v^.-4^ ■> *t '- - > • f Hai»' . i'-i'ßk 'f^. 4 V^'-. ? \K'k ''' „.H.'::..'.*-'r«"..'.. ep..i; 1 h .",(ff';JiS ■'2{ r^: Kedigirt von Dr. H. Potoiiie, Doeeuteii der Pflanzenpalaeoiitdlogie an der Kgl. Bergakademie zu Berlin und (ireologen an der Kgl. Preuss. geologischen Landesanstalt. ~$^m<—^ ZEHNTER BAND >4- (Januar bis December 1895). -f^ BERLIN. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. Inhalts -Verzeiehniss. Die Original-Abh.indlungcn. -Mittheihingen und -Abbildung-en sind durch die Beifügung der Abkürzung „Orig." gekenn- zeichnet; ausserdem sind viele Autoren an den Referaten über ihre Arbeiten dadurch betheiligt gewesen, dass sie die Correcturen gelesen haben. Allgeineiues und Verschiedenes. A 111 111 o 11 , Vererbung „erworbener* Kin'enscliaften (Orig.) 38G Franke, Zur Erinnerung an das Sclmeicleniiihler Brunnen - Unglück (( )rig. m. Orig -Abb ) 1 Hansen u. Lehmann, Experimente üb. d. sog. Gedankenübertragung . 596 L o m b r 0 s 0 . Forschungen üb. die Töne und die Musik j9 M ü 1 ler-Lj'er, Zur Lehre v. d. opti- schen Täuscliuiigon(m. Orig.-Nachb.) 509 Thomas. Eine optische Täuschung bei GipfebAussiehten (mit Abb.) . o88 Wagner, F. v., Problem der Ver- erbung .519 Angelegenheiten der ,Naturw. Wochen- schrift" 139, 163 Tliierischer „Magnetismus" 4"2o Philosophie. Forel, Gehirn u, Seele 44 Klein, Philosophie der reinen Erfah- rung (Forts.) 4.j3 .Schmidkunz, Psychologische Spiele- reien 565 Anthropologie. Amnion. Warum siegten die Ja- paner? (Orig.) 129 — , Xaturw. Gesellschafts-Theorie . . 446 — , Livi s Auslegung graphischer Dar- stellungen in der Anthropometrie (Orig. mit Orig.-Nachb.) 532 Berti Hon, Das anthropomet. Signale- ment -280 Borgmann. Die Schwalm und ilire Bewohner 445 Buschan, Kriminalaiithropologie . . 431 Dubois, Der Aft'enraensch (Pithecan- thropus erectus) . . . 70, 81, 432, 539 Fritscli, Kunst und Anthropologie . 433 Hennig und Potonie, Bemerkungen zu Animoii's Gesellschaftstheoric (Orig) 462 König. .Anzahl (k'r iintirscheidbaren Spectralfarhen und Helligkcitsstufeii 210 Kolbe u. Matschie. Affenincn.«ch (Orig. 1 70, 81 K oll in an 11. I'vginaecnlJasso der \'or- zeit . . ." ' 7 Kosiniia, PriUiist. Ausbreitung der Ueriiiancn 444 Lewin, Die Pfeilgifte 207 Livi, siehe Ammou. Seite N eh ring, Foss. Menschenzähne aus dem Diluvium von Taubach bei Weimar (Orig. m. Orig.-Abb.) . . 369 — , Fundschicht d. mensclil. Molars a. d. Diluv. V. Taubach (Orig.) .... 522 — , Ein pithecanthropos-ähnlicher Men- schenschädel aus den Sanibaquis von Santos in Brasilien (Orig. mit Orig.-Abb.) 549 Pcan u. Hallopeau, Pseudoherma- phroditen 216 Ranke, Anthropologie des Rücken- marks 432 v. Sc hack, Grenze der tiefsten Töne 185 Schaefcr, Haltung u. Haltungsstypcn des Menschen (Orig.) 363 Schmelz, Gebrauch der „Ostereier'' . 198 Virchow. Keltenfrage 444 — , Marsch, Rosenberg. Martin, Pithecanthropus erectus 5-10 Waldeyer, Anthropol. Stellung der Geschlechter zu einander .... 429 — , Pithecanthropus 432 Der feinere Bau des Centralnerven- systems 473 Zoologie. A 1 b u , Einheitliche Säugethierfauna der Galapagos 32'' Barfurtli, Regenerationsfähigkeit der Frosch-Extremitäten 160 Bartheis, Histologie der Speiseröhre der Vögel 521 van Bemnielcn, Zur vergleichenden Anatomie der Schildkröten . . . 539 Bon vier, Ueber Einsiedlerkrebse . . 266 Brauer, Encystirung von Actinosphae- rium 281 B ü 1 1 i k o f e r , Expedition nach Central- Borneo 538 B u n t i n g s , Statische Labyriuththeorie 185 Chevreux u. de Guerne, „Tisclige- uossen" auf Meeresschildkröten . . 126 Chun u. a., Verhalten der Keimblätter bei der Knospenbildung .... 124 Dreyer, Der geschichtliche Gang der Rhizopodenforschung und seine Be- ziehungen zur Geschichte der allge- meinen Biologie (Orig.) 465 Ehlers. Zur Naturgeschichte des Lurchfisches (Lepidosiren) ... 82 Eigenmann, Die Entwickelung von Typhlogobius . 280 Eimer, Ueber Orthogenesis .... 53!) Forel, _Zwischeiifornien" bei Forniica rufa und ihre Bedeutung für dii- Weisinaiiii sehen L Fürst, Javas Wirbeltliiere (Orig.) . . 5Ö5 Seite Hansen, Stigmata an den Beinen der Phalangiden 19!) Hartlaub, Coelenteraten HelgolaiiKls 266 H a rt w ig. Die Krebsthiere der Provinz Brandenburg (Orig.) . . 513, 525. 54t Hatschek, Stand der Keimblätter- theorie (', Hcincke, Fische Helgolands ... 83 — , Mollusken Helgolands 217 — , Echinodermen der Nordsee . . . 374 Hensen, Plankton-Untersuchungen . 538 Hesslor, Ausserordentliche Entwicke- lung der Krätzmilbe 327 Hof er, Krebs mit Extremität statt Auge 98 Hubrecht, Placenta bei Lemuroiden 539 Johns ton, Pupille der Katzen . . 98 .Julin, Legros' Untersuchungen über Entwickelung und Bau der Ge- schlechtsorgane bei den Aseiden und Amphioxus 538 KöUiker, Feinere Anatomie und phy- siologische Bedeutung des sympa- tischen Nervensystems 101 Kükenthal, Untersuchungen an Wal- thieren 9, 243 Lauterborn, Rotatorienfauna des Rheins 218 — , Mikroskopische Wasserfauna von Helgoland .522 — , Kern- und Zelltheile von Ceratium 571 — , Winterfauna einiger Gewilsäer der Oberrheinebene ...'.... 606 Leche, Zahnsystem-Entwickelung der Säugethiere 539 Legros, siehe Julin. Leipoldt, Seesterne 572 Lendenfeld, Laubfrosch und Wetter 47 V. Linden, Köcherjungfern .... 35 Lucks, Entstehung und Bedeutung der Richtungskörper (Orig.)' . 417, 475 Matschie, Die afrikanischen Wild- pferde (z. Th. Orig. mit Abb.) . . 90 — , Die Säugethier- Schau ■ Sammhing des Königl. Museums für Natur- kunde zu Berlin (Orig. mit Orig.- Abb.) 311 Merrian, Geographische Verbreitung der Thiere und Pflanzen iu ihrer Beziehung zur Temperatur . . . 481 Möbius, Thierleben der Nord- und Ostsee (Orig.) ^ 287 — , Eiernester pelagischer Fisclie . . 373 Monier, Halophilo Kerfe 401 Müllenhoff, Kunstbauten der Tliiere 581 Murra)-, Tiefseeforschungen . . . 541 Nehring, Sogenannte Seebären in der Ostsee (Orig.) 2IC — , Die Nascnmilbe der Kcgelrobbe (Orig. mit Urig.-Abb.) "225 .^ s s 2 0 IV Inlialts-Verzcicliniss. Nussbaum, Fortschreitende Differenz der Zellen 481 Parker, Embryonen von Echidna hjstrix _. . 22 — , Systematische Stellung der Kiwis 109 Perrier, Eintheilung der Würmer . 539 Philippi, Giftige Spinne Chiles . . 9 Plateau, Neues über Schutzfärbung bei Thieren (mit Orig.-Nachb.) . . 141 Poläk, Bienen und Coeciden (Orig.) . 327 Pouche t, Planktonstudien .... 2.56 vom Rath, Scheinbare Telegonie . . 265 Reh, Die Schuppen der Siuigethiere (Orig.) . . . . _ . 240 Salensky, Herz- Ent Wickelung beim Frosch 539 Schaudinn, Haleremita cumulaus . 301 — , Camptonema nutans 315 S c h e n k 1 i n g - P r e V ö t , Vogel - Schau- sammlung des Königl. Museums für Naturkunde (Orig. mit Orig.-Abb.) 384 Schmidt, P., Laufspinnen Russlands 534 Seeliger, Geschlechtlich erzeugte Or- ganismen ohne mütterliche Eigen- schaften 219 Semon, Körpertemperatur der Mono- tremen 47 — , Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen 182 — , Embryonische Hüllen und Anhangs- organe der Wirbelthiere .... 539 Th (iel, Aufbau und Auflösung des Kalk- skeletts der Echinodermenlarven . 266 Timm, Copepoden und Gladoceren Helgolands 374 Verhüff, Landarthropoden .... 244 Voigt, Geographische Verbreitung von Planaria alpina 160 Weis mann, Ausbau der Selections- theorie 537 Wetzel, Transplantationsversuche mit Hydra 606 Zacharias, Plankton im Gr. Plöner See 169 Zograf, Bezahnung bei den Knorpel- Ganoiden . . . . ' 539 Die zoologische Sammlung des Königl. Museums für Naturkunde zu Berlin (mit Orig.-Abb.) . Md Grosser Orang-Utan („Jumbo") im zoo- logischen Garten zu Berlin . . . 351 Heuschrecken-Sclnvarm in Freetown . 85 Schneehasen 497 Talegalla-Hühner . 36 i Vogelhaus, neues, des Berliner zoolo- gischen Gartens 364 Botanik. Ascherson, Nachrichten über Solanum rostratum aus dem Jahre 1894 (Orig.) 177 Baenitz, Herbarium Europaeum . . 562 Brehfeld, Ustilagineen 620 Celakowskj', Keductionsgesetz der Blüthen 244 Conwentz, Trapa natans lebend in Ostpreussen (Orig.) 341 — , Seltene Waldbäume in Norddeutsch- land (mit Abb.) 630 Bert helot , Frank , Laurent, Licb- scher, S c h 1 o c s i n g , W i n ü - gradsky, Assimilation desKohlen- stofiTs und Stickstofl's in der Pflanzen- welt 4 Eich 1er und Potonie, Wachsen die Palmen nachträglich in die Dicke V (z. Th. (Jrig. mit Orig.-Abb.) ... 48 Haefcke, Bacteriologische Irrungen und Wirrungen (Orig.) 3(X) Hennings, Sterigmatocvstis Ficuum (Reich ) P. Henn. (Orig.) .... 40 Hock, Genossenschaften in unserer Kiefernwaldflora (Orig.) 22? Ihne, Ueberphänologische Jahreszeiten (Orig.) .•; 37 Seite Klebs, Aus der Physiologie der Fort- pflanzung 591 König, Die historische Entwickelung der pflanzengeographischen Ideen Humboldt's (Orig.) 77 Möller, siehe unter Geographie. — , Protobasidiomyceten 572 Potonie, Phylogenie der pflanzlichen Blatt- nnd Stengel - Verzweigungen (mit Abb.) 433 Schlechter, Angebot Süd- und ost- afrikanischer Pflanzen (Orig.) . . 622 Schumann, Botanisches Museum und Botanischer Garten in Berlin . . . 287 Seelmann, Wohlriechende Hölzer . 552 Wegener, Mikroskopische Merkmale der Basidiomyceten (Orig.) . . . 405 Wettstein, Neuere Ergebnisse der Pflahzengeograpliie 482 Woro n in, N a v aschin und Fischer, Slcerotinienkrankhoiteu 316 Ziege üb ein, Einfluss der Beleuchtung auf Stoffwechsel und Athmuug kei- mendrr Kartoffeln (Orig.) .... 393 — , Bei welchen Wärmegraden ist das Temperaturoptimum und Tempera- turiiia.ximum für die normale Ath- mung verschiedener Pflanzenthcile zu suchen? (Orig.) 577 Palaeoiitologie. E n g c 1 b a r d t , W'as erinnert uns iu Sach- sen an die Pflanzenwelt der Tertiär- zeit V (Orig.) 477 Geinitz,E., Ueber einige rätliselhafte Fossilien (Orig. mit Orig.-Abb.) . . 213 J aekel, Organisation der Cystoideen 597 Keilhack und Nehring, Brasenia im interglaeialen Torflager von Lauen- burg 607 Lütken, Höhlenfauna von Lagoa santa 538 Marsh, Dinosaurier 538 Michael, Zwei neue Pflanzenreste aus dem oberschlesischen Muschelkalk (Orig. mit Orig.-Abb.) 491 Nathorst, Diluviale tjilacialpflanzen bei Tharand 267 Nehring, Ueber neue Fund.e von Klinge bei Kottbus (Orig.) . . . 165 — , Fo.ssile Saiga - Antilope aus West- preussen (Orig.) 50S Potonie, Vermeintliche und zweifel- hafte pflanzliche Fossilien (C>rig. mit z. Th, Orig.-Abb.) 345 — , Zur Herkunft und Entstehung der Schweelkohle (Orig.) 475 — . siehe unter Botanik. Scott, Tertiäre Wirbelthiere . . . 538 Geologie iiud Mineralogie. Credni'r, Phosphoritknollen im Leiji- ziger Mitteloligocän 281 Fiebelkorn, Geologische Ausflüge in die Umgegend von Berlin (Orig. mit z. Th. Orig.-Abb.) 29, 189, 273, 441, 579 V. Fritsch, Lagerungserscheinungen im Diluvium bei Halle 161 Geikie und Chamberlain, Classi- flcation of Glacial Deposits . . . 374 Köbrich, Das tiefste Bohrloch der Erde (mit Abb.) . 582 Koenen und Schur, Pendel-Messun- . gen bei Göttingen 497 Maas, Aeltere Anschauungen über die Ursachen der Erdbeben (Orig.) . . 201 Müller, G., Ueber Quellenbildung und Quellen absätze im nord westdeutschen Diluvium (Orig.) 489 Pelikan, Goldführende Quarzconglo- nierate von Witwatersrand . . . 160 Regel, Der 6. internationale Geologen- congress (Orig. mit Orig.-Nachb.) . 153 Seite Suess, Artesischer Druck und Ozokerit- Gewinnung Wahnschaffe, Geologische Reise- bilder aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika (Orig. mit Orig.- Abbild.) IV. Ueber Butte City nach dem Grossen Salzsee V. Vom Felsengebirge über Den- ver nach dem Osten .... — , Heisse Quellen und Geysire (Orig.) Zache, Die Excursionen der deutschen geologi-chen Gesellschaft 1895 (Orig.) Ant'ruf wegen Erdbeben im schlesischen Gebirge Bonifacius-Pfennige Entstehung der Feuersteine .... 401 13 249 288 501 305 296 354 Physik. B a n d r o w s k i , Liehterscheinungen wäh- rend der Krystallisation 72 Biemacki, Einfache objective Dar- stellung der Hertz'scben Spiegelver- versuche 438 Looser, Thermoskop 288, 343 Mewes, Die MaxweH'sche Theorie des Elektromagnetismus im Lichte der Vibrationstheorie (Orig.) , . . . 53 — , Die Elektricität im Lichte der Vi- brationstheorie (<-)rig.) 568 Pfeil, Töne als bewegende Kraft (Orig.) 381 Scliwartze, Ueber die Wirkung der mechanischen Naturkräftc (Orig.) . 589 Mathematik. Ilehnholtz, Grundlagen der Mathe- ijiatik und Mechanik 634 Kli'iii, Rieinann und seine Bedeutung für die Entwickelung der modernen Mathematik 33 Schubert, Procentsatz der Individuen ohne Nachkommen in einer Lebens- genossenschaft (Orig.) 357 — , Ueber eine beim Aufbau des ab- soluten Maass- Systems begangene Inconseciuenz (Orig.) 613 Astronomie. Baiiiard. Ausgedehnte Nebelflecke . 61 Bolopolsky und Deslandres, Zur Spectralanalyse des Fixsternlichtes 631 Brenner, Veränderungen auf dem Monde V (Orig. mit Orig.-Abb.) 18, 63 — , Thätigkeit der Manora-Steruwarte 1894 (Orig.) 333, .379 — , A'eiuis-Kotation 414 Campbell, Hat M;irs eine Atuio- sidiäre? 137 Keeler, Bewegungen der Nebelflecke iu der Gcsichtslinie 220 — , ZiisannuensetzUng des Saturnringes 439 Schmidt, Sonnentheorie 317 V ogelgesan g, Feuerkugel beobachtet bei St. Ingbert (Pfalz) 610 Wolf, Kleiner Planet mit ganz eigen- artiger Bahn 23 Meteorologie. Assmann, Wissenschaftliche Ballon- I fahrten der letzten Jahre .... 560 Deckert, Eis und Schnee in den süd- lichen Ai)palachen (Orig. mit Orig.- Abb.) 237 Hennig, Ungewöhnliche Blitzent- ladungen (Orig.). ....... 65 H i I d e b r a n d s o n , Sehr grosse Wolken- hölie 257 Hoppe, Mechanische Kraft i'ines Blitz- strahls 257 Inhalts -W'ry.eiolniiss. Seit« Krolis, Kegonliogi'u ((Irig.) .... 449 Mc. Ailie, Ulitzbcobaclituiigcu am Wiisliiiigtoii-Oljoliskoii 474 Sehne idfr, Kntsteliiiiii;- und Prognose der Wirbolstürnu* 327 S tcin voit li, Irilii-liter 31(j Ule, Einfluss der Binnenseen auf das Klima (Orig.) :iil7 Grosse Stiirmtluth in Helgoland ... S6 Salzst.-iul) in der Atmosphäre .... 256 Witterungsberirhte. monatliche -'ö. 7o, 12G, 18(i. •2äö, •2S2, 342. 390. 450, 498, 546, 610. Chemie. Berthelot, Argou in chemischen Ver- binilungen 234 F i s c h e r , Configuration und Wirkung der Enzyme 22 — . Tlieorie und Anwendung der Kohlen- hy.b-ate 289 — . Dem Amygdalin ähnliches Glucosid 413 Gabriel, Neue Methoden der Gas- Analyse und Zusammensetzung der .\tniosphäre 293 Jahn. Theorie und neuere Anwendung der Elektrochemie 291 Kayser, Helium in freier Form . . 4lii L i n t n e r und D ü 1 1 , Abbau der Stärke durch Wirkung der ().\alsäure . . 413 Mi'ver. Probleme der Atomistik . . 625 Moissan, Einwirkung hoher Tempe- ratur auf Metalloxyde 257 Ostwald, Chemische Betrachtungen . 302 Ramsay. Noch ein neues Gas?. . . 234 Rayleigh, Ramsaj' u. a., Das neue Gas (Argon) in der Atmosphäre . 148 T i e m a n n und K r ü g e r , Nachweis von Jonon und Iron 402 Wolf f. F. A., Magnetismus und che- mische Thätigkeit 376 Wolf f. W., Ueber Nitrocellulose (Orig.) 293 Verhältniss der Cokes-Asche zur Cokes- Schlacke 222 Geoarraphie und Yerwaiultes. Bau mann, Durch Massai-Land zur Nilquelle 134 Borgen, Gezeiten 338 Buchenau. Die ostfries. Inseln. . . 340 Bücking, Wesercorrection .... 339 Drygalski, Neuniayer und Van- iiöffcn. Südpolarforschung . . . 337 Forel. Physikalische Verhältnisse des Bodensees 109 V. Götzen, Reise quer durch Central- Afrika ......... 145, 338 Krünimel, Nautische Institute und Geographie 338 Leb m a n n , R., Bildungswerth der Erd- kunde 338 Maass. Thätiger Vulcan im Innern Frankreichs '(Orig.) 125 — , Reduction Helgolands im Verlauf der Jahrhunderte (Orig.) .... 219 Müller, Aus Sa. Catharina, Brasilien. 3. Aus der „Colonie" Blumenau (Orig. mit Orig.-Abb.) 261 Regel. Der 11. deutsche Geographen- tag in Bremen (Orig.) 337 Tacke, Nutzbarmachung und Volks- wirt hschaftlicheBedeutung der nord- westdeutschen Meere 339 Wagner, Räthsel der Compasskarten 338 Touristen-Expedition um Afrika . . . 235 Uuterricht. Schmidt, Das Zeichneu im geo- graphischen Unterricht 288 Schwalbe, Der 5. naturwissenschaft- liche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen (Orig.) 285 Seite — , Anwendung der c(iui|)rimirten Gase beim Unterricht Vogel, Beschaffung des botanischen und zoologischen Anschauungs-Ma- terials Walther, Schulversuch zur Erläute- rung der Gobirgsbildung (< >rig. mit Orig. Abb.). ■ Botanische Modelle von Brendel (mit Abb.) Ferien-Lehrer-Curse in Jena .... Flora artefacta 289 28(i 372 271 257 51 Medizin, Hygiene und A'erwandtes. Basrinsky, Diphtherie-Heilserum . . 35 Bau mm ü. Hin er, Frauenmilch . . 7 Behring, Leistungen und Ziele der Serumtherapie 603 Bonhoff, Gesundheit und Krankheit, geistige und körperliche Arbeit . . 294 Günther n. N i e m a n u , Untersuchung des Berliner Leitungswassers . . . 167 Klemperer u. Levy, Typhus-Heil- serum 37.3 Kobert, Ueber den Kwass .... 279 Krebs, Wirkung der Sandfiltration auf den Keimgehalt des Wassers und der Typhus - Epidemie iu Berlin 1888/89 "OS Laveran, Ursache der Malaria . . . 623 Löhlein u. Skutsch, Wiederholung des Kaiserschnittes an derselben Frau 327 Riedel, Operationen im Gehirn . . 616 Schaefer. Schutz vor Infections- gefahr (Orig.) 255 Weiss, Cholera-Erreger bei niedriger Temperatur S'2 Wem icke, Verbreitung von Krank- heiten durch die Schule .... 293 Landwirthsehaft und Verwandtes. Sorauer, Kiefern-Abbruche verursacht durch Hylosinus piniperda und Be- kämpfung des letztern (Orig.) . .611 Ambulante Bienenzuchtausstellung . . 353 Aufruf zur Zähmung des afrikanischen Elephanten l^'i Technik und Instrumentenkunde. Fr ei sc. Rauch- und schwefelfreie Kohlen- Verbrennung (Orig.) ... 25 Gaswindt, Flugtechnische Aufgaben 170 Gathmann, Ersatz für grosse Ob- jective 364 Joly, Photographien in natürlichen Farben 621 Kos mann, Koopmanu'sche Briquetts (Orig.) 220 Moissau, Neues Leuchtgas (Acetylen) 137 Mo sc hei es. Grenz werthe bei Kessel- anlagen für die zulässige Wasser- beschatt'enheit ........ 24 Ule, Neuer Apparat zum Mesaen von Curven längen (Orig.) 206 Elektrischer Spazierstock (mit Abb.) . 307 Steinbauten und Musealbauteu (mit Abb.) 37 Geschichtliches, Biographieen, Nekrologe, Personalien. Bab. Kenntniss tropischer Cultur- pflanzen und deren Producte bei den Griechen und Römern (('rig.) . 601 Schulze, Karl Möbius zum 70. Ge- burl stage 89 Ehrenberg zu seinem 100. Geburtstage 179 Helmholtz-Denkmal 186 Pasteur f 507 SlMtC Personalien, kurze Angaben von Er- nennungen, Versetzungen. Todes- fällen etc. 10, 26, 36, 50, 62, 74, 86, 98. 112, 126, 138, 150, 161, 172, 186, 199, 210, 222, 234, 24G, 257, 267, 2S2, 295, 305, 318, 330, 342, 354, 365, 376. 390, 402, 414, 425, 438, 450, 463, 475, 484, 499, 511, 523, 535,546,561,573, 586. 598, 611, 622, 635. Vogt, Carl t 254 Vereinswesen, Museen etc. Congress der Deutschen Anthropolo- gischen Gesellschaft 429 Congresse. Wissenschaftliche Versamm- lungen, Vereine 74, 112, 127, 138, 1.50', 161, 186, 222, 235, 246, 267, 295, 318, 354, 377. 429, t39. Geographentag, 11., Deutscher . . . 337 Geologen-Congress, 6 , Internationaler . 153 Geologische Gesellschaft, Deutsche . . 502 Internationale Ausstellung für Amateur- Photographie 622 Internationale Station zum Studium der Steppennatur 439 Internationaler Zoologen-Congress, 3. . 537 Naturwissenschaftlicher Ferienkursus in Berlin für Lehrer an höheren Schulen 161, 285 Preis- Aufgaben 267. 511, 547 Stipendium der Leopoldinisch - Caro- linischen Academie 586 LTrania: Vom Fels zum Meer .... 487 Verein zur Förderung des Unterrichts in der Mathematik und in der Natur- wissenschaft 138, 258, 318 Versammlung der Gesellschaft Deut- scher Naturforscher und Aerzte 33, 377, 591. Zoologische Sammlung des Königlichen Museum für Naturkunde .... 311 Litteratur. Abercromby, Das Wetter .... 331 Achelis, Friedrich Nietzsche . . . 425 Ammon, Gesellschaftsordnung . . . 377 Andre c, Fluthsagen 562 Angot, Aurores polairos 562 Appell et Goursat, Theorie de fonc- tions algebriques 427 Arndt, Kraft und Kräfte 210 — , Chemie 402 Bach manu, Zahlentheorie .... 10 B a u m g a r t n e r , Reisebilder aus Schott- land »30 Bebber, Hygienische Meteorologie . 41o Behme, Geologischer Führer von Harzburg • • • '^^e Bernthsen, Organische Chemie . . 5oo B e r t h e n s o n , Physiologische Mechanik und Buttenstedt'sches Flugprincip . 270 Bezold, Helmholtz 319 Bliedner, Flora von Eisenach . ■ 86 Böcher, Reiheiientwickelungcn der Potentialtheorie 331 Born er, Chemie und Mineralogie . • 562 du Bois, Magnetische Kreise . . • 439 Braun, Thierische Parasiten bei Menschen ^^^2 B r e s 1 i c h u. K 0 e p e r t , Bilder aus dem Thier- und Pflanzenleben . . . . 235 Brock haus' Konversations - Lexikon 365, 391. 49'.i, 622 Buchenau, Flora der uordwestdeut- schen Tiefebene • 258 Büchner. Kraft und Stoff .... 425 Budde, Physikalische Aufgaben . • 313 Cautor, Vorlesuntreu über Geschichte der Mathematik ^' Canu, Meteorologie endogene. ... 50 Carstanjen, Rieh. Avenarius' biome- chanische Grundlegung der neuen allgemeinen Erkeuntnisstheorie . . 598 VI Inlialts-Verzeicliuiss. Seit» Christiansen, Theoretische Physik . 487 Cohn, die Pflanze 599 Constantin, Le monde des plantes . 211 Couta, L'Ondulation universelle . . 547 Coup in, L'aniateur de papillons . . 486 Cr on berger, Blumenpflege .... 426 Crookes, Strahlende Materie . . . 475 Czullik, Lustschloss Laxenburg . . 547 D a m m e r , Handbuch der anoi-ganischen Chemie 175 Dennert. Pflanzenmorphologie. . . 10 — , Die Pflanze 426 Detmer. Pflanzenphysiol. Praktikum 523 Dodel, Moses oder Darwin'? . . . 366 Donneil}-, Atlantis 484 Ehrhardt, Physikalische Wandtafeln 11 Ellis, Mann und Weib 330 Elsuer, Pra.xis des Chemikers . . 427 Engler u. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien 63, 87, 187, 283, 343, 547 Ephraim. Sammlung der wichtigsten Arbeiten über Analvse der Nahrungs- mittel . . . . " 319 Ewart, Emancipation in der Ehe . . 439 Föppl, Maxwell'sche Theorie der Elek- tricität 247 F oll mann, Eifel 75 Forel, Gehirn und Seele 235 Franklin, Amateurpliotographie . . 599 Fried heim. Qualitative chemische Analyse 246 Ganter u. Rudio, Analytische Geo- metrie der Ebene 151 Gauthier u. Charpy, Chimie . . . 283 Grassmann, Gesammelte mathema- tische und physikalische Werke . 150 Green hill. Fonctions ellipti(|ues et leurs applications 599 Greini. Mineralien Hessens .... 426 Gruber, Altbayern im 16., 17. und 18. Jahrhundert 86 Grulich, Katalog der Bibliothek der kaiserlichen Leopold in isch-CaroIini- schen Deutschen Akademie der Naturforscher 26 — , Geschichte der Bibliothek und Xaturaliensammlung der kaiserlichen Leopoldinisch - Carolinischen Deut- schen Akademie der Naturforscher 306 Günther, Phänologie 587 Güssfeldt, Montblanc 283 Gundelfiu ger. Analytische Geome- trie der Kegelschnitte 403 H a a c k e , Schöpfung des Menschen . 574 Haas, Quellenkunde 235 Haase, Feuerungsanlagen .... 63 — , Lüftungsanlagen 63 Heineman n's Kalender für Lehrer an höheren Schulen 139 Helmholtz, Handbuch der physiolo- gischen Optik .50, 174 Henke, Methoden d<'r kleinsten Qua- drate 270 Hertwig, Zoologie 283 Heussi, Physik 403 Hoch heim, Aufgaben aus der analy- tischen Geometrie der Ebene . . 306 Höfler u. Maiss, Naturlehrcn . . . 475 H o izmüller, Elementar-Mathematik 87, 451 Hontheim, Der logische Algorithmus 365 Hoppe, Physik 403 Hrabäk. Hilfstabellen für logarithmi- sche u. andere Zahlenberechnungen 343 Hübner, Geographisch - statistische Tabellen 623 Hu th, Flora von Frankfurt a. O. . . 439 Ihne, Beschreibende Naturwissen- schaften und Chemie 63 Jaccard, Le petrole, l'asphalte et le bitume 499 Kayser, Physik 403 Klebs. Nutzbare Gesteins- und Erd- arten im Gebiete des masurischen SchiÖ'fahrtskanals 268 Seite Klein, Ausgewählte Fragen der Elemen- targeometrie 587 Klimpert, Wiederholungs- und Uebungsbuch zur allgemeinen Physik und elementaren Mechanik ... 87 — , Lehrbuch der Bewegung flüssiger Körper 463 Kny. Botanische Wandtafeln . . . 223 Koch, Flugproblem 87 Kohl, Offlcinelle Pflanzen 586 Kolbe, Elektricitätslehro 587 Ko IIb ach, Naturwissenschaft und Schule 127 Kollert, Physik 427 Krass und Landois, Pflanzenreich 50 — , Zoologie 586 Kraus, Höhlenkunde 75 Krebs, Atmosphärische Kraft- und Pracht-Entfaltung 426 Krone, Darstellung der natürlichen Farben durch Photographie . . . 269 Kurtz, Adam und die menschliche Urheimath 235 Lampa, Naturkräfte und -gesetze . . 562 Lanclsberg, Streifzüge 319 Laska, Formeln der reinen und an- gewandten Mathematik 247 Laue, Ehrenberg 187 Levier, A travers le Caucase . . . 267 Liesegang, Photographische Chemie 26 Lilien thal, Flugapparate .... 87 Lindonberg. Berlin in Wort und Bild . 112 Loew, Blüthenbiologische Floristik . 62 — , Einführung in die Blüthenbiologie 355 Lohse, Planetographie 50 Lombroso, Anarchisten 282 Lommel, Experimentalphvsik . . . 587 Lorscheid, Anorganische Chemie . 450 Ludwig, Biologie der Pflanzen . . 414 Marchlewski, Chemie des Chloro- phylls 523 Marshall, Bau der Vögel . .... 439 Mayrhofer, Apparate und Instru- mente zur Nahrungsmittel - Unter- suchung 306 Me unier, Geologie eomparce . . . 575 Michael, Führer für Pilzfreunde . . 439 Mi IIa. Flugbewegung der Vögel . . 268 Möller, Brasilianische Pilzblumen . 222 — , Protobasidiomyceten 535 Much, Kupferzeit in Europa .... 114 Müller, J., Ursprung und Heimath des Urmenschen 37S, 622 Ne umay r-Uhlig, Erdgeschichte . . 511 Newton, Human - Skul and Linib- Bones 535 Noska, Capra causasica und Capeila rupicapra 486 Oppenheimer, (jrganische Chemie 535 Ostwald's Klassiker der exacten Wissenschaften 379 Part heil und Probst, Die neuen Bahnen des naturkundlichen Unter- richts 112 Peter, Pflanzen-Wandtafeln .... 330 V. Pfeil, Lufthülle der Erde, der Pla- neten und der Sonne 575 Phi lippson und Neu mann, Europa 50 Ploetz, Tüchtigkeit unserer Rasse und der Schutz der Schwachen . . 391 Plüss, Naturgeschichte 74 Poincare, Mathematische Theorie des Lichts 379 Polis, Klima von Maricnbad . . . lUl Priem, La terre - II Rabenhorst, Krvptogauien-Flora . . 391 Ratzel. Völkerkunde . . . . . 62, 378 Rawitz, Leitfaden für histologische Untersuchungen 355 Regel, Thüringen 172, 268 Reichenow, Vögel Deutsch - Ost- Afrikas . . . '. 36 Röi'ig, Leitfaden fiir das Studium der Jnseutca '^91 Seite Rohrbach, Sternkarten 26 Romanes. Weismannsche Theorie . 426 Roscoe-Schorlemmer, Chemie . . 402 Scheffler, Aequivalenz der Natur- kräfte I6ü Scheiner, Mundart der Siebenbürger- Sachsen 487 Schenkung, Nomenciator coleoptero- logicus 62 Schlesinger, L.. Theorie der linearen Differentialgleichungen 367 — , H., Ernährung des gesunden und kranken Menschen 599 Schmeisser, Vorkommen und Ge- winnung der nutzbaren Mineralien in Transvaal 99 Schmidt, Sintfluth 523 Schneider, Emil, VVirbelstürme . . 296 — , Gottfr , Naturphilosophie des Himmels 150 Schubert, Zwölf Geduldspiele ... 51 Schuller, Volksstatistik der sicben- bürgischen Sachsen 487 Schultze, Ernst, Lavoisier. . . . 319 — , Wilh., Herrn., Chemisch - mine- ralogischer Unterricht 75 Schwarz, Sintfluth und Völkerwande- rungen 366 Seelig, Molekularkräfte |63 Seguier, Formes (juadratiques et Multiplication complexe 51 Sievers, Australien und Oceanien . 622 Sokolöw, Die Dünen 163 von den Steinen, Unter den Natur- völkern Centralbrasiliens .... 162 Steinhardt, Chemie 427 S t e 1 1 e n li 0 i m e r , Discussion der Kräfte der cliemischen Dynamik .... 342 Steudel, Pilzkunde" 36 Strasburger, NoU, Schenk und Seil im per, Lehrbuch der Botanik 366 Stricker, Strömende Elcktricität . . 139 T e s 1 a , Mehrphasenströme und Wechsel- ströme hoher Spannung und Fre- quenz 587 Teutsch, Art der Ansiedelung der siebenbürgischen Sachsen .... 487 Turner. Kraft und Materie im Räume 246 Tyudall, Das Licht .•;06 — , Fragmente 330 Verworn, Physiologie .... 485, 499 Wahnschaffe, Tertiär und Quartär von Buckow 74 Walt her, Die Auslese in der Erd- geschichte 366 — , Lithogenesis 378 Wasmann, Verzeichuiss der myrme- kophilen und termitophilen Arthro- poden 485 Weiss, Philosophie des Geschehens . 573 Welter, Die tiefen Temperaturen . 599 Wetterhan, Verhältniss der Philo- sophie zu der empirischen Wissen- schaft von der Natur 426 Wiesengrund, Elektricität .... 599 Winkelmann, Handbuch der Physik 139 Wislicenus, Astronomische Chrono- logie 427 Witte, Das deutsche Sprachgebiet Lothringens 127 Wittstock, Volksthümliches der siebenbürgischen Sachsen .... 487 Wolf, Handbuch der Astronomie . . 451 Wüllner, Experimentalphysik . . . 587 Wünsche, Käfer Deutschlands . . . 547 Z c m m ri c h , Verbreitung und Bewegung der Deutschen in der französischen Schweiz 210 Zimmer, Wesen der Naturgesetze. . 62 Zimmermann, Das Mikroskop. . . 235 Zintgraff, Nord-Kamerun .... 331 Zittel, Palaeozoologie 523 Allgemeiutr Botanisihi' Zeitschrift . . 63 Almanach d. k. Acad. d. Wissenschaften zu Wien 270 Inlialts-Vciv.eicliiiiss. VI! Seite Archiv (lor MiitlieiiKitik iiml Pliysik . 8;!I H Gesellsoliaft 57.') liibliotbeea (ieouraphiea 138 Biieher und Aldiandhingen, List<' im Bnehliandel erseliienenor, 11, 3(), 51, l!3, 7.'), 99, 114, \ö\. 163, 17.i, iP9. •211, 235, 271, 307, 35.'), 367, 379, 391, 415, 451, 463, 487, 523, 575, 587. Hnlletiii iles natnralistes ...... 112 Bnlletin of tlie geological Institntion of tlie University of Upsala . . ■ ■ 175 Bulletin de la soeiete Imperiale des Natnralistes de Moscou ... 11, 223 Compte rendu des travanx presentes a la 77. Session de la Societö Hei- vetiiiue des seiences naturelles . . 623 Deutsche AerzteZeitung 99 Die akademische Laufbahn .... 306 Die Aula 187, 511 E2thn(dogisches Notizblatt 535 Forschungen der deutschen Landos- und Volkskunde 487 Fortschritte der Physik .... 343, 635 Geographische Zeitschrift 319 Jahrbuch der Chemie 511 Jahrbucli iler Elektrochemie .... 307 J.ilu-buch der Königlichen Preussischen geologischen Landesanstaltund Berg- akademie zu Berlin 199 Jahrbuch für Pliotographie und Repro- ductionstechnik 403 Jahrbuch für wissenschaftliche Botanik 127 J.-ihresbericht des naturwissenscliaft- lichen Vereins für das Fürstentbum Lüneburg 270 Journal für reine und angewandte Mathematik 270 Kataloge. . . . . . •. ■ ,-.lL 139, 547 Memoires de l'Academie imperiale des seiences de St. Petersbourg . . . 151 Mittheilungen aus dem Osterlande . • 139 Mittheilungen der naturforschenden Ge- sellschaft in Bern 587 Mittheilungen des Naturwissenschaft- lichen Vereins in Troppau . . 283, 319 Notizblatt des Königlichen botanischen Gartens und Museums zu Berlin , 635 Porträts berühmter Naturforscher . . 210 Hendiconti delhi K. Academia dei Lincei 87, 451 Rundgang durch den Königl. Botani- schen Garten zu Berlin 450 Sitzungsbericht der königl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin . 235, 247 Sitzungsbericht der mathematisch-physi- kalischen Classe der königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften. 26, 151 Ihiterrichtsbliitter für Mathematik und Naturwissenschaft 331 Verbandlungen der Gesellschaft deut- scher Naturforscher und Aerzte . . 296 Verhandlungen diu' Schweizer Natur- forschenden (.Gesellschaft Z(Mtsclirift für angewandte Mikro- skopie Zeitschrift für sociale Medicin . . . Zoologisches Adressbuch Seite 611 296 259 523 Verzeichniss der Abbildiinaren. Abbildungen zum Artikel „Zur Lehre von den optischen Täuschungen" (Orig.-Nachb.) 509 Alces alees (Orig.l 314 Algenähidicbes „Fossil" (Orig.-Nachb.) 361 Antilopenbüffel (<->rig.) 324 A|)parat Ule's zum Messen von Ourven- längen 206, 207 Apparat Walther's zur Erläuterung der Gebirgsbildung (Orig.) 372 Artesischer Brunnen in Schneidemühl (Orig.) 2 Blick ins alte Oderthal 278 Blüthenstands-Modelle 271 Book Clitts in Utah (Orig.) 250 Bos primigenius, Schädel 195 Calam US spectabilis, Stengelquerschnitte (Orig.) 48 Callipteridium pteridium 436 Callipteris 435 Castle Gate in Utah (Orig.) .... 250 Caulerpa tiliformis Heer (Orig.-Nachb.) 347 Cervus euryceros, Skelett 195 Cervus megaceros var. Ruftii, Geweih 196 Daimoueli.K (Orig.-Nachb.) 349 Dendrophycus triassicus (Orig.-Nachb.) 361 Du'tyomenia volubilis (Orig.) .... 360 Dreikanter 273 Dünnschliff durch Flyschgestein mit organischen Resten (Orig.) .... 348 Elektrischer Spazierstock 307 Elephas primigenius, Habitus und Back- zahn 194 Endmoränenkarte von Brandenburg und Vorpommern (Orig.) 274 Evangelisches Pfarrbaus in Brusque (O'rig.) 262 Faltenbildung in einer (Tlindower Thon- grubo (Orig.) 443 Flamingo, brütend (Orig.) 531 Folliculites earinatus und Websteri . . 198 Fossilien, rätbselhafte (Orig.) . . 214, 215 Früchte und .Samen an dem diluvialen Torflager von Klinge 197 Fucoidenresp.Chondriten (Orig.-Nachb.) 347 Gabelantilope (Orig.) 325 Geschiebe mit Gletseherschrammen . 191 Gestänge des tiefsten Bohrlochs . . . 585 Gletscher in Spitzbergen 190 Gletscher mit OberHäcben-Moränen . . 192 Gletseherschrammen von Rüdersdorf . 191 Göttergarten, Eingang in den ((Jrig.) . 253 Graphische Darstellungen zur Anthro- pometrie (Orig.-Nachb.) ..... 533 Grönland, Inlandeis 190 Grosser Salzsee (<^rig.) 17 Haracbne hali(dioeri (Orig.) 225 Hügellandschaft bei Buckow (Orig.- Nachb.) 32 Seite Hydraulisehe Goldwäsche 14 •Iui)it(u- 336 Karte der B(dirlö(dier in der Paludinen- bank von Berlin ((.)rig.-Naehb.) . . 192 Karte der Endmoränen von Brandiui- burg uiul Vorponnnern (Orig.) . . 274 Karte der Glaeialschrammen in Nord- deutschland 277 Karte der Verbreitung des europäischen diluvialen Inlandeises 193 Karte des alten Lake Bonneville (( trig.- Nachb.) 18 Karte, geologische, der Umgebung von Buckow (Orig.-Nachb.) ..... 30 Karte, geologische, der Gegend von Werder und Glindow (Orig.-Nachb.) 442 Kathedralenklippe im Göttergarten l)ei Maniton (Orig.) 2.52 Knorria Mariana ((Jrig.) 492 Löwe, kurzmähnige Form des afri- kanischen (Orig.) 322 Mars 334, 335 Menschenschädel aus einem Sambaqui von Santos (Bras.) (Orig.) . . 54S, 550 Merkur 334 Mondkrater „Linne" (Orig.) .... 20 Moschusthier (Orig.) 324 Ovibos moschatus ((->rig.) 314 Palaeochondrites Meuuieri Sap. (Orig.- Nachb.) .347 Palmatopteris furcata 437 I'ikes-PeakGipfel (Orig.) 252 Pithecanthropos-Schädel (Orig.-Nachb.) 549 Profil durch den Haussee 275 Profil, geologisches, aus der Thongrube am Schermützelsee bei Buckow (Orig.-Nachb.) 31 Prodi, geologisches, einer Grube im Diluvium bei Berlin ...... 189 Riella helicophylla (Orig.-Nachb.) . . 360 Rieselspuren, künstliche 360 Riesenpinguin (Orig.) 543 „Royal George-'-Scblucht (Orig.) ... 251 Salt Lake City (Orig.) 16 Saturn . . ' 336 Schemata zur Erläuterung einer op- tischen Täuschung bei Gipfel-Aus- sichten 388, 389 Spirophyton Eifeliense (Orig.-Nachb.) . 359 Steinbauten 57, 58, 59 Stylolithenartige Drucksuturen . . . 350 Terrassen am Red Rock Pass (Orig.- Nachb.) 15 Thongrube bei Lehnin mit Sattelbildung (Oi-iK) 443 Trauerlichte in der Stellim'r Forst (Orig.-Nachb.) 630 Trauerrichte von C^uitschenhäu im Harz (131 Trauerfichte von ilem Königsberg im Harz 632 Venus 334 Vereiste Baumzweige (( b-ig.) .... 239 Vorplatz einer Blumenauer Kolonisten- wohnung (( Irig.) 262 Warzenschwein (Orig.) 325 Zähne, diluviale menschliche (Orig.) 370, 371 Zahn eines Schimpansen (<-)rig.) . . . 371 Zebras 91, 92, 93 V*^- ^-^"""^^ Redaktion: ? Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchiiandluiiy, lierim SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den 6. Januar 1895. Nr. 1. Abonnement: Man abonnirt bei Mllen Itut'bhandliinsren und Post- "][ anstjilten. wie bei der Exiiediiion. Der Vieitcljahrspreis i.st J( 4.— GJS liriiisrc^reM hei der Post l.i -^ extra. IVtstzeitun^sliste Nr. il'-'.'j. JL Inserate : Die vier^espaitene Petitzeile 4ii ^. Grössere Aufträge ent sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkuuft. Inaeratenannah bei allen Annonceubureaui wie bei der Expedition. Ab«trark int nur mit vollständio^er ^nellenang^abe g^estattet. Zur Erinnerung an das Schneidemühler Brunnenunglück. ^) Von Prof. G. Franke. Es ist miniiiehr etwas über ein Jahr verflossen, seit die letzten Arbeiten zur Verstopfung des Ung-iiicksbrunncns in Sclineidemühl ausgeführt Bind. (iegcn Mittag des 1. November 1893 wurden die liewoinier der sehwerhcinigesuciiten Stadt von Neuem aufgcsehreekt durch die Kunde, dass der Unlieils(inell in F(dge eines erneuten Durchbruchs wieder in der alten Weise laufe. Wie war dies gekommen, was geschah zur Ueseitigung der Gefahr und wie iiaben sich die getroffenen .Massuainnen in der Folgezeit bewährtV Der Berliner l>rnnnenmaclier Herr Beyer halte sieh im Juni ISli;) hemüht, die gänzlich verwilderte Quelle in einem innerhalb des .Senkniauerschachtes nicilcrgebraclitcn Uohrenstrauge vollständig abzufangen, um sie alsdanu ver.-4 + HjÜ + C, wobei einerseits Wasser und Kohlenstoff, welche als Formaldehyd, CHgO, vereinigt bleiben, entstehen, andererseits die der Schwefelsäure correspondirende Säure des sechswerthigcn Kohlenstoffs, welche aber sofort weiter zerfällt: 2H.,C0, = 2C()., + 2H,<). = 2CO.^ -I-2H2O + O,. Das Resultat ist also das- selbe, wie es durch die Formel: C(>.,H, = OH., -f (»., aus- gedrückt wird, nur geben die Bach 'sehen Formeln uns eine nähere Einsicht in sein Zustandekonnnen. In den angestellten Versuchen scheiut der Nachweis des Formal- dchyds in der That gelungen zu sein, und eine baldige Bestätigung derselben ist sehr zu wünschen. Wenn wir die so gewonnenen Anschauungen über das Verhältniss zwischen Kohlensäure- und Stickstotfassimi- lation auf die erste Entstehung organischer Substanz über- tragen, so müsste der erste Schritt dazu die Zerlegung der Kohlensäure gewesen sein. Diese Ansicht ist der hergebrachten entgegengesetzt, nach welcher die Kohlcnsäurezerlegung eine erst mit der Entstehung des (!hloroi)hylls erworbene Fähigkeit der Dr- ganismen ist. Sie würde aber eine wesentliche Stütze erfahren, wenn wir Pflanzen nachweisen könnten, welche noch heute die Kohlensäure ohne Chlorophyll verarbeiten. Solche sind nun allerdings die Nitrobacterien (s. Naturw. Wochenschr. VIII, S. 470), aber da dieselben nur bei Gegenwart von Ammoniak zu leben vermögen, also schon organische Substanz voraussetzen, können sie nicht heran- gezogen werden. Trotzdem behalten wir unsere Ansicht bei und halten es sogar für nicht umiiöglich, dass Producte der Kohlcn- säurezerlegung bereits vor der Existenz der ersten leben- den organischen Substanz vorhanden waren. Die Fähigkeit der Kohlcnsäurezerlegung der letzteren musste naturgemäss eine bedeutende Steigerung mit der Bildung eines wenigstens einen Theil der Lichtstrahlen absorbirenden und in eine andere Energieform über- führenden Körpers erfahren. Für eine derartige Rolle des Chlorophylls spricht der Umstand mit, dass auch Bach sieh bei seinen Versuchen eines Absorptionsmittels, des Uranacetats, mit P^rfolg bediente. In Bezug auf die Ernähruugsverhältnisse würde tiann die heutige Lebewelt sieh ungefähr folgenderraassen ent- wickelt haben: Nachdem die Summe der organischen Substanz schon eine ziemlich bedeutende geworden war, fing ein Theil der Organismen an, auf eine selbstständige Ernährung zu verzichten, und nahm parasitische oder saprophytische Lebensweise an; dieser Vorgang wiederholte sich immer aufs Neue mit fortschreitender Eutwickelung der Pflanzen- welt und findet auch heute noch statt. Natürlich waren die zuerst sich abzweigenden Formen äusserst einfach organisirt, trugen dafür aber auch die Fähigkeit einer mögliciit vielseitigen Eutwickelung in sich. Hier haben wir die Anfänge der Thierwelt zu suchen. Je ein- seitiger aber bereits die Pflanzen entwickelt waren, von welchen die ehlorophylllosen Formen sich abzweigten, um so mehr waren letztere an den Typus der erstcren ge- Ininden, so dass wir die meisten, selbst unserer niederen Chlorophylllosen doch sofort als Pflanzen erkennen. Je längere Zeit allerdings seit der Abzweigung verflossen ist, um so eigenartiger konnte die Eutwickelung iimerhalb des gewährten Spielraums werden. Am kürzesten ist diese Zeit natürlich bei dem jüngsten Typus der Pflanzen- welt, den Blüthenpflanzen; wir sehen daher die von ihnen sich absondernde Abtheilung von -Chlorophylllosen noch heute in allen Stadien der Eutwickelung. Was nun die Ernährungsweise im Speciellen angeht, so ist die Fähigkeit einer ganz selbstständigen Ernährung nur noch in den oben erwähnten stickstoftassimilirenden Algen erhalten. Die grosse Masse der Pilze hat sowohl auf selbst- ständigen Kohlenstoff- als auch Stickstoftervverb ver- zichtet. Das Extrem der Unselbständigkeit zeigen uns die Anaerobien, welche sogar die selbstständige Athnumg verloren haben und den zu ihrer Lebensthätigkeit nöthigen Energicl)edarf sich durch Zerlegung von Körpern, die viel mehr" Energie als die Kohlehydrate enthalten, von eiwei.ss- artigen Verbindungen verschaffen müssen. (Vergl. darüber die Ausführungen Hu cpp es in seinem Vortrage: Ucber die Ursachen der <4ährung und der Infectionskrankheiten und deren Beziehungen zum Causalproblem und zur Energetik. Naturw. Wochenschr. Bd. VIII, S. 496.) Der oben erwähnte von Winogradsky entdeckte Bacillus ist zwar auch anaerob, kann sich aber mit Kohlehydrate be- gnügen, da er die Fähigkeit hat, deu freien Stickstoff zu verarbeiten. Naturwissenschaftliehc Wochenschrift. Nr. 1. Als eine relativ junge Anpassungserscheinung- dürfen wir wohl die Lebensweise der Nitrobacterien ansehen, welche zwar wieder zur selhstständigen Kohlensänre- assiniilation zuiiickgekehrt sind, zu dersell)cn aljcr nicht durch die yonneuenergie, sondern durch die bei der Nitrification des Ammoniaks freiwerdende Energie in Stand gesetzt werden. Den von Berthelot (1. c.) untersuchten Pilzen geht nur die Fähigkeit selbstständigcn Kohlenstofl'crwerbs ab. Sie haben also die Stickstofl'assiniilation entweder von vornlierein beibehalten, oder später wieder erworben. Meist führen sie sapropliytische Lebensweise, während z. B. das Rhizobium Leguminosarum eine parasitische angenommen liat. Der grösste Theil der grünen Pflanzen endlich, vor allem der höheren, hat die Fähigkeit selbständiger Stickstotfassimilation fast vollständig cingcbüsst und ist auf Annnoniak und hauptsäclilich Salpetersäure ange- wiesen. Alle diese Pflanzen führen also in Bezug auf ihren Stickstofferwerb eigentlich eine saprophytiscbe Lebensweise. Allerdings haben wir in letzter Zeit eine Keihe von Pflanzen kennen gelernt, die im Staude sind, recht be- deutende Mengen von freiem Stickstoff zu assimiliren. So ist diese Fähigkeit allein bei lüO Arten aus etwa 50 Gattungen der Leguminosen nachgewiesen; unter den wenigen hierher gehörigen Nicht-Leguminosen soll nach Liebscher (Oberseides. Landw. 1893, No. 16) Siuapis alba die Leguminosen noch übertreffen. Während nun Liebscher über die Art und AVeise des Stickstoft- erwerbs bei der genannten Pflanze keine Angaben macht, wissen wir, dass bei den TjCguminosen die augenfällige Höhe der Stickstoffassimilation nur dann auftritt, wenn sie sich in Symbiose mit dem die bekannten Kuöllchen bewohnenden Rhizobium betinden. Während Frank (Die Assimilation des freien Stickstoffs durch die Pflanzen- welt. Bot. Ztg. 1893, S. 139-156) dem Knöllchcnpilz nach seinen Versuchen nur eine Reizwirkung zugestehen kann, zufolge deren die ohnehin vorhandene Fähigkeit der Stickstoöassimilation nur eine bedeutende Steigerung erfährt, sind andere Forscher, wie Berthelot (1. c.;, der Ansicjit, dass der KnöUchenpilz selbst es sei, der den Stickstoff binde. Nach Frank (1. e.) zeigt er allerdings ausserhalb der Pflanze, wenn ihm nur freier Stickstoff ge- boten wird, geringe Vermehrung, während Bertheiot eine Stickstort'zunahme von 50 "/„ gefunden hat. Es Hesse sich übrigens auch umgekehrt eine Reizwirkung der Legu- minose auf den Pilz annehmen, welche denselben zur kräftigeren Stickstoft'bindung befähigte. Jedenfalls hat es viel Verlockendes, in der Symbiose der höheren Pflanzen mit Mykorhizcnpilzen eine An- passungserseheinung für Stickstofferwerb zu sehen, und die Mykorhizenpilze verdienen in dieser Hinsicht alle Be- achtung. Während die mykorhizenloscn Pflanzen den von niederen Algen oder Pilzen gebundenen Stickstoff' erst nach Verwesung derselljcn erhalten, könnten die ersteren die Producte der Stickstoff'assimilation des Pilzes direet auf- nehmen; einen niederen Grad der Anpassung würden die Pflanzen mit exotropher, den vollendeten diejenigen mit endotropher Mykorhiza zeigen. Dr. Thomae. Einen klaren Bericht „über den gegenwärtigen Stand der Keinildättertlieorie" gab R. Hatschek auf der im Mai vorigen Jain-eszu Gottingen abgehaltenen dritten Jain-es- Versammlung der deutschen zoologischen Gesellsciiaft. (Ver- handlungen u. s. w., Leipzig, 1894, S. 11 ff.) — Während bereits K. E. von Bär u. a. die als Keimblätter bezeich- neten embryonalen Körpersehichten auch l)ei den Wirl)el- losen zu erkennen suchten, wurde ihr Vorkommen in zahlreichen Abtheilungen derselben doch erst 1866—1873 durch die glänzenden Arbeiten Kowalewsky's erwiesen. Die von ihm entdeckten Thatsachen begründeten Gesetze, die bis in die neueste Zeit immer weitere Bestätigung fanden. Haeckel verwerthete sodann die aufgefundenen Ergebnisse im Sinne der Abstamranngslehre und stellte seine Gastraeatheorie auf. Der in derselben aufgestellte Satz, dass die vielzelligen Metazoen von gesellig lebenden einzelligen Thieren, d. h. cormenbildenden Protozoen ab- zuleiten sind, wird heute meist anerkannt. Doch vertritt von G raff den Uebergang durch Vermittelung vielkerniger Wesen. Angenommen ist aueii der Satz, dass die Blastula dem Urzustand der Metazoen entspricht. Dagegen wird der Gastrulationsvorgang, d. h. die Entstehung des P^cto- und Entoderms, heute nocii mannigfach verschieden auf- gefasst. Während Haeckel u. a. den Invaginations- process für phylogenetisch ursprünglich halten, entschieden sich Metsehnikoff und Gölte für die Einwanderung von Zellen in die Blastulahöhle, inmitten derer dann durch Aushöhlung und Durchbrucli der Urdarm entstehe. Den Versuch, die dotterarmen Mikromercn und die dotter- reichen Makromcren als die primiti\en morphologisch be- deutungsvollen Dirterenzirungen hinzustellen, ein Versuch, den die Vettern Sarasin gemacht haben, hält Hatschek für verfehlt. Sehr umstritten ist die Bildung des Meso- derms. Die Haeekersehe Ansicht, dass es durch Ab- spaltung von beiden primären Blättern entsteht, bestätigte sich nicht. Claus und Hatschek betonten den Gegen- satz von primärer und paarig angelegter secundärer Leibeshöhle. Die Entstehung des iMesoderms aus ]iaarigen, am hinteren Urmundrandc gelegenen Zellen wurde \(in Kowalewsky, Rabl und Hatschek für Anneliden und Mollusken nachgewiesen. Es folgt nun die l)edeutsamc Cölomtheorie der Brüder Hertwig. Das Cöloni, d. i. die secundäre Leibeshöhle, wird hier von Ausstüli)ungcn des ürdarms abgeleitet. Die Wände der paarigen Ordom- säcke bilden aber das Mesoderm, das also sofort in zwei, Schichten, als somatisches dem Ectoderm zugewendetes und als splanchnisches dem Entoderm zugekehrtes Blatt, auftritt. Ferner wandern einzelne Zellen aus den Epi- thelieu in die die primäre Leibeshöhle erfüllende Gallerte ein und bilden hier das Mesenchyra. Nach den Hertwigs besitzen die Coelenteraten, die Phittwurmer und Mollusken kein Coelom, sondern zwischen zwei Epithelien ]\leseneliym. Grobben wies jedoch die Coelomatemiatur der ^Mollusken nach. Hatschek nimmt den Hertwig'scheu Mesenehym- begriff an, unterscheidet aber folgende Stufen. Erstens kann die zellenfreie Bindegewebsgallerte sich von einem der angrenzenden Epithelien diff'erenziren. Zweitens wandern Zellen ein, und dieses Bindegewebe ist entweder \ on der epithelialen Grenzlamellc bedeckt oder, da diese aufgebraucht wird, nicht. Rabl's Ansicht, dass das Binde- gewebe ein gelockertes Epithel darstellt, theilt Verfasser nicht. Er stellt den Satz auf: „Bei den Cölomaten ist das Mesenchym genetisch mit den Cölomsäeken verknüpft; das Mesoderm (im Sinne der älteren Terminologie) ist eine genetisch einheitliche Anlage, welche sich in mesepitlieliale und mesenchymatöse Bildungen gliedert." Ein Gegner der Cölomtheorie ist Klcinenberg. Er lässt den Begriff des Mesoderms ganz fallen und kennt nur eine Anzahl heterogener, vom Ectoderm sich abspaltender Organ- anlagen. Die diesen Ansichten zu Grunde liegenden Beol)achtungen erscheinen Hatschek nicht einwandfrei. Verfasser kennzeichnet eine Anzahl neuerer Eiuzelunter- Nr. 1. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. siu'hunjrcn, um als einen neuerding-s geftmdenen Satz aut- zustellen: ,,Die aetnelle Siieciaiisiruni;- der Körperzelien, sowohl im fertigen ( Ir-anismu^; als aiieli in allen Ent- wiekelunssstadien, ist eine engere als die virtuelle Spe- eialisining.'- ^- *^' Die Fiaueiniiilcli, deren Veränderliflikeit niul Eiiifliiss auf die Siingliu^seniährung' von V. Haunini unter Mitwirkuui;- Mm K. Illner. iSanindunj;- klinischer Vorträge Xr. lUö. Kef. Berliner kliuisehe Woclienschrift 1894 ~Nr. 4;')). — Die Verf. untersuchten die Berechti- o-uu"- der Ansichten, welche von Seiten des Pultlikums mursehr vieler Aerzte liiusiehtlicii der Frauenmilch ge- liegt werden. So z. B. die bisher zumeist bejahten Fragen: Sind Salate, saure Speisen einer Amme resp. dem Säug- ling schädlich? Muss das Alter der Amme dem des Säuglings entsprechen? Haben Kohlenhydrate, Bier, Suppeni Eiwcissküst Eintluss auf die Beschaffenheit der Milch? Verf. lösten diese Fragen in kaum mehr anfecht- barer Weise durch enie grosse Zahl quantitativer Unter- suchungen des Fettes, des Eiweisses, des Zuckers und der Asche. In allen Fällen bekamen die Mütter gemischte Kost, sämmtliclie Säuglinge gediehen gut. Aus den Beob- achtungen folgt, dass die Milch in der ö. bis 7. Woche sich gar nicht von der ^Milch der 1. bis 3. Woche unter- scheidet, so dass die Forderung der Gleichaltrigkeit von Amme und Säugling sich nicht mehr aufrecht erhalten lässt. Die ^lileh zweier verschiedener Amnieu zeigte im Durchsclmitt keine so grossen Abweichungen in der Zusammensetzung, als die Milch jeder einzelnen Amme an den verschiedenen Tagen. Dabei ist es für die Quali- tät der Milch gleichgültig, ob die Amme Erst- oder Mchr- gehärende ist. Der" Fettgehalt ist mit einem gewöhn- lichen Laetobutyrometer zu prüfen. Nur ein aussergewohn- lich hoher Fettgehalt würde die Erkrankung des Säug- lings erklären. " Die Versuche wurden mit verschiedenen Ernährungsweisen angestellt und zwar mit 1. einer Ei- weis.skost', 2. stickstoftfreier Kost (Kohlenhydraten, Fetten), 3. Mastkost, 4. Gemüsen, salzigen und sauren Speisen, 5. Bier, 6. viel Suppen und Getränken. Die Zusannnen- setzung der Milch änderte sich fast bei allen diesen Er- nährungsweisen nicht, nur bei der Mastkost zeigte sich eine Vermehrung des Fettgehaltes. Alle Kinder gediehen gleich gut. Die Verfasser folgern, dass es für eine Amme, welche sich bis zur Sättigung ernähren kann, völlig gleichgiltig ist, was sie genie.sst. Fieber, Men- struation, physische Erregung der Amme, sind ohne Eiu- fluss auf die Zusammensetzung der Milch. Die wichtigste Prüfung der Annnenmileh ist die quantitative. Im Durch- schnitt gebraucht ein Kind, ziemlich hoehgegriffen, in der ersten Woche bei jedem Trinken SO gr, in der 2. bis 4. Woche 110 gr, in' der 5. bis 7. Woche 130 gr. l'rodu- cirt eine Amme diese Quantität nicht, so ist sie nicht zu gebrauchen. M. Die Pyisjmaeeii - Rasse der Vorzeit. — Beim Schweizerbild, dreien Felsen nicht weit von Schaffhansen, wurde vor wenigen Jahren eine Reihe von Skeletten auf- gedeckt, die nachweislich aus der neolithischcn Periode stammen. Topfgeschirr, Stcinwaft'en, Knochen vom Edel- hirsch, dem Keh, dem Wildschwein, dem Bären, Alpen- hasen, Schneehuhn und Torfrind, die mit diesen Skeletten zusammen in einer grauen Culturschicht gefunden wurden, weisen darauf hin, dass hier tler Mensch zur jüngeren Stein- zeit sein Stand(|uartier aufgeschlagen hatte, das Jagd- handwerk betrici) und seine Todten bestattete. Dieser Thatsache würde an und für sich keine weitere Bedeutung beizulegen sein, wenngleich zugegeben werden muss, dass Skelette aus dieser Periode der Vorzeit immer noch zu den Seltenheiten zählen; indessen der Umstand, dass unter den Skelettresten neben Knochen von solchen Individuen, die eine ansehnliche Körperlänge repräsentiren, auch solche vorkommen, die offenbar Zwergen angehören, lässt den Fund zu Schweizerbild für die vorgeschichtliche Rassenkunde überaus wichtig erscheinen. — Im (Janzen wurden hier 22 Gräber aufgedeckt, die die Ueberreste von 2(5 Skeletten enthielten. Professor Kollmann in Basel hat sich eingehend mit der Untersuchung dieser Skelctt- reste beschäftigt und ist auf Grund derselben zu ganz interessanten Schlussfolgerungen über die prähistorische Rassenauatomie gekommen. Seine diesbezügliche Studie hat Professor Kollmann in dem jüngsten Hefte der Zeit- schrift für Ethnologie (Bd. XXVI. Heft 5. S. 188 u. f : Das Schweizerbild bei Schaffhausen und Pygmäen in Europa) niedergelegt; auf diesen Angaben basirt die folgende Darstellung. Von den aufgelundenen 26 Skeletten gehören 14 Er- wachsenen, 12 Kindern unter 7 Jahren an. Unter den ersteren wieder (aus den Gräbern No. 2, 12, 14 und 16 des Fundberiehtes) lassen sich mindestens 4, vielleicht auch mehr — die Unvollständigkeit der übrigen Skelett- reste erlaubt kein sicheres Urtheil — Skelefte von zwerg- haftem Typus nachweisen. Kollmann gebraucht für diese die Bezeichnung Pygmäen, und nicht Zwerge, aus dem einfachen Grunde, weil man unter Zwergen menschliche Wesen versteht, die unter pathologischen Einflüssen ent- standen sind, hingegen unter Pygmäen eine rassen- anatomiseh, mit bestinnnten Merkmalen ausgestellte Va- rietät des Menschengeschlechtes. Die Skelette vom Schweizerbild zählen zu den letzteren; ein pathologisches Product ist bei ihnen mit absoluter Sicherheit auszu- schliessen. Wie schon erwähnt, gehören 9—10 unter den 14 Skeletten den Erwachsenen der grossen Varietät Mensch an. Mit diesen will ich mich hier nicht näher beschäftigen; nur einige Gesichtspunkte für ihre Charakteristik will ich hervorheben. Ihre Körpergrösse scheint — soweit eine Berechnung derselben aus dem spärlich vorhandenen Material möglich ist — 1600 nun betragen zu haben, ent- sprach also im grossen Ganzen der mittleren Grösse der Männer der Jetztzeit. Ihre Schä.n bedecken die Pbotographieen transparent. Verfahren »IdU^ linauimiucu ^^^^ einfach und leicht. Eleg. Kiistclicn mit lU Farben m. 3,—, mit 15 Farben M. 6,-. RnlnrnhllS-Annarat mit Stativ. Ob.iectiv, :i Schaalen, Cop.-Eahmcn. n/lS cm tOinmoUS appardl „r^^tendorp & Wehner-Platten, Chemikalien etc. M. 30,-. Photogr. Apparate, (»bjccti VC et ein grosser Auswahl. I'reisliste fraiico. Max Steckelmann, Berlin, Ritterstr. 35. g^~" Allein- Vertrieb : Westendorp und Wehner-Trockenplatten. lu Ferd. 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Abdruck ist nur mit vollständiger <{aellenansabe gestattet. Geologische Reisebilder aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Von Professor Dr. F. Wahnschaffe. IV. lieber Butte City nach dem Grossen Salzsee. Schon vor Morgengrauen setzte sich am 1.3. Sep- tember 1891 unser Eisenbahnzug von Cinnabar aus in Bewegung, um uns durch das Quellgebiet des Missouri zunächst nach Butte City zu befördern. Nachdem wir die der Tertiiirformation zugehörigen vulkanischen Ge- steine des Nationalparkes verlassen hatten, welche sich von hier aus in einer breiten Zone durch den ganzen westlichen Thcil der Vereinigten Staaten fortsetzen und im nördlichen Theile von Californien, in Oregon und Washington ein Gebiet von ganz gewaltiger Ausdehnung Ijedecken, kamen wir nochmals auf eine kurze Strecke durch die Sandsteine der Laramieforraation. Sie sind Ijci der Faltung des Felsengebirges steil aufgerichtet worden und fallen hier unter 45 — 50" nach Norden ein. An ihrer Basis sind die Laramiesandsteine reich an Kohlen- flötzen, deren Kohle sich namentlich zur Verkokung eignet. Wir hatten die dicht an der Eisenbahn gelegenen, am Abend in rother Gluth erstrahlenden Kokesöfen bereits auf der Hinfahrt nach Livingston beobachtet; auch zwei englische Meilen westlich dieser Station befindet sich eine bedeutende Kohlengrube Namens Kokedale, welche 96 Kokesöfen unterhält. Das Liegende der kohlen- führendeu Schichten wird durch die mesozoischen Ab- lagerungen am Abhänge der Gebirgsketten gebildet, wäh- rend der Kamm der letzteren aus Kohlenkalk besteht. Nachdem die Eisenbahn auf 19 km Länge die Stei- gung von 305 m überwunden hat, durchschneidet sie ver- mittelst des Muirtunnels die AVasserscheide zwischen dem YeUowstone- und Gallatin-River. Das Thal des letzteren stellt eins der mehrfach in Montana nachgewiesenen alten Seebecken der Pliocänzeit dar, in deren ruhigem Wasser sich die von den Vulkanen ausgeworfenen Aschen und Sande ablagerten. Sie bilden Bänke von 6 m Mächtig- keit und sind überlagert von Conglomeraten, die aus dem gleichen Material und den Gesteinen der Umgebung be- stehen. Die Eisenbahn kreuzt bei der Station Central-Park den Gallatin- River, überschreitet kurz vor der Station Three Forks den Madison- River und folgt dann strom- aufwärts eine Strecke lang dem Thale des Jefferson-River. Das Three Forks Valley, an dessen unterem Ende sich die genannten drei Flüsse vereinigen, um den Missouri zu bilden, ist ein Gebiet von hohem geographischen Inter- esse. Die drei Quellflüsse erhielten ihre Namen durch Lewis und Clarke, welche auf ihrer Reise nach dem Columbia-River und der Küste des stillen Ozeans im Juli 1805 dieses Thal zuerst betraten. Im Thale des Jefferson-River hatten wir einen kurzen Aufenthalt, um eine hydraulische Goldwäsche zu besich- tigen. Um das Gold, welches hier fein vertheilt in ge- diegenem Zustande in alluvialen, groben FlussgeröUen vorkommt, zu gewinnen, werden von höherem Terrain herabkommende Bäche abgefangen und in meilenlangen, geschlossenen Leitungen am Thalgehänge entlang geführt, sodass sie mit ausserordentlich hohem Druck an der Goldwäsche ankommen. Diesen Wasserstrahl nun richtet man mit voller Gewalt gegen die Geröllmassen, welche dadurch unterspült, umgestürzt and ausgeschlämmt werden. (Siehe die Abbildung Fig. 1). Die Schlämmprodukte leitet man in geneigte, auf dem Boden mit rauhem Tuch be- deckte Holzrinnen, in denen sich der Goldstaub ansammelt und nachher mit Quecksilber aufgelöst wird. Letzteres wird in eisernen Retorten verdampft und wieder auf- gefangen, während das Gold als Rückstand hinterbleibt. Ehe man Butte City erreicht, kommt man durch 14 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 2. paläozoische und archäische Felsgruppen und durch- schneidet zuletzt ein gewaltiges Granitmassiv, welches durch Verwitterung au der Oberfläche in ein ausge- dehntes Felsenmeer umgewandelt worden ist. In wilder Unordnung liegen die mächtigen abgerundeten, woUsack- ähnlichen Felsblocke übereinander gethürmt. Einzelne derselben, die sich nahe der Bahnstrecke befinden und besonders glatte Flächen besitzen , sind zur Reklame be- nutzt worden. Man hat sie mit Oelfarbe angestrichen und in Riesenbuchstaben allerlei Anpreisungen darauf an- gebracht, die das vorbeifahrende Publikum nothgedrungen lesen muss. Butte City ist das wichtigste Minencentrum in Mon- tana. Schon seit dem Jahre 1864 hatte man dort aus dem Sande der benachbarten Thäler Gold gewaschen, aber der gewaltige Aufscliwung der dortigen Bergwerks- industrie datirt erst seit dem Jahre 1875^ als man dort die im Granit aufsetzenden reichen Silber- und Kupfererz- gänge auffand. Die Einwoimer- zahl belief sich nach der Zäh- lung vom Jahre 1890 auf 10 723 und zeigte bin- nen 10 Jahren eine Zunahme von 218 pCt. Die Erzproduc- tion betrug dort im Jaiire 1890: an Gold 800 kg im Werthe von 513316Doll.,an Silber 233 264 kg im Werthe von 9 696 750 Doli, und an Kupfer 51 117 204 kg im Werthe von 16 623 250 Doli. Die Gesteine, welche dieses Gebiet zusam- mensetzen, bestehen aus Granit und Rhyolith. Es lassen sich hier zwei Varietäten des Granites unterscheiden. Die eine am weitesten verbreitete, welche in den Minen in der Umgebung der Stadt Butte und im Osten des westlich von derselben gelegenen runden Kegelberges „Butte" auftritt, ist ein ungewöhnlich basisches Gestein mit verliältnissmässig reichem Gehalt an Plagioklas. Die basischen Mineralien bestehen aus Glimmer, Horn- blende und Augit. Die andere Varietät, welche west- lich vom Butte-Berge, sowie namentlich im Gebiete der Bluebird-, Nettie- und anderer Minen vorkommt, ist ein helles, fast ausschliesslich aus Quarz und Orthoklas be- stehendes Gestein mit vereinzelten, kleinen Biotitblättchen. Der Butte-Berg selbst ist aus Rhyolith gebildet, einem Gesteine, in dessen zurücktretender Grund- Figur I. Hydraulische Goldwäsche in ISIontana. (Aus Neumayr's Erdgeschichte. Verhvg des Bibliographischen Instituts in Leipzig.) feinkörnigen ausgeschieden ma.sse Quarz, Sanidin und Glimmer Offenbar hat der Rhyolith hier den Granit bei späteren Eruption durchbrochen und die dabei standenen Spalten mit seinem Magma erfüllt. Die dieses Gebietes finden aufsetzen, nahezu saiger Ost nach West streichen. Man unterscheidet dort Silber- sind, einer ent- Erze sieh in Gängen, die im Granit stehen und im Alk-emeinen von und Kupfererzgänge, in denen die Schächte über 300 m tief hinabgehen. Der Erzkörper der ersteren, welcher oft eine Mächtigkeit bis zu 2,5 m erreicht, wird der Haupt- sache nach aus folgenden Mineralien gebildet: Pyrit, Zink- blende, Bleiglanz, Sulphide von Silber mit Manganerzen in Form von Manganspath und Rhodonit (Kieselmangan). Dabei ist Kupfer nur in geringer Menge vorhanden oder fehlt ganz. Sehr werthvoll Mcrden diese Erze durch ihren Goldgehalt. Die Kupfererzgänge, welche oft 6 — 9 m mächtig sind, enthalten Kupferglanz, Kupferkies, Bunt- kupfererz und Enargit (Sulfarseniat und -antimoniat), wäh- rend Zinkblende und Manganerze meist ganz fehlen. Quarz ist das gewöhnlichste Gangmaterial, doch kommt auch Schwerspath und Flussspath vor. Die Stadt Butte liegt auf dem Südabhange eines gerundeten Granithügels, umflossen von dem zuerst nach Süd und dann nach West gewendeten Silber-Bow-Flüsschen, welches zu den südöstlichen Quellflüssen des Clarks Fork ge- hört und seine Wasser durch den Columbia- River dem stil- len Ozean zu- sendet. Die öst- lich von Butte gelegenen Gra- nitberge bilden hier die Was- serscheide zwi- schen dem at- lantischen und stillen (»zean. Am Bahnhofe in Butte empfing uns ein Comite, um uns zuerst in den bereit stehenden Wa- gen nach dem neuerbauten Clubhause zu geleiten, wo- selbst eine Be- grüssung statt- einem der grossen fand. Von Minenwerke, und Ausschmelzung Aufbereitung, Röstung hier fuhren wir nach wo die Förderun der Erze besichtigt wurde. Die ganze nähere Umgebung dieser schnell emporgeblühten, aber noch sehr den Stempel des Unfertigen an sich tragenden Minenstadt maclit einen öden und trostlosen Eindruck, da die bei dem Röstprocess den Oefen entsteigenden Dämpfe von schwefliger Säure keine Vegetation auf konnnen lassen. Gegen Abend hielt unser Zug bei der 5 km westlich von Butte gelegeneu Bluebird-Mine, dessen Besitzer uns zur Besichtigung der grossen Stampfmühlen und Röstwerke eingeladen hatte. Da ich jedoch durch die lange Eisenbahn- fahrt und die starke Hitze, welche den ganzen Tag über geherrscht hatte, ziemlich ermüdet war, zog- ich es vor. ni der Nilhe unseres Eisenbahnzuges zu bleiben. Ich legte mich nieder zwischen den gelbblühenden und stark duftenden strauchartigen Büschen von Artemisia tridentata und Bigelovia graveolens und betrachtete die Sonne, die glühend roth hinter den Hügeln im Westen verschwand. Meine Gedanken wanderten nach der fernen Heimath, von der wir durch so gewaltige Land- und Wasserflächen getrennt waren. Nr. Naturwisseuschaftliche Wochenschrift. 15 Als wir am 14. September iMoi-g-eiis in nnserem Zuge erwachten, hatten wir Montana bereits verlassen und be- fanden uns im westliehen Theile von Idaho. Im Osten sahen wir die gewaltigen Bergketten des Felsengebirges, im Westen schauten wir auf das von verschiedenen kleineren Gebirgen durchzogene Great Hasin, welches sieh zwischen der Sierra Nevada und den Rocky Moun- tains ausdehnt und durch sein trockenes Wüstenklima, sowie durch die in ihm vorkommenden abtiusslosen See- becken ausgezeichnet ist. Die Bahn folgt eine Strecke lang dem Thale des ifanch-Flüsscheus, welehes in nörd- licher Richtung dem Snakc-River zueilt, benutzt sodann das die Wasserscheide zwischen dem Stillen Ozean und dem Grossen Salzsee bildende Trockenthal des Red-Rock- Passes, tritt südlich desselben in das vom Bear-River dureh- flossene Cache Valley ein und durchzieht in nahezu nord- stidlicher Richtung das 4 — 30 km breite Flachland zwischen den steil aufragenden Ketten des Wahsatchgebirges und dem Grossen Salzsee. Die Eisenbahn- fahrt bot au die- sem Tage sehr viel Interessan- tes dar. Das Manch-Thal ist in tertiäre und quartäre Bil- dungen einge- schnitten und hat zu beiden Seiten mehrfach ausgedehnte basaltische La- vaströme aufge- schlossen, die sich deckenar- tig auf dem ho- rizontalen Pla- teau ausbreiten und zuweilen im Durchschnitt sehr schöne, säu- lenförmige Ab- sonderungs- formen zeigen. Ueberhaupt ist die ganze Umgebung des Grossen Salzsees durch das Auftreten Jungvulkanischer Gesteine ausgezeichnet. Die- selben bestehen der Hauptsache nach aus Basaltdecken und Basalttuffen, auch sind an verschiedenen Punkten noch die Kratere erhalten geblieben, aus denen die Laven und Aschen hervorgegangen sind. Es lässt sieb nachweisen, dass die Thätigkeit dieser Vulkane, deren Auftreten mit nordsüdlichen Spalten im Zusammenhang steht, sich von der Tertiärzeit bis in die Quartärperiode hinein fortgesetzt hat. Bei dem Red-Rock-Pass unterbrachen wir die Fahrt und erstiegen unter Führung des Staatsgeologen Gilbert die Hügel der westlichen Thalseite. Hier hatten wir einen prachtvollen Ueberblick über das Thal, dessen Bedeutung uns Mr. Gilbert als den ehemaligen nördlichen Abfluss eines gewaltigen alten Seebeckens erläuterte, indem er uns auf die nach Süden zu weithin an den Gehängen siclitbaren Terrassen dieses alten Sees aufmerksam machte. (Siehe Figur 2). Bei der weiteren Fahrt nach Süden waren wir sehr überrascht über den grossen Gegensatz zwischen den wüsten Landstrecken, die wir bisher durchreist hatten und dem herrlichen, wohlangebauten Territorium der Mor- monen, gcbirge Terrassen am Red Kock^Fass. Es ist dies der schmale zwisclicn dem Wahsatch- und dem Ostufer des Grossen Salzsees sich aus- dehnende Landstrich, der früher ebenfalls eine wüste Salzsteppc bildete, aber durch die bewunderungswürdige Kulturarbeit der „Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen des jüngsten Tages" in ein blühendes Gefilde ver- wandelt worden ist. Dies geschah durch eine seit dem Jahre 1848 sehr planmässig durchgeführte künstliche Bewässerung (Irrigation), indem das Wasser der vielen von der West- seite des Wahsatch herabkommenden Flüsse und Bäche abgeleitet und durch Gräben zweckmässig vertheilt wurde. Daneben hat man auch durch Bohrungen, deren Zahl im Jahre 1890 bereits 2.500 betrug, ergiebige Wasserquellen erschlossen, welche zur Bewässerung nutzbar gemacht werden. Die durchschnittliche Tiefe dieser Bohrungen beträgt 30 Fuss in der Thalniederung uud bis zu 400 Fuss in den höher gelegenen Randgebieten. Der mit Salz durchtränkte ehemalige Seeboden wurde auf diese Weise ausgesüsst und in sehr frucht- bares Acker- land verwan- delt. Der Boden besitzt einen so grossen Reich- thum an Pflan- zeunährstoifen, dass es bisher noch nicht nö- thig gewesen ist, demselben künstliche Dün- gemittel zuzu- führen. Nach den letzten zu- verlässigen An- gaben befinden sich in Utah 374 340 Acres (151 495,4 Hek- tar) Land in Kultur , von denen 310 759 (125 764,2 Hek- tar) gegenwär- tig bewässert werden. Dieses bewässerte Land vertheilt sich auf un- gefähr 10 000 Farme, die im Durchschnitt 30 Acres (12,1 Hektar) umfassen. Die ersten Anlagekosten für Landerwerb und Bewässerungsaulage betragen durch- schnittlich 27 Dollar für einen Acre, während die jähr- liche Production 18 Dollar ausmacht. Nach den statisti- schen Ermittelungen war die Production im Jahre 1890 Ehemaliger Ausfluss des Grossen Salzsees zur Eiszeit. (Nach Gilbert.) für nachstehende Culturgewächse folgende: kg pro Hectar 20085,2 Weizen 22 Busheis pro Acre = 1 479,3 Hafer 34 , ^ ^ = 1219,4 Gerste 52 „ „ „ = 2795,1 Luzerne 6—8 Tons „ „ =15063,7- KartoflFeln 400 Busheis „ „ =26003 „ „ „ Ausserdem gedeihen die verschiedensten Gemüsearten und alle Sorten von Obst in üppiger Fülle. Der gesammte Productionswerth des Territoriums Utah au Getreide, Futterkräutern, Gemüsen und Früchten betrug nach der amtlichen Statistik im Jahre 1890 8 309^705,80 Dollar. Die Eisenbahnlinie berührt mehrere Mormonenstädte, unter anderen auch die sehr freundliche, 15 000 Einwohner zählende Stadt Ogden, deren Umgebung überall fruchtbare Felder und herrliche Obstplantagen auf- weist. Am Nachmittag erreichten wir Salt Lake City 16 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 2. und genossen von den im Norden gelegenen 'Anhöhen einen wundervollen Blick auf die ausgedehnte Stadt und die grossartige Gebirgskette, welche das Panorama nach Osten zu abschliesst. (Siehe Fig. 3). Die Stadt, deren breite Strassen am Abend elektrisch hell beleuchtet sind, macht einen ganz modernen grossstädtischen Eindruck. Elektrische Bahnen durchkreuzen sie nach allen Rich- und vermitteln den starken Verkehr. tungen Die am Grossen Salzsee verbrachten Tage werden mir mein ganzes Leben hindurch unvergesslich bleiben. Das herrliche Landschaftsbild hat sich meinem Gedächtniss so scharf eingeprägt, als ob ich erst gestern dort gewesen wäre. Im Osten die gewaltige, von Nord nach Süd sich erstreckende Kette des Wahsatchgebirges, die wie eine hohe, zackige Jlauer die Scenerie abschliesst und in der wunderbar klaren Luft trotz einer Entfernung von 20 engl. Meilen auf zwei Meilen nahe gerückt zu sein scheint. Daran lehnt sich die blühende Cul- turebene, in deren Mitte die baum- reiche Hauptstadt der Mormonen, Salt Lake City, gele- gen ist, durch eine Eisenbahn mit der glänzenden Was- serfläche des Gros- sen Salzsees ver- bunden (siehe Fig. 4). Schroff und steil erheben sich am Südufer des- selben die isolir- ten Parallelketten des Wahsatchge- birges, die Oquirrh- und Aqui - Moun- tains, deren Fuss von der sich weit nach Westen aus- dehnenden, wüsten Salzsteppe unmit- telbarumgeben ist. Ein wolkenloser, blauer Himmel von unbeschreiblicher Klarheit und Durchsichtigkeit der über diese Landschaft aus, und die einen Grad der Trockenheit, der war. Da die Thäler und Höhenlage Figur 3. Salt Lake City von Westen aus gesellen mit dem Jordan Rive und dem Wahsatch-Gebirge im Hintergrund. sich Lvift breitete Atmosphäre zeigte geradezu auffallend Niederungen Utahs eine von 1300 — 1800 m besitzen (der Spiegel des Grossen Salzsees liegt 1277 m ü. d. M.), so ist das Klima ein durch hohe Gebirgsketten geschütztes Höhenklima, das zwar den Wechsel der Jahreszeiten be- sitzt, sich aber zugleich durch grosse, in den Vereinigten Staaten nur ausnahmsweise vorkommende Gleichmässigkeit auszeichnet. Die in Nord - Amerika sonst so häufigen Stürme (Blizzards, Tornadoes) sind hier unbekannt, denn die durchschuittliche Windstärke beträgt nm- 5,2 engl. Meilen in der Stunde, während sie in anderen östlicheren Gegenden 10—12 Meilen erreicht. Da die Luft sehr wenig Feuchtigkeit besitzt, so sind die Winter nicht zu kalt und die' Sommer nicht drückend heiss. Die höchste Durch- sehnittstemperatur innerhalb 14 Jahren betrug 35,5° C, aber die trockene Luft mässigt die Wirkung solcher heissen Tage. Es fällt kaum Thau in diesem Lande, sodass die Nächte so trocken sind wie die Tage. Ebenso fehlen und im Durchschnitt sind 315 Tage Nebel und Sprühregen, des Jahres klar und schön. Die Bewohner sind daher auf ihr Klima fast noch stolzer als auf ihre Bodenschätze. Das Wahsatchgebirge ist zuerst von den Geologen der Expedition, welche zur Erforschung des vierzigsten Pa- rallelkreises im Jahre 1869 ausgesandt war, .systematisch untersucht worden. Es besitzt einen sehr verwickelten inneren Bau. Alle die Formationen von der känozoischen bis zur archäischen Gruppe, welche in dem westlichen Theile der Vereinigten Staaten zum Theil in grosser Aus- dehnung vorkommen, sind hier durch gewaltige Faltungen auf verhältnissmässig engem Räume zusammengedrängt, und daneben finden sich grossartige Verwerfungen, welche sich bis in die posttertiäre Zeit hinein fortgesetzt haben. Von grossem Interesse ist die geologische Geschichte des Grossen Salzsees, welche von dem Staatsgeologen G. K. Gilbert in einem „Lake-Bonneville" betitelten Pracht- werke sehr eingehend behandelt worden ist. Unter den verschiedenen ab- flusslosen und zum Theil mit Salzwas- ser erfüllten Seen des sogenannten Great Basiu, wel- ches den ganzen Staat Nevada, die Westhälfte von Utah und kleinere Theile von Idaho, Oregon und Cali- fornien umfasst, ist der Grosse Salzsee der bedeutendste, da er eine Fläche von 4 500 Qua- dratkilometern be- deckt. Das ge- summte von den West- und Ostab- hängen der Wah- satclikette herab- kommende Wasser wird durch den Bear-, Weber-, und Jordan-River dem Grossen Salzsee zu- geführt, der ohne diese Zufuhr bei dem trockenen Klima schon längst eingedampft sein würde. Da niederschlagreichere und niederschlagärmere Perioden mit einander wechseln, so schwankt natur- gemäss der Wasserstand des Ses, und man hat beob- achtet, dass diese Schwankungen innerhalb 35 Jahren im Vordergrund 3,3 m betragen haben. Nach einer Karte von Stansbury bedeckte der See im Jahre 1850 ein Areal von 4 532,5 qkm, während nach der Karte von King die Fläche des Sees im Jahre 1869 5 620,3 qkm einnahm, was einer Zunahme von 24 pCt. des geringeren Umfanges gleichkommt. Bei unserer Anwesenheit besass der See nahezu den niedrigsten beobachteten Wasserstand und dementsprechend war das specifische Gewicht des Wassers ein sehr hohes. Es be- trug 1,15, was einem Gehalt an festen Bestandtheilen von 20 pCt. entspricht; Vö derselben bestehen aus Kochsalz. Wegen des wechselnden Wasserstandes ist der den See un- mittelbar umgebende Landstrich nicht culturfähig, sondern bildet einen zum Theil mit Salzkrusten bedeckten Streifen. Vielfach hat man hier flache Bassins gegraben, in die man das Salzwasser durch Kanäle hineinleitet und während des Sommers verdampfen lässt. Das so gewonnene Salz wird bei dem Chlorisirungsprocesse der Silbererze in grossen Nr. 2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 17 Massen verwandt. Die mittleve Tiefe des Grossen Salz- sees beträgt 4 ni, die IMaxinialtiefc nur 12 ni. Die ein- zigen Tliiere, welche in dieser iSalzlauge zu exi.stircn ver- mögen, sind ein kleiner Krebs und die Larve einer Fliegen- art. In der Diluvialperiodc hatte der See eine bedeutend grössere Ausdehnung, denn er bedeckte ein Areal von 51 000 qkni, war also doppelt so gross wie die Provinz Sachsen. Die Umgrenzung dieses alten von Gilbert als Lake-Bonneville bezeichneten Sees (siehe Fig. 5) giebt sich auf das Schärfste durch prachtvolle, an die Berg- abhänge sich anlehnende Strandterrassen, sowie durch Strandiinien zu erkennen, die in den festen Fels ein- gegraben sind und die ehemalige starke Brandung dieses Sees beweisen. Es lassen sich mehrere Terrassen überein- ander unterscheiden, deren höchste sieh bis 320 m über den Seespiegel erhebt. Die zu gleicher Zeit entstandenen Ter- rassen schwanken jedoch an verschiedeneu Stellen in ihrer Höhenlage zwischen 290 bis 320 m, sodass nach- tiägliche Be- wegungen der Erdkru- ste dort statt- gefunden ha- ben müssen. In 130 m Hö- he über dem Spiegel des GrossenSalz- sees ist eine Terrasse durch ihre sehr deutli- che Ausbil- dung ausge- zeichnet, die den Namen „Provo- Ter- rasse" erhal- ten hat. Die Untersuchun- gen haben gezeigt, dass der See sich zweimal ge- bildet hat und zweimal fast austrocknete. In der Umgebung des heuti- gen Sees findet sich zu unterst ein gelblicher Thon und dar- über ein wenig mächtiger, weisslicher Mergel. Zwischen beide mit Resten von Süsswassermuscheln versehene Ablage- rungen schieben sich zuweilen Flussschotter ein, welche be- weisen, dass der See sich zurückgezogen haben musste, als die Flüsse ihre Sedimente auf dem eingetrockneten Seebodec ausbreiten konnten. Der höchste Stand des Sees wurde während der zweiten lacustrinen Periode er- reicht. Das Wasser hatte damals einen Abfluss nach Norden zu durch den Red-Rock-Pass, wobei ein 120 m tiefer Kanal in die Felsen eingegraben wurde. Eine sehr widerstandsfähige Kalkbank in diesem Flussthal ver- zögerte das Einschneiden, während sich am Rande des dadurch längere Zeit auf demselben Niveau gehaltenen Sees die Provoterrasse bildete. Mit dem Eintritt des trockenen Klimas nach der Eiszeit schrumpfte der See mehr und mehr zusammen, das frühere Abflussthal wurde *) Die Photographien, nach denen dio Abbildungen Figur 3 und 4 hergestellt worden sind, verdanke ich der Liebenswürdig- keit des Herrn John Campe in Salt Lake City. zum Trockenthal und in dem abflusslosen Scebecken musste durch die bei der Verdunstung des Wassers immer- fort stattfindende Coucentration der Gehalt an Salzen mehr und mehr zunehmen. Die Ausflüge, welche wir am 15. und 16. September unter der Führung von Mr. Gilbert unternahmen, brachten uns zum Wahsatchgebirge und an das Südufer des Grossen Salzsees. Die Eisenbahngesellschaften hatten an beiden Tagen ExtrazUge für uns zur Verfügung gestellt, die uns bis nach den geologisch interessanten Punkten beförderten. Zunächst ging es nach dem 32 km südsüdöstlich von Salt- Lake-City gelegenen Little Cottonwood Canon, einem tiefen Schluchtenthal an der Westseite des Wahsatch- gebirges, über dessen Boden sich die Berggipfel bis zu 2100 m erheben. Während der Eiszeit war das ganze Ge- birge mit Schnee bedeckt und sandte mächtige Gletscher i bis in die Ebene hinab, deren Ausdehnung die gewaltigen Seiten- und Endmoränen an der Aus- mündung der Thäler anzei- gen. DerEis- fuss tauch- te damals in den Lake- Bonneville ein, da die Endmoränen zum Theil unter den al- ten Deltabil- dungen des Sees begra- ben sind. Von grossem In- teresse ist hier eine Ver- werfungs- spalte, wel- che die Morä- nen in nord- südlicher Richtung durchsetzt und längs deren der dem See zu- gewandte Theil um 15 m abgesunken ist. Der Nachmittag wurde zur Besichtigung der Sehenswürdigkeiten von Salte- Lake-City benutzt, während unsere Gesellschaft gegen Abend einer Einladung von Mr. und Mrs. L. E. Holden zum Diner im Knutsford-Hotel Folge leistete. Am folgenden Tage fuhren wir durch die Salzsteppe mit ihrer grauen Pflanzendecke bis zur Station Terminus und besichtigten die schönen Terrassen des ehemaligen Lake-Bonneville und Lake-Provo, welche sich am Fusse der Oquirrh-Mountains hinziehen und aus flachscheiben- förmigen Gerollen gebildet werden, ähnlich denen, wie man sie überall an der Küste findet. An einer Stelle sahen wir eine ebene, etwa 10 m breite Terrasse, welche unmittelbar in den steilaufgerichteten Sandsteinfelsen ein- geschnitten war. Auf der Rückfahrt wurde in Garfield angehalten, um in diesem mit allem Comfort eingerichteten Seebade ein erfrischendes Bad zu nehmen. Bei dem hohen specifischen Gewicht dieses Salzwassers ist es unmöglich, darin unterzusinken. Das Schwimmen ist jedoch dadurch erschwert, dass der Vorderkörper immerfort die Neigung hat, unterzutauchen. Um sieh von der Salzlauge Fi pur 4. ") Der Grosse Salzsee mit dem Black Rock. ZU 18 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 2. befreien, nimmt man nacii dem Bade in seiner Zelle eine Süsswasserdouche. Die Bäder sollen eine sehr heilsame Wirkung- besitzen. Eine charakteristische Inschrift in einem der Badehauser lautet: „Took 75 baths, gained 28 pounds; am a new man." Während unseres Aufenthaltes in .Salt- Lake-City tagte dort ein Irrigation-Congress. Ilnii zu Ehren fand an diesem Abend im Tabernakel ein grosses Vocal- und Instrumentalconcert statt, zu dem auch die Mitglieder des internationalen Geologencongresses Einladungen er- halten hatten. Dieses Hauptversammlungshaus der Mor- monen besitzt die Form eines der Länge nach halbirtcn Eies und hat eine Länge von 73 m, eine Breite von 45,6 m und eine Höhe von 27,4 m. Sein gewaltiges Holzdach wird inner- halb des Saales durch keine Pfeiler gestützt. In diesem grossen mit vollendeter Akustik versehenen Kuppelsaale sind Sitze für 8000, nach einer an- deren Angabe für 13 456 Per- sonen. Die dort aufgestellte (Jrgel ist die zweitgrösste in Amerika und besitzt 3000 Pfeifen. In der Nähe des Tabernakels liegt der aus dem hellgrauen Granit des Wahsatchgebirges er- baute Mormoneutempel, ein sehr imposanter Bau mit sechs Thür- men, der erst am 6. April 1893 seiner worden ist. kosten dieses grössten, wenn auch nicht schönsten Kircheu- baus der Vereinigten Staaten, zu dem das ehemalige Ober- haupt der Mormonen Brigham Yoiing selbst im Jahre 1853 den Grundstein gelegt hatte, betrug nahezu 50 Hill. Mark. Nach dem Concert im Tabernakel ging ich mit Herrn Professor Reusch aus Christiania unter der liebenswürdigen Führung des Herrn John Campe, eines geborenen Norwegers, der schon lange in Salt-Lake-City ansässig ist, zu dem meist von Deutschen besuchten trefflichen Bier- locale „Üur Fritz" von Fritz Riepen, wo wir noch einige Stunden gemüthlich znsannnen verplauderten und uns vielerlei über die Entwiekelung der berühmten Mormonen- stadt erzählen liesseu. Durch die im Jahre 1830 von Joe Smith gestiftete Secte der Mormonen wurde Utah zuerst besiedelt, denn nachdem sie im Jahre 1843 aus Illinois vertrieben worden waren, Hessen sie sich unter Führung von Brigham Young in der Ebene des Grossen Salzsees nieder und gründeten hier Neu-Jerusalem, das heutige Salt-Lake-City. Die Ge- Bestimmung übergeben Die Herstellungs- Der alte Lake Bonneville nach Gilbm-t. Grösste Aus dehnung des Grossen Salzsees während der Eiszeit. sammtzahl der gegenwärtig in Utah und Arizona an- sässigen Mormonen beträgt etwa 238 000 Seelen. Ihr Ge- meinwesen ist ein theokratisches und wird durch einen Präsidenten und 12 Apostel verwaltet. Die Glaubenssätze ihrer Religion lehnen sich an das Ciiristentluini, das Juden- tlumi und den Buddhismus au, während ihr bekanntestes Dogma an den Islam gemahnte. Der zweite Präsident, Brigham Young, war ein sehr begabter und thatkräftiger Mann, dessen hervorragendem Organisationstalent es ge- lang, die Wüste am Grossen Salzsee in eine blühende Culturstätte umzuwandeln. Erst im Jaln-e 1843 hatte Smith auf Befehl einer angeblichen Offen- barung als einen religiösen Glau- benssatz die Vielweiberei bei den Mormonen eingeführt, um durch deren grösstmüglichc Ausbreitung die Herrschaft über die Welt zu erlangen. Als eifriger Anhänger dieses Dogmas hinterliess Brig- ham Joung bei seinem Tode im Jahre 1877 60 Kinder. Auf ihn folgte JohnTayler und auf diesen der jetzige Präsident Wilford Woodruft'. Durch die Duldung und religiöse Verpflichtung zur Vielweiberei, die dem Bundes- gesetz widerspricht , geriethen die Mormonen in einen lebhaften Confliet mit der Bundesregierung der Vereinigten Staaten. Nach- dem verschiedene Maassregeln des Bundes unwirksam geblieben waren, wurde das Anti-Mormo- nen-Gesetz erlassen, durch wel- ches den in Polygamie lebenden Mormonen die politischen Rechte entzogen wurden. Nach der Er- öffnung der Northern Paciflc- Eisenbahu und der Auffindung reicher Metallschätze in Utah wurde der Fremdenzuzug nach diesem gelobten Lande ein so starker, dass der Werth von Grund und Boden und die Kosten des Lebensunterhaltessich bedeutend steigerten. Dadurch nahm ganz von selbst die Polj'gamie mehr und mehr ab, und es war nur noch einigen Reichen möglich, mehrere Frauen zu ernähren. Schliesslich ist es dahin ge- kommen, dass der jetzige Präsident durch ein neues Glau- bensedict die Vielweiberei aufhob und die Monogamie wieder einführte. In Salt-Lake-City, welches 48 000 Einwohner zählt, sind die Nichtmormonen (sogenannten „Heiden", gen- tiles) bereits in der Mehrzahl, während die in der Nähe liegenden kleineren Städte noch vorwiegend mormonisch sind. Jetzt ist dem Territorium Utah die ihm von der Bun- desregierung lange vorenthaltene Erhebung zum Staate endlich auch zu Theil geworden. Veränderungen auf dem Monde? Von Leo Brenner, Director de I. Die Entscheidung der Frage, ob gegenwärtig noch Veränderungen auf der Mondoberfläche vorkommen, ist für unsere Kenntniss der physischen Beschatfenheit unseres Manora-Stornwarte in Lussinpic.colo (Istrien) Satelliten von der höchsten Wichtigkeit; denn lässt sich nachweisen, dass auf der Mondobertläehe wirklich noch Veränderungen vorkommen, so muss mit der herkömm- lichen Anschauunii-, der Mond sei eine bis in das Innerste Nr. 2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 19 erstarrte Masse — also tot — , gebrochen werden. Jede Heobaclitiiiii;-, durch wciclic die Entscheidung; der bis heute ort'encn Frai;'c nähergeriiekt wird, verilieut deshalb die Beaelituug nicht mir der Selenographen, sondern aller Astrophysiker überhaupt. Diese Erwägung ist es, welche mich bestimmt, nachstehende Zeilen der Oetfentlichkeit zu iibergel)en. Es ist bekannt, dass die Vertheidiger der Anschauung, der Mund sei noch keine tote Masse, ihre Behauptung namentlich auf zwei Thatsaehen stützen : erstens auf das Verscliwinden des Linne als Krater, wie dies Schmidt im Jahre Ifitjß angezeigt hat, und zweitens auf die Neu- bildung von Hygiuus N, wie solche von Klein seit 1877 behauptet wird. Gerade in Bezug auf diese beiden Fragen sind die Beobachtungen, welche in den letzten Jlonaten an der Manora-Sternwarte zu Lussinpiccolo in Istrien gemacht wurden, von besonderer Wichtigkeit. Vorausgeschickt sei, dass ein glücklicher Zufall es gewollt hat, dass unser Aequatorial — ein sieben- zölliger Refractor von Reinfelder und Hertel — derart gelungen ist, dass seine Leistungen in Bezug auf Lösung von Doppelsteruen jenen eines normalen Zwölf- zöllers, in Bezug auf Darstellung von Satelliten (alle mit Ausnahme des fünften Jupiter- Jlondes!) jenen eines normalen Achtzeh nzöUers entsprechen, was aber gar Daisteliung des feinen Details auf Planetenober- flächen betriÖt, so kann sich unser Siebenzöller mit den grössten Instrumenten der Welt messen. Während der gegenwärtigen Opposition des Mars hat z. B. unser Aequatorial fast Alles gezeigt, was Schiaparelli's Karte enthält — darunter 63 Cauäle und sogar neue oder verschollen gewesene Objecte — , während der Grubb"sche 27-Zöller der Wiener Sternwarte nicht einmal die Umrisse der Mars-Landschaften scharf dar- zustellen vermag, der Clark'sche 26-Zöller von Washington nur verschwommene Flecken zeigt, im Clark'schen 30- Zöller von Pulkovo noch nie ein Mars-Canal gesehen wurde und auch der Rosse'sche 72-zöllige Reflector dieMars- Oberfläclie ganz unkenntlich darstellt. Selbst die meisten früheren Mars-Zeichnungen der Lick -Sternwarte (36-Zölleri enthalten weniger Detail als die unserigen, welche bereits im .,English Mechanic'" erschienen und nebst unseren Beobachtungen demnächst auch von den „Astro- nomischen Nachrichten" veröÖentlicht werden. — Ja, die Leistungen unseres Instrumentes übersteigen derart das bisher für möglich Gehaltene, dass die Direction der k. k. Sternwarte in Wien die Sache durch ihren Ad- juncten, Herrn Palisa, untersuchen Hess, der eigens zu diesem Zwecke nach Lussinpiccolo kam. Er konnte nicht anders als die aussergewöhnlichen Leistungen unseres Instrumentes bestätigen. Es ist dabei doppelt er- freulich, dass gerade die deutsche Industrie durch ihre Vertreter Reinfelder und Hertel über alle ausländischen Concurrenteu einen so glänzenden Sieg errungen hat, denn ein gleich grosses Instrument mit auch nur an- nähernd ahn liehen Leistungen giebt es einfach nicht! Was nun speciell den Mars betrifft, so ergab sich, dass wir nur das Fernrohr auf eine beliebige Landschaft zu richten brauchen, um Objecte zu entdecken, welche auf der Schmidfschen Karte fehlen, oder wenigstens Irr- thümer der letzteren zu verbessern. Daraus erklärt sich, dass wir bereits über 300 Objecte entdeckt haben, von denen viele, die uns leicht erscheinen, von den mit den besten Instrumenten versehenen Mondbeobachtern ver- geblich gesucht werden. Diesen Umstand muss man sich vor Augen halten, wenn man jene Objecte prüft, an welchen Veränderungen der Mondober- fläche gefolgert werden könnten. Sonst verfiele man in denselben Fehler, in welchen wir selbst anfangs verfielen, als wir, noch unbekannt mit der Ausserordent- lichkeit unseres Instruments, bereits auf Veränderungen schlössen, wenn wir Objecte sahen, von denen es uns un- möglich schien, dass dieselben bisher übersehen worden sein konnten. Seither haben wir den Unterscliied zwischen den Leistungen unseres Fernrohres und jenen aller übrigen Mondbeobachter*) kennen gelernt und sind skeptischer geworden. So z. B. habe ich im „Journal of the British Astronomical Association'" eine .Mittheilung über wahrscheinliche Verändei'ungen bei Cassini veriirtentlicht, weil es mir unmöglich schien, dass einige der dort von mir entdeckten Objecte allen bisherigen Mondbeob- achtern hätten entgehen können, wenn sie schon früher daselbst vorhanden gewesen wären. Nun haben aber trotz dieser Mittheilung erfahrene Mondbeobachtcr mit guten Instrumenten (z. B. Elger) trotz aller Mühe diese Objecte bisher nicht sehen können, so dass ich meine ur- sprüngliche Ansicht ändern musste. Und doch habe ich alle diese Objecte wiederholt imter den verschieden- sten Beleuchtungen und Librationen mit leichter Mühe und bei schwachen Vergrösscrungen (108) wiedergesehen und zwar mit einer Deutlichkeit, welche jeden Zweifel ausschliesst! Wenn also schon solche Objecte, die uns als ,sehr leicht' erscheinen, von den anderen Mondbeob- achtern nicht wahrgenommen werden können, welche Chancen haben Letztere dann, Objecte zu sehen, die für uns „schwierig" sind? Gerade ein solcher Fall liegt aber betrelfs des Jlond- kraters Linne vor. Wir haben denselben siebzehn Mal beobachtet, ihn zwar gleich bei der ensten Beobachtung (13. April d. J.) als unzweifelhaften Krater erkannt, aber ihn erst bei der elften (20. September) in einer Weise gesehen, die uns aufs Höchste frappirt hat! Bekanntlich gab Mädler den Durchmesser des Linne auf mehr als 10 km an, fand ihn auch auffallend genug, um ihn eines eigenen Namens würdig zu halten, und selbst Lohrmann bezeichnete ihn als Fixpunkt ersten Ranges, dessen Durchmesser 7'/.2 km betrage. Schmidt erklärte nun plötzlich 1866, dass Linne als Krater ver- schwunden sei. Während er ihn 1840—43 wiederholt als Krater von 11 km Durchmesser und mehr als 300 m Tiefe gesehen und gezeichnet habe, sei jetzt an seiner Stelle nur ein weisser Fleck gleichen Umfanges zu sehen. Dass durch diese j\Iittheiluug alle Moudbeobachter veranlasst wurden, Linne zu beobachten, ist selbstver- ständlich-, aber minder verständlich ist, dass Jeder etwas Anderes sab! Schmidt selbst fand Ende 1866 einen „Berg" im Mittelpunkt des weissen Fleckes; Knott, Buckingham und Key sahen am 12. Januar 1867 eine „sehr wenig tiefe kreisförmige Einsenkung von nahezu Ö'/o km Durchmesser" im Mittelpunkt des weissen Fleckes, Secchi dagegen einen Monat später „eine Krater- höhle von etwa 800 m Durchmesser" daselbst. Im Laufe des Jahres 1867 sahen verschiedene Beobachter „eine schwache, sehr wenig tiefe Einsenkung", welche nach Huggins Messung 3 km Durchmesser hatte. Bucking- ham schätzte später das Aeussere des Kraters auf 4^/^, das Innere auf l'/., km. Den Beobachtungen des Jahres 1868 zufolge soll Linne als eine „wenig tiefe krater- ähnliche Einsenkung von 11 km Aussen-, 4^/^ km Innendurchmesser und höchstens 160 m Tiefe" sichtbar gewesen sein, „mit einer kleinen Oeifuung von höchstens ^4 km in der Mitte". Das Ganze nahm kurz nach *) Eine Aiisnalime räumen wir nur dem lO'/ä-ZölIer des Herrn Krieger in Gera (ebenfalls von Eeinfelder und Hertel) ein, dessen Leistungen, was den Mond betrifft, jenen unseres Sieben- zöllers nahezukommen scheinen und sie vielleicht übertreffen würden, wenn jener hier aufgestellt wäre. 20 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 2. Sonnenauf^'ang das Aussehen eines weissen Fleckes von 13 km Durchmesser an. Birt entdeckte östlich von diesem weisse Flecke auf einer Rntherfurd'schcn Photo- graphie einen kleinen Kraterkegel mit einer östlich dahei- liegenden unbedeutenden Hergspitze und war der An- sicht, dass diese beiden (Jbjecte 1867 und 1868 mit Linnc verwechselt worden seien und dies die sich an- fänglich so widersprechenden Beobachtungen erkläre. Dieser Kraterkegel wurde aber seit 1869 nicht wieder gesehen. Klein erklärte zuletzt als Ergebniss wiederholter langjähriger Beobachtungen: „von einem Krater sei nicht die geringste S])ur zu entdecken, man sähe nur einen glockenförmigen Hügel", l'rinz dagegen behauptete im vorigen Jahre, er habe Linne als Krater gesehen, folglieh habe sich nichts verändert. Klein bestritt diese Folgerung und führte u. A. an, dass selbst Newall mit seinem 25-Zöller nur ein einziges Mal (1875) Linne als Krater gesehen habe, dieser also eine ganz verschwindend kleine Grübe sein niüsste. Ich selbst fand am 13. April d. .1., als ich während des Ausprobirens unseres Aequatorials und seiner Ocnlare den Mond einstellte, zu meiner Ueberraschung, dass Linne bereits bei;500- facher Vergrösserung einen deutlichen Krater zeigte, trotzdem für ihn die Sonne schon seit !•() Tagen aufgegangen war, Um meiner (Mondaltcr: 7-6 Tage) Sache siciier zu sein, Hess ich am folgi-nden Abend, also bei noch höher stehender Sonne, (Mond- altcr: 8"6 Tage), 15 Besucher ans dem riiblikum Linne ansehen und befragte sie, was sie daselbst sähen. Alle anworteten übereinstimmend : „inmitten des grauen Fleckes einen kleinen hellen Ring mit einem feinen, schwarzen Pünktchen in der Mitte". Wenn also Laien, die noch nie durch ein Fernrohr geblickt hatten, ein Object so deutlieii sahen, so kann man sich vorstellen, wie leicht sichtbar dasselbe gewesen sein nuiss. Damals schätzte ich den Durchmesser des Linne auf die Hälfte des nahen Kraters C der Schmidt'schen Karte und sehloss aus dem Umstände, dass das Innere auch noch am 15. April also 3'6 Tage nach Sonnenaufgang mit Schatten erfüllt war, aufeine beträchtliche Tiefe. Den Aussenwall hielt ich jedoch, seines kaum wahr- nehmbaren Schattcnwurfes halber, für sehr nieder. Nachilcm das Fernrohr erprobt und regelmässige Mondbeobachtung in das Programm aufgenommen war, stellte ich am lU. Juni um 8''*) Linne ein, weil Luft 1 war und sogar 672-faclie Vergrösserung sehr gute Bilder gab. Doch bediente ich mich an jenem Abende meistens eines orthoskopisclien Oculars von 414-faeher Vergrösserung, weil dassell)e noch schärfere Bilder gab. Unser Journal sagt über diese Beobachtung: „Linne unzweifelhafter Krater mit zwar niederen, aber deutlich sichtbaren Wällen! Der Westwall war an der Westseite grell beleuchtet, so dass er von dem matten Weiss des umliegenden Flecks stark abstach. Nach der Innenseite warf er einen Schatten, welcher das Innere vollständig ausfüllte. Der Ostwall scheint niedriger zu sein, weil seine beleuchtete Innenseite schmäler erschien als die beleuchtete des Westwalls, und weil auch sein nach Osten geworfener Schatten schmal war. Aber die heutige Beobactitung bei so reiner Luft lässt über das wahre Aussehen des Linne keinen Zweifel". *) Alle Zeitangaben nach M. E. Z., also nach dem 15. Meriilian östlich von Greenwich. (Es sei noch bemerkt, dass der Mond damals 6-8 Tage alt und die Sonne seit 0'6y Tagen für Linne aufge- gangen war.) Am 9. Juli, 9 — 9V4'', bei Luft 2 — 3, Vergrösserung 313— 414-fach und Lichtgrenze bei Cap Fresnel (Mond- alter: 6"7 Tage) schrieb ich in das Journal: „Meine ursprüngliche Auffassung, der Ostwall sei niedriger als der Westwall ist richtig. Anfangs sah ich nämlich Linne thatsächlich in der Form eines g locken - artigen Hügels, indem der Schatten des Westwalles (dessen Aussenseite ziemlich grell beleuchtet war) über den Ostwall hinwegsetzte, letzterer mithin ver- borgen blieb. Bald aber sah ich die Gipfel des Ostwalls wie eine feine zarte Lichtlinie aus dem Schatten auftauchen und nun nahm Linne wieder das Aussehen eines kleinen Kraters an. Mir machte es den Eindruck, als ob der Westwall an seiner Aussenseite entweder ziemlich hoch oder verhältnissmässig sehr breit wäre; derart, dass ich mir seinen Durchschnitt so vorstelle wie Figur 1 zeigt. Dadurch würde es sich erklären, wie es kommt, dass Linne bald als Hügel, bald als Krater, bald als Ein- senkung, bald als Glocke geschildert wurde. Bei Sonnen- aufgang scheint er ein Hügel zu sein; wie aber die Sonne höher steigt und der Gipfel des Ostwalls beleuchtet wird, erkemit man den Krater. Letzte- rer ist übrigens so klein (das ganze Object hätte im nahen Krater Ä mehr als genügend Platz, weil dessen Durch- messer noch dreimal grösser ist!), dass seine Veränderung seit Mädler's und Lehmann's Zeiten ausser Frage steht. Als Krater kiinnen ihn diese mit ihren bescheidenen Instrumenten nicht gesehen haben, wenn er nicht grösser war, als er heute ist. Ebenso jst es unzulässig anzunehmen, dass Mädler ihm dann einen Namen ge- geben hätte, wo er doch viel un- bedeutender ist als A, und viel schwerer sichtbar als dieser". Am folgenden Abend 7V3'^ als die Lichtgrenze bis Archimedes vorgerückt war, beobachtete ich neuerdings Linne. Die Luft war 3, ein heftiger Wind machte das Fernrolu' bisweilen zittern, und ab und zu störten ziehende Wolken. Vergrösserung 313. Mondalter: 7'55Tage. Das Journal sagt: „Trotz der ungünstigen Umstände sehe ich Linne deutlich als Krater. Wegen der vorgeschrittenen Be- leuchtung zeichneten sich die Gipfel der Wälle als glän- zender Ring ab, der von dem matten Weiss des Fleckes stark abstach, während das Innere tiefschwarz von Schatten erfüllt erschien. Dabei tiel es mir auf, dass dieses schwarze Innere heute viel grösser erschien (trotz schwächerer Vergrösserung) als je zuvor. Heute schätze ich den ganzen Krater auf ein gutes Drittel des ganzen Kraters A. Nach der heutigen Beobachtung neige ich mich der Anschauung zu, dass die Innenseite des Ostwalls schwach abfällt, so dass trotz grosser Tiefe des Kraters ein bedeutendes Stück des Innenwalls be- leuchtet wird. Vielleicht hat Linne einProfil wie Figur 2. Dann würde bei Sonnenaufgang der Schatten zuerst von a — h — c fallen, Linne mithin einem Hügel ähnlich sehen; später, wenn der Schatten von // — l und k — h — / fällt, wird der Krater sichtbar mit grossem schwarzem Inneren; end- lich, wenn die Sonne noch liöher steigt und der Schatten- von il — e und von f—h — g fällt, gleich das Innere nur einem schwarzen Punkte und der Schatten des Ostwalls ist äusserst sehmal. Heute z. B. sah Linne so aus, wie Figur 3. Nr. 2. Natnrwisspnscliaf'tlifhe Wochonsclirif't. 21 Am [2. .Iiili i.Moiiiialtor: O'lif) Tage) fand icli Liniu' st'liatteiilos „oder sein Inneres vielleicht nur wegen der niittehniissigeu Luft nieht erkennbar". Am 22. Juli sah ich Liune nur als weissen Fleck. (Liehtgrenze: Posidonius. Mondalter: lOHTage. i Ebenso am 23. Juli (Lichtgrenze: Bessel, Mondalter: 20-75 Tage) und 10. August (Licht- grenze: ISullialdus, Mondaltcr: 94 Tagei. Und nach alledem stelle man sich meine VerblülVung vor, als ich am 20. Septend)er 17 '', (.Mondaltcr: 21-o6 'l'age) zufällig einen lilick auf Linne warf und dort einen un- gewöhnlich grossen hohen Krater vorfand! Sein Aussehen war wie in Figur 4. Mit anderen Worten, anstatt des kleinen Kratercbens inmitten eines liebten Fleckes sab ich einen (vcrhältniss- nuissigi grossen und, seinem langen Schatten nach zu urtheilcn, auch hoben Krater vor mir! Der Durch- messer des Kraters war ungefähr gleich jenem des nabeu Kraters C (^welcher gerade an der Licbtgrenze stand, während aus der Phase noch der Krater B hervorragte,) die Länge des Schattens betrug ungefähr das Anderthalb- fache des Durchmessers des ganzen Kraters Liune! Die nächste Umgebung war auch nicht weisslieh, sondern matt, gleich der weiteren Umgebung, so dass ich zu zweifeln begann, ob das wirklich Linne sei, was ich vor Augen hatte. Ich holte die Karten von Schmidt, Neison und Lobrmann und verglicii die ganze Umgebung auf das Genaueste mit dem Anblick im Fernrohr .... Es war kein Zweifel mehr: Liune ist als grosser, hoher Krater wiedererstanden! („Gross" und „hoch" natürlich nur im Verhältniss zu seinem früheren Aussehen.) Zwischen Sulpicius Gallus und Linne C war Linne das grösste und auffallendste (»bject — so autfalleud wie B und (', aber viel auffallender und grösser als die vielen andern Kratere jener Gegend der Schmidt'schen Karte! Nachdem er dem nahen Krater C au Grösse gleich kam, muss sein Durchmesser zu 7 — 8 km angenommen werden, also so viel als seiner Zeit Lohrmann angegeben hatte. Der Director der Prager k. k. Sternwarte, Herr Prof. Dr. AVeinek, dem ich von diesen Beobachtungen Mit- theilung machte, meinte, der lange Schatten könnte auch durch eine erhabene Lage des Linne (auf einer kcgel- artigen Erhöhung) hervorgerufen sein — welche. Ansicht auch durch eine Photographie bestärkt würde — und dies würde ich am besten durch Beobachtung des\'erkiirzens bezw. Verlängerus der Schattenlinie herausbringen. Zu diesem Zwecke setzte ich meine Beobachtungen fcn-t. Am 6. October 6'^ bei Luft 2, Licbtgrenze bei Cassini, Mondalter 7-.5Tage, Vergrösseruug 414, fand ich, dass Linne sein früheres Aussehen wieder hatte, d. h. er war lange nicht so auffällig wie Krater C und der weisse Fleck um ihn herum wieder sichtbar. Indess schien mir Linne innncrhin grösser als vor einigen Monaten und sein Krater war deutlich sichtbar. Am 4. November 6'' (Luft 2, aber bald 3, Vergrösserung 300, Licbtgrenze bei Cap Faradey, Mondalter: 7 Tagei schrieb ich in das Journal: „Linne heute kleiner als A; ungefähr halben Durchmesser von B. Seine Schattcnlänge betrug etwa das Anderthalbfache des Durchmessers des ganzen Linne, er war ungefähr genau so lang, wie der Schatten des . 1 und des B. Der beleuchtete, weisse Westrand erschien nicht ganz so breit wie jener von^. Es scheint, dass das Miltelloeb des Linne im Verhältniss zu dessen Durchmesser auffallend klein ist, so wie es Taehini auf seiner Zeichnung VI von 1868 darstellt". Am 7. November GVo*^ (Luft 2, Vergrösserung 414, Lichtgrenze bei den Riphäen. Mondalter 1003 Tage) fand ich, dass Linne ein ziemlich grosses schwarzes Scheibchen inmitten des weissen Flecks hatte — ein Beweis, dass der Krater sehr tief sein muss. gerade so gross, 10 '/4'' (Luft 3, Vergrösserung lÜS, Mond- Ani 16. November IO3/4'' (Luft 3, Vergrösserung 313, Mondalter VJ-2b Tage) sehrieb ich: „Das Innere des Kraters war sehr deutlieh als schwarze Scheibe zu sehen, die oiine merkliche Umwallung mitten im weissen Flecke stand. Ihr Durchmesser war ungefähr wie jener des Innern von D'~. Anderntags I0V4'' alter 20-23 Tage, Licbtgrenze bei Posidonius) schrieb ich „Das schwarze Innere war nicht zu erkennen, doch halte ich dafür, dass ilies nur auf Rechnung der schlechten Luft und meiner heute sehr geschwächten Augen konnnt". Am 18. November nahm ich mir vor, das Anwachsen des vSebattens von Linne zu beobachten, daher ich ihn von 10'' an bis lö^V' im Auge bebicit. Leider hatte ich aber schon vorher seit 5'' Mars und Jupiter beobachtet, so dass mich die allzugrosse Ermüdung meiner Augen verhinderte, die Beobachtung bis in die späten Morgen- stunden fortzusetzen, wie dies meine Absicht gewesen war. Die Luft war 3 (mit starkem Winde), die Lichtgrenze anfangs bei Bessel, zuletzt bei A, die Vergrösscrungen 146, 198, 313 und 414, das Mondaltcr anfangs 21-22 zuletzt 21-44 Tage. Anfangs konnte ich gar nichts von einem Schatten sehen, selbst nicht das Innere, sondern nur den weissen Fleck und in dessen Mitte einen grell glänzenden Berg. Nachdem ich aber bereits zwei Tage vorher das Innere ganz deutlich beschattet gesehen hatte, so ist es klar, dass an dem heutigen Nichtsehcn nur die Luft und die Ermüdung meiner Augen Schuld trugen. Nach Mitternacht sab ich plötzlich besser und nun ge- wahrte ich etwas, was ich für das Innere von Liune hielt und um 13'^ so wie Figur 5 zeichnete. Auf dieser be- deutet a den grossen weissen Fleck, b den grellen Berg in ihm, welcher einen runden schwarzen Kern enthielt. Die untere Hälfte von b sah dunkel aus, doch konnte ich nicht herausbringen, was das sei. Erst um 15'' sah ich klar, dass dieser dunkle Theil in Wirklichkeit der Schatten des Kraters Linne war und ungefähr '^/^ des ganzen Kraterdurchmessers Länge hatte. Der weisse Fleck war nahezu unkenntlich und das Ganze hatte das Aussehen von Figur 6. Ich erkannte jetzt erst das kleine Central- loch. Im Ganzen war Linne weit kleiner als die in einer geraden Linie links von ihm stehenden 5 Krater: ABC'DE, welche jetzt, an der Lichtgrenze, nach der Länge ihres Schattens folgende Rangordnung einehmen würden: BCAEIJ'^. Was soll man nun aus diesen Beobachtungen folgern? Dass sieh Linne seit Lohrmann's Zeit geändert liatV Dass er sich gleich geblieben ist"? . . . Stellen wir zuerst das Ergebniss aller Beobachtungen tabellarisch übersichtlich zusammen, wobei A das Datum der Beobachtung, B den Luftzustand, C die angewandte Vergrösserung, 1) das Mondalter iu Tagen, E die Zahl der Tage nach dem Sonnenaufgang (für Linne) F jene vor dem Sonnenuntergang, G das Aussehen des Linne enthält. A B C D E F G 13./4. 3 300 7-6 1-60 — Deutlicher Krater; lialber Durch- messer von Limu; C; schwacher Schatten nach aussen. 14./4. 2 400 8.6 2-60 — Ebenso. Umgebender Fleck viel matter. 15./4. 2 395 9-6 3-(i0 — Im weissen Fleck ein etwas helleres Ringlein mit ungemein zartem Pünkt- 1 chen in der Mitte. 10./6. 1 414: 6-8 0-(!9 _ Krater mit deutlich sichtbaren Wällen. 9./7. )2 |3 414U.- 313 r ' 0-25 1 Ebenso; ein Drittel des Durch- messers von A. 10/7. 3 313 7-55 1-19 Ebenso; ein gutes Drittel des Durch- messeis von .4. 12./7. 8 313 9-65 3'22 Krater nicht erkennbar, oder schattenlos. 99 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 2. A B C D E F G 22./7. 3-4 198 19 8 1-32 Nur weisser Fleck sichtbar. 23-/7. 3 313 20-75 — 0-37 Ebenso. 10./8. 3 198 9 4 2-80 — Krater nicht erkennbar. 20./9. 1-2;414 21-36 — iO-11 Auffallend grosser Krater vom 7 — 8 km Durchmesser mit langem Schattenwurfe. Keine Spur vom weissen Fleck. G./IO. 2 414 7-5 0-67 — Weisser Fleck wieder sichtbar. Krater verhiiltnissmässig gross, aber lange nicht so auffällig wie C. 4./11. 2-3 300 701 0-12 — Linue kleiner als A\ ungefähr halben Durchmesser von B. Schattenlänge wie am 20. 9., der Schattenlänge von A und B entsprechend. 7./11. 2 414 10-03 3-12 — Krater-Inneres noch deutlich sichtbar. 16. 11 3 313 19-25 — 2-47 Ebenso. Sein Durchmesser jenem von D gleich. 17./11. 3 313 20-23 — 1-50 Krater-Inneres nicht erkennbar. 18./11. 3 146 21-22 — 0-41 Zuletzt Krater gut sichtbar: kleines bis bis bis Centralloch ; Schatten Vs des eigenen 414 21-44 0.18 Durchmessers; Linne weit kleiner als die 5 Krater A—E\ weisser Fleck nahezu unkenntlich. Betrachten wir diese Tabelle, so finden wir, dass Linne elfnial nach Sonnenaufg-ang- und nur sechsmal vor Sonnenuntergang beobachtet wurde. Bis 7ai 3-60 Tagen nach Sonnenaufgang und 2-47 Tagen vor Sonnenuntergang war er noch als Krater zu erkennen, (ausser wenn die Luft schlecht war) und sein Lnieres schattenerfiiilt, folglich muss er sehr tief sein. Der Durchmesser wurde gewöhn- lich auf 2 — 2^4 km geschätzt, am 20. September jedoch auf 7 — 8 km. Nachdem bei sehr niederem Sonnenstande das Innere sehr breit, sonst aber äusserst fein und zart erscheint, so ist es wahrscheinlich, dass dasselbe trichter- förmig ist: und zwar muss der schmale Trichterkanal sehr tief sein. Ob Linne überhaupt ein hoher Krater ist, oder andere Umstände bei niederem Sonnenstande seinen Schatten so ungewöhnlich lang erscheinen lassen, werden wohl meine weiteren Beobachtungen bald ent- scheiden. Vorläufig übergebe ich diese Zeilen der Oeffent- licbkeit, damit auch andere Mondbeobachter sich an der Lösung dieser Frage betheiligen können, die ja für unsere Kenntniss der physischen Beschaii'enheit des Mondes von der höcbsten Wichtigkeit ist. Zwei Embryonen von Echidna bystrix besehreibt W. N. Parker in den „Proc. Zool. Soc." London 1894, PI. L Der kleinere ist 12,5, der grössere 21,5 cm. lang. Der Körper ist stark gekrümmt, besonders der Kopf sehr eingezogen. Nach hinten geht der Körper beim kleineren unmerklich in den konischen Schwanz-Stummel über, der gerade nach hinten ragt, während der deutlicher ent- wickelte des grösseren mit dem ganzen Hinterende unter den Körper gebogen ist. Die Haut ist rauh, beim älteren mit vielen Papillen. Beim jüngeren sind erst die Plätze zu sehen, au denen später die Stacheln hervorbrechen, die beim älteren gerade aus der Haut hcrausragen, wäh- rend die zvFischen ihnen stehenden Borsten schon 3 mm lang sind. Am Bauche des älteren, wenig vor den Hinter- beinen liegt eine dreieckige Tasche, der spätere Beutel, der der Mammartasche der höhereu Säuger entspricht. Die Gliedmaassen sind bei beiden schon ziemlich ent- wickelt und tragen, besonders die vorderen, stai-ke Krallen. Beim älteren ist schon der Sporn an den Hinterfüssen zu sehen. — Augen und Ohren sind beim jüngeren erst Schlitze. Bei diesen ist die Schnauze noch nicht deutlich vom Kopfe abgesetzt, zeigt aber schon die charakteristisch röhrige Form. Sie ist nur vorn mit Hörn bedeckt, das nach hinten in weiche Haut übergeht. Beim älteren ist sie schon deutlicher abgesetzt und völlig mit Hörn be- kleidet, so dass sie sehr an den Schnabel von Ornitho- rhynchus erinnert Die Lippen sind natürlich bei beiden hornig und unbeweglich. Das jMund Epithel lässt an manchen Stellen hornige Zähne entstehen, während keine Anlage von echten Zähnen wahrzunehmen ist. — Uelterall an der Schnauze sind Drüsen, die P. für Schweissdrüsen hält. Haare fehlen dem hornigen Theile des Schnabels, sind aber am übrigen Kopfe sehr zahlreich und mit wohl entwickelten Talgdrusen versehen. — Die Nasenlöcher stehen weit auseinander und sind von innen her durch je eine Scheidewand bis über die Mitte gespalten. Zwischen ihnen befindet sieh beim jüngeren eine dicke Horn-Spitze, wie sie auch der Schnabelthier-Embryo besitzt, und die dem Eizahne der Vögel entspricht. Besondere Aufmerksamkeit widmet P. dem Jakobson- schen Organe. Es ist ein Anhang der Nasenhöhle, der durch einen Gang mit der Mundhöhle in Verbindung steht, so dass man ihn als ein Sinnesorgan auffasst, das direct den Geruch der Speisen vermitteln soll. Es ist bei nie- deren Wirbelthiercn sehr gut entwickelt, und auch bei Säugern noch weit verbreitet, während es beim Menschen rudimentär wird. Die beiden Embryonen besitzen es, ebenso wie der des Schnabeltiiieres, in höchster Ausbil- dung. Nach P. nähert es sich bei den Monobramen in seinem Bau ebenso sehr dem bei den Reptilien, als es sich von dem bei Säugethieren entfernt. — Auch die beim Sehnabelthiere schon bekannte Verbindung der beiden Nasenhöhlen, wie sie nur noch gewisse Vögel aufweisen, konnte P. hier nachweisen. — P. hält das Schnabelthier für den primitiveren Typus, da seine Stachelthier-Em- bryouen ihm viel mehr ähneln, als es die Alten thun. L. R. Einfluss der Configuration auf die Wirkung der Enzyme betitelt sich ein Artikel Emil Fischer 's (D. Chem. Ges. Ber. 27, 2985). — Verfasser war auf Grund von Versuchen, die er gemeinsam mit Thierfelder über das verschiedene Verhalten der stereoisomeren Hexosen gegen Hefe allgestellt hatte, zu der Hypothese gelangt, dass die activen chemischen Ageutien der Hefezelle nur in die- jenigen Zucker eingreifen können, mit denen sie verwandte Configuration besitzen. Diese Auflassung musste eine Stütze erhalten, wenn es gelang, ähnliche Verschieden- heiten auch bei den vom producirendeu Organismus los- gelösten Fermenten, den sog. Enzymen, festzustellen. Für zwei glucosidspaltende En'/yme, das Invertin und das Emulsin, gelang dieser Nachweis vollkommen. Der Ein- wirkung dieser Enzyme wurden unterworfen die künst- lichen Glucoside, welche nach Fischer's Verfahren aus den verschiedenen Zuckern und Alkoholen gewonnen werden können, ferner mehrere natürliche Produete der aromatischen Reiiie und schlie-sslicii einige Polysaccharide, welche nach Fischer's Auffassung nichts anderes sind als die Glucoside der Zucker selbst, d. h. solche, in denen diese auch den alkoholischen Bestandtheil bilden. Die Versuche mit Invertin wurden, da das käufliche Präparat weit schwächere Wirkung zeigt, mit einer klar filtrirten Lösung angestellt, welche durch Digestion von lufttrockener Bierhefe des Frohberg-Typus*) mit 15 Theileu Wasser bei 30—35° bereitet war. Diese Enzymlösung spaltete a-Methylglucosid, während sie die stereoisomere jS-Verbin- dung vollkommen unberührt Hess. Das krystallisirte Aethylglucosid, seiner Darstellung wie seinen Eigenschaften *) Der Saaz-Typus zeigt übrigens dieselben Eigenschaften. Nr. Natnrwissen.schaftliche Wocliensclirif't. 23 niu'li zur «-Reihe g^chöiig-, wurde gespalten, die Beiizvl und Glyeerinverhiiulunp:, bisher nur als amorphe Producte, wahrsclieiulicb Gemische der a- und /^-Verbindungen, wurden, wie es dieser Annahme entspricht, nur tbeilweise ge- spalten. Alle anderen l)islier bekannten Alkoholglucoside, die sich von Galactose, Arabinose, Rhamnose ableiten, werden, obwohl nacii iin-er Darsteilungsart wahrscheinlich zur ft-Reihe gehörig, nieiit angegritlen, ebensowenig das Methyl-1-Glucosid , das zwar nicht krystallisirt erhalten wurde, aber seiner Bereitungsweise nach hauptsächlich die «-Verbindung entiialtcn musste. Wie Rohrzucker, so wurde von den Polysacchariden aucli die Maltose, ent- gegen früheren Angaben, durch Invertin gespalten (das käufliche feste Invertin iiat diese Wirkung nicht), während Milchzucker gar nicht angegrilfen wird; dies erklärt sich leicht, wenn man bei sonst gleicher Struetur die Maltose als das Glucosid, den Milchzucker hingegen als das Galac- tosid des Traubenzuckers auft'asst. Von aromatischen Glucosiden werden ."^allein, Coniferin, Phloridzin und Phe- nolglucosid nicht angegriffen; Amygdalin wird gespalten, aber anders als durch Eniulsin; es entsteht Traubenzucker, aber weder Bittermandelöl noch Blausäure. — Enmlsin stimmt mit dem Invertin darin überein, dass es nur die Glucoside des Traubenzuckers, nicht aber die der anderen Zuckerarten angreift; aber, umgekehrt wie Invertin, spaltet es die Verbindungen der ß-, nicht die der «Reihe; nur die amorphen Körper, welche aller W^ahrscheinlichkeit nach Gemenge der Ijcidcn Stereoisonieren sind, werden von beiden Enzymen augegritfen. Da Emulsin, wie bekannt, die oben erwähnten dem Invertin widerstehenden aromatischen Glucoside leicht si)altet, so ist anzunehmen, dass auch diese der jt^-Reihe angehören. Rohrzucker und Maltose widerstehen dem Enmlsin, während Milchzucker leicht ge- spalten wird. Ein Milchzucker spaltendes Enzym scheint auch die Milchzuckerhefe zu bilden. Der Versuch konnte bisher, da genügende Mengen reiner Hefe nicht zur Ver- fügung standen, nur mit dem wässerigen Auszuge von Kefirkörnern angestellt werden und ergab hierbei ein positives Resultat. Fischer beabsichtigt seine Versuche nach mehreren Richtungen fortzusetzen und die Ursache des auffälligen Verhaltens der Enzyme möglichst klarzustellen. Aber jetzt schon hat sich ausser den vielfach interessanten Einzel- heiten das eine mit Sicherheit ergeben, dass nicht die lebende Zelle in der Waid ihrer Angriflsobjecte wählerisch ist, sondern dass diese Eigenschaft den von der Zelle be- reiteten Enzymen zukommt. Damit fällt das letzte, bis auf den heutigen Tag*) hartnäckig vertheidigte Bollwerk des Vitalismus, eines der gewichtigsten Lebensräthsel wird in den Bereich der mechanischen Erklärung gerückt. Die Entwickeluugsreihe, die mit Wöhler's Harnstofi'synthese begann, kann nach diesen Untersuchungen Fischer's als geschlossen gelten. Sp. Ein kleiner Planet (1894 BE; No. 392) mit ganz eigenartiger Bahn ist am 1. November 1894 von M. Wolf in Heidelberg auf photographischem Wege entdeckt worden. Er legte anfangs jeden Tag über einen halben Bogen- grad zurück und war von der Erde nur 106 Millionen Kilometer entfernt. Er stand zu jener Zeit zwischen der Erd- und der Marsbahn, so dass man schon fast geneigt war, an die Entdeckung eines zwischen Mars und der Erde sehwebenden Planeten zu glauben. Die nachträglichen Beobachtungen und Berechnungen ergaben aber, dass *) Vergl. das Kapitel „Vitalismus und Mechanismus" in Bunge's Lehrbuch der physiologischen und pathologischen Chemie. 3. Aufl. Leipzig 18^4. man es mit einer jener kleinen AsteroYden zu thun hatte, welche jedoch eine ungewöhnlich e.Kcentrische Bahn ver- folgte. Er hat die verhältnissmässig kurze Umlaufszeit von 3,4 Jahren; seine mittlere Entfernung von der Sonne beträgt 2,25 Erdbahnradien, im Peribel aber nähert er sich der Sonne bis auf die 1,60 fache Entfernung der Erde, während der Mars im Aphel die 1,67 fache Distanz erreicht. H. Die Witterung des Monat Deceuiber im centralen Europa. — Die Witterung des December war in ihrem überwiegenden Theil ebenso wie die des Vormonats recht angenehm. Frostwetter und Thauwetter wechselten mehr- fach mit einander ab, doch entfernten sich die Tempera- turen weder nach der einen noch nach der anderen Seite bedeutend von dem Nullpunkt. Unangenehmes Regenwetter trat zwar mehrfach auf, doch stets nur für kurze Zeit. Zu Beginn beherrschte ein Hochdruckgebiet mit einem Kern von 777 mm über Süd-England die Witterung, wo- durch mildes, meist klares Wetter mit vereinzelten, leichten Nachtfrösten hervorgerufen wurde, während gleichzeitig (am 1.) Süditalien von schweren Wolkeubrüchen, ver- anlasst durch eine Mittelmeerdepression, heimgesucht wurde. Allmählich verschob sich das Maximum nach Südost und rief in Wechselwirkung mit einem Minimum auf der Adria am 3. in Triest einen gewaltigen Bora- sturm, am 4. bei Lesina schwere Wolkenbrüche hervor. Seit dem 5. verschlechterte sich auch bei uns das Wetter ein wenig, da eine Depression von Westen heranzog, Tauwetter und leichte Regeufälle machten sich fast allent- halben geltend. Am 8. jedoch bildete sich ein Maximum im mittleren Deutschland aus, wodurch über Centraleuropa leichtes Frostwetter mit fast völliger Ruhe der Atmosphäre bedingt ward. Am 9. und 10., zum Theil auch noch am 11. lagerten über ganz Norddeutschland eine kolossale Nebelschicht von einer Dichtigkeit und einer Dauer, wie sie in diesen Gegenden vielleicht seit Jahrzehnten nicht beobachtet worden ist. Prachtvolle Rauhfrostbildungen waren die natürliche Folge davon und schmückten in seltener Schönheit die verschiedenen Gegenden, bis sie durch wieder eintretendes Tauwetter am 13. und 14. zer- stört wurden. Verursacht wurde dieser Umschlag der Witterung durch eine im hohen Norden vorübergehende, tiefe De- pression, welche das Maximum nach Süden verschob. Am 14. erschien eine neue Depression und machte dem Frostwetter, welches in einigen Gegenden Nordtirols schon die Temperatur auf — 15" hatte sinken lassen, überall ein Ende. Eine am 15. und 16. über Deutschland fort- ziehende Theildepression rief ziemlich ergiebige Regen- fälle hervor, welche später bei wieder steigendem Baro- meter und nach Nord- West drehenden Winden vielfach in Schneefälle übergingen. Schon am 18. aber wurde es wieder wärmer, als im Westen ein neues Minimum heran- zog, das am 19. mit 730 mm Tiefe an der norwegischen Küste lag. Im hohen Norden trat infolge nördlicher Winde strenge Kälte ein, Haparanda meldete am 20. — 24", Archangelsk — 26°, und in Norrland, sowie auf dem ßottnischen Meerbusen tobte ein furchtbarer Schnee- sturm. Schon schien die Witterung wieder ruhiger werden zu wollen, da erschien ganz plötzlich am 21. abermals im Norden Englands eine tiefe Cyklone, welche drei Tage hindurch in England, den Nordseegebieten und in Norwegen furchtbare Stürme zur Folge hatte, wodurch zahllose Unglücksfälle auf dem Meere wie auf dem Lande herbeigeführt wurden. Bemerkenswerth ist die Gewitter- meldung aus Bodo innerhalb des Polarkreises am Morgen ■24 Naturwissenschaftliehe Wocheuschrilt. Nr. 2. des 22. Am schwersten wüthete der Sturm in England und Irland, an der deutschen Küste wurde er, da er aus Nordwest kam, besonders verderblich durch eine unge- wöhnlich hohe Sturmfluth, durch welche überall de: Strand in einem Streifen von 4 — 20 m fortgerissen wurde. In Sylt erre'chte der Wasserstand am 23. eine Höhe, wie sie seit der entsetzlichen Sturmkatastrophe in der Nacht auf den 4. Februar 1825 nicht mehr beobachtet worden war. Am 24. beruhigten sich die empörten Elemente, und während der Weihnachtsfeiertage herrschte mit einer Unterbrechung am 26., der stellenweise verregnete, milde, ruhige, meist heitere Witterung, welche, wenigstens in Nord-Deutschland, mehr an Ostern als an Weihnachten erinnerte. Am 27. lag ein ungewöhnlich hohes Maximum von 785 mm westlich von Irland, während gleichzeitig eine tiefe Depression von 730 mm sich am weissen Meere befand. Die starken Druckgegensätze veranlassten wieder stürmische Witterung auf dem Ocean, Christiansuud meldete vollen Schneesturm aus Nord-West. An die öst- liche Ostseeküste wurde eine Sturmwarnung erlassen, doch der Verlauf der Witterung war ein ganz anderer, als man erwartete. Die Anticyklone wurde bei rasch ab- nehmender Höhe nach Süden gedrängt durch ein plötzlich aus Nordwest hereinbrechendes, sehr tiefes Minimum, das am Morgen des 29. mit einem Kern unter 720 mm Druck auf dem Norwegischen Meere lag. Die Folge waren er- neute, heftige Stürme, welche zwar an verderblichen Wirkungen denen vom 22. nicht gleichkamen, jedoch im Innern des Landes sich mehr als damals bemerk- bar machten. Kolossal stark war der Barometersturz in diesen Tagen, nördlich von Schottland war z. B. der Luftdruck vom 27. bis zum 29. um fast 50 mm gefallen, und in Deutschland wich das Barometer vom 28. bis zum 29. in 24 Stunden um beinahe 30 mm. Bemerkenswerth ist auch, dass der Luftdruck während der ganzen drei letzten Tage des Jahres so niedrig blieb, während er sich gewöhnlich nach einem starken Fall auch rasch wieder erhebt. Die letzten Tage des Jahres brachten wieder ruhiges, angenehmes Wetter mit etwas Frost und vereinzelten, leichten Schneefällen. Aulfallend in diesem Monat war besonders der fast gänzliche Mangel an grösseren Schneefällen, wodurch ja schon ohne weiteres stärkerer Frost ausgeschlossen war. Interessante Angaben über Oreuzwerthe für die bei verschiedenen Kesselanlagen zulässige Wasserbe- scliafFeiiheit hat Dr. Mosclieles in „Glaser's Annalen für Gewerbe und Bauwesen" (Band 35, Heft 8 (No. 416) vom 15. October 1894) neuerdings gemacht, nachdem er schon in einer früheren Arbeit (Annalen für Gewerbe und Bau- wesen No. ,398) die zulässige Beschaffenheit von Kessel- speisewasser in verschiedenen Kesselconstructionen be- sprochen hatte. — Als Kesselsteinerzeuger sind hauptsächlich von Bedeutung die Lösungen von alkalischen Erden in Gestalt der gelösten Bicarbonate des Kalkes und der Magnesia sowie der Sulfate und ev. Chloride derselben. Weniger gefährlich für den Kesselbetrieb sind die kohlen- sauren Salze, da sie sich bald nach dem Eintritt in den Kessel als schlannnartige Masse ausscheiden, während die Sulfate, vorzüglich der Gips, bedeutend gefährlicher wirken, da bei dem fast steten Vorhandensein von Carbonaten eine mechanische Einhüllung desselben durch die sich bindenden Krystalle des Gipses stattfindet. Hierdurch wird der Kesselstein noch durch die an und für sich harmlosen Carbonate vermehrt. Deidct man sich daher ein mit Kesselstein incrustirtes Rohr eines Wasserröhren- kessels durchschnitten, so zeigt sich an der Innciitläclic zunächst eine Schicht aus reinem Gips, während nach dem Innern des Rohres zu, der Gehalt der Schichten an Carbonaten stetig zunimmt, bis der Kesselstein in der Mitte schlammartig wird. Die Reinigung derartiger Rohre wird durch diese Bildung des Kesselsteines ungemein er- schwert. In einem Siederohrkesscl macht sich dagegen dieser Uebelstand weniger fühlbar, da das Wasser nicht durch das Innere des Rohres fliesst, sondern dasselbe umspült, jedoch kann auch hier bei schlechtem Wasser die Bildung des Kesselsteins derartig auftreten, dass das Röhrenbündel einen Klumpen vorstellt. Dieselben Er- scheinungen zeigen sich im Grosswasserraumkessel, jedoch ist hier die Gefahr für den Kessel bei den grösseren Dimensionen der Feuerrohre und der Unterkessel wesent- lich geringer. In derartigen Kesseln setzt sich der Gips an den vom Feuer berührten Stellen als reiner Kessel- stein ab, während der zum grössten Theile aus kohlen- saurem Kalke bestehende Schlamm zu Boden fällt. Kombinationen von Röhrenkesseln nehmen eine Mittel- stellung ein. Die Kessel lassen sich in Bezug auf die Zulässigkeit des zu verwendenden Materials im Allgemeinen in vier Gruppen theilen: 1. Grosswasserraumkessel. 2. Kombinirte Kessel, d. h. Grosswasserraumkessel mit Siederohrkessel bezw. Wasserrohrkessel. 3. Röhrenkessel mit Siederohren. 4. Wasserröhrenkessel unter bewohnten Räumen In Bezug auf die Zusammensetzung des Wassers sind folgende möglichen Fälle zu berücksichtiii'en: 1. Das Wasser enthält: Schwefelsauren Kalk: Ca SO^ -f- Kohlensauren Kalk: Ca CO3. Kohlensaure Magnesia: Mg CO3. 2 Aqu. 2. In seltenen Fällen ist in dem Wasser nur Gips enthalten ohne Vorhandensein von Kalk und Magnesia. 3. Häufiger zeigen sich Gips und kohlensaure Mag- nesia bei Abwesenheit oder Anwesenheit von Spuren kohlensauren Kalkes. Bei dem Grosswasserraumkessel ist für den ersten und zweiten Fall ein Wasser, das auf den cbm 400 gr. Kesselsteinbildner enthält, für den Betrieb unbrauchbar. Für den dritten Fall ist es nur dann zu verwenden, wenn jeden Tag ein Theil des Kessels abgeblasen wird, und zwar 2 — 3 cm, am Wasserstand gemessen. Bei Gegenwart von nur 300 — 400 gr Kesselstcinbildner pro cbm ist die Reinigung des Wassers für alle drei Fälle wünschenswerth und noch ökonomisch vortheilhaft. Bei combiuirten Kesseln liegt unter der Voraussetzung, dass das Speisewasser zuerst in den Grosswasserraum- kessel und nicht in den Röhrenkessel eingeführt wird, die Betriebsgrenze bei 275 gr Kesselsteinbildner. Die Ren- tabilität einer Reinigung liegt hier schon bei 120 gr Kesselsteinbildncr pro cbm. Reine Siedcröhrkessel vertragen nur 150 gr Kessel- steinbildner pro cbm. Die Wasserreinigung ist schon bei 100 gr wünschenswerth. Kessel unter bewohnten Räumen lassen noch einen Gehalt von 80 gr Kesselsteindildner zu, jedoch darf der Gipsgchalt nicht 30 gr übersteigen und muss der Kessel mindestens alle 4 Wochen gereinigt werden. Sämnitliche genannte Zahlen beziehen sich nur auf Kessel unter normalen Betriebsverhältnisseu. Ausserdem ist darauf hinzuweisen, dass mechanische Beimengungen vorher unter allen Umständen durch eine Vorfiltration be- seitigt werden müssen. Dr. F. Nr. 2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. "iii Kaucli- und scliwefelfreie Kohlen- Verbrennung. — Wie nianclier (Tartenfreiiiul in der Grossstadt hat es schon schnicrziicii empfunden, dass es ihm nie f;'eiingen wollte, irgendwelche Coniferen läns'ere Zeit hindurcli in seinem Garten /u hegen : nacli wenigen Jahren seliou sind die Nadeln nicht mehr schön grün, sondern nehmen eine schnuitzig-graugrüne Farbe an, fallen dann bald ab, olnie in hinreicliender Zahl durch andere ersetzt zu werden und der Baum geht zu Grunde. Allgemein be- kannt dürfte es jetzt sein, dass diese unangenehme Er- scheinung durch die in der Luft befindliche schweflige Säure hervorgerufen wird, die im Winter von dem auf den Zweigen ruhenden Schnee aufgesogen wird, und, wenn dieser schmilzt , im Schmelzwasser gelöst, das Proto- plasma der Nadeln tödtet. Dieser Feind aber stammt aus den rauchenden Fabrikschloten, aus den kleineu und grossen, in der Grossstadt so zahlreichen Feuer- stellen, und findet sich daher in der Atmosphäre des flachen Landes und der kleinen Stadt bei Weitem nicht in diesem Maasse. Schon lange hat man darauf gesonnen, ihn unsciiädlichzu machen, denn selbstverständ- lich greift er nicht nur die Pflanzenzellen, sondern auch die menschlichen Athmungsorgane an, so dass er als Hauptverderber der grossstädtisehen Luft zu bezeich- nen ist. Erfolg hatten diese Bestrebungen bislang nicht ge- habt, wohl, weil meist der springende Punkt, eben die Entfernung der schwefligen Säure, übersehen wurde; erst in letzter Zeit kam ein glücklicher Erfinder, Herr Koopmann in München mit dem zunehmenden Verbrauch von Presskohlen auf den Gedanken, das Problem auf chemischem Wege zu lösen. Er setzt der gemahlenen Kohle vor dem Pressen kohlensauren Kalk zu, die schweflige Säure treibt beim Verbrennen die Kohlensäure aus und verbindet sieh mit dem Kalk zu schwefelsaurem Kalk, der in Pulverform in der Asche zurückbleibt; gleichzeitig wird dadurch die Schlackenbildung vermieden. Dieser grosse Fortsehritt ist bisher nur in relativ kleinen Versuchen, die aber völlig genügen, um die praktische Verwendbarkeit zu beweisen, festgestellt worden, es hat aber eine „Gesellschaft für Presskohlen- fabrikation nach Koopmann'schem Verfahren" mit dem Sitz in Stettin, eine grosse Fabrik für diesen Zweck einige Kilometer unterhalb Stettins errichtet. Al)gesehen von günstig verlaufenen Probefahrten mit Dampfern der Gesellschaft „Stern" auf der Spree, wird schon seit längerer Zeit auf S. M. S. „Alexandra" mit Koopniann'schen Presskohlen gefeuert. Nachdem auf der kaiserlichen Werft zu Wilhelmshaven sich die Verdampfung per 1 kg Presskohle auf 8,51 kg Wasser, und die Rauch- stärke als 1 Minute c, d. h. kaum sichtbarer Rauch er- wiesen haben, ist das Fehlen der schwefligen Säure in den luftförmigen Verbrennungsprodueten einwandsfrei da- durch bewiesen worden, dass die Roste, die sonst, an- gegriffen durch die schweflige Säure in Luftform, alle 3 Monate erneuert werden mussten, dauernd gehalten haben. Aus diesen Gründen allein, wegen des sanitären Nutzens für die Bewohner der Grossstädte und Faltrikge- genden, insbesondere also auch für die Arbeiterbevölkerung, und wegen des sieh daraus ergebenden nationalökonomi- schen Vortheils ist die Erfindung von hoher Bedeutung; es kommt aber noch hinzu, dass keine wesentliche Raueh- entwickelung stattfindet, und dass das Material eine höhere Heizkraft, als beste westphälisehe Steinkohle hat. Folgende theils in Boitzenburg, theils auf der Alt- Damm-Koiberger Eisenbahn angestellte Versuche werden dies beweisen. L Versuch : E r z i e 1 t e l'utiim Material verbrauch *) Achs- Bangir- Reservo- kilometer stunden stundon 200 Stück Koopmann'sche 26.4. Presskohlen 868 4 6 27.4. 201 378 4 6 28.4. 168 830 4 6 29.4. 173 : 297 2,75 8 30.4. 115 126 0 11 1.5. 184 318 2.5 9 2.5. 187 836 3,5 8,5 3.5. 187 312 2,25 8,5 8 Tg. 1415 Stück = 3290,5 kg 2445 23 63 An Rückständen verblieben 290 kg. 4.5. 5.5. 6.5. 7. 5. 8.5. 9.5. 10.5. 11.5. 161 Stück Zeche Steingatt Presskohlen 147 137 104 720 kg Westhartleykohleu 675 540 * ■270 318 270 228 126 482 420 294 150 2 2,25 2,5 0 4 4,25 2,75 0 9,5 9,75 8,75 11 8,5 8 9 11 Tg. |3577,5 kg | 2238 An Rückständen verblieb niclits. 17.75 75,5 Lasssen wir die Reservestunden als unerheblich ausser Ansatz, so ergiebt sich: Minder verbrauch für Koopmann (ohne Rechnung der Rückstände) .... Mehrleistung für Koopmann 207 Aehskm 6 Rangirstunden. Auf 207 Aehskm 387 kg und 6 Rangirstdn. entfallen Verbrauch 625 kg Also Ersparniss für Koopmann 1012 kg Mit anderen Worten ergiebt sieh, bei nur 18 Ctr. gleich 900 kg Kohlen- Ersparniss auf je 8 Tage gerechnet, eine Ersparniss von 800 M. jährlich, bei Berücksichtigung der Rückstände mit mehr als 5 Ctr. eine jährliehe Er- sparniss von über 1000 Mk. per Zug, wobei zu berück- sichtigen ist, dass es sich hier um kleine Züge handelt. Deutlicher noch erkennt man das Verhältniss der ver- schiedenen Brennstotfe, wenn man zur Erreichung einer einheitliehen Basis die Rangirstunden durch Multiplication mit 227 auf Achskilometer reducirt, und dann die Leistung von 1 kg Brennmaterial berechnet. Koopmann Achakilo- Rangir- Summe Leistung per Kilo Brenn- Datum in kg meter stunden der Leistungen material in AchskIm. 26.4. 464 368 + 4 1276 2,75 27.4. 466 378 -+- 4 1286 2,75 28.4. 390 330 4- 4 1238 3,17 29.4. 401 297 -1- 2,75 921 2,29 30.4. 267 126 + 0 126 0,47 1.5. 427 318 + 2,5 886 2,08 2.5. 434 336 -4- 3,5 1130 2,60 3 5. 434 312 -t- 2,25 823 1.89 als Durchsch nitt: 2,25 Steingatt in kg 4.5. 403 318 + 2 772 1,92 5.5. 368 270 + 2,25 7S1 2,12 65. 343 228 -j- 2,5 796 2,32 7.5. 260 126 + 0 126 0,49 als Durchsch nitt: 1,71 *) 1 Presskohle (Koopmann) = 2,32 kg. 1 „ (Steingatt) = 2,5 „ 26 Naturwisseuschatllicbe Woeheuscbrift. Westliartley in kg ' 8.5. 720 432 + 4 1340 1,8G 9.5. 675 420 + 4,25 1385 2,05 lOi 5. 540 294 + 2,75 918 1,70 11.5. ■ 270 ' 150 4- 0 150 0,56 als Durchschnitt: 1.54 Per 1 kg Feuerungsiuaterial erzielt also Koopmann mehr gegen Steingatt 0,54 Achskni, gegen Westliartle_y 0,71 Ach.skni. Auf der Alt-Damm Kolberger Eisen- II. Versuch, bahn ausgeführt. Verbraucht wurden 20 575 Koopmann'sche Briquettes. Geleistet wurde: 1. 17 Mal anheizen. 2. 2003,8 Lokomotivkm. 3. 70 832,7 Achskm. 4. 55,5 Rangirstundeu. Nach den allgemein gültigen Normen konnte also verbraucht werden: ad 1) 17 X 150 kj ad 2) 2 003,8x4,8 ad 3) 70 832,7 x 0,22 ad 4) 55,5 X 50 11 2 550 kg 9 618 „ 15 583 „ 2 775 „ Insgesammt 30 526 kg davon ab als normale Kohlenerspar- niss bei grossen Maschinen, wie vorliegend, etwa 12 "/q = 3 663 „ bleibt 26 863 kg thatsächlicher Verbrauch Koopmann, wie oben 20 575 „ Differenz 6 288 kg. Mithin ersparen Koopmann'sche Briquettes gegenüber Kohlen nicht weniger als 23,4 %. Wenn das Koopmann'sche Fabrikat in der Praxis auch nur annähernd solche Resultate aufweist, wie in den vorliegenden Versuchen, so dürfte es sich sehr bald ein weites Feld erobern, und dies im Interesse der allgemeineu Wohlfahrt. Es ist möglieh, dass bei ausgedehnter Verwendung dieser Prcsskohlen, also beim Verschwinden der schwefligen Säure aus der Athmosphäre, die Sterblich- keitsziffer der grossen Städte, insbesondere was Krank- heiten der Athmungsorgane anbelangt, sinken würde. Kurt Freise. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ausserordontliclie Professor der physi- külischen Chemie in Göttingen Dr Walter Nernst zum ordent- lichen Professor und Leiter der neu errichteten Universitäts- anstalt für physikalische Chemie daselbst; der Director der Ber- liner Chariteeklinik für Kinderkrankheiten und ausserordentliclier Professor der Kinderheilkunde Dr. Otto Hcubner zum ordent- lichen Professor; der Privatdocent der Anatomie und Histologie in Lemberg Dr. Nussbaum zum ordentlichen Professor. Der Privatdocent in der mediciniselien Facultät zu Marburg Dr. Otto von Büngner zum ausserordentlichen Professor. Berufen wurde: Der Professor der Mathematik David Hil- fert in Königsberg nach Götlingen. In den Ruhestand tritt: Der Professor der Physik in Halle Dr. Hermann Knoblauch. Gestorben sind: Der Professor der Mineralogie und Geognosie in Kopenhagen Dr. Prederik Johnstrup; der Geh. Sanitäts- rath Dr. med. Moritz Poppe lauer in Berlin; der Professor am Royal Agriculture College in Cirencester Allen Harkor; der als Entomologe bekannte frühere Bürgermeister von Wien Dr. Cajetan Freiherr von Felder; der Kustos des entomolo- gischen Museums des Grossfürsten Nikolai Michailowitsch, Hugo Christoph, Entdecker vieler neuer Insectenarten. L i 1 1 e r a t u r. Dr. phil. Carl Rohrbach: Sternkarten in gnomonischer Projection zum Einzeichnen von Meteorbahnen, Nordlicht- strahlen, Cometenschweifen , leuchtenden Wolken, Zodiakal- licht und anderen Himmelserscheinungen zugleich als Re- petitionsatlas für das Studium der Sternbilder entworfen und bearbeitet. Vervielfältigt durch Licht-Zinkkochätzung von Rudolf Loes in Leipzig. Herausgegeben von der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Pliysik. Berlin 1895. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung (Commissionsver- lag). — Preis 1 Mk. Da es sehr oft vorkonimt, dass wichtige Beobachtungen solcher astronomischen Erscheinungen, welche unvorhergesehener Weise plötzlich auftreten, von Laien gemacht werden, auf deren Wahr- nehmungen manchmal viel Gewicht gelegt wird, so hat die Ver- einigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik es unternommen, die Sterne der fünf ersten Grössenklassen in Karten aufzeichnen zu lassen, welche jedermann zur Eintragung eventueller Beobachtungen benutzen kann, im ganzen sind 12 Karten angefertigt worden, welche die Sternregionen darstellen in der Umgegend von Cygnus, Ursa maior, Perseus, Serpens, Cancer, Pisces, Aquila, Corvus, Eridanus, Norma, Argo navis und Phoenix. Die Art der Eintragung beobachteter Erscheinungen wird in der Anleitung zur Benutzung folgendermaassen gewünscht: „Die beoliachtetc Bahn wird nach Gestalt und Lage durch eine scharfe Bleistiftlinie in die geeignete Karte eingezeichnet, ein Pfeil deutet die Bewegungsricluung an; eine beigeschriebene Nummer verweist auf die zugehörigen Notizen, nur soweit Anfangs- und Endpunkt mit Sicherheit aufgefasst werden konnten, werden sie durch kurze Querstriche markirt; man zeichne aber immer nur die Theile der Bahn, die man sicher gesehen hat " Selbstverständlich niuss der Beobachtungsort und die Zeit bis auf Minuten, womöglich Sekunden genau jedesmal notirt werden. Hat man dann eine oder mehrere zuverlässige Beobachtungen ge- macht, so sendet man seine Einzeichnungen an die Centralstelle (Redaction der „Mittheilungen" der V. A. P.) ein, wo sie eventuell durch Vergleichuug mit anderweit gemachten Beobachtungen der gleichen Phänomene recht werthvoll werden können. H. R. Ed. Liesegang. Photographische Chemie. Ed. Liesegangs Verhig. Düsseldorf 18'.I4. ~ Preis 2,.j0 M. Das für Anfänger bestimmte Büchelclien ist geschickt an- gelegt. Es bringt auch für solche, die ganz und gar nichts von Chemie verstehen, zunächst eine kurze Einführung in die all- gemeine Chemie, um dann dasjenige aus dieser Wissenschaft speziell zu entwickeln und vorzuführen, was dem Photographen zu wissen vortheilhaft. Wir können das Schriftchen nur em- pfehlen. Oscar Grulich . Katalog der Bibliothek der kaiserlichen Leopoldiuisch-Carolinischen deutschen Akademie der Natur- lorscher. .>. Lief (Bd 11, 2). In Cüunnissiou bei W. Engel- mann. Leipzig 1894. — Preis 3 M. Die 4 ersten Lieferungen des umfangreichen Kataloges wurden Bd. IX No. 9 p. 112 besprochen. Die vorliegende (XXVII und 419 Seiten stark) enthält die in der Bibliothek vorhandenen Bücher und Schriften zur Mineralogie, Geologie und Paläon- tologie. Die Disposition ist ebenso sorgfältig wie in den früheren Lieferungen. Sitzungsberichte der mathematisch-physikalischen Klasse der Königl bairischen Akademie der Wissenschaften zu München 1894, Heft III. In diesem 3. Heft der 1894 er Ver- ölfentlichuiigen sind folgende Arbeiten enthalten: H. Seeliger, Uebor den vierfachen Stern E Cancri. — Dr. I. R. Schütz, Lieber eine Verallgemeinerung der von Helm- holtz'schen Wirbel-Integrale, welcher eine unendliche Mannig- faltigkeit von mechanischen Bildern der Maxwell'schen Elektro- dynamik entspricht. — L. Maure r-Strassburg. Zur Theorie der kontinuirliclien, homogenen und linearen Gruppen. — Gustav Bauer, Bemerkungen über zahlentheoretische Eigenschaften der Legendre'schen Polynome. Inhalt: Prof. Dr. F. Wahnsehaffe, Geologische Reisebilder aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika. — Director Leo Brenner, Veränderungen auf dem Monde? — Zwei Embryonen von Echidna hystrix. — R^influss der Configuratiou auf die Wirkung der Enzyme. — Ein kleiner Planet (1894 BE; No. 392) mit ganz eigenartiger Bahn. — Die Witterung des Mo- nat December im centralen Europa. — Grenzwerthe für Aw bei verschiedenen Kesselanlagen zulässige Wasserbeschaffenheit. — Rauch- und Schwefelfreie Kohlenverbrennung. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. phil. Carl Rohrbach, Stern- karten in gnomonischer Projection. — R. Ed. Liesegang, Photographische Chemie. — Oscar Grulicli. Katalog der Bibliothek der kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischeu Deutschen Akademie der Naturforscher. — Sitzungsberichte der mathematisch- physikalischen Klasse der Königl. bairischen Akademie der Wissenschaften zu München 1894, Heft III. Nr. 2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 27 Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. .Sdfbi'Ii tM'SfUirn: Einführung in die Blütenbiologie auf historisclier Grundlage. Vou E. LOEAV. Professor am Köuig:lichen Realgymnasium zu nerliii. 444 Soiten gr. 8". Preis 6 ^Inrk. ■55^^ Zu beziehen durcJi alle Buchhandlungen. Zu Scliriinlveii ztisanuncnstcllliuro .Sclnibf'äcliHrfiirSamiiiluimen jeder .Art. D G. M. No. 2;5.5;i, • Prospekte franko ! • Carl Elsaesser siääaö"- Schönau bei Heidelberg (Crossli. Baden.! ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦«♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ I Dr. Robert Muencke i ♦ ♦ # Teehni.scbe.s Institut für Anfei-tigiinf;;\vi.s3enscliaftlichei-Apiiarate # ♦ uiulGeriithschaften im Gesammtgebieti> der Naturwissensoliiiftcn. ♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Lniseiistr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. In unserm Verlage erschien: Lehrbuch der Differentialrechnung. Zum Gebrauch bei Vorlesungen an Universitäten und technischen Hochschulen Dl'. 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Die Bedeutung der naturhistorischen, insonderheit der zoologischen IVIuseen von Professor Dr. Karl Kraepelin. Anleitung zu blütenbiologischen Beobachtungen von Prof. Dr. V,. Loew. Das „glaziale" Dvvyl0.. Atr. 5 empfiehlt als Specialität: Schwarze Stahl -Insektennadeln. D.B.G. 18021. Oestr. Patent l«9i6. Desgleichen ufferire weisse In- sekteunadeln in bekannter Güte. — Proben gern zu Diensten. — Liefe- rant des Kgl. Museoms für Nalurk., Berlin. atent-technisches und I Verwerthung-Bureau Betclie. Berlin S. 14, Neue Rossstr. 1. Zur Leitung: piiier SaturalienhanllußB iu Wien wird ein Herr gesuclit, welcher nebst der entsprechenden fiich wissen- schaftlichen Bildung iilier einigle geschäftliche Kennt- nisse verfügt Oft'erten mit curriculnm vitae und An- gal)e von Referenzen er- beten an A. Pichler's Witwe & Sohn, Hnch- handlung in Wien, V. Mar- gareteni»latz "2. Lverw , FRITZ SCHMIDT&C2 Patent-Bureau u. Chem. Lab. 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Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbiireaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Geologische Ausflüge In die Umgegend von Berlin. Von Dr. Max F i e b e 1 k o r u. 3. Oligocän und Miocän. Buckow. Die geolog:ische Excursion nach Biickow, welche einen Tag in Anspruch nimmt, wird besonders dadurch interessant und anziehend, dass sie uns in die landschaft- lich schönste Gegend des Ostens von Berlin führt. Wir benutzen zu derselben am besten die Ostbahn bis Station Dahmsdorf-Mtincheberg, um von hier aus zu Fuss die Aufschlüsse kennen zu lernen.*) Ehe wir unsere Wanderung beginnen, wird es von Vortheil sein, uns über die topographische und geologische Beschaffenheit der zu durchquerenden Gegend an Hand der beigegebenen Karte im Allgemeinen zu orientireu.**) a) Geologische und topographische BesehaflPenheit der Gegend. Die Umgegend von Buckow gehört der Barnim- Lebuser Hochfläche an, welche, wie unsere Karte (Fig. 22), deutlich zeigt, durch das rothe Luch und die Seen der Umgebung Buckows sowie das nicht mehr auf der Karte befindliche, weiter nordöstlich gelegene Stöbberthai in zwei Abschnitte getheilt wird: der westlich und nörd- lich von den genannten Wasserläufen gelegene gehört zur Barnimhochfläche, der östlich und südlich davon be- findliche zm- Lebuser HochÜäche. Die topographische Ausbildung beider Abtheilungen weicht wesentUch von *) Wer sparsam leben will, fährt mit dem Vorortszuge bis Strausberg und von hier aus nach kurzem Warten mit dem Personenzug bis Dahmsdorf-Müncheberg weiter. Ebenso macht er in umgekehrter Weise die Rückfahrt. _*') Im Folgenden ist sehr au.sgiebig eine soeben erschienene Arbeit Wahnschaffe 's benutzt worden: Die Lagernngsverhiiltnisse des Tertiärs und Quartärs der Gegend von Buckow. Jahresbuch der Kgl. preuss. geol. Landes- Anstalt für 1803. Berlin 1894. Mit 4 Tafeln und 2 Testbildern. 32 S. einander ab: während die Barnimer Abtheilung eine ziemlich ebene, sehwach wellige, wenig von Rinnen durch- schnittene und grösstentheils von oberem Geschiebemergel bedeckte Hochfläche darstellt, welche nur raudlich Er- hebungen zeigt, bildet die Lebnser Abtheilung ein von einer grossen Zahl von Rinnen, Seen und mit Torf er- füllten Becken coupirtes Gelände. An Seen sind beson- ders zu nennen: Schermtttzel - See, Buckow- See, Griepen- See, Weisser - See, grosser und kleiner Tornow - See, Abendroth -See, Schwarzer See, Gartz-See, grosser und kleiner Däber-See, Papillen-See, Kirchen-See, Kessel-See. Im Allgemeinen verlaufen diese Seen unter Berücksichti- gung der Torfrinnen und Torfbecken parallel dem rothen Luch von SW. nach NO. Ein fernerer Unterschied der Lebuser Abtheilung von der Barnimer zeigt sich in der abweichenden Oberflächengestaltung des Bodens, in- dem in derselben überall längliche und rundliche Kuppen regellos zusammentreten. Wir werden auf der Excursion selbst mehrere solcher Geländestücke zu beobachten Ge- legenheit haben. Die von Wahnschafte gegebene Erklä- rung dieser auffällenden Bodenconfiguration, welche leb- haft an die Grundmoränenlandschaft des baltischen Höhen- rückens erinnert, wird weiter unten Erwähnung finden. Die Barnimer Abtheilung war, wie wir gesehen haben, von einer Decke des oberen Geschiebemergels überlagert; eine derartige Decke fehlt in der Lebuser Abtheilung der Hochfläche vollkommen; nur hin und wieder tritt der obere Geschiebemergel „mützenförmig" auf einigen rings von Sand umgebenen Kuppen, z. B. dem Schlossberge, auf. Aus dieser Erscheinung geht auf das deutlichste hervor, dass auch die Südosthälfte unserer Karte einst von oberem Mergel bedeckt gewesen ist, der nachträglich dann wieder mit Zurücklassung oben genannter Reste 30 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 3. hagener fortgespült wurde. Jedenfalls hat derselbe nur eine ge- ringe Mächtigkeit besessen, wofür auch die dünne Schicht von oberem Sande spricht, die häutig nur als oberfläch- liche Blockbestreuung auftritt. Auf diese Weise allein erklärt sich das Vorkommen von grossen Geschiebe- blöcken auf den höchsten Punk- ten der Pritz- Forst.*) Der grösste Theil der Lebu- ser Abtheilung wird auf unserer Karte von unte- rem Diluvialsan- de eingenommen, der an der Grenze der Geschiebe- mergelhochtläche überall unter dem oberen Geschie- bemergel hervor- tritt. Derselbe ist stets vollkommen gela- horizontal gert, was sich in zahlreichen Auf- schlüssen beob- achten lässt. Ge- wöhnlich ist er, wie schon ange- deutet, von einer 0,5 — 1 m mäch- tigen Schicht von grössere Geschie- be enthaltendem oberen Sande bedeckt. Dicht am Ran- de der sich nörd- lich anschliessen- den Barnim-Hoch- fläche liegen die höchsten Erhe- bungen der Le- buser Abtheilung, so der Kuhberg, die Jena's Höhe, die Friedrich- Wilhelnis-Höhe, der Dornberg, der Silberberg etc. Zum grössten Theil werden ter- tiäre Ablagerun- gen den Kern dieser Erhebun- gen bilden, so dass dieselben als Aufpressungen am Rande des vorrückenden In- landeises zu be- trachten sind, welche von den schmelzenden Eises überströmt und wx/Oi Wxihnach^-^c . Später werden viele derartige Einschnitte durch Regen- güsse und Schneeschmelzwasser noch bedeutend vertieft sein. Die vor dem Eise herströmenden Wassermassen kamen mit starkem Gefälle auch in die weiter südHch gelegene, heute von Seen und Rinnen durchsetzte hügelige Abschmelzzone, durchschnitten dieselbe in den verschiedensten Richtungen und brachten durch Strudelbildungen zahlreiche tiefe Becken hervor, welche sieh jetzt als Seen und Torf- löeher repräsen- tiren. Die Ge- wässer flössen dann in südwest- licher Richtung durch das 1 km breite Thal des rothen Luches ab, welches durch seine Niederun- gen eine natür- liche Verbindung zwischen Elbe und Oder her- stellt. b. Die Excursion. Von der Sta- tion Dahmsdorf- Müncheberg aus verfolgen wir die Chaussee in nord- westlicher Rich- tung und kommen hier sofort in das Gebiet der Ab- schmelzzone. Das Gelände zeigt sich sehr hüge- lig und schluch- tenreich und schliesst hin und wieder einen See oder ein Torf loch ein, z. B. rechts vom Wege den Kesselsee in einer bedeutenden Ver- tiefung:. Durch rj mm El einen Wald Tertiär Unteres Oberes ThalsaDd Grössere Alluvium Diluvium Gechielje herrlichen gelang en Figur 22. Geologische Karte der tTmg'ebung von Buckow. Gewässern durchfurcht des ab- wurden. *) In gleicher Weise wird sieh unzweifelhaft das Vorhanden- sein der „Markgrafensteine" in den Eauenschen Bergen deuten lassen, wie die Kauenschen Berge im allgemeinen wohl die gleiche Entstehungsursache haben werden, wie die „Miirkische Schweiz". Abendroth-See mützel-See Dieselbe ist und legt in die hat in gewährt wir bis „Wüste Sieversdiirf", wo wir nach NNO abbiegen, und an dem Gartz- und vorüber bis zu der südlieh vom Scher- Thongrube und Ziegelei kommen. Gewinnung von Septarientbon ange- überrasehend schönen Einblick gelegenen zur einen Entwickelung der seiner Arbeit in Tertiärschichten. Wahnschafte mehreren vorzüglichen Photo- Nr. 3. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 31 ;rapliicn die Scliichtenfolgc in der Tliongrubc vviedcr- ^cg'ebcn. Der Einganj; in die (iruljc, in der die Schichten sännntlicii nach NO. einfallen, füiirt dureli einen Hohlweg, in dem zunächst Gcsehicbemergel auftritt. Derselbe zieht sich an dem Abhänge hinauf und schneidet die Köpfe der Tertiärschichten scharf ab (Fig. 23). An der nördlichen Grubenwand tritt diese Erscheinung deut- lich hervor. Die Mächtigkeit des Mergels beträgt an dieser Stelle 3 m. Weiter nacli Westen zu liegt er über dem Septarientlion und keilt sich in einer scharfen Spitze aus. In Betreff des Alters dieses Mergels hat Wahnschatfe entgegen der Ansieht Zaches festgestellt, dass wir es mit unterem Geschiebemergel zu thun haben. Derselbe wird, wie an der nördlichen Grubenwand sichtbar, von hori- zontal geschichtetem ca. 3 m mächtigem unteren Sande vom Alter des Rixdorfer Sandes überlagert. Der untere Sand setzt sieh nach W. weiter fort und bildet dort das Liegende des oberen Mergels. Unter dem Geschiebemergel zeigen sich in dem Hohl- wege zunächst feine weisse, deutlich geschichtete Glimmersandc, die mehrfach von schmalen, parallel zur Schichtfläche verlaufenden eisenschüssigen Bändern durch- setzt werden. Local tritt zwischen den Glinmiersanden und dem unteren Mergel eine Thoneisensteinbank auf. Die Mächtigkeit der Glim- mersande beträgt 8 — 9 m, dem Alter nach gehören sie dem oberoligocänen Meeressaude an. Petre- facten sind in ihnen noch nicht gefunden. Das Liegende der Glimmersande bildet eine den Septarienthon un- mittelbar überlagernde Folge glaukonitischer Sande, welche mit den Stettiner Sauden parallel gestellt worden sind. Dieselben sind beobachtet an der »Südwand des Hohlweges und im Ausstrich in dem östlichen Theile der Grube. Wahnsehatfe giebt für diese Schichtenfolge nachstehendes Profil an (vom Hangenden zum Liegenden): 15. dunkle, grünlichblaue, thonige Schicht . 75 cm 14. Glaukonitsand 48 „ ,r;;^i_;\i\iü:iü}aJi-^' Figur 23 Profil aus der Thongrube am Schermützelsee bei Buckow. (Gezeichnet nach einer Photographie Wahnschaffe's). a. Septarienthon. b. Stettiner Sand (Mittel-Oligocän). c. Glimniersand (Ober-Oligiiciin). d. tinterer Geschiebemergel, e. unterer DiUivialsand. 13. Chokoladenfarbige, thonige Schicht 12. Gelber Sand 11. Eisensti-eifiger Saud 10. Thoneisensteinbank 9. Glaukonitiseher Sand 8. Gelber Sand 7. Thoneisensteinbank 6. Feiner grauweisser oder graugelbcr Sand 5. Dünne Thoneisensteinbank 4. Grober Sand 3. Gelber, brauner, feiner, glimmerreicher Sand 2. Grober Glaukonitsand 1. Schalige Thoneisensteinbank .... 10 50 10 618 Gesammt-Mächtigkeit 8,11 m Petrefacten sind besonders in der den Septarienthon unmittelbar bedeckenden, schaligen Thoneisensteinbank gefunden. Ausser in dem Hohlwege treten die glauko- nitischen Sande an dem westlichen Theile der Grube noch zweimal auf, wo sie vom unteren Sande überlagert werden. Unter den glaukonitischen Sauden folgt der Septarien- thon, welcher nicht wesentlich von demjenigen anderer Fundpunkte abweicht. Im Gegensatz zu Hermsdorf schliesst er häutig Gyps in einzelnen Krystallen nnd Drusen ein; daneben finden sich nicht selten Schwefel- kiesknollcn. Septaricn sind ziemlich selten. Der Pctrc- factenreichthum ist ein ausserordentlicher, und hierin über- trifft die Buckower Thongrube die Hermsdorf'er bei weitem; V. Koenen zählt 40 Arten von Versteinerungen aus dem Buckower Septarienthone auf. Interessant ist besonders das häufigere Vorkommen von Haifischzähnen, darunter der bekannten Art: Careharodon megalodon Ag.'-') Gleich- zeitig ist der Buckower Tbon reich an Foraminif'ercn, welche jedoch bis jetzt noch keine Bearbeitung erfahren haben. Das Sammeln der Petrefacten in der Grube wird dadurch wesentlich erleichtert, dass die Arbeiter den Thon auf dem Boden der Grube zum Trocknen ausbreiten. Von hohem Interesse war enie 1866 von v. Koenen gemachte Beobachtung, welche weitere Schichten in der Buckower Thongrube zur allgemeinen Kenntnis s brachte nnd wichtige Schlüsse auf die Lagernngsverhältnisse der Tertiärschichten gestattete. Durch das rege Arbeiten in der Grube sind diese Schichten jetzt schon seit längerer Zeit deutlich sichtbar geworden und zeigen sich in Gestalt weisser Quarzsande nebst dunklei-, erdiger Braunkohle. Dieselbe muss starkem Drucke ausgesetzt gewesen sein, da in ihr vielfach stark spiegelnde Harnische auftreten. Unmittelbar an der Be- rührungsstelle zwischen Septarienthon und Braun- kohlen zeigen sich ver- einzelte nordische Ge- schiebe. Eine Erklärung dieser Erscheinung war schwie- rig und sogar unmöglich, ehe die geologische Stel- der märkischen Braunkohlenbildungen richtig erkannt war. Erst als Berendt den Nachweis geliefert hatte, dass dieselben dem Miocän angehören und folglich den Septarienthon überlagern, konnte eine richtige Deutung der Lagerungsverhältnisse in der Buckower Thongrube gegeben werden. Dieselbe geht nach Berendt und Wahnschalfe dahin, dass wir es in der Buckower Thongi-ube mit einem nach SW über- kippten und gleichzeitig als Uebei'Schiebung zu denken- den Sattel zu thun haben. Derselbe hat die ihn auf seinem Nordflügel bedeckenden Glaukonit- und Glimmer- sande sowie die später zerstörte Braunkohlenbildung gerade an der Ueberkippungsstelle durchbrochen und noch einen dreizölligen Kranz von Kohle an seiner Unterseite mitgeführt. Im Anschlüsse daran hat Wahn- schaffe darauf aufmerksam gemacht, dass zugleich mit der starken Zusammenschiebung und Ueberkippung der Falte eine Zerreissung und Verwerfung stattgefunden haben muss, so dass die Schichten des Sttdwestflügels an der Spalte abwäi-ts sanken und zugleich abwärts ge- schleppt wurden. Die Faltung und Ueberschiebung der Tertiärschichten hat nach Wahnschaffe während der ersten Glacialperiode stattgefunden. Wir haben so an der Hand der Wahnschafle'schen Arbeit die geologisch interessanten Erscheinungen der Buckower Thongruben kennen gelernt und können uns im Rückblicke darauf jetzt folgendes Profil aufstellen (vom Hangenden zum Liegenden): — •'-üiiärj---^! lung *) Lieber die geologiseho Entwickelung der Gattung Careha- rodon und ihre Bedeutung als Leitfossil für die Tertiärschichten siehe „Deutsche geologische Gesellschaft", Sitzung vom 2. Mai 1893. 32 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 3. Unterer Dihivialsand Unterer Dihivialmergel . . . . • Weisse Quarzsande mit Braunkohle . Thoneiseusteiiibank (Lokal) . . . Feine, weisse, deutlich geschichtete Glimmersande mit eisenschüssigen Bändern Diluvium. Miocän. Ober-Oligocän. Glaukonitische Schichten (Stettiner ] Saud) jMittel-Oligocän. Septarienthon I Im Anschlüsse hieran soll noch bemerkt werden, dass in einem kleinen Aufschlüsse an der Chanssee Buckow-Station Dahmsdorf-Müncheberg, südlich von dem in die Grube führenden Wege, die dort zu Tage tretenden fein und regelmässig geschichteten Mergelsande Störungen in der Lagerung zeigen und wie die Schichten im Hohl- wege ein Einfallen nach NO unter 17 ° besitzen. Nach Besichtigung der Septarienthon-Grube gehen wir an der Westseite des Scherraützel-Sees weiter bis zur Grenzkehle. Hier waren früher Braunkohlenschichten zu beobachten, jedoch sind dieselben jetzt durch Ab- rutschmassen verdeckt. Plettner hat die Braunkoblen- bildungen der Grenzkehle, welche er an drei Stellen in derselben fand, eingehend beschrieben. Er konnte zwei Flötzpartien unterscheiden, eine „hangende" mit glimmerreichem Formsande und eine „liegende" mit glimmerfreiem Quarzsande,. Das von ihm aus der Greuzkehle gegebene und von Wahnschaflfe wieder auf- genommene Profil ist folgendes: 1. Gelblichgrauer Lehm mit Ge- schieben 0,94 2. Gelblich weisser nordischer Sand 3,14_4,40 m nördlich, sowie im Grunde der schwarzen Kehle findet, wo drei Brannkohlenflötze der hangenden Partie zu beob- Kehle unweit „Willenbücher" Aus den Mit- .>,#,ii^i^a3^ Figur 24. Sandige Hügellandschaft zwischen dem Griepen-See und der Südgrenze der Pritzhagener Forst bei Buckow. {Nach einer von Wahnschatfe aufgenommenen Photo- graphie.) -1,57 m ISf Aschgrauer und braungestreifter 4. 5. Sand, gegen das Liegende hin dunkler werdend 5,65 m Sehr bröcklige Braunkohle . . . 0,63 m Dunkelbrauner Formsand, gegen unten hin weniger feinkörnig und mit gelblichgrauen Streifen wech- selnd 1,26 m 6. Grauer gleichkörniger Quarzsand, Kohlensand, ohne allen Glimmer, mit dünnen, schwarzen Streifen, in denen der Koblenraud mit stär- keren Mengen von Kohlenstäubchen gemischt ist 2,51 m 7. Braunkohle 0,47 m 8. Grauer, gleichkörniger Quarzsand, Kohlensand 0,94 m 9. Braunkohle 0,47 m 10. Grauer, gleichkörniger Kohlensand — In gleicher Weise wie in der Grenzkehle sind in dem Langen Grunde buntstreifige Forrasandlager mit zwei schwachen KohlenHötzchen aufgeschlossen. Zwei weitere Brannkohlenflötze treten nordwestlich vom Schermützel-See in einer Schlucht auf, welche genau südöstlich von Boilersdorf liegt.*) Die dort aufge- schlossenen Schichten gehören der liegenden Flötzpartie an, während die hangende Partie sich etwas weiter o <1> S S a bß 'S. § a in o *) Im SW von der Bnllersdort'er Höhlo; auf der beigegebenen Karte fehlt der Name „schwarze Kehle". achten sind. Nordwestlich von der schwarzen Boilersdorf werden in den Grubenfeldern und „Max" Braunkohlenflötze abgebaut, theilungen Wahnschaffe's über dieselben entnehmen wir Folgendes : Durch Bohrungen und Schächte hat sich auch hier eine hangende und eine liegende Abtheilung nachweisen lassen. Im Hangenden zeigen sich 3 Brannkohlenflötze, welche durch Sande von einander getrennt sind. 1. Das Hangende des ersten Flötzes besteht aus unterem Diluvialsande bis zu 20 m Mächtigkeit. 2. Das Flötz No. 1 ist nur theilwcise abbauwürdig. Die Kohle tritt in einer Mächtigkeit von 0,60 bis 1,75 m auf. 3. Das Liegende des ersten Flötzes besteht aus dunkelen Letten mit Streifen von Formsand, der nach unten sehr dicht wird. Die Mächtigkeit beträgt 4,20 m. 4. Das Flötz No. 2 ist regelmässiger abgelagert als das Flötz No. 1, jedoch steht seine Kohle der des letzteren an Brennwerth nach. Es ist 1,20 — 1,75 m mächtig und enthält theilwcise Gips in krystalliuischer Form. 5. Das Liegende des zweiten Flötzes wird aus hellgrauem Form- sand mit Lettenstreifen gebildet. Die Mächtigkeit beträgt 4,50 m. 6. Das Flötz No. 3 von 0,80 bis 1,00 m Mächtigkeit wird wegen der geringen Mächtigkeit nur selten ab- gebaut. 7. Das Liegende des dritten Flötzes ist ein 0,30 m mächtiger, grauer, plastischer Thon mit darunter liegendem, feinen, weissen Formsande. Die Zahl der in der liegenden Abtheilung auf- tretenden Flötze ist noch nicht genau ermittelt. Die Mächtigkeit derselben schwankt zwischen 0,30 — 0,40 m und 2 m. Das Hangende und Liegende besteht aus meistens bräunlich gefärbtem Quarzsande. Die Schiehtenfolge ist in den beiden oben genannten Grubenfeldern häufig stark gestört, eine Erscheinung, die Wahnschaffe ebenfalls auf die zusammenschiebende und aufpressende Wirkung des Inlandeises zurückführt. Von der schwarzen Kehle aus gehen wir um den Nordrand des Schermützel-Sees herum, überschreiten den „Poetensteig" und das „Sophienfliess" und finden südlich vom Sophienfliess am Nordostgehänge des Schermützel- Sees dicht au der Chaussee einen Aufschluss im unteren Diluvialsande. Wir beobachten hier die vollkommen horizontale Lagerung desselben und ein im Niveau der Chaussee aufgeschlossenes Lager von grösseren Ge- schieben. Dasselbe ist ein Ueberbleibsel des von Gletscher- flflssen denudirten unteren Mergels. Nach Besichtigung des Aufschlusses beginnt die Wanderung durch die Pritzhagener Forst. Am prak- tischsten gehen wir den Poeten.steig nordwärts, an „Jena's Höhe" und der „Friedrieh- Wilhelms-Höhe" vorüber zur „Wolfsschlucht" und „Silberkehle". An mehreren Stellen sehen wir unterwegs grosse Geschiebe Hegen als Zeugen des früher vorhandenen oberen Geschiebemergels. Wir versäumen nicht, einen Blick in die hoehromantische „Wolfsschlucht" zu thun, in der der oberoligocäne Glimmer- sand zu Tage tritt, ebenso wie er sich in der „Silber- kehle" zeigt, die wir in nordsüdlicher Richtung durch- schreiten. Im mittleren Theile dieser Schlucht sehen wir braunschwarze Letten und graue, braungestreifte Forin- sande unter dem steil aufeericliteten Glimmersande zu Nr. 3. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 33 Tage treten. Wie Wahnschaffe hervorhebt, scheint hier ein nacli N( > iibcri): 1. Dünne Decke von geröllführendem Diluvialsande Diluvium. 2. Feiner Glimmersand Ober-Oligocän. 3. Glaukonitische, mit Thoneiseustein- \ bänkeu wechselnde Saude (Stetti- ,,.,, , ^,. ner Sande) • • • ^^'"^'"'^''S'^''^"- 4. Septarienthon J *) Der W(\a; ist auf clor Pritzhagener Mühle zu erfragen. Der Septarienthon ist bei 12,10 ni nocii niciit durch- sunken. Aus demselben erwähnt Wahnscliaffe liis jetzt 5 Arten von Petrefacten, während sich im Stettincr Sande nur Cyprina rotundata A. Braun als Steinkern in einem Exemplare gezeigt hat. f]twa 400 ni nordöstlich von der Grube an dem Wege im Walde wird von Wahnschaffe weisser Quarz- sand der Braunkohlenformation angeführt, der der liegenden Flötzpartie angehören dürfte. Den Rückweg nach Buckow können wir verschieden antreten: Entweder auf der Chaussee bis zum Poetensteig und diesen weiter nach Süden zu, oder wieder über die Pritzhagener Mühle und diesmal vielleicht südlich vom grossen Tornow-See entlang an der stark eisenhaltigen Günther-Quelle vorüber. In Buckow versäumen wir schliesslich nicht, durch den Schlosspark mit seineu eisenhaltigen Quellen zu gehen und den Schlossberg zu besteigen, von dem sich uns ein herrliches Panorama eröffnet. Nach Norden zu sehen wir die in Figur 24 wiedergegebene, schon oben erwähnte unregelmässig hügelige, mit kesseiförmigen Ein- senkungen ausgestattete Obertlächengestaltuug des Bodens, im S. liegt die Stadt Buckow und der See gleichen Namens zu unseren Füssen, während sich südwestlich der Sehermützel-See lang hinzieht. Seine Tiefe schwankt ganz bedeutend und nimmt von S nach N mehr und mehr zu, bis zu 44,6 m. Es sind verschiedene Versuche gemacht worden, die Entstehung dieses Sees zu erklären, ohne je- doch das Richtige zu treffen. Erst Wahnschafl'e ist es gelungen, eine zutreffende Entstehungsursache des Scher- mützelsees zu finden, indem er zu dem Resultate gelangt, dass der See das Product einer gewaltigen Erosion ist. Er nimmt au, dass die vom nördlich gelegeneu Inland- eisrande kommenden Gewässer mit starkem Gefälle in das Gebiet einbrachen und die gegenwärtigen Seebecken und Rinnen ausstrudelteu und ausschürften. Wahnsehafie stellt daher die Seen der Umgegend von Buckow zu den Geinitz'scheu „Evorsions-Seen." (Wird fortgesetzt.) 66. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien vom 24. bis 30. September 1894. IV. F. Klein: Riemann und seine Bedeutung für die Entwickelung der modernen Mathematik. — Der Vortrag von Herrn Prof. F. Klein aus Göttingen, welcher für den ursprünglich als Redner in Aussicht ge- nommenen von Helmholtz eingetreten war, ist sowohl für den Mathematiker als auch für denjenigen, der sich mit den exacten Naturwissenschaften beschäftigt, von hohem Interesse: für den ersteren u. a. auch insofern, als er mit Befriedigung und Freude wahrnehmen wird, wie ein Vor- trag über ein mathematisches Thema sich dem grösseren Publikum darbieten lässt, und die Mathematik sich in den allgemeinen Sitzungen der Naturforscherversanimlung eine Existenzberechtigung errungen hat; für den letzteren erblicken wir den Schwerpunkt des Interesses darin, dass hier von berufenster Seite ein Bild desjenigen Forschers entrollt worden ist, welcher der Mathematik für lange Zeit ihre Bahnen angewiesen und sie wie wenige vor ihm gefördert hat, sodann aber auch in den mannig- fachen Anknüpfungspunkten mit benachbarten Gebieten, welche der Vortragende in klarster Weise gekennzeichnet und betont hat. — Wegen der Fülle des in der Redac- tionsmappe befindliehen Jlaterials müssen wir uns leider auf ein kurzes Referat des Inhalts beschränken und den interessirten Leser bitten, den Vortrag selbst in den Verhandlungen der Naturforscherversammlung nachlesen zu wollen.*) Ueber den äusseren Lebensgang Riemann's sei kurz Folgendes erwähnt. Bernhard Riemann ist am 17. September 1826 in Breselenz bei Dannenberg im Königreich Hamiover ge- boren. Ostern 1846 bezog er die Universität Göttingen, wo er unter Gauss und Stern studirte, später ging er nach Berlin, wo er bei Dirichlet, Jacobi und Eisenstein mathematische Vorlesungen hörte, dann kehrte er nach Göttingen zurück, besuchte hier mit grösstem Interesse die genialen Vorlesungen über Experimentalphysik von Wilhelm Weber und betrieb tiefgehende philosophische Studien, die sich besonders auf Herbart erstreckten. Im Jahre 18.J1 promovirte er dann mit einer sehr hervor- ragenden Dissertation: Grundlagen für eine allgemeine Theorie der Functionen einer veränderlichen complexen Grösse; drei Jahre später habilitirte ersieh, und im Jahre 1859 wurde er Nachfolger Dirichlet's in Göttingen. Aber bereits 1863 begann eine unheilvolle Krankheit, der er im Alter von nur 40 Jahren 1866 erlag. Seine ge- *) Verlag von F. C. W. Vogel, Leipzig 1894, S. 57—72. M Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 3. sammelten Werke wurden von Heinrich Weber und Dedekind zuerst 1S76 herausgegeben und liegen bereits in zweiter Auflage vor. (Verlag von B. G. Teubner, Leipzig.) Die grosse Wirkung, welche von Riemann ausge- gangen ist und i'ortwiiiirend ausgeht, ist — wie Herr F. Klein in seinem Vortrage betont — einzig eine P^'olge der Eigenartigkeit und selbstverständlich der ein- dringenden Kraft seiner mathematischen Betrachtungen. Durch seine eingehenden physikalischen Studien angeregt, aufgewachsen unter Gauss und Wilhelm Weber, beein- flusst von der Herbart'schen Philosophie, hat Riemann immer wieder daran gearbeitet, in mathematischer Form eine einheitliche Formulirung der sämmtlichen Natur- erscheinungen zu Grunde liegenden Gesetze zu finden. Diese Untersuchungen liegen nur bruchstückweise vor; es liegt diesen verschiedenen Ansätzen die Annahme zu Grunde, dass der Raum von einer continuirlich ausge- breiteten Flüssigkeit erfüllt ist, welche gleichzeitig der Träger der optischen, wie der elektrischen und der Gravitatiouserscheinnngen ist. Wir tinden hier also die Grundanschauung der Maxweirseheu elektromagnetischen Lichttheorie vor. Der Vortragende betont, dass eben hier die Quelle von Riemann's rein mathema- tischen Entwickelungen liegt, es wird hervor- gehoben, dass Riemann im Gebiete der Mathe- matik und Faraday im Gebiete der Physik parallel stehen, nicht nur in Bezug auf den quali- tativen Inhalt der beiderseitigen Gedankengänge, sondern auch in Betreff der Wichtigkeit der von beiden Forschern erreichten Resultate. Am innigsten ist Riemann's Name mit der Functions- theorie complexer Variabler verbunden ; denigemäss wendet sich der Vortrag auch in erster Linie dieser Thätigkeit Riemann's zu. Es wird geschildert, wie bei der Betrach- tung von Functionen einer zweitheiligeu Variablen x + yi, mit der so gerechnet wird, dass man für i^ allemal — 1 einträgt, die Eigenschaften der Functionen einfacher Va- riabein in viel höherem Grade verständlich werden, als ohne solche Maassnahme. Riemann drückt dies so aus: es tritt beim Uebergange zu complexen Werthen eine sonst versteckt bleibende Harmonie und Regelmässigkeit hervor. Zwar hat schon Gauss zahlreiche Entdeckungen in diesem Gebiete anticipirt, ohne indessen etwas darüber zu verött'eutlichen ; als eigentlicher Begründer dieser Theorie der Functionen complexer Variabein ist Caucliy zu betrachten. Aber erst in Deutschland erhielt sie ihr modernes Gepräge durch die gleichzeitigen Bestrebungen von Riemann und Weierstrass. AVährend Weierstrass die Functionen complexer Variabein analytisch durch die Potenzreihen definirt, nach Möglichkeit geometrische Hilfs- mittel verinei M'. Wahnschaffe, Prof. Dr. F., Die Lagerungsverhältnisse des Ter- tiärs und t,>uartärs der Gegend von Buckow. Berlin. — 3 M. Wetterhan, Dav., Das Verhältniss der Philosophie zu der em- pirischen Wissenschaft von der Natur. Leipzig. — 2 M. Zimmermann, Prof. Dr. A., Das Mikroskop. Wien. — 9 M. Inhalt: Dr. Max Fiebelkoru, Geologische Ausflüge in die Umgegend von Berlin. — 6G. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien. IV. — Diphtherie-Heilserum^ — Ueber die Köcherjungfern. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Ant. Reichenow, Die Vögel Deutsch- ()st- Afrikas. — Fr. Steudel (Pfarrer in Maienfels), Gemeinfassliche Praktische Pilzkunde für Schule und Haus. — Liste. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonic, Berlin N. 4., Invalidonstr. 44, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ford. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ^.- Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntasr, den 27. Januar 1895. Nr. 4. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstaJlen. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jt 4.— JBrinseseld bei der Post 15 4 extra, Postzeitungsliste Nr. 47o2. ^! Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 ^. Grössere AufträRe ent- aprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdrack ist nnr mit vollständiger l^uellenangabe gestattet. Ueber phänologische Jahreszeiten. Von Dr. Iline (Friedberg in Hessen). innerhalb des grösster Thätigkeit Es ist eine Aufgabe der Phänologie, Jahres als einer natürlichen Periode und nahezu völliger Ruhe des Pflanzenlebens eine Ein theilung zu suchen, die sich auf die zeitliche Entwicke- iung des Pflanzenlebens stützt. Es sind also Vegetations- jahreszeiten aufzustellen. Unsere gebräuchlichen Jahres- zeiten, Frühling vom 21. März bis "21. Juni u. s. w., sind, ebenso wie die Monate, astronomisch begründet. Dass die Meteorologen diese in besonderer Art zu Jahreszeiten zusaninienstellen. ist bekannt; bei ihnen bilden März, April, Mai den Frühling, Juni, Juli, August den Sommer, Sep- tember, October, November den Herbst, December, Januar, Februar den Winter. Wenn man im täglichen Leben von den Jahreszeiten spricht, so verschmelzen wohl stets bei den Vorstellungen, die man sich davon macht, astro- nomische, meteorologische, botanische, wirthschaftliche Begriffe. Der Sommer z. B. ist uns nicht nur die Zeit, in der die Tage am längsten sind, sondern auch die Zeit der grössten Wärme, die Zeit, in der unser Garten in voller Biüthe steht, in der das Heu und das Getreide geerntet wird. Die Bezeichnung der Monate durch Karl den Grossen lässt ähnliches erkennen, bei dem „hornunc" spielt wolil sogar die Zoologie mit. Da man seine .Monats- namen nicht häutig vollzählig angegeben findet, so lasse ich sie hier folgen: wintarmanoth, hornunc, lenzinmanoth, ostarraanoth, wunnimanoth, brachmanoth, hewimanoth I Heumonat), aranmanoth (Erntemonat), widenianoth (Jäte- monat), windumenianoth (Weinlesemonat), herbistmanoth, heilagmanoth (Weihnachtsmonat). Die erste französische Republik legt ihren Monatsbezeichnungen nur Vegetations- uud Witteruiigsvcrhältnisse zu Grunde : Vendemiaire, Herbst-, Weinnionat ^22. IX.— 21. X.i; Brumaire, Nebel- luonat (22- X.— 2U. XI.j; Frimaire, Reifmonat (21. XI. bis 20. XII.); Nivöse, Schneemonat (21. XII.— 19. I.); Plu- viose, Regenmonat (20. I. — 18. II.); Ventöse, Windmonat (19. IL— 20. III.); Germinal, Keiramonat (21. HI.— 19. IV.); Floreal, Blütheumonat (20. IV.— 19. V.); Prairial, Wiesen- monat (20. V.— 18. VI.); Messidor, Erntemonat (19. VI. bis 18. VII.); Thermidor, Hitzemonat (19. VII.— 17. VIII.); Fructidor, Fruchtmonat (18. VIII. — 16. IX., dazu noch 5, im Schaltjahr 6 Ergänzungstage). Verschiedene Versuche zu einer reinen Vegetations- jahreszeiten-Eiutheilung sind bereits gemacht worden. Indem Aufsatz „DerPflanzenkalender" theilt Ferdinand Cohn (Die Pflanze, Breslau, Kern, 1882, S. 136 ff. ) „die thätige Hälfte unseres Vegetationsjahres " in 10 Perioden: „Nachwinter; Vorfrühling, Frühling, Hochfrühling; Vor- sommer, Sommer, Hochsommer; Vorherbst, Herbst, Spät- herbst." Auf der Grundlage der Beobachtungen für Breslau 1851 — 1862 schildert er in sehr anschaulicher und schöner Darstellung für jede Jahreszeit den Vegetationszustand; gewisse, für jede Jahreszeit besonders wichtige Charakter- pflanzen hebt er hervor. K. Ströse führt in seinem Leit- faden für den Unterricht in der Botanik, Dessau 1893, auf S. 52 acht von den Cohn'schen Jahreszeiten an, charakterisirt sie aber wenig erschöpfend. Die vielfachen Aufstellungen von „Blüthenkalendern" des hervorragenden österreichischen Phänologen Karl Fritsch haben ein anderes Ziel als das, was uns jetzt vorliegt. Auch die zahlreichen phänologischen Arbeiten Hermann Hoflmann's in Giessen behandeln den Gegenstand nicht. 1891 beschäftigte sich Oscar Drude in Dresden in der Abhandlung: Die Ergeb- nisse der in Sachsen seit dem Jahre 1882 nach gemein- samem Plane angestellten pflanzenphänologischen Beob- achtungen (Isis 1891), eingehend mit der Frage, und kam zu den sechs phänologischen Perioden: Vorfrühling, Halb- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 4. frühling, Vollfrühling, Frühsommer, Hochsommer, Herbst; ich komme weiter unten darauf zunück. — Angeregt durch Drude führte 1893 Friedr. Schultlieiss (Fränkischer Courier 1893, Nr. 130) für seinen Wohnort Nürnberg, wo er seit 1882 nach der Instruction Hoffmaun-Iline beob- achtet, diese Eintheilung aus, schob jedoch zwischen Hochsommer und Herbst noch eine dritte Sonunerperiode, den Spätsommer ein. 1894 (General- Anzeiger für Nürn- berg-Fürth 1894, mehrere Nummern) liess Schultheiss, den ich inzwischen von dem Inhalt vorliegender Arbeit brietlich in Kenntniss gesetzt hatte, ähnliche Mittheilungen folgen. — In der Arbeit von A. Jentzsch, Der Frühlingseinzug des Jahres 1893 [in 0.st- und Westpreussen] (Festschrift d. Phys.-ökon. Ges. zu Königsberg i. P. zur Jubelfeier des 350jähr. Bestehens d. kgl. Albertus-Universität 1894), sind ebenfalls die Pflanzen nach ihrer BUithezeit zu zeitlichen Gruppen vereint. Zu Gruude liegt eine besondere, 1892 erlassene Instruction, die viele sonst wenig beobachtete Species, namentlich Kräuter, fordert; mit Drude's und meinen Jahreszeiten sind die Jahreszeiten dieser Arbeit nicht ohne weiteres vergleichbar. In einem guten, wenn auch nicht neuen Vergleich gesprochen, so handelt es sich bei der vorliegenden Frage darum, das jährlich !>ich abspielende Schauspiel des Ptianzenlebens in einzelne Acte und Scenen abzutheilen. Da die Menge der Mitwirkenden, das sind die Pflanzen, sehr gross ist, so wird man naturgemäss nur einer sehr beschränkten Anzahl besondere Beachtung schenken können; diese Pflanzen spielen gleichsam die Haupt- rollen, und die Entwickelungs.stufen dieser Pflanzen wird man passend für die Vegetationseintheiluug des Jahres verwenden. So fasst schon ('ohn treffend die Aufgabe. Cohn berücksichtigt aber nur Breslau, und legt bei seinen Ausführungen kein Gewicht auf den Gesichtspunkt der praktisch-phänologischen Brauchl)arkeit, d. h. er hat nicht besonders im Auge, ob sich die von ihm genannten Phänomene, nach denen er die Jahreszeiten abgrenzt, auch an anderen Orten leicht und scharf beobachten lassen, was natürlich für die Vergleichung der Orte unter ein- ander und damit für die allgemeine Einführung von sol- chen Vegetationsjahreszeiten äusserst wichtig ist. Wenn es sich herausstellte, dass zeitlich nacheinander eintretende Entvvickelungsstufen verschiedener Pflanzen ein gemeinsames physiologisch - biologisches Verhalten zeigten und dass beides zusannuen, Pflanzenphasen und physiologisch - biologisches Verhalten, in verschiedenen Zeitabschnitten des Jahres verschieden wären, dann Ite- käme man physiologisch - biologisch Itegründete pliänologisehe Jahreszeiten, und diese wären natürlich am erwünschtesten. Drude betont in seinem oben erwähn- ten Aufsatz diesen Gesichtspunkt ausdrücklich. Drude's erste Periode, der Vorfrühling, „beginnt mit dem Austreiben der frühesten Zwiebel- und Knollen- gewächse, die bei sehr wenig Wärmegraden über Null zuerst ilire Blattspitzen, dann die Blüthen ans der Erde schieben, sobald die normale Zeit der Winterruhe ver- gangen ist, wozu nicht einmal der Januar voll gehört . . . Ihr l)iologischer Charakter ist der. dass von Holzgewächsen nur solche Arten zur Blütlie kommen, welciie ihre Blüthen ohne Entwickelung grüner Blätter öffnen und daher meistens nach dem Abblühen noch einmal in einen .schlafenden Zustand zurückzukehren scheinen, weil ihre Laubtriebe noch nicht mit der Blüthenbildung haben Schritt halten können. Die Kräuter dieser Periode sind grösstentheils kurzlebige Knollen- und Zwiebelgewächse, welche dann, wenn die Buche ihr grünes Kleid anlegt, schon ihre ganze Vegetation vollendet haben.'" Drude theilt auch mit, wie sich das phänologische Jahr in Dresden innerhalb des Rahmens der nach seiner Instruc- tion von 1882 an beobachteten Pflanzen abspielt. So wird der Vorfrühling bezeichnet durch die ersten Blüthen von Galauthus nivalis, Schneeglöckchen (mittleres Datum aus den Jahren 1882—1888 1. III.); Corylus Avel- lana, Hasel ( 6. III.); Leucojum vernum, Frühlingsknoten- blume (8. III.); Hepatica triloba, Leberblümchen (13. III.); Cornus mas, gelber Hartriegel (27. III.). — Die zweite Periode, Halbfriihling, „entwickelt Blüthen an Holz- gewächsen, deren Blätter entweder bei früher Belaubung schon gleichzeitig mit den Blüthen aus den Knospen treten und es daher, wie bei den Ribes-Arten, ermög- lichen, dass Blüthen und Blätter in den Umhüllungen derselben Knospe stecken, aber ohne dass die Blüthen auf normal beblätterten Zweigen stehen; oder bei späterer Belaubung, wie bei Prunus- und Pyrus- Arten, treten die Blüthen aus besonderen Knospen, deren Gestalt von der der Blatttriebe auffallend verschieden ist, hervor, und die Blattentwickelung schliesst sich unmittelbar an sie an ohne eingeschalteten Stillstand zwischen Erblühen und Belauben. Auch Zwiebelgewächse mit längerer Ent- wickelungsperiode oder solche, aus südlicher Heimath als Cultur- und Zierpflanzen eingeführt, gehören hierher." Die Phasen dieser Periode sind Aesculus Hippocastanum, Rosskastanie, mittlere Belaubungszeit (etwa 13. — 14. IV.); Tilia grandifolia, Sommerlinde, mittl. Bei. (etwa 15. IV.); Narcissus Pseudonarcissus, gelbe Narcisse, erste Blüthen (14. IV.); Betula alba, Birke, mittl. Bei. (etwa 17.— 18. IV.); Ribes Grossularia, Stachelbeere, e. Bl. (17. IV.); Ribes rubrum, Johannisbeere, e. Bl. (18. IV.); Taraxacum offi- cinale, Löwenzahn, e. Bl. (20. IV.); Muscari botryoides, e. Bl. (23. IV.); Prunus spinosa, Schlehe, e. Bl. (27. IV.); Pyrus communis, Birne, e. Bl. (28. IV.); Prunus Padus, Traubenkirsche, e. Bl. (1. V.); Pyrus Malus, Apfel, e. Bl. (2. V.); Tilia parvifolia, Winterlinde, mittl. Bei. (29. IV.); Fagus silvatica, Buche, mittl. Bei. (etwa 28. IV.). — In der dritten Periode, VoUfrUhling, „sind an unseren Holz- gewächsen Blüthen und Blätter gleichzeitig in Entwickelung begriffen; die Entfaltung der Blätter aber ist der ersten Blüte voraufgeeilt, und es stehen daher die Blüthenstände auf schon beblätterten Achsen. Immer aber entwickeln sich Blüthen, deren Knospen schon vom Herbst au dazu bestimmt, äusserlieh durch bedeutende Grösse sich hervor- gethan haben." — „Die Belaubung der Bäume fällt mit den früheren Arten in die zweite, mit den spä- teren in die dritte Periode. — — Die zweite und dritte Periode bilden zusanmiengenommen die bedeutendste Einheit der Frühlingsphänologie." Die Phasen der dritten Periode sind Aesculus Hippoc. e. Bl. (7. V.); Narcissus poeticus, weisse Narzisse, e. Bl. (7. V.); Syringa vulgaris. Nägelchen, e. Bl. (9. V.) ; Fraxinus excelsior, Esche, mittl. Bei. (11. V.); Sorbus aucuparia, Eberesche, e. Bl. (14. V.); Crataegus Oxyacantha, Weissdorn, e. Bl. (17. V.). — Die vierte Periode, Frühsommer, ist „ausgezeichnet durch blühende Hölzer, deren Knospenbildungen im Frühjahr noch nichts von der später folgenden Blüte verrathen und welche ihre Blütenstände alle auf normal beblätterte Triebe stellen." Hierher gehören Sambucus nigra, Hol- lunder, e. Bl. (1. VI.); Philadelphus coronarius, Jasmin, e. Bl. (3. VL); Tilia grand., e. Bl. (25. VI.); Tilia parvif. e. Bl. (4. VII.); Lilium candidum, weisse Lilie, e. Bl. (6. VII.); Ribes rubrum, Fruchtreife (6. VII.). — Die fünfte Periode, Hochsommer, „ist charakterisirt durch die Ernte der rascher vegetirenden Lignosen, deren Blüthen in die zweite Frtthlingsperiode fielen, wirthschaftlich viel mehr al)er durch die Ernte der Halmfrüchte, unserer Cerealien, mit deren Abschluss und dem gleichzeitigen Vollblühen der Heide, Calluna vulgaris, diese Periode als beendet auKCsehen werden mag." Phasen dieser Periode auf. Die Instruction weist keine — Als sechste Periode folgt Nr. 4. Naturwisscuschal'tliclic Wuclieiisclirift. S9 die des Herbstes, aus^-ezoiclinet tlurcli die Vorbereitung der Frühlingsblüthen in den Winterknospen unserer Hoiz- gewächse, und durcii den Abschluss der Fruelitreife in den langsamer vegetirenden Arten derselben, am spätesten bei Vitis vinitera. Diese scciiste Periode endet mit der lieriistbelien Verfärbung aller unserer Bäume, deren Ent- blätterung dagegen meist von dem Datum des ersten stärkeren Xachtt'rostes und von anderen meteorologischen Zufälligkeiten abhängt, und dieser Schluss ist in den Tabellen ^d. h. Beobachtungen auf Grund der Instruktion 18S2i wiederum ausführlich beobachtet. Zwischen diesem Schluss und dem Beginn der Vorfrühlingsperiode liegt die winterliche Ruheperiode eingeschaltet." — Die Phasen der sechsten Periode sind «Sorbus ancuparia, Fruchtreife (26. VIII.); Sambueus nigra, Fruchtreifc (14. IX.); Aesculus flippoc, Frnchtreife (25. IX.); die Entblätterung von Aes- culus Hippoc. (etwa 13. X.); Betula alba (etwa 17. X.); Fagus silv. (etwa 19. X.): Tilia parvif. (etwa 22. X.); Juglans regia letwa 2.'i. X.); Eobinia Pseudacacia (etwa 30. X.); Fraxinus excclsior (etwa 31. X.). Drude hat 1892 in einer neuen Instruction die geforderten Pflanzen und Phasen, die nicht durchweg dieselben sind wie in der lS82er Instruction, in die obigen sechs Jahreszeiten ein- geordnet; ich verweise dieserhalb auf das Original (Isis- Abhandlungen, Dresden 1892, Nr. 14). Wenn ich im Folgenden auch eine phänologische Eintheilung des Jahres versuche, so spreche ich zunächst aus, dass ich mit vielen Vorschlägen Drudes einverstanden bin. Auch mir kommt es nicht darauf an, den Zustand der Vegetation zu den verschiedenen Jahreszeiten mehr allgemein und erschöpfend zu schildern, wie es Cohn so schön gethau hat, sondern ich greife einige für jede .lahreszeit charakteristische Pflanzen und Phasen heraus, die ich für allgemeine Beobachtung geeignet halte und ilie auch schon allgemein beobachtet worden sind. Es liegt mir natürlich nahe, mich an die Pflanzen und Phasen der Giessener Instruction i Aufruf von Hoft'mann und Ilmei zu halten, nach der seit einer Reihe von Jahren an vielen Stationen beobachtet wird ivergi. die Berichte der ober- hessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Giessen vom XXn'. Bd. an), schon um dessentwillen, weil man dann auf dieser gemeinsamen Grundlage sichere Vergleichungen der Stationen untereinander, ausführen kann. Eine grosse Anzahl des hier Verlangten wiederholt sieh übrigens in den meisten anderen Instructionen. Von den Phasen ist es das Aufblühen, auf das mit Recht von der praktischen Phänologie als auf die am leichtesten und sichersten fest- zustellende der grösste Werth gelegt wird. Ferner ist klar, dass sich eine jede solche Eintheilung in erster Linie auf das Verhalten der Holzpflanzen gründen muss, die kurzlebigen, zufälligen, localen, meteorologischen u. s. w. Einflüssen mehr zusränK'lichen Kräuter sind natureemäss weniger dazu brauchbar und kommen daher erst in zweiter Linie, gleichsam zur Aushilfe, wenn die Holz- pflanzen im .Stiche lassen. Dass man überhaupt Jahreszeiten auf das Verhalten der Vegetation gründen kann, beruht darauf, dass die zeitliehe Eutwiekelung des Pflanzenlebens in räumlich grossen Gebieten dieselbe oder nahezu dieselbe Reihen- folge zeigt. Anders ausgedrückt: die Pflanzenkalender verschiedener Orte zeigen dieselbe oder nahezu dieselbe Reihenfolge der sie zusammensetzenden Elemente. Es ist das ein wichtiges Ergebniss der Phänologie, das sich nicht \on vornherein von selbst versteht, sondern erst durcli mehrjährige Beobachtungen an vielen Orten festgestellt werden musste und das beweist, dass die Pflanzenent- wickelung in kausaler Beziehung zum Klima steht. Gerade wie sich in dieser Hinsicht verschiedene Gebiete verhalten, wird vielleicht einmal eine phänologisch-geo- graphische Einteilung abgeben. Die folgende Jahreszeiten- einth?ilung gilt, wie die Drude'sche, zunächst nur für Mitteleuropa. Ob und welche Veränderungen sie für den Süden oder Norden Europas, vielleicht auch für sehr hoch gelegene Orte Mitteleuropas, zu erleiden hat, ist Gegen- stand einer besonderen, zukünftigen Untersuchung. S^ergl. z. B. über die Jahreszeiten in Lagoa Santa, Brasilien, die Arbeit E. Warming's in K. Danske Vidensk. Selsk. Skr. 6, Aft. VI, 3. Eine erste phänologische Periode des Jahres lässt sichphysiologisch-biologisch begründen. Ich stimme hierin mit Drude überein. Die erste phänologische Jahreszeit, der Vor- frühling, ist die Zeit des Erwachens der Vege- tation. Sie ist dadurch bezeichnet, dass während- dem nur solche Holzpflanzen aufblühen, deren Blüthen sich vor den Blättern entfalten und bei denen zwischen dem Aufblühen und der Belaubung eine Pause liegt. — Die Kräuter, die gleichzeitig mit diesen Holzpflanzen zur Blüthe gelangen, gehören auch dieser Periode an. Von den Phänomenen der Giessener Instruction fällt nur das Stäuben von Corylus Avellana, dem Hasel, in diese Periode. Diese Phase, deren phänologische Brauch- barkeit sehr gering ist (auch Drude und Jentzsch urtheilen SO), liegt ganz am Anfang. Die Instruction hat hier eine Lücke, die sich dadurch erklärt, dass seiner Zeit nicht daran gedacht wurde, derartige Anforderungen an sie zu stellen. In einer 1894 (Berieht der ( »berhessischen Ge- sellschaft für X^atur- und Heilkunde zu Giessen) von mir vorgeschlagenen Liste solcher Pflanzen, die neben denen der" Instruction beobachtet werden möchten, findet sich eine Anzahl, die diese Lücke ausfüllen. Es sind Galan- thus nivalis, Hepatica triloba, Cornus nas, Anemone ncmo- rosa, Ranunculus Ficaria, Populus tremula, Salix Caprea, Ulmus campestris, alles erste Blüthen.*) Die letzteren Species liegen am Ende des Vorfrühlings. Auch eine zweite phänologische Jahreszeit ist physio- logisch-biologisch zu begründen. Wieder stimme ich darin Drude zu. Die zweite phänologische Jahreszeit, der Erst- frühling,**) ist dadurch bezeichnet, dass in ihr solche Holzpflanzen zur Blüthe gelangen, bei denen sich Blüthen und erste Blätter gleichzeitig oder fast gleichzeitig entwickeln; zwischen Aufblühen und Belaubung ist keine Pause. Die Belaubung der Bäume beginnt. Folgende Phasen der Giessener Instruction bezeichnen diese Jahreszeit. Aesculus Hippocastanuni, Rosskastanie, BO. (11. IV.); Eibes rubrum, Johannisbeere, b. (\b. IV.); Ribes aureum, gelbe Johannisbeere, b. (19. IV.); Betula alba, Birke, BÖ. (19. IV.) und 1). il9. IV.): Prunus avium, Süsskirsehe, b. (19. IV. i; Prunus spino.sa. Schlehe, b. (20. IV.); Prunus Cerasus, Sauerkirsche, b. (23. IV.); Prunus Padus. Traubenkirsche, b. (24. IV.); Pyrus communis, B'irne, b. (24'. IV.); Fagus silvatica. Rothbuche, BO. (24. IV.); Pyrus Malus, Apfel, b. (29. IV.); Quercus pedunculata, Stieleiche, BO. (2. V.). Die b. dieser Jahreszeit sind die „Aprilblüthen von Giessen", auf die Hotfmann 1881 seine vergleichende phä- *) Von jetzt an werden folgende Abkürzungen gebraucht : BO. = erste Blattoherflächen sichtbar, b. = erste Blüthen oft'en. f. = erste Früchte reif, LV. = allgemeine Laubverfärbung. **) Dieser Name scheint mir bezeichnender zu sein als Halb- frühling; er sagt, dass von dem wirklichen Frühling die zeitlich erste, frühsti' Hälfte gemeint sei. 40 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 4. Dologische Karte von Mitteleuropa g-ründete und mit denen er später (in den Bericiiten der Oherhess. Gesellsch. für Natur- und Heilkunde zu Giessen) die entsprechenden Be- obachtungen der jährlicli einlaufenden Stationen verglich: Aprilreduction gegen Giessen. Für die weiteren phänologischen Jahreszeiten kann ich Drude nicht so zustimmen, zunächst nicht für seine dritte und vierte Periode. Was er über die Heblätterung der Achsen in beiden Perioden sagt, scheint mir kein Unterschied zwischen ihnen zu sein, sondern eher ein gemeinsames Merkmal beider im Gegensatz zu Periode 1 und 2. Es ist von Periode .3 an überhaupt die Regel, dass solche Holzpflanzen aufblühen, deren Blüten sich deutlich später als die ersten Blätter entwickeln und daher auf belaubten Zweigen stehen. Ebenso ist der von Drude hervorgehobene Unterschied in der Knospen- grösse und Knos]»enbildung bei Periode 3 und 4 wohl bei einigen Species in die Augen fallend, aber für sämnitliche Pflanzen der Periode 3 und 4 ist er nicht durchgreifend; jedenfalls nicht so durchgreifend, dass darauf sich zwei verschiedene Gruppen gründen lassen. Drude hätte sich vielleiclit auch etwas bestimmter fassen dürfen. — Wohl lässt sich auch nach der zweiten Periode eine Charakte- ristik der folgenden Jahreszeiten im Grossen und Ganzen durch das physiologisch-biologische Verhalten geben, in- sofern Blüte, Fruchtreife, Laubverfärbung als Aeusse- rungen des Pflanzenlebens in Betracht kommen, aber für eine scharfe Abgrenzung der einzelnen Jahreszeiten gegen- einander kommt man m. E. damit nicht aus. Es zeigen eben zu grosse Zeiträume, anders ausgedrückt die ver- schiedensten Pflanzen, ein gleiches oder ähnliches physio- logisch-biologisches Verhalten, aber ein Unterschied hierin ist für praktische Zwecke — ich habe wiederum be- sonders die Vergleichung mehrerer Orte untereinander im Auge — nicht genügend leicht feststellbar. Man kann sich daher, um weitere Vegetationsjahreszeiten zu er- halten, wesentlich nur an die zeitlich nacheinander er- folgenden phänologischen Erscheinungen halten und muss es (leider) aufgeben, für jede auf dieser Grundlage auf- gestellte Jahreszeit einen besonderen, jeder einzelnen cigenthümlichen physiologisch-biologischen Hintergrund zu suchen. Die Aufgabe, einen genügend genauen, an- schaulichen, vergleicht)aren Ausdruck für die einzelnen Jalireszeiten zu finden, kann ja auch so gelöst werden. Im täglichen Leben spielen zur Bezeichnung des Sommers und Herbstes die Fruchtreife oder Ernte des Getreides, des Obstes, des Weins mit Recht eine grosse Rolle. Die wirthschaftliche Bedeutung gewisser Pflanzen- phasen wird daher mit Vortheil zur Abgrenzung dieser Jahreszeiten zu verwenden sein. Das aber wirthschaftlich hier sehr ins Gewicht Fallende ist aus mancherlei Gründen nicht immer auch phänologisch brauchbar. So ist die Fruchtreife des Kern- und Steinobstes sowie des Weins nur sehr schwierig genau festzustellen, und noch dazu kommen diese Pflanzen in mancherlei Varietäten vor; letzteres gilt auch von den meisten Getreidearten. Von diesen ist in Mitteleuropa der Winterroggen für phäno- logische Zwecke am geeignetsten; er kommt so gut wie nicht in Varietäten vor und wird überall gebaut. Ausser ihm kämen für vergleichend - phäncdogisehe Zwecke höchstens noch der Sommerroggen und der Weizen, Tri- ticum vulgare hibernum, in Betra'-ht, die beiden ver- breitetsten Varietäten des letzteren, der begrannte und der grannenlose Weizen, liegen in Blüthe- und Reifezeit nicht allzuweit auseinander. Die weitverbreiteten Hafer und Gerste sind wegen der vielen Sorten mit ver- schiedener Saat-, Blüte- und Erntezeit für hier in Betracht kommende phänologische Zwecke nicht verwendbar. Man muss daher andere leichter und genauer zu beobachtende Pliänomene benutzen, und diese müssen mit denjenigen wirthschaftlich bedeuten- den zeitlich zusammenfallen, welche für eine Jedermann geläufige Vorstellung von den Jahreszeiten in Betracht kommen. Solche Pflanzen und Phasen dienen also gewisser- maassen als Anzeiger, Indikatoren. Die dritte phänologische Jahreszeit, der Voll- frühling, beginnt mit dem Aufblühen solcher Holzpflanzen, deren Blüthen sich deutlich nach den ersten Blättern entwickeln, wie das von jetzt an die Regel ist, und endet vor dem Aufblühen des Getreides. Der Laubwald wird vollständig grün. Der Vollfrühling wird auf Grund der Giessener In- struction bezeichnet durch Fagus silvatica, Buchwald grün (5. V.); Lonicera tatarica, tatarisches Geisblatt, b. (3. V.;; Syringa vulgaris. Nägelchen, b. (4. V.); Narcissus poeticus, weisse Narzisse, b. (4. V.); Aesculus Hippoc, b. (7. V.); Crataegus Oxyacantha, Weissdorn b. (10. V.); Spartium scoparium, Ginster, b. (13. V.); Quercus ped., Eichwald grün (14. V.); Cytisus Laburnura, Goldregen, b. (15. V.); Sorbus aucuparia, Eberesche, b. (16. V.); Cydonia vulgaris, Quitte, b. (17. V.) Die vierte phänologische Jahreszeit, der Früh- sommer, beginnt mit dem Aufblühen des Getreides und endet vor der Reife des frühen Beerenobstes. Der Frühsommer wird auf Grund der Giessener In- struction bezeichnet durch Seeale cereale hibernum, Winterroggen, b. (28. V.); Sambucus nigra, Hollunder, b. (28. V.); Atropa Belladonna, Tollkirsche, b. (29. V.); Rubus idaeus, Himbeere, b. (30. V.); Symphoricarpus racemosa, Schneebeere, b. (2. VI.); Salvia officinalis, Gartensalbei, b. (4. VI.); Cornus sanguinea, rother Hart- riegel, b. (6. VI.); Vitis vinifera, Wein b. (14. VI.); Li- gustrum vulgare, Liguster, b. (19. VI.). Die fünfte phänologische Jahreszeit, der Hoch- sommer, ist die Zeit, in der die Früchte des Beerenobstes (ausser Wein) und des Getreides reifen, das Getreide geerntet wird. Der Hochsonmier wird auf Grund der Giessener In- struction bezeichnet durch Ribes rubrum, f. (20. VI.); Tilia grandifolia, Sommerlinde, b. (21. VI.); Lonicera tatarica, f. (27. VI.); Tilia parvifolia, Winterlinde, b. (28. VI.); Lilium candidum, weisse Lilie, b. (30. VI.); Rubus idaeus, f. (2. VII.); Ribes aureum, f. (4. VII.); Se- eale cereale hib., Ernteanfang (19. VII.); Symphoricarpus racemosa, f. (27. VIL); Atropa Belladonna, f. (31. VIT.); Sorbus aucuparia, f. (1. VIII); Sambucus nigra, f. (12. VIII.). Gerade für diese Jahreszeit sind die Indikatoren von Werth. So müsste der Definition nach am Schlüsse die Reife- oder Erntezeit der Getreidearten stehen, die bei uns am spätesten wären, also der Gerste und des Hafers. Aus dem vorhin angegebenen Grunde fallen sie aus und werden durch die als Indicator dienende Fruchtreife von Sambucus nigra, die ungefähr in dieselbe Zeit fällt, er- setzt. Drude hat in seiner Instruction von 1882 keine Phasen für diese Periode, in der von 1892 sucht er (m. E. nicht besonders glücklich), die Lücke zu ergänzen. (Winterkorn: das Feld beginnt zu blühen, dasselbe Feld wird geschnitten; Sommerkorn: desgleichen. Die b. von Tilia grand. und Lilium cand. rechnet Drude hier zur \ierten Periode). Nach meinem Vorschlage fallen auch etliche Blüthezeiten in den Hochsommer, aber die Be- deutung der Fruchtreife als Hauptmerkmal dieser Periode wird dadurch nicht verringert. Diese Blüthezeiten sind einmal für die praktische Phänologie gute Indicatoren, Nr. 4. Natni-wisscnscliaftliclie W(K'lieiiSflirift. 41 weil sie wie die b. iiberiianpt genauer zu beobachten sind als \ ieie f. Ferner kommt (iadureli (1(M' Hdcliscminier /.um Friilisümmer in ein älndiclies Veriiältniss wie der Voll- frühlinj; zum Erstfrühling, und endlich vervollständigen sie doch sehr wesentlich das Vegetationsbild des Hoch- sommers. ^'on den in meiner neuen Liste (siehe oben S. 39) Vorg-cschlagenen wird Calluna vulgaris als sein- geeignet noch zu den Hlüthen dieser Periode hinzutreten. Die sechste phänologische Jahreszeit, der Früh herb st, ist die Zeit, in der die Ausbildung der Früchte, soweit dies nicht schon schehen ist, zum Abschluss kommt. Der Frühherbst wird auf Grund der Giessener In- struction bezeichnet durch Cornus sanguinea f. (21. VIII.). Ligustrum vulgare, f. (12. IX.). Aesculus Hippoc. f. (16. IX.). Die Zahl der Phasen ist etwas gering, in der neuen Liste ist sie um einige vermehrt. Die siebente phänologische .Tahreszeit, der Herbst, ist die Zeit der sich vorbereitenden Ruhe- periode (in gewöhnlichem Sinne genommen, d. h. Ende der assimilatori.schen Thätigkeit). Sie kann als beendet angeschen werden durch den Eintritt der allgemeinen Laubverfärbung, der letzten noch einigermaassen brauchbaren phänologischen Aeusse- rung des physiologisch-biologischen Verhaltens der llolzpflanzen. Der Herbst wird auf Grund der Giessener In- struction bezeichnet durch Aesculus Hippoc, LV. (10. X.); Fagus silv., LV. (13. X.); Betula alba, LV. /14. X.); Quercus ped., LV. (18. X.). Der Laubfall ist phäno- logisch nicht verwendbar, (vergl. u. a. Hotfmann in „AUgem. Forst- und Jagdzeitung" 1888, Juliheft). Auch die LV. kann nur einen geringen Werth in Bezug auf Genauigkeit des Feststellens beanspruchen; wir haben aber nichts Besseres. Eine achte Jahreszeit ist der Winter, die Ruhe- periode selbst, bis zum Beginn des Vorfrühlings. Als eine phänologische Jahreszeit im eigentlichen Sinne kann er nicht angesehen werden. Die so- genannten Winterblüthen, wie Helleborus niger, fallen für phänologische Zwecke nicht ins Gewicht Ich will nun für etliche Stationen den Verlauf des phänologischen Jahres angeben; zuvor jedoch sei Fol- gendes gesagt. Aus den oben angeführten Gründen nniss der Vor frühling ausfallen. Erst wenn die betreffenden Ptianzen der neuen Liste mehrere Jahre beobachtet worden sind, kann dies geschehen. Eine eingehende Durcharbeitung vieler Stationen hat mir ferner gezeigt, dass eine Anzahl von Pflanzen und Phasen der Giessener Instruction bei der allgemeinen Verwendung zu der Jahreszeiteneintheilung besser un- berücksichtigt bleibt; ich habe hierbei immer in erster Linie die Vergleichung verschiedener Stationen unter- einander im Auge, nicht z. B. die Vergleichung mehrerer Jahre bei einer und derselben Station. Es sind folgende: Atropa Belladonna, b. und f. : nur an einzelnen Stationen beobachtet. Betula alba, b: nicht zahlreich genug, wenigstens bis jetzt, beobachtet; fällt auch zeitlich mit Be- tula alba BO. dicht zusammen, so dass die Phase für den vorUegenden Zweck ganz wohl entbehrt werden kann. Loricera tatarica, b. und f. : die phänologisch sehr brauchbare Pflanze ist leider öfters mit anderen Species der Gattung Lonicera verwechselt worden. Hoffentlich geschieht dies für die Folge nicht mehr. Ribes anreum, b. und f. : nicht zahlreich genug, wenigstens bis jetzt, beobachtet. Vitis vinifera, b: zu grosser unterschied der Sorten und des Standorts, indem einige Beobachter Pflanzen an der Wand oder am Spalier beob- achtet haben. Fagus silvatica, Hochwald grün, und (ijuercns pe- dunculata, Hochwald grün: die Auffassungen der Beoliachter weichen zu sehr von einander ab. Narcissus poeticus, b: zeigt an manchen Urten ein auffälliges Vorl)lühen (vergl. auch Ziegler, Pflanzen- phänologisclie Beobachtungen zu Frankfurt a. M. Ber. Scnckcnbcrg. nat. Ges. 1S91, S. 33), sodass die Phase theils in den Erstfrüliling, theils in den Vorfrühling fiele. Hierzu bemerke ich allgemein: Es ist angenehm — ich betone wiederum, dass es sich namentlich um die Vergleichung verschiedener Stationen handelt, — wenn zwischen den einzelnen Jahres- zeiten kleine Zwischenräume liegen, in welche keine Phasen fallen, und zwar aus folgendem Grunde. Es liegt innerhalb der Fehlergrenzen der phänologischen Beob- achtungen, dass von zwei in der Aufblühzeit (es gilt auch von den anderen Phasen) sehr nahe zusammen- liegenden Pflanzen A. und B. an dem einen Orte im Mittel vieler Jahre A. um 1 oder 2 Tage früher notirt werden kann als B., an einem anderen Orte aber A. gleichzeitig mit B. oder 1 oder 2 Tage später. Man denke nur, um dies zu verstehen, an kleine Standorts- unterschiede, die sich bei allem Bestreben, dem in der Instruction geforderten, normalen, durchschnittlichen Standort gerecht zu werden, geltend machen können. Oder man erwäge nur, wie leicht durch Berücksichtigung besonders früher oder später Individuen kleine Fehler entstehen können. Im allgemeinen schadet solch ein kleiner Fehler nicht viel. Unangenehm störend macht er sich für die vorliegende Aufgabe nur, wenn die in Be- tracht kommenden Phänomene dicht an der (Trenze zweier Jahreszeiten stehen, so dass man in die Lage käme, etwa an dem einen Orte die Pflanze A. zum Vollfrühling, an dem anderen Orte zum Vorsommer zu rechnen, üni einen kleinen Zwischenraum zu erhalten, kann mau selbst die eine oder andere solcher Phasen ausfallen lassen; das war ein Grund mit, warum Xarcissus poeticus nicht verwendet >vurde. Sonst erfüllen die von mir gewählten Phänomene diese Ansprüche. Soweit ich bis jetzt die Stationen übersehe, kommt es kaum vor, dass eine der ausgewählten Phasen an der Station A. in eine andere Jahreszeit fällt als an der Station B. Es gilt das aller- dings zunächst nur für die nicht hochgelegenen Theile Mitteleuropas. In der Natur der allgemeinen Laubverfärbung liegt es, dass diese Phase am wenigsten genau zu beobachten ist und der Auffassung der Beobachter den weitesten Spielraum gewährt. Die Daten hierfür und damit für die Feststellung des Herbstes sind daher nur als an- nähernd zu betrachten. Wenn es sich um die Vergleichung zweier Stationen untereinander handelt, können daher auch nur ganz ungefähre Schlüsse daraus gezogen werden. Ferner lässt sich allgemein sagen, dass bis jetzt der Phänologie des Hochsonmiers und Herbstes weniger Auf- merksamkeit zugewendet worden ist als der des Frühlings und Vorsommers. An den meisten Stationen sind die Auf- zeichnungen für die füheren Jahreszeiten weit reichhaltiger als für die späteren. Ich möchte dringend auffordern, die späte Zeit des Vegetationsjahres ebenso zu berück- 42 Natur wibbeiischalLliclic Wocliciischrift Nr. 4. sichtigen wie die frühe; eine Reihe interessanter und wichtiger Ergebnisse werden es lohnen. Hiernach sind die Jahreszeiten durch folgende Pflanzen und Phasen der Giessener Instruction be- zeichnet. Vorfrühling : vacat. Erslfrühling: Aesculus Hippocastauum, Rosskastanie, BO. Ribes rubrum, Johannisbeere, b. Betula alba, Birke, B(». Prunus avium, Süsskirsche, b. Prunus spinosa, Schlehe, b. Prunus Cerasus, Sauerkirsche, b. Prunus Padus, Ahlkirsche, b. Pyrus communis, Birne, b. Fagus silvatica. Rothbuche, BO. Pyrus Malus, Apfel, b. Quercus pednnculata, Stieleiche BO. Vollfrülding: Syringa vulgaris, Nägclchen, b. Aesculus Hippoc, Rosskastanie, b. Crataegus Osyacantha, Weissdorn, b. Spartium seoparium, Ginster, b. Cytisus Laburnum, Goldregen, b. Sorbus aueuparia, Vogelbeeie, b. Cydonia vulgaris, Quitte, b. Frühsommer: Seeale cereale hibernum, Winterroggen, b. Sambucus nigra, Hollunder, b. Rubus idaeus, Himbeere, b. Symphoricarpus raeemosa, Schneebeere, b. Salvia ofticiualis, Gartensalbei, b. Cornus sanguinea, rother Hartriegel, b. Ligustrum vulgare, Liguster, b. Hochsommer : Ril)es rubrum, Johannisbeere, f. Tilia grandifolia, Sommerlinde, b. Tilia parvifolia, Winterlinde, b. Lilium candidum, weisse Lilie, b. Rubus idaeus, Himbeere, f. Seeale cereale hibernum, Winterroggen, E. Symphoricarjnis raeemosa, Schneebeere, f. Sorbus aueuparia, Vogelbeere, f. Sambucus nigra, Hollunder, f. FriUiherbst: Cornus sanguinea, rother Hartriegel, f. Ligustrum vulgare, Liguster f. Aesculus Hippoc, Rosskastanie, f. Herbst: Aesculus Hippoc, Rosskastanie, LV. Betula alba, Birke, LV. Fagus silvatica, Rothbuche, LV. Quercus pedunculata, Stieleiche, LV. Wenn man Orte miteinander vcrgleiciien will, so kann die (Grundlage der Vergleichung ein einziges Phä- nomen oder eine Anzahl sein. Nimmt man das letztere Verfahren, das in vielen Fällen praktischer sein wird, so müssen die gewählten Phänomene phänologisch zu- sammengehören. Es erhellt ohne weiteres, wie passend für derartige phänologisehe Gruppen die Pflanzen und Phasen einer jeden Jahreszeit sind. Um bei solchen Vergleichungen sofort absolute kalendarische Daten, nicht nur relative Zahlen, die etwa die Anzahl der Tage angeben, um die eine Station einer an- deren Station vor oder nach ist, zu erhalten, sind ebenfalls die Jahreszeiten in hohem Grade ge- eignet. Ich berechne für jede Jahreszeit den Mittel- werth: Addition der Daten der zu jeder Jahreszeit gehörenden Einzelphänomene und Division durch deren Anzahl. Für Giessen, die mittleren Daten für die ein- zelnen Phänomene sind bereits oben mitgetheilt worden, ergeben sich folgende Werthe: ErsttVühlinff Vollfrühling Frühsommer 22. April 12. Mai 3. Juni Hochsommer 11. Juli Friihherbst 6. September Herbst 14. Oktober in Giessen. Ich lasse für einige andere, beliebig herausgegriffene Stationen, an denen die Beobachtungen, alle auf Grund der Giessener Instruction, sehr reieldialtig sind, die in gleicher Weise berechneten Mittelwerthe folgen. Die Auf- zeichnungen der Einzeljahre sind abgedruckt in den Be- richten der Oberh. Ges. für Natur- und Heilkunde in Giessen. Bielefeld, Beobachter H. Niemann. 1883—1893. Frankfurt a. M., Dr. J. Ziegler, meist 20— 3Ujährige Beobachtungen. Neubrandenburg inMecklenburg, (i.Kurz, 1H85 — 1893. Nürnberg. Fr. Schullheiss, 1882-1893. Ratzel)urg, R. Tepelmann, 1879—1893. Raunheini am Main, L. Buxbaum, 1880 — 1893. Erst- Voll- Früh- Hot-h- Früh- nerhst frühliug frühliiig .somraer sommer herbst Bielefeld 24. IV. 13. V. 4. VI. 13 VII. 9. IX. 15. X. Frankfurta. M. . 15. IV. 4. V. 27. V. 5. Vll. 31. VIII. - Neiihrandeiihiiif;- 2. V. 21. V. 11. VI. 21. VIL 15. IX. 12. X. Nüi-nl)fi-s .... 24.IV. U.V. 2. VI. 13. VII. 7. IX. 14. X. Ratzeburi;- . . . . 30. IV. 18. V. 9 VI. 19. VII. (18. IX.) 23. X. Kaüiiheiiii . . . . 17. IV. 7. V. 30. V. 7. VII. l.IX. 8. X. Es ist von Interesse, zu sehen, welcher Werth sich für den Erstfrühling, für den am meisten Phänomene zur Verfügung stehen, ergiebt, wenn er berechnet wird 1. aus allen 11 Piiascn, wie oben; 2. nur aus den ersten Blüthen, also unter Wei;lassung der 4 BO. Für Giessen sind die beiden Zaliien^22. IV. und 22. IV., für Frankfurt 15. IV. und 15. IV., für Bielefeld 24. IV. und 25. IV., für Neu- brandenburg 2. V. und 4. V., für Nürnberg 24. IV. und 25. IV., für'" Ratzeburg 30. IV. und 30. IV., für Raunheim 17. IV. und 15. IV. Die beiden Berechnungsweisen er- geben also keinen oder nur einen ganz geringen Unter- sciiied. Es ist das für solche Orte wichtig, wo Aufzeich- nungen über die Laubentfaltung fehlen. Beiläufig gesagt, es wird in Deutschland kaum einen Ort geben, wo der Mittelwerth für den Erstfrühling vor das erste Drittel des April fiele. — Ich habe auch den Mittelwerth für den Erstfrühling aus den beiden frühesten und spätesten Phasen, einerlei welche, berechnet. Es ergiebt sieh auch in diesem Falle kaum ein Unterschied gegen die Berechnungen von vorhin: Giessen 22. IV., Frankfurt 15. IV., Bielefeld 24. IV., Neubrandenburg 1, V., Nürnberg 24. IV., Ratzeburg 29. IV., Raunheim 16. IV. Auch dieses Ergebniss ist von Werth, nämlich in dem Falle, wenn gewisse Phasen an einem t)ite nicht beobachtet worden sind. Allgemein lässt sich sagen, dass in der Mitte einer Jahreszeit einzelne Phasen ausfallen, d. h. nicht beobachtet sein dürfen, und dass man doch annähernd richtige Mittel- werthe erhält. Je nachdem am Anfange oder am Schlüsse Daten ausgefallen sind, wird der Mittelwerth etwas zu spät oder zu früh werden. Wünschenswerth i.st es natür- lich, wenn an allen zu vergleichenden Stationen auch alle Phänomene beobachtet worden sind; für den Frühherbst und Herbst darf wegen der geringen Zahl der Phasen, die diese Zeiten vorläufig bezeichnen, keine ausfallen. Was kann man nun mit den Mittelwertheu der Jahres- zeiten anfangen y Sie bieten einmal einen direet verwendbaren und zugleich absoluten, kalendarischen Aus- druck, wenn man Stationen mit einander ver- gleichen will, sei es in einzelnen Jahreszeiten, sei es durch das ganze Vegetationsj ahr hindurch. Nr. 4. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 43 So tritt, immer im Mittel einer Reihe von Jahren, in Raiinhcim der Erstfrühling um 7 Tage, der VolUVüliling um ii, der Fiiihsommer um 5, der Hochsommer um li, der Friihherbst um 8, der Herbst um 7 Tage früher ein als in Bielefeld. Nürnberg ist vor Neubrandenburg 8, 10, 9, 8, 8, 6 Tage, Frankfurt a. M. vor (liesscn 7, 8, 7, 6, 6 — Tage, Bielefeld vor Ratzeburg 6, 5, 5, 6, — , 8 Tage, Raunheim vor Giesseu 5, 5, 4, 5, 5, 6 Tage u. s. w. Hieraus geht hervor, dass der phänologische Unterschied zwischen zwei ( >rten vom Erstfrühling bis zum Herbst, also während des ganzen Vegetationsjahres, nahezu der- selbe ist. — Dieser Satz wird für nicht zu weit von- einander entfernte und in der Höhenlage niclit zu sehr \ersciiie(lene Stationen allgemein gelten. Bei zwei fStatiouen, von denen die eine im Westen, die andere im < »stcn liegt, ist die Sache anders. Es zeigt sich dann, dass der Erstfrühling im Westen früher eintritt als im t »sten, der \'ollfrühl!ng auch noch früher, aber gewöhnlich um einen geringeren Betrag als der Erstfrühling, beim Frühsonnner nimmt der Unterschied zu Gunsten des Westens noch mein- ab, oder der Osten zeigt sich sogar schon gleichzeitig oder etwas früher; für die späteren Jahres- zeiten fehlt es leider fast ganz an vieljährigen brauch- baren Beobachtungen, es scheint, dass der Osten den Vorspruug beibehält. Am ungetrübtesten lassen dieses Verhalten solche in der geographischen Länge ver- schiedene Stationen erkennen, die gleiche Breite und Höhe haben, weil dann wenigstens zwei wichtige, unter Umständen störende Compensatiouswirkungen hervor- rufende Factoren gleich sind; vergl. Ihne, Ueber den EinHuss der geographischen Länge auf die Aufblühzeit von Holzpdanzen in Mitteleuropa, Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte, Nürn- berg 1893. So ist Bielefeld dem 860 km östlich liegenden Warschau (der Untei'schied in Breite und Höhe beider Orte ist nur gering) im Erstfrtthling vor 10 Tage, im Vollfrühling vor 7 Tage, im FrUhsommer vor 5 Tage. [Wenn ich in diesem speciellen Falle noch Tilia grandifolia, T. parvifolia, Lilium candidum, für welche drei Species auch noch Beobachtungen vorliegen, hinzu nehme, so ergeben sich 3 Tage für den Sommer.] Homburg ibei Frankfurt a. M.) liegt 41(j km westlich von Prag, das mit ihm nahezu gleiche Breite und Höhe hat, und ist im Erstfrühling gegen Frag vor 2 Tage, im Vollfrühling vor 1 Tag, im Frühsommer nach 2 Tage. — Die Vergleichung einer niedrig gelegenen und einer sehr hochgelegenen Station, wennmöglicli nicht weit von ein- ander entfernt, wird woid zu ähnlichem Ergebniss führen. Auf Grund der .Mittelwerthe entworfene Karten für den Eintritt des Erstfrühlings, Vollfrühlings u. s. w. lassen neben dem gegenseitigen Verhältniss der Stationen des dargestellten Gebietes zugleich das kalendarische Datum für die Stationen erkennen. Hoftinann's Phänologische Karte von Mitteleuropa und die Frühlingskarte von Eu- ropa leisten das erstere, bezogen auf die Aprilblütheu von Giessen. Meine Karte der Aufblühzeit von Syiinga vul- garis in Europa und meine vier phänologischen Kärtchen von Finnland zeigen auch das kalendarische Datum, be- ziehen sich aber nur auf je ein Phänomen. Sehr interessant wird auch eine Untersuchung über die mittlere Dauer der einzelnen Jahreszeiten und des ganzen Vegetationsjahres an ver- schiedenen Orten sein. Eine Aufgabe ähnlicher Art wäre die Betrachtung der Dauer der einzelnen Jahreszeiten und der ganzen Vegetationsperiode innerhalb bestimmter Jahre am gleichen Orte oder innerhalb des gleichen Jahres an mehreren Orten. Hierbei würden dann auch Beziehungen zu meteorologischen Factoren zu suchen sein. — Ich will jedoch diese Fragen jetzt nur berühren; es entspräche w ohl kaum dem Zweck vorliegender Arbeit, mehr als an- deutungsweise darauf einzugehen, in welcher Richtung die Vegetationsjahreszeiten zu verwenden sind. Die Jahreszeiten geben auch ein sehr geeignetes Mittel an die Hand, um für einen bestimmten Ort zu untersuchen, wie sich in phänologiseher Be- ziehung ein Jahr zu einem anderen oder zum Mittel verhält. Bekanntlich (vergl. Drude, 1. c. Isis 1892, S. 14 des Sonderabzugs und Ihne, Naturw.Wochenschr. 1894, Bd. IX. S. 177) kann sich die phänologische Differenz zwischen zwei Jahren oder zwischen einem Jahre und dem Mittel in den verschiedenen Jahreszeiten ändern; mit Verwendung der Mittelwerthe für die einzelnen Jahreszeiten kann man dieses Verhalten kurz und gut zum Ausdruck bringen. Will man z. B. für Nürnberg wissen, wie sich 1888 und 1889 zu einander verhalten, so berechnet man die Mittel- werthe der Jahreszeiten in beiden Jahren: 1888 . . . 1S89 . . . 1888 ist also gegen 1889 nach, minus Erst- Voll- Früh- Hoch- Früh- frühling frühling sommer sommer hei'bst . .5. V. 19. V. ß. VI. 1.5. VIT. 7. IX. .3(1. IV. U.V. :.^9. V. 7. VII. Sl.VII Herbst. 11. X. 4.x. Tae Um zu sagen, ob ein bestimmtes Jahr absolut früh oder spät genannt werden kann, müssen die Werthe der Jahreszeiten dieses bestimmten Jahres mit dem Mittel aus allen Beobachtungsjahren, verglichen werden. Ich wähle wiederum Nürnberg und die Jahre 1888, 1889 und 1893. Erst- VoU- B'rüh- Hoch- Früh- Tie,-hst frühling frühling sommer sommer herbst Mittel 2t.IV. U.V. -2. VI. 13. VII. 7. IX. U. X. IS93 17.1V. -2. V. 27 V. 5. VII. .".IX. 1-5. X. 1888 gegen das Mittel.... -11 — S —4 -2 ±0 -I- 3 Tage. 1889 gegen das Mittel .... — G -3 +4 +6 +7 -4-10 Tage. 1893 gegen das Mittel ....4-7 +9 +G +8 +1 - 1 Tag. Das Jahr 1888 war also vom Erstfrühling bis zum Hochsommer ein spätes Jahr, jedoch so, dass die Ver- spätung allmählich abnahm; der Frühherbst trat normal ein, der Herbst etwas verfrüht. Das Jahr 1889 war da- gegen im Erstfrühling und Vollfrühling spät, vom Früh- sommer an früh, und zwar nahm die Grösse der Ver- frühung allmählich bis zum Herbst hin zu. In beiden Jahren war die Dauer der Hauptthätigkeit der Vege- tationsperiode, d. i. die Zeit vom Eintritt des Erst- frühlings bis zum Eintritt des Herbstes, kürzer als im Mittel: 1888 betrug sie 159 Tage (5. V. bis 11. X.), 1889 betrug sie 157 Tage (30. IV. bis 4. X.), im Mittel beträgt sie 173 Tage (24. IV. bis 14. X.). — Ganz andere Verhältnisse zeigte 1893. Alle Jahreszeiten mit Aus- nahme des Herbstes traten früher ein als im Mittel (und auch früher als in den beiden beliebig herausgegriifenen Jahren 1888 und 1889). Die Dauer der Hauptthätigkeit der Vegetationsperiode betrug 181 Tage, also 8 Tage mehr als im Mittel und 22 Tage mehr als 1888 und 24 Tage mehr als 1889. Die letzten Zahlen veran- schaulichen die wechselnde Dauer der für tlas jährliche Pflanzenleben wichtigsten Zeit. Auch dieser Punkt ver- dient ein genaueres Eingehen, wobei natürlich die mete- orologischen Factoren mit hereingezogen werden müssen. Zum Schluss spreche ich die Hoffnung aus, dass die in dieser Arbeit vorgeschlagenen Jahreszeiten Annahme finden möchten. 44 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 4. 66. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien vom 24. bis 30. September 1894. V. August Forc (it'liini und Seele. — ... An dieser Stelle will ich . . . uusschliesslich vom naturwissen- .schaftliclien Standpunkte aus das Verliältniss der phy- sischen und psychischen Erkenntnissrcihcn zu l)eleuciiten versuchen . . . Wir nehmen bestimmt an, dass eine Welt ausser uns existirt, die uns ilurcli unsere ebenfalls existirenden Sinne erscheint. Die Begriffe Seele und Geist sind durch Dogmen und Theorien derart der einfachen, inneren naiven An- schauung eines jeden Jlenschen entrückt worden, dass es schwer fällt, das ursprünglich Gegebene wieder zu ge- winnen. Und dennoch müssen wir versuchen, das zu thun. In der subjectiven Geschichte des „Ich's" eines jeden Menschen sind die Begrifte Seele, Geist, Bewusstsein, Subjeetivismus mehr oder weniger identisch oder in ein- ander übergehend. Sie sind an die Fähigkeit der ersten „bewussteu" Lebenserinnerungen und an deren Verbin- dung mit den Nachfolgenden geknüpft. (Mine Gedächtuiss ist der Zusammenhang der Seele unmöglich und undenk- bar. Dieses wird in allen Details, wie \vir sehen werden, durch hypnotische Experimente bestätigt. Der Kernpunkt des Begriffes Seele liegt aber im Be- grifl' Bewusstsein, das heisst in der Eigenschaft der inneren Anschauung und in der Spiegelung der ^^'eltdinge in dieser inneren Anschauung (Bewusstsein des Ich's und der Welt). — Jedes Kind denkt sogar über sein Bewusst- sein in Verbindung mit dessen Inhalt, d. h. über sein Denkvermögen nach. Nun sind folgende Thatsachen nicht schwer festzustellen : 1. Dass nur Veränderungen und Verhältnisse zwischen den Dingen bewusst werden, und dass eine unaufhörliche 'rhätigkeit dem Bewusstsein zu Grunde liegt. Ein still bleibendes Bewusstsein schwindet sehr bald. 2. Dass somit das Bewusstsein einen beständig wech- selnden Inhalt zeigt. ;3. Dass sich im Bewusstsein alle möglichen Vorgänge der Ansscnwelt durcli Vcrmittclung unserer Sinne sowohl als auch innere Vorgänge unseres Körpers, ganz speciell unseres Kopfes, unseres Hirnes, letztere in Form von Erinnerungen, Gefühlen, Wollen, Denken u. s. w. spiegeln. 4. Man hat das Bewusstsein mit einem inneren Spiegel verglichen. Man sollte es nur mit einer Spiegelung vergleichen. Denn sobalil der thätige Inhalt des Bewusst- seins verschwindet, bleibt absolut nichts vom Bewusstsein mehr übrig. Ninnnt man das Gespiegelte weg, so ist der angebliehe „Spiegel" verschwunden, wie der Schatten, wenn das Licht aufhört, wie das Gewicht, wenn man den gewogenen Gegenstand entfernt, wie die Bewegung, wenn man die bewegten Atome wegdenkt, wie der Be- griff der ^lateric selbst, wenn man aus ihm die Kraft entfernen will. Wir müssen entschieden daran festhalten, dass aus dem Begriff des Bewusstseius selbst jede Bei- mischung des Bewusstseinsinhaltes, jeder Begriff von Kraft und Thätigkeit ausgemerzt wird. Eine unerlaubte und zu Confusionen luhrcndc Erweiterung dieses Begriffes ist ferner die Hinzurechnung von ehemaligen Inhalten, die nicht mehr bewusst sind. Der Hegriff des Bewusst- seius niuss rein snbjectiv bleiben. Was momentan nicht bewusst oder nicht mehr bewusst ist, gehört auch nicht mehr zu seinem Inhalt. Der Begriff" des Ich's muss somit iianz vom Betritt' des Bevvusstseins gesondert werden. — Zum ,Ich' gehört sogar noch eine Unzahl unhewusster Vorgänge. Man hat sich bemüht, die Bedingungen des Zustande- konmiens des Be\\ usstscins festzustellen; es war jedoch eine vergebliche .Alühe, da man von keiner Thätigkeit der Welt beweisen kann, dass sie hewusstlos sei. Man hat die Thätigkeit der Aufmerksamkeit, von der die Erschei- nung unseres Uberbewusstseins ganz besonders begleitet wird, mit dieser letzteren verwechselt; man hat somit auch hier das Bewusstsein mit seinem Inhalt verwechselt. Will man nun zum Begriff' der Seele den ganzen In- halt des gegenwärtigen Bewusstseius und Alles, was früher dem ,Ich' einmal bewusst war, rechnen, so muss die Seele als die ganze, im Licht unserer uns bekannten inneren Bewusstseinsspiegelung erscheinende Grosshirnthätigkeit definirt werden. Will man ausserdem alle unbewussten Nerventhätigkeiten hinzurechnen, so wird der Begriff' der Seele noch bedenklich erweitert. Man sieht aber so schon, dass die Begrift'e Seele und Nerventhätigkeit nur verschiedenen Anschauungsweisen eines und desselben Dinges entsprechen, oder wenigstens, dass die Objecte beider Begriff'e ganz und gar ineinander fliessen. 5. Es ist somit nicht schwer einzusehen, dass die all- gemeinen Begriff'e Bewusstsein, Seele, Materie, Kraft, wie auch die Begriff'e Kaum und Zeit sammt und sonders in Nichts zerfallen, sobald man sie ganz bereinigt, d. h. jeden für sich allein betrachten und isoliren will. Es folgt daraus die von der Philosophie anerkannte, gemei- niglich jedoch verkannte Thatsache, dass diese Begriff'e nur Erscheinungen entsprechen, die wir aus den Welt- dingen herausanalysirt oder abstrahirt haben, die jedoch durchaus keine Dinge an und für sich sind. H. Aus alledem folgt aber weiter, dass der Begriff , Seele' aus zwei beständig verwechselten Componenten besteht: a) dem Abstractum der Seele oder dem Be- wusstsein, das also nur ein theoretischer, abstracter Be- griff ist; b) dem gespiegelten dynamischeu Inhalt des Be- wusstseius. Beide Componenten sind jedoch absolut un- trennbar im Begriff' Seele' enthalten. 7. Der ganze thätige Inhalt des Bewusstseius ist nun seinerseits an das Vorhandensein eines lebenden, thätigen Gehirns geknüpft. Ein Bewusstseinsinhalt ohne Gehirn kommt für uns Menschen ebenso wenig vor, wie ein Be- wusstsein ohne Inhalt. Ich spreche natürlich nur von einem Bewusstseinsinhalt, analog dem unserigen, nicht vom elementaren Zellen- und Atombewusstsein. Kurz ge- sagt, menschliches Bewusstsein. Seele, Bewusstseinsinhalt, (Tehirnthätigkeit und Gehirnmaterie sind nur Erscheinungs- formen eines und desselben Dinges und nur für unseren abstrahirenden Verstand, nicht aber an sich, von einander trennbar. Separat ist niemals eine dieser Eischeinungen ohne die anderen dargestellt worden. Man kennt kein Bewusstsein ohne luhnlt. kein lebendes Gehirn ohne seine Thätigkeit, keine Gehirntluitigkeit ohne Seelenerschei- nungen. Es giebt kein Gehirn ohne Seele und keine coni- jjlicirte, der unserigen analoge Seele ohne Gehirn. Es giebt keine Kraft ohne Stoff' und keinen Stoff ohne Kraft. Die so gewonnenen Erkenntnisse zwingen uns zur Annahme einer im wahren Sinne des Wortes göttlichen, monistischen Weltpotenz, die sich hinter unseren abstra- hirten, künstlichen Begriff'en verbirgt, die zugleich ]5e- wusstsein, Stoff' und Kraft sein nniss, und die die fort- schreitende Evolution der Welten und speciell der unorjianischen wie der orsanischeu Natur unserer Erde Nr. 4. Naturwisscnscliaf'tliche Woclienselirit't. 45 aus sich hervorbriiiiit. Diese Weltpotenz besitzt otf'enbav in sieb die piastisciu' Kxpansionstaiiiykeit einer ('iKUosen. evtiiutionistisclion Diversitication im Detail ibrcr Erscbei- nunj;en, verbunden mit cycliselien Wiederliolun^en der Einzelersebeinun^'sreilien und geregelt dureli barnionisebc (ieset/.e, die wir mit unseren sclnvaelien llirnkrät'ten in nnseiem partiellen Mensebcnbewusstsein nur relativ und partiell aiinen oder erkennen, und dann nach unserer Art eonstruiren . . . Unsere niensclilielie Gebirnseele ist als eine Tlieil- iiseheinung- des Weltalls, dureliaus nielit als etwas an und für sieh von ihm Verschiedenes zu betrachten. Sie ist in unserem Sinne f;-öttlieli, wie das Weltall, nicht aber etwas an und für sich Höheres als die iibri,i;en Weltersebei- nungen. Freilich ist sie die comi)licirteste und höchste der uns bekannten Welterscheiuunj;en; doch ist auch ihr ( »rgan, das Gehirn, die weitaus complicirtestc und höchst entwickelte Organisation des uns bekannten Weltstoft'es, so dass auch hierin durchaus kein Missverständniss zwischen Gehirn und Seele herrscht. Es liegt somit kein Grund vor, einen besonderen dualistischen Seelenbegritf einem anderen Begritt', den man seelenlose Materie nennen will, entgegen zu stellen. Jede Seelenerscheinung hat ihre materielle Erscbeinungs- kchrseite; jede materielle Erscheinung hat im weiteren .•^inne des Wortes ihre seelische, wenn auch meistens viel elementarere Erscheinungskehrseite — dariilier später mehr. Aus dem Gesagten folgt unzweideutig, dass die Er- torschung der Seelenerscheinungen, sowohl von innen, als Hcwusstseiusspiegelung, durch die rsychologie, wie von aussen, als Gehirnthiitigkeit, durch die Gehirnphysiologie und die Psychophysiologie, in das Bereich der beschrei- benden und experimentellen, wissenschaftlichen Natur- i'orschung gehört. Betrachten wir nun das Drgan der Seele, das Gehirn . . . (•ntogenetisch aus dem äusseren Keimblatt des Em- bryos, phylogenetisch aus ditferenzirten Epithelzellen sich entwickelnd, erscheint das Ner\ensystem als ein Abkönnn- ling gcw(ilinlichcr thicrischer Zellen, deren Grundeigen- schaften oder plasmatiselie Urpotenzeu es somit besitzen muss. Seine Specialcigenschaft besteht jedoch in der Fähigkeit seiner Elemente, empfangene Reize rasch durch eine wellenartige .Moleeularbcwegung befördern und an andere Elemente übertragen zu können. Man k('innte diese nioleculare Nervenbewegung, ohne Präjudiz ihrer noch unklaren chemisch-iibysikalischcn Natur, Neurokym (Ner\cn\\cllci nennen. Fiühcr glaubte man, es gäbe zwei S(n'ten von Nervcnelenienten, die Nervenzelle und die Nervenfaser. Man hielt die Fasern für anatomische Bahnen zwischen den Nervenzellen. Eine andere An- schauung wurde V(n- S Jahren fast zugleich und ganz un- abhängig von His auf Grund von embryologischen Unter- suchungen und von mir auf Grund iler Resultate der v. Gudden'scheu .Vtrophiemethode, verglichen mit Golgi's histologischen Forschungen, entwickelt. Diese Anschauung wurde drei Jahre später durch die Untersuchungen von Ramön y Cajal und anderen Histologen, besonders von K Olli k er, fast allseitig bestätigt. Sie steht vor Allem im Einklang mit der Ontogenie und mit der vergleichenden Anatomie des Nervensystems. Nach dieser unserer neueren -Ansicht ist jede Nervenfaser, d. h. deren allein nervöser Axencylinder, stets nur der Fortsatz einer Nervenzelle. Sie ist somit kein Element, sondern nur der Ast oder Fortsatz eines F>lcnientes. Sie anastomosirt ferner nicht mit anderen Elemejiten, sondern steht nur durch den Gontact ihrer baumförmigen Endäste nnt ihnen in Ver- binilung. Es giebt somit kein Nervennetz, sondein nur das in einander greifende Gewirr der unzähligen, äusserst langen und feinen, verästelten Polypenarme der Nerven- zellen; dieses Gewirr hatte ein Netz nur vorgetäuscht. Die wichtigsten Nervenzellen besitzen einen Hauptast, der dazu bestinnnt ist, das Neurokym, die Nervenwelle, isolirt zu irgend einem weit entfernten Element zu leiten. Dieser Hauptast, die Nervenfaser, wird zweifellos durch die Nervenmarkscheide besser isolirt. Letztere besteht aus einer aniorjjhcn Masse (Myelin), welche von umgebenden (icwebcn abgesondert wird und somit nur von aussen nachträglich hinzukonnut. Das so präcisirte Nerven- element, d. h. die Nervenzelle mit ihren sämmtliehen mark- haltigen und marklosen Fortsätzen und deren Veräste- lungen, hat nun von Waldeyer den Namen Neuron (von KöUiker Neurodendron) erhalten. Das ganze centrale und jjeripbere Nervensystem ist somit ein Complex von vielen einzelneu Neuronensystemen, welche — man verzeihe die rohe Vergleichung — ver- mittelst der Nervenwellen auf einander Klavier spielen. Im ganzen Körper, zwischen den übrigen Geweben zerstreut, liegen zwei Hauptsorten von Neuronen : die cen- tj'ipetalen oder sensibeln (sensible Nerven), welche die Sinnesreize dem Oentralnervensystem übermitteln, und die centrifugalen oder motorischen (Bewegungsnerven), welche die Neurokyme des Centralnervensystems auf die Muskeln übertragen. Das motorische Neuron hat seine Zelle im Centrainer vensystem; seine Endbäumchen legen sich wie Vogelkrallen den Muskelfasern an und reizen dieselben zur Bewegung, auf das Conimando von oben her. Doch sind die beiden peripheren Neuronensorten nur unter- geordnete Diener des ungeheuren Neuroneneomplexes des Gehirns, das beim Menschen IV4 bis l',4 kg wiegt und fast nur aus an einander liegenden, aufs Mannigfaltigste combinirten Systemen feinster und complicirtester auf einander wirkender und rückwirkender Neurone besteht. Zwischen Gehirn und peripheren Neuronen liegen das Rückenmark und (beim Menschen wenigstens) untergeord- nete Gehirntheile (Kleinhirn, Oblongata, Thalamus u. s. w.), welche intermediäre Neurouencomplexe darstellen, zum grössten Theil phylogenetisch älter sind und daher bei weniger hohen Thieren eine relativ höhere Rolle spielen. Mit vollem Recht hat Isidor Steiner das ])hysiolo- gisclic Thiergehirn, unbekünnnert um seine morphologische Homologie, als das mächtigste, alle übrigen Centren domi- nirende und daher auch alle Bewegungen von oben her beherrschende Nervencentrum bezeichnet. Alle Thatsaehcn sprechen entschieden dafür, dass im Centralnervensystcm im Lauf des postembryonalen Lebens keine neuen Elemente, keine neuen Neurone entstehen, und dass nicht ihre Zahl sich vermehrt, sondern nur ihre Länge und Verästelung wächst. Wir arbeiten somit im Alter höchst wahrscheinlich nut den gleichen Neuronen, wie in der Kindheit, und dadurch wird die Haftbarkeit der Gedächtnissbilder schon verständlicher. Durch die Thätigkeit der Neuronen im lebenden Gehirn werden nun die Nervenreizwellen nicht nur aufs Mannigfaltigste combinirt, coordinirt, associirt und disso- ciirt, sondern je nachdem verstärkt oder gehemmt. Die Physiologen sprechen von Henmiungs- und Reizverstär- kungsap})araten oder Centren im Ganglienzellenkörper. Neuerdings hat Exner das Wort Bahnung als (Jegcnsatz zu Hemmung eingeführt. Das grosse Räthsel ist die Natur des Neurokyms der Nervenwelle, die Erklärung ihrer Thätigkeit und ihrer Wirkungen. Letztere jedoch erkennen wir beständig an uns selbst in der Spiegelung unseres eigenen Bewusstseins und an Anderen, theils durch direete Betrachtung, theils durch die Schlüsse, die wir aus ihren Aussagen, ihrem Mienenspiel etc. ziehen . . . Die Lehre der Hirnloealisationen und die diesbezüg- lichen Experimente an Thieren, die Herderkrankungeu des 46 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 4. menschlichen Gehirns, ein tieferes Studium der (ieistes- iiranken, die criminelle Anthropologie und ihre Beziehung zur Psychiatrie, die Lehre der Suggestion, das Studium des Schlafes, das Studium der Entwiclcelung der normalen und defecten Kindesseele, der Blindgeborenen z. B., u. s. vv. geben uns zahllose Anhaltspunkte, welche theil- weise zeigen, wie das Gehirn functionirt, und wie die Seele durch die Gehirnstörungen verändert wird, bald partiell, bald allgemein, bald centripetal, bald central, bald centrifugal (Bewegung), bald in dieser, bald in Jener Hinsicht. — Immer mehr und immer klarer stellt es sich dabei heraus, dass localisirte Hirnstörungen auch locali- sirte Seelen- oder Nervenstörungen verursachen, dass diffuse, allgemeine Erkrankungen des Grosshirns die Seelenthätig- keit allgemein stören, und dass die höhere Seele des Menschen allein vom Grosshirn abhängt . . . Die alte psychologische Lehre der Seelenvermögen ist aber als völlig begraben zu betrachten. Die Empfin- dung z. B. findet im Grosshirn statt, offenbar an der An kuuftsstelle der vom peripheren Sinnesreiz ausgegangenen Nervenwelle. Hier trifft sie meist mit coordinirten andern Wellen zusammen und weckt nun zahllose assoeiirte Neuro- kyme, die offenbar in infinitesimal abgeschwächter Weise, so zu sagen schlummernd, als sogenannte Erinnerungs- bilder in den Neuronen fortschwingen oder in einer sonst noch räthselliaften Weise zu einer Erweckung parat ge- halten stehen. Diese Eriunerungsspuren stehen unter ein- ander in mannigfachster, aber geordneter und harmonischer Verbindung — sogenannter Association. Die weckende Welle belebt, verstärkt und verändert zum Theil den ganzen associirten Coniplex. Dies wirkt wiederum auf andere Reihen (Complexe), bald hemmend, bald ver- stärkend. Verstärkende Wellen, welche die grosse, cen- trifugale sogenannte Pyramidenbahn des Gehirns erregen, bilden die Willensimpulse und bewirken Bewegungen. Willensimpulse, die nicht ausgeführt werden, sind solche centrifngale Resultanten, die noch vor der Erregung der Neuronen der P^ramidenbahn gehemmt werden. Haben wir uns den Denkprocess im Gehirn ungefähr so vorzustellen, S(i dürfen wir dabei doch nicht vergessen, dass die Neuroky- men offenbar auch noch viele andere Formen ihrer Thätig- keit besitzen, die nicht nur nach der Gruppirung der erreg- ten Neuronen, sondern nach Dauer, Form und Intensität der Wellenbewegungen difteriren müssen. Wie z. B. die Affect- welleu im Gehirn bedingt sind, ist noch völlig unklar. Hociiwichtig ist folgende Thatsache: Die Neurokym- thätigkeit kann einmal reproductiv sein, d. h. alte, bereits durch unzählige Wiederholungen automatisch gewordene Thätigkeiten identisch oder fast identisch wiederholen. Sie kann aber umgekehrt plastisch, d. h. neuernd und C(mi- binirend sein, indem verschiedene Nervenwellen in unge- wohnter Weise an einander stosseu und, besonders durch äussere neue Sinnesreize oder Reizcombinationen veranlasst, neue Combinationen, neue Neurokymeomplexe in den Ge- hirnneuronen auslösen. Dieser letztere Vorgang ist stets von einer grösseren und zweifellos auch objectiven Anstrengung begleitet, die wir Aufmerksamkeit nennen, und ersclieint besonders intensiv in der Bewusstseinsspiegelung. Mit den eben erörterten Thatsachcn stehen zwei wichtige biologische Erscheinungsreihen in intimer Ver- bindung: L Die Thatsache, dass rein automatisch-reproductive Neurokymthätigkeiten als solche und in toto ver- erbt werden können, ohne jemals vom Individuum eingeübt worden zu sein. Ein Sinnesreiz genügt, um die ganze Kette hervorzurufen. Jede St(irunii- oder Abweichuni;' stört oder vereitelt aber ihr oder weniger die ganze Kette, bekanntlich lustinct. Das nennt man Ich erinnere an das sofortige Springen und geschickte Picken von Körnern des eben aus dem Ei geschlüpften Hühnchens, an die zahllosen In- stinete der Insecten u. s. w. — Wir müssen daiaus entnehmen, dass, bei der phylogenetischen Selection der keimplasmatischen Potenzen, die gewonnene Gruppirung und Combination der lebenden Moleküle, die später zum Gehirn werden, genügt, um ihre ererbten späteren automatischen Thätigkeitscom- plexe vollständig zu bestimmen. Es kann somit der gleiche Process der Auto- matisirung durch Vererbung im Laufe der Gene- rationen und durch Angewöhnung, durch Wieder- holung im Laufe des Individuallebens erzielt werden. 2. Die Thatsache, dass sehr coniplicirte, ererbte Auto- matismen (Instincte) mit sehr wenig Nervenelementen erzielt werden können, während nur bedeutende Gehirnmassen eine bedeutendere individuelle, plas- tische Neurokymthätigkeit erlauben. Man denke nur an die complicirten Instincte der Ameisen, bei ihrem zwar relativ sehr grossen, jedoch absolut winzigen Gehirn. Man vergleiche die plastischere Hirnthätigkeit der Krähe mit derjenigen des eher grösseren Huhnes und bemerke, dass das Krähen- grosshirn bedeutend grösser ist als das Hirn des Huhnes. Die Körpergrösse erfordert natürlich auch an sich viele Gehirnelemente und muss annähernd gleich sein, um solche Vergleichnngen zu erlauben. Fügen wir noch hinzu, dass auch viele plastische Eigenschaften scheinbar ganz der Neurokymthätigkeit erb- lich sind, jedoch nur als Anlagen, die das Individuum entwickelt und bethätigt oder nicht entwickelt und nicht bethätigt, je nach den Umständen. Das sind Thatsachen und keine Theorien. Das Studium der phylogenetischen Evolution der Thierwelt bringt uns zur Ueberzeugung, dass die ursprünglichste Nervenwellenthätigkeit eine mehr plastische ist, die jedoch bei geringer Elementenzahl und hohen Anforderungen zur Bildung von einseitigen erblichen Automatisnien führt, üebrigens sind beide Thätigkeiten nur relativ verschieden. In uns selbst können wir bei jeder Erlernung den all- mählichen Uebergang der einen in die andere sowohl centrifugal und centripetal (technische Fertigkeiten und Anschauung) als central (abstractes Denken) studiren. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die plastische Phantasie, die erwägende Vernunft, die feinen, höheren, ethischen und ästhetischen Gefühle und die aus denselben sich ergebenden höheren Willensimpulse zur Inichsten Pla.sfik der (4ehirnthätigkeit gehören . . . Wir müssen den Sehluss ziehen, dass es so viele Bewusstseinsspiegelungen als genügend functionell oder anatomisch getrennte Reihen von Neurokymthätigkeiten giebt. Wir müssen daher nicht nur unserem Grosshirn, sondern auch allen anderen Abtheilungen des Nerven- systems untergeordnete, uns subjectiv wie objeetiv aber total unbekannte Bewusstseinsspiegelungen zuerkennen. Unser eigentliches, gewöhnliches, menschliches Wach- bewusstsein dürften wir daher am besten als Oberbewusst- sein bezeichnen. Ungezwungen bringen uns diese Erwägungen zu unserem monistischen Ausgangspunkte zurück. Wie der phylogenetische Embryo des Nervensystems in Epithel- zellen und derjenige dieser Zellen in amöbenähnlichen Wesen zu suchen ist, so gilt natürlich das Gleiche von dem solchen Organismen zukommenden, phylogenetischen P^mbryo der Nervenwelle (des Neurokyms). Und es seheint mir, dass wir das Gleiche für den phylogenetischen Embryo der Seele und des Bewusstseins annehmen müssen, da Nr. 4. Natiirwisseiist'bal'tln'lic Wochciisehrilt. 47 diese Erscheinungen dem g-ieichen Dinge entspreclien, wie das Gcliirn und seine Neuroiiynie. Die rtian/.en haben iiein Nervensystem, Iveine Neurone, so dass sie jedenfalls nichts oder höchst weniges von ge- meinsamen individuellen Seelcnerscheinnngen aufweisen können. Bei denselben ist jede Zelle viel unal)hängiger und liildet viel eher das Individuum als die ganze Pflanze. Wir müssen somit hier das Seelische mehr der Einzelzellc zuscin-eiben, als der ganzen Ptianze. Bis dahin hatten wir i)()siti\ e naturwissensehaftliclie Anhaltspunkte für unsere Behauptungen. Nun aber ist der Riss zwischen der or- ganisirten lebenden und der unorganischen Natnr bekannt- lich von der Wissenschaft noch nicht überschritten. Somit bleibt die .Vnnahnie, dass die organisirten Urwesen aus nncrganischer Substanz sfannnen, dass das Leben aus sogenannten physieo-cheniisehen Vorgängen entstanden ist, eine Hypothese, aber eine sehr wabrscheinliehe Hypothese. Ist diese Hypothese richtig, so folgt daraus, dass alle I'rpotenzen der organisirten Lebewesen in der unorga- nischen Natur enthalten sind, somit auch die Potentialität der Seele. Das wäre dann eine allgemeine potentielle Beseelung des Weltalls, die uns zu unserem monistischen Gottesbegriflf zurückführt. Selbstverständlich kann aber der Seelenembryo einer organischen Zelle und gar der- jenige eines Atomes keine complicirten, associirten Be- wusstseinsinhalte besitzen, wie die Seele eines grossen Gehirnes nnt seinen unzählbaren Neuronen. Da wir nun Stotf, Kraft und Bewnsstsein nieiit für verschiedene Dinge, sondern für Abstractionen aus den Erscheinungcm des Dinges an sieh halten, wird bei dieser Anschauung der ewige dualistische Streit zwisclien Materialisten und Spiri- tualisten absolut gegenstandslos. Alles ist Seele so gut wie Kraft und Stoff. Ursprünglicher oder höher ist keiner dieser untrennbaren Begriffe, da sie eins sind. Frcilicii kann die Atomseeie qualitativ und quantitativ nur ein intini- tesimaler Tlieil der Menschenseele sein. Nicht so jedoch die Seele höherer Thiere, die mit der unsrigen stofflieh, dyna- misch und, allem Anscheine nach, auch bezüglich der Be- wusstseinsspiegelung, trotz der Gegenbehauptungen der \oreingenommenen Dogmatiker, sehr nahe verwandt ist. gefunden Messungen Ueber die Körperteniperatiir der niedersten Säuge- tliiere (Monotreuien) hat sich R. Semon ausgelassen. (Archiv für die ges. Physiologie. Band. 58. 1894.1 — Bekanntlich ist die Körpertemperatur der Mouotrenien bedeutend niedriger als die der übrigen Säugethiere. Schon im Jahre 1883 veröffentlichte Mik loucho-Maclay eine Notiz, dass er bei zwei Exemplaren des Ameisen- igels (Echidna aculeata var. typica) in der Kloake und in der durch einen Einschnitt geöffneten Bauchhöhle durchschnittliche Temperaturen von 28" C. habe. Im nächsten Jahre berichtete er über an einem Exemplar vom Schnabelthier (Ornithorliynchus) die eine mittlere Temperatur von 24,8" C. ergeben hatten. Lendenfeld, der am Museum in Sydney ein Echidna- weibchen vor und nach der Eiablage beobachten konnte, berichtet, dass die Temperatur des Weibchen nach der Eiablage um 2" C. gestiegen sei und dass die Temperatur des Brutbentels, der sich zur Zeit der Fortpflanzung am Bauche bildete, etwa 35" C. betrage, also viel höher sei, als die Temperatur in den übrigen Theilen des Körpers. Prof. Semon hat nun auf seiner australischen Reise eine grössere Anzahl von Temperatnrmessungen an frisch ge- fangenen Echidnen vorgenommen. Es war höchst schwierig diese Untersuchungen an den sieh zu einer Kugel zusammenrollenden Echidnen vorzunehmen, da es der Kraft zweier starker Männer bedarf, um die Stachel- kugel wieder aufzurollen, und sie so lange tixirt zn halten, bis die Messung vorgenommen ist. Die meisten Messungen mussten daher an vorher betäubten Thieren vorgenommen werden. Sie ergaben zunächst eine Bestätigung der Mikhnicho'schen Beobachtung einer auffallend niederen Körpertemperatur. Nicht bestätigt wird dagegen die Mi- kloueho'sche Vermuthung, es könne sich etwa um eine Art Winterschlaf und eine damit in Verbindung stehende Herab- setzung der Körpertemperatur handeln, denn die Semon- schen Siessungen fallen gerade in die Fortpflanzungszeit der Thiere. Sie zeigen ferner eine auffallende Inconstanz der Körpertemperatur, wie sie sonst noch nie bei den soge- nannten Warndjlüthern oder homoiothermen Thieren beob- achtet worden ist. Denn die gemessenen Zahlen sehwanken von 26,50" C. bis 34,2" C. für Messungen in der Kloake, und von 29,0" C. bis 36,0" C. für Messungen in der Bauch- höhle, also um 7 — 1^/^^ C. Naturgeniäss ist das Maximum der Schwankungen aber noch höher zu setzen, da Semon hei seinen Messungen gewiss nicht die niedersten und höch- sten Temperaturen, die vorkommen, getroffen haben wird. Ferner geht aus den Semon'schen Messungen iiervor, dass die Temperatur der Ameiscnigel im allgemeinen er- heblich h('iher ist, als die der umgebenden Luft; es er- giebt sich also kein direct erkennbarer Zusammenhang der Schwankungen der Körpertemperatur mit der Luft- temperatur, der Jahreszeit oder dem Lebensalter, da auch Messungen an Beuteljungen vorgenounnen wurden, die dieselben Resultate ergaben. Es seheint nach alle- dem, als ob die Monotremen weder zu den poikilothermen noch auch ganz streng genommen zu den homoiothermen Thieren zu rechnen sind. Sie besitzen eine Körper- temperatur, die ungewöhnlich grossen Schwankungen unterliegt, aber zu der Temperatur der äusseren Luft in keinem unmittelbaren Abhängigkeitsverhältniss steht. Sie würden also nicht nur in morphologischer, sondern auch in dieser physiologischen Beziehung in gewissem Sinne ein Bindeglied zwischen poikilothermen Reptilien und homoiothermen Säugetliieren darstellen. Bei ersteren kann ja auch schon ein Plus der Eigenwärme gelegent- lich nachgewiesen werden, so z. B. beträgt die Erhöhung der Körpertemperatur über die umgebende Luft bei brütenden Pythonweibchen 18", ja sogar 21" C. Viel- leicht erweisen sich die Monotremen für das physiologische Studium der Wärmeregulirung l»ei den Warmblütlern als ebenso bedeutungsvoll, wie sich iin-e morphologischen Charak- tere für die vergleichende Anatomie und Entwickelungsge- schichte der Säugethierklasse schon erwiesen haben. R. Ueber seine interessanten Versuche betr. das Ver- halten des Laubfrosches zum Wetter berichtet R. von Lenden fehl in Nr. 460 des Zool. Anz. Er beobachtete, dass das Wetter auf das .Vb- und Aufsteigen des Frosches ohne Eintluss ist. Luftdruck, Feuchtig■keits-^'erhältnisse, wie auch Regen und Gewitter berühren den Laubfrosch nicht, oder wenn überhaupt, dann so, dass Regen und Gewitter eher ein Hinaufsteigen veranlasst, wie es ja auch physiologisch (der für die Haut nöthigen Feuchtigkeit und der vor Regen besonders sciiwärmenden Inseeten wegen) nicht anders zu erwarten war. Von Einfluss ist dagegen die Tageszeit, insofern, dass gegen Abend, besonders um 8 Uhr, die Frösche in die Höhe steigen und gegen Morgen herab, und dass sie um die Nachmittagsstunde (4 Uhr) sich am liebsten unten aufhalten, wie es aus oben ange- führtem Grunde wieder natürlich erscheint. Reh. 48 Naturwisscuscliaftliclic Woclieusiihritt. Nr. 4. Wachsen die Palmen nachträglich in die Dicke.' — Herr Dr. Alf. Möller kommt auf S. 619 in No. 51 Bd. IX der „Naturw. Wochenscbr." auf Grund von Messungen an Palmenstämmen zu dem Schluss, dass dieselben trotz des Fehlens eines Cambiumcylinders ein nachträgliches Dicken- vvachsthum besitzen. Ich möchte daran erinnern, dass schon A. W. Eichler in seiner Abhandlung „Ueber die Verdickungsweise der Palmenstämme" (Sitzungsberichte der könii;lich preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin XXVIII, 1886, S. 501 ff.) die Frage in gleichem Sinne beantwortet hat und auch anatomische Daten anführt. „Was die Frage betrifft", sagt Eichler, „ob bei den Palmen eine langandauernde Dickenzu- nahnie der Stämme vorkomme, so kann längeren so gültige überzeugen, dass man sich unschwer (lies in der That der Fall ist. Es liegen Angaben in der Litteratur vor, von Martins und Anderen, nach welchen z. B. bei Metroxylon Rumphii der Stamm unterwärts einen Durchmesser von fast 1 m erreicht; auch sieht man in Palmen- häusern und auf Photographien aus den Tropen oft genug Exemplare, welche sich von unten nach oben bald niehi-, bald weniger verjüngen. Hier könnte man allerdings sagen, der Stamm sei nicht nach unten dicker, sondern nach oben dünner geworden; wer hat aber schon eine Palme mit einem meterdicken Stammscheitel ge- sehen, wie er unter jener Voraussetzung bei Metroxylon Rum- phii in der Jugend gewesen sein müsste? Auch ist bekannt, dass Livistonen und andere Palmen, je älter sie werden, immer grössere Kübel beanspruchen; und schliesslich ver- steht es sich fast von selbst, dass mit zuneh- mender Höhe freistehen- de Palmen sich unter- wärts verdicken mtis- sen, um dem Sturm und Wind hinlänglichen Widerstand zu leisten. Hiermit ist nicht gesagt, dass säramtliche Palmen mit fortschreitendem Al- ter ihren Stamm ver- dicken; wie es scheint, ist dies vielmehr nur bei einer beschränkten Zahl der Fall. Sehr genaues ist in dieser Hinsicht allerdings zur Zeit nicht festzustel- len; doch bleiben wohl artigen Palmen Mohl's wesentlich nur Formen, welche dickune,- liefern. Figur 1. nulfte des Querschnittes durch einen die Blutenstände tragenden Stengeltheil von Ca- lamus spectabilis. einer Schlingpalmenart. Etwa 15 mal vergrössert. Das leitende Ge- webe der Leitbündel punktirt, das Skelett- gewebe schrafflrt, das Grundparenchym weiss gelassen. Da: die Geonoma- und Calanms- ausser Betracht und es sind die Cocos- und Mauritia - ähnlichen Beispiele für eine dauernde Stammver- In Martins' grossem Palmenwerke, Vol. 1 p. LXXXIV, wird eine Reihe von Messungen mitgetheilt, welche nicht nur das oben gesagte bestätigen, sondern zu- gleich eine ungefähre Vorstellung gewähren, in welchem Vcrhältniss die Dickenzunahrae der betreffenden Stämme vor sich geht. . . . Die Dickenzunahme pro Meter Stammlänge schwankt hiernach*) zwischen den weiten Grenzen von 0,007 m und 0,075 ni. Da jedoch die grösseren Beträge alle von ver- hältnissmässig kurzen Stämmen herrühren, während die *) Und nach eigenen Messungen Eichler's. P. Stämme bedeutend niedrigere Ziffern ergeben, dürften erstere nicht das für die ganze Lebensdauer Durchschnittsmaass der Stammverdickung dar- stellen, sondern mit fortschreitendem Alter eine erhebliche Reduction erfahren. Am häutigsten sind Beträge zwischen 10 und 25 mm. . . . Die Dickenzunahme der Palmen- stämme steht im Allgemeinen nicht hinter der von Laub- und Nadelhölzern zurück, wenn auch, bei der meist nur kurzen Lebensdauer der ersteren, so gewaltige Dimensionen, wie sie bei Laub- und namentlich Nadelbäumen vor- kommen, nicht erreicht werden. . . . Also das steht fest: viele baumartige Palmen ver- dicken sich mit dem Alter. Es fragt sich nun, auf welche Weise dies geschieht. Hierüber kann nur die anatomische Untersuchung des Stammes in verschiedenen Höhen Aus- kunft geben." Wie der Querschnitt eines Palmen- stammes im Allgemeinen aussieht, ist bekannt (Fig. 1). Wir erblicken auf dem Querschnitt ein dünnwandiges Grundpaienchym, welches von zahl- reichen „geschlossenen", d. h. nicht mit Verdickungsring versehenen Leitbün- deln in der Längsrichtung des Stammes durchzogen wird. Die Leitbündel wer- den meist von Skelettsträngen (Stereom) begleitet; die periphere Partie des Grundparenchyras wird ausschliesslich von dicht gedrängten Skelettsträngen durchzogen. Die Leit- bündel stehen in der Mitte lockerer, so dass das Centrum des Stammes eine weiciie, markige Beschaffenheit darbietet. Das Grundparenchym zeigt sich in der Mitte am gross- zelligsten, nach aussen hin wird es immer kleinmaschiger. Betrachtet man nun den, 1 m unterhalb der Stanimspitze genomme- nen Querschnitt eines Cocos tlexuosa - Exera- plares aus dem bota- nischen Garten Berlin, das E. fällen Hess, so zeigt sich, dass hier nur erst bei den in der peripherischen Schicht verlaufenden Leitbün- deln — den Leitbün- deln der „Faserschicht" — der Sklerenchym- (Stereom-, echte Bast- zellen-) Belag fertig aus- gebildet ist, indem des- sen Zellen bis fast zum Verschwinden des Lumens verdickt und mit der für fertiges Sklerenchyin charakteristischen gelblichen Färbung ausge- stattet sind. Hiergegen ist bei den Bündeln des Innern Figur 3. Figur 2. Skelettgewebe ist wie in Figur 1 schrafHrt. In dem weissgelassenen Leitbündelgcwebe wurden einige Querschnitte von Hydroiden (Gefilssen) angegeben. Sklerenchym noch von jugendlicher Beschaffenheit, ganze Belag von verhältnissmässig geringem Umfang, Zellen noch ganz eng und dünnwandig; nur gegen das der die den Siebtheil hin zeigt ein Querstreif der Zellen bereits den Anfang sklerenchymatischer Ausbildung. Hiergegen erscheint das Hadrom, das Xylem, der Bündel durch den ganzen Querschnitt des Stammes hin- durch schon so gut wie fertig ausgebildet und dasselbe gilt für die isolirten Sklerenchymstränge, welche bei Cocos fiexuosa das ganze Grundparenchym durchziehen; sie gleichen durch den ganzen Querschnitt hindurch, was Grösse und Verdickung ihrer Zellen betrifft, den Sklerenchymbelägen der Gefässbündel in der Faserschicht. Schliesslich zeigt Nr. 4. Niifurwissciiscliaffliclic Wochcnsclirilt. 49 sieh auch das (Trundfiowehe insoweit al)j;esclilosscn, als incristoniatisclic Hildungslierdc in ilim niclit mehr wahr- m'liiiihar sind, niö,i;'en auch hier und da vielleicht noch einzelne Zeilentheilungen vorkonunen. Betrachtet man nun einen Querschnitt aus dem unteren Theil des Stammes von Coeos tiexuosa, etwa o m üher dem Boden, wo der Durchmesser 0,14ö m, also fast das Doppelte des oben beschriebenen beträgt, so zeigt sich zunächst, dass weder die Leitbündel, noch die isolirten Sklerenehvmstränge, noch auch die Zellen des (irundgewebes an Zahl zugenommen haben; die statt- gehabten Veränderungen betreffen nur die weitere Aus- bildung der bereits oben im Staunne \orhandenen Ge- webe. In der Faserschicht ist lediglieh nur das Grund- gewebe grossmasehiger geworden, wobei sich die Zellen zugleich in tangentialer Richtung etwas gestreckt haben, die Faserbündel sind dadurch weiter auseinander gerückt, als vorher, sonst aber haben sie sich in nichts verändert. An der Peripherie hat sich durch Absterben eines Ge- webestreifens (ohne Auftreten von Kork) eine dünne Borke gebildet, die übrigens schon ziemlich frühzeitig, etwa 1' o m unter dem Gipfel, in die Erscheinung tritt. Betretfend die Veränderungen im Innern des Stammes, so ist auch hier zunächst das Grnndparenchvm überall gross- masehiger geworden. Am autfälligsten ist dies in der Mitte, wo die Gefässbündel lockerer stehen; nach aussen hin, wo sie dichter gedrängt und oft nur durch zwei oder drei Reihen von Parenchymzellen geschieden sind, springt es weniger in die Augen, auch kommt hier noch hinzu, dass durch das sogleich zu beschreibende Wachs- thum der Sklcrenchymbeläge der Gefässbündel der Raum zur Ausdehnung beschränkt und oft ein (scheinbares) Zu- sannnendrüeken der Zellen zwischen den Bündeln herbei- geführt wird. Während nämlich die isolirten Sklerenchym- stränge so geblieben sind, wie sie Anfangs waren, und auch die Hadromtheile der Gefässbündel keine wesent- liche Veränderung erfuhren, so haben sich die zu letzteren gehörigen Aussenbeläge ganz bedeutend weiter entwickelt, alle ihre Zellen haben sich erweitert und zugleich er- heblieh verdickt. Der ganze Belag hat sieh dadurch gegen das Anfangsstadium um das Drei- und Vierfache vergrössert und ist zu einer braunen (auf Schnitten in durch- fallendem Licht gelblichem Masse geworden, welche dem Messer bedeutenden Widerstand entgegensetzt und vornehm- lich die Härte bedingt. Diese Umbildung erfolgt, wie der Ver- gleich höher gelegener Schnitte darthut, zu gleicher Zeit. Weiter nach abwärts, wie auch in der plötzlichen Basalanschwellung (dem „Wurzelknoten''), ist es haupt- sächlich nur noch das Grundparenchym, das durch fort- gesetze Erweiterung seiner Zellen eine Moditication er- fährt; die Gefässbündel, bezw. ihre Sklcrenchymbeläge, wachsen nur noch ganz wenig und rücken daher immer im „Wurzelknotcn" verhältuissmässig weiter auseinander, als es vorher der Fall war. Neubildungen finden nur in Connex mit entstehenden Wurzeln, jedoch nicht behufs Verdickung des Stanmies statt. Die Dickenzunahme des Stammes erfolgt also bei Cocos tiexuosa lediglich durch Erweiterung der Zellen des Grundgewebes und der Sklcrenchym- beläge der Leitbündel, soweit letztere dem Innern des Stammes angehören. Dagegen bleiben die Leitbündel an sich, die isolirten Sklerenehymstränge und die Sklc- renchymbeläge der in der Aussenschicht ..Faserschicht" enthaltenen Leitbündel unverändert. Neubildung irgend welcher Gewebe findet bei diesem Dickenwachsthum nicht statt; will man daher, wie es gewöhnlieh geschieht, nur dann von Wachsthum sprechen, wenn wirkliche Neu- bildungen damit verbunden sind, so ist diese Bezeich- nung auf den Stamm von Cocos flexuosa nicht anwendbar. Dieselben Verhältnisse, wie bei Cocos, fand E. nun auch, wenigstens der Hauptsache nach , bei Phoenix spinosa Thonn., Pinanga costata Bl. und verschiedenen anderen Palmen. Auch bei Hyphaene thebaioa Marf., der Sehleiden ein nnt Dracaena übereinstimmendes Wachs- thum zuschreibt, besteht das gleiche Verhalten wie bei Cocos. Der Unterzeichnete hat schon 1881 und zwar an Calamus, einer Gattung, deren Stanmitheile trotz der obigen Bemerkung Eichlers sehr wohl schon äusserlich wenn auch freilich kein dauerndes, Dickenwachsthum zeigt, ebenfalls constntirt, dass die Verdickung durch Streckung der Gruntlparenchymzellen in radialer und tan- gentialer Richtung erfolgt. Ja, ich kann zur Geschichte des Eichler'schen Aufsatzes mittheilen, dass eine Unter- redung mit mir über den Gegenstand seinen Artikel ver- anlasst hat. In Fig. 2 gebe ich zur Erhärtung des Ge- sagten die Abbildung eines Theiles von einem 1881 an- gefertigten Querschnitt durch den Blüthenstandstengel von Calamus spectabilis aus dem Kgl. botanischen Garten zu Berlin. Die Längsstreckung der Grundparenehymzellen ist in hohem Maasse auffallend. Schnitte des in Rede stehenden Stengeltheiles vor seiner Dickenzunahme, also mit isodiametrischen Zellen des Grundparenchyms (Fig. 3) besitzen einen Durchmesser von etwa 3,5 mm, solche hin- ffegen mit in radialer und tangentialer Richtung ge- streckten Zellen 5 mm Durchmesser. H. Potonie. Sterigniatocystis Ficuuiu (Reich.) P. Heiiii., die Ursache einer schädlichen Krankheit in Feigen- früchten. — Um Weihnachten erhielten meine Kinder u. A. ein grösseres Quantum getrockneter Feigenfrüehte aus Hol- stein zugesandt. Nach dem Genüsse einzelner roher Feigen stellte sich bei meinem 9jährigen Knaben heftiges Leib- schneiden ein. Ein Theil der Feigen war gleichzeitig gedämpft und mit Pflaumen zusammen als Compott zu- bereitet worden. Von diesen Feigen ass ich etwa zwei und stellte sich etwa IV2 Stunde darauf massiger Leib- schmerz sowie ein überraschend starker Durchfall ein. Die Ursache erschien mir zuerst räthselhaft und wurde mir diese erst nach einigen Tagen klar. Beim Durch- brechen trockener Feigenfrüchte fand sich im Innern einzelner derselben eine schwarze, etwas schmierige Sporenmasse. Durch die mikroskopische Untersuchung konnte ich sofort feststellen, dass es der Pilz Ustilago Ficuum Reich, sei. Derselbe ist in den Verhandlungen der zoologisch botanischen Gesellschaft in Wien, Bd. XVII (1867), S. 335 von Reichardt in „Ein neuer Braudpilz", beschrieben worden. Im Herbar des Berliner botanischen Museums war die .4rt nicht vertreten, dagegen findet sich ein ähnlicher Pilz in Dattelfrüchten, der von Corda beschriebene und in Thümen Mycotheca universalis No. 927 herausgegebene Ustilago Phoenicis. Die vorliegenden Exemplare dieser Art wurden von Dr. G. Schweinfurth in Unter-Egypten August 1876 gesammelt. Die Pilzfrucht wird daselbst „Mchattel" genannt. Diese Art ist jedoch von Patouillard und Delaeroix in Societe Mycolog. de France VII (1891) S. 118 „Sur une maladie des Daftes produite par le Sterigmatocystis Phoenicis" zu den Mucedineen gestellt, eingehend be- schrieben und auf Tafel VII, PI. IX. in verschiedenen Entwickelungs-Stadien abgebildet worden. Bei der Untersuchung beider Arten ergab sieh nun, dass der Feigenpilz mit dem Dattelpilz nahe verwandt und gleich diesem in die Gattung Sterigmatocystis zu stellen ist. Aeusserlich ist der von dem Pilze bewohnte Feigenfruchtstand von den gesunden Feigen kaum unter- 50 MiilUiuisscuselialUiclic \Vuclicii8clin(t. Nr. 4. sclieidbar und fällt mir durcli die etwas bleichere Färbung und Weichheit bei genauerer Untersuchung- auf. Bricht man Jedoch den Fruchtkörper auf, so ist die weiche Pulpa im Innern mit der schwar/en, schmierigen Sporen- masse mehr oder weniger durchsetzt. Die kleinen kern- artigen Früchte der Feigen sind wohlausgebildet, die Rlütenthcile also von dem Pilze in keiner Weise an- gegritfen worden. Schon diese Eigenthiunlichkeit spräche dafür, dass der Pilz keine üstilaginee ist, während die Sporen des Pilzes allerdings mit üstilagineensporen eine gewisse Aehnlichkeit besitzen. Die hyalinen, septirten Hvphen durchsetzen das Fruchtfleisch, einzelne Zweige erheben sich und bilden an der Spitze ein kugeliges Köpf- chen, welclies ringsherum keulige Pseudobasidieu erzeugt. Die Köpfe ohne diese haben einen ungefähren Durch- messer von 60 |(f, die mit diesen besetzten einen solchen von etwa 100 /i. Die Pseudobasidieu sind hyalin, im Innern mit zahlreichen Tröpfchen erfüllt, so dass sie fast granu- lirt erscheinen, 1.5— 28/( lang, 6 -9/( breit. Am Seheitel der Pseudobasidieu bilden sich mehrere dunkel gefärbte, fast violett-schwarze Sterigmen von keuliger oder cylindrisch- läiiglicher Form, 6—8 u lang, 2—3 /x dick. Diese schnüren zahlreiche Sporen, die aus einer Kette bestehen, ab. Die Sporen sind anfangs fast hyalin, dann hellviolett, zuletzt schwarzvioiett, kugelig und meistens 4 ,» im Durch- messer, einzeln aber auch 5 — 6 /(, im Innern etwas gra- nulirt, mit sehr dicker, glatter Membran versehen. Bei der Keinnmg der Spore entsteht seitlich aus dieser ein hyaliner Keimschlauch, den ich bis ca. 5 /* lang beobachtet habe. Da ich Sporen in gesunde Feigen- früeiite au.sgesäet habe, hoffe ich hieraus den Pilz cul- tiviren zu können. Mit Rücksicht auf die schädliche Wirkung beim 6e- nuss der mit dem Pilz durchsetzten Früchte "glaube ich alle Interessenten, besonders die Südfruchthändler, Dro- guisten, Kaufleute auf diesen Pilz besonders aufmerksam machen zu müssen. P. Hennings. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Vorsteher der Abtlieilung- für atmo- sphärische Physik am physikalischen Institut zn Kiel, ausser- ordentliclier Professor Dr. Leouhard Weber zum ordentlichen Professor; der ordentliche Professor für Elektrotechnik an der technischen Hochschule zu Hannover Wilhelm Kohlrausch zum Geh. Eegierungsrath ; der Privatdocent in der medizinischen Fakultät zu Heidelberg Dr. Leopold Weiss zum ausserordent- lichen Professor; der Privatdocent Dr. Hoffmeister ziun Leiter der chirurgischen üniversitiUs-Poliklinik in Tübingen als Nach- folger des nach Rostock berufenen Prof Garre; der Weynflete- Professor für Physiologie in Oxford Dr. Burdon Sand er so n zum Nachfolger des scheidenden Sir Henry Acland's in der Reg-iusprofessur für Medizin daselbst; Dr. phil. Johann Justus Rein in Bonn, ein verdienstvoller Erforscher Japans, zum Geh. Regierungsrath; der Privatdocent für Pflanzen - Physiologie in Göttingen Dr. Alfred Koch zum ausserordentlichen Professor; der ausserordentliclie Professor Dr. Ores te Mattirolo, Director des botanischen Gartens in Bologna, zum ordentlichen Professor; der ausserordentliche Professor Spangenberg au der Forstlehr- anstalt in Asehafifenburg zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Prof. Dr Ma.\ Endres an der Karlsruher technischen Hochschule nach München als Lehrer für Forstwissen- .?chaft: Dr. d'Arsonval auf den durch Prof. Brown-Sequards erfolgten Tod erledigten Lehrstuhl für Medizin am College de France. Aus dem Lehramt scheiden: Der Regiusprofessor der Medizin in Oxford Sir Henry Acland; der Professor der Geologie in Tübingen Dr. Wilhelm Branco. Es haben sich habilitirt: Dr. med. Nagel, Assistent an der physiologischen Universitätsanstalt in Tübingen für Physiologie an der dortigen Universität; Dr. H. Boruttau für Physiologie in Göttingeu. Es sind gestorben: Der Geb. Medicinalrath und Professor der Physiologie in Marburg Dr. Ru do 1 f Ed i' ard Külz; der Director der technischen Hochschule in München Prof. Dr. Karl v. Haus- hofer; der Profes.sor der Physiohigie in Pisa Dr. ('. Studiati; der Botaniker Dr. J. G. Brinton in Philadelphia; der als Oeno- loge bekannte Graf Emanuel Mirafiori, Sohn des Königs Victor Emanuel. Wie uns die Vorlagsuchhandlung Leopold Voss in Hamburg (und Leipziu) (Inhaber: Ernst Maass) mitthcilt, wird die 2. Aufl. von H. von Helmholtz' Hatidbuch der Physiologischen Optik, na -h den Bestimmungen de,'< N'erfassers vnii Prüf. Dr. Aitliur König, der ihm bei der Bi'arbeituug dieser Auflage von Anfang au zur Seite gestanden hat, zu Ende geführt werden. L i t t e r a t u r. Seminar-Director Cr. M. Krass mid Prof. Dr. H. Landois, Das Pflanzenreich in Wort und Bild für den Schulunterricht ni di'r \;;tiiri;escluclite. .Mit '.'l.! .'Milnldungen. 7. verb. Auflage. Herder'sche Verlagsbuchhandlung Freiburg i. B. 1893. - Preis •2.10 Mark. Das Buch ist als Leitfaden beim Unterricht — wie die hohe Auf lagen-Zabl zeigt — vielfaeli beliebt. Im Ganzen ist das Buch ein Hilfsmittel für die systeiuatischo Botanik. Die Autoren haben aber die Trockenheit, welche dieser Discijilin leicht ■beim Unter- richt anhaftet, dadurch zu vermniden gesucht, dass sie vielfach lesebuchartig erzählend über die zu besprechenden Pflanzen Volksthümliches vorbringen oder Historisches — wie bei der Eiche — oder aus der Praxis, wie beim Lein. Auch die Garten- kunst findet Berücksichtigung, so beim Kernobst das Kopuliren, Pfropfen und <)culiren. Dr. A Philippson und Prof. Dr. L. Neumann, Europa. Eine allti'emeiue Lande.-kunde, herausgegeben von Prof. Dr. Wil- helm Sievers. Mit 1(SB Abbildungen im Text, 1-4 Karten und 1'8 Tafeln in Holzschnitt und Farbendruck. Leipzig und Wien Biliographisches Institut. 1894. — Preis geb. lli M. Das Buch erscheint als vieiter selbständiger Theil des von dem oben genannten Verlag herausgegebenen und von uns in seinen drei ersten Theilen besprochenen geographischen Sanunel- wcrkes: ..Allgemeine Länderkunde". Wir wiederholen, da.ss diese ein ganz prächtiges rechtes und echtes Volkswerk ist, das die- selbe Verbreitung verdient, wie Brehm's Tbierlebcn, in dessen Gewand es auftritt. Unser Mitarbeiter, Herr Privatdozent Dr. A. Philippson, der erfolgreiche Reisende und Kenner Griechen- lands, hat die allgemeine Uebersicht bearbeitet und die Absfdinitte über Oberflächengestalt, über da-i Klima und über die euro- päischen Polarländer. Der verdiente Geograph Prof. L Neuniann hat die Abschnitte Pflanzen- und Thier-Verbreitung, Staaten und Verkehrswesen übernommen. Der Band hält sich in genau dem- selben Umfange, wie die schon erschienenen Asien, Afrika und Amerika. Nach einer Angabe im Vorwort hat Prof. Pechuel- Loesche den beiden Manuskripten der genannten Verfasser „die ausgleichende Feilung gegeben". Die Abbildungen und Karten sind wie immer mustergültig und trefflich gewählt: das neue Reichstagsgebäude in Berlin fehlt ebensowenig wie überhaupt die bemerkenswerthesten Gebäulichkeitcn. Ein näheres Eingehen auf den überreichen Inhalt des Buches ist hier unmöglich; wir wollen nur noch bemerken, dass es incl. Register 675 Seiten umfasst. F. Canu, Precis de Meteorologie endogene. Avec uue preface de Philippe Gerigny. Avec figures. Librairie Gauthier-Villars et Als. Paris 1894. — Prix 3 fr. .50 c. Das Büchelchen hat die meteorologischen Phänomene zum Gegenstande, welche von den Eigenthümlichkeiten der Erdrinde ausgehen. Es werden daher nach einer Einführung unter an- deren besprochen das Polarlicht, die unterirdischen Geräusche, der Erdmagnetismus, die Erdbeben u. s. w. O. Lohse, Planetographie. Beschreibung der im Bereiche der .Sonne zu lieobachti'uden Körper. Mit 16 in den Text gedruckten Abbildungen. Verlag von I. I. Weber in Leipzig. 1894. — Preis geb. 3,.iO Mark. Die Disposition des für den Laien sehr brauehbareu Buches ist geschickt — anders als üblich — derartig, dass die Planeten nach ihrer Masse vorgenommen werden. „Dadurch entstand noch der Vortheil, dass mit dem Planeten .Jupiter zu lieginneu war, dessen Beobachtung eine sehr vielseitige und erfolgreiche ist, so- dass gleich am Anfange des Buches Vieles mitgetheilt werden konnte, was später Geltung behielt und nicht wiederholt zu werden brauchte." Nr. 4. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 51 Moritz Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik Dritter Baml vom .lalire 1668 bis zum .lalire 1759. 1. Al)thiMlung. nie Zeit von UHUS— 1699. Mit 45 Figuren. B. G. Tcubner. Leipzig 1894. — Preis 6 Mark. In Nr. 22 S. 274, 275 der „Natiirw. Wochenbclir." wurde die zweite Auflajje des ersten Bandes angezeigt, liieriiiit können wir da.-i Erselieinen der ersten AV)fheilung von Band III ankündigen. Per vorliegende Theil ist u. a. dadiirtdi interessant, dass er na- tiirlieli die Schilderung der ersten Entdeckungen Newtons und l.eilmizens im Gebiete der Infinitesimalrechnung enthält. Die Kühe und Sachlichkeit, mit der Verf. seinen StoH' behandelt, wirkt äusserst wohlthuend und nia,n vertraut sich ihm daher auch willig und gern an. Prof. Dr. H. Schubert, Zwölf Geduldspiele. Zauberquadrate, Rüsselsprung-Bildungen, Boss-Puzzle. Nonnens])iel, Spaziergänge der Pensionatsdamen, UmfüUungs- Aufgaben, Kundreise-Spiele u. 3. w. für Xichtniathematiker zum Zwecke der Unterhaltung historisch und kritisch beleuchtet. Ferd. Dümmlors Verlags- Imchhandlung ISUJ. - Preis 2,40 Mark. Die Loser der „Xaturw. Wochenschr." kennen den Inhalt des Buclies, da dasselbe die 12 seit 1891 in unserem Blatte unter dem 'Titel „Mathematische Spielereien in kritischer und historischer Beleuchtung'' erschienenen Artikel des Verfassers in bequemer Zusammenfassung bietet. J. de Seguier, Formes quadratiques et Multiplication complexe. Deux Formules Fondamentales d'apres Kronecker. \'erlag von Felix L. Dames. Berlin 1,S!)4. - Preis 12 Mk. Das vorliegende Werk wendet sich an alle Mathematiker, welche sich für die ebenso wichtigen wie merkwürdigen Be- ziehungen zwischen der Zahlentheorie und der Theorie der elli|j- tischen Functionen interessiren. Der Herr Verf., Professor an der Universität Angers, liefert damit einen sehr schätzenswertheu Commentar zu dem arithmetischen Theile der Krouecker'schen Untersuchungen ,.zur Theorie der elliptischen Functionen." Eine nähere Analyse des Inhalts würde an dieser Stelle zu weit führen; es sei nur bemerkt, dass es dem Verfasser gelingt, die Untersuchungen Webers über die Normen der Klasseninva- rianten auf beliebige Determinanten auszudehnen. Das Verdienst des Werkes beruht, abgesehen davon, dass es einen Commentar zu den tiefen und schwierigen Krouecker'schen Untersuchungen liefert und neue Bereicherungen der Wissenschaft enthält, zu einem nicht geringen Theil darauf, dass es dem hier beliandelten Ge- biete in Frankreich, wo es bisher wenig Beaclitung gefunden hat, das Interesse der Mathematiker zuwendet. Wir wünschen dem verdienstlichen Buche aber auch in Deutschland die gebührende Verbreitung und Anerkennung. Die typographische Ausstattung des Werkes rührt von Gau- thier-Villars et Fils her und ist in jeder Beziehung ausgezeichnet Flora artefacta Nach lebenden Pflanzen gearbeitet und herausgegeben von Christine Jauch (in Breslau), unter wissen- schaftlicher Controlle von B. Stein, Königl. Garteninspector — In der „Fhjra artefacta' kommt das Princip zur Geltung, doui Schüler die ganze Pflanze in natürlicher Grösse im Modell zu zeigen Uns liegen drei davon vor, 1. ein Zweig von Lupinus luteus (Preis ö,75 M). 2. eine Nachbildung von Orobanclie rubens (3 M) und :i. je ein Sprossstück mit weibl. und männl. Blüthen- stand von Cannalis sativa (3,50 M). Sie sind gut ausgeführt und wohl geeignet, das Aenssere der genannten Pflanzen zu veran- scliaulichen. Abercromby, Ralph, Das Wetter. Freiburg i. B. — 5 M.. geb. in Leinwand 7 .M. Aveling, Dr. Edward, Die Darwinsche Theorie. 2. Autlage. Stuttgart. — 1,50 .M. Bahr, Karl, Gespräche und Briefwechsel mit Arthur Schopen- hauer. Leipzig. — 2.50 M. Blagden, Charles, Die CJesetze der Ueberkaltung und Gefrier- punkternieilriirung. Leipzig. — 0,80 M. Brisse, Ch. et Ch. Riviere, Cours de phvsique. Paris. — 15 fr. Caspari, Prof. Dr. O., üermann Lotze in seiner Stellung zu der durch Kant begründeten neuesten Geschichte der Philosophie und die philosophische Aufgabe der Gegenwart. 2. Auflage. Breslau. — 4 M. Cwojdzinski, Tadeusz, .Vnwendung der Fuchs'schen Theorie auf die Dirt'erentialgleichung der Gauss'schen hypergeometrischen Reihe. Brody. — 1 .M. Eisler, Dr. Rud., Die Weiterbildung der Kant'scheu Aprioi-itäts- lehre bis zur Gegenwart. Leijizig. — 1,80 M. Fahrenheit, Reaumur, Celsius, Abhandlungen über Thermo- iiietrie. Lei|pzig. — 'JM) .M- Ferrero, Guillaume, Les lois psychologiques du Symbolisnie. Paris. — 5 fr. Forster, Dr. Adf. E., Die Temperatur fliessender Gewäs.ser Mitteleuropas. Wien. — 4 M. Graf, Prof. Or. J. H., Einleitung in die Theorie der Gamma- function und der Euler'schen Integrale. Bern. — 1,60 M. Gross, Prof. H, Die einfacheren Operationen der praktisidien Geometrie. 4. Auflage. Stuttgart. — 2 M., kart. 2,20 M. Groth, P., Physikalische Krystallographie und Einleitung in die krvstallographische Kenntniss der wichtigen-n Substanzen. 3. "Auflage. 1. Hälfte. Leipzig. — 18 M. Guericke's neue ..Magdeburgische'' ^"ersuche über den leeren Raum. Leipzig. — "-' M. Haas, Prof. Dr. Hippolyt J., Quellenkunde. Leipzig. — 4,.50 M., geb. in Leinwand 6 M. Haeckel, Ernst, Svstematische Phylogenie. 1. Theil. Berlin. ^ 10 .Mark. Harry, Alis , Nos Africains. Paris. — 16 fr. Hertwig, Prof. Dr. Rieh., Lehrbuch der Zoologie. 3. Auflage. Jena — 11. .50 M.. geb. 1'2,.50 M. Konkoly, Dir. Dr. Nie. v., Beobachtungen, angestellt am astro- phvsikalischen Oliservatorium in O Gyalla (Ungarn). Halle. — "IM Mark. Kreusler, Prof. Dr. TJ., Einführung in die qualitative chemische Analyse. Bonn. — 1,.50 M. Lagrange, v. und Gauss, Ueber Kartenprojection. Leipzig. — 1.60 Mark. Lambert, J. H., Anmerkungen und Zusätze zur Entwerfung der Land- und Himmelskarten. Leipzig. — 1,60 M. Leche, Dr. W., Zur Entwickelungsgeschichte des Zahnsystems der Säugethiere. 2. Lieferung. Stuttgart. — 20 M.. "Einzel- preis 24 M. Lommel, Prof. Dr, E. v., Lehrbuch der Experimentalphysik. 2 -Auflage. Leipzig. — 6,40 M., geb. in Leinw. 7,20 M. Maistre, C, A travers TAfrique centrale. Paris. — 25 fr. Marshall, Prof. W., Plaudereien und Vorträge. Leipzig. — 7,50 M. Martin, Prof. K., Reisen in den .Molukken. in Anibon, den Uli- assern, Seran (Ceram) und BurU; Leiden. — 21 M. Ferner, Assist. Dr. Jaroslav, Etudes sur les Graptolites de Boheme. I. inirtie. Leipzig. — 15 M. Philippson, A., und Prof. L. Neumann, DD., Europa. Leipzig. — 16 Mark. Poire, Prof. P., Lecons de Chimie appliquee k l'industrie. Paris. — 4 fr. 50. Regel, Prof. Dr. Fritz, Thüringen. 2. Theil. 1. Buch. Jena. — 7 Mark. Rohrbach, Dr. Carl, Sternkarten in gnomonischer Projection zum Einzeichnen von Meteorbahnen, Nordlichtstrahlen, Cometen- schweifen, leuchtenden Wolken, Zodiakallicht und anderen Himmelserscheinungen. 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V. — Ueber die Körpertemperatur der niedersten Säugethiere (Monotremen). — Verhalten des Laubfrosches zum Wetter. — Wachsen die Palmen nachträglich in die Dicke"? — Sterigmatocystis Ficuum (Reich.) P. Henn., die Ursache einer schädlichen Krankheit in Feigenfrüchten. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Seminar-Director Dr. M. Krass und Prof. Dr. H. Landois, Das Pflanzenreich in Wort und Bild. — Dr. A. Philippson und Prof. Dr. L. Neumann, Europa. — F. Canu, Precis de Meteorologie endogene. — (). Lohse, Planetographie. — Moritz Cantor, N'orlesungen über Geschichte der Mathematik. — Prof. Dr. H. Schubert, Zwölf Geduldspiele. — J. de Seguicr, Formes quadratiques et Multiplication eomple.KC. Deux Formules Fondamentales d'apres Kronecker. — Flora artefacta. — Liste. 52 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 4. potent = tinber--^Miltc für fiaue- gebraud), vet\ieü.bav uom G.— 18. Sc6ert§ia£)r in clegantefter 3Ui§füf)nnig. Sterbe eines jeben (ftftt finiilitiitlinlcr Sdjiilüniihfnlirili a. SiriJrntlj v% Co., frnnl'.tntljnl, 9il)einpfal5, Slellcftc unb gröfjtc Jvabrif (SuropaS. iVabvifatioii aU.SHftciiicBoiiSrinilbünfeii a«" ncucflc ^onffrucHoneti "»e Surngcrät^e, Sifenniöbel 2C. Catalogcgrat. u.franco.a>ertretergcf. Pateiitbiireau Ulrich R. Maerz, Berlin NW., Louisenstr. 22. = Gegründet 1878. = Patent-, Marken- und Muster- schutz für alle Länder. Kompletes Thoma'sches Schlitten- mikrotom. Jung ModeU II. mit siimtl. Znbehiir, vorzügl. erhalten, f. lüu M. so- wie Zeiss'sches Relsemikroskop (nach StriLsburgerj, m. Uevolver für Zeiss Obj. B, C, D. F. Olijektiven B u. D, Okular A, bequ. für Tran.sport (wird nicht mehr geliefert) für 15u . '/ z. verk. Anfragen unter D. J. durch die Expeiiition. Herrn. Kläger, liaillermoistor Berlin SO.. Adalbertstr. S empfiehlt als Specialität: Schwarze Stahl -Insektennadeln. D.R. 0.18021. Oestr. Patent 1694«. 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Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den 3. Februar 1895. Nr. -). Abonnement : Man abonnirt bei aUen Buchhandlungen und Poat- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— flBringegeld bei der Post 15 -J extra. Poätzeitungsllste Nr. 4732. \ Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 J). Grössere AufträRe ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbure&ux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die MaxweH'sche Theorie des Elektromagnetismus im Lichte der Vibrationstheorie. Von Rudolf Mewes, Assisteut an der Kgl. Teclinischen Hochschule Berlin. Die MaxweU'sehe Theorie der Elektricität und des Liclites, welche besonders durch die beiiannteu experi- mentellen und theoretischen Arbeiten des verstorbenen Bonner Professors Hertz in Deutschland an Bedeutung; und Beachtung gewonnen hat, verdient eine solche Würdi- gung allerdings, wenn man von der sicheren mechanischen Begründung der Maxwell'schen Grundgleichuugen absieht und sein Augenmerk darauf richtet, dass die grösste Zahl der Erscheinungen in dem behandelten Gebiete sich aus denselben ableiten, respektive durch dieselben analytisch darstellen lassen. In der Tbat, ist es bis jetzt weder Maxwell noch irgend einem anderen Forscher gelungen, eine vollständig befriedigende mechanische Ableitung der Grundgleichungen des englischen Forschers zu geben; selbst Hertz musste sich zunächst damit begnügen, diese Grundgleichungen einfach hinzuschreiben, und bemerkte dazu nur, dass ihre beste Begründung darin besteht, dass daraus sämmtliche Phänomene in richtiger Weise folgen. Auch diese Methode hat einen gewissen Vorzug; denn man hält sich dann jedenfalls von jeder Hypothese frei, muss dafür aber auch auf den Anspruch einer mechani- schen Vertiefung der Faraday-MaxweH'schen Anschauung verzichten. Dies hat Hertz, dessen hohes Verdienst hier- durch selbstverständhch keineswegs in Abrede gestellt werden soll, wohl selbst gefühlt, wie aus seiner nach- gelassenen Mechanik, in der er jenem Mangel abzuhelfen sucht, deutlich hervorgeht. Dass Hertz darin das ge- wünschte Ziel nicht erreicht hat, kennzeichnete von Helra- holtz mit dem Ausspruch, dass dies posthume Werk für die mechanische Begründung und Vertiefung der elektro- magnetischen Lichttheorie in der Zukunft bedeutenden heuristischen Werth haben werde. Indessen dürfte das Ziel auf dem bisher befolgten Wege schwerlich erreicht werden, da nach der Maxwell- schen Grundanschauung die Zug- und Druckspannungen, welche von der elektromotorischen Kraft erzeugt und durch welche die Polarisation und sonstigen elektrischen Vorgänge erklärt werden, noch einen transcendeutalen Kern in sich bergen und zum sicheren mechanischen Verständniss noch derZurückführung auf die Wirkung der Molekularkräfte und der Aetherschwingungen bedürfen. Freilich sah Maxwell vorahnenden Geistes die Lösung dieser Aufgabe voraus; denn Maxwell schreibt Bd. I. S. 163 in der üebersetzung von Dr. Weinstein: „Der nächste Schritt, den wir zu machen hätten, müsste uns erklären, wie dieser Zwang durch die Einwirkung der einzelnen Par- tikel des Mediums auf einander zu Stande kommt. Er scheint mir deshalb von grosser Wichtigkeit zu sein, weil er Erscheinungen, die man früher nur durch die Annahme der Existenz einer Wirkung in die Ferne hat erklären können, auf das Spiel molekularer Kräfte re- duciren würde. Ich bin aber nicht im Staude gewesen, diesen zweiten Schritt zu machen und mit den Principien der Mechanik jenen Zwangszustand eines Mediums aus Mo- lekularkräften abzuleiten. Ich werde daher die Theorie auf diesem Punkte noch stehen lassen und mich zu den anderen Erscheinungen, die in einem Dielektrikum wäh- rend der Induktion zu Tage treten, wenden." Hieraus erklärt sich auch, dass die Vorstellungen, welche Maxwell sich über den mechanischen Vorgang bei elektrischen Wirkungen innerhalb und ausserhalb der Körper bildete, zum Theil dunkel oder wenigstens nicht der wahren Sachlage entsprechend ausgefallen sind. Mit der dem Engländer angeborenen Reserve erklärte er daher die Mechanismen, welche er zur Verdeutlichung 54 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 5. des mechanischen Vorgangs der wirksamen Eleiitricität ersonnen hatte, nur als reine Bilder, bei denen man sich nichts weiter zu deniicn habe. In der That dürfte auch die mechanische Vorstellung über die Wirksamkeit des elektrischen Stromes in der Boltzmaun'schen Darstellung, welche ich^hier wörtlich folgen lasse, nicht vollständige Klarheit und Befriedigung gewähren. Boltzmanu sagt in seinen „Vorlesungen über Maxwell's Theorie der Elektricität und des Lichtes" II. Theil S. 152: „Nach unserer mechanischen Vorstellung verhält sich also die Elektricität keineswegs wie eine Flüssigkeit, die durch ihren eigenen Druck im Drahte fortgetneben wird, womit ja besonders die Ansammlung auf Flächen bis zur un- endlichen Dichte unvereinbar ist. Sie verhält sich ja auch nach der alten Theorie nicht so, da sie nach letzterer nicht durch ihre inneren Druckkräfte, sondern durch die Fernwirkung der freien Elektricität auf die Oberfläche des Drahtes getrieben wird. Nach unserer mechanischen Vorstellung dagegen wird die treibende Kraft sogar aus- schliesslich durch das umgebende Dielektrikum vermittelt. Die elektromotorischen Kräfte versetzen zunächst nur die Wirbel im Innern desjenigen Theiles des Drahtes, der innerhalb der kritischen Schicht liegt, in Rotation. Durch die Vermittelung der Friktionsröllclien werden sodann die Wirbel in der Luft an den dem Drahte benachbarten Stellen, dann auch die in der übrigen Luftmasse in Be- wegung gesetzt. Diese erst greifen durch die Friktions- röllchen in diejenigen Wirbel ein, welche sich im Innern des Drahtes ausserhalb der kritischen Schicht betinden, und versetzen sie in Rotation, treiben daher den elektri- schen Strom. Vermöge des Ineinandergreifeus des ganzen Mechanismus kann der Zustand nur stationär werden, wenn die negative Rotationsgeschwindigkeit innerhalb der kritischen Schicht zu der positiven ausserhalb derselben in einem ganz bestimmten Verhältnisse steht, das vom Verhältnisse der Widerstände ausserhalb und innerhalb der kritischen Schicht abhängt." Diese Probe dürfte er- kennen lassen, dass das dem Vorworte vorgesetzte Motto : „War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb, Die mit geheimnissvoll verborg'nem Trieb Die Kräfte der Natur um mich entliüllen Und mir das Herz mit stiller Freude füllen." mehr für die Tragweite der analytischen Grundformeln als für deren innere Begründung durch die Principien der Mechanik Geltung hat. Der Meister in seiner un- geschminkten Offenherzigkeit dachte daher erheblich richtiger als sein Schüler und zwar mit Recht; denn noch fehlt viel, dass die Faraday-Maxwell'sche Theorie mechanisch sicher begründet ist und die geheimnissvollcn Kräfte der Natur zu deuten und zu enthüllen vermag. Sieht man ab von den bekannten und wirklieh vor- züglichen Experimenten, welche Professor Hertz in Bonn angestellt hat, so muss man zugestehen, dass die Maxwell'sche Theorie in Deutschland fast nur ana- lytische Bearbeitungen erfahren hat, während die eng- lischen Forscher, wie Lord Kelvin und andere, den Bahnen ihres Meisters folgen und die mechanischen Vor- stellungen über den inneren Wirkungsvorgang bei den elektrischen Erscheinungen zu klären und mit Hülfe der Principien der Mechanik zu begründen suchen. In der That beruht heute der Schwerpunkt der elektrischen Forschung nicht mehr auf der rein analytischen Behand- lung der elektrischen Vorgänge und der Ausbauung der mathemathischen Elektrieitätslehre, sondern auf der Aus- merzung der mechanisch unbegreiflichen Vorstellung der Fernwirkung und auf der Erklärung der elektrischen Erscheinungen durch Uebertragung vermittelst eines Mediums nach mechanischen Principien. Diese heute mehr denn je gültige Ansicht sprach Maxwell schon in der Voi'rede zum ersten Bande seines Werkes am 1. Februar 1873 mit den Worten aus, dass die deutschen Gelehrten vorwiegend sich damit begnügt hätten, die experimentell festgestellte Fernwirkung als solche anzu- nehmen und mit derselben zu rechnen, ohne über das Mittel nachzusinnen, welches die Fernwirkung von einem Körper zum andern hinüberleitete; Faraday dagegen habe als der erste den Aether als das verbindende Medium erkannt und in seinem geistigen Auge überall da Kraft- linien den Raum durchdringen gesehen, wo die Mathe- matiker in die Ferne wirkende Krafteentren annahmen, während dort, wo diese nur die Abstände zwischen den Kraftcentren ins Auge fassten, für jenen ein Zwischen- medium vorhanden war. Im Anschluss an diesen Ausspruch Maxwell's be- merkt Professor M. Möller-Braunschweig in dem über die neueren Elektricitätstheorieen orientirenden Aufsatze „Ueber ruhende und strömende Energie, insbesondere über Elektricität und Magnetismus", Neuzeit I. Jahrgang 1892 S. 657: „Es ist nun Maxwells Verdienst, die Anschauungen Faraday's mathematisch zergliedert und alle Folgerungen in ein mathematisches Gewand gekleidet zu haben, derart, dass sich die elektrischen und magnetischen Wirkungen rechnerisch verfolgen lassen. Von der Thatsache, dass Fernwirkungen gegebener gesetzmässiger Grösse von Körper zu Körper statthaben und von der Hypothese ausgehend, dass diese Kräfte durch ein Medium, das Dielektrikum genannt, übertragen werden, berechnet Jlaxwell, auf Faradaj^'s Ausführungen gestützt, die Kraftwirkungen, welche an irgend einem Punkte im Dielektrikum, d. h. im Raum ausserhalb elektrisch erregter Körper auftreten." Thatsächlich hat Maxwell nichts mehr und nichts weniger gethan, als dass er Faraday's Ideen in analyti- sche Formeln einkleidete; er gerieth also in denselben Fehler, den er den deutschen Gelehrten machte, da er eingestandeuermaassen die mechanische Begründung seiner Formeln nicht zu geben vermochte. Den inneren Grund, warum Maxwell und seine Anhänger bis heute nicht zum Ziel gelangt sind, erkennt Möller mit Scharfblick in dem Umstände, dass ihr Denken zu sehr an den molekularen Bewegungen haftet und nicht berücksichtigt, dass auch im Vacuum wichtige ätherische Vorgänge auftreten. Es ist übrigens zu verwundern, dass die deutschen Gelehrten nicht schon längst auch für die Elektricität und den Magnetismus die von England her überkommene absurde Idee der unvermittelten Fernwirkung über Bord geworfen und die in mechanischer Hinsicht nicht sehr feine Faraday-Maxwell'sche Anschauung nach dem grossen Vorbilde, das Huyghens in seiner kleinen und doch so genialen Schrift „Ursache der Schwere" (In deutscher Uebersetzung im Verlag von Albert Friedländer's Druckerei Berlin) für die Massenanziehung gegeben hat, durch die Vibrationstheorie ersetzt, also statt die optischen Er- scheinungen durch die elektrischen, umgekehrt diese durch jene erklärt haben. Den ersten und wichtigsten Schritt in dieser Richtung bildeten die berühmten Experimente von Professor Hertz in Bonn; gleichzeitig habe ich und auch später in meinem Vortrage vor der physikalischen Gesellschaft zu Berlin im März 1892 diese Aufgabe mit Hülfe der Sellmeier-Helmholtz'schen Dispersionstheorie zu lösen gesucht, indem ich an den vorhandenen Beob- achtungen nachwies, dass diese Theorie die wichtigsten Erscheinungen in einfacher Weise zu erklären vermag. Die Berechtigung, die Dispersionstheorie auch auf die elektrischen Vorgänge übertragen zu dürfen, hat H. von Helmholtz in seiner letzten, hochbedeutenden Abhandlung „Elektromagnetische Theorie der Farbenzerstreuuug" in Nr. 5. Naturwissenschaftliche Wocl i cnschrift. 55 Wiedemanns Annalen, Neue Folge 48 S. 389 — 406 durch die Ableitung der Grundgleichungen seiner Disjjersions- theoric speciell für die elektrischen Strahlen glänzend nachgewiesen, llelmlioltz hat bei der Lösung dieser Aufgabe, vielleicht mit gutem Grunde, die MaxweH'schen Gruiidgleichungen nicht berücksichtigt und begründet dies auf 8. 392 a. a. 0. folgendermaassen: „Icli habe es vor- gezogen, statt von den MaxweH'schen Gleichungen aus- zugehen, die neu hinzukommenden Einflüsse in die von mir für die Elektrodynamik entwickelte Form des Prin- eips der kleinsten Wirkung aufzunehmen, weil man da- durch vor dem Uebersehen einzelner nothwendig vor- handener Gegenwirkungen in dem hier schon ziemlich verwickelten Spiel der Kräfte geschützt, und dadurch die Anzahl der unabhängigen Hypothesen von zweifelhafter Richtigkeit wesentlich vermindert wird." Wegen der Bedeutung, welche die MaxweH'schen Gleichungen in der Elektricitätslehre einnehmen, will ich daher hier die mechanische Begründung derselben folgen lassen, zumal sich diese in ziemlich elementarer Weise mit Hülfe der Sellmeier-Helmholtz'schen Absorptionstheorie geben lässt. — Der Zwangs-Zustand, dessen Auftreten Faraday und Maxwell als nothwendig erkannten, ist dy- namischer Art und verschwindet sofort, wenn ein Aus- gleich der Kräfte erfolgen kann, wenn also z. B. die motorischen, d. h. die treibenden, drückenden oder ziehenden Kräfte zu wirken aufhören und dem Ausgleich kein zu grosser Widerstand entgegensteht. Als Bei- spiele solcher dynamischer Kraftwirkungen kann man die Strömung, die eilende WeHe, die Wirbelbewegung, die Drehschwingung u. s. w. nennen. ^Wir treten hier also", sagt Möller, „in ein Gebiet hinein, welches unvergleichlich viel grösser ist, als das der Hydro- und Aerodynamik. Die Dynamik des Aethers lässt sich ausserdem in den wenig.sten Fällen von den materiellen Bewegungen äusserer Massenbewegung und innerer Wärmebewegung der Körper trennen." Indem ich von dieser Voraussetzung ausging und dementspreehend die elektrischen Vorgänge ohne Aus- nahme auf die Emission oder Absorption gewisser Aether- sehwingungen zurückführte, habe ich, um ein sicheres Fundament für die mathematische Formulirung zu er- halten und die Gleichartigkeit der elektrischen Vorgänge mit den thermischen und optischen Erscheinungen dar- zuthun, zunächst den Nachweis geführt, dass auch für die strahlende Elektricität das Kirchhotf'sche Gesetz von der Gleichheit des Emissions- und Absorptionsvermögens be- steht und demnach die Gesetze, nach welchen absorbirte Licht- und Wärmewellen mit der Zeit wieder ausgestrahlt werden, mit dem sogenannten Dispersionsgesetz der statischen Elektricität übereinstimmen müssen, d. h. mit dem Gesetze, nach welchem ein mit Elektricität geladener Körper mit der Zeit seinen elektrischen Zustand ver- ändert, wenn man ihn nach der Ladung sich selbst über- lässt. Der experimentelle Nachweis für die Eichtigkeit dieser Schlu.ssfolgerung ergiebt sich aus den Beob- achtungen über die Emission der Elektricität der mit Elektricität geladenen Körper, wenn dieselben sich in Luft oder anderen Gasen befinden. Denn ebenso wie die Temperatur des erwärmten Körpers in einer geometri- schen Progression sinkt, wenn die Zeiten in arithnicti- scher Progression wachsen, ebenso nehmen auch die Elektricitätsmengen in einer geometrischen Reihe ab, wenn die Zeiten in arithmetischer Reihe zunehmen. Ferner beweist die Beobachtung, dass in beiden Fällen die Abnahme der Wellenbewegung von der Masse der Körper und von der Grösse ihrer Oberfläche und in ge- wissen Grenzen auch von der Intensität der zugeführten WeUenmenge unabhängig ist, also die Emission der | Wärme und die Zerstreuung der Elektricität einander wesensgleich sind. Dasselbe gilt auch für die Aus- strahlung der absorbirten Lichtstrahlen, d. h. für die Schwächung der durch Belichtung erzeugten Phospho- rescenz mit der Zeit. Thatsächlich stimmen die drei diese Vorgänge darstellenden Formeln, welche bezüglich von Dulong, Coulomb und Becquerell experimentell bewiesen sind, vollständig mit einander überein; denn die Formel für die Erkaltung eines erwärmten Körpers lautet: diejenige für die Zerstreuung der Elektricität und diejenige für die Emission des Phosphorescenzlichtes — ax In diesen Formeln bedeutet ^o die Anfangstemperatur, Q„ die ursprüngliche Elektricitätsmenge, if, die anfängliche Intensität des Lichtes, während f, Q und i die Temperatur, bezüglich die Elektricitäts- und Lichtmenge zur Zeit x und p', p und a Konstanten sind. Aus der Uebereinstimmung dieser Formeln schloss ich auf die vollständige Gleichartigkeit der Absorption für Licht-, Wärme- und Elektricitätsstrahlen und suchte dies auf Grund der Sellmeier-Helmholtz'schen Dispersionstheorie nachzuweisen, die ursprünglich nur für das Licht aufgesteHt und erst später auf die Wärme ausgedehnt wurde und nach „Kraft und Masse" (Th. I u. II) auch für die elek- trischen Schwingungen gilt. Nach Sellmeier (Pogg. Ann. Bd. 145 u. 147) ist der bei einer Aetherschwingung ein- getretene Verlust an lebendiger Kraft gleich m (df («2_1). wenn t die Schwingungsdauer und «' die Amplitude ist. Die lebendige Kraft i.st ganz an die körperlichen Mo- leküle übergegangen und ist das mechanische Maass der absorbirten Wellen. Da jedoch der Koefficient 2 TT- — 2- m' {a'f für alle Stoffe gleichen Aggregatzustandes mit grosser Annäherung konstant ist, so müssen, wenn wir uns zunächst auf den gasförmigen Aggregatzustand beschränken, für alle drei Wellengattungen „die absorbirten Wellen- mengen bei den Gasen sich wie die brechenden Kräfte verhalten". Da jedoch die specifischen Wärmen gleicher Gasvolumina unter demselben Druck der bei gleicher Temperaturerhöhung absorbirten Wärme proportional sind, so folgt hieraus auch noch sofort, dass „die specifischen Wärmen gleicher Gasvolumina unter demselben Druck ebenfalls der brechenden Kraft proportional sein müssen". Die vorstehenden aus der Sellmeier'schen Absorptionstheorie gezogeneu Schlussfolgerungen werden durch die Beobach- tungen von Magnus, Dulong, Boltzmann und Regnault mit genügender Annäherung bestätigt, Tabelle beweist. wie die folgende A 71= -1 D-l C,-s Gase Absorptionsver- mögen für Wärme Beob. : Magnus Luft=l Brechende Kraft Dulong Luft = 1 Absorptions- vermögen für Elektricität Boltzmann Luft = 1 Specifische Wärme gleicher Volumina 1 Regnault 1 Luft 0 H CO CO2 NO2 CH4 C2H1 14,75 14,75 16,23 27,95 21,92 24,50 23,39 40,00 1 1,1 (?) 2,0 (?) 1,5 1,7 1,63 2,8 1 0,924 0,5 1,157 1,526 1,71 1,504 2,302 1 0,924 0,45 1,169 1,603 1,678 1,60 2,22 1 1,029 0,64 (Cleront) 1,008 1,569 1,649 1,568 1,949 56 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 5. Die beiden ersten Kolonnen stellen die Beobachtungen von Magnus in „Pogg. Ann." Bd. 112 dar, die nächste enthält die von Dulong beobachteten brechenden Kräfte der Gase (Ann. de ehim. et de phys., T. XXXI, S. 154, Pogg. Ann. Bd. 6), und die vorletzte Reihe ist aus den von Boltzmann beobachteten Dielektricitätskonstanten be- rechnet worden (Pogg. Ann. Bd. 155, S. 403), während die letzte die von Regnault beobachteten specifischen AVärmen wiedergiebt. Aus der Gleichheit der vierten und fünften Colonne der vorstehenden Tabelle folgt, dass also 1 = Z»— 1, ist. Zu demselben Resultat führt auch die Maxwell'scbe Theorie, da nach derselben also M= V5 ist. Diese Uebereinstimmung zwischen den Resultaten der Maswell'schen und Sellmeier'schen Theorie erklärt sich daher, dass die von Faraday und Maxwell als Grundlage ihrer Forschung angenommenen Kraftlinien, deren mecha- nische Erklärung nicht gegeben wird, nach der Vibrations- theorie in mechanisch verständlicher Weise als die Inter- ferenzkurven der sich kugelförmig ausbreitenden Aether- schwingungen nachgewiesen werden. Maxwell vermag über die Entstehung der Kraftlinien nur die höchst unbe- stimmte Erklärung abzugeben, dass dieselben unter der Einwirkung von Null ansteigender, magnetisirender Kräfte aus Punkten, welche sich zu Kreisen erweitern, entstehen. Während man danach diejenigen Kurven, welche durch auf Papier gestreutes Eisenpulver oder Eisenfeile unter der Wirksamkeit des Magneten gel)ildet werden als die Kraftlinien ansieht, würde man in Uebereinstimmung mit den entsprechenden akustischen Vorgängen nach den in „Kraft und Masse" behandelten Druckwirkungen der Aether- wellen nicht diese Kurven, sondern die zwischen ihnen liegenden, von den Eisentheilchen nicht bedeckten Kurven als die eigentlichen Kraftlinien bezeichnen müssen. Die Eisentheilchen bleiben nämlich hiernach nur an denjenigen Stellen in Ruhe, in welchen sich die Schwingungen durch Interferenz aufheben, werden aber von denjenigen Stellen, in welchen die elektrischen Schwingungen sich verstärken, fortgetrieben, wie dies ja bei den akustischen Transversal- schwingungen (Chladni'sche Klangfiguren) ebenfalls ge- schieht. Indessen ist die eine Auffassung so gut, wie die andere aus der Vibrationstheorie ableitbar; auch bleiben die Principien, nach denen in der Technik die Motoren entsprechend diesen Anschauungen berechnet und kon- struirt werden, natürlich genau dieselben, da der Verlauf der beiden Kurvenarten vollkommen homogen ist. Für die Richtigkeit dieser Anschauung spricht in hohem Maasse die eigenthümliche Aehnlichkeit der Form der Magnetkraftlinien mit den Interferenzfiguren dünngcsehiif- fener Krystalle. Die Analogie zwischen der elektrischen Vibrationstheorie und der Faraday-Maxwell'schen Kraft- linientheorie der Elektricität und des Magnetismus Hesse sich noch weiter ausdehnen; die Uebereinstimmung geht sogar soweit, dass die MaxweU'schen Grundgleichungen, wie schon oben angegeben wurde, sich unmittelbar aus der Sellmeier'schen Absorptionstheorie ableiten lassen. Es entspricht nämlich das erste Glied der oben erwähnten Sellmeier'schen Formel oder d. h. oder (■« ^2 ■"' - 1) • ^ • '«' («')' m (rt )" 2;r2 m' {a'f, 27l2 T2~ nt [a'Y 27ia'\2 ■n?G^ ,/2na\ der lebendigen Kraft Tdr der tonischen Bewegung, da- gegen der ganze Ausdruck (m^ — 1 ) — 5- m' (a')^ dt %" der Arbeitsleistung Vdt im Volumenelemente \2\nJ \ ) d. h. "-"^'l / i~(2vJ+(2V^i^l2V.i' es sind also — r-i — —> JR, — pr die Geschwindigkeitskoi n- 2 Vti 2 Vti: 2 Vt^ ponenten der Aetherschwingungen. Setzt man in B die Werthe für as liiclit. Sechs Vorlesungen von John Tyndail. 