- strong F. R. S.; der ehemalige ordentliche Professor der Ana- tomie in Kijew W. A. Betz. L i 1 1 e r a t u r. Wilhelm von Bezold, August Kundt. Gedächtnissrede, ge- halten in der Sitzung der physikalischen Gesellschaft zu Berlin am 15. Juni 1894. Johann Ambrosius Barth (Arthur Reiner). Leipzig 1894. — Preis 0,60 M. In anziehender Weise schildert Bezold das Leben und Wirken seines bedeutenden Collegen; wer Kundt gekannt hat, wird die Gedächtnissrede gern zur Hand nehmen. Dr. Louis Roule, prof. a la faculte des sc. de Toulouse, L'em- bryologie comparee. 1014 figures et un frontispice en couleur. C. Reinwald & Co. Paris 1894. Das vorliegende Werk ist ein umfangreiches Compendium der thierischen Embryologie : es umfasst nicht weniger als 1162 4- XXVI grosse Octav-Seiten. Die vielen klaren Abbildungen geben in instruetiver. allermeist halbschematischer Weise die Thatsachen und Ideen wieder und erhöhen die Brauchbarkeit des Buches ungemein. Der Text selbst ist durchaus klar und leichtfasslich geschrieben, so dass es ein Vergnügen ist, das Buch zu benutzen. Die jedem der 17 Kapitel beigegebenen Zu- sammenfassungen bieten eine vorzügliche Orientirung und Re- petition des Wichtigsten über die ausführlichen Auseinander- setzungen in den Kapiteln. Jedes Kapitel wird eingeleitet durch Betrachtungen allgemeinen Inhaltes bezüglich des Charakters und Klassification der zu besprechenden Gruppe und des Allgemeinen bezüglich ihrer Entwickelung. Die einzelnen Kapitel sind überschrieben: 1. Embryologie des Protozoaires Sarcodaires, 2. Embryologie des Protozoaires Ciliaires, 3. Developpement des Mösozoaires, 4. Embryologie des Spongiaires, 5. Embryologie des Hydrozoires, 6. Embryologie des Scyphozoaires, 7. Developpement des Plathelminthes, 8. Developpe- ment des Nemathelminthes, 9. Developpement des Trochozoaires, 10. Developpement des Arthropodes, 11. Developpement des Choetognathes, 12. Developpement des Onychopores, 13. Developpe- ment des Echinodermes, 14. Developpement des Enteropneustes, 15. Developpement des Tnniciers, 16. Les feuillets blastoder- miques des Vertebres, 17. Les formes et les annexes des embryons des Vertebres. Auf der Tafel finden sich marine Larven-Formen zur Dar- stellung gebracht. Den Schluss des Bandes bildet ein ausführ- liches Register, vorne ist eine ausführliche Inhalts-Uebersicht und ein Verzeichniss der Abbildungen beigegeben. Dr. Udo Dammer, Anleitung für Fflanzensammler. Mit 21 Abb. Ferdinand Enke. Stuttgart 1894. — Preis 2 M. Das Heft ist im Wesentlichen ein Auszug aus dem Buch des Verfassers „Handb. für Pflanzensammler" mit alleiniger Berück- sichtigung des praktischen Theiles: es bietet dem Anfänger gute Winke namentlich auch dem Nichtfachmann, der in fremden Ländern sich durch Pflanzensammlungen verdient machen will. — Wir bedauern , dass auch in der vorliegenden Schrift der fossilen und subfossilen Pflanzen nicht gedacht ist. Es hätten auf wenigen Seiten die wichtigsten Daten über ihre Auffindung und Einsammlung gegeben werden und der Wissenschaft dadurch gedient werden können Freilich hätte Verfasser hier von einem Palaeontologen unterstützt werden müssen. Comptes rendus hebdomadaires des seances de l'Academie des Sciences. Tome CXIX Second Semestre. — Von den zahl- reichen kleinen naturwissenschaftlichen Abhandlungen, welche wieder vom Juli bis September erschienen find, seien die fol- genden hervorgehoben : Bertheint: Untersuchungen über das Phenylhydrazin, Verbindungen mit Sauerstoff, seine Hydrate und die Zusammen- setzung seiner Salze. — Henri Moissan: Verunreinigung des in der Industrie gebräuchlichen Aluminium. — Aime Girard: Die Verwendung der Kartoffel als Viehnahrung. — Paul Painlev6: Ueber die algebraische Integration linearer Differentialgleichungen. — G. Berson und H. Bouasse: Ueber die Elasticität der Schwingung eines oscillirenden Drahtes. — Aymonnet: Ueber die Wärmestrahlung im sichtbaren Theil des Spectrums. — E.-L. Bouvier: Ein neuer Fall von Commensalismus: Symbiose zwischen Apsidosiphon-Würmern mit Madreporen- Polypen und einer zwei- schaligen Molluske. — L. Maquenne: Ueber die Athmung der Blätter. — A. Prunet: Ueber eine neue durch eine Chytidrinee verursachte Krankheit des Getreides. — Socrate-A. Papava- siliore: Ueber das Erdbeben von Lokris im April 1S94. — Loe w y und Puiseux: Die Mondphotographien, welche mit dem grossen Aequatorial der Pariser Sternwarte aufgenommen sind. — A. Be- hal und E. Choay: Die quantitative Zusammensetzung der Creo- sote des Buchen- und Eichenholzes. — Henri Lecomte: Die Messung des Wasserverbrauchs der Wurzeln. -- J. Vallot und L. Dupare: Ueber die petrographische Natur der Montblanc- Spitze und der umliegenden Felsen. — Henri Moisson: Neue Untersuchungen über das Chrom. — Moureaux: Das Erdbeben von Constantinopel. — A. Chassy: Die Elektrolyse des Kupfer- sulfats. — P. Coyel und Cannien: Die Structur des Cortisonen Membrans. — Moureaux: Ueber eine magnetische Störung. — Bigourdan: Lieber die mikrometrische Messung kleiner Winkel- distanzen am Himmel und ein Mittel, diese Art der Messung zu vervollkommnen. — P- Petit: Die Oxydation des Biermostes. — Yersin: Die Pest in Hongkong. Gosselet: Ueber die Abarten des Spirifes Verneuili. — Emile Ri viere: Neue anthropologische und paläontologisehe Untersuchungen in der Dordogne. — R. Lionville: Die Glei- chungen der Dynamik. — J. Janssen: Ein Meteorograph von langem Gang für das Observatorium des Montblanc. — Langley: Neue Forschungen über den ultrarothen Theil des Sonnenspectrums. — A. Kowalevsky: Das Herz einiger Orthopteren. — Ch. - V, Zenger: Die Elektricität als Wirbelbewegung betrachtet. — C. Phisalix und Ch. Contejean: Die Eigenschaft des Sala- mander- (S. maculosa) Blutes als Gegengift. — T. - L. Phipson: Die chemische Beschaffenheit der Atmosphäre. — H. D e slandres: Untersuchungen über Bewegungen der Sonnenatmosphäre. — Ch. -V. Zenger: Ein merkwürdiger Blitzschlag. Wl. de Tannenberg: Die" Gleichungen der Mechanik. - Paul Marchai: Ueber die dem Getreide schädlichen Dipteren, die auf der Pariser entomologischen Station 1894 gefunden wurden. — M. T. Laltezos: Ueber die kürzlich beobachteten Feuerkugeln und Meteorsteinfälle in Griechenland. — Fr. Denza: Die italienischen Sternschnuppen-Beobachtungen im August 1894. — A. Petot: Die linearen partiellen Differentialgleichungen zweiter Ordnung. — P. Eloste: Eine Krankheit der Weinrebe, hervorgerufen durch Aureobasidium Vitis. Photographische Apparate. — Wir haben schon im vorigen Jahre No. 49 auf einen kleinen photographischen Apparat der Firma Max Steckelmann in Berlin zum Preise von 30 Mark aufmerksam gemacht und kommen in diesem Jahre dem Wunsche der Firma — deren Apparate wir aus Erfahrung empfehlen können — gern nach, auf das Inserat in dieser Nummer hinzu- weisen, in welchem Neuheiten auf photographischem Gebiete an- geboten werden. — Es mag dieser Hinweis gleichzeitig als Ant- wort auf Anfragen bezüglich einer empfehlenswerthen Firma aus dem Leserkreise gelten. Beric htigung. Im Referat „Ueber Kerntheilung mit nachfolgender Körpertheilung bei Amoeba crystalligera" Nr. 48, Seite 588 muss es heissen: Zeile 22 und 27 von oben statt „Amiton" „Amitose". „ 25 und 31 „ „ „ „Miton" „Mitose". „ 27 von oben statt, „Tinetion" „Tinction". „ 31 „ „ „ „Schandims" „Schaudinn". 41 „ „ „ „Hoeolarsaum" „Alveolarsaum". 58 „ „ „ ..durchzuscheuern" „durchzuschnüren". Die Erneuerung des Abonnements wird den geehrten Abnehmern dieser Wochenschrift hierdurch in geneigte Erinnerung gebracht. Inhalt Die Verlagsbuchhandlung. alt: Oscar Hertwig: Neuere Experimente über das Regenerations- und Gestaltungsvermögen der Organismen. 1 eber den Geruchs- und Geschmackssinn und ihre Organe. — Verbreitung, Lehensweise und Fortpflanzung des Ceratodus Forsten. - Verschlagene Landvögel auf hoher See. — Ueber Knochen und Muskeln an Hand und Kuss. — Ueber die Zunahme der Biitz- gefahr. — Ueber den Einfluss des Mondes auf den elektrischen Zustand der Erde. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Litteratur: Wilhelm von Bezold, August Kun.lt. -- Dr. Louis Roule, L'embryologie comparee Dr. Udo Dammer, Anleitung für Pflauzensammler. — Comptes rendus hebdomadaires des seances de l'Academie des Sciences. — Photograpische Apparate. - Berichtigung. 616 Naturwissenschaftliche Wochenschritt. Nr. 50. .Äerber'fdk gicrraflsBanofunii. JirctBurn, im Svädamu Soeben, ift erfchienen imb burd) alle SBuchbanblungen ju bejie^en : 3lbercrombt>, Stf., &a* Söcrter. (Sine populäre Dar« ftellunq ber SSettevfotge. Stile beut <5itglijd)ett überlebt Don Dr 3. flR. Remter. ä'tit einem Sitelbilb unb 96 giguren im Se;t. gr. S° (XV11I u. 326 ©.) M. 5; geb. in eleg. Original» Vcinniaubbanb M. 7, Erfindungen, Neuheiten, Modelle jeder Art werden zu- verlässig, billig, discret in meiner Spe- cialwerkstatt ausgearbeitet und angefer- tigt, auch brieflich. W. Maaske, Median., N., .Scliwedterstr. 31. Soeben erschien und ist durch jede : Buchhandlung gratis zu beziehen: : Sllnslricrlcr 'iViliiinrlils-jriatiilojj | von z Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung j Verzeichnis gediegener populärer ■ (Jeschenkwerke und der Hempel- : sehen Klassiker-Ausgaben. : atent-technisches und | Verwerthung-Bureau Betclie. Berlin S. 14, Neue Rossstr. 1 Sammlungs- Schranke für Sammlungen jeder Art in den verschiedensten Ausführungen. Rudolph Zwach Tischlermeister. 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Vom „Stadtplatz" Blumenau. Gerade am Stadtplatz Blumenau wendet sich der Flnss in starker Biegung. Die „scharfe Ecke" nennen die Blumenauer jenes halbinselförmige , von der Flusskrümrnung eingeschlossene Wald- gebiet, das ihrem Wohnort gerade ge- genüber liegt. Das Ufer aber an der con- vexen Seite jener Bie- gung stellt unser Bild dar (Fig. 1), den An- legeplatz des klei- nen, bereits erwähnten Dampfers. Hier pflegt der Fremde das Blu- menauer Gebiet zu be- treten, fast genau an der Stelle, an welcher Dr. Blumenau vor beinahe 50 Jahren die erste Ansiedelung gründete. Im Hinter- gründe des Bildes sehen wir die leicht gewellten , charakte- ristischen Curven der Höhenzüge , wie sie das ganze Gebiet der Colonie Blumenau, also das Vorland der Serra Geral bedecken. Die höchste Spitze, welche im Hintergründe sichtbar ist, gerade senkrecht über dem kleinen auf dem Flusse liegenden Dampfer nennt mau den Spitzkopf. Dieser Berg gehört zu den höchsten in der Umgebung des Ortes. Er ist 900 m hoch. Man kann ihn von Blumenau aus in einem Tage ersteigen. Herr- licher Wald deckt ihn fast bis zum Gipfel, und als Stand- ort mancher werth voller und interessanter Pflanzen, ins- besondere der präch- tigsten Exemplare von Hymenolichenen wurde er mir zu einem beson- ders wichtigen Punkte. Gehen wir nun den in der Mitte unseres Bildes erscheinenden Weg hinauf, dem Orte zu, so fällt uns gleich links am Wege ein Cha- rakterbaum der Ge- gend in die Augen, Fig. 1. Stadtplatz Blumenau. Schizolobium excelsum Vog. Der Baum hat eine merkwürdig sper- rige, schirmartige Ver- zweigung, die sich auch auf unserem Bil- de gegen den Himmel scharf abzeichnet, die Belaubung ist düun. Dies ist einer der we- nigen sommer-grünen Bäume, der doppelt Veranlassung hat, mit seinen Blättern in 5 Monaten so viel zu arbeiten, wie die Mehrzahl seiner immergrünen Concurrenten in deren 12. Seine Kronen- form ist ausgeprägt schirmartig, die Hauptäste gehen vom Stamm in sehr stumpfem Winkel ab, die weite- ren Aeste, Zweige, und schliesslich die langen gefie- Anlegestelle des Dampfers von A. Müller 1892. Nach einer Photographie 618 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 51. derten Blätter stellen sich sämmtlich so, dass sie gleich- massig eine durch die Spitze des Baumes und die be- den Im eine Enden der Hauptäste gedachte Kugelkappenfläche decken, derart, dass jedes der zarten ßlättchen in unmittelbarsten Genuss der Sonnenstrahlen gelangt, südbrasilischen Frühjahr, also im September etwa, prangt der Baum im Schmucke seiner gelben Blüten. Viel- leicht treffen wir jetzt im Weitergehen eine Gruppe von Kindern an, die mit einer Art ovaler Zahlpfennige eifrig spielen. Wenn wir diese Zahlpfennige genauer mustern, so erkennen wir die etwa 3 cm langen, flach- gedrückten, ovalen, steinharten, bräunlichen Samen des Sehizolobium, welche sich bei den Kindern grosser Be- liebtheit erfreuen, und bei harmlosen Handelsgeschäften mit Briefmarken, Bindfadenresten, Nadeln u. s. w. als Zahlungsmittel benutzt werden, wie bei uns vielfach die Maikäfer. Auch giebt es ein dem Murmelspiel verwandtes Spiel, das mit diesen Samen betrieben wird, und zur Zeit, wenn die Schizolobium-Samen reifen, findet man keinen Schulbuben in Blumenau, der nicht die Taschen voll solcher Samen hätte, und unter den Bäumen spielt sich genau dasselbe Schau- spiel ab, wie bei uns im Herbst unter den Rosskastanien. Man wirft mit Steinen und Knüppeln nach der Krone, um die er- wünschten Früchte zu erlangen. Sind wir im Som- mer angekommen, so fesselt gleich beim Auf- stieg zum Flussufer noch ein anderer be- merkenswerther Baum unsere Aufmerksam- keit. Grade vor dem langgestreckten weis- sen Haus unter dem Spitzkopf auf unserem Bilde sehen wir seine dichte, etwa an eine Ulme erinnernde Krone sich von dem wenig helleren Hintergründe abheilen. Das ist eine Nyctaginee (Bougainvillaea spectabilis Willd.), die um jene Zeit über und über in ein herrlich leuchtendes Ge- wand rother Blumen gekleidet ist. Es sind bei diesem Baume Hochblätter (nicht Kelch- oder Kronenblätter), welche dem schönen Scheine dienen, die prächtige Farbe zur Schau tragen, und man kann mit beson- derem Rechte hier von Blumen im Gegensatz zu Blüten sprechen. Es hatte sich einstmals in Blumenau ein Ver- der sich den stolzen Namen „Humanitas" und in dem allmonatlich ein Mitglied einen Vor- sollte. Der Verein ging schnell zu Grunde, ehe noch die Vortragspflicht an alle (etwa ein Dutzend) Mitglieder gekommen war. Aber Dr. Fritz Müller, der nie fehlte, wo er gebeten wurde, zum Wohl seiner Mit- bürger mitzuwirken, hatte sich bereit finden lassen, der Humanitas beizutreten, und er hielt einen prächtigen Vortrag über das Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Da benutzte er einen Zweig dieser Bougainvillaea, uns den Unterschied zwischen Blumen und Blüthen klar zu machen, und die deutsche Sprache ob des Schatzes dieser zwei Ausdrücke hervor- zuheben vor den anderen, die nicht mit unmittelbarem Empfinden jenen Unterschied erfassten, sondern nur ein Wort für Blume und Blüthe besitzen. Den Lesern dieser von und ein Reich- Formen ; Baum gleicht sei- l il' 2. Stadtplatz Blumenau. ein gebildet, zulegte, trag halten Zeitschrift ist der Gegenstand vertraut durch Herrn Potonie's Aufsatz in Band VIII No. 20. Wenn ein solcher hoher Bougainvillaeabaum mit Blüthen dicht bedeckt ist, so wird er zu einem weithin sichtbaren Schmuckstücke des Waldes. Wenn man um die Blüthezeit von einem Berge oder sonst einem geeigneten Punkte aus eine grössere Waldflächc, eine weitgestreckte Berglehne z. B. überblickt, so bemerkt man jede vorhandene Bougainvillaea als leuchtenden Punkt. Man überzeugt sich dann leicht und mit einem Blicke von dem zerstreuten und vereinzelten Vorkommen des Baumes im Walde. Nun giebt es ja nicht grade viele Bäume, die auch nur in gewissen Zeiten des Jahres von ihrer Umgebung sich so scharf ablieben, dass man sie von weither sicher erkennen könnte. Bei allen aber, wo dies möglich ist, macht man dieselbe Beobachtung, dass der betreffende Baum nur vereinzelt, verstreut im Walde vorkommt, und dieselbe Beobachtung wird erneuert, wenn man in den Wald geht, um für bestimmte Zwecke die eine oder andere Holzart zu suchen. Höchst selten findet man eine Gruppe von Bäumen der gleichen Art bei einander. In diesem Walde herrscht eine für uns Europäer ganz überraschende Mannigfaltigkeit verwirrender tlium kein nem Nachbar. Welch eigenartigen Reiz für den Naturforscher das Wandern gerade durch diese Mannigfaltigkeit der Gestaltung erhält, ist wohl einleuchtend. Und wenn ein Beob- achter und Kenner des Waldes, wie Fritz Müller, uns sagt, dass noch etwa die Hälfte der Waldbäume nicht beschrieben, noch be- naunt worden sei, so taucht unwillkürlich wieder vor unserer Seele der Wunsch auf, wäre doch in Blumenau die wissenschaftliche Station er- richtet, um die Schätze an Geheimnissen zu heben, die der dortige Wald noch birgt. Wir steigen nun vollends zum Ufer des Itajahy hinauf. Das ansehnliche Gebäude auf dem ersten Bilde (Fig. 1) ist das Kammergebäude, das Verwaltungsgebäude der „Villa Blumenau", wie der Ort officiell bei den brasilischen Behörden heisst. Links daneben im Bilde sehen wir ein unscheinbares Wohnhaus. Es ist dies dasselbe Haus, von dem auf dem zweiten Bilde (Fig. 2) ganz rechts nur ein Theil des Daches sichtbar wird. Der auf dem ersten Bilde erscheinende Fahrweg führt uns mit einer Biegung nach wenigen Schritten unmittelbar auf den Punkt, von dem aus wir den Anblick des zweiten Bildes haben. Hier stehen wir vor der Hauptstrasse Blumenaus, der eine Allee von Coeospalmen (Cocos Romanzoffiana) Schatten spendet. Hier wohnen nur Deutsche ; hier sieht man fast stets Schaaren deutscher, am Itajahy geborener Kinder unter den Palmen spielen. Die ältesten welk- gewordenen Wedel der Coeospalmen hängen, ehe sie ab- fallen, oft länger als ein Jahr schlaff senkrecht am Stamme herunter. Sie bilden Tag für Tag ein beliebtes Turngeräth, das um so fleissiger benutzt wird, als auch die Schule an dieser Palmen-Allee sich befindet. Die Kinder hängen sich an die trockenen Blätter und benutzen sie als eine Art Rundlauf, sich rings im hohen Bogen um den Stamm zu schwingen. Als Schlitten wiederum dienen die Allee von Cocos Romanzoffiana phie von A. Möller 1891. Nach einer Phothogra- Nr. 51 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 619 holzigen kahnförmigen Blüthenscheiden dieser und einiger anderen bei Blumenau cultivirten Palmen. .Schnee ist hier ja ganz unbekannt; so geht es in der glühenden Sonnenhitze an dem zur Viehweide dienenden grasigen Bergabhange hinauf; die steilsten Stellen werden aus- gesucht, zwei auch drei der kleinen Germanen setzen sich in die Palmenblüthenseheide und sausen, mit den ausgespreizten Füssen steuernd, den Berg hinab, genau wie ihre Verwandten es üben auf dem Schnee der deutschen Hügel. All die Palmen am Stadtplatze sind etwa 1 Meter über dem Boden am Stamme etwas eingeschnürt. Darüber verdicken sie sieh bis zur Stärke von 30 cm, und diese Stärke behalten sie im Allgemeinen bei Ins zum Ansatz der Wedelkrone. Man sagt, dass die eingeschnürte Stelle die Höhe bezeichne, welche die Palmen hatten, als sie gepflanzt wurden. Es würde also, nachdem sie angewurzelt waren, eine Verbreiterung der Basis des Vegetationskegels eingetreten sein. Es erseheint mir wohl wahrscheinlich, dass äussere Ursachen, sehr trockene Jahre, oder undurchlässige steinige Boden- schichten, in welche die Wurzeln gerathen, umgekehrt wieder besonders günstige Umstände entsprechende Ver- änderungen in dem Umfange des Vegetationskegels der Palmen hervorrufen können. Denn nur so ist es am Ende zu erklären, dass man manchmal Palmen sieht, welche im Verlauf ihres Stammes dickere und dünnere Stellen in unregelmässiger Abwechselung zeigen. Aehnlich wie unsere dikotyledonen Bäume in den abwechselnd dickeren und dünneren Jahrringen eine Chronik ihrer fetten und mageren Jahre bewahren, würden die Palmen in dem dicker und dünner werdenden Stamme ihre Ge- schichte verzeichnen. Allerdings ist diese Anzeige der Palmenstämme unvergleichlich viel weniger empfindlich ge- gen kleine Aenderungeu, wie diejenige der Dikotyledonen. Dass seeundäres Dickenwachsthum bei manchen Palmen vorkommt, halte ich entgegen der Angabe der Lehrbücher für ganz sicher. Zwar von den 30 cm starken Cocos-Stämmen des Stadtplatzes mass ich sechzig im Jahre 1890 und dann ein Jahr später, ohne die geringste Veränderung wahrzunehmen. Im Walde aber, an der auf Schritt und Tritt häufigen zierlichen Euterpe wurde ich durch die einfache Wahrnehmung, dass alte Palmen immer dicker sind, wie junge, zu der Ueberzeugung gebracht, es mttsste seeundäres Dickenwachsthum vorhanden sein. Genauere Messungen ergaben in der That dementsprechende Resultate. Vom November 1890 ab maass ich in längeren Zwischen- räumen drei „Palmiten" (No. I, II, III), wie man in Blumenau die Euterpe nennt, am Stamme in Brusthöhe und fand: No I. No. II. No. III. 21. Nov. 1890 Umfang: 18 cm 13 cm 13 cm 1. Mai 1891 „ 18,5 „ 14,5 „ 14 „ 25. Sept. 1891 „ 19,5 „ 15,5 „ 15 „ 14. Jan. 1892 „ 19,5 „ 15,5 „ 15,8 „ 10. Mai 1892 „ 20 „ 15,5 „ 18 „ 22. Sept. 1892 20,5 „ 15,5 20 An einer anderen Stelle im Walde, an der ich bei meinen Excursionen häufiger vorbeizukommen pflegte, mass ich einen weiteren Stamm (No. IV) der am 26. Januar 1891 24,5 cm Umfang .. 1. October 1891 25,7 „ „ „ 7. Januar 1892 27,4 „ „ „ 26. October 1892 29 „ „ hatte. Hierzu ist zu bemerken, dass bei all diesen Stäm- men das unterste Blatt in einer Höhe von mehr als 3 Meter über dem Boden ansetzte, sodass also in Brust höhe der Stamm vollständig unabhängig ron dem Vege- tationskegel war. Ferner ist für No. II zu berücksichtigen, dass die Krone im Juni 1891 durch einen darauf ge- fallenen Stamm stark beschädigt worden war, wodurch der Stillstand im Dickenwachsthum erklärlich wird. In der Nähe von III dagegen war in der Zeit zwischen der vierten und fünften Messung ein stärkerer Stamm fort- geschlagen worden. Auf die so herbeigeführte bessere Belichtung der Krone antwortete der Stamm mit stärkerem Dickenwachsthum. No. I — III standen im Schatten des Oberbestandes, No. IV dagegen an einem Bach-Ufer in ziemlich ungehindertem Lichtgenuss. Die in den meisten Lehrbüchern allgemein aufgestellte Lehre, dass der Palmen- stamm, da er keinen Cambiumring besitze, des seeundären Dickenwaehsthuins entbehre, bedarf nach den mitgetheilten Beobachtungsergebnissen ganz sicher einer einschränkenden Berichtigung und ich sammelte zu verschiedenen Zeiten des Jahres reichliches Alkohol-Material, um vielleicht später wenigstens bezüglich der Euterpe die Frage ihrer Beantwortung näher bringen zu können, in welcher Weise ein solches, wenn auch im Vergleich mit dikotylen Stämmen geringes, immerhin deutlich wahrnehmbares Dickenwachsthum zu Stande kommen kann. Am Ende unserer Palmenallee des Stadtplatzes finden wir ein einfaches deutsches Gasthaus vor, in dem der Fremde ein bescheidenes Unterkommen findet, aber an keinem der nothwendigsten Lebensbedürfnisse Mangel zu leiden gezwungen ist. — Auf dem Mittagstische dampft an Stelle der heimischen Kartoffelsehüssel der Aipim. Die in fingerlange Stücke geschnittenen und der Länge nach gespaltenen Wurzeln der Aipim-Staude (Jatropha Aipi) bilden in der That den vollständigsten Ersatz der Kartoffel, welche in Blumenau nicht gut gedeihen will. Der gut gekochte Aipim schmeckt genau wie eine gute Kartoffel; eine sorgsame brasilische Hausfrau entfernt schon beim Schälen und Putzen den holzigen Gefäss- bündelstrang, welcher die Wurzel in der Mitte der Länge nach in Bindfadenstärke durchzieht. Aipim wird beinahe von jedem Blumenauer Colonisten gebaut, als ein ge- sundes, wichtiges Nahrungsmittel. Um so mehr ist es zu bedauern, dass seine Cultur seit einigen Jahren er- heblich zurückgegangen ist und nicht annähernd mehr so reiche Erträge liefert, wie in früherer Zeit. Da der Aipim ausschliesslich vegetativ vermehrt wird, indem man die verholzten Stämmchen in etwa fusslange Stücke schneidet, welche gleich Weidenstecklingen in den Boden gebracht werden, so mag vielleicht ein Theil der Schuld daran liegen, dass schon zu lange Zeit hindurch die rein vegetative, von wenigen eingeführten Stöcken ausgegangene und ungeheuer ausgebreitete Vermehrung betrieben worden ist. In letzter Zeit ist aber auch ein Pilz geradezu ver- heerend auf den Wurzeln der Aipim-Stauden aufgetreten. Es ist dies Corallomyces elegans Berk. et Curt. — derselbe, den Herr Hennings kürzlich in den Gewächshäusern des botanischen Gartens zu Berlin als Einwanderer aus Ka- merun beobachtete und S. 296 d. Jahrg. d. N.-W. be- sprochen hat. Der Pilz befällt die Wurzeln an, wie es seheint, beliebigen Stellen in ihrem Verlaufe, und sein Mycel durchwuchert in sehr kurzer Zeit die ganze dicke Wurzel, welche infolgedessen zunächst dunkelfleckig, dann weich und faulig wird. Ein und dieselbe Pflanze ist oft- mals an verschiedenen ihrer strahlenartig flach unter dem Boden hinstreichenden Wurzeln von dem Pilze befallen, so aber, dass die kranken Stellen gar nicht miteinander in Berührung oder irgend welcher Verbindung sind, dass man also eine unabhängige von aussen kommende In- feetion der kranken Stellen annehmen nmss. Da nun, wie schon erwähnt, der Aipini im Itajahythale erst in 620 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 51. den 50 er Jahren eingeführt ist, und zwar nur in Gestalt von Stecklingen, während die beschriebene Erkrankung nur in den Wurzeln vorkommt, und da diese Erkrankung bis vor wenigen Jahren unbekannt war, so sprach alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Pilz ein Bewohner des Blumenauer Waldes sein müsse, und dass er erst in allerneuester Zeit zu dem parasitischen Leben auf dem Aipim übergegangen sei. Nach vielem vergeblichen Suchen gelang es mir denn auch endlich, denselben Pilz auf den in einem Urwaldbache faulenden Resten einer umgefallenen Palmite, also als reinen Saprophyten auf- zufinden. Es ist heut nicht mehr so nothwendig, wie es vor 20 Jahren war, zu betonen, dass saprophytische und parasitische Lebensweise den einzelnen Organismen nicht als unabänderliche Lebensbedingungen von Anfang ihrer Existenz an eigenthümlich waren. Im Laufe der Jahre, ganz besonders durch Professor Brefelds zahlreiche Arbeiten, ist festgestellt, dass viele für rein parasitisch gehaltene Pilze sich ebenso gut oder üp- piger wie auf ihren gewöhnlichen Wirthen auch saprophytisch er- nähren lassen. Der vorliegende Fall ist aber dennoch eine bemerkenswerthe Er- scheinung, welche so recht deutlich uns vor Augen führt, wie ein bis dahin ganz harm- los lebender Pilz plötz- lich in Folge unbe- rechenbarer äusserer Ursachen zum Parasi- ten, in diesem Fall ins- besondere zu einem ge- fährlichen Feinde von Culturpflanzen werden kann. Aber auch da- für, wie schwer es ist, die Bedingungen zu beurtheilen, unter wel- chen sich ein derar- tiger Wechsel der Le- bensweise vollzieht, bot dieser Aipim-Pilz ein sehr lehr- reiches Beispiel. Ich hielt ihn über Jahr und Tag in künstlicher Cultur, wo er dann prächtig gedieh. Da- durch hatte ich sehr reichliches und üppiges Material für Infectionsversuche in Händen. Diese Versuche gelangen nun ohne Ausnahme an abgeschnittenen Wurzeln, selbst wenn ich hier die Conidien des Pilzes nur auf die un- verletzte, stark verkorkte Rinde der Wurzel strich, sicherer noch und sehr schnell, wenn ich sie durch einen Stich unter die Rinde brachte; meine Versuche niisslaugen aber stets an den lebenden Wurzeln stehender Stauden. Wenn ich hier auch die Wurzeln noch so sehr ver- letzte, ja ihnen ganze Stücke von stark inficirten kranken Wurzeln einpfropfte, so wurde doch nie eine Versuchs- pflanze krank, während wenige Kilometer weiter ein Colonist darüber jammerte, dass seine ganze mehrere Morgen grosse Pflanzung durch den Pilz zu Grunde gehe. Zur Erkrankung durch den feindlichen Pilz genügt hier also nicht die innere oder äussere Berührung mit dem- selben, sondern es müssen noch andere vorläufig nicht bekannte Nebenumstände dazukommen, um den wirk- samen Angriff zu ermöglichen. Des Aipini fast noch wichtigerer nächster Verwandter ist der Manioc (Jatropha Manihot). Aus seinen Wurzeln, welche blausäurehaltig und zum unmittelbaren Genüsse nicht brauchbar sind, wird durch Zerreiben, Waschen, Quetschen und Rösten das blausäurefreie, körnige Mehl gewonnen, welches der Brasilianer farinha de mandioca nennt und welches bei keiner seiner Mahlzeiten fehlen darf. Mit heissem Wasser übergössen quillt es zu einem zähen Brei auf, dem piräo , den der Brasilianer aus- schliesslich anstatt des Brotes geniesst, und an dessen Genuss auch die deutschen Colonisten sich meist gewöhnt haben. Freilich verzichten diese ungern ganz auf das gewohnte Brot. Sie backen es aus dem Mehl der einzigen Körnerfrucht, welche in ihrem Klima gebaut wird, dem Maismehl. Maisbrod aus reinem Maismehl ist schwer verdaulich, sehr hart und wenig schmackhaft. Man vermengt das Maismehl wohl mit der Farinha, am besten und lockersten aber wird das Brot, wenn Knollen der Garä (Dioscorea sp.) mit der eben genannten Mischun zusammen verbacken werden. Am Stadtplatze selbst übrigens, an diesem Centrum der Blumen- auer Cultur, an dem wir uns augenblick- lich befinden, kann man auch Weizenbrot bekommen und Sem- meln nach europäi- scher Art. Denn aus Nord - Amerika wird Weizenmehl in Fäs- sern eingeführt für die Leckermäuler, denen das nicht Man hier machen, Menschen Landesproduct behagen will. kann recht oft die Bemerkung dass die am meisten Fig. 3. Waldrand an einem aufgeschlage schlössen. Nach einer Photo: nen Wege, durch rankenden Bambus graphie von A. Möller 1891. schätzen, was sie nicht haben können. Ob- wohl, wie ich oben erwähnte, der Aipim die Kartoffel nicht nur ersetzt, sondern viel mehliger und feiner von Geschmack ist, als die in Blumenau gebauten Kartoffeln, welche immer wässrig ausfallen, so schätzt man letztere doch als etwas viel Feine- res. Sie sind ja theurer, weil die Saatkartoffel jedesmal frisch von Europa bezogen werden niuss. Den höchsten Gipfel in der angedeuteten Richtung bestieg aber jener brave Colonist, der rings um sein Haus herum die herr- lichste, ertragreiche Kaffeepflanzung hatte, und sich den- noch von Deutschland mit vieler Mühe und Kosten Cicho- rien schicken Hess, an Sonn- und Feiertagen ein besonders gutes Getränk zu brauen. — Im Itajahythale wächst ein Kaffee von ausgezeichneter Güte und herrlichem Aroma. Aber ausgedehnte Pflanzungen, wie in den nördlicheren Staaten giebt es nicht, und was wächst, reicht noch nicht einmal für den Cousum der Colonie aus. Wir haben uns bisher am sogenannten „Stadtplatz" bewegt, dem Centrum also in der Nähe der Dampfer- anlegestelle, an welchem die Häuser, von kleinen Gärten umgeben, im Strassenverhältniss massig eng bei einander stehen. Die ansehnlichsten Gebäude hier, das der Ver- waltung und das Schulhaus, sind schon erwähnt; in hübscher Lage, auf vorspringenden Hügeln stehen, nicht weit ent- fernt, die katholische und die protestantische Kirche. Im Ganzen aber wandern wir nur höchstens 1 km weit in einer wirklichen Strasse, dann beginnt die Colonie; die Nr. 51. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 621 Häuser rücken weit von einander, jeder Colonist wohnt ein/ein an beliebiger Stelle auf dem Grundstücke, welches ihn ernährt. — Zahlreiche Bäche und Nebenflüsse münden in den Itajahy. An jedem Wasserlauf entlang zieht sich die Reihe der Niederlassungen, welche das relativ spär- lich vorhandene ebene und fruchtbare Land zuerst in Be- schlag nahmen und die bewaldeten Berge dazwischen vorläufig unberührt Hessen. So kommt es, dass Blumenau mit seinen 30000 Einwohnern über einen ganz ausser- ordentlich grossen Flächenraum ausgebreitet ist. Es hat mehr als 1000 km fahrbare Wege. Von jedem Punkt dieser Wege aus, ja beinahe von jeder Stelle in der ganzen Colonie aus kann man den Rand der Urwälder in nicht weiter Ferne erblicken. Kaum haben wir den eigentlichen Stadtplatz verlassen, um auf einem der nach verschie- denen Richtungen auslaufenden Hauptwege einen Spaziergang zu unternehmen, so bewegen wir uns zwischen Weideflächen, Mais und Zuckerrohrpflanzungen, wel- che in der nächsten Umgebung der Wohnhäuser von Kaffee- pflanzungeii abgelöst werden. Im Hintergrunde, rechts und links aber, nach dem ansteigen- den Hügelrücken zu, ist stets der Urwald die natürliche Grenze des Kulturlandes. Ist irgendwo eine neue Roca geschlagen, d. h. durch Niederschlagen und Bren- nen der Wälder ein neues Stück Kulturland gewonnen, so sieht zunächst gewöhnlich der stehen- gebliebene Waldesrand recht traurig aus. Die noch stehen- den Stämme sind zerschunden durch andere, die an ihnen nie- derglitten, das dichte Geflecht der Lianen ist zerrissen, die ihrer Stämme und Luftwurzeln be- raubten Pflanzen welken dahin, viele Stämme sind durch das Feuer versengt und im Abster- ben. Da siedelt sich eine leichte, schwanke Bambusart an. Sic klettert an den höchsten noch aufrecht stehenden Stämmen in die Höhe und hüllt sie in einen Mantel ihrer hellgrünen schmalen Blätter; in malerischer Linie fällt der Blattmantel hernie- der auf den Boden, aber andere Baumreste heben ihn wieder wellenförmig empor. Vorn am Rande reicht er wieder zum Boden, nach hinten greift er weiter und weiter um sich, alle andere Vegetation unterdrückend. So ent- steht ein dichter, grüner Schleier, der den Eingang zum Ur- wald fast undurchdringlich abschliesst. Die Photographie (Fig. 3) giebt eine annähernde Vorstellung eines solchen Waldrandes, wie man ihn bei Blumenau oftmals beobach- ten kann. Die weissen Stämme, welche an diesem Waldrande aufstreben, mit ihren armleuchterartig sparrigen Kronen, sind die vielbesprochenen Charakterbäume Brasiliens, die Imbaubcn (Cecropia adenopus), die wohl jedem Reisenden in Brasilien auffallen müssen, selbst wenn er für die ihn umgebende Flora gar kein Interesse haben sollte. Die Bäume Fig 4. Gruppe von Inibaiiben tographie von A. begegnen ihm zu häufig, und gerade an Wegen, an Bach- ufern, an lichten, am leichtesten zugänglichen Stellen, sieht er sie täglich; ihre weissen Stämme, ihre grossen band- förmig getheilten, einzeln gegen den Bimmel sich ab- hebenden Blätter machen einen gar zu auffälligen Ein- druck. Jedem Botaniker und Zoologen sind diese Bäume zudem besonders interessant geworden durch die beiden in dem vorigen Artikel erwähnten Untersuchungen F Müllers und A. F. W. Schimper's. Wenn wir im Vorübergehen mit dem Stock an eine Imbaube klopfen, so sehen wir sofort die Bewohner des Stammes, die kampfeslustigen Ameisen (Azteca instabilis Smith, herbei- eilen, um den Baum zu vertheidigen, der ihnen zur Wohn- stätte dient, und auf dessen Blattkissen sie ihre Nahrung ernten. So berühmt diese Ameise geworden ist, und soviel auch an den verschiedensten Stellen ihre eigenthümliche Lebensweise er örtert wurde, so ist doch — als Curiosum sei es erwähnt — nur ein halbes Männchen bisher von ihr bekannt geworden. Das Männchen war bis vor kurzem ganz unbekannt, und Herr Pro- fessor Forel, der bekannte Aniei- senforscher in Zürich, schrieb mir nach Brasilien und bat mich, nach Männchen zu suchen. Ich fand denn auch im Jahre 1892 endlich mit vielen Arbeiterin- nen und mehreren Weibchen zusammen ein Thier, das ich für das Männchen hielt. Bei genauerer Untersuchung hat sich denn herausgestellt, dass ich einen jener merkwürdigen Her- maphroditen gegriffen hatte, der der Länge nach durebge- tbeilt, rechtsseitig Männchen, links dagegen Weibehen war. Eine besonders schön ent- wickelte Gruppe von Imbauben zeigt unser Bild (Fig. 4). Dies Bild hielt ich zur Wiedergabe auch deswegen geeignet, weil neben den Imbauben eine Gruppe von Bananen erscheint, recht charakteristisch so, wie man sie auf den Colonien täglich zu sehen bekommt. Wer die Musa I nur aus den Gewächshäusern kennt, wo sie ihre majestä- tischen, ungetheilten, sauber abgewaschenen Blätter zum Glasdach erhebt, der macht sich wohl keinen Begriff davon, dass eine Bananengruppe im Freien den Anblick gewährt, als hätte die Pflanze gefiederte Blätter. Sind doch die älteren Blätter längs der einfachen von der Mittelrippe zum Rande laufenden Adern in viele, feine Fetzen zerrissen und nur die jüngsten Blätter sind so, wie wir sie an den Exemplaren der Palmenhäuser zu sehen gewohnt sind. Mit Bananen bepflanzt der Colonist am Itajahy die Ränder der Bäche, welche sein Land durchziehen, und ein solcher zur Unkenntlichkeit zuge- wachsener, tief eingeschnittener Wasserlauf fliesst auch zwischen den Imbauben und Bananen unseres Bildes. (Winl fortgesetzt.) und Bananen. Nach einer Pho- Möller Juni 1892. 622 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 51. Einige Versuche über Wasserleitung in der Pflanze und Transpiration der Gewächse. Von F. Schleichert. Im vergangenen Sommer habe ich mich im botanischen Institut zu Jena mit Beobachtungen über die in der Ueber- schrift bezeichneten physiologischen Prozesse beschäftigt. Es lag mir nicht daran, neue Thatsachen zu constatiren, sondern es war nur meine Absicht, recht geeignete Unter- suchungsobjecte kennen zu lernen, und recht bequem zu handhabende Untersuchungsmethoden zu ermitteln. Die gewonnenen Resultate dürften auch für andere einiges Interesse beanspruchen, weshalb ich dieselben im Folgenden mittheilen möchte. 1. Ein ziemlich starker Zweig von Pavia rubra wurde am 27. April, ohne ihn von der Pflanze abzu- schneiden, an seinem unteren Ende geringelt. Das von der Rinde befreite und freigelegte Holz der Ringelungs- stelle konnte leicht durch Umwickeln mit Stanniol vor nachtheiligen äusseren Einwirkungen geschützt werden. Die Blüthenknospen des Zweiges entfalteten sich bald und die Laubblätter blieben lange Zeit ebenso frisch an dem geringelten Zweig, wie an den unversehrten. — Dieser Versuch lehrt in Uebereinstiinmung mit den Erfahrungen zahlreicher anderer Beobachter, dass die durch die Tran- spiration veranlasste Wasserströmung in der Pflanze im Holz stattfinden muss. Die Rinde war ja an einer Stelle des Zweiges entfernt; das Mark konnte in unserem Falle keine Rolle als wasserleitendes Gewebe spielen. Somit kann den oberhalb der Ringelungsstelle befindlichen und lange Zeit frisch bleibenden Zweigtheilen nur durch Ver- mittelung des Holzes Wasser zugeführt worden sein. 2. Ringelnngsversuche an Zweigen von Rhus glabra führten zu dem Resultate, dass die oberhalb der Ringe- lungsstelle vorhandenen Zweigtheile wochenlang frisch blieben. 3. Ein ganz anderes Resultat lieferten mir, wie auch schon Dutrochet fand, Ringelungsversuche mit Rhus ty- phina. Am 15. Juni wurde der Ringelungssehnitt bei trockenem, warmem Wetter vorgenommen. Schon nach einer Stunde hingen die Blätter oberhalb der Ringelungs- stelle welk herab; nach 2 Tagen waren sie völlig ver- trocknet. Bei Rhus typhina (nicht bei Rhus glabra) ist das Splintholz sehr zart entwickelt und wird bei der Herstellung da Ringelschnittes mit der Rinde entfernt. — Der Ver- such lehrt also, dass nicht der gesammte Holztheil, sondern nur das Splintholz die Wasserleitung vermittelt. 4. Wir bereiten uns wässerige Eosiulösung, die so concentrirt sein muss, dass sie in 10 cm dicker Schicht nicht mehr durchscheinend ist. Wir stellen nun Zweige von Tilia grandifolia und Aristolochia Sipho, welche viele Blätter tragen, mit der Basis in die Eosiulösung und setzen die Untersuchungsobjeete dem Sonnenschein aus. Nach Verlauf längerer Zeit, wenn sich das Vorhanden- sein des rothen Farbstoffs in den Blättern durch Roth- färbung der Nerven zu erkennen giebt, heben wir die Zweige aus der Eosiulösung heraus und zerschneiden sie in einzelne Stücke. Durch makroskopische und mikro- skopische Untersuchung geeigneter Zweigstücke stellen wir folgendes fest: In den Linden- und Aristolochia- zweigen hat sich nur der Holzkörper rot gefärbt. Die Bastfasern, welche im Phloein von Tilia mit den Ele- menten des Weichbastes abwechseln, sind ungefärbt, ebenso die|Sklerenchymfasern, welche in jüngeren Aristo- lochiazweigen nahe der Oberfläche einen geschlossenen Ring bilden. Die ungezwungene Deutung dieser Versuchs- ergebnisse führt wieder zu dem Resultate, dass die Wasser- bewegung (hier die Bewegung der Eosinlösung) nur im Holzkörper der Gefässbündel erfolgt. 