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S^F" Hierzu eine Beilage von Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin] betretend: „Loew, Einführung In die Blütenbiologie auf historischer Grundlage", die wir hiermit besonderer Beachtung em]ifehlen. Verantwortlicher Kedacteur: Dr. Henry Potonie, Berlin N. 4., Invalidenstr. 44, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. -^ Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: ' Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchliandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den 10. Februar 1895. Nr. 6. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- V Inserate: Die viergespaltene Petitzelle 40 -A. Grössere Aufträge ent- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist ^^ 4.— sS> sprechenden Rabatt. Beilagennach Debereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 ./ extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. JL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Ueber ungewöhnliche Blitzentladungen. Von Richard Honnie. Es giebt eine ganze Reihe von Naturerscheinungen, denen man weder mit der Theorie, noch mit dem Ex- periment beiicommen kann. Wenn ihr Vorkommen nun ausserdem noch zu den vSeltenheiten gehört, so ist es be- greiflich, dass die Wissenschaft Berichten, die ilir Vor- kommen bezeugen, mit grossem Skepticismus gegenüber- stellt, selbst wenn man den Gewährsmann als einen ruhigen und guten Beobachter kennt. Es zeigt sich nun aber nicht selten, dass die Wissenschaft derartigen Berichten mit gar zu starkem Misstraueii begegnet, dass sie alles Ungewöhnliche, wofür sie keine Erklärung hat, gar zu hitzig als Fabel bezeiclinet. Mehrfach ist es schon vor- gekommen, dass sie endlich doch den Kürzeren ziehen und ihr unrecht eingestehen mussto. Mit welcher Erbitterung hat sie geradezu die Nachrichten über Meteorsteinfälle an- gefochten, bisChladni 1829 ihr auf statistischem Wege erdrückende Beweise für die Riclitigkeit dieser Meldungen brachte ! Mit welchem Skepticismus und mit wieviel Spott hat sie speciell in Deutschland den Hypnotismus behandelt und bekämpft und bekämpft ihn theilweise noch! Die Reihe der Beispiele dürfte sich beliebig vermehren lassen. Wie kann man nun ein Mittel finden, um Thatsachen der genannten Art, die von der Wissenschaft befehdet oder auch nur officiell noch niclit anerkannt werden — und deren giebt es wahrscheinlich nicht wenige! — zu An- sehen zu bringen und als anerkanntes Factum der Wissen- schaft einzuverleiben? Der einzige Weg ist der, welchen auch Chladni benutzt hat, der Weg der Statistik. Gelingt es, eine grössere Menge von Berichten aufzufinden, welche, einander, in den wesentlichen Punkten ohne dass die Gewährsmänner irgend an der Thatsächlichkeit ihrer Beob- achtungen haben können, so wird man den Zweifel fahren lassen und den Beweis der Logik und Wahrscheinlichkeits- rechnung anerkennen dürfen. Benutzen wir diese Art des Beweises heute für ein Problem der Meteorologie. Es dürfte keine zweite Naturerscheinung geben, die unabhängig von übereinstimmen, welch Interesse von jeher des Menschen Interesse derart auf sich lenkt, ihm so häufig begegnet und doch ihm so unerklärlich und unbekannt ist, als die Erscheinungen beim Gewitter, von denen eigentlich keine einzige in all ihren Eigenthümlich- keiten bisher erklärt ist. Und gerade die interessanteste und auffallendste von allen, die den Menschen am furcht- barsten ist und deshalb am meisten zur Forschung an- regen sollte, der Blitz, ist seinem Wesen und seiner Ent- stehung nach merkwürdigerweise mit am wenigsten be- kannt, so sind z. B. die zahlreichen Verästelungen des gewöhnlichen Blitzstrahles erst seit wenigen Jahren fest- gestellt; selbst über die blossen Arten der Entladung weiss man wenig Gewisses, geschweige denn, dass man über ihre Gründe aufgeklärt wäre. Früher glaubte man, sich mit zwei Arten des Blitzes begnügen zu dürfen, dem gewöhnlichen Zickzackblitz und dem Flächenblitz, der der Büschelentladung der Elekfrisir- maschine cutsprechen würde, wobei ein grösserer oder geringerer Theil des Himmels aufleuchtet, ohne dass ein eigentlicher Funke vorhanden ist. Auf die letztere Art und die verschiedenen Möglichkeiten, unter denen sie auf- tritt, wollen wir hier nicht eingehen, da unser Wissen darüber geradezu gleich Null ist; wir wollen uns hier auf die Funkenblifze beschränken, die ja weit mehr die Auf- merksamkeit auf sich zu lenken geeignet sind, als die ungefährlichen Flächenblitze. Zu den altenZickzackblitzen wurde 1837 durch Arago eine neue Art des Funkenblitzes hinzugefügt, der be- rühmte Kugelblitz. Arago veröffentlichte in diesem Jahre eine Arbeit: „Sur le tonnerre" im „Annuaire pour Tau 18;-58", worin er höchst werthvolle Untersuchungen über den Blitz und umfangreiches statistisches Material niederlegte. Das werthvoUste Ergebniss der Arbeit bestand darin, dass er alle Fälle von Kugelblitzen, welche bis dahin beschrieben waren, sammelte und aus der sehr grossen Zahl überein- stimmender Berichte die thatsächliche Existenz der ge- nannten Erscheinungen folgerte. Nach ihm zeichnet sich 66 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 6. der Kugelblitz (foudre globulaire), ausser durch die Form, durch langsamen Gang- aus, ferner durch wenig blendenden Glanz, Gleichgültigkeit gegen metallische Leiter und Ab- wesenheit der Wärme. Seither sind zahllose andere Fälle von Kugelblitzen beobachtet worden, aber noch immer wissen die Gelehrten nicht recht, was sie mit dem Phä- nomen anfangen sollen, trotzdem seit dem Jahre 187.5, wo G. Plante den Kugelblitz in kleinem Maassstabe im Laboratorium erzeugte, etwas mehr Licht über diese räthselhafte Erscheinung verbreitet ist. Die Nachrichten über derartige Vorkommnisse sind jedoch zu zahlreich und zu gut verbürgt, als dass auch nur der leiseste Zweifel noch am Platze wäre. Bekannt- lich äussert sich die Erscheinung darin, dass Blitze, die zur Erde hinabfahren, in Form einer grösseren (bis etwa Vä m Durchmesser) oder kleineren feurigen Kugel er- scheinen, welche meist eine Strecke auf dem Erdboden hinrollt und dann in Stücke zerspringt, welche nach allen Seiten einschlagen, und denen eine ganz besonders ver- heerende Wirkung zukommt. Es soll hier auf einzelne Fälle nicht weiter eingegangen werden, da es deren eben zu viele giebt, nur zwei statistische Angaben über die Häufigkeit ihres Vorkommens seien kurz erwähnt: nach Leonhard Weber waren unter 405 Blitzen, welche von 1879—1883 in Schleswig -Holstein beobachtet wurden, 18 Kugelblitze, also etwa 4V2 Procent. In Bayern ge- langten dagegen 1881 nur zwei derartige Beobachtungen vom 6. und 19. Juli zur Meldung. Verwandt mit den Kugelblitzen dürften die sogenannten Raketenblitze sein, Blitze, die als feurige Kugeln mit Schweif gleich einer Rakete über den Himmel fahren. Doch er- regen sie weniger die Aufmerksamkeit, als jene, weil man ihre Raketenform selbstverständlich nur in grösserer Nähe des Horizontes beobachten kann. In Bayern liefen 1881 auch zwei Mitteilungen über derartige Beobachtungen ein, und zwar vom 23. Juni und 20. Juli. Uebrigens hat Verfasser dieses auch einmal das Glück gehabt, dicht hintereinander zwei Blitze dieser Art zu sehen. Es war am 2. Sep- tember 1887, Nachmittags gegen 6 oder 7 Uhr, auf dem Bahnhof in Gross-Lichterfelde nach einem sehr schweren Gewitter, als ich in den abziehenden Gewitterwolken tief am Horizont zwei Raketenblitze in kurzer Aufeinanderfolge emporschiessen und sich dann wieder senken sah. Während man den Kugelblitzen viel, den Raketen- blitzen weniger Interesse entgegenbringt, dürfte das Vor- kommen der folgenden Art kaum einem oder dem anderen Leser bekannt sein. In alten Lehrbüchern findet man noch eine besondere Blitzart als „Kettenblitz" bezeichnet. Möge man sich aus den folgenden, von einander unab- hängigen Beschreibungen mehrerer Beobachter von solchen merkwürdigen Blitzen, die sie gesehen hatten, ein Urtheil bilden, ob man dieser Blitzgattung nicht Existenzberechti- gung zuzusprechen gezwungen ist. Schon Muncke beobachtete einen solchen Fall, der in Gehlers physikalischem Wörterbuch (Band I S. 1000) er- wähnt ist. Er beobachtete einen etwa 200 Fuss langen, scheinbar lothrechten Blitzstrahl und sah ihn dann „in lauter kleine Kügelchen sich auflösen". Eine recht zuverlässige und besonnene Beobachtung ist eine, welche in Poggendorffs Annalen von einem Herrn M. F. niitgetheilt ist. Ein in London beobachteter Blitz, der sich über etwa 60° am Himmel erstreckte, verlosch nicht sofort, sondern behielt eine Secunde oder länger un- verändert seine Gestalt bei. Allmählich wurde dann das Licht „von körnigem Aussehen". An eine optische Täuschung war nicht zu denken, denn M. F. fand Zeit genug, die Richtung seiner Augenaxen zu ändern und andere Punkte des Himmels zu fixiren, dennoch blieb das Aussehen des Blitzes unverändert. pante Uebereinstimniunj, auf, so dass kein Grund vorliegt. Am 26. April 1862 fuhr in Paris ein Linienblitz etwa 25° am Himmel senkrecht hinab, dann zeigten sich in dem Strahl abwechselnd hellere und dunklere Parthieen, zuletzt nur noch einige getrennte, verglimmende P^'ünkchen. Die Dauer betrug etwa 1 Secunde. Ein Herr Smith theilt nnt, er habe zu Amton in Suffolk am 24. August 1873 einen gleichsam punktirten Blitz gescheu. In Paris wurde am 18 August 1876 ein S-förmiger Blitz beobachtet, welcher „gleichsam einen Rosenkranz von Körnern" bildete, die an einem langgezogenen Faden zerstreut waren. In Southpart erblickte man am 16. August 1877 einen Blitz, der aus mehreren kleinen Linien zusammen- gesetzt war. Herr Professor Dr. Endemann in Celle theilt mit, dass er am 5. Juli 1888 bei einem am Spätnachmittag ausge- broehenen schweren Gewitter zwei Blitze beobachtet habe, deren Bahn eine deutlich ausgeprägte Schleife beschrieb. Er schliesst seine Miftheilung mit den Worten: „Bemerkt sei schliesslich, dass die beiden Blitze nicht eine conti- nuirliche, glänzende Linie zeigten, sondern aus einzelnen nahe bei einander liegenden Lichtpunkten perlschnurartig zusammengesetzt waren." Diese Mittheilung ist um so beweiskräftiger, da die Erscheinung der Kettenstruktur nur als nebensächlich aufgcfasst wurde. Dies sind sieben Mittheilungen von verschiedenen Beobachtern und aus verschiedeneu Gegenden. Die frap- fällt aber auf den ersten Blick an der thatsächlichen Existenz der Kettenblitze zu zweifeln und Täuschungen der Beobachter anzunehmen. Es ist nun allerdings mehr als wahrscheinlich, dass beim Ketteublitz das Ungewöhn- liche nicht in der Art der Entladung zu suchen ist, sondern dass man es mit ganz gewöhnlichen Blitzen zu thuu hat, welche aber beim Verlöschen ein eigenthümliches Aus- sehen annehmen. Wodurch die Kettenblitzbildung ent- steht, ist natürlich ein Räthsel. Man hat gesagt, sie stelle den Uebergang von den Zickzack- zu den Kugelblitzen dar. Ganz abgesehen aber davon, dass es nicht recht er- sichtlich ist, was man sich unter dieser Erklärung vor- stellen soll, ist diese Definition auch deshalb zu ver- werfen, weil Kugelblitze unverhältnissmässig viel häufiger vorkommen, als Kettenblitze. Der obengenannte M. F. glaubt die Erscheinung durch eine Phosphorescenz der ge- troffenen Wolkentheilchen erklären zu dürfen. Wenngleich diese Ansicht eine willkürliche Hypothese ist, so dürfte sie doch der Wahrheit ziemlieh nahe kommen, und an ein Glühen oder Phosphoresciren irgend welcher fester Körper- theilchen wird man bei einer Erklärung wohl in erster Linie zu denken haben. Dass eine solche Erklärung viel für sich hat, trotz- dem mau keinen Grund für einen solchen Ausnahme- zustand der Atmosphäre einsehen kann, wird durch die Beobachtung eines eigenthümlichen, elektrischen Phä- nomens bestätigt, die während des einen der oben ge- nannten Gewitter, des Pariser vom 18. August 1876, von einem Herrn Treeul gemacht wurde. Dieser Herr sehrieb während des Gewitters am offenen Fenster, als er drei kleine Lichtsäulen auf das Papier herabsteigen sah, mit dem Aussehen von entzündetem Gas. Die Länge der grössten betrug etwa 2 m. die grössfe Breite 1,5 dm. Ihre Umrisse waren sehr scharf, am entferntesten Ende waren sie abgestumpft, spitzten sich aber nach unten allmählich zu, so dass sie an der Oberfläche des Tisches nur 3 — 4 cm breit waren. Die Farbe der ersten war gelb, sehwach röthlich, die zweite schillerte in den Regenbogenfarben, die dritte wies eine weniger lebhafte, schöne, blaue Färbung auf Nach 4 — 5 Secunden verschwanden sie mit Nr. t; Naturwisseiiscliaftliche Woclieiischritl. 67 Zisclicii (bruissenieut), ohne irgend eine Wirkung- zu hinter- lassen. Eine weitere, bemerkenswerthe Species der eigen- tliüniiichen Blitze sind diejenigen, weiclie von gar keinem (idcr doch nur einem unveriiiiltnissniiissig schwaciien Donner begleitet sind. Während Arago von Raketen- und Kcttenblitzen noch nichts weiss, geht er auf die donner- Idscn Blitze ziemlich genau ein, und bringt manches Material dafür herbei. Doch dürfte es an der Stelle sein, die betrctfenden Notizen zu ergänzen, resp. wieder auf- zufrischen, da die donnerlosen Blitze, soweit ihre Existenz überhaupt bekannt ist, noch vielfach auf starke Zweifel stossen, zumal da der Gedanke, der Beobachter habe den Donner nur aus diesem oder jeuem Grunde nicht gehört, sich geradezu aufdrängt. Dass eine solche Erklärung durch ein individuelles Versehen nicht immer zulässig ist, wird sich bald zeigen. Tn den heissen Zonen sollen derartige Erscheinungen nicht selten vorkommen. T h i b a u 1 1 d e C h a n v a 1 o n beob- achtete im Juli 1751 auf Martinique 2 solche Fälle. In lüo de Janeiro soll sich das gleiche Phänomen 1783 24 mal, 1784 48 mal, 1785 47 mal, 1786 51 mal u. s. w., 1826 sogar 73 mal gezeigt haben. Vom 15. Juli 1850 bis zum 11. Juli 1851 gab es in Havanna 94 donnerlose Blitze, 13 im Juli, 22 im August, 26 im September, 9 im October, je 1 im December, Februar und April, 2 im Januar, 6 im Mai und 13 im Juni. An diesen Mittheilungen ist um so weniger zu zweifeln, als analoge Beobachtungen in den Tropen von einigen der hervorragendsten Physiker gemacht sind, so von Hum- boldt am Orinoco, einmal vor Sonnenaufgang, ferner von Brandes, de la Rive, Kaemtz (an der Ostküste der Vereinigten Staaten im Januar 1817) und Burshel (am Kap der guten Hoffnung). Nach einer Mittheilung Blach's sollen auf Sumatra fast allnächtlich Blitze ohne Donner zu beobachten sein. Besonders oft sollen sie auftreten, wenn der Horizont wolkenfrei ist und eine Cumulostratus- Wolke am Himmel steht, zumeist in einer Höhe von 15 — 25°. Im auffallenden Contrast zu diesen Kleidungen, welche \on Blitzen ohne Donner in den Tropen als einer ganz gewöhnlichen Erscheinung sprechen, steht die spärliche Anzahl ähnlicher Mittheilungen aus den gemässigten Zonen. Am 4. August 1784 wurden Nachmittags bei Gross- Uemerow in Mecklenburg mehrfach Blitze ohne Donner beobachtet, welche gleich weissen Pfeilen in die Höhe stiegen. Der Wind hatte Vormittags zwischen 6 und 10 ühr zweimal die ganze Windrose durchlaufen. Zwei Blitze ohne Donner wurden am Spätabend des 10. März 1855 in Neu-Brandenburg beobachtet, weitere in der Nacht vom 9. zum 10. August 1869 in Paris, in der Nacht vom 25. zum 26. Juli 1869 in Bamberg und am 28. October 187s in Budapest. Es ist übrigens selbstverständlich, dass es sich bei all diesen Fällen um richtige, nahe Zickzackblitze handelt, nicht etwa um blosses Wetterleuchten. Ausführlichere, brauchbarere Nachrichten über weitere Fälle sind die folgenden : Am 1. August 1791 sah man (nach De lue) in Genf so lebhafte Blitze, „dass man glaubte, der begleitende Donner müsse das Gehirn erschüttern-', und doch hörte man beinahe kein Geräusch. Am 15. August 1791 beobachtete ein gewisser John Dal ton in Kendal so zahlreiche Blitze, wie er nie zuvor gesehen hatte, hörte aber nur vereinzelt schwaches Donner- rollen. Ende Juni 1837 beobachteten auf dem Schloss des Altgrafen zu Salm 3 Personen einen unzweifelhaften Zick- zackblitz, der sich von Süden nach Norden über volle 70° erstreckte. Eine Person vernahm ein schwaches Geräusch, die beiden andern nichts. Unter den schon erwähnten, von Leonhard Weber bearbeiteten 405 Blitzbeobachtungen in Schleswig-Holstein von 1879—1883 befindet sieh eine Notiz (No. 324) über einen Blitz ohne Donner. Auch Verfasser konnte einst einen solchen Fall be- obachten: Am 27. August 1890 war in der zehnten Abend- stunde ein ungewöhnlich heftiger Sturm*) plötzlich in Berlin entstanden, der fast die ganze Nacht hindurch währte. Bei Beginn desselben lag ich mit geschlosseneu Augen im Bett in der Nähe des Fensters, als ich plötzlich einen ungewöhnlich hellen Lichtschein wahrnahm, so hell, wie ich ihn sonst nie bei einem Blitz empfunden habe. Da man der ganzen Wetterlage nach an ein Gewitter kaum denken konnte und kein Donner sieh hören Hess, glaubte ich schon au eine oi)tisclic Täuschung, als ich zum zweiten Mal mit geöffneten Augen den unzweifelhaften, ungemein grellen Widerschein eines Blitzes wahrnahm, dem jedoch abermals keine Spur von Donner folgte. Weitere elek- trischen Entladungen folgten nicht. Das Gewitter wurde später durch Mittheilung des Meteorologischen Instituts be- stätigt. Ich will nun nicht behaupten, dass den Blitzen sicherlich gar kein Donner gefolgt sei; sollte er aber doch vernommen worden sein, so stand doch seine Schwäche sicherlich in gar keinem Verhältniss zu der gewaltigen Helligkeit der Blitze. Besonders günstige Verhältnisse herrschten bei der folgenden Beobachtung: Auf einer Anhöhe bei Harburg beobachtete ein Herr am 18. Juli 1818 einen starken Zickzackblitz in einer im West stehenden, völlig isoHrten, hoch aufgethürmten, ganz hellen Wolke; ringsherum herrschte Todtenstille, von einem Donner aber war nichts zu hören. Ein Herr Dr. von Er lach beobachtete im Winter 1847/48 zu Mayringen im Berner Oberland an zwei Abenden (einmal am 7. Januar 1848), wie „der von den Bergen herabkommende Wind" im Thal von Hasli dem herrschenden Westwind begegnete, wobei sich elektrische Entladungen ohne Doimer zeigten. Den interessantesten Fall dieser Art dürften wohl die Gewitter darbieten, welche sich am Abend des 22. Juni 1845 über Oesterreich und Süddeutschland ent- luden, worüber sich in Poggendorfs Annalen (Band 66, S. 529 ff.) ein sehr ausführlicher Bericht findet, verfasst von W. Haidinger. In Wien, Penzing (1 Meile nördlich von Wien) und Bamberg, also wohl auch noch an ver- schiedenen anderen Orten, gingen gleichzeitig am Abend jenes Tages schwere Gewitter nieder. Zahllose Zickzack- blitze leuchteten fortwährend am Himmel, auch im Zenith, auf, aber höchstens dreimal wurde ein schwacher Donner vernommen. Allerdings mochte in Folge des herrschenden Sturmes mancher schwache Donner übertönt werden, jedoch „man erwartete unwillkürlich, nach den so über- aus heftigen elektrischen Entladungen einen so betäubenden Donner, dass danach das wirklich vorhandene Getöse hätte verschwinden müssen-' (ans dem Bericht eines Herrn Schrötter über das Gewitter in Penzing). Bemerkens- werth für die anormale Witterungslage dieses Tages ist der Umstand, dass in Erzerum, wo sonst um diese Jahres- zeit 18 — 19° R. herrschen, vom Abend des 21. bis zum Morgen des 23. Juni starker Schneefall herrschte. Mit Recht wnrd als bemerkenswerth bei diesen Ge- ^vittern der Umstand hervorgehoben, dass mehrfach die *) Dieser Sturm gehörte einer Böe an, die nach Ost fort- .schreitend ihre Wirkungen von Island bis Petersburg erstreckte, in ganz Nord- und Mitteldeutschland aber nur in Berlin von Ge- witter begleitet war (3^ 40'). 68 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 6. Blitze verhältiiissmässii;- recht langsam sich fortbewegten. Diese Beobachtung scheint sehr dafür zu sprechen, dass die von einem Herrn Brunn er 1848 gegebene Erklärung für die Blitze ohne Donner die richtige sei. Brunner meinte, sie seien eine „langsame elektrische Entladung, ähnlich derjenigen, welche bei Annäherung einer Spitze an einen elektrischen Körper erfolgt; da sich nämlich alle elektrischen Körper durch Diffusion ausgleichen können, so seheint ihm eine ähnliche Ausgleichung zweier Elektricitäten auch für die Wolken möglich zu sein. Wenn nun eine derartige Ausgleichung im Finstern er- folgt, so wird sie von einer Lichterscheinung begleitet, deren Dasein man am hellen Tage nicht bemerkt. Nur in der Nacht oder während der Dämmerung wurden bis jetzt Blitze ohne Donner beobachtet. Schon Muschen- bröck gab für die donnerlosen Blitze wie für das Elms- feuer dieselbe einfache Erklärung, nach welcher die Be- rührung zweier Wolken mit entgegengesetzter Elektricität zu deren langsamen Ausgleichung hinreichend erscheint." (Aus dem Referat über Brunner's Arbeit in den „Fort- schritten der Physik" für das Jahr 1848, S. 274.) So annehmbar aber diese Erklärung auch klingt, so rechnet sie doch mit einem Umstand, der den thatsäch- lichen Beobachtungen nicht entspricht. Die betreffenden Blitze müssten nach obiger Erklärung nur sehr schwach leuchten, so schwach, dass sie nach Brunner bei Tage garnicht gesehen werden könnten. In den oben citirten Beispielen, so auch in dem von mir beobachteten Falle, ist aber ganz im Gegentheil gerade auf die ungewöhn- liche Helligkeit mancher donnerlosen Blitze hingewiesen, so dass obige Erklärung zum mindesten nicht für alle Erscheinungen der genannten Art ausreicht. Ausser dieser ÄIusehenbröck-Brunner'schen Hypothese finde ich nur noch einen einzigen Versuch, das Phänomen zu deuten. Diese Deutung ist von bestechender Einfach- heit, und es ist recht wahrscheinlich, dass sie für manche Fälle wirklich zutrifft, jedoch alle Beobachtungsthat- sachen lassen sich, wie wir sehen werden, auch auf sie nicht zurückführen. Aufgestellt worden ist diese Theorie von einem Herrn Schneider in Düsseldorf und findet sich in den .,Fortschritten der Physik für das Jahr 1862" (S. 519): Schneider hatte am 6. Juli 1861 in Düsseldorf in .50° Zcnithdistanz Abends ein Gewitter beobachtet, in welchem er mehrfach durch Wolkenlücken hindurch Zick- zackblitzc gewahren konnte. Nur selten jedoch vernahm er Donner, und auch dann nur schwach, wie aus weiter Entfernung. Da zweifellos alle Blitze im oberen Theile der Gewitterwolke auftraten, so erklärte er das Fehlen des Donners in höchst einfacher Weise dadurch, dass er meinte, die Schallwellen der Luft würden am oberen Tlieile der weit ausgebreiteten Wolke reflectirt, so dass sie grossentheils garnicht zur P>de gelangten. Auch glaubte er annehmen zu dürfen, dass sich das fragliche Gewitter in sehr grossen Höhen abgespielt habe, wo bereits eine beträchtliche Verdünnung der Luft herrsche. Für gewisse Fälle, vielleicht für die Mehrzahl, wird die Erklärung durch Refraction der Schallwellen sicher zutreffend sein, auch die Höhe dürfte in Betracht kommen; so scheinen die erwähnten Gewitter vom 22. Juni 1845 gleichfalls recht hoch geschwebt zu haben, denn östlich von Wien hatte man das seltene Schauspiel von Wetter- leuchten im Zenith. Gegen die Allgemeingültigkeit der Theorie spricht jedoch erstens auch hier die grosse Helligkeit mancher dounerlosen Blitze, welche auch bei Annahme dieser zweiten Theorie unmöglich auffallen dürfte. Zweitens aber lässt sich damit folgender Fall nicht in Einklang bringen: Ein gewisser Bravais beobachtete zu Lyon in der Nacht vom 24. auf den 25. Juni 1844 um 2^ 40' ein Gewitter, das bei ungewöhnlich heftigem Südwest-Sturm von Südwest nach Nordost über die Stadt hinzog. Dabei zeigten sich ebenfalls „sehr diffuse und stark leuch- tende" Blitze, welche sogar dreimal in der Stadt einschlugen, ohne dass sich Donner vernehmen Hess. Eine Erklärung durch Refraction der Schallwellen ist hier selbstverständlich ausgeschlossen, ebenso aber auch die Muschenbröck-Brunner'sche Hypothese. Es ist zwar, wie gesagt, möglich, dass die beiden mitgetheilten Theorien auf gewisse Fälle anwendbar sind, alle Beob- achtungsthatsachen lassen sich jedenfalls durch keine von beiden erklären, und so harrt denn das Phänomen der donnerlosen Blitze bislang noch der Erklärung. Ein Zweifel an seiner Existenz jedoch dürfte wohl nach den vorausgegangenen Ausführungen sich nicht mehr erhalten können. Kurz sei auch hier auf die entgegengesetzte Er- sclieinung, die Donner ohne Blitze, eingegangen. Schon Seneca erwähnt deren Existenz (quaest. nat. lib. II § 18), Notizen über derartige Vorkommnisse finden sich jedoch auch bei Arago, und zwar nur drei, alle aus dem vorigen Jahrhundert stammend: Thibaut de Chanvalon notirt in Martinique unter dem October 1751 : „Unter acht Tagen, dass es in diesem Monat donnert, giebt es zwei ohne Blitze." James Bruce behauptet zu Cosseir am Rothen Meer einen be- täubenden Donner ohne voraufgehenden Blitz am 19. März 1768 wahrgenommen zu haben. Endlich soll das be- rühmte Gewitter vom 13. Juli 1788, in Folge seines furcht- baren Hagelschlages das verhängnissvollste, das die Weltgeschichte kennt, auf seinem verheerenden Zuge durch Frankreich in Pontchartrain bei Versailles sich bereits um sechs Uhr Morgens durch vier oder fünf Donnerschläge bei ganz wolkenlosem Himmel angekündigt haben, ^U Stunden," bevor die erste Wolke am Südwest- himmel sich zeigte. Während die letztere Mittheilung durchaus glaub- würdig klingt, dürften doch die ersten beiden Notizen von blitzlosen Donnern aus am Himmel stehenden Gewitter- wolken zum mindesten noch recht fraglich sein, zumal wenn man bedenkt, wieviel Täuschungen die Beobachter dabei unterliegen konnten. Von sonstigen analogen Vorgängen ist mir nur noch ein einziger bekannt geworden, der allerdings beachtens- werther und beweiskräftiger ist, als Dutzende von anderen. Eine sehr genaue Besehreibung davon, nach den Mit- gebildeten und unbefangenen Mannes zweitem Werk über den Blitz tlieilungen eines findet sieh in Reimarus' vom Jahre 1794: Zu Coldstream in Schottland zog nach einem schönen, heiteren Morgen am 19. Juli 1785 um 11 Ulir Vormittags bei 68° F. ein Gewitter von Südosten herauf. Zwischen 12 und 1 Uhr zeigten sich entfernte Blitze, die vom Donner durch ein Intervall von 25 — 30 Secuuden getrennt waren. Plötzlich hörte B r y d o n e , der Gewährsmann, einen heftigen Knall, als ob mehrere Flinten hinter einander abgefeuert würden, ohne dass er einen Blitz bemerkt hätte. Nahe bei seinem Hause war ein Fuhrknecht, Namens Lander, welcher mit einem Kohlenwagen eine Anhöhe am Flusse Tweed hinaufgefahren war, sammt seinen zwei Pferden erschlagen worden. Unmittelbar (24 Yards) hinter ihm her war ein zweiter Wagen gefahren; der Fuhrknecht dieses Wagens, der sich noch eben mit Lander unterhalten hatte, hatte diesen niederstürzen sehen, als der Knall ertönte, aber ohne eine Spur von Blitz wahr- nehmen zu können. Dennoch war das Unglück zweifel- los die Wirkung eines Blitzschlages, jede Täuschung war absolut ausgeschlossen, denn der Wetterstrahl hatte das Nr. 6. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 69 Eisen der Räder zum Theil oxydirt, ferner einen ^4 Zoll breiten Zickzackstrcifcn am Schenkel des Getöteten und verschiedene andere Wirkungen hinterlassen. Aber die Wahrneiimungeu des zweiten Fuln'kneclitcs wurden sogar noch durch einen zweiten Augenzeugen bestätigt: Auf dem anderen Ufer des Tweed, in einer Entfernung von 2—300 Yards, hatte ein Schäfer geweilt, der im Augenblick der Katastrophe gerade nach dem Wagen liingeschen hatte, auch er hatte keinen Blitz wahr- genonnncn. sondern nur eine aufwirbelnde Staubwolke. \\'cnn man aber selbst jetzt noch an eine merkwürdige 'riiuschung glauben will, so muss auch der letzte Verdacht schwinden, wenn man von folgenden weiteren Beobach- tungen hört. Eine Viertelstunde vor Launers Tode hatte der Schäfer von Lennelhill, der seine Heerde etwa 30(1 Yards von der Unglucksstelle entfernt weidete, eins seiner Länuucr plötzlich tot niederstürzen seilen, während er selbst das Gefühl hatte, als ob Feuer über sein Gesicht füin'c; eine Blitzerscheinung nahm auch er nicht wahr. Ferner war eine Frau, die am Ufer des Tweed Gras mähte, p](itzlich niedergeworfen worden, wobei sie, wie sie beiiauptete, einen Schlag am Fuss erhalten habe, dessen Ursache sie sich nicht erklären könne. Dieser letzte Fall Hesse sich nun allerdings auch auf andere Weise erklären; gleichzeitig mit dem Gewitter fand nach Prediger Beils Angabe nämlich in der dortigen Gegend ein leichtes Erdbeben, bestehend in einem merklichen Zittern des Bodens, statt, das sich übrigens am 11. August wiederlioite. Die ersten beiden Unfälle dagegen lassen sich auf keine Weise in Beziehung zu dem Erdbeben setzen, zumal da alle Begleiterscheinungen und Wirkungen aufs unzweideutigste auf Blitzentladungen hinweisen. Mit einer Erklärung der seltsamen Erscheinung durch einen sogenannten „Rückschlag", wie Kämtz sie zu geben suchte, ist nichts gewonnen, das Räthsel wird dadurch keineswegs gelöst. Am einfachsten bleibt doch immer noch die Annahme eines Blitzschlages, der aus irgend welchen unbekannten Gründen von keiner Leueht- erscheinung begleitet war. Als letzte Speeies der merkwürdigen Blitze seien noch diejenigen erwähnt, welche, statt vom Himmel zur Erde niederzufahren, vom Erdboden zur Wolke empor- steigen. Der Theorie nach dürfte ein solcher Fall durch- aus nicht zu den Seltenheiten gehören, denn es ist kein Grund einzusehen, weshalb sieh nicht die wechselnde Entladung der elektrischen Pole, wie man sie in kleinem ]\raassstabe an Elektrisirmaschinen beobachten kann, auch in der freien Natur bei den Blitzerscheinungen finden sollte. Dennoch scheinen die Fälle, in denen der Blitz von der Erde zur Wolke schlägt, aus unbekannten Gründen zu den Selten- heiten zu gehören, und dürften Nachrichten darüber sogar im allgemeinen auf ziemlich starke Ungläubigkeit stossen. Selten freilieh liegen die Verhältnisse so günstig, dass man die Richtung imd die Bewegung eines Blitzes deut- lich verfolgen kann, daher dürfte die wirkliehe Zahl der aus der Erde kommenden Blitze ganz beträchtlich viel griisser sein, als die beobachtete. Dass aber thatsächlich solche Phänomene vorkommen, wird durch mannigfache Gewäiirsmänner und Augenzeugen bestätigt. Graf Maffei verfocht sogar in der ersten Hälfte des vorigen Jahr- hunderts die sonderbare Ansicht, dass alle Blitze von der Erde zum Himmel emporschlügen. Er selbst beoliachtete einen solchen Fall, und gle"'-he Beobachtungen werden auch von Bertholon Jlourg.e, Lorgna u. A. mitgetheilt. Einige Fälle dieser Art finden sieh mit genauerer Beschreibung in Reimarus' erstem Werk: „Vom Blitze" (1778). Im Jahre 1767 suchten der Abt Chappe d'Aute- roche und zwei andere Gelehrte in Paris während eines Gewitters einen auffahrenden Blitz zu erspähen. Als sie nun aus diesem Grunde die Augen auf den Boden ge- richtet hatten, sahen sie an einem iiirem Fenster gegen- überstehenden 32 Fuss hohen Pfahl oder Mastbaum einen Blitz gleich einer Rakete von unten emporsteigen. Erst als der Strahl aus der Spitze herausfuhr, hörten sie einen Knall. Am 21. Juli 1745 wurde in Bologna der Thurm des Nonnenklosters zu St. Christina vom Blitz zerstört. Die Nonnen behaupteten, aus einem Winkel im Hofe am Thurm „wo das Regenwasser durch ein Siel in ein darunter befindliches Behältniss fiel" sei der Blitz in Form einer „anfangs etwas dunkelfarbigen, feurigen Kugel" herausgekommen" und dann in die Höhe bis in den Thurm gestiegen. Eine ältere Nonne erzählte, sie hätte schon vor vielen Jahren einmal einen Blitz aus demselben Winkel hervorbrechen sehen. „Andere glaubwürdige Ein- wohner der Stadt" bestätigten die Wahrnehmung der Nonnen, dass der Blitz in die Höhe gestiegen sei. Die Kirche zu Oesterwohla wurde am 1. Mai 1746 von zwei Blitzschlägen getroffen. Die Glöcknersfrau be- hauptete, dass sie bei dem zweiten Schlage neben der Kircheumauer auf der nördlichen Seite der Kirche einen grossen Feuerklumpen habe ans der Erde hervorbrechen sehen, und der Adjunkt des Pfarrers gab an, dass bei demselben Schlage eine Feuerkugel aus dem Thurm in die Luft gefahren sei. Ein gewisser Ami Boue besehreibt einen aufwärts fahrenden Blitz, den er gemeinsam mit einem Freunde am 30. September 1872 bei der Kirche von Gainfahrn in der Nähe von Vöslau beobachtete: „Sein Lauf war ein schräger, von unten nach oben, wo wir uns befanden." Mehrere Personen hatten unabhängig von ihm dieselbe Beobachtung gemacht. In Sausau bei Shrewsbury sahen am 6. August 1885 zwei Personen zweimal einen iJlitz vom Boden zur Wolke schlagen. Dem betreffenden Bericht in der Meteorologi- schen Zeitschrift vom September 1885 ist die Bemerkung beigefügt: „Auffahrende Blitze sind selten, aber sehr heftig." Einen zwar nicht gleichen, aber doch ähnlichen Fall berichtet ein Consistorialrath Koch aus Magdeburg, den Kämtz im zweiten Bande seines Lehrbuches auf Seite 429 mittheilt: Im Jahr 1787 beobachtete Koch und mehrere seiner Freunde in der Nähe von Wernigerode, dass, „so oft ein Blitz zur Erde fuhr, ein dem Anscheine nach gleich starker Blitz in die Luft hinauf schlug:. Die Gewissheit dieser von mir und meinen Begleitern zugleich gemachten Wahrnehmung kann ich verbürgen." Dieselbe Beobachtung hat auch Bergmann mehrmals gemacht (Phys. Beschreib, d, Erdkunde § 129. II, 73). Hiermit sei die Reihe der ungewöhnlichen Blitzentla- dungen abgeschlossen, trotzdem es noch manche Erscheinun- gen giebt, auf die aber wegen zu geringen resp. unbrauch- baren Beobachtungsmaterials nicht eingegangen werden konnte, wie z. B. auf den sogenannten Rückschlag und die Fälle, in denen immer je zwei Blitze unmittelbar hinterein- ander in genau der gleichen Bahn verlaufen. Die Existenz der hier behandelten Arten der Entladung jedoch dürfte, wenn nicht eine ganze Reihe von Beobachtern sehr groben Täuschungen unterlegen hat, als erwiesen zu betrachten sein; die meisten von ihnen sind zwar schon vorher als möglicherweise vorhandene Sonderart anerkannt worden, und als wirklich neu dürfte wohl nur die Erscheinung des Kettenblitzes anzusehen sein, jedoch der Versuch eines auf statistischer Grundlage ruhenden Wahrschein- lichkeitsbeweises für ihre Existenz, eine Sammlung ähn- licher Beobachtungen und eine Vergleichung derselben 70 Naturwissenschaftliche Wochenschrift Nr. 6. untereinander, wie sie hier versucht wurde, ist vorher noch nicht gemacht worden. Doch ist dies, wie gesagt, das einzige Verfaliren, aus dem sich Schlüsse ziehen lassen. Hofifentlich wird aber dieser Aufsatz manchen an- regen, bei künftigen Gewittern genauere Beobachtungen über die Entladungen der Blitze, wie auch über die unendlich mannigfaltigen ^^'irkungen der Wetterschläge, ein noch viel umfangreicheres Gebiet, anzustellen. Nur durch immer weiteres Jlaterial kann es schliesslich ge- lingen, über diese räthselhaften Vorgänge Lieht zu ver- breiten. Nachtrag. — Als der vorliegende Aufsatz bereits gedruckt war, fiel mir durch einen Zufall ein Werk des Akademikers Gaston Plante in die Hand, betitelt: Phenomenes electriques de l'Atmosphere (Paris 1888). Die in meinem Artikel gemachten Angaben bedürfen, wie ich jetzt sehe, in einem Punkte, nämlich in Bezug auf den Kettenblitz, noch einer Ergänzung bezw. Berichtigung. Wenn ich der Meinung war, dass bisher noch keine eingehenderen Untersuchungen über das Phänomen des Kettenblitzes gemacht seien, und dass noch nie eine sta- tisiische Zusammenstellung derartiger Fälle versucht sei, so habe ich mich in einem Irrthum befunden. Plante hat in dem genannten Werk*) schon 1888 die Existenz dieser Blitzgattnng, welcher er den Namen „eclairs en ehapelet" (Sehnurblitze, Rosenkranzblitze) gal), mit aller Bestimmt- heit behauptet. Er sagt nändicli: .,La rcalite de Texistence des eclairs en ehapelet ou simplement ponctues (quand ils sont vus ä une plus grande distance) nous parait donc demontree par les faits qui precedent, et permet d'en former une classe particuliere sur laquelle nous appelons l'attcntion des obscrvateurs" (S. 75 u. 76). Ausser den auch schon von mir mitgetheilten beiden Fällen von Kettenblitzen (dieser Name scheint mir im Deutschen am charakteristischsten) am 18. August 1876 in Paris und am 1(3. August 1877 in Southpart, von welchen übrigens auf S. 63 und S. 74 Abbildungen ge- geben sind, zäldt Plante in seinem Werk noch einige andere Fälle auf. Um das von mir gebrachte Material zu vervollstiindigen, soweit es bisher möglich ist, möchte ich die von Piaute mitgetheilten und möglichst eingehend beschriebenen Fälle noch nachträglich kurz erwähnen. *) Dies Werk enthält übrigens aiicli Studien über den Kugel- blitz, welclien Plante, wie oben erwähnt, künstlich naehgeahnit hat. Auch Zeichnungen von solchen Blitzen finden sich in dem Buch. In London bemerkte man in der Nacht vom 19. auf den 20. Juni 1857 mehrere (!) Blitze, „welche einige Augen- blicke andauerten und erst verschwanden, nacTidem sie sich in Lichtkörner (lumiere granulaire) aufgelöst hatten." (Mitgctheilt von du Moncel.) Ein Herr E. Eenou berichtete der .,Academie des Sciences" am 20. November 187G, dass er am Flflsschen Braye (commune de Souge auf der Grenze der Departe- ments la Sarthe und Loir-et-Cher) am 20. Juli 1,S59 in 200 oder 250 Meter Entfernung von seinem Standorte einen Kettenblitz gesehen habe. Dieser beschrieb „eine verticale, aber ein wenig gekrümmte Linie und bestand aus Kügelchen, die einander fast zu berühren schienen, genau wie bei einem Rosenkranz." Weitere derartige Pralle wurden beobachtet von einem gewissen Van Triebt in Namur am 24. Juli 1877 und von Professor Daguin in Toulouse (ohne Angabe eines Datums). Herr R. Coulon sah am 28. Juni 1879 in Ronen einen Blitz, „welcher nicht sogleich verschwand; obgleich fadenlVirmig, stellte er eine Reihe von Funken dar, deren Sichtbarkeitsdauer wohl bis zu einer Sekunde anhielt." Der BibHothekar der Generalverwaltung für Post- und Telegraphenwesen, Jacquez, erblickte während eines Gewitters in Paris im Jahre 1885 in der Richtung nach Montrouge mehrere Kettenblitze. E. Daguin, Professor der Plnsik am Gymnasium zu Bayonne, berichtet über drei von ihm beobachtete Er- scheinungen dieser Art, welche sich im Jahre 1887 am 24. Juni (zwei Fälle in Bayonne) und am 13. August (Cap-Breton, Landes) zeigten. Während eines schweren Gewitters in London am 16. August 1887 sah man einen Blitz „von der Gestalt eines schmalen, gabelförmigen Geschosses, welcher sich plötzlich in Tausende von Feuerkugeln auflöste, wie eine Rakete beim Feuerwerk." Zu den von mir mitgetheilten sieben Fällen von Kettenblitzen kommen hiermit also schon wieder acht weitere Mittheiluugen Iiinzu, zum Theil von wünschens- werthester Zuverlässigkeit. Es scheint übrigens nach den Plante'schen Unter- suchungen, auf die ich leider nicht genauer eingehen kann, zwischen Ketten- und Kugell)litzen doch ein engerer Zusammenhang zu bestehen, als ich es oben angenommen habe, so scidug z. B. der mehrfach erwähnte, von Plante selbst gesehene Kettenblitz vom 18. August 1876 in Paris in das Haus Nr. 35 der rue de Lyon ein in der Form eines Kugelblitzes. Ueber den angebUcheu AiFeiiinenscheu, Pithecaii- thropus erectiis Dnbois. — Seit Jahren forscht der Geist der Darwiniancr und Descendenztheoretiker nach Binde- gliedern zwischen Mensch und Affe, den Affenmenschen, die bereits Ernst Häckel in seiner „natürlichen Schöpfungsgeschichte" 1868 hypothetisch veranschaulicht. Diese Affenmenschen (Pithecanthropi)hatten sieh ver- nuithlieh, wie Häekel meint, bereits an den aufrechten Gang gewöhnt, und ihre Füsse waren dementsprechend differeneirt, wodurch sie sich von den Menschenaffen, den Anthropoiden (Goi'illa, Schimpanse, Orang) unter- schieden und dem Homo sapiens ähnlich wurden. Geistig standen die Pithecanthropen dem Menschen nahe; nur eins unterschied jene von diesen: der Mangel der ar- ticulirten Wortsprache. Es scheint nicht, dass man bis jetzt fossile Reste wirklicher Vertreter dieser erwünschten Zwischenglieder gefunden hat; angebliche Fälle wurden hernach nicht als zu Recht bestehend angenommen. Jetzt glaubt Eugen Dnbois den Pitheeanthropus entdeckt zu haben und legt diese Ansicht in einem Buche, betitelt „Pitheeanthropus erectus. Eine menschen- ähnliche Uebergangsform aus Java. Mit 2 Tafeln und 3 in den Text gedruckten Figuren. Batavia 1894" dar. Vorläufige Mittheilungen über diesen Gegenstand veröffent- lichte Dubois, der Militärarzt in Niederländisch-Indien ist, schon in den Jahren 1891 bis 1893, worüber theil- weise auch in der „Naturw. Wochenscin-ift", IX. Band 1894 S. 59—60 und 122—123 von Paul Matschie be- beriehtet wurde, der sieh gegen die in jeuer Publication vorgetragenen Anschauungen ausspricht. Das Material, welches den Dubois'schen Unter- suchungen zu Grunde lag, besteht aus einem Schädel- , dach, einem einzelnen Zahne und einem linken ji Nr. 6. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 71 Oberschciikclkuocheu. Bei Trinil auf Java wurde im September 1891 nebst vielen Ueberresten i)leistocäner Siuigctliiere und Reptilien der Zahn (Backenzahn) ge- funden, und zwar in der Uferwand des Bejj'awan, un- gefähr 1 m unter dem Trockenzcit-regel des Flusses und 12 — 15 ni unter der Ebene, in welcher dieser Fluss sein ]5ett eingegraben hat. Einen Monat später wurde 1 ni von der Stelle, wo der Zahn lag, und in demselben Niveau das Schädeldach gefunden. Ein Jahr .später, August 1892, fand sich 15m stromaufwärts in demselben Niveau das linke Feraur. Das Schädeldach ist länglich eiförmig, dolicho- ccjjhal. und zeichnet sich durch seine bedeutende Grösse und dnrcli die, namentlich in der Stirngegend hohe Wölbung vor [dem des Schimpanse und der anderen Anthropoiden aus. Durch seine dolichocephale Form untersciieidet es sich auf den ersten Blick von dem des erwachsenen Orang-Utang-, das stets deutlieh brachycephal ist. Es fehlen ihm auch gänzlich die für den Gorilla so charakteristischen Knoehenkämme; dagegen zeigt es durch seine glatte Oberfläche und seine allgemeine Form grosse Aehnlichkeit mit dem Schädel von Anthropo- pithecus (Schimpanse), jedoch noch mehr mit dem von Hylobates (Gibbon), einer gleichfalls zu den Anthro- poiden gehörenden Affengattuug. In der Profilansicht unterscheidet sich die Form des fossilen Schädels von der dieser zwei lebenden Gattungen durch die höhere Wölbung. Das fossile Individuum, das, wie aus der vollständigen Verschmelzung der Schädelnähte hervorgeht, bereits sehr alt war, besass eine Schädelwölbung und Augenbrauen- bogen, wie sie meist nur beim Schimpanse gefunden werden, wenn dieser sich in jener Entwickelungsphase befindet, die mau mit der eines neunjährigen Menschen- kindes vergleichen kann. Die Form des Hirnsehädels ist menschenähnlicher als die des erwachsenen Schimpanse, und dies muss deshalb auch mit dem Gesichtsschädel der Fall gewesen sein; das Gebiss muss weniger entwickelt gewesen sein als das des Schimpanse, obwohl es bei diesem schon mehr in Eückbildung begriffen ist als bei den übrigen lebenden Anthropoidenarten. Von nicht geringer Bedeutung ist nach Dubois die Thatsache, dass bei dem fossilen Schädel von Java die höhere Wölbung viel mehr auf Rechnung des Stirntheils als der hinteren Hälfte des Schädels kommt; diese letztere unterscheidet sieh dadurch relativ nicht so sehr von der des Schimpanse und namentlich von der eines Hylo- bates. Ferner erscheint der Umstand von angeblich be- sonderer Wichtigkeit, dass die Fläche des Hinterhaupt- beines (wie auch aus der beigefügten Textfigur ersichtlich ist) bei der fossilen Form eine viel bedeutendere Neigung besitzt, als bei den Anthropoiden. Durch diese stärkere Neigung der Nackenfläche des Hinterhauptbeines nähert sich Pithecanthropus dem Menschen, und wie beim Mensehen muss diese Bildung, wie Dubois weiter aus- führt, zweifellos mit einer stärkeren Krümmung der Achse des Centralorgaus und einem bedeutenderen Volum des Grosshirns und mit der aufrechten Körperhaltung in^Be- ziehuug gebracht werden. Die Capacität des Schädels übertrifft nicht nur die des Schimpanse, sondern auch die des grössten jemals angetroffenen Gorillaschädels um ein bedeutendes, so dass, wie Dubois folgert, der „klafl'ende Abgrund", der in dieser Hinsicht zwischen den höchsten Menschenaffen und dem Menschen bestand, ganz ausgefüllt wird. Der Rauminhalt des Schädels des fossilen Individuums, welches, wie aus der Betrachtung des Schenkelknochens hervor- geht, die Grösse des Menschen hatte, betrug etwa doppelt so viel als der des Gorilla, und dieser fasst nur etwa ein Drittel von dem des Menschen. Dagegen beträgt der Rauminhalt des fossilen Schädels über zwei Drittel des Rauminhaltes einer mehr als mittelgrossen menschlichen Schädelhöhle. Dubois folgert aus seiner vergleichenden Unter- suchung, dass das fossile Schädeldach zu einer Art ge- hörte, die nicht in das Genus Gorilla, Simia und Homo eingereiht werden kann. Dem Homo nähert es sich durch seine absolute Grösse und Wölbung, zeigt je- doch grosse Uebereinstimmung mit Anthropopithecus (Schimpanse) und noch mehr mit Hylobates, wenigstens der Form nach. Obgleich die fossile Art auch Be- ziehungen zu dem fossilen Anthropopithecus siva- lensis Indiens hatte, so kann jene dennoch nicht zur Gattung Anthropopithecus (auch nicht zu Hylobates) gehören, weil der Rauminhalt der Schädelhöhle doppelt so gross ist als der des grössten Anthropoidenschädels. Der Unterschied der Schädelcapacität des Fossils von der des Menschen ist nur halb so gross als von derjenigen des Gorilla, der unter den Anthropoiden absolut den ge- räumigsten Schädel besitzt. Jedoch nähert er sich durch seine Form mehr dem Typus der Anthropoiden als dem des Menschen. Und deswegen glaubt Dubois die fossile Form nicht in die Familie der Hominidae einreihen zu dürfen. Indess verhehlt sich D. nicht, dass die Capacität des fossilen Schädels ungefähr gleich ist dem „physiologischen Minimum", das beim Menschen beobachtet ist. Der oben erwähnte fossile Zahn, der in der Nähe der Schädeldecke gefunden wurde, ist ganz wohl er- halten und S. 13 — 15 genau besehrieben. Er hat augen- scheinlich, trotz seiner grossen Breite, in sagittaler Richtung eine starke Rückbildung erlitten, woraus zu schliesseu wäre, dass das ganze Gebiss in demselben Sinne rückgebildet war. Dass der Zahn von einer menschenähnlichen Form herstammt, bedürfe, wie D. meint, keiner weiteren Auseinandersetzung. Von dem entsprechenden Molaris des Mensehen unterscheidet sieh dieser fossile, ausser durch seine absolute Grösse und die stärkere Rugosität der Kaufläche, dadurch, dass beim Dens sapientiae des Menschen in der Regel gerade der hintere mediale Höcker am meisten rudimentär ist. Du- bois glaubt, nach Vergleichung mit dem Gebiss von Anthropopithecus und Hylobates, annehmen zu müssen, dass bei der fossilen Form das Gebiss, trotz seiner anscheinend stärkeren Rückbildung, von demselben Typus war, wie bei den beiden genannten Anthropoiden- gattungen, und dass es noch nicht die Hufeisenform be- sass, welche das menschliche Gebiss charakterisirt, obwohl es dieser schon näher kam. Keinesfall kann der fossile Zahn einer Art angehören, die in das Genus Homo zu stellen ist, obgleich es nach seiner Beschaffenheit, die ja auch eine individuelle sein kann, zu urtheilen, un- gewiss ist, ob die Art zu Anthropopithecus oder zu Hylobates oder einem neuen Genus zu stellen ist. Der fossile Oberschenkelknochen ist einem menschlichen ausserordentlich ähnlich. Er rührt von einem erwachsenen Individuum her, die Ossification aller seiner Theile ist eine vollständige und das Oberflächenrelief ist scharf ausgedrückt. Die grosse Wucherung an der Innen- seite unter dem Trochanter minor ist oft'enbar eine krank- hafte Bildung. Die Länge des Knochens entspricht der- jenigen eines Oberschenkelknochens bei einem Menschen von 1,70 m Länge. Nach Dubois trägt der fossile Knochen jedoch Merkmale, die beim Menschen nie vor- kommen. Erstens fehlt am Mittelstück der Angulus me- dialis. Im Zusammenhang damit ist das Planum popli- teum weniger ausgebildet. Ferner ist die Linea obliqua femoris in ihrer oberen Hälfte an der Vorderfläche ebenso 72 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 6. breit und erhaben wie beim Menschen, nach unten aber viel feiner, und dadurch nähert sich die fossile Form den Affen, bei denen (selbst bei den Anthropoiden) die Linea obliqua noch schwächer entwickelt ist. Die Form des unteren Oelenkendes beweist, dass das Femur so weit gestreckt werden konnte und auch gewohnheitsgemäss gestreckt wurde, dass es mit dem Unterschenkelknoehen, der Tibia, eine gerade Linie bildete. Diese Fähigkeit besitzt unter den Simiiden keine einzige Species. Von dem Femur des in Betracht zu ziehenden an- thropoiden Affen unterscheidet sich der fossile Knochen sogleich durch seine Länge und die schlanke Form. Dieser Unterschied steht im Zusammenhang mit der Ver- schiedenheit in der Entwickelung des Oberkörpers. Daraus geht aber hervor, dass das fragliche Lebe- wesen, dem der Knochen angehörte, im Körperbau ausser- ordentlich menschenälinlich war. Berücksichtigen wir nun den pathologischen Auswuchs, den der fossile Knochen zeigt, so werden wir zu der Annahme geführt, dass die oben erwähnten Unterschiede, welche der Knochen gegen- über unbeschädigten Schenkelknoehen des Menschen zeigt, mit gleicher Wahrscheinlichkeit auf pathologische Einflüsse zurückzuführen sind, — mit einem Wort, dass wir vorläufig nicht das Recht haben, diesen Schenkelknoehen einer anderen Species als dem des Menschen zuzusprechen. Halten wir uns ferner vor, dass der Oberschenkel- knochen und die Schädeldecke weit voneinander getrennt gefunden sind, so liegt doch gar keine völlige Wahr- scheinlichkeit vor, dass beide zu demselben Individuum gehört haben. Mag die Schädeldecke einem Anthropoiden angehören oder einem auf niedriger Entwickelungsstufe stehenden Menschen, jedenfalls ist der Pithecanthropus in der Form, wie ihn uns Dubois auf Grund seines Materials zeigt, keine glaubwürdige Erscheinung. Die Beweise für die Zusammengehörigkeit der getrennten Theile und für die Deutung derselben stehen leider auf zu schwachen Füssen. Wenigstens kann vorläufig nur dieser Schluss aus dem Mitgetheilten gezogen werden. Matschie ist übrigens (S. 122 1. c.) bereits aus anderen Gründen zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt. H. Kolbe. Ueber Llchtersclieimiiigen während der Krystalli sation giebt E. Bandrowski im Anz. der Akad. der Wiss. zu Krakau das folgende Resume. — Einzelne Beob- achtungen des Leuchtens gewisser Körper während der Krystallisation wurden schon längst gemacht. So findet man z. B. in .jedem Lehrbuche der Chemie die Angabe, dass der weisse Arsenik — in seiner amorphen Gestalt — beim Ausscheiden in krystallinischer Form aus einer salzsauren Lösung im Dunkeln leuchtet. Eine ähnliche Erscheinung findet während der Krystallisation eines vorher geglühten Doppelsalzes von Kalium- und Natrium- sulfat statt. Berzelius und Rose geben an, dass eine Lö- sung von Fluornatrium im Dunkeln während des Abdampfens leuchtet. Die Ursache dieser interessanten Erscheinung ist bis jetzt vollständig unbekannt. Man verknüpft sie gewöhn- lich mit dem Krystallisationsacte selbst und glaubt, dass die Lichterscheinung die Folge des Zusammenprallens einzelner Molekeln, bei der Bildung krystallinischer Com- plexe sei. Diese Anschauung konnte jedoch bis nun kein Gegenstand wissenschaftlicher Discussion und Kritik werden, namentlich wegen Mangel von Beobachtungen an einer grösseren Reihe von Körpern. Dies ist auch der Grund, dass die Erscheinung selbst — ungeachtet ihres interessanten Charakters — gewissermaassen in Vergessen- heit gerieth. Auf Grund der modernen Theorie der Lösungen stellte sich der Verf. die Frage, ob diese Lichterscheinungen während der Krystallisation nicht die Folge elektrischer Entladungen seien? Es ist nämlich allgemein bekannt, dass jetzigen Anschauungen zufolge die Molekeln vieler Körper, in Losungen — namentlich wässerigen — in die- selben Theilchen, welche aus diesen Molekeln unter dem Einflüsse elektrischer Ströme ausgeschieden werden, also in Jonen zerfallen. So wird z. B. angenommen, dass das Chloruatrium oder das Chlorkalium sich in wässeriger Lö- sung zum grössten Theil in Form von Natrium-, resp. Kalium- und Chloratomen befindet. Dieser Zerfall der Molekeln in Jonen wird elektrolytische Dissociation ge- nannt; man zeigte gleichzeitig an vielen Beispielen, dass diese Erscheinung denselben Gesetzen, wie die chemische Dissociation der Gase etc., unterliegt. Auf diese Thatsachen gestützt schien dem Verf. die Annahme berechtigt, dass das Ausscheiden verschiedener Körper aus den Lösungen ein zusammengesetzter Process sei, dass nämlich die anfänglich freien Jonen sich zuerst zu Molekeln vereinigen und diese erst dann zusammen- treten, um krystallinische Complexe zu bilden. Der erste Act dieses Processes, also das Zusammentreten der freien, elektrisch entgegengesetzten Jonen könnte die Ursache der Lichterscheinungen sein. Diese Hypothese — der Verf. ist sich dessen bewusst — hat gewiss manche Mängel und sie ist vielleicht noch nicht streng wissenschaftlich, sie bewog ihn jedoch zum Unternehmen der Untersuchungen über das Leuchten krystallisirender Körper, hauptsächlich gewisser Schlüsse wegen, welche sie zulässt, und die — a priori angenonnnen — sich experimentell beweisen lassen müssten. Des Verf. Untersuchungen sind ganz uulängst unternommen worden und sie befinden sich erst in ihren Anfängen, haben jedoch etliche neue und sehr interessante Thatsachen zu Tage gefördert. Die Hypothese des Verf. verlangt, dass die Licht- erscheinung ganz allgemein in allen diesen Fällen bemerk- bar sei, wo die elektrolytische Dissociation bewiesen ist. Demzufolge wandte er sich der Untersuchung zweier ein- facherer Körper zu, die der elektrolytischen Dissociation unterliegen, nämlich dem Chlornatrium und Chlorkalium, von deren Leuchten während der Krystallisation bis nun nichts bekannt war. Während der Krystallisation aus wässeriger Lösung leuchtet weder Chlornatrium noch Cidorkalium. Diese Krystallisation führte Verf unter verschiedenen Bedin- gungen aus: beim Abdampfen im Wasser und Sandbade, über directer Flamme, also bei langsamer und schneller Krystallisation, er konnte jedoch niemals eine Liciit- erscheinung bemerken. Dies negative Resultat erklärte sich Verf. "in der Weise, dass bei diesen Versuchen die Vereinigung der Jonen zu sehr zerstreut und langsam ist, und da sogar im günstigsten Falle keine intensive Licht- erscheinung erwartet werden konnte, so würde bei einer langsamen Entladung der Jonen die Lichterscheinung eine so schwache sein, dass sie für das Auge unwahr- nehmbar wäre. Es drängte sich also die Nothwendigkeit auf, diese Untersuchungen in möglichst günstigen Bedin- gungen auszuführen, also im Augenblicke einer plötzlichen Vereinigung der Jonen, eines plötzlichen Aufhebens der Dissociation der Chlornatrium- oder Chlorkaliumjonen. Diese Bedingung war das Ausscheiden dieser Körper aus der wässerigen Lösung durch Zugabe solcher Flüssig- keiten, in welchen sie sich nicht lösen, die sich aber mit Wasser in allen Verhältnissen mischen. Solche Flüssig- keiten sind Salzsäure und Alkohol. Der Versuch be- Nr. (;. Natiir\vissoiisili;it't liehe VVuclicuf>i,'lii'i('t. 73 stätif;te wirklii-li diese \'oraussetzuiig,', da unter solelien Bedingungen eine Licliterscheinung stattfindet, die sogar ziendicli stark ist, wenn nur die Concentrationen der Flüssigkeiten entsprecliend gewählt sind. Zahlreielie Ver- suciie ergaben folgende Resultate. In einem Glascyliuder, der zur Hälfte mit einer in der Hit/e gesättigten wässerigen Kochsalzlösung gefüllt ist, giesst man eine gleiehgrosse Menge Salzsäure sp. G. 1,12 und mischt schnell mit einem Glasstabe: sogleich leuchtet der ganze C'ylinder mit einem bläulich-grünen Liebte auf. Anfangs ist diese Licbterscheinung neblig, bald erreicht sie aber ihr Maximum, nimmt dann an In- tensität wieder ab und endlich erliscbt sie ungleich- massig, d. h. nicht gleichzeitig im ganzen Cvliuder; — hie und da bleibt im Cylinder ein nebeliges Licht, welches zuletzt vollständig verschwindet. Das Licht hat einen bläulich - grünlichen Schein und soviel Intensität, dass auf seinem Hintergründe die ("ontouren der Gegen- stände ziendicli scharf hervortreten. Aehnlich verläuft die Erscheinung mit einer Chlor- kaliumh'isung. Es gelang jedoch dem Verfasser bis nun nicht die besten Bedingungen des Leuchteus festzustellen; diesem Umstände schreibt Verf. auch eine schwächere Lichtintensität zu, zumal da er in einem einzelnen gün- stigen Falle ein stark grünes Licht, stellenweise sogar ein funkenartiges, beobachtete. Sehr oft bemerkte Verf indessen schwache Lichtnebel, die einen Augenblick lang aus verschiedenen Stellen des Cylinders hervorleuchteten. Dieselbe Erscheinung, sehr schön und intensiv, er- scheint auch nach Zusatz von Alkohol zur wässerigen Lösung der obengenannten Salze, namentlich des Chlor- kaliums, wodurch bewiesen wird, dass die Art der die Di.ssociation aufhebenden Flüssigkeit ohne Einfluss zu sein scheint. Diese Versuche müssen in vollständiger Dunkelheit ausgeführt werden, was bedeutende Schwierigkeiten bei der Ausführung der Versuche, hauptsächlich ])hysiolo- gischer Xatur, zur Folge hat; das Auge ist gezwungen, in der Dunkelheit ein sehr schwaches Licht zu beob- achten, es ermüdet bald und kann deshalb auch falsch schätzen. Deshalb sind grosse Uebung und zahlreiche Versuche nothwendig. Dies sind des Verf. bisherige Beobachtungen über das Leuchten der Körper während der Krystallisation. Dieselben sind zu wenig zahlreich und vereinzelt, um irgend welche Schlüsse zu erlauben, Verf. ist jedoch über- zeugt, dass es ihm gelingen wird, eine viel grössere Zahl ähnlicher Beobachtungen zu machen; dann werden sich auch gewiss von selbst Thatsachen tindeu, welche diese jedenfalls sehr interessante und vielleicht auch wissen- schaftlich wichtige Erscheinung erklären werden. Die Witterung des Monats Januar im centralen Europa. — Der Januar trug im grossen und ganzen echten Wintercharakter im angenehmen Sinne. Reichliche Schneefälle bei meist nur massigem und ruhigem Frost bilden die Hauptsignatur des Monats, und dieser Cha- rakter wurde nur für wenige Tage durch Tauwetter unterbrochen. Die zahlreichen Stürme des scheidenden Jahres machten sich in der Neujahrsnacht noch hier und da in englischen Gewässern geltend, während auf dem Kon- tinent seit dem Sylvestertage leichter Frost herrschte, welcher in Süddeutschland in Begleitung sehwacher Schneefälle auftrat. Als am 2. und 3. eine umfangreiche Depression vom norwegischen Meer südwärts nach Frank- reich zog, während gleichzeitig ein anderes, ebenso um- fangreiches Minimum sich von der Adria nordwärts nach l'olen fortpflanzte, traten im ganzen centralen Europa er- giebige Schneefälle ein, welche sich in den folgenden Tagen in Folge einer neuen, tieferen Depression auf der Adria, auch über grosse Theile von Spanien, Italien und der Balkanhalbinsel ausdehnten. Selbst in Algier schneite es am 5. Januar währeml eines auch von Hagel beglei- teten, starken Gewitters. Als am 5. vielfach die Witterung zum Aufklären neigte, schien es, als ob sich sehr strenger Frost einstellen wollte, da die kolossal ausgedehnte Schneedecke eine äusserst lebhafte Ausstrahlung erwarten Hess. Doch da abermaliger Barometerfall neue Schnee- fälle herbeiführte, kam es nur stellenweise zu bedeuten- deren Temperaturstürzen. In Jlünchen zeigte das Ther- mometer am 8. — 20", in Toulouse am selben Tage — 17", selbst in Barcelona — 8°, in Burgos —12" und in Constantine (Algerien) — 5". In Asturien lag der Schnee bis zu 2 m hoch. Am 8. lag wieder eine Depression auf der Adria, welche heftige Schneestürme und in südlicheren Gegenden sehr starke Regengüsse, stellenweise auch Gewitter her- vorrief. In Süddeutschland und Oesterreich fanden am 9., im übrigen Deutschland am 10. und 11. gewaltige Schneefälle statt, Wien war fast zwei Tage lang durch Schneemassen geradezu blockirt. Bis zum 12. hielten die täglichen Schneefälle noch an, doch hatte eine vor- übergehende Erwärmung am 11. die Höhe der Schnee- decke (Magdeburg am 11. 28 cmj beträchtlich vermindert. Mit dem 13. hörten endlich die fortwährenden Nieder- schläge auf, gleichzeitig trat in gewissen Theilen des Alpengebietes strenger Frost ein, Turin hatte am 13. — 10 Vo", Dresberg im Schweizer Jura — 22", Chauxde- fonds (ebendort) — 28", Brassus (Waadt) soll es sogar auf — 32" gebracht haben. Allmählich aber gewann ein tiefes Minimum, das sich liereits auf der Wetterkarte vom 12. im Westen von Irland gezeigt hatte und das sich am 14. unter 725 mm vertiefte, die Oberhand. Wenngleich die Cyklone auf ihrer Stelle verharrte und sich bald wieder ausfüllte, S" machte sie doch dem Frost fast überall ein Ende und versuchte vielfach Regenfälle, welche, zumal am 15., stellenweise ergiebig waren (Karlsruhe: 26 mm). Infolge der grossen Schneefälle drohte jetzt Ueberschwemmungs- gefahr in den Flussgebieten, zumal am Rhein und seinen Nebenflüssen. In den Gebirgsgegenden traten häufig recht verhängnissvolle Lawinenstürze ein. Doch glück- licherweise erfolgte am 21. wieder ein Witterungsum- schlag, verursacht durch ein von Nordwest heranziehen des Maximum. Ein rapider Temperatursturz erfolgte bei plötzlich aufspringenden nördlichen Winden, und die Regenfälle verwandelten sich in kräftiges Schneegestöber. In Schweden und Finnland herrschte während dieser Zeit bittere Kälte, Hernösand meldete am 21. — 22", Lulea —38", Nattavara — 41" u. s. w. Am 22. jedoch kündete sich bereits im hohen Norden wieder eine tiefe Depression an, die das Maximum nach Süden drängte und die Winde nach West zurückdrehte. Eine Abzweigung erstreckte sich in die Nordsee, wo stürmische nordwestliche Winde auftraten; Aberdeen meldete am 23. vollen Sturm aus NNW, und Mittags er- ging eine Sturmwarnung an die westliche deutsche Küste. Es erfolgten neue, ergiebige Schneefälle bei um den Ge- frierpunkt schwankender Temperatur, welche wiederum mehrere Tage anhielten, da eine zweite am 24. auf den Orkney - Inseln erschienene Cyklone ihren Weg genau nach Süd-Ost in das Innere des Kontinentes nahm. Auf ihrer Rückseite erfolgte nach gewaltigen Schneever- wehungen ^Karlsruhe am 26. 30 cm), die sich bis nach Frankreich erstreckten. Aufklaren, und die nun wieder aus dem nördlichen Quadranten wehenden Winde führten uns 74 Natur wisseuschaftliche Wocheuschrift. Ni-. 6. die bitter i^alte Luft .Skandinaviens (Haparanda am 28. 30'/o") zu. Das Kältecentrum in Mitteleuropa lag in der Pfalz und in Baden (Karlsruhe am 29. — 22", Kaisers- lautern — 23"); im Schweizer Jura sank das Thermometer bis auf — 35". Seit dem 28. bildete sich über dem südlichen Skan- dinavien eine sich stetig erliöhende Anticyklone aus, welche am 30. in ihrem Kern den selten hohen Baro- meterstand vou 787 mm aufwies, und die sicli am 31. nord- ostwärts nach Finnland verschol)en hatte. Da gleich- zeitig während der letzten Mouatstage eine Depression andauernd auf der Adria lag, nahmen die barometrischen Gradienten immer mehr zu, und der Luftaustausch zwischen Maximum und Minimum erfolgte unter sehr lebhaftem Auffrischen der Nordostwinde. Am 29. tobte in Triest eine heftige Borra, am 30. herrschten an einigen Theilen der deutschen OstseekUste, am 3L bei Cherbourg Stürme. Nichtsdestoweniger Hess der scharfe Frost seit dem 29. nach, wenngleicTi er in Folge der heftigen Luftbewegung unangenehmer fühlbar wurde, als zuvor. Am Monatsende waren sogar Theile von Irland in den Bereich des Frostes aufgenommen worden, während Norddeutschland unter schweren Verkehrsstockungen zu leiden hatte, welche durch heftige, sturmartige Schneewehen am 30. herbei- geführt waren. So machten sich am Monatsschluss die Unannehm- lichkeiten des Winters mehr bemerkbar als sonst in diesem echt winterlichen Monat. Sollte jetzt plötzlich längeres Thauwetter eintreten, so müssten durch die enormen Schneeraassen , welche allenthalben nieder- gegangen siud, die verheerendsten üeberschwemmungen verursacht werden. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Professor der Ohrenheilkunde Dr. Fer- dinand Traut mann in Berlin zum Geheimen Medicinah'ath ; der Privatdocent der Frauenheilkunde in Berlin Dr. Leopold Landau zum ausserordentlichen Professor; die Privatdocenten der medicinischen Facultilt in Berlin Dr. Georg Krönig, Ober- arzt am städtischen Krankenhaus Friedrichshain, und Stabsarzt Dr. Alfred Goldseheider, Oberarzt am städtischen Kranken- haus Moabit, zu Professoren; der Professor der Geographie Rein in Bonn zum Geheimen Regierungsrath ; der Privatdocent und Leiter der Ambulanz der medicinischen Klinik in Bonn Dr. Karl Bohland zum Oberarzt; der ausserordentliche Pro- fessor für allgemeine Pathologie, Bakteriologie und Seuchenlehre Kitt in München zum ordentlichen Professor; der frühere Pro- fessor der pathologischen Anatomie an der Stuttgarter thier- ärztlichen Hochschule G. Röckl, Regierungsrath am Kaiserlichen Gesundheitsamt in Berlin, zum Geheimen Regierungsrath; an der faculte des sciences in Lyon der Licentiat Chifflot zum Leiter der Arbeiten im botanischen Laboratorium, Licentiat Roux zum Leiter der Arbeiten im zoologischen und Licentiat Rousset zum Leiter der Arbeiten im chemischen Laboratorium ; Docent J. R. Rydberg in Lund zum Assistenten am physischen Institut der Universität für 189.5; der Lehrer am Landwirthschaftlichen Institut zu Alnarp Dr. K. 0. M. W. Weibull zum Assistenten am chemischen Institut zu Lund; M. Nordmann und 0. J. Wickmann zu Amanuenses am pathologisch-anatomischen In- stitut zu Lund; der Docent für medicinische Chemie Dr. S. G. Hedin in Lund zum interimistischen Laborator der experimen- tellen Physiologie; der Licentiat J. Hartmann zum Amanuensis an der pädiatrischen Klinik des Karolinischen Instituts und an der Kindeiheilanstalt der Kronprinzessin Lovisa in Stockholm; der Docent der Geburtshilfe und Gynäkologie in Warschau J. J. Fjodor ow zum ausserordentlichen Professor; der Privat- docent der Physiologie in Berlin Dr. Immanuel Munck zum ausserordentlichen Professor; cand. med J. H. Allard in Upsala zum Assistenten am academisclien Krankenhause in der Abtheilung für Augenkrankheiten und an der ophthalmiatrischen Poliklinik der Universität; Licentiat O. Borge zum ausserordentlichen Amanuensis am botanischen Laboratorium zu Upsala; Dr. phil. Holst zum Docenten der Mathematik in Christiania; Docent Dr. med. S. B. Laache in Christiania zum vorläufigen Stellvertreter des verstorbenen Pro- fessor Winge; das Mitglied des französischen Institutes F. J. H. de Lacare-D u t hiers in Paris, ferner der Professor der Chemie Viktor Meyer ;n Heidelberg, der Professor der Zoologie und Anatomie an der faculte des sciences auf der Sorbonne Paris, der Botaniker Prof. Wilhelm Pfeffer in Leipzig und der Staatsratli Zacharias Topelius in Finnland zu auswärtigen Mitgliedern der Kgl. Gesellschaft der Wissenscliaften in Upsala; der Professor der Mineralogie an der Sorbonne Hautrfeuille zum Mitglied der mineralogischen Abtheilung au der Pariser Akademie; der Professor der Geographie in Berlin Ferdinand Freiherr von Richthofen zum korrespondierenden Mitglied in der geologischen Abtheilung der Pariser Akademie; der Professor der Anatomie Prof. Waldeyer in Berlin und der Professor der Zoologie Bü tschli in Heidelberg zu korrespondirenden Mitgliedern der Petersburger Akademie; der Professor der Physiologie in Breslau Rudolf Hei den ha in und der Professor der Botanik in Strassburg Hermann Graf zu Sol ras-Lau bach zu auswärtigen Mitgliedern der Stockholmer Akademie; der Professor der Physik in Strassburg Friedricli Kohlrausch zum auswärtigen Mit- glied der Stockholmer und Petersburger Akademieen; der Privat- docent der Medicin Dr. Sandme3'er in Marburg zum interimisti- schen Nachfolger des verstorbenen Prof. Külz. Berufen wurden: Dr. S Nawaschin als Professor der Botanik und Director des botanischen Gartens nach Kiew; der Agrege Augagneur zum Docenten der chirurgischen Pathologie an der faculte de medicine et de pharmacie in Lyon für das .Jahr 1894/9.5; der Professor der Ph3'sik am Lyceum zu Montpellier H o u 1 1 e v i gn e nach Lyon; der Docent der Naturwissenscliaften Dr. Bataillon in Lyon an die faculte des sciences zu Dijon ; der Professor für Psy- chiatrie in Tomsk Ja. A. Anfimow nach Charkow an .Stelle des nach Warschau berufenen Prof. Kowalewsky; Dr. G. G. Sskorit- schenko als Privatdocent der allgemeinen und cicperimentellen Pathologie an die Milit.-Med. Akademie in Petersburg; der frühere Professor der pathologischen Anatomie in Zürich E. Klebs nach Asheville in Nord-Carolina. Es habilitirten sich: Dr. Des Coudres für Physik in Göt- tingen; Dr. Ludwig Baur für Mathematik in Darin- stadt; Dr. Ferdinand Gumprecht aus Berlin in der medi- cinischen Facultät zu Jena; Dr. J. J. Couvee für qualitative, ana- lytische Chemie und Anleitung zur Untersuchung von Lebens- mitteln, Handelswaaren u. s. w. in Utrecht; Dr. Wilhelm Wein- trau d, Assistent an der 2. medicinischen Chariteklinik für innere Medicin in Berlin. Seines Amtes enthoben wurde : anf eigenes Ansuchen der Assistent für lugenieurwissenscliaften Wilhelm Kitz in München unter Anerkennung der geleisteten Dienste; der Licentiat der Medicin A. F. Bodinson, Amanuensis an der medicinischen Poliklinik in Upsala auf sein Ersuchen. Gestorben sind: der Docent für pharmaceutische Fächer an der technischen Hochschule in Darmstadt Obermedicinalrath Dr. Uloth; der Professor der Botanik Friedrich Schmitz in Greifswald; der erste Assistent am pathologisch-anatomischen Institut in Erlangen Dr. Konrad Zenker; der bekannte Aesthetiker Prof. Moritz Carriere in München; Prof. Arthur Cayley, der bedeutendste Mathematiker Englands, in Cambridge. Der 16. Balneologen-Congress wird vom 7. — 11. März (95) in Berlin im Kgl. pharmakologischen Institut stattfinden. - Vor- sitzender: Geh. Rath Liebreich. Generalsecretär: Sanitätsrath Dr. Brock. L 1 t t e r a t u r. Naturg'eschichte im Anschluss an das Lesebuch von Dr. I Bu- ni üller und Dr. I. Schuster. Neu bearbeitet von Dr. B. Plüss, Lehrer an der Realschule in Basel. Zweite, verbesserte Auflage. Mit 200 Holzschnitten. Herdersche Verlagshandlung zu Freibiirg im Breisgau. 1894. — Preis geb. 1,60 Mk. Das Buch ist gut zusammengestellt. Wir wünschten, dass Lesebücher wie die vorliegenden, welche ihren Stoff aus der freien Natur entnehmen, häufiger in Schulen Verwendung finden, als das jetzt geschieht. F. Wahnschafife, Die Lagerungsverhältnisse des Tertiärs und Q,uartärs der Gegend von Buckow. (Abh. d. K. Preuss. geol. Landesanstalt. Neue Folge. Heft "20.) In Vertrieb bei der Simon Schropp'schen Hof-Landkartenhandl. (I. H. Neumann). Berlin 1894. — Preis 3 Mk. Das 32. S. umfassende, mit einer schönen geologischen Karte und drei prächtigen Tafeln (Aufschlüsse in der Septarienthon- Grube bei Buckow veranschaulichend) geschmückte Heft ist als Separatabdrnck aus dem Jahrbuch der geologischen Landes- anstalt noch in vorliegender Form als „Abhandlung" erschienen. Buckow wird ja viel besucht und bietet den Naturfreunden mannigfach Interessantes auch in geologischer Hinsicht, und es Nr. li. Natiiiwisseuschaftliche Wochenschrift. 75 iiiuss (laliei- ertVculioli sein, die Abliaiulliuif; hofoiulor» (dur Preis ist für das Gebotene aiisserordentlicli m.-issit;) erwerben zu l<önnen, um pie als zuverliissigen Fülirer auf Kxeursionen in die „niär- kisciieScliweiz" zu benutzen. Auf den Inhalt der Abhandlung wurde bereits in der .Naturw. Wochenschr." und zwar in den Mittheilungen des Dr. Fiebelkorn über geologische Excursionen in der Mark 13randen- burg hingewiesen. Vergl. X, No. ;i, S. 29. Franz Kraus, Höblenkiuide. Wege und Zweck der Erforschung unterirdischer Käuiue. Mit Berücksichtigung der geographischen, geologischen, physikalischen, anthropologischen und technischen Verhältnisse. Mit löö Te.xtbildern, drei Karten und drei Plänen. Wien, Carl Gerolds Sohn, 1894; Le.x.S», 308 Seiten. — Preis 10 Mk. Wenn sich ein langjähriger Praktiker, dem auch genügende theoretische Kenntnisse zu Gebote stehen, zur Herausgabe eines Buches entschliesst. so darf man Gediegenes erwarten. Ich gestehe daher, dass ich mit günstiger Voreingenommenheit an die Leetüre des prachtvoll ausgestatteten Werkes ging, und in der That studirte ich die , Höhlenkunde" mit mir selten vorgekommenem Genüsse weiter und bis zum Ende. — Das Buch ist also sicherlich sehr anregend geschrieben, es ist splendid mit zum Theil farbigen Bihlern illustrirt, und was die Hauptsache ist: Ueberall leuchtet Bescheidenheit hervor, die nicht alles besser wissen will. Die gebildete Touristik kennt den Namen Franz Ki-aus schon längst aus dessen epochemachenden Studien und Aufschlüssen im klassischen Höhlen-Terrain des Krainer und Istrianer Karstes, sowie Steierniarks u. a V. Die werthvollen Arbeiten Kraus' sind nun hier an richtiger Stelle eingestreut zwischen die Aufzählung der Erfolge der fran- zösischen u. a. Höhlenforscher, aus welch' bescheidener Bearbeitung eigener Studien wohl am klarsten hervorgeht, dass Kraus das Ge- biet der , Höhlenkunde" vollkommen beherrscht. Die Höhlenkunde von Franz Kraus ist gegenwärtig unstreitig das Hauptwerk, was die gesammte Litteratur auf diesem Gebiete aufzuweisen hat. Der Verlagshandlung, Karl Gerold's Sohn-Wien, gebührt für die vornehme und reiche Ausstattung der Dank der W'issenschaftlichen W>lt. Die streng logische Gliederung des Gegenstandes mag man aus dem Auszug des Inhaltsverzeichnisses entnehmen: Litteratur. Theorien, S^-stemafik (ursprüngliche Höhlen, später gebildete Höhlen [Spaltenhöhlen, Erosions Hohlen; trockene Grotten, Nischen und Felsbrücken. Corrosions-Hühlen, Ueberdeckungs - Höhlen] oberirdische Erosions - Erscheinungen, Kesselthäler). Künstliche und bewohnte Höhlen (prähistorische Höhlen, theils natürlich, theils von Menschen geschaffen, Erdställe). Das Ende des Höhlenbildungs-Processes. Anhang: Eishöhlen, Sagenhöhlen, Höhlenfunde (Naturhistorisches, Culturgeschichtliches). Praktische 'Winke (besonders em- pfohlen!!) Schluss, Nameii-Register, Sachregister. Erklärung der Tafeln. Dr. Heinrich Baumgarten, k. k. Professor. Dr. Otto Follmann, Die Eifel (Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde, herausgeg. von A. Kirchhoff, Bd. VIII, Heft 3). Mit 3 Abbildungen im Text. Stuttgart, J. Engelhorn, 1894. — Preis 3,20 Mk. Den_ monographischen Arbeiten über einzelne deutsche Mittelgebirge, deren in den Forschungen bereits mehrere vorliegen, (wie über die Sächsische Schweiz, das Erzgebirge, den Thüringer Wald und Taunus) reiht sich nunmehr obige Studie über die Eifel an Der Haupttheil derselben ist der Orohydrographie und den Vulkangebieten der Vordereifel und des Laacher Sees gewidmet. der Entstehungsgeschichte ist nur ein knapper Platz eingeräumt, während die einzelnen Flussgebiete ziemlich detaillirt beschrieben werden. Auch der Besiedelung und den wirthschaftlichen Ver- hältnissen ist ein allerdings gleichfalls recht knapper Abschnitt fewidmet. Dem Referenten, welcher die Eifel verschiedentlich urchwandert hat. sind sachliche Unrichtigkeiten in der hier vor- liegenden Arbeit nicht aufgefallen, offenbar ist der Verf. mit den geschilderten Gegenden und ihrer Litteratur ganz vertraut, doch wurde dieselbe durch eine Theilung des Stotl'es auf zwei Hefte der Forschungen sicherlich sehr gewonnen haben, denn in der vorliegenden Fassung ist der Abschnitt 3 „Bau und Entstehung des Gebirges" doch etwas zu gedrängt und ebenso die beiden letzten über die Besiedelung und die wirthschaftlichen Verhält- nisse, welche viele eigenartige und interessante Erscheinungen darbieten. Fr. Regel. Dr. 'Wilh Hermann Schultze, Methodisch-systematisches Lehr- buch für den chemisch-mineralogischen TTuterricht auf Beal- schxüen (höheren Bürgerschulen) etc. 0. Goldel. Hannover 1894. — Preis 1,20 Mk. Es ist um so erstrebenswerther, das vorliegende Heft in weiteren Kreisen bekannt zu machen, als es sich nach seiner ganzen Anordnung weit über die sonst üblichen systematisch oder methodisch gehaltenen Lehrbücher heraushebt und ganz und gar mit den Forderungen übereinstimmt, die im Berichte der Direc- toren-Versammlung der Rheinproviuz von 1893 ausgesprochen sind. Was dort als Ideal des chemischen Unterrichtes auf Realanstalten hingestellt ist, hat das Lehrbuch von Schultze durchaus verwirk- licht. Es bringt den Stoff' nach dem als gut längst anerkannten methodischen \'erfahren von Wilbrand, enthält also Induction und Deduction in einer Verbindung. Der Verfasser geht jedoch nicht von den Salzen aus, sondern beginnt mit der Zerlegung der Säuren, die die langsame Einführung nicht durch unbekannte Metalle erschweren. Ausserdem ist der Stoff' im Gegensatze zu W^ilbrand systematisch aufgebaut, d. h. er enthält von vorn herein Mittelpunkte, von denen aus und zu denen hin die Strahlen laufen. Durch eiri solches Verfahren ist aus dem zu behandelnden Lehr- pensum ein organisches Ganzes geschaffen, vom Einzelnen zum Allgemeinen sind die Kreise weiter und weiter gezogen, und es ist erreicht worden, dass der Schüler sich nicht nur in dem ihm fremden Stoffe leicht zurecht findet, sondern sich auch möglichst viel positives 'Wissen aneignet. Mit einem Worte, es ist die Schwierigkeit glücklieh übernommen, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel zu lernen — nur das ist das Werthvollste an dem Buche. Im Uebrigen soll noch kurz mitgetheilt werden, dass die Gedankenzüge in „Fragen" niedergelegt und von den Mineralien nur die wichtigsten aufgenommen sind, dass ferner eine Ein- führung in die Krystallographie an den Krystallen vom Kochsalz, Schwefel, tjuarz und Diamant erzielt und das Einüben der Formeln durch eine grosse Reihe stöchiometrischer Aufgaben erleichtert wild Dr. Max Fiebelkorn. Dubois, Milit-Arzt Eug., Pithecanthropus erectus. Batavia. — 6,Ö0 .AI. Dtihring, Dr. E., Drr Werth des Lebens. 5. Auflage. Leipzig. — C M:irk. Durand, Assist. Th. et Prof. Dir. Hans Schinz, Conspectus florae Africae ou enumeration des plantes d'Afrique. Vol. \. Berlin. — 20 M.. bei Subscription auf Vol. I— VI 16 M. Fischer, cand. med. E., Transmutation der Schmetterlinge infolge Teniperaturändriunüen. Berlin. — 1.20 M. Jordan, Prof. Dr. W., Mathematische und geodätische Hülfs- tafeln. 9. Auflage H.innover. — 1 M. Karte, des Deutschen Reiches. Abtheihing: Königreich Preusseu. 140. Norden — 157. Labes. — 172. Emden. — 188. Stargard i. Pom. — 2-50. f'zarnikau. — 411. Mühlhausen i. Thüringen. — 413. Naumburg a. d. Saale. — 437. Gotha. — 438. Erfurt. Berlin. — a \M M Karte, typographische, des Königreichs Sachsen. 12. Brandis. — 44. Colditz. (1889). - CO. Rochlitz. — 69. Neustadt. — 86. Hin- terhermsdorf — 116. Lengefeld. — 140. Kühnhaide. Dresden. — ä 1,50 M. Messtischblätter des preussischen Staates. 1922. Betsche. — 23-52. Calcar. — 2412 Schlichtingsheim. — 2429. Dosten. — 243U. Marl. — 2431. Reck'inghausen. — 2433. Lünen. — 2498. Geldern. - 2502. Bottrop. — 2-557. Polkwitz, — 2-558. Raudten. — 2573- Mors. - 2576. Essen. — 2G44,45. Kaldenkirchen. — 2646. Kempen, — 2649. Kettwig. - 2651. Hattingen. — 2652. Hagen. (In Westfalen.) — 2654. Iserlohn. — 271-5. Burgwaldnil. — 2i22. Radevormwald. — 2723 Lüdenscheid. ■— 2724. Altena. — 2902. Gangelt. - 2905 .lülich. - 3032. Vettweiss. — 3090. Herbesthal- — 3205 Bürnewille. — 3207. Elsenborn. Berlin. — ä 1 M. Fächer. Dech. Dav., Flora von Kärnten. Klagenfurt. — 4 M. Specialkarte, geologische, des Königreichs .Sachsen. 65. AVilsdrutt'- Potsehappel. Leipzig — ä 3 .M. Specialkarte, typographische, von Mittel-Europa. 1.55 Bereut. — 157 Heilsberg. — 1.58. Rastenbuig. — 283. Pv.-^drv. (Peisern.) — 312. Kaiisch. — 450. Würzburg Berlin. — i'i 1 M. Spencer, Herbert, System der synthetischen Philosophie. X. Band. 11. .Alitheilung. Die Principien der Ethik. Stuttgart. — 6 M. Staudinger, 0.' und E. Schatz, Exotische Schmetterringe. 1. Thl. 2. Auflage. 1. Lieferung. Fürth- — 6 M Strümpell, Prof. Dir. Dr." Adf., Lehrbuch der speciellen Patho- logie und Therapie der inneren Krankheiten. 8. Auflage. 3. Band- Leipzig. — 12 M., geb. in Halbfranz 14 M. Wasmann, E., S. J., Kritisches Verzeichniss der myrmekophilen und termitophilen Arthropoden. Berlin. — 12 M. Inhalt: Richard Hennig. Ueber ungewöhnliche Blitzentladungen. — Ueber den angeblichen Affenmenschen, Pithecanthropus erectus. — Uiber Lichterseheinungen während der Krvstallisation. — Die Witterung des Monats Jauuar im centralen Europa. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. - Litteratur; \atmgo*ehichte- — F. Wahnschaffe, Die Lageruugsvorhältnis^.- des Tertiärs und (Juartärs der Gegend von Buckow. — Franz Kraus, Höhlenkunde. — Dr. Utto Follmann, Die Eifel. — Dr Wilh. Hermann SchulzH, Methodisch-systematischss Lehrbuch für den chemisch-mineralogischen Unterricht auf Ri^alschulen (höheren Bürger- schulen) etc. — Liste. 7(5 Natiir\vis,si.'iist'li;irtlielic WucbcuscLrilt. Nr. 6. s: 511-j Hievtet Seil bev „Sllliicm. *Jcatiivluiit)c" cvfdieint [oebeii: ftügrfrljidjtr, ^ IHUl l)i-.p.|Ifiiiiim)r. 3tBeite, tion i}?rof. Dr. ^. ■Stfifig itenbenrbeitete Sluflngr. mW 1000 EExtfiiltiEnt. 4 E.irti-it u^^ 34 Safsln in Bolildjnilt iinb 3\irb eil ii null. 28 Üicfonmgcn su je 1 SKnrl oöci- -1 .\?nlblobcvbniibc ;,u je lii Sluirt. 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Objectiv, % Scbaalen, Copier- dbodcn (Hi, die verschiedenen Eindrücke der Fröhlich- keit und Melancholie, welche die Pflanzenwelt im sinn- lichen Mensehen hervorbringt (4), der Kontrast zwischen der toten, unbewegten Felsmasse, seihst der unorganisch scheinenden Baumstämme und der belebten Pflanzendecke, die gleichsam das (nackte) Gerippe (der Erde) mit mil- derndem Fleische sanft bekleidet (5), Geschicbte und Geographie der Pflanzen oder historische Darstellung der allgemeinen Ausbreitung der Kräuter über den Erdboden, ein unbearbeiteter Theil der allgemeinen Weltgeschichte (G), die Aufsuchung der ältesten Vegetation in ihren Grab- mälern (als Versteinerungen, Steinkohlen, Torf u. s. w.) (7), die allmähliche Bewohnbarkeit des Erdbodens (8), die Wanderungen und Züge der Pflanzen, der geselligen und isolirten (9), die Karten darüt)er, welche Pflairzen gewissen Völkern gefolgt sind (10), die allgemeine Geschichte des Ackerbaues (11), die Vergleichung der kultivirten Pflanzen mit den Hau.sthieren und der Ursprung beider (12), die Ausartungen der Pflanzen, die fester oder loser an das Gesetz gleichmässiger Fornuuig gebunden sind (13), die Verwilderung gezähmter Pflanzen (z. B. amerikanisehei- und persischer Arten vom Tajo bis zum Ob) il4), die allgemeinen Verwirrungen in der Pflanzengeographie durch Kolonisation (15): Das scheinen mir Objecte, die des Nachdenkens werth und bis jetzt ganz unberührt geblieben sind. Ich beschäftige mich ununterl»roehen mit ihnen, aber das Geräusch im Zimmer um mich her hindert mich, sie ordentlich zu entwickeln. Ich sehe auch, dass ich einiges sogar albern ausgeilrückt habe, doch hoffe ich, dass Sie im ganzen fühlen, was ich meine." Das sind die 15 pflanzengeographischen Thesen, die Humboldt damals aufstellte. Sie beschäftigen sich vor- nehmlich mit den physiologischen, ästhetischen, historischen, kulturellen, migratorischen und geologischen Verhältnissen der Pflanzenwelt. Dass darunter die Ideen von der Ab- hängigkeit der Pflanzen von dem Klima ihres Gebietes und von der Ausgestaltung der einzelnen Erdräume so gut wie fehlen, ist für die historische Entwickelung der- selben im (ieistc Humboldts interessant und bedeutsam. Daran, aber auch an dem freiwilligen Geständniss von *) Vergl. Ale.x. y. Humboldt, eine wissenschaftl. Biographie, Bd. 1, S. 203. Nr. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. (lern nicht iuiiner jcelung'ei'Pii Riiif;-eii nach dein rechten Ausdruck merken wir, dass die Urspruii^'ssteile der pflan/.engi'ographischen Ideen Humboldts ausseror(K'ntlicii nahe liegen inuss, und diese Verniuthung bestätigt Hum- boldt, indem er an einer anderen Seite schreibt*): „Seit meiner frühesten .lugend iiabe ich Ideen /u einer Pflanzen- gcdgraiihie gesannneh. Den ersten Entwurf da/u habe ich im .lain-c 1790 meinem Freunde (ieiug Forster, dem lieriUmiten Hegleiter Cooks, vorgelegt.'- In Forsters Tagebuch und in seinen „Ansichten von Niederrhein'-, die ich beide auf diese Bemerkung hin genau durchgelesen, habe ich keine darauf bezügHche Andeutung, geschweige denn eim' Erwäinnnig Jenes Ent- wurfes tindeu können, auch nicht bei Heinrich König, der uns „Georg Forsters Lel)en in Haus und Welt'' (Leip/. 1858) geschildert hat. Und docii bereisten beide, Hum- boldt und Forster, der Sohn, im Fridijahr und Sommer des Jahres 1 790 den Niederrhein nebst London und Paris. Auf diese Zeit füiirt Humboldt seine pflanzengeographischen Ideen zurück: im Jahre 1790 liegen ihre ersten greifbaren Anfänge. Dieses Ergebniss ist für die historische Betrachtung und für die Einsieht in die innere Entwickelung )- Als Prof. der Geologie, als Mitglied der General- inspeetion des öffentlichen Unterrichts etc. verbesserte er das Genfer Observatorium und errichtete auf den höchsten europ. Geb. zuerst eigene Beobachtungsstationen. tt+) Alex. V. Humli.. eine wiss. Biogr. Bd. 1, S. 32. *t) Humboldt war chimals 19. Willdenow dagegen 23 Jahre alt. 80 Naturwisseuschat'tliclie Woclieuschiift. Nr. 7. uud der soeben seine P^lora von Berlin veröffentliclil hatte. Sein sanfter, liebenswürdiger Charakter machte mir die Botanik noch wertvoller. Er gab mir keine förmlichen Stunden, sondern ich brachte ihm die Pflanzen, die ich gesammelt hatte, und er bestimmte sie mir. Auf diese Weise wurde ich für die Botanik, insbesondere für die Kryptogamen, begeistert. Der Anblick der ausländischen Pflanzen, die ich in den Herbarien, also nur getrocknet sah, erfüllte meine Ein- bildung nut Genüssen, welche mir die Pflanzendecke der wärmeren Länder darbieten musste. Herr Willdenow stand mit Thunberg*), der ihm oft aus Japan Pflanzen schickte, in enger Veibindung. Ich konnte dieselben nicht anblicken, ohne dass sich bei mir der Wunsch regte, diese Länder zu besuchen." Wie innig und fest die geknüpfte Freundschaft war, verrathen das vertrauliche Du und die vielseitigen, eigen- arligen und rein menschlichen Beziehungen, die zwischen beiden walteten. „Du hast wohl recht, auf mich zu zürnen", antwortet Humboldt**) an Willdenow im Jahre 1795, „dass ich so selten schreibe. Aber wenn Du meine \'erhältnisse keimen würdest, wie ich ewig umherziehe, den Winter bei drei Monaten ernsthaft krank war und alle meine Müsse zu- sammenhalten muss, um zu studiren, so wirst Du mich entschuldigen." Auf Willdeuows Anzeige, dass ihm ein Kind, ein Sohn, geboren sei, bei dem er die Stelle eines Paten über- nehmen möchte, schreibt Humboldt***): „Mein lieber Bruder und Gevatter! Wie ganz kann ich mich in Deine Lage und in die freudigen Empfindungen Deiner ]iel)enswür- digen Gattin versetzen. So bist Du denn Vater, sie eine edle, zärtliche Mutter. Und wie kann ich es Euch genug- sam danken, dass Ihr den armen Freund in der Unter- welt des rauhen Fichtelgebirges an Euerm Glücke theil- nehmen lasst. Und noch dazu ein Junge, ein gesundes, starkes Kind! Im Winter boife ich den Knaben in meinen Armen zu halten und Euch zu umarmen." Wer so schreiben kann, dem sind die Anreden : Freund, Bruder und Gevatter keine leeren Redensarten, und dafür zeugen auch alle weiteren Briefe. Am 20. Dezember des folgenden Jahres (1796) scherzt Humboldt mit Willdenow und schreibtf): „Mache nur, dass das gute Patchen schnell herauswachse, damit ich es nach Indien mitnehmen kann." Bekanntlich zerschlug sich diese Reise. Auch das Unternehmen, mit Bristol Oberägypten zu durchforschen, scheiterte, und der Plan, mit Baudin die Welt zu um- segeln, vereitelte der Krieg. Um trotzdem zu einem Ziele zu kommen, ging Humboldt zunächst nach Spanien, um von da nach Amerika zu gelangen. Nachdem er in dem Briefe vom 20. April 1799 seinem Freunde Willdenow die floristischen Verhältnisse, die ihm in Spanien entgegentraten, geschildert hat, fährt er fort-ft): „Ich schlage eben eine Kiste mit 400 Pflanzen für Dich zu, und wenn Du sie durchgehst, wirst Du Dich überzeugen, dass kaum ein Tag vergangen ist, an dem nicht in Wäldern, Wiesen und an Meeresufern Dein An- denken mir lebendig gewesen ist. üeberal! habe ich für Dich gesammelt, und zwar nur für Dich, da ich erst jen- seits des Oceans mein eigenes Herbarium anfangen will." *) Karl Ppter Thunbcrf; war eiu Schüler Linnes, ging als Arzt nach dem Kap, nach Batavia und Japan und kehrte über Ceylon zurück. Er starb als Professor der Botanik zu Upsala im" .Jahre 1828. **) Alex. V. Humb., eine wiss. Biogr. ***) 1. c, Bd 1. S. 168. t) 1. c. Bd. 1, S. 134. tt) 1. c. Bd. 1, S. 2(36. Und jenseits des Oceans gedenkt der Freund in der zärtlichsten und liebevollsten Weise seines Freundes. „Ich bleibe", so schreibt*) er am 21. Februar 1801 in Havanna an Willdenow, „meinem alten Vers])rechen getreu, dass alle, alle auf dieser Reise gesannnelten und mir gehörigen Pflanzen Dein sind. Ich will nie etwas besitzen. Nur muss ich Dich bitten, da ich mir nach meiner Zurück- kunft die Publikation vorbehalte, mein Herbarium vor dieser Publikation oder vor meinem Tode Deiner Samm- lung nicht einzuverleiben." Der Brief sehliesst mit den Worten: „In brüderlicher Liebe Dein alter Schüler Alexander von Humboldt." Diese Schülerschaft ist ernst gemeint und muss des- halb einen grösseren Hintergrund haben als jene Be- stimmung der in Berlin vorgelegten Pflanzen; wir dürfen vermuthen dass AVilldenow als Gegengabe u. a. Exem- plare von seinen Werken, so bald sie erschienen, dem Freunde übersandte, und dieser nahm sie auf, studierte sie und bereicherte und vertiefte damit sein Wissen und Denken und zwar zu einer Zeit, da die „Ideen zu einer Geographie der Pflanzen" noch nicht geschrieben waren. Was für Arbeiten von Willdenow auf Humboldt ein- gewirkt haben, sagt er selbst: er nennt**) die Berliner P^lora und den Grundriss der Kräuterkunde, der im Jahre 1792 seine erste Auflage erlebte. Es ist sehr wahrschein- lich, dass Humboldt diesen Grundriss auf der Reise nach der Neuen Welt bei sich führte. Willdenows Species plantarum gefielen Humboldt sehr***) wohl. Ehe Humboldt den südamerikanischen Kontinent be- trat, schrieb er aus Cuba an seinen Freund j). Und als Humboldt Südamerika verlassen und Mexiko erreicht hatte, schrieb er ihm wieder. „Ich besitze", so heisst es in dem Schreiben vom 29. April ISOSft), „eine ausgezeichnete vSamndung, die ich in Quito, zu Loxa, bei Jaen am Ama- zonenflusse, auf den Anden von Peru, auf dem Wege von Acapulco nach Chilpenoingo und Mexiko zusammen- gebracht habe. Diesen Schatz will ich nicht dem Zufall der Posten übergeben . . ., sondern . . . Dir selber über- bringen. Ich habe alles höchst sorgfältig getrocknet ..." Humboldt kam nach Paris, wo er die „Ideen ..." herausgab; er ging von da nach Rom zu seinem Bruder, wo er die Vorrede zur Tübinger Ausgabe vollendete; er besuchte Neapel und reiste über die Alpen fttj nach Berlin, wo er seinen treuen Freund zur Mitarlieiterschaft gewinnen wollte. Hatte er sich doch überzeugt, dass seinem Freunde und Reisebegleiter, dem Botaniker Aime Bonpland, dessen ausgezeichnetes Sannneltalent er wäh- rend seiner Reise tagtäglich zu bewundern Gelegenheit hatte, die feinen und tiefen Kenntnisse fehlten, die zu einer wissenschaftlichen Bearbeitung der gesammelten Pflanzenschätze unbedingt erforderlich sind. Je mehr diese Ueberzeugung Raum gewann, desto fester baute er seine Hotl'nung auf Willdenow, Er war der Mann, der ihm helfen kann. Um ihn hierfür zu gewinnen und ihm den nöthigen Urlaub zu einer Reise nach Paris auszuwirken, deshalb kam Humboldt persönlich nach Berlin. Es war Mitte November des Jahres 1805. Humboldt arbeitete hier an seiner Tübinger Ausgabe der Ideen *t); wo er nur konnte, da gedenkt er in ehren- vollster Weise seines Freundes Willdenow. wie wir aus *) 1. c. Bd. 1, S. a37. **) 1. c. Bd. 1, S. 32 und 63 und Tüb. Ausg. d. „Ideen.", S. VIII u. 12. ***) 1. c. Bd. 2, S. 501. t) 1. c. Bd. 2, S. 494. tt) 1. c. Bd. 1, S. 389. ttt) Er ging über den Gotthard und über Luzern, Heidelberg, Kassel und Göttingen. *t) Allg. geogr. Ephem. Weimar 1807. Bd. 22, S. 107. Nr. 7. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 81 der Tübinger Ausfjabc bereits wissen. In der Abhand- lung: ^Ueber die Chinawälder in Südamerika'" finden wir folgenden Satz eingewebt*): „Wir werden die Beschrei- bung der verschiedenen Arten von Cinchona versuchen in der Beschrciliung der von uns auf unserer Expedition entdeckten und von unserem vortreff liclien Freunde Will- denow bereits /.um 'riioil bestimmten 20U0 neuen Pflair/.en- arten." Hiernach iiat \\'illdcnow sclion zu der Zeit, da Humboldt in Berlin weilte, an der Bestimmung der aus Südamerika heimgebraciiten Pflanzenscliätze gearbeitet. Um die Herausgabe dieser Arbeit zu fördern, ging Humboldt Ende Se])tember 180S nach Paris und hierher ruft er aucii seinen Freund, der diese Arbeit nun ganz allein übernehmen sollte. ..Mein Werk", so schreibt er ihm am 17. Mai 1810 aus Paris**), „ist der Vollendung nahe, nur die Botanik ist noch zurück. Die Ursache brauche ich Dir nicht zu sagen." Es folgen nun bittere Klagen über Bonplands Nachlässigkeit. Da Humboldt den Plan gefasst hatte, über Persien und Tibet nach dem Himaiaya zu gehen, so fährt er in dem Schreiben fort: „Aber ich will Europa nicht verlassen, elie icli nicht unsere Species habe ersclieinen lassen. Sei barmherzig, dieses Werk zu übernehmen. Hier ist ein Vorschlag. Du kommst mit Frau und Kind hierher. Ich gebe Dir ein hübsches Quartier, das mir gehört, das ich aber nicht be- wohne, nahe am Pantheon und Jardin des Plantes. In Malmaison findest Du aucii Wohnung für Dich und Deine Familie. Ich kenne Deine Art zu arbeiten. In wenig Monaten gehst Du das Herbarium und die Manuscripte durch. Du machst Dir hier Auszüge, nimmst entweder die Manuscripte mit nach Berlin oder, was mir noch besser erscheint, ich lasse abschreiben, was Du willst. Ebenso nimmst Du auch die Pflanzen mit, die Du noch näher studiren musst. Ich wünsche eine Beschreibung ganz wie in Deinen Species***). Zu allem, was in unseren Manuscripten oder im Herbarium steht^ wird „Bonj)land" oder „Humboldt" gesetzt; zu allem, was Du selbst be- schreibst oder discutirst, „Willdenow". So geschieht jedem sein Recht. In Titel und Vorrede will ich selbst aufs Deutlichste sagen, was wir Dir verdanken." Nach weiteren Vorschlägen über die Ausführung der Arbeit folgen neue Lockungen. „Sobald Du die Reise antreten kannst-, schreibt Humboldt, „zahlt Dir Friedländer 3000 Franken, d. i. nur ein Zuschuss zu den Reisekosten. Sobald wir aber den Kontract mit dem Buchhändler ge- sehlo.ssen haben, schmeichle ich mir. Dir mehr anbieten zu können und zwar unter dem Siegel der strengsten Verschwiegenheit. Du musst doch auch einmal Paris *) Der Ges. naturforschender Freunde zu Berlin Magazin. Berlin 1807, S. 67, 68. I*) Alex. V. Humb.. eine wiss. Biogr. Bd. 2, S. 501. ■"') Der erste Teil der Species plantarum erschien 1797 und der neunte und letzte Teil, der von den Farnen handelt, im Jahre 1810. sehen. Die Herbarien werden Dich interessiren. Dein Garten wird gewinnen; Du könntest hier auch einige wissenschaftliche Verbindungen anknüpfen. Ich ver- spreche ausserdem, mit Deiner theuern, guten Frau alle Schusterbuden von ganz Paris zu durchwandern . . ." Diesem Rufe niusste Willdenow folgen. Er reiste allein und blieb mehrere Monate in Paris, wo er in den Herbarien fleissig arbeitete. Krank kehrte er nach Berlin zurück; der Keim des Todes steckte in ihm. Er hatte die südamerikanischen Pflanzen geordnet, mehrere Zeich- nungen dazu entworfen und schon waren einige Pflanzen- tafelu für die Nova genera et species plantarum gedruckt, als ihn der Tod aus seinem Wirkungskreise herausriss, viel zu früh für Humboldt, viel zu früh für die Wissen- schaft. Sein Schüler Karl Sigismund Kunth*), ein Neffe des geheimen Oberrcgieruugsrathes Kunth, der den beiden Humboldt in der Jugend als Erzieher zur Seite gestanden, hat das Werk vollendet, das Willdenow übernommen und begonnen hatte, das Werk, dessen Vorrede, die Prolego- mena, für die Pflanzengeographie ebenso wichtig ist, wie die „Ideen ..." So endete der Tod eine Freundschaft, die beinahe 25 Jahre umfasst, eine treue, herzinnige Freundschaft, die keine grössere Freude kannte, als dass ein Freund dem andern aus tief- innerster Zuneigung nach allen Richtungen und mit allen Jlitteln half und jeder den anderen förderte, soviel und soweit er vermochte. Wie oft und wie eingehend mögen die beiden Forscher miteinander im vertraulichen Gespräch die pflanzengeographischen Materialien nach Inhalt und Tragweite ei'wogen haben! Wollen wir eine deutlichere Vorstellung davon gewinnen, was und wieviel Humboldt dieser Freundschaft in Bezug auf seine pflanzengeogra- phischen Ideen verdankt, so müssen wir auf die Fragen genauen Bescheid wissen: Wer war Willdenow? Und was hat er auf pflanzengeographischem Gebiete geleistet"? Willdenow hat auf diesem Gebiete frülier gearbeitet als Humboldt; von ihm kam Stoff und Anregung; in ihm liegen die Quellen zu Humboldts pflanzengeographisehen Ideen. So wenig wie ein gewaltiger Strom an Bedeutung einbüsst, dessen Quellreviere näher und ausführlicher er- forscht worden sind, ebensowenig verliert Alexander von Humboldt an seiner hohen wissenschaftlichen Bedeutung, wenn wir sagen, dass in Willdenow die Quellen liegen, die seine pflanzengeographischen Ideen gross und stark machten. Im Gegentheil, die Freundschaft mit Willdenow hat uns den Riesengeist eines Humboldt menschlich näher gebracht; in Bewunderung und liebevoller Hingabe schauen wir jetzt zurück. *) Kunth war 1788 in Leipzig geboren und starb 1850 als Professor der Boland aber nur über 60 Arten und im nordöstlichen Theil nur nahezu 60 Arten enthält. Die Wattenmeere der deutschen und holländischen Küste und das unmittelbar vor den friesischen Inseln ge- legene Gebiet sind leider in Bezug auf ihre Fischfauna noch nicht genügend bekannt, es ist aber nicht wahr- scheinlich, dass sie an Arten ärmer sind als Helgoland. Es ist eher das Gegentheil zu erwarten, da hier die Nähe der grössten Ströme verschiedene Arten des brackischen Wassers liefert, die bei Helgoland fehlen. Von solchen Arten, die sonst sowohl im Meere wie im Süsswasser vor- kommen, leben bei Helgoland nur 5, (Acipenser sturio, Anguilla vulgaris, Salmo salar, Pleuronectes flesus und Gasterosteus aculeatus) von denen 4 noch dazu seltene Erscheinungen sind. Dieser Umstand kennzeichnet aber die Helgoländer Fischfauna als eine nahezu rein marine. Scheidet man nun bei der Vergleichung alle solche Arten aus, die sowohl im süssen wie im salzigen Wasser leben, so tritt allerdings die ganze östliche Ostsee in der Zahl rein mariner Arten hinter Helgoland weit zurück und in geringem Grade wahrscheinlich auch das Küstengebiet der südöstlichen Nordsee. Die westliche Ostsee über- triftt auch dann noch mit 69 rein marinen Arten die Fauna Helgolands mit nur 64; ein freilich geringes Uebergewicht, das aber weitere Funde bei Helgoland schwerlich verändern wird, da auch in der west- 84 Naturwissenschaftliche Wochenschrift Nr. 7. liehen Ostsee noch einige neue Arten gefunden werden dürften. Prof. Heincke theilt die Fische Helgolands in drei Gruppen ein: häufige Standfische, seltenere Stand- fische und ganz seltene Fische oder Gäste. Zu letzteren rechnet er solche, die nur ganz vereinzelt ge- fangen werden und sich im Gebiet nicht fortpflanzen. Scharfe Grenzen zwischen den drei Gruppen lassen sich natür- lich nicht ziehen. In jeder Gruppe unterscheidet er Nord- uud Südfische und solche von unbestimmter Ver- breitung. Nordfische sind solche, die südlich nicht über den Biscayisehen Meerbusen, nördlich aber über den Polarkreis hinausgehen; Südfische solche, die im Mittel- meer und noch weiter südlich vorkommen, aber nicht über den Polarkreis hinausgehen. Fische unbestimmter Ver- breitung sind solche, die sowohl im Mittelmeer wie über den Polarkreis verbreitet sind oder weder in jenes noch über diesen hinausgehen, also ganz auf das mittlere Ge- biet beschränkt sind. Auf diese drei Gruppen vertheilen sich die Fische Helgolands folgendermaassen: 1. Häufige Standfische sind 28 Arten. Hiervon 14 Nordfische, 11 Südfische und 3 von unbestimmter Ver- breitung. 2. Seltenere Standfische sind 22 Arten. Hiervon 7 Nordfische, 10 Südfische und 5 von unbestimmter Ver- breitung. 3. Gäste der Helgoländer Fauna sind 20 Arten- Hiervon 5 Nordfische, 12 Südfische, 3 von unbestimmter Verbreitung. Beschränkt man die Gruppiruug auf rein marine Arten, so ergiebt sich folgende Uebersicht: 1. Häufi'ge Standfische 27 Arten: 14 Nordfische, 11 Südfische und 2 von unbestimmter Verbreitung. 2. Seltenere Standfische 20 Arten: 6 Nordfische, 10 Südfische und 4 von unbestimmter Verbreitung. 3. Gäste 17 Arten: 4 Nordfische, 11 Südfische und 2 von unbestimmter Verbreitung. Insgesammt 64 rein marine Arten, davon 24 Nord- fische, 32 Südfische und 8 von unbestimmter Verbreitung, während in der westlichen Ostsee unter 69 rein marinen Arten 28 Nordfische, 32 Südfische und 9 von unbestinmiter Verbreitung vorkommen. Gemeinsam sind beiden Gebieten .00 marine Arten. Vergleicht man die den beiden in Rede stehenden Faunengebieten eigenthümlichen Arten, so ergeben sich folgende Schlüsse, die auch für die Beurtheilung der Gesammtfauna von Helgoland sicli als werthvoll erweisen werden. Die Fischfauna von Helgoland oder besser desjenigen Gebietes der südöstlichen Nordsee, dessen Mittelpunkt Helgoland bildet, ist ein artenarmer Zweig der Fauna des südlich der Doggerbank liegenden Theiles der Nord- see. Sie ist eine autt'allend stabile, indem die Gäste nur V4 aller Arten ausmachen, während in der westlichen Ostsee reichlich die Hälfte aller Arten und im Kattegat und an der norwegischen Küste wahrscheinlich noch mehr aller Fische nur Gäste sind. Der geographische Ciiaraktcr der Helgoländer Fisch- fauna ist in seinem Stamme, den häufigen Standfischen, ein gemisciit nördlich-südlicher mit schwachem üeberwiegen nördlicher Formen und, wie es scheint, mit vereinzelten üeberresten einer vormals arktischen Fauna. Bei den seltenen Standfischen und noch mehr bei den Gästen über- wiegt der südliche Charakter. In der westlichen Ostsee ist die Zaid der häufigen Staudfisclie erheblich geringer als bei Helgoland (26 "/q gegen 42"/o) und der nördliche Charakter ist bei ihnen stärker vorwiegend. Die ausserordentlich grosse Zahl der Gäste dieses Gebietes giebt ferner seiner Fischfauna einen viel weniger stabilen und weit beweglicheren Charakter, als diejenige Helgolands besitzt. Ganz besonders bezeichnend ist das Vorkommen einer Anzahl arktisclier Arten, die bei Helgoland haften. Eine sehr annehmbare Erklärung für diese genannten Erscheinungen sucht Prof. Heincke in der abseitigen Lage des Helgoländer Gebietes als in demjenigen Winkel der Nordsee, der am weitesten entfernt ist von den grossen Heerstrassen, auf denen zur Zeit ein beständiger und leb- hafter Austausch nördlicher und südlicher Thierarten er- folgt. Die erste dieser Strassen, die von Süden nach Norden, führt von der atlantischen Küste Frank- reichs, Englands und Irlands zu den Shetlandsinseln und um diese herum, dem Golfstrom folgend, zur Küste Nor- wegens, von wo aus eine Abzweigung an der Küste ent- lang nach Süden geht, deren letzte Ausläufer in der westlichen Ostsee liegen. Auf dieser Strasse wandern vorwiegend südliche und atlantische Fische, die im flachen KUstenwasser oder pelagisch in den oberfläch- lichen Meeresschichten leben. So erklärt sich die erstaun- lich grosse Zahl von Scomberoiden, Percoiden und La- broiden, die als Gäste aus dem fernen Süden die norwegische Küste und das Kattegat besuchen oder gar wie Carcha- rias glaucus, Gadus minitus u. a. gelegentlich in die Ostsee eindringen. Die zweite Strasse, die von Norden n a c h Süden, ist der Strom des kalten polaren Tief- wassers, der von Norden her in die Nordsee eintritt, aber durch den Wall der Doggerbank aufgehalten sich in zwei Aeste theilt, von denen der eine in der tiefen Rinne um Norwegen herum bis ins Skagerrack und das östliche Kattegat verläuft, der andere in der grösseren Tiefe an der Ostküste Schottlands und Englands nach Süden strebt. Auf dieser Strasse wandern arktische, grund- bewohnende Fische, wie Raja radiata, Pleuronectes eyno- glossus, Stichaens islandicus u. a. theils l)is ins Kattegat und die westliche Ostsee, theils an den Ostküsten Eng- lands bis zum Kanal. So liegt Helgoland also in einem toten Winkel der Nordsee. Nur zwei Wander- strassen untergeordneter Bedeutung führen von Nord und Süd in diesen Winkel, einmal der Weg von der Jütland- bank herunter an der jütischen und schleswig-holsteinischen Küste, auf dem einzelne, dort häufige nordische Arten, wie Lota molva, Gadus virens, Hippoglossus maximus herankommen und zweitens der Weg vom englischen Kanal an der westfriesischen Küste entlang. Auf dem letzteren bewegt sich ein langsamer Strom südlichen, wärmeren Wassers in die Nordsee hinein. Dass aber keine dieser wenig belebten Strassen wesentlich zur Be- reicherung der Helgoländer Fischfauna beiträgt, dass namentlich auch auf dem letztgenannten Südwege, der immerhin noch die lebhafteste Verbindung Helgolands mit anderen Meerestheilen vermittelt, nur wenige Südfische z. B. Zeus faber, Gadus luscus, Motella tricirrata u. a. bis Helgoland vordringen, geht wohl daraus hervor, dass die südliche Familie der Labridae, die in so bezeichnender Weise an klippenreiche Küsten gebunden ist, also in der Strandregion bei Helgoland alle Bedingungen des Ge- deihens finden müsste, in diesem Gebiet nur durch zwei Arten vertreten ist. Eine derselben, Cteuolabrus rupes- tris, der Klippenbarsch, ist allerdings sehr gemein und geradezu typisch für die Helgoländer FiscTifauna, die andere aber, Labrus mi.xtus, gehört zu den allergrössten Seltenheiten. Im Skagerrack nnd im Kattegat finden sich aber ausser diesen beiden noch Labrus maculatus und Ctenolabrus melops und in der Kieler Bucht sind sie beide regelmässige Gäste. Ein neuer Beweis, dass auf dem nördlichen Wege um die Shetlandsinseln herum mehr Nr. 7. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 85 Sudfische in höhere Breiten gelangen als durch den Kanal. Ein weiteres Hinderniss für den Zustrom fremder Elemente in die Fischfauna Helgolands scheint in der geringen Tiefe dieses Faunengebietes zu liegen. Von den tieferen Regionen der Nordsee erstreckt sich nur eine Schraalzunge von Westen her bis nach Helgoland die sich etwa i Seemeilen in SSW. bis auf 50 m vertieft. Der Salzgehalt des Meerwassers hat ohne Zweifel auf die Verbreitung vieler Fische nur einen sehr geringen Eintluss. Ein Beweis dafür ist, dass im Kattegat und selbst in der westlichen Ostsee mehr marine Fischarten vorkommen als bei Helgoland, obwohl hier der Salzgehalt sehr viel hüher ist als dort. Sehr interessant und werthvoU ist eine Vergleichung der Hauptarten dieser beiden Faunengebiete nach ihren Aufenthaltsorten. In dieser Beziehung unterscheiden Möbius und Heineke in ihren „Fischen der Ostsee" vier Gruppen. 1. Bewohner der Seegras- und Tangregion oder des flachen sandigen Strandes. Bei Helgoland entspricht dieser Region das pflanzenbewachsene Felsplateau ein- schliesslich der unmittelbaren Umgebung der Düne. Lito- rale Arten. 2. Bewohner der schlammigen Tiefe oder besser des ganzen Jfeeresbodens jenseits der Litoralzone. Fundi- cole Arten (grundbewolmend). 3. Bewohner der freien, mittleren und oberen Wasser- schichten, aperticole Arten (das Freie, Offene, apertum, bewohnend). 4. Bewohner aller drei erstgenannten Regionen, die also alle Gebiete nach Nahrung durchstreifen, wie z. B. Gadus morrhua, vagirende Arten. Betrachtet man daraufhin die Anzahl der häufigen Standfisehe beider Gebiete, so zeigt sich, dass in der westlichen Ostsee die Bewohner der flachenpflanzen- bewachsenen Litoralzone ganz bedeutend überwiegen, demnächst kommen die aperticolen Arten und ganz zurück treten die fundicolen Arten, von der nur 3 vorkommen, die sämmtlich Plattfische sind (Scholle, Flunder und Kliesche). Bei Helgoland umgekehrt spielen die fundicolen Fische an Zahl die erste Rolle, hinter ihnen treten nicht nur die aperticolen,' sondern auch die litoralen Arten zurück. Das bedeutende Uebergewicht, das die Zahl der litoralen Arten in der westlichen Ostsee besitzt, wird zum grössteu Theil durch kleine, aber in sehr grosser Individueuzabl auftretende Arten hervorgerufen, die in der Litoralzone Helgolands entweder ganz fehlen, oder spärlich auftreten. Dieser höchst bezeichnende Maugel in der Fischfauna Helgolands mag sich zum Theil aus der Kleinheit seines litoralen Gebietes erklären, die Hauptgründe liegen aber wahrscheinlich in der freien, der Gewalt der Gezeiten stark ausgesetzen Lage des Felsplateaus der Insel, also in dem Mangel an ruhigen, geschützten Buchten, theils in dem Fehlen einer engeren Verbindung mit brackischen Gewässern. Andererseits erklärt sich das Uebergewicht Helgolands an fundicolen Fischen ungezwungen durch den grösseren Reichthum der tieferen, jenseits der Litoralzone gelegenen Meeresgründe an solcher Nahrung, deren die Plattfische, die Rochen, der Schellfisch, und die Knurrhähne vorzugs- weise bedürfen. Es sind dies in erster Linie Jlollusken und Würmer. In dem Reichthum schaleutragender Mollus- ken übertritft nämlich das Helgoländer Meeresgebiet die westliche Ostsee ganz ausserordentlich; und unzweifelhaft hängt dies zusammen mit dem grösseren Salzgehalt des Wassers in dem Helgoländer Gebiet. Wenn der Salz- gehalt des Meeres, wie oben erwähnt wurde, auf die Fische unmittelbar und namentlich auf die Verbreitung vieler Arten wenig oder gar keinen Einfluss ausübt, so bestimmt er doch indirekt, durch Einfluss auf die Masse gewisser Arten von Fischnahrung, die Grösse der Indi- viduenzahl, in der viele Fische auftreten und damit den wirklichen Fischreichthum eines Gebietes, der etwas ganz anderes ist, als der Formenreichthum. Dieser Fischreichthum ist im Helgoländer Ge- biet wenigstens bei fundicolen Fischen viel be- deutender, als in der westlichen Ostsee, vielleicht überhaupt grösser. Schwieriger zu erklären ist die auffallende Armuth des Helgoländer Fauneugebietes an aperticolen Fischen, nicht bloss in der Zahl der Arten, sondern auch in der Zahl der Individuen. Hering und Sprott kommen in der westlichen Ostsee in ungeheurer Menge vor, bei Helgoland im Verhältniss dazu spärlich. Diese Herings- armuth scheint der ganzen südöstlichen Nordsee eigen- thUmlich zu sein. Nur in den Ausmündungen der grossen Ströme, namentlich in der Eibmündung, kamen grosse Mengen von Clupea sprattus und auch von jungen Clupea harengas vor, aber auch hier nicht entfernt in derselben Masseuhaftigkeit, wie etwa in der Bucht von Eckernförde oder anderen Theilen der westlichen Ostsee. Ob das spär- liche Vorkommen solcher aperticolen Fische in dem Helgo- länder Gebiet, die wie Hering und Sprott von den kleinen Thieren des Plankton sich nähren, zusammenfällt mit einer quantitativ geringen Planktoumenge oder sonstigen Erscheinungen, müssen spätere Untersuchungen aufklären. Aus der Vergleichung der Hauptarten der beiden Fauneugebiete ergiebt sich also 1. In der Helgoländer Fischfauna spielen südliche Arten eine erheblich grössere Rolle als in der westlichen Ostsee. 2. lu der westlichen Ostsee sind die am reichsten von Fischen belebten Theile die flache, pflanzenbewachseue Litoralzone und die oberflächlichen und mittleren Schichten des freien Wassers. Dagegen ist der Boden des Meeres jenseits der Litoralzone relativ sehr fischarm. Im Helgo- länder Gebiet zeigt sich umgekehrt eine geringere Menge von litoralen Fischen, eine auffallende Armuth an aperti- colen, aber ein sehr grosser Reichthum au fundicolen Fischen. 3. Die Ursache dieser letzten wichtigen Unterschiede in der Zusammensetzung der beiden Localfaunen müssen Verschiedenheiten in dem Vorkommen und der Vertheilung der Fischnahrung sein. Die eine dieser bereits klar er- kennbaren Verschiedenheiten ist der grössere Reichthum des Helgoländer Gebiets an grundbewohnenden, schaalen- tragenden Mollusken, der wiederum bedingt ist durch den höheren Salzgehalt des Meerwassers. R. Ueber einen Heuschreckeu-Schwarm in Freetown (Sierra Leone), berichtet recht anschaulich ein in den Proceeding of the Zoological Society of London 1894, Heft I wiedergegebener Brief, aus dem wir Folgendes anführen: „Am 26. November 1893, Mittags li^öO", sah ich, wie die Berg-Abhänge (etwa drei Meilen in Luftlinie entfernt) ein ganz ausgetrocknetes Aussehen annahmen. In kurzer Zeit erschienen über ihnen dichte, schwarze Wolken, als ob ein starker Sturm im Anzüge wäre. Es war die Avant-Garde, die in der blendenden Sonne ein Bild gab, als ob die Berge in Feuer stünden. Um 2^ 45™ erreichte die Wolke Freetown. Die Heuschrecken zogen in dicht _'ü Massen ohne Unterbrechung bis 5'' 10™ vorbei. Da sie nur 30 — 40 Fuss hoch flogen, konnte man ein Ge- 86 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 7. rausch, wie das eines reissenden Stromes weithin ver- nehmen. Während der Dauer des Fluges war die Sonne verdunkelt. Myriaden setzten sich auf die Bäume und die Häuser, ohne dass eine Abnahme bemerkbar gewesen wäre. Die ganze Stadt war mit ihren Exkrementen be- deckt. Um 10 Uhr Abends waren sie noch sehr häufig, Um 6 Uhr am andern Morgen waren nur noch 2 — 3 zu sehen. Um 9'' 45'» begann der Zug von Neuem, aber nicht so dicht, wie vom Tage zuvor, und dauerte bis 1 Uhr." L. R. Die grosse Sturnifluth vom 23. Deceniber v. Js. hat in Helgolaiul verheerender gewirkt, als irgendwo anders. Ein grosser Theil der bekannten Düne ist dem wüthenden Element wieder zum Opfer gefallen, und es lag die Möglichkeit vor, dass die Düne ganz von der Bildfiäche verschwand. Keine von all den grossen Sturmflutben dieses Jahrhunderts ist für die Insel so ver- derblich gewesen, wie diese letzte. Der Grund, weshalb gerade Helgoland diesmal so sehr schwer zu leiden hatte, ist darin zu suchen, dass sich von dem Hauptminimum, welches am Morgen des 22. auf der nördlichen Nordsee erschienen war, ein sehr wenig umfangreiches Theil- minimum abgezweigt hatte, das auf der Wetterkarte vom 22. deutlich erkennbar ist. Das Centrum dieses kleinen AVirbels lag nun anfangs grade im Südwesten von Helgoland, daher kam es, dass die Sttdweststürmc, welche sonst im Kanal die Stärke 10 der 12-theiligen Beaufort- Skala nicht überschritten, in der Umgebung der Insel sich zum vollen Orkane steigerten. Mit dem Fortschreiten des Depressionsgebietes nach Nordost machte der Sturm um 11 Uhr Abends am 22. Decen'^ber die gefürchtete, vcrhängnissvolle Drehung nach Nordwest. Am nächsten Morgen zeigte es sich dann, dass grosse Theile der Düne von der Nord- bis zur Südspitze fortgerissen waren, dass die dem Felsen zugekehrte Kante ^anz und gar weg- gesptilt war, so dass jetzt ein steiler Fels nach dem Meere zu abfällt. So scheint es wirklich, als ob die kleine Insel in nicht gar zu langer Zeit völlig vom Meere verschlungen werden wird. Die Düne dürfte, falls sie nicht durch "be- sondere Schutzvorrichtungen gesichert wird, nur noch einer, höchstens zwei Sturmfluthen von der Heftigkeit des letzten Stand halten. Helgoland hat sich bekanntlich in ungefähr 1000 Jahren schon auf ein Zwanzigstel seiner ursprünglichen Umfangcs reducirt, man kann daraus un- gefähr entnehmen, in wie kurzer Zeit es vielleicht schon völlig verschwunden sein wird. Ein n>erkwürdiger Zufall hat es übrigens gewollt, dass es schon mehrfach, wie auch jetzt, gerade die Weihnachtszeit war, welche der Insel die schwersten Katastrophen brachte: die grösste Sturni- fluth (nächst der letzten) fiel in diesem Jahrhundert auf den 24. Deceniber 1821, und das grösste Sturmunglück der beiden letzten Jahrhunderte überhaupt, bei welchem die Verbindung der eigentlichen Insel mit der heutigen Düne zerstört wurde, fand am 25. Deceniber 1720 statt. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eniannt wurden; Der Privatdoeent der Physik Dr. Eugen Blasius in Berlin, interimistischer Nachfolger Professor Kundts zum ausserordentliehon Professor; der Privatdocent in der philo- sophischen Fiieultät zu Berlin Dr. Georg Volkens, sowie der ständige Mitarbeiter des Königl. Astronomischen Rechen-Instituts zu Berlin Paul Heinrich Lehmann zu Professoren; der als Bryologe verdiente Lehrer Karl Gustav Limpricht ander evangelischen Realschule II in Breslau zum Oberlehrer; der Assistent am Breslauer Anatomischen Institut Dr. Endres zum Lehrer der Anatomie an der Broslauer Königl. Kunstschule als Nachfolger des Dr. Gaupp; der Professor der Zoologie in Christi- ania R. Co 11 et zum Ehrenmitglied der Ungarischen Ornitholo- gischen Gesellschaft; der ausserordentliche Professor E. Aspelin in Helsiiigfors zum stellvertretenden ordentlichen Professor der Aesthetik an Stelle des Kanzleiraths Estlander ; Dr. Axel Heikel in Ilelsingfors zum ordentlichen Mitglied der Gesellschaft für Naturwissenschaften, Anthropologie und Ethnographie in Moskwa; der ordentliche Professor der Militär-Medicinal-Akademie in Peters- burg K. F. Sslawjansky zum Ehrenmitglied der Amerikanischen Gesellschaft für Geburtshülfe und Gynäkologie in Toronto (Canada) ; der Privatdocent der Zoologie Simroth in Leipzig zum ausser- ordentlichen Proessor. Berufen w'urden: Der Professor der Geographie Pechuel- Loesche in Jona nach Erlangen; Dr. med. Keilmann in Dorpat als Assistenzarzt an die Universitäts-Frauenklinik in Breslau; der Prof. der Physik in Tübingen Dr. Braun nach Strassburg. Es habilitirte sich: Dr. Hermann Thoms in Berlin für pliarmaceutische Chemie. Es starb: Der Professor der Geologie Dr. T. Harada in Tokio. L i 1 1 e r a t u r. Gruber, Christian, Dr., Die landeskundliche Erforschung Alt- bayerns im 16., 17. und 18. Jahrhundert. Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde, herausgegeben von A. Kirch- hoff, Bd. VIII., Heft 4. Mit einer Karte. J. Engelhorn. Stutt- gart IS'M. — Preis 3 M. Der Verfasser, welcher sich seit einer Reihe von Jahren speciell mit der Behandlung des bayrischen Alpenlandes und der bayrischen Alpen beschäftigt, stellt hier die älteren Versuche zu- sammen, die gemacht worden sind, um die Eigenart des alt- bayrischen Landes und Volkes zu erforschen und darzustellen, er will „den geographischen Gedanken bis hinab zu ihren An- fängen nachgehen und sich in die allmähliche Entwickelung des erdkundlichen Wissens von einem auch hinsichtlich alLik'bovliäiibc ju je 15 i'uirt. — i)!nl(cl, iSiilfcrfuiibf, 2 Jjiillilcbcilniiibo ju je lii liuivf. — ftccitcr, S)Jf'n'',lEi'le6cii, 2 §«16= k'bevbiiubc äii je IG llJavt. ^Svofpefte gratis, bie cijte aicfciiing jur 91nfid)t. Brrtait brs IPililinjjrajifjirififn Unpifufs in Iri^jig. \^ atent-technisches und I Verwerthung-Bureau ISetclie. Berlin S. 14, Neue Rossstr Verlag von Gustav Fischer in Jena Soeben ist crsctiienen : Dr. Alfred Möller Brasilische Pilzblumen. Mit 8 TatVIii. Pifis 11 Miirk. Das Werk bildet zuglek-h das VII. Heft der „Botanisrhen Mitteilungen aus den Tropen" lierausgebeii von Dr. A. F. W. Scliimper, a. o. Professor an der rniversitiit Ilonn. l)esorgcn undverwcrtlien FRITZ SCHMIDT&C2 Patent-Bureau u. Chem.Lab. Berlin,N.Chausseestr. 2 ^ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦«♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦Dakteriologlsche Kurse,» ♦ Unterricht in Nahrunj;smitfel-,# ♦ sowie Harnanalyse, monatlich. ♦ T Gelegenheit zum Ausführen J X selbstständiger Arbeiten. T ♦ Uebernahme von technischen und^ ^ wi.ssenschaftliehen Untersnchungen ^ ^ jeder Art. ^ ♦ Df. E. Ritsert's Bakteriologisch- ♦ J eheinisches Institut, ♦ X Inh. Ui-. Th. 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Soeben erschien: Garcll>il W'asscrböcke, Cobus ellipsiprymnus, erawshavi und defassa, 3 Schirranti- lopen, Tragelaphus sylvaticus, roua- leyni und decula, nur eine Giraf!c und einen Klcpliantcn. In jeder Gegend kommt aber nur eine Meerkatze vor, ein Pavian, ein Wasserboek, eine Schirr-Antilo])e, eine Zwerg-Antilope, ein Schakal, eine Wildkatze, ein Ser- val, ein Hase, ein Erdeichhörnchen, ein grosser und ein kleiner Halb- atl'e u. s. w. So würde man also aus den Merkmalen einer Säuge- tliierform leicht auf ihr Vaterland und umgekehrt aus dem \'aterlande auf die für dasselbe charakteristische Localform zu schliessen im Stande sein. Wenn ich z. B. aus der Nähe des Victoria Nyansa i'iii zum Schurz verarbeitetes Fell eines wcisssehwänzigen Ichneumons erhalte und nachweisen kann, dass es der als loempo von Temmink beschriebenen Form, nicht aber der vom Ostsudan her bekannten albicanda 6. Cuv. angehört, so darf ich mit Sicherheit annehmen, dass das Thier niciit an dem Südufer des Sees, sondern nördlich von Bukome im Westen und dem Nassa-Gebirge im Osten erlegt ist. weil bis zu dieser Grenze die ostafrikanische Fauna heranreicht. Ein anderes Beispiel bieten die Wildpferde dar. Sie gehören zu denjenigen Thiergrup])en, für die eine Diflfe- renzirung in Localformen jetzt schon sieher nachgewiesen werden kann. Vom Cap bis Nubien hinauf lebt in jedem zoogeographiscben Gebiete von einer grossen Wasser- scheide zu rler anderen je eine einzige Form der Einhufer. Das Bergzebra. Equus zebra L., ,,l)auw'- oder „AVilde Paard" der Colonisten ist das kleinste gestreifte \yildpferd; es hat die Gestalt eines Esels, lange Ohren, eine kurze .Mähne und einen Eselschwanz. Der Körjjer ist auf weissem Grunde mit schwarzen Streifen bis zu den Hufen herab gebändert, so dass 12—14 auf d<^u Bauchseiten verschwindende »juerbinden zwischen der Schulter und den Hüften sich befinden; die Schwanzwurzel ist quergestreift, ein Fleck über den Nüstern fahlrötlilich Burchells Nach dem Lehen g l)rauM, der Bauch und die Innenseite der Sehenkel rein- weiss; häufig findet sich von der Brustmitte an ein dunkler Längsstrieh über den Bauch. Burehell erwähnt, dass das wilde Paard am Paarde- berg bei Capstadt zu seiner Zeit nicht mehr lebte und nennt es erst vom Little Red River bei Celery Spring im Middle Roggeveld, wahrend Layard es noch 1868 in den Hottentot - Holland .Alountains bei Fransch Hock unweit C'a])stadt an der False Bay beobachtete. Derselbe Rei- sende fand es 1864 zwischen George nnd Beaufort Karroo in den Swart Bergen; von George und (4raf Reinett giehl es Harris an; Bryden sagt, dass es 1889 noch in den Snceuwenbcrgen, Zwart Ruggens, Zwartbergen, Wintcr- hoek-Bergen (so bei Cockscomb) gejagt wurde und Schoenland spricht von einer ziemlich starken, unter dem Schutze der Regierung gehegten Herde Ijei Cradock. Nach Osten erstreckt sich die Verbreitung des Bergzebra nicht über die Wasserscheide zwischen Great Kei River und Grcat Fish River, denn Barrow sah am Büffelfluss bei den Geel- beck hüls in British Kaffraria zuerst Zebra und Quagga nebeneinander und Lcvaillant machte dieselbe Beob- achtnng am Fischflusse im Gebiete der östlichen Busch- männer. Nach Norden zu geht die Grenze an der West- küste bis an den Orangefluss, woher mir ein im Besitze des Herrn Bergrath Busse in Coblenz befindliches, an der Einmündung des Fischflusses erlangtes Fellstück bekannt ist; auch vom Ka- mies Plateau am Groene Riever wird es durch Levaillant erwähnt. Nach Norden hin scheint der durch das Roggeveld, Nieuweveld, dieSneeuwen- Iterge und Groote Winterberge gebil- dete Gebirgsgürtel die Grenze zu bil- den, da schon vom Sack-Fluss und den Karree Bergen nur das Quagga erwähnt wird. (S. u.) Nördlich von dem vorstehend beschriebenen Gebiet ist das Berg- zebra, Equus zebra L., nirgends mit einiger Sicherheit nachgewiesen worden. Das Quagga, Equus quagga Gm. Dunkelbraun, nach hinten zu heller; Kopf und Vorderleib hellbräunlich quergebändert. Bauch und Unterseite weiss. Ich kenne für das Quagga folgende sichere Nach- weise: Burchell giebt dasselbe an von Quakka-Station, Astrild Station, südlich von Spring, von Rhenoster Poort, den (leranium Rocks und Wortel Fountein, alles Orte zwischen 24 und 25" östl. Länge und 30— SFsüdl. Breite. Ferner nennen es sowohl Burchell als Lichtenstein von Partridge Fountein nördlich vom Sack-Fluss und letzterer auch von den Karree Bergen, sowie \ou der Einmündung des kleinen in den grossen Fisehfluss, im Grenzgebiet für Zebra und Quagga. Holub giebt an, dass bei Colesberg heute noch 15 Exemplare geschont leben. Wenn auch vielleicht noch nicht ganz ausgerottet, geht diese Form in kürzester Frist ihrem Untergange entgegen. Ihr Verbreitungsgebiet lag zwischen der für das Zebra als Grenze angegebenen Gebirgskette und der Wasserscheide nördlich vom Orange- und Vaalflusse. Burchells Zebra, Equus burehelli Gray, das „Bonte Quagga" der Ansiedler ist grösser als das Zebra und Quagga, hat kleinere Ohren, einen mehr pferde- artigen Kopf, eine längere Mähne und einen etwas volleren Schwanz. Auf helll)rauuem Grunde sind Kopf und Körper dunkel gebändert; die Hüften weisen nur *) Die Clicl)(is zu den 3 Abbildiiiigen sind uns freundliehst von der Redaction der Zi'itst-lirift „-inologisclior Oarten'' selielien worden. Zebra *1 ez. von A. Held 02 Naturwisscusthat'Üiclie Wochenschrift. Xi. wenige kurze Streifen auf, Schwanzwurzel, Schenkel, Beine weiss, ohne Spuren von Binden; die Querbänder des Leibes reichen nicht über die Höhe der Weichen hinab; der Bauch ist bis auf eine dunkle Mittellinie weiss; über den Nüstern betindct sich kein röthlichbrauner Fleck. Diese Form des Tigerpferdes, welche ich in einer vorzüglichen Abbildung von der Hand der Frau A. Held hier wiedergebe, ist augenblicklich sehr selten in den zoologischen (Härten. Das betreffende Exemplar befand sich seiner Zeit lebend in Berlin. Burchell entdeckte dieses Tigerpferd im Norden des Ky Gariep oder Vaal-FIusses; er erwähnt dasselbe von Klaarvvater, Groote Fountein, vom Vaal-Fluss, von Onge- laks Fountein, von Littaku, von der Kuruman Station, vom Makkwari-Fluss und von den Kamhanni- Bergen. Im Levdencr Museum ■ ' ■ " "" befindet sich ein Exemplar Littaku und Buckley giebt an, es sei im Zululande 29" südl. Breite an nach Norden häufig. Wie weit E. burchelli in die Kalahari hinein verbreitet, darüber wissen wir nichts; wohl aber steht es fest, dass auf der Westseite der Kalahari ein anderes Tigerpferd lebt, wie ich später zu beweisen ver- suchen werde. Nach Norden scheint der Limpopo die Grenze zu bilden, wenig- stens erwähnt Chapmann, dass er von Sechellies Town an ein vom Bonte Quagga verschiedenes Tigerpferd ge- von von sich Land, woher Herr Baron von Rothschild in Tring mehrere lebende Exemplare bekommen hat, wie mir Freund Har- tert mittheilte. Herr Hartert hebt hervor, dass die Thiere gelblich seien mit schwächeren Binden zwischen den dunklen Querbinden. Baines beschreibt E. chapuianni vom Zimboya-Fluss in der Nähe des Zambese. Hierher sind jedenfalls auch die von Kerr in Süd-Matabele, am Ssasshi-Flnss, bei Tati, am Nyalzigo River und bei Ma- tope beobachteten Tigerpferde zu rechnen. Nach Westen zu fand Chapmann am Nosop zuerst eine andere Form, welche von dort aus nach der Küste hin lebt; er erwähnt zwischen dem Zanüjese und dem Nosop nur Quagga, vom Nosop an westlich das „wilde Paard". Auch Farini spricht davon, dass bei Tunobis zweierlei Tigerpferde, solche mit gestreiften Beinen, keine Burchcll-Zebra, son- dern Berg-Zebra, und Quagga mit weissen Beinen neben- einander leben. Ferner erzählt Wahlberg, dass er am SwakopHuss 5 Zebra und 4 dessen Be fol nun en funden habe, Schreibung ich lasse. Chapmann 's-Zebra, Equus chapmanni Layard. Sehr ähnlich dem Bur- chell - Zebra, aber noch schlanker, mit kürzeren Oh- ren, quergestreifter Schwanz- wurzel, mit Querbändern, welche auf dem Bauche mit den betreffenden Binden der anderen Körperhälfte in der Mittelbauchbinde zusammen- fliessen, bis zu den Hufen einem kaffeebraunen Fleck Das Damara-Zebra. Nach dem Leben gez. von A. Held. Bonte-Quagga erlegt habe. Alles dies scheint darauf hinzuweisen, dass das Ge- biet von Chapmann's Zebra mit den gestreiften Beinen vom Osten her sich nicht bis zur Westküste erstreckt, sondern am Nosop ungefähr seine Grenze findet, dass ferner an der Küste von Deutsch Südwest-Afrika ein Zebra mit weissen, unge- streiften Beinen lebt. Die- ses Zebra ist seiner Zeit von Harn. Smith beschrie- ben worden nach den Mit- theilungen, welche Figafetta über das in der Provinz Pembo lebende Tigerpferd gemacht hat. Das Damara-Zebra. Equus antiquorum H. Sm., steht am nächsten Burchell's Zebra, unterscheidet sich aber von demselben durch einen rothlichbraunen Fleck über den Nüstern, durch ge- streifte vSchwanzwurzel und den Knien s-ebän- gebänderten über Grundfarbe ist gelbbraun. Zwischen sich Beinen und den Nüstern. Die den dunklen Quer- binden des Körpers befinden sich schmalere mattere Binden von den Hüften an bis zur Mitte des Körpers. Junge Thiere sollen nach Chapmann weisse Grundfarbe haben. Der braune Fleck über den Nüstern unterscheidet sie von E. böhmi. Diese Form ist sehr gut in den Pro- ceedings of the Zoolog. Society London 1865, Tb. XXII abgebildet worden. Das Gebiet von Chapmanns Zebra erstreckt sich wahrscheinlich vom Limpopo bis zum Zambese nach Norden und bis zum Nosup nach Westen. Denn Chap- mann fand es in nächster Nähe des Limpopo bei Sechel- lies Town und bei Logu Hill am Zambese, ferner erwähnt Kirk für Sena am Zambese ein Zebra, welches sich durch die gelbe Farbe zwischen den Streifen von dem nördlich dieses Flusses lebenden unterscheidet und welches wohl E. chapmanni sein könnte. Weitere Fundorte für E. chapmanni sind der Matietse, Daka, nach Chapmann, das Salzpfannengebiet, das Land der Masarva und Malakahari nach Holub, der speciell die dunkle Art des Zebra erwähnt, und das Mashona- bis zu dertem Körper; von chapmanni ist es leicht dadurch zu unterscheiden, dass die Beine vom Knie herab weiss sind, mit kaum angedeuteter Bänderung und die Quer- binden der Körperseiten nach dem Bauch zu bei weitem nicht soweit herunter gehen, dass sie die Mittelbinde des Bauches berühren. Die Körperfarbe ist hellgelb, mit etwas Ocker verwaschen; zwischen den breiten Binden befinden sich schmale braune Streifen. — Diese Form des Tigerpferdes besitzt die Berliner zoologische Sammlung in einem ausgestopften Exemplar, welches durch Krebs aus den Gegenden nördlich vom Orange-Fluss, wahrschein- lich vom Südrandc der Kalahari beschaff't worden ist; ein weiteres Stück lebt im Berliner zoologischen Garten. Auf der obenstehenden naturgetreuen Abbildung, welche Frau A. Held die Güte hatte zu zeichnen, ist dieses Thier dar- gestellt. H. Smith erwähnt, dass diese Form am Orange-Fluss mit dem Bonte-Quagga gemischt vorkomme, giebt aber leider den genauen Fundort nicht an. Chapmann erzählt, dass das am Sehwagoup River zwischen Otjimbingue und der Küste lebende Zebra von dem kleinen, schwarzen Zebra sich durch bedeutendere Grösse und stark gelbe Ockerfarbe auf dem Körper unterscheide. An anderer Nr. 8. Naiiirwiösciisuhat'tiiche Wochenscliril'l. un Stelle spricht derselbe davon, dass die Zebra in üaniara- land weisse Beine haben mit nur undeutlichen Spuren von Streiten. Wahlbcrg- hat dieses Zebra bei Scheppniannsdorf gesehen, Hahn und Rath am Ondeknrundio, weitere Ocrt- lichkeiten findet man in Langkavels Heissiger Arbeit auf- gezahlt. Ich nelnne an, dass Equus antiquorum auf der atrikanischen Westküste vom Orange-Fluss nach Norden bis zur Flussscheide zwischen Cunene und Cuanza ver- breitet ist, denn Ladislaus Magyar traf in Kissandschi und Kiakka Tigerpferdc. Nach Westen wird diese Form den N'osop kaum überschreiten. Eine Notiz, welche Capello und Ivens geben, scheint anzudeuten, dass im Hinterlande von Benguela bei Cuma am Lomba-Fluss wiederum ein bis zu den Hufen ge- streiftes Zebra vorkommt; es könnte diese Angabe be- weisen, dass dort die Grenze für E. chapmanni ist. Nördlich vom Zambese beginnt das Gebiet eines an- deren Tigerpferdes, dessen charakteristische Merkmale ich nunmehr auseinander setzen werde. Die beigegebene Ab- bildung, ebenfalls von Frau A. Held, stellt das Exemplar des Berliner - - Gartens dar. Bö hm 's Zebra. Equus böhnn Mtscli. ist weiss, im Alter mit einem Stich ins Gelbliche, iiat ca. sieben Quer- binden über den Körper, wie chapmanni und antiquorum, die Schwanzwnrzel und die Beine bis zu den Hufen sind gestreift wie bei ehapnianni; dagegen fehlen die schwachen Zwischenbinden fast vollstän- dig und sind nur auf den Hüften angedeutet. Die Quer- binden des Körpers laufen, wie bei ehapnianni, auf der Mittellinie des Bauches zu- sammen. Ueber den Nüstern befindet sich kein röthlich brauner Fleck. Die \'erbreitung dieser Form erstreckt sich von Zam- bese an, wo Kirk dieselbe sah, nach Norden bis 1" 30' Zoologischen Böhms Nach dem Leben i bei den Morand)ala Bergen nördlicher Beite, wo nach von Höhnel E. grevyi auftritt, und bis nach Usui und Uganda, wie Grant erzählt, der von der Küste an nur dieses eine Zebra beobachtet und erlegt hat. Auch Thomson und 0. Neumann sahen auf ihren Reisen nur diese Form. Nach Westen geht es nach Stuhlmann west- lich vom Victoria-See bis zum westlichen Ufer des Kagera und fehlt westlich vom Kadjuma. Weiter nach Süden traf es Livingstone am Tanganjika bei Katuma, zwischen Moero und Tangaujika, am Lualaba, bei Basango in Manyema. Derselbe fand es bis zum Chisera, während weiterhin die Tigerjjferde nicht mehr auftraten. Böhm erwähnt diese Form, welche er in seinen Aquarellen mehrmals abbildete, westlich vom Tanganjika in Urua, am Luvule und Lufire und Cameron von Sona Baz in Ulunda. Es würde zu weit führen, hier alle bekannten Fund- orte für E. böhmi anzuführen; ich will nur noch erwähnen, dass Johnston, Cameron, Fischer, Burton, Grant und an- dere zahlreichere Oertlichkeiten zwischen der Küste und dem Seengebiet angeben, an welchem sie diese Form trafen. Nördlich von 1" 30' nördlicher Breite erscheint das- jenige Zebra, welches A. Milne-Edwards zuerst beschrieb. Grevy's Zebra, das Somali-Zebra, Equus grevyi A. M.-E. ist in der Gestalt dem Bergzebra ähnlich, aber auf weissem oder weissgelbem Grunde sehr eng schwarz bis an die Hufe herab gebändert, so dass ca. 16 — 18 Querbinden zwischen den Schultern und Hüften sieh be- finden. Der Fleck über den Nüstern ist schwarz: die Querstreifen über den Körper tliessen auf der Bauchmitte nicht zusammen, sondern lassen die Bauchseiten frei. Auf den Hüften sind sehr zahlreiche schmale Binden. Die Gegend vor dem Sehwanze ist eng quergestreift. Gute Abbildungen finden sieh in Proeeedings of Zoological Society, London 1882, S. 721 u. 1890, S. 413. Das Somali-Zebra wurde durch von Höhnel und Graf Telecki nördlich vom Tana-Fluss bei 1^30' nördl. Breite zuerst gefunden, ist nach einem von dem König Menelek von Schoa an den Präsidenten der französischen Republik geschenkten Exemi)lar beschrieben worden und wird von Selater aus dem Sonialilande, sowie von Let Marefix in Schoa erwähnt. Ferner besehreibt Tristram Valentine eine Haut, welche von einer aus Süd-Dolbahanta kommen- den Karawane gekauft war. Heuglin führt vom oberen Kitsch ein Zebra auf, und erwähnt das Vorkommen eines zebraartigen Thieres von den Quellenländern des Bahr-el- Abiad bei den Berri-Negern. Beide Angaben beziehen sich unstreitig auf diese Form, Hartmaun nennt als Fundort des Zebra u. a. die Galla- Gebiete, das Thalland des Abay und Tumat bis gegen Fazoglo hin, die Amhara und Qalabat, sowie die Gegend westlieh von Kir, woher auch Heuglin das Zebra erwähnt. Menges erzählt, dass das Zebra im Somali-Lande nicht über den achten Grad hin- ausgeht, Hagenmacher sah sie südlieh von Gansah , Emin führt an, dass die Schuli bei Fatiko sieh mit dem Fell bekleiden und dass es östlich davon und im sandigen Langolande häufig sei, auch Baker erwähnt es vom Schuli-Gebiet. Das Gebiet des Somali -Zebra dürfte also zwischen 1<* 30' und 8" nördl. Breite liegen und im Osten vom Meere, im Westen vom tropischen Urwaldgebiet begrenzt sein. Ob ein Zebra in Nordwest-Afrika lebt, darüber ist nichts bekannt. Lenz erwähnt zwar von Kadji nördlich vom Tinibuktu ein Zebra; diese Nachricht ist al)er sehr unwahrscheinlich. Nördlich vom 10" nördl. Breite beginnt das (iebiet von Formen, welche noch weniger gestreift sind als das Quagga, dasjenige der Wildesel. Man unterscheidet mit Sicherheit zwei afrikanische Wildesel, den nubischen und den Somali- Wildesel. Der Somali-Wildescl, Equus somaliensis Noaek. Mäusegrau; Schnauze, Unterseite und Innenseite der Beine weiss; Kopf dunkler grau; dunkle Querbinden auf den Sehenkeln und Füssen; Sehulterkreuz fehlt oder ist sehr schwach angedeutet; Rückenstreif nm- an der Schwanz- wurzel sichtbar. Dieser Esel ist auf der Somali-Halbinsel vom 8" nördl. Breite an bis zur Küste verbreitet, bewohnt die Ebenen am Rotlien Meer in den Adel- und Danakil-Ländern bis Zebra. jez. von A. Held. 9i Naturwisscuscliat'tlichc VVoulicuscLnCt. Nr. 8. zum Hawasch-Fluss und ist nördlich von Massaiia nicht mehr gefunden worden. Der Kubische Wildesel, Equus africanus Fitz. Röthlich grau; Maulgegend, Unterseite, Innenseite und Aussenseite der Fiisse weiss; .Scindterkreuz und Rücken- streif schwarz; an den Beinen keine oder sehr undeutliche Binden. Nördlich von Massaua beginnt das Gebiet des Steppen- csels; seine Verbreitung ist nicht wie bei dem vorigen nach Westen hin durch die Hochgebirge begrenzt, sondern er wird westlich bis zum Atbara gefunden, woher ihn Beurmann vom Gos Regeb zwischen Chartum und Kassala erwähnt. Auch Hartmanu kennt ihn von dort, sowie von Nord-Sakurieh, Sendi und Taka. Von Wickerode sah am Uribu-Gebirge Wildesel, Brehm nennt sie von Taka, Berber und der westlichen Samhara sowie vom Gebiet der Habab-, Maria- und Barka-Länder. Der nördlichste Fundort ist die Akaba oder Wadi el homar zwischen Abu Hammed und Berber, woher schon Calliaud, ferner Bay- ard Taylor, Burckhardt und Lepsius die Wildesel er- wähnen. Die Verbreitungs-Gebiete der einzelnen Formen von afrikanischen Wildpferden stellten sich demnach folgender- maassen dar: Berg-Zebra — Oapland bis zum Rand-Gebirge nörd- lich von der Karroo-Ebene. Quagga — Zwischen dem Randgebirge und der Wasserscheide nördlich vom Vaal-Fluss. Burchell's -Zebra — Gebiet des Limpopo. Chapmann's Zebra — (iebiet des Zambese. Damara-Zebra — Südwest- Afrika zwischen Orange- Fluss und der Cunene-Cuanza-Wasserscbeide. Böhm's Zebra — Zwischen der Wasserscheide nördlich vom Zambese und 1" 30' nördl. Breite. Grevy's Zebra — Zwischen 1** 30' nördl. Breite und 8»— 10" nördl. Breite. Somali-Esel — Nord-Souiali-Kttste und Südostrand von Abessinien nördlich von Massaua. Nubischer Wildesel — Zwischen Massaua, dem Atbara und 18" nördl. Breite. In der Deutsehen Kolonialzeitung hat Dr. Langkavel über Zähmungsversuche mit Equus burchelli berichtet. Seine Ausführungen sind sehr interessant. — Schon Andreas Sparruiaun besprach Zähmungsversuche mit ein- getäugenen Quaggas. In unserem Jahrhunderte schwankten die Ansichten über die Zähmbarkeit solcher Einhufer; sie wurden von einigen geleugnet, von anderen für möglich er- klärt. Noch 1876 äusserte Haggenmacher im Somalilande apodiktisch : Weder der wilde Esel noch das Zebra lassen sich zähmen; vorsichtiger jedoch Josaphat Hahn bei den Herero: Bis jetzt ist da« Zebra nicht gezähmt worden, viel- leicht weil man es noch nicht mit der nöthigcn Energie ver- sucht hat. Es wäre für jene Gegenden jedenfalls von un- berechenbarem Nutzen, wenn die Zähmung gelänge, da Pferde selten das Klima ertragen und deshalb rar sind; weiter im Norden kann man aber keine Rinder mehr gebrauchen, weil die verderbliche Tsetsefliege ihnen un- vermeidlichen Tod bringt. Seit Alfred Brehnis „Thier- leben" zweifelt wohl Niemand mehr an der Zähm- barkeit dieser Einhufer. Haben wir doch sogar in Europa eingefahrene Zebras gesehen. Vor zwei Jahren erregte neben den nach russischer Art vor einem niedrigen Wagen gespannten drei Lamas im Bois de Bologne auch das zum Ziehen benutzte Zebra im Jardin d'aeclimatation be- rechtigtes Aufsehen, und vor nicht langer Zeit fuhr hier in Hamburg der Thierhändler Möller mit einem Gespann gut eingefahrener Zebras durch die Strassen. Man ist aber noch weiter gegangen; denn auch den schon von Brehm erwähnten Kreuzungsversuchen ver- schiedenartiger Einhufer wandte man in den letzten Jahren die gebührende Aufmerksamkeit zu. Menges hatte schon 1885 beobachtet, dass die Eingeborenen um Berbera Equus somaliensis mit Hauseseln kreuzen. Sir Henry Menk besass in seinem Parke Bastarde von Equus Burchelli mit Ponies, von denen einer schon zwei Füllen geworfen, und im Moskauer Zoologischen Garten lebte 1889 ein Mischling (ö) von Equus hemionus (6) und Equus bur- chelli (o), der mit einem Hengste gepaart wurde. Kapitän F. D. Lugard hat 1893 seine Ansichten und Erfahrungen über die Zähmbarkeit der Zebra für den Transport entwickelt. Er glaubt, dass, wenn das Thier gezähmt würde, die Trausportfrage für Ostafrika gelöst sein würde, denn es würde weder von der Ttsetsefliege noch von klimatischen Seuchen afticirt. Von den Zebra- arten ist in Ostafrika und Uganda einheimisch der un- gefähr 14 Faust hohe Equus böhmi. Es ist seltsam, dass Mr. Sharpe von der Rinderseuche, welche jetzt im Süden von Nyassaland wüthet, auch viele Zebra ergriffen gesehen haben will, und dass Mr. Crawshay gleichfalls über die grosse Sterblichkeit der Zebra in jenen Districten berichtet; denn unser Reisender fand in den von ihm durchzogenen Theilen des Nyassalandes im Massailande und auf den Athi-Ebenen in Ukamba viele Zebraheerden, welche nicht von der Rinderseuche gelitten hatten. Schon im Jahre 1888 forderte er zu Zähmungsversuchen des Zebra auf und befürwortete speciell Kreuzungsversuche mit Pferde- oder Eselstuten. Die Zebra selber sind aber auch zähmbar nach den jüngsten Erfolgen in Südafrika, wo man acht fast ausgewachsene Thiere mit dem Lasso fing, von denen vier schon nach einem Monate völlig trainirt, die anderen freilich es nur erst theilweise waren. Sie sind willig und ziehen gut, und mau beabsichtigt, sie vor Kutschen von und nach Maschonaland laufen zu lassen. Hat man ihnen durch völlige Zähmung das Beissen abgewöhnt, dann sind sie, weil sie von der Horse-sickness nicht befallen werden, den Älaulthieren weit vorzuziehen. Da nun Equus böhmi in vielen Tausenden von Exem- plaren von der Küste an durch das Massailand bis in die fern- sten Theile Ugandas gefunden wird, da sie hier ziemlich leicht mit dem Lasso gefangen, oder in Umzäunungen ge- trieben werden können, so wird man sie auch ebenso wie in Südafrika trainiren können als Last- oder Zugthiere, und damit wäre für diese Gegenden die wichtige Transportfrage gelöst. Für bestimmte Gegenden würde freilich der ge- zähmte Elephant überaus wichtig werden, doch kann er nicht für die Entwickelung des ganzen Landes mit dem gezähmten Zebra verglichen werden. Es wäre aber nöthig, (lass der Fang der Zebra ein Staatsmonopol würde. Dann wäre es vielleicht möglich, das Zebra zu exportiren und dadurch für das Land eine gute Einnahmequelle zu schaffen. Die Seltenheit der MauUhiere in Indien z. B. ist eine der empfindlichsten Unbequemlichkeiten, mit denen die sonst so gut organisirte Waffenmacht Indiens zu kämpfen hat. Das durfte der wesentliche Inhalt der Lugard'schen .^littheilungen sein, wie sie Dr. Langkavel giebt. Hinzu- fügen möchte ich noch, dass in der bekannten Scholz'schen Menagerie sich vor Jahresfrist mehrere Böhms Zebra be- fanden, welche sehr fromm waren, niemals zum Beissen Miene machten und von denen eins gefahren wurde. Das Ein- und Ausspannen kostete damals noch viele Mühe und erforderte bei der riesigen Stärke des noch jungen Thieres die Kraft mehrerer Männer. Ferner sah ich neulich in der Afrika-Post ein zinkographisches Bild einer Photo- graphie, welche einen Sechserzug von Bergzebras vor einem Reisewagen darstellte. Nr. 8. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 95 Die historische Entwickelung der pflanzengeographischen Ideen Humboldts. L 0 )) c n u n < Willdcniiw'-') war vier janro vor )()l(lt, am 22. August 1765 zu Berlin Sciial t'en. Jahre Winden (t w s Karl Ludwii; Alexander \on Uuii geboren, wo sein Vater eine Ajjotheke besass. Frühe schon regte sich in dem Knaben die Lust und Liebe zur Natur. Er sammelte zunächst Raupen, um Schmetterlinge daraus zu ziehen. Das war der Weg, der unserm Willdenow zu seiner Lieblingswissenschat't, zur Botanik, ftihrte; denn die Raupen legten ihm die Forderung auf, die rechten Futterpflanzen herbeizusehaften und dadurch zwangen sie ihn, genauer auf die heimathlichen Pflanzen zu achten. Das Gymnasium, das Willdenow besuchte, forderte seine naturwissenschaftlichen Interessen so gut wie gar nicht; es überliess die Lösung dieser Aufgabe" einzig und allein dem Elternhause, und das that viel. Zunächst nahm es den Abiturienten auf, damit er beim Vater das Apothekergewerbe erlerne. Daneben empfing er Unter- richt in allen naturwissenschaftlichen Disciplinen. An der Seite des Vaters wirkten für ihren Beruf begeisterte Lehrer. Ein Freund und Vetter, der berühmte Aufseher am botanischen Garten in Berlin, Johann Tlieodor Gleditsch**), hatte den botanischen und Martin Heinrich Klaproth***), der durch seine Analysen einen gefeierten Namen erhalten, hatte den chemischen Unterricht über- nommen. Um sich weiter in den chemiscb-pharmaceuti- schen Disciplinen auszubilden, besuchte Willdenow sodann die berühmte Apothekerschule des Johann Christian Wiegleb t) in Langensalza. Nach Beendigung dieses Studiums zog der junge Pharmaceut Ostern 1785 auf die Universität Halle, um Medicin zu studiren, und im achten Semester, im Februar des Jahres 1789, promovirte er als Arzt. Neben den Fachstudien wurde die Botanik nicht vernachlässigt. Er botanisirte fleissig in und um Langen- salza, Halle und Berlin. Hatte er sich doch damals die Aufgabe gestellt, alle seltenen Pflanzen Norddeutschlands in sein Herbar einzulegen. Deshalb unternahm er auch grössere Excursionen; sie führten ihn kreuz und quer durch den Harz und durch die thüringischen Länder. Dabei l)egleitete ihn ein lieber Freund und Stndien- genosse, der spätere Missionsrath Klein, der ihm aus Trankebar allerlei ostindische Pflanzen und Samen sandte. Ueber diesen praktischen Arbeiten vergass Willdenow nicht die wissenschaftlichen; so wurde er auch mit der botanischen Litteratur der älteren und neueren Zeit vertraut. Schon das Jahr 1787 brachte dem jungen Mediciner die ersten botanischen Erfolge. Die naturforschende Ge- .sellschaft in Halle überreichte ihm in diesem Jahre das Diplom eines ordentlichen Mitgliedes, und der Buchhandel mit seinen betheiligten Kreisen nahm sein Erstlingswerk, den Prodronius florae Berolinensis, oder wie Humboldt daftir sagt, die Berliner Flora, sehr beifällig auf. In der ") Die einzige Biographie, die es über Willdenow giebt, danken wir dem Geheimen Justizrat v. Schlechtendahl, der als Uberlandesgerichts-Piäsident von Berlin nach Minden ging Sie hndet sich ini Magazin der Gesellschaft naturforschender Freunde, Berlin 1814, Bd. 6, S. V— XVI. **) Gleditsch war 1714 in Leipzig geboren und starb 178G in oerlin. ***) Klaproth. der Chemiker, war 1743 zu Wernigerode i. H. geb. und starb LSI? in Berlin. t) Wieglfb war 1 selbst IStXJ. Von (loniens König. (Fortsetzung.) Vorrede dieses Buches dankt Willdenow öffentlich dem nachmaligen Entdecker'-') des „Geheimnisses der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen" für zahlreiche Mittheilungen wildwachsender Pflanzen. Durch dieses Buch, das in die Reihe der Länderfloren gehört, erwarb sieb Willdenow viele Freunde, auch die Freundschaft des jungen Humboldt, der damals in Berlin weilte, um seine technologischen Studien zu fördern. Im folgenden Jahre (1789) kehrte Willdenow ganz nach Berlin zurück, wo der Vater, die Braut, die Wissen- schaft auf ihn sehnlichst warteten. Karl Johann Willdenow, der Vater, war seit einigen Jahren (seit 1786) verwittwet und fühlte sieh jetzt etwas unwohl. Der Sohn, der Arzt geworden, sollte ihm helfen und seine Stütze sein, damit er noch recht lange lebe. Allein der Mensch denkt und Gott lenkt. Vater Willdenow starb schon im Januar des folgenden Jahres in einem Alter von 52 Jahren. Henriette Luise, geb. Habermas, seine Braut, mit der er sich am 1. November 1790 vermählte und die ihm eine liebe Gattin und seinem einzigen Kinde, dem Pathen Humboldts, eine edle, zärtliche Mutter wurde, band ihn an Berlin und löste dadurch den schweren Konflikt, der in Willdenows Herzen ausgebrochen. Die Sehnsucht, hin- auszuziehen in die weite Welt, um sie mit erforschen zu helfen, hatte auch ihn gepackt; sie ward durch die Lee- türe der naturwissenschaftlichen Berichte der neueren Reisebeschreil>ungen immer wieder augefacht. Ihr ent- gegen trat die Liebe zur Braut. Beiden Neigungen zu- gleich zu folgen, war nicht möglich. Schon war die Ver- lobung vollzogen und der Hochzeitstag bestimmt, da er- ging von Russland her an ihn direct die verlockende Einladung, als Naturforscher an der geplanten Welt- umsegelung theilznnehmen. Der innere Kampf stieg aufs Höchste. Sollte er der Aufforderung folgen und die Braut verlassen? Willdenow heirathete, blieb daheim und diente auf diese Art der Wissenschaft. Und das war gut; denn in Berlin, wo Gleditsch gestorben, war, wie V. Schlechtendahl, der Vater, der geheime Justizrath, ausdrücklich hervorhebt, gerade gar niemand vorhanden, der dessen Stelle ersetzen und in den beschreibenden Naturwissenschaften hinlänglichen Unterrieht ertheilen konnte. Diese Lücke auszufüllen, war Willdenows Auf- gabe, und er erkannte sie. Sogleich sammelte er alle jungen Leute um sich, die nach weiterer Ausbildung in den Naturwissenschaften verlangten. Er ging mit ihnen botanisiren und bestimmte ihnen die Gegenstände, die iiim vorgelegt wurden. Seine Vorlesungen über Natui'ii-eschichte, insbesondere über Botanik besuchten eine „grosse Menge Zuhörer." (ileich- zeitig war er litterariseh thätig. Im Jahre 1 789 erschien zur Erlangung der Doctorwürde seine Abhandlung De Achilleis; 1790 veröftentlichte er seine Historia Amazan- thorum und seine Beiträge zur Biographic des Hofrath Gleditsch. Um seinen Unterricht zu beleben und zu ver- tiefen, war er unaufhörlich bemüht, geeignetes Material zusammenzutragen, einzuordnen und an dem reichen Schatze seiner Erfahrungen und Kenntnisse zu prüfen. Der Gedanke, seinen Zuhörern das Lernen soviel als möglich zu erleichtern, liess aus dieser Stoffsammlung in Langensalz;! geboren und starb da *) Christian Konrad Sprengel, geb. 1750, zog 179.3, in dem Jahre, da sein Buch erschien, ganz nach Berlin, wo er als Pensio- när einsarii und verlassen im ihn verarl. Natur«. Wochenschr. ihre 1816 starb. Näheres über Bd. IX, S. 101 und 124. 96 Naturwissenschaftliche Woeheuschrift Nr. 8. uacli und nach ein Buch entstehen, das in kurzer, über- sichtlicher Art die ganze weite Wissenschaft der Botanik umfasste und in sich einschloss. Dieser „Grundriss der Kräuterkunde", der etwa die Stärke und das Format unserer mitteigross gedruckten Gesangbücher hatte, er- schien im Jahre 1792 und fand eine begeisterte Auf- nahme. In Berlin erlebte er sieben Auflagen*) und in Wien zwei besondere Ausgaben**); ausserdem wurde er in mehrere Sprachen übersetzt. Dass Humboldt den Abschnitt über pdie Geschichte der Pflanzen" als das Beste und Schönste daraus hervorhob und das Buch selbst zu den „Klassischen Schriften" zählte, haben wir bereits gehört. Der Grundriss der Kräuterkunde ent- schied die Richtung, die sein Leben und Wirken in Zu- kunft nehmen sollte. Willdcnow blieb, so lange er lebte, der wissenschaftliche Vertreter der Botanik in Berlin. Am 2. Februar 1798 erhielt er die ordentliche Pro- fessur der Naturgeschichte beim Königl. Collegio medico chirurgico; am 18. November 1801 ward er, da Gcheim- rath Mayer gestorben, „zum Botanisten der Akademie der Wissenschaften und zum öffentlichen Lehrer der Botanik besteilt, auch wurde ihm der botanische Unterricht beim Forstdepartement und bei der chirurgischen Pepiniere übertragen." Zuletzt wurde er auch noch auf den Lehr- stuhl der ordentlichen Professur für Botanik an der von Friedrich Wilhelm IIL im Jahre 1809 gestifteten Uni- versität Berlin berufen. Nur wenige Jahre war es ihm vergönnt, diesen Ehrenplatz einzunehmen; denn schon am 10. Juli 1812, in einem Alter von kaum 47 Jahren führte ihn der Tod in die ewigen Gefilde des Jenseits. Willdenow war aber nicht nur ein begehrter und viel beschäftigter Lehrer, sondern auch ein von der Re- gierung oft bestellter Commissar***) und ein tleissiger Arbeiter am Baue der Wissenschaft. Im Jahre 1793 erschien seine Flora Cochinchinensis und 1794 seine Phytographica, d. i. eine Sanmdung von köstlichen Abbildungen seltener Pflanzen. Das Jahr 1796 brachte die erste Auflage seiner „Berlinischen wilden Baumzucht", die 497 Arten zählte. Die zweite Auflage, die 1811 erschien, umfasste bereits 770 Arten. Im Jahre 1797 kam, wie bereits gesagt, der erste Theil seiner Ausgabe der Linne'scheu Species plantarum heraus. Das war ein Werk echt deutscher Gelehrsamkeit. Werden doch in diesem ersten Bande nicht weniger als 235 ver- schiedene Werke citirt und inhaltlich verarbeitet. Der achte Band (Tom. IV, Pass. II) schliesst mit Elephantusia, der Elfenbeinpalme, als der 1934. Gattung der Blüthen- pflanzen. Der neunte Band, der mit den Pflanzen der 24. Klasse und zwar mit den Farnen beginnt, bildet den Schliisstein einer Arbeit, die ihn zu einer pflanzen- geographischen Zusanmienfassung herausfordertet) Die gekrönte Preisschrift über die Obstarten, die 1801 ver- öffentlicht wurde, hatte er mit Homeyer abgefasst. Seine „Anleitung zum Selb.ststudium der Botanik" erlebte 1804 die erste und ls(i9 die zweite Auflage. Im Jahre 1801) wurde sein Ilortus l>erolinensis, 1809 wieder die zwei Bände seiner „vollständigen systematischen Uebersicht aller im botanischen Garten zu Berlin kultivirten (tc- wächse" gedruckt. Ausser diesen Büchern schrieb *) Nämlich 17n fünf Auflagen besorgte Willdenow selbst. **) In den Jahren 1808 und 1818. ***) 1810 war Willdenow Mitglied der wissenschaftlichen De- putation im Ministerium befall siuli ili'r Vcrfiisser im Sommer 1893 naeli Traiis- viial, um i'ini' eingeliendo rntor.~iu-luin,i; dor Goldlagerstätten, so- wie der bergliaidielien und wirtlisehat'tlielien Verhältnisse des l^andos vorziinelimen. Veranlasst wurde diese Reise durch das Bediirfniss, der im folfreiidcn Jahre zusammentretenden Silber- konimission zuverlässiges Material zur Beurtheihing des Werthes und der Zukunft der siidafrikanisehen Goldfelder liefern zu können. Gerade in Transvaal hatte in den letzten Jahren die Goldjiroduktion einen derartigen Aufschwung genommen, dass es I8il'2 .s(dHin an roduktion gesetzt wurde, wünle rechtfei'tigen können und es war deshalb eine objektive Prüfung der dortigen bergbaulichen Ver- liältni.sse an Ort und Stelle nöthig, wenn man eine Grundlage gewinnen wollte, zur Beurtheilung der Frage, oli für den Gold- bedarf der oivilisirten Nationen bei Aufrochterhaltung der Gold- währung in Zukunft hinreichend gesorgt werden könne. Anfangs .luni 189:! verliess der Verfasser Deutschland und begab sich über London, Southampton, Madeira und Teneriffa nach Kapstadt und dann nach Purt_ Elizabeth, von wo ihn die Eisenbahn zunächst nach - nH.,n,Pnn. "" ""i"" T'' ^l"}''"'^''^;'''?''- 7, I^^« afrikanischen Wildpferde. - Clemens König, Die historische Entwickelung ue. pflanzengeographischen Ideen Humboldts - Ueber die Pupille der Katzen. - Ein Krebs mit einer Extremität statt einet Litteratur: Schmeisser, Bergrath, Ueber Vorkommen und Gewinnung der tzbaren Mineralien in der südafi-ikanischen Republik (Transvaal) unter besonderer BOTÜcksichtJgünrdes'GoldbeVgbaue^s Liste. o o p 100 Naliirwissenschaftlichc Wochensclintt Nr. «. ?(1§ Liierter icil ber „?(lkiem. ^faturtunbe" evfcfieiiit fccteii: ftör(r)rijidjtr ^ Bon Dr.p.llfiimmjr. 3njette, uou %xü\. Dr. ^. Slßfig ncubenröeitetc 'äluflnijc. Ißif 1000 aiExtliilbrra. 4 laiini unb 34 Safeln iit f oljl'rfmitf s.vXs JarlicuSrucf!. 28 Siefeniiiflcn ju je 1 9Juirt ober 2 Miilblebcrbiiiibc ju je 16 Wiad. i*oI(ftäiiMfl liciicii uoii i^or „?lllin'mciucii Süiliutimiii'" Kor: Jtrclim, JierlEbeii, 10 öiillilobcvliäiitic ,iu je l.'i Siiirf. — ^jnnrfc, Sifjölifuiii) ticr lictiiiclt. 3ii öalb. letier 1j JJuuf. — Jioitfc, Ter JJlciiirt), J waaile&evliiiubc jii je 15 SJuiv'. — iUntjel, lUilfcttHiiiic, 2 JialOlebeviiäiibf ,;ii je IG SJuirt. — ficnier, ipfranjenleSen, 2 §016= leberüiinbe 511 je lö 5DInrt. ^'rofpettc grnti^, bie cqte Lieferung äuv ^.!(tific^t. Brvlag lies Bibliinn-apljifrfjjii Unilifiiis in Ii'ipjig. ^1 Anfertigung & Ausarbeitung Mechanischer Modelle & Neuheiten l)illigst t.fi G. Völlner, Berlin N. Eberswalderstr. 2'.i. , atent-technisches mul I Verwerthung-Bureau ft Betclie. Berlin S. 14, Neue Kossstr. 1 Pateiitbiii'ean Ulrich R. Maerz, Berlin NW., Louisenstr. 22. == Gegründet 1878. = Patent-, Marken- und Muster- schutz für alle Länder. Erfindnng^en, Neuheiten, Modelle jeiler Art werden zu- verlässig, billig, distTGt in meiner Spe- ciaUverkstatt ausgearbeitet und angefer- tigt, auch brieflich. W. Maaske, Mechan., I^erlin N., öchwedterstr. 31. Sehmücke ■ dein Heim mit F i g u re n antik, u. mod. Büsten au.s Elt'enbenimasse. Itiaplianieii 4>las1iiIi:;er Vorlage, für wissen- schaftliche und gewerbliche Zwecke, wird in meinem Insti- tut seit .lahren gentlegt. Die Abbildungen in dieser Zeit- schrift gelten als Proben meines Verfahrens. Albert Frisch, Berlin W. 35, LUtzowstr. 66. IPr,.t,.u und Kosteuiiuscliliik-,' Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braiinwrhueig. (Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) Soeben erschien: i Die Fortschritte der l'lij sik 1 im .lahre 1889. Dargestellt von derPliysikaliseheii Gesellschaft zu Berlin. f'i'iiifiififificr^/ffftfer Jtihrfßiing. Erste Abtheilang. entbaltenil : Physik der Materie. Redigirt von Richard Börn- ^agsgy^r? js^i^'5^@:cais^ I '"'"• »'-^ ««"• prots ««■■»«> Mark. Käfer u. Schmettertinge billigst bei Kricheldorff, Oranienstr. 135, Berlin S. »♦»♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Herrn. Kläger, Nadleroieisier Berlin iSO.. .\on den sympatliischen Zellen nur marklose Fasern ent- springen und iu ihrem ganzen Verlaufe so bleiben, wie es für gewisse derselben feststeht Abschnitte ihres Verlaufes markhaltig'? Nr. 9. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 103 (lies vor allem liri den Fasern der Gang'lieugeflechte der Darnnvand und bei vielen anderen peripherischen Ganglien gefunden wird. SoN iel von den allgemeinen Verhältnissen des Ganglien- iierM-nsystems. Was nun den feinsten Bau und die Ver- riclituiigen di'sselben hetritt't, so betone ich in erster Linie den schon vor Jahren von mir aufgestellten Satz, dass dieser Theil des Nervensystems, theils vom Gehirn und Rückenmark abhängig ist, tlieils durch seine zahlrcieheu Ganglien und die in denselben entspringenden Nerven- fasern eine besondere Selbständigkeit besitzt. In letzterer Hcziehung waren in erster Linie Versuche maassgebend, die bewiesen, dass beim Frosche nach gänzlicher Zer- störung des Kürkenmarkes allein oder desselben samnit dem (iebirn, mit Schonung der Medulla oblongata wegen der Athembewegungen, der Herzschlag, der Kreislauf, die Bewegungen des Darrakanals, die Verdauung, die Ab- sonderungen tage- selbst wochenlang fast ebenso gut von statten gehen, wie unter normalen Verhältnissen; ferner die l)ekannte Erfahrung, dass das ausgeschnittene ganze Herz noch lange regelrecht pulsirt, wenn es dagegen zer- schnitten wird, ruhende und sich fortbewegende Theile zeigt. Wenn man die Vorhöfe und die Kammer eines Froschherzens durch einen Querschnitt von einander ge- trennt hat, pulsiren nur die Vorhöfe weiter, die Kammer dagegen nicht; und wenn man ein Froschherz in kleine Stücke sehneidet, pulsiren nur diejenigen fort, die von der Verbindungsstelle von Kammer und Vorkammern stammen, die anderen nicht, woraus folgt, dass die Or- gane, welche die Bewegung des Herzens bedingen, an dieser Stelle ihren Sitz haben. Betrachten wir nun den feinsten Bau der sympathi- schen Ganglien, so ergiebt sieh als Hauptthatsaehe die, dass, wie beim Rückenmark und Gehirn, alle sympathi- schen Ganglienzellen nur einen Fortsatz besitzen, der in eine echte Nervenfaser sich fortsetzt. Im einzelnen ergeben sich jedoch mit Bezug auf diese Ursprünge, soviel bis jetzt bekannt ist, zwei ver- schiedene Fälle. In dem einen sind die sympathischen Zellen unipolar und entsenden überhaupt nur einen Aus- läufer, welcher Fall schon lange von Amphibien bekannt ist, indem die lauge Zeit räthselhafteu Ganglienzellen mit Spiraltasern hierher zählen, die so gedeutet werden, dass die Spiralfaser als Ende einer vom Centrum kommenden, dunkelrandigen Faser aufgefasst wird, welche den Körper der Ganglienzelle mit Endverästelungen korbartig umgiebt, während die Zelle selbst nur einen geraden Fortsatz ent- sendet. Solche unipolare sympathischen Ganglienzellen sind ausser beim Fiosche und bei der Kröte auch bei Tritonen und Eidechsen mit Sicherheit nachgewiesen worden, konmien aber höchstwahrscheinlich auch in gewissen Ganglien von Säugethieren vor, unter denen der Unter- kieferknoten (Ganglion submaxillare) des Hundes und auch sympathische Zellen des Kaninchens genannt werden können. In Betretf des Verhaltens der Spiralfasern und der geraden Faser dieser Zellen hat die neueste Zeit vor allem an den Ganglienzellen des Herzens des Frosches gewtinnene, wichtige Fortschritte aufzuweisen, von denen ich folgende namhaft mache: 1. Die Spiralfaser theilt sich oft gabelig. — 2. Spiral- fasern können auch Acste abgeben, die zu den Muskel- fasern des Herzens sich begeben. — 3. Die geraden Fasern zeigen auch Theilungen und wurden bis zu den Hcrzmuskelfasern verfolgt. — 4. Es wurden in den Herz- ganglien auch bipolare Zellen gefunden, deren eine Faser centralwärts verlief, während die andere zu den Muskeln sich begab. — Aus diesen Thatsachen lassen sich folgende Schlüsse ableiten : a) Die Spiralfasern verhalten sich, abgesehen von ihrem eigenthümlichen Verlaufe, wie andere in Ganglien eindringende Nervenfasern und enden, wie diese, mit Endgeflechten, sogenannten Körben, um die Nervenzellen herum. Diese Körbe und die Spiralfaser einerseits, die Zelle und die gerade Faser andererseits sind somit ge- trennte für sich bestehende Bildungen. — h) die Spiral- fasern können zu mehreren aus einer Stammfaser ab- gehen, wie dies auch bei anderen centrifugal wirkenden, in Ganglien des Sympathicus eintretenden cerebrospinalen und sympathischen Fasern der Fall ist. — e) Die geraden Fasern sind nicht Dendriten oder Protoplasmafortsätzen zu vergleichen, sondern einfach Axencylinderfortsätze der betretfenden Zellen, die zu Muskelfasern treten und hier- bei Verästelungen zeigen. — d) Eigenthündich und viel- leicht nur beim Herzen vorkommend ist, dass die Spiral- fasern nicht nur mit gewissen Acsten ((Jollateralen) Faser- körbe bilden, sondern mit anderen Acsten auch Endigungen in Muskeln besitzen. — e) Der eigenthümliche spiralige Verlauf der betreftenden Fasern erklärt sich, wie schon Retzius andeutet, aus der Entwickelung derselben. Die- selben sprossen offenbar seeundär aus mehr centralen Zellen hervor und treten nach und nach an die betreffen- den Ganglienzellen, wobei je nach den vorliegenden Wachsthumshindernissen ein gerader oder ein gewundener Verlauf derselben sich ergiebt. Neben diesen unipolaren Zellen finden sich nun bei den höheren Geschöpfen, vor allem bei den Säugern, im Sympathicus vorwiegend oder vielleicht ausschliesslich mit vielen Fortsätzen versehene oder multipolare Zellen, von welchen Fortsätzen jedoch stets einer zu einer echten markhaltigen oder markloseu Nervenfaser sich gestaltet, die aus dem betreftenden Ganglion heraustritt und peri- pherisch weiter läuft, während die anderen zahlreichen Fortsätze in nächster Nähe der Zelle sich mehr oder weniger reichlich verästeln und mit feinen, freien Enden zwischen den benachbarten Nervenzellen verlaufen. In beiden Fällen, bei den unipolaren und bei den multipolaren Zellen, entsteigen somit in den sympathischen Nervenknoten Nervenfasern, die man in dieser Beziehung wohl als sympathische bezeichnen darf, und stellen sich somit diese Knoten als Urs]irungsstätten von Nervenfasern dar, deren Zahl in Anbetracht der Millionen von Zellen im Gesammtgebiete des Sympathicus als eine ganz kolossale zu bezeichnen ist. Was wird nun aus diesen sympathischen Nervenfasern in ihrem weiteren Verlaufe? Eine Erwägung aller Ver- hältnisse ergiebt, dass dieselben in zwei Kategorien zer- fallen. Die" einen derselben begehen sich nach längerem oder kürzerem Verlaufe unmittelbar zu unwillkürlichen Muskeln und enden an den Fasern derselben, während eine andere Giuppe derselben in näheren oder entfern- teren sympathischen Ganglien ihre Endausbreitung finden. Zu den ersteren Fasern, welche die direet motorischen heissen können, gehören einmal alle Fasern, welche von den am meisten peripherisch gelegenen Ganglien ent- springen, wie zum Beispiel die von den Hcrzganglien, den Ganglien der Muskelwand des Darmes, den mikro- skopischen Ganglien der Lungen, den sympathischen Gang- lien der Kopfnerven, zum Beispiel dem Augen-, Nasen-, Ohr- und ünterkieferknoten abstammenden Fasern. Auf der anderen Seite kommen aber auch von den grossen Ganglien der Grenzstrangkette solche Fasern, die, ohne weiter Ganglien zu durchsetzen, zu ihrer Endausbreitung gelangen. Als schlagendstes Beispiel für diesen Fall seien die Fasern erwähnt, die bei der Katze die Haar- balgmuskeln, die die Haare des Rückens zum Sichsträuben bringen, versorgen, und welche in den sympathischen (xrenz- strangganglien entspringen. 104 NjitiirwisscMLscIiaHliclic Wucliciisclii-iri. Nr. 9. Mit dem Namen indirekt motorische sympathische Fasern bezeichne ich alle in sympatiiischen Ganglien ent- springenden und in anderen solchen Ganglien endenden, centrifngal wirkenden Nervenfasern. Auch diese Elemente .sind erst in den letzten Zeiten durch neue Methoden nachgewiesen worden. Nach diesen P>tahrungen finden sieh in den Grenzstrangganglien und in den "peripheren Ganglien der Darmwand von anderen sympathischen Ganglien abstammende Fasern, welche zwischen den Ganglienzellen reichere oder minder reiche Verästelungen bilden, wenigstens in gewis.sen Fällen mit ihren Enden in besondere Beziehungen zu den einzelneu Zellen treten und Körbe um dieselben bilden. Diese Endigungen hat man nun oütenbar als die Mittel zu betrachten, durch welche Zellen verschiedener Ganglien aufeinander zu wirken vermögen, mit anderen Worten motorische Im- pulse von einem (ianglion zum anderen sich fortpflanzen. Bei dieser Einwirkung kommen übrigens wohl sicher auch die zahlreichen verästelten, kurzen Fortsätze der Ganglien- zellen, die Dendriten derselben, zur Wirkung, in der Art, dass die eintretenden Nervenfasern vermöge dieser Ein- richtung nicht nur einige wenige, sondern eine grosse Zahl von Zellen zu erregen im Stande sind. Ferner sind auch an Fasern, welche einfach durch die Ganglien durchtreten, Collateralen beobachtet worden, denen die- selbe Wirkung zuzuschreiben ist, wie den letzten Enden von Fasern. Alles zusammengenommen, erscheint somit das ge- sammte sympathische Nervensystem, mit Ausnahme der sensiblen Elemente, als ein motorisches System von un- zählig vielen, verzweigten, z. Th. aufeinander wirkenden Nerveneinheiten oder Nervenbäumchcn, und es wird so leicht begreiflich, wie von beschränkten, wenigen An- griffspunkten aus unter Umständen ganz ausgebreitete Wirkungen erzielt werden können. Zur vollen Klarlegung der anatomischen und i)hysio- logischeu Verhältnisse des sympathischen Nervensystems sind nur noch eine Reihe Einzelheiten und vor allem die Beziehungen desselben zum übrigen Nervensysteme zu be- sprechen. Wie ist es zu erklären, dass wir nur sehr unbestiunnte Anschauungen über die Zustände und Vorgänge in den vom Sympathicus versorgten Theilen haben, wie auf der anderen Seite der grosse, mächtige Einfluss zu deuten, den Zustände der Seele, Affectc aller Art, ferner Er regungen des Rückenmarks auf die Thätigkeit des Herzens, den Zustand der Gefässe besitzen? Furcht, Angst macht das Gesicht in Folge von Contraction erblassen, verursacht eine lebhafte Schweissabsonderung, eine Zu- sanimenziehung der Haarbalgmuskeln, die sogenannte Gänsehaut, während andere Affectc durch Erschlatilung der Gefässmuskeln ein Erröthen der Haut, reichliche Thränenabsonderung hervorrufen, von gewissen Zuständen der Geschlcchtssphäre nicht zu reden. Betrachten wir diese Beziehungen genauer und fassen wir zunächst das Gebiet der Eni])findungen ins Auge, so finden wir, dass alle vom Sympathicus versorgten Theilc normal nur sehr unklare Sensationen veranlassen, denn wir haben keine Kenntniss der mechanischen Erregungen, die die inneren Wandungen des Magens, des Darmes, der Blase treffen, ferner kaum eine Spur von Ortsgefühl in diesen Theilen, kein Bewusstsein für Wärme und Kälte, für chemisch wirkende Substanzen. Auf der anderen Seite erhalten wir aber doch dunk- lere oder bestimmtere Vorstellungen von der Fülle des Magens, dem Inhalte des Enddarms und der Blase. Blutüberfüllung der Milz bedingt das bekannte Milz- stechen, Zusammenziehungen des Uterus machen sich als Wehen geltend, von den Lungen aus kann Bcklcnmiung und Athemnoth sich ausbilden und anderes mehr, und in krankhaften Zuständen, bei Entzündungen, starkem Drucke durch Nierensteine u. s. w. entstehen in allen vom Sym- pathicus versorgten Theilen heftige Schmerzen. Alle diese Erscheinungen leite ich von einer geringen Zahl dunkelrandiger Nervenfasern ab, die von den sen- siblen Wurzeln der Rückeumarksnerven durch die Ver- bindungsäste in den Grenzstraug des S3'mpathicus über- treten und besonders in den Eingeweiden sich verzweigen, Nervenfasern, von denen die in den Pacini'schen Gefühls- körperchen des Gekröses beim Mensehen und bei der Katze vorkommenden das sicherste Beispiel abgeben, die aber auch als duukelrandige, gröbere Fasern in den Nerven der Leber, der Jlilz, der Nieren, des Darmes, der Nebennieren, der Gebärmutter, der Eierstöcke, Blase u. s. w. enthalten sind und in diese Organe eintreten, wie dies auch vom Darme nachgewiesen ist. Die grosse Mehrzahl dieser sensiblen Fasern verläuft meinen Beobachtungen zufolge in der Bahn der sogenannten Eingeweidenerven oder Splanchnici, zieht einfach, ohne Verbindungen mit sympathischen Ganglienzellen einzugehen, durch das grosse Ganglion coeliacum und die benachbarten Ganglien- haufen hindurch und begiebt sich von da zu den Nerven- geflechten der Milz, des Darmes, der Leber, der Nieren u. s. w., in welchen sie inmitten unzähliger Remak'scher und einer gewissen Menge feiner, markhaltiger sympathi- scher Fasern im ganzen mehr vereinzelt als stärkere Fasern von 7 — 11 — 13 fj^ Durchmesser bis in die be- treffenden Organe verlaufen, in denen sie wahrscheinlich, wie in den Pacini'schen Körperchen, als blasse, marklosc Fasern frei enden, nachdem sie vorher oft, wie ich dies zuerst in den Milznerven beobachtet, Theilungen erlitten. Der Einfluss von Gehirn und Rückenmark auf die Bewegungserscheinungen im Gebiete des Sympathicus ist schwieriger zu deuten, doch stehen uns auch nach dieser Seite bestimmte Thatsachen zu Gebote. In erster Linie ist zu betonen, dass dieser Einfluss theils ein dirccter, theils ein indirecter ist. Indirect nenne ich die Einwir- kung der Centralorgane, wenn dieselben, durch äussere Erregungen veranlasst, die unwillkürlichen Muskulaturen zu Contractionen oder auch zu Erschlaffungen bringen; wie zum Beispiel die Bewegungserscheinungen mancherlei Art, die auf Reizungen der äusseren Haut und von Schleindiäuten erfolgen und sich in Zusammenziehungen von Gefässen, im Auftreten von Secretionen (Thränen, Speichel, Magensaft, Darmsaft), von Erschlaffung und Zu- sammenziehung glatter Muskeln (Erhebung der Brustwarze, Erection, Contraction der Tuuica dartos) u. s. w. kund- geben. Diesen Bewegungen, die als Reflexerscheinungeu zwischen dem Gebiete des Sympathicus und den cere- brospinalen Nerven bezeichnet werden, stehen die durch directe Einflüsse entstehenden gegenüber, wie die Zu- sammenziehung und Erschlaffung der Gefässe durch ver- schiedene Gemüthszustände, wie solche zum Beispiel beim Erblassen der Haut und beim Errötheu, bei der Ver- mehrung oder Verminderung der Herzpulsationen, bei der Schweissbildung und der vermehrten Thränenabsonderung sich kundgeben. Am genauesten untersucht ist von diesen Zuständen einer, der beim Menschen zwar auch nicht fehlt, aber doch hier weniger ausgesprochen ist, und zwar die Zusammenziehung der Haarbalgmuskeln, der Arrectores ]nlorum oder Piloraotoren, über welche wir eine sorg- fältige Beobachtungsreihe bei der Katze besitzen, bei welchem Thiere bekanntlieh die Rückenhaare im Affectc sich aufrichten. Die Nervenfasern , die auf die Haarbalgmuskeln wirken, stammen aus dem Rückenmark, die durch die vorderen Wurzeln dasselbe verlassen und durch die Ranii conununicantes zu den Ganglien des Grenzstranges gehen. Ni. '.). Nalm wisseuscliallliclie VVucbeiisclirifl. 105 Von diesen aus begeben sieb die betrettcnden Fasern wieder zn den dorsalen Aesten der Riicl!, 1893, S. 392) auf Grund embryologischer Beobachtungen. Er kommt zu dem Ergebniss, dass die Apterygier nicht von vogel- ähniichen Kriechthiercn, sondern von echten fliegenden Vögeln, von Carinaten, abstannnen. Diese besitzen in der Art der Befiederung, den Flügeln, dem Schwanz und dem gekielten Brustbein Kennzeichen, die sie von den Ratiten trennen. Doch sind das Merkmale, die bei lau- fender Lebensweise rasch abändern. Die Form des Quadratbeines, das für gewöhnlich nur bei den Kiel- vögein doppelköptig ist, ist jedoch bei einigen von ihnen ebenso gestaltet wie bei den Ratiten. Es haben sich die Gattungen der letzteren früh gesondert abgezweigt, doch aber nicht früher als einige Carinaten. Zeigen doch die Pinguine im Bau der Wirbelsäule und der Flügel ebenso starke Kriechthieruierkmale wie die Strausse in dem Vor- handensein der Nägel. Die Füsse von Apteryx und Di- nornis sind vier-, die des Casuar, des Emu und der Rhea drei-, die des Strauss zweizehig. Das Becken des Kiwi und des Moa ist das eines Kielvogels, bei den Casuareu und Emus sind Ilium und Ischium vereinigt, bei Rhea sind die Ischia verbunden, beim Strauss findet sich eine Symphyse wie bei den Säugern. Ebenso variiren die Ratiten stark in der Ausbildung der Befiederung, der Flügel u. s. f. Schliesslich hat der Kiwi ausserordentlich kleine Augen, aber sehr wohl entwickelte Geruchsorgane. C. M. Die Erforschung der physikalischen A'erhältuisse des Bodensees. — Die wissenschaftliche Erforschung des Bodensees, welche vor wenigen Jahren im gemein- samen Auftrage der Uferstaaten unternommen wurde, ist nunmehr ihrem Abschlüsse nahe. Ueber die Ergebnisse derselben sind wir durch zahlreiche Einzelabhandlungen bereits in ausgiebigem Maasse unterrichtet. In den Bereich der Bodenseeforsehung gehörten auch die physikalischen Verhältnisse. Temperatur, Farbe und Transjjarenz des Wassers sowie die eigenartigen Schwankungen des Seespiegels, die von den üfer- bewohnern des Genfer Sees .TSeiches" genannt werden, sind ebenfalls Gegenstand der Untersuchung gewesen. Der bekannte Schweizer Limnologe Forel hat das hierbei gewonnene Material bearbeitet und der Vorsitzende der Bodenseecommission Eberhard Graf Zippclin hat uns die Forel'sche Arbeit in deutscher Form vorgelegt. iHeft 22 der Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung.) Was uns darin geboten wird, erscheint bedeutungsvoll genug, um selbst in kurzer Fassung bei den Lesern dieser Zeitschrift noch lebhaftes Interesse zu erwecken. AVir beginnen mit den Temperaturverhältnissen, deren Erforschung Forel mit Recht als die wichtigste unter den auf einen See bezüglichen physikalischen Untersuchungen bezeichnet. Im Bodensee erstreckte sich die Untersuchung auf die Temperatur des Wassers an der Oberfläche, auf diejenige in den verschiedenen Tiefenzonen und auf die des Hauptzuflusses, des Rheines. Die Oberflächen- teraperaturen wurden durch die Kapitäne der Dampf- sehiffe täglich in der Zeit zwischen 11 Uhr Vormittags und 1 Uhr Nachmittags möglichst in der Mitte des Sees gemessen. Es wurden auf diese Weise durchschnittlich ungefähr 9 Beobachtungen pro Tag gewonnen. Das arithmetische Mittel aus diesen täglichen Beobachtungen galt dann als die (»berflächentemperatur des Sees. Gegen ein solches Verfahren der einfachen Mittelbildung könnten allerdings nicht unbegründete Bedenken erhoben werden, allein Forel sucht darzuthun, dass dasselbe unter den ge- gebenen Verhältnissen immer noch den wahrscheinlichsten Werth der Temperatur liefere. Die gewonnene Tages- mittelcurve zeigt denn auch jene Gesetzmässigkeit im Verlauf, wie sie der Art der Erwärmung und Erkaltung des Sees entspricht: im Herbst und Anfang des Winters, wo der See allmählich erkaltet, grosse Regelmässigkeit der Wärmeabnahme von Tag zu Tag; im Frühjahr und Sommer dagegen, wenn das Seewasser sieh erwärmt und innerhalb desselben in Folge verticaler Strömungen thermische Schichtung sieh einstellt, ungemeine Ver- änderlichkeit der Tagesmittel. Im Durchschnitt der beiden Beobachtungsjahre — August 1889 bis ein- schliesslich Juli 1891 — ergaben sich folgende Monats- mittel der Uberflächentemperatur: J. 3,7 al F. 3,0 A. 19,1 S. 15,7 M. A. M. J. J. 3,6 5,3 11,2 16,0 18,3 0. N. D. Jahr 11,7 8,2 5,0 10,1 Die Jahrestemperatur ist vermuthlich etwas niedriger etwa das Mittel aus längeren Beobachtungsreihen; denn die Zeit 1889 — 1891 war in Mitteleuropa eine ver- hältnissmässig kalte, sodass auch die Lufttemperatur z. B. für Genf um nahezu P unter dem normalen Werth zurück- blieb. Nach den obigen Zahlen gehört der Bodensee zu den Seen des gemässigten Typus, wozu Forel diejenigen zählt, in denen die Wasserwärme sich im Sommer über den kritischen Stand von 4" erhebt, im Winter aber unter denselben sinkt. Das Maximum der Seetemperatur inner- halb der Beol)achtungsperiode betrug im Tagesmittel 2J,6", das Minimum 1,8". Letzterer Werth erscheint ziemlieh 110 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 9 hocli, da ja der Bodeusee theilweise im Winter zufriert und ist darum auch gewiss nicht als zuverlässig anzu- sehen. Die obigen Werthe sind aus Beobachtungen in der jjelagischcn Region des 8ees, d. h. also im offenen See gewonnen. ."^ehon dort zeigte sich eine grosse Ver- schiedenheit unter den gleichartigen Beobaehtungs- resultaten. Diese Verschiedenheit der Temperatur wird aber noch viel grösser, sobald wir in die Nähe der Ufer konnnen. Die Wärme des Wassers ändert sich dann oft um mehrere Grade. Während der Beobachtungszeit sind auch im Lindauer Hafen Temperaturmessungen vor- genommen worden. Dieselben ergaben für die Monate September bis Februar durchweg eine niedrigere, für die Monate März bis August aber eine höhere Temperatur als die in der pelagischeu Region gei'undene und zwar Avar das Wasser im December um "2,9" kälter, im April um 2,6" wärmer. Aehnliche Thatsachen förderten die Teni- peraturlieobachtungen im Untersee zu Tage. Auch dieser ist im Sommer (Apr. — Oct.) wärmer, im Winter kälter als der offene Bodensee; doch ist der Unterschied hier im allgemeinen ein geringerer. Im Jahresmittel dürften längere Beobachtungsreilien für l)eide Seen nahezu die gleichen Werthe ergeben. Nicht minder interessante Resultate lieferten die Tiefentemperaturmessungen. Dieselben wurden von Herrn Späth in Friedrichshafen ausgeführt. Leider ist die Zahl derselben keine sehr grosse. Während der zweijährigen Beobachtungszeit wurden nur 12 thermische Lothungen vorgenommen. Immerhin reichen diese Temperaturreihen aus, um uns die allgemeinen thermischen Vorgänge inner- halb der AVassermasse des Sees deutlich erkennen zu lassen. Zunächst ergaben die in verschiedene Jahreszeiten fallenden Beobachtungen, dass bis zu einer grossen Tiefe eine jährliche Wärmeschwankung besteht. Dieselbe er- reicht für eine thermische Jahreszeit: ± 16« an der Oberfläche „ 12» bei 10 m Tiefe 6" 90 „ 2,5 „ 30 „ In den Schichten von 40 bis 80 m ist sie niedriger als 2" und von 100 m ab niedriger als 1°. Im Herbst 1890 wurde eine Wärmezunahme von 0,4" sogar noch in Tiefen von 230 m beobachtet, eine Erscheinung, die Forel .selbst nicht mehr mit Sicherheit zu erklären vermag. Er nimmt an, dass die Hauptursache dieser auffallenden Wärniezunahme in der Vermengung des Seewassers mit den verhältnissmässig wärmeren Wassern der Zuflüsse zu suchen ist. Weiter lehren uns die thermischen Lothungen, dass zu gewissen Zeiten die Temperatur des Sees von der Oberfläche bis in die grössten Tiefen dieselbe ist. Es muss dieser Zustand eingetreten sein, sobald an der Oberfläche das Wasser auf 4" sich abgekühlt liat. Denn dann hat dieses Oberfläclienwasser das Dichtigkeits- niaximum erreicht, unter demselben kann also weder wärmeres noch kälteres Wasser sich befinden. Kühlt sich dann das Wasser noch weiter ab, so tritt die soge- nannte verkehrte Schichtung ein, wo das Wasser in der Tiefe wärmer ist. Der Eintritt der Temperatur von 4» innerhalb der Periode der Abkühlung und ebenso inner- halb der der Erwärmung bildet also einen wichtigen Punkt in den thermischen Veränderungen des Sees. Durch diese Termine werden die beiden entgegengesetzten Wärmeschichtungen von einander getrennt. Für die Beobachtungsperiode belief sich die Dauer der kalten Oberflächefeniperatur von 4" und darunter auf 85 Tage, diejenige der warmen über 4" somit Dieses Verhältniss weist den Bodensee warmen Seen zu. Die sich im Mittel bis zu etwa 100 ni. auf den 280 Tage. thermische Schichtung temperirten erstreckt dieser Tiefe treffen also gewöhnlich die Temperatur von 4" zum ersten die In der Untersuchung ver- wir Mal an. Scheiden wir bei kehrte und rechte Schichtung von einander, so erhalten wir einen überraschenden Gegensatz, indem für die erstere die Grenze um 60 m tiefer liegt als für die letztere, für die allein im Mittel 90 m gefunden wurde. Das Eindringen der Temperatur in die Tiefe erfolgte im Bodensee in der Weise, wie wir es von anderen Seen bereits kennen. Im Laufe des Sonnners erwärmen sieh die oberen Schichten stetig, während in den tieferen Re- gionen die Temperatur nur langsam zunimmt. Dadurch bildet sich in der Tiefe von 10 bis 20 m eine Stufe starker Temperaturänderung aus, welche von Richter als tliermisehe Sprungschicht bezeichnet wurde. Dieselbe ist im Bodensee vielfach sehr deutlich ausgebildet und würde sich in den Temperaturreihen gewiss noch deutlicher zeigen, wenn die Zwischenräume zwischen den einzelnen Messungen kleiner als zu 5 m angenommen wären. Von der Sprungschicht an nimmt im allgemeinen die Wärme gleichmässig fortschreitend nach der Tiefe ab. Das be- stätigte sich auch in einigen Temperaturreihen im Bodensee; seltsamer Weise aber nicht in allen. Es liegt hier eine überraschende Thatsache vor. Die plötzliche stärkere Abnahme wurde unmittelbar vor dem Eintritt der Tem- peratur vou 4" beobachtet. Forel glaubt an eine mechanische Einwirkung des Windes. Wir möchten die auffallende Erscheinung eher als eine Art Sprungschicht betrachten. Das Eindringen der Wärme erfährt eben eine Unterbrechung an der Stelle, wo das Wasser die grösste Dichte besitzt. Die Temperaturmessungen im Rhein endlich, dem Hauptzufluss des Sees, erstrecken sich über die Zeit vom 1. Januar 1890 bis 30. September 1891 und sind von Herrn M. Zingeler in Rheinach ausgeführt worden. Nach denselben betrug die mittlere Temperatur des Rheines im Jahre 1890 +7,58", d. i. 2,7" weniger als die gleich- zeitige Temperatur des Bodensees in der pelagischeu Region. Nur während des Frühlings in den Monaten März und April ist der Strom wärmer als der See und zwar um 1,3 bis 2,5" im Mittel des Monats. In allen übrigen Monaten waltet das umgekehrte Verhältniss, der See ist dann an der Oberfläche wärmer als der Rhein. Im August 1890 erreichte dieser Unterschied im .Monats- durchschnitt sogar 6,9". wurden auch Erhebungen Weciisel des Rheines während angestellt, in den 7 ersten Gleichzeitig thermischen eines Tages über den der Dauer eines Tagen Monats wurden zu diesem Behufe neben den gewöhnlichen Temperaturmessungen um Mittag solche auch zur Zeit des Sonnenauf- und -Unterganges angeordnet. Die Höchst- beträge der täglichen Teraperaturänderungen beliefen sich auf 3,2". Die grössten Schwankungen fielen auf Sommer und Herbst. Im Mittel aller Tage stellte sich der Betrag des Temperaturwechsels nur zu 0,5". Dieser Betrag dürfte sich bei der Wahl anderer Beobachtungszeiten gewiss etwas erhöhen, denn nach Forsters Untersuchungen („Die Temperatur fliessender Gewässer Mitteleuropas" in Penck's Geograph. Abhandl. Bd. V) fällt ja das Mininmm und Maximum der Temperatur in Flüssen keineswegs mit den obigen Beobachtungszeiten zusammen. Das Mininunn tritt im Sommer um 7'>a, im Winter um 8''a, das Maxi- mum im Sommer und Winter etwa um 3''p ein. Durch diese Untersuchungen am Bodensee ist somit die Frage nach den Ursachen der eigenartigen Wärme- vertheilung in unseren Binnenseen sowie auch nach der Nr. 9. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 111 kliiiiatischeu Bedeutung; derselben, worauf Forel noch be- sonders hinweist, um ein erlieblieiies klarer gestellt worden. lici der ['ntersiichung- der Transparenz des Boden- secwassers wurde unterschieden die Bestimmung der 8iclitl)arkeitsgrenze, d. h. der Tiefe, in welcher ein von der Sonne beleuchteter Gegenstand im Wasser vor unserem Blicke entsciiwindct, und die Feststellung der (irenze des Kindringens des Lichtes, also der Tiefe, bis zu welcher eine lichteniptindliche Substanz von den Strahlen der Sonne im Wasser noch beeintlusst wird. Die Siclitharkcitsgrenzc wurde mit Hülfe einer weiss- gestriclieuen, runden Blechscheibe von 20 cm Durchmesser ermittelt. Diese Scheibe wird lothrecht in die Tiefe versenkt und nun die Stelle aufgezeichnet, an welcher die Scheibe beim Niederlassen verschwindet, und ebenso diejenige, an welcher sie beim Heraufziehen wieder er- scheint. Das Mittel dieser beiden Tiefen ist die Grenze der Sichtbarkeit. Auf Grund der Beobachtungen können nun folgende Thatsaclien für den Bodensee als erwiesen betrachtet werden: 1. Im Verlaufe eines Jahres ändert sich die Durch- sichtigkeit des Wassers in der Weise, dass das Wasser im Winter klarer, im Sommer trüber ist. Die weisse Scheibe verschwand im Winter bei 6,60 m, im Frühling bei 5,82 m, im Sommer bei 4,49 m und im Herbst bei 4,52 m. 2. Die Durchsichtigkeit ist zur selben Zeit an ver- schiedenen Stellen des Sees verschieden. In Konstanz lag die Sichtbarkeitsgrenze im Jahresmittel in einer Tiefe von 8,68 m, in Bregenz in einer solchen von 3,29 m. Diese beiden Zahlen lehren zugleich, dass die Klarheit des Wassers im Bodensee wesentlich von den Bei- mengungen an Sehlammtheilehen abhängt, die die Zu- Hiisse ihm zuführen. Im allgemeinen nimmt die Klarheit zu, je weiter man sich von der Mündung des Rheines entfernt. Die Trübung des Seewassers dürfte zum Theil auch die Ursache der obigen Jahresperiode sein; denn das Rheinwasser ist nur im Sommer milchig und trüb. Allerdings wird die Durchsichtigkeit in der warmen Jahres- zeit gewiss auch durch die stärkere Entwiekelung leben- der Organismen vermindert. Auch die verschiedene thermische Schichtung des Wassers übt zweifellos einen Einfluss hierauf aus. Die Feststellung der Tiefe, von welcher ab im Boden- see vollkommenes Dunkel herrscht, geschah nach der Forel'schen Methode. Lichtemptindliche Papierblätter wurden bei Nacht in Abständen von 10 m in den See eingesenkt und nach etwa 24 Stunden wieder herauf- geholt. Die Grenze des Lichteindringens ergiebt sich aus der Tiefe desjenigen Blattes, das vollkommen weiss wieder heraufkommt. Als lichtempfindliches Papier ver- wendete man Albuminsalzpapier, das mit salpetersaurem Silber behandelt wurde. Für den Sommer lieferte diese Bestimmungsmethode die Tiefe von 30 m als Liehtgrenze; für den Winter konnte nur festgestellt werden, dass der Beginn völliger Dunkelheit oberhalb der Tiefe von 50 m liegen müsse. Zu diesem unbestimmten Resultat gelangte man, weil man nach den Erfahrungen im Genfer See die winter- liche Grenze des Lichteindringens von vornherein tiefer angenommen und die Papierblätter dementsprechend tief eingesenkt hatte. Sie kamen vollkommen weiss wieder herauf Dieser ph_ysikalische Unterschied zwischen Boden- see und Genfer See ist interessant. Fast doppelt so tief dringt dort das Licht ein, im Sommer bis 45, im Winter bis 110 m. Aehnlich verhält es sich auch mit der Sicht- barkeitsgrenze. Hier steht dem Durchschnittswerthe von 5,4 m im Bodensee ein solcher von 10,2 m im Genfer See gegenüber. Der Unterschied ist um so auffallender, als doch in beiden Wasserbecken die maassgebenden äusseren Bedingungen nahezu die gleichen sind. Auch die Farbenbestinunung des Bodenwassers ei'- folgte nach Forel'scher Methode. Diesem grossen Seen- forscher verdanken wir eine genaue tixirte Farbenscala, nach welcher die Wassei'farhe eines Sees ziendich genau abgeschätzt werden kann. Die Scala erhält l'orel durch Mischung einer blauen und gelben Lösung. Die Beob- achtungen im Bodensee ergaben, dass die (Grundfarbe seines Wassers den Nummern VI oder VII der Forel'schen Scala entspricht, also ein Grün zeigt, das man durch Mischung von 20 bis 27 Thcilen gell)er mit SO bis 73 Theilen blauer Lösung erhält. Als Ursache der grünen Farbe sieht Forel die Beimengung von aus zei'setzten vegetabilischen Stotfeu hervorgegangenen Humussäure an. Ausserordentlich sorgfältig sind schliesslich auch noch die Schwankungen des Seespiegels beobachtet worden. Unter Schwankungen des Sees sind die bekannten „Seiches" zu verstehen. Für diese Art der Bewegung des Wasserspiegels hat der Uferbewohuer des Bodens, wie der Graf Zeppelin in einer interessanten Vorbemerkung tretfend nachgewiesen hat, keinen Ausdruck. Vor allem bedeutet ,,Rus" etwas ganz Anderes als „Seiche", nämlich einen leichten Wind, eine Brise, die eben nur den See- spiegel besäuselt. Die „Seiches" wurden zuerst am Genfer See beobachtet. Ihr Vorhandensein ist dann aber später für eine grosse Zahl von Seen nachgewiesen worden. Auch am Boden- see sind die Seesehwankungen wahrgenommen. Forel selbst hat ihr Vorhandensein 1874 mit Hülfe eines fein- sinnig erdachten Apparates, seines sog. Plemyrometers, sicher festgestellt. Zur genaueren Untersuchung der Er- scheinung bediente sich die Bodenseecommission eines selbstthätigen Limnographen, der ihr von dem Erl)auer des Apparates, Herrn Dr. E. Sarasin in Genf, bereit- willigst überlassen wurde. Dieser Sarasin'sehe Linmo- graph wurde nach einander in Bodman. Konstanz und Hirsehberg aufgestellt und lieferte ein reichhaltiges Ma- terial, das die Art der Seiches im Bodensee deutlicii zu erkennen gab. Die Beobachtungen in Bodman ergaben zunächst das Vorhandensein einknötiger Längssehwankungen mit der mittleren Dauer von 55 Minuten. Die Höhe dieser Schwankungen bewegte sich zwischen 0 uud 115 mm. Es traten stets eine Reihe von Schwankungen hinter- einander auf und zwar waren es meist sehr langgestreckte Reihen. Oft folgten über 50 Schwankungen auf einander. Neben den einknütigen Seiches machten sich häufig noch zweiknötige Seiches bemerkbar, von etwa der halben Dauer, von weit geringerer Höhe und von geringerer Länge der Reihen. ländlich zeigten die Aufzeichnungen des Linmographen zuweilen auch noch raschere Be- wegungen des Wassers, die vermuthlich von mehrknötigen Schwankungen unbestimmteren (,'harakters herrühren. Die mittlere Höhe sämmtlichcr Seiches in Bodman belief sich auf 21 mm, die relative Höhe, d. h. die Höhe der Schwankungen über und unter dem mittleren Tagesstand des Wasserspiegels auf i 10 mm. Zu ähnlichen, aber doch vielfach abweichenden Ergeb- nissen führten die Messungen in Konstanz. Die Lage dieser Beobachtungsstationen am Ende einer Seitenbucht des Sees Hess von vornherein Besonderheiten der Er- scheinung erwarten. Vor allem trugen die Seesehwankun- gen in Konstanz den Charakter grosser Unregelmässig- keiten. Ferner erreichten sie durchgängig nur geringe Höhen, 14 mm im Mittel. Es wurden constatirt: einknötige .Schwankungen von 56 und zweiknötige von 28 Minuten 112 Naturwissciiseliaftliclii' Wocbcuschrill. Nr. \l Dauer; beide zeigten sich aber nur sciiwach ausgeprägt. Dcntlich und klar waren dagegen hier noch Schwankun- gen von 15 Minuten Dauer /u erkennen. Diese traten sehr häufig' auf und können darum als die normalen Schwankungen von Konstanz angesehen werden. ( )b hier vievknötige Längsschwing-ungen vorliegen , worauf die Dauer von l.'i Minuten hinzudeuten scheint, lässt sich vorderhand nicht entscheiden. In der dritten Beobachtungsstation Kirchberg be- finden wir uns ziemlich nahe der Mitte der Länge des Sees, also nahe dem Knoten der einknötigen und dem Mittelbauch der zweiknötigen Längsschwankungen. Dem- gemäSÄ erscheinen auch in den Aufzeichnungen des Linnio- graphen die einknötigen Schwankungen von 56 Minuten ungemein schwach und äusserst selten erkennbar. Sehr regelmässig traten dagegen die zweiknötigen Schwan- kungen mit einer Dauer von 26 Minuten auf. Häutig bildeten dieselben lange Reihen, indem sich die Schwan- kungen unausgesetzt sogar 39 mal wiederholten. Weiter wurde dann in Kirchberg noch eine eigenartige Er- scheinung, nämlich eine Schwankung von 39 Minuten, wahrgenommen, eine Erscheinung, für die eine Erklärung noch nicht gefunden werden konnte. Bei der Lage dieser Station in der Mitte des Sees musste auf Grund der Er- fahrungen am Genfer See auch das Auftreten von Quer- schwankungen erwartet werden. Nun sind hier noch Seiches von 4 Minuten ziemlich häufig beobachtet worden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir es in diesen wirk- lich mit Querschwankungen zu thun haben. Diese kurzen Schwankungen durchkreuzen sich mit denen von längerer Dauer, sodass also Längs- und Quersehwankungen gleich- zeitig nebeneinander zu bestehen scheinen. Forel fügt dem interessanten Berichte auch seine be- kannte Erklärung der Seiches bei. Nach seiner An.sicht rühren die Seeschwankungen von einem an einem be- stimmten Punkte dem Wasserspiegel gegebenen Anstoss, von einer Erschütterung desselben durch eine rasche Störung des atmosphärischen Druckes, namentlich in Folge eines Sturmes, her. Wenn ein solcher Anstoss gegeben ist, der die Horizontalität des Seespiegels gestört hat, ge- winnnt der See seine Ruhelage erst wieder durch eine Reihe von mehr oder weniger regelmässigen oscillato- rischen Bewegungen, also durch Schwankungen des Wassers, durch „Seiches". Die physikalischen Verhältnisse des Bodensees sind dank den umfassenden Arbeiten der Kommission nunmehr in ihren allgemeinen Zügen festgestellt. Damit ist eine sichere Grundlage geschaffen für die Entfaltung weiterer Thätigkeit auf diesem Gebiete, eine sichere Grundlage aber auch für den Ausbau der Seenkunde überhaupt. Dr. Willi üle. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Kniiinnt wurden: Der Professor der theoretischeu Physik Dr. Ernst Dorn in Halle zum Dirtetor des dortigen physilia- lischen Instituts als Nachfolger des in den Ruhestand tretenden Geheimrath Prof Dr. Hermann Knoblauch: Hofbibliothekar Dr. Nick in Darmstadt zum Direetor der dortigen srossherzog- lichen Bibliothek; der ausserordentliche Professor der Dermatologie Dr. Victor .Janowski an der böhmischen l'niversität Prag zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Privatdocent Reinhard Brauns an der technischen Hochschule in Karlsruhe als ordentlicher Professor der Mineralogie und Geologie nach Tübingen als Nachfolger des Prof. Branco; der ausserordentliche Professor der ph3'siologschen Chemie in Berlin Dr. Hermann Kossei nach Aljlehnung eines Rufes nach Marburg als Nachfolger des Prof Fränkel ebendorthin als ordentlicher Professor der Physiologie und Leiter des physio- logischen Instituts an Stelle de» Prof Külz ; der ausserordentliche Professor der gerichtlichen Medicin in Wien Dr. P. f)ittrich als ordontliehor Professor nach Prag. Es habilitirten sich: Dr. G. Landau in Berlin für Mykologie; Dr. Struliell für Zoologie und vergleichende Anatomie in Bonn ; Dr. Kurt Hassert für Geographie in Leipzig; Dr. Garten in der medizinischen Facultät zu Leipzig; Dr. Georg Stick er für innere Medicin in Giesson. Es starben: Der hochbedeutende Kliniker Georges Octave D u jardi n-Beau m etz in; der ausserordentliche Professor der anorganischen Chemie in München Dr. Gerhard Krüss; der frühere Professor der Physik an der Pariser Pharmacieschulo J. Regnaul d; der Botaniker Marquis von Saporta in Aix. Der 13. Congress für innere Medizin findet vom 2. bis .5. April in München statt. — Vorsitzender: v. Ziemssen. Der XI. Deutsche Geogfraphentag tritt vom 17.— 19. April in Bremen zusannnen. In Verbindung mit dem Geographentage wird eine geogr. Ausstellung stattfinden. — Vorsitzender des Centralausschusses: Wirklicher Geh. Adm.-Rath G. Neumayer, des Ortsausschusses: Georg Albrecht; Geschäftsführer des Central- ausschusses: Ingenieur- Hauptmann a. D. Cieorg Kollmann; Central- sekretiir des Ortsausschusses: Dr. W. Wolkenhauer-Brenien. Die wissenschaftliclien Beamten des „Museum d'histoire natu- relle" in Paris haben auf Veranlassung des Herrn Milne-Edw arils einen Verein gegründet, mit dem Zweck sich gegenseitig auf dem Laufenden ilirer Arbeiten zu halten. Eine neue Zeitschrift ,,Bulletins des natural istes" wird die Verliandlungen bringen. L i 1 1 e r a t u r. Faul Lindenberg, Berlin in Wort und Bild. Mit \H4 IHustr.i- tionen. Ferd. Düuimlers Verlagsbuchhandlung. Berlin 189.') — Preis 7,50 M., geb. 9 M. Das vorliegende, hübsche buch kann gewissermaassen als eine Ergänzung zu dem schon besprochenen W^erk von Trinius „All- deutschland in Wort und Bild" angesehen werden. Es tritt nicht nur in demselben Gewände auf, sondern auch die Behandlung des Gegenstandes lehnt sich an diejenige des genannten Werkes an. Um das äussere Berlin kennen zu lernen, ist das Buch sehr ge- eignet. Es bietet nicht eine genaue Beschreibung der Verwaltung der Stadt, der städtischen Einrichtungen u. s. w. wie das Friedel'sche Buch, es handelt sich vielmehr um Essays, könnte man sagen, die mit Geschick das Augenfällige und namentlich für den Fremden Bemerkenswerthe hervorkehren und die zeigen, dass der Verf seinen Gegenstand gründlich behandelt. Auch der Berliner wird mit Freuden und nicht ohne Anregung in dem gut und reichlich illustrirten Buch blättern. Das folgende Inhaltsver- zeichniss wird eine Idee von dem Inhalt geben: Kreuz und quer durch Berlin. — Zu Schutz und zu Trutz: 1. Polizei und Verbrecherthum, "i. Die Feuerwehr. — Die vierundzwanzig Stunden von Berlin. — Das rollende Berlin. — Der Thiergarten. — Auf der Strasse. — Unter den Heimathlosen. — Die Verpflegung Berlins. — Was sich die Linden erzählen. — Unter den Volks- vertretern. — Die Toilette Berlins. — Im Freien. Berlins Ent- wickelung und Verwaltung. — Unsere Stadtbahn. — Berlin bei Tisch. — Wesen und Witz des Berliners. — Die Stadt der Ar- beit und der Fremden. — Die Sorge für die Armen und Kranken. — Stätten der Bildung und Wissenschaft. — Denkmäler und Mu- seen. — Im Zeichen des Verkehrs. — Von der Münze zur Börse. — Das militärische Berlin. — Die Umgebung Berlins. G. Partheil u. W. Probst, Die neuen Bahnen des naturkund- lichen Unterrichts. Ein Wort zur Wehr und Lehr. Richard Kahle (Hermann Oesterwitz), Dessau und Leipzig 1891. — Preis 0,50 Mk. Die vorliegende, für denkende Lehrer sehr interessante Arbeit ist zur Vertheidigung der Partheil und Probst'sehen Naturkunde, an die Localität anknüpfender, methodisch geord- neter Lebensbilder der Thiere und PHanzeu mit reichlicher Berücksich- tigung physikalisclier und chemischer Erscheinungen, geschrieben. L(direr der Naturkunde werden solche methodisch aufgebauten Bücher gewiss mit grossem Nutzen für ihren Unterricht durch- arbeiten. Ref ist aber im Princip dagegen, sie Schülern in die Hand zu geben. Der naturhistorische Unterricht kann nicht M allerorten und jederzeit wie etwa der geschichtliche, geogra- ^ phische, religiöse etc. nach gleichem Plane ertheilt werden, da der Lehrer selbst von dem gerade zur Verfügung stehenden, brauch- l)aren Anschauungsmaterial abhängig ist. In der Zoologie, wo man fast ganz auf ausgestopfte oder conservirte Thiere und Prä- parate, sowie auf Abbildungen angewiesen ist, Hesse sich ein Nr. 9. Niitiii\vi.sseii.scliaftliclie VVoubciisfliiitl. 113 inethodisclu's l,rliiliiu-li in ilev Hand iIit ScIiüIit wolil iiocli ziii- Xotli rerlitfertigcMi. Doi-Ii wiirile aiicli dalici die Bcscliaffmif; des (liirin ausgewählten Mati'i-ials nianoliercnts sclir schwierig, viel- leicht sogiii- nnniöglich sein. Wie aliei- ein Lehi'erein solches in der Hand der ScIuihT mit Nutzen für die Pflanzenkunde verwenden soll, hei welcher er durchaus von den geradi' zur \'erfngung stehenden PHanzen aliliängig ist, versteht Ref nicdit. Ks ist leicht zu sagen (S. 21) „Bei einer Abweiidiung vom Gange des Buches muss sich der Lidircr sofort klar daiiiber werden, oh nicht bei dem abge- änderten Plane etwas als bekannt vorausgesetzt wird, was in dem methodischen Buche noch nicht behandelt ist, weil der Aufbau ein anderer war. Ein geschickter Lehrer kann mit Leichtigkeit seine JMaassnahnien danach treffen. "' Es hält aber sehr schwer danach zu haiuleln. wenn das Buch das einzige, dem SchiUer zur Ver- fügung stellende Hülfsmittol ist und Ref. zieht, auf langjährige Er- fahrung ge.-tützt, in solchem Falle vor, das Buch überhaupt als nicht vorhanden zu betrachten. Andererseits muss ein stofflich geordnetes Lehrbuch allerdings, wie die Verfasser angeben, be- lieutend mehr enthalten, als besprochen werden kann. Was schadet das? Dem Lehrer wird dabei wenigstens keine Zwangs- jacke augelegt Sollte überdies einer oder der andere Schüler eiinnal späterhin Auskunft über einen Naturgegenstand wünschen, der in der Schule nicht behandelt wurde, so wird ihm ein gutes, stofflich geordnetes Buch sicher von grösserem Nutzen sein als ein methodisches mit seiner einseitigen, beschränkten Auswahl. Doch das sei nur nebenbei erwähnt. Wir haben es hier nicht mit Partheil und Probst's Naturkunde, sondern mit der Verthei- dignngsschrift dieses Bnches zu thun. Die Verfasser nehmen sich ihrer Methode im Ganzen recht geschickt an. Nachdem sie in einer Einleitung die ältere, aus- schliesslich auf Beobachtung und Gegenüberstellung der Natur- dinge beruhende Methode, die von dem hochverdienten Lüben eingeführt wurde, als veraltet bezeichnet haben, besprechen sie den .,Kampf der Biologie gegen das System", worin die „Auf- fassung der Natur als eines durch innere Kräfte bewegten und belebten Ganzen" gefordert wird. Darauf fol};t ein Abschnitt „der systematisch biologische Unterricht", d. h. über die Ver- knüpfung der systematischen und biologischen Betrachtungsweise in demselben, welche die Verfasser als nicht genügend bezeichnen. Auf diese Frage soll unten weiter eingegangen worden. Dem gegenüber wird der ,.Unterricht nach Lebensbildern und Lebens- gemeinschaften", welcher von Junge (der Dorfteichl begründet wurde, ausführlich erläutert und verthi'idigt. Im Interesse der ..Concentraäon der naturkundliclien Fächer" ziehen die Verfasser auch physikalische und chemische Erscheinungen bei derBchandlnng der Naturkörper heran. Unter der Anf8;dn-ift ..Naturbeobachtnng" emjifehlen sie sehr verständig, die Naturkörper auf Spaziergängen im Freien, in ihrer natürlichen Umgebung, zu beobacliten. Schade, dass die Verhältnisse in grossen Städten und die gewöhnlich überfüllten Klassen solchen Ausflügen schwer zu überwindende Hindernisse in den Weg stellen. Insbesondere wäre Ref. auch mit dem hier geforderten Schulgarten für die Schulen grösserer Städte einverstanden, obwohl er befürchtet, dass z. B. in Kerlin noch viel Wasser die Spree hinabfliesscn wird, ehe diese dringend nothwendige Neuerung zur Einführung gelangt. Hierauf be- handeln die Verfasser „das E.xperiment im naturkundlichen Unterrichte". Sie fordern dasselbe in grösserer Ausdehnung auch für den biologischen Unterricht in der Volksschule, bei welchem sie überdies das Mikroskop fortdauernd verwendet wissen wollen. Für „das Zeichnen im naturkundlichen Unterrichte" wünschen sie das Kopiren schematischer J'iguren durch die Schüler nach Zeichnungen, die der Lehrer entweder selbst an der Wandtafel entwirft oder von Schülern in grossem Maassstabe mit möglichst dicken Strichen anfertigen und beim Unterrichte aufhängen lässt. In Betreff der „Sammlungen" beanspruchen die Verfasser für die Schule eine alle Zweige der Naturgeschichte umfassende biolo- gische SaTumlung. eine Forderung, die bei den äusserst knappen und unzureichenden Mitteln selbst für höhere Schulen etwas ver- wegen erscheint. In ihrem „Herbarium" sollen die Schüler alles das zusammentragen, was auf das Leben der Pflanze Bezug hat. Endlich befürworten die Verfasser noch, dass der Unterricht in der „Heimathskunde" im dritten .lahre der Volksschule die ge- meinsaine Grunrllage für alle Z\veige der Realien, für Geographie. Geschichte und Naturkunde der Heimath bilden solle. Es ist nicht möglich, hier zu allen eben erwähnten Ab- schnitten des Büchleins Stellung zu nehmen, da sonst das Referat leicht die Länge desselben erreichen könnte. Doch sei es Ref. vergönnt, w'enigstens der Frage ,.systenia tisc h -biologisch er Unterricht oder Unterricht "nach Lebensbildern und Lebensge m ei nschaf t enV" wegen ihrer grossen Bedeutung für den naturgescliichtlichen Unterricht etwas näher zu treten Nach dem Vorgänge einzelner Vertreter der Naturwissen Schäften an den Universitäten, deren Erfolg glücklicher Weise durch ein von Jahr zu Jahr wachsendes Gegengewicht gehemmt wird, ist es auch bei Schulmännern vielfach Sitte geworden, der Systematik jede wissenschaftliche Bedeutung abzusprec heu. Der erfolgreiche Betrieb eines bislang \eruachlässigten Theiles einer Wissenschaft führt ja vielfach dazu, auf das früher errungene mit einem gewissen Hochmuth herabzublicken und ihm die „wahre Wissensehaftlichkeit" abzusprechen. Wie mancher „höhere Mathe- matiker" auf das elementare Rechnen verächtlich niedersieht, ob- schon oder vielleicht weil ihm dasselbe durchaus nicht immer spielend gelingt, so gilt manchem Physiologen und Anatomen die Betrachtung und Vergleichung der äu.^seren Form von Lebewe-en nicht viel mehr als Beschreibung von Briefmarken odi'r Münzen. Das ist eine echt menschliche Schwäche, ebenso wie umgekehrt der Kampf der Vertreter des Althergebrachten gegen jede neue, wesentliclie Entdeckung in ihrem Fache. Man ülx'rsieht eben ge- flissentlich, dass das System der augenblickliche Ausdruck unserer Kenntniss von der Phylogenie, dem Stammbaum der Organismen, ihrer natürlichen Verwandtschaft und Entwicl;elung auseinander bildet und dass es dadurch der wichtigste Theil der gesammten Wissenschaft ist. Ref. glaubt daher den Satz „das Svstem uiusste weichen" (S. 7) von Leuten gesprochen, die von der Bedeutung des Systems anscheinend keine Ahnung haben, entschieden zurückweisen zu müssen. Er hält die Beschäftigung mit Morpho- logie und Systematik in den Schulen für eben so erspriesslich und geistbildend wie die mit biologischen Erscheinungen. Daraus ergiebt sich sein Standpunkt im Vergleich zu dem der Verfasser. Ref. sieht daher z. B. in einer Ente in erster Linie gemäss dem System einen Vogel und erst in zweiter einen Schwimmer. Eute, Huhn, Taube sind ihm also zunächst nicht , Repräsentanten verschiedenen Körperbaues" wie den Verfassern (S. 20). son- dern desselben, des Vogels, und die aus den .äusseren Lebens- bedingungen sich ergebenden Unterschiede betrachtet er als secun- däre Merkmale. Die Verfasser meinen allerdings (S. 14): „Den Begriff Vogel in allgemeinen Umrissen bringt das Kind schon in die Schule mit .... Die Ente ist also — monographisch — zu- nächst nicht als Vogel, sondern als Schwimmer zu charaktorisiren." Ref. giebt den Vordersatz zu, ohne dem Nachsatz zuzustimmen. Das Wort und die Erscheinung eines Vogels ist dem Schuler allerdings geläufig, der Begriff, d h. die Kenntniss des Wesens nicht nur in allgemeinen Umrissen, sondern nach ganz bestimmten Merkmalen und Eigenschaften, muss erst bei ihm entwickelt werden. Der Lehrer wird vielleicht die oben erwähnten Vögel vergleichen lassen und nach Absonderung des speciellen schliess- lich den Begriff „Vogel" extrahiren, wie es die Verfasser sonder- barerweise anderenorts (S. 27) selbst fordern. Es wird also zu- nächst das Flugvermögen und die dazn befähigenden Körpereigen- thümliehkeiten, Flügel. Bau und Anordnung der Federn. Knochen- bildung etc. hervorzuheben sein. Dabei wird man natürlich auch der physikalischen Bedingungen des Fliegens, sowie der Aehnlichkeiten und Unterschiede anderer fliegender Thiere, einer Fledermaus, eines Schmetterlings, kurz gedenken. Aber der Schüler muss auch die übrigen Merkmale des Vogels, Eier, Schnabel und Füsse, sowie das wesentlichste von seinem inneren Bau kennen lernen. Es muss ihm bewusst werden, wie verschieden die gesammte Organi- sation eines Vogels, z. B. eben der Ente, von der anderer Schwimmer, eines Fisches, eines Wasserkäfers, eines Tintenfisches, einer Qualle, ist. Ref. sieht auch nicht ein, weshalb die Verfasser den Begriffen „Hufthier, Nagethier" eine Abstractheit zuschreiben, „die in den Schülern (NB. der Volksschule!) nicht erreicht werden könne" (S. 11). Der Begriff resultirt aus den Merkmalen, die an einigen beliebigen Beispielen unter Beschränkung auf das der Ordnung Gemeinsame aufgesucht werden. Dass sich der Schüler bei dem Begriff nicht etwa ein ideales Wesen ohne Sonderraerk- male vorstellt, ist wohl selbstverständlich. Es genügt, wenn er beim Anblick eines Thieres die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ordnung leicht herausfindet. Ref. hält daher auch Befrachtungen, wie die von den Verfassern bekämpften „Bedeutung der Nager für Naturhaushalt und Menschenleben". Vergleich der Hufthiere mit den Nagethieren" u. s. w. für nützlich und auch in der Volksschule ausführbar. Kurz gesagt ist also die Meinung des Ref. dass ein erfolg- reicher naturhistoriseher Unterricht des Systems nicht entbehi'en könne. Er ist übrigens durchaus kein Freund schematischer und detaillirter Besehreibungen und die von den Verfassern citirte Behandlung des Buntspechts bei Baade sagt ihm durchaus nicht zu. Ref. hat gefunden, dass zu viel Detail in den Köpfen der Schüler die Haujitsachen erstickt In weiten Zwischenräumen durfte es allerdings nützlich sein, ein Wesen vo n d en Schülern selbst ausführlich beschreiben zu lassen, um die Anschauung zu üben. Im Uebrigen aber zieht Ref. die Beschränkung auf die wich- tigsten und bedeutsamsten Charaktere vor, die er dann allerdings möglichst eingehend auch nach ihrer biologischen und physiolo- gischen Bedeutung behandelt. Auch hierfür gilt ihm der alte pädagogische Grundsatz .,non multa sed multum". Er fürchtet, dass dieser den Verfassern auf ihrer Wiese oder in ihrem Walde recht oft abhanden kommt, denn das geistige Band der Erschei- nungen ist bei ihnen doch ein recht äusserliches. Wenn Ref. bei- spielsweise die mehrerwähnte Ente zu behandeln hat, so entwickelt er mit den Schülern nacheinander die Begriffe: 1. Vogel, 114 Natuiwisseuschal'tlieLc Wucliensehritt. Nr. y. 2. Schwimmvogel, 3. Gründler (ZahnscbnäbltT) nnd deren biolo- gisfhe Bedeutung, lässt darauf kurz die Unterscheidunprsmerkmalc der Ente von Gans nnd Schwan auffinden und entwickelt zum Schlnss ein Lebensbild des Thieies, womöglich unter Einstreunng einer kleinen Geschichte oder Fabel, um aucli dn.« Gemüthslebeii der Schüler zu fördern. Daraus ergiebt sich nun wohl, dass Kef. allerdings eine innige Verknüpfung der Systematik und Morphologie mit der Biologie und Physiologie wünscht. So wie in der Physik aus dem Experiment das Gesetz gefolgert werden muss, so ist in der Naturgeschichte die Beobachtung und Beschreibung Mittel zu dem Zwecke, die Bedeutung der verschiedenen Organe für das Leben des Individuums festzustellf n. Die Umgehung des betref- fenden Geschöpfes ist dabei natürlich ebenfalls von wesentlichem Einfluss, aber nicht, wie die Verfasser annehmen, die Hauptsache. Ref. hält es für rocht gleichgültig, wenn der Unterricht — nach Meinung der Verfasser (S. 12) — ,.bei der Behandlung der Wieder- käuer die tollsten Sprünge ausführt, von der Wüste nach dem Polarlande, dem deutschen Walde, nach dem europäischen, asia- tischen und amerikanischen Hochgebirge und nach den Grasebenen dieser Erdtheile.'" Das geographische Bild darf im natur- historis eben Unterricht nicht das naturhistorische beherrschen, sondern muss sich ihm unterordnen. Der überall wiederkehrende Typus des Wiederkäuers ist das Gemeinsame, das Bleibende im Wechsel der Erscheinungen. Wie lehrreich ist es gerade für die Schüler, die durch die Umgebung bedingten Unterschiede in Farbe, Behaarung, Proportion der Theile. Nahrung etc. auf jene zurückzuführen, die Zweckmässigkeit der verschiedenen Verthei- digungsmittel u. s. w. (welche natürlich nicht teleologisch, sondern entwiekelungsgeschichtlich behandelt werden müssen) bei sich im L'ebrigen gleich bleibender Orgauisation kennen zu lernen. Bei Behandlung des biologischen Elements setzt Ref. natür- lich voraus, dass sich der Lehrer auf das thatsächlich Erwiesene beschränkt und nicht zu phantastischen Theorien seine Zuflucht nimmt. Wenn er z. B. von einer L'nterrichtsstunde hört, in welcher der Lehrer unter dem Beifall des derselben beiwohnenden Vorgc-etzten den Schülern auseinandersetzt, dass sich die Mohn- köpfe zur Blüthezeit darum aufrichten, weil sie durch das Ab- werfen der Kelchblätter bedeutend erleichtert seien, so kann er höchstens die Phantasie des betreffenden Lehrers, nicht aber sein Wissen bewundern. Endlich möchte Ref. noch ausdrücklich versichern, dass er im System eine nach Maassgabe der zur Verfügung stehenden Zeit mehr oder weniger beschränkte A uswahl getroffen wünscht. Er würde es also bei einfachen Schulverhältnissen nicht für einen Mangel halten, wenn etwa bei den Säugethieren von der Bespre- chung z. B. der Affen, Faulthiere oder Beutelthiere ganz abge- sehen würde. Was gegeben wird, sollte dafür um so gründlicher behandelt werden. Jn der Botanik, in welcher der Entwickelungs- gang wenigstens bei den Angiospermen keineswegs deutlich her- vortritt, macht es natürlich nichts ans, je nach dem vorhandenen Material etwa heut eine Crucifere, morgen eine Liliacee, über- morgen eine Composite zu besprechen, wenn nur dabei die Fa- miliencharaktere jedesmal scharf hervortreten. Anders verhält es sich in der Zoologie. Hier ist die Entwickelung von den ein- fachsten zu immer vollkommeneren Wesen, wie sie sich im Svstem ausdrückt, so handgreiflich, dass jede Methode, welche dieser Entwickelung nicht Rechnung trägt, als verfehlt bezeichnet werden muss. Das Gesagte wird genügen, um verständlich zu machen, dass auch Ref. zu denen gehört, welche , Körperbau und Lebensweise im Zusammenbange, wenn auch im Rahmen des Systems" be- trachten nnd dass er den L'nterricht nach dem örtlichen Zusaramen- vorkommen für zerfahren und einseitig hält. Zuzugeben ist gern, dass auch diese Methode zu lebhafter Beobachtung anregt. Der Nutzen für die geistige Einwickelung wird dabei aber durch die völlige Aufgabe des Systems beeinträchtigt. Eine erfolgreiche Beschäftigung mit Lebensgemeinschaften setzt die gründliche Kenntniss des Systems voraus und darf dasselbe nicht ignoriren. R. Beyer. Oberlehrer. Dr. Matthaeus Much. Die Kupferzeit in Europa und ihr Ver- hältniss zur Kultur der Indogernaanen. .Mit 112 Abbildungen im Text. 2. Aufl. Jena. H. Costcnoble, IS93. — Preis 10 .M. Verf. hatte, veranlasst durch Funde aus reinem, d. i. nicht ab- sichtlich gemischtem Kupfer neben Werkzeugen aus Stein und Knochen in den Pfahlbauten des Mondsees im Salzkaminergut, die Behauptung in der ersten Auflage obiger Schrift zu begründen gesucht, dass das Kupfer als dasjenige Metall anzusehen sei, dessen Bearbeitung die Menschen sich zueret angeeignet hätten, d. h. also, dass der Broncezeit eine Kupferzeit vorangegangen sei. Seit der ersten Ausgabe dieser Schrift ist nun eine weitere, fast erstaunliche Menge von Gegenständen aus ungemischtem Kupfer an den Tag gekommen, auch sind die die Kupferfunde begleitenden Erscheinungen wie die becherförmigen Gefässe, die Schmucksachen aus Stein, seitdem viel genauer studirt worden, so dass jene Kulturstufe nunmehr in viel hellerem Lichte und weit fester begründet erscheint. Die vorliegende Neubearbeitung be- rücksichtigt nun diese zahlreichen neueren Funde und Forschungen und ist doppelt so umfangreich nach Text und Abbildungen ge- worden. Voransteht eine ausführliche Zusammenstellung über Vorkommen. Verbreitung und Art der Kupferfunde, dann ver- breitet sich der Verfasser über deren Alter, über clie berg- männische Gewinnung desselben und den Uebergang zur Bronce- bearbeitung u. s. w. Von grosser Bedeutung sind die drei letzten Abschnitte: Kultur und Rasse der mitteleuropäischen Steinzeit- völker (VIIl), Prüfung der archäologischen Thatsachen durch die vergleichende Sprachforschung (IX) und die Zeitbestimmung (X), der Kupferfunde im Orient wie in Europa. Die vorgeschicht- lichen Kupfergegenstände sind nicht durch blosses Hämmern her- gestellt, sondern setzen das Schmelzen des Rohmetalles und Giessen in einer wenngleich rohen Gestalt, die durch Bearbeiten mit dem Hammer ihre Vollendung erhielt, voraus. Diese aus der chemischen Beschaffenheit des Metalls gezogene Folgerung wird durch die Funde voll bestätigt. In besonderem Umfange ist die .Schmelz- und Schmiedekunst im Bereich der Pfahlbauansiede- lungen der Alpen betrieben worden. Verf. hat den auf der Mitterberg Alpe nächst Bisckofshofen an der Salzach etwa 1.560 m langen Zug verfallener und dem Gedächtniss der Bevölkerung längst entschwundenen Kupfererzgruben untersucht, welcher 1827 etwa 1-500 m über dem Meere aufgefunden wurde und gezeigt, wie hier ein primitiver Bergbau, welcher eine überraschende Uebereinstimmung mit der Kulturstufe der Pfahlbaufunde eigen ist, getrieben wurde. Auch auf der Kelchalpe bei Kitzbühel sind ausgedehnte Stätten uralten Kupferbergbaues vorhanden, aber nicht so gut erhalten, wie die auf der Mitterberg- Alpe, wo sie nicht nur in den Ringen über Tag ersichtlich, sondern theilweise sogar in den Bauten unter Tag noch heute betretljar sind. Hier wurden auch die gewonnenen Erze einem vollständigen Schmelzverfahren zur Gewinnung des Kupfers unterzogen. Die auf den Stätten dieser Thätigkeit bisher gefundenen Gefässreste gehören der Steinzeit an und zeigen tine völlige Gleichheit mit jenen der Pfahlbauten in den unfern gelegenen .Seen In unmittelbarer Nähe der Kupferwerke derMitterbergalpe auf dem sogenannten Götschen- berge wurden Steingeräthe in grösserer Menge für fremden Bedarf erzeugt und Thongefäsge von der Art gebraucht wie sie einerseits von den Wcrkiejten bei den Werkgrnben, andererseits in den Pfahlbauten benulzt worden sind. Es kann keinem Zweifel unterlii^gon. dass die Werkstätte auf dem Götschenberge und die Kupfergruben auf den genannti^n beiden Alpen wie die Pfahl- bauten Oberösterreichs ein und derselben Zeit, nämlich dem Ausgang der Steinzeit, bezüglich aber der .Kupferzeit" angehören. Die Zahl der bekannten vorgeschichtlichen Kupfergruben ist aber bereits eine beträchtliche und wird voraussichtlich bald noch eine viel grössere werden. Die Art und Wei.'^e. wie sich der Verf. die Entdeckung der Metalle und speciell des Kupfers denkt, hat viel innere Wahrscheinlichkeit für sich. Hinsichtlich der Rasse, welche jene Kupfergeräthe und Waffen aus Kupfer hergestellt hat, ist er der Meinung, dass es indogermanische Arier gewesen sind, welchen der wichtige Kulturfortschritt von den Steingeräthen zur Bear- beitung der Metalle zu danken ist; ihre gesammte Kultur wird vom Verf. eingehend geschildert. Dem gut ausgestatteten, trefflich geschriebenen Buche ist eine weite Verbreitung nur zu wünschen. Fr. Regel. Biedermann, Prof. W.. Elektrophvsiologie. I. Abth. .lena. — 9 M. Garcke, Prof. Kust. Dr. Aug^ Illnstrirte Flora von Deutschland. 1.5. Aufl. Berlin. — 5 M. Hübner, J., Exotische Schmetterlinge. Bruxelles. — 8 M. Kretzer. Lic. Dr. 'Eng., Friedrich Nietzsche. Frankfurt a. M. — 1.2M M. Lenhossek, Mich., v.. Der feinere Bau des Nervensystems im Li'.-litf- ueuester Forschungen. Berlin. — iO .M. 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JL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Eipedition. '}. ■ . .4bdrnrk ist nnr mit vollständiger «Quellenangabe gestattet. Warum siegten die Japaner? Von Otto Ammon. Warum siegten die Japaner in dem gegenwärtigen Kriege iu Ostasien? Die Antwort sclieint leicht y.u geben: Weil das japanisclie Heer und die japanische Flotte denen der Cbiuesen überlegen waren! Fragt man weiter: War- um waren denn Heer und Flotte der Japaner denen der Chinesen überlegen ? so gelangt man zu der Antwort: Weil die Japaner jahrelang ihre Wehrkraft vermehrt, ausgerüstet, bewaffnet und gedrillt hatten, während die Zopfträger zwar eine Armee auf dem Papiere, in den Garnisonen jedoch nur eine Handvoll schlechtbewafTneter Paradesoldaten besassen, gerade genug, um den inspiciren- den Militärmandarinen etwas vorzugaukeln, welche dann das ersparte Geld mit den Uuterbefehlshabern theilten; weil ferner zur See die Japaner mit den mächtigen, in Europa gebauten Kriegsschiffen umzugehen und drauf- zugehen wussten, während die Chinesen sich ungelehrig und untliätig verhielten und erst Leben bekamen, wenn das Ausreissen anhob. Unser Denkvermögen will sich jedoch hierbei noch nicht beruhigen. Warum waren denn die Japaner so voraussehend und so energisch, die Chinesen nichtV Auf diese Frage wird der Politiker die Antwort schuldig bleiben, ebenso der Historiker und der Staatsrechtslehrer, obwohl alle drei etwas zu der Lösung des Räthsels bei- tragen könnten, wenn .sie den richtigen Schlüssel hätten, bezw. denselben zu gebrauchen wüssten. Diesen Schlüssel müssen wir bei der Naturwissenschaft, im besonderen bei der Anthropologie suchen. Japaner und Chinesen sind stammverwandte Völker; sie gleichen sich an Körperbeschaffenheit und an geistigen Anlagen, au Sitte und Kultur, sodass der schroffe Gegensatz ihres Verhaltens bei dem gegenwärtigen Zu- sammenstoss sehr auffallen muss. Unwillkürlich wird man zu der Vermuthung geführt, dass die Ursache nicht sowohl in den kleinen Verschiedenheiten der Massen beider Völker, als in der Zusammensetzung der leitenden Klassen gelegen sein muss. Die Frage spitzt sich folgendermaassen zu: Warum hatten die Japaner so voraussehende, thatkräftige, muthige Führer vor und iu dem Kampfe, die Chinesen so thö- riclite, faule und feige? Wie konnte es geschehen, dass die unwesentlichen Abweichungen der äusseren Lebens- bedingungen (Insel und Festland, Klima, Geschichte) so ganz anders geartete Persönlichkeiten iu die leitenden Stellungen gelangen Hessen? Der Gedanke führt zunächst zu einer Untersuchung der Vorschriften, von denen das Aufsteigen in höhere Staatsämter abhängt. In China sind die Anforderungen von einer geradezu lächerlichen Unzweckmässigkeit. Die Kenntnis einer grösseren oder geringeren Zahl von seltenen, im praktischen Leben nie vorkommenden Schriftzeichen entscheidet über den Rang, den ein Man- darin erhalten kann. Wirkliche Gelehrsamkeit, brauch- bares Wissen, fallen nicht ins Gewicht. Es fehlt den Chinesen ganz und gar der Ursächlichkeitssinn, um die menschliche Gesellschaft und ihre Bedürfnisse zu be- greifen. Sehr bezeichnend sagt Peschel in seiner „Völkerkunde": „Seit unserem geistigen Erwachen, seit wir als Mehrer der Kulturschätze aufgetreten sind, haben wir unverdrossen mit den Schweissperlen auf der Stirn nach einem Ding gesucht, von dessen Dasein die Chinesen keine Ahnung haben, und für das sie auch schwerlich eine Schüssel Reis geben würden. Dieses unsichtbare Ding nennen wir Kausalität." Auf die Charaktereigenschaften wirkt der Studienbetrieb Chinas nur insofern auslesend, als der- selbe eine grosse Beharrlichkeit voraussetzt. Diese ge- nügt vollständig, um ihren Mann in die höchsten Stellungen zu bringen. Gescheidtheit, Redlichkeit, Treue, Muth in Gefahr, gehören nicht dazu. Kein Wunder, dass die Mandarinen Staat und Volk in der schändlichsten Weise betrügen, dass sie ohne jegliche Scheu der Bestechung zugänglich sind, dass sie im Nothfalle den anvertrauten Posten im Stiche lassen, um ihre werthe Person in Sicher- heit zu bringen, und dass sie bei alledem keine einzige löbliche Eigenschaft an den Tag legen, als eben die — Beharrlichkeit! Freiherr von Richthofen, welcher in einem bei 130 Naturwissenschaftliclie Wochenschrift. Nr. 11. Ausbruch des Krieges gehaltenen Vortrage*) den Schau- platz desselben und die Charaktereigenseliat'teu der Strei- tenden in fesselnder Weise schilderte, hat den Verlauf richtig vorhergesagt. Er hat zwar unter den Civil-Manda- rinen auch solche kennen gelernt, die er entschieden günstig beurtheilt, aber er lässt durchblicken, dass doch die Routine allein den Ausschlag giebt. Diese Würden- träger und Beamten sind allenfalls im Staude, Ruhe und Ordnung im gewöhnliehen Lauf der Dinge aufrecht zu erhalten, ihre Kunst versagt jedoch, sobald sie am n(>thigsten wäre. Die Bedrückung und Erpressung werden von dem Vortragenden als allgemein geübte Praxis hin- gestellt. Die Auslese der Officiere ist nicht nach ver- ständigeren Grundsätzen geordnet. Ich hatte es für ein Märchen gelialteu, dass dieselbe von der Geschicklichkeit der Bewerber im Armbrustschiessen abhänge; aber da der Reisende Otto E. Ehlers kürzlich erst einem solchen Officiers-Examen beigewohnt und dasselbe nach eigenem Augenschein mit seiner unübertrert'lichen, launigen Dar- stellungsgabe geschildert hat, muss man sieh überzeugen, dass jene- alten Gebräuehe, die in der Vorzeit eine ge- wisse Berechtigung haben mochten, bis zur Stunde im Reiche der Mitte fortdauern. üeber die Militärmandarine urtheilt Freiherr von Richthofen begreiflicherweise sehr ungünstii Ehrgeiz, Disciplin, Rechtlichkeitsgefühl fehlen ihnen, ebenso aktiver persönlicher Muth und ritterlicher Geist, Der einzelne ist geradezu feig. Im Frieden wird natürlich das Aeusser- liche des Dienstes nothdürfti ^ geübt. Der Grundgedanke, keinen andern Vorzug als die Bildung anzuerkennen, sodass dem „Sohne des Volkes" die obersten Staatsstellen often stehen und es einen Ge- burtsadel, also auch eine Bevorzugung desselben in der Armee nicht giebt, entspricht dem Gesellschaftsideal, welches manche abendländische Parteien sich gebildet haben. In den chinesischen Zuständen werden diese Parteien freilich keine Verwirklichung ihres Ideals er- blicken wollen, und sie werden den Grund hiervon darin suchen, dass die Priifungsvorschriften allzusehr einer Re- vision bedürften. Dies ist jedoch irrig. Gerade die Leichtigkeit des Aufsteigens in höhere Schichten ist bei dem System wesentlich. Sollen die höchsten Staats- ämter wirklich Jedem zugänglich sein, dann müssen die Anforderungen in den Prüfungen so gestellt werden, dass Jeder durch Fleiss und Ausdauer im Stande ist, den- selben zu entsprechen. Sobald man von den Prüflingen bedeutendere geistige Fähigkeiten und edlere Charakter- eigenschaften verlangt, ist das Prinzij) der Gleichheit schon durchbrochen. Das herrschende Regierungssystem in China lässt sich also kurz bezeichnen als eine demokratische, durch Bestechlichkeit gemilderte Bureaukratie. Ganz anders verhält sich die Sache im Reiche der aufgehenden Sonne. Da hat man Unterrichts-, Ver- waltuugs-, Justiz- und Heerwesen nach europäischem Muster umgestaltet. Noch ringt Altes mit Neuem, noch giebt es Lücken und Wiedersprüche, aber dennoch stellt Eines fest: die Schulung und die Zucht, denen in Japan der heranwachsende Ersatz an Beamten und Ofticiereu unterworfen wurde, haben dazu beigetragen, dass wir dort weit tüchtigere Leute in den leiten- den Stellungen finden. Manche derselben haben ihre Ausbildung auf europäischen Hochschulen oder in euro- päischen Heeren empfangen, andere sind in Japan selbst theils durch diese, theils durch eigens hierzu berufene *) ,,Der Schauplatz des Ivrieges zwischen Japan und China" von Freihenn von Richthofen in den Verhandlungen iler Gesellschaft ffii- Krdkiinde, Banil \X1, No. S, Berlin 1S94. Europäer erzogen worden. Auf wissenschaftlichem Ge- biete hat sich ganz vorzugsweise der Einfliiss Deutsch- lands wirksam gezeigt. An der Universität in Tokio sind die Lehrstuhle für Philosophie, Geschichte, Erdkunde, Pädagogik, Medicin, Nationalökonomie, Finanz^wissen- Schaft, deutsche Sprache und Litteratur von deutschen Professoren besetzt, welche auch in der „deutschen Ge- sellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens" hervor- ragend thätig sind und uns ilurcli Zusammenwirken mit einheimischen Gelehrten die wissenschaftliche Erforschung jener fernen Länder, besonders Japans, in ihren. , reich- haltigen Verötfentlichungen so nahe gebracht haben, dass wir uns auf manchen Gebieten beeilen müssen, um mit der genauen Kenntniss vaterländischer Verhältnisse im Vorsprung zu bleiben. Wer die ausnehmend grosse Bedeutung der an- geborenen Ausstattung der Menschen im Verhältniss zu der Macht der Erziehung richtig würdigt, der wird sich nicht damit zufrieden geben, den Unterschied zwischen Japan und China dem europäischen Einflüsse zuzuschreiben. Man würde auch hierbei gleich wieder vor der Frage stehen: Warum hat denn Japan das europäische Beispiel angenommen, China dasselbe zurückgewiesen? Und auch die Beantwortung dieser Frage niüsste wiederum auf an- geborene geistige Unterschiede der beiden Völker Be- zug nehmen. Der eigentliche Grund der Verschiedenheit liegt, wie ich glaube, darin, dass in Japan eine Geburts- aristokratie besteht, welche einer überlegenen Rasse angehört, und die, lange unterdrückt, durch die Revolution von 1867 wieder zur j\Iacht gekommen ist. Diese hoch befähigte Rasse hat die Prüfungs- vorschriften, von deren Erfüllung das Vordringen in lei- tende Stellungen abhängt, mit Bewusstsein so gestaltet, dass vorwiegend nur über Mittel begabte Leute sie er- füllen können.*) Dadurch wurden weit strengere Auslese- bedingungen geschaffen und wurden andere Gesell- schaftsklassen als in China an die Spitze des Staates gebracht. Hiermit kommen wir nun zu dem Kerne der Frage. Es ist wahr, dass Japaner und Chinesen die grösste k('irperliche und seelische Uebereinstimmung zeigen, wenn man die Masse des Volkes betrachtet. Professor Baelz, der deutsche Anatom an der Hochschule in Tokio, der grösste Kenner der ostasiatischen Völker, hebt wiederholt die Aehnlichkeit der Japaner, Koreer, Chinesen und lliutcr-lndier hervor. Oefters hat er photo- graphische Bildnisse aus Saigon Japanern vorgezeigt, welche dieselben für Landsleute hielten. Nach seiner An- nahme sind die Vorfahren dieses Menschentypus vom Fest- lande über die Halbinsel Korea in Japan eingewandert. Chinesische und japanische Volkstypen haben die Züge mit einander gemeinsam, die wir herkömmlicher- weise für die charakteristischen Kennzeichen der Mon- golen ansehen, den rundlichen Kopf, das breite Gesicht mit den vorstehenden Backenknochen, die eingedrückte Nase, das pechschwarze, borstige Haar, die geringe Bart- entwickelung und die kurzen Beine, welche die Statur selten ülter Mittelmaass erheben. Die gleichen Kenn- zeichen findet Baelz aber auch an den Malayen, und er behauptet, dass man einen solchen in chinesischer Kleidung nicht von einem Chinesen unterscheiden könne und umgekehrt. Mongolen und Malayen stehen sich jedenfalls sehr nahe, wenn sie nicht das nämliche sind. *) Die Anforderungen wurden öfters geändert; die neusten Prüfungsvor.schriften für den Verwaltungs- und Justizdienst sind vom 23. .luli 1887. Vergl. den Aufsatz von 0. Rudorff in den Mittheilungen der deutschen Gesellschaft für Natur- und Völker- kunde Ostasiens, 40. Heft vom Juli 1888. Nr. H Naturwisseusehaftlicbc WochenHcliiift. 131 I Trotzdem hebt Baplz liervierkwürdig- kcit die Krone aufsetzt, das ist die sociale Vertheilung der Typen. Baelz behauptet nämlich, dass der feinere Typus vorzugsweise in den li oberen Ständen anzu- treffen sei, unter den Studenten, den Beamten, dem Hof- und Kriegs-Adel; auch die Mitglieder der kaiserlichen Familie werden demselben zugezählt. Ja, Baelz identi- ficirt völlig die vornehmen Stände mit dem feinen Typus, sodass er oft von diesem spricht und jene meint oder umgekehrt.**) *) Mittheiluiigen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens. Yokohama 1873 — 1892; Correspondenz- blatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie. Münclien 1885. **) Die erste Erwähnung des „feinen" Typus linde ich in einem Vortrage, den Prof. Dr. Doenitz in der Sitzung der deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens in l'okio am 30. Dec. 1876 gehalten hat (vergl. 12. Heft der , Mittheilungen" vom Mai 1877). In dieser Sitzung, welcher Herr von Eisen- dr eh er präsidirte, berichtete Prof. Doenitz über japanische Schädel im Museum der Universität, unter denen er mehrere langgesichtige fand. Er betonte, dass das lange, schön ovale Gesieht unter den Lebenaen am häufigsten in den besseren Ständen gefunden werde, das kurze Gesicht unter den niederen Volksklassen, was ganz mit den Ansichten übereinstimmt, die Prof. Bae Iz ent- wickelt. Prof. Doenitz hat jedoch die Sache nicht weiter verfolgt. Trotzdem neige ich aus allgemeinen Gründen zu der Annahme, dass die Typen keine scharf getrennten seien, da fortwäin-end Kreuzungen statttinden. Baelz selbst unterstützt diese Ansicht dadurch, dass er später einen „mittleren" Typus hinzugefügt hat, also Uebergängc zu- gesteht. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass es unter den Mischlingen viele giebt, welche auf die Stannnform zurückschlagen und dass die natürliche Auslese die ursprünglichen Typen immer wiederherzustellen be- strebt ist. Dem feinen Typus oder den höheren Ständen der Japaner rühmt Baelz einen unbegrenzten Wissensdnrst nach, der oft so weit führt, dass die Leute sich durch vieles Sitzen förmlicii krank machen und man sie ^oni Studirtisch wegjagen muss; jedenfalls auch ein Zeiciien grosser Energie. Die Regierung hat sich \eranlasst ge- sehen, körperliche Ucbungen vorzuschreiben, um die Ent- artung zu veriiindern. Auf europäischen Hochschulen kennt man ebenfalls den Lerneifer der japanischen Stu^ deuten, welche keineswegs wie die Chinesen des Ur sächlichkeitssinnes entbehi-en, sondern der europäischen Forschungsweise sich anzuscbliessen vermögen und auch, selbständige Leistungen aufzuweisen haben. Die Adligen schildert Baelz als besonders schwäch- lich, was auffallend ist, da sie ihren Rang tapferen Vor- fahren verdanken, die denselben auf dem Schlachtfelde erkämpften. Die Geschichte Japans öffnet das Verständniss dieses AVechsels. Vor Alters waren die Lehensherren des Mikado, die Daimios, ein muthvoUes und kern- haftes Geschlecht, das sich in zahllosen Fehden und Bürger- kriegen nahezu aufrieb. Die Tokugawa-Shoguns, bei uns fälschlich Taikuns genannt, welche die Rolle der Major- domus spielten, aber nicht so weit kamen, wie die frän- kischen, unterwarfen im Jahre 1600 ganz Japan und versclmfften demselben einen Landfrieden von 250 Jahren., Dies konnte nur dadurch geschehen, dass der Lehensadel jeden politischen Einflusses beraubt und unter strenger Faust gehalten wurde. Eis ist bloss natürlich, dass diese hochbegabte und thatenlustige Klasse sich auf Künste und Wissenschaften warf und sich denselben mit Feuereifer, bis zur Nervosität, hingalt. Bezeichnend ist, was Baelz betont: der kriegerische Sinn habe durch die erzwungene Ruhe nicht im geringsten gelitten, was mit den Gesetzen der erhaltenden Vererbung gut stimmt. Die Revolution von 1867, welche von einer Daimio- Versehwörung ausging und mit der Besiegung des Shoguns durch den Mikado endigte, brachte die höhere Klasse der Japaner wieder zur politischen Geltung und nun begann ein neues Leben des Inselreiches. Die strengeren Anforderungen, welche im Heer und in der Staatsverwaltung Japans gestellt werden, bilden die Vorbedingung, dass der feine Typus daselbst seinen Einfiuss behauptet. „Mau tindet in allen Ländern", sagt Baelz, „die höheren Classen und namentlich die Angehörigen alter Aristokratien weit vollkommener ge- baut und von edleren Zügen, als die Masse des un- günstiger situirten, hart arbeitenden Volkes: aber so gross wie in Japan ist der Unterschied in euro- päischen Ländern nicht entfernt". Beim weib- lichen Geschicchtc ist der Abstand womöglich noch grösser: „Nichts ist frappanter, als das in den Städten oft zu sehende Bild, dass eine zierliche, schmächtige, fast krankhaft zart gebaute, ernste Herrin gefolgt ist von der plumpen, dicken, blühenden, rothbackigen, immer froh-' liehen Dienerin mit der fast pöbelhaften Gesundheit." Und diese von Baelz so anschaulich beschriebene, an Geist und Charakter, insbesondere an Fassungs- gahe, Voraussieht und Thatkraft weitaus der Durch- sehnittsbegabung des japauischen Volkes überlegene 132 Naturwisseuschaftliobe Wochenschrift. Nv. 11. Menschen Varietät hat die >Sief?e über die Chinesen herbeigeführt. Durch die illiistrirten Blätter gehen jetzt die Bildnisse der Japaner, welche sich anlässlich des Krieges ausgezeichnet haben. Da ist Graf Ito, der Premierminister und Schöpfer der japanisclien Verfassung, ferner General Graf Yamagata, der Oberfeidherr, endlich General Kawakami, der Generalstabscbef der Armee: alle drei haben gescheidte, schneidige, dabei auffallend schmale und lange Gesichter, diekeineSpur von mongolischer Eigen- thümlichkeit und ebensowenig eine semitische Beimischung (die nach Baelz keineswegs immer hervorzutreten braucht) erkennen lassen. Sie gehören unstreitig dem „feinen" Typus an. Würde man Jemanden zu rathen aufgeben, wen die Bildnisse vorstellen sollen, so würde derselbe am ehesten auf Angehörige des schmalgesichtigen europäischen Ty- pus verfallen, aber weder auf Mongolen, noch auf Juden. In Korea unterscheidet Baelz ebenfalls den „plum- pen" und den „feinen" Typus, was von Rieht hofen in- direkt bestätigt, da er neben dem gewöhnlichen „runden Tungusengesicht" ein schöneres, edleres beschieibt, dem sonach eine „lange" Form eigen sein muss. Endlich kommt nach Baelz der „feine" Typus auch in China vor; er bildet dort herkömmlicherweise die Auszeich- nung der vornehmen Stände und die unerlässHche Zuthat für einen „grossen" Mann — wenigstens auf den von Malern hergestellten Bildnissen; in Wirklichkeit ist nach unserer eingangs gegebenen Darstellung das höhere Beamtenthum grösstentheils in die Hände des „plumpen" mongolischen Typus übergegangen. Die nach Photographien gefertigten Bildnisse der chinesischen Besiegten belehren uns, dass der Vizekönig Li-Hung-Tschang nicht dem feinen Typus angehört, dass Admiral Ting, über dessen Be- griffe von Disciplin kürzlich so hübsche Geschichten durch die Blätter gingen, ein ausgesprochener Mongole mit hervor- stehenden Backenknochen war, und dass nuretwaLiu-Ming- Tsehuan, also einer unter dreien, dem schmalgesichtigen feinen Typus zugerechnet werden kann; dieser war aber jedenfalls kein hervorragender Vertreter dieses Typus. Die Kriegsereignisse und die diplomatischen Leistungen beider Völker zeigen einen so tiefgreifenden Gegensatz, dass die Ueberlegenheit Japans und die Minderwerthig- keit Chinas durch eine Unmenge von Einzelheiten zu be- leuchten wären. Es lebt ein Abglanz von Bismarckschem und Moltkeschem Geiste in den Leitern des Sonnenreiches. Die Versuchung läge nahe, weiter zu forschen, wie es kam, dass das chinesische Staatswesen so verlottern und in die Hände einer total unfähigen Bureaukratie übergehen, dass namentlich das entscheidende Prüfungs- wesen so versumpfen konnte. Die staatlichen und ge- sellschaftlichen Einrichtungen eines Landes entspringen der Wechselwirkung zwischen der Volksseele und den äusseren Einflüssen, und dieser Gegenstand ist daher so schwierig, dass eine weitere Verfolgung auf Grund un- serer lückenhaften Kenntniss der Entwickelung des chine- sischen Reiches wenig Erfolg verspräche. Nur soviel sei angeführt, dass die Vergangenheit auch hier von trotzigen Lehensherren zu erzählen weiss, die unter sich oder mit den Herrschern in unaufhörlichen Fehden lagen und vielleicht den Daimios an natürlicher Ausstattung nichts nachgaben. Schliesslich wurden die Einzelfürsten be- zwungen und wahrscheinlich zum grossen Theil ausge- rottet. Die letzten Zuckungen erloschen erst am Anfange dieses Jahrhunderts. An die Stelle des Adels trat das höhere Mandarinenthum. Ob die begabtere Classe in China stärker aufgebraucht wurde, als in Japan, wissen wir nicht, doch scheint es glaublich, da hier die von den Shoguns hergestellte Ruhe erhaltend wirkte. Wir sehen aus dem Ganzen, dass eine überlegene Rasse naturgemäss sich in die leitenden Stellungen aufzuschwingen trachtet, aber auch, welchen Unge- heuern Vor theil ein Land aus dem Besitze einer be- fähigten und vaterlandsliebenden Geburtsaristokratie ziehen kann. Die jetzigen Kämpfe sind nicht die ersten, die um Korea zwischen Japanern und Chinesen aus- gefochten werden; die früheren lassen sich geschichtlich um mehr als 1000 Jahre zurückverfolgen und das Kriegs- glück zeigte sich schwankend. Bald hatte Japan, bald China die Oberherrschaft über die Halbinsel; aber niemals zuvor hat sich die Minderwerthigkeit eines der kämpfen- den Gegner in dem Grade geoffenbart, wie dieses Mal. Vielleicht war das Festland in früheren Jahrhunderten noch reicher an hochbegabten und kriegerischen Elementen als jetzt; mit dem Rückgang derselben bezw. mit ihrer Verdrängung vom Einfluss musste sich der Sieg auf die entgegengesetzte Seite neigen. Die zehnmal grössere Kopfzahl Chinas kommt gar nicht in Betracht, wenn keine Führung vorhanden ist, welche die Hülfsmittel mit fester Hand zu ergreifen und zu gebrauchen weiss. Was bedeutet für sich allein die ungelenke, blöde Menge! Die ausnehmende Wichtigkeit derRassenzusammen- setzung für die Bedeutung der Völker ist von sehr ver- schiedenen Seiten her, so in Deutschland von Nietzsche, in Frankreich von de Lapouge und schon früher, wenn auch mit unzureichender Begründung, von de Gobineau hervorgehoben worden. Gegenwärtig ist es hauptsächlich de Lapouge, der gelehrte Bibliothekar der Universität in Rennes, welcher Forschungseifer mit Kühnheit ver- bindend, fruchtbare Gedanken in die Welt sendet. In einem seiner jüngsten Aufsätze über „Leben und Sterben der Völker", der kurz vor Ausbruch des japanisch-chine- sichen Krieges erschien, hält er sich darüber auf, dass die Japaner noch nie versucht hätten, eine Handels-, Colonial- und Seemacht ähnlich der englischen zu bilden, obwohl die geographische Lage dazu einlade. Dass die Japaner mittlerweile durch ihr energisches Lossteuern auf dieses Ziel die Welt in Erstaunen setzten, könnte gegen die Theorie meines hochverehrten Freundes ausgelegt werden, während es dieselbe nur bestätigt. De La- pouge hat allerdings die geistige Beschaffenheit der Bewohner des Inselreiches unterschätzt, weil ihm das Vorhandensein einer herrschenden Rasse nicht gegen- wärtig war. Es ist mir nicht anders ergangen; erst als ich kürzlich durch Zufall die Bildnisse der japanischen Sieger mit den schmalen, langen, für den vornehmen Typus maassgebenden Gesichtern zu sehen bekam, wachten die Baelz'schen Arbeiten wieder in meinem Innern auf, die viele Jahre geschlummert hatten. Nun wurde mir manches klar, und ich erkannte in den That- sachen eine glänzende Bekräftigung der Rassentheorie. Wie de Lapouge von den führenden Angelsachsen Grossbritanniens, so sage ich jetzt in Anwendung auf den vorliegenden Fall: Gesetzt, diese ganze hervorragende Herrsclierrasse Japans würde durch ein Nationalunglück von der Erde vertilgt — wo bliebe die Uebermacht zu Wasser und zu Land? Ohne die tüchtige Vorbereitung, Ausrüstung und Führung wäre das Vertrauen der Truppen zu ihren Vorgesetzten, welches sie alle Gefahren und An- strengungen ertragen lässt, gar nicht denkbar. Die ja- panischen Soldaten würden mit den chinesischen um die Wette durchbrennen. Von Natur sind diese gewiss nicht schlechter ausgestattet als jene, wie z. B. ihre Leistungen unter der Führung Gordons bewiesen; aber was sollen die armen Opfer machen, wenn sie von unfähigen Befehls- habern zur Schlachtbank geschleppt und dann schnöde im Stiche gelassen werden? Oder man nehme an, dass durch eine demokratische Revolution in Japan die herr- schende Klasse ihres Einflusses beraubt und zur Unthätig- keit verdammt würde: der Erfolg wäre der nämliche. I Nr. 11. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 133 Auch das Gegenstück träfe zu. Käme durch irgend einen Vorgang der feine Typus in Cliiua obenauf, wäre CS ihm möglicii, .sich zu organisircn und die Verfügung über die uncrniessliche Macht des hinniilischen Reiches an sich zu rcisscn: wer zweifelt daran, dass der Sieges- lauf der Japaner bald zum Stehen käme"? Würde aber China gar einer europäischen Staats- und Heeres- Verwal- tung unterstellt, bekäme der europäisch-germanische Typus unumschränkte Vollmacht, die Wehrfälligkeit zu entwickeln und zu lenken: wie bald würden die Japaner nüt gesal- zenen Hieben nach Hause geschickt werden! Denn der Stärkste meistert den Stärkeren. Die Nutzanwendung auf abendländische Verhält- nisse liegt nicht fern. Als Baelz jene Al)liandlung schrieb (1883 — 1885), konnte er unmöglich ahnen, dass 10 .lahre später ein ebenso tiefgreifender Unterschied zwischen führenden und geführten Klassen in Europa mit dem Maasstab nachgewiesen werden würde. Seit meinen ersten Verötlentlichungen*) sind Beobachtungen aus Frankreich, Italien und der Schweiz bekannt geworden, welche die grössere geistige Beweglichkeit und ünternehnningslust des langköpfigen und schmalgesichtigen Typus Europas liestätigen. Selbstverständlich sind aber die Langköpfe hier von anderer Art als diejenigen Ostasiens; überhaupt ist die Langköptigkeit nicht als die Ursache der höheren Geistesanlagen zu bezeichnen, sondern sie kommt nur als ein begleitendes äusseres, wahrscheinlich zufälliges Rassen- nierkmal in Betracht. Man wird nun bald zugeben müssen, dass meine Behauptungen im wesentlichen richtig sind; ihr Inhalt ist auch im Grunde so vernünftig, dass es gar nicht anders sein kann. Am stärksten äussert sich das Uebergewicht der europäischen Langköpfe auf dem militärischen Gebiet. Die Erfolge von 1864, 1866 und 1870/71 verdanken wir nicht allein der ausgezeichneten Tapferkeit und Mannes- zucht unserer geschulten Truppen, sondern die eigent- lichen Organisatoren und Erringer des Sieges sind jene ernsten Generale, welche, meist aus dem alten Land- adel hervorgegangen, dem blonden, hochgewachsenen, langköpfigen und schmalgesichtigen Typus angehören, und deren ausgeprägteste Verkörperung Graf Moltke war. Ohne diese hätte es uns ergehen können, wie es den Franzosen wirklich erging, dass wir weisellos dem Feinde in den Rachen gerannt wären. Man darf es den Besiegten nicht verargen, dass sie sich den Hergang nur durch Verrath erklären können, denn sie mussten diesen Eindruck bekommen, obschon nur Mangel an Ueberblick zu Grunde lag. Freilich hätte eine gründlichere Einsicht das fran- zösische Volk belehren müssen, dass es selbst sich durch die „grosse" Revolution vollends der geistig her- vorragenden germanischen Elemente beraubt hat, die eines besonderen Schutzes bedurft hätten, um sich nicht selbst zu verzehren. Das jetzige Durcheinander in den Re- gierungskreisen mit seinem Ueberfluss an ehrgeizigen und seinem Mangel an tüchtigen Persönlichkeiten ist eine Folge davon. Unser Nachbar auf der anderen Seite, Russland, ist zum vorwiegenden Theile mongolisch; doch i.st bei ihm bemerkenswerth, dass das blonde langköpfigc Element trotz seiner geringen Zahlen.stärkc eine grosse Macht in Staat, Heer und Flotte übt, was den Parisern beim vorjährigen Besuch der russischen Seeleute sein- auffiel. Auch das Herrscherhaus ist, zum Theil weniü-stens, von *) Vergl. Naturw. Wochensehr. Band VIII, Nr. 49 und 50. germanischem Typus. Mit jener Bevorzugung müssen wir rechnen. Die russischen Horden ohne Führer höherer Art würden uns nicht allzuviel zu schaffen machen; erst die uns stanunverwandte Leitung verleiht ihnen Schwungkraft und Treftsicherheit. Je länger der Zusammenstoss hinausge- schoben wird, desto ärmer wird Russland an seinen besten, für uns gefährlichsten Persönlichkeiten, weil auch dort die germanische Rasse im Aussterben begriffen ist. Nur schade, dass unsere Aussichten sich dadurch nicht verbessern, denn es ist bei uns geradeso. Sehen wir Seandinavien als die Urheimath und den Aus- strahlungsmittelpunkt aller Arier an, so begreift sich leicht, wie es kam, dass wir Deutsche uns bei unserer Ausbreitung keilförnng zwischen die Rundköpfe Mittel- europas hineinschieben mussten und nun mit der Noth- wendigkeit einer Vertheidigung nach zwei Seiten zu rechnen haben. Bei uns hat der arische (germanische) Bestandtheil länger vorgehalten, weil er von Anfang an stärker war als in den Nachbarländern; aber in der Ab- nahme befindet er sich auch. Die Bevölkerungen von F'rankreich und Deutschland bilden zur Zeit einen ähn- lichen Misehungsgegensatz, wie die von China und Japan, indem liei den ersteren die Aufbrauchung der von Natur energischen und zur Leitung berufenen Elemente schon weiter gediehen ist, als bei den letzteren. Nicht genug, dass der arische Volksbestandtheil bei uns in der Abnahme begriffen ist, welche hauptsächlich durch den raschen Menschenverbrauch der oberen Gesell- schaftsklassen herbeigeführt wird, sondern es bestehen Strömungen der Politik, welche die Bethätigung der vor- handenen arischen Reste durchkreuzen. Ueberall begegnen wir der Sucht, die höheren Stände anzufeinden, sie als Sehmarotzerpfianzen hinzustellen und verächtlich zu machen, ihre Bestrebungen zur Fortbildung der nationalen Wehr- kraft als nur von Klasseninteresse eingegeben zu verdäch- tigen und dadurch lahm zu legen. Eine andere Strömung geht dahin, mögliehst viele Individuen der unteren socialen Schichten in höiiere Schulen und schliesslich in leitende Stellungen zu bringen, wodurch sehr häufig der „Fleiss" über das „Talent", das „Sitzleder" über den wirklich genialen Kopf triumphirt und immer auch etwas prole- tarische Denkweise mit in die höheren Gesellschafts- schichten verpflanzt wird. Die Schädlichkeiten, welche auf die höheren Stände einwirken, lassen sich also in folgende drei Punkte kurz zusammenfassen: 1. Aussterben des „feinen" europäischen Typus; 2. Heraufkommen des „plumpen" europäischen Typus, und 3. Lahmlegung des politischen Einflusses der höheren Stände. Dass schliesslich das ganze Volk durcii die Herab- drückung des geistigen und Charakter -Niveaus der leitenden Klassen Nachtheilen und Gefahren ausgesetzt ist, wird schwerlich in Abrede zu stellen sein. Von dieser Erkenntniss sind die Politiker jedoch weit entfernt, da die Naturwissenschaft bis jetzt in Staats- und Gesellschaftsan- gelegenheiten noch gar nichts mitzureden hat. Und doch handelt es sieh hierliei in letzter Linie um Fragen der Biologie, Zoologie und Anthropologie, deren Nicht- berücksichtigung zu ganz falschen Schlüssen führen nniss. Es dürfte daher an der Zeit sein, dass die ge- nannten Wissenszweige sich rühren, um bei den Ent- scheidungen der Politik und der Socialpolitik gehört zu werden, ehe wir die Erfahrungen Chinas am eigenen Leibe machen müssen. 134 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 11. 66. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien vom 24. bis 30. SepU-mber 1894. ! cuääsir VII. (Schluss.) Oscar Baiimann: Durch Massai-Land zur Nil- quelle. — Der Reisende, welcher, von Norden her kommend, sich der Küste von Deutscli-Ostafrika nähert, ist durch die tropische Ueppigkeit dersell)en überrascht. An den Küsten des Rothen Meeres und der .Somali-Halb- insel erblickte er nur öde Felsen und weisse Sandflächen, welchen der belebende Reiz der Vegetation vollständig fehlte; hier schaut sein Auge herrliche Palmenhaiiie, dunkeliaubige Mangos, allerorts üppiges Grün. Besonders, wo die Küste in braunen Steilwänden an die See heran- tritt, die, von schäumender Brandung unterwaschen, mit wuchernden Vegetationsranken gekrönt sind, w'o hinter den Fahnen die Umrisse ferner, blauer Gebirge aufragen, ist die ostafrikanische Küste von wahrhaft entzückender Schönheit. An anderen Punkten besitzt die Küste einen flaciien Strand, wieder an anderen, besonders an Fluss- münduugeu, zeigt sie sich von weitem als dunkle, ein- förmige Waldmauer: sie ist von Mangroven, jenen glänzendl)lättrigen Rhizophoren bedeckt, die in allen Tropenländern auftreten und durch ihr amphibisches Da- sein und das Wurzelgewirre, das sie selbst von den höchsten Zweigen in den schlammigen, zur Fluthzeit von der See bespülten Boden senken, ein abenteuerliches Aus- sehen gewinnen. Die Küste ist überall eine echte Korallenküste mit einem sie dircct begleitenden Kttstenriff" und einem Wall- rift", das in etwa fünf Kilometer Entfernung am Strande entlang läuft. Beide Riffe erheben sich stellenweise über die Oberfläche des Meeres und bilden eine Kette längs der Küste verstreuter Inselchen. Meist an jenen Stellen, wo Flüsse einmünden und durch ihr Süsswasser die Ent- wickelung der Korallenthiere hemmen, treten tief ein- sehneidende Buchten und Aestuarien auf, stellenweise treffliche Häfen bildend. An der ganzen Küste lässt sich die Beobaclitung machen, dass auf eine lange andauernde Küstenvermehrung in geologisch jüngster Zeit eine Küstenverminderung folgte. Auf den llölien der Uferrampe und den sie be- gleitenden Bodenscinvellungen finden sich reeeutc Muscheln und Korallenbildungen, die beweisen, dass die See früher jene Gebiete bedeckte und dann zurückgewichen ist. Gleichzeitig zeigt sich jedoch die Erscheinung, dass die See heute wieder landeinwärts vorrückt, und zwar mit einer Macht, welche für den Küstenbewohner oft ver- häugnissvoll wird. Au das Küstengebiet schliesst sich landeinwärts eine Zone an, welche durch das Auftreten jurassischer Kalke bezeichnet ist. Allmählich ansteigend, besitzt sie im all- gemeinen keine besondere Fruchtbarkeit, und die ost- afrikanische Steppe, die Nyika, reicht mit ihrer eigen- artigen Vegetation vielfach in dieses Gebiet hinein. Die Ränder dieser Nyika sind durch das Auftreten von Dum- Palmen und Affenbrotbäumen, jenen ungeheueren „Dick- häutern der Pflanzenwelt", ausgezeichnet. Die Haupt- Charakterpflanze ist jedoch die Akazie, die als niedriges Stachelgestrüp)) sowohl, wie als malerische Schirm-Akazie auftritt. In der trockenen Zeit sind fast alle diese Bäume kahl, aus dem hartgebrannten Lateritboden erheben sieh nur vereinzelte dürre Grashalme. Zu Ende der trockenen Zeit fegen ungeheure Grasbrände über die weiten Ebenen, zur Nachtzeit den Himmel mit feuriger Lohe übergiessend. In der Regenzeit bedeckt sich das Land überraschend schnell mit Grün. Zarte jimge Halme sprossen hervor, | sohle geliefert. die Baobabs, die sonst ilire mächtigen Aestö blattlos in die Lüfte recken, zeigen reiches Laub, und selbst die Akazien und Dornbüsche verhüllen ihre stachelige Aussen- scite mit dichtem Grün. Aus dieser Nyika-Steppe, welche, im Vorland be- ginnend, mit Unterbrechungen bife tief ins Innere des Continents reicht, erheben sieh inselartig die einzelnen' Complexe des ostafrikanischen Schiefergebirges. Es bildet ein östliches Analogon des westafrikanisehen Sehiefer- gebirges, welches als krystallinisches Kettengebirgs die Küste AVestafrikas begleitet. Im Gegensatz zu diesem besteht es jedoch aus einzelnen, vollkommen insularen Gebirgsmassen, die schroff und unvermittelt aus den weiten Ebenen aufragen. Wenn in den Ebenen die Dürre und Wasserarnnith den Landschafts- charakter und vor allem die Vegetation beeinflusst, so ist in den Bergen, die bis zu 2000 m ansteigen, genau das Gegentheil der Fall. Von allen Höhen rieseln Quellen und Bäche, welche von Baumfarnen eingesäumt sind, dunkle hochstämmige Urwälder wechseln mit üppigen Hochweiden; im Gegensatz zur glühend heissen Ebene herrseht angenehme kühle Temperatur. Wenn die Pflanzenwelt in den Bergen ungleich reicher ist als in der Ebene, so ist das grosse Thierleben gerade an die weite Steppe gebunden. Hier fiudon sich die grossen Dickhäuter, Elephant und Nashorn, allnächtlich ertönt das Geheul der Hyäne, manchmal ttbertöut von der Stimme des Leoparden oder dem majestätischen Brüllen des Löwen. Durch die Uferwaldungen der Flüsse schwanken die abenteuerliehen Gestalten von Giraften, Heerden von Zebras und Antilopen tummeln sich in den Ebenen, fern am Horizont laufen Strausse in langer Reihe, gleich einer Cavallerie-Abtheilung mit Windeseile durch die Steppe. AVestlich vom ostafrikanischen Schiefergebirge dehnt sich ein Gebiet aus, welches durch grossartige geologische Störungen sowie dadurch ausgezeichnet ist, dass es keinen Wasserlauf nach der Küste entsendet. Hier verläuft der grosse erythräische Graben, der, wie Huess so meisterhaft nachgewiesen, durch 40 Breitegrade vom Todten Meer bis Ugogo zu verfolgen ist und eine der mächtigsten Störungs- linien der Erdoberfläche bildet. Als Seitenbruch ist jener zu betrachten, welchem die riesigen Vulkankegel des Meru und Kilimanjaro entstiegen sind, welche sich plötzlich und unvermittelt aus der Ebene zu Mont Blaue-Höhe, der Kilimanjaro sogar bis zu 6000 m, erheben. Der ( »Strand des grossen Grabens ist nicht überall deutlich ausgeprägt, der Westrand dagegen zieht sich in erstaunlicher Schärfe als Abfall von 100 bis 800 m Höhe durch das ganze Gebiet. Durch die Forschungen von Höhnel's und Dr. Fischer's, war der nördliche Verlauf des Grabens bekannt. Im äussersten Süden, in Ugogo, machten Junkers Beobachtungen das Vorhandensein des Grabens wahrscheinlich. Doch das Mittelglied fehlte, und es war mir eine besondere Befriedigung, dieses erforschen zu können und dadurch den thatsächlichen Beweis für die Richtigkeit der Suess'sehen Grabentheorie zu liefern. Die Sohle des Grabens ist durch eine Kette von Seen be- zeichnet, die, dem abflusslosen Charakter des Landes ent- sprechend, meist salzig sind. In meinem Forschungsgebiet ist der Manyara-See der grösste. Wenn es noch eines Beweises bedürfte, dass diese merkwürdige Senkung wirklich als Graben aufzufassen ist, so würde dieser durch das Auftreten vulkanischer Erscheinungen in der Graben- Ueberall steht jungeruptives Gestein in Nr. 11. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 135 vereinzelten Dnrclibriiehen an. Im südlichsten Theil des Grabens erhebt sich der vulkanische Kegel des Gurui bis zu 4000 ni. Am Manyara-See treten heissc Quellen auf und nördlich davon ragt sogar ein thätiger Vulkan, der Donyo-Xgai, auf. Während die Grabensohle vorzugsweise Stepencharakter besitzt, ist die Höhe des Westabfalls mit dichten Urwäldern bedeckt, die bis weit ins englische Interessengebiet hiueinreichen, und an welche sich herrlich kühle Ilochweiden anschliessen, die durch knorrige, mit Flechten bewachsene Bäumchen ein alpines Gepräge er- halten. In dieses Hochplateau ist als scharfe Sackgasse der Wi'nilicre-Graben eingerissen, dessen ^on schroffen Ab- stürzen unischlosscncs Nordende der salzige Eyassi-See eiuninnnt. Vielleicht im geologischen Zusammenbange mit diesem Graben steht der Krater von NgorongorO; der, von Basaltwänden umrahmt, eine grasige Sohle besitzt, auf der ungeheure Wildmengen sich tummeln. Im Westen des äbflusslosen Gebietes dehnt sich das Granitplateau von ünyamwesi aus, eine weite, leicht gewellte Hochebene, die hauptsächlich durch den vollständigen Mangel ständiger hiessender Gewässer und durch wilde Anhäufungen von Granitblöeken charakterisirt ist, die stellenweise verstreut sind. Im östlichen Theil ist in der Vegetation der Nyika- Charakter vorherrschend, im Westen dehnen sich weite, lichte Wälder, die sogenannten Miombo- Wälder aus. In das Granitplateau ist nördlich als Becken der ungeheuere Victoria-See eingelagert, der mit einer Ausdehnung, die dem Königreich Bayern gleichkommt, vollständig den Eindruck eines Meeres macht, jedoch süsses und wohl- schmeckendes Wasser besitzt. Die Frage nach den Zu- flüssen des Victoria-Nyansa ist deshalb von Interesse, weil sie mit jener nach dem Quellarm des Nils zusanmicnfällt. Denn, wenn auch durcii Speke's denkwürdige Reise die Fra^-e der Nilquellen, soweit sie ein historisches Interesse besitzt, erledigt war, so stand sie doch vom geographi- schen Standpunkte aus noch offen. Es drängt sich hier unwillkürlich der Vergleich mit dem Rhein auf, dessen Quelle auch nicht im Bodensee, sondern erst an der Ur- sprungs(|uelle im St. Gotthard gesucht wird. Dieser Ver- gleich ist um so zutreffender, als der Victoria-See gleich dem Bodensee ebenfalls nur einen namhaften Zutluss, nämlich den Kagera- oder Alexandra-Nil besitzt. Er ent- hält zwei Drittheile des Wasserquantums des ausfliessenden Nils, er wird von den Eingeborenen so\\ohl, wie von Speke und Stanley als Quelltluss des Nils betrachtet, und seine Quelle, die ich am 19. September 1892 erreichte, muss als Quelle des Nils aufgefasst werden. Eine merk- würdige Thatsache ist es, dass die Berge, welchen der Kagera-Nil entströmt, von den Eingeborenen Missosi ya Mwesi, Mondberge, genannt werden. Es wäre gewagt, zu behaupten, dass diese Mondberge thatsächlich mit den Ptolemäi'sehen identisch seien, inmierhin ist das Auf- treten des Namens Mwesi in dieser Gegend von hohem Interesse. Die Bergketten zwischen Victoria See und Tanganyika sind durchaus krystallinisch und können als central- afrikanisches Schiefergebirge bezeichnet werden. Offenes, fruchtbares Weideland ist in diesen wasserreichen und dicht bewohnten (iebieten vorherrschend. Gegen Westen stürzt dieses Gebirge in steilen Hängen zur Sohle eines Grabens ab, der als centralafrikanischer Graben be- zeichnet werden kann. Seine beiden Ränder sind sehr scharf ausgedrückt. Die Sohle nimmt im Süden der langgestreckte, mächtige Tanganyka-See mit seiner Re- lictenfauna ein, der nördliche Verlauf dieser Störnngslinie ist durch die thätigen Vulkane des Mfumbiro und durch die Seen Albert-Edward und Albert bezeichnet. Hier er- bebt sich der aufgewulstete (Astrand des Grabens als Ruveosori bis zu über 5000 ni und übersteigt die Schnee- grenze. Nahe dieser Grabcnlinie verläuft im Westen der Rand des grossen innerafrikanischen Waldes, den ich 1885 am Congo geschaut, und in dem dieser Riesenstrom seine Wassser sammelt. Wenn wir das ganze Gebiet überblicken, so finden wir in demselben eine uralte Continentalmasse, in welcher Sedimente nur eine untergeordnete Rolle spielen, und die durch das Vorherrschen primärer Gesteine ausgezeichnet ist. Die gebirgsl)ildenden Jlotoren, die in Europa und Asien durch Faltung das Antlitz der F^rde veränderten, übten hier keine wain'nelnnbare Wirkung. An ihre Stelle traten grossartige Störungslinien, welche das Land in geologisch jüngster Zeit in einzelne Schollen zerrissen und es zu einem der merkwürdigsten und badeutungsvollsten der Erdoberfläche machten. In dieses Land der scharfen Gontraste, wo flaches Wüstcnland an mächtige Gebirgsmassen, glühend heisse, trockene Ebenen an kühle, feuchte Hociiländer grenzen, in dieses Land, das alle Klimate des Erdballes vom Tropensaum der Küstenregion bis zur Eisluft des gletscher- umpanzerten Kilimanjaro vereint, in die Mitte dieser gross- artigen Natur ist der Mensch versetzt. Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass die Be- wohnerschaft des nördlichen Deutsch - Ostafrika eine spärliche ist: an relativ dicht bewohnte (Jebiete stossen weite unbesiedelte und nur von Nomaden durchsebweifte. Die dunkle Hautfarbe, welche den Eingeborenen Ost- afrikas ein einheitliches Gepräge giebt, könnte den Neu- ling auf die Vermuthung bringen, dass die verschiedenen Stämme nur wenig von einander abweichen. Erst nach längerem Aufenthalt im Lande entdeckt man die grosse ethnologische Mannigfaltigkeit der Völker, welche diese Gebiete bewohnen. Ob es eigentliche Aboriginer in den besprochenen Ländern giebt, oder ob alle jetzt dort lebenden Völker ursprünglich eingewandert sind, ist schwer zu behaupten. Jedenfalls weisen die meisten Stämme, mögen sie auch seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden im Lande leben, auf einen nördlichen Ursprung hin. Nur von einer Gruppe lässt sich dies nicht behaupten, von den so- genannten Pygmäen, jenen merkwürdigen Zwergvölkern, deren, Entdeckung die abenteuerlichsten Nachrichten Herodot's zur Wahrheit machte. In grösserer Menge leben diese jirimitiven Jägerstänune tief im ceutral- atrikauischen Urwald, aber auch ausserhalb desselben, in offenen Gebieten, triÖ"t nmn Spuren von ihnen. So fand ich in Urindi einen Pariastamm von Töpfern, die Watwa, die wahrscheinlich der Pygmäengruppe angehören. In der Wembere-Steppe streifen, scheuer als das flüchtige Wild, Jäger undier, die niedrige Grasbütten erbauen und im Innern von Bäumen hausen, die Wanege. Ein Theil dieser Leute hat sich als Wassandaui angesiedelt und spricht eine an Schnalzlauten reiche Sprache, die auf einen Zusammenhang mit den südafrikanischen Buschmännern hinweist. Ob die Pygmäenvölker schon ursprünglich ihre Wälder verliessen uud nach offenen Gegenden aus- wanderten, oder ob, wie vermuthet wird, die Wälder Innerafrikas zur europäischen Eiszeit weit grössere Aus- dehnung hatten, mag dahingestellt sein: jedenfalls ist es sicher, dass die durch niedrigen Wuchs ausgezeichneten Jägerstämme Centralafrikas die ältesten Siedler darstellen. Ueber die von Pygmäen durchstreiften, also nahezu un- bewohnten Gebiete ergoss sich der Völkerstamm der Bantu- oder Kaffernrasse, der heute den grössten Theil Afrikas südlich vom Aequator innehat und durch reinen Negertypus und sehr einheitliche Sprachen ausgezeichnet ist. Auf diesen folgten die Hamiten, Leute mit fast europäischen Gesichtszügen, mit Wollhaar und Sprachen, 136 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 11. die der hamitisehen Gruppe angehören; Menschen, die heute noch das deutliche Gepräge einer asiatischen Her- kunft tragen. Wenn man es versucht, auch nur an- näherungsweise festzustellen, wann diese Wanderungen erfolgten, so bhckt man in einen Abgrund von Zeit. 5000 Jahre vor Christo traten die alten Aegypter mit einer Cultur in die Geschichte ein, die auf eine vorherige lange Entwickelung im Nilthal schliessen lässt. Und doch sind die alten Aegypter verhältnissmässig junge Ein- wanderer aus Asien. Wann müssen ihre V'orläufer, die Hamiten, die Völkerbrücke am Kothen Meere überschritten haben, in welch' grauer Vorzeit müssen erst die Wande- rungen der Bantu stattgefunden haben, welch' ehrwürdiges, fast geologisches Alter haben wir den Pygmäenstämmen Centralafrikas zuzuschreiben! ... Die Bantu haben dieselben, wie schon erwähnt, zahl- reiche gemeinsame Eigenschaften. Vor allem zeigt die Sprache über ungeheure Gebiete gemeinsamen grammati- schen Bau und keine viel grösseren Abweichungen, als etwa die slavischen Sprachen unter einander aufweisen. Ein Sansibarit kann sich am Congo, ein Zulu in Ost- afrika nach kurzer Zeit verständlich machen. Auch durch die primitiven religiösen Anschauungen dieser Völker zielit sich der gleiche Grundgedanke, es ist der Ahnen- cult, die Verehrung der Geister der Vorfahren. Sei es nun, dass man deren Sitz in Holzfiguren sucht, wie in Westafrika, sei es, dass man eigene Geisterhütten für sie erbaut, oder Bäume und Felsen mit ihnen belebt, stets werden die überirdischen Wesen als Geister der Ver- storbenenen aufgefasst, die im Allgemeinen bösartig sind und durch allerlei Opfer versöhnt werden. Den Verkehr mit den Geistern vermittelt überall der Zauberdoctor, der auch bei Krankheiten als Heilkünstler auftritt. Seine Kuren bestehen meist iu Beschwörungen und Anbringen von Amuletten, doch wendet er auch Pflanzenmittel, Schröpfen, Aderlassen und Eingiessungen in den Darm an, auch das Massiren ist fast überall bekannt. Ein weit verbreiteter Glaube ist jener an die Unnatürlichkeit des Todes, und bei vielen Stämmen zieht der Tod eines Menschen immer den eines zweiten nach sich, der be- schuldigt wird, ihn todtgezaubert zu haben. Auch das Prophezeien aus Hühnerdärmen ist bei sehr vielen Bantu- stämmen verbreitet. Das gewöhnliche Wohnhaus aller Bantu Ostafrikas ist die Kegclhütte mit kreisrundem Grundriss. Nur in wenigen Gegenden ist aus derselben ein viereckiger Bau mit flachem Lehmdach, eine Tembe, entstanden, weil das Blätteidacli der Rundhütten bei feindlichen Einfällen zu feuergefährlich war. Alle Bantu sind mehr oder weniger eifrige Ackerbauer, die ur- si)rüngliche Nahrungspflanze dürfte die Banane sein, zu der schon in sehr früher Zeit Sorghum, Mais und Hülscn- früclite, später Maniok traten. Tabak wird fast überall, selbst in den entlegensten Gegenden angebaut. Viehzucht ist überall bekannt, jedoch völlig unabhängig vom Acker- bau, da sowohl Düngung als der Pflug unbekannt ist und die Feldarbeit nur mit der Hacke betrieben wird. Bei allen Bantustämmen ist die monarchische Re- gierungsform die ursprüngliche. Theilweise besteht sie noch heute in der Form grosser Despotenstaaten, meist jedoch haben diese sich in kleine Gemeinden aufgelöst, die Häuptlingen oder einigen Aeltesten unterstehen. Fort- währende Stammesfehden, Hungersnoth, die durch völligen Mangel an Communicationen verschärft wird, und Pocken- cpidemieen verheeren fast unaufhörlich das Land und werden erst der vordringenden ('ultur weichen. Von den verschiedenen Bantuvölkcrn sind vor allen die Küstenbewohner, die Swahili, zu nennen. Fast stets untei' fremder Herrschaft von Griechen, Persern, Portu- giesen und Arabern, in fortwährendem Handelsverkehr mit Indien, haben sie in Blut, Sprache und Sitten zahl- reiche fremde Elemente aufgenommen. Sie sind Moha- medaner und sprechen jedes wohllautende Idiom, das sie durch ihre weiten Handelszüge zur Weltsprache Central- afrikas gemacht haben. Es ist ein wohlgebildeter, intelli- genter Volksstamm, zu heiterem Frohsinn geneigt, der nur schwer sich in den strengen Ernst der deutschen Militär- herrschaft finden kann. Von den Inlandstämmen ragen be- sonders die Wanyamwesi hervor, unermüdliche Arbeiter und Kaufleute, die bestimmt sind, in der Entwickelung der Colonie die erste Rolle zu spielen. Obwohl ausser- halb der deutschen Sphäre gelegen, dürfen aucii die Wa- ganda nicht unerwähnt bleiben, die vor wenigen Jahren noch Heiden, durch Missionare zum Christenthum bekehrt wurden, um sofort der Welt das Schauspiel eines blutigen Religionskrieges zwischen Katholiken und Protestanten darzubieten. Als mir besonders nahestehend, sei zuletzt noch der Warundi gedacht, jener gänzlich unberührten Bewohner der Nilquellländer, die in mir den Nachkommen ihres ausgestorbenen Herrschergeschlechtes, der Mwesi sahen. Während die Bantu als Ackerbauer den sesshaften Theil der Bevölkerung darstellen, sind die Hamiten als Hirten und Jäger vorzugsweise Nomaden. Eine Ausnahme bilden die Wafiomi, ein primitiver Stamm, der im Gebiet des grossen Grabens in Erdhöhlen haust, und dessen Vor- handensein erst durch meine letzte Expedition nach- gewiesen wurde. Bekannter als diese waren die Hamiten mit nilotischer Sprache, die Massai, jene kühnen Vieh- räuber der Steppe, die Jahrzehnte lang die Geissei aller sesshaften Stämme waren, bis eine schreckliche Vieh- seuche sie 1891 ins tiefste Elend stürzte. Die spartanische Lebensweise dieser Nomaden, deren junge Leute nur Fleisch oder Milch geniessen und sich durch ein Pflanzen- mittel in eine Art Berserkerwuth versetzen, ihr fester Glaube an ein höheres Wesen und zalilreiche merkwürdige Gebräuche machen diesen wilden Kriegerstamm zu einem der interessantesten Afrikas. Fast ebenso bemerkenswerth als die Massai sind die Wahuma oder Watussi, ein lichtfarbiger Stanmi von oft tadellosen Körperformen, die als Hirten und Beherrscher des Ackerbaues im Seengebiet auftreten. Ihre auffallende Aehnlichkeit mit den Galla und ihre Traditionen deuten darauf hin, dass sie in verhälinissmässig junger Zeit aus den nördlichen hamitisehen Gebieten eingewandert sind. Diese Annahme erhält eine Bekräftigung durch die gross gehörnte Rinderrasse, welche sie züchten, und die völlig mit dem abessinischen Sanga übereinstimmt und deutlich auf indischen Ursprung hinweist. Vielleicht zeigt auch hier, wie schon mehrfach, die Hausthierkunde der Völker- kunde den Leitfaden, an welchem der Ursprung der Ha- miten zu suchen ist. Vielleicht ist es mir vergönnt, in Indien, wohin ich nächster Tage abgehe, selbst einige Bei- träge zur Lösung dieser Frage zu sammeln. Ostafrika ist zwar kein irdisches Paradies, aber doch ein schönes, vielversprechendes Gebiet. Neben den Steppen finden wir auch ausgedehnte fruchtbare Hoch- länder, die dem Plantagenbau, vielleicht selbst europäi- scher Ansiedelung günstigen Boden darbieten. Die Steppen selbst mit ihren geringen Terrainschwierigkeiten erleichtern den Bau von Strassen und Bahnen und zeigen sich bei genauer Untersuchung als keineswegs ganz un- productiv. So sind die Kociisalzlager, welche die Massai- Expedition in der Wembcresteppe entdeckte, ein Schatz, wie keine andere Golonialmaclit Innerafrikas ihn besitzt. Die dunkelfarbigen Bewohner sind unter richtiger Be- handlung zweifellos bildungsfähig; neben wilden Stämmen findet man heute schon solche, die der Cultur günstigen Boden l)ieten. Nr. 11. Naturwissenschaftliche Wochcuschrift. 137 Schätze zu finden und der Cultur zugänglich zu niaclicn, das ist eine vVufgabe, die weder der deutsche Lieutenant, nocli der deutsche Assesssor erfolgreich lösen wird: da/.n bedarf es der deutschen Naturforscher. In diesem Jahre findet die Versannnlung der Gesell- schaft Deutscher Naturforscher und Aerzte in Lübeck statt. In Bezug auf die Ergänzung des Vorstandes und Ausschusses ist zu erwähnen, dass zum ersten Vorsitzenden Gehcimrath Wisiicenus aus Leipzig, zum zweiten Geheim- rath V. Ziemssen aus München und zum dritten Vor- sitzenden Hofrath Victor von Lang aus Wien gewählt wurden. Ferner hatten aus der Reihe der Vorstandsmitglieder auszuscheiden dleheimrath Kouigsberger und Gcheimrath His und da aus dem Vorstande Hofrath Dr. Victor von Lang zum Vorsitzenden bestimmt wurde, waren drei Stellen im Vorstande zu besetzen. Für diese wurden gewählt: Professor Klein in Gottingen, Geheimratli Albert von Köllilvcr in WUrzburg und Geheimer Bergrath Pro- fessor Credner in Leipzig. Ein neues Leuchtgas. — Es ist eine bekannte Thatsaehe, dass im Steinkohlengase das Acetylen (C0H2) für die Leuchtkraft des.selben eine wichtige Rolle spielt. Bisher war es nicht möglich gewesen, dasselbe auf so billigem Wege anzufertigen, dass es isolirt hergestellt und als solches in der Technik verwendet werden konnte. Das Aufsehen, welches die Herstellung eines billigen Rohmateriales zur Gewinnung dieses Gases in Fach- wie Laieukreisen vor kurzem erregte, war somit ein durchaus berechtigtes, zumal durch die ev. industrielle Ver- wcrthuug desselben speciell der Oelgasindustrie ein erheb- Nachtheil erwaclisen kann. Die Darstellung eines billigen Rohmateriales gelit aus von dem Engländer Henri Moissau, welchem es ge- lungen ist, aus Kolilenstoff und einer Caleiumverbindung einen neuen Körper zu gewinnen, welchem der Name Calciumcarbid verliehen ist. Der Proccss geht in der Weise vor sich, dass ein inniges Gemenge von gebranntem Marmor und Zuckerkohle in dem vSchmelzraume eines elek- trischen Ofens 1.5—20 Minuten mit Hilfe eines Stromes von 350 A. und 70 V. erhitzt wird. Entsprechend der Gleichung CaO -h C., = CaC^ + CO entsteht hierbei Calciumcarbid (CaCo). Au Stelle von Caleiumoxyd (CaO) kann auch kohlensaurer Kalk (CaCO:,) zur Anwendung kommen, ohne dass der Vorgang dadurch eine wesentliche Aenderung erfahren würde: CaCOg + 4C = CaCo -\- SCO. Das gewonnene Product stellt eine schwarze, homo- gene Masse dar, welche sieh leicht schmelzen lässt und im Bruche ein krystallinisches Aussehen zeigt. Bringt man nun das so entstandene Calciumcarbid mit Wasser zusanunen, so findet so lange eine Entwiekelung von Acefvlcn (CgHo) statt, bis die gesamnite Menge des Cal- ciumearbids zersetzt ist. Der sich hierbei abspielende Vorgang ist folgender: CaCä + Ufi = C.Hä + CaO. Die Herstellung des Acetylens ist somit auf eine sehr einfache Weise möglich geworden und die Verwendung dieses Gases zu Beleuehtungszwecken dadurch vielleicht angebahnt worden, zumal es möglich ist, das Calciumcarbid dircct aus dem Ofen in Stangen zu giesseu. Die Ver- werthung dieses Produetes soll entweder so vor sieh gehen, dass die Stangen in besonderen Brennern mit Wasser be- feuchtet werden und auf diese Weise das Aeetylengas geben, welches nur entzündet zu werden jbraucht, oder aber auf die Weise, dass gewöhnliches Steinkohlengas damit angereichert nnd die Leuchtkraft desselben somit wesentlich erhöht wird. Die entstehende Flamme zeigt ein sehr intensives Licht, welches dem elektrischen Glüh- lichte und dem Auerlichte sehr ähnlich ist. Ueber die Herstellungskosten des Caiciumcarbids gehen die Ansichten vorläufig noch weit auseinander. Nach den Mittheilungen der Chemiker-Zeitung*) kommt die Tonne Rohmaterial auf 80 M. zu stehen. Da nun 1 kg desselben bei der Zersetzung mit Wasser ca. 3,6 cbm Acetj'len ergeben soll, so käme das cbm auf 2,22 Pfennige zu stehen. Wesentlich abweichend davon sind die Angaben, welche Reichelt's Patentbureau in Berlin gemacht hat. Nach ihnen wird sich der Preis eines cbm auf 26 Pfennige belaufen, d. h. 12 — 13 mal so viel, als die Chemiker- Zeitung angiebt. Damit übereinstimmend ist die Berech- nung der Gasausbeute, welche Herr Dr. Rosenthal, Direc- tor der der sächsisch-thüringischen Aetiengesellschaft für Braunkohlenverwerthung gehörenden Mineralöl- und Para- fin-Fabrik Teuehern, in der Cliemiker-Zeitung**) giebt. Dieselbe hatte folgendes Ergcbniss: „1 cbm Luft wiegt 1293,2 g, 1 cbm Acetylen mitbin 1176,8 g, 1 kg Calcium- carbid giebt 40('),2 g Acetylen gleich 0,3452 cbm. 100 kg geben demnach 34,52 cbm, anstatt der dort (oben) aus- gerechneten 3,60 cbm. Bei einem Preise des Rohmateriales von 80 M. pro Tonne kostet also 1 cbm reines Gas 23,17 Pfennige und nicht 2,22 Pfennige. Durch die Erhöhung des Preises von 2 auf 23 Pfg. : pro cbm. verliert das Gas wesentlich an technischer Be- deutung, selbst wenn man bedenkt, dass das Aeetylengas eine 15 mal höhere Leuchtkraft besitzt, als das Stein- kohlengas. Dieser letzte Umstand käme vorzüglich der Platz- und Strassenbeleuehtung zu gute, wo zahlreiche Flammen auf einmal brennen, während im Hausgebrauche und in Etablissements, die doch meistens elektrisches Licht eingeführt haben, dieser Punkt von geringerer Be- deutung ist. Bemerkenswerth ist, dass das Aeetylengas von sehr unangenehmem Gerüche nnd für den mensch- lichen Körper von mindestens ebenso schädlicher Wirkung ist, wie z. B. das Kohlenoxydgas, und dass es mit Äletallen ausserordentlich explosive chemische Verbin- dungen eingeht. Vorläufig steht die Frage der Gasbeleuch- tung mittels Aeetylengas jedenfalls noch offen und es wird der Zukuuft überlassen sein, zu entscheiden, ob es mög- lich sein wird, dasselbe in der Weise dem menschlichen Gebrauche zugänglich zu machen, wie es Jloissau hof!'t. Dr. Max Fiebelkorn. Hat Mars eine Atmosphäre J — Diese Frage, die man seit geraumer Zeit in dem Sinne für erledigt hielt, dass die Existenz einer unserer Luft sehr älnilicheu Marsatmosphäre erwiesen sei, ist neuerdings wieder zu einer brennenden Streitfrage in der astronomischen Welt geworden. Der Amerikaner Campbell, Astronom der Lick- Sternwarte, versuchte nämlich im vorigen Jahre eine quantitative Untersuchung der Marsatmosphäre durch Vergleichung der Spektra des Mars und des Jlondes bei *) XIX. Nr. 7, S. 117. **) XIX. Nr. 10, S. 185. 138 Naturwissenscliaftliclio WdcliPiisclirift. Nr. 11. verscliiedenen Höhen, fand aber bei dieser Gelegenheit zu seinem g-rossen Erstaunen die Speivtra beider Himmels- körper entgegen den älteren Angaben bei gleicher Höhe über dem Horizont so identisch, dass in ihm die Ueber- zeugung reifte, die Annahme einer der unsrigen ähn- lichen Marsatmosphäre sei ein unsiclier begründeter, aber freilich für die Erklärung vieler auf Mars sich uns dar- bietenden Erscheinungen sehr bequemer Aberglaube. Bei näherer Betrachtung der auf Mars beobachteten Phäno- mene kam Campbell dann inmier mehr von jener bisher so allgemein verbreiteten Annahme zurück. Die Schnee- kappen in der Umgebung der ]\larspolc müssten, wenn Mars eine kleine, von der Sonne beträchtlich weiter ent- fernte Erde wäre, viel ausgedehnter sein, als i5ie wirklich sind; die rothe Färbung des Planeten kann unmöglich der Lichtabsorption durch die Marsatmosphäre zuge- schrieben werden, weil sie sicli vorwiegend in der Mitte der Scheibe zeigt, während die Polkappen, die doch am meisten den Einfluss einer solchen Absorption erkennen lassen müssten, völlig weiss ersclieinen. Die Undeutlieh- keit der Oberflächengebilde in der Nähe des Marsrandes kann nach Campbell durch die blosse perspectivische Verkürzung ganz hinreichend erklärt werden, während der helle Glanz der Eandpartien eine weitere Aehnlich- keit zwischen Mars und Mond im Gegensatz zu dem von einer dichten Atmosphäre umgebenen Jupiter ergiebt. Auch müssten viel stärkere Trübungen in einer der unsrigen analogen Atmosphäre erwartet werden, als wir sie thatsächlich auf Mars beobachten. Trefl'end bemerkt Campbell, dass wir vor einer Beobachtung dieses Planeten doch niemals fragen, ob die Marsatmosphäre, sondern stets nur, ob unsere irdische Lufthülle klar sei. Die grosse Deutlichkeit, mit welcher wir die Oberflächcn- gestaltung des Mars zu sehen vermögen, lässt gleichfalls eine dichte Atmospliäre M'cnig wahrscheinlich erscheinen, denn Campbell meint, dass ein Beobachter auf dem Mars an dem Erdstern in Folge der Trübungen und des diffus von der Erdatmosphäre zurückgestrahlten Lichtes ver- muthlich nicht im Stande sein würde, Meer uud Festland zu unterscheiden. Auch die geringe Masse des Mars (Vjo tler Erdmasse) würde es schwer begreifen lassen, wie er eine einigermaassen dichte Atmosphäre sollte an sich zu fesseln im Stande sein. Angesichts aller dieser zweifellos recht schwerwiegenden Gründe dürfte sich bei dem Mangel sicherer, spektroskopischer Beweise die AVag- schale wohl bald zu Gunsten der Campbell'schen An- schauungen neigen, und man wird bei der Betrachtung der weissen Polarka])pen des Mars unwillkürlich wieder an die in Deutschland von A. Schmidt, in Amerika von Stoney und anderen ausgesprochene Hypothese erinnert, dass jener Mars-Schnee vielleicht aus fester Kohlensäure bestehen möchte und dass überhaupt die physikalischen Verhältnisse schon auf diesem unseren nächsten Nachbar- l)laneten von denen auf der Erde von Grund aus ver- schieden sein dürften, wenn auch durch diese Erkenntniss gar manche zu voreilig und külni aufgebaute I'hantasie- gebilde von der Cultur und Schiffahrt der Marsbewohner wie Kartenhäuser einzustürzen drohen. F. Kbr. Berufen wiinlon: Der Privatdocent der M.Tthematik in Wien Dr. W. Wirtinger als ordentl. Professor nacli Innsbruck;; der Assistent an der Moskauer Sternwarte Pokrowski als Ob.ser- vator der Universitiits-Sternwarte nach Dorpat; der Privatdocent für physiologische Chemie in Dorpat Dr. Friedrich Krüger als Professor nach Tonnsk. Es habilitirten sich: Dr. .Johann Loos für Ivinderheilkunde in Graz; Dr. Theodor Weyl für Hygiene an der technischen Hochschule zu Charlottoiiburg-Berlin. Es starben: der Geh. Sanitätsrath Dr. Ludwig Güterbock in Berlin; der Director des Hanauer Stadtkrankenhauses Dr. Kon- rad Middeldorpf, frühiT Docent in Freiburg; der Mathematiker Prof. Dr. J ulius Worpitzky, Oberlehrer am Friedrich-VVerder- schen Gj'mnasium zu Berlin; der Chirurg William Soweit Savory in London; der Augenarzt Dr. Adolf Waldau in Berlin. Verein zur Förderung des Unterrichts in der Mathematik und in den K aturwissenschaften. — In Gemilssheit des auf der vorjährigen Hauptversammlung des Vereins in Wiesbaden ge- fassten Beschlusses wird die diesjährige Hauptversammlung zu Pfingsten d. J. in Göttingen abgehalten werden. Im Nach- stehenden geben wir den Vereinsmitgliedern und allen Freunden unserer Vereinsbestrebungen schon jetzt Kenntniss der für diese Versammlung vorläufig in Aussicht genommenen Tagesordnung, nothwendig werdende Aenderungen uns vorbehaltend. Die end- gültige Feststellung des Versammlungs - Programms wird später rechtzeitig bekannt gemacht werden. Montag, 3. Juni, Abends 8 Uhr: Zwangloses Beisammensein der Versammlnngstheilnehmer. — Dienstag, 4. Juni, Vorm. 9 Uhr: Erste allgemeine Sitzung. Eröffnung und Begrüssung. Ansprache des Gymnasialdirectors Prof. Dr. Viertel. Vortrag des Universi- tät« Professors Dr. F. Klein: Der mathematische Unterricht an den Universitäten mit besonderem Hinldick auf die Bedürfnisse der Lehramtskandidaten. V'orm. 11 — 1 Uhr und Nachm. 3 — 6 Uhr Sitzungen der Fachabtheilungen. — Mittwoch, 4. Juni, Vorm. 9 Uhr: Zweite allgemeine Sitzung. Vortrag des Geh. Katlis I^rof. Dr. Bauinann: Ueber die Bedeutung der Naturwissen- schaften für eine wissenschaftliche Lebensauffassung. Vorm. 11 Uhr: Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten. Nachm. 3 Uhr: Be- sichtigung der mathematisch-natoi-wissenscliafllichen Universitäts- institute. — Donnerstag, 5.. Juni: Ausflug, über dessen Ziel noch Bestimmung getroffen wird. In den Sitzungen der Fachabtheilungen wird auch die im vergangenen Jahre zur Aufstellung eines Normalvorzeichnisses für die Einrichtung iler physikalischen .Sammlungen an den höheren Schulen eingesetzte Kommission Bericht erstatten. Im Uebrigen sind Anmeldungen zu diesen Abthcilnngs- sitzungen sehr erwünscht; es wird gebeten, dieselben bis zum 1. April d. J. an den mitunterzeichneten Director des Gymnasiums in Guben, Dr. Hamdorf}', zu richten. Zugleich werden alle Freunde der Vereinsbestrebuugen ein- geladen, dem Verein beizutreten. Anmeldungen in Vcrl)indung mit dem Jahresbeitrag von 3 Mk. nimmt der Schatzmeister des Vereins, Professor Pietzker in Nordhausen, entgegen Der Hauptvorstand : Hamdorf f. Der Orts- Ausachuss: Klein. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: zum Xachfulgcr des verstorbenen Professor der Mathematik Cayley in Cambridge Dr. Andrew Rüssel Forsyth ebenda; der pr.aktischc Arzt Dr. Kohlenberger in Würzburg zum zweiten Assistenten der dortigen medicinischen Universitätsklinik; die Privatdocenten in der medicinischen Fa- cnltät zu Breslau Dr. Karl Hürthle und Dr. Eduard Kauf- mann, sowie der Privatdocent für Chemie in München Dr. Wil- helm Muthmann zu ausserordentlichen Professoren. Aufforderung zur Betheiligung an der Bibliotheca Geo- graphica. — Unter dii sem Titel erscheint von jetzt ab die von der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin bis 1^90 in ihrer „Zeitschrift'' herausgegebene jährliche „Uebersicht über die auf dem Gebiet der Geographie erschienenen Bücher, Aufsätze und Karten" als selbständige Veröffentlichung, deren erster, soeben erschienener öOö Seiten starker Band die Litteratnr der Jahre 1891 und 1892 enthält und fast 14 00.) Titel umfasst ; der zweite Band, der noch in diesem Jahr folgen soll, wird die Litteratur des Jahres Ibi'S enthalten. Die Bibliographie soll in der neuen Form, in der sie er- scheint, ein möglichst genaues Verzeichniss der gesammten geo- graphischen Litteratur aller Länder der Erde in einer Ausführ- lichkeit geben, wie sie sonst nirgends geboten wird. Der von dem Vorstand der Gesellschaft für Erdkunde mit der Bearbeitung der „Bibliotheca Geographica' betraute Unter- zeichnete ist sich wohl bewusst, dass der wesentliche Fehler, welcher dem ersten Bande noch anhaftet, der Mangel an Voll- ständigkeit ist. Denn auch die Durchsicht der besten Biblio- graphien der einzelnen Länder sowie vieler Hunderte von Zeit- schriften bietet keine Gewähr dafür, dass nicht wichtige Arbeiten, die in wenig verbreiteten oder anderen Fächern angehörigeu Zeitschriften oder an abgelegenen Orten veröffentlicht werden, unberücksichtigt bleiben. Der Unterzeiclineto richtet daher die ergebene Bitte an alle Verfasser, die Titel derjenigen ihrer Arbeiten, die in den Bereich der allgemeinen oder speciellen Geographie gehören, und die in schwer zugänglichen oder in solchen Zeitschriften, in denen geo- Nr. 11. Niiturwisscnscliaflliflic Woclicnsclirift. l}]9 grapliischo Arl^eiten nicht venmitliet worden, oder sonst an ver- steckten Stollen voröft'entlicht worden sind, ihm an die unten an- gcf^eliene Adresse behufs Aufnahme in die „Bibliotheca Geo- graphica" zuzusenden. Erwünscht ist in möglichst deutlicher Schrift: 1. der Name des Verfassers, 2. der ausführliche Titel der Publikation, 3. Name, Bandzahl und Seit« der betreffenden Zeitschrift, biv.w. Ort und Verleger, 4. Zahl der Seiten, Tafeln und Karten (mit Maassstab), 5. Format, li. Preis, und namentlich 7. .Jahreszahl des Erscheinens. Bei Titeln, aus denen der Inhalt nicht klar ersichtlich ist, wird um einen kurzen Hinweis auf denselben gebeten, damit die Einordnung an die richtige Stelle geschehen kann. Auch an alle Freunde der Geographie, namentlich im Aus- land, ergeht die gleiche Bitte um Mittheilung aller zu ihrer Kennt- niss kommenden Titel von schwer zugänglichen Veröti'entlichungen. Von Titeln in slavischen und orientalischen Sprachen ist die Uebersetziing in eine westeuropäische Sprache erwünscht. Berlin \V , .Schinkelplatz 6. Otto Baschin. L i 1 1 e r a t u r. Prof. Dr. S. Stricker, TJeber strömende Elektricität. Eine Studie. Zwei Hefte. Wien und Leipzig. Fiauz Deuticke. 1892 — 1894. — Die physikalischen Ideen des Verfassers, eines namhaften Physiologen, haben bereits, wie er uns selbst eizählt, vor einem Jahizehnt von Seiten der Phj'siker und der phj-sikalisch durch- gebildeten Fachcollegen eine energische Ablehiuing erfahren. Dadurch ist indessen der von seiner e.xperimentellen Geschicklich- keit und jdiilosophischeu Gedankentiefe gleich stark eingenommene Gelehrte nur veranlasst worden, immer weitere Experimente an- zustellen, die nach seiner Ansicht die neue Theorie voll und ganz bestätigen. Der Punkt, in welchem nach Stricker die officiello Wissenschaft blind ist, besteht darin, dass sie mit Ohm an die allmähliche Abnahme des Potentials längs des die Pole einer Batterie verbindenden Drahtes, wie sie durch das elektro- metrische Experiment erwiesen ist, glaubt. Der Nullpunkt, der bei von der Erde isolirter Strembahn in der Mitte der Leitung sich befindet, kann nach Stricker nicht dadurch zu Stande kommen, dafs an dieser Stelle keine freie Elektricität vorbanden ist, denn „dann könnte der Strom nicht über diesen Punkt hinaus weiter ttiessen". Der Verfasser kann also nicht begreifen, dass die Differenz der Spannungen freier Elektricität au benachbarten Stellen die Ursache ist, welche die Elektricität ins Strömen bringt. Er fragt, wie die Lehre vom Nullpunkt mit der Thatsache zu vereinen sei, dass der Strom an allen Stellen der Kette gleiche Stärke habe. Das so einleuchtende Bild des strömenden Wassers, das von einem Bergreservoir in ein ebenso tief unter dem Meeresniveau gelegenes Thal abfliesst und durch eine Pumpe (die Batterie) wieder auf die frühere Höhe emporgehoben wird, scheint dem Verfasser nicht klar zu sein, er müsste denn meinen, dass auch hier das Wasser, im Meeresiiiveau angelangt, nicht melir weiter fliessen könne, dass hier etwa die Schwerkraft aufhöre zu wirken. Die vermeintliche Schwierigkeit hebt Stricker nun in der Weise, dass er annimmt, es fliesse positive und negative Elektricität in entgegengesetzter Richtung, doch so. dass sich jede Elektricitäts- art nach dem anderen Batteriepol hin verliert — wohin, wird nicht gesagt. In der Mitte finden wir dann allerdings gleich viel positive wie negative Elektricität, sodass der scheinbare Null- punkt durch das gegenseitige Aufheben der ungleichnamigen Elektricitäten glücklich zu Stande kommt. Das Studium der Einzelheiten der vorliegenden Schrift, die sich auch mit Erd- strömen und Erdtelegraphie, Elektrolyse und den physiologischen Wirkungen des Stroms befasst, stellen wir denjenigen unserer Leser anheim, welche die oben angedeutete Anffassuugsweise des Verfassers nut ihm für eine grosse, neue Entdeckung halten. '__ F. Kbr. Dr. Joh. Heinemann's Kalender für Lehrer an höheren Schulen 1895 {V. Adler in Hamburg, Preis gebunden 1 M.) ist ein praktisch eingerichtetes, durchaus empfehlenswerthes Büchlein. Es wird zur Bestätigung dessen genügen, wenn wir den reichen Inhalt kurz angeben. Auf mehrere Schemata zu Stundenplänen folgt zunächst der Kalender vom I. October 1894—31. März 1896, begleitet von einem umfangreichen Notiz- buch mit Vordruck sämmtlicher T.ige, einer Erinnerungstafel für Geburtslage etc. Der sich daran anschliessende allgemeine Theil enthält auf gelbem Papier die wichtigsten Vorschriften und Tabellen über ^■erkehr, Statistik, Bechtsprecbung etc.. nebst einem Adressen- und Bücherverleih-Nachweise. In einem weiteren „fachlichen" Theil finden wir kurze Aufsätze des Her- ausgebers über „Stil und Stilistik", ..geistige Arbeif und den „Beobachtungsunterrieht an den höheren Schulen." Letzterer Ar- tikel fordert im Aiiscbluss an Lüddeeko'a „Beobachtungsunter- richt in Naturkunde, Erdkunde und Zeichnen an höheren Lehr- anstalten, besonders als Unterricht im Freien" eine innige Verknüpfung der Beobachtungsfächer, ein stoffliches Ineinander- greifen der Lehrgegenstände, wie es nur erreichbar ist, wenn die betreffenden Fächer: Naturgeschichte, Physik, Chemie, Geographie, Mathematik und Zeichnen möglichst in einer Hand vereinigt sind. Von wesentlichem Nutzen ist aber besonders das Ende dieses Theils: ein V.erzeiehniss der für die höheren Schulen wichtigsten allgemeinen und Fach-Zeitschriften, diejenigen allerhöchsten Er- lasse und Ministerialverordnungen, welche sich auf die Aenderungen im Berechtigungswesen, auf Titel und Rang, Besoldung, Pflicht- stunden und Pensionirung beziehen und eine Tafel zahlreicher Gedenktage aus der Geschichte der Wissenschaften und der Paedagogik. Den Beschluss bilden „Schülerlisten", die allerdings unseres Erachtens für grosse Schulen bei weitem nicht umfang- reich genug sind. Die Ausstattung ist durchweg geschmackvoll; insbesondere sind die reizenden Vignetten der Titelblätter rühmend hervorzuheben. R. Bever. Prof. A. Winkelmann, Handbuch der Physik. Mit Holzschn. Lief. 21-23. Eduard Trewendt. Breslau 18!I4. — Preis a 3 M. Seit unserer letzten Besprechung des Handbuchs der Physik (Naturw. Wochenschr , Bd. IX, S. 347) sind vier Lieferungen" er- schienen, von denen die Lieferungen 20—22 den Band III (Elek- tricität und Magnetisnuis) fortsetzen und Lieferung 23 die zweite Hälfte des II. Bandes (Wärme) beginnt. Während die letzte Lieferung die Artikel : Thermometrie, Gasthermometer, Ausdehnung der festen Körper, Ausdehnung der Flüssigkeiten, Ausdehnung der Gase enthält, fuhren die Lieferungen des III. Bandes die Lehre von der Elcctricität und dem Magnetismus in folgenden Artikeln weiter: Magnetische Messungen, Erdmagnetismus, Magnetische Induction, Magnetismus der verschiedenen Körper, Beziehungen des Magnetismus zu anderen Erschciniuigen, Electromagnotismus, Electrodynamik, Induction. In dem letzten aus der Feder von Prof. Oberbeck stammenden Artikel gelangen auch die Hertz'schen experimentellen Untersuchungen über sehr schnelle elektrische .Schwingungen zur Darstellung; auch wird, wie durchweg im Handbuch der Physik, die Litteratur des Gegenstandes eingehend berücksichtigt. Ursprünglich auf fünfzehn Lieferungen geplant, ist das Werk bereits weit über diese Grenze angewachsen, und es dürfte an- scheinend den doppelten Umfang von dem ursprünglich beabsich- tigten erreichen. Wir halten das aber in diesem Falle für keinen Fehler. Bei der ungemein grossen Ausbildung der Physik und bei der ausserordentlich ausgedehnten Litteratur ist es unmöglich; in dem ursprünglich geplanten engen Rahmen ein auch nur einigermaassen dem heutigen Stande der Phj-sik entsprechendes Bild der letzterer zu geben. Das hätte sich zwar voraussehen lassen, aber es ist unseres Erachtens besser, dass man sieh nicht hat durch die äusseren Fesseln beengen lassen. Der Werth des Handbuclies ist dadurch ein bedeutend grösserer geworden. Mittheilungen aus dem Osterlande. Herausgeg. von der Naturf. Ges. d. (,)sterlandes zu Altenburg i. S.-.i^. Neue Folire. 6. Bd. In Commission der Schnuphase'schen Hofbuchh. (Max Lippold). Altenburg i. S -A. 1894. - Der Band enthält 6 Ab- handlungen, nämlich: Eilert, Dr. Otto: Ueber die physiologische Bedeutung bez. den sanitären Werth der Kleidung des Menschen. Dr. Julius Lobe: Zur Naturgeschichte des Löwen nach grie- chischen und römischen Schriftstellern unr Biologie der Pflanzen von Pi'of. pr. FriiMlrioli liUrtwig. Mit 28 Holzschnitten, gr. 8. 1895. geh. M. 14. -. atent-fechnisches und I Verwerthung-Bureau ]Set«lie. Berlin S. 14, Neue l{os.sst ilein Heim mit Figuren! antike u.mod. Büsten | itu.sI-Mient'fniniasse. iwlasbildor. Vasen, ^V.iiidtcllcr. PrrKknraiil zur Ansirlit. H.Plenz,'^:-^;;! liniMiS., MiirilzpliilzIKI. :Gn3Eii3E!EinnauiJiJLJi3t3El Die Illustration i wissenschaftlicher | Werke | erfolgt am Ijcsten und billigsten g durch die modernen, auf l*lioto- B prapliie tieruhenden fteproduc- jS tion.sarten. Die Ziiikät/.iiiigen H diesei' Zeitschrift gelten als M Proben dieses Verfallrens und M sind hergestellt in der graphi- « sehen I\uustanstalt H Meisenbacli, Riffarth Sl Co. | iu Berlin-Schöneberg, i Mi welche bereitwilligst jede Aus- ^ U knnlt ertlieilt. a fli^ii-ti intnnn ^cii-Tr-if-igjaBjiaEjfotioiFl ^;^ntcnt = tiut)ci = ^^iiltc für fjnue- tjcln-itiidt, uerftcHbar uom H. — IS. ScbcitSja^r in cleganfeftcr 3(u'iifüt)ntitg. Sterbe eines jcbcn . SaltinS. (frlli' fiuiiliiiitlialct Silinlliaiilifnlitili Ä. f iduntli v^ du., frniiltciitljnl, affteinpfniä. Strlteftc iinb gröfite Acibrif @iiropa§. isiibiifatioii all.ei)itciiiciuiii2d)iillniiiffii ia"F~ nciirflc (ionfiruclioiiftt "*© Jnrngcrätlje, ©ifcitniö&el ;c. EatnIogcgrat.it.frnnco.i*ertretergcf. Hempers Klassiker-Ausgaben. Ausfülnd. S|iecialverzeiehnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. , FRITZ SCHMIDT&C2 Patent-Bureou u. Chem. Lab. 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Professor am Kfluiglichcn liealgymnasiam zu Berlin. Preis 6 Marie. IVilli Veraiitwortliclier Ketlnct( VerlHg: F( rur: Dr. Henry Fotonie\ Berlin N. 4., Iiivalidenstr. 44, für i\i:,i\ Iiiserttteiitheil : Hugo Bernstei ''cril. Uiiininlers Vcriagshuchliantlliiiig, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstotu, Berlin SW. 12. nstein in Berlin. ^v^ Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag-: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Bund. Sonntag, den 24. März 1895. Nr. 12. Abonnement: Man abonnirt bei allen BuchhanilhmKeii und Post- •)(• Inserate: Die viergespaltene Petitzetle 40 «J.. Grössere AufträRe ent- »nstalten. »ie bei der Kxpedition. Der Vierteijahrspreis ist ^ 4.— ÖE) sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkuuft. Inseratenannahme BriueegeM bei der Post 15 h extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. Jt. bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck i!«t nur mit vollHtänili{;er 4|uollenaiieabe gestattet. Neues über Schutzfärbung bei Thieren. In nieiiicin Aufsatze „der Thier.seliutz in der Natur" (s. .lahrj;. 189-i dieser Zeitschrift, Nr. 47) liabe icii (S. 574, Sp. 2j, der allgemeinen Ansieht folgend, den Stachelbeerspanner oder Harlekin (Abraxas grossulariata) als ein Tiiier erwähnt, welchem sowohl im Raupen- ais im Schmetterlingszustand seine auft'allenden Farben als Wanifarln-n von Nutzen seien, insofern sie seinen Verfolgern zu erkennen geben, dass er eine unschniaokliafte Speise sei. Inzwischen ist über dieses Thier in den „Memoires de la societe zoologique de France 1894" von deui um die Erfor- schung der Scliutzfärbung und Nachiitfung bei Thieren hochver- dienten Genfer Professor Felix Plateau eine kleine Abliandiung erschienen, in welcher der \'er fasser die Berechtigung der oben mitgetbeilten Ansieht über den Harlekin auf Grund zahl- reicher und interessanter Ver- suche angreift. Mit seiner gütigen Bewilli- gung gebe ich nach.stehend eine '"' üebensetzung des Abschnittes II seiner Schrift nebst den dazu gehörigen Abbildungen. § 'ii. Die Raupe des Staehelbeerspanners sucht sich zu verbergen. „Die Annahme, dass die Raupe des Staehelbeer- spanners in keiner Weise dem Instinkt folge, welcher die meisten Sclimetterlingslarven sich zu verbergen antreibt, ist irrig. Nachdem ich mehrere Jahre lang zahlreiche Individuen beobachtet habe, welche auf Stachelbeer-, so- wie auf rothen, weissen und schwarzen Johannisbeer- strä-trchern lebten, habe ich folgende Thatsachen fest- gestellt, die Jedermann bestätigt finden wird. Falls die Raupen nicht ganz besonders massenhaft auftreten, was nur ausnahms- weise vorkommt, wird ein un- aufmerksamer Beobachter gar nichts von ihnen gewahr. Er sieht keine Raupen, sondern nur angefressene Blätter. Die Rau- pen schützen sich also und zwar auf mehrerlei Weise. Bekanntlich ist das in Rede stehende Thier gelblichweiss mit zahlreichen schwarzen Flecken und röthlichen Körperseiten. Im Mai lindet man zahlreiche, halberwachsene Individuen in der Stellung, welche die Fig. 1 wiedergiebt, also nicht auf der Oberfläche der Blätter, sondern an deren Rande, und dort haben sie den Körper im Zickzack hin und hergebogen, so dass sie sich den Unebenheiten des Blatt- randes anschmiegen. ' Unter diesen Umständen sind Kig- 2- nur die röthlichen Seitentheile der Raupen sichtbar, welche auf eine gewisse Entfernung die von Natur röthlichen Ränder vieler Blätter um so voUkommner nachahmen, als sie mit schwarzen Flecken getüpfelt sind. Diese letzteren machen den Eindruck von Einschnitten oder Löchern. Später im Jahre findet man die älteren Raupen auf der Unterseite der Blätter und häufig, im Zustand der Ruhe, der Länge nach den Zweigen angeschmiegt, wie Hg. 3. 142 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 12. die Abbildung (Fig. 2) zeigt, fast immer mit dem Kopf nach unten. Die besetzten Zweige betiuden sich im dunkelsten Theile des Strauches nahe über dem Boden. Um also die meisten Raupen ^zu sehen und niciit etwa nur vereinzelte und ausnahmsweise hervorstehende, muss man sich bücken und den .Strauch von oben l)is unten durchsuchen. Von einigen anderen Arten sagt Beddard : „Gewisse Raupen, denen man für gewöhnlich Warnfarben zu- schreibt, können gar nicht leicht sichtbar sein, wenn sie sicli zwischen Blumen oder auf niedrigen Pflanzen auf- halten, wo mannigfaltige Kräuter und viele Blüthen vor- kommen." Man sieht, dass, obgleich bei den Harlekinraupen diese Bedingungen nicht erfüllt sind, sie sich so gut ver- bergen, dass man, ausser bei besonderer Menge, Mühe hat, sie zu finden und dass man die Zweige bei Seite biegen, die Blätter umdrehen muss, wenn man auf sie Jagd macht, um die Sträucher von ihnen zu befreien. Wenn man die Zweige des Stachelbeerstrauches schüttelt, lernt man die dritte Art des Schutzes kennen: die Raupen lassen sich nämlich dann auf den Boden fallen entweder unmittelbar oder indem sie ziemlich schnell an einem Spinnfaden heruntergleilen. Auf dem Boden rollen sie sich sofort zu einem Ringe zusammen und gleichen dann vermöge ihrer hauptsächlich weisslicheu Färbung dem Mist von Vögeln. Sie wissen sicherlich, dass sie dadurch geschützt sind, denn sie bleiben lange in dieser Lage. § 4. Die Puppe des Stachelbeerspanuers zeigt eine deutliche Art von Nachäffung. Wenn die Puppe entweder an einem kleinen Ast oder an einer Mauer mit wenigen, kaum sichtbaren Spinnfäden befestigt ist, so ist sie ebenso nackt wie die eines Tagfalters. Geschützt ist sie auf zweierlei Weise, erstens dadurch, dass sie sich im dunkelsten und dich- testen Theil des Strauches aufhält, auf dem die Raupe lebte, zweitens durch ihre Nachäffungsfärbung. Bekanntlich ist diese Puppe glänzend schwarz mit lebhaft gelben Ringen; was man aber, soviel ich weiss, niemals erwähnt hat, ist ihre täuschende Aehulichkeit mit dem schwarz und gelben Körper einer stachelbewehrten Hymenoptere aus der Gruppe der Wespen. Um dem Leser die Wichtigkeit dieser Nachäft'ung zu verdeutlichen, habe ich nebenstehend (Fig. 3) die Harlekin- puppe und Vespa silvestris nach der Natur abgebildet. Offenbar wird diese Aehulichkeit einen Feind zurück- halten, dessen Gesieht niciit durch den Geruch unter- stützt wird. § 5. Versuche mit Reptilien. In dem cementirten Behälter des Arbeitsraumes für vergleichende Anatomie an der Universität in Gent be- fanden sich acht Wasserschildkröten (Cistudo europaea), welche ihre Liebhaberei für Insecten dadurch zu erkennen gegeben hatten, dass sie einige Käfer verschlangen. Die meisten von ihnen kümmerten sich jedoch gar nicht um Harlekinraupen, die ich ihnen vorwarf Eine einzige bemerkte eine in das Wasser gefallene Raupe, ergrifi" sie für einen Augenldick und Hess dann von ihr ab. Herr Dr. Albert Boddaert, der von seinen Reisen nach Algier und Südeuropa mehrere interessante Reptilien mitgebracht hatte, die er in Gefangenschaft hielt, hatte die Freundlichkeit, einige Versuche mit Coluber Aescu- lapii und einer italienischen Varietät von Lacerta muralis anzustellen. Diese Thiere versuchten idcht, die ihnen dargebotenen Harlekinraupen freiwillig anzugreifen. Wenn man sie ihnen mit Gewalt in das Maul steckte, warfen sie sie auf der Stelle fort, statt sie zu verschlingen. § 6. Versuche mit Amphibien. Mit dem Taufrosch (Rana femporaria) erhielt ich genau dieselben Ergebnisse wie Butler. Die Frösche leben frei in meinem Garten und sind so an mich gewöhnt, dass sie sich durch mich nicht be- unruhigen lassen. Wenn ich dem Frosch eine Harlekinraupe vorwerfe, wendet er den Kopf nach ihr und wartet, ohne sich sonst zu rühren, solange die zusammengerollte Raupe unbeweg- lich bleibt, was meine Behauptung am Schluss des § 3 bestätigt, dass die Raupe durch dieses Benehmen Schutz geniesst. Wenn sie jedoch keinen Feind sieht, so rollt sie sich auf. Sobald sie dies thut und zu kriechen beginnt, er- hascht der Frosch sie schleunigst, um sie jedoch sofort unter ündiehrung der Zunge fortzuwerfen. Obwohl er mitunter die ausgespieene Raupe be- traclitet und einige Augenblicke ihre Bewegungen verfolgt, glaube ich doch nicht, dass er jemals versucht, sie von neuem zu ergreifen. Ich warf Harlekinranpen in einen Wasserbehälter, in dem sich zahlreiche Molche (Triton punctatus) befanden. Mehrere dieser Molche ergriffen sie und bemühten sieh, sie zu verschlingen, indem sie ihrer Gewohnheit gemäss den Kopf schnell hin und her bewegten. Aber die Beute war ihnen entweder zu gross oder ihre Haut zu fest, denn die Molche Hessen nach einigen Minuten von den Raupen ab. Das Benehmen dieser Lurche lässt auf keinen Ekel ihrerseits schliessen, offenbar lag nur die mechanische Unmöglichkeit des Verschlingens vor. Ich versuchte es nun mit einem einzelnen Exemplar einer grösseren Art, dem Triton alpestris. Aus Vorsicht hatte ich das Thier vorher 24 Stunden hungern lassen. Trotzdem war das Ergebniss negativ. Der Molch be- achtete weder solche Harlekinraupen, welche einfach in seinen Behälter geworfen wurden, noch eine lebende Raupe, welche ich an einem Faden vor ihm auf und ab bewegte. § 7. Wirklicher Geschmack der Raupe, Puppe und der Imago des Stachelbeerspanners. Der offenbare Widerwillen oder der Ekel vieler Wirbelthiere gegenüber der Raupe des Stachelbeerspanners wird von allen Schriftstellern dem unangenehmen Ge- schmack des Insects zugeschrieben. Poulton bezeichnet ausserdem Pnppe und Imago als ungeniessbar. Aber diese Erklärung beruht auf einer reinen Vernuithung, welche, wie ich glaube. Niemand von meinen Vorgängern zu bestätigen versucht hat. Nach sehr erklärlichem Zaudern kostete ich die Raupe des Harlekins. Ich suchte ein schönes, sehr leb- haftes Exemplar aus, welches ich in zwei Stücke zer- schnitt, um nicht ein lebendes Wesen in den Mund nehmen zu müssen, und ich kaute es ziemlich lange, um des Ge- schmackes wirklich sicher zu sein. Ich fand, dass es beinahe gar keinen Geschmack hat, es schmeckt ein klein wenig süsslich, weder ekelhaft, noch beissend, weder sauer, noch bitter, ohne Nach- geschmack, ich möchte beinahe sagen angenehm, ein wenig an trockene, süsse Mandeln oder an Cocosnuss er- innernd. Eine Kleinigkeit erklärt vielleicht, warum das Insect von gewissen Wirbelthieren verschmäht wird, nämlich der Umstand, dass die Haut der Raupe im Verhäliniss zu ihrer Leibesgestalt ziemlich widerstandsfähig ist. Nr. 12. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 143 Dieselhe Erfahrung machte ich mit einer Puppe, welche v(illi,i;- f::csuiul war und die I^arvenhaut einen Tag vorher abgestreift iiatte. Ihre Haut ist zarter, aber aucli sie schmeckt fast nacii niciits, noch etwas fader als die Raupe. Endlich kostete ich den Sclunetterling- selbst, und zwar, um alle F^inwtirfe zu vermeiden, von einem gut entwickelten und im Freien entschlüpften Exemplar den Hinterleib, denjenigen Theil des Köri)ers also, der vor- zugsweise von den Insectenfressern genossen wird. Ich zerkaute den Hinterleib gänzlich, und wiederum erschien mir der Geschmack schwach, angenehm, und dem der Raupe gleich. Ich glaube, ausserdem bemerken zu müssen, dass ich Raupe, Puppe und Imago nicht uinnittelbar nacheinander gekostet habe, sondern in Zwischenräumen von je acht Tagen, so dass jeder Fehler bei der Versuchsanstellung ausgeschlossen ist. Wenn auch die Geschmacksempfindungen des Menschen nicht so fein sind wie diejenigen mancher Säugcthiere, so sind sie doch fein genug, um zu erkennen, dass der vorgebliche unangenehme Geschmack des Stachelbeer- spanners nicht vorhanden ist, wie es meine leicht zu wiederholenden Versuche bewiesen. Damit wird aber diese Annahme hinfällig. Warum aber, wird man fragen, verschmähen nun mehrere Wirbelthiere das Insect? Ich halte es für besser, offen zu erklären, dass ich das vorläufig nicht weiss, als dafür neue Theorien zu erfinden. § 8. Versuche mit Spinnen. Eine Amaurobie (Amaurobius fcrox) wurde in einem mehrere Steine enthaltenden Gefäss absichtlich an eine ziemlieh dunkle Stelle gesetzt, da das Thier immer in dunklen Schlupfwinkeln lebt. Sie webte zwischen den Steinen ihr charakteristisches Gespinnst und hing ihr Gehäuse auf Tags darauf gab ich ihr drei junge, halberwachsene Harlekinraupen. Aber obgleich diese umherkrochen und sich in dem Gespinnst verwickelten, kümmerte sich die Amaurobie mehrere Tage lang gar nicht um sie. Ich habe oft Spinnen in der Gefangenschaft erzogen zum Zweck meiner früheren Untersuchungen über die Ver- dauung, das Sehvermögen, die Rolle der Taster u. s. w. und ich weiss daher, wie unsere Arten sich gegenüber anderen Wesen oder Gegenständen verhalten, die in ihr Netz fallen. Nach diesen Erfahrungen kann ich ver- sichern, dass die Amaurobie keine Furcht zeigte und dass, wenn sie die Raupen nicht angriff, dies nur daran lag, dass diese letzteren ihr (iewebe nicht in der Art ver- wirrten, wie es ihre Beutethiere sonst thun. Ich warf ferner vier Raupen in das grosse Gewebe einer weiblichen Hausspinne (Tegenaria domestica), welches sieh vor einer Bodenluke befand. Das Gespinnst war wie ein durchsichtiger Vorhang vor der Glasscheibe aus- gebreitet, die Spinne befand sich auf der hellen Aussen- seite, so dass ich von dem Boden aus bequem Alles beobachten konnte, ohne dass meine Bewegungen von der Spinne bemerkt wurden. Sobald die Raupen in das Gewebe fielen, kam die durch die Erschütterung aufgescheuchte Spinne aus ihrem Trichter hervor, lief auf eine der Raupen zu und biss sie oder ver- suchte sie wenigstens wiederholt zu beissen. Schliesslich verliess sie die erste Raupe und begab sich zu der zweiten, die sie ebenfalls zu beissen versuchte. Aber die Haut der Larven war zu fest, und da sich die Raupen zusammen- rollten und todt stellten, so zog sich die Spinne langsam zurück. Für alle, die die Gewohnheiten dieser Spinne kennen, geht daraus hervor, dass sie keine Furcht hatte. Später, als die Raupen in dem Gewebe umherkrochen, Hess die von der Erfolglosigkeit ihrer Bisse überzeugte Spinne sie ganz unbeachtet und blieb in ihrer Röhre. Bei einem dritten Versuch setzte ich eine weibliche Tegenaria in ein Gefäss, welches eine Lage Sand und einige Thonscherben enthielt, und ich Hess sie drei Tage kng hungern, indem ich von Zeit zu Zeit das Metall- gitter, welches den Deckel des Gefässes bildete, abhob. Nachdem ich dabei mehrmals gesehen hatte, dass das Thier sich dadurch nicht beunruhigen Hess, warf ich zwei Harlekinraupen in das Gewebe, welche zuerst un- beweglich blieben, dann aber ihre Bewegungen begannen, um sich zu befreien. Die Spinne stürzte sich auf eine der Raupen. Als sie aber bemerkt hatte, dass es sich um ein Wesen handelte, welches sonst nie in ihr Gespinnst kommt, zog sie sich sofort zurück, um sich hinter einer Thonscherbe zu verbergen. Dasselbe Benehmen zeigte sie dreimal. Das vierte Mal hielt sie muthig einen Centimeter von der einen Raupe entfernt inne, griff sie aber nicht an. Als die Raupe wieder eine etwas heftige Bewegung machte, floh die Spinne aufs Neue. Eine halbe Stunde später fand ich die Spinne wieder in ihrem Schlupfwinkel, während die beiden unversehrten Raupen sich unter das Gitter des Deckels zurückgezogen hatten. Da Butler seine Versuche anscheinend mit Agalena labyrinthiea angestellt hat, wollte ich natürlich sehen, wie sich diese Art benähme, und ich operirte hintereinander mit zwei Exemplaren. Als ich eine Harlekinraupe auf das Gewebe legte und die.se mehrere Befreiungsversuche machte, eikannte die Agalena offenbar, dass die Be- wegungen von keinem ihrer gewohnten Beutethiere her- rührten, denn sie blieb ruhig in ihrem Gehäuse. Ich nahm die Raupe heraus und ersetzte sie durch einen kleinen Ohrwurm, worauf die Spinne sofort hervor- stürzte, das Insect biss und einspann. Daraus ergiebt sich, dass die Spinnen gar nicht oder nur selten Raupen aussaugen, aber wie man sieht, liegt die Erklärung nicht in dem Vorhandensein eines schlechten Geschmackes. In der That zeigt das Benehmen der Spinnen gegen- über den entwickelten Harlekinschmetterlingen, dass sie keinen Widerwillen gegen sie haben, obgleich diese ebenso wie ihre Larven in dem Rufe eines widerwärtigen Geschmackes stehen. Dies ergab sich aus folgenden Ver- suchen. In einem kleinen, zur Aufbewahrung von Garten- geräthschaften dienenden Gebäude Hess ich absichtlich drei oder vier Hausspinnen ihre grossen Netze weben. Da sich diese direct über dem Boden, äussersten Falls in der Höhe eines Meters befinden, so sind sie leicht zu- gänglich und bequem zu beobachten. Wochenlang setzte ich fast täglich bald auf das eine, bald auf das andere Gewebe lebende Stachelbeerspanner, die ich theils erzogen, thcils im Garten gefangen hatte. Zur Vergleichung setzte ich mehrmals auch Weiss- linge (Pieris rapae) darauf, welche die Spinnen ganz ebenso wie die Spanner behandelten. Da die Tegenarien sehr raisstrauisch sind, so stürzten sie sich nicht immer sofort auf ihre Opfer, aber ich brauchte mich nur einen Augenblick zu entfernen, um entweder die Sj)inne auf dem Schmetterling oder diesen verschwunden zu finden, da ihn die Spinne in eine Mauer- ritze gezerrt hatte. Oft begünstigte mich der Zufall, und ich konnte bei- spielsweise sehen, dass die Spinne, die sich an den Falter angeklannncrt hatte, ihn losliess und entfloh, wenn ich mich etwas unvorsichtig näherte, dass sie dann aber zu dem Schmetterling zurückkehrte, wenn ich mich nicht bewegte. 144 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 12. Auch andere Spinnenarten habe ich geprüft. Die Agalena labyrinthica, die der Raupe wegen, wie wir gesellen haben, nicht einmal ihre Röhre verliess, stürzte sich sofort auf den Schmetterling und tödtete ihn; aber ihre Versuche, ihn auszusaugen, missglücUten offenbar, denn sie verliess bald die ihr zu grosse Beute. Da der Schmetterling getödtet oder wenigstens durch den Biss gelähmt, jedenfalls also verloren ist, so hat er demnach gar keinen Vortheil von den ihm zugeschriebenen .Schutzmitteln. Ich legte einen Stachelbeerspauner in das Netz einer Kreuzspinne. Sie stürzte sich sofort auf ihn, tödtete ihn, spann ihn ein und sog ihn mit Wohlbehagen an mehreren Stellen des Hinterleibes aus. Die Beobachtung ist hier sehr leicht und lässt keinen Zweifel übrig. Der Leser wird, wie ich, aus alle dem schliessen, dass der Harlekin gegen Spinnen nicht geschützt ist, weder durch einen besonderen Geschmack, noch durch eine giftige Ausscheidung. § 9. Versuche mit Lauf- und Schwimmkäfern. Von vornherein überzeugt, dass die Harlekinraupe in keiner wirksamen Weise gegen irgend welche Thiere ge- schützt ist und gewissen Wesen zur Nahrung dienen muss, warf ich sie tleichfressenden Inseeten vor und be- nutzte zuerst den Goldlaufkäfer, von dem viele Exemplare meinen Garten bewohnen. Zwei dieser Käfer wurden in eine Krystallisirschale gesetzt, welche etwas feuchten Sand enthielt, und etwa 11 Stunden ohne Nahrung gelassen, eine ziemlich kurze Zeit, wenn man bedenkt, wie leicht die Inseeten im all- gemeinen einen lange dauernden Hunger ertragen. Nach Ablauf dieser Zeit konnte ich mit Recht vermuthen, dass sie ziemlich hungrig waren und sich an ihr Gefängniss gewöhnt hatten. Ich gab ihnen drei Harlekinraupen, eine völlig er- wachsene und zwei kleinere. Einer der Käfer grift' fast unmittelbar die dickste Raupe an, die er ohne zu zögern und ohne irgend welchen Ekel zu zeigen, binnen einer Stunde fast ganz auffrass, so dass nur der Brusttheil übrig blieb. Der zweite Käfer, dessen einer Fühler verletzt war, so dass also sein Geruchssinn geschädigt sein nmsste, ent- scliloss sich erst nach einer halben Stunde, üai'auf giiff er eine der kleineren Raupen an, Hess sie aber dann liegen. Da ich mich einige Stunden entfernen musste, so weiss ich nicht, wie er sich nachher betragen hat, jeden- falls fand icii die beiden kleineren Raupen angefressen. Die drei Raupen hatten also mindestens dem einen Käfer zur Nahrung gedient. Zwölf Stunden später befanden sich die Käfer voll- kommen wohl; das Fleisch der Harlekinraupe ist iinien also nicht schädlich. Ich wiederholte darauf den Versuch mit zwei neuen Laufkäfern, welche ich 18 Stunden hungern Hess, und zwei Harlekinraupen. Um diesen Aufsatz nicht ül)ermässig auszudehnen, übergehe ich die Besehreibung der Einzelheiten kurz; die beiden Käfer machten sich daran, gemeinschaftlich die dickste Raupe zu verschlingen. Jeder zog an einem Ende, und dieser scherzhafte Wettstreit zeigte jedenfalls, dass sie, weit entfernt von Widerwillen, im Gegentheil die Larve schmackhaft fanden. Nach einer Stunde war bloss noch die leere, zer- rissene Haut übrig. Endlich, am folgenden Morgen fand ich, dass die zweite Raupe gleichfalls verschlungen war und die Käfer sich, wie im vorher beschriebenen Falle, wohl befanden. Obwohl die Lauf käufer nicht auf Sträucher klettern, so müssen doch viele von den Raupen der Gefrässigkeit der Käfer zum Opfer fallen, weil sie beim Schütteln der Zweige sich herabfallen lassen. Das vollkommene Insect hält sieh oft genug auf dem Boden auf und kann demnach von ähnlichen Feinden wie die der Raupe sind, angegriffen werden. Um dessen sicher zu sein, setzte ich in eine am Boden mit Sand bedeckte Krystallisirschale drei Stachel- licerspanuer, deren Brust ich leicht eingeknift'en hatte, damit sie nicht davonflögen, und zwei eben gefangene, also nicht hungrige Goldlaufkäfer. Drei Stunden später fand ich einen der Schmetterlinge fast ganz aufgefressen, nach etwa sechs Stunden den zweiten und am folgenden Morgen auch den dritten. Selbst von den Flügeln fanden sieh nur Bruchstücke vor. Die Käfer waren ebenso leb- haft wie vorher. Wenn Stachelbeersträucher an Gewässern stehen, können Raupen durch den Wind oder Stoss von Menschen oder Thieren in das Wasser geworfen werden. Dort werden sie von Schwimmkäfern gefressen, wie folgender Versuch zeigt. Ich warf mehrere Harlekinraupen in ein A(|uarium, in welchem Dyticus marginatus und dimidiatus sich auf- hielten. Die Käfer stürzten sich auf die Beute, stritten sich gierig darum und schienen sie vollständig aufzu- fressen. Auch hieraus geht hervor, dass die fraglichen Raupen für fleischfressende Inseeten keinen widerwärtigen Geschmack haben. § 10. Schmarotzer der Harlekinraupe. Die gewöhnlichen thierischen Schmarotzer der Schmetterlingsraupen sind bekanntlieh unter den Hyme- nopteren die lehneumoniden, unter den Dipteren die Tachiniden, deren Larven sich von dem Fettkörper der lebenden Raupen nähren und die übrigen Gewebe nur im Augenblick ihrer völligen Ausbildung angreifen. Betreffs der Harlekinraupe ist die Gegenwart oder Abwesenheit von Schmarotzern dieser Abtheilungen von besonderer Wichtigkeit. Würde die Raupe nie von ihnen angegriffen, so würde dies dafür sprechen, dass ihr Fleisch einen schädlichen Stoff enthält. Wird sie hingegen eben- so oft angegriffen wie andere Arten, so verliert der Ge- danke an einen giftigen Schutzstoff viel von seinem Werth. Um in dieser Hinsicht zu einem ernsthaften Ergebniss zu gelangen, erzog ich bei genügender Lüftung, Reinlich- keit, Temperatur und Nahrung 65 Harlekinraupen, welche ich nach einander in kleinen Mengen im Mai und Juni gesammelt hatte, damit sie, wenn dies überhaupt der Fall wäre, bereits in der Freiheit von Schmarotzern an- gegriffen wären. Bei der späteren Untersuchung fand ich neun ver- trocknete Raupen und fünf ebensolche Puppen, die von pflanzlichen Schmarotzern angegriflen waren, auf welche CS hier nicht ankommt. Es blieben also 51 Exemplare zu untersuchen. Dabei stellte sich Folgendes heraus: 29 Raupen machten alle Entwickelungsstadien durch und lieferten gesunde Schmetterlinge. 2 Raupen waren von einer kleinen Ichneumonide angegriffen worden, dem Microgaster glomeratus. Jede Raupe enthielt etwa 10 Individuen. 1 Raupe war von Microgaster nemoruni angegriffen. Sie enthielt 16 Schmardtzer. 1 Raupe wurde von Ichneumon ochropis bewohnt. 16 Raupen waren von der Tachinide Exorista vul- garis angegriffen worden. 2 endlich von Exorista und ausserdem von lehneu- monideu (Mesochorus festivus). 22 Nr. 12. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 145 So waren also vow 51 Raupen 22, demnach 4B % von thieriseiieu Selmiarot/.ern au^-estoehen worden, Hyme- nopteren oder Dipteren, und liatten iliren Larven als Nahrung- gedient. Die Wichtigkeit dieses Ergebnisses i.st augenfällig. Dies ist also die Wahrheit betreffs eines Thieres, welches man als einen Typus für die Geschöpfe mit Wanifarhen angesehen hat. Die Ergebnisse der vor- stehenden Untersuelnuigen selieincn zu beweisen, dass die so autVallende Färbung des Staclielbeerspanners in Wirk- lichkeit nielit die Warnungsrolle spielt, die man ihr zu- geschrieben hat, und dass die Naturforscher wohl thun würden, wenn sie andere Fälle naehuutersuchten, für welche man zu Icielitgläubig die gegebenen Erklärungen ange- nommen bat." In einer anderen, ebenfalls im vergangenen Jahre in der französiseben Zeitschrift „Le Naturaliste" erschienenen Abhandlung weist Plateau darauf hin, dass man sich bei der Beurtbeiiung von Fällen von Aehnlichkeit zwischen Thicren als Nachäft'uug grosser Vorsieht befleissigen müsse, insofern es sich um wirkliche Xachäft'ung nur dann handeln könne, wenn erstens die betreffenden beiden Tliiere diesell)e Gegend und Oertliebkeit bewohnen, zweitens, soweit es sich um Insecten handelt, gleichzeitig erscheinen, und wenn drittens wenigstens die eine Art Schutzmittel irgend welciier Art besitze. Dass diese Vorsicht nicht immer beobachtet worden ist, weist Verf. an mehreren Beispielen nach. Eine Am- phipode (Mimonectes) hat in ihrer Form und Durch- sichtigkeit grosse Aehnlichkeit mit gewissen kleinen Quallen. Es ist aber unzweifelhaft, dass sie davon gar keinen Nutzen zieht, insofern die gefrässigen Meerthiere ohne Unterschied alle kleineren Bewohner der See ver- schlingen. Die Aehnlichkeit, welche gewisse Spinnen (Formieina) mit Ameisen haben, kann ihnen deshalb nicht nützlich sein, da sie niemals in der Nachbarschaft von Ameisen vorkommen, und die grosse Uebereinstimmung zwischen gewissen Schmetterlingen, wie sie zwischen Diciionia aprilina L. und I\loma Orion Esp. einerseits, zwischen Arasehnia l'rorsa var. Levana und Fhyciodes besteht, darf ebenfalls niciit als Nachäifung gedeutet werden, weil die beiden erstgenannten Arten zu ganz verschiedenen Jahreszeiten — Diclnmia im August und September, Moma im Mai — die beiden anderen weit von einander getrennt — ■ Arasehnia in Europa, Phyciodes in Argen- tinien leben. Dr. F. Kienitz-Gerloff. Uel)er seine Reise (|uer durch Central-Afrika ver- öftentlielit A. (iraf von Götzen in den Verhandl. der Ges. f Erdkunde zu Berlin einen vor der genannten Ge- sellschaft gehaltenen ^'ortrag. — Er nennt seine Reise eine Urlaubs- und Vergnügungsreise, die so von Glück begünstigt wai-, dass sie auch als Ergebuiss einige wich- tige Aufschlüsse über die Natur des centralen Afrika auf- weisen kann. Die Reise soll dem Grafen gegen 250 000 M. gekostet haben. Die Reisedauer von Pangani an der deutseh-ostafrikanischen Küste bis zur Kongo-Mündung betrug luu- elf Monate. Das durchzogene Gebiet theilt G. in drei Theile ein: 1. Das Gebiet, ganz in der deutschen Interessen- sphäre liegend, von der Küste bis zum Kagera, jenem grössten Zufluss, der sich von Westen her in den Viktoria- See ergiesst; 2. den Teil, der, bisher noch so gut wie unbekannt, sieh vom Kagera über den KivuSee durch den centralafrikanischen Urwald bis an den Kongo hin erstreckt, und 3. den Theil des Kongo-Staates, der von den Truppen desselben thatsächlicb besetzt ist. Von den beiden Begleitern überwachte Assessor Dr. von Prittwitz die Ausbildung der Soldaten, sorgte für den inneren Lagerdienst und das Aufschlagen der Zelte; aucli lag ihm die Verpflegung der Europäer ob. Dr. med. Kerstiug führte auf der ganzen Reise die Nachhut, und wenn er, oft spät, im Lager eintraf, so hatte er vollauf mit seinen schwarzen Patienten zu thun. Graf G. hat nur zweimal, Herr von Prittwitz nur einmal und Dr. Kersting gar kein Fieber gehabt. Freilich war die Lebensweise eine sehr geregelte. Die Reisenden haben nie einen Tropfen Wasser getrunken, der incht gekocht war. Der Alkohol-Verbrauch beschränkte sich auf dem grössten Theil der Reise auf einen kleinen f'ognak für den Mann am Sonntag; zwei rauchten gar nicht, und der dritte leistete sich jeden Sonntag eine Cigarre. Die allgemeine Leitung der Expedition, die Verhandlungen mit den Eingeborenen, die Verpflegung der Karawane und die wissenschaftlichen Arbeiten hatte sich Graf G. vorbehalten. Die E.xpedition brach am 21. December 1893 in der Stärke von etwa 600 .Alenschen von Pangani an der Ost- Küste auf. Die grosse Menschenmasse war nicht bestimmt, an der ganzen Reise Theil zu nehmen. 200 Trägeraus derLandschaft Usukuma, südlich des Viktoria-Sees, waren heimkehrende Karawanenleute, die sich mit einem grossen Anhang von Weibern, Kindern, Sklaven, Medicinmännern anschlössen und gegen Lohn zweihundert Lasten Tauschwaaren bis in die Gegend der grossen Seen zu tragen hatten. Sie unterstanden alle den Befehlen des aus der Peters'schen Emin Pascha-Expedition bekannten Somali-Führers Hussein Farach. Das Expeditionscorps, das die ganze Reise mit- machen sollte, bestand aus Dienerschaft, Soldaten und dauernd auf unbestimmte Zeit engagirtcn Trägern. Die kleine Schutztruppe, 35 Mann stark, war mit Mauser- Gewehr M./71 bewaffnet (also mit Magazinvorrichtung). Die Soldaten selbst bildeten eine ziemlich zusammen- gewürfelte Gesellschaft: Wasuaheli, Sudanesen, Somali, Abyssinier, Wan3'amwesi und Wasukuma, Leute, die sich mit Stanley am Kongo, mit Stubimann und Emin Pascha bei den Zwergen, mit den Engländern in Uganda, mit Dr. Peters und Dr. Baumann bei den Massais, mit Ka- pitän Botteg" im Somali-Land oder bei den deutsehen Antisklaverei-Expeditioncn herumgetrieben hatten. Von den dauernd gemietheten Trägern waren 75 mit Vorder- ladegewehren bewaffnet, sie zerfielen in fünf Gruppen, jede mit ihrem Unterführer. Nachdem die Expedition die Landschaft Usegua, die Nguru-Bcige und die Massai-Ste|)pe durchzogen hatte, langte sie am 27. Januar 1894 in Kondoa in der Land- schaft Irangi an. Irangi's Fruchtbarkeit und ausgiebiger Anbau kann nicht lobend genug hervorgehoben werden. Das erste Ziel nach erfolgtem Abmarsch von Irangi war der Gurui-Berg, ein vereinzelt liegender Kegel mit zerrissenen Formen. Ehe der Berg und die Landschaft Mangati erreicht wurde, erlebte die Expedition ein starkes Erdbeben von mehreren Secunden Dauer. Es war Vor- mittags 11 Uhr am 3. Februar. Richtung SSW-NNO. Im Lager begleiteten die gerade mit Kochen beschäftigten Weiber das donneräbnliche Getöse mit lautem, trillernden Geschrei. Furcht vor solchen Naturereignissen seheinen die Leute nicht zu kennen. Wenn die Erde bebt, so i sagen sie, der Ochse Gottes schüttelt seine Hörner. 146 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 12. Die Besteigung des Berges führte G. gemeinsam mit Kersting bis zur Höhe von 2900 ni aus. Der Gipfel liegt noch wenige hundert Meter höher. Der Berg besteht in seinen oberen Theilen aus mehreren nach dem Gipfel zn laufenden, schmalen Rücken. Die Schluchten fallen ganz steil ab. Der Hauptgrad ist 4—5 km laug und mu' 3 — 4 m breit, besetzt mit einer Vegetation von Erica, Alpenveilchen, holiem Gras u. s. w. Autfallend waren in dieser Höhe und auf dem ganz schmalen Grat die vielen Rhinoceros- und Elephantenfährten. Weit im Südwesten lag ein See, der vom Führer Umburre genannt wurde, und in der Ebene lagen 5 — 6 kleine Kraterkesscl um den Berg herum, während der Hauptkrater nicht festge- stellt werden konnte. Das Land ist eine sanft gewellte Ebene, theils Grassteppe, theils schönste Parklandschaft, div.- durch ihren Wildreichthum den Jäger entzücken muss. Am 9. Februar war G. wieder auf dem Marsch, er erkletterte mit grossen Schwierigkeiten, die namentlich die beladenen Esel verursachten, den Westhang der grossen ostafrikanis^-hcn Grabensenkung und nahm dann mit einer Ausbiegung nach Norden von Iraku oder Mbulu aus die Richtung auf das Südende des Eiassi- oder Nyarasa-Sees. Sie überschritten ein weites, unbewohntes Hochplateau mit kühlem Klima. „Oft sind wir früh zitternd vor Kälte bei 4 oder 5" Celsius aufgebrochen." Durch die weiten Steppen, in denen es von Rhinocerossen wimmelt, streifen Banden räuberischer Wandorobbe, die durch Angrifl'e auf die Nachhut Schwierigkeiten bereiteten. Die Nachhut bestand damals aus Kranken, die weit ab- gesondert werden raussten; denn die Pocken waren aus- gebrochen und forderten ihre Opfer. In den Eiassi-See mündet in einer flachen Salzebene, von Süden kommend, der Wembere-Fluss, aber nur zur Regenzeit. G. verfolgte dann Di-. <). Banmann's Weg bis Meatu, wo, trotz friedlichen Tausehverkehrs, sieben Leute an verschiedenen Punkten auf Verabredung ermordet wurden. Das Strafgericlit ist nicht ausgeblieben. Nach Westen weiter ziehend passirte G. mehrere Landschaften der Wanyamwesi. Pünktlich am 1. März hatte die Regenzeit mit furchtbaren Donnerschlägen eingesetzt. Täglich prasselten schwere Regenschauer hernieder, und der Marsch wurde in den versumpften Niederungen um Nindo herum fast unmöglich. Die Esel mussten alle zurück- gelassen werden. Aber nicht nnr an Eseln, sondern auch an Menschen hatte sich die Karawane verringert. Die 200 heimkehrenden Leute aus Usukuma hatte G. bereits nach ihrer Heimath geschickt und ihiem Führer, dem Somali Hussein Farach, Auftrag ertheilt, 100 neue Leute anzuwerben und sich mir in der Mission Ushirombo wieder anzuschliessen. Ushirombo und Msalala sind Missionen der weissen Väter aus Algier. Die Sendung Hussein's scheiterte gänzlich. Elr gerieth in Streit mit den Missio- naren von ßukumbi und benahm sich dabei wohl un- geschickt; wenigstens hat es der deutsche Stationschef von Muansa für nöthig befunden, ihn zu verhaften und in Ketten zu legen. Herr von Prittwitz marschirte au den See um die Trägerangelegenheit in Ordnung zu bringen. Die Wartezeit in Ushirombo wurde durch die Liebens- würdigkeit der Patres zu einer ausserordentlich an- genehmen gemacht. Hier hatte Dr. Kersting Gelegenheit, einen schwarzen Kollegen aus dem Dorf kennen zu lernen, wodurch wir in den Besitz einer grossen Anzahl landes- üblicher Medikamente gelangten und z. B. auch erfuhren, dass die Ausbildung der