5. Der folgende Versuch soll im Anschluss an Ex- perimente von Errera und Strasburger lehren, dass die Wasserbewegung nicht in der Substanz der Membran der Tracheen und Trachei'den des Holzes erfolgt, sondern im Lumen der erwähnten Elemente. — Ein grosser Zink- cylinder von 40 cm Höhe und 24 cm Durchmesser fand auf einem Dreifuss Platz. Auf den Boden des Zink- eylinders wurde ein niedriger Dreifuss und auf diesen eine grosse Porzellanschale gestellt, in welche Chlorcal- cium gebracht wurde. Zum Verschluss des oben offenen Cylinders diente eine Holzplatte. An der Unterseite derselben war ein Drahtgestell befestigt, welches zur Auf- nahme einer Chlorcalcium enthaltenden Krystallisirschale benutzt wurde. Die Luft im Cylinder konnte leicht durch eine Gasflamme auf 32° C. gebracht werden, eine Tempe- ratur, zu deren Bestimmung ein Thermometer diente, welches in einer Oeffnung des Holzdeckels seinen Platz hatte. Nun wurden zwei Zweige von Salix fragilis ab- geschnitten und mit der Basis in zwei Gläschen gestellt, welche Wasser enthielten. Das Wasser im Gläschen A, welches den Controllzweig aufgenommen hatte, wurde noch mit einer Oelschieht bedeckt. Das Wasser im Gläschen B blieb ohne Oelschieht. Beide Gefässe ge- langten nun eine Stunde lang in den vorgewärmten Appa- rat," damit die Pflanzentheile die Temperatur von 32° C. annehmen konnten. Sie standen in der erwähnten, mit Chlorcalcium bestreuten grossen Porzellanschale. Der Controllzweig verblieb auch nach dieser Stunde unver- ändert im Apparat, der Zweig B wurde herausgenommen und schnell in ein Gläschen gestellt, welches dreiprocen- tige Gelatinelösung enthielt, die bei 32° C. dünnflüssig ist, bei 20° C. aber gallertartig erstarrt. Nachdem auf die Gelatine noch etwas Oel geschichtet worden war, gelangte der Zweig B im Gläschen sofort wieder in den Apparat zurück. Als die Zweige abermals eine Stunde bei 32° C. verweilt hatten, wurden sie aus dem Apparat herausgenommen, der Zweig B aus der Gelatinelösung entfernt und, nachdem ein einige Centimeter langes Stück an seiner Basis abgeschnitten worden war, sofort mit der neuen Schnittfläche in Wasser gestellt. Beide Zweige verweilten nunmehr etwa 20 Stunden lang bei 20° C. Der Zweig A war nach Verlauf dieser Zeit noch frisch, die Blätter des Zweiges B erwiesen sich aber als sehr gewelkt. Die Spaltöffnungen der Blätter von Salix fragilis schliessen sieh bei verminderter Beleuchtung oder im Dunkeln nicht oder nur sehr wenig, weshalb gerade das Untersuchungsobject für unsere Zwecke, wo dasselbe im dunkeln Zinkblechcylinder verweilen sollte, sehr geeignet erscheint. Das Chlorcalcium diente dazu, die Luft im Apparat zu entwässern, und somit waren die Zweige bei der hohen Lufttemperatur von 32° C. im Stande, noch recht lebhaft zu transpiriren. Der Zweig B sog dabei die Gelatinelösung auf, so dass die Gefässe des Holzes sich mit derselben anfüllen mussten. Bei 20° C. erstarrte diese nachträglich in den Tracheen; der Zweig welkte jetzt alsbald, weil die Bahnen für die Wasserleitung ver- stopft waren, während der Controllzweig A Wasser auf- saugen konnte und daher frisch blieb. 6. Am 8. Mai 6 Uhr Abends wurden zwei Glascylinder mit Wasser angefüllt und in den einen ein grösserer Zweig Nr. 51. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 623 von Tiiia grandifolia mit 44 Blättern, in den anderen ein Zweig von Salix fragilis gestellt. Auf das Wasser in beiden Cylindern gelangte noch eine Oelschicht, um die Verdunstung von der Oberfläche der Flüssigkeit auszu- sehliessen. Zur Bestimmung des Gewichtes der Apparate diente eine von R. Mueuke in Berlin bezogene ober- schalige Waage. Dieselbe eignet sich für viele Tran- spirationszwecke trefflich; sie kostet nur etwa 20 M. Die Gewichtsbestimmungen ergaben am 8. Mai 6 Uhr Nachmittags bei Beginn der Versuche und am 9. Mai 12 Uhr Mittags, nachdem die Zweige bei 14,5° ('. zur Tageszeit im schwachen, diffusen Licht verweilt hatten, folgende Resultate: 8. Mai 9. Mai Tilia 493 g 482 g Salix .... 552 „ 526 „ Der Lindenzweig verdunstete unter den bezeichneten Umständen schwach, weil sich die Spaltöffnungen seiner Blätter schlössen. Die Spaltöffnungen der Blätter von Salix fragilis blieben dagegen unter denselben Umständen fast völlig offen, und daher ist die Transpiration der Weidenzweige eine verhältnissmässig grosse. Als der mit seiner Basis in Wasser tauchende Linden- zweig am 9. Mai von 12 bis 1 Uhr dem directen Sonnen- licht ausgesetzt wurde, sank das Gewicht von 482 g auf 464 g. Im Sonnenlicht öffnen sich die Spaltöffnungen der Linde weit, wodurch grosse Transpirationsverluste zu Stande kommen. 7. In der „Botanischen Zeitung" hat uns Stahl kürz- lich mit einer Methode bekannt gemacht, die bei zahl- reichen Transpirationsversuchen treffliche Dienste leistet. Man bereitet sich eine 4- bis öprocentige wässerige Lö- sung von Kobaltehlorür, bringt Fliesspapierstreifen in die- selbe und trocknet diese am Ofen oder in der Sonne, wenn sie sich völlig mit der erwähnten Flüssigkeit ge- sättigt haben. Das Kobaltpapier hat im völlig trockenen Zustande eine blaue Farbe; bei Feuchtigkeitsaufnahme gewinnt es aber einen röthlichen Farbenton. Mit Hilfe des Papieres kann man nun die sogenannte Kobaltprobe bei Transpirationsversuchen ausführen und z. B. leicht den Nachweis liefern, dass die Spaltöffnungen in allererster Linie als Austrittsstellen des sich bei der Verdunstung der Pflanze bildenden Wasserdampfs dienen, während im Gegensatz zu dieser sogenannten stomatären Transpiration die cuticuläre Transpiration völlig in den Hintergrund tritt. Auf eine mit einem trockenen Tuch abgeriebene Glasplatte wird ein Stück Kobaltpapier gelegt-, auf dieses bringen wir ein Blatt und bedecken die Oberseite des- selben abermals mit einem Stück Kobaltpapier und einer Glasplatte. Diese letztere wird zweckmässig durch ein aufgestelltes Gewicht beschwert. Die Stücke des Kobaltpapieres müssen direct vor Ausstellung des Ver- suches über einer Spiritus- oder Gasflamme getrocknet worden sein, so dass sie eine stark blaue Farbe zeigen. Benutzt man zu den Versuchen Blätter von Pbaseolus multiflorus, Syringa vulgaris, Salix capraea, Populus nigra, Liriodendron oder Cyclamen (die Blätter dieser letzteren Pflanze stehen ja auch im Winter zur Verfügung), so ergiebt sich, dass das Kobaltpapier, welches sich mit der Unterseite der Untersuehungsobjecte in Berührung be- findet, nach kurzer Zeit (z. B. in wenigen Minuten) eine röthliche Farbe angenommen hat, während das die Ober- seite der Blätter berührende Papier noch blau erscheint. Diese zuerst von Stahl ausgeführten Versuche lehren deutlich die hervorragende Bedeutung der stomatären Transpiration kennen; denn das Papier, welches sich mit der Blattoberseite in Berührung befand, blieb deshalb in seiner Farbe unverändert, weil eben die Oberseite der erwähnten Blätter völlig oder nahezu spaltöffnungsfrei ist und deshalb höchstens Spuren von Wassergas abgeben konnte. 8. Am 7. August wurden Morgens 9 Uhr ein Zweig von Tilia grandifolia und ein Zweig von Salix fragilis abgeschnitten. Heide Zweige blieben neben einander auf einem Tisch, ohne dass ihre Basis mit Wasser in Be rührung gelangte, liegen. Der Tisch stand in einem nach Norden gelegenen Zimmer, so dass die Untersuehungs- objecte schlecht beleuchtet waren. Temperatur: 20 bi> 21° C. Die welkenden Zweige zeigten folgende Gewichte: Zeit 7. Aug., 9 Uhr Morgens (Beginn des Versuchs) 7. Aug., 3 Uhr Nachmittags . . 8. Aug., 9 Uhr Morgens . . . Tilia Salix 52,8 53,9 g 50,9 „ t6,5 „ 32,2 .. Man sieht also, dass der Salixzweig weit stärker, als der Tiliazweig transpirirt hat, eine Erscheinung, die wesentlich wie folgt erklärt werden muss: Welkende Salixzweige vermögen ihre Spaltöffnungen nicht zu schliessen; wenn dagegen in den Lindenzweigen eine Verminderung ihres Wassergehaltes eintritt, so erfolgt ein Verschluss der Stomata. Die Linde ist also im Stande, ihre Transpirationsgrösse bis zu einem bestimmten Grade selbst durch Spaltöffnungsverschluss zu reguliren, während die Weide dies nicht vermag. Einige Zeit nach Ausführung der letzten hier er- wähnten Wägung wurden Blätter der Linde und der Weide in der unter 7. angegebenen Methode der Kobaltprobe unterworfen. Nach Verlauf von 5 Minuten war das mit der Unterseite des Lindenblattes in Berührung befindliche Kobaltpapier noch vollkommen blau gefärbt, während der entsprechende Versuch mit einem frisch abgeschnittenen, besonnt gewesenen Lindenblatte zu einem andern Resul- tate führte. Das mit der Unterseite eines solchen frischen Blattes in Berührung befindliche Kobaltpapier färbte sich schnell roth, woraus auf offene Stomata und starke Trans- piration geschlossen werden muss. Dass die Spaltöffnungen unseres gewelkten Weidenzweigs selbst nach Abschluss des Versuchs noch geöffnet waren, konnte ebenfalls leicht mittels der Kobaltprobe nachgewiesen werden. 9. Wir schneiden drei Zweige vom Tilia grandifolia ab (a, b, c). a wird mit der Basis in Wasser gestellt und dem directen Sonnenlicht ausgesetzt; b gelangt in ein Glas, welches kein Wasser enthält, wird aber auch besonnt; c wird in Wasser gestellt und schwachem, diffusem Tageslicht ausgesetzt. Nach Verlauf von zwei oder drei Stunden untersucht man Blätter der Zweige a, b, c unter Zuhilfenahme der Kobaltprobe. Die Unter- seite der Blätter von a röthet das Kobaltpapier stark, während die Blätter von b die Farbe des Papieres kaum verändern und die Blätter von a höchstens eine schwache Röthung des Kobaltpapieres hervorrufen. Daraus muss geschlossen werden, dass die Stomata der Linde, wenn die Zweige dem directen Sonnenlicht ausgesetzt sind und ihre Transpirationsverluste durch Wasseraufnahme zu decken vermögen, weit geöffnet sind a), während sieh die Stomata im directen Sonnenlieht bei verhinderter Wasseraufnahme der Zweige schliessen (b). Auch im schwachen, diffusen Licht schliessen sieh die Spaltöffnungen der Linde, selbst wenn den Untersuchungsobjecten hin- reichende Wassermengen zu Gebote stehen c 10. Zum Nachweis der Thatsache, dass die Trans- piration unter übrigens ganz gleichen Umständen in wasser- gasarmer Luft lebhafter erfolgt, als in wassergasreicher, wurde folgender Versuch angestellt: Am 6. August 12 Uhr Mittags wurde ein Zweig von Salix fragilis mit der Basis in Wasser gestellt, welches sieh in einem kleinen Gläsehen befand. Auf das Wasser 624 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 51. gelangte noch eine Oelschicht. Temperatur während des ganzen Versuches 20 bis 21 ° C. Gewicht des Glases, Wassers und Zweiges 178,5 g. Die Vorrichtung fand nun Platz in dem unter 5. erwähnten Zinkcylinder. Es gelangte zunächst Chlorcalcium in die grosse Porzellan- schale und ebenso in die Krystallisirschale unter dem Holzdeckel. Um 6 Uhr Nachmittags, also nach ü Stunden, wog das Glas mit dem Zweige 168 g. Transpirations- vcrlust also 10,5 g. Jetzt blieb das Untersuchungsobject vom 6. August 6 Uhr Nachmittags bis 7. August 9 Uhr Vormittags wieder im Apparat stehen, nachdem in die Porzellan- und Krystallisirschale Wasser gethan worden war. Gewicht des Glases und des Zweiges am 7. August 9 Uhr vormittags 164 g. Transpirationsverlust in 15 Stunden demnach 4 g. Endlich wurde der Zweig abermals 6 Stunden, von 9 Uhr Vormittags bis 3 Uhr Nachmittags wassergasarmer Luft im Apparat ausgesetzt. Der Trauspirationsverlust betrug in diesen 6 Stunden 3,5 g; er war also nahezu ebenso gross, wie der während 15 Stunden in wassergasreicher Luft erzielte. 11. Der folgende Versuch lehrt deutlich, dass höhere Lufttemperatur die Transpiration der Pflanzen wesentlich steigert. Ein Zweig von Salix fragilis, mit etwa 150 Blättern besetzt, wurde mit der Basis in ein Wasser enthaltendes Gläschen gestellt, Auf das Wasser gelangte eine Oel- schicht. Die Vorrichtung fand im Zinkcylinder, der unter 5. beschrieben worden ist, Platz, nachdem die Porzellan- und Krystallisirschale mit Chlorcalcium bestreut worden waren. Beginn des Versuchs: 9. August, 9 Uhr Morgens. Gewicht des Glases, Wassers und Zweiges 186,2 g. Tem- peratur: 21° C. Nach Verlauf von 4 Stunden, um 1 Uhr Nachmittags, wog die Vorrichtung 181,0 g. Transpirations- verlust in 4 Stunden bei 21 ° C. = 5,2 g. Jetzt wurde die Luft im Zinkcylinder durch eine untergestellte Gas- flamme auf 32 ° 0. gebracht. Der Weidenzweig blieb dieser Temperatur von 1 bis 5 Uhr Nachmittags aus- gesetzt, Bei Abschluss des Versuches betrug das Gewicht des Glases, Wassers und Zweiges 172,5 g. Transpirations- verlust in 4 Stunden bei 32 ° C. also 8,5 g. Das Schwimmen der Schnecken an der Wasser- fläche. — Eine diese Fähigkeit betreffende Frage ist zwar schon in No. 7 des dritten Bandes dieser Zeitschrift richtig beantwortet worden und von dem Bestehen dieser Fähigkeit kann sich Jeder leicht überzeugen, dem im Sommer ein auch noch so kleines Aquarium zugänglich ist oder der auch nur in einer Wasserschüssel einige lebende Wasserschnecken, z. B. Limnaea oder Planorbis ein oder zwei Tage lebend erhält. Dennoch dürften einige Worte darüber noch am Platze sein. Betrachten wir zunächst die Thatsacheu. Alle bei uns einheimischen Gattungen von luftathmenden Wasser- schnecken, wie das Spitzhorn (Limnaea), die Blasen- sclmecke (Physa), die Tellerschneckc oder das Posthorn (Planorbis) und die Napfschnecke oder Süsswasser-Patelle (Ancylus) kann man im Sommer sowohl in ihrem natür- lichen Aufenthaltsorte als in künstlichen Behältern an der Oberfläche des Wassers schwimmen sehen; seltener thun es die wasserathmenden Schnecken und von diesen wiederum eher die kleinereu, wie Bithynia, Hydrobia u. a. ; von unseren grössten wasserathmenden Schnecken, den Palu- dineu, erinnere ich mich nur bei jungen, noch kleinen Thieren es gesehen zu haben. Beim Schwimmen sind alle in umgekehrter Lage als beim Kriechen, die Fuss- fläche nach oben gerichtet und in der Ebene des Wasser- spiegels, die Schale nach unten, und somit der ganze Körper ins Wasser eingetaucht. Entweder bleiben sie selbst ruhig, auf dem Wasser treibend, oder sie bewegen sich selbstthätig weiter, wobei dieselben wellenförmigen Bewegungen über die Fusssohle laufen, wie wenn das Thicr an einem festen Körper, z. B. einer Glaswand, vor- wärts kriecht, und es hinterlässt dann auch eine faden- förmige Schleimspur im Wasser. Bei den luftathmenden ist dabei das Athemloch geöffnet, ebenfalls in der Ebene des Wasserspiegels, und die Lungenhöhle mit Luft ge- füllt, Vom Grund aus erreichen sie die Wasseroberfläche meistens dadurch, dass sie an festen Körpern in die Höhe kriechen, z. B. an Wasserpflanzen oder an der Seitenwand der Gefässe, und dann legen sie ihren Leib in dem Maasse als sie vom festen Stützpunkt sich ablösen, rück- lings um in den Wasserspiegel; seltener schweben sie frei im Wasser aufwärts, mit weit ausgestreckten, hin und her bewegten Weichtheilen. Wie ist nun dieses Schwimmen mechanisch zu er- klären? Der Körper der Schnecken einschliesslich der Schale ist an sich etwas schwerer als das Wasser, denn ganz eingezogen in die Schale sinken sie langsam unter. Aber schon dadurch, dass das Thier seine Weichtheile, Kopf und Fuss, möglichst herausstreckt und dadurch bei gleicher Masse einen grösseren Raum einnimmt, wird sein speeiflsches Gewicht geringer. Wenn die Ausdehnung seiner Theile nur durch Wasseraufnahme in die Hohlräume des Körpers geschehen sollte, so würde allerdings das speci- flsche Gewicht des Ganzen nie dem des Wassers gleich oder gar geringer werden, aber doch sich demselben sehr nähern und es ist denkbar, dass nur die Bewegungen des Fusses die noch nüthige Kraft liefern könnten, um das Thier schwimmend zu erhalten, ja selbst aufsteigen zu machen, wie die Flügelbewegungen den Vogel in der Luft halten und heben. Aber die luftathmenden Schnecken haben, wenn sie schwimmen, ihre Athemhühle (im vordem Drittel der letzten Windung der Schale) mit Luft gefüllt, diese Luft liegt also unterhalb des Wasserspiegels und vermindert das speeiflsche Gewicht der Schnecke ebenso wie die Luft im untern Raum eines eisernen Schiffes dessen Gesammtgewicht, so dass es auch ohne sonstige Kraft sich an der Oberfläche hält und nicht untersinkt. Dazu kommt, dass bei der schwimmenden Schnecke die Piändcr des Fusses in der Ebene des Wasserspiegels sich befinden, die Mitte der Fussfläche aber meist etwas ver- tieft ist, eine wenn auch noch so flache Mulde bildet, die sich mit Luft anfüllt, da die Fussränder das Wasser ab- halten, und also mechanisch sieh ebenso verhält, wie ein flacher offener Kahn; der Seitendruck des Wassers gegen die unter seinen Spiegel eingesenkte Luft ergiebt das hebende Moment, Man hat schon gesagt, das __ Thier krieche au dem Wasserspiegel, wie an einem festen Körper, z. B. einer Zimmerdecke oder der Unterseite eines wage- rechten Blattes, und es ist etwas daran. In letzterem Falle hält der Druck der umgebenden Luft dieSchnccke gegen ihre Schwere an der Unterfläche fest, denn die Schwere der Schale und der Eingeweide wirkt niederziehend zunächst auf die mittleren Theile des Fusses, und wenn diese dem Zuge folgen und sich von der Fläche entfernen würden, so lange die Fussränder noch anliegen, würde ein luft- leerer Raum entstehen und dem wirkt der umgebende Luftdruck entgegen. Ebenso würde bei der schwimmen- den Schnecke die lufthaltige Mulde sich vergrössern, wenn der mittlere durch die Schale und Eingeweide beschwerte Theil des Fusses sich senken würde, solange die Fuss- ränder noch im Wasserspiegel liegen und das seitliche Ein- dringen des Wassers verhindern, und so wirkt der um- Nr. 51. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 625 gebende Wasserdruck dem Niedersinken entgegen. Aber man darf sich dabei nicht denken, dass die Schnecke an einem von Staub u. dergl. auf dem Wasserspiegel gebil- deten „Häutchen" wie an einem festen Körper krieche, denn wo ein solches Häutchen überhaupt vorhanden, wird es von der schwimmenden Schnecke vor sich her ge- schoben und durchrissen; ebensowenig dass sie an einem von ihr selbst gebildeten Schleimfaden vorwärts schwimme, denn der Schleimfaden ist nur hinter ihr, nicht vor ihr. Wie macht es die lufthaltige schwimmende Sehnecke nun, wenn sie niedersinken will? Sie zieht Kopf und Fuss durch Muskelkraft in die Schale zurück, damit ver- schwindet nicht nur jene Mulde, sondern es wird auch der grösste Theil der Luft aus der Athemhöhle aus- getrieben, da nun Kopf und Fuss ihren Raum in der Schale einnehmen, das speeifische Gewicht des Thieres wird dadurch grösser als das des Wassers und es sinkt in diesem herab. Aber ein Rest von Luft bleibt wohl noch in der Athemhöhle, und wenn nun die Schnecke unten am Grunde sich wieder ausstreckt, kann dieser Rest von Luft sich wieder ausdehnen und das Empor- steigen erleichtern. Bei den luftathmenden Schnecken spielt also die Luft in der Athemhöhle eine wesentliche Rolle zur Erleichterung des Schwimmens, aber sie ist nicht unumgänglich nöthig dazu, denn auch wasser- athmende Schneeken, die gar keine Luft in ihrem Innern enthalten, können schwimmen, wie schon oben erwähnt, von Meerschnecken ist es z. B. bei Rissoa und Doris be- obachtet; hier müssen die Ausdehnung der Weichtheile und die Muldenform des Fusses neben der Muskel- bewegung die mechanischen Momente dazu geben. E. v. Martens. Welchen Einfluss haben Strychninsalzlösungen auf die Entwicklung von Pflanzen im Sand- und Humus- boden? — Im Anschluss an meine früheren Mittheilungen: „Neuere Versuche betreffs der Entgiftungskraft des Erd- bodens" (vgl. Naturw. Wochenschrift, Bd. VII [1892] Nr. 11, 51 u. 52) möchte ich kurz die Resultate einiger weiterer Versuche*) nach dieser Richtung hin mittheilen, welche die Fragen beantworten sollten: 1. Wie verhält sich der gewöhnliche Sand- und Humus- boden Alkaloidlösungen gegenüber, wenn die be- treffenden Böden gleichzeitig mit höheren Pflanzen bestanden sind? Tritt dann auch eine solche, ver- hältnissmässig starke und lang andauernde Ent- giftung der aufgegossenen Lösungen ein oder wird dieselbe hier vielleicht noch in Folge der Bepflanzung gesteigert? 2. Wie gedeihen die betreffenden Pflanzen auf so be- handeltem Boden? Machen sieh bei ihnen und in welchem Grade Krankheitserscheinungen geltend? Frühere nach dieser Richtung hin von F. Falk und mir mit bepflanzten Böden angestellte Versuche (vergl. F. Falk in Deutsche Med. Zeitung 1893, No. 5) hatten bereits für Sandboden ergeben, dass durch gleichzeitige Bepflanzung mit Gartenkresse (Lepidium sativum L.) und Wiesengras (Poa pratensis L.) das Entgiftungs- vermögen dieses Bodens gesteigert war, indem unter sonst ganz gleichen Versuchsbedingungen die Filtratc aus den bepflanzten Böden nach viel späterer Zeit giftig erschienen als die aus den unbepflanzten. Gleiche Re- sultate waren dann auch in einem stark von Algen (vor- wiegend Pleurococcus, Senedesmus und Braunalgen- arten) durchsetzten Sandboden gegenüber dem gewöhn- lichen erhalten. *) Vergl. hierzu auch: Zeitschrift f. Pflanzenkrankheiten 1894. Bd. IV, S. 210—213. Als Versuchspflanze zur Entscheidung der obigen Fragen diente dieses Mal Phaseolus vulgaris, welche auf Sand- und Humusboden unter Einwirkung von Strychninphosphatlösung eultivirt wurde. Auf die Ver- suchsanstellung kann hier im Einzelnen aus Mangel an Raum nicht näher eingegangen werden. Nur soviel sei erwähnt, dass je 4 Exemplare von Phaseolus vulgaris, welche sich in sowohl mit Humus- als auf mit Sandboden gefüllten Versuchsgefässen schon über 4 Wochen lang ganz normal entwickelt hatten, fast täglich mit einer bestimmten Menge der Alkaloidlösung (47 cem einer 1 proc. wässerigen Strychninphosphatlösung) nebst destillirtem Wasser begossen wurden, während die Pflanzen zweier andern Culturen nur gewöhnliches Wasser zur Ernährung erhielten. In noch zwei weiteren Gefässeu wurde dann der Boden (sowohl Sand wie Humus) jedoch ohne Be- pflanzung, mit der gleichen Alkaloid- und Wassermenge, wie in den ersten beiden Gefässen beschickt. (Strychnin- phosphatlösung schien neben anderen besonders aus dem Grunde für die Versuche geeignet, weil dadurch zugleich auch die Frage entschieden werden konnte, ob später in den Filtraten vorhandenes Nitrat vielleicht durch che- mische Umsetzungen aus dem Strychniu hervorgegangen sei oder nicht.) Die Versuchsergebnisse waren beim Sandboden im Wesentlichen folgende: Die Pflanzen auf dem mit Strycknin behandelten Boden hatten alle eine sehr hellgrüne Farbe und blieben von Anfang bis zu Ende im Wachsthum sehr bedeutend gegenüber den mit gewöhnlichem Wasser begossenen zurück. Trotz der ziemlich bedeutenden Menge von Strychnin- phosphat (auf 2 kg Boden circa 10,5 gr), welche nach und nach dem Boden einverleibt und von diesem zurück- gebalten wurde, kamen die Pflanzen doch, wenn auch nicht ganz normal, bis zum Bliithen- und Fruchtansatz. Es wurden allerdings, im Gegensatz zu den nicht mit Strychnin begossenen Pflanzen, keine normalen Früchte mit Samen gebildet. Die Filtrate erschienen unter ganz gleichen Versuchs- bedingungen beim unbepflanzten Boden bedeutend früher als beim bepflanzten; doch in beiden Fällen während der ganzen Versuchsdauer (über 8 Wochen) stets ungiftig. Die Zeitdauer der Entgiftung oder das Entgiftungs- vermögen ist beim bepflanzten Boden bedeutend grösser als beim unbepflanzten; ersterer vermag giftige Lösungen in grösserer Menge in sich aufzuspeichern und zurückzu- halten. Im Humusboden blieben gleichfalls die mit Strychnin- phosphatlösung begossenen Pflanzen, im Vergleich zu den normal gezogenen, etwas im Wachsthum zurück. Sonst hatten sich die Strychnin-Humuspflanzen sämmtlich be- deutend stärker entwickelt, als die Strychnin-Sandpflanzen. Auch zeigten gegenüber den normal gezogenen diese Strychnin-Pflanzen in der Chlorophyllfärbung keinen wesentlichen Unterschied: sie waren wie die unbehandelten alle gleichmässig dunkelgrün. Ferner hatten die Pflanzen auf dem mit Strychnin behandelten Humusboden trotz der allmäligen Zuführung von 10,5 gr Stryehninpliosphat pro 2 kg Boden zahlreiche Bliithen und verhältnissmässig viel normale Früchte mit reifen Samen gebracht, so dass die gleiche Menge Strychnin im Humusboden den Pflanzen viel weniger nachtheilig zu sein scheint als im Sandboden. Beim Humusboden waren gleichfalls sämmtliehe Fil- trate ungiftig; beim unbepflanzten Boden erschienen sie um 5 Wochen früher als bei dem mit Pflanzen bestandenen, so dass auch hier die Entgiftuugsdauer durch die Be- pflanzung ganz bedeutend gesteigert war. Dieses Ent- giftungsvermögen, welches beim unbepflanzten Humusboden 626 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 51. schon au und für sich grösser ist als beim reinen Saudboden, wird noch bei weitem mehr erhöht, je üppiger die Vege- tation auf dem Humusboden sich entwickelt hat. — Weiter wurde dann noch im Anschluss an die vor- stehenden Versuche die Frage zu beantworten gesucht: Wie verhalten sich Phaseolus-Samen hinsicht- lich ihrer Keimung und weiteren Entwickeluug in einem Boden, der von vornherein mit einer bestimmten Menge Strychninphosp hatlösung durchtränkt ist, und dem dann ferner als Feuch- tigkeit immer nur diese Alkaloidlösung (30 ccm einer 1 proc. Strychninphosphatlösung) diente? Die Versuche ergaben für Sand- und Humusbodeu folgendes: Bei beiden Bodenarten wurde im Vergleich zu nor- mal gezogenen Pflanzen eine ziemlich bedeutende Ver- zögerung in der Keimung und im Aufgehen der Pflanzen constatirt, eine Erscheinung, die beim Humusboden noch weit mehr hervortrat als beim Sandboden. Bei letzterem entwickelten sich die Pflanzen nur zum Theil, dieselben gingen verhältnissmässig sehr spät auf, wuchsen lang- sam und gingen bald durch Fäulnisserscheinungen an den Wurzeln und Stengeln wieder ein. Beim Humus- boden gingen die Pflanzen auch sehr spät auf, es entwickel- ten sich aber dann zwei derselben einigermaassen normal. Dr. R. Otto (Proskau). Für die räuberische Lebensart der Afterskorpione, über die bereits in der „Naturw. Wochenschr." Bd. 8, S. 572 und Bd. 9, S. 233 berichtet worden ist, spricht sich auch W. Hess aus (Zool. Anz., 1894, S. 119). Er beobachtete, wie ein Bücherskorpion hartnäckig das Bein einer Stubenfliege umklammert hielt. C. M. Auf merkwürdige Analogien zwischen europäischen und chilenischen Crustaceen macht A. R Philippi aufmerksam. (Zool. Anz., 1894, S. 264.) Von den be- kannten Arten der Gattung Lithodes lebt eine an der Küste Norwegens, die andere an der Chiles. Zwei Atelecyclus kommen in europäischen, zwei in chilenischen Meeren vor. Pirimela umfasst eine europäische und eine chilenische Art. Diesen Thatsachen steht zur Seite, dass sich die Kalkalge Lithothamnium crassum genau so in Chile wie im Mittelländischen Meere findet. Verf. ist der Ansicht, dass überall auf der Erde, wo gleiche Lebens- bedingungen waren, ähnliche und vielleicht selbst „iden- tische Geschöpfe, Thiere und Pflanzen, entstanden sind." C. M. Ein Meteorograph von sehr langem Gang soll in diesem Winter auf dem Gipfel des Montblanc aufgestellt werden. Da es im Winter unmöglich ist, einen ständigen Beobachter auf dem Montblanc verweilen zu lassen, war man bisher genöthigt, die sicherlich sehr interessanten und wichtigen Wettererscheinungen, welche während einer ganzen Reihe von Monaten sich in jenen Höhen abspielen, unbeobachtet zu lassen. Auf Veranlassung des Herrn J. Janssen, Mitglied der Pariser Akademie der Wissen- schaften, hat es nun der Mechaniker Jules Richard unternommen, einen Meteorographen zu construiren, welcher acht Monate lang selbstthätig den Barometer- stand, die Temperatur, die Feuchtigkeit, sowie die Stärke und Richtung des Windes zu registriren vermag. Das Uhr werk wird in Bewegung gesetzt durch ein 90 kg schweres Gewicht, das in 8 Monaten sich um 5—6 Meter senkt. Das Instrument fuuetionirt vorzüglich, und man kann dem interessanten Experiment deshalb mit grosser Spannung entgegensehen. IL Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es wurden ernannt: Dr. Karl Schied bersky, Assistent am botanischen Institut zu Budapest, zum ordentlichen Professor für Botanik und Pflanzenkrankheiten an der königl. ungarischen Gartenbauanstalt; Dr. Mühlig und Dr. Mord tmann, Aerzte am deutschen Hospital in Konstautinopel zum Geh. Sanitätsrath bezw. Sanitätsrath; Dr. med. Adolf Louis Schmidtmann in Breslau zum Hilfsarbeiter in der Medicinalabtheilung des Kultusmini- steriums. Berufen wurden: der Professor der Physik in Strassburg Dr. Friedrich Kohl rausch zum Leiter der physikalisch- technischen Reichsanstalt in Berlin als Nachfolger Helmholtz'. Er hat den Ruf angenommen. Landbauinspektor Schleyer in Wohlau in Schlesien zum ordentlichen Professor an der tech- nischen Hochschule in Hannover; der Professor der Chirurgie in Graz Prof. Wölffler nach Prag als Nachfolger Prof. Gussen- bauers; der Professor der Chirurgie in Wien Hacker, Billroth's langjähriger Assistent, nach Graz. Es hat sich habilitirt: Dr. Friedrich in der medizinischen Fakultät zu Leipzig. Gestorben sind: Der Erbauer des Suezkanals Ferdinand Graf von Lesseps; der frühere Professor der Mathematik an der polytechnischen Hochschule in Karlsruhe Josef Diegner; der Professor der Pharmacie an der Ecole de Pharmacie Dr. Louis Figuier, bekannt als populär - naturwissenschaftlicher Schrift- steller; der ehemalige ordentliche Professor der Pharmacie in Strassburg Friedrich August Flückiger in Bern; der ordent- liche Professor der Mathematik in Petersburg Pafnuti Lwo- witsch T s c h e b y s c h e w. Litteratur. Dr. H. Friedrich, Die Biber an der der mittleren Elbe. Nebst einein Anhange über Platypsyllus castoris Ritserma. Mit Fi- guren und einer Karte. Paul Baumann in Dessau. 1894. — Preis 2 M. Die vorliegende Schrift ist gewissermaassen als 2. wesentlich vervollständigte Auflage einer früheren in den Mittheilungen des Ver. f. Erdkunde zu Halle a. S. (1891) anzusehen, die seinerzeit kurz in der , Naturw. Wochenschr." VI, S. 532 besprochen worden ist. Eine ausführliche, mit Abbildungen versehene Beschreibung des nun auch im Eibgebiet eonstatirten , im Titel genannten Biberparasiten beschliesst das Heft. Die Karte zeigt an den ein- getragenen Biberbauen die Biberverbreitung auf der Eibstrecke Wartenburg-Magdeburg. Gegen die frühere Karte sind wesentliche Veränderungen zu bemerken, die in den Biberansiedelungen einge- treten sind. Verf. giebt zunächst Auskunft über die Verbreitung des Bibers in Europa, sodann über die Biber an der Elbe und Mulde. Wehmüthig wird es den Naturfreund anmuthen, zu erfahren, dass seit 1890 die bewohnten Baue auf der Strecke Wartenburg- Magdeburg von 126 auf 108 zurückgegangen sind, sodass die frühere ungefähre Individuenzahl 200 jetzt nur auf ca. 160 anzu- schlagen ist. Der Biber ist eben ein Relict aus alter Zeit, das im Verschwinden begriffen ist. Zur Diluvialzeit waren die Biber bei uns noch häufig. (Auch in dem in der „Naturw. Wochenschr." vielgenannten interglacialen Torflager von Klinge bei Cottbus hat der Unterzeichnete einen von einen Biber benagten Knüppel, einen „Biberstock", gefunden.) Einer Beschreibung des Bibers ist ein Capitel und ein anderes über die Lebensweise des Eibbibers gewidmet. Die Schonzeit des Bibers in Preussen und Anhalt wird ebenfalls besprochen. P. Felix Bernard, Elements de Paleontologie. Seeonde partie. Avec 231 figures. J. B. Bailiiere et fils. Paris 1895 (1894). — Preis des vollständigen Werkes 20 fr. Die erste Hälfte des empfehlenswerthen Werkes haben wir Bd. IX, S. 174 besprochen. Der vorliegende Schlusstheil bringt die Seiten 529 — 1168, Titelblatt und Vorwort. Die Palaeozoologie nimmt den Raum bis S. 1056 ein, die Palaeobotanik ist verhält- nissmässig stiefmütterlich weggekommen; sie musste sich mit nur 87 Seiten begnügen. Ueber den zoologischen Theil könnten wir um- das Gesagte wiederholen. Wir wollen nur hinzufügen, dass das Buch nicht allein dem Geologen, sondern auch dem Zoologen werthvoll sein muss, da sich der Verfasser bemüht hat, die aus rein zoologischen Gründen interessanten Objecte ausser den im Vordergrunde stehenden Leitfossilien eingehend zu berücksichtigen. Nr. 51. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 627 Auch ohne dass Verf. im Vorwort die Angabe gemacht hätte, dass er die Unterstützung Renault's bei der Abfassung des Palaeo- hotanischen Theiles genossen hat, ist das bei einer Durchsicht desselben für den Fachmann schnell ersichtlich, da Verf. durchaus und in jedem Punkte die Renault'schen Auflassungen bringt, die keineswegs alle Geltung finden können, auch werden die Renault- sehen Untersuchungen in den Vordergrund gestellt. Dr. Friedrich Behme, Naturwissenschaftliche Führer durch die Umgebung der Stadt Goslar am Harz. 1. Theil: Geo- logie. Krnst Angerstein Goslar 181)4. — 0,60 M. Wer mit naturwissenschaftlichen Neigungen reist und die alte und anziehende Kaiserstadt Goslar besucht, wird bei Benutzung des vorliegenden, mit guten Abbildungen versehenen Heftchens für die empfangenen Anregungen dankbar sein. Wir möchten nur bemerken, dass für ein erspriessliches Studium derselben wenigstens die ele- mentaren Vorkenntnisse der Geologie nothwendig sind. Der Führer hat insofern besonderen Werth. als in geologischer Hin- sicht gerade der Harz und speciell die Umgegend Goslars so viel auf kleiner Fläche zusammengedrängt bietet, wie sonst kaum irgendwo ein Fleck der Erde, und der Studirende oder der Lieb haber der Geologie daher kaum sonstwo bessere und bequemere Gelegenheit findet, sich an der Natur zu bilden. Prof. Dr. Samuel P. Sadtler, Handbuch der organisch-tech- nischen Chemie. Zum Gebrauche von Fabrikanten, Chemikern und allen iu der chemischen Industrie Beschäftigten. Deutsche autorisirte Ausg. bearb. v. Dr. Julius Ephraim. 1. Abtheil. Mit 113 Abb. Johann Ambrosius Barth (Arthur Meiner). Leipzig 1894. — Preis 8 M. Verf., Prof an der Universität Philadelphia, bietet in vor- liegendem Werk ein ausgezeichnetes t'ompendium, das auch in Deutschland seine Liebhaber finden wird. Es handelt sich aber nicht um eine einfache Uebersetzung, sondern der Uebersetzer hat sich bemüht das Buch deutschen Verhältnissen anzupassen. Es werden die Rohmaterialien besprochen, dann die Processe der Verarbeitung, drittens werden die Producte, sowohl die Zwischen- wie die Endproduete, charakterisirt und in vielen Fällen die Zu- sammensetzungen durch Analysen illustrirt, viertens werden die wichtigsten analytischen Methoden mitgetheilt, und es wird end- lich fünftens eine Bibliographie und Statistik gegeben. Der vorliegende Theil des zweckdienlichen Buches enthält die Kapitel: 1. Petroleum- und Mineralöl-Industrie, 2. Industrie der Fette und fetten Oele, 2. Industrie der ätherischen Oele und Harze, 4. Die Zucker-Industrie, 5. Industrie der Stärke und ihrer Umwandlungsproducte, 6. Die Gährungs-Industrie Dr. H. Röttger, Inspector der Kgl. Untersuchungsanstalt für Nahrungs- und Genussmitte] zu Würzburg. Kurzes Lehrbuch der Nahrungsmittel-Chemie. (Bibliothek für Nahrungsmittel- Chemiker). Johann Ambrosius Barth (Arthur Meiner). Leipzig 1894. — Preis 7 M. Das zuverlässige Buch wird dem Studirenden, dem Praktiker, dem Lehrer sowie den Beamten der Verwaltungs- und Justiz- behörden gute Dienste leisten. Es bringt zunächst die Grundzüge der Ernährungslehre, um dann speciell 1. die animalischen, 2. die vegetabilischen Nahrungsmittel, 3. die Genussmittel, 4. das Wasser und 5. die Luft zu behandeln. Das Buch umfasst incl. dem exaeten Register 467 Seiten. Dr. K. Sumpfs Grundriss der Physik. Ausgabe A. 4 verb. Aufl. bearb. v. Dr. A. Pabst. Mit 461 Abbild, u. 1 Spectral- tafel. August Lax, Hildesheim 1891. — Preis 3,20 M. Dem Neu Bearbeiter waren durch die Regelung der Lehr- buchfrage in den höheren Schulen Preussens bestimmte Richt- linien bei der Ueberarbeitung gegeben, jedoch hat er die Neu- Auflage so gestaltet, dass neben derselben die vorige gebraucht werden kann. Neu aufgenommen wurde u. a. das Gesetz vom , Aufdruck", einige Abschnitte wurden erweitert, namentlich der- jenige über Wellenbewegung. Beigefügt wurde eine geschicht- liche Uebersicht. Das ganze Buch hat nur gewonnen. Dr. J. Epstein, Ueberblick über die Electrotechnik. 6 popu- läre Experimental Vorträge. 2. vermehrte Aufl. Mit 36 Abb. Johannes Alt, Frankfurt a. M. 1894. - Preis 2,80 M. Die Vorträge werden Manchem willlkommen sein, muss es doch in unserer electrischen Zeit jedem angenehm sein, über das Wesen der Hauptapparate, welche die Electrotechnik geschaffen hat, einigermaassen orientirt zu sein, da man immer und immer wieder mit ihnen zusammen kommt. Es werden die nothwendigen Vorbegn'ff'e wie z. B. Gleichstrom, Stromstärke (Ampere) u. s. w. besprochen, von Apparaten natürlich der Telegraph, das Telephon, das Glüh- und Bogenlicht u. s. w. Wir können das Heftehen empfehlen, Bernhard Wiesengrund, Die Electrizität , ihre Erzeugung, praktische Verwendung und Messung. Für jedermann ver- ständlich kurz dargestellt. 41 Abbild. Verlag von H. Bech- hold, Frankfurt a. M. — Preis 1 M. Das Heftchen verfolgt dasselbe Ziel wie das oben referirtc von Epstein. Es will den Laien über Verwenduug, Messung und Erzeugung der Elektrizität, über die Begriffe Wechelstrom, Gleichstrom sowie Transformator, Widerstand, Spannung und Stromstärke u. s. w. Orientiren. Verf. will also in der allerknappsten Weise auseinandersetzen, wass heutzutage jedermann von der Elektrizität wi-sen muss. Verhandlungen der Ges. deutscher Naturforscher und Aerzte. 66. Versammlung zu Wien 24.-28. September 1894. Heraus- gegeben im Auftrage des Vorstandes und des Geschäftsführers von Albert Wangerin und Otto Taschenberg. I. Theil. Die all- gemeinen Sitzungen. F. C. W. Vogel in Leipzig 1894. Der Band bringt, wie üblich, die Protokolle und Berichte überdie allgemeinen Sitzungen und in vollständigem Abdruck die in den- selben gehaltenen Vorträge. Ueber die letzteren ist zum Theil schon in der N. W. ausführlich berichtet worden, die fehlenden werden noch Berücksichtigung finden. Eine „Bibliographie des sciences naturelles" giebt in Monats- Katalogen die Verlagshandlung J. B. Bailliere et fils in Paris heraus. Uns liegt der November-Katalog vor, der alte und neue Arbeiten (ea. 1500 Nummern) über Protozoen, Spongien, Coelen- teraten , Echinodermen und Würmer aufführt. Nicht nur die Litteratur über die recente, sondern auch über fossile Fauna ist vertreten. Bastian, Adf , Die samoanische Schöpfungs-Sage und Anschliessen- des aus der Südsee. Weimar. — IM. Baumhauer, Dr. H., Die Resultate der Aetzmethode in der kry stall ograp bischen Forschung. Leipzig. — 16 M Credner, Dr. Herrn., Die Stegocephalen und Saurier aus dem Rothliegenden des Plauen'schen Grundes bei Dresden. Berlin. — 40 M. Deussen, Prof. Dr. Paul, Allgemeine Geschichte der Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der Religionen. 1. Band. 1. Abtheilung. Leipzig. — 7 Mark. Engelmann, Th., Gedächtnissrede auf Hermann von Helmholtz. Leipzig. — 0,60 M. Gattermann, Prof. Dr. Ludw., Die Praxis des organischen Che- mikers. Leipzig. — 6 M. Meyer, Prof. Cr. Ernst v., Geschichte der Chemie von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. 2. Auflage Leipzig. - 10 M., geb. in Halbfranz 12 M. Nietzki, Prof. Dr. B.., Chemie der organischen Farbstoffe. 2. Auflage. Berlin. — 8 M. Olbers, Wilh., Sein Leben und seine Werke. Berlin. — 16 M. Die Erneuerung des Abonnements wird den geehrten Abnehmern dieser Wochenschrift hierdurch in geneigte Erinnerung gebracht, Die Verlagsbuchhandlung. Inhalt: Dr. Alfred Möller, Aus Sa. Catharina, Brasilien. 2. (Mit Abbildungen). — F. Schleichert, Einige Versuche über Wasserleitung in der Pflanze und Transpiration der Gewächse -- Das Schwimmen der Schnecken an der Wasserfläche. - Welchen Einfluss haben Strychninsalzlösungen auf die EntWickelung von Sand- und Humusbuden? — Die räuberische Lebensart der Afterskorpione. — Analogien zwischen europäischen und chilenischen Crustaceen., - Ein Meteorograph von sehr langem Gang. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. H. Friedrich, Die Biber an ihr mittleren Elbe. - Felix Bernard, Elements de Paleontologie. — Dr. Friedrich Behme, Naturwissenschaftliche Führer durch die Umgebung der Stadt Goslar am Harz. — Prof. Dr. Samuel P. Sadtler, Handbuch der organisch-technischen Chemie. - Dr. H. Röttger, Kurzes Lehr- buch der Nahrungsmittel-Chemie. — Dr. K. Sumpfs Grundriss der Physik. - - Dr. J. Epstein , Ueberblick über die Elektro- technik. — Bernhard Wiesengrund, Die Elektrizität, ihre Erzeugung, praktische Verwendung und Messung. - - Verhandlungen deutscher Naturforscher und Aerzte. — Bibliographie des sciences naturelles. — Liste. 628 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 51. Verlag yon J. J. Weber in Leipzig. -$•- Soeben erschienen: n, . •■ Beschreibung der im Bereiche der Sonne zu PlanetOgrapnie. | lichtenden Körper von 0. Lolise. Mit 15 Abbildungen. In Original-Leinenband 3 J( 50 ^. 