  • rtigen Medicinmänner auf zwei Hochschulen statttinden kann, von denen die eine mehr die Zauberei und Kräutertränkc bevorzugt, die andere mehr Gewicht auf Chirurgie legt. Ushirombo ist eines von mehreren kleinen, selb- ständigen Staatswesen, die sich aus einem grossen Reich gebildet haben. Die Bevölkerung nennt sich Wasumbwa und bildet wohl einen Uebergang von den reinen Wan- yamwesi zu den Bantu-Stämmen des Zvvischenseen-Pla- teaus. Die Wanderungen der hamitischen Wahuma- Völker haben bis hierher gereicht, doch bilden sie nicht die herrschende Klasse wie in den grossen Reichen im Nordwesten. Sie leben als Hirten, gesondert von den anderen. Die Bevölkerung ist ausserordentlich intelligent und liebenswürdig, und als die Reisenden die Staaten Ulangswa, Uyovu, Usambiro durchzogen, fanden sie fast überall die Wege bis auf 4 m frisch verbreitert. Am 20. April betrat G. die Landschaft Ost-Usuvi, deren Beherrscher Kassusura man mit Fug und Recht den Titel „König" bewilligen kann. Man steigt hier in Usuvi in drei Terrassen zum Zwischenseen- Plateau hinauf. Die Bruchlinien der nunmehr auftretenden Schiefer-For- mationen sind ausserordentlich scharf zu erkennen. Am Fuss der dritten Bruchlinie liegt des Königs Residenz in einer ausgedehnten Bananenwaldung. Kassusura be- schenkte G. unaufgefordert mit 200 Ziegen und 300 Büschel Bananen. Dann besuchte er Graf G. im Lager, umgeben von 2—3000 bewaffneten Kriegern, und als ihm am fol- genden Tage Gegenbesuch gemacht wurde, waren die Reisenden freudig überrascht von dem wahrhaft fürstlichen Gepränge, mit dem er sie empfing. Seine Krieger um- standen ihn malerisch gruppirt; ein Musikcorps begleitete den feierliclien Act mit" Pauken und Pfeifen. Der König selbst, ein riesiger Jlbuma mit schönem Pharaonenkopf, sass mit einem rothen 3Iantel bekleidet auf einer Art von Thron. Ueber Höflichkeitsphrasen kommt man bei solchen Zeremonien selten hinaus; der König war aber sichtlich erfreut zu hören, dass G. seinem unbesiegten Feinde, dem König von Ruanda, einen Besuch abstatten wolle. Er hoffte natürlich, ein Strafgericht werde nun über jenen hereinf)rechen. Am folgenden Tage stellte er 70 Träger und G. konnte mit allen seinen Lasten abmarschiren. Am 2. Mai näherte sich die Expedition dem Fluss Kagera und sie erblickte drüben die völlig baundosen Hochflächen Ruandas. Was G. bisher von Ruanda wusste, grenzte derartig an das Sagenhafte, dass er mit grösster Spannung den nächsten Tagen entgegensah. Man erzählte von ungeheueren Amazonenheeren, von grossen Flotten auf einem See, von Leuten mit riesigen Köpfen, von Zwergen mit langen Barten, auf deren Schultern der Landesherr, desse'n Titel „Kigeri" sei, umhergetragen würde. Bei den Arabern soll es sprüchwörtlich sein, dass es leichter sei nach Ruanda hinein zu kommen, als wieder hinaus, und thatsächlich hat auch, eine Merkwürdigkeit im Innern Afrikas, noch kein Araber dort festen Fuss fassen krmnen. Rumaliza, der einzige vom Kongo-Staat noch nicht völlig besiegte Araber, hat es einmal versucht von Süden her ins Land einzudringen; es wird erzählt, Rumaliza habe dem König schöne Geschenke geschickt, und die Folge davon sei gewesen, dass bei der An- näherung der grossen Bootsflotille der Araber die Krieger von Ruanda sich ins Wasser stürzten und die Kanus von unten anbohrten. Stanley fand es rathsam, auf seiner letzten grossen Reise Ruanda zu umgehen. Dr. Stuhlmann erzählt von merkwürdig stolzen Leuten aus Ruanda, die sogar Geschenke zurückwiesen, und Dr. Baumann hat zu den Waffen greifen müssen, als er auf seinem Zug durch Urnndi eine Grenzprovinz von Ruanda kurz berührte. Die Hauptmasse des Landes bilden die höchsten Erhebungen des sogenannten Zwischenseen-Plateaus. In die Hochflächen sind durch Erosion tiefe Schluchten und meist nach Süden laufende Thäler eingeschnitten, deren Nr. 12. Natuvwisscnschaftlichc Wochenschrift. 147 Häiif;c mit uiiselieuereii Banaucnhaincn bedeckt sind; die lldchllächeii bilden wundervolles Weideland und sind völlig- baundos. Nach Osten und Süden hin fällt das Plateau steil '/.um Kagera ab. Der Kag-era im Osten ninnnt den Ruvuvu auf Dass dieser der iiaupt-Quellfluss des Kai;era sei, kann G. nicht i;-lauben; denn einmal unterscheiden die \\'anya-Ruan(la deutlich zwischen Ka^-era und KuNUVu; ferni'r hat (i. den Kamera etwas unterhalb und etwas oberhalb des Ruvuvu-Einflusses i;csclien, ohne einen wesentlichen Unterschied in der Wassermasse zu finden, und schliesslich ist der Nyvarongo, der in grossen Windungen Ruanda durchzieht, ein ganz mäclitiger Fluss, der jedenfalls mit einem anderen Fluss zusannnen, dem Akenyaru, den Kagera bildet. Der \'ereinignngspunkt beider wurde den Reisenden von weitem als grosse sce- artige Erweiterung gezeigt, woraus G. sieh den Akenyaru- See .Stanley 's erklärt. Das Plateau von Ruanda hat die (Inrehsciinittlichc Seehöhe von 1700—2000 ra. Nach Westen zu steigt es immer mehr, bis zur Höhe von 3000 m an uiul fällt dann steil zum grossen Centralafrikanischen Graben hin ab. Man nmss darunter die ungeheure Bodeneinsenkung ver- stehen, in der der Albert- und Albert-Edvvard-See, dann der Kivu-See und der Tanganyika liegen. Die höchste Stelle der Sohle dieses Riesengrabens liegt an dem von G. zuerst gesehenen Kivu-See, dessen Seehöhe G. auf 1490 ni bestimmte; der Tanganyika hat nur 818 m See- höhe und der Albert-Edward-See 875 m. Nördlich des Kivu-Sees haben sich quer vorliegend auf der Grabeu- sohle die Virunga-Vulcane erhoben, ohne Verbindung mit den Grabenrändern-, diese Vulkane theilen den Graben also in eine nördliche und eine südliche Hälfte. Die W^anya-Ruanda nennen die Kette Virunga. Mit „Mfum- biro" wurde der östliche Berg bezw. die dortige Land- schaft bezeichnet. Am 3. Mai begann G. mit dem Uebergang über den Kagera, kletterte den steilen Hang der Landschaft Kisaka empor, ohne irgend wie feindlieh angesehen zu werden. Die dichte Bevölkerung sass überall neugierig am Wege und versorgte die Reisenden bereitwillig mit Lcbcns- mittehi. G. gewann bald die üeberzeugung, dass es ihm gelungen war, dem Kigeri zu imponircn, dadurch, dass er, ohne ihn im Geringsten um Erlaubniss zu fragen, einfach in sein Land hineinmarsehirt war. Ueberall fand er die prachtvollsten Culturstrecken, Rinder mit riesigen Hörnern weideten auf den saftigen, blumenbestandenen Hoch- flächen, auf denen oft grosse Felder von l'xdmen und Erbsen angebaut waren. Einzelne Gehöfte lagen umher; Dörfer giebt es in Ruanda nicht. Merkwürdig ist der gänzliche Mangel an Brennholz. Das wenige Holz, das man vorfindet, wird mühsam von den westliciien Bergen herangeschleppt, im übrigen behilft man sich mit ge- trockneten Grasbüscheln. Die ackerbauende Bevölkerung ist ein Bantu-Stamm, den Warundi verwandt. Die vor langer Zeit von Norden her eingewanderten Hirtenvölker der Wahuma oder Watusi haben diesen Stamm der Ein- geborenen ganz in ihre Abhängigkeit gebracht, seine Sprache aber angenommen. Die einzelnen Watusi sitzen als Statthalter oder Districts-Chefs im Lande umher, deutlich erkennbar unter dem übrigen Volk an ihren langen, hageren Gestalten, ihrer hellen Hautfarbe und ihren edlen Gesichtszügen. Doch scheint im Lande Jeder- mann in steter Furcht vor dem Kigeri zu leben. Die Ordnung im Lande halten die Statthalter durch ein aus- gewähltes Elitecorps aufrecht, das einem besonderen Stamm aus dem Nordwesten entnommen ist und die Batwas genannt wird. Die Gensdarmen sind aber keines- wegs, wie der Name „Batwa" glauben machen könnte, Zwerge. Von einem jungen Sohn des Kigeri begleitet, drang G., innner höher steigend, nach Nordwesten vor. Die (iegend wurde immer romantischer, nahm fast Hoch- gel)irgscharakter an, und in der Ferne zeigten sich endlich lue siiitzen Kegel der Virunga-Vulcane, aber noch ohne Rauch und Feuerschein, bis G. sich in der Nacht zum 26. Mai durch den blutrothen Feuerschein am Hinnnel überzeugen konnte, dass ein Vulcan in voller Ausbruchs- thätigkeit vorhanden war. Fast 3000 m hoch lag Luabugiri's augenblickliche Residenz, hoch über den Wolken und von kalten Sturm- winden umweht. Seine alte Nomadennatur hat er sich bewahrt, als echter Beherrscher eines Hirtenvolkes lebt er nie länger als zwei Monate an einem Ort. Mühsam erstieg G. den hohen Berg. Ein völlig neu aufgeführter Hiittenconiplex für viel- leicht 200 Menschen, das war alles, was sich zeigte. Obwohl oder vielmehr gerade weil Luabugiri befehlen liess, zu warten, bis er G. empfangen wollte, marschirte dieser bis dicht vor seine Hütte in die Unifriedigung hinein. Als er sich endlich mit seinen Grossen blicken liess, waren die Reisenden fast betroffen von dem eigen- artigen Anblick. Die wildromantische Natur, die Ein- fachheit der Umgebung contrastirte seltsam mit diesen Gestalten; Luabugiri und seine Grossen gehören sicherlich zu den grössten Menschen, die es giebt, dabei sind sie von schönem und wohl proportionirtem Körperbau. Fein gegerbte Ziegeufelle und überreiche Perlenstickerei in geschmackvoller Farbenanordnung waren die einzige Kleidung. Luabugiri trug auf dem Kopf einen Kranz aus grünen Blättern; dieser und das etwas trunken- blickende Auge gaben ihm das Aussehen eines römischen Imperators, der von einem üppigen Gastmahl zurückkehrt. Die Absicht den Feuerberg zu besteigen, belächelte er mitleidig, und die weisse Hautfarbe erregte sein grösstes Erstaunen. Sein junger Sohn verstieg sich sogar zu der galanten Aeusserung: wenn die Frauen bei uns eben so weiss wären, und eine solche käme nach Ruanda, so würde man sie auf den Häuden durch das ganze Land tragen. Unter unsäglichen Schwierigkeiten wurde der Ost- raud des grossen Grabens überstiegen. Der Kamm des Gebirges ist mit dichten Bambuswäldern bestanden, die so dicht gewachsen sind, dass die Sonne nicht durch- dringen kann. Die dunkelgrünen Baral)usstämme erreichen eine Höhe von 20 bis 30 ni. Axt und Messer mussten fieissig gebraucht werden; die Kälte war sehr empfindlich. Völlig erschöpft erreichte die Expedition das frucht- bare Land Bugoye und bezog östlich des Kirunga tsha Gongo ein Lager. Der Vulcan lag frei von Wolken, während die Gipfel seiner östlichen Nachbarn nur selten dem Auge sichtbar wurden. Die Besteigung des Berges wurde sogleich in Angriff genommen. In Begleitung des Dr. V. Prittwitz machte sich G. mit etwa 20 Mann auf den Weg; sie überschritten zunächst eine ganz flache Ebene aus Lava. Als die Steigung anfing, begann auch der dichte Wald und Gestrüpp. Es musste gelagert werden und dann musste man sich Schritt für Schritt 3V2 Tage lang durch den Urwald hindurcharbeiten in gerader Richtung auf den Gipfel zu. Das nöthige Wasser musste täglich in Ziegenschläuchen vom Hauptlager her- geholt werden. Endlich hörte die hindernde Vegetation auf, eine niedrige alpine Flora bedeckte den schwarzen Lavaboden. Noch zwei Stunden und G. stand schliesslich am Rand des riesigen Kraters. Die gewaltigen Formen des Kraterkessels bilden kohlschwarze, mit rosafarbenen Adern durchzogene Wände, die senkrecht wohl 300 m tief hinabstürzen. Der Boden, wahrscheinlich ein erkalteter, sogenannter Lavasee, sieht 148 Naturwissenscbaftliche Wocheuscbrift. Ni-. 12. aus, als wäre er völlig eben und in den scbönsten Farben marmorirt. Zwei gewaltige brunnenäbnlicbe Oeffnungen, so regelmässig, als wären sie von Mensciienband hinein- cenientirt, befinden sieh in der Mitte, und der einen ent strömt unter donneräbnlichem (ietöse eine gewaltige Dampfwolke; dem dierucb nach zu urtheilen ist letztere nur in sebr geringem Maass scbwet'elbaltig. Der Rand des Kraters ist so steil, auch nach aussen, abfallend, dass mau schwindelfrei sein musste, um den Rundgang um den Krater zu machen, der zwei Stunden in Anspruch nahm. Die nächste Zeit brachte noch manche aufregende Ueberrascbungen. Ein tüchtiger Marsch führte plötzlich au das Ufer eines herrlichen Sees, der sich unabsehbar nach Süden hin erstreckte und von deu Eingeborenen Kivu genannt wird. Die Ufer bestehen im Norden aus alten Laven; man erkennt nocli die Stellen, wo sich die glühenden Massen ins Wasser gestürzt haben. Eines Abends wurde das Lager alarmirt; Geschrei erhob sich, und ein fürchterliches Gewehrfeuer begann, einige Pfeile flogen ins Lager und am Morgen fand man einige Leichen in der Nähe. Den Grund dieses thorichten und plan- losen Angriffs hat G. nicht erfahren können. Während Dr. von Prittwitz die Carawane auf das Westufer des Sees führte, unternahm G. eine Fahrt auf seiner Nordhälfte mit 4 Kanus. Paradiesisch scliöne Inseln liegen mitten im See, der 30 — 4U km breit und mindestens 80 km laug ist. Die Ufer-Formationen erinnern lebhaft an die oberitalienischen Seen. Bei der Rückkehr zur Carawane erfuhr G., dass Dr. Kersting mehrere Kilometer nordwestlich des Haupt- vulcans eine Ausbrnchstelle von flüssiger Lava gesehen hatte, die nnn den allabendliciien Feuerschein erklärlich machte. Nun wurde der westliche Grabenrand mit seinen dunklen Bambuswäldern erstiegen. In den nächsten Wochen wurden die Anstrengungen fast Übermenschlich; die geringe Nahrung und das fort- währende Hinauf- und IJinabklettern auf kaum sichtbaren Pfaden war weit mühsamer als der spätere Marsch durch die sumpfige Urwaldzone. Dabei fand sich das Land Butembo nur ganz dünn bevölkert. Die Sklavenjäger aus Manyema-Laud hatten ihre Razzias bis hierhin ausgedehnt, und die Reste der Bevölkerung ergriffen oft die Flucht. Verpflegung und Führer waren schwer erhältlich. Die Nahrung bestand meist ans verwilderten Bananen, aus deren Vorkommen man auf alte Niederlassungen schliessen kann. GlückUcherweise hatten die Reisenden noch einen kleineu Viehbestand uud drei Maulesel als Reserve. Buteudjo ist ein Hügelland mit Urwald in den Tbälern und 3 — 4 m hohem Riedgras auf den Kuppen. Ueberall zeigte sich Thonschiefer im gesanunten von uns durch- zogenen Urwaldgebiet bis hinüber auf das linke Ufer des Kongo. Das Land senkt sich allmählich nach Westen zu, und wenn man die Grenzen der Walegga überschritten hat, so betritt man die ausgedehnte Niederung, die vom Kongo entwässert wird und die thatsäcblich von ge- schlossenem Wald bedeckt ist. Die Vermuthung, dass der von Stanley durchzogene Wald nur eine Galleriewald- zone am Aruwimi sei, ist falsch. G. hat sich nie an den Flussläufen entlang bewegt und überall denselben Laub- wald gefunden. Von dem Dritten, der dieses Gebiet durchzogen hat, von Eniin Pascha, haben wir leider nur geringe Nachrichten; jedenfalls aber hat er die gleichen Beobachtungen in dieser Beziehung wie Stanley und G. gemacht. Was nun den Wald selbst angeht, so muss G. ge- steheu, dass nach den Schilderungen, die Stanley in seinem letzten Reisewerk giebt, grosse Enttäuschung Platz griff. Schrecklich werden diese Waldmärscbe mit grossen Menschenmassen durch die Unsicherheit über das, was vor einem liegt, durch die vielen Hungertage, und durch die endlosen versumpften Strecken, die man täglich passiren muss, aber den Eindruck majestätischer Gross- artigkeit hat die Expedition nicht gewinnen können. „Wir fragten uns oft, ob wir denn schon in dem undurch- dringlichen Urwald wären, in den kein Sonnenstrahl ein- zudringen vermag, wo die lange Dunkelheit dem Reisenden Grausen erregt." Vielleicht ist der AVald am Aruwimi ein anderer als am Lüwa; das ist aber sehr unwahrscheinlich. Der Wald war unendlich langweilig; täglich die gleichen Schwierigkeiten, um Lasten und Maulthiere über die zahl- losen Wasserläufe zu schaffen, und täglich Märsche bis an die Knie im Sumpf. Zwerge hat G. nicht gesehen, denn sie leben bedeutend weiter nördlich; aber bereits die Watembo und Walegga waren meist Leute unter Mittelgrösse, doch fehlten ihnen die von Stuhlmann und Stanley beobachteten charakteristischeil Merkmale, wie die helle Hautfarbe, die sammetartige Haut u. s. w. Auch sind die Watembo und Walegga kein eigentliches Jäger- volk. G. sah in Butembo einige Dörfer, die festungs- artig auf hohen Kuppen lagen. Wie zu mittelalterlichen Burgen führt ein ganz schmaler Hohlweg als einziger Zu- gang hinauf, und oben sind hohe Bastionen weit vor- gebaut, von denen die Vertheidiger zugespitzte Balken und Steine hinabwerfen. Speere und Pfeile nut Eisen- spitzen hat G. dort nicht gefunden. Ehe der Nebenfluss des Congo, der Lowa, erreicht wurde, stiess G. am 7. August auf eine grosse, in Mitten grosser Reiseculturen liegende Manyema-Ansiedelung, von etwa 5000 Menschen bewohnt. Aus dem völlig unter- würfigen Benehmen ihres Chefs, mit Namen Kaware-ware oder Msenge, konnte G. entnehmen, dass am Kongo die Araberkriege endgültig zu Gunsten der europäischen Waffen entschieden waren. Der Marsch durch den Wahl hatte 30 Menschenleben gekostet, allerdings meist leichtsinnige Burschen, die trotz strenger Strafen ihren mehrtägigen Proviant am ersten Tage vergeudeten, aus Leichtsinn oder niühamedanischem Fanatismus. Die Expedition war gerade zwei Monate durch ununterbrochenes VValdgebiet marschiert. Am 21. Septeuiber 1894, genau 9 Monate nach dem Abmarsch von der Küste, wurde der Kongo erreicht, gegenüber der jetzt aufgegebenen Station Kirundu. Drei tadellos abgegebene Salven zeigten dem belgischen Kom- mandanten drüben die Ankunft an. Die Fahrt auf dem Kongo, die beschwerlichen Märsche am Unter- Kongo von Leopobivilie bis Matadi, boten keine Gelegenheit mehr zu geographischen Beobachtungen. Der Kongo-Staat hat mit energischer Hand die Älacht der Araber am ( »ber-Kongo gebrochen. Man scheint aber nicht zu verkennen, ein wie wichtiges Culturelement die Araber trotz allen Sklavenhandels sind. Eine blühende Cultur entsteht um jede Araberansiedelung, und man thut gut daran, den Resten der Araber in der Nähe der euro- päischen Stationen eine Ansiedelung zu gestatten. TJeber das neue Gas in dei' Atmosphäre. — Die Nachricht, dass in der atmosphärischen Luft, welche seit etwa 100 Jahren so häufig der Gegenstand exacter Forschungen gewesen ist, ein bisher unbekanntes Element aufgefunden worden sei, begegnete, als sie zuerst aus England zu uns drang, trotz des guten Rufes der Ent- decker, Lord Rayleigh und Prof. Ramsay, manchem ungläubigen Kopfschütteln. Jedenfalls war es nothwendig, nähere Angaben über die Entdeckung und die Eigen- Nr. 1-2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 149 scliaftcu der betreffenden Substanz abzuwarten, eiic Urtlieil darüber bcrechtic:t erschien. eui Derartige Angaben sind nun in der Sitzung- der Royal Society in London am 31. Januar d. J. erfolgt und nöthigen zu der Ansicht, dass das .,Arg:on'', wie es die FLntdecker nennen, in der Tiiat ein neues Gas sei. Die naclifulgenden Mittlieilungcn sind im Wesentlichen den Hericliten der Chemical News und der Cliemikerzcitung cntnonuncn. Den ersten Anstoss zu dieser Entdeckung- gaben die g:enauen Bcobaclitungen Lord Raylcigh's über die Dichte des Stickstoffs; es hatte sich dabei nämlich heraus- gestellt, dass das aus atmosphärischer Luft dargestellte Gas stets eine grössere Dichte besass als anderes, auf chenn'scheni Wege gewonnenes, und zwar betrug die Ditl'erenz constant 'jgg des ersteren. Dass dieser Unterscliied nicht etwa einer Verunrei- nigung- des künstlich erhaltenen Stickstoffs mit leichteren Gasen zuzuschreiben war, wie natürlich zunächst ange- nommen wurde, liess sich durch besondere \'ersnche dar- thun. Es konnte derselbe sonach nur, so unwahrschein- lich dies auch klang, auf einem constanten Gehalt des atmosphärischen Stickstoffs an einem bisher unbekannten, schwereren Gase beruhen. Um behufs Isolirung des hypothetischen, neuen Be- standtheils den Stickstoff möglichst vollständig zu ent- fernen, erwiesen sich am g-ceignetsten rothglühende Magnesiumspähne. Nach wiederholtem Leiten über solche wurde schliesslich ein Gas von der Dichte 19,09 erhalten, das nach Zufüg-ung- von etwas Sauerstolf unter dem Einfluss der elektrischen Entladung sein Volum noch etwas verringerte und so auf die Dichte von nahezu 2ü gebracht werden konnte. Die Entdecker halten 19,9 für die wahre Dichte des neuen Gases. Dass Magnesium aus dem fraglichen Gemenge nur Stickstoff fortnimmt, ist durch Ana- lyse des aus dem hierbei entstandenen Stiekstoflfmagnesium erhaltenen Chlorammoniums nachgewiesen worden. Auch wurde durch Diffusionsversuche festgestellt, dass das Argon nicht etwa erst bei der Behandlung mit dem er- hitzten Jlagnesium oder mit dem Inductionsfunken ent- steht, sondern ursprünglich in der Luft vorhanden ist. Wird nämlich Luft durch ein Pfeifenrohr geleitet, das sich in einem evacuirten Glasrohr befindet, so ist der daraus nach der gewöhnliehen Methode gewonnene Stick- stoft' noch schwerer als sonst. Da Argon schwerer diffundirt als Stickstoff', hat unter diesen Umständen eine Anreicherung mit ersterem stattgefunden. Wie schon aus der Art der Darstellung hervor- geht, ist das Argon gegen ehemische Einflüsse äusserst unempfindlich. In der That gelang es bisher nicht, irgendwelche Verbindungen mit bekannten Elementen zu erzielen; Sauerstoff und Wasserstoff unter den verschie- densten Bedingungen, Chlor, l'hosphor, Schwefel und Tellur ebenso wie Kalium, Natrium, Platiuschwarz, Platinschvvamm und alle anderen bisher darauf geprüften Körper blieben ohne allen Einfluss. Während sonach bezüglich der chemischen Eigenschatten nur negative Resultate vorliegen, sind die physikalischen Eigenschaften sorgfältig unter Mithülfe der ersten Autoritäten auf den l)etreflfenden Gebieten untersucht worden. Die Löslichkeit in Wasser ist 2V2nial so gross als diejenige des Stickstoffs; wie danach zu erwarten, lässt sich das Gas in den im Regenwasser vorhandenen Luft- theilchen reichlicher als in der Atmosphäre nachweisen. Prof Olszewski in Krakau hat das Gas komprimirt und sowohl den kritischen Punkt als den Siedepunkt niedriger als bei Sauerstoff gefunden; auch gelang es ihm, das Argon in den festen Zustand überzuführen, wobei es sich als weisse, eisartige Masse präsentirt. Es liegt Zweifel an der elementaren Natur des Argon zu er- die kritische Temperatur bei —119,8" bis —121,6", der kritische Druck bei 50,6 Atmosphären, der Siedepunkt unter Atmosphärendruck bei — 186,9", der Erstarrungspunkt bei — 189,6"; die Dichte des flüssigen Argons ist = 1,5. Das Verhältniss der beiden specifischen Wärmen (der bei constautem Druck und der bei constantem Volum), nach der Methode von Kundt aus der Schallgeschwindig- keit bestimmt, ergab die Zahl 1,61. Diese Zahl ist fast übereinstimmend mit dem Verhältniss 1,66, welches an- giebt, dass die lebendige Kraft der fortschreitenden Be- wegung gleich der ganzen lebendigen Kraft des Molecüls ist, dass mithin von einer lebendigen Kraft der Bestand- theilc des Molecüls nicht die Rede sein kann. Dies ist aber nur so zu erklären, dass das Molecül gleich dem des Quecksilberdampfes aus nur einem Atom besteht. Dann aber müsste das Atomgewicht ungefähr 40 be- tragen, eine Zahl, welche die Einreihung des Elemen- tes in das periodische System bei Berücksichtigung seiner Eigenschaften nicht gestattet und daher geeignet ist - ■ ■ - wecken Auch die Ergebnisse der von Prof. W. Crookes vorgenommenen spectroskopischen Untersuchung deuten eher aut zwei als auf ein Element hin. Vor allem aber beweisen sie, dass Argon wirklich ein neues Gas ist, denn das Spectrum ist von dem des Stickstoffs durchaus verschieden und ebenso von jedem andern der bisher be- kannten Gase. Je nach der Stärke des angewendeten Inductionsstromes erhält man zwei verschiedene Spectra, ein rotlies oder ein blaues. Auch Stickstoff besitzt be- kanntlich zwei verschiedene Spectra, von denen indessen das eine ein Banden-, das andere ein Linienspectrum ist, während beide Ai-gonspectra der letzteren Art angehören. Verwendet man zur Untersuchung das Gas, wie es von den Entdeckern erhalten wird, so zeigt sich immer noch das Stickstoflfspectruni ; lässt man indessen den Inductions- funken vor der Untersuchung einige Zeit lang hindurch- schlagen, so verschwindet dasselbe vollständig, der noch vorhandene Stickstoff' wird von den Platinelektroden absorbirt. Argon leuchtet am lebhaftesten und giebt das glän- zendste Spectium bei einem Druck von 3 mm, während für Stickstoff das Optinumi bei 75 — 80 mm liegt. Dabei ist die Farbe der Entladung orangeroth und das Spectrum reich an rothen Linien, von denen besonders zwei mit Wellenlängen von 696,56 und 705,64 hervorstechen. Wird der Druck noch weiter reducirt und eine Leydener Flasche eingeschaltet, so ändert sich die Farbe der leuch- tenden Entladung in Stahlblau und das Spectrum zeigt dann sehr verschiedene Liniengruppen. Nur unter ganz besonderen Verhältnissen gelingt es, das blaue Speetrum, welches eine hohe elektromotorische Kraft erfordert, ganz frei von dem rothen zu erhalten. Crookes fand im blauen Spectrum 119 Linien, im rothen 80, zusammen also 199, von denen indessen 26 beiden Spectren gemeinsam sind. Die hauptsächlichen Linien dieser Spectra sind in der Tabelle am Schluss zusannnengestellt. Das nach verschiedenen Methoden dargestellte Argon zeigte stets übereinstimmende Spectren und dieselben stimmten mit keinem bisher bekannten ttberein. Crookes ist daher überzeugt, dass Rayleigh und Ramsay ein oder wahrscheinlicher zwei neue Elemente in der Atmosphäre entdeckt haben. Ob eventuell diese mnthmaasslichen ^wei Elemente als Verbindung im Argon voi-liegen oder als Gemisch, lässt sich natürlich nicht entscheiden, so lange die che- mische Natur des Körpers so völlig im Dunkeln bleibt. Durch die Auffindung des Argons ist die bereits 150 Naturwissenschaftliche Wocheuschrift. Nr. 12. früher mehrfach constatirte Erscheinung eriilärt, dass atmosphärischer Stickstotf, auch wenn immer von Neuem Sauerstotf zugefügt wird, durch den Inductionsfunken nicht vollständig absorbirt wird. Ferner warf in der Discussion Prof. Roberts Austen die Frage auf, ob nicht vielleicht die besonderen Eigenschaften des Bes- semerstahls auf eine Verbindung oder Legirung des Eisens mit Argon zurückzuführen seien. Für je 10 t Eisen passirt ein Luftstroni mit 1000 Cubikfuss Argon die Birne; in dem aus Bessemerstahl ausgepumpten Stickstoff konnte aber von demselben nichts entdeckt werden. Schliesslich sei erwähnt, dass Prof. Ramsay die ihm Seitens des Vorsitzenden der Deutschen chemischen Ge- sellschaft, Prof Emil Fischer, übermittelten Glück- wünsche mit dem Versprechen erwidert hat, eine Röhre voll Argon zu spenden. Es wird somit auch in Berlin bald Gelegenheit gegeben sein, von den Eigenschaften dieses Gases und besonders von der Eigenart seines Spectrums durch den Augenschein sich zu überzeugen. Die zwei Argon-Spectren nach Crookes. Blan Roth Wellenlänge 1 Inten- sität Wellenlänge Inten sität 705,64 10 603,84 8 696,56 640,70 603,80 565,10 9 9 8 9 — — 561,00 9 — r — 555,70 549,65 10 8 — 518,58 516,50 10 9 470,12 8 450,95 453,35 427,20 425,95 420,10 419,80 419,15 418,30 415,95 8 9 7 8 10 9 9 8 10 450,95 433,35 430,05 427,20 425,95 420,10 419,80 419,15 418,30 415,95 9 9 9 8 9 10 9 9 8 10 410,50 8 — — 407,25 404,40 401,30 8 8 8 404,40 9 394,85 392,85 9 9 394,85 10 386,85 8 380,45 8 385,15 10 — — 378,08 376,60 372,98 9 8 10 — — 358,70 10 — — 358,03 357,50 9 9 — — 349,00 10 zusammenfallend zusammenfallend zusammenfallend zusammenfallend zusammenfallend zusammenfallend zusammenfallend zusauuncnfalleud zusammenfallend zusammenfallend zusammenfallend zusammenfallend Aus dem wissenschaftlichen Leben. Erniiiiiit WLinlen : zu ausserordentlichen Professoren der Pri- vatdocent der Physik in Halle Dr. Karl Sc hm id t (zugleich zum Nachfolger des Prof. Dorn in der Leitung des Laboratoriums für theoretische Physik) und der Privatdoeent für Chirurgie in Jena Dr. Heinrich Haeckel; der Director der Klinik für Hals- und Nasenleiden an der Charite zu Berlin Prof. Dr. Pjernhard Fränkel zum Geheimen Medicinalrat; Dr. Schilling aus Kich in Hessen provisorisch zum Lehrer der Pharmakognosie an der technischen Hochschule in Darmstadt; der Privatdoeent der Philosophie iu Lausanne Milliond zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Der onlentliche Professor der Mathematik an der technischen Hochschule zu Brunn Dr. Hocevas an die technische Hochschule in Graz; Laborant Kondakow in War- schau als ausserordentlicher Professor der Pharmacie n.ach Dorpat; Dr. Walil stein als Professor der Aesthetik nach Cambridge. Es habilitirten sich: Dr. Kockel für Medicin in Leipzig; Dr. Schnitzlor für C'hirurgie in Wien; Dr. Pesc hin a für Patho- logie und Therapie der inneren Krankheiten an der böhmischen Universität zu Prag. Es starben: Geh. Obermedicinalrath Dr. Schünfeld, vor- tragender Rath in der Medicinalabtheilung des Cultusministeriums in Berlin; Sanitätsrath Dr. Pohl-Pincus, früher Privatdoeent für Haut- und verwandte Leiden; der Privatdo.\ent für innere Medicin und 1. Assistent an der Universitätsklinik zu Breslau Dr. Bruno M est er; der Assistent an der Brealauer chirurgischen Universitätsklinik unter Prof. Mikulicz Dr. Robert Hildebrand t. Die XII. Hauptversammlung des Preussischen Medicinal- beamten-Vereins findet am 26. und 27. April 1895 in Berlin statt. Dr. L. Spiegel. L i 1 1 e r a t u r. Gottfried Schneiders, Die Naturphilosophie des Himmels. Eine neue Weltentwickelungstheorie. C. Mayer's Verlag. Aachen 1893. — Preis 1 M. Das vorliegende Schriftchen enthält eine kurze Darstellung der Kant— La Place'schen Nebularhypothese, und schliesst hieran eine Kritik derselben, welche den durch seine Reisen in Borneo bekannten Verfasser, einen geborenen Aachener, veranlasst, die Kosmogenesis von einem anderen Gesichtspunkte aus zu be- leuchten. Er sucht ein Gemälde mechanischen Stils zu entrollen, wie in der Kosmischen Urzeit der Himmelsraum von unendlich vielen kleinen meteoritischen Körpern belebt war, welche iu krummlinigen Bahnen sich bewegten, und mit einander einen Kampf um die Überherrschaft führten. Die hiermit verbundene indirecte Auslese des allein existenzfähigen soll die Himmels- körper aus dem kleinen zum grossen anwachsen lassen und die Weltenordnung bedingen. Obwohl der Verfasser sich aufrichtige Mühe giebt, auf Grund der Gesetze der Physik und Mechanik die Richtigkeit seiner Grundanschauung, dass die Himmelskörper sich aus kleinen kos- mischen Weltkörpern, den Meteoriten, gebildet haben, nachzii- weisen, so gelingt ihm dieser Versuch jedoch darum nicht, weil ihm die Erklärung der Massenanziehung selbst aus mechanischen Principien fehlt, und demnach seine Auseinandersetzungen ebenso wie das Newton'sche Attractionsgesetz einer tieferen mechanischen Begründung bedürfen. Mewes. Hermann Grassmann's Gesammelte Mathematische und Physi- kalische Werke. Auf Veranlassung der Mathematisch- Physischen Klasse der Königl. Sächsischen Gesell- schaft der Wissenschaften und unter M i t Wirkung der Herren: Jakob Lüroth, Eduard Study, Juatus Grass- mann, Hermann Grassmann der Jüngere, Georg Scheffers herausgegeben von Friedrich Engel. Ersten Bandes erster Theil: die Ausdehnungslehre von 1844 und die Geometrische Analyse. Mit einem Bilde Grassmann's und 35 Te.\tfiguren. Verlag von B. G. Teubner. Leipzig 1894. — Preis 12 Mark. Mit dem Unternehmen, von welchem uns der erste Theil vor- liegt, erfüllt die heutige Generation der Mathematiker eine Ehren- pflicht gegen einen Mann, der seinen Zeitgenossen weit voraus- geeilt war, ohne dass sie ihm zu folgen vermochten, und welcher deshalb in seinem Leben nicht die gebührende Anerkennung fand. Selbst heute giebt es noch viele Mathematiker, welche zwar den Namen Grassmann's, aber von seinen Werken wenig oder gar nichts kennen. Es war deshalb ein schöner Gedanke von Pro- fessor F. Klein in Göttingen, die Herausgabe der mathematischen und physikalischen Werke des Stettiner Gymnasiallehrers anzu- regen und Professor Engel in Leipzig zur Uebernahme dieser mühevollen Arbeit zu bewegen. Auch verdient die Bereitwillig- Nr. 1-2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 151 keit, mit woleher die mathematisch-physisehe Klasse der Königl. Sächpisclicn Oosollseliaft der Wis.siensoliafton die Fördeninj; des I'nti'i'iielinu'ns aut'nalmi, die Anerkcnniiiif; vinil don Dank aller Mathematiker, welche ein Gefühl dafür haben, dass es eine Pflicht der Gereclitij^keit ist, Grassniaini die gebührende Stellung unter den Mathematikern des neunzehnten Jahrhunderts zu geben. Es ist nicht unsere Aufgabe und unsere Absicht, auf den In- halt der in tleni vorliegenden Theile enthaltenen Schriften ein- zugehen, auch ist hier kein Ort, auf die zahlreichen Bemerkungen und Zusätze besonders hinzuweisen, welche theil.^ im Texte ein- geschaltet, theils am Ende des Bandes beigefügt sind. Wir möchten nur ganz be.'ionders hervorheben die grosse Sorg- falt und die Gründlichkeit, mit welcher der Herausgeber zu Werke gegangen ist. sowohl in der Wahl der Mitarbeiter als .luch in der Disponirung des ganzen Stotl'es und in der Aus- tuhrung der Einzelheiten. Er giebt über alles dieses in einem Vorwort Bericht, in welchem der warme Eifer für die Sache des so lange Verkannten ungemein nohlthuend berührt. Nur eines w ollen wir nicht unerwähnt lassen, was man bei iler Ausgabe von gesiimmelten Werken nie ausser Aclit lassen sollte. Es ist nämlich sehr häutig der Fall, dass man bei Citaten, die sich auf die nr- spriingliche Ausgabe beziehen, vollständig durch die gesammelten Werke im Stich gelassen wird, weil natürlich die Seitenzahlen nicht stimmen. Es ist deshalb unbedingt erforderlich, überall die urs]n-üngliche Paginirung beizufügen. Wir freuen uns, dass Pro- fessor Engel diesen Mangel in der vorliegenden Ausgabe ver- nueden hat. Hotfentlich bürgert sich dieser Brauch bei den Mathematikern bald allgemein ein. Die Brauchbarkeit einer Aus- gabe von der Art der vorliegenden wird dadurch erst eine voll- ständige. Ueber den Plan des ganzen Werkes möge noch bemerkt werden, dass der zw eite Theil des ersten Bandes die Ausdehnuugs- lehre von 1SG2 enthalten wird. Der zweite Band wird die ge- druckten Abhandlungen umfassen und aus dem Nachlasse das, was sich gut an dieselben anschliesst, während der dritte Band Grassmann's Prüfungsarbeit über Ebbe und Fluth (18J0) und den Rest des Nachlasses in sich aufnehmen wird, soweit er zur Ver- öfientlichung geeignet ist. Auch beabsichtigt der Herausgeber, diesem Bande eine Lebensbeschreibung Grassmann's und eine kurze zusammenhängende Darstellung und Würdigung seiner Leistungen, sowie ein Verzeichniss derjenigen Arbeiten bei- zufügen, in denen an Grassmann angeknüpft worden ist. Die Ausstattung des Werkes ist eine würdige und verdient alle Anerkennung; auf das schöne Bild Grassmann's, welches die Verlagsbuchhandlung dem Bande vorausgestellt bat, machen wir ganz besonders aufmerksam. , Fünfzig Jahre sind gerade vergangen, — so schliesst der Herausgeber sein Vorwort, — seit Grassmann seine Ausdehnungs- lehre in die Welt schickte. Möge sie jetzt, wo sie zum dritten Male in neuem und schönerem Gewände erscheint, mehr Theil- nahme finden als damals und möge überhaupt die hiermit be- gonnene Ausgabe dazu wirken, dass die Leistungen Grassmann's endlich nach Verdienst gewürdigt werden." Diesen Wünschen schliessen wir uns voll und ganz an. Dr. A. G. Dr. H. Ganter, Professor an der Kantonschule in Aarau und Dr. H. Rudio, Professor am Polytechnikum zu Zürich: Die Elemente der analytischen Geometrie der Ebene. Zum Ge- brauch an höheren Leln'anstalten sowie zum Selbststudium dar- gestellt und mit zahlreichen Uebungsbeispielen versehen. Mit 54 Figuren im Text. Zweite verbesserte Auflage. Leipzig, Ver- lag von B. G. Teubner. 1894 — Preis -2,40 M. Die erste Auflage dieses Lehrbuches der analytischen Geo- metrie der Ebene ist ziemlich schnell vergriffen gewesen, womit der Güte des Werkes schon ein beredtes Zeugniss ausgestellt ist. In kurzer, aber klarer Form gehalten, giebt das Buch einen vor- züglichen Ueberblick über das Gebiet von den einfachsten Sätzen an. Was aber dies Lehrbuch ganz besonders werthvoU und brauchbar macht, sind die jedem Abschnitt beigefügten Uebungs- aufgaben, so dass man bei schrittweisem Fortgang des Studiums sich hinter jedem Paragraphen erst überzeugen kann, ob man die behandelten Gegenstände gründlich erfasst hat. Das erste Capitel: ,,Der Punkt" überschrieben, umfasst 15 Paragraphen mit 65 Aufgaben; das zweite, welches ,die gerade Linie" behandelt, enthält gleichfalls 15 Paragraphen mit 90 Auf- gaben; das dritte lehrt in 8 Paragraphen und 50 Aufgaben die Sätze vom „Kreis" : und in den drei letzten Capiteln werden Ellipse, Hyperbel und Parabel in 15 resp. 12 und 7 Paragraphen mit 80 resp. 80 und 40 Uebungsbeispielen behandelt, H. DIemoires de l'Academie imperiale des sciences de St. Peters- bourg, \ll. Serie. Tome XLIl, Nr. IJ. St.-Petersbourg bS^H. — Preis O.50 M. Das Heft bringt eine ausführliche, von 6 Tafeln begleitete Darstellung der schon früher iu der „Naturw. Wochenschr," refe- rirten Untersuchungen Sergius Nawaschin's über die Chala- zogamie der Birke; die Abhandlung betitelt sich: „Ueber die gemeine Birke (Betula alba L.) und die morphologische Deutung der Chalazomie". Sitzungsberichte der mathem. -physik. Classe der k. b. Akademie der 'Wissenschaften zu Wien. Bd. XXIV., .lahrgang 1894 i\lünchen 1895. — Die .Sitzungsberichte bringen die fol- genden Abhandlungen: H. Rüdin ger: Ueber die Gehirne ver- schiedener Hunderacen. — H. Seeliger: Maxwell's und Hirns Untersuchungen über die Constitution des Saturnringes. — L. Graetz und L. Fomm: Ueber normale und anormale Dis- persion elektrischer Wellen. — L. Boltzmann: a) Ueber den Beweis des Maxwell'schen Geschwindigkeitsvertheilungsgesetzcs unter Gasmolekülen; b) Zur Integration der Diffusionsgleichung bei variabeln Diffusionscoefficienten. — A. Wassmuth: Ueber die Anwendung des Princips des kleinsten Zwanges auf die Elektrodynamik. — F. v. Sandberger: Ueber die Erzlagerstätte von Goldkronack bei Berneck im Fichtelgebirge — F. Richarz: Ueber die elektrischen und magnetischen Kräfte der Atome. — K. Döhlemann: Ueber eine einfache, eindeutige Raumtrans- formation 3. Ordnung, — C, v. Kupffer: Ueber Monorhinie und Amphirhinie — B. W. Stanke w i tsch: Experimentelle Beiträge zur Kenntniss der dielektrischen Polaris:ition in Flüssigkeiten. — Hermann Brunn: Exacte Grundlagen für eine Theorie der Ovale. — H. Seeliger: Ueber den vierfachen Stern c Cancri. — Ign. Schütz: Ueber eine Verallgemeinerung der v. Helmholtz'schen Wirbel-Integrale, welcher die unendliche Mannigfaltigkeit von mechanischen Bildern der Maxwell'schen Elektrodynamik ent- spricht. — G. Bauer: Bemerkungen über zahlentheoretische Eigenschaften der Legendre'sehen Polynome. — • L. Maurer: Zur Thorie der continuirlichen, homogenen und linearen Gruppen. — K. Hartig: Ueber die Verschiedenheiten im Bau des Eichen- holzes. — M^ Plank: Ueber den Beweis des Maxwell'schen Ge- schwindigkeitsvertheilungsgesetzes unter Gasmolokülen. — H. See- liger: Ueber den Schafften eines Planeten. — F. Lindemann: Ueber die conforme Abbildung der Halbebeue auf ein einfach zusammenhängendes Flächeustück, das von einer algebraischen Curve begrenzt wird. Laue, Max, Christian Gottfried Ehrenberg. Berlin. — 5 M. Lie, Sophus, Untersuchungen über unendliche continuirliche Gruppen. Leipzig — 5 M. Parker, Prof. T. Jeflfery, Vorlesungen über elementare Biologie. Braunschweig. — 8 M. Koscoe-Schorlemmer's Lehrbuch der organischen Chemie. 1. Bd. 3. Aufl. 1. Abth. Braunschweig. — 15 M. Specialkarte, geologische, des Königreichs Sachsen. 72. Löbau- Herrenhut. Leipzig. — 3 M. Tubeuf, Priv.-Doc. Dr. Karl Frhr. v., Pflanzenkrankheiten durch krvptosame Parasiten verursacht. Berlin — 16 M., geb. 17,20 M. Tyndall, John, Das Licht. 2. Aufl. Brauuschweig. — 6 M- Weber, Prof. Heinr., Lehrbuch der Algebra. 1. Bd. Braun- schweig. — 16 M. Briefkasten. Herrn D. — Wir können Ihnen durchaus die Firma Max Steckelmann (Lager sämmtlicher Artikel für Photographie) empfehlen, die jetzt näher ins Centrum von Berlin (Leipzigerstr. 33) gerückt ist. 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Rudio, Die Elemente der analytischen Cieometrie der Ebene. — Sitzungsberichte der mathm. -physik. Classe der k. k. Akademie der Wissenschaften zu Wien. — Memoires de l'Academie imperiale des sciences de St. Petersbourg. — Liste. — Briefkasten. 152 Naturwissenschaftliche Wochcnsclirift. Nr. 12. für §au9- igrbfnud), uctftcHfiar Bont G. — 18. ScbenSjafir in clegantefter 31u'3iül)ning. 3terbc ctne^ jebcii ®alcm§. Mt l^ranliciitlialcr Siiiiilüniilifaürih ^. Jiiluiill) Ä ffirt., frnnliciitljnl, 3if)ciiipfal3. äleltcfte itnb gröfjte (Sabrit ©uropaS. fvabrifationall.Sl)|"tciiKlKiiiSd)uUiänfen WT ncuefle ßondrucHoncn "»S Siinigcräffjc, ©iienmöbel 2c. EatalogD grat. tt.franco. Siertretcr gcf. atent-technisches ^l Verwerthung-Bureau "^ ^ ISetclie. 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Maerz, Berlin NW., Louisenstr. 22. = Gegründet 1878. ^= Patent-, Marken- und Muster- schutz für alle Länder. ^I^^K::?7-^Z:'<:'-^^^ S&-;äE3^^| ]\ie künstlerische '■■ Herstellung * von Illustrationen und Zink- cliches .jetler Art und nach lM'lifl>iL;er Vorlage, für wissen- >elitittlielie und gewerbliche Z^vecko, wird in meinem Insti- tut seit .lahreu gepflegt. Bie Abbildungen in dieser Zeit- schrift gelten als Proben meines Verfahrens. Albert Frisch, Berlin W. 35, Lützowstr. 66. I ^sm^mmi^.mpm^i^s^m^^^^' l Herrn. Kläger] NaillorDieistcr Berlin SO., .\r Anatomie K oll mann in Basel zum correspondirenden Mitglied der Societa Ttaliana d'Antrop. Etnol. e Psicol.; M. Matherson in Marseille zum correspondirenden Mitglied der Section für Mineralogie in der Pai-iser Academie der Wissenschaften. Berufen wurden: Der Professorder Physik in Giessen Franz Hirns tedt nach Freiburg als Nachfolger des Professors War- bui-g; der Docent für Thierheilkumle in Jena Wilhelm Eber nach Berlin an die technische Hochschule; der Privatdocent der Mineralogie und Geologie Reinhard Brauns an der technischen Hochschule zu Karlsruhe als ordentl. Professor nach Giessen. Es habilitirten sich: Dr. An ding in München für Astro- nomie; Assistent Friedrich Förster an der technischen Hoch- schule zu Dresden für Chemie. Abgelehnt hat: Der Professor der Physik Roentgen in Würzburg den Ruf nach Freiburg als Nachfolger Professor War- burgs. In den Ruhestand tritt : Der Docent an der Berliner thier- ;u-ztlichen Hochschule Prof. Dr. Mueller. Es starben : Der Professor derLnndwirthschaftslehreB rüm m e r in Jena; der Augenarzt Geh. Sanitätsrath Dr. Adolf Waldau in Berlin; der Augenarzt Dr. Max Landesberg in Florenz; der Ethnologe M. J. Ö. Dorscy in Washington; der frühere Professor der Mathematik in Bern Ludwig Schläfli. Die Societa. Botanica Italiana hält ihre Generalversammlung zur Feier des lOOjährigeu Bestehens des dortigen Botanischen Gartens in Palermo vom 15. bis 23 April ab. - Näheres beim Diroctor des Gartens Prof. A. Borzi. Programm für den in der Zelt vom 17. bis 27. April 1895 in Berlin abzuhaltenden naturwissenschaftlichen Ferienkursus für Lehrer an höheren Schulen. — Eröffnung des Kursus in der Aula des IJorotheenstädtischeu Real-Gymnasiums durch Director Dr. Vogel. Vortrag desselben über die Beschaffung des bota- nischen und zoologischen Anschauungsmaterials. Im AnschlusS daran Besichtigung der ausgestellten Lehrmittel. Die weiteren Vorlesungen sind : Prof. Dr. Magnus (in der Universität, Auditorium 51), Die wichtigsten Erkrankungen der Kulturpflanzen, welche durch para- sitische Pilze hervorgerufen werden. Stabsarzt Dr. Wernicke (im hygienischen Institut), Ueber die Verbreitung von Krankheiten durch die Schule. Im Anschluss daran Besichtigung der hygienischen Institute. Prof. Dr. Looser aus Essen (Dorotheenstädtisches Realgym- nasium), Schul versuche über die Verwendung des Thermoskops. Prof. Dr. Fischer (im chemischen Auditorium der Univer- sität), Ueber Theorie und praktische Anwendung der Kohle- hydrate. Director Prof. Dr. Schwalbe (im Dorotheenstädtischen Realgymnasium), Anwendung der komprimierten Gase beim Unterricht. Oberlehrer Dr. Schmidt (im Dorotheenstädtischen Realgym:-, nasium), Ueber geographisches Zeichnen. ' ' 162 Naturwissenschaftliclic Wochenschrift. Nr. J3. Prüf. Dr. von Schiiwen aus Breslau (im Dorothoenstädtischen Realgymnasium), Neue Nebenapparate zur Beibungpmascliine und Herstellung derselben. Dr. W. Wolff (im Dorotheenstädtischen Realgymnasium, chemisches Laboratorium), Ueber Nitrocellulose. Prof. Dr. Gabriel (chemisclics Auditorium der Universität). Neue Methoden der Gasanalyse und Zusammensetzung der Atmo- sphäre. Prof. Dr. Jahn (chemisches Auditorium der Universität), Theorie und neuere Anwendungen der Elektrochemie. Geh. Regierungs-Rath Prof. Dr. Möbius (Museum für Natur- kunde), Thierleben der deutschen Meere. Im Anschluss daran: Besichtigung des Museums für Naturkunde unter Führung des Genannten. Prof. Dr. Wahnschaffe (in der Geologischen Laudesanstalt, Auditorium 4), Ueber heisse Quellen und Geysir. Im Anschluss daran: Besichtigung der geologischen Landesanstalt unter Führung des Herrn Gclieimen Ober-Bergrathes Dr. Hauchecorne. Prof. Dr. Rubner (im hygienischen Institut). Ueber Gesund- heit und Krankheit, geistige und körperliche Arbeit. Geheimer Regierungs-Rath Prof. Dr. Engler (im botanischen Museum), Vortrag und Demonstrationen. Besichtigung des botani- schen Museums und dos botanischen Gartens unter Führung des Genannten. Geologische Exkursion nach Rüdersdorf unter Leitung des Herrn Prof. Dr. Wahuschaff e. Schluss des Kursu.s in Rüders- dorf durch Herrn Direktor Prof. Dr. Schwalbe. In Aussicht genommen sind ferner die Besichtigungen des zoologischen Gartens, der städtischen Elektrizitätswerke, der Siemens'schen Werke in Charlottenburg, der Pictet'schen Fabrik (Gesellschaft für flüssige Gase, Raoul Pictet & Co.). Besich- tigung der Urania; Besuch des Vortrages über das Tesla-Licht. Nähere Mittheilungeu während der Kurse. L i 1 1 e r a t u r. Karl von den Steinen, Unter den Natxirvölkern Central- Brasiliens. Reiseschilderung und Ergebnisse der zweiten Schiugü-Expedition 1887—1888. Mit 30 Tafeln, sowie lUO Text- abbildungen nebst einer Karte. Berlin, Dietrich Reimer (Hoefer und Vohsen), 1894. — Preis 12 Mk. Bedeutende Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der mensch- lichen Kultur liefert der Verfasser in seinen beiden Werken, welche die Berichte über die beiden von ihm iin Auftrage der Berliner „Gesellschaft für Erdkunde" zur Erforschung des oberen Xingü-Gebietes unternommenen Expeditionen enthalten*). Da durch das zweite Werk im Wesentlichen die Ergebnisse des ersten bestätigt werden, so können wir uns auf dasselbe beschränken und wollen nur die Verschiedenheiten beider gesondert hervor- heben. Bei beiden Reisen nach dem in geheimnissvolles Dunkel gehüllten Quellgebiete des Xingu führte der Weg zuerst durch schon bekannte Gebiete vom La Plata am Paraguay aufwärts nach Cuyaba. Aber während dieser Teil der Expedition das erste Mal nur geringe Schwierigkeiten bereitete, stellten sich bei der zweiten Reise ungeahnte Hindernisse in den Weg. Zunächst wüthete in der Provinz Matte Grosso, die, wie v. d. Steinen in seinem ersten Reisewerke auseinandersetzt, wegen des Mangels an Arbeitskräften und Verkehrsmitteln für Handel und Verkehr nur eine geringe Bedeutung besitzt, die Cholera, und als diese gewichen war, geriethen die Reisenden in Conflikt mit den in uyabä zur Regierung gelangten Liberalen, die sie für aben- teuernde, auf der Suche nach den verschollenen Goldgruben, Mar-Ayrios, befindliche Goldsucher hielten und deshalb nicht unterstützen wollten. Nacli langwierigen Verhandlungen konnte der Zug am 28. .Juli nach dem Indianergebiete aufbrechen. Aber während die erste Reise zum Batovy geführt hatte, galt die zweite Expedition dem anderen QuellfJusse des Xingü, dem Kulisehu. Die Reise wurde nun auf einem Boote fortgesetzt und führte durch die Gebiete der Baka'iri, Nahuquaa, Minakü, Aniti, Yaula- pihü und Trumai. Prof. Dr. Peter Vogel, einer der Reisenden, drang allein bis zum ZusammenHuss der vereinigten Kuluene und Kulisehu mit dem Batovy, bis Schingü-Coblenz vor. Dann wurde der Rückweg den Fluss aufwärts und über den Sertao nach Cuyaba angetreten, wo die Expedition am 24. April wieder ein- traf. Dr. Ehrenreich zog dann noch auf ein Fest über Land nach Goyaz und an den Aragnoy, Professor Dr. Vogel unternahm einen geographischen Aufklärungsritt nach St. Anna de Paranahyba, während Dr. v. d. Steinen selbst über Rio Grande do Sul nach Rio de Janeiro zurückkehrte. Mehrere Tage war es dem Leiter der Expedition, der seinen *) Das erste Werk betitelt sich „Durch Centralbrasilien. Ex- pedition zur Erforschung des Schingü im Jahre 1884." Leipzig. F. A. Brockhaus, 188G. Gefährten in Begleitung eines eingeborenen Bakairi vorausgeeilt war, vergönnt, allein in einem Bakairi-Dorfe zuzubringen, um so in aller Ruhe die Lebensgewohnheiten dieses eigenartigen Völk- chens zu Studiren. In höchst anziehender Weise werden die hier gesammelten Erfahrungen geschildert und dabei überall der Ver- such gemacht, die Beobachtungen in Schlüsse über die Urzustände der menschlichen Kultur überhaupt zusammenzufassen, und es ist deshalb interessant, auf einige dieser Ausführungen genauer einzugehen. In den Stämmen am oberen Xingu glaubt v. d. Steinen drei der Hauptstämme der heutigen Indianer Südamerikas vor sieli zu haben, die sich hier rein und auf ihrer ursprünglichen Kultur- stufe erhalten haben, dass man hier also die LTrheimath jener Völker zu suchen hat. Die Höhe der Kultur entspricht fast vidl- kommen der der Steinzeit; weder Hausthiere noch der Gebrauch von Metallen ist bekannt; Hund und Banane fehlen in diesem Gebiete vollkommen. Die Bakairi, wohl das interessanteste VOlklein jenes Landes, schildert der Verfasser als zwar kleine, aber meist schöne, kräftige Gestalten und von der Tochter des Häuptlings, in dessen Dorf er sich besonders aufhielt, und die er „Eva" nannte, ent- wirft er folgendes Bild: „Eva hatte ein feingeschnittenes, euro- päisches Gesicht mit vollen Lippen, leicht erröthenden Wangen, die dicht von wolligem Haar umrahmt waren, und den schönsten Augen, die ich in Brasilien — und das will nicht wenig bedeuten — gesehen habe; grossen Augen, deren lieblicher Blick gar nichts von Koketterie enthielt, in deren strahlendem Feuer aber doch bei einem vollen, naiv zärtlichen Aufschlag jener Funke schuld- loser Lüsternheit aufleuchtete, der einst den ewigen Weltbrand entzündet haben muss. So sah sie bei einem von keiner Ein- schnürung jemals misshandelten Körper wirklich wie eine junge Mutter Eva aus." Von Sitten und Gebräuchen dieses urwüchsigen Völkleins seien folgende Eigenarten angeführt. Wie von allen echten Naturmenschen, so gilt auch von den Bakairi das Bibelwort: „Sie gingen beide nackt und schämten sich nicht." Dagegen scheinen sie sich beim Essen vor einander zu schämen; denn sie kehren sich bei dieser Thätigkeit den Rücken zu und verzehren ihr Mahl jeder für sich. Recht patriarchalisch betrachtet sich jedes Dorf als eine einzige grosse Familie, in der alle Erträge der .lagd und des Fischfanges vertheilt werden. Feuer wird erzeugt mit Hilfe des Feuerbohrers, und sehr interessant ist die Ansicht, die V. d. Steinen über den Ursprung dieser Kunst überhaupt ent- wickelt. Zuerst soll nämlich der Naturmensch durch Benutzung eines Bohrers aus Zahn-, Muschel- oder Steinstücken sich trockenes Holzmehl verschafft haben, um das zufällig von der Natur erhaltene Feuer in der Zunderbüchse aufzubewahren. Dann mag er einmal, als ihm der Zunder auszugehen drohte und der gebräuchlicheBohrer gerade nicht zur Hand war, versucht liabcn, dieses wichtige Instrument durch einen anderen Gegenstand, einen aufgelesenen harten Holzstab zu ersetzen, und dabei entstand unbeabsichtigt Feuer. Der erste Erfolg regte zur Wiederholung des Versuches an, und so entstand aus dem Versuche, sich das zur Unterhaltung des Feuers in der Zunderbüchse nöthige Holzmehl zu verschaffen, die Kunst des Feuerbohrens*). Wenn man die Kidtiirstufe eines Naturvolkes nach seinem Zahlcnverständniss bcurtheileu will, so stehen die Bakairi ebenfalls sehr niedrig, da sie alle höheren Zahlenbegriffe lediglich aus Gruppen von tokäle (eins) und aliage (zwei) aufbauen, also nur bis zwei zählen können. Der Begriff „zwei" soll, wie v. d. Steinen glaubt, von der Beobachtung ab- geleitet sein, dass beim Zerbrechen eines Stückes meist zunächst zwei Theile entstehen. Die Sprache der Bakairi enthält Aus- drücke für alle Dinge, die in ihrem Gesichtskreis liegen; doch wissen sie ihnen neue Gegenstände sehr schnell mit den ihnen bekannten zu vereinigen So bezeichnen sie die Scheere als „Piranyazahn", weil sie gewöhnt sind, mit scharfen Muscheln oder den Zähnen des Piranyafisches zu schneiden. Nur für gewisse Farben giebt es bestimmte Ausdrücke. Schwarz wird stets mit dunkelblau, nie mit dunkelgrün verwechselt, weil die im Gebiete des oberen Xingi'i vorkommenden Papageien in ihrem Gefieder wohl dunkelblaue aber keine dunkelgrünen Farben besitzen. Im Wasser kann man sein Bild sehen; daher heisst der Spiegel, der die gleiche Eigenschaft besitzt, Wasser. Sehr eigenthümlich sind die astronomischen Ansehanungen der Bakairi. Die Sonne ist ein aus den rothen Federn des Arara und Tukan gefertigter Ball, der des Nachts von einein grossen Topf bedeckt wird. In der Regenzeit wird die Sonne am Tage von einer Schnecke, in der Nacht von einem Kolibri getragen; daher sind die Tage lang und die Nächte kurz. In der Trocken- zeit vertauschen die Tliiere ihre Rolle, und damit ändert sich die Länge der Tage. Der Mond soll ein Ball aus den gelben Schwanz- federn des Webervogels sein, und die Phasen werden in der Weise erklärt, dass zuerst eine Eidechse über den Rand des Vollmondes *) Es sei hier auch darauf hingewiesen, dass bei einigen malayischen Stämmen Indonesiens der Feuerbohrer geradezu in Sagen die Rolle eines lebenden Wesens spielt. Nr. 13. NaUii\vis8cn.scli:il'tli(_-lic Woclieiisolinlt. IC)." kriecht, dann (.'in 'l'atii. ein gewölinlifhi'S Gürtcltliiin-, und si'liliess- lich ein Ricsenjjürtelthior, wek'hes den ganzen Mond verdeckt. Soviel über das eigenartige Völklein der Bakairi, das gegen- wärtig nur nocli etwa '.^500 Köpfe ziililt und in wenigen Genera- tionen wohl ganz verschwunden sein wird und mit ihm ein grosses Stück menschlicher Urkultur. Um nun noch ein Wort von dem Gesauniitinhalt des präch- tigen Werkes zu sagen, so giebt der Verfasser nach dem Rciso- })ericht eine l'ebersicht über die geographische und ethnographische Vertlieilung der kleinen Volksstiimnic im oberen Xingü-Gobiet. Darauf folgt die überaus anziehende Schihlcrnng r(len, dass der gosammten Darstellung dii' Idee von der Gleichartigkeit der bisher leider getrennt betrachteten physi- kalischen und chemischen Erscheinungen zn Grunde gelegt wurde. Auch für den Fachmann dürfte diese kleine Studio dadurch von Interesse sein, dass darin stets die Originalquellon angeführt sind und somit ein Ueberblick über die Arbeiten auf diesem Gebioto in den letzten Jahrzehnton geliefert wird. Mowes. Dr. Hermann Scheflfler, Die Aequivalenz der Naturkräfte und das Energiegesetz als Weltgesetz. Leipzig, \erlag von Friedrich F.ustcr. 189;. ^ Preis '.• M. Ein merkwürdiges Buch! Auf den ersten Blick scheint es eine grundgelehrte theoretische Behandlung liau])tsächlich physi- kalischer und chemischer Probleme zu enthalten. Bei genauerer Betrachtung sieht man bald, dass man es mit phantastischen Hypothesen, mit metaphysischen, ja selbst mystischen Anschau- ungen zu thun hat. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Verfasser ein äusserst gelehrter, in vielen Gebieten vorzüg- lich bewanderter Mann ist, der viel Tüchtiges leisten könnte, aber stets geht die Phantasie mit ihm durch, auf gewisse Voraus- setzungen baut er eine Hypotliese über die andere auf und glaubt dann seine Resultate mit apodiktiselier Gewissheit vor- tragen zu können. Er construirt sich ein Weltsystem und eine Weltanschauung und verwirft einige grundlegende Theorien der heutigen Naturwissenschaft, da sie mit seiner Phantasiewelt nicht übereinstimmen, als „Aberglauben'', so den Darwinismus und das Gesetz von der Erhaltung der Kraft. Sein „Vorsuch mit geistigem Vermögen in übergeistige Sphären einzudringen" versteigt sich schliesslich in den letzten acht Capiteln (das Buch umfasst .585 Seiten und 10 I Capitel) so weit, dass seine hier entwickelten Anschauungen sich eng mit den theosophischen Lehren berühren, nur dass er auch an diese Gebilde noch den Maassstab der Mathematik zu legen sucht, wo- bei er zu fast komisch wirkenden Berechnungen, z. B. über die Feinheit des Weltäthers im Gottesreich, die Masse dieses Reiches und den „Grad" der dasselbe bevölkernden Wiesen geführt wird (!). Das ganze Werk scheint aus dem Streben eines phantasie- reichon Gelehrten hervorgegangen zu sein, die Unsterblichkeit der menschlichen Seele zu beweisen, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass der Verfasser, von der Richtigkeit der Unsterblichkeitslehre ausgehend, sich sein ganzes System zurechtphilosophirte einzig und allein, um den Satz, den er insgeheim schon voraussetzte, zu beweisen. H. Aeppli, Dr. Aug., Erosionsterrassen und Glazialschotter in ihrer Beziehung zur Entstehung des Zürichsecs. Bern. — 8 M. Carte geologii|ue internationale de l'Europe. 1. Lfg. (6 Bl.) Berlin. — 10 M. Fraas, Dr. Ose, Geognostisclie Wandkarte von Württemberg, Baden und Hoheuzollern. 3. Aufl. Stuitgart — In Mappe 12 M., auf Leinw. in Mappe 14 M. und lakirt mit Stäben 15 M. Graetz, Prof. Dr. L., Compendium der Phvsik. 2. Aufl. Wien. — 7 M. Lombroso, Cesare, Die Anarchisten. Hamburg. — 7 M. Looss, Prir.-Doc. Dr. A., Ueber den Bau von Distomum hetero- phyes v. .Sieb, and Distomum fraternum n. sp. Kassel. — 12 M. Peters, Dr. Karl, Das deutsch-ostafrikauisehe Schutzgebiet. München. 18,50 M. Saccardo, P. A., chromotaxia seu nomenclator colorator polyglottus additis sijecimiuibus coloratis ad usuui botanicorum et zoolo- gorum. Kd. II. Berlin. — 2 M. Schollmeyer, Gust., Die Wunder des Lichtes. Neuwied. — 1,.50 M. Schrön, Dir. Prof Dr. Ludw., Logarithmen, Taf. III. 22. Aufl. Braunschweig. — 1.80 M. Tyndall, John, Fragjuente. Neue Folge. Braunschweig. — 8 M. Volkmann Ritter von Volkmar, weil. Prof. Dr. Wilh., Lehr- buch der Psychologie vom Standpunkte des Realismus und nach genetischer 'Methode. Des Grundrisses der Psychologie 4. Aufl. 2 (Schluss-)Bd. Cöthen. — 10 M., in 4 Lfgn. ä 2,.50\M. Zur Nachricht. Ich erinnere noehnials dar:iii, dass meine Adresse jetzt ist: Gr. LichterJelde (P. B.) bei Berlin, Potsdamer-Strasse 35. H. Potonie. Inhalt: Prof. Dr_ Fr. Regel: Der sechste Internationale Geologencongress in Zürich (■I\). August bis 2. September) und die Excur- sionen durch die Centralalpen von Zürich nach Lugano (vom 3. bis 15. September). — Sind die Extremitäten der Frösche regenerationsfähig? — Die geographische Verbreitung des Wurmes Planaria alpina. — Ueber die goldführenden Quarzcon- glomerat(! vom Witwatersrand in Südafrika. — Interessante Lagerungserscheinungen im Diluvium der Umgegend von Halle. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Karl von den Steinen: Unter den Naturvölkern Central-Brasiliens. — N. 0. Sokolow: Die Dünen. — Dr. Ed. Seelig: M..lelr. Th. Ciienther. % ^Berlin N., Friedrichstrasse 131 d. J ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Erfindungen, Neuheiten, Modelle jeder Art werden zu- verläs.sig, billig, discret in meiner Spe- cialwerkstatt ausgearbeitet und angeter- tigt, auch brieHicli. W. Maaske, Mechan., Berlin N., Schwedterstr. 31. Alloin-Vertrieb der „Weslendorp & Wehner"- Platten. Kiederla^e Goerz'scher Objective (Doiijiel-Anastigniate etc.). Max Stecketmann, Berlin W. 8, Leipzigerstr. 33. (Siaie e sisieisKsieieieieieieie eietea Die Illustration wissenschaftlicher Werke erfolgt am besten und billigsten durch die modernen, auf Photo- graphie beruhenden Reproduc- tionsarten. Die Zinkätzungen dieser Zeitschrift gelten als Proben dieses Verfahrens und sind hergestellt in der graphi- schen Kunstanstalt Meisenbach, Riffarth & Co. in Berlin-Schöneberg, weh'he l>oreitwilligst jede Aus- kunlt frtlii-ilt. eieieieieieiataie e 9 @i0ieisisisieiei9 Carl Bamberg. x^, Werkstätten für Präcisions- Mechanik und Optik zn Friedenau bei Berlin. ^^ Instrumente ^^ ^ für Optik, Astronomie, höhere und niedere Geodäsie, ^ Nautik und Erdmagnetismus. ^ lllusirirte Preisverzeichnisse gratis und franco. K FRITZ SCHMIDT&C2 / Patent-Bureau u. Chem. Lab. BerliaN.Chausseestr. 2 b tcsor^cn nndverwcrtlieu '■ 3V~ Schmücke ■ dein Heim mit Fi g u re n antike u.mod.BUsten ausEU'enheinmasse. iiilasliilder. Vasen, Wandteller. 1'reiskiiranl zur .Insicli!. 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A bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nar mit vollständiger ({aeilenangabe gestattet. Lieber neue Funde von Klinge bei Cottbus. Von Prof. Dr. A. Nehring-Berlin. Obgleich ich von Zeit zu Zeit manche neue Fund- objecte aus der Schmidt'schen (ehemals Scliulz'schen) Thongrube bei Klinge erhalten habe, so hielt ich es doch nicht für zweckmässig, über jeden einzelnen Fund hier zu berichten. Jetzt, nachdem durch den Eintritt des Winters ein vorläufiger Abschluss der betr. Arbeiten in jener Grube stattgefunden hat, möge es mir gestattet sein, meine früheren Mittheilungen über Klinge*) durch einen zusammenfassenden Bericht über die neuereu Funde zu ergänzen. Was zunächst die pflanzlichen Reste anbetrifft, so hat meine Untersuchung der neuerdings (December 1894) von Herrn 0. Schmidt eingesandten Proben, welche dem unteren Torflager excl. des „Lebertorfs" entstammen, durchweg dieselben Species und dieselbe verticale Ver- theiluug derselben ergeben, wie die früheren Untersuchungen. Insbesondere fand ich die Brasenia- (Cratopleura-) Samen innerhalb der vorliegenden Proben auf ein Stück des charakteristischen, grünlichen, weichen, im halbtrockenen Zustande leicht zu zerkrümelnden „Cratopleura-Torfes" be- .schränkt*j, in diesem aber sehr zahlreich vertreten. Ich gewann aus dem relativ kleinen Torfstücke ca. 200 Crato- pleura-Samen. Dagegen kamen die Früchte von Folli- culites carinatus ausschliesshch in denjenigen Proben vor, welche den untersten Schichten des genannten Tortlagers entstammen. Bemerkensvverth erscheint es, dass dieselben in den vorliegenden Proben (ca. 30 Kilo- gramm) verhältnissmässig selten waren; ich fand in den- selben nur ca. 20 Exemplare, während ich früher zuweilen in einem einzigen Torfstück von ca. 20 cm Lauge, ca. 15 cm Breite und 5 — 10 cm Dicke eine gleiche Anzahl jener merkwürdigen Früchte gefunden habe. *) Sielie „Xatiirw. Wochenschr." 1892, Nr. 4, 24 u. 25, und nanientlicli Nr. 45. **) Der „ Cratopleura-Torf " bildet eine besondere Schicht, welche ungefähr 20—30 cm unter der oberen Grenze des unteren Torfliigera liegt. Auffallend zahlreich waren in den diesmaligen Torf- probeu wohlerhaltcue Tilia-Früchte; auch Ahorn- Früchte fand ich neben ihnen in ansehnlicher Menge. Ferner kamen 3 u*ve4"sehrte Steinfrüchte von Hex aquifolium zum Vorschein. Daneben fanden sich mehrere Haselnüsse. Ausserdem hatten die Arbeiter der Schmidt'schen Thon- grube bereits aus dem gleichen Niveau des unteren Torf- lagers 8 andere wohlerhaltene Haselnüsse, sowie zwei Pinus-Zapfen gesammelt und der Sendung an mich bei- gelegt. Neben den oben angeführten Objecten fand ich sehr zahlreiche Samen von Nuphar luteum, ferner zahlreiche Früchte von Najas marina, Ceratophyllum demersum und submersum, viele Nüsschen von Potamogeton natans, so- wie natürlich viele Hunderte von Carpinus - Früchten. Letztere bilden ja bekanntlich die allerhäufigsten Fund- objecte des Diluvialtorfs von Klinge. Ausserdem konnte ich eine Anzahl von Pinus- und Picea-Samen feststellen. Endlich fand ich drei eigenthümliche Samen, welche bis- her noch nicht bestimmt werden konnten, sowie eine An- zahl wohlerhaltener Bauniknospen und Baumblätter, die ebenfalls noch der Bestimmung harren. An Käferresten kamen wieder zahlreiche Flügel- decken von einer oder zwei Donacia-Arten, ferner mehrere Flügeldecken von Hydrophilus piceus und zwei neben- einander liegende, zusammengehörige Flügeldecken von Geotrupes vernalis zum Vorschein. Die Bestimmung der letzteren Art verdanke ich meinem Assistenten, Herrn Dr. G. Rörig.*) Besonders wichtig erscheinen die Wirbelthier- Reste, welche seit meinem letzten Berichte in der Schmidt'schen Gruben gefunden sind. Schon am Schlüsse meines Aufsatzes über „die Flora des diluvialen Torf- lagers von Klinge bei Cottbus", welcher in Nr. 45 des *) Ueber die früher von mir gesammelten Käferreste von Klinge siehe E. Scliiiff in d. Sitzungsber. Berl. Gesullseh. nat. Fr., 1892, S. 8-11. 16(3 N.'itiirwissciiscliartlic'lio Woclicu.sclirirt. Nr. 14. VII. Kandes der „Naturw. Wochenschr.", am 6. November 1892 erschienen ist, habe ich einen Rhinoceros-Hume- rus erwälint, der in der oberen Partie des unteren Torf- lagers, Herbst 1892, ausgegraben und mir iin frischen, noch feuchten Zustande übersandt wurde. Dieser Knochen ist im Uebrigen sehr wohleriialtcu, so dass von Ver- scliwemmung und etwaiger Ablagerung auf secundärer Lagerstätte keine Rede sein kann; er zeigt aber an seinen Gelenkenden sehr deutiicli die Spuren der Zähne eines grösseren Raubtliieres, und zwar ganz genau in derselben Weise, in welcher heutzutage die Gelenktheiie der Knochen gi-osser Pflanzenfresser von Wölfen, Hyänen und äimliclien Raubtliieren „angeknabbert" werden. Dieser Knochen ist nach meiner Ueberzeugung im frischen Zu- stande, als er nocli reichlich organische Substanz besass, von einem Raubthiere am Ufer desjenigen Gewässers (Teiches, Sumpfes, Ausljuehtung eines Fhisses), in welchem das untere Torflager der Schinidt'schen Grube sicii bil- dete, angefressen worden ■•') und demnächst auf den Grund des benachbarten Wassers gerathen. Eben dasselbe muss ich von drei Elephas-Kuochcn annehmen, welche 1894 in gleichem Niveau, wie jener Rhinoceros-Humcrus, nämlich in der oberen Partie des unteren Torflagers, gefunden sind. Es sind zwei Femora (Oberschenkel) und ein Humerus (Oberarm) von einem Elephanten-Kalbc, welche neben einigen sogleich zu er- wähnenden Renthier - Resten ausgegraben wurden und sofort in meine Hände gelangten. Auch diese Knochen sind an den Gelenktheilen durch Raubthiere stark ange- fressen worden, wie man aufs deutlichste erkennen kann; sie müssen im frischen Zustande, als sie den Raubtliieren noch schmackhaft erschienen, in das torfbildende Ge- wässer gerathen sein. Von einem längeren Transport durch fliessendes Wasser tragen sie nicht die geringste Spur an sich; dagegen mag die spülende Kraft eines starken Regengusses sie vom Ufer in das wenige Schritte entfernte, torfbildende Wasserbecken transportirt haben. Besonders bemerkenswerth erscheint noch der Umstand, dass das eine Femur deutliche, querlaufende Ein- schnitte erkennen lässt; dieselben machen den Eindruck, als ob sie von Menschenhand mit einem messerähnlichen Instrument hervorgebracht seien. Da ich selbst den betr. Knochen von dem anhaftenden Torfe in vorsiclitiger Weise gereinigt habe, so ist eine nachträgliche Entstehung jener Einschnitte hier in Berlin ausgeschlossen; es würde sich nur um die Frage handeln können, ob etwa die Ar- beiter der Sehmidt'schen Thongrube beim Biossiegen des Knochens im Torfe jene Einschnitte erzeugt haben. Diese Frage muss noch näher verfolgt werden; wären die betr. Einschnitte unzweifelhaft gleichalterig mit der Ablagerung des Knochens in dem Torfe, so würden dieselben ein grosses wissenschaftliches Interesse verdienen, da sie dann wohl die ältesten Spuren menschlicher Thätigkeit aus der Provinz Brandenburg darstellen würden. Nahe bei jenen Knochen eines Elephanten Kalbes, genau in dem gleichen Niveau, fand mau drei Geweih- stangen vom Renthier, und zwar eine abgeworfene Stange und zwei zusammengehörige Stangen mit ihren Rosenstöcken und angrenzenden Theilen der Stirnbeine. Letztere beiden Geweihstangen müssen also von einem Exemplar herrühren, dessen Schädel zertrümmert wurde, ehe jene Geweihstangen in dem Torf zur Einbettung gelangten. Auch sind die äussersten Spitzen der Augen- •) Es ist sein- walu'.selii'inlicli, dass das torfbildende Gewässer vou Klinge während der betr. Epoche der Pleistocän-Periode eine sogenannte Tränke der grossen Ptlanzenf'resser bildete, und dass letztere beim Trinken nicht selten von Raubthieren überfallen wurden, wie es heutzutage noch oft genug in den unkultivirten Ländern geschieht und von den Reisenden oft geschildert ist. und Eis- Sprossen, sowie auch der oberste Theil der Stangen abgebrochen; aber im Uebrigen sind die Ge- weihe gut erhalten, und ihre Zugehörigkeit zum Renthier (Cervus tarandus) unzweifelhaft. Auch diese Reste ver- dienen vielleicht ein vorgeschichtliches Interesse; in geo- logischer Beziehung sind sie ohne Zvicifel sehr wichtig. Ferner fand man in der oberen Partie des unteren Torflagers drei zusammengehörige Knochen (Astragalus, Calcaneus, Metatarsus) eines jungen Pferdes, sowie auch eine Rhinoceros-Rippe. Im Lebertorf, welcher die Basis des unteren Torf- lagers bildet, kamen mehrere Knochen eines aus- gewachsenen nebst denen eines jungen Pferdes, sowie die Ueberreste mehrerer S u m ]) f - S c h i 1 d k r ö t e n (Gattung Emys), einiger Schleihen (Tinea) und eines Hechtes vor. Die Knochen des betreffenden jungen Pferdes zeigen an ihren Gelenktheilen wieder die deutliche Einwirkung von Raubthierzähnen. — Besonders wichtig erscheint mir der Fund sämmtlicher Knochen der Vorder-Ex- tremität eines jungen Cerviden, welche 1894 im unteren Theile des „Lebertorfs", nahe über dem unteren Thone, ausgegraben wurden. Wahrscheinlich rühren die- selben von einem sehr jungen Riesenhirsch her; doch konnte ich dieses aus Mangel an Vergleichs-Material noch nicht mit voller Sicherheit feststellen. Der Hauptwerth dieses Fundes liegt vorläufig darin, dass alle Knochen jener Vorder-Extremität, vom Schulterblatt hinab bis zu den Hufkuochen, sammt den zugehörigen, noch völlig un- verwachsenen Epiphysen (Gelenktheilen) in natürlicher Lage bei einander gefunden sind. Von einem Ver- schwemmeu aus weiter Entfernung oder gar von einer Ablagerung auf secundärer Lagerstätte kann hier gar keine Rede sein! Aus dem unteren Thone kamen im Laufe des letzten Jahres einerseits Reste einer Equus-Art, andrerseits der Unterkiefer eines Bibers zum Vorschein. Die Equus- Rcste bestehen hauptsächlich in zwei zusammengehörigen Beckenhälften, welche Herr Sanitätsratli Dr. Behla (Luckau) am Fundorte von den Arbeitern erwarb und kürzlieh der mir unterstellten Sammlung überliess. Sie rühren von einem erwachsenen Pferde mittlerer Grösse her; die Species lässt sich nicht näher bestimmen. Sehr intei'cssant erscheint der bereits erwähnte Biberkiefer, welcher mir durch Herrn Ziegeleibesitzer 0. Schmidt zuging; seine ausserordentlich wohlerhaltenen Backenzähne weichen in mancher Hinsicht von denen des heutigen Bibers ab und ähneln denjenigen von jüngeren Exemphiren des Progon- therium Cuvieri aus dem englischen Forest-Bed. Die ehemalige Anwesenheit von Bibern war von mir für unscrn Fundort und zwar für das untere Torflager bereits durch zahlreiche „Biberstöcke" (d. h. von Bibern benagte Baumzweige und Stämmeheu), sowie auch durch einige lädirte Biberzähne nachgewiesen; jetzt liegt nun ausserdem ein sehr schönes Beweisstück in jenem Unter- kiefer aus dem unteren Thone vor. Ich will daran er- innern, dass dieser untere Thon auch das von mir früher beschriebene und abgebildete Geweih*) des Ruff- schen Riesenhirsches (Megaceros Ruffii Nhrg.), sowie auc-h einige Rhinoceros-Knochen geliefert hat. Ferner kamen aus demselben vor einigen Jahren zahlreiche, zu- sammengehörige Skelettheile einer Elch-Art, Reste einer Edelhirsch-ähnlichen Cervus-Species und zwei Unterkiefer einer zierlichen Fuchs-Art zum Vorschein. Was die über dem unteren Torflager liegenden Schichten anbetrifft, so haben dieselben bisher nur ver- einzelte Wirbelthicr Reste geliefert. Im unteren Theile des oberen Thons, also nahe über dem unteren Torflager, Siehe diese Wochenschrift, 1892, No. 4. Nr. 14. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 1G7 t'aiul 111:111 i'iuen Halswirbel von Bison priscus und eine läilirte la'ckcnhälfte von Eqiuis. Das olicre Torflager lieferte mir oiucii Kadius \on Rliinoeeros und einen liieseiiiiirsch-Metatansus. (»b letzterer von Megaceros lii- Ijeriiieus Owen, oder von Megac. Kurtü Nlirg. herrührt, Hess sieh bisher nicht bestimmen. Auch über die Spccies von Kliiiioceros und Elcphas, welchen die aus dem unteren Torflager vor- liegenden Reste angehören, kann man vorläufig nichts Hestimmtcs sagen, da die oben aufgezählten Extreiiiitäteii- Knoclien hierzu nicht genügen. Ininierhin ist es aber schon ein wichtiges Resultat, dass die Gattungen Rhi- noceros und Elephas neben Renthicr-Rcsten für die obere Partie des unteren Torflagers der Schmidt'schen Grube mit voller Sicherheit nachgewiesen sind. Ob die Elch-Reste aus dem unteren Tlione dem heutigen Alcos palmatus oder dem fossilen Alces latifrons zuzurechnen sind, lässt sich nach den vorliegenden Resten vorläufig nicht entscheiden; doch will ich nicht ver- schweigen, dass gegenüber dem heutigen Elch, von dem mir ein reiches Material vorliegt, manche deutliche, wenn auch feine Abweichungen erkennbar sind. Wenn man die gesammten Thier- und Pflanzenreste ins Auge fasst, welche die Schulz-Schmidt'sche Thongrube nebst der unmittelbar benachbarten, geologisch mit ihr ein Ganzes bildenden alten Dominialgrube mir seit Herbst 1891 geliefert haben, so wird man zugeben müssen, dass in Deutschland nur wenige Fundorte innerhalb der pleistocänen Al)lagerungen existiren, die ein solches Ensemble von interessanten und wohl- erhaltenen Objeeten geliefert haben. Nament- lich die Pflanzenreste aus dem unteren Torflager, welche ich zu Tausenden gesammelt habe, stehen wohl vor- läufig unter den pleistocänen Pflanzenresten Deutschlands in mancher Hinsicht einzig da; ich erwähne z. B., dass ich von den merkwürdigen Früchten, die ich 1891 bei Klinge entdeckt und 1892 als Paradoxocarpus carinatus beschrieben habe*), während H. Potonie sie bald nachher *) Siehe diese Wochenschrift, 1892, Nr. 45. dem Genus FoUiculites zuwies,*) inzwischen mehr als 3000 wohlcrhalteiie Exemplare eigenhändig gesammelt habe, eine Zahl, die ich leicht noch hätte vergrössern können. Von den interessanten Brasenia-(Cratopleura-) Samen konnte ich gleichfalls ca. 3000 wohlerhaltene, unverdrückte Exemplare sammeln. Auch viele der anderen Pflanzenrestc, z. B. Blätter, zeigen einen fast wunderbar erscheinenden Erhaltungszustand. Dass das untere Torflager der Schmidt'schen Grube der Pleistocän-Periode entstammt, wird jetzt wohl von Niemand mehr bezweifelt werden. Ueber die Frage, in welchem Abschnitte jener Periode dasselbe wahr- scheinlich entstanden ist, habe ich meine Ansieht in einem Aufsatze, der sehr balil im Neuen Jahrbuch für ^Mineralogie etc. erscheinen wird,**) dargelegt und erlaube ich mir, darauf zu verweisen. Ich will hier nur gegen- über der 1892 von H. Creduer geäusserten Meinung be- tonen, dass, je länger und eingehender ich mich mit der Untersuchung der pflanzliehen Einschlüsse des unteren Torflagers in der Schulz-Schmidt'schen Grube befasst habe, ich um so mehr in der Ueberzeugung bestärkt worden bin, dass es sieh dabei um eine „autochthone" Bildung handelt, und dass Einschwemmungen nur aus der Umgebung des torf bildenden Gewässers, nicht aber aus weiter Entfernung stattgefunden haben. Ob dasjenige Torflager, welches sich über dem kürzlich vielbesprochenen Braunkohlenlager von Gross-R äselien bei Senftenberg (südwestlieh von Cott- bus) findet, etwa mit unserem unteren Torflager von Klinge gleichalterig ist, müssen zukünftige Untersuchungen lehren. Es ist ja durchaus nicht unwahrscheinlich, dass im südlichen Theile der Provinz Brandenburg und in den angrenzenden Gebieten pleistocäne Torflager vorhanden sind, welche dem von Klinge entsprechen, und es wäre von grossem wissenschaftlichen Interesse, dieses exaet festzustellen. I *) N. .Jahib. f. Mineralogie, 1893, Bd. TI, S. 86 ff. **) Dieser Aufsatz ist inzwischen erschienen. Siehe a. a. ()., 1895, Bd. I, S. 183—208. Aus dem hygienischen Institut der Universität Berlin liegt vor ein Bericht über die Uiitersucliimg des Ber- liner Leitungswassers in der Zeit vom November 1891 bis März 189-1, von Privatdocent Dr. Carl Günther und Dr. F. Niemann, Assistenten am Institut. (Archiv für Hygiene. 21. Band. 1894.) — Die Untersuchungen bilden die Fortsetzung analoger Untersuchungen von Wolffhügel, Plagge und Proskauer. Das Berliner Leitungs- wasser ist Oberflächenwasser, welches vor dem Gebrauch durch Sand filtrirt wird. An zwei verschiedenen Stellen wird das Rohwasser entnommen. Die eine Stelle war bis zum No- vember 1893 die Spree bei Stralau, also dicht oberhalb Berlins. Das Stralauer Wasserwerk, zugleich die älteste Filteranlage Deutschlands, wurde dann geschlossen und seitdem bezieht Berlin das Leitungswasser zum Theil von dem 1888 vollendeten Tegeler Wasserwerke, zum Theil von dem 1893 dem Betriebe übergebenen Wasserwerke am Müggelsee oberhalb von Friedrichshagen. Beide Werke liegen ausserordentlich viel günstiger, als das alte Stra- lauer Werk. Letzteres lag an einer Stelle, wo die Spree auf die mannigfachste Weise durch Fabriken, Wäschereien und Schiffahrtsverkehr verunreinigt wurde. Bezüglich der Einrichtungen der Berliner Wasserwerke, sowie der Wasser- filtration im allgemeinen verweist G. auf die Untersuchungen der eben citirten Autoren, sowie auf die Arbeiten von Piefke und R. Koch. Hinsichtlich der Grösse der jetzt im Betriebe befindlichen Berliner Wasserwerke besitzt das Tegeler Werk 21 überwölbte und dadurch vor Frost ge- schützte Filterbassins mit einer gesammten filtrirenden Sandfläche von 50 000 qm ; die grosste Leistungsfähigkeit in 24 Stunden beträgt 86 400 cbm. Dies ungefähr zur Hälfte fertiggestellte und somit im Betriebe befind- liche Müggelwerk besitzt — in dieser Hälfte — 22 überwölbte Filter zu je etwa 2330 qm Grundfläche. Die Leistungsfähigkeit derselben beträgt etwa 90 000 cbm pro Tag. Dagegen besass das alte Stralauer Werk 8 offene und 3 überwölbte Filter mit im Ganzen 37 000 qm Fläche. Die Untersuchungen wurden von den Verfassern in der Weise vorgenommen, dass an zwei bestimmten Tagen des Monats 1. das unfiltrirte Rohwasser von der Schöpfstelle eines jeden Wasserwerkes, 2. das filtrirte Mischwasser von jedem Werke, 3. das Wasser aus der Saugekammer und dem Reservoir des Charlottenburger Hochbehälters, 4. das Wasser von fünf verschiedenen Stellen der Wasserleitung innerhalb der Stadt Berlin einer bacteriologischen und einer chemischen Prüfung unter- worfen wurde. Die bacteriologische Prüfung bezog sieh stets auf die Ermittelung der Anzahl der in 1 ccm Wasser vor- handenen, entwickelungsfähigen Keime. Zum Zweck der Untersuchung wurden die Proben in der bekannten Weise in Erlenmeyer'schen Kölbcheu aufgefangen, umgehend in IGS Naturwissciiscliartliclic Woclicnsclirift. Nr. 14. das Laboratorium gebracht und dort möglichst sofort weiter behandelt. Mit sterilisirter Messpipette wurde eine abgemessene Quantität des Wassers entnonmien und mit ca. 10 com geschmolzener, 30 bis 40" C. warmer Nähr- gelatine innig vermischt. Das Gemisch wurde auf ste- rilisirte (ilasplatten ausgegossen, die nach dem Erstarren der Gelatine in der feuchten Kammer bei Zimmertemperatur — ca. 21 " C. — der weiteren Entwickclung überlassen wurden. Die entwickelten Colonieen wurden nach zwei bis vier Tagen mit Hülfe des Wolfl'hügerschen Colonieen- zählapparates gezählt und die gefundene Anzahl auf 1 ccm Wasser umgerechnet. Die dabei gefundenen Zahlen zeigen die grosse Verschiedenheit in der Qualität des Rohwassers des Stralauer Werkes einerseits und des Tegeler und des Müggelsee- Werkes andererseits. Das Rohwasser des Stralauer Werkes enthielt durchschnittlich 22 800 Keime pro Cubikcenfimeter (Maximum 250 000, Minimum 2100), das Rohwasser des Tegeler Werkes 636 Keime (Maximum 4600, Minimum 22), das des Müggel- see-Werkes 1784 Keime (Maximum 5280, Minimum 180). Es ist klar, dass eine Filteranlage, welche ein an suspen- dirten Bcstandtheilen so reiches Rohwasscr zu verarbeiten hat. und an welche bezüglich der zu fördernden Wasser- quantitäten so hohe Ansprüche gestellt werden, wie es beim Stralauer Werk der Fall war, viel schwieriger in befriedigender Function zu erhalten ist, als eine Filter- anlage, welche ein relativ so reines Wasser verarbeitet, wie beim Tegeler Werk. Das filtrirte Stralauer Wasser entsprach daher auch bezüglich des Keimgehaltes relativ selten den an ein gut tiltrirtes Wasser zu stellenden Anforderungen. In nur 9 von 47 untersuchten Proben ging der Kcim- gehalt nicht über 100 pro ecni hinaus, d. h. in 19,1 7o der Fälle. Dagegen zeigte das tiltrirte Tegeler Wasser in 83,6 7o der Untersuchungen weniger als 100 Keime pro ccm, zumeist sogar unter 50. Vom 1. Februar 1893 bis in den Juli hinein wurde in dem Bodensatz des Stra- lauer Rohwassers regelmässig Crenothrix in spärlicher Menge gefunden. Sie verschwand später und wurde in den übrigen Rohwässern, wie in den filtrirten Wässern nicht gefunden. Ab und zu fand sich, namentlich auf dünn besäeten Platten filtrirten Wassers, eine Cladotiirix, welche die Gelatine im Umkreise der weissgrüncn Co- lonieen braun färbt und die Gelatine sehr langsam ver- flüssigt. Das Gesannnturtheil der Verfasser über das Berliner soweit sich nach den Ergebnissen der ein Urthcil überhaupt bilden lässt, geht dahin, dass das Stralauer AVerk, namentlich in den letzten Jaincn seines Betriebes, eine entschiedene Clalamität für Berlin bedeutete. Dieselbe hatte ihren Grund hauptsächlich in der sehr schlechten Beschaffenheit des Roliwassers, aber auch in der relativ unvollkommenen Anlage des AVerkes — ■ besonders wegen des Mangels an frostsicheren Filtern. Seit das Stralauer Werk geschlossen ist, hat sich der Keimgehalt des AVassers sämintlicher untersuchter Entnahmestellen der Stadt fast ausnahmslos in befriedigenden Grenzen gehalten. Günther hatte das Stralauer Roliwasser ausserdem längere Zeit auf Cholera- und Tvphnsbacterien untersucht, jedoch ohne positiven Erfolg. Gelegentlieh dieser Untersuchungen wurde aber ein neuer, nicht pathogener Wasservibrio gefunden, den G. A'ibrio aquatilis benannte. Leitungswasser, baeteriologischen Prüfungen Die ehemische Untersuchung des Wassers nach einer früher von Proskauer angegebenen geschah Methode. Das Heber setzte unfiltrirte Spreewasser war stets von gelb- Farbe, mehr oder minder getrübt, beim Stehen sieh ein e-elber bis gelbbrauner Bodensatz ab, Ge- nioderig. Der Trockenrückstand war stets ein relativ hoher, bis 27,6 Thcile auf 100 000 Theile AVasser. Daher auch der hohe Gehalt des AA'^assers an organischen Substanzen. Die Oxydirbarkeit durch Kaliumperaianganat wuchs im Sommer 1893 bis auf 3,91 Theile auf 100 000 Wasser. Der Ge- halt an Kalk war verhältnissmässig gering, im Mittel nicht mehr als 4,5 Theile Kalkoxyd auf 100 000 Wasser. Chloride waren reichlich, der Chlorgehalt stieg bis auf 5,32 Theile Chlor auf 100 000 Theile Wasser. Schwefel- säure nur in massigen Mengen. Im Sommer fanden sich regelmässig Spuren von Salpetersäure und salpetriger Säure. Das Auftreten der letzteren wie das des Ammoniak scheint sehr abhängig zu sein vom AVasserstand, denn der niedrigste Wasserstand fällt sehr häufig mit den höchsten Werthen für Ammoniak und salpetriger Säure zu- sammen. Ammoniak fand sich während des ganzen Jaiires; im Sommer 1893 längere Zeit hindurch 0,45 Theile auf 100 000. Regelmässig fand sich Eisen als gelbbrauner Bodensatz von Eisenoxydbydrat. Das unfiltrirte Tegeler Seewasser war meist schwach gelb gefärbt, aber klar, nur selten war ein nennenswerther Bodensatz. Geruch war niemals wahr- zunehmen. Geschmack durchaus normal. Der Trocken- rückstand stieg einmal bis auf 24,5 Theile auf 100 000 Wasser, im Mittel betrug er 19,10 Theile. Die Oxydirbarkeit durch Kaliumpermanganat betrug bis 2,77 Theile. Der Ge- halt an Kalk berechnet als Kalkoxyd, stieg bis 8,15 Theile. An Chloriden war das Tegeler Seewasser ärmer als das Spreewasser, das Maximum betrug 2,38 Theile auf 100 000. Salpetersäure und salpetrige Säure fand sich im Sommer ab und zu in geringen Spuren. Ammoniak wurde nur vereinzelt in Spuren nachgewiesen. Das unfiltrirte Wasser von den AVerken am Müggelsee war gelbgrün, meist schwach getrübt und mit geringem Bodensatz. Mitunter bestand ein schwach modriger Geruch, der Geschmack war fade, oft an Lehm erinnernd, der Rückstand beträchtlich geringer als bei Stralau, das Maximum betrug 20,87. Ebenso war der Gehalt an organischen Substanzen geringer, die Oxydir- barkeit durch Kaliumpermanganat betrug 2,64 auf 100 000 Theile. Im tüilor- und Schwefelsäuregehalt bestanden keine grösseren Differenzen zwischen beiden Wassern. Der Kalkgehalt dagegen ist grösser als bei Stralau, ein- mal wurden 7,70 Theile Calciumoxyd auf 100 000 Wasser gefunden. Ammoniak, Salpetersäure und salpetrige Säure traten nur in einzelnen Fällen und in Spuren auf. Alle diei AVassersorten wurden durch die Filtration hinsichtlich ihres Aussehens, Geschmackes und Geruches vortheilhaft beeinflusst. Die gelbliche resp. gelblich-grüne Farbe des Wassers von Stralau und vom Müggelsee machte nach der Filtration einer schwach gelblichen Platz, häufig waren sie farblos geworden, letzteres war bei dem Tegeler AA^vsser fast die Regel. Die drei Wässer waren nach der Filtration stets klar und völlig geruchlos, von auch nach längcrem ruch war nicht vorhanden, Geschmack meist gutem Geschmack und bildeten Stehen nie einen Bodensatz. Ohne bemerkenswerthen Einfluss war die Filtration auf den Rückstand, ebenso auf den Gehalt an Kalk, Chlor und Schwefelsäure. Dagegen war der Gehalt an organischer Substanz, Ammoniak, Salpetersäure und sal- petriger Säure bedeutend verringert, was am auffälligsten bei dem Stralauer Wasser hervortrat. Die innerhalb der Stadt entnommenen Wasserprobeu entsprachen regelmässig dem filtrirten AVasser ihres Ur- sprungs. An dem Gehalt an Chlor und Kalk liess sich jedesmal feststellen, ob es sich um Spreewasser oder Tegeler Wasser handelte, so lange noch das Stralauer Werk im Betrieb war. Seit der Eröffnung des AA^erkes am Müggelsee ist dieser Entscheid etwas erschwert. Nr. 14. NaUiiwissciiseliiirtliclic Woclicnscliriri. 169 Ammoniak, Salpetersänie und salpetrige Säure sind bei den in der Stadt entnommenen Proben nur an zwei Ent- naiimcstelien, Selimidtstrasse IG und Weinmeistorstrasse 15 nac'lijicwicsen, was sich woid daraus erlilärt, dass die- sell)on direct au den beiden lIaui)tdrucl\roin'en des Stra- lauer Werkes gelegen waren. M. Ueber die wechselnde Quantität des Planktons im grossen Plöner See maclit Otto Zaeliarias im biologischen Ccniralblatt, Bd. XIV. 1S'.I4, eine Mitthei- lung. Die (^»uantität des sogenannten i)elagischen Auf- triebs, d. h. des im Wasser schwebenden Älateriales an pflanzlichen und thierischen Organismen ist einem stän- digen, periodischen Wechsel unterworfen. Tage-, ja wochenlang können die reichlichsten Fänge mit dem rianktonnetz gemacht werden und zu andern Zeiten tindet man kaum ein Drittel oder ein Fünftel von dem, was cliedem massenhaft auftrat. In der biologischen Station zu Plön, wo das Plankton das ganze Jahr iiindurch täg- lich in Bezug auf Qualität und Quantität controlirt wird, niusste die grosse Veränderlichkeit desselben nach beiden Richtungen hin alsbald auffallen. Um sich ein ungefähres Bild von diesem Wechsel entwerfen zu können, kam Zaeliarias zu dem Entschluss, den Planktongeiialt einer und derselben Wassersäule zu wiegen, so dass hierdurch vergleichbare Zahlen gewonnen wurden. Sämmtliche Fänge wurden mit einem und demselben Netz ausgeführt und dasselbe immer in die nämliche Tiefe iiinabgelassen und vertical emporgezogen. Das aufgefisciitc Plankton wurde sorgfältig gesammelt, möglichst gut auf Fliess- pa])icr abgetrocknet und dann gewogen. Daraus Hess sich dann leicht das Gewicht des Planktons berechnen, welches in einer Wassersäule von einem Quadratmeter Querschnitt und vierzig Meter Tiefe vorhanden war. Für dieses Verfahren wird freilich das Gewicht jedes Fanges um einen gewissen Betrag niedriger angenommen werden müssen, weil es unmöglich ist, alle Feuchtigkeit vom AVäge-Material durch Abtrocknen zu entfernen. Und zwar wird dieser Betrag in reichlichen Fängen grösser sein als in spärlichen. Zacharias veranschlagt nun die haften ge- bliebene Feuchtigkeit im Durchschnitt auf ein Fünftel vom Gesammtgewicht der einzelnen Fänge. Es liegt hierin zweifellos ein grosser Slangel des Verfahrens, wie Zacharias selbst zugiebt, aber immerhin gel)en diese er- mittelten Gewiehtszahlen einen Anhaltspunkt für die Beur- theilung der Veränderlichkeit des Planktons. Nach dieser Methode betrug das Gewicht des Planktonfangs aus 40 m Tiefe am 7. April v. J. 1116 Milligrannn, was auf den Quadratmeter 175 gr. ausmacht. Das ist das reichste Ergebniss, welches sieh in der Zeit vom 24. Januar bis 28. Juli 1894 ergab, und es war wohl darauf zurück- zuführen, dass an jenem Tage eine schon seit Anfang März in Zunahme begriffene limnetische Bacillariacee (Melosira distans. Ehrbg.) ein Maxinnim des Vorkonmiens erreichte. Um über die Vertheilung dieser Melosira in grösserer und geringerer Tiefe Klarheit zu erlangen, wurden Stufenfänge gemacht, welche folgende Resultate lieferten: Aus 2,5 m Tiefe 132 Milligramm . . 200 „ n n ''^- 71 „ !, 431 „ V V 625 „ 7, -" „ „ 1116 „ Nimmt man nun die durchsehnittlicbe Tiefe des grossen Plöner Sees zu 15 Meter an (was eher zu niedrig gegriffen sein dürfte), so enthält nach der Tabelle jeder Netzzug v 10 15 20 30 40 aus dieser Tiefe 392 Milligramm. Daraus ergiebt sich laut Rechnung für ein Quadratmeter und für ein Kilometer Fläche für den gegen )]2 Kilometer Fläche umfassenden See als Gesammtgewicht der damals im Wasser schwe- benden Melosiren 39U00 Centner! Hiervon muss freilich noch ein Fünftel für die im Plankton enthaltene Feuchtig- keit abgezogen werden, wonach immer noch 31 000 Ctr. Melosiren Plankton blieben! Selbst wenn nun bei dem Abwiegen des Fanges ein kleiner Felder gemacht ist, der sieli bei der nachfolgenden Multiplication vergrössert haben würde und sellist wenn das Gewicht des im Plankton enthaltenen Wassers als zu niedrig angenommen ist, und man nur 30 000 oder gar nur 20 000 Centner annimmt, jedenfalls kann man sieh durch derartige Gewichts- ermittelungen und Berechnungen einen Begriff davon machen, wie beträchtlich das Gewicht der lebenden Sub- stanz sein kann, welches, auf zahllose mikroskopisch- kleine Zellketten vertheilt, in der Wassermasse eines grösseren Landsecs sich schwebend zu erhalten vermag. Für den 23. April d. J., wo die Melosiren fast dem Versehwinden nahe waren^ und auch die übrigen flotti- renden Organismen nur ganz spärlich vorkamen, ergab die Wägung für die gesammte Seefläche unter Zugrunde- legung einer durciischnittlichen Tiefe von 15 Metern nur wenig mehr als 15 Centner, am 2S. Juli dagegen wieder- um circa 11000 Centner Plankton für den grossen Plöner See. Natürlich ist diese Wägc-Methode wegen der schlecht zu entfernenden und noch schwerer zu berechnenden Feuchtigkeit für die genaue Feststellung der Quantitäts- verhältnisse des Planktons wenig brauchbar, aber immer- hin ist aus solchen auf dieselbe Weise gewonnenen Zahlen klar ersichtlich, dass der Gehalt eines Binnensees an limnetischen Thier- und Pflanzenwesen ausserordent- lich grossen Schwankungen unterliegt. R. lieber „Zwischenfonnen" bei Formica rufa und ihre Bedentnng für die Weismann'schen Lehren hat Prof. A. Forcl in Zürich kürzlich einige bedeutsame Mittheilungen gemacht, welche F. von Wagner-Strass- burg im „Biolog. Centralblatt" (Bd. XV, Nr. 3, 1. Febr. 1895) in einem Aufsatz: „Aeussere Einflüsse als Ent- wickelungsreize" verött'entlicht. Unter diesem Titel hatte Prof. August Weismann im vorigen Jahr eine von uns bereits besprochene Arbeit erscheinen lassen, worin schon eine Beobachtung Foreis über derartige Zwischen- formen zwischen Königin und Arbeiterinnen bei Formica rufa mitgetheilt ist. Forel hatte am 1. August 1869 auf dem Uetliberg bei Zürteh einen Ameisenhaufen der ge- nannten Art gefunden, in welchem ein Fünftel der ganzen Bevölkerung aus Zwischengliedern bestand. Einen Theil des Nestes nahm er, um ihn weiter zu beobachten, mit sich nach Hause. „Die Zwischenformen waren sehr klein, nicht über 5 mm lang, sie zeigten sich stets sehr faul und schlatf, arbeiteten niemals und halfen weder am Bau des Nestes, noch bei der Fütterung der Larven und der Versorgung der Puppen. Sie erwiesen sich als „peu intelligents'', wie schon ihr kleiner Kopf erwarten Hess." Sie waren für den Stock nur „unnütze Verzehrer." Im Jahre darauf fand Forel im selben Nest wieder zahlreiche Zwischenformen, die frisch ausgesehlüpft waren. Diese in Weismann's genanntem Werk ndtgetheilten Angaben*) werden nun ergänzt durch den Inhalt eines Briefes, welchen Forel an Weismann gerichtet hat, und *) Diese Angaben waren bereits bald nach dem Fund des Nestes von Forel publicirt, doch können sie erst jetzt erhöhtes Interesse gewinnen, wo sie in einem Punkte dos Streites zwischen Weisuiann und Spencer Licht zu verschaffen geeignet sind. 170 Naturwissenschaftliche Wocheuschrift. Nr. 14. welcher in dem v. Wagner'schen Aufsatz im Biologischen Ccntralblatt y.uerst bekannt gemacht wird. Forel theilt in diesem Briefe mit, er habe später bei Münclien noch ein g-an/ ähnliches Nest mit einer noch grösseren Menge von Zwischenformen gefunden. Er habe in seiner 1815 erschienenen Beschreibung dieses Nestes die Zwischen- formen gar nicht erwähnt, weil er damals wenig Gewicht auf sie gelegt iiätte. Er betont ganz ausdrücklich, dass alle anderen Nester der Formica rufa bei Jlttnehen und auf dem üetliberg keine Zwischenfornien aufwiesen. Diese Forel'schen Beobaciitungen sind nun, wie ge- sagt, geeignet, eine Streitfrage der Biologie und Zoologie zu entscheiden. Dieser »Streit dreht sich darum, ob die Difterenzirung ganz gleicher Larven der Bienen und Ameisen in Königinnen und Arbeiterinnen lediglich eine Folge der verschiedenen Ernälirung sei, wie Spencer und Oscar Hertwig behaupten, oder ob die Ernährung nur der „auslösende Reiz" sei, welcher die eine oder andere Art der in jeder Larve vorhandenen „Ide" („Königinnen- Ide" und Arbeiterinnen-lde") zur Eutwickelung bringt, wie Weismann lehrt. Welche Ansicht die richtige ist, lässt sieh nur aus den Zwisehenformen entscheiden, welche bei gewissen Ameisenarten „durchaus ungleichmässig — bald häufiger, bald seltener — auftreten, bei manchen Arten der Ameisen überhaupt noch nicht beobachtet sind." Das Auftreten solcher Zwischenformen kann Weismann sehr einfach da- durch erklären, dass l)ei diesen Ameisenarten sich der Selectionsprocess noch nicht so weit entwickelt hat wie 'z. B. bei den Bienen, welche „in der Phylogenese weiter vorgeschritten sind", die Fütterungslehre hingegen müsste die Annahme machen, „dass die eine Art häufiger noch Fehler macht bei der Fütterung der Larven, als die andere, dass es bei der einen Art noch öfter vorkommt, dass eine Arbeiterlarve zu unrechter Zeit zu stark gefüttert wird".*) Gerade nun der Umstand, dass bei manchen Arten der Ameisen Zwischenformen häufiger sind, während sie bei anderen gar nicht oder nur ausnahmsweise (Formica rufa) vorkommen, kann für Weismann's Anschauungen ausgebeutet werden, und auch Forel schliesst seinen Brief an Weisniann mit den Worten: „Alle diese That- sacheu sprechen klar für Ihre Auffassung und gegen die Fütteruugstheorie." H. Flugtecliiiische Aufgaben. Infolge des unter obiger Uebcrschrift in Nr. 43, Jahrg. 94 der „Naturw. Wocheuschr." erschienenen Aufsatzes, sind dem Verfasser desselben von verschiedenen Seiten eine Reihe von Zeitungs-Ab- und Ausschnitten zugegangen, in welchem mehr oder weniger ausführlich die neueren Flug-Apparate, namentlich aber diejenigen des Herrn Ganswindt be- sprochen worden sind. Dies veranlasst uns, in nach- stehendem noch eine Schlussbetrachtung obigen Themas mit Beziehung auf jene Berichte folgen zu lassen. Der eine Tiieil der Hauptaufgabe der Flugteehnik ist, wie wir früher gesehen haben, schon lange gelöst und zwar durch die Erfindung des Luftballons. Diese Lösung ist aber insofern wieder nur eine theilweise, als eben nur der Luftballon es ist, mit dessen Hülfe wir hoch in die Luft steigen können, während dies mit einem an- deren Flug-Apparate, so viel wir wissen, bisher noch nicht möglich wurde. Es gilt daher, mit jedem anderen Luftfahrzeuge, mag dasselbe nun mittelst Schraube (Pro- peller), Rad (Schaufel-, Segelrad u. s. \v.) oder Flügeln *) Von der sfärkei-en und besseren oder knappen und seldeclitereu Fütterung hängt es nämlich allein ab, ob sieh aus den Larven Königinnen oder Arbeiterinnen entwickeln. getrieben werden, die erste und wichtigste Aufgabe der Flugteehnik noch in ihrem vollen Umfange zu lösen und zwar mit djerselben Sicherheit und Zuverlässig- keit, mit welcher das Problem der Seefahrt gelöst worden ist, wenn die Luftschift'fahrt nicht eine äusserst kostspielige, dabei oft recht gefährliche Spielerei bleiben soll. Denn was ist denn der eigentliche Zweck eines Luft- fahrzeuges ? Es soll uns offenbar iu den Stand setzen, ein bestimmtes Ziel leichter, bequemer, rascher und auch wohl noch unter Gewinnung anderer Vortheile zu er- reichen und von da aus nach dem Ausgangspunkte zurück zu gelangen, als dies mit einem Land- oder Seefahrzeuge möglieh ist, denn es hätte ja sonst gar keinen Sinn, den Luftweg allen anderen Wegen vorzuziehen. Was es aber heisst, beim Durchschneiden der Luft mittelst einer Flug- maschine eine solche Sicherheit und Zuverlässigkeit zu erlangen, wird derjenige ermessen können, der da weiss, dass die atmosphärische Luft ein treuloses, heimtückisches Element ist, dass sie uri)lötzlich aus dem Zustande abso- luter Windstille in denjenigen der heftigsten Bewegung übergehen und eine Macht entfalten kann, welche die Oberfiäche des Meeres zu hohen Wogen aufzuwühlen ver- mag. Die Luft ist selten längere Zeit absolut still, sie ist fast immer in Bewegung, die jeden Augenblick der Stärke wie der Richtung nach wechseln kann. Der Con- structeur eines Luftfahrzeuges hat daher mit diesem Um- stände vor allen Dingen zu rechnen und sein Fahrzeug so einzurichten, dass seine Leistungsfähigkeit sich ebenso jedem Wechsel plötzlich anpassen lässt. Der Vogel mit seinen eigenthümlich fächerförmig gestalteten Flügeln ist dies im Stande. Blitzschnell vermag er dem einen oder dem anderen Flügel oder beiden Flügeln zugleich, ganz nach Bedarf eine mehr oder weniger grosse Flächenausdehnung zu geben, sie um einen gewissen Winkel zu wenden, ihren Schlag zu verlangsamen oder zu beschleunigen oder ganz aufhören zu lassen. Diese vorzügliche Eigenschaft der Gefügigkeit, des blitzsehnelleu Angepasstwerden- könnens au jeden plötzlichen Wechsel des Luftzustandes, wird man dieselbe jemals einem grossen Luftfahrzeuge zu verleihen im Stande sein? Vielleicht, vielleicht auch nicht, jedenfalls aber erst nach Ueberwindung noch so mancher grosser Schwierigkeiten und zwar aus dem einfachen Grunde, weil so rasche Formveränderuugen der den eigentlichen Flug vermittelnden Maschinentheile die Noth- wendigkeit grosser momentaner Wege gewisser Theile, somit das Vorhandensein gewaltiger Kraftäusserungen bedingt. Dazu geh("»rt aber ein Motor von ausserordent- licii geringem (Jewicht, grosser Stabilität und gewaltiger Leistungsfähigkeit, welchen zu construiren wir bereits in Nr. 43 der „Naturw. Wocheuschr." als nächste Haupt- aufgabe aufstellten. Herr Ganswindt soll nun seinem eigenen Berichte zufolge die Construction einer Maschine von sehr geringem Gewichte gelungen sein, mittelst welcher schon "ein einzelner Mann eine Arbeit von zwei Pferdekräfteu zu verrichten im Stande ist. Letzteres ist nun an und für sich nichts Neues; ja ein einzelner Mann vermag noch viel mehr, z. B. mittelst der hydrau- lischen Presse mit Leichtigkeit einen Druck von IV2 M'"- Pfund zu leisten. Aber bei allen Maschinen, ohne irgend welche Ausnahme ist mit dem mechanischen Vortheil zu- gleich ein mechanischer Nachtheil verbunden, bei allen Maschinen kommt die auf dem Urgesetze der Erhaltung der Kraft sich gründende sogenannte goldene Regel der Mechanik zur Geltung, der zufolge so viel an Weg oder Zeit verloren geht, so viel mit Hülfe einer Maschine an Kraft gewonnen wird. Wie sich die Richtigkeit dieser Regel schon an einer der einfachsten Maschinen, au einem im Gleichgewichte Nr. 14. Natnvwi.ssensfliat'tliplic Woclicn.sclirif't. 171 befindlichen zwei- und iing-leichavmifren Hebel naeiiweisen lässt, das zeigt jedes Buch über Eiemeutarpliysik. Nun kommt es, wie bereits genugsam angedeutet worden, bei allen Flugapparaten auf eine hohe Leistungsf'aliigkeit iliier Motoren an; gewaltige Kräfte sollen innerhalb der l'MiigniascIiine liebungen, Senkungen, llotiiungen u. s. w., kurz die verschiedensten Arten von Bewegungen und zwar hier und da auf verhältnissuiiissig grosse .Strecken und in den (lenkbar kürzesten Zeit-Inteivallen Inwerkstelligen können. Wir sind sehr gespannt, /,u erfahren, wie Herr Gans- windt diese Aufgabe mit seinem Motor, wie er dieselbe mit geringer Kraft, unter Umständen mit einer Menschen- kraft, zu lösen im Staude sein wird, ohne mit dem Satze von der Erhaltung der Kraft, mit der goldenen Regel der Mechanik in Konflikt zu gerathen. Auf Grund der uns zugegangenen verschiedenen, zum Theil recht klaren Beschreibungen und der im 7. Beiblatt der Nr. 564 des „Berliuer Lokal-Anzeigers" enthaltenen genauen Abbildung des Ganswindt'schen Flug-Apparates werden wir uns gestatten, denselben noch einigen weiteren Betrachtungen zu unterwerfen. Der Grundgedanke seiner ('(nistrncti(ni ist nicht neu, ihn hat unter anderen der durch seine schönen Kreisel-Experimente bekannte Mecha- niker Schmidt schon vor "20 Jahren ausgesprochen. Neu und sinnreich ist dagegen die speeielle Ausführung, namentlich die Versteifung durch äusserst ('/05 nun) dünne, in der Bi'wegungsrichfung messerscharf geschliffene Stahl- bänder. Auf diese Weise wurde es Herrn Ganswindt möglich, nicht nur den Widerstand des Mittels auf ein Minimum zu reduciren, sondern auch seiner Maschine gleichzeitig eine grosse innere Festigkeit und ein für die bedeutenden Dimensionen (8 m Höhe und 14 ni Flügel- spannung d. i. Propellerdurchmesser) verhältnissmässig geringes Gewicht (82 kg) zu verleihen. Der Motor hätte sonach einen grossen Körper von geringer Masse zu be- wegen. Diese Masse vergrössert sich aber durchschnitt- lich so viel mal, so viel Passagiere, der Masehiuenführer mit inbegriffen, sich an der Fahrt betheiligen; der Motor muss also auch dem entsprechend mehr leisten können. Da sich die das Luftfahrzeug bewegende Kraft eigent- lich aus zwei Kräften zusammensetzt, aus einer senkrecht hebenden, also tragenden, und aus einer in horizontaler Richtung (nach dem Ziele hin) treibeudeu, mithin eine in schiefer Richtung wirkende Resultireude ist, so hat Herr Ganswindt die Axe seines Propellers so eingerichtet, dass sie nach ]5efinden in jene schiefe Richtung gebracht werden, die Luftschraube daher dann hebend und treibend zugleich wirken kann. So erscheinen denn die Verhält- nisse des Ganswindt'schen Apparates nicht ungünstig, wenn nur — und das kann nicht oft genug betont werden — der Motor auch wirklich seine volle Schuldig- keit thut und die Festigkeit des gesanunten Fahrzeuges dem Vorbiegen, Verschieben, Zerdrehen, Zerbrechen und Zerreissen den nöthigen Widerstand entgegenzusetzen ver- mag. Man erinnere sich, dass der Propeller des Krebs- Renard'schen Luftschiffes bei 7 m Durehmesser wahr- scheinlich nicht genug Energie entfaltete, um dasselbe auch gegen den Wind stets seinem Ziele zuzutreiben, wobei die Aufgabe des Hebens und Tragens dem Ballon zufiel. Der Gauswindt'sche Propeller soll aber (bei doppelt so grossem Durchmesser) das Heben, Tragen und Treiben auch bei widrigem Winde vollständig sicher und zuverlässig allein besorgen; wird ihm das möglieh werden, wird er die dazu ganz gewiss nöthige, kolossale Energie entwickeln und die Flugmaschine sammt ihren Insassen erst bis zu einem gewissen Punkte iu die Höhe und vou da aus einem \orausbestimmten oder erspähten Ziele entgegen führen können, ohne dass die Festigkeit des ganzen Appa- rates, namentlich aber die Torsionsfestigkeit der ver- hältnissmässig leichten Axe erschüttert wird? Man erinnere sich hierbei stets an die furchtbare Gewalt, welche die bewegte Luft in jedem unvorhergesehenen Augenblick zu entfalten vermag. Unterhalb des Propellers hat Herr G. über dem übrigen Theile des Apparates einen Schirm, eine Art Fallschirm ausges]iannt. Wie nun, wenn seine Flug- maschine während ihrer Fahrt plötzlich in einen auf- oder absteigenden Luitstrom geräth, der sich mit voller Wucht gegen diesen Schirm wie gegen ein Segel stenunt, wird auch dann der (vielleicht nur von einem einzigen Menschen angetriebene) Propeller den an ihn gestellten Forderungen vollkommen genügen, wird er mit seinem unmittelbar über den Köpfen der Passagiere mit rasender Geschwindigkeit kreisenden Sensenmeere für das Ganze eine zuverlässige, felsenfeste, nimmer wankende Stütze bleiben, auch dann noch, wenn das Fahrzeug vou einem Sturme plötzlich von vorn oder iu der Flanke gepackt wird? „Wenn nicht, ua, dann geschieht eben ein Schiff- bruch, Schiffbrüche konnnen auch auf dem Meere vor," wird man uns entgegenhalten. Ganz recht, aber nur mit dem Unterschiede — fürchten wir — dass die Luftschitt'- brüche wahrscheinlich in der Mehrzahl sieh ereignen dürften, während die Seeschiftbrüche gegen die grosse Menge der Seefahrten gehalten, immer eine bedeutende ^Minderzahl bilden; ferner mit dem Unterschiede, dass bei einem Luftschift bruche wohl fast ausnahmslos sämmtliche Passagiere ihr Leben einbüssen, während bei einem See- schift'bruche die Rettung einiger, ja nicht selten aller Passagiere nicht ausgeschlossen ist. Wehe den Insassen des Ganswindt'schen Luftfahrzeuges, welche bei einem Uufalle in die messerscharfen Versteifungsbänder ge- rathen! Ein gutes Seefahrzeug vermag selbst auf sturm- bewegtem Meere, wenn auch auf einem Umwege und mit einem grösseren Aufwände an Zeit zuletzt noch an sein Ziel zu gelangen, und zwar, weil es sich in zwei ver- schiedenen Medien zugleich bewegt, von welchen das eine ihm eine wichtige Stütze gegen das andere bildet. Dem Luftfahrzeuge aber fehlt diese wichtige Stütze, es ist nur dem einen dieser Medien und grade dem in seinen Schwankungen so wechselvollen vollständig überlassen, • daher die Aussicht, mit ihm ein bestimmtes Ziel auch bei stürmischer Witterung sicher erreichen zu können, eine äusserst geringe. Wenn wir wohl gern die Möglichkeit, ja sogar die grosse Wahrscheinlichkeit zugeben wollen, dass Herr Ganswindt bei völliger Windstille, vielleicht auch iu massig bewegter Luft nnt seinem Apparate glücklich operiren wird, so seheint uns diese Aussicht weniger günstig bei einem in starker Bewegung befindlichen Luft- strome, oder gar bei einem Sturme, weil dann das ganze Fahrzeug von 8 m Höhe und 14 m Propeller-Durch- messer unserer Meinung nach ein viel zu grosses Angriifs- Object bildet. Was wir hier von dem verhältissmässig leichten und durchlässigen Ganswindt'schen Luftfahrzeuge behauptet haben, gilt im allgemeinen in noch wesentlich höherem Grade von den dichteren und massigeren Schaufel- und Segelrad-Flugmaschienen, vielleicht auch vou dem für den Einzelflug des Mensehen construirten Flügelapparate. Man wird mit ihnen allen innerhalb sehr enger Grenzen wohl günstige Resultate erzielen, aber nimmer die Lösung der von uns gestellten Hauptaufgabe in demjenigen Um- fange, wie sie unbedingt nothwendig ist, wenn von einem wahren, reellen, ja vielleicht auch nur von einem einzigen, eminenten \'ortheile, der die ungeheuren Kosten und Mühen noch bei weitem aufwiegt, die Rede sein kann. Dr. Carl E. 0. Neumann. 172 Naturwisscnscliaftliclie Woclicnsclin'ft. Nr. 14. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Prof. Schwoninger zum Geh. Medicinal- rath; der Privatdocent der medicinischen Facultiit zu Berlin Dr. Robert Langerlians zum ausserordentlichen Professor; der Profe.'isor der Rlathcmattk in Kiel Leo Poclihammer zum Geh. Regierungsrat h ; der ordentliclie Professor Dr. Fröhner in Berlin zum ordentlichen Professor der Chirurgie und Leiter der chirurgischen Abtheilung der Klinik für grosso Hausthiere als Nachfolger des Prof. Dr. Möller. Berufen wurden: der Professor der Mineralogie und Geologie Dr. Gustav Steinmann in Freiburg nach Tübingen; die Pro- Sektoren in Petersburg bezw. Kiew Dr. Bubnow und Dr. Igna- towski als Professoren der Hygiene und gerichtlichen Medicin . nach Dorpat als Nachfolger des Prof. Körber; Dr. Michael, Assistent am mineralogischen Museum in Breslau zum Hilfs- geologeii an der Kgl. geologischen Landesanstalt und Bergakade- mie zu Berlin; Dr. Wilhelm Strecker in Witzenhausen als Professor der Landwirthschaftfkundo und Nachfolger Prof. Toeppls nach Leipzig. Abgelehnt hat: der Professor der pharmaceutischen Chemie in Marburg Geh. Regierungsrath Dr. Ernst Schmidt einen Ruf nach Berlin. Aus dem Lehramt scheiden: der Professor der Chirurgie Dr. Älöller an der Berliner thierärztlichen Hochschule; der Professor der Hygiene und gerichtlichen Medicin in Dorpat Dr. Körb er. Es starben: der Director der niederösterreichischen Landes- irrenanstalt Dr. Moritz Ganster in Wien; der Professor der Landwirthschaftskunde in Jena Dr. Johannes Brummer; der Professor für Forstschutz und forstliche Geologie an der Wiener Hochschule für Bodenkultur Forstrath Henscliel; der Assistent an der niederösterreiehischen Landesgebär- und Findolanstalt Dr. Eugen Cissel inAbbazia; der friUiere Professor der Mathe- matik an der Klausthaler Bergakademie Karl Prediger. Freunde afrikanischer Bestrebungen und fordern angelegentlichst auf, das Unternehmen nach Möglichkeit durch Beiträge zu fördern. Anfragen und Mittheilungen bitten wir zu richten an Herrn as Aufruf zur Zähmung des afrikanischen Elephanten. Das unbarmherzige Hinschlachten der Elephanten bildet eine der grössten Anklagen, welche die gebildete Welt in Afrika auf sich geladen hat. Jährlich werden, allein nach der Ausfuhr des Elfen- beins zu urteilen, 50-GOCOO Thierc hingemordet, und die Zeit ist nicht mehr fern, wo der letzte Elephant im dunkeln Erdtheil dem tödtlichen Blei erlegen sein wird. In unheilvoller Kurzsich- tigkeit wird so der letzte Vertreter einer fast ausgestorbenen Thierwelt ausgerottet, dessen unverwüstliche Kraft in den Dienst des Menschen gestellt unschätzbare Arbeiten verrichten könnte. In Indien wird der Elephant gezähmt und leistet im Lastentragen, bei VVegebauten, Ausroden von Wäldern u. s. w. hervorragende Dienste. Dass auch der afrikanische zähmbar ist, beweist zudem seine Verwendung im Alterthum zu Zeiten der Karthager und seine Abrichtung in europäischen Thiergärten. Im tropischen Afrika würde der gezähmte Elephant eine weit wichtigere Rolle spielen können, als in Indien, da der ganze Ver- hehr dort aus Mangel an geeigneten Lastthieren auf eingeborene Träger angewiesen ist, und was dies bei dem fast gänzlichen Fehlen von [Münzen und Mitführen bedeutender Tauscbwaaren sagen will, haben uns die Langsamkeit, Unzuverlässigkeit und hohen Kostenanschläge aller Unternehmungen ins Innere über- zeugend gezeigt. Aber auch auf andere Arbeiten könnte seine Verwendbarkeit, ähnlich wie in Indien ausgedehnt und so eine grössere Sicherheit, dauernde Erhaltung eines geordneten Elfenbeiu- handels, Beschränkung der damit oft verbundenen Sklavenjagden möglich werden. Heute werden die Rüsselthiere lediglich ihrer Zähne wegen vernichtet, ein Geschäft, das der Kulturwelt jährlich etwa 15 bis '20 Millionen Mark einbringt. Gezähmt hingegen würde dieselbe Anzahl, welche jährlich gejagt wird, einen Werth von etwa 275 Millionen Mark darstellen. Angesichts dieser verhängnissvollen Misswirthschaft beabsich- tigt ein Komitee Versuche zur Zähmung des afrikanischen Ele- phanten anzustellen und so eine der Hauptaufgaben zu lösen, welche vom menschlichen wie wirthschaftlichen Standpunkte in Afrika noch ausstehen. Als Schauplatz ist das deutsche Schutzgebiet Kamerun ge- dacht, da hier die Elephanten noch am zahlreichsten, selbst an der Küste anzutreffen sind und die Jagdmethoden der Ein- geborenen sich leicht nach den indischen Fangmethoden abändern lassen. Ueber die Art und Weise der Zähmung entscheiden die zur Verfügung stehenden Mittel; jedenfalls wird ein erprobtes indisches Verfahren zur Anwendung kommen und zwar je nach- dem mit oder ohne Zuhilfenahme indischer Elephanten. Ueber die genauen Pläne wird entsprechend den Fortschritten des Unter- nehmens allen Zeichuern berichtet werden. Wir wenden uns an die thatkräftige Unterstützung aller .nillitL^^li IIIH.» i'XlLlll^llllll^^ II UiLI/^li \V il Z.H ll\.llLeil tili ii^Jlll H. Jaeger, Tempelhof-Berlin, Berlinerstr. 109, Beiträge an dai Bankhaus von Karl Zeitzschel, Berlin SW., Blücherstrasse 7 Der Ausschuss: Paul Reichard, erster Vorsitzender. Berlin; Dr. L. Heck, Di- rektor des zoologischen Gartens, zweiter Vorsitzender, Berlin; H. Jaeger, Geschäftsfülirer, Tempelhof b. Berlin; Karl Zeitz- schel, Bankier, Schatzmeister, Berlin; Dr. H. Bolau, Director des zoologischen Gartens, Hamburg; Professor Dr. Fischer, Berlin; Dr. Otto Kerstan, Berlin; Ernst Pinkert, Besitzer des zoologischen Gartens, Leipzig; Dr. .Seitz, Director des zoo- logischen Gartens, Frankfurt a. M. ; Stechmann, Director des zoologischen Gartens, Breslau; Freiherr von Uec li tri t z-Stein- kirch, Tzschocha b. Marklissa; Dr. Wunderlich, Director des zoologischen Gartens, Köln a. Rh. L i 1 1 e r a t u r. Prof. Vt. Fritz Regel. Thüringen. Ein geographisches Handbuch. 2. Theil: Biogeographie. 1. Buch: Pflanzen- und Thier- verbreitung. Mit G Figuren. Gustav Fischer, Jena, 1894. In dem ersten Theile seines vortretflichen Handbuches über Thüringen hatte der Verf. „das Land" vorzugsweise orohydro- graphisch, geologisch und klimatisch behandelt (vergl. Referat in Naturw. Wochenschr. 1893, S. 95), er bietet uns nun in des zweiten Theiles (^Biogeographie") erstem Buche die „Pflanzen- und Thier- verbreitung" dar, sodass jetzt für das zweite Buch nur noch die Anthropogeographie übrig bleibt. — In dem vorliegenden Bande ist die Behandlung des Stoffes in derselben überaus fleissigen \\ eise geschehen, wie im ersten Bande: es ist auch hier wieder die zu- gehörige Litteratur in einer Vollständigkeit zusammengetragen (und natürlich auch sorgfältig, sowohl in Anmerkungen, als in grossen Listen am Schlüsse der Abschnitte angegeben) und ver- arbeitet worden, wie wohl nie und von Niemandem zuvor, und es ist der sehr umfangreiche Stoff in so übersichtlicher Weise dargestellt, dass man hier wohl Alles, was jemals auf dem ein- schlägigen Gebiete erarbeitet und festgestellt worden ist, finden und zwar leicht finden und der Specialforscher nicht minder wie der Forstmann, der Lehrer und jeder Laie nicht nur mit dem Gebotenen sehr zufrieden, sondern dem Verfasser für seine mühe- volle Arbeit aufs Wärmste dankbar sein wird. Wenn sich trotz- dem noch da und dort Lücken zeigen, so beruht dies auf mangel- haften Vorarbeiten, ist also dem Verfasser nicht zur Last zu legen, der sich vielmehr sichtlich an vielen Stellen bemüht hat, solche Lücken auszufüllen ; andererseits tritt aus dieser zusammen- fassenden Behandlung des gesammten vorhandenen Stoffes nun erst klar hervor, wo man mit Erfolg sich am Auf- und Ausbau der Wissenschaft betheiligen und selbstthätig weiterarbeiten kann. Der erste Abschnitt (S. 1 — 139) behandelt die Pflanzenver- breitung und zwar (nach einer historischen Einführung) in oi'ga- nischer Fortsetzung der Schlusskapitel des vorigen (ersten) Bandes zunächst die „Entwiekelung der Pflanzenwelt Mitteleuropas seit dem Ausgange der Tertiärzeit'' (1. Kap.), „Thüringens ptlanzen- geographische Stellung" (2. Kap.), die „Einwanderungszeit der heutigen Gewächse in unser Gebiet" (3. Kap.). Es wird hierbei der Einfluss der Eiszeiten und der Steppenzeiten auf das Einwandern, die Verbreitung und die Vernichtung der Pflanzen an der Hand der bisherigen Litteratur eingehend besprochen. Leider lässt sich da der Verf. in seinem anerkennenswerthen .Streben, möglichst auf dem neuesten Standpunkte der Wissenschaft zu stehen, dazu hiureissen, mit A. Schulz eine vierfache Eiszeit an- zunehmen und darauf allein, d. h. auf das wechselnde Klima, alle Erscheinungen zurückzuführen, welche uns die heutige Verbreitung der einzelnen Pflanzen darbietet. „Leider" sage ich, weil erstens die berufenste Wissenschaft, die Geologie, wie Verf. selbst im ersten Bande zugesteht, bisher in Thüringen überhaupt erst eine einzige Vergletscherung, und auch diese nur im östlichen und nordöstlichen Gebietstheile, nachgewiesen hat, — weil zweitens Schulz selbst eine klare, im Einzelnen wohlbegründete Darstellung seiner Ansichten s. Z. noch nicht gegeben hatte, — und drittens, weil dieses „historische Princip" zu zwei üebertreibungen Anlass gegeben hat: die eine ist das Unterfangen, die Existenz einer vierten Eiszeit und sogar einer auf diese nach einer Zwischenpause folgenden „kühlen Periode" mittels der heutigen Pflanzen Verbreitung erklären zu wollen. Die zweite findet ihren Ausdruck in dem Satze (S. 28), „oft sei der Einfluss des Bodens überschätzt worden gegenüber den historischen Factoren." Hier tritt uns nun aber das andere Extrem entgegen: die fast völlige Vernachlässigung der Rücksicht auf die Bodenbeschaft'enheit. Die berühmte „Saalc- Elbegrenze", die „schärfste Florengrenze Mitteleuropas", kann meiner Meinung nach nur petrographisch, nicht historisch be- gründet werden: sie entspricht der Ostgrenze des thüringischen Nf. 14. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 173 Miisi'lu'lkalkKeliietes; nicht das Klimn und nicht <\i>v znsammon- hihiircnilc (lic'hte Wald, der sich um den (»Strand des Miisciielkalks lieruiidcfit, liat die Veihreitung der „Sanleliozirksliora" nach dem .,(ilicrs,'iclisis(dien Bezirk" hin g;eliemnit, sondern das plötzliche Aiifiiün'n des Kalkbodens; und dass das Elstersebict noeli eine \'ermittelunfr zu dem typischen obersäehsisehen (Jebiet herstellt, lirrnlit gerade darauf, dass dort eben noch vereinzelte grössere Kalkgestinnsinseln sieh vorfinden gegenüber dem im ganzen kalk- freien, erst im Eibthal wieder reichlicher Kalk führenden Ober- sachsen! Auch das Ucbcrgreifen des „Saalebezirks" in das Werratlussgebiet, bezw. in den „Oberweserbezirk" ist nicht historisch, sondern petrographisch begründet, wie eine Vergleichung ilcr S. 2:1, Fig. 1 gegebenen „Karte des tliüringischen Saalebezirks" mit der geologischen Karte Thüringens im eisten Bande des Kegel'schen Werkes sofort klar vor Augen treten liisst. Ich möchte hier die Anregung geben, dass ein Pflanzengeograph einmal eine Vorgleicliung der Jenaer Muschelkalkflora mit der Flora des vogtländischen gesammten Zeehsteingebietes, sowie mit derjenigen der vogtländisch-frankenwäldischen silurischen und devonischen Kalkstein- und Diabasgebiete ausführte (meine dies- bezüglichen Erfahrungen würde ich gern zur Verfügung stellen). Es würde sich dann ergeben, dass man in der obengenannten Fig. I die Grenzen der floristischen Bezirke und Unterbezirke besser und viel mehr, als es geschehen ist, an die geologischen tirenzen, statt an die Wasserscheiden zwischen heutigen Fluss- gebieten anschlösse. — Doch genug mit diesen Worten, die keinen Tadel für das Buch, sondern eine Anregung zu bestimmtem weitereu Forschen geben sollen. Wie aus dem Gesagten z. Th. schon hei vorgeht, wird also das gesammte Gebiet nach der horizontalen Pflanzenvertheilung in verschiedene floristische Bezirke und Unterbezirke ge- theilt und die Grundlage einer vertikalen Zonengliederung angegeben. Eine besondere Besprechung erfahren sodann die „Einwanderer der dritten Eiszeit", welche theils arktisch-alpine „Psychrophyten", theils „Thermopsychrophyten" der gemässig- ten Zone sind. Unter ersteren verniisste ich eine Würdigung der Gentiana verna, welche bei Schleiz einzelne Wiesen massen- haft überzieht, während ich den Aster alpinus von Saalfeld nach seiner dortigen Art des Vorkommen lieber mit den zahlreich ihn begleitenden Thermophyten in Verbindung bringen würde. Als „Einwanderer der zweiten Contincntalperiode" werden einerseits sehr ausführlich die Salzpflanzen (besonders von Numburg am Kytt'häuser), andererseits die .xerophilen Thermophyten namhaft gemacht. Bei dem Kapitel „Pflanzeneinwanderung seit der Be- siedelung durch den Menschen" kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass hier aus unserer Flora sehr viele unserer gemeinsten Pflanzen als fremde Eindringlinge ausgeschieden werden sollen, die wahrscheinlich doch von Alters her heimisch sind, also schon vor der Zeit des Feldbaues hier gewohnt haben, aber sich seit dessen Einführung ganz an diesen angewöhnt und angepasst haben, derart, dass wir sie jetzt nicht mehr aussei'halb der Felder finden. Oder ist analog die Hausschwalbe etwa auch ein solch fremder Eindringling, weil sie jetzt nur noch an mensch- liche Wohnungen ihre Nester baut?*) — Das 4. Kapitel behandelt die „Flora der Niederungen und der Hügclregion im frünkischen und thüringischen Hügelland." Die Flora der Hügolrogion speciell wird gegliedert in die Flora des Keuperbeckens, die Muschelkalk- und die Buntsandsteinflora; anhangsweise werden noch ausführlich behandelt die Flora des Kytfhäusers, von Halle und von Gera. (Für den Kyifhäuser wird die chemische Bodentheorie als be- sonders stichhaltig nachgewiesen; sie hätte, wie gesagt, nur auch in dem allgemeinen Kapitel über die lückenhafte Verbreitung der Pflanzen bosser gewürdigt werden sollen !) Im 5. Kapitel wird die Region der niederen und die Region der oberen Berge des *) Der Unterzeichnete glaubt doch, dass es richtiger ist. sich der von Regel vertretenen Ansicht anzuschliessen. In der 4. Auf- lage meiner „Illustrierten Flora" S. 37 u. 39 habe ich mich etwa so ausgedrückt: Zur Flora der Ankömmlinge gehören aus nahe liegenden Gründen die verwilderten Nutz- und Zierpflanzen, die Arten, die, wie die meisten unserer gemeinen Ackerunkräuter, in das Gebiet durch Verschleppung z. B. mit Kulturpflanzen gelangten und die Arten, die in geschichtlicher und auch schon in vorge- schichtlicher Zeit selbständig einwanderten. Die Arten, die aus- schliesslich in Gemeinschaft mit Kulturgewächsen auftreten, wie überhaupt solche, die nur an Oertlichkeiten sich finden, die von Menschen erst geschaffen oder doch umgeschaff'en worden sind, können doch nicht anders untergebracht werden, bevor nicht an irgend einem Beispiel nachgewiesen wird oder bevor nicht triftige Gründe beigebracht werden, dass Zimmermanu's Ansicht eine that- sächliche Basis besitzt. Warum soll es „wahrscheinlich" sein, dass die freilich dem Nicht Botaniker als alt-heimisch erscheinenden Arten, wie z. B. die Koi-nblume, nicht zur Flora der Ankömndinge gehören? Ich will mit dieser Bemerkung nicht bestreiten, dass der Zimmcrmann'sche Gedanke nicht ventilationsfähig sei, vorlänfig handelt es sich aber eben um einen blossen Gedanken. — P. Thüringer- und Frankenwaldes sowie des Vogtländischen Berg- larides tloristisch behandelt; die verschiedenen Bodenarten dienen auch liier öfters als Untereintheilungsgründe; auf den auffallend verschiedenen Charakter der Flora auf den Quarzporphyren uud auf den Glimmerporphyriten des Thüringer Waldes und auf die Artenarmuth im Gebiete der Culmformation möchte ich hier, da es bisher noch von keiner Seite geschehen zu sein scheint, nur kurz hindeuten, da hier nicht der Platz für eine weitere Aus- führung ist; vermisst habe ich in diesem Kapitel eine gesonderte Darstellung der Flora an den sog Bleilöchern bei Burgk und der Flora des Plothener Teichgebietes; aber es fehlen eben auch darüber ausführliche Vorarbeiten Anderer. Unter den angeführten Pflanzonarten ist mir Eriophorum alpinum bisher nicht bekannt ge- worden, trotz eifrigen Suchcns, dagegen ist Mulgedium alpinum bei Stützerbach noch stellenweise nicht selten. — Das 6. Kapitel giebt eine vollstämligc Uebcrsicht der in Thüringen vorkommenden Pflanzenarten; durch verschiedene Zeichen ist dabei Indigenat, Verwilderung, Einschleppung und Nichtzugehörigkeit zum „Saale- bezirk" bezeichnet; erwünscht wäre gewesen, wenn auch das Vorkommen in den 6 unterschiedenen Unterbezirken des Saale- bezirks einzeln kenntlich gemacht wäre. Als eine Art Ergänzung möchte ich hierzu aus meinen eigenen diesbezüglichen Beob- achtungen einige mittheilen. Helianthemum Fumana kommt auch auf dem Gr. Reihersberg bei Eisenach (Muschelkalk) vor; das Vorkommen von Dianthus Segiiierii und caesius, Lactuca perennis, Saxifaga caespitosa und einigen andern an der oberen Saale hätte lebliafter betont werden sollen; Malva moschata und Geranium pyrenaicum scheiuen sich von Jahr zu Jahr mehr zu verbreiten; Geranium molle ist bei Hirschberg a. S. stellenweise ein gemeines Ackerunkraut; Tetragonolobus siliciuosus ist in der Umgebung von Arnstadt an solchen Stellen zu finden, welche von (schwach) salzhaltigem Wasser feucht sind; es ist auffällig, dass Cytisus nigricans von der Saale und Elster aus nur sehr wenig weit in die Seitenthäler eindringt; Hedera helix wild blühend nur bei Berga a. S.; Menni athamanticum, eine charakteristische Pflanze der Bergwiesen des Thüringer Waldes, ist schon im Frankenwalde viel spärlicher, ihre östlichsten Punkte sind mir bei Ebersdorf (Reuss) bekannt geworden; Libanotis montana ist (vom Muschel- kalkgebiet abgesehen), sehr häufig auf dem Zechsteinrift' bei Liebenstein und auf Kalkdiabas an der oberen Saale; Scabiosa columbaria ist eine charakteristische Kalkpflanze; Sc. ochroleuca dagegen theilt mit Vincetoxicum officinale und Melica ciliata eine anscheinend örtlich wechselnde Vorliebe für Kalk- oder für kalk- freieii Boden; Cirsium heterophyllum ist im vogtländisch-franken- wäldischen Bergland sehr häufig, besonders an quelligen Orten; von Scorzonera hispanica wachsen die beiden nach den Blättern verschiedenen Formen bei Flaue unmittelbar und gleich häufig neben einander; Mulgedium alpinum bei Stützerbach (s. o.); Phyteuraa orbiculare ist in Westthüringen an vielen Stellen für Roth (oberen Buntsandsteiu) charakteristisch; Gentiana verna bei Schleiz (s. o.); Elodea canadensis mit Fischlaich eingeführt bei Dörnfeld an der Hm; Sparganium simpIex fluitans in der oberen Saale und in der Wiesenthal häufig, soll früher nicht beobachtet sein; Piatanthera viridis, regelmässiger Begleiter von Botrychium Lunaria, meist auf kalkfreiem Boden; Ophrys muscifera auf Zech- stein bei Gertewitz unweit Pössneck; Coralliorhiza innata ist auf einem schmalen Streifen (meist auf Kieselschiefer) im Schleizer Wald massenhaft zu finden; Eriophorum vaginatum im vogt- ländischen Bergland sehr spärlich, einige Fundorte bei Tanna; Pinus Muglius bei Hirschberg a. S. an mehreren Stellen den An- schein des Indigenats erweckend; Asplenium germanicum im vogtländischen Bergland nicht selten; Aspidium lobatum zwischen Ziegenrück und Eichicht; Woodsia ilvensis auch bei Blaukenstein an der oberen Saale; Lycopodium complanaturn auf schlechtem oder schlecht gepflegtem, L. annotiuum meist auf gutem Wald- boden in höheren Regionen nicht selten. Eine Angabe des „Schwefelmooses" wäre für den Schulgebrauch des Buches er- wünscht. Die Thierverbreitung (S. 129—379): Noch weniger hat die Fauna Thüringens bisher eine einheitliche Bearbeitung erlebt. Ueber einzelne Gruppen, die aus naheliegenden Gründen das Interesse weiterer Kreise auf sich zogen, liegen zahlreiche Schriften geographischen, biologischen oder systematisclien Inhalts vor. Aber auch diese Arbeiten behandeln meist nur einzelne Ordnungen, Familien oder gar Arten kleinerer Bezirke. Die ausführlichste Erforschung ist der tl;iüringischcn Vogclwelt gewidmet worden, die neben Naumann, Bechstein und Brehm Desonders der vor Kurzem verstorbene K. Th. Liebe gefördert hat. Weniger ein- gehend sind die Säugethiere und die kaltblütigen Wirbelthiere behandelt worden. Von den wirbellosen Thieren haben Insecten und Wcichthiere das meiste Interesse auf sich gezogen; Thüringen hat sogar mehrere hervorragende Entomolog;en aufzuweisen, welche die gründliche Erforschung einzelner Insectenordnungen zu ihrer Lebensaufgabe gemacht haben! Dagegen sind die Spinnen, Tausenc^- füsser und Krebse sehr sticfmütterlicTi beliandelt worden, und über die niedersten TI)jers,tämme, die Würmer, Pflanzen- uiid Urthiere, 174 Naturwisscnschaftliclic Wochcnscbrift. Nr. 14. sind gar keine oder nur kleinere Mittheilungen über einzelne Arten gemacht worden. Der Verf. hat sieh nun auch hier wieder der höchst müh- seligen und schwierigen Aufgabe unterzogen, das vorhandene Material zu sichten und hat aus den zahlreichen Einzelarbeiten und Beobachtungen ein einheitliches Ganze geschaffen, das in dem vorliegenden Buch in recht übersichtlicher und ansjjrechender Form zum Ausdruck gelangt ist. Das erste Kapitel (im Buch das siebente) beschäftigt sich mit der Entwickelung der Fauna Mitteleuropas und der t hier geographischen Stellung derselben. Verf. bringt hier im Wesentlichsten die Ansichten Nehring's über die Ver- änderungen, welche die verschiedenen Eiszeiten mit den dazwischen liegenden Interglacialperioden durch abwechselnde Einwanderungen der arctischen und der Steppenfauna in der Fauna Thüringens hervorgerufen haben. Das zweite Kapitel, welches die Säugethiere behandelt, beschäftigt sich ausserordentlich eingehend mit dem Verschwinden der grösseren Waldthiere, Bär, Luchs, Wolf u. s. w. Während im 16. Jahrhundert noch ganze Bärenfamilien im Thüringerwald hausten und erlegt wurden, sind sie im Allgemeinen zu Ende des 17. Jahrhunderts als verschwunden anzusehen; einzelne, wahr- scheinlich herübergewanderte oder versprengte Exemplare tauchen noch im 18. Jahrhundert auf; der letzte ist im Jahre 1797 erlegt worden. Die Luchse sind schon im 18. Jahrhundert in Thüringen sehr selten; der letzte ist 1819 im Hei-zogthum Gotha geschossen worden. Wölfe waren in der Mitte des 17. Jahrhunderts noch ausserordentlich zahlreich, doch verschwanden sie bis auf einzelne versprengte Exemplare (1789, 1793, 1797, 1804) bereits zu Anfang des 18. Jahrhunderts. Erst in viel späterer Zeit sind Sumpfotter und Biber verschwunden. Die Wildkatze hat sich noch bis auf den heutigen Tag erhiilten, wenn auch nur noch sehr vereinzelt in den Wäldern des Thüringerwaldes. Fischottern sind noch ausserordentlich häufig, denn es wurden vom thüringischen Fischerei- verein in den Jahren 1879—93 918 Otternprämien bezahlt. Die Hausratte, Mus rattus, die überhaupt noch eine grössere Ver- breitung haben dürfte als man gewöhnlich annimmt, ist in Thüringen noch nicht allenthalben von der Wanderratte verdrängt worden. Verf. führt Orte an, in denen die letztere vor 20 und selbst vor 10 Jahren noch völlig unbekannt war. Alle diese Daten und Zahlen sind mit ausserordentlicher Sorgfalt zusammengetragen und auf ihre Genauigkeit hin geprüft worden. Im Ganzen finden wir für Thüringen 52 Säugethiere als vorkommend angegeben, die sich auf folgende Ordnungen ver- theilen : Artiodactyla 4, Rodentia 17, Insectivora 7, Carnivora 9, Chiroptera 15 Arten. Das Kapitel über Vögel ist das umfangreichste, denn die grosse Vorliebe, welche den gefiederten Sängern aus allen Kreisen ent- gegengebracht wird, hat auch aus den verschiedensten Theilen Thüringens eine ganze Anzahl von localen Zusammenstellungen (z. Theil langjähriger Beobachtungen) hervorgerufen, Aus allen diesen bekanntgewordenen und erreichbaren Quellen zieht Verf. das Gesammtergebniss für ganz Thüringen und giebt dasselbe in einer tabellarischen Uebersicht, welche 1. für die in Thüringen brütenden Vögel als den eigentlichen Stamm der hier heimaths- berechtigten Arten lül, 2. für die Durchzügler GO und 3. für die nur ganz vereinzelt einmal als Irrgäste beobachteten Vögel 79 Arten anführt. Es würde hier zu weit führen, auf Einzelnes näher einzugehen. Es mag nur erwähnt werden, dass der Sperling in einzelnen Gebieten selten ist und in einigen hochgelegenen Dörfern vollkommen fehlt, obschon man ihn an- zusiedeln versucht hat. (Der Uhu soll 1893 am Koberfels bei Saalburg gebrütet haben. E. Zimmermann ) Die Reptilien sind mit nur 0 Arten in Thüringen vertreten und zwar 3 Echsen, Lacerta agilis L. und vivipara Jaequ., sowie Anguis fragilis L. und 3 Schlangen, Coronella laevis Mer., Tropi- donotus natrix L. und Vipera berus L. Letztere ist in den Vor- bergen der Buntsandsteingebiete häufiger als auf dem Muschelkalk, wofür natürlich kein directer Zusammenhang der Bodenunterlage mit der geographischen Verbreitung, vielleicht aber der Einfluss des Gesteins in Verbindung mit der Vegetation und dem Klima geltend gemacht werden kann: auf dem häufig etwas moorigen Waldboden des Buntsandsteines findet die Kreuzotter die ihr zusagenden Lebensbedingungen besser als beispielsweise auf dem trockenen Muschelkalk. In der Umgebung von Jena ist z. B. nur 1 Exemplar in mehr als zwei Jahrzehnten bekannt geworden. Die Angaben über das Vorkommen der Sniaragdeidechse, Lacerta viridis L., und der Aeskulapschlange, Coluber Aesculapii, erwiesen sich bei eingehender Nachforschung des Verfassers als nicht stichhaltig, denn sie beruhten auf Exemplaren, welche entweder „aus der Gefangenschaft entwischt" oder falsch bestimmt waren. Die Amphibien haben 16 Vertreter in Thüringen aufzuweisen, 11 froschartige, darunter die Geburtshelferkröte, Alytes obste- tricans Laur., und 5 Molche. Die Verbreitung der Fische, für die 35 Arten angegeben werden, ist durch die verschiedenen thüringischen Fischereivereine, die zur Hebung der Fischbestände unseres Gebietes in den letzten Jahren ausserordentlich viel geleistet haben, genauer bekannt geworden. Der Theil des vorliegenden Werkes, welcher sich mit den wirbellosen Thieren Thüringens befasst. musste natürlich, wie nicht anders zu erwarten stand, bedeutend ungleicher aus- fallen als die Wirbelthiere. Bearbeitungen von einiger Voll- ständigkeit liegen bisher nur für sehr wenige Gruppen vor und andere Gebiete haben überhaupt noch keine Resultate aufzuweisen. Verf. konnte sich daher vielfach nur auf allgemeine Angaben be- schränken und stellenweise nur einzelne Formen anführen, deren Vorhandensein, da sie über ganz Dentschland verbreitet sind, man auch für Thüringen mit Sicherheit annehmen kann. Diese Angaben sind daher nur von untergeordnetem Werth, aber sie durften auch nicht ganz unterbleiben, wenn anders nicht der einheitliche Charakter des Ganzen gestört werden sollte. Verf. hat es aber verstanden, solche Stellen durch Einflechten eigener Beobachtungen und Erläuterungen, namentlich aber durch sehr dankenswerthe Hinweisungen auf die Noth wendigkeit einer aus- gedehnten Bearbeitung glücklich zu überbrücken. Für viele Gruppen der wirbellosen Thiere, namentlich für Glieder- und Weichthiere, sind übersichtliche, umfangreiche und gut durch- gearbeitete Listen über die allgemein und nicht allgemein ver- breiteten Arten mit sehr genauer Angabe der einzelnen Fundorte gegeben worden. Einigermaassen vollständige Listen sind für Grossschmetterlinge, Kleinschmetterlinge, Käfer, Hj'menop- teren, Dipteren und Hemipteren gegeben worden, vielfach mit Unterstützung der verschiedenen ausgezeichneten Ento- mologen Thüringens, von denen hier E. Krieghoff, M. Martini, A. Kellner, 0. Schmiedeknecht, A. Frank und R. Gerbing genannt sein mögen. Einige von ihnen sind schon seit einer langen Reihe von Jahren in ihren Specialgebieten thätig und haben bereits umfangreiche Resultate erzielt, z. B. hat E. Krieghoff für Thüringen 208 Arten Wanzen festgestellt! Die Schnecken haben neben E. V. Martens in Fr. Wiegmann einen ausgezeichneten Bearbeiter gefunden, der in den letzten 17 Jahren allein aus der Umgebung von .lena über 100 Arten gesammelt hat. (Bei der Perlmuschel Margaritana S. 343 ist als reicher Fundort die Wettera bei Raila nachzutragen. E. Zimmermann.) Das Kapitel über die niedersten Thierstämme, Würmer, Pflanzen- >ind Urthiere ist wenig umfangreich, denn in diesen Gebieten ist wenig geleistet worden. Die Angaben über die parasitischen Würmer beziehen sich, wenn wir von einigen Dissertationen über gelegentlich in der Jencnser Klinik beobachtete Fälle absehen, hauptsächlich auf die Arbeiten von J. Ch. Neu- mann und F. Ludwig. Die Kenntniss der niedern Wasserfauna hat im Wesentlichsten nur O. Zacharias durch das Studium des Süssen und Salzigen Sees bei Halle gefördert. (Der Süsswasser- schwamm ist bei Schleiz und Mühltroff stellenweise nicht selten. E. Z.) Die Protozoen haben auch noch keine umfassende Be- arbeitung gefunden; aus der Umgebung von Jena hat Dr. F. Römer in den letzten zwei Jahren gegen 80 Arten beobachtet. Doch lässt sich zur Zeit ihre wirkliche Zahl noch nicht annähernd bestimmen. Auch durch dieses Buch wieder, mit dem hier skizzirten reichen und sorgfältig bearbeiteten Inhalt, mit den gewissen- haften, vollständigen Litteraturangaben und den bedeutungs- vollen Hinweisen auf die Lücken in den bisherigen Forschungen hat der Verfasser sieh ein hervorragendes ^'erdien8t um die natur- wissenschaftlich-geographische Kenntniss von Thüringen erworben und eine sichere und bequeme Grundlage für weitere B^orschungen gegeben Es kann und muss darum auch dieser Band wieder allen Fachleuten, Naturfreunden und Bibliotheksvorstehern auf's Wärmste empfohlen werden. E. Zimmermann für den botanischen, F. Römer für den zoologischen Theil. Helmholtz, Handbuch der physiologischen Optik. Zweite um- gearbeitete AuflagH. Verlag von Leopold Voss. Hamburg und Leipzig. 1894. Die Herausgabe des in seiner Art einzigen v. Helmholtz'schen Handbuches der physiologischen Optik nähert sich ihrer Vollen- dung; denn kürzlich ist von den geplanten zehn Lieferungen des bedeutsamen Werkes bereits die achte erschienen. Leider ist uns inzwischen der grosse Forscher durch den Tod entrissen worden; aber das Werk, welches ihm selbst zu Ende zu führen nicht ver- gönnt war, werden seine Schüler vollenden. Die „physiologische Optik" und die „physiologische Akustik" waren v. Helmholtz' Lieblingskinder, und sie allein schon würden dem berühmten Physiker ein unsterbliches Andenken sichern; in der That gehörte das feine Unterscheidungsvermögen und der umfassende Geist eines Helmholz dazu, um gerade in diesen sonst dem Subjectivis- mus preisgegebenen Gebieten Ordnung zu schaffen und das Gesetz massige herauszuschälen. — Die früheren Lieferungen sind bereits einer eingehenden Besprechung in dieser Zeitschrift Nr. 14. NatiirwisBCuschaftliclic WoclieiiscliriCt. gewürdigt worden, die vorliegende achte Lieferung beendet zu- nächst die Lehre vom Contrast und beliandelt einige subjective Gesichtserscheinungen, wie z. B. die des gelben Flecks, deren f^rklärung bis jetzt noch zweifelhaft geblieben ist. Den Haupt- theil bildet sodann die Lelire von den Gesichtawahrnehiiuingon, welche einige Umarbeitungen und manche Bereicherung crfaliren hat; der erste Absclinittderselben, welcher vonden Wahrnehmungen im Allgemeinen handelt, ist insofern von besondurem Interesse, als er gleichzeitig das philosophische Vermächtnis^ von Helmholtz' enthält: es ist in der Hauptsache noch immer der kritische Standpunkt Kants, den er vertritt; doch wird auch Ficbte's Be- deutung für die Krkenntnissthoorie von ihm gewürdigt. Als be- merkenswerth und im hohen Grade wichtig für die Klärung der hierher gehörigen Fragen möchte ich auf der einen Seite die für die Helmholtz'sche Forschungsmethode charakteristische, strenge Abgrenzung des psychologischen Theils der Physiologie der Sinne gegen die reine Psychologie hervorheben, andererseits auf er- kenntnisstheoretischem Gebiete die gleiche Würdigung der realistischen und der idealistischen Hypothesen, sobald dieselben nicht zu Dogmen erhoben werden. — In dem Streite der Nati- visten und Empiristen steht H. auf der Seite der letzteren; zwei von ihm aufgestellte Sätze mögen seinen Standpunkt kenn- zeichnen: „Keine unzweifelhaft gegenwärtige Empfindung kann durch einen Act des Verständnisses beseitigt und überwunden werden" und ,in unseren Sinneswahrnehmungen kann nichts als Empfindung anerkannt werden, was durch Momente, die nach- weisbar die Erfahrung gegeben hat, im Anschauungsbilde über- wunden und in sein Gegentheil verkehrt werden kann." — Im zweiten Absclmitt werden die Augenbewegungen behandelt, und hier möci te ich besonders die Beobachtungen über die Will- kür bei den Augenbewegungen hervorheben, aus denen z. B, hervorgeht, „dass die Verbindung, w eiche zwischen den Be- wegungen beider Augen besteht, nicht durch anatomischen Mecha- nismus erzwungen, sondern vielmehr durch den blossen Einfluss unseres Willens veränderlich ist." — Dieser Theil enthält auch einige Auseinandersetzungen mit dem bekannten Physiologen E. Hering. Dr. G. Wallenberg. Handbuch der Anorganischen Chemie. Unter Mitwirkung von Dr. Benedict, Dr. Gadcbuscli, Dr. Haitinger, Dr. Lorenz, Prof Dr. xNernst, Dr. Philipp, Prof. Dr. Schellbach, Prof. Dr. v. Som- maruga, Dr. Stavenhagen, Prof. Dr. Zeisel, herausgegeben von Dr. O. Damnier. II. Bd., 2. Theil. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart 1894. — Preis 25 Mk. Das vorliegende gewaltige Opus von 966 Seiten schliesst das grosso Werk, dessen Band III schon früher fertig geworden und in Band IX Nr. 4 der „Xaturw. Wochensch." besprochen worden ist, schnell ab. Unser damaliges gutes Zutrauen in die gewandte Redactionsfähigkeit des Herausgebers hat sich als durchaus ge- rechtfertigt insofern bewährt, als das grosse Werk schneller fertig geworden ist, als es von vorn herein erwartet werden konnte. Nur zwei Jahre sind seit dem Erscheinen der 1. Lieferung bis zum Erscheinen der letzten verflossen. Ks ist in der That ein Werk geboten worden, das in sehr knapper Form und bei einer durch die Sache gebotenen Beschränkung alles enthält, was auf dem Gebiete der anorganischen Chemie sicher bekannt ist. Das Werk bespricht alle Elemente und alle analysirten Verbindungen, sucht aber flüchtige, oberflächliche Angaben fern zu halten und legt besonderen Werth auf möglichste Vollständigkeit der Angaben über die physicalischen Eigenschaften der Körper. Ein allgemeiner Theil, den Herr Prof. Nernst geliefert hat, entspricht dieser Richtung. Der Gesammtpreis der vier sehr starken Bände (I, II, 1 u. 2, III) beträgt 88 Mark. In chemischen Laboratorien und chemischen Bibliotheken ist das Werk unentbehrlich. Der vorliegende Theil bespricht das Kalium, Natrium, Lithium, Rubidium, Cäsium, Ammonium, Calcium, Strontium, Baryum, Beryllium, Magnesium, Zink, Cadmium, Blei, Thallium, Kupfer, Silber und Quecksilber. Bulletin of the geological Institution of the University of Upsala cdited bei Hj. Sjögren. Vol. I. (1892—1893). Up- sala 1894. — In diesem neuen, bemerkenswertlien ,.Bullotin" wird ausschliesslich die französische, deutsche und englische Sprache zugelassen werden, die ja jeder Gelehrte kennen nuiss. Ks ist dieser Entschluss sehr zu loben und zeugt von sachlicher Urtheils- fähigkeit diu- Leitung des Geological Ins'r. of the Univ. of Upsala. an der sieh diejenigen ein Beispiel nehmen könnten, die gern für ihren Patriotismus Propaganda machen, wo es nicht hingehört. Der vorliegende Band von 295 Seiten mit Textabbildungen und VIII Tafeln bringt die folgenden Artikel : 1. Sjögren, Hj., Con- tributions to Swedish .Mineralogy. Parti (Plate I— V). — '2. Wi- man, Carl, Ueber das Silurgebiet des Bottnischen Meeres. I. — 3. N o rd e nsk jöld , (Itto, Zur Kenntniss der s. g. Hälleflinteu des nordöstlichen SmäUinds. Vorläufige Mittheilung. — 4. Anders- son, J o h. Gunnar, Note on the occurrence of the Paradoxides ölandicuszone in Nerike. — 5. N ord e nsk jö Id , Otto, Krystallo- graphisclic Untersuchung einiger o- Nitro und o - Amido- benzyl- derivate (with (i fig ). — G. The Students' Association of Natural Science, tfpsala. Geological and Physico-CTeographical Section. — 7. Wim an, Carl, Ueber Diplograptida- Lapw. (Plate VI). — 8. Nor denskjöl d, Otto, Ueber basische Ergussgesteine aus dem Elfdalener Porphyrgebiet. — 9. Wiman, Carl, Ueber Mono- graptus Geinitz (Plate VII). — 10. Munthe, Henr, Ueber die sogenannte „undre grälera" und einige darin gefundene Fossilien. (Vorlaufige Mittheilung). — 11. N ord enskjö Id , Otto, Ueber archäische Ergussgesteine aus Smäland (Plate VIII — IX, b fig. and one sketsh-map). — 12. Wiman, Carl, Ueber die Silurformation in .Jemtland (with 1 fig.). — 13. Sjögren, Hj., On Large Fluid Inclosures in Gypsuni from Sicily. Behrens, Prof. H., Anleitung zur mikrochemischen Analyse. Hamburg. — 7 M. Blochmann, Prof. Dr. Rhart., Anleitung zur Dai-stellung chemi- scher anorganischer Präparate für Chemiker und Pharmazeuten. Leipzig. — 2,20 M. Capesius, Dr. J., Der Aperceptionsbegriff bei Leibniz u. dessen Nachfolgern. Hermannstadt. — 1 M. Dodel, Prof. Dr. Arnold, Moses oder Darwin? 5. Aufl. Stutt- gart. — 1 M. Eberhard, Prof. Dr. V., Die Grundgebilde der ebenen Geometrie. 1. Bd. Leipzig. — 14 M. Eisler, Dr. Rud , Kritische Untersuchung des Begriffes der Weltharmonie und seiner Anwendung bei Leibniz. Berlin. — 1,20 M. Poerster, Dir. Dr. Wilh. und Astronom P. Lehmann, Profif., Die veränderlichen Tafeln des astronomischen und cluono- logischen Theils des königl. preuss. Normalkalendei's für 1896. Berlin. — 5 M. Grebe, Dr. C, Die Dynamik der Photochemie. Cassel. — 0,50 M. Gundelfinger, Sigm , Vorlesungen aus der analj'tischen Geometrie der Kegelschnitte. Leipzig. — 12 M. Hrabäk, Oberbergr. Prof. Jos., Practische Hilfstabellen für loga- rithmisclie und andere Zahlenrechnungen. 3. Ausgabe. Leipzig. 3 M. Hume's, Dav., Traktat über die menschliche Natur. Hamburg. — 6 M. Kiepert, Dr. Rieh., Karte der Nyassa-Expedition des Ciouverneurs Obersten Frhr. von Scheele Berlin. — 7 M. Klebs, Dr. Rieh., Ueber das Vorkommen nutzbarer Gesteins- und Erdarten im Gebiet des masurischen SchifFahrtskanals. Königs- berg. — IM. Lampa, Dr. Ant., Naturkräfte und Naturgesetze. Wien. — 3,30 M. Leuckart, Dr. R., Wirbelthiere. Cassel. — 6 M. Ludwig, Prof. Gymn.-Oberl. Dr. Frdr., Lolnbucli der Biologie der Pflanzen. Stuttgart. — 14 iM. Slarchlewski, Dr. L., Die Chemie des Chlorophylls. Hamburg. — 2 M. Möller, Alfr , Brasilische Pilzblumen. Jena. — 11 M. Moesch, Dr. Casimier, Geologische Beschreibung der Kalk- und Schiefergebirge zwischen dem Reuss- und Kienthal. Bern. — 21 M. Pfeffer, Dr. Geo, Die Entwickelung. Berlin. — 1,20 M. Reicke, Rud., Lose Blätter aus Kants Nachlass. 2. Heft. Königs- berg. — SM. RoUier, Louis, Structure et histoire geologiques de la partie du Jura central comprise entre le Doubs (Chaux-de Fonds), le val de Delemont, le lac de Neuchätel et le Weissenstein. Born. — 12 M. Schenck, Privatdoc. Assist. Dr. F., Physiologisches Practicum. Stuttgart. — 7 M. Schenkel, Hans, Kritisch - historische Untersuchung über die Theorie der Gammafunction und Euler'schen Integrale. Uster- Zürich. — l,.iO M. Schuberg, Dr. Aug., Carl Semper f. Wiesbaden. — 3 M. Inhalt: Prof Dr. A. Nehring: Ueber neue P\inde von Klinge tungswassers in der Zeit vom November 1891 bis März 1894. See. — Ueber „Zwischenformen" bei Formica rufa und ihre Aufgaben. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: — Helmholtz, Handbuch der physiologischen Optik. — llaiji Institution of the University of Upsala. — Liste. bei Kottbus. — Bericht über die Untersuchung des Berliner Lei- — Ueber die wechselnde Quatität des Planktons im grossen Plöner Bedeutung für die W^eissmann'schen Lehren. — Flugtechnische Prof. Dr. Fritz Regel: Thüringen. F^in geographisches Handbuch. Iliuch der Anorganischen Chemie ~ Rnlleiiu iif the gi'ological 17(3 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 14. R. Friedläuder & Sohn, Berlin NW., Carlstr. 11. Soeben erschien: Die Entwickelung. Eine natvirwissenschaftliche Betrachtung. Von I)r. Ciieorg Pfeffer. Preis M. 1,20. Naturwiss. u. poi::; iM.'.i.AntiquarialskatalogtV:inco grat. von Krüger & Co., Leipzig. ^:^Jntcut = tini)cr = ^^ultc für ftaui- grbritnd), ücrfteübar uom G. — 18. in clcgantcftcr 3Iu§fii5rung. 3terbc einc§ jcben ©nlort§. (frftf frnnkcntlinicr Sdjiilliaiilifnlirili franltnitljnl, Sifjeinpfalä. Sleltefte unfa größte ga6rif ®uropa§. ^obiitiition oU.(El)|"temctioii®cl)uUiänten a«f" neuclle (Sonßrucfioitcn "^^ 2;urngcrät£)c, eifcnmübcl :c. Sotaloge grat. lt. franco. Vertreter gc[. atenl-technisches und I Verwerthung-Bureau Betclie. BerUn S. 14, Neue Rossstr Herrn. Klägeri Knillcmeistor Berlin SO.. .\. R. (i. ISüil. Ot'Str. I'atciit 10916. Desgleichen ofterire weisse lu- sckteunadeln in bcltannter Güte. — Proben gern zu Diensten. — Ljpfe- ranl des K^l. .Museums für Naiurk., Berlin. Pateiitbureaii Ulrich R. Maerz, Berlin NW., Louisenstr. 22. := Gegründet 1878. = Patent-, Marken- und Muster- schutz für alle Länder. Sammlungs-Schränke für Sammlungün jeder Art in den verschiedensten Ausführungen. Rudolph Zwach Ti.sclilerniei.ster. BERLIN, Invalidenstrasse 101. Lieferant der Königl. Berg-Aka- demie, Landwirthschaftl. Hoch- schule und Museum für Natur- kunde. 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Apotheken, Drogen-Geschäften u. s. w. » ! . R Verantwortlicher ßedacteur: Dr. Henry Potouiii, Gr. Lichterfelde (P.-B ) bei Berlin, Potsdanierstr. 35, für den Inseratentlieil: Hugo l5i Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlors Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ^^^ Redaktion; f Dr. H. Potonie. Verlag : Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den 14. April 1895. Nr. 15. Abonnement: Man abonnirt bei aUen Buchhandlunfcen und Post- y anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrapreis ist Ji 4.— dfD Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. JL Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Qaellenansabe gestattet. Nachrichten über Solanum rostratum Dunal aus dem Jahre 1894. Von P. Ascherson. u Vor etwa anderthalb Jabren errege das Auftreten der in der Uebersehrift genannten, auflallenden, .stachligen, gelbblühenden Nachtschatten-Art aus dem nordameri- kanisehen Prairie-Gebiet berechtigtes Aufsehen. Die in wenigen Spätsommer- und Hersbtwochen zahlreich ein- laufenden Mittheilungeu über das Erscheinen derselben Hessen, in Berücksichtigung der Erfahrungen, die im Vaterlande der Pflanze über ihre Verbreitungsfähigkeit als lästiges Unkraut gemacht worden sind, es als wahrschein- lich erscheinen, dass hier ein neuer, sehr expansionsfähiger Einwanderer in die europäische Flora bei seinem ersten Erscheinen betroffen sei, und die Befürelitung war nicht ganz unberechtigt, dass unserer Landwirthschaft ein neuer Feind in Gestalt einer neuen „Wucherblume" zu erstehen drohe. Diese Erwartungen haben sich nur in sehr be- schränktem IMaasse erfüllt, seitdem ich in diesen Blättern ül)er die bis dahin vorliegenden Beobachtungen dieses neuen Unkrautes ausführlich berichtete.*) In Folge dieser Veröftentlichung, sowie der vorhergehenden des Heraus- gebers dieser Zeitschrift**) und einer Notiz, die Herr Dr. U. Dammer im „Daheim'^***) über den Gegenstand mittheilte, sind uns nur eine verhältnissmässig beschränkte Zahl von Beobachtungen bekannt geworden und nur die Minderzahl bezieht sich auf ein neues Auftreten der Pflanze im Jahre 1894-, die meisten sind retrospective Feststellungen eines bei seinem Auftreten unerkannt gebliebenen Fremdlings. Immerbin wird das von der Pflanze eingenommene Gebiet dadurch bis nach Thüringen und in entlegene Tliäier der Vogesen und des Schweizer Jura vorgeschoben, und als die Zeit ihres ersten Auf- *) „Naturw. Wochenschr.-^ 1894, Bd. VIII, S. 17-22. •*) „Pharmac. Zeitung" 21. Octüber 1893. ***) Nr. 10, 9. December 1893. tretens schon die Mitte des vorigen Jahrzehnts nach- gewiesen. Im Grossen und Ganzen sind aber die Zweifel^ ob unser so oft kühler und feuchter Herbst für die Samen- bildung dieser einjährigen Pflanze günstig sei und die Vermuthung, dass schon dieser Umstand genüge, um eine gefahrdrohende Verbreitung denselben hintan zu halten, über meine Erwartung hinaus bestätigt werden. Sehr lehrreich sind in dieser Hinsicht die Wahrnehmungen desjenigen Beobachters, der die Pflanze bei uns am längsten, nämlicli in vier auf einander folgenden Jahren beobachtet hat. Herr Lehrer K. Bahr in Mannheim schreibt am 12. März 1895: „Ihre Anfrage vom 6. d. M. beantwortend, theile ich Ihnen mit, dass ich Solanum rostratum im Jahre 1894 nur vereinzelt gefunden habe. Ich hatte mir auch im verflossenen Jahre zur Aufgabe gemacht, besonders die sog. Adventivpflanzon innci-lialb des Hafengebietes und in der nächsten Umgeliung .Mannheims genau zu beobachten. Zu diesem Zwecke richteten sich fast alle meine Spaziergänge nach genannten Gebieten, wobei ich höchstens fünf Mal Gelegenheit hatte, Sol. rostr. zu sehen; einmal an einem Orte, welcher fern ab vom Hafen liegt, und mit diesem in keinerlei Verbindung steht. Die in der Pharmac. Ztg., Nr. 84, 1893 ausgesprochene Befürchtung bez. der Verbreitung kann ich auf Grund im hiesigen Schulgarten gemachter Erfahrungen nicht ganz theilen.*) Ich habe nämlich gefunden, dass die Samen von Sol. rostr. nur dann gut ausreifen, wenn der Herbst *) Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass icti mich 1. c. mit der grösstmöglichen Vorsicht ausdrücke, indem ich nur von einer „möglicherweise sich entwickelnden Gefahr" spreche, und dass ich überall in gleicher Weise durch Zusätze wie „eventuell" an jeder Stelle hervorkehre, dass eben die Eventualität der Gefahr oder Nicht-Gefahr noch zu coustatiren bleibt. — P. 178 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 15. von milderer Temperatur ist. Weiter glaube ich, die Wahrnehmung gemacht zn haben, dass von den zahl- reichen Samen, die von einer Pflanze hervorgebracht werden, nur wenige keimfähig sind. Ich sammelte näm- lich in den letzten zwei Jahren Samen der verschiedensten Stöcke; dieselben wurden im hiesigen Schulgarten aus- gesäet und mit grosser Sorgfalt behandelt. Die wenigsten aber zeigten sich keimfähig. Zu obiger Annahnie kann ich noch als Beweis anführen, dass ich da, wo Sol. rostr. blühte und reifte, im nächsten Jahre keine einzige Pflanze fand, trotzdem sie in vielen Exemplaren vertreten war, der Boden ein guter ist und der Ort selbst sich in geschützter Lage befand. Gestatten Sie mir nun über die Verbreitung und das Ueberhandnehmen meine Ansicht dahin zn äussern, dass das Vorkommen der betr. Pflanze stets auf erneuter Ein- schleppung der Samen beruht und nur in einzelnen Fällen der Samen bei uns zur Reife gelangt. Von einem schäd- lichen Ueberhandnehmen wird also wohl nicht die Rede sein können." Die von Herrn Bahr ausgesprochene Ansicht scheint auch mir wohlbegründet. Von wiederholten Beobachtungen an bereits von mir erwähnten Fundorten sind ausserdem nur noch Hamburg und Kopenhagen zu nennen. In der Nähe ersterer Stadt sammelte sie Lehrer Jaap 1894 bei der Wandsbeker Dampfmühle. Der vorzügliche Kenner der dänischen Flora, namentlich auch der Gattung Rubus, Herr Apotheker 0. Gelert, welcher seit einigen Monaten in Tanger- münde in der Altmark weilt, und in der dortigen, früher von Professor Hart wich so gut durchforschten Gegend manchen interessanten Fund gemacht hat, theilte mir auf der Durchreise in Berlin mit, dass Solanum ros- tratum 1894 wieder auf der Insel Amager in der Nähe Kopenhagens und ebenfalls von Stud. mag. Ostenfehlt- Hausen, aber an einer anderen Stelle als 1893 beob- achtet worden sei. Die neuen Fundorte sind, in der Richtung von Nord- osten nach Südwesten aufgezählt, folgende: 1. Greiz (Fürstenthum Reuss ä. L.). Ich erfuhr von dem Auftreten unserer Pflanze daselbst zuerst durch eine mündliche Mittheilung des bekannten Mykologen Ober- lehrer Di etel- Leipzig, die mir dann durch eine schrift- liche meines verehrten Freundes, des auf dem Gebiete der Pilzkunde und Biologie gleich verdienstvollen Pro- fessors F. Ludwig bestätigt wurde. Beide Herren haben im Jahre 1893 auf einem Neubau-Platze des Pohlitz- berges ein einziges Exemplar beobachtet. 2. Rheydt (Reg.-Bez. Düsseldorf). Herr August Goeters theile in Folge der oben erwähnten Notiz des Dr. Danmier mit, dass er Sol. rostr. 1893 in mehreren Stöcken in der Nähe dieser Stadt gesehen habe.*) Auch am 6. August 1894 stand an derselben Stelle ein Exemplar bereits in ßlüthe; eine Anzahl (gegen ein Dutzend) kleine- rer waren noch nicht so weit entwickelt. 3. Biebrich am Rhein (Reg.-Bez. Wiesbaden). Herr Hof-Apotheker A. Vigeuer fand im Sommer 1892 am Rheinufer zwischen dort und dem Schiersteiner Hafen ein einziges Exemplar. Der Beobachter vermuthet, möglicher Weise mit Recht, dass dasselbe durch Anschwemmung aus dem Mannheimer Hafengebiete dorthin gelangt sei (briefl. Mitth. an mich). 4. AV^i es baden. In der Nähe des Dorfes Sonnen- berg vom Lehrer a. D. Ch. Leonhard Ende Juli 1894 beobachtet und an Herrn Dr. Potonie eingesandt. die dortige Jahre zum *) Vgl. Ascherson, Veih. Bot. Ver. Brandenburg. XXXV. (1893) S. XLIV. 5. Kreuznach. Das Vorkommen daselbst hat ein besonderes Interesse, weil es bisher die älteste Beobachtung der Pflanze auf europäischem Boden darstellt. Leider ist das Jahr dieses Auftretens uicht ganz sicher, da der Ent- decker, mein alter Freund, Oberlehrer L. Geisenheyner, dem die dortige Flora und Fauna so manche schöne Beob- achtung dankt (ich erinnere u. a. nur an die Entdeckung einer von den doi'tigen Einwohnern „Scheerenschlifter" genannten echten Cikade) die (mir zur Ansicht übersandte) Pflanze Anfangs für einen Gartenfluchtling hielt und daher unbeachtet und selbst uuetikettirt in seinem Herbar liegen Hess. Er fand ein Exemplar im kiesigen Nahebette, am wahrscheinlichsten im Jahre 1885 oder 1886, jedenfalls nicht S])äter. Seitdem hat sich die Pflanze dort nicht mehr blicken lassen. Wenn das letztere Datum richtig wäre, würde sich das Vorkommen sehr einfach erklären, da Getreide - Grosshandlnng Stern in diesem ersten Male amerikanischen Weizen bezogen hat. Früher dürfte dies in der ganzen Umgegend (Mann- heim vielleicht ausgenommen) nicht geschehen sein. Dieser Weizen ist etwa am 10. — 13. August 1886 dort angekommen, in Säcke gefüllt worden und der Sand und sonstige „Unreinlichkeiten" an der Stelle des Nahe-Ufers ausgeschüttet worden, an der Herr G. seit 1885 so viele interessante südosteuropäisehe Adventivpflanzen beobachtet hat, die wohl grösstenthciis von dem Ausputz des Stern- scheu Getreides herstammen. 6. Strassburg i. E. Herr Referendar H. Petry, einer der besten Kenner der Flora des Reichslandes, fand im September 1892 ein Exemplar auf dem unbetretenen Theile eines kiesigen Weges zwischen Musau und Ziegelau (briefliche Miftheilungen an mich). 7. Metzer al im Münsterthale (Kreis Ober-Elsass). Herr F. Seh er er in Mühlhausen theilt mit*), dass die Pflanze 1893 auf einem Schutthaufen in der Nähe eines abge- brannten Hauses gefunden, aber erst später von Herrn Ober- lehrer Hett in Mühlhausen bestinunt wurde. 1894 wurde sie vergeblich gesucht, da die Stelle inzwischen in Garteu- land verwandelt worden war. Metzeral hat übrigens Eisenbahnverbindung mit dem 25 Kilometer entfernten Kolmar. 8. Champ du Moulin (Canton Neuchatel). Der Ent- decker, Apotheker 0. Schelling in Fleurier, der die Pflanze Anfang September 1894 an Heirn Dr. Potonie zur Bestimmung einsandte, schreibt über den Fund fol- gendes Nähere: „Ich fand Sol. rostr. in einem einzigen Exemplar bei Champ du Moulin, einem Engthal in der Nähe von Neu- chatel, an deren einem Bergabhang die Linie Neuenburg- Paris durchgeht. Moereshölie 630 m. In der Nähe wohnen italienische Erdarbeiter. Charakter der Flora: Aus- gesprochen jurassisch. — Als ich im October wieder hin kam, war die Pflanze fort-, ein kleines Mädchen, das sie gesehen hatte, sagte mir, man hätte sie der hässlichen Stacheln wegen ausgerissen und in den Fluss (La Reuse, die in den Neuenburgersee mündet) geworfen". Die Be- ziehungen zum Eisenbahnverkehr lassen auch hier an Deutlichkeit nichts zu wünschen. So viel ist mir bis jetzt bekannt geworden. Für weitere Mittheilungen werde ich selbstverständHch dank- bar sein. Weniger auifallend als dies inuuerhin bis jetzt spär- liche Auftreten im Binnenlande Europas, ist die That- sache, dass Solanum rostratum auch in Amerika sein Wohn- gebiet nach allen Richtungen erweitert und schon die *) Mitth. der Philomath. Gesellschaft in Elsass-Lotliringen 1895, Heft I, S. 51. Nr. ir>. Natnrwisscnscbaftliche Woclicnschrift. 179 Kttste des Stillen Oceans erreicht hat. Geheimrath WittinacU fand sie 1893 in der Nähe einer Eisenbahn- station in Montana. In Oregon wurde sie in der Nähe von CoUnnbus bez. di'in nahe gelegenen Sellsville gefunden.*) *) A. B. Scll)v in Bot. Gazetto XVI, 1891, S. 148, 149 und W. R Laconbv ih Bull. Toney Bot. Club. XVIII, 1891, S. 301, 302 und Bot. .Iahi»>sbor. 1891, II", S. 111, 11-2. Ferner macht mich Professor Huth darauf aufmerksam, dass nach einer Mittheilung von Anstruther Davidson in Erythea I. Berkeley 1893, S. 98, diese Pflanze von Dr. Hasse bei South Santa Monica, Los Angeles County in Süd-Californien an einem Teichrande gefunden ist. Für beide Paeific-Staaten ist das Auftreten der Solanimi rostratum neu. Christian Gottfried Ehrenberg zu seinem 100. Geburtstage.*^) t Es sind .jetzt 100 Jaln'c seit der Geburt Chr. Gottfr. Ehrenberg's verflossen; er wurde am 19. April 1795 in Delitzsch geboren. „Die redliche Art, wie Ehrenberg be- sclieiden und ptliclitbewusst, unausgesetzt thätig und doch nicht ohne poetisches Empfinden durchs Leben ging, enthält so liebenswürdige Züge, dass es uns Familien- ])flicht schien — sagt Dr. M. Laue, Hilfsbibliotiickar an der Kgl. Bibliothek in Berlin, in seinem Buch über Ehren- berg — zu seinem Jubiläumstage das Bild des uns schon vor fast 20 Jahren Entrissenen . . auch einem grösseren Kreise zu zeigen."**) Zur Zeit der Geburt unseres Gelehrten war sein Vater Hospital- Vorsteher. Im October 1809 kam Ehreu- berg nach der Fürstenschnle in Pforta. Wegen seiner Liebe zur Pflanzenwelt wurde er hier später zum Vorstand des Primaner - Gartens gewählt und schon vor seinem Eintritt in die Fürstenschule hatte sich sein Sinn für die Natur namentlich durch Sammeleifer kund gcthan, und das auf der Schule bevorzugte Studium der alten Sprache vcrmoclite seine Leidenschaft für die Botanik nicht zu verdrängen; Naturwissenschaften wurden in Pforta über- haupt nicht gelehrt. Zwanzig Jahre alt bezog Ehrenberg die Universität Leipzig, um widerstrebend auf Wunsch seines Vaters Theologie zu studiren. In dem Tagebuch des Vaters findet sich dann aber die Notiz: „Dem Theo- logen gefiel sein Studium nicht. Nach einer in der Kirche zu Euteritzsch gehaltenen Predigt gab er es auf und wählte das Studium der Arzneikunde, wozu ihn sein Hang zur Botanik bestimmte. Ihn auf dem gewählten Wege zu stören, mag ich nicht. Gott leite seinen Weg!" Als Medieiner konnte er die Naturwissenschaften pflegen; aber da ihm u. a. die Behandlung des natur- wissenschaftlichen Studiums in Leipzig nicht befriedigte, ging er 1S17 nach Berlin, wo er mit einer botanischen Dissertation über Pilze im November 1818 promovirte und auf Dräugen seines Vaters auch zu prakticiren anfing, dabei aber über die Freudlosigkeit bei den Kuren incu- rabler Dinge klagte. Nach bestandener Staatsprüfung wünschte sein Vater, dass der Sohn sich als Arzt in Delitzsch niederlassen möchte. Ehrenberg aber schrieb ihm: „Zu Ostern 1819 möchte ich allerdings Berlin ver- *) Die sachlichen Angaben nach dem Buche von i\Iax Laue .Chri.5tian Gottfried Ehrenberg. Ein Vertreter deutscher Natur- forschung im 19. Jahrhundert." (Julius Springer in Berlin 1895). Vergl. weiter hinten unter Litteratur. **) Die Ehrenberg auszeichnende harmlose Liebenswürdigkeit und wanne Freundlielikeit auch dem Geringsten gegenüber konnte zu seiner Freude auch der Unterzeichnete geniessen. Es ist ihm ein Zusammentreft'en mit Ehrenberg Anfang oder Mitte der siebenziger Jahre eine seiner freundliclisten Jugend-Erinnerungen. Schon als Schulknabe beschäftigte ich mich eingehender als dies .'sonst in dem Alter gewöhnlich ist, mit naturwissenschaftlichen Dingen, und Ehrenberg, der Kunde davon hatte, dass ich nament- lich für die Betrachtung der Flora unserer Heimath eine besondere Neigung hatte, schien eine Freude darin zu finden, mich zu prüfen, indem er sich die wissenschaftlichen Namen einer Anzahl getrockneter Pflanzen sagen Hess, die zwischen zwei als Fenstei'- vorsetzer benutzten Glasplatten aufgewahrt wurden. | — P, lassen haben, allein ob auch die Wissenschaften, das kann ich Ihnen noch nicht gewiss versprechen. Ist mir irgend eine Hoffnung übrig, so greife ich zu und belästige meine Vaterstadt nicht mit dem 11. Arzte." Das Verdienst der ersten Veröffentlichungen Ehrenberg's geht sehr schön aus den folgenden Gegenüberstellungen hervor. C. G. Nees von Esenbcck hatte definirt: „Pilze sind organische Gebilde, die sich aus dem einfachen Zer- fallen der organischen Systeme der Erde in ursprünglichen Kugelformen entwickeln und durch die Dehnung nach entgegengesetzten Kiclitungen ihre Gestalt evolviren. Sie können betrachtet werden als Pflanzenatome, die das Licht aus der ersterbenden Substanz hervorruft," Man nahm an, dass die Pilze aus faulenden Stoßen ohne Weiteres auf dem Wege der Urzeugung entstehen. Ehren- berg sagt jedoch in derselben Zeit: „Noch nie ist mir ein Pilz vorgekommen, dessen Enstehung ich hätte noth- w endig der Einwirkung einer Generatio aequivoca zu- schreiben müssen, und doch darf uns nur die erkannte Nothwendigkeit von der Analogie abziehen" . . . „Doch ich will im Urtheil nicht vorgreifen, sondern fortfahren, Resultate zu sammeln, und diese späterhin dem Urtheil der Urtheilsfähigcn vorlegen." 1820 schloss sich Ehrenberg mit dem Zoologen Wilh. Friedr. Hemprich auf Empfehlung der Berliner Acad. der Wiss. dem General Job. Heinr. von Miuutoli an, der eine antiquarische Reise nach Egypten unternehmen sollte. Auf der Reise nach Triest, dem einen Sammelort der Expedition, über Wien, schloss sich hier den beiden Freunden als freiwilliger Begleiter und Gehilfe ein Ver- wandter Ehrenberg's, der Kunstdrech,sler Wilh. Söllner, an. Ausser diesen begleitete den General, wenigstens zunächst bis Alexandrien, noch die Wittwe eines bei Waterloo gefallenen Obersten von Watzdorfif, geb. Gräfin (Wolfradine) v. d. Schulenburg, die er in Triest heirathete. Die Reise dauerte b Jahre. Neun Mitglieder der von Alexan- drien aus autbrechenden Expedition fanden den Tod, unter diesen auch Hemprich und Söllner. Von den Mitgliedern derselben sind noch zu nennen als Orientalist der katho- lische Theologe Dr. Augustin Scholz, der Architcct Prof. Liman, der italienische Baumeister Gruoc, und der italienische Offizier Boldrini, diese zur speciellen Unter- stützung Minutolis, der die historischen Interessen vertreten wollte. Einige in Afrika gewonnene, nicht wissenschaft- liche, Begleiter vervollständigten die Truppe, die von über 35 Beduinen begleitet wurde. Auf der Expedition lag ein Unstern. Beim Durch- marsch durch die libysche Wüste, um nach der Cyrenaica zu gelangen, unternahmen Liman, Hemprich, Scholz und Boldrini einen Abstecher zum Besuch eines fernen Kastells, kehrten aber nicht wieder zurück: sie hatten sich verirrt und wurden erst am folgenden Tage wiedergefunden. Der Beduinenführcr verschwand auf mehrere Tage und die Begleitmannschaft war disciplinlos. In Bir el Ghor theilte sich die Karawane. Minutoli ging nach Kairo zurück, die deutschen Gelehrten aber beschlossen, mit 180 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 15. 16 Arabern die Expedition fortzusetzen; sie bestand jetzt aus 25 Personen und 29 Kanieelen. Aber auch die Naturforscher mochten der feindlichen Haltung der Ein- gesessenen nicht zu widerstehen und beschlossen schliess- lich 7 Tagereisen vor der Stadt Derna den Rückzug, der fluchtartig und unter grossen Mühsalen verlief, an deren Folgen rrof. Linian in Alcxandrien und Söllner auf dem Wege von hier nach Kairo star])en. Von den Gefährten Minutoli's starb Gruoc. Die hoffnungsvolle Gesammt- karawane war so wesentlich verkleinert und überdies zersprengt. Wie konnte eine so gut vorbereitete, gut zu- sammengesetzte und gut empfohlene Expedition so kläg- lich scheiternV fragt Laue. — Heute wissen wir, was die Expedition damals nicht ahnen konnte, dass von weit her die konnnenden politischen Ereignisse, der aufglim- mende Freiheitskampf der Hellenen, ihre dunkeln Schatten über die Unternehmung warfen. Der später ja so hervor- ragend au diesem Kriege betheiligte egyptische Pascha Mehemed Ali sah natürlich schon damals weiter und traf mit doppelzüngig orientalischer Politik seine Maassnahmen gegen die europäische Reisegesellschaft, von der er nicht wissen konnte, ob sie nur wissenschaftliche Zwecke ver- folgte, zumal ein General an ihrer Spitze stand. Darum empfing Mehemed Ali zwar den Herrn v. Minutoli äusserst liebenswürdig und war zu jeder Unterstützung des Unter- nehmens bereit, doch war die äusserlich sehr zuvorkom- mende Förderung der Entdeckungsreise so beschaffen, dass sie — wie sich natürlich erst zu spät zeigte — mehr schaden wie nützen konnte. Zwar besass Minutoli einen grossherrlichen Firman, der reichte aber nicht bis Tripolis, und nun war Mehemed Ali sofort freundlich bereit, durch Empfehlungsbriefe an die Herrscher in Benghasi und Derna der Reisegesellschaft auch den Weg über die Grenze hinaus zu bahnen. An die Spitze der Karawane setzte er selbst den Beduinenbäuptling Hadj Endaui, einen angesehenen und bewährten Krieger, der aber den Stämmen jenseits der Grenze bitter verfeindet war und — wie sich dann auch bald zeigte — nicht wagte, nach Tripolis vorzudringen. Auch hatte derselbe das Eroberungscorps nach der Wüstenoase Siwah geführt und war darum dort tödtlich gehasst, so dass dadurch dem General, den er schützen sollte, die grössten Unan- nehmlichkeiten entstanden und genaue wissenschaftliche Untersuchungen der Ruinen vereitelt wurden. Ferner hatte der egyptische Herrscher die Araberescorte der Reisenden bunt aus den verschiedensten Stämmen zu- sammensetzen lassen mit der einleuchtenden Begründung, dass dann überall einer der Schaar die Vermittelung mit fremden Stämmen übernehmen könne, die wirkliche Folge dieser Maassregel war aber steter Zank unter den Beduinen und tägliche Hindernisse, welche dadurch nebst vielfachem Aerger allen Europäern bereitet wurden. Und die Kunde von der drohenden Erhebung christlicher Untcrthanen gegen den Grossherrn in Konstantinopel war schon weit in das Volk und tief in die Wüste gedrungen, darum führten die arabischen Begleiter den Zug immer so fern wie möglieh vom Meere im vegetationsärnieren Landinnern, denn die Bevölkerung glaubte, jenes europäische Recognoscirungs- corps suche geeignete Häfen für Landungsplätze; an der tripolitanischen Grenze wurde ihnen sogar das Wort „Spione" geradezu ins Gesicht geschleudert. Alle diese Gründe hat auch Minutoli am Beginn seiner Darstellung zusannncngefasst, auch eine Andeutung auf die Rivalität anderer Europäer in Alcxandrien dabei miteinfliessen lassen, einen Grund aber erwähnt er nicht, und gerade der dürfte die Hauptschuld am Misslingen des Reiseplanes tragen. Er liess nämlich seine junge Frau, die er sieh erst im Hafen, von welchem das Schift' ihn nach Afrika trug, hatte antrauen lassen, in Alcxandrien zurück, und war so nur mit halbem Herzen beim Werk, er „legte die Hand an den Pflug und schaute zurück", und als er beim ersten ernsthaften Hinderuiss zu ihr zurück nach Kairo ging, war das Geschick der Expedition entschieden, da alle Empfehlungen und Verträge sich auf seine Person bezogen. Zeugen von Ehrenberg's Fleiss auf dieser Reise finden sich in den Berliner zoologischen und botanischen Samm- lungen ; wesentlich sein Verdienst war die Cartirung einer bis dahin im Detail unbekannteu Küstengegend und end- lich verdient Erwähnung, dass er schon damals die Wüste als Gesteinsplateau charakterisirte. Er schildert anschau- lich die grosse ebene Wüstenplatte aus Nummulitenkalk mit den mannigfachen Versteinerungen, durch welche sein Rückzug ging, als glatt und eben und nur von darüber- laufendem Sande zeitweilig und stellenweise bedeckt, „mit der ausgedehnten Oberfläche unserer Chausseen" ver- gleichbar. Mit der alten Theorie eines einzigen gewaltigen Sandmeeres wurde also gebrochen. Von Kairo aus, wo sich die beiden Naturforscher länger aufhielten, wurden eifrig Exkursionen gemacht. Aus Kairo brachten sie die ersten Apissehädel mit nach Europa. Auf einem Marsch nach der künstlichen Oase Medinet el Tayum erkrankte Ehrenberg bedenklich, sodass er schliesslich wieder nach Kairo zurückkehren musste, und Hemprich schrieb an Prof. Lichtenstein in Berlin, dass es zu Ende gehe, und er kaum noch für den andern Tag Hoffnungen habe. Leider sandte Lichteustein diesen Brief an Ehrenberg's Vater nach Delitzsch, und da diese Hiobspost für lange Zeit die letzte Kunde aus Afrika war, so betrauerte man Ehrenberg daheim ein ganzes Jahr lang für todt, bis plötzlich wieder Nachricht von den Reisenden kam. Und was war schliesslich des Räthsels Lösung? Der preussische Konsul in Triest, Karl Friedrich Brandenburg, hatte nicht nur die Gelder der Reisenden, sondern auch ihre gcsamnite Korrespondenz unterschlagen, was erst nach Jahr und Tag sich herausstellte, aber den Forschern ihre mühsame Arbeit noch recht erschweren sollte. Nach seiner Genesung reiste Ehrenberg dem Freunde in das Fayüni nach. Dort befiel aber gleich die kleine Expedition ausser Hemprich eine störende Augenkrankheit; ein mitgenommener deutscher Diener Namens Franz starb an Dysenterie. Nach dreiwöchentlichem Aufenthalt Ehrenberg's, während welcher Zeit er „nur einen Tag sehend war", kehrten sie wieder um. In Kairo wurde nun wieder gerüstet und zwar mit dem grossen Plane, den Sudan zu erreichen. Auf dem Wege dahin nilautwärts musste Ehrenberg dem gastfreund- lichen Gouverneur von Dongola Abdim Bey eine kleine Festung für 300 Reiter und 3 Kanonen bauen helfen zur Befestigung seiner Besitzung Neu-Dongola (El' ( »rde). Von Dongola aus wurden wieder wie stets, wenn irgend- wo Aufenthalt, Exeursionen gemacht. Auf dem weiteren ^'orrücken nach Süden wurde in Ambuköl an der grossen Krünnnung des Nil wieder Halt gemacht. Zur Bewachung des aufgesannnelten Materiales nach Eurojia reiste Hemprich allein nach Kairo, auch um Geld zu holen; hier empfing ihn aber in verletzender Form der Befehl zur Rückkehr und die nöthigen Anweisungen auf neue Geldmittel fehlten. „Später hat sich dann — wie schon angedeutet — herausgestellt, dass dieser unangenehme Zwischenfall die Schuld des preussischen C'onsuls in Triest, Karl Friedrich Brandenburg war, der alle Gelder und die Briefe einfach unterschlagen hatte." Ehrenberg war bei der aufrührerischen Stimmung der Bewohner und vom Fieber geschüttelt zurückgekehrt und traf Anfang 1823 in Kairo ein. Die Unterstützung des Nr. 15. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 181 frcuiidlichen Abdiui Bcy's war ihm liiorbci wie iiherliaupt von grösstcr Wiciitig-keit. Erniuthig-cndere Nachrichten aus Berlin hielten die beiden Freunde fest, um das Rothc Meer zu besuchen. liier entdeckten si die Insel Maksur unweit des Eingangs vom Golf von Akaba. Reiche Auswahl an l'flan/.en und Thicren brachte] ihnen der Strand am l'^iisse Willi Büsingr, LiUiKJiihriKor Assistent vom l'rof. Dr. Vogel des pboto-chem. Laboratoriums der KkI. tff.liu. Hochschule zu Cliailottenhu BerliQW.,Bendlerstr.l3^ . ^,- v^^,.,„,ti,,,.e »■"•♦''•'*"*'''-:,^\S^^^ ^^y^\. siiiiimtl. photogr. UxsiyUxi^^^^^^ ^■^^^^^,,,. „, Posit.-Verf., sow. ^^X'^^^*^* •«^^.x'^ihoto-inechan. Druckverfahren. ^'O ^.^^'^^»»'^Kintritt jederzeit. Kurze uud längere Kurse. iJiuikplkfimmcrii stHhc>n zur Vcrfiigiing. Veheinahnic aller vorliomuieiuien photogr. Arbeit. X.iImm' Am liiiill lM-rrit\villii;st. Täslich t;....mii'l von vi— 7. -^^^\ Verantwortlicher Heda S Bern.stein in Ber ädacteur: Dr. Henry rotoiiicj, Ur. Liehtert'elde (l'.-B ) bei Berlin, l'otsdaiiierstr. 35, für den Inserateiitheil : H rlin.^— Verlag: Ferd. Diinimlors Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — ^Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. *^1*1 ^/\:^v D» S«hwon>jei Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag : Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den 21. iVpril 1895. Nr. 16. Abonnement: Man abonnlrt bei allen Buchhandlungen und Post- Y Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 4ü J.. Grössere Aufträge ent- anstalten. wie bei der Eipedition. Der Vierteljahrspreis ist ^ 4.— «33 sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinliunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post lö ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. JL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdrnck ist nur mit vollständis:er t^uellenang^abe gestattet. Geologische Ausflüge in die Umgegend von Berlin. Von Dr. Max Fiebelkorn. aus einer Wechselfolge von n. Die Quartäi'decke der Umgegend vou Berlin. Wie im ganzen norddeutschen Flachlande, so zerfällt der Boden der Umgebung Berlins in solche Bildungen, welche sich auf den Transport von Wasser und Eis zurück- führen lassen und als diluviale bezeichnet werden, und solche, die vom Schlüsse der Uilnviateeit an bis zur Jetzt- zeit in Thälern, Rinnen und kleinen Becken zum Absätze gekommen sind und Alluvial-Bildungen genannt werden. A. Das Diluvium. 1. Petrographische Beschaffenheit. Das Diluvium besteht sandigen und thonig-kalkigen Schichten. Die für das Diluvium cha- rakteristischste Bildung ist der Geschiebemer- gel. Er ist in feuchtem Zu- stande zäh, in trockenem brü- chig und hart; Schichtung ist in ihm nie zu bemerken. Besonders ausgezeichnet ist er durch völlig regellos eingelagerte Geschiebe von Sandkorngrösse bis zu mehreren Metern Durchmesser (vergl. Bd. IX S. 515, Fig. 21). Seine Farbe ist graublau; den Tageswässern und Atmosphärilien ausgesetzt, verändert er dieselbe in dunkel- gelb. Da wir in unseren Diluvialablagerungen oberen und unteren Geschiebemergel unterscheiden, so war man früher der Ansicht, dass der graublaue dem unteren, der gelbbraune dem oberen Mergel entspricht. Es hat sich jedoch gezeigt, dass diese Unterscheidung der beiden Mergel auf falscher Grundlage beruht, da die verschiedene Färbung lediglich auf die Einwirkung der Atmosphärilien zurückzuführen ist. :-!^.f^.v;w^K-,'^^ ds - • 8in-0b.r.r OiluvialmerjBl ds -UnieranDiluvialsand " "• Figur 25. Grube am Rande des Grunewaldes bei Berlin (nach G. Beremlt). SHLS (a) Schwarzer humoser lehmiger .Saud. LS (a) Lehmiger Sand. SL (b) Sandiger Lehm. SM (c) Sandiger Mergel. S Sand (e eisen- und thonhaltige Infiltration). An der Oberfläche zeigt der Geschiebemergel nament- lich durch Auslaugung des Kalkes deutlich eine Ver- witterungsrinde, deren Unterkante mehr oder weniger wellen- förmig verläuft und ebenfalls dem Einflüsse der Atmosphä- rilien ihre Entstehung verdankt. Man bezeichnet dieselbe als Lehm und unterscheidet je nach dem Sandgehalte des- selben sandigen Lehm und lehmigen Sand. Am gewöhnlich- sten ist in der Berliner Gegend folgendes Profil (Fig. 25): Lehmiger Sand. Lehm. Mergel. Aus dem Geschiebemergel sind sämmtliche anderen Diluvialbildun- gen durch Aus- schlämmung entstanden. Zu den Schlemm- producten gehö- ren in erster Li- nie der Thon- Mergel, der Fayence- und der Mergel- sand. Der Thon- mergel, auch unter dem Namen Glindower Thon bekannt, ist ein kalkig- thoniges Gestein von gelblich-grauer, blaugrauer oder brauner Farbe. Geschiebe fehlen in ihm fast vollständig. Feucht zeigt der reine Mergel eine grosse Zähigkeit, während er in trockenem Zustande eine bedeutende Härte und muschligen Bruch besitzt. Häufig ist er durch eine Beimengung von äusserst feinkörnigem, vor- wiegend aus den feinsten Quarzkörnchen und Ge- steinsmehl bestehenden Staube verunreinigt, wodurch er dann deutliche Schieferung parallel der Schichtung er- kennen lässt. Der Fayence - Mergel besteht aus einer ganz Mergel 190 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 16. geringen Mischung von Thon mit dem soeben erwähnten Gesteiusmehle. Er stellt einen Uebergang zu dem Mergelsand oder Schlepp, dem steten Begleiter des Thonmergels, dar. Derselbe bildet die oben er- wähnten sehr feinkörnigen Saude, welche ein Gemengtheil des sandigen Thonmergels sind. Im feuchten Zustande macht er bei seiner grossen Feinheit des Kornes den thonigen getrocknet Eindruck eines Bindemittels, bildet er gewöhnlich steile Wände, welche beim Berühren sofort in Staub zerfallen; jedoch giebt es auch Mergelsand, der ziem- lich so festen Zusammen- halt besitzt, wie der später zu erwähnende Löss. Der Kalkgehalt beträgt 10 bis 15"/(|, wodxirch sich diese Ablagerung dem Löss nähert, während sie an- dererseits dadurch von den tertiären Sauden zu unter- scheiden ist. Zu den drei genann- ten Schlemmproducten ge- sellen sich in zweiter Linie die Sande und Graudcj sowie die Gerolle und grossen sich häutig ausgewaschen finden. Die Sande, besonders unter Sande bekannt, sind durch einen mehr oder weniger gro.ssen Gehalt an rothen Feldspath- körnchen ausgezeich- net, welche ihnen ihren Namen verliehen haben und sie nicht leicht mit den tertiären Sau- den verwechseln las- sen. Der Kalkgehalt derSpathsaude beträgt 2-4 7o. Ihre Farbe zeigt gewöhnlich einen ileicht gelbhchen Ton. Werden die Körn- chen des Spathsandes im Durchmesser kleiner als 0,2 mm, so lassen sieh die Feldspaththeil- chen nicht mehr mit dem blossen Auge un- terscheiden und der Sand geht dann durch von Ge- in Thon- oder bil- det durch Beimengung von kleinen, weissen Glimmerblättchen den Glimmersand, welcher durch den Flgnr 26. Gletscher in Spitzbergen, als Beispiel für die Ly stalt gröberer Gesteinsbrocken zu erkennen ist. Das Gleiche lässt sich von den Gerollen und Geschieben sagen, wo sie zu grösseren Lagern angehäuft sind. Dieselben gehören meistens nordischen Massen- und Sedimeutärgesteinen an.*) 2. Entstehung des Diluviums. a) Geschichtliches. a. Bis zur Torell'schen Theorie.**) Die lockeren Ablage- rungen der Quartärzeit wurden in den ersten An- fängen der geologischen Wissenschaft wenig beach- tet. Man hielt sie für Ab- sätze einer grossen Fluth und brachte sie besonders mit der biblischen Sint- flutli in Verbindung. Als die Wissenschaft weiter fortschritt, wurde die Aufmerksamkeit der Forscher auch allmählich auf die Diluvialablagerun- gen gelenkt und zwar be- sonders auf die in sie „erratischen Ische Drifttheorie Geschiebe, welche dem Namen Späth- Aufnahme Steinsmehl mergel über, eingebetteten Blöcke" oder „Geschiebe", welche theils durch ihre Grösse, theils durch ihre Ein- schlüsse an fossilen Resten auffielen. Es dauerte nicht lange, so konnte die Litteratur eine ganze Anzahl von Hypothesen aufweisen, welche sämmtlich die Heimath der Geschiebe und vielfach sogar schon die Art ihres Transportes deuten wollten uud biswei- len recht seltsam an- muthen.***) Einzelne Forscher waren zwar schon früh zu der Erkenntniss ge- kommen, dass die Hei- niath der Geschiebe in Skandinavien oder den Figur 27. Grönländisches Inlandeis. [Aus Neumayi's Erdgeschichte t)v sich zwischen 1 — 3 "/.i von den tertiären Sanden schwankenden Kalkgehalt und die licbtgelbliche Färbung unterscheidet. Der Grand des Diluviums ist ein Sand von bedeuten- derer Korngrösse, in welchem das Muttergestein noch in Ge- t) Die Cliches aus Neumayr's Erdgeschichte (Fig. 27 a. 32) sind uns freundlichst von dem „Bibliographischen Institut" in Leipzig geliehen worden. *) Dem Geschiebesamm- ler sind zu empfehlen: a) Remele, tjnters. üb. die versteinerungsführen- den Diluvialgeseliiebe des nordd. Flachlandes. 1883 bis 1890. 1)) F. Römer, Lethaea erratica etc. Palaeont. Abh. von Dames u. Kayser, Band II, Heft 5, 1885. 4". 11. Tafeln. Berlin Georg Reimer. c) Berendt u. Dames, Geolog. Beschr. der Um- gegend von Berlin. Ab- haudl. z. geol. Sp.-K. v. Preussen und den thüring. Staaten. Band VIII, Heft 1, 188.5. Berlin. Paul Parey. S. 96ff. **) Im folgenden sind besonders benutzt worden: a) F. Wahnschaffe, Die Entw. der Glac.-Theorie in Nord- Deutschland. „Naturwissenschi. Wochenschr." II, S. 4 — 7. 4". Berlin 1888. b) Derselbe. Die Urs. d. Gberfl.-Gestalt. d. nordd. Flachl. 8». Stuttg. 1891, S. .52 flf ***) Sämmtliche Theorien finden sich ausführlich behandelt in: E. Tiessen, Die Eiszeit-Theorie und ihre historische Entwicke- lung. Prometheus 1893, S. 723 if. Nr. Ifi Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 191 baltischen Provinzen /,u suclien sei, j'edocii l)licb ihre Mei- nung- vorläntii;' unbeachtet. Es machten sich vielnu'ln' am Ende des vorigen Jahrluinderts zwei andere Ansichten geltend, nach denen die Geschiebe entweder aus den dcutsciien Mittelgebirgen stammen und somit südlicher Herkunft sein sollten oder als Triinnner des im Unter- gründe des norddeutschen Flacldandes anstehenden festen Gesteins betrachtet wurden. Besonders E. Boll vertrat die letzte der beiden Ansichten, nachdem Klöden kurz zuvor erklärt hatte, dass Skandina- vien unmöglich die Heimath der er- ratischen Blöcke sein könne. Die soeben erwähnten unter anderen von in den verfrachtete I'olarffegenden beobachten können (Fig. 26) und auf dem Rücken der sich von den Gletschern W. ablösenden Eisberge das nordische Material nach Süden, wo es beim Abschmelzen der Eisblöcke den Boden des norddeutschen Flachlandes bildete. Der Umstand jedoch, dass die diluvialen Ablage- rungen unseres Flachlandes in Gestalt von Geschiebe- mergeln, Sauden und Thonen unmöglich durch Treibeis- trausport sich gebildet haben konnten, und dass im nord- deutschen „Schwemmlandc" trotz ^ n seiner enormen Mächtigkeit nnd Aus- dehnung marine Conchylien nur erste der beiden Meinungen wurde Goethe vertreten. Die Frage nach der Art des Transportes war hauptsächlich für diejenigen Forscher von Wichtigkeit, welche Skandinavien als Heimath der Geschiebe erklärt hatten. Die meisten der hierfür aufgestellten Hypothesen konnnen auf eine grosse Fluth (v. Arenswald 1775) oder auf Treibeis (v. Winterfeld 1790) hinaus, durch welche die Geschiebe aus ihrem nor- dischen Vaterland auf die secundäre Lagerstätte gel)racht sein sollten. Eine andere gänzlich abweichende Anschauung vertrat der Berliner Ge- lehrte Silberschlag, ein Mitglied der Berliner Academie der Wissenschaften, welcher 1780 in seiner „Geogenie" nachzuweisen versuchte, dass die Ge- schiebe und nordischen Sande durch vulkanische Kraft in das norddeutsche Flachland geschleudert seien, und als Herd der Eruptionen die kesselartigcn Pfuhle der Diluvial- plateaus ansah. Eine ähnliche Ansicht zeigte sich später (1846) bei dem schon erwähnten E. Boll, welcher den Herd der vulkanischen 1'hätigkeit nach Skandinavien verlegte. Besondere Vertreter der Theorie, welche eine gewaltige Fluth als Mittel des Geschiebetransportes an- sahen, waren Leopold v. Buch und der schwedische Geologe Sefström. Letzterer war bereits auf die häufige Schramnning der festen Gesteine des Untergrundes im norddeutschen Flach- lande aufmerksam geworden und suchte dieselbe durch eine gewaltige Roll- steinfluth zu erklären, welche sich über Skandinavien und Norddeutsebland hin wälzte und die Schrammung hervorrief. Durch Lyell ist die erwähnte Fluttheoric beseitigt worden. Dieser bekannte englische Geologe ging von dem Grundsatze aus, dass dieselben Kräfte, welche heute wirken, auch früher thätig waren. Nachdem in den Alpen durch die Untersuchungen mehrerer Forscher, unter denen besonders Venetz, Charpentier und Agassiz genannt seien, die Lehre von der Eiszeit be- gründet war, stellte er die „Drifttheorie" auf, welche sich mehrere Jahrzehnte lang erhielt. Nach ihr war zusammen mit ganz Nordeuropa Norddeutsebland bis zum Rande der Mittelgebirge vom Meere bedeckt, während sich zu gleicher Zeit über Skandinavien eine mächtige Eisdecke in Gestalt von Gletschern ausbreitete. Fortgesetzt rückte die Eisdecke gegen das Meer vor, schob die Enden der Gletscher in das Wasser, wie wir es auch heute noch j-anz vereinzelt in gewissen Ablagerungen vorkonnnen, hätte die Anhänger der Drifttheorie schon darauf hinweisen müssen, dass die Annahme einer Meeresbedeckung ri 'keit auf grosse Schwie- stösst. In der That ging denn auch in der Mitte der siebziger Jahre die Drifttheorie ihrem Ende entgegen, in- dem von dem schwedischen Geologen Torell die „Inlandeistheorie" stellt wurde. ^jf Figur 28. Rüdersdorfer Gletscherschrammen. (Nach WahnschafFe.) p. Die aufge- und Torell'sche Inlandeistheorie ihre Beweise. Nachdem schon lange vorher im Jahre 1832 Bernhardi an eine In- landeisdecke gedacht hatte, ohne dass jedoch seine Ansichten beachtet wor- den wären, sprach Torell, gestützt auf reiche Erfahrungen, 1875 die An- dass Norddeutschland von Skandinavien weiten Eisdecke, ähnlich dem heutigen Inlandeise (Fig. 27^ überzogen gewesen im norddeutschen Eisdecke angesehen schauung aus, aus mit einer grönländischen Inlandeise (Fig sei, und dass die diluvialen Flachlande als Grundmoräne dieser Bildungen ;=«*<--' >f^ Figur 29. Gekritztes Geschiebe. (Nach WahnschafFe.) werden müssten. Den Ausgangspunkt für die Ent- wickelung der Glacialtheorie bildete das Rüdersdorfer Muschelkalklager. Sef- ström hatte schon 1836 die Schrammung und Abschleifung der dortigen Kalk- schichten (Fig. 28) erwähnt, dieselben jedoch, wie bereits bemerkt, durch eine Rollsteinfluth zu erklären versucht. 1867 lenkte dann von Helmersen von neuem die Aufmerksamkeit auf die Rüdersdorfer Schrammen und erklärte sie für Gletscherschlitfe, eine Ansicht, welche bei der damals in Deutsch- land herrschenden Drifttheorie keinen Anklang fand. Sogar Eck sprach sich gegen sie aus, zumal damals die Schrammen gerade nicht entblösst waren. Erst Torell, welcher am 3. No- vember 1875 zusammen mit Berendt und Orth eine Excursion nach Rüdersdorf unternahm, gelang es, im östlichen Thcile des Alvenslebenbruches auf den von den diluvialen Ablagerungen entblössten Schichtenköpfen die Schrammen in deutlichster Weise ausgeprägt zu finden. Hieran schloss sich an demselben Abende ein Vor- trag des schwedischen Geologen in der deutschen geo- logischen Gesellschaft, in welcher er zum ersten Male die Inlandeishypothese vertrat und als Beweise für die- selbe die in Rüdersdorf gefundene Schrammung anführte. Im Laufe der Jahre haben sich eine gi'össere Reihe von Thatsachen gefunden, welche zwar — jede Erschei- 192 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 16, nung für sich betrachtet — unter gewissen Umständen auch durch die Kraft des Wassers entstanden sein können, in ihrer Gesanimtheit jedoch sich nur auf die Wirkung von Inlandeis zurückführen lassen; die Torell'sche Hypothese ist daher mit Fug und Recht zu einer Theorie erhoben worden.*) Als weitere Beweise für die Eiszeit lassen sich die folgenden Erscheinungen an- führen : 2. Die plateauartige Ab- hobelung der Schichtenköpfe an- .stehenden Gesteins, wie z. B. in Rüdersdorf, welche zugleich mit der Schrammung auftritt. Schon Girard wies auf dieselbe hin, suchte ihre Erklärung jedoch in dem Schlage der über die Schichten hinfluthcnden Wellen. 3. Die Zertrümmerung der Gesteinsschichten und theilweise Aufnahme derselben in die Grund- moräne — eine Erscheinung, die wir schon bei der RUdersdorfer Excursion kennen gelernt haben. In Verbindung damit steht das Auftreten von Lokalmoränen. 4. Die Riesenkessel. Die- selben wurden 1879 von Dames bei Gelegenheit einer mit seinen Zuhörern nach Rüdersdorf unter- nommenen Excursion entdeckt und von Noetling auf die Veranlassung von Dames hin untersucht und bearbeitet. 5. Die Rundhöcker, welche dadurch entstehen, dass rauhe, zackige Erhö- hungen des Gletscher- bodens durch das über sie fortgleitende Eis auf der Stossseite ab- gehobelt und geglättet werden, während sie auf der Leeseite mehr oder weniger rauh bleiben. Wahnschaffe führt eine vortreif liehe Rundliöckerlandschaft von Jesau in der Nälie der Stadt Kamenz an, wo Granitkuppen sieh in südlicher Richtung nach der Spittelforst hinziehen und aus dem diluvialen Sande und Lehme heraustreten. Dieselben machen dort, soweit sie nicht vom Walde verdeckt wer- den, durchaus den Eindruck einer skan- dinavischen Rund- höckerlandschaft. 6. Die gekritzten, *) Die Ausdrücke „Hypothese" und „Theorie" werden in der Geologie jetzt vielfach als gleichbedeutend behandelt, jedoch sehr mit Unrecht. Jeder Thatsache liegt eine Ursache zu Grunde. Diese Ursache wird, wenn sie nicht genau bekannt ist, als Hypo- these ausgedrückt. Umfasst eine Hypothese eine grössere An- zahl von Thatsachen und wird sie auch durch andersartige Er- scheinungen bestätigt, so erlangt sie einen hohen Grad von Wahr- scheinlichkeit und wird zur Theorie. Jobennisfhal Maasfstab 1M50000. h ' I 2 J f^ 5 a r a 5 tolOnu Figur 30. Die Bohrlöcher in der Paludinenbauk. (Nach Wahnscliaffe.) folgendermaassen ge- Geschiebe, welche in unseren Diluvialablagerungen so überaus häufig gefunden werden. Am schönsten zeigen sich die Schrannnen naturgemäss auf den relativ weichen Kalkgeschieben, seltener auf den Massengesteinen. Fig. 29 zeigt ein solches der letzteren Art. b. Die Eiszeit. ß. Die Früh-Glacialzeit und erste Vereisung. Die Torell'sche Theorie ist im Laufe der Jahre weiter aus- gebaut worden. Das Bild, welches sich die heutige Wissenschaft von der Eiszeit macht, würde sich etwa stalten : *) Nach dem Ende der Tertiär- zeit sank in Nordeuropa die mitt- lere Jahrestemperatur um einige Grade. Auf die muthmaasslichen Ursachen dieser Erscheinung hier einzugehen, seheint unzweck- mässig, da sie noch viel zu wenig aufgeklärt sind.**) Die Folge der Temperatur-Erniedrigung war, dass Skandinavien von seinen höchsten Erhebungen an voll- ständig von einer Eisdecke über- zogen wurde. Es zeigte sieh somit dieselbe Erscheinung, welche wir bei dem grönländischen In- landeise beobachten können, nur mit dem Unterschiede, dass die bisweilen aus dem letzteren aufragenden Spitzen anstehenden Gesteins, die „Nuuatakker", welche die Bildungen von kleinen ._ -_ - Oberfläcbenmoränen veranlassen, in der damaligen Eisdecke vollständig fehlten. Beim allmählichen Vorrücken gelangten die Eismassen an das Becken der Ostsee, welche damals un- zweifelhaft schon existirtc. Dies be- weisen die eine marine Fauna besit- zenden Ablagerungen an der Basis des Diluviums sowohl am frischen Haff wie auch in Schleswig-Holstein, welche dasV orhanden- seiu eines mit der Nordsee in Verbin- Figur :{ Oletscher mit Oberflächenmoränen. geschliffenen und geschrammten *) Ich halte mich für verpflichtet, anzugeben, dass ich imFolgenden das Werk von Wahnschatfe: „Die Ursachen der Ober- flächengestalt des norddeutschen Flachlandes" sehr ausgiebig be- nutzt habe. Gleichzeitig verweise ich hier noch auf eine sehr lesenswerthe Schrift von Dames: „Die GlacialbiUlungen der nord- deutschen Tiefebene". Sammlung gemeinverständl.wiss. Vorträge, herausgegeben von Virchow und v. Holtzendorft'. XX. Serie. Heft 479. 8». Berlin 1885. **) In Bezug auf die klimatischen Verhältnisse der Eiszeit siehe eine Arbeit von J. Probst: „Ueber die klimatischen Zu- stände der früheren Eisperioden", Natur und Oft'enbarung. 37. Bd. München 1891, S. 705. Nr. 16. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 193 ghu'iaU' .stolienden östlichen Meeresbeckens schon in piä- Zeit voraussetzen. Welche Umrissfornien das damalige Ostseebecken gehabt hat, lässt sich nicht fest- stellen; seine Tiefe muss jedenfalls l)ei weitem bedeutender gewesen sein als heute, da die von dem Eise mitgebrachte Grundmoräne darin abgesetzt wurde, ohne es vollständig auszufüllen. Hei seinem weiteren Vorrücken nach Süden stiess das Eis auf den baltischen Höhenrücken, welcher für seine Hcweguugsrichtuug eine grosse Bedeutung hatte. Der baltische Höhenrücken oder die baltische Seen- platte stellt eine breite, die West- und SüdkUste der Ostsee umsäumende Zone dar, deren westlicher in der jüti- schen Halbin- sel nach Nor- den gerichte- ter fheil die Nordsee von der Ostsee trennt. Inllul- stein folgt ein allmähliches Umbiegen von Osten nach Westen, wel- che Richtung der Höhenzug in seinem wei- teren Verlaufe bis zur Oder beibehält. Von hier aus geht die Sudost- richtung ganz unvermittelt in eine nordöst- liche über. Der höchste Punkt des von dieser Bie- gung bis zur Weichsel als „pommerscher Höhenzug KSeenplattei" bezeichneten Theiles ist der westlich von Danzig in der westpreussi- schen Land- schaft Pommerellen des ganzen welche nicht eigentlich Höhenzuges betrachtet südlicher jenseits Figur 32. Verbreitung des europäisclien Inlandeises. Höhenzuges gelegene Thurmberg. Den Schluss bildet die preussische Seenplatte, als werden der Weichsel Fortsetzung des pommerschen kann, da sie beträchtlich l)eginnt und sich ebenfalls in nordöstlicher Richtung bis nach Lithauen erstreckt. Zwischen dem ganzen Höhenzuge und dem Meere befindet sieh ein schwaches Vorstufenland.*) Der baltische Hiihenzug besass zu Beginn der Eiszeit eine durch gewaltige Schichten.störungen, sowie durch den Einfluss von Denudation und Erosion auf das Mannig- faltigste umgestaltete Oberfläche. Von Schleswig-Holstein *) Im Nachstehenden folge ich im Wesentlichen den Dar- legungen Wahnschaffe's in seinem Aufsatz: „Die Bedeutung des Baltischen Höhenrückens für die Eiszeit." Vorhand!, des VIII. D. Geogr.-Tages zu Berlin. S. 134-144. Nachtrag S. 236. 8». Berlin 1883. hat Haas nachzuweisen gesucht, dass der Kern des Landes durch eine Reihe vielfach verworfener Mulden und Sättel gebildet wird, welche den paläozoischen und mesozoischen Formationen angehören. Ebenso hat Geinitz für Mecklenburg unzweifelhafte Anzeichen dafür gefunden, dass unter dem dortigen Land- rücken das ältere Gebirge aufragt ; es hat sich sogar er- geben, dass mehrere parallel verlaufende Erhebungen des Flötzgebirgs - Untergrundes dem auf Mecklenburg ent- fallenden Theile des Landrückens die Gruudzüge seiner Gestaltung verliehen haben. Geinitz führt zum P.eweise dafür eine Anzahl von Tiefbohrungen aus Mecklenburg an, welche gleichzeitig zeigen, dass, abgesehen von den Erhebungen der Kreide auf Rügen, Usedom und Wollin, im nördlichen Vorlande des baltischen Höhenrückens die Unterkan- te des Diluvi- ums unter dem Meeresspiegel liegt. Dieselbe Erscheinung hat sieh auch in Preussen und Pommern gefunden. Ver- gleiciit man damit die Auf- schlüsse und Tiefboin'un- gen der pom- merschen und preussischen Seenplatte, so findet man, dass hier die Oberkante der den Unter- grund bilden- den Formati- onen meist be- trächtlich über dem Meere ge- legen ist. Es ei'giebt sieh daher mit grosser Wahr- scheinlichkeit für das ganze Gebiet des Anschwellen des älteren (Aus Neumayr's Erdgeschichte. Gebirges baltischen Höhenrückens ein unter der Diluvialdecke. Die Aufsattelung derselben erfolgte, wie besonders von Koenen nachgewiesen hat, abgesehen von den die Oberfläche betreffenden glacialeu Störungen, hauptsächlich am Ende der Mioeänzeit, zu welcher auch die Haupt- störungen am Nordrande der deutschen Mittelgebirge statt- fanden. Es ragten in Folge dessen die vordiluvialen Ab- lagerungen des baltischen Höhenrückens, sowie die Kreide- bildungen von Rügen, Usedom und Wollin nebst den jurassischen Ablagerungen von Fritzow, Gristow, Klemmen und Bartin als hoher Wall empor. Als das heranrückende Eis auf den baltischen Höhen- zug und die genannten Jura- und Kreidebildungen stiess, wurde seine Bewegungsrichtung durch diese Hindernisse wesentlich beeinflusst. Bei der geringen Mächtigkeit, welche es damals noch besass, konnte es den sich ihm 194 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 16. entgegenstellenden Widerstand nicht überwinden, es wich in Folg-e dessen von seiner nord-sUdlichen Richtung ab, und folgte der Richtung der Ostsee, wodurch sich sein Ver- lauf von Osten nach Westen ablenkte. Schon Toreil hatte, als er seine Inlandeisthorie. aufstellte, einen der Ostsee folgenden sogenannten baltischen Eisstroni am Ende der Eiszeit angenommen. Die Untersuchungen Nathorst's, De Geer's und Lundbohm's haben ergeben, dass schon zu Beginn der ersten Vereisung eiu älterer bal- tischer Eisstrom vorhanden gewesen sein muss. Es beweist dies der Umstand, dass sich über der dort vorhandenen unteren eine obere, eben- falls der ersten Vereisung angehörende Moräne fand, in welcher nur Blocke aus dem nordöstlichen Schwe- den eingebettet lagen. Dasselbe Resultat haben Gottsche's Untersuchun- gen in Schleswig-Holstein, Zeise's Arbeiten und das von F. Römer zuerst be- kannt gemachte Vorkom- men von esthländischen Geschieben im unteren Diluvium der Niederlande ergeben. Aussehens nennt man sie auch Bänder ihres thone. Von hervorragender Wichtigkeit in den Schichten des Diluviums ist die Paludinenbank nach der in ihr so überaus häufigen Paludina Kunth, welche, wie Neumayr nachgewiesen hat untersten benannt diluviana noch heute Nachdem massen einige Richtung des die Eis- Zeit der Ostsee- Folgendes beckens gefolgt waren, erlangten sie allmählich grössere Mächtigkeit und konnten den ihnen vom baltischen Höhenrücken gebotenen Widerstand überwinden; sie schoben sich in Folge dessen von Neuem in radialer von Norden nach Süden vor, wie es die Schrammen auf dem anstehenden festen Gestein beweisen. Die vorhandenen Unebenheiten des Landrückens wurden ebenso wie das Bett der Ostsee durch die Grnnd- moräne des Eises mehr oder weniger vollständig aus- gefüllt, wie zahlreiche Bohrungen lehren, welche, ver- hältnissmässig nahe bei einander liegend, eine vollständig verschiedene Mächtigkeit der Diluvialschichten ergaben. Nachdem der baltische Landrücken überschritten war, konnte sich das Eis ungehindert über das weiter westlich, süd- lich und östlich gelegene Gebiet ausbreiten. Vor ihm her ilossen nach Süden zu seine Schmelzwasser, welche das feine, aus der Grundmoräne ausgeschlämmte Ma- terial mit sich führten. Auf ihrem Wege stiessen sie auf zahlreiche Wasserbecken, welche schon vorher vorhanden waren und eine kleine Fauna enthielten. Diese Becken dienten den Gletscherbächen als Klärungs- stationen, und in ihnen bildeten sich jetzt, vermischt mit den vorhandenen Conchylien, feine Thonabsätze, deren Schichten um so dünner werden, je häufiger sich die Geschwindigkeit und die Menge der Schmelzwasser änderte. Vereinzelt finden wir in den Thonen Geschiebe, deren Vorhandensein sich wahrscheinlich so erklären lässt, dass sie auf abgerissenen Eisstücken in das Becken ge- langt und zugleich mit den Tlionen zum Absätze gekommen sind. Die ausserordentlich regelmässig und zart ge- schichteten Thone, welche lagenweise eine verschiedene Färbung besitzen, werden als Glindower Thone bezeichnet; Figur H3. Elephas primigenius Blumenbacli Richtung m der Dobrudscha an der Mündung der Donau lel)t und vor der Ablagerung des unteren Geschiebemergels in Nord- Deutschland heimisch war. Die Paludinenbank stellt mit ihren hangenden und liegenden Schichten einen fluviatilen Absatz*) dar, der bei seiner Ablagerung stellenweise zahlreiche Schnecken- schalen beigemengt er- hielt. Wahnschaffe hat die bis jetzt gekannten Fund- punkte dieser Paludinen- bank in einem kleinen Aufsatze **) zusammenge- stellt, dem wir entnehmen: Die erste Mittheilung von der Auffindung der Paludinenbank im Lie- genden des unteren Ge- schiebemergels zwischen quartären, nordischen Sauden, Granden und Thonen gab Berendt 1 882, indem er in der Sitzung der Deutschen Geologi- schen Gesellschaft die Bohrprobenfolgen zweier Tiefbrunnen im Südosten von Berlin, aus der Ver- einsbrauerei zu Rixdorf und vom Hofe der Garde- Kürassier-Kaserne, Alexandrinenstrasse 126, vorlegte. 1886 berichtete dann Gottsche, dass die Paludinenbank in mehreren Bohrlöchern in der Tivolibrauerei am Kreuz- berge wieder angetroffen sei. Gleichzeitig erhielt er durch Ausschlämmen einer grösseren Prolie der Paludinen- bank von der Tivoli-Brauerei eine Anzahl Conchylien- Arten : schalen von folgenden Figur 34. Backzahn vom Elephas primigenius. Bithynia tentaculata L. Valvata naticina Jlke. Neritina fluviatilis L. Lithoglyphus naticoides Fer. Unio sp. Pisidium amnicum Mü. Pisidium pusillum Jen. Besonders interessant war das Auf- finden von Lithoglyphus naticoides Fer., welche erst in der neuesten Zeit aus den Flussgeljietcn des Bug, Dnjepr, Dnjestr und der Donau in die Mark eingewandert ist, nachdem sie zu Anfang der Eiszeit schon einmal in Norddeutschland verbreitet war und sich vor dem heranrückenden Eis aus ihren Wohn- sitzen nach Süden zurückgezogen hatte. Zu PLnde 1892 hat sich auf dem Grundstück der chemischen Fabrik Kanne von Kunheim und Co. in Nieder- schönweide bei Berlin bei einer zur Aufsuchung brauch- baren Wassers vorgenommenen Tiefbohrung in einer Tiefe von 42 m die Paludinenbank in 4 m Mächtigkeit wieder *) Jentzsch, Ueber die kalkfreien Einlagerungen viums. Z. d. d. g. G. XLVI. 1894, S. 112. **) Zeitsthr. d. d. geol. Ges. 1893, S. 288. des Dilu- Nr. 16. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 195 gezeigt. Dieselbe besteht dort zu oberst aus einer 2 ra mächtigen, fast nnr aus Schalenresten der Paludina dilu- viana Kuntli /.usanunengesctztcn .Schicht mit etwas Tlion und grandigem, nordischen Hand. Darunter folgt eine 1 m mächtige Thonschicht mit Schalen der Paludina, während das Liegende derselben abermals im Wesent- lichen aus Resten derselben Schnecke in einer Mächtig- keit von 1 m gebildet wird. Diese drei Schichten werden als Paludinenbank zusammeuge- fasst. Beim Aus.scidännnen der Pa- hulinen erhielt Wahnschatlle aus dem Inneren derselben einige Exemplare der begleitenden Fauna, welche sich als folgen- de Arten bcstinnnen Hessen: 1. Vaivata piscinalis Müller. 2. Pisidium Ilenslovianum Shepp. .3. Sphaerium solidum Nor- mand. 4. Sphaerium rivicola Leach. 5. Unio sp. (Bruchstücke). Figur Schädel von Bos primigenius. Es sind somit zu den 7 Arten, welche Gottsche aufgezählt hat, 4 neue hinzu gekommen, unter welchen besonders Pisidium Henslovianum Shepp. von Interesse ist, da dieser Zweischaler schon früher aus 140 m Tiefe bei Johannisthai, 3 km südlich vom Bohrloch Kanne, aufge- funden wurde. Neuerdings ist es dem Verf. ge- lungen*), die Paludinenbank zum zweiten Male nördlich der Spree, in der Irrenanstalt Herzberge un- weit von Friedrichsfelde bei Berlin nachzuweisen. Sie fand sich in 29,63 m unter dem Nullpunkte des Berliner Dammmühlenpegels, eine Tiefe, welche von der der anderen Punkte nicht wesentlich abweicht. Die beigegebene, der Abhand- lung Wahnschaffe's entlehnte Karte (Fig. 30) zeigt die Lage der Bohr- löcher mit Ausnahme desjenigen in der Irrenanstalt Herzberge, welches über den Rahmen der Karte hinaus im Nordosten liegt. Die Paludinen- bank wurde in den 9 Bohrlöchern in folgenden Tiefen erbohrt. Es zeigt sich aus allen diesen Bohrergebnissen, dass die Paludinen- bank sich fast horizontal unter Berlin fortsetzt. Figur 36. Cervus euryceros Alir. Zu den unterdiluvialcn Bildungen gehören ferner Süsswasserkalke und Diatomeenlager, welche von Keilhack bei Beizig, Gürtzke, Uelzen, Korbiskrug, Bienenwalde und Soltau gefunden wurden. Sie enthalten Reste von Hiisch, Damhirsch, Reh, Rind, Hecht, Karpfen, Barsch und zahl- reiche, noch heute in unseren Gegenden lebende Süss- wasser- und Landconchylien. Auch die Flora ist eine ziemlich bedeutende und setzt sich zusannncn aus Eiche, Birke, Pappel, Weissbuche, Ahorn, Linde, J>le, Weide, Kastanie, Kiefer, Stechpalme, Heidelbeere etc., so dass wir uns aus diesen Resten ein Bild von der damals in unserem Vaterlande lebenden Fauna und Flora macheu können. Neben den Binnenablage- rungen fehlt es auch nicht an marinen Bildungen, wie solche in Schleswig-Holstein an meh- reren Punkten in Gestalt von Mergeln und Thonen mit in sie eingebetteten, meistens noch jetzt lebenden Nordseeconchylien vor- kommen. Wichtig unter den letzteren sind besonders Cypriua islandica und Saxicava arctica. Ebensolche Ablagerungen finden sich in Westpreussen in der Umgegend von Elbing wieder, welche eine ähnliche Molluskenfauna einschliessen, wie die Bildungen Schleswig- Holsteins, jedoch durch das Auftreten hochnordischer Formen, wie Yoldia arctica und Astarte borealis aus- gezeichnet sind. Die Parallelisirung derartiger Ablagerungen bietet, wie Schroeder und andere gezeigt haben, insofern grosse Schwierigkeiten, als ein Theil der aufgefundeneu marinen Schalen- reste offenbar auf secundärer Lager- stätte ruht, so dass betreffs einiger Fundorte unter den Geologen noch ein Zweifel besteht, ob dieselben den primären Lagerstätten zuzurechnen sind oder nicht. Ueber die Bildungen der Früh- glacialzeit lagerte sich die Grund- moräne der darüber fortgleitenden Eismassen. Dieselbe stellt sich als ein vollständig ungeschichtetes, mit Sand und Grand durchsetztes, thonig-kalki- ges Material dar, welches besonders durch Führung zahlreicher, mehr oder weniger grosser Gesteinsstücke und Blöcke ausgezeichnet ist. Sie ist her- 1. Fabrik Kaime ■ — 37,4 m 2. Vereinsbrauerei Rixdorf ... — 37,7 „ 3. Böckhstrasse 27 — 36,5 „ 4. Grüner Weg —39,4 „ 5. Dragonerkaserne, Blücherstrasse — 40,3 „ 6. Brauerei Tivoli am Kreuzberge — 50,0 „ 7. Kürassierkaserue, Alexandrinen- strasse — 40,9 „ 8. Admiralsgartenbad — 45,2 „ 9. Irrenanstalt Herzberge . . . — 29,63 „ ^3. „ CO fO C3- CD ft- — -! Ctl C B •= ^ O ES ää" fi TS ? ^ *) Z. d. d. g. G. XLVI. 1894. S. 292. vorgegangen aus den Gesteinen, über welche das Eis sich fortschob ; dieselben sind in die Grundmoräne aufgenommen und verarbeitet wor- den. In Folge dessen hat sie auch je nach den Gesteinen, welche den Untergrund bilden, einen ganz verschiedenen Charakter; dort, wo krystalline Schiefer in grosser Aus- dehnung auftreten,besteht die Gruudmoräne aus vielen kleinen und grossen, unregelmässig geformten und kantengerundeten Blöcken, welche, meistens gesehrammt und gekritzt, in einem sandigen und grandigen, oft auch mehlartig zerriebenen Materiale liegen. Kalksteine, Thonschiefer, Thon- und Kreidebildungen lieferten dagegen eme mehr plastische, kalkig-thonige Grundmoräne. Eine solche setzte sich im ganzen norddeutschen Flachlande ab, nachdem sie auch 196 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 16. i'y- gleich- gleich- bergende (vergl. dazu auch das Localnioränen ünden die Gesteinsstücke und Zerreibungsproducte der stallinen Formationen in sich aufgenommen und massig vertheilt hatte, wodurch sie überall einen artigen Charakter erhielt. Stiess das Eis bei seinem Vorrücken auf festes, an- stehendes Gestein, so zerquetschte und zerdrückte es die angewitterten, oberen Partien desselben (vergl. die Ex- cursion nach Rüdersdorf). Ein grosser Theil der Bruch- stücke wurde in die Grundmoräne aufgenommen, eine Strecke mit fortgeschleppt und alsdann mitsammt der Grundmoräne abgelagert. Man nennt eine solche, zahl- reiche Gesteinsstiicke derselben Art in sich Grundmoräne eine Localmoräne Hermsdorfer Bohrloch im Lias) sich häufig im norddeutschen Flachlande. Es ist vielfach behauptet worden, dass das Eis unmög- lich eine viele Meter mächtige Grundmoräne mit sich schlep- pen konnte, zumal ein solcher gewaltiger Transport von Schuttmassen bei den heutigen Gletschern sich nicht hat beob- achten lassen, und dass wir es im norddeutschen Flachlande nicht mit einer Grundmoräne allein, sondern auch mit Ober- flächenmoräneu (Fig. 31) zu thun haben, so dass beide ge- meinsam den Transport des Materiales bewerkstelligten. In- dessen muss bei der grossen Mächtigkeit, welche wir für das Inlandeis anzunehmen haben, das ganze Gebiet bis zu den höchsten Erhebungen vollstän- dig mit einer Eisdecke über- zogen gewesen sein, so dass nirgends höhere Felskuppen (Nunatakker) aus demselben herausragen konnten. In der That sprechen Erscheinungen, welche sich in dem ganzen norddeutschen Flachlande be- obachten lassen, durchaus für diese Annahme, indem die wenigen iuselartigausdem Dilu- vium hervorragenden Kuppen älteren festen Gesteins sämnit- lich Zeichen der Eisbedeckung in Gestalt von Schliffen und Schrammen zeigen. Wir sehen also, dass der Transport des nordischen Materiales nur vermittels einer Gruiidmoräne vor sich gehen konnte, üeber die Art und Weise, wie dies geschah, sind mehrere Ansichten geäussert worden, auf welche wir hier nicht weiter eingehen können; jedoch soll hervor- gehoben werden, dass die meisten Forscher darin überein- stimmen, dass der Geschiebemergel nicht als Ganzes unter dem Eise fortbewegt sein kann; vielmehr schaffte das vorrückende Eis immer neues Material herbei, welches sich langsam über das untere allmählich zur Ruhe ge- kommene ablagerte. Es ist wahrscheinlich, dass die Temperatur während des ganzen, ungeheuren Zeitraumes der ersten Vereisung nicht stets dieselbe blieb, sondern häufig werden Schwan- kungen derselben eingetreten sein, welche Oscillationeu des Eisrandes hervorriefen, ähnlich wie wir sie heute noch schon ge- an den Al])engletschern bemerken können. Hierdurch ist es erklärlich, dass an manchen Stellen mehrere Gesehiebe- niergel übereinanderliegen, wie z. B. Ebert bei Neuenburg, südlich von Mewe, 4 derselben übereinander vorfand. Bisweilen wird auch eine Aenderung in der Geschwindig- keit und Transportfähigkeit eingetreten sein, wodurch sich nach Wahnschaft'e solche Erscheinungen erklären lassen, wie sie sich am Strande beim Seebade Heiligen- damm in IVlecklenburg und an anderen Orten zeigen, wo im Geschiebemergel zwei horizontal verlaufende Zonen von grösseren Blöcken deutlich zu unterscheiden sind. An vielen Punkten enthält der untere Geschiebemergel Schalen von Süsswassermollusken und namentlich solche der schon öfter erwähnten Paludina diluviana Kunth, ein Vorkommen, welches häutig für die Drift- und gegen die Glet- schertbeorie angeführt wurde. Indessen haben wir sehen , dass die Schnecke gerade in der Palu- dinenbaok heimisch ist, welche von dem Eise in der gross- artigsten Weise denudirt und häufig in Gestalt von ganzen Schollen in dem unteren Ge- schiebemergel aufgeuonnnen ist. Auf diese Weise ist auch die Paludina diluviana in die Mo- räne hineingekommen, und dar- aus erklärt sich auch ihr häu- figes Vorkommen in dieser Ab- lagerung, besonders im Süden der Umgegend von Berlin. Die Schalen befinden sich hier somit auf secundärer Lager- stätte. Durch die erste Eis- bedeckung ist die Paludina diluviana dauernd aus Nord- deutschland verdrängt worden und auch in der Interglacial- zeit nicht wieder eingewandert, wie das Fehlen einer Paludinen- bank oder ihr entsprechender Ablagerung in den intergla- cialen Sauden beweist. Im Einklänge damit steht, dass die Schnecke im oberen genannte Geschiebemergel bisher nir- Geweih von Cervus megaoeros var. dem diliiv. Torflager bei Klinge Buifii Nehring (nacli Neliriug). Gegend erratisch nach- geuds mit Sicherheit in der Berliner ist. Der Flächenraum, den das Eis zur Zeit seiner intensivsten Verbreitung einnahm, ist ein ungeheuerer und beträgt mehr als 2 Millionen Quadrat- kilometer (Fig. o2). Ueber Finnland und die Halbinsel Kola floss das Eis" nach N und NO in das nördliche Eismeer, vom westlichen Norwegen aus in westlicher und nordwest- licher Richtung in den atlantischen Ocean. Vom südöst- lichen Norwegen nach SW strömende Massen drangen durch die Nordsee nach Dänemark und Holland und ge- langten bis zu den iMünduugen der Themse und des Rheins. Vom mittleren Schweden schob sich das Eis nach Süden zu über Schonen, die Ostsee und Nordwestdeutschland bis zum Harz, dem Erzgebirge und den Sudeten vor. Vom Nord- osten Schwedens erreichten schliesslich die Gletscher in süd- östlicher und östlicher Richtung über den bottnisehen Meer- busen Finnland, Polen, Galizieu und den grössten Theil des europäischen Russland. Die Südgrenze dieser gewaltigen Eismasse verlief von der Mündung der Themse über die Nr. IG. Nafiuwisscuschaftliche Wochenschrift. 1^7 des Rheins durcli Westfalen und f?üd-Hanuover zum Nord- rande des Harzes. Von hier aus erfolgte ein südwest- licher Hogen nach TIniring-cn, worauf die Grenze quer durch Sachsen, südlich von Zwickau, Ciienmitz, Dresden, Löl)au und Zittau am Fussc des Riesengohirgcs und der Sudeten entlang durch Polen und Galizicn siidlicli von Kiew vorüber bis fast an die Wolga verlief. Von hier zog sie sich schliesslich zwischen Kasan und Nischnci- Nowgorod nach Norden hin und der Tsrhesskajabay das Eismeer. erreichte ungefähr an Nachdem deutsche Flachland ß. Die Interglacialzeit. das Eis lange Zeit hindurch bedeckt hatte, be< das ann es sieh nord unter veränderten klimatischen Verhältnissen langsam zurück- zuziehen. Es folgte die Interglacialzeit, in welcher ein etwas milderes, dem heutigen ähnliches Klima herrschte. Der Boden bedeckte sich wieder mit PHanzen und die vom Eise verdrängt gewese- nen Säugcthicre folgten den sich zurückziehenden Glet- schermassen. So sehen wir sich all- mählich eine Fauna ein- stellen, aus der Bercndt folgende Arten von dem Rix- d 0 rf e r F u n d pu n k t a n gi e b t : Elephas primigenius lilumen- bach (Fig. '^33 u. 34). Elephas antiquus Falconer. Rhinoceros antiquitatis Blu- menbach ^ tichorliinus Fischer. Rhinoceros Merkii Jaeg. (Rh. leptorhinus). Equus caballus L. fossilis. Ovibos fossilis Rütim. Bos primigenius Boj. (Fig.35). Bison priscus Boj. Rangifer groenlaudicus (Bar- rengrouud Caribou). Cervus alces L. (teste Altum). Cervuseuryceros(Aklr.= me- Fauna und nicht etwa mit einzelnen verirrten Exemplaren zu thun hatten. Es ist sogar gewiss, wie Neumayr her- vorgehoben hat, dass die Zahl der damals existirenden Arten eine weit grössere gewesen ist, als wir sie aus dem uns vorliegenden Äfatcriale kennen. Jlit Ausnahme des Fuchses sind nämlich nur grosse Formen gefunden, während mittelgrosse und kleine mit Ausnahme der ge- nannten Species vollkommen fehlen, die damals jedoch gewiss existirt haben. Das Fehlen derselben schreibt Neumayr wohl mit Recht der zermalmenden Kraft der reissenden Gewässer zu, in welchen die Sand- und Grand- l)änke zum Absatz kamen. Gleichzeitig mit den Skelettresten der diluvialen Sänger sollen sich, wie P. G. Krause ausgeführt hat, auch Spuren menschlicher Thätigkeit in den interglacialen Schichten von Eberswalde gefunden haben. Da ich die Ansicht des genannten Geo- logen intergla- c^.^£xue M. Fig. S8. Früchte und Samea aus dem diluvialen Torflager von Klinge. (Nach Xfhi-ing.) Figur 2 gacerosHart.= = Megaceros Hibernicus Owen = gi- ganteus Blumb.) (Fig. 36). Figur 1 = Zapfen von Pinus silvestris. Fis:ur 3 u. 4 = Nüsse von Corylus avellaua. — J^'igur 5 = CJeüügelter Samen von Picea excelsa. — Figur ti ^ y — Samen von Brasenia Victoria. — Figur 10 = Stein- frucht von Uex aquifolium. — Figur 11 — 14 ^= Früchte von CeratophyUum. — Figur 15—17 = Früchte von Carpinus Betulus. — Figur 18—26 — FÖUiculites carinatu.s. — AUe Objecte, bei denen kein Maassstab angegeben ist, sind in natürlicher Grösse dargestellt. Cervus elaphus L. Canis lupus L. fossilis. Ursus sp. Dazu kommt Elephas trogontherii Falc., von H. Schroeder erwähnt, Cervus megaceros (Fig. 37) von Nehring, der Biber u. s. w. Die meisten Reste der Säugethiere finden sich in dem dem unteren Geschiebemergel aufgelagerten Saude und Grande. In der Umgegend von Berlin ist es be- sonders eine dem unteren Mergel mit Paludina diluviana mehr oder weniger unmittelbar aufgelagerte Grandbauk, welche zahlreiche schöne Funde*) geliefert hat. Sie ist beobachtet am Kreuzberg, bei Rixdorf, Britz und Tempel- hof bei Berlin, Xieder-Löhme bei Königs- Wusterhausen, Müggelsheim bei Köpenick und Phöben bei Ketzin. Die grosse Zahl der vorhandenen Säugethierreste in der Interglacialzeit beweist, dass wir es mit einer reichen I Tertiärzeit Relicte aus ähnlich wie wir in Arten aus der Eiszeit antreffen •) Die schönsten Exemplare besitzt das Kp:l. Museum für Natur- kunde, das Märkische Provinzial-Museum zu Berlin u. das Mus. d. ligl. geolog. Landes-Anstalt. über das ciale Alter der Eberswalder Schichten jedoch nichttheile, sondern dieselben für spät- diluvial halte, so komme ich unten darauf zurück. Von hervorragendem In- teresse für die Interglacial- zeit Norddeutschlauds ist das diluviale Torflager bei Klinge unweit Koftbus. Hier hat sich gezeigt, dass die Vegetation der untersten Schichten (8 — 5) zusammen- hängend ist, dass dann in der vierten Schicht eine auf- fällige Unterbrechung erfolgt und dass der Detritus in der dritten wieder eine ziemlich reiche Vegetation enthält. (Fig. 38). Von Wichtigkeit für das dortige Torflager ist ferner die Angabe Potonie's, dass wir dort in den bei- den ausgestorbenen Pflauzeu- arteu Folliculites carinatus (Fig. 39) und Brasenia Vic- toria (Casp.) Weberbauer (= Cratopleura helvetica) bei ihrer nahen Verwand- schaft mit 2 Arten aus der dieser Zeit zu erblicken haben. der heutigen Flora Norddeutschlands y. Die zweite Vereisung. Die Flora und Fauna, welche sich im norddeutschen Flachlande in der Interglacialzeit angesiedelt hatte, musste noch einmal dem Inlandeise weichen, welches sich ähnlich wie in der ersten Eiszeit von Skandinavien her nach Süden ausbreitete, ohne jedoch die südliche Grenz- linie der ersten Vereisung zu erreichen. Auch die Mächtigkeit der Gletschermassen der zweiten Eiszeit war bedeutend geringer als die der ersten, weshalb seine Be- wegungsrichtung während der nun folgenden Periode wesentlich vom Baltikum becinflusst wurde und im All- gemeinen eine ostwestliche w^ar. Während, wie das Fehlen des oberen Geschiebemergels ergiebt, im Süden Sachsen von der zweiten Vereisung frei blieb, ging die Westgrenze derselben nicht weit über die untere Elbe hinaus. Vor kurzer Zeit wurde sogar noch angenommen, dass die Westgrenze von diesem Flusse gebildet wurde, 198 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 16. dass in der Magdeburger jedoch hat AVahuschafic gezeigt Bürde sichere Reste des ol)eren Geschicberaergels tlieils völlig erhalten, theils als Auswaschungsrückstand in der Steiiisohle des Bördelösses auftreten. Ebenso glaubt der ge- nannte P^orscher die oberen Geschiebesande der Altmark und der Lüneburger Haide als sandige Aequivalente des oberen Geschiebemergels auffassen /,u dürfen. Schliesslich gehört hierhin wahrscheinlich auch der rothe Geschiebe- mcrgel der Altmark, welcher oft weite Strecken der Oberfläche bildet und als Grundraoräue der letzten Ver- eisung zu betrachten ist. Vor dem heranrückenden Eise strömten wie bei der ersten Vereisung wieder die Schmelz- wasser nach Süden, schwemmten die oben aufgezählten Reste der diluvialen Säuger zusammen und begruben sie in dem von ihnen mitgeführten Materiale, indem sie bei starker Strömung Grand- bänke absetzten, während eine schwächere Strömung die Bil- dung von Sandablagerungen mit deutlicher Torreutoschichtung be- wirkte. Es wird gewöhnlich an- genommen, dass die Sande und Grande der Interglacialzeit den Schmelzwassern des zum zweiten Male vorrückenden Eises ihre Existenz verdanken*), jedoch ist von Keilhack mit Recht darauf hingewiesen worden, dass die- selben zu drei ganz verschiede- nen Zeiten entstanden sein können, nämlich beim Rückzuge der ersten Vereisung, während der Interglacialzeit und beim Herannahen der zweiten Ver- eisung. Geinitz hat sich dieser Ansicht angeschlossen, bemerkt jedoch, dass die betreffenden Sand- und Grandbänke höchst wahrscheinlich vor dem Heran- rücken des zweiten Inlandeises abgesetzt sind und stellt sie zum Ober-Diluvium. Bisweilen werden während der zweiten Vereisung, ebenso wie in der ersten beträchtliche Oscillationen der Gletschermassen stattgefunden haben, so dass auch im Ober-Diluvium mehrere durch Sande von einander ge- trennte Geschiebemergel vorkommen. Dahin gehören die beiden Geschiebemergel am linken Ufer der Weichsel unterhalb Neuenburg, welche über einem von Ebert ent- deckten und für interglacial angesprochenen Torflager liegen. Ferner erwähnt Jentzsch zwei bis drei überein- *) Die Königl. preussische geologische Landesanstalt stellt sie in das Unter-Diluvium. anderliegendc car CUll Figur 39. 1—5 Follifriilites carinatus (Nehring) Potonio. — 1 Vier Früchte res]). Putamina in natürlicher Grösse, 2—5 in f, 2 und 3 von .n von Mittheilungen aus der Anstalt, unter denen die mit Portraits versehenen Nekrologe von E. Laufer, K. A. Lossen und A. Halfar, die folgeiuien Ab- handlungen. H. Proescholdt, Ueber den geologischen Bau des Central- stocks der Köhn. (Tafel II). — Briefliche Mittheilung von Herrn G. Berendt an Herrn W. Hauch ecorne (betrifft eine Zusatz- Notiz zu den Untersuchungen des Autors über Spuren der Verglotscherung des Kiesengebirges). — H. Potouie, Die Wechselzonen-Bildung der Sigillariaceen. (Tafel III— V). — A. V. Koenen, Ueber Dislocationen vom Harz. — L. Beus- hausen, Ueber Alter und Gliederung des sogenannten Kramenzcl- kalkes im Oberharze. — F. Wahn seh äffe. Die Lagerungs- verhältnisse des Tertiärs und Quartärs der Gegend von Buckow. — A. Jentzsch, Bemerkungen über den sogenannten Lias von Remplin in Mecklenburg. — A. Leppla, Die oberpermischen eruptiven Ergussgesteine im SO-Flügel des pfälzischen Sattels. — C. Gagel, Beiti'äge zur Kenntniss des Wealden in der Gegend von Borgloh Oesede, sowie zur Frage des Alters der deutschen Wealdenbildungen. (Tafel XII u. IX). — K. Keilhack, a. Die baltische Endmoräne in der Neumark und im südlichen Hin- terpommern. (Tafel XIV). b. Notiz über ein Vorkommen von Mitteloligocän bei Soldin in der Neumark. c. Das Profil der Eisenbahnen Arnswaldo - Callies und Callies - Stargard (Tafel XIV). — 0. Ebert, Die Braunkohleuablao;erungen in der Gegend von Senftenberg. I. (geologischer) Theil. (Tafel XV). — E- Kayser und E. Ho Izappel, Ueber die strati- graphischen Beziehungen der böhmischen Stufen F, G, H Bar- rande's zum iheinischen Devon. — Gel horu , a. Die Braunkohlen- Hölzer in der Mark Brandenburg (Tafel I). b. Insektenfrass in der Braunkohle der Mark Brandenburg (Tafel XI). — F Kurtz, a. Ueber Pflanzen aus dem norddeutschen Diluvium, b. Eine neue Nymphaeacee aus dem unteren Miocän von Sieblos in der Rhön. — Martin Schmidt. Der Gebirgsbau des Eiubeck-Markolden- dorfer Beckens. — E. Althans, Gletschcrschrammen am Rummels- berg, Kreis Strehlen. Bronn, H. G., Thierrcich. 2. Bd. 3. Abth. Ecliinodermen. 19. Lfg. Leipzig. 1,50 M. — das.s.' 3. Bd. Mollusca 15—17. Lfg. Leipzig, ä 1,50 M. — dass. 5. Bd. 2. Abth. Gliederfüssler. 41— 4o. Lfg. Leipzig, a 1..50 M. Euithan, D. Walth., Die Entwicklung des Kleinhirns bei Säugc- tlueren. München. — 1,60 M. Lewy, Wald., E.\periuientelle Untersuchungen über das Go- dächtniss. Hamburg. — 1,.')0 M. 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Verantwortlicher Kedacteur: Dr. Henry Potoniij, Gr. Lichterfelde (l'.-B ) bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inserateiitlieil; Hug Bernstein in Berlin. — Verlag: Fei'd. Dümmlors Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SVV. 12. s^mM Foncfcnnr »0(71« bl u waUoio- fuModeo Ideea uu! ui lacke»- dra 0«biUeo dar Phtatuta, tM ihr ralehlk:^ «ntit dordl ^«a Sabwendanet. Redaktion: Dr. H. Potonie. Verlag*: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den 28. April 1895. Nr. 17. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- Y Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 -A. Grössere Aufträge ent- anstalten. wie bei der Eiipedition. Der Vierteljahrspreis ist J£ 4.— & sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 --f extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. JL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdrnck ist nnr mit voll^itändiger Quellenangabe gestattet. Aeltere Anschauungen über die Ursachen der Erdbeben. Von Dr. G. Maas. l „Von früher Jugend sind wir an den Kontrast zwischen dem bewegrlichcn Element des Wassers und der Unbe- wegliehiieit des Bodens gewöhnt, auf dem wir stehen. Alle Zeugnisse unserer Sinne haben diesen Glauben be- festigt. Wenn nun urplötzlich der Boden erbebt, so tritt geheimnissvoll eine unbekannte Naturkraft als das Starre bewegend, als etwas Handelndes auf. Ein Augenblick vernichtet die Illusion des ganzen früheren Lebens. Ent- täuscht sind wir über die Ruhe der Natur; wir fühlen uns in den Bereich zerstörender, unbekannter Kräfte ver- setzt. Jeder Schall, die leiseste Bewegung der Lüfte spannt unsere Aufmerksamkeit. Man traut gleichsam dem Boden nicht mehr, auf den man tritt"*) Zwar haben heute diese Worte A. v. Humboldts nur noch beschränkte Bedeutung auch für jene Gegenden, in denen Erdbeben zu den allergrössten Seltenheiten ge- hören, da wir durch die modernen Hülfsmittel des Verkehrs, besonders die Telegraphie, fortwährend Kunde erhalten, dass hier oder dort eine mehr oder weniger heftige Er- schütterung stattgefunden. Ganz anders früher. Oft ver- gingen Jahre, bis ein ins Aeusscrste entstellter Bericht über dieses oder jenes Ereigniss Verbreitung fand; weniger bedeutende verloren sich ganz. Da war es denn ganz natürlich, dass über Erscheinungen, deren Ursache man nicht kannte, die mau sich aber als etwas Allgegen- wärtiges, Unbegrenztes vorstellte, bei denen man sich überall, wohin die Flucht auch gerichtet, über dem Herd des Verderbens wähnte, die abenteuerlichsten Ansichten laut wurden und allgemeine Anerkennung fanden. Wenn wir uns nun die Aufgabe stellen, die älteren und ältesten Anschauungen der Natur- und Kulturvölker über die Ur- sachen der Erdbeben darzustellen, so geschieht dies keineswegs in der Absicht, dieselben als Auswüchse einer überhitzten Phantasie geringschätzig bei Seite zu werfen. Denn vielleicht werden spätere Generationen unsere *) A. V. Humboldt, Kosmos. (Au3g. Cotta 1847.) Bd. I, S. 224. heute geltenden Erdbebentheorieen ebenso mitleidig be- lächeln. In der Bibel finden wir an mehreren Stellen*) die Thatsache eines Erdbebens erwähnt, einmal sogar, in Psalm 114, eine höchst poetische Schilderung; aber es ist durchaus nicht möglich, aus diesen Angaben irgend eine biblische Erdbebentheorie zu koustruiren, wie dies Ratzmer versucht hat.**) Bleiben wir bei dem Volke der Juden, so finden wir im Talmud***) eine sehr wunderliche Anschauung über die Beziehungen Gottes zu den Erderschütterungen; der Schriftsteller nimmt an, Gott weine täglich aus Reue über die Vertreibung seines Volkes zwei Thränen, die mit solchem Getöse in das Meer fallen, dass man es von einem Ende der Welt bis zum andern hören könne und dass selbst Erdbeben durch ihren Fall entstehen können. Die Nachbarn der Israeliten, die Babylonier, schrieben die Erdbeben dem Einflüsse gewisser Gestirne, der Sonne, Jupiter, Saturn und Mars, zu, ohne indessen zu erklären, in welcher Weise die Gestirne wirken sollten. Eine eigenthünilicbe Vorstellung hat bei den Bewohnern Perus eine noch eigeuthümlichere Sitte her- vorgerufen, sie meinen, Gott stehe von seinem Platze auf, um die Menschen zu zählen, und schon aus dem Geräusche der durch seine Tritte veranlassten Erschütterungen ver- möge er die Zahl zu schätzen; sobald daher ein Erdbeben eintritt, verlassen die Leute ihre Häuser, springen und tanzen mit dem Rufe: „Hier sind wir! hier!" Die Chinesen schreiben die Erdbeben, wie alle Drangsale, bösen Dä- monen zu, denen noch im Jahre 1649 grosse Versöhnungs- opfer gebracht wurden. Ein ähnlicher finsterer Glaube, der in den Erdbewegungen ein Strafgericht erblickt, ver- anlasste noch in neuerer Zeit im dunklen Welttheil *) Psalm GO, Psalm 114, Arnos 1,1, Sacharja XIV, 5. **) Ratzmer, Die biblische Erdbebeiitlieorie; eine exegetische Studie. Leipzig 1881. ***) Tr. Berach. f. 59, 202 Natniwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 17. I Menschenopfer; so veröffentlichte Pcrrey*j den Bericht ' eines holiilndischen Kanfni.inns Enschart in Abomey, der Hauptstadt von Dahoniey, über das Erdbeben, weiches am 10. Juli 1862 jene Gegend lieimsuclite; vor seinen Augen wurden auf dem Mari?cblange) der Meder, dessen Gefangennahme jährlich am 31. August am Demavend gefeiert wird; regt sich der unter diesem eingekerkerte Götterfeind, so erbebt die Erde. Diese Sage erinnert an die griechische, und römische Mythologie, die auch die Erdbeben Giganten und Dämonen zusehrieb. Homer, Vergil und Luean lassen den Typhoeus unter Ischia angekettet sein, Ovid unter dem Aetna; Quintus Smyrnaeus nennt dagegen den Aetna als Gefängniss des Enceladus. Am interessantesten ist jedoch folgende Stelle aus Hesiod, der jedenfalls ein Vulkanausbruch auf Ischia zu Grunde liegt: „Jedes Titanenhaupt sprühte Feuer und Flamme, jedes einen anderen Laut ausstossend, erschreck- liches Geräusch; bald wie Stöhnen eines Riesenochsen oder wie das Gebrüll des gereizten Löwen, bald dem *) Perre}', Note sur les tremblements cK' terre en 1862. **) M. V. Portman, On the Andam.an Island.^ and the An- danieso. Joui-n. Roy. Asiat.Soc. 1881, S. 475 (cit. in Suess, Ant- litz der Erde, I, S. 78.) ***) A. V. Lasaiilx, Die Erdbeben; Kcnntfotts Handwöi-terbuch der Mineralogie, Geologie und Paläontologie, I. S. 295. Gebell einer Kuppel Hunde gleich. Solche Schreckens- töne stiegen aus dem Innern des Gebirges auf." Der Feuergott der nordischen Sage, Loki, ist in einer Höhle angeschmiedet; über ihm liegt ein Giftwurm, dessen Gift auf ihn träufelt, was Lokis Weib, Anguboda, durch eine untergehaltene Schale abhält; wenn aber die Schale ge- leert werden muss, fällt das Gift auf Loki, der sich dann vor Schmerzen sträubt, dass die Erde erbebt. Auch die Griechen brachten, wenn auch in anderer Weise, die Erdbeben in Beziehung zu ihrer Göttcrwelt; der Meergott Poseidon stosse, so meinten sie, die Erde mit seinem Dreizack und gaben ihm daher den Beinamen Enosigaios oder Enosiehtbon; darum stimmen, wie Xenophon be- richtet, die Lacedämonier bei einem Erdbeben einen Lob- gesang auf Poseidon an; darum wünscht bei Aristophanes ein Feind der Lacedämonier, Poseidon möge ihnen alle ihre Wohnungen umwerfen. Bei den Indianern am unteren Fraser-River findet sich eine Sage über die Entstehung des Mondes und der Sonne, in welcher, nach der Angabe von Fr. Boas*) folgende Stelle vorkommt. Die Mutter, des in den Mond verwandelten Mannes spricht: „Hinfort, wenn die Sonne Krankheit und Tod unter die Mensehen senden will, werde ich am Lande ziehen und es rütteln zum Zeichen dessen, was noch bevorsteht." Hier tritt das Erdbeben also auf als Warnung vor schwereren Ge- fahren. In ähnlicher Weise bezeichnen am Tanganyika- See die Eingeborenen die Erdbeben als Klagen und Warnungen des Sturmdämons Kabogo. We^iden wir uns von diesen mythologischen und religiösen Vorstellungen den Speculationen der griechi- schen Philosophen zu, so müssen wir zunächst bemerken, dass uns gerade von denjenigen Männern, bei denen wir weitgehendere geogra|)hische Kenntnisse voraussetzen dürfen, Heraclit, Pythagoras und Arisfarch, nichts auf die Erdbeben Bezügliches erhalten ist. Unter den übrigen tritt uns Thaies auch auf dem Gebiete der Erdbeben, wenn man den Ueberlieferungen Glauben schenken kann, als Neptunist entgegen; er nimmt an, die Erde werde durch die Bewegungen des Wassers erschüttert, auf dem sie schwimme; hierdurch sucht er das Hervorbrechen neuer Quellen bei Erdbeben zu erklären. Anaximander führte die Erderschüttcrungen auf die in Folge lang an- dauernder Dürre oder auch bei sehr starken Regengüssen sieh bildenden Risse im Boden zurück, in welche die Luft mit grosser Gewalt eindringt**); deshalb sollen Erd- beben besonders im Sommer eintreten.***) Anaximenes bildete diese Lehre weiter aus; das Wasser, das in die Erdrisse eindringt, erzeugt, seiner Ansicht nach, unter- irdische Einstürze, welche die Erdbeben veranlassen. Diogenes von ApoUonia lehrte, der Erdkörper sei von Gängen durchzogen, in welche die Luft eindringe; werden derselben nun die Ausgänge verstopft, so sucht sie sich gewaltsam zu befreien und erzeugt Erschüfterungen.f) Bei Anaxagoras finden wir verschiedene Ansichten. Einmal führt er die Erdbeben auf unterirdische Einstürze zurück; solche Einstürze können durch unterirdische Flüsse und das unterirdische Meer veranlasst werden; auch *) Zeitschr. f. Ethnologie 1891, pag. (561). **) Vergl. Annniianus Marcelliniis, rerum gestaium lib. XVII, eap 7. ***) Pausanias führt als Vorboten der Erdbeben lange an- haltende Trockenheit und das Versiegen der Quellen an. Nach Perrey und Roiilin sollen in Mittel- und Südamerika die Erd- beben im Sommer und bei grosser Dürre viel häutiger sein als im Winter. Dasselbe berichtet Shaw (Travels in Barbary, 1757) für Algier. Dagegen herrscht nach Link in Portugal allgemein die Ansicht, Erdbeben träten beim ersten Regen nach langer Dürre ein. Schon Plinius bemerkte, dass starke Erdbeben wohl eintreten, wenn Regen nach starker Hitze folgt. t) Vergl. Seneca, Naturales quaestiones. VI. 15. Nr. 17. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 203 das Feuer vermag die Gebirge bis zum Einsturz oder doch zu Verbiegungcn auszuliölilcn; sowohl das Losrcisscn der Massen, als aiieh das Autsuiilagen auf den Boden verursachen Erdstösse; das wiederholte Abprallen vom Boden oder das Ansehlagen der Wellen, wenn das los- gelöste Stück in ein Wasserbecken füllt, rufen die suc- eessiv folgenden Stcissc mancher Erdbeben hervor. Eine andere Ansicht des Anaxagoras geht dahin, wie Origenes und riutarch berichten, dass die obere Luft in die Luft unter der Erde einströme, wodurch diese und die auf ihr schwimmende Erde bewegt würden. Auch dadurch könnten Erderschütterungeu veranlasst werden, dass dicke (eomprimirte) Luft, die aufsteigen wolle, einen Ausgang suche.*) Epikur schloss sich, wie T. Lucretius Carus**) überliefert hat, einerseits dieser letzterwähnten Ansieht an; andererseits glaubte er, dass zuweilen die Stützen der Erde unterwühlt werden, nachgeben und einstürzen, doch sei es in jedem einzelnen Falle schwer zu ent- scheiden, welche Ursache vorhanden war. Während, wie wir sahen, für Anaxagoras die Spann- kraft der unterirdischen Gase nur ein Agens war, welches Einstürze und dadurch mittelbar Erdbeben veranlasst, werden bei Aristoteles alle Erdbeben unmittelbar durch in unterirdischen Hohlräumen eingeschlossene Luft ver- ursacht.***) Zunächst meint dieser grösste Philosoph des Alterthums, dass höhlenreiche Länder, wie Hcllespont, Achaja, Eubi»ea, Sicilien, den Erderschütterungen am meisten ausgesetzt sind und die schwersten Heimsufluiugen erleiden, f) Es ist bei Erdbeben windstill, weil dann der Wind in die Erdhöhlen eingedrungen. Die Luft setzt das Wasser in Aufruhr. Luft, durch den Erddruek eingepresst oder in Bewegung gesetzt, hat grosse Kraft, überwindet grosse Lasten und ist im Stande, wenn sie aus Höhlen zu entweichen versucht, die Erde zu erschütteru oder, wie ein Keil, die Erddecke auseinander zu treiben. Das Erdbeben hört dann nicht eher auf, bis die eingeschlos- senen Winde ausgeströmt sind und einen Sturm verur- sachen, wie dies bei einem Erdbeben zu Heraelea im Pontus der Fall war. Die Erdbebengeräusche sind nur Lufterschütterungen, die wegen der schnelleren Aus- breitung des Schalles dem Beben voraufgehen. Aristoteles vergleicht die Erde mit dem menschlichen Körper; auch in diesem treten, wie er meint, zitternde und konvulsivische Bewegungen ein, wenn Luft in eine Leibeshöhle eindringt; auch die Adern des Fiebernden pulsiren nur wegen einer übermässigen Ansammlung der Geister; zittern wir doch am ganzen Körper, wenn Kälte, Furcht oder Alter die Lebensgeister zurückdrängen. Die Ansichten des Aristoteles linden wir wieder bei seinen Schülern Theophrast, Callisthenes und Archelaus. Dagegen begründete Straten aus Lampsakus, ein Schüler des Theophrast, die auch in der neueren Zeit wieder auf- getauchte Lehre, dass Erdbeben durch Wärmcunter- sehiede in den Erdschichten veranlasst würden. Demokrit schrieb die Hauptschuld bei der Erzeugung *) NehriiifT weist dai-auf liin (Die geologischen Anschauungen des Philosophen Seneca, Wolfenbüttel 1873), dass die in Gebirgen ziemlich hiiufigen sog. Wetteilöcher diese Ansicht veranlasst haben können, lieber derartige Gebilde sagt ein anonymer Schriftsteller (Ausland, 1872, S. .599, „Die Wetterlöcher in" den Alpen"*): „Wenn man an heissen Sommertagen in nächster Nähe einer solchen Spalte vorübergeht, fühlt man einen ziemlich starken kalten Luftzug, der aus derselben herausdringt; im Winter hin- gegen findet das Gegentheil statt, nämlich die äussere Luft dringt in den Spalt hinein." **) T. Lucretius Carus, de rcrum natura lib. VI v. 534 sqq. ***) Aristoteles, Meteorol. lib. II, cap. 7. "j") Dem gegenüber behauptet Pausanias in seinem grossen Keiscvverke Periegesis, dass das höhlenreiche Boeotien gerade dieser Eigenschaft wegen äusserst selten Erschütterungen er- leidet. von Erdbeben den Regengüssen zu, welche das bereits durchfeuchtete und mit Wasser vollgesogene Erdreich treffen. Der grosse griechische Geograph Strabo steht, wie viele Stellen seines Werkes Geograiihica beweisen, ganz auf dem Boden der aristotelischen Lehre. Nach seiner Ansicht sind höhlcnreiche Gegenden, wie die von Megara und Attika an bis nach Theben, oft heftigen Bewegungen au.sgesetzt. *) Ganz Euboea leidet viel durch Erschütte- rungen, besonders die Gegend am Meerbusen, weil es ebenso wie Boeotien leicht die unterirdischen Winde aufnimmt.**) Ehe in Süditalien die Vuleane vorhanden waren, litt dieses Gebiet weit mehr unter Erdbeben, als später, wo der Aetna und Volcano sich in Thätigkeit be- fanden.***) Trotz dieser Lehre führt Strabo auf Grund der Berichte Aristobuls ein Erdbeben an, das durch die Thätigkeit des Wassers hervorgerufen wurdet); er folgert daraus, dass auch die von grosser Nässe erweichte Erde leicht erzittere und reisse, und dass sogar durch derartige Risse vielfach der Lauf der Ströme verändert würde. Pausanias unterscheidet in seinem grossen Reisewerke Periegesis drei Arten von Erdbeben, dieselben, die man noch heute in Italien zu unterscheiden pflegt. Erstens: Hin- und Herwiegen (motu undulatorio der Italiener), wo- bei die zweite Bewegung die durch die erste veranlassten Lageveräuderungen wieder ausgleichen kann, bevor der Sturz des erschütterten Gegenstandes erfolgt. Zweitens: Stoss (motu suecussorio), wodurch Dächer und Mauern einfallen, als ob sie durch Kriegsmaschinen zerstört wären. Drittens: Eine Bewegung, welche mit dem Pul- siren der Adern verglichen wird (motu vorticoso), wobei eingeschlossener Dampf zum Ausbruch konmit und Maul- wurfsarbeit verrichtet; durch derartige Ausbrüche werden Mauern und Häuser so gründlieh zerstört, dass man kaum eine Spur mehr davon erkennt. Der griechische Ingenieur Athenios, der zur Zeit des Kaisers Justinian lebte, erbrachte für die Richtigkeit der aristotelischen Lehre einen für seine Zeitgenossen aus- reichenden Beweis, indem er durch die Expansivkraft des Wasserdampfes, den er aus dünnen Röhren aus- strömen Hess, am Hause des Redners Zeno ein künst- liches Erdbeben hervorrief, ff) Bei den westlichen Nachbarn der Griechen, den Römern, finden wir Anfangs dieselben mythologischen Vorstellungen von dem unmittelbaren Zusammenhange der Erdbeljcn mit einer Gottheit; doch wurde nicht der Meergott für die- selben verantwortlieh gemacht; vielmehr treffen wir hier den Brauch, dass bei den einer Erderschütterung wegen dargebrachten Versöhnungsopfern keine bestimmte Gottheit genannt werden durfte; der ernste Römer fürchtete eine wichtige zu erzürnen und dadurch noch grösseres Unglück heraufzubeschwören; nur einmal wurde, soweit die Ueber- lieferung reicht, diese Sitte ausser Acht gelassen und der Tellus ein Tempel geweiht. *) Strabo, Geographica, IX. **) Strabo, Geographica, X. ***) Strabo, Geographica VI. Auch heute findet man noch die Ansicht, dass die Vuleane Sicherheitsventile gegen Erdbeben darstellen. t) Wir besitzen ausser dieser Ueberlieferung keine genaueren Angaben über dieses indische Erdbeben, das sicher eins der aus- gedehntesten war, von welchem wir aus dem Alterthum Kunde erhalten. Die Flussbettverlcgungen, welche Aristobulus anführt, sind sicher ähnliche Erscheinungen, wie sie noch jetzt bei heftigen Erdbeben in grossen Stromniederungen auftreten, bei denen oft sehr bedeutende Bewegungen der wassererfüllten AUuvionen statt- finden, die aber stets als Wirkung, nicht als Ursache des Bebens anzusehen sind. tt) Agathiae Hist. V, 7 in Corp. Script, hist. Byzant. 204 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 17. Von wirkHchen Theorien sind zunächst die Ansichten bemerkenswerth, welche T. Lucretius Carus in seinem grossen Lehrgedicht „de rerum natura" niedergelegt hat; in demselben macht er uns mit den eigentlichen physika- lischen Weltanschauungen des Alterthums bekannt gegen- über den philosophischen Speculationen. Er unterscheidet vier Typen von Erdbeben, die ganz verschiedenen Ur- sachen ihren Ursprung verdanken, Einsturzbeben, Fluc- tuationsbeben, ündulationsbeben und Expansionsbeben, wie man sie nach modernen Gesichtspunkten benennen könnte. Die Eiusturzbeben*) sind durch scharfe Paicke charakterisirt, die alles wanken machen, wie das Dach eines Wagens wankt, wenn er über einen Stein fährt. Sie entstehen, indem grosse unterirdische Höhlen, die durch die Erosionsthätigkeit der unterirdischen Gewässer entstanden sind und immer vergrössert werden, endlich einstürzen. Die Fluctuationsbeben**) sind durch unstätes, horizontales Hin- und Herschwanken der Erde charak- terisirt. Sie entstehen durch Erdrutsche. Dadurch wird die unter der festen Erdrinde befindliche Flüssigkeits- masse in heftiges Wogen gebracht, wodurch auch die Wände und Pfeiler der Höhlen ins Wanken kommen, gleichwie ein Wasserkessel ins Schwanken geräth, wenn das Wasser in ihm heftig bewegt wird. Die ündulations- beben***) bestehen in rhythmischem Heben und Senken des Bodens, wodurch Häuser, Bäume u. s. w. sich einem Centrum bald zu- bald abneigen. Ihre Ursache ist der Sturmzustand der unterirdischen Gase, bei welchem sich die Theilchen gruppenweise in paralleler Richtung be- wegen und so sturmartig die iVände treffen. Die Expan- sionsbebenf), die das höchste Entsetzen hervorrufen, be- stehen in einem Zittern und Beben der Erde, bei dem Stösse nach allen Seiten erfolgen und Erdrisse sich bilden. Die Ursache besteht darin, dass durch chemische Pro- cesse im Erdinnern Gase entwickelt werden, die allmäh- lich eine hohe Spannung erreichen, auf Spalten nach oben dringen und Erschütterungen verursaclien, bis sie einen Ausweg gefunden. C. Plinius Secundusft), der beim Untergange Pom- pejis ein Opfer seines Wissensdurstes wurde, folgte auch in seinen Anschauungen über die Erdbeben getreu den Fussspuren seines Lehrmeisters Aristoteles. Auch bei ihm ist die Ursache der Erdbeben in der Erde einge- drungener Wind. Nur bei ruhiger Luft und stillem Meere können Erdbeben eintreten, die im allgemeinen beim Auf- treten eines Sturmes ihr Ende erreichen. Auffallend i.st es, dass Plinius am Ende seiner Theorie die ganze Er- scheinung des Erdbebens ein unterirdisches Gewitter nennt, nicht nur wegen des häufig beobachteten donner- ähnlichen Getöses, sondern weil die durcli ihre Spannung- erschütternden Kräfte sich in inneren Hohlräumen an- häufen, wenn sie in der Athmosphäre fehlen. Die betref- fende Stelle lautet ftt): „Neque aliud est in terra tremor, quam in nube tonitruum, nee hiatus aliud quam cum fulmen erumpit, incluso spiritu luctante et ad libertatem exire nitente." Seneca*t) erkannte wohl zuerst, dass der Sitz der *) T. Lucretius Carus, de rerura natura lib. VI v. 540 — 551. **) T. Lucretius Carus, de rerum natura lib. VI v. 552 — 556. ***\ r^^ Lucretius Carus, de reruui natura lib. VI v. 557 — 577. t) T. Lucretius Carus, de rerum natura lib. VI v. 577 — 607. Vorgl. über Lucrez die Abbandluuj; von K. Fuchs „T. Lu- cretius Carus" in Mittheil. d. naturw. Vereins für Steiermark, Jahrg. 1884, S. 126. tt) C. Plinii Secundi Historiae naturalis lib. II. ttt) «Das Erdbeben ist nichts anderes, als der Donner in den Wolken, und die Bildung einer Spalte nichts anderes, als das Zucken des Blitzes, da die eingeschlossene Luft arbeitet und sich frei zu machen strebt." *t) Seneca, Naturales quaestiones lib. VI. Erdstösse in gar nicht beträchtlicher Tiefe zu suchen sei. Er unterscheidet zwei Arten der Erdbewegung mit ver- schiedenen Ursachen, ein motus succussorius, einen ein- fachen Stoss, hervorgerufen durch locale unterirdische Einstürze, und ein motus inclinatorius, eine wellenförmige Bewegung, die er für die Wirkung eingeschlossener, hochgespannter Gasmassen erklärt. Die lebendige Kraft solcher Gasniassen kennzeichnet er treftend mit den Worten*): „Nobis quoque placet hunc spiritum esse, qui possit tanta conari, quo nihil est in rerum natura potentius, nihil acrius, sine quo nee illa quidem, quae vehementissima sunt, valent." Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass Senecas „spiritus" etwas anderes ist als der Wind des Aristoteles, nämlich erhitzte Gas- massen von hoher Spannung. Wenden wir uns dem Mittelalter zu, so dürfen wir bei den Arabern nichts anderes erwarten, als Lesefrüchte theilweise arg missverstandener griechischer Autoren. Ausser einer vorzügHchen Beschreibung des mesopo- tamisch-syrischen Erdbebens von 1157 oder 1158 durch As-Soyuti**) ist nur das Werk Zakarija Ben Muhammed Ben Mahmud El-Kazwini's zu erwähnen.***) Dieser lässt uns die Wahl zwischen zwei Annahmen; entweder entsteht ein Erdbeben durch einen chemischen Process in den Eingeweiden der Erde, der an die in den Adern eines kranken Menschen tobende Fiebergluth erinnert, oder aber durch Einstürze und Bergsehlipfe. Mit orientalischem Gleichmuth versteht sich der Autor über die Pflicht einer eingehenden Prüfung hinwegzusetzen: „Gott aber weiss besser, wie es sich in Wahrheit mit diesen Dingen verhält." Unter den Hypothesen des abendländischen Mittel- alters haben wir zunächst die Anschauungen zu nennen, die uns Beda Venerabilis überliefert hat. Er kennt die aristotelische Lehre wie auch eine Einsturztheorie, von der er sagt: „Andere sagen, die Erde sei hohl wie ein Ofen oder wie zwei Hemisphären und werde dadurch bewegt, dass zuweilen Bergmassen einstürzen." Ausserdem führt Beda die Ansicht an, dass der Leviathan, welcher die Erde umfasse, zuweilen, wenn ihm die Sonne auf den Schwanz brenne, im Unwillen nach diesem schnappe und damit die Erde erschüttere, oder dass ein anderes Meer- ungeheuer eine grosse Menge Wasser schlürfe und wieder von sich gebe, wodurch es Uebersehwemmungen und Erd- beben veranlasse. Wenn wirklich, wie im Talmud steht, im Rachen des Leviathan ein Fisch von 300 Meilen be- quem Platz findet, so könnte man allerdings annehmen, dass ein derartiges Ungethüm eine kleine Ueberschwera- mung oder Erderschütterung zu veranlassen vermag. Doch ist diese naturhistorische Lehre des Talmud ebenso streng zu nehmen, wie die, „dass Gott täglich drei Stunden mit dem Leviathan spiele, aber nur mit dem Männchen, da das Weibchen schon längst von ihm eingepökelt wurde, um den Hinmilischen zur Speise zu dienen." Hrabanus Maurus lässt drei Ursachen für Erd- erschüttcrungen zu.f) Er sagt: „Die Erdbeben kön- nen entweder durch die Bewegung der Winde im Innern der Erde, oder durch das Schwappen des *) „Auch wir halten dafür, dass es die Luft sei, die so ge- waltiges vollbringen kann, die mächtigste und stärkste Naturkraft, ohne die selbst die grössten Gewalten nichts auszurichten ver- mögen." **) Sprenger, As-Soyuti's work on earthquakes. Journ. of tlie As. soc. of Bengal. XII, b. S. 746. **') Zakarija Ben Muhammed Ben Mahmud El-Kazwini's Kosmographic, deutsch von Rthe, Leipzig 1868, I. Halbband, S. 303 S. t) Heller, Geschichte der Physik von Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Stuttgart 1882, I, S. 177. Nr. 17. Natiirwisscnscliartliclic Wochcnsflirif't. 20r) Wassers (1er aber durcli Einstürze des untcrwülilten und unterwaschenen Bodens erklärt werden." Die Scholastiker, voran der heilige Tlionias von Aquino**), folgten auch in ihren Ansehauung-en tiber die Natur der Erdbeben getreulich den l''usss])iiren ihres grossen, aber in mancher Hinsielit überschat/ten Lehr- meisters Aristoteles, von dessen Lehre noch vier Jahr- hunderte später Eroidmont***) sagen koinitcf): „Sententia Aristotelis verissinia est, spirituiu subterraneuni esse cau- sam terrae niotus etlectriceui." Zur Gefolgschaft des grossen Griechen auf seismischem Gebiete gehört unter anderem auch Kistoro dArrezoff), der sich sonst durchaus nicht zur peripatctischcn Schule rechnete. Er sagtftf): „P2d alcuna stagione si vede e sente tremuoti, e sente tremare la terra, e tremare tutta la provincia, e cadcre monti, c case e torri, e giä furo vedute profondare cittadi: e sentonsi tremuoti piccoli, li quali non fano danno, e giä avemo veduto c sentito uscire il vento della terra." Wunderbarer Weise ninnnt Ristoro trotz seiner Vorliel)e für derartige Dinge für die Erdbeben keine astrologische Deutung zu Hilfe. An einem Vorbilde hätte es ihm auch nicht ge- fehlt, da Favaro*t) in einem „Codex Laurentianus" eine ^(fvaixij O^ewyia nsol tiZv qiatvoßs'vwv aEiOfiwv (o? ol jra- Aatot"**t) aufgefunden hat mit streng astro-meteorologi- scher Deutung des Vorganges. Man kiinnte die in diesem Werke gegebene Erklärung gleichsam als Vorläuferin der Falbschen Theorie auffassen ; nur sind nicht Sonne und Mond die Erdbeben veranlassenden Himmelskörper, sondern Sonne und Saturn. Endlieh finden wir auch ganz naive, kindliche Erklärungen; dass etwa die Erd- geister durch ihre Streitigkeiten oder der Meerfisch Cele- brant, der die Erde trägt, oder ein anderes Ungeheuer durch seine Bewegungen die Erdbeben hervorrufe. Schliesslich wollen wir noch einen kurzen Blick auf die Theorien der ersten Periode der neueren Zeit werfen. Zu Beginn derselben herrschten neben einander die Lehre des Aristoteles von eingeschlossenen Winden, der Glaube au den Druck hochgespannter Gase und Dämpfe und endlieh au chemische Vorgänge. Der Verfasser der im Jahre 1508 erschienenen „Margaritha Philosophorum", *) Diese oscillirende Bewegung des Bodens entnimmt Hra- b.inus MauiMis vielleiclit einer zu ilim durcligedrungenen Notiz über die Tliecirie des Demokrit oder aucli den Naclirichten Strabos und Aristobuls über die Spaltung und Zerbröcdihmg inundirter Schwemmländer. Ansiclitcn dieser Art finden sich auch in dem IG70 erscliieneucn Werlie des Erasmus Franciscus „Neu polirter Geschieht-, Kunst- und Sittenspiegel ausländischer Völker", wo CS lieisst: „Die Einwohner sagen, der ganze Berg sey voll Wassers, und gaben zum Zeichen dessen dieses zu betrachten, dass der ganze Platz um den Brunnen herum zittere, welches eine offenbare Anzeigung, dass Wasser darunter verborgen . . Er- wehnte Einwoliner, wie auch der Kaiser selbst, der mit seinem Heer zugegen war, berichteten, die Erde hettc selbiges Jahr nicht sonders viel gebebt wegen der grossen Dürre und trockenen .Jahreszeit; aber in anderen Jahren zittere und bebe sie dcrmassen, dass man zu diesem Orte kaum ohne Gefahr kommen könne." **) Eavaro, Xuovi studi intorno ai mezzi usali dagli antichi per attenuare le disastrose consequenze dei terremoti. Venezia 1875, S. 19. ***) Froidmont, Metcorologicoruni libri W., Lovanii 164(), S. 283. t) „Allein richtig ist die Lehre des Aristoteles, dass der unterirdische Wind die wirkende Ursache der Erdbeben sei." tt) Ea compositione del mondo di Ristoro d'Arrezzo, ed. Narducci, Roma 1859, S. 21. ttt) "An manchen Stellen nimmt man Erdbewegungen wahr und merkt, wie die Erde zittert, wie die ganze Provinz zittert, wie die Berge fallen, die Häuser und die BUuuie, und man hat schon ganze Städte versinken sehen: und man fühlt auch schwache Stösso, die aber kein l'nheil anrichten; und man hat schon ge- sehen uud wahrgenommen, wie der Wind ans der Erde herauskam." *t) Favaro, Nuovi studi etc. S. 22. **t) -Physische Theorie der Erdbebenerscheinungen nach dem Vorbilde der Alten." welcher den Kampf der eingeschlossenen Dünste gegen die Wände ihres Gefängnisses als Ursache der Erdbeben anninnnt, meint, dass diese Dünste durch die Tageswärme verdünnt, durch die Nachtkältc verdichtet, in beiden Fällen aber in Bewegung gesetzt werden und die Erd- decke, besonders in der Nacht, erschüttern und aufreissen könnten. Als Vertreter der Ansicht, dass bei den Erd- beben chemische Proeesse im Spiele sind, sei Car- danus*) genannt, der Salpeter, Erdharz und Schwefel in absteigender Linie, als die seismischen Motoren be- zeichnete. Galilei stellte die Frage auf**): „Sfe la cagione de' terremoti si dcva si stimare essere sopra o sotto la terra." Die sozusagen thermodynamische Anschauung des Strato, dass Erderschütterungen hervorgerufen werden durch ungleiche Vertheilung der Wärme in den einzelnen Erdschichten, vertrat der Begründer der neueren Mineralo- gie und Metallurgie, Georg Agricola***); er unterscheidet vier Arten von Erdbewegungen, ein leichtes Zittern, Tremor, einen P^.rdstoss, concussio, eine wellenförmige Bewegung, inclinatio, und eine sehr heftige Erdersehütte- rung, arietatio (Aufeinanderstossen).t) Der berühmte Jesuitenpater Athanasius Kircher ff) führt die Erdbeben auf das unterirdisclie Feuer zurück; dieses veranlasse die Entwickelung grosser Dampfmassen, welche die Wände der Berge zu sprengen suchen. Daher kommen Erdbeben überall da vor, wo sich in der Tiefe ein Herd des unter- irdischen Feuers, ein Pyrophyllaeium, befindet, also be- sonders in der Umgebung von Vulkanen, die mit diesen Herden in directer Verbindung stehen. Feuchte, an Flüssen und Seen reiche Gegenden sind Erdbeben weniger ausgesetzt als trockene. Van Helmont, ein Schüler des Paracelsus und bedeutender Arzt und Naturforscher seiner Zeit, trat in seiner Beschreibung des Erdbebens von ICSOftt), welches Lothringen, das Rheinland, Westfalen und Belgien schwer heimsuchte, der immer noch herrschenden Lehre des Aristoteles entschieden entgegen; wegen des P^'ehlens gewisser Schichtencomplexe an verschiedenen Stellen hält er es für gänzlich ausgeschlosseu, dass sich Gasmassen stellenweise ausannneln, die dann so grosse Gebiete erschüttern sollen. Auch mit den übrigen An- schauungen seiner Zeit geht er streng ins Gericht, ohne sie indessen durch eine bessere Lehre zu ersetzen. Sein Erklärungsversuch ist als völlig verfehlt zu betrachten; er nimmt nämlich an, das Beben gehe gar nicht von der Erde aus, sondern entstamme der Atmosphäre; ein Straf- engel schlage die Luft und erzeuge so einen Ton, wovon die Erde erzittere. So sehen wir denn am Ende des 17. Jahrhunderts die Erklärungsversuche wieder auf jenem Urstandpunktc der Annahme einer wunderbaren, übernatürlichen Ursache der Erdbeben angelangt, trotz mancher früher geltenden Anschauung, die den heutigen sehr nahe kam. Die all- gemeine Unklarheit, welche die grosse Zahl nebenein- ander bestehender Theorien hervorrief, wird am besten charakterisirt durch folgende Worte Raschs*t): „Oh aber in dem erdreich darinnen und in (Microcosmo) mensch- *) Rixner und Siber, Leben und Lehrmeinungen berühmter Physiker am Ende des XV 1. und am Anfang des XVH. Jahrhunderts. Snlzbach 1820, Heft 2. S m. *") Favaro, Nnosi studi etc. S. 13. ..Ob man die Ursache der Erdbeben über oder unter der Erde anzunehmen habe." ***) Georgii Agricolac de ortu et causis snbterraneoruni libri V. VVittebergae IGPi. lib. II. cap. XIV. t) Georgii Agricolae de ortu et causis snbtorraneorum lib. II. cap. XV. tt) Athanasius Kircher, Mundus subterraneus, Amstelodami 1665 Tom. I. lib. IV. cap. 10. ttt) Van Helmont, Opera omnia, 1682. S. 89-100. *t) J. Rasch (Rassius), Von Erdbiden, etliche Tractät, alte vnd newe hoch erleuchteter vnd bewärter Scribenten, München 1582. 206 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 17. liehen leib, als am himniel oder in lüfften, die hitz oder kelt mit einander streiten, dardurch ein solch greulich erschröeklicli stossen, schupflen, hupHt'en, zittern, werffen, feilen, sausten und pnaufen anrii'iiten wie der donner und plitz, so kounnt von kelt und hitz, Oder, ob der wind wider daz wasser oder das wasser wider den wind, oder ein wind wider den andern, oder ein wasser wider das andere, unter und gegen einander sicli setzen, anstossen und jrren, Oder, ob vielleicht ein Wassergang verfallen, verschoppet oder ob etwo in der Erd ein gewölb ein- gangen sey oder, dass die Erdgeister und Bergmännlein streiten oder dass der Meerfisch Celebrant .... sich recke und strecke, die Erd also unmässig rüre und be- wege, die auf jhni liege und ruhe, oder was doch ur- sacher sonst sey, dadurch und wess wegen der Erdboden also geblöet, getruckt, getrengt und gehebt wird .... das ist bei allen gelehrtesten berühmbtesten Naturforschern noch unerörtert." Neuer Apparat zum Messen von Curvenlängen/) Von Dr. Willi Ule, Halle, a. S. Bei vielen Arbeiten der Wissenschaft wie der Technik stösst man auf die Aufgabe, die Länge einer melir oder weniger gekrümmten Curve zu bestimmen. Am einfachsten wird dieselbe in der Weise gelöst, dass man ein kleines Räd- chen über die Curve hinführt und aus dem Product aus Um- fang des Rädchens und Anzahl der Umdrehungen den zurück- gelegten Weg berechnet. Allein dieses Verfahren lässt sich nur so lange anwenden, als die Krünunungen der Curve nur gering sind. Sobald der Radius der Krümmung kleiner ist als der Radius des Laufrädchens ist es un- möglich, auch bei grösster Sorgfalt genaue Resultate zu liefern. Mau hat diesem üebelstand nun auf vielfache Weise abzuhelfen gesucht. Den bedeutsamsten Fortschritt bezeichnet das Fleischhauer'sche Instrument, bei welchem man die Curve selbst mit einem Fahrstift befährt, während durch eine sinnreich erdachte Anlage mehrerer radial ge- stellter Rädchen die Curvenlänge ermittelt wird. Indess auch dieser Apparat arbeitet nach zuverlässigen Angaben noch mit Fehlern von 2 bis 5 %. Ausserdem ist die Handhabung desselben eine schwierige und der Preis ein ziemlich hoher. Aus solchen Gründen erklärt es sich, dass der Apparat nicht die Anforderungen befrie- digte und sieh trotz seiner Vorzüge nicht allgemein ein- führte. Bei der Construction des neuen Apparates war die Beseitigung dieser Uebel- stände in erster Linie maassgebend. Vor Allem galt als uncrlässliehe Bedingung für die Brauchbarkeit des- selben die Anwendung eines Fahrstiftes. Um den Fahr Stift aber anbringen zu können, musste die Ermitte- lung der Curvenlänge auf indirektem Wege ermöglicht werden. Das ist gelungen durch Vorrichtungen, deren Wesen darin besteht, dass nicht die Länge der Curve selbst, sondern die einer oder zweier Parallelcurven dazu durch Laufrädchen gemessen wird und zwar ist die Construction so, dass die Rädchen von selbst auf den Parallelcurven laufen, sobald der Fahrstift auf der Curve geführt wird. Aus der Länge der Parallelcurven lässt sich dann leicht die Länge der zu messenden Curve be- rechnen, da Curve und Parallelcurve stets in einem durch die Construction gegebenen Längenverhältniss zu einander stehen. Wegen dieser Benutzung von Parallelcurven ist der neue Apparat Parallelcurvimeter benannt worden. Zu einer Curve lassen sich nun verschiedene Parallel- curven ziehen. Von diesen Parallelcurven wurden zwei *) Zu beziehen von M. Wesselhöft, Halle a. S., Jäger- platz 10. Preis je nach Art der Construction 20—70 Mk. Arten benutzt. Einmal wurden Parallelcurven verwendet, welche dadurch entstehen, dass man für beide Curven die gleichen Krümmungsmittelj)unkte der einzelnen Gurvenelemente beibehält. Ein einfaches Beispiel da- für liefern conceutrisehe Kreise. Zu einer beliebigen Curve würde man diese Parallelcurve in der Weise zu construircn haben, dass man auf jeden Punkt der Curve Normalen von gleicher Länge errichtet. Die Endpunkte dieser Normalen liegen auf der Parallelcurve. Um aber aus diesen Parallelcurven gesuchten die Länge der Curve ermitteln zu können, ist die Construction von zwei solchen Parallelcurven erforderlieh und zwar müssen dieselben in gleichen Abständen zu beiden Seiten der zu messenden Curve gezogen werden. Alsdann ist nämlicii die Summe beider Parallelcurvenlängen gleich der doppelten Länge jener Curve. Es ergiebt sich das aus Erwägung. Zu jedem Curvenelement gehören Curventheile folgender a. L If A ' Eigur 1. die zwei uurventnene der Pa- rallelcurven, die mit zwei Normalen eine trapezartige Figur umschliessen. Denken • wir uns das Curvenelement unendlich klein, so dürfen wir dasselbe als geradlinig ansehen. Wir haben dann ein wirkliches Trapez vor uns, in dem nach bekann- tem Satze die Mittellinie, d. i. das Curvenelement, gleich ist der halben Summe der beiden Grundlinien, d. s. der Parallelencurven. Durch iebt sich das zugehörigen Theile Summirung sämmtlieher Curvenelemente er_ in obigem Satz ausgesprochene Resultat. Wollten wir nun zu einer bestimmten Curve die be- zeichneten Parallelcurven wirklich ziehen, so würden wir wahrnehmen, dass diese in ihrem Verlauf oft entgegen- gesetzt gerichtet sind, als die Mittelcurve. Es tritt ein solcher Widersinn der Richtungen ein, sobald der Radius der Krümmung kleiner ist als der Abstand der Parallel- curven. In diesem Falle entsteht aus den Curventheilen ein sogenanntes überschlagenes Trapez, in welchem die Mittellinie nicht gleich der halben Summe, sondern gleich der halben Differenz der beiden Parallelcurventheile ist. Für die Summirung sännntlicher Curvenelemente ist der widersinnige Verlauf einzelner Strecken der Curven jedoch nur dann von Bedeutung, wenn derselbe den rechtsinnigen Verlauf überwiegt. Das tritt aber nur äusserst selten ein. Der auf solche Erwägungen gegründete Apparat hat folgende Construction erhalten (Fig. 1): An einem recht- eckigen Rahmen A wurden in der Mitte der Längsseiten zwei kleine Laufrädchen L angebracht. Zwischen beiden, genau die Achse der Rädchen halbirend, befindet sich Nr. 17. NaturwisRcnscliaftliche Wochenschrift. 207 (loi- Falirstif't /•', der au ciueiii auf dem ersten Rahmen senkroelit stehenden zweiten Kahnien />' befestigt ist. Letzterer ist /.ugh'icli der Träger dei' Zäldwerke Z. Zur FiHirung des Instrumentes dienen die auf den Querseiten des iiorizontaleu Rahmen angeijraeiiten Pfannen /', in weiche je ein Finger jeder Hand einzulegen ist. Es nimmt also die liedienung; des Instrumentes im Ailg-emcinen beide Hände in Anspruch. Indess durcii .Vuflegen eines Gcwiclites auf die eine Seite desselben kann auch die eine Hand entbehrlich gemacht werden. Die Fahrrieiitung giebt die vorn am Apparat angebrachte Spitze .S an. P>ei der Führung hat mau darauf zu achten, dass der Fahr- stift genau auf der Curve bleibt und zwar darf das nur durch" Drehen des Ajjparates, nicht durch seitliches Ver- sehieben desselben zu erreichen gesucht werden. Unter Beachtung dieser Vorschrift laufen die Rädchen auf den oben bezeichneten Parallelcurven, ferner steht dann von selbst innuer die Achse derselben senkrecht auf der Curve und geht in Folge dessen auch stets durch das Centrum der Krümmung. Letzterer Eigen- schaft wegen ist dieses Instrument als Centralcurvi- meter bezeichnet worden. Eine andere Art von Parallel- curven erhält man, Figur 2. wenn man von einem Punkt aus nach sämmtlichen Punkten der Curve Strahlen zieht und diese alle nach demselben Ver- hältniss theilt. Die so entstehende Curve ist dann genau im Theilungsverhältniss grösser oder kleiner als die ursprüngliche Curve. Nach diesem Princip der Pa- rallelcurven sind die sogenannten Pantographen oder Storchschnabel gebaut. Unter Benutzung eines solchen ergab sieh die nachstehende zweite Form des Parallel- nuiss. Die Führung geschieht in der Weise, dass das Laufrädchen in der durch das Steuer angegebenen Richtung vorwärts bewegt wird. Dabei hat man sein Augenmerk wieder auf den Fahrstift zu lenken, diesen genau auf der Curve zu halten, die Schildtlächc desselben aber stets tangential zur Curve zu richten. Das Laufrädchen bewegt sich dann ebenfalls von selbst auf der bezeichneten Pa- rallclcurve. Die Längen der Curven ergeben sich bei beiden Apparaten nunuttelbar aus den Angaben der Zähl- werke. Diese sind nändich von vornherein so angelegt, dass sie die von den Laufrädchen zurückgelegten Weg- strecken gleich halbirt anzeigen. Von den bisherigen Curvimetcrn darf den neuen In- strumenten der Vorzug grosser Einfachheit der Construction und Leichtigkeit der Handhabung zuerkannt werden. Anbringung eines Fahrstiftes ermöglicht Die ausserdem die Befahrung Resultates. rosse Genauigkeit des curvimeters (Fig. 2): An das eine Ende eines nach dem Verhältuiss 1 : 2 getheilten Pantograjjhen ist ein nach allen Riehtungen stellbares Laufrädcheu L angebracht. Die Drehung desselben geschieht durch das Steuer S oberhalb des Gestänges. Das andere Ende P des Panto- graphen ist durch ein Gewichtstück festgelegt; es ist das der Pol, um welchen der ganze Apparat sieh bewegt. Wir haben demselben deshalb den Namen Polareurviraeter beigelegt. In der Mitte zwischen den beiden Endpunkten des Pantographen befindet sich der Fahrstift F. Dieser hat eine schildförmige Gestalt. Durch eine besondere Steuerung St ist der Fahrstift mit dem Laufrädchen so verbunden, dass Schildtläcbe des Fahrstiftes und Lauf- rädchen stets in gleicher Richtuna- stehen und jede Drehung des einen von dem andern mitgemacht werden hängt kann, völlig Resultates Geschicklichkeit der Curve ab. Fehler nach ausgeschlossen a ist. allerdings jedweder Curve sowie Letztere wird wesentlich auch dadurch be dingt, dass der Fahrstift als Fall- stift construirt ist. In Folge dessen be- rührt seine Spitze die zu befahrende Papierfläche di- rekt, wodurch ein fehlerhaftes Füh- ren des Instrumen- tes, wie es bei dem Nichtberüh- ren der Stiftspitze leicht eintreten Die Genauigkeit des auch etwas von der des Führenden wie auch von der Art Im Allgemeinen bewegen sich aber die den vorgenommenen Prüfungen weit unter 1 %; sie belaufen sich meist nur auf wenige Zehntel Procent. Besonders sichere Resultate liefern die Polar- curvimeter. Wenn nun aber auch die Centralcurvimeter um ein Geringes ungenauer arbeiten, so gewähren sie doch auch wieder den grossen Vortheil, dass sie auf jedem beliebigen Tisch benutzt werden können und un- beschränkt in jeder Richtung sich bewegen lassen. Die Polarcurvimeter sind dagegen ihrer Construction ent- sprechend in ihrem Fahrbereich beschränkt und erfordern zu ihrer Benutzung stets eine grössere ebene Fläche. Wo allerdings eine solche vorhanden ist, da dürften die Polar- curvimeter doch ihrer Genauigkeit wegen den Vorzug er- halten, noch dazu da ihre Führung leichter ist und weniger Zeitaufwand erfordert. Jedenfalls hegen wir die Ueber- zeugung, dass die Parallelcurvimeter einen wesentlichen Fortschritt bedeuten, und wir glaubten deshalb im Dienste der Wissenschaft zu handeln, wenn wir dieselben durch eine ausführliche Beschreibung weiteren Kreisen bekanntmachen. Ueber „die Pfeilgifte'* liegen weitere sehr eingehende Untersuchungen vor von Professor L. Lew in (Virehow's Archiv für patholog. Anatomie und Physiologie etc. 136. Band, S. 4(»3lf. und 138. Band, S. 283 ff. Besonders er- schienen im Verlag von Georg Reimer, Berlin. Siehe „Naturw. Wochenscbr." 1894, S. 375 tf.). — Lewin be- spricht darin, was uns Wissenswerthes über die Pfeilgifte der einzelnen Stämme, welche Pfeilgifte geführt haben oder noch führen, überliefert ist, und berichtet über die Untersuchungen, welche er besonders mit dem reichen Material des Museums für Völkerkunde in Berlin ange- stellt hat. Leider sind ja die überkommenen Angaben über Herkunft der Gifte, wie schon in unserer Arbeit („Naturw. Wochenscbr." 1894, S. 375) erwähnt, zumeist sehr mangelhaft. Auch das Material der einzelnen Gifte, welches L. zur Verfügung stand, war im Ganzen nur spärlich. Daher ist vorauszusehen, sagt L., „dass noch eingehendere Aufklärungen über die Natur des einen oder anderen dieser Gifte in der Zukunft gegeben werden, als ich sie zu geben vermochte. Die mitgetheilten Forschungen sollen die Grundlagen für weiteres Arbeiten darstellen. Ausser ge- lungenen chemischen Reindarstellungen wirksamer Be- 208 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 17. standtheile von Pfeilgiften, die zuvor rein nicht gewonnen wurden, enthalten sie genügende weitere toxikologische und chemische Ergebnisse, die als Ausgangspunkte für Vervollständigungen dienen werden." Von den afrikanischen Pfeilgifteu wollen wir zunächst nachtragen, dass dieselben im Congogebiet noch vielfach im Gebrauch sind, so bei den Bakumu, Bankundu, Batua und Balamoto. Die Mittheilungen über diese Gifte sind bisher nur recht mangelhaft. Das Pfeilgift der Batua soll „eine Art Leichengift" sein, eine Annahme, welche indess unwahrscheinlich ist, da ein derartiger Gebrauch sonst aus Afrika nicht berichtet ist. Das Pfeilgift der Wabujwe, westlich vom Tanga- nika-See, ist so gefürchtet, dass selbst Araber dort nicht plündern. Das untersuchte Gift ist von Wissmann mit- gebracht. Es wurde von flachen, eisernen Pfeilspitzen abgelöst und stellte eine braune, harte, innen, wo es dem Eisen anlag, weissgesprenkelte Masse dar. Von der inneren Fläche Hessen sich leicht gelblich weisse, durch- scheinende Lamellen oder ein weisses Pnlver abkratzen. Die braunen Theile des Giftes schmeckten stark bitter, die weissen nicht. Letztere lösen sich leicht in Alkohol und in Aether. Sie stellen eine für den Thierkörper in- differente Klebmasse dar, ein Baumharz, mit Hilfe dessen das eigentliche Gift an der Pfeilspitze festgeklebt ist. Aus den Untersuchungen L.'s über das Gift der Wabujwe geht hervor, dass in demselben wesentlich zwei wirksame Principe enthalten sind. Beide sind in Wasser löslich. Das eine ist wahrscheinlich ein stickstoffhaltiges Glykosid und gehört der Digitalingruppe an. Es bewirkt primären Herzstillstand und in Folge dessen schwere Athmungsstörungen. Das zweite ist ein Gift für das Centralnervensystem, speciell für das Rücken- mark. Die wichtigsten Wirkungen sind völliger Verlust der activen Bewegungsfähigkeit (Paralyse), oder nur Ab- schwächung derselben (Parese), sowie Krämpfe. Thomson sammelte im Massailaude in einer Höhe von 6000—8000 Fuss Blätter, die zweifellos von Acokau- thera Schimperi stammen. Es ist ausdrücklich angegeben, dass aus dieser Pflanze die Wakinga ihr Pfeilgift bereiten. Was die Pfeilgifte der Buschmänner im All- gemeinen betrifft, so sind dieselben, je nach den ver- schiedenen Stämmen derselben, jedenfalls verschieden. Sehr interessant ist die Untersuchung L's eines 90 Jahre alten Buschmanngiftes. Dasselbe stammt von der 1803 bis 1806 ausgefüluten Reise des späteren Pro- fessors der Zoologie und Direktors des zoologischenMuseums in Berlin, Lichtenstein (Hinrich Lichtenstein, Reisen im süd- lichen Afrika in den Jahren 1803—1806. Berlin 1812, II, S. 321 ft'.). Das Gift ist nach Lichtenstein bräunlich, „im frischen wirksamsten Zustande von der Consistenz des Wachses und klebrig, wird aber bald trocken und hart. Sie setzen es aus mehreren Substanzen zusammen, deren schädliche Wirkung auf den thierischeu Körper sie durch Erfahrung nach und nach kennen gelernt haben. Das Hauptingredienz ist immer das Schlangengift, weil dies aber für sich zu dünnflüssig und flüchtig ist, mischen sie es mit dem giftigen Safte grosser Euphorbien, das ein- gedickt die oben beschriebene Wachs- Consistenz bekommt. Ausserdem wird der Giftniasse noch sehr oft der aus- gepresste Salt aus der Zwiebel des Haemanthus toxi- carius zugesetzt, der ihr eine scharf alkalische, die Blut- masse schnell zersetzende Kraft giebt. Die zahmen Buschmänner nennen diesen Saft in holländischer Ueber- setzung: BoUetjesgift." Ausserdem beschrieben ihm die Buschleute noch eine Art Gift unter dem Namen Klip- gift, als eine zähe bräunliche Masse, die sich hin und wieder auf den Felsen finde. Lichteustein glaubte, dass es sich um eine Art Erdharz handele, eine Ansicht, welche ihm von einem Colonisten, welcher das Gift gut kannte, geleugnet wurde. Es soll der natürlich ausfliessende Saft einer Pflanze sein. Nach Maassgabe der beabsichtigten Wirkung werden die Substanzen in anderen Verhältnissen gemischt, mehr Schlaugengift, wenn es einen Angriff auf Menschen gilt, mehr Zwiebelgift, wenn es zur Jagd dienen soll. Nicht Alle wissen nach Lichtenstein (1. c. S. 324) „die giftigsten Schlangen von den weniger schädlichen zu unterscheiden. Im AUgememeinen aber gilt die Regel, dass die schnellsten und behendesten am mehrsten Gift bei sich haben. Die bekannten Hornschlangen, die von den Colonisten für so sehr gefährlich gehalten werden, achten sie deshalb wenig, weil sie sich so langsam fortbewegen. Andere sonst sehr giftige Arten sind träge gegen die Zeit, wenn sie ihre Haut abwerfen wollen, und haben, nach der Buschmänner Aussage, in diesem Zustande kein brauchbares Gift bei sich. Je mehr Mühe aber eine Schlange beim Fange macht, je tiefer sie sie zwischen den Felsen hervorholen müssen, je mehr sie sich erbittert und zur Wehr setzt, desto wirksamer ist nach ihrer Meinung das Gift und desto beharrlicher sind sie in der Verfolgung. Man muss erstaunen über die Dreistigkeit und Behendigkeit, die sie bei diesem Geschäfte zeigen. Sobald sie die Schlange erst auf ebenem Boden haben, ist ihr auf den Hals treten, den Kopf mit den Fingern von den Seiten fest zusammendrücken, dass sie die Kinn- laden nicht zu schliessen im Stande ist, und ihn mit einem Messer vom Körper trennen, oder in Ermangelung dessen ihn mit den Zähnen abbeissen, die Sache eines Augenblicks. Dann ziehen sie die Giftsäcke hinten aus dem Kopfe hervor und bewahren sie bis zum Gebrauch, um dann erst die wenigen Tropfen darin enthaltener Flüssigkeit auszudrücken. Dass sie kein Bedenken tragen, den ganzen übrigen Körper der Schlange zu ver- zehren, ja dass sie sie fast den Fischen vorziehen, habe ich schon angeführt." Lewin erhielt das 90 Jahr alte Gift aus dem Museum für Völkerkunde in Berlin. Dasselbe Hess sich leicht von der Pfeilspitze loslösen. Es stellte trockne braune Stück- chen dar, die sich schon in kaltem, noch mehr in heissem Wasser zu einer trüben, nur sehr langsam und nicht klar filtrirenden bräunlichen Flüssigkeit mit massigem Rückstande lösten. Der Rückstand lässt in einer braunen Grundsubstanz weisse Körnchen in grosser Menge er- kennen, welche wenig in Wasser, leicht in Alkohol löslich sind. Die wässrige Lösung des Giftes reagirte stark sauer, schmeckte sehr bitter und erzeugte erst nach etwa 12 Minuten ein heftiges, beinahe 2 Stunden anhaltendes Brennen an der Zunge und den Lippen. Ein kleines Kaninchen erhielt eine Pravaz'sche Spritze einer unfil- trirten Verreibung von 0,5 : 10,0 Wasser subcutan injicirt. Nach 8 Minuten trat Unruhe ein. Nach 12 Minuten ist die Athmung sehr beschleunigt, es entsteht tetanisches Zittern, der Kopf fällt auf den Tisch, die vorderen Gliedmaassen gleiten aus. Empfindung und Wille sind erhalten. Nach 17 Minuten entstehen kurze, aber an- haltende klonische Zuckungen. Es entsteht eine Pause, bald folgt Dyspnoe, Umfallen des Thieres, Exophthalmus und Tod durch Erstickung. Das Herz bewegt sich noch geraume Zeit hindurch, gerade so wie es bei Athmungs- giften beobachtet wird. — - Einer Taube wurde etwa 1 mg des wirksamen Princips subcutan beigebracht. Nach 5 Minuten stellte sich heftiges Erbrechen, nach 9 Minuten Zittern, Taumeln und Schwanken ein. Nach 12 Minuten hockt sie nieder, der Kopf fällt vorn über. Angestossen läuft sie unter Oeffnen der Flügel eine Strecke weit, während der Kopf, nach unten hängend, auf dem Boden mitgeschleift wird. Sie sitzt sonst bei verminderter Afh- Nr. 17. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 209 mung, etwas aufg:esperrtem Schnabel, leicht zitternd, in tiefer Betäubung da. Xachdcm dieser Zustand 40 Minuten angehalten tritt volle Erholung ein. Lewin l'asst seine eingehenden Untersuchungen über das etwa 90 .Jahre alte linselnnanngit't folgendermaassen zusammen: „Das schwere Filtriien seiner wä.'isrigen Lösung s|)ii('ht für das Vor- handen.sein einer eolloiden bezw. albuniinösen Substanz, die aber weder dureh Säuren noch durch Kochhitze ab- geschieden werden konnte. Ausserdem findet sich darin ein AlUaloid, dem allein oder in Verbindung mit anderen Bestaudtheiien, die anfangs erregenden, später lähmenden Einwirkungen auf Rückenmark, Gehirn und Athniungs- eentrum zuzuschreiben sind. Auf ein Harz — sehr wahr- scheinlich ein Euphobiumharz — sind wesentlich die örtlichen gewebsreizendeu Eigenschaften zurückzuführen." Was das von uns schon ausführlicher besprochene (Naturw. Wochenschr. 1894, S. 379) Pfeilgift der Kala- hari- Buschleute betrifft, so wollen wir vor allen Dingen hier anführen, dass die Diagnose des von Fleck rait- gebrachtcn, von Fairmaire bestimmten Käfers un- riciitig ist. Es handelt sich, wie 11. Kolbe, Custos am Königl. Museum für Naturkunde zu Berlin, nachgewiesen hat, nicht um eine neue Species, sondern um Diam- phidia simplex Peringuey*). Lewiu standen zur Unter- suchung nur 10 ganze Käfer, eine kleine Menge Larven und ausserdem C'oeontrümmer zur Verfügung. Jedes der drei Materialien wurde besonders behandelt. Die zerstampften ganzen Käfer verhielten sich chemisch und toxikologisch wie die Larven. Soweit sich L. nach Jlaassgalie des zur Verfügung stehenden, geringfügigen Materials ein Urtheil bilden konnte, hält er dasselbe, wie auch Böhm, für einen giftigen Eiweisskörper, für ein Toxalbuniin. Dafür spricht neben dem chemischen Verhalten, vor allem die Sympto- matologie, die mit der von anderen giftigen Albumosen bezw. Peptonen übereinstimmt. Die Abongo, ein Zwergstamra im Stromgebiet des Ogowe (nördl. vom Kongo), haben ein sehr gefährliches Pfeilgift. Dasselbe, von Lenz mitgebracht, stammt eben- falls aus dem Museum für Völkerkunde. Die vergifteten, winzigen Rohrpfeile besitzen einen hellen, gelblichgrauen, ins Grünliehe spielenden Ueberzug etwa zwei Finger- breiten von der Spitze abwärts. Nur bei genauem Zu- sehen erkennt man die Giftschicht. L. zieht aus dem geringen seinen Versuchen zur Verfügung stehenden Gift den Schluss, dass dasselbe ein zur Digitalisgruppe ge- hörendes wirksames Princip enthalte. Bei dem Pfeilgifte aus dem Hinterlande von Togo konnte man einen Augenblick wohl an Erythrophlaeum guineense als Material für die Giftbercitung denken, da das Gift tiefe öitliche Anaesthesie nebst hochgradiger Myosis am Kaninchenauge bewirkte, und ausserdem die Pflanze im Hinterlande von Togo durch Büttner ge- sannnclt ist. Aber das chemische Verhalten des Giftes, sowie die Allgemeinwirkungen, unter denen Krämpfe fehlen, sprechen dagegen. Da L. keine Angaben über das Vorkommen von Acokanthera in jenen Gegenden fand, woran in erster Reihe zu denken wäre, so nimmt er Strophantus hispidus als Ausgangsmaterial für die Giftbereitung an, welche sich chemisch und toxikologisch so verhalten kann, wie das untersuchte Gift. Bei den asiatischen Pfeilgiften handelt es sich, wie schon von uns hervorgehoben, besonders um die drei ausserordentlich starken Gifte Tieute, Antjar und Bikh •) Diese Bestiniinung ist in unserem angeführten Aufsatz während der Correctur noch in einer Anmerkung hinzugefügt. Wh- wussten damals nicht, dass der 2. Theil der Lewin'schen Arbeit schon ei schienen war und die Bestimmung von Kolbe die richtige sei. Herr Prof. Lewin war so liebenswürdig, mich mündlich darauf aufmerksam zu machen. Gift (Naturw. Wochenschr. 1894, S. 376). Für die noch immer nicht ganz geklärten Verhältnisse der Pfeilgifte auf Malaka kommen folgende Pflanzen in Betracht: 1. Antiaris toxicaria Leschen. 2. Derris clliptica Benth., eine Leguminose, welche vielfach in den Tropen als Fischgift benutzt wird. Sie enthält das sehr giftige Derrid. Abkochungen der Wurzelrinde wirken in ausserordentlicher Verdünnung auf Fische verderblich. Fische starben in einer Verdünnung der grünen Wurzel von 1 : 4500 Wasser. In Sumatra wird der sein- verdünnte Saft benutzt, um die Raupen an den jungen Tabakspflanzen durch Bespritzen zu tödten. Doch tödtet eine zu grosse Menge den Tabak. 3. Strychnos-Arten, und zwar wahrscheinlich nicht Strychnos Tiente, sondern Str. Maingayi Clarke oder Str. Wallichiana Hook. 4. Ein Lasianthus oder Urophyllum, enthält ein ört- lich die Gewebe veränderndes Princip. Beim Meer- schweinchen und Frosch wurde die Muskulatur an der Injectionsstelle steif, es machten sieh bald Blutextravasate bemerkbar. Das Mittel erzeugt Collaps und bei Kalt- blütern Herzstillstand in Diastole. 5. Dioscorea liirsuta Bl., eine stachlige Kletterpflanze aus der Familie der Dioscoreaceen, zu den Liliifloren ge- hörig. Die Wurzelknollen sind giftig und werden auf Java als Fischgift benutzt, durch geeignete Behandlung können sie essbar gemacht werden. — Bekanntlieh sind die Knollen der geflügelten Yamswurzel, Dioscorea alata L., welche in den ganzen Tropen häufig gebaut wird, in frischem Zustande auch schädlich, während sie gekocht und gebraten ein Hauptnahrungsmittel sind. 6. Amorphophallus-Speeies, eine Aroidee. Dahin ge- hört der als „Lckyer", „Likir" bezeichnete, 4 bis 5 Fuss lange, getheilte Blätter, und weisse, beim Aufbrechen unerträglich faulig riechende Blüthen besitzende Baum, sowie eine andere von den Panggahn „Begung" genannte Pflanze. 7. Excoeearia Agallocha L. (Euphorbiaceae) und Dieflfenbachia seguina Caladium seguinum (Araceae). Die- selben werden als Entzündung erregende Stoffe den Giften beigemengt werden. Das Gleiche gilt von Cnes- mone javaniea, Selatung, und von Urtica nivea L. 8. Pangium edule (?), ist reich an Blausäure. Möglicherweise bezieht sich auf diese oder eine verwandte Pflanze des „Piyung" der Panggahn. 9. Tabernaemontana malaccensis (Apocyna- eeae). Die Giftigkeit verschiedener Tabernaemontana- Species, so von T. sphaerocarpa Bl., welche ein Alkaloid enthält, ist neuerdings erwiesen. 10. Ein Pterospermum (?). Die verschiedenen Combinationen der vorstehenden Pflanzen sind im Stande alles dass zu erzielen, was zur Erlangung von Beute oder im Kampfe verlangt wird. Im ostindischen Archipel werden noch vielfach kleine Blasrohrpfeile benutzt, so bei den Batak auf Sumatra. Das Gift ist ein Gemisch verschiedener Ingredienzen. Lewin konnte mit Sicherheit feststellen, dass der wesent- liche Bestandtheil des Batak-Giftes der Saft von Antiaris toxicaria ist. Wir wollen auf die weiteren, sehr eingehenden Aus- führungen und Untersuchungen Lewin's nicht näher ein- gehen und verweisen auf die Originalarbeit. Dieselbe wird grundlegend sein für jeden, welcher sich mit diesen Fragen beschäftigt. Matz. 210 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 17. ,,Ueber die Anzahl der iinterscheidbareii Spectral- farbeii und Helligkeitsstufen'', ein Thema, das noch nie genau untersucht worden ist, hat Prof. Arthur König Untersuchungen angestellt, die er in der „Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane" (Bd. VIII, Heft 5, 8. 2. 95) veröffentlicht hat. Wenn A und k-+-dX die Wellenlängen zweier eben merklich verschiedener Farben des Spectrums bezeichnen, so ist 61 eine Function von A, und sein reciproker AVerth giebt die Anzahl der Nuancen in einem bestimmten Intervall des Spectrums an, in welchem sich A um die gewählte Einheit ändert. Die Gesammtzahl aller unterscheidbaren Nuancen des Spectrums ist dann gleich dem Integral \ jj dl. Die Werte von 61 lassen sich aber experimentell bestimmen, sodass man die Gesammtzahl der Nuancen bestimmen kann, wenn man die Grenzwerte von A kennt und dann die Integration graphisch ausführt. Im normalen trichromatischen Farben- system aber muss sich nun der Werth von A, damit Farben- empfindungen auftreten, zwischen etwa 430 jif und 655 /reiten, wahrend die Dentsclien sehr betn'lcht- liche Errungenschaften auf romanischem Gebiet aufzuweisen liaben. Verf. versteht nun bei der spoci(dlercu Darlegung dieser Verhältnisse unter französischer Schweiz das (Sebiet, welelies von allen den Gemeinden gebildet wird, die bei der ersten Aufnahme einer Sprachstatistik im Jahre ISliü überwiegend französische Be- völkerung hatten. Ganz Waadt, Genf, NeucliAtel, vom Kanton Bern die Bezirke Neuveville, Courtelary, Franehes - Mon- tagnes und Porrcutry ganz, Delemont (ausser 2 Orten), Montier (ausser 2 Orten), und vom Bezirk Biol die Gemeinde Evihird; vom Kanton Freibiirg liegt nur der Sensebezirk ausserhalb des fran- zösischen Gebietes, der Seebezirk wird von der Sprachgrenze durchschnitten; in Wallis bildet die Ostgrenzc des Bezii'kes .Siders die Sprachgrenze (der Ort Siders selbst jedoch gehört zum deutschen Gebiet). Nach der letzten Z.ähhing vom 1. December 1888 zählt die Wohnbevölkerung des französischen Siiraehgebietes 720419 Seelen, davon sind 91024 Deutsche; von 039 Gemeinden ist nur in 68 das deutsche Element gar nicht vertreten, doch ist die Intensität seiner Verbreitung sehr verschieden: fast die Hälfte entfällt auf das .Juragebiet von Neuenburg und Französisch Bern (hier zählen die Deutschen 42 992 von 20.3 425 Einwohnern). Von den übrigen Deutsehen entfallen 33 649 auf Waadt und Franzö- siseb-Neuenbui-g mit 337 056 Seelen, im Kanton Genf leben 12 317 Deutsche bei einer Einwohnerzahl von 105 509. In dem abgele- genen franz. Wallis sind von 71 529 Einwohnern nur 29(!6 Deutsche, (davon 2 271 allein in den beiden Orten Sion oder Sitten und Bramois). Im industriellen Jura ist die Verbreitung der Deutschen am intensivsten, sie verbreiten sich hier über das ganze Gebiet, wäh- rend auf den vorwiegend Landwirthschaft treibenden Hochebenen ihre Vertretung eine weit schwächere ist. Die Deutschen bilden überhaupt 12,8 % f'«"' Bevölkerung in der ganzen (oben begrenzton) französischen Schweiz. Wichtiger für die Beurtheilung der Stellung des Deutschthums als diese absolute Verbreitung ist die relative Verbrei- tung der Deutschen Letztere ist durch die beigegebene Karte vorzüglich veranschaulicht und kann ohne Eingehen auf die sta- tistisclien Details hier nielit gut wiedergegeben werden. Im All- gemeinen lässt sich sagen: Die dichteste deutsche Bevölkerung findet sich im Nordosten, welche sich ungefähr durch eine Linie Delemont — Le Locle — Freiburg abtrennen lässt; ausserdem zeigen fast immer die Städte einen grösseren Procentsatz deutscher Be- völkerung als die Landgemeinden. Der Bewegung des deutschen Elementes seit 1860 widmet der Verf. die eingehendsten Erörlerungen und zeigt, dass auch Gegenden vorhanden sind, wo dasselbe entschieden zurück- gegangen ist Hierfür wie für die stattgehabten Vorschiebungen müssen wir jedoch auf die Ai-beit selbst verweisen und werfen schliesslich noch einen Blick auf die Herkunft, Erhaltung nnd die niuthmaassliche Zukunft des deutschen Elementes. In der französischen .Schweiz wohnten 1888 etwa 12000 Reichs- deutsche, Deutschösterreicher mögen nur ca. 600 vorhanden sein, so dass ca 76 000 von den Personen mit deutscher Muttersprache Schweizer sind. Die Mehrzahl der letzteren st.ammt .aus dem Kanton Bern (allein 60 000 in den drei französischen Kantonen Neuenburg, Waadt und Genf, gegen 22 000 aus den östlichen deutschen Kantonen). Es zeigt sich nun, dass hier eine beträchtliche Romanisirung der Deutschen vor sich geht: im Kanton Neuchätel wohnen 380(_)0 Angehörige deutscher Kantone (davon 31 000 Berner), ausserdem ca. 3400 Reichsdeutsche (und Dcutschöstcrreichor), doch gaben nur 22 600 das Deutsche als Muttersprache an. Für Waadt er- gaben sich ungefähr 38 000 Personen deutscher Heirnath und nur 33 900 deutscher Sprache, für Genf 15 OUO bezüglich 12 300; diese 3 Kantone zählen also etwa 94 COO im deutschen Sprachgebiet heimathsberechtige Einwohner, aber nur 59 COO mit deutscher Muttersprache; annähernd sind also 35 000 romanisirt. Die Ursachen dieser starken Verluste liegen namentlich in dem Fehlen deutscher Schulen, ferner in der Gleichgültigkeit der im französischen Sprachgebiet lebenden Deutsehschweizer gegen ihre Muttersprache und in der Minderzahl der Reichsdeutschen (noch kein Siebentel) gegenüber einer erdrückenden Mehrheit von Deutschschweizern, deren Dialekt der Schriftsprache auf fran- zösischer Seite ungünstig gegenübersteht. Bei Errichtung deutscher Schulen würde voraussichtlich die .Sprachgrenze bald bis Chau.x- de-Fonds und Neuchätel vorrücken. Fr. Regel. J. Bobrwedcr, Bldthendiagramme nebst Längsschnittbildern von ausgewählten einheimischen Blüthenpflanzen als Ver- tretern di'r llaiiptabtheihmgen des natürlichen und des Linne- schen Ptlanzensystems zur Einführung in das Verständniss des Blüthenbaues und als Muster für das Diagramm-Zeichnon. E. F. Thieneniann. Gotha, 1893. — Preis G M. In den „Lehrplänen nnd Lchraufg.aben" vom 6. Januar 1892 ist betont, dass die Schider auf allen Stufen im einfachen achoma- tisehen Zeichnen des Beobachteten zu üben sind Hierzu will Verf. mit vorliegendem Tafelwerk ein Hülfsmittel bieten. Die getroflFene Auswahl ist cme geschickte, insofern als nur allbekannte leicht zu beschattende Pttanzcn vorgeführt werden. Die einzelnen Blüthentheile sind in ihren natürlichen Farben zur Darstellung gelangt; der Schüler kann sich bequem mit Farbstiften behelfen, wenn es sich darum handelt, nicht vom Verf. gebotene Pflanzen nach den Vorbildern, die geboten werden, diagrammatisch und in Blüthenlängfschnittcn zu fi.xiron. Ein begleitender, kurzer Text, giebt genügende Auskunft über das Gebotene. Es sind 24 Tafeln in 20:25 cm mit 142 Arten; die einzelnen (>bjekte sind gross, deutlich und sauber ausgeführt. Dass ein elementares Unterrichts- Werk, das ja gar nicht die Absicht hat, der Wissenschaft zu dienen, die Schwächen der bo- tanischen theoretischen Morphologie mitschleppt, kann ihm kaum zum Vorwurf gemacht werden; aber ich erwähne es, weil's ver- nieidbar wäre. Gleich in der zweiten Zeile der Erläuterungen spricht Verf. von den Blüthenblättern als im Vergleich zu den Laubblättern „umgewandelten'- Blattgebilden. Will man mit diesem freilich gewohnten Ausdruck einen Sinn verbinden, so ist er so hoch theoretischer Natur, wie er in der ersten .Stufe des botanischen Unterrichts nicht zur Erläuterung kommen kann. In Unterrichts-Mitteln für die ersten Stufen wie den vorliegenden sollten sich die Autoren peinlich an die reine Beschreibung halten. P. Fernand Priem, La terre. Les mers et les continents. Geo- graphie |diysii(ue, gcologique et mineralogic. Fase. 1. a fasc. 2 fr. 75 c. Paul Constantin, Le monde des plantes. Fajc. 1. ä fasc. 3 fr, J. B. Baillicro et fils. Paris (ohne Jahreszahl). Unter dem gemeinsamen Titel „A. E. Brchm, Merveilles de la nature" giebt die Vevlagshandlung eine Reihe naturwissen- schaftlicher, illustrirter, gut und reich ausgestatteter Werke heraus, von denen uns die beiden oben angezeigten Lieferungen vor- liegen. Nach diesen zu vn-theilen, handelt es sich in der Tliat um Werke, die Brehms Thierleben nachgebildet sind gewisser- maasscn als Fortsetzungen dieses Werkes auf die anderen Gebiete der Naturwissenschaft, ähnlich w ic es das Bibliographische Institut in Leipzig mit seiner „Allgemeinen Naturkunde" gemacht hat. Allin, Arth , Ueber das Grundi)rincip der Association. Berlin. — 1,60 M. Francke, Dr. Karl, Hauptsätze eines Naturforschers und Arztes. München. — 2.50 M. Karte des Deutschen Reiches. Abth.: Königr. Preussen. Hrsg. V. der kartogr. Abtheilg. der königl. preuss. Landes-Aufnahme. Berlin. 142 Wilhelmshafen. — 219. Pyritz. — 373. Guhrau. — 412. Sömmerda. — 050. Konstanz. — a 1,50 M. Messtischblätter des preussischcn Staates. 1:25,000. Nr. 2429. 2.577. 2650 2719. 2775. 2838. 3096. 3150. 3152. 3318. Berlin. 2420. Dorsten. — 2577. Bochum. - 2i;.50. Velbert. — 2710. Mett- mann. - 2775. Birgelen. — 2838. Heinsberg. — 3096. Rhein- bach. — 31.50. Ternell. — 3152. Schieiden. — 3318. Kaifeuheim. - ä 1 M. Recklinghausen, Max v., I. lieber das neue Quecksilberthermo- nieter für Temperaturen bis 5.50" C. II. Methoden und Apparate zur Verfolgung von G.asreaktionen bei gewöhnlicher Temperatur durch Beachtung der Volumändorungcn. Heidelberg. — 0,80 M. Briefkasten. Hrn. Dr. H. — Schriftführer der Deutschen Mathematiker- Vereinigung ist ■/.. Z. Herr Dr. A. Gutzmer, Berlin W., Mar- burgerstr. 13. Die Mitgliedschaft wird durch Anmeldung bei dem Genannten und Zahlung eines Jahresbeitrages von 2 M. (bezw. einer Ablösungssumme von 30 M) erworben. Mitglieder erhalten die Publicationen der Deutscheu Mathematiker-Vereinigung zu einem Vozugspreise. Die Jahresversamndungen finden gleich- zeitig mit den Sitzungen der Abtheilung I der Gesellschaft Deutscher Natin-forscher und Aerzte statt. 212 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 17. Botanisir •Uüclisen. -S|iiit('M und -Stöcko. Lupen, Pflanzenpressen; Dralitf^ittcrprosseu M. 3. — , zum Umliiingon M. 4.50. — Neu! mit Druckfedi'i-n M. 4ö0, — Illustr. Preisvei'zeicliniss frei — Friedr. Ganzenmüller in Nürnberg. atent-technisches und I Verwerthung-Bureau Betclie. Berlin S. 14, Neue Rossstr. 1 In Ferd. Diimmlers Verlagsbucli- haiidliing in Berlin SW. 12 eisclüen soeben Einführung Die Illustration wissenschaftlicher Werke erfolgt am besten und billigsten durch die modernen, auf Photo- graphie bernheni-. Th. Cwonther. I ^Berlin N., Friedrichstrasse 131 d.^ »»»»»»»»»»»»♦»»»»»♦»» tesor^en undverwcrtKcu FRITZ SCHMIDT&C2 Patent-Bureau u. Ckem. Lab. 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Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: ü. Bernstein, Berlin SVV. 12. _ Redaktion: "^ Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntao;, den 5. Mai 1895. Nr. 18. Abonnement: Mau abounirt bei allen BuchhandhinKen und Post- iiistalleu. wie bei der Expeditiou. Dev Vierteljahrsprcis ist M 4.— BriiiKepeld bei der Poat l.s h" extra. Postzeitmiffsliste Nr. 47.12. If f Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 ^. Grössere AufträRe ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abilriirk iittt nnr mit vollständiger <^nellenans:abe gestattet. Ueber einige räthselhafte Fossilien. Von Prof. E. G einitz-Rostock. Zablreiclie früher als Algen, Spong-ien oder Würmer gotleiitete Fossilien werden jetzt bekanntlich derartig anf- get'asst, dass mau sie zunächst auf einfache oder coiupli- cirtc Üruckerselicinimijen des Ge.steins zurückführt, oder sie als Kriechspureu, Fährten von Würuiern, lusecteuarten, Bolirinusciieln u. a., resp. als Abgüsse ^on Schleppungs- fonneu von Pflanzen ansieht. Besonders durch Na t bor st und P'uchs sind sogenannte Algen, wie Cbondrites u. a. in. als Kriechspuren ei'kannt worden. Ich iniichtc hier nochmals auf einige, z. Tb. sehr eigentbüinlichc Formen zurückkommen, umsomebr als jüngst W. von der Marck*^ eine derselben, die Gyro- chorte bisulcata, mit ähnlichen Formen aus der west- fälischen ol)eren Kreide als Üreginozoum nereitiforme neu bescbriel)en bat. V. d. Marck betont, dass dieses Fossil nicht aus dem Pflanzenreich stammen kann nnd seine nähere \'erwaudtschaft mit irgend einer Abtheilung des Thierreiebs vorläufig noch nicht angedeutet werden darf. 1. Gyrochorte bisulcata E. Gein.**) Vorkommen: in einem Thonlager von Pisede bei Malchin in Mecklenburg flnden sich häufig mergelige, z. Th. auch schwach eisenschüssige Concretionen ver- schiedenster l'"ormen. Die Mehrzahl hat die Gestalt der im Septarienthon gewiihnlichen Septarien. Der Thon wurde vorläufig als mifteltertiärer .Septarienthon betrachtet, bis etwaige Fossilienfunde die Alterssfellung genau ermög- lichen lassen werden. Daneben finden sich auch andere Formen, die z. Th. gut mit den von v. d. Marck, I. c. Fig. 9 — 11 abge- bildeten übereinstimmen. Endlich in mehreren Exemplaren unsere Gyro.c borte. Diese zeigen auf dereinen, oberen •) Verlull. .1. iKit. Voi-. pr. Klieinl. u. VVeatf. f.I. Bd. XI, 9 S., Taf. I. •*) Vergl. E. G., Die Fiotzforniationen Mecklenburgs: Arcli. Ver. Nat. Meckl. 37. 1883. S. 143. Taf. VL 6; S. 247. und IX, Beilrag z. Geol. Meckl.: Arch. Nat. Meckl. 41. 1887. .S. 173 Taf. n'. .Seite ihre charakteristische Gestalt, während die andere theils eine flache, einfache, ellipsoidische Concretionsober- fläche bildet, auf welcher z. Th. wurmförmige Bildungen liegen, theils, und zwar bei dem vollkommensten und grössteu Stück, gewissermaassen eine concretionäre Ab- formung der Gyrochortegestalt darstellt. Beschreibung der Form: Unregelmässig dariuartig gewundene, zopfähnliche Formen, bis zur Länge von ca. 42 cm. hervortretend, 3,5—4,5 cm breit, mit einem spiral eingerollten, an Grösse regelmässig sich verjüngenden Ende. Der Korper zeigt von oben gesehen eine deutliche Zweilappang, der Art, dass von einer Längsfurche, die von einem ca. 2 mm Durchmesser haltenden cylindrischen Wnlst erfüllt ist, nach beiden .Seiten dicht neben einander stehende, dicke gewölbte, ellipsoidische, ziemlich gleich grosse (gegen 2 cm lange und 1 — 2 cm breite) Wülste oder kisseuartige Lappen mit etwas nach vorn gerichteter Stellung abgeben. An den .Seiten sind diese Lappen ferner durch eine der Oberfläche parallele Furche gefbeilt, so dass also eine vierfache Theilung entsteht, und das Ganze ein zopfartiges Aussehen erhält. An dem spiral eingerollten Ende geht diese Seitentheilung verloren. In der umstehenden Figur 1 ist das vollständigste .Stück in halber (Jrössc photographisch abgebildet. Die Formen besteben aus Thonmergel resp. schwach eisenschüssigem Thon ohne organische Substanz; es ist genau dasselbe Material, aus dem die übrigen Concre- tionen gebildet sind. Spongiennadeln wurden nicht beobachtet. Im Allgemeinen ist die Uberfläche der Wülste glatt oder mit schwachen und ganz unregelmässigen Erhöhungen versehen, bisweilen scheinen sich Lagen parallel der Oberfläche abzublättern. Im Querbruch lässt sich keinerlei Structur oder Absonderung erkennen, sondern das Ganze besteht aus einheitlicher .Substanz. Dagegen ist der dünne Längswulst, der sich wie ein Strick in der Mittelfurebe hinzieht, nicht eine einfache 214 Natnvwissenschaftliclie Woclienschrift. Nr. 18 Walze, sondern zeigt wiederum zaiiireiclie, unregelmässige Erhebungen und Höcker, dder dünne, ganz unregelmässig wurmfurmig gebogene, cylindrisehe Körper, die aussehen, wie aus liieinen Üeffnungen iiervorgcquollener 8ehlannn. Auch zwischen den einzelnen Seitenlappen finden sie sicii nicht selten. Wie schon bemerkt, sind die Formen immer nur auf einer Seite wohl ausgebildet, mit der anderen (Unter-) Seite meist verwachsen mit Concrotionen, wobei sich allerdings bisweilen eine rohe Abtornunig der Lajjpen- seiten, wie durch eine Art Ueberguss bemerken lässt. Ein Herausschlagen gelang nicht. Nur an dem einge- rollten Ende eines Exemplars (Flötzform. Taf; VI. Fig. 6) i.st ganz deutlich die Ober- und Unterseite unter dem Aussenrand zu beobachten. Man kann die (iyrochorte bisulcata nach diesem etwa als ein Zwischending zwisciien Relief und Ganzkörper be- zeichnen. Die einseitige Bildung macht sich auch besonders durch die Lage des strick- förmigen Mittelwulstes bemerk- bar. Dieser liegt nämlich auf der Oberfläche, nicht in der Mitte des ganzen Körpers. Ferner war er nicht zu sehen auf dem freien Spiralende der Unterseite des oben genannten Exemplars. Dicht unter dem Längs- wulst, ca. 2 mm unter der Oberfläche, verläuft bei zwei Stücken ein dünner, cyiindri- seher Canal, von 2 — 2,5 mm Durchmesser. Derselbe ist von Mergel resp. eisenschüssigem Mergel erfüllt, und seine Um- gebung zeigt eine dunklere Färbung durch Eisenoxydhy- drat, ohne scharfe Grenze nach aussen. Deutung der Form: Sieht man sich in der Literatur nach ähnlichen For- men um, so findet man zwar eine Reihe von (iestalten, die eine gewisse Aehnlichkeit mit der G. bisulcata hal)en, aber nie kann eine einigermassen zufriedenstellende Ucberein Stimmung constatirt werden. V. d. Marck's Dreginozoum nereitiforme allerdings viel Aehnlichkeiten; ich betone die Längswulst oder Spindel, die hakenförmige Krünnnung des Endes, die seitliche Lappung. Dagegen (abgesehen von dem Grössen- unterschiedj haben seine Formen keine seitliehe Zwei- theilung und besitzen auf der Unterseite einfache Wülste. Den von ihm zum Vergleich herangezogenen Bildern von Nereiten möchte ich die von Phyllodocites aus dem Wurzbacber Schiefer als recht ähnlich hinzufügen. Die Controversen über jene Dinge sind bekannt; es darf noch an die Abhandlung- von Ehlers in Zeitsehr. f. später aber bereits Bedenken geäussert sie zu den Algen zu zählen und gesagt, dass sie vielleicht den Kricclispuren zugesellt werden müssen. Da die Stellung der \on Heer bcschrieliciien (Tyrochorteformeu bei den Algen gleich- falls sehr zweifelhaft ist, darf es sich wohl empfehlen, den Namen für jene auffälligen Formen beizui)ehalten und ihn nicht n)it einem neuen, gleichfalls nur Unsicheres bekundenden Dreginozoum zu confundiren. Die Möglichkeit, die Gyrochorte als Abgussfin'ni eines roh erhaltenen Polypenstockes, ähnlich tlen Gorgonien, zu betrachten, ist wohl auszuschliessen. Ehlers und Heer haben bez. der Neveiten und Gyrochorte auf die Aehnlichkeit mit Eierabsätzen von Mollusken hingewiesen; Prof. A. Nathorst machte mich gleichfalls darauf aufmerksam und kürzlich ist von Schröter*) bei ähnlicher Ge- legenheit die Möglichkeit einer Identiiicirung des Taenidium von negati- zeigt Abhandlung wissensch. Zoologie Bd. 18, 1868, erinnert werden. Weitere Vergleiche ermöglichen die sog. „Zopfplatten" Quenstedt's im Jura. Ich hatte die Form zuerst mit der Algengattung „incertae sedis" 0. lieer's Gyrochorte*) vereinigt, mit Eierschnüren etwa Loligo, allerdings in vem Sinne, erörtert worden. Es wäre in der That denkbar, dass in dieser höchst regel- mässigen Anordnung**) um ein mittleres Band die auffällig grossen, coconartigen Eierhau- fen abgesetzt wären, und ihre Gestalten in mehr oder weniger roher Weise in Thon abgeformt erhalten wären. Der centrale Canal entspräche dann wohl dem Strange, an welchem die Eier angesetzt sind. Die dünnen , wurmförnn- gen Wülste, sowie die andern Unregelmässigkeiten der ( )ber- fläche würden als spätere Auspressungserscheinungen des feinen Thonschlannnes bei dem Abformen des Fossils zu erklären sein. Wenn man nach dem betr. Thier suchen wollte, dem die Eier zugehören, würde man vielleicht auch an einen Cepha- lopoden, z. B. Aturia, denken können. ^^'S""" *• Naheliegend ist auch der Vergleich mit Würmern, wie ja im Anfang auch die Nereiten allgemein als solche ange- sehen wurden. Nach einigen Vergleichen, die ich unter ge- fälliger Anleitung von (leh.-R. F. E. Schulze in P>erlin an- stellen konnte, würden Formen von Nemertinen, Anneliden, Gephyreen, in Frage kommen; Balanoglossus zeigt ähnlichen Bau. Unser Canal kiinnte als Rest der derben Rückengefässc gelten, die zweifache Doppellappung wäre ein Si)ccificum unserer Form. Der Erhaltungszustand auch wieder mehr Ab- formung und Ausfüllung als eigentliche Versteinerung, die Unregelmässigkeiten der Oberfläche wieder secundäre Er- scheinungen. Das eigentliche Ende entspräche dem hin- teren Ende des Wurmes. Schwer verständlich bliebe aber die Erhaltung des Canals (RUckengefäss), während ja alles übrige nur in Form von Ausfüllung vorläge. *) Flora fossilis Melvetiae. Zürich 1877. S. 118. 'l'af. 46. *) Notiz über ein Taenidium: Jahresber. d. natnrf. Ges. Graubündens. 38. Bd. 1894. S. 84. **) Noch viel regelniiissiger, und vierlappig, als z. B. die Abbildung der Eierstöcke von Buccinum zeigt, die in Pullis, Versuch einer Naturgeschichte der Corall-Arten ii. a., Nürnberg, 17(J7, Tat'. 3u, Fig. a. nacli Baster niitgetlieilt ist. Nr. IS. Natnrwissciisi'haftlic'he Wochenschrift . 215 Audi in (iiesem Deutungsfailc wäre die ausserordent- liche (ir(')sse des Ohjects zwar kein absolutes lliuderniss, aber ininierhin eine nicrk\viirdif;c, aln\ eichende Krseliei- nunj;'; Würmer von solchen Dimensionen sind wohl sehr unj;'ewöliniich. Von organischen Körpern, als deren Reste wir unsere Gyrochorte ansehen könnten, würden endlich noch die Alficn in Frajie konnnen und dabei würde man also die Heer'sche l*ia,i;nose I.e. S. US: „t'rons elon,i;-ata, taeniae- Corniis, medio suleata, lateribus pulvinata, iiulvinulis alternis, imbrieatis" /.iendieii in demselben Und'an^e festhalten können, nur hinzufügend 1. bedeutende Grösse, 2. Vier- iappiirkeit, :!. innerer, nahe der Oberfiäche liegender Strang. Die ursprüngliche Grösse des betrettenden Organisnnis kann immeridn geringer gewesen sein, als es gegenwärtig erscheint, wenn mau annimmt, dass die jetzige Form durch üeberkrustung entstanden ist und die organische Substanz später resp. gleichzeitig verloren gegangen ist. .Jedenfalls wird diese organische Substanz eine leicht zer- störbare, mehr oder weniger weiche Bescliatfenheit besessen haben. In diesem Sinne fasst Prof. 6. L i n d s t r ö m - Stock- iiolm das Fossil auf. Er ver- gleiciit das Ding mit den .Jmatrasteinen", welche or- ganische Körpergebilde um- schliessen und mit rohen ooli- thischen Bildungen, welche häutig Fossilien (z. B. siluri- sche Cephalopoden) total in- crustiren. Herr Prof. Liud- ström schrieb mir darüber: .,Nach allem zu urthcilen, war es eine riesengrosse Annelide, auf deren Obertläche sich Ge- stein bildete und einen zwar plumpen Abdruck von dem ein- geschlossenen, nachher durch Verwesung gänzlich verschwun- denen Körper des Thieres ge- ^'^ noninieu hat." Es bleibt noch die Möglichkeit zu erörtern, ob unsere Gy roch orte zu den Kriechspuren gerechnet werden kann. Die Nereiten u. a. sind ja gut auf derartige Dinge zurückzuführen. In Nathorst's Abbildungen*) finden \vir einige Achnlichkeiten mit unserer Form auf Taf. 1, auch bei Taf. 4, Fig. 1 könnte man sieh einen Zusammen- hang mit unserer Ff)rm denken. Auch ein centraler Canal ist S. 78 abgebildet. Man könnte sich also vorstellen, ein Thier habe sich im Thonschlamm bewegt und den Ccntralcanal hinterlassen, seitlich durch ruck weises Vor- rücken mit seinen Extiemitäten vierfache wulstförinigc Lappen aufgeworfen, die ausgegossen wurden; hierbei bildeten untergeordnete Ausquetschungen jene kleinen secundären \\'ülste. Ein Analogon für regelmässige Über- fiächenformbildung würden die Kriechspuren von Gryllo- talpa bieten, die Zcillcr beschrieb und abbildete**); auch die „Serpula", welche an einem Stück des Dregino- zoums von v. d. Marck abgel)ildet wird***), ist von Bedeutung, wir hätten in ihr das die Spur bildende Thier vor uns. Indessen stehen dieser Deutung doch erhebliche Be- - '-.r-*./;* *) K. Sveiiska Vetensk Akadeni. Handlingar 18. Num. 7. Stockholm 1881. **) Bulletin .Soc. Geol. de France. III. 12. 1884, S. G76. Taf. .SO. ***) 1. c. Fig. 6, S. 2. denken entgegen. Zwar ist die Conservirung des cen- tialen Canales nach dem oben Gezeigten immerhin denk- bar; aber diese verschwindende (irösse würde kaum im Einklang mit der gesammten .\usdchnung der Spur stehen. Ferner kennt man wtdil nicht Kriechspuren von so über- raschender in allen Stücken gleichbleibender Regelmässig- keit der Formen; alle Exemplare zeigen die gleiche Grösse und Verjüngung iles Spiralendes. Diese spiral eingerollten Emien müssten durch Vorstrecken und Aus- ' dehnen des wurmförmigcn Körpers entstanden sein, in ihrem Centrum müsste sich der Körper genau wieder zurückgezogen haben; bei den Kriechspuren ist allgemein das letzte Ende von ziemlich derselben Breite wie die ganze Spur. Endlich ist noch zu betonen, dass das Spiral- ende (an einem Exemplar ganz deutlich, am anderen weniger voUkonHiien) beiderseitig ausgebildet ist, als Ganzkörper, ohne Verschmelzung mit der Unterlage. — Ich muss gestehen, dass ich über das Wesen der Gyrochorte bisulcata noch zu keinem abschliessenden Urtheil gelaugt bin. Nach obigen Erwägungen möchte ich sie nicht zu den Kriech- spuren zählen, nicht zu den .\lgen stellen, und sie am ersten zu den Anneliden, vielleicht auch zu den Eier- a b 1 a g e n v o n Möllns k e n rechnen. Ihre Erhaltung wäre die Folge von üeberkrustung und Verdrängung der betr. Weichkörper durch Thon- schlamm. — 2. Andere auffällige For- men kommen gleichfalls auf den Coucretionen von Piscde vor, die man aber ohne Weite- res als Kriechspuren oder ähnliche Gebilde deuten wird. Man hat folgende Formen (vergl. auch E. G., Flötzform. Meckl. S. 144 und Areh. 41, S. 174): '■ -• Einfache resp. fingerartig verbundene , flach gedrückte Walzen, mit kleinen, länglich runden bis madenförmig ver- längerten Erhebungen, an die Fig. 9 und 11 bei v. d. Marck und an Halymenites bei Heer (Flora foss. Helv. Taf. 64) erinnernd. Kleinere walzenförmige Formen, mit Netzwerk auf der Oberfläche, ähnlich Rhizocorallium (z. Th. Hel- min toi dea Heer, I.e. Taf. 68). Aehnliche Walzen mit entfernt oder dicht bei ein- ander stehenden, feinen Querfurchen, ähnlich He er 's Taeniophyllum und Münsteria (1. c. Taf. 67, 68). Diesell)en entsprechen den Bohrgängen von Teredo, Gastro- chaena n. dergl. Zu bemerken ist endlich noch, dass auf den Coucre- tionen des Liasthones von D ob bertin sich ähnliche Kriechspuren finden, früher (Flötzform. S. 28i als Taeni- dium serpentinum Heer und Chondrites bolleusis List, aufgeführt. — 3. Bei dieser Gelegenheit möchte ich ein weiteres räthselhaftes Fossil erwähnen, welches als Geschiebe der oberen Kreide, Etage danien, bei Rostock gefunden ist. In beistehenden Abbildungen, Fignr 2, ist es von den zwei gegenüberliegenden Seiten, in etwas über natürlicher Grösse, nach Photographien wiedergegeben. Der Körper ist in dem lichtgrauen Feuerstein erhalten, wie er in dem sogenannten Saltholmskalk gewöhnlich ist ; in dem Feuerstein erkennt man u. d. M. einige Fora- 216 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 1«. miniferen; seine Oberfläche besteht aber aus einer gelb- lichen, porösen Verwitterungskruste, wie sie gleichfalls bei den Saltholmsversteinerungen vorkommt. In ihr liegen einige kleine Reste von Dentaliuni und einer V Turritella. Abgesehen von einem kleinen, rundlichen Loch zeigt der Körper folgende auffällige Oberflächenform: Der Körper ist 7 cm lang, von fast cylindrischer Form, an dem einen Ende 26 bis 27 mm, am anderen 25 und 26 mm im Durchmesser. Auf der einen Seite verläuft eine flache 4 mm breite Furche, von deren Rändern 8 bandförmige, etwa 7 mm breite Wülste in schräger Richtung abgehen, um auf der entgegengesetzten Seite, durch deutliche Vertiefungen ge- trennt, unter wenig stumpfem Winkel aufeinander zu stossen, derart, dass ihre stumpf abgeschnittenen Enden alterniren. Es ist also keine Spiralverbindung und auch keine zusammenhängende Ciirve, etwa wie die der Siphonalausfiillungen der endoceren Orthoceratiten. Durch unregelmässige Verdickung und andererseits Ver- flachuiig der einzelnen Wülste, sowie an einer Seite durch Herauswittern wird die Gesammtform etwas un- regelmässig. Was ist dieser Körper? So vielen P''achgenossen ich auch schon das Stück mit dieser Frage vorgelegt habe. Niemand wusste es zu deuten. Eine echte Versteinerung ist es nicht. Neben dem Fehlen von organischer Substanz, Zellstructur oder Spon- giennadeln ist besonders die Erhaltungsform in Feuerstein bcachtenswerth. Die Versteinerung eines Pflanzen- theiles wird es wohl kaum sein. Man darf annehmen, dass hier die Verdrängung und Abforniung eines Körpers resp. Ausfüllung eines Hohl- raumes vorliegt. Naheliegend ist es, an die Fussspur irgend eines Thieres resp. Schleppungsform einer Pflanze zu denken. Grosse Aehnlichkeit zeigen manche im Muschelkalk vor- kommende, zusannncngepresst-cylindrische Absonderungen, bei denen ebenfalls auf einer Seite eine (breite) Längs- furche und auf der anderen flache, aber verwisclite, con- vergirende, schräg laufende Quererhöhungen vorkoimneu. Auch an Eierablagen von Mollusken wäre zu denken. Wenn der Körper nicht so unverhältnissmässig gross wäre, könnte man auch meinen, es sei die rohe Uehcr- krustung eines grossen Bryozoenstockes, dessen Einzel- zellen in dieser Stellung gruppirt sind, wobei alle weiteren Einzelheiten der Zellen verwischt wären. Pseiidoliermapliroditeii. — In der „Academie de medecine" in Paris wurden in den Sitzungen vom 2. und 9. April d. J. (La semaiiic mcdicale 189.5, p. 139 u. Ib'd) von Pean resp. Hallopeau 2 interessante Pseudoherma- phroditen vorgestellt. Der Fall von Pean betraf ein löjähriges Individuum, welches bei der Geburt als Mäd- chen eingetragen war. Gegen das 12. Jahr bemerkte der Arzt männlichen Habitus, Lippen und Kinn bedeckten sich mit Bart, der Penis zeigte die Form der Hypospadie und starke Erectionen. Der Arzt glaubte in der Er- klärung des Geschlechtes einen Irrthuni begangen zu haben und schickte die I'erson nach Paris. Dort wurde sie nach eingehender Untersuchung als männlich befunden und das Geschlecht im Register der Mairic geändert. Die bisherige sitzende Lebensweise wurde aufgegeben und der Knabe wurde Stallknecht. Einige Jahre darauf zeigte er so wenig Geschick für männliche Arbeiten, es stellten sicii so häufige Schmerzen im Abdomen ein, dass sein Arzt von Neuem an dem Ge- schlecht zweifelte und ihn Pean zur Untersuchung über- wies. P. fand kein anderes Mittel um Gewissheit zu er- langen, als das Abdomen zu eröffnen und entweder die Hoden oder die Ovarien aufzufinden. Am 11. August 1894 wurde die Bauchwand ein- geschnitten in der Gegend des Inguinalcanals, aber weder ein vas deferens noch ein ligamentum rotundum gefunden. Die Peritonealötfnung gestattete die Einführung des Zeige- fingers in die Beckenhöhle und es wurde oiine besondere Schwierigkeit ein Körper entdeckt, welcher nach Sitz, Form und Consistenz entweder ein Ovarium oder ein wenig entwickelter Testikel war. Nach Lösung der Adhärenzen wurde das Organ nach aussen gezogen und die befranste Tube deutlich erkannt. Der Beweis, dass es sich um ein weibliches Individuum handele, war somit unzweifelhaft erbracht. Uterus und die linken Adnexe wurden constatirt, ebenso das Fehlen der Prostata. Die Explorativ-Incision wurde geschhissen und war nach wenigen Tagen geheilt. Um das Menstrualbint nach aussen zu führen, resp. eine spätere Verheirathung zu ermöglichen, wurde beschlossen, eine künstliche Vagina anzulegen. Die Operation wurde am 15. December 1894 vor- genommen, wobei sich einige Schwierigkeiten einstellten, in Bezug deren auf das Original verwiesen wird. Um die periodischen Neuralgieen zu heben, sowie Haemato- salpynx und Ilaematocele zu verhüten, wurden am 4. Fe- bruar d. Js. mittelst medianen Bauchsclmittes die ( »varien und Tuben entfernt. Der Gesundheitszustand des jungen Mädchens lässt seitdem nichts zu wünschen übrig. In dem von Hallopeau vorgestellten Fall handelt es sich um ein männliches Individuum mit verscliiedencn weibliciien Attributen, sodass es sogar als Mädchen in das Civilstandsrcgistcr eingetragen war. Bei diesem In- dividuum war die Configui'ation der äusseren Gescidechts- organc durchaus wciblicii. Ihr Aeussercs glich einer Vulva mit gi'ossen und kleinen Lippen, ein kleiner Penis täuschte eine starke Clitoris vor und eine kleine Vagina gestattete die Einführung des kleinen Fingers. Die Gegenwart eines Testikels in einer der grossen Scham- lippen Hess keinen Zweifei an dem Geschlecht des Indi- viduums, um so mehr als der andere Testikel chirurgisch entfernt und histologisch als solcher festgestellt war. Das ganze Ensend)le dieses Individuums theilte die Eigen- schaften beider Geschlechter, während es jedoch au.s- schliesslich weildichen Geschmack an den Tag legte und im Spital in den Fi'auensaal gelegt sein wollte. Auch verlaugte es die Entfernung des Testikels, dessen (Tcgen- wart in der grossen Scliandippe ihm lieim Gesehlechtsact genirt. Die klassische Benennung des männlichen Pseudo- hermaphroditisnuis bezeichnet nach Hallopeau nicht ge- nügend den gemischten Charakter dieser Individuen. Er schlägt deswegen den Namen Androgynen vor, dessen erste Hälfte das wirkliche Geschlecht, dessen zweite Hälfte die sonstigen Attribute l)ezeichuct. Der Name Gynandrus liczeichnet das entgegengesetzte und der der Hermaphroditen nuiss für die wirklich Zweigeschlechtigen reservirt bleiben. M. Fang einiger sogenannter „Seebären" in der Ostsee. — Die „Königslicrgcr Allgemeine Zeitung" vom 6. April 1895, Nr. 164, entliält folgende Notiz aus Memel, den 3. April: Seebären. „Am Sonntag begaben sich die Fischer Heinrich Lorenz und Robert Gwildies aus Südersintze mit ihren Kuttern auf den Lachsfang. Ob- wohl sie zwei Tage und drei Nächte ihrem Gewerbe nachgingen, waren doch alle ihre Mühen ohne Erfolg. Nr. 18. Naturwissenschaftliche Woclienschrift. f Die letzte Nacht endlich schien sich etwas günstiger für sie zu gestalten. Auf der Hohe von Sehwarzort, etwa zwölf englische Meilen in See, fanden sie, als sie ihre Netze einzuziehen hegannen, dieselben aufgerollt und grosse Stücke des Netzes herausgerissen, ein Beweis dafür, dass Lachse sieh ciugeniascht iiattcn, aber von Seehunden abgefressen waren. Beim \veiteren Einziehen der Netze tauchte in der Nähe des Kutters eine grosse Kohbe auf, die zwar von einem sofort aligefeuerten (le- wehrsehuss unverletzt blieb, sieh aber unmittelbar darauf in die Masehen des Netzes verstrickte und so gefangen wurde. Auf ganz ähnliche Weise wurde von dem zweiten Kutter eine gleiche Eobbe gefangen. Die beiden geh(iren der in unserer Gegend seltenen Gattung der im Volks- niinide sogenannten „Seebären" an ; sie unterscheiden sieh von den Seehunden durch ihre bedeutendere Grösse, durch ihr glänzendes, weisses und langhaariges Fell. Das eine der Tliiere ist ein besonderes Prachtexemplar, dessen wirklich schenswcrthes Feil dem eines Eisbären nicht un- älinlich ist. Eines der iiciden Tliicre, die sich auch in der Gel'ai!,t;enschaft noch äusserst wild gebärdeten, ist bereits getödtct und verkauft worden, das andere wird heute und in den nächsten Tagen in der Stadt gezeigt werden. Später wollen die Fischer mit ihrem seltenen Fang eine Tournee bis nach Kfinigsberg unternehmen."*) Für einen Zoologen, der sich einigermaassen mit der gcogra])lnschen Verbreitung der Flossenfüssler (Pinni- ]icdia) befasst iiat, ist es natürlich sofort klar, dass es sich hier niciit um „Seebären" im zoologischen Sinne handeln kann, sondern nur um grosse Exemplare der Kegel robbe, Halichoerus grvpus. Die wirklichen „See- bären" tOtaria ursina) leben im nördlichen Theile des Stillen dceans; sie gehören zu den sogenannten Pclz- roblien und liefern die kostbaren „Sealskins". In der Ostsee können dieselben selbstverständlich niemals er- scheinen. In der Gegend von Memel kommen nach meinen Beobachtungen nur zwei Robben-Arten vor, näm- lich die kleine Eingelrobbe (Phoca annellata) und die im ausgewachsenen Zustande sehr stattliche Kegel- robbe (Halichoerus grypusi. Der sogenannte gemeine Seehund i Phoca vitulina i, welcher in der Nordsee so häutig ist und auch noch im westlichen Theile der Ost- see vorkommt, konnte von mir bisher für die Küsten von West- und Ostpreussen noch nicht festgestellt werden. Uehrigens ist das Fell der Kegelrobben (oder sog. Seebären der Ostsee) keineswegs immer ..weiss und lang- haarig". Letzteres passt nur auf das Winterhaar und das SäHgbngshaar, ersteres nur auf gewisse Exemplare. Die Haarfarbe der Kcgelrobbeu ist sehr mannigfaltig. Prof. Dr. A. Nehriug. Die MoHiisken Helgolaiuls hat Prof. Fr. Heineke in den Beiträgen zur Meeresfauna von Helgoland, Band I, S. 121 (vergl. „Naturw. Wochensehr." Bd. X., S. 83) bearbeitet. — Prof Heineke giebt in dieser Arbeit ein aust'ii lirliches namentliches \'erzcichniss aller bisher von der biologischen Anstalt in der näheren Umgebung von Helgo- land beobachteten Molluskenarten mit genauer Angabe ihrer Fundstellen, der Art und der Häutigkeit ihres Vor- kommens. Die Zahl allerbisjetztbekannten beträgt 151 Arten, wovon 96 Arten bereits von anderen Forschern nach- gewiesen und 55 von der Anstalt neu aufgefunden worden sind. Die Mollusken sind demnach die formcnreichste aller bei Helgoland vorkommenden marinen Tliierklassen. Freilieh bilden sie von den nahezu 600 Arten, die in den *) Ich verdanlie obige Zeitungsnotiz der Güte dos Dr. Henking in Hannover. britischen Meeren vorkommen, nur einen recht kleineu Theil. Wollte man aber aus diesem Grunde die Helgo- länder Molluskenfauna als eine sehr arme bezeichnen, so würde man einen grossen Fehler begehen. Die Ver- gleichung der Thierwelt eines kleinen, beschränkten (xe- bietes, also einer Localfauna mit der Fauua eines sehr grossen Gebietes führt zu ganz falschen Vorstellungen über den Formeureichthum derselben. Das Gebiet der britischen Meere ist ein Sanimelgebiet, zusammengesetzt aus einer Reihe sehr verschiedener Loealformeu, von denen eine jede einzelne bedeutend weniger Arten ent- hält als das ganze Gebiet. Man muss also Localfauna mit Localfaunen vergleichen. Dank der gründlichen Ar- beiten von Meyer und Möbius (Fauna der Kieler Bucht) und 0. J. Petersen kann man eine genauere Vergleichung der Loealmolluskcnfauna von Helgoland mit denen des Kattegats, der westlichen und östlichen Ostsee anstellen. Heineke unterscheidet unter den schaalentragendcn Mollusken unserer Meere nach ihrer geographischen Ver- breitung 3 Gruppen, die ähnlich abgegrenzt sind wie die der Fische (conf Bd. X, S. 83): 1. nördliche Arten, die südlich nicht bis ins Mittel- meer gehen, nördlich jedoch über den Polarkreis hinaus, mindestens bis Westtiumarkeu ; 2. südliche Arten. Sie haben ihre Hauptverbreitung im südlichen Europa, namentlich im Mittelmeer und gehen nördlich nicht über den Polarkreis oder höchstens bis zu den Lofoten; 3. Arten von unbestimmter Verbreitung. Sie leben entweder vom arktischen Meer an bis ins Mittelmeer oder sind auf ein enges Gebiet zwischen beiden beschräidct, gehen also weder über den Polarkreis hinaus, noch ins Mittelnieer selbst hinein. P^igcntlieh zwei recht ver- schiedene Gruppen von Arten, solche mit sehr weiter und solche mit sehr enger Verbreitung, die aber für den vor- liegenden Zweck nicht getrennt sind. Ganz scharfe Grenzen lassen sich natürlich zwischen den verschiedeneu Grupi)cn nicht ziehen; in manchen Fällen muss man die Einreihung einer Art in eine der- selben von der mehr nördlichen oder südlichen Lage des sogenannten Verbreituugscentrums abhängig machen d. h. desjenigen Gebiets, in der die Art in grösster Menge vorkommt. Ein Vergleich der schaalentragendcn Mollusken von Helgoland, dem Kattegat, der westlichen und östlichen Ostsee ergiebt : 1. Die Molluskenfauna Helgolands ist viel ärmer als die des Kattegats, aber um eben so viel reicher als die der westlichen Ostsee. In letzterer Beziehung verhalten sich also die Mollusken ganz anders als die Fische, bei denen sich die westliche (.)st- see reicher an Formen zeigte als Helgoland. 2. Das Kattegat und Helgoland zeigen in ihrer Molluskenfauua einen deutlich hervor- tretenden südliehen Charakter, insofern, als der Procentsatz der südliehen Arten den der nördlichen be- deutend übertrifft. Die westliche und östliche Ostsee haben dagegen einen ebenso scharf hervortretenden nördlichen Charakter. Die Verschiedenheit tritt noch schärfer hervor bei den selteneren Arten der vier Gebiete; unter ihnen sind im Kattegat nicht weniger als 52'',o, bei Helgoland sogar 62",) südliche Arten, während umgekehrt in den beiden Gebieten der Ostsee unter den selteneren Arten nicht weniger als -OO^ südliche bezw. 67% nördliche Formen sind. Der zunehmende Proceutsatz an arktischen Arten in den vier Faunengebieten (9% — 17"o — '^'4'',,j— 25%) von Helgoland, dem Kattegat, der westlichen und öst- lichen Ostsee zeigt gleichfalls deutlich diesen Unter- schied. 218 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 18. 3. Am stärksten ausgeprägt ist der südliche Charakter in der Fauna Helgolands. Denn ver- gleicht man die Molhisken Helgolands mit denen des Kattcgats nach den einzelnen Arten, so ergiebt sich, dass 92 Arten in beiden C4ebietcn zugleich leben; also ihnen gemeinsam sind. Nur im Kattegat leben 82 Arten, nur bei Helgoland 1!") Arten; unter diesen 1.5 Arten finden sich gar keine nördlichen und nnr zwei von uubestimmter Verbreitung, alle übrigen (80Vo) sind ausgeprägt süd- liche Arten. Den südlichen Charakter der Helgo- länder Fauna haben wir auch schon bei den Fischen g-efunden. Es ist dort wie hier ohne Zweifel eine Folge der eigenthümlichen Lage des Helgo- länder Gebietes im Winkel der südöstlichen Nordsee. (Vgl. vS. 84). In dem Bericht über die romerania-Expedition von 1872 gicbt Metzger die damals bekannte Zahl schaalen- tragender Mollusken aus dem Nordseegebiet jenseits der Doggerbank von der Küste von Yorkshire bis zur schottischen Küste bei Peterhead auf 251 an (107 Muscheln und 144 Schnecken), diejenige der südlichen und öst- lichen Nordsee von Texel bis zur jütischen Westküste bei Hansthohn auf nur 138 (79 Mnseheln und 59 Schnecken). Dieselbe autfallende Armutli der südlichen und östlichen Nordsee gegenüber ihrem nördlichen und nordwestlichen Theil zeigt sieh ferner auch bei den Crustaccen. Metzger führt sie zurück auf die geringe Tiefe der südöstlichen Nordsee und ihrer durcii die Doggerbank bewirkten Ab- sperrung gegen den Zustrom des kalten Tiefenwassers, der aus den arktischen Regionen herkommt. Der letztere Umstand hindert die Ausbreitung vieler nördlicher und arktischer Arten über die Doggerbank hinweg nach Süden. Der erstere, die geringere" Tiefe der südöstlichen Nordsee, bedingt liier einen grösseren Wechsel der Wasser- temperatnr von der Obertläche bis zum Crunde, so dass im Sommer alle Wasserschichten stärker durchwärmt, im Winter aber auch stärker abgekühlt werden. So ent- steht gleichsam ein seichtes Binnenmeer, nur an wenigen Stellen über 60 m tief, mit ziemlieh hohem und con- stantem Salzgehalt, dessen Temperaturcharakter ein ge- mässigter, aber im Laufe des Jahres wenig constant ist. Daraus ist es zu erklären, dass das Gebiet von Helgoland im weiteren Siime, das ein Areal von etwa 40 Seemeilen uni Helgoland herum umfasst, und also den innersten Winkel der südöstlichen Nordsee bildet, artenärmer ist, als der nordöstliche Theil, der vor der jütischen Küste liegt, vielleicht auch ärmer als der südwestliche Theil, das Gebiet vor den westfriesischen Inseln. Zugleich aber hat das letztere Gebiet, also das südlichere, nach dem Kanal zuliegende, mehr Aehnlichkeit mit den Helgoländer, als das nordiistliche oder jütische, das den Uebergang zu den nördlichen Theilen der Nordsee und zum Skag-er-Rack bildet. Noch ein anderer Einflnss und zwar ein noch viel mächtigerer, der sich bei der Vertheilung der Molinsken aus der geringeren oder stärkeren Bevölkeiung eines Ge- bietes geltend macht, ist der Einflnss des Salzgehaltes. Wir wissen bislang nicht sieher, ob ein grösserer Salz- gehalt die Abscheidung des kohlensauren Kalkes aus dem Meerwasser zur Bildung der Molluskenscliaalen be- sonders begünstigt, oder ob andere indirecte Einflüsse desselben auf die Hervorbringung von Mollusken ein- wirken, gewiss aber ist, dass der MoUnskenreichthum einer Meeresfauna genau proportional ist der Stärke des Salz- gehaltes in denjenigen Wasserschichten, die von den Mollusken vorzugsweise bewohnt werden. Die Reihe der 5 Faunengebiete, mit denen sich die Abhandlung be- schäftigt, geordnet vom reichsten bis zum ärmsten, lautet ; davon arktische nördl. südl. 1. Oestliches Kattegat 1(J1 Arten, 17o,o 28% 427o 2. Helgoland . . . 107 „ 9% 21% 48% 3. Westliches Kattegat 91 „ 14%^ 27% 41% 4. Westliche Ostsee . 46 „ 307^ 447„ 237o 5. Oestliche Ostsee . 12 „ 257^ .587o 177^ Zieht man nun den Salzgehalt des Meeresgrundes in Betracht, der für die schaalentragenden Mollusken maass- gcbend ist, so bilden die 5 Gebiete in der Stärke des Salzgehaltes genau dieselbe Reihe, wie in dem Reichthum an Molluskenarten. Das östliche Kattegat hat den höchsten Salzgehalt des Grundwassers, die östliche Ostsee den niedrigsten. Mit Ausnahme von Helgoland nimmt auch mit der Abnahme des Salzgehaltes der Procentsatz der nördlichen und insbesondere der arktischen Arten in den verschiedenen Gebieten zu, der Procentsatz der süd- lichen Formen ab. Dies lässt vermuthen, dass die nörd- lichen und besonders die arktischen Arten sich besser dem abnehmenden Salzgehalt anpassen können, als die südlichen. Weiter ergiebt sich noch ein interessantes Moment. Je mehr der Salzgehalt am Meeresboden in einem Fannengebiet abnimmt, um so seltener werden die- jenigen schaalentragenden Mollusken, die in den schlickigen Tiefen wohnen, desto ärmer also werden diese letzteren an Schaalthicren, umgekehrt aber nimmt die relative Zahl der reinen Litoralformen zu. Dies zei:;t folirende Ucber- Sicht : Seliiick- Litoralc- bowolnicr Arten 1. Oestliches Kattegat . IGl Arten, 37 7o 18'% 2. Helgoland .... 107 ., 21"/« 21 7u 3. Westliches Kattegat 91 ,'. 187o -^'-"/o 4. Westliche Ostsee ~ . 46 „' 157o 45 7„ 5. Oestliche Ostsee . . 12 „ 8"' !1 r, n ^^ ^ /O ^^ /O Li dem letztgenannten Mecrestheile koimnt als eigent- licher Schlickbewohner nur noch eine und zwar ganz seltene Art, Astarte borealis, vor. Die zum Theil sehr grossen Tiefen der östlichen Ostsee sind ganz ausser- ordentlich arm an Mollusken oder entbehren ihrer gänz- lich. Bei abnehmendem Salzgehalt drängt also die Welt der schaalentragenden Mollusken von der Tiefe in die flacher gelegenen sandigen Regionen und namentlich in die Litoralzone. Unter diesen in der Litoralzone sich zusammendrängenden Arten überwiegen zugleich in den hier in Betracht kom- menden Faunengebieten die nördlichen Formen immer mehr über die südlichen und über die unbestimmt verbreiteten. R. Ueber die Kotatorleiifiniiiii des Rheines und seiner Altwasser von Robert Laut er bor n (Zoologische Jahr- bücher, Band VH, Abtheil, f Systematik). — Verfasser untersuchte die Fauna der zwei grossen seenartigen Alt- wasser des Rheins, den Altrhein bei Neuhofen und den Altrhein bei Roxheim (Ludwigshafen), sowie eine Anzahl kleinerer Läufe, besonders auf ihren Inhalt an Protozoen und Rotatorien, welch' letztere ihren Namen „Käderthiere" jener eigenthündichen Radscheibe ver- danken, die, mit kräftigen Wimpern besetzt, eine lebhafte Strudelung hervorruft. Diese Strudelung dient sowcdil zur Fortbewegung, zum Schwimmen, als auch zur Herbei- führung der Nahrung nach dem ventral an den Wiinper- ring sieh anschliessenden Mund. Die im Wasser lebenden Räderthierchen gehören zu den kleinsten, vielzelligen Thierchen und sind wie die Infusorien, mit denen sie die Lebensweise theilen, nur mit dem Mikroskop zu erkennen. Nv. 18. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 219 Was nun ziiniiclist die Rotatoricnt'amia des freien Klit'incs liftrirt't, so cr_i;chcn die Untcisiiciiunnen, dass zwar die /nid der liislicr im ströiiienden Wasser itcoh- aciiteten Alten eine rciati\ iieträciitliciie, die Zaid ' der Individuen dagegen eine verscinvindend geringe ist. Nur in den stillen, zum Theil ndt l'tianzen hcwachsenen Buchten, welche mit dem dtVencn Stiome nur durch schmale Zugänge in Vcrt)indung stehen, treten die ein- zelnen Kornicn auch in einer ludividuenmenge auf, welche derjenigen der Altwasser nicht nachsteht. Im tlicssenden Wasser des Rheines hei Ludwigshafen eonstatirte Lauter- liorn bisher 18 Käderthier-Arten und in der freien Wasser- tiäche der i)eiden oben genannten Altwasser, welche ehemals Windungen des Rheines, heute nur noch durch schmale, zum Theil nnt l'tianzen bewachsene Graben mit demselben in \'erbindung stehen, 84 Arten. Ausserordent- lich reicidialtig an Thieren aller Art erwies sich das dichte I'tlanzengewirr, welches die Ufer und die seichteren Stellen der Altwasser überw-uchert. Hier hat \'erfasscr l)isher bereits ca. 150 Arten Protozoen, ca. 60 Rädcrthierc, ca. 25 ("rustaceen, sowie zahlreiche Schwämme, Bryozoen,Wiirnier- und Insektenlarven nachgewiesen! Was nun die Verbreitung dieser „pelagischeu" Räder- thiere über das Gesammtgebiet der beiden Altwasser anbelangt, so Hess sieh leicht feststellen, dass der grösste Theil derselben, (ebenso wie die meisten ..pelagischcn'' Protozoen) keineswegs etwa nur auf die Mitte beschränkt ist. Sic finden sich im Gegentheil überall da vor, wo freies Wasser vorhanden ist, mag die Tiefe nun 5 ni oder nur 1 m betragen, der Boden kahl oder bewachsen sein. Von diesen 34 Rotatorienspecies, welche die freien Flächen der Altwasser bevölkern, fanden sich in den Lehmgruben in der Nähe von Lndwigshafen nicht weniger als 28 vor; ausserdem wurden hier noch 3 weitere Arten eonstatirt, die bis jetzt weder im Altrhein bei Xeuhofen noch im .Mtrhcin bei Roxheim zur Beobachtung gelangten. Unter den in der vorliegenden Arbeit aufgezählten Rotatorienarten sind mehrere seltene Arten besonders erwähnenswerth z. B. die schöne und interessante frei- schwinnnende Floscularia nintabilis Bolton, welche bisher nur bei Birmingham, im Feldsee und Titisee im Sehwarzwald beobachtet war, ferner die zierliche Sacculus hyalinus Kellicot, die bisher nur in Nord- amerika gefunden worden war. Auch war der Verfasser so glücklich, folgende 5 neue Räderthier-Arten aufzu- finden, die bisher überhaupt noch nicht benannt und be- schrieben waren, Mastigocerca ündsoni, Chromogaster testudo, Dictyoderma hypopus, Brachionus rhenanus und Mastigocerca setifera, welche gut charakterisirt nnd auf der beigefügten Tafel abgebildet sind. Dr. F. Römer. Ueber die Frage: ..Giebt es geschlechtlicli erzengte Organisiiieii ohne niütterliche Eigenseliaften J" hat O. Seeliger im Archiv für Entwickelungsmechanik, Band I, Heft 2 experimentelle Untersuchungen veröffent- licht. — Vor einiger Zeit machte Boveri die Aufsehen erregende Mittheilung, dass kernlose Stücke von Seeigel- eiern, wenn sie mit dem Samen einer andern Species be- fruchtet wurden, sich zu Larven der väterlichen Art ent- wickelten. Er bejahte demnach die obige Frage und zwar auf Grund folgender Beobachtungen (cf. Boveri, Ein geschlechtlich erzeugter Orgaiusmus ohne mütterliche Eigenschaften; Berichte der Gesellsch. f. Morph, u. Phys. zu München 1889). Wenn Boveri die unversehrten Eier von Sphaerechinus granularis mit Sperma von Echinus microtuberculatus fzwei Seeigel, deren Larven schon auf frühen Statlien bestimmte Verschiedenheiten zeigen) be- fruchtete, so fand er, dass die entstandenen Larven echte Bastarde waren, die .,ohne eine einzige Ausnahme in der Köipcrgcstalt wie im Skelett eine ziendich genaue Mittelforni darstellten.'- Wenn er aber die Sphaerechinus- eier vor cler Befruchtung schüttelte, so dass sie in kern- haltige und kernlose Stücke zerfielen, so traten ausser den echten Bastarden, Zwerglarven auf, die vollkonnnen den Echinuslarven, d. h. den väterlichen Larven glichen. Diese Zwerglarven leitet Boveri nun von den kernlosen Eislücken ab, ohne es freilich direct beobachtet zu haben, vielmehr verlief die Befruchtung 2U0 herausgesuchter kernloser Eifragmente ergebnisslos. Doch ist dies nicht wunderbar, weil nach Seeliger selbst bei kernhaltigen Eiern sich von 1000 nur etwa 1 nach der künstlichen Befruchtung entwickelt. Als einen weiteren „schärferen Beweis" für seine Deutung führt Boveri an, dass die Kerne der Zwerglarveu viel kleiner sind, als die der echten Bastardlarven, was sich nur dadurch erklären lässt, dass die ersteren sich allein von dem Spermakern herleiten, während die letzteren der vereinigten Substanz, des Ei- und Spermakerns ihren Ursprung verdanken. Seeliger hat zu seinen Befruchtungsversuchen dieselben Seeigel benutzt wie Boveri und auch ebenso experimentirt; d. h. zuerst unversehrte und dann zerschlagene Eier be- fruchtet. Er stellte sich bei seinen Beobachtungen die beiden Fragen, die Boveri für seine Ansicht als Beweise anführt; nändich 1. Weisen die aus kernhaltigen Eiern entstandenen Bastarde ohne Ausnahme die Mittelform zwischen den Eltern auf? 2. Ist die geringe Kerngrösse der Zwerglarven auf den Ursprung aus kernlosen Eifrag- menten zurückzuführen ? Bei der Befruchtung kernhaltiger, d. h. unversehrter Eier fand Seeliger, wenn er nur gleichaltrige Stadien verglich, eine ausserordentliche Mannigfaltigkeit nicht nur in der Configuration des Kalkskeletts, sondern auch in der ganzen Körpergestalt und Grösse der Larven. Die Grenzen der Varial)ilität sind durch die Beschaffenheit der Larven der beiden bastardirten Arten bestimmt. Innerhalb dieser Grenzen finden sieh aber alle Ueber- gänge, von Larven mit väterlichen Charakteren, durch echte Bastarde zu Larven von mütterlichem Charakter. Die erste der oben aufgestellten Fragen muss demnach verneint werden. Da nun Seeliger auch alle Griissen- unterschiede bis zu den Zwerglarven Boveri's herunter bei seinen Zuchten fand und auch kleinkeruige Zwerglarven bei der Befruchtung unversehrter Eier entstanden, so ist für die Bejahung der zweiten Frage ebenfalls keine That- sache anzuführen. Dieselben Zuchten erhielt Seeliger auch bei der Befruchtung geschüttelter Eier, nur traten hier mehr unsymmetrisch gebaute Formen, überhaupt mehr Abnormitäten auf. Aus diesen Beobachtungen folgt, dass keine der Behauptungen Boveri's bewiesen ist, weder die Möglichkeit der Ik-fruehtung kernloser Eifragmente noch die Annahme, dass aus solchen Eifragmenten Larven rein väterlichen Charakters hervorgehen. Hieraus folgt ferner, dass die Theorie, der Kern sei allein der Träger der Vererbung, der Begründung durch Thatsachen entbehrt. Dr. Fr. Seh. Bei der Besprechung der Verheernngen anf Helgo- land dnrch die Stunnfluth vom 28. Becember 1894 in der ,,N. W." S. 8ß schrieb der Herr Referent: „Helgo- land hat sich bekanntlich in ungefähr 1000 Jahren schon auf ein Zwanzigstel seines ursprünglichen Umfanges re- ducirt, man kann daraus ungefähr entnehmen, in wie kurzer Zeit es vielleicht schon völlig verschwunden sein wird." Hierzu ist nun Folgendes zu bemerken. Trotzdem die Kunde von der einst bedeutenden Grösse Helgolands 220 Naturwisseiisclian liehe Wocheusebrif't. Nr. Ifi. gelehrten Ursprungs ist, stellt dieselbe doch nur eine auf Irrthüniern und Fälschungen beruhende Sage dar. Um die Ans])riiehe der Herzoge von Schleswig auf die Insel gegenüber den Hansastädten zu begründon, wurde zu- nächst ein ehemaliger Zusaninienliang mit dem nord- friesischen Festlande erfunden. Dann kamen weitere An- schauungen in der Ursula-Legende und in der Vita Sni- bcrti, einer Fälschung des 16. Jahrhunderts. Ohne eine Kenntniss von der Anfechtbarkeit seiner Quellen fasste Job. Meyer diese Sagen in seiner Karte zusammen, die nunmehr in alle neueren Schriften als Beweismittel ü))er- ging. Soweit man sich an sichere Quellen halten kann, war Helgoland inuner klein und spärlich bevölkert ; selbst während der Blüthezeit der Heringsfischerei in dieser Gegend, 1425 — 1554, besass es nur eine Kirche. Eine Berechnung der Veränderungen auf Grund neuerer Karten hat noch zu keinem zuverlässigen Ergcbniss geführt; jedenfalls aber sind die Verluste an Ausdehnung in den letzten M Jahren keine sehr bedeutenden gewesen. Im Allgemeinen lässt sich über derartige Veränderungen überhaupt sagen: Die Felsabhänge Helgolands haben nur sehr geringe Verluste erhtten, griis.sere, aber auch noch inuner geringfügige die umliegenden Riffe, .starke Verluste das Unterland, besonders als nach der durch Raubbau veranlassten Schwächung die Witkliff und später die Verbindung zwischen Hauptinsel und Düne vom Meere durchbrochen wurde; sehr veränderlich endlich ist die Düne, sowohl in ihrer Grösse als auch in Form und I^age. Legt man diese Thatsaehen zu Grunde, so niuss man die Befürchtungen für den baldigen Untergang der Insel als unberechtigt bezeichnen. G. M. Die Bewegungen der Nebelflecke in der Oesichts- linie sind neuerdings auf (irund des Doppler'schen I'rin- cips mit dem grossen Spectralapparat des Liek-Refraktors durch Keeler besliunnt worden. Das Spectrum der meisten Nebelflecke besteht bekanntlich aus einer Anzahl getrennter, heller Linien, die beweisen, dass diese Hinmiels- körper aus glühenden Gasen bestehen. Die dritthellste Nebellinie gehört nun dem Wasserstoflspektrum an, sodass Keeler im Stande war, durch genauen Vergleich ihrer bekannten wirklichen Wellenlänge mit der Lage, welche ihr im Spektrum des Oriomici>els zukommt, festzustellen, dass sich dieser hellste aller Nebel von der Sonne mit einer Geschwindigkeit von 17,5 km in der Secunde ent- fernt. Nachdem dies einmal festgestellt war, konnte die wahre Wellenlänge der ihrer chemischen Natur nach noeh völlig räthselhaften Ilauptnebellinie zu 500,7 fi[i bestimmt werden und nun liess sich auch bei liehtschwächeren Nebeln die Bewegung in der Gesichtslinie ermitteln, indem man die durch jene Bewegung bedingte Verschiebung der hellsten Spektral linie gegen die Normallage maass. Die an 14 Nebelflecken mit bisher unerreichter Genauig- keit ausgeführten Messungen ergaben Bewegungen, welclie zwischen 04 km Annäherung (pro Sekunde; und 4S km Entfernung ditferiren, sodass man sagen kann, dass die Bewegungsgeschwindigkeit der Nebelflecke im Allgemeinen von derselben Grössenitrdnung ist, wie die der Fixsterne, obgleich man wegen der versehwonnnenen Contouren der Nebel bisher noch nicht, wie bei Fixsternen, Eigen- bewegungen an der Sphaere (also senkrecht zur Gesichts- linie) wahrgenonniien hatte. Durch Keeler's Forschungen ist auch definitiv nach- gewiesen, dass die hellste Nebellinie weder, wie früher Huggins glaubte, dem Stickstofi", noch auch entsprechend Lockyer's Ansicht den Magnesium angehört, vielmehr dürfte sie gemeinsam mit der zvveithellsten bei 495,9 /ifi gelegeneu Linie einem etwa dem in der Sonuenatmosphäre sich findenden Helium analogen, uns unbekannten Gase zukommen. Verschiedenheiten in der Bewegung einzelner Theile des Orionnebels, die auf Wirbelbewegungen oder Ro- tationen im Innern desselben schlicssen lassen würden, hat Keeler nicht feststellen können, dagegen bestätigte er die schon von anderer Seite gefundene Thatsache, dass fast alle dunklen Linien der Orionsterne mit hellen Linien des Nebels übereiustinnnen. Demnach müssen diese Sterne entweder inmitten, oder sogar hinter der ausgedehnten Nebelmasse liegen, während man früher eher das Umgekehrte der letzteren Alternative anzunehmen geneigt war. F. Kbr. gezeigt Zur Verwerthung derKoopinanii'schen Briquetts. — In Nr. 2 der ..Naturvv. Wochenschr." hat Herr Kurt Freise einen Artikel über die Vorzüge der Koopmann'schen Erfindung, liriquetts aus Stein- oder Braunkohlen mit 10 7o gemahlenem Kalkstein zugemischt herzustellen, geschrieben, welcher dem Feuerungstechniker und Chemiker in meh- rerer Beziehung zu Bedenken Anlass giebt. Es sei zunächst davon abgesehen, dass bei einigen früheren Versuchen in Breslau und auf Grube Ennna in Ober- schlesien sich die Verbrennung und der Heizwerth Koop- niann'scher Briquetts sich in niciits vortheilhafter gegen andere Bri(pietts aus derselben Steinkohle oder gegen ge- w(ilmlicher Weise verfeuerte freie Steinkohlen haben. Wenn man bedenkt, dass alle Welt darauf bedacht ist, möglichst aschenarme Brennstoife, also namentlich Stein- und Braunkohlen, zu erlangen und zu verwenden, und dass es gerade der Aschengehalt ist, welcher in erster Linie den Heizwerth fossiler Brennstotte zu beein- trächtigen geeignet ist, so muss es vfui vornherein wider- sinnig erseheinen, den Aschengehalt durch Zumengung von Kalk]iulver zu eriiöhen. Besteht auch das Kalkpulver zur kleineren Hälfte (40 — 42 "/o) «Tis der in der Hitze entweichenden Kohlensäure, so erhöht sich immei-hin der Aschengehalt. Beispiel: Hat eine Steinkohle 5 7o Asche, so stellt sich unter Zumengung von 10 % Kalkstein der Aschengehalt auf 90x5 100 10x58 100 4,5 -+- 5,8 = 10,3 % Asche. Angenonnnen nun, eine gute Steinkohle iiat807o festen Kohlen- stoff, dann sind doch aus diesen 80 "/^ durch Zumischung 80x90 von 10 7o Kalkpulver — f;^— = 72 "/o Kohlenstoff ge- 100 worden, und da beim Bezüge grosser Quantitäten Brenn- materials die Frachtkosten eine grosse Rolle spielen, so kostet dieselbe .Menge Koopmann'scher Briquetts in Hinsicht auf den gelieferlen Kohlenstott '/g an Frachtkosten mehr als dieselbe Menge freier Steinkohlen oder aus reiner Steinkohle fabricirter Brikets. Weiter aber: Angenommen, dass der kohlensaure Kalk sich in der Verbrennungstemperatur auf dem Roste zersetzt, so erfordert diese Zersetzung eine gewisse Menge Wärme, welche der Brennstofl' selbst liefern muss, mithin seiner Wärmewirkung entzogen wird. Zur Austreibung von COj braucht 1 kg Kalkstein 373,5 Wärmeeinheiten, und um dieselben zu erzeugen, simi auf 10 kg Kalkstein 10x373,5 _ 1,5 kg Kohlenstotf erforderlich. 2473 ~ ''" "* ............>... ........ 1,5 kg Kohlenstoff entsprechen in der Kohle mit 80 % Kohlen- stoff = 2 kg Kohle rund, und es kommen somit nur 72 — 2 = 7üyo Fohle in dem Kalkbriquett zur Wirkung. Nun ist ja allerdings wahr, dass bei den jetzigen Einrichtungen unserer Kohlenfeuerungen die Brennstoffe Nr. 18 Naluiwiöseuschaftliche Wochenschrift. i'21 im besten Falle mit 60 Vo des Heizeffects ausgenutzt werden, und so wäre es denkbar, dass eine durch die Zwischenlagerung der Kalktheilchen, welche durch Aus- treibung der Kohlensäure porös werden, verlangsamte Verbrennung liorlicigetuhrt würde mit der Wirkung, dass jedes Kohlentheilchen eine vollständigere Verbrennung erführe und dass in Folge dasselbe das Kalkbriquett selbst bei geringerem (Schalt an Kuhlensnbstanz die gleiche und soll)st höhere llei/.wirkung lieferte wie lose Steinkohle oder das gewöhnliche Stciiikohlcnliriquctt. Wir müssen uns fragen, wie solcher Vorgang zu Stande kommen kann? Die ungünstige Wirkung bei der Verbrennung auf dem Roste wird dadurch hervorgerufen, dass der HrennstotT, er mag nocii so geschickt in dünner Lage auf dem Roste verthoiit sein, in gewissen Theilen erwärmt und zur Casentwickclung durch trockene Destillation ge- bracht wird, wobei Kohlenwasserstotfe entweichen, deren Enttiannnungsteniperatur höher liegt als wie sie die Feuergase zu diesem Zeitpunkt erreicht haben. Je mehr Luft dem Brennmaterial zugeführt wird, desto mehr werden die Feuergase und Verbrennungsgase abgekühlt, und jene Kohlenwasserstoffe entweichen als Rauch. Bei der Verteuerung von gewöhnlichen Steinkohlcnbriquetts ist ganz das gleiche der Fall. Wenn im Vergleich hierzu das Kalkl)riquett eine vortheilhaftc Abweichung zeigen sollte, so hätte man sich vorzustellen einmal, dass durch die (jegenwart von Kalk, welcher vermöge seiner speci- fisclien Wärme (0,26) ein besserer Wärmeleiter ist als die Kolilensubstanz (spec. Wärme = 0,3), eine schnellere Durchwärmung des Briquetts stattfindet, welche den Kohlentheilchen schneller die zukommende Entzündungs- temperatur verleiht, oder zum anderen, dass bei der weiter gehenden Vertheilung der Kohlenpartikel im Briquett die letzteren dem Zutritt der Verbrennungsluft eine günstigere Oberfläche zur Verbrennung darl)ieten, in Folge dessen weniger Verbrennungsluft verbraucht wird und daher die Feuergase eine höhere Temperatur an- nehmen könne. Der letztere Fall ist sehr wenig wahr- scheinlich, weil man bei der Rostfeuerung die Menge des T^uftzutritts nur schwer zu reguliren im Stande ist. Diese Verhältnisse bedürfen daher noch sehr der Aufklärung und es besteht vor der Hand die Gefahr, dass man durch grössere Sorgfalt bei der Verfeuerung von Kalkhriquetts sieh einer Selbsttäuschung gegenüber den Leistungen anderer Briquetts hingiebt, welche dann an- seheinend zu günstigeren Ergebnissen führt. Auf zweierlei möchten wir nur aufmerksam machen: In den von Herrn Freise angeführten Versuchen ist zu lesen, dass bei der Verfeuerung von 3290,5 kg Kalk- hriquetts ein Aschenrückstand von 290 kg verblieben ist; das sind annähernd 9 % des aufgewendeten Brennstoffs. Wenn man reinere Brennstoffe zu verwenden strebt, so geschieht dies hauptsächlich aus dem Grunde, um der Belästigung durch die Asche enthoben zu sein; denn die reichliche Aschcnbildung verlangt ein öfteres Reinigen des Rostes und häufigeres Austragen des Aschenkastens; ich weiss wirklieh nicht, ob diese Menge der Ascheureste auch als ein Vortheil angesehen werden kann. Wenn auf Schiften l> i 1 <1 II 11 g- e M. In Leinen gebunden, Preis 5 Mark. In sechzehn starken Auf Ligen hat sich das berühmte Buch stets wachsenden Beifalls erfreut, obgleich ihm Eines felilte; Abbildungen. Diese neue, siebzehnte Auflage wurde illustriert durch 759, eigens für dieses Buch gezeichnete Abbildungen charakteristischer Repräsentanten jeder Gattung. Trotz dieser Bereicherung und einer Vcrmelirnng um zwölf Druckbogen wurde der Preis des gebundenen Buches nur um eine Mark, also auf 5 Mark erhöht. Gegen Dostfreie Einsentog des Betrages ertolgl flle Züsentag postfrei. imuffunfl «oii Iqmiricii uiuC Scrracißii, Otefigcn un5 frcmöfän&ifcOe» ^ifr)5)'d)rn,Kr|)tilinin.Jlinpl)il)iniicktJli1 fmoic ^jiarrei*= lt. ^un ipfpfl'ait^eit Jiiliiis Reiclieli BERLIN N, Elsasserstr. IS. Säger in ©prtngbruniicn» uiib S'urd)Iüftuugy=3ilpparoteit. .tieijapparntc für 3lquarten unb Xerrarten nerfcfjtcbener Sriflcme. Xitffitcin= iinb 3icrtorf=®rottcu. Xron^oportgcfäße, gangnppnratc, üßorljaupt S^orral in ailcn Slrtiteltt ber Sicbliabetci. liiglidicr (£iiiiiiiiig Don 91cuf)eitcu in Jicrcii, 'i^fliiiijcii sc. 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VIT, 1892, o. 18. •*) Dass nicht die grosse Zahl nur erreicht wurde durch Auf- nahme vieler nur zufällig in Kieferwälder verschleppter Pflanzen, dafür bürgt wohl der Umstand, dass obige Liste durch den besten Kenner di^r märkischen Flora, Herrn Prof. P. Ascherson, revidirt und ergänzt wurde. ***) Dass ähnliche Formationsunterschiede zwischen den Wäldern Wäldern vergleicht und den dortigen „Laubwäldern" gegenüber- stellt, hervorgehoben. Studien einführte (Linnaea XLII, 1879, S. 592), „eine Gesellschaft von Pflanzen, die als der Ausdruck bestimmter Verhältnisse des Bodens und Klimas erscheinen und daher überall dort vertreten sind, wo ähnliche Verhältnisse wiederkehren." Können wir von einer oder mehreren solcher Asso- ciationen auch in unserer Kieferwaldflora reden? Wie die Ausführungen Loew's in der genannten für die pflanzengeographische Forschung höchst wichtigen Studie zeigen, ist selbstverständlich nicht anzunehmen, dass überall da, wo einige Glieder einer Association sich zeigen, auch alle erscheinen müssen. Dann würden wir wohl nie von Associationen reden können, denn es mag kaum zwei auch nur eine Meile von einander entfernte Orte auf de/ Erde geben, an denen genau die gleichen Pflanzen auftreten, aber ganz genau gleich sind auch nirgends die klimatischen und Bodenverhältnisse. Lassen sich aber in den Bewohnern unserer Nadelwälder solche Pflanzengruppen erkennen, die durch gleichartige An- sprüche an Boden und Klima zusammen zu gehören scheinen? Diese Frage müssen wir unbedingt bejahen. Zwar mögen einzelne der in meiner „Nadelwaldflora" genannten Arten nur zufällig in die Gesellschaft hinein- gerathen sein, sie sind zwar häufige Besucher aber nicht Slitglieder des Vereins geworden, sie beugen sich zwar zeitweilig den Gesetzen desselben, so lange sie in ihm erscheinen, binden sieh aber nicht dauernd daran. So scheinen z. B. einige „Sandpflanzen" mit in die Liste aufgenommen zu sein, von denen beispielsweise Tees- dalea, Erophila und Scleranthus perennis*) als allgemein bekannte Unkräuter genannt sein mögen. Auch sie zeigen zwar eine gewisse gleichartige Neigung wie unsere echten Nadelwaldpflanzen, die sich aber nur auf die Bodenverhältnisse erstreckt, sind aber im Allgemeinen viel weiter verbreitet als die Kiefer und ihre treuesten „Be- gleiter". Dass auch unter ihnen Glieder einer oder mehrerer Associationen sich finden, ist mir fast zweifellos, doch liegt das hier ausserhalb des Eahmens unserer Untersuchung. Dass andererseits auch die Kieferwälder in ihrer Verbreitung wesentlich von Bodenverhältnissen bedingt sind und zwar im Gegensatz zu der nächst verwandten Formation, den Fichtenwäldern, wurde neuerdings wieder durch Prof. Ascherson auf seiner Reise durch den Nord- osten unseres Vaterlandes bestätigt, wo die Kiefer fast immer auf Sand, die Fichte auf Lehmboden auftritt (vergl. Verh. des Bot. Vereins der Provinz Brandenburg XXXV, 1894, p. LVIf.). Dass auch klima- tische (nämlich Regen-) Verhältnisse hier vielleicht gleich- zeitig in Betracht konmien, wurde auf eine Mittheilung meinerseits hin von Ascherson schon hervorgehoben. Jeden- falls zeigt der Umstand, den Ascherson in demselben Vortrage hervorhob, dass eine Reihe der wichtig.sten von mir genannten Kieferbegleiter auch in Hinterpommern, einem von mir wegen seiner ungenügend untersuchten Flora wenig berücksichtigten Gebiet, im Wesentlichen wie die Kiefer**) verbreitet sind, dass wir es nicht mit *) Gruppe rV in meiner Nadelwaldflora S. 40. '*) Dass wie dort auch in Mecklenburg im N (namentlich NW) viele der Kiefernbegleiter gleich der Kiefer seltener sind oder fehlen, zeigt die seitdem erschienene „Mecklenburgische Flora" von E. H. L. Krause deutlicher, als ich es noch in jenen Areal- grenzen zeigen konnte. Gleichfalls giebt die ganz neuerlich er- schienene werthvolle Programmarbeit von P. Friedrich „Flora der Umgegend von Lübeck" (Ostern 1895) sowohl zur genauen Ver- breitung der Kiefer, als verschiedener ihrer Begleiter einige wesentliche Ergänzungen. 228 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 19. einer bunt zusammengewürfelten Gesellschaft zu thun haben, sondern dass im Wesentlichen gleichartige An- sprüche von denselben gestellt werden. Am deutlichsten geht dies aber daraus hervor, dass eine sehr grosse Zahl der Kiefernbegleiter in Nord-Deutschland eine mehr oder minder genau von NO nach SW verlaufende Hauptgrenze in ihrer Verbreitung finden. Sehen wir von vereinzelten vorgeschobenen Posten ab, von denen hernach noch weiter die Rede sein wird, so finden wir reichlich 30 Arten*), die ziemlich genau hinsichtlich ihrer NW-Grenze mit der Kiefer**) übereinstimmen, wie ich in den Berichten der deutschen botanischen Gesellschaft (XI, 1893, Heft 3) gezeigt habe, deren Zahl, wie ich ebenda in den An- merkungen hervorhob, sich um mindestens 20 noch ver- grössern Hesse, wenn wir die Uebereinstimmung weniger genau nehmen, d. h. ähnlich verlaufende, aber etwas weiter vorgeschobene***) oder weniger weit vorragende Linien mit berücksichtigten. Eine gewisse Uebereinstimmung in den klimatischen Ansprüchen wird für diese Arten sicher nicht abzuleugnen sein. Denn trotzdem die Arten grossentheils ziemlich weit verbreitet sind, fehlt doch eine grosse Zahl der- selben (nach Crepiu, Manuel de la flore de Belgique 5. ed. 1884) in Belgien (die fast sämmtlich [nach „Lloyd, Flore de rOuest de la France, 2 ed. alle ausser Chondrilla und Silene Otites] auch in Nordwest-Frankreich, mindestens nördlich der Loire) ganzf) oder wenigstens gleich der Kiefer als ursprüngliche Pflanzen, und diesen schliesst sich noch eine Reihe anderer an, die in Belgien ent- weder selten sind, oder erst neuerdings häufiger auf- treten.ft) Doch nicht nur die Nordwest-, sondern auch die Südwest-Grenze zeigt einige Uebereinstimmung zwischen der Kiefer und ihren Begleitern. So kommen z. B. mehr als 20 der letzteren -ff f ) gleich der Kiefer in Spanien, nicht *) Von den da genannten Arten ist meines Wissens nur Ervura silvaticum mit Unrecht in die Liste aufgenommen, das entschieden eher als Bucheubegleiter bezeichnet werden muss, wie icli schon in Verh. des bot. Vereins der Provinz Branden- burg XXXVI, S. 23 zeigte. **) Diese schliesst nach Grenier-Godron auch die ganze fran- zösische Ebene aus. Vorkommnisse, wie die von Goodyera (nach brieflichen Mittheilungen von l^rof. Ascherson in dortigen Kiefern- pflanzungen) beruhen also wohl sicher nur auf Verschleppung; ähnlich möchten solche von Dianthus Carthusianorum und Fragaria viridis bei Le Pin wohl zu erklären sein. ***) Von diesen bezeichnet Buchenau, „Flora der nordwest- deutschen Tiefebene (Leipzig 1844)"' Silene nutans, Ajuga gene- vensis, Veronica verna und Holosteum umbellatum ausdrücklich durch einen Pfeil als nur durch wenige vorgeschobene Posten in seinem Gebiete vertreten, Alyssum calycinum durch f als erst neuerdings eingeschleppt (was nach ähnlichem Verhalten in Schleswig-Holstein zu urtheilen vielleicht auch bei Holosteum [ob etwa auch für Vei-onica?] gelten könnte). t) Nämlich die Pulsatillen, Polygala eomosa, Dianthus su- perbus, Silene Otites und chlorantha, Alsine viscosa, Trifolium alpestre, Astragulus arenarius, Coronilla varia, Ervum cassubicum, Potentilla opaca, Peucedanum Oreoselinum, Linnaea borealis, Scabiosa suaveolens, Chondrilla juncea, Hieracium echioides, Ar- ctostaphyloa, Lodum, Pirola chlorantha und uniflora, Chimophila, Cephalanthera rubra, Goodyera, Anthericum ramosum, Koeleria glauca u. a. tt) Z. B. 'Arabis arenosa, Dianthus Carthusianorum und deltoides, Silene nutans, 'Viscaria vulgai-is (deren weiteres Vor- dringen in Schleswig - Holstein vielleicht wie in Mecklenburg wenigstens theilweise durch Cultur zu erklären sein möchte), •Trifolium montanum, Fragaria viridis, *Galium boreale, *Heli- chrysum arenarium, Campanula glomerata, 'Vaccinium uliginosum, •Veronica verna, *Ajuga genevensis, Polj-gonatum officinale, •Carex ericetorum und *Phleuin Boehmeri (die mit • fehlen in NW-Frankreich). tttl Z. B. Dianthus Carthusianorum, Trifolium alpestre und mon- tanum, Coronilla varia, Ervum cassubicum, Fragaria viridis, Poten- tilla opaca, Peucedanum Oreoselinum, Galium boreale, Campanula persicifolia und glomerata (auch rotundifolia), Vaccinium uligi- ai)er in Portugal vor, während einige weitere Arten zwar noch Frankreich (theilweise gar dessen Süden) erreichen, aber von der iberischen Halbinsel noch nicht nach- gewiesen sind. Dass auch die weitere Süd-*) wie auch die Nord- Grenze**) einige Aehnlichkeiten zwischen der Kiefer und ihren Begleitern zeigt, wurde schon früher von mir nach- gewiesen. Selbst bei der noch im Ganzen wenig er- forschten Ost-Grenze fehlt es nicht an Ueberein- stimmungen***), soweit davon bisher überhaupt die Rede sein kann. Wenn nun auch nicht alle Arten sämmtliche Grenzen mit der Kiefer theilen, sondern nur nach jeder Richtung hin, ein Theil ihrer Begleiter ihr treu bleibt, so haben wir da doch nicht andere Verhältnisse als bei anderen bisher schon erörterten Associationen. Mit einer derselben zeigte sich sogar mancherlei Uebereinstiranmng hinsichtlich der dazu gerechneten Arten, nämhch mit der von Prof. Drude als Genossenschaft von Cytisus nigricans be- nosum, Pyrola chlorantha und uniflora, Veronica spicata und verna, Euphorbia Cyparissias, Cephalanthera rubra, Goodyera, Carc xericetorum (?) und Phleum Boehmeri (auch die einzige Pnlsatilla W-Europas). *) Z. B. in Italien uamentlich für 'Thalietrum minus, *Pulsa- tilla vornalis, Polygala eomosa, Dianthus superbus, Viscaria vul- garis, Linnaea, *Galium boreale, 'Scabiosa suaveolens, 'Vaccinium uliginosum, (Melampyrum prateiise), 'Veronica verna (?), Goodyera, 'Anthericum ramosum, Carex ericetorum und Koeleria glauca. Ausser den mit ' bezeichneten scheinen in Griechenland gleich der Kiefer zu fehlen, in der nördlichen Balkanhalbinsol aber vorzukommen: Helianthemum vulgare, Silene nutans und Utites, Dianthus deltoides und Carthusianorum (Genista tinctoria), Tri- folium alpestre und montanum, Ervum cassubicum, Fragaria vi- ridis, Potentilla verna und opaca, Pencedanum Oreoselinum, (Heli- chr3'sura arenarium), Hieracium echioides, Campanula glomerata, Ledum, Pirola uniflora, Ajuga genevensis, Euphorbia Cyparisias, (Betula verrucosa), welche Liste entschieden an der Hand genauer Speciallitteratur noch sehr verbesserungsfähig ist. **) Nach Norden reichen in Skandinavien mindestens an- nähernd soweit wie die Kiefer (Anthyllis Vulneraria), ('Rubus saxatilis), ('Epilobium angustifolium), Potentilla verna, 'Linnaea, •Galium boreale, (•Campanula rotundifolia), 'Arctostaphylos, CCalluua), 'Vaccinium uliginosum (und Myrtillus), 'Ledum, •Pirola chlorantha und 'uniflora, 'Ramischia, ('Melampyrum pratense), Goodj'era, Poljgonatum oi^"., ('Juniperus coniuiunis), wie im finni- schen Lappland (vergl. Wainio, Notes sur la flore de la Laponie tiidandaise), wo die Kiefer und Fichte die Hauptwaldbäume die mit ' bezeichneten. ***) Ausser den schon im Ber. d. deutsch, bot. Ges. XI. Heft 3 durch fetten Druck kenntlich gemachten Kiefernbegleitern kommen noch in Sibirien vor Pulsatilla vernalis, Polygala couiosa, Silene otites, Hieracium echioides, Pirola chlorantha, Chimophila umbel- lata, Veronica spicata, Tithyuialus Cyparissias, Goodyera und Carex ericetorum, also zwei Drittel allein von denen, welche mit der Kiefer grosse Aehnlichkcit hinsichtlich der Nordwestgrenze in Norddeutschland zeigen. Ssijasow giebt folgendes Verzeichniss der Flora von Kiefernwald-Resten bei Jalutorowsk im Gouvernement Tobolsk (vergl. Famintzin und Korschiuki, Uebers. d. Leistungen auf d. Gebiet d. Botanik in Russland während dos Jahres 1892. St. Petersburg 1894 S. 182): Guajjhalium dioicmn, Calluna vulgaris, Vaccinium Vitis idaea, V. uliginosum, Rubus saxatilis, *Viola are- naria, *Silene chlorantha, Hypericum perforatum, *Veronica spicata, *Origanum vulgare, Erigeron acre, Chrysanthemum Leucanthemum, Achillea millefolium, Potentilla argentea u. P. tormentilla, die sämmtlich auch in märkischen Kiefernwäldern vorkommen werden, zum grossen Theil (wie aus einem Vergleich mit meiner Nadelwaldflora ersehen werden kann) für diese charakteristisch sind und von denen die mit * versehenen ebenso wie die in den dortigen Birkenhainen vorkommenden und bei uns auch häutiger in Kiefernwäldern auftretenden Chimophila umbellata und Polygo- natum officinale (weniger Epipacits Helleboriae) oder von den Pflanzen der nach Ssijasows Ansicht durch Viehfrass enstandenen „trockenen Wiesen" des Gebiets noch etwa Veronica spicata, Trifolium montanum und Spiraea filipendula sich hinsichtlich ihrer NW-Grenze in Deutschland mit der Kiefer vergleichen lassen. Jedenfalls scheint der Umstand, dass keine einzige der Kiefern- waldpflanzen jenes Gebiets bei uns fehlt, zu zeigen, dass diese als gemeinsame Genossenschaft sich ausgebreitet haben, wenn auch einige (theilweise als Unkräuter) weiter westwärts als die Kiefer reichen. Nr. 19. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 229 zeichneten Pflauzengesellschaft*) (vevgl. Festschrift der naturwiss. Gesellsch. Isis in Dresden am 14. Mai 1885, S. 75 — 117), die bei Dresden sonnige Felsen, hochgelegene grasige Plätze, Raine an Hügeln, meist aber geschlossene Wälder bewohnt und auch mit Haide, Kiefer und Rennthier Hechte an steilen Felsabstürzen wächst. Diese grosse Uebereinstiminung war mir zur Zeit der Abfassung meiner NadelwaldÜora noch nicht in dem Maasse aufgefallen, da ich jene Arbeit Drudes trotz mehrfacher Bemühungen nicht von Neuem einsehen konnte.**) Sie ist aber in mehrfacher Weise lehrreich. Sie zeigt, wie unabhängig von einander theilweise gleiche Resultate erreicht werden. Sie giebt aber auch das Recht in einer grösseren Zald unserer Kieferwaldpflanzen (und gerade besonders charakteristischer) Glieder einer echten Genossenschaft zuerkennen. Diese Genossenschaft aber auch bei uns in der Mark als die der Cytisus nigricans zu be- zeichnen, wäre thöricht, denn die bei Dresden als Leitpflanze jener Genossenschatt erscheinende Art fehlt im grössten Theile der Mark ganz. Ueberall aber erscheint hier deut- lich (wenigstens soweit nicht künstlich abgeforstet ist) die Kiefer als Leitpflanze derselben. Es zeigt dies also, dass einerseits die Zusammensetzung einer Genossenschaft in verschiedenen Gegenden wechselt, und dass gar eine Art, die in der einen Gegend als Leitpflanze erscheint, in einer anderen ganz zurücktreten oder gar fehlen kann, sowie dass einige Arten in einzelnen Gegenden zusammen, in anderen Gegenden meist getrennt von einander auf- treten.***) Es zeigt also auch deutlich eine Vermischung der Glieder verschiedener Associationen mit einander statt eines strengen Ausschlusses der Glieder verschiedener Genossenschaften durcheinander. Das Linne'sche Gesetz „natura nou saltat" bewahrheitet auch hier sich wieder. Man könnte nun fragen, welchen Werth denn eine solche Aufstellung von Associationen überhaupt habe, wenn verschiedene solcher Genossenschaften in einander übergehen. Der Hauptwerth soll darin bestehen, dass die Glieder einer Association ähnliche Ansprüche an Klima und Boden stellen. Lst dies der Fall, so ist anzunehmen. *) Dazu gehören nämlich von den mehr oder minder eng sich in dor Mark an die Kiefer anschliessenden Pflanzen: Cytisus nigricans (Anthyllis Vulneraria?) 'Trifolium tmontanum, *Coronilla varia, Vicia cassiibica (= 'Ervnm cassubicum), Potentilla tverna, (Filipendula hexapetala), (Sedum rupestre), •Peucedanum +?Oreo- aelinum, Dianthus eaesius, »D. Carthusianorum, Spergula vernaiis, Hypericum tmontanum, *Polygala tcomosa, 'Helianthemum tvul- tovina und vielleicht noch einige andere, von denen die mit * ver- sehenen die charakteristische Nordwostgrenze in Nord-Deutschland zeigen, a\ ährend die mit t versehenen, wie hier aus später zu er- örternden Gründen schon hervorgehoben werden mag, nicht gar zu ferne Verwandte (Gattungs- bisweilen gar Sectionsgenossen) in Nord-Amerika besitzen, ohne dass eine Verschleppung dabei anzunehmen wäre, (wie z. B. bei Ervum, Dianthus, Spergula, Ver- bascum). Zu bemerken ist, dass die Beziehungen in einzelnen Fällen z. B. bei Peucedanum, dessen Arten nur im Westen von Nord-Amerika auftreten und auch denen der alten Welt ziemlich fern stehen, gering sind. **) Auch jetzt habe ich mich nur an das von mir vor Jahren angefertigte Referat halten müssen, da ich mich verschiedentlich vergebens bemühte, das Original zu erhalten. ***) So treten z. B. von den Gliedern der Dresdener Genossen- schaft Cytisus nigricans bei uns Sorbus torminalis und Hypericum montanum häufiger in Laubwäldern auf und letztere Art wenigstens ist (wie von anderen Gliedern jener Genossenschaft z. B. Lathyrus niger) längs der ganzen Üstküste Schleswig-Holsteins verbreitet, was bei den echten Kiefernbegleitern (auch den dieser Genossen- schaft angehörigen) entweder nicht der Fall oder welche Ver- breitung nachweislich erst in neuerer Zeit erreicht ist. Es gehören diese bei uns eher einer anderen Genossenschaft an, als deren Leitpflanze die Buche bezeichnet werden kann. (Vergl. über diese meine Arl)eiten in Verh. Bot. Vereins d. Prov. Brandenb. XXXVI. 1894 S. 7 t}". und „Naturw. Wochenschr. 1894 No. 23). dass sie auch annähernd eine gleiche Entwickelungs- geschichte aufzuweisen haben. Drude bezeichnet daher die von ihm aufgestellte Gruppe auch ausdrücklich als eine „östliche Genossenschaft". Eine Einwanderung von Osten her können wir wohl auch für die meisten Glieder der Kieferngenossenschaft annehmen. Wie wir aus der Verbreitung der Gruppe Pinea, welcher unsere Pinus sil- vestris angehört, aus welcher Arten jetzt auch noch in Ostasien und Nord-Amerika vorkommen, fast sicher eine Einwanderung ihrer Vorfahren in unseren Erdtheil von Osten her annehmen können, so gilt dies auch für einige ihrer jetzigen Genossen, nämlich diejenigen, welche auch heute noch in Nord-Amerika*) vorkommen. Es sind dies haupt- sächlich Arten, die nicht der Genossenschaft (Jytisus nigri- cans angehören.**) Jedenfalls aber haben wir unter diesen wohl die ältesten Glieder der Kieferngenossenschaft zu suchen, die man in gewissem Sinne als eigene Association auffassen könnte. Gleich der Kiefer haben auch verschiedene andere unserer norddeutschen Waldbäume [z. B. die Buche***) und Erlef)] nahe V^erwandte in Nord-Amerika und Ostasien. Wir können daher annehmen, dass auch deren Ahnen auf einem gleichen Wege nach Europa wanderten wie die Kiefer und auch mit ihnen sind eine Reihe von Be- gleitern vorgedrungen. Ob diese Einwanderung nun für die Laubbäume unter einander sowi.- für diese und die Kiefer gleichzeitig erfolgte, darüber wissen wir ebenso wenig ff), wie wir mit Sicherheit das ursprüngliche Ent- wickelungscentrum aller dieser Waldpflanzen feststellen können. Wahrscheinlich sind sie auch weder alle zu gleicher Zeit noch an demselben Orte entstanden, ftf) Aber diejenigen Arten, die durch identische Formen in der alten und neuen Welt vertreten sind, ohne dass eine neuerliche Einschleppung anzunehmen, müssen schon zu einer Zeit existirt haben, wo beide Erdhälften zusammen- hingen. Auch muss das Klima ein wesentlich anderes in dem eigentlichen Verbindungsgebiete unserer heutigen Erdhemisphäre gewesen sein, als es heute an der Stelle ist, wo sich die Erdtheile am meisten nähern. Da ausser in Europa und Nord-Amerika gerade auch in Ostasien theils identische, theils correspondirende Arten unserer Waldpflanzen vorkommen, da andererseits sehr viele der- *) So Thalictrum minus, Linnaea, Galium boreale, Arctos- taphylos, Ledum, die meisten Pirolaccen, Goodyera und die stellen- weise für Kieferwälder charakteristischen Listera cordata und Androsace septentrionalis. Dagegen halten z. B. Dianthus su- perbus, Ledum, Kamischia, Chimophila, Veronica spicata, Ajuga genevensis, Goodyera, Polygonatura officinale, Luzula pallescens und das hauptsächlich im äussersten Nordosten unseres Vater- landes, da aber wesentlich in Nadelhölzern vorkommende Draco- cephalum Ruyschiana sich in Ostasien auf. **) Dass indess auch einzelne Arten jener Genossenschaft mindestens Gattungsgenossen in Nord-Amerika aufweisen, wurde schon hervorgehoben, wenn auch mir die nöthige systematische Litteratiirl fehlt, um die genauen Beziehungen unserer Arten zu den nordamerikanischen immer festzustellen. Dass es nicht ganz an Anschluss fehlt, entnehme ich z. B. daraus, dass auf Amerika beschränkte Polygonatum-Arten sich unseren ziemlich nahe an- schliessen. ***) Vergl. meinen schon citirten Vortrag in der „Naturw. Wochenschr." 1894, Nr. 23. t) Vergl. Regel, Monographia Betulacearum. — Ueber die Mitglieder der Formation der Brandenburger Erlenbestände vergl. Deutsche bot. Monatsschrift. 1895, No. 3 und 4. tt) Selbst die jetzige Verbreitung giebt dazu wenig Anhalt. So ist die Kiefer, wie Moorfunde gezeigt haben, früher auch in England und Irland vorgekommen, während sie jetzt auf den britischen Inseln nur in Nord-Schottland als eigentlicher Wald- baum, anderswo nur gepflanzt auftritt. Ebenso glaubt man die Gattung Fagus in tertiären Funden Irlands erkannt zu haben, wäh- rend unsere F. silvatica nur in England Wälder bildet. ttt) Die hier entwickelten Ansichten sind im Wesentlichen nur Folgerungen aus denen, welche mein hochverehrter Lehrer, Herr Prof. Engler, schon 1879 in seiner Entwickelungsgeschichte der Pflanzenwelt" (vgl. bes. I. Cap. 6) darlegte. 230 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 19. selben in West-Europa*) spärlicher als in Ost-Europa ver- treten sind, ist fast zweifellos, dass die Verbindungsbrücke zwischen Ost-Asien und Nord-Amerika bestand, vielleicht etwa in der Gegend, wo sich jene Erdtheile heute am meisten nähern. Jedenfalls muss diese Zeit in ziemlich ferne Ver- gangenheit verlegt werden. Ob andererseits die heutigen Arten unserer Waldbäume damals schon existirten,"ist sehr zweifelhaft. Im Gegentheil scheint dem zu wider- sprechen, dass kein einziger der in Nord-Deutschland jetzt tonangebenden**) Bäume durch eine vollkommen identische Art in Nord-Amerika vertreten ist. Der Umstand, dass unter den Begleitpflanzen dieser Bäume gerade mehrere Kiefernbegleiter noch heute bei uns ziemlich genau mit der Kiefer in ihrer Verbreitung übereinstimmen, und selbst da, wo sie jenseits der Grenze der heutigen spontanen Verbreitung der Kiefer vorkommen, sich doch meist nur in Nadelholzpflanzungen finden, wäh- rend umgekehrt unter den in beiden Hemisphären lebenden Laubwaldpflanzen wenig charakteristische Begleiter eines unserer charakteristischsten Laubbäume, der Buche, sich finden, sondern solche, die sich mehr nur allgemein als Laub- waldpflanzen***) bezeichnen lassen, legt den Gedanken nahe, dass wir es hier mit einer directen Anpassung an die Formationsverhältuissef) zu thun haben, vielleicht weniger genau gleichartige Associationsverhältnisse vor- liegen, d. h. weniger grosse Gleichartigkeit in den Wanderungsverhältnissen. Da diese Pflanzen nordwärts bis an die Baumgrenze gehen, was von einigen ähnlich weite Verbreitung zeigenden Laubwaldpflanzen (wie Paris, Majanthennim, Listera u. a.) ebenfalls gilt, obwohl die bei uns meist tonangehenden Laubbäume (Buche, Eiche und Erle) nicht so weit nordwärts reichen (wohl aller- dings eine Birke, doch nicht die in unseren Nadelwäldern häufigste Art), so lassen sich vielleicht diese alle in eine „Gruppe alter Waldpflanzen" ff) vereinigen, die gleich- zeitig mit den Vorfahren unserer Waldbäume entstanden und ziemlich unverändert ihre Charaktere bewahrt hat. *) Einzelne Arten wie Calluna, Arctostaphylos und Vaccinium- Arten kommen auch auf den Inseln westlich von Grossbritannien und meist auch in Irland vor, so dass da die Entscheidung fast unmöglich, ob sie von Osten oder Westen her eingewandert sind. **) Allerdings rechnet Regel („Monographia Betulacearum" und „Bemerkungen über die Gatt. Betula und Alnus") unsere Birken mit nordamerikanischen Formen zusammen in eine Art, doch im Gegensatz zu den meisten neueren Systematikern, welche Betula verrucosa Ehrh. als bes. Art. von B.alba abtrennen. ***) Am meisten noch an die Buche schliesst sich von] diesen bei uns Hepatica und Hedera, mehr allgemeine Laubwaldpfianzen sind z. B. Anemone neniorosa, Circaea alpina und lutetiana, Adoxa, Convallaria, Smilacina bifolia, während andere, wie Trientalis, Oxalis Acetosella und die meisten hierhergehörigen Farne fast gleichmässig Laub und Nadelwald lieben. t) So ist z. B. Ledum die wichtigste Begleitpflanze von Pinus uliginosa im nordwestlichen NiederOsterreich (vgl. Bot. Jahresber. XIX, 1&91, 2, S. 308, Ref. 134); diese und die Gattung Linnaea sowie Pirola- und Vaccinium-Arten erscheinen selbst in Nord-Amerika oft in Nadelwäldern und nicht nur in unseren, sondern auch in dort einheimischen Arten. Auch in den Nadel- wäldern Alaskas treten (neben Pinus contorta u. a.) Arctosta- phylos, Linnaea und Chimoiihila sowie Pirola-Arten auf (vergl. Kurtz in Englers bot. Jahrbüchern. XIX, S. 346 f) tt) Einen gewissen Anhalt für die Altersbestimmung giebt das Vorkommen in Grossbritannien, wo von näheren Kiefern- begleitern sich finden: Thulictrum 'tminus, Helianthemum tviilg., Dianthus deltoides und caesius, Silene Otites und nutans, Vis- caria *vulg., Potentilla verna, Linnaea *bor,, Galium tbereale, Camjianula glomerata, Calluna tvulg., Arctostaphylos tuva ursi, Vaceinium uliginosum, Ramischia *tsecunda, Pirola *uniflora, Ve- ronica verna und spicata, Cephalanthera rubra, Listera 'tcordata, Goodycra *repens, Polygonatum off., Phleum Boehmeri, Junipe- rus tcommunis (eingcschleiipt auch Tithymalus Cypari.ss. und Carex uricetorum), von denen nur die mit * versehenen nach Wafson einige Beziehungen in ihrer Verbreitung zur Kiefer erkennen lassen, dagegen die mit f sogar nur in Irland noch vorkommen. Je nach der Zusammensetzung der Wälder, ob Laub- oder Nadelwälder, oder ob Laub- und Nadelholz in grösserer Mischung vorkommen, wechselt die Mischung auch der Vertreter dieser ünterpflanzen der Wälder. Sie sind für die Formation der Wälder sehr charakteristisch, können aber sich verschiedenen Associationen anschliessen. Kehren wir zur Kiefer selbst zurück, so müssen wir die Einwanderung der Vorfahren derselben in unseren Erdtheil sehr weit hinausschieben. Denn schon im Mio- cän hat man eine unserer Kiefer sehr nahe stehende Art entdeckt, die vielleicht als Stannnpflanze unserer Kiefer zu betrachten und daher als Pinus Praesilvestris*) be- zeichnet ist, die jedenfalls unserer Pflanze nahe steht (vgl. Krasan im Jahresber. d. 2. Staatsgymnasiums in Graz, 1889, S. 11). Natürlich konnte zu der Zeit die Kiefer noch nicht von Steiermark, woher diese Funde stammen, bis in unser Gebiet reichen, da der grösste Theil des heutigen Norddeutschlands damals noch von Wasser bedeckt war, sondern sie muss später und zwar von Süden her in unser Heimathland eingewandert sein. Dass wenigstens eine von unserer Kiefer nicht mehr unter- scheidbare Form in der Interglacialzeit im südlichen Mitteleuropa existirte, wird z. B. durch die Untersuchungen Wettsteins (Flora der Höttinger Breccie**) fast zweifel- los. In der Diluvialzeit und vielleicht schon nach der ersten Vereisung muss sie auch Norddeutschland erreicht haben (vgl. z. B. von Fischer- Benzon, Moore Schles- wig-Holsteins). Welche Pflanzenarten dieselbe nun sofort auf ihrer Wanderung begleiteten, lässt sich natürlich nicht feststellen. Da indess die Kiefernbegleiter, welche der Drude'schen Association von Cj'tisus nigricans angehören, meist in Südost-Europa besonders viele nahe Verwandte haben, können wir annehmen, dass diese grossentheils etwa gleichzeitig mit der Kiefer***) und in ungefähr gleicher Weise wie diese wanderten, dass also die Kieferwälder in der Zeit, wo ihre Ausbreitung nach Norden hin sich allmählich immer mehr vergrösserte, schon zum Theil ähnliche Pflanzen be- herbergten, wie heute. Leider sind die in den Mooren oder an anderen f)rteu vielleicht noch verborgen liegenden Reste namentlich hinsichtlich der krautigen Pflanzen zu wenig erforscht, um uns ein klares Bild von der Zusannnen- setzung der diluvialen Kieferwälder zu geben. *) Mit ihr fanden sich folgende Gattungen zusammen, aus denen N'ertreter jetzt häufig mit der Kiefer gemeinsam auftreten (vgl. Bot. Jahresber. XVI, 1888, 2, 250 ff., Ref. 89). Pteris, Be- tula, Quercus, AlnuS; Populus, Vaceinium, Arbutos, (auch Cytisus Sect. Laburnum), doch auch Fagus, Carpinus, (Corylus) sowie andererseits Vertreter von Gruppen, die heute in ganz anderen Erdtheilen vorkommen. Leider ist über die krautigen Pflanzen nur sehr dürftiges Material aus fossilen Funden zu ermitteln. **) Auch hier finden sich Pflanzen verschiedener Genossen- schaften, von denen Pinus silvestris, Juniperus communis, Rubus caesius (und allenfalls Taxus und Picea, (Ettinghausen [vergl. Bot. Jahresber. XVII, 1885, 2, S. 29| will dabei auch Ledum palustre erkannt haben) an norddeutsche Kieferwälder, Tilia grandifolia, Acer Pseudo-Platanus, Hedera Holix, Crohns vernus (und allen- falls Prunus avium), Convallaria maialis, Maianthemum bifolium und Aspidium filix mas) an norddeutsche Buchenwälder erinnern, auch Rhamnus frangula, Cornus sanguinea, Pirus aucuparia, Fragaria vesca, Ulmus campestris und Ribes alpinum heute in norddeutschen Wäldern (theilweise Krienbeständen) vorkommen, ohne sich eng einer dieser beiden Gruppen anzuschliessen. •**) Als in der Kiefernperiode in Schleswig - Holstein er- schienen können wir nach den Untersuchungen v. Fischer-Renzons über Torfmoore Schleswig - Holsteins von Pflanzen, die einige nähere Beziehungen zur Kiefer zeigen, nur Calluna und Juniperus communis (allenfalls noch Picea excelsa, Querciis pedunculata und Vaceinium Oxycoccus, dagegen andererseits auch z. B. die jetzt kaum Beziehungen zur Kiefer zeigenden Tilia platyphyllos, Acer platanoides, ilex aquifolium und Myrica (Gale) nennen, während die jetzigen häufigsten Begleitbäume Betula verrucosa und Populus tremula vor derselben, erstere allerdings erst in der nur kurze Zeit (nach Anderssons Untersuchungen in Schonen, vergl. Bot. Jahresber. XIX, 1891, 2, S. 386, Ref. 107) dauernden nach der Herrschaft dieser bezeichneten Espen- oder Birkenperiode auftreten. Nr. 19. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 231 Dass aber mit der Kiefer auch eine Reihe Pflanzen der südöstlichen Genossenschaft den Nordwesten unseres Vaterlandes erreichten, also in Gebieten vorkamen, in denen heute von ursprünglichen Kiefernwäldern nicht mehr die Rede ist, köuuen wir aus iln-cn heutigen Vor- konnnnissen an Orten schliessen, die ilie Annahme wahr- scheinlich machen, dass wir es mit Relikten aus älteren Perioden zu thun haben. Hierhin gehören zunächst einige Funde auf den friesischen Inseln.*) Diese Inseln, welche heute keine Wälder mehr tragen, beherbergen dennoch Reste einer früheren Waldflora. Dass in den fridieren Wäldern jener Gebiete auch die Kiefer vorkam, ist zweifellos fest- gestellt. **) Dass daher die Arten, welche heute bei uns die Kieferwälder bewohnen, auch einst dort im Gefolge dieses Baumes vorkamen, ist keine zu gewagte Hypothese. Diese Pflanzen haben dort nur die Kiefer überlebt. Als andere derartige Reliktenstandorte aus der Zeit des Vorkommens der Kiefer im Norden und Westen Schleswig- Holsteins betrachte ich die dort unter dem Namen „Kratte" bekannten Eichengestrüppe.***) Zwar hat 1 wahrscheinlich noch nach dem Aussterben der Kiefer im grössten Theil jenes Landes die in jenen Gestrüppen herrschende Stieleiche als Waldbaum dort eine bedeutende Rolle gespielt, wie sie ja auch heute noch in den Buchen- wäldern jener Provinz häufig auftritt; doch haben mich jene Gestrüppe mehr an die Complexe von Stieleichen in unseren märkischen Kiefernwäldern, wo die Stieleiche als Unterholz auftritt, als an einen echten Eichenwald erinnert. Andererseits sind die Kiefern- und Eichenperiode t) in jenem Lande natürlich nicht scharf getrennt, sondern es mag die Eiche schon .stellenweise der herrschende Baum gewesen sein, als die Kiefer an anderen Stellen noch vorherrschte, so dass es ein müssiger Streit wäre, ob wir es hier mit Resten aus der Kiefern- oder Eichenzeit zu thun haben. Ist es doch wahrscheinlich, dass, gerade weil die Kiefer aus irgend einem Grunde dort nicht gut weiter gedieh, die bisher von ihr unterdrückte Eiche die Oberherrschaft gewann. Welche Gründe nun auch die Kiefer (wie ja auch die in Nord-Deutschland bisweilen nur in ihrem Gefolge auf- tretende Fichte) zu ihrem Rückzuge veranlasst haben, ob es Gründe klimatischer Natur waren oder ob der Mensch dabei mitgewirkt hattt), jedenfalls ist es wahr- scheinlich, dass einige ihrer heutigen Begleiter ihr Schick- sal ganz oder theilweise mit ihr getheilt haben, denn auch sie fehlen meist im nordwestdeutschen Tiefland und dem *) Namentlich Thalictrum minus, Pol.yg'alacomosa{.''Ter3chel- ling), Diantbus Carthnsianornm, Silene Otites und nutans, Ära- bis arenosa, Veionica spicata, Phleam Boehmeri, Koeleria glauca und Caiex ericetorum (vielleicht gehört auch Helianthemum guttatuin dahin, allenfalls auch Anthyllis Vulneraria [vgl. Buchenau Fl. d. nordwestdeutschen Tiefebene lind Prahl, Fl. v. Schleswig-Hol- stein], Vaccinium uliginosum u. a.), von denen die fett gedruckten auch in Drudes Liste enthalten sind. **) Vergl. über Kiefernfuude von den nordfriesischen In- seln z. B. Knuth, Botanische Wanderungen auf der Insel Sylt. S. 115. ***) An solchen Orten treten in Schleswig-Holstein ausserhalb des Kieferngebiets auf: Dianthus superbus, Galium boreale, Arctostaphylos, Thesium ebracteatum, Anthericum ramosum, Poly- gonatum officinale, Carex ericetorum u. a. (auch z. B. Hypericum montauum und Lathyrus niger aus Drudes Association). t) In die Eichenperiode fällt nach v. Fischer-Benzon das Auftreten der Buche und Erle, das Erlöschen der Kiefer; mit ihrem Beginn hört die Fichte auf in .Schleswig-Holstein als selbst- ständiger Waldbaum zu erscheinen. Aehnlich sind die Ergebnisse der Untersuchungen in anderen Theilen Norddeutschlands wie andererseits auch in Skandinavien. tt) Vergl. Krause, Historisch-geographische Bedeutung der Kiefer in Nord-Deutschland (Ber. d. deutseh. bot. Ges. XI, 1893, S. 307 ff.) und Hock, Muthmaassl. Grunde f d. Verbreit. d. Kiefer u. ihrer Begleiter in Nord-Deutschland (ebenda S. 396 ff.). — C. Weber (lieber die diluviale Flora von Fahrenkrug in Holstein in Engler's bot. Jahrb. XVIU, Beibl. Nr. 43 S. 11 f.) schliesst sich grössten Theile Schleswig-Holsteins ganz oder kommen wesentlich nur an jenen Relictenstandorten vor. Somit scheint mir erwiesen, dass wir eine Pflanzengruppe vor uns haben, deren Glieder nicht nur ähnliche Ansprüche an Klima und Boden stellen, sondern auch eine ähnliche Entwickelungsgeschiehte*) durchgemacht haben, die also als eine Association im Sinne der modernen Pflanzen- geographie zu bezeichnen ist. Dass nicht alle Arten überall gleiche Verbreitung zeigen, theilt auch diese Genossenschaft mit anderen der bisher aufgestellten A.ssociationen, wie für jene Drudes aus dem bisher gesagten schon zu ersehen, alicr ebenso leicht z. B. für die pontische Association und die Strom- thalgenossenschaft Loews wie für die atlantische Asso- ciation**) Roths gilt. Wollte man das Princij) der Priorität allerdings auch in die Pflanzengeographie einführen, so niüsste man sich so ausdrücken, dass eine grosse Zahl der Glieder der „Ass. Cytisus nigricans Drude" mit der Kiefer eine grosse Aehnlichkeit in ihrer Verbreitung im nordöstlichen Deutsch- land zeigen und mit ihr wahrscheinlich theilweise eine ähnliche Entwickelungsgeschiehte durchlaufen haben, dass diesen sich andererseits eine Reihe Arten von allgemein borealer Verbreitung ansehliessen.***) Mir scheint es ein- im Wesentlichen der von mir vertretenen Ansicht an, dass eine Aenderung des Klimas und eine dadurch bewirkte Aenderung der Vegetation die Kiefer zum Rückzug veranlasste, nur dass er in der"^ Beziehung der Stieleiche die wichtigste Rolle bei Ver- drängung der Kiefer zuschreibt, während ich der noch unduld- sameren Buche wenigstens die Hauptrolle hierbei anwies, welche Ansicht ich auch noch aufrecht erhalten möchte, zumal, da aus v. Fischer-Benzon's Untersuchungen über die Moore Schleswig- Holsteins hervorgeht, dass sich die Kiefer noch während der ganzen Daner der Herrschaft der Eiche hielt, sie aber in der Periode der Buche ausstarb. — Vergl. iudess auch Krause's An- sichten in der „Naturw. Wochenschr." VI, 1891, Nr. 49. *) Denn unmöglich ist durchaus nicht, dass auch selbst die in Nord-Amerika in identischen Arten vertretenen Pflanzen von Süden her nach der Tertiärzeit in unser Gebiet einwanderten. Denn, wenn auch Drude (vergl. Natürliche Pflanzenfam. IV, 1 S. 37 ff.) die richtige Bestimmung der aus verschiedenen Theilen des südlichen Mitteleuropas mehrfach aus tertiären Formationen angegebenen Ericaceen (wie Ledum, Arbutus und Vaccinium) an- zweifelt, so ist doch wahrscheinlich, dass wenigstens Verwandte dieser Pflanzen schon im Tertiär in jenen Ländern lebten und sichere Beweise für tertiäre Vorkomnini.sse dieser und der anderen in Betracht kommenden Gruppen (Linnaea, Pirola u. a.) in Nord- Europa sind meines Wi.isens auch noch nicht geliefert. **) Selbst aus dieser nordwestlichen Gruppe treten einzelne Glieder z. B. Myrica, Erica Tetralix, Hex aquifolium u. a. bi.s- weilen in die Formation der Kieferwälder ein, geben also einen Beweis dafür, wie sich Glieder ganz heterogener Associationen bisweilen mischen können; es erinnert das fast an ostasiatische Verhältnisse, wo Coniferen, also echte Vertreter des Nordens, und Palmen, Repräsentanten einer fast rein tropischen Pflanzengruppe, sich auf neutralem Boden begegnen. — Aus standörtlichen Gründen könnte man vielleicht an den Ausschluss von Dianthus superbus aus unserer Association denken, der vielleicht häufiger in Laub- als Nadelwäldern, namentlich aber auf Wiesen vor- kommt. In letzterer Formation beobachtete ich ihn im letzten Sommer unweit Luckenwalde unter Gentiana Pneunionanthe, Pinguicula u. a., doch auch andererseits dicht an der hier sehr viel in Kiefernwäldern auftretenden Calluna. Doch zeigt jener Dianthus in seiner Verbreitung mancherlei Aehnlichkeit mit der Kiefer. Ueberhaupt kann unter dem Begriff „Begleitpflanzen eines Baumes" nicht an Pflanzen gedacht werden, die nur im Gefolge desselben vorkommen, sondern nur an solche, die viel- fach Beziehungen hinsichtlich des Standortes und der Gesammt- verbreitung zu diesem zeigen. Unbedingte Abhängigkeit einer Staude oder eines Strauches in ihrer Verbreitung von einer Baum- art könnte man wohl nur bei Schmarotzern erklären, und selbst diese zeigen, wie genugsam bekannt ist. oft grosse Verschieden- heiten in der Auswahl ihrer Nährpflanzen. ***) Von diesen finden sich einige (z. B. Linnaea und Galium boreale) heute noch in den einander nächsten Theilen des asiati- schen und amerikanischen Festlandes (der Tschuktschen-Halbinsel und Alaska), wie eine Durchsicht der neuesten floristischen Arbeiten von Kurtz über diese Gebiete (Englers bot. Jahr- bücher. XIX.) zeigt. 232 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 19. facher, diese alle zu einer Genossenschaft zusammen- zufassen, in der allenfalls die Glieder, welche noch heute in unveränderter Form in Nord-Amerika oder Ostasien vorkommen als „ältere Gruppe" von den wesentlich auf Europa und den Orient, wie auch Theile des übrigen angrenzenden Asiens beschränkten Arten als „jüngere Gruppe" zu trennen wären.*) Denn je weiter man den Begriff' „Genossenschaft" fasst, um so weniger strenge Anforderungen darf man an eine genaue Uebereinstimmung in der Verbreitung natüi'- lich stellen. Trotzdem hat auch eine Combination meh- rerer Gruppen in eine grössere Werth, sobald nur ein natürliches Band zwischen diesen vorhanden ist. Ein solches ist aber hier in dem Auftreten an gemeinsamen Standorten und dem Innehalten ähnlicher Grenzen wenig- stens nach einer Seite hin**) vorhanden. Natürlich kann man einwenden, dass nicht alle Arten selbst in Brandenburg immer unter Kiefern vorkommen. So habe ich selbst oft genug z. B. Cypressen-Wolfsmilch, Karthäusernelke, und wenn auch seltener Strohblume [Helichrysum arenarium], Grundheil [Peucedanimi Oreo- selinum***)] u. a., ausserhalb des Kiefernwaldes beobachtet; dennoch aber wird gewiss kein märkischer Botaniker an der Richtigkeit der Aufnahme dieser Arten unter die Kiefernwaldpflanzen zweifeln. Andererseits ist eine strenge Scheidung jener älteren und jüngeren Gruppe auch durchaus nicht möglich, denn wenn von letzterer vielleicht auch keine Art (von nachträg- licher Einschleppung abgesehen) in Nord-Amerika oder Ost-Asien vorkommen sollte, so finden jedenfalls mehrere derselben dort gleichfalls nahe Verwandte, so dass man für sie wie für die Kiefer selbst annehmen kann, dass die Vorfahren einst das Zwischengebiet zwischen den heutigen Gebieten der Gruppe Pinea gleichfalls be- wohnten. Man könnte nun aus dem Umstände, dass gerade unter den als „ältere Gruppe" bezeichneten Arten viele weiter nach Norden als die meisten Arten der „jüngeren Gruppe f)" reichen, sich zu dem Schluss leiten lassen, dass erstere Arten zu einer Zeit jenes „Ver- bindungsgebiet" bewohnten, als da schon ein kühleres Klima herrschte wie zu der Zeit als die Vorfahren letzterer Gruppe sich dort entwickelten und könnte gerade in der also seit dem Aufenthalt in jenen Gebieten verflossenen längeren Zeit den Grund für die stärkere Dift'erenzirung der Arten letzterer Gruppe suchen; doch wird das sicher nicht in allen Fällen richtig sein. In einzelnen Pflanzen- *) Ueber die Schwierigkeiten zur Altersbestimmung vergl. oben. Auch von den Pflanzen der Ass. Cytisus nigricans fehlt die Melirzahl auf den brit. Inseln ganz; doch gehören die (etwa 20) dort vorkommenden Arten nach Watson (Cybele Britannca) dort ganz verschiedenen Verbreitungsgruppen an, wobei von den wahr- scheinlich erst neuerdings dort eingeschleppten Arten ganz ab- gesehen ist. — Einen ähnlich geringen Anhalt bietet eine Unter- suchung auf die Verbreitung in Skandinavien hin. **) Auch Drude nimmt neben der Hauptgenossenschaft der Cytisus nigricans eine Nebengenossenschaft d. Iris sibirica an. ***) Dass diese nicht nur für die Association, sondern auch für die Formation der Kiefernwälder charakteristisch, geht daraus hervor, dass sie für Tambow (vergl. Bot. Jahresber. XII, 2, S. 3G0) neben Pulsatilla pratensis und Sempervivum soboli- ferum als Hauptcharakter])flanzen der dortigen Kieferwälder genannt wird. t) Dass nicht umgekehrt das Vorkommen in Amerika neben dem in der Alten Welt ein höheres Alter anzeigt, lehrt z. B. die auch in unseren Kieferwäklern häufige Scabiosa Celumbaria, welche jetzt im tropischen Afrika weit verbreitet ist. Wenn wir da nicht ursprünglich eine zufällige Einschleppung annehmen wollen, die doch zu unwahrscheinlich, so muss sie über die Sahara (oder was ihre Vorkommnisse in Habesch wahrscheinlicher machen) längs dem Nil dahin gelangt sein, obwohl sie heute in Aegypten fehlt (vergl. Ascherson et Schweinfurth, Illustration de la flore d'Egypte), auch da muss also wahrscheinlich eine Klimaänderung seit der Zeit der Einwanderung stattgehabt haben. gruppeu scheint die Neigung zur Differenzirung eine wesentlich grössere zu sein wie in anderen. Immerhin haben wir aber vielleicht Grund anzu- nehmen, dass die Arten ersterer Gruppe wegen ihrer grösseren Anpassungsfähigkeit an ein kälteres Klima eher unser Gebiet erreicht*) als die der letzteren, ja dass erstere vielleicht die Eiszeit auf norddeutsciiem Boden mit erlebt haben, während letztere erst nach der- selben einwanderten oder während der Zeit der stärksten Vereisung sich wenigstens wieder zurückzogen. Vielleicht aber können trotzdem manche Arten ebenso lange in Gesellschaft von Kiefern gelebt haben, wie Arten ersterer Gruppe, haben nur, wie die Kiefer selbst muthmaasslieh in der Zeit sich stärker difterencirt.**) Wollten wir die Association noch erweitern, so könnten wir allenfalls noch einige heute auch in Nordwest- Deutschland vorkommende, sonst ähnlich verbreitete Arten aufnehmen, von denen einige wie die Birke***), die Haide und der Wachholder f) nach den Moorfunden zu urtheilen, wenigstens annähernd gleichzeitig mit der Kiefer jenes Gebiet erreichten, nicht aber gleich letzterer aus demselben sich wieder verdrängen Hessen. Wir müssten dann aber auch an die Aufnahme der Fichte uud einiger anderer jetzt weiter zurückgedrängter Arten denken. Doch stellen sich bei gar zu weiter Fassung des Associationsbegrifies bald Beziehungen zu noch anderen Gruppen z. B. zu der von mir als Buchengenossenschaft ff ) bezeichneten Association ein. Nun sind solche auch durchaus keineswegs ganz abzuleugnen. Auch die echten Charakterpflanzen der Buchengenossenschaft werden theil- weise nach Nordwest seltener (wie die Buche selbst im norddeutschen Flachland), auch sie zeigen nahe Be- ziehungen zu ostasiatischen uud uordamerikanisehen Arten. Ein gewisses gemeinschaftliches Band existirt also auch da, wie ja auch dadurch angezeigt wird, dass sie in älteren Formationen des südlichen Mitteleuropasfff) theilweise gemeinsam auftreten. Wir haben andererseits Gründe, die Buchengenosseuschaft als Ganzes (nicht un- bedingt jede Art derselben) als eine jüngere Genossen- schaft in Nord-Deutschland zu betrachten, die auch noch sich meist (durchaus nicht immer) von der echten Kieferngenossenschaft getrennt hält. Wir thun daher gut, den Begriif der Genossenschaft oder Association nicht zu *) Doch vielleicht ebenfalls von Südost her. s. o. **) Bei Arten, die heute noch in Nordost- Asien vorkommen, wie Listera cordata auf den Aleuten wäre natürlich auch eine Wan- derung von dem einen zum anderen Erdtheil in verhältnissmässig junger Vergangenheit möglich. ***) Dann könnte diese (B. pubesceus), deren Vorkommnisse auf Amrum Raunkiaer (Botanisk Tidskrift XVII, S. 190) für ur- sprüngliclie hält, in ähnlicher Weise als Relict angesprochen werden, wie die Eiche in den Kratfen. Vielleicht wäre dann auch Trientalis auf Sylt (allenfalls auch Campanula rotundifolia auf den ostfries. Inseln) unter die Reliefen aufzunehmen. Ueber weitere Waldpflanzen (weniger specielle Nadelwaldpflanzeu) der ostfries. Inseln, vorgl. Buchenau, Flora der ostfries. Inseln, S. 6 f. t) Ob alle Arten der Gruppe II in meiner Nadolwaldflora (S. 41f)? — Sie sind oben bei den Vergleichen der Grenzen meist in Klammern angeführt, um anzuzeigen, dass ihre Zuge- hörigkeit zu der Association zweifelhaft ist. tt) Vergl. Bot. Centralblatt 189-2, Nr. 50, Verliandl. des bot. Vereins der Provinz Brandenburg XXXVI, S. 7 ff. und Naturw. Wochenschr. IX, 1894, Nr. 23. ttt) Vergl. die oben citirte Arbeit Wettsteins über die Flora der Höttinger Bi-eccie. — Dass die in denselben Ablagerungen gefundenen Pflanzen nicht nothwendig immer an dem gleichen Orte gestanden haben müssen, zeigt u. a. Weber (Beibl. No. 40 zu Engler's bot. Jahrb.) für die Pflanzen von Klinge in Brandenburg; es ist z. B. denkbar, dass ein Kiefernwald direct die Wässer be- rührte, die die Ablagerungen bildeten, während die Früchte des Hülsenstrauches und der Linde an den Abhängen des nahen Lausitzer Gebirges wuchsen und durch Flüsse, Winde oder Vögel zur Ablagerungsstätte gebracht wurden. Nr. 19 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 233 weit aus/.u(ieliiicn. Oass (iaf;ci,a'n zwisclien Buclicn- und 'rannciihciileitcrn achv enge Hc/irliiiiii^en l)osfclion, werde ich dciiinäclist in der Oesterr. Hut. Zeitselir. auseinander- setzen. Wollen wir andererseits die Hezichungen dieser Ge- nossenschaften zu einander dureii Zusammenfassung der- selben unter einen Begriff" bezeichnen, so müssten wir wohl dafür einen neuen Namen einführen. Als solcher Hesse sieli vielleicht der .Ausdruck „Consortiuni" (d. h. Schicksalsgcnossensehaft) verwenden. Denn ein im Wesentlichen gleiches Seincksal hai)en jedenfalls viele unserer WaldpHanzen*} verschiedener Formationen und Associationen aufzuweisen, insofern als sie oder ihre Vor- fahren eine ehemals weite Verbreitung über den grössten Theil der niirdlich gemässigten Zone gehabt haben, dann aber stellenweise ausstarben und .so schliesslich in ge- trennten (icliieten**) auftraten, wobei vielfach sich in den gesonderten Gebieten auch verschiedene Formen entwickel- ten, dadureli, dass sich dieselben tlieilweisc den neuen Ver- hältnissen anpassten, während die Verbindungsglieder aus- starben oder sich nur stellenweise erhielten. In Europa wird die Mehrzahl der Glieder des „Consortiunis borealer Wald- ptianzen'- wohl schon am Schluss der Tertiärzeit vorhanden gewesen sein, ist aber wenigstens theil weise entweder schon damals oder wenigstens in der Zeit der stärksten Vereisung ziemlich weit südwärts gedrängt worden uud erst wälirend oder nach der Eiszeit (bezw. der Eiszeiten) in unser Gebiet (sowie wahrscheinllich auch über Mittel- europa nach Nordeuropa) vorgedrungen. Dabei fand dies Vordringen in geschlossenem Bestände, nicht einzeln wie z. B. wahrscheadich hei den Ruderalpflauzen und Aeker- unkräutern statt, wobei sich je naeli den gegenseitigen Bedürfnissen verschiedene Genossenschatteu näher an einander schlössen oder getrennt von einander einwan- derten und sieh an verschiedenen Standorten nieder- liessen. Als ein solches Consortiuni wäre dann vielleicht auch besser die sogenannte „atlantische Association" Roths***) zu betrachten, denn die Pflanzen derselben mögen ein unter sich ähnliches Schicksal aufweisen, treten aber an verschiedeneu Standorten auf, während die Loew'schen Associationen sich eher ihrem Umfange nach nnt den von mir aufgestellten Kiefern- oder Buchen-Genossenschaften vergleiciien lassen. Im Allgemeinen wird das Verhältniss zwischen Consortien und Associationen etwa ein solches sein, dass mehrere Associationen sieh zu einem Con- sortium vereinigen lassen. Doch ist sicher auch öfters vorgekommen, dass sich z. B. der Kiefer oder Buche in *) Hierhin würden Jedenfalls auch viele der von Litwinoft' zu- sammengestellten Pflanzen der Bergkiefernwälder Riisslands ge- liörtMi, (lie nicht in die Association norddeutscher Kiefernbegleiter aiifzui)i-linii-n sind (vergl. über jene russische Arbeit das ausführ- liclic Referat im Bot. Centralbl.' 1893, Beihefte, S. 112-1-22). Eine Aebnlichkeit in der Vorgeschichte liegt auch bei diesen vielfach vor, wenn auch in der neuerlichen Entwickelung sich Verschieden- heiten gegen unsere Kiefernbegleiter zeigen, zu denen nur Ane- mone (Pulsatilla) vernalis, Trifolium Lupinaster, Potentilla verna und Fragaria viridis gehören. *•) l'eber vei-einzelte Vorkommnisse einiger Laubwaldpflanzen in .Sibirien vergl. Bot. Jahresber. XIX, 1891, 2, S. 124 Ref. 656. **•) Vgl. E. Roth. Ueber die Pflanzen, welche den Atlantischen Ocoan auf der Westküste Europas begleiten (Berlin 1883). Sud-Europa eine Art aus einer Gruppe, deren Vorfahren nie bis Amerika verbreite^ waren, so eng angeschlossen hat, dass sie aus der Association sich kaum trennen lässt, aber doch nicht dem Consortium*) angehört, sie hat dann zwar nicht dieselbe Vorgeschichte wie die anderen Arten, wohl aber einen Theil ihrer Geschichte mit ihnen gemeinsam und zeigt im Wesentlichen auch gleiche An- sprüche an Klima und Boden. So sei unter den Buchen- genossen z. B. auf die Waldklette [Lappa nemorosa**)] aufmerksam gemacht, die, obwohl sie einer anscheinend ursprünglich rein mediterran -Orientalen Pflanzengattung angehört, doch jetzt für die Buchenassociation (mehr als für die Formation) charakteristisch zu sein scheint. Es seheint mir somit erwiesen, dass wir von Asso- ciationen in unserer Kieferwald- (wie in der Buchen- wald-) Flora reden können. Dass andererseits durch Er- weiterung des Begriffs der Association oder richtiger durch Combination vieler Glieder verschiedener Associa- tionen zu einem Consortium nicht dieser Begriff etwa seiner Bedeutung entkleidet würde, scheint mir auch hinreichend dargelegt. Wir würden nie eine echte Strandpflanze oder Ruderalpflanze, auch wenn sie in ähnlicher Weise von Amerika nach Asien oder umgekehrt und von letzterem Erdtheil nach Europa gelangt wäre, in dasselbe Consortium mit Waldpflanzen aufnehmen, da weder ihre Ansprüche an Klima und Standort, noch ihre Geschichte eine im Ganzen gleiche zu nennen wäre, denn bei einer Strandpflanze würde es sich nicht um denselben Wanderungsweg, bei einer Ruderalpflanze nicht um eine Wanderung in ge- schlossenem Bestände handeln. Derartige Pflanzen können wohl stellenweise in die Formation eindringen, sogar für sie charakteristisch werden (wie es mit Myrica [einer at- lantischen Art] im skandinavischen Kiefernwalde der Fall sein soll), sie gehören aber weder derselben Association noch demselben Consortium an. Die Begrifl'e „Association" und „Consortium" in unserer Waldflora festzustellen, hielt ich für die Aufgabe vorstehender Studie, die genaue Zusammensetzung der einzelnen Associationen und des gesammten „Consortiums borealer Waldpflanzen" kann nur durch gemeinsame Arbeit vieler Botaniker in den verschiedensten Ländern erfolgen, zu der ich hiermit auffordere. *) In unseren socialen Verhältnissen haben wir auch Ana- loges. Berufsgenossen pflegen sich alle unter einander als „Col- legen" zu bezeichnen, obwohl nur die in engerem Kreise gemein- sam wirkenden ein „CoUegium" bilden, alle gleichartigen Collegien aber eine „Collegienschaft". Auch da finden wir ähnliche Wechsel- beziehungen wie zwischen den Gliedern verschiedener Formationen und Associationen, so z. B. in der Collegienschaft der Lehrer höherer Schulen einerseits die Vertreter verschiedenartiger An- stalten (Gymnasien, Realschulen etc.), andererseits die verschiedener Fächer (Philologen, Mathematiker etc.). Selbst für den Fall des Eindringens ursprünglich fremder Glieder (wie der im Text ge- nannten" Klette) haben wir Analoges z. B. in dem Eindringen einzelner nicht academisch Vorgebildeter in die höheren Berufs- kreise; während umgekehrt vielfach Männer mit ganz gleicher Vorbildung in verschiedene Berufskreise (Lehrer, Fachgelehrte u. a.) eintreten. ") Von Kiefernbegleitern liegen ähnliche Verhältnisse bei den oben ohne f genannten Arten aus der Assoc. Cytisus nigricans vor, sowie z. B. bei der der oben erwähnten Scabiosa Columbaria nahestehenden aber noch deutlicher der Kieferassociation zuge- hörigen S. suaveolens. b Die Witterung des Mouats April im centralen Europa. — Der April war im grossen und ganzen ein schöner und trockener, meist recht warmer Monat; von dem sogenannten Apriiwetter, wie es schon im letzten Drittel des März geherrscht hatte, war wenig zu spüren. Nur wurde der gute Eindruck, den er in Bezug auf Witterungsverhält- nisse hinterliess, gestört durch ziemlich umfangreiche üeber- schwemmungen, welche, durch die Ende März gefallenen Regenmengen in Verbindung mit der Schneeschmelze her- beigeführt, schon im Vormonat begonnen hatten und Anfang April ihr Maximum erreichten. Am meisten heimgesucht wurden die Donaugebiete. 234 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 19. Zu iMoiiatsbeginn lai;- das barometrische Maximum über Finnland und Nordrussland, wo noch recht strenge Kälte herrschte (Archangelsk am 1. — 15°), während der niedrigste Druck über Spanien lag. Der 1. war ein herr- licher Frühlingstag, der jedoch noch vereinzelte Nacht- fröste brachte. Am 2. aber hatte sich die Luftdruckver- theilung ganz verschoben : der hohe Druck lag über Gross- britannien, in Folge dessen sprangen nördliche Winde auf, welche trübes, rauhes AVetter bedingten. Galizien hatte am 3., Brandenburg und Sachsen am 4. noch ziemlich beträchtliche Schneefälle zu verzeichnen. Die Winde frischten an der Küste lebhaft auf und nahmen über Süd- skandinavien stürmischen Charakter an. Die Ursache war in einem tiefen Maximum (735 mm) zu suchen, das seit dem 3. über Nordeuropa dahinzog. Als am 5. sich das Maximum nach dem centralen Frankreich verschob und die Luftdruck- gegensätze sich über Deutschland verschärften, traten hier allenthalben heftige Regen-, Schnee- und Graupelböen auf. Am 6. war die Anticyklone bis zur nördlichen Adria gelangt, in Folge dessen wurde das Wetter milder bei schwachen südwestlichen Winden. Noch aber war die Witterung nicht beständig, diese wurde vielmehr gestört durch mehrere über Skandinavien hinwegziehende De- pressionen, auch blieb die Temperatur noch zu niedrig. Skandinavien hatte häufig von stürmischen Winden zu leiden (in Skudesnäs am 8. voller Sturm). Seit dem 9. dehnte der hohe Druck seinen Wirkungskreis über ganz Central- europa aus, die Temperatur stieg bei heiterem Wetter beträchtlich, und so waren dann der 10. und 11. zwei schon recht warme Tage mit Maximaltemperaturen von 19 - 20°. Mit dem 12. aber verlagerte sich das Centrum des Hochdrucks auf die Nordsee, und die dadurch be- dingten nordwestlichen Winde führten einen lebhaften Temperaturrüekgang herbei, so dass am 13. die Umgebung von Krakau noch einmal von einem starken Schneefall betroifen werden konnte. Die folgenden Ostertage brachten schönes und trockenes, wenn auch noch etwas kühles Wetter. Das Erdbeben von Laibach, das in der Nacht vom 14. auf den 15. erfolgte, fand bei jeglichem Mangel einer atmosphärischen Unruhe statt und dürfte aus diesem Grunde geeignet sein, einen beachtenswerthen Beweis gegen Falbs Theorie zu bilden, zumal da es volle 5 Tage nach einem „kritischen Tage" eintrat. Laugsam wanderte das sehr ausgedehnte Hochdruckgebiet nach Osten, und dieWinde wehten daher aus S und SE; damit waren alle Bedin- gungen für sehr intensive Temperatursteigerung gegeben, die denn auch nicht lange auf sich warten Hess. Fast täglich fanden Gewittererscheinungen statt, in besonders heftiger Weise am 17. in Holland. Verschiedentlich fanden von Süden nach Westen Vorstösse von Depressionen statt, welche in ihrer Umgebung verschiedentliche Regenfälle erzeugten, doch prallten sie alle an dem fest über Russ- land liegenden Maximum ab. Wenn sie auch vorüber- gehende Trülnmg und Gewitterregen herbeiführten, so blieb doch das Wetter bis zum Schluss schön. Die Maximaltemperaturen wurden im allgemeinen zwischen dem 23. und 25. bcol)achtet. Der starke Wärmeübersciiuss der letzten Aprilhälfte giebt nun allerdings zu der Befürchtung Anlass, dass der im Mai nothwendig erfolgende Kälterückschlag der Temi)eratur an den sogenannten „kalten Tagen" diesmal besonders intensiv werde. Auch nach den so überaus warmen letzten Apriltagen des Jahres 1885 erfolgte am 15. _ und 16. Mai ein Temperaturumsturz, welcher die allerverderblichsten Nachtfröste und Schneefälle im Ge- folge hatte. Sobald sich also das für die kalten Tage charakteristische Minimum über der ungarischen Tiefebene zeigt, dürfte für die Interessirten Vorsicht geboten s^in. H. Noch ein neues Was in der Atmosphäre? — Die Entdeckung des Argons hat anregend für die Wieder- aufnahme von Untersuchungen über die natürlichen Stick- stoöTunde gewirkt und diese Untersuchungen, bei denen alle Feinheiten der neueren Methoden zur Anwendung ge- langen, scheinen noch manche Ueberraschung zu bringen. So fand Ramsay, dass das Gas, welches sich nach Hillebrand aus dem Mineral Cleveit entwickelt und welches bisher als Stickstoff betrachtet wurde, von diesem nahezu frei ist, liingegen im Spectralapparate alle hervor- ragenden Argonliuien zeigt. Drei violette Linien, welche im atmosphärischen Argon enthalten sind, sind hingegen in dem Gase aus Cleveit nicht oder nur äusserst schwach sichtbar. Dies lässt vermuthen, dass ersteres noch ein anderes, bisher nicht isolirtes Gas enthält. Andererseits zeigte das Spectrum des Clevei't-Gases noch eine glän- zende Linie nahe der D Linie des Natriumspectrums, welche von Crookes als identisch mit derjenigen eines bisher nur in der Sonnenatmosphäre bekannten und des- halb Helium genannten Elementes nachgewiesen wurde. (Chemikerzeituug 19,619.) Sp. Versuche, das Argon in chemische Verbindungen überzuführen, hat Berthelot (Journ. de Pharm. [6J 1,345) angestellt. Das Material war ihm von Ramsay übersandt worden. B. wandte dieselbe Methode an, mit deren Hülfe es ihm gelungen war, Stickstoff direct in Verbindung zu bringen, nämlich den Einfluss der dunkelen elektrischen Entladung auf ein Gemisch des Gases mit Benzoldampf. Er bewirkte dadurch in der Tbat ein Ver- schwinden des Argon und die Entstehung einer gelben, harzartigen, riechenden Substanz von alkalischer Reaction. Ueber die Natur des Argon vermögen diese Versuche in Folge der geringen zur Verfügung stehenden Menge keinen Aufschluss zu geben. Sie zeigen aber den Weg, auf welchem mit Hülfe grösserer Quantitäten die Dar- stellung wohldefinirter Verbindungen gelingen dürfte. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Enmnnt wurden: Der ausserordentliche Professor in der medicinischen Fakultät in Erlangen Dr. Hauser zum Director des physiologisch-anatomisclien Instituts daselbst; Regierungsrath Dr. Mohrtens aus Aachen zum Professor an der technischen Hochschule in Dresden; die Assistenten am meteorologischen In- stitut zu Berlin Dr. Kremser und am meteorolog.-magnctischen Observatorium zu Potsdam Dr. Escheuhageu zu Professoren; der Hilfsbibliothekar Prof. Dr. Hamann an der Berliner Uni- versitäts - Bibliothek zum Bibliothekar; der Hilfsbibliothekar Dr. Reicke an der Königsberger Universitäts - Bibliothek zum Bibliothekar an der Göttinger Universitiits-Bibliothek ; Bibliothekar Dr. Schröder an der Göttinger Universitiits-Bibliothek zum Bibliotliekar an der Berliner Univorsitäts-Bibliothek; zu Professoren an der Universität Cliristiania für Hautkrankheiten Dr. Bölk, für Arzneimittellehre Dr. Paulssen. für Kinderkrankheiten Dr. .1 o h annessen, für Pathologie Dr. Laache, für Nasen- und Halskrankheiten Dr. Uckermann. — Die Nachricht. Herr (). Backlund sei zum Director der Sternwarte zu Pulkowa er- nannt, beruht auf Irrthum. Berufen wurden: Der Privatdocent für Geologie und Paläon- tologie in Berlin Dr. Karl Futterer als Professor an der tech- nischen Hochschule in Karlsruhe; der ausserordentliche Professor der Geologie und Paläontologie in Königsberg Ernst Koken nach Tübingen als Nachfolger des Prof. Branco; der ausser- ordentliche Professor der Botanik in Kiel Prof. F. Schutt, be- kannt durch seine Theilnahme an der Plankton-Expedition als ordentlicher Professor nach Greifswald; Dr. Wilder D. Ban- croft von der Harvard University als Assistent Professor der physikalischen Chemie an die Cornell-University. In den Ruhestand treten: Der Professor der Physik an der Industrieschule in Augsburg Dr. Kurz; der Director des physio- logischanatomischen Institutes in Erlangen Dr. v. Zenker. Abgelehnt hat: Der Prof. der Mineralogie in Freiburg Dr. G. Steinmanu den Ruf nach Tübingen. Nr. 19. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 235 Es starben: Di>r onlontliche Professor der Physiologie in Leipzig Ctoli. Kiitli Dr. Luilwiji; der aiisserorilentliclic Professor für Af;riciiltiircli('inio in Leipzig ür. Roliert Saehsso; der Pro- fessor der (.^liiriirgie iu Leipzig Geheirnrath Dr. Karl Thiersch; der Profes.sor Augenheillvnnde in Kralvaii Dr Fjucian Rydel; der als Philosopli bekannte frülitu-e Professor am .loachims- tlialschen Gymnasium zu Berlin Franz Biese in Puttbus; der Professor der l'.mbryologie an der Universität in Pennsylvania John Adams Ryder; der Archäologe und Geologe R. Fiteh in Norfolk; der Professor der Mathematik an der Cornell-Uni- versity James E. Oliver; der Lehrer der Naturwissenschaft an der Universität der City von New-York Dr. P. H. van der Weyde. Die Wanderversammlung der südwestdeutschen Neuro- logen und Irrenärzte wird am 2-5. und 26. Mai in Baden statt- tiiulen. — Geschäftsführer Prof. Bäumler-Freiburg und Director Fischer- [Pforzheim. Eine Touristen-„Expedition" „Rund um Afrika" hat das bewährte Karl Kiesel'sche Reisecontor in Berlin SW die Absicht in der Zeit vom 1. October 1895 bis 31. März 1896 zu veran- stalten. Ein uns vorliegendes, mit Karte der in Aussicht ge- nommenen Route versehenes ausführliches Programm giebt uns Veranlassung zu dieser Mittheilung. Der Reisebeitrag für die ganze Rundfahrt um Afrika von Berlin augefangen und zurück bis Kairo soll 10 (XX) Mark betragen. L i 1 1 e r a t u r. Hermann Kurtz, Adam und die menscliliche Urheimath, Fr. Rehtmeyer's Verlag in Hannover. 1894. — Preis 1 Mark. Das Heftchen ist Herrn Prof. Dr. Haeckel in Jena gewidmet, der es freundlieh aufgenommen hat. Es ist in der That nicht zu leugnen, dass es mancherlei Anregungen enthält, jedoch be- dürfen die Ansichten und Schlussfolgerungen des Verfassers noch gründlicheren Studiums des Thatsachen-Materiales als dasselbe vom Verf. behandelt wird. Er stellt oft Behauptungen auf, die — wie der Fachmann leicht sieht -- nicht zutreffend sind. Er kommt zn dem Schluss, dass der australische Buschmann dem Ur-Menschen am nächsten steht. Prof. August Forel, Gehirn und Seele. Ein Vortrag, gehalten bei der G6. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien am 26. Sept. 1894. Emil Strauss. Bonn 1894. — Der Vortrag ist den Lesern der ,Naturw. Wochenschr." be- reits durch Wiedergabe des Wesentlichen auf S. 44 bekannt. Der vorliegende Abdruck bringt ihn durch grosse Anmerkungen erläutert und erweitert. Dr. W. Breslich und Dr. O, Koepert, Bilder aus dem Thier- Pflanzenreiche. Für Schule und Haus bearbeitet. Bd II, Heft 1 {Heft 3 des Werkes). Wirbellose Thiere. Stephan Geibel. Altenburg. SA.-- Preis 1,80 M. Heft 2 des ganzen Werkes wurde S. 34t>, Bd. IX besprochen. Die Aufsätze 1— .i und 19 — "23 wurden von Breslich, die übrigen von Koepert bearbeitet. Unser gutes Urtheil über das Werk wird durch das vorliegende Heft nicht getrübt. Prof. Dr. A. Zimmermann, Das Mikroskop Ein Leitfaden der wissenschaftlichen Mikroskopie. Mit 231 Figuren. Franz Deu- ticke. Leipzig und Wien 1895. Ein treffliches, zuverlässiges Buch, das jedem zu empfehlen ist. der mit dem Mikroskop zu arbeiten hat. Es verfolgt in erster Linie den Zweck, „denen, die sich nicht mit einem rein hand- werksmässigen Gebrauch des Mikroskops begnügen wollen, einen Einblick in die optische Wirkungsweise der einzelnen Theile und Nebenapparate des Mikroskops zu verschaffen."' Hierbei ist ge- schickt auf den Anfänger und den der .Mathematik Fernstehenden Rücksicht genommen. Der Präparation ist — da das Buch für die Bedürfnisse des praktischen Mikroskopikcrs berechnet ist — ein breiter Raum gewidmet. Prof. Dr. Hippolyt J. Haas, Quellenkunde. Lehre von der Bildung und vom Vorkiiiinneu der C^iiellen und des Grund- wassers. Mit 45 in den Text gedruckten Abbildungen. Verlag von J. J. Weber in Leipzig. 1895. — Preis 4 Mark 50 Pfg., geb. 6 Mark. Bei der hohen praktischen Wichtigkeit der Wasserfrage namentlich für viele Gemeinden ist das Vorhandensein eines Buches, welches erlaubt, sich über das Principielle der t,)uellen- kunde zu unterrichten, von grossem Werth. Das letzte deutsch geschriebene Buch, das ähnliche Zwecke verfolgt wie das vor- liegende ist vor nunmehr 14 Jahren erschienen; es ist das die Hydrophysik von Lersch. Nach einer Einleitung, die sich nament- lich mit Herkunft des Bodenwassers beschäftigt, finden die Quellen, ihre Entstehung und ihr Auftreten ausführliche Erläuterung; auch die Thermal- und Mineral-Quellen werden behandelt. Ein besonderer Abschnitt ist der Betrachtung des Grundwassers ge- widmet und zum Schluss wird auch etwas über die Kunst, Quellen zu finden, gesagt, wobei auch die „Wünschelruthe" nicht ver- gessen ist, wie denn Verfasser überhaupt an geeigneten Stellen stets kurz auch das Historische berücksichtigt. Sitzungsberichte der Kgl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1894. Erster Halbband, Januar bis Mai. Stuck I— XXVI mit 2 Tafeln. - Berlin 1894. In Kommission bei Georg Reimer. — Der vorliegende Band enthält folgende naturwissenschaftliche Arbeiten: Richard Heymons: „Ueber die Bildung der Keimblätter bei den Insecten." — G. Fro- benius: „Ueber die Elementartheiler der Determinanten". — Emil Fischer und Robert S. Morrell: „Ueber die Con- figuration der Rhemnose und Galactose". — H. C. Vogel: ,. Ueber das Spectrum von ,1 Lvrae" (Mit einer TafeP. — J. Elster und H. Geitel in Wolfenbüttel: „Ueber die Abhängigkeit der Inten- sität des photoelektrischen Stromes von der Lage der Polari- sationsebene des erregenden Lichtes zu der Oberfläche der Ka- thode". — L. Plate: „Mittheilungen über zoologische Studien an der chilenischen Küste". — III Weitere Bemerkungen über die Nieren- und Circulationsorgane der Chitonen. IV. Oncidiella coquimbensis n. sp. V. Phidiana inca Orb. VI. Einige Bemer- kungen über die Anatomie der Siphonaria concinna Sow. VII. Ueber den Darmkanal und die Niere einer Trophonspecies — 0. Luminer und F. Kurlbaum: „Bolometrische Unter- suchungen über eine Lichteinheit " — G. Frobenius: „Ueber das Trägheitsgesetz der quadratischen Formen". (2 Abhandlungen.) F. Kohlrausch und Ad. Heidweiler: „Uclier reines Wasser". — Oscar Hertwig: „Ueber den Einflnss äusserer Bedingungen auf die Entwickelung des Froscheies". — A. Kossei und Albert Neumann: „Ueber die Spaltungsproducte der Nuclein- säure"- — Ludwig Wulff in Schwerin i. M.: Mittheilungen zur Kenntniss der regulär krystallisirenden Salze". III. Krystallisation von Chlorkali aus chlormagnesiumhaltigen Salzen. — C. Rammels- berg: ,.Ueber die chemische Natur des Maurolithes." — Arthur König und Johannes Zunft: „Ueber die lichtempfindliche Schicht in der Netzhaut des menschlichen Auges." Bebber, Prof. Dr. W. J. van, Hygienische Meteorologie. Stutt- gart. — 8 M. Brentano, Frz , Die vier Phasen der Philosophie und ihr augen- blicklicher Stand. Stuttgart. — 1 M. Dammer, O., Handbuch der chemischen Technologie. 1. Bd. Stuttgart. — 2t M. Helmholtz, Herrn, v., Wissenschaftliche Abhandlungen. 3. Bd. Leipzig. — 18 .VI. Hempel, Otto, Das Herbarium. Berlin. — 1,50 M. Hertz, Heinr., Gesammelte Werke. 1. u. 2. Bd. Leipzig. — 7,.50 M. Jannasch, Dr. R., Die Erschliessung von China. Charlottenburg. — 1 M. Kohl, Dr. C, Rudimentäre Wirbelthieraugen. III. Theil. Stutt- gart. — 12 M. Llibsen, H. B., Ausfuhrliches Lehrbuch der Analysis. 9. Aufl. Leipzig. — 3.60 M. Lübsen, H. B., Ausführliches Lehrbuch der Elementar-Geometrie. 28. Aufl. Leipzig. — 3 M. Schellwien, Rob., Der Geist der neueren Philosophie. 1. Thl. Leipzig. 2,40 M. Schutt, Prof. Dr. Frz., Die Peridineen der Plankton-Expedition. 1. Thl. Kiel. 38 M. Inhalt: Prof. Dr. A. Nehring: Die Nasenmilbe der Kegelrobbe. — F. Hock: Genossenschaften in unserer Kiefernwaldflora. — Die Witterung des Monats April im centralen Europa. — Noch ein neues Gas in der Atmosphäre? — Versuche, das Argon iu chemische Verbindungen überzuführen. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Hermann Kurtz, Adam und die mensch- liche Urhi'imath. — Prof. August Forel, Gehirn und Seele. — Dr. W. Breslich und Dr. O. Koepert. Bilder aus dem Thier- und Pflanzenreich. — Prof. Dr. A. Zimmermann, Das Mikroskop. — Prof. Dr. Hippolyt J. Haas, Quellenkunde. — Sitzungsberichte der Kgl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. — Liste. 236 Naturwisscuscbaftliclic Wochenschrill. Nr. 19. = Niil/lirlio (ii'si-lii'iiks- und lüliliollickswcrkc. = Meyers Hand-Lexikon des allgem. Wissens. In einem Band. Fünfte, neuhearhtilete Auflage. In Halbleder eebunden 10 Mark. Meyers Kleiner Handatlas. Mit 100 KarlenblaUoni und ;i Textbcilageii. In llall.kibM gebunden 10 Marl;. Brehms Tierleben. Kleine Ausgabe für Volk und .Schule. Zimlr. loii 1!. athmi:llhiu neltlwarheilele An/ tage. Mit 1200 Abbildungen im Text, 1 Karte und 3 Farbendrucktafeln. 3 Banric in Halbleder gebunden zu je 10 Mark. Prohelufte stehen zur Ansicht zu Diensten. — Prospekte gratis. = Verlai;- dos i;il)lioi.n-;i])liisi-luMi lusliUils in Lcip/ii;'. = 3(er&. pürnntCers IJerragseuc^ßanbruiifl in perrin SW. 12. pie ttkakmifdic laufbalin itn6 i^rc öRonomifc^e ^egefitng. (£in XDort an 6ic Kccjieruncs unö an bk Volhvcvkdunq,. Von 3nicite AufCagc. 12 ßosfn, gr. 8. ^xtis 2,40 iMark. atent-technisches und I Verwerthung-Bureau Be teile. Berlin S. 14, Neue Rossstr. 1 Erfinclnngen, Neuheiten, Modelle jeder Art werden zu- verlässig, billig, discret in meiner Spe- cialwerkstatt ausgearbeitet und angefer- tigt, auch brieflicli- W. Maaske, Mechan. Berlin N., yehwedterstr. 31- In Ferd. Dümmlers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erscliien soeben Einftihrung in die Blfltenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am königl.Realgymn. in Berlin. 444 Seiten gr. 8. Preis 6 M., geb. 7 M. FRITZ SCHMIDT&C2 Patent-Bureau u. CKem. Lab. BerUn,N.Chausseestr. 2& Hempers Klassiker-Ausgaben. Au.sfübrI. Sjjecialverzeichnisse gratis. Ferd. DümmlersVerlagsbnchhandi. @i8i@ioi@i0i0i®iei®i®)®i®i®i®i®ioi®ie)(9 Die Illustration wissenschaftlicher Werke erfolgt am be.sten und billigsten durch die modernen, auf Photo- graphie beruhenden Reproduc- tionsarten. Die Ziukätiungen dieser Zeitschrift gelten als Proben dieses Verfahrens und sind hergestellt in der graphi- schen Kunstanstalt Meisenbach, Riffarth ä Co. in Berlin-Schöneberg, welche bereitwilligst jede Aus- kunft ertheilt. ei9isieieieieie eieieieisisisiieisiieieia Jerb. Bümmlßrs ©Brlaßßbud}ljanblunji in Berlin SW. 12, §immcrftra§e «in. ■=. ^enfaitoneffe ^euigßeit! uz €ntrücft in bie ©ufunft cS' 0 j i a l p 0 1 i 1 1 l'rij c V K o ni a n Don 284 Seiten gr. 8. ^xm 3 ;ffllark, elcg. gcbunben 4 MarU. , i^Dii ^etix Ablcr. Slutorificrte Übcrfegutig I)eiau§gegcbeii neu Wtorg uon fflijijdu. 17G Seiten gr. 8. jUreis 2 iSInrl!, grli. 2,(;() iMark. = 3u Besiegen iuxäf ottc 38Hd)ßant>run!icn. = ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦Pakteriologische Kurse,» ♦ Unterricht in Nahrungsmittel-,» » sowie Harnanalyse, monatlich.» T Gelegenheit zum Ausführen ^ T selbstständiger Arbeiten. ^ ♦ üebernahme von technischen und^ ♦ wissenschaftlichen Untersuchungen ♦ ♦ jeder Art. » »Dr. E. Ritsert's Bakteriologisch-» » chemisches Institut, » t Inb Dr. Th. Genther. X J Berlin N., Friedrichstrasse 131 d. J »»»»»»»»»»»»»♦»»»»»»» Format 32 zu 46 cm ^ auruesihl. 46 zu 57 cid. ^^^ In Leder g-eb 32 Mark. -jr 59 ^1 Haupt- ^ u. 120 \eben- • GANZ ^ NEU! t^y ^^^^^^ karten m. ll/ ^^ alphab. Na- O^ menregistern. H/ ^^k Durch jede j^^^ Buchhandlung, ^^# auch in 16 Liefgn., ^^^ jede zu M. 1,80, zu ^^^^ beziehen. 0 Auf Wunsch Prospekt gratis. 0 Leipzig, H. Wagner & E. Debes 0 189S. ( In Ferd. 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Luisenstr. 58. t # Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ♦ ♦ und Geräthscliaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ » iimbf 111,, Qilllti & 0©» « BERLIN C, Niederlage eigener Glasliilttenweriie und Dampfschleifereien, Mechanische Werkstätten, Scliriftnialerei und Eniaillir- Anstalt. Fabrik und Lager sämnitlicher Apparate, Gelasse und Gc- räthe für wissenschaftliche und technische Laboratorien. VerpacifUDgsgefässe, Schau-, Stand- und Aussteliungsgläser. Vollständige Kiurichtuugeu von Laboratorien, Apotheken, Drogen-Geschäfteu u. s. w » » Verantwortlicher Uedacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfeldi' (P.-B) bei Berlin, Potsdauierstr. 35, für den Inseratentlieil: Hugo Bernstein in Borlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ^;*€^- ^..---^ Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den 26. Mai 1895. Nr. 21. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Poat- anstalteu. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jt 4.— Brinprepreld bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 47:(i'. ¥ Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 lÄ. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkimft. Inseratenannahme bei allen AnnoncenbureaiLx wie bei der Expedition. Abdruck ist nar mit Tollständiger Quellenang^abe g^estattet. Geologische Reisebilder aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Von Professor Dr. F. Wahnschaffe. V. Vom Felsengebirg'e über Denver nach dem Osten. Sehr befriedigt von dem dreitägigen Aufenthalt in der Salzsee-Stadt und ihrer schönen Umgebung verliessen wir dieses Neu-Jerusalem des fernen Westens am Morgen des 17. September 1891. Unser Sonderzug sollte uns an diesem Tage auf der Linie der „Rio Grande Western Kailroad" die 470 km lange Strecke von Salt Lake City bis Grand Junction befördern. Die Reise wurde durch das herrlichste Wetter begünstigt, denn ein wolkenloser, blauer Himmel dehnte sich mehrere Tage hindurch über uns aus, und die ausserordentliche Klarheit und Durchsichtig- keit der Luft Hess die Formen der Landschaft meilenweit in den schärfsten Unirisslinien hervortreten. Die Eisen- halmlinie folgt zunächst nach Süden den Thälern des Jordan-River und des Utah-Sees, welche im Osten durch die kühne Mauer des Wahsatch-Gebirges, im Westen auf einen Abstand von ungefähr 32 km von den niedrigeren (lebirgszügen der Oquirrh-, Cedar- nnd Tintic-Mountains begrenzt werden. Das Jordan- und Utah-Thal sind von einander durch Tlialsporne aus jungvulkanischem Gestein getrennt, die sich an das Wahsatch- und Oquirrh-Gebirge anschliessen und sich auf einen geringen Abstand einander nähern. Der schmale Pass zwischen denselben wird vom Jordan-River eingenommen, den die Eisenbahnlinie un- mittelbar begleitet. In der Zeit, als der Grosse Salzsee noch das Jordanthal bedeckte und an seinen Ufern die Bonneville-Terrasse ablagerte, wurde der östliche Thal- sporn durch die Brandung des Sees von Norden her sehr stark angegriffen, sodass eine steile Klippe entstand, während das abgespülte Material als ein Damm in dem Pass aufgehäuft wurde und denselben zum Theil ver- . schloss. Durch ausgedehnte Bewässerungsanlagen ist der Ackerbau im Jordanthal zu grosser Blüthe gelangt. Die Hauptwerke für die Vertheilung des Jordanwassers in die Bewässerungskanäle liegen in dem soeben erwähnten Pass. Ausserdem ist das Jordauthal bemerkeuswerth durch mehrere grosse Sehmelzwerke, welche die reichen Silber- erze Utahs verarbeiten. Utah Couuty, dessen Hauptstadt Provo wir auf unserer Eisenbahnfahrt berührten, gehört überhaupt mit zu den culturfähigsten Districten dieses Staates. Bei einer Bevölkerung von 30 000 Seelen besitzt es ein Areal von 2124 Quadratmeilen (5.501,16 qkm), von denen 1404 Quadratnieilen (3636,36 qkm) auf die Gebirge, 155 Quadratnieilen (401,45 qkm) auf den Utah-See und 565 Quadratnieilen (1463,35 qkm) auf anbaufähiges Thal- gebiet entfallen. Von den 342 400 Acres bestellbaren Landes befinden sich 91 200 Acres in Cultur, während der Rest von 251 200 Acres durch zweckmässige Be- wässerungsanlagen noch für die Landwirthschaft nutzbar gemacht werden kann. Provo, 1377 m über dem Meere gelegen, mit 6000 Einwohnern, hat eine herrliche Lage am bstufer des grossen Süsswassersees, dessen Al)iluss nach Norden der Jordan-River bildet. Die Stadt hat breite, mit schattigen Bäumen bepflanzte Strassen, au deren beiden Seiten klares, von den Gebirgen herab- geleitetes Wasser fliesst, und bildet einen industriellen Mittelpunkt des Utahthaies mit Sagemühlen, Mehlfabriken und Wollspinnereien. Die grösste und wichtigste Woll- spinnerei ist die „Provo Woolen Mills", welche jährlich 400 000 Pfund einheimische Wolle verarbeitet. In den letzten Jahren hat der Anbau von Zuckerrüben in diesem Gebiete grosse Fortschritte gemacht. In der Stadt Lehi befindet sich eine der grössten Zuckerfabriken der Ver- einigten Staaten, welche im Jahre 1893 3 877 110 Pfund Crystallzucker feinster Qualität herstellte. 250 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 21. Utahtlial ciiischiicssendeu Gebirge l)esitzeii grossartige Formen; ihre Stcilabstttrze sind das ;ewaltiger Die das kühne und Resultat gewaltiger von Nord nach Süd streichender Ver- werfungen. Gerade östlich von Provo sind die Abhänge des Wahsatchgebirges ungewöhnlich steil, da sie sich unter einem Winkel von nahezu 35" erheben. Ein gewaltiges, 3000 m mächtiges Profil paläozoischer, nach Ost ein- fallender Schichten vom Cambrium bis zum Mittelcarbon ist hier aufgeschlossen, aufruhend auf crystallinischen Schiefern, die hier, wie uns Mr. Gilbert niittheilte, an der Basis zu Tage treten. Wir durchkreuzten die Wahsatchkette in dem engen Schluchtcnthal des Spanish Fork, ein Punkt, der für den geologischen Bau dieses Gebirges von Wichtigkeit ist, da hier das nord- südliche Strei- chen der Schichten in ein südwestliches und das list- liche Einfallen in ein süd- östliches übergeht. Die Bahnlinie folgt dem in jurassische Schichten ein- geschnittenen Monoklinal- thale des Thistle-Creek bis zur Höhe des Pla- teaus Soldier's Summit (2275 m über dem Meere), wobei die Steigung während der letzten sieben Meilen 200 Fuss pro engl. Meile oder 3% pCt. beträgt. Von der Station Thistle ab verschwinden die steil aufgerichteten mesozoischen Schichten unter groben Conglomeraten, und diese ten Kalksteinen, Mergeln und Kalkschiefern überlagert, die dem eocänen Schichtencomplex des Wyomingbeckens ange- hören. Beim Herabsteigen von dem Plateau in das Price- River-Thal sieht man unter diesen tertiären Schichten die Saudsteine und Schiefer der Laramie-Kreide hervortreten, in denen kohlenführende Hori- zonte vorkommen. Unmittel- bar an der Elisenbahn bei der Station Castle Gate liegen die grossen Kokcsöfen der Plea- sant Valley Cool Company, welche im Jahre 1893 16 730 Tons Kokes von guter Qua- lität für die bei Salt Lake City gelegenen Seinnelzöfen herstellten. Die vielfach gewundene, von schnitten ist. Die Eisenbahn führt an der Basis der nördlich gelegenen Book Clifts entlang. Diese bilden lauge, mauerähnliche Stcilabstürze und tischartige Erosions- formeu (Mesas) und bestehen aus Kreide- und Tertiär- schichten, von denen die eocänen Green-River-Kalkschiefer wegen ihrer Dünubänkigkeit an die Blätter eines Buches erinnern und daher den Namen „Book Cliffs" erhalten haben. (Siehe Fig. 2.) Die Gegend bildet eine trockene, fast völlig vegetationslose liegenden herbeigeführt Figur 1. Castle Gate in Utah. Conglomeraten, werden in discordanter Transgression von hellgcfärb- zwei in die Erde den Brett, auf welchem Wüste. Durcli die starken Temperaturdift'erenzen zwischen Tag und Nacht werden die Gesteine allmählich zertrümmert, während durch plötzliche, wolkenbruchartige Re- gengüsse eine gewaltige Erosion in dem gelocker- ten und zur Abfuhr bereit Schuttmaterial wird. Nur so erklären sich die zahlreichen Trockenthä- ier und die eigenthüni- iichen, wie Thürnie und Bastionen erscheinenden Formen, in welche die Felsniaucr zersägt wor- den ist. In dieser men- schenleeren Einöde sahen wir eine der primitivsten Eisenbahnstationen der Welt. Sie bestand aus gerammten Pfählen mit einem verbinden- sehr bezeichnend tude" zu lesen stand. Wir gelangten nun „Station SoH- alhnählich in das Greenriver-Thal hinab, hat man eine Aussicht auf Figur 2. Die Book Cliflfs in Utah. manerartigen. oft castellähnliehen Wällen des Laramie-Sandsteins eni- geschlossene Schlucht zwischen Castlegate und Price Station bietet viele malerische Punkte dar. (Siehe Fig. 1.) Der Price-River ist ein in südöstlicher Richtung fliessen- der rechter Nebenfluss des Green-River, welcli letzterer nach seiner Vereinigung mit dem nach Südwest strömen- den linken Nebenflusse, dem Grand River, den Namen Colorado führt. Nachdem wir Price Station passirt hatten, kamen wir in das grosse, offene Monoklinalthal, dem die Eisenbahn auf eine Strecke von 320 km folgt und welches in die Thonablagerungen der mittleren Kreide einge- anlagen und grosse Fabriken. Es lassen in Culturland umwandeln, bewässerte Land für den fruchten sein. Pflaumen, Kirschen und Weintrauben Zone eine ganz Am frühen V'on der Höhe über demselben die Lakkolithberge der Sierra la Sal, deren Gipfel sich 48 km südlich von der Eisenbahnlinie bis zu 3962 m erheben. Die diese Berge rings umgeben- den Sedimentärschichten sollen durch die empor gedrungenen Eruptivmassen aufgewölbt wor- den sein. Am Abend erreichten wir die Stadt Grand Junction, wo unser Zug die Nacht über liegen blieb. Es wurde mir mitgetheilt, dass dieses an der Westgrenze des Staates Colo- rado gelegene Gebiet in auf- blühender Entwiekelung be- griffen ist. Mesa-County, dessen Hauptstadt Grand Junction ist, besitzt ein unbegrenztes Was- serquantum für Bewässerungs- Wasserkräfte als Triebkraft für sich in demselben 500 000 Acres Besonders geeignet soll das Anbau von Obst und Beeren- Birnen , Pfirsiche , Apricosen, sollen in dieser halbtropischen vorzügliche Qualität erlangen. Morgen verliessen wir Grand Junction, um an diesem Tage die 272 km lange Eisenbahnstreeke bis Leadville zurückzulegen. In der Nähe von New Castle wurde Halt gemacht, um das grossartige Kohlenbergwerk der „Grand River Goal and Coke Co." zu besichtigen. Nr. 21. Nuturwisseuschaftliclie Wocheuschrift. 251 In den unter 45* geneiji;ten Seliichten des Laramic- vSanilsteius treten dort zahlreiche Kolilendötze auf, die zusaninien einen ('()ni])Iex von 125 Fuss atiliauwürdiii'er Koide darstellen. Das stärk.stc Fltitz hat eine Mächtig- keit von 45 Fuss und besteht ans völii;;- reiner K(dile. Diese besitzt starken Glanz und eine steinkoidenähnliche Beschaffenheit; sie lässt sich für Fabriken, für häusliche Zwecke und für die Scbnielzöfen gleich gut vervverthen. Ausser den ;'>00 Tons, welche für die Kokcsöfen verbraucht werden, beträgt die tägliche Förderung von Kohle im Durchschnitt 2000 Tons." In (Ucnwood S[)rings wurden wir >ou einer Deputation der iMincnbesitzer aus Leadville empfangen. In Gleenwood Springs betindet sich ein elegantes Hadehaus mit grossem Sehwinnnbad. Hier kommen aus dem unteren Kohlenkalk zehn grössere und zahllose kleinere heisse Quellen hervor, deren höchsteTcmperatur 52,2"C. beträgt Quellen liefern in der Jlinutc SOOÜ Gal- lons (oO 280 Liter) Wasser, während die grösste (Quelle Yampa allein einen Aus- Huss von 4000 Gallons (15 140 Literj in der Minute besitzt. Nach den Ana- lysen von Dr.C.F.Chandler in New York enthält das Wasser iu 1000 Theilen: Die zehn grossen Herz von Colorado in den zum Theil ganz engen Thälern des Grand und Eagle-River, über den die Wasserscheide zwischen dem atlantischen und pacitischeu Ocean bildenden Tennessccpass (3162 m über dem Meere) hinweg bis Ycampa- Quelle: ^amenloso Quelle: Chlornatrium .... 18.7157 18.6662 Chlormagnesium . . 0.2250 0.2301 Bronmatrium .... 0.0097 0.0141 Jodnatrium Fluorcalcium .... Kaliumsulfat .... Spur Spur 0.4129 Spur Spur 0.4224 Calciumsulfat .... 1.5866 1.3781 Lithiumbicarbonat . 0.0038 0.0049 Magnesiumbicarbouat 0.2327 0.2364 Calciumbicarbonat . 0.4186 0.3667 Ferriliicarbonat . . . Spur Spur Natriumphosphat . . Natriumbiborat . . . Spur Spur Spur Spur Thonerde Kieselsäure Spur 0.0339 Spur 0.0346 Organische Substanz Spur Spur Kohlensäuregehalt. Die Wirkung Summa 21.6389 21.3535 Starker Bemerkbar : Schwefelwasserstoffgehalt Temperatur 51,2» C. Die Quellen sollen eine sehr heilkräftige besitzen, ein Umstand, der schon in früheren Zeiten den Urbewohnern des Landes bekannt war, denn die Indianer pflegten einst alljährlich von weit entlegenen Wohnsitzen ihre Kranken und Schwachen hierher zu bringen, damit sie durch die warmen Bäder ihre Gesundheit und Kraft wiedererlangen sollten. Glenwood Springs hat eine sehr schöne Lage, denn das Thal wird nach Norden zu von den Steilabstürzen des W^hite River Plateaus, im Süden von den hohen Gipfeln der Elk-Mountains eingeschlossen, deren von der Kreide bis zur archaeischen Formation hinabreichender, von gewaltigen, dioiitischen Eruptiv- gesteinen durchsetzter Schichtenbau grosse durch Faltungen imd Verwerfungen erlitten hat. Der l)ereits erwähnten Deputation aus Leadville hatte sich ein damals in jener Stadt geographischer Studien halber sich auf iialtender lieber Freund von mir aus Berlin, Herr Dr. Emil Deckert, angeschlossen, der noch gegenwärtig in Nordamerika weilt. Hier im fernen Westen feierten wir ein frohes Wiedersehen. Es war mir sehr lieb, mit ihm zusammen die interessante Fahrt durch das Leadville zurücklegen zu können. Unser Zug musste bei der grossen Steigung, die wir zu überwinden hatten, oft sehr langsam fahren, und ausserdem hatten wir an diesem Nachmittage durch entgegenkonnnendc Güterzüge mehr- fach unvorhergesehenen Aufenthalt. Als wir daher die berühmte, 3175 m über dem Meere gelegene Minenstadt erreichten, war es bereits dunkel geworden, sodass wir von der Umgegend leider nichts zu sehen bekamen. Die jährliche Production der dortigen Blei- und Silbernnnen überstieg damals den Werth \on 150 Millionen Dollars. Gern wäre ich einige Tage dort geblieben, um unter der kundigen Führung meines Freundes die Berge der Moskito- kette zu durchstreifen, denn dieselben hätten für mich ein ganz besonderes Interesse gehabt, da die Gegend in hohem Maasse die Spuren einer ehemaligen, intensiven Vergletscherung an sich trägt. In nicht weiter Entfernung von hier liegt das von Hayden abgebildete berühmte Thal des Roche-Moutonnee Baches (Thal der Schafherdefelseu) mit seinen durch die Gletschererosiou entstandenen Rund- höckerformcfl, welches in geologischen Lehrbüchern mehrfach Aufnahme ge- funden hat. Schon am frühen Morgen ging unsere Fahrt weiter. Wir kamen an diesem Tage durch das grossartige Thal des Arkansas River, der sein Wasser dem Mississippi zuführt, zur Rechten die gewaltige Kette des Sa- watchgebirges, dessen Gipfel sich über 4300 m erheben. Nachdem wir die 1000 m tiefe, enge Schlucht „the Royal Gorge" passirt hatten (siehe Fig. 3), kamen wir in das ebene Th'klgebiet von Canon City, deren Umgebung durch künstliche Bewässerung einen hohen Grad von Fruchtbarkeit er- reicht bat. Ein kurzer Aufenthalt da- selbst wurde benutzt, um eine Aus- stellung von Früchten zu besichtigen, welche die Leistungsfähigkeit des Lan- Boyal George" mit enger klaffender Seitenschlucht. Störungen des am besten veranschaulichte. Die Stadt liegt an dem nordwestlichen Ufer einer grossen Bucht der älteren Silurzeit, deren Absätze hier durch Sandsteine repräsentirt werden, welche den untersten Schichten der Trentongruppe entsprechen. Diese Sand- steine enthalten die Reste von wirbellosen Thieren, da- neben aber auch zahlreiche Fragmente von Ganoidtischeu. Unter den letzteren fanden sich Schuppen, die sich, wie C. D. Walcott gezeigt hat, auf die Gattungen Asterolepis, Holojitychius und Chimaera zurückführen Hessen. Es sind dies die ältesten AVirbclthierreste, welche man iu dem Schichtencomplex unserer Erdrinde kennt, und dieser Nach- hat daher ein grosses palaeontologisches Interesse, Silur das Auftreten von weis weil bisher nur im obersten Fischen bekannt war. In Pueblo hatten wir einen einstündigen Aufenthalt, der dazu verwandt wurde, den an der Peripherie der Stadt gelegenen Colorado Mineral Palace zu besichtigen. Dieses im ägyittischen Stil gebaute und im Jahre 1890 eröffnete Museum bietet einen vorzüglichen Ueberblick über die in dem Staate Colorado vorkommenden Erze und sonstigen Mineralien. Pueblo ist eine von den 252 Natur wissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 21. schnell emporgebliiliten Städten des Westens, denn während die Einwohnerzahl im Jahre 1880 nur 5000 betrug-, war dieselbe bereits im Jahre 1890 auf 35 000 gestiegen. Im Jahre 1850 schlugen die ersten Pioniere der Cultur hier ihre Winterquartiere auf, und als dann durch die Auf- findung von Gold in den Gebirgen Colorados vom Jahre 1860 ab die Auswanderer sicli diesem Gebiete zuwandten, wurde der erste Grund zu der heutigen I5edeutung dieser und dem Eisen gelegt. heutigen IJedeutunj Auf den a-ewaltia-en Kohlenlaoern in Stadt Eeiehthum an Gold, Silber, Blei, Kupfer und den nahegelegenen Felsenge- birgsketten beruht der grosse industrielle Aufschwung dieser Stadt, welche nicht mit Un- recht als dns „Pittsburg des Westens" bezeichnet worden ist. Von der Station Colorado Springs führt eine Zweigbahn nach dem 8 km entfernten Ge- birgsstädtclicn Manitou, wel- ches in dem herrlichen Thale des Fountain Creek gelegen, als Sommcraufenthalt, sowie durch seine Mineralquellen eine grosse Berühmtheit erlangt hat. Das für die Badegäste mit allem Comfort versehene und mit hübschen Villen ge- schmückte Städtchen gewährt ein sehr anziehendes Bild, vor allem aber ist es die grosse Gebirgssceneric mit dem Pikes Peak im Hinter- grunde, die einen unvergessiichen Eindruck hinterlässt. Der Name Manitou ist auf die Zeit zurückzuführen, als die Cultur noch nicht in Colorado eingedrungen war und die Indianer in ihrem mysteriösen Aberglauben dieses grossartige Thal für den Wohnsitz ihrer Götter hiel- ten. Sie nannten die spru- delnden Kohlensäure fülnen- den Quellen „Manitou" (der grosse Geist I und veran- stalteten nach ihnen in ehr- furchtsvoller Scheu weite Pilgerfahrten, um ihren Kranken und Schwachen einen heilenden Trunk aus den aufsteigenden Quellen zu verschaffen, von denen sie glaubten, dass die Götter sie ihnen darböten. An dem herrlichen Mor- gen des 20. September wan- derten wir (lurcli das Städt- chen bis zu dem tlialaufwärts gelegenen Bahnhofe der „Manitou and Pikes Peak Railway", dieser höchsten Zahnradbahn der Welt, deren Vollendung am 20. October 1890 gefeiert wurde. Die am Ostabhange des Feisengebirgcs gelegenen Foothills, welche Manitou umgeben, l)estehen aus archäischem Gneiss; darauf folgen Schichten dos Silurs, Unter-Carbons, der Trias, der Juraformation und der unteren Kreide, alle auf ein kleines Gebiet zusammengedrängt und steil aufgerichtet an dem Fusse einer aus röthlichem Biotit- Granit bestehenden gewaltigen Berggruppe, deren Centruni der 4312 m über dem Meere oder 2389 m über Manitou ge- legene Pikes Peak bildet. Er ist demnach nur 498 m niedriger als der Mont Blanc. Die Länge der bis zum Gipfel führenden Eisenbahnstrecke beträgt 14 285,5 m, die Dev mittlere Steigung g 16, die Maximalsteigung 25 pCt. Weg, welcher in steilen, wasserreichen und schön bewaldeten Thalschluchten aufsteigt, bietet herrliche Punkte von wilder Romantik. Die Baumgrenze rückt hier ausserordentlich hoch hinauf, denn sie wird erst in 3584 m über in ein wildes, welches die haben es hiei nischen Zertrümmerung Figur 4. Gipfel des Pikes Peak oberhalb der Baumgrenze. dem Meere erreicht. Sodann kommt man aus (Iranittrümmern bestehendes Blockmeer, Abbildung (Fig. 4) veranschaulicht. Wir ■ mit einer höchst eigenthümlichen mecha- des Gesteins zu thun, die dadurch zu Stande kommt, dass hier fast in jeder Nacht das in die Klüfte und Sprünge ein- dringende Wasser gefriert und in Folge seiner Ausdehnung das Gesteinsgefüge lockert, so- dass die Blöcke schliesslich in scharfkantige Stücke zer- fallen. Das weithin mit die- sen Trümmern bedeckte Gebiet gewährt ganz den Eindruck der Schutthalde eines grossen Gra- nitsteinbruches, denn die ein- zelnen Bruchstücke sind fast garnicht verwittert und sehen aus, als ob sie soeben frisch geschlagen wären. Bei ober- flächlicher Betrachtung er- scheint das Gebiet über der Baumgrenze fast vegetationslos; sieht man aber genauer auf dem Südabhange an geschützen Stellen angesiedelt hat. In ein kleines Restaurant zu, so bemerkt man namentlich eine herrliche Alpenflora, die sich zwischen diesen Felstrümmern 2V.2 Stunden hatten wir den durch gekrönten Gipfel des Pikes Peak erreicht und wurden dort mit Kaffee und Butterbrot erfrischt. In der kalten, dünnen Luft wollte es mir jedoch gar nicht munden, ich hatte Athmungsbe- scliwerden und eine An- wandlung von Schwindel. Der Rundblick über die gewaltigen, im Sommer fast schneefreien Gebirgsketten der Umgebung- und die weite Ebene im Osten w'ar bei dem klaren Hinunel vor- trefflich. In und Farben Ketten eine tönigkeit. Es Fisiir Die Kathedralenklippe im Göttergarten bei Manitou grünen Matten, malerischen Reiz frau mit dem im hörn und ihrer im Felsengebirge ihren Formen zeigen diese gewisse Ein- fehlen hier die steil emporragenden Felsspitzen , die leuchten- den Firnfelder und Glet scher, sowie auch die welche den Alpen einen so hohen verleihen. Einen Berg wie die Jung- reinsten Weiss erstrahlenden Silber- grossartigen Umgebung sucht Klima vergebens. Das ;'el)ung trockene man ver- hindert hier die Ansammlung von ewigem Schnee, welche eine Hauptbedingung für die ^ Entstehung der Gletscher und für die auf hinreichender Bewässerung beruhende Fruchtbarkeit der Berglehnen und Thalgründe bildet. Die Rückfahrt vom Gipfel des Pikes Peak bis zum Bahn- hofe wurde in l'.j Stunden vollendet. Von hier fuhr ich zu Wagen nach dem 3 englische Meilen nordöstlicii von Manitou gelegenen „Göttergarten", einer wüsten Einöde, Nr. 21. Nalnrwissciiscliaftlielic Wochensclirilt. 253 wo man (ielegeulieit hat, dio wuiulcrbaren Erosioiisfornien des weissen Dakota- und dos rotlien Triassandsteins zu sehen, deren Schichten senkrecht stehen und durch die Kinwirkung von Regen und Wind in pilzartige (Tcstalten, s|iitze, l)is 100 ni holie Säulen, sowie thurni- und kirchen- ähnliche isolirte Felsniassen (siehe die Kathcdralcnklippe Fig. 5) umgewandelt worden sind. Sehr grell ist der Contrast an der sogenannten „Ttorte des Gartens" zwischen den steilen natürlichen Mauern des Hundsandsteins und den schueeweissen Schiciiten des Juragypses und Kreide- kalksteins. In einem Durchblick gründe das gewaltige Haupt des Am Nachmittage bosiciitigte ich wxdciie (^lellc , Anlagen und Soda Spring" umgeben ist. die Badeanstalt , sieht man im Hiuter- Pikes Peak (s. Fig. 6). die kohlensäurehaltige ,'et'asst und von hübschen Dicht daneben liegt das Kurhaus in der koideusäurehaltige warme Bäder verabreicht werden. Der Säuerling besitzt einen sehr angenehmen und erfrischenden Geschmack. Ausser- dem betindct sich hier eine Eisenquelle, welche ebenfalls von den Badegästen getrunken wird. Um die grossen bei Manitou gelegenen Tropfstcinliöhlen zu be- sichtigen, fehlte es leider an Zeit. Der folgende war für die von Denver bestimmt, welches in einer ursprüng- lich vollkommen wüsten, nur durch künstliche Bewässerung cultivirten Ebene an einem Punkte emporgel)lüht ist, wo im Jahre 1859 nur erst ein einziges Haus stand. Jlit Recht hat man die Stadt, welche den Namen des trett'lichen Generals der Union George W. Denver Tag Besichtigung Fisiir B. als „die Königin führt, der Ebene" bezeichnet. Das riesige Anwachsen der Bevölkerung in diesem bedeutenden Handelscen- trum des fernen Westens zeigen nachstehende Zahlen: 1870 = 4730 Einwohner, 18^0 = 35 (328 Einwohner und 1890 = gegen 140 000 Einwohner. Diesen grossen Auf- schwung verdankt die Stadt ihrer Lage unmittelbar vor den Haupteingängen in die Minengebiete der Front-, Park- und Moskitokette der Rocky Mountains. Auf diese Weise hat sich die Stadt zu einem Hauptmarktplatz der Berg- werksproducte, zu einem Centrum der Erzverhüttung und zu einem der wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte des Westens entwickelt. Auf dem Bahnhofe wurden wir bei unserer Ankunft von einem Comite begrüsst, und ich war erfreut, unter den Herren auch den in I)enver ansässigen Mr. J. R. Walter zu sehen, den ich im Winter zuvor in Berlin, wo er sich Studien halber aufhielt, kennen gelernt hatte. Er stellte sich uns für diesen Tag in liebenswürdigster Weise als Fülirer zur Verfügung. Die, wie alle modernen Städte Nordamerikas, sehr regelmässig gebaute Stadt, besitzt sehr schöne ötlentliche und private Gebäude, unter denen namentlich das Capitol, das Araphoe County Court House, das mit reicher Facade versehene Opernhaus, die neue Hochschule und die grossen eleganten Hotels, wie beispiels- weise das einen ganzen Strassenblock einnehmende Hotel „The Albany" hervorgoliohen zu werden verdienen. Die mit vorzüglichen heilen Lehrräumen ausgestattete neue Hochschule, in welcher Knaben und Mädchen gemein- Eingang in den Göttergarten mit dem Gipfel des Pikes Peak im Hintergrunde. schaftlich durch Lehrer und Lehrerinnen einen höhereu Unterricht empfangen, wurde unter der Führung des Directors eingehend besichtigt. Von dem flachen Dache hatten wir einen herrlichen Ueberblick über die ausge- dehnte Stadt und die 16 km entfernte, gewaltige Kette des Fronte Range, die sich von Nord nach Süd in einer Länge von 240 km bis zum Pikes Peak ausdehnt und Gipfel besitzt, die sich mit diesem an Höhe messen können. Daran schliesst sich ein welliges Plateau, welches bei Denver noch die Höhe von 1579 m besitzt und im Osten ganz allmählich nach der grossen Ebene zu abfällt. In den durch das Comite zur Verfügung gestellten Wagen wurde eine Rundfahrt durch die Stadt und das schöne Villenviertel unternommen, in welchem die Strassen meist mit Bäumen Ijeptianzt sind und die im Villenstil erbauten Häuser aus dem Grün der wohlgepÜegten Rasenplätze wirkungsvoll hervortreten. Den Geologen interessirt die Herkunft der schönen und mannigfaltigen Gesteine, welche in Denver zum Bau der Häuser verwandt worden sind. Unsere Führer belehrten uns, dass alle diese Ge- steine im Staate Colorado vorkonnnen, und dass eini- ge in der Nähe der Stadt gebrochen werden. Be- sonders wirkungsvoll sind die rothen Sandsteine der Trias- und Juraformation, die mehrfach beim Villen- bau Verwendung gefunden haben. Auch sieht man vielfach weisse, gelbliche und braune Sandsteine, die entweder der Dakotah- oder der Laramiekreide ange- hören. Die rothen, grob- körnigen und die grauen, feinkörnigen Granite stam- men aus dem Felsenge- birge, während die hellen, gefleckten Ryolithtufte süd- lich von Denver anstehen, wo sie in tertiäre Schichten eingeschaltet sind. Gegen Abend besuchte ich nebst einigen anderen Geologen unter dem Schutze eines kräftigen irischen Policeman das Chinescnviertel. Durch eine Reihe ganz schmaler Gänge und Gässchen drangen wir in das Innere dieses dicht bevölkerten Stadttheiis ein, wo die Chinesen ganz nach den Gewohnheiten ihres Heimathlaudes leben. Wir sahen ihre Werkstätten und Speiseaustalteu, ihre Thee- und Spielhäuser, überall war alles dicht gedrängt voll Menschen in den engen, niedrigen Räumen. In einem Hause sahen wir zwei Opiumraucher, die auf einem Lager ruhten und fast bewegungslos ins Leere starrten, während das ganze Zimmer von dichtem Opiumrauch erfüllt war. Nachdem wir noch in einem chinesischen Waarenhause einige Einkäufe gemacht hatten, wobei uns die beiden Geschäftsinhaber mit verbindlichstem Lächeln die ver- schiedensten Gegenstände anboten, war es inzwischen Abend geworden. Der von den Deutschamerikanern in Denver gegründete Turnverein hatte uns zu Ehren einen Commers veranstaltet, von dem ich jedoch leider nur die uns Deutsche warm begrüssende Eröffnungsrede hörte, da unser Zug noch an diesem Abend die Rückreise antrat. Hier in Denver verabschiedeten wir uns von einem Theile der Reisegesellschaft, welche unter der kundigen Führung des Directors der geologischen Landesuntersuchung der Vereinigten Staaten, Major Powell, von hier aus eine Excursiou nach dem Grand Canon des Colorado unter- 254 Naturwissenschaftliche Wociienschrift. Nr. 21. naliiii, wälirciid wir anderen über Phillipsburg und Kansas City zunächst bis Chicago zurückfuhren. Bei der grossen Hitze, die in unserem Wagen bis auf 35'* C. stieg, war die Fahrt durch die staubigen Prairieu äusserst anstrengend. Am 23. September Mittags trafen wir in Chicago ein und besichtigten dort am Nachmittag unter Führung des Comites der grossen Weltausstellung das am Südufer des Lake Michigan herrlich gelegene Terrain, auf dem die grosse Ausstellung im Jahre 1893 stattgefunden hat. In Chicago löste sich unsere Gesellschaft auf. Ich benutzte den noch übrigen Theil meines Urlaubes zu Excursionen im Glacialgebiete von Wisconsin und reiste dann über Chicago und den Niagara nach Boston, um von dort aus die interessanten (ilacialbildungen von Massachusetts kennen zu lernen. Von Boston aus benutzte ich die Fall River Linie und hatte an Bord des schönen Dampfers „Provi- dence" eine herrliche Fahrt auf dem Long Island Sund bis Newyork. Hierbei kam es mir so recht zum Be- wusstsein, wie angenehm man vielfach in Amerika reist. Ich verliess Boston von der nahe beim United States Hotel gelegenen Station Park Square um 6 Uhr Abends mit dem aus sehr eleganten Pullman- Wagen zusannnengesetzten Eilzuge. In 80 Minuten wurde die Station Fall River erreicht, wo der Dampfer „Providence" zu unserer Auf- nahme bereit lag. Die nordamerikaaischen, für die Fahrt auf Küsten- und Binnengewässern bestimmten, grossen Rad- damjjfer gehören zu den schönsten Fahrzeugen der Welt und übertreffen an Schnelligkeit, Comfort und Eleganz die besten europäischen Dampfer. Einige von ihnen sind im Stande, fiOO — 1000 Kajütenpassagiere bequem auf- zunehmen. In dem höchst elegant ausgestatteten, riesigen Salon im Innern des Dampfers „Providence" wurde uns die Zeit bis zum Schlafengehen durch ein sehr schönes Instrumentalconcert verkürzt, dessen Programm in dem täglich erscheinenden Fall River Line Journal abgedruckt ist und jedem Passagier unentgeltlich üi)erreiclit wird. Da man auf dem vor der Brandung des Oceans ge- schützten Long Island Sund die Bewegung des Schiffes kaum wahrnimmt, so schläft es sich in der Cajüte ganz vortrefflicii und wenn man des Morgens erwacht, ist New-York in wenigen Stunden erreicht. Von hier trat ich am 7. Oetober bei trübem, regnerischem Wetter mit dem Dampfer des norddeutschen Lloyd „Kaiser Wilhelm II." die Rückreise an und traf nach einer glücklichen Falu't über deu stark bewegten Ucean am 17. Oetober wohl- behalten in Nordenham ein, sehr befriedigt von dem zwar kurzen, aber doch ausserordentlich inhaltreiehen Aufenthalt iu dem neuen Welttheil. Carl Vogt ■]■. — Um die Mitte dieses Jahrhunderts hat es in Deutschland kaum einen volksthümlicheren Natur- forscher gegeben als Carl Vogt, und mag man über Vogt's eigene Forseherthätigkeit denken, wie man will, man muss gestehen, dass er einer der Ersten war, welche die Naturwissenschaften in Deutschland populär gemacht haben. Vogt besass ein ausserordentliches Geschick, wissenschaftliche Fragen allgemeinverständlich darzu- stellen, und bis in seine letzten Tage ist er nicht müde geworden, iu Wort und Schrift die Wissenschaft ins Volk zu tragen. Ich weiss wohl, dass manche zünftigen Ge- lehrten eine solche Thätigkeit sehr geringschätzend beurtheilen; aber sie übersehen dabei, dass sie mit einer otfeii ausgesijrochenen Kritik dieser Art den Ast absägen würden, auf dem sie sitzen. In unserer Zeit will die Oefl'cntlichkeit unterrichtet sein, was in deu Werkstätten der Wissenschaft, für deren Arbeiten sie die Mittel hergiebt, zu Tage gefördert wird und die Wissenschaft kann nur Vortheile davon haben, wenn ihre Errungenschaften All- gemeingut der Gesellschaft werden. Auf Irrwege wird die öffentliche Meinung nur geführt, wenn die Männer der Wissenschaft mit halb fertigen Beobachtungen hervortreten und Hoffnungen und Anschauungen wachrufen, die sie lieber in ihrem eigenen Innern noch hätten schlummern lassen sollen. Nun, dieser Vorwurf gerade trifft allerdings auch Carl Vogt theilweis. Er war ein Feuerkopf, dessen lebhafte Phantasie ihn oft Sprünge in der Logik begehen Hess. Zu Gunsten einer von ihm aufgestellten Theorie scheute er sieh nicht, den Boden der Thatsachen zu ver- lassen. Er behandelte Fragen der Naturforschung zuweilen mit dichterischer Freiheit. Dennoch gehören seine natur- wissenschaftlichen Schriften zweifellos zu deu gehalt- vollsten, welche wir aufzuweisen hal)en: sie sprühen von Geist und Witz, sind fliessend geschrieben, lehrreich und anregend zugleich. Manchen Leser freilich mag der polemische Ton und die beissende Satyre, mit der sie geschrieben sind, nicht in rechtem Verhältniss zu der Würde der Wissenschaft stehen. Wie köstlich aber sind trotz alledem seine „Untersuchungen üljcr Thierstaaten", iu denen er unter dem Eindruck des tollen .labres (1848) die Mängel der menschlichen Gesellschaft und ihrer Organisation scharf geisselte. Wenn auch der wissen- schaftliche Werth dieser und zahlreicher ähnlicher Schriften Vogt's nicht bedeutend ist, wir würden sie den- noch nur imgern in der Literatur der ersten Entwicklungs- zeit der modernen Naturforschung missen. Gar viele ha])cn es Vogt — und nicht mit Unrecht — zum Vorwurf gemacht, dass er die Wissenschaft mit der Politik in fast unleidlicher Weise verquickt hat. Bei Beurtheilung dieser Thatsache muss man aber die Zeit- verhältnisse wohl in Betracht ziehen; sie reizten damals unwiderstehlich dazu und sind eine hinlängliche Entschuldi- gung. Sehen wir doch in den fünfziger Jahren ausser Vogt noch eine nicht geringe Zahl der namhaftesten Gelehrten unter den politisch Verfolgten! Unsere Hoch- achtung für den Charakter dieser Männer muss durch diese Zeichen von Opferfreudigkeit für ihre Ideen und Ideale nur sieh steigern. Eine solche unerschrockene Natur war auch Carl Vogt. Er hatte eine untilgbare Kampfeslust und ist in seinem langen Leben in zahllose literarische Fehden verwickelt gewesen. Die heftigste, die eine kulturhistorische Bedeutung hat, war diejenige mit Rudolf Wagner in Göttingen. Wagner, der Verfasser des berühmten „Handlnich der Physiologie", ein ausge- zeichneter Anatom und Piiysiologe, hatte stark pietistische Neigungen und erhob in i)opulären Briefen, die er in der Augsburger Allgemeinen Zeitung veröffentlichte, von diesem Gesichtspunkte aus Einsprache gegen die radicale Anschauung ^'ogt's von den Beziehungen zwischen Gehirn und Seelenthätigkeit. Darüber erhob sich nun eine Polemik zwischen Vogt und Wagner, welche das Interesse der ganzen gebildeten Welt gefangen hielt. Denn Vogt kämpfte um die Anerkennung des Materialismus, den er mit Ludwig Feuerbaeh, Jacob Moleschott und Ludwig- Büchner neu zu ijcgründen versuchte. Der Erfolg war überraschend. Aus allen Ecken tönte die Lehre von der Wesenseinheit von Kraft und Stoff' wieder. Vogt's Schrift „Köhlerglaube und Wissenschaft" war in fünf Auflagen sehneil vergriffen. Dort findet sich der berühmte Vergleich der (bedanken als Sccrctionsproduct des Gehirns mit der Galle als Absonderung der Leber und dem Harn als Seerct der Nieren. Jahrzehnte hintlurch habeu materialistische An- Nr. 21. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 255 schiuuuijj;eii dieser Art nicht nur in den Küiifen vieler naturwissenschafthch (icl)ildeter, sdndern auch der i;r().sscn Menge f^espukt. Diese l'iiilosopliie fand in den EriTchnissen der Naturtorseiiunj;' keine ausreichende Stütze und war von waiwer Naturi>hil()sopiiic, als welciic sie sich gern au.sgai), weit entfernt. Alle ernsten Forscher haben sieh deshalb auch bahl aus dem Bannkreise der Vdgt'schcn Weltanseliauuni;- losgeniaelit. und der .Malerialisnnis in der Naturwisseiiscliai't hat heute fast nur noch historische Ik'ilentun^-. Die Sucht Vojft's, ühertriehcne Schlussfolgerungen ans den wissenschaftlichen Thatsaclien zu ziciicn, trat auch auf einem anderen (Jebietc hcrvin-, das er sehr cifriir iicptlcgt iiat: dem Darwinisnms. Er war einer der entschiedensten Anhänger des grossen Engländers und glaubte sie durch die Entdeckung des „Atfenmenscben" gekrönt zu halien. Vogt brachte ein sehr umfangreiches Studienmaterial bei zuni Beweise seiner Beiiauptung, dass in dem „Mikro- eeplialen" das Zwisciienglicd /.wischen Menschen und Arten gefunden sei. Es ist Virchow's Verdienst, diese bestechende Theorie als unrichtig erwiesen zu haben, dadurch, dass er die Mikrocei)lialen als pathologische Geschöi)fe unzweifelhaft gemacht hat. Die Aft'enabstam- niung des Menschen ist zwar durcii Vogt sehr populär geworden, aber ein Phantasiegebilde geblieben. Höher ni ilncni Werthc für den Fortschritt wissenschaftlicher Erkenntniss sind Vogt's einzelne Arbeiten zur menschlichen Urgcsciiichte zu schätzen. Um die Entwickelung der Anthropologie als Wissenschaft hat er sich unzweifelhaft N'erdienste erworben. Er war einer der Begründer der Deutschen Antin-opologischen Gesellschaft (1SG9 auf der Naturforscherversannnlung in Innsbruck) und hat das Interesse weiter Kreise für die Wissenschaft vom Menschen wachgerufen. Vogt war eine vielseitige, aber nicht tief angelegte Natur. Er hat im Laufe seines Lebens seine Arbeits- kraft nie dauernd auf ein Gebiet concentrirt und darum auch keine einzige fundamentale neue Beobachtung zu Tage gefördert. Die Physiologie, Zoologie, die ver- gleichende Anatomie und die Geologie hat abwechselnd sein Interesse gefesselt. Am fruchtbarsten war seine Thätigkeit immerhin noch auf letzterem Gebiete. Er hat in jungen Jahren dazu den Grund gelegt. Carl Vogt, 1817 in Giessen geboren, war 1834 mit seinem Vater, einem Professor der Medizin, nach licrn übersiedelte, wo er anfangs unter Valentin's Leitung physiologischen Studien (djlag. Da führte ihn ein glücklicher Zufall zu Agassiz, der damals mitten am Aargletseher in einer Höhe von 8000 Fuss eine Beobachtungsstation errichtet hatte, die den Namen „Hotel de Neuchätel" oder „Hotel de Glace" eine europäische Berühmtheit erlangte. Vogt wurde gleichzeitig mit Dcsor Agassiz' Mitarbeiter und hat einen hervorragenden Antheil an den ,dort entstandenen, später von Agassiz verötl'cntlicbten „Etudes sur les gla- eiers", die zur Entdeckung einer eigenen Glacialperiode fährten. Als eigene Früchte dieser mehrjährigen Studien konnte Vogt das ..Lehrbuch der Geologie und Petre- factenkunde", sowie die populäre Schrift, „im Gebirg' und auf den Gletschern'- erscheinen lassen. Später gab er auch noch einen „Grundriss der Geologie" heraus, für welches Lehrfach er 1852 als ordentlicher Professor an die Universität Genf berufen wurde. Hier lehrte er später auch Zoologie, in die er gleichfalls von Agassiz eingeführt worden war. Er hatte einen Antheil an dessen grossen Werken über die fossilen Fische, sowie über die Flussvvasscrtiscbe des nnttleren Europas. Seine erste eigene zoologisclie Veröflentliclunig aus jener Lehrzeit betraf die „Entwickelungsgeschichte der Geburtshelfer- kröte". Seine späteren zoologischen Schriften waren grösstcntheils ])opulär gefastst. Das in den obigen Zeilen entwickelte Bild von dem Leben und Wirken Carl Vogt's dürfte erkennen lassen, dass er nicht zu den führenden Geistern in der modernen Naturforschung gciiörtc, die ihr neue Bahnen eröfl'net haben. Aber dennoch hat die Naturforschung allen An- lass, seiner dankbar zu gedenken, weil er ihr dazu ver- holfen hat, jenen Einiluss auf das (irt'entliche Leben zu gewinnen, welche der Kultur des neunzehnten Jahrhunderts den Stempel aufgedrückt hat. A. lieber den Schutz vor Infectionsgefalir. — Der Frühling und der Herbst sind diejenigen Jahreszeiten, in welchen durchselndttlich die meisten Erkältungen und Erkältungskrankheiten vorzukommen ptlegen. Der Theo- retiker, der die Mcdicin mehr vom Standpunkt der exacten Naturwissenschaften aus betrachtet und behandeln möchte, will allerdings von dem Begriff der Erkältung, der arg missbraucht wird und mit dem sich keine rechte positive Vorstellung verbinden lässt, nicht viel wissen. Der Volksmund hält aber daran fest und ebenso der er- fahrene Arzt. Auch dieser koniiat oft in die Lage, die thatsächliche Existenz von Erkältungskrankheiten anzuer- kennen, und wartet eine eventuelle präcisere, wissen- schaftliche Erklärung derartiger Fälle ab. Für eine Gruppe von Krankheiten, die Infectionskrankheiten, unter deren Ursachen früher mit Vorliebe die Erkältung ge- nannt wurde, ist diese bessere Erklärung bereits erbracht, und zwar durch die Auffindung der pathogenen Bacterien. Freilich ist dabei noch nicht ausgemacht, ob nicht etwa eine Erkältung die Disposition zu der Erkrankung schaffen oder steigern kann. Wenn also früher zum Schutze gegen Infections- gefahr empfohlen wurde, sich vor Erkältungen zu hüten, so ist heute das Hauptgewicht der Prophylaxe darauf zu legen, das Eindringen von Krankheitskeimen in unseren Körper zu hindern. Bacterien können nun — das gilt als Grundsatz — durch ein intaktes Integunient hindurch nicht in die Ge- webe gelangen. AVenn wir also alle Verletzungen unserer Haut möglichst vermeiden oder dieselben aseptisch decken, so werden wir einen erheblichen Schutz dadurch gegen allerlei Entzündungen und Eiterungen, Phlegmonen, Fu- runkel, Carbunkel, Rose und dergleichen gewannen. Aeusserst kleine Verletzungen der Haut und der viel empfindlicheren Schleimhäute der Lippen, des Mundes, der Nase, der Genitalien entgehen dabei allerdings leicht auch geschärfter Beobachtung. Von vorne herein un- möglich ist natürlich eine ControUe der Schleimhaut des Verdauungskanals, der Luftwege, der Höhlen des Ge- sichtsschädels. Das Epithel der Luftwege ist mikroskopischen Ver- letzungen in hohem Grade ausgesetzt. Das Gewebe der Lunge ist an und für sich hell-ziegelroth. Während wir aber diese Farbe bei Lungen von Kindern und Thieren antreffen, ergeben die Sektionen älterer Personen schwarz pigmentirte Lungen. Est steht jetzt fest, dass dieses schwarze Pigment wenigstens zum grössten Theil aus eingeathmeter Kohle besteht. Die mikroskopischen Kohlcnsplitter dringen durcli das Epithel in das Lungen- gewebe selbst und gerathen weiter in die Lymphbahnen und Lymphdrüsen. Wie die Kohle, so dringen natürlich auch andere Staubsorten in die Lungen, und man spricht daher ausser von einer Kohlenlunge (Anthracosis) auch von einer Stcinhauerlunge (Ghalicosis) und von einer Eisenlungc (Sidcrosis). Die Steinlungen beobachtet man bei Arbeitern in den Stampfwerken der Glasfabriken, bei 256 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 21. Miihlsteinbehauern, Steinschleifern, Steinklopfern, Pflaste- rern, Porzellauarbeitcrn, Maurern, Schieferbrueharbeitern, Töpfern, u. a. Metalistaubhnigen kommen vor bei Feileu- haueru, Eisenarbeitern, Spiegelpolierern und vor allem auch bei den Schleifern, vcelche ein Gemisch von Stein- staub und Eisenstaub einathmeu. Wenn man nun be- denkt, welche Mengen von Mikroorganismen jede Art von Staub beherbergen kann und insbesondere der Strassenstaub wohl immer eutiiiilt, so wird klar, welche Infectionsgefahr mit der Staubinhalation verbunden ist. Dem entspricht, dass in Staublungen mit so grosser Vor- liebe Tuberkulose zur Entwickcluug kommt. Unser Körper besitzt nun hiergegen zwei Schutzvorrichtungen, die Schleiraabsondcrung und die Thätigkeit der Flimmer- epithclien des Respirationstraktus. Die Cylinderzellen des Flimmerepithels besitzen bekanntlich an ihrer Oberfläche feine Härchen, die während des Lebens in lebiiafter von innen nach aussen gerichteter schwingender Bewegung begriffen und dadurch kleine Partikelchen wieder nach aussen zu befördern im Stande sind. Die Staub aufl'angende Wirkung des Schleimes ist ohne weiteres klar: beides zusammen hält einen Theil des Staubes von den tieferen Luftwegen ab. Alles kann jedoch nicht unter allen Um- ständen bewältigt werden, und es müssen daher gelegent- lich dem natürlichen Schutz nocli besondere Maassregeln zur Hülfe kommen. Die Gewerbehygiene betrachtet es als eine ihrer wichtigsten Aufgaben, die hauptsächlich gefährdeten Arbeiter durch Staubfang- Vorrichtungen, durch die Verfügung, Respiratoren zu tragen, u. a. m. zu schützen. Wer kein Staub erzeugendes Gewerbe betreibt, wird in nicht zu staubiger Luft damit auskommen, mit geschlossenem Munde durch die Nase zu athmen. Wie vortreft'lich die Nase als Staubfänger wirken kann, davon überzeugt uns ja öfter unser Taschentuch nach einem längeren Aufenthalt in rauchiger Luft. Eine Art von Achillesferse in Bezug auf Infections- gefahr sind die Rachentonsillen oder Mandeln. Mit je grösseren Mandeln jemand behaftet ist, um so leichter und öfter schwellen sie an. Während aber das sehr dehnbare Gewebe schwillt, vermag das weniger elastische Epithel sich nicht entsprechend mit auszudehnen, und be- kommt Risse. Jeder diesei-, wenn auch noch so kleinen Risse bietet aber eine Eingangspforte für Bacterien — und wie gross ist nicht die Zahl derselben, die mit dem Luftstrom oder mit den Speisen die Mandeln passieren. Häufig genug sind solclie Fälle, wo nach der Termi- nologie des Laien der Halscatarrh „nach innen schlägt", und über die Disposition von Kindern mit grossen Mandeln, an Dii)htheritis zu erkranken, braucht kein Wort verloren zu werden. Man darf demnach wohl behaupten, dass Eltern, die ihren Kindern aus Furcht vor der höchst unschuldigen Operation übergrosse Mandeln nicht herausnehmen lassen, das Leben derselben fahrlässig aufs Spiel setzen. Um den Verdauungskanal vor den von ihm aus pa- thogen wirkenden Bacterien zu schützen, haben wir kein anderes Mittel, als die Sterilisiition der Speisen und die Reinhaltung des Mundes, der Lippen und des Bartes. Letzterer Pimkt verdient in Epidemiezeiten noch weit mehr Beachtung, als ihm gewöhnlich zu Theil wird. Denn alles Sterilisiren der Nahrungsmittel bleibt natürlich zwecklos, wenn die Lippen und Zähne viel mit den un- desinficirten Fingern in Berührung konnnen. Es ist nicht nui' vom ästhetischen, sondern auch vom hygienischen Stand- punkt aus sehr wichtig, dass man schon als Kind lernt, jede überflüssige Berührung des Mundes, der Nase und auch der Augeuschleimhaut mit den Fingern zu vermeiden. Zur Reinigung des Mundes empfiehlt sich in Epidemiezeiten am meisten einfaches Ausspülen mit sorgfältig abgekochtem Wasser, das in einem ausgekochten Glase gereicht wird. Die abgesehen von der Cholera wichtigste Lifections- krankheit, die vom Darm ihren Ausgangspunkt nimmt, ist der Typhus. Der Typhnsbacillus gelangt durch die Finger oder mit den Speisen, am häufigsten aber mit dem Trinkwasser in unseren Körper. Wasser aus Pumjjen in der Nähe von Abortgruben, überhaujit von Höfen, sind immer mehr oder weniger bedenklich; dasselbe gilt aber auch von dem Wasserschlucken beim Baden in Flüssen, welche städtische Abwässer aufnehmen. Durcli die Auf- klärung des Publikums über die verschiedenen Möglich- keiten der Ansteckung und durch gesetzliche Verfügungen wird die Häufigkeit der Infectionen wohl bedeutend ein- geschränkt, aber niemals ganz beseitigt werden können. Dazu wäre, wie schon angedeutet, tagtäglich die gründ- lichste Sterilisation alles dessen, was wir genicssen, nöthig — und eine solche Maassregel ist höchstens für kurze Zeit durchführbar, oder in beschränktem Umfang, wie es bei der Soxhletisirung der Säuglingsnahrung der Fall ist. Letztere kann man für den Schutz des künstlich ge- nährten Säuglings gegen Infectionsgefahr nicht mehr ent- behren. Leider wird ja bei dem Melken und beim Auf- bewahren der Milch noch lange nicht allgemein genug eine solche Sauberkeit beobachtet, wie sie der Wichtigkeit der Milch als Nahrungsmittel entspricht. Zudem ist die Milch ein vorzüglicher Nährboden für Mikroorganismen. Demgemäss führt besonders in der heissen Zeit die Er- nährung des Säuglings mit Kuhmilch äusserst leicht Magen- und Darmerkrankungen herbei. Schon das ein- fache Aufkochen der Milch, noch viel mehr aber die regelrechte Sterilisirung nach dem bekannten Verfahren von Soxhiet haben die Sterblichkeitsziffer der Säuglinge erheblich herabgesetzt: ein erfreulicher Beweis für den Fortschritt der Medicin in ihrem Bestreben, Krankheiten nicht sowohl zu heilen als vielmehr zu verhüten. Dr. Karl L. Schaefer. Die Plaiiktonstiulieu P o u c h e t 's[sind bereits mehrfach in der „Naturvv.Wochenschr." berührt worden, vgl.VlH. Bd., S. 161 und 286. Das Plankton des nördlichen Eismeeres behandelt er in den „C. d. Acad., Paris", tom. 116, S. 130 3. Es war wesentlich vegetativ und bestand aus Collozouni grönlandicum Pouchet, Tetraspora Poucheti Ilariot und Diatomeen, besonders Chaetoceras Thalassionema bildete schleimige, rundliehe Klumpen von 85 — 145 fi Grösse, in denen sich Ketten der Einzeldiatomeen fanden. Sodann untersuchte Pouchet (s. cb. S. 1207) die nörd- liche von Gletscherströmen gespeiste Süsswasserlagune Jan Mayens. Sie enthielt eine Conferve, Siphoneenreste, schleimige C!ysten eines Gymnodiniums {?), von Infusorien Paramacien-, Actinophrus-ähnliche Thiere, Dinobryon Scotularia, einige Rotiferen, je eine Art Macrobotus, Anguillula und einen Copepoden. Grosse Mengen von Salzstaub in der Atmosphäre sind nach einer Mittheilung in vSymon's „Monthly Meteoro- logical Magazine" (Januarnummer) bei dem gewaltigen Sturm am 22. December 1894 tief im Innern Englands beobachtet worden. Selbst in Birmingham, 55 englische Meilen vom Bristol-Canal und fast 100 Meilen von der Cardiganbai entfernt, wurden noch Pflanzen, ja selbst Fenster von einer Salzkruste überzogen. Das Salz stammte von den in der Luft zerstäubenden Wellen der Meeres- brandung und war vom Sturm bis in diese Gegenden mitgerissen worden. Eine Ergänzung zu dieser Notiz bildet ein in den „Aunalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie" Nr. 21 Naturwisscnscliaftlichc WochcuschriCt. 257 (Aprilnuninier) in einem Aufsatz des Herrn W. Koppen über den ,,Stnrm vom 22. December 1894" mitgetheilter Brief eines Herrn Prof. Dr. Ö. Miig:g-e in Münster. Der i^enaimte Herr tlieilt darin der deutseben Seewarte mit, dass er am Morgen des 23. December die P"'ensterscheiben von einer weisslicben Masse überzogen gefunden habe, welehe er als einen Salzrückstand der in der Nacht ge- fallenen Kegentropfen erkannt habe, und welche natürlich denselben Ursprung hatte, wie die in England beobachteten Salzkrusten. Der Münster zunächstliegende Theil des Meeres, die Küste der Zuyder-See, ist nicht weniger als 135 km entfernt. H. Ueber die Beobachtung einer selir grossen Wolken- höhe macht Prof. Hildebrandson in üpsala Mittheilung in der Fcbruarnummer der „Meteorologischen Zeitschrift". Am 24. Noveml)er 1894 beobachtete er gemeinschaftlich mit seinem Assistenten Westman nach 47o'" p. m. bei sonst ganz wolkenlosem Himmel zwischen den Stern- bildern Cassiopeia und Perseus, etwa 5° von £ Cassiopeiae entfernt, eine helllenchtende Wolke, die mehrere Grade lang und etwa einen halben Grad breit war. Sie erstreckte sich von WSW. nach ENE. nnd stand längere Zeit un- beweglich still, bis sie um 4'' 54' Ortszeit ganz plötzlich verschwunden war. Man muss deshalb annebnien, dass ihr Glanz von der Beleuchtung durch die bereits unter- gegangene Sonne herrührt. Der Director der astronomischen Sternwarte in üpsala, Duner, berechnete nach Mohn'schen Formeln die Höhe der Wolke zu nicht weniger als 138 km über dem Erdboden und stellte fest, dass sie sich fast senkrecht ül)cr den im Nordosten von üpsala an der Küste liegenden Städtchen Oeregrund befunden haben musste. Hilde- brandson erinnert daran, dass eine andere von Mohn am 19. December 1892 über der Nordsee beobachtete Wolke in fast gleicher Höhe (132 km) geschwebt habe. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass man es hier wieder mit der Beobachtung einer der „leuchtenden Wolken" (Jesse) zu thun hat, welche bekanntlich von der grossen Krakatoa - Katastrophe am 26./27. August 1883 herrühren. Die gewaltige Höhe aber ist beachtenswerth. H. Die mechanische Kraft eines Blitzstrahls wird wieder einmal sehr deutlich illustrirt durch eine von Prof. Hoppe im „Archiv für Post nnd Telegraphie" gemachte .Mittheilung. Bei einem Gewitter in Klausthal im Harz traf ein in ein Wohnhaus einschlagender Blitz eine höl- zerne Säule, in deren Kopf zwei l3rahtnägel von 4 mm Durchmesser abgesehmolzen wurden. Eine solche Schmel- zung lässt sich durch kein Schmiedefeuer hervorrufen, sie gelingt erst, wenn ein elektrischer Strom mit einer Strom- stärke von 200 Ampere und 20 000 Volt Spannung an- gewandt wird. Wenn man annimmt, die Wirkung des Blitzes habe 1 Sekunde gedauert, so hat der Wetterstrahl 5000 Pferdekräfte entfaltet, macht man aber die weit wahrscheinlichere Annahme, der Blitz habe nur \i(, Se- cunde gedauert, so kam ihm eine Kraft von nicht weniger als 50 000 Pferdekräften zu. H^ Einwirliung einer hohen Temperatur auf die Metalloxyde. — Henri Moissan bringt vermittelst der Hitze seines elektrischen Ofens Erscheinungen hervor, an die wir bisher nicht zu denken wagten. So ist ihm die Verflüchtigung von Oxyden gelungen, die bisher als be- sonders feuerbeständig galten. Kalk besitzt bereits bei einer Temperatur wenig oberhalb 2000° eine derartige Dampfspannung, dass er eine ausgiebige Krystallisation liefert. Bei weiterem Steigen der Temperatur schmilzt er und erstarrt dann beim Erkalten zu einer krystallinischen Masse. Steigt die Temperatur noch weiter, so konmit er zum Sieden und destillirt „mit Leichtigkeit" über. Baryt und Strontian zeigen diese Erscheinungen bei noch niedrigerer Temperatur. Magnesia schmilzt und verdampft schwerer, liefert aber bereits unterhalb des Schmelzpunktes Dämpfe, welche sieh zu glänzenden Krystallen verdichten. Weit leichter flüchtig ist Thonerde. Borsäure, Titanoxyd und Zinkoxyd werden rasch verflüchtigt, Kupferoxyd dissociirt in Sauerstoff und Kupfer; letzteres destillirt über. Die Oxyde der Metalle der Eisengruppe erwiesen sich aucli in der Hitze des elektrischen Ofens beständig, doch liefern sie bei genügender Steigerung der Temperatur geschmolzene, mit Krystallen besäete Massen. (Ann. chim. phys. 4,136) ' Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurdun: üer ordentlielio Proteasor ilür Chcniio in Halle Jakob Volhard zum Geh. Ilegierung.sratli; der Privat- docent der Zoologie in Berlin Dr. Ferdinand Karsch zum ausserordentlichen Professor; der Hilfsarbeiter am kgl. geodätischen Institut zu Potsdam Dr. Anton Boersch zum Professor, ebenso der Kustos an d. zoologischen Sammlung des Museums für Natur- kunde zu Berlin Dr. Anton Reichenow; der Docent für technische Mechanik an der technischen Hochschule in Charlotten- burg Dr. Wehage zum ausserordentlichen Professor; der ausser- ordentliche Professor für Hygiene in Marburg Professor Emil Behring zum ordentlichen Professor; der Privatdocent für Ma- thematik in Krakau Dr. Zorawski zum ausserordentlichen Pro- fessor; Dr. med. Rene du Bois-Reymond zum Assistenten an der experimentellen Abtheilung des Physiologischen Instituts; Dr. N. V. Ussing zum Professor für Mineralogie in Kopenhagen als Nachfolger des Professors Johnstrup. Berufen wurden: Der Chirurg Dr. Schede am Kraukenhaus in Hamburg als Professor nach Leipzig. Es habilitirten sich: Dr. Schultze aus Mors an der medi- ciuischen Facultät zu Bonn; Dr. Haasler an der med. Fakultät zu Halle; Dr. Urtner für interne Medicin und Dr. Rethi für Laryngologie und Rhinologie in Wien; Dr. Celakowsky jun. für Anatomie und Physiologie der Pflanzen an der böhmischen technischen Hochschule zu Prag; Dr. Rosner für Geburtshilfe und Gynäkologie in Krakau; Dr. Hans Kreis für Chemie in Basel; Joh. E. Geyers für Zahnheilkunde in Amsterdam. Es starben: Der verdiente Hygieniker und medicinische Berather des britischen Localverwaltungamtes Sir George Buchanan in London; der ausserordentliche Professor der Physik Elsas in Marburg; der Doeent für Traumatologie in Neapel Francesco Petronio; der ausserordentliche Professor für pharmaceutische Chemie und Director des betreffenden Labo- ratoriums in Palermo Francesco Dotto Scribani; der ordent- liche Professor für theoretische Philosophie in Rom Luigi Ferri. Ferien-Lehrer-Curse in Jena. — Die Curse A und B beginnen Montag, den ö. August und enden am 17. Aug. 1895. Die natur- wissenschaftlichen Curse sind für akademisch gebildete Lehrer und für Lehrer an Seminaren (nicht für Volksschullehrer) bemessen. Auch Ausländern ist die Theilnahme an den naturwissenschaft- liehen Cursen gestattet. Es werden die folgenden Curse abge- halten werden: A. Naturwissenschaften. L Grundbegriffe der Naturlehre vom heutigen Standpunkte aus (Raum, Zeit, Masse, Kraft, Energie, Entropie u.s.w.: Prof. Dr. Auerbach. 2. Ueber Bau und Leben der Pflanzen unter Vorführung von pflanzen- physiologischen Experimenten, die für den Schulunterricht wichtig sind: Prof. Dr. Dctmer. 3. Anleitung zu botanisch - mikrosko- pischen Arbeiten und pflanzenphysiologischen Experimenten: Prof. Dr. Detmer. 4. Anleitung zu physikalischen Experimenten: Prof. Dr. Schaeffer. 5. Moderne physikalische Demonstrationen: Prof. Dr. Auerbach. 6. Zeit- und Ortsbestimmung mit prak- tischen Uebungen auf der Sternwarte: Dr. Knopf. 7. Demon- stration elektrischer und magnetischer Messungen: Dr. S trau bei. 8. Anleitung zu anatomischen Arbeiten mit besondeier Berück- sichtigung der Wirbelthiere: Dr. Drüner. 9. Anleitung zu Unter- suchungen mit Spectral- und Polarisationsapparaten: Dr. Gänge. 10. Uebungen im Glasblasen: Glasbläser Haak. B. Hygiene, Psychologie, Pädagogik. (Diese Curse sind für In- und Ausländer bestimmt.) \. Schulhygiene: Hofrath Prof. Dr. Gärtner. 2. Physiologische Psychologie: Prof. Dr. Ziehen. 3. Pädagogik: Grundzüge der Lehre vom erziehenden 258 Naturwisscnscliaftlichc VVoclicnschrift. Nr. 21. Unterricht nach ihren ethischen nnd psychologischen Voraus- setzungen: Prof Dr. Rein. C. Spracheurse, Litteratur, Geschichte. I. Elemen- tarcursus in der deutschen Spraclie für Ausländer: Rector Scholz. (Vom 5.-25. Aug.) 11. Sprach- und Litteraturcursus für Fort- geschrittenere: Dr. Rausch. (Vom 5. — 25. Aug.) III. Staaten- geschichte im 18. und 19. Jahrhundert: Prof Dr. Brückner. An den Vorlesungen in Gruppe A und B Nr. 1 können nur Herren theilnehmen. Dagegen ist die Betheiligung von Damen an den Cnreen B2 und 3 und C 1 — 3 willkommen. Anmeldungen nehmen entgegen und nähere Auskunft ortheilen Prof Detmer und Prof. Rein. Verein zur Förderung des Unterrichts in der Mathematik und in den Naturwissenschaften. — Nach Beschluss der vor- jährigen Hauptversammlung des Vereins in Wiesbaden findet die diesjährige Hauptversammlung zu Pfingsten d. .1. in Göttingen statt, zu der die Mitglieder hierdurcli eingeladen werden. Die Tagesordnung für die Versammlung ist folgende. Montag, 3. Juni, Abends 8 Uhr: Zwangloses Beisammen- sein der Theilnehmer im Stadtpark. Dienstag, i. Juni, Vorm. 1) Uhr: Erste allgemeine Sitzung in der Aula des Gymnasiums. Eröffnung und Begrüssung. An- sprache des Gymnasialdirectors Prof. Dr. Viertel. {Vortrag des Univ.-Prof. Dr. F. Klein: Der mathematische Unterricht an den Universitäten mit besonderem Hinblick auf die Bedürfnisse der Lehramtskandidaten. Vorm. 11 — I Uhr und Nachm. 3 — 6 Uhr: Sitzungen der Fachabtheilungen im Gymnasium. Abends 7 Uhr: Festessen in der Union, Couvert zu 2,50 M. Mittwoch, 5. Juni, Vorm. 9 Uhr: Zweite allgemeine Sitzung in der Aula des Gymnasiums. Vortrag des Geh. Raths Prof. Dr. Baumann: Ueber die Bedeutung der Naturwissen- schaften für eine wissenschaftliche Lebensauffassung, ^'orm. 11 Uhr: Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten und zwar: Kassenbericht. Auslosung und Wahl von 3 Vorstandsmitgliedern. Antrag des Vereinsvorstandes auf Gründung eines eigenen Vereins- oi-gans. Desgl. auf Aenderung des § 4 der Satzungen dahin, dass das Rechnungsjahr mit dem Kalenderjahr in Uebereinstimmung gebracht wird. Desgl. auf Aenderung des § 5 der Satzungen hinsichtlich der Einziehung der Mitgliederbeiti-äge. Sonstige die Vereinsthätigkeit betreffende Anträge. Sonstige geschäftliche Mit- theilungen. Nachm. 3 Uhr: Wahlweise Besichtigung der mathematischen und naturwissenschaftlichen Universitätsinstitute. Näheres wird bei Beginn der Versammlung mitgetheilt werden. Abends 8 Uhr: Zwangloses Beisammensein im Stadtpark. Donnerstag, 6. Juni: Ausflug nach Mariaspring und der Plesse mit dem Zug 11 Uhr 4 Min. Mittagessen in Mariaspring. Für die Sitzungen der Fachabtheilungen sind bis jetzt folgende Vorträge angemeldet : 1. Obl. Schülke (Osterode in Ostp.): Genügen vierstellige Logarithmen für Gymnasien V 2. Obl. Dr. Schotten (Schmalkalden): Elementare Bewegungs- lehre. 3. Director Prof. Dr. Schwalbe (Berlin): Ueber die Meteoro- logie auf der Schule. 4. Bericht der Commission über die Sammlungen von physi- kalischen Lehrmitteln an höheren Schulen. (Berichterstatter Director Prof. Dr. Schwalbe, Berlin.) 5. Demonstration der naturwissenschaftlichen Lehrmittel- sammlung des Gymnasiums durch Professor Frenkel (Göttingen). In Verbindung mit der Hauptversammlung wird das natur- historische Institut „Linnaea", Berlin (Dr. Aug. Müller) eine Aus- stellung von Lehrmitteln veranstalten. Empfehlenswerthe Hotels für die Festtheilnehmer sind: Hotel zur Krone (Zimmer mit Frühstück 3—3,75 Mk ). Hotel Gebhard (3,50—4,50 Mk.). Hotel Englischer Hof (1,75—2 Mk.). Hotel Royal. Hotel zum Deutschen Haus. Hotel Hofjäger. Ausserdem sind wegen der Pfingstferien zahlreiche Studentenwohnungen zu haben; Anmeldungen für dieselben bitten wir vorher an Herrn Pedell Mankel, Jüdenstrasse 11, zu richten. Zugleich werden alle Freunde der Vereinsbestrebungen ein- geladen, dem Verein beizutreten. Anmeldungen in Verbindung mit dem Jahresbeitrag von 3 Mk. nimmt der Schatzmeister des Vereins, Prof. Pietzker in Nordhausen, entgegen. Durch Verfügung Sr. Exe. des Herrn Unterrichtsministers vom ;3. Mai sind die Königlich Preussischen Provinzial-Schul- Collegien veranlasst worden, auch über die Ferienzeit hinaus Urlaub für die Versammlung zu bewilligen. Göttingen, im Mai 1895. Der Hauptvorstand: Der Orts-Ausschuss: Hamdorff. Klein. Litteratur. Franz Buchenau, Flora der nordwestdeutsohen Tiefebene. Wilhelm Engelmann, Leipzig 18il4. - Preis 8 Mk., geb. 9 Mk. Die Flora der nordwestdeutschen Ebene, das Gebiet der „Heiden, Marschen und Moore" ist in den letzten vier Decennien in erster Linie durch die Forschungen der beiden Bremer Ge- lehrten W. 0. Focke und F. Buchenau, um welche sich all- mälig eine stattliche Schaar von Schülern und Freunden ge- sammelt hat, mit einer Vollständigkeit und Gründlic hkeit durch- forscht worden, dass nur wenige andere Gebiete unseres Vater Landes damit wetteifern können. Die Ergebnisse dieser Forschungen sind in zahlreichen Einzelpublicationen niedergelegt Um nur die wichtigsten Arbeiten über die Siphonogamen und Pteridopbyten*) anzuführen, so sind wir durch Hupe über das Emsland. durch Hagena und Fr. Müller über das Grossherzogthum rildenburg, durch Buschbaum über den Regierungsbezirk Osnabrück, durch Buchenau, Beckmann und Meyerholz über Bremen und seine weiteren Umgebungen (Bassum und Vilsen, den Geburtsort des in der ersten Hälfte des Jahrhunderts gefeierten, jetzt fast vergessenen Hoppe), durch Buchenau über die ostfriesischen Inseln, durch v. Pape und Alpers über den Regierungsbezirk Stade, durch Nöldeke über den Regierungsbezirk Lüneburg und die Grafschaft Hoya, durcli Mejer über die Umgebungen von Hannover unterrichtet. Eine zusammenfassende, dem gegenwärti- gen Stande unserer Kenntniss angepasste Darstellung des Ge- sammtgebietes war indess ein dringendes Bedürfniss, und wir müssen es dem auf so vielen Gebieten der Botanik, der Landes- kunde überhaupt und der Pädagogik so unermüdlich und erfolg- reich thätigen Verfasser Dank wissen, dass er diese umfangreiche Arbeit, für die er allerdings durch seine gesammte wissenschaft- liche Thätigkeit aufs Beste vorbereitet war, in vcrbältnissmässig kurzer Zeit bewältigte. Um so mehr, als es sich bei einem Forscher wie Buchenau von selbst versteht, dass es sich hier nicht um eine blosse Zusammenstellung des Vorhandenen, sondern um eine gründliche, auch in morphologischer und taxonomischer Hinsicht auf der Höhe der heutigen Wissenschaft stehende Neu- bearbeitung des gesammten Materials handelte. So konnte es nicht fehlen, dass dieses Florenwerk vor der grössten Mehrzahl aller vorhandenen grosse Vorzüge in Bezug auf Form und Inhalt besitzt, und von den Nachfolgern die eingehendste Beachtung fordert und auch hoffentlich finden wird. Wir können unmöglich bei dem engen, uns zugemessenen Räume auf die zaldreichen und grösstenthcils wohlbegründeteu Veränderungen in der botanischen Kunstsprache, in der Behand- lung der Abkürzungen, der Zeichen für die Dauer der Gewächse eingehen, welclie der N'erfasser neuerdings in eigenen ausführ- lichen Abhandlungen begründet und in dieser Flora wie in seinen neuesten Monographien consequent durchgeführt hat. Was die Abgrenzung des Gebietes betrifft, so umfasst das- selbe das Flachland von der niederländischen Grenze, deren un- geheure Moorgebiete eine unerwartet natürliche Grenze bilden, da die angrenzenden Theile der Niederlande eine pflanzeuarme „Culturwüste" darstellen, bis an die Elbe beziehungsweise an eine von Blekede in südlicher Richtung bis in die Breite von Gifhorn gezogene Linie. Die Südgrenze berührt mit Ausschliessung der Vorposten des festen Gesteins die Orte Burgdorf, Kehburg, Lcm- förde und Bentheim. Die grössten Schwierigkeiten bietet natur- gemäss die Abgrenzung nach Osten. Die Abtrennung der links- seitigen Niederung des mehrfach in Arme gespaltenen, weitläufige Inselgebiete einschliessenden Eibstromes von der rechtsseitigen ist nicht überall leicht, jedenfalls nicht naturgemäss. Referent kann dem Verfasser übrigens darin nicht beistimmen, dass die Flora des Elballuviums des nordwest-deutschen Flachlandes fremder gegenübersteht, als die Seestrandsflora, oder die Flora der Weser- marschen, durch welche gleichfalls, wenn auch nicht so zahlreiche mitteldeutsche Arten dem Gebiete zugeführt worden sind. Was den vom Verfasser ausgeschlossenen Theil des hannoverschen Flachlandes, das sogenannte Wendland betrifl't, so ist dasselbe, wie Referent schon bei Besprechung der Nöldeke'schen Flora von Lüneburg in diesen Blättern, V. Band, 1890, S. 159, andeutete und später in den Verhandlungen des botanischen Vereins für die Mark Brandenburg von 1890, S. LV ff'., ausführte, durch die wichtige Myrica-Ledum-Grenze, welche hier mit der ersten und nach der Meinung des Referenten richtigeren Führung der Kieferngi-enze durch E. H. L. Krause zusammenfällt, von dem übrigen nord- westdeutschen Tiefland geschieden. Diese Grenze stellt aber naturgemäss keine mathematische Linie dar, und eignet sich daher weniger zur Festlegung der Grenze eines concreten Florengebietes. In der Praxis sind daher sowohl an der Elb- als an dieser Land- gi-enze mancherlei Inconsequenzen vorgekommen, indem z. B. das beträchtlich östlich von dieser Grenze gelegene Bergen a. d. Dumme *) Auch die Moose haben in Focke, Fr. Müller und Eiben, die Flechten in Sandstede, die Algen und Pilze in Klebahn und Leramermann fleissige und kenntnissreiche Bearbeiter ge- funden. Nr. 21. NadiiwisscuscIiaCtliclic Wocliciischrif'l 259 [ifjewHiidcrti'ii, aber als t'ingebürgert botraclitf^ten Arten, 3. Soneeio vornalis, Datura btrainoniiim iiiiil Lyiiuin hali- aus iiiclit priaiizcngcographisclieii üriimlen doch mit oiubezogen wurde. Mit grosser Sorgfalt ist die Verbreitung jeder Art nach den Ha\iptiibtlic'iliingc'ii des Bodens, Geest (Dihnimn), Marseli, Moor angi'gel)eii. Sehr beaehtenswerth ist aiieli die vom \'erf'asser wold zum ersten Male durchgeführte Selieidung der aufg(Miominenon Arten nach i)(laiizengeograpliischen Gesielitspuukten. Von den wirklich einheimischen I'tlanzen sind die allgemeiner verbreiteten durch einen grossen, die nur in bestimmten Bezirken, z. B. an der S(^e- küste vorkonnnenden durch einen kleinen Stern, )coc)vapf)ic ; Slftvoiicuiiie üiib iiuitl)enuitiid)e Öooijviiptjic ; 3üoIiH-iic uiib 8otanif; 5ort"t= unb i';iiibunvlfd)nft ; fliiiicvnloftie iinb ölcoloiiic; 3(iit[)vi.H'ologie, C5"tl)noiivaiil)ic unb Uvrte!d)id)tc ; (äefunbljeitspflege, llfcbijiii unb 'l'ljniiolonie; ySnber= unb inilfcrfunbe; jjiinbd, 3"''"i'i'i'-' unb Scrle[)r. gcftlltcv ,\al)l'ttnng. llntcv llJilipirfunn Bon 5"ad)inänncvn lievnu'jf). UHU l)i-. 2Sa* JSlifbcrmann. *Oiit oG in bcn Sert flebrudten Slbbilbuncjcn. Sfebft einem Slnljauiio: (Scncvnlvcgtitev' ü'icr hie Jcilivgiinne 189U 91— 1.SII4 95. flv. 8". (XVI u. 528 S.) M. 6; in £ivin .©inbnnb: Veinio. mit S^ccfenprcliung M. 7. — Sev Sliiljflug ( ® euevalreg iftcv) ift nucft für fid) ,511 bejieljcn. (84 '. Svifcrocinj II -V fcuucu jum evmäindteu 'Bvciie von ii M 3, oeb. Ä 4, iiad)besoäen locrben; SiiluaanG VI, VII, VIll unb IX fiiv je II. 6, oeb- i'- t- — iiin öii()vn»iua (mit Slueuabnie ^eS eiitcui ijt eiiiu'lii sn liaben. 'Sil VI. gabiaana enthält ein («eneiolieiiiftcv übev bio Siibraänjc 1385/86 bif- 1880/90, taä aber aud) beionbcvc. cibältltd) ift (4i) Pf). atent-technlsches . und A I Verwerthung-Bureau ^^ Betclie. Berlin S. 14, Neue Rossstr. 1 ErfiiKliingen, Neuheiten, Modelle jeder Art werden zu- verlässig, billig, (iiscret in lueiuer Spe- ciah^•erkst.^tt ausgearbeitet uuil angefer- tigt, auch brieflicli. W. Maaske, Mecbau., Berlin N., Schwedterstr. 31- FRITZ SCHMIDT&C2 Patent-Bureau u. Chem. Lab. BerliaN.Chausseestr. 2^ VzuPreis^listenetc. HugoSfindler. r Berlin.S.Rittepstr.ae. ^»^ Billige Preise! Sctinelle Lieferung! Fernspi-.Anschl. 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Diiinmlers Verlagsbuclili (P.-B) bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentlieil: Hugo andhuig, Berlin SVV. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ^.v^ Redaktion: ' Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. 8onntag. den 2. Juni 1895. Nr. 22. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Po3t- Y Inserate: Die viergespaltene Petltzeile 40 ^. Grössere Aufträge ent- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteijahrspreis ist .Ä 4.— ÖJD sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. Jl- bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständigfer ({nellenangpabe gestattet. Aus Sa. Catharina, Brasilien. Von Dr. Alfred Möller. 3. Aus der „Colonie" Blumenau. Besuch bei Dr. Fritz Müller. (Vergl. Band IX, 1894, No. 37 u. 51.) Die Feinde, gegen welche sich die Imbauben durch das Heer ihrer Schutzaiueisen wirksam sichern, sind die vielberüchtigten Schleppameiseu. Ihre Raubzüge gehören zu den schlimmsten Plagen der Colonisten. Kaum haben wir den eigentlichen Stadtplatz verlassen, um einen grösseren Spaziergang in die Colonie zu unternehmen, so begegnen wir auch alsbald den quer über den Weg wackelnden Schleppercolonnen. Jedermann kennt dort zu Lande die kleinen, braunschwarzen Ameisen, sie sind überaus häufig, es giebt keinen Colonisten, der nicht mit ihnen im Kampfe läge. Während der ganzen Zeit meines Aufenthalts in Brasilien habe ich diesen emsigen Thieren und der Beobachtung ihrer eigenthümlichen Lebensweise einen Haupttheil meiner Zeit gewidmet. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind im sechsten Band der „Botani- schen Mittheilungen aus den Tropen" unter dem Titel „Die Pilzgärten einiger südamerikanischer Ameisen" niedergelegt. Den Lesern der „Naturw. Wochenschr." hat Herr Dr. Lindau darüber berichtet (Band VIII, No. 20, S. 247). Ich darf mich hier darauf beschränken, die Schleppameiseu zu erwähnen als ein Charakteristicum des Landes, das Niemand übersehen kann. Wenn wir fast unbedingt sicher sind, auf unserem Spaziergang schon in der nächsten Nähe des Stadtplatzes die Schleppameisen anzutreifen, so ist es weiterhin auch leicht möglich, dass wir den Colonnen grösserer, dunkler ge- färbter, schneller laufender Ameisen begegnen. Während die Schlepper meist nur im Gänsemarsch, höchstens zu zwei bis drei nebeneinander laufen, so erscheinen die Strassen der anderen bis zu 1 P^iss breit, und fallen daher dem Fremden, wo er sie antrifft noch viel mehr in die Wauderaraeison der Colonisten. (Ecitou sp.), die Augen. Es sind die gern gesehenen Gäste In allen Häusern finden sich, zumal in den Sommer- monaten nur allzu zahlreich die abscheulichen Baratten, küchenschabenartige, nur noch grössere Gradflügler, welche auch bei peinlichster Ordnung und Sauberkeit nicht ganz auszuschliessen sind, und vor deren beissenden Mund- werkzeugen nichts im Hause sicher ist. Ich habe z. B. keinen einzigen Büchereinband aus Brasilien mit zurück- gebracht, der nicht Spuren der Baratten zeigte. Ja im Schlafe verschonen die Baratten auch den Menschen selber nicht. Der Schläfer merkt gewöhnlich ihren An- griff nicht, denn sie nagen nur runde Flecken der äussersten Oberhautscbicht weg, ohne dass Blut fliesst. Aber am anderen Morgen entsteht ein sehr unangenehmes, brennendes Gefühl an den so verletzten Stellen. Ausser den Baratten findet sich natürlich zahlreiches anderes allzu leicht ein. Das wirksamste Gegen- Ungeziefer nur mittel gegen alle diese unangenehmen Gäste ist ein Besuch der Wanderameisen. Die Wanderameiseu leben für gewöhnlich im Walde, kommen aber auch häufig in Streifzügen in die Colonie und besuchen der Reihe nach die menschlichen Wohnungen. Sie kommen in geordnetem Heerzuge. Ihre Strasse ist, wie schon erwähnt, bis zu 1 Fuss breit, dicht aufgeschlossen marschiren sie an. Rechts und links, wenig von der marschirenden Truppe entfernt, laufen die Officiere, welche durch gelbe Köpfe und stärkere Beisszangen gekennzeichnet sind. Sobald sie ein Haus erreicht haben, zerstreuen sie sich nach allen Seiten, und alsbald kommen aus allen Winkeln und Ritzen die Ba- ratten und sonstiges Ungeziefer in wilder Flucht hervorge- stürzt. Fünf, sechs Ameisen werfen sich nun auf eine Ba- ratte, und es dauert nicht lange, so ist deren Widerstand besiegt, sie wird getödtet, in Stücke zerlegt, und die Ameisen 262 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 22. schleppen mit dieser ihrer Beute davon. Alles Ungeziefer wird vollkommen, bis zum letzten vertilgt, an den Möbeln und Gerätlien richten sie keinen Schaden an, und wenn, oftmals allerdings erst nach einem Aufenthalt von 24 Stunden, das Ameisenheer in derselben Ordnung, wie es ge- kommen ist, abzieht, so ist das Haus vollkommen rein. Unbequem ist der Besuch, denn die Ameisen beissen auch den Menschen, und die Ofticiere mit ihren langen Zangen beissen sich oft so fest, dass man eher den Kopf abreisst, als sie zum Loslassen veran- lasst. Kommen die Ameisen zur Nacht, so Bewohner aus trotzdem sieht die schwarzen gern kommen. müssen alle den Betten ; der Colonist Schaaren sehr hin das geri übergehende sie sind inimer- ngere, schnell vor- Uebel. Indem wir weiter wandern, bemerken wir hier und da die aus ihren Gärtchen, Obstbaum- nnd oftmals Kaft'eepflanzungen freundlich hervorlugenden Co- lonistenhäuser. Wir kommen eben vom Stadtplalz, sind also in dem ältesten Theile der Colonie. Da sind die meisten Häuser schon Steiubauten, mit Ziegeln gedeckt, doch finden sich immer noch einzelne der älteren Bretterhäuser. Das charakteristische Dachdeckermaterial derjneu angesiedelten Colonisten, das Dach- blatt (Geonomablät- ter) sieht man in diesen Theilen von Blunienau nur auf Viehschuppen und kleineren Vorraths- schuppen angewen- det. Fast ohne Aus- nahme besteht die Colonisten - Wohnung aus zwei Gebäuden, dem Wohngebäude und dem Küchenge- bäude, die gewöhn- lich durch einen be- deckten Gang ver- bunden sind. Nie- mand hat Wohn- räume und unter einem Es hat das natürlichen Grund in dem Wunsche , von der Wärme des Koch- herdes, die man in deutsehen Bauern- häusern während lau der Menschen Fig. 1 Vorplatz einer Blumenauer Coloiiistenwohiiung. Photographie von A. Möller. teren sind nicht nothwendig, da alles Vieh das ganze Jahr hindurch auf der Weide ist, und Scheuiieii bi-aucht man auch nicht, da weder Heu nocli Stroh bekannt sind. Die eingeernteten Maiskolben kom- men in einen einfachen Schup- pen. Im gi'ossen Ganzen machen die Gehöfte nicht gerade einen sehr saiil)eren, ordentlichen Eindruck. Ebensowenig die Gärten mit ihren rohen Um- fricdiguugen, und im Innern der meisten Wohnhäuser und Küchen würde — von Aus- nahmen immer abgesehen — die ordnungsliebende deutsche Hausfrau auch nicht viel Freude erleben. Es hat das alles seine natürlichen Gründe. Ordnung im Garten zu halten ist bei der Ueppigkeit, mit der alles Unkraut wucliert, ausser- ordeiitlicli mühsam und zeit- raubend ; ein Staeketenzaun hält sich nicht lange, Wärme und Feuchtigkeit machen ihren zerstörenden Einfluss geltend. In der Küche muss alles, was man aut bewahren will, in Blech- dosen verpackt sein, die blank zu halten nicht immer mög- lich ist. Es herrscht aber überall eine gewisse Dürf- und Aermlichkeit; für Schmuck des Lebens hat übrig, den tigkeit den Niemand Zeit und Geld wirklieh wohlhabend sind nur sehr wenige unter zahli-eichen Bewohnern des Itajahythales zu nennen. Küche Dach, seinen Fast fürchte ich, mich selbst Lügen zu strafen, wenn ich an dieser Stelle den Le- ser auf das Bildchen verweise (Figur 1), Fig. 2. Das evangelische Pfarrhaus in Brnsijue. Photographie von A. Möller ;er die Erwärmung- Monate auch für nutzbar zu machen trachtet, mögliehst wenig berühi-t zu werden. Im Gegensatz zu deutschen Gehöften fällt der Mangel an Scheunen und Ställen auf. Die letz- welches den Vorplatz eines Blumenauer Co- lonistenhauses dar- stellt, an dem mein Weg mich oftmals vorbeiführte. Aber es ist doch eine Aus- nahme, die ich hier auch im Bilde fest- gehalten habe. So schöne und schön gruppirte Palmen- gruppen sieht man auch dort nicht häu- fig. Immerhin aber zeigt uns das Bild, wie die reichen na- türlichen Mittel dem Colonisten, der Sinn und Geschmack dafür hat, einen Schmuck seines Gartens ermöglichen, der den Neid manches reichen europäischen Grossgrundbesitzers en-egen könnte. Gar stolz erhebt sich die Oi-eodoxa regia auf ihrem hellen, fast knollenförmig verdickten Fuss. Sie wird häufig von den Nv. 22 Natnrwisßcnschaftliche Wochenschrift. 263 Colonisten gepflanzt. — So wie diese Palmengruppe als Ausnahme an Schönheit der Gruppirung sicli darstellt, so auch zeichnet sich das bescheidene Haus, das dahinter sichtbar wird, vor vielen anderen ans durch sorgsame, tüchtige Wirthschaft nach alter deutscher Art. Da ist es blitzsauber bis in den engsten Winkel, an wenigen Stellen ist eine sauberere Milch wirthschaft zu linden; Niemand macht sorgfältiger die goldgelbe Butter, als die tüchtige Hausfrau dort hinter den Palmen. Kin anderes Beispiel eines freundlich von Palmen gcschmitckten Wohnhauses stellt das folgende Bild uns dar (Fig. 2); das evangelische Pfarrhaus in Brusque, der Nachl)arcolonie Blumenaus. Die links im Bilde stehende Cocospalme mit ihren in sanftem Bogen überhängenden Blättern gehört zu den schönsten Exemplaren, die man finden kann. Meist erfreut sich, wie ich schon vorher andeutete, unser Auge mehr, wenn es auf die Pflanzungen gerichtet wird, als wenn wir die \Vohnungen näher betrachten. Was für herrliche Gruppen tief glänzend grüner Kaffee- bäume finden wir in den Gärten, meist nicht weit vom Wohnhause entfernt! Zumal wenn sie im Schmuck ihrer dicht gedrängten, schneeweissen Blüthen i)rangen, gewäh- ren die Kaft'eebäume einen unvergesslich schönen Anblick! Orangen gedeihen ausgezeichnet, nur bei wenigen Häusern fehlt eincAnzahl dieser dankbaren Bäume. Wenn mau zur Zeit ihrer Fruchtreife durch die Colonien reitet, sieht man im „dunkeln Laub die Goldorangen glühn" mit einer Pracht, wie sie selbst Italien nicht zu entfalten vermag. Noch ein Fruchtbaum verdient hier Erwähnung, der, wie er in den Tropen der ganzen Welt durch Cultur ver- breitet ist, auch in Blumeuau im Garten keines Colonisten zu fehlen pflegt, nämlich der Mamäobaum (spr. Mamong) (Carica Papaya L.). Der wundersame Baum fesselt die Aufmerksamkeit von vornherein durch die unglaubliche Schnelligkeit seines Wachsthums. Ich maass ein schönes Exemplar, das 8 m Höhe und 35 cm Stammdurchraesser zeigte, dennoch nicht älter als drei Jahre war. Dies war ein weiblicher Baum, und ein ausnahmsweise reich ver- zweigter. Meist ist der Stamm des Mamäobaumes un- und auf langen Stielen stehen die grossen. verzweigt bandförmig getheilten Blätter, eine Krone bildend, ringsum ab. Schöne Bilder des Baumes sind in Engler und Prantl's natürlichen Pflanzenfamilien zu sehen. — Dass man schon nach zwei Jahren unter dem dichten Schatten eines schönen Baumes sitzen kann, den man selbst aus Samen gezogen hat, ist wohl nur beim Mamäobaum möglich. Die oft beschriebenen, wegen ihres Pepsin- gehaltes berühmten, melonenartigen Früchte des Baumes sind für den verwöhnteren Geschmack nicht gerade be- sonders erfreulieh. Die Kinder in Blumenau indessen ver- sehmähen sie nicht, und die praktische Hausfrau weiss sie in mannigfaltiger Art schmackhaft zu verwerthen. Mit den überall häufigen, im Geschmacke au Quitten er- innernden Goyaben (Psidium pomiferuin) zusammen- gekocht, geben sie ein ausgezeichnetes Mus. Einen wunderbaren Eindruck macht es auf den Neuling, wenn ihm ein solcher Baum von 30 cm Stammstärke gezeigt, und dabei gesagt wird, er könne ihn ganz leicht mit dem Taschenmesser zusammenschneiden, und wenn er dann Gelegenheit hat, sich davon zu überzeugen, dass dies wirklicii sich so verhält; denn der ganze Holzkörper des Baumes ist nicht fester als ein unreifer Apfel, und nur in einer äussersten Zone dicht unter der Rinde be- gegnet das Messer etwas stärkerem Widerstand. Hatten wir zu unserem Spaziergange die vom Stadt- platze aus flussabwärts, am rechten Ufer entlang führende Hauptstrasse gewählt, so befinden wir uns nun auf dem nächsten Wege zu Dr. Fritz MüUer's Colonie. Da giebt mir der Mamäobaum Gelegenheit, noch ehe wir den Wohnsitz des Forschers erreichen, ein Gedichtchen hier mitzutheilen, das er verfasste. Es mag dazu dienen, die freundliche Persönlichkeit des Naturforschers am Itajahy, für den so viele Leser auch dieser Wochenschrift ein warmes Interesse hegen, ihnen von einer neuen Seite zu zeigen und menschlich nahe zu bringen. Dr. Fritz Müller unterrichtete seine Kinder selbst, denn in früheren Jahren war es um das Schulwesen in den Colonien gar traurig be- stellt; einer seiner Enkel ist heute noch sein Schüler. Die deutschen Lehrer in Südbrasilien sind für gewöhnlich natürlich auf die Schulbücher der Heimath angewiesen, welche die Phantasie der Kleinen mit Dingen beschäftigen, die das am Rande des Urwalds auferwachsene Kind nie zu sehen bekommt. Was sind ihnen Pflaumen, Kirschen, Aepfel und Birnen, die am Itajahy nicht gedeihen. Oft- mals können auch die besten deutschen Lieder, welche die Kinder bei uns auswendig lernen, dort im fernen Süden ihren Zweck nicht so erreichen, wie der Lehrer es wünscht, weil die Anschauung der deutschen Natur fehlt. Fritz Müller schuf seinen Kindern einen Sehatz eigener Lieder, anknüpfend an die Erscheinungen, welche sie vor Augen hatten, an die täglichen Beobachtungen der Natur, zu welchen er wie kein anderer Lehrer sie anzuleiten ver- stand. Eins der schönsten dieser Gedichte ist das folgende: Mamäobaum und Dattelpalme. Mamäobaum: Du kleines Dattelbäumchen, schäm' Dich doch, Mit einem eiuz'gen Blättchen stehst Du noch. Da sieh mich an ! Icli bin gleich alt mit Dir, Dieselben Wolken spenden uns den Regen, Dieselbe Sonne ihren Strahlensegen, Und in demselben Boden wurzeln wir. Ja sieh' mich an. Ein Jahr ist's kaum, Dass ich der Erde dunklem Schooss entsprossen, Des Himmels Thau, der Sonne Licht genossen, Und schon bin ich ein stolzer Baum, Mit schlankem Schaft und reicher Blätterkrone. Mein Blüthenduft DurchwUrzt die Luft Und lockt zum süssen Honigmahl Den Kolibri mit flücht'ger Schwinge, Die farbenprächt'gen Schmetterlinge Und lust'ge Mücken ohne Zahl. Und dicht gedrängt am Stamme prangen Und wecken der lüsternen Kinder Verlangen Und schwellen reifend meine Früchte. Palmbäumchen sag, wann willst Du Dich besiniicnV Mir endlich nachzuwachsen, wann beginnen? Dattelpalme : Geduld! Geduld! Du hoher, stolzer Baum! Was rasch entsteht, vergeht auch, wie ein Traum. Nur langsam kann das Edle sich entfalten, Nur langsam sich das Dauernde gestalten. Drum sah' ich ohne neidische Begierde Des frischen Riesenlaubes stolze Zierde, Dein rascher Wuchs erregt mir kein Verlangen Und nicht der faden Früchte eitles Prangen. Geduld! p:inst werd' ich hoch Dich überragen. Auf schlankem Stamm die volle Krone tragen, Und wenn dann mich die ersten Blüthen zieren. Wirst altersmorsch die letzten Du verlieren. Bald sinkst Du hin, wie Du Dich stolz erhoben. Ich daure, wenn Du längst in Nichts zerstoben. Und meiner goldnen Früchte leckre Gabe Ist noch der späten Enkel süsse Labe." Gar bald erreichen wir auf unserem Wege Dr. Fritz Müller's „Colonie". Colonie ist der landesübliche Aus- druck für die Ansiedelung, die Besitzung; Niemand sagt Farm oder gar chacara, wie Gerstäcker in seinen No- vellen. Rechts vom Wege an dem ziemlich steil auf- steigenden Bergabhang liegt der „Past", die Weide- 264 Naturwissciischaftlicbe Wochenschrift. Nr. 22. fläche in der Höhe begrenzt durch den Waldrand. Das ist der Waldrand, an dem ich die in Fig. 1 des ersten dieser Aufsätze wiedergegebene Photographie aufnahm. Links von der Strasse liegt der durch eine lebendige Citronenhecke und einen Zaun begrenzte Garten, und in ihm unter Bäumen fast ganz versteckt, das für europäische Begrifte mehr als bescheidene Wohnhaus. So unendlich einfach es aber ist, an Ordnung und Sauberkeit ist es allzeit ein Muster gewesen. Wenn auf der staubigen Strasse die Soime brennt, wenn auf dem Fast das Vieh sich hart an den Waldrand oder unter das Dach eines kleinen Schuppens flüchtet, um den sengenden Strahlen zu entgehen, dann ist es eine Erquickung, in den wohl gepflegten Garten zu treten. Hohe Fächerpalmen be- schatten da einen geräumigen Vorplatz, und an den Stämmen dieser und anderer schattenspendender Bäume finden wir auf kleinem Raum vereinigt eine auserlesene Sammlung der schönsten Orchideen und Bromelien, welcbe weit in der Runde der Wald beherbergt. Da nicken die laugen Rispen der überaus häutigen Oncidium-Arten mitten aus einem dichten Büschel blühender Miltonien heraus. Da erfreuten uns Oattleyen durch die grossen, herrlich rosenroth gefärbten BlUthenblätter und ganz unten am Stamm, im tiefen Schatten erblicken wir die grossen, wunderbarlichen Blüthen einer Stanhopea. Aber in diesem botanischen Garten sind die Orchideen nicht nur gewählt allein mit Rücksicht auf ihren blumistischen Werth. Wir finden auch ganz unscheinbare Vertreter der überaus zaidreichen Epidcndrum- Arten und Pleurothalliden. Manche Formen giebt es gerade unter den kleinen, unscheinbaren, als Handelsobject nicht geschätzten Orchi- deen, die das Auge des aufmerksamen Beschauers ebenso entzücken, wie die durch Farl)e und P"'orm auffallenden, grösseren Blüthen. Man kann nichts Zierlicheres sehen, als die kleinen, auf den Aesten der Goyaba-Bäume häufig anzu- treffenden Büschel des weissen Phymatidium delicatuluni. Reicher als die Orchideen sind z. Z. die Bromelien vertreten, denen Dr. Fritz Müller seit einigen Jahren seine Hauptarbeit gewidmet hat. Nahezu alle die im Blumenauer Walde vorkommenden Arten, und es sind deren gegen 50, sind auch in dem schönen Garten ver- treten und Prachtexemplare sind, jedes in möglichst natürlicher, und den Pflanzen zusagender Stellung an den Bäumen oder auch, zum kleineren Theile, auf der Erde angebracht. Riesenexemplare von Hohenbergia augusta mit über meterlangen Blättern sind da in passenden Ast- winkeln mit Lianen festgebunden, und die grossen, merk- würdigen Blüthennester der Nidularien und Mosenia erblicken wir am Boden. Die schönen, rothen Vrisea- blüthenähren leuchten weithin, Billbergia zeigt ihre zarten Blüthenfarben in blau und rosa, verschiedene Aech- mea-Arten tragen weitverzweigte Rispen und wieder andere Formen, wie Ortgiesia tillandsioides und triticia erfreuen uns durch die reiche, bunte Zeichnung ihrer Blätter. Nicht, wie wohl manchmal — besonders in früheren Jahren — in europäischen Gewächshäusern, sind die Blatt- tüten der Bromelien schön sauber ausgespült, sie bilden viel- mehr, wie in der Natur auch, eine schmutzige Wasserlache, in der hineinfallende Blatt- und Zweigreste vermodern. Schimper hat in seinen Untersuchungen über Epi- phyten, die im ersten dieser Aufsätze erwähnt worden sind, uns genauer darülier belehrt, wie die Blattbasen der Rosetten bildenden, ei)i])liytischen Bromelien die phy- siologische Bedeutung von Wurzeln annehmen. Durch die Blätter wird aus dem von ihren Basen gebildeten Becken das für die Pflanze nothwendige Wasser mit den löslichen Nährstoffen aufgenommen, und die wenigen kurzen Wurzeln dienen nur zur Befestigung auf dem luftigen Standorte. Der (larten ist Dr. Fritz JlüUer's eigentlicher Arbeits- raum, sein Laboratorium. Hier finden wir ihn schon in frühester Morgenstunde beobachtend und aufzeichnend umhergehen. Kein Tag vergeht ohne Arbeit und Auf- zeichnungen, es müssten denn ganz liesondere, ausserge- wöhnliche Hemmnisse eintreten, wie sie in den letzten Jahren die Revolution wohl einige Male mit sich brachte. Darum sind seine Beobachtungsreihen stets ununterbrochen durch lange Zeiträume fortgesetzt, und so wenig er auch dem Umfange nach zu veröft'entlichen pflegt, so verfügt doch nur selten Jemand über ein reicheres Material von Aufzeichnungen wirklich beobachteter Thatsachen. So liegen denn auch über Bromelien wahre Schätze von Beobachtungen in dem bescheidenen Häuschen, und ganz besonders in diesem Falle ist es sehr zu bedauern, dass sie der Allgemeinheit nicht zugänglich werden.*) Je schlechter eine Pflanzenfamilie sich iu Folge äusserlicher Eigenthümlichkeiten zu einer leidlichen Herbariums- leiche eignet, um so schwieriger ist ihre Beobachtung für den in europäischen Jluseen thätigen Botaniker-, und wenige Familien eignen sich schlechter als die Bro- melien zum Trocknen und Pressen. Was soll man mit den haudtellergrossen Blüthenkörben vieler Formen, was mit den über meterlangen, starren und dicken Blättern anderer an- fangen, wenn man nicht grosse Gefässe undreichliche Alkohol- mengen zur Verfügung hat. Und wenn ich auch im Berliner botanischen Museum Blüthenstände von Billbergia gesehen habe, die durch Herrn Henning's Kunst in natürlicher Frische der Farbe erhalten waren, so nniss man doch berücksichtigen, dass dem Reisenden unterwegs Zeit und Hülfsmittel nicht gegeben sind, um so schwierige Präparate herzustellen. — Das Bromelienmaterial der Sammlungen lässt daher naturgemäss sehr viel zu wünschen übrig. So traf ich denn Dr. Fritz Müller oftmals recht ungehalten, wenn er mit Beschreibungen seiner Bromelien sich abquälen musste, in denen Länge und Breite der Blätter als Merkmal aufgeführt war, nach einem oder wenigen Herbarexemplaren, während in Wirklichkeit die auf dem Gipfel der Bäume im Sonnenlicht gewachsenen Exemplare zu starre und kurze, die im tiefen Schatten in den Astwinkeln der Bäume sitzenden dagegen zu schlaffe und lange Blätter hatten, gemessen an der ge- druckten Beschreibung. Stets hat es Fritz Müller geliebt, die Pflanzen, mit denen er sich beschäftigte, an denen er Beobachtungen anstellte, wenn möglich lebend in sein Laboratorium zu bringen, in seineu Garten zu verpflanzen und so ist dort allmählich eine Sammlung entstanden, welche den Forscher auf Schritt und Tritt an die Arbeiten früherer Jahre er- innert. Aller auch besonders auft'allende oder schöne Pflanzen zum Schmuck des Gartens fehlen nicht. Von vielen auswärtigen Correspondenten gingen Sämereien fremder Pflanzen ein, die dort keimten. Auf einem Beet nahe dem Hause gedeihen Zingiberaceen, welche die Reise von Buitenzorg über Europa nach Südamerika glucklich zurückgelegt haben. Cycas revoluta, von manchen Oolo- nisten im Garten gepflegt, gedeiht am Itajahy sehr gut. Aber im ganzen Flussthale findet sich wohl kein statt- licheres und schöneres Exemplar, wie das hier im Garten befindliehe. Bis vor kurzem überschattete eine mächtige Araucarie das ganze Wohnhaus. Die Araucarie ist auf dem Hochlande von St. Catharina weit verbreitet, ins Küstengebiet von Blumenau steigt sie freiwillig nicht herab. Aber in vielen Gärten wird sie aus Samen gezogen. Denn sie ist das einzige Nadelholz, *) Grade in den letzten Wochen sind aber nun zwei Aufsätze über Bromelien von Dr. Fritz Müller bei der Deutschen Botani.schen Gesellschaft eingelaufen und ^verden in deren Bericliten ver- öfientlicht. Nr. 22. Natiirwisscnscliaftliuhc Wocliensclirilt. 265 das dem Deutschen in Brasilien den Weihnachtsbaum liefert. Eine drei- bis vicrjährij;e Arauoarie giebt schon einen stattlichen Baum; zwar für nnscrn Geschmack ist seine Verzweigung etwas zu locker und gar zu regel- mässig. Aber die in Blumenau aufgewachsenen Kinder, die den Vergleich mit der deutschen Fichte nicht ziehen, jubeln ebenso unter dem fremdländischen Baum. Vielfach haut man die .\raucarie, wenn ihr Stamm etwa armstark geworden ist, in 1 m Höhe etwa ab, und benützt nur die Spitze, dann sehlägt der Stamm von neuem aus, und man kann von ihm in zwei Jahren wiederum den Weihnachts- baum ernten. So geräumig nun und zweckmässig das Laboratorium des Forschers ist, als welches wir den Garten kennen lernten, so überaus klein und bescheiden ist der im Hause verfügbare Arbeitsraum. Eine scharfe Zunge sagte ein Mal, dass gar oft die Grösse und Opulenz der Labora- torien-Ausstattungen im umgekehrten Verhältnisse stünden zu der Bedeutung der darin geleisteten Arbeiten. Dieser Ausspruch tiel mir jedes Mal ein, wenn ich den kleinen Blumenauer Arbeitsraum sah, aus dem so viele fruchtbare Gedanken in die ganze Welt versendet worden sind. Das Zimmercheu hat kaum 3 m im Geviert. Ein eiutacher Tisch steht am Fenster, beladen mit dem nothwendigsten Arbeitsgeräth, darunter befindet sich ein altes Hartnack- sclies Mikroskop. An der Wand leimt ein überaus einfaches Buchergestell. Ausserdem stehen Bett und Waschtisch in dem kleinen Raum und neben dem einen viel benutzten Stuhle dürfte ein zweiter keinen Platz finden. Sammlungen giebt es nicht. Ich glaube nicht, dass auf der ganzen Erde noch ein Gelehrter, dem dieser Name gebührt, sich mit bescheidenerem Apparat begnügt. Was aber mit diesem winzigen Apparat geleistet worden ist, das weiss die gesammte zoologische und botanische Welt. Sollte je der Traum von einer wissenschaftlichen Station in Südbrasilien zur Wirklichkeit werden, Fritz Müller's Arbeitszimmer sollte dort im Bilde verewigt werden, damit es noch viele wissenschaftliehe Ansiedler ermuthigte, auch mit geringen äusseren Mitteln unverdrossen vorwärts zu streben. Mit verhältnissmässig sehr geringem Aufwand könnten an der geträumten Station ausserordent- liche Erfolge erzielt werden, denn das mächtige, reiche Laboratorium, in dem auch Fritz Müller arbeitete, die Natur selbst, ist dort so prächtig eingerichtet, und bietet so günstige Arbeitsgelegenheit, wie niu- an wenigen anderen Orten der ganzen Welt. (Wird fortgesetzt.) Einen interessanten Fall von scheinbarer Telegonie tlieilt Dr. 0. vom Rath im .,Biologischen Centralblatt" (Hand XI, Nr. 8. 15. Apr. 1895) mit. — unter Telegonie versteht man bekanntlieh die Hypothese, nacli welcher durch die erste Befruchtung und Schwangerschaft eine derartige Beeinflussung (Infizirung , Imprägnirung) der Mutter stattfindet, dass spätere, von einem anderen Vater erzeugte Nachkommen in mehr oder weniger auffälliger Weise Eigenschaften des ersten Gatten verrathen. Fälle von Telegonie will man nicht nur bei Thiereu, sondern zuweilen auch beim Menschen beobaclitet haben. Wäh- rend aber beim grossen Publikum, soweit es dieser Frage Interesse entgegenbringt (Viehzüchter u. s. w.), die Tele- gonie als eine bewiesene Thatsache gilt, sind die An- sichten darüber in der Gelehrtenwelt getheilt. Während Darwin, Herbert Spencer und Romanes die Lehre von der Telegonie eifrig verfochten, sind durch Settegast und Weismann schwere Bedenken dagegen geäussert worden. Zwar leugnen diese beiden Forscher nicht unbedingt die^Iög- lichkeit der Telegonie, und Weismann betont ausdrücklich, die grosse Anzahl von Erzählungen derartiger Fälle spräche dafür, dass die Lehre „möglicherweise eine berechtigte sei und Thatsachen ihr zu Grunde liegen", aber sie heben mit vollem Recht hervor, dass bisher noch kein derartiger Fall sicher verbürgt sei, und dass die unendliche Anzahl von Zufälligkeiten und Beobachtungsfehlern, welche dabei im Spiel sein können, -nur gar zu leicht und oft zu Täu- schungen Anlass geben mögen. Der gewichtigste Grund, den Weismann gegen die Möglichkeit der Telegonie ins Feld führt, ist der folgende: „Gesetzt, die Infection würde unzweifelhaft erwiesen, so mUsste man eine nach- trägliche Befruchtung einer Eizelle für möglich halten; freilich dürfte man sich dann billig wundern, warum nicht gelegentlich Stuten, Kühe oder Schafe trächtig werden, ohne zum zweiten Male belegt worden zu sein". („Das Keiniplasma-, 1892, S. 506). Die Beobachtungen nun, welche Dr. vom Ratli a. a. 0. mittheilt, bewci.sen so recht, wie vorsichtig man in seinem Urtheil allen erzählten Fällen von Telegonie gegenüber sein muss, denn sie zeigen, dass selbst solche Erscheinungen, welche auf den ersten Blick einen .schlagenden, unwiderleglichen Beweis zu Gunsten der Telegonie darzubieten sclieincn, dennoch auf einer Verkettung von Zufällen beruhten, welche erst durch eine sehr gewissenhafte und vom Glück in seltener Weise begünstigte Nachforschung als wahre Ursachen erkannt wurden. Der Sachverhalt ist der folgende: Eine Familie, welche 1888 von Tunis nach Baden übersiedelte, hatte in die neue Heimath ein Katzenpärchen von seltener Schönheit mitgenommen. Beide Thiere schienen auf den ersten Blick völlig normal zu sein, doch bemerkte man bei genauerem Zusehen, dass das linke Ohr des Katers verkümmert war, ein Defect, welcher ihm angeboren war. In jedem Wurf der Katze, meist aus 5 Jungen bestehend, fanden sich nun einige (meist 2) Junge, welche entweder ein Stummelohr auf der linken Kopfseite oder einen Stummelschwanz oder beide Defeete gleichzeitig hatten. Alle anormalen Thierchen wurden sofort getödtet, die übrigen aufgezogen und in der Nachl)arschaft verschenkt. Später sah man sich genöthigt, den tunesischen Kater zu kastriren, und von dieser Zeit an wurden zur Katze nur tadellose deutsche Kater zugelassen. Nichtsdesto- weniger fanden sich auch in allen folgenden Würfen der Katze Thiere mit den oben erwähnten Defecten, so dass ein völlig einwurfsfreies Beispiel von Telegonie vorzu- liegen schien. Glücklicherweise Hessen sieh über die Ahnen des tunesischen Katzenpaares genaue Erkundi- gungen einziehen, da sie alle in derselben Familie auf- gezogen waren. Und nun ergab sich, dass beide Eltern der Katze einer Familie angehörten, in der Stummelohr und Stummelschwanz häufig beobachtet waren; es lag also eine erbliche Belastung einer ganzen Familie vor, welche bei der in Rede stehenden Katze wie auch bei manchen anderen Mit- gliedern der Famile latent geblieben war, in einem Theil der Nachkommen jedoch von neuem hervortrat. Der ein- gangs erwähnte tunesische Kater stand also in gar keinem Zusammenhang mit den Defecten der durch deutsche Kater erzeugten Thierchen. Zufälligerweise zeigten sich in den betreffenden Katzengenerationen noch zwei andere Fälle scheinbarer Telegonie, welche aber Dr. vom Rath ebenfalls jeder Beweiskraft entkleidet. Da sie aber weniger auffallend sind, soll hier nicht weiter darauf eingegangen werden. Der mitgetheilte Fall ist jedenfalls geeignet, den Zweifeln an der Telegonie neue Nahrung zuzuführen, denn es dürfte sich wohl kaum ein einigermaassen gut 266 Naturwisseiiscbaftliche Wochenschrift. Nr. 22. beglaubigter Fall von Telegonie auffinden lassen, der sich nicht bei genauerem Nachforschen möglicherweise ähnlich wie der obige auf andere Ursachen hätte redu- ciren lassen, als man ursprünglich glauben möchte. H. Ueber den Aufbau und die Auflösung des Kalk- skpletts der EchinodermeHlarven hat Hjalmar Theel (cf. Ofversigt af Kongl. Vetenskaps-Academiens Foerhaud- lingar, 1894, Nr. 8, Stockholm) interessante Beobachtungen veröflFentlicht. — Es ist bekannt, dass amöboide Zellen unter ver- schiedenen Namen, wie Wanderzellen, Leucocyten, weisse Blutkörper, Lymphzellen, Phagocyten etc. eine bedeutende Rolle im thierischen Organismus spielen. Man weiss durch die Untersuchungen Metschnikoffs und anderer Forscher, dass diese Zellen in den Organismus eingedrun- gene Fremdkörper, wie Bacterien und andere Micro- organismen dadurch unschädlich machen, dass sie wie freilebende Amoeben dieselben fressen und verdauen. Audi bei der Regeneration und Degeneration verschieden- artiger Gewebe scheinen die Wanderzellen eine grosse Rolle zu spielen. Theel fügt nun zu der Liste ihrer Fähigkeiten noch eine neue liiuzu. Es gelang ihm näm- lich, festzustellen, dass die Wanderzellen das provisorische Kalkskelctt der Ecbinodermenlaiven nicht nur aufbauen, sondern es auch, nachdem es seinen Dienst geleistet hat, wieder zerstören. 8ie haben demnach bei den Echino- dermen dieselbe Function, wie die Osteoclasten und Osteoblasten bei den Wirbelthieren. Theel hat den Auf- bau und die Absorption des Kalkskeletts wiederholt vom Beginn bis zum Ende bei lebenden Echinodermenlarven verfolgt. Die Kalkstäbe des Skeletts entstehen nach seinen Beobachtungen intracellulär und zwar im Ecto- plasma der amöboiden Zellen, die sich bei der Bildung der Skelettstücke in bedeutender Anzahl zu Syncytien ver- einigen. Bisher nahm man eine intercelluläre Entstehung an. — Ebenso vereinigen sich zur Zerstörung der Kafkstäbe wieder mehrere Wanderzellen. Zuerst werden die grösseren Skelettstucke von den vereinigten Zellen in kleinere Brocken zerlegt; hierauf trennen sieh die Zellen von ein- ander und wandern mit einem Skelettstück beladen fort, um es bald darauf während ihrer Wanderung ganz auf- zulösen. Bemerkenswerth ist, dass die Absorption sehr schnell vor sich geht; ein Kalkstück, welches kaum in dem Plasma einer Wanderzelle beherbergt werden konnte, wurde in dem Zeitraum von zwei Stunden vollständig aufgelöst, woraus Theel schliesst, dass die lösende Flüssig- keit in bedeutender Menge vorhanden sein muss. — Dr. Fr. Seh. Ueber die Coelenterateii Helgolands hat Dr. Cle- mens Hartlaub in dem L Band der Beiträge zur Meeresfauna von Helgoland einen vorläufigen Bericht er- stattet, über die bisher von ihm in der Umgebung von Helgoland aufgefundenen und bestimmten Hydroidpolypen und Medusen. In dem Verzeichniss sind 52 Hydroiden- arten aufgeführt mit genauer Angabe der einzelnen Fund- orte, der Häufigkeit und der Art ihres Vorkommens, sowie mit einigen Mittheilungen über den Eintritt und die Dauer der Geschlechtsreife bei den einzelnen Arten, worüber unsere bisherigen Kenntnisse noch sein- lückenhaft waren. Die Hydroidenfauna der nächsten Umgebung von Helgo- land ist also schon jetzt eine sehr reiche zu nennen, da von der biologischen Anstalt in der kurzen Zeit ihres Bestehens etwa 30 Arten aufgefunden wurden, die bisher für Helgoland noch nicht nachgewiesen waren, und man mit Recht annehmen darf, dass noch im Laul'e der Zeit mehrere neue Arten hinzukommen. Es kann daher jeder Forscher, der die Hydroiden zum Gegenstand seiner Untersuchungen gewählt bat, sicher sein, dort ein reiches Material für seine Untersuchungen zu finden. Besonders reich an Kolonien und Rasen von Hy- droiden ist der breite Klippengrund der Helgoländer Westseite und andererseits die von der Düne sich in NNW-Richtung erstreckenden Klippenreihen, ferner die einige Inuidert Meter breite, sogenannte „Rinne", welche das ganze Helgoländer Plateau sammt der Düne in einem nur von NW nach NO weit offenen Ringe um- giebt. Hn-e Tiefe beträgt durchschnittlich 25 Faden und ihr Boden ist vorwiegend Schlick mit „Pymp" (Wurm- röhren). Entschieden arm an Hydroiden ist das Wasser zwischen Helgoland und der Düne resp. dem im Osten gelegenen Klippenzuge, sowie die Landungsbrücken und der Marinequai. Dagegen bilden die grossen, getheerten Holzkästen, in denen der Helgoländer seine Hummern aufbewahrt, einen beliebten Ansetzungsplatz einiger Arten. Ein Vergleich mit andern Theilen der nördlichen Meere ergiebt, dass fast zwei Drittel der populärsten Arten auch im westlichen Theil der Ostsee z. B. im Kattegat, im grossen und kleinen Belt, vorkommen. Einige der Helgoländer Arten haben überhaupt eine ausser- ordentlich weite Verbreitung. Die Medusen Helgolands sind schon mehrfach vor dem Bestehen der biologischen Anstalt untersucht worden; hervorzuheben sind besonders die Arbeiten von Böhm und von Haeckel, welch' letzterer bereits fast alle der in dem Verzeichniss aufgeführten Arten bei Helgo- land festgestellt halte. Eine eingehendere über mehrere Jahre sich erstreckende Beobachtung und Untersuchung dürfte aber auch hier noch neue Arten aufdecken! Be- sonderes Gewicht ist von Dr. Hartlaub auf die genaue Feststellung des Auftretens und Wiederverschwindens der einzelnen Formen gelegt worden. Alle bei Helgoland vertretenen Medusen treten nämlich periodisch auf und zwar herrscht bezüglich der Dauer der Periode eine ausserordentliche Regelmässigkeit. Man kann das Ein- treffen der verschiedenen Arten fast auf wenige Tage vorhersagen. So wurden die ersten Tiaren z. B. 1892 am 22. Juli und 1893 am 19. Juli, Phialidium variabile 1892 am 21. September und 1893 am 23. September beoljachtct. Es handelt sich bei diesem Erscheinen nicht etwa um junge, sondern vollkommen erwachsene, oft ge- schleehtsreife Exemplare. Die gemeine Ohrenqualle, Aurelia aurita war in beiden Jahren nur während weniger Tage des Juni vertreten. Andere Formen kamen im Herbst und im Frühjahr vor. Die Gleichmässigkeit der Wasserwänne kann hierbei, wie Messungen ergaben, in keiner Weise ausschlaggebend sein. Beobachtungen und Aufzeichnungen, wie solche in der biologischen Anstalt tagtäglich gemacht werden, werden hier, wenn sie sich erst über eine Reihe von Jahren erstrecken, noch manche interessanten Ergebnisse zu Tage fördern, vielleicht da- mit auch die Erkcnntniss über das Wesen und die Gründe dieser merkwürdigen Erscheinung fördern. R. Die Einsiedlerkrebse haben, da sie gewundene Schneckenhäuser bewohnen, gleichfalls asymmetrisch ge- wundene Hinterleiber. Zur Entscheidung der Frage, in- wieweit diese Eigenschaft im Laufe des individuellen Lebens erworben wird und inwieweit sie schon ererbt ist, stellte E. L. Bouvier Versuche an. (Observations sur les moeurs des Pagures, faites au Laboratiore mari- time de Saint- Vaast-la Hougue pendant le mois d'aout 1891. Bull. Soc. philom. Paris, 8 ser., f. 4, S. 1.) Er bot jungen und alten, beschälten und nackten Exemplaren von Eupagurus Bernhardus mannigfache rechts- und links- Nr. Naturwissenschaftliche Woclieiiselirif't. 2G7 gewundene Sciiaicn von Achatinella, Bulinuis, Purpura, Murex, Nassa u. a. an. Die Thiore, namentlich die jungen, zeigten sich bei der Auswahl der Geliäuse ziem- lich gleichgültig gegen die Drehung derselben; aber frei- lich waren ihnen, namentlich den älteren, die rechts gedrehten be>•) Naturwissenschaftliche Wociicnschrift. 269 Ahsrluiittps fjiobt Verfasser einen kiuippon und darum recht über- sichtlii'lien Urbcrblick mit bosondorer BerücksichtiKung der schwieriijon torritoriiilon P^ntwickehins'. bjine fjowisse Kürze der Diirstolliuig erscheint hier nicht als ein Fehler, weil eine ganze Reihe guter Arbeiten über die Geschichte Thüringens schon vor- liegt. Letzteres kann man betrett's der folgenden Al)sclinitte nicht sagen : über die heutige Bevölkerung Tluiringens in anthropolo- gischer Hinsicht hat man erst jetzt mit der Sammlung von Material begonnen. War doch das Interesse für anthropologische Untcrsuchungtui vor 10 Jahren noch so gering, dass von lOüO ver- schickten Fragebogen ein einziger beantwortet wurde! Hoft'ent- licli wirken diese Zeilen in jener Hinsicht anregend. Ebenso fehlte bisher eine zusammenfassende Darstellung der lebenden Mundarten Thüringens, für deren Bearbeitung Verfasser den auf diesem Gebiete heimischen Gymnasialoberlehrer Dr. Hertel ge- wonnen hat. Von dem Material und den Vorarbeiten zu dem Abschnitte über Volksthümliches in Sitte und Brauch, tülaube und Dichtung gilt das über den vorgeschichtlichen Theil gesagte: auch hier z. Th. minderwerthige Eiuzelarbeiten, auch hier keine zu- sammenfassende Darstellung, auch hier also etwas Neues. Die üblichen, missb; unehlichen Beziehungen zum Heidentlium werden glücklich vermieden, wenn es auch an den richtigen Stellen nicht an Hilldeutungen darauf fehlt. Lobenswerth ist auch die Eman- zipirung von dem veralteten, aber noch vielfach geglaubten Dogma, dass jeder Aberglaube einen mythologischen Hintergrund habe. Im letzten Abschnitte über Kleidung, Wohnung und Kost ist zwar ausgesprochen, dass die Tracht nicht etwa etwas Uraltes, Unver- iinderliches sei, auch sind Beispiele der letzten geschichtlichen Eiitwickelung einzelner Trachten gegeben, doch hätte Verfasser vielleiclit ihrem Ursprung etwas eingehender nachgehen können, in welcher Kielitung v. Heyden in den Verhandlungen der Ber- liner anthropologischen Gesellschaft gute Andeutungen gegeben hat (18;>1, S. 3-24). Man legt das Buch nicht aus der Hand, ohne das Gefühl, dass hier im Wesentlichen etwas Neues geschaffen ist. Zwar werden keine neuen, eigenen Forsciiungsergebnisse mitgetheilt, aber neu ist die Darbietung eines reichen, sehr zersplitterten Materials in knapper, übersichtlicher Form und objectiver Dar- slelliing. Hierdurch eignet es sich nicht nur zur Belehrung und Unterhaltung aller Gebildeten, welche das schöne Thüringerland und seine Bewohner lieben, sondern dient auch als Basis für den weiteren wissenschaftlichen Ausbau der einzelnen Specialfächer und ist in letzterer Hinsicht besonders werthvoll durch die reich- haltige Zusammenstellung der gerade auf den behandelten Ge- bieten sehr zerstreuten Litteratur. A. Götze. Hermann Krone, Die Darstellung der natürlichen Farben durch Photographie auf directem und indirectem Wege oder Photographie und Lichtdruck in natürlichen Farben. Mit l'i Abbildungen. \'erlag der Deutschen Photographen- Zeitung (K. Schwier) Weimar 1894. — Preis geb. 4 M. Das vorliegende Buch giebt- eine Ergänzung zu dem in No. 24 der „Naturw. Wochenschr." vom vorigen .Jahre besprochenen Buche von E. Valenta über denselben Gegenstand. Während nämlich Valenta nach einer kurzen historischen Einleitung be- sonders das Lippmann'sche Verfahren zur Photographie der natür- lichen Farben und Nachprüfungen von Valenta, Krone und Lu- miere behandelt, giebt das Krone'sche Buch eine historische Darstellung sämmtlicher Versuche auf diesem Gebiete mit an- nähernd gleicher Ausführlichkeit; ausserdem geht Krone durch Beschreibung der verschiedenen farbigen Lichtdruckverfahren, sowie der Projection mehrerer photographischer Farbenbilder übereinander über den Kahmen des von Valenta Gebotenen hinaus. Wer also mögliehst vollständig über alle Versuche auf diesem Gebiete unterrichtet sein will, wird bei dem Krone'schen Buche besser seine Rechnung finden, während derjenige, der selbst Versuche in dieser Richtung anzustellen gedenkt, natürlich das vollkommenste, also das Lippmann'sche Verfahren anwenden wird, dessen Theorie und Pra.xis bei Valenta ausführlicher und anschaulicher geboten wird. Alle älteren Verfahren leiden nämlich gegenüber dem Lippmann'schen an dem gemein- .sanien Nachtheile, dass die erzielton farbigen Bilder nicht fi.xirbar sind, also im Tageslichte nach kurzer Zeit unter einer gleichmässigen Färbung verschwinden. Typisch sind unter diesen die Versuche von Edmond Beciiuerel jun. 11849—1855) und Poitevin (18G6). Becquerel vor- wendete als Bildträger eine polirte Silberplatte, auf welcher eine sehr dünne Chlorsilberschicht, durch Eintauchen in Chlorwasser oder durch Elektrolyse in verdünnter Salzsäure hervorgebracht war, entsprechend dem in der Photographie anfänglich vor- wendeten üaguerreotypverfahren. Poitevin erzeugte seine Bilder auf Papier, welches mit einer empfindlichen Schicht von violettem Silbersubchlorid eingebettet in Collodium überzogen war. Die Sensibilisirung für farbige Strahlen erfolgte durch Auftragen einer Lö>ung von Kaliumbichromat, Kupfersulfat und Chlorkalium. Dieser zweite Typus ist mit Abänderungen wiederholt von Dr. W. Zenker, H. Krone, Veress, Rafael Kopp, Valenta. Darunter war Zenker der erste, welcher eine Erklärung der Farben dieser Photographien nicht allein auf chemischem Wege, sondern durch eine physikalische Erscheinung, die Interferenz des Lichtes in der Bildung stehender Wellen, versuchte, deren Richtigkeit jetzt durch die versuche Lippmann's und seiner Nachfolger nachge- wiesen ist. (cf. „Naturw. Wochenschr." IX. Bd., No 24). Des- halb hat es aber wiederum ein gewisses Interesse, jetzt die älteren Verfahren, welche unbekannt mit dieser Theorie doch durch Pro- biren die geeigneten Bedingungen für die Interferenzerscheinungen zu Stande brachten, ausführlich in der Zusammenstellung des Krone'schen Buches kennen zu lernen. Andererseits haben auch die Lippmann'schenBildereinige Nach- theile, welche ihre ausgedehntere Verwendung in der Technik voraussichtlich ausschliessen werden. 1. Die Herstellung eines gelungenen Bildes ist an die pein- liche Beobachtung so vieler Bedingungen geknüpft, dass jedes gute Bild als ein Kunststück erscheint. 2. Die auf Glasunterlage erzeugten Bilder lassen sich nicht auf Papier oder dergl. übertragen. 3. Die hergestellten Bilder sind Unica, sie lassen sich in keiner Weise vervielfältigen. Letzteres ist aber für die Technik die Hauptsache, dass mau von einer gelungenen Aufnahme beliebig viele Copien machen kann. Dies führt uns zu der zweiten Abtheilung des Krone'schen Buches, welches den indirecten Weg der Farbendarstellung durch mehrfarbigen Lichtdruck behandelt. Gemeinsam ist allen diesen Verfahren der Grundgedanke, drei verschiedene Negative von demselben Objecte zu gewinnen, von denen die einzelnen nur die rothen, oder die gelben, bezw. die blauen Strahlen aufnehmen und beim Drucken in Farben wiedergeben. Dabei ist einerseits wesentlich, dass diese drei verschiedenen Platten möglichst in einer Aufnahme erhalten werden können, andererseits, dass die verwendeten Druckfarben den photographisch wirksam gewesenen Farben spectroscopisch möglichst genau ent- S])rechen. Der Aufnahme farbiger Objecte zugleich in den drei genannten Farbengrenzen dienen zwei von Krone beschriebene Apparate, das Heliochromoscop von Ives in Philadelphia und das Photopolychromoscop von Zink in Gotha. Beide erreichen ihren Zweck, indem sie durch mehrfache Spiegelung die den drei genannten Farben entsprechenden Bilder auf photographischen Platten an verschiedenen Stellen erzeugen. Dieselben Apparate lassen sich dann umgekehrt auch zur Projection farbiger Bilder verwenden, indem man die drei Negative auf Diapositiven copirt und diese durch farbige Gläser übereinander auf eine weisse Fläche projicirt, so dass sie sich decken und ihre Farben sich vermischen. Zum Schluss möchte ich mir erlauben, auf einen Punkt hin- zuweisen, über den Valenta ganz hinweggeht, während er bei Krone an einigen Stellen eine Andeutung findet, nämlich die Photographie der Farben, welche bei Polarisationsversuchen auf- treten, und die Betrachtung farbiger Photogramme im polarisirten Lichte. Es werden in dem Krone'schen Buche viele Versuche mitgetheilt, die optisch reinen Farben des Spectrums zu photo- graphiren; sollten nicht auch Versuche über Photographie der ebenfalls reinen P^arben der Polarisationsversuche an Krystall- blättchen u. dergl. vorliegen? Krone erwähnt solche Versuche auf S. 7 seines Buches von Edmond Becquerel, ohne über die Resultate etwas anzugeben. Es scheint mir ferner wahrschein- lich, dass bei manchen der weiter behandelten Versuche zur Her- stellung farbiger Photographien Polarisationsvorgänge in Frage kommen, die als solche vielleicht noch nicht geprüft sein dürften. So z. B. bei den Erscheinungen, die Krone an folgenden Stellen seines Buches beschreibt: S. 31. „LTnter den von Testud de Beauregard in der Sitzung vorgelegten .... Cliches auf Glasplatten erregt besonders das eine mit Recht allgemeine Aufmerksamkeit, nämlich ein Bild des Sonnenspectruins, welches weder in der Aufsicht, noch in der Durchsicht Farben zeigt. Projicirt man jedoch durch dasselbe weisses Licht am hellen Schirme, so erscheint an den richtigen Stellen des Spectrums gelb, blau oder violett auf dem weissen Schirme?)" Dem Fragezeichen des Herrn Krone möchte ich noch ein zweites hinzufügen mit dem Inhalt, ob nicht vielleicht die Farben durch polarisirtes Licht sichtbar gemacht sein könnten, wie dies auch bei dünnen Krj'stallplatten der Fall ist, die weder im auffallenden noch durchfallenden Lichte Farben zeigen, wäh- rend sie unter dem Polarisationsapparate in den lebhaftesten Farben strahlen. Auch bei den Lippmann'schen Platten scheint mir derartiges mitzuwirken. Der Verfasser sagt: S. 54. „Es ist durchaus unzutreft'end, zu erzählen, dass man in der Durchsicht diese Farbenbilder in ihren Complementär- farben erblicke .... Dies ist (jedoch) nicht der Fall. Die Farben sind nie in der directen Aufsicht oder Durchsicht, stets nur in reflectirtem Lichte zu sehen." An anderer Stelle wird 270 Natiirwissenschaftliclie Wochenschrift. Nr. 22. noch hinzugefügt, dass die Farben besonders lebhaft unter einem gewissen Winkel ei-scheinen. Das reflectirte Licht ist nun be- kanntlich reich an polarisirten Strahlen, der gewisse Winkel dürfte dann also der Polarisationswinkel des Glases sein. Ich vermuthe sogar, dass die Bilder bei der Durchsicht ebenfalls Farben zeigen würden, wenn man lediglich pelarisirtes Licht an- wenden würde. Auch die Bemerkung auf S. 109, betreffend die Spiegelung bei dem Heliochromoscop von Ives: „Ein anderer scheinbarer Fehler liegt in dem Um- stände, dass die von den als transparente Spiegel dienenden Plangliisern reflectirte Lichtmenge je nach dem Einfallswinkel verschieden ist Die Liehtscheibe, welche im Heliochromo- scop sichtbar ist, wenn das Chromogramm herausgenommen und das Instrument gegen weissen Himmel gerichtet ist, zeigt sich nur in der Mitte weiss, die äusseren Theile zeigen auf der einen Seite einen zarten blauen Anflug, auf der anderen einen schwach gelben, oben einen röthlichen und unten einen grün- lichen," giebt mir ebenfalls Veranlassung, darauf hinzuweisen, dass die genannte Farbenanordnung in 4 Quadranten der Licht- scheibe auf polarisirtes Licht hindeutet. Es erscheint deshalb wünschenswerth, das Verhalten des polarisirten Lichtes beim Photographiren genauer zu stiidiren und zu berücksichtigen, als es bisher, soweit mir bekannt, geschehen ist. Einige Bedenken möchte ich endlich noch äussern bezüglich einer allerdings mit Reserve abgegebenen Erklärung des Ver- fassers, betreffend den Chromgelatineprocess von Lippmann. Krone will das Auftreten der Farben hier ebenso wie bei dem Lippmann'schen Bromsilberverfahren durch Ausscheiden von dunk- leren, parallelen Ebenen aus rothbraunem Chromsuperoxyd er- klären. Das Verhalten der in beiden Processen erzeugten Bilder ist aber ganz entgegengesetzt, die Silberbilder sind in nassem Zustande völlig unsichtbar und erscheinen erst nach dem Trocknen, ja ganz geringe Feuchtigkeitsänderungen in der Schicht ver- schieben schon die Farben aus ihrem Spectralbereiche (cf. „Naturw. Wochenschr." Bd. IX, No. 24), während die Chromgelatinebilder im trockenen Zustande unsichtbar sind und erst beim Anhauchen oder Anfeuchten hervortreten. Lippmann wird also doch wohl Recht haben, wenn er anninmit, dass bei der Chromgelatine Reflexions- und Brechungs' orgänge neben einander in der Schicht auftreten und die Farben erzeugen. Denn durch die Wasser- anfnahme wird doch der Brechungsindex der quellbar ge- bliebenen Gelatinelamellen ein anderer, wie der durch die Chrom- säure unlöslich gewordenen. Jedenfalls ist dieser Punkt noch nicht genügend aufgeklärt, Herr Krone hat sich deshalb mit Recht vorbehalten, nach eigenen Versuchen sich über diese Er- scheinungen noch weiter zu äussern. H. Kahle. Dr. Georg Berthenson, kaiserl. russ. Militär-Arzt, Grimdprin- cipien der physiologischen Mechanik und das Buttenstedt- sche Flugprincip. Berlin, Mayer u. Müller. 1894. Wir begegnen in dieser, nur 28 Druckseiten umfassenden Broschüre einer Abhandlung überdieThätigkeitder, namentlich beim Fluge in Mitleidenschaft gezogenen Muskeln, wie z. B. des im Quer- schnitt ungefähr 80 qcm grossen VVadenmuskels des Menschen, welcher beim Einzidfluge des letzteren als „Strecker" gewiss eine sehr wichtige Rolle zu spielen bestimmt ist. Auf Grund seiner Unter- suchungen und der damit gewonnenen Resultate, erscheint ihm die Frage, ob sich der Mensch mittelst seiner Kraft in der Luft bewegen kann, gar keine Frage mehr, sobald nämlich der {körper- lich athletisch entwickelte) Mensch selbst als Motor in die aero- dynamischen Versuche eintritt. Das Buttenstedt'sche Princip, nach welchem der „Stützpunkt für jeden geeigneten, schweren Körper in jedem Medium, ob Land, Wasser oder Luft, mag das Medium so dünn sein, wie der Aether des Weltalls, — eben in der durch den Widerstand des Mediums hervorgerufenen elastischen Spannung im bewegten Körper selbst ruht" erklärt der Herr Verfasser als „eine neu entdeckte Wahrheit, welche von grossartigen praktischen Folgen für die Menschheit begleitet sein wird, und welche er physiolo- gisch-anatomisch erweitert, seine Gültigkeit für alle organischen Siechanismen nachgewiesen und dadurch die Einheit der Orts- veränderung aller sich selbst fortbewegenden Organismen offen- bart" hat. Es ist nur zu bedauern, dass die fast allzu knappe und von Fremdwörtern strotzende Form des Ganzen sich nicht für einen grösseren Leserkreis als den sehr engen der Fachgelehrten eignet, Dr. N. Richard Henke, TJeber die Methode der kleinsten ftuadrate. 2. unveränderte Auflage. Verlag von B. (i. Teubnor. Leipzig 1894. Preis 2 M. ' Die vorliegende Abhandlung wurde zuerst als Inaugural- dissertation des Verfassers im Jahre 1868 gedruckt. Mehrfache Nachfragen nach der im Binnenlande bisher nicht erhältlichen Arbeit haben Veranlassung zu dem gegenwärtigen zweiten Abdruck gegeben. Die vorgenommenen Aenderungen sind unwesentlicher Natur. Hinzugekommen sind zwei Zusätze," betitelt: „Die Methode der kleinsten Quadrate und das Gaussische Fehlergesetz", sowie „Weitere litterarische Bemerkungen über Begründung und Bedeu- tung der Methode der kleinsten Quadrate". Der Verfasser formu- lirt und begründet darin nochmals seine auch in der Abhandlung selbst niedergelegte Anschauung, dass „die Methode der kleinsten Quadrate eine allgemeinere Bedeutung hat als ein bloss conven- tionelles Princip zur Ausgleichung der Beobachtungsresultate zu sein. Ihre Anwendung bei dem Problem der Ausgleichungs- rechnung ist nur ein specieller Fall. Dagegen hat das Gauss'sche Fehlergesetz etwas Conventionelles; da es im Ganzen nicht viel darauf ankommt, ob die Voraussetzungen seiner Giltigkeit immer streng erfüllt sind, so nimmt man es als allgemeingiltig an, weil nichts Besseres an seine Stelle gesetzt werden kann". Der Ver- fasser hält es dennoch für das Zweckmässigste, wenn man die Methode der kleinsten Quadrate ganz unabhängig von einer auf Wahrscheinlichkeitsprincipien fussenden Fehlertheorie begründet. Wir stehen diesen Darlegungen principieller Natur sympathisch gegenüber und sind sicher, dass die kleine Schrift überall freund- licher Aufnahme begegnen wird. G. Jahreshefte des naturwissenschaftlichen Vereins für das rürstenthum Lüneburg. Xlll. 18;i.'3- 1895. Lüneburg 1895. — Das Heft bringt die folgenden Abliandhmgen: 1. Beiträge zur Frage nach den Irrlichtern. H. Steiuworth-Hannovor. — 2. Ueber den angeblichen Gault bei Lüneburg. A. v. Strombeck-Braun- schweig. — 3. Zur Bodenkunde der Umgebung Lüneburgs. M. Stümcke -Lüneburg. — 4. a) Mittelwerthe der 40jährigen meteorologischen Beobachtungen zu Lüneburg. 18.55 bis 1894. b) Die Windverhältnisse von Lüneburg. Rector Dr. Kohlrausch. — 5. Der Februarsturm im Jahre 1894. Oberlehrer Ahlenstiel. — (i. Meteorologische Uebersicht der Jahre 1892, 189.3, 1894. Rector Dr. Kohlrausch. — Auf die erstgenannte Arbeit denken wir in einem längeren Referat einzugehen. Der Almanach der Kaiserlichen Akademie der Wissen- schaften zu Wien für das Jahr 1891 ist vor Kurzem erschienen. Von seinem Inhalte sind an dieser Stelle zu erwähnen die Nekro- loge auf den Mathematiker Em. Weyr (Professor an der Uni- versität Wien), auf den Chirurgen Billroth, auf den Geologen Dionys Stur, auf den Pflanzenphysiologen Adolf G. Weiss und auf den bekannten Physiker Heinrich Rudolf Hertz. Sodann ist noch zu nennen der Festvortrag von A. Schrauf „über den Einfluss des Bergsegens auf die Entstehung der minera- logischen Wissenschaft im Anfange des XVI. Jahrhunderts." Dieser Vortrag entwickelt besonders die Verdienste Agricola's, des „Vaters der Mineralogie" 'auf Grund ausgedehnter Studien. Journal für die reine und angewandte Mathematik, Band 114. Inhalt: E. Busche, Ueber den Dreiecksinhalf und sein duales Analogen. E. Czuber, Die Steiner'schen Polygone. Fro benius, Ueber das Trägheitsgesetz der quadratischen Formen. Fuchs, Remarques sur une note de M. Paul Vernier. A. Gutz- mer, Ueber den analytischen Ausdruck des Huygens'schen Princips. (Enthält eine Hericitung des letzteren in der Kirchhofl'- schen Form auf Grund des Green'schen Satzes). Hensel, Ueber reguläre Determinanten und die aus ihnen abgeleiteten Systeme. — , Ueber die Elementartheiler componirter Systeme. S.Kantor, Theorie der eindeutigen periodischen Transformationen in der Ebene. (Auszug aus einer von der Akademie zu Neapel preis- gekrönten Abhandlung: Premiers fondements pour une theorie des transformations periodiques univoques). E.Kötter, Note über ebene Curven dritter Ordnung (mit Tafel). Lan dsberg. Zur Theorie der Krümmungen eindimensionaler, in höheren Mannigfaltigkeiten ent- haltener Gebilde, von Mangoldt, Zu Riemanns Abhandlung „über die Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Grösse." Meyer, Ueber indefinite ternäre quadratische Formen (Fort- setzung einer früheren Arbeit). Mit tag-Leff 1er, Sur les inva- riants des equations difförentielles lineaires. Netto, Erweiterung des Laplace'schen Deti'rminantensatzes. Reyet, Wilhelm Stahl. Schafhei tlin, Ueber die Gauss'sche und Bessel'sche Dift'erential- gleichung und eine neue Integralform der letzteren. Schle- .singer, Bemerkungen zur Theorie der Fundamentalgleichung. — , Ueber die Hamburger'schen Untergruppen, in die das zu einem singulären Punkte der Bestimmtheit einer homogenen linearen Differentialgleichung gehörige kanonische Fundamentalsystem zerfällt. .Stack el, Ueber Transformationen partieller Differential- gleichungen. Vahlen, Ueber die von Herrn Fuchs gegebene Nr. 22. Natnrwisscnseliartliclic WoehenscliriCt. 271 Ausdehniiiif; <1im- Logeiidro'schen Helatidii auf hyperelliptische Intogralo. Wallenberg, üntorsuchunp lier durch eine homof;oiio Kehition vi'rbundenon Integrale einer lioinngenen linearen Ditrerentialgloichung. — Nacliruf an H. von Ilelmliultz Seitens der Kedaction des Journals, in dem von Heimholt/, nieht nur wortlivolle Arbeiten verött'entlichte, sondern zu dessen Kedaction er aucli enge Beziehungen hatte. Das .lonrnal erschien seit langer Zeit unter seiner „Mitwirkung", wie es auf dem Titel- blatte hiess. Verzeicliniss der Botanischen Modelle \on R. Brendel in Berlin \V (i:'. 1895. — Wir haben sclmn früher einige Male Ge- legenheit gehabt (vergl. z. B. Bd. VI, S. 7:) tl'.), auf die tretfliehen botanischen Unterriehtsmodelle der Firma A.Brendel hinzuweisen. Wir klimmen heute bei C4elegenheit der Anzeige des neuen Cata- loges der Firma auf dieselben zurück, um auf einige der seit un- serer h'tzten Anzeige hinzugekommenen neuen Modelle aufmerk- sam zu machen. Prof. Dr. Carl Müller hat li Modelle von Samenanlagen angiospermer Pflanzen angegeben und erläutert. Ferner liat Prof. Kny mit seinem Rath bei der Anfertigung von Modellen zur Veranschaulichung der wichtigsten Typen der Blüth<>nstände zur Seite gestanden, und eine vorzügliche von der Firma den Modellen beigegebene Erläuterung aus der Feder des Dr. Carl Müller giebt Auskunft (im Sinne der üblichen Morpholo- gie) über das, was ilie Modelle lehren sollen. Zur Veranschaulichung der letztgenannten Modelle geben wir beifolgend die dem Catalog entnommenen Figuren. N.i. a. No. 1. 