0,, • i Lehre von der Bildung und Vorkommen der UellenKUnae. Quellen und des Grundwassers von Hippolyt J. Haas. Mit 45 Abbildungen. Preis i Jt 50 ^ : in Leinwand gebunden (j J(. ■ . i ■ nn ii" von E. Dennerl» Vergleichende Pflanzenmorphologie Mu bildungen. In Original- Leinc.nbaml 5 Jl. "üd6 T)esors*en undvervvcrth'ni FRITZ SCHMIDT&C2] Patent-Bureau u. Chem. Lab. 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Die Zinkätzungen is dieser Zeitschrift gelten als W Proben dieses Verfahrens und H sind hergestellt in der grapbi- H sehen Kunstanstalt W Meisenbach, Riffarth & Co. | in Berlin-Schöneberg, ü welche bereitwilligst jede Aus- g =» kunft ertheilt. g ©EIEIEEEIEJEEIQEEIEIEBIEEEEIEI Soeben erschien und ist durch jede Buchhandlung gratis zu beziehen: "-P jrlliistricrU'r 'ii'cilniatljts-irj.ilalog { Ton i Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung \ Verzeichnis gediegener populärer • Geschenkwerke und der Hempel- [ sehen Klassiker-Ausgaben. : NEUHEITEN: i'oll- Transportable Dunkelkammer, zusammenlegbarmit Tisch und Kegal. V( - — - standig lichtdicht. 2 m hoch, je 1 breit und tief. Sehr geeignet zur beliebigen und schnellen Aufstellung, Preis M. 47,-, Verpackung M. 6,—. Album lmt auswechselbaren Blättern. Hochfeine Ausstattung. Die Blätter können einzeln nachgeliefert werden. Formate: Lang 16/24 ein M. 6,75. — Hoch oder lang 34/32 cm M. 8,50. 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Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger C^uellenangabe gestattet. Noch ein Beitrag zur Geschichte des „entdeckten Geheimnisses der Natur" Vou Dr. J. Behrens. In meiner Biographie Joseph Gottlieb Koelreuter's*) habe ich es als wahrscheinlich hinzustellen gesucht, dass 0; K. Sprengel, obwohl seine ersten Beobachtungen durch- aus selbständig und ohne Kenntniss der Koelreuter'schen Forschungen gemacht sind, und er in seinem Hauptwerke sehr zur Polemik gegen seinen Vorgänger geneigt ist, doch stark unter dessen Einflüsse stand, und dass dies insbesondere von dem Titel des entdeckten Geheimnisses gilt. Diese Ausdrucksweise entspricht wenigstens durch- aus der Koelreuter's, bei welchem für den gleichen Gegenstand derselbe Ausdruck immer wiederkehrt, so im Titel des „entdeckten Geheimnisses der Kryptogamie", in der Abhandlung über die Blütheneinrichtung der Asclepiadeen **), in der vorläufigen Nachricht vou einigen das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Versuchen und Beobachtungen sowie in der Vorrede zur ersten Fort- setzung der letzteren.***) Als ich deshalb vor einiger Zeit beim Durchblättern des Magazins für Botanik, lierausgegebenÄVon Römer und Usteri, durch Zufall auf einige Notizen Sess, welche das Lebenswerk Ch. K. Spreugels betreffen, interessirten mich dieselben umsomehr, weil sie geeignet sind, meine Vermuthung zu bekräftigen. Die Veröffentlichung der ge- fundenen Notizen, welche Ankündigungen des grossen Werkes sind, dürfte wohl deshalb nicht ganz überflüssig erscheinen, weil über Sprengel, und besonders über die *) Joseph Gottlieb Koelreuter, ein Karlsruher Botaniker des 18. Jahrhunderts. Sep. aus Verh. des naturwiss. Vereins in' Karls- ruhe. Karlsruhe 1894. S. 45. **) Commcnt. Acad. Theodoro-palatinae. Vol. III , phys. S. 54. ***) Ausgabe von Pfeffer in der Ostwald'schen Sammlung naturwissenschaftlicher Classiker. S. 21 sowie 41. Geschichte des entdeckten Geheimnisses der Natur die Nachrichten sehr spärlich, und speciell die folgenden Beiträge dazu in keiner der im Vorjahr erschienenen Bio- graphien erwähnt sind. Im IV. Stück des Magazins für die Botanik, heraus- gegeben von J. J. Römer und Usteri, vom Jahre 1788 tinden wir unter den kürzeren Nachrichten S. 186 folgende: „Herr Rector Sprengel in Spandau bey Berlin wird nächstens eine Schrift über die Nectarien herausgeben, worinn er mehrere eigne und neue Beobachtungen und Bemerkungen mitteilen wird." Der ursprünglich gewählte Titel Sprengel ja schon lange vor seiner deckung der Blütheneinrichtung des (1787) den Plan mit sich die Nectarien". Damit stimmt herumtrug, des Werkes, zu dem ersten schönen Ent- Gerauium silvaticum war also: „lieber auch eine Bemerkung Heim'-s, des grossen Arztes und Förderers der bo- tanischen Studien Sprengeis in seinem Tagebuch, welche Strasburger in seiner Biographie Sprengeis mittheilt*): „Ich las in des Rectors Sprengel Buch „De Ncctariis" mit einem unbeschreiblichen Vergnügen". Dem botanischen Freunde dürfte Sprengel den Plan seines Werkes schon bei der Entstehung desselben mitgetheilt und seine Studien und Beobachtungen dazu stets mit ihm durchgesprochen haben, weshalb Heim dasselbe noch nach seinem Er- scheinen mit anderem Titel unter dem ursprünglich ge- planten citirt. Im VIII. Stück des Magazins 1790, S. 160—164, kommt dann eine Ankündigung des Werkes, von Sprenge] *) E. Strasburger das entdeckte Geheimniss 1893/04, Nr. 2, S. 144. Zum hundertjährigen Gedächtnis an ler Natur. Deutsche Rundschau, 630 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 52. selbst verfasst. In dieser führt das Werk den Titel: „Ver- such, die Construction der Blumen zu erklären." Die An- kündigung lautet: „Ich bin nunmehr im Stande, die baldige Heraus- kunft meines in dem botanischen Magazin angekündigten philosophisch-botanischen Buchs selbst anzukündigen. Das- selbe wird unter dem Titel: Versuch, die Konstruk- tion der Blumen zu erklären, bei Herrn Vieweg dem jüngeren in Berlin, vermuthlich gegen die Ostermesse künftigen Jahres zu haben sein. Ich schmeichle mir mit der Hoffnung, dass dasselbe philosophischen Naturforschern nicht unwillkommen sein wird. Damit dieselben nun wissen, was sie eigentlich in demselben zu erwarten haben, so diene ihnen Folgendes zur vorläufigen Nachricht. Sobald ich mich in dem schweren und weitläufigen botanischen Fache durch die ersten Schwierigkeiten durch- gearbeitet und gleichsam orieutirt hatte, so fing ich an, wie die Pflanzen überhaupt, so besonders die merkwürdigsten Theile derselben, die Blumen, aus einem philosophischen Gesichtspunkt zu betrachten. Es war mir höchst unan- genehm, die mannichfaltige Konstruktion derselben an- staunen zu müssen, ohne mir dieselbe erklären zu können. Dass vermittelst desjenigen, was grosse Männer, z. B. Linne, entdeckt haben, sich keineswegs alle Fragen be- antworten lassen, brauche ich Botanikern nicht erst zu sagen. Linne selbst gesteht in seiner Dissertation de nec- tariis seine Unwissenheit in Ansehung des eigentlichen Endzwecks des Nectarii. Er nennt dasselbe einen Knoten, welchen noch kein Botaniker aufgelöset, ein Geheimniss, welches aufzuklären man sich alle Mühe geben müsse. Ich konnte aber anfangs nichts kluges herausbringen, weil ich nicht wusste, von wo ich beym Untersuchen aus- gehen, welches Principium ich zum Grunde legen sollte. Der unangenehme Zustand, verursacht durch diese Sehn- sucht nach Licht in der flüstern Nacht, die über der Bo- tanik schwebte, dauerte verschiedene Jahre, und stieg zu- weilen so hoch, dass ich fast Willens war, das botanische Studium wieder aufzugeben. Wer kann aber, wenn er nur einigermasseu die Reize dieser göttlichen Wissen- schaft kennen gelernt hat, sich ganz von derselben trennen? Eine schöne ausländische Blume, die ich kennen lernte, eine neue unerwartete Pflanze, die ich auf meinen Exkur- sionen fand, ein kleiner Zuwachs meines herbarii söhnte mich bald mit der Botanik wieder aus, und erweckte die schlummernde Liebe. Endlich aber brachte mich im Sommer 87, da ich die Blume des Geranii sylvatici auf- merksam betrachtete, ein geringfügig scheinender Umstand in der Konstruktion derselben auf die richtige Spur, und zwar dadurch, dass er mich veranlasste, gerade die- jenige Hypothese anzunehmen, welcher die mehrsten Bo- taniker, so viel ich weiss, bisher nicht günstig gewesen sind, welche aber dennoch mehr als Hypothese ist, da sie bey so vielen Gattungen und Arten sich anwenden lässt, und die schönsten Aufschlüsse giebt. Zwar muss ich ge- stehen, dass teils an manchen Gattungen, ungeachtet sie meiner Theorie entsprechen, manches mir noch ein Rätsel ist, teils einige sogar derselben zu widersprechen scheinen. Sowie aber das Erste ganz natürlich ist, da ich allein und nur erst seit einigen Jahren dieses neue, und wirklich nicht leichte Fach bearbeitet habe, so hoffe ich, dass auch das Letzte immer weniger stattfinden wird, sobald erst an- dere Botaniker und Entomologen ihre Untersuchungen mit den meinigen werden vereinigt haben. werde ich nun Das Werk wird Was ich nun bisher entdeckt habe, der gelehrten Welt zur Prüfung vorlegen, bestehen 1) aus einer Einleitung, in welcher ich meine Theorie selbst vortragen werde; 2) aus einer Anzahl von Gattungen und Arten, die ich nach derselben untersucht habe. Die nötigen Zeichnungen habe ich selbst nach der Natur verfertigt, welche der Herr Verleger durch einen geschikten Künstler wird in Kupfer abstechen lassen. Dieses Buch wird hoffentlich sowohl Nutzen als auch Vergnügen verschaffen: 1) hauptsächlich nun freylich Botanikern. Ich bin überzeugt, dass, so sehr sie auch immer bisher ihre liebenswürdige Wissenschaft mögen ge- liebt haben, dennoch, wenn sie mein Buch werden ge- lesen haben, diese ihre Liebe merklich zunehmen, bey manchen vielleicht, besonders, wenn sie nun selbst in dieser bisherigen terra incognita neue Entdeckungen werden gemacht haben, bis zum Enthusiasmus steigen wird. 2) Entomologen. Ich meyne, es soll sie nicht verdriessen, dass ich beweise, dass ihre Lieblinge auch grosse Lieb- linge des Schöpfers sind, dass dieser zum Wohl derselben die vortrefflichsten Anstalten getroffen hat, dass die Blumen einzig und allein der Insekten wegen so herrlich prangen, und so herrlich riechen. 3) Hauslehrern. Diese (vorausgesetzt, dass ihnen die eigentliche Botanik nicht ganz fremd ist) werden durch dasselbe in den Stand ge- setzt werden, die Spaziergänge auf dem Felde und in Gärten ihren Schülern lehrreicher und angenehmer zu machen, und diese auf einem Blumenwege zur Erkenntnis und Verehrung des Schöpfers zu führen, welcher durch den Bau der Blumen seine Weisheit und Güte auf die deutlichste und fassliehste Art zu erkennen gegeben hat. Ueberhaupt vermuthe ich, dass dieses Buch, in Rücksicht auf den jugendlichen Unterricht betrachtet, nach dem Geschmack unserer neuen Pädagogen seyn werde. Man soll, ihren Forderungen zufolge, beym Unterricht der Jugend mit dem Sinnlichen und Anschaulichen den Anfang machen. Was ist aber sinnlicher und anschaulicher, als Blumen? Man soll sich nach dem Geschmack der Kinder richten. Was ist aber Kindern angenehmer, als schöne Blumen? Man soll nicht bloss ihr Gcdächtniss kultiviren, sondern auch ihren Verstand, ihren Scharfsinn, ihre Beurtheilungskraft, ihren Beobachtungsgeist. Alle diese Seelenkräfte finden in der Blumenphilosophie genug zu thun, und werden durch dieselbe auf eine selbst Kindern interessante Art in Thätigkeit gesetzt. 4) Den Blumenfreunden, diejenigen von denselben ausgenommen, welche schlechterdings mit den Blumen bloss spielen, keineswegs aber bei Beschau- ung derselben etwas vernünftiges denken wollen. 5) Den Liebhabern physiko-theologischer Schriften. Diesen wird es angenehm seyn, zu erfahren, dass die Blumen so viele und so schöne Beweise von dem Daseyn eines weisen und gütigen Gottes enthalten. Uebrigens besteht dieses Buches kleinster Werth in dem, was es enthält, sein grösster in dem, was es nicht enthält. Denn obgleich in demselben manche ganz artige Entdeckungen vorkommen, so sind dieselben doch mir eine Kleinigkeit, ein wahres minimum gegen diejenigen herr- lichen"Entdeckungen, welche künftig von philosophischen Botanikern, durch dasselbe auf die rechte Spur gebracht, werden gemacht werden. Dieses sage ich mit grosser Zuversicht vorher. Und mit diesem besten Theil meiner Ankündigung schliesse ich dieselbe. Spaudow, den 4. Aug. 1789. C. K. Sprengel, Rektor." Bis zum August 1789 kannte Sprengel also seinen grossen Vorgänger Koelreuter nicht. Sonst hätte er ihn sicherlich in der Ankündigung erwähnt. Citirt er doch Linne, dessen Abhandlung über die Nectarien ja weit hinter den Arbeiten Koelreuter's zurückstellt und ins- besondere einen Geist wie den Sprengeis viel weniger hätte befriedigen können als diese. Die Koelreuter'schen Beobachtungen , mit denen Nr. 52. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 631 Sprengel sich in dein 1793 erschienenen Buche gut ver-; traut zeigt, lernte er also erst nachher kennen, und so gewinnt denn auch im Zusammenhange mit der öfteren Wiederkehr desselben Ausdruckes bei Koelreuter die Ver- niuthung an Wahrscheinlichkeit, dass der Titel des ge- planten Werkes speciell unter dem Einfluss des Studiums der Arbeiten Koelreuter's endgiltig in „Entdecktes Geheim- niss der Natur" umgeändert ist. Eine Recension des entdeckten Geheimnisses verniisst man in den von Römer resp. Usteri allein herausgegebenen Fortsetzungen des Magazins für Botanik, dem neuen Maga- zin. Nur in eiuer Recension des Werkes: „Botanische Unterhaltungen für Naturfreunde, zur eigenen Belehrung über die Verhältnisse der Pflanzenbildunj;- entworfen von A. J. G. C. Batseh, findet sich die Bemerkung:. . . „SprengeLs vortreffliches Werk : Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen, konnte er (Batsch) noch nicht benutzen-, es hätte ihm .sonst dieses noch Anleitung geben können, noch manches Vortreffliche über den oft wunderbaren Blumenbau und über die da- mit verknüpften Absichten sagen zu können."*) *) J. J. Römer, Neues Magazin für die Botanik. I. Zürich 1794. S. 270. Die Organismen im Saftflusse der Laubbäume. Es ist eine allbekannte Erscheinung, dass die meisten Pflanzen und Thiere nur auf einem ganz bestimmten Substrat leben, dass sie also mit ihrer Ernährung auf ganz bestimmte Stoffe, die ihnen nur das eine bevorzugte Substrat gewährt, angewiesen sind. Nach Beispielen für diese Thatsache brauchen wir uns nicht lange umzusehen. Die parasitischen und saprophytischen Pilze finden sich nur auf ganz bestimmten Pflanzen oder Abfallen, für das Thierreieh bieten uns die Raupen der Schmetterlinge ebenso lehrreiche Beispiele. Je mehr man in neuester Zeit nun danach gestrebt hat, die gesammte Fauna oder Flora eines Substrats zu erforschen, um so mehr stiess man auf neue und eigentümliche Formen, die sich so ganz abweichend von denen anderer Substrate erwiesen. Seit wenigen Jahren erst hat man begonnen, die Saft- oder Schleimflüsse der Bäume einer genaueren Unter- suchung zu unterziehen und schon ist eine solche Fülle von interessanten Organismen, hauptsächlich Pilzen, be- kannt geworden, dass es sich wohl verlohnt, auch einem grösseren Leserkreisee die wichtigsten Resultate dieser neuesten Forschungen vorzuführen. Wohl jeder, der im Frühjahr unsere Laubwälder durchstreift, hat schon an Birkenstümpfen und an ver- letzten Stellen Ausflüsse bemerkt, die bald farblos, bald rosa oder blutroth gefärbt, bald dünnflüssig, bald sehleimig fadenziehend sind. Diese zum Theil zuckerhaltigen Baum- säfte geben ein vorzügliches Nährsubstrat für alle mög- lichen Pilze und Thiere ab. Von letzteren sind Aclchen- arten fast immer zu finden, selten fehlen auch Larven von allen möglichen Insecten, Milben u. s. w. Leider haben die Zoologen bisher ihre Aufmerksamkeit diesen Saftflüssen nur in geringem Maasse zugewendet, obgleich sich namentlich für biologische Beobachtungen sicher hier ein weites Gebiet öffnen würde. Um so grösseren Nutzen hat die Botanik aus den Beobachtungen dieser Säfte gezogen. Es ist natürlich, dass auch einige weit verbreitete Schimmelpilze, welche mit jedem Substrat fürlieb nehmen, in den Flüssen zu finden sind. Diese nun sollen nicht weiter berücksichtigt werden. Die bisher beobachteten Organismen gehören den Phycomyceten, Mesomyeeten und den niederen Ascomyceten an, dazu kommen noch eine grössere Zahl von Baeterien, Hefen und auch einige nie- dere Algen. Unter die wenigen cblorophyllhaltigen Organismen, ich nenne nur Scytonema-Arten, Cystoeoceus, Pleuro- coecus, Hormidium, Bacillariaceen, welche Bewohner von Saftflüssen sind, gehören zwei niedere Algen, welche erst in allerneuester Zeit von W. Krüger*) entdeckt und sehr *) Zopf, Beiträge zur Physiologie und Morphologie niederer Organismen. Heft IV. 1894. eingehend untersucht worden sind. Beide Pflänzchen fanden sich in den Sehleimflüssen von Silber- und Schwarz- pappeln und Ulmen. Die eine, Chlorella prototheeoides W. Krüger, gehört zu jener interessanten Gattung, bei der esBeyerinck zum ersten Male geglückt ist, niedere Algen auf Gelatine zu züchten. Diese Alge besteht aus einzelnen kugeligen Zellen, die durch Chlorophyll nur sehr schwach gelbgrün gefärbt sind. Der Inhalt theilt sich in mehrere Partieen, die sich abrunden und mit dem Verlassen der Mutterzelle neue Individuen bilden. Einen ähnlichen Bau zeigt auch Chlorotheciuni saccharophilum W. Krüger, das sieh durch die längliche Form der Zellen, die häufig noch einen kleinen Fortsatz bilden, scharf unterscheidet. Die Bildung der Sporangien und ihre Entleerung geht ganz ähnlich vor sich. Das merkwürdigste ist, dass sich diese beiden Algen nur durch das Vorhandensein von Chloro- phyll äusserlich von einigen Pilzen unterscheiden, die mit ihnen dasselbe Substrat theilen. Das ist die Gattung Proto- theca mit den beiden Arten P. Zopfii W. Krug., P. morifor- mis W. Krug. Ihr Entwickelungsgang ähnelt dem der beiden Algen ungemein. Auch hier wird jede Zelle zumSporangium, das die Sporen durch Zerreissen der Membran frei werden lässt. Jede Spore wächst heran und wird wieder zum Sporangium. Wir finden einen ähnlichen Typus unter den bisher bekannten Pilzen nicht, sondern müssen daraus eine ganz neue Abtheilung machen, die sich direct au die Protococcaeeen unter den Grünalgen anschliessen würde. Eine solche Aehnliehkeit unter den Pilzen und Algen ist durchaus nicht auffallend, nachdem die Beziehungen von anderen Familien zu einander klar gelegt worden sind z. B. Saprolegniaceen und Siphonaceen, Zygomyceten und Zygophyceen u. s. w. Einen ähnlichen Organismus, der sich aber durch die Theilung unterscheidet, hat Ludwig in Comyces Crieanus nachgewiesen. Die vegetative Thei- lung erfolgt streng nach Tetradeutheilung, andere Fort- pflanzung ist nicht beobachtet worden. Wie Prototheca, so zeigt sich auch dieser Pilz mit den Protococcaeeen am nächsten verwandt. Ich will hier der Besprechung gleich diejenigen Formen anschliessen, welche ebenfalls wie die bisher ge- nannten in ihrem systematischen Anschluss unklar sind, ich meine die Fungi imperfecta und die Hefen. Wenn wir auch nach unseren heutigen Kenntnissen annehmen müssen, dass sie zu Ascomyceten gehören, so ist doch der Beweis für diese Ansicht noch zu erbringen. In jedem Sehleimfluss, den wir unters Mikroskop legen, kommen eine Anzahl von Hefen zur Beobachtung, deren Isolirung und Reincultur allerdings erst in wenigen Fällen geglückt ist. Am besten bekannt ist durch Ludwig und Hansen der Saccharomyces Ludwigii Hans,, der Alkohol- 632 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 52. gährung in Eichenflüssen erzeugt. Ludwig bringt die Hefe in den Entwickelungskreis von Endomyces Magnusii, obwohl er nicht den geringsten Beweis dafür hat. Spätere Untersucher, wie Hansen und Brefeld, bestreiten denn auch diese Angabe. Die Hefe ist natürlich durch ihr physiologisches Verhalten gut charakterisirt, worauf ich hier nicht näher eingehen will. Ausserdem finden sich noch eine Anzahl Formen, deren nähere Bestimmung zur Zeit noch aussteht. Darunter scheint auch der Saccharo- myces apiculatus zu sein oder eine ihm nahestehende ähnliche Form und noch verschiedene andere, die sich von den Bierhefen nur unwesentlich in ihrer Gestalt unterscheiden. Von anderen Fungi imperfecti wäre zuerst das Fu- sarium aquaeduetum v. Lagh. 