2. 3. 4a. 4b, 5. 6. 8. 9. 10. II. 12. 13. No. 11. No. 13. Zur Darstellung sind gelangt: Einfache Aehre (spica) ohne Gipfelblütbe. Die Seitenblüthen in Vö-Stellung angeordnet ■') M. Einfache Traube (racenius) mit Gipfelblütbe, die Seitenblüthen in Vs-Stellung angeordnet 5 M. Einfache Dolde (umbella) 3,.J0 M. Köpfchen (capitulum) mit kegelförmigen Receptaculum, die Seitenblüthen in "/srStellung angeordnet (in zwei Hälften zerlegbar) 10 M. Köpfchen (capitulum) mit tellerförmig flachem Receptaculum, die Seitenblüthen in "/srStellung angeordnet (in zwei Hälften zerlegbar) 15 M. Trugdolde (dichasium) mit wiederholter Gabelverzweigung. Erläutert die Bedeutung der ot- und p-Vorblätter, die Homo- dromie und Antidromie der Sprosssysteme und führt zum Verständniss der Wickel und Scbraubel 7,.i0 M. Wickel (cincinnusl Die 'a-Vorblätter zur Verkümmerung neigend, die 3-Vorblätter, aus welchen die Wickelförderung ersichtlich, sind kräftiger gehalten 7.50 M. Schraubel (bostryx), durch fortgesetzte Förderung aus den Achseln der c»-Vorblätter hervorgegangen .... 6 M. Füchel (rbipidium) 5 M. Sichel (drepanium) 4,50 M. Bewegliches Modell, ein Sympodium mit vier Sprossgenera- tionen darstellend. Durch Drehung der beiden jüngsten Sprosse lässt sieh nach Belieben der Anfang einer Wickel, Schraubel, Fächel oder Sichel herstellen. Es veranschaulicht mithin das den genannten Blüthenständen gemeinsame, eben- so auch das unterscheidende Moment. (Nach Dr. Carl Müller.) 5 M. Zusammengesetzte Dolde (umbella composita) . . . 8,50 M. Doppelwickel (cincinnus duplex). Die Wickeläste zeigen sehr starke Förderung der iWorblätter und Minderung der c<-Vor- blätter. Es wird dadurch der dorsiventrale Charakter der Wickeln sehr scharf gekennzeichnet 12 M. Zusammengesetzte Traube (panicula) in Rispenform. Die Seitenachsen an der Hauptachse in ^/s-Stellung, die Blütheii an den Seitensprossen in -/sStellung angeordnet. . 7,50 M. Ganglbauer, Cust. Ludw., Die Käfer von Mitteleuropa. 2. B<1. II. 1. Thl. Wien. — 28 M. Greve, Lehr. Carl, Die geographische Verbreitung der jetzt lebenden Raubthiere. Leijizig. — 30 M. Eolbe, Oberlehr. Bruno, Einführung in die Elektricitätslehre. II. München. — 3,80 M. Neumayr, Prof. Dr. Melchior, Erdgeschichte. 2. Aufl. 1. Bd. Leipzig. — 16 M- Reling, H., Das Gebiet der drei Gleichen, Wandersieben und Umgebung. Dessau. — 0,40 M. Ratzel, Prof. Dr. Frdr., Viilkerkunde. 2. Aufl. 2. Bd. Leipzig. — 1« M. Inhalt: Dr. Alfred Müller: Au.s Sa. Catbarina, Brasilien. — Ein Fall von scheinbarer Telegonie. — Lieber den Aufbau uud die Auflösung des Kalkskelettes der Eehinodermenlarven. — Die Coelenteraten Helgolands. — Die Einsiedlerkrebse. — Ein neuer Fundort von diluvialen Glacialptlanzen. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Lilteratur: Emilie Levier, ä travors le Caucase. — Karl Milla, Die Flugbewegung der ^'ügel. — Dr. Richard Klebs, Ueber das Vorkommen nutzbarer Gesteins- und Erdkarten im Gebiet des masurischon Schiffahrtskanals. — Fritz Regel, Thüringen. Ein geographisches Handbuch. — Hermann Krone, Die Darstellung der natürlichen Farben durch Photographie auf directem und indirectem Wege oder Photographie und Lichtdruck in natürlichen Farben. — Dr. Georg Berthensou, Grundprincipien der physiologischen Mechanik und das Butten- stedtsche Flugprincip. — Ricliard Henke, Ueber die Methode der kleinsten Quadrate. — Jahreshefte des naturwissenschaftlichen Vereins für das Fürstentbum Lüneburg. — Der Almauach der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. — Journal für die reine und angewandte Mathematik, Band 114. — Verzeichniss botanischer Modelle. — Liste. 272 Natiiiw'issc'uscliaftliche Wochenschrift. Nr. 22. Verlag tun 3. 3. Heber in Ccipjig« ©ocbeii crfd)iencn mit tm* icbe ^iiAtjaubluiiG ju bcgtcljeii: Die C^ £cl)rc iK^n bei' ^rcfitri^tfäf lm^ ^£rc^ jjvahtirdje llcruicnöuitg VJIil 153 '•Ibliilbuiigcu. OlUlClllClIV. !)>rfio 10 ÜJIotf, in iinlliir«iiil)aiii 12 'JJInrf. a! 0 u t e m leiten ä' e v f a f i c r ftnb ferner cr!*ieiien : |fltril)i6init0 kr PaiiijiflirlTrl , dniiipfinafdiinrn iiitti nnkrrr li.' .1 niu- m 0 1 tu e 11 (Sin Vti'r- mit 'JlidiidiUijjcinid' tiit tU'attitev, Jcdiiiifei mit SiituftrieUe. Süuttc, rcimelute mit l'eit'cfft'i-te Sluflasc. -Uüt 21» in ten Jejt OebiHctteii mit 13 Jcifeln SllM'iltmiäcii. 1S91. i^tei« aet'nnten 4 iBf.ivI: :>ü t!f. Iiatfji)i5iniiö kr (?ifiitrotrd)iiiii. |'^,;^Ä*'r;i^n"i'"o?«^;i^r ;;;;!: iic.irbeitcte Jluflaot'. Diit -JOli ;'U'lHltmiiieii. 1S!>4. iUci« oelinnbcn 4 ffliarf .'iO i^f. atent-technisches und I Verwerthung-Bureau Betche. BerUn S. 14, Neue Rosssti' l^ie künstlerische ' Herstellung * von niustratiouen und Zink- cliches .jeder Art und nach belieldser ^'o^]age, für wissen- schaftliche und gewerbliclie Zwecke, wird in meinem Insti- tut seit Jahren geiiflcgt. Die Abbildungen in dieser Zeit- schrift gelten als Proben meines Verfahrens. 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Postzeitungsliste Nr. 47;i2. ¥ JL Inserate: Die viergeapaltene Petitzeile 40^. Grö33ere AufträKe ent-7f j sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inaeratenannahme' ■/ v bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. it'C.'- Abdruck ist nar mit vollständiger <|aellenansabe gestattet. Geologische Ausflüge in die Umgegend von Berlin. Von Dl-. Max Fiebelkorii. ()'. Die Postg'Iacialzeit. ä^. Der Decksand. lieber dem oberen Geschiebenieri^'cl tretend für iliii tritt der Decksand auf, Faciesbildung: des oberen bildete und durch Ablagerung Geschiebenicrg'cls Au.swaschung- oder stellvcr- wclcber sieb als nach dessen desselben durch die Sclimelzwasser des sich /uriickzielicnden als ein iiröbercr Eises oder entstanden ist. Er stellt sieh feinerer Sand dar, dem zahl- reiche gi-össere und kleinere Geschiebe eingelagert sind. Von Interesse sind die in ihm häufig vorkommenden sog. Kantcngercille oder Drei- kanter, deren Entstehungs- ursaclie eine längere Dis- cussion in der Gelehrtenwelt hervorgerufen hat. Die Drei- kanter sind Geschiebe von sehr verschiedener Grösse und Gestcinsbeschaffenlieit, deren eine Seite meistens das gewöhnliche Aussehen be- sitzt, während die andere zwei oder mehrere schwach gewölbte Flächen zeigt, die sich in scharfen Kanten schneiden (Fig. 40). Durch das Auftreten dieser drei Flächen erhalten die Geschiebe das Aussehen einer Pyra- mide, weshalb sie von Meyn mit dem Namen „l'yramidal- gesehiebc" belegt sind. Von den vielen Ansichten, die iiljer die Entstehung der Dreikanter ausgesprochen worden sind, ist nur die von Gotische geäusserte hier anzuführen, der als erster unter den norddeutschen Geologen die Kraft des Windes zur Hildinig der Pyrarnidalgeschiebe ins Feld führte. Saiul- körnchen von verschiedener Grösse werden durch den Wind gegen geschleudert die Geröllc eine Abschleifung derselben hervor. Gcttsi-l'/e schon Travers dieselbe jedoch waren seine Mittheilungen den und brachten so Zwar hatte vor geäusseitj meisten deutschen Meinung Geologen als die richtige Dreikanter (nach W.ahnacliafi'e). unbekannt geblieben; ähnlich war es einst Bernhardi mit seiner Ansicht über die Entstehung dei' Rüdersdorfer Gletschcrschrammeu ergangen. Die von Gottsche aufgestellte Theorie erwies sich und in rascher Folge mehrten sich die Beweise für dieselbe. Von zahlreichen Punkten wurden Kantengeschiebe erwähnt, aus deren Vorkommen deutlich hervorging, dass sie nur der Kraft des Windes ihre Ent- stehung verdankt haben konnten. In vielen Fällen wurden sogar Doppeldrei- kaiiter gefunden, welche auf beiden Seiten Schlift'fläehen zeigten. Dieselben sind auch im norddeutschen Flachlande nicht selten. Ihre Ent- stehung wird so erklärt, dass durch den Wind der die Dreikanter umlagernde Sand fortgeweht wurde, wodurch sie umschlugen und nun ihre Unterseite der Gewalt des Windes preisgaben.*) (Ja- Der Thalsand. zeigt sich als ein zum Theil steinfreier, ^er Sand. Früher wurde er zum Alt-Alluvium gerechnet, durch Berendt erhielt er jedoch seineu Platz im Diluvium, indem der genannte Forscher nachwies, ur 40. Derselbe gleichkörnit *) Nillicri'S (il)ei' dio Kantongeröllo vergl. in der Wüclu-nscli. Band II Nr. ISJ, Band HI Nr. 7 und 2G. Nrttiirw. 274 Naturwisscuscbaftliche Woclicnsclirift. Nr. 23. dass, zwischen den sich zuweilen ebenfalls in Rinnen findenden Decksanden und den Tlialsanden kein Unter- schied im Alter bestehe. Die Entstehung derselben ist demnach so zu er- klilren, dass durch die Einwirkung- der Schmelzwasser die Decksande als Auswaschungsprodukte der Grund- moräne liegen blieben, während die Gewässer bei ilirem Sammeln in den Rinnen dort das mitgeführte Material sonderten und in der Tiefe der Rinnen den feinen Tlial- sand absetzten. Der Tlialsand ist mithin nur eine Facics- bildung des Decksandes, der, wie oben gezeigt, seinerseits wieder stellvertretend für den oberen Ge- schiebemergel auf- tritt. dg. "Endmoränen und Durchragungsziige. Die Endmoränen sind schon früheren Forschern, wie Boll und. Kloeden, aufge- fallen und von ihnen erwähnt worden. Die genauere Kenntniss über ihren Verlauf und inneren Aufbau ist jedoch erst durch die neueren Karti- rungen der Königl. preussischen geolo- gischen Landes-An- stalt vermittelt wor- den, wobei besonders Berendt, Keil hack, Schroeder und Wahn- Schaffe hervorragende Hesultate erzielt ha- ben. Die Endmoränen stellen sich gewöhn- lich als wallartig ver- laufende, 100-400m breite Bögen dar, de- ren eoncave Seite na- turgemäss dem Aus- gangspunkte des Ei- ses zugekehrt ist. Niclit selten zeigen foitgeführt die Bögen keinen ein- heitlichen Zusammen- liang, sondern beste- hen aus Hügelgruppen, einer Fig. 41. Die z. Z. bekannten Endmoraenen in Brandenburg und Vorpommern. (Nach den Beobachtungen von Berendt, Scliroeder und Walinscliaffo.) (Die Strecke zwischen .Senfteutlial und Oderberg nacli einer persünliclien Mittlieilung von Herrn vereinzelten Das Innere dichten Steinpackung Dr. n. Schroeder.) derselben setzt sich zusammen, bei der aus sich die grossen Geschiebe oft unmittelbar berühren, während ■ die Zwischenräume mit Sand, Grand, kleineren Geschieben ■"und bisweilen auch sandigem Mergel ausgefüllt sind; ge- ' schichtete Bildungen nebst Lagen von Geschiebemergel zeigen sich zuweilen ein- und angelagert. Der Rücken der Endmoräne besitzt oft nur einen schmalen Kamm und eine Böschung von 30 — 45". Tritt der wallartige Cha- rakter zurück, so nimmt die Endmoräne die F'orm einer ausgedehnten Geschiebebeschüttung an. Gewöhnlich über- ragt dieselbe das sie umgebende Land mehr oder weniger und bildet die höchste Partie der Gegend, bisweilen jedoch, wie bei FUrstenwerder, wird sie von der sich an sie an- schliessenden Grundmoränenlandschaft an Höhe über- trotfen. Vor der Endmoräne zieht sich ein flaches sandiges Vorland hin, welches gewöinilich von vertorften Rinnen und Wasserläufen durchzogen ist; rückwärts schliesst sich dagegen an dieselbe ein Geschiebcmcrgel- gebict mit dem Charakter der Grundmoränenlandscliaft an. Nicht selten war ursprünglich hinter der Endmoräne ein Stausee vorhanden, welclier später versumptte und die Veranlassung zur Bildung eines Torfmoores gab. Die Entstehung der Eudiiioränen lässt sich leicht so deuten, dass das Eis beim Abschmelzen an einer Stelle längere Zeit stationär gewesen ist. Da eine Obcrilächeii- moräne fehlte, konnte nur die Grundmoräne das Material für derartige Endmo- ränen liefern. Dies geschah in der Wei- se, dass durch die Schmelzwasser des Eises das feinere Material wurde und die ben Blöcke sich dicht auf einander häuften. Die zwischen ihnen be- findlichen Zwischen- räume wurden mit Sand , Grand oder kleineren Geschieben, zum Theil auch san- digem Geschiebemer- gel ausgefüllt. Bei zeitweiligem Zurück- weichen des Eises wurden die Geschie- bewälle mit dem fei- neren Materiale von Neuem überschüttet. Durch das erneuerte Vorrücken des Eises wurden hierauf Theile des Walles wieder zerstört und die übrig- gebliebenen Reste mit Geschiebelehm über- deckt, auf dem sich dann nochmals eine Gesteinspackung an- häufen konnte. Zusammen mit den Endmoränen sind Ge- bilde zu besprechen, welche Schroeder als „ Durehragungszüge" bezeichnet hat. Die- selben stellen sich als Kämme von einer Breite von mehr als 100 Metern und vqu einer Länge von einigen Metern bis zu einigen Kilometern dar. Bisweilen zerfällt der Höhenzug in einzelne Theile uiid verschwindet streckenweise völlig, um dann weiterhin wieder aufzutreten. Der Kern der Durehragungszüge besteht aus Mergelsanden, Granden und Gerollen, denen sich nicht selten der untere Mergel zugesellt, Auf den Flanken liegt oberer Geschiebemergel, der bisweilen auch auf dem Rücken der Kämme auftritt. Die Schichten der Durehragungszüge bilden im einfachsten Falle einen ein- fachen Sattel, während nicht selten auch ein halber Sattel vorkommt, bei dem die Schichten nach einer Seite eoncordant fallen, während sie auf der anderen vom oberen Mergel abgeschnitten werden. In einem dritten Falle sind die Schichten vollständig fächerför- mig angeordnet. Das Streichen der Schichten wie der Nr. 2:V Naturwisscnsc'liaftlielic Wcx-licnsclirift. 275 Verlauf der Sattclaclisc ist stets der Kiclitmij,^ der Züge parallel. Der .Merkel, der die Flanken und Höhen bedeekt, ist iiielit selten in die unteren Sande iiineingepresst, bis- weilen zeigt sieh sogar eine Weehsellagerung beider Bildungen. Da in diesem Falle eine Unibiegung beider Sehiehten in einander festgestellt werden konnte, lassen sieh derartige Erscheinungen als zusanunengedritekte Falten erklären. Zu beiden Seiten der Durehragungs- gewühnlicli obere auf dem rhone, die fehlen können. Auf dem Rüeken der Züge oberen Mergel auf grosse Strecken hin jedoch Züge lagern Sande und auch völlij^ zeigt sieh eine Uebcrlagerung des Kernes durch grosse Bh'ieke, die zusannnen mit kleineren Geschieben durch Sanil verkittet werden können. Die Erklärung der Durchragungszüge geht von dem Unistande aus, dass ihr Kern stets mehr oder weniger deutlich gefaltet ist. Sie sind somit durch Stauung und Aufpressung entstanden, welche beiden Faktoren bei einem längeren Stillstände des sich zurückziehenden Eises zur Wirkung kamen. Die unteren Sande wurden abgesetzt und gleichzeitig kamen der obere Jlergel und der obere Sand zur Ablagerung. Wie aus dem Vorherigen ersichtlich ist, besitzen die Durchragungszüge eine auffallende Aehuliehkeit mit den Endmoränen, und Schröder hat kürzlieh*) gezeigt, dass sie in der Tliat als richtige End- erstreekt sieh über die Ortschaften: Zehden, Soldin, Bcrlinclien, Kriening, Sehwachenwalde, Sellnow, Stein- berg, Nörenberg, (lienow, Dramburg. Ueber ihre west- liche Fortsetzung liegen noch keine Untersuchungen vor. Auf die über die russische Grenze hinaus von Siemiradzki beobachtete Fortsetzung einer Endmoräne soll hier nur hingedeutet werden, da ein näheres Ein- gehen auf dieselbe zu weit aus dem Rahmen der vor- liegenden Arbeit fallen würde. ^,- Äsar und Kames. Unter der Bezeichnung Äsar versteht man steile, wallartige Geröll- und Sand- resp. Grandrücken bis zu 60 m Höhe, welche in vielen Windungen, oft einander parallel, oft sich gabelnd, das Land durchziehen.*) Hire Entstehung ist noch nicht genügend aufgeklärt. Gewöhn- lich nimmt man jetzt an, dass sie durch Ausfüllung von Rinnen entstanden sind, welche die Gewässer in die Eis- decke s-enaat und mit ihrem Sedimentmateriale später ^ genagt ausgefüllt hatten. Kames dagegen geschichtetem werden isolirte Hügel und nioränen aufzufassen sind; der Hauptnnterschied zwi- schen beiden Bildungen be ruht lediglich darauf, dass die Durchragungszüge weniger massig und geschlossen auf- treten als die Endmoränen. Fassen wir somit beide Erscheinungen als die gleichen Bildungen auf, so besitzen wir in Brandenburg und Vor- pommern**) jetzt die Kenntniss von drei auf einander folgenden Endmoränen, welche einander parallel ver- laufen. Die südlichste (F'ig. 41) derselben beginnt bei Neu-Strelitz und verläuft über Feldberg, Alt-Temmen, Joachimsthal, Chorin, Liepe und Oderberg, wo sie das alte Oderthal überschreitet und weiter südlich fortsetzt, während sich die zweite nördlichere von Fürstenwerder am Südende des ückersees vorüber nach AngermUnde zu erstreckt. Die dritte nördlichste schliesslich wird von jenen früher als Durehragungszügen bezeiclineten Ge- bilden dargestellt, beginnt bei Kleptow resp. Karmzow und geht von hier an Grenz, Wollin, Grunz, Storkow, Tautow vorüber nach Radekow. Neben diesen drei genannten Endmoränen sind von Berendt noch Stücke einer solchen aus der Gegend von Drossen, Ziclenzig, Schwiebus und Bonist, sowie aus der Gegend \on Polniseh-Lissa nachgewiesen worden, ohne dass deren Zusammenhang oder sonstiger Verlauf bis jetzt jedcich vollständig "klargestellt ist. Ferner ist Gottsche damit beschäftigt, eine Endmoräne von der Grenze Jütlands an bis nach Mecklenburg hinein zu ver- folgen, während Geinitz den Verlauf solcher Moränen für Mecklenburg festgestellt hat. Neueniings hat Keilhack über den Verlauf einer Endmoräne in der Neumark und im südlichen Hinter- Poiiimerii Mitthcilungen gemacht***), welche hier ebenfalls kurz Erwähnung tiuden sollen. Die genannte Endmoräne Figur 42. Profil durch den Haussee bei Wichmannsdorf (Uclvcriiiaik). (N';u-li ^Valiiisehatt'e.) Maa.ssstab: 1 : 12 50ui>, Höhe : Länge = 1 : ', Tiefe des Sees 24 m. *) Zeitschr. d. D. g. G. 1894, S. 293. *•) Von Mecklenburg und Hinterpommcrn wird hier ab- gesehen. **•) K. Keilhack, Die baltische Endmoräne in der Neumark und im südlichen Hinter-Pommern. Jahrlj. d. Kgl. pr. geol. Landes- Anstalt zu Berlin f. 1893. Berlin 1894, S. ISOff. Als _ _ Rücken von geschichtetem Kies und Sand bezeichnet, deren Entstehung ebenfalls noch zweifelhaft ist. Asar wie Kames sind von Geinitz aus Mecklenburg beschrieben, jedoch steht die Zurechnung der von dem genannten Forscher hierher gerechneten Höhenzüge zu derartigen Bildungen nicht ausser Zweifel. Schröder rechnet sie zu den Durehra- gungszügen, während Wahii- schatfe anführt, dass er nur bei Lubasch unweit Czarni- kau in Posen einen aus Sand und Grand bestehenden ffrosse Aehnliehkeit mit den Viel- Kamm beobachtet habe, der ^ schwedischen wie den esthländischeu Asar besitze leicht gehören zu den Kames auch die Höhenzüge am Wege zwischen SuUdorf und Langenweddingen in der Magdeburger Börde. d-^. Die Bildung der Seen. Das Vorkommen der Seen im norddeutschen Flach- lande steht in engem Zusammenhange mit der ehemaligen Vereisung desselben. Wenn wir die Ursache der Seeu- bildung in ihm feststellen wollen, müssen wir daher au die Inlandeisdecke und ihre Schmelzwasser anknüpfen. Nachdem schon früher mehrere Gelehrte sich mit der Frage der Seenbildung im norddeutschen Flachlande be- schäftigt hatten, ist Wahnschatfe auf Grund eingehender Beobachtungen neuerdings zu der üeberzeugung ge- kommen, dass wir folgende vier Arten von Seen zu unter- scheiden haben: Grundmoränenseen, Stauseen, Riuneuseen und Senkungs- oder Einsturzseen. a) Die Gruudmoräuenseen. Dieselben sind oft völlig ab- und zufiusslos, und zeigen z. Th. einen sehr unregelmässigen Umriss. Hire Ufer be- sitzen keine steile Böschung, sondern fallen allmählich nach der Mitte zu ab, so dass die Grundmoränenseen eine flache Mulde bilden. In ihnen treten nicht selten eine oder mehrere kleine Inselehen auf, welche häufig mit oberem Gesehiebeniergel bedeckt sind, ebenso wie auch das ganze Becken ringsum von Geschiebemergel umgeben zu sein pflegt. Die geschlossene Lage macht derartige Seen zur Vertorfung überaus geeignet, wofür sich zahl- reiche Beispiele anführen lassen. *) Vergl. Wahnschaffe'.s Aufsatz im Jahrb. d. geol. Landes- Anstalt f. 1890. Berlin 1892, S. 277 ff. 276 Niiturwisscihscliaftliilic Wochcuscliriit. Nr. 23. lieber die Entstehung der Grundmoränensecn spricht sich Wahnschaffe dahin aus, dass die Vertiefung-, in weicher sich jetzt das Wasser des Sees betindet, schon vor der letzten Vereisung vorhanden gewesen ist oder derselben ihre Entstehung verdankt. Ihr ibigte das Eis der zweiten Vergletscherung und überzog sie mit dem Materiaic der Grundnioräne, ohne sie ilamit gänzlicli auszufüllen. S|iiltcr sammelte sich in dieser Vertiefung dann Wasser, welches bei der Undurehliissigkeit des Untergrundes nicht in tiefer gelegene durchlässige Schichten einsickern konnte. Beispiele für diese Art von Seen lassen sich aus der Uckermark, vom baltischen Höhenrücken und aus anderen Gegenden zahlreich anführen. Figur 42 stellt ein l'rotil durch den Haussee bei Wichmannsdorf in der Uckciinark dar, welches die charakteristischen Eigcnthümlichkeiten der Grundmoränenseen deutlich erkennen lässt. b) Die Stauseen. Mit diesem Namen ist eine Art von Seen be- zeichnet, welche mit den Endmoränenzügen des baltischen Höhenrückens in Verbindung stellen und auch als End- moränenseen ])ekannt sind. Ihre Entstehung ist dadurch bedingt, dass sich überall, wo die Endmoräne eine ge- schlossene wallartige Erhöhung bildete, hinter ihr, unter sonst günstigen topographischen Verhältnissen, die Schmelz- massen des Eises stauten und einen See bildeten. Beispiele sind in den Endmoränengebieteu nicht selten. c) Die Rinnenseen. Berendt und E. Geinitz haben dieselben so erklärt, dass die während der Abschmelzungsperiode auf der Ober- fläche und in den Spalten des Eises sich sammelnden Wassermassen in die Tiefe stürzten und hier auf die Grundraoräne in Gestalt von Strudeln wirkten, wodurch Riesenkessel grösseren Maassstabes entstanden, welche später zur Ansammlung von Wasser und damit zur Bildung von Seen dienten. Wahnschaffe stinnnt mit dieser Ansicht der beiden genannten Forscher nicht ttberein, und nimmt als Ursache der Entstehung der Rinnenseen im Wesent- lichen das dem Inlandeise entströmende Schmelzwasser an, welches in Canälen unter dem Eise, wie in dem eis- freien Vorlande erodirend wirkte, jedoch ist ihre Ent- stehung nicht immer auf die Abschmelzungs])eriode der letzten Vereisung zurückzuführen, da auch sich durch ihre langgestreckte schmale Gestalt als echte Riinien erweisende Seen vorkommen, bei denen sicii der Geschicbemergcl Ijis an die Ränder hinabzieht; die Grundmoräne hat sich in diesen Fällen somit einer schon voriiandenen Erosions- rinne angeschmiegt. Die Rinnenscen stellen einfache Mulden dar, in denen der tiefste Punkt zumeist in der Mitte liegt. An iln-en Rändern zeigen sie gewöiinlich scharfe Abschnittsprotile, welche durch die einschneidende Thätigkeit stark strömender Gewässer entstanden sind. Wir haben einen solchen in dem Scharnititzelsee bei Buckow bereits kennen gelernt. Häufig bilden die Rinnenseen Theile von heutigen Flussthälern und haben gewöhnlich eine nordsüdliche Richtung, wäln-end die ostwestliche seltner ist. Be- merkenswerth ist die nicht seltene Randstelluug bedeuten- der Ilöhenpunkte an den Ufern der tieferen Rinnenseen — eine Erscheinung, welche auf den starken Seitendruck zurückzuführen ist, den das sich vorschiebende Eis auf die dasselbe einengenden Uferränder ausübte, wodurch eine Zusammenschiebung und Aufpressung derselben stattfand. Beispiele für die Rinnenscen finden sich auf dem baltischen Höhenrücken und in gewissen Gegenden des mittleren Norddeutschlands. Aus der Umgegend von Berlin führt Wahuschaffe unter Anderen die seeartigen Erweiterungen der Havel als typische Rinnensecn an. In dieser Gegend durchschneiden sich zwei Rinnensysteme, welche die Havel auf ihrem Laufe beide benutzt, indem sie in dem ersteren nordöstlich und südwestlich von Pots- dam bis zum Schwielowsee fliesst, während ihre (iewässer in dem anderen \on dem letztgenannten See durch den Grossen und Kleinen Zcrnsee nach Kelziu strömen. d) Die Senkungs- oder Einsturzsecn. Die Veranlassung zur lÜldung dieser Art von Seen hat die durch die Auslaugung von Gips und Steinsalz hervorgebrachte Unterhöhlung und das spätere Zusammen- stürzen des Bodens gegeben. Bcisi)ielc für diese Seen sind im norddeutschen Fiachlandc selten, da Gips oder Steinsalz nicht häufig in so grosser Nähe der Oberfiäche auftreten, dass die Auswaschungen einen Einfluss auf die Gestaltung derselben haben können. Geinitz führt den See von Probst Jeser im Salzgebirge von Lübtheen au, und Credner rechnet auch die Seen bei Spcrenberg in der Mark und bei Segeberg in Holstein hierher. dg. Der Löss. Derselbe findet sich am äussersten Rande des nord- deutschen Flachlandes und als ein schmaler Streifen im nördlichen Theile des Königreichs Sachsen, in der Umgegend von Halle — besonders schön aufgescldossen zwischen Weissenfeis und Zeitz — und in der Magdeburger Börde. Bezeichnend für ihn ist die flachwellige Oberfläche und die Neigung, in Steilwänden abzubrechen. In seiner typischen Ausbildungsweise stellt er eine liellgelbe, kalkhaltige, fein- sandige Bildung dar, welche in feuchtem Zustande fast gar keine Plasticität besitzt, während sie getrocknet einen bedeutenden Zusammenhalt aufweist. Schichtung zeigt sich in dem Löss nur dann, wenn in den unteren Theilen feine Sandstreifen eingelagert sind, üeberall besitzt er eine lockere poröse Struetur. Der Löss ist durch überaus grosse Fruchtbarkeit aus- gezeichnet, und er hat den Reichthum der Gegenden ver- anlasst, deren Ackerlxiden er bildet, (iucilcn sind selten; die kleineren Bäche trocknen im Sonnner häufig aus, während sie im Herbste oder bei starken Regengüssen bedeutend anschwellen. Durch das fast völlige Fehlen von Wald ist der Anblick einer Lösslandschaft verhältniss- mässig eintönig. Uebcr die Entstehung des Lösses gehen die Ansichten auseinander; die eine Partei nimmt äolisciie, die andere fluviatile Entstehung desselben an, ohne dass bis jetzt eine Einigung in der Lösung der Frage erzielt ist. Richtig wird wahrscheinlich, wie so oft in der Geologie, der Mittelweg sein, d. h. die eine Annahme eignet sich zur Erklärung dieser, die andere zur Erklärung jener Löss- ablagerungen. Wahnschaffe giebt über den Ursprung des Lösses am Rande des norddeutschen Flachlandes (Magde- burger Bürde etc.) folgende Erklärung: Der Löss dieser Gegenden ist als Wasscrabsatz in Staubecken entstanden, die sich während des Abschmelzens des Eises der zweiten Vergletschcrung zwischen dem Eise und dem Nordrande der deutschen .Mittelgebirge gebildet hatten. In diese Becken, welche nur eine schwache Strömung besassen, wurden von den nach Norden fliessen- den Gewässern der Mittelgebirge die feinsten thonigen Theile gebracht, ohne jedoch sofort zum Absätze zu ge- langen. Gleichzeitig führten die nach Süden strömenden Schmelzwasser der Glctsclicr den feinen Kalkschlanun der Grundnioräne mit. Durch Vermischung der thonigen mit den kalkigen Theilen bildete sich der Löss, der sich beim Trockenwerden dieser Gebiete als eine gleichmässig starke Decke über den Untergrund legte, ohne indessen die Unebenheiten desselben auszufüllen. Auf dieser Nr. 23. Nalnr\vissciiscli:if'tliclic Woehcnsclirirt. Decke cutstaiul bald eine üppige, Steiipen- Vegetation, nin dessen A\'ur/,eiriiekstände sicii kleine beim Sclilänmien des Losses uoeli zu bemerkende KalkiCilirelien bildeten. Durch die absterbende und allniählieli sieh wieder erneuernde Vegetation wurde später die ()i)erüachc des Liisses allniählieli huniusreielier, und es bildete sich eine sehwar/.e Schicht, welche als Schwarzerde oder Tschcrnoseni bezeichnet wird. Die für den I.öss anderer Gegenden so (diarakteristiselieu l'etiefaetrii, llciix hispida, Succinea oblonga und Pupa musc(nuiii, sind in dem ganzen Landstriche am Kande des norddeutschen Flachlandes nur bei Thiede und Westercgeln, vermischt mit vereinzelten Süsswasserconehylien nachgewiesen*). In dem Streite, welcher über die Entstehung des Lösses herrscht, vertritt Ne bring im Anschlüsse an die stalt von Iloclifläclien Einsenkungcn versehene theils stark wellige und mit vielen Grundmoränenlandsehal'ten. a) Die Hochflächen. Dieselben besitzen im Innern eine nur ganz schwach wellenförmige Oberfläche, welche für das Auge fast den Eindruck einer Ebene macht. Die Gliederung derselben wird, abgesehen von schwachen Gcländeeinsenkungen nur durch schmale, flach eingeschnittene Rinnen und ver- einzelte oder in Zügen angeordnete Pfuhle oder Sülle lie- wirkt, welche letzteren zu den Rinnensceu Wahnschafte 's gehören. Die grösseren Rinnen verlaufen in der Mark meistens von Nord nach Süd mit schwacher südsüdwest- licher Neigung, während die Nebenrinneu eine meistens ostwestlichc Richtung besitzen. Die Hauptrinucu dienen Figur 4S. Uebersichtskarte über die Kichtung der bisher im norddeutschen Glacialgebiet bekannt gewordenen Glacialschrammen auf anstehendem Gestein, sowie über die Richtung der alten Stromthäler (luicli Waluiscliaffr). >- Richtung des älteren Schrauimciisystcmes. >- Ridituiij,' tlcs jüngeren Seliiamniensystenics. (Es fehlen die Schrammen auf anstehendem Gestein bei Krotosebin und Hausdorf, die durch Wahnschaffc erst 1S9Ü bcU:innt wurden.) Riehthofen'sehe Theorie diejenige Ansicht, welche den Löss als äolisches Pi-oduct lietrachtet. Er wurde zu diesen Anschauungen durch die Aufflndung einer fossilen Steppenfauna in den an der Oberfläche des Gipses von Thiede und Westeregeln auftretenden Spalten geführt, welche mit lössartigeu Bildungen angcl'üllt und von typischem Lösse überlagert sind**). ! theils noch zur Entwässeruni;- des Plateaus und werden ä-. Die Umgestaltung der Oberfläche. Heim Rückzuge des Eises wurden im Gebiete des norddeutsehen Flachlandes in den (icgendcn, in welchen der obere Geschiebemergel in ausgedehnten Flächen auf- tritt, zwei verschiedene Landschaftstypen entwickelt; theils bildeten sich ebenflächige Geschiebeinergelgebicte in Ge- *) Vergl. WiilinschafF(;'s Aufsatz: Uebcr zwei coiicliylieii- fülirondc LössablagerunKen nördlich vom Hnrz (.lalirb. d. geol. Laiidcsanstalt fiir ISSlj, Berlin 1887). **) Vergl. dazu: Nehring, Schneestürme al.s Todosursache di- luvialer Säugethiere. Naturw. Wochenschr. 1890. S. 71. von Bächen durchflössen, theils sind sie ganz trocken oder mit schmalen Torfmooren erfüllt. Nicht selten wird der obere Geschiebemergel vom Decksande vertreten, welcher stellenweise den geschichteten gesehiebefreien Diluvialsand, der das Liegende des oberen Geschiebemcrgels bildet, in einer Jlächtigkeit von 'Aj — 2 m bedeckt. Wir haben seiner l)ereits oben Erwähnung gethan. Die soeben beschriebenen ebenflächig entwickelten Geschiebemergelgebietc zeigen sich ausser in Posen, Preussen und Pommern namentlich in der Umgegend von Berlin in typischer AusbihUingsweise, wo Wahnschafle als besonders schöne Beispiele das Barnim- und Teltow- Plateau (s. Fig. 30) und die Gegend südlich von Xauen anführt. Von Zache ist auf den Gegensatz hingewiesen, welcher zwisclicn gewissen Theilen dieser Landstriche besteht, indem z. B. im Norden des Teltow eine fast zusammenhängende Decke von oberem Geschiebemergel vorhanden ist, während im Süden der Hochfläche flache 278 Niiturwisscnsfliaft liehe Wocliciisclii'irt. Nr. 23. mit saiulif;;cm oberen Gescliiebernergel oder Decksand bedeckte Flächen auftreten, die, von zahlreichen Rinnen durchzogen, den Charakter einer Abschnielzzone des In- landeises an sich tragen. b) Die Grundraoränenlandschaft. Die Oberfläche der Grundmoräncnlandschaft besteht aus Geschicbeniergel neltst seinen Verwitterungs- und Ausschlämniungsprodukten. Auf kurze Entfernung hin macht sieh in ihr ein schneller Wechsel der Höhenunter- schiede geltend, verursacht durch zahlreiche wall- und kuppenförraige Erhöhungen von unregelniässiger Anordnung, zwischen welchen sich Einscnkungen befinden. Vielfacli bemerkt man in der Bodenwelle zahlreiche mit Torf und Moorbildungcn erfüllte rundliche l'fuhle oder S'iUe und grössere mehr oder weniger regelmässig gestaltete Seen und Moore, welclie bisweilen ausserordentlich dicht stehen und zu den Grundmoränenseen Wahnschaffe's gehören. Typische Grnndmoränenlandscliaften sind besonders aus dem Gebiete des baltischen Höhenrückens bekannt. c) Die alten Htromthäler. In der Abschmelzungsperiode fanden die .Schmelz- wasser ihren Ab- fluss theils unter dem Eise, theils schnitten sie sich nach Süden flies- send ausserhalb des Eisrandes tiefe lind breite Thäler ein, mit denen der heutige Lauf der Flüsse im norddeutschen Flachlande nur noch theilweise übereinstimmt. Hauptsächlich lassen sich diese alten Thalrinnen noch in den Niederungen erkennen, welclie in grosser Breite auftreten und entweder von ganz unbedeutenden Flüssen durchströmt werden oder völlig versandet sind. Wenn möglich folgen ihrer Richtung die Eisenbahnen, wodurch der Reisende gewöhnlich einen landscliaftlich wenige Schönheiten darbietenden Ausblick erhält. Ursprünglich verliefen die alten Thalrinncn haujjtsächlich westlich oder westnordwestlich und bildeten das Bett von drei grossen Hauptströmen, welche die Schmelzwasser des Eises, ver- mehrt durch die von Süden kommenden Gewässer der Elbe, Oder und Weichsel zur Nordsee führten. (Fig. 43.) 1. Das Eibthal oder Baruthcr Thal, das südlichste dieser Thäler, folgte dem Thallauf der schwarzen Elster von Hoyerswerda, lief in westlicher Richtung am Süd- rande des Flänmiing vorüber bis Aken, von wo ein nord- westlicher Lauf begann, welcher bei Magdeburg sein Ende erreichte. Von dieser Stadt aus erfolgte dann eine Unibiegung nach Nordosten. Zwischen Genthin und Jerichow vereinigten sich die Wasser des alten Elb- thales mit denjenigen des Glogau - Baruthcr Thaies und strömten tlieils über Rathenow, theils im heutigen Elbthalc nach Sandau; auch war ein seitlicher Abfluss nach Nordwesten durch das heutige Uchtethal vorhanden. 2. Das alte Oderthal oder Warschau-Berliner Thal (l<"'ig. 44) verband die Weichsel nördlich von Warschau vermittels der jetzt vom Ner und der Wartlie durcli- flossenen und vom Oderbruche eingenommenen Thalrinnc mit dem heutigen ( )dcrthal, in welchem es bis zur Niederung des Fricdrich-Wilhclms-Kanales blieb. Von hier aus verlief es in der von der Spree durehflossenen Niederung über Berlin, Spandau, Nauen und Friesack in westnordwestlicher Richtung zum Thorn-Eberswalder Thal. Durch ein breites Querthal, dem die Havel zwischen Oranienburg und Hennigsdorf folgt, ist es mit dem alten Weicliseltliale verbunden. Parallel mit dem Oderthale folgt weiter südlich das Glogau- Baruthcr Thal, welches der Tlialnicderung der P>artscli folgend, in das Odertlial mündet, um von dort nach dem .Spreewalde zu verlaufen. Von hier aus geht es über Lübben, Baruth, Luckenwalde und Brück nach einer einmaligen Gabelung in der Richtung auf Plane und Genthin in das alte Eibthal über. 3. Das alte Weichselthal oder Thorn-Eberswalder Thal erstreckt sieh von Bromberg aus durch das Thal der Netze und Warthe, worauf es nach Aufnahme der Oder bei Freienwaldc vorüber durch die Tlialnicderung des Finow- und Ruppiner- Kanales zur unteren Elbe ver- läuft. Durch die grossen diluvialen Hauptthälcr erhielt das norddeutsche Flachland eine deutliche Gliederung, welche dadurch vermehrt wurde, dass die südlichen llauptströme unter Benutzung nordsüdlicher Wasserrinneu zu den weiter nördlich gelegenen durchbrachen oder durchzubrechen versuchten. In _^.5_,- der Rathenower Gegend z. B. ist auf diese Weise die diluviale Hochfläche in eine grössere An- zahl aus der Nie- derung aufra- gende Inseln auf- gelöst. Die Frage, welche Umstände mitgewirkt ha- ben, um die I Flüsse zum Verlassen ihres alten Bettes zu bewegen I und statt der ostwestlichen eine nordsüdliche Richtung einzuschlagen, ist vielfach erörtert worden. AVahrschcin- lich wird die Richtungsändcrung so vor sich gegangen sein, dass bei hohem Wasserstande ein Durchbruch nach Norden versucht wurde und auch häufig stattfand. All- mählich benutzte der Fluss immer mehr und mehr sein neues Bett, während das alte zum todten Thalc wurde und versandete. Vielleicht ist diese Flussableiikung aber auch auf Durchbruchsthäler zurückzuführen, welche durch die rückschreitende Erosion der vom baltischen Ib'ihenrücken nach Norden flicssenden Gewässer zur Entstehung kamen. B. Das Alluvium. Mit dem zweiten Abschmelzen der Inlandeismassen endigt die Diluvialpcriode und es folgt derjenige Zeitab- schnitt, welcher als Alluvium bezeichnet wird. Er uni- fasst die Gesammthcit derjenigen geologischen Ab- lagerungen, seit deren Absetzung im Klima, im aiigenieinen Wasserstande des Meeres und der Flüsse und in der Be- schaflrenheit der Fauna und Flora keine wesentlichen Veränderungen vor sich gegangen sind. Von merklichem Einflüsse auf die Umgestaltung der Oberfläche und auf die Veränderung des Landschaftscliarakters sind nur weitere Ausfüllungen der grossen Niederungen und Thal- Blick voa den Holzbergen im Ländchen Bellin nach Südosten in das alte Oderthal (Nach Berendt.) 5 = Diluviale Hochfläche, a = Thalsandterrasse, a = Alluviale Moorbildung. *) Die Cliches zu den Figuren 42, 43 und 41 sind uns freund- licdist von der J. Enfjolhorn'sclien >'crla<;sljucdiliiindhing gelielicn worden. Sie sind dem in genanntoni Virl.ag: crsohienencn Buch Wahnscdiaffe's „Die Ursatdien dor rdit^rflätdienijestaltung des nord- dfutsclien Flaclilandes" (Forschungen zur deutschen Landes- und A'ollislcunde VI, 1) Stuttgart 1892 entnouiuieu. Nr. 23. NatuiwisscMscliaCtliclic Wocliciisclirift. 27;) ebenen in den Dihnuillioclillarlieu und Anseliweniniun^en, Aufselüitfuni;cn und Zerstöriuig-en in den Kiisteng'ebieten gewesen. NaclideiM in den Niedernngen wäln-end der Ab- seiiniel/peiiode dundi die starke Stn'innuii;' der wasscr- reieben Flüsse nnr Sand und (Jrand /.iiui Absatz, gekommen waren, :in(U'rten sieh die Veriiältnisse in der späteren PeriocK' dadurcb, dass die Flüsse nieht nieiir eine so be- triielitiicbe Zufuhr an Wasser erhielten wie früher und dadureb ihre Stnimung verlang.samten. .letzt konnten aueh die feinen kalkigen und tiionigen Theileben zur Rulie konnuen und dies gesebab in seitlieben Aushueh- tungen und Nebenrinnen der llaupttbäler, sowie in den Heebeeken der Iloehtiäeben. Die grossen Ströme anderer- seits, welehe das nt)rddeutsche Flachland durebiiuthen, kounten, da sie weniger mit Kalk beladen sind, keine Kalk ablag-erungen liilden, sondern sie braehten nur den feineu Thonscblainni, das Verwitterungsprodukt älterer Gesteine, zum Absätze. Derartige Bildungen werden als „Schlick" bezeichnet und haben sich liauptsäcblieb in den breiten Tliäleru mancher Ströme abgesetzt. Sie waren insofern von besonderer Bedeutung, als sich aus ihrer Verbreitung- entneinnen lässt, wie weit sieb früher die Gewässer des Flusses ausgebreitet haben. Gleichzeitig ist im Anschlüsse daran zu bemerken, dass in historischer Zeit die norddeutschen Flüsse mehr- fach in ihren alten Betten ihren Lauf verändert haben. Au den ehemaligen Strom erinnert dann häutig nur noch eine schmale Kinne, welehe „Altwasser" genannt wird. Nachdem sieb der Schlick abgesetzt hatte, begann die Bildung von Torfmooren in grösserem Umfange, welclie sieh noch Ids in die Gegenwart fortsetzt. Die Torf- moore gehen aus der Versumpfung ausgedehnter flacher Wass;erbeekeu, grösserer und kleinerer Seen und Pfuhle hörvor, welehe theils aus der Abschnielzperiode her vor- handen sind, theils sieh erst in den Niederungen bilden. Den Untei'grund der Moore bildet ein versumpfter Boden mit undurchlässigem Untergrunde, seltener ist der Grund durch Intiltration durchlässig. Wo in einem Moore der jährliehe Zuwachs an Vegetation grösser ist, als die vollständige Verwesung des Neugebildeten und wo eine Entfernung des letzteren nieht stattfindet, bleibt eine grössere oder geringere Menge mehr oder weniger zer- setzter vegetabilischer Substanz zurück und das Moor wird zu einem Torfmoore. Als wichtige Brennmaterialien unterscheidet man Moor- torf, Heidtorf, Wiesentorf, je nachdem der Torf mehr oder weniger zersetzte vegetabilische Substanzen und un- zersetzte Pflanzentiieile eingeschlossen hat. Je schwerer, harzreicher und formloser der Torf ist, um so grössere Heizkraft besitzt er. Nach den physikalisch-chemischen V'erliältnissen und der Vegetation tbeilt man die Moore ein in . 1. Hochmoore, 2. Wiesenmoore oder Grünlandsmoore. 1. Die Hochmoore sind Ueberwassermoore, welche sich in Becken mit undurchlässigem Boden bilden. Auf sandigem Boden zeigt sich eine durch Humus fest ver- kittete Obertläcbc des Sandes, „Ortstein" (Soblband). Durch stärkeres Waebsthum sind die lloebnioore in der Mitte gewölbt, bisweilen so, dass am Rande liegende Ortschaften durch Wölbung des Moores von der anderen Seite aus gesehen sich allmählich den Blicken entziehen. Als charakteristisches Merkmal der Ueber- wassermoore erwähnt Salfeld das Vorkommen von kleinen trichterförmigen Seen, welche sich fast inuner auf den Rücken der Wölbung des Moores befinden und wahr- seheinlich durch starke Quellen entstanden sind, um welehe sich gleichniässig die Moorbildung verbreitete. Das ihnen zufliessende Wasser ist kalkfrei. Durch das von den schlammigen Torfmooren gehobene, sich am Rande an- sammelnde Moorwasser dehnt sieh die Versumpfung inuner weiter aus. Hauptbildungspflanzen der Hochmoore sind die Ericaceen, Cyperaceen und Sphagnumarten. 2. Die Wiesen- oder Grünlandsmoore entstehen in solchen Gebieten, welehe von dem zu Tage tretenden Grundwasser ganz durchtränkt sind. Das ihnen zuströ- mende Wasser ist stets kalkreich. Hn-e Vegetationsdeeke, die dem grünen Teppiche der Wiesen gleicht, wird vor- herrschend von Granuneen und Cyperaeeen gei)ildet. Die Wiesenmoorc sind in den Niederungen der grossen Diluvial- hauptthäler und als kleine Moorbecken in den Diluvialhoch- flächen zu finden. Häufig haben die Grünlandsmoore dort, wo sie sich an Diluvialhoehflächen mit Geschicbemergel anlehnen, oberflächlich eine Infiltration von kohlensaurem Kalk erlitten, wodurch sich eine bei hohem Wasserstande von zahlreichen Süsswasserschnecken bewohnte ii-uehtbare Moormergeldecke gebildet bat. Als Absätze finden sich in beiden Arteu von Mooren häufig Wiesenkalk, welcher bisweilen in solcher Mächtigkeit auftritt, dass er zur Cenientfabrikation verwandt wird, und Raseneisenstein. Neben den Mooren sind als ein wichtiges Produkt der Alluvialperiode die Flugsandbiidungeu nicht zu übersehen, welehe in den grossen Tbalniederungen des norddeutschen Flachlandes und auf den Diluvialhocliflächen vielfach zu langgestreckten Dünenzügeu zusammengeweht wurden. Der Dünensand ist gekennzeichnet durch feines Korn und den Mangel an Steinehen. Tritt in der Bildung der Dünen eine längere Pause ein, so entsteht eine Vegetations- deeke, welche später wieder überweht werden kann. Bisweilen wiederholt sich dieser Vorgang mehrere Male. Wie die Niederungen des Binnenlandes, so haben auch die Küstengebiete in der Alluvialperiode mehr oder weniger weitgehende Veränderungen erlitten, welche theils in Zerstörungen durch die Brandung und Sturmfluthen, theils in Anschwemmungen und Aufschüttungen von Dünensand bestehen, wozu vielleicht noch in postglacialer Zeit statt- gefundene Verschiebungen der Strandlinie konnnen. Es genügt für unsere Zwecke, auf diese. Veränderungen der Küstenlinie hingewiesen zu haben.. Ueber den liwass, zur Einführung desselben in Westeuropa bat Prof. Dr. R. Kobert in der „Wiener kliinschen Rundschau" eine Zusammenstellung geliefert, der wir das Folgende entnehmen. . Wie oft hört man nicht aus dem Munde von Aerzten die .Klage, dass sie nicht wüssten, was für ein Getränk sie solclicn Patienten, welchen aus irgend einem Grunde Wein und Bier dauernd ver))oten werden muss, verordnen .sollen. Wie oft hört man nicht von Landwirtben die Klage, dass sie nicht wüssten, wie sie im heissen Sommer den brennenden Durst ihrer Arbeiter auf dem Felde stillen sollen: nnt Wasser sind die Leute nicht auf die Dauer zu befriedigen, auch wirkt es oft infectiös, und Bier ist zu theuer und macht müde und trunken. Es giebt nun in Russland zur Stillung des Durstes und zur Befriedigung des Bedürfnisses nach einem in grossen Quantitäten trink- baren Genussmittel ein in jeder Haushaltung darstellbares Nationalgeträuk, welches eben so gern vom gemeinen Manne als vom Officier, vom Arzt und vom Gutsbesitzer, ja selbst von den Herrschaften an der Tafel des Czaren mindestens im Sommer getrunken wird, ausserordentlich wohlfeil ist und keine einzige der gefährlichen Wirkungen des Alkohols entfaltet: es ist der Kwass. Kwass ist ein durch saure und alkoholische Gährung 280 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 23. ans Mehl oder Malz oder Brod oder einem Gemische der- selben bereitetes, im Stadium der Nachgährung- befind- liches alkoholarmes und hopfenfreies Getriüik, dem ge- würzigc Zusätze wie z. B. rfeft'erniinze hinzugefügt werden können. Die Farbe des Kwass ist ebenso wecliselnd, als die des Bieres. Falls zur Darstellung andere als die oben bezeichneten Substanzen verwendet werden, ist die Flüssig- keit als Kunstkwass zu bezeichnen. Von Fermenten darf nur Hefe zugesetzt werden. Um Interessenten in Westeuropa die Möglichkeit zu geben, sich entweder selbst Kwass herzusteilen, oder iim durch irgend eine Handlung (Apotheke, Brauerei, etc.) darsteilen zu lassen, giebt Verfasser einige oft erprobte Methoden der Herstellung sowohl von gewöhnlichem als von Kunstkwass an. Wir wählen eine heraus, sie lautet: Fünf Pfund Malz u-erden unter Umrühren l)ei ge- lindem Feuer mit Wasser zu Brei zerkocht. Der Brei wird in ein Fass geschüttet und noch 35 Flaschen kochendes Wasser darauf. Nach 24 Stunden giesst man die Flüssigkeit vorsichtig ab in ein Gefäss, in welches schon vorher 1 Pfund Weizenmehl, 2 Pfund Zuckerpulver und für 3 Kopeken Hefe gebracht worden sind und lässt das Gemisch 12 Stunden stehen. Dann wird auf Flaschen gezogen. Auch Brod kann bei der Herstellung Verwendung finden. Der Kwass enthält z. B. Wasser 99,16, Alkohol 0,20, Zucker 0,41, Milchsäure 0,2G Thcile. Da die Zusammensetzung des Kwass natürlich von der Temperatur abhängt und sich mit der Zeit ändert, so wechselt die Zusammensetzung; er enthält auch Essig- säure, Kohiendioxyd und oft Ameisensäure. Ungeachtet dessen, dass die gewöhnlich gebräuch- lichen Arten der Zubereitung und Aufbewahrung des Kwass eine breite Möglichkeit zu seiner Beschmutzung wie in allen Beziehungen, so auch in 'bacteriologischer abgeben, enthält der Kwass nichtsdestoweniger neben der ungeheuren Menge von Hefepilzen eine nur sehr un- bedeutende Menge von Baeterien. Die Zahl der Bacterien- arten, welche im Kwass angetroffen werden, ist ebenso äusserst beschränkt und nuiss in jedem Falle als eine einzige angesehen werden. Diese Baeterien sind Sapro- phyten, die gewöhnlichen Bewohner der Luft und des Wassers. Die geringe Bedeutung der bacteriologiseheu Flora im Kwass hängt einzig von seinem Säuregehalt ab. Der Kwass bietet nicht nur keinen günstigen Boden für die Entwickelung der Baeterien des Typhus abdominalis, der asiatischen und europäischen Cholera, wie auch für den Ribbert'sehen Bacillus dar, sondern er tödtet diese sogar ziemlich schnell ab. Daher liegt kein Grund vor zu befürchten, dass der Kwass gleich dem Wasser und der Milcli, zur Verbreitung der Ansteckung mit genannten Baeterien dienen könnte; gleieherweite liegt kein Grund vor, wenigstens vom bacteriologischen Gesichtspunkte aus, den Gebrauch des Kwass z. B. den Typhuskranken zu verbieten. Die Baeterien der sil)irischen Pest behalten im Kwass aller- dings voll und ganz ihre Lebensfähigkeit, von diesen kann für Westeuropa aber natürlich ganz abgesehen werden. Das antliropoinetrisclie Sigiialemeiit betitelt sieh ein wichtiges Buch von Alplions Bertillon, Chef du Service d'Identitc Indiciaire ä la Prefccture de policc ä Paris, das soeben in zweiter vermehrter Auflage und mit einem Album erschienen ist. (Autorisirte deutsche Aus- gabe von Dr. v. Surg, Professor der gericbfiichen Medicin an der Universität Basel. Bern-Leipzig, A. Siebert 1895.) — Unter der Bezeichnung Identification anthropometrique hat Bertillon ein anthropomelrisches Verfahren in die Wissenschaft eingeführt, das es ermöglicht, auf Grund eines früher aufgenonnnenen Signalements eine Person als die gleiche mit absoluter Sicherheit wieder zu er- kennen. Diese Methode besteht darin, dass bestinnnte Maassc an Knochen, die beim Ausgewachsenen während des ganzen Lebens ihre Grösse bewahren (Länge und Breite des Kopfes, Länge des linken Fusses, des linken Mittelfingers, des linken kleinen Fingers, des linken Vorderarmes, Höhe des gesammten Körpers, des Ober- körpers, die Armspannweite, sowie Höhe und Breite des linken Ohres) nach bestimmter Vorschrift genommen, die Beschaffenheit der Regenbogenhaut nach einer besonderen Farbentafel festgestellt und etwa vorhandene sonstige Auffälligkeiten (Beschaifenheit der Nase, der Kopfhaare und des Bartes, etwaige Narben, Muttermäler u. a. m.) notirt werden. In welchem Maasse und mit welcher Schnelligkeit die Bertillon'sche Methode Anerkennung und Verbreitung ge- funden hat, bevveist der Umstand, dass die erste Auflage (1885) eine um 218 Seiten vermehrte zweite im Jahre 1893 erfuhr und dass diese nunmehr auch ins Deutsche über- tragen vorliegt. — Die Methoden der Messung, die Appa- rate, die bei derselben Anwendung finden, und ihre Handhabung werden dem Leser in allen ihren Einzel- heiten erläutert und durch zahlreiche, zum Theil im Texte eingefloehtene, zum grössten Theile aber in Form eines Albums von 82 Tafeln beigegebene Abbildungen illustrirt. Besonders werthvoll erscheinen uns in diesem Album die 32 künstlerisch ausgeführten Liehtdrucktafeln, die auf 320 Porträts die technischen Bezeichnungen für die charakte- ristischen Formen der Stirn, Nase, des Kinns, Gesichtes, Bartes, Mundes, Ohres etc. bildlich erläutern; einen An- || hang zu demselben bildet eine chromolithographische ' Darstellung der Nuancirungen der menschlichen Iris. Wenngleich das vorliegende Werk in erster Linie für juristische Zwecke (Identification von Verbrechern, Ange- klagten, Verunglückten, Selbstmördern, Ausstellung von Legitimationspapiereu u. a. m.) bestimmt ist, so leuchtet doch ein, dass es auch sonst, überall dort, wo es darauf ankommt, eine Person exaet somatisch zu besehreiben, von Nutzen sein wird. Es empfiehlt sieh also für solche, die sich, ohne Vorkenntnisse zu besitzen, in das Studium der Anthroi)ometrie einführen wollen; im besonderen dürfte dasselbe für Forschungsreisende, denen die anthro- ponietrische Fertigkeit abgeht, zum Studium empfohlen werden. Die deutsche Uebertragung ist gut gelungen und dem Original nach Möglichkeit gerecht geworden. Ein besonderer Vorzug derselben vor der französischen Aus- gabe besteht darin, dass die Liehtdrucktafeln viel deut- licher ausgeführt sind, als in dieser und schon mehr wirkliche Kunstprodukte vorstellen. Das Werk sei allen Interessenten aufs angelegent- lichste empfohlen. Buschan-Stettin. Die Elitwickelung des blinden Fisches Typlilo- gobius californiensis Steindacliner vom Point Loraa (bei San Diego in Californien) hat C. H. Eigen mann untersucht und gefunden (American Naturalist, V. 27, S. 573), dass der Embryo vor dem Ausschlüj)fen wohl entwickelte Augen hat. Schon bei einen Zoll langen Individuen sind die Augen klein, und die erwachsenen Thiere sind völlig blind. C. M. Nr. 23 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 281 IJelter die Enc.vstiriiiij;: von Actiiiospliaerium eich- horni Elirbs:. li:it sieh A. Brauer ausgelassen. (Zeit- schrift f. wiss. Zoologie. LVIII. ,S. 189-221.) — Bisher waren unsere Kenntnisse über den Eneystirungsprocess bei Protozoen noch sehr lückenhaft; sie heniliten grössten- tlieils auf Beohachtungen am lebenden Tliicr, und ge- stattet die Undurebsielitigkeit der Cysten, eine genauere Erkenntniss der sicli im Innern absjjielendcn Vorgänge niclit. Brauer gebührt das Verdienst, zum ersten Mal die Eneystirung bei einem unserer hiiiitigsten Süsswasser- helio/.oen, dem Actinospliaeriuni, unter Anwendung der Sclmittmetliode genau verfolgt zu haben. Um die Actinosphaerien zur Eneystirung zu bringen, wurden sie während der Monate November bis Januar aus grrissercn A(iuarien in kleine Glasschalen, die nur Wasser- leitungswasscr enthielten, gebracht, und seiinn nach 8 bis 14 'i'agen begann die Eneystirung. Durch die Isolirung gelang es leiciit alle Stadien zu erlialten, und, nachdem sie in .Sehnittserien zerlegt waren, genauer zu studiren. Nach Brauer's Beobachtungen ninnnt die Eneystirung folgenden Verlauf: Das erste, was man an den zur Eney- stirung schreitenden Thicren bemerkt, i.st, dass sie opak werden, d. Ii. das \orlier tlüssigkcitsreiciie, grob vacuoläre und daher durehsiehtigere Plasma, wird unter Rückbildung der \'aeu()len dichter und lässt dalier weniger Licht durch. Zugleich werden die Pseudopodien eingezogen und auf der Obcrtläehc eine gallertige Hülle abgeschieden, die selir klebrig ist, wessiialb die Thiere leicht ganz mit fest- klei)endem Detiii)us undiüllt werden können und so im Seiiianim vielieieiit leichter ihren Feinden entgehen. Bei der Verdiciitung des Piasmas treten in der Markschiclit kleine Körnchen auf, welche die grösste Aehnlichkeit mit den Dotterkörnern der Metazocneier aufweisen und sicher dieselbe Rolle spielen, d. h. sie werden als aufge- speicherte Nahrung von den aus der Cyste sich ent- wickelnden jungen Actinosphaerien verbraucht. liier dürfte die Dotterbildung wohl zum ersten Male im Thier- reiclie auftreten. Ausser diesen Körnchen werden über- all im Plasma kleine Kieselnadeln ausgeschieden, welche allmählich an die Peripherie verlagert werden, um später die Kieselhülle der Toehtercysten zu bilden. Schliesslich wird noch die beträchtliche Zahl der Kerne dadurch re- ducirt, dass mehrere mit einander verschmelzen. Nach diesen Vorbereitungen theilt sich das Plasma in soviele Stücke, als Kerne vorhanden sind, wobei die Kerne sich noch alle im Rubestadium befinden. Durch diese Thei- lung sind die Cysten erster Ordnung entstanden, die ebenso wie die Jluttercyste Gallerthüllen abscheiden. Hierauf theilen sich diese Cysten ein oder zwei Mal, nach- dem eine Theilung der Kerne vorausgegangen ist und stellen dann die eigentlichen Ruhecysten dar. Die Keruthcilung des eneystirteu Actinosphaerium verläuft bis auf geringe Abweichungen, ähnlich wie beim nicht eneystirteu Thier, wo sie schon von R. Hertwig früher genau untersucht wurde, auf indireete Weise. Docii ist es nur eine unvollkommene Art der Karyokinese, es fehlen nämlieli auf den meisten Stadien die Centro- somen mit den Attractionsiihären. Brauer gelang es nur auf einem Stadium, zweifellose Centrosonicn mit Strahlung aufzufinden; doch traten die letzteren merkwürdigerweise erst nach beendeter Kernthcilung an der Oberfläche der Tochterkerne auf, woraus Brauer schliesst, dass sie bei der Theilung selbst im Kern und zwar in den von Hert- wig als Polpiattcn bezeichneten Theilen liegen, und dass die letzteren dem Centro.soni und Attractioiissphäre der typischen Spindeln der Metazoen entsprechen. — Die Ruhecysten sind also einkernig; der Kern liegt im Centrum umgeben von einer Zone, in der die Dotterkörnchen dicht gehäuft sind. Hieran schliesst sich nach aussen eine schmale, körnerfreie Zone, worauf die Kieselhülle und schliesslieh die Gallerthülle folgt. Nach längerer Zeit der Ruhe entwickeln sich aus diesen Cysten die jungen Actinosphaerien, die entweder einkernig oder, nachdem sie schon in der Cyste ihre Kerne vermehrt haben, ausschlüpfen. Unter allmählichem Verbrauch der Dotter- körner wird das Plasma wieder vacuolisirt, und gleichen die jungen Thiere bald den nicht eneystirteu Formen vollständig. Nach Brauer ist der EncystirungS])rocess nur als Schutzeinrichtung gegen äussere schädliche Einflüsse auf- zufassen, mit der erst seeundär eine Vermehrung durch Theilung in Verbindung getreten ist. Die Verschmelzung der Kerne vor der Eneystirung ist nicht als Befruchtungs- aet, wie Schneider annahm, anzusehen, da ja nicht die Kerne verschiedener Thiere verschmelzen. Auch die Dotterbildung ist erst seeundär aufgetreten. Die Fähig- keit, eine Kieselhülle zu bilden, die ja dem nicht eney- stirteu Actinosphaerium abgeht, weist vielleicht darauf hin, dass dieses nackte Heliozoum von beschälten Formen abstammt. Dr. Fr. Öch. Pliospliorltknollen ans dem Leipzisfer Mittel- oli8:ocüii. — Ueber solche hat Prof Credner in Leipzig eine Arbeit in den Abhandlungen der Königl. Säclisischen Gesellschaft der Wissenschaften verötientlicht, der Fol- gendes entnonnuen sei. In dem Stettiner Sand fanden sich bis jetzt bei Zwenkau, Grossstädeln, Gautzseh und Albersdorf Phosphoritknollen von vollkommen kugeliger oder elliptischer, zuweilen brotlaibartiger Gestalt (Durch- messer 3 — 6, seltener bis 12 cmi, dann solche, die wohl aus der Aggregation zweier solcher Individuen hervor- gegangen zu sein sciiienen und daher die Gestalt zweier nahe ihrer Peripherie in einander verfliessender EUipsoide oder die einer dick aufgeblähten Doppelkeule besitzen (bis 20 cm laug) und seltener solche, welche 3 oder 4 Ballen zu einem traubigen Agglomerat verschmolzen zeigen. Dazu gesellen sieh bisweilen cylindrische von wurmförmigem Aussehen (15—20 cm lang). Die Ober- fläche aller ist rauh und von Farbe grau; das dunklere Innere zeigt vollkommen gleichmässige Struktur, unter der Lupe ein sandsteinartiges Aggregat von kleinsten Quarzköruchen, die durch ein fast schwarz erscheinendes Cement fest zusammengehalten werden. Somit erweisen sie sich als grundverschieden von denen des Oligocän von Ost- und Westpreussen, sowie der Magdeburg-Helmstädter Gegend. Die mikroskopische Untersuchung zeigt die Quarzkörner zum Theil abgerundet, zum Theii eckig, hier und dort ein isolirtes Muskovitblättchen oder ein mini- males Glaukonitkorn, welche alle von einem gelblich- braunen, phosphoritischen Cement, das sich in den Lücken zwischen grösseren Körnern etwas reichlicher staut, um- säumt sind. Die chemische Prüfung des in Säuren leicht löslichen Cementes erweist sich im wesentlichen als ein inniges Gemenge von Caiciumphosphat und Calciumcar- bonat. Im Centrum der Knollen zeigen sich ausser- ordentlich scharfe Abdrücke und Steinkerne von Kon- chilien oder durch einen Ueberzug von Schmelz geschützte Zähne und Schuppen, sowie randlich stark angegriftene, grössere Fragmente von Knochen von Fischen, Nach den Untersuchungen Creduers muss der Impuls zur Bil- dung der Conkretionen von den organischen Resten aus- gegangen sein und zwar unter Bethcilignng der von ihnen gelieferten Substanzen. Es sind zwei getrennte Substanz- quellen thätig gewesen; die eine für den kohlensauren Kalk in den Couchiliensclialen, die andere für die Phos- phorsäure in den Fischskeletten und aus der Wechsel- wirkung zweier solcher Lösungen wird eine Ausscheidung von Caiciumphosphat erfolgt sein. Engelhardt. 282 Naturwissenschaftliche Woclicnschrift. Nr. 23 Die Witterung des Monat Mai im centralen Europa. Der Mai brachte in seinem grösseren Theiie schönes, an- genehmes, und nicht übermässig warmes Wetter, nur während der kalten Tage, welche diesmal recht intensiv auftraten und auf die Zeit vom 16. bis 18. fielen, nahm er ein sehr unfreundliches Gepräge an. Das barometrische Maximum, das seit dem 17. April im Osten lagerte und warme, heitere Witterung herbei- führte, verschob sich am 1. Mai langsam gegen Westen, brachte uns dadurch Winde aus dem nördlichen Qua- dranten, welche die Temperatur etwas unter den Mittel- werth drückten ; im Sauerland ging am 3. sogar .Schnee- fall nieder. Zu erwähnen ist aus dieser Epoche noch, dass St. Etienne am 2. durch locale Einflüsse von einem schweren Sturm betroffen wurde, und dass in Süd- russland durch den Dnjepr eine Ueberschwemmung verursacht wurde, wie sie dort in gleicher Ausdehnung seit 50 Jahren nicht vorgekommen ist. Am 6. und 7. erreichte der Luftdruck über Skandinavien die für diese Jahreszeit seltene Höhe von 780 mm. Während bei uns fast wolkenlose Witterung herrschte, verursachten in den südlichen Gegenden Minima des Mittelmeeres mehrfach ergiebige Regenfälle, (am 3. in Laibach 36, am 7. in Clerniont 35 mm). Die Temperatur hob sich allmählich mehr und mehr, am 12. erreichte sie in Deutschland schon verschiedent- lich die Höhe von 25", während sie zu Serajewo bereits am 7. bis auf 30" gestiegen war. Mit dem 15. aber trat der unvermeidliche Kälterückfall ein, auf den wir im letzten Wetterbericht hingewiesen hatten, und der unter dem Namen der „kalten Tage" oder „Eismänner" be- kannt ist.*) Das Maximum lag seit dem 14. über Grossbritannien, am 15. erschien nun eine Depression über Dalmatien und Ungarn und eine zweite tiefere über dem norwegischen Meer, welche nach Südosten zog und sich am folgenden Tage mit der anderen verband. Der 15. verregnete vollständig (München und Bregenz je 56 mm), im Gebirge traten die Niederschläge bereits in Form von Schnee auf (auf dem Hirschberg in Oesterreich 48 mm Schnee). Die starken Luftdruckgegensätze verursachten in der Nordsee heftige Nord- und Nordweststürme, auch in Toulon und Marseille wehte mehrere Tage ein Nordweststurm. Bis zum 18. sank das Thermometer, vielfach unter ergiebigen Regen- fällen (Ischl am 17. 40, Wien 46 mm), immer mehr: sämmtliche Gebirge wurden noch einmal in eine Schnee- decke gehüllt (auch in Bamberg, Klagenfurt, Laibach, Lyon Schnee), im Schwarzwald und in West-Ungarn traten sogar Schneestürme auf, zu Kaiserslautern betrug das Minimum der Temperatur -+- l", zu Bamberg und Sera- jewo 0*, zu Klagenfurt — 1", auf dem Semmering — 2"; auf manchen Alpenpässen blieben die Postwagen in meter- hohem Schnee stecken. Sehr auffallend war, dass Nord- ost-Deutschland von den kalten Tagen ganz verschont blieb; zu derselben Zeit, am Morgen des 18., wo Bam- berg nur +1" und Schneefall meldete, stand in Memel, das sich übrigens während des ganzen Monats durch relativ grosse Wärme auszeichnete, das Thermometer auf + 20«. Es muss hervorgehoben werden, dass sowohl die kalten Tage, wie das Erdbeben von Florenz am 18. und 19. in eine Zeit fielen, welche nach Falbs Lehre sich durch völlige Ruhe hätte auszeichnen müssen, da der vorher- gehende „kritische" Termin auf den 9., der nächstfolgende erst auf den 24. fiel. Noch mehrere Tage, bis zum 22., hielt sich die Temperatur unter dem normalen Werthe, während sich das Barometer nur langsam von dem tiefen Stande er- holte, den es am 16. und 17. erreicht hatte. Bis zum Monatsschluss blieben die Luftdruckgegen- sätze massig, das Wetter heiter und massig waren, ver- schiedentlich traten Gewitter auf, die am 24., 25. und 26. in Baiern und den sächsischen Landen einen sehr unheil- vollen Charakter annahmen, da sie an mehreren Orten von starken Hagelfallen und Wolkenbrüchen begleitet waren. Ergiebige Niederschläge gingen auch am 24. in Südfrankreich nieder (Toulon 31, Nizza 33 mm), später in Italien (Rom am 27. und 28. insgesammt 56 mm) und in den Balkanstaaten (Panzova am 27. 44 mm), in der spanischen Provinz Avila fiel noch in der Nacht auf den 24. Schnee. Die letzten beiden Monatstage brachten bei meist südöstlichen Winden noch ziemliehe Hitze. H. *) Ueber die Ursadien der kalten Tage habe icli mich im vorigen Jahrgang dieser Zeitschrift in einem Aufsatz: „Kiilte- riiekfälle im Spiilfrühling" (Nr. 28 vom 15. Juli 1894, S. 341) ein- gehender geäussert. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Professor Dr. von Knorre an der technischen Hochschule zu Charlottenburg zum Professor des neuerrichteten Lehrstuhls für Elektrochemie daselbst; der Titular- I'rofessor, Privatdocent für Pharmakologie an der böhmischen UnivensitiU Prag Dr. Celakovsky zum ordentlichen Professor; der Privatdocent der Zoologie Dr. Rohde in Breslau zum Assistenten am dortigen Zoologischen Institut; Dr. ()e8treichc r am pathologischen Institut zu Berlin zum zweiten, Dr. Kayser- lingk zum dritten Assistenten; der provisorische Amanucnsis an der Universitäts Bibliothek zu Prag Dr. Hugo Glaeser zum definitiven Anianuensis. Berufen wurden: Der ordentliche Professor der Chirurgie in Bonn Dr. Friedrich Trendelenburg nach Leipzig als Nachfolger des verstorbenen Professor T hier seh; der Professor der Physiologie in Freiburg von Kries nach Leipzig als Nach- folger des Professor Ludwig Müller; der Professor der Augen- heilkunde in Innsbruck Williolni Czermak an die deutsche Universität in Prag als Nachfolger des nach Wien berufenen Professor Schnabel; der ordentliche Professor Dr. Schüft in Kiel nach Greifswald als ordentlicher Professor der Botanik und Pharmakognosie und Direktor des Botanischen Gartens und Museums als Nachfolger des verstorbenen Professor Schmitz; der Privatdocent der Pharmakologie in München und Assistent am dortigen pharmakologischen Institut Dr. med. et phil. I. Brandl in das kaiserliche Gesundheitsamt; der Privatdocent der Botanik an der landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin Dr. Carl Müller als Pi'ofessor an die technische Hochschule da- selbst; Dr. Bau mann in Striegau als Assistent an das minera- logische Museum zu Breslau. Abgelehnt hat: Professor Dr. Dragendorff den Ruf als Professor für Phannacie nach Berlin. Es habilitirten sich: Der Assistent für Mathemathik an der technischen Hochschule in Wien und Privatdocent der Mathe- matik an der dortigen Universität Dr. Zin die r an der technischen Hochschule daselbst; der zweite Assistent an der Provinzial- Irrenanstalt in Göttingen Dr. Cramer an der dortigen Univer- sität; Dr. F. Haasler in der medicinischeu Fakultät zu Halle; Dr. Norbert <')rtner für interne Medicin in Wien; Dr Leo))old Rethi für Laryngologie und Rhinologie in Wien; Dr. AI. Höflcr für Philosophie und Pädagogik in Wien. Es' starb: Der Nestor der deutschen Universitätslehrer Wirklicher Geheimrath Franz Ernst Neumann, Professor der Mathematik und mathematischen Physik in Königsberg, L i 1 1 e r a t u r. Cesare Lombroso, Die Anarchisten. Eine kriminal-psycholo- gische und sociologische Studie. Nach der zweiten Auflage des Originals deutsch herausgegeben von Dr. Hans Kurella. Mit 1 Tafel und b Textabbildungen. Verlagsanstalt u. Druckerei. A. G. (vorm. J. F. Richter) königl. schwed.-norweg. Hofvcrlags- handlung. Hamburg 189.5. — Preis 5 Mk. Unter den Ursachen, die das Umsichgreifen des Anarchismus befördern, führt Lombroso auch die verfahrenen Schalverhältnisse auf: „. . . Heute — sagt er — wo ein Tag mehr bringt, als früher ganze Jahre, und ein Jahr mehr als einst ein Jahrhundert, zwingt man die Jugend in einer längst verstaubten Atmosphäre zu leben. ... So rauscht der Sturm des modernen Lebens mit seiner Fluth Nr. 23. NaturwisHcnscliaftlicbc WochcnscIiriCt. 28.3 von l'liatsaclioii «n niis voiiilicr. olino dass wir seine Bo\ve};unf; merken. Wenn man licdenkt. dass man 5 odin' 6 .lalire Ijatein lernt, in einom Alter, in dem man allein noch im Stande ist, sich eine moderne Sprache aiiüiiei^^non . . . ., so ist das nur vom Standpunkte eines jesuitischen Erziehungsprincips begreiflich, welches iler .lugend his zum 2(1. .lahre alles vorenthält, was (^ha- rakter, Intelligenz und ein männliches IJrtheil hilden könnte. Wie werden unsere Enkel lächeln, wenn sie daran denken, dass Tausende von Menschen im Krnst geglaubt haben, irgend ein Bruchstück eines Klassikers, unter Gähne und Widerwillen müh- sam eingeprägt und sehr viel schneller vergessen, oder gar trockne Kegeln einer altsprachlichen Grammatik wären das zweck- massigste Werkzeug zur Schürfung eines jungen Geistes Wer wird sjiäter noch glauben, dass ein Arzt, ein Ingenieur, ein Compagniechef Latein verstehen muss, nachdem die hygienischen, mathematischen und taktischen Normen sich völlig geändert haben und jedes gründliche Fachweson nur aus der Litteratur moderner Sprachen erworb"n werden kann Es ist kein Wunder, wenn die so ohne solide Basis erzogene Jugend sich der ersten besten, wenn auch noch so unsinnigen und unzeitgemässen neuen Richtung hingiebt, falls sie uns an das falschverstandene Alterthum erinnert .... Die klassische Bildung bringt . . . eine Verherrlichung der Gewalt in allen ihren Formen mit sich . . ." Kaum eines der von den Anarchisten gewünschten Ziele ist erreichbar, „aber nicht alle sind völlig absurd." „Aber nach Herausnahme der wenigen stichhaltigen Ideen bricht Meisenbach, Riffarth & Co. 1 in Berlin-Schöneberg, li welche bereitwilligst jede Ans kiiiitt ertheilt. Hohes f zu Preislisten etc. HqgoSfindl .. Berlin,S.RittBnstr.36. BilllgePreiselSdnielleUeferuns! Fernspr. Anschl. A.IV. NS 998 5: IPROSPECT GRATIS für ERFIMDE^ iARPADBtUER,JNG.BERllM,H.3I.SiraisundSt.3B. "besorgen. undveruertKen FRITZ SCHMIDT&C2 Pat9nt-Bureau u. Chera. Lab. BerUn,N.Chausseestr. 2 b ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦ Dakteriologische Kurse,» ♦ Unterricht in Nahruiissniiftel-,» ♦ sowie Harnanalyse, monatlich.» T Gelegenheit xum Ausführen a T selbstständiger Arbeiten. ^ ♦ (Jebernahme von technischen und^ ^ wissenschaftlichen Untersuchnngcn ^ ^ jeder Art. ^ ♦ Dr. E. Ritsert'» Bakteriologisch-» ♦ chemisches Institut, ♦ X Inh I»i-. Th. Genthor. t jBerlin N., Friedrichstrasse 131 d. J «♦♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦ In Ferd. 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Exemplare des Atlas oder der Blockausgabe sind zum Preise von I Mark durch jede Buchhandlung zu beziehen. Willi Büsingr, Langjähriger Assi.stent vom Prof. Dr. Vo; (le^; phulo-cliem. Laboratoriuni,-^ diT Kg], tf'clm. Hochschulo zu i'lKuloUciibiii BerliaW.,Benillerstr.l3. Fhotoolioiiiisoli. ^^^^V*0^, Institut ^ .W\^ <<^^^^ .\*' \\ \\s^ n-tisthe II. llieort-t.Aiisb. snnimtl. pbotogr. Posit.-Verf.,sow. 0^^^*' .A«3^.^)lioto-inffhan.I)nK-lcvorfaliren, "*,.i^Wissonschaftlii-lle und Ainaleur- Kurse. Kinliill jederzeit. Kurze und längere Kur.^e. |)niikf]U:iiiiiiu'rn stellen zur Verfügung. l ehernahnie aller vorkommenden wissonschaftl. und practischen photographischen Arbeiten. Nähere Auskunft bereilwilliijst. Täglich m.llii.t vciii ;i-7. Verantwürtlielier Ketlaeteur: Dr. Henry rotoiii,;, Gr. Lieliterfclde (P.-B ) bei Berlin, Potstlainerstr. 35, für den Inseratentbeil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümnilers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin bVV. Vi. V*--- ^.v'-"" Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den IG. Juni 1895. Nr. 24. Abonnement: Man abonniit bei allen BiichhandluiiKen und Post- ■]^ Inserate : Die viergespalteue Petilzeile 4ü ^. Grössere Aut'träpre ent- anstalten, wie be-i der Expedition. Der Vierteljahrapreis ist ,ff 4.— (ii3 sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkuuft. luseratenannahme BrintteKeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. Jl- bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdrnck ist nur mit vollstäiiiiis;ei- 4|u<'ilt'iiaiii;siI>o s^'^tatlet. Der 5. naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen. Abgehalten in Berlin vom 17. — 27. April. Berichte, zusammengestellt diir Für den Feriencursus waren folgende Vorlesungen an- gekündigt, deren Inhalt wir in Kürze wiedergelien werden. a) Beschreibende Naturwissenschaften: Prof. Dr. Magnus: Die wichtigsten Erkrankungen der Culturptlanzen, welche durch parasitische Pilze hervor- gerufen werden. Geh. ßegierungsrath Prof. Dr. Möbius: Thierlcbcn der deutschen Meere. Director Dr. Vogel: lieber die P.eschatfung des Ijotanisehen und zoologischen Anschauungsmaterials. Prof Dr. Wahuschaffe: lieber heisse Quellen und Geysire. Ausserdem waren unter Führung des Geh. Reg.-E. Prof. Dr. Engler die Besichtigung des botanischen Museums und des botanischen Gartens zu Berlin vorge- sehen, sowie unter Führung des Prof Dr. Wahnschaffe eine geologische Excursion nach Küdersdorf geplant. b) Physik. Prof. Dr. Looser (Essen): Schulversuchc über die Verwendung des Theruioskops. Prof. Dr. V. Schäwen (Breslau): Neue Neben- apparate zur Reibuugsmaschine und Herstellung derselben. Director Prof. Dr. Schwalbe: Anwendung der kom- priiiiirteii Gase beim Unterricht. c) Chemie. Prof. Dr. Fischer: üeher Theorie und praktische Anwendung der Kohlehydrate. Prof. Dr. Gabriel: Neue Methoden der Gasanalyse und Zusamnien.setzuug der Atmosphäre, Prof Dr. Jahn: Theorie und der Elektrochemie. Dr. W. Wolff: lieber Nitrocellulose. neuere Anwendungen • *) In der Naturw. Wochenschrift werden alle die Berliner naturwissenschaftlichen Feriencurse betreffenden Angelegenheiten initgetheilt werden, so dass dieselbe gewissermaassen als Organ für den Feriencursus zu betrachten ist. Vergl. auch den vor- jährigen Bericht Bd. IX. No. 18. 1 Prof. Dr. B. Schwalbe.*) d) Geographie. Oberlehrer Dr. Schmidt: lieber geographisches Zeichnen. c) Hygiene. Prof. Dr. Rubner: lieber Gesundheit und Krankheit, gei.stige und körperliche Arbeit. Stabsarzt Dr. Wer nicke: lieber die Verbreitung von Krankheiten durch die Schule.*) An dem Cursus nahmen Theil die Herren: Ober- lehrer Bugge (Realgymnasium, Landeshut), Prof. Dr. Exuer (Gymnasium, Neu.stadf), Prof. Feyerabend (G. Thorii), wissensch. Hülfslehrer Dr. Freiburg (Wongro- witz), O.-L. Dr. Fritsch (R^-G. Osterode O.-Pr.), 0"-L. Gnau i^G. Sangerhausen), O.-L. Guiard (G. Drainburg), wissensch. Lehrer Haben icht (Realschule Quedlinburg), O.-L. Dr. Heine (O.strowo), Prof. Helm (Ritter- Academie, Liegnitz), O.-L. Dr. Henze (Fraustadt), O.-L. Hirsch- berg (G. Strassburg W.-Pr.), Prof. Dr. Hoppe (G. Stolp), O.-L. Jensen (G. Kiel), Vorschullehrer Kirbass (Wil- helms-G. Königsberg i. Pr.), Prof. Kirchner (G. Iiister- burg), O.-L. Latriile (Oberrealschule Kiel), O.-L. Dr. L ohrer (Nackel), O.-L. Dr. Lüpke (Dorotheenst. R.-G. Berlin), O.-L. Rengel (R.-G. Potsdam), Prof Sauer (Fried. -Willielm-G. Stettin), Prof v. Scliäwen (König Wilh.-G. Breslau), O.-L. Dr. Schumann (R.-G. Nord- hausen), U.-L. Schmidt (G. Kolberg), O.-L. Dr. Troje (Altstadt. G. Königslierg i. Pr.), O.-L. Veide (VIII. Real- schule Berlin), Director Weisker (Realprogymnasium Rathenow). Ausserdem betheiligten sich an dem Feriencursus noch eine grosse Anzahl von meist in Berlin wohnenden Lehrern höherer Schulen, soweit es ihnen ihre Zeit ge- stattete. *) Vergl. die Mittheilung des ausführlichen Programjns in der Naturw. Wochenschr. Bd. X. No. 13. S. IGl. 286 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 24. Eröffnung des Fer eucursus. Nach einer herzlichen Begrüssung der Theilnehuier am Cursus setzt Herr Director Vogel kurz den Zweck der naturwissenschaftlichen Feriencurse auseinander. Ein Lehrer, namentlich ein Lehrer der Naturwissenschaften, dürfe nicht hloss ans Büchern studieren, er müsse auch mit der exacten Forscliung in Berührung treten. Dies zu erleichtern, dazu dienten die Feriencurse. Es trete in diesem Jahre die Botanik in den Vordergrund, abweichend von den früheren Cursen sei auch die Hygiene mit in den Kreis der Betrachtung gezogen. Praktische Uebungen näinnen zu viel Zeit und Mittel weg-, sie seien deswegen diesmal völlig fortgelassen; vielleicht würden derartige Fortbildungs- curse in den grossen Ferien abgehalten werden können. Für die Besichtigungen von technischen Anlagen und wissenschaftlichen Instituten sei besonders gesorgt, so wurden die chemische Fabrik von Raoul Bietet, die Berliner p]lektricitätswerke, die Fabrik von Siemens und Halske, das hygienische Institut, das Museum für Natur- kunde, die geologische Landesaustalt, das botanische Museum, die Urania, der zoologische Garten besucht werden. Für eine geologische Excursion nach Rüders- dorf sei ein ganzer Tag in Aussicht genommen. Der Director bittet die Anwesenden, durch gegenseitige Aus- sprache sich während des Cursus näher zu treten und schliesst mit dem Wunsche, dass alle Theilnehmer reiche Anregungen, wissenschaftliche und pädagogische Förde- rungen in diesem Cursus finden möchten. Hierauf nimmt das Wort Seine Excellenz der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal -Angelegen- heiten, Dr. Bosse, welcher ungefähr Folgendes äusserte: Die Unlerrichtsverwaltung lege den grössten Werth auf die Feriencurse. Er empfinde eine grosse Freude über den Anklang, welchen diese Curse gefunden haben, ferner darüber, dass die Theilnehmer keine Opfer, die ja für viele mit diesem Curse verbunden sein, gescheut hätten; er wünsche aber, dass er in späterer Zeit diese Opfer in grösserem Umfange als bisher werde erleichtern können. Die Erkenntnis vom Werth dieser Curse so bethätigt zu sehen, sei ein Zeichen für die ideale Gesinnung unserer höheren Lehrer- schaft; er wünsche allen Theilnehmeru, dass sie Ver- tiefung ihres wissenschaftlichen Strebeus und reichen, segensvollen Nutzen für den Unterricht ünden möchten. Wir gehen nunmehr zu den Referaten über die ab- gehaltenen Vorlesungen über. Director Dr. Vogel: Ueber die Beschaffung des botanischen und zoologischen Anschauungs- materials. Nachdem der Vortragende auf die Werke von Junge und namentlich auf das Buch: „Der Beobachtungsnnter- richt, ein Lehrbuch für den Unterricht im Freien" von Lüddicke hingewiesen, setzt er als die beiden Haupt- punkte für den naturwissenschaftlichen Unterricht, wo- rüber auch allgemein Uebereinstimmung erzielt sei, fest: 1. Der Unterricht hat auszugehen von der An- schauung. 2. Die Schüler sollen ausgehend von der Anschauung und Bcoliachtung die Principien selbstthätig finden. Um diese Forderungen durchzuführen, ist es noth- wendig, dass die Schule im Besitze des nöthigen Beob- achtungsmaterials sei. Die Sammlungen der Anstalt müssen die anschauliche Grundlage des ganzen Unter- richts geben können. Im Unterricht ist als erstes Ziel die Kenntniss von einzelnen Thieren und Pflanzen selbst zu verfolgen. Eine ausgewählte Anzahl von Thieren und Pflanzen, aber diese Jedenfalls gehört der Darwinismus nicht auf die genau, muss der Schüler kennen lernen. Um dies zu er- reichen, stehen uns jetzt grossartige Lehrmittel zur Ver- fügung, von denen eine grössere Anzahl gezeigt wird. Diese künstlichen Hülfsniittel sind eine ausserordentliche Hülfe für den Lehrer. Modell und natürliches Exemplar müssen gleichzeitig beim Untciricht verwendet werden, dies fördert am meisten. Zur Beschaffung solcher Lehrmittel ist nun aber Geld nöthig; dies ist allerdings ein schwieriger Punkt, denn die wirklich vorhandenen Mittel reichen bei Weitem nicht aus (in Berlin 90 M.). Man kann aber auch durch eigene Thätigkeit und die der Schüler sich eine schöne Sannnlung von Anschauungsmaterial verschaffen. Hierbei zeigt der Vortragende mehrere am Königstädtischen Real- gymnasium derartig hergestellte Lehrmittel vor (Pflanzen- familientafeln, Glaskasten mit Insekten etc.), dieselben seien zwar nicht künstlerisch, aber äusserst praktisch. Wie nun der Unterricht auf dieser Grundlage weiter bauen soll, darüber ist bisher noch keine Uebereinstimmung erzielt. Scliule Eine Schulsammlung muss so eingerichtet sein, dass die Schüler nach ihr bestimmen können; die Schüler müssen sich denkend damit beschäftigen können. An- schauung, Begriff" und Idee müssen bei den SchiUeru ent- wickelt werden. Der Schüler soll z. B. nicht nur eine bestimmte Pflanze, das Pflanzenreich, sondern auch die Pflanze, d. h. die Idee der Pflanze kennen lernen. Für den Unterrieht ist erforderlich, dass der Schüler im Besitz eines Herbariums, Zeichentafeln, illustrirten Lehrbuches sei. Das beste und grösste Beobachtungs- objeet ist aber die Natur selbst. Die Liebe zu ihr in der Jugend zu erwecken, dafür muss der in den Naturwissen- schaften unterrichtende Lehrer sorgen. Im Anschluss an den Vortrag fand eine Besichtigung von Lehrmitteln für die Naturwissenschaften statt, welche von den Firmen „Linnaea" (Dr. Müller), Haberland und Pippow, Kricheldorf u. a. ausgestellt waren. Büge. Prof. Dr. Magnus: Die wichtigsten Erkran- kungen der Culturpflanzen, welche durch para- sitische Pilze hervorgerufen werden. Die Krankheiten der Culturpflanzen, durch Pilze ver- ursacht, sind schon lange bekannt, man hat in früherer Zeit die wunderbarsten Schutzmaassregeln dagegen ge- trofifen; heute sucht man die Entwickelung des Pilzes genau kennen zu lernen, um hierdurch ein Mittel zur Be- kämjjfung zu finden. Die Vorführung der Erkrankungen der Culturpflanzen geschieht nun in der Weise, dass sie nach dem Erreger der Krankheit, dem Pilze, nach den natürlichen Pilzgruppen geordnet, hinter einander besprochen werden. Soweit die Entwickelung des Pilzes ))ekannt, wird die- selbe durch Vortrag und Zeichnung erläutert. Eine grosse Menge von Präparaten und Exemplaren, an denen man die Krankheit der Pflanzen deutlich erkennen kann, be- gleiten den interessanten Vortrag. Wir können natürlich nicht alle Einzelheiten wiedergeben und wollen nur die hauptsächlichsten Vertreter anführen, welche in dem Vor- trage besprochen wurden. Aus der Familie der Myxomyceten ist Plasniadiophora brassicae an den Wurzeln der Cruciferen, ferner PI. vitis am Weinstock neuerdings beobachtet worden. Von den Bacterien verursacht Micrococcus amylovorus die soge- nannte Pear blight (eine Rindenkrankheit) in den Obst- culturen Amerikas. Von den Phycomycetcs sind es haupt- sächlich die Peronosporeen, welche die mannigfaltigsten Erkrankungen der Kartoffel, des Weinstocks etc. erzeugen. Von den Üstilagineen werden die bekannten Ustilago-, Urocystis- und Tilletia-Arteu besprochen und die Mittel zu ihrer Bekämpfung angegeben, desgleichen von den Nr. 24. Naturwisseiischaftliehc WoclienscliriCt. 287 Urcdinecn, die übrif^ens am l;in,i;stcii l)ckaimt sind, Pup- i'inia .niaininis, Uriniiyccs hctac, IJ. piiascoli, l'lirapiiidium rosaniiii, ri'ridenniiiiii piiii (wclclicr in uiisert'ii Kiefer- \valdiinf;cn viele Bäume veriiielitet) etc. Von den Basi- diomyceten wurden l)csonders die llynienoniycetcn be- spr(H'hen, von den Asc'omyectcn Exoaseus Pruni, E. de- fornians und andere Arten, welelie die „llexenbesen" der Kir.sehliiiuiiie, K'otlibnelicn u. a. verursaehen, ferner Fusi- cladiuni dendritieuni, der an unseren Obstbäumen, und Neetria ditissima, der auf unseren Laubbölzern den so- genannten Krel)S bildet. Hierher gehört auch Claviceps pur|)urea (Mutterkorn), welcher bekanntlich .so bedeutenden Hehadcn ainichtet. Büge. (Jeiieimrath Prof. K. Möbius: Ueber das Tliierleiien der deutschen Nord- und Ostsee. Die 'riiicrspecies, welche dauernd den südlichen Tlieil der Nordsee bewohnen, bilden mit einander eine Lebens- gemeinschaft, welche abhängig ist von den äusseren physikalisch - chemischen Lebensbedingungen, von der Vegetation und von den gegenseitigen Verliältnissen der zusanunenwoinienden Arten. Anders /.usammengesetzt und bedingt sind die Lebensgemeinschaften der westlichen und der östlichen Ostsee. Bis zum 55 "^ n. Br. beträgt die Tiefe der ott'enen Nordsee nicht mehr als 35—45 m. Das Wattenmeer innerhalb der Inseln Sylt, Amrum, Fuhr, Norderuey, Borkum u. a. wird l>ei Ebbe auf weite Strecken trocken. Die westliche Ostsee ist nur 16 — 26 m tief, die Kieler Bucht nur 10 — 14 m. Nördlich von Arkona be- trägt die Tiefe 42 m, östlich von Bornholm 84 m, nördlich von Danzig 150 ra, nördlich von Gotland 323 m. Der Grund der Nordsee besteht in den unruhigen Theilen des Wattenmeeres hauptsächlich aus Quarzsand, der das Hauptmaterial zur Bildung der Dünen liefert, in den ruhigeren Theilen vorzugsweise aus thonigem Schlick. Nur in der Umgebung Helgolands ist der Meeresgrund felsig, da diese Insel aus Schichten zusammengesetzt ist, welche den Formationen der Kreide, des Muschelkalkes, bunten Sandsteins und Zechsteins angehören. Erratische Blöcke liegen nur in den tieferen Rinnen des Watten- meeres zwischen den Inseln Sylt, Amrum und Föhr und vor der Westküste Jütlauds. Der Boden der ganzen ofl'enen Nordsee hat festen Sandgrund, auf dem sieh in den grösseren Tiefen Schlick absetzt. Am Grunde der offenen w^estlichen Ostsee liegen viele erratische Blöcke, weshalb sie nicht wie die Nordsee mit Grundschleppnetzen betischt werden kann. Ihre Buchten ent- halten dicke Schichten einer schwarzen Mudmasse, welche ans todten niedersinkenden Tangen und Seegräsern entsteht, die an vielen Stellen ausgedehnte submarine Wiesen bilden. Der Boden der grossen Tiefen der östlichen Ostsee ist mit Thon bedeckt, auf dem nur wenige Thiere leben. Der Salzgehalt der offenen Nordsee beträgt 3,4 bis 3,5 7o- t)as Wattenmeer hat nur 3 %, die westliche Ostsee nur am (irunde 2 — 3 %, in höheren Wasserschichten meistens nur l'/iVo- Oestlicb von Rügen sinkt der Salz- gehalt auf 1 bis • o 7o- Ii flen flachen Küstengebieten ist der Salzgehalt in regnerischen Zeiten geringer als in trockenen. Die grossen Mengen süssen Wassers, welche das östliche Becken der Ostsee aufnimmt, werden haupt- sächlich durch den Öresuud und an der Oberfläche des grossen Beltes in das Kattegatt ausgeführt. Salziges Wasser strömt am Grunde des grossen und kleinen Beltes ein. Die Temperatur des Wassers beider Meere sinkt im Winter unter 0", in der salzreichercn Nordsee bis — 2", in der westlichen Ostsee bis — 0,5*. In den flachen Theilen treten grössere Temperaturschwankungen auf als ara Grunde tieferer Stellen. Alle Thiere der südlichen Nordsee und der ganzen Ostsee müssen grosse Teniperaturscinvankungen ertragen; sie sind eurytherni. Die Thiere des Wattenmeeres und der ganzen Ostsee ertragen auch bedeutende Schwankungen des Salzgehaltes; sie sind euryhalin. Die Ostsee enthält nur eine beschränkte Auswahl solcher nordatlantischer Thiere, welche sich grossen Schwankungen des Salz- gehaltes und der Temperatur angepasst haben. Beschalte Mollusken sind gefunden nördlich von der Doggerbank bis Peterhead in Schottland 251 Arten, südlich von der Doggeri)ank bis Texel 138 Arten, im nördlichen Sund 90 Arten, in der Kieler Bucht 47 Arten, östlich von Rügen nur 7 Arten. Die Ostseethiere haben eine weite Verbreitung, weil sie euryhalin und eurytherm sind. Sie gehen bis ins Mittelmeer und bis an die Küsten des nördlichen Eismeeres. Die meisten Thiere der Nord- und Ostsee treten in grossen Schaaren auf, von Nutzfischen die Plattfische am Grunde, die Heringe, Sprotten und Dorsche am Grunde und auch in höheren Wasserschichten. Die Grundfische nähren sich von Muscheln, Krebsen, Würmern und anderen wirbellosen Grundbewohnern; die Heringe han])tsäehlich von schwinniienden Krustern, be- sonders von Copepoden, welche sie aus dem Athemwasser durch dichtstehende Zähnchen an ihren Kiemenbogen in solchen Mengen abfiltriren, dass sieh in ihrem Magen 10 — 60 000 dieser kleinen Krebse anhäufen. In grossen Massen treten im westlichen Theile der Ostsee Ohren- quallen (Aurelia aurita) auf, im flachen Sande in der Nord- und Ostsee der Pier (Arenicola marina). Weit verbreitete Muscheln im flachen Wasser sind Mytilus edulis, Cardium edule, Mya arenaria. Das haupt- sächlichste Leuchtthierchen der Nordsee ist Noctiluca miliaris; das wichtigste Leuchtthierchen der Ostsee Ce- ratium tripos. Beide bilden im Spätsommer eine Haupt- masse des Planktons unserer Meere. Möbius. Die Besichtigung des botanischen Museums und des botanischen Gartens zu Berlin fand unter Führung des Herrn Prof. Schumann statt, da der Herr Geheime Regierungsrath Prof. Dr. Engler verhindert war, erscheinen zu können. Das hiesige botanische Museum ist das grösste, welches überhaupt auf der Erde existirt. Das in dem- selben befindliehe Herbarium hat nicht nur seinen Werth in den Pflanzen an sich, sondern in den sogenannten Originalexemplaren, nach denen die Typen Itestinmit sind. Der Stamm des Herbariums reicht zurück bis in die Zeiten des grossen Kurfürsten. Besonders werthvoll ist die „Willdenow'sche Sammlung", welche für das Museum erworben wurde. Nach diesen Auseinandersetzungen kam Herr Prof. Schumann auf das „phylogenetische System" von Prof. Dr. Engler zu sprechen; Engler ist der erste, der auf die „Blutsverwandtschaft" zurückgeht. Er hat den alten Be- griff der Kryptogamen und Phanerogamen zerschlagen, indem er die Pflanzen in folgende 4 Gruppen eintheilt: 1. Myxothallophyta (Schleimpilze), 2. Euthallophyta (Algen), 3. zoidiogame Embryophyta (Sporidien bildend), 4.syphono- game Embryophyta (Pollensehlauch bildend). Hierauf hielt Herr Prof. Schumann einen interessanten Vortrag über das s3'mbiotische Verhältniss von einigen Pflanzen und Ameisen, wobei mehrere solcher Myrmekophyten (Ameisenpflanzen) gezeigt wurden, so Ce- cropia adenapus mit den „Mttller'schen Körperchen", welche den Ameisen als Nahrung dienen, ferner Acaeia cornigera mit den .,Belt'sehen Körperchen", ferner Myrmecodia etc. (Mau findet eine genaue Darstellung der Myrmekophyten in der wissenschaftlichen Beilage zum Programm des Friedr.-Realgymn. Berlin, Ostern 1895: Oberl. Dr. Gustav 288 Naturwisscnscbaftlichc Wochenschrift. Nr. 24. Ramme: Die wichtigsten Schutzeinrichtungen der Vege- tationsorgane der Pflanzen, I. pag. 13 — 16.)*) Hieran schloss sich eine Besichtigung des botanischen Museums, _wo besonders die Wiiidenow'sclic Sammhing, vveiclie unter anderen siimmtliche „Humboldt- Pflanzen" enthält, Interesse erregte. — Am folgenden Tage wurde der botanisclie Garten besichtigt und zwar hauptsächlich die Treibhäuser, welche im Allgemeinen für das Publikum nicht zugänglich sind. Büge. Prof. Dr. AVahnschaffe: Ueber heisse Quellen und Geysirc. Redner legte dar, dass die hcissen Quellen und Gcysire auf tiefgreifenden Spalten auftreten und vor- zugsweise als Nachwirkungen früherer oder als Begleit- erscheinungen noch jetzt vorhandener vulcanischer Thätig- kcit aufzufassen sind. Je höher die Temperatur der heissen Quellen ist, um so grösser ist die Lösungsfähig- keit des Wassers für die Mineralbestandtheile des Neben- gesteins, besonders, wenn ausserdem noch Kohlensäure oder schweflige Säure in der Quelle enthalten sind. Die alten Vulcandistricte der Eifel und des nördlichen Böhmen sind reich an Kohlensäurecpiellen. In dem Gehalte an Kohlensäure und der oft hohen Temperatur vieler Thermen liegt der Grund, dass die meisten derselben zugleich Mineralquellen sind und daher als besonders heilkräftig angesehen werden. Nach der chemischen Bcsehafl'enheit derselben kann man 6 verschiedene Gruppen unter- scheiden: 1. Säuerlinge, 2. alkalische Quellen, 3. Salz- ipiellen, 4. Schwefelquellen, 5. Eisen(|uellcn und 6. Bitter- salzfiuellen. Es wurden sodann die wichtigsten der als Heilquellen bekannten Thermen hinsichtlich ihres geolo- gischen Auftretens eingehender besprochen. Die Springquellen oder Geysire zeigen in he- stimmten Intervallen ein heftiges Aufwallen des Wassers, welches sich in vielen Fällen bis zu gewaltigen Wasser- eruptionen steigert. Die periodischen heissen Spring- quellen finden sich vorzugsweise in drei Gebieten: auf Island, auf Neu-Seeland und im Yellowstone-Nationalpark der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Vom grossen Geysir oder Wütherich auf Island haben alle heissen Springquellen dieser Art ihren Namen erhalten. Weit reicher als Island war bis zum Jahre 1886 Neu-Seeland an diesen grossartigeu Naturerscheinungen, doch ist leider durch gewaltige Explosionen und Asehenauswürfe des Vnlcans Tarawera am 10. Juni 1886 fast das ganze neu- seeländische Gey.sirgebiet zerstört worden. Seitdem nimmt der berühmte Yellowstone - Nationalpark Nord- amerikas unbestritten den ersten Rang unter den Geysir- gebieten der Erde ein. Die verschiedenen Geysirtheorien, die Makenzie'sche und die Bunsen'sche Theorie wurden durch Tafeln und durch die Vorführung eines kleinen Geysir-Modells näher erläutert. Eine ausführliche Schilde- rung der Geysirerscheinungen des Yellowstone-National- parkes durch den Vortragenden findet sieh in der „Naturw. Wochenschr." Band IX, Nr. 17. Wahnschaffe. Oberlehrer Schmidt (Berlin) sprach in einem halb- stündigen Vortrage über das Zeichnen im geo- graphischen Unterricht. — Nachdem er kurz die zeich- nende Methode nicht nur als wünschenswerth, sondern als nothwendig hingestellt hat, weil dem Schüler durch das gleichzeitige Beschauen des Lernstoffes die Einprä- gung desselben erleichtert werde, macht er zunächst einige Angaben über die Mittel zum Zeichnen. Zur Auf- nahme der Karten dient am besten starkes, rohes Rollen- papier, auf welches die Zeichnung mittelst passender Farbstifte aufgetragen wird. Die Benutzung der Wand- tafel erscheint wegen ihrer nicht stets ausreichenden *) Vergl. den Artikel des Prof. Stliumann in der „Nnturw. Wochenschr. Bd. IV S. 9. Grösse und besonders wegen anderweitiger Verwendung nicht praktisch. Soll sie dennoch gebraucht werden, so empfiehlt Herr Schmidt zum Zeichnen besonders die amerikanischen Tafelkreiden (Bormann, Berlin, Brüder- strasse), hei denen die Nachtheile der bunten Tafel- kreiden, wie z. B. schlechtes Angeben, leichtes Bröckeln, allzu dunkle Farbentöue, am wenigsten vorhanden sind. Im Nothfall lassen sich einzelne Kreiden mit Hilfe far- biger Tinten und weisser Kreide leicht herstellen. Zum Zeichnen auf Papier eignen sich besonders die Signier- stifte von Kurz (für braune und grüne Farben die Wachs- stifte von Bormaun). W'as das Zeichnen selbst betrifl't, so entwirft der Lehrer unter Benutzung des Sehulatlas die Karte auf der Tafel (resp. auf dem Papier), während die Schüler in ihren Heften nachzeichnen. Namen werden in die Schülerkarten nicht eingetragen, die einzelnen Punkte werden dagegen numerirt, und die Bedeutung der Zahlen registrirt. Die gezeichneten Wandkarten werden neben den gedruckten bei Repetitionen gebraucht. Dabei wird verlangt, dass der Schüler sich mit Hilfe des Selbst- zeichnens das Kartenbild so eingeprägt habe, dass er die gegenseitige Lage einzelner Punkte auch aus dem Ko])fe angeben könne, ja, dass er im Stande sei, ein- zelne Kartentheile (mit vollständigen Karten) bei etwaigen Klassenarbeiten aus dem Gedächtniss aufzuzeichnen. Ueber das Zeichnen auf den verschiedenen Klassenstufen be- merkte Herr Schmidt etwa folgendes: Am notlnvendigsten ist das Zeichnen in Sexta bis Quarta, weil hier die ein- fache, nur die wichtigsten Punkte enthaltende Zeichnung das leicht verwirrende Viel der Karten ersetzen soll; in Tertia bis Seeunda kann und muss dasselbe aus nahe- liegenden Gründen mehr und mehr in den Hintergrund treten. In Sexta erhält der kleine Schüler ein hekto- graphisehes Grad- und Flussnetz, in das dann die Höhen- resp. Tiefenverhältnisse und die Städte in der Schule eingetragen werden; die Quintaner und Quartaner müssen die Grad- und Flussnetze nach kurzen Angaben des Lehrers selbst anfertigen. In der zweiten Hälfte seines Vortrages giebt Herr Schmidt einen Rückblick auf die Anwendung der zeich- nenden Methode innerhalb der letzen 25 Jahre. In den siebziger Jahren wurde das Kartenzeichnen zur iMode, man ging sogar so weit, dass man vom Schüler das Zeichnen ganzer Karten aus dem Gedächtniss verlangte. Natürlich brachte dies Zuviel bald einen Rückschlag, und seit 1886 ist das Kartenzeichnen im Unterrichte in Ab- nahme begriffen. Im Besonderen hat sich Herr Director Böttcher in Königsl)erg in einer Progrannnarbeit gegen das Zeichnen ausgesprochen. Der Herr Vortragende ist der Meinung, dass die Vorwürfe dieser Schrift sich im Wesentlichen auf das Uebermaass im Zeichnen beziehen, und er erkennt dieselben insofern an; die vollständige Verurtheilung der zeichnenden Methode hält er für un- berechtigt und bedauerlich ; etwaige technische Schwierig- keiten seien wohl zu beseitigen, wofern der Lehrer nur Lust und Liebe zur Sache habe und willens sei, Zeit und Mühe im Interesse der Schüler zu opfern. Büge. Oberlehrer v. Seh ä wen (Breslau) trägt vor über „seine neuen Nebenapparate zur Reibungselek- trisirmaschine und deren Anfertigung", unter Vor- führung einer gro.ssen Anzahl von Apparaten, welche die Schüler selbst anfertigen können und an denen die Gruud- prineipien der Lehren der Reibungselektricität repetirt werden. Herr Prof. Looser (Essen) führte in einem ein- stündigen Vortrage das nach seinen Angaben von der Firma ]\lüller & Meiswinkel in Essen a. d. Ruhr ver- fertigte Thermoskop vor. Bezüglich des Apparates theilt er zunächst mit, dass die Wärmeindikatoren nicht Nr. 24. Naturwisscnsdiaftliche Wochcnsclirifl. 289 nen i3eicn, dass er daseien Itei den Wärmereceptoren die Idee der Knpsel des HunsiMisclien Eiskaldriinctors sclbstiliidij;- weiter vert(iii;t liahe und die Vcrl)iiidiiiis' beider Tlieile zum l^liennosivo)) für sieii l)eaiis|iruelie. Besondere Vortlieiie des Apparates seien erstens die thnn- lieiist volllsoninicne Ausnutzung der abzuf;-el)enden resp. zu entzielicnden Wärnieniensen und zweitens die weitlnn deut- iielie !-iieliti)ariericht 18'J4 der Realschule zu Essen a. d.Rulir" verwiesen werden. Die Abliandluni;- enthält neben einer Hcsehreibunc; des ursprünglielien Teleskojjes 53 systema- tisch geordnete Versuche, welche mit dem Apparat aus- gefülirt werden können. Seitdem hat Herr Prof. Looser den \ (ii-liandenen Versuchen viele neue, aber noch nicht ver- (itVcntlielite hinzugefügt, auch steht zu erwarten, dass der recht brauchbare Apparat noch weitere Verwendung zu- lassen wird.*) Sehiemenz. Prof. Dr. Schwalbe: Anwendung der compri- mirten Gase heim Unterricht. Nachdem die ein- scldiigige Litteratur über diesen Gegenstand angegeben und auf die Bedeutung der comprimirten Gase für die Industrie hingewiesen, empfiehlt der Vortragende für Schul- versuche nur CO2 und 0. H und Cl müsse mau ausschliessen, da hier Unannehmlichkeiten entstehen können, dagegen seien CO., und 0 völlig gefahrlos. Die Versuche mit flüssiger CO^ kann man in 9 Gruppen theilen: nändich: 1. Versuche, welche zeigen sollen, dass der weisse Körper, welclien man durch Oeffnen der 15onibc im vor- gehaltenen Tuchbcutel erhält, wirklich CO;, ist, also gleich dem Product aus Marmor und Salzsäure. 2. Versuche in Bezug auf physikalische Eigenschaften der COj (speeif. (iewicht, Aussehen, Wärmeleitung etc.). 3. Versuche über Spannung der festen CO3 (An- sauge-Experimente, Treiben einer Windmühle etc.). 4. Versuche, welche die sehr niedrige Temperatur der festen CO^ zeigen. 5. Versuche mittelst Kältemischung von fester CO., und Aether. (Temperatur = — S7** C; Theorie der Ent- stehung dieser niedrigen Temperatur noch streitig). 6. Technische Verwerthung. 7. Elektrische Experimente. 8. Optische, und 9. Chemische Experimente. Die gegebenen Versuche wurden nicht systematisch angestellt. Zuerst wurde gezeigt, dass durch die Reibung der ausströmenden CO, Elektricität entsteht. Ein etwa 4 m entfernt stehendes Elektroskop wurde negativ geladen. (Hydroelcktrisirmasehine.) Ferner wurde Mineralwasser iiergestellt. Hauptsächlicli aber wurden Versuche mittelst der Kältemischung angestellt. So wurde Hg zum Ge- frieren gebracht, ferner die verschiedene Wärmeleitung von Kupfer, Glas und Holz dadurch gezeigt, dass ein Glasgefäss mit der Kältemischung nicht an einer kupfernen Platte festfror, während bei hölzernen und gläsernen Unter- lagen dies geschah. Ferner wurde gezeigt, dass Salzsäure und Marmor zusammengebracht bei grosser Kälte keine che- nnsche Reaction zeigen und schliesslich die Farbenvcrände- 1 uug durch den Einfluss von Kälte gezeigt. Die Farben sind *) Die Arbeit wird in der Puslie'schen Zeitschrift für physik. und ehem. Unterricht ausführlich erscheinen. nändich in ihrer Intensität von der Temperatur abhängig, z. B. erscheinen Zinmilxu- und Mennige bei sein' niedriger Temperatur liclinitli, l)ei gcwölmiiclier duidcelrotli. Sodann wandte sich der Vortragende zu Versuchen mit 0, welche hauptsächlich darin bestanden, vermittelst eines Sauerstoff - Leuchtgas - Gebläses sehr hohe Tempe- raturen zu erzielen. In der entstehenden Stichflamme konnte mit LeicJitigkeit Silber und Platin geschmolzen, Messing und VAnk verbrannt werden, ferner eignete sich dieselbe zur Ausführung sogenannter Bohrungen in Eisen- bleehbüchsen und zur Herstellung von „Glastliränen". Zum Schluss wurde durch einen Versuch die That- sache illustrirt, dass alle zerstäubten festen und flüssigen Iirennbaren Körper ein ausserordentlich brennbares Gemisch geben. Zu dem Zwecke wurde Terpentinöl zerstäubt und in die Flannne des Sauerstoft'-Lcueiitgas-Gebläses gebracht, wodurch eine Flamme erzielt wurde, welche einen ausser- ordentlich hohen Hitzgiad zeigt. Auf vielseitigen Wunsch der Theilnchnicr des Fcrien- cursus fügte an einem späteren Tage Herr Director Schwalbe noch einige Versuche mit O. hinzu. So stellte er einige geologische Versuche an, indem er mit Hilfe des Sauerstoff"-Leuciitgas-Geldäses Bimstein und ebenso Granit verglasen Hess; ferner zeigte er, wie Doelitkohlc in dieser Flamme ein blendendes Licht liefert, desgleichen Kreide. Zum Schluss demonstrirte der Vortragende den An- wesenden den elektrischen Anschluss. (Das Physik- zimmer des Dorotlieenstädt. Real - Gynmasiums hat elek- trischen Ansciduss an die Berliner Elektricitätswcrke.) Mit Hilfe des zu Gebote stehenden Stromes machte Herr Director Schwalbe einige interessante Versuche, z. B. den Versuch mit Crookes' Röhren (4. Aggregatzustand), ebenso „Tesla's Licht der Zukunft", wobei Herr Director Schwalbe erwähnte, dass er diese Versuche schon um die Mitte der siebziger Jaln-c mit einem Ruhmkorttschen Inductor angestellt haljc. Ferner wurde eine Heissluft- mascbine gezeigt, sowie einige optische Tafeln, von denen namentlich diejenigen Interesse erregten, welche „optische Täuschungen" darstellten.*) Sehiemenz. Prof. Dr. Fischer. Theorie und Anwendung der Kohlenhydrate. Seit dem Jahre- 182U tbcilte mau die Kohlenhydrate, von denen man damals nur die natürlich vorkonnnenden kannte, ein in Monosaccharide CoHj.jOe, Disaccha- ride CioH.jgO,, und Polysaccharide (C6H|o05)x. Diese drei Gruppen unterscheiden sich nach der Löslichkeit und dem Geschmack. Am weitesten in der Natur verbreitet sind der Rohr- und Milchzucker C,2HooO„, der Traubenzucker CgHijO,; und die Stärke und Cellulose (CeHjo05)x. Durch leicht ausführbare Reaktionen geht die Stärke in Zucker über. Wird die rohe Stärke mit verdünnter Schwefelsäure gekocht, so tritt eine vollständige Lösung ein, indem zuerst Dextrin, dann unter Aufnahme von Wasser Traubenzucker entsteht. Nach dem Abkühlen und Neutralisiren mit Natronlauge wird auf Zusatz von Fehling'scher Lösung rotlics Kupferoxydul gefällt. Das- selbe Product ergiebt die Stärke unter der Einwirkung eines Ferments oder Enzyms, nämlich der Diastase, welche jetzt käuflich zu haben ist. Doch ist zum Versuch Stärkekleister zu benutzen, da die widerstandsfähige celluloseartige Hülle der Stärkekörner durch Kochen mit Wasser beseitigt sein nniss. Wird nun Stärkekleister bei 50" längere Zeit mit Diastase erhitzt, so erhält man grösstentheils Traubenzucker, wie sich mittels der Fehling'schen Lösung nachweisen lässt. In den Gährungs- gewerben und der Bäckerei konnnt diese Bildung des Traubenzuckers, der dann weiter durch die Hefe- *) Die Versuche mit comprimirten Gasen werden ausführlich in der Zeittchrift für phys. und ehem. Unterricht veröffentlicht. 290 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 24. zollen in Alkohol und Kohlendioxjd zerlegt wird, praktisch zur Geltung. Jenes Enzyms bedienen sich auch die Pflanzen, um die in gewissen Organen deponirte Re- servestärke zu lösen und an den Orten des Verbrauchs in die mannigfachsten Verliindungen überzuführen. In den Speichel- und Darmdriisen der Thiere werden beson- dere Enzyme entwickelt, welche ebenfalls eine Ver- zuckerung der Htärke bewirken (Versuch: Stärkeklcister einige Minuten kauen). Dagegen sind zur Verzuckerung der Cellulose die erforderlichen Enzyme noch nicht be- kannt, obgleich sie jedenfalls im Darm der Thiere, ins- besondere der Wiederkäuer, existiren. Würde es gelingen, derartige Fermente zu tinden, so köinite man aus einem billigen Rohstoff, dem Holz, Nahrungsmittel bereiten, und die Technik dürfte sich eines grossen Erfolges rühmen. Immerhin vermag man jenes Ziel auf chemischem, für die praktische Vcrwerthung aber zu kostspieligen Wege zu erreichen. Wird die Cellulose in Gestalt von Fliess- papier kurze Zeit in eine nur mit wenig Wasser versetzte Schwefelsäure eingetaucht, so findet eine oberflächliche Verkleisterung statt, in Folge deren nach dem Auswaschen mit Wasser und verdünnter Sodalösung das vegetabilische Pergament entsteht. Bei längerer Einwirkung der cun- ccntrirteil Schwefelsäure wird die Cellulose (zum Versuch Wattcj zu Traul)enzucker hydrolysirt, da die klare Lösung nach dem Verdünnen mit Wasser in der bekannten Weise mit Fehling'scher Lösung reagirt. Die vorstehenden Processe ergaben als Umwandlungs- produkt der Polysaccharide immer den Traubenzucker. Indessen lernte man noch andere Monosaccharide, und zwar aus den Disacchariden, kennen, nämlich den Fruchtzucker, der sich neben dem Traubenzucker durch die Hydrolyse des Rolnzuckers mittels verdünnter Schwefelsäure bildet, sowie die Galoktose, die ein Spaltungsprodukt des Milchzuckers ist. Hiermit ist in aller Kürze dasjenige zusammengefasst, was man bis zum Jahre 1860 über die Zuckerarten wusste. Seit dieser Zeit hat das Studium dieser Kohlen- hydrate ganz ausserordentliche Fortschritte gemacht. Nicht allein ist die Synthese der natürlichen Zucker voll- kommen gelungen, sondern es ist auch eine grosse Reihe neuer Zuckerarten künstlich dargestellt, von denen sich einige als Producte der Organismen wiederfinden Hessen. Im wesentlichen sind es sechs Momente, welche zn diesen Erfolgen führten. Zunächst stellte man auf Grund ver- schiedener Reactionen die Strukturformeln der Zucker fest. Es ergab sich, dass dieselben entweder die Natur eines Aldetiyds oder eines Ketons haben, und denmach unter- schied manAldosen und Ketosen. So ist der Trauben- zucker eine Aldose: CH,(OH) . [CH(0H)]3 • CH(OH) • COR, der Fruchtzucker eine Ketose: CH,(OH) ■ [CH(OH)]., • CO • 0H2(OH). , Ferner gehen die Aldosen durch Oxydationsmittel in die betreffenden Säuren über (der Traubenzucker, der auch Glukose genannt wird, in Gluconsäure CH2(0H) • [CH(0H)]3 • CH(OH) • COOK), und aus diesen Säuren lassen sich die Zucker durch Re- duction regeneriren. Auch kann man von den betrefl'enden Alkoholen zu den Zuckern gelangen, indem man sie mit Oxydationsmitteln behandelt. Ferner zeigte sich, dass die Zahl der Kohlenstoflfatome der Monosaccharide keines- wegs auf ß beschränkt ist, sondern dass es zuckerartige Verbindungen mit mehr oder weniger Kohlenstoff'atonien giebt, welche die Fehliug'sche Lösung ebenso wie Trauben- zucker m reduciren vermögen. Auf doppelte Weise nun kann man ans der einen Zuckerreihe die andere darstellen, nämlich einerseits durch Polymerisation, z. B. 2C.,H402 = C4H8O4, andererseits durch Einführung der Blausäure- molekel, Verseifung des Nitrils zum Amid, Oxydation desselben zur Säure und Reduction der letzteren zum Zucker, der nun der nächst höheren Kohlenstoflfreihe an- gehört. Indessen erhielt man bei j'cnen Reactionen in der Regel Gemische isomerer Zucker. Um sie von einander zu scheiden, bot sieh in dem Phenylhydrazin Ciill^NH-NHo ein vortreff"liches Mittel. Von dieser Base in ihrer essigsauren Lösung verbindet sich mit einem Zuckermolekül unter Austritt von Wasser zunächst ein Molekül zu einem Hydrazon, und dieses geht, indem es ein zweites Molekül Phenylhydrazin fixirt, in Folge einer eigenthümlichcn Oxydation in ein Osazon über. Für den Traubenzucker haben diese Verbindungen folgende Zusannnensetzung CH.,(OH) • [CH(0H)]3 • CH(OH) . CK = N - NH • C^U,, und CH.,(ÖH)-[CH(OH)], -C-CH II II C\;H5-NH-N N— CHCeHä Die Hydrazone und Osazone der einzelnen Zuckerarten unterscheiden sich aber durch ihr verschiedenes Verhalten gegen Lösungsmittel, und hierauf beruht die Isolirung derselben. Unter dem Einfluss der Salzsäure zersetzen sich nun die Osazone unter Austritt von AVasser. Es ent- stehen die Osone, die mit nascireudcm Wasserstoff die reinen Ketonzucker liefern. Letztere sind im Gegensatz zu den natürlichen Zuckern meistens optisch inactiv, und nach verschiedenen Methoden lassen sich aus ihnen end- lich die mit den natürlichen Zuckern identischen Verbin- dungen gewinnen. Auf Grund dieser Erfahrungen wurde die Synthese des Frucht- und Traubenzuckers ausgeführt. Schon 1861 fand ßutlerow, dass sich der Formaldehyd unter der längeren Einwirkung des Kalkwasscrs zu einem mit Fehling'scher Lösung reagirenden Zuckergemisch polyme- risirt, eine Erscheinung, die bekanntlich A. v. Baeyer zn seiner Hypothese über die Entstehung der Kohlen- hydrate in den Pflanzen Veranlassung gab. In jenem Gemisch ermittelte Fischer später einen Zucker, die o-Akrose, die sich als die inactive Form des Frucht- zuckers erwies. Zur Reindarstellung derselben ging er im Jahre 1887 von dem dreiatomigen Alkohol, dem Glycerin, aus. Zu einem abgekühlten Gemisch von 10 g Glycerin, 35 g krystallisirter Soda und 60 g Wasser wurden 15 g Brom unter ümschütteln hinzugefügt. Das Brom löste sich, während Kohlendioxyd entwich. Nach einer halben Stunde war die Reaction beendet. Der Alkohol wird auf diese Weise zu Glycerose, einem Zucker, oxydirt. Denn wenn das überschüssige Brom mit schwefliger Säure beseitigt, und die Lösung alkalisch gemacht wird, erfolgt mit Fehling'scher Lösung die Zuekerreaction. Jene Glycerose ist ein Gemisch einer Aldose und Ketose, nämlich CH2(0H) • CH(OH) • COH -f CHo(OH) • CO • CH.(OH). üebersättigt man sie nun mit Natronlauge, so geht nach zwei Tagen die Polymerisation vor sich; 2C3He03 = CeH^oO«. P^s entstehen zwei Zucker mit 6 Atomen Kohlenstoff, aus denen mittels Phenylhydrazin die «-Akrose CIL(OH) • [CH(0H)]3 ■ CO • CHo(OH) isolirt werden kann. Der Name dieses Zuckers rührt daher, dass man zur Darstellung desselben auch das Bromid des Acroli'ins, eines Zcrsetzungsproductcs des Glycerins, be- nutzen kann. Es bedurfte jedoch noch einer langen Arbeit, um von der «-Akrose zum Frucht- und Traul)enzucker zu konmien. Da die a-Akrose durch Reduction mit Natriumamaigam in Nr. 24. Natnrwisseusehaftliche Wochenschrift. 291 einen sechsatoniigen AUiohol ühcriieht, der mit der inac- tiven Form desMannits identiseii ist, und jene Synthese der a-Ai\rose nur geringe Mengen dieses Zuckers ergab, .so wurde zur weiteren synthetischen Darstellung der natürlichen Zucker der Mannit verwendet. Derselbe wurde mit Salpetersäure zu Manno.se, und diese durch HroTuwasser zur inactiven .Mannonsäure oxydirt. Durch Neutralisati(ni der letzteren mit der Strychninbase erhielt man die beiden Salze der rechts- und linksdrehenden Mannonsäure. Das rechtsdrelicnde Strychninsaiz wurde isolirt, aus dem Salz die Säure frei gemacht, und diese zur rechtsdrehenden Mannose reducirt. Mittels des Phenyl- hydrazins Hess sich endlich diese Mannose in den Frucht- zucker verwandeln. Ferner ergab sich der Traubenzucker, indem die rechtsdreheude Mannonsäure durch Erhitzen mit Chinolin in die Gluconsäure übergeführt, und diese mit nas- cireudem Wasserstoff zu Traubenzucker reducirt wurde. Aus der linksdrehenden Mannonsäure lassen sieh die linksdrehenden Formen des Frucht- und Traubenzuckers erhalten. Diese in der Natur nicht vorkommenden Iso- meren der beiden Zucker werden auch gewonnen, wenn mau die inactive Mannose mit Hefe vergährt. Der Pilz verzehrt nur den rechtsdrehenden Bestandtheil, so dass der linksdrehende übrig bleibt. Dieser wird zu der Säure oxydirt, welche wie oben weiter zu behandeln ist. Die Glycerose ist ein Zucker mit o, der Trauben- zucker ein solcher mit 6 Kohlenstoftatomen. Indessen sind noch Zuckerarteu mit einer beliebigen anderen Kohlenstoftatomzahl möglich. Indem die Zucker allgemein als Ösen bezeichnet werden, unterscheidet mau sie nach der Zahl der Kohlenstoffatome als Monosen, Biosen, Tri- osen, Tetrosen etc. Die früher als Disaccharide bezeich- neten Zucker werden nach dieser Nomenklatur Hexobiosen genannt; sie sind die Anhydride der Hexosen und können aus letzteren in der That durch Entziehung von Wasser mittels rauchender Salzsäure erhalten werden. Erwägt man ferner, dass innerhalb einer Zuckerreihe von der nämlichen Anzahl der Kohlenstoffatonie mehr oder weniger isomere Formen denkbar sind, die wiederum je nach ihrem o])tisehen Verhalten in verschiedene Species zer- fallen, so übersieht man, dass die Anzahl der möglichen Zuckerarten ausserordentlich gross ist. Viele derselben sind bereits dargestellt. Aber ein weites Feld der Arbeit bleibt dem .synthetischen Chemiker noch vorbehalten. Wesentlichen Schwierigkeiten wird er jedoch nicht mehr liegegnen, nachdem die Methoden der Untersuchung von Fischer geschaffen worden sind. Von hohem Interesse sind ferner die physiologischen Betrachtungen, welche Fischer an die Wirkung der liefe auf zuckerhaltige Lösungen anschliesst. Eigenthüm- lich ist es, dass die Hefe unter den Zuckerarten, die sie in Gährung versetzt, auswählt. Nur diejenigen sind gähr bar, deren Molekül eine durch 3 tbeilbare Anzahl von Kohlenstcjffafomeu enthält. Der Gähruugsvorgang selbst ist ein Lebensact des Pilzes, da er den Zucker in seinen Organismus aufnimmt und Aethylalkohol und Kohlendioxyd ausscheidet. Eine Hexose zerfällt also nach der Gleichuni;- CeHioOg : 2C2H,0 2C0,. Eine derartige Umsetzung ist bei anderen Zuckern eben nur dann möglich, wenn die Zahl ihrer Kohlenstoff- atome ein Multiplum von 3 ist. Neben jener Haupt- reaction verlaufen in der gäbrenden Flüssigkeit je nach der Varietät der Hefe gewisse Nebenreactionen, in Folge deren noch andere Alkohole auftreten, welche dem Gährungsju-oduct einen besonderen Geschmack verleihen. Ferner ist es auffällig, dass nur die reehtsdrehenden Zuckerarten jene Zersetzung erleiden, und dass die in- activen Zucker von der Hefe zuvor in ihre beiden optisch activen Componenten gespalten werden, von denen die linksdrehende Form garnicbt augegrirten wird. Da die optische Activität durch die Asynnnetrie eines oder meh- rerer Kohlenstoffatome einer Verbindung bedingt ist, so sehliesst Fischer aus dem Verhalten der Hefe, dass auch das Plasma der letzteren einen asynnnctrischcn i5au besitzen nniss, und dass es vermöge desselben nur in das ent- sprechend construirte Zuckermolekül, ähnlich wie ein Schlüssel in das dazu passende Schloss, einzugreifen vermag. Auch das Plasma der anderen Pflanzen unseres Planeten niuss nach Fischer's Ansicht ähnlich gebaut sein. Die Thatsache, dass in den Pflanzen nur die rechtsdrehenden Zucker vorkommen, die wahrscheinlich alle secundär aus Glycerose hervorgehen, erklärt sich daraus, dass ihr Plasma den von ihm erzeugten Zueker- arten die nämliche Asymmetrie aufuöthigt. Dr. R. Lüpke. Prof. Dr. Jahn: Theorie und neuere Anwen- dungen der Elektrochemie. In Folge der Vervollkommnung der Dynamomaschinen und Accumulatoren hat man den elektrischen Strom für die chemische Technologie auf mannigfache Weise nutz- bar zu machen versucht. Erfolge den Erwartungen nur Indessen haben die bisherigen in gewissen Fällen ent- dem Vortrag des werden Folgenden nach kurz zusammengestellt sprechen, die im Herrn Prof. Dr. Jahn sollen. In erster Linie kommen die elektroglyptischen Wir- kungen des Stromes in Betracht, und zwar zunächst die- jenigen, welche die Abscheidung eines Schwermetalls an der Kathode zur Folge haben. Unter den verschiedenen Erzeugissen der Galvano- plastik sind in der Neuzeit die Kupferstichplatten hervor- zuheben. Dieselben sind galvanische Reproductionen der vom Künstler gestochenen Platten, an deren Stelle sie in der Presse zum Umdruck der Abzüge dienen. Auch werden mittels der Galvanoplastik von alten werthvolleu Kupferstichen täuschend ähnliche Imitationen, Helio- graphien genannt, hergestellt, indem nach den Originalen auf photomechanischem Wege erst eine Patrize und von dieser dann in den Kupfersulfatbädern die zum Umdruck bestimmte Platte angefertigt wird. Auf dem Gebiete der Galvanostegie und Metallo- chromie sind erhebliche Neuerungen nicht zu verzeichnen. Dagegen verdient die galvanische Aetzung eiserner und kupferner Gegenstände des Kunstgewerbes einer be- sonderen Erwähnung. Diese Gegenstände werden mit einem den Strom nicht leitenden Aetzgrund überzogen und als Anode in die Kupfersulfatbäder eingesenkt, nach- dem zuvor das einzuätzende Muster aus dem Ueberzug ansradirt ist. Sollen die geätzten Stelleu dann mit Silber oder Gold ausgefüllt und auf diese Weise die orientali- schen Metalliutarsien nachgeahmt werden, so sind die be- treftendeu Körper als Kathode in ein Silber- bezw. Gold- bad zu bringen und hierauf zu poliren. Wichtiger als diese Zweige der elektrochemischen Technik ist die elektrolytische Raffinirung und Gewinnung des Kupfers. Ihrer eigenen Existenz willen musste die Elektrotechnik derartige Methoden erfinden, um die er- forderlichen enormen Mengen Kupfer zu beschatten; und zwar wurden an dieses in Bezug auf seine Reinheit noch besonders hohe Anforderungen gestellt, da ein mögUchst gut leitendes, zähes, dehnbares Kupfer erwünscht ist. Die Raffinirung des Kupfers wird in Ku])fersulfatbädern, die mit Schwefelsäure stets sauer zu halten sind, vorgenommen. Aus Rohkupfer, welches bis 40 pCt. Verunreinigungen enthalten kann, werden Platten gegossen, die als Anoden 292 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 24. dienen, während als Kathoden dünne Bleche von reinem Kupfer in die Bäder getaucht werden. Da mau starker Ströme bedarf, so werden die Wickelungen der Dynamo- maschinen aus breiten Kupfcrhändern angefertigt. Die Spannung der Jlascliinen dagegen beschränkt sich auf ein geringes Maass, weil der Strom, dessen Arbeit wesent- lich nur in der üebcrtragung des Kupfers von der Anode zur Kathode besteht, nur eine schwache Polarisation zu überwinden hat. Für diesen clektrolytischen Raftinirungs- process sind zwei Umstände besonders günstig. Einerseits wird der grösste l'heil der fremden Bestandtheile des llold. Schmidt zum Geh. Hofrath; der ausserordentliche Professor für Dermatologie Adolf Jarisch in Graz und der ausserordentiiclie Professor für Histo- logie Otto Drasch ebendort zu ordentlichen Professoren; der F'rivatdocent für Physiologie in Lembcrg Ale.x ander Skorski zum ausserordentlichen Professor; der ausserordentliche Professor der Chemie in Basel Dr. Rudolf Nietzki zum ordentlichen Professor: der Docent für Botanik Dr. John P. Lotsy von der Jolin Hopkins University zum Director der botanischen Gärten auf .Java. Berufen wurden: Der I^rofcssor der Physiologie in Preiburg von Kries nach Leipzig als Nachfolger des' Professor Ludwig; der Privatdocent der Philosophie am Lyceum Hosianuni zu Braunsberg Johannes Nie binger an das Priesterseminar zu Posen; Dr. J. K. Scrnandcr als Docent für PHaiizengeographie nach IJpsala; Dr. A. N. I5erlese als Professor der Botanik an die Libera Universitä zu Camerino. Der Professor der Geographie Pecliuel-Lösche in Jena ist nicht in den Ruhestand getreten, sondern luich Erlangen berufen. Es habilitirten sich: Der erste Assistent au der Augenklinik zu Marburg Dr. Axenfeld ebendort für Ophthalmologie; Dr. med. et phil. von Sobieransk i, Assistent am pharmakologischen Institut zu Marburg als Docent für Pharmakologie ebendort; Dr. K. Förster an der technischen Hochschule zu Dresden für Chemie; der lle])etitor an der thierärztlichen Hochschule zn Berlin Dr. Künncmann am landwirthschaftlichon Institut der Universität Jena Zurückgetreten sind: Privatdocent Brück in der medicinischen Fakultät zu Breslau von seinem Amt als Leiter des dortigen zahn- ärztlichen Instituts; der II. Custos der Giossener Universitäts- Bibliothek Dr. W. Martinson. Es starben: Der Florist und Mykologe Professor Wilhelm Voss in Wien; Custos Hörhanimer an der königl. Hof- und Staatsbibliothek in München; der Privatdocent der Zahnheilkunde Weil in JNIüuchen ; der Präsident der Philadelphia Academy of Science Dr. William S. W. Ruschen berger. Der 6 Internationale Geographen-Congress findet vom 26. Juli bis zum ).;. August in London statt. Mit ihm wird eine Ausstellung verbunden sein. — Vorsitzender des organisirenden 29ß Naturwissenschaftliche Wochenschriit. Nr. 24. AusschiLsses: Leonard Uarwin; Secretäre: .1. Scott Keltie und Hugh Robert Mill. Das Ccntralburcau befindet sieb im Gebäude der Geograjihical Society, Savile Row, Burlington Gardens, London \V. L i t t e r a t u r. Dr. Emil Schneider, Entstehung und Prognose der Wirbel- stürme. Mit 2i Karten. Nationale Verlufjjsanstalt, Bucli- und Kunstdruclverei Act.-Ges. ReRCnsburg. 1895. — Preis 2,40 M. Da das vorliegende Buch eine recht bedeutsame Erscheinung und möglicherweise geeignet ist, einen ganzen Theil der Meteoro- logie in neue Bahnen zu lenken, so behalten wir uns vor, in einem besonderen Aufsatz auf das Werk einzugehen. Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte. Oli. Versammlung zu Wien 24. — L'8. Sept. 1894. Herausgegeben von Albert Wnngerin und Otto Taschenberg. 11. Theil. I. Hillfte: Naturwissenschaftliche Abhandlungen. II. Hälfte: Medieinischc Abhandlungen. — F. C. W. Vogel. Leipzig. 1895. — Preis 5 und 10 M. Der 1. Theil hat bereits im vorigen Bande der „Naturw. Wochenschr." S. 627 Berücksichtigung gefunden. Von den eben erschienenen uns vorliegenden beiden weiteren (Schluss-) Bänden intoressirt uns am meisten die erste Hälfte, welche einen Bericlit über die Thätigkeit in den naturw. Abtheihingen der Gesellschaft bringt. Er umfasst 324 Seiten und enthält wieder eine Fülle von Thatsachen, über deren wichtigere liier zu referiren ganze Nummern beanspruchen würde. Die mathematische Litteratur wird um 2o Notizen resp. Abhandlungen bereichert, die Astronomie um 11, die Geodäsie und Kartographie um 3, die Meteorologie um 12, die Physik um 24, die Chemie um 20, die Landwirthschaftskundc um 3, die Zoologie um 14, die Botanik um o4, die Mineralogie und Petrographie um 9, die Geologie und Palaeontologie um 17, die physische Geograpliio um 23, die Ethnologie und Anthro- pologie um 12 und die Kunde über den mathem. und naturw. Unterricht ebenfalls um 12. Die 2. Hälfte „Medieinischc Abtheilungen" umfasst nicht weniger als 572 Seiten und ist eine Fundgrube für den Mediciner. Von einer neuen Zeitschrift; „Zeitschrift für angewandte Mikroskopie", herausgegeben von G. Marjjmann. liegt uns das erste Heft (April 1895) des ersten Bandes vor. Es erseheint im Verlage von Robert Thost in Leipzig. Die Zeitschrift soll dienen der praktischen Anfertigung, Untersuchung und Erkennung des mikroskopischen Präparats und der Anwendung dieses Präparats für die Begutachtung. Briefkasten. Hr. Itehrer J. Seh. — Die übersandten Gebilde von der „Schmücke bei dem Dürfe Sachsenburg unweit der Stadt Heldrun- gen", „Bonifaciuspfennige" der dortigen Bevölkerung, sind Crinoiden- Stiel-Giieder. Inhalt: Prof. Dr. B. Schwiilbe: Bericht über den ■">. naturwissenseliaftliehen Ferienkursus für Lelirer au liöjieren Sehulen. — Ueber Sclerotinienkr.inklieiten. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Emil Schneider, Entstellung und Prognose der Wirbelstürme. — Vei-Iiandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte. — Zeitsclirift für angewandte Mikroskopie. — Briefkasten. In .1. r. Kerii's Verlag (Max Müller) in Breslau ist soelieii erschienen: Vorgeschichtliche Botanik der Ciiltur- und Nutzpflanzen der alten Weil anf (iniiid pviiliistoriselicr Funde. ^^Jn Georg Buschan, ür. phil. et med. gr. 8". iXII, 2158 Seitenj. Prei.s 7 Mark. atent-technisches und I Verwerthung-Biireau Betelit'. Berlin S. 14, Neue llossstr Sammlungs-Schränke für Sammlungen jeder Art in den verschiedensten Ausführungen. Rudolph Zwach Tischlermeister. BERLIN, Invalidenstrasse 101. Lieferant der Königl. Berg-Aka- demie, Landwirthschaftl. Hocli- schule und Museum für Natur- kunde. PATENTBUREAU Qlrich \{. jVlaerz Berlin NW., Luisenstr. 22. ^^= Gegründet 1878. ^^= Patent- Marken- u. Musterschutz für alle Länder. ie künstlerische ' Herstellung * von Illustrationen und Zink- cllches .jeder Art und nacli beliehiRe'r Vorlage, für wissen- schaftliche und gewerbliche Zwecke, wird in meinem Insti- tut seit .Tahrcii gcnflegt. Die Abbildungen in dieser Zeit- schrift gelten als Proben meines Verfahrens. 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Der Einfluss der Binnenseen auf das Klima. Von Dr. Willi l'K' in Halle a. d. S. In den kliniatologischen und meteorologischen Lehr- büchern wild der Einfluss der Hinnenseen auf das Klima ihrer Umgebung meist nur ganz oberflächlicli erörtert. Es ist das aueli durchaus naturgemäss, da eingehendere Untersuchungen über diesen Gegenstand nicht vorliegen, ja kaum das Material dazu vorhanden ist. Auch die nachstehenden Ausführungen verfolgen nicht den Zweck, den Einfluss der Binnenseen etwa zift'eruniässig festzustellen, sie sollen vielmehr nur an der Hand theoretischer Er- wägungen dartluin, welcher Art eine solche klimatische Einwirkung grosser Wasserflächen überhaupt sein kann, um vielleicht für eine gründlichere Bearbeitung des Gegen- standes als Anregung zu dienen. Sie beziehen sich aucli nur auf die Klimate mittlerer Breiten, speciell auf Mittel- europa. Für eine Ausdehnung solcher Betrachtungen über die ganze Erde dürfte eine ausreicliende Grundlage zur Zeit noch fehlen. Nach der bisherigen Anschauung gilt vor allem der Satz, dass die Seen auf die Luft in ihrer Umgebung im Jahresmittel einen erwärmenden Einfluss ausüben. Man schliesst dies aus der Thatsache, dass in den mitt- leren Breiten stets die Wassertemperatur an der Ober- fläche der Seen im Jahresdurchschnitt höher ist als die- jenige der darüber lagernden Luft. Allein prüft man näher die Beziehungen' zwischen Wasser und Luft, so kommt man doch zu der Erkenntniss, dass ein solcher Schluss nicht ohne weiteres zulässig ist, dass er zum mindesten wenigstens einer Beschränkung bedarf. Zunächst kann der thermische Einfluss des Wassers überhaupt nur ein geringer sein. Denn von der wärmeren Wasseroberfläche tiieilt sich die Temperatur vorwiegend durch Leitung der überlagernden Luft mit. Diese Wärme- leitung schreitet aber innerhalb der Atmosphäre nur sehr langsam fort. Allerdings strahlt das Was.ser auch Wärme aus. Indess auch davon werden nur die untersten Schichten der Luft Gewinn haben, da diese mit ihrem reichen Wasserdampf die vom Wasser ausgehenden dunklen Wärmestrahlen schnell absorbiren. Weiter erfährt dann die an sich schon geringe Wärmewirkung des Wassers noch eine beträchtliche Ein- busse durch den Wärmeverbrauch, welchen die stete Ver- dampfung des AVassers an der Oberfläche bedingt. Der Betrag des durch die Verdunstung hervorgerufenen Wärmeverlustes und der dadurch bewirkten Abkühlung der Luft ist nicht gering anzusetzen. Derselbe lässt sich annähernd berechnen, sobald man die Höhe der innerhalb eines bestimmten Zeitraums verdampfenden Wasserschicht kennt. Für Deutschland kann man diese im jMaximnni etwa zu 5 mm pro Tag annehmen. Daraus berechnet sich für eine Wasserfläche von 1 Hektar ein Verbrauch an Wärme, der ausreicht, um die Temperatur von 7 600 000 Gubikmeter Lnft um 1" innerhalb 24 Stunden zu ernie- drigen. Nun verdunstet allerdings auch auf dem festen Land stets eine gewisse Menge Wasser. Allein nach den Beobachtungen an den bayerischen forstlich-meteorolo- gischen Stationen beläuft sich die Verdunstung im Bodeiv höchstens auf '/a des obigen Werthes, sodass also au einem Tage mit starker Verdunstung doch immer noch 5 Mill. Cubikmeter Luft über der Wasserfläche von 1 Hektar um 1 (4rad abgekühlt werden könnten. Wenn nun auch die Umsetzung iles Wassers in Dampf nicht ganz allein auf Kosten der Luftwärme erfolgt, sondern ein Theil der erforderlichen Wärmemenge gewiss auch dem Wasser ent- zogen wird, so dürfte doch immerhin an trocken-heissen Tagen eine merkliche Verminderung der Lufttemperatur über dem Wasser durch den Verdampfungsprocess bewirkt werden. Diese Abkühlung fällt naturgemäss in der Jahreszeit am grössten aus, in welcher die Verdunstung am stärksten 298 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 25. vor sich geht: das ist in den Frühjahrs- und Sommer- monaten, vornehmlieh im April, Mai und Juni. In dieser Jahreszeit ist aber an sieh schon die thermische Wirkung des Wassers eine geringe und oft eher eine abkühlende als erwärmende. Denn nach den tliatsächlichen Bcobach tungen zeigt sich in den Frülijabrsmonaten die Temperatur an der Wasseroberfläche zuweilen beträchtlich niedriger als die Lufttemperatur. Es hat das seinen Grund in der eigenartigen Erwärmung des Wassers, die viel langsamer vom Winter zum Sommer fortschreitet als diejenige der Luft. Allerdings infolge der Beständigkeit der Wasser- temperatur wird auch im Frühjahr nicht selten der Fall eintreten, wo bei starker Erniedrigung der Lufttemperatur, z. B. bei sogenannten Kälterückfällen doch vom See aus der Luft Wärme zugeführt werden kann. Jedenfalls ist aber der thermische Einfluss eines Binnensees im Laufe des Jahres ein sehr wechselnder. Zu einer Ueberschätzung der klimatischen Bedeutung grosser Wasserflächen im Binnenland ist man wohl haupt- sächlich verleitet worden durch einige Beispiele besonders hoher Lufttemperatur an Orten, welche nahe an einem See gelegen sind. So erwähnte Billwillcr*) gelegentlich eines Vortrages, den Woeikof auf der Meteorologen- Ver- sammlung zu Karlsruhe 1887 über die Temperatur der Gewässer hielt, dass im September 1865 zu Neuenburg in der Schweiz das Moüatsmittel der Temperatur um 1,6" grösser gewesen sei als dasjenige zu Basel, obwohl ersterer Ort um 200 m höher gelegen ist als letzterer, und glaubte darin einen prägnanten Beweis für den grossen thermischen Einfluss eines Sees finden zu können. Allein man darf doch nicht vergessen, dass die Luft- temperatur noch durch eine Eeihe anderer Faktoren be- einflusst wird. Ein solcher Temperaturnuterschied, wie der oben angeführte, braucht nicht unbedingt durch die Wirkung der nahen Seefläche verursacht zu sein, sondern es können auch günstige orograpliische Verhältnisse u. s. w. denselben hervorgerufen haben. Jedenfalls bedürfen diese Beispiele einer vorsichtigen und gründlichen Prüfung, ehe sie als wirkliche Beweise gelten können. Nur in einem bestimmten Falle wird einem See ein erwärmender Einfluss auf die Ufergebiete unbedingt ein- geräumt werden müssen, nämlich dann, wenn diese von den von der spiegelnden Wasserfläche reflectirten Sonnen- strahlen getroifen werden. Die Wirkung der Reflexion ist keine geringe. Dufour**) hat den Betrag derselben am Genfer See bestimmt und hat gefunden, dass dort die reflectirte Wärme bis 68 % der directen Wärme- strahlung erreichen kann. Die Reflexion nimmt mit sin- kender Sonne zu ; am Morgen und Abend sowie im Winter ist sie am grössten. Dass daraus für einzelne Regionen der Seeufer eine merkliche Wärmequelle er- wachsen kann, leuchtet ein und es ist wohl denkbar, dass in so begünstigten Gegenden der Anbau sonst nicht hei- mischer Gewächse und die Anlage von klimatischen Kurorten dadurch ermöglicht wird. Die bisherige Anschauung von dem thermischen Ein- fluss der Binnenseen stützte sich vorwiegend auf die Beobachtungen der Oberflächentemperatureu. Seit dem man nun begonnen hat, auch die Temperaturen in den tieferen Schichten der Seen genauer festzustellen, musste zweifellos der vorliegende Gegenstand auch eine ganz neue Beleuchtung erfahren. Als besonders bedeutsam ist da das Auffinden der sogenannten thermischen Sprung- schicht zu erwähnen. Denn dadurch wissen wir, dass die alljährliche Wärmewirkung der Sonne innerhalb des *) Meteorolog. Zeitschrift 1887, S. 230. *) Dufour, M. L. : Recherches siir In retiexioi solairo :i la suiiaso du lac Leuian. |Buli. d Sciences natur. Vol. XII, 69, S. 1873.] de la chaleur I. .Societö Vaiid d.' Wassers nur sehr langsam fortschreitet und dass vielfach schon wenige Meter unterhalb der Oberfläche das kalte Tiefen wasscr beginnt. \Vir haben andererseits aber auch erfahren, dass an jeder noch so geringen Verminderung der Wassertemperatur (bis 4** C) stets eine grössere Wasserschicht thcilnimmt. Denn jedes kälter gewordene Wassertheilchen der Oberfläche muss als schwerer unter- sinken und von unten durch ein anderes ersetzt werden; es entstehen auf diese Weise sogenannte Convektions- ströme im Wasser, als deren unterste Grenze die Sprung- schicht zu gelten hat. Die Lage der Sprungschicht, welche also eine warme obere Wassermasse von einer kalten tieferen scheidet, ist in den einzelnen Seen verschieden. Dieselbe ändert sich ihrer Entstehung gemäss im Laufe des Sommers in der Weise, dass sie vom Frühjahr, wo sie noch kaum merk- lich ist, bis zum Herbst immer tiefer rückt, bis sie schliesslich bei andauernder Abkühlung im Winter wieder ganz verschwindet. Weiter scheint aber die Lage der Sprungschicht auch zu der Gestalt der Wasserbecken in einer bestinnnten Beziehung zu stehen. Je steiler der Grund eines Sees sich einsenkt, um so höher befindet sich in der Regel die Sprungschiclit. Endlich dürfte auch die Temperatur in der Tiefe der Seehecken die Lage der Spiungschicht beeinflussen. Denn die Grenze der oberen Warmwasserzone wird im Laufe des Sommers um so schneller in die Tiefe fortschreiten können, je wärmer das dort vorhandene Wasser ist. Seen mit sehr kaltem Tiefen- wasser weiden im Allgemeinen die Sprungschicht näher der Oberfläche aufweisen als Seen, in deren tieferen Regionen verhältnissmässig warmes Wasser aufgespei- chert ist. Diese eigenartige verticale Tcmperaturvertheilung in den Seen ist nun zweifellos auch für den klimatischen Einfluss von hoher Bedeutung. Je mächtiger die Warm- wassermasse über der Sprungschicht ist, eine um so grössere Wärraequellle wird der See für die überlagernde Luft. In Tagen der Erniedrigung der Lufttemperatur muss eine Wärmemittheilung vom U asser aus so lauge bestehen, bis die ganze obere Wassermasse bis zur Sprungschicht gleiche Temperatur wie die Luft be- sitzt. Dieser thermische Einfluss wird sich am meisten im Spätsommer, Herbst und Frühwinter geltend machen, wo nach den gemachten Beobachtungen die Sprungschicht ihre tiefste Lage erreicht und zudem der üebcrschuss des Wassers an Wärme gegenüber der Luft am grössten ist. Im Frühjahr und Frühsommer kann dagegen die Wärme- wirkung nur eine geringe sein, da in dieser Zeit die Sprungschicht noch kaum zur Ausbildung gekommen ist. Die vorstehenden Erörterungen lassen sich in folgenden Satz zusammenfassen: Die Binnenseen üben in Folge der im Jahresmittel höheren Wasser- temperatur auf die überlagernde Luft einen er- wärmenden Einfluss aus. Dieser Einfluss wird zeitweise vermehrt durch die Art der verticalen Teniperaturvertheilung im Wasser, welche be- wirkt, dass an den thermischen Aenderungen der Oberfläche sich zugleich eine grössere Wasserschicht betheiligt; vermindert wird der- selbe dagegen durch die stete Verdunstung des Wassers, welche eine starke Abkülil ung der Luft bedingt. (Janz unabhängig hiervon erfahren ausserdem einige Theile der Seeumgebung noch eine thermische Begünstigung durch die Re- flexion der directen Sonnenstrahlen au der spiegelnden Wasserfläche. In absoluten Zahlen lässt sich jedoch dieser klimatische Einfluss nicht ausdrücken; derselbe ist aber nach theo- retischen Erwägungen nur gering. Nr. 25. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 299 Nehcii der Wärmewirkung niat;- die kliniatisclie He- (leutiuif;' der Binnenseen V()r\vie,i;end in der steten Ahsi-ahe von VVasscrdanipf an die Atnios|ih:ire begründet sein. Denn dureli dieselbe werden in der Tliat zahlreiche nictcoroloi;iselic Voi-jj-änjic verursacht, welche das Klima in der Seciuni;ebiini;- woid /.n einem cig-enartig-en zu g'c- stalten vernuigcn. So fiilnt der Wasserdanipfreielithuiii der Luft über der Seefläehe bei ruhigem Wetter sehr leicht zur Nebel- bildung. Der Nebel breitet sich dann über die üfer- uiederungen aus und verhindert dort vor Altem die niiehtliehe Wärmeausstrahlung des Bodens. Von Vortheil ist eine solche Nebelhildung besonders in denjenigen Niieliten, wo ein Herabsinken der Lufttemperatur unter eine gewisse Grenze, z. B. 0", der Vegetation Schaden bringen könnte. Das gute Gedeihen mancher Gultnr- pflanzen wie der Weinrebe oder gewisser ( »bstartcn an den Ufern von Seen innerhalb solcher Regionen, welche ihrem Klima nach ungeeignet für diese Gewäciisc sind, dürfte darin zum Theil ihre Erklärung finden. ^^'eiter aber benetzt auch der vom Wasser auf- steigende Wasserdampf die Ufer und führt dort zu starkem und regelmässigem Thaufall. Letzterer wird in der Um- gebung der Seen geradezu den Nicderscidag ersetzen können. Ausführlichcrc Messungen über die Zunahme des Thaufalls mit der Annäherung an eine grössere Wasserdäehe sind allerdings noch nicht vorgenommen; dass diescllie al)er vorhanden sein nuiss, unterliegt keinem Zweifel und findet auch in der Erfahrung der Anwolmer von Seen volle Bestätigung. Zu beachten ist dabei, dass die Thaubildung in Folge der constantcn Versorgung der Luft mit Wasserdampf eine regelmässige ist und daher auch in den Zeiten auftritt, wo der atmosphärische Niederschlag fehlt und die Vegetation am meisten einer solchen Benet/ung bedarf. Aus dem Umstand nun. dass in Bezug auf Temperatur und Feuchtigkeit die Luft über den Binnenseen von der- jenigen ihrer Umgebung abweicht, folgt aber offenbar, dass zwischen diesen verschiedenartigen Luftmassen Be- wegungen entstehen müssen. In der That sind solche locale Winde namentlich bei ruhigem Wetter an den Ufern grosser Seen beobachtet worden. An heissen Tagen geben sich dieselben durch die Kühlung, welche sie dem Lande bringen, auch deutlich zu erkennen und Abends und Morgens sind sie am Zuge des Nebels leicht wahr- zunehmen. Natürlich sind es stets nur sehr schwache Luftströmungen, welche sich hier entwickeln; jeder leb- hafte \Vind, welcher im Gefolge der allgemeinen Wetter- lage den See bestreicht, lässt sie verschwinden. Aber auch füi- diese allgemeinen Winde ist das Auftreten eines Sees von Bedeutung-, indem an der glatten Oberfläche des Wassers die Reibung der Luft sich vermindert und in Folge dessen der Luftstroni über den See hinweg sich verstärken muss. Zu Feuchtigkeit und Temperatur zeigen auch die Gewitter deutliche Bezieluuigen. Hohe Temperatur und grosser Wasserdampfgelialt befördern die Bildung der- selben. Grössere Luftfeuchtigkeit ist nun allerdings über den Seen vorhanden; allein gerade in den Tagen, wo das Auftreten von Gewittern bei uns am häufigsten ist, zeichnet sich die Luft über dem Wasser durch geringere Temperatur aus, indem sie von dem unterlagerndcn Wasser, das einer gleich starken Erhitzung wie die Luft an heissen Tagen nicht fähig ist, abgekühlt wird. In Anbetracht ilessen erscheint es durchaus zweiteliiaft, dass über Binnenseen häufiger Gewitter erscheinen als in weiterer Umgebung. Die Statistik weiss auch nichts davon zu berichten. Es wird eine solche Zunahme von Gewittern auch noch unvvahrsciieiniichei', wenn wir bedenken, dass die gescliiiderten klimatischen Einflüsse nur die untersten Luttschichten betreffen. I'ür alle atnios])härischen Vor- gänge, welche eine auch in vertikaler Richtung aus- gedehnte Luftmassc umfassen, müssen daher die Seen ohne erhebliche Einwirkung bleiben. Wir können diesen Satz auch gleich für die Beant- wortung einer anderen Frage verwenden, ob nändich der Regenfall über den WasserHäehen und ihrer unmittelbaren Umgebung zuninnnt. Im Volke besteht vielfach die An- sicht, dass eine solche Einwirkung der Seen vorhanden sei. Allein theoretische Erwägungen sprechen ent- schieden dagegen. Denn die Niederschlags))ildung voll- zieht sich innerhalb einer Region der Atmosphäre, welche entweder garnicht oder doch nur ganz minimal von den Einwirkungen des Wassers getroffen wird. Ueberdies liegt die Ursache des Regens meist in Vorgängen der Atmosphäre, welciie weit ausgedehntere Gebiete umfassen, als deu meisten Binnenseen zukommt. Wenn wir hier einen Einfluss der Seen auf die Ent- stehung von Gewittern geleugnet haben, so wollen wir damit keineswegs auch der im Volke lebendigen An- schauung entgegentreten, dass eine Wasserfläche ein heranziehendes Gewitter aufzuhalten vermöge. Die An- wohner von Seen und grösseren Flüssen pflegen zu sagen, das Gewitter könne nicht über das Wasser hinweg, und sie stützen sich dabei auf eigene langjährige Erfahrung. Hier begegnen wir vielmehr einer derjenigen Anschauungen des Volkes, welche auch durch die wissenschaftliche Beobachtung und durch die Statistik volle Bestätigung erhalten haben. Nach den Untersuchungen von Börnstein werden in der That die Gewitter in ihrem Fortschreiten durch grössere Wasserflächen aufgehalten, ja sogar völlig zur Auflösung gebracht. Die Ursache dieser Erscheinung dürfte einmal doch in der thernnsehen Einwirkung der Seefläche zu suchen sein, welche mächtig genug ist, um den die Bildung des Gewitters begünstigenden auf- steigenden Luftstrom wesentlich zu verändern oder ganz zu unterbrechen, sodann aber ist wohl auch anzunehmen, dass hier elektrostatische Kräfte im Spiele sind. Zu dem oben aufgestellten Satz ist nach alledem noch Folgendes hinzuzufügen: Die Binnenseen bilden durch die starke Abgabe von Wasserdampf an die Atmosphäre eine reichliche Quelle der ße- netzuug für die Uferländereien; sie rufen ferner in Verbindung mit ihrem thermischen Verhalten besondere Luftströmungen hervor, welche ihren klimatischen Einfluss wohl zu erhöhen ver- mögen; eine Einwirkung auf Regen- und Ge- witterbildung ist aber bisher nicht nachweisbar. Aus den vorstehenden theoretischen Erörterungen dürfte zur Genüge hervorgehen, dass ein Einfluss der Binnenseen auf das Klima ihrer Umgebung unleugbar vorhanden ist. Erscheint derselbe auch im Allgemeinen nur gering, so könnte doch durch Summirung bei ge- selligem Auftreten von Seen dieser Einfluss sich bis zu dem Maasse steigern, dass er in klimatischen Unter- suchungen nicht mehr unberücksichtigt bleiben darf. 300 Naturwissenschaftliche Wochenschrift . Nr. 25. Bacteriologische Irrungen und Verirrnngen. — Als das jüngste Kind des moderneu Fortschrittes der Naturwissenschaft zieht die Bacteriologie ihre Kreise immer weiter und weiter; immer grösser wird die Zahl der Erscheinungen in der Natur, deren Entstehungs Ursachen auf das Vorhandensein und die Lebens-Er- scheinungen von Mikroben zurückzuführen sind. Füv den Arzt ist ein eingehendes Studium der Lebenseigenschaften der Bacterieu sowie eine genaue Kenntniss speciell der Bacterienarten, welche als Krankheitserreger charakterisirt sind, zur unumgänglichen Nothweudigkcit geworden. Be- ruhen doch auf deren Erkenntuiss im Wesentlichen die wichtigsten Theile der modernen Hygiene, die Desiufection, Antiseptik, die grossartigen Erfolge der chirurgischen Aseptik, und eine rationelle Prophylaxis gegen Seuchen, deren \erheerender Ausbreitung der Mensch früher machtlos gegenüber stand. Aber auch die nicht patho- geuen Bacterien, die sogenannten Sapro{)hyten finden mehr und mehr in Anerkennung der wichtigen Eolle, welche sie im Haushalte der Natur spielen, die gebührende Würdigung von Seiten der Forscher. Man konnnt immer mehr zu der Erkenntniss, dass man es in ihnen mit wichtigen Factoren zu thun hat, deren Bedeutung für Industrie und Landwirthschaft nicht zu unterschätzen ist. Was Wunder also, wenn das Interesse aller Gebildeten dieser kaum 30 Jahre alten Wissenschaft fast ungetheilt und allgemein zugewandt ist? Freilich liegt die Zeit, da man zuerst die kleinen Spaltpilze fand, weit zurück. Ueber zweihundert Jahre sind vergangen, seitdem von dem Holländer Leeuvenhoeck als er seinen Zahnbelag mit Hilfe stark vergrössernder, von ihm selbst geschlitfener Linsen untersuchte, diese kleinsten Lebewesen entdeckt wurden. Eine Reihe von Bacterienformen, die noch heute zu den bekanntesten zählen, wurden von ihm in Abbildungen der NachAvelt überliefert. Aber viele Jahrzehnte sind vergangen, bis man anfing eine bacteriologische „Wissenschaft" zu cul- tiviren und anzuerkennen. Die in die letzen zwanzig Jahre fallende Entwickelung der Bacteriologie wurde durch zwei gleichwichtige Factoren bedingt: Einmal durch die Vervollkommnung unserer optischen Instrumente, dann aber nicht minder durch die Einführung einer rationellen Uutersuchungsmetliodik. Es ist das unsterbliche Verdienst des genialen Robert Koch durch die Einführung des durchsichtigen, festen Nährbodens die Mc'iglichkeit gegeben zu haben, aus einem Bacteriengemische das einzelne Individuum, die einzelne Zelle zu isoliren und zu züchten, seine Vermehrung und seine Lebensbedingungen zu studiren. Koch's bahn- brechenden Untersuchungen gelang es, das Vorhandensein einer grossen Reihe unter einander verschiedener Bacterien- arten nachzuweisen. Es liegt in der Natur der Sache, dass mit der all- gemeinen Anerkennung und Anwendung der Koch'schen Untersuchungsmethode die Forscher keineswegs gefeit waren gegen Irrthümer und Fehler bei ihren Arbeiten. Vielmehr ist da manches Blatt in der Geschichte der Bacteriologie allüiählich der Vergessenheit anhcim ge- fallen, weil man erkannte, dass sein Inhalt bedeutungslos und irrig war. Das ist aber das Loos einer jeden Wissenschaft, und je jünger dieselbe, desto grösser die Gefahr. Jüngst ist nun die Bacteriologie um eine Miss- entdeckung bereichert worden, die sich in ihrer Art so wesentlich von allem bis dahin Geleisteten unterscheidet, dass es wohl der Mühe werth erscheint, ihr eine jener Folge falscher Beobachtung, hier eine Verirrnng als traurige Blüthc einer regen Phantasie! — Koch's erste fundamentale Arbeit ist die „über die Aetiologie des Milzbrandes". In ihr lieferte er auf Grund eingehender exacter Versuche den Nachweis einer voll- ständigen, durchaus lückenlosen Entwickelungsgeschichte des Milzbrandbacilius, sowie seiner Bedeutung für den Milzbrand selbst. Er zeigte, dass sich die Milzbrand- bacillen im Blute der erkrankten Thiere durch Quer- theilung der einzelnen Stäbchen und Auswachsen der- selben sehr rasch zu grossen Mengen vermehren, welche von einem Thier auf das andere übertragen wieder Milz- brand erzeugen. Der Milzbrandbacilius hat keine Eigen- wenn wir den Ausdruck gelten lassen wollen er- laubten Irrungen gegenüberzustellen, um sie als nicht zu jenen gehörig zu charakterisiren. Dort eine Iiruug in bewegung, weshalb er in flüssigen Nährböden wie Nähr- bouillon oder Blutserum zu laugen Fäden aneinander gelagerter Stäbchen auswächst. In diesen Stäbchen bilden sich dann nach einiger Zeit in Folge der Er- schöpfung des Nährbodens an Nahrungsstoft'en die so- genannten Dauersporen als kleine stark lichtbrechende Pünktchen, die Bacillensubstanz zerfällt allmählich, so dass die Sporen isolirt in der Nährfiüssigkeit vertheilt liegen. Werden dieselben alsdann wieder in neue günstige Nährverhältnisse gebracht, so sprossen aus ihnen senk- recht zur Querachse der Spore wieder Stäbchen aus, die sich in gleicher Weise zu langen Fäden auswachsend rapide ver- mehren und in gleicher Weise Verderben bringend für die damit inficirten Thiere sind, wie die Stäbchen der vorigen Generation. So war denn nun zum ersten Mal der Entwickelungs- kreis dieses Organismus klargelegt und damit ein Mittel gegeben, ihn von anderen Organismen aufs Schärfste zu unterscheiden, und dennoch sollte sich gerade an ihm zeigen, dass eine junge Wissenschaft Irrungen ausgesetzt ist, deren Klärung wesentliche Momente im Ausbau der Wissenschaft bilden. Koch's Arbeit erschien im Jahre 1877 und fand uu- getheilten Beifall, zumal nicht viel später von dem genialen französischen Forscher Pasteur durch nicht minder exacte Versuche allerdings auf anderem Wege die Forschungs- rcsultate Koch's voll und ganz bestätigt wurden. Trotz- dem erschien im Jahre 1883 eine Habilitationsarbeit von Buchner (der übrigens heute selbst vielleicht mehr als jeder andere von der Irrigkeit seiner damaligen Ansichten überzeugt ist) in der er den Nachweis zu liefern suchte, dass esniöglich sei, den pathogenen Milzbrandbacilius in den unschädlichen Heubacillus, Bacillus subtilis, um- zuzttchten. Buchner hatte zu diesem Zwecke den Milz- brandbacilius im Heuaufguss cultivirt und so ein Material erhalten, das weissen Mäusen eingeimpft, sich als un- schädlich erwies. Nun ist aber die Verschiedenheit dieser beiden Mikro- organismen eine so mannigfache, dass es kaum glaublich erscheint, wie ein solcher Irrthum sich einschleichen konnte. Der Milzbrandbacilius wächst, wie wir schon oben hörten, zu langen Fäden aus, das heisst ein Stäbchen theilt sich in zwei neue Stäbchen, die auswachsen und sich jedes für sich wieder spalten, um ihrerseits wieder zwei neue Stäbchen zu bilden, und so fort. Da nun dem Milzbrandbacilius Eigenbewegung fehlt, so bleiben diese immer wieder aufs Neue sich theilcnden Stäbchen zu Hunderten, ja Tausenden an cinandergcreiht liegen. Dies ist namentlich auf künstlichem Nährboden der Fall. Im Blute der inficirten Thiere bewirkt die Blut- bewegung das Zerreissen der Fäden. Ganz anders der in der Natur ausserordentlich verbreitete Heubacillus. Derselbe bildet auf der Nährgelatiue nur in der aller- ersten Zeit Fäden. Sobald ihnen indessen die beim weiteren Waehsthum schnell eintretende Verflüssigung des Nährbodens dies gestattet, trennen sich die einzelnen Nr. 2:^. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 301 Bacillen mui einander und sehwirren in wejining im Innern der (Vilonie undier. lebhafter He- Diese Ei!;'en- beweg;ung' bewirken sie vernuij;-c zweier s()j;'enannter Geisselfiiden, deren Koch an den Enden der Stäbchen je einen nachwies. Mit Vorliebe haften zwei Stäbchen zu- sammen und wackeln dann, sich hin und wieder f;egen- einaiuler neigend, dahin. Schon die äussere Gestaltung beider ist trotz der ähnlichen Dimensionen grundverschieden. Der Bacillus subtilis bildet Stäbchen mit convex abgerundeten, ab- gestutzten Enden, der Milzbraudbacillus dagegen hat eine typische concave Einziehung an den Enden. Dazu kommen noch Verschiedenheiten in dem Aussehen der f'olonieen u. s. f. Wenngleich sich nun Büchner mit der erwähnten Arbeit in schrotlen Widersiirucli setzte zu der iiereits all- gemeinen Annahme verschiedener, durch charakteristische constante Eigenschaften gekennzeichneter Speeies, so be- wegte er sieh doch auf dem Gebiete des Versuchs, und seine aus den Versuchen gewonnenen Ansichten waren irrige, waren Irrungen, wie sie mehr oder weniger ähnlich neben ihm noch manch anderem Forscher untergelaufen sind. \()r nicht allzu lauger Zeit brachte das Centralblatt für Baeteriologie eine Arbeit, die man mit dem besten Willen nicht in dieselbe f'ategorie jeuer Irrungen bringen kann. — Bei allen Bacterien, welche die Nährgelatine verflüssigen, kommt es naturgemäss vor, dass Colonieen, die nahe bei einander liegen, nach einiger Zeit in ein- anderfliessen. Diese ganz allgemein bekannte und durch- aus natürliche Erscheinung hat nun einen gewissen pr. Arzt D. auf die sonderbare Idee gebracht, hierin ,,Be- fruchtungserseheinungen" zu suchen. Er hat auf den riattenculturen, welche er mit verschiedenen Komma- l)acillen, dem Vibrio der asiatischen Cholera, dem Vibrio Finkler-Prior, dem Vibrio Metschnikotf und dem \'ibrio Deneke anlegte, diese Erscheinung in eigenartiger Weise beobachtet und studirt und ebenso eigenartig gedeutet. Er unterscheidet zwei Arten von Colonieen, die immer wieder vorkommen und von ihm mit « und ß bezeichnet werden. Die a-Colonicen haben nur eine geringe Neigung, sich mit einander zu vereinigen; die ^-Colonieen ver- einigen sich nie mit einander. Dagegen ist das Bestreben der a-Colonieen, mit den /i^-Colonieen zusammenzuwachsen, ein ungemein grosses. Dabei weicht zuweilen die /:?-Colonie der ihr zustrebenden n-Colonie aus, sie plattet sich ab, zieht sich sogar zurück und buchtet sich ein, so dass sie glockenförmig erscheint, und — endlich erfolgt die Vereinigung. Die Form der a-Colonie wird bedingt durch die Richtung, welche ein von ihr ausgehender Strom von Stoflfwechselproducten nimmt und in welchen die Organismen hineingezogen werden. Nach erfolgter Aufnahme der a-Colonie wächst die ,S-Colonie sehr schnell und verflüssigt dann auch entsprechend schnell die Nähr- gelatinc, ja, sie kann sogar von dem ihr gewordenen Segen noch anderen ,^-Colonieen wieder abgeben und so ein beschleunigtes Wachsthum derselben veranlassen. Die a- bezw. /i^-Colonieen enthalten nur solche Vi- brionen, die wiederum a- bezw. pJ-Colonieen erzeugen. Die vereinigten a- und /S- Colonieen dagegen erzeugen spontan Vibrionen, die im Stande sind, Colonieen ent- gegengesetzter Art hervorzubringen. Herr I). hat mit einem Eifer die verschiedenen Formen der zusammenfliessenden Colonieen studirt und gezeichnet, der einer besseren Sache werth wäre. Zur Erklärung dieser ihm so auffälligen Erscheinungen hat er weder in Osmose, noch Dialyse, noch Diffusion u. s. w. den gewünscliten Schlüssel gefunden, vielmehr erscheint ihm nur die Annahme eines allerdings ganz neuen Be- fruchtungsvorganges die richtige Deutung zu sein und er glaubt sich zu dciselben „zur Genüge" berechtigt im Ilin- lilick auf die mannigfaltigen geschlechtliciien Verhältnisse der niederen Algen. Das sind traurige IMiantasieblüthen, deren jeder Bacteriologe sich, ehrlich gestanden, schämen muss. Be- denklich erscheint es nur, dass solche Phantastereien im grossen Publikum zum Tlieil für haare Münze genoninien werden, wozu ja die kritiklose Aufnahme derselben in eins der angesehensten Fachl)lätter nicht zum wenigsten beitragen muss. Dr. Haefcke. Halereniita (■uiniilaiis, einen neuen marinen Hy- droidpolypen beschreil)t Dr. F. Seiiaudinn aus den See- wasseraquarien des zoologischen Instituts in Berlin (Sitzungsbericht der Gesellschaft natnrforschender Freunde, Berlin 1894), der in doppelter Hinsicht besonderes Inter- esse beansprucht: erstens wegen seiner einfachen Bau- verhältnisse und zweitens wegen seiner eigenartigen Knospenbildung. Der Polyp lebt solitär und ist nackt, d. h. er bildet kein festes Perisark. Statt dessen sammelt er um sich herum allen mögliehen Detritus, Algenfäden, Diatomeen u. s. w. an und umhüllt sich so vollständig damit, dass nur die Tentakel aus den Detritushaufen herausschauen. Die Fremdkörper sind nur locker angehäuft und nicht durch eine von Polypen ausgeschiedene Kittsubstanz mit ein- ander verbunden. Der Körper des Flalercniita besitzt eine stumpfkcgel- förmige Gestalt; die Höhe von der Basis bis zur Spitze beträgt nur 1 mm. Ungefähr V4 oder Vö der Gesammt- länge unter der Spitze entspringt ein Kranz einfacher Tentakel, meist 4 an der Zahl, die über Kreuz gestellt sind. Ueber die ganzen Tentakel sind ziemlieh dicht Nesselkapseln verbreitet, ebenso ülter den ganzen übrigen Körper, besonders in der Umgebung der Mundöft'nung Doch ist nur eine Art von Nesselkapseln vorhanden, und dadurch unterscheidet sich Haleremita wesentlich von allen übrigen Hydroidpolypen, welche meist zwei bis drei Sorten besitzen. In dem feinern Bau zeigt sich eine grosse Uebereinstimmung mit der Hydra, dem grünen Süsswasserpolypen unserer Bäche und Teiche. Die den Magenraum umschliessendc Wand besteht aus den beiden als Eetoderm und Entoderm bezeichneten Zellschichten, und der dazwischen gelegenen hyalinen Stützlanielle, welche dem ganzen Thier einigen Halt verleiht. Eine wesentliche Abweichung von der Hydra zeigt sich in dem Bau der Tentakeln. Während die.sclbcu nämlich bei Hydra hohl und nur mit einer Entodermzellcnlage ausgekleidet sind, zeigen sie bei Haleremita einen soliden Axenstrang, der aus grossen kubischen, in einer Reihe angeordneten Entodermzellen besteht. Hierin stimmt Haleremita also mit den übrigen Hydroidpolypen überein. Geschlechtspröducte konnte Schaudinn bisher, obschon er viele Exemplare lebend und auf Schnittserien genau untersucht, nicht nachweisen. Vielleicht muss dazu erst das Frühjahr abgewartet werden, da es nicht aus- geschlossen ist, dass der Polyp zu anderen Jahreszeiten Geschlechtspröducte entwickelt. So lange man diese nicht kennt, lässt sich auch über die systematische Stel- lung kaum etwas Sicheres sagen. Man muss ihn vorläufig zwischen die Hydrariae, die Süsswasserpolypen, mit denen er die meiste Aehnliehkeit hat, und die übrigen marinen Hydroidpolypen stellen, mit denen er nur im Bau der Tentakel übereinstimmt. Die Fortpflanzung erfolgte bisher ausschliesslich auf ungeschlechtlichem Wege durch Knospung. Die Anlage der Knospe macht sich als kleine buckeiförmige Hervor- 302 Natuiwisseuschaftliche Wocheuschrift. Nr. 25. Wölbung an der Seite des Körpers bemerkbar. Die Stelle, an der die Knospe auftritt, wechselt, bald liegt sie dicht unter dem Tentakelkranz, bald in der Nähe der Basis. Eine bestimmte Öricntirung zu den Tentakeln lässt sich auch nicht nachweisen. Die Hervorwölbung wird all- mählich deutlicher und zeigt bald halbkugelige Gestalt. Nun beginnt sich eine Ringfuiche am Uebcrgaug in den Körper des Muttertliieres auszubilden und die kugelige Knospe sich in die Länge zu strecken. Nachdem die letztere cylindrische Gestalt angenommen hat, schntirt sie sich ganz vom Mutterthier ab und kriecht unter wurm- oder spannerartigen Bewegungen fort. Ein Polyp kann zu gleicher Zeit bis zu sechs solcher Knospen treiben. Die Zeit von dem Bemerkbarwerden der Hervorvvölbung bis zur Ablösung der Knospe ist wechselnd. Die kürzeste Dauer betrug 5 Stunden, die längste 6 Tage, was wohl mit mehr oder minder reichlicher Ernährung zusammen- hängt. An der Knospenbildung betheiligen sich Ectoderm und Entodenn in gleicher Weise. Haleremita cumulans zeigt grosse Aehnlichkeit mit der als Stannnform der Hydroiden geltenden Protohydra leuckarti, Greef. Sie haben nicht nur dieselbe Gestalt, sondern auch denselben Bau. Ein Unterschied findet sich nur in den Nesselkapseln. Proto- hydra besitzt zwei Sorten, grosse birnförmigc und kleine stäi)chenförmige, während Haleremita, wie ol)en bereits erwähnt, nur birnförmige besitzt. Ausserdem vermehrt sich Protohydra durch Quertheilung, Haleremita durch Knospung. Die Knospen der Haleremita stellen einen zweiblätterigen Sack dar, sog. Sacculae, kriechen lebhaft umher und nehmen Nahrung auf. Nachdem sie dieses Leben oft monatelang getrieben haben, bilden sie sieh erst langsam in Polypen um. Merkwürdiger Weise entwickeln sie zuerst nur einen einzigen Tentakel, erst nach längerer Zeit einen zweiten, und zwar neben dem ersten. Auf diesem Stadium setzt sich der Polyp gewöhnlich fest. Dann erst entstehen der dritte und vierte Tentakel nach ein- ander oder auch beide zugleich; erst allmählich geht dann der Polyp aus der langgestreckten cylindrischen Gestalt in die stunipf-kcgelfcirmige über. Mit der Festsetzung be- ginnt auch die Anhäufung von Fremdkörpern. Vielleicht stellt überhaupt die ganze Haleremita eine im Aquarium nicht zu voller Entwickelung gelangendes Jugendstadium eines höher organisirten Polypen dar. Alle Aquarien des Berliner zoologischen Institutes, in denen Haleremita lebte, hatten ihre Füllung aus der zoolo- logischen Station in Rovigno erhalten. R. „Cheniifsclie Betrachtungen" veröffentlicht Professor W. Ostwald in der neuen Zeilschrift ., Die Aula" (R.W. Vobach in München). — Während ihrer wissenschaftlichen Entwickelung — sagt 0. — hat die Chemie die iiypothe- tischen Anschauungen, welche sie zum Aufbau iin-es Lehr- systems und zur „Erklärung" ihrer Erscheinungen brauchte, stets aus dem Gebiete derjenigen Nachbarwissenschaft entnommen, welche soeben in ihrem eigenen Gebiete er- hebliche Erfolge errungen hatte. Zur Zeit der Blüthe der Galileischen Mechanik war die ('hemie mechanisch; beispielsweise wurde die lösende Wirkung der Säuren auf Metalle dadurch erklärt, dass man jenen Spitzen und Schneiden zuschrieb, mit deren Hilfe sie die Metalle zer- theilen; Stoft'e, welche sich verbinden, sollten Haken be- sitzen, um sich an einander zu befestigen. Als Newton seine Theorie der astronomischen Bewegungen auf die Annahme einer nach dem umgekehrten Quadrat der Ent- fernung wirkenden actio in distans gründete, zögerte auch die Chemie nicht lange, sich diese Vorstellung an- zueignen, und führte alle Vorgänge auf Anziehung und Abstossung der Massentheilchen zurück. Es ist daher kein Wunder, dass die Erscheinungen der Volta'schcn Säule, welche sich ohnedies eng mit den ehemischen Vorgängen verbunden zeigten, alsbald benutzt wurden, um Theorien der ehemischen Vorgänge darauf zu bauen. Diese Theorieen, insbesondere die von Berzclius, sind lange Zeit herrschend gewesen; schliesslich haben sie sich aber ebenso ungenügend gezeigt, die chemischen Er- scheinungen darzustellen, wie die mechanische und An- ziehungstheorie. So ist denn die heutige Theorie der chemischen Ver- bindungen ein seltsames und widerspruchsvolles Conglo merat fossiler Bestandtheile aller früheren Theorien. Die hervorragendste Rolle spielen noch die Ueberreste der Attractionstheorie; daneben ist viel von positiven und negativen Elementen, den Resten der elektrochemischen Theorie die Rede, und in neuester Zeit sehen wir in der Stereoehemie die lang vergessenen mechanischen Vor- stellungen wieder in den Vordergrund treten und von vielen als eine neue Blüthe der Wissenschaft angesehen werden. In solchen Zeiten ist es von grossem Werth, einer- seits sich auf die geschichtliche Entwicklung der Theo- rien und ihre Vergänglichkeit zu besinnen, anderseits aus den älteren Theorien das brauchbare und richtige heraus- zusuchen, um für eine künftige Theorie gutes und be- währtes Baumaterial zu haben. Vor allen Dingen haben wir aus dem Schicksal der bisherigen Theorien die Lehre zu ziehen, dass die chemischen Erscheinungen aus sich selbst erklärt, d. h. logisch geordnet werden müssen. Die Benutzung von Analogien aus anderen Gebieten der Naturwissenschaft hat zwar oft zu Anschauungen geführt, welche für den Augenblick befriedigend schienen; auf die Dauer haben sich aber solche Analogien stets mehr hemmend als fördernd erwiesen, indem sie die unbefangene Auffassung der Thatsaehen beeinträchtigten, und sie mussten (oder müssen in Zukunft) unter grossem Wider.stande und be- trächtlichen t)pfern an Arbeit und Zeit beseitigt werden. Es ist gegenwärtig kaum mehr nöthig, nachzuweisen, dass die verschiedenen Gebiete der messenden Natur- wissenschaften in einem Begriff gleichzeitig das Trennende, was sie unterscheidet, und das Gemeinsame, was sie ver- bindet, besitzen: es ist dies der Begriff der Energie. Mechanische Energie ist von thermischer verschieden, ebenso chemische von elektrischer, und auf jedem (iebiete kann nur dadurcli ein Fortschritt erzielt werden, dass mau die besonderen Eigenschaften studirt, welche der be- treffenden Energieform eigen sind. Gleichzeitig bilden aber die Gesetze, welche die Erhaltung und die Umwand- lung der Energie bestimmen, das einzige Band, welches die verschiedenen Gebiete vereinigt: wäre nicht Wärme in me- chanische Energie, [chemische in elektrische verwandelbar, so ständen alle diese Gebiete isolirt da, und weder eine Thermodynamik, noch eine Elektrochemie wäre möglich. Daraus geht hervor, dass ein Forfsehritt in der wissen- schaftlichen Auffassung der chemischen Erscheinungen davon abhängt, dass man zunächst die Eigenschaften der chemischen Energie für sich und sodann ihre Beziehungen zu den anderen Energieformen ermittelt; ist das ge- schehen, so wird man jedem chemischen Vorgang wissen- schaftlich gewachsen sein, sei es, dass er nur zu anderen chemischen Vorgängen führt, sei es, dass dabei andere Energieformen entstehen oder zum Verschwinden gebracht werden. Die Kenntniss der Gesetze der ehemischen Energie ist nicht nur wissenschaftlich, sondern auch praktisch von allerhöchster Bedeutung. Alle Energie, deren die Industrie sich für ihre mannigfaltigen Zwecke bedient, stammt aus chemischen Quellen, der Verbrennung der Nr. 25. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 303 Brennmaterialien. Aber aucii jeder Schritt, den wir sellist tliiu), jedes Wort, das wir sprechen, ja jeder Ge- danke, den wir denken, lulnt auf cliennsehe Knergie- qnellen zurück; Tliiere und l'Üair/.cn sind in ilner Existenz in erster Linie auf eheniische Energie und ihre Gesetze g-eg'riindet, und die letzten Prohieme der Hiologic sind ülierall cheniisclie. Alle Energiearten haben das Gemeinsame, dass sie sieb in zwei Faetorcn zerlegen lassen, welche beide be- stimmte Eigenseiiaften haben. Der eine Factor, wir nennen ihn Intensität, bestinnnt, ob die Energie in Ruhe sein kann, oder sich umwandeln niuss. So ist z. 15. der Intensitatsfaetor der Wärme die Temperatur, denn wir wissen, dass zwei Körper in Bezug- auf ihre Wärme nur dann in Knhe sind, wenn ihre Temperaturen gleich sind. Den zweiten Factor nennen wir die Capacität; er bc- stinunt, wie viel Energie bei gegebener Intensität in dem betrachteten t)bject vorhanden ist. Bei der Wärme heisst er z. B. die Wärmecapicität. Welches sind nun die Factoren der chemischen Energie? Hätten wir ein Maass für ihren Intensitats- faetor, wie das Thermometer ein Maass der Wärmeinten- sität ist, so würden wir von jedem Stoff in Bezug auf jeden anderen sagen können, ob er mit ihm chemisch re- agieren wird oder nicht, ebenso wie das Thermometer uns sagt, ob zwischen zwei Körpern die Wärme übergehen wird oder nicht. Die Antwort ist, dass diese Aufgabe zwar noch nicht ganz allgemein gelöst ist, dass wir aber für viele Vorgänge bereits ein solches „Chemometer", wie wir das Instrument nach Analogie des Thermometers nennen könnten, besitzen. Von den Factoren der chemischen Energie ist am leichtesten der Capacitätsfactor ausfindig zu machen. Die chemische Energie, welche unter gegebenen Um- ständen vorhanden ist, ist bekanntlich dem Gewichte oder der Masse der betheiliglen Stoffe proportial. Deshalb kaufen und verkaufen wir chemische Energie nach Ge- wicht. Denn darüber wird man sieh klar, wenn man sich einmal die Frage stellt: wenn wir Steinkohle kaufen, kommt es uns nicht auf den Kohlenstoff darin an, sondern auf die chemische Energie, denn den Kohlenstoff lassen wir bei der Benutzung ruhig- als Kohlensäure durch den Schornstein entweichen, ohne uns irgend welche Mühe zu geben, ihn zurückzuhalten: was wir aber mit grösster Sorgfalt zurückhalten, ist die in Gestalt von Wärme erhaltene chemi-sche Energie der Kohle. Ich habe mit Bedacht gesagt : Der Capacitätsfactor der chemischen Energie ist der Masse proportional; er ist aber nicht Masse, denn dieser Begriff' geh(irt nur der Mechanik an.*) Mit der Intcnsitätsgrösse der chemischen Energie fällt einigermaassen ein Begriff zusammen, welcher unter dem Namen der ehemischen Verwandtschaft sich durch die Chemie gezogen hat, mehr um das Gebiet anzudeuten, auf welchem eine genauere Kenntniss in höchstem Grade wUnschenswerth ist, als dass sich mit diesem Worte hin- reichend bestimmte Begriffe hätten verbinden lassen. Das Wort stand da, wie die Tafel nnt dem Namen der künftigen Strasse, welche ausserhalb der Stadt auf wüstem Felde steht; Zelte und Baracken der seltsamsten Art sind von Zeit zu Zeit auf jenem Ort errichtet worden, um wieder verlassen zu werden; erst in allerjüngster Zeit sind solide Gebäude und dauernde Ansiedelungen an diesei- Stelle er- richtet worden, und bald wird dort ein neuer Stadttheil entstanden sein, dessen Bedeutung die älteren Theile der Stadt in den Schatten zu stellen droht. •) Es ist deshalb keineswegs richtiger Atoiumasse zu sagen, statt Atomgewioht, denn es handelt sich dabei um die chemische Capacitätsgrösse, die sowohl der Masse wie dem Gewicht propor- tional, aber ebensowenig Masse wie Gewicht ist. Von Willard Gibbs ist die Intcnsitätsgrösse der chemischen Energie das chemische Potential genannt worden, in Analogie mit der Intcnsitätsgrösse der elek- trischen Energie, welche das elektrische Potential heisst. Um die Unbestimmtheit zu vermeiden, welche mit dem Worte Affinität verbunden ist, wollen wir uns vorwiegend des Wortes chemisches Potential oder kurz Potential be- dienen. Nun geht aus dem Begriff der Intcnsitätsgrösse hervor, dass zwei Stoffe mit gleichem Potential auf einander nicht wirken können, und dass umgekehrt, wenn zwei Stoffe auf einander chemisch einwirken, ihr Potential verschieden sein muss. Für die chemischen Potentiale gilt nun auch das all- gemeine Gesetz, welches als Ausdruck des zweiten Haupt- satzes angesehen werden kann: zwei Potentiale, welche einzeln einem dritten gleich sind, sind auch unter ein- ander gleich. Der Satz sieht an untl für sich sehr selbst- verständlich und daher wenig bedeutungsvoll aus. Doch können wir aus ihm Schlüsse ziehen, welche ungemein weit reichend sind. Er sagt, dass zwei Stoffe oder Stoff- gruppen, welche mit einander im Gleichgewicht sind, sich einem dritten System gegenüber gegenseitig beliebig bei jeder chemischen Reaction ersetzen können, für welche der Stoff in Betracht kommt, in Bezug auf welchen Gleichgewicht herrscht. So kann beispielsweise jeder lösliche Stoff durch seine gesättigte Lösung, jede Flüssig- keit durch ihren gesättigten Dampf, jeder feste Körper l)ei seinem Schmelzpunkt durch den geschmolzenen Körper ersetzt werden, ohne dass das von dem ersteren ab- hängige Gleichgewicht eine Aenderung erleidet. Hieraus geht unter anderem hervor, dass die Lösungs-, Schmelz- und Verdampfungswärmen bei chemischen Vorgängen zwar die Wärmeentwicklung ändern, nicht aber das Gleichgewicht; die von vielen noch immer vertheidigte thermische Aftinitätstheorie wird durch diesen Umstand als völlig unhaltbar erwiesen. Es ist natürlich, bei einem so weitreichenden Satze nach seinem Beweise zu fragen. Dieser Beweis liegt darin, dass ein perpetuum mobile unmöglich ist. Um ein perpetuum mobile zu haben, ist es nicht nüthig, Energie aus nichts zu schaffen, sondern nur ruhende Energie in Bewegung zu setzen. Wäre es z. B. möglich, die Wärme von constanter Temperatur, welche im Weltmeer in un- geheuren Mengen vorhanden ist, in Arbeit zu verwandeln, welche dann wieder in Wärme übergehen könnte, so brauchten wir keine Steinkohle mehr, um unsere Dampf- schiffe zu treiben, denn alle Arbeit, welche wir zu ihrer Bewegung aufwenden, wird durch Reibung wieder in Wärme verwandelt, und kommt daher in unveränderter Menge wieder in das Meer zurück. Ein solches perpe- tuum mobile würde aber sofort möglich sein, wenn zwei Dinge, die einzeln mit einem dritten im Gleichgewicht sind, nicht auch unter einander im Gleichgewicht wären. Nehmen wir an, der Körper A nehme in Berührung mit einem bestimmten grossen Körper (z. B. dem Meere) eine Temperatur an, welche verschieden ist von der, welche ein anderer Körper B besitzt, wenn er einerseits mit dem Meere im Gleichgewicht ist, so würden wir zwischen A und B einen Wärmeübergang erzeugen und dadurch eine Maschine treiben können. Dieser Beweis gilt offen- bar für jede andere Art des Gleichgewichts und für jede Energieform, und somit ist auch unser chemischer Satz bewiesen. Haben wir so die Bedingungen erkannt, unter welchen die Energie im Gleichgewicht und daher in Ruhe ist, so ist unmittelbar zu folgern, dass die Energie nicht in Ruhe sein kann, wenu ihre Potentiale verschieden sind. Es muss alsdann ein Vorgang eintreten, durch welchen 304 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 25. sie wieder gleich werden. Dies ist das allgemeinste Er- eigniss, das wir keniien; alles, was geschiclit, beruht in letzter Instanz darauf, dass Energie verschiedenen Poten- tials sich ausgleicht. Wenn nun aber die Energie thatsächlich immerfort das Bestre))en hat, sich auszugleichen, so muss gefragt werden, warum sie sich in den vielen Jahrtausenden, während welcher unser Weltsystem besteht, nicht schon längst ausgeglichen hat? Wir sehen ja beständig in der Natur Energicdifierenzen bestehen; gespannte Federn, comprimirte Luft, galvanische Elemente: alle diese Dinge enthalten [Energicvorräthe, welche jederzeit zu wirken bereit sind, und welche daher unausgeglichen sein müssen. Ebenso sind die fossilen Brennmaterialien, die Schwefel- metalle u. s. w. nebst deni Sauerstoff der Luft fähig, grosse Mengen Energie bei ihrer Wechselwirkung herzu- geben und können daher auch nicht im Gleichgewicht sein. Neben dem Streben der Energie, sich auszugleichen, sind also in der Natur Ursachen wirksam, welche diese Ausgleichung verhindern oder aufschieben, und ein Ver- ständniss der natürlichen Vorgänge kann erst gewonnen werden, wenn diese hemmenden oder verzögernden Ur- sachen bekannt sind. Für die mechanische und elektrische Energie sind solche Hemmungen leicht herzustellen. Man kann eine Feder durch ein Gewicht gespannt halten, man kann zwei elektrisch geladene Körper, die sich zu nähern streben, durch die elastischen Widerstände des Zwischen- mediums an der Ausgleichuug verhindern. Alle solche Hemmungen kommen darauf hinaus, dass man die vor- handenen Energieunterschiede durch Anwendungen anderer Energien compensirt, so dass sie am Ausgleich verhindert werden-, dabei lässt sich nachweisen, dass je nach der getroffenen Anordnung beliebig grosse Energiemengen der einen Art durch beliebig kleine der anderen Art compensirt werden können: mittels eines kleinen Contact- knopfes kann man riesige elektrische Ströme schliessen und öffnen. Bei der chemischen Energie haben sich aber häufig solche Compensationen durch andere Energien nicht nach- weisen lassen, ^^'enn ein Stück Holz an der Luft liegt, so würde es dem allgemeinen Streben nach dein Ausgleich der Energie entsprechen, wenn alsbald das Holz in Brand geriethe, und sich mit dem Sauerstoff der Luft verbände. Ebenso ist es mit den ( »rganismen. Unser Körper besteht aus verbrennlicher Substanz, und gemäss den vorhandenen chemischen Affinitäten müsstc er sich mit dem Sauerstoff' der Luft verbinden und nnauflialtsani verbrennen. Warum verbrennt er nicht? Wenn wir versuchen wollten, diese Frage zu beant- worten, würden wir uns bald in unauflösliche Wider- sprüche verwickeln. Wir dürfen gar nicht fragen: warum verbrennt unser Körper nicht, denn er verbrennt ja that- sächlich. Beständig nimmt er Sauerstoff auf, und gibt Koidendioxyd ab. Und dieselbe Antwort ist bezüglich der anderen ciiemisclien Vorgänge zu geben. Ein Stück Schwefel an der Luft bleibt scheinbar unverändert, aber nur scheinbar. Thatsächlich oxydirt es sich; sehr langsam zwar, so langsam, dass wir in Wochen, vielleicht in Monaten nichts davon merken; setzen wir den Versuch aber Jahre und Jahrzehnte lang fort, so wird die Oxy- dation messbar. Die Geschwindigkeit des Vorganges ist offenbar der Oberfläche proportional; nehmen wir feines Schwefelpulver, Schwefclblumcn oder Schwefelrailcli, dessen (»berfläche sehr viel grösser ist, so können wir die Bildung von Schwefelsäure schon nach Stunden und Tagen nachweisen. Was hier an einzelnen Fällen dargelegt wurde, gilt allgemein; ül)crall, wo verschiedene Stoffe mit einander in Berührung stehen, die auf einander wirken könnten, während sie doch, praktisch gesprochen, ohne Wirkung auf einander zu sein scheinen, wird mau die Forderungen der allgemeinen Energetik mit den thatsächlichen Ver- hältnissen dadurch in Einklang bringen können, dass man den Stoffen thatsächlich eine Wirkung zuschreibt, die aber so langsam erfolgt, dass sie ausserhalb des Bereiches der Messbarkeit liegt. Wir haben hier die Tliüre zu einem der wichtigsten und geheimnissvollsten Probleme iu der Hand: zu der Frage nach der ehemischen Thätigkeit der Organismen. Denn da alle Thätigkeit der Organismen auf dem Umsatz ihrer chemischen Energie beruht, so ist alles Verstehen hier von dem Verständuiss des Wesens chemischer Vor- gänge abhängig. Können wir nun einsehen, wie die che- mischen Verbrennungsvorgänge, auf welche in letzter Instanz die physiologischen Energiequellen zurückfuhren, so regulirt werden können, dass sie sich in jedem Augen- blicke den stets wechselnden Bedürfnissen des Organismus anzupassen vermögen, so haben wir damit einen der wich- tigsten Schritte zum Verständuiss des Lebens überhaupt getlian. Nehmen wir den Fall des Knallgases aus Sauerstoff und Wasserstoff. Unter gewöhnlichen Umständen kann man das Gemisch sehr lange aufbewahren, ohne dass eine messbare Menge Wasser sich bildet. Bringen wir etwas Platinschwamm hinein, so beginnt sofort die Wasserbildung, und entfernen wir ihn, so hört sie sofort auf; der Platinschwamm hat dabei keine Aenderung erfahren und kann unbegrenzt lange die gleiche Wirkung üben. Auf den ersten Blick scheint ein solches Verhalten den ersten Grundsatz unserer neueren Naturwissenschaft: „causa aequat eftcetum" gröblich zu verletzen, denn hier liaben wir eine Ursache, welche beliebig grosse Wirkungen hervorbringen kann, ohne sich zu erschöpfen. Fragen wir aber, was jener Grundsatz unter Ursache und Wirkung versteht, so sind es Energiegrösseu. Es kann keine Energie irgend welcher Art hervorgebracht werden, ohne dass eine gleiche Energiemenge dazu verbraucht wird, und es können keine Poteutialunterschiede der Energie hervorgerufen werden, ohne dass äquivalente Potential- unterschiede anderer Energien dabei versehwinden. Diese Grundsätze werden durch den Versuch mit dem Knallgase nicht verletzt, denn die Verbrennungswärme ist ganz dieselbe, ob das Gas durch den elektrischen Funken entzündet oder langsam durch Platinschwamm bei gewöhnlicher Temperatur zur Verbindung gebracht wird. Während also das in die Gestalt des Energieprincipes gebrachte Causalgesetz zwar das schliessliehe Ergebniss des Vorganges in unverbrüchlicher Weise regelt, ist die Zeit, binnen deren der Vorgang sich abspielt, vollkommen unabhängig von diesem Princip und wir haben neben der starreu Nothweudigkeit des Causalitätsgesetzes die Freiheit in Bezug auf die Zeit, in welcher es zur Wirkung ge- langt. Daher sehen wir, dass alle möglichen Vorgänge, die von denselben Stoffen ausgehend zu denselben Pro- ducten gelangen, doch mit sehr verschiedenen Geschwindig- keiten diesen Weg zurücklegen; das Ziel des Weges ist unveränderlich; ob es aber binnen einer Secunde oder binnen vieler Jahrtausende erreicht wird, das ist etwas, worüber wir frei verfugen können. Man hat mit dem Namen der katalyfischeu Stoffe solche Substanzen bezeichnet, welche chemische Reactionen hervorbringen, ohne dabei selbst eine Veränderung zu er- leiden. Wir werden nunmehr diese Definition dahin ab- ändern: Katalyfischc Stoffe sind solche, welche die Ge- schwindigkeit einer bestimmten chemischen Reaction Nr. 25. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 305 ändern, olinc ihren Energiebetrag,- /n ändern. Die ivata- lytisciie Substanz in die reagircndcn Stotle liinein- und sie wieder herauszubringen, erfordert theoretisch g-esprociien keine Arbeit; daraus geht hervor, dass inneriialb der strengen Geltung- des Energiegesetzes docli Raum für die grösste Mannigfaltigkeit im zeitlichen Ablauf der P>sehei- nungen b]eil)t. Dieser merkwürdige l'mstand ist darin begründet, dass in dem .Vnsdruek der meisten Energiegrössen die Zeit nielit vorkommt*), und dass somit durch die Energie- gleiciiuug nichts ülier den Verlauf der Vorgänge in der Zeit bestimmt wird. ^\'orauf die Wirkung der katalytischen Stoffe beruht, ist zur Zeit noch ein Räthsel, dessen Lösung um .so schwieriger ist, als sie nur auf Grund neuer Princiiiieu, welche ül)cr das Energiegesetz hinausgehen, gefunden werden könnte. Zur Zeit müssen wir ana mit der Tiiat- sache begnügen, dass sie vorhanden ist, und müssen suchen, ihre Gesetze kennen zu lernen. Ein Anfang ist dazu schon gemacht worden; aus einer grossen Anzahl verschiedenartiger Untersuchungen hat sich ergeben, dass viele langsam verlaufende chemische Vorgänge durch die Gegenwart freier Säuren, oder um in der Sprache der iieutigen Theorien zu reden, durch die Gegenwart freier Wasserstoftionen beschleunigt werden, und zwar propor- tional der Conceutration derselben. Ich habe die ver- schiedenartigsten Vorgänge theiis selbst daraufiiiu geprüft, theils durch meine Schüler prüfen lassen, und habe bisher keinen Fall gefunden, wo dieser Satz nicht zutretfend gewesen wäre. Freie AVasserstoftionen sind also jeden- falls äusserst wirksame Katalysatoren von allgemeinem Charakter. Daneben existiren aber zahllose specifische Kata- lysatoren, welche nur auf bestimmte Vorgänge wirken. Es sind dies die Fermente, geformte und ungeformte. Auch diese vermögen niemals etwas anderes, als die Ge- schwindigkeit bestimmter Vorgänge in einem oder dem anderen Sinne zu ändern, und jeder Versuch, ihre Wirkungsweise zu verstehen, muss von diesem Grundsatze ausgehen. Die Gesetze, denen sie unterworfen sind, scheinen sehr verwickelter Natur zu sein, namentlich bei den eomplicirt zusammengesetzten Fermenten; es beruht dies wohl darauf, dass sie gleichfalls während der vwu ihnen beeintlussteu chemischen Vorgänge ihre Beschatien- heit ändern. Nun brauche ich nicht erst weitläufig auszuführen, dass die bewunderungswürdige Wirkung der lebenden Organismen in der angemessenen Beeinflussung der Ge- schwindigkeit der chemischen Vorgänge beruht, welche sich auf Grund der allgemeinen chemischen Gesetze zwischen den Stoffen desselben abspielen, und diese ist wieder auf die Thätigkeit katalytischer Substanzen zurückzuführen. Wird die Reactionsgeschwindigkeit im Muskel beschleunigt, was vom Centralorgan aus ge- regelt werden kann, so leistet er die entsprechende Arbeit; ist aber sein chemischer Energie vorrath er- schöpft, so kann keine Bethätigung irgend eines Kata- lysators aus ihm eine fernere Leistung erzwingen. Aehidiches gilt für alle anderen Thätigkeiten der Or- ganismen. Ich kann mich nicht vermessen, in den vorangegan- genen Darlegungen das Geheimniss des Lebens offen ge- legt zu haben. Wohl aber glaube ich, eine mir näher liegende Aufgabe gelöst zu haben: zu zeigen, dass die scheinbar abstracte und dem thätigen Leben abgewendete Wissenschaft, welche unter dem Namen der physi- *) Eine Ausnahme macht nur die kinetische Energie, welche von der Geschwindigkeit abhftngt; auf diese Energieform findet daher das oben Gesagte keine Anwendung. | kaiischen Chemie während der letzten Jahre sich ent- wickelt hat, eine Wissenschaft von äusserst realer Bedeutung ist. Wenn es ihr gelingen kaun, Licht auf das schwierigste aller naturwissenschaftlichen Probleme, das des Lebens, zu werfen, wieviel leichter muss es ihr nicht werden, für die weit zugänglicheren Aufgaben der Technik Aufklärungen aus ihren allgemeinen Principien zu schaffen, welche auf den bisherigen AVegeu nicht ge- funden werden konnten. Es liegt in der Natur der Sache und ist daher selbstverständlich, aber es muss doch immer wieder gesagt werden: j"e höher die theoretische Ent- wickclung der Wissenschaft gedeiht, um so weiter wird der Kreis ihrer Aufklärungen und um so grösser daher ihre praktische Bedeutung. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden; der ausserordentliche Professor der Cliemio in Freiburg Konrad Willgerodt zum ordentlichen Professor; der Privatdozent der Anatomie in Heidelberg Dr. Herrmann Klaatsch zum ausserordentlichen Professor; der Privatdozent für klinische Medizin in P^reiburg Dr. Max Dinkler zum ausser- ordentlichen Professor. Berufen wurden: der Professor der Chirurgie in Breslau Johannes Mikulicz in Breslau nach Bonn als Nachfolger des Prof. Trendelenburg; der Privatdozent der Chirurgie in Moskau Dr. Drushinan nach Dorpat als ausserordentlicher Professor. Es starben: der hervorragende dänische Laryngologe Etatsrath Dr. Hans Wilhelm Meyer; der Mathematiker Ferdinand Antenheinier, Director des Technikums in Winterthur; der Asien- und Afrikareisende Dr. Alexander Jelissejew in Petersburg. Berlin, den 12. Juni 1895. Durch die Zeitungen erfahren wir, dass in den Vormittags- stunden des 11. Juni an verschiedenen Orten des schlesischen C4ebirges ein Erdbeben stattgefunden hat. Bei der hohen Be- deutung dieser Erscheinung für die geologische Wissenschaft im Allgemeinen und ihrer innigen Beziehungen zu dem speciellen Gebirgsbau der Gegend beabsichtigen wir, alle Beobachtungen über Zeit, Art, Verbreitung des Erdljebens u. s. f., wie sie in dem angehängten Fragebogen zum Ausdruck gelangen, zu sammeln und eine zusammenfassende wissenschaftliche Bearbeitung der ein- gehenden Nachrichten durch unseren Landesgeologen für Schlesien, Herrn Dr. Dathe ausfülnen zu lassen, welcher durch seine lang- jährige Thätigkeit bei der geologischen Specialaufnahme mit den Vorhältnissen des muthmaasslichen Erschütterungsgebietes genau bekannt ist. Wir ersuchen deshalb ergebenst, uns durch Beantwortung der beiliegenden Fragen behilflich sein zu wollen und die Nach- richten an die unterzeichnete Direction Berlin N, Invalidenstr. 44 gefälligst gelangen zu lassen. Die Direction der Königlich geologischen Landesanstalt und Bergakademie. H a u c h e c 0 r n e. 1. An welchem Tage wurde das Erdbeben verspürt und um wie viel UhrV (wenn möglich mit Angabe der Minuten und Sc- cunden.) 2. AVie geht die Uhr am Tage oder besser zur Stunde des Erd- bebens im Vergleich mit der nächsten Telegraphenuhr '/ 3. Bitte um genaue Ortsangabe der Beobachtung. (Kreis, Ort, Lage, im Freien oder in Gebäuden, in welchem Stockwerk, in welcher Lage, und bei welcher Beschäftigung wurde das Erdbeben vom Beobachter verspürt?) 4. Auf welcher Bodenart steht der Beobachtungsort? (Fels, Schuttboden oder Lehm- und Torfboden; wie dick ist der Schutt bis hinab zur Felsunterlage etc.). 3. Wie viele Stösse wurden verspürt und in welchen Zwischen- räumen ? (i Welcher Art war die Bewegung? (Schlag von unten, kurzer Seitendruck oder langsames Schaukeln, w'ellenförmig. blosses Zittern elc. etc.? War sie im Falle mehr als eines Stosses verschieden bei den verschiedenen Stössen etc., womit war die Bewegung zu vergleichen, wie wirkte sie auf den Beob- achter?) 7. In welcher Richtung wurde die Erschütterung verspürt? 8. Wie lange schienen Stösse und wie lange etwa nachfolgendes Erzittern zu dauern? 306 Naturwissenschaftliche Wodiensclirift. Nr. 2r 9. Welche Wirkungen übten die Erscliütterungen aus? 10. Wie unterschied sich dieses Erdbeben von anderen vom gleichen Beobachter schon wahrgenommenen? 11. Wurde ein Geräusch vernommen, und welcher Art war das- selbe? (Donnern, Klirren, Rasseln, Knall oder anhaltend etc.) 12. Ging das Geräusch der Erschütterung voran, oder folgte es ihr nach, und wie lange dauerte dasselbe im Vergleich zu der Dauer und den Zwischenzeiten der Stösse? 13. Welche sonstige Nebener.scheinungen wurden beobachtet? (Benehmen von Thieren, Versiegen oder Trüben oder Neu- hervorbrechen von (^'uellen, Waldrauschen, gleichzeitige, heftige Windstösse, abnorme, besonders auffallende Witte- rungserscheinungen und dergleichen mehr.) 14. Sind Beobachtungen in Bergwerken gemacht worden und welche? In welcher Tiefe liegen die Beobachtungs]iunkte unter Tage und welche Lage hat der Beobachtungsiiunkt zu Norraalnull V 15. Welche Beobachtungen wurden an Seen und Teichen ge- macht? 16. Sind noch schwächere Erschütterungen vor oder nachher beobachtet worden, und zu welcher Zeit? 17. Können Sie noch weitere Beobachtungen Ihrei' Bekannten oder aus Ihren Umgebungen anführen, oder uns Adressen von Personen notiren, welche in der Lage wären, einen Fragebogen ganz oder theilweise auszufüllen. L i 1 1 e r a t u r. Die akademische Laufbahn und ihre ökonomische Regelung. Ein Wort an die Regierung und an die \'olksvertretung. Ferd. Dümmlers Verlagsb. Berlin 1895. — Preis 2,40 M. Diese ausserordentlich lesenswerthe und beaehtenswerthc Schrift ist vorläufig anonym veröfl'entlieht, und zwar aus dem guten Grunde, damit der Leser nicht verleitet wird, „persönlichen Motiven des Autors nachzuforschen, um sein Vorgehen aus ihnen herzuleiten" und dadurch die „Übjectivität in der Bcurtheilung" verliert. Der Verfasser entwickelt zunächst ausführlicli und in unan- fechtbarer Weise, welche grosse, sociale Ungerechtigkeit in der ungeheuren Differenz der Einnahmen liegt, wie sie den die ersten Stellen einnehmenden ordentlichen Professoren einerseits und den Privatdocenfen andererseits besteht. Er meint mit vollem Recht, die ordentlichen Professuren seien doch nichts anderes als ein staat- liches Amt, wie sei es also gerechtfertigt, dass die ,. amtlichen Lei- stungen" der Professoren, nämlich ihre Vorlesungen, amtlich und privat, (Collegiengelder) bezahlt würden? In keinem anderen Beruf existire eine doppelte Honorirung für ein und dieselbe Leistung. Da nun aber die ordentlichen Professoren auch noch sehr oft grosso Einnahmen durch die Leitung der Prüfungen hätten, da ferner die Studenten in Erwartung des Examens gerade ihre Collegs in allererster Linie belegton, da vielen von ihnen endlich auch noch ihre meist sehr ausgedehnte und viel begehrte aussor- amtliche Thätigkeit eine ergiebige Quelle des Gelderwerbs sei, so genössen sie offenbar Vorzüge der einschneidendsten Art, welche sich in keiner Weise rechtfertigen Hessen; oft betrage ihr jährliches Einkommen Hunderttausende, stehe also weit über den Gehältern der Minister und selbst des Reichskanzlers. Und dabei brauchen sie, wie der Verf. klar nachweist, zum Theil an be- stimmten Beispielen illustrirt, durchaus nicht tüchtiger zu sein, wie so manche anderen Gelehrten, die ihr Leben lang nur ausser- ordentliche Professoren oder gar Privatdocenten bleiben. Demgegenüber schlägt der Verfasser nun vor, nicht etwa eine Beseitigung des Honorars einzuführen, wie sie hier und da durchgeführt ist (im Ausland), sondern „Zahlungen, wie bisher, an die Quästur, — aber andererseits eine Verrechnung der Ge- sammteinkünfte auf die Gesammtheit" (S. 46) unter Berücksichti- gung der jeweiligen Hörerzahl des einzelnen und der Anzahl gleichartiger Docenten und Studirender (wobei die „publica" mit- gerechnet werden). Die Honorariirofessoren werden nur vom Staat (übrigens höher wie jetzt) besoldet und haben keinen An- spruch auf die gezahlten Collegien- und (erhöhten) Auditorien- gelder, die ausserordentlichen Professoren und Privatdocenten hingegen erhalten auch ihre für die Studenten nach wie vor un- entgeltlijchen und stärker besuchten „publica" vergütet (S. 128). welche allein einen Maassstab für die wirkliche Tüchtigkeit der Docenten bilden können. „Die Honorare werden Staatseinnahmen, und der Staat vertheile sie nach Billigkeit (S. 111). Der Ver- fasser erinnert daran, dass die völlige Beseitigung der Honorare für die Ordinarien" in Frankreich, Ungarn und anderen Ländern längst eingeführt ist (S. 121). Alle Docenten sollen ferner actives Wahlrecht haben, eine Maassregel, die schon Michelet vorschlug, damit nicht „die V\ issenschaft auf Universitäten so stationär" sei, wie jetzt. Von anderen Vorschlägen sei noch die Festsetzung einer Alters- grenze für Docenten hervorgehoben, welche ausserhalb Deutsch- lands ja scho« vielfach üblich ist. Die wohldurchdachte Begründung dieser Vorschläge und noch einer Reihe anderer, die siegreiche Replik auf eventuelle Einwurfe gegen das vorgeschlagene System kann hier natürlich nicht im einzelnen wiedergegeben werden, nur auf die glänzende Wider- legung eines Einwandes sei noch eingegangen. Man könutr sagen, das Honorar der Ordinarien mü.sse doch gerade der Haupt- triebfactor für sie sein. Gediegenes zu bieten, dies dürfe also auf keinen Fall in Wegfall kommen. Demgegenüber wendet der Verfasser sehr richtig ein: „Das Honorar wirkt weniger auf die Qualität, als auf die Menge und höchstens auf den Glanz des Gebotenen" (S. 158) und „Wahrheitsliebe, Liebe zur Arbeit, Freude an der Forschung, daneben Lust am Lehren und theil- nehtnender kamenidscliaftlieher Sinn für die Comuiilitonenjugend — das sind hinlängliche Triebfedern, die zu steter Vervollkomm- nung treiben; wer von ihnen nicht erfüllt ist, dem kann ilas Honorar nur eine Versuchung sein, scheinen zu wollen, was man nicht ist" (S. 159). Alles in Allem: Ein vortreffliches, geistreich und gründlich geschriebenes Buch, das der weitesten Verbreitung UTid Berück- sichtigung werth ist! H. Bibliothekar Dr. Oscar Orulich, Geschichte der Bibliothek und Naturaliensammlui]g der Kais. Leopold -Carolin. Deutschen Akademie der Naturforscher. Mit einem Titelbilde. In Couim. bei W. Engelmann in Leipzig. 1894. — Preis (i M. Das 300 Seiten umfassende Buch ist der Universität Hallo zu ihrer '200jährigen Gründungsfeier von der im Titel genannten Akademie gewidmet worden ; es ist eine fleissige Arbeit, die mehr bietet, als ihr Titel besagt, da sie auch wichtige Beiträge zur Geschichte der Akademie bringt, der auch die „Naturw. Wochen- schr." Bd. V (1890) seinerzeit einen Artikel gewidmet hat. Die Bibliothek und Sammlung ist schon 1731 gegründet worden. Dr. J. Mayrhofer, Instrumente und Apparate zur Nahrungs- mittel-Untersuchung. (Bibl. f. Nahrungsmittel-Chemie, heraus- geg. von Dr. .lulius E])hraim. Bd. 3.) Johann Anibrosius Barth (Arthur Meiner). Leipzig 1894. — Preis ü M. Es sind vorzugsweise in dem mit 158 Figuren versehenen Buch diejenigen Apparate beschrieben worden, die von besonderer Wichtigkeit sind. Verf. behandelt zunächst die zur Herstellung gewisser Gerätho dienenden Materialien, dann die optischen In- strumente, (Polarisations-Apparate, Refractometer u. Kalorimeter), die Apparate zur Bestimmung des specifischen Gewichtes, zur Maassanalyse, zur Bestimmung des Schmelzpunktes u. s. w. Auch den Laboratoriumscentrifugen ist ein Capitel gewidmet. Das Buch dürfte den Nahrungsmittel-Chemikern, überhaupt den praktischen CheTnikern gelegen kommen. John Tyndall, Da» Licht. Sechs Vorlesungen. Autorisirte deutsche Ausgabe, bearbeitet von Clara Wiedemann. Mit einem Vorwort von G. Wiedemann. Mit Portrait von Thomas Young und 57 Textabbildungen. 2. Aufl. Friedrich Vieweg & Sohn. Braunschweig 1895. — Preis 6 M. Die vorliegenden prächtigen Vorlesungen beschreiben in meisterhafter VVeise in allgemein- verständlicher Form die Er- scheinungen des Lichtes und entwickeln die Grundgesetze der Wissenschaft vom Licht auf Grund gut gewählter Experimente ohne jede Benutzung der Mathematik. Meister im Popularisiren ihrer Wisseuschaft wie Helmholtz, Tyndall, Faraday, A. v. Hum- boldt u. s. w. sind nicht häufig, denn es gehört zweierlei dazu, das nicht allzu oft vereinigt ist: 1. vollste Beherrschung des zu popularisirenden Gegenstandes und 2. pädagogischer Sinn in Ver- bindung mit vollere Beherrschung der Sprache. Das Vorhanden- sein dieser Factoren bei Tyndall macht seine Werke zu muster- gültigen. Prof. Adolf Hochheim, Aufgaben aus der analytischen Geo- metrie der Ebene. Heft I : Die gerade Linie, der Punkt, der Kreis. A.Aufgaben, B.Auflösungen. 2.verb.AufI. P. G.Teubner. Leipzig 1894 — Preis ä l,üO M, Bei den Prüfungen sowohl als auch bei den Uebungscursen an den Universitäten und den technischen Hochschulen macht man fortwährend die Wahrnehmung, dass Aufgaben aus dem Ge- biete der analytischen Geometrie die grössten Schwierigkeiten bereiten, und dass die Studirenden in Folge dessen gerade von den interessantesten und nützlichen Aufgaben, nämlich den An- wendungen der Infinitesimalrechnung auf die analytische Geo- metrie, nicht den wünschenswerthen Vortheil für ihre Ausbildung haben. Deshalb sollte mit grösstem Nachdruck auf die Abhaltung von Hebungen zur analytischen Geometrie bezw. den Besuch der- selben hingewirkt werden. Nr. 2:. Naturwissensubaf'tliche Wocheuschrift. 807 An Aut'gabensaimiilmigen für diesoii Zweck fohlt es ja nicht. Die vorliegende Sannnlung enthält ein reiches Material von Auf- sahen, (leren niircharbeituni; nur ein|it'ohlen werden kann. Der Selihissel dazu enthält die Lösungen, bisweilen in einfacher An- gabe des Residtats, häufig aber auch in weiterer Ausführung. Die zweite Auflage ist durch die Aufnahme von Zahlenbeispielen und durch Vermehrung der Aufgaben über geometrische Oorter bereichert worden. Der Verfasser ist damit melirfacli geäusserten Wünschen nachgekommen. Das erste Heft kann bereits auf der iiberstcn Stufe der Realgymnasien und der i Iber Kealscluden be- nutzt werilen. (ierade die Aufgaben machen erst das Studium der analytischen üeometrie anziehend und fruchtbringend. G. Jahrbuch der Elektrochemie nennt sich ein neues Unter- nehmen der \'erlagslian(lbuig Wilhelm Knap]) in Halle a. S., dessen eben erschienener I. Jahrgang, enthaltend „Berichte über die Fortschritte des Jahres 1894" uns vorliegt. Den wissen- s(diaftlichen Theil hat Prof. Dr. W. Nernst, den technischen Dr. W. Borchers bearbeitet. Der Preis des Buches beträgt 10 M., er nmfasst incl. Register 274 S." Das Unternehmen wird sieher von maiudien Seiten lebhaft begrüsst werden. Die Autoreu haben sich sorgsam und mit Kenntniss bemidit, dii' erschienenen Arbeiten zu sichten und inlialtlich wiederzugeben. Durch die systematische gute Disposition des Ganzen ui\{\ die Beigabc eines ausführlichen Registers ist es den Interessenten l)ei|uem gemacht, sich schnell über gewünschte Punkte zu orientiren. 30. Bericht der Oberbessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Giessen, im April 1895. In diesem Bande sind folgende naturwissenschaftliche Abhandlungen enthalten: Ihne, Phänologische Beobachtungen, Jahrgang 1892. Liebrich, Baurit und Smirgel. Schlamp, Zur Dissociationstheorie der Lösungen (mit einer Tafel). Himstedt, Ueber Versuche mit Tesla - Strömen. Ihne, Phänologische Beobachtungen, Jahr- gang 1893. Hoffniann, Mittlere, früheste und späteste Daten der pliänologischen Beobachtungen in Giessen (nach dem Tode des Verfassers aus dem Nachlass abgedruckt). Schüssler, Pe- lorienbildung bei Linaria vulgaris. Lorch, Die Laubmoose der Umgebung von Marburg und deren geographische Verbreitung. Himstedt, Ueber eine absolute Widerstandsmessung. Letter- mann und Wagner, Der Kleeberger Zug; ein Beitrag zur Geographie des östlichen Taunus- Himstedt, Ueber die Be- stimmung der Selbstinductionscoefficienten von Drahtspuleu. — Von den naturwissenschaftlichen Vorträgen, die in den Sitzungen der Gesellschaft gehalten wurden, sind diesmal in dem Berichte nur die Namen angegeben, von den medicinischen, die in be- sonderer Section gehalten werden, finden sich bei einigen ans- fiUirliche Referate. — Der ganze Bericht nmfasst 294 Seiten. Apel, Dr. ICax, Kants Erkenntnistheorie und seine Stellung zur Metaphysik. Berlin. — 3 M. Baessler, Arth. Südsee-Biider. Berlin. — 8 M. Bedell, Frederick, und A. C. Crehore, DD., Theorie der Wechsel- ströme in analvtischer und graphischer Darstellung. Berlin. — 7 M. Behme, Dr. Frdr., Geologischer FiÜu'er durch die Umgebung der Stadt Harzburg, einschliesslich Ilsenburg, Brocken, Altenan, ogriipldsclien Karte nnd der geo- gnostischen Uehersiclitfkarte von K. A. Losscn; nodellirt von Dr. K. Busz. Slaassstati l : Inü.dOu (achtfache Ucbtrlndiung,) In elcg. Holzrahmen M. 16i).— . 3. Geognostische Reliefkarte vom Kaiserstnhl i./B. auf Grundlage der tO)iographischen Landesaufnahme und der geognostischen Karte von A. Knop (Leipzig l.s',i2); modellirt von Dr. Fr. Vogel. Maass- stab 1 : 2:>,tMio (vierfache Ucberhöhnng.) In elegantem schwarzen Holz- i'aliiTien 1\1. "lü. — . Erfiiidnng'en, Neuheiten, Modelle jeder Art werden zu- verlässig, billig, discret in meiner Spe- cialwerivstatt ausgearbeitet und angefer- tigt, auch brieflich. W. Maaske, Mechan., Berlin N., t^chwedterstr. :^1. eiaieieiei-seieieieisisieieisieieistaia Die Illustration wissenschaftlicher Werke erfolgt am besten und billigsten durch die modernen, auf Photo- graphie beruhenden Reproduc- tionsarten. Die Zinkätzungen dieser Zeitschrift gelten als Proben dieses Verfahrens und sind hergestellt in der graphi- schen Kunstanstalt i Meisenbach, Riffarth & Co. in Berlin-Schöneberg, welche bereitwilligst kunlt ertheilt. Jede Aus- Herm. Kläger, üadlormeiiter Berlin SO.. .\dalbertHtr. .5 empfiehlt .als Specialität; Schwarze Stahl -iPsekteDnadela. D. R. 0. 18021. Oestr. Patent 1G94G. Desgleichen offerire weisse In- sektennadeln in bekannter Güte. — Proben gern zu Diensten. — Liefe- rant des Kgl. Museums für Natur),., Berlin. Carl Zeiss, -^- Optische W^erkstätte. ^-^ J>^lilii"oslcope mit Ziil>rimch. Cataloge gratis und franco. Dei* practischste Moment-Apparat der Gegenwart! Spieg-el - Camera neuerdings wesentlicli verbessert, mit Wechsel- Cassette für r.' 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BerliQ W., Bendlerstr. 13 PhotocIii^iiii«!)4'li. ^^X^v^O ^M'^'.-f "^ ^ Ä l'ntersn<'li Inüttitiit. -^ ^^ ■^w ^l l'riu-tisclie V6 '^'^'' ♦''«-'<»'■«'♦• '^"sb. J^^'^iii siimiiitl. pliotogr. ^^.-^^sogat.- u. Fosit.-Vorf.,sow. vSi^>^)hoto-iiieclian.Drut;kvei-taliren. 'yi*^''^ Wissenschaftliche und Amateur-Kurse. .^^-^^''^Eiulritt jederzeit. Kurze und längere Kurse. ^^^X'^^lJuiikelkninmcrn gtrlieii zur Verfügung. '^.'^M^ebernahme aller vorkommenden wissenscbaffl. und praefischen photographisi^hen Arbeiten. .Niiheie Auskunft bereitwillig.st. Täglich geoftnet von a— 7. N'erautwortliflifT Kedai-tciir : Dr. Hi'iiiv Potoiiit.', lir. iJclitfrt'rl.l.- (r.-I5) liei Berlin, PotsilMinerstr. 35, für den liiseratentlieil ; Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Foi-d. DüinmlerB Verlagsbuchhandlung, Berlin SVV. U. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ^^>r^^ Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmer str. 94. X. Band. Sonnta":, den 80. Juni 1895. Nr. 26. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anataJten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreia ist Jl 4,— Bringefireld bei der Post lö ^ eitra. Postzeitun^liste Nr. 4732. Y Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 ^. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. f Abdrack ist nur mit vollständiger ((nellenaugabe gestattet. Die zoologische Sammlung des Königlichen Museums für Naturkunde zu Berlin. In einer mit diesem Artikel beginnenden Serie soll den Lesern der ,,Naturw. Wochenschr." die grossiirtige zoologische Sammlung des Königl. Museums für Natur- kunde zu Berlin vorgeführt werden. Es ist bei der UeberfüUe des von der Sanindung Gebotenen selbstredend nicht müglich, auch nur annähernd das Material zu er- schöpfen, vielmehr kann es sich nur darum handeln, einen üeberblick zu geben mit besonderer Berücksichtigung des AUerwichtigsten und Auffallendsten, in ähnlicher Weise, wie das seinerzeit bei der Beschreibung des Königlichen Botanischen Gartens und Museums zu Berlin in der „Naturw. Wochenschr." (Bd. V 1890, S. 211 u. 460, Bd. VI 1891, S. 225) geschehen ist. Wie uns damals die Direction der zuletzt genannten bemerkenswerthen Institute in zuvorkommendster Weise ihre Unterstützung hat zu Theil werden lassen, so können wir auch jetzt wieder die erfreuliche Mittlieilung machen, dass die Direction und die anderen wissenschaftlichen Beamten der zoologischen Samndung in weitestem Maasse ihre Hülfe, ohne die eine exactc Darstellung kaum möglich gewesen wäre, zur Ver- fügung gestellt haben. Der Dank des Leserkreises ist diesen Herren gewiss, und die Redaction der „Naturw. Wochenschr." möchte auch an dieser Stelle nicht versäumen, den tiefempfundenen Dank zu wiederholen. Bei Gelegenheit der Eröffnung des Museums für Naturkunde am 2. Deceniber 1889 hat zwar die „Naturw. Wochenschr." eine kurze Beschreibung desselben (Bd. IV 1889, S. 301) geboten, wir können es aber nicht um- gehen, hier im Zusammenhange Einiges schon damals Mit- getheilte zu wiederholen. Die von Herrn Geheimrath Prof. Dr. Karl Moebius geleitete „Zoologische Sammlung" ist eine der in dem Museum untergebrachten vier Abtheilungen. Die anderen sind die geologisch paläontologische Sammlung (Direction: Geheimrath Beyrichj, die mineralogisch-petrographische Sammlung (Direction: Geheimrath R. Klein) «nd das zoolo- gische Institut (Direction: Geheimrath Franz Eilhard Schulze), das im Gegensatz zur zoologischen Sammlung, welche die Aufgabe hat, zum Studium der Morphologie und geographischen Verbreitung aller Thierclassen mög- lichst reiches Material geordnet aufzubewahren, in erster Linie dem Unterrichte der Studirenden in allen Zweigen der Zoologie dient (vergl. Näheres über das letztere: „Naturw. Wochenschr." Bd. VII 1892, S. 311). Seine Ansichten über „die zweckmässige Einrichtung grosser Museen" hat Herr Geheimrath Moebius in der „Deutschen Rundschau" (Berlin, September 1891) nieder- gelegt. Wir legen im Folgenden diese Auseinander- setzung zu Grunde, da das dort Gesagte bei der Auf- stellung der Sammlung maassgebend gewesen ist. Der Architekt des Museums für Naturkunde, Prof. A. Tiede, hat den hier wiederholten guten Auszug aus der in Rede stehenden Auseinandersetzung bei Gelegenheit der Ein- weihung des Museums zur Vertheilung gebracht. Er schreibt: „Herr Prof. Moebius spricht zunächst von den ver- schiedenen Bedürfnissen der Museumsbesucher, den Laien und den Forschern, Sammlern und Kunstkennern. Die Ersten wollen bei kurzem Besuch der Sammlung nicht alle vorhandenen Modificationen einer und derselben Grund- form von Natur- und Kunstgegenständen kennen lernen, sondern sich durch Anschauung der besten Stücke belehren und erfreuen. Dem Forscher bieten dagegen die Forsehungsunter- lagen je weiter und mannigfaltiger, um desto mehr Gelegen- heit zur Ergrttndung noch dunkler Probleme. Diese verschiedenen Ansprüche, welche die Laienwelt einerseits und die engeren Kreise von Kunst und Wissen- schaft anderseits den grossen Museen gegenüber erheben, können nur mangelhaft befriedigt werden, solange sämmt- 310 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 26. liehe Schau- und Studienolyecte sich in denselben Räumen eines Museums befinden. Herr Prof. Jlocbius fordert des- halb au erster Stelle die Trennung grosser Sammlungen in eine kleinere für die Laienwelt ausgewählte Schau- sammlung und in eine für Studien bestimmte Hauptsamm- lung in verschiedenen Räumen. Die Ziele für die Einrichtung einer jeden dieser Ab- theilungen und der Gewinn von Vortheilen durch ihre räumliche Trennung charakterisirt Herr Prof. Moebius auf Grund seiner eigenen Erfahrungen an einem grossen zoo- logischen Museum; der Einrichtung anderer Museen wird dabei geeigneten Ortes gedacht. Der Umfang der Berliner zoologischen Sammlung würde die erstaunliche Forderung von meilenlangen Reihen von Glasschränken nöthig gemacht haben, wenn den Museumsbesuchern alle vorhandenen Gegenstände hätten gezeigt werden sollen. In keinem zoologischen Museum ist man soweit in der Aufstellung gegangen. All- gemein werden in solchen nur die- ausgestopften Säuge- thiej-e, Vögel, Reptilien, " Amphibien, Fische und viele andere Thicre in Glasschränken gezeigt. Nur grosse Sammlungen von Insecten, Spinnen und Conchyiien werden in Schubfächern aufbewahrt. Diesem Gebrauch gegenüber fragt Herr Prof. Moebius nach dem Nutzen solcher all- gemein zugänglichen Ausstellung grosser Säle voll Glas- schräuke. Er findet dieselbe für nicht zoologisch gel)ildete Museumsbesucher durchaus nicht belehrend und genuss- reich, sie ermüdet und spannt ab. Das Ergebniss stunden- langer Durchwanderung unschätzbarer Sammlungen ist ein kümmerliches-, es ist ein Missbrauch dieser und eine schlechte Abfindung der löblichen Absicht zoologischer Laien, sich in einem solchen Museum belehren und er- freuen zu wollen. Diesem unzweckmässigen Gebrauch in den meisten Museen entgegen hat Herr Professor Moebius in der Berliner grossen zoologischen Sammlung zum ersten Mal eine didaktisch nützliche Auswahl von Stücken aller systematischen Gruppen und ihre Vereinigung zu einer Schausammlung tür das Publikum in besonderen Sälen und in solcher Aufstellung getroften, dass die charakte- ristischen Eigenschaften der Gegenstände deutlich wahr- nehmbar sind; dazu ist die Entwickelung aller Haupt- gruppen, die Lebensweise der Thicre mit kurzen Er- klärungen für jeden gebildeten Laien verständlich gemacht worden, sodass selbst die besten gedruckten Führer, deren Benutzung immer unbequem ist, überflüssig sind. Die Aufstellung einer solchen Schausammlung muss natürlich gut beleuchtet und in deutlicher Sehweite vom Beschauer erfolgen. Die einzelnen Gegenstände dürfen sich nicht berühren oder gar verdecken. Den Gegenständen ist ein Hintergrund zu geben, der sich nicht als besonderes far- biges Object dem Auge aufdrängen soll, und von welchem sich die helleren und dunkleren Gegenstände der ver- schiedensten Farben in scharfen Umrissen abheben. Diese Forderung eines geeigneten Hintergrundes hält Herr Prof. Moebius von grosser Bedeutung. Nach seinen Prüfungen und Erfahrungen ist ein mattes Graugelb die beste Hintergrundfarbe; dieselbe ruft nicht farbige Nachbilder im Auge hervor, sie kommt vielmehr dem Beschauer gar nicht zum Bewusstsein und beeinflusst nicht die Wahr- nehmungsfähigkeit für Formen und Farben der Gegen- stände. Auch für Marmorbildwerke und Gipsabgüsse hält Prof. Moebius einen graugelben Hintergrund am wirkungs- vollsten imd es darf hier daran erinnert werden, dass s. Z. bei dem Umbau der hiesigen Gemäldegallerie des alten Museums ein ähnlicher, ins lederfarbene übergehender Farbenton von sachverständiger Seite als Farbe der Saal- wände dringend em))fohlen wurde. Für die architektonische Anordnung der Räume empfiehlt Herr Prof. Moebius, dieselben nicht mit allseitig verglasten Schränken zu besetzen, um von 'jedem Staud- punkt aus den Inhalt des Saales überschauen zu können. Er will die Schränke in grossen gegen die Fenster offene Abtheilungen gestellt wissen, in denen der Beschauer durch die Hintergrund wände in den Sehränken abgesondert, niclits anderes sehen kann, als die in einer Abtheilung aufgestellten Gegenstände, um so die Aufmerksamkeit der Beschauer auf kleine Gruppen zu concentriren. Eine solche Schausammlung, ausgewählt nach dem höchsten Stande der Thierkunde und aufgestellt nach den besten Regeln der Didaktik, ist eine vollkommene Veranschaulichung des Systems der Thiere, ihres inneren Baues, ihrer Ent- wickelung und ihrer Lebensweise. Hierneben bleiben die zahlreichen übrigen Thiere in der Hauptsammlung von allen schädlichen Einflüssen des Lichtes und des Staubes verschont; es ist eine sparsame und vollkommene Aus- nutzung des für sie bestimmten Raumes — ihre Maga- znnrung — möglich und die Anlage von Räumen für die ungestörte Arbeit der Museumsbeamten, für das Studium der Gegenstände ist bequem gegeben. Es ist damit das Höchste einer Museums-Anlage geleistet. Schliesslich spricht Herr Prof. Moebius aus, dass es nicht das Ziel einer Sammlung irgend welcher Art sei, ausser der Belehrung noch ästhetische Nebengenüsse zu bereiten und durch den Bau prächtiger Säle die ermüdende Wiederholung einer grossen Menge ähnlicher Dinge aus- zugleichen. Man macht damit die schönste Halle mit überreichem Inhalt unschätzbarer Gegenstände doch nur zu einem Magazin von Kunstgegenständen. Die Zahl derjenigen Museumsbesucher, welche eine genügende Vorbildung für das Verständniss grösserer Specialsamm- lungen besitzen, ist sehr klein im Vergleich mit der Zahl der Laien, welche nur allgemeines Interesse für Wissen- schaft und Kunst in die Museen führt und deshalb sollen nicht die Studienzwecke jener kleinen Zahl, sondern die Bildungs- und Genusswünsche dieser grossen Zahl Personen über die Einrichtung grosser Museen ent- scheiden." Die wissenschaftlichen Beamten der zoologischen Sammlung sind ausser dem schon genannten ersten Director: 2. Prof. Dr. E. v. Martens, 2. Director (verwaltet die Mollusken); 3. Prof. Dr. Hilgendorff', 1. Gustos (verwaltet die Fische und die Grustaceen); 4. Prof. Dr. A. Reichenow, 2. Gustos (verwaltet die Vögel); 5. Prof. Dr. F. Karsch, 3. Gustos (verwaltet die Lepidopteren, Orthopteren und Hemipteren); 6. H. J. Kolbe, 4. Custos (verwaltet die Ooleopteren und Neuropteren); 7. Dr. W. Weltner, 5. Custos (verwaltet die Protozoen, Coelenteraten und die niederen Crustaceen); 8. Dr. G. Tornier, 6. Custos (verwaltet die Reptilien und Amphibien); 9. P. Matschie, 7. Custos (verwaltet die Säugetbiere); 10. Dr. Anton Collin, 1. Assistent (verwaltet die Würmer und Tunicaten); IL Dr. H. Stadelniann, 2. Assistent (verwaltet die Hymenopteren, Arachniden und Myriopoden); 12. Dr. M. Meissner, 3. Assistent (verwaltet die Echinodermen und Bryozoen); 13. Dr. B. Wandolleck, 4. Assistent (verwaltet die Dipteren); 14. Dr. R. Lucas, wissenschaftlicher Hilfsarbeiter. Nr. 26. Natnrwisscuschaftliche Wochenschrift. 311 Die .Säugetliier-.Schau.sammIniig. Von Paul Matschie. Einleitung. Die Säugcthiere sind warmblütige, gewiilinlicli be- haarte, selten nackte oder mit Horsten, Stacheln oder Schuppen bedeckte Wirbelthiere, welche stets durch Lungen atlimcn und deren Weibch n zur Ernährung der in der Regel lebendig geborenen Jungen IMilehdrüsen besitzen. Gewiihnlich sind je zwei vordere nnd zwei hintere Gliedmaassen vorhanden, welche bei den Robben in Flossen umgewandelt siud. Die Wale und Seekühe haben keine hinteren Gliedmaassen; ihr Körper liiuft nach liinten in eine Schwanzflosse aus, welche wagerecht, nicht, wie bei den Fischen, senkrecht gestellt ist. Jlan kennt bis jetzt ungefähr 2500 lebende Säuge- thierformen, welche in 13 grosse Ordnungen, ungefähr 80 Familien und über 400 Gattungen eingctheilt werden. Die einzelnen Säugethierformen sind nicht gleich- massig über die ganze Erde verbreitet, sondern auf ge- wisse grössere oder kleinere Gebiete beschränkt. Man nennt die Gesannntheit der in einem bcstinmitcn Gebiete lebenden Säugethiere die Säugethierfauna dieses Ge- bietes. Es werden nun auf der Erde eine Anzahl von zoo- geographischen Gebieten unterschieden, welche einer- seits durch die in ihnen lebenden Säugethiere, andererseits durch das Fehlen gewisser in anderen Gebieten vorhan- denen Formen charakterisirt sind. Im allgemeinen gilt das Gesetz, dass die Zahl der Gattungen und Arten mit der Entfernung vom Aequator abnimmt. Wir finden in den Tropen die grösste Mannig- faltigkeit der Formen, in den kalten Zonen nur eine ge- ringe Anzahl von Gruppen vertreten. Auf den Inseln ist der Reichthum an Landthieren sell)stverständlich nicht so gross wie auf den weiten Continenten, und je weniger umfangreich eine Insel ist, desto weniger Landthiere weist sie auf. So hat Polynesien mit Ausnahme einiger Fledermäuse keine Landsäugethiere. Man kann folgende grosse Gebiete annehmen: 1. das Continental-Gebiet (Europa, Asien, Afrika und Amerika), 2. das südliche Gebiet (Australien, Papuasien, Poly- nesien und die Molukken), 3. das madagassische Gebiet (Madagaskar, die Maskarenen, Comoren und Seychellen'!. Das Continental-Gebiet ist ausgezeichnet durch das Vorkommen von Atfen, Hunden, Katzen, Ottern, Eich- hörnchen, Hasen und Huftliieren; ihm fehlen die pflanzen- fressenden Beutelthiere, die Kloakenthiere, das Fingerthicr, die Borstenigel, alle fleischfressenden Beuteltidere ausser den Beutelratten, alle Halbatfen ausser den Loris, dem Potto, dem Bärenmaki, den Ohrenmakis und dem Kobold- maki. Das südliche Gebiet besitzt keine Affen, Halbaffen, Raubthiere, Insectenfresser, ausser einigen Mäusen keine Nager, keine Hufthiere oder Zahnarme. Dagegen leben in ihm die Kloakenthiere, alle Beutelthiere. ausser den Beutelratten, einige sonderbare Fledermausgattungen, wie Harpyia, C'ephalotes, Melonyeteris, Nyetophylus, Chalinolobus, Mystacina und mehrere eigenthümliche Mäuse, wie die Schwimmratte, ferner Echiothrix, üromys und Hapalotis. Das madagassische Gebiet beherbergt das seltsame Fingerthicr, die Borstenigel, die merkwürdigen Ratten Hallomys, Hypogeomys, Nesomys und Bracliytar- somys, die eigenthümlichen Raubttiierfornien Crypto- procta, Galidia, Galidictis und Eupleres und eine sonderbare Fledermaus, Myxopoda. Dazu kommen einige wenige Fledermäuse, wie Pteropus und Emballonura, welche für die Inseln und Küstenländer des indischen Oceans eharakteristich sind, zwei echte Spitzmäuse und endlich der grosse Stamm der Halbaffen. Das Gontinental-Gcbiet, welches dengrosstenTlieil der Erde einnimmt, kann man wiederum in drei Unter- gebiete eiutheilen, in das östliche, das westliche und das arctische Untergebiet. Das um den Nordpol gelegene Gebiet beider Hemi- sphären, das arctische üntergebiet, welches ungefähr nach Süden bis zum Polarkreis sich erstreckt, enthält nur wenige charakteristische Formen, wie den Vielfrass, den Jlosclmsochscu und das Walross. Neben diesen finden sich in demselben eigenthümliche Vertreter von Fuchs, Bär und Hase. Ihm fehlen sowohl die für das westliche als auch die für das östliche Üntergebiet bestimmenden Formen. Das nördliche Nordamerika hat noch mit der öst- lichen Hemisphäre mehrere Gattungen gemeinsam, wie die Wildschafe, die Marder, die fliegenden Eichhörnchen, die Biber, die Ziesel, das Murmelthicr, die Elche, die Wisent. Je weiter man aber nach Süden geht, desto mehr verschwinden die Reste einer einstigen einheitliehen Fauna des circumpolaren Gebietes und es scheidet sich scharf ein östliches und ein westliches Untergebiet, ein solches der alten und eines der neuen Welt. In den gemässigten Breiten zeigt sich dieser Unterschied namentlicli in dem Auftreten analoger Gattungen unter den Fledermäusen, Spitzmäusen, Nagethieren und Raubthieren, in dem westlichen und östlichen Untergebiete. In der alten Welt leben ausserdem die Hufeisennasen, die echten Mäuse, die Bilchc, die Igel, die Hamster u. s. w., während in der neuen Welt der Präriehund, die Taschenratten, Bisannatteu, die Schneeziege und die Gabelgemse auftreten. Sobald man aber in die tropischen Gegenden eintritt, wird der Unter- schied ganz gewaltig. In der alten Welt finden wir die schmalnasigcn Affen, die fliegenden Hunde, die Ziernasen, die Hyänen, die Rohrrüssler, die Kamele, Klippschliefer, Elephantcn, Nashörner, Pferde, Moschusthiere, Schuppcn- thiere, Erdferkel. Für die neue Welt sind die breitnasigen Aften,die Krallenaften, die Blattnasen, die Meerschweinchen, Mara's, Aguti's, Paka's, die Baumstachelschweine, Lauzen- ratten, und Hasenmäuse, die Faulthiere, Gttrtelthiere und Ameisenbären, die Beutelratten, u. s. w. charakteristisch. Das östliche Unter gebiet lässt sich in drei geson- derte Gebiete cintheilen: 1. die östlich gemässigte Region, 2. die äthiopische Region und 3. die indi- sche Region. Die östlich gemässigte Region reicht von dem Polarkreis herunter bis ungefähr zum Wendekreis des Krebses, bis zum Südrande der Sahara und der arabischen Wüste, bis zum Himalaya und der Wasserscheide zwischen Jantsekiang und Sikiang. Hier leben die Maulwürfe, Springmäuse, Pfeifhasen, Kamele, die AVildziegen und Wildschafe, die Magot-Affen und die Dachse. Die äthiopische Region, welche das tropische Afrika und den Südrand von Arabien umschliesst, unter- scheidet sich von den beiden anderen östlichen Gebieten durch das Fehlen der Hirsche, Bären, Marder, Wildschafe, Wildziegen, WiUilmäuse, Biber, Ziesel und Hamster. Dafür sind 75 Gattungen nur in Afrika einheimisch, von denen hier die Goldmaulwürfe, der Hyänenbund, der Go- rilla und Schimpanse, das Nilpferd, die Meerkatzen, die Paviane, das Erdferkel, das Maskenschwein, das Pinsel- ohrscliwein, die Rohrrüssler und Stachelscbwanzeich- hörnchen erwähnt sein mögen. Das dritte grosse Gebiet bildet die indische Region, welche ihr Centrum in Hiiiterindien und auf den Sunda- Inscln hat und sich uugefälir südlich vom Wendekreis des 312 Natuiwissenscbaftlichc Wochenschrift. Nr. 26, Krebses von Vorderindien bis zu den Philippinen ausdehnt. Die Scliianiiaffen, die Makaken, die Spitzhörnchen, die l'hunploris und die KoUniarder sind Charakterthiere. Die drei Regionen der alten Welt zerfallen wieder in mehrere Unterregionen. In der gemässigten Region bilden die zum Mittelmeer, Schwarzen-, Kaspischcn Meer und persischen Meerbusen gehörigen Flusssysteme das Mittel- meergebiet. Fledermäuse, wie Otonycteris und Rhino- ponia, die RUsselmaus, die Blindniaus, der Kammlemming, die Wildziegen, die Gemse, der Damhirsch drücken diesem Gebiet das Gepräge auf. Asien südlich von der Wasserscheide für die zum Eismeer fliessenden Ströme bis zu den Quellen der Flüsse, welche in den indischen Oeean und das chi- nesische Meer sich ergiessen, zeigt eine eigentiiümliche Fauna, welche die centralasiatische Unterregion kennzeiciuiet. Hier treten sonderbare Insectenfresscr auf, wie Nectogale, Anurosorex, Uropsilus, Scaptonyx und Scaptochirus, eigenthüniliche Nager wie Siphneus, Raubthicre wie der Katzenbär, der Marderhund, ferner der Yack, die Tatarengazelle und das Moschusthier bilden die charakteristischen Formen. Nach Norden hin nimmt die Mannigfaltigkeit der Gattungen sehr ab und es bleiben nur Gruppen übrig, die wie Dachs, Hamster, Siebenschläfer u. a. über das ganze gemässigte Gebiet verbreitet sind oder wie die Ziesel, Biber, Murnieltliiere, Wühlmäuse, Flughörnchen sogar bis Nordamerika sicli finden, oder deren Vertreter wie die Hunde, Katzen, Ottern u. s. w. für das ganze Coutinental- Gebiet bezeichnend sind. Diese ist die europäisch-sibi- rische Unterregion. Auch die äthiopische Region lässt sich in zwei ziemlich scharf gesonderte Unterregionen scheiden, die westafrikanische Unterregion und die ostafrika- nische Unterregion. Für den Westen sind bestimmend die Blenschenatfen, (Gorilla und Schimpanse), die weissnasigen Meerkatzen, die Mangabe's, die Spitzotter, viele sonderbare Nager, wie der Flngbilch, Lophuromys, Deomys, der Potto, das Hirschferkel, das Quastenstachelschwein; für den Osten charakteristisch ersclieinen die Rohrrüssler, viele Nager, wie Mystromys, Otomys, Dendromys, Steatomys, Saccostomus, Aeomys, der Saudgräber, Pectinator, der Löft'elhund, der Hyänenhund, die Surikate, das Gnu, das Erdferkel, die Elenantilope und die echten Klipp- schliefer. Die westafrikanische Region umfasst Ober- und Niederguinea und das Gongogebiet bis zu den grossen Seen, die ostafrikanisehe umschliesst die vorige vom Süd- rande der Sahara und Arabiens bis zum Cap der guten Hoffnung. In der indischen Region scheidet sich das vorder- indische Untergebiet von dem hinterindischen auf der Wasserscheide zwischen Ganges und Brahmaputra. Für Vorderindien sind nur wenige Formen eigenthünilich, wie die vicrhörnige Antilope, das Nylgau, die Hirsch- ziegen-Antilope und eine merkwürdige Maus Plata- canthomys. In Hinterindien leben 27 charakteristische Gattungen, der Orang, die Gibbons, der Nasenaffe, der Schopfpavian, das Gespensteräffchen, der Pelzflatterer, der Binturong, der Stinkdachs, das Spitzfrett u. a. In der neuen Welt, dem westliehen Unterge- biet sind zwei Regionen faunistisch sehr verschieden, die westlich gemässigte Region und die südameri- kanische Region. Die erstere erstreckt sich nach Süden bis ungefähr zum Wendekreis des Krebses. 27 Gattungen sind ihr eigenthümlich, Fledermäuse wie Anthrozous und Corinochilus, Insectenfresscr wie Blarina, Neosorex, Seapanus, der Wassermull, der Sterumaulwurf, Nager wie der Präriehund, der Sewellell, die Bisamratte, die Taschenratten, der Urson, ferner die Gabelgemse und die Schneeziege. In Sudamerika bis hinauf nach Süd-Mexiko leben die Brüllaffen, die Capucineraffen, die Löwenäffchcn, die Klammeraffen, die Uistitis, Springaffen, Todtenkopfäffchen und Nachtaffen, die weisse Fledermaus, die Blattnasen, die Stachelratten, die Sumpfbiber, der Greifstachler, die Meerschweinchen, das Wasserschwein, die Goldhasen, die Lanzenratten, Strauchratten, der Waldhund, die Grisons, die Gürtelthiere, Ameisenbären, Pekaris, Beutelratten u. a. Nord- und Süd-Amerika gemeinsam sind u. a. die Nasenbären, Waschbären und Stinkthiere. Auch die beiden grossen Untergebicte der neuen Welt zerfallen wieder in mehrere Unterregionen, von denen zwei sich durch das Auftreten eigenthümlicher Formen besonders auszeichnen: 1. die an tillische Sub- region mit den Ferkelratten und dem Schlitzrttssler, 2. die chilenische Subregion mit Wollmäusen, Hasen- raäusen, Viscachas, Lamas, Maras und den Nagern, Habrocoma, Reithrodon, Schizodon und Spala- copus, sowie der Gürtelraaus. Hier fehlen die im übrigen Amerika verbreiteten Affen, Hasen, Eichhörnchen, Faul- thiere und Ameisenbären. Das Königliche Museum für Naturkunde zu Berlin besitzt augeublicklich mehr als 8000 Säugethiere in aus- gestopften Exemplaren oder präparirten Fellen; dazu kommen ungefähr 1800 Skelette, 7000 Schädel und 500 Geweihe und Gehörne. Aus diesem reichhaltigen Material, welches in 3 Sälen des ersten Stockwerkes auf- bewahrt wird und daselbst dem wissenschaftlichen Studium zur Verfügung steht, ist in der dem Publikum zugäng- lichen Schausammlung eine grössere Anzahl von Ver- tretern aller charakteristischen Gruppen ausgestellt, welche dem Besucher ein lehrreiches Bild von der Mannigfaltig- keit der Säugethierformen zu geben geeignet sind. Die Schausammlung der Säugethier-Abtheilung umfasst den grössten Theil des Lichthofes, den sich an diesen anschliessenden Saal des Langhauses, die beiden grossen Treppenhäuser und einen Theil der vaterländischen Schau- saniuilung. I. Der Lichthof. Wenn man aus der Vorhalle in den langgestreckten Lichthof tritt, an dessen beiden Längsseiten die dem Pu- blikum geöffneten Säle der geologisch-palaeontologischen und der mineralogisch-petrographischen Sammlung liegen, so sieht man sich den Skeletten der grössten, jetzt lebenden Säugethiere gegenüber. Aus leicht erklärlichen Gründen war es nicht möglich, ausgestopfte Walfische hier auf- zustellen; man musste sich damit begnügen, die Skelette derselben möglichst naturgetreu zusammenzusetzen und durch grosse Abbildungen dem Beschauer von der Ge- stalt der Riesenthiere eine Vorstellung zu geben. Bei der Aufstellung dieser gewaltigen Knochengerüste ist be- sonders Werth darauf gelegt worden, dass die eisernen Träger, auf welchen die Objecte ruhen, möglichst leicht, aber doch fest gebaut wurden, so dass der Anblick des Skelettes nicht durch überflüssige Eisenconstruction beein- trächtigt wird. Die Mitte des Saales nimmt ein Grönland- Wal, Balaena mysticetus ein, welches fast 16 Meter lang ist, und früher im Berliner Aquarium aufgestellt war. Der Grönlandwal liefert in seinen Barten das beste Fischbein, aus seinem S])eck den Fisehthran. Seine Nahrung besteht aus kleinen Seetliieren, welche er mit dem Wasser in seinen Rachen einzieht und alsdann zwischen den Barten aus dem flüssigen Element ausseiht. Der mit den Barten in natttr- Nr. 26. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 313 Hoher Lage aufg-cstclltc Schiiilcl eines Zwergwales bringt die Anurdnung dieser Organe zur Anschauung, firus.sere Tliiere vermag der Wal wegen der Enge seines Seiilundes nicht zu verschlucken. Neben ihm erhebt sich auf der östlichen Seite des Saales das Skelett eines Furehenwales, des grossen Finnwales, Balaenoptera musculus, von 19 Meter Länge, der im Jahre 1870 im Jahdebuscu strandete. Nach einem im Jahre 1889 in Berlin ausgestellten Exemplar dieser Art sind die Schwanztlosse, Rückenflosse und Seitcntiosse sowie die Hauchfurchen, welche eine grosse Ausdehnung des Leibes ermöglichen, naturgetreu nach- gebildet worden. Auf der westliehen Seite des Saales befinden sich die Skelette von weiteren drei Furehenwalen. Ein nordischer Finnwal, Balaenoptera borealis, welcher im Jalire 1819 in Ostholstein strandete, ein Zwerg- Finnwal, Balaenoptera rostrat a, aus Norwegen, der kleinste Bartenwal, und ein Buckelwal, Megaptera boops, das Exemplar, nach welchem von ßudolphi B. longimaua aufgestellt wurde, vervollständigen die Sammlung der Bartenwale. Dieses letztere Thier strandete im Jahre 1824 an der Elbmündung. Sowohl dieGlattwale (Balaena) mit ihrem hoch ge- wölbten, von langen Barten seitlich geschlossenen Schädel, als auch die Furchenwale (Balaenoptera und Me- gaptera), welche au den Bauchseiten zahlreiche Haut- furchen besitzen, werden zur Gewinnung von Thran viel gejagt; aus den Knochen und dem Fleisch bereitet man Dünger, den sogenannten Fischguano. Auf beiden Seiten des Lichthofes sind Vertreter der zweiten grossen Abtheilung der Walthiere aufgestellt, die Zahnwale. Man unterscheidet vier Familien derselben, von deren jeder ein oder mehrere Repräsentanten hier in Skeletten vorhanden sind. Auf der östlichen Seite er- blicken wir neben dem ausgestopften indischen Elephanten und dessen Skelett zunächst einen durchsägten Schädel dieser Art, welcher die harten, schwammförmigen Luft- zellen sehr schön zeigt, mit denen die Stirn- und Scheitel- beine angefüllt sind, und welche dem Schädel eine ganz ausserordentliche Festigkeit geben. Dicht hinter diesem befinden sich zwei Unterkiefer und der Schädel eines Pottwales (Fhyseter macrocephalus). Die Pott- wale oder Caehelot's sind, wie der hier aufgestellte über 5 Meter lange, mit gewaltigen Zähnen bewehrte Unterkiefer ahnen lässt, sehr gefährliche Raubthiere, welche selbst den kleineren Walfischen verderblich werden können. Sie bewohnen die tropischen Gegenden der Oceane, liefern im Vordertheile ihres Kopfes ein merk- würdiges, an der Luft erstarrendes Fett, den Walrath oder Sperma Ceti, im Darm und in der Harnblase das zum Räuchern benutzte Ambra und werden deswegen und wegen des Thrans eifrig gejagt. Nicht weit davon ist das Skelett eines Entenwales, Hyperoodon rostratus, aufgestellt, welcher eine zweite Familie der Zahnwale repräsentirt. Bei diesem, welcher auch Sehnabel wal oder Dögling heisst xmd zuweilen an den deutschen Küsten strandet, befinden sieh nur ganz vorn im Unterkiefer einige, früh ausfallende Zähne und auf dem Oberkiefer erhebt sieh jederseits ein riesiger, hoher Knochenkamm, welche bei jüngeren Thieren, wie ein unter dem Grönland- Wal aufgestellter Schädel dieser Art zeigt, schmaler sind und weiter auseinanderstehen als bei ausgewachsenen alten Thieren. Die dritte Familie der Zahnwale vertritt das Skelett eines nordischen Nar- wals, Monodon monoceros, in dessen Schädel nur ein schraubenförmig gewundener, 2 Meter langer Stoss- zahn ausgebildet ist. Diese Zähne wurden fruiier als Ein- hornzähne hoch bezahlt. Aus der vierten Familie der Zahnwale enthält der Lichthof auf seiner östlichen Seite das Skelett des weissen Delphins oder Weisswals, Delphinapterus leucas, dessen Ilecrdcn von den nordischen \'ölkern zur Gewinnung von Fleisch und Speck eifrig gejagt werden, auf der westlichen Seite des Saales die Skelette des ebenso geschätzten nordischen Griud- wales, Delphinus melas, und des Sehwertwales, Orca orca, der wegen seiner hohen Rückenflosse seinen Namen trägt und in kleinen Gesellschaften im nördlichen atlantischen Ocean Robben, Delphine und grosse Fische verfolgt. Alle Walthiere haben die Nasenlöcher auf der Stirn. Die ausgcathmete feuchte Luft bildet über dem kalten Wasser der nordischen Meere Nebclsäulen, welche oft für AVasserstrahlen angesehen werden und zu der falschen Annahme Anlass geben, als spritze der Walfisdi aus den Nasenlöchern, welche man deshalb auch Spritz- löcher genannt hat, das Wasser heraus, das er in das Maul eingezogen hatte. Es giebt unter den Säugethiercn noch eine andere Gruppe, deren Mitglieder einen fischähulichcn Körper be- sitzen, nämlich die Seekühe. Sowohl die Walfische als auch die Seekühe bringen lebende Junge zur Welt, welche von der Mutter gesäugt werden. Die Seekühe sind Pflanzen- fresser, sie leben an den Küsten der tropischen Meere, eine im vorigen Jahrhundert ausgestorbene Gattung, das Bor ke n- thier, Rhytina stelleri, war im äussersten Norden des stillen Oeeans zu Hause. Diese Thiere weiden die Tang- wiesen der afrikanischen, indischen und südostamerikani- sehen Küsten ab und werden wegen ihres Fleisches, wegen ihrer Haut und ihres Fettes viel gefangen. Im Lichthof ist ein ausgestopftes Exemplar des amerikanischen La- mantins, Manatus latirostris, und ein Skelett dieser Art auf der Ostseite des Saales aufgestellt. Von denjenigen Säugethieren, welche dem Leben im Wasser augepasst sind, deren Extremitäten zu Flossen durch eine dicke über das Nagelglied hinaus- reichende Sclnvinmihaut umgewandelt und deren Hinter- beine wagerecht nach hinten gerichtet sind, von den Robben, Pinnipedia, haben zwei der grössten in der vorderen, westlichen Ecke des Lichthofes in ihren Ske- letten eine Stelle gefunden. Das Walross, Triehechus rosmarus, und die Rüsselrobbe, Macrorhinus leo- ninus. Ausgestopfte Exemplare dieser grossen Flossen- füsser ebenso wie solche von Zahuwalen, Seekühen und Ohrenrobben findet man in dem im westlichen Treppen- haus errichteten grossen Glasschranke. Im Lichthofe sind ferner auch eine Anzahl von Dick- häutern, Hufthiereu und grossen Fischen in ausgestopften Exemplaren und Skeletten aufgestellt. Dicht neben dem Eingange steht ein vorzüglich gestopfter afrikanischer Elephant, Elephas africanus, neben seinem Skelett, ausserdem der Schädel eines grossen südafrikanischen Elephanten mit riesigen Zähnen und ein einzelner 45 Kilo- gramm schwerer Zahn dieser Art. Die Stosszähne des Elephanten sitzen im Zwischenkiefer, sind also Vorder- zähne; sie werden bis 90 Kilogramm schwer. Das beste Elfenbein liefern die siamesischen Elephanten. An der Langhausseite des Saales stehen ein junger afrikanischer Elephant, ein afrikanisches Nashorn, ein sumatranisches Nashorn und ein pinselohriges Nashorn aus dem Gangesgehiet; das letztere ist das Originalstück, auf welches Lesson sein Rhinoeeros inermis begründet hat. Daneben sind Skelette von Hufthieren und Vielhufern aufgestellt, auf der östlichen Seite eine ausgestopfte Giraffe, ein Trampelthier, der europäische Wisent, welcher in Lithauen und im Kaukasus noch in kleinen Heerdeu lebt, und dem Aus- sterben nahe ist, ebenso wie der ihm zur Seite aufgestellte amerikanische Wisent. Unter den Rindern sind das 314 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 26. kleine Wiidrind von den Philippinen, der Tamarao, und ein afrikanischer Büffel benicrkenswerth. Unter dem Grönlandwal haben mehrere grosse aus- gestopfte Fische einen Platz gefunden. Da ist ein riesiger Heilbutt, Hippoglossns hippoglossus, ein Htlge- lisch, Pristis pectinatus, ein Hammerhai, der Eis- hai, Laeniargus niicro- cephalus, welcher über 5 m lang wird und aus dessen Leber der bekannte officinelle Leberthran gewonnen wird, ferner ein japanischer Rie- senbarsch und der He- ringshai, der den Heriugs- zügen oft bis in die Ostsee folgt. Daneben sehen wir die merkwürdig gebildeten Schnabelrochen, aus de- ren Leber ein heilkräftiges Oel gewonnen wird, mehrere Haifische. und Das westliche Treppen- haus. Wendet man sich nach dem Verlassen des Lichthofes zunächst durch den Lang- haus-Saal, in dem die Mehr- zahl der ausgestopften Säugc- thierc aufgestellt ist, nach links, so betritt man das westliche Treppenhaus, in welchem eine monumental auf- geführte Treppe in die dem Publikum nicht geöffnete Hauptsammlung führt. In diesem wie in dem östlichen Licht- schaehte ist je ein mächtiger Glasschrank aufgebaut, welcher zur Unterbringung von inter- essanten Thieren dient, die einen grösseren Platz beanspruchen. Hier sieht man einige Zahuwale, Seekühe und Robben aufgestellt. Die Mitte nimmt ein Seeele- phant ein. Dieser grösste See- hund, welchen man auch wegen der in einen kurzen Rüssel ver- längerten Nase „Rüsselrobbe" nennt, lebt im antarctischen Meere in kleinen Hcerden, nährt sieh von Fischen und Weichthieren und bildet wegen seines hoch- geschätzten Thranes, wegen seines Fleisches und wegen sei- ner Haut einen Gegenstand eifrigster Jagd. Besonders die Zunge dieses Thieres soll sehr gut schmecken. Merkwürdig ist die Grössenverschiedenheit zwi- schen den Männchen und Weib- chen dieser Art. Das Weibchen erreicht kaum die halbe Körper- länge des Männchens; ein ausgewachsenes Weibchen ist vor dem Männchen aufgestellt. Neben dem Seeelephanten befindet sich links ein Walross, dessen lange obere Eckzähne vielfach wie Elfenbein verarbeitet werden. Das Walross lebt in den nördlichen Meeren und wird von den Eskimos sehr geschätzt. Man gebraucht die Sehnen als Nähmaterial, die Knochen zu allerhand Werkzeugen, die Haut zur Umhüllung der Kähne, das Fleich zur Nahrung. Fig. 1. Ovibus moschatus, Moschusochse Fig. 2. Alces alces, Elch. Das Walross lebt von kleinen Schnecken, Muscheln und Fischen. Man kann die atlantische Form von der ameri- kanischen an der Gestalt der Eckzähne unterscheiden; diese sind bei der altweltlichen Form, wie ein im Schrank ausgestellter Schädel zeigt, viel weniger gebogen als bei der neuweltlichen. Auf der rechten Seite des Schrankes befindet sich ein nordischer Seelöwe, Otaria stelleri, dessen Haut und Eingeweide von den Bewoh- nern der Nordküste Amerikas vielfach verbraucht werden. Die Steller'sche Robbe gehört zu den Säugethieren, welche, wie das Zebra, Quagga, der Wisent, die Gabelgemse, der Blässbock u. a., dem Aus- sterben nahe sind. Noch zwei andere Ohreu- robben befinden sich in dem Schranke, der Seebär oder die Bärenrobbe, welcher das kostbare Pelzwerk „Se- alskin" liefert, unddercali- fornischc Seelöwe, die einzige 0 h r e n ro b b e n - Art, welche lebend in die zoolo- gischen Gärten gelangt und welche nicht weit von San Francisco auf einer Insel einen leicht zu besuchenden Ruheplatz hat. Aus der dritten Familie der Flossenfttsser, den Robben, welche sich durch das Fehlen einer äusseren Ohrmuschel und durch die behaarten Sohlen von den Ohrenrobben unterscheiden, sei hier die Klappmütze oder Blasenrobbe erwähnt, von welcher ein Männchen ausge- stellt ist. Dieses besitzt über der Nase eine sonderbare Hautfalte, welche mützenförmig aufgeblasen werden kann. Die Klappmütze lebt im nördlichen atlantischen Ocean. An dem Skelett eines See- hundes, Phoca vitulina, kann man die eigenthümlichen Merk- male der Flossenfüsser, das Gebiss, das Fehlen der Schlüs- selbeine, und die merkwürdige Stellung der Hinterbeine er- kennen. Ferner sieht man in diesem grossen Schrank zwei Vertreter der Seekühe, den amerikani- schen Lamantin, Manatus latirostris, und den Dugong, die Seejuugfer aus dem indi- schen Ocean. Aus der Ordnung der fleischfressenden Fisch- säugethiere sind hier ebenfalls mehrere Repräsentanten in Schädeln, Skeletten und ausgestopften Exemplaren zur Schau gestellt. Neben zwei Narwal -Schädeln, welche zur Verdeut- lichung der ziemlich verwickelten Lage der Knochen an Walschädeln dienen, und dem Schädel eines Nordcapers steht hier das Skelett eines Tümmlers, Delphin us Nr. 26. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 315 tursio und zwei ausgestopfte Zahnwale, der Tüniniler und der Lauj;flossen-Braunfisch, Grauipus grisous. All der freien Wand des TiT'ppcMiliauses sind G cwei lie und (ich Urne aufgehängt, zu hoideii Seiten ist diese Aus- stellung durch je einen ausgestopften Kopf einer G abci- ge in sc aus den Felsengebirgen Nord-Amerikas abge- schlossen. Das interessanteste Stück aus dieser kleineu Sammlung von hervorragend schönen E^xeniplareu ist wohl der Schädel eines altaegTptischen Apis-Ochsen aus den Pyramiden, welchen die Reisenden llemprich und Ehrenberg mitgebracht haben. Das östliche Treppenhaus. An den der systematischen Säugethier-Sammlung ein- geräumten Saal schliesst sieh in der Langhaus-Flucht nach Osten ein zweites Treppenhaus an, welches analog dem westliehen Lichtschachte eingerichtet ist. Hier haben in dem grossen zwischen den Strebepfeilern der Prunk- treppe errichteten grossen Schranke eine Auswahl von Hufthieren ihren Platz gefunden. In der Mitte auf einem erhöhten Postamente steht ein Moschusochse, 0 V i b 0 s m o s c h a t u s, Fig. 1 , eines der wenigen für die Nord- polar-Regioii charakteristischen Thiere, welches jetzt auf die unwirtlilichen Tundren des nördlichsten Nord- Amerika beschränkt ist, in der Vorzeit aber weit über die ge- mässigten Gegenden der alten und neuen Welt verbreitet war. Neben ihm sind zwei Sunda-Rinder aufgestellt, Bulle und Kuh, die unseren Hausrindern sehr ähnlich sind und auf den malayisclien Inseln, Java, Borneo und Su- matra, von den Eingeborenen gezähmt werden. Etwas tiefer in der Stufen-Aufstellung des Schrankes finden wir einige Einhufer. Die Pferde sind über die Steppen von Central-Asien bis zu den Ebenen am Fusse des Himalaya, über Persien und über das gesammte östliche Afrika bis zum Gap der guten Hoffnung verbreitet. Einige Formen wie das Quagga und Bergzebra gehen jetzt schon ihrem Aussterben entgegen. Ein sibirischer Wildesel, ein Somali -P3sel und das Zebra, welches unser Schutz- gebiet in Südwest-Afrika bewohnt, das Damara-Zebra, vertreten die Einhufer in der Schausammluiig. Von Antilopen sehen wir liier das Nylgau aus Vorderindien und die Säbelantilope des westlichen Sudans, von Ziegen den sibirischen Steinbock, von Wildschafen das nordafrikanische Mähnenschaf, von Hirschen das Renthier aus Norwegen und einen vor kurzer Zeit ausge- stopften Elch, Fig. 2, aus dem einzigen Revier, in welchem dieses gewaltige Wild noch iu Deutschland vorkommt. Ferner befinden sich in dem Schranke noch ein junger afrikanischer E 1 e p h a n t , ein L a m a , ein S c h a b r a c k e u - tapir, Schädel junger Elephanten, von Wiederkäuern und eines Pferdes, deren einzelne Knochen mit Namen bezeichnet sind. In einem besonderen Kasten sind hier noch einige ausserordentlich interessante Praeparate aus- gestellt, die Haare und ein Fellstück eines Mammuth's, jenes langhaarigen Elephanten der Diluvialzeit, welcher im Eise der sibirischen Ströme unvei'sehrt mit Haut und Haaren in mehreren Exemplaren bis auf die Jetztzeit er- balten war. An der dem Riesenschrank gegenüber befindlichen Wand sind Gehörne und Geweihe aufgehängt. Bemerkens- werth ist die Sammlung von Abnormitäten unserer Hirsch-Arten; ausserordentlich starke Exemplare des virginischen Hirsches, ein prächtiges Geweih eines Wapiti und eines amerikanischen Renthiers sind hier in selten schönen Stücken ausgestellt. Ausserdem sehen wir die Gehörne mehrerer Wildziegen, des Alpen- steinboeks, des Sinai-Steinbocks und der Bezoar- ziege, sehr grosse Antilopen-Gehörne von Kudu, Wasserbock, Pferde-Antilope und anderen Arten. Die Mitte nimmt das Doppelhorn eines weissen Nas- horns, Rhinoceros simus, ein; dieses Rhinoceros lebt in Central-Afrika. Darunter hängt das Riesen-Gehörn eines hinteriudischen Ami-Büffels. (Fortsetzung folgt.) Einen neuen marinen Rliizopoden, Camptonema niitans, beschreibt F. Schaudinn in den Sitzungsberichten der königl. preuss. Akademie der Wissenschaften (Band 52, 1894). Derselbe fand sich in der Nähe der biologischen Station in Bergen, iu einer Tiefe von 10 m auf felsigem Grunde zwischen Laminarien und anderen Algen. Ob- sehon bisher nur in 3 Exemplaren aufgefunden, zeigte derselbe doch so interessante und eigenthümliehe Or- ganisationsverhältnisse, dass sie der Schilderung werth erscheinen. Von dem kugeligen Körper gehen nach alleu Seiten hin strahlenförmige, zugespitzte Pseudopodien aus, die gewöhnlich langsam im Kugelmantel nutirende Be- wegungen ausfuhren, bei Berührung mit fremden Körperu aber sich plötzlich an der Berührungsstelle umbiegen oder umknicken. Wegen dieser Eigenschaft der Pseudo- podien erhielt der Organismus den Namen „Camptonema nutans" {xatjnju) = biegen, vijfjia = Faden). Der Durch- messer des Thiercs sehwankt zwischen 0,12 und 0,18 mm. Der Körper ist nackt und besitzt keine besonders differenzirte Oberflächeuschicht. Das opake Aussehen des Weichkörpers rührt von zahlreichen kleinen, runden, stark lichtbrechenden Körnern her, die das ganze Plasma gleich- massig erfüllen und wahrscheinlich Exevetkörnchen sind, wie sie sich ja bei zahlreichen Protozoen finden. Der Weichkörper ist reich mit Vaeuolen durchsetzt. Nahrungs- körper aus Algen oder Schwärmsporen bestehend, befinden sich immer in grösseren Vaeuolen, sogenannten Nahrungs- vacuolcn, eingeschlossen. Pulsirende Vaeuolen wurden nicht beobachtet. Die Pseudopodien von Camptonema strahlen manch- mal ziemlich regelmässig, wie bei den anderen Heliozoen, vom Körper aus. Gewöhnlich sind sie uuregelmässig über die Körperoberfläche vertheilt, d. h. in verschieden grossen Abständen. Einmal entsprangen alle Pseudopodien sogar nur auf der einen Seite des Körpers, während die gegenüberliegende Seite ganz glatt eonturirt war. An ihrem Uebergang in den Weichkörper sind sie von bedeutender Dicke, verschmälern sich dann allmählich und enden mit haarfeiner Spitze. Im aus- gestreckten Zustande erreichen sie eine Länge von 0,1 mm. In ihrem Innern verläuft ein Axenfaden, der sich noch ein Stück weit in den Weichkörper hinein verfolgen lässt. Einzelne Pseudopodien entspringen nicht radiär vom Körper, sondern nehmen eine schiefe, bisweilen sogar tangentiale Stellung ein; sie führen langsame Bewegungen aus, und zwar beschreiben sie den Mantel eines bald spitzen, bald sehr stumpfen Kegels, d. h. sie bleiben in ihrer ganzen Länge gerade gestreckt und biegen sieh nur auf ihrer Basis; doch kann eine Biegung sich auch auf ihre ganze Länge erstrecken. Immer führten nur einzelne der Pseudopodien (2 — 3) diese nutirenden Be- wegungen aus. Wenn sie bei ihrer Drehung an ein be- nachbartes Pseudopodium anstiessen, so gerieth auch dieses oft in Bewegung, oder wenn dieses nicht geschah, richtete sich das nutirende wieder auf. Wenn die Sehwärmsporen einer Alge oder ein kleineres Infnsor in den Pseudopodienwald geräth, so sieht man, wie alle berührten Pseudopodien an der Berühruugsstelle plötzlich 316 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 26. umknicken und sich um die Sporen herumlegen. Das hyaline Plasma zieht sich alsdann in einzelne Kugeln zu- sammen, die nur durch dünne Plasmabrückcn mit einander sammenliängcn und auf der Oberfläehe der Alge fest- geklebt sind. Kleine Organismen kommen selten wieder aus der Umarmung der Pseudopodien los; vielmehr werden sie ziemlich schnell von den letzteren, die hierbei ein ganz wirres Knäuel bilden, in den Weichkörper hinein- gezogen. Grösseren Infusorien gelingt es zuweilen, sich wieder loszureissen; es dauert alsdann sehr lange, bis alle betheiligten Strahlen sich wieder aufgerichtet haben. Die Streckung gebt also im Gegensatz zur Knickung sehr langsam vor sich. Eine derartige Fähigkeit der Pseudopodien, bei Be- rührung umzuknicken, also eine richtige Fangbewegung auszuführen, ist bisher bei Rhizopoden noch nicht beob- achtet worden. Die Zahl der Pseudopodien ist nicht be- deutend; sie beträgt nur 50 — 56 Stück. Die Locomotion des ganzen Thieres erfolgt sehr langsam und ging in zwiefacher AVeise vor sich. Einmal lag der Weichkörper direct der Unterlage auf, während die Pseudopodien nur von der freien Oberfläche ausgestreckt wurden. Das Thier bewegte sich kriechend unter amöboiden, meist nicht sehr ausgiebigen Gestaltsveränderungen. Sodann ruhte der Organismus auf der Spitze seiner allseitig ausstrahlenden Pseudopodien und gerieth, wenn letztere sich bewegten, auch in rollende Bewegung, die ruckweise erfolgte. Ueber die Fortpflanzung des Camptonema konnte Schaudinn nichts ermitteln. Diese Beobachtung am lebenden Organismus wurde durch das Studium an conservirten Thieren und an den durch dieselben gelegten Schnittserien ergänzt und ergab sehr überraschende Resultate. Zunächst fanden sich die Kerne, 52 Stück in jedem Individuum. Ferner zeigte sich ein sehr merkwürdiges Verhalten der oben erwähnten Axen- fäden der Pseudopodien, über deren Verlauf bezw. Eudigung im Plasma am lebenden Thier nichts zu er- mitteln war. Jeder Achsenstrahl verläuft nämlich zu einem Kerne und befestigt sich auf demselben mittels einer Kappe. Die Untersuchung an doppelt- gefärbten Schnitten ergab bei sehr starker Vergrösserung (2000) folgende Einzelheiten. Die Kerne besitzen eine deutlich doppelt conturirte Membran. Das Innere zeigt eine sehr feine Wabenstructur; die Wände der Waben haben sich gleichraässig gefärbt, während die Räume der Waben farblos sind, was wohl darauf beruht, dass das Chromatin in der Wandsubstanz der Waben sehr fein suspendirt ist. An der Membran bilden die Waben einen Alveolarsaum. Alle Kerne zeigten denselben Bau, ihre Gestalt war bald rund, bald oval, birnförmig oder lang gestreckt. Die dem Kern aufsitzende Pseudopodienkappe weist keine Structur auf, sondern sie ist gleichmässig dunkelblau gefärbt. Sie erstreckt sich von einem Pol des Kernes, wo sie am dicksten ist, bis ungefähr zum Aequator, wo sie, allmählich dünner werdend, schliesslich aufhört. Die Kappe kann am besten mit einer Zipfel- mütze verglichen werden, die dem Kerne, wie einem Kopfe aufsitzt. Der Zipfel geht allmählich in die Pseudoi)odien- achse über. Während die Letztere im Leben keine Structur aufweist, zeigt sie am gefärbten Object noch zusammen- gesetzten Bau. Der centrale Theil des Fadens bleibt nämlich ungefärbt, während die Rindenschicht sich ebenso dunkel wie die Kernkappe färbt. Der farblose Achsen- theil lässt sich auch in die Kerukappe hinein noch ein kurzes Stück verfolgen, um dann allmählich undeutlich zu werden. — Die systematische Stellung des Camptonema lässt sich noch nicht sicher bestimmen. Wegen seiner strahlenförmigen Pseudopodien scheint er den Heliozoen am nächsten zu stehen, doch sind wieder gerade die Pseudopodien das Eigenartigste an ihm. Vorläufig ist er daher nur provisorisch anhangsweise bei den Heliozoen unterzubringen. Was dem Camptonema nutans besonderes Interesse verleiht, sind zwei Punkte, erstens die Bewegung der Pseudopodien und zweitens ihre Verbindung mit dem Kern. R. Ueber Sclerotiiiieukrankheiten sind in letzter Zeit mehrere Arbeiten von Woronin, Nawaschin und E. Fischer erschienen, welche auf den Generationswechsel dieser interessanten Pilze ein überraschendes Licht werfen. Bereits 1888 hatte Woronin gezeigt, dass auf Vacci- nium-Arten sich mehrere Arten der Gattung Sclerotinia finden, welche die Beeren zu Sclerotien umwandeln. Aus den Sclerotien keimen gestielte Ascusbecher hervor, welche mit ihren Sporen junge Blätter der Nährpflanze inficiren. Im Innern der Blätter entsteht ein Mycel, welches schliesslich auf büschelig gehäuften, kurzen Trägern reihenAveise Conidien bildet. Diese Conidien, welche zum Theil einen angenehmen Geruch, z. B. nach Mandeln, verbreiten, werden durch Insecten auf die Narben ver- schleppt , keimen hier aus und dringen mit ihren Keim- schläuchen durch den Griffelkanal zu den jungen Eichen vor, dieselben durchwuchernd. Schliesslich wird die ganze Frucht zu einem Sclerotium umgebildet. Ganz ähnliche Arten kommen auf Prunus Padus und Sorbus Aucuparia vor, ferner auf Ledum, Rhododendron, Alnus, Betula u. s. w. Dass nun Conidien und Sclerotien sich auf ein und derselben Nährpflanze ausbilden, ist bei den Pilzen mit mehrerlei Fructifieationsorganen nichts Seltenes, wohl aber war es auffallend, dass sich für mehrere Arten, wie für die a"uf Ledum und Rhododendron niemals eine Infection der Nährpflanze von den Ascosporen aus nachweisen Hess, ebenso dass eine Conidienfructification fehlte. Aus bestimmten Gründen nun hatte Nawaschin vermuthet, dass die Conidien auf einer anderen Pflanze sich bilden mUssten. Dies ist durch Woronin bestätigt worden, welcher nachwies, dass die Sclerotinia auf Ledum ihre Conidien auf Vaccinium uliginosum bildet. Damit ist für Ascomy- ceten zum ersten Male ein Generationswechsel verbunden mit Heteröcie nachgewiesen, eine Erscheinung, die ja für Uredineen schon längst bekannt ist. Für Sclerotinia Ehododendri ist die Nährpflanze der Conidien bisher noch nicht entdeckt worden. Dass diese Entdeckung für die Ascomyceten von grosser Tragweite ist, erscheint ganz selbstverständlich, wenn wir sehen, welche grosse Mengen von isolirt stehenden Conidienformen (Fungi imperfecti) bisher noch nicht mit höheren Pilzen in Verbindung gebracht werden konnten. Es werden viele von ihnen ebenfalls auf an- deren Nährpflanzen, wie die Ascusformen, vorkommen. Damit eröffnet sich für die Untersuchung der ascus- bildenden Pilze ein weites Feld, das so schnell nicht abgebaut sein wird, da die Anstellung- der Versuche sehr mühsam und zeitraubend ist. G. Lindau. Zur Frage uacli den Irrlichtern hat H. Stein- vorth in dem Jahreshefte XIII des naturwissenschaft- lichen Vereins zu Lüneburg Beiträge geliefert*), die die Frage nach dem Wesen derselben ausführlich ventiliren. In den „Jahresheften des naturwissenschaftl. Vereins für das Fürstenthum Lüneburg" (I. 1865 u. IV. 1868 bis 1869) hatte Verf. zu Kundgebungen über neue Beobach- tungen von sogenannten Irrlichtern aufgefordert. *) Die Abhandlung ist besonders (Kommission von Herold u. Waldstab in Lüneburg 1895) Eum Preise von 1 Mk. zu haben. Nr. 26. Nalurwisscuschat'tliclic WocLeuschril't. 317 In einem Vortrage gUiuhtc er dann folgende Scldnss- siitze aufstellen zu dürfen. 1. Das Wort „Irrliclit" ist zu einem Sannuelbegrilf geworden, in den man sehr verseliiedene näelitlieiie liicliterseheinungen zusannnengefasst liat, wie die al)- weielienden Hesehrcibungen deutlieii zeigen. 2. .lene näelitlielien liicliterseheinungen sind dnreh gründlielie Untersnehungcn vornrtheilsfreier Bcohaehter nnzweifclhaft nieht .selten znriiekgetuhrt: a) auf leuchtende Thierchen, l)es(inders Lampyris- Arten und ihre Larven, vielleicht auch auf die Urheber des „Meerleuchtens", b) auf leuchtende Pflanzen, Microeoccus-Arten, Rhizo- morpiia, „Seheinliolz" des Volkes, c) auf phosphoreszirende Vorgänge an verwesenden organischen Stoften, — Fischüberresten, Kartofieln, Fleisch, d) aut Gasentwickeluug in Folge chemischer Yuv- gänge, wobei aber nicht jene bewegliclien Flämm- ehen auftreten, die man insliesondere „eigentliche Irrlichter" genannt hat, c) auf elektrische, dem Elmsfeuer verwandte Er- scheinungen. Diese sind meist häutige Lichterscheinungen und können noch jetzt beobachtet werden. 3. Dagegen berichten fast nur ältere Ueberlieferungen von eigenthümliehen Liehterscheinungen, deren Wesen in Folgendem besteht: Es sind kleine, bewegliche Flämmchen von schwachem Leuchten, die liüpfend oder mit dem Luftzuge weit daliinfabrend rasch auftauchen und wieder verschwinden, verlöschen und wieder erscheinen; sie er- scheinen nahe über der Erdoberfläche, — vorzugsweise an sumpfigen Orten voll Moder, wie Torfmooren, Kirchhöfen, Schindangern, Richtstätten, — immer nur zur Nachtzeit, besonders im Nachsommer, Spätherbst und selbst im Winter. Diese „eigentlichen Irrlichter" sollen früher häufig gewesen sein, sind jetzt selten und, abgesehen von wenigen nicht zweifellosen Fällen, von wissenschaftlichen Forschern trotz eifrigen Suchens nie beobachtet. 4. Dass sie häufig nur Erzeugnisse leichtgläubiger Täuschung, furchtsamen Aberglaubens und erregter Ein- bildung sind, die durch allerlei dichterische Darstellungen noch genährt werden, ist unzweifelhaft; aber auch das wirkliche Vorhandensein solcher Irrlichter ist mehr als zweifelhaft und dürfte ganz zurückzuweisen sein. 5. Folgende Gründe sprechen gegen die Wirklichkeit solcher Irrlichter : a) Die natürlichen Verhältnisse des Bodens und des Klimas sind an vielen Oertlichkeiten, wo sie früher häufig gewesen sein sollen, kaum verändert (grosse Moorflächen, Kirchhöfe, Marsehen), und doch ist es nie gelungen, in neuerer Zeit dort Irrlichter zu sehen. b) Die sorgfältige Nachforschung unbefangener Be- obachter, welche viele Mühe und Zeit darauf ver- wandt haben, unabweisbare Zeugnisse für die Irrlichter aufzufinden (Oberlehrer Ruthe, Direktor Diesterweg, Dr. Büchner etc.) sind ohne jeden bestätigenden Erfolg geblieben. c. Zahlreiche Männer, welche durch Beruf und durch Neigung genöthigt waren, oft und lange zur Nachtzeit Bruch-, Moor- und sumpfige Wald- flächen zu durchwandern (Jäger, Forstleute, Boten, Nachtwächter, Botaniker, Entomologen), oder selbst dort zu wohnen (Frediger, Lehrer, Todteu- gräber, Feldbewohner), haben nie Irrlichter gesehen. d) Fast alle Berichte rühren \on Personen her, die an das Vorhandensein der Irrlichter glaubten und an eine genauere Prüfung der Erscheinung nicht dachten, — meist aber von solchen ans lange vergangener Zeit, deren Zeugnisse niclit mehr zu prüfen sind, — oder gar \on solchen, die als leicht- und abergläubiscli bekannt sind. e) Die Landbevölkerung, welche zunächst Gelegenheit haben müsste, Irrlichter kennen zu lernen, hat das Wort „Irrlicht" wohl nur aus der Schule und aus Erzählungen, und wo sich ein Ausdruck für das unbekannte Ding findet („Tückebold", „Puhu", „Lüchtcmänueken"), da haftet bereits das Zeichen des Aberglaubens daran und sie begleitet ihn meist mit Lächeln als ein Ding, an das heutigen Tages niemand mehr glaubt. f) Griechen, Römer, Araber und andere Culturvölker des Altcrthums kennen die Erscheinung nicht und haben, wie es scheint, kein Wort dafür. Bei den Völkern des Südens und der Tropenländer ist wohl die Erscheinung unbekannt. g) Die wissenschaftlichen Erklärungen der Neuzeit sind bis jetzt nicht genügend. G. Daher bleibt das Sein oder Nichtsein noch heute eine Frage, deren Verneinung nach meiner Ansicht überwiegt. 7. Doch würden wenige unverwerf liehe Zeugnisse mehr gelten als Tausende mit negati\eni Erfolge. Daher ist weiter zu prüfen, zunächst auch alles, was bisher für die Wirklichkeit „eigentlicher Irrlichter", wie schon Munke sie nennt, vorgebracht ist. In der vorliegenden (84 Seiten umfassenden) Arbeit betont Verf. auf Grund seiner Untersuchungen nochmals die vier folgenden Punkte. 1. Unter dem Namen „Irrlichter" sind bisher \iele ganz verschiedene Liehterscheinungen zusammenbegriiten, von denen manche schon eine Erklärung gefunden haben. 2. Die wiederholt geschilderten „eigentlichen Irr- lichter" beruhen zu einem guten Theile auf Täuschungen, ungenauen Beobachtungen und der vorgefassten Meinung, dass man es mit den „bekannten Irrlichtern" zu thun habe, die durch brennbare Gase zu erklären seien. 3. Ueberall, wo es sich um zahlreiche, „ganz gewöhn- liche" Erscheinungen beweglicher, hüpfender, umher- schwärmender Art Flämmchen handelt, wird den Leucht- käfern ein grosser Antheil zuzuschreiben sein, da diese von Juli bis Spätherbst ihre regelmässige Entwickelungs- zeit haben, in schwüler, feuchter Luft häufig sind und ihr Glanz im Nebel vergrössert und entfernter erscheint. 4. Das plötzliche Ausströmen brennender Gase, die anch in nördlichen Gegenden bisweilen beobachtet sind, hat in Bezug auf den Grund ihrer Entzündung zur Zeit noch keine genügende Erklärung gefunden. Die Sonnentheorie von A. Schmidt, mit deren wesentlichsten Zügen unsere Leser bereits durch ein Referat im VIII. Bande dieser Zeitschrift (S. 460) be- kannt gemacht wurden, hat durch neuere Speculationen desselben Forschers eine wichtige Ergänzung erfahren, indem die Entstehung der uns als Protuberanzen erschei- nenden Unregelmässigkeiten des Sonnenrandes in einei- im „Sirius" erschienenen Abhandlung eingehender discntirt wird. Der scheinbare Sonnenrand kommt nach Schmidt bekanntlich nur durch eine eigenartige Refractionswirkung in dem continuirlich nach aussen hin an Dichtigkeit ab- 318 Naturwisseusehaftlielie Wochenschrift. Nr. 2r, nclimenden Gasball zu Stande. In dem erwähnten Auf- satz werden nun die Unregelniässif^keiten in der Dichtig- keitsverthcilung der Gasliüilen, die sogenannten sphae- rischen Schlieren, genauer studirt und gezeigt, wie dieselben unter gewissen Annahmen zur Entstehung der charakteristischen Formen vorwiegend rother, die Wasser- stoff- und Helium-Linien in erster Reihe zeigender Protxi- beranzen Anlass geben können. Es wird gezeigt, warum diese flammenähnlichen Gebilde in der Regel mit der Chroniosphäre verwachsen erscheinen, dass sie aber mit- unter sich auch losgelöst von derselben darstellen können. Die Entstehung der metallischen Protuberanzeu sucht Schmidt auf lebhaftere Störungen des Gleichgewichts der Sonnengase zurückzutiün-en, etwa auf die gewaltigen Wellen und Wirbel, welche ein in die Sonne eingedrun- genes Meteor bei seiner schnellen Vergasung veranlassen dürfte. Die Geschwindigkeit von ]60 — 200 Kilometern, wie sie bei aufsteigenden Protuberanzeu oft beobachtet wird, würde dann der Wellengeschwindigkeit in dem Coronagase entsprechen. — Die geistvollen Speculationen Schmidt's sind in jedem Falle ungemein interessant und wenn auch manche Annahmen, die er zu machen genöthigt ist, den Thatsachen vielleicht nicht entsprechen werden, so gebührt ihm doch das Verdienst, auf die Be- deutung der Refractionswirkungen bei einem Himmels- körper, wie die Sonne ihn darstellt, aufmerksam gemacht und die Wichtigkeit ihrer Berücksichtigung bei den Er- klärungsversuchen der wahrgenommenen, erstaunlichen Phaenomene der Protuberanzen, Fackeln, Flecken u. s. w. erwiesen zu haben. Das Bestreben, die fabelhaften Geschwindigkeiten, welche wir an den Sonnenprotuberanzen beobachten, auf möglichst einfache Weise zu erklären, tritt neuerdings übrigens von mehreren Seiten hervor. So hat vor drei Jahren der holländische Chemiker Brester eine vollstän- dige Sonnentlieorie*) bis ins Einzelne ausgearbeitet, bei der die Sonne durchaus als ein in majestätischer Ruhe sich allmählich abkühlender, glühender Gasball angesehen wird, so dass die Realität der gewaltigen Revolutionen und Wirbelstürme, wie sie die populären Schriftsteller gern in den grellsten Farben darstellen, völlig bestritten wird. Protuberanzen sollen nach dieser, von vielen Seiten sympathisch aufgenommenen Theorie da zur Erscheinung kommen, wo vorher dissociirte oder „überdissociirte" Stoffe sich in Folge der allmählichen Abkühlung und der damit verbundenen Gondensation trennender Gase plötz- lich unter Lichtentwickelung verl)inden, sodass sich die Flammenerscheinung zwar explosivartig mit rasender Ge- sch\\indigkeit ausbreiten kann, ohne dass jedoch dabei eine Massenbewegung sich vollzöge. Die bei der che- mischen Verbindung frei werdende Wärme führt indessen zu keiner Temperaturerhölmng, sondern nur zu erneuter Vergasung bereits condensirter Stoffe, so dass an der be- treffenden Stelle eine starke Absorption des photosphae- rischen Lichtes, also ein Fleck entsteht. Auch alle übrigen, an der Sonne beobachteten Phaenomene, sowie deren Periodicität sucht Brester in seiner Schrift aus wenigen Grund-llvpothesen abzuleiten, worauf hier einzu- gehen jedoch der Raum mangelt. Schwierigkeiten er- geben sich dieser ganz neuartigen Auffassung gegenüber ^■ornehnllich von Seiten der Spectralanalyse, indem das Dopjder'sche Prineip eine gewisse Modification erfahren niüsste, damit die Verschiebung der Spectrallinien auch bei fortschreitenden Flanmien ähnlich wie bei der Be- wegung eines leuchtenden Kör])crs zu Stande kommen kann. Jedenfalls ist eine ernstliche Prüfung auch dieser *) Theorie du Soleil. Aus den Verhandlungen der Kon. Aka- demie van Wetenschapiien te Anisterdam. Amsterdam 1892, Joh. Müller. Brester'schen Ansichten an der Hand weiterer Beobach- tungen und Experimente wünsehenswei-th und nothwendig, um die speculativc Wissenschaft vor dem Beibehalten vielleicht falscher Bahnen zu behüten und einseitige, dem blossen Scheine folgende Ansichten zu ül)crwinden. F. Kbr. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: der Regierungs- und Medicinah'ath Dr. Sc hm idtmann aus Breslau in der Medicinal-Abtheilung des CultusminiBteriums zum Geheimen Medicinalrath und vortragenden Rath; die ausserordentlichen Professoren der Chemie bezw. Botanik Dr. Alfred Werner und Dr. Hans Schinz in Zürich zu ordentlichen Professoren; an der Königl. Landesanstalt und Bergakademie zu Berlin zu Professoren der Lagerstättenlehrc bezw. Paläontologie Dr. Beyschlag und Dr. Th. Eberdt, zum Bezirksgeologen der Hilfsgeologe Dr. Lou is Beushausen, zu Hilfsgeologen Dr. Joh. Schmidt und Dr. Richard Michael; der Generalarzt I. Klasse Dr. A. Vogt zum Generalstabsarzt der bayrischen Armee; der ausserordentliche Professor für speciello innere Pathologie in Krakau Dr. Jaworski zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: der ordentliche Professor der Physiologie an der deutschen Universität Prag Hering nach Leipzig; der ausserordentliche Professor Dr. Otto Körner, Director der Poliklinik für Hals- und Ohreukrankheiton in Rostock als ordent- licher Professor nach Breslau, als Nachfolger Prof. Gottsteins; der ausserordentliche Professor der Chirurgie Dr. Helferich in Gi-eifswald als ordentlicher Professor nach Breslau; Dr. Richard Kukula von der Bibliothek zu Klagenfurt als Bibliothekar an der Königl. Bibliothek zu Berlin; Dr. Friedrich Renk als ordentlicher Professor für Nahrungsmittelchemie, Gewerbe- und Wohnungshygiene und Bakteriologie an die technische Hoch- schule zu Berlin. Abgelehnt hat: Der ordentliche Professor der Piiysiologio Dr. von Kries in Freiburg den Ruf nach Leipzig. Es habilitirten sich: an der technischen f lochschule zu Dresden Dr. Bergt für Mineralogie und Geologie und Dr. Förster für Chemie. Zur Disposition gestellt wurde: der Generalstabsarzt der bayrischen Armee Dr. von Lotzbeck. Aus dem Dienst entlassen wurde: der Regierungs- und Medicinalrath Dr. Troost in Aachen wegen der bekannten Vor- gänge in Mariaberg. Es starben: der ordentliche Professor der Astronomie in Berlin Dr. Tietjen; der ehemalige Professor der Chirurgie und Director der chirurgischen Klinik in Jena Wirkl. Geheimrath Franz von Ried, der Senior der deutschen Chirurgen; Sanitäts- rath Dr. Karl Hartwig, Director der Provinzial-Hebammenlehr- nnd Entbindungsanstalt zu Hannover, früher Privatdozent in Göttingen; der Geologe Dr. Valentin Ball, Director des National-Museums in Dublin, früher Professor der Geologie an der Universität daselbst; der Forschungsreisende Gustav Erik Adolf Nordenskj öld zu Stockholm. Der VI. Congress der Irren- und Nervenärzte Frankreichs wird am L August lü'Jb in Bordeaux unter dem Vorsitze des Prof. JofiFroy eröffnet. Die Deutsche Ophthalmologische Vereinigung wird vom 4. bis 7. August in Heidelberg tagen. Der Verein zur Förderung des Unterrichts in der Mathe- matik und den Naturwissenschaften hielt seine diesjährige Hauptversammlung in der Pfingstwoclie zu Göttingen ab. Li den allgemeinen Versammlungen sprachen die Universitäts-Professoren Felix Klein über den mathematischen Hochschul-Unterricht mit besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse der Schulamts- Candidaten, und Geheimrath Baumann über die Bedeutung der Naturwissenschaften für eine wissenschaftliche Lebensauffassung. Von den Vorträgen in den Sitzungen der Fachabtheilungen hat der von Director Schwalbe (Berlin) über die Meteorologie in der Schule ein allgemeineres Interesse. — Sämmtliche Vorträge werden in den im Verlage von 0. Salle in Braunschweig erschei- nenden Unterrichtsblättern für Mathematik und Naturwissen- schaften, die zum Vereius-Organ bestellt worden sind, veröffent- licht werden. [Herausgeber: Schwalbe (Berlin) und Pietzker (Nordhausen)]. Für die nächste Versammlung, die im Jahre 1811G in i^lberfeld abgehalten werden soll, steht u. a. die wichtige Frage der zweck- massigsten Vorbildung für die künftigen Ingenieure auf der Nr. 2(; Naturwissenschaftliche Wocheuschrift. 319 Tagesoi-iliuiiif;, tlor Berirlit über ilif.si- Fi-af^c, ili.' diu-cli ilie lie- kannte StOirit't des Prof. K'ieilU'r in Cliai-lottonburfr iii'iienliiiss in Fluss };(konimeu ist, winde den DirectiUiii llolzmüllor (Hagen) und Sclnvalbü (^Borlin) übertragen. Den N'orstiind des Vereins bilden zur Zeit die Dircctoren llanidorff (Guben) und Seliwallie (Berlin), der Gynniasial- I'rotessor l'ietzker (Nordhausen) und die < »berlehrer Schotten (Schmalkalden) und Presler (Hannover). L i 1 1 e r a t u r. Wilhelm von Bezold, Hermann von Helmholtz. Gediiehtniss- reile, gehalten in der Singakademie zu Berlin am 14. Deeember 1804. Mit einem Porträt naeh einem Üelgemäldo von Franz von I.enbach. Johann Ambrosius Barth (Arthur Älciner). Leipzig 1895. Die Gediielitnissfeier, deren Mitteli)nnkt die vorliegende Rede bihleto, ist von 15 wissenschaftlichen und technischen Vereinen Berlins veranstaltet worden. Die warm empfundene Rede giebt kurz und klar ein treft'endes Bild von Helmholtz: des Menschen und Gelehrten. Ernst Schnitze, Lavoisier der Begründer der Chemie. Samndung tremeinverstiindlicher wissenschaftlicher Vortrüge, herausgegeben \ (in Kud. Virchow und Wilh. Wattenbach. Neue Folge, Heft 212 Verlagsanstalt und Druckerei A.-G. (vormals J. F. Richter). Hamburg 1894. — Preis 0,80 M. Die Ansichten über die Bedeutung Lavoisiers waren bisher sehr getheilt. Während die einen ihn fast vergötterten und ihm den Namen „Begründer der Chemie" zuertheiltcn, warfen ihm andere vor, dass er alle seine angeblich eigenen Gedanken un- vc'cbtmässigerweise fremden Forschungen entlehnt hätte. Sein Charakterbild schwankte in der Geschichte, und eine gerechte Reurtheilung seiner Verdienste und Fehler war bisher kaum möglich. Vorliegendes Schriftehen sucht nun ein völlig unparteiisches Bild des zweifellos bedeutenden Mannes zu entwerfen, und man niuss sagen, dass dieser Zweck vollkommen erreicht ist. Das F.ndurtheil über ihn ist etwa in folgenden Sätzen ausgedrückt: ..Seine chemischen Leistungen sind es nicht gewesen, die Lavoisier zu einer so bedeutenden Er=cheinung in der Geschichte der Chemie machen; vielmehr ist diese herbeigcfidirt durch die grossartige Kombinationsgabe, die ihm in wunderbarem Grade eigen war, und durch seine elegante Uebertragung der physikalischen Me- thoden auf chemische Untersuchungen" (S. 16). „Seine Arbeit bestand darin, das, was andere erforscht und erarbeitet hatten, zu einander in das richtige Verhältniss zu bringen , alle die Erscheinungen, deren Kenntniss von Tausenden von Beobachtei'n in mühevoller Arbeit angesammelt worden war, zu ein em grossen, umfassenden Systeme zusammenzufassen, welches, indem es alle Beobachtungen unter einem Gesichtspunkte betrachtete, im Stande war, auf jede einzelne Thatsache ein erklärendes Licht zu werfen"' (S. 29). „Lavoisier steht in keiner Weise höher, wie jene Anderen (seine Vorgänger), die sich zu derselben Erkenntniss durchgerungen hatten, aber er hatte das Glück, von seiner Zeit verstanden zu werden; und darum hängen die Augen der Nach- welt bewundernd an seiner Gestalt, während sie für Hooke, Rey und Andere kaum einen Seitenblick übrig haben" (S. 30). ,Jn sein Andenken mischt sich das schmerzliche Gefühl, dass sein Charakter nicht untadelig war, und das Bewusstsein, dass Geistes- reichthum nicht immer mit Geistesgrösse verbunden ist" (S. 34). ( ibcrhhrer Bernhard Landsberg, Streifzüge durch Wald und Flur. Eine Anleitung zur Beobachtung der heimischen Natur in Monatsbildern. Für Haus und Schule bearbeitet. Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner. 1895. — Preis geb. 2,80 M. Das freundliehe Buch ist wohl geeignet, eine verständige Natiirbetrachtung und Neigungen, mit der Natur zu plaudern, in die richtigen Wege zu leiten, auch wohl überhaupt zu einer näheren Betrachtung der Natur anzuregen. Aufgeweckten Knaben und Mädchen kann das Buch daher als guter Führer in die Hand gegeben werden. Dr. Julius Ephraim, Sammlung der wichtigsten Original-Ar- beiten über Analyse der Nahrungsmittel, zusainmengestellt und mit Anmerkungen versehen (Bibl. für Nahrungmittel- Chemiker. Bd. 4). Johann Ambrosius Barth (Arthur Meiner) Leipzig 1895. - Preis G M. Die Zusammenstellung wichtiger Original-Arbeiten ist für den Nahrungsmittel-Chemiker, der nicht immer diese Litteratur au der Original-Stelle zur Hand haben kann, von grosser Wichtig- keit. Auch wird das Buch beitragen, die Kenntniss mancher wichtigen Arbeit in weitei-en interessirten Kreisen zu veranlassen, die zu ihrem Schaden nicht immer genügend orientirt waren. Die Auswahl der Arbeiten ist geschickt. Littcraturauszüge deuten die Richtung an, nach der die ursprüngliche Methode ausgedehnt oder abgeändert wurde. Von einer neuen „Geographischen Zeitschrift" herausgegeben von Dr. Alfred Hettner, ausserord. Professor au der Univer- sität Leipzig, (Leipzig, B. G. Teubner) liegt uns das 1. staatliche Heft des ersten Jahrganges vor, ausgegeben am 15. Juni 189.5. Die „Geographische Zeitschrift" wird in zwölf Monatsheften von durchschnittlich S'/a bis 4 Bogen Grossoktav erscheinen (zum Preise von IG Mk. für den Jahrgang) und nach Bedarf mit Karten und Figuren versehen sein. Trotz der ansehnlichen Zahl geographischer Zeitschriften uniectioucn: = I- Cygnus. IV. Serpens. VII. Aquila. X. Norma. II. Ursa major. V. Cancer. VIII. Corvus. XI- Argo navis. III. Perseus. VI. Pisces. IX. Eridanus. XII. Phoenix. Diese Sternkarten werden geliefert: als Atlas (je 1 Ex. der 12 Karten enthaltend) in Lederpapierunischlag geh, als Block (10 Ex. einer Karte enthaltend) auf Pappe, mit Gebrauchsanweisung. Exemplare des Atlas oder der Blockausgabe sind zum Preise von I Mark durch jede Buchhandlung zu beziehen. Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan Berhn N., Tegelerstr. 15. I Sammlungs-Schränke für Sammlungen jeder Art in den verschiedensten Ausführungen. Rudolph Zwach Tischlermeister. BERLIN, Invalidenstrasse 101. Lieferant der Königl. Berg-Aka- demie, Landwirthschaftl. Hoch- scliule und Museum für Natur- kunde. Wcrt?olle Hiirlier zu billigen rreiscn: ItilderatlaN il. Sterueiiwelt. 41 prächtig ausgef. color. Tfln. mit ausführl. Text v. E. Weiss. Beste Astronomie für Jedermann! Statt M. L'u für M. ."). von Hclieehtenflal - Halliei*. Flora von Deutschland. 5. Aufl 3U Bde. mit lieg. Geb. Wie neu. Statt M. L>69..^u für nur M. 150. 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Inseratenannahme bei allen Annoncenbiireauz wie bei der Expedition. Abdrack \»t nnr mit voliititäiKtiser Quellenangabe gestattet. Die zoologische Sammlung des Königlichen Museums für Naturkunde zu Berlin. Die Säugetbier - Scliausamniluiig. [Fortsetzung.] Der Mittel-Saal des Langhauses. In dem neben dem Licbthofe befiudiiclien Langhaus- Saal ist die systematische Säugethier-Sammlung unter- gebracht, soAvie in zwei Vitrinen und in den unter den Fenstern stehenden Kasten eine sehr lehrreiche Sammlung anatomisclicr und osteologischer Präparate, welche in einem besonderen Kapitel betrachtet werden soll. An der Ost wand des Saales eröffnen die Menschen- Affen, Simiidae, den Reigen der Säugethiere. Zunächst fällt uns da ein erwachsener Orang-Utan aus Nord- Sumatra in die Augen; ihn schenkte Herr Dr. H. Dohrn, der ihn bei Langkat erlegen liess. Neben ihm steht ein Schlafnest, welches Herr Professor Selenka von Borneo heimbrachte, ein lose zusammengefügtes Bündel von Zweigen, auf welchem der riesige Affe seine Nachtruhe hält. Er theilt diese Gewohnheit mit dem Schimpansen, von welchem ein Exemplar ebenfalls die Sammlung ziert; von dem Gorilla, welcher in einem erwachsenen Weib- chen ausgestellt ist, weiss man noch nicht, ob er ähnliche Nester baut. Die drei Gattungen von Menschen-Aften zeichnen sieh durch den Mangel von Gesässschwielen vor allen auderen Affen aus. Sie bewohnen zwei weit von einander getrennte Gebiete, West-Afrika (Gorilla und Schimpanse) und die Sunda-Inseln Borneo und Sumatra. In der Vorzeit waren sie, wie die Funde in den Siwalik- Bergen beweisen, auch in Vorder-Indien vertreten. Die Brücke zwischen den Menschenaft'en und den Hundaffen, Cercopi thecidae, bilden die Langarm- Affen oder Gibbons, Hylobates, welche wie die Menschenaffen weder Backentaschen, noch einen Schwanz haben und wie diese mit dem äusseren Fussrande auf- treten, alter kleine Gesässschwielen besitzen. Die Gibbons, von welchen ein Vertreter, der we isshändige Gibbon von Malakka hier ausgestellt ist, bewohnen Hinterindien vom Brahmaputra und von Süd-China bis zum malaj'i- schen Archipel in ungefähr 10 Lokalformen. Nur in Sumatra leben 2 Arten neben einander, deren eine sich durch einen nackten Kehlsack von allen übrigen unter- scheidet. Die Hundsaffen zerfallen in eine Anzahl von Gat- tungen, von deren jeder ein oder mehrere Vertreter aus- gestellt sind. Von den kurzschwänzigen Makaken, welche die Nordküste von Afrika und ganz Süd-Asien in einer Keihe sich lokal ersetzender Formen bewohnen, finden wir den Magot, Macacus inuus von Marokko, den einzigen Affen, der in Europa noch wild lebt und auf Gibraltar in einer kleinen Heerde geschont wird, ferner den östlichen Vertreter dieser Gruppe, den sogenannten Schopfpavian, der noch als besondere Gattung Cynopithecus von den Systematiken! aufgeführt ist, aber sicherlich nur ein etwas abweichender Makak ist. Eine andere weit ülter Süd- Asien verbreitete Reihe bilden die langschwänzigen Makaken, von denen wiederum in jeder Gegend ein Ver- treter lebt. So haben wir überall im tropischen Asien 2 Makaken, einen mit kurzem und einen mit langem Schwanz. Von den Sunda-Liseln z. B. sehen wir in der Schausammlung den zum Pflücken der Kokosnüsse abge- richteten Schweinsaffen, Macacus nemestrinus, und den gewöhnlichen Macacus cynomolgus. Den Makaken entsprechen in Afrika die Meerkatzen, CercopitheCus, welche sich in verschiedene Gruppen ordnen, deren bekannteste Vertreter aufgestellt sind. Da sehen wir eine grüne Meerkatze, eine dunkelgrüne Meerkatze, eine Weissnase, eine Mona-Meerkatze, eine Diana-Meerkatze u. s. w. Jede der hier au.sge- stellten Formen hat in den einzelnen zoogeographischen Gebieten Afrikas einen ähnlich gefärbten Vertreter. Da- bei muss man beachten, dass in den Steppen-Gegenden 322 Naturwissenschaftlich» Wochenschrift. Nr. 27. von Nordwest-, Ost- und Südwest- Afrika überall nur je ein Repräsentant der beiden ersten Grupen, in West-Afrika dagegen Vertreter von 6 — 7 Gruppen neben einander leben. Etwas abweichend sind die Paviane, Papio. Sie haben eine stark verlängerte Hundeschnauze und tragen den Schwanz nach unten in rechtem Winkel gebogen. i\Ian kennt von ihnen eine Reiiie von Formen, welche sich von Gebiet zu Gebiet in Afrika ersetzen. Es giebt g-rüne, graue, rothe und braune Paviane; einige der in zoologischen Gärten häufigsten sind ausgestellt. Während alle diese Arten grosse Baekentaschen besitzen, zeichnen sich die südasiatischen Schi a n k a f f e n , S e m u o p i t h e c u s , und die afrikanisclien Seidenaffen, Colobus, durch den Besitz rudimentärer Backentaschen aus. Sie verfügen aber über ein anderes Mittel, die Verarbeitung der ge- nossenen Speisen zu befördern, dadurch, dass ihr Magen wie derjenige der Wiederkäuer getheilt ist. Zu den Schlankaffen gehören einige sehr sonderbare Formen, der Nasenaffe und der Kleidcraffe, wohl das bunteste kennt. Der typische Schlankafie Säugethier ist heilige welches man der Hu Im an, der Affe der Inder. Von den Seidenafifen giebt es zwei Gruppen, deren eine schwarz- und weissgcfärbte Foinien, deren andere bunter ge- färbte Arten umfasst. Als V^ertreter der ersten Gruppe ist der G u e r e z a des abessinischen Hoch- landes und ein prächti- ger Colobus eauda- tus vom Kilima Njaro aufgestellt, ein Geschenk des Herrn Oscar Neu- mann, als derjenige der zweiten Gruppe der Zanzibar- Seiden- affe, Colobus kirki. Die Seidenafifen haben ihren Namen wegen des langen, seidenartigen Riickenbelianges, der von den Ein- geborenen seit langer Zeit zu allerhand Schmuck verwendet und im europäischen Handel als Pelzwerk geschätzt wird. In der nächsten Schrankreihe beginnen die neuwelt- liehen Affen. Sie unterscheiden sicli von den altweltlichen Formen dadurch, dass die Nasenlöcher nicht nach vorn, sondern mehr seitlich gerichtet sind, dass im Schädel der knöcherne Gehörgang sehr kurz und im Gebiss oben und unten jederseits ein Zahn mehr als bei den altweltlichen Formen vorhanden ist. Man fasst die altweltlichen Affen als Catarrhini, die neuweltlichen als Platyrrhini zu- sammen. In Amerika giebt es Affen nur in den Tropen, und zwar leben dort 8 Gattungen, von denen in der Schau- samndung Vertreter stehen. Da sind die Brüllaffen mit ihrem merkwürdigen Resonanzapparat in der Kehle, dem blasig aufgetriebenen Zungenbein, die Wollaffen mit ihrer weichen, wolligen Behaarung, die Klammer- affen, welche den Schwanz wie eine Hand gebrauchen können und deren Pelzwerk in Amerika viel getragen wird; die Kapuziner- Affen, die Seh weif äffen, Springaffen, Todtcnkopfäffchen und die Naeht- affeu. In den meisten Gebieten des troi)isehen Amerika lebt von jeder dieser Gattungen nur ein Vertreter; im Amazonen-Gebiet scheinen Klammer- und Kapuziner-Affen in je zwei Formen vorzukommen. In der neuen Welt findet man noch eine dritte Fa- milie der Affen, welche in der äusseren Gestalt schon fast an Nagethiere erinnern. Das sind die Krallenaffen, Arctopitheci, die nur an den Hintergliedmaassen Hände haben und deren Finger ausser dem Daumen der Hinter- hand sämmtlich Krallen tragen. Diese kleinen Affen leben wie Eichhörnchen; von iliuen sind der üisti ti und das Löwenäffchen die bekanntesten. Die nun folgenden Halbaffen, Prosimii, haben zwar, wie die Affen, Hände, aber bei allen Formen trägt der Zeigefinger der Hinterhand eine Kralle. Sie leben in einer grösseren Zaiil von Arten auf Madagaskar, der Ohren - maki und der Potto bewohnen Afrika, der Schlank- lori, Pluniplori und das Gespenster - Acffehen Süd- Asien. Von den hierher gehörigen Formen seien noch erwähnt, der schöne Indri, der sich durch den sehr kurzen Schwanz auszeichnet, ferner der Mohren maki und das seltsame Fingerthier aus Madagaskar, ein nächt- liches Thier, welches mit den langen, spitzkralligen Fingern aus dem Zuckerrohr Insecten und das süsse Mark hervor- holt und über dessen Stellung im System die Ansichten noch nicht ganz geklärt sind. Die dritte Felix leo, Löwe. (Ivurzmähnige Form dos afrilcinisclien IjOwoii.) Ordnung der S ä u g e t h i e r e wird von den Fledermäu- sen, Chiroptera, ge- bildet, welche leicht durch die zwischen den sehr verlängerten Fingerknochen ausge- spannte Flughaut von allen anderen Formen unterschieden werden können. Zwei grosse Stämme der Flatter- tliiere sind zu tren- nen, die Grossfleder- mäuse, Megachiro- ptera, und die Klein - fledermäuse, Micro- c h i r 0 j) t e r a. Das beste Erkennungsmittel für diese beiden Gruppen liegt in der Gestalt der Ohrnuischel; diese bildet bei den Grossfledermäusen einen geschlossenen ovalen Ring, bei den Kleinfledermäusen aber gehen die Ränder des Ohres am Kopf von zwei von einander entfernten Stellen aus. Unter den Flughunden, den Mitgliedern der ersten Unterordnung, sehen wir u. a. den fliegenden Fuchs der Sunda-Inseln, welcher in grossen Seliaaren die Obstgärten verheert, und die eigenthümliehe Röhren- nase, Harpyia, von Celebes, deren Nasenlöcher rüssel- artig hervortreten. Die Kleinfledermäuse len, welche sich nach der theilt man in mehrere Fa- milien, weicüe Sien nacii aer Gestalt des Gesichtes und dem Verhältniss des Schwanzes zur Scheukelflughaut unter- scheiden. Unter den Blattnasen finden wir die sonderbare Leiernase von Deutsch-Ostafrika, denVampyr und die Blattnase von Süd-Amerika, die den Pferden und Rindern Blut aussaugen. Eine Auswahl der interessanten Glatt- nasen-Fledermäuse schliesst diese Sammlung ab. Die nächste Ordnung im System sind die Inseeten- fresser. Eine kurze Beschreibung ihrer eigenthümlichen Merkmale ist hier unmöglich, weil sie in ihrer Erscheinung sehr verschiedene Gruppen der Nager nachahmen, im Gebiss aber z. Th. mit den Raubthieren verwandt sind. So stimmen ativen Eigenschaften überein. Sie bekrallte Füsse und sehr scharf- sie eigentlich nur in ne haben sämmtlich stark spitzige Backzähne; gewöhnlieh vorn stark verjüngt. Alle sind ist die Schnauze nach Sohlengänger. Hierher Nr. NaturwisRcnsehaftliche Wochenschrift. 3-23 seliiiren die Igel, Sfaulwtirfe und Spitzmäuse, hier linden wir den ßorstenigel von Madagaskar, den ►Sclilitzrüssler von Haiti, das Spitzhörnchen der Sunda-lnseln, ein Eichhörnchen mit Kaubtliier-Gebiss, die Riisselspringer von Afrika, den Sternniaulwurf von Nord-Aniorika, den Goldniaulwurf von Süd-Afrika und die Spitzotter, Potamogale vclox von Kamerun, eine der grösstcn Seltenheiten zoologischer Museen. Unter den Raubt hie ren, welche die nächste Schrankreihe einnehmen, erregen einige besonders in- teressante Katzen, Felidae, vornehmlieh das Interesse. Da ist zunächst ein Löwe (Fig. 3), der in der Wildniss ge- schossen ist, und welchen der Afrikareisende Oscar Neumann nebst einer ausgewachsenen Löwin in der Massaisteppe erbeutete und dem Museum schenkte. Dieser Löwe ist nicht nur deshalb interessant, weil er direct importirt ist, sondern auch weil er zu der kurz- mähnigen Form der afrikanischen Löwen gehört, welche vom Südrande der Sahara bis zur Kalahari lebt. Ferner möge ein schöner ostafrikanischer Leopard er- wähnt sein, ein Tiger, ein Jaguar und ein Nebel- parder. l)ann folgt eine Auswahl der am besten be- kannten gefleckten und getüpfelten Katzen und der Gepard, eine Mittelform zwischen Hund und Katze schliesst diese Gruppe ab. Die Ginsterkatzen, Vi- verridae, welche nunmehr folgen, haben die Gestalt der Marder, aber einen spitzen Kopf und ein anderes Gebiss. Eine der merkwürdigsten und seltensten Formen dieser Abtheiluug ist der Mampalon der Suuda-Inseln, ein otterartiges Tbier mit Katzenpfoten; neben ihm steht der Binturong, es folgen die verschiedenen Formen der Ginster- und Zibethkatzen, die eigenthümlichen hierher gehörigen madagassischen Gattungen, die Man- gusten, Ichneumons und Rollmarder, die Kusi- manse und das Scharrthier. Einige der Viverren sind allgemeiner bekanntgeworden. Die Zibethkatze, welche von Westafrika bis zu den Philippinen in je einer Art für jedes zoogeographische Gebiet verbreitet ist, liefert das berühmte Zibeth, ein nach Moschus riechendes Parfüm. Die Pharaonsratte wurde von den alten Aegyptern heilig gehalten. Von den Ginsterkatzen bildet die Zibeth- hyäue den Uebergang zu den Hyänen, Hyaenidae, welche in Afrika und dem südlichen und östlichen Mittel- meer-Gebiet lebeu. Man kennt bis jetzt drei Arten, die gestreifte Hyäne im Norden von Afrika und in West- Asien bis zum Himalaya, südlich von diesem Gebiet die gefleckte Hyäne, und in Süd-Afrika eine dritte Form, die braune Hyäne oder der Strandwolf. Nunmehr folgen die Hunde, Canidae, welche wie die vorigen auf den Zehen gehen. Die Hunde leben überall ausser in Australien und Madagaskar. Im Allgemeiuen finden wir in jedem Gebiete einen Wolf und einen Fuchs. Daneben leben noch in gewissen Gegenden einzelne sonderbare Hundeformen, wie der Hyänenhund und der Löffelhund in Afrika, der Marderliund in Ostasien, der Waldhund und der rothe Wolf in Süd-Amerika. Afrika hat ausserdem noch eigenthümliche kleine Füchse mit sehr grossen Ohren aufzuweisen, von denen ein Vertreter, der Fenne k ausgestellt ist. Die nächste Familie der Eaubthiere sind die marder- artigen Thiere, welche im Gebiss nur je einen Höcker- zalm oben und unten besitzen. Die typischsten Vertreter dieser Gruppe sind die eingentlichen Marder. Sie haben zurückziehbare Krallen und gehen auf den Zehen. Es sind vorzüglich Bewohner der gemässigten Breiten. Nur einige Furmen gehen in Ostasien bis zu den Sunda-lnseln südwärts und in Süd-Amerika bis Peru. Viele liefern ein vorzügliches Pelzwerk, wie der Zobel, der cana- dische Marder, der amerikanische Nörz, welcher auch Vison oder Mink heisst, der Iltis u. a. Eine andere Gattung, welche die kälteren Gegenden der nördlichen Erdhälfte zum Vaterlande hat, ist der Vielfras, dessen Fell als Pelzwerk ebenfalls hoch ge- schätzt wird und welcher den grossen Lemmingzügen folgt. In Süd-Amerika vertreten die Grison's in zwei oder drei Arten die Familie der Marder; sie klettern ge- schickt wie alle bisher genannten Thiere der (iruppe und entsprechen ungefähr den altweltlichen Uonigdachse n, Rate 1 US, welche in Afrika und Vorderindien gefundeu werden. In Amerika lebt noch eine andere, wegen ihres schönen Pelzes viel gejagte Gruppe, die Stink thiere, Mephitis, welche von den Vereinigten Staaten bis nach Chile in einer ganzen Reihe von zoogeographi- schen Formen verbreitet ist. Merkwürdiger Weise kommt in Afrika eine sehr nahe verwandte Gattung, der Bandiltis vor, wie denn auch unter den Mäusen die sonst auf Amerika beschränkten Trugratten in der Rohrratte, Aulacodus, einen Vertreter in Afrika haben. Dem Aufenthalt am Wasser angepasst sind die Ottern, welche zwischen den Zehen eine Schwimmhaut besitzen und deren Schwanz zum Ruderschwanz abgeplattet ist. Von ihnen lebt überall in der Continentalregion je eiue Form, in den Tropen je zwei Vertreter, die eine mit wohl ausgebildeten Krallen, die andere mit verkümmerten Nägeln. Eine etwas abweichende Gattung ist die hoch- nordische Seeotter, Enhydris, deren kostbarer Pelz mit 1500 Mark für das Stück bezahlt wird. Durch ihren plumpen Körper erinnern schon etwas an die Bären die verschiedenen Arten der Dachse, welche im gemässigten Europa, Asien und Nordamerika leben, wegen des Felles und Fettes viel gejagt werden und in dem Stinkdachs (Mydaus) der Sunda-lnseln ihren südlichsten Vertreter haben. Die letzte Gruppe der Raubthiere bilden die Bären; sie fehlen in Afrika, auf Madagaskar und in Australien. Amerika besitzt im Waschbär und Nasenbär eigen- thümlich ausgebildete Formen, der Himalaya ist das Vaterland des seltenen Panda oder Katzenbären; der Katzenfrett und der Wickelbär sind in Mittel- Amerika zu Hause. Die eigentlichen Bären sind überall in der Continental-Region zu finden, aber nicht im östlichen und südlichen Süd -Amerika und in Afrika. Zu den gewaltigsten Formen dieser Gattung gehört der nordische Eisbär, eines der wenigen Säugethiere, welche im Sommer und Winter weiss sind, und der Grisel-Bär der nordameri- kanischen Fclsengebirge. lu der nächsten Schrankreihe stehen die haupt- sächlichsten Vertreter der Nage thiere, einer viel- gestaltigen Familie, deren Mitglieder sämmtlieh durch das Vorhandensein je zweier grosser, nur vorn mit Schmelz überzogener, meisselförmiger Nagezähne aus- gezeichnet sind. Hier haben wir zunächst die Hasen, kenntlich durch den sehr kurzen, dicht und buschig be- haarten Schwanz; ihr Gebiss ist von demjenigen aller anderen Nagethiere verschieden durch das Vorhandensein von je zwei kleinen stiftförmigen Vorderzähnen hinter den Nagezähnen. Hasen leben überall in der Continental- region ausser in Chile, Argentinien und Patagonien und zwar wahrscheinlich überall nur je eine Form, ausser in einigen Gebieten, wo noch ein Kaninchen dane))en auf- tritt. Die nördlichsten Vertreter dieser Gruppe werden im Winter weiss, wie es auch beim Wiesel, beim Hermelin, bei den Polarfuchs- und einigen Leniming- Arten der Fall ist. Nahe verwandt mit ihnen sind die sibirischen Pfeif- hasen, Lagorays, deren Hinterfusse aber nicht ver- längert sind und welche keinen sichtbaren Schwanz haben. In demselben Schrank befindet sich ein sonderbarer Nager, 324 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 27. der äusseriich an die Eichhörnchen erinnert und durch eine zwischen den Beinen ausgespannte behaarte Flug- haut sowie durch einen merkwürdigen nnter der Schwanz- wurzel befindlichen Apparat von spitzen Hornschuppcn sich auszeichnet. Es ist das Stachelschwanz-Eich- hörnchen, welches in mehreren Arten im tropischen Afrika lebt. Die echten Eichliörnchen bilden eine arten- reiche Gruppe, welche in den gemässigten Breiten nur in wenigen Formen vertreten sind, aber in den Tropen der alten und neuen Welt in grosser Mannigfaltigkeit gefnn- den werden. Alle Arten sind behende Baumbe- wohner, welche sehr gut springen können und de- ren Pelz, wie derjenige der Hasen vielfach verar- beitet wird. Eine in den Tropen Asiens besonders formenreiche (iruppe der- selben, welche aber anch in Sibirien und Nord-Ame- rika mehrere Vertreter hat, ist diejenige der F 1 u g h ö r n c h e n , welche durch eine zwischen den Extremitäten ausgebrei- tete behaarte Hautfalte, die wie ein Fallschirm benutzt wird, zu sehr weiten Sprüngen befähigt sind. Durch die Erdeichhörnchen, welche Afrika be wohnen, finden wir den UeberÄang; zu den Backen hörnchen und Zieseln Erdhälfte, welche Erdhöhlen leben von den Eingeborenen als grosse Delikatesse geschätzt wird, die wegen ihrer Wanderungen berühmten Lcmminge des Nordens und die Bisamratte, welche die Ufer der nordanicrikanischen Seen und Flüsse in grossen Colonieen bewohnt und deren l'elzwerk einen Gegenstand des Handels bildet. Sehr eigenthündich und wegen der Be- sonderheiten des Knochengerüstes von den übrigen Mäusen abgetrennt Springmäuse Fig. 4. Moschus moBcliiferus, Moschusthier. gesellig in Angehörigen der nördlichen und zum Theil ein gutes Pelzwerk liefern. Hierher gehören auch die Murmelthiere und der Prai rieh und, wel- cher in grossen, oft meilen- weiten Ansiedelungen verei- nigt, in Nord-Amerika lci)t und dessen bellende Stimme ihm seinen Namen einge- bracht hat. Mit dem Eich- hörnchen in iin-er Lebens- weise und ihrer äusseren Er- scheinung verwandt sind die Bilche oder Siebenschlä- fer, Bewohner von Europa, von Asien nördlich des Hi- malaya und von Afrika. Die nun folgende Gruppe der Na- ger, die Mäuse unterscheiden sieh von den P^ichhörnchen und Blichen ausser durch den anders gebauten Schädel schon in der äusseren Erscheinung durch den nicht buschig behaarten, sondern entweder fast nackten oder doch an- liegend behaarten Schwanz. Hier finden wir u. a. die Hamster, die echten Mäuse, die afrikanische Stachel- maus, deren Rücken mit platten stacheligen Borsten be- kleidet ist, die Rennmäuse des Mittelmeergebietes, die grosse australische Schwimmratte mit Schwimmhäuten an den Hinterzehen, die Hamsterratte des tropischen Afrika, welche auch in unseren Schutzgebieten lebt und Fig. sind die nächt- liche Thiere, die in Nordafrika und Central- Asien leben, welche sich unterirdische Wohnungen graben und mit den llinterfüssen unglaublich weite Sprünge machen können. Mit ihnen ver- wandt, aber durch viele Merkmale vor ihnen ausgezeichnet, ist der Springhasc von Süd- und Südost-Afrika, ein Tliier, so gross wie ein Fuchs, mit langem buschi- gen Schwanz und grossen sichelförmigen Krallen an den Vorderbeinen. Es folgen die Biber, deren ^^^^=- Pelz bekanntlich sehr ge- schätzt wird, die Se wel- leis, aus deren Häuten sich die Indianer ihre Be- kleidung anfertigen, die maulwurfsartigen Wurf- mäuse mit verkümmerten Ohren und Augen, von denen zwei Formen auch in Deutsch-Ost- Afrika leben. iLinc Familie der Nagethiere, welche in ihrem Aussehen an die Ratten erinnert und die von diesen nur durch den Bau des Gebisses verschieden ist, bilden die Trugratten. Zu ihnen gehören die gröss- ten Ratten, welche man kennt, die Ferkelratte, Hutia Conga, von Cuba und Haiti, der Sumpfbiber Brasiliens, dessen Pelz als Nutria viel getragen wird, und der „ E 1 f e n b e i n f i' e s - ser", die afrikanische Rohr- ratte, bei den Eingeborenen ebenso gehasst wegen der Verheerungen, welche sie in den unterirdischen Elfenbein- speichern dadurch anrichtet, dass sie an den theuren Tauschobjekten ihre Zähne versucht, als geschätzt wegen ihres feinen und zarten Flei- sches. Die Trugratten sind fast ganz auf Süd- und Mittel- Amerika beschränkt. Von den wenigen Formen, welciie aus- serhalb dieses Gebietes leben, ist besonders merkwürdig der Kammfinger von Nordafrika, der eine kammartige Querreihe steifer Borsten so über den kurzen Krallen trägt, dass dieselben als Hemmschuh beim Herrunter- rutschen von glatten Felsen dienen können. Von den südamerikanischen Trugratten sind noch mehrere in- teressante Formen ausgestellt, die stachelige Lanzen - ratte, die weichhaarige Strauchratte und die Kamm- Anoa depressicornis, Antilopenbüffel. Nr. Natnrwissoiischiif'tlii'lic Wochcnsdirift. 325 ratti', wok'lic den Kaiiimliiif^cr in Amerika rcpräsontirt. Saiicn wir unter den Trugratten schon recht l)orstigc [■"ornuMi, so y.eii;-cn die Stiieiielscinvei ue die 15c- haarunjy noch eii;-enthündiciier umgewandelt. Hier treten in dem Vvh seiir starirt auch hierher das einzige wasserbewohnende Beutelthier, der von Fischen und Krebsen lebende Seh wimmbeutler, Chironectes, aus dem Amazonen- und Orinoko-Gebiet. Während diese an den Hinterfüssen einen gegenübcrstcllliaren Daumen be- sitzen, fehlt ein solcher oder ist nur stummeiförmig an- gedeutet bei den australischen Beutelmardern, Dasy- uridae. Aus dieser Gruppe seien der bunte Ameisen- beutler, Myrmecobius, der gefleckte Beutelniarder, Dasyurus,' der Beute Iteufel und der gestreifte Beutelwolf, Thylaeinus, erwähnt. Letzterer ist ein Nr. 2: Naturwisscnschaltliche Wochenschrift. 327 gefälirlichcs Rauhtliicr. wclclies besonders den Schaf- heerden vorderhlidi wird. Don Rest dos Sohranlies neiinieu endlich die Kloaken- tiiiore, Mi>ni)troiiiata, ein, jene nicrls.würdij,'en Ge- schöpfe, hei denen die Harn- und Gesolileclitsorg-ane wie bei den Vögeln in den eine Kloake l)ildendon Knddarni ciiMnündon, welche wohl Milchdrüsen, aber keine Zitzen an donsolben besitzen, welche schnabelartiff verlängerte Ilornkicfor tragen, und deren Embryonen in eine feste Ledorhaut cingesohiosson, in sehr unfertigem Zu- stande zur Welt konnnon. Man kennt zwei Gattungen dieser Thiero, den Ameisen ig el und das Schnabel- thier; der erstere ist über Australien und Neuguinea verbreitet, das letztere bewohnt Australien und Tasmanien. Eigenthündieh ist bei beiden Formen ein S|)itzer, beweg- licher, durchbohrter Sporn an den llinterfüssen des Männchens, über dessen Wirksamkeit man bis jetzt noch nicht recht unterrichtet ist. Während das Schnabelthier ein Wasserbewohner ist und an den Uferböschungen einen complicirten 15au mit einem Ausgange über und einem unter dem Wasserrande gräbt, lebt der Ameisenigel in trockenen ^\'äldern, baut dort vielvcrzvveigte Höhlen und Gänge und kann sich einrollen wie ein Igel. (Wird fortgesetzt.) Die Wiederliolniig des Kaiserschnittes an der- sellteii Frau liefert keineswegs ungünstige Resultate, ja es scheint, als «ib die Prognose unter diesen Umständen günstiger wird. Relati\- häutig wurde er zweimal, sehr selten drei- oder gar viermal an derselben Frau ausgeführt. Auf dem 6. Congress der deutschen Gesellschaft für Gynäkologie — abgehalten vom 5. bis 7. Juni d. J. in Wien — theilte Löhlein 2 weitere Fälle mit, bei denen die Operation dreimal mit Erfolg ausgeführt war. In dem einen Fall war die erste Operation von Kaltenbach, die beiden ftdgenden von Löhlein gemacht. Beim dritten Mal erklärte die Frau, dass sie keine Kinder mehr zu haben wünschte und bat Löhlein, dafür zu sorgen. Er machte in Folge dessen die Porro'sche Operation, welche in der Entfernung der Gebärmutter besteht. Im zweiten Fall machte Löhlein alle drei Operationen, doch vermied er es, den Bauch stets an derselben Stelle zu eröttnen und schnitt einmal rechts, das andere Mal links von der ersten Narbe. Skutseh theilte darauf einen weiteren Fall mit, in welchem die Operation zum vierten Mal gemacht war. Alle vier Kinder wie die Mutter leben und sind gesund. Matz. Bienen und Cocciden. — Dass unsere Hausbieuen nicht nur Blüthenhonig sondern auch den süssen Saft, den die Blattläuse ausscheiden, sammeln, ist eine lang be- kannte Thatsache. Die auf diesen Gegenstand sich be- ziehenden Beobachtungen lauten — soviel ich aus der Litteratur und von praktischen Bienenzüchtern erfahren konnte — dahin, dass die Bienen nicht wie die Ameisen unmittelbar die Aphiden belecken oder ..melken", wie man in diesem Falle zu sagen pflogt, sondern an die mit dem Aphidennectar besudelten Blätter zufliegen, von diesen den Stoff ablecken, um ihn in die Stücke als Honig einzutragen. Erfahrene Imker wissen auch, dass dieser Honig den Bienen schädlich ist, dass er bald sauer wird und die Bienen an der sogenannten Ruhr zu Grunde gehen. Dass aber die Bienen sich diesen gefährlichen Honig direet vom Körper der Schildläuse (Coccidenj holen, wie ich genau zu beobachten Gelegenheit hatte, dürfte vielleicht nicht bekannt sein. Gegen Ende Mai, fast gegen Abend, vernahm ich ein starkes Gesumme von Bienen die sich in dem dichten Gezweige eines bei dem Bahnhofe in Karlsstein (Böhmen) angepflanzten, stark zu- geschnittenen lebenden Fichtenzauns tummelten. Bei näherer Nachforschung über die Ursache, was denn die Bienen in dem blüthenreichen Monat Mai an diese scheinbar nnwirthliche Weide gelockt haben sollte, bemerkte ich, dass die Bienen gewisse, in den jüngsten Astwinkeln sitzende (Gebilde sehr emsig absuchten. Die Gebilde, zumeist zu mehreren gruppirt, waren von der Form und Grösse einer Erbse und konnten ^on einem ungeübten Auge leicht für ausgequollenes und erhärtetes Harz gehalten werden. Doch näher besehen, erkannte ich in denselben die beerenartig aufgedunsenen Weibchen der Fichtenquirl- Schildlaus, Leccaniuni racemosum Ratzb. Diese Schmarotzer sonderten so reichlich Neetar ab, dass der- selbe an manchen Individuen als kleiner, wasserklarer Tropfen deutlich wahrzunehmen war. Das allen er- fahrenen Bienenzüchtern bekannte Verhalten der Bienen, dass sie namentlich im Frühjahr und Herbst den Nadel- waldungen zuzufliegen pflegen, sich da in den Kronen der Bäume herumtummeln, und dass sie nach diesen Besuchen einen schlechten, ungesunden Honig heimbringen und so oft erkranken, dürfte nicht nur mit dem Umstände zusammenhängen, dass sie Harz und Pollen hier sammeln, sondern dass sie den am Stamm und an Zweigen lebenden Lachnus- Arten ihre Besuche machen. Sind doch mehrere dieser Pflanzenläuse z. B. Lachnus pineti, pinicola u. a. sowohl im Frühjahr als auch im Herbst an ihren Wirth- pflanzen anzutreffen und werden wegen ihrer reichen süssen Saftentleerungen von Ameisen stark aufgesucht. Sollte vielleicht schon früher die Beobachtung ge- macht worden sein, dass Bienen unmittelbar an den Cocciden selbst den süssen Saft sammeln, so möge hier ganz unabhängig von ähnlichen Beobachtungen diese Thatsache neuerdings bestätigt sein. K. Poläk-Prag. Einen Fall ausserordentlicher Entwiclielung der Krätzmilhe, Sarcoptes scabici de Geer, beschreibt R. Hessler aus Indianopolis (Amer. Naturalist, vol. 27, 1893, S. 346 ff.). Ein in das dortige Cityhospital ein- gelieferter Kranker war wie nnt Fischschuppen bedeckt. Verfasser berechnete die an ihm befindlichen Milben auf zwei, die daneben befindlichen Eier und Eihäute (etwa im Verhältniss von 1 : 2 oder 1 : 3) auf sieben Millionen. C. M. Die einheimische Säugethierfauna der Galapagos- Inseln beläuft sich, nachdem nunmehr J. A. Allen die von Baur gesammelten 12 Individuen bestimmt hat, auf fünf Arten. (American, Naturalist, Vol. 27, S. 394). Es kommen zu den schon bekannten Otavia jubata (Forst.) und Arctocephalus australis (Zinim.), zwei Robben, sowie Oryzomys galapagoensis, einer Maus, als neuentdeekt hinzu, eine zweite Oryzomys baurrii, sowie eine Fleder- maus, Atalapha brachyotis. Zwei Arten der Gattung Mus sind auf die genannten Inseln eingeschleppt. C. M. Entstehung und Prognose der Wirbelstiirme. — Unter diesem Titel bat Dr. phil. Emil Schneider in Regensburg kürzlich ein Buch erscheinen lassen*), welches *) Dr. phil. Emil Schneider: Entstehung und Prognose der Wirbelstiirme. Mit 24 Karten. Regensburg. Nationale Verlags- austalt. Buch- und Kunstdruckerei Ä.-G. 189Ü. 328 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. Nr. 27. vielleicht geeignet ist, einen ganzen Theil der Meteorologie in neue Bahnen zu lenken, und das seines Inlialtes wegen wohl verdient, in einem besonderen Aufsatz be- sprochen zu werden. Die Entstellung der barometrischen Minima und Maxima ist noch ein sehr diinkeles und vielnuistrittenes Gebiet der Meteorologie, und eine Lösung dieser Frage würde zumal das Wetterprognosenthum ganz erheblich i'ordern. Die bisher aufgestellten Theorien sind von Hann in zwei Hauptarten getheilt worden: die „physikalische"'^ j und mechanische. Die erstere behauptet, die Cyklonen entständen durch übergrosse Erwärmung eines (iebietes, dadurch würden beträchtliche Mengen von Luft zum Auf- steigen gebracht, welche dann in den oberen Schichten abströmten und dadurch eine Druckerniedrigung herbei- führten. Die mechanische Theorie hingegen lässt die Depressionen durch Zusammenstoss von Luftströmen ent- stehen, analog den Wasserwirbeln. Bisher wird fast von allen Meteorologen, wenige Ausnahmen, wie z. B. Faye, Hirn und Andries, ab- gerechnet, die physikalische Theorie als die richtige an- gesehen, und ist diese, zumal durch Hann und von Bezold auch einer eingehenden mathematischen Behandlung unter- worfen worden. Der Wind wird von ihr als Folge der in dem erwärmten Gebiet eintretenden Druckerniedrigung angesehen, da die Luft von allen Seiten diesem Centruni zuströmen muss, um das gestörte Gleichgewicht wieder herzustellen. Nach der physikalischen Theorie werden also die Winde gleichsam angesaugt und sind desball) meist eine secundäre Erscheinung, während die mechanische Theorie umgekehrt die Depressionen als Folgen der pri- mären Windströmungen betrachtet. Wenn es nur „Sangwinde" gäbe, welche auf die eben geschilderte W'eise durch Erwärmung verursacht würden, so wäre allerdings jede Möglichkeit eines Zusammen- stosses von Winden, wie die mechanische Theorie sie fordert, ausgeschlossen, denn es ist klar, dass Luft- strömungen, welche einem und demselben Centrum zu- stiömen, nie mit einander collidiren können. Nun aber giebt es thatsächlieh noch eine Art der Windentstehung, nändich durch Fortströmen von einem Kältecentrum. Die durch Abkühlung verdichtete Luft dringt in die benachbarte wärmere ein und drückt sie bei Seite. Diese Art des Windes nennt der Verfasser im Gegensatz zu der ersteren „Druckwind". Wenn that- sächlieh beide Arten des Windes vorkommen, so sind auch Zusammenstösse und damit Wirbelbildungcn möglich.**) Es fragt sieh also nur, ob „Druckwinde" in der Atmosphäre vorkommen können. Diese Frage ist mit Ja zu beantworten; so ist z. B. der sogenannte Bergwind, welcher des Morgens in Gebirgsgegenden zu beobachten ist, zweifellos ein durch starke Abkühlung der Berg- abhänge hervorgerufener Druckwind. Seine Erklärung durch Saugwirkung lässt sieii dadurch als falsch nach- weisen, dass er bereits am Abend eintritt und bis Sonnen- aufgang dauert, also gerade zu der Zeit, wo jede Er- wärmung des TJiales unmöglich ist. Ebenso spricht der Verfasser die vom Pol strömenden Winde als Druck- winde an und bezeichnet mit Mühry den asiatischen Kälte})ol als Windpol. Allmählich geht dann jeder Druek- winfsisteuten an der Zoologisehen Saminliing des Museums für Naturkunde in Berlin Paul Matschio und Dr. Tornier zu Kustoden; der Hilfsgeologe Dr. Gottfried Müllerzuni Bezirksgeologen bei der geologischen Landesanstalt in Berlin; der Bezirksgeologe Dr. Rober t Schei be und der Docent der Mathematik Dr. Pritz Kötter an der Bergacademie zu Berlin zu etatsmässigen Professoren. Berufen wurden: der Professor der Chemie Th. Curtius hl Kiel nach Tübingen als Nachfolger Lothar von Meyers; der ausserordentliche Professor in Lüttieh Co Hon, bekannt durch seine Forschungsreisen im Kaukasus, nach St. Paul in Brasilien als Director einer dort zu errichtenden wissenschaftlichen Station. Abgelehnt hat: Der ausserordentliche Professor in der medicinischen Fakultät zu Rostock Dr. Körner den Ruf als ordentlicher Professor nach Breslau. Es habilitirten sich: Dr. Schule für innere Medicin und Dr. Reerink für Chirurgie in Freiburg. In den Ruhestand tritt: der Professor der Anatomie in Greifswald Geheimrath Dr. Ferdinand Sommer am 1. Sep- tember. Es starben: der Vorsteher der städtischen chemischen Ver- suchsanstalt in Stuttgart Dr. Klinger; der Professor der Chirurgie in Paris Verneuil; der Professor der Chirurgie in Dublin königl. Leibarzt Sir George H. Porter, der für den ersten Wundarzt Irlands galt; der Bibliothekar der Königl. Kunst- academic in London J. E. Hodgson. *) Diese Berechnungen vernachlässigen allerdings die latente Wärme und sind in Folge dessen fehlerhaft. Ueberhaupt ist der letzte Theil des Buches bei weitem am wenigsten überzeugend und der wunde Punkt des Schriftchens. L i t t e r a t u r. Dr. Havelock EUis, Mann und Weib. Anthropologische und psycliologische Untersuchung der secundären Gcschlechtsunter- schiede. Mit Illustrationen. Autorisirte deutsche Ausgabe von Dr. Hans Kurella. Georg H. Wigand's Verlag, Leipzig 1894. — Preis 7 M. Verf hat mit grossem Geschick die secundär unterscheidenden Eigcnthümlichkeiten zwischen Mann und Weib zusammengestellt, in physiologischer, psychologischer, somatischer und pathologischer Beziehung. Er kommt nach gewissenhafter Abwägung der That- sachen zu dem Schluss: Aus ganzen Gruppen von Thatsachen kann man schliossen, dass die Welt, wie sie einmal ist, für das Weib eine bessere Welt ist, als für den Mann. Die Natur hat, wie Humboldt sagt, das Weib unter ihren besonderen Schutz genommen, das ist nicht nur eine Tbatsache aus der Naturgeschichte des Menschen, sondern aus der Zoologie überhaupt. Das 't. eibchen der ganzen Thier- weit ist stärker und länger als der Mann durch das Fortpflanzungs- geschäft in Anspruch genommen, das das wichtigste Ziel der Natur ist. Das ist aber noch mehr als eine zoologische, es ist eine biologische Thatsache; bei den Pflanzen bleibt das Pistill besteben, nachdem die Staubfäden längst abgefallen .sind. Das weibliche Geschlecht bleibt jugendlich der möglichen Nachkommen- schaft zu Liebe; wir alle existiren um unserer Nachkommenschaft willen, aber dieser Zweck des Individuums ist deutlicher in der Organisation des Weibes ausgeprägt. Die Interessen des Weibes stehen also mit den Interessen der Natur mehr in Ein- klang. Die Natur hat das Weib mehr dem Kinde gleich gemacht, damit es mehr Veratändniss und Fürsorge für das Kind hat, und mit den Kindern hat die Natur dem Weibe ein Geschenk ge- macht, das eine substantielle und dauernde Lust gewährt, für die es im Leben des Mannes nichts Entsprechendes giebf. Die Natur hat ihr Bestes gethan, das Weib gesund und froh zu machen und hat sich im Ganzen damit begnügt, den Mann so ziemlich seinem Schicksal zu überlassen. Der Mann hat sich nun an der Natur und ihrem Schützling gerächt. Während das Weib sehr absorbirt worden ist von der Sphäre des Geschlechtslebens, die auch die der Natur ist, hat der Mann die Erde durchschweift und seine P^ähigkciten und Kräfte im beständigen Kampf mit der Natur gesteigert. So ist es dazu gekommen, dass die Dienstbarmachung der Natur durch den Mann thatsächlich die körperliche und geistige Unterjochung des Weibes eingeschlossen hat. Die Zeiten, in denen die menschliche Gesellschaft für das Weib günstig be- schaft'en war, scheinen nach dem Zeugniss der Geschichte primi- tive Perioden zu sein, in denen kriegerische Tendenzen wenig ausgeprägt waren. Sehr kriegerische Zeiten und die sogenannten vorgeschrittenen Perioden, in denen die verzwickten und künst- lichen Producte der mäunlichenVariabilität hauptsächlich geschätzt werden, sind der Freiheit des Weibes und der Ausdehnung ihrer Sphäre nicht günstig. John Tyndall. Fragmente. Neue Folge. Uebersetzt von Anna von Hclmholtz und Estello du Bois-Reymond. Friedr. Vieweg & Sohn. Braunschweig 1895. — Preis 8 M. Die vorliegende Sammlung von Aufsätzen und Vorträgen aus den verschiedensten Jahren wird jeder gern lesen, der den Ver- fasser zu schätzen weiss. Es sind 15 Aufsätze aus den verschie- densten Gebieten, keineswegs immer aus der Physik oder ver- wandten Fächern. Gleich der erste Vortrag behandelt einen Gegenstand, den der deutsche Leser bei einem Tyndall schwer- lich suchen würde; er ist vor dem Sonntagsverein zu Glasgow gehalten worden und beschäftigt sich mit dem Sabbath. Auch Vorträge wie ,T)as Leben und Wirken von Louis Pasteur", „Leben in den Alpen" u. s. w. fallen aus der Special-Wissenschaft:, Tyndall's heraus. Andere gehören ihr an, wie der Aufsatz über Goethe's Farbenlehre, über Atome, Molekeln und Aether wellen u.a. Das Buch umfasst 566 Seiten. Prof. Dr. A. Peter, Wandtafeln zur Systematik, Morphologie und Biologie der Pflanzen für Universitäten und Schulen. Tat". VI— IX. Theodor Fischer in Cassel. 1895. — Preis ä Tafel 2 Mark. Wir haben schon Gelegenheit gehabt, auf die Brauchbarkeit der Peter'schen Wandtafeln aufmerksam zu machen („Naturw. Wochenschr." VIII, S. 19:1). Tafel VI bringt von Typha latifolia ßlüthenstand, Blätter und Frucht und von S|iyrganium ramosuni Fruchtstand und weibliche Blüthe, Tat". VII von Acer platanoides Zwitteiblüthe und männliche Blüthe, nebst Grundriss der ersteren von Acer Pseudoplatanus, Frucht, Samen - Schale und Keimling gehören zu Ac. saccharinum, Taf MII bietet Material zu Myris- tica fragrans und zwar die geöffnete Frucht, Samenquer- und längsschnitte, eine weibliche und eine männliche Blütlie sowie Grundriss der letzteren, Taf. IX endlieh illustrirt die Blüthen- Nr. 27. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 331 vorliältiiissi' der Salicacoen, nänilioli wi'ililicliu iiinl männliclic Bliitlii' von Salix Caproa, Fniclit iiiiil Saineii von S. nigricans, inännliclu' Bliitlio von Populns tn-iniila iiml weibliche Blütho von P. alba. Kurze gcilnuktc Krläuteningen werden den Tafeln bei- ge};eben. Bei dem billigen Preise — nnd wir wiederbolen : jede Tafel wird einzeln abirtpeben — dürfte die Tafel-Sammlung in weiteren Kreisen Anklani; linden. Eugen ZintgraflF, Nord-Kamerun. Seliildevung der im Auftrage .li's Auswärtigen Amtes zur Krseliliessuug des nördliehen Hinter- landes von Kamerun während der .lahre ISSli— 18il2 untcr- nomuienen Reisen. Mit 16 Illustrationen und 1 Karte. Gebrüder Paetel. Berlin IS'.IJ. — Preis \-> M. Das vorliegende, sehön ausgestattete Werk bringt eine Dar- stellung der persiinlichen Erlebnisse und Arbeiten des Verfassers im Hinterlando von Kamerun. Wer sich für die Entsteluings- gcsehiehte der Colonio interessirt, für den ist das Buch eine wichtige Quelle. Einiges aus demselben hat bereits dem Inhalte nach der Defl'entlichkeit vorgelegen in Zeitungs - Artikeln des \"erfassers. Das frisch und tlott geschriebiuie Buch wird in weiten Kreisen Interesse erwecken; als Anhang bietet Verf. eine ausführliche Auseinandersetzung über afrikanische Reisetechnik. Ralph Abercromby, Das "Wetter. Eine populäre Darstellung der Wetterfolge. Aus dem Englischen übersetzt von Prof. ,1. xM. Pernter. Mit 2 Titelljildern und ;i6 Figuren. Herder'sche Verlagsbuchhandlung. Freiburg im Breisgau 1894. — Preis 5 M. ..Das Wetter, « ic es sich täglich abspielt und den Menschen hceiiiHusst, bildet den Stoft' dieses Buches. Abercromby hat also die einzelnen Factoren des Wetters nicht wie in den Lehrbüchern iiblicli in systematischer Folge für sich behandelt, sondern stets im Zusammenhang nnd Zusammenwirken mit den übrigen. Immer hat Verfasser auch die subjective Seite des Werkes zum Aus- druck gebracht. Es ist ihm gelungen, ein vorzügliches Buch der poiwdärcn Littcratur hinzuzufügen; wir müssen dem Uebersetzer beipflichten, „dass Abcrcromby's Buch die beste populäre Wctter- lehrc ist." Zur Einführung in das Gebiet ist es treff lieh geeignet. Am Schluss des Werkes hat der Uebersetzer verschiedenen Stellen des Te.xtes einige werthvolle Anmerkungen hinzugefügt. Maxime Böoher, TTeber die Keihenentwickelungen der Poten- tialtheorie. Mit einem Vorwort von Felix Klein. Mit 113 Figuren im Te.xt. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1894. — Preis 8 M. Das vorliegeDde Werk ist eine Umarbeitung und Weiter- führung einer von der philosophischen Facultät der Göttinger Universität 1891 gekrönten Preisarbeit. Es wird darin ein all- gemeiner Gesichtspunkt gewonnen, unter n-elchen alle die sonst nölhigen, so zahlreichen Unterscheidungen der Fälle bei den Keihenentwickelungen der Potentialtheorie subsummirt werden. Dies wird erreicht, indem das durch confocale Cycliden gebildete Orthogonalsystem zu Grunde gelegt wird und von dem analytischen Hülfsmittel der pcntasphärischen Coordinaten Gebrauch gemacht wird. Das Hauptgewicht legt der in der Schule von Herrn F Klein gebildete Verfasser auf das anschauliche Erfassen der verschiedenen Flächen und Functionen, während die Definition durch Formeln sowie die Convergenzbetrachtungen zurücktritt bezw. bei Seite gelassen worden sind. In dieser Beziehung bedarf das Werk noch der Ergänzung. Es ist nicht zu bezweifeln, dass die vorliegenden Untersuchungen bei den Mathematikern das grösste Interesse finden werden; es scheint uns damit ein wich- tiger Schritt vorwärts gethan zu sein. Wir bemerken noch, dass ausser analytischer Geometrie und Differential- und Integralrechnung nur einige Sätze der Functionen- theorie und der ' Potentialtheorie als bekannt vorausgesetzt werden. Die Ausstattung ist, wie bei allen Werken des Teubner'schen Verlages, vortrefflich. Dr. A. G. Archiv der Mathematik und Physik (Herausgegeben von li. Hoppe.) Der lö. Theil enthält in seinen vier Heften folgende grösseren bezw. wichtigeren Arbeiten: G. Kor neck. Beweis des l'^ermat'schen Satzes von der Unmöglichkeit der Gleichung x" -\- i/" ^ z" für rationale Zahlen « > 2. (Bekanntlich sind schon zahlreiche Beweise für dieses berühmte Theorem gegeben worden, die sich später als falsch erwiesen haben — abgesehen von den Beweisen, welche sich auf specielle Fälle beziehen, — ob der vorliegende Beweis wirklich allgemein richtig ist, bedarf jeden- falls noch genauerer Untersuchung); Ernst Schulz, Zur fünften Form der Integrabilitätsbedingungen einer partiellen Differential- gleichung erster Ordnung; Ernst Schulz, Zu Bour's Methode der Integration eines Systems simultaner, partieller Differential- gleichungen erster Ordnung; C. Davids, Dreizehn Auflösungen des Malfattischen Problems; H. Schotten: Uebor successive Fnsspunktenpolygone; Rudolf Skutsch: Ucber Formclpaare der mechanischen tjuadratur: Hermann Oppenheimer: Ueber eine Behandlung einer Curve 4. (Jrdnung nnd der allgemeinen C'nrve 3. Ordnung mittelst Kegelschnittcoordinaten; Wilhelm Rulf: Neuer Satz über die Cykloide; Stephan Glaser: An- wendung eines Abbildungsprincips zur Untersuchung von Curvcn zweiten Grades; Franz Rogel: Eigenschaften der imaginären Brennpunkte der Centralkegolschnitte; R. Hoppe: Einaxige Polyeden von kleinster Oberfläche bei constantem Inhalt. — Einige quantitative Fragen über 12 Kugeln, die eine Kugel be- rühren; Ernst Fischer, Zur Trisection des Winkels; Lothar von Koppen, Ein Beitrag zur Lösung des Problems der Drei- theilung des Winkels; Fhnil Liebonthal: LTntersuchungen über die Attraction zweier homogener Körper; C. Benz: Ueber die Verspätung des Flutmaximums in Bezug auf die Culmination des Mondes; Emil Oekinghaus: Eine Hypothese über das Gesetz der Dichtigeit im Innern der Erde. (Der Verfasser macht die Annahme, dass analog dem Gesetz der Dichtigkeit F~ Allein- Vertrieb der „We.stendorp & Wehner"- Platten. Niedeiiaf?e Goerz'sclier Objective (Dopjiel-Anastijjrmate etc.}. Max Sieckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstr. 33. atent-technisches und I Verwerthung-Bureau Betclie. Berlin S. 14, Neue Rossstr. 1 ■gk) .g^^.,c4^4'5 ■4'' ■S^'' -4^^ Erfindungen, Neuheiten, Modelle jeder Art werden zu- verlässig, billig, discret in meiner Spe- cialwerii-statt ausgearbeitet nnii angefer- tigt, auch brietlicli. W. Maaske, Mechan., Berlin N., Schwedterstr. 31. Uchcs j^zaPreis^listenetc. »HugoSfindler, BeNin,5.RittenstP.36. 'BilligePreiselSctmelleLieferung! Ferrispi-.Anschl. A.IV,N9 998 5: I I I I I I I I I I I I I I I I I I M 11 I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I f«f)t» pumtnUtrs yrrlageltudiliitnblung y AI i" Berlin SW. 12, BtmiuErl^rafjE 94. Soeficn^erfdfiicn: Doricfungcn über f 0 3 i a f e § i 5 i ß. »on ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in BerliQ 8\V. Zimmerstrasse \>i. In unserm Verlage erschien soeben: Die Lufthülle der Erde, der Planeten und der Sonne. Vnli L. Graf von Pfeil. g^^ Zweite vermehrte Auflage. ^^ Dazu eine Darwinistische Phantasie. SO Seiten gr. .s°. Preis: l,2ii M. K FRITZ SCHMIDT&C2 / Patent-Bureau u. Chem. Lab. BerlüvN.Chausseestr. 2fe besorgen undverwcrtlien $lroff|Tor Dr. (Senrg unii ©ijijfhi. 2lu6 feinem Had^Iaf; fjcvausgegcbcn ton cfitfM von ^tjucfti. ^luritc ^ufUflf. 92 ©eilen gr. 8. iprei§ 1,20 SXart. p( akakmifdic (anflialjn xxwb tt)rc öüottomifc()c ^^ec^cl'u n g. i£in IVort an Mc Kcijicnuuj unö an öic i?olfi.rortrctuni5. Von Unterfertigter offeriert sauber präparierte ser- bische Pflanzen zum Preise von 30 Fr. in Gold (inclus. Porto und Verpackung) pro Centurie. Man I. Diinitrijevic Prof. am k. srrh. ntK'rc}inTias. zu Vranjs. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦Dakteriologische Kurse,t J Unterricht in Kahriiiigsmittel-»J ♦ sowie Harnanalyse, monatlich. ♦ ^ Gelegenheit zum Ausführen T T selbstständiger Arbeiten. T ^Ueberniihme von technischen und^ ♦ wi.ssenschaft liehen Untersuchungen ♦ ♦ jeder Art. ^ ♦ Dr. E. 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'"v^ ^ f .f.. .f.. •5^ .f.. sieieie eieieieieieieieieieisieisieieio Die Illustration wissenschaftlicher Werke erfolgt am besten und billigsten durch die modernen, auf Photo- graphie beruhenden Reproduc- tiousarten. Die Zinkätzungen dieser Zeitschrift gelten als Proben dieses Verfahrens und sind hergestellt in der graphi- schen Kuustanstalt Meisenbach, Riffarth & Co. in Berlin-Schöneberg, welilu kiinit liereitwilligst jede Aus- •itheiit. Ptnnnnr n"^t"ifa|RnFipTfjlt Hempcrs Klassiker-Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbucbtaandl. ^icrb. püininrcrs ^errttflöCttdiOaubfunii in ^.icvritt SW. 12. ©oeben c rf cf) icn: f nüpntlidjung bis ^iircnus bes f öiitol. Pnlftr-HusfrijuD'cs. ®x*liiutex*itn0 öer CSrjifliiingfii niiifdini iiiftrimilnBii'dini luiii fiPriiiiialTfi-fPiTdjciliiiiuicii im (Dbergrblct. S "t n tu 1 1 i rfi e n 91 u f 1 r a g c bearbeitet roii Dr. ;S>. ^raverius. 32 Seiten gr. S". ^^reig 1 maxt. IKTilli Biising', L:iiigjahiif^er Assistent vom l'rüf, Dr. Vof^ des photo-chem, Laboratoriums der Kf?l. toclin. Hochschule zu ( 'harlottenbuig. Berlin W.,Bendlerstr. 13. PliotoolieiiiiMcli. l'ntersnch Institut. A^ Mt \. *; ^^ l'ractisclic II. tlieoret. Aiisb. s.-iuiiutl. photogr. ^«.^ A^^ t^^-^egiit.- u. Posit.-Vert.,sow. ^Y _v(Sk^i'^l>lioto-iiii.'clian. Druck verfaliren. . ^^,*^^^ Wisscnscliaftlichc und Amateur- Kurse. .ft^i^^^Eintiitt jederzeit. Kurze und längere Kurse. Dinikclk:i,niiiiern stellen zur Vertugun.g. Uebernahme aller vorkommenden wissenscbaftl. lind practischen photographischen Arbeiten. .\ii,^kiiiift liercilwilliijst. Tiiglich KcntVuet von 0—7. Verantwortliclier Kedacteur: Dr. Henry Potoniii, Gr. Liclitert'elde (P.-B ) bei Berlin, Potsdaiuerstr. 35, t'iir den Inseratentheil: Hug Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den 14. Juli 1895. Nr. 28. Abonnement: Mau abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jt 4.— BrinerepeJd bei der Post 13 -^ extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. ¥ Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere AufträRe ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaiuc wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit 'vollständi8:er ^aellenangabe g^estattet. Thätigkeit der Manora-Sternwarte im Jahre 1894. Von Leo Brenner, Director der Manora-Sternwarte. Mit 8 Abbildungen.*) Die regelmässig-en Arbeiten au dieser Sternwarte be,2:aniien erst am 9. Mai, obgleich das Aequatorial schon am 21. Februar aufgestellt worden war. Es vergingen jedoch 2',2 Monate mit dem Ausprobiren desselben, seiner 24 Oculare und der Nebeninstrumente. Der nachstehende Bericht bezieht sich somit nur auf die letzten acht Monate des Jahres 1894. Beobachtungen wurden meinerseits**) im Ganzen CI9 gemacht und zwar an 166 Tagen. Sie nahmen im Ganzen öSS^'o Stunden in Anspruch. (Die längste vierzehn Stunden.) Viele sonst sehr schöne Tage, bezw. Nächte, fielen aus, theils weil heftiger oder ungünstiger Wind das Oetfnen der Seitenklappe nicht gestattete, theils weil ich abwesend, unwohl oder zu ermüdet war. Für das laufende .Jahr findet jedoch eine Controle des täglichen Luft- zu.standes statt, so dass ans dem nächstjährigen Berichte auch die Eignung von Lussinpiccolo als astronomische Beobachtungsstation ersichtlich sein wird. Zeichnungen und Skizzen fertigte ich im Ganzen 265 an. Die Beobachtungen vertlieilen sich folgeudermaassen auf die Hauptobjecte: Die Sonne wurde 78 Mal beobachtet, der Mond 123 Mal (37 Landschaften), Merkur 2, Venus 6, Mars lOä, Planetoiden 3, Jupiter 29, Saturn 18, Uranus 4, Neptun 3, Kometen 6, Nebelflecke und Stern- haufen (63 Objecte) 68, die Milchstrasse 7, Doppel- sterne (34 Objecte) 64, andere Fixsterne (77 Objecte) 103 Mal. Als Ergebniss dieser Beobachtungen sei Folgendes hervorgehoben: Sonnenbilder wurden durch Projeetion 55 ge- wonnen und werden von iiinen jene nach England gesandt, *) Dieselben wurden uns vom Herausgeber des „English Meclianic' freundlich zur Verfügung gestellt. **) Beobachtungen und Zeitaufwand anderer Beolmcliter sind hier nicht berücksiclitigt. welche zur Ausfüllung der Lücken im Cyelus der Sonneü- bilder der British Astronomical Association dienen können. Andere erhielt auf seinen Wunsch der Entdecker der Wetterpflanze Herr J. Nowack behufs Deutung der An- zeigen derselben. Die Mondbeobachtungen waren von grosseiil Glücke begleitet und hatten die Entdeckung von 223 neuen Objecten zur Folge, welche sich auf die einzelnen Landschaften folgeudermaassen vertheilen : Landschaften Rillcu Krater Berge Höhen- züge Thal PasK 1 1 1 4 5 5 3 2 4 1 G 7 3 1 3 1 2 1 7 1 4 3 25 1 1 7 17 1 5 1 3 3 2 19 10 G 10 3 5 3 2 1 3 4: 11 4 1 1 2 1 1' 1 l Bessel Capeila — Cassini Cavallerius Fracastor — Goclenius Grimaldi Hevel — Humoruin Maro ■ — Landsboi-g — Linn^ ...... Lohrmann ... ^' . .... Nubium Mare ...... Petavius Plato — Schickard Seren itatis Mare .... Struvo Utto Thebit Vendelinus Vitello 1 27 L -.1 n d s c h a f t e ii 51 ; 128 30 G 1 1 334 Naturwissenschaftliche Wochenschrifl. Nr. 2S. Fig. 1. Merkur am 4. Juni 1894. Unter diesen Objecten befinden sich einige solche, welche '/Aierst von Herrn Prof. Weinek photographisch entdeckt und von mir optiscli verificirt, sowie einige, welche unab- hängig davon auch von Andern gleichzeitig entdeckt wurden; ferner Objecte, welche so augenfällig sind, dass sie — weil in Landschaften befindlich, welche, wie z. B. Pluto, Gassendi, Hyginus, vielleicht schon 10 000 Mal von anderen Beobachtern beobachtet worden sind ! — unmöglich hätten können Hnl)enierkt bleiben, wenn sie schon früher vorhanden gewesen wären.*) In Bezug anf LiiHie habe ich in diesen Blättern bereits einen ausführ- lichen Bericht erstattet und werde nicht ermangeln, das Endorgebniss seinerzeit mitzutheilen. Bezüglich der an- deren Landschaften, in denen ich Veränderungen ver- muthe, will, ich noch weitere Beobachtungen unter ver- schiedenen Beleuchtungen und Librationen abwar- ten, ehe ich darülier mein Urtheil abgebe. Zunächst hoffe ich mit den Hyginus- Beobachtungen ins Reine zu kommen, welche be- reits sehr Interessantes ergeben haben. Zeichnungen der mei- sten von mir entdeckten Mond - Objecte werden theils in den „Memoirs of thc British Astronomical Association", theils im „English Mechanic"**), theils in „Les Sciences populaires", theils im „Bulletin de la Societe Astronomique de France" veröffentlicht werden. Von Merkur wurde nur einmal nebenstehende Zeichnung aufgenommen (Fig. 1), welche mit der Schiaparelli'schen Karte recht gut übereinstimmt und daher für dessen Be- hauptung spricht, dass jener Planet der Sonne immer dieselbe Seite zu- kelu'e. Auf der Venus wur- den jedesmal sehr schwache Flecken wahrgenommen, aber nur zweimal war es möglich, dieselben zu zeichnen. (Eine dieser Zeichnungen nebenstehend, Fig. 2.) Aus der Uuver- änderlichkeit einzelner derselben schloss ich, dass auch in diesem P'alle Schiaparelli Recht hat, wenn er vermuthct, dass die Umdrehungszeit des Planeten mit seiner Umlaufs- zeit genau oder doch annähernd übereinstimmt. Nachdem aber Flammarion aus dem Wahrnehmen von Polarflecken kürzlich auf das Gegentheil schliessf, gedenke ich Venus im Laufe des Jahres 1895 genauer zu beobachten, um womöglich' der Sache auf den Grund zu kommen.***) *) Ueber cli(3 Art der meisten von mir entdeckten Objeete bat sieb Hr. Gwyn Elger, Director der MondSection der B. A. A., in Worten ausgesproclien, wie sie niclit anerkennender sein können und in seinem Berichte die Scliwierigkeit der Objecte besonders hervorgehoben. **) Nr. 1557, 1561 und 1570 dieser Zeitschrift enthielten bereits solclie Zeichnungen. ***) Bis 19. Juni d. J. gelang auch die Aufnahme von 15 Zeich- nungen, welclie ganz interessante Merkwürdigkeiten enthalten. Die erste Serie derselben erschien bereits in No. 1578 des „Eng- lisli Meclianic", in welcher Zeitschrift auch alle anderen werden verött'entlicht werden. Fig. :t. Mars am 7. October 1894. Fig. 2. Venus am 31. Mai 1894. Was den Mars betrifft, so hat uns während der letzten Opposition das Glück in auffallender Weise begünstigt. Ich konnte 30 Zeichnungen (Fig. 3 und 4) und 10 Skizzen auf- nehmen, sowie die beistehende Mars-Karte (Fig. 5) anfertigen, welche alle im „English Mcchanic" und in den „Astronomi- schen Nachrichten" — theilweise auch in „L'Astroimmie", „Les Sciences po|)ulaires" und „Knowledge" — veröffentliclit wurden und auf denen 64Canäle, sowie andere merkwürdige Objecte sichtbar sind. Von den Canälen waren 59 bereits auf den Schiaparelli'schen Karten benannt, 5 und eine Insel nicht, weil der berühmte Mailänder Astronom deren Vor- handensein nicht über allen Zweifel erhaben glaubte. Nachdem ich aber dieselben gleichfalls sah, bat ich Herrn Prof. Schiaparelli, dieselben ebenfalls mit Namen zu versehen. Auf seine liebenswürdige Einladung, dieselben zu l)enennen, brachte ich mehrere Na- men in Vorschlag, von denen Prof Schiaparelli einige (Margios, Corcyra, Maeander etc.) als nicht in seine Nomenclatur pas- send ablehnte, dagegen andere (nämlich Apis, Se- rapis, Taprobane, Doanos und Taphros) annahm. .So eriiielt der von mir entdeckte Canal unter -+-28*^ den Namen Se- rapis, ein von mir nicht gesehener, aber von Schi- aparelli früher schon ent- deckter Canal in Aöria den Namen Apis, der Canal, welcher Deucalion vom Festland abtrennt (von Schiaparelli ent- deckt, von mir wieder- gesehen), den Namen Ta- phros, der Canal, wel- cher Aurea Cherso von Tharsis trennt (von Schia- parelli 1882 entdeckt, von mir nach so langer Zeit wiedergesehen), den Na- men Doanos, die Insel unter 110» und — GO" (von Schiaparelli 1882 zweimal gesehen, aber für eine Wolkenbank gehalten, von mir dann wiedergesehen) den Namen Taprobane. Dem Canale, welcher Deucalion der Phison-MUndung gegenüber durchschneidet (von Schiaparelli schon früher als Meerenge entdeckt, von mir als Canal wiedergesehen), sowie dem Canale, welcher Hesperia zeitweilig von Eri- dania abtrennt, wollte Herr Prof Schiaparelli trotz meiner Fürsprache keine Namen beilegen, weil deren Canal- Natur nicht ganz ausgesprochen sei. Manche Objecte, die früher schwer oder selten sicht- bar waren, habe ich wiederholt gesehen, (Novissima Thyle, Insula Cimmcria, Thyle I u. II, Atlantis II). Neu- bildungen und Veränderungen der Mars-Oberfläche konnte ich wiederholt feststellen (Halbinsel Libya-Japygia, Oeno- tria, Eridania, Lacus Phoenicis, Ausonia, Lacus Tithonius, Marc Sirenum, Marc Cimmerium etc.). Im Nodus Gor- dii und in Hellas sah ich kleine Seen (der letztere auch von Stanley Williams gesehen), die bisher noch nie beob- achtet worden waren. 11 Canale sah ich theils doppelt, theils so breit, dass die Verdoppelung vermuthct werden konnte (und auch von Stanley \Villiams bestätigt wurde). Mars am 14. October 1894. Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 335 Unter den anderen Canälen befinden sieh manche (Asca- nius, Pactolus, Anubis, Ambrosia, Eospliorus, Thotli, As- tapus, Oxus, Fortuna etc.), welche zu den am seltensten j!;oselienen und am scliwierij^sten zu beobachteuden g-e- Inireu. "Wcnii^er j,'liu'klieh war ich in meinen Beob- achtungen von Tliaumasia und des Lacus Solis, wo die amerikanischen Sternwarten (Lick und Lowell) so erfolg- reich waren. Ein unglüekliehcr Zufall wollte es nämlich, dass ich gerade jene Gegend niemals unter günstigen Umständen zu sehen bekam. Uebrigens bedarf es keiner Erwähnung, dass meine Beobachtungen nur deshalb einigen Werth besitzen, weil so wenige ernste Beobachter in (1er Lage waren, Mars zu sehen. Denn ein Unstern wollte es, dass Schiaparelli, der gefeierte Mailänder Astronom, dem wir Alles verdanken, was wir über den Mars wissen, durch beständig schlechtes Wetter gehindert wurde, Mars zu beobachten. Welch' schweren Schlag 17. Jänner) Argyre II, wenn sie an der Liehtgrenze stand, aus derselben herauszuragen schien. Wenn es nicht zufällig immer dort stehende und sehr hoch sehwe- bcndc Wolkcnbänke waren, welche diese Erscheinung verursachten, so müsste man an die Existenz eines hohen Gebirges daselbst glauben. Beide Mars-Monde wurden wiederholt gesehen. Von Jupiter wurden 14 Zeichnungen und 6 Skizzen gemacht, von denen die Ersteren im „English Mechanic" verört'entlieht wurden. (Zwei derselben siehe neben- stehend: Fig. 6 u. 7.) Dieselben erregten insofern Auf- sehen, als sie eine Fülle von Flecken, Wolken, Streifen und anderen bcmerkensvverthen Erscheinungen der Ju- piterOberfläehe enthielten, wie sie ähnlich nur in den gewaltigsten Fernrohren der Welt sichtbar sind. (Die Hauptstärke unseres Aequatorials liegt nämlich in der scharfen Darstellung der Planeten-Oberflächen). Nament- Zid' iQfioO'no .IM syo M i5o (f 10 -" -3» w SO k» yo .HO <;« iw hü ao na m isa ik '?(/ iso i9n soo 2ro tio lia ?w isozk ■>^o jxn .'90 ItiP i*' iao HC na .l.io ,ii|,-, .iso 0 i« iJ .'<■• W. S« ie 70 so 911 too lio IW via Ho 15« iho Ij^O r80 1^0 JOn ZlO VO nu ViH ;'50 ih Vfl)l)Osition hat sich der erste Fall ereignet, dass der Polarfleck gänzlich geschmolzen ist. (Ich war einer der wenigen Beobachter, denen es geglückt ist, den letzten Rest des Polarflecks verschwinden zu sehen.) Bemerkt sei endlich noch, dass die Sternwarte zu gewissen Zeiten auch dem Publikum zugänglich ist. *) In dieser Beziehung habe ich mein Ziel bereits in glänzen- der Weise erreicht, indem es mir gelang, nicht nur die detinitivo Wiederbildung der Süd-Calotte zu entdecken und zu verfolgen, sondern auch das Erscheinen der Nord-Calotte und zwar beides zu einer Zeit, da der scheinbare Durchmesser des Planeten bereits auf 5" reducirt war. Nr. -2^. Naturwissciisfliaf'tliehc Wochenschrift. 337 Der elfte deutsche Geographentag in Bremen vom 17.— 19. April 1895. Vom l'rnf. Ür. Fr. Ki.'i,'el in .li'iia. Für die elfte Tagung war die alte l''rei- Ilanse- stadt Bremen 1893 in Stutti^art crkorcu worden und besass genuji' Anzichnngskral't, um eine gro.ssc Zahl von Geographen hier in den schönen Ostertagen dieses .lahre.s zu vereinigen; mit 170 au.swärtigen Thcilnelimern steht Bremen an fünfter .Stelle unter den bisherigen Tagungen und übertrift't mit der Gesamnitsumnic seiner 480 Theil- nehiner fünf der vorangehenden Congressc. Von Geogra- phischen Gesellschaften waren die Londoner und die Ungarische Geographische Gesellschaft, sowie die meisten deutschen \ertreten (lieriin, Frankfurt, Halle, Hamburg, Hannover, Jena, Leipzig, ^tünchen, Stuttgart, Wien); von den akademischen Vertretern waren verschiedene durch Krankheit oder durch anderweitige Umstände am Er- scheinen verhindert, wir bemerkten nur A. Dove, Thcobald Fischer, Greini, F. G. Hahn, K. Hassert, A. Hettner, A. Kirchhot!'. 0. Krümmel, R. Lehmann, E. (il)erhunnner, A. Philipjison, Fr. Kegel, W. Ulc und Geheinnath H.Wagner; von den Reisenden seien genannt Dallmann, v. Drygalski, 0. Finsch, KoUlewey, K. von den Steinen, Vanliöflen; von Kartographen: E. üebcs, V. von Haardt, A. Herrich, Dr. R. Lüddecke, A. Scobcl; von den Vcrlagsanstalten hatten Vertreter entsendet: Artaria u. Co. in Wien (Dr. K. Peucker); L. Friedrichsen in Hamburg (vertreten durch den Inhaber), J. Perthes in Gotha (H. Wichniauni und D. Reimer (Vohsen), sowie die oben genannten Kartographen E. Debes, Chef der Firma Wagner i^ Debes, V. von Haardt, Kartograph bei Eduard Hölzel in Wien, A. Herrich, Kartograpli bei C. Flennning in Giogau und A. Scobcl, Kartograph bei Vclhageu & Klasing. In dem Kaisersaale des Künstlervereins fanden die Verhandlungen statt, in einem anderen Thcile der dem Künsterverein gehörigen Räumen war die geographische Ausstellung untergebracht, in dem Parterrelokal fand am Abend des 16. April die Vorvcrsamnilung statt, herzlich begrüsst von Herrn George Albrecht, dem Vorsitzenden der Bremer Geographischen Gesellschaft, welche die Vor- bereitungen in treft'lichstcr AVei.se getroffen hatte, wobei namentlich W. Wolkenhauer und Dr. A. Oppel die Hauptaufgabe zufiel. Die Eröffnung des elften deutschen Geo- graphentages fand am Mittwoch, den 17. April, Morgens 'd\., Uhr statt. Den Begrüssungsworten des Herrn G. Albrecht, als Vorsitzenden des Ortsausschu.sses, folgte eine Ansprache des Herrn Bürgermeisters Doctor A. Gröning, denen Geh. Admiralitätsratli Dr. Neumayer, der Vorsitzende des Zentralausschusses, antwortete und die Herren G. Albrecht als ersten, Dr. iM. Lindemann als zweiten Vorsitzenden der ersten Sitzung vor- schlug. Die letztere beschäftigte sich nach dem aufge- stellten Programm mit der Polarforschung, insbesondere mit der Süd polarfrage. Zuerst sprach Geh. Admiralitätsrath Dr. Xenniaycr über „die wissenschaftliche Erforschung des Süd- polargcbietes." Anknüpfend an einen von ihm in den Annaleu der Hydrographie und maritimen Meteorologie, im December 1893, veröffentlichten Aufsatz und an eine vorläutig nur als Manuskript gedruckte Südpolarkarte des Herrn Vincent von Haardt, welche bei Ed. Hölzel in Wien erscheinen wird, gab der Vortragende einen zusammen- fassenden Ueberblick über die Bestrebungen, die Süd- j)olarfrage in Fluss zu bringen und sprach die Hotfnung aus, ilass man nunmehr endlich weiter konnnen werde und dass namentlich der sechste internationale Geo- graphen-Congress, welcher diesem .Sommer in London tagen werde, diese für die Geographie, die Nautik und die Naturwissenschaften so wichtige Angelegenheit fördern werde; er l)ittet die Geographen und Geophysiker Deutschlands, ihn kräftig zu unterstützen, damit er die deutsche Wissenschaft bei dieser .Sache in würdiger Weise vertreten könne. Hierauf sprach Herr Dr. E. von Drygalski aus Berlin über „die SUdpolarforschung und die Pro- bleme des Eises." Die physikalische Erforschung des Eises ist jetzt so weit gefördert, dass man aus dem Studium derselben allein auch auf den Charakter der Gegend zu schliessen vermag, aus welcher dasselbe her- stammt. Redner unterscheidet nach seinen grönländischen Erfahrungen und Studien drei Hauptgruppeu nach der Struktur: das Meereis, das Eis der Binnenseen und der Flüsse und das Gletschereis; beim Meereis stellen sich die krystallographischen Hauptaxen parallel zur Gefrier- fläche ein, beim Eis der Binnenseen senkreelit dazu, und bei dem Gletschereis ist keine bestimmte Anordnung nach- zuweisen. Es kann somit schon die Struktur darüber Aufschluss geben, ob man es z. B. beim autarktischen Treibeis mit zusammengestautem Meereis oder mit auf dem Lande gebildeten Gletschereis zu thun hat und kann im letzteren Falle nach weiteren Eigenthündichkeitcn feststellen, unter welchen Bedingungen dasselbe auf dem Lande gelegen hat, kann also gewisse .Schlüsse über den Charakter des Landes allein schon aus der Eisstrnktur machen. Auch die Feststellung der Eisberghöhen ge- stattet Folgerungen tiber die Meerestiefe und über die Mächtigkeit des Inlandeises, von welchem die Eisberge abstammen. Es muss aber natürlich das Hauptziel einer antarktischen Expedition sein, festes Land zu erreichen und daselbst eine wissenschaftliche Station zu errichten. Zwei Schiffe bedeuten bei der Wahrscheinlichkeit ihrer Trennung zwei Expeditionen; auch mit einem Schiff' dürfe man jedoch auf gute Ergebnisse rechnen: „Wir sehen das Interesse an der Polarforschung überall lebhaft er- wacht, eine Förderung der Südpolar-Forschung ist jetzt für die Wissenschaft das lohnendste Ziel und es wäre die schönste Feier des 25 jährigen Bestehens der Bremer Geographischen Gesellschaft, wenn auf dem Bremer Geo- graphentag der Entschlnss entstände, die Südpolar-For- schung jetzt auch durch Thaten zu fördern. Durch ihre Vergangenheit und durch ihren heutigen Verkehr erscheint Bremen ganz besonders berufen, diesen Entschluss zur Reife zu bringen." Ergänzend ])ehandelte dann noch Herr Dr. E. Van- höffen, der bekanntlich Drygalski's Begleiter auf der von der Berliner Gesellschaft entsandten Grönlaudexpedition war, die Frage: „Welches Interesse haben Zoolo- gie und Botanik an der Erforschung des ,Süd- polargebictesr"' vom biologischen Standpunkte aus. An diese Vorträge knüpfte sich eine längere Dis- kussion; in derselben beantragt Herr L. Friedrichsen aus Hamburg die Bildung von Comitees zur Herbei- führung praktischer Schritte. Für 150 000 Mark stehe das Hamburger Schiff' „Jason" zur Verfügung und werde sich zum Zwecke einer antarktischen Expedition, aus- statten lassen; man brauche dabei auch die kaufmännische 33S Naturwisscnscbaftliche WochcuscliriCt. Nr. 28. Seite (Wal- und Robbenfang) nicht ausser Acbt zu lassen; Geheimrath Ncumayer ist gegen jede Verquickung des wissenschaftlichen und des kaufmänuisebcn Interesses. Herr Albrecbt stimmt dem bei und befürwortet ebenfalls die Bildung von C'omitees, um das bisherige Stadium rein akademischer Erörterung endlich zu überschreiten. Im Verlaufe des Geographentages werde denn auch zunächst ein Central-Coniitee gebildet, mit Neumayer als Präsident, Alb recht als Vicepräsident und Dr. M. Linde mann als Secretär. Dasselbe solle im Juni in Berlin zu einer ersten Sitzung sowie noch einer Anzahl anderer Mitglieder zu- sammentreten. Zweite Sitzung am Nachmittag den 17. April. In der von den Satzungen für schulgeographische Fragen vorgesehenen Sitzung führten Geb. Reg.-Rath Prof. Dr. Wagner-Güttingen und Scliulratii Dr. Sander-Bremen den Vorsitz. Der erste Vortrag der Prof. Dr. R. Lehmann- Münster i. W. über „den Bildungswerth der Erd- kunde" veranlasste eine eingehende Discussion. Die Zahl der akademiscii gebildeten Gcograpbielehrer ist zwar an den Schulen orlicblicii gcwaciisen, aber keineswegs werden die vorhandenen geschulten Kräfte so benutzt, wie es sein könnte. In Preussen ist es in den Oberklassen dem Ermessen der Vertreter anderer Fächer anheimgegeben, einzelne Zweige der Geographie zu berücksichtigen. Dass die Erdkunde noch vielfach stiefmütterlich behandelt wird, rührt davon her, dass ihr Bildungswerth noch nicht hin- reichend anerkannt ist. Derselbe liegt einerseits in dem tbatsächliclien erd- und länderkundlichen Wissen, andrer- seits in der Erfassung des inneren Kausalzusammenhanges vieler einzelner Erscheinungen. Wie das letztere herbei- zuführen ist, zeigt Redner an vielen Beispielen und stellt folgende Forderungen auf: 1. auf allen Universitäten muss für geogra|)hische Lehrstühle gesorgt werden; 2. au allen Universitäten und an allen technischen Hoch- schulen ist für geographische V(n"lesungeii Sorge zu tragen; 3. dem Geographie-Unterricht ist in künftigen Lehrplänen mehr Raum zu gewähren als bisher. Die geäusserten Wunsche werden von einer Commission, be- stehend aus den Herren Prof. Lehmann, Prof. Kirehhoff und Dr. Langenbcck zu Anträgen fornndirt und dem Geo- graphentag zur Beschlussfassung vorgelegt. Ferner sprach Dr. A. Oppel- Bremen über „den Wertb und die Anwendung von Anschauungs- bildern im geographischen Unterricht". Er fordert zweierlei Arten von Bildern : kleine Bilder für die häus- liche Arbeit (Holzschnitt), Wandbilder für den Klassen- unterricht (Aquarelle) und regt den Gedanken an, ob es sich nicht empfehle, in jeder Schule einen besonderen Lehrsaal für den Geographie-Unterricht zu beschaffen. Herr Dr. C. Rohrbacb- Gotha begründete seinen bereits 1893 eingebrachten Antrag „Der Deutsche Geo- graphentag erklärt es für dringend wünschcnswerth, dass an allen für den Unterricht bestinnnten Karten in Merka- tors Projection nach Süden die gleiche Ausdehnung ge- geben werde wie nach Norden, sodass der Aequator die Höhe der Karte halbirt" damit, dass die bisherigen Mer- kator-Karten zu falschen Vorstellungen über die Breiten- lagen der einzelnen Erdräume veranlasst werden. Der Antrag wurde jedoch in der Schlusssitzung al)- gelelint, weil man der Ansicht war, dass auf denjenigen Untciriclitsstufen, wo das Anschauungsbild den bestim- menden Einfluss habe, die Merkator-Projection vermieden werden solle. Mit dem Festessen am Abend des ersten Sitzungs- tages war die Feier des 25jähri'gen Bestehens der Bremer Geographischen Gesellschaft verbunden, läufig A fr i k a. deren Verdienste Geh. Reg.-Rath Wagner-Göttingen in längerer Rede würdigte, während H. Mel eh ers- Bremen den langjährigen Schriftführer und Vice-Präsideuten der Bremer Gesellschaft, Dr. M. Lindemann, feierte. Dritte Sitzung, am Vormittag des 18. April. Unter dem Vorsitz von Geh.-Rath Neumayer-Ham- burg und Senator Dr. Ehmck-Bremen sprach zunächst Lieutenant Graf von Götzen-Berlin über die vor- en Ergebnisse seiner Reise quer durch Dieser Vortrag des unerschrockenen jungen Officiers erregte grosses Interesse, die ausgestellten Original- Aufnahmen zeugten von dem ungeheuren Fleiss und der Genauigkeit in den Arbeiten des Reisenden. Die Ver- sammlung bezeugte ihre Hochachtung vor dieser Leistung durch Erheben von den Sitzen. Berathungsgegenstand dieser dritten Sitzung bildeten im Uebrigen die Hauptaufgaben der Oeeanographie und maritimen Meteorologie, sowie die Entwickclung der Compass- bezüglich Seekarten. 1. In Bezug auf die letzteren hielt Geh. Rath Wagner- Göttingen einen geistvollen Vortrag betitelt: „Das Räthsel der Compasskarten im Licht der Ge- sammtentwickelung der Seekarten" und zeigte, dass die Auffassung des um die Geschichte der Karto- graphie so hochverdienten damaligen Directors der Bremer Seefahrtsschule A. B reu sing nicht das Richtige ge- troffen habe und kam zu dem Ergebniss, dass die Alten und das frühe Mittelalter bereits Plankarten der einzelnen Becken des Mittelmeers besassen, die allmählich be- richtigt wurden und dass die Kunst der Italiener haupt- sächlich nur in der Zusammenfügung derselben zu einem üebersicht.sbilde bestanden habe; hierbei haben sie jedoch Karten mit verschiedenem Maassstab vereinigt, niemals aber einheitliche loxodromische Karten entworfen, wie Brensing meinte: das Netz loxodromischer Karten lässt sich jenen Karten nicht aufzwängen. Die Zeit des 16. und 17. Jahrhunderts bezeichnet daher in der Kartographie auch keine Periode des Rückschritts gegen das 13. bis 15. Jahrhundert, wie Breusing glaubte annehmen zu müssen, sondern es ist nunmehr eine organische Ent- wickclung in der Geschichte der Nautik hergestellt. (Das dem Vortrag zu Grunde liegende Kartenmaterial war der von Geh. Rath Wagner mit grosser Mühe zusammen- gebrachten Sonderausstellung entnommen). 2. Prof. 0. Krümmel-Kiel sprach über die „Nutz- barmachung der nautischen Institute für die Geographie" und hatte dabei Gelegenheit darzulegen, welch ungeheures Beobaciitungsmatcrial in dem Archiv der Deutsciien Seewarte in llanil)urg im Vergleich zu ähnlichen Instituten anderer Länder, namentlich aucii Englands, bereits niedergelegt worden ist. Seit Begründung desselben im Jahre 1875 sind bis Ende 1894 daselbst über 12 000 deutsche SchiflFsjournalc eingeliefert worden. In England liegt nur etwa die Hälfte im Arciiiv, olnvohl 20 000 englischen Schiffen nnr 3500 deutsche gegenüber- stehen, welche jetzt jährlich in See sind; die Thätigkeit der deutschen Seeleute ist sonach reichlich 12 Mal so gross wie die der englischen. Für diese Arbeit habe der Deutsche Geographentag den braven deutschen Seeleuten seineu wärmsten Dank auszuspreclien, denn die Kräfte der deutschen Seewarte reichten bei Weitem incht aus, um dieses Material zu verarbeiten, es sollten daher nur Privat- gelehrte nach Hamburg kommen, und dort die Schätze der Seewarte z. B. auch nach biologischen (zoologischen, botanischen) Gesichtspunkten zu benutzen. Der letzte Vortrag dieser Sitzung, derjenige des Prof Börgen-Wilhelmsliafen über „Gezeiten" musste wegen der schon weit vorgeschrittenen Zeit stark gekürzt Nr. 2)^. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 339 wenlen. Zur Erklärung: der iiiannii;-faltigen Vorji^änge reichen die von Newton und i^a place aufgestellten astrononiiseiieii Tiieorien nicht aus, nur die von Airy aufgestellte Wellentlieorie erklärt die Gezeiten - Er- scheinungen in Flüssen, Buchten und engen Gewässern vollständig. Die von Airy aufgestellte Gezeiten-Theorie legte der Redner näher dar und zeigt den Erfolg der- selben mit Bezug auf die Erklärung der Gezeiten in be- grenzten Gewässern; mit Sicherheit lasse sieh auch auf einen Erfolg derselben im Grossen erwarten, wenn sie erst nach jeder Richtung hin ausgearbeitet sei, dann werde auch die in den Lehrbüchern übliche Darstel- lungsweise der Gezeiten allmählich einer rationelleren weichen. Der Nachmittag des 18. April war für die Sehens- würdigkeiten, namentlich die Handels- und Ver- kehrscinrichtungen Bremens, bestimmt. Es wurden besichtigt: das Börsengebäude, die Einrichtungen der Baumwollenbörse, die Rathhaushalle, die Packhäuser und Geschäftsräume der Firma Hotfmann und Leisenitz, das l'roviantanit, die Kellerräume und die Waschanstalt des Noi-ddeutsclien Lloyd, die Anlagen der Reisnuihlen und Reisstärketal)riken der Gebr. Nielsen und die Anlagen des Freihafens und der Wesereorrection, indem die „Libelle" die Besucher bis zur Langen Bucht und zurück bis nach der Kaiserbrücke brachte. Vierte Sitzung, am Vormittag des 19. April. Ehe in die Tagesordnung — Landeskunde der deutschen Nordseegestade — eingetreten wird, ge- denkt Geh. Rath Neumayer des auch um die Geographie hochverdienten Naturforschers Christian Gottfried Ehrenberg, geb. am 19. April 1795; Hauptmann Kollm verliesst den Kassenabschluss und beantragt den Dank des Geographentages für den Schatzmeister des Geo- graphentages, Herrn Michaelis in Gotha. Für den Ort des nächsten Geographeutages (Ostern 1897) wird Jena in Aussicht genommen, da die Geographische Gesellschaft (für Thüringen) zu Jena durch den Referenten dorthin einladet (in der Schlussitzung wurde Jena als Ort des 12. Geographentages mit grossem Beifall gewählt). Es folgen nunmehr drei Vorträge und der Commissionsberieht der Ceutralkommission für wissenschaftliche Landeskunde: 1. In Vertretung des abwesenden Oberbaudirectors Franzius sprach zunächst Herr Bauinspector Bücking über die Wesereorrection.*) Er gab zunächst einen Ueberbliek übei- das Gesammt- gebiet der Weser, deren Länge von Münden bis Bremer- haven 436 km beträgt. Es ist zu unterscheiden zwischen der Oberweser bis Bremen, der Unterweser bis Bremer- haven und der Aussenweser. Das Gefälle ist ein sehr verschiedenes, es wechselt von 1 : 1800 bis 1 : 3000, von Minden ab ninunt dasselbe ab von 1 : 4000 bis 1 : 6000, Das Gesammtniederschlagsgebiet beträgt 47 000 qkm. Während für die Oberweser der Wasserstand genau be- stimmt werden kann, wechselt derselbe für die Unter- vveser beständig durch Ebbe und Fluth. Für das Fluth- gebiet sind nur selbstschreibende Pegel zu benutzen. V^on Bremen bis Bremerhaven waren 7, später 12 solcher Pegel aufgestellt, bei denen die Bewegungen eines den jeweiligen Wasserstand anzeigenden Schwimmers auf einem durch ein Uhrwerk gedrehten Papierstreifen auf- gezeichnet werden, wodurch die Fluthcurven entstehen. Dieselben geben die Möglichkeit, den Wasserstand nach- ti'äglich zu ermitteln. Das Mündungsgebiet hat eine trichterförmige Gestalt. Eine grössere Fahrwassertiefe *) Das Referat über die beiden folgenden Vorträge ist einem Berieht der „Bremer Nachrichten'" entnommen. kann nur durch Seidiung der Flusssohle stattfinden. Um den Strom cinheitlieh zu machen, musstcn die Strom- s})altungcn beseitigt werden. Sodann niusste sieh die Correction auf Niedrigwasserbett beschränken, um die Stromstärke besser zu erhalten. Die im Oberläufe zur Anwendung gelangenden Buhnenbauten können ohne Schädigung der Fluthwirkungen im Unterlaufe nicht an- gewendet werden, daher wurden Leitdämme angelegt. Treffliche Zeichnungen und Pläne veranschaulichten die seit 1887 durchgeführte Verbesserung des Fahrwassers: Die Unterweser hat ein einheitliches Bett bekonmien, starke Krümmungen, wie die Lange Bucht, sind beseitigt, die Breite nimmt von oben nach unten stetig zu, bei Niedrigwasser beträgt dieselbe in Bremen beim Freihafen 130 m, bei Bremerhaven 1200 m. Die übermässige Strombreite unterhalb Bremerhaven hatte eine Stroni- spaltung zur Folge. In den 60 er Jahren lag das Fahr- wasser dicht unter Langlütjen Sand. Ende der 70er Jahre war es östlich an das rechte Ufer verschoben. Da die Gefahr der Verschlechterung des Fahrwassers nahe lag, so wurde die Correction auch auf die Aussenweser ausgedehnt. Die Wesereorrection begann im Juni 1887 und erreichte im Jahre 1890 die grösste Höhe der Arbeits- thätigkeit. Die Strombauwerke wurden von Unternehmern ausgeführt, die Baggerungen aber vom Staat. Für An- sehatfungen der nöthigen Bagger u. s. w. wurden 6 Mill. Mark ausgegeben. In jeder Stunde förderten die Bagger, welche Tag und Nacht arbeiteten, 1100 cbm Boden. Es gelangten zum ersten Mal in Deutschland Apparate zur Anwendung mit grossen Centrifugalpunipen, denen der Boden vermischt mit Wasser und Weserkies 1 : 10 zu- geführt wurde. Bis einschliesslich 1894 wurden 28 Mill. Cubiknieter verfahren, die Leitdämme haben eine Länge von 44 000 m, an Buschwerk wurden 2 432 000 cbm verbraucht. Die zu beseitigenden Bänke und Untiefen waren nicht reiner Sand, sondern vielfach Thonschichtcn und enthielten viele schwer wegzuschaffende Findlinge. Das Resultat der Wesereorrection ist ein übeiaus glänzendes. Im Jahre 1887 betrug die Fahrwassertiefe 2,5 m, Ende 1894 betrug sie 5,4 m. Die Sehifffahrt hat sich dieses schon jetzt sehr zu Nutze gemacht. Dies zeigt sieh in einer Uebersicht der tiefgehenden Schilfe. 1891 war unter 1530 Segelschiffen 1 Schilf mit einem Tiefgang von 4,5 bis 5 m, 1892 waren unter 1610 Segelschiffen 22 Schilfe mit einem Tiefgang von 4,5 bis 5 m, 1893 waren unter 1808 Segelschiften 51 Schiffe mit einem Tiefgang von 4,5 bis 5 m, 1894 waren unter 1709 Segel- schiffen 115 Schiffe mit einem Tiefgang von 4,5 bis 5 m, darunter 47 mit mehr als 5 m. Mit dem Wunsche, dass die von der bremischen Bevölkerung an das geniale Werk des Herrn Oberbaudirectors Franzius geknüpften Hofl"nungen in Erfüllung gehen möchten, schloss der mit Beifall aufgenommenen Redner seineu Vortrag. Den zweiten Vortrag hielt der Director der Moorver- suchsstation Herr Dr. Tacke: „Ueber die uordwest- deutschen Moore, ihre Nutzbarmachung und volks- wirthschaftliehe Bedeutung". An der Oberfläche des deutsehen Nordwestens nehmen die Moore einen bedeuten- den Antheil, da sie eine Gesammtoberfläche von 1 19 Quadrat- meilen umfassen, und zwar kommen auf Hannover 101,4, auf Oldenburg 17,2 Quadratmeilen. Im Anschluss an die orographisehen und hydrographischen Verhältnisse sind zu unterscheiden 1. die Moore im Flussgebiet der Elbe, 2. im Gebiet der Weser auf dem rechten Ufer, 3. zwischen Weser und Ems, 4. die Moore im mittleren Ems- und Vechtegebiet. Unsere Moore sind vorwiegend alluvialer Herkunft, und entstehen überall da, wo viel Wasser für eine Sumpfvegetation vorhanden ist. Nach der Art des 340 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 28. mineralischen Untergrundes siud verschiedene Moorboden- formen zu unterscheiden. 1. Die aus Gräsern und Sumpf- ptlanzen entstandenen Niederungsnioorc, die einen grossen Gehalt an Kalk und Stickstoffen besitzen, 2. die aus Wollgräsern, Heidekraut u. dergl. entstandenen Hoch- moore und '6 die Uebergangsmoore, die bald der ersten^ bald der zweiten Art näher stehen. Die Niederungsmoore erheben sich wenig über den Wasserspiegel. In land- wirthschaftliche Kultur genommen, liefern sie frucht- bare Ackerbiklen und sind reicii an Kalk und Stick- stoff. Der Ackerbau ist aber unsicher wegen der Vcge- tationsverliältnisse im Winter. Nach der von dem Ritter- gutsbesitzer Kimpau angewandten [Methode werden die Moore an der Ubertläche mit einer Sandschicht bedeckt und werden allmählich in blühende Ackergefilde verwandelt. Weniger reich ausgestattet sind die Hochmoore, die im Nordwesten die Hauptrolle spielen. Es sind meist heide- krautartige Gewächse, die zur Entstehung Anlass geben. Diese Hochmoore bedecken nicht nur die diluviale Er- hclnmg, sondern reichen auch in das alluviale Geliiet hinüber. Sie stellen gleichsam einen ungeheuren mit Wasser gefüllten Schwamm dar und haben eine uhrglas- fiirmige Gbertlächenform. Der landwirthschaftlichen Be- nutzung bieten sie viel Hindernisse. Trotzdem sind auch diese Böden in nutzbringende Aecker verwandelt. Redner geht dann auf die aus Holland stannnende Moorbrand- kultur ein. Sie besteht darin, dass die nothdürftig ent- wässerten Moore an der Oberfläche gelockert werden und die Hunmsschicht im Frühjahr verbrannt wird, wo- durch der bekannte unangenehme Höhen- oder Moorraueh entsteht. In die Asche wird dann die Hauptfruciit der Moore, Buchweizen, gesäet. Sicher ist, dass das Moor- brennen auf die Moorcultur selbst schädlich gewirkt hat, da es ein Raubbau der schlimmsten Art ist; denn wenn der Acker ausgebrannt ist, so muss er Jahrzehnte ruhen, ehe eine neue Hunnisscliicht sich bildet. Segensreicher hat die auch aus Holland stammende Fehn- und Sand- mischkultur gewirkt, indem man durch ^Mischung des Moors mit Sand und animalischem Dünger den Moor- boden in Aecker und Wiesen umwandelt. Im deutschen Nordwesten haben wir blühende Hochmoore, wie Papen- burg oder die Moorcolouie im Teufelsmoor, mit denen der Name Findorf unauflöslich verknüpft ist. Man hat in den Mooren zahlreiche Siedlungen begründet, nach An- legung zahlreicher Canäle, wie des Ems-Jahde-Canal, oder des Süd-Nord-Canal, im Burtauger Moor. In Han- nover wurde die Colonisation im Grossen begonnen durch Ankauf einer grossen Fläche (450 Heetar) im Burtanger Moor. 1890 hat Preussen ein grosses Besiedelungswerk im Wiseder Moor (Regierungsbezirk Aurich) angelegt. Ein drittes grosses Werk ist im Lande Kehdingen, links der Elbe. Die Siedlungen umfassen jetzt blühende Dörfer mit fleissigen Menschen. o. Der Vortrag des Herrn Professor Dr. Buchenau, (Director der Realschule am Doweuthor), über die ost- friesisehcn Inseln, bot einen systematisch zusammen- fassenden Ueberblick über die Naturverhältnisse dieser Inselgruppe, Redner regte an, es möchten an den wenigen Punkten der ostfriesischen Küste, an welchen der Dilu- vialboden, die Geest, unmittelbar an die Küste heran- tritt, feste, besonders einnivellirte Pegel angebracht werden, welche in Zukunft gestatten würden, die noch immer ungelöste Frage nach den säkularen Schwankungen dieser Küste zu lösen. E^in dahin gehender Antrag des Vortragenden wird in der Schlusssitzung angenommen. Eingehender beschäftigte sieh der Redner alsdann noch mit der Flora der ostfriesischen Inseln, welche er ein- gehend studirt hat und erwarb sich den besonderen Dank einer Anzahl Interessenten durch die Freundlichkeit, mit welcher er Exemplare seiner „Flora der ostfriesischen Inseln" zur Verfügung stellte.*) 4. Den Bericht der Centralcommission für deutsche Landeskunde verlas an Stelle des ab- wesenden Vorsitzenden l'rof. A. Pcnek-Wien Herr Prof. A. Kirchhof f- Halle. Eine längere Discussion entstand hauptsächlich über das schon in Stuttgart begonnene Be- mühen, den Arbeiten der Commission für deutsche Landes- kunde, speciell den „Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde" einen grösseren Abnehmerkreis zu ver- schatfen und den sehr hohen Preis desselben herabzumindern durch Gründung eines „Vereins für deutsehe Landes- und Volkskunde". (Oberlehrer Görke-Dortmund stellte einen dahin zielenden Antrag, welcher in der Schlusssitzung- auch angenommen wurde.) Eine kräftige Agitation müsste dies Ziel bald erreichen; haben doch in Uesterreich wenige Männer einen stattlichen „Verein für österreichische Landeskunde" ins Leben zu rufen vermocht und bei uns sollte dies nicht auch in ähnlicher Weise möglich seinV 5. In sehr ausführlicher Weise begründete Prof. Lehmann -Münster einen von ihm gestellten Antrag, an die Kgl. Preussische Landesaufnahme das Ersuchen zu richten, wie in Sachsen und Baden die Isohypsen auf den preussischen Messtisch- blättern (1:25000) farbig anzugeben. Ein Delegirter des grossen Generalstabes, Major v. Ziethen, brachte tech- nische Bedenken vor, trat dem Antrag jedoch nicht in amtlichem Auftrage gegenüber. (Letzterer erlangte in der Schlusssitzung nur eine geringe Majorität, ob der- selbe praktische Ergebnisse haben wird, ist abzu- warten). Fünfte (Schluss-) Sitzung am Freitag Nachmittag. In dieser Sitzung kamen zunächst alle Anträge zur Abstinnnung, wobei sich die Mängel einer solchen sunnnarischen Abstinnnungsweise in der letzten Sitzung sehr klar zeigten. Da ein Vortrag des Programmes in Wegfall kam, sprach nur der Director des Norddeutschen Lloyd, Herr Dr. Wiegand aus Biemen über „Deutsche Colonisation in Südamerika", und entwarf besonders ein sehr anschauliches Bild von dem Leben und Treiben der deutschen Colonisten in Südbrasilien, welches mit grossem Beifall aufgenommen wurde. Der Vorsitzende dieser Sitzung, Professor Kir chhoff-Halle, gab alsdann einen Ueberblick der gesannnteu Bremer Tagung, Geh. Rath Wagner - Göttingen brachte der Stadt Bremen, der Geographischen Gesellschaft und speciell den Herren W. Wolkenhauer und Dr. A. Oppei in warmen AVorten den Dank des Geographentages dar, und Geh. Rath Neumayer schloss die Tagung mit einem kräftigen Hoch auf das Vaterland! Das prächtigste Wetter begünstigte auch die beiden sieh anschliessenden Excursionen, die Fahrt in See bis dicht vor Helgoland, welche der Bremer Lloyd in zuvorkonnncndster Weise am Sonnabend von Bremerhaven aus veranstaltete, und die Theilnchmer glänzend be- wirthete, sowie die Excursion nach dem Moor bei Wörpen- dorf am Sonntag, an welcher 4(j Herren, darunter auch der Referent, theilnahmen. Die geographische Ausstellung kann an dieser *) Bei dieser Gelegenheit sei eiwiihnt, dass Prof. Buchenau in der ersten Sitzung; im Auftrage des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen 200 E.xcninlare des ersten Heftes der „Beitrüge zur NonUvestduutschen Landes- und Volkskunde" zur Verfügung gestellt hatte; ausserdem gelangte ein Doppelheft der Bremer Geographischen Gesellfchaft zur Feier ihres 25jährigen Bestehens und die kleine Landeskunde der freien Hansestadt Bremen von Dr. W. Wolkenhauer durcli den Verleger Herrn A. Hirt in Leipzig zur Vertheihing. Nr. 2S. NaturwisscuscLurtlicbc Wochcuscbiil't. 341 Stelk', so vortrcrt'lich dieselbe am-b i;eliini;-cn ist, nur mit i\iu"/.cn Worten berülirt werden; die Besneber des Oco- f;rai)bentaj;es werden, nanientbeii wer Zeit idirij;' liattc, sebon \oy Bei;iini der anstrengenden Sitzungen das bier y.usannnengebraebtc reicbe Material zu studiren, bleibende Eindrüeke und Belebrung dureb dicsellic empfangen baben und sind den Veranstaltern derselben, nanientlicb Herrn Dr. A. Oppel, wclcbeni die Anordnung dersell)en zutiel, zu grossem Danke verpfliebtet. Die erste llauptgruppc umfasste Seewesen, Seekarten, Weserstromkart e n und Wasserb au im aligemeinen. Man erbielt bier einen Kinbliek in den iieutigen Seevcrkebr und seine Hilfsmittel ; Oflieiere des Lloyd wurden niebt müde, die Instrumente und die zabl- rcicbcn Modelle zu erklären. F.rsterc waren dureb eine besondere Abtbeilung des Katalogs erläutert. Geb. Katb Wagner batte eine midundlle Sduderaussteliung idser die Entwiekelung der Seekarten vom 13. — 18. Jabrbmidert zur Krbiuterung seines Vortrages veranstaltet und batte ebenfalls eine kurze lOrläuterung für den Katalog- zu- sammengestellt. Die Faebleute sind dem Aussteller für diese Darbietung zu ganz besonderem Danke verpfliebtet: Unter den Reliefs zum Wasser- und Hafenbau erregten die Darstellungen der Wescrcorreetidu besondere Auf- merksamkeit. In der zweiten Gru]tpe waren die neueren Er- scheinungen aus dem Gebiet der Erdkunde, so- wohl Zeitschriften und Bücher, als Instrumente, Karten und Bild er werke vereinigt, unter letzteren auch die Originalbilder des Dr. Finscb. Die für den Unterriebt bestimmten Karten, Bilder u. s. w. waren nach s^'stematiseben Gesichtspunkten zum Vergleieh nebenein- ander aufgestellt, doch durcbbracben die Sonderaus- stellungen von Justus PertbesGotha und Dietrich Reimer- Berlin dieses Prinzip. Es fehlten wohl kaum wichtigere Erscheinungen der neueren deutsehen Litteratur. Die dritte Hauptgruppe galt der Landeskunde von lircmen und der Unterweser und bot eine voll- ständige Sannnlung der auf Staat und Stadt Bremen be- züglieben Darstellungen, sowohl Plänen wie auch Ab- bildungen. Die ältesten Karten gehören hier erst dem Ausgang des 16. oder dem Anfang des 17. Jahrhunderts an. Diese Gruppe und'assic ferner die Veröffentlichungen der Bremer wissenscliaftliehcn Vereine, sowie eine Sannnlung von Bildern beridunter Bremer Persönlich- keiten und eine sehr lehrreiche Darstellung der Moor- colonisation, welcher aueii der eine der beiden Aus- flüge galt. Jeder Besucher der Bremer Tagung wird die dort empfangenen Eindrücke in dankbarer Erinnerung bewahren, jedem Binnenländer vor Allem wird die gastfreie Stadt und die herrliche Seefahrt auf der „Habsburg" bis zu dem in zartestem Dufte vor dem Beschauer liegenden Helgoland gewiss unvergesslich bleiben. Trapa iiataiis L., lebend in Ostprenssen. — Die Wassernuss, Trapa natans L., gehört zu denjenigen Gewächsen, welche in der Vergangenheit eine grössere Verbreitung hatten und gegenwärtig von Norden innner weiter zurückweichen. In Schweden sind fossile Früchte der Art an mehreren Orten besonders durch A. G. Nathorst aufgefunden, während im ganzen Lande nur eine Loealität bekannt ist, der Inmieln-.See in Schonen, wo sie noch heute frisch gedeiht. Am weitesten nach Norden liegt die von Gunnar Andersson im vorigen Jahre entdeckte Stelle fossiler Reste im südwestlichen Finland, wo sonst die Art gänzlich unbekannt ist. Im europäischen Russland wurden aljgestorbcne Früchte im Torfmoor bei Kudykino unweit der Eisenbahnstation Oreotowo im Gouvernement Wladimir, durch G. J. Tan- filjew aufgefunden. Lebend kommt die Pflanze im nörd- lichen Russland im KlautzanSee (Curland) und dann er- beblieh weiter südlieh, z. B. massenhaft in den Mündungs- armen der Wolga, unweit Astrachan, vor. Was Deutschland betrifft, so werden noch in neueren Fb)rcnwerken aucli für Ostprenssen niebrcrc Standorte angeführt, wie z. B. der Teich bei Rauschen im Samiande, der Mühlenteicb Ijci Neuhausen unweit Königsberg, der MiUdeutcich bei Uderwangen, Kr. Pr.-Eylau, der Scbloss- teich bei Donniau u. a. ni. Aliein diese Angaben sind neuerdings nicht bestätigt, und in Wirklichkeit war die Pflanze in den letzten Jahrzelniten i)ishcr an keiner ein- zigen Stelle Ostpreussens lel)end beobachtet, wogegen mehrere Funde fossiler Früchte von dort bekannt ge- worden sind. Für Westprcussen giebt Nie. Oelhafen im Jahre 16-13 an, dass die Wassernuss in den Sümpfen beim Holm nalie Danzig wachse, jedoch ist sie auch liier längst nicht mehr vfirhanden. In Folge der vom West- preussischcn Provinzial-Museum ausgebenden Anregungen, sowie in Folge von jilanmässig ausgeführten Unter- suchungen, sind in unserer Provinz vierzehn verschiedene Localitäten nachgewiesen, wo sich fossile Früchte, theil- weise in massenhafter Anhäufung vorfinden. Diese Stellen liegen tbeils östlich, theils westlich der Weichsel, bier im Danziger Bezirk. Es ist wiederholt in dieser Zeitschrift kurz über jene Funde berichtet worden, und eine ausführliche Darstellung des Gegenstandes bleibt späterer Zeit vorbebalten. Aus den angeführten Thatsachen ergiebt sich, dass Trapa natans in früherer Zeit ziemlieh häufig in Ost- und Westprcussen gewesen ist; aber nach Lage der Dinge schien die Annahme gerechtfertigt, dass sie gegen- wärtig, in beiden Provinzen nicht mehr vcgetirt. Erfreu- licher Weise erfährt nun diese Annahme durch folgende Beobachtung eine wesentliche Beschränkung. Etwa eine Meile unterhalb Tapiau im Pregelthale liegt der Linkehner See, ein mit verschiedenen Wasser- pflanzen stark verwachsenes und allmählich verlandendes Gewässer von ca. 12 ha Grösse. Es bat einen schlickig moorigen Untergrund und eine Tiefe von 2 bis 3 Meter. Als der technische Sachverständige der Fischerei- Vereine für Ostjn-eusscn und für Westprcussen, Herr Dr. A. Selige, zur Besichtigung einiger Pregel-Altwässer kürzlich dort weilte, fand er in diesem See neben Nymphaea alba L., Linniantbemum nyni])haeoides Link, Nuphar luteum L. etc. auch eine Pflanze, die „wohl nichts anderes ist, als die Trapa natans." Da er sich dabei eines früher von mir in Fischereizcitsehriften erlassenen Aufrufs über die Wassernuss erinnerte, übersandte er mir freundlichst die von ihm gesannnelten frischen Pflanzen, die in der That Trapa natans angehören. Nach seinen Mittheilungen kommt dieselbe zerstreut im ganzen See vor, am dich- testen aber im tieferen östlichen Theil, wo sie stellen- weise allein herrscht. Der Fisehereibesitzer, Fährkrug- besitzer Nordwig in Fährkrug Linkebnen bei Gross- Lindenau, Ostpreussen, kennt die Pflanze schon seit länger als zwanzig Jahren. Ebenso ist sie mehreren Fischern, seitdem sie den See befischen, bekannt; und sie pflegen sich beim Anziehen des Netzes mit Lederhandschuhen gegen die spitzen Dornen der Früchte, welche sich massenhaft in die Masehen setzen, zu schützen. Die dortigen Fischer nennen die Pflanze Nusskraut und 342 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 28. wissen sehr wohl, dass der Kern essbar ist. Auch iu Westpreussen, im Eosenberger Kreise, wo die Früchte an mehreren Stellen in grosser Menge im Torf liegen, sind die Arbeiter zuerst darauf aufmerksam geworden, weil sie sich an den spitzen Dornen oft die Finger verletzten. Somit ist für Ostpreussen der erste Standort der lebenden Pflanze entdeckt, und zwar an einer Stelle, von wo sie bisher überhanpt noch gar nicht angegeben war. Man kann daher wohl vermuthen, dass sie vielleicht auch an anderen entlegenen Stellen Ost- und Westpreussens, sowie in dem westlich und südlich angrenzenden Gebiet, noch heute gedeiht. Diese Zeilen mögen dazu dienen, um weitere Kreise, in denen sie gelesen werden, aufs Neue zu einschlägigen Nachforschungen anzuregen. Ausser auf lebende Pflanzen, ist auch besonders auf die abgestorbenen Früchte zu fahnden, welche ja vermöge der zwei Paare kreuzweise gestellter Dornen nicht zu verkennen sind. Diese Früchte finden sich bisweilen auf, bezw. in dem Boden von Binnen- seen, sowie auch in tiefen Lagen der Torfmoore, be- sonders nahe ihrer Sohle. Daher ergeht an Fischerei- besitzer und Grundbesitzer, an Landwirthe und andere betheiligte Personen die Bitte, beim Abfischen und Ablassen von Seen, sowie bei Anlage von Gräben in torfigem Ge- lände und beim Ausstechen von Torflagern, auf die Wassernuss zu achten und von dem etwaigen Auffinden den Unterzeichneten zu benachrichtigen. Danzig, den 20. Juni 1895. H. Conwentz. Directoi' des Proviiizial-Museums. Die Witteruug des Monats Juni im centralen Europa. — Die Witterung des Monats Juni brachte zwar überwiegend schönes, massig warmes Wetter, doch zeich- nete sicli die Witterung nicht gerade durch Beständigkeit aus. Lange Perioden ummterbrochen schönen Wetters kamen nicht vor. Ein hervorragendes Charakteristikum des Monats waren die ungewöhnlich zahlreichen und vielfach abnorm heftigen Wolkenbrüclie und Hagelschläge, welche abwechselnd bald diese, bald jene Gegenden des centralen und südlichen Europas heimsuchten. Während der ersten Tage lagen barometrische ]\Iaxima über Nord- und Nordwesteuropa, doch wurde die vor- wiegend heitere Witterung, welche in England z. B. be- trächtliche Hitze herbeiführte, vielfach durch kleine Theil- depressionen und Gewitter gestört. Schon am 1. und 2. wurde die Uberlausitz, am 3. und 4. Thüringen von Wolkenbrüchen betroften, seit dem 5. aber häuften sich derartige Paroxysmen in erschreckender Weise. Am 5. und 6. wurde Württemberg von Wolkenbrüehen heim- gesncht, wie sie mit dem Klima des Landes fast unver- einbar scheinen, zumal der Ort Balingen litt furchtbar. Auch über einigen Theilen von Niederösterreich, Ober- bayern (Ammersee), Galizien und Ungarn, ebenso in Bo- logna gingen am 5. bezw. 6. schwere WolkenbrUche nieder, der Kurort Kobersdorf in Ungarn wurde am 6. durch die Wasserfluthen zum Theil zerstört. Vielfach erfolgten gleichzeitig verderbliche Hagelwetter, auch Constantine in Algier wurde am 7. von einem solchen hart mitgenommen. In den folgenden Tagen hatte am meisten Südeuropa unter gleich heftigen Unwettern zu leiden, Südfraukreich, Nordspanien und Unteritalien (am 9.) hatten abwechselnd Wolkenbrüche zu bestehen. Das Hochdruckgebiet verlagerte sich allmählich immer weiter nach Südwesten, so dass die nördlichen Depressionen mehr und mehr Einfluss auf die Witterung gewannen. Es wurde bei vorwiegend nördlichen bis westlichen Winden ungemein kühl. Dieser Temperaturrückgang, welcher am 13. begann und bis zum 17. währte, bezeich- nete den fälligen Kälterückfall des Juni, welcher ge- wöhnlich um den 15. bis 20. einzutreten pflegt, und meist weit intensiver ist als der Rückschlag im Mai. Wenn dieser nichtsdestoweniger viel mehr bekannt und gefürchtet ist, als jener, so ist der Grund dafür in dem Umstand zu suchen, dass der Juni nur selten den ver- derblichen Nachtfrost bringen kann. In diesem Jahr nun trat thatsächlich verschiedentlieh Frost und Sehneefall (im Gebirge) ein: Oberhof in Thüringen z. B. wurde am 14. von einem richtigen Schneesturm betroffen; auch in einigen Städten in der Ebene sank die Temperatur bis nahe an den Gefrierpunkt (Kaiserslautern am IG. + 3", auf dem Land« trat mehrfach Frost ein, zu Olpe in West- falen sank das Thermometer am 14. bis auf — 3*^. Allmählich verlegte sich der relativ höchste Druck weiter nach Osten und nun erfolgte seit dem 18. eine auffallend rasche Tcmperaturzunahme, so dass schon der 19. und 20. wieder hohe Hitzegrade über 30" brachten. Kräftige Gewitter führten am 20. und 21. neue Abküh- lung herbei, leider erfolgten auch jetzt wieder vernichtende Wolkenbrüche und Hagelfälle, so z. B. am 20. in West- ])öhmen und Steiermark, am 21. in Belgrad und Um- gegend. Bemerkenswerth sind einige ganz extreme Regen- mengen, welche um diese Zeit in kürzester Frist fielen. In Triebel, einem Ort im südlichen Brandenburg, ergab ein 3 stündiger Regenfall am 21. die ungeheure Nieder- schlagsmenge von 142 mm, zu Bobersberg südlich von Krossen fielen am selben Tage 128 Va mm, davon nicht weniger wie 64 in einer Stunde! Einen ausgeprägten Charakter nahm die Wetterkarte erst wieder am 24. an, wo die Luftdruckgegensätze sich einmal wieder verschärften, so dass ein Minimum auf der Ostsee Anlass zu einer Sturmwarnung gab. Die Winde frischten zwar stark auf, doch erfolgte kein Sturm, wohl aber brachte die Depression am 24. und 25. sehr un- freundliches Regenwetter, wobei zum Theil recht ergie- bige Niederschläge stattfanden. Bei sehr gleichmässigem Luftdruck wurde es seit dem 26. wieder stetig wärmer, bis der 30., der sich übrigens in den letzten Jahren stets durch grosse Hitze auszeichnete, die höchsten Wärmegrade des Monats brachte. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wuiilen: Der berühmte Augenarzt Geh. Medicinal- rath Dr. Albert Mooren in Düsseldorf zum Professor; der ausserordentliche Professor der Gynäkologie in Krakau Dr. Anton Moser zum ordentlichen Professor; die Privatdocenten der Anatomie Dr. Rex, der Pharmakologie und Pharmakognosie Dr. Pohl und der Physiologie Dr. Steinack, .sämmtlich an der deutschen Universität zu Prag, zu ausserordentlichen Professoren; der Privatdocont der Histologie und Embryologie Dr. Alexander Kolosow in Warschau zum ausserordentlichen Professor; Mr. R. F. Stupart zum Director des meteorologischen Dienstes in Kanada. Berufen wurde: Landes-Sanitäts-Inspector Dr. Feuer zum ausserordentlichen Professor der Augenheilkunde an die Uni- versität Budapest. Aus dem Lehramt scheidet: Der ordentliche Professor der Histologie und Embryologie Dr. H. Hoyer in Warschau. Es starben: der weltberühmte Naturforscher Prof. Thomas Henry Huxley; der frühere Professor der Botanik am Owens College in Manchester, der Pflanzenpalaeontologe Dr. William Crawford Williamson. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Ludwig Stettenheimer, Eine Discussion der Kräfte der chemischen Dynamik. Drei Vorträge. Frankfurt a. M. Verlag von H. Becldiold. 1895. — Preis 6 M. Referent gesteht, dass es ihm trotz verschiedener Anläufe nicht gelungen ist, durch den ganzen Wust willkürlicher Hypo- Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 34.3 theseii und fast ebenso willkürlicher Schlüsse hiiKlurchzukominen. Kein moderner Natiirwissensch.aftler wird die chemische Kraft als oino besondere, grundsiitzlicli von anderen mechanischen Kräften ver.'ichiedenc betrachten, sondern nur als eine besondere Er- scheinungsart der mechanischen Kraft wird sie aufgefasst und d:is Bestreben, auch ihr Wirken auf die Gesetze der Mechanik zurückzuführen, ist in der wissenschaftlichen Chemie lebendig. Wenn man aber an diese Aufgabe herantritt, darf man nicht von vornherein die Grundlage verschieben. Diesen Fehler begeht Stettenheimer, indem er den Begriff des chemischen Vorgangs verwirrt. Die Ueberführung eines festen Körpers in den flüssigen oder gasförmigen Zustand, ja selbst die Bewegung einer Flüssig- keit im Glase soll nach ihm ein chemischer Procoss sein. Und derartige, den bisherigen Begriffen durchaus zuwiderlaufende Be- hauptungen werden nicht etwa sorglich begründet, sondern besten- falls durch einige Analogieschlüsse, bei denen aber thatsächlich die Analogie fehlt, zu stützen gesucht. Verschiedene Einzelheiten lassen darauf schliessen, dass dem Verfasser das Erwerben chemischer Kenntnisse dringender anzurathen ist als die Be- schäftigung mit den hier aufgeworfenen Problemen. Dass die angebliche Lösung derselben bei so mangelhafter Grundlage nicht befriedigen kann, braucht kaum besonders betont zu werden. Spiegel. Professor Dr. Wilhelm Budde, Physikalische Aufgaben für die oberen Klassen höherer Lehranstalten. Aus den bei I'^nt- lassungsprüfungcn gestellten Aufgaben ausgewühlt und mit Hinzufügung der Lösungen zu einem Uebungsbuche vereinigt. Zweite mit Berücksichtigung der neuen Prüfungsordnungen ab- geänderte und vermehrte Auflage. Friedrich Vicweg u. Sohn. Braunschweig 1894. — Preis 2,50 M. Die im .lahre 1887 erschienene erste Auflage dieser aus Schulprogrammen zusammengestellten Sammlung physikalisch eingekleideter, mathematischer Aufgaben hat in Lehrerkreisen vielen Anklang gefunden. Eine Neuauflage, welche manchen von Collegen geäusserten Wünschen Reclniung trägt, wird daher gewiss von vornherein freudig begrüsst worden. Vor Allem sind die Aufgaben aus der Elektricitätslehre durch Einführung der mo- dernen Masse (Ampere, Ohm, Volt u. s. w ) umgestaltet worden, Neu hinzugefügt hat der Verfasser neben einigen Aufgaben namentlich zahlreiche Themata zu kleinen Abhandlungen mit Rücksicht auf die neue Prüfungsoidnung für die Reallehr- anstalten. Es ist erfreulich, dass die Numnierirung der 5li3 Auf- gaben durch die neuen Einschaltungen nicht alterirt worden ist, weil dadurch die Möglichkeit, beide Auflagen neben einander in der Schule zu gebrauchen, nicht beschränkt wurde. Die Auf- lösungen sind durchweg, hier und da sogar mit Andeutungen über die Methode der Lösung, am Schluss des Buches angegeben. Ein Wunsch, den wir noch gewiss im Sinne vieler Collegen aus- sprechen wollen, wäre der, dass in einem weiteren Anhang die Aufgabennummern nach den zur Lösung erforderlichen mathe- matischen Kenntnissen geordnet würden, sodass z. B. schnell Auf- gaben aufgeschlagen werden könnten, welche auf Proportionen, lineare oder quadratische Gleichungen, trigonometrische Rech- nungen u. s. w. führen. Ein guter Theil der Aufgaben könnte ja nämlich auch schon für die Abschlussprüfung des Unter- Gymnasiums verwerthet werden, oder wenigstens in Untersecunda als Uebungsstoff dienen. F. Kbr. Josef Hrabäk, Praktische Hilfstabellen für logarithmische und andere Zahlenrechnungen. Dritte, abgekürzte Auflage. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 18'J4. — Preis geb. 3,00 Mark. Die vorliegenden Tabellen dürften vielen wegen ihrer Zuver- lässigkeit und wegen der praktischen Einrichtung willkoniuien sein. Unter den acht Gruppen von numerischen Werthen sind mehrere enthalten, die man in anderen Werken ähnlicher Art nicht findet, welche aber doch häufiger gebraucht werden. Die Tabelle I enthält die reeiproken Werthe aller vierzifiVigen Zahlen; die Tabelle II giebt die numei-ischen Werthe der häufigst vorkommenden Functionen von natürlichen Zahlen h, als: h'-. n", y^n, v'ft, "~ "• s. w. Die III. Tabelle umfasst die Briggischen Logarithmen aller natürlichen Zalilen von 1 bis 20 000 und eine Logarithmenverwandlungstabelle zum Uebergang zu natürlichen Logarithmen und umgekehrt. Die Logarithmen der trigonome- trischen Linien (für den Halbmesser 10'°) sind in Tabelle IV an- gegeben, die ebenso wie Tabelle III sechsstellig ist. Dann folgt Tabelle V mit den wirklichen Längen der trigonometrischen Längen (für den Halbmesser 1). In Tabelle VI finden sich Kreis- umfänge und Flächen für Durchmesser, welche nach IGteln, Stein, und 12teln fortschreiten, nebst der Seite des nach Fläche aeiiui- valenten Quadrates. Die Tabelle VII ist als Ki-eissegment-Tabellc bezeichnet; sie enthält Kreisbogen-Längen und -Höhen, Sehnen- längon, Segment- und Seetor-Flächen für den Halbmesser 1, nebst einer Tabelle für «-seitigc reguläre Polygone. Die VIII. und letzte Tabelle ist eine Zusammenstellung häufig vorkommender Zahlen- werthe und deren (gemeinen) Logarithmen, die Zahlen iz und c betreffend. Aus dieser ausführlichen Uoborsicht dürfte jeder leicht ent- nehmen können, ob d.as vorliegende Tafohverk seinen Wünschen nnd Zwecken entspricht oder niclit. Ein eigeuthümlicher Druckfehler bezw. Sprachgebrauch findet sich auf S. 1, wo von „Dccimalien" statt Dccimalen gesprochen wird. Die typographische Ausstattung hat hinsichtlich des Schnitts der Ziffern unscrn Bcifiill. Erwähnt mag hierbei noch worden, dass die durch Correction aus 4 entstandene Endziffer 5 durch kleineren Druck kenntlich gemacht worden ist. Dr. A. G. Die Fortschritte der Physik im Jahre 1893. Dargestellt von der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin. 4'.). Jahrg. Erste Abtheilung, enthaltend: Physik der Materie. Redigirt von Richard Börnstein. Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig. — Preis 20 Mk. Es ist mit grosser Freude zu begrüsscn, dass mit dem vor- liegenden Bande der Zeitraum zwischen dem Berichterstattungs- jahre und dem Jahre des Erscheinens wieder auf ein möglichst geringes Maass zurückgeführt worden ist. Der Werth der für die weitesten Gelehrtcnkreise so hoch bedeutsamen Publikation wird dadurch in ganz unberechenbarem Maassc gesteigert, da doch weitere Forschungen meist an neuere und neueste Arbeiten an- knüpfen und darum das Bedürfuiss nach einer rasch über die einschlägige Litteratur orientirenden Quelle gerade für die jüngst- vergangene Zeit am fühlbai-sten ist. Der Jahrgang 18113 folgt, um die mit der Zeit entstandene Verzögerung schnell zu beseitigen, luimittelbar auf den Jahrgang 1888, während die zwischenliegen- den Jahresberichte sobald als thunlich nachgeliefert werden sollen. — Der vorliegende Band weist 22 Mitarbeiter auf, die einzelnen Berichte halten die der jeweiligen Bedeutung der be- sprochenen Schrift angemessene Ausdehnung inne und erreichen, wie Ref. durch Stichproben feststellte, den Zweck, über den Inhalt der Publicationen in klarer Weise zu orientiren. Kritische Bemerkungen sind nur selten, und auch dann nur in zurückhal- tender Weise angefügt. Ucber die eminente Wichtigkeit der hier gebotenen, vollständigen Zusammenstellung braucht an dieser Stelle nicht weiter gesprochen zu werden. F. Kbr. A. Engler und K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien, fortg. von A. Engler. Lieferung 120, 121 und 122. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig 1895. — Preis ii 1,50 (resp. ö Mark). Doppel-Lieferung 120/121 schliesst die Loganiacccn (bearbeitet von H. Solereder) ab, bringt ferner die Gentianaceen (E. Gilg, Gentiana bearbeitet von N. Kusnezow) und den Anfang der Apocynaceen (K. Schumann), die in Lieferung 122 ihren Absciiluss finden. Die Asclopiadaecen (K. Schumann) werden begonnen. Berichtigung. Herr Prof. Dr. Looser schreibt uns gütigst: „Eine kleine Ungenauigkeit ist in dem Referat in No. 24 über das Thermoskop mit untergelaufen. Ich habe die Idee der Kapsel des Bunsen- schen Eiskalorimeters nicht „weiter verfolgt". Dasselbe war be- kannt, nnd die blosse Vorbindung (obschon ich die Kapsel, ohne das Buusen'sche Eiskalorimeter zu kennen, construirte) desselben mit einem Manometer wäre kein Verdienst. Ich beanspruche aber die Construction zahlreicher Wärmereceptoren origineller Form. Unter diesen (75) Versuchen sind einige (20) mit der Bunsen'schen Form. o Brenner: Thätigkoit der Manora-Sternwarte im Jahre 1894. — Prof. Dr. Fr. Regel: Der elfte deut.sche Geographen- '.rcmon vom 17. — 19. Ajnil 1895. — Trapa iiatans L., lebend in Ostpreusseu. — Die Witterung des Monats Juni im Inhnit: 1 t:ig in _ _.__,__.._. __ , _ _. , . ._, _ centralen Europa. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Ludwig Stettenheim, eine Diseussion der Kräfte der chemischen Dvnamik. — Prof. Dr. Willulin Budde, Phvsikalische Aufgaben für dii' oberen Klassen höherer Lehranstalten. — Josef Hrabäk," Praktische Hilfstabellcn für logaritliniischc nnd andere Zahlenreclinungen. — Die Fortschritte der Physik im Jahre 1893. — A. Englcr und K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien. — Berichtigung. 344 NatiuwLsisciiscLaltlieLc WüchenscLrift. Nr. 28. Piiilifiiftlnlft fiii fiiilnl-rtlillllic lifforiiu'ii. Begrünöct von 6>corcj v»o>t 0>i3»->cAt. I^erausgtvjcbcii von Dr. ^r. p. lunilfi- mb ^ilij imit OBijijdü. IPöcbentlich eine Kummer von 8 Seiten a.i-. 4'\ *|Jrctö uicrtcljnljrlirf) I,(}0 9.1{. ober in JJJulint-Mjcftcii ä üO i^*f. 3lßonncment§ iura) fnmtlidje öitc^rionbliiiigcit uiib 5}>DftanftaItcn. jHoftjfitmioS'iftf 2175. ■=■ ^*robciiuiniitcni gratis iiiib frnnfo. ;=— ; itv^. §nmmitv& ycvinööbttdfljnnbluiio in BEdin SW, 12, J?immEr|h-afje 94. atent-technisches und I Vcrwerthung-Bureau Betche. Berlin S. 14, Neue Kossstr. 1 Erfindungen, Neuheiten, Modelle jeder Art werden zu- verlässig, billig, discret in meiner Spe- ciahverkstaLt ausgearbeitet und angefer- tigt, auch brleHich. W. Maaske, Mechan., Berlin N., Schwedterstr. 31- Sammlungs-Schränke für SrtimnUnigen jinlor Art in den vi'rscliieilc'nstrn Austuhningon. Rudolph Zwach Tischlei-mcister. BERLIN, Invaliüenstrasse 101. LietVrant der Konigl. Bi'rp-Aka- domie, Landwirthschaftl. Hoch- schule und Museum für Natur- kunde. mr^M^MSijmm^iss>,-&m^ I PATENTBUREAU Ölrich T^. JVlaerz Berlin NW., Luisenstr. 22. ^^^= Gegriintet 1878. ^^^^ Patent-, Marken- u. Musterschutz für alle Länder. ie künstlerische * Herstellung v von Illustrationen und Zink- cliches jeder Art und nueli bclielii^er Vorlage, für wissen- scbaltliclic und gewcrhliclie Zwecke, wird in meinem Insti- tut seit .Jahren g^epilept. Die Abbildungen in dieser Zeit- schrift gelten als Proben meines Verfahrens. Albert Frisch, Berlin W. 35, Lützowstr. 66. (Proben und Kostenansclilägc b. r.itwilii{^.> BPROSPECT GRAT^r.r ERFIHDER |d g u gg^ r BKbI c B h |ARPADBHUEB,JNBBERLIM,N.31Slrahunda.36; SM®Ei^S?f^SESI?rSES!E^^ Hempers Klassiihren Lcitbündel vorstellen sollten, beschrieben hat. Das Stück tindct sich abgebildet in den Sitzungsberichten der Gesellschaft Isis in Dresden, Jahrgang 1870 (Tafel II, Fig. 1), und wurde schon von F. Römer (Geinitz, Abhandl. d. Ges. Isis in Dresden 18S.Ö, S. 8) für eine Bildung ganz unorganischen Ursprungs erklärt. Die Paral- lelität der Scolithen-Steincylinder kann aller- dings den im Ganzen parallelen Verlauf von Palmenstannn-Leitbündeln vortäuschen ; ande- rerseits macht sie aber auch die Deutung als Wurniröhren problematisch. verzweigenden Stämmcheu -V.. ) Fig. I. Caulerpa filiformis Heer. Maillard. ^^'^C'^i^^' Für von Thieren in den Schlannn oder Saud gegrabene verzweigte Röhreusysteme, wie solche auch etwa von Käferlarven in Holz gefressen werden (Frassgänge) und nach R. Zeiller's Beobachtung z. B. auch von der Maulwurfsgrille (Gryllo- talpa vulgaris) geschaffen werden, möchten aber Nathorst (1. c.) und Fuchs (Spirophyten und Fucoiden 1893) vor allem das Gros der Fucus- und Chondrus-ähnlichen und daher früher von fast allen und heute noch von vielen zu den Algen gerechneten Objecte stellen, die namentlich als Fucoiden und Chondriten (Fig. 1 und 2) bekannt sind. Ein Theil der- .selben dürfte sicherlich zu den Algen gehören, aber andere machen durch die eigenthümHchen Erscheinungen, welche sie bieten, diese Unterbringung in der That recht zweifelhaft. Reste von der Ausbildung z. B., wie sie G. Maillard (Consid. sur les foss. de- crits corame Algues. Mem. d. 1. soc. paleont. XIV. Geneve 1887) Tafel V, Fig. 1, 3, 4 und 5 abbildet, sprechen entschieden mehr für die Zuweisung zu den Algen. Der im Gegensatz zu Wurmröhren gerade Verlauf der „Thallus^-Zweige der in Rede stehen- den Exemplare des tertiären „Fly- sches" und das äusserlich an einen beblätterten Coniferen-Zweig erinnerte Fussstück gewisser Exemplare i Heer's Caulerpa filiformis, Fig. 1) sind Er- scheinungen, die mit Thier-Röhren wohl kaum in Einklang zu bringen sind. Andererseits ist es aber nicht mit der Auf- fassung als Algen zu vereinigen, dass u. a. Fucoiden resj). Chondriten des Flysches, wie Fuchs (1. c. 1893) gesehen hat, mit dem Ende, welches man als das untere, als die Basis, be- trachten möchte, in Wirklichkeit nach oben gerichtet sind, ebenso wie nach K. Zimmermann (Naturw. Wochenschr. 18iJ4) die Chondriten des thüringischen Calm, weswegen man sie „eher mit einer nach unten zerfaserten Wurzel, als mit einem nach oben sich vergleichen kann" (Zinnnermann) Maillard sagt freilich über die Flyschchondriten (1. c. 1887, Kap. \'II), dass dieselben immer auf und jjarallcl der Schichttläche liegen und dass man 2 — 3 nun davon rechtwinkelig entfernt nichts mehr von den feinen Stricheln erkenne, als welche die Chondriten erscheinen-, er schliesst daraus, dass sie in das sie jetzt bergende Gestein, als es noch Schlamm war, einge- schweunnt worden sind. Mir selbst liegen zahlreiche Stücke aus dem Flysch von San Remo vor (leg. E. Weiss und P. Oppenheim), bei denen die Fucoiden in der That durch- aus auf den Schichtungsflächen liegen und zwar keineswegs — wie bei Fuchs — alle sondern in allen Richtungen Andererseits beschreibt Sa- porta (Nouveaux documents relatifs k des fos- siles vegetanx et ä des traces d'Invertebres associes dans les anciens terrains. Bull. soc. geol. de France IIP"« Serie, Vol. XIV, 1886, S. 407) einen Chondriten, P^ig. 2, aus alt-palaeo- zoischen Schichten, der auf der Schieferfläche liegen soll, welche „n'a certainement ici rien de conimun avec le mode de Sedimentation"; drei Individuen stehen da, wie die Fig. 2 zeigt, parallel und mit ihren Ilauptstämmeu gleichge- richtet ne))en einander. „Dieser Umstand mann 1. c. — scheint mir zu lieweisen, schwemmt sein können, sondern aufrecht in den Schichten gestanden haben müssen; doch geht nun nicht weiter aus Saporta's Mit- theilungen hervor, ob der Stamm oder aber die Zweige nach oben gerichtet waren. Eine, ich möchte sagen, geradezu identische Abbildung könnte ich auch von drei neben einander, mit ihren Axen senkrecht auf den deutlich sichtbaren Schichtlinien ste- henden Chondriten aus Hunsrück- (also devonischem) Dachschiefer von gleichgerichtet, durcheinander. uacli sagt Zimmer- dass sie nicht einge- Beuren geben. liegen Fig. Palaeochondrites Meuuieri Sap. aus alt-palaeozoischcm Dachschiefer, nach Saporta. Andererseits mir hier aber auch Chondriten aus Culm- und Devonscbichten vor, wel- che z. Th. wahrscheinlich, z. Th. sicher auf den Schichtflächen liegen. — Aus allen diesen Beobachtungen kfinnen wir vorläufig nur schliessen, dass die Chondriten im Devon, Culm und Flysch bald aufrechtstehend quer zu den Schichten, bald umgefallen auf den Schichten liegend sich erhal- ten haben können, und dass jede Er- klärung der X'atur der Chondriten mit dieser Thatsache rechnen muss." ¥An Schluss, dem ich mich vollstän- dig anschliessen muss. Trotzdem liegen hier keine unüberwindlichen Hinder- nisse vor, die in Rede stehenden Chondriten als durch Thiere hergestellte Gänge anzusehen. Die Thiere pflegen an der Oberfläche nur einen oder wenige Ausgänge aus ihrer Röhren-Wohnung zu haben, die sich nach der Tiefe zu auszubreiten und zu verzweigen pflegt; hiermit stimmt demnach das Auftreten der Chondriten im anstehenden Gestein — wie gezeigt — ganz ttbereiu, und die Thatsache, a^egüto-...-» 348 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 29. '^P 191 mit schwarzer Farbe auch bei Auftropfen dass sich Chondriten auch auf den Schichtflächen finden, scheint mir für eine Deutung- als Wohnröhren ebensowenig hinderlich, da man wohl annehmen kann, dass die Thiere auch gelegentlich horizontal, parallel zur Oberfläche in einer schon bedeckten .Schicht gegraben haben werden und ferner thatsächlich an der Oberfläche von Schlamm Kriechspuren hinterlassen. Hinderlicli für die Deutung der Flysch-Chondriten als Wohnrühren, könnte freilich das von E. Weiss (Zeitschr. der deutschen geolog. Ges. 1888, S. 366/67), der die Algen- natur der in Rede stehenden Gebilde „rehabilitireu" möchte, constatirte Vorkommen von Kohle aus orga- nischer Substanz im Gestein erscheinen. Da ich den verstorbenen Autor bei seiner diesbezüglichen Unter- suchung seiner Zeit unterstützt habe, will ich seine citirte Notiz durch das Folgende erweitern. Schon G. Maillard (Gonsider. s. 1. foss. decrits comme algues. Soc. pal. Suisse. Geneve 1887) untersuchte die Maasse der Chondriten und ihre mikroskopische Structur. Im Ansehen von Cylindern oder mehr oder weniger zerstörten Membranen lieben sie sich an der Oberfläche oder im Innern der Schich- ten meist durch eine schwärzliche Substanz ab, die organisch zu sein scheint. Die Erkennung der or- ganischen Materie durch Glühen vor dem Löthrohre bietet bei den Chondriten Schwierigkeiten, da die Farbe nur bei sehr langem Blasen an dünnen Splittern verschwindet (nach M. ist es Anthracit oder gar Graphit, der hier verbrennen muss). Im frischen Bruch unter- scheiden sich die Chondriten kaum vom grauen Schiefer, nur nach Verwitterung treten sie auf hellgrauem Grunde hervor, wie von Salzsäure. Unter dem Mi- kroskop aber kann man mittelst Schulze'scher Macerationsflüssig- keit (chlorsaures Kalium mit Sal- petersäure) bei gelindem Erwär- men die dunkelfärbende kohlige Substanz der Chondriten bald schwinden machen und erhält überall die Farbe des einschlies- senden Gesteins. Die hierdurch erwiesene organische Materie ist nach Maillard ein kohliges Pro- duct, das nicht von Thieren stammt, sondern pflanzlich. „Ich will nicht behaupten — sagt M. — dass alle Chondriten Kohle enthielten, aber es ist un- klug, deren Existenz so absolut und peremptorisch zu leugnen, wie Fuchs es gethan hat . . . Die Fucoiden unseres Flysch schliessen in der Regel eine or- ganische Materie ein, das ist ganz entschieden der Fall." Dünuschlitfe, welche Maillard mikroskopisch unter- suchte, zeigten den Schiefer aus Quarzkörnern und tlioniger amorpher Substanz gebildet, durchsichtig, grau. „Im Präparat unterscheiden sich die Algen sogleich als Bänder Korn, gepudert so zu sagen von un- kohligen Theilchen. Die organische Sub- stanz ist also in der ganzen Alge vertheilt, aber nur in ihr; das Gestein selbst schlicsst nichts davon ein oder ausserordentlich wenig. Ich habe hie und da die Spuren von Zellwändcn constatirt, d. h. die Contouren waren durcli ein kohligcs Bändchen begrenzt. Aber eigentliche Zellen- structur habe ich nicht erkannt. Die sandigen Schiefer des Flysch und Lias sind für das blo.sse Auge grau- grenzte und Nathorst ge- mi schwarz und die Chondriten unterscheiden sich kaum durch ihre Farbe an der Oberfläche der Lagen. Dagegen im Mikroskop erscheint das Gestein lichtgrau, vollkommen durchscheinend, während die Chondriten in ihrer ganzen Masse sich schwarzbraun und absolut undurchsichtig zeigen als unwiderleglicher Beweis des Vorhandenseins einer dem Gesteine selbst fremden Substanz. In diesen Sandsteinen haben die Algen allerdings mehr gestörte und deformirte Umrisse, aber auch nett und scharf be- (Maillard.) Auch Weiss hat also die von Fuchs leugnete Anwesenheit jeder kohligen Beschaftenheit der Reste geprüft. Dazu diente besonders ein mit einer grossen Menge Cliondriten (von der Form der arbuscula) erfülUes Stück, das zum Theil pulveri- sirt und mit kalter, später mit heisser Salzsäure mehrere Tage ausgelaugt wurde. Der Rest, der alle Carbonate, nebenbei auch Eisen verloren hatte, wurde nach dem Auswaschen getrocknet und auf Platinblech mit salpetersaurem Kali geschmolzen. Die Masse, mit Salzsäure behandelt, Hess bei wieder- holten Versuchen verschieden stark, aber sehr deutlich Kohlen dioxydentwickelung wahrnehmen, ebenso wenn sie zuerst in warmem destillirten F1S.B3. Wasser gelöst und dann Salzsäure zugesetzt wurde. Ein anderer Theil des ausgelaugten Gesteins- pulvers mit den Chondritenresten wurde im Reagensglas mit Kalilauge gekocht und dadurch stets eine bräunliehe Lösung erhalten. Beide Versuche dürften in der That die Gegenwart von kohliger, resp. bituminöser Substanz in dem mit Chondriten erfüllten Gesteine erweisen. Wohl ist richtig, was Nathorst m§ niaü entgegen Fis- 1. von viel feinerem durchsichtigen es fand, dass die dunkle Oberfläche der Chondriten beim Ritzen mit dem Messer oder der Nadel nicht einen braunen, sondern einen hellgrauen Strich giebt wie jeder thonige Schiefer, allein dies er- klärt sich aus der geringen Menge der organischen Substanz zur Ge- nüge, die noch dazu wahrschein- lich in dem Ganzen vertheilt sein selbst vielleicht im Gestein, der Annahme von Mail- lard. Auch die Unempfindlich- keit einer Löthrohrreaction erklärt sich hier hinlänglich. Um die chemisch nachge- wiesene,kohlenstotfführende Masse sichtlich zu verfolgen, Hess Weiss eine Reihe von Dünnschliffen von solchen Gesteinsstücken anferti- gen, welche mit übereinander angehäuften Resten erfüllt waren. Das mikroskopische Bild, auch schon zum Theil das mit der Lupe wahrzunehmende solcher Schlitt'e war aber ganz anders als erwartet wurde. Zuerst fällt bei der mikroskopischen Betrachtung der Schlift'e auf, dass die ganze Grundmasse von einer grossen Anzahl kleiner heller und durchsiclitiger Körperciien meist in Stäbchenform wimmelt, die alle i)arallel (nach Weiss parallel der Schichtfläehe) gehen (Fig. 3). Sie liegen nebst andern Körpern in der trüben, nur bei sehr dünnem Schüft' durchsichtigen, structurlosen Masse des Gesteins, die noch Quarzkörnchen leichter kenntlich enthält. Die geringe Grösse der linearen Körper, welche als Leisten erscheinen, würde sie mit weissem (Tlinimer \ erwechselu lassen können, der ebenfalls in Menge, aber stets nur in winzigen Di- mensionen vorhanden ist, so dass er dem blossen Auge Nr. 20. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 349 selten sichtbar wird. Da/,ii kommt, dass jene Stäbchen aus Kalks));itli bestehen, weicht' (lurcli einen Tropfen Salz- säure jjjelüst werden und dann Hohiräunie hinterlassen. Die leistenartig-en Körper, zu deren grö.ssten solche von 8 mm Länge auf 0,4 mm Breite gehören, enden stets abgerissen und zeigen keinerlei weitere äussere Merk- male. Zu ihnen gesellen sieh nicht selten scheibenförmige, rundliche bis elliptische, sehr kleine Körperchen, oder Kinge, oft nur Hruchstücke vcm solchen. Einige davon sind in Fig. 4 wiedergegeben, die ringförmigen haben doppelte Contour und sind innen mit der mehlig-körnigen Grundmasse erfüllt, die scheibenförmigen haben gewöhidich nur einfache Coutour und verschiedene unbestimmte und schwache Zeichnung. Man wird geneigt sein, die l)eschriebenen Körper, welche aus kohlensaurem Kalk bestehen, auf einander zu beziehen; die runden können wenigstens zum Tlieil Quer- schnitte der Stäbchen, diese also cylindrisch sein. Dass sie irgend welchen Orgiinismen angehören, wird kaum zu bezweifeln sein, vielleicht handelt es sich um einzellige Algen, doch ist von Obcrtlächenstructnr keine Spur sichtbar. An Kieselspongicu und Radiolarien, deren Vorkommen auch Fuchs erwähnt, ist nicht zu denken. J. G. Borne- mann, der einen Kalkschiefer des Flysch mit Chondrites intricatus aus dem Habkernthale der Schweiz unter- suchte (Geolog. Algenstudien, Jahrb. d. k. i)reuss. geolog. Landesanstalt und Bergakad. zu Berlin für 1886, S. 131), fand im Dünnschliff eine erstaunliche Menge von Globigcrincn, Tcxtilarien, Dentalina und noch mehr Spongien- uadeln mit Koldentheilclien und Schwefelkies. In den Schliffen des Gesteins von San Remo konnten sol- che Formen nicht gefunden werden. Am meisten gleichen sie, etwa von der Grösse abgesehen, dem Calcinema triasiuum Borucmanu in Mehlsteincn des thüringischen Muschelkalkes (Jahr- buch d. k. preuss. geol. Landesanst. für 1885, S. 289 Taf. XI), welches der Autor als Kalkalgc beschreibt. In der ganzen Gesteinsniasse vertheilt zeigen sich schwarze undurchsichtige, manchmal au den Rändern oder sonst stellenweise braun durchscheinende unrcgelniässige Brocken (Fig. 3), Bruchstücke, die sehr klein und staub- artig sind. Man möchte dieselben für kohlige Theilclien halten, doch gelang der Nachweis dafür nicht. Kalilauge zerstörte den ganzen Dünnschliff" und was übrig blieb, enthielt auch nach längerer Zeit noch solche schwarze, anscheinend unveränderte Brocken. In der beschriebenen Masse mit den mikroskopischen Resten nun liegen die Chondriten eingebettet. Aber der Dünnschliff' zeigt keine scharf abgegrenzten Umrisse an den Stellen, wo die Chondritenzvveige durchschnitten sind. Es ist keine Mend)ran erhalten (auch Maillard sah keine Zellstruetur) und die Abgrenzung des Chondritcnkörpcrs ist daher ziemlich unbestimmt. Mau kann aber di'u letzteren sehr wohl von der Gesteinsmasse unterscheiden. Nach alledem vermag ich selbst leider nur zu dem Schluss zu kommen, dass die Frage nach dem Wesen der F'lysch-Chondriten noch immer nicht spruchreif ist. Jedoch möchte ich noch Folgendes hinzufügen. Die Constatirung von Kohle aus ursprünglich orga- uischer Substanz in dem Flysch-Fucoiden-Gestein spricht keineswegs ohne Weiteres "für die Algen-Natur der Fu- coiden resp. Chondriten. In jedem dunklen Thonsehiefer lässt sich, da die dunkle Färbung humösen Substanzen ihren Ursprung verdankt, dasselbe nachweisen, und die in dem Flysch-Gestein auf mikroskopischem Wege zu beobachtenden, in dem ganzen Gestein zerstreuten, oben erwähnten und abgebildeten Reste dürften wohl in der That mikroskopische Algen oder doch Pflanzenrcste sein, und somit das Vorkommen organischer Kohle zur Genüge erklären. Die Weiss'sche Beweisführung zur „Rehabil tirung" der Algen-Natur der Fueoiden resp. Chondriten ist daher unbrauchbar. Freilich lehrt der äussere Anblick, da die Chondriten sich durch dunklere Färbung deutlich von der Umgebung abheben, dass diese kohlereicher sein dürften als die Umgebung; aber auch angenommen, es wäre dem sicher so, würde auch hieraus die Algen-Natur nicht folgen. Fuchs sagt (1. c. S. lü u. 11), dass der Mergel, aus welchem die Fucoiden-Kör])cr einer Bank bestehen, inmier mit dem Mergel übereinstimmt, der das unmittelbar Hangende der betreffenden Bank bildet. Ist also der hangende Mergel durch feine Kohlenpartikelchen schwarz gefärbt, so sind die Fueoiden in der darunter liegenden Bank ebenfalls durch feine Kohlenpartikelchen schwarz gefärbt. Hier drängt sich die Ansicht ohne Weiteres auf, dass es sich in dem Körper der Chondriten nur um ein Injections - Material von Röhren handelt. Stellung mancher stein mit ihren sich die Die eigenthündiche dringenden ix Barbour. Chondriten im Ge- in das Liegende ausbreitenden Ver- mehr oder nnnder oft auffallend cylindrische Ausbildung ihrer Theile verlangen ebenfalls eine andere Deutung. Ausser der Fuchs- Nathorst'schen Erklärung wäre meines P>achtens noch in Erwägung zu ziehen, ob es sich in gewissen Chon- driten nicht vielleicht um von Algen gebohrte Gänge handeln könnte. Namentlich Bornet und Flaliault ha- ben gezeigt, dass Algen im Stande sind, verzweigte Gänge in kalkreiche Massen und Kalkgestein zu bohren, freilich vorwiegend in Knochen und Molluskeuschalen. Ziehen wir das Facit, so ist zu sagen: Die Fueoiden und Chondriten bedürfen hinsichtlich ihrer Natur noch dringend der Klärung; ein Tlieil derselben dürfte in der That thierischer Thätigkeit den Ursprung verdanken, ein anderer aber lässt sich vorläufig nur mit Zwang auf thierische Ursachen zurückführen, während die Deutung als Algenreste hier weit weniger Schwierigkeiten bietet. Eine sorgfältige monographische Bearbeitung des Gegen- standes wäre also ein verdienstvolles, weil schwieriges und zeitraubendes Unternehmen, denn ohne Untersuchung der wichtigsten Objecte an Ort und Stelle sowie Revision der in den Museen aufbewahrten wichtigeren Exemplare wird eine definitive Entscheidung voraussichtlich kaum gefällt werden können. Sehr merkwürdige, riesenhafte Gebilde (Fig. b) aus den Mioeän-Ablagerungen am White River in Nebraska, die nach E. H. Barbour (in „University Studies" Lincoln, Nebraska, July 1894, Vol. II, S. 1 ff', und frühere Ar- beiten in derselben Zeitschrift) auf Schliffen „zweifellose pflanzliche Strnctur zeigen", vergleicht Fuchs (Ann. des k. k. naturh. Hofmuseums, VIII. Bd., Wien 1893) „mit den Gängen eines unterirdisch lebenden Thieres oder vielmehr mit den Steinkernen solcher Gänge". Die in Rede stehenden Objeete werden von den Bewohnern der 350 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 29. Fundstelle Teufels-Korkzieher genannt, Barhour bildet denients])rechend die „Gattung" Dainionelix. Eine unter umständen mehrere Meter lange, dicke, senkrecht zur Hchichtungsflächc stehende Gesteins-Aclise wird in vielen Spiral- Windungen von einem dicken Gesteinskorper um- zogen und von dem unteren Ende dieses in der That einem Riesenkorkzicher gleichenden Gebildes geht schräg an- steigend ein ziemlieh gerader dicker Fortsatz aus. Im Innern des ansteigenden Stückes ist in der That das Ske- lett eines AVirbelthieres gefunden worden. Ganz ebenso gräbt Geomys Pineti, eine nach Maulwurfsart lebende Maus, nach Gesner (siehe Fuchs) einen schraubenförmigen Gang senkrecht in die P^rde bis zu einer Tiefe von i) Fuss, von hier aus gräbt sie wieder seitwärts 3 Fuss in die Höhe, worauf sie erst ihr geräumiges Nest anlegt, das ganz mit feinem trockenen Gras ausgekleidet ist. Barhour will von der Deutung Fuchs' aber nichts wissen. Druck; Ausser den Kriechspuren sind auch andere blosse Druck - Erscheinungen oder Reliefs, Zeichnungen, Bil- dungen in Folge rein me- chanischer Einwirkungen, wiederholt für pflanzliche Fos- silien gehalten worden. Der Anfänger könnte sehr wohl versucht sein, die allgemein als Stylolithen bezeichneten und durch Druckwirkungen erklärten, aussen längs-gesfreiften, cyliudri- schen Gebilde, die namenthch im Muschelkalk, aber auch in ande- ren Formationen auftreten, für Steinkerne von Stengeltheilen zu halten. H. Credner sagt (El. d. Geologie, 7. Aufl. 1891, S. 523) über die Entstehung der Stylo- lithen: „Sehr häufig greifen auf- einander liegende Kalksteinschich- ten in Folge ungleicher Druck- einwirkung in cylindrischen oder konischeu Fortsätzen in einander ein. Die geraden oder gebogenen, längsgestreiften , nach aufwärts oder abwärts gerichteten Kalkcylinder tragen an ihrem Ende gewöhnlich den ihrem Umfang entsprechenden Theil derjenigen schwachen Lettenlage, welche die Kalkstein- Schichten von einander trennte, bezw. diejenigen festen Körper (Muscheln, Knochen u. s. w.), welche ursprünglich auf den Schichtflächen gelegen hatten". Die Begründung dieser Ansicht auch auf experimentellem Wege staunnt von Gümbel (Zeitschr. d. Deutschen geol. Ges., Berlin 1882, XXXIV, 8. 642). Die neueste Arbeit über die Stylolithen hat Fuchs (Ueber die Natur u. Entstehung d. Styl. — Sitzuugsber. d. k. k. Akad. d. Wissensch. in Wien. Mathem.-naturw. Gl. cm. Abth. I. Dec. 1894) zum Autor. Dieser giebt be- kannt, dass „Stylolithenbänder" sich gegenseitig durch- kreuzen können, und dass dieselben mit Schichtflächen gar nichts zu tiuui haben, dass sie offenbar erst secundär im festen Gestein entstehen und allem Ansehein nach nichts anderes als Drucksuturen, eine besondere Form von Sprüngen, sind. Das Stück Fig. 6*) mit zwei sieh durchkreuzenden „Stylolithen -Bändern" mit sein- kurzen „Stylolithen" wendet dem Beschauer die Schiclit- fläche zu, woraus hervorgeht, dass hier die „Stylolithen" *) Die k. k. Akademie der Wiss. zu Wien hat freundlichst das Gliche hergeliehen, wofür ich auch hier den wärmsten Dank wiederhole. fast senkrecht zu dieser Fläche orientirt sind. Den Thon- belci; erklärt der genannte Autor als „Residuum der aufgelösten Substanz, die Bildung von Rutschstreifen als die Folge der stattgehabten Bewegung." Fuchs spricht also von fortlaufenden „Bändern", die echten Stylolithen sind aber in sich abgeschlossene cylindrische Bildungen. Eine nochmalige Untersuchung der Bildungen ist demnach unabweisbar. Der vermeintliche Pflanzenrest Eophyton Torell wird von Natborst (1. c. 1881) durcli fluthende Algen entstanden erklärt, und er kann in der That durch das Schleifen von Algen auf weichem Schlanun künstlich erzeugt werden. Auch Thiere und natürlich jedweder andere auf dem ]5oden geschleifte Körper kann Eophyten l>ilden. Es entstehen dann längsgestreifte, bandförmige Bildungen, wie sie eben für Eophyton charakteristisch sind. Die cambrische „Gattung" 0 1 d h a m i a Forbes, gekennzeich- net durch strahlig angeordnete feine, dichtgedrängte Fäden, hält F.Römer (Lethaea I, 1880, S. 136) „für durch Druck oder Zusannnen- ziehuug hervorgebrachte Runze- lung oder Fältelung des Thon- schiefers". Bei 0. autiqua For- bes ist eine zickzaekförmig hin und her gebogene, feine Axe vor- handen, der auf den aus sprin- genden Winkeln die Strahlen- sterne ansitzen. Die Römer'sche Auffassung gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit, dass G"ReiHy eine Oldhamia-Bildung in einem Eruptiv-Gestein Irlands gefunden hat. Aus dem Ober -Silur des Staates New-York hat Hall (Pa- laeont. 1852, S. 6) eine vermeint- liche Alge unter dem Namen Dictnolithes Beckii beschrie- von der Sohns (Einleitung 1887, S. 50) mit Recht „Man erkennt darin auf den ersten Blick den Aus- eines halbgetrockncten und in polygonale Felder zersprungenen Thonbodens, durch eine darüber gelagerte Scliicht. Die die Schollen begrenzenden Sprünge erschei- nen als netzig verbundene Leisten im Halbrelief, von denen zahlreiche kleine, blind endende Fortsätze, Ausfüllungen kleiner Haarsprünge auslaufen". (Solche Netzleisten, welche alsoTrockeurissen ihren Ursprung verdanken, sind unter dem Namen Sickleria auch als Schwämme be- schrieben worden.) . ß. uluren. ben, sagt ffUSS Herr Dr. H. Rauff meint in einer noch zu veröffent- lichenden grösseren Arbeit über Pseudorganismeu, deren erste Manuskript-Seiten er mir freundlichst zur Kenntniss gegeben hat, dass nur ein Theil der Problematica auf Thierfährten u. dergl. zurückzuführen sei. Er glaubt, dass der bei weitem grössere Theil seine Entstehung anderen mechanischen Ursachen verdankt, die erst nach oder zum Theil bei der Erhärtung der Gesteine, jedenfalls unab- hängig von der Mitwirkung irgend welcher Organismen eing'efreten sind. „Zu dieser Klasse von Gebilden zähle ich z. B. aus dem Palaeozoicum — sagt R. — die Phy- coden, den grössten Theil der Chondriten, die Scole- colithcn, Nereiteu, Harlauien, Lophoctenien, Nr. 29. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 351 rh vllddiu-itcn, Myrianitcu, Ncniertitcu, Crosso- podicn, Dictyoildrcn, >Si)iroi>hy ton ii. a. — und von jüngeren Ciebildcu eine Aii/.ahl von Fucoidcn aus dem Jura, von Macandriten aus dem Fiysch, ferner Rhizocorallien, Taonurcn etc. ..." — Einen Theil der genannten „Gattungen" habe ich schon im Voraus- gehenden in anderem Zusammenhange erwäimt, auf andere werde ich im Folgenden noeh zurü( kkounnen. \'(ir allen wertle ich zwei (tbjeete, die in früheren Artikeln der „Naturw. Wt)chenscln-." ausfidirlichc Heriick- sichtigung und Illustration gefunden haben, hier kurz er- wähnen: die von Kauft" soeben erwähnten Dictyodoren („Naturw. Wochenschr." Band VIII, 1893, S. 155) und die öpirophyten (Band IX, 1894, S. 361). Das unter dem Namen Dietyodora Li ehe an a Weiss beschriebene Gebilde lässt sich freilich vielleicht noch einmal bei seiner wenn auch entfernten Aehnlichkeit mit den .,Tutenmergeln" definitiv als „rein mechanisclie" Erscheinung deuten; wenigstens haben wir einige Anhalts- punkte, die eine solche Ansicht unterstützen, während wir vergeblicli Vergleiehsniatcrialien aus der Thier- oder IMlanzenwclt suchen, die in der Lage wären, uns die Dictyddora sicher als organische Bildung erkennen zu lassen. Herr Rauft" hat u.a. auch durch die Dictyodoren Schlirt'e angefertigt und mir gütigst demonstrirt. Ich niuss gestehen, dass die Thatsachen, welche auf denselben in die Erscheinung treten, in höchstem Maasse die Ansicht erwecken, dass es sieh in der That nur um nachträg- liche, rein mechanisclie Vorgänge im Gestein handelt, so abgeneigt man einer solchen Deutung bei niakroskopisclier Betrachtung des so eigenthümlich und complieirt gebauten Objectes auch sein mag. Auf die Wirkung der ausführ- lichen Rauft"'schen Arbeiten darf man jedenfalls gespannt sein. (Eine kurze vorläufige Nachricht hat er in der „Zeitschr. d. Deutsch, geolog. Gesellschaft" 1892, S. 561 gegeben). Herr Dr. Zimmermann uKichte vorläufig — ))is zur Kenntnissnahnie der ausführlichen Arbeit des Herrn Rauft" — bei seiner früheren Deutung der Dietyodora verbleiben. [Schluss folgt.] Der grösste und älteste bisher lebeud nach Europa gebrachte Orang-l tan im zoologischen (warten zu BerHn. — Wer uns vor wenigen Jahren noch prophe- zeit iiätte, dass kurz hintereinander mehrere riesenhafte, völlig ausgewachsene 30 — 5Ujährige Orang-Utans lebend einge- führt und gezeigt werden würden, der wäre wohl einem un- gläubigen Lächeln begegnet bei Allen, die mit den bis- herigen Verhältnissen desThierhandcls und der zoologischen tiärten eiuigermaassen vertraut sind. Denn dass der Mensch seine nächsten Verwandten im Thierreich, die grossen, menschenähnlichen AÖeu, nur, solange sie noch in mehr oder weniger kindlichem Alter stehen, lebend und unver- sehrt in seine Gewalt bringen könne, schien ein fest- stehender Erfahrungssatz zu sein, bei dem man sich in den betheiligten Kreisen voUständigt beruhigt hatte. Wie sollte man auch diesen nianusgrossen unil weit über maunsstarken „Waldmenschen" bei ihrem versteckten, zurückgezogenen Leben in den einsamen Wildnissen des tropischen Urwaldes beikomnien, nur auf die mehr als zweifelhafte Hilfe der Eingeborenen angewiesen, die, ab- gesehen von Trägheit, Feigheit und Aberglauben, denZweck solchen abenteuerlichen und lebensgefährlichen Beginnens durchaus nicht einzusehen vermochten! Und doch wurden diese Hindernisse überwunden, sobald mir jene im moder- nen Völkerleben sozusagen allmächtige Kraft, die Specu- lation, sich der Sache bemächtigte. Dem Wagemuth und Unternehmungsgeist zweier Deutschen, zweier ebenso energischer als intelligenter Laudsleute, dem Kapitän des Lübecker Dampfers „Lübeck" H. Storni, und dem Be- sitzer des Leipziger Zoologischen Gartens E. Pinkert, verdanken wir es, dass in den letzten anderthalb Jahren eine ganze Anzahl ausgewachsener, riesenhafter Orangs auf Borneo gefangen, mehrere glücklich nach Europa gebracht und dadurch unsere naturgeschichtlichen An- schauungen nach einer ihrer allerinteressantesteu Seiten hin so erfreulich erweitert worden sind. Kapitän Storm befuhr lange Jahre die Häfen der grossen Sundainseln und war insbesondere bei den Ein- geborenen Borneos, den Djaks oder Dajakkern, weit und breit bekannt und wohlgelitten. Daher gelang es ihm — durch entsprechende Gcldgebote natürlich 1 — diese muthigen Insulaner, deren gute Eigenschaften auch der Erlanger Zoologe Selenka von seiner letzten grossen Reise her zu rühmen weiss, zum Fang alter Urangmännchen zu bewegen, und die verschmitzten Malayen haben sich zu diesem Zweck eine ganz raffinirte Methode ausge- dacht, die denn auch von dem gewünschten Erfolge be- gleitet war. Kapitän Storni schreibt darüber an deu Muscumsdirector seiner Vaterstadt Lübeck, Dr. H. Lenz, Folgendes: Haben die Djaks im Walde einen grossen (Jrang- Utan ausfindig gemacht, so suchen sie ihn auf einen alleiustehendeu, grossen Baum, der nur von kleineren Bäumen umgeben ist, zu treiben. Den grossen Baum um- stellen sie mit vielen Leuten und scheuchen den Att'eii in den Wipfel, damit er sich dort festsetzt. Jetzt werden im Umkreise von einigen hundert Fuss sämmtliche Bäume und das Gebüsch umgehauen und so ein grosser freier Platz geschaft'en. Der Oraug wird hierdurch am Entfliehen gehindert; eine Anzahl von Leuten halten überdies am Baume Wache, wenn der Drang Fluchtversuche machen sollte. Die Djaks erleichtern sich ihren Dienst dadurch, dass sie Feuer um den Baum herum anzünden, denn tlurch das Feuer geht der Aft'e nicht. Nach ein bis zwei Tagen ist der Orang - ütan sehr hungrig und auch durstig geworden. Die Djaks nehmen jetzt Tuba*) und mischen deu Saft derselben mit Zuckerrohrsaft. Das Gemisch wird in ein Gefäss gethan und dieses an einen der unteren Aeste des Baumes, auf welchem der Arte sitzt, gehäugt; auch wohl einige kleine Früchte hineingethan oder daneben gelegt. Damit der Orang während dessen nicht herab- kommt und deu Mann beisst, erzeugen die Leute unten recht viel Rauch. Ist alles soweit gelungen, so lässt *) Tuba ist eine Schlingpflanze, deren Wurzel und Stengel Milchsaft enthält, welcher in kleineren Mengen genossen bei Thieren und Menschen Schwindel erregt, in grösseren aber tödt- lich wirkt. Die Djaks bedienen sich dieses Mittels auch beim Fischfang. Für stehende Gewässer genügt (nach Storm's Mit- theilungen) ein wenig. Nach 5 bis iO Minuten sieht man die Fische bereits wie vom Schwindel befallen planlos durchs Wasser schiessen, nach einer halben Stunde treiben sie bewusstlos (':') an der Oberfläche und können mit der Hand gegriffen oder mit Kätschern herauageschöpft werden. Hat man eine zu grosse Menge Tuba ins Wasser gethan, so sterben sämmtliche Fische. Den VVasserschlangen schadet, n.ach der Versicherung Storm's, das Gift nicht. (Vergl. auch Bock, Unter den Kannibalen auf Borneo, S. 291.) Diese Art des Fischfanges ist im malayischen Archipel weit verbreitet; die jeweilig dazu verwendete Pflanze wird überall Tuba genannt. (Vergl. Hagen, Die Pflanzen- und Thierwelt von Deli. S. 57 in Tijdschrift v. nederl. Aardrijksk. Genoot II. Sor. Deel VII. Leiden 1890) 352 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 29. mau das Feuer ausgehen und die Djaks verstecken sich im Umkreise. Der Orang - Utan ])flegt alsbald lierab- zukoninicn, die Früchte zu verzelireu und die süsse Flüssigkeit mit sichtliclieni Wohlbehagen auszusehliu-fen. Bald zeigt sich die Wirkung des giftigen Trankes. Nach kaum einer halben Stunde ist der Orang-Utan völlig betrunken, sodass er sich nur mit Mühe festhält. Ist der Trunk zu stark geratheu, so verliert der Orang-Utan die Besinnung und fällt vom Banine , wobei er sich natürlich oft verletzt, einen Arm oder ein Bein bricht oder wohl gar zu Tdde fällt. Am liebsten ist es den Djaks, wenn der Affe halb betrunken ist. Der Baum wird nun ebenfalls gefällt: der (»rang -Utan hält sich während des Fallens im Geäste fest. Schnell laufen ein paar der Djaks herbei und spritzen ihm scharfes l'fciferwasser aus rothem spanischem Pfeifer in die Augen, damit er nicht sehen kann, werfen ihm Schlingen über, und ziehen das völlig wehrlose Thier aus dem Gezweig heraus, worauf ihm der bereit gehaltene, aus Zweigen geflochtene Kätig übergestülpt wird. Ist dieser sicher verschlossen, so wird der Orang reichlich mit Wasser begossen, damit er sich die Augen wieder reinigen kann, auch mag die Douche wohl zur Ernüchterung beitragen. Nach etwa 24 Stunden hat sich der Orang-Utan erholt. Man giebt ihm Früchte, welche das hungrige Thier meist ohne Weiteres nimmt, geht aber bald zu gekochtem Reis über. Die Tuba erzeugt regelmässig starken Durchfall. Hieran, zusammen mit der Gefangenschaft, dem Mangel an Bewegung und dem ungewohnten Futter gehen viele Orangs zu Grunde. Immer suchen daher die Djaks einen gefangenen Orang - Utan sobald als möglicli zu ver- kaufen. Als die ersten beiden „Riesen-Orangs" mit dem Lloyd- dampfer „Freussen" um Weihnachten 1893 in Antwerpen ankamen, da war es nun Pinkert, der unternehmende Leipziger Thieigärtncr, der sofort ein kleines Kapital ris- kirte und die Zeitungsleser überraschte durch die Sensa- tionsnachrichten von „Max und Moritz", wie er seine beiden lebendigen Kostbarkeiten getauft hatte. Sie wurden unter riesigem Zulauf zunächst in Castan's Panopti- kum zu Brüssel und dann im Pariser Jardin d'acclimata- tion ausgestellt. Ganz Paris war auf den Beinen und zwar nicht blos „tont Paris", d. h. die vornehme Welt, sondern alle Stände und Stadtviertel: Max und Moritz waren das Tagesgespräch im eleganten iknilevardcafc wie in der einfachen Vorstadttaverne, und an mehreren Tagen musste bei der Schaustellung die Polizei zu Hilfe gerufen werden, um ein lebensgefährliches Gedränge der Massen in der Nouvelle Galerie des Jardin d'acclimata- tion zu verhindern. Aehnliche Zugkraft bewies „Anton", der dritte im April 1894 zu Hamburg gelandete Riesen- Orang im dortigen Zoologischen Garten, und da dieses schon merklich greisenhafte und kranke Thier von seinem Nachfolger „Jumbo" in jeder Beziehung überboten wird, so ist auch hier von der einzigartigen Schaustellung der grösste Erfolg mit Sicherheit zu erwarten, zumal man noch Gelegenheit hat, neben Jumbo selbst, dem schönsten und grössten Orangmännchen, welches je lebend da war, einem wirklichen Riesenthier, ein ausgewachsenes Weib- chen zu sehen, sowie ein zweites Männchen, welches sich gerade in dem hochinteressanten Entwickelungsstadium befindet, wo die merkwürdigen Backenwülste an den Seiten des Gesichts bervorzuwachsen beginnen. Diese Backenwülste fallen dem aufmerksamen Be- schauer zunächst als speeiellcs Merkmal auf, welches das alte ausgewachsene Orangmännchen von dem Weib- chen und dem Jungen unterscheidet, wie man es in den zoologischen Gärten und auf den Abbildungen zu sehen gewohnt ist. Sie setzen sich etwa halbkreisförmig vor dem winzig kleinen Ohr, von der Schläfe bis zum Kinn reichend, an, verbreitern das Gesicht, von vorne gesehen, jederseits mindestens um die Hälfte und geben dem Kopf des alten Orangmänncheus im Verein mit den kleinen tiefliegenden Augen, dem missfarbenen, mehr oder we- niger abgenutzten Raubthiergebi.ss in der vorgeschobenen Schnauze und dem breit über die Brust herabfallenden Kehlsaek ein unheindich-hässliches Aussehen, welches die Erinnerung an alle möglichen scheusslichen Schreck- gestalten aus Märchen und Sage wachruft. Die Backen- wülste bestehen aus Fett, welches in ein derbes, enges Maschen werk von Bindegewebe eingelagert ist, und stellen also schliesslich nur eine hässliche Verzerrung der dicken Pausbacken dar, jenes altbekannten Zeichens gesunder Wohlgenährtheit beim Menschen. Irgendwelcher Zweck, irgendwelche sonstige Bedeutung ist von ihnen nicht abzusehen. Die Ausbildung der Backenwülste beginnt damit, dass sich längs der Gesichtsseiten von oben nach unten eine erhabene Kante markirt, wie dies gerade jetzt an „Philipp", dem zweiten Männchen, sehr schön zu sehen ist. Die zweite Eigenthümlichkeit des alten Orangs gegen- über dem jungen, die allerdings am präparirten Schädel mehr hervortritt, als am lebenden Thier, ist der mächtig entwickelte, weit vorgeschobene Kiefertheil des Kopfes und die hohen Knochenkämme auf der Schädeldecke, an denen sich die starken Muskeln zur Bewegung der Kiefer ansetzen. Einen Einblick in die eigentliche Bedeutung dieses Raubthiergebisses mit den langen Eckzähnen, das beim männlichen Geschlecht aller menschenähnlichen Affen regelmässig wiederkehrt, haben wir uns bis jetzt nicht verschafteu können; denn was als Grund dafür angeführt wird: Schutz der eigenen Person und der Familie, Oeffnen laiigstacheliger oder sonstwie geschützter Früchte, kann doch wohl kaum genügend erscheinen, um eine derartige Gebissbilduug zu erklären, die den Vergleich mit dem Rachen unserer grössten Raubthiere sehr wohl aushalf. Umgeben ist dieser gräuliche Rachen bei unserem Jumbo von einem langen rothen Bart, der nach Art der „Hamburger Krause" auf der Oberlippe wenig, an den Seiten des Kinnes desto mehr entwickelt ist und eben- falls eine Auszeichnung des alten Männchens bildet. Dieses ist überhaupt mit einem auffallend üppigen Haar- kleid versehen, dessen wahrhaft erstaunliche Entwicke- lung wieder besonders schön zu beobachten ist bei un- serem Jumbo, der sich ja überhaupt glücklicherweise ganz vorzüglich „in condition" und offenbar gerade auf der Höhe seiner körperlichen Entwiekelung l)efindet. Er hat am Rücken uml an den Armen Haare von 40— 5U, an den Fingern noch solche von 10 cm Länge! Ein weiterer Schmuck (?) des Orangs ist der grosse, in flachem Bogen von einer Schulter zur anderen der Brust aufliegende Kehlsack, über den der Leipziger Anatom R. Fick bei der Section von „Antou" neuerdings eingehende Untersuchungen angestellt hat. Er steht mit dem Kehlkopf in Verbindung, ist so dehnbar, dass erst 6 Liter Leim hiueingespritzt werden mussten, ehe er herauspräparirt werden konnte, und hat noch übermanns- faustgrosse Nebenbeutel, die sich bis in die Achselhöhle fortsetzen. Auch seine Bedeutung ist wenig ersichtlich, und man hat, wie für alle Kehlkopfanhänge, immer nur die „Erklärung" als Resonanzeinrichtung, Verstärkung der Stinnnc. Der Kehlsack kommt übrigens nicht nur dem jMännchen zu und führt uns so zu denjenigen äusseren Körpereigenschaften, die den Orang im Allgemeinen von den übrigen Meuschenafteu und dem Menschen unter- scheiden. Hier muss hervorgehoben werden, dass der Orang Nr. 29. Naturwisscnsehat'tliche Wochenschrift. 353 uiiy.woircUiart die ciscntliiimlichsten iiiul ahvvcichendsten iiiisscren Körporvcrhältiiisse besitzt, vvälireiul bei der Leiciiciiüti'iuiiii;- Prof. Ficlv allcrdini^s iniiiier wieder aut's Neue erstaunt war über die „geradezu fabelhafte innere Aeiiiilicldi3vclü. >Uvci6 3U >lSf. Erfindungen, Neuheiten, Modelle jeder Art werden zu- verlässig, billig, discret in meiner Spe- cialwerkstatt ausgearbeitet und angefer- tigt, auch brieflich. W. Maaske, Mechan., Berlin N., Schwedterstr. 31. Carl Zeiss, 1 — Optische W^erkstätte. — M J'ena. ^ J\Xilii'osBilio«e mit ^vil>(>li<>i*. M Mikrophotograpliische Apparate. Photographische Objective. Mechanische und optische Messapparate. Nene ll(>p]telfenir()lire f. Haiidiiebrauch. Cdtnloffe yratis iiml franco. ptrijtig füi- nllc iidjiir^c^ lnI^ ^tnntölnugcr finb bic focbcii erfdiicitciien wtwtn ymifjirdirn (l^eff^e. ergniijt miö Erlnutcit öurtlj öic nmtltilicii IWiitcrinlifii ötr Cirldjflcliiiiig uoit 15. fiöingljnus: (9Jiict»=, %a&ji', Äauf=, Urfunbcn 2c. =©tetnpel) neöft beut e-r&fifjaft§fteucr=®cfi;i5 omt 1895. 140 Seiten. 1 Sil. ncbft ©cBü^renorbituitg für 9Jotarc. 160 Seiten. 1 3J!. 3» bcjicßen biircf) alle SBurfiöaiiblungen. §!crö. Pümmfcrs J'crtugsliudißaniiruiig in ?ScrCin SW. 12. IRTilli Büsing', .<^^ .W \^ Berlin W., Bendlerstr. 13 Pliotoolioiiiiscli l'ntersiK'li.- ^^-«^ <.C,^ Langjähriger Assistent vom IVof. Dr. Vogel des photo-chem. Laboratoriums der Kgl. teclm. Hüchschulf zu Gbarlottenbur^ ■-■ - " * A ^p^ l'riu'tiscilc ^y^^u. thi'oret. Ausb. »^t^x/ ' f^^^^ ™ siiniintl. pliotogr. <\^^ ■t^^^Neg-at.- u. Posit.-Vürf.,sow. ^Y .^^'{ft.^i^^plioto-niechan. Druck vertahri.'ii. •V* ^ Iiiüititiit ^'^\ V fV \\^ rt^ y^\^^ Wissenscbaftlichi' uud Amateur- Kurse, "^ \ C\\^ •^ .rtp^^^^^""''^^^'"*''^^ jederzeit. Kurze und längere Kurse, \^1- Dunkclkaiiiinorn stellen zur Verfügung. clieriiahnie aller vorkommenden Wissenschaft], und prnctischcn [thotogr.iphischen Arbeiten. .\ii.vkinift lii'ii'iluilliL'^l. TäKlich KiMiniict vnii ;J— 7. Verantwortlicher Kedactenr: Dr. Henry Fotouie, Gr. Lichtert'elde (P.-B) bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentlieil : Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin BVV. 12. i-ÄafS Wm dia oAtarrlnenactEUlUctio fonchont kof^ebt (ueesdeo Idaeo ond ui tockec dro OibOdcn dar PbuiUila. tM Dir RkhUch erteUl dortA 4« Z4alMr der WlrkUcHkfOt, d» Qu> SebOpfoiigBa • ' Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonnta"f, den 28. Juli 1895. Nr. 30. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandluneen und Poat- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— BrinKepeld bei der Post 15 M extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. ■ ¥ Inserate : Die viergespaltene Petitzelle 40 ^. Grössere AniträRe ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger t^aellenaiisabe sT^i^tattet. Procentsatz der Individuen ohne Nachkommen in einer Lebensgenossenschaft. (Arithmetischer Beitrag zu einer Bio-Statistik.) Von Professor Dr. Scliubert in Hamburg. Die Matheinalik ist so lauge nur ein organisches Ge- ;e von Seibstverstiindliclikeiten, als sie nicht ange- 111 dt wird, iusbesüudere auf Natiu'wisseiischafteu. Dann ibaclituug fti w aber dient sie dazu, die durch Be Resultate zu sichten und zu ordnen, ihnen eine grössere Sicherheit zu verleihen, und aus ihnen neue, noch nicht empirisch bestätigte Resultate zu erschliessen. Desshalb haben die Naturwissenscliaftler die Pflicht, ihre Resultate und ihre Fragen möglichst so zu gestalten, dass die Ma- thematik darauf anwendbar wird. Bei Erfüllung dieser Pflicht schiessen freilich heutzutage viele Gelehrte über das Ziel hinaus, indem sie mathematische Methoden da anzuwenden versuchen, wo die Erkenntnisse noch nicht annähernd für eine mathematische Behandlung reif sind. Andrerseits haben auch die Mathematiker die Pflicht, sich nicht gegen die auf das P^rkennen der Natur gerichteten Forschungen vornehm und selbstgefällig abzuschliessen, sondern ihr mathematisch geschultes Denken da anzu- wenden, wo Resultate vorliegen, die mathematischer Be- handlung zugänglich sind. Von diesem Gesichtspunkte aus ist die folgende Arbeit entstanden, welche über das Verhältniss der Zahl der unfruchtbaren Individuen zur Gesammt/.ahi aller Individuen einer Lebensgenossenschaft eine allgemeine Formel ergiebt, die, falls eine besonders ausgesprochene Hypothese zugegeben wird, mathematisch streng bewiesen w^ird. Der Verfasser weiss sehr wohl, dass sein Resultat nur ein recht unbedeutender Beitrag zur Biologie ist. Wenn er trotzdem dasselbe veröffent- licht, so geschieht es, um dadurch das Beispiel einer An- weiidiiiig der Mathematik auf Fragen zu geben, die bisher nur eine ubertiäcbliche Behandlung erfahren haben. § 1. Definitionen und Bezeichnungen. Lebensgenossenschaft hei.sse hier jede Gruppe von Individuen derselben Art, deren ' Vermehrung nur durch Fdrfpflauy.uiig, nicht aber durch Einwandern von aussen, und deren Verminderung nur durch Sterben, nicht aber durch Auswandern nach aussen vor sich gehen kann. Nachkommen eines Individuums nennen wir nicht bloss seine Kinder, sondern auch die Kinder der Kinder u. s. w. ad infinitum. Ahnen eines Individuums sollen seine 2 Eltern, seine 4 Grosseltern, seine 8 Urgrosseltern u. s. w. ad infinitum heissen. Durch Heirath zwischen Blutsverwandten kann es kommen, dass ein Individuum einer früheren Zeit auf doppelte, ja auf sehr vielfache Weise Ahne eines Indivi- duums einer späteren Zeit ist. Dann wird er trotzdem nicht vielfach, sondern nur einfach als Ahne gerechnet. Heiratheu sich z. B. Cousin und Cousine, so hat ein Kind aus ihrer Ehe 2 Eltern, 4 Grosseltern, aber nicht 8, son- dern nur sechs Urgrosseltern. Zwei derselben sind je zweimal Ahnen des Kindes, rechnen aber hier trotzdem nur für je einen Ahnen. Weibliche i\.hnen rechnen ebenso wie männliche. Vermelirungsfactor für zwei Zeitpunkte einer Lebensgenossenschaft heisst die Zahl, mit welchem man die Anzahl der Individuen am ersten Zeitpunkt multi- pliciren muss, um die Anzahl der Individuen am zweiten Zeitpunkt zu erhalten. Der Vermehrungsfactor ist grösser, kleiner oder gleich 1, je nachdem zwischen den beiden Zeitpunkten eine Vermehrung, Verminderung oder keins von beiden stattgefunden hat. A heisse die Anzahl aller Individuen einer Lebens- genossenschaft an dem früheren der beiden Zeitpunkte, für welche im Folgenden eine Vergleichung vorgenommen wird. L heisse die Anzahl derjenigen von den A am frühe- ren Zeitpunkt lebenden Individuen, welche auch am zweiten Zeitpunkt noch leben. T heisse die Anzahl derjenigen von den A am frühe- ren Zeitpunkt lebenden Individuen, welche am zweiten Zeitpunkt schon todt sind. N'aturwissciisihaftliehc WoeheusehriÜ. Nr. 30. / heisse der Bruch L dividirt durch -1. Natursemäss der als He au- kaun / nicht irrösser als 1 sein. Ä ist XuU, weun Zeitrauii) zwischen den beiden Zeitpunkten i^rösscr ist das Maxininm der Lebensdauer eines Individuums der bc tretlenden Lcbeusgeuossenschaft. V heisse der Vermehrunirstactor ^siehe oben' t'iir beiden in Vergleich gezogenen Zeitpunkte. «■ heisse der Durchsciinitt der Zahlen, welche geben, wieviel Ahnen von jedeui am zweiten Zeitpunkt lebenden Individuum am ersten Zeitpunkt gelebt haben. <'o. (?i . (Tj, ... bezeichne die Anzahl derjenigen unter den A am trulieren Zeitpunkt lebenden Individuen, von deren jedem am späteren Zeitpunkt beziehungsweise 0, 1, 2, ... Nachkommen leben, die am früheren Zeit- punkt uoeh nicht lebten. 7i,, /,, U. . . . bezeichne die Anzahl derjenigen unter den 7. am früheren Zeitpunkt lebenden, und den späteren Zeitpunkt auch noch erlebenden Individuen, von deren jedem am späteren Zeitpunkt beziehungsweise 0, 1,2,... Xachkommen leben, die am früheren Zeitpunkt noch nicht lebten. 'o- ^' ^i« • • • bezeichne die Anzahl derjenigen unter den T am früheren Zeitpunkt lebenden, aber den späteren Zeitpunkt nicht mehr erlebenden Individuen, von deren jedem am späteren Zeitpunkt beziehungsweise 0, 1, 2, . . . Xaehkommeu leben, die am früheren Zeitpunkt noch nicht lebten. ^' bezeichne die Anzahl aller am späteren Zeitpunkt lebenden Nachkommen aller A am früheren Zeitpunkt lebenden Individuen. Aus diesen Definitionen und Bezeichnungen folgende Identitäten als selbstverständlich hervor: gehen A. T-- ).) ■ A. so erhalten wir: Ji /• — vir) = [(A- — U-) l^ + (k- — IV — 1) /H J + [A-. f, 4- (A--I)^ + ...]. nie in den runden Klannneru dieser Gleichung stehenden , Coetticienten könnten auch bei gross gewähltem /.■ schliess- lich negativ werden. Dies stört jedoch nicht die folgende Beziehung : A = L-i-T. L = ). -1 = «0 + ''l + <^3 -^ «0= 'o -H '07 «1 = h +Uy «S = 'ä 4- f-Z, "■ *■ W. Hierzu gesellt sich: 1) ^ r ■ .4 = L -+- X § 2. Anzahl der Nachkommen, Hauptformel. Von den A am frühereu Zeitpunkt lebenden Indivi- duen haben a^ gar keine Nachkommen, die am späteren Zeitpunkt leben, a, haben gerade einen, n., gerade zwei, «3 gerade drei u. s. w. sidche Nachkommen, so dass es scheint, als ob 1 • aj + 2 • rto + 3 • ag -f- 4 • ((^ -| die Zahl T der am späteren Zeitpunkt letiendcn Nach- kommen darstellte. Es ist jedoch daran zu denken, dass bei der eben geschriebenen Summe jeder Nachkomme so oft gerechnet ist, als er Ahnen hat. die am ersten Zeit- punkt lebten. Die obige Summe ist daher nicht gleich S, sondern gleich w-N. wo ir \gl. § 1") der Durch- schnitt der Zahlen ist. welche angeben, wieviel Ahuen von jedem am zweiten Zeitpunkt lebenden Individuum am ersten Zeitpunkt gelebt haben. Mit Benutzung von 1 erhalten wir also: r • .4 = L 4- - [1 ■ «1 -I- 2 . ,/., + 3 • (73 4 ] oder : 2) vwA = ifL -}- [1 - fl, -t- 2 • «., + 3 • «3 H ] Subti'ahireu wir diese Relation von der mit einem be- liebigen Coefticienteu /.■ nuiltiplicirteu. selbstverständlichen Identität: /.• . A = f. [/, 4- /j + . . .J -f A- [/„ + /^ 4- /, + . . .J, 3) -1 (A-- nf)^[^A--u-)/« +^L-- ir- 1) /, + (A-- ?)/. + ■••] -^[lc.t^-i-{k-l)t, + {k—2)L + ..-], wo die Summandeu in den eckigen Klammern nur soweit fortzusetzen sind, wie sie positiv bleiben. Um die l^, /,, /», . . . t^, /,. t^, ■ ■ . durch die «o» "i- . . (§ 1) zu ersetzen, addiren wir noch die wegen /^ L identische Gleichung: 0=ylC — wi.) [Iq -f- ?! -f l> -+- und erhallen die Hauptformel: 4) A (A- — kw) <[{k — tvX) a, H wo wieder die Summe soweit fortzusetzen ist. wie die Summanden positiv bleiben. ■ •] - lü [t„ -\-f^-\ J, (A- — irX — 1 1 (/, -i ]. § 3. Eine Hypothese und ihre Foh o e n. Em aus der in § 2 abgeleiteten Hauptformel 4) Schlüsse ziehen zu können, setzen wir jetzt voraus, dass von den Zahlen «1, «,., a^ (vgl. § n die Zahl a^ die grösste sein soll. d. h. wir machen die Hypothese: An einem beliebigen Zeitpunkt ist die Anzahl derjenigen Individuen einer Lebens- genossenschaft, von denen an einem beliebigen späteren Zeitpunkt keine Nachkommen leben, die nach dem ersten Zeitpunkt geboren wären, grösser als die Zahl derjenigen Individuen, von denen dann gerade ein nach dem frühereu Zeit- punkt geborener Nachkomme lebt, und auch grösser als die Zahl derjenigen Individuen, von denen gerade zwei nach dem ersten Zeitpunkt geborene Nachkommen leben, u. s. w. Kein Statistiker und kein Biologe wird die Zulässig- keit dieser Hypothese bestreiten, wenn er an die bedeu- tende Anzahl der im Kindesalter sterbenden Individuen denkt und darauf achtet, dass die Hypothese nur verlangt, dass (Jj grösser sein soll, als jede einzelne der Zahlen (/j, «2? '^3! • • V nicht aber verlangt, dass «^ allein schon grösser sein soll, als die Summe was wohl nicht immer zntreftend wäre. Wegen der eben ausgesprochenen Hypothese dürfen wir nun in der Haupt- formel 4) rechts vom Grösserzeichen (7^, statt «, , a^^ auch statt a.y setzen. Dann erhalten wir A (A- — utv) < ffo [l^" — "'^) -H (A- — (r/ — 1) -f • • •]. Hier steht in der eckigen Klammer eine um die con- stante Diti'erenz 1 abnehmende arithmetische Reihe, deren Anfangsglied A- — w/. ist, und deren Endglied die Zahl 1 oder ein zwischen 0 und 1 liegender echter Bruch ist. je nachdem k — »/ eine ganze Zahl oder eine gebrochene Zahl ist. Im ersten Falle ist die Sunnne der arithmeti- schen Reihe 5-(A--H/)(A— «•/-<- 1), I Nr. 30. Nalnrwi«KCii«<;liartliclic Woclicnsclirif't. im zweiten i'aiie jedenfalls nielit grösser als {k — tcl)(k—iü-hl) (»der 5) A{lc — vw)<.ä 0^ — "■''■) (/-^ — '('^- + !;•"« fjQ = 2 (Je — vw) A (k — wi.) (k — wl -+- 1)' eine bei Zulassinif; der obifren Ilypotliese iiiiiner riclitige Bezicliiin;,', bei weleber für /.; noeb jede beliebi;:^e Zahl gcwäblt werden kann. Wir setzen k = 2vw, und erbalten: 2vw A^iivw- ■wX){2vw — w).-it-\) 2v oder ^^ Ä-^ (2v^-^X)l2 VW — wl + !)■ Ist / ^ 0, also der spätere der beiden vergliclicnen Zeit- punkte soviel nacb dem friiberen, dass alle Individuen, die am ersten Zeitpunkt lebten, inzwiseben gestorben sein nitlssen, so ergiebt sich insbesondere: 7) ?«5 \ . ' A^2vw->r\ Dieses Resultat lautet in Worten: In jeder Lebensgenossenscbaft ist an irgend einem bestimmten Zeitpunkte der Procentsatz derjenigen Individuen, von denen an einem spä- teren Zeitpunkte, an dem die am ersten Zeit- punkt lebenden Individuen alle todt sind, keine nacb dem letzteren geborenen Xachkommen leben, mindestens gleich ^r ,^r, wo v die Zahl zvw -f 1 ist, welche angiebt, wieviel mal soviel Indivi- duen am zweiten Zeitpunkt leben, als am ersten, und wo M der Durchschnitt der Zahlen ist, welche Da der Unterschied beider Resultate verschwindend ist, und da überdies es sich bei den Anwendungen leicht so einrichten lässt, dass k — ic). ganzzablig ist, so nehmen wir nur das erste Resultat. Setzen wir dies für die eckige Klannner der zuletzt erhaltenen Formel ein, so erhalten wir: angeben, wieviel Ahnen von jedem arn zweiten Zeitpunkt lebenden Individuum am ersten Zeit- ])unkt gelebt h abcn. Für Insecten, bei denen die frühere Generation stirbt, wenn die nächstfolgende entstanden ist, kann man w^2 100 setzen. Dann ergiebt sieb . , , ; und, wenn ausserdem " iv -\- V v=l ist, d. h. die neue Generation so gross ist, wie die frühere, so ergiebt sich, dass mindestens 20 Procent aller Individuen einer Generation keine Nach- kommen haben. Die Zahl u; niuss, ebenso wie die Zahl v, aus der Beobachtung entnommen werden. Um bei den Anwen- dungen der Formel 6) sicher zu gehen, beachte man, dass man ohne Fehler iv grösser als gleich dem Durchschnitt der Abnenzalil, nicht aber kleiner, wählen darf. Der Bruch /. ist wenig unter 1, wenn die beiden verglichenen Zeitpunkte sehr nahe liegen, und nähert sieh der Null, je weiter das Zeit-Intervall an das .Maximum der Lebens- dauer eines Individuums herankommt. Wir stellen nun noch einige Specialisirungcn der Formel <3j tabellarisch zusammen: Procentsatz der Leben- Veririehriing.s- factor t»lf*ibf;n'](*n Durchschnitt der Ahnenzahl Procentsatz derer ohne Nachkommen. iiiiniJ';.'-t'ns 10% 50 »/o 10» 11) 0"',. 1 I V2 4 6 7 10 99 26^/3 \ " /l3 /o Da in Formel 5) für k jede Zahl gesetzt werden kann, so entsteht die Frage, welche Zahl am geeignetsten i.st, d. h. .so beschaffen, dass der Mindestwerth, der sich I (, I dann für -~ ergiebt, grösser ist, als der durch Ein- I -•! .Setzung anderer Zahlen entstehende Mindestwerth. Dies hängt jedoch von den gegebenen Zahlen /, r, ;/■ ab. Ist / = 0, so i.st ein zwi.schen 2vii: und 3i(f liegender Werth ] für k am geeignetsten. Spirupliyton (Fig. 7) ist für worden und wurde von A. Ker- ner (Pflanzenleben II. 1891, S. 599. mit einigen unter Wasser lebenden Lebermoo- sen der Gattung Rielia (Fig. 8,;, von anderen (A. Braun — Kayser) mit der Alge Dietyo- menia volubilis (Fig. 9> u. a. verglichen. Nathorst's Ver- muthung über das Zustande- kommen der Spirophyten er- wähnt E. Zimmermann in seinem Artikel in der,,Naturw. Wochenschr.- i|. c.) nicht, ob- wohl sie, wenigstens meines Dafürhaltens, beachtenswerth ist. D sich Nathorst entstanden durch „un Vermeintliche und zweifelhafte pflanzliche Fossilien. Eine Zusammenstelliuig von H. Potonie. (Schlusä.) eine Alge gebalten /i duit dans l'eau par unc cau.se quelconque" (1. c. 1881, S. 90i. Ich gestehe, dass mir seine Vermuthung nicht hin- reichend berechtigt schien, bevor er mich niclit zu eini- gen einfachen Experimenten veranlasst hatte, die ich be- schreiben will. Bringt man etwas Sand in ein Gefäss mit Wasser und rührt dieses dann, einen Wir- bel erzeugend, .stark um, so häuft sich der Sand zu einem Kegel mit wie bei Spiro- phyton nach oben hin gerich- teter Spitze an. Die Ober- ie S])irophyten dachte fläche und die Umgebung dieses je nach Umständen tourbillonnement pro- flacheren oder steileren Kegels zeigt die schönsten von der Seitenansicht. Fig. Oberseite. Spirophyton EifeUense Kayger. (Xacb Kayser.) 360 Natuiwisscnscliaftliclic Wochenschrift. Nr. 30. Kegelspitze auslaufenden sicliclfcirniii;en Linien, die frappant an die „hahnenschwanz"-iihnlichen Zeichnungen von Spiro- phyton erinnern. Sind leichtere und schwerere Gemeng- theile vorhanden, z. B. thonige und san- dige gemischt, so fallen natiirlicli die letz- teren zuerst nieder und die thonigen legen sich niantelartig und in sichelförmigen Bögen um den Sandkegel. Man ver- gleiche mit dieser Thatsache die Angahe, dass die „»Spreite" von Spirophyton aus anderem Jlatcrial (Thon) als das (ihrige Medium hesteht. ßerücksichtigt man ferner, dass — wie Herr Nathorst mir niittheiit — er in den Spirophyten tliierische Fossilien gefunden hat, die die „Spreitentheilc" ohne Weiteres durchkreuzen und dass Spiro- phyten fast in allen P^ormationen vom Cambrium ab gefunden worden sind, so scheint die Nathorst'sche Deutung Beach- tung zu verdienen, die weitere Experimente rechtfertigen würde, wenn nur eine regclniässige Randlappung zeigten, die dabei uner- klärt bleiben muss, ebenso wie der spiraligc Bau. Er selbst schreibt mir denn auch über die Experi- mente: „Die Erklärung ist jedenfalls damit nicht ge- geben, wenn auch ein Fingerzeig. Als ich meine Abhandlung schrieb, kannte ich die Spiropiiyten nicht, welche das Gestein schraubenförmig durch- setzen. Dass aber Spirophyton jedenfalls eine rein mechanische Bildung ist, sei dieselbe durch Thiere oder andere Agcnticn verursacht, darül)er hege ich nicht den geiingsten Zweifel." Fuchs weist neuerdings (Hieroglyphen und Fu- coiden. — Sitzungsbcr. der k. k. Akademie der Wissenschaft zu Wien. Mathem.-naturw. CIV. Abtli. I. Januar 1895) darauf hin, „dass die Spirophyten und verwandten Bildun- gen Eiernestern von Meeresthieren , und zwar wahrscheinlich von Gasteropoden zu vergleichenseicn," in- „Fliesswülste" sollen nach demselben Autor (I.e.) zum Tbcil von Saporta als Laminarites und l'anes- corsea beschriebene Bildungen sein. Zur Erklärung dieser Dinge sagt Fuchs: „Wenn man Gyps, Ccment oder eine andere breiartige Masse über eine Unterlage von weichem Thon oder Sand fliessen und sodann erstarren lässt, so findet man an der Unterseite des so entstandenen festen Kuchens mannig- fach geformte Wülste, die eine ausser- ordentliche Aebnlichkcit mit jenen Wülsten zeigen, die man so häutig an der Unter- fläche der Flyschbänke findet." Fig. 8. Kiella liclicopliyUa. (Nach Kerner.) Etwa Vj der natürlichen Grös.se. nicht gewisse Spirophyten Fig. Dictyomenia voluhilis. Nach (1. Natur. '/a der nat. Gr. dem er u. a. aufmerksam darauf macht, dass „die spiral ein- gerollten Laicbbän- der mancher Doris- Arten äusscrlich ganz einem Spirophyton gleichen." Gewisse Rhizo- coraliien, die eben- falls für pflanzliche Bildungen gehalten worden sind, „waren — nach Fuchs 1. c. — hohle Taschen, welche zur Mioeän- zeit von Meeres- thieren im anstehen- den, festen Kreide- gestein gegraben und nachträglicii von dem marinen Sande ausi — sagt F. — wäre lium zu vereinigen. Fig. 10. Gyps-Ansj^üsse von Kicsclsimren nacl ■(■füllt wurden." wohl zweckmässii Physophycus mit Rhizocoral- Rinnendes Wasser (vergl. Nathorst in der „Naturw. Wochenschr.", Berlin lSi)4, Bd. IX, Nr. -26, S. 313— 314) kann auf dem Untergründe verzweigte Rinnen hervor- bringen, die pflanzenähnliche Bildungen vor- zutäuschen im Stande sind, denn solche Rieselspuren müssen nach Erhärtung des Gesteinsmaterials den Ein- druck von Algenabdrücken resp. — und zwar die Platte mit der .\usfüllungsniassc der Rinnen — von Fo.ssilien in HaibrclicfEriialtung machen. William- son und Mcunier hal)en GypsAusgüsse von strancb- förmigen Wasserfurchen angefertigt (Fig. lOj, die das deutlich veransehauliehen. Ob aber die z. B. von Rogers (The Geology of Pennsylvania 1858, vol. H, part. U, S. 830, plate XXIÜ) aus der unteren Steinkohlenformation und von Newlierry (Fossil tishes and fossil plants of thc triassic rocks of New Jersey and the Connec- ticut Valley. Mongr. Un. St. Geol. Surv. XIV. Washington 1888, S. 82, pl. XXI) aus der Trias Amerikas beschriebenen und in unseren Figuren 11 und 12 ver- kleinert reproducir- ten Bildungen wirk- lich rinnendem Was- ser ihren Ursin-ung verdanken — wie das Tb. Fuchs („Naturw. Wochenschr." Berlin 1894, Bd. IX, S. 229 tr.), Nathorst (1. c.j und andere annehmen möchten — bedarf doch meines Erach- tens noch weiterer Untersuchung. Die Abbildung Newlierry 's (Fig. 12) älinelt noch mehr den Präparaten (Fig. 10), als die von Rogers gegebene Zeichnung seines „Algen - ähn- liehen Fossils" (Fig. 1 1), doch meint Fuchs, „dass dies nicht so- wohl in einer Ver- schiedenheit der Ob- jeete als vielmehr nur in der Darstel- lungsweise liegt." leh Staiiislas Meunier. möchte Könisl. dazu bemerken, Preuss. geolog. dass sich in der Sammlung der Landesanstalt ein grosses Stück leider unbekannten Fundortes (vielleicht aus dem Ober- Rothliegendeu Thüringens) befindet, das ausserordentlich Nr. 80. N.-itnrwissciisclüift liehe VVocliensclirift. 3(51 cir dem Ifdgers'sclicn Stück iFii;'. 11) älnielt diireli die /.ald- rcielien, feinen parallelen Fiedeni und die verliältniss- niässi^ liäufij^en (iai)clungcn der Ilauptaeliscn, derart, da.ss wiedcrliolt ganz glcieli starke Gabeläste vorliegen. Rogers Abliildung kann daher ganz cor- rcet sein, und die Hcnierkung von Fnelis ^,_, .j^f,-»;»- weist darauf hin, dass er die Unter- schiede /.wischen derselben und den sicheren Ricselspuren wohl iierausgefühlt hat. Die wiederholten (iabelungen mit gleich starken (iabelarnien an ilcni mir vorliegenden Gebilde und dem in Fig. 11 abgel)ildeten sind es weniger, die gegen eine Auffassung derselben als Riesel- spurcn sprechen, denn man kann solche wiederholten (iabeUingcn an rieselndem ^\'asser auf ganz sanft geneigten Flächen beobachten, aber die vielen, dicht ge- drängten, den llauptästen ansitzenden, ])arallel verlaufenden, feinen Fiedern scheinen mir schwer als Wasserrinneu deutbar. Bei der Neigung der Flächen, in welchen diese parallelen, feinen Fie- dern verlaufen, niiisste angenommen werden, dass sie Zuflüssen zu den stär- keren Zweigen entsprechen. Jlan be- trachte aber nur die Figur 11, um so- fort einzusehen, dass daran kaum zu denken ist. Diese „Zuflüsse" müssten doch etwa von Plateaus — wie solche in der That an recenten, sicheren Riesel- spui'cn beobachtet werden, Fig. 10 — ihre Sjjeisung erhalten; wie aber die einstimmten. Die feinen, mehr rechtwinkligen Rillen gehören zu einer späteren Generation als die anderen." Er meint, die feinen Rillen entstünden, nachdem das erste Wasser in einer bestimmten Richtung abgeflossen sei, indem das Wasser, das den feinen Brei durciitränke, von den Wänden der Furchen nach dem Boden dieser her- untersickere. „Die sehr feinen Rillen, welche ganz oder mehr oder minder rechtwinklig waren, fanden sich dem- zufolge nur in den groben Furchen, d. h. auf der Oberfläche der Relief ijilder, nicht auf der Oberfläche der ganzen .Steinplatte. Ich glaube, dass diese Bildung nur in sehr feinem Sehlanmi entstehen kann." AlRciiahnUche BiMun natiirlieheu Grösse- feincn, engstchenden Fieder an Gebilden wie Fig. 11 von den fast nur linien- förmigen, kantigen „Wasserscheiden" ge- speist werden können, ist mir wenigstens nicht klar. Vicl- die Deutung einer Anzahl Pniblcma- tiea vorn erwähnte Rauft'sche Anschauung hier weiter, 11. nach Ropjers. •/: der leicht führt die für vorn € wie dieser Auto )a auch Fig. die den Wasscrrinnen-Ausgüsscn Fig. 10 recht ähnlichen, als l'hy Codes circinnatus ijlisingeri Richter bekannten Bildungen aus dem Cambriiim zu den mechanischen Bildungen rechnet, die erst „nach oder bei der Erhärtung der Gesteine" ent- standen sind. Man bat früher die I'hycoden als Halbreliefs angenoni- nien, aber auch dann sind sie nicht auf Riesclspuren zurückzufüliren , weil die Zweiglein recht häufig rückläufig gerichtet sind. Die körperliche Aus- witterung der I'hycoden, welche so- gar dazu führt, dass diese, von ihrer natürlichen Oberfläche lund Bruch- flächen i rings umgrenzt als GeröUe in jüngeren Formationen aufgefunden wer- den können und so bei Gera (wie mir Herr Zinnnermann mittheilt) häufig im Rothiiegenden zu finden sind, zeigt, dass man es bei den fraglichen Fossilien mit Voll formen zu thun hat. Herr Xathorst, dem die Correctur zu der vorliegenden Zusammenstellung vorgelegen hat, schreibt mir noch zu der in Rede stehenden Frage: „Ich glaubte, Ihnen niitgctlieilt zu haben, dass ich in einer Ziegelei einige Riesels|)uren sah, welche voll- ständig mit dem Rogers'schen Stück und mit dem, wel- ches Sie mir im Museum der Bergakademie zeigten, über- Die vom Wasser bewirkten Wellen- furchen (ripple-niarks dei- englischen Autoren) aus parallel verlaufenden Er- höhungen bestehend, deren Luv- Bö- schungen flach, und Lee -Böschungen steiler sind, so dass also auch die zwischen den Erhöhungen liegenden I'arallel-Thäler je eine steil und eine flach ansteigende Wand besitzen, habe ich in einem i\Iuseuni als Pflanzcnabilruck untergebracht gefunden; es war dabei vielleicht an die parallele Nervatur von Palmen-Blättern gedacht worden. Rip])le-marks können übrigens auch durch Windwirkung entstehen.*) Die von Ernst von Otto (Additamente zur Flora des Quadergebirges in der Gegend um Dresden und Dippoldiswalde u. s. w. 1852) abgebildeten und beschriebenen „Fossilien", die er mit H. B. Geinitz (vergl. ebenda) als mit den Palmenblättern von Flabellaria verwandt ansehen möclite, sind vielleicht besser als ripple- marks zu deuten. — Von der Sigillaria Ilausmanniana (xöppert (Foss. Flora d. silur., d. dcvon. u. not. Ki lilcnf. od. d. sog. Uebergangsgeb. Jena IStiO. Taf. 45, Fig. 1) sagt Solras-Laubach (Einleitung, Leipzig 1887, S. 247): „Die neueren Autoren haljcn mit Recht in diesem Rest nur eine sogenannte Ripplc- Mark-Plattc sehen wollen." Nach brief- licher Mittheilung des Herrn Nathorst würden hierher Saporta's Pauescorsea und Laminarites gehören. Dippoldiswalde „Ueinlr«.]! lycns trias«icii.-s" nach Ncwl)crrv in '/■; ilcr natürliclien Grösse. Bihlungen, bei deren Ent- stehung chemische Vorgänge mit- gespielt haben, haben ebenfalls zu Täuschungen Veranlassung, gegeben. Ich nenne von diesen zunächst die Concrct ionen. Coneretionen sind Objccte von meist cllipsoidiseh - kugelig- nierenförmiger Ge- stalt, die sich in Gesteinen von anderer mineralischer Zusammensetzung als die *) Eine zarte Parallel-Fältelimg, die ich z. B. auf Schicht- flächen lies Muschelkalkes beobachtet habe und die wohl eben- falls durch Wasserwirkung entstanden ist, hat P. Lebesconte aus palacozoiscben .Schichten als Neantia beschrieben in der Meinung, dass es sich um eine Spongien-Gattung handele. 362 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 30. Concretioncn selbst mehr oder minder zahlreich vorfinden. Ein Anfänger kann Concretioncn von passender Form mit fossilen Samen oder Früchten verwechseln. Mir ist dieser Fall mehrere Male vorgekommen, Concretioncn bildende in Lösung befindliche, mineralische Substanzen schlagen sich namentlich gern an festeren Theilcn nieder, oder an Theilen, die heterogene Bestandtheile in einer homogenen Masse bilden. Pflanzenthcilc, die sieh z. B. in losem Sande eingebettet finden, werden daher die Ursachen für Niederschläge sein können, so dass man in Concre- tioncn oft Objecte eingebettet findet, die die Veranlassung zur Bildung der erstcren gegeben haben. Als Beispiel erwähne ich die OstcocoUen, die „Beinbruchsteine", die sich in lockerem, namentlich in Dünensand finden und welche Kalksinterhildungen, namentlich um abgestorbene Kiefernwurzeln, darstellen, welche die Veranlassung zum Niederschlag des Kalkes in den circulircnden Wässern gewesen sind. Die Wurzeln werden so von einer ver- hältnissmässig dicken Kalklage incrustirt ; man hat dann stengeiförmige Gebilde vor sieh, deren Centrum oft noch die Wurzel oder nach vollständiger Verwesung derselben einen entsprechenden Hohlraum erkennen lässt. Auch Thon-Eisenstein bildet osteocoUenähnliche Objecte mit dem einzigen Unterschiede, dass eben die inerustirende Sub- stanz eine andere ist. Ich erwähne diese Dinge, weil mir solche in der That als vermeintliche fossile Pflanzen- stengel wiederholt zugegangen sind. Eine vulkanische Bombe (einLapillus) ist sogar — worauf mich Herr Nathorst aufmerksam macht — ein- mal, und zwar von J. Starkie Gardner, als Frucht be- seln-ieben und abgebildet, dann aber von ihm selbst (Geolog. Magazine, London 1889, S. 144) als Bombe richtig erkannt worden. Dendriten und hiermit verwandte Objecte sind früher allgemein für pflanzliche Fossilien gehalten worden. Dendriten sind mineralische Ausscheidungen, oft in Bäumchen- oder Moosform, wonach der Moos- Achat benannt ist, der dendritische Einschlüsse von Mangan- oder Eisenhydroxyd oder von Chlorit enthält. Dendritische Bildungen treten zwischen zwei Gesteinsschichten auf, wie z. B. ein zwischen zwei Papierblätter gequetschter Tinten- klecks, der unter Umständen ebenfalls moos- bis straueh- Ijaumförmige oder blattartige Gestalten bildet. Noch Saporta war in den Fehler verfallen, eine solche Bildung, also ganz anorganischen Ursprungs, für einen Pflanzenrest zu erklären. Er beschreibt und bildet unter dem Namen Eopteris (Le nionde des plantes avant l'appar. de rhomme. Paris 1879) dendritische Ablage- rungen von Schwefelkies aus dem Mittelsilur ab, die ober- flächlich gesehen, Farnwedelreste vortäuschen. Die ver- meintliche Spindel mag in der That durch einen voll- ständig durch Verwesung verschwundenen stengeiförmigen Pflanzentheil gebildet worden sein, und kann so die Veianlassung zu einer Rinnenbildung gegeben haben, welche die Infiltrationsflüssigkeit benutzte. Herr Nathorst macht mich ferner darauf aufmerksam, dass Hecr's Delgadoa aus dem Mesozoieum Portugals ebenfalls eine Dendriteubildung ist. Oft sieht man auf den Sehichtungsflächen mehr oder minder abgerundete homogene Flecke, sogenannte Höfe oder Augen, die ebenfalls zu den dendritischen Bildungen gehören. Ich erwähne diese speciell, weil mir — sogar von einem Bergmann und Geologen — ein solcher „Hof" als ein Farnfiederehen (von Neuropterisl vorgelegt worden ist. An dem Exemplar sieht man etwas excentrisch noch deutlich die Zutrittstelle der Infiltrationsflüssigkeit (die vermeintliche Anheftungsstellc des Fiederchens), welche den Hof gebildet hat. Stanislas Meunier (vergl. in der Zeitschrift „Le Na- turaliste". Paris 1891, S. 263 ft'.) erhielt mit der Nachricht, dass sich in einem Gestein „fossile Pflanzenreste" ge- funden hätten, eine Bildung zugesandt, die in der That, flüchtig gesehen, sehr an gabelig - verzweigte und be- blätterte Sprosse etwa einer Lyeopodium-ähnlichen Pflanze erinnerte, die sich aber als durch besonders gelagerte Gyps-Kryställchen gebildet erwies, welche die einzelnen „Blätter" vorstellten. Wurzelfrass, Wurzelanätzung, durch die sauren, lösenden Wurzeln verursacht, tritt nanicntlipli auf KalU- steinfläehen — natürlich aller Formationen — auf und kann den nicht- botanischen Anfänger zu dem Glauben verleiten, er habe es mit Abdrücken etwa von Algen zu thun, da die Corrosionsbilder in der That an ver- zweigte Thallusgebilde erinnern. Uebrigens können auch Algen selbst algen-ähnliche Corrosionsbildungen in Kalkgestein hervorrufen (vergl. 7.. B. die Zusammenstellung von F. Cohn, 71. .lahresber. d. Schles. Ges. f. vaterl. Kultur. Botan. Sect., S. 19, Breslau 1894) und sogar — wie schon am Schluss der Besprechung der Flyseh - Chondriten erwähnt — Gänge bohren. Ausser diesem Algenfrass ist auch der Fleehtenfrass zu beachten (vergl. besonders E. Baeh- mann, Der Thallus der Kulkflechten. — Wiss. Beiträge zu dem Programm der städt. Realschule zu Plauen i. V. 1892). Flechten corrodiren Glas, Quarz, Laven, Schiefer u. s. w., besonders stark Kalk, oft in Formen, die wohl den Gedanken an fossile Bildungen erwecken könnten. Be- sonders aufmerksam mache ich auf Abbildungen Bach- mann's nach QucrschlifiFen durch vonFlechtengcwcbe durch- wucherten Kalkstüeken (Ber. der Deutschen bot. Ges. VIII). Wir erblicken in dem Gestein feine, von Hyphen gebohrte Gänge, die stellenweise kugelförmige bis ellipsoidische Erweiterungen (wohl die Stellen für Reservcstotfbchältcr) besitzen. Solche Thatsaehen s(dlten die Pflanzenpaläonto- logen nie ausser kc\\\ lassen, wenn es sich um die Be- schreibung ähnlicher Objecte handelt, wie bei B. Renault, der neuerdings (Le Naturaliste) Fäden mit solchen Er- weiterungen, die er in Lepidodcndron - Stämmen mit Struetur gefunden hat, als Chytridiaccen- Reste deutet. Er ist hiermit vielleicht im Recht, aber es bleibt doch noch der Beweis übrig, dass es sich um Thallophyten- Frass nicht handeln kann. Zum Sehluss sei schliesslich der „Gattung" Guilcl- mites (incl. Carpolitcs umbonatus Sternb.) gedacht. H. B. Geinitz beschrieb (Lcitpfi. d. Rothl. 1858) unter diesem Namen knotenförmige B Idungcn als vermeint- liche Palmen-Samen. Die in Rede stehenden Objecte erinnern allerdings äusserlich betrachtet an Samen. Sic besitzen verrutschte Oberflächen mit einer radialen, von einem „kleinen Nabel" ausgehenden Streifung. Ich habe die Geinitz'schcn Originale gesehen und mit diesen über- einstimmende Objecte wiederholt im Carbon-Thonschiefer Obersehlesiens und anderer Reviere gefunden. Sie werden aber nicht nur im Carbon, sondern auch in anderen For- mationen, auch derjenigen des Mesozoicums beobachtet. Wenn ich auch ail der rein anorganischen Natur von Guilelmites gar nicht im Geringsten zweifle, so habe ich mir doch eine genügend begründete Voi stellang über die Nr. no. Naturwisscnscliaftliche Wochenschrift. 3G3 Entstehulli;- dcv saiuen-iihiilieheii Knoten niclit zu bilden vermocht. E. Weiss bezeichnet sie auf einem I<2ti(|uett als .,Abson(lernni;'en". Ob man mit der .\nsiclit von Carruthers (Supp. \e,i;-. foss. 1871), der schon auf die aiiori;'anisclie Natur der in Rede stehenden 15ilduni;en aufmerksam g-e- macht iiat, weiter kommen wird, stellt dahin. Er sieht sie als das Resultat an „of the presencc of fluid or gaseous matter in the rock wlien in a plastic State". In der That scheint es bei einer flüchtigen Betrachtung von Guilel- mites wohl plausibel, dass die Knoten mit Blasenbildungen zusammenhängen könnten, etwa in Folg-e austretender Sumpfgase. Die Stücke, in denen ich (Juilelmites- Kniiten gefunden habe, sind schwarze, also durch Kohle- partikcl stark gefärbte Tbonschicfer, die auch noch reich- liehe Pflanzenspuren aufweisen. Die bei der Verwesung der Pflanzeiireste erzeugten, austretenden Gase können unter Umständen sehr wohl irgend welche Spuren hinter- lassen haben, aber die Entstehung der körperliehen Guilelmiten kann man sich dabei nicht recht vorstellen, bei angestellten Exiierimenten konnte ich denn auch Guilelmites ähnliche liildungen nicht erzeugen. Uebrigens kommen (luilelmiten auch in nicht durch fossile llunius- Bestandttheile gefärbten Thonen vor. Aus alledem ersehen wir, dass zwar die Deutung einer Anzahl cciiter oder vermeintlicher Pseudo-Eossilien zweifellos richtig getroffen ist, aber man kann sich der Einsieht nicht vcrschliessen, dass definitive Entscheidungen nur in der geringeren Mehrzahl der in Betracht kommen- den Fälle erfolgt sind : es bleibt auf dem Gebiet der Problematica noch viel, sehr viel zu thun übrig! Ueber Haltung und Haltungst.vpen de.s Mensclieii. — In dem Aufsatz über „Bewegungseinpfindungen und Mnskelsinn" in Bd. VI Nr. 3. dieser Zeitschrift ist da- von die Rede gewesen, wie im Lauf der phylogenetischen Entwickelung die verschiedenen Thierspecies sich eine besondere Normalstellung des Körpers im Laufen und Sitzen erworben haben, dergestalt, dass diese Normal- stellung die für jede Thiergruppe zweekmässigste und daher üblich geworden ist. Alle Individuen derselben Gattung haben den nämlichen „Usustatus", wie damals diese Normalstellung wohl mit Recht liezeiehnet worden ist. Der Usustatus des Menschen ist das aufrechte Gehen, das aufrechte Stehen, das aufrechte Sitzen. Zwar nicht das Aufrechtstehen und -gehen als solches, wohl aber der Trieb dazu ist dem Menschen angeboren. Die Wirl)elsäule des Neugeborenen, die spätere Stütze des Rumpfes, die Straffheit seiner Gelenkbänder und die Krait seiner Muskeln sind noch nicht im Stande, die Schwere derartig zu conipensiren, wie dies der Erwach- sene kann und wie er es können inuss, wenn er aufrecht stehend oder -gehend den Körper im Gleichgewicht er- halten will. Um Rumpf und Kopf zweckmässig, d. h. ohne allzu grosse Muskelanstrengung balanciren zu können, muss die Wirbelsäule, welche beim Säugling noch ausserordent- lich biegsam ist, mehr Festigkeit bekommen, ohne aller- dings die elasti.sche Beweglichkeit volhständig zu ver- lieren. Bekanntlich vermag der Erwachsene Bewegungen im llalstheil uiul besonders im Lendentheil der Wirbel- säule auszuführen. Der Schwerpunkt des Olierkörpers, also von Rumi)f ])lus Kopf, liegt durchschnittlich vor dem 10. Brustwirbel. Das durch ihn gelegte Lot, die Schwer- linie, fällt hinter die Verbindungslinie der Hüftgelenke. Der Rumpf niüsste hiernach hintenüber fallen, wäre er nicht vorn jedciseits durch ein vom Oberschenkelknochen zum Beckenrande gehendes Band befestigt. Der Rumpf wird also auf den Schenkel köpfen etwa ebenso gehalten, wie der Soldat mit der Hand sein schräg geschultertes Gewehr hält. Das Hintenüberfallen des Körpers im Kniegelenk wird durch die kräftigen Streckmuskeln, welche hier angreifen, unschwer verhindert. Der Schwerpunkt des Gesammtköipers liegt ungefähr im Promontorium, der vorderen Spitze des Kreuzbeins; die Sehwerlinie triff't hiernach beim Stehen etwas vor die Verbindungslinie der beiden Fussgelenkaclisen. Es muss also hier das Vorn- überschlagen des Kiirpers verhindert werden. Dies ge- .sehieht sehr einfach dadurch, dass man die Füs.se aus- wärts stellt. Bei gestrecktem Kniegelenk steht der Körper alsdann fest, da bei gestrecktem Kniegelenk natürlich nicht gleichzeitig der eine Unterschenkel nach rechts und vorwärts und der andere Unterschenkel nach links und vorwärts im Fussgelenk gebeugt werden kann. Bei der Beweglichkeit der einzelnen Skeletttheile gegeneinander ist es selbstverständlich, dass die Winkel, welche diesellien beim aufrechten Stehen mit einander bilden, individuellen Schwankungen unterliegen. Es hat eben jeder Mensch seine eigenartige Haltung beim Gehen und Stehen. Es sind daher aucli verschiedene Typen als physiologische Durchschnittshaltung, oder als sogen. „Norraalhaltung" im engereu medizinischen Sinne auf- gestellt worden, so von Meyer, Langer und Harless. Bei diesen fällt die Sehwerlinie hinter die Gelenkköpfe der Oberschenkel. Andererseits hat in einer bei Bergmann in Wiesbaden erschienenen vortrefflichen Monographie über „die menschlichen Haltungstypeu und ihre Beziehungen zu den Rückgratsverkrümmungen" Dr. F. Staffel nach zahlreichen Messungen an wohlgebauten Menschen den Satz aufgestellt, „dass in einer ungezwungen schönen auf- rechten Stellung die Rumpf-Schwerlinie nicht hinter die Hüftgelenkaehse, sondern durchschnittlich mit dieser zu- sammenfällt." Es wurde ferner „stets getunden, dass bei einer schönen aufrechten Stellung die Hüftgelenke eine Mittellage einnehmen, dass das der Mitte des Fussvierecks entsprechend errichtete Lot fast genau durch die Hüft- gelenke geht und am Kopfe fast immer das Ohr schneidet." Bei der Sitzhaltung — wir folgen hier ebenfalls den Ausführungen Staff'el's — werden wegen der notli- wendigen Beugung in den Hüftgelenken die Stieck- muskeln dieser Gelenke gedehnt, und üben auf das Becken einen nach hinten aufrichtenden Zug aus. Der vordere Rand des Beckens hebt sich, das Kreuzbein richtet sich nach hinten auf, die sogenannte Becken- eingangsebene nähert sich mehr der horizontalen. Mithin macht das beim Stehen normale „hohle Kreuz" im Sitzen einer Abflachnug oder Rundung nach aussen Platz. Die übrige Wirbelsäule nimmt entweder im Ganzen an dieser Rundung theil, oder wird verhältnissmässig gerade in die Höhe gehalten. Der erstere Typus führt, wenn er zur dauernden Gewohnheit wird, zum sogenannten „runden Rücken", der andere zum „flachen oder flachhohlen Rücken", bei welchem letzteren sowohl die physiologische Lendenkrüramung als auch Brustkrümmung der Wirbel- säule fehlt. Es sei hier in Parenthese bemerkt, dass die Wirbelsäule des normalen Erwachsenen in ihrem Verlauf eine dreifache Krümmung zeigt: Hals- und Lendentheil sind nach hinten, der Brusttheil nach vorn eoncav. Den 3 besprochenen Typen, Normaltypus, runder Rücken, flacher oder flach höh 1er Rücken, reiht Staffel noch den hohlen Rücken und den hohlrunden Rücken 364 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 30. au, sodass er also im Ganzen zu einer Aufstellung- von 5 Typen gelangt. Der hohle Rücken hat zur Voraus- setzung ein steiles Becken, ilas Promontorium ist nach vorn gesenkt, die untere Spitze des Kreuzbeins steht nach hinten heraus, so dass diese ganze Körperregion sich durch die Kleidung deutlich markirt. Die Schwer- liiiie fällt vor den Hüftgelenken herab, und daher wird zwecks besserer Conipensirung die ganze Wirlielsäule gestreckt, also abgeflacht. Der hohhunde Rücken ist charakterisirt durcli eine besonders starke Ausprägung der normalen Wirbelsäulekrümuumgen, conibinirt mit Beckensteilheit. Dr. Schaefer. Neues Yogelhaiis des Berliner Zoologisclien Gartens. — Beim Entwurf des neuen Gebäudes ging man von der Ansicht aus, dass das Vogelhaus vermöge der Mannigfaltigkeit, Schönheit und Merkwürdigkeit der exotischen Vogelwelt den anderen grossen Bauten in einem zoologischen Garten an Bedeutung vollkommen gleichzusetzen ist. Man versicherte sich deshalb bester Kräfte und scheute nicht die Aufwendung grösster Mittel, um etwas zu schaft'en, was sich den bekannten älteren zoologischen Bauwerken würdig anreiht, die seiner Zeit den Weltruf des Gartens so wesentlich mitbegründet haben. Eine äusserliche Musterung des Baues auf seine architektonisch -künstlerische Wirkung dürfte die Ansicht zeitigen, dass dieses Streben mit Hilfe der bewährten Baumeister Kayser und v. Grossheim von befriedigendem Erfolge gewesen ist. Entsprechend dem exotisch -bunten und farbenfrohen Charakter seiner Bewohner ist das neue Vogelhaus in orientalisireudem, an den maurischen anklingenden Stile gehalten und bereitet so durch seine äussere Gestaltung in sympathischer Weise auf seinen Inhalt vor. Künstlerisch besonders zu beachten sind die Kuppeln und die Attika aus gestanztem und bemaltem res]), vergoldetem Zink, die farbig- plastischen Portale und die zart getönten Verglasungen der Thüren und Fenster; in der Erfindung reizvoll und glücklich ist der als Minaret ausgeführte Heizungsschorn- stein mit Kupferkrönung und der Vogclfries auf blauem Grunde, der sich unter der Dachzinne entlang zieht, ebenso originell entworfen als geschickt ausgeführt von der Firma Bodenstein & Co. Im Innern ist absichtlich farbige Behandlung vermieden worden^ um die Farben der Vögel selbst und das Grün der Blattpflanzengruppen zu voller Wirkung zu bringen. Das jetzt fertig vorliegende Gebäude ist übrigens nur ein Theil eines grösseren Ganzen, das später durch ein verbindendes Quergebäude und einen zweiten Seiten- flügel an Stelle des zur Zeit noch bestehenden alten die mittlere grosse Reihervoliere von 3 Seiten um- fassen soll. Da die Mittel zur Ausführung des Ganzen erst im Lauf mehrerer Jahre flüssig gemacht werden kiinnen, so musste sich der zool. Garten mit seiner ganzen, in seiner Reichhaltigkeit jetzt wohl an erster Stelle stehen- den Vogelsanmilung einstweilen in dem fertiggestellten neuen Flügel einrichten, und aus diesem Gesichtspunkte ist die innere Gestaltung des vollendet vorliegenden Theiles zu verstehen. Es waren dabei folgende Ueber- legungen maassgebend: Zunächst war die Uirection (Dr. Heck) bemüht, die grösseren, besonders merk- würdigen und farbenschönen und dabei besonders em- pfindliehen, exotischen Vögel, wie Nashornvögel, Pfeffer- fresser, Turkos u. a., in verglasten Gewächshausvolieren unt(n' möglichst natürliche, ihrem Freileben entsprechende Bedingungen zu versetzen und sie zugleich in möglichst efleetvoller Weise ohne Gitter hinter Spiegelscheiben dem Beschauer zu präsentircn. Aehnliche Absichten lagen zu (irunde bei der in ihrer Art ganz neuen Einrichtung kleinerer, theilweise besonders heizbarer Glaskäfige in- mitten der beiden Zuschauerräume des Hauses für die ])räclitigsten und interessantesten, zugleich aber zartesten Papageien und Singvögel, wie Brcitschwanzloris, Fleder- maus- und andere kleine Kurzschwanzpapageien; Tan- garen, Honigsauger, Brillen- und Zuckervögel. Schliess- lich war es — last not least — bei dem Neuhau eine leitende, nirgends anderswo bis jetzt durchgeführte Idee, die ganze, in ihrer Reichhaltigkeit unübertroffen da- stehende Vogelsanmilung (über 400 verschiedene Arten exotischer Vögel, darunter allein weit über 100 Arten Papageien), in dreistöckig übereinander aufgestellten Einzclkäfigeinrichtungeu na?h der wissenschaftlichen Systematik angeordnet, dem Besucher in naturge- schichtlicher Reihenfolge vorzuführen und so dem Ornithologen und speciellen Vogelfreund Gelegenheit zu vergleichenden Studien, dem Publikum aber einigermaassen einen Begriff von der überwältigenden Mannigfaltigkeit der exotischen Vogclwelt zu geben. Für angemessene Temperatur sorgt eine ganz vorzüglich functionirende Warmwasserheizung, für Luftwechsel eine selbständige, mit einem Motor je nach Bedürfniss betriebene Ventilation, für Lufrbefeuchtung mehrere, sowohl im Gewächshaus als in den Zuschauerräumen aufgestellte Springbrunnen mit Wasserzerstäubungs Vorrichtungen. So hat sich die Direction bemuht, alles zu berück- sichtigen, was bei der Einrichtuni; eines Vogelhauses für die thierischen Bewohner sowie für die Beschauer wesent- lich in Betracht konmit, und so den exotischen Vögeln vom Ära und Nashornvogel bis zum Zwergpapagei und kolibriartigen Türkisvogel ein Heim zu schaffen, in dem sie sich wohl fühlen und dabei dem Besucher einen reiz- vollen Anblick gewähren, zugleich aber durch wissen- schaftlich geordnete Vorführung das Vogelhaus zu einer Stätte wirklicher Belehrung zu machen, eine Neuerung, die im Hinblick auf den Charakter des Instituts als Volksbildungsanstalt für eine grundlegende Nothwendigkeit gehalten werden muss. Wir knüpfen jan Vorstehendes die Mittheilung, dass es der Direction des Zoologischen Gartens wieder einmal gelungen ist, ein richtiges Paar Talegalla - Hülmer zu erwerben. Jedem Besucher des interessanten Thier- parkes dürfte der alte Hahn dieser Art bekannt sein, der als Einsiedler sich in dem grossen Eckkäfig des Fasanen-Geheges befindet, welcher dem ^'ierwaldstädter See benachbart ist. Dieser Vogel scharrt unermüdlich einen grossen Haufen von Blättern und Erde zusammen und man sieht ihn selten ruhig in seinem Gehege umher- laufen; gewöhnlich ist er in eifrigster Arbeit begriffen, seinen Misthaufen von einem Ort zum andern zu räumen! Die Talegalla-Hühner gehören zu den wenigen Vogel- arten, welche die Eier nicht selbst bebrüten, sondern gerade wie Sehlangen und Eidechsen, der feuchten Wärme eines Coni])ostliaufens die Zeitigung ihrer Nachkommen- schaft, überlassen. Das Männehen kratzt alle vermoderten Zweige und Blätter, deren es habhaft werden kann, zu einem kleinen Berg zusammen. In diesen wird eine tiefe Grube gegraben und dort hinein legt das Weibchen die Eier. Aus diesen konmicn die Jungen vollständig befiedert und flugfähig heraus, suchen sich gleich selbst ihr Futter und lernen ihre Eltern nie kennen. Von einem „Ersatz für grosse Objective'' macht Dr. Kurt Laves von der Universität in Chicago in der April-Nunnner von .,Himmel und Erde" Mittheilung. Es ist bekannt, dass die Herstellung i;rosser Teleskope, welche l'iir die Astronomie von hoher Wichtigkeit sind. Nr. 30 NaturwisscuscliartlicLc Wochenschrift. 365 mit l)etr:iciitiichcii Scii\vicrij;keiteii verknü|)tt ist, denn der Ahkiiiiluiigsprocoss des zur Linse verwendeten Gus- bloekes bedingt mit wachsenden Dimensionen veränderte Driiekveriiäitnisse, weil die Oberfiäciie sich schneller ab- kühlt, als der Kern; dadurch aber werden zahlreiche Unklarheiten und Trübungen des Glases hervorgerufen, so dass manche Linsen unbrauchbar werden. Herr L. Gathmann in Chicago schlägt nun vor, die grosse Linse durch eine ganze Reihe absolut homo- gener Glastheile zu ersetzen. Das ganze Objeet ähnelt dann in gewisser Weise dem Netzauge der Gliederfüssler, (loch setzt sich das Gesammtbild nicht, wie bei diesen, mosaikartig zusammen, sondern jede einzelne kleine Linse entwirl't ein Bild des ganzen Objectes. Das Bedenken, dass möglichenfalls an den kreisförmigen Rändern der 01)jectivtheile Beugungserscheinungen auftreten könnten, scheint nach den vorliegenden Berichten gegenstandslos zu sein. Herr Gathmann hat bereits einen 7 - Zöller aus 13 Einzellinsen hergestellt, mit dem bereits gelungene Bcol)aclitungen angestellt sind. Jetzt ist er damit be- schäftigt, einen 50-Zöller aus 120 4-zölligen Linsen her- zustellen, welcher in Jahresfrist vollendet sein soll. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt winden: Der ausserordentliche Professor der Hygiene in Bonn Dr. Dittnar Finkler zum ordentliclien Professor; der ausserordentliche Professor der Psychiatrie in Würzburg Dr. Kon- rad Rieger zum ordentlichen Professor; Prof Dr. Herzog zum Diroctor des Polytechnikums in Zürich; der Privatdocent der Augeahcilkunde Dr. Szily in Budapest zum ausserordentlichen Professor; der Gescliichtsforscher Jesuitenpater Franz Ehrlo zum ersten Präfekten der vaticanischen Bibliothek. Berufen wurden: Der ordentliche Professor der Philoso))hie in Freihurg Alois Rielil nach Kiel; der Professor der Chirurgie und Director der chirurgischen Klinik in Innsbruck Dr. Nicola- don i nach Graz als Nachfolger Prof. Wölflers; der Privatdocent der Mathematik in Halle Dr. Staeckel als ordentlicher Professor nach Königsberg; SanitiUsrath Dr. Wicherk ie wicz in Posen als Professor der Augenheilkunde nach Krakau. Es habilitirte sich: Dr. Johannes l'^rcntzol für Nahrungs- mittelC'liemie an der technischen Hochschule zu Charlottenburg. In den Ruhestand tritt: Geh. Regierungs- und Provinzial- Schulratli Prof. Tschackert in Breslau, Director des dortigen Seminars für höhere Schulen. Es starben: Der berühmte Ohrenarzt Hofrath Prof. Dr. Salo- mon Moos, Director der Heidelberger Universitäts-Ohronklinik; der Professor der Mineralogie und Geologie in Brüssel Henri Witmeur; der ordentliche Professor der Physik in Wien Dr. Josef Losch midt; der Privatdocent der Mathematik in Dorpat Hofrath Gustav von Grofe. L 1 1 1 e r a t u r. Brockhaus Konversations-Lexikon. 14. vollständig noubearbeitetc .Auflage In Ui Bänden. 13. Band Perugia bis Rudersport. Mit 64 zum Tlicil farbigen Tafeln, 22 Karton und Pläne und 167 Te.xtabl. F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien. 18'J.j. — Preis 10 M. Von den gebotenen Abbildungen dieses Bandes ist diejenige der Si.xtinischen Madonna merkwürdig gut geratlien: sie giebt treftlich den Gesichtsausdruck der beiden Hauptpersonen (die allein zur Darstellung gelangt sind) wieder; auch die anderen zahlreichen Figuren sind durchaus wie die der vorausgehenden Bände genügend, die Pläne und Karten stets klar und übersichtlich. In den anderen Beziehungen ist ebensowenig etwas zu be- mängeln, sodass auch der vorliegende Band sich den bisherigen würdig anschliesst. Joseph Hontheim, S. J., Der logische Algorithmus in seinem Wesen, in seiner Anwendung und in seiner |ihilosopliischen Bedeutung. Felix L. Dames. Berlin 1895. — Preis 2 M. Ein gewisses Interesse, wie es das Lösen von geometrischen Construetionsaufgaben, von rein algebraischen Gileichungen, von Schachaufgaben, von Räthseln etc. hat, wird man während der Lektüre der Algebra der Logik nicht vorenthalten können. Damit ist aber ein besonderer wissensciiaftlicher Werth derselben ebensowenig ern-iesen, wie etwa der Nahrungsworth einer Speise dadurch, dass sie einen angenelimen Geschmack hat. Wir können den Worten des Verfassers nicht zustimmen: „Der logische Kaikid verdient wie jedes wissenschaftliche Gebiet um seiner selbst willen ein gewisses Interesse" (S. 50). Nein, „um seiner selbst willi'n" ver- dient überhaupt nichts ein Interesse. Die Berechtigung irgend eines Zweiges der Wissenschaft kann nur durch ihre Beziehung zur ganzen Wissenschaft erwiesen werden. Das Wesentliche alles Kalküls überhaupt besteht doch darin, an Stelle eines umständlichen für jeden Fall besonders zu er- neuernden Denkverfahrens ein Schema zu setzen, das ein für alle Mal ausgeführt wird, jedesmal für eine ganze Klasse von Fällen gilt und jeden Einzelfall durch einfaches Einsetzen der für ihn besonders geltenden Werthe in die Formel lösen lässt. Daraus ergiebt sich, dass die Einführung eines Kalküls für Denk- ojjcrationen, die sich ohne diesen ebenso leicht ausführen lassen, zum mindesten überflüssig ist. Das trifft aber für den logischen Algorithmus zu. P^r kleidet durchweg die gedankliche Tliätlg- keit einfachster Art in ein symbolisches Gewand von Formeln. Und wenn sich dann für die letzteren auch eine Reihe einfacher Regeln zu ihrer Behandlung ableiten lässt, so muss das Ganze, wenn man das zu Grunde liegende Gedankliche scharf ins Auge fasst, doch zu sehr den Eindruck machen, als habe man ana- lytische Ausdrücke für Trivialitäten aufgestellt, und als seien nun — da Trivialitäten eben endgültig erledigte Sachen sind — an ihrer Stelle diese analytischen Ausdrücke, ihre gesetzlichen gegenseitigen Beziehungen und ihre Behandlung die Hauptsache geworden. Was ist das weiter für eine „Wahrheit", die sich in der Formel äussert: a'a4-a'C-|-b'a-t-b-c = a + b'C — worin a, b, c Merkmale von Dingen oder Vorgängen be- zeichnen sollen — also : alles, was a oder a und c oder a und b oder b und c ist, ist auch schon angegeben in der Klasse der Dinge, die a oder b und c sind. Unter den Dingen, die a sind, befinden sich im Besonderen eben auch die, die zugleich etwa b oder c sind. Brauchen solche Wahrheiten noch erst in „Tauto- logie-" oder „Absorptionsgesetze" gefasst zu werden? (s. S. 10, 12, 17). Oder man vergleiche den Beweis für ä -|- e = äe (S. 15). Diese Formel besagt: Etwas, was nicht zur Klasse der Dinge ge- hört, die a oder e sind, gehört zur Klasse der Dinge, die nicht a und nicht e sind, und umgekehrt. Wozu für solche Alltags- Wahrheiten noch Formeln und Beweise V Das erinnert doch zu sehr an Goethe's Verspottung des coUegium logicum: Da wird der Geist euch wohl dressirt. In spanische Stiefeln eingeschnürt, Dass er bedächtiger so fortan Hinschleiche die Gedankenbahn, Und nicht etwa die Kreuz' und Quer Irrlichtelire hin und her. Dann lehret man euch manchen Tag, Dass, was ihr sonst auf einen Schlag Getrieben, wie Essen und Trinken frei. Eins! Zwei! Drei! dazu nöthig sei. Trotz des Verfassers Warnung, man dürfe nicht vergessen, dass die Rechnung an der äussersten Oberfläche stehen bleibe und gar nicht in das Wesen der Dinge eindringe (S. 51), wird dieses „Wesen der Dinge" eben aus den Augen verloren, und der Kalkül mit seinen „interessanten" Beziehungen und Gesetzen wird Hauptsache, ja Selbstzweck. Und da muss bei der weiteren Entwickelung des logischen Algorithmus natürlich auch das einti-eten, was man an gewissen mathematischen Disciplinen, die den Zusammenhang mit der Mutter Erde verlieren und ihr Formelgebäude in den leeren Himmel hinein errichten, beobachten kann: nicht mehr die Auf- klärung über das Wirkliche, sondern nur über das Mögliche wird Gegenstand der Forschung. Die Untersuchung der Möglichkeiten führt aber nur dann nicht in das uferlose Meer unnützer Denkbar- keiten, wenn sie streng im Interesse der Erfoi-schung des Wirk- lichen angestellt wird. Das Wirkliche allein kann auf die Dauer den menschlichen Geist fesseln. Nur das, was ist und was war, ist ihm dauernd von Werth und zwar nur im Interesse dessen, was sein wird. Wir stimmen den Worten H. Hertz', mit denen er seine prächtige Mechanik einleitet, aus vollem Herzen zu: „Es ist die nächste und in gewissem Sinne wichtigste Aufgabe unserer bewussten Naturerkenntniss, dass sie uns befähige, zukünftige Erfahrungen vorauszusehen, um nach dieser Voraussicht unser gegenwärtiges Handeln einrichten zu können." Nach dieser Seite hin ist aber auch nach der Meinung des Verfassers selbst vom logischen Algoiithmus nichts zu erwarten (S. 53 f.). Wem also die Wissenschaft nicht im Interesse bloss ästhetischer Cultur, sondern in erster Linie um des sittlichen Fortschritts willen am 366 Naturwisseuschaftliclic Woclicnscbrift. Nr. 30. Herzen liegt, der wird für den logischen Algoritlimus nicht viel Zeit übrig haben dürfen. Gewiss piebt es auch auf diesem Ge- biete viele noch unerforschte „Wahrheiten", wie etwa auf dem der Zahlentheorie oder in der Lehre von den ebenen Dreiecken oder in der Geometrie und Mechanik von Räumen mit mehr als drei Dimensionen etc. Es ist aber eben gar nicht die Aufgabe der Wissenschaft alles zu erforschen, was „wahr' ist. Das Ziel menschheitlicher Entwicklung ist „Anpassung" an die Umgebung im weitesten Sinne, bezw. Stabilitiit des geistigen Lebens.*) Dazu braucht's ebensowenig wie so mancher „wissenschaftlicher" Unter- suchungen einer weiteren Ausbildung des logischen Algorithmus. Im Uebrigen mag die knapp, klar und sorgfältig geschriebene Schrift denen, die sich einmal über diesen Kalkül unterrichten wollen, empfohlen sein. Dr. J. Petzoldt. Franz von Schwarz, Sintfluth und Völkerwanderungen. Mit 11 Abb. Stuttgart, Ferdinand Enke's Verlag. 1894.^ Mit einem bewundernswerthen Aufwand von Fleiss ist das vorliegende, sehr umfangreiche (.052 Seiten) Werk geschrieben, das die Ergebnisse eines 1-ijährigen Studiums enthiilt. Der Ver- fasser, von p^ach Astronom" und Meteorologe, musste sich erst gründlich in die Geologie, Geographie, Philologie, Ethnographie und zahlreiche andere Wissensgebiete hineinarbeiten, ehe er es wagen konnte, eine einigermaassen ausreichende Begründung für seine eigenartige und zweifellos geistvolle Sinttiuththeorie zu geben. Er ist der Ansicht, dass im centralen Asien an der Stelle der grossen Mongolischen Wüste sich früher ein Meer von der Grösse des Mittelländischen befunden habe, dessen Spiegel durch eigenartig complicirto Faltenbildung bis zu 6000 Fuss Seehöhe emporgehoben war. Durch Erdbeben wurde dann mit einem Male eine Lücke in die umgebenden Gebirgsijartieen gerissen, und die ungeheure Wassermasse ergoss sich nun als ein Strom von 20 bis 30 km Breite und etwa 1.500 m Tiefe mit der GO-fachen Geschwindigkeit eines gewöhnlichen Flusses in die Aralo-Kas- pische Niederung und von dort aus ins Schwarze und ins Mittel- meer. Die in Folge dessen eintretenden klimatischen Verän- derungen verursachten in der Folge grosse Völkerwanderungen, welche jene Vertheilung der Völker herbeiführte, wie sie uns zunächst etwa zwischen 2000 und 1500 v. Chr. entgegentritt. Den Ausbau dieser Theorie und die Beweisführung kann man nicht anders als äusserst geschickt bezeichnen; dass dem Verfasser hier und da auf den ihm fremden Wissensgebieten wesentlichere Schnitzer mitunterliefen, darf einen, zumal bei dieser Fülle von Material, nicht verwundern. Als wesentlichste Stütze für seine Ansicht fidn-t v. Schwarz das seltsame geologische Aeussere iles Kaptagai-Gcbirgcs und der umliegenden Gebiete in der fraglichen Gegend an, das er selbst in Augenschein genommen hat und das er recht ausführlich beschreibt. Er versucht auch den Nacliweis, dass die Vorfahren aller derjenigen Völker, bei denen sich die SintHuthsage findet — und er zählt deren nicht weniger als 64 auf — mit Ausnahme der Ureinwohner Griechen- lands samt und sonders in der Peripherie jenes Mongolischen Beckens zu der fraglichen Zeit (nach Schwarz im Jahre 2297 v. Chr.) ihre Sitze gehabt hätten. Trotzdem aber die Beweise zuweilen geradezu bestechend er- scheinen und die frühere E.xistenz des grossen Mongolischen Meeres auch aus anderen Gründen recht wahrscheinlich ist, so lassen sich doch gegen die v. Schwarz'sche Tlieorie noch schwer- wiegende Bedenken erheben, wenngleich man zugeben muss, dass sie nicht so sehr in der Luft schwebt, wie alle übrigen Erklä- rungen über das Wesen der Sinttluth ohne Ausnahme. So ist dem Kef. z. B. völlig unklar, wie bei einer Entleerung des Mongo- lischen Beckens nach Südwesten die zahlreichen Völker im Osten und Norden desselben von der FKith zu leiden haben sollten, uml gerade die chinesische Fluthsage ist es doch, nach welcher der Verf. die genaue Zeit des Ereignisses berechnet. Ganz besonders aber muss gegen die Art und Weise, wie Schwarz seine „Sintfluth" mit der zweiten Eiszeit in Verbindung bringt, überhaupt gegen seine Erklärung der beiden Eiszeiten aufs allerenergischsle pro- testirt werden. Er behauptet, durch den Zufluss der enormen Wassermasson des Mongolischen Meeres sei der Spiegel des Mittelländischen Meeres so gehoben word.'n, da.'^s der grössere Theil der Sahara überfluthet und in das „Saharameer" verwandelt worden sei; durch die in Folge dessen eingetretene grosse Ver- mehrung der Feuchtigkeit sei die Eiszeit in EurojKi hervorgerufen worden. Man halte nicht erwarten sollen, dai^s diese längst be- grabene Hypothese in unseren T.agen noch einuuxl aus ihrem sanft-seligen, wohlverdienten Schlummer erweckt werden könnte. Denn ganz abgesehen davon, dass von einer beträchtlichen Erhöhung des Mittelmeerspiegels, wie v. Schwarz sie annimmt, doch Aegypten zuerst hätte betroffen werden müssen, während die uns sehr genau bekannte ägyptische Geschichte jener Zeit nichts davon weiss, ganz abgesehen davon ist das Vorhandensein eines quar- tären „Saharameeres" nunmehr doch wohl endgültig widerlegt worden. Auch die Meteorologie muss entschieden Einspruch er- heben gegen die Schwarz'schen Folgerungen, denn nach unseren jetzigen Kenntnissen über die Thermodynamik der Atmosphäre wissen wir, dass eine auch noch so bedeutende Feuchtigkeit der Südwinde niemals nördlich der Alpen noch Niederschläge hätte hervorrufen können. Die Existenz des Saharameeres hätte Nord- europas Niederschläge auch nicht um einen Tropfen Regen ver- mehrt, ganz im Gegentheil hätte sie vielleicht in Folge öfterer und intensiverer Föhnerscheinungen eine Temperaturerhöhung für unsere Gegenden hervorgerufen. Endlich hätte der Verf., wenn- gleich die Geologie eine ilmi fremde Disziplin ist, sich doch nie eines so groben jrrthums schuldig machen dürfen, wie er sich in dem Satz ausspricht (S. 474): „zweitens müssten diejenigen Gegenden Nordamerik.as und Asiens, welche auf gleichem Parallel mit Europa liegen, eine ähnliche Vergletscherung aufweisen .... was bekanntlich (!) nicht der Fall ist." Schwarz hält also die Eiszeit für ein specifiseh europäisches Phänomen und steht damit auf einem Standpunkt, den die Geologie schon seit Jahrzehnten verlassen hat, und dessen Unhaltbarkeit z. B. auch Ref. in einem längeren Aufsatz in Nr. 21 und 22 des vorigen Jahrganges dieser Zeitschrift ausführlicher behandelt hat Auf das ethnologische Gebiet, welches den grössten Theil des Werkes einnimmt, auf das es uns aber weniger ankommt, kann ich dem Verf. nicht folgen, doch scheinen auch hier mancherlei Irrthümer und Missverständnisse mit untergelaufen zu sein. Wenn aber auch Schwarz' Auslassungen über die Eiszeit und wohl auch manche ethnograpliischen Angaben unbrauchbar sind, so bleibt seine originelle SintHuthtlieorie doch der Beachtung werth und kann mit gutem Recht einen Anspruch auf weitere Untersuchungen erheben. Lobend hervorgehoben sei schliesslich noch, dass das Werk äusserst klar und flüssig geschrieben und besonders, dass es — im Gegensatz zu manchen ähnlichen Büchern — sehr leicht verständlich ist. R. Hennig. Prof. Dr. A, Dodel, Moses oder Darwin? Fünfte, vermehrte Auflage. J. H. W. Dietz. Stuttgart IS'Jö. — Preis 1 M. In dieser zuerst vor mehreren Jahren erschienenen Schrift hat es sich Verf. angelegen sein la.ssen, den Widerspruch und Zwie- spalt zwischen diu- Volkserziehung und Volksschule einerseits und der Wissenschaft und ihrer Schulen andererseits aufzuzeigen und mit allem Nachdruck zu bckümpfi>n, indem er als Devise angiebt: „Entweder Moses, oder aber Darwin! Ein Drittes giebt es nicht!" Er geht zuerst auf die Moses- Legende ein und auf das, was dieser nach Angabe der Bibel gelehrt hat, um die Widersprüche mit den Resultaten der Wissenschaft klarzulegen. Eduard Strasburger, Fritz NoU, Heinrich Schenck und A. F. W. Schimper: Lehrbuch der Botanik für Hochschulen. Mit 577 zum Tlieil farbigen Abbildungen. Gustav Fisidier in Jena 1894. — Preis 7 M. Der Preis dieses guten Lehrbuches ist ausserordentlich billig; es ist gut ausgestattet, reich illustrirt und umfasst nicht weniger als 558 Seiten. Die 4 Autoren sind Professoren resp. Privat- Docenten an der Universität Bonns. Strasburger hat die Ein- leitung und die Morphologie, Noil die Physiologie, Schenck die Krvptogamen, Schimper die Phanerogamen bearbeitet. Das Buch ist' in erster Linie dem rein wissenschaftlichen Studium der Bo- tanik gewidmet, es nimmt aber aucli wie üblich Rücksicht auf die Bedürfnisse des Modiciners und Pharmaceuteu. Eine Anzahl der wichtigsten Giftpflanzen sind farbig in Habitus-Bildern sehr gut . *) S. diese Zeitschr. Bd. IX. 1894, No. 7 und 8: „Ueber den Begi'itf der Entwickelung und einige Anwendungen desselben". Prof. Dr. Johannes Walther, Ueber die Auslese in der Erd- geschichte. Erste öft'entliche Rede gehalten am 30. Juni 1894, entsprcchiuul den Bestimmungen der Paul von Rilter'schen Sliftung für phylogenetische Zoologie. Gustav Fischer. Jena 1895. — Preis 0,80 M. Die Rede bietet gewissermaassen Rechenschaft über das Pro- gramm, das W. bei seinen Arbeiten und der ^'erwaltung seiner Professur befolgt hat und befolgen will; er betont ganz besonders die Nothwendigkeit des Studiums der recenten Verhältnisse, um zum Verständniss der vorweltlichen zu gelangen: „wenn wir eine versteinerte Muschelbank, ein Lager von Säugethierknochen paläontologisch untersuchen wollen, so müssen wir vorher studiren, wie eine Muschelbank abstirbt, in welcher Weise sich gegen- wärtig die Leichen von Säugethieren anhäufen." In seinem grossen Werk „Einleitung in die Geologie als historische Wissen- schaft" hat Verfasser solche und ähidichc Fragen systematisch in trefl'licher Weise behandelt. Wir sehen bei solchen Unter- Nr. 30. NaturwisscnseliaftlicLc Wochenschrift. 367 sucliiiiifjcn, diiss cler faiinistisclio Cliaraktcr sich «ähiiMul des Fossilwenlcns daduri-li jiiulort, ilass f^ewisse Aiteii vollkomnion diireli Zoistöriing verscliwindon. Das Vorwii'gon von Kiesen- tliioren in dor geolopisclicn Vcvfiangenhoit ist bedingt durch l)essei-e Eihaltimssfiihipkeit der Knechcn derselb<'n : „Mag ein Acker von Tausenden kleiner Miinse diirclivühlt sein, mögen in einem Krähenholz aucli Hunderte von Vögeln nisten, so werden wir zig 18:i5. Von dem von zahlreichen Mathematikern mit Spannung er warteten Schlesi nger'schen Handbuche der Theorie der linearen Differentialgleichungen ist nunmehr der erste Band erschienen, uud es liisst sich schon jetzt übersehen, dass dasselbe den go- hegti'n Erwartungen in vollstem Maa.sse entspricht und unter den bereits e.xistirendeu Eilirlnichern dieser wichtigen mathematischen Disciplin den ersten Platz einniuunt. Dem Verf. ist es gelungen, in_ dem vorliegenden Weike die Fülle des Materials in originaler \yeisc zu eiiK'ui einheitlichen Ganzen zu verarbeiten, mit einer Vollständigkeit, welche keine wichtigere Frage aus den im ersten Bande behandelten Gebieten unberührt lässt. — Bei der Darstel- lung des Stoffes hat der Verf. sich sogleich auf den modernen, functionentheontischen Standpunkt gestellt, von welchem aus Fuchs im Jahre 18G5 der Theorie der linearen Differential- gleichungen neue Wege h ies und so „dem mathematischen König- reiche eine neue Provinz hinzufügte'; d.aher kcmntcn denn auch die neuesten Untersuchungen berücksichtigt werden, welche einen integrirenden Bestandtheil der analytischen Forschung der Gegen- wart bilden. Der erste Band innfasst diejenigen Untersuchungen, welche sich die Ausbildung von Methoden für die Integration einer vor- gelegten linearen Diflerenlialgleichung — in modernem Sinne ver- standen — zum Ziele setzen, und ist in 8 Abschnitte getheilt, von denen jeder wiederum mehrere Kajiitel enthält; voran geht eine historische Einh'itung, sowie eine materiale Einleitung, die sich hauptsäehlieh mit den singulären Punkten der homogenen Fmiktionen überhaupt, sowie insbesondere der Integrale von 1 )itt'erentialgleichuiigi'n beschäftigt. Der erste Abschnitt enthidt die Grundlagen der Theorie, in- dem er von dem Cauehy 'sehen E.\i.«tenztheorem, angewendet auf lineare Diti'erentialgleiehungen, ausgeht und bis zur Definition iles Fundamentalsystems gelangt. Der zweite Aljschnitt behandelt die f orm al cn Theorieen, wie sie sich besonders ans der Analogie mit den algebraischen Gleichungen herausgebildet haben; auch die adjungirten Differentialgleichungen, die nicht homogene Differentialgleichung, sowie der Begriff dor Irreductibiliiät finden hier ihren Platz Im dritten Abschnitt wird die Tlu'orie der Fundamentalgleichung entwickelt; der vierte enthält die Untersuchung der singulären Stellen, an denen sich die Integrale bestimmt verhalten; daran schliesst sich im fünften die Be- handlung der Differentialgleichungen der Fuchs'schon Klasse; ein ganzes Kapitel ist hier den Gauss'schen JJifferential- gleichungen gewidmet. — Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit solchen Singularitäten, welche für die vorgelegte Difl'erential- gleichung keine Bestimmtheitsstelle bilden, und giebt die Ent- wickelung der Integrale innerhalb eines Kreisringes; hierher ge- hören einerseits die interessanten Entwickelungcn Helges von Koch über unendliche Determinanten, auderei-seits die Unter- suchungen von Hamburger, Poincare, Thome, Frobenius und Günther, besonders diejenigen über Normalreihen und Normal- integrale. Der siebente Abschnitt enthält allgemeingültige Darstellungen der Integrale von Difforentialgleichungeu mit rationalen Coefficienten uud der achte endlich die Berech- nung der Fundamental -Substitutionen für dieselben, wobei auch die Fnchs'sche Abbildung und der wichtige Begriff der Fundamentalinvarianten zur Sprache kommen. — Von den Auf- zeichnungen des ursprünglichen Mitarbeiters P. Günther, der leider durch einen zu frühen Tod der Wissenschaft entrissen wurde, hat der Verf. noch einiges benutzen können. — Die Litteratur- nachweise sind mit dem Inhaltsverzeichnisse zu einem Nach- Echlageregister vereinigt worden. — Der zweite Band wird eine vollständige Theorie der Substitutionsgruj)pen enthalten sowie, darauf basirend, Untersuchungen besonderer linearer Differential- gleichungen, sei es, dass die Coefficienten, sei es, dass die Inte- grale durch speciello analytische Eigenschaften ausgezeichnet sind. Druck und Ausstattung des Teubner'schen Verlages sind von bekannter Güte. Dr. G. Walleuberg. Bergmann, Jul., Die Grundprobleme der Logik. 2. Bearbeitung. Berlin. - -l..'')0 M. Eernthsen, Prof. Dr. A., Kurzes Lehrbuch der organischen Chemie, b Aufl. Braiinsehweig. — 10,80 M. Biermann, Prof. Dr. Otto, lOlementc der höheren Mathematik. Leipzig. - 10 M. Buschan, Dr. Geo., Vorgesehiehtliche Botanik der Culti r- und Funde. Nutzpflanzen der allen Welt auf Grund prähistorischer Breslau. — 7 M. Erichson, Dr. W. F., Naturgeschichte der In-octcn Deutschlands \. Abth. r, IUI. 4. Lfg Berlin. — ^^ M. Grohmann, Ed., Zur Auflösung der allgemeinen Gleichung des 3. (irades. Wien. - 1 M. Gysel, Gymn -Dir. Dr. Jul, Zur Konsirukliuu einer ebenen Vieleekstläche. Sclialf hausen. — 1 M. Hansen, Dr. H. J., Isopoden, Cumaceeu und Stomatopoden der Planktehe, ilereii Fliege und Zucht. München. — l,GO M. der Untersuchungen der Er- Humboldt-Stiftung. Kiel. — ■ (|ualitativen An.a- Wieu. - 6 M. Rob , Griiiidzüge der Inhalt: Prot. Dr. Schubert: Procentsatz der Individuen ohne Naelikommen in . — - ^ einer I.,ebensgenossenschaft. — H. Potonie: \ ermeinthehe und zweifelhafte pflanzliche Fossilien. (Schluss.) — Ueber Haltung und Haltungstvpen des Menschen. — Neues \ ogelhaiis des Berliner Zoologischen Gartens. — Talegalla-llühner. — Ersatz für grosse Gbjective. — Aus dem wissenschaft- lichen Leben. — Litteratur: Brockhaus' Konversations Le.xikon. — Joseph Hontheim, S. J., Der logische Algorithmus. — Franz von Schwarz, Sinttluth und Völkerwanderungen. — Prof. Dr. A. Dodel, Moses oder Darwin'? — Eduard Strasburger, Fritz Noll, Heinrich Schenk und A. F. W. Schimper: Lehrbuch der Botanik für Hochschulen. —Prof Dr. Johannes Walther, Ueber die Auslese in dor Erdgeschichte. — Prof Dr. Ludwig Schlesinger, Handbuch der Theorie der linearen Difl'erential- gleichungen. — Liste. 368 Niilurwissciischaftlicln; Wocbcusclirilt. \ .^:^ Nr. 30. In Ferd. 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August 1895. Nr. 31. Abonnement: Man abonnirt bei allen BuchhandlunRcn und Post- if aiiHtalTeik, wie hei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— G|S BrinKCKeUl bei der Post Ij '4 extra. Postzeitungsliste Nr. 47:12. JL Inserate : Die vierf^espaltene Petitzeile 40 J>. Grössere Aufträge ent-| ', | sprechenden Rabatt, lieilagren nach Uebereinkunft. Inseratenanuahme| ',. bei allen Aunoucenbureaux wie bei der Expedition. 5^j J Abdruck ist nur mit voilt^tändiser t^nelloiiansabe gestattet. Ueber fossile Menschenzähne aus dem Diluvium von Taubach bei Weimar. Von Prof. Dr. A. Nehring-Berliii. Obgleich einzelne Celehrtc, wie Jac. Steenstnip, noch immer das Zusaninieiileben dos Meiisclien mit der .sog. Mamiiintlit'auna bezweifeln, gilt den meisten dieses Zusanimenlebcii als hinreichend siciier nachgewiesen. Ich selbst habe vor einiger Zeit für die letztere Anschauung auf Grund eigener Ausgrabungen und Funde mensch- licher Artefactc mich ausgesprochen. Siehe diese Wochen- schrift, 1893, Nr. 53. Es fragt sich nun aber, ob der Mensch nicht schon vor der Mammuthzeit den Boden Europas und speciell Mitteleuropas bewohnt hat. Wir kennen aus der älteren Diluvialzeit Mitteleuropas eine Säugethierfauna, welche hauptsächlich durcii Elephas antiquus, Rhinoceros Merekii, Sus Antiqui Pohl., Castor Autiqui Pohl., Felis antiqua Cuv. repräsentirt wird. Pohbg bezeichnet diese Fauna („Antiquus-Stufe") als niittelpleistocän; es spricht aber Manches dafür, dass sie der ersten (älteren) Inteiglacialzeit angehört. Jedenfalls ist sie älter als die sog. Manimuthfauna : sie geht dieser voran. Wir kennen jene Fauna namentlich aus den thüiiu- gischen Travertinen von Taubach, Weimar, Mühliiausen und Tennstedt. Diese Travertine haben nicht nur Säuge- thier-Reste, sondern auch Reste einiger anderer Wirbel- thiere und zahlreicher Conchylien-Arten geliefert; ausser- dem sind viele Ptlanzenreste aus denselben nachgewiesen worden, so dass wir uns ein ziemlich vollständiges Bild von der Fauna und Flora der betreffenden Epoche der Vorzeit machen können. Das Klima derselben muss verbältnissmässig milde gewesen sein, mindestens so milde, wie unser heutiges Klima, waiirsciicinlich noch etwas milder. Jedenfalls war es kein glaciales Klima; es liegen zahlreiche Gründe vor, dasselbe als interglaeial zu betrachten. Besonders merkwürdig erscheinen die bei Taubach auf- geschlossenen Travertin-Grivbeu, weil hier in derjenigen Schicht, welche die Reste der oben genannten charakte- ristischen Säugethiere darbietet, auch deutliche Spuren der ehemaligen Anwesenheit des Menschen vorhanden sind. Dies wissen wir schon seit den siebenziger Jahren, wo sich insbesondere auch Virchow mit den Taubacher Funden befasst hat. Siehe Verband 1. der Berliner anthro- pologischen Gesellschaft, 1872, S. •2G0 und 279-, 1877, S. 25 ft'. Seitdem sind die Taubacher Travertin-Gruben mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Studien gewesen. Neuerdings ( 1892) hat Dr. Götze einen zusammenfassenden, ziemlich eingehenden Bericht über „die paläolithische Fundstelle von Taubach bei Weimar" geliefert, welcher einen guten Ueberblick über die dortigen Funde darbietet. Siehe Verb. d. Berl. anthropolog. Ges., 1892, S. 366—377, mit 12 Abbildungen. Während Virchow noch manche Zweifel in Bezug auf die Coesistenz des Menschen mit Elepiias antiquus geäussert hatte, vertritt Götze auf Grund neuerer Funde den Standpunkt derer, welche die bei Taubach beobach- teten Spuren menschlicher E^xistenz für gleichalterig mit der in derselben Schicht durch Knochen etc. vertretenen Säugethier- Fauna halten, leb bin derselben Ansicht, so- weit ich mir aus den Fundberichten eine eigene Ansicht habe bilden können.*) Trotz eifrigen Forschens hatte man zuverlässige Funde von Skeletttheilen des Menschen selbst bisher in der berühmten Fuiidschicht bei 1'aubach nicht feststellen können; man hatte immer nur Holzkohlen und Asche, *) Auch Polilig, welcher sich mit der T:uiliacher Fundstätte eingehend befasst hat, hält die dortigen Spuren des Menschen für gleichalterig mit den Thieren seiner Antiquusstufe. Siehe „Vor- läufige Mittheiluugen üher das Pleistocaen" in der Zeitschrift für Naturwissenschaft, Halle, 1885, ßd. ä.s, S. 258ff. 370 Naturwissenscbaftliclic Woelieuscliiiit. Nr. 31. angebrannte und zerschlagene Tliierkiioclien, ])aläolitbisclic Feuersteine etc. gefunden. Goetze erwähnt zwar (a. a. 0., S. 372) einige Menschenreste, bezeichnet aber die Fund- veriiältnisse als unzuverlässig. Daher nniss es Allen, die .sich für die Taubacher Fundstelle und für die ältesten Spuren des Menschen iiberhauj)t interessiren, als wichtig erscheinen, dass vor einiger Zeit ein sielierer Fund eines wirklichen Mensciienrestes in der Fundschicht bei Taubach gemacht worden ist. Herr Dr. Arthur Weiss in Weimar, welcher die Travertine von Taubach und Weimar eifrig und sorgfältig nach Conchylicn durch- forscht hat,*) war im Jahre 1893 so glücklich, in der paläolitliiscbcn Fundschicht von Taubach und zwar in der Mehlborn'schen Grube, 5,10—5,25 Meter unter der Oberfläche, einen menschlichen Zahn aufzufinden. Herr Dr. Weiss übergab denselben vor einiger Zeit Herrn Dr. 0. Schötcnsack in Heidelberg zur Restinmuing; dieser übermittelte ihn, nachdem die Heidelberger Pro- fessoren Maurer und Andreac sich mit demselben be- ilud. Virchow, und aufge- Die Bestimmung Fig. 2, Figur I. Der vordere Milchbaekenzalni aus doin linken Unterkiefer eines elwa »jäliriscn menschlielicn Kindes aus den altdilnvialen Traverlinen von Tanljacli hei Weimar. Eigeuthum des Dr. A. NA'eiss in Weimar. — An^iclil der Kaiifläelie von oben. V = vorn, /( = hinten, t = llaujjtthal des Emails, l ~ Vorthal, / — lingualer Vorder- hüeker. Figur 2. Ansicht desselben Zahns von der labialen (äusseren) Seite, r = vorn, // = hinten, i — lingualer (innerer) Vorderhöckei-. Figur 3. Ansicht desselben Zahns von der lingualen (inneren) Seite, fr = Vor- thal, 6 = lierührungsflache des Milcheaniuus. — Alle :i Figuren nach der Natui- ge- zeichnet von Dr. G. Rörig. ''U iiatürl. Gr. Figur 4. Der vordere Milchbackenzahn aus dem linken Unterkieler eines etwa Sjähi-igen menschlichen Kindes aus dem Löss von Predmost in Mähreu. Sammlung des Prof. Dr. Maska zu 'Peitsch in Mähren. — Ansicht der Kauflilche von oben 7i natürl. Gr. : Hauptthal. = vorn, /( Gez. von Di hinten, G. Rurig. fasst hatten, an Herrn Geheimrat von letzterem wurde ich zur genaueren Bestim- mung des Zahns fordert ist deshalb mit einigen Schwierigkeiten verbun- den, weil der fossile Zahn im Vergleich mit den Gebissen moderner Europäer einige bemer- kenswerthc Abweichun- gen zeigt. Diese bestehen einerseits in der ausser- ordentlich starken und auffallend schrägen Ab- kauung der Zahnkrone, andererseits in gewissen Eigentbüinlichkeiten der Wurzelbildung. Der Zahn macht dadurch einen thie- rischen Eindruck auf Je- mand, der keine mensch- lichen Gebisse von einer entsprechenden Art der Abkauung gesehen hat. Erst wenn man die Gebisse der sogenannten Naturvölker vergleicht, findet man Aehnlichcs. Ohne hier auf die Einzellieitcn meiner Vergleichungen einzugeben**), will ich nur die Resultate mittheilen. Der fossile Zahn von Taubach ist der vordere Milchbacken- zahn aus dem linken Unterkiefer eines menschliciien Kindes. Dieser Zahn ist im frisctien, unabgenutzten Zu- stande von allen anderen Zäiinen des menschlichen Ge- bisses verhältnissmässig leicht zu unterscheideu. Betracliten wir seine Krone von oben, so bemerken wir, dass die- selbe zwei Vertiefungen oder Thäler des Emails zeigt, ein hinteres Hauptthal und ein kleineres Vorthal. Letzteres mündet an der Innenseite des Zahnes; ersteres ist von Emailerhebungen rings umgeben, bis auf eine kleine Stelle nacii vorn, wo meistens eine gewisse Verbindung mit dem Vorthal beobachtet wird. An der Emailumrandung des Hauptthals bemerkt man 4 Hocker, 2 hintere und 2 vor- dere, bezw. 2 äussere (labiale) und 2 innere (linguale), welche paarweise gestellt sind. *) Siehe A. Weiss, Die Coiicliylienfauna der alti)leistocliiien Travertine des VVeiinar-Tiiubiielier Kalktuffbecliens, im Nachriehts- blatt der Deiitsclien Malalcozoologiselien Gesellschaft, 189i, Nr. 9 u. 10. *') Genaueres hierüber wird demniiclist in den Verli. d. Berl. antlirop. Ges. orsolieinen; mein b<'ziit;lieher Bericlit befindet sieh schon seit liuii'erer Zeit in Vircliow'H Händen. Die vordere Partie der Aussenwand der Zahnkrone fällt auffallend schräg ab. Ich sehe hierin ein pitheeoides Jlerkmal des menschlichen Milchgebisses, da dieses schräge Abfallen am vorderen Tlieile des ersten unteren Milcli- backenzahns in Beziehung steht zu einer ehemals stärkeren Ausbildung des oberen Milcheaniuus. Wenn man die Milchgebisse von männlichen Ghimpansen, Gorillas etc. vergleicht, bemerkt man, dass der erste untere Milcb- backenzabn nach vorn und aussen noch schräger abfällt, als der entsprechende menschliche Zahn, und dass jene 15ildung in deutlicher Beziehung zu der stärkeren Ent- wickelung des oberen Milchcaninus steht. Letzterer greift bei den AtCcn, nanientlich männlichen, hinab in die Lücke zwischen dem unteren Milchcaninus und dem 1. Milch- backeuzahn ; durch die abgeschrägte Form des letzteren ist Platz für ihn geschaffen.*) In Bezug auf die Wurzelbildung des 1. unteren menschliciien Milchbackenzahns l)cinerkc ich, dass zwei Wurzeln vorhanden sind, eine vordere und eine hintere. Dasselbe gilt vom zweiten unteren Milchbackenzahn, während die beiden obe- ren Milchbackenzähne je drei Wurzeln (2 äussere, 1 innere) aufweisen. Was nun den fossi- len Zahn V o n T a u b a c h anbctrifilt, so zeigen die drei Ai>bildungcn, Fig. 1, 2 und 3, ihn in doppelter Grösse dargestellt.**) Wenn man sieh ein richtiges Urtheil über den vorliegenden fossilen Zahn, der ja vereinzelt gefunden ist, bilden will, so muss man vor Allem zunächst feststellen, wel- che Stellung er im Kiefer gehabt hat. Hierüber ge- ben uns zwei Berührungs- = lingualer Vorderhöcker, k Vorthal, HäeheuAufscbhiss, welche sich an ihm finden und uns zeigen, dass er in geschlossener Zahnreihe gestanden hat. Die eine Berüh- rungsfläche findet sich an der mit // bezeichneten Seite; sie ist breit, halbmondförmig, ihrer Hauptrichtung nach querge- stellt. Dieselbe rührt von der Berülirung mit dem zweiten unteren Milchbackenzabn her; sie bezeichnet also die hin- tere Seite des Zahnes. Die andere Berührungsfläche findet sich an der mit v bezeichneten Seite; sie ist in Fig. 3 durch h angedeutet. Sie hat eine länglich-rundliche, muschelige Form und rührt von der Berührung mit dem Milchcaninus her; sie lässt das ^'orderende des Zahnes erkennen. Genau genommen liegt sie nicht am vordersten Punkte der Zahnkrone, sondern etwas mehr nach der lingualen Seite zu, wie dieses ja der Stellung des Caninus entspricht. Hieraus ergiebt sich nun weiter, welche Seite des Zahns die Aussenseite, welche die Innenseite ist, ferner, welche Wurzel die Vorder-, welche die Hinter- wurzel bildet. Von den vier P2mailliöckern sind die beiden Hinter- liöcker und der labiale Vorderhöcker völlig abgekaut; dagegen zeigt sich der linguale Vorderhöclcer (/) noch •) Bei denjenigen Affenarten, welche starke Canini haben, bemerkt man auch im definitiven Gebiss die abgesclirägte Form des ersten PWimolars im Unterkiefer. ♦*) Herr Dr. G. Körig, mein Assistent, hat den Zahn von Tanbach in doppelter Grösse dargestellt, weil auf diese Weise di(^ Details besser hervortreten. Nr. 31. NatiirwisKcnschaftlichc Woelicnsclirift. 371 1, 0 abg'Ciiutzt crsc'liciut ist. relativ gut crlialtcn iiiul iässt eine Ivleine Dentiniuscl crkcMiiion. Uoberliaupt ist der vordere Tiicil der Zaliii- kroiie iiielit so tief al)i;-ei) geschlossen wird. Nachdem man den Gunnniballon aufgeblasen hat, überzieht man ihn mit einer etwa 2 mm dicken Schicht von Weizenmehlbrei, und dreht ihn darauf solange in trockenem Weizen- mehl, bis eine vollständig glatte, 3 — 4 nnn dicke Mehlschicht den Ballon umgiebt. Der Ballon wird sodann auf einen Dreifuss so gelegt, dass der Gunnnischlauch ((') in ein darunter stehendes Glas mit Wasser gerade eintaucht. Jetzt öffnet man den Quetschhahn und lässt die Luft in einzelnen Blasen heraustreten. Das in der Mehlschieht macht sich sofort der Seiten- schul) geltend. Kleine Falten werden allmählich höher, einzelne Faltenzüge schaaren sieh zu Faltensystemen, flache Senkungsfelder sinken in die Tiefe, und die begrenzenden Falten wälzen sich über die Depression; hier erscheinen, oft seltsam umge- bogen, die langen Faltenzüge der Cordiiieren, dort drängt sich ein Jurasystem in dichten Parallclfalten aneinander, kleine Fältehen werden von grossen Ueberschiebungen be- deckt, und die interessantesten Beziehungen tektouischer l„ Nr. -M. N;ilni\vissfnscli:irtliclic Wocliciisclirift. 373 Leitlinien lassen sicli iilicrall wiedererkennen. Will man den Vcrsiieli wiedeilmlen, so hläst man den l>allon von neuem auf, frlättet die entstandenen .Spaltensysteme in troekeneni Mclil, und der Apparat kann abermals in Gang gesetzt werden. Prof. Joliainies Waltlier. Ueber T.vithiis-Heil.seruin. Von Dr. Felix Klein- percr und Dr. lOrust Levy, l'rivatdoeenten an der Uni- versität Strassburg i. E. (Berliner klinische Woelienselirilt 1895, 15. Vll.) — Nach den dureliaus günstigen Erfah- rungen, welehe bisher über das Diphtherie- Heilserum vorliegen, war es ganz natürlich, die Verwertlil)arkcit der Serunitherapie auch für andere menschliche Infections- krankhcitcn zu prüfen, und zwar für Jede Infectionskrank- heit gesondert. Die Grundlage, auf der die Serunitherapie beruht, ist in dieser Zeitschrift ausführlich besprochen (s. Jahrgang 1894, Nr. 46). Es ist der von Behring und Kitasato zuerst angestellte allgemein bekannte Versuch der Inimnnitätsübertragung durch das Blutserum eines innnunisirten Tiiicres. Der Tviiluis abdominalis ist für scrumtherapeutische Versuche ganz besonders geeignet aus folgenden Gründen: erstens sind seine Erreger bekannt und für Thicre viru- lent, zweitens gehört er höchst wahrscheinlich zu den- jenigen Infectionskrankheiten, welche auch in ihrem na- lürlichen Verlauf durch Selbstinmiunisirung des Organismus heilen und drittens, ein ausserordentlich wichtiger Factor, ktminit die Krankheit in den meisten Fällen schon in den Anfangsstadien zur ärztlichen Kenntniss und ]5e- handlung. Es ist daher die Seruratherapie für den Typhus schon frühzeitig in Angriff" genommen. Peiper berichtete darülicr auf dem dicsjäin-igen Congress für innere Medicin in München, dass er und Beumer Sciiafe gegen Typhus- bacillen inununisirt hätten. Das Serum derselben bewies im Thierexperiraent immunisirende und heilende Kraft und sollte am Menschen zur Anwendung kommen. Die Veröfl'entlichung über die Versuche ist noch nicht er- schienen, doch scheint die Immunisirungsmethode nicht ohne Gefahr für die Thicre zu sein. Klemperer und Levy berichten, dass im Strassburger klinischen Labora- torium an der Gewinnung einer Imniunisirungsflüssigkeit gegen Typhusbacillen bereits seit 3 Jahren gearbeitet wird. Zuerst bestand die Absicht, eine immunisirende Milch in Anwendung zu ziehen, weil die längere Dauer des Typhus voraussichtlich eine liäufige Wiederholung der immnnisircnden Injectioncn nöthig macht und daher für jeden einzelnen Fall eine grössere Menge der Innnuni- sirungsflüssigkeit erforderlich schien. Der geringere Innnunisirungswerth der Milch im Verhältniss zum Blut- serum, wurde durch die grössere, jederzeit zur Verfügung stehende Menge völlig ausgeglichen. Indess stellten sich der praktischen Anwendung der Milch gerade für den Typhus Schwierigkeiten entgegen. Vom Magen aus erwies sich die Wirkung beim Menschen als eine sehr geringe. Schneller und sicherer erwies sich die Innnunisirung vom Mastdarm aus. Aber diese Art der Einführung ist bei den Typhuskranken nicht ausführbar, weil dieselben, zumal in schwereren Fällen, die Klystiere nicht halten kiinncn. Es lilieb daher nur der Weg der subcutanen Injectiiui, für welche Art der Anwendung die crhotftcn Vortheile der Milch illusori.sch siml und das Blut- serum zweifellos das geeignetere Mittel ist. Die Verf. gingen daher gemeinsam an die Bereitung des Ty])husheilserums und erwies sich als geeignetes Versnchsthier der Hund, dessen natürliche Immunität gegen Typhusbacillen eine selir hohe ist. Ueber die angestellten Versuche verweisen wir auf das Original. Dieselben beweisen, dass das erhaltene Hundeserum Thiere gegen Typhusbacillen zu immunisiren und, eine Zeit lang nach der Infec- tion gegeben, zu heilen vermag. Das Serum erwies sieh, bei einem an den Verfassern selbst angestellten Versuch, in Mengen von 5 cem., für den Menseiien ungiftig. Mit dieser Dose wurde bei einem Typhuskraidicn angefangen und zu grösseren Dosen ge- stiegen, als keine unangenehme Folgen auftraten. Auf der Klinik des Professor Naunyn wurden vom Februar d. J. an 5 Patienten mit dem Serum behandelt, welche sich sämmtlich in der ersten Woche der Erkran- kung befanden. Die Fälle verliefen als leichte Typhen; ob die Serunibehandlung dazu beigetragen, lassen die Verf. dahingestellt. Sicher bewiesen wurde aber, dass die Serunitherapie des Typhus gänzlich unschädlich ist und dass sie die Krankheit nicht coupirt. Findet ein Einfluss statt, so äussert sich derselbe ilarin, dass die Krankheit glatt und schnell abläuft, jedoch mit den dem Ein der- würde mit Recht schon ein wesentlicher Gewinn für die Behandlung des Typhus sein. Da das Laboratorium die nöthigen Serummengen nicht liefern kann, so würde es besonders für die che- mischen Faiirikcn, welche für die Bereitung von Diphtherie- serum eingerichtet sind, ohne grosse Mehikosten möglich sein, das Typhusserum herzustellen. Hoffen wir, dass weitere Versuclie die Ergebnisse der Verfasser bestätigen und die Erfolge noch verbessern. Matz. Typhus eigenthümlichen Fiel)erbcwegungen. artiger Erfo Eieriiester pelagisclier Fische. — Von den Lebens- gewohnhciten der Fische wissen wir im ganzen genommen sehr wenig. Ist ja doch selbst die Frage nach der Er- nährung der immerhin leicht und oft zur Beobachtung stehenden Süsswasserfische noch nicht allseitig zur Genüge beantwortet. Um wie viel mehr kennen wir bei See- fischen oft nur das gefangene und aufbewahrte Thier, ohne aucli nur eine Vorstellung von seinem Leben und Treiben an seinem heimischen Aufenthaltsorte zu haben. Es darf uns daher nicht wundern, wenn es nicht möglich war, die interessanten grossen „Eiernester pelagischer Fische aus dem mittelatlantischen Oeean", die hin und wieder gesammelt worden sind, einer bestimmten Fisch- art zuzusciireiben. Einen neuen sehr bemerkenswerthen Fund beschreibt unter der genannten Aufschrift kritisch Gclieimr. Prof. Dr. Karl Möbius in den Sitzungsber. der Kgl. preuss. Akad. d. Wiss. zu Berlin vom ß.Deeemberl894. Aehnliche bisher von Louis und Alexander Agassiz, Cunningham und Brandt beobachtete Nester werden Antennarius niarmoratus oder nahen Verwandten aus der Familie der Pcdiculaten zugesehrieben, und auch das vor- liegende könnte dorthin gehören; doch nimmt Mö))ius Bedenken, das über eine Million Eier enthaltende Nest einer Gattung zuzusehreiben, die nur kleine Arten ent- hält. Das neubeschriebene Nest hatte die Form eines Sackes von 40 cm Durchmesser und 50 cm Tiefe, wog trocken 731,2 g und bestand aus vielen unregelmässig durch einander gewolienen Strängen, die aus Fäden be- standen, an denen die Eier hingen. Die Zahl derselben wird von Möbius auf über 1 130 000 geschätzt. Jedes Ei ist an zwei entgegengesetzten Seiten durch je einen Strang von Fäden befestigt, die stets auf der Seite dünn (8 — 10 fi,), auf der anderen dicker (16—24 fi) waren und mit dickerer Basis aufsassen. Die chemischen Eigenschaften der cylindrischen Fäden hat Prof. Kossei untersucht; er fand, dass sie dem Fibroin der Seide und dem Byssus am meisten ähneln. Die Embryonen der Eier zeigten 374 NatnrwissciiHcliiiftliclic Wuclieiisclii-i(t. Nr. 31. schwarze Cliromatophoreii. Der Entdecker des Nestes, Capitain Sweers, der es unter 4° 45' n. Br. und 30° 40' w. L. V. Gr. als Ueber/ug' eines leeren Korbes auffischte, fand in dem Korbe 8 kleine Fischchen, deren schlechter Erhaltungszustand Trof. llilgendorf nur die Stellung in der Nähe der Gattung Seriola erkennen licss. Ob über- haupt diese Fische zum Nest gehören, ist fraglich. C. M. Die Copepoden und Cladocereii Helgolaiuls sind von Dr. E. 'J'inim bearbeitet worden. (Wissenschaftliche Mccrcsuntersucliungen, 1. Band. Kiel 1894). Die biolo- gische Anstalt hat zum ersten Mal bei Helgoland syste- matisch zu allen Zeiten des Jahres Plankton gesammelt und conservirt. Das Material cntiiielt an Copepoden (Ruder- oder Spaltfiisser) 28 Arten und an Cladoeeren (Wasserflöhe) 3 Arten. Ausser den pelagischeu Cope- poden sind noch zwei aus Ascidien entnommene auf- geführt. Die Tabelle giebt bei den einzelnen Arten ge- naue Angaben über die Zeit und die Häufigkeit ihres Vorkommens. Wenn man bedenkt, wie gering die Verschiedenheit der pelagischeu Fauna selbst in einem Küsteumeere wie die Nordsee, und wie gross der Verbreitungsbezirk der einzelnen Arten ist, so mnss man sieh nicht wundern, wenn man bei Helgoland so ziemlich die ganze Fauna der Nord- see zwischen der Doggerbank und der jütischen Halbinsel vertreten findet. Zwei Arten, Candace pectinata und Moustrilla helgolandica, die bei Helgoland vorkommen, sind sonst aus dem erwähnten Theile der Nordsee noch nicht bekannt; eine dritte, Thaumaleus germanicus, ist ausser bei Helgoland nur bei Cuxhaven gefunden worden. Nur drei der pelagischeu Copepoden, welche von den Ex- peditionen der .Section für Hochseefischerei erbeutet wurden, sind bei Helgoland bisher noch nicht nachge- wiesen worden ; deren Fundorte liegen allerdings weit von Helgoland. Sechs Arten aus dem Vcrzeichniss der vor- liegenden Arbeit waren bisher für Helgoland noch nicht bekannt. Die Vertheilung der Thiere im Laufe eines Jahres ist bei Helgoland wesentlich anders als an der Küste, Vor Cuxhaven war die Copepodensaison mit Ende (Jetober geschlossen und begann erst wieder im März. Dies hängt theilweise direct mit den Eisverliältnissen zusammen; doch erbeutete der Verfasser Ende Üctober 1890, als noch kein Eis vorhanden war, schon keine Copepoden mehr bei Cux- haven (Seebadcanstalt). Das Helgoländer Plankton ent- hält aber nun gerade in den Monaten November bis Januar die grössten Zahlen von Copepoden- und Clado cerenarten, Zahlen, denen in den übrigen Monaten nur die Fänge vom Mai, Juni, August und September nahe kamen. Die Zald der erbeuteten Thiere zeigt, dass im Winter bei Helgoland durchaus kein Rückgang im Cope- podenmaterial zu bemerken ist. Ein Mininuim ist im März vorhanden; man könnte es vielleicht mit dem Um- stand in Verbindung bringen, dass der März für die Nord- see der kälteste Monat ist; doch sind hier erst noch längere Beobachtungen über einen Zeitraum von mehreren Jahren nothig. R. Ufl>er (He Ecliinorternien der Nordsf^e, welche Prof. Dr. F. Heinckc auf seinen drei wissenschaftlichen, im Auftrage der Section des deutschen Fischerei- Vereines für Küsten- und Hochseefischerei in den Jahren 1889 und 1890 ausgeführten Untersuchungsfahiten gesammelt hat, berichten Dr. M. Meissner und Dr. A. Collin, in den „Beiträgen zur Fauna der östlichen und südöstlichen Nord- see" (Band I, Kiel 1894), welche von der biologischen An- stalt auf Helgoland herausgegeben Averden. (Vergl. Naturw. AVochenschr. Band X, Nr. 7, 18 u. 22.) Gefunden waren im Ganzen 29 Arten, welche 18 Gattungen angehören und sich auch die einzelnen Klassen in folgender Weise ver- theilen. Ophiuroidea ... 9 Arten, Echinoidea ... 9 Arten, Asteroidea .... 7 „ , Holothuroidea .4 „ . Die Verfasser geben ein übersichtliches Vcrzeichniss mit genauen Fundorts- und Tiefen-Angaben. Ferner ist für die einzelnen Arten angeführt, ob sie häufig sind oder nicht und auf welchem Boden (ob Sand, Schlamm oder Fels u. s. w.) sie vorkonunen. Von Brissopsis lyrifera (Forb) wird ein abnormes Exemplar, dessen beide Schalen- hälften nicht symmetrisch sind, und dessen seitliche Ambu- lacren der Unterseite wulstartig hervortreten, beschrieben und durch eine Abbildung erläutert. R. ('lassiflcation of European Glacial Deposits beti- telt sich eine Arbeit James Geikie's, Classification of American Glacial Deposits eine solche T. C. C h am- ber la in 's. (Journal of Geology, Vol. III, No. 3, Chicago, 1895, S. 241—277.) — Der berühmte Verfasser des Werkes „The Great Ice -Age" hat in der erstge- nannten Arbeit den Versuch gemacht, die europäischen Glacial- und lutcrglacial - Ablagerungen zu classificiren. Er ist dabei zu dem Resultat gekommen, dass nicht weniger als sechs Glacial- und fünf Interglacial- e pochen während der sogenannten Diluvial - Periode stattgefunden haben. Geikie hat für jede dieser Epochen eine l)esondere wissenschaftliche Bezeichnung gewählt; danach ergiebt sich folgende Uebersieht der betreft'enden Ablagerungen von oben nach unten: 11. Oberes Turbarian = Sechste Glacial-Epoche. 10. „ Forestian = Fünfte Interglaeial-Epoche. 9. Unteres Turbarian = „ Glacial-Epoche. 8. „ Forestian = Vierte Interglaeial-Epoche. 7. Mecklcnburdan = „ Glacial-Epoche. (i Neudeckian = Dritte Interglaeial-Epoche. Polandian = „ Glacial-P^ioche. Zweite Interglaeial-Epoche. „ Glacial-Epoche. Erste Interglaeial-Epoche. Helvetian Saxonian Norfolkian Scanian Geikie legt bei besonderes Gewicht ;lacialen Ablagei = „ Glacial-Epoche. seiner Beweisführung mit Recht ein auf das Vorhandensein von inter- ungen mit verschiedenen Flo- ren und Faunen; die Entstehung derselben könne nicht durch ein blosses Oscilliren der Gletscher und des Inland- eises erklärt werden. Er sagt u. A. darüber Folgendes: „Als die Beobachtungen sich vermehrten, fand man, dass hier und dort, in Schottland und anderwärts, Ablage- rungen von Torf und fossilienführenden Süsswasser- Bildungen in den Gesehiebeniergel (bovvldcr-clay) einge- schoben erschienen, welche einen unteren von einem oberen Gesehiebeniergel trennten. Durch diejenigen, welche meinten, dass der Gesehiebeniergel eine Grund- moräne ist, wurden jene eingeschalteten Ablagerungen als Beweis glacialcr Oseillationcn von keiner grossen Bedeutung angcsciicn. Man nahm an, dass die früheren Gletscher und Eisfelder, ebenso wie ihre heutigen Ver- treter, zeitweiligen Vorwärts- und Rüekzugsbewegungen ausgesetzt waren. Während einer Zeit des Rückzuges verbreitete sich die Vegetation über den vom Eise ver- lassenen Boden, und wenn die nächste Vorwärtsbewegung stattfand, nahmen die Gletscher wieder das von Pflanzen Nr. 31. Naturwisscnsfliaftliphe Woclicuschrift. 375 besetzte TciT.aiu ein und bej;rul>en den alten Hoden unter fViselicn Anliäut'un^^eu von Glaeialbildnuj;en". „Die Veitheidiger der Eisherj^-Entsteiiung der Ürit't- Al)Iaserung'en versuehten gar nieht, die Erseheinung soleber eingesciialteter Süsswasser-HibUiugen zu erlvlären. Es war beciueuier, iiu'e iicdeutung bei Seite zu seiiieben oder sie ganz und gar zu ignoriren. Inzwisciien sind al)er die t'ragliehen Al)bigerungeu in so zabb-eiebeu t'rüiier vergletselierteu Gebieten gel'unden worden, dass es niclit mehr niöglieh ist, sie als zufällige Vorkonniinissc zu übergehen, welche man eine Zeit lang auf die eine oder andere Weise wegdisputiren konnte. Ka iiandelt sich Jetzt nur noch um ihre wahre Hedeutung. Sind sie An- deutungen von bloss loealcn und temporären Riickwärts- und Vorwärtsbewegungen der (iletseher, oder sind sie die Ueberbleibsel von langdauernden nnldereu Verhält- nissen, welelie zwischen besonderen und getrennten Glacial- E|)oehen eintraten V" „Auf den ersten Blick erscheint die erstere Ansicht jtlausibler, und für diejenigen, welche niemals die mit den Interglaeial - Ablagerungen verbundenen Phänomene studirt haben, hat dieselbe natürlich eine besondere An- ziehung. Sie ist so einfach und steht so sehr in Ueber- einstininuing mit dem, was heutzutage über moderne Gletschcrthätigkeit bekannt ist, dass diejenigen, welche jene Ansicht hegen, sich ohne Zweifel wundern müssen, warum sie nicht allgemein angenonnnen wird. Wir werden auf die Gletscher von Neu-Seeland, welche bis in die Region der Baumfarren binalireichen, hingewiesen, sowie auf gewisse Gletscher des Himalaya und von Alaska mit ihren baumbedeckten Moränen, und man ersucht uns zu überlegen, wie leicht in jenen Gegenden l'Hanzenreste in glacialen Ablagerungen begratten werden können. Aber man braucht nieht so weit in die Eerne zu schweifen, um ähidiche Phänomene zu finden. Auch in den Alpen sind neuerdings Gletscher vorgerückt und haben Bäume und mit Ptiauzenresten erfüllte Erde unter ihren Moränen begraben". „Aber unglücklicherweise hilft uns keiner dieser Fälle, um die interglacialen Schichten des gemässigten Europas zu erklären. \V'enn die letzteren niemals etwas Anderes enthielten, als arktisch aipine Pflanzen, möchte man der- gleichen zur Erklärung der fraglichen Erscheinungen sagen. Während des Höhepunktes der Glacial-Periode, als das skandinavische „Inlandeis" in die Ebenen Mittel- europas sich vorschob, trugen diese Ebenen eine arktisch- alpine Flora. Es ist daher klar, dass, wenn zeitweilige Kück- und Vorwärtsbewegungen der Eis-Front stattfanden, die einzigen Ueberreste des Pflanzenlebens, welche einige Aussieht hatten, in Glacial- Ablagerungen erhalten zu werden, arktische Formen sein mussten. Aber obgleich solche in gewissen Horizonten der aus der Glacialperiode herrührenden Schichten nieht fehlen, so sind doch die bemerkenswerthesten Interglacial-Ablagerungen erfüllt von den Ueberresten einer Flora und einer Fauna, welche unm(iglieii in der unmittelbaren Nähe einer grossen In- landeismasse gedeihen konnten." „Die interglacialen Schichten, welche von Holstein ab (mit Unterbrechungen) durch das Herz von Deutseh- land sich bis Central-Russland erstrecken, enthalten eine Flora, die auf günstigere klimatisciie Verhältnisse hin- deutet, als sie jetzt in denselben Gegenden ])esteheu. Man darf mit Sicherheit annehmen, da.ss, als die Ebenen Mitteleurojtas mit einer solchen Flora bekleidet und von Elephanten und anderen grossen Pflanzenfressern bewohnt waren, keine grosse skandinavische Inlandcismasse exi- stirt haben kann. Kurzum, man hat keinen Grund zu glauben, dass die Schneefeldcr und (iletseher des inter- glacialen Europas au.sgedehuter waren, als diejenigen des heutigen Europas. Und doch wissen wir, dass die inter- glacialen Ablagerungen von glacialen und fluvio-glaeialen Anhäufungen unter- und überlagert werden. Wir haben es hier also nicht mit blossen lokalen Oscillationen eines Eisrandes, sondern mit grossen klimatischen Aenderungen zu thun, welche letzteren sich über langdauerude Zeit- räume erstreckten. " „Aber dies ist nicht alles, interglacialen Verhältnisse wird tenden Betrag der während der wirkten Deimdation und Thalerosion bewiesen besten Beispiele, welche ich anfidiren kann, sind die — die lange Dauer der i'erner durch den bedeu- Interglacial-J]poclien be- Die von Prof. Penck und Anderen als charakteristisch für die Alpen- länder beschi-ieben" etc. Nach Geikie hat die erste Glacialepoche, welche er Scanian nennt, sich hauptsächlich nur durch einen grossen baltischen Gletscher in Südsehweden und durch Vergrössernng der Gletscher in den Alpenländcrn geltend gemacht. Anderwärts in Europa hat man wirkliche Glacial- Ablagerungen aus dieser Epoche bisher nicht beobachtet. Als erste Interglaeial - Epoche rechnet Geikie die „Forest-bed Series" von Norfolk, meist „Cromer Forest- bed" genannt, sowie die entsprechenden Ablagerungen von Lefte in Nord-Italien. Auch die vielbesprochene Höttinger Breccie aus der Umgegend von Innsbruck zählt er hierher. Er bezeichnet dieselbe als „Norfolkian" oder Elephas-Meridionalis-Stufe. Als zweite Glacialepoche betrachtet Geikie diejenige, in welcher das skandinavische Gletschereis bis in die Ebenen von Sachsen vordrang und die grossen Gletscher der Alpen ihre Moränen in der „äusseren Zone" auf- häuften. Geikie hält diese Epoche für das Maximum der Vereisung (was vielleicht nieht ganz richtig ist) und nennt sie „Saxonian". In ihr entstand der untere bowlder- clay oder Geschiebemergel. Mit deniNamen „Hei vetian" oderEIephas-Antiquus- Stufe bezeichnet Geikie die Ablagerungen der 2. inter- glacialepoche, und zwar hat er den Namen Helvetian gewählt, weil solche Ablagerungen zuerst in der Schweiz entdeckt worden sind. Dahin gehören die Schieferkohlen von Utznach und Dürnten in der Schweiz. Ebenso rechnet 6. hierher die interglacialen Schichten von Hol- stein, Rixdorf, Cottbus*), Moskau, etc. Als charakteristische Säugethiere dieser Stufe betrachtet er Elephas antiquus und Rhinoceros Merckii. Danach würde jedenfalls auch Taub ach bei Weimar als hervorragender Fundort für diese Epoche zu nennen sein. Ferner dürften wohl auch die von Keilhack nachgewiesenen pflanzenf'ührenden Ab- lagerungen von Beiz ig hierher gehören. Die nächste Epoche bezeichnet Geikie als „Polan- dian", weil die betr. Ablagerungen in Polen besonders gut entwickelt seien; er rechnet dahin die Ablagerungen des zweiten Inlandeises (mer de glace), namentlich den „oberen Geschiebemergel" (upper bowlder-clay) von Eng- land, Deutschland, Polen, Westrussland, sowie die Grund- moränen und die p]ndmoränen der „inneren Zone" der Alpen. Die nächste Stufe wird als „Neudeckian" be- zeichnet, und zwar nach dem Orte Neudeek bei Freistadt in Westpreussen, wo die betr. Ablagerungen in einer Höhe von ll-I Metern über dem Meere nachgewiesen sind. Vorläufig handelt es sieb hauptsächlich um marine und um Süsswasser-Ablagcrun; ren im Küstengebiete der süd- lichen Ostsee; doch vermuthet G., dass auch manche *) Gi'ineint sind dii3 von mir nacligewiesenen betr. Ablage- rungen von Klingo boi Cottbus, über welche in dieser Zeitschrift mehrfach bericlitet worden ist. 376 Naturwissenschaftliche Wochenschriit. Nr. 31. sogenannte altalUivialc Ablagerungen anderer Gegenden Iderher gerechnet werden dürfen. Dann folgt wieder eine Glacialepoche, und zwar diejenige, welche den letzten grossen l)altischen Gletscher aufwies. Dieser reichte bis nach Mecklenburg hinein; daher giebt G. dieser Stnfc den Namen „Mecklen- ' " Gleichzeitig entstanden sind gewisse Glacial- ilich die der „1. postglacialeu sowie der Britischen Inseln, Ablagerungen der Alpen Vcrgletschcrung" Penck's), Dänemarks und Schwedens. Als achte Stufe betrachtet Geikie diejenigen Ablage- rungen, welche als Ancylus-Schichten bezeichnet werden; tlieilweise gehören auch die Littorina-Schichten von Skan- dinavien hierher, namentlich aber auch die begrabenen Wälder, welche unter den Torfmooren Nordwest-Europas vielfach beobachtet werden. Geikie nennt diese Stufe deshalb mit dem Namen: „unteres Forestian". Hierüber folgt das untere „Tnrbarian", welches durch den unmittelbar über der vorhergehenden Stufe liegenden Torf, ferner durch Kalktutte, durch „Carse-clays", durch einen Tlieil der Skandinavischen Littorina- Schichten, durch Thal-Moränen etc. repräsentirt wird. In den Alpen- ländern gehören hierher die Endmoränen der sogenannten „2. postglacialeu Stufe''. Geikie ninunt für diese Epoche eine gewisse Rückkehr zu den klimatischen Verhältnissen der Eiszeiten an, doch nur in beschränktem Maasse; er nennt dieselbe „Tnrbarian" wegen der reichlichen Bil- dung von Torfmooren (englisch Turbaries). Die nächste Stufe wird durch das „obere Forestian" und die letzte durch das „obere Turbarian" gebildet. Jene wird, wie der Name andeutet, durch eine Schicht begrabener Waldbäume, diese durch Torfbildungen und einige andere Ablagerungen in Schottland und Norwegen repräsentirt. Geikie vermuthet, dass auch in den West- alpen Spuren dieser letzten Glacialepoche noch gefunden werden, wenn man genauer darauf achten wird. — In dem unnnttelbar iiaehfolgenden Aufsatze (a. a. ()., S. 270 — 277) versucht Chamberlain, die von Geikie aufgestellte Stufenfolge der europäischen Glacial- und Interglacial-Ablagerungen mit entsprechenden oder ähn- lichen Ablagerungen Nordamerikas zu parallelisiren, doch betont er mit Recht, dass dieses vorläufig noch sehr schwierig ist. Ablagerungen, welche dem „Scanian" und dem „Norfolkian" Geikie's entsprechen, sind in Nord- amerika bisher nicht nachgewiesen; auch die jüngsten Stufen lassen sich dort bisher nicht sicher nacliweisim. Dagegen lassen sich vielleicht folgende Stufen parallelisiren : The Kansan formation = Saxonian, The Aftonian „ = llelvetian, The Jowan „ = Polandian, The Toronto „ ^ Neudcckian The Wisconsin Mecklenburgian. Man ersieht hieraus, dass Chamberlain eigentlich nicht über die Zahl von 3 Glacial- und 2 Interglacial-Epochen hinauskonnnt. Auch für Deutsehland dürfte es schwierig sein, G Glacial- und 5 Interglacial-Epochen innerhalb der Dihivial-Ablagerungen nachzuweisen. Genau genommen, kommen auch in der Geikie'schen Stufenfolge nur drei wirkliche Glacial- und somit nur 2 wirkliche Interglacial- Epochen für Deutschland heraus. Jedenfalls bietet die Gcikie'sche Abhandlung eine sehr beachtenswerthe Basis zu weiteren Untersuchungen und Discussioneu ül)cr die einzelnen Phasen der Diluvial- Periode. A. Nehring. lieber den Eiiifluss des Magiietisinus auf die cliemisclie Tliiitigkeit hat F. A. Wolfi' jr. im American Chemical Journal soeben eine interessante Untersuchnn"- veröffentlicht, welche durch eine von Ira Remsen beob- achtete Erscheinung veranlasst worden ist. Remsen beob- achtete nändich, dass sich, wenn Kupfer aus einer Ku})fersulfatlösung sich auf einer Eisenplatte niederschlägt, die auf den Polen eines Magneten ruht, der Niederschlag um die Pole herum streifenförmig ablagert, in Linien, die zu den Kraftlinien senkrecht liegen ; längs der Um- risse jedes Poles bleibt ein Theil des Eisens unverändert, so dass die Conturen der Pole auf der Eisenplattc zu erkennen sind. Um eine Erklärung für diese von anderen For- schern bestätigte Erscheinung zu gewinnen, wiederholte F. A. Woli' jr. diese Versuche und bemerkte, dass in der Kuj)fersulfatlösung Rotationen auftreten. Durch Verwen- dung von Magnetpolen von verschiedenen Formen konnte nun festgestellt werden, dass die Rotationen, welche in der Lösung stattfinden, mit der Stärke der Magnetisirung der Eisenplatte zusammenhängen, so dass dieselben als elektromagnetische Erscheinungen anzusprechen sind. Der Drehungssinn der Rotationen ist für die beiden Pole, bei Anwendung kreisförmiger Platten als PolstUeke, ent- gegengesetzt, doch können diese Drehungen sehr compli- cirt werden. Diese Rotationen nun bilden die Ursachen für die streifenförmige Ablagerung, und es konnte ferner der wichtige Nachweis geführt werden, dass auch bei mechanischer Erzeugung des Fliessens der Flüssigkeit ohne Magnetisirung der Eisenplatte eine Ablagerung des Kupfers in streifenförmiger Anordnung vor sich geht, und zwar in der Richtung der Strönnnigslinien. Aus allen diesen Beobachtungen wird der Schluss gezogen, dass die Magnetisirung keinen directen Einfiuss auf die Art der Ablagerung des Kupfers hat, sondern dass diese von den Rotationen abhängig ist, die durch die Magnetisirung der Eisenplatte erzeugt werden. Dass sich längs der Conturen der Pole keine Ablagerung von Kupfer findet, ist den Eisensalzen zuzuschreiben, die sich bei der Reaction daselbst ansammeln und Veran- lassung zu elektrischen Strömen werden, die ihrerseits durch Elektrolyse ein vermehrtes Ausscheiden des Kupfers in unmittelbarer Nähe der Pole bewirken, wie es die Beob- achtungen zeigen. G. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eniannt wurden: I^er Privatilocciit <>tiiier. Dr. W., Profe.ssor au iler lIiiivor.sitiit .Tena. I>as pflan/.cujihysio- logisclic i^-aklikuin. Anleitung zu )iHanzeii|ih>siiilo^'ischen llnter- .suchuiigen liir stiHlirrcnde u.l. ehrer iler Natnrwissciiscliartcii .sowie der Medifiii, Land- und Forstwissen- schaft. Mit 1^4 Abbildunt;en im Text. 2. völlig neu bearbeitete Auf- lage. Preis: broscliicrt M. 0.— , gebunden M. 10.— . Meyer, Dr. Arthur, ord. Professor der Botanik und Direktor des bo- tanischen (lartens zu Marbuip, Un- tersuchungen über die Stürkekörner. Mit :i Tafeln und '.»9 in den Text ge- druekten l*'i;^uren. l'reis: M. 20.—. Sehwar»:. Mr. Frank, Professor an der F'orstakadcinie Eberswalde, Vorstand i'. Eclm. "Weiss, Professor und Direktor der k. k. Sternwarte zu Wien. Mit 14 lithographierten Tafeln und vielen Holzschnitt-Illustrationen. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ 1 Die Illustration i I wissenschaftlicher | I Werke i ra erfolgt am besten und billigsten R M durch die modernen, anf Photo- M hj graphie bci'idieiideu üeprodnc- H H tiün.saiton. Die Ziiik.'itziingen w h dieser Zeitschrift gelten als a V* Proben dieses Verfahrens und « p^ sind hergestellt in der graphi- « y sehen I\nnstan.stalt s4 ü B I Meisenbach, Riffarth St Co. | I in Berlin-Schöneberg, 1 H welche bereitwilligst jede Aus- K ra kunft erlbeilt. S C3aaaEIEIElEJiaEiEli3ElEn3EIE!ElI30 Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. In unserm Verlage erschien: Lehrbuch der Differentialrechnung. Zum Gebrauch bei Vorlestingen an Universitäten und technischen Hochschulen Dr. Harry Gravelius. 331 Seiten gr. S". Preis broscliiert 6 Mark, g'ebuiideii 7 Mark. H^ilFERi. 0!ÜMMLERS»LlJSBÜCH,ra In unserm Vefhige crseliicn Sueben: Elementare ßecliiiiiiigeii aus der mathematischen Geographie für Freunde der AsüdiKiiiiie iu ausgewählleu Kapiteln gemeinverständlich begründet itnd vorgeführt von O. Weidefeld, Oberrossarzt a. L). und Mitglied der Vereiniyuuy: von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik. - Alit einer Figiireiitafel. - - - 64 Seiten gr. 8". Preis 2 Mark. 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Inseratenannshme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger C(aellenangabe gestattet. Töne als bewegende Kraft. '^) Von L. Graf Pfeil. In Bd. IX, No. 43 der „Naturvv. Woclienscbr." befindet sieb ein Beriebt über Versnobe, Fluginascbineu berzustelien. Indem der Beriebt anf diese niebr oder minder gelnugenen Versucbe Hoönuiigen des Gelingens gründet, bekundet er zugieieb, dass diejenige Art des Fiiegens, welcbe in der Natur am meisten verbreitet ist, und welcbe vielleicht die meisten Aussiebten auf Erfolg bietet, bis jetzt nocb nicht untersuebt worden ist, nämlich das Summen vieler In- secten. Diese Art des Fiiegens dürfte möglicher Weise für unsere Technik am leichtesten erreichbar sein, weil dabei kurze und feste, also schwere Flügel einen ver- haltnissmässig grossen Körper in der Luft tragen. Der Flug der Vögel findet in zweierlei Weise statt, welche anscheinend in einander übergeben. Bei der einen Art öffnen sich beim Erhellen der Flügel die Schwung- federn durch eine leichte Drehung und Senkung klappen- artig und lassen die Luft von oben nach unten durch- streichen. Beim Senken der Schwingen schliessen sich die Klappen und der Druck der Flügel gegen die Luft bebt den Vogel und bewegt ihn zugleich vorwärts, indem die schräge obere Fläche gegen die Luft drückt. Das Schliessen der Klappen kann bei vielen Vögeln, z. B. bei Rebhühnern, deutlich als ein lauter Schall in einiger Entfernung vernommen werden. Diese Art des Fiiegens bewirkt eine sehr rasche Vorwärtsbewegung. Eine zweite Art des Fiiegens ist das Schweben. Dasselbe findet statt entweder durch die Benutzung eines emporsteigenden Luftstromes oder durch eine sehlangen- *) Von der diircli uns schon melirfacli vertretenen Ansiclit ausgehend, dass man neue Hypothe.sen, selbst wenn sie fiewagt sind, zu Worte kommen lassen soll, sobald sie geeignet sind, den Geist anzuregen und neue Gosic-htspunkte aufzustellen, haben wir den nachstehenden, in manchen Punkten angrcif hären, iriinu'rhin aber interessanten Aufsatz veröffentlicht. Red. artige Bewegung. Es ist dies die Flugbewegnng vieler Raubvogel, welcbe in grossen Höhen oder in der Nähe der wogenden Meeresoberfläche nach ihrer Beute spähen; es ist dies auch die Flugbewegung der Fledermäuse, der Schmetterlinge, überhaupt aller Thiere mit grossen und leichten Flügeln. Beide Arten des Fiiegens sind in der Technik nachzuahmen versucht worden, wie der vor- erwähnte Aufsatz zeigt. Völlig verschieden von diesen Arten des Fiiegens ist eine dritte Art, welche, wie gesagt, vielleicht am meisten in der Natur verbreitet ist, mindestens der Zahl der In- dividuen nach: das Summen vieler Inseeten. Diese Art des Fiiegens setzt kurze und steife Flügel voraus, welche einen verhältnissmässig schweren Körper tragen. Die Flügel erreichen in der Regel nicht die Körperlänge des Tbieres, und diese Art des Fiiegens ist stets mit einem summenden Ton verbunden, welcher anscheinend die Möglichkeit des Fiiegens bedingt. Da diese Art des Fiiegens bisher noch gar nicht wissenschaftlich untersuebt ist, — man hat noch nicht einmal die Schnelligkeit der Flugbewegung durch Vergleichung der Töne bestimmt, — so will ich versuchen mindestens den Anfang einer Er- klärung zu geben, welche wohl mehr als blosse Hypothese sein dürfte. Ich habe zwar bereits in meiner im Jahre 1880 erschienenen Schrift: „Matheinatbische und physi- kalische Entdeckungen" auf diesen Gegenstand aufmerksam gemacht; indess ist derselbe bis jetzt unbeachtet ge- blieben. Der Druck der Atmosphäre beträgt am Meeresufer zu 0,76 m Quecksilber gerechnet auf die Fläche eines Meters etwa 10.333 kg, also 1 kg auf das Centimeter Fläche oder 10 gr auf das Millimeter. Die Ansaugekraft der l)ezeicbneten Flächen ist eben so gross wie obige Zahl. Ein luftleerer Raum also von 382 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 32. einem Meter Fläche würde am Meeresufer diircli den Gegendruck ein Gewiclit von 10 300 kg, also von mein- als 20U Ctr. heben, und ebenso ein luftleerer Kaum von einem Millimeter Flüche ein Gewicht von 10 gr. Es folgt hieraus, dass ein sehr geringer luftleerer Raum genügt, um einen schweren Käfer, geschweige ein leichteres In- sect, eine Biene, eine Fliege, eine Mücke in die Luft zu heben. FAn luttleerer Raum über einem Insect kann nur her- gestellt werden, indem sehr harte und steife, dabei aber kurze Flügel — bei den Käfern die sogenannten Flügel- decken, — sich schnell bewegen, so schnell, dass sie einen Ton geben. Man hat in Maikäferjahren häufig Ge- legenheit, das Auffliegen des Thieres zu beobachten. Es prüft zuerst gleichsam durch kurzes Sunmieu die Kraft seiner Flügel, darauf schwingt es sieh ab und schiesst summend in einer gegebenen Richtung fort. Stösst es dabei an einen Gegenstand an, so fällt es sofort zu Boden, ohne den geringsten Versuch zu machen, sich schwebend zu erhalten. Bienen und Fliegen beherrschen ihren summenden Flug besser, sie gelangen ohne Schwierigkeit an die Stelle, wo sie ihre Nahrung saugen. Ohne Zweifel würde eine blosse Verdünnung der Luft, etwa auf die Hälfte des Drucks, bei vergrösserter Saugfläche eine ähnliche Wirkung äussern und ebenfalls ein Insect tragen können; indess scheint das Tonen des Fluges anzudeuten, dass in der That die Bildung eines luftleeren Raumes stattfindet. Die hebende Wirkung mag dabei durch eine Verdünnung der Luft über und durch eine Verdichtung unter den Flügeln verstärkt werden. Die Bildung eines Tones scheint, wie wir sehen werden, stets mit der Bildung eines luftleeren Raumes verbunden zu sein, dessen Schliesseu durch das Ohr vernommen wird. Die Luft schlägt dabei mit ihrem ungeheuren Druck an einen festen Körper oder gegen sich selbst wie ein Hammer an eine Glocke. Unserer Technik ist es versagt, sich für das Fliegen so dunner und fester Gewebe zu bedienen, wie die Natur es vermag'. Dagegen scheint es nicht unmöglich, kurzen und festen rotirenden Scheiben von massiger Grösse eine so schnelle Bewegung und eine solche Stellung zu geben, dass der gebildete leere Raum vermag, eine verhältniss- mässig grosse Last zu tragen. Um die Verhältnisse zu würdigen, unter denen sieh in der Natur der leere Raum bildet, wägungen dienen. Die Geschwindigkeit, welche ein Körper durch den freien Fall in einer Secuude erlangt, beträgt in einer geographischen Breite von 45" g:= 9,8055 m; g wird die durch die Schwere genannt. Fliesst eine Wassersäule von der Höhe eine plötzlich am Boden bewirkte Oefifnung reicht die Geschwindigkeit des abfliessenden einer Seeunde die Geschwindigkeit des aus mögen folgende Er- Besehleunigung V2 g durch ab, so er- Wassers in der gleichen Höhe herabfallenden Körpers und behauptet fortan diese Geschwindigkeit, wenn sich die Höhe der Wassersäule nicht ändert. Das Gleiche gilt von jeder anderen Flüssigkeit. Befände sich an der Stelle des Wassers ein Gas, z. B. atmosphärische Luft, unter dem Druck der obigen Wassersäule, so würde sein Abfliessen in dem Verhältniss schneller sein, als sein specitisches Gewicht kleiner ist als das des Wassers. Setzt man dies Gewichtsverhältniss wie 1 : 733,55, so würde seine Geschwindigkeit in einer Secunile auf 9,8055 x 733,55 = 7593 m anwachsen. Der Druck der Atmosphäre beträgt aber, wie an- gegeben wurde, weit mehr, denn er ist dem Gewicht einer Wassersäule von 10,333 m gleich, und die Be- schleunigung unter diesem Druck würde also einer Fall- In'ihe, oder dem Druck einer Wassersäule von 2 x 10,333 m entsi)reehcn. Es würde also atmosphärische Luft, welche eine Seeunde lang in einen leeren Raum einströmte — wenn ein solcher Fall möglich wäre, — eine Ge- schwindigkeit, die wir y nennen wollen, erlangen von y = 2x 10,333 X 733,55 m = 16 003 m. Wird in der atmosjjhärischen Luft unter dem Druck derselben am Meeresufer ein leerer Raum plötzlich ge- öffnet, so stürzt sich die Luft mit beschleunigter Ge- schwindigkeit in den leeren Raum. Die erlangte Ge- schwindigkeit V wird gefunden durch die Formel r = y . I, wobei y die obige Ziffer der Beschleunigung und t die Dauer der Einströmung in Bruehtheilen einer Seeunde bedeutet. Als Beispiel diene das Schwingen einer gespannten Saite, welche 16 Hin- und Herbewegungen in der Seeunde macht: der tiefste in der Orgel verwendete Ton. Schwingt die Saite in zum Theil luftleerem Raum, so wird sie zwei umgebende Mal, also 32 Mal in der Seeunde, au die Luft anstossen. Da die Schnelligkeit der Bewegung in der Mitte zwischen beiden Anstossen, also im vierten Theil der Hin- und Herschwingung am grössten ist, so nuiss obiger Werth von y mit Vei multiplieirt werden, woraus sich das Maximum der Geschwindigkeit der Schwingung zu 250,04 m ergiebt. Nimmt man eine Tonsehwingung um 8 Oetaven höher, also 16 • 2* = 4096 Hin- und Herschwingungen in der Seeunde, so wurde man aus obigem Werth von y mit V4 • V4096 = Vi6384 multiplieiren müssen und ein Maximum des Einströmens in den leeren Raum von 0,977 m Ge- schwindigkeit erhalten. Es wird angenommen, dass 24 000 Hin- und Hersehwingungen in der Seeunde noch für das Ohr vernehmbar sind (Koppe: Physik). Hiernach würde ein luftleerer Raum sich schon bei einer Geschwindig- keit von 0,167 m bilden. Der Umstand, dass die Luft beim Einströmen in den leeren Raum durch ihre Ausdehnung kälter wird, wodurch sich ihre Geschwindigkeit vermindert, dieser und andere Umstände sind bei vorstehenden Schätzungen, welche nur allgemeine Vorstellungen geben sollen, ausser Acht ge- lassen worden. Diese Erörterungen sollen nur zeigen, wie leicht sich in der Natur luftleere Räume und damit Tonschwingungen bilden können, von dem Jlurmeln eines Gebirgsbaches, dem Rauschen der Blätter im Winde und dem Summen der Insecten an bis zum Rollen des Donners. Die Bildung des Tones oder Schalles hängt im AVeseut- lichen ab von der Breite der Fläche, gegen welche die Luft beim Schliesseu des leeren Raumes anstösst, und von der Tiefe dieses Anstosses, weil mit dieser Tiefe die Dauer der Bewegung und damit die Gewalt des Anstosses grösser wird. Man erwäge, dass dieser Anstoss dem Schlage eines Hammers von 200 Ctr. Gewicht auf den Quadratmeter gleich ist. So geben die tiefsten Pfeifen einer Orgel nur einen verhältnissmässig sehwachen, dumpfen Ton, während die grelle Pfeife der Locomotive weithin tönt. Im ersteren Falle ist der sich sehliessende luftleere Raimi verhältnissmässig breit, aber nicht sehr tief; in letzterem Falle findet das Gegentheil statt. Da- gegen eröffnet die Entladung eines Geschützes einen weiten und dabei tiefen leeren Raum, den die in ihn mit beschleunigter Geschwindigkeit einstürzende Luft in längerem Zeitraum anfüllt, wodurch sich der Anstoss ver- grössert. Ein ähnliches Vorkommen findet statt, wenn Blitze die Luft zerreissen. Die stärksten jedoch unter allen auf der Erde vor- kommenden Schallbildungen stellen die Feuerkugeln dar. Hier wird durch eine Explosion, welche nur eine Explosion v(»n Knallgas sein kann, die Atmosphäre in einem Raum zerrissen, der sich oft nach Tausenden Nr. 3-: Natnrwisseuschaftliehc Wochcusdirift. 383 von Cnliikiin'lorn l)eiiiisst. Die atmospliärische Luft, iniK'iii sie in ileii so i;el)il(leteii leeren Kaum ein- stürzt, l)elieirte Anordnung lial)en. An den zu Flügeln umgewandelten vorderen Glied- niaassen nntersebeiden wir diesell)en llanpttlieile des Skeletts wie bei den Säugetliieren : Oberarm, Unterarm und Hand. Von den Knoebeu der den Körper aus- scblicsslieh tragenden liinteren Gliedmaassen ist der Ober selieidvelknoelRMi stets kürzer als der Untersciienkel. Dieser wird fast allein dureli das lange und starke Scbienbein gel)ildet. Nun folgt ein für das Vogelskelett besonders (•liarakteristiselier, langer Knoehcn, der Lauf oder Tarsus. Die Zahl der Zehen betragt gewolmlieh vier, welche der ersten bis vierten Zehe der Säugethiere entsprechen. Die hinteren Gliedmaassen sind sehr verschieden- artig je nach der besonderen Bewegungsart des Vogels. Sovvold die Stellung der Heine am Körper, als auch ihre Befiederung, ferner die Richtung der Zehen, die etwaige Verwachsung derselben, die Grössenvcrhältnissc der einzelneu Abschnitte des Beines u. s. w. kommen dabei in Betracht. Auch die Klauen haben verschiedene Formen. Im Gegensatz zu den meisten übrigen Wirbelthieren sind die Kiefer aller in der Jetztwclt lebenden Vögel zaimlos. Statt der fehlenden Zähne sind die Kiefer mit einer den Schnabel bildenden Hornscheide überzogen. Die Gesammtform des Schnabels ist eine ungemein mannigfache. Die Wurzel des Oberschnabels ist bei vielen Vögeln von einer meist gell)lichen, seltener bläu- liehen, lockeren, weichen Haut umgeben, welche Wachs- liaüt hcisst. Bei den Tagraubvögeln ist diese Haut am deutlichsten entwickelt; bei den Sumpf- und Wasser- vügeln, vorzüglich den Enten, bekleidet sie fast den ganzen Schnabel mit Ausnahme der vordersten Spitze und dient durch ihren Nervenreichthuni als Tastorgan: bei den Eulen und Hühnern ist sie unter Federn versteckt. Da bei den Vögeln eine Begattung statttindct, werden die grossen dotterreichen Eier (das „Gelbei'^ des „Vogel- eies") schon in den Eileitern befruchtet. Indem sie langsam die letzteren passiren, werden sie durch Drüsen der ausgeweiteten Eileiterwand mit Umhüllungen ver- sehen, und zwar mit einer dicken Lage von Eiweiss und mit der Schalenhaut. Die Eier sind in Grösse, Form und Färbung ver- schieden. Auch ihre Zahl unterliegt grossen Schwankungen. Die zum Brüten nöthige Temperatur beträgt durch- schnittlich 40" C. Die meisten Vögel brüten jährlieh nur einmal; einige bei uns zweimal, iu wärmeren Gegenden drei- bis viermal. Infolge des Brütcns verlieren viele Vögel an bestimmten Stellen des Bauches die Federn, wodurch den Eiern eine ausgiebigere Wärmezufuhr ver- mittelt wird; die federlosen Stellen nennt man Brutflecke. Bei den in Polygamie lebenden Vögeln (Hühner-, Lauf- und einigen Stelzenvögeln) übernehmen die Weibehen die Aufzucht der Jungen. Die meisten Vögel leben zur Paarungszeit in einzelnen Paaren, ausser derselben in Schaaren; manche leben ausser der Paarungszeit immer einzeln, wie z. B. die grossen Raubvögel, andere immer paarweise oder monogamisch wie die Tauben. Die Jungen kommen entweder fast nackt und blind aus dem Ei und werden geatzt, bis sie flügge sind, oder sie kriechen sehend und mit einem Flaum- oder weichen Dunenkleid aus und suchen sich selbst ihre Nahrung. Jene nennt man Nesthocker oder Atzvögel, diese Nest- flüchter oder Pippel. Die Sorge für die .junge Brut, das mit der Begattung im Zusannucnhang stehende Geschlechtsleben und die durch das Flugvermögen bedingte comj)licirtere Lebens- weise haben bei den Vögeln zu einer den Reptilien weit überlegenen Intelligenz geführt, die in der besseren Aus- bildung des Hirnes und der Sinnesorgane ihren Ausdruck findet. Warum die geschlechtlichen Vorgänge und ilie Brutpflege für die Intelligenzentwiekelung eine so wichtige Rolle spielen, lehrt ein genaueres Eingehen auf die ein- schlägigen Verhältnisse. Bei den Vögeln licrrsciit ein lebhafter Wettbewerb um die Weibchen, besonders bei den polygamen Arten. Zur Zeit der Fortpflanzung suchen die Männchen die Gunst der Weibchen zu gewinnen, sei es durch auffallende Bewegungen (Balzen des Auerliahns), sei es durch Gesang (Singvögel), sei es durch Pracht des Gefieders (Paradies\ögel), sei es schliesslicli durch Kunst- nester (Webervögel). Alle diese Eigenthündichkciten sind daher auf das männliche Geschlecht beschränkt und führen meist zu einem autTallenden Dimorphismus von Männchen und Weibchen. Die meisten Vögel bauen vor dem Eierlegen ein mehr oder minder künstliches Nest. Beim Bauen desselben dient der Schnabel als Pincette; der Leib wirkt durch rotireude Bewegungen wie ein Stempel; Flügel und Beine kommen so gut wie gar nicht in Betracht, da nur die grösseren Raubvögel das Nistmaterial in den Fängen herbei tragen. Die meisten Vögel nisten einzeln, manche bauen gesellig ihre Nester neben einander; wenige legen ihre Eier in ein gemeinschaftliches Nest (amerikanischer und afrikanischer Strauss). Nach dem Nestbau könnte man die Vögel in mehrere Gruppen theilen: 1. Minirer: Uferschwalbe, Sturmschwalbe, Bienen- fresser, Eisvogel, Pinguin. 2. Erdnister: Enten, Gänse, Schwäne, die Erdvögel (^Hühner und Laufvögel). 3. Maurer: Tagschwalben, Flamingo, goldhaariger Pinguin, Elster, Singdrossel und der südamerikanische Töpfervogel. 4. Zimmerer: Specht, AVendehals, Blau- und Sumpf- meise. 5. Plattformbauer: Ringeltaube, Storch, Reiher, Adler. 6. Korbflechter: Häher, Rabe, Krähe, Drossel, Dom- pfatf, Rohrsänger, Rohranmier, Webervogel und der Re- publikaner. 7. Webervögel: Graukehlchen, weisse Bachstelze, Rothkehlehen, Rothschwänzchen, Goldammer, Hänfling, Pirol, Beutel- und Schwanzmeise, rother Beutelstaar und Baltimorvogel. 8. Schneidervögel: Baumgarten-Staar, Bananen-Staar, Sehneidervogel. y. Filzmacher: Buchfink, Stieglitz, Kolibri, Kap- meise. 10. Cementirer: amerikanische Rauchschwalbe, Sa- langane. 11. Dombauer oder Mooswölber: Zaunkönig, Fitis, Wasserstaar, Scliwanzmeise. 12. Schmarotzervögel: a) Sperling, Purpuratzel (legen ihr Nest gern in dem Reisig anderer Vogelnester an), b) Kuckuck und Kuhvogel (bauen gar kein Nest). Eine sonst nirgends beobachtete Erscheinung finden wir bei einigen neuholländisclien Vögeln. Ein auf Neu- südwales gemeiner Vogel baut aus Reisern grosse lauben- artige Gewölbe, welche mit bunten Papageifedern, ge- bleichten Knochen und Muschelschalen ausgeschmückt 386 Naturwisseuüchaftliclie Wocheuschrift. Nr. 32. werden und zur Zusammenkunft dieser Vögel gleichsam als Vergnügungshiube dienen. Von grossem Interesse in den Lebensverhältnissen der Vögel sind schliesslich ihre j)eriodischen Wanderungen. Man unterscheidet Standvögel, welche dauernd auf die engste Umgebung sich beschränken, Strichvögel, welche, um sicli zu ernähren, ausgedehnte Beutezüge unternehmen. Wander- oder Zugvögel, welche beim Herannahen des Winters in Schaaren meist auf bestimmten Zugstrassen weite Wanderungen nach Süden antreten und ein wärmeres Klima aufsuchen. Die bei uns einheimischen Arten ziehen dann nach den Mittelmecrländern, vielfach sogar in das Innere von Afrika, dafür können ihren Platz bei uns nordische Formen einnehmen. Auch zu diessen Massen- wandernngcn ist die Nahrungssuclie Veranlassung. Die Vögel können sich dem während des Winters herrschenden Mangel an Nahrung (namentlich an Insecten und Früchten) nicht so leicht wie Reptilien und Amphibien durch den AVinterschlaf entziehen, weil ihre gesteigerte Intelligenz und ihre energischeren Lebensprocesse einen lebhafteren Stoft'wechsel und fortlaufende Ernährung uöthig machen. Daher sind die Vögel wie die Säugethiere in Gegensatz zu den „kaltblütigen" Reptilien, Amphibien und Fischen ausschliesslich Warmblütler; sie bewahren unter dem mannigfachsten Wechsel des Klimas 38—44» C. be- tragen d e K örp ertem p eratur. Auch bei den Vögeln nimmt die Zahl der Gattungen und Arten ab, je mehr man sich den Polargegenden nähert; je näher man aber dem Aequator kommt, desto mannigfaltiger wird die Vogclwelt. In Folge der grossen Heweglichkeit des Vogels, kann er seinen Wohnort rasch wechseln, so dass die genauen Grenzen für die Verbreitung der einzelnen Gattungen und Arten nicht leicht festzu- stellen sind. Wenn auch manche Vögel, wie z. B. Raub- vögel, Reiher, Störche und Enten, ungemein weit ver- breitet sind, so hat doch fast keine Art ihr Wohuungs- gebiet über den ganzen Erdball ausgedehnt. Für die polaren Gegenden ist die grosse Zahl der Schwimmvögel l)emerkenswerth, während in wärmeren Gegenden Körner- und Insectenfresser beheimathet sind. Einzelne Gruppen sind auf bestimmte Gegenden beschränkt; so z. B. finden sich die Steppeuhühner nur in der alten Welt, die Pa- radiesvögel nur in Neuguinea und Australien, die Kolibris nur auf der westlichen Hemisphäre. Von den sechs thiergeographischen Regionen beherbergt nach Sclater die paläarktische Region etwa 650 Vogelarten, die äthiopische Region etwa 1250 Arten, die orientalische Region etwa 15(K) Arten, die australische Region etwa 1000 Arten, die neotropische Region etwa 2250 Arten und die neark- tisclie etwa 600 Arten, es ist aber dabei zu beachten, dass nicht alle jetzt bekannten Arten in dieser Aufstellung mitgezählt sind; immerhin ergiebt sich daraus, dass die grcisste Mannigfaltigkeit der Vogclwelt sich in der neo- tropischen und in der orientalischen Region findet. Höchst bezeichnend für Neuseeland sind die Kiwis und ausgestorbenen Moas, für das australische Gebiet die Paradiesvögel, Honigfresser und Kakadus, die Leier- schwänze, Grossfusshühner u. a., für das indische Gebiet die Blatt- und Rachenvögel, für das madagassische Dninte und Einsiedler, die freilich jetzt schon ausge- storben sind und insbesondere den Maskarenen angehören, dann aber die Mesitidae sowie manche Vogelgattungen, die anderswo fehlen, so die Vasapapageien und der Kurol, für das afrikanische Gebiet die Pisangfrcsser, Mausvögel, Secretäre u. a., für das südamerikanische Gebiet zahl- reiche Familien, wie die Pfeft'crfresser und Bartvögel, die Hocko- und Steisshühner, die Wehrvögel und Serienias, für Nordamerika die Truthühner und für die drei nor- dischen Gebiete der alten Welt, die zwar keine auf sie beschränkte Vogelfamilie haben und dadurch sich als das Hauptumbildungsgebiet der Thierwclt auch durch ihre Vogelfauna kennzeichnen, doch die Gattungen der Bart- geier, Steppenhühner, Wüstenhühncr, Stieglitze, Schwanz- meisen, Bartmeisen sowie die Untergattungen der Nachti- gallen, Rothschwänze u. a. ausschliesslich hier lebende. Fossile Ueberreste von Vögeln sind verhältnissmässig ziemlich selten. Die grosse Mehrzahl der bis vor einigen Jahren bekannten Reste fand sich in tertiären und quar- tären Ablagerungen und stimmt in allen wesentlichen Punkten mit den lebenden Formen überein. Aus dem der oberen Juraformation angehörigen lithographischen Schiefer von Solenhofen aber ist eine ältere, abweichende Vogelform bekannt geworden, der Archaeopterix lithogra- phica. Dieselbe unterscheidet sich von allen anderen Vögeln durch den körperlichen Schwanz, dessen einzelne Wirbel jederseits eine Steuerfeder tragen und durch die Bezahnung der Kiefer. Im letzten Punkte stimmt der Urgreif mit anderen alten Vogclformen überein, die nach ihm aus der Kreide Nordamerikas bekannt geworden sind. Wegen des bezahnten Kiefers hat man sie Zahuvögel, Odontornithes genannt. Nach einer von Sclater 1880 gegebenen Zusammen- stellung betrug die Zahl aller bis dahin bekannten lebenden Vogelarten über 10 000 (genau 10139), wovon über die Hälfte, nämlich 5700 zu den Passeres gehören. Dazu kommen noch etwa 200 fossile Arten, deren Zahl jedoch durch die neueren Entdeckungen sich rasch ver- mehrt. Andere Forscher geben, je nachdem sie einzelne Arten als verschieden oder zusammengehörig ansehen, die Zahl aller bekannten lebenden Vögel auf 11162 (Gray 1871) oder 10 200 (Wallaee 1876) oder rund 9000 (Brehm 1878) an. Die Systematik der Vögel, soweit es sich um die Abgrenzung der grösseren Grui)pen handelt, liegt noch immer sehr darnieder. Nach der äusseren Erscheinung werden von den ( »rnithologen grössere Gruppen als Ord- nungen aulgestellt, die sich aber, wie die umfassenden Untersuchungen Fürbringer's und Huxley's gezeigt haben, bei einer genaueren anatomischen Prüfung nicht in der bisherigen Weise aufrecht erhalten lassen. Besonders hat sicli die Vereinigung der Eulen mit den Tagraub- vögcln, der Pinguine mit den Schwinmivögeln der ver- schiedenen Formen der Klettervögel als unlialtl)ar heraus- gestellt. [Fortsetzung folgt.] Die Vererbnug- „erworbener" Eig:eiischafteii ist ein Gegenstand, über welchen die Geleln-ten n(tch lange nicht übereinkommen werden. Man unterscheidet bei den „erworbenen" Eigenschaften solche, die durch Gebrauch oder Nichtgebrauch von Organen und solche, die durch äussere Einwirkungen entstanden sind. Die Annahme der Vererbung von „erworbenen" Eigenschaften der letzteren Art ist die weitergehende und wird selbst von nianciien Naturforschern in Abrede gestellt, die dem Gebrauch oder Nichtgebrauch von Organen eine erblich übertragbare Wirkung zuschreil)en. Die jetzt durch die Zeitungen laufende Notiz von angeblicher Vererbung einer Narbe auf der Brust gehört zu den Fällen, in welchen die Uebertragung einer durch äussere Einwirkung „erwor- benen" Eigenschaften behauptet wird. Solche Uelier- tragungen sind von vornherein unwahrscheinlich, denn wenn sie stattfänden, so müsste man öfter davon hören. Es müsste vorkonnnen, dass Kinder von Eltern, die einen Nr. 32. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 387 Finger, einen Arm tulcr ein liein verhircn liaftcn, mit einem entsprechentlen Mani^el auf die Welt konnncn; davon hört mau al)er nie, sondern mir von kleineu, au sieh unbe- deutenden Vi'rlet/ungen, welche in hesonderen Fällen vererbt worden sein sollen. Kiu solcher Fall, zu dem ich eine \ielleiclit nicht unwillkcuinnenc Aufkläruui;' geben kann, ist der folgende, der von einem hervorragenden Auatduien in der Uonuer Versauunlung der Deutschen Anthrojxdogischen Gesellschaft im Jahr 1888 zur Spraciie gebracht wurde. Eine Dame in Essen besass eiue Ein- kerbung- am rechten Oiirläppchen, welche ihr im Alter von 8 Jahren durch das gewaltsame Ausreissen eines (ihrringes zugefügt worden war. Unter ihren s Kindern hatte das Zweitälteste, ein Sohn, eine angeborene, gairz ähnliche Einkerbung el)enfalls am rechten Ohrläppchen. Die beiden Ohren sind im Korr.-Bl. der D. Anthr. Ges. von 1888 S. 14ö abgebildet. Nach gründlicher Erörte- rung des Falles gelangte der Vortragende zu dem Schlüsse : „Wir dürfen denniach annehmen, dass die angeborene Form eines durch einen Einschnitt zweigctheilten Ohr- läpi)chens zu den grössten Seltenheiten gehört, und dass daher die Annahme eines zufälligen Zusammen- trefteus einer erworbenen abnormen Ohrform bei der Mutter und einer angeborenen ähnlichen bei dem Sohne nur eine äusserst geringe Wahrscheinlichkeit für sich hat. Im gleichen Verhältuiss wächst die Wahrscheinlich- keit für die Richtigkeit der entgegengesetzten Annahme, nändich dafür, dass wir es in diesem Falle mit Verer- bung einer individuell erworbenen Kürpereigenthümlich- keit zu thun haben". Die Folgerung hat etwas Be- .stcchendes ; aber gewohnt, au die Stelle unbestimmter Ausdrücke feste Zahlen zu setzen, fragte ich mich doch: was heisst „grösste Seltenheit"':' was leisst „äusserst geringe Wahrscheinlichkeit"? Der Fall ist nachher von verschiedenen Seiten als nicht beweisend augefochten worden, uauientlieh mit Gründen, die aus der Embryologie hergenommen worden, während ich mich an die Arbeit machte, ihn statistisch zu behandeln. Im Jahre 1889 wohnte ich dem Ersatzgeschäft im Landwehrbezirk Mos- bach (badisch Franken) bei und nahm dabei eiue Be- obachtung der Ohren vor, in Hinsicht auf die Häutig- keil des Darwin'scheu Knorpels und anderer Eigenthüm- lichkeiten. Es war leicht, auch auf das Vorkommen gespaltener Ohrläppehen Acht zu geben. Wie überrascht war ich, zu bemerken, dass dasselbe keineswegs ein so seltenes ist, wie ich erwartet hatte. Unter lOUO Wehr- pflichtigen hatten 8 gespaltene Ohrläppchen und zwar 4 beiderseits, 3 links und 1 rechts. Zwei einseitige Fälle waren besonders auffallend, denn sie sahen genau so aus, als sei den Betrett'enden ein Ohrring ausgerissen worden. Da aber das Tragen von (Jhrriugen in jener Gegend beim männlichen (Geschlecht nicht üblich ist, auch das nicht gespaltene Ohr keine Durchbohrung zeigte, war der Versicherung Glauben zu schenken, dass der Schlitz nicht erworben, sondern angeboren sei. Die Uebergangs- fällc, welche leichtere Einkerbungen verschiedenen Grades zeigten, bestärkten diese Annahme. Meine Frage, ob die .Alutter oder der Vater oder eines der Geschwister eine ähidiche Spalte habe, wurde in allen Fällen verneint, und im bezeichnendsten Falle konnte ich nach selbst von iler Richtigkeit tiberzeugen. Lassen wir die schwächer ausgeprägten Fälle ausser Acht, um nur die beiden auf- fallendsten zu berücksichtigen, so ist die Wahrscheinlich- keit, dass ein junger Mann ein gespaltenes Ohrläppeheu habe, gleich Viooo oder Vüoo- Es handelt sich nun noch darum, zu wissen, wie oft es vorkommt, dass einem Mädchen durch irgend eine Gewaltanwendung beim Streiten oder S|)iclen u. s. w. der Ohrring ausgerissen uiul dadurch das Läppchen geschlitzt wird. Auf meine l>itte iiatte das städtische Schulrectorat in Karlsruhe die Güte, in den vier obersten Classen sänmitlicher städtischen Mädchen-Volksschulen Erhebungen maeiicn zu lassen und mir in höchst dankenswcrther Weise das Ergeltniss mitzu- theilen. Dasselbe ist folgendes: in den genannten Schulen befanden sich 205(j Mädchen (von 10 — 14 Jahren), darunter 1254, denen Ringlöcher in die Läppchen gestochen waren, 834, welche wirklich Ohrringe trugen, und 2, denen durch Ausreissen der Ringe das Läppchen geschlitzt war. Bedenkt man, dass bei diesen Schulkindern diejenigen Unfälle noch nicht zum Ausdruck kommen, die von der Schulzeit bis zur Veriieirathung eintreten krmiien, so wird man nicht übertrieben tinden, wenn ich die Wahrschein- lichkeit des Vorkonunens eines ausgerissenen Ohrrings bei den Mädchen gleich Viooo setze. Nun tinden wir nach den Gesetzen der Wahrseiieinliehkeitsrechnung ein sehr merkwürdiges Ergebniss. Die Wahrscheinlield^eit, dass eine Mutter, die ein gewaltsam geschlitztes Ohr besitzt, ein Kind habe, dem ein gespaltenes Ohrläppchen angeboi'en ist, beträgt ohne Annahme der Vererbung, led'iglich durch den Zufall, V,ooo x Vsoo = Vbooooo- l^'i« heisst: es ist wahrscheinlich, dass unter einer halben Million von Müttern eine sich vortinde, welche ein ge- waltsam ausgeschlitzcs Ohrläppchen und zugleich ein Kind mit einer angeborenen Spalte besitzt. Diese Wahrscheinlichkeit ist in der That au sich „äusserst gering". Bedenkt man aber die grosse Zahl der Mütter, sowie den Umstand, dass die meisten mehr als ein Kind haben, so kommt mau zu anderen Schlüssen. Die Volks- zählung von 1890 ergab in Deutschland 8 396 607 Ehe- frauen und 2 207 471 Wittwen, zusammen über lO'/s Mill. Frauen. Ungefähr ebenso gross können wir die Zahl der Mütter setzen, da die kinderlosen Ehefrauen sich mit den unehelich Gebärenden annähernd ausgleichen. Daraus folgt, dass der Essener Fall der gespaltenen Ohrläppchen von Mutter und Kind der Wahrscheinlichkeit nach in Deutschland nicht allein steht, sondern IOV2 : V2 = 21 mal vorkommen niuss, d. h. ausser jenem müssen sich noch 20 ähnliche Fälle ermitteln lassen, wenn man ganz Deutschland darauf hin absucht; dass die vorhandenen Fälle sich der Kenntniss entziehen, ist sehr begreiflich, denn wer achtet darauf? Berücksichtigt man ferner, dass auf eine verheirathete Frau durchschnittlich 4,1 Kinder kommen, so erhöht sich die Zahl der wahrscheinlichen Fälle noch ganz bedeutend, ungefähr auf das Doppelte, (nicht auf das 4,1-fache, da bei den jungen Eheleuten noch nicht die volle Kinderzahl vorhanden sein kann wie bei den älteren). Wir müssten also ungefähr 40 Fälle in Deutschland haben, die dem Essener gleichen, und zwar lediglieh durch das Spiel des Zufalls, nicht durch Vererbung. In dieser ganzen Berechnung findet sich nur eine willkürliche Annahme, nämlich die, dass die Verhältnisse in ganz Deutschland die gleichen seien, wie sie in dem Versuchsgebiete gefunden wurden. Wäre diese Voraussetzung ungenau, so sind doch Schwan- kungen um das 40 fache kaum möglich; und selbst in diesem Falle könnte keine Rede davon sein, dass das Zusammentreffen einer angeborenen Ohrspalte des Kindes mit einem gewaltsam geschlitzten Läppchen der Mutter nur durch ^'ererbung zu erklären sei. — Die Wahr- scheinlichkeit, dass eine Frau mit gewaltsam geschlitztem Ohrläppchen zwei Kinder mit angeborenen Spalten habe, ist nach unserer Annahme noch 500 mal geringer, wird also in Deutschland nicht in jeder Generation, sondern nur in Zwischenzeiten mehrerer Generationen einmal vorkommen. Läge Vererbung zu Grunde, dann müsste es anders sein: dann müssten von den Kindern einer Frau durchschnittlich die Hälfte die Mi.ssbildung besitzen, wie dies auch bei sechsten Fingern u. dgl. beobachtet wird. 388 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr.»32. Vou den 8 Kindern der Essener Dame hatte jedoch nur eines ein gespaltenes (>lirläi)pclien, was sehr begreif lieh und mit unseren Betrachtungen im Einklänge stehend erscheint. — Eine ähnliche Bewandtniss hat es wahr- scheinlich mit dem Falle der Brustnarbe, doch will ich diesen, weil mir keine Beobachtungszahlen zu Gebote stehen, nicht näher erörtern, sondern die Erklärung dem Scharfsinne des Lesers überlassen. Nur eine kleine Notiz zur Beleuchtung des Waltens des Zufalles will ich noch anfuhren. Auf jener Reise zum Ersatzgeschäft wurde den Mitgliedern der Commissiou und mir von der Tisch- gesellschaft in Eberbach der Vorsehlag gemacht, den Nachmittagskaffee herauszuwürfeln, was mit 5 Würfeln geschah. Auf meine Frage, wieviel es zähle, wenn alle auf t) fielen, antwortete der Tischpräsident: „Das kommt Vereins vom 17. März 1895*). Der geneigte Leser wolle mir gestatten, sagt Th., mit zwei Fragen zu beginnen. Welchen von den beiden mit R und A bezeichneten Bergen des nebenstehenden Bildchens halten Sie für höher V Jeden falls R. — Zweite Frage: Halten Sie es überhaupt für möglich, dass R niedriger sein könnte als A V — Ich bin überzeugt, dass der allcrgrösste Theil der Leser mit einem einfachen oder verklausulirten „Nein" antworten wird. Wer freilich die Landschaft, welche Fig. 1 darstellt, aus der Wirklichkeit kennt und deshalb nicht nach dem Augenschein, sondern nach seinem AVissen antwortet, der wird sagen: Es ist ein Stück Brockenpanorama- A, die Achtermannshöhe, ist viel höher als R, der Ravensberg bei Sachsa; sie hat 926 m, der Ravensberg nur 6f)0 m Meereshöhe; A ist also um 266 ra höher als R. sehr selten, fast nie vor!" Dabei ilrehte er den Becher herum, und alle (5 lagen auf dem Tische, was nicht ver- fehlte allgemeines Erstaunen hervorzurufen. Dieser Wurf erscheint rechnungsmässig unter 7776 Würfen nur einmal, und das besonders Merkwürdige war, dass er sich hier unmittelbar auf eine bezügliche Frage einstellte. Hätte der betreffende Herr zufällig scherzweise geantwortet: „Geben Sie Acht, jetzt werde ich alle 6 werfen", so hätte man an Hexerei glauben können. Dies zeigt, wie der Zufall spielen kann, und man sollte aus solchen Vor- kdununissen die Lehre ziehen, dass man auch bei Ver- erbuns'sfraaen dem Zufall eine viel grössere Rolle ■bungsfragen zutheilcn muss, wohnt ist. als man im Allgemeinen zu thun ge- Otto Ammon. Ueber eine ojitisclic Tiinsclnins: hei Gipfel-Ans- sicliteii .sprach i'mf. Dr. Fr. Thomas in der Sitzung der Wissenschaftlichen Abtheiluug des Thüringerwald- Wie ist jene frajjpante Täuschung möglich, wie ist sie zu erklären"? Wie sie möglich ist, mag derjenige, der nach schneller Antwort verlangt, sieh aus der Fig. 2 herauslesen. Zu einer hinreichenden Erklärung aber ist es nöthiff, die zwei Faktoren getrennt zu besprechen. deren Zusammenwirken den Effect ergiebt ; der eine liegt in der Perspective, der zweite beruht auf falschem Urtheil, *) Verffl. dessen Verbandszeitscluift „Thüringer Monats- blättei" III, S. 24-2r,, Juni 1805. (Eisenacli, H. Kahle.) Der Centi-alvorstanil des Thürinfrcrwiild-Vereins hat gütigst den obigen Abdruck gestattet und die Clielies liergeliehen, wofür wir unseren besten Dank aussprechen. Nr. B2. Natiirwisscnsehattliclie Woclicuscbiilt. 389 ist also ein psydiologisclier. Atil' ihn iiinziiweiscn ist der iM-si)rüni;liclK' Zweck dieser Miülieiinnj;'. Den ersten l'actor erläutere ich nur, um auch (lenijcnigen Leser, welchem solche Dinge weniger geläuHg sind, zum Ver- sländniss zu verhelfen. So wie die beiden Haunn-eihen jeder geradlinigen Allee in der Ferne zusammenzulaufen scheinen, so auch die Decke und der Fussboden eines genügend langen ("orridors. Versetzen wir unser Auge in die Ebene der Decke, so steigt die Fussbodenebene nach dem Eudc hin an. Von einem Standpunkte aus, der in einiger Höhe über einer völlig wagercchten F>benc liegt, scheint nun ebenso letztere allseitig nach dem 1 lorizonte hin anzusteigen. Die wagcrcchte P>bene, die wir durch unser Auge gelegt denken, entspricht der Decke des Corridors im vorigen Beispiel. Wer zum ersten Male das Meer und zwar von einem erhöhten Aussichtspunkte, z. B. vom Königstuhlc ^Stubbenkammer) auf Rügen, sieht, der ist erstaunt über dieses Ansteigen nach dem Horizonte hin. Dem Luft- s-hirt'cr erscheint das Stück Erde, welclics er zu ül)er- bjicken vermag, nicht wie der Theil einer Kugel, sondern hohl wie eiue Schüssel, deren tiefster Punkt gerade unter ihm liegt. lieber diese Täuschung kommen wir so wenig hinweg, wie etwa über die scheinbare Fortltewcgung der Sonne am Hinmicl. Wenn uns die perspectivische Verjüngung einer Allee nicht so wunderbar erscheint, so ist daran allein die wiederholt von uns gemachte Erfahrung schuld, dass der Abstand der Baumreihcn an jeder fernen Stelle genau der gleiche ist; wir sind eben auch au solchen Stellen gewesen und haben uns vom Sachverhalt ü])er- zcugt. Bei perspectivischen Erscheinungen, die wir durch eine derartige Erfahrung nicht zu berichtigen vermögen, bleibt die Täusclmng unübcrwindbar. Ich will ein solches Beispiel nennen. Wenn die Sonne hinter einer Wolke steht und der Weg ihrer an der Wolke vorl)cigehenden Strahlen in der dunstigen Atmosphäre sichtbar wird (im Volksmund: wenn die Sonne „Wasser zieht"), so will es Niemand zunächst glauben, dass diese Strahlen unterein- ander parallel seien: wir meinen vielmehr, sie conver- girtcn nach einem Punkte dicht hinter der Wolke, in welchem die Sonne sich befände, während dieser doch Ibü Mill. km entfernt ist. Der zweite zur Erklärung nöthigc Factor ist das irrige Festhalten an einer vielfach gemachten Erfahrung, indem wir sie nämlich auch da anwenden, wo die Be- dingungen in einer uns ungewohnten Weise verändert sind und jenes Erfahrungsurtheil deshalb falsch wird. Wir sind gewohnt, dass ein ferner Berg einen näheren nur dann überragen kann, wenn jener auch höher ist. Das ist aber nur richtig für Objecte über dem geometrischen Horizonte*)! Die irrige Schätzung würde auch so gleich wegfallen, wenn wir unsern Staudpunkt vom Brocken tiefer auf einen Punkt C (Fig. 3), etwa auf das Niveau des fusses, denken. Dann sind die Verhält nissc die ge- wohnten, A und K beide über unscrm Horizont und des- halb die erfahrungsgemässe Beurtheilung die richtige. - ^« # 4-.«i. ^.^ .> „.. r- Gebirgs- verlegt ') Unter geometrischem Horizont verstehen wir ilie iliireh das Aiif;c gelegte wagerechte Ebene. (Wer das Bedürfniss haben sollte, sich über die Um- ki'hr der Lage zum Horizont und ihren Einfluss auf die llöhcnsciiätzung noch weiter zu orientiren, dem würde Figur 4 dienen könuen. Die Buchstaben B, A und R bezeichnen dieselben Objecte wie in den übrigen Figuren. Die Und^lai)pung nach oben führt nur zu der ^' bekannten 'riiatsache, dass ein ferner, hoher Beig R' durch einen nie- drigeren, aber uns näher gelegenen A' verdeckt werden kann. Die üni- legung der AVinkel um die Achse B Hzt hat nicht auch eine Undegung der Höhen zur Folge, welche vielmehr, nach wie vor, in der Richtung \on unten nach oben gemessen werden. Daher der Widerstreit.) Man könnte deshalb die Erklärung jener Täuschung auch in die Worte fassen: die Lage des Horizontes wird falsch geschätzt. Man urtheilt so, als ob in Fig. 2 die ausgezogene Linie B R der Horizont wäre. Diese Fehlschätzung ist uns nahegelegt bei einem hohen Standpunkteam Meere (auch hier liegt jeder Punkt des scheinbaren Horizontes in der That tiefer unter unserm geometrischen Horizont als das Meer zu unsern Füssen) und bei der Aussicht von einem domiuirendcn Gipfel. Es wäre daher zu erwarten, dass die Erscheinung in einer Arbeit „über optische Täuschungen im Gebirge" hinreichende Erklärung bereits gefunden hätte. In dem diesen Titel führenden, interessanten Aufsatz von August B(")hm in der Zeitschrift des Deutschen und Oesterreichischen Alpcnvereins (Jahr- gang 1882, S. 161 — 188) finde ich nun wohl die aus der Perspective sich ergebenden Folgerungen (auf S. 177) ge- zogen, nicht aber den obigen „zweiten Factor" des Zu- standekommens unserer Panoramentäuschung gewürdigt. Dass ich mit der Hervorhebung desselben etwas durchaus Neues brächte, das wage ich bei der Einfachheit der Sache nicht zu behaupten. AI>er es ist mir eine Klar- leguug jener Täuschung in irgend welcher Litteratur bis- her nicht bekannt geworden. Sie gehört in die Kategorie derjenigen psycholo- gischen Täuschungen, bei welchen die Nichtbeachtung eines Nebcnumstandes die auf Gewöhnung gegründete Urtheilsfähigkeit des Beschauers gefährdet. Zur Er- läuterung verweise ich auf zwei interessante, aber altbe- kannte Täuschungen der gleichen Kategorie: 1. Ein Fehlschluss über „erhaben" und „vertieft". Man betrachte bei einseitiger Beleuchtung (also z. B. nahe dem Fenster oder einer Lampe) einen Siegclabdruck mit einer schwachen Loupe in so gewäidten Entfernungen, dass man ein umgekehrtes Bild des Abdrucks scharf sieht. Das umgekehrte Bild zeigt natürlich auch die Schatten in umgekehrter Lage. Das ist bei miver- ändertem Lichteinfall (dessen Umkehr wir eben ausser Acht lassen!) nur möglich, wenn z. B. an Stelle einer hohlen Rinne ein Vollcylinder getreten wäre. Die ver- tieften Theile erseheinen uns deshalb erhaben und um- gekehrt. 2. In der zweiten Versuchsanordnung ersetzen wir den Siegelabdruck durch ein mit klarem Wasser halb- gefülltes, verstöpseltes Glas, das wir zugleich ein wenig erschüttern. Im umgekehrten Bilde glauben wir das Wasser nicht mehr am Boden des Gefässes, sondern beim Stöpsel zu sehen, weil Luft und Wasser keinen auffälligen Unterschied in ihrem Aussehen bieten, also die Bewegung der Trennungstiäcbe beider allein wahrgenommen wird, und weil (das ist wieder das Vorurtheil, das uns zum 390 Naturwissenschaftliclie Wochenschrift. Nr. 32. Irrthuni führt) wir gewohnt sind, die Wirkungen der Schwerkraft sicli innncr so vollziehen zu selten, dass das Wasser unten und die Luft oben erseheinen niuss. Wir halten deshalb den lufterfUllten Theil des Gefässes für wassererfiillt. Die Täuschung schwindet sobald man statt reinen Wassers eine gefärbte Flüssigkeit anwendet. Dass wir über augenfällige Täuschungen leicht hin- wegkommen, wenn die Erfahrung uns die Mittel zu ihrer Correctur giebt, das gilt auch von der in Eede stehenden bei Gipfelaussichten. Sobald wir die Objecto und ihre Lage zu einander ganz genau kennen, kommt die Täu- schung gar nicht zur Geltung. Wer z. B. vom Liscls- lierge aus über den Datenberg hinweg Waltershausen liegen sieht, der wird nie in die Täuschung verfallen, dieses habe eine grössere Mecrcshöhe als jener, obwohl unsere Figur 2 auch für diesen Fall richtig ist und R Waltershauscn, A der Datenberg, R der Inselsbcrg sein könnte. Freilich sind wir in diesem Falle auch darüber nicht im Zweifel, dass A und R unter unserni geome- trischen Horizonte liegen. Die Figur 1 ist nicht nach der Natur gezeichnet, sondern nach dem Panorama in Meycr's Harz vergrössert. Dabei ist nur das weggelassen, was am Vormittag des y. Juni 1892, als mir die Täuschung auffiel, nicht zu sehen war, nämlich die entfernteren Objecte jenseit des Ravcnsbergcs, also die Ohmberge, der Heldrastein u. s. w. Vielleicht ist die Täuschung weniger unwiderstehlich, wenn die Klarheit der Luft den Ausblick noch bis zu jenen Höhen oder gar bis zu den Bergen der Vorderrhön erlaubt. Die Witterung des Monats Juli im centralen Europa. — Der diesjährige Juli brachte nur an einigen Tagen beträchtlichere Hitze, ebensowenig aber kann man ihm ein Verfallen ins entgegengesetzte Extrem vorwerfen — wenige Tage ausgenommen. Schwere Unwetter, wie sie der Vormonat in so ersehreckend grosser Zahl ge- bracht hatte, traten nur vereinzelter auf. Der 1. Juli freilich wird in der Geschichte der Unwetter eine wichtige Stelle einnehmen. Dieser Tag brachte nämlich eins der denkwürdigsten „Frontgewitter", wie man diejenigen Wärmegewitter zu nennen pflegt, welche in einer Breite von vielen Meilen in wenigen Stunden grosse Länder- strecken durcheilen, und deren berühmtestes der 9. August 1881 für Deutschland herbeiführte. Das Frontgewitter vom 1. Juli steht aber insofern ganz beispiellos da, weil es des Nachts eintrat. Es entwickelte sieh nach einem sehr heissen Tage am 30. Juni um 10 Uhr Abends am Mittclrhein, welcher der Front des Gewitters ziemlich parallel verlief. Um 10 Uhr Vormittags verschwand es erst in Hintcrponnnern, so dass seine durchschnittliche Geschwindigkeit 68 km pro Stunde betrug. Zeitweilig erreichte es unter colossalen Rcgenfällen, vernichtenden Hagelfällen und schweren Sturmböen eine I5reite von fast 200 Kilometern. Seine linke Flanke griff bis ins südliche Schweden hinüber, wo das Unwetter ebenfalls schwer hauste. In Deutsehland wurden zumal die Rheinlande, Westfalen und Württemberg heimgesucht. Eine Abkühlung war jedoch durch das Gewitter nicht herbeigeführt worden; eine solche trat erst ein, als mit Annäherung eines Minimums von den britischen Inseln her die Winde am 2. nach Südwest und West gedreht waren. Im südlichen Europa dauerte die Hitze noch länger an. In Italien und den Balkanstaaten erhob sich die Temperatur häufiger über 35°, und in Südost-Sicilien (Provinz Syrakusj erreichte sie zwischen dem 5. und 7. bei Sirocco Werthe von mehr als 40°. Als am 4. über Ccntraleuropa die Winde eine nördliche Richtung an- nahmen, wurde es recht kühl. Mit dem 7. wurde es wieder wärmer, doch nach zwei ziemlich heissen Tagen am 9. und 10. kündete das rasch fallende liarometer eine neue Verschlechterung des Wetters an. Bei für die Jahreszeit sehr niedrigem Barometerstand (Kopenhagen am 13. 740nnn reduc.) waren der 12. und besonders der 13. Tage, welche für den October und November besser passten, als für den Juli. Unter sehr stürmischen Winden und ungemein kühlem Wetter, gingen die ergiebigsten Nieder- schläge nieder (am 12. IJorkum 34, Hamburg 35, Lu- gano 45, Säntis 49, Ischl 51, Oxö 56, am 13. Stock- holm 30, Abbazia 42, Agram 45, Laibach 49 nun Regen). Ein verheerendes Unwetter trat jedoch nur in der Um- gegend von Salzwedel ein, während an den Vortagen Wolkeubrüche und Hagel verschiedentlich gewüthet hatten, wenn auch nur auf local beschränkten Gebieten (am 4. bei Mantua, am 6. im Auerbachthal in Oberbayern, am 7. bei Agram, in Slavonien und zu Olanisci in Rumänien, am 11. auch ein verheerender Sturm auf dem Sehwarzen Meer). In der Folge besserte sich zwar die Witterung etwas, doch blieb sie noch immer unbeständig, zumal der 19. brachte neuerdings starke Regenfälle (Bregenz 31, München 33, Norwich 41 mm). Die Temperatur blieb massig warm, nur der 18 und 19. waren etwas heisser. Erst, als sieh seit dem 23. der höchste Druck langsam nach Südost-Europa verschoben hatte und dadurch die Winde seit dem 25. entschieden nach Süden drehten, wurde es rasch wärmer. Bei sehr gleichmässiger Luft- druckvertlieilung brachten die Tage vom 26. — 28. eine sich stetig steigernde Hitze, welche in Deutsehland die Temperaturen bis 34", in Italien und den Balkanstaaten stellenweise bis 36" (Athen am 27. 37") hinauftrieben. Der 28. dürfte der wärmste Tag dieses Jahres gewesen sein, doch war seine Hitze noch keineswegs ungewöhnlich : die berühmte Augusthitze von 1892, ja selbst noch im vorigen Jahr die Temperatur des 24. Juli übertrafen die diesjährigen Wärmegrade. Vielfach traten wieder ver- heerende Gewitter, Stürme und Wolkenbrüche auf, zumal der 29. brachte in den verschiedensten Theilen Süd- und Mitteldeutschlands Unwetter von seltener Heftigkeit. Als am 29. das Maximalgebiet wieder nach Gross- britannien hinübergritf, erfolgte durch nordwestliche Winde eine sehr starke Abkühlung, welche die Temperatur bis etwas unter die normale hinabdrückte. Besonders charakteristisch für den Monat war der häufige, starke, oft fast ganz unvermittelte Umschlag der Temperatur und der niedrige Barometerstand. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eniaiiiit wurden: Der von Bonn nrtch Leipzii,' Imrufeno ordentliche Professor der Cliirnrfjie Dr. Friedrich Trendelcu- burg zum königl. sächsischen Geh. Medicinalrath; der Privat- docent der Chemie an der technischen Hochschule zu Hannover Dr. Esc h weil er zum ausserordentlichen Professor; der Privat- docent für innere Modicin und Arzneimittellehre in Breslau Dr. Alfred Buchwald zum ausserordentlichen Professor. Berufen wurde : Dr. Emil Y u n g aus Genf als Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie unr. Eclm. TVeiss, Professor und Direktor der k. k. Sternwarte zu Wien. 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Postzeitungsliste Nr. 4732. JL Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 .A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannabme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdrack ist nar mit vollstäudi jer tjncllenaiigabe gestattet. Welchen Einfluss üben die Beleuchtungsverhältnisse auf den Stoffwechsel und die Athmung keimender Kartoffelknollen aus? Von Dr. E. Ziegenbein-Schönberg. Es ist bekannt, dass das Wachstlium der er.sten Triebe keimender Kartoffelknollen in eigenartiger Weise abhängig- ist von den Beleuchtungsverhältnisseu, denen die Knollen ausgesetzt sind. Noch fast gar nicht unter- sucht ist jedoch der Verlauf des Stoffwechselprocesses in den Knollen, wenn dieselben im Licht oder im Dunkeln keimen. Um diese Vorgänge klarzulegen, war es von selbst geboten, auch die Wachsthumsvorgänge unter dem Einfluss verschiedener Beleuehtungsverhältnisse zu berück- sichtigen und ich will zunächst auf die Resultate dieser Beobachtungen eingehen. Als Untersuchungsniaterial dienten woblausgebildete Kartoffelknollen einer weissen und einer rothschaligen Varietät. Die Versuche begannen Mitte Januar. Die weissen Kartoffeln verweilten in trockener, sowie in feuchter Luft und zwar entweder im Dunkeln oder dem Eintiuss des Wechsels von Tag und Nacht ausgesetzt. Mit den rothen Kartoffeln wurden bloss solche Versuche vorgenommen, bei denen die Objecto nur in trockener Luft im Dunkeln oder im Licht verweilten. Zur Aufnahme der Knollen, denen kein Wasser zu- geführt werden sollte, diente ein mit vier Fächern ver- sehener Pappkasten, der einerseits mit einer das Licht frei liindurchlassenden, anderseits mit einer schwarzen, das Licht abhaltenden Glasplatte verschlossen war. Die weissen Kartoffeln, welche in feuchter Luft ge- halten werden sollten, brachte ich auf Porzellanteller, die mit feiiclitem und stets mit genügenden Wassermengen aufs Neue versorgten Sande beschickt waren. Die Knollen wurden mit ihren Nabelendcn in den feuchten Saud eingedrückt, worauf ich den einen Teller unter eine hohe, etwa 3 Fuss breite Glasglocke, den andern unter einen gleichgrossen Zinkblechrccipienten brachte. Die Apparate standen bis Ende Mai resp. Anfang Juni, vor dem nach Norden gelegenen Fenster eines geheizten Raumes. Schon nach Verlauf weniger Wochen begann die Keimung der Knollen, wobei zahlreiche Knospen zur Eut- wickelung kamen, die meisten an der morphologischen Spitze. Die Lichtknollen ergrüuten, ebenso ihre Triebe. Ende Mai Hess sich folgendes beobachten: Die Triebe der meisten Kartoffeln, welche sich in trockener Luft bei Lichtabschluss entwickelt hatten, be- sassen eine Länge von 4 — 6 cm, während die Triebe, welche im Dunkeln in feuchter Luft zur Ausbildung waren, Länge in -10 cm maassen, und den feuchten Sand Wurzeln ge- von hinabgeschickt kommen 6 — 8 cm hatten. Dagegen hatten die weissen Knollen, welche sich in trockener und feuchter Luft bei Lichtzutritt ausbildeten, Triebe von nur 1 — l'/.j cm Länge entwickelt; in feuchter Luft waren ebenfalls Wurzeln an den Trieben zum Vor- schein gekommen. Die Internodieu der Lichtknollen er- schienen sehr kurz und waren mit vielen Knospen und Stolouen besetzt. Die Länge der Stene'cltheile der rothen Kartoffeln betrug Ende Mai bei den Untersuehungsobjecten, die im Dunkeln trocken gehalten worden waren, 4—6 cm. — Die ■ IVo cm Lichtknollen dagegen hatten nur Triebe von 1- entwickelt. Wenn in meinen Versuchen die Dunkeltriebe keine 394 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 33. übermässige Entwickelung erfahren hatten, so hängt dies wohl damit zusammen, dass die Knollen, wie erwähnt, in allen Fällen sehr zahlreiche Knospen zur Eutwickelung brachten. 