'zu erwähnen, das sich bisweilen in Saftflüssen von Linde und Buche findet. Der Pilz bildet verzweigte Mycelien mit spindelförmigen, ge- krümmten Sporen. Sehr auffällig ist der starke moschus- ähnliche Geruch, den er erzeugt. Während er in den Baumflüssen harmlos ist, kann er durch sein massenhaftes Auftreten ganze Industrieen zum Stillstand bringen. So kann er den Gaug von Mühlrädern u. Turbinen hemmen, Wasserleitungsröhren vollständig verstopfen und durch seinen betäubenden Geruch den Arbeitern Unbequemlich- keiten verursachen. Einen rothen Saftfluss erzeugt der Rho- domyces dendrorhoeus Ludw. Braune Schleimflüsse an Obstbäumen, Birken und vielen anderen Laubbäumen werden durch Forula monilioides Cda. bewohnt. In Gummiflüssen der Hainbuche und Esskastanie fand Ludwig grosse Massen von sichelförmigen Sporen, die durch Pykniden mit langer, flaschenförmiger Mündung, die mitten im Holz sassen, gebildet wurden; durch den Schleim werden die Sporen des Sphaeronema endoxylon Ludw. nach aussen geschafft. Dies sind die bekanntesten Fungi imperfecti, genauere Untersuchungen werden ihre Zahl noch bedeutend erhöhen. Von grosser Wichtigkeit für unsere morphologischen Auffassungen im Filzreiche haben sich zwei Gattungen erwiesen, die bisher nur an wenigen Orten gefunden wurden, aber sicher eine bedeutend weitere Verbreitung besitzen. Das ist die zu den Exoascaceen gehörige Gattung Endomyces, und die Mesomycetengattung As- coidea. Von der ersteren war auf dem Halimasch eine Art seit längerer Zeit bekannt, die durch ihre eigenthümliche Chlamydosporenform schon die Aufmerksamkeit de Bary's erregt hatte. Ludwig wies im Schleimfluss der Eichen den Endomyces Magnusii Ludw., auf blutenden Stümpfen von Birken, Hainbuchen und anderen Bäumen E. vernalis Ludw. nach. Der letztere Pilz ist noch wenig bekannt, scheint aber ziemlich verbreitet zu sein, da Oidien, wie sie Ludwig von ihm beschrieben hat, häufig in solchen Flüssen sich antreffen lassen. Dagegen ist der erst- genannte Pilz nur bei Greiz häufig, Hansen hat ihn zwar bei Kopenhagen gefunden, aber ohne Asken, so dass die Bestimmung noch nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Dieser Pilz bildet dickfädige, starke, einseitig verzweigte Mycelien, welche an den Enden der Aeste fortwährend Oidien, d. h. der Verbreitung dienende, einzellige Mycel- stücke, abgliedern. In manchen Fällen, wohl haupt- sächlich durch den Absehluss des Sauerstoffes veranlasst, treten an den Zweigen auch die kugligen Asken auf, welche 4 ovale Sporen enthalten, die mit wenigen rund- lichen Höckern versehen sind. Der Pilz wächst in künst- lichen Nährmedien sehr gut und bildet unter Gelatine sogar Asken aus; er ist einer der wenigen Fälle, wo man von der niederen Fruchtform (den Oidien) aus- gehend in der Cultur die höhere (Asken) erhalten hat. Sehr leicht sind hieran auch Beobachtungen über die Fusionirung der Asken mit anderen Theilen des Mycels zu machen. Diese Verschmelzungen sind so eigenthüm- licher Art, dass der Gedanke daran, dass wir es hier etwa mit Geschlechtsacten zu thun hätten, überhaupt nicht aufkommen kann. Von grosser Bedeutung für die Beurtheilung des Zusammenhanges von niederen und höheren Pilzen ist die Ascoidea rubescens Bref. et Lindau, ein Pilz, der bisher nur in Saftflüssen abgehauener Buchen im Wolbeeker Thiergarten bei Münster in Westfalen gefunden worden ist. Die Schleimmassen sind durch den Pilz röthlich ge- färbt und werden allmählich braunroth bis schwarz. Das Mycel besteht aus dicken, röthlichen, verzweigten Fäden, welche am Ende der Zweige Oidien bilden. Dieselben werden terminal angelegt, aber durch die fortwachsende Spitze zur Seite geschoben, so dass ein Gebilde entsteht, das wie ein Conidienträger aussieht und seitlich eine grössere Zahl von Sporen ansitzend halten kann. An denselben Stellen nun, wo die Oidien entstehen, treten auch später Sporangien auf, die zahlreiche Sporen mit hutkrempenähnlichem Saum enthalten, welche durch einen ganz eigenthümlichen Mechanismus an der Spitze in rankenähnlichen Fäden ausgepresst werden. Wenn das Sporangium entleert ist, wächst die Spitze des Fadens von unten her durch und bildet ein neues Sporan- gium, so dass es kommen kann, dass zehn und mehr Sporangien in einander geschachtelt am Ende der Aeste sitzen. Diese merkwürdigen Verhältnisse er- innern sehr lebhaft an die bei den Saprolegnia- ceen, wo sie bisher völlig isolirt im Pilzreiche dastanden. Die Entdeckung dieses Pilzes wurde für Brefeld die Veranlassung, die Mesomyceten als geson- derte Klasse von den Mycomyeeten abzutrennen und sie als eine Art von Uebergang zwischen niederen und höheren Pilzen zu betrachten. Die Berührungspunkte nach unten und oben sind auch wirklich sehr auffällige und merkwürdige. Während das Mycel sich in seiner Ausbildung an das der Ascomyceten ansekliesst, zeigen die Sporangien Anklänge an niedere Formen, Mucora- ceen und ähnliche. Verwandt mit der eben beschriebenen Form ist viel- leicht ein Pilz, Dipodascus albidus, den von Langer- heim in Ecuador in Bromeliaceen-Schleimflüssen nachwies. Hier fusionieren zur Bildung eines Sporangiums zwei Zweige, welche nachher wie Füsse am reifen Sporangium stehen bleiben. Sonst kommen ähnliche Oidien und auch die für die Mesomyceten charakteristische Sporangien- und Sporenbilduug vor. Zu erwähnen würden nur noch eine Anzahl von Bacterien sein, die aber bisher erst wenig studirt worden sind. Dass eine grössere Anzahl von Bacillen und Micrococcen vorhanden sind, erklärt sich schon aus der allgemeinen Verbreitung dieser Organismen. Höchst merkwürdig ist aber eine Form, von der eine verwandte Art den berüchtigten Froschlaich der Zuckerfabriken bildet, wodurch innerhalb weniger Stunden der Inhalt ganzer Bottiche in eine gallertartige, weissliche Masse verwandelt werden kann. Dieser Pilz, Leuconostoc Lagerheimii Ludw., findet sich in dem weissen, gährenden Schleimfluss der Eichen, dessen gallertige Beschaffenheit er bedingt. Häufig ist in braunen, zähflüssigen Schleimen an Chausseebäumen der Micrococcus dendroporthos Ludw., ferner im weissen Fluss der Silberpappel Spirillnni endo- paragogicum Sorok. u. s. w. Ferner könnten hierher noch eine Reihe von Bacterienkrankheiten gerechnet werden, bei denen von den befallenen Pflanzen eine gummiartige Masse abgeschieden wird. Ich nenne nur Bacterium gummis 0. Comes als Erreger des Gummi- flusses des Feigenbaumes, Bacillus vitivorus Bacc. als Nr. 52. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 633 Ursache des Mal Nero der Weinreben, Micrococcus anry- lovorus Barr, als Urheber des Fear blight und Apple blight in Amerika und viele andere. Dieser kurze Ueberblick über die hauptsächlichsten Bewohner der Schleimflüsse zeigt uns schon zur Genüge, welch reiches Feld hier dem Beobachter noch offen steht. Nur zum Theil erst sind jene Flüsse untersucht, die wir oft noch bis in den Herbst an den verschiedensten Bäumen finden, nur zum Theil der Entwickelungsgang derjenigen Organismen bekannt, deren Anwesenheil bisher constatirt ist. Die Arbeit liegt bereit, wer wird sie weiter fort- führen und beenden? Dr. G. Lindau. 66. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien vom 24. bis 30. September 1894. III. Dr. L. Boltzmann: Ueber Luft schiff fahrt. . . . Es ist kaum zu zweifeln, dass das lenkbare Luftschiff' einen Aufschwung in den Verkehr bringen würde, dem gegenüber der durch Eisenbahn und Dampfschiff bewirkte kaum in Betracht käme. Unser heutiges Heer würde den eisernen, unangreifbar dahinsansenden, Dynamit in die Tiefe schleudernden Flugmasehincn nicht anders gegen- überstehen, als ein Römerheer den Hinterladern. Das Zollwesen müsste entweder ungeahnte Verbesserungen er- fahren oder ganz aufhören. Allein wie vor Gauss die Lösung des Problems der Kreistheilung, so misslang auch bisher die Herstellung des lenkbaren Luftschiffes, so dass das Problem in be- denklicher Weise in Misscredit kam, ja grosse Theoretiker sich sogar zur Ansicht hinneigten, seine Lösung sei un- möglich. Erst in neuester Zeit ist wieder eine Wendung eingetreten. Die Unrichtigkeit der alten Formeln wurde klar erwiesen und ich glaube, Ihnen den Beweis liefern zu können, dass die Lösung des Problems nicht nur mög- lich ist, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach schon in kurzer Zeit gelingen wird. Von einem Theoretiker würden Sie wohl einen langen auf complicirte Formeln gegründeten Beweis erwarten; allein er kann da nichts thun, als die Ohnmacht der theoretischen Mechanik den complicirten Luftwirbeln gegen- über eingestehen. Eine erschöpfende Darstellung der Ge- schichte des Problems oder ein Eingeben in die tech- nischen Details einzelner Flugapparate verbietet die Kürze der verfügbaren Zeit. Ich will vielmehr die Aufgabe der Theorie in jenem allgemeineren Sinne auffassen, wonach sie überall die leitenden Ideen anzugeben und die Grund- begriffe herauszuschälen hat . . . Ein Ballon, um einen Menschen in die Luft zu heben, muss rund das tausendfache Volumen besitzen; um die speeifisch schweren Maschinentheile zu tragen, ein noch weit grösseres. Die Anwendung so colossaler Körper aber steht in directem Gegensatze zur Haupteigenschaft, die das Luftschiff charakterisiren soll, zur leichten Beweglich- keit. Unter Anwendung eines Ballous ist eine rasche Fortbewegung ausgeschlossen. Trotzdem können wir das Verdienst dieser Luftschiffer, sich zum erstenmal wirklich in die Luft erhoben zu haben, nicht hoch genug an- schlagen; ihr Apparat leistet noch heute zu wissen- schaftlichen, militärischen und anderen Zwecken vortreff- liche Dienste. Zur Erfindung des lenkbaren Luftschiffs aber war es nur der erste Schritt. Dass die beim Luftschiffe schon zur Ueberwindung des Windes unentbehrliche Bewegung zum Tragen eiuer Kraft ausgenützt werden kann, sehen wir an den Raubvögeln, welche nach Erlangung grosser Geschwindigkeit, fast ohne Flügelschlag in der Luft fort- schweben. Wir gelangen so zu Fingmaschinen, welche nicht den Auftrieb eines Gases, das speeifisch leichter als Luft ist, sondern bloss die lebende Kraft eines bewegten Mechanismus zum Tragen der Last in der Luft benutzen. Dieselben heissen dynamische Flugmaschinen. Sic zerfallen in zwei Hauptklassen. Bei der einen wird die bewegende Kraft vorzüglich zur Hebung benutzt; als solche dienen meist ein oder mehrere Luftschrauben, welche sich in der Luft gerade so vertical aufwärts fortschrauben, wie die Schraube eines Schraubendampfers horizontal im Wasser. Wie hier genügt ein kleiner Theil der ganzen Schraubenfläche , zwei oder vier gleichsinnig geneigte Flächen, welche sich vermöge ihrer Neigung bei rascher Drehung in der Luft fortschrauben. Denken Sie sich an einem schweren Gegenstande zwei oder vier riesige, durch eine Maschine sehr rasch gedrehte, derartige Luftschrauben angebracht, so kann er mit in die Luft getragen werden, Sie haben das Helikoptere. Bei der zweiten Gattung der dynamischen Flug- maschinen, den Drachenfliegern oder Aeroplanen dagegen wird die bewegende Kraft hauptsächlich zur horizontalen Fortbewegung benutzt, die Hebung geschieht nach dem von Wellner und Lilienthal am genauesten messend ver- folgten Principe , dass eine schwach geneigte und schwach gewölbte Fläche bei rascher Bewegung durch den Luftwiderstand ausserordentlich stark gehoben wird. Wir wollen es das Princip der schiefen Ebene oder schiefen Fläche nennen; seine Erklärung ist uns hier vollkommen gleichgültig. Auch dieses Princip kann an einem bekannten Kinderspielzeuge, dem Papier- drachen, erläutert werden. Derselbe stellt eine grosse, schwach gewölbte und durch den angehängten Schwanz schwach geneigte Fläche dar. Wird er an einem Faden rasch durch die Luft fortgezogen, so steigt er zu be- deutender Höhe empor. Dasselbe Princip findet auch beim Fluge, besonders der grossen Vögel Anwendung, wenn sie, wie schon bemerkt, nach erlangter bedeutender Geschwindigkeit ohne Flügelschlag frei in der Luft fort- schweben, was man den Segelflug nennt. Die nöthige horizontale Geschwigke.it kann den Aeroplanen entweder durch eine Art Flügelschlag ertheilt werden, in welchem Falle sie ganz den Vögeln gleichen, oder durch die uns schon bekannten Luftschrauben, welche sich aber jetzt nicht nach aufwärts, sondern in horizontaler Richtung fortschrauben . . . Auf der im August zu Oxford abgehaltenen britischen Naturforscherversammlung war eine grosse, von Hiram Maxim construirte Flugmaschine der Gegenstand ein- gehender Debatten, welche im wesentlichen nur eine Aus- führung des soeben gezeigten Modells des Herrn Kress in colossalen Dimensionen ist. Die beiden Luftschrauben werden durch eine äusserst sinnreich construirte, mit Benzin geheizte Dampfmaschine getrieben; die ganze Flugmaschiue, welche inclusive 2 Mann, die sie bedienen, S000 englische Pfund wiegt und mit einer Geschwindig- keit von 30 Meter pro Secunde, also schneller als der rascheste Eilzug dahinbraust, bat sich in der That ein- mal in die Luft erhoben. Herr Maxim hat entschieden den zweiten grossen Schritt zur Erfindung des lenkbaren 634 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 52. Luftschiffes gemacht; er hat bewiesen, dass man durch einen dynamischen Flugapparat in der That grosse Lasten frei in die Luft zu |erhcben vermag'. Die grössten eng- lischen Physiker, die alle Theoretiker sind, Lord Kelvin, Lord Reyleigh, Lodge etc. sprachen mit Begeisterung von Maxims Maschine und ich dachte schon, dass wiederum die Engländer eine neue epochemachende Erfindung die ihre nennen. Allein die Sache hat doch noch einen Haken. Die Maxim'sche Maschine lief anfangs wie eine Locomotive auf Schienen unter ihr ; als sie die nöthige Geschwindig- keit hatte, aber auf eigens zu diesem Zwecke über un- gezogenen Schienen. Durch den grossen Auftrieb zer- brach zu früh eine der oberen Schienen, die Maschine erhob sich in die Luft; aber alle ihre zahlreichen Lenk- vorrichtungen konnten nicht schnell genug in Gang ge- setzt werden ; sie musste möglichst rasch zum Stillstand gebracht werden und erlitt bedeutenden Schaden. Das grosse Hinderniss aller dieser Versuche liegt in ihrer Ge- fährlichkeit. Acrgerlich bemerkte Maxim in seiner Rede, dass der Flugkünstler nicht nur Techniker sein muss, sondern auch Akrobat, Man denke sich eine so riesige Flache so schnell bewegt, dass ihr Luftwiderstand gegen 10 000 Pfund beträgt, und uitheile, welche Störung da jeder Windstoss, jeder Luftwirbel an dem ohne Stütz- punkt frei schwebenden Apparate erzeugt, wie colossal jede Aenderung der Neigung, jede Schiefstellung die Be- wegung des Ganzen beeinflussen muss . . . Freilich da der Beweis geliefert ist, dass die Kraft der Aeroplane ausreicht, grosse Lasten in die Luft zu erheben, ist es nur mehr eine Frage der Geschicklichkeit, sie richtig zu lenken. Wer je sah, mit welcher Sicher- heit ein ungeheurer Oceandampfer von wenigen Menschen gelenkt wird, wer das in Eisenwerken oft producirte Kunststück sah, dass ein Dampfhammer von 1000 Ccutnern wenige Millimeter über dem Glase einer Taschenuhr wie auf Befehl stehen bleibt, der wird nicht bezweifeln, dass auch die Flugmaschine wird gelenkt werden können, so- bald die nöthigen Erfahrungen gesammelt sind; aber wie dies sammeln, ohne Menschenleben aufs Spiel zu setzen ? . . . Jede Erfindung hat ihre Vorarbeiter und ihre nach- herigen Verbesserer; aber doch muss meist ein Manu als der eigentliche Erfinder bezeichnet werden. Wer nun wird der eigentliche Erfinder des lenkbaren Luftschiffes sein? Maxim ist es heute noch nicht. Nur derjenige wird es sein, der in der That in willkürlich gewählter Richtung, so lange ein grösserer Kraftvorrath reicht (etwa eine Stunde lang) mit und gegen den Wind in der Luft zu fliegen vermag. Diese Erfindun: macht . . . Ein Experiment, welches ich als den dritten Schritt zur Erfindung des lenkbaren Luftschiffes bezeichnen möchte, ist einem Deutschen, Herrn Otto Lilienthal, Ingenieur in Berlin, gelungen. Die Schifffahrt auf dem Wasser be- gann nicht beim Oceandampfer, sondern beim ausgehöhlten Baunistamme als Kahn. Ebenso begann Herr Lilienthal mit einem möglichst kleinen Fingapparate. Er bewaffnete seine Arme mit zwei zunächst fest verbundenen Flügeln von 15 Quadratmetern Fläche, die im wesentlichen denen des Vogels nachgeahmt sind. Selbe stellen eine Aeroplane dar, die bei genügender Geschwindigkeit einen Menschen zu tragen vermag. Behufs Erlangung dieser Geschwindig- keit verzichtete Herr Lilienthal auf jeden Motor; er lief einfach eine Strecke gegen den Wind und sprang dann, sich auf seine Flügel stützend, in die Luft. Natürlich konnte er, da er keine Kraftquelle besass, nicht beliebig weit und auch nur in höchst beschränktem Maasse auf- ist noch nicht ge- wärts fliegen; aber indem er anfangs ganz kurze, später längere Sprünge machte, sich immer nahe der Erde haltend, gelang es ihm endlich auf den Rhinower Bergen durch eine Strecke von 250 m über einen sanft geneigten Abhang immer ziemlich nahe dem Boden dahinzusehweben. Er überzeugte sich da von der grossen Gefahr von einem Windstoss überschlagen oder schief gerichtet zu werden, aber auch von der Möglichkeit, sich durch jahrelange Uebung volle Sicherheit im Steuern zu erwerben, was er theils durch Neigen des Körpers und Bewegen der Füsse, theils durch ein dem Vogelsehwanze nachgeahmtes Steuer bewirkt. Lilienthal hat die Absicht nun einen ganz kleinen Motor mit sich zu tragen; indem er die Kraft desselben steigert, hofft er die Grösse der Flügel und die erlangte Geschicklich- keit im Steuern allmälig den neuen Verhältnissen anpassen zu können, bis die durch den Motor erzielte horizontale Fortbewegung ausreicht, den Fliegenden dauernd über dem Erdboden zu halten. Freilich hätte dieser Flug- apparat zunächst noch wenig praktische Bedeutung. Grossartige Verbesserungen, die Ausführung in weit grösseren Dimensionen wären nothwendig, bis sich die eingangs geschilderten wirthschaftlichcn und socialen Con- sequenzen ergäben. Allein das Problem wäre doch theoretisch gelöst; ein zum Ziele führender Weg gefunden, die eigentliche Erfindung des lenkbaren Luftschiffes voll- zogen. Diese theoretische Entdeckung des richtigen Weges geht meist der Vervollkommnung zum praktischen Gebrauche voran. Hätten die ersten Telegraphen, die ersten Photographien schon praktische Bedeutung, hätte die Entdeckung Amerikas grosse wirtschaftliche Folgen gehabt, wenn der Weg dahin für uns noch so beschwer- lich, wie für Colunibus wäre? . . . Auch bezüglich des zur Erzeugung der horizontalen Geschwindigkeit zu verwendenden Apparates gehen die Meinungen auseinander. Alle in der Technik benutzten Mechanismen machen eine sogenannte cyklische Bewegung, das heisst eine Bewegung, wobei sänimtliche Bestand- thcile nach kürzerer oder längerer Zeit wieder in die Ausgangsposition gelangen. Es giebt zwei Haüptsysteme der cyklisehen Bewegung, die drehende und die hin- und hergehende. Die verschiedenen Räder, die Inductoren der Dynamomaschinen sind Beispiele des ersten, die Kolben der Dampfmaschinen, der Pumpen Beispiele des zweiten Systems. Bei der Fortbewegung im Wasser durch Schaufelräder wird das erste, bei den Rudern und Fischflossen das zweite System benutzt. Lilienthal giebt beim Fluge dem zweiten Systeme den Vorzug, welches auch in der Natur beim Vogelfluge zur Anwen- dung kommt . . . Nach Lilienthal muss die ganze Aeroplane in zwei Hälften getheilt werden, welche sich wie Vogelflügel beim Flügelschlage bewegen. Dadurch wird allerdings das Gleiten (der sogenannte slip) der Schrauben und auch der Kraftverlust durch Erzeugung von Luftwirbeln ver- mieden und Lilienthal glaubt deshalb, au die Luft weniger Arbeit zu verlieren. Allein ich bezweifle selbst dies, da beim Flügelschlage immer viel von der beim Senken ge- leisteten Arbeit beim Heben wieder verloren geht, während bei der Luftsehraube wieder das so nutzbringende Princip der schiefen Ebene bestens angewendet werden kann. In der That arbeiten die Luftschrauben Maxims mit sehr ge- ringem slip. Dagegen beeinträchtigt die Theilung der Aeroplane in zwei Flügel sehr die Festigkeit und Ein- fachheit desselben, der Flügelschlag ist nicht ohne er- hebliche Complieation und bedeutende Reibung des Me- chanismus erzielbar und wirkt weder so continuirlich, noch so scharf regulirbar wie die Luftschraube. Auch ist die Vorherberechuung des Effectes des Flügelschlages weit schwieriger. Nr. 52. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. ■;:!.