1. Der Trockensubstaiizgelialt gekeiniter Kai'tolfelkiiollen. Für die einheitliche Berechnung der Gesammtresultate war es nothvvendig, die Trockensubstanz der gekeimten Kartoffeln festzustellen. Zwei bis drei Stück der Knollen wurden gereinigt, fein zerrieben und je drei oder fünf Gramm der Substanz in bekannter Weise vom Wasser befreit. I. In trockener Luft gekeimte Kartoffeln. a) Weisse Kartoffeln, im Dunkeln gekeimt, untersucht Ende Mai : 40,52 % Trockensubstanz. b) Rothe Kartoffeln, im Dunkeln gekeimt, untersucht Anfangs Juni: 32,08 7o Trockensubstanz. c) Weisse Kartoffeln im Licht gekeimt, untersucht Ende Mai: 27,66^/0 Trockensubstanz. d) Rothe Kartoffeln im Licht gekeimt, untersucht Anfangs Juni: 30,29% Trockensubstanz. n. In feuchter Luft gekeimte Kartoffeln. e) Weisse Kartoffeln im Dunkeln gekeimt, untersucht Ende Mai: 23,20% Trockensubstanz. f) Weisse Kartoffeln im Licht gekeimt, untersucht Ende Mai: 23,26% Trockensubstanz. Aus diesen Zahlen ist ersichtlich, dass der Trockcn- substanzgehalt der in feuchter Luft — bei Lichtzufritt oder im Dunkeln — gekeimten Kartoffeln, fast genau der- selbe ist. In trockener Luft haben aber die Dunkel- kartoff'eln, namentlich die weissen, erheblicli mehr Wasser abgegeben, als die Lichtkartoffeln, eine Erscheinung, die leicht verständlich ist, wenn man bedenkt, dass bei den langen Trieben der erstercn, die transpirirende Ober- fläche wesentlich vergrössert werden musste. 2, Der Einfluss der Beleuclitimgsverhältnisse auf die Atlimuiig keiiueuder Kartoffelknolleii. Die Jiisher vorgenommenen Versuche über die Athmuug der Kartoffeln*) sind für uns von geringem Interesse, da dieselben, ebenso, wie die zahlreichen Untersuchungen, welche Müller-Thurgau**) über die gleiche Frage ausführte, nicht in unmittelbarer Beziehung zu dem von uns behandelten Thema stehen. Unsere Aufgabe war es, einerseits, die Athmung ruhender Kartoffelknolleii festzustellen, andererseits die Athmungsgrösse solcher Knollen zu ermitteln, die schon mehrere Monate unter den verschiedensten Bedingungen gekeimt hatten. (Vergl. Einleitung.) Die Athmungsversuche selbst wurden in folgender Weise ausgeführt: Der angewandte Apparat ist, ausser einigen Ver- besserungen im Wesentlichen derselbe, wie ihn Clausen***) zu seinen Versuchen benutzt und beschrieben hat. Es wurde mittels eines Aspirators ein gleichmässiger, kohlen- säurefreier Luftstrom über die Knollen im Respirations- gefäss hinweggeleitet, welcher die ausgeathmete Kohlen- *) Verg;]. de Vries, landw. Jalirbiicher Bd. 7. 1878. **) Vergl. Müller-Tlmruiui, landw. Jahrbiiclier Bd. 11 u. ***) Vergl. Clausen, landw. Jahrbücher 1890, S. 896 f. 14. säure in Barytwasser führte, um dann in diesem die ab- sorbirte Menge Kohlensäure quantitativ zu bestimmen. Um den Luftstrom von Kohlensäure zu befreien, durchstrich derselbe ein Glasgefäss, welches zu unterst mit conc. Kalilauge, oben mit Aetzkalistückchen angefüllt war und 2 U-Röhren, die mit starker Kalilauge getränkte Biinsteinstückchen enthielten. Der Respirationsraum, in welchem die von aller Säure befreite Luft eintrat, wurde durch ein 28 cm hohes und 16 cm breites Glasgefäss dargestellt, dessen Oeffnung durch einen dreifach durchljohrten Korkstopfen ver- schlossen war. In die eine Bohrung des Korkes ist ein rechtwinklig gebogenes, enges, bis auf den Boden des Gefässes reichendes Glasrohr eingeführt, durch welches die Gase eintraten. Die andere Oeffnung enthielt das Gasableitungsrohr, das die kohlensäurohaltige Luft in die Barytröhre führte. In der dritten Bohrung befand sich das Thermometer, welches in 2 Zehntel Grade getheilt, mit seinem Quecksilberbehälter die Untersuchungsobjekte berührte. Au das Gasableitungsrohr schloss sich die Petten- kofer'schc Barytröhre an, welche zur Absorption der Kohlensäure mit 75 ccm Barytwasser gefüllt war. Der Aspirator, welcher zur Herstellung eines Luft- stromes diente, fasste ca. 14 1. Die Regulirung des Wasserabflusses geschah durch einen Glashahn in der Weise, dass stündlich 3 1 Wasser, welche im Messkolben genau kontrollirt wurden, abflössen. Titrirt ward das Barytwasser mit Oxalsäurelösung; als Indicator diente dabei in Alcohol gelöstes Phenol- phtalein. Um die Fehlerquellen der Methode zu prüfen, stellte ich Controllversuche in der Weise an, dass ich den Apparat, ohne das Respirationsgefäss mit Kartoffeln zu beschicken, in Gang setzte. Diese mehr- fach wiederholten Experimente ergaben im Durchschnitt von 8 Versuchen, während 1 bis IV2 stäutl'g'er Versuchs- dauer, 0,92 mg Kohlensäure. Es war demnach die Leistungsfähigkeit des Apparates als eine sehr gute zu bezeichnen. Die Athmungsgrösse der ruhenden weissen und rothen Kartoffeln wurde Ende Januar ermittelt. In An- wendung kamen stets 10 Stück bei 20 •> C. Weisse Kartoffelu. fJewicht Kohlensäureabgabe Zeitdauer Absorbirte der des Kohlensäure pro stunde im Mittel Knollen Versuches und luüg in s mg mg mg Gll 1 Stunde 10,--' 1,66 611 2 , 20,0 1,63 591 1 , 10,8 1,82 1,70 591 9 21,0 1,77 572 1 9,6 1,6G 572 •2 „ 19,3 1,68 Rotlie Kartoffeln. Gewicht der Knollen 612 612 637 637 640 640 Zeitdauer des Versuches Absorbirte Kohlensäure mg 1 Stunde 2 1 „ 2 „ 1 , 2 „ Die Athmungsgrösse stimmte ich Ende Mai 7,5 15,3 8,0 16,2 8,1 16,3 der resp. Kohlensäureabgahe pro Stunde und 100 g in mg im Mittel mg 1.22 1,25 1,24 1,27 1,26 1,27 1,26 ;-ekeimten Kartoffeln be- Anfaugs Juni. In Au- Nr. 33. Naturwisseuschaftliche Wochenschrift. 395 wenduuf;- k;iiiicn hier ebciit'alls 10 Stück Kartoft'eln, wch'lic lici 2(1" C, unter Absciiluss dos Lichts auf ihre Kiihleiisäureprodiiktion .^icpriitt wurden. Die lM-i;('bnissc dieser Unter.suchuuf^en, welciie weiter unten näher hcsjjrdchcn werden sollen, sind in ibigcnder Tabelle zusannn engestellt : Weisse Karloffeln. Kfiimm;;s- bciiin^uii^oii Lii-htk.-utdll'rln in fouclitcr Luft gekeimt Lichtlvartoti'oln in troi'kncr Luft fieki'init l)uiikt, 13,4 550 1 . 1 „ 9 1 13,2 13,0 2(;,o 9.0 CA!, 1 9,:; o 18.0 404 1 „ 1 „ 1 7,1.'. 7,20 2 14,4 Kcihleusiiureabgabe pro Stunde !, .,,,, ■ und lou g in ' "" """'^' 2,43 2,41 2,44 2,41 2,43 2,40 2,36 2,36 1,39 1,44 1,39 1,77 1,78 1,78 1,78 2,42 2,30 1,41 1,78 Rotlie Kartoffeln. Gewicht der Knollen g Zeitdauer des Versuches Absorbirte CO-j mg Kohlensüureabgabe Keimungs- bedingungen pro Stunde und liiug in mg im Mittel mg Liclitkarloffi'hi in tnickuer Luft ^'ekeimt Dunkelkar- toffeln in trockner Luft gekeimt 520 522 . 1 Stunde 1 . 1 . 9 ^ n 1 1 n 1 „ 2 13,8 13,6 13,65 27,10 11,7 11.6 11,6 23,25 2,65 2,61 2,62 2,60 2,24 2,22 2,22 2,22 2,62 2,23 3. Der Eiiifluss der Beleiichtuiigsverliältni.sse auf die Zuckerbilduiig in keimenden Kartoffelknollen. lieber die Anwesenheit von Zucker in den Kai-toßcl- knollen sind die Angaben in der Literatur sehr ver- schieden. Kerchtold*) giebt an, dass nur die besten Sorten im reifen Zustande Zucker enthielten, dass dieser dagegen anderen Horten gänzlich fehle. Schacht**) fand in Kar- totfelknollen, namentlich in den Zellen, welche dem Korkgcwebe anliegen, häufig Zucker, v. Rappard***) konnte in reifen Knollen gar keinen Zucker nachweisen. Nach den mikroskopischen Befunden von de Vriesf) enthalten el)cnfalls reife Knollen keinen Zucker; dagegen ist solcher beim Nachreifen und besonders bei der Keimung der Untersuchungsobjectc fast stets nachzu- weisen. Müllcr-Thurgau-|-tj stellte durch seine wichtigen Un- tersuchungen fest, dass der Zuckergehalt ruhender Kar- te ßelknollen in hohem Grade abhängig ist von den *) Berchtold, ilio Kartoffeln 1842. S. 3. **) Schacht, Bericht über die Kartoft'elpHanze, 1854, S. 3. ***) V. Kanpard, Annalen d. Landwirthscli., 1867, Ud. .'.0, S. 306. t) de Vrie.s Landw. Jahrbücher 1878, Bd. 7, S. 227. tt) Müller-Thurgau, Laudw. Jahrbücher, Bd. 11, S. 227. Temperatarverhältnissen, welchen dieselben ausgesetzt sind. I5ringt man z. ]^. zuckerfreie ruhende Knollen in eine Temperatur von etwas über 0" C, so häuft sich in denselben in kurzer Zeit viel Zucker an (Süsswerden der Kartotfeln), weil unter solchen Umständen der Verbrauch des in den Ivnollen sich fortwährend bildenden Zuckers für die Zwecke der Athmung etc. ein sehr geringfügiger ist. Werden die süssgcwordenen Kartoffeln höheren Temperaturen ausgesetzt, so verschwindet der Zucker wieder mehr unil mehr in Folge bedeutend gesteigerter Athnning. Nicht ohne bedeutsamen Einfluss auf den Zucker- gehalt der Knollen sind auch die Bedingungen, unter denen die Keimung erfolgt. So constatirtc Detmer*), dass ursj)rünglich zuckerhaltige I'Cnollen, die in trockener Luft im diffusen Liclit keimten, nach längerer Zeit gar keinen Zucker oder nur Spüren davon enthielten, während bei der Keimung im Dunkeln viel Zucker gebildet wurde. Ueber die Natur des in Kartoffelknollen unter be- stimmten Umständen entstehenden Zuckers hat Müller- Thurgau**) Untersuchungen angestellt. Er fand, dass sich Rohrzucker und daneben eine auf Kupferlösung re- duzirend einwirkende Zuckerart bildet, von der aller- dings nicht festgestellt ist, ob sie Traubenzucker oder Maltose war. Bei meinen Untersuchungen habe ich nur auf die letzterwähnte Zuckerart Rücksicht genommen, da der Rohrzucker nicht unmittelbar als solcher in die Stoff- wechselvorgänge cingi-cift, sondern wohl immer erst eine Umwandlung in reducircnd wirkenden Zucker erfährt. Die Zuckerbestimniungen selbst führte ich in der Weise aus, dass zwei oder drei Stück der ruhenden oder ge- keimten Knollen in einer Reibschale fein zerrieben wurden, um dann je 30 g des Breies zur Untersuchung zu benutzen. Diese Menge gelangte im Becherglase mit nicht zu wenig Wasser in Berührung. Nach Verlauf einer Stunde wurde die Mischung auf ein Filter gebracht und die Flüssigkeit mittels der Saugpumpe vom Rück- stande getrennt, dieser letztere gut ausgewaschen und die Lösung event. nach abermaligem Filtriren auf 180 oder 200 ccm aufgefüllt. In der einen Hälfte der Flüssigkeit bestimmte ich den Zucker direct mit Fehling'scher Lösung in be- kannter Weise. Die andere Hälfte wurde mit Bleiessig versetzt, der Niederschlag aljfiltrirt und erst das Filtrat auf Zucker geprüft. Die in nachstehender Tabelle an- gegebenen Werthe beziehen sich sonach stets auf 15 gr frische Substanz. Zuckergehalt ruhender Kartoffelknollen. a) Weisse Kartoffeln. Zelt der Untersuchung Art der Ausführung Gefundenes Kupferoxyd s Traubenzucker 8 Mitte Januar Ende Januar Mit Bleiessig Ohne BlcicBsig 0,130 0.1 IS 0,117 0.108 0.110 0.128 0,119 0,120 0,109 0,109 0,0589 0,0530 0,0533 0,0489 0,0498 0,0580 0,0540 0,0544 0,0499 0,0494 *) Detmer, Pflanzenphysiologische Untersuchungen über Fermentbildung und fermentative Processe, Jena 1884, S. 37. **) Müller-Thurgau, Landw. Jahrbücher, Bd. 11, S. 227. 396 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 33. li) Rothe Kartoffeln. Zeit der Untersiicluing Anfang Februar Art der Ausführung Mit I Bleiessig ( 01inc_ I Bleiessig | Gefundenes Kupferoxyd S 0,038 0,041 0,045 0,047 Traubenzucker 0,0172 0,0185 0,0204 0,0213 Zuckergehalt g-ekeimtcr Kartoffelkuollen. Zeit der Unter- suchung K.artoffeIsorte und Keiniungshcdingungeii Art der Ausführung Gefunde- nes Kupfer- oxyd g Trauben- Zucker g Ende Älai Weisse Liclit- kartofl'eln in feuchter Luft Weisse Dunkel- kartofteln in feucliter Luft Weisse Liclit- kartoffeln iu froekner Luft Weisse Dunkel- kartoft'eln in trockne r Luft Mit Bleiessig Ohne Bleiessig Mit Blciessig (Ihne Bleiessig Mit Bleiessig Ohne Bleiessig Mit Bleiessig Ohne Bleiessig 0,264 0,256 0,240 0,240 0,121 0,1136 0,132 0,109 0,00109 0,00108 0,00109 0,0012 0,0975 0,1197 0,1167 0,1087 0,1087 0,0548 0,0510 0,0508 0,0494 0,0005 0,0004 0,0005 0,0414 0,0442 An- fangs Juni Rothe Licht- kartoffeln in trockner Luft Rothe Üunkel- kartoffeln in trockner Luft Mit Bleiessig Ohne Bleiessig Mit Bleiessig Ohne Bleiessig 0,01.55 0,0143 0,0855 0,08GG 0,0072 0,0064 0,0387 0,0392 4. Der Eiiifliiss der Beleuchtuiinsverhältnisse auf die Diastasebildnug in keimendou Kartoffelknollen. Ucbcr (las Vorkommen der Diastase in keimenden Kartoffciknoiien existiren in der Literatur nur wenige Angaben. Payon und Persof*) konnten in ruhenden Knollen kein Ferment nachweisen, woid fanden sie aber in gekeimten Kartofleln wenig Diastase. Zu densell)en Resultaten gelangten auch Müller - Thurgau**) und Detmer***). Wegen des ungleich grossen Zuckergehaltes der im Licht und im Dunkeln gekeimten Knollen schien es ge- boten, Beobachtungen über den Diastasegehalt derselben anzustellen. Ich untersuchte die Knollen Ende Mai und zwar nur weisse Kartoffeln, die in trockener sowie in feuchter Luft bei Lichtzutritt und im Dunkeln gekeimt hatten. Die Prüfung wurde in folgender Weise vorgenommen: Der Saft von 3 oder 4 Stück Kartoffeln ward mehr- mals filtrirt, bis durch alkoholische Jodiösung Stäi-kc nicht mehr nachzuweisen war. Von diesem Saft gelangten je 5 ecm in einem hohen Glasrohr mit 10 ccm Wasser und 10 ccm Vs pi'ocentigem Stärkekleistcr iu Berührung, worauf die Gcfässe mit Wattepfropfen verschlossen ins Dunkle gestellt wurden. In Zwischem-äumen von je zwei Stunden ward ge- *) Peyen und Pcrsof, Ann. de Cliim. et de Phys., t. 53, p. 87. **) MüUer-Thurgau, Landw. Jahrbüelier, Bd. 11, S. 814. ***) Detmer, Pflanzenphysiologisclie Untersuchungen über Fer- mentbildung und fernientative Processe, Jena 1884, S. 42. prüft, ob eine Stärkeumbildung durch Diastase eingetreten war; nach Verlauf von 6 Stunden ergaben sich folgende Resultate : Der Saft der meisten Kartoffeln, welche in trockner Luft bei Liehtzutritt oder im Dunkeln gekeimt und ebenso derjenige Saft der meisten Knollen, die in feuchter Luft im Dunkeln verweilt hatten, zeigte, wie die Jodreaction ergab, nur eine geringe Wirkung auf den Stäi-kekleister. Dagegen vermochte der Saft aus den weissen Knollen, die in feuchter Luft bei Lichtzutritt gekeimt waren, un- verkennbar energischer auf den Stärkekleister einzuwirken. Dieser Saft enthielt entschieden mehr Diastase als der- jenige der übrigen Knollen, eine Thatsache, die be- sonders deshalb interessant ist, weil gerade diese Knollen sich relativ zuckerreich erwiesen. Eine Ursache der stark diastatisehen Wirkung dieses Saftes kaini nicht ein höherer Säuregehalt gewesen sein, denn wie die vor- genommene Prüfung ergab, war eine merkliehe Difl'erenz der Accidität der Säfte nicht festzustellen. Ein Unterschied im Diastasegehalt der übrigen Unter- suchungsobjecte war nicht zu constatiren. 5. Der Einfluss der Kelenclitungsverliältnisse anf den Eiweifssumsatz in keimenden Kartoffelknollen. Ueber den Eiweissumsatz in keimenden KartofFel- knollen ist bis jetzt nur wenig bekannt, v. Rappard*) stellte die wichtige Thatsache fest, dass der Gehalt an Gesammtstickstoft' während der Keimung keine Ver- änderung erfälirt- Das Veriialten der Eiweissstoft'e wurde von ihm nicht studirt. de Vries**) nimmt an, dass während der Keimung ein Theil des Eiweisses in Solaidn umgesetzt wird und dass dieses sich in zunehmender Menge in den Keimsprossen anhäuft. Ich führte meine Experimente in der Weise aus, dass je 2 Kartoft'eln im Mörser fein zerrieben und inmier je 10 gr einmal auf Gesamnitstickstoff und ferner auf Stick- stoff der Eiweisskörper nach der in No. 18, S. 223 d. Bl. angegebeneu Methoden untei'sucht wui'den. Stickstoffgehalt von je 10g weissen Kartoffeln, untersucht Entle Mai. Kehnungsbcdingungen Punkelkartoffeln in trockner Luft gekeimt Liclitkartoffeln in trockner Luft gekeimt Dunkelkartoffehi in feuchter Luft gekidnit Liclitkartoffeln in feuchter Luft gekeimt Gesammt- stickstoff g Stickstoff der Eiweissstoffe g 0,046264 0,04.i859 0,045859 0,032232 (1,03140t 0,032232 0,032001 0,032001 0,019858 0,020122 0,020122 0,026919 0,026919 0,015007 0,01581)1 0,026910 0,026919 0,016293 0,016062 G. Zusaninienstellniig der Resultate. Die in Vorstehendem über den Trockensubstanzgehalt der Kartotfein, über ihre Athmungsgrösse, iiiren Zuckei'- gchalt, ihren Gehalt an Gesannnt- und Eiwcissstickstoflf angegebenen Werthc führen zu folgender Zusannnen- stellung. Substanz berechnet: In derselben sind alle Zahlen auf 100 gr Trocken- ') V. Rappard, Annalen der preuss. Landwirthschaft, Bd. 50, 1867, S. 301. •*) de Vries, Landw. Jahrbücher Bd. 7, 1878, S. 241. Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 397 Ath- Keinuings- Trocken- mungs- Zuekcr- Gesanimt- Eiwciss- substanz grösse gclnilt slickstoff stickstoff bediiiK'ii'P'^" C(V, K mg g g g 1. Wi'is.MO Diinkcl- kaitoft"'!)!« in 4ti,55 4,37 0,7281 1,1423 0,7958 4O,.0O 4.40 0,682 1,1322 0.7754 trcii'kncr Luft jjekeimt [ 4,40 1,1322 0,7958 2. Wi'isso Lii-lit- •JT.tiÜ S,80 0,0120 1,569 0,7274 kaitoffi'ln in ■Jr.CC 8,67 O.OO'.h; 1.569 0,7374 trockner Lutt pt'keinit — ,s,54 0,0120 — 0,7143 — 8,54 — — — ;i. Weisse Dunkel- ( kiiitoffeln in 23,19 6,21 1,5792 1,1.599 0,6425 23,22 6,01 1,7261 1,1. i99 0,6823 tVui-lUor Lutt — 6,01 1,4700 — — gekeimt — — 1,4236 — — 4. Wei.sse Liclit- 23,24 10,41 2,9147 1.1579 0.7017 kartoti'eln in 23,28 10,35 ;!,0051 1,1579 0,6911 feuchter Luft — liUil 3,2068 — — gekeimt — 10,35 3,2067 — — ö. Kotho Dunkel- 32,0ti 6,98 0,8045 — — kartoffeln in 32,10 6,92 0,8147 — ~ troekner Luft — 6,93 — — — gekeimt — 6,92 — — — 6. Rothe Liclit- 30,25 8,76 0,1585 — — kartoffeln in 30,34 8,63 0,1409 — — troekner Luft gekeimt — 8,64 — — — — 8,60 — — — 7. Schlus.sfoli^einngeii. Wenn wir es versuchen, das vorliegende Zahlen- material zu vorwerthen, um ein näheres Verständniss der Stotfwechselprocesse zu gewinnen, die sich unter ver- schiedenen Üm.stäiulen in den keimenden Kartoffeln ab- spielen, so muss uns zuniichst auffallen, dass die Be- leuchtungsverhältnisse scheinbar keinen wesentlichen Einfluss auf den Eivvcissumsatz in den Knollen auszuüben vermögen, denn die Dunkel- und Liciitknolicn enthielten bei Abschluss der Versuche nahezu die gleichen Mengen EiweissstickstoflF. Vergleichen wir aber die Athmungsgrösse der Unter- suchungsobjeete, so ergiebt sich erst der wahre Sach- verhalt. Hier lässt sieh die interessante Thatsache beob- achten, dass die weissen, sowie die rothen Kartoffeln, welche in trockner und in feuchter Luft verweilt hatten, nachträglich im Dunkeln erheblich mehr Kohlensäure aus- gaben, wenn sie während der mehrere Monate dauernden Keimuns dem Licht ausgesetzt Es .5 utiu i_jnut aui3gci3^;i,/.i gcwescu warcu. müssen also durch das Licht Bedingungen in den Knollen inducirt worden sein, die eine gesteigerte Athmung der Untersuchungsobjecte herbeiführten. Wir stehen auf dem »Standpunkte, nach welchem jeder Athmung eiu Eiweisszerfall vorausgeht. Die stickstoff- freien Zersetzungsproducte der Eiweissmoleküle liefern erst das Material für die Athmung, und wenn die Be- leuchtung die nachträglich constatirte Athmung steigerte, so kann diese Erscheinung ihren Grund nur in einer durch das Licht inducirteu, bescideunigten Dissociiition der lebendigen Eiweissmoleküle haben.*) •) Der Einwand, dass die Lichtknollen, wclchi> in trockner Luft gekeimt hatten, deshalb viel energischer als die entsi)rochend(>n Dunkelkartofi'el athmeten, weil sie wasserreiolier waren als diese letzteren, wird hinfiillig, da diese Steigerung der Atlimuug auch in mehreren Fallen bei solchen Lichtknollen zu beobachten war, die nahezu gleichviel Feuchtigkeit enthielten, wie die correspon- dircnden DunkelkartofFelu. (Vergleiclie die T.abello unter 3, 4, 5 Es handelt sich also darum, ein näheres Verständniss für die oben angegebene Thatsache zu gewinnen, dass trotzdem der Gelialt der unter verschiedenen Umständen cultivirtcn KartdflFclknoUen an EiweissstickstoH' der nämliche ist. Fassen wir zunächst die weissen und rothen Knollen ins Auge, welche in trockner Luft gekeimt haben. Die Dunkelknollen enthalten stets weit mehr Zucker als die Lichtknollen, eine Thatsache, die nicht auf einen ver- schiedenen Diastasegehalt der Untersuchungsobjecte zurückgeführt werden darf, da der Gehalt der Knollen an Ferment keine wesentlichen Dilferenzen aufwies. Dagegen gelangen wir zu einem Verständniss sämmt- licher Erscheinungen, wenn wir von der Anschauung aus- gehen, dass die Lichtknollen deshalb zuckerarm waren, weil die Glucose in besonders grosser Menge zur Re- generation zerfallender Eiweissmoleküle verwandt worden ist. Man hat sich vorzustellen, dass der Zerfall der Eiweissstoife im Licht viel lebhafter vor sich geht als im Dunkeln. Ist Zucker vorhanden, so tritt wenigstens eine theilweisc Regeneration der lebendigen Eiweissmoleküle ein, sodass auch bei dem durch das Licht herbeigeführten beschleunigten Zerfall der Eiweissstoflfe in den Liclit- knollen die Quantität der regenerirten Körper ebensogross sein kann, wie diejenige in den Dunkelkuollen. Die Zuckermenge in den Lichtknollen muss dabei aber natürlich herabgemindert werden. Was die in feuchter Luft cultivirten Kartoffelknollen anbelangt (vergl. Tabelle unter 3 und 4), so hat das Licht auch bei ihnen den Eiweisszerfall und die Athmung gesteigert. Dass hier aber die Lichtknolleu mehr Zucker enthalten als die Dunkelknollen, ist Folge des höheren Diastasegehaltes der ersteren. Der Fermentreichthum führte zu einer bedeutenden Zuckerbildung aus der Stärke, und dieser Zucker reichte nicht nur aus, um die Re- generation einer grösseren Quantität zerfallender Eiweiss- moleküle zu bewerkstelligen, sondern er häufte sich sogar noch in den Knollen in erheblicher Menge an. Aber nicht nur allein die Athmung der Pflanzen, sondern auch das Wachsthum steht in einem Zusammen- hange mit den Processen des Zerfalls der lebendigen Eiweissmoleküle. Ein Theil derjenigen stickstofffreien Verbindungen, die sich bei der Dissociation bilden, wird nicht verathmet, sondern findet für den Process des Wachsthums Verwendung. Wir haben gesehen, dass die Triebe der Lichtknollen stets ein geringfügigeres Wachsthum als diejenigen der Dunkelknollen erkennen lassen, und somit müssen wir schliessen, dass das Licht nicht nur einen Einfluss auf den Zerfall der Eiweissmoleküle, sondern zugleich auch auf das fernere Verhalten der aus denselben hervor- gehenden stickstofffreien Dissociationsproducte ausübt. Das Licht beeinflusst den Stoff'wechsel in den Kartoflfel- knollen etwa in der gleichen Weise wie eine Temperatur, die höher liegt als das Temperaturoptimum für den Wachthumsprocess; jenseits dieses Optimums nimmt die Wachsthumsgcschwindigkeit ab, die Athmungsenergie steigt aber noch. Ebenso erhöht das Licht die Kohlen- säureproduktion keimender Kartoflfelknollen, beeinträchtigt aber das Wachsthum ihrer Triebe. und 6.) Auf keinen Fall ist ferner die starke Athmung der Licht- knolleu in alleinigen Zusammenhang mit ihrem Zuckergehalt zu bringen, denn derselbe war z. B. bei den stark athmenden Licht- knollen (vergl. Tabelle unter 2) ganz minimal, während die viel schwächer athuieuden DunkelkartofFeln (vergl. Tabelle unter 3) reichliche Zuckcrmengen enthielten. 398 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. Nr. 33. Die zoologische Sammlung des Königlichen Museums für Naturkunde zu Berlin. Die Vogel - Schausanimlung. [Fortsetzung.] Die deutsche Vogelfauna. In der Vogelscliausaninilung sind zwei Abtheilungen zu untcrsclioidcu, der ersten geliören die deutschen Vögel an, die zweite wird gebildet durch Exoten und enthält neben diesen allerlei anatomische Präparate. Wir beginnen unsere Betrachtung mit den deutschen Vögeln. Aus praktischen Rücksichten sowie faunistischen Gründen sind unter dieselben auch solche Arten auf- genommen, welche innerhalb der politischen Grenzen des deutschen Reiches zwar nicht vorkommen, wohl aber in den angrenzenden deutsehen Sprachgebieten und in den von diesen eingeschlossenen Ländern ständig oder zu- fällig beobachtet worden sind. Dem entsprechend enthält diese Abtheilung ausser den Vögeln des eigentlichen Deutschland solche aus Luxemburg, der deutschen Schweiz, Salzburg, dem nördlichen Tirol, Ober- und Nieder- Oesterreich. Kärnten, Steiermark und Böhmen. Die Aufstellung beginnt mit der Ordnung: Oscines, Singvögel, deren Reigen wiederum die Familie der Sylviidae, Sänger, eröffnet und an deren Spitze die Gattung Erithacus, Roth- scbwanz, steht. Ais die „Königin der Sänger" bemerkt der Besucher gleich im ersten Glaskasten die Nachtigall, Erithacus luscinia, welche als Sommervogel gern in dichtem Gebüsch in der Nähe der Gewässer nicht hoch über der Erde (Erdsänger) nistet, im nordöstlichen Deutschland aber fehlt und sieh meist von weichen Insectenlarven nährt, gegen den Herbst aber auch saftige Beeren als Nahrung anninnnt. P^rfreuliclierweise hat sie sich vielfach als Bewohner von Anlagen u. s. w. niedergelassen, muss aber ungestört sein, wenn sie bleiben soll. Einen stärkeren und schmetternderen Gesang als unsere Philo- mele hat der Sprosser, E. riiilomela, der in den südöstlichen Ländern Mitteleuropas beheimathet ist und deshalb auch „ungarische Nachtigall" genannt wird. In der Färbung ist er der vorigen Art recht ähnlieh, nur etwas dunkler, dabei auch etwas grösser. In Preussen, östlich von der Weichsel und längs der Ostseeküste bis Mecklenburg, ist die Aunachtigall Sommervogel. Hierher gehört ferner das Blaukehlehen, E. evaneculus, das im März und April und im August und September auf seinem Zuge aus dem Norden Deutschland berührt, nicht gerade häufig ist und au ähnlichen Localitäten wie die Nachtigall nistet. Der die blaue Brust zierende weisse Fleck schwindet bei vorgeschrittenem Alter. Auf seinem Durchzuge aus den sumpfigen Districten Nordrusslands und aus dem nörd- lichen Skandinavien konunt auch das rothsternige Blau- kehlclien, E. suecicus, nach Deutschland. Den Blaukehl- chen nahe verwandt sind die Rothkehlcben, E. rubeculus, vvelche bei uns als Sommervögel recht häufig sind, auch einzeln überwintern und im Herbst an ihren Aufenthalts- orten (Waldrändern) in Si)renkeln gefangen werden. Ein allgemein bekannter Vogel ist auch das" hierher gehörige Rothschwäuzchen, welches in zwei Formen, als Garten- rotlLSchwanz, E. phoenieurus, und Hausrothschwanz, E. titis bei uns vorkommt. Beide sind durch die ver- schiedenfarbige Brust leicht von einander zu halten, während bei titis die Brust blauschwarz aussieht, ist sie beim Gartcnrotliscliwanz rostroth gefärbt. Bei dem Haus- rothschwänzchen, das l)esonders in Gebirgsgegenden lebt, ist eine Einwanderung, oder besser Weiterwanderung von Süd nach Nord constatirt worden, und zwar im Gefolge der künstlichen Felsen, der Steingebäude. So tritt es in den Ebenen und Dörfern Westfalens erst seit neuerer Zeit auf, seitdem nämlich bei der steigenden Kultur in dem Flachlaudc höhere und mit Ziegeln gedeckte Häuser entstanden sind. Und da, wo der Vogel einmal festen Fuss gefasst hat, wird er immer häufiger, freilich auch auf Kosten seines nächsten Verwandten, des Garten- rothsehwänzchens. Ob eine dritte Form, E. cairii, der Gebirgsrothschwanz, der in den Hochalpen und in den Karpatlien nistet, auch in unseren Gebirgen brütet, bedarf noch der Aufklärung. Neljcn der Gattung Erithacus hat die Gattung Pratincola, Wiesenschmätzer, Aufstellung gefunden und ist in dem schwarz- und braunkehligen Wiesenschmätzer, P. rubicola und rubetra vertreten. Die erste Art tritt östlich der Elbe nur selten auf und liebt namentlich Hecken, feuchte Wiesen und Flussufer. Das Braunkehlchen ist als ein fast gemeiner Zugvogel an- zusehen, der allerdings im Westen seltener ist. Im Gegensatz zu den Wiesenschmätzern liebt die Gattung der Steinschmätzer, .Saxicola, dürre, sandige und steinigte Gegenden. Als für Deutschland beheimathet ist S. oenanthe, der Steinschmätzer oder das Weisskehlehen anzusehen. In der ersten Hälfte des April und September wird es als häufiger Zugvogel angetroffen, der Ende April bis Mitte Juni brütet. S. stapazina ist eine südeuropäische Form, die nur einmal in Salzburg erlegt wurde. Einen allerliebsten Vertreter hat die folgende Gattung, Cinclus, in dem Wasscrschmätzer, dem Wasserstaar oder der Wasseramsel, C. merula, aufzuweisen. Dieses liebliche Vögelchen lebt an klaren Gebirgswässern, wo es sieh watend und tauchend von kleinen Wasserthieren nährt. Da man es auch fischend gefunden hat, ist es in die Aechtungsliste des Vogelvertilguugsgesetzes aufgenommen und geht langsam seinem Untergang entgegen, bisher eine herrliche Staffage unserer Gebirgswinterlandschaften! Als ein Wiutcrgast aus Skandinavien und Nordrussland ist C. septentrionalis, schwarzbauchiger Wasserstaar, an- zusehen. Nur vereinzelt ist C. albicollis, der südliche Wasscrschmätzer, bei uns beobachtet worden. Den Uebergang zu dem stärkeren Geschlecht der Drosseln bildet die Gattung Monticola, Steindrossel, die in dem allerdings seltenen Steinrötel, M. saxatilis, in Deutschland vertreten ist und am Rhein und im Harze brütet. Die Blaudrossel, M. eyanus, ist mehr in Südeuropa heimisch. Recht stattlieh ist vertreten die Gattung Turdus, Drosseln. Sie ist allerdings eine recht grosse, die in mehr als 100 Arten über die ganze Erde verbreitet ist. Die Zahl der in Deutschland heimischen Arten ist dagegen eine nur kleine, doch kommen auf Zug und Strich nicht selten fremde Arten zu uns, als solche sind zu verzeichnen und aufgestellt T. naumanni, Rothsehwanzdrossel aus Nord- und Mittelasien, T. dubius., Rostflügcldrossel aus Nord- asien, T. ruficollis, Rothhalsdrossel, ebendaher; T. obscurus, die blasse Drossel, gleichfalls dort lieheimathet; T. varius, ein Durchzugsvogel aus dem östlichen und T. atrigularis, ein solcher "aus dem westlichen Asien. Im östlichen Deutschland wird aucli die der norwegischen Ornis an- gehörige Ringamsel, T. torquatus, gerade nicht selten beobachtet und im Taunus ist die Alpenamsel, Turdus alpestris, gefunden worden, wie sie auch als Sommervogel im Riesengebirge auftritt. Obwohl durchweg wegen Insecteuvertilgung nützliche und wegen des Gesangs an- genehme Vögel, werden die Drosseln ihres wohl- schmeckenden und hochgeschätzten Fleisches halber be- dauerlicher Weise all.jährlich in grossen Massen im Spät- Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 399 herbst im sogenannten Dohnenstieg in Schlingen gefangen und vcrsjicist. In der Zeit vom 1. März bis 15. .Sei)tcniber sind die Vcigel durtdi das Vogelsciiut/gcsetz geschützt; ausser dieser Zeit ist ihr Fang oder ihre Erlegung ge- stattet, der Massenfang im Dohnensticg jedoch, der so- genannte Kranimcts\ ügelfang, nur in der Zeit vom 21. September l)is 31. Dccember. Die Musterkarte der Krannnetsvögel ist nach den verschiedenen (icgenden versrhieden, so bestellt sie im Hannoverschen zur Hälfte aus Singdrosseln, zu i'inem Drittel aus Wcindrosscln, im übrigen Theile aus Schwarzdrosseln, Ring-, Mistel- und Wachlndderdrossclu. Nach l'etermanns Bericht besteht ein Krammetsvogelfang zu 80% aus Singdrosseln, 10 — 157o AN'eindrosscln, ca. 3% Schwarzdrosseln, der Rest aus Sehilddrosseln mit vereinzelten Waehholderdrosseln. Aus beiden Fällen geht hervor, dass nicht der eigentliche Krannnetsvögel, die Wachholderdrossel, T. pilaris, als Krannnetsvögel verspeist wird, sondern der angenehme Sänger, Turdus musicus, die Singdrossel, auch Zippe, welche zugleich als ein Meister im Nestbau genannt werden kann. Bei T. merula, der Amsel oder Schwarz- drossel, macht sich übrigens neuerdings eine Spaltung in „Stadt- und Waldauisel" bemerkbar. Während die Amsel ursprünglich eine Bewohnerin der Wälder mit dichtem Unterholz war und als misstrauischer, scheuer, einsamer und schüehterner Vogel geschildert wurde, hat man seit Jahrzehnten beobachtet, dass sie sich, wahrscheinlich in Folge der Abnahme der Beeren in unseren Wäldern, immer mehr in den Anlagen der Umgebung der Städte ansiedelt und auf Grund des beständigen Umgangs mit den Mensehen so zutraulich geworden ist, dass sie sich sogar füttern lässt. Aus der Unterfaniilie Sylviinae, Grasmücken, folgt zuerst die Gattung Regulus, Goldhähnchen, welche 7 be- kannte Arten zählt, von denen zwei, R. eristatus, gelb- köpfiges Goldhähnchen und R. ignicapillus, feuerköpfiges Goldhähnchen in Deutschland vorkommen. Beide leben in Nadelholzungen, jenes in Kieferubeständen, dieses in Fichtenwäldern, wo sie sich von Insecten aller Art nähren, und welche sie winters verlassen, um ihren Nah- rung in den Gärten und Anlagen, namentlich in Obst- plantagen, nachzugehen. Die nächste Gattung der Laub- sänger, Phylloscopus, ist vertreten durch den Gold- hähnchen-Laubsänger, Ph. superciliosus, der aus Mittel- asien stammend bei Berlin gefangen wurde und auch schon bei Wien erlegt worden ist, den Weidenlaubsänger, Ph. rufus, der vom März bis October in unregelmässig bewaldeten Gegenden häufig auftritt und dem Forstmanne durch Vertilgung schädlicher Spinner- und Spanneraugen nützt, den Berg-, Fitis- und Waldlaubsänger. Den Laub- sängern zur Seite stehen die Gartensänger. Ihr Haupt- vertreter ist Hypolais philomela, die gelbe Grasmücke, auch Bastardnachtigall und Spötter genannt. Dieser Sommervogel ist in Deutschland von "Ende April oder Anfang Mai bis Ende August gemein und hält sich in Lanbwaldungcn und Gärten auf und liebt namentlich solche an tliessenden Gewässern. Es folgt die Gattung Loeustella, Heuschreckensänger, weil ihre Stimme an die der Heuschrecken und Grillen erinnert. Sie ist vertreten durch L. luscinioides, den iu Deutschland sehr seltenen Nachtigall - Rohrsänger, durch den Fluss - Rohrsänger, L. tluviatilis, der als seltener Sonnnervogel in den Pro- vinzen Prcussen, Posen und Schlesien brütend beobachtet wurde und den sehr versteckt, fast ganz auf dem Boden lebenden Heuschreckensänger L. naevia. Die Gattung der Rohrsänger, Acrocephalus, ist vertreten durch den Bienenrohrsäuger, A. aquaticus, den Scbilfrohrsänger, A. schoenobaenus, den Sumpfrohrsänger, A. palustris, den Teichrohrsäuger, A. streperus, und die Rohrdrossel oder den Rohrsperling, A. arundinaceus. Alle sind In- sectenfresser, die in den Rohr- und Schilfwaldungen (Phragmites communis) stiller Gewässer nisten. Von (len 15 Arten der Gattung Sylvia, Grasmücken, kommen (5 in Deutschland vor, die vielfach auch als Stubenvögel ge- funden werden. Als häufigste Art gilt wohl S. hortensis, die Gartengrasnuicke, nach ihr S. rufa, die Dorngras- mücke. Beide sind Sominervögel, die vom A])ril bis October bei uns bleiben und sich von Insecten, Kirschen und Beeren jeder Art nähren. Da sie dieser vegeta- bilischen Nahrung sehr begierig nachgehen und im Süden den Weinbergen und Feigengärten unliebsame Besuche abstatten, ist ihr Nutzen als Insectenvcrtilgerinnen ein sehr beschränkter geworden. Bedeutend nützlicher als diese beiden Arten ist das Schwarzplättchen, S. atrica])illa, dessen schwarzes Köpfchen ihm den Namen Mönchsgras- mücke gegeben hat. Leider wird dies Vögelchcu von Vogelliebhabern und Händlern nur allzuviel weggefangen. Die übrigen Arten kommen mehr oder minder häufig in Deutschland vor und S. nisoria, die Sperbergrasniücke, wird geradezu nur selten im AVesten beobachtet. Die Gattung Accentor, Flüvogel, hat zwei Vertreter, A. mo- dularis und A. coUaris, die Hecken- und Algenbraunelle. Während Riesengebirge diese in als den Algäuer Alpen und auch im ist modularis in Brutvogel auftritt, ganz Deutschland nicht selten und bleibt in milden Wintern bei uns. Es folgt die Familie der Schlüpfer, Troglodytinae, welche 60 Arten zählt, die der Mehrzahl nach der neo- tropischen Zone angehören und bei uns nur einen Ver- treter hat, den sagenumwobenen Zaunkönig, T. parvulus. Dieser nach dem Goldhähnchen kleinste einheimische Vogel ist in ganz Deutschland gemein. Er hält sich namentlich in Waldungen, an Flüssen mit felsigen Ufern und in Steinbrüchen auf und baut nahe am Boden ein geschlossenes, nur mit einem Flugloche versehenes, ei- förmiges Nest. Recht zahlreich vertreten ist die Familie der Meisen, Paridae, welche bei uns vier Gattungen: Aegithalus, Panurus, Acredula und Parus aufweist. Zu letzterer ge- hören die bekannte Kohl- und Blaumeise, welche man überall als lebhafte, listige, nmthige und zanksüchtige Vögel beobachten kann, die sommers von Insecten, win- ters von Sämereien leben, überhaupt alles geniessbare annehmen und sich im Käfig sogar an ihre Mitgefangenen wagen und ihnen das Gehirn aushacken. Die Kohlmeise, als stärkste Form, schadet auch den 15ienenstöcken, in- dem sie im Winter durch Klopfen die Insassen zum Aus- fliegen bewegt uud sie dann wegfangt. Die Tanneu- und Sunipfmeise sind ebenfalls häufig und die Lasurmeise ist ein seltener Gast im östlichen Deutsehland, wo sie sich aus Nordosteiu'opa einstellt. Die mit einer Feder- holle geschmückte Haubenmeise ist ein häufiger Stand- vogel unserer Nadelholzwaldungen. Die Schwanzmeise, auch Pfannenstiel genannt, ist in deutschen Laubwaldungen Jahresvogel. Als recht selten für Deutschland gilt die Bartmeise, Panurus biarmicus. Rohrwälder an stillen Ge- wässern geben ihr Brutplätze und an dem leider jetzt trocken gelegten salzigen See bei Eisleben kam sie früher nicht ganz selten vor, verliess aber ihre Nistplätze, da sie sich mit der Nachbarschaft des Menschen nirgends abzufinden vermag. Als Baumeister dieser Familie ist noch zu erwähnen die Beutelmeise, Aegithalus pendulinus, die sich in Süddeutschland selten, in Norddeutschland noch seltener, gleich jener in Schilfwaldungen aufhält und ihr beutelförmiges Filznest am oberen Ende eines Rohr- stengels schwebend über dem Wasser befestigt. Dieser Familie ist nahe verwandt die der Baumläufer, Certhiidae, mit der Unterfamilie Sittina, Spechtmeise und der Gattung 400 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 33. Sitta, Kleiber, die ihren Namen dem Umstände verdankt, dass sie natürliche Baumlöcher, falls sie zu weit sind, mit thouiger Erde verkleben und so ein ihrem Körper angemessenes Flugloch herstellen. Der Blauspecht oder die .Spechtmeise, S. caesia, ist in unseren Eichenwäldern allgemein verbreitet, lebt von Inseeten und Baumsämereien, und wird im AVinter zu einem Strichvogel. In der Be- wegungsart ist mit dieser Gattung übereinstimmend die Gattung Certhia, Baumläufer. C. faniiliaris, ein Jahrcs- vogel, lebt einsam in Wäldern und klettert spechtartig an den Bäumen umher. Durch Insectenvertilgung ist er der Forstwirthschaft und auch dem Obstbau sehr nütz- lich. Als seltener Gast ist der Mauerläufer Tichodroma muraria anzusehen. Aus der Familie Alandidae, Lerchen, sind die Gattungen Otocorys, Ohrenlerche, Alanda, Feld- lerche und Galerita, Haubenlerche, zu notiren. Die Alpenlerche, eine Bewohnerin des nördlichen .Skandinavien und Russland, kommt hin und wieder an unseren Küsten vor. Die Feldlerchc ist eine getreue Begleiterin des Getreidebaues. In den Karpathen lebt sie nur. wo es besäete Aecker giebt, und im Tiiüringer Wald wird sie blos in der Nähe solcher Ortschaften gefunden, in deren Umgebung ausgedehnterer Ackerbau betrieben wird, wie z. B. bei Meuselbach und Katzhütte. Dem Ackerbau folgend ist auch die Haubenlerche westwärts vorgedrungen. Als .Standvogel am Fusse der mongolischen und chinesischen Alpen kannte der alte Bechstein (1794) diese Art in Thüringen, wo sie jetzt stellenweise ein häufiger Brut- vogel ist, nur als Wintergast. Mit ganz besonderer Vor- liebe folgt die Haubenlerche den grossen Chausseen, und in dieser Beziehung hat der erste Napoleon für die Aus- breitung der Haubenlerche nach Westen viel gethan, woran er vermuthlich nicht dachte, als er den Bau seiner grossen Heerstrassen decretirte. Zur Familie der Stelzen, Motacillidae, gehören die Gattungen Budytes und Mota- ciila, die gelbe Bachstelze, B. flavus, ist vom April bis .September in Deutschland nicht selten, bewohnt ebene und waldige Gegenden, meidet aber das eigentliche Ge- birge. Die nordische, südliche und Citronenstclze sind seltene Gäste. Die weisse und graue Bachstelze sind Lieblinge unseres Volkes. Die Gattung Anthus, Pieper, ist in 6 Arten vertreten, davon ist Anthus trivialis, der Baumpieper, am häufigsten und der Wasserpieper A. spipo- letta auf die deutschen Gebirge (besonders Riesengebirge und bayerische Alpen) beschränkt. Zur Familie der Finken, Fringillidae, gehören die Ammern, welche wiederum in zahlreichen Arten vertreten sind. Gleich den Drosseln werden sie ihres wohl- schmeckenden Fleisches wegen eifrig verfolgt und die Gartenammer, die im Herbst sehr fett ist, war von jeher als „Ortolan" eine Delicatesse. Jetzt ist eine auffallende Abnahme dieser Art zu verzeichnen. Unter demselben Namen verkauft der Wildhändler häufig die Grauammer, Emberiza calandra, die zuweilen ein Knittern hören lässt, ähnlich dem Geräusche der .Stricknadeln beim Strumpf- stricken, daher auch Strumpfweber genannt wird. Die Zippammer, wegen ihres Lockrufes so genannt, ist be- sonders im mittleren Rheiuthale beheiniathet. Als un- regelmässige Wintergäste sind die Sporn- und .Schnee- annner anzusehen. Eine weitere Unterfamilie der Finken sind die Gimpel, Pyrrhulinae. Hierher gehören der Fichten- und Kiefernkreuzschnabel, Loxia curvirostris und pityopsittacus. Bei unseren Waldleuten werden beide Formen gern gesehen und in Käfigen gehalten, da sie Krankheiten verhüten und vertreiben sollen. Der kreuz- weisgestellte .Schnabel dieser Vögel hat erst in Folge des Nahrungserwerbs diese Gestalt angenommen \nul der schon erwähnte Bechstein sagt über den Schnabel des Krinitz: „Bald sehlägt der Oberkiefer zur rechten Seite am unteren vorbei, bald zur Linken, je nachdem sie, noch weich, in der Jugend auf diese oder jene .Seite ge- wöhnt wurden." Als seltene Art in Deutschland ist der nordrussische Wcissbindenkreuzschnabel, L. bifasciata an- zusehen. Im bewaldeten Tlieile unseres Vaterlandes konnnt der Gimpel, Pyrrhula europaca, iiäufig vor, der durch seine prächtig scharlaclu-othc ( 6 ) oder bläulich- graue (9) Brust leicht kenntlich ist. Seltener, und nur in Ostpreussen als .Sonnnervogel vorkommend ist der Karmingimpel, Pinicola erytfrinuis, dessen 4 au .Scheitel, Kehle, Kropf und Bürzel karminroth gefärbt ist, welche Färbung beim Rosengimpel in helleres Rosenroth über- gegangen ist. Die Vertreter der Gattungen der Girlitze, .Stieglitze, Zeisige, Hänflinge und Grünlinge sind all- gemein bekannt und bedürfen keiner weiteren Worte. Nur vom Birkenzeisig möchte ich erwähnen, dass man ihn im Juli 1885 auf Hiddensee in einer grossen .Schaar in alten und jungen Exemplaren beobachtet und daher vermuthct, dass er dort gebrütet habe, während seine Heimath der hohe Norden ist. Der schöne Zitronenzeisig ist im Schwarzwald Jahresvogel und vom Stieglitz hat man oft eine weisskehlige Varietät (Carduelis albigularis) beobachtet. Von der Unterfamilie der echten Finken, Fringillinae, ist die Gattung der Edelfinken vertreten durch den allgemein bekannten Buchfink, der uns nur in den härtesten Wintern verlässt, den in Nordeuropa und Nordasien beheimatheten Bergfink, der als Wintervogel besonders häufig im Harze auftritt und den .Schneefink der mitteleuropäischen Alpen. Die Gattung der Kern- beisser, sogenannt wegen des Vermögens, hartschalige Sämereien verspeisen zu können, hat in dem Kirsehkern- beisser, Coecotbraustes vulgaris, einen Vertreter. An diese Gattung schliesst sieh die der .Sperlinge an. Die muthmaasslichc Geschichte der Verbreitung derselben im Abeudlande ist merkwürdig und lehrreich genug, als dass sie hier übergangen werden könnte. Der Sperling tritt in dem Gebiete seines Vorkommens in drei Loealrassen auf: als gemeiner Spatz, als italienischer .Sperling (Passer Italiens) und als Halsbandsperling (P. hispaniolensis). Der gemeine .Sperling ist indessen auch nicht immer und überall ganz gleich. Zunächst giebt es von ihm Varietäten, wie die albinotisehe oder weisse, von der man sprich- wörtlich als grosser .Seltenheit, als von der rara avis redet, die aber übrigens gar nicht so rar ist. Bechstein erwähnt ausser derselben noch verschiedene andere Farbenspielarten: eine semmelblonde, eine aschgraue, eine graublaue, eine scheckige und eine schwarze. Ausser diesen abnormen Farbenspielarten giebt es noch sonst Unterschiede unter den .Spatzen, die auf mancherlei zurückzuführen, vielleicht sogar local sind, und dies ver- anlasste Brehm, den Vater, sieben Arten vom Haussperling annehmen zu lassen. Der gemeine Haussperling (P. do- me.sticus) bewohne tursprünglieh jene Länder, welche auch ziemlich allgemein als die Heimath der Nutzgräser an- gesehen werden, nämlich Kurdistan, Mesopotamien und das nördliche Persien. Von hier aus hat er sieh nach Westen auf drei Routen verbreitet: zuerst vor uralter Zeit mit den alten Ackerbau treibenden Völkern, welche sich in Theilen von Kleinasien, Egypten und als Phö- nizier im nördlichen Afrika, den reichen Kornkammern der alten Römer, niederliesseu, und von hier nach Spanien und .Sizilien hinül)er gingen. Das ist die Heimath der Form, welche sich am frühesten von der Stammrasse ab- gezweigt und sich auch im Aeusscren und in der Lebens- weise am meisten von ihr entfernt hat, es ist die egyptisch-phönicisehe Form (P. hispaniolensis). Die zweite Form ist jüngeren Datums, gleicht auch mehr der .Stammrasse und wird vielfach als blosse Varietät des Haussperlings angesehen. Sie bewohnt Kleinasien, Nr. 83. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 401 Griechc'iihuul und Italien mit iliieii Inseln, zielit sich nördlicii lii.s in die 'l'hälcr am Südaliiianü; der Alpen — so ist sie z. H. in Südtvrol /.u finden, wäin-end der gemeine Hausspat/, nur in Nordtyrol zu Hause ist — und westlich bis in die Provenee. Gräkoitalisehe Eassc ist sie von W. Marschall bezeichnet worden; ihr wissenschaftlicher Name ist P. Italiac. Die dritte Form endlich, unser wahrer Ilaussperlinj;-, P. domcstieus, ist die Stammrasse, welche sich in verliältnissmässii;- neuer Zeit erst, vielleicht im Anschluss an die Bewegung- der Völkerwanderung, nach Westen und Norden ausgebreitet hat und sich bis auf den heutigen Tag ausbreitet. Noch fehlt der Vogel in gewissen Gegenden, in manchen Dörfern auf den grösseren Gebirgen und an den Gestaden des Meeres. Noch 1864 wurde er in den höher gelegenen Ortschaften des Schwarzwaldcs, auch des Thüringer Waldes und der Rhön vermisst, nnil nach Tscliudi ist er erst seit wenigen Jahren in das schweizerische Sernfthal eingedrungen. In Schweden verbreitete er sich früher nur bis zum 67" n. Br., jetzt bis über den 68" hinaus, und alljährlich er- scheinen an Warangerfjord ein paar Sperlinge, schweifen einige Zeit umher und verschwinden dann wieder. In Island fehlt der Hansspatz noch, ebenso bei Tromsö, wird aber seit einer Reihe von Jahren bei Archangelsk an- getroft'en. In Sibirien lässt sich sein Einwandern im Anschluss an den Getreidebau genau verfolgen: 1735 er- schien er am Ob. und erst 4 Jahre später in einem zwar bedeutend südlicheren, aber auch ca. 16 Längsgrade weiter östlich gelegenen Orte, an demselben Flusse, wohin er nach Radde über Irkutsk den Etappenstrassen der Kosaken folgend vorgedrungen war. Auch die Geschichte der Einführung der Hausspatzen oder „englischen" Sper- linge nach Nordamerika ist sehr interessant. Die ersten, so weit man weiss, und zwar 8 Pärchen wurden 1850 iraportirt, aber es waltete zufälliger Weise ein Unstern über sie, sie verloren sich, und man hat niemals etwas von ihnen und ihrer Nachkommenschaft wieder gehört. Zwei Jahre später bildete sieh aus Mitgliedern des Brooklyn-Instituts eine Commission zur Einführung des europäischen Sperlings, und es wurden zu diesem Zwecke 200 Dollars bewilligt. Man führte eine Menge Sperlinge aus England ein. Verschiedene wurden gleich nach ihrer Ankunft freigelassen und der Rest in dem Thurm der Kirche des Grenwod-Kirchhofs untergebracht, da sie aijer hier nicht recht gedeihen wollten, nahm ein Herr John Hoope sie in seine Privatpflege. Im Jahre 1853 Hess man diesen Rest auf jenen Kirchhof fliegen und bestellte einen Manu, der über die Vögel zu wachen hatte. 1854 wurde der Spatz in Canada eingeführt. Auf Canada und Brooklyn folgte mit Einführung des Sperlings 1860 die Stadt New-York selbst, 1867 New Ilaven und Philadelphia, in welcher Stadt 500 Pärchen ausgesetzt wurden, 1871 oder 1872 wurde der Vogel in St. Francisco, 1873 oder 1874 in die Mormonenstadt am Salzsee eingeführt, und rasch folgten zahlreiche andere Städte und Ortschaften, die ihr Spatzenmaterial entweder aus Europa bezogen oder es aus anderen amerikanischen Gemeinden, wo der Vogel bereits festen Fuss gefasst hatte, erhielten. Dann verbreiteten sich die Spatzen auf eigene Faust und folgten nament- lich im Westen der östlichen Vereinigten Staaten den Schienenwegen und Landstrassen. Wie rascii der Sperling- sich vermehrt hat und vorgedrungen ist, beweist die Thatsache, dass er bis 1875 über 500, aber im Jahre 1886 schon über 516 500 engl. Quadratmeilen in den Ver- einigten Staaten verbreitet war. Für seine Häuflgkeit spricht auch das Factum, dass innerhalb zweier Jahre, \om 1. October 1885 bis dahin 1887, ein einziger Mann in Indianopolis, damals einer Stadt von nur 75 000 Ein- wohnern, nicht weniger als 40 000 Stück Spatzen erbeutete. Die grosse und schnelle Vermehrung führt stellenweise zu derartigen Uebervölkerungen, dass die Vögel gezwungen werden, die Gesellschaft des Menschen zu verlassen und Landvögel zu werden. Sie nisten dann, Colonien bildend, auf Bäumen. Dieselbe Spatzenkalamität wie in Amerika erwuchs den Australiern und Neuseeländern durch die unbedachtsamerweise eingeführten Sperlinge. Für ihre ungeheure Häufigkeit in Australien zwei Beispiele: aus einer einzigen, nicht einmal grossen Kirche wurden 1300 junge Spatzen ausgenommen und auf dem Anwesen eines Gutsbesitzers zu Oakland sammelten zwei Knaben inner- halb zweier Tage 1900 Sperlingseier! Die Familie der Staare, Sturnidae, weist zwei Gattungen auf, Sturnus und Pastor. Der zur letztge- nannten gehörige Roseustaar, Pastor roseus, ist ein Be- wohner Südostenropas und Südwestasiens und erscheint nur als seltener Gast in Deutschland. Wie bei unserem St. vulgaris ist auch bei ihm Mutualismus, d. i. ein Act der gelegentlichen Vergesellschaftlichung von verschiedenen Thierarten zu gegenseitigem Vortheil (Ablesen der Schma- rotzer auf weidendem Vieh) beobachtet worden. An die Staare reiht sich die Familie der Pirole, Oriolidae an, aus der wir hier zu Lande nur den durch seinen Ruf wohlbe- kannten Pfingstvogel, Oriolus galbula, oder Vogel Bülow zum Vertreter haben. Auch dieser Baumeister unter den Vögeln ist ein Neuling unserer Vogelfauna, der im vorigen Jahrhundert erst im Oldenburgischen einge- zogen ist. [Fortsetzung folgt. Während die Krebse fast sämnitlicli, von den Spinnen- thieren sehr viele das Wasser und insbesondere das Meer licwohnen, kennt man „lialophile" Tausendfüsser und Kerfe nur in geringer Anzahl. Von letzteren sind die hemipteren Halobatiden, einige Neuropteren, Käfer, Dip- teren und Thysanuren zu nennen. Ein Hymenopter aus dem Meere war bisher unbekannt. R. Moniez fand nun bei Aigues-Mortes unter Steinen, die vom Meereswasser ums])ült oder sogar bedeckt waren, einen Proctotrupiden. (Sur un hymenoptere lialophile trouve au (irau du Rois, pres d'Aigues-Mortes. Revue biol. du Nord de la France, 6. annee, Lille, 1894, S. 439.) Diese Thiere schmarotzen als Larven und halten sich sänmitlich gern an feuchten Stellen auf. Die vorliegenden Thierchen konnte Verfasser nicht sicher bestimmen. Sie waren nur 0,5 — 0,7 mm gross, also für ein Ilymenopteron sehr klein; ihre Vorder- flügel waren 1,245 mm lang und 0,66 mm breit, die hmteren 0,8 mm lang und 0,26 mm breit. Mit den Kerfen zusammen lebten kleine Copepoden und Ostracoden. Wahrscheinlich verlassen sie ihren Aufenthaltsort des Nachts, und ihre Larven leben vielleicht von Chirono- muslarven. C. M. Artesischer Druck inul Ozokerit-Oewiunung. — An die Stelle der alten Garnier'schen Erklärung- des artesischen Drucks in Bodenwassern, die von dem physikalischen Gesetz connnunicirender Wassersäulen aus- geht, ist von Jentzsch und mir für gewisse Verhältnisse eine neue als nothwendig- gesetzt worden, nach welcher solcher artesischer Druck auch rein örtlich durch ver- schiedene Vertheilung von Bodendruck und -Widerstand entstehen kann. 402 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 33. In der Sitzung des geologischen Conversatoriums der Wiener Universität vom 27. October 1894 theilte E. Suess einen sehr schlagenden Beleg zur Bestätigung dieser Theorie mit. Das Ozokerit (Erdwachs) wurde bei Boryslaw in Galicien früher durch Abschöpfen aus Brunnen gewonnen. Als wurstförmige Schlieren in diese hineingepresst, wurde es durch den Auftrieb des schweren Wassers stückweise losgerissen und an die Obertläche gehoben. Die rein örtliche Druckwirkung ist hierbei deshalb unverkennbar, weil der Aggregatzustand des Wachses die Annahme des von Garnier und seiner Schule behaupteten seitlichen Nachschubes aus der Ferne, geschweige denn der statischen Fortsetzung des Druckes einer communicirendeu Wachssäule ausschliesst. Die Ozokerit-Stttcke des Wiener llofmuseums, die in damals ungeheizten Räumen aufbewahrt wurden, waren bei der unter 20° C. stehenden Temperatur glashart und spröde. Die unter sonst wesentlich den gleichen lic- diugungen untergcbraciitcn Stücke des Dresdner Minera- logischen Museums, die aber unmittelbar über der Ein- trittsstelle der Luftheizung liegen, waren dagegen auch im Winter vollkommen plastisch. Die Härtung der Wiener Stücke wird also nicht so sehr an einem über- mässigen Verlust verfliegender Kohlwasserstoffe als an der verhältnissmässig niederen Temperatur gelegen haben, ein Schluss, der übrigens durch den directen Versuch zu kontrolliren ist. Umgekehrt lässt die Plasticität des Ozokerits bei der geschilderten Gewinnungsweise also auch auf erhöhte Temperatur desselben, solange der Bodendruck auf ihm ruht, schlicssen. Es spricht dies wieder auf artesische Quellen an- gewandt, für die Erklärung der oft ungewöhnlich hohen Temperatur derselben aus dem artesischen Druck und räumt dem Bodendruck nach dieser einen besonderen Hinsicht die nach anderer längst gewonnene Stellung als wichtiges Agens der Boden-Temperatur ein. Wilhelm Krebs. Zum Nachweis von Joiion und Iron. — Diese beiden Riechstotfe spielen zur Zeit in der rarlümerie eine be- deutende Rolle. Ferd. Tiemann und Paul Krttger haben nunmehr einige Methoden angegeben, mit deren Hilfe dieselben selbst in kleinen Mengen mit Sicherheit nachgewiesen werden können. Dieselben beruhen auf der Condensation beider Körper, die ja bekanntlich Kc- tone sind, mit Semicarbazid oder p-Bromphenylhydrazin. Zur Darstellung der Semicarbazone verwendet man die Auflösung von schwefelsaurem Semicarbazid in Eisessig, welcher die äquivalente Menge Natriumacctat enthält. Die Verbindung aus Jonon bildet dünne, in Ligroin fast nnlösliclie Nadeln vom Schmp. 109—110°, die aus Iron, ein Oel, das in ligroinhaltigem Benzol weit leichter lös- lich ist als jene. — Die y^-Bromphcnylhydrazone scheiden sich sehr bald krystallinisch aus, wenn man zu der kalt bereiteten Lösung des ^»-Bromphenylhydrazins in soviel Eisessig, dass das doppelte Volum Wasser keine Aus- scheidung mehr bewirkt, die Ketone bezw. mit Eisessig mischbare Lösungen derselben zufügt. Diese Reaction kann, da die Umsetzung bei genügendem üeberschuss des Reagens vollständig vor sich geht, auch zur quantitativen Bestimmung der beiden Riechstoflc dienen. (D. Cheni. Ges. Ber. 28,1754.) Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: der Profi-'ssor der Gynäkologie in Basel E. Buuini zum Director des dortigen neuen I'^riiuenspitals; der Privatdoeent der gericlitliclien Medicin und Toxikologie von Wjss in Zürich zum ausserordentlielien Professor; Prosektor Stoss an der technischen Hochschule zu München zum Docenteu der vergleichenden Anatomie der Haussäugethiere. Berufen wurden: der Professor der Ohrenheilkunde in Basel Friedrich Siebenmann nach Breslau; der Director der Anatomie in Gieasen Prof. Dr. Bonnet nach Groifswald; der Privatdocent in der medicinischen Fakultät zu Zürich Alfred Schaper, Assistent an der dortigen Anatomie an das Harvanl- Medical-College zu Boston als Docent für Gewebelehre und Ent- wickelungsgeschichte; Professor Schütz von der thiorärztlichen Hochschule in Berlin nach Belgrad; der Director des Hamburger allgemeinen Krankenhauses Professor Schede als Professor der Chirurgie, Nachfolger des Professor Trendelenburg, nach Bonn; der ausserordentliche Professor der Chemie in Leipzig Robert Behrend als ordentlicher Professor an die technische Hochschule zu Hannover; Forstrath Xaver Siefert als ordentlicher Professor für Forstwirthschaft an die technische Hochschule zu Karlsruhe; Dr. Carl Barus als Professor der Physik an die Brown University. Es habilitirten sich: Dr. Heinrich Bon ho ff für Hygiene und Dr. Ludwig Hermann Plate für Zoologie in Berlin; der Assistent an der chirurgischen Poliklinik in Würzburg Dr. Lud- wig Kiese daselbst für Chirurgie; Dr. Ottokar Franken- berger an der böhmischen Universität Prag für Laryngologie, IJhinologie und Pharyngologie; Dr. Ferdinand Schmid in Wien für Statistik; Rezek für allgemeine Maschinenkunde, Grau für Electrotechnik und Oberingenieur L. Tiefenba eher als Honorardocent für Hydraulik, Baumechanik und Graphostatik, insgesammt an der Wiener Hochschule für Bodencultur; Dr. 1. Heuscher für Zoologie, insbesondere Biologie der Süss- wasscrorganisnien und Dr. C. Kippenberger für angewandte Chemie in Zürich; Dr. Martin Hahn, Assistent am Hygienischen Institut in München, daselbst für Hygiene; Török für Haut- krankheiten in Budapest. Abgelehnt hat: der Professor für Ohrenheilkunde in Bonn Dr. H. Walb einen Ruf nach Breslau. Aus dem Lehramt scheiden: der ordentliche Professor der pathologischen Anatomie in Halle Dr. Theodor Ackermann; der ordentliche Professor der Zoologie in Erlangen Dr. Emil Selenka; der Privatdocent der Mathematik in Basel Dr. Ü. Schlesinger; der Professor der vergleichenden Anatomie der Haussäugethiere an der technischen Hochschule in München Dr. Theodor Kitt. Es starben: der Privatdocent der Chirurgie in Berlin Dr. Kurt Schimmelbusch, Assistent in der königl. Klinik unter Geheimrath von Bergmann; der Director der Provinzial- Hebammenschule zu Hannover Sanitätsrath Dr. Hartwig, früher Docent der Gynäkologie in Göttingen ; der ehemalige Professor an der Bergakademie in Przibram F. Posepny; der frühere Ob- servator an der Sternwarte zu Kiew Dr. W. Fabritius. L i t t e r a t u r. Arendt, Prof. Dr. Rudolf, Anorganische Chemie in Grund- zügen. Methodisch bearbeitet mit einer .systematischen Ueber- sicht der wichtigsten Mineralien und Gesteine und 150 Figuren im Text. (Sonderabdruek nach des Verfassers „Griindzügcn der Chemie", fünfte Autlage.) Zweite vermehrte und ver- besserte Auflage. (XII u. 250 S.) Leopold Voss in Hamburg und Leipzig 1894. — Preis 1 M. 60 Pf. — Grundzüge der Chemie. Methodisch bearbeitet. Mit einer systematischen Uebersicht der wichtigsten Mineralien und Gesteine und 180 Figuren im Text. Fünfte vermehrte und verbesserte Auflage. (XIV u. 367 S.) Leopold Voss in Hamburg und Leiijzig 1894. — Preis 2 M. 40 Pf. Mit Führung des Lehrers sind die Arendt'schen Grundzüge der Chemie sehr brauchbar und angenehm. Neu eingeschaltet wurde in der vorliegenden Auflage ein Abschnitt: ,Die wichtigsten Mineralien und Gesteine nach ihrer chemischen Zu- sammensetzung geordnet." Professor F. Nies und .J. Hazard haben Verfasser bei der Bearbeitung derselben geholfen. Auch «las Kapitel: „Das periodische System der Elemente" ist neu hinzugekommen. Boscoe-Schorlemmers kurzes Lehrbuch der Chemie nach den neuesten Ansichten der Wissenschaft von Sir Henry E. Roscoe und Alexander Classen. 10. vermehrte Auf- lage. Mit 71 Holzschnitten und 1 farbigen Spoctraltafel. Friedrich Vieweg & Sohn. Brauuschweig 1894. — Preis 7,ü0 M. Die lloscoe-Schorlommer'schen Lehrbücher der Chemie sind mit Recht beliebt und haben Viele in die Wissenschaft der Chemie eingeführt. Die vorliegende von Professor Classen be- arbeitete deutsche Auflage hat von der Eigenthümlichkeit der Nr. S3. Naturwissenschaftliche Wocheoschrift. 403 friilicri'M nichts vi'rlorcii; dor Neu - Hi'arhcKt'i' li;it sich nur liciiiiilit, die noiiun Ki'nui,a;cn.scliat'ton cinziitulirL'n uml ilalirr auch stollonwoisc Uinarl)t'ituiigcn liefern müssen. Dr. Jacob Heusei, Lehrbuch der Physik, für (Jvniimsion, Koal- gvnina.sirn, t tliiTnalscluiU'n ninl andere hölicro Bildungs- ansttilten. ti. Auflage, neubcarbeitot von Professor A. Leiber. Mit 422 Abl)ildungen. 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Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Po3t- anstallen. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist «Ä 4.— BringeReld bei der Post 15 4 eitra. Postzeitungsliste Nr. 4732. ¥ JL Inserate : Die viergespaltene Petitzeüe 40 ^. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkimft. iDseratenanuahme bei allen Annoncenbureaax wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollst Ändig er Qaellenans:ahc g^estattet. Ueber mikroskopische IVieikmale der Basidiomyceten. Von Hermann Wegen er. Ueberblic'kt man die mvkologische Litteratur, so fällt die Thatsache auf, dass zur Bestimmung- der Hymeiio- niyeeteu, von denen hier speciell die Rede sein wird, erst in verhältnissiuässig junger Zeit die mikroskopischen Merkmale nach Gebühr gewürdigt und festgestellt wurden. Hatte man sich früher meist darauf beschränkt, diese Pilze nach makroskopischen Kennzeichen zu beschreiben und in das System einzuordnen, so stellte sich bei den dabei auftretenden Schwierigkeiten, welche weniger durch das Vorkommen von Varietäten und üebergängen, als durch die in Worten oft nicht in präciser AVeise wieder- zugebende Charakteristik der Objecte bedingt war, mit der Zjit das Hedürfniss nach schärferen und unzwei- deutigen Gattungs- und Speciesmerkmalen heraus. Einen Ausdruck findet diese Erscheinung in der Thatsaebe, dass der Systematiker zur Bestimmung der Basidiomyceten der Illustration der pflanzlichen Objecte in vorwiegendem Jlaasse bedarf. Ist es auch nicht zu leugnen, dass Ab- weichungen in den verschiedenen Species, durch Stand- ort, Klima etc. hervorgerufen, das Bild, welches man sich von einer bestimmten Art nach den am Orte vorgefundeneu Exemplaren im Geiste construirt, wesentlich modificiren können, so weiss doch jeder Jlykologe, wie sicher ein einmal erkannter Pilz wieder erkannt wird, während eine Beschreibung desselben stets mehr oder wenigei haft bleibt. Uni so auffallender muss es erscheinen, dass den schärferen mikroskopischen Merkmalen zum Theil erst um die Mitte dieses .Jahrhunderts mehr Beachtung gewidmet wird. Wenn auch auf die Farbe der Sporen schon zu Anfang dieses Jahrhunderts durch v. Albertini und V. Schweinifz als für die Systematik wichtig hingewiesen wurde, so ist doch die Gestalt, Grosse und der Inhalt mangel- derselben, sowie besonders die Form, Grösse und Farbe der Cystiden noch immer ein Feld eifrigen Studiums der Mykologen, da noch lange nicht alle Pilze nach dieser Richtung hin genügend untersucht wurden. Sind doch selbst in der Kryptoganien- Flora von Rabenhorst die An- gaben über Sporengrösse verhältnissmässig selten. Selbst in dem grossen englischen Werke von Cooke, „111. of British fungi", einem Werke, wie es Deutschland bis jetzt leider nicht aufzuweisen hat und in Anbetracht der Kosten (die bis jetzt vorliegenden 8 Bände kosten ca. 600 Mk.) wohl auch fürs Erste nicht zu Stande bringen wird, treten die ersten diesbezüglichen Angaben erst auf Taf. 348 bei Pholiota caperata und auch später nicht bei sämmtlichen Species auf. *i Einen wesentlichen Fortschritt zeigt da- gegen der von Schroeter bearbeitete Theil der Krypto- gamen-Flora von Schlesien. Wenn auch nicht bei allen Basidiomyceten, so findet man doch bei der Mehrzahl der angeführten Species die Grösse der Sporen angegeben. Allerdings darf man sich bei der Frage nach der Wichtigkeit dieser Angaben für die Systematik nicht ver- hehlen, dass die Ansichten über den Werlh derselben nicht völlig übereinstimmen. Während wohl die Mehr- zahl der Mykologen die Sporengrösse für eins der wich- tigsten Merkmale hält, glauben andere in diesem Punkte weniger genau sein zu dürfen und werden dazu durch einander widersprechende Angaben scheinbar l>erechtigt. An dieser Stelle seien nur wenige Beispiele erwähnt. Ciavaria juncea Alb. et Schw. : Schroeter: Sporen 8 bis 9 X 4 — 5 /(, nach meinen Messungen 8 — 10, seltener 7 ,« *) Auch in dem 1893 erschienenen Werke von Ondemans. Revision des Champignons tant siiperieui-s qu'inferieurs tronves dans les Pays-Bas etc. findet man bei den Hymenomyceten nnr ausnahmsweise Angaben über Sporen. 406 Naturwissenschaftliche WochenschrUt. Nr. 34. lang, 5 — 6, seltener 4 /.i breit; Kryptog.-Fl. von Eaben- horst: 4 ft laug! Corticium incarnatum Pers. : Schroeter: Sporen 8—9x3 — 4 /i; Britzelmaj'r: 10—12x3 — 4 /(; Fuckel (Kryptog.-Fl. von Rab.) 4 fi Durchmesser! Irpex fusco-violaceus Fr.: Kr.-Fl. von Rah.: cylindrisch, ge- krümmt, sehr klein; nach meinen Messungen 8 — 14x3 bis 4,5 /i; Ciavaria inaequalis Müller: Kr.-Fl. von Rab.: 11 — 12 X 5' o/i; Schroeter: 5- 7 X 4 /(. Clavaria formosa Pers.: Kr.-Fl. von Rab.: 18 x G /i; Schroeter: 9 — 11 x 2,5 — 3 ;t(. lioletus badius Fr.: Schroeter: Sporen 12 bis 15x3 — 4 /i; Kr.-Fl. von Rab.: 15 — 20x5 — 6 /i; nach meinen Beobachtungen 12 — 14 x 5 — 6 /i. Sieht man von diesen immerhin nicht seltenen nnd durch zahlreiciie Beispiele noch leicht zu vermehrenden Widersprüchen, auf welche wir später zurückkommen werden, ab, so wird man andererseits finden, dass inner- halb gewisser, bei den verschiedenen Spccies verschieden starken Grössenschwankuugen eine Constanz der Sporen- grösse unleugbar ist. Endlich kommen auch, wiewohl weit seltener, Fälle vor, in denen die Sporengrösse genaue Werthe innehält. Als ein gutes Beispiel in dieser Be- ziehung kann ich die von mir in der Vorstadt von Rostock aufgefundene und somit auch für Norddeutsehland nach- gewiesene Clitocybe tumidosa Britz.*) (Britzelmayr, Hy- menomyceten aus Südbayern, VI, S. 12, Fig. 309) an- führen. Die Sporen sind genau kugelig, constant 6 ^ im Durchmesser, wie zahlreiche Messungen ergaben. Diesen Pilzen mit constanter Sporengrösse stehen diejenigen gegenüber, welche in Wirklichkeit in der Grösse sehr variable Sporen zeigen. Als ein Beispiel für die ietztereu mag Tremella mesenterica Retz. hier genannt werden. Die in den Pilzfloreu angegebenen abweichenden Werthe können bei der Untersuchung verschiedener Exemplare beobachtet werden, so dass es schwieri gültige Angaben aufzuführen. Auch Britzelniay ist, allgemein nennt die Sporen in Grösse und Form sehr variabel. — Zwischen diesen beiden soeben erwähnten Typen steht die über- wiegende Mehrzahl derjenigen, deren Sporen innerhalb gewisser kleinerer Grenzen an Grösse schwanken, d. h. bei denen man bei allen Exem])laren stets dieselben, um einige Mikra verschiedene Sporengrössen beobachten kann. — Es darl' nun aber auch nicht verkannt werden, dass das Prineip, nach welchem bei den Messungen ver- fahren wird, einen EinHuss auf die Angaben der Autoreu ausüben wird. Jeder Mykologe weiss, dass bei zahl- reichen Messungen ausser den stets wiederkehrenden mitt leren Wertheu sehr vereinzelte oft bedeutend kleinere und grössere beobachtet werden. Bedenkt man nun, auf wie viele Beobachtungen oft eine einzige derartig ab- weichende Grösse kommt, da der Geübte die sich im Gesichtsfelde durch abweichende Grösse auszeichnenden Sporen genau übersieht, so dass den zahlreichen Messungen der mittleren Werthe oft eine einzige oder doch nur wenige Sporen der extremen Grösse entsprechen, so ist es erklärlich, wenn einige Autoreu die Mittelwerthe, andere dagegen die überhaupt beobachteten kleinsten und grössten Werthe angeben. Das Resultat ist natürlich ein scheinbarer Widerspruch. Für am zweckmässigsten halte ich daher die von mir seit Jahren befolgte Weise, in derartigen Fällen beispielsweise zu schreiben: Sporen 7—12, seltener 6 resp. 13 — 14 /t lang, 5 — 7, seltener 8 ,u breit. Endlich ist auch wohl nicht zu bezweifeln, dass manche Angaben über Sporengrösse aus irgend einem Grunde *) Clitocybe tumidosa ist der Abbildung, welche Kalchbrenner iiiiil Schulzer in ihren „Icones selcct. Uyni. ttungariae" von Cl. tuniu- losa Kalchbr. Reben, zum Verweclisehi iilmlich. Die in der Kr, -Fi. von Rabeiih. gegebene Diagnose von Cl. tunuilosa ist, namentlicli in Bezug auf den Stiel, sehr lückenhaft. unzuverlässig sind; erst durch zahlreiche Beobachtungen wird es mit der Zeit möglich sein, solche Angaben zu corrigireu. Dies gilt auch von den zweifelhaften Angaben über die Gestalt der Sporen, welche im Allgemeinen wenig schwankend ist. Wohl findet man schwache Uebergänge vom Elli])tisclien zum Eiförmigen, sowie vom Kurzelliptischen zur Kugelform; eine Abweichung jedoch wie in dem oben angeführten Beispiele von Corticium incarnatum, wo kugelige Formen abgerundet-cyliudrischen gegenüberstehen, widerstreitet meinen Beobachtungen voll- ständig. Ein anderes Beispiel ist Lenzites sepiaria Wulf. Während nach Schroeters und meinen eigenen Beobach- tungen die Sporen cylindrisch mit abgerundeten Enden, oft etwas gebogen, sind, giebt Cooke Taf. 1146A. die Form als kugelig au. Diese Beispiele, welche leicht ver- mehrt werden könnten, mögen hier genügen. Endlich bietet aucii der Inhalt der Sporen unter Um- ständen dem Systematiker einen Anhalt. Wie die Farbe des Inhaltes kann auch die Anwesenheit eines oder mehrerer kleinerer oder grösserer Oeltropfeu als Kennzeichen benutzt werden, in seltneren Fällen sogar die Stellung derselben. So fand ich bei Pleurotus corticatus Fr. die cylindrischeu, am Ende abgerundeten 12 — 15 ;( langen, 4—5 /i breiten Sporen fast ausnahmslos mit einem endständig gelagerten Oeltropfeu versehen. Wenn in vielen Pilzwerken darauf hingewiesen wird, dass zur Erzielung der sogenannten „Sporeubilder" die Pilze auf dunkies resp. helles Papier zu legen sind, so habe ich dazu zu bemei-ken, dass ich seit Jahren den einfacheren Weg einschlage, hierzu Objectträger zu be- nutzen. Man kann diese auf helle resp. dunkle Unter- lage legen, hat jedoch zugleich den Vortheil, dass bei äusserst geringem Sporenstreuen alter Exemplare die Sporen nicht verloren gehen, sondern zur mikroskopischen Untersuchung bereit sind. Dass die Untersuchung vor- theilhafter im Wasser unter Deckglas stattfindet, gilt als selbstverständlich, da nur auf diese Weise der Inhalt wie auch der optische Durchschnitt der Membran sichtbar wird. Auch die häufig vorhandenen, zarten Erhebungen auf der Membran zeigen sich so deutlicher, wie auch Grössen- messungen der Sporen selbst schärfer auszuführen sind. Sind die bisher angeführten Jlerkmale von der Syste- matik längere oder kürzere Zeit, wenn auch in verschie- denem Grade, benutzt worden, so erblicken wir in den Cystiden ein Element, das erst in der neuesten Zeit zur Bestimmung der Basidiomyceteu herangezogen worden ist. Meines Wissens ist dies in einigermassen ausgiebiger Weise zuerst durch Schroeter in der Kry))toganieu-Flora von Schlesien geschehen, wenn auch bis jetzt noch nicht alle dort aufgeführten Spccies nach dieser Richtung hin untersucht sein durften. Beispielsweise fand ich bei Bo- letus veisi])eliis Fr. das Hymenium mit zerstreuten, farb- losen, dünnwandigen, sehiauk-keulenförmigen, bis 30 |ii hervorragenden, am Grunde 10 — 12 /i, an der Spitze 4 bis 5 ,(( breiten Cystiden besetzt. Ferner: Lactarius tor- miuosus Schaeff. : Schneide mit zerstreuten cylindrischeu, am Ende zugespitzten, bis 9 /n breiten, bis 40 /t hervor- ragenden Cystiden. — Gom])hidius glutiuosus Batsch: Schneide mit zerstreuten farblosen, cylindrischeu, am Ende abgerundeten oder stumpf zugespitzten, 10 — 18 ;i breiten, bis 60 ,(( hervorragenden Cystiden besetzt. — Clitocybe tumidosa Britz.: Schneide mit haarfg. 2—4 ß breiten, meist 40 — 80, seiteuer 100 — 160 ;i langen Cystiden dicht besetzt. — Irpex fusco-violaceus Fries: Hymenium mit farb- losen, dünnwandigen, bis 30 ji langen Cystiden, deren Ende zu einem 5 — 10 ft dicken, unregelmässigen Köpfchen mit stark verdickter Membran angeschwollen ist. Ausser- dem, jedoch seltener, zugespitzt schlauchförmige, am Scheitel zuweilen in eine rundliche Spitze plötzlich aus- Nr. 34. Natur wi.sscn.schaf'tliche Wochenschrift. 407 gezogene Cvstidcii mit luncrdicUttM- Membran. Zwisclicn beiden Fonuon finden .sicii Ueborg-an^stbnnen, am Ende aiiinähiicii ziigespitztc Schläuciie, die am Scheitel eine scinvaciic Verdicivung der Membran zeigen. (H. Wegcner, Zur l'ilztiora der Rostocker ümgebnng-. Arch. des Ver- eins der Fr. d. Naturgescii. in Meckl. "48. 1894.) ~ Be- sonders charakteristische Cystiden l)csitzt I'hitcns ccrvinus Sciiaett'. Sowold Schneide wie aucli Flüche der Lamellen sind mit schlanken krug-flaschcnt'örmigen, bis 60 /i langen, am Grnnde bis 25 /( breiten Cystiden versehen, welche am oberen Ende mit 3 — 5 Zähnen versehen sind. Der Curio- sität halber mag hier erwähnt werden, dass Mieheli glanbte, diese Körperehen seien dazn bestimmt, die Lamellen zwecks besserer Ausstreuung der Sporen auseinander zu halten (siehe „Deutschlands Flora" von Jacob Sturm, III. Abth., Die Pilze Deutschlands, l. Bändchen, S. i)8), eine Ansicht, die bei der Thatsache, dass man erst spät die Cystiden als Trichome oder Haarbildungen erkannte, ver- zeihlich ist. Der Vollständigkeit halber sei endlich noch auf die Anzahl der Sterigmen als gelegentliches mikroskopisches Merkmal hingewiesen. Die zoologische Sammlung des Königlichen Museums für Naturkunde zu Berlin. Die Vogel - Schausammlung. [Fortsetzung.] Es folgt die Familie der Raben mit den Unter- t'amilieu Felsenraben, Heher und eigentliche Raben. Auch hier lässt sich Interessantes über die Verbreitung und Eigentliiindichkeit der ^'ögel sagen, lieber die Verbreitung der Krähenarten in Deutschland hat Herr Custos Matschie Untersuchungen angestellt und gefunden, dass die Nebel- krähe iCorvus eornixi vorzugsweise den Osten, die Raben- krälie (C. corone) den Westen Deutschlands bewohnt. Das ausschliessliche Gebiet der ersteren, wo die Raben krähe nur in ganz vereinzelten Exemplaren anzutreffen ist, unifasst ganz Pommern, tsächlich nur den grösseren meist in schon krankem Holz lebenden Larven der Bockkäfer, Weiden- Bohrer und ähnlichen Insecten nachgehen und in viel min- derem Maasse den kleinen, gesunde Bäume befallenden Borkenkäfern und sonstigen Baumverderbern, ist ihr Nutzen immerhin nur ein beschränkter. Dagegen verzehren ein- zelne Arten grosse Mengen der nützlichen Ameisen, an- dere verzehren zahlreiche reife Föhrcnzapfen. An jungen, ganz gesunden Laubholzstämmchen wird die Rinde in eigenthümlicher, aber in ihrem Grund nicht erkennbarer Weise öfters zerhackt und zermeiselt, und an älteren Bäumen, Laubhölzern, insbesondere Kiefern beobachtet man das merkwürdige und nach seiner Ursache noch nicht erklärte Ringeln: ringförmige Schnabelhiebe dicht beisammenstehend; um den Stamm nicht selten 10 bis 20 solcher Ringe über einander, bisweilen zu wul- stigen Wucherungen Veranlassung gebend. Solche „Ringelbäume" sind zumal in Föhrenwaldungen nicht selten; stets pflegen es gesunde, insectenfreie Bäume zu sein, an denen diese Erscheinung auftritt. Um die Beute zu erlangen, vermögen die Spechte ihre Zunge weit hervor- zuschnellen, so der Grünspecht z. B. 14 cm weit, in Deutschland kommen sieher 8 Arten vor, davon der Schwarzspecht, Dryocopus martius, der in der Mythologie unserer Vorfahren keine geringe Rolle spielt und der Dreizehenspecht, Picoides tridactylus, von allen anderen einheimischen Spechten durch den Mangel der Hinterzehc unterschieden, jedoch nur selten. Den Spechten nahe verwandt ist der sonderbare Wendehals, Inyx tor(|uilla, der seinen Namen von dem komischen Verdrehen und Strecken seines Halses hat, womit er ein Sträuben der Kopffedern, fächerförmiges Ausbreiten des Schwanzes, sowie oft ein halbes Schliessen der Augen verbindet und so, plötzlich überrascht, dem Unkundigen oft Angst und Schrecken einflösst und verjagt. Der Kuckuck, Cuculus canorus, ist gleichfalls ein Verwandter der Spechte, der überall verbreitet ist und sich durch sein Brutsclunarotzerthum vor allen deutsehen Vögeln auszeichnet. Man kennt bis jetzt 117 Arten von Vögeln, in deren Nest er seine recht verschieden gefärbten Eier legt und die er zu Pflegeeltern seiner Jungen macht. Einmal wurde in der Lausitz der in Südwest-Europa beheimathete Heherkuckuck, Goccyites glaudarius, erlegt. Die Ordnung der Raubvögel, Raptatores, enthält: die Familien der Eulen, Strigidae, mit acht und die Familien der Falken, Falconidae mit zehn Gattungen, dazu kommen die Familien der Geier- adler und Geier. Die Eulen sind mit Ausnahme einiger, auch am Tage munterer Arten, lichtscheue, nächtliche Räuber, die mit vorzüglichem Gesicht und Gehör ausgestattet sind. Sie nisten in Fels- und Mauerspalten oder Baumlöchern und legen fast runde, rein weisse Eier. Durch massenhaftes Vertilgen von Mäusen sind unsere einheimischen Arten recht nützliche Vögel, die allerdings auf ihrem nächt- lichen Fluge manches Vöglein überraschen und weg- fangen mögen. Nur der Uhu, der bei uns aber fast verschwunden ist, ist ein ausgesprochener Schädiger der Kleinjagd und, wenn man will, auch der hohen Jagd, da er sich selbst an Reh- und Hirschkälber wagt. Die kleinste Eule ist der in Ostpreussen seltene Jahresvogel, Garine passerina, Sperlingskauz, ein Verwandter des überall verbreiteten Steinkauzes. Als prächtige Ver- treter sind die im hohen Norden beheimatheten Arten Sperber- und Schnee-Eule zu nennen. Letztere kommt in kalten Wintern oft in unsere Küstenländer und ist am hellen Tage vielfach jagend beobachtet worden und war scheu wie unsere Falken. Sonderbare Erscheinungen sind die geöhrten Glieder der Unterfamilie Bubonina. Während die Waldohreule als bedingter Jahresvogel gilt, ist die Sumpfohreule ein Sommervogel, die Zwergohreule ein seltener Gast und der Uhu ein auf dem Aussterbe- etat stellender stattlicher Bewohner unserer Gebirgs- wälder. Auch an Falken haben wir recht prächtige Vertreter in unserer Ornis. Freilich wird diesen kecken, gewandten, muthigen Räubern, die zur BrUtezeit die herrlichsten Flugkünste produziren, von den Jägern eifrigst nach- gestellt. A'iele sind Schädiger der Jagd, aber Unschuldige müssen darunter mit leiden, so z. B. Falco tinnunculus, der Thurnifalk, der einer unserer schönsten Falken ist. Der Habicht, Astur palumbarius. ist zur Zeit der stärkste Raubvogel unserer (iauen; denn die erlegten A förmigen Reiben, mit einem Gänserich an der Spitze, südlich und kehrt im Februar oder März nach dem Norden zurück, wo sie nistet. Auch im nördlichen Theile von Deutsch- land nistet sie. Ihr Fleisch und ihre Dunen sind sehr geschätzt. Die Wildgans ist die Stammform unserer zahmen Haus- oder Hofgans, A. domesticus, deren Fleisch als ^vohlschmcckende Speise, deren Dunen zu Bettfedern dienen und deren Schwingen früher als Schreibfedern verwendet wurden. Die am häufigsten durch Deutschland ziehende Form ist die Saatgans, welche nicht bei uns nistet, aber bei ihrem Niederlassen durch Abweiden von Saatfeldern schadet. Die weisstirnige Gans auch Bläss- gans, A. albifrons ist gleichfalls ein Durchzugsvogel, der in Nordasien brütet und auf seinem Zuge (März-Api'il, October-November) an den Küsten häufiger beobachtet wird. Die Polar- oder Schneegans, A. hyperboreus, deren Männchen an dem reinweissen Gefieder mit schwarzen Schwingen und rothem Schnabel und Füssen leicht er- kenntlicli ist, verirrt sich nur äusserst selten nach Deutsch- land. Aus der Gattung der Meergänse kommt die Ringel- gaus (mit einem weissen Halsbande geschmückt) aus dem äussersten Norden allvvinterlich in grossen Schaaren an die Nord- und Ostseeküste, aber nur selten und vereinzelt ins Binnenland. Die rothhalsige Gans, deren braun- rother Hals durch ein weisses Band abgegrenzt wird, ist im nördlichen Asien beheimathet, in Deutschland un- gemein selten, aber an der Ostseeküste schon mehrmals erlegt worden. Die Gattung der Höhlengänse sind meist Meeresbewohner, die in Höhleu brüten. Ihr Haupt- vertreter ist Tadorna damiatica, Braudgans, Fuchsente und Höhlente genannt. Sogenannt wegen der breiten, rostrothen Querbinde, welche sich über die Brust weg- zieht. Sie ist über das ganze gemässigte Europa und Asien verbreitet und nistet häufig auf den Nordseeinseln in den Kaninchenbauen. Die Familie der Enten umschliesst mehr denn 50 weit, verbreitete Arten. Im Winter und Frühjahr trägt das Männchen ein von dem des Weibchens sehr verschiedenes Prachtkleid, im Sommer ein dem des Weibchens zieniHch ähnliches, düsterer gefärbtes Kleid. Die Enten schwimmen vortrefflich, tauchen wenig, gründelu geschickt, meist nach Pflanzen und Gewürm, selten nach Fischen. Auf dem Lande gehen sie wackelnd und ungeschickt. Alle sind Zugvögel, die im Norden ihre eigentliche Heimath haben. Sie nützen durch ihr Fleisch, ihre Eier und ihre Dunen. Man unterscheidet die Gattungen Anas, Schwimm- eute; Fuhgula, Tauchente; Oedemia, Trauerente; Soma- teria, Eiderente; Erismatura, Ruderente. Die wilde Ente, Anas boscas, bewohnt die nördliche Erdhälfte. Sie ist bei uns Strichvogel und unsere häufigste, bei uns auch brütende Wildente. Ihr Spiegel ist blau, purpurschillernd und schwarz und weiss eingefasst. Sie ist die Stammform unserer Hausente. Durch einen grünen Spiegel, der hinten und vorn weiss eingefasst ist, kennzeichnet sich A. crecca, die Krickente, unsere kleinste und häufigste Art. Auch die Spiessente, deren Männchen einen grünen und deren Weibchen einen braunrotheu Spiegel hat, der oben und unten schwarz, vorn und hinten weiss gerandet ist, ist in Deutschland nicht selten. Auch die Knäkente, A. querpedula brütet häufig in Deutschland. Die in Skandinavien, Finnland und Nordrussland wohnende Pfeifente, A. penelope, brütet in Deutschland selten, kommt aber auf dem Zuge von Ende August bis October und im März und April oft in grossen Schaaren zu uns, häufiger an die Küste als ins Binnenland. Als ziemlich seltener Brutvogel für uns ist auch die Löfl'elente, A. clypeata, anzusehen, deren Schnabel mehr als kopf- lang und vorn doppelt so breit wie an der Wurzel ist. Die Schnabellaraelleu sind namentlich vorn in lange, 412 Naturwissenschat'tlichc Wochenschrift. Nr. 34. Harlekineilte, Fnligula feine Spitzen ausgezogen und bereiten dem Ganzen ein sonderbares Aussehen. Die Tauclienten, von denen etwa 30 Arten bekannt sind, sind in neun Arten vertreten. Sie leben biuifiger auf dem Meere als auf den Gewässern und sind gleich gute Schwimmer, Taucher und Flieger. Wie jene sind sie im Norden behcimathct und nähren sich von Wasserthiercn aller Art. Die am buntesten ge- zeichnete ist die Kragen- ode histrionica (zum Schauspieler (histrio) gehörend; der bunten Färbung), welche im liolieii Norden, nament- lich der neuen Welt wohnt und nur selten im Winter an die deutsche Küste kommt. Eine häufigere Erscheinung ist die nahestehende Eisente, F. hyemalis, welche im Prachtkleide reinweissen Kopf, Hals, Vorderrücken und Schultern hat. Von den Gestaden des Schwarzen und Kaspischen Meeres erscheint hin und wieder einmal als seltener Gast die Kolbenente, F. rufina, welche mit einem rothbrannen Schojife am Hinterkopf geziert ist. In Böhmen und auch in Deutschland an den bereits erwähnten Mans- fclder Seen ist sie brütend beobachtet worden. Gleich- falls mit einer Federliaube geschmückt ist die Reiherente, F. cristata, welche vereinzelt in den Küsteugegenden der Nord- und Ostsee brütet. Die Bergente, welche auf Landseen brütet, sonst aber auf dem Meere in der Nähe der Küsten lebt, ist gleichfalls ein seltener Brutvogel für Norddeutschland. Die Familie der Säger (Mergidae) hat ihren Namen von der langen, nach rückwärts gerichteten Zähnelung der Schnabelränder. Der Hanptvertreter der Familie ist der grosse Säger, Mergus mergauser, welcher in den Ländern des Nordens der alten und neuen Welt wohnt. Auch in Deutschland (besonders im nördlichen) ist er von December bis April Brutvogel, wohnt an Flüssen und Seen, nistet gern in hohlen Bäumen und nährt sich von Fischen, weshalb er schädlich ist. Sein Federbalg gilt als ein beliebtes Pelzwerk. Gleich schädlich der Fisch- zucht sind die vereinzelt vorkommenden Arten Zwergsäger, M. albellus, der in Deutschland nicht brütet, und mittlerer Säger, M. serrator, der nur am Boden sein Nest anlegt. Die Ordnung der Ruderfüssler, Steganopodes charak- terisirt sich durch den echten Ruderfuss, der darin besteht, dass die Innenzehe nach innen gerichtet uud mit den übrigen durch eine Schwimmhaut verbunden ist. Zu ihr gehören die Familien der Pelikane, Secscharbeu und Flussscharben, die gleich den vorigen Ordnungen lang- halsige Vögel sind und an Flüssen, Seen und Meeresuferu von Fischen leben, die sie schwimmend und schwimni- tauchend erbeuten. Die Pelikane zeichnen sich ferner durch einen sich zwischen den Unterkieferästen aus- breitenden, häutigen Kehlsack aus. Der gemeine Pelikan, Pelecanus onocrotalus ist ein Bewohner Südosteuropas, Afrikas und Asiens, der sich sehr selten nach Deutsch- land verfliegt. Den Alten war er das Symbol auf- opfernder Mutterlielie, weil sie glaubten, er risse sich selbst die Brust auf, um den Durst der Jungen mit seinem Blute zu stillen. Der weisse Tölpel, Sula bas- sana, eine Seescharbe, die sich auch nur selten an der Nordseeküste blicken lässt, hat seinen Namen „Bass- tölpel" von der kleinen Felseninsel Bass an der O.stküste von Schottland erhalten, wo er zu Tausenden brütet. Alljährlich wird dort und an anderen seiner Brut platze Jagd auf die Eier und Jungen gemacht. Zu den Fluss- scharben gehört der Kormoran, der fast über die ganze Erde verbreitet ist und in Deutschland besonders im Küstengebiet der 0.stsee vorkommt. Als Sommervogel ist er auch für Süddeutschland zu verzeichnen und bei Wien ist er sogar ein häufiger Brutvogel. Die kleinere Krähenscharbe ist für unser Heimathsland recht selten und die kleinste Form der Flussscharben, die Zwerg- scharbe auch nicht häufig, doch in Schwaben und Schlesien schon erlegt worden. Ein sehr weit ausgedehntes Gebiet bewohnt auch die Ordnung der Seeflieger, Longipennes, die sich in die Familien der Seeschwalben, Möwen und Sturmvögel gliedert. Die Seeschwalben sind vorzügliche Stosstaucher, die sich von Fischen, Weichthieren, hisecfen und Würmern näliren. Sie sind vertreten durch die Raub-, Brand-, Küsten-, Trauer-, Lach- und Flusssceschwalbe. Die Raub- seeschwalbe oder Wimmermöve, Sterna caspia, ist das Urbild der Sippe, die sie durch verhältnissmässig kräftigen und gedrungenen Leib, sehr grossen, starken, mehr als köpf langen Schnabel, kleinen Fuss mit wenig ausge- sciinittenen Schwimmhäuten, lange, säbelförmige Flügel, schwachgegabelten Schwanz und knappe Befiederung charakterisirt. Sie ist im Süden unses Erdtheils zu Hause, brütet aber auch ausnahmsweise auf der Insel Sylt und an der pommerschcn, wie an einigen Stelleu der holländi- schen und französischen Küste. St. cautiaca, die Brandsee- schwalbe, ist an den Küsten und auf den Inseln Europas eine häufige Erscheinung. Die Trauerseesch walbe verdankt iiiren Namen dem sammctsehwarzen Gefieder auf Kopf, Nacken, Brust und Bauchmitte. Die Möven, Laridae, sind gleich- falls über die ganze Erde verbreitete, gesellig lebende Raubvögel, welche als Stosstaucher an Küsten von Fischen und Mollusken leben, gut, aber selten schwimmen, meist fliegen uud im Aeusseren grossen Schwalben ähneln. Die Raubinöveu gelten als die schlechtesten Stosstaucher, sind aber durch den krummen Schnabel ihres Oberkiefers, durch ihre grossen Krallen und durch ihren schnellen Flug zu gewandten Räubern geworden. Anderen Seevögelu, namentlich den kleineren i\Iöven, jagen sie ihre Beute ab und verfolgen die Fliehenden oft so lange, bis dieselben sogar den schon verschluckten Fisch wieder herauswürgen, welchen sie dann mit grösster Gewandtheit, ehe er den Wasserspiegel erreicht, er- haschen. Sie rauben auch Eier und Nestvögel. Die ge- meine Raubmöve ist am häufigsten an unserer Küste und wird mitunter auch verirrt im Binnenlande angetroffen. Seltener erscheint die grosse und die langschwänzige Raubmöve. Die Fischmöven, Laridae, sind sehr ge- hässige Stosstaucher, welche meist an der Küste leben und sehr viel durch ihre Geselligkeit zu dem lauten und bewegten Leben an Küsten und Flussmündungen bei- tragen. Ihre Eier sind wohlschmeckend, aber ihr Fleisch ungeniessbar. Sie leben meist in den Polargegenden von Fischen uud JloUusken, fressen aber auch Aas. An der Nordseeküste ist die Mantelmöve ein häufiger Winter- vogel, die Silbermöve ein häufiger Jahresvogel, die Heringsmöve wird nur hin uud wieder beobachtet und die aus Russland kommende Zwergmöve erseheint äusserst selten an der Nordsee. Die schwarzköpfige Möve wurde einige Male in Süddeutschland erlegt und die Lach- und Sturmmöve tritt't man oft an Binnen- gewässern. Die Stummelinöve, Rissa tridactyla unter- scheidet sich von den anderen Arten durch den Mangel der Hinterzehe. Im Norden Asiens uud Amerikas wohnt die Schwalbenmöve, welche mehrmals nach Deutschland versehlagen und gefangen wurde und auch an der Donau erlegt wurde. Recht selten verirrt sich aus der arktischen Zone die Elfenbeinniöve, Gavia alba nach unseren Küsten. Die Sturmvögel, Procellariidae sind ausschliess- lich Seevögel, welche nur zur Fortpflanzung Küsten und Inseln aufsuchen. Im Binnenlande und auch an unseren deutschen Küsten kommen sie nur selten vor. Der Eis- sturmvogel, welcher mehrmals verschlagen an der Nord- seeküste angetroften wurde, haust im nördlichen Eismeer, ist aber während des Sommers bei Island und an der Baffinsbay sehr häufig und lebt von Mollusken, Quallen Nr. H4. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 413 und Fisclion, ja wm dein faulciuleii Fleische der Wal- fisclie und iSeclinnde. Auf Neufundland verzehren diese Vöjicl mit f;fosser Gier allen Abfall der Stockfische und uniscliwärnicn deslialh in grosser Mcnije die mit Zu- bercitunij' der Schellfische heschäftigten l'^ischcr. Gegen Ende August werden allein auf den Westman-Öer, den kleinen Inseln an der Slidküste von Island, über 20 000 Stück der fetten, übel riechenden Jungen zu Winter- vorrath cingesalzen. Dasselbe Schicksal theilten früher auf Man die Sturmtaucher, Puffinus anglorum, die aber jetzt von der Insel verschwunden sind, und auf den Ur- kaden, wo sie sehr häufig- vorkonnnen und ihrer Federn wegen verfolgt werden. Auf der Nordsee hat man verschlagene Vögel öfter augetroflen. Der kleinste Wasservogel, der in der nördlichen Erdhälfte, sowie im Atlantischen Ocean und nur durch Versclilagung im Mittelmeer und im Innern Europas angetroffen wird, ist die Sturmschwalbe, Thalassidroma pelagica. Er flüchtet bei sehr starkem Sturme auf die Schilfe und erschien 1824 nach NW-Stürmen häufig zwischen der Eider- und Eibmündung, ja 1821 waren einzelne sogar bis Breslau durcii Stürme verschlagen. Ihr Körper soll so thrauig sein, dass die Insulaner auf Faröer nur einen Docht durcii denselben ziehen sollen, um eine Lampe her- zustellen. Die Vögel führen eine halbuächtliche Lebens- weise und laufen vermöge der Leichtigkeit ihres Körpers und mit ihren Schwimmfüssen selbst beim heftigsten Sturme über die steigenden und fallenden Wogen mit Leichtigkeit weg, indem sie ihre Flügel gerade so viel in Bewegung setzen, als es hinreichend ist, um mit ihren Füssen nicht unter die Wasserfläche zu sinken (Wasser- treter, St. i'etersvogel). Sie lieben die stürmische See deshalb besonders, weil durch den Sturm mehrere der Thiere, von denen sie vorzüglich leben, an die Ober- fläche getrieben werden. Wegen ihres schwärzlichen Ge- fieders und wegen ihres häufigen Erscheinens vor oder bei Stürmen halten die Schiffer sie für Unglücksvögel und böse Wesen, welche den Sturm erzeugen. Die Ord- nung der Taueher, Urinatores, sind Bewohner der ge- mässigten uiitl kalten Meere, wo sie in grossen Gesell- schaften auf einsamen Klüften und Inseln nisten. Ihre Nahrung besteht in Fischen, Krebsen und kleineren Wassertliieren. Sie fliegen schlecht, dagegen sind sie vorzügliche Schwimmer und Taucher. Man unterscheidet zwei Familien, Colymbidae oder Steissfüsse mit den Gattungen Colymbus und Uriator und die der Flügel- taucher oder AIcidae ndt den Gattungen Mergulus, Uria, Alca und Fratercula. In Deutschland häufiger Brutvogel von März bis October ist der Haubensteissfuss, Colymbus eristatus. Alte Vögel dieser Art tragen im Sommer am Hinterkopfe eine zweispitzige, zurückliegende Federhaube und einen grossen, rostfarbigen, nach hinten braunen Federkragen. Der rothhalsige Steissfuss ist in Deutsch- land weniger häufig. Der Zwergsteissfuss wiederum ist von März bis October in ganz Deutschland ein häufiger Brutvogel, der mitunter auch in gelinden Wintern bei uns bleil>t. Als häufige Brutviigel des Binnenlandes sind ferner der Polarsee- und Nordseetaucher anzusehen, während der Eistaucher eine seltene Erscheinung ist. Uebrigens kommen die Häute der Taucherarten, namentlich die des Hauben- tauchers als Rauchwerk („Greberhäute", franz. Grobes) in den Handel. Der kleinste Vogel dieser Familie ist der Krabbentaucher, Mergulus alle, der sich hauptsächlich von Krabben nährt, besser als seine Verwandten fliegt und häufig an den nordischen Küsten und im Winter auch vereinzelt an der deutschen Nordseeküste erscheint. Sein Fleisch gilt als Leckerbissen. Ein seltener Gast an der deutschen Küste ist die (Trill-Lumrae, Uria grylle (Gryll- teist), welche ihren Namen dem eigenthümlichen Tone, den sie hervorbringt, verdankt. Die auf Helgoland brütende Trottellumme, U. lonivia charakterisirt sich durch einen feinen, weissen Ring um das Auge, an welchem sich nach hinten eine weisse Längslinie anschliesst. Die Alke sind vertreten durch den Eisalk, Alca torda, den Tord der Schweden, dessen südlichster Brutplatz Oorn- wallis ist und der sich an der deutschen OstseekUste schon mehrfach gezeigt hat. [Fortsetzung folgt.] lieber den Abbau der Stärke durch die Wirkung der Oxalsänre berichten C. J. Lintner und G. DüU (D. Chem. Ges. Ber. 28, 1522) im Anschluss an die früheren Untersuchungen über den Abbau durch Ein- wirkung der Diastase. Es haben sich gewisse Unter- schiede zwischen beiden Reactionen ergeben. So ergab die Säurespaltung 3 Erythrodextrine, während auch eine erneute Durchforschung des bei der Diastasespaltung er- haltenen Materials deren nur eins erhalten Hess. Ferner wurden durch Säure zwei Achroodcxtrine erhalten; doch finden sich, wie erneute Untersuchung ergab, beide auch in den Producten der Diastasespaltung. Maltose konnte bei der Säurespaltung nicht nachgewiesen werden, da- gegen reichlich Isomaltose. Sp. Ein neues dem Anijgdalin ähnliches Glucosid. Die aust'ührlichcn Untersuchungen Emil Fischers über den Einfluss der Configuration auf die Wirkung der En- zyme haben zunächst ihres theoretischen Interesses wegen die Aufmerksamkeit gefesselt. Wurde doch gerade ilie Eigenschaft, welche Pasteur noch als vitalistisches Charakteristikum der lebenden Zelle aussprach, die Se- lection, als Eigenschaft des leblosen Enzyms erwiesen. Im Laufe dieser Untersuchungen haben sich aber auch praktische Ergebnisse gefunden; die verschiedenen Enzyme werden zu charaktei'istischen Reagentien auf bestimmte Körpergruppen ausgebildet. Eine praktische Verwerthung einer derartigen Reaction bedeutet die Darstellung des in der Ueberschrift bezeichneten Glueosids, welche Fischer kürzlich beschrieb (D. Chem. Ges. Ber. 28, 1508). Das Amygdalin ist schon vor langer Zeit von Hugo Schiff mit Berücksichtigung seiner Umwandlungsproducte als Verbindung des Beuzaldchydcyanhydrins (Mandelsäure- "it'-its) „„ „ .CN C.,H. • CH \0H aufgefasst worden und hat dcm- niit einem Disachari( gemäss die Constitutionsformel C0H5 • CH . CN 0 • C12H21O10 erhalten. Fischer ist der Ansicht, dass dieses Dis- accharid Maltose oder eine ganz ähnliche construirte Diglucose ist. Maltose wird durch Hefenenzyme in Traul)enzucker verwandelt. Ganz entsprechend spalten diese Enzyme aus dem Amygdalin ein Molecül Glucosc ab, ohne dass die stickstoffhaltige Gruppe angegriffen wird und es hinterbleibt ein neues, dem Amygdalin ganz ausserordentlich ähnliches Glucosid CeHj . CH • CN 0-C«H,A, 414 Naturwisseiischaftliclie Wocheuscliri Ct. Nr. 34. das sciuer Zusammensetzung entsprechend als Mandel- nitrilglucosid bezeichnet wird. Dasselbe verlüUt sieh chemisch ganz ebenso wie Amj'gdalin, liefert besonders auch mit Ennilsin dieselben Spaltungsiiroductc, wobei aber natürlich nur noch 1 Jlolecül Glucose erhalten wird, während Amygdaliu deren zwei liefert. Sp. Ziu" Frage der Veuiis-Rotatioii hat unser geschätzter Mitarbeiter, Herr Leo Brenner, Director der Manora- Steruwarte in Lussinpiccolo, kürzlich einige überraschende Mittheilungen in den „Astronomischen Nachrichten" ge- macht. Seit dem 17. April hat er mit seinem vorzüg- lichen Fernrohr mehrfach „zwei augenfällige Flecken nahe dem Nordpol" gesehen, welche, falls ihre Existenz durch anderweitige Beobachtungen bestätigt würde, einen Anhaltepunkt zur Ermittelung der Rotationsdauer geben könnten. Wichtiger aber ist noch eine andere Beobachtung. Die Wiener Sternwarte versendete am 2. Juli Abends folgendes Telegramm: Brenner meldet heute seit 9. Juni sichtbare Einbuchtung, nahe dem Südhorn der Venus, welche täglich gegen 4'' Nachmittags unsichtbar wird, während eine streifenartige Verlängerung noch um 8'^ vor- handen zu sein scheint. Weiss". Brenner selbst theilt in einem Schreiben vom 1. Juli Folgendes darüber mit: „Am 4. Juni um 23'^ M. E. Z. fiel mir zum ersten Mal eine Einbuchtung der Liehtgrenze auf, welche ich etwa 3" unterhalb des Südpols zeichnete (der scheinbare Dureh- messer betrug damals 16"-9), .... Häufig sah ich auch diesen Einschnitt durch einen strichförmigen Fleck, welcher mehr oder minder parallel zum Rande des Pla- neten Hef, verlängert Man könnte fast schliessen, dass dieser Fleck ein ungeheuer tiefes und breites Thal bilde So unwahrscheinlich auch eine solche An- nahme erscheinen mag, so steht sie doch mit der Thatsache in Einklang, dass gegen Mittag gewöhnlich Fleck und Ein- buchtung sichtbar sind, Nachmittags der Fleck ohne Ein- buchtung und Abends weder Fleck noch Einbuchtung. Das würde zugleich auf ungefähr 24 stündige Rotation hindeuten." Prof. Brenner bittet alle, welche diese Beob- achtungen irgendwie zu ergänzen vermögen, dies baldigst zu thun, damit dadurch vielleicht eine genaue Berechnung ermöglicht werde. Brenner erhielt sonderbarer Weise am 15. Juni, zwei Tage, nachdem er dies Object gezeichnet hatte, in einem am 10. Juni abgegangenen Brief von Herrn Stanley Williams in Brighton eine Zeichnung und Beschreiliung des fraglichen Objectes nach Beobachtungen, die schon 1884 gemacht waren und die sich mit den seinen fast vollkommen deckten. Es scheint sich also wirklich um „feste, der Oberfläche des Planeten ange- hörige Objecte" zu handeln. Hoffentlich wird Herr Brenner selbst seinerzeit die endgültigen Ergebnisse seiner Beobachtungen und Berech- nungen uns mittheilen. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ei-nannt wurden: ilov ortlentlieho Professor der AiiujenlK'il- kuudo in Berlin Dr. Julius Hirschberg zum Geh. Medicinnl- rath; der ordentliche Professor der normalen Anatomie Ur. Karl Ebortli zum Director der pathologischen Universitäts- Austalt daselbst; der Privatdocent der Zoologie in Freiburg Dr. V aleii t in H aock er zum ausserordentlichen Professor; die Privatdoccntcn . 8". (JO-l S. mit in den Te.\t ge. Köln. — 2;t72. Wahn. — 3033. Erji. — 3034. Scchtern. — 3151. Montjoic. — 3211. Hönningen. - 3260/Gl. Recht. - 3-'6G. Adenau. -^ 3268. Mayen. — 3311. St. Vieth. — 331.3. Prüm. - 3316. Kelberg. Berlin. - Ji 1 M. Pfeil, L. Graf v.. Die Lufthülle der Erde, der Planeten und der Sonne. 2. verm. Aufl. Berlin. — 1,20 M. Roll, Dr. Jul., Unsere essbaren Pilze. 5. Aufl. Tübingen. — 2 M. Schmidt, Prof. Dr. Carl, Das Naturereigniss der Sintflut. Basel.— 1,20 M. Schulze, Dr. Erwin, Lithia hercynica. Verzeichniss der Minerale des Harzes und seines Vorlandes. Leipzig. — 4,20 M. Sievert, Gymn.-Prof. Dr. Heinr., Ueber Thetafunktioneu, deren Charakteristiken aus Fünfteln ganzer Zahlen bestehen. II. Thl. Bayreuth. — 0,75 M. Spezialkarte, geologische, des Königr. Sachsen. 85. .Sebnitz- Kirnitzschthal. — 87. Rumburg-Seifhennersdorf. Leipzig. — a 3 M. Wittstock, Gymn.-Lehr. 0., Volksthümliches der Siebenbürger Sachsen. — Scheiner, Schuldir. Dr. A., Die Mundart der Siebenbürger Sachsen. .Stuttgart. — 6,50 M. Inhalt: Hermann Wegener: Ucber mikroskopische Merkmale der Basidiomyceten. — Die zoologische Sammlung des König- lichen Museums für Naturkunde zu Berlin. (Forts.) — Ueber den Abbau der Stärke durch die Wirkung der Oxalsäure. — Ein neues dem Amygdalin ähnliches Glucosid. — Zur Frage der Venus-Rotation. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Friedrich Ludwig, Lehrbuch der Biologie der Pflanzen. — Prof. Dr. W. .). van Bebber, Hygienische Meteorologie. — Liste. 416 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 34. lu Ferd. Dümmlers Verlagsbachhandlung in Berlin SW. 12 erscheint in 36 Lieferungen ä 40 Pfennice: LITTROIST, Die Wunder des Himmels oder Gemeinfassliche Darstellung des Weltsystems ' -'- Achte Auflage. — Völlig umgearbeitet von ür". Keim. "Weisss, Professor und Direktor der k. k. Sternwarte zu Wien. Mit 14 liihographierten Tafeln und vielen Holzschnitt-Illustrationen. "Willi Busing^^^\\ Laii^jähtigf r Assistent vom Prof. \)v. V des pholo-chem. Laboratoriums der Kgl. tecbu. Uocbschule zu Charlotteubur BerliaW., Bendlerstr. 13. Pliotorheinii'ifli liiitorsiioii.- •ractische Iiüstitiit. :\^^)hot.o-nieclian. Druck verfahren. Wissenschaftliche und Amateur-Kurse. .(^''^p'''' Eintritt jederzeit. Kurze und längere Kurse. ^^^''^Dunkelkammern stehen zur Verfügung. Vebeniahme aller vorkommenden wissensohattl. und praetischen photographisrhen Arbeiten. Nähere .\usliunft hcrcltwilligst. Tügliell geuflnet von ü— 7. atent-technisches und I Verwerthung-Bureau Betclie. 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Sonntag, den 1. September 1895. Nr. 35. Abonnement: Man abonnirt bei allen BuchhandluDf^en und Post- austalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreia ist M 4.— BrinKe^eld bei der Post 15 4 extra. Postzeittm^iiate Nr. 4732. Y Inserate : Die viergeapaltene Petitzeile 40 ^. Grössere AufträRe ent- Sp sprechenden Rabatt. Beilaßren nach Uebereinkunft. Inseraten annähme 'i> bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. 1 Abdrnck ist nar mit Tollständiger Qnellenangabe gestattet. Ueber die Entstehung und Bedeutung der Richtungskörper. Von R. Lucks. Am thierischen Ei geht, bevor dasselbe durch die Befruchtung zur weitereu Eutwickehing befähigt werden kann, eine Reihe vou Veränderungen vor siel), welche man mit dem Namen „Reifeerscheinuugen" belegt hat, und die mit der Ausstossuug der sogenannten Rielitungs- körperchen ihr Ende erreicht. Bei diesem letzten Acte schnüren sich vom Eikörper, nachdem das Keimbläschen aus seiner centralen Stellung nach der Peripherie bin- gewandert ist und während dessen sich in die für Zell- theilung typische Kernspindcl umgewandelt hat, durch regelrechte Zelltheilung zwei (bei parthenogenetisch sich entwickelnden Eieru jedoch nur eins) im Verhältniss zu demselben verschwindend kleine, zellähnliche und nach den neuern Forschungen als wirkliche Zellen aufzufassende Körperchen, eben jene Richtungskörperchen, welchen Vor- gang 0. Hertwig und nach ihm Bütschli u. A. wegen des bedeutenden Grössenunterschiedes der Theilproducte als eine Zellknospung auffassten. Nach geschehener Abschnürung der Richtungskörper- chen, welche man auch Polzellen nannte, weil sie stets an einem Pol des Eies und zwar am animalen auftraten, wandert der übrig gebliebene Theil der Kernspindel in das Centrum des Eies zurück und erfährt hier noch einige Umwandlungen, bis er zu einem Ruhestadium kommt, während die Richtungskörperchen entweder zu zweien sich längere Zeit am animalen Eipol aufgelagert vor- finden, schliesslich zerfallen und ihr Inhalt wahrscheinlich aufgebraucht wird, oder aber, wie in einigen Fällen be- obachtet wurde, vor ihrer Resorbtion sich noch einmal theilen i'secundäre Richtungstheilung). Da nach der Bildung einer Polzellc nur in wenigen Fällen, nach der Abschnürung zweier niemals Weiter- bilduus resp. Entwickelung der Eizelle eintritt, so ist anzunehmen, dass letztere im ersten Falle einen Theil, im zweiten den Rest der Fähigkeit verloren hat, sich durch Theilung in mehrere Zellen zu zerspalten und so- mit die Embryogenese einzuleiten. Der Verlust der Theilungsfähigkeit der Eizelle steht also im innigsten Zu- sammenhange mit der Ausstossung der Richtungskörper- chen, insofern nämlich beide Erscheinungen sich wechsel- weise auszuschliessen scheinen. Den Beziehungen nach- zugehen und ihre weitern Konsequenzen zu ziehen, das soll die Aufgabe der folgenden Betrachtungen sein. Die Bildung von Polzelleu hat Anlass zu den ver- schiedensten Hypothesen darüber gegeben. Entweder hat man den Richtungskörperchen überhaupt jede tiefere Be- deutung abgesprochen, wie Bütschli, der sie für rudimentäre Bildungen der einstmals fortpflanzungsfähigen Eizelle nach Analogie der Samenmutterzelle aufl'asste, oder aber mau huldigte der Anschauung, dass die Eizelle ursprünglich hermaphrodit gewesen sei, so dass durch die Abschnürung der Polzellen der männliche Theil der Eizelle entfernt werde, um hernach durch die Befruchtung wieder ersetzt zu werden. Diese letztere Richtung wurde namentlich durch Balfour, Miuot und van Beneden vertreten. Einzelne Forscher fassteu die Ausstossung der Richtungskörper als eine Verjüngung des Kernes, andere als einen Reiuigungs- process der Eizelle auf u. s. w. Allen diesen Ansichten trat Prof. Weismann entgegen, indem er die Unhaltbarkeit derselben nachwies und ge- stützt auf seine Entdeckung, dass bei parthenogenetisch sich fortpflanzenden Thieren nur ein Richtungskörperchen abgeschnürt wird, eine neue Theorie aufstellte. Nach derselben theilte er den einzelnen Abschnürungen verschiedene Bedeutung zu. Er unterschied im Eikern, welcher das treibende und leitende Motiv in der Eizelle 418 Naturwisseuschaftliche Wochenschrift. Nr. 35. ist, zweierlei Plasmaarteu, nämlich ovogenes Plasma, eine Modification des histog'enen Kernplasmas, und Keimplasma. Solange das ovogene Plasma au Masse überwiegt, solange übt es die Herrschaft über die Eizelle aus: solange wächst das Ei und widerstrebt jeglicher Theilung. Damit letztere in Folge der Herrschaft des Keimplasmas eintreten kann, muss das ovogene Plasma entfernt werden. Das geschieht gleichmässig bei parthenogenen und sexuellen Eiern durch die Ausstossung eines, resp. des ersten Richtungskörpers. Jetzt hat das Keiniplasma die Oberhand, und die Furchung der Eizelle und somit die Entwickelung derselben kann beginnen. Sie tritt auch in einigen Fällen ohne weiteres ein, nämlich bei den parthenogenen Eiern. Da aber Par- thenogenese zwar momentanen Vortheil bietet, in Eücksicht auf die phyletische Entwickelung jedoch bedeutenden Nachtheil mit sich bringt, so ist es im Princip vortheilhaft, wenn dieselbe verhindert wird und Entwickelung erst nach Befruchtung der Eizelle eintreten kann. Die Mög- lichkeit dazu wird durch die Abschnüruug des zweiten Eichtungskörperchens gegeben, wodurch aus der Eizelle die Hälfte des Keimplasmas ausgestossen wird, so dass nun die ontogenetische Entwickelung nicht eintreten kann, weil das Keimplasma, welches nach der zweiten Ab- schnürung in der Eizelle zurückbleibt, zu schwach ist, um den Zellkörper zur Fnrchung zu treiben. Nachdem die in Folge der Ausstossung der zweiten Polzelle ent- fernte Hälfte des Keimplasmas durch die Befruchtung wieder ersetzt ist, kann die Ontogenese beginnen. Der durch die Befruchtung gegebene Anstoss zum Beginn der ontogenetischen Entwickelung der Eizelle ist aber nicht die bezweckte Hauptsache, sondern nur eine Nebenwirkung. Der Schwerpunkt der Befruchtung liegt in der dabei sich ergebenden Vermischung der elterlichen Eigenschaften, deren Träger die Zellkerne sind. Durch den Samenfaden werden der Eizelle wieder so viel Ahnen- plasmen zugeführt, als sie in Folge der zweiten Richtungs- theiluug mit dem ausgetretenen Keimplasma verloren hat. Unter Ahnenplasma versteht Weismann eine specifische Vererbungseinheit, ein Gebilde, das sämmtliche zur Er- zeugung eines den Eltern gleichenden Kindes nöthigen Vererbungsmomente in sich trägt. Eine Einheit ist es in dem Sinne, als dasselbe keinen Theil verlieren darf, ohne seiner Fähigkeit verlustig zu gehen, dem entstehenden Individuum den Artcharakter aufzuprägen. Der Weismann'- sche Begriff des Ahnenplasnia ist ein äusserst anschaulicher, wenngleich damit nicht seine Richtigkeit dokumentirt wird. In den Kernstäbchen des Eizellkernes liegen nun mehrere, vielleicht sehr vieler Ahnenplasmen in linearer Anordnung neben einander und bilden eben dadurch das Kernstäbchen. Vor jeder eintretenden Befruchtung ist eine Reduction des vorhandenen Kernmaterials in Bezug auf die Ahnen- plasmen erforderlich. Die vorhandene Anzahl musste nämlich durch die von den Samenfäden mitgeführten väterlichen Ahnenplasmen entweder stetig vergrössert werden, oder aber die einzelnen Ahnenplasmen müssten immer mehr an Umfang abnehmen, um in normalen Stäbchen Raum zu haben. Nun ist jedoch eine stete Verkleinerung ohne Gefahr des Verlustes des Ahnenjilasmacharakters nicht gut möglich, sondern es nniss einmal ein Zeitpunkt ein- treten, nach welchem die Aufnahme neuer Vererbungs- cinheiten nur noch so erfolgen kann, dass die vorhandenen Stäbchen sich verlängern oder verdicken. Doch ist auch dieser Möglichkeit ein Ziel gesetzt. Um nun diesem Dilemma zu entgehen, tritt jedesmal vor der Befruchtung eine Reduction des Kernstäbchen- materials und somit der Ahnenplasmen ein, sowohl in der Eizelle, als auch natürlicherweise im Samenfaden. In der Eizelle geschieht sie durch Ausstossung des zweiten Richtungskörpcrchens. Weismann sagt darüber selbst:*) „Meine Ansicht über die Bedeutung des zweiten Riclitungs- körpers ist kurz gesagt die, dass dadurch eine Re- duction des Keimplasmas erzielt wird, nicht blos au Masse, sondern vor Allem an Complication der Zusammensetzung. Es wird durch diese zweite Kerntheilung die übermässige Anhäufung verschiedenartiger Vererbungs-Tendenzen oder Keimplasma - Arten verhindert, welche sonst nothwendig durch die iJefrnchtung eintreten müsste." Die Tendenz, welche der Ausstossung der zweiten Richtungszelle zu Grunde liegt, ist nach Weismann also zunächst rein physischer Natur. Das ist in grossen Zügen die ursprüngliche Weis- mann'sche Theorie der Richtungskörper, wie er sie in den Schriften: „Die Continuität des Keimplasmas" und in der bereits angeführten aufgestellt hat. Ihre Richtig- keit musste jedoch stark in Zweifel gezogen werden. Es ist durch nichts erwieseu, dass im Ei zweierlei Plasma- arten vorhanden sind, und die zweimalige Abschnürung ist kein zwingender Grund zu dieser Annahme. Ja, es ist sogar viel wahrscheinlicher, dass sowohl das Kern-, als auch das übrige Plasma eine Mischung mehrerer ver- schiedener Plasmaarten ist. Aber auch aus dem Verhalten der Eizelle vor und nach der Bildung der Polzellen ist dieser Schluss nicht zu ziehen. Zwar entwickeln sich parthenogene Eier nach der Ausstossung nur eines Rich- tungskörpers, ob das aber auch bei allen übrigen Eiern der Fall sein wird, bei denen man die Abschnürung der zweiten Polzelle verhindert, ist zum mindesten für die grössere Anzahl zweifelhaft, ja, wie später gezeigt werden wird, sogar höchst unwahrscheinlich. Es liegt übrigens gar kein Zwang vor, den beiden Vorgängen verschiedene physiologische Bedeutung zuzuschreiben, in dem es augeuscheinlich zwei ganz gleichartige Vorgänge sind. Durch die erste Abschnüruug wird, soviel man bis heute ersehen kann, die kurz vorher auf das Doppelte gebrachte Anzahl der Kernstäbchen auf die normale Zahl durch die zweite Theilung auf die Hälfte reducirt. Vom Kern geht aber im ersten Falle die Hälfte, im zweiten noch ein Viertel des ursprünglichen Bestandes, im Ganzen also ^,'4 verloren. Die 'J'hatsache, dass vor der Abschnürung der Rich- tungskörper die Anzahl der Kernstäbchen auf das Doppelte gebracht wird, was Weismann bei der Aufstellung seiner Theorie allerdings nicht in Frage ziehen konnte, da diese Entdeckung erst später gemacht wurde, erkannte er als die Achillesferse seiner Theorie, weshalb er sieh zu einer Abänderung derselben entschloss. Wenn nämlich das Princip der zweiten Richtnngstheilung das ist, die Kcrn- stäbciienzahl auf die Hälfte zu bringen, dann bleibt es unverständlich, warum die Zaiil der Stäbchen erst ver- doppelt wird, da nun die erforderliche Reduction nur durch zwei Theilungen möglich ist, während doch vorher eine genügte. Weisniann hält nun dafür**), dass die Längsspaltuug der Idantcn — der aus Ahnenplasmen oder Iden zu- sammengesetzten Kernstäbchen — und die dadurch ent- stehende Verdoppelung ihrer Zahl die Bedeutung hat, die Anzahl der möglichen Idcombinationen zu erhöhen. Da- durch soll „eine fast unendliche Zahl von verschiedenen Keimplasma-Mischungen" erreicht werden „und dadurch die individuellen Unterschiede in so vielen verschiedenen Combinationeu der Naturzüchtung zu stellen, als Individuen *) Weismann: „Ueber die Zahl der Richtungskörpeichen und ihre Bedeutung für die Vererbung'. Jena 87 S. 425. **) Weismaun, „Ampliimi.xis oder die Vermiseliung der Indi- viduen". Jena 1891. Nr. Bf Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 419 entstehen".*) Im parthenogcnctischen Ei unterblciht die zweite Kichtiiii,i;slhoiliiiii;', weil sonst durch die stete Ilalbirung- der ivcrnstäl)i,'hen, die durcii keine Bcfruclitung auf die Nornialzahl jiebraeiit werden, die Vcrerbungs- einiiciten scldiesslicii liis auf eine sinken würden. l?is zu einem ^^-ewissen Grade werden aber auch liier so viel wie niöj;!icii Idcombiuatioueu ilcui Scieetionsproecss zur ^'er- füguui; i;esloill, s(i (lass aueii hier, wenn auch nur sehr gering:, Umljildnug der Arten erfolgt, allerdings mit der Beschränkung, ,,dass rein parthenogenctische Arten die Uniliildungsfähigkeit durch Seicctionsproeesse um so voll- ständiger einbii.ssen werden, je länger die reine Partiieno- gcnese bereits angedauert hat.--**) Für die Entwickclung der sexuellen Eier ist innnerhin von Bedeutung, dass mit der zweiten Kichtungstheilung das in der Keinrzelle vor- handene Keiniplasnia dergestalt vermindert wird, dass der zurückbleibende Theil die Euibryogenese nicht mehr einleiten kann, während das nach der ersten Riehtungs- tiicilung bei parthenogenen Eiern voriiandene Kcimplasma allmählich wieder zu seiner vollen (irösse heranwäclist, und bei Arten mit fakultativer l'arthenogenesc (Biene) sogar der nach zweimaliger Abschnüruug übrig blei- bende Theil des Keimplasmas im Stande ist, auf das er- forderliche Quantum anzuwachsen. Dies ist die neue Wcisniaun'sche Theorie. Dieselbe nimmt die Bildung der Richtungsstellen als einen gegebenen Vorgang an und legt nur die Functionen dar, welche demselben im Verlaufe der Phylogenese über- tragen worden sind, lässt aber die anfängliche Ent- stehung und endliche Nutzbarmachung desselben ganz ausser Acht. Ich halte aber dafür, dass gerade von dieser Seite aus sieli eine befriedigende Lösung- der Frage geben lassen wird. Auch leidet sie an dem Fehler, dass sie den Vor- gang der Vererbung- einzig und allein an die Function der Zellkerne gebunden sein lässt, während nicht unge- wichtige Gründe angeführt werden, welclie für eine Theil- nahme iler Ceutrosomen sprechen. Was ich von den Iden als Träger der Vererbungs- momente halte, habe ich bereits in einem früheren Auf- satze***) angedeutet. Ich bin auch heute noch derselben Meinung. Mag es auch Dinge zwischen Himmel und Erde geben, von denen sich unsere Weisheit nichts träumen lässt; mag das Mikroskop uns auch täglich tiefer in die Welt des Kleinen einführen: es giebt eine Grenze, ttl)er die hinaus Organisation nicht mehr möglich ist. Es ist nicht nn'iglich, dass die Vererbungsdifferenzen durch ge- wisse Molekülgruppen angedeutet werden können. Die Zahl derselben müsste dann eine ungeheure sein. Man versuche nur einmal, den Bau einer Ide mit dem fertigen Organismus eines Menschen in Beziehung zu bringen! Nun sind aber die Weismanu'scheu Ide bereits so klein, dass sie auch mit den besten Mikroskopen nicht erschaut werden krmnen. Es würde zu weit führen, wollte ich mich auf eine specielle Kritik der obigen Theorie ein- lassen. Mit einem Worte gesagt, ist die Weismann'sche Vererbungstheorie nur eine Umarbeitung der alten Ein- sehachtelungstheorie. Welche Bedeutung haben wir dann aber den Rich- tungskörpern zuzuschreiben? Meine Ansicht in Bezug auf diese Frage ist die fol- gende : In der Ausstossung der Rielitungskörper haben wir die letzten Reste der einstmals weit verbreiteten Fähigkeit der Eizelle vor uns, sieh *) a. a. 0., S. 715 und 717. **) a. a. ()., S. 755. '**) „Uebci- Vi'ierbbarkeit erworbener Orgauabänderungon etc.'' Band VIII, Nr. 35 der „Naturw. Wochensch." ohne vorherige Befruchtung selbständig ent- wickeln zu können. Die Polzellen sind also zunächst thatsächlich Rudi- mente, wenn auch nicht im Sinne Bütschli's, sondern üeberreste von durch Furchung hervorgegangener Zellen, wobei jedoch nicht ausgeschlossen bleibt, dass diesem N'organge durch die Natin-züchtung Functionen von hoher physiologischer Bedeutung, wenn auch anderer als ver- erblieher Tendenz, übertragen worden sind, wie ja so oft überflüssig gewordene Organe nicht einfach weg- geschaft't, sondern anderweitig benutzt werden. AVie hat man sieh danach die Entstehung dieses merkwürdigen Vorganges zu denken? Zur Beantwortung dieser Frage ist es nöthig, etwas weiter auszuholen und zunächst die Frage zu beant- worten, wie es überhaupt möglich war, dass sich ein Metazoenreich aus den ürorganismen entwickeln konnte. Die Antwort auf diese zweite Frage kann nur die sein : Die Eutwickelungsmöglichkeit des Metazoen- reiches ist begründet auf der Fortpflanzungs- fähigkeit der organischen Materie, d. h. jener Fähigkeit der einzelligen Organismen durch Theiiung in zwei gleichwerthige Individuen zu zerfallen. Ohne Fortpflanzung also keine Entwiekelung. Da- durch, dass nach geschehener Theiiung eines Organismus die entstandenen Tochterindividuen in Folge intracellu- larer Kraftwirkungen sich nicht von einander trennen konnten, sondern gezwungen waren, aneinander haften zu bleiben, wurde die Grundlage für eine morphologische Diifereuzirung und somit auch für eine phyletische Ent- wiekelung gegeben. So wie aber die Organismen selbst nicht auf der ur- sprünglichen Stufe der Organisation stehen blieben, son- dern "sich allmählich zu entwickeln begannen, so erlitt auch der Vorgang der Fortpflanzung eine grössere oder geringere Umwandlung. Aus der einfachen Zelltheilung ging die Conjugation und aus dieser die geschlechtliche Fortpflanzung hervor. Es ist nun für die vorliegende Frage ohne wesentliche Bedeutung, ob sich die Conjugation bereits vor der Ent- stehung der Mehrzelligen oder erst nachher entwickelte die Grundlage für beide Vorgänge bildet die oben ange- deutete Fortpflanzungshemmung. Im Wesentlichen haben wir es mit zwei Arten der Fortpflanzung zu thun, nämlich mit der einfachen Zell- theilung (asexuelle) und der Conjugation in ihren ver- schiedenen Entwickelungsstadien (sexuelle Fortpflanzung). Die erste Art, welche heute nur noch vereinzelt, rein vielleicht gar nicht mehr vorkommen, war ursprünglich die einzige Art und beherrschte als solche das ganze Gebiet der organischen Welt auf ihrer ersten Ent- wickelungsstufe. Mit der Einführung der sexuellen Fortpflanzung,^ die Anfangs sehr primitiv gewesen sein mag, trat in Folge des ausserordentlichen Uebergewiehtes derselben über die asexuelle ein gewaltiger Umschwung zu Gunsten der ersteren ein, der sich so lange steigerte, bis die sexuelle Fortpflanzung obligatorisch war. Es darf w ohl angenommen werden, dass die asexuelle Vermehrung nicht vollständig verdrängt wurde, sondern sich bei einigen Organismenarten bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Es ist nun eine ofl"ene Frage, ob eine Entwiekelung der Einzelligen zu Mehrzelligen auch ohne sexuelle Fort- pflanzung möglich ist und ob solche stattgefunden hat. Betrachten wir nun den Gang, welchen die sexuelle Fortpflanzung in ihrer Entwiekelung eingeschlagen hat! 420 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. Nr. 35. Die niederste Form der sexuellen Fortpflanzung ist jedenfalls die Conjugation der Einzelligen, wenngleich an- genommen werden muss, worauf auch schon früher hin- gewiesen wurde, dass dieselbe nicht gleich so vollkommen war, wie sie heute beobachtet wird, sondern dass von der einfachen Theilung bis zur „amphigonen" Fort- pflanzung eine Reihe von Zwischenstufen durchlaufen wurden, die aber im Laufe der Phylogenese verschwanden. Es ist darum kein Unterschied zwischen Conjugation und sexueller Fortpflanzung zu machen, sondern beide Vor- gänge sind nur verschiedene Formen, eine Vermischung der Individualitäten, zu bewirken. Die Conjugation ist die Grundform, von welcher sich die sexuelle Fortpflanzung abgeleitet hat in der Weise, dass, während dort nun ein wechselseitiger Austausch stattfindet, nach welchem beide Individuen fortleben und sich vermehren, hier die Ver- hältnisse so liegen, dass von einem blossen Stoffaustausch Abstand genommen werden musste, und die bezweckte Vermischung nur durch Verschmelzung der beiderseitigen Gesehlechtsproducte stattfinden kann; was als eine Folge von auf Z^veckmässigkeit beruhender Anpassung aufzu- fassen ist, während der einzellige Charakter der Zeugungs- stoffe seine Abstammung von den die Conjugation ver- mittelnden Individuen nicht zu verleugnen vermag. Es ist als eine unabweisbare Nothwendigkeit anzu- nehmen, dass mit dem Augenblicke, wo die einzelligen Organismen zu vielzelligen übergingen, eine Abänderung der Conjugation aus naheliegenden Gründen sich vollzog. Diese Abänderung machte sich als eine gegenseitige An- passung den neuen Verhältnissen gegenüber erforderlich; denn die vielzelligen Wesen konnten nicht in der Weise con- jugiren, wie die einzelligen. Es musste daher bei erstereu eine Einrichtung getroften werden, welche einen vollstän- digen Austausch der Individualitäten zuliessen, wenn auch auf Kosten gewisser nützlicher aber nicht unbedingt er- forderlicher Verhältnisse. Die zur Conjugation bestimmten Theile der Organismen mussten sowohl einzellig sein, sowie alle zur üebertragung der Individualitäten erforderlichen Grundlagen in sich bergen. Das Resultat der gegenseitigen Anpassung war Ei- bildung auf der einen und Spermabildung auf der andern Seite. Beiderlei Gesehlechtsproducte sind anfänglich jedenfalls sehr gleichartig gewesen und der Vorgang der Vermischung ist der Conjugation äusserst ähnlich gewesen. Im Laufe der Zeit machte sich jedoch ein Unterschied zwischen den Geschlechtsproducten geltend, indem der eine Theil Verhältnisse aufgab, um andere besser aus- bilden zu können, während der andere Theil die ent- gegengesetzten Verhältnisse ausbildete, so dass Ei und Samenfaden in ihrer heutigen Gestalt zwar morphologisch sehr verschieden sind, physiologisch doch eine äusserst vollkonnnene alternirende Ergänzung bilden. Zu welchen hauptsächlichsten Abänderungen es gekommen ist, lehren uns die Zeugungsproducte bei näherer Betrachtung in ihrer Form und Wirkung. Eins muss aber dabei festgehalten werden: So wie die nicht conjuglrenden Einzelligen noch im Stande waren, eine Zeit lang weiter zu leben und sich auch fortzupflanzen, so haben auch die beiden ursi)rünglichen Gesehlechts- producte die Fähigkeit besessen, sicli auch dann zu ent- wickeln, wenn keine Vermischung in Folge ungünstiger Umstände eintrat. Ich möchte diesen Zustand eine primäre Partheuogcse nennen, wobei die aus unvermischten Zeugungsstoffen hervorgehenden Individuen im Stande waren, sich vielleicht durch mehrere Generationen unge- schlechtlich fortzupflanzen, um dann wie die Einzelligen in analogen Fällen zu Grunde zu gehen. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass eine Vermischung durch Con- jugation der Gesehlechtsproducte für mehrere Generationen erfolgreich war. Als sich die Naturzüchtung dieser Verhältnisse an- nahm, was jedenfalls schon sehr frühe geschähe, wurde in Folge des höchst bedeutenden Ueljergewicbtcs, welches die aus befruchteten resp. copulirten Eiern hervorgegan- genen Individuen über die aus unbefruchteten Fort- pflanzungselementen entstandenen im Laufe der Zeit er- langten, die letztere Entstehungsweise Anfangs allmählich, nach und nach jedoch immer rapider unterdrückt. Die Fähigkeit der Organismen, Eizellen resp. Samenköri)er zu bilden, welche im Stande waren, sich auch ohne Be- frachtung zu entwickeln, brachte keinen Vortheil mehr und blieb auch stets, wenn Conjugation der Zeugungs- stoflfe eintrat, unbenutzt. Diejenigen Eizellen, welche ohne vorhergegangene Befruchtung sich nicht entwickeln konnten, waren jedoch nicht verloren, sondern wurden durch Conjugation zum Beginn und zur Fortpflanzung resp. Vollendung ihrer Entwickelung befähigt. Der Unterschied zwischen den entwickelungsfähigen und -un- fähigen Eizellen ist daher nur der, dass bei der letzteren Art stets Conjugation nöthig war, wenn sie zur Ent- wickelung kommen sollten, dafür waren aber jene insofern in bedeutendem Nachtheil als sie zur Entartung ihrer Nachkommen führten, da letztere nämlich hinter den durch Befruchtung erzeugten zurückblieben. Doch ist immerhin festzustellen, dass die Befruchtung der Eizelle durch den Samenkörper resp. die Vereinigung zweier Gesehlechtsproducte anfänglich zur Erzeugung von neuen Generationen nicht unbedingt erforderlich war; wir müssen vielmehr annehmen, dass im Beginne der ge- schlechtlichen Differenzirung eine Reihe asexueller Nach- kommen mit einer durch Conjugation erzeugten Generation abwechselten, und dass die sexuellen Generationen immer häufiger auftraten, bis sie zur schliesslichen Verdrängung der asexuelleu Fortpflanzung führten. Da die Fähigkeit selbständiger Entwickelung bei stetem Vorhandensein conjugirender Fortpflanzungs- elemente oft lange Zeit hindurch, ja, bei einzelnen Indi- viduen vielleicht immer unbenutzt blieb, so musste dieselbe allmählich verschwinden. Die letzten Reste derselben machen sich bei den Eizellen heute in der Ausstossung der Richtungskörper bemerkbar. Es sei mir gestattet; noch kurz die Veränderungen anzudeuten, welche die Zeugungsstoft'e im Verlauf der Phylogenese aus Zweckmässigkeitsgründen erlitten, und darzuthun, in welcher Weise die Conjugation bei der sexuellen Fortpflanzung vor sich geht. Die morphologische und histologische Diiferenzirung der beiderseitigen Gesehlechtsproducte ist zunächst durch eine physiologische Arbeitstheilung verursacht worden. Da die Zeugungsstoflfe von zwei verschiedenen oft weit von einander entfernten Individuen geliefert wurden,*) so war es mit Rücksicht auf die gewünschte Vereinigung derselben erforderlich, dass die Keimzellen eine ent- sprechende Wanderung unternahmen. Diese konnte eine active sein, war aber ursprünglich wohl stets eine passive, indem sie durch den Wasserstrom verursacht wurde. In lieiden Fällen war aber jede grössere Anhäufung von *) Eiiip solche innige Vereinigung wie die Organismen bei der Conjugation eingingen, und wie wir die lieute bei der inner- lichen Befruchtung wiederfinden, konnte bei den ersten viel- zelligen Organismen nicht eintreten, weil sie dazu erforderlichen Organe erst durch die phyletische Entwickelung geschaffen werden mussten. Die Zeugungsstoffe wurden also, wie es noch heute bei vielen Wasserbewohnern selbst in höheren Thierklassen geschieht, ins Wasser entleert, und es blieb dem Zufall überlassen, ob sie Nr. Bf). Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 421 ichkeit der Seibstentwickclung- durch Abwerfen Nahrungsstoffen verboten, weil letztere der Fortbewegung ein llciiinuiiss entgegensetzte. Was konnte hier günstiger sein, als eine Arheits- tlieihuig in der Weise, dass der eine Theil der Keim- zellen, sagen wir die mütterlichen, mit einer grösseren Quantität Nahrungsstotfcn ausgerüstet wurde, was aller- dings eine Fortführung der Zelle fast unmöglich machte, wäiirend der andere Theil, die väterlichen Keimzellen, jeden Nahrungsstoff abwarfen, dadurch aber umsomehr befähigt wurde, die niütterliche Eizelle aufzusuchen. AUcrdiugs war mit dieser Arbcitstheilung zugleich der Verlust der Entwickclungsfähigkeit der männlichen Keim- zellen verbunden, wäln-cnd durch den grösseren (Jchalt der Eizellen an Nahrungsstoffen gleichzeitig für bessere Ernährung des entstehenden Individuums für die erste Zeit gesorgt wurde. Weil nun die Samenzellen oft erst nach längerer Zeit an ihren Hestimmungsort gelangten, so war es nöthig, dass den Eizellen die Fähigkeit der Selbstentwickelung genommen und die Sameukörper mit einer grossen Lebens- fähigkeit ausgerüstet wurden, da ihnen wie wir erkannt haben Nahrungsstoffe nicht mitgegel)en werden durften. Zugleich niussteu die letzteren Ersatz für die verlorene Fähigkeit der Selbstentwiekelung der Eizelle leisten, welche sehr wohl entwickelungsfähig blieben, denen aber die M des Plasmaleibes genommen wurde. Die Samenzelle konnte den gewünschten Ersatz auch nur in dem einen Falle leisten, dass sie sich mit der Eizelle dauernd verband, weshalb der Spermafaden sich nicht mehr IjIos an die Eizelle nach Art der Conjugation anlagerte, sondern in dieselbe hineindrang. Es mögen auch hier viele Zwischenstufen durchlaufen worden sein, ehe die heutigen ^'erhältnisse erreicht wurden. Ei- und Samenzelle unterscheiden sich auch noch nach anderen Seiten hin mehr oder weniger; je nach den Verhältnissen, denen sie sieh augepasst haben. Diejenigen Eizellen, welche sich ausserhalb des thierischen Organis- mus entwickeln (Vögel, Amphibien, Reptilien etc.) zeichnen sich meist durch ausserordentliche Grösse von denjenigen aus, welche ihre Entwickelung theilweisc oder auch gänzlich im Mutterleibe durchmachen (Säugethiere). Den ersteren muss nämlich von ihren Erzeugern die zur vor- läufigen Entwickelung erforderliche Menge von Nahrungs- stofl'en — Deuteroplasma — mitgegeben werden, während bei den Eiern der Säugethiere, wenigsten bei den Mutter- kuchentiiieren, die den Körper des Nachkonnncn auf- bauenden Stoffe bis zu einer gewissen Periode der Ent- vviekelung suecessive vom mütterlichen Organismus geliefert werden. Die Vertheilung des Dotters in der Eizelle richtet sieh nach der Menge derselben. Die Grösse der Eier ist von der Zahl der gleichzeitig producirten und diese wieder von der Zerstörung abhängig, welcher sie in den Wcchsel- fällen des Lehens ausgesetzt sind. Man kann sagen: Die Zahl der erzeugten Eier steht in gradem Verhältniss zu den Momenten ihrer Zerstörung und in umgekehrtem zu der Grösse der Eier. Bei nach und nach abgesetzten Eiern ist diese Regel nicht ganz zutreffend. Der scheinbar toten oft riesigen J[asse der Eier, z. Pj. der grösseren Vögel, stehen die winzigen Samenfäden in ihrer eigenartigen Beweglichkeit gegenüber. Meist aus einem blossen Kern und einem vibrirenden Schwänzchen bestehend, schlängeln sie sich mit ziemlicher Geschwindig- keit durch das Gesichtsfeld des Mikroskopes, welches man stets zu ihrer Beobachtung heranzieiien muss, und man glaubt eher, ein kleines Lebewesen, als eine blo.sse organisciu' Substanz zu sehen. Der spitze Kopf erleichtert das P2indringen in die Eizelle, mit deren Kern der Kern des Samenfadens eopulirt, der Schwanz treibt das Kör- perchen vorwärts, bis es den Ort seiner Bestimmung er- reicht hat, was oft Tage, .ja Wochen lang dauern kann. Der Kern ist aufs äusserste concentrirt, um das Eindringen in die Eizelle möglichst zu erleichtern. So sehen wir auch hier die organischen Verhältnisse sich unter den Gründen der Zweckmässigkeit gestalten, sehen, wie sich aus gleichen Anfängen die verschiedensten Formen und Gegensätze entwickeln können. 0. Hertwig giebt die Veränderungen, welche die Zeugungsstoffe erlitten haben, kurz so an:*) „Die Unähnlichkeit zwischen den männlichen uud weiblichen Geschlechtszellen erklärt sieh daraus, dass zwischen beiden eine Arbeitstheilung stattgefunden hat, indem sie sich verschiedenen Aufgaben augepasst haben. Die weibliche Zelle hat die Aufgabe übernommen, für die Substanzen zu sorgen, welche zur Ernährung und Vermehrung des Zellprotoplasnias bei einem raschen Ab- lauf der Entwickelungsprocesse erforderlich sind. Sie hat daher im Ovarium Dottermaterial, Reservestoffe für die Zukunft, in sich aufgespeichert und ist dementsprechend gross und unbeweglich geworden. Da nun aber zum Zu- standekommen eines Entwickelungsproeesses noch die Vereinigung mit einer zweiten Zelle eines anderen In- dividuums erforderlich ist, ruhende Körper sich aber nicht vereinigen können, so hat sich zur Lösung dieser zweiten Aufgabe der männliche Elementartheil entsprechend ver- ändert. Er hat sich zum Zweck der Fortbewegung und um die Vereinigung mitder ruhenden Eizelle zu ermöglichen, in einen constractilen Faden umgebildet und sich aller Substanzen vollständig entledigt, welche, wie zum Bei- spiel das Dottermaterial, diesem Hauptzweck hinderlieh sind. Dabei hat er zugleich auch eine Form angenommen, welche für den Durchtritt durch die Hüllen, mit welchem sich das Ei zum Schutz umgiebt, und für das Einbohren in den Dotter die zweckmässigste ist." Die Befruchtung der Eizelle durch den Samenfaden fasste ich als eine den veränderten Verhältnissen ent- sprechend modificirte Conjugation auf. Wir wollen diesen Vorgang näher ins Auge fassen, um daraus den Beweis für meine Annahme ableiten zu können! Nach der Bildung der Richtungskörper, durch welchen Vorgang der ursprüngliche Eizellkern V4 seines früheren Bestandes verlor, und dadurch zum Beginne der Embryo- genese gänzlich unfähig wurde, ist die Reife des Eies vollendet, und die Eizelle für die Befruchtung vorbereitet geworden, welcher dann die Entwickelung meist auf dem Fusse folgt. Während das Keimbläsehen nach dem Centrum zurückwandert, oft sogar schon vor und bei der zweiten Richtungstheilung, dringt in die Eizelle eines der dieselbe umschwärmenden Spermafäden, und zwar der, welcher ihr am nächsten sich befindet, durch eine Oetfnung der Zellmemliran (Mikropyle). Sobald der Spermafaden, gewöhnlich unter Verlust seines Schwänzchens, in die Eizelle eingedrungen ist, ver- liert er seine Beweglichkeit, nähert sich aber immer mehr dem Mittelpunkte, wobei sieh um ihn ein Strahlenkranz bildet, und er an Umfang bedeutend zunimmt. Mit dem von der Richtungstheilung zurückkehrenden Keimbläschen- kern vereinigt er sich in den meisten Fällen, lagert sieh aber auch manchmal für kmzc Zeit an denselben. Bald nach dem Eindringen des Spermakernes geht die Ent- wickelung des Eies vor sich, so dass man zu der Annahme gezwungen wird, dass der Kern des Samenfadens die Einbryogencse einleitet, da unbefruchtete Eizellen — aus- genommen bei Parthenogenese — zur Entwickelung un- fähig sind. Manchmal ist der Eintritt der Entwickelung *) (). Hoi-twis- IaOu-Iuh'Ii '\' Jena 'JO. lOiiUvickeliingsgeschiclito etc. 422 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 35. noch von gewissen nebensächlichen Factoren — Luft, Feueiitigiveit, Wärme etc. — abhängig, wie namentlich durch die Eier der Vögel dokinnentirt\vird. Aus dem Verlaufe der Befruchtung und den weiteren Folgen derselben, geht hervor, dass wir es hier mit einer veränderten Conjugation su thun haben, wobei durch die Verhältnisse bedingt wird, dass nur der eine Theil und zwar stets der zur Eizelle gewordene die Grundlage für ein neues Individuum wird, während bei der Urform der geschlechtlichen Fortpflanzung der Conjugation, beide Theile dazu fähig sind. Wie aber hier nach geschehenem Stotfaustausch die einzelnen Individuen immer rascher und rascher durch Zweitheilung sich zu vermehren be- ginnen, so tritt auch dort nach geschehener Kerncopulation eine immer scimeller vor sich gehende Zelltheilung ein, bis sich die Eizelle in einen grösseren Zellhaufen — der Morula zerklüftet hat, welche das Fundament aller weiteren Entwickelung bildet. Wie aber ein Infusorium, welches den Zeitpunkt der Conjugation verpasst hat, nach längerer oder kürzerer Zeit dem Tode anheimfällt, was durch die Conjugation ausgeschlossen bliebe, so geht auch die Eizelle zu Grunde, welche durch keinen Sperma- kern zum Beginne der Ontogenese befähigt wird. Die Zerklüftung der Eizelle ist ein Werk des Ei- kerues. Dieser besitzt wie auch alle übrigen echten Zellkerne die Fähigkeit, Deutoplasma aufzunehmen, zu assimiliren und als Baustoffe an die Zelle abzugeben. Wie diese Baustoffe sich allmählich an die Spindeifasern in der Medianebene der Kernthcilungsfigur anlagern, zur Bildung einer Mittelwand und somit zur Zelltheilung fuhren, ist noch zu wenig aufgeklärt und diese Kenutniss übrigens auch für die Lösung unsere Aufgabe nicht er- forderlich. Auch der Kern der Eizelle, wie er derselben ur- sprünglich eigenthümlich war, besass Anfangs diese Fähigkeit in hohem Grade, sie ging ihm aber nach und nach verloren, weil dieselbe, wie wir gesehen haben, nicht mehr unl)edingt nöthig, sondern ihr Nichtvorhandensein sogar vortlieilhaft war. Dabei ist es nun leicht denkbar, dass der Anfangs normale Kern im Laufe der Zeit sich um- bildete, zum Theil entartete. Der Spermakern hat aber jene für jede Entwickelung so hochbedeutsame Fähigkeit noth wendiger Weise bei- behalten und wahrscheinlich im Verlauf der Phylogenese noch erheblich gesteigert, vielleicht auf Kosten des Plasmalcibes, der, wie wir gesehen haben, aus Zweck- mässigkeitsgründen abgeworfen werden musste. Ei und Samenfaden bilden demnach auch nach dieser Seite hin eiue äusserst vollkommene Ergänzung. Da der Eizellkern die Fähigkeit der Zelltheilung fast völlig verloren hat, so ist derselbe auch nicht im Stande, die Eizelle zur Entwickelung zu veranlassen, sondern es lösen sich nur zweimal in Form ganz kleiner Zellen, Stücken vom Eizellleibe ab, welche eben die be- wussten Richtungskörper bilden. Es ist nun möglich, dass in diesem unscheinbaren Vorgange noch höchst bedeutungsvolle Momente für die ontogenetische Entwickelung liegen, indem beispielsweise dadurch gewisse Stoffe entfernt werden sollen, welche durch den Samenfaden wieder ersetzt werden, wie die Hälfte der Kernkörperchen, jedenfalls sind es nicht auf die Vererbung bezügliche Momente, welche das treibende Motiv bilden. Der Beweis für meine Auffassung Hesse sich durch das Experiment in der Weise erbringen, dass man ver- sucht, die Bildung der Richtungskörper zu unterdrücken. Nach einigen Forschern soll dann unbedingt Partheno- genese emtreten wenigstens nach Unterdrückung der befruchtungsbedürftige Eizelle in jedem Falle zur Ent- wickelung unfähig ist, wenn nicht zuvor Befruchtung er- folgt. Es ist nämlich nicht nur denkbar, sondern sogar höchst wahrscheinlich, dass bei der grossen Menge Eier, welche producirt werden, sich auch solche vorfinden, bei denen die Abschnürung der zweiten resp. beider Pol- zcllen aus gewissen Hemmungsursachen nicht stattfinden kann. Alle diese Eier mussten sich dann ohne Be- fruchtung entwickeln können. Es ist aber bis heute noch kein Fall nachgewiesen worden, wo ein weiblicher Organismus ohne vorherige Begattung Nach- kommen erzeugte, — ausgenommen die Fälle, wo Parthono- irenese vorliegt. bei Besonderes denen sich theilen, welcher Vorg Interesse verdienen noch diejenigen Eier, die primären Richtune,'szellen nochmals in Hinsicht Richtungszellen iiuf die Weis- bleibt, auf einmal neues rasches Masse des Zellleibes. An- durch unaufgeklärt eingedrungene Körper mann'sche Vererl)ungstheorie Die Befruchtung bringt Leben in die scheinbar todte fänglich klein, beginnt der Aufnahme von Plasma schnell an Umfang zu wachsen und indem er die aufgenommenen Stoffe assimilirt, werden die Grundlagen für den Eintritt einer Zelltheilung ge- geben, womit die ontogenetische Entwickelung ihren An- fang nimmt. Durch die Kopulation des Spermakernes mit dem Kern der Eizelle wird Furchungskernes eine resultirende. Man könnte leicht zu der Ansicht die Wirkung des neigen, dass, den Einzelkern er- dem eo ipso nur wenn der eingetretene Spermakern setzt, ein Individuum entstehen müsste, väterliche Eigenschaften anhaften, da die tendenzen in irgend einer Weise an die Kerne mit In begriff der Centrosomen gebunden zu sein scheinen. Diese Ansicht wäre jedoch eine irrthümliche; denn wenn auch Boveri einen allerdings von anderen Gesichtspunkten ge- leiteten Versuch mit zwei Spermafäden von Erfolg be- gleitet sah, so mag das wohl ein Beweis dafür sein, dass zwei Spermakerne eine kernlose Eizelle zum Beginne der Entwickelung zu treiben vermögen. Ich halte jedoch dafür, dass der Eizellkern, obgleich er die Fähigkeit der Vererbungs- Zelltheilung verloren hat, die Ubr grundlegenden dagegen zweiten Polzelle. Ich bin hingegen der Ansicht, dass die rigen den Bau des Indi- viduums bedingenden Momente in sich trägt. Der Eizell- kern ist also wohl im Stande, auf die Bildungen bestimmend einzuwirken. Ich halte den von Weismann vorgeschlagenen Versuch mit zwei Einzelkernen für vergeblich, weil zwei solcher Kerne nicht fähig sind, die Eizelle zur Furchung zu treiben, da ja jedem die Fähigkeit der Stoffassimilation und der damit zusammenhängenden Momente abgeht. Was aber den einzelnen Theilen fehlt, kann im Ganzen auch nicht enthalten sein. Die Wirkung des mit dem Eizellkern zum Furchungs- kern kopulirten Kern des Spermafadens ist nun dieselbe, wie die eines normalen Zellkernes. Jede in einen Furchungstheil mitgewanderte Hälfte des letzteren er- gänzt sich durch Stoffaufnahme beständig, um dann von neuem Theilung der Furchungselemente zu veranlassen. Betrachten wir noch kurz die Verhältnisse, wie sie bei den Samenfaden liegen! Ihrem den Eizellen analogen Ursprung gemäss, sollte man hier ebenfalls Vorgänge auffinden, welche auf jenen Ursprung zurückweisen. Einen der Richtungskörperbildung ähnlichen Vorgang darf man naturgemäss nicht erwarten, da, wie oben nach- gewiesen wurde, die Entwickelung des Spermafadeus der Eizellentwickelung diametral entgegengesetzt ist. Die Deutung, welche Weismann den der Samenbildung vorauf- gehenden Vorgängen zu geben versucht, ist demnach nicht richtig, weil sie von der Anschauung geleitet wird, dass hier ähnliche Verhältnisse, wie bei der Eizelle vorliegen. Nr. 35. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 423 Die Weitercnt\vi('i\cluiij;-, wclciic die Spcriiiazelleu gefunden haben, sahen wir in der Abwerfung' des l'lasnia- leii)es und der besseren Ausbihlung der Kernoigeiisehaften; welche eben das ersterc bedingt. Wir sollten daher bei der Spermazelle eine ansserordentliehe 'i'licilungsfaliigkeit finden; denn wäre diese Fälligkeit auch liier verloren gegangen, wie sollte dann überhaupt eine Entwickelung der Eizelle möglich seinV Nun finden wir zwar nicht eine unbegrenzte Theilfäliigkeit bei der Sperniazelle vor, aber doch eine sehr hohe. Dem Sperniakern steht nur eine geringe Menge Plasma zur Verfügung, auf welche sich seine Thätigkeit erstrecken kann, was aber nur so lange geschehen kann, als noch Plasma vorhanden ist. Die Abwerfung des Plasmaleibes haben wir demnach nicht so zu verstehen, als ob der Kern der Sperniazelle diese verlassen hat, oder aber letztere im Laufe der Phylogenese rückgebildet wurde, sondern das Plama wird in Folge der hochausgebildeten Kernthätigkeit zu Si)erma- fäden verarbeitet. Es verbietet sich mithin von selbst, dem Spermafaden Plasma mitzugeben, und der reine Kerncharakter ist daher nicht bloss ein Mittel, den Be- fruchtungsvorgang zu erleichtern. Aus dem eben gesagten ergiebtsich auch, wieeinesolche zahlreiche Erzeugung von Samenfäden, wie wir sie heute vorfinden, und als durchaus nothweudig erachten müssen, entstehen konnte, ohne dass die Natur zu besonderen Hilfsmitteln ihre Zuflucht nehmen musste. Da der ein- zelne Samenfaden wenig Aussicht hat, die Befruchtung einer Eizelle zu vollführen, so ist eben jene reichliehe Samenproduetion erforderlieh. Diese ist aber nur mit Hilfe der beibehaltenen Kerneigenschaften möglich. Wenn nun auch die Massenproduction der Spermafäden nicht die Hauptsache ist, so bleibt sie doch immerhin von grosser Bedeutung. Es bleibt jetzt noch übrig, auf die Entstehung und Bedeutung der Parthenogenese einzugehen. Aus dem Gesagten geht von selbst hervor, dass Parthenogenese nur auf der Reconstruction der einst- maligen Entwickelungsmöglichkeit ohne vorherige Be- fruchtung beruht. Wie es möglich war, dass der Eizell- kern eine Fähigkeit auszubilden im Stande war, welche bereits fast gänzlich verloren gegangen war, ist leicht erklärlieh im Hinblick auf die Erfolge der Selektion. Die Nothwendigkeit zu diesem Schritte ergiebt sich aber aus der Bedeutung, welche wir der Parthenogenese bei- messen müssen, nämlich eine äusserst intensive Vermeh- rung behufs sicherer Erhaltung der Art und besserer Ausnutzung günstiger Lebensbedingungen durch Weg- lassung mehrerer zeitraubender mit der Befruchtung zu- sammeuhängender Verhältnisse. Diesem momentanen Vortheil steht allerdings ein bedeutender, wenn auch oft erst spät zu Tage tretender Naehtheil gegenüber, welcher um so schwerwiegender wird, je reiner die Parthenogenese auftritt, nämlich Zurückbleiben in der ph^'letischcn Ent- wickelung, dessen Endresultat Entartung und demnach Untergang der Art ist. Deshalb seilen wir, dass reine Parthenogenese äusserst selten auftritt, vielleicht nur da, wie Weismann hervorhebt, wo es darauf ankommt, die Art durch rapide Vermehrung über Wasser zu halten, während in allen anderen Fällen nach einer kurzen oder langen Reihe parthenogenetischer Generationen eine ge- schlechtliche Vermehrung eintritt. In den vorstehenden Betrachtungen glaube ich, meiner Aufgabe gerecht geworden zu sein. Ich habe gezeigt, dass den Richtungskörpern eine hervorragende Rolle nicht zuerkannt werden darf, dass sie am aller- wenigsten als Grundlage für eine Vererbungstheorie dienen können, wenn selbst ihr zähes Wiederkommen als ein Beweis ihrer Wichtigkeit angeführt worden ist. Sie sind eben nur die letzten Reste der Fähigkeit der Eizelle, sich ohne Befruchtung selbständig entwickeln zu können, und demnach mit Recht als Rudimente aufzufassen, was auch daraus hervorgeht, dass bei parthenogenen Eiern das zweite Richtungskörperchen zur zweiten Furchungs- kugel wird, und es lässt sich annehmen, dass parthenogene Eizellen, bei denen man die Ausstossung der ersten Riehtungszelle hindert, ebenfalls die Embryogenese be- ginnen und zu Ende führen werden, und dass unbefruchtete sexuelle Eizellen, bei denen man die Bildung der Rich- tungszellen (einer oder beider) unterdrückt, nie die Ent- wickelung einleiten werden. Sollte indessen auch die Annahme dieser letzten Modalitäten sich als irrig erweisen, dann ändert das Resultat doch nichts au der Stellung, welche die Rich- tungskörperchen nach obiger Darlegung in der onto- genetischen Entwickelung der Organismen einnehmen. Der Streit um den „thierisclien Magnetismus" scheint augenblicklieh ebenso heftig entbrennen zu wollen, wie vor wenigen Jahren der Streit um den Hypnotismus, welcher mit der völligen Anerkennung des letzteren endete. Die Schriften, die sich mit dem Magnetismus be- schäftigen, mehren sich stetig, leider aber sind sie zumeist von einer derartigen Unwissensehaftlichkeit und Vorein- genommenheit, dass sie als unbrauchbar bezeichnet werden müssen. Zumal gilt dies von den Aufsätzen eines ge- wissen Willy Reichel, dessen Buch: „Der Magnetismus und seine Phänomene" wir in Bd. IX, Nr. 41 besprochen haben. Wenn die Forschung mit Misstraucn an diese Piiänomene herantritt, so ist dieser Skeptizismus nur zu berechtigt, da der Magnetismus fast stets von unwissen- schaftlichen Vertheidigern mit dem Spiritismus in einen Topf geworfen wird, welcher ja überhaupt alle von der Wissenschaft nicht anerkannten Lehren in sieh aufsaugt wie ein Schwamm, wenn sie auch in gar keiner Be- ziehung zu ihm stehen. Kürzlich ist nun — schon in zweiter Auflage — ein Buch von G. W. Gessmann er- schienen*), auf das wir im Litteraturberieht nochmals zurückkommen werden, welches in objectiver, ruhig wissenschaftlicher Weise das heikle Problem behandelt und völlig frei ist von allen spiritistischen oder sonstigen Ueberspanntheiten. Leider sind auch hier die Ver- wechselungen von Magnetismus und Hypnotismus nicht ganz vermieden, zwei Erscheinungen, die in neueren Schriften stets mit einander verquickt werden, trotzdem sie völlig verschiedene Phänomene sind. Man pflegt z. B. oft vom „magnetischen Schlaf" zu sprechen, während man den hypnotischen meint und ein magnetischer Schlaf ein Unding ist. Auch Dr. Albert Moll, der in seinem Werk: „Der Rapport in der Hypnose. 1892" auf Grund eigener Experimente die Existenz des Magnetismus leugnen zu müssen glaubte, hat die Grundidee des Pro- blems total falsch erfasst und lediglich interessante hyp- *) „Magnetismus und Hypnotismus" von G. W. Gessmann. Mit 53 Abbildungen und 19 Tafehi. Zweite Auflage. Electro- technisclie Bibliothek. Band XXXV. Wien, Pest, Leipzig. A. Hartlebens Verlag. Preis 3 Mk. 424 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 35. notische Experimente angestellt. Auch Gessmann macht sich, wie gesagt, zuweilen dieser Verwechselung schuldig, indem er z. B. einen von ihm konstruirten Apparat zum Nachweis der magnetischen Beeinflussung des Menschen als „Hypnoskop" (!) bezeichnet. Die Lehre des „thierischeu Magnetismus" (der Name „Mesnerismus" kann wieder Veranlassung zu Ver- wechselungen geben) besteht doch zunächst lediglich in der Behauptung, dass der Zustand jedes Menschen von starken Magneten mehr oder weniger beeinflnsst werden könne. Die einzelnen Diftercuzirungen dieser Lehre bilden dann jede einen Punkt für sich, ebenso die schon beträchtlich weitergehende Behauptung, dass Personen, bei denen die magnetischen Erscheinungen besonders stark auftreten, diese Kräfte zu gewissen Heilzwecken verwertlien könnten. Die erste Behauptung, die Beein- flussung der elektrischen Nervenströme des Menschen durch starke Magneten, ist durchaus wahrscheinlich. Es ist eine Thatsache, dass jedes Metall, zumal auf Hyste- rische, unter Umständen recht lebhaft wirken kann. Warum soll also für Magnetpole die Empfindlichkeit nicht eine besonders gesteigerte sein? Es liegen gut beglau- bigte Berichte vor, wonach hysterische und epileptische Kranke die Einwirkung starker Magneten auf zwei bis drei Meter Entfernung wahrnahmen. Gessmann berichtet auch (S. 26): „Uebrigens wird von praktischen Elektro- technikern häutig erzählt, dass sie in Räumen, worin sich starke Magnete befinden, eigenthiimlich beeintlusst werden und daselbst nicht einscldafen können." Mehr Anlass zum Zweifel kann dagegen schon die Behauptung „magnetischer Ausströnuingen" an Magneten und Menschen geben, welche sehr sensitive Personen wahrgenommen haben wollen. Auch hier liegt aber schon eine Reihe von sehr zuverlässigen Beobachtungen vor, welche diese Behauptung zu beweisen scheinen. Gess- mann theilt Experimente des Prof Barret in London mit: Diese wurden mit einem grossen Elektromagneten ange- stellt, welcher magnetisirt und entmagnetisirt werden konnte, ohne dass die Versuchspersonen etwas merkten. Viele von diesen behaupteten nun, sobald der Magnet geschlossen war, ,,Lic]iterscheinungen in Form leuchtenden Rauches über den Magnetpolen wahrzunehmen." Es sei mir gestattet, noch zwei andere völlig unalihängige Daten anzuführen. Im April des Jahres 1893 wurde aus l'aris über Experimente des Irrenarztes Dr. Luys gemeldet: „Indem Dr. Luys von der feststehenden Thatsache aus- ging, dass die Blutgefässe eines Hypnotisirten sich um fast das Dreifache ihres gewöhnlichen Umfanges er- weitern, untersuchte er, ob der Betreffende dadurch in die Lage versetzt werde, Dinge zu beobachten, wie z. P>. elektrische und magnetische Ausströmuniren, welche andere Menschen nicht zu erblicken vermögen. Zuerst hielt Dr. Luys den in künstlichen Schlaf Gebrachten einen starken Magnet vor die Augen. Die Schlafenden sahen rothe und blaue Ausströmungen, je naciidem es sich um einen positiven oder negativen Pol handelte. Nach diesen als gelungen zu bezeichnenden Versuchen stellte der Arzt den Hypnotisirten gesunde und kranke Menschen gegenüber. Bei ersteren entdeckten sie Aus- strömungen an den Augen, Ohren, Nasenflügeln, Lippen, und waren dieselben an der rechten Seite von rother, an der linken von blauer Färbung." Eine andere hierher gehörende Mittheilung, die um so beaehtenswerther und beweiskräftiger scheint, da sie sich in einem vortrefflichen Werke findet, das sich mit einem ganz fernliegenden Gegenstand beschäftigt, ent- nehme ich Flournoys schönem Buche: „Des phenonienes de synopsie" fs. Bd. X, No. 3, S. 60 und 61). Hier heisst es auf Seite 110: „Herr A., 37 Jahr, ein sehr ge- bildeter Mensch von nervösem Temperament, hat im Alter von etwa 23 Jahren eine magnetische Behandlung durch- gemacht, welche ihm Schlaf verschaffen sollte. Während einiger Wochen, welche diese Kur dauerte, schienen ihm die Personen, welche ihm unsympathisch waren, Strahlen violetten Lichtes auszusenden (eine Farbe, welche er verabscheut), die von ihren Augen ausgingen und sieh gegen ihn richteten, die sympathischen Personen hin- gegen verbreiteten rosa oder rothe Strahlen, je nach ihrem Geschlecht. . . . Noch heute scheinen ihm die Leute, welche ihm Abneigung einflössen .... eine vio- lette Farbe auszustrahlen, die nicht mehr von ihren Augen ausgeht, sondern ihr Haupt umhüllt, wie ein von ihnen ausstrahlender Dampf; diese gefärbte Atmosphäre erstreckt sich nicht vor ihre Gestalt, sie umhüllt sie nach Art einer verticalen Aureole, von etwa 1 Fuss Breite. Nach den Erklärungen, welche Herr A. mir freundlicherweise ge- geben hat, ist es sicher, dass es sich hier nicht um eine Hallucination handelt." Hier haben wir einmal einen Bericht, der ebenso wunderbar wie gut verbürgt ist. Eine Discussion darüber wäre natürlich durchaus verfrüht. Es sei aber darauf hingewiesen, dass auf analoge Weise die zahllosen alten Berichte über wahrgenommene Heiligenscheine erklärt werden könnten. Auch diese angeblichen Wunder würden sich dann auf natürliche Erscheinungen reduciren lassen und nichts anderes als eine Art „magnetisches Gewitter" im Kleinen darstellen. Völlig dahingestellt muss es schliesslich noch bleiben, wie es sich mit den angeblichen magnetischen Heilungen gewisser Krankheiten durch blosses Handauflegen ver- hält. Bei den verschiedensten Völkern finden wir aus allen Zeiten derartige Berichte. Pyrrhus soll diese Kraft besessen haben, ferner Christus, Vespasian, Olaf der Heilige (nach der Edda), Theophrastus Paracelsus, Lud- wig XIII., Karl I. von England und zahllose andere. Gessmann hat die meisten Litteraturangaben dieser Art aus den letzten Jahrhunderten zusammengestellt, unter anderem auch ein günstiges Gutachten der königlich französischen medizinischen Gesellschaft vom Jahr 1779; manche geistig hochbedeutende Männer, wie Olbers, Ennenioser, Urach, Schopenhauer, Perty, G. Carus, vor allem aber der vor wenigen Jahren verstorbene bedeutende Mediziner Prof. Dr. Nussbaum, erkannten die Lehre von der Heilkraft des Magnetismus an. Es ist ja nun freilich durchaus nicht abzusehen, wie oft die berichteten Heil- wirkungen eine blosse Folge der fast allmächtigen Suggestion waren; die Heilkraft des Magnetismus würde dann auf einer Stufe stehen mit der des heiligen Rockes in Trier oder des Wassers zu Lourdes. Ich will aber nicht unterlassen, zu bemerken, dass mir einst eine Dame, welche höchst wahrscheinlich nie etwas von Magnetismus gehört hatte, erzählte, dass es ihr mehrfach gelungen sei, ihrem Mann und ihren Kindern durch blosses Hand- auflegen Kopfschmerzen zu vertreiben, ohne solche Wir- kungen damit beabsichtigt zu hal)en. Sie war höchlichst erstaunt, als ich ihr erklärte, dass die Magnetopathen auf dieselbe Weise ihre Heilungen vornehmen sollen. Dies wäre ein ungefährer Ueberblick über den heu- tigen Stand des Streites. Möchten recht bald berufene Forscher unbefangen in den Kampf eingreifen, um ihn in dem einen oder andern Sinne definitiv zu entscheiden! Dies ist aber nur möglich, wenn die Anhänger des thierischeu Magnetismus sich aller Phantastereien be- geben, wie sie seit dem Vorgang des „Od"-Entdeckers Freiherrn Dr. von Reichenbach üblicli sind und welche die ganze Lehre in eine bedenkliche Fühlung mit dem Spiritismus gebracht haben. H. Nr. 3.') Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 425 Aus dem wissenschaftlichen Leben. Krnannt wurden: tloi- Professor der Liindwirthscluift zu Halle Karl Freyta;; zum Geh. RcRierunfi.'^rath; der Privatdooe.nt der Mathematik in StraÄslinrg Dr. Ludwi.i; Maurer zum au.ssor- ordoiitlielieu Professor; der l'rivatdoceut der Zoologie in Preihurg Dr. Waeki'r zum ausseronleiitliehen Professor; der Oberarzt an der Proviuzialheilanstalt zu Kyhnik Dr. Buddenberg zum Leiter der Proviuzialheilanstalt zu Freiburg in Schlesien. In den Ruhestand tritt: der Leiter der Provinziallieilanstalt zu Freiburg in Schlesien Dr. fltto Dornbliith. Es starben: Der Geh. Sanitätsrath Dr. Kmil Slawczynski zu Berlin; der Genoralarzt Dr. Franz Lorenz Friedrieh Valentin i zu Berlin. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Th. Achelis, Friedrich Nietzsche. (San wiss. Vorträge herausgeg. von Virchow u. W Vcrlagsanstalt u. Druckeroi A. G. (vormals bürg ISan. — Preis 0,80 M. Zur sehnellon, kurzen Orientirung über di Punkte dessen, was der geistreiche Nietzsche \orliegende kleine Heft wohl geeignet; um fr vortrefflichen Sätze desselben, die in die ne hineinpassen*), aufmerksam zu werden, wo' übrigens nicht etw a ein Anhänger Nietzsehe's .^eiue Herren-Moral auf das stärkste. iudung gemeinverst. ittenbach, Heft 217). .1. F. Richter). Hani- (■ allerauffallendsten gewollt hat, ist das eilich auf die vielen ue Naturphilosophie 1 kaum. Verf. ist sondern er geisselt Prof. Dr. Ludwig Büchner, Kraft und Stoff oder Grundzüge der natürlichen Weltordnung. Nebst einer darauf gebauten Sittenlehre. In allgemein-verstäudlicher Darstellung. Billige, vollständig neugearbeitete Volksausgabe (.50. bis 60. Tausend). Mit Bildniss uiid Biographie des Verfassers. Leipzig, Verlag von Theodor Thomas. 1894. oOl Seiten. — Preis 2 Mk. Ueber die sittengeschichtliche Bedeutung des Büehner'scheu Buches will ich hier nicht sprechen. Es nimmt da ja seinen be- stimmten Platz ein und der soll ihm unbestritten bleiben. Aber über den philosophischen Werth des Buches, bezh. der neuen Aus- gabe desselben möchten einige Worte an der Stelle sein. Büchner gehört zu denjenigen Vertretern einer zu drei Vierteln materia- listischen, zu einem Viertel eklektischen Richtung, die es, sei es durch beabsichtigte Anpassung an den Bildungsgrad der grossen Menge, und das heisst durch absichtliche Verseichtung und un- klar-oberflächliche Behandlung der tiefgreifendsten Probleme, sei es durch eine in der persönlichen Organisation tief wurzelnde Unklarkeit und hochgradige Oberflächlichkeit des Denkens, ver- bunden mit einer grossen Virtuosität im Gebrauche populärer Schlagwörter und in agitatorischer Verwerthuug zugkräftiger naturwissenschaftlicher Thatsachen, die — sag' ich — es ver- standen haben, bei der grossen Menge der Gebildeten und Halb- gebildeten ein gewisses Aufsehen zu erregen. Wenn wir das Buch aber darauf mustern wollten, w'elches denn eigentlich sein wissen- schaftlicher Gehalt wäre, so würde das Ergebniss ein recht trauriges sein. Der Werth seines steten Aukämpfens gegen den Wunderglauben, gegen die Durchbrechung der Naturgesetzlich- keit, gegen die Hineinziehung ungehöriger Dinge ins Bereich der Wissenschaft soll sicher von uns nicht gering geschätzt werden. Hierin haben die als „Materialisten" bezeichneten Denker recht werthvoUes geleistet; ebenso aucli in der Verbreitung naturwissen- schaftlicher Kenntnisse. Aber Aufklärung und Erziehung zum wissenschaftlichen Denken sind, so werthvoll derartige Leistungen sittengeschichtlich sein können (bei Büchner sind sie es meines Erachtens nur in sehr massigem Grade), sind doch noch keine wissenschaftlichen Leistungen. Ja wenn das Buch wenigstens eine correcte. eine klare Darstellung des Materialismus oder über- haupt irgend eines erfahrungsphilosophischen Standpunktes wäre! Aber dieses Gemenge von ganz hübschen naturwissenschaftlichen Thatsachen (die man, aber in anderen Büchern noch zweck- mässiger und klarer geordnet findet) mit unverdauten, unklaren, philosophisch sein sollenden Sätzen und einem hochtönenden agitatorischen Phrasen-Gebimmel kann meines Erachtens auf keinen Fall auf irgend welche nennenswerthe Wissenschaftlichkeit in philosophischer Beziehung Anspruch machen, so mächtig, um nicht zu sagen klobig, die Angriffe gegen die speculative Philo- sophie (öfter auch gegen „die Philosophen" überhaupt, z. B. gleich auf S. 5) sind. Man lese nur einmal das Urtheil Büchners über die Systeme von Fichte. Schelling und Hegel auf S. 3;i5 — 96 des Buches: , dürres Gerippe philosophischen Phrasenthums'', „ge- wundene, hochtrabende Sätze ohne Inhalt", „triviale Ideen", „lauter geistiges Blendwerk, welches nur einer Generation von Schwachköpfen imponiren, aber in dem verständigen Lehrer oder *) Vergl. „Naturw. Woehenschr." Bd. VH, S. 3.59. Höhrcr das Gefühl von Ekel oder Langeweile erzeugen müsste." Nun mein Urtheil darüber ist kurz das folgende: ich stehe jenen idealistischen Philosophieen auf das schärfste gegenüber und be- käm|)fe sie, wo ich kann, in der entschiedensten Weise, weil sie von der strengen Erfahrungsphilosophie weit ab liegen und ihre Formeln häufig genug höher schätzen als die lebendige Natur. Aber mögen die von jenen drei Idealisten gemachten Fohler noch so gross sein, die Fülle von Geist, die in jenen Systemen steckt, gar manche hochbedeutsamen allgemeinen Gesichtspunkte, die bei Hegel geradezu grossartige und wohl niemals sonst in der Ge- schichte der Philosophie, bezh. des menschlichen Geistes erreichte Systeniatisirung des Wissens, der dichterische Zauber der Seliellingschen Anschauung, die grossartige Charakterphilosophie Fichtes mit seiner feurigen, durch Thaten bewährten Begeisterung für politischen, sozialen, religiösen und nationalen Fortschritt, — das alles und manches andere scheint mir denn doch genug zu sein, '. um uns hohe Achtung vor dem Streben und Wollen jener Mäinier einzuflössen und auch bei der schroffsten Gegnerschaft es nicht zu vergessen, dass es Geisteshelden ersten Ranges sind, von denen wir sprechen, Männer, deren Namen noch lange dann mit Achtung und Ehrung genannt werden wird, wenn der von Büclmer und „Genossen" längst vergessen sein wird. Jene drei Systeme bezeichnen wichtige Stufen in der menschlichen Geistes- entwickelung: das ist der Standpunkt, den ich als Vertreter der Philosophie der reinen Erfahrung einnehme, d. h. eines Stand- punktes, von dem aus alle Systeme entwickelu ngsgeschicht- lich zu betrachten sind. Was das Sachliche anbetrifft, so sei darauf hingewiesen, wie jeder klare Begriff von den beiden Titelbegriifen fehlt. Vergeb- lich wird man nach einem klaren Begrift'e des Stoffes sich um- schauen, vergeblich nach einem solchen der Kraft. Manchmal scheint es, als wolle B. in Bezug auf letzteren Begrifl:' den der strengen Erfahrungsphilosophie einnehmen, nämlich, dass der Be- griff „Kraft" überflüssig sei und dass es sieh hier nur um Be- wegungsgesetze handelt, aber andere Stellen widersprechen dem scharf. VVas er unter „Stofl^" versteht, das mag der Himmel wissen! Auf Seite 1 behauptet er, dass Kraft und Stoff' im Grunde ganz dieselbe Sache sind, beides seien Abstractionen vom Wirklichen. Auf Seite 8 sagt er, dass die Kräfte nur aus Zuständen oder Bewegungen der feinsten Theilchen der be- stehenden Materie hervorgehen. Auf S. 12 ff. lässt er den Stoflf aus „an sich unveränderlichen kleinsten Theilchen" bestehen. Auf S. 15 f. schwärmt er dann mit S. Frank und Giorvano Bruno von der „Substanz" (Materie), die „an sich immer ein und dasselbe bleibt", „absolut" sei. Und das geht so weiter: S. 27 spricht er von der Materie als dem „wirklich Seienden" u. s. w. Also ein- mal ist die Materie eine Abstraction vom Wirklichen, dann das „wirklich Seiende", das Absolute. (Gelegentlich - S. 298 f. — wdrd auch im Anschlüsse an Moleschott der Relativismus ver- treten!) Einmal besteht sie aus unveränderlichen kleinsten Theilen (pluralistische Ansicht), ein ander Mal aus einer grossen sich gleich bleibenden Masse (monistische Ansicht). Einmal ist die Materie im Grunde mit Kraft identisch, ein ander Mal gehen die Kräfte aus der Materie hervor, ein drittes Mal ist Kraft gleich Bewegung. Und dann die wilden Widersprüche und Unklar- heiten über das Wesen des Seelischen. Das Seelische ist das eine Mal (z.B. S. 47) die eine Seite, die eine Ausdrucks- oder Er- scheinungsweise, der Stoff' die andere von demselben Ur- oder Grundprincip (Spinozasche Ansicht: Monismus und Parallelismus); an andern Stellen ist sie Bewegung, gleich dem Verdauen und Athmen, ist Thätigkeit der Gehirntheilo (z. B. 184, 197, 198 u. s. w.), ein drittes Mal ist sie Erzeugniss der materiellen Bewegungen im Innern der Gehirnzellen, geht aus materiellen Thätigkeiten hervor (180, 181). Also drei grund- verschiedene Ansichten werden in aller Gemüthsruho neben ein- ander vorgetragen und natürlich dabei immer wacker über die Unklarheit und Verwirrung der Philosophen losgezogen. Was Herr Büchner bloss für Vorstellungen von Klarheit haben mag! Wir glauben, wir könnten mit Rücksicht auf die zahllosen äusserst schroffen Angriffe gegen alles Kirchliche und Theologische, die oft'enbar den Lebensnerv des Buches bilden, etwa folgende Begriffsbestimmungen als für Büchner maassgebend aufstellen: klar sind alle Ausführungen, in denen Kirche und Theologie verächtlich gemacht werden, unklar, höchst unklar sind alle Aus- führungen, in denen die Kirche und das Bekenntniss yertheidigt wird, sowie alle sonstigen Schriften derjenigen, die einmal eine solche Vertheidigung geschrieben haben. Solche Verfasser sind überhaupt unklare Köpfe. Diese beiden Sätze bilden den leiten- den Gesichtspunkt des Büchnersehen Buches. Wissenschaftlich ist es belanglos, mit Rücksicht auf begriff'liche Klarheit beurtheilt, kann es an Unklarheit getrost mit den schlimmeren unter den von ihm bekämpften Gegnern wetteifern. Wir können vom Standpunkte der Erfahrungsphiloso|)hie Büchner trotz all seiner sittengeschichtliehen Bedeutung auf keinen Fall als werthvollen Bundesgenossen ansehen. Da würde uns Mo losch ott mit seinen ruhigen, geklärten Ausführungen ungleich besser behagen, mit 426 Naturwissenschaftliche Woclienschrift. Nr. 35 dessen „Kreislauf des Lebens" das Büchner'sche Buch gar nicht zu vergleichen ist. — Noch ist zu erwähnen, dass das Buch nicht nur an Denlifehlern, sondei'n auch an Druckfehlern reich ist. Dr. M. Klein. David Wetterhan. Das Verhältniss der Fhilosoplile zu der empirischen Wissenecliaft von der Natur. Williehn Engrl- niiinii. Leipzig 1894. — Pri.'is 2 M. Das Thema dieser Arbeit war im Frühjahr 1891 von der Phi- losophischen Gesellschaft zu Berlin als Preisaufgabo gestellt worden. Der vorliegenden Abhandlung wurde im Sommer 1894 von der genannten Gesellschaft eine ehrende Anerkennung aus- gesprochen und ein Theil der ausgesetzten Summe zugewiesen. Die Arbeit fusst auf einem reichen und sorgfältig verarbeiteten Material. Sie zeigt, wie etwa sich die bisherigen Errungen- schaften der Naturforschung in der Weltanschauung eines Kan- tianers verknüpfen. Ihrer Bestimmung des Verhältnisses zwischen Philosophie und Einzelforschung wird jeder gern zustimmen, der nicht „ — immerfort an schalem Zeuge klebt, Mit gier'ger Hand nach Schätzen gräbt Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet." Jeder grosse Naturforscher war Philosoph. „Die syntho' tische, philosophische, apriorische Betrachtung hat' so weit sie auf den richtigen Wegen war, den Gang der empirischen Forschung in seinen allgemeineren R i c li - tungen vielfach anticipirt. Der erspriessliche Weg ist nicht ein blosses Spiel mit Miiglielikeiten, unter denen auch zu- treffende errathen werden können; ihn zu verfolgen erfordert die Gabe das w.ahrhaft Gemeinsame, ,den ruhenden Pol in der Er- scheinungen Flucht' zu erkennen und festzuhalten, Llebereinstim- mung des Wesens von blossen Aehnlichkeiten zu unterscheiden. Aus inductiv ermittelten Gesetzen erwachsen allgemeinere De- ductioneu, deren Sicherheit stets wieder der empirischen Prüfung bedarf, die aber, wenn diese bestehen konnten, ihrerseits als neue Ausgangspunkte auf die Empirie zurückwirken. Bei welchen Stufen der Generalisation man beginnen will die synthetischen Sätze philosophische zu nennen, ist für das Wesen der Sache von untergeordneter Bedeutung." (S. 94). Die Richtigkeit dieser An- schauung hat der Verfasser durch ein Eingehen auf viele wichtige naturwissenschaftliche Sätze und Probleme und durch den Hin- weis auf zahlreiche sehr interessante Momente der Geschichte der Naturwissenschaften bewiesen. Gerade diese historischen Belege vei-dienen das Interesse des Einzeiforschers nicht minder wie das des Philosophen im engeren Sinne. Sie beleben die allgemeinen, im wesentlichen nichts Neues bietenden philosophischen Er- örterungen des Verfassers in fesselnder Weise. Indessen muss doch eine erhebliche Ausstellung an der Arbeit gemacht werden: sie steht nur zum Theil anf der Höhe der Zeit. Das hängt einmal damit zusammen, dass der Verfasser die physio- logisch-biologischen Erörterungen vor den mathematisch-physi- kalisch-chemischen zu sehr bevorzugt, dann aber liegt es vor allen Dingen daran, dass er die neueste Philosophie offenbar überhaupt nicht kennt. So kommt es, dass das Energiegesetz falsch beiirtheilt wird, sowohl hinsichtlich seiner „Apriorität" als auch hinsichtlich seiner Stellung zu den einzelnen Zweigen der Physik. ,A priori' ist nur ein eindeutiger Zusammenhang zwischen den verschiedenen Gebieten der Physik zu fordern, z. B. zwischen einer verschwin- denden Bewegung und einer im Zusammenhang damit auftretenden Wärmeerscheinung. Dass aber die entstehende ,Wärmemenge' dem Producte -^ mv- und nicht etwa dem anderen mv oder sonst einer Function dieser oder anderer in Betracht kommender Grössen proportional ist, das lässt sich nur ,a posteriori' ent- .scheiden. Des weiteren ist das Gesetz der Erhaltung der Energie durchaus nicht als Beweis für die Richtigkeit der mechanischen Wärmetheorie zu betrachten, ebensowenig wie behauptet werden darf, dass Fresnel's und Young's optische Versuche allein unter dem Gesichtspunkte der Undulationshypothese zu verstehen seien. Die letzteren Versuche widerlegten nur die Newton'sche Emana- tionslehre, und das mechanische Aequivalent der Wärme be- seitigte endgiltig die Auffassung der Wärme als eines Stoffes; ein Zwang zu einer mechanistischen Deutung der betreffenden Vorgänge liegt aber in diesen Erscheinungen nicht im mindesten. Es giebt kein genügend begründetes „Postulat der Erhaltung der Bewegung" in dem Sinne, dass an Stelle verschwindender Körper- bewegung Molekularbewegung auftrete. In der Betrachtung des Zweckmässigkeitsprincips (§§ 15, 20) vermissen wir ein Eingehen auf die mechanischen Miuimum- principien Maupertuis', Euler's, Gauss' etc., die bis in die neueste Zeit hinein als Stützen für eine teleologische Auffassung des Naturgeschehens verwendet wurden und in der Geschichte der Naturwissenschaft eine sehr hervorragende Rolle spielten. Auf keinen Fall durften die Untersuchungen des grössten Philosophen unter den Naturforschern der Gegenwart, diejenigen Mach 's, und ebensowenig die Lehren desjenigen Philosophen un- berücksichtigt bleiben, der unter allen am vollkommensten und tiefsten in der Naturwissenschaft wurzelt, die Lehren Avenarius'. Hier liegen die „lichtbringenden neuen Ideen", die „neuen bahn- brechenden philosophischen Gedanken", auf die der Verfasser seine Hoffnung setzt (vergl. S. 25, 95), schon vor: bei Mach mehr oder weniger ausführlich an dem reichsten naturwissenschaftlichen und geschichtlichen Material entwickelt oder doch angedeutet, bei Avenarius in völlig umfassender Wei.se in einem grossen Zu- sammenhange dargestellt und in die helle Beleuchtung einer Idee gerückt, die zum ersten Male den |)hysiologischen Sinn der Vor- gänge im Zentralnervensystem aufdeckt und diese Vorgänge mit den davon ,abhängigen' ,psychischen' Erscheinungen in eindeutigen Zusammenhang bringt. Dr. Petzoldt. George John Romanes, Eine kritische Darstellung der 'Weis- mann'schen Theorie. Mit Bewilligung des Verfassers aus dem Englischen übersetzt von Dr. Karl Fiedler. Mit dem Bildniss von Aug. Weismann. Wilhelm Engelmann. Leipzig 1893. — Preis 4 M. Die Werke von Weismann, in denen er seine wiederholt modificirte Theorie niedergelegt hat, sind so umfangreich, dass es von Werth ist in der vorliegenden Arbeit eine gute Zusammen- fassung zu haben, wenigstens, wie die Theorie sich bis 1893 ge- staltet hatte. Ein Anhang „über das Keimplasma" und ein an- derer „über Telegonie" sind hauptsächlich der Kritik gewidmet. Bernhard Cronberger, stiUlt. Lehrer zu Frankfurt a. M., Die Blumenpfiege in Schule und Haus. Verlag von H. Bechhold, Frankfurt a. M. — Preis 1 Mk. Verfasser berichtet über das Ergebniss neuerer Bestrebungen seitens verschiedener Gartenbauvereine in Verbindung mit Schul- männern, um die BlumenpHegc in Arbeiterfamilien einzubürgern. In zahlreichen Städten, namentlich am Rhein (aber auch in Thüringen, Steiermark) werden im Frühjahr an Schulkindern unentgeltlich Blumenstöcke abgegeben und im Herbst die best- gepflegten auf einer Austtellung prämiirt. Die Versuche sind meist von sehr gutem Erfolg begleitet und werden auch in der Rheinprovinz von der Regierung unterstützt. Verfasser tritt be- geistert für die Sache ein und giebt eine Reihe praktischer Rathschläge zur Förderung derselben. Das Schriftchen sei allen Blumenfreunden, besonders aber Lehrer an Volkschulen, warm empfohlen. G. Lehmann. Dr. E. Dennert, Die Pflanze, ihr Bau und ihr lieben. Mit 9G Originalabbildungen. Sammlung Göschen Nr. 44. G. J. Göschen'sche Verlagshandl. in Stuttgart. — Preis gebunden 0,80 Mark. Das Büchelchen will, ohne irgend welche Vorkenntnisse vor- auszusetzen, in das Gebiet der allgemeinen Botanik einführen. Es geht dabei vom inneren Bau der Pflanze aus; der grösstc Raum ist der Besprechung der äusseren Gestalt der Oi'gane ge- widmet. Daran schliesst sich die Lehre vom Leben der Pflanze. Dr. Gg. Greim, Die Mineralien des Grossherzogthums Hessen. Emil lioth. Gies.sen 1895. — Preis 1 M. Die Auf/.ähhnig mit genauen Fundortsangaben und Bemer- kungen über die Art des Vorkommens der Mineralien scheint durchaus zuverlässig. Alphabetische Verzeichnisse der aufgeführten Mineralien und Fundorte sind dem Heft beigegeben. Wilhelm Krebs in Berlin. Atmosphärische Pracht- und Kraft- entfaltung. 1. Die Regenbogen und ihre Theorie. II. Luft- wegen und Luftschiffahrt. Zwei Essays. Mit acht Abbildungen. Virchow - Holtzendortt'sche Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge. Heft 200. Hamburg. Verlags- anstalt und Druckerei A.-G. (vormals J. F. Richter). 1894. — Preis 1,'20 Mk. Der erste Aufsatz enthält eigentlich nur eine ausführliclie Be- schreibung der vom Verfasser mehrfach gemachten Beobachtung, dass das Laternenlicht im Stande sei, wenn es sich in an Tele- ])hondrähten hängenden Regentropfen spiegele, schwache, eigen- thUmliche Lichterscheinungen, deren Entstehung der des Regen- bogens sehr ähnlich ist, hervorzurufen. Ganz interessant ist die systematische Einthcilung der vorkommenden Arten von Regen- bogen am Schluss des Aufsatzes: I. Sonnenregenbogen. 1) Der vielfarbige. 2) Der rothe (Dämmerungs-R). 3) Der weisse (Nebel-R.). IL Mondregenbogen. III. Wolkenregenbogen (entstehen durch die Brechung des von einer Wolke reflektirten Sonnenlichtes) i Nr. Bf). NatiirwifssoiiML-liaCtlic.lie Wocliciisclirift. 427 IV. Wasserregonbogen, 1) iliircli Hii-clumi; tli's von einer Wasser- fläche reflektirtcn Sonnenlk'lites, 2) Spiegelrcgenbiifjon (entstehend (hireli lue ^(il)rif;ens sehr selten zn heobiichtonde) S])iegeluiig eines üegenbdgens im Wasser. \'. KlanunenregenWogen, entstehend (hireh kiinstliclies Lielit, 1) durch Gaslielit in Nebeltröiif'chen, '_') durch GasIiclit in Kegcntropfen, welclie an Tclepliondrähteu hängen. Der zweite Aufsatz, veranlasst durcli eine von Charbonn(^t am !t. October 1893 unternemmeni' Lnt'tfalirt, enthält die Be- schreibung dreier Balinntahrten in verschiedenen Gegeiulen und zu ganz verschiedenen Zeiten, welche die Atniospliäre in einer ganz beispiello.-:en Unruhe, Wirbel- und Wogenbewegung, an- trafen. Die daran angeknüpften kurzen Betrachtungen aber bringen kaum etwas Neues. H. Dr. Fritz Eisner, Die Praxis des Chemikers bei Untersuchung von Nahrungs- und (icuussmitteln, Oidirauchsgegenständen und llandelspro(hicten bei bygienischen und bacteriologischeu Unter- suchungen, sowie in der gerichtlichen und Harn-Analyso. Sechste, durchaus umgearbeitete und wesentlich vermehrte Auflage. Mit zahlreichen Abbildungen und Tabellen im Te.\t. Hamburg und Leipzig Verlag von Leopold Voss. 1895. — Preis 12,.50 .Mk. r)as bekannte und bewährte Buch hat in der vorliegenden Neu-Auflage wesentliche Erweiterungen und streckenweise Neu- Bearbeitnngen erhalten. Neu aufgenommen sind u. a. die Kapitel: Eier, Fischkonserven, Kaviar, Gemüse, Obst, Konserven, beim Bier das Kapitel Untersuchung der Rohmaterialien, beim Wein Nachweis der Farbstoffe, ferner Hefe, Kaffeesurrogatc, Kolanuss, Tabak, Futtermittel, Heizung und Brennstoffe, Ventilation, Be- kleidung, Kanalisation und Abfuhr. Das Buch ist mit Recht so gut eingeführt, dass wir uns weiterer Empfehlungen enthalten können. Vergl. im Uebrigen unser Referat der 5." Auflage in Bd. VHI No. 21, S. 214. Dr. Eugen Steinhardt, Kurzes Iiehrbuch der Chemie zum Ge- brauch au Sehuh'ii und zur Selbstbelehrung. 1. Theil : An- organische Chemie. Ferdinand Enke. Stuttgart, 1895. ~ Preis G Mark. Das vorliegende Buch — sagt Verf. in der Vorrede — ist be- stimmt, Anfänger in das Studium der Chemie einzuführen. Da dieses ohne Experimente kaum möglich ist, so ist in dem Werke eine Anzahl von typischen, mit einfachen Mitteln anstellbaren Versuchen beschrieben worden, wodurch das Verständniss des Uebrigen sehr unterstützt wird- Die modernen Theorien und letzten wichtigen thatsächlichen Errungenschaften (Argon, Ueber- schwefelsäure, Natriumsuperoxyd), sowie die Hauptsachen der chemischen Technologie sind besonders berücksichtigt worden. Dem Verfasser ist es gelungen, ein gutes Buch zu schreiben, das in der That auch zum Selbststudium durchaus geeignet ist. Die Vermeidung von zu viel Theoretischem ist diesbezüglich sehr zu loben. Prof. Dr. Walter F. Wislicenus, Astronomische Chronologie- Ein Hilfsbuch für Historiker, Archäologen und Astronomen- B. G. Teubner. Leipzig 1895. — Preis geb. 5 M. Der Verfasser will durch das vorliegende Werkchen in erster Reihe Historikern und Archäologen die Benutzung der für die Lösung chronologischer Aufgaben vorhandenen, zahlreichen Hilfs- tafeln erleichtern. Vielfach benutzen die Historiker nämlich noch heutzutage die an sich vortrefflichen Chronologien von Ideler, die jedoch aus einer Zeit datiren, in welcher die überaus prakti sehen und die Arbeit wesentlich abkürzenden Hilfstafelwerke von Oppolzer, Schräm, Dankwortt, Largetiau und Wislicenus noch nicht e.xistirten. Durcli die vorliegende Schrift werden diese werthvollen Hilfsmittel den Historikern hoffentlich in gebührender Weise bekannt gemacht und ilamit ihrer eigentlichen Bestimmung in sehr erhöhtem Maasse zugeführt werden. Der Verfasser be- spricht nämlich die ?>inrichtnng aller dieser Werke in völlig populärer Weise, ohne irgendwelche speciahvissenschaftliclie Kenntnisse vorauszusetzen, und giebt für die wichtig.sten mit ihrer Hilfe lösbaren chronologischen Aufgaben in extenso durch- gerechnete Zahlenbeispiele — Auch der Astronom wird jedoch das Buch als ein sehr schätzbares Hilfsnnttel zur Hand nehmen, so oft er astronomische Bereclinungen (namentlich von Sonnen- örtern) für ein älteres Datum auszuführen hat. F. Kbr. Dr. Julius Kollert, Katechismus der Physik. Fünfte, verbesserte und vermehrte Auflage. Mit 273 Abbilduugini. Verlag von .1. .1. Weber in Leipzig. — Preis geb. '1,50 Mk. Das brauchbare Buch berücksichtigt die neueren Errungen- schaften in gebührondi-r Weise. Bei cler Verbreitung von Webers Katechismen ist es vielleicht diesem oder jenem genehm, die Aenderungen gegen die frühere Auflage zu wissen. Die all- gemeine Mechanik hat eine durchgreifende Umgestaltung erfahren. Ferner hat der Verfasser dem Magnetismus jetzt einen besonderen Abschnitt gewidmet und in diesem vor allem di(^ Favaday'sche Kraftlinienanschauung zur Darstellung und zuui Verständniss ge- bracht. Wesentliche Umarbeitungen und Erweiterungen finden sicli auch in den Abschnitten „Galvanismus" und „Lehre von den Fernewirkungen des elektrischen Stromes''; in letzterem Ab- schnitt ist insbesondere die Besprechung des Drehstromes und der Beziehungen zwischen Elektricität, Magnetismus und Licht neu hinzugekommen. Die Frage- und Antwort-Form ist in Wegfall gekommen. Paul Appell et Edouard Qoursat, Theorie des fonctions al- gebriques et de leurs integrales. Etüde des fonctions ana- lytiques sur une surface de Biemann. Gauthier-Villars et Fils. Paris 1895. — Prix 16 Fr. Zur Vorbereitung für das Studium der Riemann'schen Unter- suchungen, welche der modernen Analysis eine naturgemässe und fruchtbare Grundlage gegeben haben, besitzen wir in Deutschland besonders die Werke von Durege und 0. Neumann. Seit längerer Zeit ist den Riemann'schen Principien auch in Frankreich grosse Beachtung geschenkt worden, und es hat dies dort zu einer gerechten Würdigung der Leistungen dieses grossen mathematischen Genies geführt. Aber die Kenntniss der Riemann'schen Methoden war in Frankreich bisher doch nur im Besitz einer verhältnissmässig kleinen Zahl von Mathematikern, und es ist deshalb ein glück- licher Gedanke, den französischen Studirenden ein Werk in die Hand zu geben, das wohl geeignet ist, sie in den Riemann'schen Ideenkreis einzuführen und besonders mit dem wichtigen Hilfsmittel der Riemann'schen Flächen vertraut zu machen. Dies geschieht in dem vorliegenden Werke, das durch eine Vorrede aus der Feder Hermite's eingeleitet wird, in welchem auf die Wichtigkeit der Arbeiten Riemaun's und auf die Nützlichkeit der vorliegenden Einführung nachdrücklich hingewiesen wird. Die Darstellung ist derartig, dass mit dem einfachsten Falle begonnen wird, in welchem die algebraische Relation zwischen zwei Veränderlichen in Bezog auf die eine nur vom zweiten Grade ist. Dieser Fall wird gründlich durchgeführt; es werden die elliptischen und hyperelliptischen Integrale studirt und die Integrale der drei Ai-ten gebildet. Darauf wird zunächst die zweiblättrige Fläche eingehend betrachtet, und die Perioden der Integrale sowie die Beziehungen zwischen diesen Perioden werden entwickelt. Alsdann wird die Theorie der algebraischen Functionen und ihrer Integrale in voller Allgemeinheit in Angriff genommen. Der Zusammenhang der Flächen im Allgemeinen und der Riemann'schen Flächen im Besonderen, wofür durch die Be- trachtung der einfachsten Fälle Vorbereitung getroffen worden ist, wird klargelegt, es werden die Schnitte eingeführt und ihre Bedeutung für die Integrale algebraischer Functionen nach- gewiesen. Nach einer Betrachtung der birationalen Trans- formationen werden die Abelschen Integrale in einfache Elemente zerlegt. Es folgen dann noch Untersuchungen über die ein- deutigen Functionen auf einer Riemann'schen Fläche, und hierauf wird das Abel'sche Theorem hergeleitet und seine Bedeutung be- sonders an den hyperelliptischen Integralen erläutert. Diesem Kapitel schliesst sich das über das Umkchrproblem an, während die Kapitel über die Normaicurven und Moduln sowie über die Anwendung des Abef sehen Theorems auf die Geometrie den Schluss bilden. Wenn wir ausser dieser kurzen und allgemein gehaltenen Uebersicht über den im vorliegenden Bande zur Behandlung ge- langenden Stoff noch erwähnen, dass die Darstellung eine durchaus klare und durchsichtige ist, so glauben wir die Ueber- zeugung aussprechen zu können, dass diese Bearbeitung der Theorie der algebraischen Functionen und ihrer Integrale nicht nur in Frankreich sondern auch in Deutschland grössere Ver- breitung finden wird- Ueber die Ausstattung der Werke aus dem Verlage von Gauthier-Villars et Fils noch ein Wort des Lobes zu sagen, ist völlig überflüssig. A. (t. Inhalt: R. Lucks: Ueber die Entstehung und Bedentuug der Richtungskörper. — Der Streit um den „thierischen Magnetismus". — Aus ilem wissenschaftlichen Leben. — Lltteratur: Dr. Th. Aehelis, Friedrich Nietzsche. — Prof. Dr. Ludwig Büchner, Kraft und Stoff oder Grundzüge der natürlielien Weltordnung. — David Wetterhahn, Das Verhältniss der Philosophie zu der empirischen Wissenschaft von der Natur. — George .John Romanes, Eine kritische Darstellung der Weismann'schen Theorie. — Bernhard Cronberger, Blumenpflege in Schule nnd Haus. — Dr. E Dennert, Die Pflanze, ihr Bau und ihr Leben. — Dr. Gg. Greins, Die Mineralien des Grosshcrzogtliums Hessen. — Wilhelm Krebs, Atmosphärische Pracht- und Kraftentfaltung. — Dr. Fritz Eisner, Die Praxis des Chemikers. — Dr. Eugen Steinhardt, Kurzes Lehrbuch der Chemie. — Prof Dr. Walter F. Wislicenus, Astronomische Chronologie. — Dr. Julius Kollort, Katechismus der Physik. — Dr. H. du Bois, Magnetische Kreise, deren Theorie und Anwendung. — Paul Appel et Edouard Goursat, Theorie des fonctions algebriques et de leurs integrales. Etüde des fonctions analytiques sur une surface de Riemann 428 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 35. Werifolle Bücher lu billigen Preisen: Kildei'atlas A. Sternenwelt. II inliihtig ausgcf. oolor. Tl'ln. mit aiisiüliii. Text v. E. Weiss. Beste Astronomie für Jedermann! statt M. L'ü tiir M. 5. von Holicchteiiilal - llallier. Flora von Deiitselilaud. 5. Aufl :io Bde. mit Reg. Geb. \\ic neu. .statt M. i'i;;i..'u für nur M. LVI. Kalienliorst . Kryptogameu- Flota von Deutsehlaiid, Oester- reii-h iiiid der Schweiz. '.'. Autl 7 Tle. soweit in e|ilt. Bdn. er- scbieiien. br. Statt M. UW für M. 145. Alfred Lorentz, Antiquariat, Leipzig. atent-technisches und I Verwerthung-Bureaii Betclie. Berlin S. 14, Neue Ros.sstr Ei*fin(liin<3;en, Neuheiten, Modelle jeder Art werden zu- verlässig, billig, discret in meiner Spe- cialwerkstatt ausgearbeitet und angefer- tigt, auch brieflich. W. 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Der Vierteljahrspreis ist ^« 4.— (30 sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 •) extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. JL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdrack ist nur mit voilständiser Quellenangabe gestattet. XXVI. Congress der deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Kassel vom 8. bis II. August 1895. Mit Ucbergelning- der geschäftlichen Angelegenheiten des Congresses wollen wir im Folgenden nur die auf demselben gehaltenen wissenschaftlichen Vortrüge kurz wiedergeben : Waldeyer: Die anthropologische Stellung der Geschlechter zu einander mit besonderer Be- rücksichtigung der Frauenfrage. In der ganzen Natur sehen wir die Trennung in zwei Geschlechter durchgeführt. Dennoch kann es als That- sache betrachtet werden, dass die Zweigeschlechtigkeit für die Fortpflanzung nicht nothwendig ist, wenigstens mit Sicherheit nicht bei den niedrigsten Pflanzen- und Thierforraen. Freilich findet .sich die Zweigeschlechtig- keit auch schon bei einzelligen Pflanzen und Thieren an- gedeutet, wie bei den von Pringsheim und De Bary be- schriebenen ürpflanzeu und den Urthieren Richard Hertwig's. Die einfachsten Geschöpfe dieser Art zeigen die Anfänge einer Zweigeschlechtigkeit, die erst bei höheren Pflanzen und Thieren sieh in verschiedener Aus- prägung findet. Im Pflanzenreich kommen verschiedent- lich neben der geschlechtslosen geschlechtliche Formen bei einzelnen Arten vor. Ferner ist der Hermaphroditis- mus zu erwähnen, der sich bei Pflanzen und Thieren findet, sogar noch bei höheren Wirbelthieren. Aber zumeist findet sich doch die Zweigeschlechtigkeit auf zwei Individuen vertheilt. lu der Zweigeschlechtigkeit findet der Fortpflanzungs- trieb seine höchste Ausbildung. Wir können in der Pflanzen- und Thierreihe ihre stufenweise fortschreitende Entwickelung verfolgen, sie bietet ein Charakteristikum in der Differenz der verschiedenen Arten und erscheint danach als eine hochbedeutsame Einrichtung der Natur; dennoch aber ist die Bedeutung der Zweigeschlechtigkeit noch nicht klar zu erkeiiiieii, weil die Fortpflanzung, selbst von hochorganisirten Wesen, auch ohne dieselbe möglich ist. Weismann hat die Theorie aufgestellt, dass die Zwei- geschlechtigkeit diene, um Veränderungen in der Natur hervorzurufen, indessen ist diese Theorie noch unerwiesen. In den Geschlechtscharakteren muss man primäre und hauptsächliche von den secundären und nebensächlichen unterscheiden. Man bezeichnet sie auch als Geschlechts- merkmale erster und zweiter Ordnung. Die ersten dienen der Fortpflanzung unmittelbar, die Merkmale der zweiten Gruppe geben weitere Difierenzen zwischen Mann und Weib an, so z. B. in Bezug auf Körperhöhe, Stimme u. dergl. Sie bilden die Unterlage für die socialen Unterschiede der Geschlechter. Havelock Ellis*) hat die Bedeutung dieser secundären Geschlechtsmerkmale darin erkannt, dass sie das Interesse der Geschlechter für ein- ander erwecken. Schon die äussere Form der Erschei- nung spielt ja in dieser Hinsicht eine Bedeutung. Das Kopfhaar des Weibes hat für den Mann, der Bart des Mannes für das Weib eine Anziehungskraft. Die weib- liehe Stimme beim Manne ist abstossend, beim Weibe angenehm. Havelock Eilis ist geneigt, von den secun- dären Geschlechtsmerkmalen noch tertiäre zu trennen und zu letzteren gerade diejenigen zu zählen, welche die beiden Geschlechter gegenseitig anziehen. Indessen ver- wischt sich die Grenze dieser beiden Gruppen doch sehr stark. Zu ihnen sind auch noch die Unterschiede in den Seelensäusserungen, in den Bewegungen u. s. w. zu rechnen. Einer der auffälligsten Unterschiede der Geschlechter ist die Körperlänge, welcher schon mit der Geburt beginnt. Der Knabe ist im Durchschnitt um 1 bis IV2 cm grösser als das Mädchen, und zwar bei allen Rassen. Der Unterschied *\ Vergl. Naliiiw. Wocliens.lu-. P..1. X, S. 330. — Re.l. 430 Naturwissenscbaftlichc Wochenschrift. Nr. 36. ist nm so geringer, je niedriger das Körpermaass über- haupt ist. Beim Erwachsenen steigert sich die Ditiereuz bis zu 10 — 12 cm. Dass dieser Unterschied auch bei den Naturvölkern vorhanden ist, beweisen die ^Messungen Karl von der Steinens bei den Völkern der Steinzeitcultur in Brasilien. Diese Ditferenz kann also keine Errungen- schaft der Cultur und der vom Mann über das Weib an- gemaassten Herrschaft sein. Ferner kommen in Betracht die Breite der .Schultern, die Länge und der Umfang der Arme, des Rumpfes u. s. w. Nur die Hüften sind beim Weibe breiter als beim Mann, ein für die bildende Kunst sehr wichtiges Moment. Das Körpergewicht des Jlannes überragt '.das der Frau durchschnittlich um 10 kg, die einzelnen Gewebe des Körpers sind daran in verschiedener Weise betheiligt. Beim Manne sind die Knochen, beim Weibe das Fett kräftiger entwickelt. Von den Muskeln ist bei der Frau nur die Zungenmusknlatur stärker aus- gebildet. Der männliche Körper entwickelt sich mehr zu einer Kraftmaschine, während die Fettansannnlung des weiblichen Körpers diesem die weicheren, mehr abgerun- deten Formen giebt, und der Kraftentwickelung mehr hinderlieh als förderlich ist. Dabei ist nicht gesagt, dass das Weib sich träger Ruhe hingeben soll, sondern sie soll auch die Muskeln üben. Dass sie das kann, beweist die Leistungsfähigkeit gewisser Athletinnen u. dergl. Durch die Natur aber ist der Mann zur grösseren Arbeitsfähig- keit veranlagt. Der Bau von Sehenkel und Becken be- fähigen den jMann zum Laufschritt und zu einer grösseren -Geschwindigkeit der Bewegungen; sie machen die Männertracht für die Frauen ungeeignet. An diesen Thatsachen wird auch eine veränderte Erziehung des Weibes mit grösserer Betonung der körperlichen Uebungen niemals etwas ändern können. Der Umstand, dass wir Frauen z. B. bei den Negervölkern schwere Lasten tragen sehen u. dergl. beweist nichts dagegen, denn sie sind von Jugend auf daran gewöhnt. Zarte Kinder- mädchen und gebrechliche alte Frauen sind ausdauernder als Männer im Kinderhalten, und zwar nur wegen der Gewöhnung. Auch die Annahme, dass das Weib früher vielleicht eine herrschende Stellung in der Natur eingenommen habe, worauf das Amt von Königinnen, Priesterinnen, Kriegerinnen, wie die Amazonen des Königs von Dahomey hinweisen könnten, ist zurückzuweisen, denn wenn diese Frauen wirklich die stärkeren wären, warum haben sie bisher sich nicht aus der Sklaverei der Männer zu be- freien vermocht und die Herrschaft an sich gerissen'? AVohl hat es zu allen Zeiten und bei allen Völkern auch geistig hochstehende Frauen gegeben, aber immer war der Mann der stärkere und hatte die ausschlaggeljende Stellung. In den ältesten Gräbern finden wir die Waften- beilagen immer nur l)ei den Männerlcichen. Als einen weiteren körperlichen Unterschied der Geschlechter können wir die leicht vorwärts geneigte Haltung des Weibes be- trachten, die ihm einen eigenthümlicheu Reiz verleiht, während ihm die straffe militärische Haltung des Mannes schlecht ansteht. Auch in der Grösse von Hand und Fuss unters' heidet sich das Weib. Der Zeigefinger ist bei ihm länger als der Ringfinger, und dadurch erhält die Hand schlankere und zartere Formen; der Daumen und die grosse Zehe sind gewöhnlieh kürzer; der Schädel hat eine geringere Grössenkapaeität. Der Unterschied nimmt aber nicht oder wenigstens nicht allein mit der Civilisation zu, er ist vielmehr durch die Rasseneigenthümliehkeit be- dingt und tritt um so mehr hervor, je grösser die Rassen- maasse im allgemeinen sind. Nicht die Civilisation schafft die grösseren Schädel und Gehirne, sondern der von Alters her bestehende Rassenunterschied, dessen Ursprung ja unbekannt ist. Die Cultur ist kein sehädelvergrössern- der Faktor. Wenn dem gegenüber auf die Voll- kommenheit der Hinducultur hingewiesen wird, so ist doch einzuwenden, dass die Träger dieser kleinen Schädel in der Cultur hinter der der Mittelmeerländer doch noch zurückgestanden haben. Die geringere Geräumigkeit der Schädelhöhle beim Weibe ist von den Forschern aller Culturländer bestätigt worden. Auch in der Ausbildung von Kiefer und Zähnen bestehen solche Grössenunter- scbiede, welche z. T. gerade die Schönheit des weiblichen Gebisses liedingen. Dazu kommt das grössere Hirn- voiumen. Seit Rudolf Wagner in Göttingen darauf auf- merksam gemacht hat, dass das Gehirn bedeutender Männer ein grosses Gewicht zu haben pflegt, ist diese Thatsache an zahlreichen Beispielen bestätigt worden. Der Durchschnitt des Hirngewiehts beim Manne beträgt 1372, beim Weibe 1231 gr, also eine Ditferenz von 141 gr. Von den Hirngewiehten bedeutender Männer seien nur wenige wiedergegeben: Cuvier 1830 gr, Spurzheim 1560, Diriehlet 1420, Gauss 1490, Dupuytren 1440, Tiedemann 1250, Turgenjew 2020, Broca "l484, Helmlioltz üher 1700 gr, wobei allerdings 200 gr Blut in Abrechnung zn ziehen sind. Unter der Norm ist nur Gambetta mit 1340 gr geblieben. Von 22 Gehirnen solcher Männer bleiben nur vier unter dem Durchschnitt. Auch bei gewöhnliehen Menschen und bei Geisteskranken findet man zuweilen ein sehr hohes Gehirngewieht; dennoch aber kann als die Regel betrachtet werden, dass ein über die Norm heraus- gehendes Hirngewicht, von pathologischen Fällen abge- sehen, als das Zeichen ungewöhnlicher geistiger Begabung angesehen werden kann. Bei den uneultivirten Völkern findet sich ein geringeres Hirngewicht. Wenn die ameri- kanischen Neger davon eine Ausnahme machen, so ist das wahrscheinlich durch Kreuzung mit weissem Blute zu erklären. Unbeantwortet ist nur die Frage, ob diese Neger mit dem Steigen ihres Hirngewichtes auch einen Zuwachs an Intelligenz erlangt haben. Das Hirngewicht wird hauptsächlich durch zwei Faktoren beeinflusst: 1. durch das Körpermaass, 2. durch die Rasseneigen- thümliehkeit, Die Frau hat nun allerdings das relativ schwerere Gehirn im Verhältniss zur Körpermasse, aber es ist in Betracht zu ziehen, dass bei ihr ein grosser Theil eines überwiegenden Gewebes, nämlich das Fett, gar keine Nerven hat. Im allgemeinen sind beim Manne die Sinne schärfer ausgei)rägt als beim Weibe mit Aus- nahme des Geschmackssinnes. Am grössten ist die Dif- ferenz zu Gunsten des Mannes beim Geruchssinn. Die Unterschiede der Formentwiekelung im Gehirn kommen besonders in der Entwickelung der Hirnwindungen zum Ausdruck. Nach Rüdiger's Ermittelungen sind sie schon beim Neugeborenen vorhanden, und es ist dadurch mög- lich, Zwillinge nach ihrem Geschlecht zu unterscheiden. Die Stirnlappen, welche als der Sitz der Intelligenz gelten, sind stärker beim Manne; beim Weibe ist im all- gemeinen mehr Hirumasse hinter als vor der Central- furche. Weiter kommt in Betracht die erheblich grössere Menge von rothen Blutkrtrperchen in einem gleichen Quantum Blut beim Manne. Das Zahlenverhältniss ist 5 zu 4^2 Millionen; es ist aber noch nicht beim Neu- geborenen vorhanden, sondern bildet sich erst im späteren Leben aus. Auch das specifische Gewicht des Blutes ist beim Weibe geringer; in Anbetracht der physiologischen Bedeutung der rothen Blutkörperchen, nämlich als Träger des Sauerstoffs, ist diesem Faktor eine anthropologische Bedeutung beizuschreiben. Vortragender schliesst: Es sind in neuerer Zeit zahl- reiche Angriffe auf die Stellung des Weibes in der Ge- sellschaft unternonnuen worden. Von verschiedenen Seiten ist eine Besserung der Lage der Frau angestrebt worden, von Seiten der Sozialdemokratie durch vollständige Gleich- Nr. Sr^. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 431 Stellung: mit dem Mann. Aber auch die bestehenden Ge- sellscliaftskhissen steuern thcilweise auf ein gleiches Ziel los. An der Verbesserung: des Looses der Menschheit muss naturiremäss aucii die Frau ihren Autheil haben. Erst in jüngster Zeit ist die Frage der Emanzipation eine brennende geworden, wenngleich sie keine neue ist, da sie •/.. B. schon im Jahre 1794 von einer englischen Schriftstellerin in einer kleinen Schrift, betitelt „Kettung der Rechte des Weibes" energisch vertreten worden ist. Die Frauenfrage hat nicht nur eine sociale und politische Seite, sondern auch eine anthropologische, die bisher noch nicht genügend erörtert worden ist. Die Anthro- pologie hat die Aufgabe, in dieser Frage in das ötfent- liche Leben einzugreifen. Bei allen auf eine Abänderung in der Erziehung der Frau hinzielenden Einrichtungen sind sorgfältig die körperlichen und seelischen Unter- schiede des Weibes vom Mann in Erwägung zu ziehen, was bisher gerade von den Vorkämpfern der Emanzipation nicht immer geschieht. Die Natur hat die Unterschiede der Geschlechter allein nicht gegeben, damit das Weib dem Mann und der Mann dem Weibe gefalle, sondern sie hat damit ein gut Stück Arbeitstheilung bezweckt. Suchen wir im Interesse der Erhaltung des Staates und des allgemeinen Volkswohls die Eigenart des Weibes zu erhalten und zu stützen. Von der gleichen weittragenden praktischen Be- deutung wie die von Waldeyer erörterte Frauenfrage ist die sogenannte Kriminalanthropologie, über deren gegenwärtigen Stand Dr. Busch au-Stettin eingehend sprach. Die deutsche Wissenschaft hat erst in den letzten Jahren begonnen. Stellung zu dieser neuen Lehre zu nehmen, welche in ihrem Heimathslande, Italien, bereits praktische Früchte gezeitigt bat. Denn die Lehre Lom- brosos .vom geborenen Verbrecher" hat die Begründung der sogenannten positiven Strafrechtsschule zur Folge gehabt, welche eine Reform des jetzt giltigen Strafrechts anstrebt und zum Theil auch erreicht hat. Lombroso betrachtet den Verbrecher als einen besonderen Menschen- typns, der als atavistischer Rückschlag anzusehen ist*-. Er zeige eine ganze Reihe abnormer physischer und psychi- scher Kennzeichen, welche ihn zum Verbrecher von Xatur disponiren. Seine ununterbrochene Kette von Misse- thaten sei deshalb nur als der Ausdruck einer Schicksals- tragödie zu betrachten, der er nicht entrinnen kann. Die Konsequenz dieser Auffassung muss die Straflosigkeit des Verbrechens sein. Die Strafe ist zwecklos, weil der ge- borene \'erbrecher immer wieder rückfällig wird** . Die Kennzeichen des Verbrechertypus sollen in der Haupt- sache folgende sein: Die geringe Capacität des Schädel- raumes, auch bei grossen Staturen, Asymmetrien der Schädel- und Gesichtshälften, Verbildungen des Schädels, stark hervortretende Augenbrauenbögeu, fliehende Stirn, sehr grosse und weit von einander abstehende Augen- höhlen, massiges Gesichtsskelett, namentlich in der Gegend der Jochbögen, übermässig kräftiger Unterkiefer, Vor- stehen des Oberkiefers, Nahtverwachsung des Schädels, Verschmelzung des ersten Halswirbels mit dem Hinter- haupt u. s. w. Ja, Lombroso hat solche Anomalien physischer Natur für einzelne Verbrecherarten, wie Mörder, Diebe u. s. w. l)esonders unterschieden, z. B. langköpfige Schädel bei Dieben, kurzköptige bei Mördern. Ausser am Schädel sollen Abnormitäten an den übrigen Skelettheilen vorkommen, z. B. grosse Länge der Arme, von denen der linke noch den rechten übertriflt, die *) VerRl. Naturw. Wochenschi-. Bd. II. S. 81 und in späteren Bänden. — Red. **) Wir möchten betonen, dass aus der „Straflosigkeit" nicht für die Gesellschaft folgt, dass der Gewohnheits-Verbrecher nicht unschädlich zu machen sei. — Red. meist dunkle Farbe von Haut und Haaren, starke Be- haarung am Kopf bei gleichzeitigem Mangel an Bart, Bildungsfehler am Ohr, wie abstehende Ohren, Henkel- ohren, Spitzohr, ferner Missbildung am Auge (Mongolen- falte u, a. m.), am Gaumen, den Zähnen, der Nase u. s. w. Eine abnorme BeschaÖenheit des Schädels muss auch Anomalien des Gehirns zur Folge haben, geringeres Hirngewicht, etypische Winduugsverhältnisse an der Hirn- oberfläche, stärkere Entwickelung der sogenannten At!en- spalte, unvollkommene Bedeckung des Kleinhirns durch den Hinterliauptslappen u. s. w. Von den angeblich vor- handenen anomalen psychischen Kennzeichen des Ver- brechers sind vornehmlich zu erwähnen: GefUhlsstumpf- heit, Schwäche der Sinnesempfindungen mit Ausnahme des Gesichtssinnes, die Neigung zum Tätowiren, Mangel oder einseitige Entwickelung der Intelligenz, hochgradiger Egoismus, Eitelkeit, Prahlsucht, Arbeitsscheu, Mangel an Schamgefühl n. s. w. Die Nachprüfung dieser Angaben Lombrosos hat er- geben, dass die Existenz solcher Entartungserscheinungen beim Verbrecher nicht zu leugnen ist, sie kommen bei ihm auffallend häufig vor, aber die Schlussfolgerung ist irrig, dass sie das Verbrechen zu Stande kommen lassen. Denn diese Anomalien finden sich auch bei Nicbtverbrechern, bei körperlich und geistig gesunden Menschen, häufig aber gerade bei Geisteskranken, Alkoholikern, Idioten, Epileptikern und dergleichen mehr. Der Ursprung dieser Degenerationszeichen ist nicht atavistisch, sondern patho- logisch aufzufassen. Sie kommen zumeist durch Ver- erbung physischer und psychischer Eigenthümlichkeiten, Missbildung, Laster der Eltern wie z. B. Trunksucht, Er- krankung der Jlutter während des embryonalen Lebens, schlechte Ernährung der Mutter u. s. w. zu Staude. Nur soviel kann gesagt werden, dass die Entartungszeichen der Ausdruck einer geistigen Minderwerthigkeit sind, die einen Mangel an sittlichem Gefühl, intellektueller Willens- kraft nach sich ziehen kann, aber keine direkte, ver- brecherische Disposition voraussetzt. Diese wird zumeist erst durch das sociale Milieu geschafleu, das Lombroso ganz ausser Acht gelassen hat. Die Verbrecher ent- stammen zumeist den niederen Volksklassen, deren theil- weis elende gesellschaftliche Verhältnisse die Gelegenheit zu Verbrechen schaffen: Maugel an ausreichender Er- nährung, schlechte Erziehung, Arbeitslosigkeit u. dgl. Durch die Darlegung dieser Einwände gegen seine Theorie hat Lombroso sich veranlasst gesehen, sie zu modificiren und abzuschwächen. Er neigt sich jetzt mehr der An- sicht zu, dass der Verbrecher ein Moralisch-Irrsinniger sei. Aber auch diese hat sich als irrig erwiesen, denn die vielbesprochene „Moral insanity- ist keine selbständige Krankheit, sondern nur ein Symptomencomplex, der bei den verschiedensten Geisteskrankheiten, ja selbst bei nor- malen Menschen vorkommt. Das Bild des sittlichen Blöd- sinns wird aber gerade bei Verbrechern viel seltener, als bei den Schwachsinnigen, Alkoholikern, Epileptikern u. a. Durch die Hinfälligkeit dieser Argumente Lombroso's ist seine Lehre schon 18S9 auf dem Congress für Criminal- anthropologie in Paris erschüttert worden. Seitdem sind aber gerade durch deutsche Forscher, wie Baer, Naecke, Kirn u. a. so gewichtige Einwände dagegen erhoben worden, dass sie als abgethan betrachtet werden kann.*) Nichtsdestoweniger hat Lombroso's Lehre iu zweifacher Hinsicht eine praktische werthvoUe Folge gehabt: einmal auf die Vervollkommnung der Criminalstatistik, zweitens aber auf die Strafrechtspflege. Nicht mehr das Verbrechen, sondern der Verbrecher muss den leitenden Gesichtspunkt *) Lombroso's Lehre wird vielfach zu modificiren und aus- zubilden sein, aber schnell „abthun" kann man sie unseres Er- achtens nicht. Vergl. übrigens das Folgende. — Red. 432 Naturwissenschaft liehe Wochensehri Ct. Nr. 3Cj. für den Richter und den Gericlitsarzt bei der Beurtheihing des Verbrechens bilden. Dem Verbrecher ist weder volle Zurechnungsfähigkeit noch Unverantwortlichkeit für seine Thaten zuzugestehen, dennoch ist er weder schlechthin für strafbar, noch für straflos zu erklären, sondern der Richter muss individuell untersclieideu und wird el)en in Zukunft die Höhe des Strafmaasses von dem Grade der geistigen Minderwerthigkeit abhängig zu machen haben. Er wird zu berücksichtigen haben, dass es angeborene Geisteszustände giebt, die im entsprechenden Milieu zu Verbrechen führen, und namentlich die rückfälligen Verbrecher ihre Inferiorität schon äusserlich durch ge- wisse Degenerationszeichen documentiren. In solchen Fällen wird man eben eine verminderte Zurechuungs- fähigkeit anzunehmen haben. Zu einer so veränderten Handhabung des Strafrechts bedarf es auch einiger Modificatiouen des Gesetzes. Wo sich eine Straflosigkeit der Verbrecher als nothwcndig erweise, ist ihre Unter- bringung in besondere Anstalten in Erwägung zu ziehen.*) Von ebenso hervorragendem, aber nur theoreti- schem Interesse waren mehrere Vorträge, welche die Affenfrage betrafen, die von den Tagesordnungen der Anthropologeneongresse nicht mehr verschwindet — ein sicheres Zeichen dafür, dass Vogt's Theorie der Aifenabstamniung des Meusclien doch kein so leeres Phantasiegebilde war, als welches sie gerade von deutschen Forschern, an ihrer Spitze Virchow, gestempelt worden ist. Immer wieder tauchen neue Funde auf, die den Gedanken an eine solche Entwickelung der Mensch- heit wachrufen, und es erscheint doch nicht als unmöglich, dass einstmals noch die unantastbaren Beweise dafür der Erde entlockt werden.**) Bisher freilich haben viele der- artigen Funde einer scharfen Kritik nicht standgehalten. Auch diesmal sind es wieder die deutschen Gelehrten, welche den Traum zerstören. Ein junger holländischer Militärarzt, Dr. Dubois, hat, wie den Lesern dieser Zeitschrift schon bekannt, auf Java in dem Kieslager eines ausgetrockneten Flussbettes drei Knochen gefunden, die nach seiner Auffassung einer ausgestorbenen Affenart angehören, welche die jetzt noch bestehende Kluft zwischen den höchst organisirten Aft'en, den sogenannten Anthropoiden, und dem Menschen überbrücken soll, denn dieser Afte muss aufrecht gegangen sein, weshalb Dubois diesem Fhantasiegesehöpf den Namen Pithecanthropus erectus gegeben hat. In .jener alluvialen Sandschicht fand sich nämlich ein Schädelfragment, und zwar ein Schädeldach und ein Backzahn, fünfzehn Meter davon ein Oberschenkelknochen. Er bildet den wichtigsten Theil des Fundes und wird am meisten umstritten. Das Schädeldach fällt durch seine Form und Grösse auf.***) Waldeyer, der in einem Vortrage sich zu dieser neuen Streitfrage äusserte, erkannte an, dass dieses Knocbenstück nur einem hochstehenden anthropoiden Affen, einer ausgestorbenen Gibbonart, angehört haben kann. Der Zahn kann von einem Affen, aber auch von einem Menschen stammen. Der Oberschenkel dagegen ist nach Waldeyer höchstwahrscheinlich menschlichen Ursprungs, und zwar handelt es sich um einen patho- logisch veränderten Knochen. Der Auswuchs an seinem oberen Ende nmss durch einen langwierigen Krankheits- process zu Stande gekommen sein. Die Form des Knochens ist ganz die eines menschlichen, deshalb ist ja auch Dubois zu der Annahme gekonnnen, dass er einem aufrecht gehenden Affen angehört haben müsse. Nun *) Vergl. unsere Anmerkung S. 431, Spalte 2. — lled. **) Sollten diese „unantastbaren Beweise" gefunden werden, so werden dieselben denjenigen, die nicht wollen, ebensowenig genügen, wie die bisherigen Thatsacheu des Darwinismus. — Red. *♦*) Vergl. auch Naturw. Wochenschr. Band X, S. 70 u. 81. — Red. besteht aber in dem Bau des Schädeldachs und des Oberschenkels ein erheblicher Unterschied; sie können unmöglich ein und demselben Individuum angehört haben. Das wird auch schon dadurch unwahrscheinlich, dass sie an verschiedenen Stellen gelegen haben. Noch also fehlt ein sicherer Beweis für das einstige Vorhandensein eines Lebewesens, welches den Uebergang vom Affen zum Menschen bildete. Gegenwärtig steht von den Anthro- poiden noch der Chimpanse dem Menschen am nächsten, und zwar wegen der grössten Aehnlichkeit und Ueberein- stimmung bis ins einzelne im Bau des Schädels, am (iehirn und Ruckenmark. Waldeyer hat in jüngster Zeit mit Rücksicht auf diese Punkte umfassende, vergleichende Untersuchungen gemacht, welche eben das besagte P^rgebniss gehabt haben. Der Chimpanse, der in Afrika heimisch ist und in mehreren Abarten vorkommt, ist der gelehrigste und umgänglichste aller Affen. Ihm am nächsten steht der Orang, der aus dem ostindischen Archipel stammt und erst in jüngster Zeit in ausgewachsenen Exemplaren zu uns gekommen ist. Der Gorilla, der an der afrikanischen Westküste, be- sonders im Kameruugebiet vorkommt, ist am wenigsten bekannt. Am fernsten dem Menschen steht der Gibbon, der durch seine langen oberen Extremitäten ausgezeichnet ist. Seine Unterschiede sind namentlich im Schädelbau sehr erhebliche. In der Discussion des Waldeyer'schen Vortrages traten seiner Ansicht über den Pithecanthropus erectus Dubois Prof. Ranke-München und Fritsch-Berlin bei. Letzterer hält die Frage schon für erledigt. Fr aas - Stuttgart hat in den bisherigen Mittheilungen des Finders genauere geologische Angaben sowie der entsprechenden Fauna des Ortes vermisst. Uebrigens liegen bisher nur Abbildungen der Funde vor. Erst im Herbst wird sie Dr. Dubois mit nach Leyden zum internationalen Zoologen- congress bringen. Voraussichtlich wird das Schicksal des menschenähnlichen Affen dann definitiv entschieden werden. In engem Zusammenhang mit dieser Frage stand ein V^ortrag von Ranke-München über die Anthropologie des Rückenmarks. Um dessen Quintessenz vorweg- zunehmen, sei erwähnt, dass Ranke durch Wägungen des Rückenmarks bei Menschen und Thieren festgestellt hat, dass dieses Organ bei Menschen relativ, d. h. im Vergleich zur Hirnraasse, viel leichter ist, als bei allen Thieren, selbst den anthropoiden Affen. Beim Menschen wiegt es durchschnitt- lich 28 g, dasGchirn 1370 g, also nur etwa 2<"o des letzteren. Dem Menschen am nächsten stehen die Singvögel mit ihrem überraschend grossen Gehirn; ihr Rückenmark wiegt 10 % des Gehirns. Beim Hunde beträgt das Verhältniss 2.3 o/o, beim Pferde 41 0/o> bei der Kuh 47 %, bei der Henne 56 7o. Das Rückenmark ist nun bekanntlich das Centrum für alle automatisch, mechanisch ausgeführten Bewegungen, das Gehirn dagegen für die selbständigen und seelischen Thätigkeiten des Organismus. Das ersterc ist nun in excessiver Weise bei den Thieren ausgebildet, beim Menschen nur in einem im Verhältniss dazu verschwindend geringen Masse. Bei ihm überwiegt das relative Hirn- gewicht erheblicli. Der mechanische Nervenapparat ist beim Menschen am wenigsten ausgebildet, aber er hat das schwerste Gehirn. Für den Affen liegen noch keine zuverlässigen Wägungen vor; nach gewissen Anhalts- punkten ist das Verhältniss des Gewichts des Gehirns zu dem des Rückenmarks auf 6 " o '^^ veranschlagen, also noch dreimal ungünstiger als beim Menschen. Der Mensch erhebt sich durch das Uebergewicht seines Gehirns über das des Rückenmarks weit aus der Reihe der Tliiere heraus. Einen Affenmenschen nach dem Herzen Karl Vogt's einen sogenannten Microcephalen, führte Dr. Aisberg- Kassel vor. Für den Laien sah dieses Gesicht allerdings Nr. 3fi. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 433 entsetzlich affenähnlicli aus: ein langer, schmaler Kopf mit zurücktretender Stirn, etwas schiefstehenden Augen mit einer Andeutimg' von Schlitzaugen, dem ^•orstehenden Oherkiefer u. dgl. Der "irijährigc Mann, der kaum einen Meter Körperlänge hat, entstannnt einer zwar kleineu, sonst aher normalen Familie. In der Schule konnte er dem Unterricht nicht folgten, wiederholte Versuche, ihn irgend etwas lernen zu lassen, sind gescheitert. Auf ein ganz anderes Gehiet führte der Vortrag des Geh. Raths Fritseh Herlin. Fr fesselte das lebhafteste Interesse der ganzen Versannnlung. Schon in Berlin hat Fritsch , vor einigen Monaten durch die Erörterung der Beziehungen zwischen Kunst und Anthro- pologie der ersteren den Fehdehandschuh hingeworfen. Fritsch geht von der Voraussetzung aus, dass das Schön- heitsideal, das den antiken und classischen Meistern des Mittelalters (irundlage für ihre Schöpfungen war, sich durehgehends auch mit den Anforderungen der Wissenschaft au die Menschendarstellung deckt. Fritsch erbringt den Nachweis dafür, dass diese Werke wirklich die natür- lichen Formen des Menschen wiedergeben, dadurch, dass er das von ihm moditicirte Schema Karl Schmidt's der Zeichnung der anatomischen Grundlinien des Körpers auf l'hotographien jener Bildwerke auflegt. Die Identität zwischen Schema und Darstellung ist in der That eine überraschende. Fritsch führte den Apollo von Belvedere, den Antinous, den Bacchus von Michel Angelo u. a. m. vor. Im Vergleich dazu zeigt er z. B. die Eva von Stuck, in welcher die anatomischen Grundlinien wie „aus Kand und Band" erscheinen. Fritsch führte aber auch eine grosse Reihe männlicher und weihlicher lebender Körper aus den verschiedensten Racen und Völkern vor, und wenn sie auch niemals so hochgradige Abweichungen von dem Normalschema zeigen, so mildern sie das Vor- gehen der modernen Künstler doch etwas. Hoffent- lich wird der Verstoss des gelehrten Anatomen das Gute nach sich ziehen, dass unsere Künstler fleissiger als bis- her Anatomie studiren und sich strenger an deren Regeln halten, als es bisher geschehen ist. Die Lässigkeit, die in dieser Hinsicht gerade in den letzen Jahren eingerissen, wird mit Recht von Fritsch gebrandmarkt. (Schluss folgt.) Die Phylogenie der pflanzlichen Blatt- und Stengel-Verzweigungen. Nach H. I'otonie. Ueber die Phylogenie der pflanzlichen Blatt- und Stengel -Verzweigungen hat sich H. Potonic in einer Arbeit „Die Beziehung zu dem echt-gabeligen nnd dem fiederigen Wedel-Aufbau der Farne" (Ber. der Deutsehen Botanischen Gesellschaft, Jahrgang 1895, Band XIII, Heft 6) geäussert. Sind 1. die Verzweigungsarten*) von vorn herein, als sie zum ersten Male auftraten, als echt-gabelige oder echt- und symmetrisch - tiederige (jedenfalls raono])odial angelegte) oder als Combinationen aus diesen charakteri- sirt gewesen, oder 2. hat sich einer der beiden Ver- zweigungstypen im Laufe der Generationen aus dem an- deren Typus entwickelt ? — Das sind die beiden P^ragen, die P. im Laufe seiner Studien über fossile Farnreste die Thatsachen immer wieder aufgedrängt haben, die seines Erachtens dafür s])rechen, dass die Dichotomie eine ursprünglichere Verzweigungsweise ist. *) Die Verzweigungsarten lassen sich am besten in die fol- genden beiden Gruppen bringen. 1. Enthält eine Haupta.xe, I, seitliche Zweige, II, so bekommen wir ein Monopodiuni, welches sich dadurch auszeichnet, dass die Seitenzweige sämmtlich dasselbe gemeinsame „Fussstück" I besitzen. Enthält die erstentandene A.xe I einen Tochterzweig II, der über den Mutterzweig hinauswächst, denselben „übergipfelt" und die Spitze desselben oft bei Seite drängt, soirit die Fort- setzung des unteren Stücks des Mutterzweiges bildend, so er- halten wir ein Sympodium und zwar specieller ein monopo- dial angelegtes Sympodium. Ein Zweig von II kann diese Entwickelungsweise fortsetzen, sodass wir zwar ein Zweigsystem erhalten können, welches einem monopodialen erstgenannter Art, äusserlich betrachtet, durchaus gleicht, sich aber entwickelungs- geschichtlich dadurch von diesem unterscheidet, dass die schein- bare Hauptaxe aus vielen Fn.ssstücken von Zweigen verschiedener Ordnung gebildet wird. 2. Dasselbe Resultat kann auch die dichotome Entwicke- lungsweise geben. Eine Dichotomie kommt zu Stande, wenn sich ein Vi'getations))unkt in 2 neue Vegctation.sjiunkte sondert, welche beide zu je einem Zweige aiiswachsen. Erreiclien diese beiden gleiche Länge und verzweigen sich in derselben Weise weiter, so entsteht eine deutliche wiederholt-gabelige Verzwei- gung; dichotomirt sich jedoch immer nur der eine der beiden Zweige und zwar abwechselnd, immer einmal der rechte und dann der linke, oder immer nur der auf derselben Seite gelegene Zweig, oder endlich beliebig einmal diejenige der einen und dann wieder die der andern Seite, so wird wiederum, namentlich bei Oeradestreckung des ganzen Systemes, eine einheitliche Hauptaxe vorgetäuscht, während doch Verzweigungen vorliegen, die man am besten als dichopodiale Sympodien bezeichnen wird. Ueberblicken wir die Flora des Paläozoicums im Vergleich mit derjenigen der späteren Perioden und der Jetztzeit, so fällt leicht und eindringlich die Thatsache auf, dass die dichotome Verzweigung überhaupt, sowohl der Stämme, Blätter, als auch der Blattnervatur, früher bei Weitem häutiger war als heute. Die nächsten recenten Ver- wandten der ausgestorbenen Lepidophyten (Lepidodendra- ceen und Sigillariaceen), also die recenten Lycopodialcs, haben die echte Stamm-Dichotomie zum Theil auch heute noch beibehalten, aber es zeigen sich hier Mittelfälle, bei denen man eine sichere Entscheidung, ob echtdichopodial oder -monopodial, nicht treifen kann, und endlich kommen (bei Selaginella) durchaus monopodiale Aulagen schon in den allerersten Zellen vor. Weiter hinten wird sich ergeben, dass bei dem Vergleich der Verzweiguugsarten der aus- gestorbenen und recenten Lycopodialcs die Thatsache in Betracht zu ziehen ist, dass die recenten stets kleinere und oft kriechende Gewächse sind. Man beachte, dass die Lepidophyten im Paläozoicum wesentlich der Flora das Gepräge aufdrücken halfen und dass ihr Platz heute von Siphonogamen eingenommen wird, bei denen die Gabelverzweiginig nur eine ganz nntergeordnete Rolle spielt. Diese, speciell die Dicotyle- donen, weisen aber Eigenthümlichkeiten auf, die den Gedanken, dass dichopodiale Verzweigung wenigstens früher bei ihnen ebenfalls beliebt war, durchaus recht- fertigen. Denn nicht gerade selten zeigen bei Dicotyle- donen die Keimblätter dichotome Ausbildung, und zwar in allen Uebergängen, wie bei so vielen Gruciferen, als schwache bis stärkere, durchaus symmetrische Zwei- lappung bis zu tiefer Spaltung und Theilung, wie bei Convolvulaceen (schön z. B. bei Quamoclit vulgaris u. s. w.). Weitere Beispiele sind: Pterocarya caucasica (mit zwei- mal-gegabelten Cotyledoneu), Escbscholtzia, Succoria balearica, Amsinckia intermedia, Fortuuea sinensis, alle mit autfallend dichotomen (Kotyledonen, Zwischen den auffallend gabeligeu Cotyledonen und den ungetheilten giebt es Uebergänge, welche für den Gedanken ausge- nutzt werden können, dass die nicht dichotomen Keim- blätter phylogenetisch aus dichotomen hervorgegangen sind. So sagt A, Winklcr (1885): „Bei Iberis pinnata, Geranium, Erodium, Lupinns, Astragalus, Ouohrychis und Fagopyrum ist die Spreite in zwei ungleiche Hälften 434 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 36. getlieilt. Bei Gerauium ivommen aber zuweilen auch zwei gleiche Hälften vor", eine Erscheinung, die P. nun- mehr als eine atavistische deuten würde, ebenso, wie das ausnahmsweise Vorkommen von Doppelbliittern bei Siplionogamcn, für welches sogar A. Braun (1871) die Entstehung durch „Dedoubliruug" in vielen Fällen an- zunehmen geneigt ist. Von den Laubblatt-Moustrositäten bei öiphonogamen sind gerade zweitheilige Blätter merk- würdig häufig. Um zu zeigen, dass auch andere Autoren die in Rede stehenden Tliatsachen in derselben Weise zu deuten geneigt sind, wie P. es thun möchte, dafür giebt er die Schlussworte der Kny'sehen Abhandlung, über echte und falsche Dichotomie (1872) wieder, in denen dieser Autor zunächst daraufhinweist, „dass dichotome Verzweigung ver- hältnissmässig häutig bei Thalluspflanzen vorkommt, in den höheren Abtheilungen des Gewächsreiches dagegen viel seltener angetroffen wird." Er fährt dann fort: „Dabei ist es nun in hohem Grade bemerkenswerth, dass die primordialen Organe höherer Pflanzen (Cotyledonen der Blüthenpflanzen, Primordialblätter der Keimpflanzen der Farnkräuter) in vielen Fällen dichotom getheilt erscheinen, während die späteren Blätter derselben Pflanze eine durch- gehende Blattspindel zeigen. Es ist dies eine neue Be- stätigung des schon in so vielen anderen Beziehungen bewährten Entwickelungsgesetzes, dass die embryo- nalen Zustände hciherer Pflanzen die entwickelten Zustände niederer Pflanzen vielfach wiederholen." Bei den Farnen ist es sehr auffällig, wie sehr die echte Gabeitheilung der Wedel gegen früher abgenommen hat. Zwei wesentliciie Gruppen, welche also im Paläozoicum den Charakter der Flora bedingen halfen, die Farne und die Lepidophyten, zeigten eine besondere Neigung zur Dichotomie, während die heutigen Farne sowohl als auch die in physiognomischer Hinsieht als Vertreter der Lepido- phyten anzusehenden .Siphonogamen dem genannten Ver- zweigungsmodus im Ganzen abhold sind. Betrachten wir die Calaniariaceen, so ist wenigstens die eine Thatsache mit Rücksicht auf das Gesagte be- merkenswerth, dass die älteste Art dieser Familie, Archaeocalamites radiatus (Calamites transitionis), aus dem Culm und den Gstrauer Schichten {= Waldenburger 8.) des productiven Carbons, mehrfach gegabelte Blätter besass, während doch echte Dichotomien sonst bei den Equisetinen nicht mehr vorkommen. Wie schon angedeutet, hat nicht nur der gabelige Verzweigungsmodus von Stengeln und Blättern auffallend im Verlaufe der Entwiekelung der Pflanzenwelt abge- nommen, sondern für die Blattnervaturen ist das Gleiche zu coustatiren. Bleiben wir bei den Farnen, so muss hervorgehoben werden, dass die Paläopteriden, die nament- lich für Culm undauch die Ostrauer Schichten charakteristisch sind, die „Gattungen" Adiantites, Archaeopteris, Palaeop- teris, Cardiopteris und Rhacopteris, dass diese Gattungen alle in den Fiedern letzter Ordnung eines Mittelnervs entbehren und durch lauter gleichartige, parallel-fächerig verlaufende, gegabelte Nerven ausgezeichnet sind, wäh- rend die Gattungen höherer Horizonte, z. B. die ganz überwiegende Zahl der Sphenopteriden und der Peeopte- riden, von denen das Gros der Arten vom nüttleren pro- ductiven Carbon (den Schatzlarer Schichten [= Saar- brücker SchichtenJ) bis zum Rothliegenden vorkommt, insofern höher organisirt sind, als in der Nervatur durch das Auftreten eines Mittelnerven mit Seitennerven, sodass tiederige Nervatur zu Stande kommt, eine Arbeitstheilung in der Ausbildung der die Nahrung leitenden Bahnen zu coustatiren ist. Ist die — allerdings kaum zu umgehende — An- schauung richtig, dass das Leben im Wasser geboren wurde, wie denn in der That Algen die ersten Gewächse gewesen sein dürften, die die Erde bewohnten, so können wir aus einer Betrachtung derselben Anhaltspunkte über die ursprünglichen Verzweigungsweisen gewinnen. Nun, dass bei diesen die Dichotomie eine grosse Rolle spielt, ist allbekannt. Immer wieder — wo wir hinblicken — zeigt sich das Walten der Dichotomie bei älteren Formen; auch die Bryophyten sind ein Beispiel, bei denen die an den Anfang ihres Systems gestellten Abtheilungen, die damit auch als die älteren angenommen werden, die nie- deren Lebermoose nämlich (die Ricciaeeeu und die ilarehantiaceen), sich durch Gabelungen ihres Körjjcrs auszeichnen. Wie das Gros der Algen, so sind ja auch die Ricciaeeeu Wasserpflanzen, und bei solchen sind Dicho- tomien, auch wenn es sich um hoch differcnzirte Formen handelt, beliebt. Die Wasserblätter im Wasser lebender Siphonogamen sind meist im Interesse der Schaffung einer möglichst grossen Fläche, und um die einzelnen Theile mit möglichst verschiedenen Theilen des Wassers, u. a. behufs Aufnahme des gelösten Kohlendioxyds, in Berührung zu bringen, fein zertheilt, und die einzelnen Stücke grup))iren sich mit besonderer Vorliebe zu Gabeln. Sollte diese Erscheinung sich nicht als eine atavistische deuten lassen? Aus weiter unten Gesagtem wird die Berechtigung dieses Gedankens hervorleuchten. Er steht im Einklang mit der Aeusserung K. Goebel's 1893, „dass das Leben im Wasser ganz allgemein eine Hemmung in der Gewebeausbildung, eine Hintanhaltuug der höheren Diffe- renzirung bedingt", da das letztere atavistische Er- scheinungen im Gefolge haben nmss. Bei phylogenetischen Betrachtungen, mit Zuhülfenalime der Paläontologie, hat man sich inuner vor Augen zu halten, dass die paläontologischen Documente in einem Grade spärlich sind, der oft entnnithigend wirkt, dass in unserem Falle, sobald Farne auftreten, diese bereits eine hohe Differenzirung aufweisen, sodass sie sofort im Sinne der Systematik der recenten Pflanzen als echte Farne anerkannt werden können. Die Formen, welche sie mit einfachen Typen verbinden, sind nicht erhalten, und wir müssen mit Bedauern an die unermessliche Zeit denken, welche vor dem Auftreten echter Farne verflossen ist, weil aus ihr nichts für die Phylogenesis dieser Ge- wächse Brauchbares erhalten ist. Soll man aber deshalb die Hände in den Schooss legen und nicht wenigstens den Versuch wagen, die si»ärlichen Daten, die wenigstens die ältesten und älteren erhaltenen Reste bieten, auszu- nutzen? Unter diesen Resten befindet sich innnerhin eine ganze Anzahl, die in interessanter Weise von den heutigen Arten abweicht und mit diesen verglichen und in eine Reihe gestellt es gestatten, bis zu einem gewissen Grade Schlussfolgerungen auf die fehlenden Vorgänger zu ziehen. Die Betrachtung dieser Reihe beginnt P. mit dem Hinweise, dass die Wedel der recenten Farnarten ganz überwiegend durchweg tiederige Gliederung besitzen und im Ganzen eiförmige Gestalt zu haben pflegen. Auffallend häufig zeigt sich als Abweichung von der Norm bei Arten von dem in Rede stehenden Typus des Wedel-Aufbaues eine Dichotomie des Wedels, je nach den Exemplaren in verschiedener Höhe desselben. Unterhalb der Gabel und an den beiden Gabelästen befinden sich dann Fiedern erster Ordnung, ganz von der Gliederung solcher Fiedern an normalen Exemplaren, so dass also nur die Gabelung eine Abweichung bietet. Bei der Häufigkeit dieser Er- scheinung ist man unisomehr berechtigt sie als eine ata- vistische aufzufassen, als im productiven Carbon eine ganze Anzahl Arten den geschilderten Aufbau normaler Weise zeigen. P. hat ihn als Hoeninghausi-Aufbau be- zeichnet, weil er u. a. bei der häufigen Sphenopteris Nr. 3ß. Niitiirwisscuscliartliche Wochenschrift. 435 Hocningliausii des i)r(iilucti\eii Carbons auftritt. Nur (ladureii verschieden von dem IIocniui;hausi-Aufbau, dass das unter der Gabe! l)etindliciic Spindelstiiek naciit ist, d. h. keine Fiederu trügt, zeigt sicli z. 15. Arcliaeopteris Tsciierniakii Stur. nie Gabeltheile selbst und die Fussstüekc sind iVei- iieh in diesen Fällen so tyiiiscli tiederig-, dass sie weiter keine IJrüeke zu der Anschauung bieten, dass auch die einzelnen Stücke dieser Theile phylogenetisch aus echten Gabeln hervorgegangen sind, ci)cnsowcnig wie man aus blosser lietraclitung unctober in Florenz stattfinden. L i 1 1 e r a t u r. Felicie Ewart, Die Emancipation in der Ehe. Briefe an einen Arzt. Verlag von Leopold ^'oss in Jlamburg. 1892. — Preis 1 Mark. Verfasserin behandelt die berufsmässige Ausbildung junger Mädchen, die \'er\vertbung dieser Ausbildung in der Ehe, die Gefahren und Vortheile der Verheirathung, die Mittel zur Hebung des Wohlstandes kleiner Haushaltungen etc. etc. Als Ausgangspunkt der Betrachtungen kann der Satz gelten: ,.Jeder Beruf, der in seiner Verfolgung das Mädchen von tier Ehe aupschliesst, ist ein verfehlter und alle Bemühungen der Frauen- rechtlerinnen müssen dahin grichtet sein, Mittel und Wege zu schaffen, das Mädchen erwerbsfähig zu machen, ohne ihr dadurch die Anwartschaft auf ihre natürliche Stellung als Frau und Mutter zu rauben." William, Marshall, Der Bau der Vögel. Mit 229 in den Te.xt gedruckten Abbildungen. (Weber's Xaturw. Bibliothek Nr. 10). Verlag von J. J. Weber in Leipzig. — Preis in Original-Leinen- band 7,50 Mark. Die vorliegende gemeinverständliche Beschreibung des Baues der Vögel motivirt sein Erscheinen mit der Thatsache, dass es zwar an zusammenhängenden Werken über die Organisation der Vögel nicht fehle; aber einerseits (z. B. Tiedemann) sind sie veraltet, andererseits muss man (in Lehrbüchern) zuviel in den Kauf nehmen, was für einen ( Irnithologen nur wenig Interesse hat, da die Vögel in den betr. Werken mit den anderen Wirbelthieren zusammen abgehandelt sind. Andere Werke wiederum sind zu umfangreich, zu kostspielig und erfordern zu viel gelehrte Vor- kenntnisse. Das Buch ist zur Einführung in die allgemeine Vogelkunde sehr brauchbar. Prof. Dr. Ernst Huth, Flora von Frankfurt a. Oder und Um- gegend. Zum Gebrauch in Schulen und auf Excursionen. -Mit !'.". Abb. Hugo Andres &: Co. Frankfurt a. Oder. 1895. Dass sich's in der vorliegenden Taschenflora um die zweite Autlage handelt, ist vergessen worden auf dem Titelblatt zu ver- merken. Das Buch des als Floristen von Frankfurt a. (). bekannten ^ erfassers ist bei der Kenntniss, welche er von der genannten Flora besitzt, sehr zu empfehlen. Es ist ein Bestimmungsbuch, das die zweckmässige dichotome Methode in Anwendung bringt. Edmund Michael, Führer für Pilzfreunde. Die am häufigsten vorkommenden essbaren, verdächtigen und giftigen Pilze. Mit 47 nach der Natur gemalten und photochemisch für Dreifarben- druck reproducirte Pilzgruppen. Ausgabe A.: Für den An- schauungs-Unterricht in Volksschulen und höheren Lehranstalten. Mit fünf Tafeln im Format 47x04 cm und beschreibendem Te.xt. Preis M. 8. Ausgabe B.: Taschenformat. Mit 40 Tafeln und beschreibendem Text. Preis geb. :\I. 6. Verlag von Förster und Borries in Zwickau i. S. 1895. Der Text der Ausgabe in Buchform lunfasst nur 26 Seiten; er bringt die folgenden Abschnitte: Was sind die Pilze? — Welchen Werth haben die Pilze? — Die Zubereitung der Pilze als Speise, sowie eine Anzahl erprobter Recepte. — Wie hütet man sich vor Pilzvergiftungen ? — Was ist bei Pilzvergiftungen zu thun. — Wie kann man Pilze züchten. — Was ist beim Sammeln der Pilze zu beachten? — Wie werden die Pilze eingetheilt? Der Nachdruck liegt mit Recht auf den Abbildungen, die sehr gut sind; jeder derselben ist eine für den gastronomischen Pilzfreund hinreichende Beschreibung beigegeben. Im Ganzen bandelt es sich um etwas über 40 der auffälligsten und für die Praxis wichtigen Pilze, sei es, dass sie geniessbar sind oder schädlich oder so häufig vorkommen, dass ihre Kenntniss von Interesse ist. Das Buch ist zu empfehlen, da es vorzüglich geeignet ist, die hauptsächlichsten geniessbaren Pilze kennen und unterscheiden zu lehren. Dr. H. du Bois, Magnetische Kreise, deren Theorie und An- wendung. Mit 94 Figuren. Julius Springer in Berlin und B. Uldcnbourg in München. — Preis geb. 10 M. Das vorliegende Buch ist in erster Reihe für den Elektro- techniker geschrieben und aus Anlass eines 1891 in Frankfurt a. M. auf dem Elektrotechniker-Congress gehaltenen Vortrages ent- standen. Für die Praxis empfiehlt es sich im Allgemeinen bei der Behandlung magnetischer Probleme nicht, wie von Alters her üblich, vom zweipoligen Magnetstab auszugehen, sondern von dem pollosen Elektromagnet, welchen man erhält, wenn ein Eisenring mit einer stromdurchfiossenen Spirale umwickelt ist. Pole treten bei einem solchen „Toroid' erst auf, wenn an irgend einer Stelle eine Unterbrechung der Continuität, ein radialer Schlitz, vor- handen ist. Die für geschlossene Toroide sich am einfachsten gestaltende Theorie des magnetischen Feldes bleibt näherungs- weise mit geringen Aenderungen auch auf die praktisch bei den elektrischen Maschinen vorkommenden Modificationen anwendbar, und die Ausgestaltung der Theorie nach den verschiedensten Richtungen hin bildet eben den Gegenstand des vorliegenden Buche.=. Die Kenntniss der ferromagnetisehen Inductions- Vor- gänge wird vom Verfasser mit Rücksicht auf das im gleichen Verlage erschienene vortreft'lichc Werk von Ewing über magnetische Induction voi'ausgesetzt. Die Darstellung im vorliegenden Buche ist im Allgemeinen klar und wird, wo erforderlich, durch deutliche Figuren wirksam unterstützt. Mehrere Kapitel konnten indessen nicht ausschliesslich mittelst elementarer Methoden behandelt werden, sodass die Bekanntschaft mit höherer Mathematik ebenso wie ein nicht müheloses Sich-Einleben in .die specifisch der Neu- zeit eigenthümlichen Anschauungsweisen zum vollen Verständniss des Buches erforderlich ist. F. Kbr. Briefkasten. Herr Prof. N. — Auf Ihre Anfrage erhalten wir von Herrn Oberförster und Assistenten der Zoologie Anatol .\lexis Ssilantjew in St. Petersburg die folgende Nachricht: Herr Prof. Dokutschajew hat ein Project gemacht, einen Theil der südrussischen Steppen zu isoliren und für immer im jetzigen Zustande zu conserviren, damit es später möglich bleibt, ein lebendiges Beispiel der Steppenfauna und -Flora stets vor Augen zu haben. Auf dieser isolirten Steppeninsel beabsichtigt er eine inter- nationale Station für das Studium der Steppennatur zu bilden. Gegenwärtig ist ein Theil des Projects schon verwirklicht; es ist nämlich ein kleines Haus (2 Zimmer) aufgebaut und circa 20 Dessätinen (Dessätina ist ein Stück Land von 2400 uadrat- faden) einer reinen, noch niemals gepflügten .Steppe den Forschern zu Gebote gegeben. Die Gelehrten, welche auf dieser Station zu arbeiten wünschen, können sich schon jetzt im Hause oder in Zelten (ohne Bezahlung) installiren; Nahrungsproducte (Milch, Brod, Eier, Butter) sind aber zu bezahlen. Die nächste Stadt be- findet sich in einer Entfernung von etwa 8 Kilometern. Im Künftigen beabsichtigt man das Forschungsterritorium und die Station selbst allmählich zu erweitern Was den Weg zur Station anbelangt, so muss man bis Station Tschertkowo der südöstlichen Eisenbahn fahren, dann in einem Wagen bis Bjelowodsk (circa 50 Kilometer) und weiter in die Derkulsche Steppe, auf die meteorologische Station der Forst- I)epaltamet>Expedition. Inhalt: XXVI. Congi-ess der deutschen Anthropologischen ( iesellschaft in Kassel vom 8. bis 11. August 189.5. — H. Potonie, Die Phylogenie der pflanzlichen Blatt- und Stengel-Verzweigungen. — f^ine einfache objective D/irstellung der Hertz'schen Spiegelversuche. — Die Zusammensetzung des Saturnringes. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Felicie Ewart, Die Emancipation in der Ehe. - William Marshall, Der Bau der Vögel. - Prof. Ernst Huth, Flora von Frankfurt a. O. und Umgegend. — Edmund Michael, Führer für Pilzfreunde. — Dr. H. du Bois, Magnetische Kreise, deren Theorie und An- wendung. — Briefkasten. 440 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 3fi. Werlrolle Bücher in billigen Preisen; Bilderatlas d. Sternenwclt. 41 prächtig ausgref. color. Tfln. mit ausfiihii. 'l'ext v. E. Weiss. Beste Astronomie für Jedermann ! Statt M. UU für M. .'>. von Selieoliteiidal - Hallier, i'lora von Deutschland. 5. Aiirt. 30 Bde. mit Reg. Geb. \N ie neu. Statt M. 2r.9..0 für nur M. 150. RahenhorMt. 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JL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger t^nellenansabe gestattet. Geologische Ausflüge in die Umgegend von Berlin. Von Üi'. Max Fi ebelk orii. Exeursioneii in das Diluvium. 1. TTuter-Diluvium. — Glindow, Haben wir auf unseren Excursiouen bisher nur den Osten von Berlin kennen gelernt, so führen uns unsere Diluvial-AusflUge jetzt auch in den Westen unserer Haupt- stadt, dessen Schönheiten man durch kein Werk besser verstehen lernen kann, als durch Theodor Fontane's „Wanderungen durch die Mark Brandenburg-." Die Umgegend der Havelseen beiAVerder und Glindow, wohin die diesmalige Excnrsiou geht, ist nicht nur land- schaftlieh schön, sie ist auch in industrieller wie geolo- gischer Beziehung von hoher Bedeutung; ein Ausflug dorthin lehrt daher in vieler Beziehung- Neues. Will mau alles Interessante sehen, das die Gegend bietet, so ist die Excursion sehr anstrengend und setzt einen etwa zehnstündigen Marsch voraus. Indessen wird sich der eine oder der andere auch damit begnügen, nur die interessantesten Aufschlüsse kennen zu lernen. Als Ausgangspunkt unserer Wanderung nehmen wir ent- weder Station „Wildpark", von der aus wir den Weg nach Werder zu Fuss antreten, oder wir fahren bis Werder selb.st. Der erste Weg ist vorzuziehen, da er uns auf der Wanderung ganz gut mit der Eigenthümlichkeit der Gegend bekannt macht. In Werder angekommen, verschaffen wir uns zunächst wieder einen Ueberldick über die topographische und geologische Beschaffenheit des Geländes und ersteigen zu diesem Zwecke einen der beiden Aussichtsthürme auf den Werderschen Weinbergen, welche eine weite Fern- sicht in die Gegend gestatten. Als nächstliegenden wählen wir „Gerlach's Höhe" in der Eisenbahnstrasse. a. Topographische und geologische Beschaffenheit der Gegend. Wie wir von unserem Aussichtspunkte sehen, spielt in der ganzen Gegend das Wasser eine bedeutende Rolle. Zu unseren Füssen fliesst die Havel dahin, nachdem sie Caputh und BaumgartenbrUck passirt hat. Ursprünglich nahm sie ihren Lauf in südöstlicher Richtung durch den Sehwielow-See und das Canninerluch, .später brach sie bei BaumgartenbrUck durch und lenkte ihre Wassermassen nun in nordwestlicher Richtung bei Werder vorüber, indem sie in ihrem Laufe die kleine Insel bestehen Hess, welche die Stadt Werder trägt. Parallel zu dem Laufe der Havel liegen weiter Avestlich, von unserem Aussichtsthürme nicht sichtbar, drei Seen: Der grosse Plessower-See, der Glindow -See und der Haussee, deren Längsachsen eben- falls in nordwestlicher Richtung verlaufen. Andererseits tritt ganz im SO ein Wasserlauf in Gestalt des Caputh- See's, Wurzel-Fenn's und Lienewitz - See's auf, welcher sich parallel dem Schwielow See in südwestlicher Richtung- erstreckt. Wir haben somit das Vorhandensein zweier Hauptrichtungen in der Rinnenbildung der dortigen Gegend constatirt: einer nordost-südwestlichen und einer sUdost- nordwestlichen. Wahnschaffe*) hat darauf hingewiesen, dass diese Rinnen älteren Ursprungs sind und beim Vor- rücken der zweiten Vereisung- bereits vorhanden waren. Sie sind dadurch entstanden, dass das skandinavische Inlandeis bei seinem abermaligen Nahen verschiedene Gletscherzungen in das norddeutsche Flachland vorschob, die in die lockeren Ablagerungen der ersten Vereisung tiefe Rinnen gruben. Durch die beiden sich kreuzenden Rinnensysteme entstehen mehrere grössere Abschnitte im Gelände, welche sich wie Inseln aus dem sie umgebenden Wasser erheben; dahin gehören die Werderschen Weinberge, auf denen wir uns befinden, und weiter südlich eine Erhebung *) Urs. d. Oborfl. Gest. S. 144. Vergl. furner zu dieser Ex- cursion: Erläut. z. geol. Spec. Karte v. Preuss. u. d. thür. Staaten, Blatt Werder. 442 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 37. zwischen Baumgartenbrück und Petzow. An Höhen ist die Gegend überhaupt reich: Dicht vor uns liegt im N der Kesselberg, im Osten zeigen sich der Entenfängerberg und Schilfereiberg, denen sich südlich anschliesst. der Heineberg Geschiebemergel zeigt. Als grösserer Ausdehnung im Meter mächtige Platte von oberer Diluvialsand tritt es in Südwesten im Cuncrsdorfer Forste auf. Das untere Diluvium, welches uns auf unserer Ex cursion allein interessirt, setzt sich aus Thon-, Mergel AUuviiim Oberes Diluvium SU Spathsaiul Geschiebeineifjel Glindower Tlioii (Thonmergel) Merp:elsaiid (Schlepp) Unteres Diluvium Figur 45. Geologische Karte der Gegend von Werder und Glindow. In geologischer Hinsicht ist die Gegend verhältniss- mässig einfach aufgebaut, indem nur diluviale und allu- viale Bildungen auftreten, die letzteren natürlich vor- wiegend au den Rändern noch vorhandener oder an Stelle verschwundener Wasserläufe. Hauptsächlich herrscht in der ganzen Gegend das untere Diluvium vor, während sieh das obere Diluvium nur im Osten als eine wenige und Mergelsandbänken zusammen, welche im allgemeinen folgendes Protil bilden: Unterer Diluvialsand. „ Diluvialniergel. „ Diluvialniergelsand (Schlepp). „ Diluvialthoumergel. - Diluvialsand. Nr. 37. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 443 Die Schichtenfolge wechselt ungemein, wie ein von Berendt in Forch niedergetiraeiitcs Bohrlocli ergeben hat. Es lagen dort sechs (ieschiebcniergel übereinander und wurden durch lUuke von Spathsand, Grand, Gerolle uiul Thoninergcl getrennt. b) Die Excursion. Von dem Aussichtsthurmc steigen wir wieder zur Eisenbalinstrassc liinal)*) und gehen bis zur Strasse „Unter den Linden". Hier befindet sich hinter dem Hause Nr. 59 eine Thongrube, welche sich weit nach Norden hin erstreckt und eine der be- deutendsten der ganzen Gegend ist. Sie schneidet tief in das untere Diluvium ein. Das l'rotil in derselben ist folgendes: Unterer Diluvialsand. Diluvialmergelsand (Schlepp). Diluvialthoumergel. Der untere wenic: mächtige gels liegt Diluvialsand bildet eine Decke und zeichnet sich durch nichts von dem anderer Fundpunkte aus. Ein neues uns uul)ekanntes Glied des unteren Diluviums tritt uns jedoch in dem den unteren Sand unterlagernden Mergelsande entgegen. Derselbe zeigt theils zum Thonmergel, theils zum unteren Diluvial- sande Uebcrgänge. Er besitzt ein äusserst feines Korn und grossen ßeiciithum an Kalk, der höher ist, als der des gemeinen Diluvial- saudes zu sein pflegt und der ihn allein vom tertiären Forni- sande sondert. Dazu konnnt ein Thonge- halt von ca. 1 "/q. Der Diluvialmer- gelsand ist in seiner Lagerung an den Ho- rizont des Thonmer- jebunden und entweder un- mittelbar über ihm oder wechsellagert auch zuweilen mit demselben. In selte- nen Fällen tritt er auch an Stelle des Thonmergels im Dilu- vialsande auf. Wegen seiner Begleitung des Thonmergels fuhrt er bei den Arbeitern den Namen „Schlepp". Meistens sehliesst er in der Gegend von Werder und Glindow Petrefacten ein, so und Valvata. Der den Schlepp unterlagernde Thonmergel, auch „Glindower Thon" genannt, hat schon früher Erwähnung gefunden. Wegen seiner ausserordentlich zarten, fast stets sich zeigenden Schichtung, heisst er auch .,Bänder- thon". Er ist ein Gebilde, das sich durch Kalkgehalt auszeichnet und hin und wieder kleinere Steiucheu ein sehliesst. Ueber seine Entstehung Naturw. Wochenschr. Nr. 16, S. 194 d. Jahrg. Je nachdem ihm mehr oder weniger Sand Fignr 46. Faltenbildung im Schlepp einer Glindower Thongrube. Nach einer Skizze des Verf. v. Oct. isy4. mengt ist, entstehen sandigere oder fettei'e Ablagerungen, von grauer bis blausehwarzer Farbe. Sind ihm auch noch Braunkohlentiieilchen zugesellt, so geht die Färbung ins Braunschwarze oder Schwarze über. Der Gehalt an kohlensaurem Kalke schwankt für die Thonmergel von Werder zwischen 15 und 20 °/\,. Vermöge seiner grossen Plasticität ist der Thou nicht im Stande gewesen, grösserem Drucke zu widerstehen-, er hat vielmehr demselben nachgegeben und ist vielfach gehoben und zu Sätteln und theilweise überkippten Falten emporgepresst. Den Druck führt Wahn- schaffe auf das in den Rinnen vorrückende Inlandeis zurück, welches eine starke Seitenpressung auf die Uferränder aus- übte. Hierdurch wurden dieselben seitwärts zusammengeschoben. Das Liegende des Thones ist horizontal gelagei-t. Organische Reste sind in ihm von Berendt gefunden, gehören jedoch zu den Selteidieiten. Durch den West-Ausgang der Grube setzen wir unseren Weg fort und schneiden nach wenigen Auj^ Baumgartenbrttck-Plessow. Unsere Strasse führt uns westlich an einer Anzahl von Ziegeleien vorüber durch das Dorf Glindow zu den schönsten Aufschlüssen der ganzen Gegend , die etwa 800 m südlich von Glindow beginnen. Die Industrie, welche durch die Gewinnung und Verwerfhung des Thones hier hervorgerufen ist, ist eine gewaltige : ganz Thon- sich an Ziegelei Figur 47. Sattelbildung im Thonmergel einer Grube bei Lehnin (westlich von Glindow). (Nacli einer für die Naturw. Wochenschr. von Herrn Dr. L. Schulte aufgen. Photographie). Paludina diluviana Kuuth, Bithynia beige- *) Schon vorher ist hinter dem Hause Eisenbahnstrasse eine Schleppgrube zu V.)esichtigen. 130 grübe reiht Thongrube, an Ziegelei. Zunächst besu- chen wir eine Grube, deren Eingang ziem- lich versteckt liegt und mit der Inschrift: „1886. Parta tueri" versehen ist. In ihr iiaben wir, wie auch in allen folgenden Gruben, mit kleinen Abweichungen immer wieder dasselbe oben bereits angeführte Profil. Autfailend ist überall das reiche Vorkommen von Palu- dina diluviana Kunth im Schlepp. Gleich- zeitig lassen sich in diesen Gruben die Sattel- und Faltenbil- dungen im Schlepp- und Thonmergel vorzüglich studiren {Fig. 46. Vergl. dazu auch Fig. 47). So gehen wir von Grube zu Grube und achten be- sonders darauf, dass wir immer unmittelbar am Fusse der Berge bleiben, obschon die Chaussee weiter östlich durch die Ziegeleien abbiegt. Nur auf diese Weise sind die sehmalen Eingänge in die Gruben leicht zu finden. Aus der letzten der sechs Gruben*) kommen wir *) Nach dorn Verlassen der letzten Grube ist anzurathen, die mechanischL' Aufarbeitung des Thones und das Brennen der Ziegel im Hoffmann'schen Ringofen zu besichtigen. Die Con- struction des letzteren s. in: F. Fischer, Handbuch der ehem. Technologie. Leipzig, 1893. S. 809. 444 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 37. dicht au den Glindow-See und gehen von hier in südöst- licher Eiehtung auf einem Fusspfade bis zum Haussee, wo wir unmittelbar vor Petzow nach SW altbiegen, und am SchwielowSee entlang die Strasse nach der Löcknitz- Ziegelei verfolgen. Dieselbe erhält ihr Material aus einer weiter nördlich gelegenen Grube, in welcher besonders die Sattelbildung im Thon vortrefflich zu beobachten ist, so dass trotz des weiten Weges der Besuch der Grube angeratheu werden kann. Als eigenthümliche Bildung im Thonmergel derselben erwähnt Laufer die sogen. Brockenmergel, d. h. Thon- mergel, die in ihrer feingeschicliteten Masse etwa ci- grosse Gerolle eines äusserst fetten Diluvialthones in uu- regelmässiger Vertheilung einscbliesseu; im Durchschnitte zeigen die Gerolle eine feine, durch mehlige Sande herbei- geführte Schichtung.*) Von der Löcknitzziegelei geben wir über Baum- gartenbrück in nördlicher Richtung nach dem Chaussee- hause bei Alt-Geltow, wo eine kleine Grube rechts vom Wege im uuteren Diluvialmergel angelegt ist. Hier findet man häufig Schalen von Valvata, Bithynia und seltener von Planorbis. Die Excursion hat damit ihr Ende errciclit und die Rückfahrt nach Berlin ist am besten von Gharlottenhof anzutreten. 2. XTnter-Diluvium (Interglaciale Sande). — Rixdorf. Die geologische Excursion nach Rixdorf ist in einem halben Tage zu machen, da nur die Besichtigung einer einzigen Grube erforderlich ist. Der Eingang zu der- selben liegt in der Bergstrasse Nr. 39— 41a. Die Lagerungsverhältnisse in der Grube sind ein- facher Art: Am meisten und besten aufgeschlossen sind in einer bedeutenden Steilwand die interglacialen Sande, welche hin und wieder Bänke von Kies und Grand führen. Unmittelbar unter der Sohle der vorderen Ab- theilung der Grube — der hintere Theil wird nicht mehr abgebaut — lagert eine solche Grandbank. Das Hangende der interglacialen Sande bildet in etwa 3 m Mächtigkeit der obere Diluvialmergel, welcher nach unten mit scharfer Grenze gegen die Sande abschneidet. Unterlagert werden dieselben vom unteren Diluvialmergel, von dem ein Rest in der Bank zu sehen ist, welche den hinteren grösseren Theil der Grube von dem vorderen kleineren trennt. Der *) Ich habe sie auf meinen Excursioiien nicht beobacliten können. durch sie hindurchführende Hohlweg wird von Beyrich als ziemlicii guter Fundpunkt der Faludiua diliiviana Kunth genannt. Unter dem unteren Mergel ist früher eine Bank von Spathsand sichtbar gewesen, welcher dem den Mergel überlagernden Sande völlig gleicht uud deslialb mit in den Betrieb gezogen wurde. Jetzt ist von ihr nichts mehr zu sehen. Von besonderer Wichtigkeit sind für uns die inter- glacialen Sande, welche sich als reine, weisse Spatbsaude repräsentiren. Die geologische Karte fasst sie als dem unteren Diluvium angebörig auf. Ich habe früher (S. 198) schon darauf hingewiesen. Besonderes Interesse erregen die in den interglacialen Sauden vorkommenden Reste grosser diluvialer Säugethiere, auf welche el)enfalls liereits früher aufmerksam gemacht ist. Neben ihnen kennt man aus den genannten Schichten zwei Fragmente von menschlichen Schädeln. Das eine wird von F. G. Krause erwähnt*) und ist in Gegen- wart des Besitzers an der Ostseite der Grube aus den interglacialen Sauden ausgehobeu. Es ist, soweit mir bekannt, bis heute noch nicht näher beschrieben. Ein zweites Fragment sollte nach den Mittheilungen der Tages- zeitungen ganz neuerdings in derselben (irube aufgefunden und Virchow zur Begutachtung vorgelegt sein. Dasselbe hat sich als Rest eines Weudenschädels erkennen lassen und ist daher für uns von keiner Bedeutung. Neben den Säugethierknochen und vereinzelten Menschenresten finden sich in den Rixdorfer Gruben häufig Versteinerungen älterer Formationen, welche theils aus den Geschieben herausgeschlagen werden können, theils aus ihnen schon herausgewittert sind. Besonders interessant sind hier die Kiese, welche von den Arbeitern herausgehoben werden und, nachdem sie trocken geworden sind, beim Absuchen eine reiclie Ausbeute von kleinen und zierlichen Organismenresteu geben. Korallen und Bryozoen- stöcke von wunderbarer Deutlichkeit und Schönheit sind überaus häufig, doch fehlt es auch nicht an anderen Ver- steinerungen. Ein Sieben dieser Kiese würde jedenfalls recht interessante Ergebnisse liefern, und sicher eben- solche Sehätze zu Tage fördern, wie sie sich in den jetzt längst verschwundenen Kiesgruben von Tempelhof seiner Zeit ergeben haben.**) (Schluss folgt). *) üeber S|Hii-en mensclilioher Thätigkeit aus interglacialen Ablagerungen in der Gegend von Eberswalde. Archiv, f. Anthrop., Bd. 22, S. 50. **) Weiter südlich gelegene Gruben bieten nichts Neues und sind nur für den Geschiebesammler von Interesse. XXVI. Congress der deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Kassel vom 8. bis II. August 1895. (Schluss.) Dr. Kosinna (Berlin) sprach über die prähisto rische Ausbreitung der Germanen. Redner stellt die bekannte Annahme einer Einwanderung der Indo- Germanen aus Asien in Abrede, er hält vielmehr die Gegend der mittleren Donau für die ürheimath der euro- päischen Völker. Sie waren keine Nomaden, sondern trieben dort Ackerbau. Von dort verzweigten sie sich ruckweis nach allen Seiten „baumkroneuartig". Nach dem Rheine zu gingen die Kelten, die Noven ostwärts zum Dnieper und zur Weichsel, die Germanen östlich von der Elbe nach Norden. Redner fasste seine Ansichten in folgende Sätze zusammen: das Gebiet zwischen Rhein und Leine ist erst seit 300 v. Chr. von Germanen be- siedelt worden, das Gebiet zwisclien Leine uud Aller erst in der jüngsten Broucezeit (600 — 300 v. Chr.), das Ge- biet zwischen Aller uud Persante (Pommern) iu der jün- geren Broucezeit (1000 — 600 v. Chr.). Am linken Ufer der Weichsel und an der oberen Oder sasseu bis 600 v. Chr. Slaven und keine Germanen. In der Steinzeit ist auch die Ostgrenze der Oder germanisch gewesen. Das Gebiet der nordisch-skandinavischen Broucezeit ist maassgebeud für die Ausbreitung der Germanen. Mecklenburg, Schleswig- Holstein und Dänemark sind die Ürheimath der Germanen. Hier sind sie spätestens vor 3000 v. Chr. scsshaft gewesen. Virchow sprach über die Kelten frage mit Be- ziehung auf das Hesseulaud. Durch eine Schrift von Alexander Bertrand und Salomou Reinach in Paris: „Les Celtes" ist die Keltenfrage seit Kurzem in eine neue Beleuchtung getreten. Die Verfasser machen den Versuch, die Hallstattkultur bis weit nach Osten bin als keltisch zu deuten. Schon Polybios machte eiuen Unter- schied zwischen Kelten und Galatern; diesen Unterschied Nr. 37. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 445 machen auch Hcrtrand und Rcinach. Sie gelien von der hi'Stininiton .Vniialunc aus, (hiss die Kelten von 0.sten her nach (lallien eini;-e\vandei-t sind, und julauben, dass sie etwa ;5Ü0 V. Chr. am atlantischen Occan auiickonnncn sind, wäln-end Müilenhot!" diesen Zeitpunkt dreihundert Jahre frülier ansetzt. Sie halten alle Naelu-ieiiten, die weiter als I3UU v. Chr. zuriiek,:;ehen. für unsicher; nach dieser Zeit erst treten allmählich Einy.elberichte über das Auftreten fsinnigen Individuen bilden ebenso die Ausnahmen, wie auf der entgegengesetzten Seite die genialen. Ausserdem geht aus diesem Beispiele noch hervor, wie es kommt, dass man sich so oft über die Beschaffenheit des Mittelgutes täuscht. Der mittlere Wurf kann ebensowohl durch Combinationen wie 3 -[- 3 _|- 4 -|- 4 ^ 14 gegeben, also durch Individuen vertreten sein, denen man gleich anmerkt, dass sie in jedem Be- gabungskreise mittelmässig ausgestattet sind, die aber doch einen bescheidenen Platz gut ausfüllen, — als durch Würfe wie 6-|-6-|-l + l = 14, wobei zwei Gruppen mit der höchsten Stärke 6 vertreten sind. Individuen der letzteren Combinationen vermögen oft auf den ersten An- blick zu blenden, man traut ihnen eine bedeutende Leistungsfähigkeit zu, um dann die Erfahrung zu machen, dass ihre schwache Begabung in den beiden andern Gruppen, versinnlicht durch die beiden 1, sie nicht zu Erfolgen kommen lässt. Es kann bei glänzender Intelli- genz an der Charakteranlage ein Fehler sein, oder um- gekehrt, und so entstehen die verbummelten Genies, oder die braven Leute, denen es schlecht geht u. s. w. Alles dies beruht auf Gesetzmässigkeiten, die bisher nur nicht erkannt wurden. Die verbreitete Meinung, dass viele Angehörige der unteren socialen Schiebten in der Enge ihrer Verhältnisse verschmachten müssten, während sie eigentlich zu Höherem geboren wären und nur durch die mangelhafte Organi- sation der Gesellschaft nicht an ihren gebührenden Platz gelangen könnten, ist nach Ammon unrichtig; solche Fälle kommen sehr selten vor, schon deswegen, weil wirkliche Genies und Talente keine gewöhnlichen Er- scheinungen sind. Sie wissen sich auch Bahn zu brechen, und die Begabungen, welche dies nicht vermögen, sind meist mit irgend einem Mangel behaftet. Die weitere, gründliche Besprechung dieser Verhältnisse, aus denen dann als Ergebniss die „wirkliche Gestalt der Gesell- schaftspyramide" hervorgeht, ist in dem Buche selbst nach- zulesen. In einem kurzen Referat ist es unmöglich klar zu machen, wie der Verfasser seine Ansicht begründet, dass die hochbegabtesten Individuen meist die oberen gesellschaftlichen Stellungen erringen, auch das Talent leitende Plätze in Kunst, Gewerbe, Industrie u. s. w. ein- nimmt, und das Mittelgut sein Dasein durch Handarbeit fristet. Die ganz Unbrauchbaren für das Gesellschafts- leben werden in Straf- und Krankenanstalten unter- gebracht. Eine ausnehmend wichtige Einrichtung ist die der bürgerlichen Stände, welche meist unter sich 448 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 37. heirathen. Die oft angefochtene, als Ueberbleibsel des Mittelalters verlachte, aber doch im Leben nicht aus- zurottende Ständebildung kommt bei dem Verfasser zu ihrem Rechte, als eine vom socialen Instinkt geschatfene Organisation, welche durch Einschränkung der Panmixie die vermehrte Erzeugung talentvoller und genialer Per- sönlichkeiten zur Folge hat, also den Gemeinwesen mit Ständebildung die Uebei'legenlieit im Kampfe ums Da- sein gegenüber solclien ohne Ständebildung schon seit den ältesten Zeiten gewährt. Die Darlegungen des Ver- fassers beruhen auch hier auf streng mathematischen Grundlagen. Wir eilen rasch über die Abschnitte hin- weg, welche den Sinn der Absonderung der Schulen nach Ständen hervorsucben, die höhere Lebenslialtung der oberen Stände durch physiologische Notliweudigkeiten begründen, die Ständebildung als Sporn des Wett- bewerbs schildern, die Einkommenscurve mit der Be- gabungsciu-ve vergleichen, die Geschichte und Anthro- ■ pologie der Ständebildung entrollen, um noch ein Wort über den Bevölkerungsstrom zu sagen. Die heutige Oultur beruht auf der Städteent Wicke- lung, und diese hat ein merkwürdiges, zuerst von Georg- Hansen dargestelltes Phänomen hervorgerufen: den Be- völkerungsstrom, der den ländlichen Gebnrtenüber- schuss nach den Städten fuhrt, weil das fiaclie Land be- reits besetzt ist. Die Darstellung, wie diese Einwanderer in den Städten einer Behandlung und Prüfung unterzogen werden, indem die bessere Ernährung und die vielseitigere geistige Anregung alle Seiten ihres Lebens in höhere Thätigkeit versetzen, wie dadurch aber ebensowohl die schlechten, wilden Triebe, wie die nützlichen, erhaltenden Anlagen gesteigert werden, wie die Störung des seelischen Gleichgewichtes einen Ausleseproeess einleitet, durch welchen die brauchbaren Elemente der Zuwauderer bezw. ihre Nachkommen auf der socialen Stufenleiter empor- steigen, zuerst in den gewerblichen Mittelstand, in der zweiten Generation in den Gelehrten-, Beamten- und Gross- unternehmerstand, wie dagegen die unbrauchbaren Indi- viduen in Elend und moralischem Schnuitz untergehen und ihr Leben in Straf- und Bewahranstaiten beschliessen, wie aber zuletzt auch die Emporgestiegenen in den höheren Ständen aus physiologischen und socialen Ur- sachen von der Entartung ergriffen werden und aus- sterben, endlich wie die entstehenden Lücken durch neue nachdrängende Individuen immer wieder gefüllt werden, und wie dieser ganze Culturprocess nicht sowohl den Vortheil der Einzelnen, als die Erhaltung der Art be- zweckt, alles dies bildet ein grossartiges Gemälde der Menschheitsdramas und wird keinen Leser gleiehgiltig lassen. Denn obwohl der Verfasser sich bemüht, objectiv zu bleiben, und den Gegenstand scheinbar gelassen in kühler Sprache zu erörtern, so ist doch der Leser so nahe dabei betheiligt, dass eine Fluth von Gefühlen in ihm geweckt wird. So auch bei dem eingefügten Aufsatze von de Lapouge über „Leben und Sterben der Völker" und bei dem Rü-ckblicke auf den ersten Theil, der die Ergebnisse in Kürze zusammenfasst und die Schluss- folgerungen zieht. Der zweite Theil enthält die Nutzanwendungen der neuen Theorie auf die bestehenden Zustände. Wenn auch die Gesellschaftsordnung im allgemeinen viel besser an das Bedttrfniss angepasst ist, als die Weltverbesserer glauben, so ist doch ihre fortwährende Reform bedürftig- keit nicht zu leugnen. Denn da die äusseren Lebens- bedingungen einem rascheren oder langsameren Wechsel unterliegen, gerathen immer einzelne Theile der Gesell- schaftsordnung aus der Anpassung und müssen durch sociale oder gesetzgeberische Maassregeln abgeschafft oder wieder leistungsfähig gemacht, bezw. es müssen neue Ordnungen geschaffen werden. Der Verfasser be- spricht nun die politischen Einrichtungen des Parlamen- tarismus und Constitutionalisnnis, die versciiiedenen Wahl- systeme, die Heereseinrichtungen und das Beamtenthum auf Grund seiner Theorie und gelangt dabei zu einer Reihe der frappantesten Folgerungen; bei manchen wird der Leser ausrufen: „Das habe ich doch auch schon ge- dacht!", während andere seinen Widersjiruch hervorrufen dürften. Auf sehr scharfsinnige Weise wird die Un- richtigkeit der Behauptung statistisch dargcthan, dass die mittleren Einkommen von den grössten aufgezehrt werden und immer mehr Menschen dem Proletariat anheimfallen, „die Brücke zwischen Reich und Arm sich verschmälere." Die Vergleichuug, wie sie bisher üblich war, schloss einen Rechenfehler in sich, nach dessen Ausschaltung man z. B. an der Einkommensverbesserung im Königreich Sachsen, dem industriellsten Bundesstaate Deutschlands, eine wahr- haft überraschende Zunahme des Wohlstandes der unteren Klassen und eine Vermehrung der Zahl der bis zum Reichrhum gelangenden Individuen wahrninnnt. Das Durchschnittseinkommen der unteren Steuerstufen hat weit mehr zugenommen, als das der obersten. In diesem Kapitel wird auch Karl Marx gewürdigt. Sodann werden Grossbetrieb und Handwerk, Ma- schinen und Arbeiter, Lebensnothdurft und Lebenshaltung an dem gewonnenen Maassstab gemessen. Aus dem letzteren Kapitel heben wir hervor, dass die sociale Hebung der Arbeiter an sich als erwünscht und noth- wendig anerkannt wird, jedoch mit dem Bemerken, dass eine Hebung s ämnitlicher Individuen ganz unmöglich ist, da eine Auslese bedingt wird. Die durch die fort- schreitende Maschinentechnik an die Intelligenz der Ar- beiter gestellten höheren Anforderungen werden mir von denjenigen erfüllt, welche die Fähigkeit dazu bisher schon „latent" besassen, aber neben diesen giebt es immer eine gewisse Anzahl Schwachbegabter, die, unvermögend dem Fortschritt zu folgen, durch denselben nicht ge- hoben, sondern in das Proletariat hinabgestossen werden. Das Proletariat wird eingeliend charaktcrisirt: es besteht aus den Untauglichen und Geraeinschädlichen, also aus zwei (iruppen, Proletariat erster und zweiter Khisse. Der Daseinskampf kann hier auf mildere oder strengere Art ausgefochtcn werden, entweder indem den Proletariern nur die Fort])flauzung erschwert und dadurch ihre allmähliche Decimirung herbeigeführt wird, oder indem sie selbst durch Hunger und Elend zu Grunde gehen müssen. Welche dieser Arten Platz greift oder vorwiegend Platz greift, hängt von der grösseren oder geringeren Schnelligkeit des industriellen Fortschrittes ab : je schneller, desto mehr Opfer. Das Aussterben des Proletariats ist eine harte Nothwendigkeit, um das durch- schnittliche Befähigungsniveau der Menschheit zu be- wahren, namentlich im Hinblick auf das Bevölkerungs- problem, welches bewirkt, dass die untersten und un- befähigsten Klassen die Tendenz haben, sieh am stärksten zu vermehren. Manche Arten übelangebrachter Wohl- thätigkeit durchkreuzen die natürliche Auslese und komen einer unbewussten Züchtung der hilflosesten Mensclienklasse gleich, drücken also den Begabungs- durchschnitt herunter. Nur bei solchen, die einer För- derung würdig sind, ist die Wohlthätigkeit berechtigt. In diesem Sinne bespricht der Verfasser die socialen Reformen, welche in den letzten Jahrzehnten ausgeführt und zum Theil noch beabsichtigt sind. Selbstverständlich findet auch die agrarische Frage ihre Berücksichtigung. Die Bedeutung des Bauernstandes für den Nachschub frischer, unverbrauchter Individuen in die höheren Berufs- klassen ist sehr gross und verdient bei den Maassnahmen der practischen Politik nie aus den Augen verloren zu Nr. 37. Naturwissenschaftliche Woclienschrift. 449 wcrilon. Denn der Bauernstand allein ist vollkommen g-osiuulon Lcl)ensl)cdini;ungcn ausj::esetzt, er bildet den „Jungbrunnen- dcM- gan/cn Gesellschaft, seine Verniebtung durcb ungünstige wirtliscbaftliebe (!onjuneturen wäre ver- biingnissvoll. Für die höheren Stände verlangt der Ver- fasser eine llildungsroform, wobei er wesentlich ein höheres Ansclien für den naturwissenschaftlichen Unterricht im Auge hat und sieh im Ganzen auf den Roden des deutschen Schulrcformvereins stellt. Wir können ihm nur beipfliehtcn, wenn er der veralteten Gymnasialbildung unserer gebildeten Stände die Schuld gicbt, dass so viele verkehrte Anschauungen über das GescUschaftslebcn und über sociale Reformfragen herrschen. Im Gegensatze zu der internationalen Social- demokratie, welche den Kampf ums Dasein aufheben möchte und die auf der falschen Tiieorie der Gleichheit der Menschen fusst, betont der Verfasser an vielen Stellen, dass nur eine kräftige nationale Politik den Interessen des Arbeiterstandes förderlich sein kann. Denn jede Erhöhung der Lebenshaltung der deutschen Arbeiter üt)t ihre Anziehungskraft auf die Bewohner social zurück- gebliebener Länder und droht uns mit einem Ueber- angebot von Einwanderern heimzusuchen, welche die Löhne und die gesammte Lebenshaltung wieder herabdrücken. Um eine dauernde und sichere Hebung unseres Arbeiter- Standes zu bewirken, müssen wir unsere Grenzen gegen die Einwanderer schlicssen und eine Welthandelspolitik treiben, die uns einen hinlänglichen Antheil am Absatz- markt, mittelbar unseren Arbeitern einen ausreichenden Lohn und eine Lebenshaltung gewährt, die sich der- jenigen des Mittelstandes nähert. An der ßethätigung nationalen Sinnes, nationaler Politik und nationaler Machtentfaltung haben daher auch die Arbeiter ein ge- wichtiges Interesse. Nichts ist verkehrter, als die internationale und oft gegen das eigene Vaterland gehässige Haltung der officiellen Sozialdemokratie, nichts bedenklicher, als ihr feindseliges Auftreten gegen die nationale Wehrkraft zu Land und zu Wasser. Denn die nationale Vertheidigung dient nicht bloss zum Schutze der reichen Leute, wie die Socialistenfüiu'er gelegentlich behaupten, sondern in noch weit höherem Maasse zum Schutze der arbeitenden Klasse. Der Reiche kann durch einen unglücklichen Krieg höchstens einen Theil seines Vermögens verlieren, der Arbeiter büsst jedoch seine Verdienstgelegenheit ein, das einzige was er hat, wovon er lebt und seine Fa- milie erhält. Ein ungünstiger Friedensschluss würde Deutschlands Antheil am Weltmarkt schmälern und ihm eine Bevölkerungsabnahme auferlegen, welche gleich- bedeutend mit einer Hungersnoth ist. Der Patriotismus ist im Munde des Verfassers keine leere Phrase, er wird nicht einfach von angeborenem Instinct abgeleitet, sondern es wird auch hier die Methode verfolgt, den Ursprung des Instinctes aufzusuchen, der nothAvendigerweise in irgend einem Nutzen für die Gesammtheit oder für das Individuum wurzeln muss, weil ohne dies das Eingreifen der natürlichen Auslese zur Ausbildung und Erhaltung des betreffenden Instinctes nicht denkbar wäre. So ver- lässt der Verfasser die streng naturwissenschaftliche An- schauung auch in diesem Punkte nicht und stellt dadurch die Bedeutung der Vaterlandsliebe und ihres natur- gemässen Ausdruckes in einer kraftvollen und unter Um- ständen auch etwas rücksichtslosen nationalen Politik in ein desto helleres Licht. Denn es versteht sich, dass nur ein solches Gemeinwesen seinen Angehörigen Schutz und Wohlfahrt gewährleisten kann, welches im Kampfe ums Dasein mit anderen Gemeinwesen wohlgerüstet da- steht und seine Ansprüche mit Erfolg geltend machen kann. In diesem Sinne schliesst Ammon sein Buch mit den Worten: „Alles für das deutsche Vaterland, denn Deutschlands Macht und Grösse ist des Volkes Glück!" X. Regenbogen. — In der meteorologischen Litteratur beginnen die Regenbogenerscheinungen wieder gesteigertes Interesse zu erregen, nachdem ihre Theorie durch die Untersuchungen Young's und Airy's in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, auf Grund der alten Arbeiten von Cartesius (1638) und Newton zu einem gewissen Abschluss gelangt war. Es sind einige besondere Beobachtungen, welche zum Theil eine weitere Ausgestaltung der Theorie auf Grund der noch älteren Bearbeitung von Theodoricus Teutonicus (1305), die also in 10 Jahren ihr 600jähriges Jubiläum erreicht, und ihre Auswerthung für ästhetische unil technische Zwecke in Anregung bringen. Vor allem betretfen dieselben einen, abgesehen von Regen, ausschliesslich mit technischen Mitteln im Grossen erzeugten Regenbogen, die Iris Lipsiensis. Dieselbe wurde zuerst 1893 vom Unterzeichneten in Leipzig an einer Telephonleitung beobachtet und durch genaue Messungen und Berechnungen als wirklicher Regenbogen festgestellt, entstanden aus Brechung und innerer Spiege- lung von Gaslicht in den an der Telephonleitung hängenden Halbtnipfeu. Die Messungen wurden zunächst 1893 in oinf'aclister ^\'eise, danach 1894 schärfer mit einem Diopter ausgeführt. Sie Hessen an der Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses keinen Zweifel. Auch wurde im Jahre 1894 eine von der Regenbogen-Spiegelung durchaus abweichende, einfache, äusserliche Spiegelung an den angefeuchteten Telephondrähten festgestellt. (Ab- bildungen in der lUustrirten Zeitung, Leipzig 1893 und 1894, sowie in Heft 200 der Yirchow'schen Samm- lung wissenschaftlicher Vorträge, Hamburg 1894). Wiederholt ist ferner in jüngster Zeit über Spiegel- bilder von Regenbogen im Wasser berichtet worden, deren Zustandekommen kein Anderer als John Tyndall aus theoretischen Gründen unmöglich erklärt hatte. Die erste Discussion in dieser Hinsicht ist schon vor Tyndall von J. J. Walker am 25. April 1855 aus Kingstown bei Dublin veröffentlicht worden. Die Beobachtung ist hier mit der Theorie in genügenden Einklang gesetzt und genau berechnet worden. Bei der noch gegenwärtig ' fortgesetzten Discussion dieser Erscheinungen war der aus der cartesianischen Berechnung unmittelbar folgende, zuerst anscheinend von Clausius (1850) ausgesprochene Satz zuerst nicht hinreichend berücksichtigt, dass zwei Beobachter an derselben Regenwand niemals denselben, sondern immer jeder seinen besonderen Regenbogen sehen müssen. Durch die spiegelnde Wasserfläche wird unter ungewöhnlich günstigen Umständen dann eben ein anderer, sonst nicht zugleich sichtbarer Regenbogen neben dem direct sichtbaren als scheinbares Spiegelbild desselben in das Auge des einen Beobachters geworfen. Wie daraus folgt, ist nur dann diese Täuschung vollkommen, wenn die Höhe des Beobachtungsstandpunktes über der Erd- oberfläche nicht wesentlich gegenüber der Entfernung der spiegelnden Tropfenlage vom Auge in Betracht kommt. Denn nur unter dieser Bedingung schliesscn sich die Schenkel des scheinbaren Spiegelbildes unmittelbar an 450 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 37. die Fusspunkte des direct gesehenen Regenbogens an. Sonst liegt das erstere mit seinen Schenkeln innerhalb des letzteren nnd schwindet ganz znsammen, wenn die Beobachtungshöhe übermässig gross ist. Dies das haupt- sächlichste Ergebniss der Walker'schen Untersuchung. Eine vervollständigte Darstellung der theoretischen Be- dingungen des Spiegclregenbogens {Iris ab aqua reflexa) beabsichtigt Unterzeichneter nach eigenen Untersuchungen in der Meteorologischen Zeitschrift zu veröffentlichen. Endlich ist die interessante Erscheinung der Därame- rungs-Regenbogen mehrfach beobachtet worden. Die- selben sind, entsprechend dem niederen Stand der Licht- quelle, wenn vollständig, sehr gross, fast Halbkreise, die nahe dem Zenith gipfeln, und entsprechend dem zur Spiegelung fast allein gelangenden rothen Licht einfarbig roth. Frühere, schon von Theodoricus verzeichnete Beob- achtungen können auch auf Verwechselung mit Nordlicht beruhen. Bruchstückweise oder ganz sind rothe Regen- bogen mit Sicherheit bisher achtmal beobachtet worden. Wie die Nordlichter und Kometen sind sie dem Aber- glauben unheimliche Vorzeichen. Sie bedeuten im märki- schen Volksglauben bevorstehenden Krieg. Wilhelm Krebs. Die Witterung des Monats August im centralen Europa. — Die Witterung des August gestaltete sich ziemlich gleichmässig; fast den ganzen Monat hindurch lagerte das barometrische Maximum im Innern des Con- tinents, wodurch ohne weiteres schon ein Schwanken der Witterung zwischen Extremen vermieden wurde. Der Monat begann mit massig kühlem, vielfach regnerischen Wetter bei meist westlichen Winden, das eine Reihe von Tagen hindurch anhielt. Eine Depression, die am 6. und 7. die Nord- und Ostsee durchzog und am Morgen des 7. bei Riga das für die Jahreszeit ziemlich tiefe Minimum von 739 mm erreichte, verursachte auch ein kräftiges Auffrischen der Winde. Ein zweites Minimum, das am Morgen des 8. bei den schwedischen Seen lag, Hess diese Witterung noch länger anhalten. Im Laufe des 9. besserte sich das Wetter, und der 10. und 11. brachten bei meist südwestlichen Winden ziemliche Hitze, die freilich sofort auch wieder mannig- fache Unwetter und locale Ueberschwemmungen bedingte: am schwersten wurde diesmal wohl Belgien betroffen, das in den Tagen vom 10. — 12. verschiedentlich heim- gesucht wurde; auch in Südengland mit London (am 11.), Südschweden und im russischen Gouvernement Pskow gingen verschiedentlich Unwetter nieder, von deutschen Städten wären besonders Köln und Lübeck zu nennen, die am 12. bezw. 13. schwere Gewitter zu bestehen hatten. Am 13. begann sich eine Zone niederen Druckes mit verschiedenen Centren schräg durch Europa von Schottland bis Südrussland auszubilden, welche den 14. total verregnen Hess. Da mit der darauf folgenden Ver- legung des Maximums über das westliche Europa die Winde eine mehr oder weniger nördliche Richtung an- nahmen, blieb die durch den Regen herbeigeführte Ab- kühlung noch mehrere Tage erhalten; auf dem Riesen- gebirge (Kesselkoppe) trat am 18. sogar Schneefall ein. Am 18. breitete sich aber das Maximalgebiet über die ganze südliche Hälfte des Continents aus, bei schwachen südlichen Winden bezw. Windstille trat nun wolkenloses Wetter und täglich zunehmende Hitze ein, während das nördliche Europa mehrfach durch vorbei- ziehende De])ressionen beunruhigt wurde. Am 23. er- reichte das Thermometer allenthalben seinen höchsten Stand, (Max. 33—34°) ohne übrigens die Temperaturen des 28. Juli zu erreichen. Der 24. brachte aber einen entscheidenden Witterungsumschlag, von Westen her ver- breitete sich trübe Witterung, welche über dem grössten Theil Deutschlands durch starke Gewitter mit sehr er- giebigem Regen eingeleitet wurde, stellenweise in Be- gleitung sehr bedeutender Hagelfälle. Nordjütland war schon in der Nacht auf den 23. von schweren Gewittern heimgesucht worden. Die herbeigeführte Abkühlung war sehr beträchtlich, am 26. sank das Thermometer an einer Reihe von Orten unter 10°, doch da schon am 25. der Himmel wieder aufgeklart war, wurde es bald wieder wärmer trotz des etwas unbeständigen Wetters. Zwei tiefe Depressionen, die den hohen Norden durchquerten, verursachten näm- lich noch mehrfach kleinere Regenfälle und böige Winde (in Skudesnäs am 28. und 30., in Haparanda am 31. voller Sturm), so dass am 30. an die deutsche Küste sogar eine Sturmwarnung erging, doch im allgemeinen blieb das Wetter bis zum Schluss angenehm. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: der Director der Bonner Frauenklinik Prof. Fritscli zum Verwaltungsdirector der vereinigten Bonner Klinilien; der Privatdozent der theoretischen Physik in Berlin Regierungsrath Dr. Bernhard Weinstein zum ausserordent- lichen Professor; der Privatdocent der Physiologie in Jena Dr. Max Verworn zum ausserordentlichen Professor; Hilfs- arbeiter Dr. Hirsch an der Universitäts-Bibliothek in Berlin zum Hilfsarbeiter an der Uni versitäts - Bibliothek in Königsberg; Dr med. Karl Schonlein an der zoologischen Station in Neapel zum Professor; der Privatdocent in der medicinischen Fakultät zu Breslau Sanitätsrath Dr. Josef Jacobi zum ausserordent- lichen Professor. Berufen wurde: der Privatdocent der Mathematik in Königs- berg Dr. Victor Eberhard als ausserordentlicher Professor nach Halle. Abgelehnt hat: der Privatdocent der Anatomie in Göttingen Dr. Kall ins in Folge seiner Ernennung zum ausserordentlichen Professor den Ruf nach Tübingen. Sein Amt niedergelegt hat: der Medicinalreferent für das Veterinärwesen im badischen Ministerium Oberregierungsrath Dr. Lydtin in Karlsruhe. Es starben: der ordentliche Professor der Zoologie in Stock- holm Sven Ludwig Loven; der Docent für gerichtliche Medicin in Basel Prof. Sury; der Leiter der Forschungsstation Misahöhe im Togoland Dr. Ernst Baumann; der Histologe Sir John Tomes, F. R. S. L i 1 1 e r a t u r. Rundgang durch den Eönlgl. Botanischen Garten zu Berlin. Herausgeg. im Auftrage der Direction. Zweite, durchgesehene Auflage. Mit einem Plane des Gartens. Gebrüder Bornträger, Berlin 1895 — Preis 0,.5O Mk. Bei der höchst wahrscheiidich bevorstehenden Vorlegung des botanischen Gartens zwischen Steglitz, Gr. Lichterfelde und Dahlem, eine Meile südwestlich von Berlin, drängt sich unwillkür- lich bei Betrachtung des vorliegenden Führers die Frage auf: wird er der letzte sein, der über den Garten in Schöneberg er- schienen ist? Was der Director des Gartens, Geh. Ratli A. Engler, seit seiner Direction im Interesse des Zweckes des grossen Insti- tutes gethan hat, fällt dem Kenner des Gartens auch bei blosser Durchblätterung des „Rundganges" gewaltig auf, denn es ist, seit- dem Engler in Berlin ist, sehr viel geschehen, und die Thatkraft, die er gezeigt hat, wird — falls die Verlegung des Gartens definitiv wird — bei seiner Neugestaltung sicherlich Bedeutendes erreichen. Das vorliegende Heftchen macht in zweckdienlicher Weise auf die Hauptsachen, die der Garten bietet, aufmerksam. Prof. Dr. J. Lorscheid. Lehrbuch der anorganischen Chemie mit einem kurzen Grundriss der Mineralogie. Mit 227 Ab- bildungen und einer Speelraltafel. 13. Aufl., von Professor Dr. H. Hovestadt. Heider'sche Verlagsbuchh. Freiburg im Breisgau. 1895. - Preis 3,60 M. Der Preis des bewährten Buches ist von 4 auf 3,60 M. herab- gesetzt worden. Der Abschnitt über die Gewinnung von Aluminium wurde für die vorliegende Neu-Auflage neu bearbeitet und auch Nr. 37. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 451 sonst (las Neueste (z. B. iiucli dio Syntheso der Stickstoffwasser- stoffsäure) beriieksichtigt, soweit es in ein Scliullmcli liinoin- passt. Dem Argon ist ein besonderer Nachtrag gewidmet. 1. Dr. Gustav Holzmüller, Dir. d. Geworbescbulo zu Hagen i. \X., Hethodisches Lehrbuch der Elementar-Mathematik. I Theil. Mit 14-.' Fi;;. 2. Dojiprl - Autl. B. G. Teubnor. Leipzig 1895. 2. — , dasselbe M. L. d. E., III. Theil: Lohr- und Uebungsstoff zur freien Auswahl für die Prima realistischer Vollan.stalten nnd höherer Fachschulen, nebst Vorbereitungen auf Hoclischul- Mathematik. Mit IGO Fig. Sonst wie oben. — Preis 2,S0 M. 1. Das Buch ist ausschliesslich (mit Zugrundelegung der Lehr- plan-Erlasse von 1892) nach pädagogischen Gesichtspunkten an- gedeutet. Es behandelt die Geometrie bis zur Secunda der Real- schulen, die Arithmetik bis zur Prima, die Trigonometrie für die Prima und die Stereometrie ebenfalls für die Prima. Das Buch hat sich trefflich bewährt. Vergl. unsere Besprechung der 1. Aufl. Bd. X. S. 87. 2. Der III. Theil schliesst das Methodische Lehrbuch ab und bildet einen Ergänzungsband, der ohne jede Systematik eine freie Auswahl methodisch bearbeiteter Gegenstände aus den ver- schiedenen Gebieten bringt, die auf der Prima der reichlichen Mathematik treibenden höheren Schulen zur Sprache kommen können. Das Buch ermöglicht dem Studirenden der Universität und technischen Hochschulen Vorbereitungsstudien für einige Zweige der höheren Mathematik, mit denen er vertraut werden soll. Verf. hat die behandelten Gegenstände mit Geschick aus- gewählt. Prof. Dr. Rudolf Wolf. Handbuch der Astronomie, ihrer Ge- schichte und Litteratur. Mit Holzschnitten. Vierter Halb- band (Schluss des Werkes). F. Schulthess. Zürich 1893. — ■ Preis 8 Mk. Kurz nach der Vollendung dieses bedeutenden W^erkes hat den verdienten Verfasser, einen seltenen Polyhistor auf astrono- mischem Gebiete, der Tod ereilt. Der ganze Schatz einer durch emsige Arbeit eines langen Lebens gewonnenen, eindringenden Litteratur- und Geschichtskenntniss ist in diesem Buche nieder- felegt, das für jeden, auch den Fachgelehrten, eine ausserordentliche üUo in anderen Lehrbüchern nicht enthaltener Belehrung ein- schliesst. Der vorliegende Schlussband behandelt zunächst das Gravitationsgesetz und seine F^olgen, also die Lehren von der Bahnbestimmung und .Störungsrechnung. Ein umfassendes Kapitel ist sodann der Sonne gewidmet, zu deren Erforschung ja die fleissige Arbeit des Verfassers so viel beigetragen hat. Es folgen alsdann die Abschnitte über die Planeten, die Sternschnuppen und Kometen, die Fixsterne und schliesslich der Sternsysteine. Trotz der reichen Litteraturangaben sind freilich, wie es bei einem so umfassenden Werk kaum anders sein kann, manche Lücken vorhanden. So sind z. B. fast durchweg die Ergebnisse der Spectralanalyse zu kurz behandelt, die Theorien der Erhaltung der Sonnenenergie von Helmholtz und Robert Mayer finden keine Erwähnung, die Verdienste Züllner's um das Problem der Natur der Kometen kommen nicht hinreichend zum Ausdruck, und bei Gelegenheit der Besprechung der Meteore ist den werthvollen Arbeiten von Galle und v. Niessl ihi-e gebührende Berücksichti- gung versagt geblieben. Die zahlreichen und in den theoretischen Abschnitten meist recht complicirten Figuren sind leider oft zu klein und nicht deutlich in der Bezeichnung der Linien und Winkel mit Buchstaben, was die Durcharbeitung der zugehörigen Ableitungen stark erschwert. Auch die sparsamen Abkürzungen Si und Co statt sin, resp. cos tragen nicht zur I-^rleichterung des Formellesens bei. — Diese Ausstellungen sollen indessen den be- deutenden Werth dieser letzten Arbeit Wolfs nicht herabsetzen, sondern nur demjenigen, dem dereinst einmal die dankbare Auf- gabe einer Neubearbeitung zufallen wird, einige jetzt noch unbe- befriedigte Wünsche aus dem Leserkreise zur Kenntniss bringen. F. Kbr. Rendiconti della R. Accademia dei Lincei. — Die Sitzungs- berichte der Römischen Akademie enthalten in dem ersten Halb- jahrsbande 1895 eine Fülle von Mittheilungen, von denen hier mit Rücksicht auf den Raum nur eine Auswahl aufgeführt werden möge, ohne dass damit zugleich ein Urtheil über die nicht nam- haft gemachten Abhandlungen ausgesprochen werden soll. — Tacchini, Sonnenprotuberanzen beobachtet in den Jahren 1891 bis 1894 : ders., Sonnenflecken und -Fackeln beobachtet in den Jahren 1891 — 1894; Bonetti und Agamennone, Ueber die Oberflächengeschwindigkeit der Ausbreitung der Erdbeben; An- dreocci, Ueber die Struktur der Santoninsäuren; Fano, Ueber einige mit der Theorie der linearen Differentialgleichungen ver- bundene geometrische Betrachtungen; Bianchi, Ueber die Aus- dehnung der Riemann'schen Methode auf partielle Differential- gleichungen höherer Ordnung; Tacchini, Ueber die Vei'theilung der in den Jahren 1891 — 1894 zu Rom beobachteten Sonneni)rotu- beranzen nach der Breite; Millosevich, Ueber die Identität des Kometen 1844 I und Ed. Swift 1894; Pettinelli, Ueber die niedrigste Temperatur für die Lichtemission; Malfatti, Pliocäne Kieselschwämme; tiliveri, Ueber die Constitution des Nikotins; Sacchi, Die Stürme in Italien; Brioschi, Ueber das Leben und die Arbeiten Arthur Cayley's; Mazzotto, Ueber die Dielek- tricitätsconstante einiger Substanzen und besonders des Glases; Marino-Zuco und Vignolo, LTebei die Alkaloide von Cannabis indicaund Cannabis sativa; Blaserna, Ueber das optische Problem der Amphitheater; ders., lieber die kinetische Theorie der Gase; As coli, Ueber den Magnetismus von Eisencylindern; Angeli und Rimini, Lieber einige Bromderivate der Kampferreihe; Beltrami, Ueber das thermodynamische Potential. AltenbuTg, W., Das Kreidegebiet in Süd-Limburg und im Haspen- gau. Aachen. — 1,25 M. Benedikt, Prof. Dr. Mor., Die Seelenkunde als reine Erfahrunga- wissenschaft. Leipzig. — 6 M. Böhmig', Dr. Ludw., Die Turbellaria acoela der Plankton-Expe- dition. Kiel. — 6 M. Borgert, Dr. A., Die Thaliacea der Plankton-Expedition. Kiel. — 8„50 M. Brefeld, Ose, Die Brandpilze III. Münster. — 24 M. Britzelmayr, M., Zur Hymenomyceten-Kunde. L Reihe. Berlin. — 2« M. Conwentz, H., Beobachtungen über seltene Waldbäume in West- preussen mit Berücksichtigung ihres Vorkommens im Allgemeinen. IX. Heft. Danzig. — 6 M. Crookes, William, Die Genesis der Elemente. 2. deutsche Aus- gabe. Braunschweig- — 1 M. Dühring, Dr. E., Wirklichkeitsphilosophie. Leipzig. — 9 M. Fricks, Dr. J., Physikalische Technik. 2. Band. Braunschweig. — 20 M. Gredler, Vinc, Dio Porphyre der Umgebung von Bozen und ihre mineralogischen Einschlüsse. Bozen. — 0,50 M. Holzapfel, E., Das obere Mitteldevon (Schichten m. Stringocephatus Burtini u. Maeneceras terebratum) im rheinischen Gebirge. Berlin. - 20 M. Jaekel, 0., Beiträge zur Kenntniss der palaeozoischen Crinoiden Deutschlands. Jena. — 20 M. Keller, Prof. Dr. Conr., Das Leben des ISIeeres. 16. (Schluss-) Lieferung. Leipzig. — 1 M. (kplt. 18 M.) Eiein, F.," Vorträge über ausgewählte Fragen der Elementar- geometrie. Leipzig. — 2 M. Kroneckers, Iieop., Werke. 1. Bd. Leipzig. — 28 M. Lehmann, Hofrath Prof. Dr. O., Elektricität und Licht. Braun- schweig — T M. Michael, Edm., Führer für Pilzfreunde. Ausgabe A. Zwickau. — s M. — , dasselbe. Ausg. B. Zwickau. — & M. Plückers, Jul., Gesammelte wissenschaftliche Abhandlungen. 1. Band. Leipzig. — 20 M. Preyer, W., Die Seele des Kindes. 4. Auflage. Bonn. — 10 M. Stäckel, Paul, und Frdr. Engel, Die Theorie der Parallellinien von Euklid bis auf Gauss. Leipzig. — 9 M. Welter, Dr. Adf., Die tiefen Temperaturen, ihre künstliche Er- zeugung, ihre Einwirkung auf Thiere, Pflanzen, Mikroorganismen, chemische Prozesse, physikalische Vorgänge etc., sowie ihre An- wendung in der Industrie. Crefeld. — 2,50 M. Briefkasten. Herr Oberlehrer Dr. G. — Wir empfehlen Herrn Ploss, Das Weib in der von Bartels bearbeiteten vierten Auflage. (Theodor Grieben's Verlag [L. Fernau] Leipzig 1895). Sie finden keine Besprechung in der „Naturw. Wochenschr.", weil uns bisher erst die erste Lieferung zugegangen ist. Inhalt: ilt: Dr. Max Fiebelkorn: Geologische Ausflüge in die Umgegend von Berlin. (Forts.) — XXVI. Congress der deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Kassel vom 8. bis 11. August 1895. (Schluss.) — Otto Ammon: Die erste naturwissen- schaftliche Gescllschaftstheorie. — Regenbogen. — Die Witterung des .Monats August im centralen Europa. — Aus dem wissen- schaftlichen Leben. — Litteratur: Rundgang durch den König!. Botanischen Garten zu Berlin. — Prof. Dr. J. Lorscheid, Lehrbuch iler anorganischen Chemie mit einem kurzen Grundriss der Mineralogie. — Dr. Gustav Holzmüller, Methodisches Lehrbuch der Elementar-Mathematik. — Prof. Dr. Rudolf Wolf, Handbuch dm- Astronomie, ihrer Geschichte und Litteratur. — Rendiconti della R. Accademia dei Lincei. — Liste. — Briefkasten. 452 Natnrwissenschaftlichc Wochenschritt. 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(liL-oret.Ausb. » V^N« ' vOCO'i^^ '" sUmmtl. photogr. ^^\«» ^^>>1s-pgat.-u.Posit.-Verf.,sow. »»^^\ _noc».^>'^3hoto-mechan.Druek verfahren. ^\ vt-i^^ Wissenschaftliche und Amateur- Kurse. |\j ^•^tf^^'^Kinlritt jederzeit. Kurze und längere Kurse. v-^p.^^JJiinki'lkannuern stehen zur Verfügung. Icheriiahme aller vorkommenden wissenscliatfl. und practisehen photographischen Arbeiten. Nähere Auslauift hereitwillig.st. Täglich Ke.ifluet vou s— ?. "C^S- Verantwortlieher Kedacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Liehterfehb' (P.-B ) bei Berlin, Putsdamerstr. 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag : Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 13, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den 22. September 1895. Nr. 38. r Abonnement: Man abonnirt bei alleo Buchhandlungen und Poat- anstalten. wie bei der Espedition. Der Vierteljahrspreia ist Ji 4.— BrinKegelrt bei der Post 15 •! eitra. Postzeitungsliste Nr. 4732. Inserate : Die viergeapaltene Petitzelle 40 ^. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Oebereinkunfl. Inseratenannabme bei allen Annoncenbureauz wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger <^nellenans:abe gestattet. Die Philosophie der reinen Erfahrung. Von Di\ Maximilian Klein. II. Die bcziigliclie Litteratui- und das Studiiim der Werke von Richard Avenarius.*) In mehreren Aufsätzen des vorigen Jahrganges der Xaturw. Woehensehr. **) habe ich die Hauptsätze der fortgeschrittensten und mit den Ergebnissen der Natur- wissenschaft am besten im Einklänge stehenden Philosophie, nämlich der Philosophie der reinen Erfahrung, wie sie insbesondere von Richard Avenarius vertreten wird, dargelegt und im besonderen auch die Folgerungen aus der- selben tür die Aesthetik gezogen. Ich will nun in diesem und den folgenden Aufsätzen die Leser noch näher in die Gedankenschätze des kritischen Empirismus (oder des „Em- piriokritizismus", wie Avenarius sein System genauer be- zeichnet) einführen. Da vielseitig die Schwierigkeit auch für Fachmänner festgestellt worden ist, speciell mit den Werken von Avenarius sich vertraut zu machen, so will ich zunächst einige Winke über das Studium der bezüg- lichen Schriften von Avenarius geben, um so die „unge- heuren Schwierigkeiten" (Worte eines Fachmannes) zu mildern und auch älteren Forschern („ich bin zu alt, um mich noch in dies System einarbeiten zu können" sagte ein sehr bekannter Professor der Philosophie) Mutli zu inachen, es doch einmal mit dem schliesslich so überaus fruchtbringenden Studium der Avenarius'schen Werke zu versuchen. Die hier besonders in Betracht kommenden Veröffent- liebungen von Avenarius sind seine „Kritik der reinen Erfahrung" (2 Bde., Leipzig 1&8S,90), „Der menschliche Weltbegriff (Leipzig 189i) und die im letzten und im laufenden Jahrgange (1894 und 1895) der ..Vierteljahrs- schrift für wi.ssenschaftliche Philosopiiie" erschienenen Auf- sätze „Bemerkungen zum Begriti' des Gegenstandes der Psychologie." Ich werde diese Veröflentlichungen *) Foitsetzuiif; von Nr. 1, lij. IX. **) Veif,'l. Band IX, Xr 1 und 20. nach den fett gedruckten Wörtern „ , Gegenstand der Psychologie", und „Weltbegriff" Kritik" die Zeitschrift ihrer seits unter „Vrj. f. w. Pli." citiren. — vSeine früheste, auf einem theilweise anderen Standpunkte stehende syste- matische Schrift „Philosophie als Denken der Welt nach dem Principe des kleinsten Kraftmaasses" (Leipzig 1876) kommt nur für ein ganz eingehendes Studium in Betracht; ich werde mich auf .sie unter „Ph. a. D. d. W." berufen. Die „Kritik" und der „Weltbegriff" ergänzen ein- ander, während der „Gegenstand der Psychologie" eine Umschreibung und Ergänzung einzelner Theile besonders des „Weltbegriffs" bietet. Das Lesen des „Gegenstandes der Psychologie" kann daher nur nebenbei oder nach- träglich erfolgen. Es wird sich vor allem darum handeln, wie mau die beiden Hauptwerke anpackt. Besonders schwierig wird das Eindringen in dieselben dadurch, dass Avenarius seine Gedanken zwar durch Beschreibung (Ana- lyse) gefunden hat, über ihre Auffindung aber nicht, sondern meist nur über die Ergebnisse berichtet. Er stellt die Hauptsätze, die er auf dem Wege der beschreibenden Methode gefunden hat, an die Spitze und zergliedert die- selben, indem er wiederum öfters dabei Systematisirungeu benutzt, die er auf andere Weise gefunden hat, ohne uns zu zeigen, wie er sie gefunden hat. Vom didaktischen Standpunkte aus hätte der zweite Band der „Kritik", der die seelischen Werthe (E-Werthe oder Aussageinhalte) behandelt, vorangehen und der grösste Theil des ersten Bandes, nämlich die Schematisirung des Gehirnlebens (der Aenderungsreihen oder Schwankungen im System C) nach- folgen müssen. Denn diese letzteren Schematisirnngen sind doch offenbar das Ergebniss der genauen Beschrei- bung (zu der sowohl Zergliederung als Gruppirung ge- hören) der menschlichen Aussageinhalte. Sie sind m. E. im engen Anschluss an die Aenderungsreihen der letzteren gebildet worden. Wäre Avenarius so auch bei der Ab- fassung seines Buches verfahren, hätte er demgemä.ss die 454 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. Nr. 38. Gehirnglied.erungen nachfolgen lassen, so wäre wohl ein erheblicher Theil der Schwierigkeiten vermieden worden, und ein übriges wäre geschehen, wenn er die vielen Fremdwörter gemieden hätte, die uns so recht lebendig auch an diesen fortgeschrittensten philosophischen Werken zeigen, wieviel sich heute noch von früheren unbe- rechtigten Gewohnheiten hinsichtlicJi der wissenschaftlichen Schreibart erhalten hat. Ich werde mich nacli dieser Richtung liin in den folgenden Aufsätzen bemühen, in erster Linie handliche deutsche Ausdrücke an Stelle der schwerfälligen und vermeidbaren Fremdwörter zu ge- brauchen. Sehr gut ist es nach alledem, wenn man schon mit einiger Vorbereitung an das eingehendere Studium der Avenarius'schen Werke herantritt, indem man wenigstens doch vorlier die von mir bisher über Avenarius in der „Naturw. Wocheusclir." veröffentlichten Aufsätze und den in einer späteren Nummer folgenden über „Erfahrung" und „Erhaltung (Stabilität)" genau durchliest. Besser ist es selbstverständlich, wenn man schon Werke gelesen hat, die auf verwandtem Standpunkte stehen, die der Avena- rius'schen Philosophie sei es vorbereitend vorangegangen oder erklärend und erweiternd nachgefolgt sind. Zu den von Avenarius unabhängigen Schriften gehört vor allem 6. Th. Fechners meisterhafte Schrift „Einige Ideen zur Schöpfungs- und Entwickelungsgeschichte der Organismen" (Leipzig 1873), in der der folgenreiche Grundsatz der Stabilität zum ersten Male zum klaren Ausdrucke ge- langte. Dann würden besonders auch die Schriften des rühmlichst bekannten früheren Prager Physikers, jetzt Wiener Philosophen Ernst Mach, besonders seine „Ana- lyse der Empfindungen" (Jena 1886) und seine naturphilo- sophisehen Abhandlungen hierher gehören. In gewissem Sinne vorbereitend würden auch die erkenntnisstheo- retischen Schriften von v. Kirchmann, Schup])e und Rehmke wirken, wie auch die Leetüre von H. Potonie's Aufsatz über die Entstehung der Denkformen (Naturw. Wochenschr. Band VI, S. 145). Entschieden leichter allerdings würde der Weg zu Avenarius dadurch, dass man die eine oder andere der von ihm beeinflussten Schriften liest, so Carl Hauptmann's vortreffliches Buch über Metaphysik in der Physiologie (von mir S. 506, Bd. IX der Naturw. Wochenschr. be- sprochen), so J. Petzoldt's interessante und lehrreiche Schrift „Maxima, Minima und Oeconomie" (Altenburg 1891), dessen Aufsätze zur (Grundlegung der Sittenlehre in der „Vrj. f. w. Ph." (1893/94) und dessen Aufsatz „Begriff der Entwickelung" in Band IX, Nr. 7 der Naturw. Wochenschr., so die einsichtige Schrift ..Zur Analyse des Apperzeptions- begriffes" von I. Kodis, so endlich das zu obigem Zwecke besonders nützliche Büchlein „Richard Avenarius' biomechanische Grundlegung der neuen allgemeinen Er- kenntnisstheorie" von Fr. Carstanjen (München 1894), das „eine Einführung in die Kritik der reinen Erfahrung" sein will und jedenfalls auch für die an abstractes Denken schon gewöhnten Leser eine beim gleichzeitigen Gebrauch mit Avenarius' Werken recht nützliche Hülfe ist, da sie den Inhalt des ersten Bandes der „Kritik" unter Berück- sichtigung des zweiten Bandes auszüglich darstellt.*) Allerdings um das Studium von Avenarius' Werken kommen wir durch das Lesen einer oder aller dieser Schriften doch nicht herum. Nur ein eingehendes Studium jener, unterstützt durch das Studium der oben erwähnten Schriften von Fechner und Mach, kann uns zu einer rich- tigen und genauen Einsicht in das lichtvollste philoso- phische Lehrgebäude verhelfen, das unsere Zeit hervor- gebracht hat. *) Ic-Ii worfle die Sclii-iften von Cai'.'