-. Es erscheint daher die durch Luftschrauben fort- bewegte Aeroplane als der theoretisch aussichtsvollste Mechanismus und als der einzige, welcher sich in kleinen Modellen, sowie in grösserer Ausführung bereits thatsäch- lich in die Luft erhoben halte. Es ist unglaublich, wie einfach und natürlich jedes Eesultat scheint, wenn es einmal gefunden ist und wie schwierig, so lange der Weg unbekannt ist. der dazu führt . . . Auch die Lenkung der Aeroplane wird einst von Handwerkern mit Leichtigkeit vollzogen werden; nur von einem Genius ersten Ranges kann sie erfunden werden. . . . Heber die Desinfection von Wohnräumen durch Fornialdehyd hat Gustav Philipp im pathologisch-ana- tomischen Institut zu Erlangen Untersuchungen angestellt. („Med. Wochenschr." 20, XI. 1894. Siehe auch „Naturw. Wochcnscbr." vom 27. Mai 1894, S. 260). Die moderne bacteriologische Forschung hat uns zwar zahlreiche Desinfectionsmittel gebracht, doch ermöglicht uns keine derselben in allen Fällen eine zuverlässige Desinfection von Wohnräumen und den darin befindlichen Möbeln und anderen Gegenständen. Wohl lässt sich durch Abwaschen mit Sublimatlösung eine Desinfection von Wänden, Fuss- böden u. s. w. erzielen, jedoch ist ein derartiges Des- infeetionsverfahren häutig mit grossem materiellen Schaden verbunden. Auch ist die Desinfection gebretterten Fussbodens nur durch concentrirte Lösungen zu erreichen, während Polstermöbel, Matratzen und viele andere Gegen- stände durch Sublimatwaschungen überhaupt nicht des- inficirt werden können. Derartige Gegenstände lassen sich zwar sicher durch heissen Wasserdampf sterilisiren, aber erstens steht ein hierzu geeigneter Desinfections- Apparat keineswegs überall zur Verfügung, ferner werden auch bei diesem Desinfeetionsverfahren manche Gegen- stände aufs schwerste geschädigt und namentlich ist mit demselben der Uebelstand verbunden, dass die zu des- inticirenden Gegenstände in nicht desinticirtein Zu- stande erst transportirt werden müssen. Das Verlangen nach einem zuverlässigen und auch sonst brauchbaren gasförmigen Desinfectionsmittel, durch welches man Wohnräume und die darin befindlichen Gegenstände sofort an Ort und Stelle sicher zu desinficiren im Stande ist, erseheint daher gerechtfertigt. Die bisher geprüften gas- förmigen Desinfectionsmittel liefern unsichere und un- genügende Resultate, sind auch für viele Gegen- stände völlig unbrauchbar, so auch das Chlor, welches hinsichtlich seiner Desinfcctions - Kraft obenansteht. Die von anderer Seite betonte ausserordentlich des- inficirende Wirkung der Formaldehyddämpfe veranlasste Verfasser zu untersuchen, ob es möglich wäre, auch Wohnräume durch Formaldehyd zu desinticiren. Diese Versuche fielen sehr günstig aus und ergaben, dass die Formaldehyddämpfe thatsächlich au Desinfectionskraft alle bisher geprüften gasförmigen Desinfectionsmittel weitaus übertreffen, und dass sich mit Hilfe dieses Mittels eine vollständige Sterilisirung eines Wohnraumes wie der darin befindliehen Gegenstände erreichen lässt. Dabei- hat die Desinfection mit Formaldehyd gegenüber der- jenigen mit Chlor den ausserordentlichen Voitheil, dass Formaldehyddämpfe keine nachtheilige Wirkung auf die zu desinlicirenden Gegenstände ausüben. Leider steht der Einführung des Formaldehyd in die Praxis zu ge- nannten Zwecken noch der ziemlich hohe Preis im Wege. Zur sicheren Desiufection eines mittleren Wohnraumes dürften mindestens 8 kg Formalin erforderlich sein. M. Die Hirnpliysiologie hat neuerdings einen Fort- sehritt aufzuweisen, der das Problem des Ablaufs der geistigen Thätigkeit im Gehirn unserem Verständniss er- heblich näher rückt. Der Leipziger Psychiater Professor Flechsig hat unlängst im Laboratorium seiner Klinik die Entdeckung gemacht, dass innerhalb der Grosshirn- oberfläche vier zusammenhängende Komplexe sieh ab- grenzen lassen, die unter sich einen übereinstimmenden anatomischen Bau haben, von den übrigen Thcilen des Grosshirns sich darin aber wesentlich unterscheiden. Diese vier Centreu liegen im vorderen Stirnhirn, im Schläfen- lappen, im hinteren Scheitellappen und in der sogenannten Insel. Die ausserordentlich starke Ausbildung dieser Centren unterscheidet das menschliche Gehirn wesent- lich von dem der Tbiere. Flechsig nennt sie „geistige- oder „Associationscentren", weil sie die Thätigkeiten der Sinnesorgane zu höheren Einheiten zusammenfassen. Beim neugeborenen Kinde sind diese Centren noch nicht vorhanden. Erst nach Monaten, wenn die übrige Hirn- substanz schon durebgehends markhaltig geworden ist, bilden sieh diese Centren aus, mit denen das Kind zu denken beginnt. Die „Associationscentren" stehen unter einander durch zahlreiche Fasersysteme in Verbindung. Im gewissen Gegensatz zu ihnen stellt Flechsig die „Sinnescentren", Sehcentrum, Hörcentrum, Riechcentrum, Tastcentrumu.s. w., welche jenen gegenüber niedere Einheiten darstellen. Sie nehmen die Wahrnehmungen auf, welche durch die äusseren Sinnesorgane dem Gehirn zugetragen weiden. In den Sinnescentren entsteht die Empfindung des Sinnes- reizes. Ihr Inhalt wird aber erst in den Assocjations- centren, mit denen sie durch zahllose Nerveu-Fasern ver- bunden sind, in Gedanken umgesetzt. Die Thätigkeit der Sinnescentren ist nach aussen gelichtet, d. h. sie empfangen den Impuls zu ihrer Function von aussen; die Associations- centren dagegen stellen nur das „geistige Band" zwischen jenen her, sie verarbeiten die Sinneseindrücke, ihre Thätigkeit ist ganz nach innen gerichtet, sie sind die Träger von Allem, was wir Erfahrung, Wissen und Er- kenntniss, was wir Grundsätze und höhere Gefühle nennen, nicht minder auch der Sprache. Die Bedeutung dieser Ceutren tritt besonders klar hervor, wenn mau ihre Eut- wickelung beim neugeborenen Kinde erfolgt. Wenn der innere Ausbau der Sinnescentren — nach dem dritten Lebensmonat — vollendet ist, beginnen sich allmählich die geistigen Centren zu bilden, und immer zahlreichere Nervenfasern schieben sich von den Sinnescentren aus in jene neuen Gebiete vor, dicht neben einander in der Hirnrinde endigend. Es ist im Ganzen nur der dritte Tlieil der Grosshirnriude, welcher in directer Verbindung mit jenen Nervenfasern steht, welche Sinneseindrücke zum Bewusstseiu bringen, zwei Drittel der Grosshirnriude haben mit dieser Function nichts zu thun, sie dienen dem höheren Zweck der „Associationscentren". Das Organ des Geistes, sagt Flechsig, zeigt deutlich eine kollegiale Verfassung; seine Räthe ordnen sich in zwei Senate, deren Mitglieder einerseits Namen wie Gesichtssinn, Gehörsinn u. s. w. tragen, andererseits Associationscentren heissen. Wie die ersteren sind auch die letztereu unter einander nicht gleichwerth. Bei komplicirten geistigen Leistungen wirken sie zwar vermuthlich alle vier zusammen, aber patholo- gische Erfahrungen zeigen uns, dass das eine Centrum intakt, das andere gestört sein kann, es kann /.. Z. die Sprache verworren sein, während die Vorstellungen zu völlig sinnlosen Wahnideen sich zusainmenschliessen. Die 636 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 52. Fähigkeit, Kenntnisse durch die Sprache auszudrücken, ist offenbar an ein anderes Centrum gebunden, als die Fälligkeit, den natürlichen Zusammenhang der Dinge zu erfassen. Die Zerstörung der Associationscentren bedingt die Entwickelung von Geisteskrankheiten. So hat Flechsig festgestellt, dass die sog. Gehirnerweichung (Dementia paralytica) sich meist auf Veränderungen in den geistigen Gebieten beschränkt und zwar durch Schwund der Nerven- fasern bedingt ist. Deshalb geratheu die Gedanken in ein wirres Durcheinander, die Erinnerungsfähigkeit ist ver- loren, der Geist zeugt neue, fremdartige Gebilde, Diese Analyse des geistigen Denkens und seiner Störungen ist ein glänzender Erfolg der Hirnanatomie, die im Verein mit der Psychologie in Zukunft noch mehr Licht in diese dunklen Gebiete tragen wird. Dr. A. Einen wenig bekannten Parasiten des Menschen in Aegypten (Distomuiu heterophyes Sieb.) beschreibt A. Loos neuerdings ausführlieh (Ueber den Bau von Dist. heteroph. Sieb, etc., Kassel, 8°, 1894). Während eines achtmonatlichen Aufenthaltes in Alexandrien und Cairo hatte L. öfter Gelegenheit, diesen bereits 1851 von Bilharz entdeckten Saugwurm eingehend zu studiren. In Alexandrien wurde der Parasit in zwei von neun unter- suchten Fällen beobachtet und auch in Cairo wieder- gefunden; er scheint demnach durchaus nicht so selten zu sein, als man bisher annahm, und es bedarf zu seiner häufigeren Feststellung wohl nur einer genaueren Unter- suchung. Die Thiere messen in grösster Ausdehnung über 2 mm in der Länge und fast 1 mm in der Breite und erscheinen als kleine röthlieh-braune Pünktchen und zwar in jedem Pralle in beträchtlicher Menge. Der Wurm findet sich besonders im mittleren Theil des Dünndarmes, vor- wiegend zwischen den Falten der Schleimhaut, aber meist frei im Darminhalt, und nur selten an der Darmwand festsitzend. Trotz des massenhaften Auftretens und der starken Hautbestachelung glaubt L. dem Parasiten keine wesentliche pathologische Bedeutung beilegen zu dürfen, da niemals Reizzustäude der Darmschleimhaut beobachtet wurden, welche auf diesen Wurm zurückgeführt werden konnten. Besonders wird die Landbevölkerung von ihm heimgesucht, während die Städter und Europäer davon frei sind. Verfasser giebt eine sehr eingehende Be- schreibung des anatomischen Baues. C. Mit der fortschreitenden Bewegung der Grega- rinen hat sich W. Schewiakoff (Zeitschrift für wissen- schaftliche Zoologie, Band 58, 1894j beschäftigt. — Die in den verschiedenen wirbellosen Tbieren lebenden Gre- garinen zeigen häufig deutliche Bewegungserscheinungen, welche von zweierlei Art sein können. Wir unterscheiden erstens Gestaltsveräuderungen und partielle Kontractiouen am Körper der Gregarinen, welche unter Umständen von Ortsbewegungen begleitet sein können; zweitens aus- gesprochene Vorwärtsbewegungen, bei welchen die Grega- rine, mit dem Vorderende vorangehend in der Richtung ihrer Längsachse sich stetig und langsam ähnlich wie eine Diatomee fortschiebt, ohne dass Gestaltsveränderuugen an ihr wahrzunehmen sind Die ersterwähnten Bewegungs- erscheinungen werden durch die Kontraktilität des Körper- plasmas erklärt, die Bewegungsvorgänge der zweiten Art haben, obgleich seit circa 100 Jahren bekannt, bis jetzt noch keine befriedigende Erklärung gefunden. Bütschli verglich die Vorwärtsbewegung der Gregarinen mit der der Diatomeen, an welche sie im Allgemeinen erinnert. Der Unterschied in der Bewegung beider liegt blos darin, dass die Gregarinen immer nur in einer Richtung fort- gleiten, wogegen die Diatomeen bald vor- bald rückwärts sich bewegen. Ferner zeigen die Gregarinen bei ihrer Vorwärtsbewegung nicht das charakteristische Hin- und Herwackelu bezw. die zitternden Bewegungen, welche den Diatomeen eigen sind. Die Bewegung der letzteren wird nach den Unteisuchungen von Bütschli und Lauter- born durch austretende Gallertfäden verursacht*). Es lag nun die Vermuthung sehr nahe, dass die Vorwärtsbewe- gung der Gregarinen durch analoge Vorgänge bedingt sei. Als Untersuchungsobject dienten Schewiakoff Grega- rin :n (Clepsidrina) der Küchenschabe (Periplaneta orientalis), und der Larve des Mehlkäfers (Tenebrio mo- litor) und aus Chrysonelta haemoptera. Bringt man die Gregarinen in eine Eiweisslösung oder 1 % Kochsalz- lösung, die vielfach zur Untersuchung lebender Entopara- siten angewandt wird, in welcher chinesiche Tusche durch Karmin fein zerrieben war, so sieht man schon bei schwacher Vergrösserung, dass die Gregarine gleichsam eine helle Spur hinterlässt, welche gegen die sie um- gebende, gefärbte Flüssigkeit scharf abgegrenzt ist. Da andere Protozoen, wie Amoebeu und Infusorien, unter gleichen Umständen keine Spur des zurückgelegten Weges hinterlassen, so ist es einleuchtend, dass der erwähnte helle Streifen durch irgend eine Substanz, welche die Gregarine ausscheidet, bedingt sein muss. Die hinter- lassene Spur zeigt deutlich den zurückgelegten Weg; zu- erst ist er in der Regel gradlinig, um dann oft in eine Kurve überzugeheu. Die Bewegung der Gregarinen wird dadurch ein- geleitet, dass die in ihrer unmittelbaren Umgebung befind- lichen Körnchen längs der Gregarine von vorn nach hinten zu strömen beginnen. Sie sammeln sich am hinteren Körperende au und dann erst beginnt die Vorwärtsbewe- gung der Gregarinen in einer der Körnchenströmung ent- gegengesetzten Richtung und gleichzeitig damit das Auf- treten des hellen Streifens am Hinterende. Bei genauerem Zusehen bemerkt man in dem Streifen mehrere Längs- reihen von Tuschekörnchen, welch letztere den Eindruck hervorrufen, als wären sie auf der Oberfläche eines dünnen, hyalinen Fadens angeklebt. Solche Körnchenreiheu, welche zuweilen ganze Büschel zu bilden scheinen, kann man auf grössere Strecken hin verfolgen; sie nehmen fort- dauernd an Länge zu, indem ihnen vorne, d. h. vom Hinterende der Gregarine, neue Körnchen augelagert werden. Es lag die Vermuthung nahe, dass von der Gregarine während der Beweguug dünne, homogene Fäden ausgeschieden werden, welche aus einer klebrigen Gallerte bestehen müssen, da die Tusehekürnchen ihnen fest anhaften. Es gelang nun Schewiakoff das Vorhanden- sein derartiger hyaliner Fäden nachzuweisen. Nachdem er Gregarinen unter einem Deckgläschen in einer 1 % Kochsalzlösung mit Karmin mehrere Stunden hatte kriechen lassen, wurden die in der Lösung suspendirt gewesenen Karminköruchen mit durchgeleitetem Wasser vorsichtig fortgewaschen. Es blieben alsdann nur die in Reihen angeordneten Körnchen, welche in der von der Gregarine hinterlassenen Wpur liegen, zurück. Mit sehr starken Vergrösserungen erkennt man alsdann die dünnen gallert- artigen Fäden, welchen die Karminkörnchen anhaften, die nach Färbung des Präparates mit Methylviolett noch deutlicher hervortraten. Die Herstellung solcher Präparate erfordert natürlich bei der Feinheit der Objecte eine ausserordentliche Sorgfalt und Geduld. Schewiakoff giebt in der vorliegenden Arbeit zwei Tafeln mit Abbildungen solcher Präparate, welche theils nach dem Mikroskop *) Nach Otto Müller ist die Bewegung der Naviculeen eine Function von motorischen Kräften, welche durch Plasmaströino an der Oberfläche entfaltet werden. (Ber. d. d. bot. Ges. 12. Jahrg. 1S94. S. 136. — Red.) Nr. 52. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 637 gezeichnet, theils durch einemikrophotographischeAufhahme hergestellt sind. Da nun solche Fällen nur bei den vorwärtsschrei- tenden Gregarinen auftreten, die ruhenden hingegen der- selben vollkommen entbehren, so ist zweifellos, dass in der Bildung dieser Bündel von Gallertfäden die Ursache der Bewegung der Gregarinen zu suchen ist. Den eigent- lichen Bewegungsvorgang hat man sich nun so zu denken, dass die Gregarinen hyaline Gallert- und Schleimfüdcn von klebriger Beschaffenheit ausscheiden, welche bald er- starren, diese Fäden haften an der Fläche, auf welcher die Gregarinen sich befinden. Der auf diese Weise ge- bildete Stiel wird durch fortschreitende Ausscheidung von neuen Gallertmassen immer länger, und da er an der Unterlage fixirt ist, muss nothwendiger Weise eine Vor- wärtsbewegung der Gregarinen erfolgen. Demnach ist die Bewegung der Gregarinen keine aktive, welche durch besondere Bewegungsorgane hervor- gerufen wird, sondern ist nur die unmittelbare Folge einer Ausscheidung von sehr zahlreichen zum Theil ver- klebten gallertigen Fäden, die in ihrer Gesammtheit einen Gallertstiel bilden, an dem die Gregarinen gleichsam wie eine Pflanze an ihrem Stiel emporwächst. Was nun die Geschwindigkeit der Bewegung anbelangt, welche wieder von der Geschwindigkeit abhängt, mit welcher die Gallerte ausgeschieden wird, so scheinen hier verschiedene Faktoren in Betracht zu kommen. Sie wechselt nicht nur bei ver- schiedenen Formen und in verschiedenen Medien, sondern auch bei ein und demselben Individuum zu verschiedenen Zeiten. Exemplare von Clepsidrina munieri aus Cbryso- mela haemoptera, welche in sehr lebhafter Bewegung be- griffen waren, legten den Weg von 1 mm in drei Minuten zurück; bei mittlerer Geschwindigkeit, welche meistens zu beobachten ist, brauchen sie zu demselben Wege neun bis zehn Minuten, bei langsamer Bewegung bis zu 25 Minuten. Ferner ist noch zu bemerken, dass öfters die Indi- viduen, die sieh einige Zeit in lebhafter Bewegung be- funden hatten, dieselbe einstellen, ohne dabei zu Grunde zu gehen. Die Gallertfäden kommen wahrscheinlich aus einer zwischen der äusseren Cuticula und Ektoplasma gelegenen Gallertschicht und zwar als äusserst dünne Gebilde, die wohl erst nachträglich durch Quellung au Dicke zunehmen, worauf sie dann erstarren. Wie Schewiakoff auf sehr dünnen Querschnitten beobachten konnte, ist die Cuticula ihrer ganzen Dicke nach von sehr schmalen, porenartigen Kanälen durchsetzt, die in die darunter liegende Gallert- schicht fuhren, und durch welche die Gallerte austritt. Sobald nun die Substanz der Gallertschicht verbraucht ist, wird die Gregarine so lange in Ruhe verharren müssen, bis wieder neuer Vorrath von Gallerte sich angesammelt hat. Dementsprechend wechselt ja auch die Bewegung der Gregarinen mit Ruhepausen ab. R. form eine andere ist, dass die beiden Höcker nur durch schwache Erhebungen angedeutet werden and schliesslich die Vertheilung und Bildung der Schwielen verseht sind. Nach L. scheinen sie noch recht häufig zu sein, sind aber ausserordentlich scheu, so dass er doch nur wenig schiessen konnte. Schliesslich erwähnt er mich Parasiten aus der Nasenhöhle. L. ];. Wilde Kameele fand G. Littledale (Poe. Zool. Soc. London, Heft 3) in der Wüste von Lob-Nor (Central- Asien); und zwar in ihrem ödesten Theile, „da wo kein Grashalm mehr wächst", scheint ihre Heimath zu sein. Przewalski entdeckte sie dort im Anfang der siebziger Jahre und hielt sie für ursprünglich wild, wohl ver- wildert. Littledale wagt hierüber nicht zu entscheiden, weist aber auf die Ueberreste früherer Städte hin, die durch plötzliche Sandstürme verschüttet wurden. Aus ihnen könnten seiner Ansicht nach die Thiere sehr wohl herstammen. Beschreibung giebt er leider keine; doch geht aus seiner Abbildung hervor, dass die Behaarung eine gänzlich andere ist, wie beim zahmen Trampelthier, dass vor Allem, wie auch Przewalski betont, die Schädel- Die Luftfahrt des Ballon „Phönix" vom i. De- cember d. J. wird in der Geschichte der Aeronautik und Meteorologie stets als eine der wichtigsten Ballonfahrten genannt werden. Menschliche Beharrlichkeit und mensch- licher Muth haben wieder einen schönen Triumph er- rungen, der um so erfreulicher ist, als das gefährliche Wagniss ohne den geringsten Unfall verlaufen ist. Herr Berson, Assistent am Berliner meteorologischen Institut, der an sämmtlichen Fahrten des ..Humboldt" und „Phönix" mit Ausnahme der ersten am 1. März 1893, theilgenoramen hat, ist an dem genannten Tage auf einer fünfstündigen Luftfahrt, welche diesmal in Stassf'urt begann und in der unmittelbaren Nähe von Kiel ihr Ende erreichte, bis zu einer Höhe von 9150 m vorgedrungen. Um diese Kühn- heit in vollem Maasse zu würdigen, muss man bedenken, dass erstens Herr B. die Fahrt ganz allein unternommen hat und ferner, dass die Luft in, jenen Regionen so dünn wird, dass die Luftschiffer meistens schon in einer Höhe von 8000 m das Bewustsein verlieren. Ueberschritten ist diese Zahl bisher nur in vereinzelten Ausnahmefällen, da ein solches Wagniss einer grossen Lebensgefahr gleichkommt, bei welchem z. B. Sivel und Croce-Spinelli an jenem trau- rigen 15. April 1875 in einer Höhe von wahrscheinlich 8600 m ihr Leben einbüssten. Auf der Fahrt vom 4. December aber dürfte über- haupt die höchste Höhe erreicht sein, in welche je ein Mensch vorgedrungen ist, denn die Angabe Glaishers, dass er in Begleitung des Luftschiffers Coxwell auf jener berühmten Fahrt vom 5. September 1862 11272 m er- reicht habe, dürfte auf einen Fehler der nachträglichen Berechnung beruhen; Glaisher hatte damals ebenfalls das Bewusstsein verloren und konnte die erreichte Höhe nur aus den Aufzeichnungen der Registrirapparate später be- rechnen, thatsächlich dürfte er die Höhe von 9000 m kaum überschritten haben. Die Angaben des Herrn Berson dagegen sind über jedem Zweifel erhaben, da der kühne Luftschiffer das Glück hatte, das Bewusstsein auch nicht einen Moment zu verlieren trotz der furchtbaren Kälte ( — 47,6°) und des sehr geringen Luft- drucks (231 mm), während er bei seiner ersten Hochfahrt auf 8000 m am 11. Mai d. J. trotz der Einathmung von Sauerstoff ebenfalls ohnmächtig geworden war. Er meint sogar, er hätte mit Leichtigkeit noch ca. 1000 m höher steigen können, wenn er mehr Ballast bei sich gehabt hätte. Von den praktischen Ergebnissen der Fahrt, welche hoffent- lich recht bald veröffentlicht werden, scheint das Fol- gende für die Allgemeinheit am interessantesten zu sein: Herr Berson hat die Höhe von 6000 m bisher 5 mal überflogen, und zwar in fünf verschiedeneu Monaten, im März, Mai, September, October und De- cember. Dabei fand er in dieser Höhe jedesmal fast genau die gleiche Temperatur ( — 24 bis - 27 , so dass es scheint, als ob die Strahlung der Erdoberfläche und der Temperaturwechsel der Jahreszeiten sich in diesen Höhen schon nicht mehr bemerkbar macht. Das- selbe gilt für die Höhe 8000 m, welche Herr Berson los her zweimal erreicht hat, und wo er das erste Mal (11. Mai — 36V2°, das zweite Mal (4. December) -- 38° beob- achtete. Diese niedrigen Temperaturen beweisen auch gleichzeitig, dass die Ablesungen älterer Luftfahrten, 638 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 52. welche kaum jemals Kältegrade unter - 10 bis — 15° ergaben, dermaassen durch die Sonnenstrahlung beeinflusst sein müssen, dass sie absolut unbrauchbar sind. Dieser durch die Strahlung hervorgerufene Uebelstand ist jezt auch beseitigt, da auf den Fahrten des „Phönix" stets Assmann'sche Aspirationsthermometer verwandt werden, welche in Folge steter Zuführung frischer Luftströme immer die wahre Lufttemperatur angeben. So haben auch andere Umstände mitgewirkt, um die letzte Fahrt des „Phönix" zu einer ungemein ergebniss- reichen zu machen. In der Geschichte der Meteorologie wird der 4. December 1894 ein leuchtender Ehrentag bleiben, der ein glänzendes Zeugniss ablegt von dem Forschungstrieb und dem Wagemuth deutscher Gelehrten. Ueber das Verhalten einiger Pyridin-, Naphtalin- nnd Chinolinderivate im thierischen Organismus macht Rudolf Colin (D. Chem. Ges. Ber. 27, 2904) interessante Mittheilungen. Die Beobachtung von His, dass Pyridin im Organismus in Methylpyridylammouiumhydroxyd CAN /OH \CH, übergeführt wird, fand er bestätigt. Hingegen gab a-Picolin nicht die entsprechende Verbindung, sondern wurde theils unverändert, theils als Verbindung von a-Pyri- dincarbonsäure mit Glycocoll, a Pyridinursäure C8H8No03 = (C5H4N-CO)NH-CH,,-CO,H, ausgeschieden, zeigte also ein ähnliches Verhalten wie andere ringförmig constituirtc Körper. Die beiden isomeren Naphtoesäuren zeigen eigen- thümlicherweise bei verschiedenen Thieren abweichendes und zwar geradezu entgegengesetztes Verhalten. a-Naphtoe- säure wird vom Kaninchen unverändert ausgeschieden, vom Hunde hingegen wenigstens theilweise als Glycocoll- Paarling, a-Naphtursäure. Die ß-Naphtoesäure hingegen geht beim Kaninchen theilweise in ß-Naphtursäure über, während diese beim Hunde nicht nachzuweisen war. Von Methylderivaten des Chinolins wurden Chinaldin und o-Methylchinolin im Organismus bis auf geringe Spuren zerstört, während p-Methylchinoliu wenigstens zu einem kleineu Theil in p-Chinolinearbonsäure überging. Paarung derselben mit Glycocoll wurde nicht beobachtet. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Botaniker Dr. Preuss zum Leiter des botanischen Gartens in Victoria; Civilingenieur Teischinger in Graz zum ordentlichen Professor des Strassen- und Eisenbahn- baues an der technischen Hochschule daselbst; Adjunct Dr. Prus in Lemberg zum Professor für experimentelle Pathologie an der dortigen Universität und Privatdocent Dr. Nussbaum ebendort zum Professor der Anatomie und Histologie. Es starben: Der Astronom, Meteorologe und Klimatologe Franzesco Denza, Director des vatikanischen Observatoriums in Rom; der Pteridologe Prof. Dr. Max Kuhn, früher Oberlehrer am Berliner Königstädtischen Realgymnasium, in Friedenau; der Professor der Medizin und Oberstabsarzt erster Classe Josef Schröter, ein hervorragender Pilzkenner, in Breslau. L i 1 1 e r a t u r. Brockhaus' Konversations-Lexicon. 14. vollständig neubearbeitete Auflage. In 16. Bänden. 12. Band Morea— Perücke. Mit 183 Tafeln, darunter 10 Chromotafeln, 26 Karten und Pläne und 211 Pentalabbildungen. F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien 1895. — Preis 10 M. Der wiederum reich und gut illustrirte Band 12 des Brock- haus'schen Lexicons entspricht in jeder Beziehung den Erwar- tungen, welche die bereits erschienenen Bände erregt haben. Jeder Band erbringt den Beweis, dass das Lexicon sich bemüht, noch das Wichtigste des Allerneuesten zu berücksichtigen ; so finden wir in dem vorliegenden Bande schon des neuen Zaren Nikolaus II. gedacht eine Abbildung des Reichstagsgebäudes, dem Artikel ..Parlament-' beigegeben, fehlt nicht. Konrad Beyrich, Stoff und Weltäther, eine leichtfasslich ge- schriebene Naturanschauung mit Gründen für die Auffassung des Weltäthers als Stoff und seiner bedeutsamen entscheidenden Rolle bei allen Naturerscheinungen. Speculative Resultate nach inductiv-naturwissenschaftlicher Methode. Selbstverlag des Ver- fassers, Herischdorf bei Wannbrunn in Schles. und Commissions- Verlag von Max Leipelt in Warmbrunn 1894. - Preis 3 M. Der Verfasser ist zweifellos ein eifriger Jünger der Natur- wissenschaft ; nur der Gang der naturwissenschaftlichen Erkennt- niss ist ihm ein zu langsamer, die heutigen Lehren noch zu com- plicirt, und er schafft sich eine eigene, einfache Naturerscheinung, welche, basirend auf den bisherigen Erkenntnissen, alle Er- scheinungen unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt fassen will. Er geht aus von der durch die Wissenschaft nur vorsichtig an- gedeuteten Existenz des Aethers, dessen Vorhandensein nur in- direct zu beweisen ist. Diesem Weltäther giebt er den Namen „Oxytin"1 und sucht nun durch diesen Stoff alle wichtigen Vor- gänge bei physikalischen und chemischen Erscheinungen zu er- klären. Die Art und Weise, wie er dabei verfährt, ist hübsch durchdacht und consequent durchgeführt. Zum Schluss sucht der Verfasser sogar eine Entstehung der Welt durch seine Oxytin- Hypothese zu erklären, setzt sich aber dabei mit den Thatsachen in Widerspruch, insofern, als er gezwuugen ist, das Erdinnere als gasförmig anzunehmen, eine Ansieht, die nach den Berechnungen von George Darwin über die Erddichtigkeit wohl kaum noch auf- recht erhalten werden kann. Selbstverständlich kann die Arbeit auf die Bezeichnung als wissenschaftliche Hypothese keinen Anspruch machen; man hat es nicht mit einer Hypothese zu thun, sondern mit einer Spe- culation. Die Wissenschaft kann nur mit Erfahrungstatsachen rechnen und mit solchen Theorieen, auf welche der Gang der Er- kenntniss mit Notwendigkeit hindrängt, aber nicht mit den Er- zeugnissen der Phantasie, wo jederzeit Dutzende für eine erdacht werden können, die ebenso umfassend und einfach sind, als das vorliegende. Nichtsdestoweniger ist es immer interessant, solche Specuiationen. wenn sie sich nicht als wissenschaftlich aufdrängen, kennen zu lernen, und manche Anregung zum Nachdenken kann man in jedem Fall daraus schöpfen. Besonders hervorzuheben sind die sehr guten Bemerkungen des Verfassers im Kapitel XIX über die Beziehungen des Menschen zu den höchsten Problemen des Weltenräthsels. K. Schumann, Lehrbuch der Systematik, Phytopalaeontologie und Phytogeographie. — 8". 705 Seiten Mit zahlreichen Textfiguren und 1 Karte. — Stuttgart (Enke) 1894. — Preis 16 Mark. Obwohl in den letzten Jahren zahlreiche Lehrbücher der Botanik erschienen sind, war ein Lehrbuch der botanischen Syste- matik dennoch zu einem grossen Bedürfniss geworden. Denn in jenen war die Systematik entweder gar nicht berücksichtigt worden oder aber nur in ausserordentlich nebensächlicher und untergeordneter Weise. Man musste durchweg den Eindruck er- halten, dass die Verfasser sich in der systematischen Wissenschaft nicht zu Hause fühlten oder aber dieselbe für einen untergeord- neten Zweig der Botanik hielten. Nur der war zur Schaffung eines solchen Lehrbuches der geeignete Mann, der wie der Verf. auf den verschiedensten Gebieten der Systematik monographisch gearbeitet, der durch eingehende morphologische Arbeiten selbständig sich die Kenntniss von den Blütenverhältnissen der Pflanzenfamilien erworben hatte und der endlich im Stande war, durch flüssige und klare Darstellung eine trockene und ermüdende Aufzählung der systematischen Thatsachen zu vermeiden. Für den Lehrer nicht minder wie für den Studirenden hat aber das vorliegende Werk deshalb noch einen ganz besonderen Werth, weil hier zum ersten Mal die Phytopalaeontologie und die Phyto- geographie in dem Rahmen eines Lehrbuches erscheinen; d. h. wir finden hier diese Wissenschaften in der Weise dargestellt, dass der sich nicht speciell mit ihnen beschäftigende Botaniker alles findet, was er zu einer genaueren Orientirung braucht. Und das ist gewiss ein sehr grosser Vortheil. Denn es steht zweifellos fest, dass diese Wissenschaften nur deshalb bisher als in jeder Weise untergeordnete Disciplinen behandelt wurden, weil ein grosser Theil der Botaniker die nothwendigen, zeitraubenden Quellenstudien unterliess, die bisher nothwendig waren, um ein übersichtliches Bild von der Ausdehnung und der Gliederung der Phytopalaeontologie und der Phytogeographie zu erlangen. Es sollen nur kurz die hauptsächlichsten Vorzüge des Lehr- buches angeführt werden, wie denn bei einem Werke von diesem Umfange und Gehalt natürlich nicht näher auf den Inhalt ein- gegangen werden kann. Nr. 52. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 639 Verf. schliesst sieh mit wenigen Aenderungen durchweg dem von Engler in seinem „Syllabus" veröffentlichton System an und berücksichtigt stets die Ergebnisse der neuesten systematischen Bearbeitungen der Pflanzengruppen, wie sie hauptsächlich in den „Natürlichen Pflanzenfamilien" niedergelegt worden sind. Die Kryptoga n werden in sehr eingehender Weise dargestellt, be^ sonders mit Rücksicht auf ihre Entwickelungsgeschichte, wobei durchweg versucht wird, mir den Entwickelungsgang einer oder weniger Arten in jeder Gruppe ausführlich vorzutragen, dagegen ein Anführen von die LTebersicht störenden, nebensächlichen Formen zu vermeiden. Grosser Werth wird darauf gelegt, die einzelnen Stämme der Kryptogainen — soweit natürlich angängig — aus einander abzuleiten," ebenso auch darzustellen, in wiefern man die Phanerogamen auf die Kryptogainen zurückführen darf. Die schwierigen und oft nur unvollkommen zu erläuternden \ erhält- nisse werden hier gerade in bester Weise durch die zahlreichen Textfiguren klar gemacht, wie überhaupt die vielen Abbildungen, welche zum Theil Originale darstellen, den Werth des Buches noch wesentlich erhöhen. Als ein ganz besonderer Vorzug muss jedoch hervorgehoben werden, dass es dem Verf. gelungen i.-t, eine anregende, lebendige Schilderung der Phanerogamen zu gehen, deren trockene Dar- stellung doch sonst fast durchweg dm Schrecken der Studirenden bildet. Es gelang ihm dies dadurch, dass er in sehr zweck- mässiger Weise Ausführungen über Cultur und Nutzen wichtigerer Pflanzen eintliessen Hess, dass am Schlüsse jeder Familie genaue Angaben über Biologie. Entwickelungsgeschichte und Morphologie und über die mit Sicherheit erkannten fossilen Formen gegeben werden und dass endlich auch die Ergebnisse der vergleichend- anatomischen Durchforschung, soweit sie systematischen Werth besitzen, kurz berücksichtigt werden. — Gerade aus letzteren Gründen wird auch für den Lehrer die Benutzung des Buches von grosser Bedeutung sein, denn dieses erspart ihm in sehr vielen Fällen ein zeitraubendes Suchen in zerstreuter Litteratur. In der Phytopalaeontologie wird uns in grossen Zügen ein Bild von der k'ntw iekclung der Pflanzenwelt gegeben, wobei auch wieder geschickt vermieden worden ist, den Leser durch den Ballast allzuvieler nebensächlicher Xainen zu ermüden. In lebendiger anschaulicher Sprache schildert Verf. die Floren resp. die^ bisher bekannten Florenelemente der vergangenen geologischen Epochen und zeigt in ausgezeichneter Weise, wie sich dieselben allmählich aus einander entwickelt haben. Auf Verwandt Schaftsfragen der angeführten Arten brauchte hier nicht aufmerksam gemacht zu werden, da wir diese samm.tlieb.en Verhältnisse ja schon im syste- matischen Theil eingehend kennen gelernt haben. Dil- Pflanzengeographie wurde im Anschluss an Engler's „Entwickelungsgeschichte der Pflanzenwelt'' dargestellt und basirt auf den beiden Vorhergehenden Abschnitten, d. h. die Vertheilung der heute vor uns stehenden Vegetation über die Erde wird aus ihren verwandtschaftlichen Verhältnissen und aus ihrer chronologischen Entwicklung heraus zu erklären versucht. Wenn die hier nieder- gelegten Angaben selbstverständlich auch nicht genügen, um auf sie bin allein ein eingehenderes Studium der Pflanzengeographie zu basiren, so reichen sie doch für den Studirenden reichlieh aus und sind infolge, ihrer anziehenden Darstellungsweise ausserordentlich geeignet, die Liebe zu dieser interessanten Diseiplin zu erwecken. Ernst Gilg. Prof. Dr. Carl Arnold, Eepetitorium der Chemie. Mit be- sonderer Berücksichtigung der für die Medicin wichtigen Ver- bindungen sowie des „Arzneibuches für das Deutsehe Reich" und anderer Pharmacopöen namentlich zum Gebrauche für Me- diziner und Pharmaceuten. 6. verb. u. ergänzte Aufl. Leopold Voss. Hamburg u. Leipzig 1S94. — Preis 6 M. Wir freuen uns eine Neu -Auflage des guten Buches anzeigen zu können, dessen 1. Auttage 1884, 2. 1887. 3. 1889, 4. DHL' und 5. 1893 erschienen ist. Sie sind immer schneller auf einander ge- folgt, ein Beweis, welche Beliebtheit das Buch gefunden hat. Verf. bemerkt, dass das Buch auch als kurzes chemisches Hand- wörterbuch besonders zur raschen Orientirung über alle neuen. wichtigen, chemischen Verbindungen dienen kann. In der That ist es trefflich dazu geeignet und daher für die Bibliothek eines jeden Naturforschers werth, .11 durch das [ i iteto, aus- führliche Regi ter, das nicht weniger als 53 Seiten umfasst. Konrad Fuss und Georg Hensold, Lehrbuch der Physik für den Schul- und Selbstunterricht. 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Das kleine lieft umfasst 83 Seiten und ist trefflich geeignet, iu das Gebiet der Photographie einzuführen : die Kürze desselben wird der Anfänger als einen Vorzug empfinden, da er leicht — wenn er gleich umfangreiche Compendien zur Hand nimmt — den Wald vor Bäumen nicht sieht. Es wird besprochen der photographische Apparat, die Aufnahme, die Entwickelung, die dabei vorkommenden Fehler und besondere Vorschriften bei der- selben, das Verstärken, Abschwächen und Fertigstellen di - tivs, 'las Herstellen der Positive, die Handcamera und Moment aufnähme, die Production und Vergrösserung, farbenempfindliche Aufnahmen, die Aesthetik der photographischen Aufnahme und endlieh die Photographie bei künstlichem Licht. G. Pizzighelli, Anleitung zur Photographie für Anfänger. 6. Aufl. Mit 14-2 Holzschnitten. Wilhelm Knapp. Halle a. S. 1894. — Preis 3 M. Die 5. Aufl. haben wir erst im vorigen Bande (VIII p angezeigt. Die rasche Aufeinanderfolge dieser und der vorliegenden Aufgabe gestattete — sagt Verfasser — keine wesentlichen Aenderungen. Das Werkchen „wurde nur bezüglich Aufnahme neuer und Ausscheidung veralteter Theile revidirt". Poetsch, J. S. und C. B. Schiedermayr, DD , Systematische Auf- zählung der im Erzherzogthum Oestcrreich ob der Enns bisher beobachteten samenlosen Pflanzen (Kryptogamen). Wien. — 5 M. Poincare, Dr. H., Mathematische Theorie des Lichtes. Berlin. - 10 M. Schmeltz, Conserv. J. D. E , Schnecken und Muscheln im Leben der Völker Indonesiens und Oceaniens. Leiden. 1,50. Sokolöw, Landesgeolog N. A., Die Dünen. Berlin. — 8 M. Zirkel, Prof. Dr. Ferd., Lehrbuch der Petrographie. 2. Aufläge. 3. (Schluss-)Band. Leipzig. — 17 M. Briefkasten. Hrn. Dr. Philippoff in St. Petersburg. 1. Die ersten Veröffent- lichungen Barfurth's (nicht „Barfourth") über Regeneration sind erschienen im Biolog. Centralbl. 1S8G. Nr. 20, Anatom. Anzeiger 1. Bd. 1886, 3. Bd. 1888, 6. Bd. 1891; Archiv für mikroskop. Anatomie, 37. Bd , 1891. Eine Erwiderung Kölliker's ist uns nicht bekannt geworden. 2. Anatoniische Untersuchungen über die weisse Behaarung der Polarthiere scheint es nicht zu geben. Die Erneuerung hierdurch in des Abonnements Erinnerunji geneigte wird den geehrten Abnehmern dieser Wochenschrift gebracht. Die Verlagsbuchhandlung. Inhalt: Dr. J. Behrens: Noch ein Beitrag zur Geschichte des ..entdeckten Geheimnisses der Natur." - Dr. G. Lindau: Die Organismen im Saftflusse der Laubbäume. — G6. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien. III. — Ueber Desinfection von Wohnräumen durch Fonnaldehyd. — Hirnphysiologie Ein wenig bekannter Parasit de.- Men- in Aegypten. — Die fortschreitende Bewegung der Gregarinen. — Wilde Kameele — Die Luftfahrt des Ballon „Phönix" vom 4. December d. .1. — Leber das Verhalten einigen- Pyridin, Naphtalin- und Chinolinderivate im thierischen Organismus. Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Brockhaus' Konversations-Lexicon — Konrad Beyrich, Stoff und VVeltäther, eine leiehtfasslieh geschriebene Naturanschauung. — K Schumann, Lehrbuch der Systematik, Phytopalaeontologi id Photo- graphie. — Prof. Dr. Arnold, Repetitorium der Chemie. - Konrad Fuss und (borg Hensold, Lehrbuch der Physik für den Schul- und Selbstunterricht. — Dr. A. Miethe, Grundzüge der Photographie. — G. Pizzighelli. Anleitung zur Photographie für Anfänger. — Liste. — Briefkasten. 640 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 52. Sammlungs-Schränke für Sammlungen jeder Art in den verschiedensten Ausführungen. Rudolph Zwach Tischlermeister. BERLIN, Invalidenstrasse 101. Lieferant der Ivönigl. Berg-Aka- demie, Landwiithschaftl. Hoch- schule und Museum für Natur- kunde. atent- technisches , und A Verwerthung-Bureau "■ Betche. Berlin S. 14, Neue Rossstr. „Unser Hausarzt" IVocricnfcfyrift für (Scfuni>bcits- yflcixc, Haturhctlf uti&c u. gcbciis- huift, Ijerausa. nott Dr. med. j et] lau er Berlin W. H, foftet Dtertelj. \ HTarf bei allen poft= ämtent u. Sudjrjanblnngen. probeuummer foftenfrei. LlSSOgrSä^^C >' 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Ferd. Düniuilers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Soeben erschien: Zwölf Geduldspiele Zauberquadrate, Rösselsprung-Bildungen, Boss - Puzzle, Nonnenspiel, Spaziergänge der Pensionatsdamen, Um- füllungs-Aufgaben, Rundreise-Spiele u. s. w. für Nichtmathematiker zum Zwecke der Unterhaltung historisch und kritisch beleuchtet von Prof. Dr. A. Schubert in Hamburg. 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Diese Sternkarten werden geliefert'. als Atlas (je 1 Ex. der 12 Karten enthaltend) in Lederpapierumschlag geh-, als Block (10 Ex. einer Karte enthaltend) auf Pappe, mit Gebrauchsanweisung. Exemplare des Atlas oder der Blockausgabe sind zum Preise von I Mark durch jede Buchhandlung zu beziehen. IVKUHEITETV: Transportable Dunkelkammer, zusammenlegbar mit Tisch und Kegal. Voll- - J. standig lichtdicht. 2 m hoch, je 1 m breit und tief. Sehr geeignet zur beliebigen und schnellen Aufstellung. Preis M. 47, - , Verpackung M. 6,—. Album ™" auswechselbaren Blättern. Hochfeine Ausstattung. Die Blätter können einzeln nachgeliefert werden. Formate: Lang 16/24 ein M. 6,75. — Hoch oder lang 24/32 cm M. 8,50. BlitZlaiiiOe lur Moment-Aufnahmen bei Lampenlicht in geschlossenen Bäumen =-— Kein explosives Pulver nöthig. Incl. Schlauch und Birne M. 0,50 GlailZ-LaSUrfarb6n bedecken die Photographieen transparent. Verfahren sehr einfach und leicht Eleg. 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Bernstein, Berlin SW. 12. in Berlin. — &i h 4?*m *">v ?$r%,T t ..üfilk*' ;^%''';'' >\ , ^ i''"1"'!!!.!..' !,-:'" 'JMS «gh^A/ft * 4 f -& , i'ili' .' ' "■- ■ iiiiji' ••. 1. " " v iiiin' 'ri1'" "'. ' >' ri "V1* 1 >4» "« ' ^ ft> A "•■ V >?< • '■>*.**• <-#* V ^