^tanjen und Kodis dein- näclist niilier in der „Naturw. Wocheuscli." besprechen. Was nun also das Lesen der Avenarius'schen Werke selber betrifft, so würde ich dringend rathen, erst eine derartige Leseweise zu befolgen, die uns möglichst rasch mit dem Geiste der Bücher, mit ihren letzten grund- legenden Gedanken vertraut macht und dann erst eine genaue, alles umfassende Lesung des Ganzen folgen zu lassen. Die erste Lesung müsste daher möglichst alles weglassen, was mehr nebensächlich oder vorläufig nicht nöthig ist, ferner aber auch darauf Rücksicht nehmen, dass die gar zu schwierigen und zunächst nicht unbedingt nöthigen Theile, insbesondere viele mehr formale Aus- führungen (z. B. die bösesten Stellen des Komonienten- kapitels) vorläufig weggelassen werden. Man lasse sich bei dieser ersten Lesung auch nicht dadurch beirren, dass Einem gar manche Einzelheiten noch nicht recht klar werden. Nach vielen Beobachtungen, die ich diesbezüglich gemacht habe, hängt dies Nichtverstehen meist mit Schwerfällig- keiten der Schreibart zusammen (so besonders im ersten Bande der „Kritik") und bezieht sich weitaus in den meisten Fällen auf völlige Nebensachen. Und den wesent- lichsten hierher gehörigen Punkt — dies ist das Wesen der Introjection, die im „Weltbegriff" (n. 40ff.) entschieden zu kurz eingeführt wird, während der „Gegenstand der Psychologie", in dem sie besser behandelt ist, doch auch zur Einführung nicht geeignet ist, — diesen Punkt, dies Kapitel könnte man an den Schluss der ersten Lesung stellen. Endlich wäre noch darauf aufmerksam zu machen, dass man sich die Durcharbeitung der Schemata der Gehirnthätigkeit dadurch oft sehr erleichtern kann, dass man mit Hülfe des dem zweiten Bande der „Kritik" bei- gefügten Sachregisters sich die entsprechenden, also Bei- spiele aus dem Leben bietenden Stellen des zweiten Bandes aufsucht. Ich würde ratiien, bei dieser ersten Lesung etwa die folgenden Abschnitte zu lesen, deren wichtigste, sofort ganz sorgfältig zu lesende ich fett drucken lasse. A. Die Vorworte zur begriff" B. „Weltbegriff": n. 1—30 oder auch bis 37 (der natürliche Weltbegritt), dazu als Ergänzungen und Erwei- terungen n. 130 — 132 (das Ich, Gehirn und Denken) und n. 133 — 152 (Sinn der Annahme seelischer Werthe oder E-Werthe und der Erfahrung). — Diese Abschnitte legen den Ausgangspunkt der Philosophie, die descriptive Be- trachtungsweise, das Vorgefundene (Ich und Umgebung, also nicht bloss das Bewusstseiu !) und seine wichtigsten Bestandstücke dar, während sie ausserdem auch schon den Functionalismus zwischen E-AVerthen und Gehirnvor- gängen und (im Erfahrungscapitel) den streng relati- vistischen Charakter des ganzen Systems darlegen. C. „Kritik", I. Baud: n. 1, 14 (letzter Satz), 15—39, 40 — 126. [Weitere allgemeine Ausführungen, in denen ins- besondere wieder das Verhältniss zwischen E-Werthen und Gehirnvorgängen behandelt, dann ganz eingehend das Ge- hirn — System C — beschrieben und gewürdigt und die Erhaltung als maassgebender Gesichtspunkt für seine Be- thätigung aufgestellt, ausserdem noch hierbei die hohe Bedeutung der üebuug betont wird. Man halte sich hier mit den Kleinigkeiten, von denen manche anscheinend regelmässig beim ersten Lesen Schwierigkeiten machen, nicht zu lange auf, da es — eben bei der ersten Lesung — nicht sonderlich auf sie ankommt.] — n. 127 — 189 (Seite 59/84) und die ausführliche, unter Freunden so- genannte „rroscli"-Aiiiiierkuiig (Seite 202/217). [Diese Abschnitte bilden den Kern des Buches: sie legen die Erhaltungsthätigkeit des Individuums, beziehentlieh des Systems C, dar und führen den so ungemein frucht- baren und weite Gebiete erhellenden Begriff der Vital- reihe ein, worunter also jene zwei Reihen von Aende- „Kritik" und zum „Welt- Nr. HH. Natiirwissenschaftliclie Woclienscbrift. 455 ruiificn (körperliehe und „seelische") verstanden werden, mit denen das Individnnin die Vitalditforenzen (vitale Störungen) niechaniscli zu beseitigen und das Erlialtungs- niaxiniiini wieder zu gewinnen trachtet. Im 3. Capitel „die Schwankung" wird uns das eigentliche Schema der Gehirnthätigkeit entwickelt und hier wird man wohl öfter das Hediirt'niss nach Beispielen iiaben, die im zweiten AI) schnitte des zweiten 1? an des, Seite 16 — 60 in reicher Fülle geboten werden. Es dürfte sich em- pfehlen, diesen Abschnitt gleich nebenher zu lesen! — Die „Frosch '•-Anmerkung bietet physiologische Thatsachen (insbesondere aus der Welt der Frösche) zur Erläuterung der Forderung: dass man sich die körper- en des Menschen erst einmal der weiteren Annahme eines „Bewusst- lichen Erhalt ungsAenderun^ ohne Hinzuziehung seins" denken, dass man also niciit in die körperliche Causalreihe „Seelisches" einschalten solle, dass man vielmehr beide Aenderungsreihen, die körperliche und die „seelische" — die E-Werthe — aus methodo- logischem Gesichtspunkte fürs erste streng und sauber auseinanderhalten, nicht mit einander vermischen solle. Beide Reihen laufen neben einander her, durch eine rein logische Funetional-J5eziehung mit einander verbunden: ein Standpunkt, der bereits von den Okkasionalisten angebahnt, von Spinoza weiter ausgebildet, aber erst durch Fechner, der darauf die Psyehophysik gründete, in klarer Weise vertreten wurde. Völlig (dme Beziehungen zur Metaphysik hat ihn A 1 bert Lange in seiner Geschichte des Materialismus — 2. Aufl., 2. Bd., S. 370tf. — ver- treten, jedoch auch er noch nicht so sauber und durchsichtig- klar, wie dies Avenarius thut.] n. 190—230, 239/49, 267, 283, 284/87, 297—302, 307, 309—312, 317, 320, 325, 326/27 (mit Tafel; wenn man dieselbe vorläufig noch nicht ganz versteht, so schadet das nicht viel!) Ferner: n. 352 — 374, 393—406. [In diesen Nummern wird die Vitalreihe in ihren verschiedenen Abschnitten beschrieben, worauf die Variatiouen der Vitalreihe er- örtert werden. Dieser letztere Theil ist wieder hoch- interessant, da er uns die Fortentwickelung der Vital- reihen in Hinsieht auf das letzte Ziel der mög- lichst brauchbaren und darum möglichst halt- baren (constanteu), vollkommenen Reihen darlegt. Dauerzustände (Stabilität) sind das Ziel, dem die Eut- wickelung zustrebt!] D. „Kritik", 11. Band: n. 437/39 und 451/57 bieten einige Betrachtungen allgemeiner Art. — n. 458 — 505 (Seite I6/6O1 schildern die Grundvverthe der abhängigen („seelischen") Vitalreihe und bieten also das nothwendige Gegenstück zu den n. 127/89 des ersten Bandes. Ich habe schon bemerkt, dass man sie ohne weiteres auch gleich neben diesen Nummern lesen kann. — n. 506 bis 565, 605—634, 635—675 bieten uns eine Reihe der wich- tigsten Modificationen der abhängigen (Jrundwerthe und darunter solche von hoher P.edeutung für das Ver- ständniss des Ganzen (einerseits die Erörterung von Sache, Gedanke u. s. w. und der Setzungs-fHiaraktere S. 63 ft'. und 76 fi". und andererseits die Besprechung der Charak- tere Gewissheit, Wahrheit, Wissen u. Glaube, Be- griffenes u. a. S. 135ff.). — n. 797 — SS8, Seite 222-300, (ausser n. 864—872) bieten eine weitere hochinteressante Beleuchtung von Modificationen und zwar der P^rkennt- niss, der P'robleme und Problemlösungen, wobei vor allem die hohe Bedeutung der Vorbereitung, der Uebung hervortritt. — u. 931—963, Seite 340/67, be- handeln die Erfahrung in mei.sterliaftcr Weise: einer der für das Verstäudniss des Buches wichtigsten Ab- schnitte! — Von den Anmerkungen will ich noch her- vorheben n. 20 (Heimath und Fremde und die Fidential- Charaktere), n. 28 (.Existenzialdifferenzen,), n. 49 (Triebj, n. 54 (Wollen), n. 153 (Bibel), n. 174 (das Besehreiben), n. 206 (Welträthsel und Weltproblem). E. „VVeltbegriff": Die noch nicht gelesenen Ab- schnitte (ausser dem „Anhange"), verbunden mit Lesung des „Gegenstandes der Psychologie". Insbesondere mache ich noch auf die hochinteressante lange Anmerkung im „Weltbegriff" (S. 121/31) aufmerksam, in der die Frage der Subjectivität der sogenannten secundären sinn- liehen Qualitäten, Sein und Scheinen, die Causalität, das Absolute besprochen werden. Wenn mau auf diese Weise in die Avenarius'sehen Werke eindringt, so wird — mein' ich — die Erfassung der leitenden Gedanken Einem nicht sonderlich schwer werden und dann niuss auch die zweite vollständige Lesung zu einem Genuss werden. Darauf kommt es allerdings au, dass man den trockenen Schematismus des ersten Bandes der „Kritik" überwindet, und ich habe deshalb aus diesem Bande am meisten gestrichen. Ich wurde rathen, sich hier wesentlich an den Hauptabschnitt, den zweiten (die Erhaltung des Individuums, also die n. 127 — 189) zu halten und in zweiter Linie die auf die Dauerzustände (Haltbarkeit, Constanz, Stabilität) bezüg- lichen Nummern (also n. 352/74 und 392/406) zu berück- sichtigen, über das meiste andere aber zunächst schneller hinwegzugehen, insbesondere sieh nicht mit den Kleinig- keiten des ersten Abschnittes zu lange aufzuhalten. — Ich habe auch aus dem ersten Bande den seclisten Abschnitt, welcher die Grundlegung der Ethik bietet und aus dem zweiten Bande das 5. Kapitel des 4. Abschnittes, das das affective Verhalten (Streben und Wollen) behandelt, weggelassen. Dies letztere Capitel steht überhaupt ziemlich für sich da und könnte zunächst fortgedacht werden, ohne dass der Zusammenhang irgendwie litte. Daher mnss das Lesen desselben, so geistvoll es ist, zurückstehen. — Jenen Abschnitt des ersten Bandes habe ich deshalb weggelassen, weil ja mit dem Grundsatze des Strebens nach Erhaltung schon so wie so der Leit- satz für die Sittenlehre gegeben ist, es überdies — wenig- stens vorläufig — ganz gut weggelassen werden kann, und dann auch, weil es im zweiten Bande kein ausge- führtes Gegenstück hat. Die ethischen und ästhetischen „Epicharaktere" hat Avenarius noch nicht behandelt. Bei der zweiten genauen und vollständigen Lesung kann man beliebig erst den „Weltbegriff" oder die „Kritik" lesen. Es wird das ganz auf die individuelle Vorbereitung und Neigung ankommen. Der Naturforscher dürfte wohl mit der „Kritik" den Anfang machen, der Philosoph dagegen wohl meist mit dem „Weltbegriff", der eine Menge grundwesentlicher Beziehungen zur Geschichte der Philosophie bei der sehr lehrreichen Besprechung der Folgen der Introjeetion bietet. — - Ich darf übrigens wohl erwarten, dass man nicht eher über das Ganze urtheilf, ehe man dasselbe auch beherrscht, und es nicht so macht, wie ein mir bekannter Professor einer Natur- wissenschaft, der bezüglich Kants kurzer Hand den Stab brach, indem er meinte, das sei „reiner Unsinn", wobei sich dann auf weiteres Fragen ergab, dass der Be- treffende von Kant einige Seiten (!) gelesen und denselben dann fortgeworfen hatte, ja sogar, dass er nicht einmal irgend etwas Ordentliches über Kant ge- lesen hatte, also gar nicht wusste, was Kant eigentlich wollte. Wir Empiriker bezw. Relativisten sind ja in Hauptpunkten Gegner von Kant, aber dies Iiophmüthige Absprechen handwerksmässiger Naturforscher ül/er Dinge, die sie nicht verstehen, ist dann doch aufs ernstlichste zu rügen. Erst prüfe man, und zwar sorgfältig und ge- wissenhaft, wie es einem echten Forseher geziemt, und dann urtheilc man ! Die Prüfung wird sich hier bei dem Avenarius'sehen System grade für den Naturforscher 456 Naturwisscnschai'tliche Wochcuschriit. Nr. 38. auf (las Reichlichste lohnen, da die „Philosophie der reinen Erfahrung" weitaus strenger wissenschaftlich ist, als gar viele sogeuauute strcngwissenschaftlichc Natur- forscher, die — genauer betrachtet — doch noch ziem- lich stark metaphysisch angekränkelt sind! III. Die Methode der Philosophie. Von maassgebender Bedeutung für ein philosophisches System ist die Art und Weise, wie die Ergebnisse gewonnen werden, ist die Verfahrungsart, die Methode. Gleich sie ist es, die die philosophischen Systeme in zwei grosse Gruppen theilt, solche, die das „beschreibende" Verfahren, die „descriptive" Methode, die einfache Feststellung und (logische) Bearbeitung des Vorgefundenen, des AVahrge- nommenen, des Erfahrenen zur Anwendung bringen, be- ziehentlich zur Anwendung bringen wollen (guter Wille bedingt noch keineswegs das Können), — und die andere grosse Gruppe derjenigen, die sich nicht mit der Feststel- lung des Gegebenen begnügen, sondern über die Erfah- rung als ungenügend hinausgehen zu müssen behaupten und deren Verfahren dementsprechend das Erschliessen mittelst des reinen Denkens ist. Die verschiedenen Richtungen der Erfahruugstheoric einerseits, die unend- lich vielfältigen .Sonderungen der Metaphysik anderer- seits sind es, die sich schon durch die verscliiedene Art des Verfahrens klar sondern lassen. Ist es nun kein Wunder, dass die Methode des reinen Erschliessens zu so grundver- schiedenen Ergebnissen führt, — denn was Hesse sich nicht alles „erschliessen"! (wir werden das noch später genauer festzustellen haben) — , so könnte es mehr Wunder nehmen, dass die Jlethode der einfachen Feststellung des Gege- benen, der Erfahrung auch zu sehr verschiedenen Rich- tungen Anlass gegeben hat (wie Empirismus, Materialis- mus, Sensualismus, Positivismus, Relativismus). Indess hier kommt der schon oben geltend gemachte Gesichtspunkt in Frage, dass es nämlich nicht nur genügt, wirklich nur Fest- stellung des Erfahrenen bieten zu wollen, sondern dass auch das Können vorhanden sein muss, d. h. dass man auch wirklich bei der Durchführung seines Systems nicht auf metaphysische Bahnen, auf die Abwege der speculativen Erschliessungsmethode geräth. Und hierin haben bislang alle Erfahrungsjthilosophien mehr oder minder gesündigt. Sie haben uns keineswegs reine Erfahrung geboten, d. h. nichts als Erfahrung, sondern ein Gemisch von Erfahrung und Erdichtetem. Der Materialismus zum Beispiel, der sich in so hochtönender Weise als die ein- zige Erfahrungsphilosophie auszuspielen sucht und die anderen Philosophien schier durchweg als Erzeugnisse unklarer Köpfe behandelt, er sündigt gleich bei der Auf- stellung seines Grundprincips, der „Materie". Dieselbe ist keineswegs etwas Gegebenes (gegeben ist nur die in fortwährender Bewegung befindliche Mannigfaltigkeit des Körperlichen), sondern etwas über das Gegebene principiell Hinausgehendes, also ein metaphysisches Princip.*) Aehnlich verhält es sich mit den anderen bisherigen Erfahrungs-Philosophien. Darin eben unterscheidet sich die Philosophie der reinen Erfahrung von Richard Avenarius von den früheren empirischen Systemen, dass sie zum ersten Male im Laufe der geschichtlichen Ent- wickelung der Philosophie die Methode der reinen strengen Beschreibung (Analyse) mit vollem Bewusstsein von ihrer Bedeutung und Tragweite anwendet und dement- sprechend alle reinen Erschliessungen (beziehentlich Er- sehleichungenj strengstens zu vermeiden beflissen ist. Und sollten sich wirklich auch hier noch (was ich bezüglich der wesentlichen Punkte bezweifle) Abirrungen nach- weisen lassen, das Eine dürfte unwiderleglich sein, dass *) Vergl. meinen Aufsatz in Nr. 1 (1894) Brt IX und (1895) Bd. X S. 425 der „Natnrw. Wochenscln-.". das Avenarius'sche System es wie bisher kein zweites verstanden hat, die beschreibende (descriptive) Methode zur strengen Anwendung zu bringen und damit der Philo- sophie den denkbar höchsten Grad von Wissenschaftlich- keit zu verleihen. u Denn „wissenschaftlich verfahren' und „streng beschreibend verfahren" deckt sich. Wirkliche Wissen- schaft wird uns nur durch Beschreibung zu Theil, während das erfahrungsfreie I'"rschliesscn zu einer unendlich bunten Mannigfaltigkeit von Phantasiegebilden tührt. Nicht innner haben die Männer der Wissenschaft hiervon ein klares Bewusstsein gehabt, ja, es ist noch nicht lange her, dass man auf die „beschreibenden" Naturwissenschaften etwas herabsah und sehr grosses Staunen zeigte, als Kirch- hoff in seinen Vorlesungen über analytische Mechanik (1874) die Aufgabe derselben dahin feststellte, dass „die in der Natur vor sich gehenden Bewegungen voll- ständig und auf die einfachste Weise zu be- schreiben" seien. Kirchhoff bewegte sich damit in derselben Bahn, in der schon viel früher J. R. Mayer einherschritt, als er in der Einleitung zu seinen „Bemer- kungen über das mechanische Aequivalent der Wärme" (1851) sagte: „Die wichtigste, um nicht zu sagen ein- zige Regel für die echte Naturwissenschaft ist die : ein- gedenk zu bleiben, dass es unsere Aufgal)e ist, die Erscheinungen kennen zu lernen, bevor wir nach Er- klärungen suchen, oder nach höheren Ursachen fragen mögen. Ist einmal eine Thatsache nach allen ihren Seiten hin bekannt, so ist sie eben damit erklärt und die Aufgabe der Wissenschaft ist beendigt." Einen Gesinnungsgenossen fand Kirchlujtf in Ernst Mach (dem jetzigen Wiener Philosophen), der in seiner Geschichte der Mechanik (2. Auflage, Seite 462) sagte, die Wissenschaft könne „als eine Minimumauf- gabe angesehen werden, welche darin besteht, möglichst vollständig die Thatsachen mit dem geringsten Gedanken- aufwande darzustellen ". Auffällig ist es, dass sich auch heute noch so manche Naturforscher an der Forderung „nur zu beschreiben" stossen und auf „Erklärung" dringen. Beschreibung — so sagen sie im Einverständniss mit den sonst so ge- schmähten Metaphysikern — Beschreibung genügt nicht, wir müssen „erklären". Als ob die gewünschte I>klärung etwas anderes als Beschreibung wäre, wofern sie auf Wissenschaftlichkeit Anspruch macht. „Erklärung" heisst etwas klar machen. Klarheit aber gewinne ich einzig durch vollständige Beschreibung des zu „erklärenden" Vorganges (resp. Gegenstandes). Man scheint sich häufig nicht genügend „klar" darüber zu sein, was denn eigent- lich „beschreiben" heisst, und daraus entspringt dann selbstverständlich die weitere Unkenntniss darüber, was dies Verfahren zu leisten vermag. Beschreiben heisst zergliedern, analysiren, wie denn Av. in Kr. I, 9 f. gar nicht von Beschreibung, sondern von Analyse spricht. Einen Gegenstand oder Vorgang (diese beide Gruppen sind bei der Beschreibung zu unterscheiden) beschreibe ich, indem ich ihn in seine Bestandtheile zerlege und deren Beziehungen zu einander darlege. Ist es möglich, den Gegenstand oder Vorgang in einfache, mir bereits bekannte Bestandtheile zu zerlegen und deren Beziehungen zu einander klarzustellen, d. h. vermag ich eine vollstän- dige (bezw. genügende) Beschreibung zu liefern, so habe ich damit den Gegenstand oder Vorgang auch „erklärt". Ich kann nicht eher die vollständige Beschreibung eines Gegenstandes, einer Thatsache liefern, bevor ich ihn (bezw. sie) nicht begritten (appercipirt) habe. Und habe ich ihn oder sie begriften, nun wohl, dann liefere ich in und mit der Beschreibung die gewünschte Erklärung. Ich muss danach streben, eine Thatsache ordentlich, d. h. voll- Nr. :-W. Nafurwisscnschaftlifhe Woclicn.schrift. 457 ständig beschreiben zu ivönnen, dann erreiche ich auch das ersehnte Ziel der Wissenschaft: die Kiarlicit! Da wendet man uns ein, mit dem Bcscln'ciben könne man nieiit die Wirlviichkeit naclibilden. Man erfasse damit nicht den ursäcldichcn /usanniicnliany, die Be- zieiiung-en zwischen den Thatsachen. Nun das ist ent- wegebniss ist also: Nicht reines Erschliessen, sondern nur Beschreiben, nicht Meta- physik, sondern nur Erfahrungsphilosophie! Ueber diesen Punkt werden wir in unserm übernächsten Aufsatze (über die Erfahrung) weiteres zu sagen haben. Für heute stellen wir als unsere Ansicht fest, da.ss Avenarius mit der sti'cngen Durchführung der von ihm, insbesondere was die Analyse anbelangt, meisterhaft gehandhabten Methode der reinen Beschreibung auf dem Gebiete der Philosophie einen hochbedeutuugsvollen Schritt gethan hat, einen Schritt, der mit seinen folgenschweren Wirkungen eine neue Epoche der Philosophie einleiten wird. IV. Das Vorgefundene (Gegebene) und der Aus- gangspunkt der Philosophie. Wir haben im vorigen Abschnitt hervorgehoben, dass als Verfahren einer Philosophie der reinen Erfahrung, wie sie Richard Avenarius und wir mit ihm erstreben, einzig und allein nur die Methode der strengen Be- schreibung gelten kann, während das Erschliessen mittelst der „denkenden Vernunft" (des „reinen Denkens") un- bedingt zu verwerfen ist. Wir gehen nun weiter und wollen nun einmal das im Allgemeinen einer Betrachtung unterwerfen, was beschrieben werden soll, das heisst das Vorgefundene, Gegebene, Erfahrene . . . Und was ist denn nun der Gegenstand der reinen Erfahrung für alle, was ist der Ausgangspunkt unseres Denkens und Forschens, was ist das Gegebene? — Was am Anfange unseres Nachdenkens war, schildert Avenarius (Weltbegritf S. 4 f.) so: „Ich mit all meinen Gedanken und Gefühlen fand mich inmitten einer Umgebung. Die Umgebung war aus mannigfaltigen Bestandtheilen zusammengesetzt, welche unter einander in mannigfaltigen Verhältnissen der Ab- hängigkeit standen. Der Umgebung gehörten auch Mit- menschen an mit mannigfaltigen Aussagen; und was sie sagten, stand zumeist wieder in einem Abhängig- keitsverhältniss zur Umgebung. Im übrigen redeten und handelten die Mitmenschen wie ich: sie antworteten auf meine Fragen, wie ich auf die ihren; sie suchten die ver schiedenen IJestandtheile der Umgebung auf oder ver- mieden sie, veränderten sie oder suchten sie unverändert zu erhalten: und was sie thaten oder unterliessen be- zeichneten sie mit Worten und erklärten für That und Unterlassung ihre Gründe und Absichten. Alles wie ich selbst auch : und so dachte ich nichts anderes, als dass Mit- menschen Wesen seien wie ich, — ich selbst ein Wesen wie sie. Das war die Welt, wie ich sie am An- fange meines Philosophirens als ein Seiendes, Sicheres, Nr. 3S. Naturwissenschaftliche Wochensehriit. 4r)9 Bekanntes, Vertrautes, Hegrilfenes vorfand, wie, sie als Gedanke mit mir weiter lebte, — wie sie mir als That- sache Stetsfort von Neuem wiederkehrte und in allen Wiederholungen dieselbe blieb. Mit einem Wort: es war der Inhalt meines anfängliehcn (natürlichen) Weltbegriffs . . .•• Dieser mein anfiiiiglieher Welthegriff ist aber auch, wie die Erfahrung zeigt, der anfängliche Weltbegrifll" eines jeden Menschen, also auch eines jeden Philosojjhen und bleibt es, solange nicht Geisteskrankheiten oder — l'hilosophien eine Acndcrung hervorgerufen und Je- mandem z. H. beigebracht haben, dass Sonne, Erde, Oerter, Bäume u. s. w. ihre allgemeinen räumlichen und zeitlichen Bestininiungcn vom „erkennenden Subjecte'' ans empfangen (und nicht — wie der naturliche Weltbegriff sagt — von sich aus besitzen), dass sie also „Er- scheinungen", „Vorstellungen in uns" sind. Der natürliche Weltbegriif seinerseits setzt sich nun aus zwei (vom Standpunkt der formalen Logik aus un- gleichen) Werthen zusammen: aus einer Erfahrung und einer Annahme (Hj'jjothese). Die Erfahrung umfasst die Mannigfaltigkeit des thatsächlich Vorgefundenen, d. h. meines Ichs und seiner Umgebung und der zwischen diesen Bestandtheilen des Vorgefundenen bestehenden Be- ziehungen (Abhängigkeiten). Das Ich selber ist eine Mannigfaltigkeit und so auch jeder Umgebungsbestand- theil. Und das Ich, bezw. seine Bestandtheile (Leib, Gedanken, Gefühle) stehen zur Umgebung in den mannig- faltigsten Beziehungen. Ich und Umgebung sind aber nicht nur im selben Sinne ein Vorgefundenes, sondern auch ein Zusammen- Vorgefundenes. „Keine voll- ständige Beschreibung von Vorgefundenem (nach Be- schaffenheit und Zusammenhängen) kann ein „Ich" ent- halten, ohne dass sie auch eine „Umgebung" dieses Ichs enthielte, — keine vollständige Beschreibung von Vor- gefundenem kann eine , Umgebung' enthalten, ohne ein ,Icli', dessen Umgebung sie wäre, mindestens doch des- jenigen, der das Vorgefundene beschreibt." (Avenarius i. Vrj. f. w. Ph. XVIII, S. 146). Man kann sich wohl eine Gegend denken, die kein menschlicher Fuss betrat, einen Zustand der Erde, den kein Mensch geschaut hat, eine künftige Verfassung unseres Sonnensystems, d. h. der Welt, die kein Mensch schauen wird, aber um solche Zustände denken zu können, bedarf es doch stets des ,Ich'-Be- zeichneten, dessen , Gedanken' jene Zustände wären. Wir beschreiben dann die Zustände so, wie sie sich uns darbieten würden, wenn wir sie persönlich sehen (wahr- nehmen) könnten. Diese grundsätzliche Zusammen- gehörigkeit von Ich und Umgebung hat Avenarius als „empiriokritische Principalcoordination" be- zeichnet: und zwar das relativ beständige Ich speciell als Centralglied, die relativ unbeständigen Bestand- theile der zugehörigen Umgebung als Gegenglieder. Was nun anderseits die im natürlichen Weltbegriflfe enthaltene Annahme (Hypothese) anbetrifft, so liegt sie darin, dass ich den Mitmenschen theilweise anders auf- fasse, als die anderen Umgebungsbestandthcile (Baum, Haus, Fluss u. s. w.). Dem Mitmenschen kommen, so lange ich ihn nur als ein von meinem örtlichen Stand- punkte aus Vorgefundenes charakterisire, keine anderen allgemeinen Beschat^enheitsbestimmungen zu, als den übrigen Umgebuugsbcstandtheilen, und so im Besonderen auch nicht den mitmensehlichen Bewegungen (ein- schliesslich denen der Sprachwerkzeuge und also auch den durch letztere erzeugten Tönen und Geräuschen). Auch Letzteren kommt zunächst nur ciuc rein mechanische Bedeutung zu im Einklänge mit den Feststellungen be- züglich der übrigen Umgebung und deren bezüglichen Gesetzen (so besonders hier dem Gesetz der Erhaltung der Energie). Nun fasse ich aljcr die Mitmenschen im natürlii-lien Weltbcgritfe nach Analogie meiner selbst auf. Älich selbst, bezw. meine Bewegungen (Sprachen, Mienen, Gesten, Handlungen) betrachte ich nun als nicht rein mechanisch. Ich fasse meine Bewegungen als „Aus- sagen" auf. Das soll sagen, dass sie sich auf Gefühle, Strebungen, Gedanken beziehen. Diesen letzteren schreibe ich nicht im selben Sinne mechanische, unter dem Gesetze der Erhaltung der Energie stehende Arltcit zu, wie den bewegten Gliedern meines Leibes. Folglich schreibe ich mit der Beziehung meiner Bewegungen auf Gefüide, Be- gehrungen, Gedanken jenen eine (ihre mechanische Be- deutung unberührt lassende) nicht-mechanische (amechani- schc) Bedeutung zu. Fasse ich nun, was ich doch vom Standpunkte des natürlichen Weltbegrifts aus tliuc, die Mitmenschen als „Wesen wie ich", ihre Bewegungen als den meinen gleichartig auf, so ist damit den mitmensch- lichen Bewegungen im gleichen Sinne wie den meinen eine aussermechanische Bedeutung zuerkannt: auch sie werden wie die meinen als „Aussagen" aufgefasst, deren Inhalt eben die Gefühle, Begehrungen, Gedanken bilden, die damit zu einem ,Ausge sagten' werden. Diese Annahme (dass also die Mitmenschen seien wie ich, ihre Bewegungen nach Analogie der meinen auf- zufassen seien) bezeichnet Avenarius als die em- piriokritische Grundannahnie der priueipiellen menschlichen Gleichheit. Die Berechtigung dieser Annahme ergiebt sich vor Allem aus ihrer inhaltlichen Uebereinstimmung mit der Erfahrung: nämlich in dem einzigen Falle, wo ich die Bewegungen eines als , Mensch' bezeichneten Mechanismus aus eigner Erfahrung in allen ihren Beziehungen kennen gelernt habe (d. h. eben bei mir selber), da kenne ich sie in bestimmten Beziehungen zu Gefühlen, Strebungen, Gedanken. Die andere denkbare Ansicht, dass die menschliehe Gesellschaft ein System reiner Mechanismen sei, entfernt sich inhaltlich wesentlich von der Erfahrung und ist überdies praktisch schwierig durchzuführen, ist jedenfalls lange nicht so brauchbar und fruchtbar wie unsere Annahme. — Uebrigens läuft, wie diese Erörterungen zeigen, die Unterscheidung zwischen Erfahrung und Annahme im natürlichen Welt- begrift" auf den Unterschied zwischen eigener und fremder Erfahrung aus. — Gegeben sind uns vom Standpunkte des natür- lichen Weltbegriffs aus also die Umgebungsbestand- thcile nebst den mitmensehlichen Aussagen, deren Inhalt wir ebenso wie den Inhalt unserer eigenen (wirk- lichen oder mögliehen) Aussagen in Anlehnung an den Sprachgebrauch als „seelische Werthe" (Avenarius nennt "sie, um jedes Missverständniss auszusehlicssen, „E-Werthe") bezeichnen wollen. Bezüglich des all- gemeinen Inhaltes letzterer merken wir hier gleich zwei Unterscheidungen an.*) a) Unter Elementen (Inhalten) verstehen wir jene sich auf die Körperwelt beziehenden Aussageinhalte oder seelischen Werthe, die durch Ausdrücke wie grün, Ton a, süss, hart, kalt u. s. w. bezeichnet werden. Unter Charakteren (Charakterisirungen) verstehen wir jene Aussageinhalte oder seelischen Werthe, die sich durch Ausdrücke wie angenehm, unangenehm, schön, hässlich, wohlthuend, widerwärtig u. a., aber auch bekannt, un- bekannt, sicher, unsicher, u. s. w. bezeichnen lassen. Wir erinnern zur Verdeutlichung dieser Unterscheidung an die von der gewöhnlichen Seelenkunde angewandten Ausdrücke „Empfindungen" und „Gefühlstou der Em- pfindungen", vor Allem aber an das P^lgende. Unter „Elementen" würden wir das verstehen, was *) Vorgl. Avenarius, Kritik I, IG u. II, 63/80. Weltbegriff 12. 460 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 38. uns als „Nicht-Ich" (Umgebung) entgegentritt, das so- genannte Objektive, das Einwirkende, die „Reize". Sie sind das von unser An- und Abwesenheit Unabhängige. Dagegen „Charakterisirungen" würden die Be- ziehungen unseres Ichs zum Nicht-Ich betreffen, sie würden die Rückwirkungen (Reactionen) unseres Or- ganismus gegen das „Einwirkende" (die Elemente), das so- genannte Subjective sein. Sie würden sich also an das Vorhandensein von Elementen anschliesscu. Elemente und Charaktere bilden auch eine „Coordination" : während jene — die Elemente — dem „Gegengliede" in unserer Principialcoordinatiou (s. oben!) entsprechen würden, ent- sprechen diese — die Charakterisirungen — dem .,Central- giiede". Die Elemente erscheinen in höherem Grade an das Vorhandensein des Umgebungsbestandtheils, die Charakterisirungen an das Vorhandensein des Ichs ge- bunden. Bei Betrachtung der Elemente kann ich vom Ich absehen, bei Betrachtung der Charaktere dagegen nicht. Jedoch — das ist wohl zu beachten — sowohl Elemente als Charaktere haben zur Voraussetzung das Dasein einer richtigen Principialcoordination, d. h. das und Gegen- Zusammeu -Vorhandensein von Centralglied glied, von Ich und Umgebung. — Die Charaktere könnte man übrigens auch als Gefühle im weiteren (oder weitesten) Sinne bezeichnen. Sie drücken eine Be- ziehung aus und zwar entweder eine solche zur Er- haltung (Stabilität) des Individuums oder eine solche zur Stabilität der Umgebung; und es gehören dementsprechend zu ihnen einerseits die eigentlichen Gefühle (Lust und Unlust, beziehentlich Wahrnehmungs- und Vorstellungs-Gefühle), die man mit Rücksicht auf ihre Werthung der Beziehungen der Umgebungsbestandtheile zur Erhaltung des Individuums als Werthungs- Charak- tere bezeichnen könnte, andererseits die Anpassungs- charaktere (adaptive Charaktere, Uebungszeichen, Erklä- rungs-Charaktere), die sich auf die Stabilität der Umgebung beziehen. Zu ihnen gehören wieder zwei Gruppen: a) die Ab weichungs-Charaktere, wie „Andersheit" und „Dasselbigkeit", und b) die Gewöhnungs-Charaktere, wie , bekannt', , unbekannt', , sicher', , unsicher', , seiend', ,nichtseiend' und deren Abarten (wie , erkannt' ,wahr', ,gewiss' u. s. w. u. s. w.). Auf sie und ihre Stellung werden wir in späteren Aufsätzen noch eingehender zurückzukommen haben, da mit der obigen Einordnung der Werthe , Wahrheit', Gewissheit', ,Erkenntniss' u. s. w. und ihrer völligen Abhängigkeit von der (ererbten und erworbeneu) Uebung (Gewöhnung) denselben jeglicher „absolute" Charakter genonuncn ist und ein ganz radicaler Relativismus sich als der springende Punkt der Avenarius'schen Anschauungen erweist.*) — Soviel vor- läufig über die erste Eintheilung der seelischen Werthe (E- Werthe) in Elemente und Charaktere. b) Die zweite Unterscheidung wäre die in Sachen (Sachhaftes) und Gedanken oder, was genau dasselbe sagen würde, in Wahrnehmungen und Vorstellungen. Die Gedanken sind gewissermaasseu ein intermittircndes (d. h. in Abständen erfolgendes) Nachscheinen oder Wieder- scheinen der als Sachen charakterisirten seelischen Werthe. Sachen und Gedanken unterscheiden sich lucht sowohl dem Inhalte, als vielmehr der Setzungsform (dem positionalen Charakter) nach: die als Sachen charakterisirten seelischen Werthe werden w a h rge n o m m e n , die als Gedanken charak- terisirten seelischen Werthe werden vorgestellt. Sache ist also dasselbe wie Wahrnehmung und Gedanke dasselbe wie Vorstellung. Zwischen beiden Arten, zwischen wahr- *) Natürlich hat auch der Rehxtivismus seine „festen" Sätze: es soll mit obigem nur gesagt werden, dass das A.'sche System ein völliges „Bezi ehungsthum", also ein ganz durchgc- fiilirtüs System von (Functional-) Beziehungen ist. genommenen Sachen und vorgestellten Gedanken, herrscht volle Vergleichbarkeit (z. B. zwischen dem Bilde eines Freundes, das ich als Sache vor mir habe, und dem Gedankenbilde, das ich mir von ihm mache), und sie werden auch durch Zwischenglieder (z. B. Nachbilder, die Erscheinungen des Sinnengedächtnisses, Illusionen, Halluzinationen, Traumbilder u. s. w.) vermittelt. Und nicht minder herrscht Vergleichbarkeit zwischen den wahrgenonunenen (saehhaften) und den nur als Gedanken vorgestellten Charakteren (Gefühlen). Sowohl die Elemente als die Charaktere können als Sachen oder als Gedanken gesetzt sein. — Das (unmittelbar) Gegebene können wir nun nach den obigen Darlegungen auch als die Summe der Aus- sageinhalte, der seelischen Werthe: Elemente und Charak- tere bezeichnen. Damit sind wir nun nicht etwa auf den Boden der subjectivistischen Anschauung getreten, die die Empfindungen (Bewusstseins-Erscheinungen) als das unmittelbar Gegebene annimmt. Denn die Unterscheidung zwischen Elementen (bezw. Elementen- Verbänden) und Um- gebungsbestandtheilen ist eine rein methodologische. Wir nennen letztere nur insofern Elementen-Ver bände, als sie als Aussage-Inhalte auftreten. Ob wir also sagen, das Gegebene seien Ich und Umgebung, oder das Gegebene sei die Summe aller Elemente und Charaktere, ist sachlich ohne Belang. Es läuft auf dasselbe hinaus. — Dem gegenüber behauptet nun der (erkenntniss- theoretisehe) Idealismus (so Fichte, der Neukantia- nismus, der Positivismus), dass nicht die Elemente mit ihren Charakteren, sondern vielmehr unser Bewusst- scin, bezw. das (geistige) Ich der Ausgangspunkt unseres Philosophirens, das unmittelbar Gegebene sei. Es seien ja nicht nur die sogenannten sinnlichen Beschaffenheiten (Qualitäten), wie Farben, Töne, Geschmäcke n. s. w., sondern überhaupt alle Eigenschaften, die wir den Dingen zuschreiben, selbst die räumlichen Eigenschaften, sub- jectiv, d. h. Tliätigkeiten unseres Ichs, Beschaffenheiten unserer Bewusstseins-Zustände. Alle SinnesGegenstände (Objecte) seien nur Verbände (Complexe) von Emitfin- dungen, d. h. von Grundbestandtheilen unseres Bewusst- seins. Wir können nie von etwas anderem , als von unsern eignen geistigen Zuständen ein unmittelbares Bewusstsein haben-, wir können also nie etwaige Dinge neben oder ausser unserm Bewusstsein wahrnehmen. Die Welt sei des Geistes ureigene Schöpfung. Selbst der ganze Zusammenhang des Weltgeschehens sei rein sub- jectiv (nur gedacht). So verschwindet denn thatsächlich die ganze Aussenvvelt sannnt Raum und Zeit, Sachen und Veränderungen in das vorstellende Subject: die Aussen- welt ganz und gar besteht so nur aus unsern Vor- stellungen. Ja selbst unsern eignen Körper, uns selbst können wir nicht erkennen, wie wir sind, sondern nur, wie wir uns erscheinen. Dem Denken sei es, so lehrt auch die idealistische Sinnesphysiologie, gar nicht möglich, zum Sein, zur Realität zu gelangen. Wir nehmen auch nach ihr nur unsere eignen Geisteszustände wahr. Allerdings die strenge folgerichtige Durchführung dieses Standpunktes fällt den Idealisten — oder nennen wir sie lieber Subj ectivisten — recht schwer. Ein Theil nimmt ganz unumwunden reale Ursachen unserer Em- pfindungen an, Dinge an sich (wie trotz seiner Lehre, dass die Ursächlichkeit über unsere Erfahrungswelt hinaus keine Bedeutung habe, auch Kant), andere (wie Fichte, Alb. Lange) kämpfen auf Leben und Tod gegen die Dinge an sich an, um sie — auf irgend einem Umwege wieder einzuführen, da die Leugnung einer von uns un- abhängigen Aussenwelt doch zu gar so sehr argen Folgerungen führt, wie z. B. die Behauptung, dass meine Mitmenschen nur als meine Vorstellungen da sind, eine ist. Nr. 38. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 4ßl ^^'ns 111111 ahiT den Ausgaiig:sininlvt des Suhjectivisimis oder Ideiilisinns, das lievvusstsein oder das g-eistige Ich anlietritl't, so /.oigt uns ein nüchterner Hinblick auf die That- sachen der Erfahrung, dass das „Ich" erst ein Erzeugniss der Entwickclung des Menschen ist. In der ursprünglichen Erfahrung eines jeden Menschen gieht es keinen Gegen- satz zwischen geistigem Ich und Körperwelt, sondern nur eine Einlieit, nämlich die Summe der (verschieden charak- terisirten) Gruppen von Elementen. Diese Elemcnten- Verbände priigen sieh als das verhältnissmässig Festere, Beständigere und Beharrlichere zuerst dem Gedächtniss ein, erhalten deshalb besondere Namen und werden als Körper bezeieimet. Unbedingt beständig sind diese Elementen-Verbände aber keineswegs, wie uns die Be- obachtung irgend welcher dieser Verbände (z. B. eines Tisches, eines Rockes, eines Freundes) zeigt, sondern es ist nur ein Uebergewicht des Beständigen vorhanden. Als verhältnissmässig beständig zeigt sich auch die an einen besonderen Körper (den Leib) gelnnidene Gruppe von Gedanken, Gefühlen u. s. w., welche in ihrer Ver- bindung mit dem Kfiriier als Ich bezeichnet wird. Die scheinbare Beständigkeit des Ich besteht in erster Reihe nur in der langsamen Aenderung.*) In der weiteren Ent- wickclung werden dann die verhältnissmässig beständigen Theilevon Elementen-Gruppen als Eigenschaften bezeichnet, während die vorübergehenden Veränderungen als Zustände oder Thätigkeiten gelten. Weil man nun jedes Element einer Gruppe einzeln hinweguehmen kann, ohne dass die übrigbleibenden Elemente aufhören, die Gesaramtheit derselben zu ver- treten und als solche Gruppe wieder erkannt zu werden, so ist man zu der Meinung gekommen, man könne alle Elemente einer Grujtpe hinwegnehmen und es bliebe noch etwas übrig. „So entsteht der ungeheuerliche Gedanke eines (von seiner ,Ersc]ieinung' verschiedenen, unerkenn- baren) Dinges an sich'-, meint E. Mach (a. a. 0. 5). „Aber das Ding, der Körper, die Materie ist nichts ausser dem Conijtlex der Farben, Töne u. s. w., ausser den sogenannten Merkmalen. Das vielgestaltige vermeintliche liliilosopiiisehe Problem von dem einen Ding mit seinen vielen Merkmalen entsteht durch das Verkennen des üm- standes, dass übersichtliches Zusammenfassen und sorg- fältiges Trennen, obwohl beide temporär berechtigt und zu verschiedenen Zwecken erspriesslich, nicht auf einmal geübt werden können. Der Körper ist einer und unver- änderlich, so lange wir nicht nöthig haben, auf Einzel- heiten zu achten . . .'• So ist denn auch das Ich nichts anderes als ein Elementeu-Verband und nicht eine „reale" Einheit, eine (wenn auch verkümmerte) Substanz. Es ist nur, wie .Mach sagt, eine „praktische Einheit", indem alle die ver- meintlichen Einheiten (Körper, Ich) nur Nothbehelfe zur vorläufigen Grientirung und für bestimmte praktische Zwecke (um die Körper zu ergreifen, um sich vor Schmerz zu bewahren u. s. w.) sind. Das Ich ist eben auch nur ein bestinnntes Ganze von wahrgenommenen Sachen (Rumpf, Gliedmaassen, Sprache, Bewegungen u. s. w.) und von vorgestellten Gedanken.**) .,lch empfinde Wärme'^ will sagen, dass das Element Wärme in einem gewissen Elcmenten-Verband, den wir mit dem Worte „Ich" bezeichnen, vorkonnnt. Die Frage „wer empfindet ?" ist unberechtigt, falls wir noch nach einem besonderen hinter den Elementeu vorhandenen , Träger' (einer Seele, einem substanzicll gedachten Bewusstsein, einem sub- stanziell gedachten Ich) suchen. Einen , Träger' der S. 2 ff. ) Vergl. E. Mach, Analyse der Empfindungen. Jena 1886 *) Avenarius, Weltbegriff 75 f. Empfindungen, der Elemente brauchen wir überhaupt nicht, und wenn man den Ausdruck , Träger' bildlich be- nutzen will, nun wohl — dann möge man gefälligst den Elementeu-Verband als , Träger' bezeichnen, und nicht eine in irgend einem Punkte oder irgend einer Fläche des Hirns sitzende Seele (bezw. Bewusstsein oder Ichheit). „Meine Empfindungen", d. h. die für den Elementeu-Ver- band „Ich" abgehol)encn (sachhaften) Elemente grün, Ton a u. s. w. sind überhaupt nicht räumlich in meinem Kopf, sondern mein Kopf theilt vielmehr mit ihnen dasselbe räumliche Feld.*) Will man „Innenwelt" von „Aussen- welt" unterscheiden, so kann man unter Innenwelt den- jenigen Theil des Elementen- Verbandes ,Ich' verstehen, der aus ,mcinen' Gedanken, sowie deren Charakterisirung durch Gefühle und Strebungen besteht. Der andere Theil des Elementen-A'erbandes ,Ich' und die abgehobenen sachhaften Elemente würden die „Aussenwelt" bilden. (Ob die sachhaften Elemente Gegenstände der Physik oder der Seelenkunde sind, das hängt von der ünter- suchungsrichtung ab. Wenn ich auf die Beziehungen einer Farbe zur leuchtenden Lichtquelle achte, treibe ich Physik, achte ich aber auf ihre Beziehungen zu den Vor- stellungen, Gefühlen und Strebungen oder zum Nerven- system, so treibe ich Seelenkunde. Der Stoff der Physik ist auch Stoff der „Geisteswissenschaft", der Seelen- kunde.) Also: die Vorstellung des ,Ich', bezw. der Innenwelt hat sich in gleicher Weise entwickelt, wie die V'orstellung des Nicht-Ich, der Umgebungsbestandtheile, bezw. der , Aussenwelt'. Es ist ein durchaus zu verwerfendes Ver- fahren, wenn man das eine Erzeugniss dieser natürlichen Entwickclung, das Ich, bezw. das „geistige Ich", die , Innen- welt' als etwas ursprünglich Gegebenes, als den uatür- lieheu Ausgangspunkt unseres Philosophircns, als das einzig Sichere, Feste und Nichtzubezweifelnde ausgeben, hingegen das andere Erzeugniss der Entwickclung, das Nicht-Ich, bezw. die Körperwelt, die , Aussenwelt' als etwas durchaus Unsicheres und Zweifelhaftes auszugeben sucht. Nicht das geistige Ich ist das ursprüngliche, sondern die(cha- rakterisirten) Elemente. Aus ihnen treten allmählich „Ich" und „Umgebungsbestandtheile" bezw. Innen- und Aussen- welt hervor. Jenes, bezw. jene kann also nie und nimmer eine sichere Grundlage oder einen sicheren Ausgangspunkt für unser Philosophiren abgeben. Der Subjectivismus (oder Idealismus) ist also eine in keiner Weise gut begründete Anschauung. Er geht vielmehr von einer vorgefassten Theorie aus, deren Ausfluss das „unmittelbare Gegeben- sein des Bewusstseins" ist. „Vom , Bewusstsein' oder dem , Denken' — zum Zweck der Entwickclung eigener An- sichten über das Erkennen oder auch nur der Beurtheilung derjenigen Anderer — , ausgehen', heisst im besten Falle also, um nicht einen drastischeren Vergleich zu gebrauchen, beim Ende anfangen!"**) Unmittelbar gegeben sind uns nur die (verschieden charakterisirten) Elementen-Verbände und nicht etwa Seelen, seien es vollsaftige, wie sie uns die noch nicht von der Kritik angekränkelten specula- tiven Dogmatiker lehren, oder mehr oder minder ver- kümmerte (z.B eben,Bewusstsein',,Ichheit', jGemüth'u.s. w.), wie die mehr kritischen speculativen Denker wollen. — Die weitere Beschreibung des Vorgefundenen (Gegebenen) kann je nach der Bctrachtuugsart, dem Be- trachtungsstandpunkte verschieden sein. Ich kann mich nämlich den Umgebungsbcstandtheileu, die in ihrer Zu- sammensetzung und räumlichen Anordnung, ihren Bestand- theilen und Zahlenverhältnisseu, ihrem thcilweisen Be- harren oder Wechseln, ihrem zeitlichen Entstehen und *) Mach, Analyse 19 und das dazu gehörige Bild auf S. 14. Verarl. anch Avenarius, Weltbegriff 70. **) Avenarius, Kritik, I. Vorwort, Seite VIII. 462 Naturwissenscbaftliche Wochenschrift. Nr. 38. Vergehen überliaupt unabliängig- von meiner Gegenwart oder Abwesenheit sind, die wir also deslialb als „Unab- hängige" bezeichnen können, — diesen Unabhängigen gegenüber Isann ich mich, wie ich schon oben berührt habe, auf zweierlei Weisen verhalten. Das eine Mal fasse ich ausschliesslich die bezüglichen Umgebungs- bestaudtheile ins Auge, betrachte sie (und ihre Beziehungen) gleichsam als etwas Absolutes, was ich einfach „nehme", wie es sich „giebt", und „beschreibe", wie ich es „vorfinde." Ich selber bleibe hierbei ganz ausser Betracht und der Umgebungsbestandtheil ganz „an sich und für sich", ganz ausser Beziehung zu mir, dem Betrachtenden und Be schreibenden. Das andere Mal rcflectire ich bei der Betrachtung des ümgebungsbestandtheils zugleich auf die Beschaffenheit der bei der Betrachtung doch aucli „be- theiligten" Ich und betrachte die Unigebungsbestandtheile nicht mehr „an sich und für sich", sondern „an sich und für mich", als etwas Relatives, was ich als ein Glied einer Beziehung zu nehmen habe, deren anderes Glied das Ich ist. — Avenarius bezeichnet diese letztere Be- trachtungsweise als die relative, jene erstere als die absolute. Mir scheinen diese Ausdrücke missverständ- lich zu sein: es müsste mindestens ein „gleichsam-" vor relativ und absolut stehen! Ich würde die „relative" Betrachtungsweise lieber psychologische, die „absolute" lieber phj'sikalische nennen, da ja thatsächlich (wie ich oben bereits bemerkt habe) Psychologie und Physik sich nicht sowohl durch den Gegenstand, als eben viel- mehr durch die Betrachtungsweise unterscheiden. Die psychologische Betrachtungsart würde uns führen zu einer Besehreibung der Abhängigkeiten des Be- dingungsverhältnisses zwischen Ich und Umgebung, oder genauer zwischen Centralnervensystem („System C" — wie Avenarius sagt) und Umgebung. Zwischen den Vorgängen im System C aber — sie werden von Avena- rius als „Schwankungen" bezeichnet — und den seelischen Werthen besteht eine „Functionalbeziehung", d. h. ändert sich die eine Reihe von Vorgängen, so ändert sich auch die andere. Von dieser zwischen seelischen Werthen und Gehirnvorgängen vorhandenen rein logischen Functionalbeziehung unterscheidet sich das Bedinguugs- verhältniss zwischen den verschiedenen körperlichen Vor- gängen im allgemeinen, wie zwisciien Umgeljung und System C im besonderen dadurch, dass dies letztere — es wird gewöhnlich als Causalitäts- (Ursachlichkeits-) Vcrhältniss bezeichnet — unter dem Gesetze von der Er- haltung der Energie steht. Bevor wir selber in diese nähere Beschreibung des Systems C, seiner Tiiätigkeit und ihres Zieles, seiner Beziehungen einerseits zu den seelischen Wertheu, anderseits zu der Umgebung ein- treten und als allgemeine Einleitung dazu das Erhaltungs- (Stabilitäts-) Streben des Organismus besprechen, wollen wir noch den so vielumkämpften Begriff der Erfahrung einer näheren Erörterung unterzieiien. (ax) Einige Bemerkungen zu Otto Amnions „natur- wissenschaftlicher Oesellschaftstlieorie". — DasReferat über das Ammon'sehe Buch, welches in Nr. 37 dieser Zeitschrift in Ausführlichkeit die Betrachtungen und Schlüsse des Verfassers entwickelt, dürfte bei vielen Lesern auf Widerspruch gestossen sein. Es sei mir gestattet, in Kürze auf den meiner Ansicht nach wich- tigsten Punkt hinzuweisen, der gewissermaassen die Vor- aussetzung der ganzen Beweisfülu-ung ist, ohne dass je- doch in dem Referat diese Voraussetzung selbst einer kritischen Prüfung unterzogen worden ist. Die Deduetionen Ammon's, denen von anderer Seite vorgeworfen worden ist, dass sie nicht immer rein objec- tiv blieben, sondern zuweilen politischen Vorurtheilen zu liebe construirt wurden, könnten nur dann zulässig sein, wenn tliatsächlich die angeborene geistige Beanlagung für die Eutwickelung des Menschen diejenige Bedeutung hat, welche der Verfasser ihr zuschreibt. Dass sich durch Uebung und Fleiss auch Grosses erreichen lässt, dass die erworbeneu Fähigkeiten für den Mangel an angel)orenen reichlich entschädigen können, übersieht Ammon; er operirt fast ausschliesslich mit den „Anlagen" und räumt diesen allein eine ausschlaggebende Bedeutung ein. Eine solche Ansicht aber ist zum mindesten unbewiesen, ja je weiter die Forschung auf diesem Gebiete fortschreitet, um so mehr neigt sie dazu, der Uebung vor den indivi- duellen Anlagen den Vorzug zu geben. Sobald aber der Uebung eine auch nur etwas hervorragende, geschweige denn die hauptsächlichste Bedeutung für die Entwiekelung geistiger Fähigkeiten zukommt, ist ein nicht geringer Theil wichtiger Schlüsse Ammon's hinfällig. In erster Linie ist damit z. B. der Beweis untergraben, welcher die Unrichtigkeit der Behauptung nachweisen will, „dass viele Angehörige der unteren socialen Schichten in der Enge ihrer Verhältnisse verschmachten müssten, während sie 'eigentlich zu Höherem geboren wären u. s. w." Denn dass den „unteren Schichten" die Gelegenheit zum Erwerben von Fähigkeiten grösstentheils fehlt, wird Herr Ammon doch kaum bestreiten wollen. Ganz abge- sehen davon ist die Behauptung, dass Genies und Talente, wenn sie einmal in den unteren Schiebten aus- nahmsweise auftauchen, sich auch „Bahn zu brechen wissen, und die Begabungen, welche dies nicht vermögen, meist mit irgend einem Maugel behaftet sind," ein durch- aus willkürliches Argument, dem schon oft namhafte Auto- ritäten auf das energischste widersprochen haben. Es ist dies eine von jenen gar zu optimistischen Behauptungen, welche Ammon zu schnell aufstellt, um — wie ich meine — über solche Punkte, die zu ihm unangenehmen Conse- quenzen führen könnten, leicht — durch eine Selbst- täuschung — hinwegzukommen. Mit solchen unbewiesenen und unbeweisbaren Voraus- setzungen und Argumenten — und es finden sich derer noch mehr — lässt sich allerdings leicht, aber nur nicht streng wissenschaftlich nachweisen, was Ammon's Hauptziel — nicht Hauptergebniss — gewesen zu sein seheint, dass „die Gesellschaftsordnung im allgemeinen viel besser an das Bedürfniss angepasst ist, als die Welt- verbesserer glauben." Selbst wenn Ammon's „naturwissenschaftliehe Gesell- schaftstheorie" richtig und unanfechtbar wäre, aus welcher, in schroffe Form gebracht, die durch die Thatsachcn widerlegte Lehre folgen müsste, dass die Intelligenz im Allgemeinen proportional der „Höhe" des Standes im socialen Leben wächst, selbst dann würde die Consequeuz des Verfassers, die „übelangebrachte Wohlthätigkeit" zu unterlassen, weil durch sie stets die untauglichsten In- dividuen in ihrem Vernichtuugsprocess aufgehalteu würden, mehr als bedenklich sein. Ammon vergisst die Menschen über die Menschheit: das Wohlergehen der einzelnen Menschen ist doch wohl werthvoUcr als die möglichst schnelle Zunahme des geistigen Niveaus der Gesammfheit. Möge der Angriff auf diese wenigen, im Referat be- sonders hervorgehobenen Punkte zeigen, dass die Schlüsse Amnions keineswegs als bindend betrachtet werden können. R. Hennig. Der Unterzeichnete benutzt die Gelegenheit, einmal wieder zu erklären, dass — eigentlich selbstverständlich — Nr. 38 Natuiwisscuscbaftlichc Wochenschrift. 463 iiiclit geschlossen werden darf, dass die Redaction alle die Meinungen aeceptirt, die in der „Naturw. Wochenschr." zum Ausdruck kommen. Der ständige Leser unseres Bhittes hat das aucii längst annehmen müssen, da sich nicht selten gegentheilige Meinungen veröffentlicht finden. Wiederholt ist früher betont worden, dass es die Re- daction bei der .Selbstständigkeit des Leserkreises nicht für ihre Aufgabe hält, einer Richtung allein das Wort zu lassen. Ks ist nur ausschlaggebend, dass das Vor- gebrachte der reinen Methode der Naturforschung folgt, d. h. in der Richtung der reinen Beschreibung liegt. Dass das in der in Rede stehenden Untersuchung Ammon's der Fall ist, macht sie so werthvoU. Dass sie aber bereits das Endziel erreicht habe, ist keineswegs die Meinung des Unterzeichneten und auch nicht diejenige des genannten Autors selber. Es darf dies aus der An- zeige seines Buches 8. 377 und daraus, dass die Redaction es für angezeigt gei)alten hat, noch ein ausführliches Referat der beachtenswerthen Arbeit zu bringen, nicht geschlossen werden. Amnion hat in geschickter und umsichtiger Weise den Weg gewiesen. Sein an brauch- i)aren Gedanken reiches Buch ist eine treffliche Grund- lage für die künftige Forschung auf dem Gebiete. Er steht seinem Gegenstande betrachtend gegenüber und kommt zu der Folgerung, dass die gegenwärtige bei den gegebenen Verhältnissen die bestmöglichste der Alenschen- Weltcn ist, und es ist das vielleicht richtig, wenn man wie Amnion das Wohlergehen der Menschheit im Auge hat. Recht hat freilicli auch Herr H. bei seinem Standpunkt, der das einzelne Individuum in den Vordergrund stellt. Ob man die Folgerungen Ammon's als „gut" anerkennen will oder nicht, hängt daher schliesslich mit den Wünschen des Einzelnen zusammen. H. P. Helium in freier Form hat Prof. Dr. H. Kayser gefunden, wie er in der „Chemiker- Zeitung" vom 28. August 1895 niittheilt. Auf die Nachricht, dass in den Quellen von Wildbad im Schwarzwald Gasblasen aufstiegen, welche nacli einer alten Analyse 96 pCt. Stickstoff enthalten sollten, unterwarf er, in der Erwartung, grössere Mengen von Argon zu finden, dies Gas einer Analyse. 430 ccm desselben wurden mit Sauerstoff ge- mischt und bei Gegenwart von Kalilauge Funken durch- geschickt. Der überschüssige Sauerstoff wurde dann durch alkalische Pyrogallolösung entfernt. 9 ccm Gas, die nach dem Trocknen übrig blieben, wurden in Geissler- röhren gefüllt und spektroskopisch untersucht. Es zeigten sich die Linien des Argon und Helium, „und zwar konnte die Menge des Helium nicht ganz gering sein, da seine Linien sehr hell auftraten und sich leicht photographiren licssen." Auch das andere, noch unbenannte, durch die grüne Linie A = 501,6 ,o/( reprä.scntirte Gas, welches von Runge und Paschen im Cleveit gefunden ist, war im Spektrum angedeutet. Daraus folgt also, dass sich auch in der Luft die beiden unter dem Namen Helium zu- sammengef'assten Gase in allerdings sehr geringen Mengen finden müssen, ein Resultat, zu dem Prof. Kayser auch noch durch andere Beobachtungen geführt wurde. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Kinaunt wurden: Der Prof. der Bakteriologie Friedrich l.öt'fler in Greifswald zum Gelieimen Medicinalrath; der Director soi>hie der reinen schaftlicher (iesellschaftstheorie". — Helium in freier Form Lehrbuch der Bewegung flüssiger Körper. — Liste. Erfahrung. — Einige Bemerkungen zu Otto Amnions ,.naturwissen- . — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Richard Klimpert, 464 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 38. R. Friedländer & Sohn, Berlin NW, Carlstrasse 11. Soeben erschien : ... Zoologisches Adressbuch. Namen und Adressen der lebenden Zoologen, Anatomen, Physiologen und Zoopalaeontologen sowie der liünstleiisclien und tecluiiselien Hülfskrät'te. Herausgegeben im Auftrage der Deutschen Zoologischen Gesellschaft von R. Friedläiider & Sohn. VIII und 740 Seiten, Gioss-Oktav. Preis 10 Mark franco. Wie sehr ein solclies Wfiic liislier gefelilt luit, liraucht niclit erst ansKefülirt zu werden. Das vorliegende lincli, das über 12 000 genaue Adressen entliiilt, das hei jedem Namen aiieli die SpeciaJität angiebt, mit welcher sieh der Forscher bescliivftigt, das am Schluss in 3 Registern die Namen, die Orte, injd — was be- sonders hervorzuheben ist — auch die Specialitäten zusammen t'asst, wird diese Lücke austiillen. Sein Wert wi'd dadurch erhöht, dass auch alle Künste und Gewerbe, die mit der Zoologie im Zusammenhange stehen (Präparatoren, Aus- stopfer, Naturalienhäudler, Zeichner und Maler von Tieren, Verleger, Mikroskopen- fabriken etc.) Aufnahme gefunden haben. atent-technlsches und I Verwerthung-Bureau Betclie. Berlin S. 14, Neue Rossstr PATENTBUREAU Qlrich I^. JVlaerz Berlin NW., Luisenstr.22. ^^= Gegründet lg7g Patent-, Marken- u. Musterschulz für alle Länder. e Sammlungs-Schränke für Sammlungen jeder Art in den ver.schiedensten Ausf Uli rangen. Rudolph Zwach Tischlermeister. BERLIN, Invalidenstrasse 101. Lieffiaiit der i'iünigl. Borf;-Alva- deiiiie, Landwii thscliaftl. Hoeli- scliul(^ und MiiPeiim für Natur- kunde. Erfindiiiio-en, Neuheiten, Modelle .jeder Art werden zu- verlässig, billig, discret in meiner Spe- cialwerkstatt ausgearbeitet und angefer- tigt, auch briefiicli. W. Maaske, Mechan., Berlin N., Schwedterstr. 31. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ : Dr. Robert Muencke : X Luisenstr. 58. BERLIN NW. 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(Eine öoloud)tiino; uu6 cf^caoiuibov)'tcllunc\ öEV |lavnflvnpl]cii ks (ifiitimirfs ciiic5 liürginiitlifii (i3f fcltimdife (2. £i:riiii8) iicliÜ lUirfriiliigcn nii Intimiiig öciTfilicn int imtcrcHc öer fvniiEii. Gl Seiten gr. 8. $ret§ 4 ) ^l — ^^u bejielien turd? alle öudil^anblungcii. .^^ in Berlin SW. \2, ätmmcrftr. g-?-. I Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan Berlin N., Tegelerstr. 15. 1 agäszgi llijie künstlerische Gr * Herstellung * von niustratiouen und Zink- cliches .ieder Art nnd nach lielieliiirer Vorlage, für wissen- ■schaftliche nnd ge"'erldiche Zweclce, wird in meinem Insti- tut seit .laliren geriflegt. Die Abbildungen in dieser Zeit- schrift gelten als Proben meines Verfahrens. Albert Frisch, Berlin W. 35, Lützowstr. 66. (Prybcii iinil Ivtietenanscblit^'i? bcnjitwiliit,'.) Hempers Klassiker-Ausgaben. Ansfülirl. Si)Ocial Verzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandi. In Ferd. Dümmlers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 13 ersclüen: I Einfflhrung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am könifcl. Realgymn. in Berlin. 444SeitiMi Rr.S PreisG M.,pi"b.7 Äi. IIPROSPECT GRATIS f.r ERFIMDER fARPADBtUEB,JME.BERlHü,H.3I.Siraisui.dSt36. Elektrische j^raft- Anlagen im Anschluss an die liiesigen Centralstationen eventuell imfer Ankauf vorhandener Kraftmascliinen (Gasmotoren etc) t'iilirt unter günstigen BodingiingiMi aus Elektromotor" G. m. b. H. 21. Schiffbauerdamm. BERLIN NW. Schiffbauerdamm 21. JJ I Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Liclitert'eklc (I-'.-B ) Ijei Berlin, Potsilanicrstr. 35, für den Inseratentlieil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ^.-- Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band, Sonntag, den 29. September 1895. Nr. 39. Abonnement : Man abonnirt bei allen Buchbandlunf^en und Post- anstalten, «ie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M *.— Bringegeld bei der Post lö M eitra. Postzeitungsliste Nr. 4732. f Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 ^. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Debereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureauz wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiser i^uellenangabe gestattet. Der geschichtliche Gang der Rhizopodenforschung und seine Beziehungen zur Geschichte der allgemeinen Biologie. Ein Vortrag von Friedrich Dreyer. Die Urwesen oder Protisten thierischen Charakters, die Urthiere oder Protozoen, zerfallen, entsprechend zwei verschiedenen bei ihnen zum Ausdruck kommenden Gruudtypen, naturgemäss in zwei grosse Hauptab- theiluugen. Auf der einen Seite stehen als tonangebende Gruppen die Flagellaten und die Ciliaten: man bezeichnet diese Hauptabtheiluiig passender Weise als die der Infusorien im weiteren Sinne. — Der Körper dieser Infusorien repräsentirt. wie dies bei fast allen Protisten der Fall ist, den morphologischen Werth einer Zelle; die Pro- tisteuzeile erreicht aber bei den Infusorien eine weit- gehende Differenzirung, eine hohe Ausbildung. Die Infusorien besitzen einen festen Abschluss ihres Körpers nach aussen hin, wodurch fest bestimmte, beständige charakteristische Formen gegeben sind. Ausser dem bei jeder Zelle vorhandenen Zellkern begegnen wir bei den Infusorien verschiedentlich noch weiteren, bereits die Stelle specitischer Organe einnehmenden Differenzirungen: Hingewiesen sei auf die allgemein verbreiteten contractilen Vacuolen und die in verschiedenartiger Ausbildung und Anordnung vertretenen contractilen Fibrillen. Ferner zeigen die meisten Infusorien eine bestimmte, der Auf- nahme der Nahrung dienende Mundötfnung und viele Formen auch eine bestimmte, zum Ausgang der un- brauchbaren Nahrungsreste dienende Afteröfifnung. End- lich besitzen die Infusorien bestimmte Bewegungsorgane, sei es, wie bei den Ciliaten oder Wimperinfusorien, den Infusorien im engeren Sinne, zahlreiche kleine Wimper- härchen, die die Körperoberfläche ganz oder stellenweise besetzen, sei es, wie bei den Flagellaten oder Geissei- infusorien, ein bis zwei an dem einen Körperpol sitzende lange Geisseihaare, durch deren schlagende Bewegung sie sich im Wasser fortbewegen. Scbalen- und Skelettbildungen dagegen spielen bei den Infusorien eine verhältnissmässig sehr geringe Rolle. Auf der anderen Seite stehen die Amöbinen, die Thalamophoren, die Heliozoen und die Radiolarien; es schliessen sich diese Gruppen zur anderen Haupt- abtheilung der Prdtozoen, zu den Rhizopoden oder Sarcodina Bütschli's zusammen. — Bei den Rhizopoden liegen die Verhältnisse gerade umgekehrt wie bei den Infusorien; die beiden Hauptabtheilungen der Protozoen ergänzen sich gegenseitig, indem in der Richtung, in der die eine Hauptabtheilung indifferent ist, die andere weit- gehende Differenzirung und hohe Ausbildung zeigt, und umgekehrt. Während der Körper bei den Infusorien, worauf soeben hingewiesen wurde, eine im Verhältniss hohe Differenzirung zeigt, sind die Weichkörper der Rhizopoden die undifferenzirtesten und primitivsten orga- nisirten Körper, die wir kennen. Der Körper eines Rhizopoden erscheint meist als ein Tropfen lebender Masse, an dem, vom Zellkern abgesehen, eine aus- geprägte Differenzirung von in specitischer Weise functio- nirenden Theilen meist nicht zu bemerken ist. Weder eine feste äussere Begrenzung, noch bestimmte Be- wegungsorgane, noch Mund- oder Afteröffnuug sind bei einem Rhizopoden vorhanden, sondern aus dem Körper- tropfen eines solchen fliessen bald an dieser, bald an jener Stelle Fortsätze hervor, wodurch der ganze Körper allmählich bald in dieser, bald in jener Richtung fort- fliesst. Zugleich werden hierbei im Wege liegende Nahrungskörper umflossen, wo es sich gerade trifft in den Sarcodekörper aufgenommen und ebenso die unver- wendbaren Reste an einer beliebigen Stelle des Körpers wieder ausgestossen. Bei den höheren Rhizopoden: vielen Heliozoen, den Thalamophoren und Radiolarien sind die Überflächenverhältnisse des Körpers etwas 466 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 39. andersartig, sind aber ohne weiteres als Modificationen des primitiven Befundes bei Süsswasserrhizopodeu er- kennbar. — Während dagegen Schalen- und Skelett- bildung bei den Infusorien wenig zur Geltung kommt, erreicht die Gerüstbildung bei den Rhizopoden eine Blüthe in Diiferencirung und Formenmannigfaltigkeit, wie solches in keiner anderen Organismengruppe wieder zu finden ist. Die Infusorien sind schon seit lange bekannt und sind seit den Tagen ihrer Entdeckung, seit den Beobach- tungen Anton von Leeuwenhoeks um die Mitte des 17. Jahrhunderts, Objecte allgemeiner Aufmerksamkeit, allgemeinen Interesses. Sie haben in der Geschichte der Naturwissenschaft von je her eine erste Rolle ge- spielt und die -mannigfaltigen über sie ausgeführten Beobachtungen und Untersuchungen sind ausserordentlich zaldreich. Auch über die zunächst interessirte Gelehrten- welt hinaus sind die Infusorien allgemein bekannt und somit populär geworden und Alles was dem blossen Auge verborgen, durch optische Hülfsmittel erkennbar im Wasser lebt und webt, wird in Laienkreisen schlecht- hin als „Infusionsthiere" bezeichnet. Der Grund hiervon wird einmal darin liegen, dass Infusorien in unseren süssen Binnengewässern überall, oft in grosser Menge, zu finden und daher leicht zu haben sind, und dann darin, dass die Infusorien durch ihre lebhafte Beweglichkeit Aufmerksamkeit und Interesse sofort auf sich lenken. In Bezug auf die Rhizopoden hat die Kenntniss und das allgemeine Interesse im Anfang weniger schnelle Fort- schritte gemacht, doch gewinnt der Gang der Rhizopoden- forschung dadurch ganz besonderes Interesse, dass mit ilnn eine Reihe allgemein biologischer Fragen in ihrem Auf- tauchen und ihrem weiteren Schicksal verwachsen er- scheinen, eine Bedeutung, die einmal in der hinter uns liegenden, der Geschichte angehörenden biologischen Forschung vorliegt, dann aber auch noch in der actuellen Forschung der Gegenwart und hier eher zu- als abzu- nehmen scheint. Im Folgenden werden wir uns der Auf- gabe widmen, den geschichtHchen Gang der Rhizopoden- forsehung in grossen Zügen zu zeichnen unter besonderer Berücksichtigung der allgemein biologischen Fragen, die sich mit ihm verwachsen zeigen und durch die er auf das grosse Ganze der biologischen Forschung anregend, befruchtend, in dieser oder jener Weise bestimmend ein- gewirkt hat. In der Geschichte der Rhizopodenforschung spielen in der ersten Zeit die Thalamophoren die Hauptrolle und zwar waren es hier, wenige Ausnahmen abgerechnet, ein Jahrhundert lang nur deren Schalen, die zur Beobachtung und Untersuchung kamen, gesammelt und beschrieben wurden. Es wird dies verständlich, wenn wir bedenken, dass Schalen abgestorbener Thalamophoren sich sowohl recent in universeller Verbreitung, und oft recht bedeu- tender Menge im Meeressande angesammelt, als auch fossü sehr häufig von den paläozoischen his in die jüngsten Formationen und in meist recht gutem Er- haltuuffszustand finden. Hi ,^^,.^,.,^^..^ ......^... .imgegen ertortlert die Auf- findung, Untersuchung und richtige Beurtheilung des lebenden Weichkörpers schon mehr Mühe, grössere Auf- merksamkeit und schärfere Untersuchungsmethoden. Die ersten Thalamophorenschalen, recente sowohl ans dem Meeressande als auch fossile, wurden beobachtet und beschrieben in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Beccarius, Breyn und Plauens. Diesen schlössen sich dann im Verlaufe des Jahrhunderts eine Reihe weiterer Forseher — , genannt seien Gualtieri, Leder- müller, Boys, Walker und Jacob, Batsch, Soldani, — au, die durch ihre Beiträge die Kenntniss der Formen und ihrer geographischen und geologischen Verbreitung mehr finden, wenn wir damaligen Zeit oder weniger förderten. In im Wesentlichen derselben Weise wurden die Forschungen auf dem Gebiete fort- gesetzt im Anfang des 19. Jahrhunderts durch Fiehtel und Moll, Montague, den grossen Naturforsclier Frank- reichs, Jean Lamarck, der, wie auf fast allen Gebieten der Biologie, so auch auf diesem klärend vorzudringen suchte, ferner Denys de Montfort, Blaiuville, Defrance und endlich den bedeutendsten Thalamophorcnforscher der damaligen Periode, Aleide d'Orbigny. Den Arbeiten aller dieser Forscher lagen aber, wie schon gesagt, nur die toten Kalkschalen der Thalamo- phoren zu Grunde; in Bezug auf Formen und Bau dieser waren die Kenntnisse schon ziemlich vollständige ge- worden, über den eigentlichen Baumeister aber dieser so formenreichen Gebilde, über den die Kalkschalen be- wohnenden lebenden Organismus war, schon volle hundert Jahre nach der ersten Auffindung der Schaleu, bis zu den Zeiten d'Orbigny's in den dreissiger Jahren unseres Jahrhunderts noch keine positive Kunde zur Geltung ge- bracht worden. Eine Ansicht hatte man sich aber in dieser Richtung gleichwohl schon gebildet, und zwar ver- muthete man in den Organismen der Thalamophoren- schalen Cephalopoden. Unserer Generation, für die die primitive Natur der Rhizopoden zum ABC der Biologie gehört, kommt es zunächst befremdend, Manchem viel- leicht lächerlich vor, als Bewohner von Rhizopoden- schalen die höchststehenden Mollusken angesprochen zu sehen, wir müssen es aber begrcifli uns einigermaassen in die .Situation der hineinzuversetzen versuchen. Andere Protozoen hatte man allerdings schon seit langer Zeit lebend kennen gelernt, besonders eben eine sehr beträchtliche Anzahl Infusorien, zugleich aber, wie' wir gleich noch sehen werden, auch schon verschiedene der primitiven Süsswasserrhizopodeu; auf den Gedanken einer verwandtschaftlichen Zuge- hörigkeit der Thalamophoren zu diesen Süsswasser- rhizopoden kam man aber begreiflicher Weise nicht und dann war ja die Lehre von der principiell einfachen Natur der heute unter dem Bewusstsein hiervon in einem Reiche der Protisten zusammengefassten Organismen im Gegensatz zu den mehrzelligen höheren Thieren und Pflanzen noch nicht vorhanden. Der Organismus der Thalamophorenschalen war überhaupt noch nicht bekannt, die Schalen, besonders die typischen spiralig eingerollten, zeigen aber ungemeine Aehnlichkeit mit Mollusken-, speciell Cephalopodenschalen; was kann es also Wunder nehmen und welchem der damaligen Forscher will man daraus einen Vorwurf machen, dass man die Thala- mophoren zu den Cephalopoden rechnete. Man könnte allerdings noch an die Grössenverhältnisse denken, aber auch dies fällt nicht so sehr ins Gewicht, wie man ge- wöhnlich anzunehmen pflegt. Mir liegt beispielsweise gisrade, eine Meeressandprobe von der Küste des rothen Sieeres vor, die massenhaft Thalamophorenschalen (Milio- liden und Peneroplis) enthält. In der Probe befinden sich unter Anderem auch noch winzige Schneckensehalen, die im Durchschnitt dieselbe Grösse besitzen wie die Thalamophorenschalen, stellenweise noch kleiner sind wie diese. Aber selbst wenn wir einmal von den kleinen Schneckenformen absehen und kleine Thalamophoren- schalen mit grossen Molluskenschalen vergleichen, so würde aus der constatirten Grössendifferenz alleine unseres Erachtens auch noch kein ausschlaggebender Grund gegen eine systematische Zusammengehörigkeit der in Betracht kommenden organischen Formen hervorgehen; denn Grössendifferenzen von gleicher und von beträcht- licherer Grösse sind innerhalb vieler als einheitlich aner- kannter Organismenabtheilungen bekannt, oder ist der Grössenunterschied zwischen den kleinsten winzigen Nr. 39. Naturwissenschaftliche Wochen.schrift. 467 Schnecken iiiul den grössten riesigen Cephalopoden, den wagenradgrossen Amnioniten, zwischen mikroskopischen Entoniostraken und grossen Hummern oder zwischen kleinsten einjährigen Gräsern mit fädchendünnen, 2 — B cm hohem Halm und den riesigen Bambusen der Tropen geringer anzuschlagen V — Die Cephalopodcnhypothese der Thalanio|)horenschalen war, wie wir bei näherer Ein- sicht in die Sacidage sollen, für den damaligen Stand der Forschung, der der Organismus der Thalamophoren- schalen noch unbekannt war, nicht schlecht begründet zu nennen, besser wie manche Lehre, die jetzt noch in der Biologie ihr Wesen treibt, und blieb denn auch bis in die dreissiger Jahre unseres Jahrhunderts in allgemeiner (leltung — , bis Dujardin durch seine epochemachenden Forschungen die thatsächliche Natur des Thalamophoren- itrganisnius klarlegte. Er zeigte, dass die Bewohner der Thalamophorenschalen keine Cephalopoden, überhaupt keine den höheren Thiereu analoge Organismen seien, sondern einfachste Lebewesen, deren ganzer Körper aus gleichartiger, undiflerencirter lebender, von ihm mit dem Namen Sarcode bezeichneter Masse bestehe, zähflüssiger Natur sei und bestimmte Organe eben so wenig wie äussere feste Formen besässe, kurz, er stellte die Natur der Thalamophoren im Grossen und Ganzen schon so fest, wie wir sie heute anzusehen gewohnt sind. Diese Ent- deckung Dujardin's war von enormer Tragweite und epochemachend im strengen Sinne des Wortes, indem durch sie die neue Periode der Rhizopodenforschnng in- augurirt wurde, in deren Verlaufe diese einfachsten Lebe- wesen, nachdem sie nun einmal als solche erkannt waren, immer mehr in den Vordergrund des wissenschaftlichen, modern biologischen Interesses gerückt wurden. Dieselbe einfache Körperbeschaffenheit hatte Dujardin ferner ausser für die Infusorien auch für die amoebinen Rhizopoden des Süsswassers festgestellt, wodurch die Erkenntniss der wichtigen Beziehungen der Thalamophoren zu diesen ihren primitiven Verwandten angebahnt wurde. Sü.sswasserrhizopoden waren neben den Infusorien, wie schon bemerkt, seit längerer Zeit bekannt geworden, nur war ihnen bisher keine allgemeine Aufmerksamkeit zu Theil geworden. Die unseres Wissens erste Amöbe wurde von August Johann Roesel von Rosenhof in dem 1755 erschienenen dritten Theil von dessen „monatlich herausgegebenen Insecten- Belustigungen" (S. 622 bis 623, Taf. 101) beschrieben. Der Nürnberger Miniaturmaler und Naturforscher giebt von seiner Entdeckung folgenden in mancher Hinsicht denkwürdigen Bericht: „Mein Pro- teus" (Rösel hatte seinem Organismus wegen dessen fort- währender Formveränderung den Namen „Proteus" ge- geben) „ist ein sehr kleines Thier, und ich habe selbiges in eben dem Wasser wo ich das Kugelthier gefunden, in ziemlicher Menge entdecket. Es hielte sich an der Seitenfläche des Glases auf, und weil es sieh, obwohl sehr langsam, gleich den Thieren von einer Stelle zur andern begab, und dabey immerzu seine Gestalt ver- änderte, muste es mir, da ich dieses Wasser mit Hülfie eines Vergrüsserungsglases betrachtete , nothwendiger Weise in die Augen fallen; sobald ich es aber berührte zog es sich gleich so zusammen, dass es die Gestalt einer Kugel bekam, und sodenn fiel es zu Boden. Ich brachte derselben eine ziemliche Menge zusammen, und sezte sie in einem Uhrgläslein unter das componirte Jlicroscopium. AVenn sie sich wie eine Kugel zusammen gezogen hatten, behielten sie diese Form, bis das Wasser wieder recht ruhig war, alsdenn aber fiengen sie an sich beständig zu verändern, und da wartete ich innner, ob sie denn keine gewisse Gestalt annehmen, fider mir etwas so einem Kopf, Füssen, oder einem Sciiwanz gliche, sehen lassen würden; alleine ich habe öttYers zwey bis drey Stunden nnt Beob- achtung derselben zugebracht, ohne dass ich etwas der- gleichen an ihnen wahrgenommen hätte. Endlich be- trachtete ich eines dieser Thiere allein, weil ich seine eigentliche ]5eschatfenlieit, auf diese Weise besser zu er- kennen hoffte, und da habe ich an selbigem folgendes be- merket. Es bestehet ein solches Thier aus lauter ungleich grossen, hellen und durchsichtigen Körnern, welche das- selbe beständig unter einander zu mengen seheinet, es mögen aber selbige durch diese Vermengung diese oder jene Form bekonmien, so ist der Umris um sie herum allezeit am hellsten, als ob sie eine besondere Einfassung hätten. Nachdem ich es eine Zeitlang als eine Kugel betrachtet hatte, stellte es sich mir in der Form der mit C" (die Buchstaben beziehen sieh auf die wunderbar natur- getreuen Abbildungen der bekannten Bewegungsphasen der Amöbe) „bezeichneten Figur dar, und sähe also einem dreyblätterigen Klee gleich, kaum aber war eine halbe Minute verflossen so sähe es wie D aus, bald darauf wurde es wie E länger, und mit dieser Verlängerung trieb es dasselbe so lange, dass es das Ansehen hatte, als würde es sich in zwey Thcile theilen, wie auch wirklich nicht lange darnach geschah, indem sich die beedeu Theile FF bei G trenneten. Nun hatte ich statt eines Thieres zweye, von welchen jedes bald wieder eine andere Gestalt annahm, wie H und J zeigen. Um mich nun l)ey meiner Beobachtung nicht zu irren, brachte ich diese beede Thiere von einander, unc(il)achtungen und gründliche Untersuchungen gefördert und entwickelt wurde die Sarcodclehre durch den deutschen Natur- forscher Max Sigismund Schult/.e, der unter Anderem in seinem 1854 erschienenen Hauptwerk „Ueber den Orga- nismus der Polythalamicn (Foraminiferen) nebst Be- merkungen über die Rhizopoden im Allgemeinen" auf Grund der Sarcodelehre die Kenntniss des Organismus unserer Khizopoden in klassischer Weise erleuchtete. Nicht minder bedeutend ist seine 1863 erschienene, an Umfang allerdings nicht grosse Schrift .,I)as Protoplasma der Khizopoden und der Ptlanzenzcllcn", in der er die Sarcodelehre in allgemeinerer Ausdehnung begründete. Der Kern der Sarcodetheorie sagt, dass der Körper der niedrigstehenden mikroskopischen Organismen, die man heute unter der Bezeichnung der Protisten zusammen- zufassen pflegt, aus undifterenzirter lebender Urmasse, Sarcode oder Protoplasma genannt, besteht, und dass dasselbe Protoplasma auch den Lebens- und Difteren- zirungserscheinungen aller höheren Organismen, der Thiere und Pflanzen, in letzter Linie zu Cirunde liegt: Durch die Sarcodelehre war also eine Einheit der Lebenserscheinungen in stofflicher Hinsicht, in Bezug auf ihr stotfliches Substrat dargethan. — üinnittelbar nach Begründung der Sarcodelehre durch Dujardin erstand eine andere, nicht minder wichtige Fnndamentallehre der modernen Biologie : die Zellenlehre. Schon längere Zeit vorher durch zahlreiche Beobachtungs- resultatc. in erster Linie auf botanischen-, dann aber auch auf zoologischem Gebiete allmählich vorbereitet, wurde sie im .Jahre 1838 von dem geistvollen, weitblickenden Jenenser Botaniker Jlatthias Jacob Scldeiden als all- gemeines Princip für die Pflanzen aufgestellt und ein Jahr darauf von Theodor Schwann für die Thiere verall- gemeinert. Die Zellenlehre giebt der Erkenntniss Ausdruck, dass sich alle Organismen, Pflanzen sowohl wie Thiere, aus im Princip gleichartigen, im Verbände des (Jrganismus durch Arbeitstheilung, entsprechend den verschiedenen den ein- zelnen zukommenden Functionen, mehr oder weniger difterenzirten, individualisirten Bausteinen, den Zellen oder, wie sie am trettcndsten von Ernst Brücke bezeichnet wurden, Elementarorganismen aufbauen; dass sie daher nicht als etwas durchaus Einheitliches, sondern als Com- plexe solcher Elementarorganisnien zu betrachten seien. Sarcodetheorie und Zellentheorie sind Schwestern, Seitenstücke, die sich gegenseitig ergänzen, die sowohl ihrem Wesen nach verwandt und zusammengehörig, als auch in ihrem historischen Entwickelungsgang eng mit einander verschlungen gewesen sind. Beide sind das Kcsnltat der Bestrebungen, die elementare Grundlage der vitalen Organisationen kennen zu lernen; jede von ihnen nimmt eine verschiedene Seite des Problems in Angritt": die Sarcodetheorie bringt uns über diese elementare Grundlage in Hinsicht auf den Stoff, auf ihre stoffliche Beschaft'enheit Aufklärung, die Zellentheorie hinsichtlich der P'orm; das in Bezug auf Stoft' und Form vereinigte Kcsultat beider ist der aus Sarcode bestehende Elementar- oi'ganisnuis, die Zelle. — Während die Sarcodetheorie in ihrer Entwiekelung von der Untersuchung der Protozoen, speciell unserer Khizopoden ihren Ausgang genommen hatte, um von hier auf die hriheren Thiere und Pflanzen übertragen zu werden, wurde umgekehrt die Zellentheorie auf dem Gebiete und in Bezug auf die höheren Organisationen aufgestellt und entwickelt und dann erst als bereits fertige Lehre an die Protisten herangebracht und auf diese übertragen. Das Verständniss hiervon ergiebt sich aus der Ueberlegung, dass die Sareode mit ihren charakteristischen Phänomenen gerade bei den primitiven Rhizopoden am klarsten zu Tage liegt, während man auf eine Unterscheidung von Formeinheiten doch nur da kommen kann, wo überhaupt eine Mehrzahl solcher Einheiten gegeben ist. — Die An- wendung der Zellentheorie auf die Protisten und mithin auch auf unsere Rhizopoden geschah durch den auf den verschiedensten Gebieten der Zoologie klärend und grund- legend thätig gewesenen Carl Theodor Ernst von Siebold. Unsere mikroskopischen Lebewesen ergaben sich hiernach als einzellige Organismen, als Lebewesen, in denen uns der Elementarorganismus der Zelle als selbständige Exi- stenz entgegentritt, was ihnen eine weitere Bedeutsamkeit verlieh. Durch die allgemeinhin anregende That Darwins wurde dann der alte Stott' des von der Biologie zu Tage geförderten Materiales in die neue Form einer neu und durchschlagend zur Geltung gebrachten Auffassungsweise gegossen, die weitere Forschung in neue Riehtungen ge- lenkt und durch neue leitende Ideen befruchtet. Ganz besonders machte sich der anregende Einfluss der modernen Entwickelungslehre auf dem unsere elementaren mikro- skopischen Lebewesen behandelnden Forschungsgebiete geltend, — und dies aus begreiflichen Gründen; wurden doch diese einfachsten Lebewesen durch die Anwendung des Gedankens einer historischen Entwiekelung zu den ursprünglichsten, historisch ältesten, genetisch ersten Lebensformen, eben toic nguiiiaioic, der wichtigen Orga- nismenabtheilung, nicht weit von der die organische Ent- wiekelung begonnen haben musste und aus der sich die Stämme der Pflanzen und Thiere entwickelt hatten. Ebenso wie die Entwiekelung der mehrzelligen höheren Organismen von einer einzelnen Zelle, der Eizelle, ihren Ausgang nimmt, so, schloss man, ist in der Geschichte der Lebewelt von den, selber in letzter Linie aus an- organischen Stoffen allmählich hervorgegangeneu, ele- mentaren einzelligen Protisten die Entwiekelung des weit- verzweigten Stammbaumes der höheren Pflanzen und Thiere ausgegangen. Demgemäss wurde durch die Ent- wickelungslehre für die Protisten ein neues erhöhtes wissenschaftliches Interesse geweckt und, da die Khizo- poden offenbar die indifferentesten und primitivsten Pro- tisten sind, so mussten gerade sie in Bezug auf die Fun- damentalfrage nach dem ersten Auftreten von Lebewesen in der Erdgeschichte, nach der Entstehung des Lebens und den Anfangsstadien der Entwiekelung der vitalen Organisation von besonderer Wichtigkeit erscheinen. Diesem Interesse für die Rhizopoden kam zunächst auf paläontologischem Gebiete ein merkwürdiger Fund entgegen. Man fand in der laurentischen Gneissformation Canadas, bald auch in entsi)rechenden Schichten des europäischen Confinents (in Bayern, Böhmen, Irland und Finnland), eigenthümliche knollige Gebilde, die man ihrer inneren Strnctur nach als die versteinerten Reste viel- kammeriger, vielleicht noch am ehesten mit den be- kannten Geschlechtern Nummulites und Polytrema ver- gleichbarer Thalamophorcnschalen ansprach. Vor allem vertrat diese Ansicht nnd fällt am meisten ins Gewicht W. B. Carpenter, als der bedeutendste neuere Thalamo- phorenforscher, ferner redeten der Rhizopodennatur der fraglichen Gebilde das Wort Dawson, Gümbel und Max Schnitze. Wenn diese Auffassung richtig war, lag die Bedeutung der in Rede stehenden Funde auf der Hand. Es wäre durch sie für die ältesten Schichten, in denen bisher noch keine Spur eines ehemaligen Lebens nach- 470 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 39. gewiesen werden konnte, der Nachweis organischer Reste und zwar, was eben besonders gut passte, gerade unserer Rhizopoden, erbracht. Im Bewusstsein dieser hohen Be- deutung taufte man den angeblichen Rhizopoden in poe- tischer Weise kanadisches Morgeurötheweseu, Eozoon canadense, ihn hierdurch als Zeugen jener unvorstellbar fernen dunklen Urzeit bezeichnend, in der das Morgen- roth der ersten Entwickelung des Lebens dämmerte. — Andererseits kamen jedoch eine Reihe anderer Forscher, von denen besonders King, Rowney und Karl Moebius zu nennen sind, auf Grund ihrer Untersuchungen des Eozoon zu einer entgegengesetzten Auffassung des fraglichen Ob- jectes, sprachen ihm organische Herkunft ab, erklärten es für rein mineralischer Natur und wiesen darauf hin, dass analoge mineralische Bildungen auch unter ver- schiedenen anderen Verhältnissen vorkämen. Der wissen- schaftliche Streit über das Eozoon wurde vom Jahre 1865, wo es zum ersten Male durch Logan entdeckt wurde, durch die sechziger und siebziger Jahre hindurch mit Eifer und unter dem allgemeinen Interesse der in Betracht kommenden Kreise fortgeführt, bis er dann allmählich er- schlaffte und einschlief: Man hatte alle Gründe, die sich für und wider ausfindig machen Hessen, hin und her er- örtert und wo es ging zur Anwendung gebracht, und ob- gleich schliesslich mehr gegen als für die organische Natur des Eozoon zu sprechen schien, konnte man doch für die eine oder die andere der beiden Ansichten de- finitiv entscheidende Erweise nicht herausbringen, neue verwerthbare Befunde konnte man dem fraglichen Ob jecte auch nicht mehr abgewinnen und so blieb denn jeder bei seiner Meinung und das Eozoon als Proble- maticum stehen, — Wie schon bemerkt, führt uns die vergleichend mor- phologische Betrachtung verbunden mit der Hypothese der Entwickelung dazu, die Protisten, als die einfachsten der uns bekannten Lebewesen, auch als die ältesten Typen zu betrachten. Unter den Protisten wieder sind die Rhizopoden am einfachsten*), und somit beschränkt sich das Interesse an der Rückwärtsverfolgung der hypo- thetischen Genealogie des Lebens weiterhin auf diese, und von den Rhizopoden endlich sind die nackten Süsswasser- amöben die einfachsten. Bei den primitiven nackten Öüsswasseramöben wird der ganze Körper augenschein- lich durch einen einfachen Tropfen lebender Masse, einen Sarcodetropfen repräsentirt und lässt ausser dem Zell- kern keine weitere Difterenzirung erkennen. Es würde sich nun weiter fragen, ob es nicht auch Rhizopoden gäbe, denen auch diese letzte Differenzivung, der Zell- kern, fehlte. Iqi Laufe der sechziger Jahre gelang es denn auch, in erster Linie dem Jenenser Naturphilosophen Ernst Häekel, ausser diesem noch einigen anderen For- schern, eine Reihe von Rhizopoden zu finden, bei denen sich kein Kern nachweisen Hess. Natürlich wurden diese Funde von selten der gerade damals in jugendlich stür- mischem Vorwärtsstreben befindlichen Entwickelungslehre mit Enthusiasmus aufgenommen, traten als primitivster, den Anfang der Genealogie der Lebewelt bezeichnender Typus in den Vordergrund des Interesses und wurden von Häekel in der Ueberzeugung ihrer fundamentalen Bedeutung 1866 in dessen „Genereller Morphologie" als Vertreter einer eigenen, an die Basis des hypo- thetischen Stammbaumes der Organismen gestellten Abtheilung der Moneren (d. h. der Einfachen) zusammen- gefasst. Differenzirt (von der elementaren Struetur des Proto- plasma selbst abgesehen, an die man aber damals kaum *) Von den Baktoiien, die in diiser llinsiclit nocli zu dis- cutiren wären, sehen wir hier ab. erst anfing zu denken; übrigens haben wir überhaupt die historische Skizzirung als solche im Sinne der Geschichte zu geben) waren diese Moneren nun nicht mehr, aber in- dividualisirt waren sie noch: Auch ein Moner wächst wie die anderen Rhizopoden bis zu einer bestimmten Körper- grösse heran, hierauf zerfällt es sich durch Theilung (halten wir uns der Einfachheit halber an diesen ein- fachsten bei Rhizopoden vertretenen Modus der Ver- mehrung, denn die Sporenbildung kommt für unsere Be- trachtung auf dasselbe hinaus) in zwei Tochterindividucn, bei denen sich, sobald sie die für die Art etwa charak- teristische Körpergrösse erreicht haben, derselbe Theilungs- vorgang wiederholt, und so fort. Die Fortpflanzung ist zu einem Theile ihres Wesens treffend als ein Waehs- tlium über das individuelle Maass hinaus bezeichnet worden; aber gerade dadurch, dass das Wachsthum über das individuelle Maass hinaus von einer Fortpflanzung, d. h. von einem Zerfall des ursprünglichen Individuums in eine Anzahl Tochterindividucn begleitet wird, wird bei dem einzelnen Individuum ein gewisses individuelles Maass der Grösse stets innegehalten, was auch bei den so häufig zum Vergleiche mit den Organismen heran- gezogenen Krystallen nicht der Fall ist. Wenn die Moneren auch nicht mehr differenzirt waren, so zeigten sie doch, ebenso wie die anderen Rhizopoden und wie alle übrigen Organismen überhaupt, eine nach äusserem Formtypus und Grösse bestimmte Individualität und hierin lag noch ein Hauptunterschied von anorganischen Körpern. Es sollte aber bald ein merkwürdiges Moner auf- gefunden werden, welches selbst dieses Unterscheidungs- merkmal nicht mehr besass. Auf der nordatlantischen Tiefsee-Expedition des Kriegsschiffes „Porcupine" im Jahre 1868 förderten zwei britische Naturforscher, der be- reits bei der Eozoonfrage erwähnte Rhizopodenforscher William Carpenter und der berühmte Meeresforscher Wyville Thomson lebendes undiflerenzirtes Protoplasma zu Tage, welches in plasmodiumartigen Netzen von un- bestimmter Erstreckung den Meeresboden überzog und das nach der Angabe der beiden Forscher die für die Sarcode charakteristischen strömenden und amöboiden Bewegungserscheinungen deutlich zeigte. Der englische Biologe Thomas Henry Huxley ül)erzeugte sich an cou- servirtem Materiale der betreffenden Bodeni)roben eben- falls von der protoplasmatischen Natur der betreffenden Massen und taufte das neu entdeckte denkwürdige Ob- ject Bathybius Haeckelii. Auch Häekel in Jena er- hielt eine Probe des conservirten Materiales zugeschickt, überzeugte sich ebenfalls von der Organismennatur des fraglichen Objectes und brachte mit bekanntem Feuer- eifer in Wort und Schrift sein für die Entwickelungslehre ja natürlich überaus wichtiges Pathenkind zur Geltung. In dem Batiiybius hatte man nun wirklich die einfachste Form des Lebens, die man sich denken konnte. Die Be- zeichnung als Lei)ewesen verdienten die formlosen, un- individualisirten Protoplasmamassen eigentlich gar nicht mehr, denn in dem Begriff des Lebewesens steckt der Begrift' des Individuums noch mit darin. Die in den öden dunkeln Tiefen des Oceans den Meeresboden über- ziehenden Protoplasmanetze waren die lebende Urmasse*) selbst, der Urschleim, den schon der Naturphilosoph Oken *) Das schöner klingende und so beliebte „lebende Ur- substanz" vermeide ich. — Einmal ist „Ur-" oder „Grund- substanz" ein nicht nur schwülstit; unschöner, sondern wohl auch fehlerhafter Pleon.asmus, nahe verwandt dem ebenfalls beliebten „Clrundprincip" oder ^ar „Gnindprincipien" und dann scheint uns „lebende Substanz" ein in sich widersprechender Ausdruck zu sein-, weshalb, können wir nach der Andeutung dem Nachdenken des Lesers überlassen. Nr. 39. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 471 als Ursprung;- des Lebens hingestellt hatte*); die Ur- niasse, in der das Leben in seinen ersten einfachsten Regungen hervortritt, mit der in der grauen Vorzeit unserer Erde die Entwickelung des Lebens seinen An- fang genonniien haben nnisste inid die, wie die wichtigen Funde Iclirten, auch jetzt noch in den Tiefen des (Jceans existirt und somit auch noch unserer Erkeuntniss zugäng- lich ist. — Leider sollte die wichtige Errungenschaft der Ent- deckung des Bathyljius nicht lange unangefochten bleiben. In den Jahren 1873 — 76 fand zur Erforschung des Meeres in ausgedehntestem Maassstabe die englische Expedition des „Challenger" statt. Es ist natürlich, dass diese Expedition bemüht war, den damals auf dem Höhe- punkt seiner Berühmtheit stehenden Bathybiusschleim wiederzutinden und so einer erneuten genauen Unter- suchung zugänglich zu machen, besonders da derselbe Wyville Thomson, der den Bathybius zuerst zusammen mit W. B. Carpenter aus dem nordatlantischen Oeean beobachtet hatte, an der Spitze der Expedition stand. Alle Bemühungen in dieser Hinsieht waren jedoch ver- geblich, man konnte keine Spur des Bathybius wieder nachweisen, hingegen drängte sich den Naturforschern des „Challenger" die Vermuthung auf, dass in der ehe- maligen Entdeckung des Bathybius ein Irrthum vorliegen könnte. Sie wiesen darauf hin, dass, wie es bei Conser- virung von dem Meere entnommenen Objecten in Alkohol stets zu geschehen pflegt, ein Theil des im Meerwasser gelöst enthaltenen schwefelsauren Kalkes durch Alkohol als feiner flockiger Niederschlag ausgefällt wird und dass dieser Niederschlag unter Umständen leicht den Anschein eines plasmodiumartigen Körpers besitzen und für einen solchen gehalten werden könne. Dieses C4utachten der Challengerforscher hatte zur Folge, dass zunächst Huxley selbst seine Ansicht in Bezug auf das von ihm als Bathy- bius in das Reich der Organismen eingeführte problema- tische Object zurückzog. Diesem Vorgehen des englischen Biologen schloss sich sehr bald die überwiegende Mehr- *) Es sei bemerkt, dass nach der Naturphilosophie Okens der lebende Urschleim in der Tiefe des Meeres seinen Ursprungsort nicht hat, sondern nach ihr „wurde der Urschleim und wird an denjenigen Stellen des Meeres erzeugt, wo das Wasser mit Erde und Luft in Berührung ist, also am Strande." Oken, Lehrbuch der Naturphilosophie, III. Aufl , Zürich, 1843, S. 152. Oken nimmt übrigens auch in der Geschichte der Zellen- theorie einen Platz ein, was bei dieser Gelegenheit Erwähnung finden möge. Wir setzen folgenden diesbezüglich charakte- ristischen Passus aus dem Vorwort der eben citirten 3. Auflage seines Lehrbuchs der Naturphilosophie, die ja gerade in den Jahren erschien, als die Zellentheorie allgemein zur Geltung kam, her: „Meine Lehre, dass alle organischen Wesen aus Bläschen oder Zellen entstehen und bestehen, habe ich zuerst aufgestellt in meinem Buch : von der Zeugung. Frankfurt bey Wesche, 1805, 8". (Uns liegt vor ein Buch von Oken betitelt: „Die Zeu- gung" (folgend als Titelvignette zwei sich gegenseitig spiralig umwindende, sich in den Schwanz beissende, einen Kreis bildende Schlangen) „von Dr. Oken. Bamberg u: Wirzburg bei Joseph Anton Goebhardt. 1805." Oktavformat. — Wir wisisen nicht, wie es sich mit dieser Sache verhält. Sollte vielleicht einer der Leser darüber Auskunft geben können?) Diese Bläschen vereinzelt und in ihrem ursprünglichen Entstehen betrachtet sind die infusoriale Masse oder der UrSchleim, woraus sich alle grössern Organismen gestalten. Ihre Erzeugung ist daher nichts anderes als eine ge- setzmässige Zusammenhäufung von Infusorien; natürlich nicht von schon fertigen Gattungen, sondern von Schleimbläschen oder Schleimpunkten überhaupt, welche sich erst durch ihre Vereini- gung zu besondern Gattungen bilden. Diese Lehre von den ür- bestandtheilen der organischen Masse ist nun allgemein anerkannt, und ich brauche daher zu ihrer Vertheidigung nichts beizufügen." — Die Anschauung Okens ist übrigens im Einzelnen nicht ohne weiteres mit unserer Zellenlehre zu identificiren. Um sie spe- eieller zu charakterisiren, müssten wir jedoch in die Naturphilo- sophie Okens näher eingehen, was hier nicht unsere Sache sein kann, schon deshalb nicht, weil wir uns nicht eine Zeichnung speciell der Geschichte der Zellenlehre zur Aufgabe gemacht hatten. zahl der Naturforscher des Coutinents an, der Bathybius wurde allgemein als eine der Forschung untergelaufene Täuschung ])reisgegeben und obgleich inzwischen der Nordpolfahrer Emil Hesseis angab, an der Küste von Grönland wieder einen Bathybius eonstatirt zu haben, wollte man nicht mehr an diesen glauben. Der einziger, der sich des Bathybius noch ernstlich annahm, war Ernst Haeekel, und es nniss zugegeben werden, dass die Gründe, die er zu dessen Gunsten geltend machte, an sich Berechtigung besassen. Haeekel betonte, dass ein- mal daraus, dass der Challenger, der ja die nordatlan- tischen und arktischen Regionen nicht berührte, keinen Bathybius gefunden hatte, nicht zu schliessen sei, dass dieser überhau])t nicht existire und speciell , dass er in den nordischen Mecrespartien, wo Thomson, Carpenter und Bessels ihn gefunden haben wollten nicht vorkomme, und zweitens nicht geschlossen werden dürfe, dass, da nach Zusatz von Alkohol in Meerwasser ein Gypsniederschlag entstehe, der unter Umständen gewisse Aehnlichkeit mit amöboidem Protoplasma zeigen könne, auch der von den drei Forschern „lebend", in frischen an Ort und Stelle vom Meeresboden heraufgeholten, noch nicht mit Alkohol in Verbindung gebrachten Proben beobachtete Bathybius ein Gypsniederschlag gewesen sei. Stichhaltig für eine Entscheidimg der Bathybiusfrage in positivem Sinne konnten diese Gründe aber doch nicht sein, denn in erster Linie ist es nicht Sache der kritischen Wissen- schaft, eine neue Aufstellung zu widerlegen, sondern der diese Aufstellung einführenden Partei, sie genügend be- weiskräftig zu erhärten und dies konnte die Bathybius- partei nicht. Es half also alles nichts, man war einmal misstrauiseh geworden, neue, unanfechtbare Kunde von dem })roblematisehen Urwesen wurde nicht mehr gebracht, und so fiel der Bathybius demselben Schicksal anheim wie das Eozoon: seine Angelegenheit schlief im Laufe der Jahre ein und ruht jetzt, nur selten einmal hervor- gezogen, in den Acten der Geschichte der Biologie. Jedoch auch die Moneren als solche sollten mehr und mehr in Frage kommen. — Bei einer ganzen Anzahl von Organismen, bei denen man seiner Zeit keinen Kern fand, wurde bei erneuter Untersuchung mit den ausserordentlich vervollkommneten technischen Hülfsmitteln der Neuzeit ein Kern oder eine Anzahl von Kernen eonstatirt und die Existenz von Organismen, denen thatsäehlich jede Kern- bildung abgeht, wird immer zweifelhafter. Haeekel, gegen diese drohenden Verluste ankämpfend, sagte (Das Protistenreich, Leipzig 1878, S. 84/85) unter anderem: „Gerade diese allgemeine Bedeutung der Mo- neren für die Lösung der grössten biologischen Räthsel ist es, welche sie zu einem besonderen Steine des An- stosses und Aergernisses für die Gegner der Entwickelungs- lehre macht. Natürlich benutzen die Letzteren jede Gelegen- heit, ihre Existenz zu bestreiten, ähnlich wie es auch mit dem berühmten Eozoon canadense geschah, jener viel- bestrittenen ältesten Versteinerung der laurentischen For- mation. — Aber gerade wegen der ausserordent- lichen principiellen Bedeutung des Eozoon, weil dadurch die Zeitdauer der organischen Erdgeschichte um viele Millionen Jahre hinaufgerüekt, die uralte silurische For- mation als verhältnissmässig junge erkannt und so der Entwickelungslehre ein grosser Dienst geleistet wird, gerade deshalb fahren die Gegner der letzteren fort, un- beirrt*) zu behaupten, dass das Eozoon kein organischer Rest, sondern ein Mineral sei. Wie aber die hohe Be- deutung des Eozoon durch diese fruchtlosen Angriffe un- kundiger Gegner erst recht in ihr volles Licht gesetzt worden ist, so gilt dasselbe auch von den Moneren — *) „unbeirrt", seil, also durch die Erregung der Interessen- partei? Das war doch aber ganz gut? 472 Natiirwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 39. mit oder ohne Bathybius! Die echten Moneren bleiben ein fester Grundstein der Ent\viciieiuni,^siehrc!" — Eine charakteristische Probe aus der Sturm- und Draugperiode, in die die Bioh)gie in Deutschland durch Darwin ge- rathen war. Der entschlossene Parteiführer der „mo- dernen Entwickelungslehre" stellt die Kritiker des ihm so willkommenen Eozoon, des Bathybius und der Moneren als Dunkelmiumer hin, denen diese Funde, weil sie deren allgemeine Bedeutung für die Lösung der grössteu bio- logischen Räthsel sehen, Steine des Anstosses und Aerger- nisses sind. Andererseits betont er, dass durch diese fruchtlosen Angriffe unkundiger Gegner die Objecte des Angriffs erst recht in ihr volles Licht gesetzt werden. — Der Austausch wissenschaftlicher Ditferenzen war in dieser Periode des stürmischen Darwinismus mehr in den Charakter fanatischen Partei- und Glaubenskampfes über- gegangen. Wenn aber auch Eozoon, Bathybius und die Moneren seiner Zeit mit Begeisterung als werthvolle, im strengen Sinne des Wortes fundamentale Bausteine zur morpholo- gisch-historischen Construction der hypothetischen Genea- logie des Lebens herangezogen, die ersteren beiden so gut wie hinfällig, die letzteren mindestens sehr fraglich geworden sind, so müssen wir doch der Strömung der damaligen Zeit, die durch das jugendlich stürmische Vorwärtsstreben der eben erstandenen Entwickelungslehre bestimmt wurde, Rechnung tragen und den sich aus ihr ergebenden Bestrebungen Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Die Rhizopodeu waren als die einfachsten Or- ganismen erkannt worden, man hatte also auch vom morphologisch-historischen Standpunkte aus das Recht, sie als die ältesten anzusehen: als eine willkommene Stütze dieser Ansicht wurde das Eozoon der laurentischen Ursedimente begrüsst. Ebenso war es nicht übel gedacht, die Abstufung der Organisation von den die letzte augen- scheinliche Dift'erenzirung des Kerns besitzenden primi- tivsten Rhizopoden aus abwärts zunächst zu völlig un- differenzirten aber noch individualisirteu Moneren fort- zusetzen, und von diesen endlich zu der unindividualisirten lebenden Urmasse des Bathybius. Doch war es nicht ün- kunde und reactionäre Missgunst, von der die Kritik an den hier in Frage kommenden Objecten herkam, sondern die eifrige Jüngerschaft Darwins griff sie deshalb so lebhaft auf und vertheidigte sie so eifrig, weil sie so gut in das aus dem Darwinismus erwachsene Naturbild liinein- passten. Der menschliche Geist, stetig bemüht, sich ein einheitliches Weltbild denkend - forschend zu er- arbeiten, meint ol't, freudig erregt, ein wichtiges Stück vorwärts gebaut zu haben, um doch in der Folge von der Thatsachen-Sphinx mit eherner Strenge zurückgewiesen zu werden. Dies ist ein in der Natur der Sache liegen- des Schicksal menschlicher Forschungsarbeit. Der vergleichend morphologischen Betrachtung stellt sich die Abtheilung unserer Rhizopoden so dar, dass von der verhältnissmässig kleinen Gruppe der primitiven in- ditt'erenten Süsswasserrhizopoden nach zwei Richtungen zwei Haupttypen zur Entfaltung kommen, die ihre Haupt- verbreitung im Meere finden, nur eben mit ihren ein- facheren Vertretungen noch im Süsswasser zu finden sind. Auf der einen Seite führt eine Gruppe von Süsswasser- rhizopoden zu der einen Hauptabtheilung der marinen kalkscbaligcn Thalamophoren, auf der anderen Seite führt ein Gruppe von Süsswasserrhizopoden, die in der Regel als eine besondere Abtheilung der Hcliozoeu be- trachtet zu werden pflegt, zu der anderen Hauptabtheilung der marinen, nie kalk-, zum grösseren Tbeil kiesel- schaligen Radiolarien. Bisher ist in unserer historischen Skizzirung nur von der einen der beiden typischen Haupt- gruppen die Rede gewesen; bei der anderen, durch den Radiolarientypus charakterisirten Hauptgruppe haben wir die auffallende und geschichtlich bemerkenswerthe Er- scheinung, dass ihre eigentlich systematische Erforschung erst vor verhältnissmässig sehr kurzer Zeit, vor etwa 50 Jahren begonnen hat. Der Grund für diese Er- scheinung wird zum Theil darin zu sehen sein, dass die Radiolarien im Grossen und Ganzen bedeutend kleiner sind, wie die Tiialamophoreu und so der Beobachtung leichter entgehen, dann darin, dass die Radiolarien nur entweder pelagisch auf hoher See oder in den Tiefen des Meeres zu finden sind und paläontologisch, wenn auch, wie sich immer mehr herausstellt, keine geringe Rolle spielen, so doch weniger augenfällig hervortreten. Zu den Radiolarien hinüberfuhrende Süsswasser- rhizopoden, Heliozoen, waren mit anderen Süsswasser- rhizopoden zusammen allerdings schon früher bekannt geworden, aber immerhin stammt die erste unzweifelhafte Kunde von Heliozoen doch erst aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts. Die ersten Beobachtungen von Radiolarien im engereu Sinne beziehen sich hauptsächlich auf die koloniebildenden Typen, was sehr begreiflich ist, da die sogenannten Qualster derselben einmal selbst eine be- trächtliche Grösse besitzen und dann an der Oberfläche des Meeres zu den häufigsten Erscheinungen gehören und stellenweise massenhaft vorkommen. Die ersten Radio- larien dürften wohl im Anfange unseres Jahrhunderts von Tilesius und dann von Baird beobachtet worden sein. Ferner beobachtete Meyen auf seiner Reise um die Erde 1832 — 1834 einige koloniebildende Radiolarien. Es sind dies jedoch nur vereinzelte Beobachtungen, die seiner Zeit zu keiner weiteren Geltung kamen. Die ersten um- fangreichen, als Anfang einer eigentlichen Radiolarieu- forsehung in Betracht kommenden Forschungsergebnisse verdanken wir Ehrenberg. Ebenso wie Thalamophoren- schalen so beschrieb Ehrenberg auf Grund seiner Unter- suchung des verschiedensten fossilen und recenten Materials eine ansehnliche Menge von Radiolarienschalen; am er- giebigsten war und sei deshalb besonders erwähnt ein von dem Reisenden Robert Schomburgk auf der Antillen- insel Barbados entdecktes und dem Berliner Naturforscher in Proben übermitteltes tertiäres Gestein, das der Unter- suchung dieses nicht weniger als 282 Formen lieferte. Wie bei den Thalamophoren, so beziehen sich jedoch auch bei den Radiolarien die Untersuchungen Ebrenborg's nur auf die leeren Schalen und in Bezug auf die Or- ganisation war seine Ansicht ebenso irrig voreingenommen und wurde auch späterhin ebenso eigensinnig behauptet, wie bei den ültrigen von ihm untersuchten Protisten. Es wird in dieser Hinsicht genügen, als Curiosum anzuführen, dass Ehrenberg noch zuletzt, im Jahre 1875, also 13 Jahre nach dem Erscheinen von Häckels Radiolarienmonographie, zu einer Zeit, wo unsere Rhizopodenabtheilung liereits richtig erkannt und gut bekannt war, die Radiolarien im System zu den Holothurien stellte! — Die Erforschung des Organismus der Radiolarien beginnt erst am Anfang der fünfziger Jahre mit der Arbeit, die Huxley unseren Rhizopoden widmete. Die Forschung Huxley's legte den Grund zu dem richtigen Verständniss des Radiolarien- organismus; besonders erwähnt sei, dass Huxley es war, der die Radiolarien zu den einzelligen Protozoen Siebold's stellte. Weiter wurde dann die Radiolarienforsclmng ge- fördert durch Johannes Müller, dessen Vermäcbtniss in dieser Hinsicht von seinem Schüler Ernst Haeckel über- nonmien wurde. Haeckel hat in der Radiolarienforschung vom Beginn der sechziger Jahre an bis jetzt die hervor- ragendste Stelle eingenommen. 1862 erschien seine Radio- larienmonographie, in der er die Resultate seiner am Mittel- meer unternommenen Untersuchungen zusammen mit den bereits vorliegenden Ergebnissen zu einem einheitlichen Nr. 39. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 473 Gesamnitbild der Ebizopoda radiaria verarbeitete, vvo- (Inrcli die Kadiolarien zu einer im Verliältiiiss zur da- nialis'eii Zeit .nut f;-eliannteii Protistenalithciluiii;' erhoben wurden. In den folgenden Jaln-zelmtcn wurde dann die Kcnutniss der Kadiolarien von einer Reibe von Forschern in verschiedcntlicher Hinsicht gefördert. So das ver- gleieiicud inor|ilio!ogisebe Verständniss des Skelettbaues dureli lUitscidi, der ausserdem in seiner Uearbeitung der Protozoen in Bronn's Klassen und Ordnungen des Tbier- reichs eine zusammenfassende Darstellung und griindlielie, manche eigene neue Forscbungsresultatc enthaltende Ver- arbeitung unseres Wissens von den Radiolarien gab. Brandt und Cienkowsky bereicherten und vertieften unser Verständniss der Organisations- und Lebenserscheiuungen der Kadiolarien und Stöhr, Zittel und Kiist förderten die Paläontologie unserer Rhizopodenabtbeilung. Die grössten Verdienste um die Kadiolarienforschnng in der Zeit nach der ersten Kadiolariennionographie Haeekels hat sich wohl Richard Hertwig, ein Schüler dieses wiederum, er- worben. Hertwig hob die Kenntniss der Organisation der Kadiolarien auf eine Stufe, auf der sie im Grossen und Ganzen heute noch steht. Der grösste Fortschritt in der Gerüst* miorphologie ist endlich aus der neuesten Zeit zu verzeichnen. Die von England aus in grossartigem Maassstabe unternommene und durchgeführte Forschungs- *) „Gerüst" als „Schale" und „Skelett" umfassender Begriff gebraucht. expedition des „Challenger" war inzwischen zurückgekehrt und die von ihr mitgebrachten Radiolarienschätze wurden llaeekel zur Bearbeitung ül)ergeben. Haeckel gab sich zehn Jahre lang, von 1876-1886, der Bearbeitung dieses überreichen Materiales hin, um uns dann durch diese seine zweite Radiolaricnmonograpbie mit einem wahrhaft märchenhaften Formenreichthum dieser wunderbaren Rhizo])oden bekannt zu maclien. Den bis dabin be- kannten 810 Formen fügte er 3508 neue Formen hinzu, so dass die Kliizdpodenabtheilung der Radiolarien, vor 50 .Jahren noch kaum bekannt, nunmehr 4318 Formen aufweisen konnte. In ihrer Art vielleicht nicht minder fruchtbringend war die Bearbeitung des Challenger- materiales für die Schwesterabtheilung der Thalamophoren durch Henry B. Brady. .Jedoch nicht nur die auf die Challengcrbearbeitung folgende Forschungszeit, sondern auch schon diese Bearbeitung selbst*) gehört nicht mehr resp. noch nicht der Geschichte au, sondern der actuellen Forschung, womit die Schwelle des Gebietes, das zu durchwandern wir uns vorgenommen hatten, schon über- schritten wäre. *) Mau lese aus unseren Worten über die Challengerbearbeitung nicht mehr heraus, wie sie sagen. Es ist dies nur so viel, wie zur Mai-kirung der Challengerbearbeitung als der Grenzstation unseres Betrachtungsausflugs hinreicht und nicht mehr, als wir ohne Weiterführendes, das uns ja eben über unser Gebiet hinaus- führen würde, verantworten können. Ueber den feineren Bau des Centralnervensystems. — üeber den Ablauf der geistigen Processe im Gehirn sind wir noch völlig im Unklaren. Wir kennen einzelne specielle Functionen des Gehirns, die an bestimmte Centra der Ilirnmasse gebunden sind, z. B. den Sitz des Sprach- und Selivermögens, den Ausgangspunkt für die Be- w-egungsimpulse gewisser Muskelgruppen (Arm, Bein) u. s. w. Ai)er die Leituugsbahnen, welche zu diesen bekannten Centralorganen führen, liegen uns nicht klar vor Augen und vollends unbekannt sind uns die Wege, auf denen sich die allgemeinen Processe des Denkorgans, die Emptindungen und Gedanken, vollziehen. Jahrzehnte hindurch ist die Vorstellung giltig gewesen, dass unser Centralnervensystera (Gehirn sowohl wie Rückenmark) ein .System von netzförmig unter einander verliundenen Zellen darstelle, auf welche von der Peripherie (Haut und .Sinnesorgane) her durch die sensiblen Nervenfasern Empfindungen übertragen und von denen aus durch die motorischen Nerven Bewegungsimpulse auf die Muskulatur fortgeleitet werden. Diese Grundanschauung ist in den letzten Jahren durch eine Reihe sehr gründlicher ana- tomischer Arbeiten, an denen fast alle europäischen Nationen ihren Antheil haben, erschüttert worden, und wir haben über den Bau des Centralnervensystems eine andere Auffassung gewonnen, welche auch zu einer andersartigen Betrachtung der physiologischen Vorgänge im Centrainervensystem zwingt. An diese Auffassung knüpfen ja schliesslich alle psychologischen Probleme an und deshalb muss sie Allgemeingut in unserer Vorstellung werden, wie es zuvor das jetzt als falsch erkannte Bild war. Durch die neueren rntersuchungen ist dieses Bild, das wir uns von dem Betriebe unseres Nervensystems zu machen haben, noch complicirter geworden, als es schon war. Nur eine Skizze in groben Zügen soll deshalb in dem Folgenden dem Leser dargeboten werden. Zum Verständniss des Neuen ist es aber unbedingt uothig, erst das Alte noch einmal kurz auseinanderzusetzen. Den Grundstock in dem nervösen Gewebe des Centralnervensystems bilden die sogenannten Ganglien- zellen (Nervenknötchen). Sie sind von dem bekannten Berliner Naturforscher Ehrenberg zuerst im Rückenmark, von dem Breslauer Anatomen Purkinje im Gehirn ge- sehen worden. An diesen Zellen, den grössten, welche es im thierischen Körper giebt, hat man schon von jeher einige faserförmige Ausläufer gesehen, ohne iln-e Be- deutung zu erkennen. Remak entdeckte bei den Wirbel- thiereu, Helmholtz bei den wirbellosen Thieren, dass diese Ausläufer thcilwcis Nervenfasern sind. Man lernte dann unipolare, bipolare und multipolare Ganglienzellen je nach der Anzahl ihrer Fortsätze kennen. Ueber den Zusammenhang der Ganglienzellen untereinander hat zuerst Deiters in Bonn Aufklärung gebracht. Er wies nach, dass man in allen Ganglienzellen des Central- nervensystems zwei Arten von Ausläufern unterscheiden kann: 1. sogenannte Axencyliuderfortsätze, welche zu Nervenfasern werden, 2. mehrere Protoplasmafortsätze, welche sich reich verästeln, ohne mit einer Nervenfaser in Verbindung zu treten. Ihr Eudschicksal ist Deiters unbekannt geblieben. Erst J. v. Ger lach in Erlangen bat ein übersichtliches Jjild des Baues des Centralsystems entworfen. Aus dem Axencylinderfortsatz der Ganglien- zelle bilden sich die motorischen Nervenfasern, welche als sogenannte vordere Wurzel aus dem Rückenmark herauskommen. Die sich fein verästelnden Protoplasma- fortsätze bilden dagegen unter sich ein Netzwerk, aus welchem diejenigen sensiblen Nervenfasern entspringen, welche als sogenannte hintere Wurzel in das Rückenmark eintreten. Diese Structurvcrhältnisse sind noch klarer hervorgetreten, seitdem man mit dem vom Prof. Weigert in Frankfurt a. M. angegebenen Färbeverfahren die Nervenfasern schärfer kenntlich macheu konnte. Ver- besserte Methoden zur Härtung und Zerlegung von Gehirn und Rückenmark sowie für die mikroskopische Färbung halten nun in den letzen Jahren einen noch viel genaueren Einblick in den xVufbau des Centralsystems eröffnet, der uns Aussichten auf ganz unerwartete Aufklärungen bringt. Folgenden Forschern haben wir hauptsächlich die er- weiterten Kenntnisse zu danken: Camilla Golgi in Pavia, Ramon y Cajal in Barcelona; Wilhelm His in Leipzig; Albert v. KöUiker in Würzburg; Gustav 474 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 39. Retzius in Stockholm; Joseph v. Lenhossek in Buda- pest; van Gehuchten in Gent und schliesslich Wal- deyer in Berlin. Erwähnung verdient dabei noch, dass Forel in Zürich die alte Anschauung, dass das Nerven- system ein Netz von ineinander übergehenden Fasern dar- stelle, schon vor Jahren durch theoretische Erwägungen als falsch bezeichnet hat. Auf die verbesserte Technik der Untersuchungen der genannten Forscher kann hier nicht näher eingegangen werden; nur ihre Ergebnisse sollen im Wesentlichen mitgetheilt werden. Golgi sah Anfangs der 80er Jahre an seinen Präparaten, dass die Protoplasmafortsätze der Ganglienzellen untereinander garnicht ein Netz bilden, wie seit von Gerlach aligemein angenommen worden ist, sondern in dem sogenannten Gliagewebe, dem Grundsatz der Nervenmasse, frei endigen. Den gleichen Nachweis brachte Ramon y Cajal 1889 für die Axencylinderfortsätze der Ganglienzellen.*) Da- durch hat denn die Ganglienzelle den Charakter eines selbstständigen Organismus bekommen, der für sich eine Nerveueinheit darstellt, welche die Grundlage des ner- vösen Lebens ist. Waldeyer hat eine solche Nerven- einheit mit dem Namen „Neuron" bezeichnet. Es besteht also keine Gontinuität der Nervenfasern innerhalb des Nervensystems, sondern Letzteres setzt sich aus zahllosen, von einander getrennten Zellenbezirken zusammen. Die Ausläufer der Ganglienzellen bilden kein Netzwerk mit- einander, sondern verflechten sich nur zu einem dichten Filz und zwar umspinnen immer die Axencylinderfortsätze eines Neurons die Protoplasmafortsätze eines anderen. Es hat also keine unmittelbare Verbindung statt, sondern nur ein Contact. Der Nervenreiz springt wie ein elektri- scher Funken von dem einen freien Ende eines Ganglien- zellenfortsatzes auf das andere über. Man hat sich nun also z. B. die Entstehung einer Bewegung so zu denken: Ein Neuron trägt den empfangenen Reiz durch einen seiner Axencylinderfortsätze zu den Protoplasmafortsätzen eines zweiten Neurons und von diesem aus geht der fleiz auf den Axencylinderfortsatz über, welcher zum Muskel führt und diesen zur Contraction bringt. Wie zur Auslösung von Bewegungen, gehören zur Erregung von Empfindungen stets zwei Neuroneugebiete: das eine bildet den Anfangspol, das andere den Endpol der Kette oder des Stromes, auf denen sich der Nervenreiz fortpflanzt. Einer der beiden Pole Hegt immer in der Peripherie, der andere in dem Centralorgan. Auch die psychischen Functionen kommen in der Hirnrinde wahrscheinlich in der Weise zu Stande, dass die Zelle eines gewissen Gebietes der Hirnrinde ihren Nervenfortsatz zu einer andern schickt, wo derselbe die hier liegenden Protoplasmafortsätze der Zelle um- spinnt. Auch die beiden Hemisphären des Hirns stehen durch solche contactartige Verbindung der Neurone im Zusammenhang. Das Neuron stellt nicht nur eine anatomische, sondern auch eine physiologische Einheit dar. Die neue Lehre verspricht auch für die Pathologie des Nervensystems Aufklärung zu bringen. Es ist bisher allerdings noch nicht festgestellt, ob ein Neuron zu functioniren aufhört, sobald einer seiner Bestandtheile zu Grunde gegangen ist, oder erst dann, wenn ihr Haupt- bestandtheil, die Ganglienzelle, zerstört ist. Um hierüber Klarheit zu verschaffen, wird nun das Nervensystem in patiiologischen Fällen nach dem neugewonnenen Gesichts- punkt noch einmal ganz von vorn anfangend, durch- forscht werden müssen. Anfänge dazu sind schon bei einigen wichtigen Erkrankungen des Centralnervensystems z. B. der Rückenmarksschwindsucht gemacht worden. Es besteht schliesslich die Hoffnung, dass die neue Lehre endlich Aufklärung über die Veränderungen des Nerven- Vergl. Natiirw. Woclieiischr. Band VIII. Seite 520. Systems bei Geisteskrankheiten bringt, das man nach den bisherigen Untersuchungen meist ganz intact fand. Es kommt auf die richtige Präparation der Nervenmasse an, um Veränderungen derselben sichtbar zu machen. Man hat bisher z. B. die Aufmerksamkeit mehr auf die Nerven- fasern als auf die Zellen gerichtet. Wahrscheinlich aber leiden Letztere zuerst bei psychologischen Erkrankungen und erst hinterher gehen ihre Fortsätze zu Grunde, womit denn die contactartige Verbindung der Neurone unter- brochen ist und die Gedankcnassociation Sprünge macht und auf Abwege geräth. Kreislaufs- oder Ernährungs- störungen können den Veränderungen der Zellen zu Grunde liegen. Auf die weitereu Einzelheiten der neuen Lehre einzugehen, ist hier nicht der Platz. Nur die eine wichtige Entdeckung sei noch mitgetheilt, dass man auch an den Axencylinderfortsätzen der Ganglienzellen, die bisher als nnverästelt galten, Nebenästchen beobachtet hat, die als „Collateralen" bezeichnet werden. Während man früher glaubte, dass diese Nervenfasern unmittelbar in die motorischen Ganglienzellen der Vorderhörner des Rückenmarks endigen, weiss man jetzt, dass sie dieselben auch nur mit einem zarten, frei anslaufenden Geäst um- spinnen. Eine offene Frage ist es noch, ob es in der Nervenmasse neben Zellen und Fasern wirklich noch eine formlose Zwischenmasse giebt, wie man bisher an- genommen und die man als Gliagewebe bezeichnet hat. His hat allerdings die Ueberzeugung, dass jede von einem Fasersystem auf ein anderes übergehende Erregung erst diese Zwischenmasse passiren muss. Selbst wenn dies der Fall ist, behält das einzelne Neuron (Zellenterritorium) doch seine Einheit und Unabhängigkeit. Nach der neuen Anschauung verliert die Nervenfaser an Bedeutung für die Function des Nervensystems, sie darf uns nicht mehr als Element gelten, sondern nur als Theil eines solchen; sie anastomasirt nicht mit anderen Elementen, sondern steht mit ihnen nur durch den Contact ihrer baumförmigen Endäste in Verbindung. Das Bild der Nervenmasse ge- winnt einen viel complicirteren Anblick als bisher: nach allen Seiten strahlen die Zellen ein fast nicht überseh- bares Gewirre von sehr langen und feinen Fortsätzen gleichsam wie Polypenarme aus. Dieses Gewirr von Fäden war es, das früher ein Netz vorgetäuscht hat, aber nur ein Filz ist. Als das Nervenelement gilt jetzt die Zelle mitsammt allen ihren Fortsätzen und Ver- ästelungen. Das Bild, das wir jetzt von dem mikroskopi- schen I5au des Nervensystems gewonnen haben, zeigt uns ein früher nicht geahntes, allseitiges Ineinandergreifen der nervösen Elemente. Dabei bewahrt aber ein jedes seine Selbstständigkeit und Individualität, und wir gewinnen eine freiere Auffassung der im Nervensystem ablaufenden Vorgänge, die bei der Vorstellung einer netzartigen Ver- bindung der Nervenelemente bisher in vorgeschriebenen Bahnen sich zu vollziehen schienen. Die neue Erkenntniss bedeutet einen erheblichen Fortschritt in der Analyse der psychischen Thätigkeiten. Dr. A. BHtzbeobachtuiigen am Washington-Obelisken. — Die Gewitterkunde darf sich eine erhebliche Förderung von den interessanten Beobachtungen versprechen, welche Professor Alexander McAdie, von dem vereiusstaat- lichen Wetterbureau, in dem laufenden Sonnner in An- knüpfung an den grossen Washington-Obelisken begonnen hat, und welche derselbe hoffentlich eine längere Reihe von Jahren hindurch fortsetzen wird. Das fragliche Denkmal, das l)ekannfliph unter den menscbliciien Bauwerken an Höhe (169 m) nur dem Pariser Eifeltliurme nachsteht, und das nicht blos alle Bauten der Stadt Washington, sondern auch alle natürlichen Anhöhen des Columbia-Distriktes Nr. 39. NaturwissenBchaftliche Wocbciischrift. 475 überragt, liat sicli von Anbes'inn als ein besonderer I>ieblingszielpunkt der elektrischen Entladungen aus den Wolken bewährt, und unmittelbar naeh seiner Fertig- stellung, im Jahre 1885, wurde es zwei Mal (am 5. April und 5. Juni) von Blitzschlägen getroften, wenn auch nur unbedeutend an seinem Pyramidion beschädigt. Zugleich ist auch die nächste Nachbarschaft des Kicsenobelisken — die breite Wassertläehc des Potoniac und ihre Uter- gegend — eine besonders blitzsehlagreiche. Professor MeAdie hat nun Veranstaltungen ge- troffen, diese Umstände für seine Untersuchungen der- gestalt nutzbar zu machen, dass er jeden einzelnen Blitz, der auf das Monument oder auf irgend einen Punkt in der Nachbarschaft desselben niederfährt, photographirt, und zwar gleichzeitig von drei verschiedenen Punkten aus: von dem Dache des Wetterbureaus aus, das gegen 2 Kilometer nordwestlich von dem Obelisken liegt, von der Kuppel des Kapitols aus, die sich ebensoweit östlich davon be- findet, und von einem Hause nahe bei Fort Myer, un- gefähr vier Kilometer westlich davon, auf dem anderen Ufer des Potomac. Die so gewonnenen Photographien sollen dann die Grundlage photogranmietriscTier Be- rcclnuingen über die Längs- und Querdimensionen des Blitzes und seiner etwaigen Verzweigungen sowie auch über seine Stärke und dergleichen bilden, und es dürfen davon um so exaktere Resultate erwartet werden, als alle möglichen Ausmaasse des Obelisken auf das Genaueste bekannt sind, oder doch ohne Schwierigkeit ausfindig ge- macht werden können. Natürlich handelt es sich bei den Beobachtungen vor allen Dingen um die Nachtgewitter, weil deren elektrische Entladungen am besten und sichersten zu photographiren sind. In der ersten Hälfte des laufenden Sommers waren diese aber ausnahmsweise in Washington sehr selten und von sein- geringer Intensität, und es gelang daher Pro- fessor McAdie bis Anfang August nur in einem einzigen Falle einen Blitz in den drei verschiedenen Ansichten festzulegen. Dass der genannte Gelehrte als langjähriger Gewitter- beobachter der Vereinsstaatlicbcn Wetterwarte und als Expert in der Kunst der Wolken- und Blitzphotographie in hervorragender Weise dazu berufen erscheint, die be- trefi'enden Untersuchungen anzustellen, sei nur beiläufig erwähnt, und ebenso auch, dass derselbe eine Methode ersonnen hat, einen Blitzschlag mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit etwa zwei Secunden vorher zu be- stimmen. E. Deekert. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Die ordentlichen Professoren der Hygiene Dr. Rubner in Berlin und Dr. Flügge in Breslau; ferner Dr. Schmid tniann vom preussischen Cultusininisterium zu ausser- ordentlichen Mitgliedern des Kaiserliehen Gesundheitsamtes; die Privatdocenten der Chirurgie bezw- Zahnheilkunde Dr. Ebner und Dr. Bleichsteiner in Graz zu ausserordentlichen Professoren. Berufen wurden: Der Privatdocent der Augenheilkunde in Wien Dr. Friedrich Dimmer als ordentlicher Professor und Nachfolger des Professor Czermak nach Innsbruck; der Privat- docent der Physik und physikalischen Chemie in Strassburg Dr. Adolf Heydwoiller als ausserordentlicher Professor nach Breslau; Dr. Leo Gruenhut als Docent für technische Chemie und Nachfolger des verstorbenen Prof. Borgmann an das Fre- senius'.sehe chemische Laboratorium in Wie<^baden. Es starben: Der als Philosoph und Vorkämpfer des Atheismus bekannte Italiener Ausoniu Franchi: der philosophische Schriftsteller Moritz Brasch in Leipzig; der Bibliothekar der kaiserlichen Hausbibliothek Dr. Walter Robert-Torno w; der um die Geologie und Paläontologie verdiente Mediciner James Carter in Cambridge. L i 1 1 e r a t u r. Prof. Dr. Alois Höfler und Prof. Dr. Eduard Maiss, Naturlehre für die unteren Klassen der Mittelschulen. Mit fast 300 Ab- bildungen, darunter drei farbigen, einer Stei'utafel und einem Anhango von 140 Denkaufgaben. Carl Gendd's Sohn. Wien 1893. — Preis -i.lSO Mk. Das Buch ist nU Schulbuch sehr geeignet: es ist klar ge- sehrieben, bringt nicht zuviel und regt durch die geschickt ge- wählten Denkaufgaben zu selbstständigem Denken an. William Crookes, Strahlende Materie oder der vierte Aggre- gatszustand. Vortrag. Mit Genehmigung des Verf. deutsch her- ausgegeben von Dr. Heinrich Gretschel. Mit 21 Fig. Vierte unveränderte Auflage. Verlag von Quandt u. Händel. Leipzig 1894. — Preis 1,.50 Mk. Die Erscheinungen, welche das bekannte Radiometer bietet, haben Crookes Veranlassung gegeben, die Bewegung von Gas- niolekeln in Räumen mit sehr verdünnter Luft zu studircn. Er hat in dem vorliegenden, vor der Britisch Association gehaltenen Vortrag eine Uebersicht der Resultate seiner Untersuchungen gegeben und die Faraday'sche Ansicht, dass der Zustand starker Vi'rdünnung eines Gases als ein vierter Aggregatszustand zu be- trachten sei, der jenseits des elastisch-flüssigen liege, zu recht- fertigen gesucht. Bei dem hohen theoretischen Interesse des Gegen- standes kam die vorliegende gute Uebersetzung, die zuerst 1879 erschien, gelegen. Faraday unterschied also vier Aggregats- zustände: fest, flüssig, gasförmig und strahlend. Es waren Analogie- Schlüsse, die ihn zu der Annahme des letztgenannten Zustandes leiteten, wälirend Crookes die Verschiedenheit der Eigenschaften hochgradig verdünnter Gase experimentell nachgewiesen hat. Briefkasten. Herrn Lehrer Heinr. Stöhn, \\'erdau. — Pinus uncinata, P. Pumilio und P. Mughus halte ich — schreibt uns Professor E. Koehne — für drei Formen von P. montana Mill., weil die Epideimiszellen, überhaupt der anatomische Bau der Blätter in ausgezeichneter Weise von allen übrigen Pinus-Arten abweichen, bei den genannten drei Formen aber durchaus übereinstimmen. Die Unterschiede der drei P'ornien werden ausser in Beissner's Nadelholzkunde S. 2o4-23S und in Koehne's Dendrologie S. 40 auch in ausreichender Weise in den neueren Auflagen der Garcke'schen Flora angegeben. Herrn Dr. F. in Gr. — Es ist eine bekannte Erccheinung, dass nach dem Fällen oder Abbrechen von Baumstämmen die in der Erde zurückbleibenden Stümpfe harzführender Bäume leicht verkienen, also besonders zur Harzproduction geneigt sind, da der Harzfluss in physiologischer Hinsicht ein Wundverschluss ist. Ich füge hinzu, dass die Entstehung und Herkunft der Schweelkidile und ihre Lagerstätte in den Höhlungen so vieler der fossilen mächtigen, noch aufrechten Stümpfe unter, in und auf dem Senftenberger Braunkohlenflötz namentlich in den Gruben Ilse, Victoria und Marie II bei Gross-Räschen sich ebenfalls aus Harzfluss erklären dürfte, der in die als Wunde anzusehende Stammhöhlung hinein besonders reichlich stattgefunden haben muss. Dass sich hierbei die Hauptmasse des Harzes in dem un- teren Ende der Höhlung sammeln wird, liegt auf der Hand. Die Schweelkohio besteht im wesentlichen aus fo.ssilem Harz und brennt daher — besonders je nach dem Procentsatz der Verun- reinigungen — mit leuchtender Flannne oder schweelt nur. Nach dem Abbrechen der Stäunne werden auch die fossilen Stümpfe, die ja oft noch lebensfähig* gewesen sein werden, besonders reich- lich Harz gebildet haben, und auch dieser Fluss wird zur Ver- mehrung der Füllmasse in den hohlen Stümpfen beigetragen haben. H. P. Berichtigung. Seite 421 Spalte 1 Zeile 25 von unten lies Deutoplasnia. 421 „ 2 „ 3 „ ,, „ Embrvopeiu'se. ,. 4-22 , 2 „ 24 „ „ „ Eizellkcrnen. IMe EriKMieriing des Aboiineiiients wird den geehrten .\l»iiehiiiern dieser Woelieiischrift liierdiircli in geneigte Erinnenina; ffebracht. Die Verlagsbuchhandlung. Inhalt: l)r Friedrich Drcyer: Der geschichtliche Gang der Rhizopodenforschung und seim- Beziehungen zur Geschichte der allgemeinen Biologie. — Ueber den feineren Bau des Centralnervensystems. — Blitzbeobachtungen am AVashington-Dbelisken. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur. — Prof. Dr. Alois Höffler und Prof. Dr. Eduard Maiss, Naturlehre für die unteren Klassen der Mittelschulen. — William Crookes, .Strahlende Materie. — Briefkasten, — Berichtigung, 47G Naturwisseuschaftliche Wochenscliriit. Nr. 39. In dem unterzeichneten Veiiaj:;:e ist erschienen und durch jede Ituehhandlung zu beziehen: Physikalische Prinzipien der Naturlehre. Vnii Aiii'fl Aiulci'ssoliii. Inhalt: Voiwort. Erster Teil. Die Mechanik (Ur kosmischen Erscheinungen: I. Allgemeine Giundbogrifl'e. II. Die Massen des Makro- kosmos. III. Die BeweRunjisursaehe im Wellall, das Gesetz ihrer Wirkungsweise und die Ursache der Gravitation. IV. Die Bewegungen im Weltall. 1. Die Be- wegungen im Allgemeinen. 2. Die Beweiiungen des Aetliers. 3. Die Bewegungen der Himmelskörper. V. Die übiigen kosmischen Erscheinungen. Zweiter Teil: Die Mechanik der terrestrischen Erschein ungen. I. Einleitung. II. Die Schwere der irdischen Körper. III. Die Wiirme. IV. Die Kohäsion und die Aggre- gatszustände V. Die Krystallisation. VI. Die sogenannte Saugkraft, die Flächen- anzichung und die Kapillarerscheinuugen. Vll. Die Diffusion. VIII. Die Licht- erscheinungen. IX. Der Magnetismus. X. Die Elektrizität. XI. Der Elektro- magnetismus. Schluss. ac~ Preis Ulk. l,CO. Die Anderssohn'sche Drucktheorie und ihre Bedeutung für die einheitliche Erklärung der physischen Erscheinungen. Von Frof. IDr_ C3-ustaT7- Hoömaiin- Pi-eis Mk I,—. Halle a. S. 6. Schwetschke'scher Verlag. eieieie ei.eieisieioieieieieieieieieiere Die Illustration wissenschaftliclier Werke erfolgt am besten und billigsten durch die modernen, auf Photo- graphie beruhenden Reproduc- tionsarten. Die Zinkätzungen dieser Zeitschrift gelten als Proben dieses Verfahrens und sind hergestellt in der graphi- schen Kimstanstalt Meisenbach, Riffarth & Co. in Berlin-Schöneberg. welche bereitwilligst jede Aus- kunft eitbeilt. Si(ei0isieiaisie eteieis eieieisiieiei eie PROSPECT GRATIS f.r ERFIHDEB "besorgen undverwcrtlien , FRITZ SCHMIDT&C° Patont-Bureau u. Chem. Lab. BerUivN.Chausseestr. 2& ARPADBAllER.JNG.BERllW,ll.3I.SirakündSi.36. Erfindungen, Neuheiten, Modelle .jeder Art werden zu- verlässig, billig, discret in meiner Spe- cialwerkstatt ausgearbeitet und angefer- tigt, auch brieflich. Vf. Maaske, Mechan., Berlin N., Sehwedterstr. 31. In Feril. üümmlers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. Vi erschien: Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. \"on E. Loew, Professor am küngl. Rcalgymn. in Berlin. 444Scitrni,n-.8. PreisüM., i;ol.. 7 M. Soe"beii. ersoiLeint : 1100000 Artikel. 16 Bände geb. k 10 M. Unentbehrlich für Jedermann. 16500 Seiten Text! Brockhaus KonirersationS'Lexikon, 14. Auflage. 'W^^-'^'"^ 9500 E||gm|g||___^ |AbbildUngen.| 300 Karten^äoChromoa. | R. Friedläuder & Sohn, Berlin NW, Carlstrasse 11. Soeben erschien : Zoologisches Adressbuch. Namen iiiul Adressen der lebenden Zoologen, Anatomen, Physiologen und Zoopalaeontologen sowie dar künstlerischen und technischen Hülfskräfte. Herausgegeben im Auftrage fler Deutschen Zoologi.seheu (Tesellschaft von R. Fi'iedländer & Sohn. VIII und 740 Seiten, Gross-Oktav. Preis 10 Mark franco. Wie sehr ein solches Werk bisher gefehlt liut. braucht nicht erst ausgeführt zu werden. Das vorliegende Buch, das über 12 000 genaue Adressen enthält, das hei jedem Namen auch die Specialitiif ;iiiKicl)t. mit welcher sich der Forscher beschäftigt, das am Schluss in 3 Registern dii- Namen, die Orte, und — was be- sonders hervorzuheben ist — auch die Specialitäten zusammenfasst, wird diese I.ücke ausfüllen. Sein Wert wird dadurch erhöht, dass auch alle Künste und Gewerbe, die mit der Zoologie im Zusammenhange stehen {Präparatoren, Aus- stopfer. Naturalienhändler, Zeichner und Maler von Tieren. Verleger, Mikroskopen- l'abriken etc.) Aufnahme gefunden haben. Dr. F. Krantz, Rlieiiiisclie^ Mineralien- Contor. Verlag geognostischer Reliefkarten. Geschäftsgründung lS;i::. DO/7/7 O. nfl. C.eschäftsgründung 1533. In meinem Verlage sind erschienen ; 1. Geognostische Reliefkarte der Umgegend von Coblenz auf Grundlage des Messtischblattes der topographischen Landesaufnahme und gccpgnostischen Bearbeitung von E. Kayser; nodellirt von Dr. Fr. Vogel. Maassstab 1 : •2;i,'«)u (vierfache Ueberhöhuns.) In elegantem schwarzen Ilolzrahmen M. 45. — . 2. Geognostische Reliefkarte des Harzgebirges auf Grundlage der Anhagen'schen topographischen Karte und der geo- gnostischen tjebersichtskarte von K. Ä. Lossen: modellirt von Dr. K. Busz. Jlaassstab 1 : liiu.oOü (achtfache Deberhcjhung.) In eleg. Holzrahmen M. 160.—. 3. Geognostische Reliefkarte vom Kaiserstnhl i./B. auf Grundlage der toi>ographisehen Landesaufnahme und der geognostischen Karte von A. Knop (Leipzig lsn2); modellirt von Dr. Fr. Tegel. Maass- stab 1 : 25,000 (vierfache Ueberhöhuog.) In elegantem schwarzen Holz- rahmeu M. 50.—. JEtb. Büinmlcrs IPerlajislmrijIjanblunti in Berlin SW. 12. (Soctcn crftfjicn: ilif Slrlluug kr frau in kr (5f jfinüart/ Dortrag acbiiltcu IM ticr 31I'tcii. Berlin öcr D.(S.£.K., in ber 2(rbcitev.SiIbiin3sfd?uIe 511 Berlin nnb in bcr Scipjigcr (Sefellfdiaft für cti^ifdjc Kultur. S>on ^iCv v>o»t 0>i3f)cUi. ilrris 30 ^If. Willi Büsing', Lauiyähii^er Assistent vom Vivi. I.ir. \o'^r des photo-chem. Laboratoiiunis der Kgl. techu. Hochschule zu f'harlotteuburg BerliQ W., Bendlerstr. 13 l'hotoflioHiisfli.^^^YxO liUoisii«h.-„^-^C,^V vj,tf Institut ^^^-V\\^ ""^^ ^^'^. '^\^^ ^"i^,>i>,..„.,JSj.|n. II. tlivdi'i't. Aiiisli. . »»gV ■ <,„t'ft^-^ in s-imnitl. pliotogr. " ^ A V^ A, \>-'^Negat.- u.Posit.-Vurf.,sow. CO-X •R'^^^,*i^ilioto-nieclian.Druckverfaln-en. „•«, r^^.^^\Vissenschaf(lifhi' und Amateur- Kurse. .rtij.'O^^X'^l'^intrilt jederzeit. Kurze und längere Kurse. ^""^Dnukelknmiiicrn stolien zur Verfiif;-un,i;. ebernabme aller vorkommenden wissenschattl. und practisehen photographischen Arbeiten. Niihere Auskunft bcrcit\villi»,-.t. Täglich ge.'fl'uet von a— 7. \^^^ ...sS^l ^\ Verantwortlicher Hedaeteiir: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichtert'ekle (P.-l'>) l"-i iH-rlin. l'..ts.l;iiii. October 1895. Nr. 40. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- •)[ Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 a>. Grössere Aufträge ent- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist ./Ä 4,— G{^ sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinbunft. Inseratenannahme ^ Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. JL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit Tollständiger Qaellenangabe gestattet. Was erinnert uns in Sachsen an die Pflanzenwelt der Tertiärzeit? Von H. Eucrelhardt. Im tiaclicn Norden dos KönigTeichs Sachsen zieht sich eine breite Zone von West nach Ost dahin, welche l'raunkohlen in sich birgt. Von der Leipziger Gegend ragt sie südwärts bis nach Groizsch und in die Provinz Sachsen liineiii, von Brandis nach Borna bis in das Alten- burg-isciie Gebiet, von Würzen bis Grimma und Lausigli, ja l)is in die Tlialiingcn bei Leisnig und Mittweida; in der Lausitz aber concentrirt sie sich auf die (icbiete um Kamcnz, Bautzen, Herrnhut und Zittau. Eine Reise durch das gesammte Gebiet oder wenigstens einen Thcil desselben lässt uns erkennen, dass sie vor- zugsweise aus mehr oder minder veränderten vorweltlicben Hölzern besteht. Fuss- bis über meterlange Stücke (Stück- kohle) vergesellschaften sich mit kleineren (Knorpelkohle)-, evstere sind meist breit gedrückt, haben also ihre ur- sprüDglicbc Gestalt verloren, zeigen aber trotzdem die Jahresringe, welche uns durch ihre verschiedene Dicke erklären, dass es auch Jahre gab, gut erhalten. zur Tertiärzeit gute und böse Manche sind abgerieben ; andere weisen noch die Rinde auf, welche einstmals schützend die Bäume, von denen sie stammen, umgab; bei Schmeck- witz finden wir sie vielfach mit Schwefelkrystailen be- streut, anderwärts sind einzelne zum Tbeil vei-kiest oder durch Brauneisen vererzt oder noch mit Retinit, einem Harze, versehen. Viele reissen beim Trocknen an den Enden auf, welche zerfallen in eine Menge elastische Bänder vau viele hunderte zu Tage gefordert, bevölkerten das Wasser; ihre Abfälle während der Lebezeit, ihr Eett nach dem Tode gesellten sich dem mit Thon vermengten Ptlanzcnschlammc zu und so entstand eine fette Kohle, bestehend aus feinen, ' papierdünnen, leicht trennbaren Lagen, die Fapierkohle oder Dysodil, aus der man zur Zeit, da uns das ameri- kanische Petroleum noch fehlte, Solaröl destillirte. Das sind rnit denen, die aus gewöhnlichen Torf- mooren hervorgingen, die hauptsächlichsten Arten von Braunkohlen, welche Sachsen aufzuweisen hat. In ihnen ist manches an Hölzern, Blättern und Erüchtcn geblieben, das uns Auskunft giebt über die Vegetation der Zeit, da sie entstanden. Aber da der Haupttheil schon in damaliger Zeit zerfiel und vermoderte, so würde unser Wissen von der tertiären Pflanzenwelt gewaltig klaffende Lücken zeigen, wäre uns in den Kalken, Sandsteinen und besonders den Thonen, welche die Kohlen überlagern, nicht eine Ergänzung gegeben. Sie enthalten nämlich eine Menge Versteinerungen, die uns klarer sehen lehren, wenn wir verstehen, diese Schriftzeichen in den Büchern der Erdrinde zu deuten, „die gleichsam die Pfade bilden, welche uns in die Moräste und den Urwald jener alten Zeiten hineinfuhren und ihre geheimen Schätze aufschliessen." Oft erblicken wir sie massenhaft in den einzelnen Bänden, dass Blatt für Blatt von dem untersten bis zum obersten von ihnen angefüllt sind. ' Anderwärts sind sie freilich spärlicher vorhanden. Die Versteinerungen, von denen hier die Rede sein soll, entstammen alle dem Zeiträume, den man das Tertiär nennt; doch gehören sie verschiedenen Perioden des- selben an. Aus dem Eoeän, der Morgenröthe eines neuen Erd- geschiehtstages, während dessen die ganze Entwickelung direct den heutigen Verhältnissen zustrebt, ist uns in Sachsen nichts übrig geblieben. Dasselbe lag damals trocken da und es wird die abgestorbene Vegetation wohl vorzugsweise zum Düngen des Bodens gedient haben oder wo sie Kohlengebiete geschaffen, sind diese später durch Einbrechen von Wassern wieder weggeschwemmt worden. Klassiselie Eundstätten in Frankreich, Belgien und England bekunden jedoch, dass in dieser Zeit auch in unseren Gegen- den nur eine tropische Flora vorhanden gewesen sein kann, Anders klingt es von dem darauf folgenden Oligo- cän. Während desselben sah es in Deutschland anders aus als heutzutage. Eine Meeresbucht zog sich von Norden bis tief nach Schlesien hinein, eine andere bis Thüringen und Sachsen, eine dritte erstreckte sich längs des Nieder- rheins hin und die Alpen bildeten ein Hügelland. Aus dieser Zeit ist uns eine Flora überkommen, die von der heutigen sächsischen gewaltig abweicht. Nicht ist hier der Ort ins Spccicllc einzugehen, es genüge, einige wich- tige (iliedcr derselben zu berühren. ^'on Th.illo|)hyten, welche die Kindheit der Erde allein aufzuweisen hatte, von Zoidiogamen, welche in der Stein- kohlcnzcit herrschten, sind nicht wenige Vertreter aus dieser Periode aufbewahrt worden, als .\lgen, niedere Pilze, Flechten, Moose und vor allem Farne. Mehr jedoch machen sieh bemerklieh Arten der von der Trias bis zur Kreide- zeit dominirenden Nacktsamer, Gyninosi)ermen als Libo- cedrus mit platten gegliederten Zweigen, Podocarpus mit steif lederartigen, lanzettlichen Blättern, Glyptostrobus, ähnlich der Oypresse, Taxodium, das wir hier und da in deutschen Lustgärten studiren können. Es gehört zu den langlebigen IMlanzen, die bis auf unsere Tage er- halten geblieben sind, und gedeiht am besten da, wo der Boden stets vollständig mit Wasser getränkt ist, zur Zeit in den Bassins und Buchten an den Ufern des Mississippi wie an den kleinen Landseen in der Mitte der uner- messlichen Moräste Virginiens und Karolinas. Hnn schliessen sieh an die Sequoien oder Mamnmthbäume, welche während der Braunkohlcnzeit, ja schon vorher, von Grönland bis Italien sich verbreiteten, jetzt aber nur auf einen kleinen Landstrich Kaliforniens beschränkt sind und durch ihr auf 4000 Jahre geschätztes Alter, sowie durch ihre gewaltigen Ausdehnungsverhältnisse iniponiren. Erreichen sie doch die Höhe grosser Kirchthürme bei einem Durchmesser von 6 — 10 Metern. Hinen können die in der Braunkohle vorgek(minienen mit 16 Fuss Durch- messer und darüber zur Seite gestellt werden, auch die von Mirka bei Bautzen, welche einen solchen von vier Meter zeigten. Reicher an Gattungen und Arten sind die Angiospermen vertreten, welche nach unserem jetzigen Wissen zuerst in der Kreidezeit auftraten. Rasen bildende Gräser, schlammigen Boden liebende Rohre, Wasserpflanzen wie Laichkräuter, Seerosen u. a., immergrüne Schling- gewächse wie Stechwinden, ferner Platanen, Pappeln und Weiden, Hainbuchen, Eichen, Birken und Erlen, Ulmen, Pla- nera, die als AUecnbäume in grösseren Städten jetzt beliebt gewordenen Koelreuterien, Ahorne und Nussbäume finden wir neben zahlreichen Feigenbäumen, welche den Typus derer des heissen Indiens und Südamerikas an sich tragen, neben Lorbeer- und Zinnntl)äumen, neben Myrtengewächsen wie den nach seinen schönen Mützen gleichenden Früchten genannten Eucalyptus, eine Menge baumförmiger Schmetter- lingsblüthler, sowie auch Palmen, deren mit Stacheln be- wehrten Rinden neben Früchten und den dem Stamme Halt gebenden Lcitbündeln, die schwarzer Leinwand gleichen, und, wie ich mit eigenen Augen sah, von Kindern gern zu einer Art Charpie zerrupft werden, uns überblieben sind, während das Mark verschwand. Aus dem Gesagten geht hervor, dass die Holzpfianzen vorherrschten und der Ueberrest einer krautigen Pflanze nur selten gefunden wird. Es war danach damals das heutige Nordsachsen von einer reichen W^aldvegetation bedeckt und es darf uns dies nicht wundern, da ja über- all, „wo unter dem Pflanzenwuchs günstigen Verhältnissen die Natur sich selbst überlassen ist, die Holzvegetation überhand ninniit, und die Kräuter zurückdrängt. Ich darf nur an die ungeheuren Waldländer Amerikas er- innern, wo noch jetzt in den Flussgebieten des Orinoko und des Amazonenstromes ein Ländergebiet zwölfmal so gross als Deutschland vom Urwald bedeckt ist und dass auch in unserem Vaterlande die Wälder in historischer Zeit noch einen grossen Theil des Areals einnahmen und der Mensch nur allmählich dem Walde das Kulturland abgewann." Trotzdem fehlte die krautige Pflanzendecke nicht, wie sie gegenwärtig auch nicht in den Waldländern Amerikas fehlt, wo sie aber vom Dunkel des Waldbodens 480 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 40. sich zum Tlieil auf die Stämme und Aeste geflüchtet hat. Wenn von ihr so wenig erhalten geblieben, so liegt dies an ihrer Hinfälligkeit und daran, dass sie keinen Blatt- fall hat. Die Mehrzahl derer, von denen Eeste aui' uns gekommen sind, gehört zu den Sumpf- und Wasscriiflanzen, deren Blätter leichter in den Schlamm gcratlicn konnten, als die LandUräuter; von anderen sind nur Früchte auf uns gekommen, die der Wind ins Wasser zu werfen ver- mochte. Von noch anderen bleibt nichts übrig und doch können wir mit bestem Gewissen behaupten, dass sie da- gewesen sein müssen, da uns erhaltene Insecten von ihnen als ihre Futterpflanzen berichten, wie umgekehrt Bil- dungen von Gallen und anderes auf Insecten hinweisen. Ueberblickcn wir nun die aus der Fülle der Arten hervorgehobenen Pflanzen, so finden wir immergrüne Ge- wächse vereint mit solchen, die ihr Laub fallen lassen und dadurch befähigt sind, kältere Zeiten zu überstehen. Eine grössere Anzahl von Pflanzen, die im Eocän eine Rolle gespielt, sind verschwunden, doch sind die 1'ropen- fornien noch zahlreich; an die Stelle der ausgeschiedenen tropischen sind subtropische getreten, ja sogar ein ziem- licher Procentsatz solcher, deren homologe Arten in der recenten Zeit der gemässigten Zone angehören. Dies deutet darauf hin, dass in klimatischer Beziehung ein Umschwung geschehen sein müsse, dass den warmen Zeiten allmählich kühlere gefolgt seien, doch so, dass das Klima milden Winter und nicht zu heissen Sommer bekundet. Und so ist es, alles, was man darüber er- forscht, deutet darauf hin. Die tropischen Pflanzen, welche ursprünglich den ganzen Erdball bewohnten, gingen zunächst, wie die geologischen Funde beweisen, auf unserer Hemisphäre in den Nordpolargegenden zu Grunde. Die wenigen empfindlichen, welche sich den neuen vorher nicht ^orhandenen Verhältnissen in den Polarländern eine Zeit lang anzubequemen vermochten, wurden durch diese umgeformt und aus ihnen gingen neue Arten und Gattungen hervor, die fächerförmig immer weiter nach Süden ausstrahlten, je mehr die klimatischen Verhältnisse daselbst den bisherigen im Norden gleich wurden, und die bei ihrer Einwanderung anfangs selten und zerstreut waren, sich aber nach und nach vervielfältigten. So entstand die Vermischung der verschiedenen Charaktere. Im Miocän setzt sich diese Veränderung in der Pflanzenwelt fort. Der tropischen Pflanzen werden immer weniger, die subtropischen halten sich noch, aber die mit fallendem Laube bilden die Hauptmasse; die Vege- tation unseres Landes nimmt immer mehr den Charakter der jetzigen an. Aus den eharakterisirten Pflanzen entstanden die Braunkohlen, in jeder Periode theilweise aus anderen. Es ist für die Forscher keine leichte Arbeit, die gefundenen Reste richtig zu deuten, zumal sie ja nie die ganze Pflanze vor sich finden, sondern nur vereinzelte Theile, bald das Holz für sich allein, l)ald die Blätter oder die Blüthen und Früchte. Mancher Schweiss- tropfen rinnt dabei von ilnen Stirnen und oftmals be- neiden sie den Botaniker, der es mit den lebenden Pflanzen zu thun hat, die ihm alles zusammen bieten, dessen er gebraucht. Aber wenn sie ihr schwieriges Werk vollendet, wenn die sauren Wochen vorüber sind, dann folgt auch das frohe Fest und es senkt sich der Himmel in ihre Seelen, der Himmel, den nur der kennt, der durch rastlose Arbeit jemals ein ersehntes, weit gestecktes Ziel erreicht hat. Obgleich von I5cruf nicht Maler, werden sie doch zu solchen, denn ihre Phantasie zaubert ihren geistigen Augen auf Grund der Ergei)nisse ihrer Wissenschaft die längst untergegangenen Landschafts- bilder hervor; sie geniessen den Blick auf Gegenden, die durch den Zauberstab der Wissenschaft von den Fesseln, welche der harte Stein um sie geschlossen, befreit sind und nun zu neuem Leben aus der Erde Schooss emporgehen. So sieht der eine einen See, dessen Wasser durch den Wind gekräuselt wird. Nymphaecn und Nelumbien lassen ihre kreisförmigen Blätter auf ihm ruhen und ihre prächtigen Blüthen leuchten. Wo derselbe nach dem Ufer hin seiclitcr wird, lösen sich Laichkräuter, Schilf- gewäclise und die Wassernuss ab. Die schlammigen, morastigen Buchten füllen Sumpfcypressen aus, in den- selben ein ungeheures Wurzelwerk bildend und mit zu- nehmendem Alter immer tiefer in dieselben einsinkend, da und dort in windschiefer Stellung iliren Fall hinab zum Wasser erwartend, um sich den Hunderten kreuz und quer durch einander liegenden in früheren Tagen dahiu- gesunkenen zuzugesellen. Draussen auf dem Festland aber steht der Urwald, stellenweise unbeschreiblich schön, stellenweise düster, überall Leben und Tod in sich vereinend. Im feuchten Vordergrunde erhe))cn sich stolze Fächcrpalmen, „durch die ihm der Stempel des Lichtes und des Adels aufgedrückt wird", neben dem stark ver- ästelten Kampferbaum mit seinem glänzenden Laube, neben dunkelgrünen Lorbeergewächsen und dichtblätterigen Feigenbäumen, bei denen letzteren die weithin ragenden Aeste von zu Stämmen verdickten Luftwurzeln gestützt sind. Dahinter stellen in buntem Gemisch Ahorne, Pap]ieln und Nussbäume, unter sich von Schlingfarnen umwundene Weiden und einer grossen Zahl von Strauch ern ver- schiedensten Aussehens Platz gönnend. Den Hintergrund aber bildet ein Mischwald edelster Art, der die Sinne verwirrt, üeber starkstämmige Eichen, schlanke Buchen, malerische Platanen, luftige Birken, von derem lichten Laube das dunklere Grün schattiger Cypressen und Taxus- arten malerisch absticht, ragen riesige Eukalypten empor, da und dort kleine Bestände mächtiger Mamnmtbäume, die ihr Alter oft auf tausende von Jahren gebracht, in sich bergend, und unter ihnen im düsteren I laiblicht stehen, einen Wald unter dem Walde bildend, baum- förmige Farne mit ebenso gewaltigen als zarten Wedeln, nmpanzert von unzähligen Luftwurzeln. Nicht fehlen der Zimmtbanm mit seinen charakteristisch geäderten Blättern, nicht fehlen die schmalblätterigen Myrthengewächse, nicht die baumförmigenSchmetterlingsblüthler und Mimosen, beide mit zierlichem Blattgcfieder. An den Stänmien ranken Stech- winden zum Lichte empor, wachsen kleinere Farne, an ihre Aeste haften sich Colonien wundervoller Pflanzengebilde. Wie dies Bild, so erstehen dem Forscher noch viele, je nach der Natur der Localitäten, die er bearbeitete; bald wird er ans Meer versetzt, bald ans Gebirge, bald an Moore und Sumjif. Und jedes ist anders. Air diese Schönheit ist verschwunden; sie musste dahinsterben. Ueber ihr Grab sind sjtätcr die gewaltigen Massen des von den nordischen Gletschern vordringenden Inlandeises dahingezogen; über ihr Grab s])ülten die bei ihrem Abschmelzen entstandenen Wasserfluthen dahin, ohne die Pflanzenleichname in ihrer Ruhe zu stören. Weiter vergingen Jahrtausende; längst war die Decke getrocknet, da lernte der Mensch Wärme in Kraft um- setzen und rief ihnen zu: Wachetauf! So entsteigen jetzt die Brannkohlen der Erde, in die sie vor Millionen Jahren gebettet wurden, dem Menschen helfend, die Naturkräfle zu seinem Nutzen zu verwerthen und ihn selbst auf immer höhere Stufe zu stellen. Wohl fehlt im Königreich Sachsen manche Art, die anderwärts blühende Industriezweige her- vorgerufen, wohl zieht man, seitdem ein weit ausgedehntes Eisenbahnnetz unser Land durchkreuzt, die bessere böh- mische der sächsichen mehr und mehr vor, trotzdem spielt sie doch eine nicht zu verachtende Rolle fort in unserem technischen und häuslichen Leben. Ein Glück für Sachsen, dass es reichlich mit ihr gesegnet worden ist. Nr. 40. Naturwissciiscliartlichc Wochenschrift. 481 Die mit der EntwiekeluiijL!: forischrcitende Diü'e- reiiz der Zellen erörtert Nusshauiu in den Verliand- luui;en des Naturhistoriselion Vereins der i)reussiselien Klieiidande, \\'estraleiis und des Koi;ieriini;sl)ezirlves Osna- l)rüek. f)!. ,lai}ri;ani;-, S. Sl 11". im ,\nseidus.s an die Kegeiicra(i()nserselieiniini;en ira Thicr- und Pflanzenreich. — Wenn man ein Protozoon in bciicbif^cr Ivieiitunfj;- dnrehselineidet, so rcf^-encrirt sieli ein jedes Thciistiiek zu einem neuen ganzen Thier, vorausgesetzt, dass es ausser Protoplasma vom urs])riini.''lielien (ianzen auch nocii Ivern- l)estandthcile mit enthielt, (ianz .\elinliehes gilt von der Eizelle. Nach Ptliigers X'ersuclien kann man ein be- fruchtetes Froschci durch Drehung- nach Belieben veran- lassen, entweder auf der schwarzen oder auf der weissen Hälfte die Anlage für das centrale Nervensystem zu bilden. Driesch und A\'ilson haben ferner gezeigt, dass, weiui man ein Ki aus dem Zwei-, Vier- und sogar Acht- zellenstadium der I^urciuiug durch Schütteln in seine zwei, bezw. vier oder aeiit Zellen zerlegt, aus jeder ein- zelneu ein ganzer Organismus entsteht. Die Glcichwerthigkcit der Zellen in IJezug auf die l'>ntwickelungs(lifferenzcn besteht aber nicht mehr im Gastrulastadium. Auf keine Weise gelingt es, Ectoderm- zellen zur Bildung von Entoderm und umgckelnt zu ver- anlassen. Wenn man einen SUsswasserpolypen zer- schneidet, wie mau will, innner regenerirt jedes Theilstück das Ganze in der Weise, dass Eetoderm Eetoderm und Entoderm Entoderm durch Zelltheilung anbildet. Die Pflanzen bieten ähnliche Erscheinungen dar, wie Eier und einzellige Tliierc. Geht doch unter geeigneten Bedingungen aus einer einzigen Zelle eines Begonien- blattes eine neue Pflanze hervor und lässt sich ein Pffanzentheil durch Variation der äusseren Bedingungen bald zum Laubspross, bald zum Dorn, bald zur Blflthe ziehen. Immer aber müssen solche Variationen und Regenerationen von undift'erenzirten Zeilen ausgehen, denen nicht, wie z. B. den Zellen der verschiedenen Kciml)lätter schon der Stempel ontogenetischer Unterschiedlichkeit auf- gedrückt ist. Je höher ein Organismus in der Thierreihc steht und je ausgeprägter und stabiler damit die Diflierenzirung der versciiiedenen Gewebe geworden, um so geringer ist die Fähig- keit der Regeneration. Viele Würmer ergänzen noch das ver- lorene hintere Körperende, Schnecken noch die abge- schnittenen Fühler und Augen, Salamander und Tritonen ein verlorenes Bein. Niemals aber entsteht an einem abgeschnittenen Molluskenauge ein neuer Körper, wächst ein Eidechsenschwanz wieder zu einem ganzen Thier aus; im Gegensatz zu den Polypen, von denen jedes abge- schnittene Stück das Ganze wieder ergänzt. Auf der höchsten Stufe, beim Jlensclien, wird Verlorenes ganz all- gemein genommen nur durch Narbenbilduug ersetzt. Das Regenerationsvermögen nimmt, wie gesagt, mit der individuellen und mit der Stammes - Entwiekelung Schritt für Scln-itt ab, und nur den Geschlechtszellen bleil)t zuletzt die Fähigkeit, alle Gewebe zu bilden. Schäfer. In einem \'ortrag „lieber die geographische Verbrei- tung der Thiere und Pflanzen in ihrer Beziehung zur Temperatur" hat Hart Mcrriam gezeigt, dass die im Lauf einer gewissen Zeit in den Ptianzen- undl'hierkörpcr einströ- mende Wärme nach Erlangung einer bestinnnten. Vniiäufungs- nienge, deren Reife und Fortptfanzungsfähigkeit mit einem Mal herbeiführt, so dass für jedes Individuum und aber auch für jede Art eine bestimmte Wärmemenge noth- wendig ist, um dieselben zur Reife zu bringen. Von den Pflanzen ist dies zwar schcm hinreichend bekannt, und man hat sogar in den Weingegenden eine alte Wetter- regel, dass der Wein 1(»0 warme Tage brauche, um gut zu werden; es handelt sich liierbei aber vor allen Dingen darum, in welchem .Sinn diese Anhäufung von Wärme zu M-rstehcn ist, und in wie weit sich dabei etwa die Pllanzcn von den Thicren unterscheiden können. Zunächst wird also v(ni den Pllanzcn festgestellt, dass diese Art 2000» C, jene 2500" oder 3000 » C. bis zu ihrer Reife verlangt; dies gilt für jedweden Ort, wo die Pflanze immer angetroffen wird, nur sind die Summen nicht innner so exact, wie nnin es wünschen möchte, die Me- thoden zur Hestinnnung derselben sind auch theilweise mit Fehlern behaftet, so dass je nach Ort, Verfahren und Thermometer eine andere Wärmesumnie herauskommt. Aber im Allgemeinen behält doch die Summe für die Pflanzen einen gewissen Betrag bei, von welchem sie nur wenig abweicht, und die Grenze ihrer Verbreitung wird durch dieselbe bestinnnt, nämlich eben dadurch, dass die bezüglichen Isothermen, welche die Orte dieser gleichen Wärmemengen verbinden, zugleich die Grenzlinien der Verbreitung der betrert'enden Arten sind. Bei den Thicren ist nun die Bestimmung dieser Constantc noch weniger genau, denn ihre Endbestinnnung muss als in die Zeit zwischen Reife und Fortpflanzung hineinfallend genommen werden, und auf diese Weise lässt sich feststellen, dass wenigstens die nördliche Grenze einer gewissen bio- logischen Zone mit der betreffenden Isotherme zusammen- fällt. Die Bedeutung dieser biologischen Isothermen ist also hinreichend sicher gestellt. Eine andere Art von biologischen Isothermen hat Hart Merriam dadurch auf- gestellt, dass er die Maximaltcmperatur an sich l)cstimmte und die Orte, welche dieselbe Maximaltemi)eratur während der 6 heissesten Wochen des Jahres haben, mit einander verband. Diese Isothermen bildeten dann ohne weiteres die Grenze für die südliche Verln'citung. Diese beiden Gesetze gelten für die Verbreitung der Thiere und Pflanzen zusannnengenommen, zunächst für Nordamerika, aber all- gemeiner gefasst dürften dieselben wohl überall Giltigkeit haben. lier wichtige Unterschied, der hier zwischen Pflanzen und Thicren besteht, liegt also einerseits darin, dass jene Wärmemenge bei den Pflanzen einen exacteren Wcrth bekonnnt, als bei den Thicren, andererseits darin, dass die Beziehungen zwischen Temperatur und Fort- pflanzungsfähigkeit bei den Thicren indirecter sind, als bei den Pflanzen. Denn die Maximalbeziehung ist otten- bar in diesem Fall eine cntferntliegende, und das Vor- handensein gewisser Thierarten kann doch nicht aus- schliesslich und unmittelbar von der Maximaltemperatur abhängen, wohl aber von einem bestimmten, angehäuften Wärmc(|uantum; da aber das letztere auch nicht mit hin- reichender Genauigkeit zutrift't, so ist der Einfluss der Sonuenwärme hier als ein mehr zurückliegender, unmittel- barer anzusehen. Hart Merriam hat auch seine Resultate in der Form zusammengefasst, dass bei der Verbreitung der Organismen, soweit sie durch die Temperatur beein- flusst werden, folgende Gesetze maassgebend sind: die Grenze der nördlichen Verbreitung ist bestimmt durch die Gesammtsumme der Wärme; die Grenze der südlichen Verbreitung ist bestimmt durch die Maximaltcmperatur. Für den Einfluss der Wärme auf die vegetabilische und animalische Fortpflanzungsfähigkeit, ergiebt sich also die Thatsache, dass das Einströmen einer gewissen Wärme- menge schliesslich jenen Zustand herbeiführt, den wir Reife nennen; das Eintreten dieses Zustandes geschieht nicht immer phitzlich, sondern allmählich, mit gewissen Abstufungen; die mit der Wärme zugleich in den Pflanzen- und Thierkörper influirenden Kräfte lassen sich nicht mit dieser Wärme identificiren, sondern bilden einen nach Ort, Zeit und Gegenstand (in Gestalt des beeinflussten Pflanzen- uud Thierkörpers) verschiedeneu Bestandtheil der mit- 482 Naturwisseuscbaftlichc Woeheuschrift. Nr. 40. getheillen EiKTi;ic. Es zeigt siuli also hier wiedenuu, (lass die Wärme scheinbar als Vertreterin einer gewissen Energiegrösse auftreten kann, in anderen Fällen tritt sie zuriiek und begleitet als irgend eine accessoriscbe Er- scheinung den Process, der im Wesentlichen durch die sich entwickelnden potentiellen und actuellen Kräfte ge- tragen wird. Es sind also auch hier in erster Linie die Kräfte, die in eine bestimmte Gesetzmässigkeit mit den betrctfenden Resultaten verwickelt sind; die Wärme tritt mehr oder weniger accessorisch auf und ist denselben in verschiedenartigem sei es dabei in subjectiveni oder ob- jectivem Sinne, beigemischt. R. Däuble. Ueber hemerkeiiswerthe neuere Ergebnisse der Pllanzengeograpliie hat Prof. Dr. Richard v. Wett- stein im Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien einen Vortrag gehalten (Siehe die „Vorträge" des Vereines XXXV. Jahrg.), dem wir das Folgende entnehmen. — Warum weist die Flora eines Landes gerade jene Zusammensetzung auf, die uns heute entgegentritt, und keine andere. Als Beantwortung dieser Frage hat sich ergeben, dass jede Pflanze in ganz be- stimmter Weise abhängig ist von einer Sunnne äusserer Einflüsse, die wir im allgemeinen als jene des Klimas und des Bodens bezeichnen, dass ferner die heutige Zu- sammensetzung der Flora eines Gebietes der Ausdruck ihrer Geschichte ist. Man hat lange Zeit die Anpassungsfähigkeit der Pflanze an äussere Factoren stark überschätzt; man glaubte, dass ein gewisser Grad von Wärme und Feuchtigkeit genüge, um vielen Pflanzen die nöthigen Existenzbedin- gungen zu bieten. Eine Consequenz dieser Autfassung war das Streben, in den verschiedensten Gebieten die- selben Pflanzen wiederzuerkennen. Ein genaueres Beob- achten hat aber ergeben, dass die Pflanze in viel feinerer Weise auf äussere Verhältnisse reagirt, dass meteorologische und chemische EigenthUmlichkciteu, die wir oft gar niclit nachzuweisen vermögen, auf die Verbreitung der Pflanzen schon von grösstem Einflasse sind. In der Verbreitung der Gewächse werden sich mithin die klimatischen und Bodenverhältnisse eines Gebietes am deutlichsten äussern müssen. Wenn wir dalier das Verbreitungsareale einer Pflanzen- art feststellen und nachweisen können, dass nicht aus ge- waltsamen äusseren Einflüssen, niclit aus dem Mangel an Verbreitungsniitteln die Beschränktheit dieses Areales re- sultirt, so müssen wir annehmen, dass durch das Vor- kommen jener Pflanze ein Gebiet von ganz bestimmter Beschaffenheit des Klimas und des Bodens gekennzeichnet ist. Und wenn wir nun weiter nachweisen können, dass 10, 20, ja 100 Pflanzen mit jener in ihrer Verbreitung ül)creinstinnnen, so müssen wir annehmen, dass es sich da um ein Gebiet von ausgeprägten Eigenthümlichkeiten handelt. Von dieser Ueberlegung ausgehend und in Anbetracht des Umstandes, dass nicht nur die heutige Beschaffenheit eines Stückes der Erdoberfläche sich derart in der Pflanzenwelt ausdrückt, sondern auch dessen Geschichte, hat man die Eintlieilung der Erdoberfläche in Gebiete gleicher oder wenigstens analoger Pflanzenwelt als ein wichtiges Hilfsmittel der geographischen Forschung er- kannt. Man hat auf diese Weise Florengebiete oder Florenreiche auf der Erde unterschieden. Im Sinne der früheren Ausführungen lassen sich in Europa sechs Florengebiete unterscheiden. Die arktische Flora, welche in ganz ähnlicher Zusammensetzung rings um den Nordpol sich flndet, bewohnt in Europa nur den nördlichsten Theil der skandinavischen Halbinsel, den analogen Theil Kusslands und die Inseln des Eismeeres. Im Süden grenzt die arktische Flora überall an die bal- tisclie Flora, welche Skandinavien, Grossbritannien, Mittel und Westrussland, den grössten Theil des deutschen Reiches und den Fuss der mitteleuropäischen (icbirge be- deckt. Weiter nach Osten treffen wir die pon tische Flora, die in ausgeprägtester Weise in den Stcpiien- gebicten des südlichen Russland und des Itcnachbarten Asien zur Ausbildung kommt, die aber auch dem Norden der l'.alkanhalbinsel, dem ungarischen Tieflande sein clKirakteristischcs Ansehen verleiht und in einzelnen Aus- strahlinigcn noch im mittleren Böhmen und an einzelnen Punkten Süddeutschlands vorkonmit. Die Umgebung des mittelländischen Meeres kennzeichnet die mediterrane Flora, während im Südwesten Europas, in Spanien, Por- tugal und Westfrankreich eine Flora sich ausbreitet, die man als die atlantische bezeichnen kaiui. Die zahl- reichen, in Auftreten und Aussehen so auflallenden Pflanzen, welche die Gipfelregionen der Alpen und der anderen süd- und mitteleuropäischen Gebirge bewohnen, gehören der alpinen Flora an. Nach dem vorn Gesagten müssen diesen sechs Floren- gebieten cntsi)rechend in Europa sechs bezüglich der die Pflanzenwelt beeinflussenden Factoren vcrscliiedene Ge- liiete existircn. Von welcher Wichtigkeit aljcr die Con- statirung und Umgrenzung derselben im allgemeinen ist, mag schon die Ueberlegung lehren, dass von den gleichen Factoren wie die Pflanzen auch die Thiere, ja wir selbst abhängig sind. Die Verbreitung der europäischen Völker stimmt in grossen Zügen mit der gewisser Florengebiete überein. Betrachten wir zu diesem Zwecke beispielsweise Oestcr- rcich -Ungarn, das Antheile von vier der genannten Florengebiete umfasst. Wir finden die baltische Flora über das ganze Alpengebiet und dessen Vorberge mit Ausnahme des Südabfalles verbreitet, wir finden sie wieder in den böhmischen Randgebirgen, in den ge- birgigen Theilen Mährens, endlich in der Bergregion dei" karpathen. Ueberall fällt mit diesem Florengebiete das Areale der Germanen zusannnen, wenn es auch viel- fach (Karpathen) heute nur mehr in Inseln angedeutet ist. In das Gebiet der pontischen Flora theilen sich Ma- gyaren und Slaven, und die scharfen ethnographischen Grenzen am Ost- und Südostabfalle der Alpen sind zu- gleich überaus scharf ausgeprägte pflanzengeographische Grenzen. In der Umgebung des Mitteimceres fällt die Verbreitung der Romanen auf das genaueste mit der der mediterranen Flora zusannnen, und nur die grosse Aus- dehnung romanischer Elemente im Osten Ungarns ist eine Erscheinung, die pflanzengeographisch kein Analogen besitzt. Und Aehnliches finden wir auch in den anderen Ländern Europas; die Grenzlinien der Florengebiete kennzeichnen seit langer Zeit schon Gebiete, in denen die Interessensphären der Nationen sich berühren, es sei da nur das Rheingebiet, Oberitalien und den Ostabfall der Al|)en nandiaft gemacht. Ein Vergleich einer ethnogra- phischen mit einer pflanzengeographischen Karte Europas ist überaus instructiv; er lehrt uns nicht bloss, dass die angegebenen Resultate der Pflanzcngcographic von weit- tragendster Bedeutung sind, er lehrt uns auch, dass wir Menschen heute noch trotz unserer Oultur in viel höherem Maasse, als wir es ahnen, gerade so wie Pflanze und Thier, von äusseren, uns umgebenden, in der Natur des AVohnortes liegenden Factoren abhängig sind. Dass die^ heutige Verbreitung der Pflanzen zum Theile wenigstens der Ausdruck ihrer Geschichte ist, gilt für die ganze Pflanzenwelt eines Gebietes ebenso wie für die einzelne Pflanzenart. In crsterer Hinsicht sehen wir, wie grosse Veränderungen in der Gestaltung der Erd- Nr. 40. Natiirwisscnscliaftliehc Wochenschrift. 4Sß ohcrHäclic ilire Spuren in dor Ziisannnenset/unj;' der F'loren iiintcrlasscn. Ehemals bestandene Landverbin- dungen zwischen (iebieten, die heute durch Meere ge- trennt sind, ehemalige Meercsarme und grosse Süss- wasseransanunlungcn lassen sich ebenso ans der heutigen Flora eutiu'linien, wie dieselltc in ilncr Zusauimenset/.ung auf Zeit und Umfang gewaltiger Veriindernngcn, wie der Kis/.eiten /urückschlicssen lässt. Wenn aber andererseits die Ptlanzengeographic Anhalts])unktc für die Erklärung der Entstehung der Ptianzenarten liefert, so wird der A\'ertii Jener üiseiplin jedem klar sein. lietraehten wir zunäclist an einem theoretischen Uei- spiele, wie die llildung neuer Arten in vielen Fälh'n vor sieh geht. Wir nehmen an, eine l'tian/.e .1 bewohne ein (iebiet, dessen Eigenthiunlieldceiten sie vollständig angepasst ist. Dieses Gdiiet sei hier der Einfachheit halber durch eine Kreislinie umgrenzt. So lange nun die äusseren Verhält- nisse in diesem Gebiete so bleiben, dass die l'tlanze A ihnen ganz angepasst ist, wird die Nothwendigkeit einer bleibenden Veränderung derselben nicht eintreten. Wemi nun aber von irgend einer Richtung ausgehend (z. B. 1) eine wie immer geartete, für das PManzenleben wichtige Veränderung am Rande des gedachten Kreises innerhalb des Gebietes eintritt (Klimawechsel, Niveauveränderungen n. dergl \ die nicht so gross ist, dass sie die Existenz der Pflanzenart A überhaupt unmöglich macht, so wird dieselbe immerhin zur Folge haben, dass die Anpassung jener keine vollkommene mehr ist, dass die Neubildung von Formen begünstigt wird, die schliesslich zur Ent- stehung einer neuen, den veränderten Verhältnissen wieder vollkommen angepassten Art B führt. Diese Art B wird A in dem von der angenommenen Veränderung betrof- fenen Tlieile des Areales vertreten. Aehnliches wird ge- schehen, Avenn auch in anderen Tlieilen des ursprüng- lichen Verbreitungsgebietes Veränderungen platzgreifen. Etwas Analoges wird eintreten, wenn zwar innerhalb des ursprünglichen Areales .4 keine wesentlichen Aeu- derungen eintreten, aber die Ptianzenart mit den ihr zu Gebote stehenden Verbreitungsmitteln über jenes Gebiet hinaus in Länder mit anderen Lebensbedingungen sich verbreitet. Dann wird es daselbst zur Ausbildung neuer Arten konnnen, deren Verbreitungsgebiete wieder in einem ganz bestimmten geometrischen Verhältnisse zu jenem der Stammart stehen. Die beiden theoretisch angenommenen Beispiele zeigen, wie in Anpassung an räumlich getrennte äussere Lebens- bedingungen entstandene Ptianzenarten in ihrer Verbreitung die Art der Entstehung ausdrücken, dass mithin in einem solchen Falle die geographische Verbreitung einen Rück- schluss auf die Entwickelungsgcschichte zulässt. Es ist in einer grösseren Zahl von Fällen schon gelungen, auf diese Art und Weise mit Berücksichtigung aller ein- schlägigen Momente Stammbäume heute lebender Pflanzen zu eruiren. Es ist also klar, dass Pflanzenarten, welche in Anpassung an geographisch gesonderte Factoren in jüngster Zeit entstanden sind, auch geographisch ge- sondert sind. Es lässt sich geradezu der allgemeine Satz aussprechen, dass die nächst verwandten, also sich am meisten ähnelnden Pflanzen sich häufig geo- graphisch ausschliessen, dass gemeinsames Vorkommen an einem Orte auf eine entferntere Verwandtschaft hindeutet. Seit langer Zeit schon sind gewisse Föhren, welche die Länge der Blätter, die Form der Fruchtzapfen gut charaktcrisirt, unter dem Namen der Schwarzföhren, Pinus Laricio der älteren Botaniker, bekannt. Man fand solche Schwarzföhren wildwachsend auf den Gebirgen Corsicas, Sicilicns, Italiens u. s. w. im Bereiche der mediterranen Flora am Rande des ungarischen Tieflandes in Nieder- österrcich, Croatien, Bosnien, Serbien etc. im Bereiche der pontischen Flora, man fand sie auf den Gcl)irgcn Kk'inasieiis und im Kaukasus. Lange iirauchtc es, bis man sich (K'ssen bewusst wurde, dass diese Schwarztoin-en sich nicht ganz gleichen, dass eine Art das Mitielmeer- gebiet bewohnt, eine zweite der pontischen Flora ange- hört, eine dritte in Kleinasicn sich findet. Kurz, es stellte sich heraus, dass hier drei sehr nahe verwandte, entwickclungsgcschichtlich zusammenhängende, in getrenn- ten Arealen sich gegenseitig vertretende Arten vorliegen, die nun getrennte Namen führen, indem die erste als Pinus Laricio im engeren Sinne, die zweite als P. nigra, die dritte als P. Pallasiana bezeichnet wird. Zur Demonstration der ])raktischen Bedeutung solcher Erkenntnisse Folgendes. Es handle sich um die Auf- forstung des Karstgebietes zwischen Triest und Fiume einerseits, dem Krainer Schneeberge andererseits. Es sei der Beschluss gefasst worden, mit „Schwarzföhreu" auf- zuforsten. Wenn bei Durchführung dieser Aufforstung auf die erwähnten Ergebnisse nicht Rücksicht genommen wird, sondern mau sich einfach aus beliebiger Quelle Samen einer Schwarzföhre verschafft, so wird das Re- sultat auf keinen Fall ein ganz befriedigendes sein. Der bezeichnete 'Pheil des Karstes gehört in seinem Küsten- saume der mediterranen, in seinem östlichen Theile der pontischen Flora an. Hat man nun zufällig Samen der dem mediterranen Gebiete angepassten P. Laricio er- halten, so wird die Aufforstung im ersteren Theile ge- lingen, im letzteren zum Theile nnsslingen; umgekehrt wird es sich verhalten, wenn man zufällig Samen der pcmtischen P. nigra erhielt. Manche misslungenen Versuche auf dem Gebiete des Ackerbaues, der Gärtnerei etc. dürften durch Unkenntniss jenes Ergebnisses der Pflanzengeographie erklärlich zu machen sein. Wenn aber das Ergebniss richtig ist, dann muss es auch für die niedrigst entwickelten Organismen gelten. Zu den niedrigst entwickelten Pflanzen zählen jene einfach gebauten Pilze, die man mit dem Namen „Hefen" bezeichnet und zumeist der Gattung Saccharomyces zu- zählt. Es sind dies mikroskopisch kleine, einzellige, farb- lose Organismen, die in sehr grosser Menge in Flüssig- keiten vorkonunen müssen, wenn sie uns überhaupt als eine Trübung derselben auft'allen sollen. Viele Arten dieser Gattung Saccharomyces machen sich aber in anderer Weise bemerkbar, sie rufen nämlich chemische Ver- änderungen in Flüssigkeiten, die organische Substanzen enthalten, hervor, Veränderungen, die wir als Gährung oder Fäulniss bezeichnen. Unteren anderem gehören die Ursachen der Wein- und Biergährung hieher. Der Gährungsvorgang verwandelt den ausgepressteu zuckerhaltigen Traubensaft in Wein. Man weiss, dass ein Hefenpilz die Ursache dieser (Jährung ist, und hat den- selben als Saccharomyces ellipsoideus bezeichnet. Nun ist es bekannt, dass die W^eine verschiedener Gebiete von ganz wesentlich verschiedener Beschaffenheit sind, dass insbesondere gewisse bei der Gährung entstehende Stoffe, welche einen speciflschen Duft und Geschmack erzeugen, die verschiedenen Weine unterscheiden. Man hat zur Erzeugung berühmter Weine die betref- fenden Reben importirt, man hat die Art der Wein- bereitung in den beneideten Gegenden studirt und daheim nachzuahmen gesucht, man hat aber nur wenig Erfolge erzielt; nach wie vor liefert nur das Rheingebiet typische Rheinweine, nach wie vor vermag man die so charak- teristischen südeuropäischcn Rotliweine ausserhalb des Mittelmeergebietes nicht zu erzielen. Worin mag wohl 484 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 40. der Grund dieser Tliatsache liegen? Liegt es nicht nahe, an eine Verschiedenheit der die Weingährung verur- sachenden Organismen zu denken V In der That liat man in jüngster Zeit die Entdeckung gemacht, dass man recht verschiedene Pilze mit dem Namen Sacchar(Hnyces ellip- soidens zusamment'asste, dass derselhe ein Sammelname für zahlreiche, einander zwar sehr ähnlich sehende, in ihrer chennschen Wirkung sich aher sehr auffallend unterscheidende Pilze ist. Alan ist berechtigt, anzunciimcn, dass dieselben geradeso eine geographisclic Gliederung aufweisen wie die oben behandelten Schwarzföhren, dass in einem bestimmten Gebiete nur ein oder einige Wein- hefejiilze vorkonnnen, welche die für dieses Gebiet be- zeichnenden Weine verursachen. Ganz ähnlich verhält es sieh mit dem Biere. Auch dieses geistige Getränk ist das ?]rgebniss eines (Jäiirungs- processes, den ein zu den llefepilzen gehririger Mikro- organismus erzeugt. Bekannt ist die örtliche Verschieden- heit der Biere, die man bisher trotz möglichster Nach- ahmung des technischen Vorganges nnr zum kleinsten Theile aufzuheben vermochte. Bis vor kurzem bezeichnete man den Hefenpilz des Bieres als Saccharomyces Cerc- visiae und nahm an, dass ein und dieselbe Pilzart in den verschietlensten Länilern die Biergährung verursacht. Auch in diesem Falle haben eingehendere Forschungen die Vielgestaltigkeit dieses Pilzes ergeben; anch in diesem Falle können wir annehmen, dass diese Vielgestaltigkeit zum Theile eine Folge der Anpassung an geographisch gesonderte Existenzbedingungen ist. Auch auf die Käsebereitung, auf die Branntweiu- erzeugung u. s. w. ist hinzuweisen. Allgemein bekannt ist ferner, dass ähnliche Unter- schiede wie zwischen Weinen verschiedener Gegenden und verschiedener Erzeugungsart zwischen Tabaken bestehen. Suchslaud hat daraut aufmerksam gemacht, dass diese Verschiedenheiten nicht so sehr auf die Natur der Pflanze, welche das Tabakblatt liefert, oder auf die Art der Zu- bereitung zurückzuführen sind, sondern hier wieder die Tiiätigkeit von kleinsten Organismen, von Baeterien in Betracht kommt. Jeder Tabak macht nämlich im Ver- laufe der Zubereitung eine Gährung durch, welche von Baeterien verursacht wird; die specifischen Eigenthüm- lichkeiten des fertigen Tabakes sind zum guten Theile anf specitische Verschiedenheiten der Baeterien zurück- zuführen. Nichts steht der Annahme entgegen, dass diese Vcrscincdcnheiten nicht bloss eine Folge verschiedener Ernährungsbedingungen im gleichen Gebiete sind, sondern dass hier insbesondere wieder die Gliederung in geogra- phisch gesonderte Formen in Betracht kommt. Als einziges Mittel zu vollständiger Aufhebung der örtlichen Verschiedenheiten wird uns zunächst die Ein führung der gewünschten geographischen Rasse oder Art des Mikroorganismus erscheinen müssen. Wir werden mitliin — um eoncrct zu sprechen — dann, wann wir beispielsweise in Niederösterreich Weine von der speci- fischen Eigenthümlichkeit der Rheinweine erziehen wollen, nicht bloss alle anderen Bedingungen gleich gestalten müssen, sondern wir werden vor Allem für die Einfuhr jenes Hefenj)ilzes Sorge tragen müssen, der im Rhein- gebiete die Weingährung verursacht. Doch auch dann werden wir nicht zu optimistisch sein dürfen. Wir müssen da in Erwägung ziehen, dass solche ein- geführte, den örtlichen Verhältnissen nicht angepasste Pflan- zenformen nicht leicht den Kampf ums Dasein mit den orts- ansässigen, verwandten Formen auf die Dauer aufnehmen können, wir müssen in Betracht ziehen, dass auch in soge- nannten „Rheinculturen" Mikroorganismen sehr bald viele ihrer spccitischen Eigenthümlichkeiten zu verlieren pflegen Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ks wunlen enianiit: D.t Privatiloeniit der Gi'ologir in Berlin Dr. Otto Jiif'kel, Ivu.stos :ui der Geolojjiscdi-Pjdäontologisclieii Saiiinihinf; des MiisiMims für Niitiirkiiiidc zum aiisserordentliclicn Profossor; PiiMiollickur Dr. Geigor :in der IJiiiversitiit Tid)ingen zum ( ll)erl)ibli()thekar; Dr. Hobort Rioder, Arzt am ull.i^emeinon Kraiikenhausu in IlamUiuf; zum Sekiindärarzt >aii der Bonner idiirnr- gischen Universitäts-Klinik. Es wurden berufen: Der ordentliche Professor den- Augenheil- kunde an der thierfirztlichen Ilocliselinle in Stuttgart Dr. Gustav Schleicli nacli Tübingen als Naelifolger de.s verstorbi-nen Pro- fessor Nagel; der ordentliche Professor der Zoologie in Krlangen Dr. Seleuka nach Niodorlegung seiner Professnr nach München; der ordentliche Professor der Physik in Breslau Dr. Phili|)p Lenard an die technische Hochschule zu Aachen; der Privat- docent der Pliysik in Strassburg Dr. H e y ilw eil 1er als ausser- ordentlicher Professor nach Breslau; der Privatdocent der Augen- heilkunde in Wien Dr. Zimmer nach Innsbruck. Al)gelehnt hat: Der ordentliche Professor der Physiologie und Director des physiologischen Instituts in Jena Dr. W. Bieder- mann einen Ruf nach (iraz bezw. an die deutsche ITniversität Prag. ^ Ks lial)ilitirten sieh: Dr. Ritter Braun von Fernwald tür Geburtshilfe und Gynäkologie in Wien; Dr. Mannaberg für interne Medicin in Wien. Aus dem Lehramt scheidet: der Privatdocent in der medi- cinischon Fakultät zu Berlin Dr. Friedrich Fehleisen. Niedergelegt hat sein Amt: Der „Keeper of Zoology" am South-Kensington-Museum Dr. Albert Günther, F. R. S. Es starben: der berühmte französische Gelehrte Louis Pasteur; der Geheime Ober-Medicinalratb Prof. der Chirurgie Dr. Adolf von Bardeleben in Berlin; der Professor der Geologie und Mineralogie an der landwirtbschaftlichen Academie zu Holionheim Dr. Friedrich Nies; der Botaniker Julien V e s q u e. L i 1 1 e r a t u r. Ignatius Donnelly, Atlantis, die vorsintfluthliche Welt. Ueber- setzt von Wolfgang .Scliaumbiirg. Leipzig, Verlag von Siegfried Schnurpfeil. Wissenscliaftliche Volksbibliothek No. 31—38. — Preis 1,G0 M. Das Donnellyscho Werk, das 1882 erschien und 188(1 schon eine zweite Auflage erlebte, liegt hier in einer sehr brauchbaren Uebersetzung vor, welclie jedem aufs beste empfohlen werden kann, zumal der Preis ein äusserst massiger ist. Für diejenigen, die den Inhalt des Buches nicht kennen, sei erwähnt, dass Donnelly nichts weniger beweisen will, als die volle Glaubwürdigkeit der bekannten Plato'schen Atlantis-Erzählung im, Kritias" und „Timäus"; ja, er geht sogar noch weiter: er will den Naclnveis führen, dass der verschwundene, sagenhafte Ei-dtheil im Atlantischen < )cean die Wiege des Menschengeschlechts sei, dass alle Culturen und Religionen der alten Welt hier ihren Ursprung gehabt hätten, dass die Sinttiuthsagen sich auf den Untergang jenes Welttheils bezögen u. a. m. Die Beweisführung ist eine ungemein geschickte und bringt eine bewundernswerthe Fülle von hochinteressantem Material, zumal soweit Parallelen zwischen amerikanischen und europäischen bezw. asiatischen Ge- bräuchen, Sagen und Sprachen, zwischen alten und neuen Cul- turen in Betracht kommen, wie man es in ähnlicher Weise und Reichhaltigkeit wohl nirgends wieder vereinigt findet. Immer ist das Werk interessant, belehrend und anregend, auch da, wo es scharfen Widerspruch herausfordert und verdient. Und gar mancher Punkt ist mehr als angreifbar, denn zuweilen giebt sich der Verfasser rechte Blossen, es sei nur auf die Art und Weise hingedeutet, wie er den Namen Olymp durch Laut- verschiebung aus Atlantis erklären will. Uebrigens ist es gerade die naturwissenschaftliche Seite der Untersuchung, welche am wenigsten glücklich ist und welche manche unhaltbaren Schlüsse und Behauptungen gezeitigt hat. Der Werth des Buches liegt eben hauptsächlich auf ethnographischem und culturhistorischem Gebiet, und die Naturwissenschaft muss ja nöthigenfalls auch eine solche Beweisführung anerkennen und sich' die bindenden Consequenzen daraus gefallen lassen. Kein einziger der zahllosen Beweise, die der Verfasser bringt, kann ohne Weiteres als stich- haltig bezeichnet werden, jeder giebt nur eine Möglichkeit, höchstens eine Wahrscheinlichkeit an die Hand, aber die Summe all dieser Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten macht schliesslich den Eindruck, als habe der Verfasser einen unanfecht- baren mathematischen Beweis von wünschenswerther Schärfe ge- liefert. Mag sich ein jeder Leser sein eigenes Urtheil über die Schlussfolgerungen ilcs Werkes bilden. Sicherlich wird er, auch wenn er nicht überzeugt ist, reiche Belehrung und starke An- regung zu weiterem Nachdenken aus der Lektüre schöpfen. Des- Nr. 40. Naturwissenschaftliche Wocheuschrift. 485 liall) st'i jccUun, der sicli für dir priiliistorist'lic Kultur, fiir di« riithselhafti'ii, hochcntwii'keltcn Völker der Urzeit iiitercssirt — und es iat dii>s ja ein Thema, das auf fast allf^einciMCS Interesse reelinen darf — die AnseliaU'unf; dieser l)illifren und leicht ver- ständlichen Uebersctzung aiifa Wärmste enipfuhleu. H. Dr. Max Verworn, Allgemeine Physiologie. Ein Grundriss der Lehre vom Leben. Mit 'iTU Abbildungen. Jena, (J. Kiacher. 189Ö. — Preis 1.^ Mk. „Die allgemeine Physiologie hat die Aufgabi', den Mechanis- mus derjenigen Lebcnserscheiiiungen zu erforschen, die alh^n Or- ganismen gemeinsam sind, wahrend der spcciellen l'h_vsiologie der Pflanzen und Thiere die Untersuchung der besonderen Vor- gänge obliegt, welche sieh aus dem Zusammenleben von Zellen iu einem Zellenstaat ergeben. Daraus folgt, dass das Objekt der allgemeinen Physiologie die Zelle sein muss. Denn die Zelle ist „dasjenige Element, welches aller lebendigen Substanz zu Grunde liegt. Ks giebt keine lebendige Substanz, die nicht zu Zellen angeordnet wäre, und es giebt keine Function der lebendigen Substanz, die nicht in einer elementaren Lebenserscheinung der Zelle ihren Ursprung hätte Wenn daher die Physiologie in der Erklärung der Lebenserscheinungen ihre Aufgabe sieht, so kann die allgemeine Physiologie nur eine Cellularphysiologie sein." Mit diesen Worten des Verfassers tritt sein Werk in genissem Sinne in eine Parallele zu Virchow's Collularpathologie. Das grosse Problem der gesammten Physiologie, ,.die Erfor- schung des Lebens", tritt der Cellularphysiologie in vereinfachter Form entgegen. Denn die Zelle bietet uns die Erscheinungen des Lebens in elementarster Form dar, wenn gleich sie ein mehr oder weniger selbstständigor Organismus ist: Sie ist eben ein Elemcntarorganismus. Die günstigsten Forschungsobjecte sind die Pflanzenzellen und ganz besonders die Protisten, die frei- lebenden Einzelzellen. Die Forschung muss aber hier wie über- all, wenn anders sie fruchtbar sein soll, von einer richtigen Fragestellung ausgehen und geleitet werden. Das erste Kapitel beschäftigt sich daher mit der Frage, was wir unter Leben zu verstehen haben und was wir Erforschen nennen und erforschen können. Zugleich enthält dieser Abschnitt eine kurze Geschichte der physiologischen Forschung. Die Bestandtheile der Zelle sind, wie dann das zweite Kapitel im Einzelnen ausführt, verschieden und wechselnd. Was aber allen Zellen gemeinsam ist, das sind gewisse hochcomplicirte Verbindungen, vor allem Eiweisskörper. Eine Betrachtung der morphotischen, genetischen, physikalischen, chemischen Unter- schiede zwischen Organismen und anorganischen Körpern ergiebt, dass diese Eiweisskörper zugleich das Charakteristikum der Orga- nismen im Gegensatz zur anorganischen Natur bilden. Der lebende Organismus unterscheidet sich andererseits vom leblosen durch seinen Stoffwechsel. Von diesem Stoffwechsel, von dem fortwährenden Abspalten und Wiederanfügen von Atomen oder Atomgruppen, welches in den P^iweissmolekülen vor sich geht, hängen zugleich der Formwechsel, speciell das Wachs- thum, die ontogenetische und phylogenetische Entwickelung, sowie auch der Energie Wechsel, kurz alle Lebeuserscheinungen ab. Von diesen Lebenserscheinnngen in ihrer elementaren Form handelt das dritte Kapitel. Die beiden folgenden Abschnitte sind den Beziehungen zwischen der lebenden Substanz und ihrer Umgebung gewidmet. Ist als eine innere Lebensbedingung das ungestörteZusammenwirkon von Protoplasma und Zellkern erforderlich, so muss das um- gebende Medium die Nahrung liefern, den Sauerstoft' zum Athmen, eine gewisse Temperatur und einen gewissen Druck. Diese sind die äusseren Lebensbedingungen. Für jede derselben giebt es ein gewisses Optimum. Jedes Darunter oder Darüber Avirkt als Reiz und pflegt im allgemeinen eine Bewegung des Protoplasmas in der Richtung nach dem Optimum auszulösen. In dieser That- sache dokumentirt sich die Reizbarkeit der lebendigen Substanz. Dieselbe reagirt auf Reize mechanischer, chemischer, thermischer, photischer und elektrischer Natur und zwar entweder mit einer Erregung oder mit einer Lähmung. Erstere ist eine Steigerung, letztere eine Herabsetzung aller oder einzelner Lebenserschei- nungen. Die elektrischen Erregungs- und Lähmungserscheinungen bespricht Verf., dem die Physiologie auf diesem Gebiete mehrere S)iecialuntersucluingen verdankt, besonders eingehend und kommt bezüglich der polaren Errc'gung durch den elektrischen Strom zu ilem Resultat, dass sich kein durclnveg für alle lebendige Substanz gültiges Gesetz der polaren Erregung aufstellen lässt. Von mehr allgemeinem Interesse dürften die bewegungsricli- tenden Wirkungen einseitiger Reizung sein. Es handelt sich hier um das Aufsuchen von Licht, Schatten, Farben, Chemikalien seitens freiljcweglicher Zellen, die gegenseitige Anziehung der Geschlechtszellen aus iler Ferne, den richtenden EinHuss der Schwere auf die verschiedenen PHanzentheile u. s. w. Man unter- scheidet hier einen Chemotropismus, Barotropismus, lleliotropis- mus, Thermotropisnius und Galvanotropismus. Der letztere ist wieilerum vom Verf. besonders studirt worden. Wie die Drehung des Zellkörpi'rs nach dtn- Keizquello hin oder von ihr fort mecha- nisch zu Stande kommt, wird unter anderem im sechsten Kapitel, das vom Mechanismus des Lebens handelt, auseinandergesetzt. Die beiden Formen der amöboiden Bewegung, einerseits die Aus- streckung, andererseits die Einziehung von Pseudopodien, resul- tiren daraus, dass im ersteren Falle eine locale Verminderung, im anderen Falle eine locale Vermehrung der Überflächenspan- nung stattfindet. Die Aenderung der ( Iberflächenspannung folgt ihrerseits aus einer chemischen Affinität gewisser Theile des Protoplasmas zu ßestandtheilen — besonders ist dies der Sauer- stoft' — des umgebenden Mediums. Verf. weist hier auf die That- sache hin, dass ranzige Oeltropfen, auf eine schwach alkalische Flüssigkeit gebracht, Fortsätze von erstaunlicher Achnlichkeit mit den Pseudopodienformen bestimmter Rhizopoden ausstrecken. Die Ursache ist eine fortwährende Seifonbildung an der Be- rührungsfläche von Oeltropfen und Flüssigkeit. In seinen Einzelheiten ist der Mechanismus des Lebens, d. h. des Stoffwechsels, noch in tiefes Dunkel gehüllt. Man kann nur sagen, dass er an das Eiweiss des Protoplasmas gebunden ist, jedoch nicht an das Eiweiss schlechthin, sondern an bestimmte Gruppen von Molekülen desselben, die Pflüger als lebendes Ei- weiss im Gegensatz zum toten Nahrungseiweiss bezeichnet hat, und die Verf. „Biogene" nennt. Die Biogeno verdanken ihre Eigenschaft als Träger des Stoffwechsels der ausserordentlich labilen Constitution ihrer Moleküle, deren Folge ein fortwährendes Zerfallen und Regeneriren, ein unaufhörlicher Wechsel von „Assimilation" und „Dissimilation" ist. Pfliiger hat auf die mancherlei Aehnlichkeiten zwischen dem lebenden Eiweiss und den Cyanverbindungen aufmerksam gemacht. Sich ihm an- schliessend glaubt auch Verf., dass die Biogene ihre charakte- ristischen Eigenschaften dem in ihrer Constitution enthaltenen Cyanradical verdanken. Hiernach dürfte auch die Pflüger'sche Auffassung von der Entstehung des Lebens den Vorzug vor den anderen Theorien über diesen Gegenstand verdienen, der zu- folge das Leben oder, genauer ausgedrückt, lebende Substanz in dem Augenblick entstand, als unter dem Einfluss der Glühhitze des Erdballes Cyan und Cyanverbindungen sich bildeten. Schaefer. E. Wasmann, Kritisches Verzeichniss der myrmekophilen und termitophilen Arthropoden. Mit Angabe der Lebensweise und Beschreibung neuer Arten. Berlin. Verlag von Felix L. Dames. 1894. — XIII und 231 Seiten. — Preis 12 Mk. Das Zusammenleben verschiedener, mehr oder weniger auf- einander angewiesener Thierarten, die sogenannte Symbiose, eine wiederholt beobachtete Erscheinung in der Thierwelt, gehört zu den anziehendsten Kapiteln der Biologie. Es sind nur gewisse Arten von Thieren, welche unter diesen Gesichtspunkt fallen; drnn dii'jenigcn Arten, die nur scheinbar oder nur gelegentlich bei anderen Thieren leben, sind keine echten Symbionten. Wir sind noch weit davon entfiM-nt, von allen angeblichen Fällen von Symbiose genaue Kenntniss zu haben. Die S3inbiose unter den Insecten bezieht sich wcdil ohne Ausnahme auf das Zusammen- leben von verschiedenen Insecten und anderen Gliederthieren mit AnieisiM) und Termiten. Diese werden als Wirthe, die bei ihnen wohnenden fr(>mden Gliederthiere als Gäste bezeichnet. Die Gäste werden bezw. auch Myrmekophilen (Ameisenfreunde) und Termitophilen (Termitenfreunde) genannt. Viele der echten Gäste haben, in Folge der Anpassung an eigenartige Verhältnisse, besondere Abzeichen, die sie sogleich als echte Gäste erkennen lassen. Auch wenn man von ihrer Lebens- weise noch nichts weiss, so können diese Kennzeichen nach Ana- logie bei anderen genau bekannten Myrmekophilen als Ausweis ihres echten Gastverhältnisses zu den Ameisen und Termiten dienen. So finden sich bei den Paussiden gelbe Haarbüschel, Thoraxgruben, durchlxdirte Stirnhörner, bei den Clavigeriden eigenthümliche Abdominalgruben und gelbe Secretionsbüschel. Auch gewisse Histeriden und Staphyliniden besitzen dichte gelbe Haarbüschel. Diese absonderlichen Bildungen hängen mit dem Vermögen ihrer Träger zusammen, süsse Säfte von sich zu geben, welche die Ameisen gierig ablecken. Zu den am genaui'sten bekannten Erscheinungen des echten Gastverhältnisses gehört die Beziehung des kleinen Käfers Cla- viger t es face US zu kleinen gelben Ameisen, dem Las ins flavus Der Claviger lebt als Gast mit diesen Ameis<'n <'ng zusammen und wird von ihnen gefüttert, da er selbst ganz hilflos und von den Ameisen völlig at)liängig ist; er ist blind und seheint sogar unfähig zu sein, selbst seine Nahrung aufzunehmen. Aber dia Ameisen versehen ihn regelrecht mit dem, was er zu seiner E.xistenz nöthig hat; auch streicheln sie das Käferchen liebko.send mit den Fühlern. Als Entgelt liefert dieses den Ameisen süsse Säfte (ein Secret des Körpers), welche von ihnen vom Körper des Käforchens abgeleckt werden. Aehnliches ist an anderen Käferarten beobachtet (Dinarda, 486 Natnrwisseiischaftliclie Wocheusclirift. Nr. 40. Lomcclinsa, Ainphotis). Die Ami'isrn lialtcn sicli, wie man sieht, gowissermaasson ihre Hansthiere. Pocli ist man nur in wenif;en Fällen ziemlich genau über das eigenartige Verhiiltniss zwischen so verschiedenartigen kleinen Thierarten orientirt. In den meisten Fällen haben wir uns bisher nur oberHiichlich belehren können. Viele der bei Ameisen gefnn- denen fremden Gliederthiere mögen auch mir unechte Gäste sein Uebrigeiis fehlte es bisher an einer guten Uebersiclit über dieses Kapitel in der Biologie der Insecten. Wasmann, der vorzügliche Kenner des Haushaltslebens der Ameisen, hat nun eine Zusammenstellung aller Gliederthiere ge- liefert, welche speciell bei Ameisen (ziemlich zahlreich) und bei Termiten (eine viel geringere Zald) zu finden sind vmd deswegen Myrnieknjihilen, beziehentlich Termitophilen genannt werden. Zu- gleich enthält das Buch ein umfangreiches Litteratur-Verzeichniss auf 54 Seiten, als Na<-hweis der sehr zerstreuten, in der Litteratur sich findenden Mittheilungen über diesen Gegenstand. Das Autoren- Verzeichniss ist alphabetisch, die Publicationen der einzelnen Autoren sind chronologisch geordnet. Das Arten-Verzeichniss der Myrmekophilen und Termitophilen ist systematisch geordnet. Man findet hier die Arten der bei Ameisen (und Termiten) sieh aufhaltenden Gliederthier(> nach Klassen, Ordnungen, Familien, Gattungen und Arten verzeichnet. Bei jeder Art ist der Litteratur-Nachweis über die biologischen Verhältnisse derselben angegeben; natürlich auch die zugehörige Ameisen- oder Termitenart. Das Verzeichniss reicht von Seite 57—202. Wir liaben hier ein Na(d]schla.t;ewerk über myrmckophile und termitophih' Gliederthiere, wie es in solcher Vollständigkeit und mit solcher Kritik nocli nicht geliefert worden ist, und das dem Forscher ein Handbuch ist, während es dem Naturfreunde einen Einblick in das merkwürdige Treiben jener Kleinthiere erleich- tern soll. Es sind in diesem Buche nicht nur die europäischen Myrme- kophilen aufgezählt, sondern auch alle dem Verfasser bekannt ge- wordenen Myrmekophilen und Termitophilen anderer Erdtheile. Wasmann versteht es augen.scheinlich, die biologischen Räthsel, welche noch viele Ann'isen- und Termitenfreuiide unter den Thieren bieten, an di'r oft merkwürdigen körperlichen Be- schaffenheit, deren viele dieser Gäste sich erfreuen, abzulesen- Und interessant ist es, wenn die Vermuthungen sich hernach bestätigen. Jedenfalls bietet das Wasmann"sch<' Werk eine Grundlage zu einem festeren Ausbaue dieses interessevollen Kapitels aus dem Thierleben. Als Kriterium für die Gesetzmässigkeit der Symbiose sieht Wasmann nicht nur das thatsäeldich beobachtete regelmässige Zusammenleben an, sondern, worauf schon hingewiesen wurde, auch das Vorhandensein unzweifelhafter Anpassungscharaktere am Körper des Gastthieres. Das Arti'nverzeichniss enthält 1246 myrmekophile und 109 termitoiihile Arthropoden. In dem von Andr^ 1874 heraus- gegebenen Verzeichniss sind 588 Myrmekophilen aufgezählt, von denen aber mehr als di<' Hälfte von Wasmann nicht auf- genommen sind, weil sie nur als zufällige Gäste zu betrachten sind. Von den 1246 aufgezählten myruiekojihileu Arthropoden- arten entfallen 1177 auf die Klasse der Insecten, 60 auf die Arach- niden (Milben und Spinnen) und 9 auf die Crustaceen (Ass(dn). Von den ir(7 myrmekophilen Insecteiiarten gehören 993 zu den Coleopteren, 1 zu den Stre))sipteren, 39 zu den Hymenop- teren, 27 zu den Lepidopteren, 18 zu den Dipteren, 7 zu den Orthojiteren, 1 zu d<'n Pseudonenropteren, 72 zu den Rhynchoten und 20 zu den Thysanuren. Unter den 105 termitophilen Insectenarten siiul 87 Coleop- teren, 6 Hymenopteren, 2 Dipteren, 2 Orthopteren, 4 Pseudonen- ropteren, 3 Rhynchoten und 1 Thysanure. Jede der aufgeführten Arthropodenfamilien ist durch eine Uebersicht übi'r die Lebensweise der ihr angehörenden Myrme- kophilen und Termitophilen eingeleitet, so dass der Leser ein an- schauliches Bild von dem Leben dieser interessanten Thiere be- kommt. Die Wirthsameisen oder Wirthstermiteu sind bei jeder Art angegeben, wo sie bekannt sind, und, wenn möglich auch der gesetzmässige Wirth. Auch zweifelhafte und ungenaue, aus der Litteratur entnommene Angaben sind als solche niitgotheilt. Am Schlüsse des Werkes sind einige neue Arthropodenarten, meist Käfer, beschrieben. Die Vollendung dieses mit grossem Fleisse seit 10 Jahren vor- bereiteten Werkes wurde theilweise durch die Beihülfe vieler Specialforscher gefördert, so dass die Zuverlässigkeit der Mit- theilungen eine sehr bedeutende ist. Der Herr Verleger hat es sich angelegen sein la.ssen, durch die sorgfältig gewählte Ausstattung und die Correctheit des der Uebersichtlichkeit dienenden verschiedenartigen Druckes das Seinige für die Güte des werthvollcn Werkes beizutragen. Der Herr Verfasser, E. Wasmann S. J. (Exaeten bei Roer- mond in Holland), bittet in der Vorrede, möglichst zahlreiche Nachträge und Berichtigungen zu diesem Werke an seine Adresse zu senden, auch einschlägiges Sammlungsmaterial ihm zur Ansicht zukommen zu lassen. H. Kolbi:. H. Coupin, L'Amateur de Papillons, guido jiour la chasse, hi preparation et la conservation. — 1 vol. in-18 Jesus de 331 p., avec 246 figures, cartonne. (Bibliotheque des connaissances utiles.) Librairie J.-B. ßailliere et fils. Paris 1895. — Prix 4 fr. Ein guter allgemeiner Theil belehrt zunächst über die Haupt- züge des Baues, der Lebensverhältnisse und der Systematik der Schmetterlinge, sodann wird die Ausrüstung für die Schmetter- lingsjagd, die Rau])enzucht mit allem was dazu gehört, die Ein- sammlung von Eiern besprochen, ebenso wie natürlich in ein- gehender Weise Auskunft über die Präparations - Methoden ge- geben wird. Die Figuren sind gut gewählt und belehrend und das ganze Buch überhaupt sehr brauchbar. Maximilian Noska, Zwei monographische Studien: I. Capra caucasica Güld.; II. Capeila rupicapra Keys, et Blas, (im Kaukasus). Mit einem N'achruf und manchen Zusätzen ver- sehen und veröffentlicht von Dr. Gustav Radd(\ Blase«itz- Dresden 1895, Verlag von P. Wolf. — Preis 1,50 M. Die vorliegenden beiden Abhandlungen beruhen auf sehr ein- gehenden Beobachtungen, welche M. Noska, der unter so tragischen Umständen (1894) aus dem Leben geschiedene Jagdmeister des Grossfürsten Sergei Michailowitsch, im nordwestlichen Kaukasus gesammelt hat. Sie sind hauptsächlich vom Standpunkte des Jägers niedergeschrieben, bieten aber auch dem Zoologen eine grosse Menge wichtiger Angaben. Was Capra (Aegoceros) caucasica Güld. anbetrifft, so ist hervorzuheben, dass der Kaukasus von zwei Steinbocks-Arten bewohnt wird, nämlich von C. caucasica Güld. und von C. Pallasii Rouill, (^ C. cylindricornis Blyth), Diese beiden Arten, welche man früher vielfach mit einander verwechselt hat, sind geo- graphisch von einander getrennt; die erstere bewohnt den west- lichen, die letztere den östlichen Theil des Kaukasus, Die Grenze wird von dem hohen Gebirgsstocke gebildet, der den Dych-tau und Kaschtan-tau trägt. (Siehe Eug. Büchner, Zur Geschichte der Kaukas. Türe, St. Petersburg 1887, S. 22), Beule Arten werden von den Russen mit dem Namen „Tur" bezeichnet, einem Namen, der offenbar eine allgemeinere Bedeutung hat, da er auch zur Bezeichnung dos Eos nrimigenius angewendet worden ist. Die Tscherkessen nennen die Steinböcke „Adsche". Noska hat die C. caucasica in Bezug auf die äussere Er- scheinung, namentlich die Form der Hörner. genau beschrieben*) und sodann die Lebensweise dieser Steinbocksart eingehend ge- schildert, wodurch unsere Kenntniss derselben ganz wesentlich gefördert worden ist. In ähnlicher Ausführlichkeit bespricht Noska sodann die kau- kasische Gemse. Diese hat Brehm in seinem „Illustr, Thier- leben unter dem angeblich einheimischen Namen „Adschi'' auf- geführt**); doch betont Noska, dass hier offenbar eine Verwechse- lung mit der tscherkessischen Bezeichnung des Steinbocks „Adsche'" vorliege. Die Gemse heisst bei den Tscherkessen Tzacho, Noska hält die kaukasische Gemse für völlig identisch mit der Gemse des europäischen Continents und weist deshalb die besondere Artbezeichnung Capella caucasica als unberechtigt zurück; doch bemerkt er, dass sie hinter den stärksten Exem- plaren der mitteleuropäischen Alpengemse etwas zurückbleibe, dagegen den sog, „Gratthieren" völlig gleich komme. Jedenfalls ist die Gemse (nebst ihren etwa anzunehmenden Spielarten) ein in zoogeographischer Hinsicht höclist inter- essantes, charakteristisches Sängethier der europäischen Fauna. Ihre heutige geographische Verbreitung ist nur zu verstehen, wenn man annimmt, dass sie einst während der Glacialperiode eine viel allgemeinere und weitere Verbreitung in Europa gehabt hat. Es liegen auch schon zahlreiche Fu n de foss iler Gemsen- reste vor, welche die Richtigkeit dieser Annahme beweisen; und zwar stammen jene Fossilreste nicht nur aus eigentlichen Gebirgs - Gegenden, sondern zum Theil auch aus hügeligen Distrikten, z, B, aus Mähren, als Zeugen dafür, dass dii' Gemsen einst durch die Gletscher der Eiszeiten tief hinab ins Hügelland gedrängt worden sind, A. Nebring, *) Die angegebene Zahnfiuinel ist völlig unverständlich; sie muss durch Schreib- oder Druckfehler entstellt sein, »•) Illustr. Thierleben, 2, Ausg,, Bd, III, S. 269. Nr. 40 Natnrwissciisfhartiicbc Wochcuscliiif't. 487 Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde, licr.uiH- i:.-f;,.h..ii von Dr. A. Kii-rlilioff, Nrmit.-r l',,!., ll,.f| t und 2, .Stiittf;;vrt, .1. KiiKelliorn, 18!)5. 1. Die hüiiloii iieiicsti>n Hefte der ,,F(irschun}j;en" sind iViis- scldii'ssliclL S iclicn b ii i-f;er Saeliseii {jewidiiiet und ent- lialtcM folgende vier w erthv(dle Arbeiten: 1. Die Art d er Ansiede- ln uf; der Si ob enbürff er Saehson von Dr. F. I{. Teutscli in Herniiinnptiult, mit einer Karte. „Die Ansiedelunpspriipiien der Saelisen in Siebenl)iirj;en naeb der ältesten kireldielien Kin- tlieilunf;" in t'ailiiirer Aii.st'iilinuif; (S. 1— "22); 2. Vel k ss t at i s ti k iler S ie ben bii rge r Saebsen von Prof. Fr. Sc Im Her in llerinannstadt, (S. 23— 5.")); 3. V o Ik stli um 1 i e lies drr Sieben- biirfier Saebsen von O. Wittstock in Hermannstadt (S. 59 bis 128); (mit 2 Licbtdnicktafeln). 4. Die Mundart der Sieben- bürfrer Saebsen von Dr. A. Scbeiner in Mcdiaseb (S. 129 bis 104). — Hier seien wenigstens aus den beiden ersten Ar- beiten einige Angaben mitgetheilt : 1. Hanptsiieblieb unter der Regierung des Königs Geisa 11. (1141—1161) wanderten Rbeinfranken aus dem Gebiet, weltlies etwa in den Grenzen von Düsseldorf bis an die Lahn und Oberwesel bis Aachen, einschliesslich Luxemburgs und dem Norden von Deutscb-Lolbringen eingeschlossen ist, nach Siebenbürgen aus. Im Osten des letzteren, dem Seklerland, wohnten bereits die Sekler, ein magyarischer \'olksstamm, der auch beute noch dort ansässig ist; im Westen und Norden sass an den Ufern des Maroscb und des Szamoscb eine von Ungarn her eingewanderte magyarische Be- völkerung, welche seit Slepban und Ladislaus im Anschluss an das Weissenburger Bisthum allmählich nach Siebenbürgen wan- derte. Die Rumänen waren damals noch nicht im Lande, jeden- falls war die ganze Mitte des Landes noch nicht von einer sess- liaften Bevölkerung besiedelt und hauptsächlich mit Wald bedeckt, doch deuten noch vorhandene slaviscbe Berg- und Flussnamen anf streifende slaviscbe Bevölkerung, die jene Namen den neuen Einwanderern vermittelte. Letztere bildeten drei grössere Gruppen: die Bistritzer (Nösner), Hermannstädter und Kronstädter (Burzenl und er) Gruppe, die erstere ist mög- licherweise vorgeisanisch, die zweite fällt sicher unter Geisa's Regierung, die dritte ist eine Ansiedelung des deutschen Ritter- ordens in den Jahren von 1211 — 1225. Die Hauptbesiedelung ist die der H er m anns täd tor Provinz; sie erfolgte auch ilirer- seits wieder gruppenweise; vor Allem sind die Erstansiedelungen zu unterscheiden von den secundären, welche von den wachsenden Gemeinden durch Ausbau in den nichtbesetzten Theilen der Mark geschaft'en wurden. Eine Gruppe von Erstansiedelungen kam ins Land und erhielt durch Königliehe Vergabung ein Stück Land zugewiesen. Waren die Gruppen grösser, so tbeilten sie sich sofort in mehrere Gemeinden oder Diörfer, aber stets erfolgte die Besiedelung gleich dorfweise, nicht der einzelne drang in die \\'ildniss vor und erbaute sich in ihr seine Farm, denn die ganze Colonisation hatte von Anfang an auch den Zweck, die Grenzen des Landes zu schlitzen; nicht der Einzelne erhielt Eigenthum und Rechte, sondern die Gesammtheit, die Gemeinschaft; Feld- und Markgemeinscbaft sind die Grundlagen des wirtbscbaftlichen Lebens gewesen, der Hof gab ausschliesslich das Recht in der Gemeinschaft, die Gesammtheit war Eigenthümer des über- wiesenen Bodens, die freien, durchaus gleichberechtigten Ansiedler waren dem König zur Heeresfolge und Steuerzahlung verpflichtet, gaben ihren selbst gewählten Geistlichen den Zehnten und zur Erhaltung von Kirche und Schule eine Abgabe, wählten sich die Beamten mit Ausnahme de; Hermannstädter Königsriehters und ordneten ihre Angelegeidieiten selber. 2. Für das Ende des 16. .lahrbunderts hatte das Sachsenland eine ungefähr ländliche Bevölkerung von 47 180 Seelen und eine städtische von 21 080, mithin eine Gesammtbevölkerung von über 68 000 Seelen; zu den 180 — 190 freien sächsischen Landgemeinden wären noch etwa 40 — ÖO Dörfer mit vorwiegend sächsischer Be- völkerung hinzuzufügen, welche bis 1848 unterthänig waren, doch fehlt für diese das statistische Material. Die erste genauere Volkszählung datirt von 1755 für die Anhänger der evangel. Augsburger Confession; aus ihr ist die Grösse der absoluten sächsischen Bevölkerung zu erkennen: die 241 sächsischen Orte wiesen damals eine Bevölkerung von 120 860 Seelen auf und zwar 25 660 in den Städten, 95 000 auf dem Lande. Im Jahre 1890 betrug die sächsische Gesammtbevölkerung 19.j 351) Seelen, davon 44 287 Städter. 151072 Landbewohner, das Wacbsthuni beträgt mithin in 125 Jahren 74 499 Seelen oder 61,9%, oder etwa '/■.." o im Jahre. Diese Zunahme steht keineswegs vereinzelt da, hin- sichtlich des Bestandes der Sachsen in Siebenbürgen liegen, was ihre Propagationsfähigkeit anlangt, nach dem Verf. noch keine Urs:ielien zn Besorgnissen vor. Eine Wiedergabe der Einzelheiten kann hier jedoch nicht erfolgen, namentlich ist dies aber bei der dritten und vierten Arbeit nicht wohl angängig. 3. Von grossem allgemeinen Interesse sind die sehr reich- haltigen Mittlieilungen über das Volksthum von (). Wittstock und i'rbalti'U durch die Beifügung der S])eciellen Litteratur hei jedem Capitel für den Specialforscher noch eine werthvolle Be- reicherung. Behandelt werden Soelenglaube und Seelenkult, Maren- und Dämonenglaube, Götterglaube, volksthümliche Biiiuchc bei tli'burt und Taufe, bei Verlobung und Hochzeit, bei Tod und Begräbniss, Festgcbräuebe, die Einrichtungen der „Bruderschaft" und der „Naebbarsebaft", Tracht und Wohnung, Sage und Volks- lied. Beigegeben sind zwei ansprechende Liclitdrucktafeln: „Sächsische Bauern im Sonntagskleid' und „Sächsisches Bauern- haus am Sonntag". Hinsichtlieb der einzelnen Capitel müssen wir jedoch auf die Arbeit selbst verweisen, wie dies ganz be- sonders auch von der letzten sehr fleissigen Arbeit von A. Scheiner gilt, welche die Mundart bebandelt und in der Einleitung die bisherigen einschlägigen Arbeiten besiiricht. Fr. Regel. Prof. Dr. C. Christiansen, Elemente der theoretischen Physik. Deutsch von Dr. Job. Müller. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. E. Wiedemann. Mit 143 Fig. Johann Ambrosius Barth (Arthur Meiner). Leipzig 1894. — Preis 10 M. Das vorliegende Werk ist zuerst in dänischer Sprache er- schienen. Da es in Deutsehland bis jetzt an einer derartig kurz gefassten, in alle wichtigeren Absclniitte der theoretischen Physik auf möglichst schnellem Wege einführenden Darstellung des Gegenstandes fehlte, hat Prof. H. Wiedemann die deutsehe Uebersetzung für nützlich gehalten und in Anregung gebracht, wie er in einer von ihm verfassten Vorrede mittheilt. Die deutsche Studentenschaft wird für die Gabe sicherlich sehr dank- bar sein, weil .sie dadurch in den Stand gesetzt ist, für wenig Geld gewissermaassen eine ganze Collection wohlgepflegter Vor- lesungshefte zu erstehen und dadurch von den oft schwer zu verfolgenden und bei entstandenen Lücken noch schwerer zu er- gänzenden akadeniiseben Vorlesungen unabhängiger zu werden. Was die Anordnung des Stoft'es betrifft, so ist die Elektricität vor der Optik bebandelt und in dem Abschnitte über das Licht unmittelbar nach der Ableitung der Fresnelscben Gleichuugen die elektromagnetische Licbttheorie eingeführt und der weiteren Darstellung zu Grunde gelegt. Ob der Studirende im Stande sein wird, bei der knappen Darstellung allein mit Hilfe des vor- liegenden Buches zum vollen Verständniss der schwierigen Materie zu gelangen, dürfte von der Individualität abhängen; der Zweck des Buches ist jedenfalls mehr der, die Ergebnisse eindringenden Studiums grösserer Quellenwerke festzuhalten und dadurch spätere Wiederholungen ohne Benutzung von Bibliotlieken zu ermög- lichen. F. Kbr. Brandt, Dr. Gust., Grundlinien der Philosophie v. Thomas Hobbes, insbesondere seine Lehre vom Erkennen. Kiel. — 2 M. Liebe, Hofr. Prof. Dr. K. Th , Ornithologische Schriften. Er- gänzungs-Band. Gera. — 1,60 M. Fringsheim, N., Gesammelte Abhandlungen. 1. Band. Jena. — 20 M. Schafarzik, Dr. Frz., Die Pyro.xen-Andesite desCserhat. Budapest. — 7,20 M. Schlömilch, Oeh.-R. a. D. Dr. Osk., Compendium der höheren Analysis. 2. Bd. 4. Aufl. Braunschweig. — 9 M. Thomson, C. G., opuscula entomologica. Lund. — 10 M. Vom Fei» zum Meer, Bilder aus dem Leben deutscher Ströme, — heisst ein neues, von Dr. P. Schwahn verfasstes Ausstattungsstück d<'s Wissenschaftlichen Theaters der Urania zu Berlin. Die hübschen Decorationen und Dioramen von H. Härder, H. Hartmann und W. Kranz bringen u. a. zur Anschauung: 1. ein Firnmeer im Hochgebirge, 2. einen Gletscher, 3. die Ouellcn des Rheins und der Elbe, 4. einen Wildbach, 5. das Felsen- labvrinth der Sächsischen Schweiz, 6. den Eisgang der Weichsel, 7. die Dünen der Kurischen Nehrung, 8. eine Halliginsel in Ruhe und bei SturmHuth und 9. ein „Kriegshafen in Kiel" bezeichnetes Seebild. Der für das grosse Publikum berechnete und dem ent- sprechend passend elementar gehaltene Text wird nicht verfehlen bei demselben die Anregungen zu bieten, die bezweckt sind. Die drei Akte bebandeln 1. die Wiege der Ströme, 2. die Thalwcge derselben und o. dii' deutschen Meeresgestade. Inhalt: II. Engelhardt: Was erinnert uns in Sachsen an die Ptlanzenwelt der Tertiärzeit? — Die mit der Entwiekelung fort- schreitende DiÖ'erenz der Zellen. — Ueber die geographische Verbreitung der Tbiere und Pfl.iuzen in ihrer Beziehung zur Tempe- ratur. — Ueber bemerkenswerthe neuere Ergebnisse der Pflanzengeograpliie. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Ignatius Donelly, Atlantis, die vorsintflutbliehc Widt. — Dr. Max Verworu, Allgemeine Physiologie. Ein Grundriss der Lehre vom Leben. — E. Wasmann, Kritisches Verzeichniss der myrmekophilen und termitophilen Arthropoden. — H. Conpin, L'Amateur de Papillous. — Maximilian Noska. Zwei monographische .'Studien: I. Capra caucasica Güld.; II. Capeila rupicapra Keys, et Blas. — Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde. — Prof. Dr. C. Christiansen. Elemente der theoretischen Physik, — Liste. — Vom Fels zum Meer. 488 NatnrwisseDSchaftliche Wochenschrift. Nr. 40. Verlag' von Ilcrinaiiii CiisIcikiIiIc in Jciici. Die MMm to MmM 1(1 m \Ui Ein Versuch zur Versöhnung zwischen ReNgion und Wissenschaft. l)r. Wilheiiii Haacke. Mit zalilreiclieii Aljbililungoii im Text. Ein liocholegauler Oktav-Ciinil lon 31 ßogcii. Preis; 12 Mark. Elcgaut in llallifraiiz goliniidcn H .Mark 50 l'fg. Der bekannte Mitarb ei t er an Bfelun's T/tiertehen, Ver/anser der Scliöp/urift der Thii'rwdt (Erfränzuiigsband zu Brehm's Thierleben) und von Jiestoltnn'j und Veref/'unff" sucht in diesem Buche ein Entwickelungsgesetz nacbzuweiseu, welches das gesammte Geschehen in der Körjierwelt und im .'Seelenleben be- herrscht, und dessen Anerkennung es trotz grundsätzlichen Festhaltens an der mechanistischen Naturbetrachtung gestattet, alle materiellen Vorgänge sowohl als auch alle religiösen, künstlerischen, wissenschar't liehen und sozialen Be .strebnugen als Ausflüsse eines planvoll schatfendeii t;"ttllclien Weltprinzips autzutassen. Er weist dadurch auch auf den einzigen Weg liiii, auf dem eine Versöhnung zwischen Religion und Wissenschaft möglich ist. atent-technisches und I Verwerthung-Bureau Betclie. Berlin S. 14, Neue Rossstr. 1. Erfindungen. Neuheiten, Modelle jeder Art werden zu- verlässig, billig, discret in meiner Spe- eialwerkstatt ausgearbeitet und angefer- tigt, auch brieflich. W. Maaske, Mechan., Berlin N., Schwedterstr. 31. SammluDgs-Schränke für Sammlungen jeder Art in den verschiedensten Ausführnngen. Rudolph Zwach Tischlermeister. BERLIN, Invalidenstrasse 101. Lieferant der Königl. Berg-Aka- demie, Landwirtlischaftl. Hoch- schule und Museum für Natur- kunde. '^^S^^E^^Ü^^^E^^ I IPMSPECT GRATIS für ERFÜTPEr _fB |flRPADBAllEB,JWG.BESiiFJ,H3I.Slralsünd.St36. PATENTBUREAU Qlrich T^. jYlaerz Berlin NW., Luisenstr. 22. Patent- Marken- U.Musterschutz für alle Länder.. 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Zweiter Teil: Die Mechanik der terrestrischen Erschein ungen. I. Eiideitung. II. Die Schwere der irdischen Körper. III. Die Wärme. IV. Die Kohä.sion imd die Aggrc- gatszuständc V. Die Krystallisation. VI. Die sogenannte Saugkraft, die Flächen- anzichung und die Kapillarerseheimmgen. VII. Die DitTusion. VIII. Die Licht- erscheiuungen. IX. Der Magnetismus. X. Die Elektrizität. XI. Der Elektro- magnetismus. Schluss. 1«- Prris 91k. 1,60. Die Anderssohn'sche Drucktheorie und ihre Bedeutung für die einheitliche Erklärung der physischen Erscheinungen. Von Prof. IDr. C3-ij.s-ta.-v Hoffmann.. aiF~ I'rris llk I.—. Halle a. S. G. Schwetschke'scher Verlag. Elektrische graft-Anlagen Im Anschluss an die hiesigen Centralstationen eventuell unter Ankauf vorhandener Kraftmaschinen führt unter günstigen Bedingungen aus lEIektromotor" G. m. b. H. 21. Schiffbauerdamm. BERLIN NW. 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Verlag : Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den 13. October 1895. Nr. 41. Abonnement: Man abonnlrt bei allen BuchhandlunRen und Post- Y Inserate : Die viergespaltene PetitzeUe 40 ^. Grössere AufträRe ent- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— sprechenden Rabatt. Bellagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme BrinKcseld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. jl- bei allen Annoncenbureaui wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständig^er Qnellenaiigabe gestattet. ^ Ueber Quellenbildung und Quellenabsätze im nordostdeutschen Diluvium. Von G. Müller. Im älteren Gebirge erregen diejenigen Gebirgs- giieder, die sieb in Folge ibrer pclrdgrapbisflien Be- scbaflenbeit als wasser-undnrchlilssig erweisen, die be- sondere Aufmerksamkeit des Geologen, da sie als Quellen- bori/jinte für das praktiscbe Leben und als sicberer An- haltspunkt bei der geologiscben Kartenaufnabme von grosser Wiebtigkeit sind. Man bat, namentlich in neuerer Zeit vielfaeb angeregt durcb das Bediirfniss der Wasser- versorgung grösserer Städte und bedeutender gewerblieber Anla; ;en die Quellentrage im Gebirgslande eingebend Weit weniger ist das studirt und litterariseb behandelt. in Bezug auf das Diluvium des norddeutschen Flach- landes der Fall, da in diesem für grössere Anlagen aus- reichende Quellen nur höchst selten vorhanden sind, und in Folge dessen die etwa nötbigen Wassermengen meist den stellenden oder fliessenden Gewässern entnommen werden müssen. Dieser ^Mangel an starken Quellen in dem fast aus- schliesslich von der Quartärformation eingenommenen norddeutschen Flachland hängt sowohl mit der Ober- Hächengestaltung des Diluviums als auch dessen geologi- scbeiii Aufbau im innigsten Zusammenhang. Zunächst sind im Bereich des norddeutschen Diluviums die Ein- zugsgebiete für die atmosphärischen Niederschläge bezw. die abflusslosen Gebiete viel kleiner, als wie in den von Gliedern älterer Formationen aufgebauten Gegenden, da die milden quartären Gesteinsarten der Erosion, vor Allem in der mit ungeheuren Wasserraengeii ausgerüsteten Glacial- periodc, verbältnissmässig geringen Widerstand boten und .so zur Bildung zahlloser Rinnen und tiefer Becken Anlass Dazu kommt die geringe Undurc,bl;issij;keit der gaben. Mehrzahl der quartären Ablagerungen, in Folge deren die einziehenden atmosphärischen Niederschläge leicht in tiefe Regionen eindringen, sieb hier als Grundwasser ansammeln bezw. den stehenden und fliessenden Gewässern zufliessen, ohne zur Bildung sichtbarer Quellen Anlass gegeben zu haben. Hauptsächlich tritt diese unterirdische Ent- wässerung in Gebieten ein, die ausschliesslich aus mächtigen Kies- und Sandalllagerungen aufgebaut sind, wie dies z. B. in den von Keilhack beschriebenen Heide- saudgebieten Hinterpommerns der Fall ist. Absolut wasserundurchlässige Schiebten (Diluvial- thone) finden wir in dem norddeutschen Flachland ver- bältnissmässig vereinzelt und meist auch nur in geringer horizontaler Verbreitung. Von grösserer horizontaler Verbreitung erweist sich nur der Geschiebeniergel, der, obwohl er in den meisten Fällen seiner petro- graphischen Zusammensetzung nach nicht vollkommen wasserundurchlässig ist, trotzdem unter gewissen Voraus- setzungen unter den quartären Bildungen nahezu einzig und allein als zur Quellenbildung anlassgebend in Be- tracht kommt. Von den in der Litteratur gewöhnlieb unterschiedenen Quellenarten: Scbicbtquellen, Kluftquellen und Verwerfungs- spaltenquellen (die Ueberfallsquellen sind nur Abarten der Schichtquellen) treffen wir in der Regel im Diluvium nur die Sehicbtquelle, da die beiden anderen Arten sich bei der Plasticität der quartären Bildungen nur in den seltensten Fällen bilden können. Allerdings kann man bei guten Aufschlüssen die Beobachtung machen, dass die einziehenden Gewässer in den von Störungen be- troffenen Schichten stets den Verwerfungen folgen. So- gar wenn Sande oder Kiese von Verwerfungen durchsetzt sind, folgen die Wassertheilchen diesen Verwerfungen 490 Naturwissenschaftliche Wocheuschril't. Nr. 41. als dem Weg des geringeren Widerstandes, dies dann durch Ausscheidung von Ö.slcokollen dem Auge kenntlicii machend. Werden Mergelsaude, Tiione oder Gcschichc- niergel verworfen, so hal)eii in diesen die durehgleitendeii AVasser vielfach die 15ildung von Kalksandstein hervor- gerufen, der auf seiner OberMäche durcii Rillenbildung tleutlich den von dem Wasser eingeschlagenen Weg zeigt. »Solchen die Verwerfungsspalte ausfüllenden Kalk- saudstein fand ich z. B. sehr schön ausgebildet in einer für Ziegeleizwecke dienlieli gemachten Tlion- mergelgrube am Gleuen-See nördiieji Teniplin in der Uckermark, woselbst, wie der Aufsehluss deutlich zeigte, das Wasser bei seinem Wege in die Tiefe der Ver- werfiingsspalte folgte. Die Verwerfungsspalte war hier ursprünglich mit 8ciiutt aus den hangenden 4 m mäch- tigen Sauden und Kiesen angefüllt, welcher durch das kalkige Bindemittel zu einem festen Conglomerat ver- kittet worden war. Die im norddeutschen Diluvium demnach liauptsächlich in Betracht konmienden Schiehtquellen (sowohl im engeren Sinne als auch als üeberfallsqnellenj können sich natur- gemäss nur dort finden, wo die Thätigkeit des ober- flächlich abtliessenden Wassers so tiefe Rinnen oder Becken in die Diluviallandschaft eingeschnitten hat, dass die Oberkante einer wasserführenden Schicht, im Allgemeinen eines Geschiebemergels augeschnitten wor- den ist. Von den beiden bei der geologischen Kartenaufnahme des norddeutschen Quartärs gewöinilich unterschiedenen Geschiebeniergcln ist es naturgemäss hauptsächlich der untere, welcher zur (iuellenbildung Veranlassung gegeben hat. in der That finden wir überall dort, wo die Erosion die diluvialen Bildungen bis zur Oberkante des unteren Geschiebemergels fortgeschafft hat, Quellen herausfliessen. Es ist demnach der untere Geschiebemergel ein guter Quellenhorizont im norddeutschen Diluvium, der, wenn er einmal erkannt ist, bei den geologischen Aufnahme- arl)citen einen guten Anhalt für die Abgrenzung des unteren Gesehiebemergels von den hangenden Bildungen abgiebt. Die stärksten natürlichen Quellen werden in dem- jenigen Theil eines Erosionstlials zu Tage treten, wo sich die Oberkante des wasserführenden (ieschiebemergels auf gleicher Höhe mit der Thalsohle befindet, da sich hier die auf dem Geschiebemergel abfliessendcn Wasser mit dem Grundwasser des Thaies vereinigen. Ein schönes Beispiel hierfür geben die Quellen bei der Bergholzer und Meukiner Mühle am westlichen Ufer des Randow- thaies bei Löcknitz ab, woselbst die über dem unteren Geschiebemergel heraustretenden Quellen so stark sind, dass sie sofort eine Mühle zu treiben im Stande sind, während die thalabwärts über der Tlialsohle entspringenden Quellen nur geringe Wassermengen zu Tage fördern. Auch in Ostpreussen lielern die über dem unteren Mergel ent- springenden Quellen die vielfach ganz bedeutende Wasser- kraft für zahlreiche AVassermühlen. Bei etwaigen Brunuen- bohrungen wird man daher in der Regel bis auf die Oberkante des unteren Geschiebemergels heruntergehen müssen, welcher natürlich in den verschiedenen Gegenden verschieden hoch über dem Meeresspiegel, vielfach auch unter 'i'age liegt. Der über oder unter dem unteren Geschiebemergel folgende Thonmergel wird dort als Qucllenhorizont zur Geltung kommen, wo er in grosser horizontaler Ausdehnung zur Ablagerung gelangt ist. Sollte man daher über dem Unterniergel kein Wasser gefunden haben, so dürfte eine Fortsetzung der Bohrung immerhin zu empfehlen sein, also vor allem in von vielen Erosionsrinnen durchzogenen Gebieten. Au Thalhängen, wo die Erosion bis zur Ober- kante derartiger Thonmergel vorgesehritten ist, pflegen gleichfalls Quellen herauszutreten und dann bei ver- rutsehtcn Gcliängen einen guten Anhalt für die Karten- aufnalinie abzugeben. Die so erschlossenen Quellen sind jedoch, wenn über den wasserführenden Sandkiesen noch nicht entkalkter oberer Geschiebemergel folgt, meist sehr hart und zuweilen auch eisenhaltig, wie weiter unten ausgeführt werden soll, so dass dann ihre Brauchbarkeit für gewerbliche Zwecke unmöglich ist. Der Obere Geschiebemergel wird nur dort als wasserführende Schicht auftreten, wo er seinerseits von noch jüngeren, zu einer mächtigen Entwickelung gelangten Bildung z. B. oberen Sand überlagert ist. Er tritt als quellenhorizontbikleud demnach zurück, da derartige Ge- biete weniger vorhanden sind. Es kommen meist nur die Gebiete in Betracht, wo vor und hinter den Endmoränen- zUgen mehr oder weniger mächtige obere Sandmassen abgelagert sind. Man kann zwar vielfach auch in oberen Sandgebieten, in denen weniger mächtige Sandmassen abgelagert sind, Quellen über dem oberen Blocklehm heraustreten sehen, doch haben dieselben, weil zu un- bedeutend, für die Praxis keine weitere Bedeutung. Die Bewohner ausgedehnter Geschiebemergelplateaus werden daher leicht in Verlegenheit um gutes Trink- und Wirthschaftswasser sein, namentlich wenn diese so mächtig sind (wie z. B. in der Uckermark) dass etwaige Bohrungen erst in bedeutender Tiefe auf wasserführenden Sand oder Kies stossen können. Das Brunnenwasser solcher Gebiete ist dann auch meistens nur aufgesammeltes Regenwasser (Püttenwasser), zu dem die stark kalkhaltigen Sickerwässer des umgebenden Geschiebemergels treten. Um hier brauchbares Trinkwasser zu bekommen, wird man am besten zwischen zwei auf Geschiebcmergel- plateaus meist nicht seltenen Pfühlen oder Seebecken bohren, welche oberflächlich mit einander durch eine Rinne oder Senke verbunden sind. Sind die Senken mit humosem Alluvium erfüllt, so wird die Bohrung am zweckmässigsten am Rande derselben niedergebracht. Die Stärke der Quellen ist überall abhängig von der Menge der atmosphärischen Niederschläge, von der Grösse des Einzngsgeljiets und der pctrographischen Beschaft'en- heit der die Oberfläche bildenden Schicht des Einzugs- gebiets. Je weniger Widerstand die die Oberfläche bildende Gesteinsart dem Einziehen der Niederschläge entgegensetzt, desto stärker werden naturgemäss die Quellen sein. In diluvialen Landschaften werden dem- nach sandige Gebiete stärkere Quellen liefern als wie solche, in denen wenig verwitterte Geschiebelehme oder gar thonige Böden vorherrschen. Am günstigsten werden die Gegenden daran sein, in denen eine nicht zu mächtige Decke stark verwitterten Geschiebemergels oberflächen- bildend auftritt, da die schwach lehmigen bis lehmigen Sande nach längerer Trockenheit für die Niederschläge sehr aufnahmefähig sind, während sie andererseits, sobald sie mit Wasser gesättigt sind, gegen das Austrocknen durch Wind und Sonne wenigstens solange eine schützende Decke bilden, als die einsickernden Wässer in grössere Tiefen gelangt sind. Ebenso ist die Beschaffenheit des Quellwassers ab- hängig von der pctrographischen Zusammensetzung der von demselben durchflosscnen quartären Bildungen. Ciuellen, welche am Rande eines ausgedehnten mächtigen Gescliicbeniergelplateaus heraustreten, werden reich an gelösten Verbindungen sein, unter denen kohlensaurer Kalk und Eisenoxydhydrat vorherrschen, während die am Rande von Sandgebieten heraustretenden Quellen naturgemäss weiches Wasser liefern. Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 491 Beispielsweise sind die iilx'i- mitcreni Geschiebc- iucri;cl nürdliuh rai'ulcnt bei Fiddiidiow cnfs|irini;cndon, das dabintcriicgciide grosse Plateau oberen (ieschiebe- uiergels entwä.ssernden Quellen so stark eisenhaltig', dass sie beim Eintritt in das Tlialsandijebiet bei der von ihnen getriebenen l'aculenter Mühle eine grosse Fläche Sandes roth färlMii. Dieses (Jebict heisst in Folge dessen im VolUsmunde die „Uothc Erde" und die .Mühle die „Kothe Mühle". Das unmittelbar bei den C^)uellen selbst abgeschiedene Eisenoxydhydrat ist eine Zeitlang von dem Mühlcnbesitzcr als Eisenocker ver- kauft worden. Eine ebenfalls .stark eisenhaltige Quelle entspringt südlich Fiddieliow in der Königl. Kehrl)erger Forst, deren Wasser, obwoid viel gereinigt, stets an der (tl)crHäehe llöckige Ausscheidungen von Eisenverbin- dungen zeigen. Hier muss der (iehalt an Eisen jedoch aus den gelben, eisenschüssigen oberen Sauden herrühren, welche dort den unteren Diluvialsand in grosserer Mächtig- keit überlagern. An denjenigen Stellen der Rinnen und Decken, wo die wasserführende Schicht nicht der Erosion /.um Opfer gefallen ist, sondern sich nahe der Oiierlläche (picr durch das ganze Thal hindurchzieht oder wenigstens noch einen zungenartigeu Fortsatz in dasselbe hineinschickt, pflegen die das Thal ausfüllenden Alluvionen kalkhaltig zu werden, sobald die über der wasserhaltendeu Schicht fortfliessenden, am Rande des Thaies entspringenden Wasser sich mit Kalk gesättigt haben. Wir tindcn dann daselbst stets Moormergel, kalkigen Torf, Wiesenkalk, zuweilen auch KalktufF entwickelt. Eine Kalkbestimmnng eines derartigen auf unterem Geschiebemergel ruhenden Moormergels von Menkin bei Löcknitz ergab im Mittel 72,57 pCt. kohlensauren Kalk, während der Moormergel über unterem Mergel aus der Wiese zwischen Brusen- felde und Paculent 59,86 pCt. kohlensauren Kalk enthielt. Aber unterhalb dieser Zone eines Erosionsthaies sind die alluvialen Bildungen gewöhnlich kalkarm und nur dort, wo sich die Wasser in einem ruhigen Seebeckeu an- sanuneln, wird weiter thalabwärts der kohlensaure Kalk zu Boden fallen und so Anlass zur Bildung von Wiesenkalk oder Seekreide geben. Selbstverständlich werden stark kalkige Quellen auch solche Thalalluvionen in uumittel- i)arer Nähe des Austlusspunktes unt Kalk anreichern, die nicht auf einem undurchlässigen Untergruiul ruhen, und namentlich in denjenigen Rinnen, die nur schmal sind, bczw., wcun auch nur zeitweise, ungenügende Entwässerung haben. Dort, wo sich die Oberkante der wasserführcinlen Schicht über die Tlialsohle erhebt, geben etwaige Quellen viell'acli Aidasszur Bildung von Gchängenn)orcn. Im ersten Stadium werden die wasserhaltenden Sande und Kiese, insofern sie auf grössere Strecken hin in nicht zu starker Mächtigkeit die undurchlässige Schicht überlagern, in Folge der andauernden Feuchtigkeit hunios, um später zu reiner Moorerde zu werden, auf der sich dann schliess- lich die torfi)ildenden Pflanzen so stark entwickeln, dass Torfmoore entstehen. Diese Gehängenioore wachsen naturgeniäss allmählich dem Thale zu, bis sie sich mit dem Thalalluviuni (Niederungsnioon vereinigen. Gerathen die Gehänge- nioore bei dem Hinabwaclisen zur Thalsohle auf reinen (4eschicbemcrgeluntergrund, so pflegen sie an dieser Stelle kalkig zu werden, so dass sie in kalkigen Torf oder gar Moormcrgel übergehen. Diese Entwickeluug beobachtete ich u. a. am westlichen Randowufer bei Bergholz, wo alle Stadien dieses Entwickelungsganges in Erscheinung treten. Unfern der oben angeführten Bergholzer Mühle finden wir nach dem Plateau zu zunächst eine randlichc Zone reinen Torfes, der nach dem Thal zu in kalkigen bezw. Moormergel übergeht, während wir unterhalb im Randowthal selbst wieder reinen Torf antreft'en. Weiter thalabwärts tretfeu wir in der Nähe der Bergholzer Windmühle die Umbildung der Moorerde zum Gehänge- nioor vor. Obige Mittheiluugen sind in Kurzem das Ergebniss von Beobachtungen, die ich gelegentlich meiner Be- schäftigung bei der geologischen Kartenaufnahme des norddeutschen Flachlandes gemacht habe. Wenn ich mir auch bewusst bin, bei weitem das Thema nicht er- schöpft und der Mehrzahl der Fachgenossen nichts Neues gebracht zu haben, so wird doch die Mittheiluug weiteren Kreisen von einigem Interesse sein. Ueber zwei neue Pflanzenreste aus dem oberschlesischen Muschelkalk. Von Dr. R. Michael. So reichhaltig die Meeresfauna des Muschelkalkes ist, ebenso selten sind eingeschwennnte Reste von Land- pflanzen; bis vor einiger Zeit waren nur sieben Arten, meistens Coniferen, von der wissenschaftlichen Kritik anerkannt.*) Ihre Zahl wurde 1886 um eine vermehrt, als Kunisch ■'=• I in dem oberschlesischen Muschelkalk von Krappitz an der Oder den Abdruck eines Coniferen- zweiges fand, den er als Voltzia Krappitzensis beschrieb. Es war dies der erste unbezweifclbarc ])flanzliche Rest aus diesen überaus versteinerungsreichen Kalksteinen, nachdem eine seiner Zeit von Goeppert unter dem Namen: Sphaerococcites Blandowskianus beschriebene angebliehe Muschelkalkalge auf Grund einer noch- maligen Untersuchung der Originalcxemplare aus der *) Sclii'iik, lieber die Pflanzenresto des Miiselielkalkes von Recoaro (Benecke's geognostisch-palaeontologische Beiträge, 2 Bd. München 1876, S. 71—87). ♦•)|Zeitschr. d. deutsch, geolog. Gesellsch. 1886, S. 894 ff. Reihe der pflanzlichen Versteinerungen hatte gestrichen werden müssen.*) Das betrcftende Handstück mit Voltzia stammte aus dem Kluzny'schen Steinbruch, der dem Niveau der Chorzower Schichten des unteren Muschel- kalkes angehört; die Erhaltung der Pflanze war mir mangelhaft. Vor einiger Zeit gelaug es nun einem der eifrigsten schlesischen Localsammler, Herrn Grundey in Kattowitz, dem die Wissenschaft schon manches werthvolle Objcct ans Schlesien verdankt, in demselben Horizont und zwar auch in dem gleichen Kalksteiubruch zwei weitere pflanz- liche Reste zu finden. Der Erhaltungszustand beider Fragmente, die oftenbar mindestens sehr nahe verwandt, wenn nicht überhaupt ident sind, ist ebenso eigenartig wie verschieden. Das grössere Bruchstück liegt in einem Stück des Chorzower Kalksteins noch eingebettet u)id ist ein deut- *) Schenk 1. c, S. 77. 492 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 41. &. lieh als Halbrelief erhaltener Steinkern eines Stammtheiles von etwa 27 cm Länge; seine Breite im oberen Tlieilc beträgt etwa 30, in dem sich allmählich verjüngenden unteren etwa 20 mm. Die Oberfläche ist mit einer grossen Anzahl von spiralig angeordneten Eindrücken besetzt; sonst gestattet der Rest keinerlei Identificirung, da Andeutungen irgend wel- cher anderen Structur fehlen. Anders verhält es sich mit dem zweiten hier von Herrn E. Ohmann neben- stehend abgebildeten Exemplare; es ist gleichfalls ein zu einem elliptischen Cylin- der zusammengedrücktes Fragment eines Stengeltheiles von ursprünglich 11 cm Länge und einem Durchmesser von 19 mm am oberen, 11 mm am unteren Ende; das ursprüngliche, aus 3 zusammengehörigen Theilen verkittete Stück iiat bei der Be- arbeitung insofern einige äussere Ver- änderungen erlitten, als am oberen Ende eine etwa 1,5 cm lange Scheibe abge- schnitten und zu Schuften verwandt wurde, desgleichen auch vom unteren Ende ein Querschliff" entnommen werden nmsste. Es ist allseitig erhalten als echte Versteinerung, deren einzelne pflanzliche Theile mit amorpher Kieselsäure duich- tränkt sind. Eine von vorniiercin augen- scheinlich vorhandene innere Höhlung bil- det jetzt einen Opalkern von der Form eines Ordenssternes von 2 mm Durchmesser, sonst hebt sich im Querschnitt noch um diesen eine kreisförmige Partie von holl- brauner Farbe von etwa 8 mm Durclnnesser ab, die ihrerseits noch von einer intensiv dunkler gefärbten Zone umgeben wird, während der Aussenrand hellgeblich ge- färbt erscheint; eine Reihe hell weisser kreisrunder Partien von der Farbe des innersten Hohlraumes treten aus der Gesammtmasse deutlich hervor. Die Oberfläche ist ringsherum mit ausserordentlich regelmässig angeordneten kleinen Wülsten und Eindrücken von wechselnder Vertiefung besetzt; an iimcn treten die erwähnten hellen, kreisrunden Partien als kleine »N Fig. 1. Fig. 1. Das Fossil Vi nat. (5r. Fig. -. Ein Iviiorri, irgend Leisten heraus; sie entsprechen augenscheinlich Stellen von Blattnarben. Die einzelnen Schliffe zeigen den ganz aussei'gewöhn- licli vorzüglichen Erhaltungszustand dieses in jeder Be- ziehung eigenartigen Fossils. Die Structur der eiirzelnen Theile ist so gut erhalten, dass man den Schliff' einer recenten Pflanze vor sicii zu haben glaubt, aber dennoch gelingt es nicht, dieselbe ohne Weiteres mit einer bekanntereu Gattung, ja sogar einer Gruppe zu identiticiren. Auf den ci'sten Blick maelit dieselbe den Eindruck einer Moiiocotyle, aber den- iioeli bin ieli eher geneigt sie als einen Farreni'est anzusprechen; dafür scheinen mir Anordnung und Form der Leitbündel zu sprechen, die auf die Gruppe der Os- mundaceen hinweisen. Es bleibt uns zunächst nichts anderes übrig, als die beiden Reste zu der provi- sorischen Gattung „Knorria" zu stellen, die für Steinkerne von Stengel- organen, deren Oberfläche nicht die ur- sprüngliche der lebenden Pflanze ist, er- richtet worden ist.*) Wie bei Knorrien in allerdings ver- hältnissniässig seltenen Fällen ein in Form eines steinkohligen Uebcrzuges erhaltener Aussentheil der Rinde durch seine Aussen- sculptur die Unterbringung in eine be- kanntere fossile Gattung gestattet, wird dies hier vielleicht durch eine eingebende Untersuchung des absolut eigenartigen ana- tomischen Baues noch cnuöglicht werden können; zunächst soll dui-cb diese Zeilen lediglicli die im Hinblick auf die Selten- heit von Pflanzenresten im Muschelkalk überhaupt er- wähnenswerthe Thatsaclie kundgegeben werden. Als Namen schlage ich: Knorria Mariana vor. m^id'^ Fig von aussen gesehen. LI- Wulst vergrüssert. *) Vergl. H. Potonie: lu dieser Zeitsclirift 1892. Nr. 7, S. 61. Die zoologische Sammlung des Königlichen Museums für Naturkunde zu Berlin. Die Vogel - Schausammlung. [Fortsetzung.] Die systematische Schausammlung. In der Aufstellung der systematischen Sammlung ist man genau derselben Ordnung gefolgt, die man bei der Aufstellung unserer deutschen Vögel eingehalten hat. Den Anfang machen die Sperlingsvögel, an deren Spitze nach dem Vorgange Cabanis' die Drosselvögel ge- stellt sind. Die Familie der Drosseln ist durch eine ganze Anzahl fremder Arten vertreten. In erster Linie sind die uns schon bekannten Arten Mistel- und Ring- drossel zu nennen. Dazu kommt die amerikanische Wanderdrossel, Turdus migratorius und die gleichfalls in jenem Erdtlieil (Vereinigte Staaten) bebeimathete Zwerg- drossel. Südaustralien ist durch die Monddrossel ver- treten. Auch die sUdeuropäische Blaumci-le oder Blau- drossel, Monticola cyanea hat hier Aufstellung gefunden. Aus der Familie der Tinialiiden oder Lärmdrosselu Hnden wir den Drossling, Crateropus leucopygius, der die dick- buschigen Waldungen Abessyniens bewohnt. Diese Vögel, welche in kleinen Gesellschaften bis zu zehn Stück zusammen leben, zeichnen sich durch ausserordentliche Lebhaftigkeit und den nie endenden Lärm, den sie durch ihr Geschrei verursachen, aus. Eine Unterfamilie der Drosseln bilden die Spottdrosseln, die durch Minus poly- glottus, die Spottdrossel und den Katzenvogel, Galleo- scoptes caroliniensis vertreten sind. Beide bewohnen die Vereinigten Staaten, während der erstere mehr im Süden vorkommt, ist der andere im Osten häufiger anzutreffen und licidc besitzen die Fertigkeit, den Gesang anderer Vögel meisterhaft naclizuainnen. Der Feldspötter vertritt die Sippe der Sichcispötter. Ein kurzer, zarter, leicht gebogener Schnal)el, langläutige und grosszehige Füsse, kurze gerundete Flügel charakterisirten die Cistensänger, Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochcuschrif't. 49.S die (iiirch Cisticola cnrsitaiis ans NordatVika vertreten sind. Heine Kunst, Sehilt'hliltter /.u dem Neste zusannnen- zunüiion, tiieilt der Sclnieidorvogel, Orthotonuis IScnnettii aus Südasien, dessen 6 sicli durch einen über körperlani^cn Sciiwanz auszeichnet. Zu den 15usciisani;-ern und zwar zu der Sippe der 15ruchsiiu_c:er gehört ferner der Seiden- roiirsänger, der den Süden Kuropas von Spanien bis zum Kaspischcn Meer als Standvogel bewohnt und in diesem Gebiet als äusserst flinkes und auch schönes Vögelchen gilt. Der Sonnenvogel, Leiothrix luteus, mit olivengelbem Überkopf hat seine lleimath auf dem Himalaya und den Gebirgszügen des südwestlichen Chinas. Wegen seines Gesanges lieisst er auch Pckingnachtigail. Au der Spitze der Sänger stehen die Grasmücken, die vertreten sind durch Sylvia subalpiua, die ßartgrasmUcke, die in den Wäldern der Mittel- und Niedergebirge des nördlichen Spanien beheimathet ist, S. melanocephala, das Sammet- köpfchen aus dem südlichen Frankreich und Süditalieu und die Schlupfgrasmücke, S. provincialis, den anmuthigen Sänger der Provence. Im Südosten Europas kommt neben der Hartgrasmücke die Stelzen- oder Masken- grasmücke vor, Sylvia Rüppellii. Während sie in Griechenland noch selten ist, wird sie auf den Inseln im Aegäus schon häutiger und in Kleinasien (bei Sniyrna z. B.) bildet sie die gemeinste Art ihres Geschlechts. Von der Sängergrasmücke tindet der Besucher neben dem Pärchen das Nest, wie auch von dem Nachtigall- Rohrsänger und von Locustella lusc'ionides aus dem west- lichen Südeuropa. Die Gruppe der Goldhähnchen ist durch das amerikanische vertreten und die Fluevögel durch den Altai-Fluevogel, Accentor montanellus. In dieser Abtheilung finden wir weiter die Baumnachtigall, Aedon galactodcs, die in Mittelafrika Standvogel, in Nordafrika und Südeuropa aber Zugvogel ist. Tristram erzählt von ihr, dass sie nicht früher mit dem Legen der Eier beginne, als bis sie ein Stück Schlangenhaut im Neste angebracht habe. Soll das vielleicht eine Erziehungs- maassregel sein, um die Jungen von Anfang an mit dem gefährlichsten Feinde bekannt zu machen? Die Schmätzer haben in dem Schildschmätzer, dem abessinisehen und australischen Wiesenschmätzer und dem bekannten Hütten- sänger charakteristische Vertreter gefunden. Sonst wären zu den Timalien noch gehörig und hier aufgestellt die Daja- und Schamadrossel, die beide als Stubeuvögel inmier mehr Verbreitung finden, der Drosselschmätzer, die Pfeil- drossel, der Spötterschlüpfer, der Stachel- und der Borsten- schwanz zu nennen. Die Nektarinen oder Blumeusauger gehören der alten Welt an. Es sind kleine, zierlich gebaute Vögel, die in ihrem prachtvollen Federkleide lebhaft an die Kolibris erinnern. Jedoch haben nur die Männchen dieses prächtige Gefieder. Mittels einer langen, röhrenförmigen, tief ge- spaltenen und weit ausstreckbaren Zunge ziehen sie ihre Nahrung, allerhand Kerfe aus den Blüthen. Beim Erz- houigsauger haben sich die mittelsten Schwanzfedern be- deutend verlängert, gleich den übrigen, Cynnyris pectoralis und jugularis, schimmert er in prächtigstem Mctallglanz. Als ebenso zierliche wie farbensehöne Charaktervögel Süd- und Mittelamerikas sind die Zuckervögel anzusehen, die in ihrem Gebahren unseren Meisen recht ähnlich sind. Wegen des prächtig blauen Gefieders hat man eine Unterabtheilung, Blauvögel genannt, (Tttrkisvogel, Haken- schnabel, Sai), während die eigentlichen Zuckervögel mehr andere Farben ira Gefieder haben, so ist z. B. der Kleidervogel schön roth gefärbt. Schwarzes Gefieder mit schön gelber Unterseite und gelbem Bürzel hat der Pitpit, Certhiola flaveola, der auf der Insel Jamaika wohnt. Weitere Vertreter dieser Gruppe sind der Blüthen- picker und ein Priono-Milus. An exotischen Meisen sind vertreten die Bartmeise, Pauurus l)iarniicus, die, wie bereits erwähnt, früher auch häufiger in Deutschland an- zutrert'en war und hier wegen ihres häufigen Vorkonnnens im Südosten Europas Aufstellung gefunden hat. Im gleichen Gebiet, namentlich aijcr in Griechenland und in der Türkei kommt die Trauermeise Parus lugubris vor, die in der Färbung der Sumpfmeise ähnlich ist, aber mehr brauneu Scheitel und Stirnfleck hat. Neben diesen haben noch die sehwarzstirnige, die Himalaya und die Kap-Beutelmeise Aufstellung gefunden. Die Baundäufer, welche gleich den Spechten die Bäume besteigen, sind Bewohner des Waldes und bringen in ihm auch ihr ganzes Lcl)eu zu. Sie sind vertreten durch den canadischcn Baundäufer, den rothflügeligen Mauerläufer, Tichodronia muraria, der in den sudeuropäischen Hochgebirgen vor- kommt, aber auch schon iu Oberbayern, Schlesien und Thüringen angetroffen worden ist, den nordischen Kleiber, Sitta europaea, der Skandinavien und Nordrussland lie- wohnt, und durch seine Kegsamkeit überall auffallt, den Kappenkleibcr und den Banndcriecher, welch letztere auch als Spechtmeisen bezeichnet werden. Die Stelzen, welche wasserreiche Gegenden zu ihrem Wohnsitz auswählen, und sich durch zierliche Bewegungen und geschickten l''lug auszeichnen, sind vertreten durch die Kuh- oder Schaf- stelze, Motacilla Hava, welche im ganzen Norden Sonnner- vogel ist. Diese Art tritt in zwei verschiedenen, al)cr ständigen Formen auf, aus denen man neue Arten bilden will. Die eine, welche namentlich in Südosteuropa brütet, eharakterisirt sich durch tief sammetschwarzen Oberkopf, Kopfseifen und Hals (M. melanocephala), während bei der anderen in Grossbrifannien und China lebenden Form diese Theile gelb gefärbt sind (M. Eayii). Die Pieper, das Uebergangsglied von den Sängern zu den Lerchen, haben Vertreter in dem chilenischen Pieper und dem Sporenpieper, Anthus Bichardii, aus dem Steppengebiet Ostasiens gefunden, der ein unserem Brechpieper nahe verwandter Vogel ist. Die Lerchen, jene besten Läufer unter den Sperlingsvögeln und echte Steppenthiere sind vertreten durch die isabellfarbene Wüsten- oder Sand- lerche, Ammomanas deserti, die aus Nordafrika auch zu- weilen als Besuchsvogel in Südeuropa erscheint. Aus den asiatischen Steppen stammt die Mohren- oder Tartarcn- lerche, Melanocorypha yeltonensis, deren Herbstkleid tief schwarz, Mantel, Schultern, Armschwingen und hintere Schwanzfedern isabell gesäumt sind. Durch einen Feder- schmuck zeichnet sich die Horu- oder Ohrenlerche, Phi- leremus alpestris aus, die auch Alpenlcrche genannt wird, aber nicht in den Schweizer, sondern in den Nordischen Alpen zu Hause ist. Ferner ist hier zu erwähnen die nordafrikanisehe Coraphites frontalis. Charaktervögel für das indische und äthiopische Gebiet sind die Frucht- drosseln oder Bülbüls, von denen der Gelbsteissbülbül im südwestlichen Asien und der Graubülbül auch in Afrika vorkonnnt. Als Stubenvögel kommen die Bülbüls immer mehr in Mode, werden aber schon lange in Indien ge- halten, nicht wegen ihres Gesanges, sondern wegen ihrer Kampflust, auf Grund derselben man sie dortlands auch zu Kanipfspielen abrichtet. Neben dem Hima- laya-Bülbttl ist der Haar-, der Schopf- und der Kappen- vogel zu erwähnen, die sämmtlich durch einen Feder- schmuck ausgezeichnet sind. Die Honigsauger ähneln in ihrer Lebensweise den Nektariniden. Gleich jenen ent- nehmen sie ihre Nahrung, die aus Insecten undBlüthen- lionig l)esteht, den Blüthen. Dazu hat ihre Zunge pinselförmige, aus fadenartigen Fortsätzen gebildete Anhänge. Die reiche, etwa aus 200 Arten bestehende Familie, die der australischen Region eigenthümlich ist, werden vertreten durch Myzomela cardinalis, den Höckerschnabel, den Krausschwauz, den Pastor- und 494 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 41. Khinkcrv()i;el, den leicht an der Zeichnung- kenntlichen Brillenvogcl, durch Ptilotis flavigula und coruncula mit Nest. An die Honigfresser reihen sich die Waldsänger mit dem Stelzen-, dem Citron-, Schncppen-, P>d-, Geld- nackenwaldsänger und dem Gelbling. Ebenso zahlreich vertreten sind die Tangaren (Tanagrinae), die man Faibcnfinken nennen könnte, weil sie zum Theil recht lebhaft gefärbt sind. Zu den Feuertangaren gehört Pyranga rubra, die Scliarlachtangara, der Flachsvogel der Amerikaner. Die Ilauptfarbe des Hochzeitskleides beim Männciien ist brennend scharlachroth. Pjald nach der Brutzeit legt es aber dieses Prachtklcid ab und er- scheint gleich dem Weibchen im einfach zeisiggrünen Gewände. Die zweite Unterfamilie der Tangaren, welche die Organisten (Euplioninae) umfasst, hat als Haupt- vertreter die in Brasilien häutig vorkommende Guttarama, Euphone violacea, deren dottergelbe Stirn sich von der violett .stahlblauen Oberseite lebhaft abhebt. Sonstige Vertreter aus dieser Sippe sind die Schiller-, Dreifarben-, Graupapagei-Tangara, der Grundrötel, die Goldschnabel- habia uncl der Elsterling. Recht reichhaltig ist wiedei-um die Sanmdung der Finken, die mit dem Leinfink, Flachs- fink oder Birkenzeisig beginnt. Derselbe, mit karmin- rothem Sclicitel und das 6 mit karminrother Brust be- wohnt die Feld- und Vorhölzer des Nordens. In grossen Schaaren durchzieht er im November und December Deutschland und geht bis nach Oberitalien, wo er auch brütet, um im März oder April zurückzukehren. Der Grau- leintink, F. borealis, der in Grösse nnd Färbung jenem gleicht und viel blasser gefärbt ist, bewohnt gleichfalls den Norden und erscheint nur in den strengsten Wintern in Deutschland und dann mn- in geringerer Menge. Pi-ächtige Vertreter hat diese Gruppe der Finken noch in dem Mozambique-, Goldbauch-, Bart-, Kappen-, Gold- zeisig. Auch unser Kanarienvogel gehört hierher. Von den eigentlichen Finken ist der Polar-, Gesellsehafts-, Morgen- und Safran-, Purpnrkron-, Papst-, Atlas-, Cubafink, der Indigovogel und das Schwarzkäppchen vertreten. Unser Spatz ist vertreten durch den Waldhüttensperling, den Sumi)fsperling und den Siedelsperling. Der letztere, Philetaerus socius, der im Innern Südafrikas wohnt, ist bekannt durch seine merkwürdigen Nester. Von dieser Art thun sich nämlich 400—500 Pärchen zusammen, die zunächst gemeinsam in dem Gipfel einer Mimose ein grosses Kuppeldach verfertigen, ähnlich den sogenannten Champignons, jenen alterthümlichen Pavillons, die man hin nnd wieder in Parks oder auf Aussichtspunkten zu sehen bekommt. Unter dieses Dach werden nun die ein- zelnen Nester von je einem Pärchen gebaut, und zwar werden frühere nicht wieder benutzt, sondern in jedem .Jahre neue angeflickt und die nothwendige Folge davon ist, dass die Geschichte einmal zusammenbrechen muss; alsdann beginnt der Bau von neuem. Der Sumpfsperling, Passer hispaniolensis, findet sich in Spanien, Griechenland und dem Norden Afrikas. Die schwarzen Federn an den unteren Halsseiten sind grau gesäumt und einem aufgelösten, in schwarze Perlen zerfliessenden Halsbande vergleichbar, weshalb man den Vogel als Halsbandsperling zu einer ständigen Abart unseres Haussperlings geinacht hat. Von den ausschliesslich der paläarktisehen Region angehörenden Ammern ist die in Island und Lappland beheimathete Sehneeammer, Plectrophanes nivalis, die in schneereichen Wintern in Sehaaren nach Deutschland kommt und sieh hier unstät auf offenen Flächen undier treibt, vertreten. Neben ihr hat die Gelb-, Binden- und Sehildannner Auf- stellung gefunden. An seinem grossen Schnabel, dem aufrichtbaren Federschopf, den abgerundeten Flügeln und dem breiten, stufigen Schwänze ist der Kardinal, Cardi- nalis virginianus leicht zu erkennen. Wegen der scharlach- rothen Fär))ung wird er gern als Schmuckvogel gehalten. Das gleiche Verbreitungsgebiet — die Vereinigten Staaten — bewohnt der Rosenbrustknacker, Iledymeles ludovi- cianus, mit scharlachrothem Kropfbrustschild, der zu den angenehmsten Sängern seiner Heimath zählt. Als nächste Verwandte sind hier noch anzuführen der Dominikaner, Maskenkernbeisser, Grün- und Graukardinal, der Bischof. Durch ein prachtvoll gefärbtes, wie aus Atlasgrau und Rosenroth gemischtes Gefieder, in dem mit zunehmendem Alter das Roth an Ausdehnung und Stärke gewinnt, zeichnet sich der Wüstengimpel oder Wüstentrompeter, Erythrospiza githaginea aus. Merkwürdig ist an diesem Vogel, dass der rothe Farbstoff sich nicht nur auf das Gefieder I)eschränkt, sondern dass er sich auch über die Oberhaut des Körpers ausbreitet. Seine Heimath ist ausschliesslich die Wüste und der Vogel wäre in Folge seines schützenden Kleides nicht aufzufinden, wenn er sich nicht durch seine merkwürdige Stimme, die den Tönen einer kleinen Trompete vergleichbar ist, verrathen würde. An seiner blutrothen Brust ist der Blutkehlgimpel leicht zu erkennen. Durch den kurzen, vorn hakenförmig übergebogenen Schnabel charakterisirt sieh der Haken- gimpel, Pinicola enucleator, dessen 6 ziegelroth und dessen 9 gelb gefärbt ist. Er ist ein Bewohner der Nadelholzwälder des hohen Nordens der nördlichen Erd- hälfte und kommt auf seinen Zügen, namentlich im No- vember, auch einmal nach Norddeutschland, indess höchst selten. Von den Kreuzschnäbeln ist der in Osteuropa, Sibirien und Nordamerika beheimathete Weissbinden- Kreuzschnabcl, Loxia l)ifasciata, vertreten, der sich vou den beiden öfter in Deutschland vorkommenden Arten leicht durch seine zwei weissen Querbinden auf den Flügeln unterscheiden lässt. Die Kolibris, Trochilidae, sind durchweg kleine bis win- zige (von Schwalben- bis Hummelgrösse) Vögel, die zu den charakteristischen Thieren der westliehen Hemisi)häre ge- hören. Sie sind durch prachtvolle Färbungen und Metall- glanz des Gefieders ausgezeichnet und oft in beiden Ge- schlechtern sehr verschieden. Ihr Flug ist schwirrend und ungemein schnell. Auf den Boden setzen sie sich nie. Die Nahrung, welche aus Insecten besteht, holen sie mit ihrer langen und tiefgespaltenen Zunge vorzugsweise aus BlUthen. Ihr Nest legen sie auf Zweigen und zwischen Blättern an. Das Gelege besteht aus nur zwei weisslichen Eiern. Die kleineu V^ögel, in deren Bewunderung alle Forseher über- einstimmen, vertheilen sich auf mehr als 100 Gattungen und fast 400 Arten. Nach ihrem Schnabel könnte man sie in 3 Hauptgruppeu unterscheiden, in solche mit einem seitlich zusammengedrückten, in solche mit einem flachen und solche mit einem runden Schnabel. In unserer Samndung ist eine stattliche Anzahl dieser prächtigen Vögelchen aufgestellt und der Schrank wirkt gleich einem Magneten auf viele Besuclier. Von ausgestellten Thiercheu möchte ich erwähnen den Bogenschnabel, Eutoxeres heterura aus Ecuador, den Stecher, Doeimastes eusifer, der Schwertschnabel aus Peru und Neugranada, Leu- phornis ornata, dessen 5 auf dem Seheitel verlängerte, bräunlichrothe Federn trägt, und mit hellrothbraunen, an der Spitze grün schimmernden Kragenfedern geschmückt ist, weshalb er auch Schmuckelfe genannt wird, Euste- phanes fernandensis, Petasophora anais, Chrysolampis moschitus, Thalurania columbiea, ein Sonnenkolibri, Selasphorus rufus, Florisaga mellivora, Heliactinus corun- tus, die Schweifelfe, mit sehr buntem (violett, grün, gelb, orange, roth) Federkragen aus ]>rasilien, deren 5 eben- falls ein verlängertes Kopfgefieder trägt, das über jedem Auge einen Lappen bildet, Phaetornis superciliosus, der Einsiedler, welcher offene, mit Buschwerk abwechselnde Gegenden Nordbrasiliens und Guyanas bewohnt und Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 495 l'li. py:;ni;K'a. Zu den l>i'i;;nyiiH)lioii ,i;t'li(iit der Cliiiiil)ü- razzovo,i;-ci, Orcotrachiliis L'hiiiil)(ir:r/,y,(i, der an Jeiiciu IScrj;- riesen bis zu einer llrdie von 4 — r)UUU ni über dem Meere beobaclitet wird und dessen Männchen eine herrlich j^län- zend veilchenblaue Kehle und einen ebensolchen Kopf hat. Der herrlielie Toiiaskolibri, 'i'opaza l)ella, mit zwei verlängerten Sehwanzledcrn, die mehr als 2U cm lang- .sind, der Hlumenkiisser, lleliotri.x aurita, der zu den seltenen Arten Brasiliens gehört. Bei der Falnien- sylphc, Stegauurus Unterwoodi, sind die beiden äusserstcn sehr verlängerten Schwanzfedern gegen die Spitze hin fahnenlos, aber an ihr mit sehr breiten Fahnen besetzt. Sie bewohnt die Küsten- und ilociigebirge des nördlichen Südamerika. Der Sapphokolibri, Sparganura Saj)plni, hat eine scharlachrothe (»berseite mit metallisch-grünem Kojjf und ebcnsolclicr Unterseite. Die gemeinste Art für Nordamerika ist Trochilus colubris, duukelbroncegrün ge- färbt; Kinn, Kehle und Halsseiten sind kupfcrfeurigroth. Der Riesenkolibri, Hyi)ermetra gigas, ist eine der grösstcn Formen, die an Grösse unserem Mauersegler gleich konnnt, im südlichen Westamerika zu Hause ist und gleichfalls sehr hoch, bis öOOÜ ni in dem Gebirge vor- kommt. Die Hehnkolibris, die sich durch einen kurzen Schnabel und einen Federbuseh auszeichnen, sind ver- treten durch Oxypogon Lindeni, die gleichfalls im Gebirge sehr hoch gehen. Dazu kommen noch Vertreter der Gattungen Tilmatura, Eriochemis, Lesbia, Eulampis, Aithurus, Heliangehis, Campylüpterus, Calypte, Discura und mancher anderen. Reichhaltig ist neben der Sammlung der Kolibris die der Weber oder Prachttinken. Fast Vs '1er mehr als 250 Arten sind auf das äthiopische Gebiet beschränkt. Die übrigen vertheilcu sich auf die orientalische und australische Region. Die meisten der Webervögel leben gesellig, bauen kunstvolle, beuteiförmige Nester und nähren sich von Sämereien aller Art, wie auch von Insecten. Vom indischen Weber zeigen sich dem Be- obachter zwei Nester, ein Brut- und ein Schlafnest, welch' letzteres wahrscheinlich die Männchen verfertigen, um während der Brutpflege darin zu schlafen. Der Feuer- weber, Pyromclana franciscana verleiht den Landschaften seiner Heimath (Nubien) einen eigenthümlichen Reiz. Dort belebt er die Durrahhirsefelder und versteht ebenso ge- schickt wie unser Rohrsänger in den Halmen empor zu klettern. Ziemlich ansehnliche Gestalten unter den Webern sind die Vieliweber, zu denen der Alecto-Weber, Textor Alceto, geh('irt, der einfach schwarz gefärbt ist und Mittel- afrika bewohnt. Im Innern des Erdtheils konnut der auf- fallendste der ganzen Sippe, der Viehweber, T. Dinemelli, vor. Seine nächsten Verwandten, die in ihrem Wesen den Drosseln recht ähnlich sind, sind der Bütfel- und Mittelweber, gleich den j\Iadenhackern besucht der erstere die Viehtriften, um dem weidenden Vieh die Zecken ab- zulesen. Prächtige Vertreter besitzt die Sipjjc der Edel- weher in dem Goldweber, Hyphantornis galbula und dem Masken- oder Larvenweber, H. abyssinica. In den Mittags- ■stundcn sammeln sich von der letzteren Art verschiedene Flüge, oft zu Tausenden, in Gebüschen um Lachen oder in solchen, welche an einer seichten Stelle des Stromes stehen, schreien und lärmen in ihnen nach Art unserer Sperlinge und stürzen plötzlich auf einmal an das Wasser, nehmen einen Schluck und eilen wieder fort. Da sieh die Scharen stundenlang an ein- und demselben Orte aufhalten, wiederhcdt sich das bis zu zwanzig i\Ial. Zu dem eiligen Trinken aber geben kleine Raubvögel, die Ilauptfcinde der Weber, Veranlassung, die in den Bäumen auf jene lauern und pfeilschnell unter sie stossen, wenn sie das Gcbüseh \erlassen haben. Fast über ganz Afrika ist der llalsbandwebcr, Amandina fasciata, ver- breitet, dessen Männchen an einem breiten, karmiiu'othen Halsband erkennbar ist. Fernei- sind die Praclitwcber durch den Dotter-, Kap- und Fuchsweber vertreten. Von dem westlichen und goldgelben Bayaweber erzählen die Ein- geborncn, dass er in die Lehmklümpclien, die man in seinem Neste gefunden iiat, Leuehtkilfer einklebe, damit diese das Nest erleuchteten. Und nach einer malayischen Sage lindet der im Innern des Bayanestes eine goldene Kugel, der das feste Gewebe so auseinantler nehmen kann, dass kein Halm zcrreisst. Eine Unterfaniilie der Weber\ (»gel sind die Wiedc Vögel oder Witt wen, die sänmitlich in Afrika beheiniathet sind. Wenn ihre Männchen im Hochzeitsklcide prangen, nötiiigtsieder lange untl schwere Schwanz zucigentliüniliehcn Stellungen und Bewegungen. Er hindert sie namentlich an den raschen Bewegungen und nur mit sichtlicher Mühe schleppen sie sich bei einigermassen starkem Winde dnrcli die Luft. In der Mauser verlieren sie ihren Schmuck und bewegen sich wieder leicht und behend nach anderer Weber Art. Die Hahnschwcifwittwen, in deren Schwanz die vier Mittelfedern verlängert sind, Ijcwohncn ganz Mittelafrika. In düunbcstandenen Wäldern der Steppe hält sich die Paradieswida, Vidua paradisea, auf. Während das 6 sperlingsartig mit roströthlicher ]5i'ust gefärbt ist und wenige schwarze Abzeichen trägt, ist das 9 mit orangerothem Halsband, rostgelben Kropf halsfedern und dunkelbraunen Schwingen geschmückt. Zu ihnen tritt noch die Trauerwittwe. Als Hanptvcrtretcr der Astrilde sei der Bluttink, Estrelda minima, genannt. Ein Bewohner von ganz Mittelafrika hat er sich dort eine ähnliche Stellung erworben, wie bei uns der Sperling. Gleich allen Webervögeln sieht man ihn oft zu unzählbaren Schwärmen vereinigt. Erwähnen möchte ich noch aus der stattlichen Reihe der Weber den Sammttink, Grenadierweber, Tot ha-, Madagaskar - Brillcnweber, Kernknacker, Blutschnabcl, Trupp- und Mahaliwcber, das Schuppcnkä])pchcn, den Rothbürzel oder Diamantvogel, Nigrita canicopilla, den Granattink, Estrelda granatina, den Tigertinken, E. aman- dava, das Orangcbäckchen, E. melpoda, den Wellen- astrild, E. astrild, den Ziertink und den Ilohltink, der am weitesten nach Norden geht. Von den Paradiesvögeln wäre noch ncnnenswerth die Königs- und Dominikaner- wittwe, die weissköpüge, schwarzköpfige und dreifarbige Nonne (Spermestes), der Schilflink, Sp. castaneothorax, die Spitzschwauznonne, Sp. acuticauda, der Silberschwanz, Sp. cantans, die chinesische Nonne, Sp. swinhsoi, den Muskatvogel, Sp. punctularia, das Malabar-Fasänchcn, Sp. malabarica, das zweifarbige Elsterclien, Sp. bicolor, das Elstercben, Sp. cucullatus, den Scharlachschwanz, Erythrura prasina, den Reisvogel, den Gitterflüge], den Bartfink, den Sonnenastrild, Habropyga phaeton und den Oeresastrild, E. modesta. Die Nachtthiere unter den Leichtsehnäblern sind solche Geschöpfe, die weder verkannt noch mit anderen Klassenverwandten verwechselt werden können. Uebcrall, wo sie leben, haben sie die Beachtung der Menschen auf sich gezogen, überall in diesem Sinne Geltung sich zu verscharten gewusst und zu den sonderbarsten Meinungen Veranlassung gegeben. Davon zeugt u. a. die Menge und Bedeutsamkeit der Namen, welche sie führen. Die Nachtschwalben oder Nachtschatten bilden eine über 10 Arten zählende, nach aussen hin scharf abgegrenzte Familie, die über alle Gegenden und Länder der Erde verbreitet ist, mit Ausnahme derer, welche wirklich inner- halb des kalten Gurtes liegen. Die Eulcnschwalben oder Riesenschwalme sind in de"ni Podargns humeralis, einem krähengrosseu Vogel Neusüdwales, vertreten. Zu den Froschsehwalmen, welche Bewohner Indiens und seiner Eilande sind und ihren Namen dem ungemein flachen und verbreiterten, einem Froschmaule ähnlichen Schnabel 496 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 41. verdanken, haben in Batracliostomus javancnsis ihren Vertreter gefunden. Die Nachtschwalhen Südamerikas, welclic ein kräftiger, hakiger Schnabel und derbe Fiisse charakterisirt, werden rei)räsentirt durcli den Riesen- schwalk, Nyetibius grandis. In den Felsenhöhlen Mittel- anieiikas lebt der Fettschwalk, der Guacharo der Vene- 7,uelaner, Stcatornis caripensis, dessen Dasein reich vf)n Sagen und j\rärcheu umwoben ist. Unserer Nachtschwalbe, Caiirimulgus europaeus, sind wir schon in der ersten Ab- theilnng der Samnilung begegnet und finden hier ihren Vertreter für Afrika, C. aegyptius. Die bekannteste Naciitschwalbenart Nordamerikas ist der Klagenacht- schatten, „Whiiipoor-will" der Amerikaner, C. voeiferus. Durch einen lyraförmigen Schwanz kennzeichnet sich Hydropsalis forcipatus, die nur in Südamerika vorkommt, in dichten Wäldern lebt und gern niedrig über dem Wasser schwebt. Die Gleicherländer des inneren Afrika werden von der Flaggennachtschwalbe, Cosmetornis vexil- larius bewohnt. Der merkwürdigste aller Ziegenmelker aber ist die Fahnennachtsciiwalbe, der Vierfingelvogel der Araber, Macrodipteryx longipennis, dessen Männchen in den Schwingen einen herrlichen Federschmuck hat. Der neuholländische Zwergschwalm zeigt unter seinen Verwandten noch die meiste Aehnliclikeit mit den Nacht- sehwalben. Sonst sind aus dieser Gruppe noch zu er- wälnien die Nachtsehw'albe Hinterindiens, Lyncoruis eer- viniceps, der südamerikanische Tagseidäfer, Podager naeunda, die australische P^urostopas albigularis, Antrosto- mus carolinensis und Chordeiles popetue, die Dämmerungs- schwalbe der Vereinigten Staaten. Der nordamerikanische Nachtfalk, Chordeiles virgini- anus, bildet den Uebergang zu den Seglern, das sind kleine, aber kräftig gebaute Vögel. Ihre Flügel sind schmal und lang und wohl geeignet, die Familie zu den besten Fliegern zu machen. Auf den grossen Sunda- inscln Sumatra, Java, Borneo und auf der Halbinsel Malakka kommt der Klecho, Dendrochelidon longipennis, ein Baumsegler, vor. Der Beschauer findet ihn neben seinem Neste, das er unvei'hältnissmässig klein, von der Grösse einer Walnussschale, seitlich an einen Zweig an- klebt und in welches er nur ein Ei legt. Während des Brütens sitzt das Weibehen auf dem Aste und wärrat das Ei mit seinen Brustfedern. Das ausgeschlüpfte Junge muss, da es gleichfalls keinen Raum in dem kleinen Neste findet, dieses sofort verlassen und neben demselben auf dem Zweige aufgezogen werden. Von gewisser Berühmt- heit sind die Nester der Salanganen; Seglern, welche die orientalische Region in etwa 10 Arten bewohnen und von der Insel Salang (bei der Hall)insel Malakka), wo sie am häufigsten auftreten sollen, ihren Namen haben. Zur Nistzeit schwellen bei beiden Geschlechtern die Mund- drüsen, besonders die Unterzungendrüsen sehr an, sondern eine zähe Flüssigkeit, Speichel, ab und streiclien den- selben in Gestalt einer halbmondförmigen Leiste an die glatte Felswand an, auf welcher sie dann weiter bauen — ohne Zuthat jedes anderen Nistmaterials. Dieser Speichel hat die Eigcnthümlicldvcit wie das Abscheidungsproduct der Seidenraupen, sofoi-t an der Luft zu erhärten. Die Hauptmasse der Nester geht nach China, wo sie hoch geschätzt und theuer bezahlt werden. Gegenwärtig mag sich der Werth der Nesterernte im ganzen Indischen Archipel auf 6 Mill. Mark beziftcrn. In den Hochgebirgen der Mittelmeerländer lebt der Alpensegler, Cypselus omelba, bei dem im Gegensatz zu unserer Thurmschwalljc, die auch hierher gehört, nicht nur die Kehle, sondern auch Brust und Bauch weiss sind, wälnrnd das übrige Gefieder dunkel-rauchbraun aussieht und einen erzgrünen Schinnner hat. Im Innern Afrikas wohnt der Zwerg- segler, C. parvus, der mit Hülfe seines klebrigen Speichels aus Baumwolienfäden ein höchst merkwürdiges Nest baut, in das er sowohl Eier als Junge festleimt, damit sie ihm nicht vom Sturm herausgeworfen werden. Ferner ist diese (huppe vertreten durch die Schornsteinschwalbe und den australischen Segler, Micropus pacificus. Künstliche Vogelnester, die ähnlich jenen der Salanganc gebaut werden, sind beigefügt von Cypselus batassiensis, C. par- vus, Collacalia spodropygia aus Polynesien, Dendrocheli- don coronata, Collocalia trogiodytes von den Philippinen und der javanischen Nachtschwalbe, Chactura gigantea. Ziemlieh grosse und meist in bunten Farben jjran- gende Vögel sind die Raken, Coraciadae, an deren Spitze der Hornrachen, Eurylaemus javanicus, steht, der Sumatra und Java bewohnt. Ferner gehören hierher das Breit- maul, der Kellenschnabel, die Smaragdrake, der Kurol und die Erdrake. Die Sägeraken, wegen der gesägten Schnabelränder sogenannt, haben ihren Hanptvertretcr in dem Motmot, Prionites Motniota, der sich durch sein viel- fach vor Sonnenaufgang ertönendes „Hutu" verräth. Er bewohnt die Waldgebiete des nördlichen Brasiliens, Guianas und Perus und zeichnet sich durch ein buntes Gefieder, einen kurzen Haarsehopf und einen laugen ge- stuften Schwanz aus. Die Familie wird vervollständigt durch verschiedene Roller (d. i. Raken), die nach ihrer Heimath abessinischer, Celebes, indischer, Madagaskar-, australischer und Purpur-Roller genannt werden. Die Stärlinge, Icteridae, sind die Webervögel Ameri- kas. Sie erreichen Finken- bis Krähengrösse, leben gesellig, sind sehr beweglich und immer sangeslustig. Ihre Nester, die denen der afrikanischen Weber an Zier- lichkeit durchaus nicht nachstehen, werden colonienweise an Bäumen aufgehängt. Eine Art indess schmarotzt wie unser Kuckuck, nämlicli der berühmte und berüchtigte Kuhvogel, Molobrus pecoris. Er ist über den grössten Theil Nordamerikas verbreitet und hält sich gern auf Viehweiden, zwischen Rindern und Pferden auf, denen er die belästigenden Schmarotzer abliest. Die Sippe der Reisstärlinge wird durch einen ebenso häufigen wie ver- hassten Vogel Nordamerikas, der Paperling, Dolichonyx oryzivorus, vertreten. Zu erwähnen wäre noch der Palmenstirnvogel, der Haubenstärling, der Dohlenschwanz- stärling, der Uraberstärling, der Braunkopfstärling und der Soldatenstärling. Die Gilbstärliuge heissen auch Trupialc. Der bekannteste dieser artenreichen Sippe ist der Baltimorevogel, dessen Brutgebiet die Oststaaten Nordamerikas umfasst. Sein Nest ist äusserst geschickt gebaut und je nach dem Wohnort des Vogels fester oder teichter hergestellt. Recht allgemein verbreitet ist auch der Rothflügel, welcher die Sumpftrupiale vertritt. Im Hochzeitskleide trägt das Männchen in seinem sammet- schwarzen Gefieder jirächtig scharlachrothe Schulterfedern. Neben dem Orangen-, Goldflügel- und Gartentrupial sind noch der Sumi)fhordenvogel und Brillenhordenvogel zu erwähnen. Die Madenfresser, südamerikanische Vögel, leben in Gesellschaften beisammen, mehrere Weibchen legen ihre Eier in ein Nest, und zwar schichtenweise, in- dem auf eine Lage Eier eine Decke von Kräutern und dann wieder eine Lage von Eiern folgt. Madenhacker heissen die Vögel, weil sie dem weidenden Rindvieh fol- gen, um dasselbe von den in seiner Haut schmarotzenden bipterenlarven zu befreien. Als Hauptvertreter sei der östlich von den Anden lebende Ani, Crotophaga ani, er- wähnt, der in seiner Gestalt entfernte Aehnliclikeit mit unserer Elster zeigt. Prächtig gefärbte Verwandte hat unser Star in den Airika, Südasien und Australien l)cwohnenden Glanz- staren, die vertreten sind durch den Erzglaiizstar, Lam- protornis aeneus. Er lebt gesellschaftlich und hält sich uamenthch im Gezweig der Bäume auf. Der Prachtglanz- Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 497 Star, Notanges siiperbns, bcwolnit Ostafrika und besitzt i;lcicli jenem ein metalliscli scliiinnioi-iules (lefieder; seine Unterflüi^el und SelivvanzdccUen sind ausserdem mit nuidcn sanmietartigen Fleeken verziert, die sieli zu zwei Querltinden ordnen. In kupforfarhinem f'-lanze schillert das (Jcfiedor des .Scliu])i)cni;lanzstares, IMiolidaiiges leueo- ,i;aster. Im südiielien luir(i|)a kunnnt der matt scliict'er- farhenc Eint'arlistar, Stnnius unieolor, ^or, dessen Golicdcr eines Scliinmiers cntl)elnt. Nel)en dem Moriostar, dem Rothhauch-Glanzstar, dem Sini;- und llirtenstar ist noch der Elsterstar erwalmcnswertli, dessen Männchen mit La])i)en am Kopfe s'<^ziort ist. Zu den auffallendsten Er- scheinungen ihrer Ilcimatlisländer gelniren die sich über Afrika, Siidasien und Neuhoiiand verbreitenden ! )ioni;(is, die neben dem liudcrschwanz und dem Ilaarbuschdrongo in dem Flaggendrongo, Dicurus paradiseus, einen präch- tigen Vertreter haben. Die Pirole sind durch den Masken-, Sclnvarzkopf-, Naektaugen- und dem grauen Pirol, Oriolus striatus, aus Neu-Guj-ana vertreten. Die Lau])en- stare oder Laubenx'ögel verdanken iiiren Namen dem laubenartigen Gewölbe, das sie zu ihrem Vergnügen er- bauen und in dem .sie sich scherzend undiertreiben. Be- sonderen Sehmuck suchen sie diesen Lauben zu ver- leihen, indem sie allerlei grellfarbige Dinge in ilincn anbringen oder vor ihnen niederlegen. So fanden die Reisenden Papageienfedern, Muschelsciialen, Sehnecken- häuser, gebleichte Knochen u. s. w. Als Hauptvertreter gilt der gleich einer Atlasroljc glänzende, tief blauscliwarze Ptilonorhynchus holosericeus aus Australien. Neben ihm sind noch der Blutpirol und der indische Sehwalben- würger, Artamus leueorhynchus, der gleich unseren Schwalben über Wasserflächen die Insectenjagd betreibt zu nennen. Die Paradiesvögel, welche auf Neu-Guinea, die be- naciibarten Inseln und Nordostaustralien beschränkt sind, leben gleichfalls von Insecteu, nehmen jedoch auch Beeren. Ka sind meist prachtvolle Vögel, namentlich tragen die Männchen besonderen Schmuck. Sie sind vertreten durch den Göttervogel, Paradisea apoda, der die Grösse unserer Dohle erreicht. Bei dunkelzinunetbrauner Hauptfarbe, cr- sciieint der grösste Theil der Oberseite dunkelgelb und Kinn und Kehle duukelgoldgrün. Seine seitlichen Sclmiuckfcdcrn sind orangegelb. Dieselben liefern kost- bare Sclnnucks für Damenhiite inid Turbane. Das Weib- chen ist düster gefärbt. Der rothc Paradiesvogel, P. rubra, ist nach seinem prächtig rotlien Fcderbuscli so genannt. Der Königsparadiesvogel, Cieimnu'us regius, ist an den an der Spitze mit aufgerollten Fahnen besetzten mittleren und verlängerten Steuerfedern zu erkennen. Bei dem Pa|)ua-ParadicsvogeI, P. papuana, brechen die schönen l'ederbüsche an den Hüften erst nach der dritten Mauser hervor, sind aber dann an vierzig Centimetcr lang. Der Kragen-Paradiesvogel, Soi»horina superba, trägt auf seinem samnietscliwarzen Gefieder einen prächtigen, broneefar- benen Mantelkragen. Beim Strahlen-Paradiesvogel, Pa- rolia sefilata, besteht der Scimiuck aus sechs, zu beiden Seiten des Ko})fes entspringenden, bis auf eine kleine ei- runde Endfahne liartlosen Federn und aus je einem an der Brustscite entspringenden, sein- dichten und langen, weissen Büschel. Die Paradicselster, Astrapia nigra, hat prächtig liyazintrothe Scheitelfedern mit malachitgrünem Unter- und smaragdgoldenem Obertheil. Beim Paradies- hopf, Seleucides niger, laufen die Schnuickfedern in fahuenlose Schafte, Fäden, aus. Semioptera wallaccii von den IMoIukken hat in seinem grauen Gefieder zwei weisse Schnuickfedern, dazu einen prächtigen moosgrünen Kragen. Gleichfalls auf den Molukken bcheimathet ist Schlegclia vvilsoni. Dazu konnnen noch verschiedene Ptilorhis-Arten und die Sammtkrähe, Manucodia conn-ii. Die Würger, auf deren Eigenthündiehkeit wir schon bei den deutschen Arten hinwiesen, sind vertreten durch den Tschagra, Telephonus erythropterus. Er ist ein auf- fallender und weitverbreiteter Vogel in ganz Afrika, der lun- im dichtesten Gebüsch lebt. Zu dem Dickko])fwürger, Pachycephalina, tritt der australische Hauben- oder Falkenwürger. Durch eine hochrothe Brust charakterisirt sich der im östlichen Mittelafrika wohnende Laniarius aethiopieus. Der Masken- oder Brillenwürger, Lanius nubicus ist häufig in Aegypten und Nubien. Neben diesem sind noch der Krähen-, Papagei-, Laubwürger, Laniarius rufiventris und Dryoscopus rufiventris, zu erwähnen. (Fortsetzung folgt.) Drei Schneehasen hat der Zoologisehe Garten durch Herrn Generalconsul Schönlank als Geschenk er- halten. Man unterscheidet zwei Formen des Hasen auf der t^rde; den echten Meister Lampe und das Kaninehen, den crstereu mit schwarzweisser „Blume", das letztere mit grauer oder brauner Blume. Der Hase ist in zahlreichen geo- grapiiischen Formen weit über die Erde verbreitet; man kennt ihn ebensowohl von den unwirthlichen Tundren des Nordens, als aus den sonnendurehglühteu Steppen der Trojicn, und man hat ihn bis jetzt nur in West-Afrika, im südlichen Süd-Amerika und auf den im indischen und stillen Oeean gelegenen Inseln noch nicht gefunden. Die Färbung des Hasen stimmt gewöhnlieh auft'alleud mit derjenigen des Piodens überein, auf welchem er lebt. In den Sandwüsten der Sahara trägt er ein isabellfarbiges Kleid; auf der schneebedeckten Steppe des Nordens ist sein Fell weiss. Der Schneehase hat ebenso, wie das nordische Hermelin und der Eisfuchs, die Eigenthümliehkeit, seine Farben je nach der Jahreszeit zu wechseln. Im Sommer ist er grau, wenn der dunkle Boden vom Schnee befreit ist; im Winter gleicht er in der Färbung dem Eise und Schnee. Die Umfärbung des Hasen geschieht durch Ausfallen der Sonnnerhaare und Nachwachsen eines winterlich weissen Kleides. Ueber die Auswahl der Punkte bei Göttingen, an welchen bei Probe - Pendelniessungen Differenzen in der Intensität der Schwere zu erwarten waren und über die Ergebnisse der ersten Pendelniessungen legten Prof. A. v. Koenen und Prof. W. Schur in Göttingen in den Nachrichten der K. Gesellschaft der Wissenschaft zu Göttingen (mathematisch -physikalische Classe. 1895. Heft 2) ihre ersten Ergebnisse vor. — Als auf die An- regung der k. k. Akademie der Wissenschaften zu Wien von den kartellirten Akademien zu München und Wien resp. Gesellschaften der Wissenschaften zu Leipzig undGöttiugen beschlossen worden war, iu Verbindung mit den geo- tektonischen Untersuchungen, welche von Göttingen aus geplant wurden, auch Schweremessungen vorzunehmen, um zunäeiist den Einfluss des geologischen Baues auf die Intensität etc. der Erdschwere zu ermitteln, wurden von verschiedenen Seiten starke Zweifel geäussert, ob iu einem Gebiete, wie im südlichen Hannover und Braun- schweig, wo doch nur Berge von geringer Höhe aufträten, irgend nennenswerthe Differenzen gefunden werden krnmten. Es waren daher Probemessungen vorzunehmen, um jene Zweifel zu beseitigen. Es erschienen besonders geeignet folgende Punkte: 1. Grünenplan, liegt auf muldenförmig gelagerter unterer Kreide (Flammenmergel, Hilssandstein etc.), unter 498 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 41. welcher die ganze Juraformation, Trias und wolil auch Zeclistein glcichniässig folgen dürften, wenn auch ein- zelne Störungen besonders am Rande der Hilsniulde nicht fehlen. 2. Dorf Sack, liegt auf mittlerer Kreide (Turonem Pläner), unter welchem auf beiden Seiten der Mulde Cenoman und Gault (Flanimenmergel und Hils- sandstein) folgt, dann etwas Hilsthon, ein Theil des Lias, ein Theil des Keupers nnd dann, zumal auf der Siidvvest- seite der Mulde, steiler aufgerichtete Schichten des Muschelkalks nnd Buntsaudsteins. Es fehlt über Tage somit sein* auffälliger Weise namentlich der anze mitt- obere Jura mit seinen mächtigen, festen lere und der Kalken und Dolomiten. Aus gewissen Gründen glaubte man annehmen zu müssen, dass die ganze „Gronauer Kreide- mulde" über die Jura-Bildungen emi)orgepresst ist, dass hier ebenso, wie am Teutol)urger Walde mit seinen Fort- setzungen, eine Ueberschiebung vorliegt, hier freilich auf beiden Seiten der Mnlde, während bisher für die mesozoischen Schichten Norddeutschlands dergleichen noch nicht in Ans])ruch genommen worden ist. Es würde hier nach die ganze „Kreidemulde" auf steiler geneigten Schichten des Jura, Wälderthons und ev. auch der unteren Kreide liegen, und bei Sack war denmach eine wesentlich geringere Intensität der Erdschwere zu erwarten, als bei Grünenplan. Die dritte Stelle, die „Teiehmühle", zwischen Freden und AVinzenburg, wurde nur gewählt, weil eine günstigere Stelle erst in grösserer Entfernung hätte gefunden werden können und dann doch allerlei sonstige Bedenken hervor- gerufen hätte. Es fallen dort nämlich die Schichten des Buntsandsteins, nahe der Grenze zwischen dem unteren nnd dem mittleren Buntsaudstein, ziemlich steil nach Nord- Osten ein, und die Compensation von Süd -Westen her muss eine andere sein, als die von Nordosten her. Dazu konnnt noch, dass hier möglicher Weise in grösserer Tiefe ein mächtiges Salzlagcr nnd ev. auch grössere, durch Auflösung des Salzes entstandene Hohlräume vorhanden sind, kommen doch in der Nähe Salzquellen zu Tage. Es ist hiernach aber von vorn herein nicht auffällig, wenn die Fendelmessungen an dieser Stelle eine verhält- nissmässig geringere Intensität der Erdschwere ergeben, als bei Sack und Grünenplan, und besonders eine gerin- gere, als man bei dem um so viel höheren Alter der hier zu Tage tretenden Schichten sonst wohl hätten erwarten können. Man wandte sich an die Kaiserlichen Telegraphen- behörden, um die Vergünstigung zu erhalten, die auf den Beobaelitungspunkten zu benutzenden Uhren durch telegraphische Signale täglich zweimal mit der Normal- uhr der Göftinger Sternwarte vergleichen zu können. Diese Behörden unterstützten die Bitte. Die telc- gra])hisehe Vergleiehung der Uhren wurde um D Uhr Vor- mittags und um 6 Uhr Nachmittags ausgeiührt, und auf diese Weise ist eine ausgezeichnet sichere Bestimmung des Ganges der Chronometer zu Stande gekommen. Ausgehend von den Ausdrücken für die Beschleunigung y„ = 0.7800 (1 + 0.005310 sin= --p) RfMliK-fioM iiiif ilie Mecresfläclii; A(/=2— =-o K Reiluction für Anziohung des Terrains unterhalb der Station — A = — !l ^ d TK vcdiifirte Scli\viMKiini{s/.eit = S ergaben die Beobachtungen und Rechnungen die nach- folgenden Daten, wobei die Schwere für Göttingen als normal betrachtet wurde. Göttinnen (Steinpfeiler) Grünenplaii Sack Teichmühle (Boden aus Sanrtsteinrlatten) (Ceinent- boden) ([*hm- boden) )'o 9.783 2.55 lt.783 293 9.783 297 9.783 292 Ä 0.,5ü2 31ü0 0.502 3129 0.502 3255 0.502 3122 y 9.783 377 9.782 887 9.783 405 fJ—To 0.000 00 + 0.000 08 -0.000 41 -t- 0 000 1 1 Aq + 0,000 50 4- 0 000 Gl -1- 0.000 4G -t- 0.000 37 -A — 0.OÜ0 17 — 0.0U0 2I - O.OOO 16 — 0.000 11 Sa. • 0 OOO 3: ■ O.OOO 48 — 000011 • O.OOO 37 und wenn man jetzt wieder den Unterschied gegen Göttingen herstellte, -I- O.OOO 1 5 — 0.000 44 -+- ( ).000 04. Während also für Grüuenplan und die Teiehmühle sich Unterschiede zeigen, die in Anbetracht, dass ein primitiver Apparat mit nur zwei Pendeln benutzt worden ist, keine besondere Beachtung verdienen, zeigt sich bei Sack eine Abweichung, die durch den grössten von Oberst von Sterneck in den Alpen bemerkten Abweichungen etwa den vierten Theil ausmacht. Die in den letzten Jahrzehnten häutig aufgeworfene Frage, ob die Anziehung des unterhalb der Station liegenden Terrains berücksich- tigt werden soll oder, wie es immer deutlicher hervor- zugehen scheint, durch unterirdische Defecte compensirt wird, ist hier von keinem J5elang, da diese Werthe für die vier in Betracht konnncnden Stationen sich sehr wenig von einander unterscheiden. Die für Sack gefundene Anomalie in der Intensität der Schwere würde auf einen „Massendefect" von etwa 400 Meter Höhe hindeuten. Die Witterung des Monats September im centralen Europa. — Die Witterung des diesjährigen September war fast durchweg sein' angenehm und und ungewöhnlich warm und heiter. Fast andauernd lag ein Hochdruckgebiet über Mitteleuropa, so dass die in den Vormonaten häufigen Unwetter sich auf ein Minimum beschränkten. Die schöne, massig warme Witterung der letzten Augusttage pflanzte sich in den September zunächst noch fort, mit dem 3. aber trat in Deutschland, Oesterreich, Frankreich und Norditalien noch einmal eine Hitze ein, wie sie in dieser Jahreszeit nur sehr selten vorkommt, ja vielfach über- trafen die Temperaturgrade alle übrigen, die in diesem relativ doch recht warmen Sommer erreicht worden waren. Unter den deutschen Städten wurde es am wärmsten in Magdeburg, das vom Mittag des 4. die bei uns zu den Seltenheiten gehörende Temperatur von 35 " meldete. Auch in Triest, Florenz und Bozen stieg das Thermometer über 35", nachdem das Thernmmeter im ganzen Sonnner diese Höhe dort nicht erreicht hatte. Am wärmsten aber wurde es in Paris, wo man am 7. die im Septemlter noch nie erreichte Temperatur von 36,2" beobachtete, während in Deutschland schon zweimal {1S72 und theilweise 188(j) die diesjährigen Hitzegrade im September erreicht worden sind. Die Abkühlung vollzog sich in 5. recht langsam und fast ohne sphärische Störung, wie sie sich R-rosser Hitze so oft zeigt. Deutschland seit dem jede grössere atnio- sonst bei und nach nur Sachsen und besonders die Gegend von Dresden wurde in der Nacht vom 7. auf den 8. von einem recht schweren Unwetter betroffen, an anderen Stellen stellte sich hingegen in Folge der lang andauernden Trockenheit Wassermangel ein, der sich im weiteren Verlaufe des Monats vielfach sehr empfindlich bemerkbar machte, zumal in der Schweiz, wo über sechs Wochen kein nennenswcrtlier Rea-en gefallen war. In um dann Paris hielt die Hitze noch bis zum 12. an, ziemlich plötzlich kühlerem Herbstwetter Platz zu machen. Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 499 Die Wittcrmig des nordwestliclicn und n()rdii(dioii Europa war inzwischen durch niciirfaclic Depressionen heunruhijft worden. Schon am 4. war in England cr- f,'ichij?er Regen gefallen, seit dem 9. frischten die Winde lehhaft auf bei Annäherung eines IMininuuns, das am 11., 7157 nnn tief, nördlich von Schottland lag und Veranlassung zu einer Sturmwarnung an die deutsche Westküste gab. Auch hier frischten die Winde auf und bedingten am 13. und 14. bedeutende Abkühlung. Auch die folgenden 'l'age brachten noch trübes und kühles Wetter, der 17. erheblichere Kegenfälle. In Nordcuropa wurde es all- mählich schon zicndicli kalt, Hajjaranda, wo das Thcrnio- meter schon am 2. auf 6" gesunken war, meldete am 18. und 21. -ho", am 20. gar nur -f- 1", in Moskau hatte schon der 11. eine Temperatur von 4" gebracht. Auch bei uns zeigte sich bald darauf das rasche Nahen des Herbstes : Seit dem 19. wurde das Wetter wieder schön, warm und beständig, allerdings veranlasste die in Folge des klaren Himmels starke nächtliche Ausstrahlung zuweilen schon recht niedrige Morgentemperaturen, am 23. zeigte sich der erste Reif in München, Wien und Lemberg meldeten Morgens 5", Krakau 4" und Hermannstadt nur 2". In Plauen im Vogtlande herrschte in der Nacht auf den 23. sogar schon Nachtfrost. Die Mittagstemperaturen dagegen lagen meist noch über 20", stellenweise sogar über 25", Paris hatte drei Tage hindurch (25. — 27.) noch Maximal- temperaturen von 31". Dieser prächtige, wolkenlose und fast windstille „Altweibersonnner", der sich in diesem Jahr verfrüht eingestellt hatte, da er normaler Weise in Deutschland sich erst Mitte October einfinden soll, dauerte genau 14 Tage, vom 19. September bis 2. October. Der September in seiner Gesaramtheit war der heiterste Monat seit dem April 1893. Auch die Mitteltemperatur des September lag be- trächtlich über der normalen, so dass jetzt schon sechs Monate lang die Durchscbuittstemperatur im Allgemeinen eine zu hohe gewesen ist. Wir können am Schluss des diesjährigen Sommers nur constatiren, dass wir alle Ur- sache haben, mit seiner "Witterung zufrieden zu sein. Zum Schluss sei noch auf die ganz abnorme Witte- rung des September in Paris hingewiesen: dieser Monat war bei Weitem der wärmste September, der dort je beobachtet ist (seit 1689). Seine Mitteltemperatur von 19,9" (!) ültertraf die des bisher wärmsten September (1841) nctcli um volle 1,5", während die seither höchsten Maximaltcmpcraturen dieses Monats von 31,9" im Jahre 1734 und 31,3" im Jahre 1886 um mehr als 4" unter dem diesmaligen Extrem von 36,2" blieben. II. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Kniaiint wurden: Der ausserordentliche Professor der Kinder- iM-ilkundo in Krakau Dr. Leo Matthias .Jacobowski zum ordentlielien Professor; der Privatdocent der Chirurgie in Königs- borg Dr. Georg Stetter zum ausserordentlichen Professor; Dr. von Kabenau in New-York zum C'ustos der Naturforschenden Gisellschaft der Oberlausitz in Görlitz; Dr. Max Neisser zum Assistenten an der Hvgieneanstalt in Breslau. Es starben: Der ordentliche Professor der Landwirthschaft an der technischen Hochschule zu Graz Gustav Wilhelm in Stuttgart; der kürzlich als Professor der Mathematik aus Göttingen an die Cornell-University in Ithaca berufene Dr. Ernst Ritter in New-York r der um die Irrenheilkunde sehr \erdiente Professor der Psychiatrie in Padua August o Tebaldi in Padua; der Privatoliöi*. Mikrophotographische Apparate Photographische Objective. Mechanische und optische Messapparate. Nene Hoppelfpriirohro f. Haiidgebvaiicli. 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Scioptikon in. Kalklicht- brenner, m. 100, bezogen bereits von mir; die Herren : Geh.-Rath Prof. Dr. Post, Tech- nische Hocliscliule, Berlin; Prof. Dr. C. F. M.yer, Stettin; A. Hirt, Dresden; Dr. P. Seliwahn, „Urania", liier ; Jens Liltzen, hier; Dr. Biu'Btert & FUrstinberg, liier ; W. Nean- der, Hannover; Dr. Röwer, Hildeeheini; U. Wempc, Oldenburg ; Prof. Dr. Mascow, i'vrilz ; Prof. Dr. Krankenhagen, Stettin; Prof. Dr. SeUentin, Elberfeld ; Prof. Dr. Credner, Greifswald ; Dr. Schmidt, Crim- mitschau ; W. Tauhert, Kudolfltadt u. a. Willi Büsing', 1 «.,,ri:ili, lir,.,- .\ ^■^•i,j(«nl v.iin I 'i nf I )i- \'ii-'-,'l ^ Lan&jäliriKet .Assistent vom l'n.f. Hr. Vi.;;el \^ c\S^ des pbolo-chem. Laboratoriums der _,^^'^ t\^C\9 Kgl. techn. Hochschule zu Charloftenbuig.^^x^^ ^ ^* ft BerlinW.,Bendlerstr.l3^^^^^^ ^^ .^^^ Pliotooheinisfli.^^x^»- O V* .^^ ^ -^x^^-^^t- #^^. ^ l'ractisflie u. tlieoret. Aiisb. ^ Neg;it.-u.Posit.-Verf.,sow. ■«'^'S^^l^^'pboto-meclian. 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Grössere AufträKe ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inaeratenannalime bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständi ger ((aeilenangabe gestattet. Die deutsche geologische Gesellschaft in Coburg 1895. Die (liesjilTirig-c „Allgemeine Versaninilung der ileut- sclien geoloo-isclien (Je.sellscliaft" tagte in Coburg. Die eigeiitliclieii Versauiiiihiiigen fanden in den Tagen vom 12. bis 14. August statt, während an den drei vorlier- gelienden Tagen und an den fünf nacbfolgenden geniein- seiiaftliclie Ausflüge unteniominen wurden. Was zunäelist die Vorträge anbetrifit, so sprach Herr Toula-Wien über seine Excursion längs der klein- asiatischen Küste des Marmarauieeres vom Hellespont bis /um Schwarzen Meere, sodann der Custos des Gothaer .Museums Herr Pabstüber die Thicrfälirten auf Sandstein- platten aus dem Rothliegenden des Tbüriugerwaldes. Es sind bisher über 50 Platten aufgefunden worden. Ferner sprach Herr B 1 a n c k e n h o r n - Erlangen über pseudoglaciale Erscheinungen in den deutschen Mittelgebirgen. Endlich hielt Herr Klemm einen Vortrag über die genetischen Be- ziehungen des krystallinen Grundgebirges des Spessart. Herr Kays er- Marburg trug über die Fauna des hessischen Septaricnthones vor, und Herr Beysch lag- Berlin gab eine üebcrsicht über den Schichtenaufbau des Thüringer- waldes. Herr Dathe- Berlin berichtete über seine Er- hebungen in Bezug auf das Erdbeben in Schlesien vom 11. Juni 1895. Herr Gür ich -Breslau sprach über Faeies- wechsel im polnischen Mittelgebirge und Herr Potouie- Beriin über Autnchtlionie von Kohlenflötzen. Ein zweiter Vortrag des Herrn Toula bebandelte die Katastrophe von Brüx; Herr Ziinm erniann-Berlin äusserte sich über merkwürdige Spaltcnausfüliungen des nordostliehen Vor- landes des'1'iiüriiigerwaldes und Herr Fraas-Stuttgart über den Fund eines Menschenzahncs im altdiluvialen KalktuflF von Taubach bei Weimar*). Herr Jäkel- Berlin sprach über die Organisation der Cy.stideen und Herr Scheibe- *) Vergl. „N;ilm«. W oc'liL-IiscIir. B;ind X. .\i-. :il, S. 3G9. Berlin über die Zusammensetzung einiger Eruptivgesteine des Thüringerwaldes. Im Sitzungssaal war eine reiche Sammlung von Handstücken Beyschlag Maassstab internatio- Maassstab in a n n ffCfi'en zu den Vorträgen der Herren Klemm, und Scheibe aufgestellt, ferner eine Anzahl interessanter Karten, so 24 Messtischblätter aus der Umgebung von Coburg und aus dem Thüringer- walde im Maassstab von 1 : 25 000, dann die von Herrn Beyschlag im ersten Andruck vorbereitete prächtige Uebersichtskarte des Thüringerwaldes im 1:100 000, weiter das Blatt Frankreich der nalen geologischen Karte von Europa im 1:1500 000 und endlich eine von Herrn Zimme ausgeführte Karte, auf welcher die sämmtlichen 100) bisher erschienenen geologischen Karten über Thüringen und die Provinz Sachsen mit ihren Maassstäben eingetragen waren. Ais Ort der nächsten Versammlung wurde Stuttgart bestimmt und die Herren Fr aas und Eck zu Geschäfts- führern gewählt. Am Sonnabend, den 10. August, fand ein Ausflug statt; über den Ausflug vom 9. später. Es wurde mit der Eisenbahn bis Lichtenfels a. M. gefahren. Herr Pfa ff übernahm die Führung, er erschien im Auftrage des Herrn v. Gümbel-Münehen. An diesem Tage sollten die Jurabildungen Frankens besichtigt werden, Die Schichten des unteren (schwarzen) Jura, des Lias, sind auf dem Wege von Lichtenfels nach Vierzehnheiligen von den Sedimenten des Main verhüllt. Hinter der berühmten Wallfahrtskirche tritt sogleich der mittlere (braune) Jura, der Dogger, eisenschüssiger, deshalb imiss die gelber auf. Der untere Dogger ist ein Sandstein, der leicht verwittert, grosse Kirche, da sie aus diesem Stein hergestellt ist, jetzt von neuem mit anderem Material 502 Naturwissenschaftliche Wochcuschril't. Nr. 42. verblendet werden. Darauf liegen die Sandsteine des mittleren Dogger und die Urnateuthone des oberen. Hierin treten die durch Knoten und Dornen reich ver- zierten kleinen Annnoniten auf, die vom Volke Goldschnecken i;'enannt werden, weil sie in Schwefelkies umgewandelt sind und daher gelb aussehen. Eine schöne Fundstelle für solche liegt am Südfusse des Stalfelberges. Das Er- seheinen des oberen (weissen) Jura, des Malm, documentirt sieh sogleich durch den scharfen Wechsel des Gesteines, denn es treten in ihm allein noch helle, feste Kalke auf. Der untere und der mittlere Malm bilden ein breites, ebenes Plateau, auf welches der obere in kleinen, deutlichen Bänken mit steilen Abhängen auf- gesetzt ist. Auf dem l'lateauabsatz war im mittleren Mahn ein schöner Aufschluss vorhanden, in welchem sich Aspidoceras und Oppelien fanden. Aus dem oberen Malm besteht der Statfelberg mit der bekannten Wall- fahrtskirche. Es ist ein sehr dichter, marmorartiger Kalkstein, sowohl in dem sogenannten Werkbankkalk V. Gümbels als auch in der Schwammkalkfacies. Auf dem anderen, dem nördliclien Ufer des Mains bei Nedcns- dorf giebt es endlich einen sehr schönen Aufschluss im unteren (schwarzen) Jura, dem Lias. Der Main fliesst hier dicht an einem steilen Hange hin und schafft alljährlich neue Einstürze. Es ist die mittlere Abtheilung, welche hier aufgeschlossen ist. Zu unterst liegt ein Thon, in welchem sich zahlreiche, mannigfach gestaltete Concretionen finden, von denen ein grosser Theil im Innern einen Ammoniteu beherbergt. Diese Schicht ist der Amaltheenthon. Darüber folgt die obere Abtheilung, ein deutlich geschichteter Schieferthon mit der kleinen Posidonomya und ein Kalkstein mit Ammonites radians. Aus dem oberen Lias stammen nun vor allem die Skelette der grossen Meersaurier, welche in einigen Zimmern des ehemaligen Klosters Banz aufgestellt sind. Das berühm- teste Stück der Sammlung ist der Kopf eines Ichthyo- saurus, eines delphinähnliclien Geschöpfes. Der Kopf ist 2 m lang und seine Kiefer sind mit gewaltigen Zähnen bewehrt. Die dritte Excursion führte in die fränkische Keuperlandschaft. Am Sonntag, den II. August, fuhr die Gesellschaft von Coburg nach Rodach. Die Keuper- landschaft kennzeichnet sieh durch die anmuthigen Linien der Oberfläche und durch den rothen Ackerboden. Der Name rührt her von einer Provinzialbezeichnung für die bunten Thonschichten in der Coburger Gegend und ist durch L. v. Buch in die Wissenschaft eingeführt worden. Der geologische Bau der Kenperlandschaften ist im Ganzen ziemlich eintönig und doch bietet er für die Kartirung gewisse Schwierigkeiten, die dadurch ent- stehen, dass die verschiedenen Gesteinsstufen so mannig- fach in einander übergehen, und dass Letten, Mergel, Gypse und Sandsteine sich in allen Stufen wiederholen. Die Fuhrung an diesem Tage hatte Herr Beyschlag und Herr Pröscholdt übernommen. Südlich von Rodach herrschen im Thale die bunten Mergel und Letten; der erste scharfe Anstieg wird hervorgerufen durch eine in dem Mergel eingeschlossene Schicht aus quarzitischen Sandsteinbänken. Es ist die sogenannte Corbulabank, sie bildet eine Art Vorterrasse. Die grauen Platten ent- halten in Menge die Steinkerne kleiner Zweischaler, von welchen einige als Corbula Keuperina bestimmt werden können. Ein wenig höher hinauf treten in einer Art von Steinmergel dünne Platten mit kleineu Estherien auf. Die Letten und Mergel dieser Stufe führten ehe- mals Zwischenlager von Gips. Von diesen sind jetzt nur noch Residuen erhalten, es sind dies unregelmässig geformte Knauern und Knollen aus Quarzkörnern, die durch Karbonate verkittet sind. Mit dem Betreten des Waldes vor Niederudorf ändert sich der Boden, er wird sandig, und die Aufschlüsse am Wege zeigen einen mürben, grauen Sandstein. Es ist der sogenannte Sehilf- sandstein mit Pflanzenresten. Darüber folgen abermals braune Letten, in welchen einzelne Sandsteinbänke auf- treten. Unweit Gauerstadt macht sich aufs neue eine deutliche feste Stufe im Mergel bemerklich, sie ist nur von geringer Mächtigkeit und besteht aus wenigen Bänkehen eines sehr festen Doloniits von weissgrauer Farbe. Derselbe enthält Malachit und Schwerspat ein- gesprengt, daneben Anoplophora Keuperina und Turbo- nilla Theodori. Diese Bank ist die Lehrbergschicht V. Gümbels und bildet eine leicht wieder zu erkennende und durch Franken, Schwaben und Thüringen weit verbreitete Schicht des Mittleren Keupers, weshalb sie als wichtiger Leithorizont benutzt wird. Wo der Weg zum „Hohen Stein" sich emporzuheben beginnt, besteht die Böschung aus bunten Mergeln, in denen Sandstein- bänke eingelagert sind, sie entsprechen den Blasensand- steincn v. Gümbels und enthalten Dinosaurierfährten. Der Rest des bunten Mergels über den Sandsteinen ist noch -10 bis 50 m mächtig, er führt Gips und Gipsmergel, und aus ihm stammen die berühmten Fricdriclishaller Bitterwasser, die etwa 3 km südlich von Hcldburg in einer Quelle zu Tage treten. Das Hangende dieser Schichten bildet der Coburger Bausandstein, der nach den Fisehresten auch Semionotus-Sandstein heisst. Er ist 8 — 10 m mächtig und ist ein feiner, glcichmässiger, heller Sandstein, der als ein schmaler Streifen am Fusse des „Hohen Steines" hinzieht. Der Semionotus-Sandstein bildet abermals als ein fester Horizont eine gute Leit- schicht. Ueber dieser charakteristischen Schicht folgen aufs neue bunte Keuperletten mit Sandsteinbänken. All- mählich nehmen die Sandsteine immer mehr dolomitisch- kalkige Bestandtheile auf und gehen ohne Grenze in die nächste Stufe, die dolomitische Arkose über. Die- selbe zeigt eine wunderbare Mannigfaltigkeit; Quarz- körner und Feldspatkörner wechseln nach Grösse und Form, nach ihrem Mengenverhältniss und nach dem Vcr- hältniss ihrer Masse zu der des Bindemittels. Anderer- seits zerfallen die Theile des Materials leicht und liefern einen grobkörnigen Sand. Mit der Arkose, die 40 ni mächtig wird, ist die Höhe erreicht; über derselben, auf dem Plateau, die Heldburger Stadtforst umfassend, tritt ein gröberer, weisser Sandstein auf, der sogenannte Burgsand stein. Den Absehluss fand die Excursion mit der Besichtigung der tertiären Eruptivgesteine. Kurz östlich der Heldburg an der Holzhäuser Wand ist ein kleiner Steinbruch im Basalt. Derselbe ist hier etwa 10 m mächtig und bildete wohl ursprünglich eine kleine Kuppe. Er zeigt im Bruche eine unregelmässig-eckige, sehalige Absonderung. Im angrenzenden Keuper ist eine deutliche Contactzone von 3 m Stärke ausgebildet, in welcher der Mergel plattig abgesondert ist. Daneben findet sich zwischen dem Basalt und dem Keuper noch eine tuft'ähnliche Schicht, und endlich ist der Basalt an seiner Anssenwand in undeutlichen Platten von 5 — 10 cm Dicke abgesondert, die nach dem Innern zu in plumpe Knollen ültergehen. Ausser in Kuppen findet der Basalt sieh auch auf Gängen. Südlich des Bahnhofes von Heldburg bietet sich ein sehr schönes Bild. Dort laufen zwei parallele Gänge von ca. 40 cm Breite parallel und senkrecht neben einander empor. Beide durchsetzen die gelben und rothen Keupcrlettensehichten, ohne dass die geringste Störung zu bemerken ist. Der eine von diesen Gängen beginnt hier, streicht genau nach Norden weiter und durchschneidet den Phonolith der Heldburg. Die Ba- salte sind schwarze, dichte Gesteine, meist durclisprenkelt von ülivinköruchen. Das zweite Erui)tivgesteiu ist der Nr. 42. Nalurwissciischaftliclic Woclienschnft. rm Phonolitli, er bildet eine isolirte, kcgeltorniige Kuppe, wolclic die Vcstc Ileldltury: träi;t. Das Gestein bildet liier (iH'enbar eine (iiiellUiippe, dafür sprielit, dass es an eini.nen Steilen eine sclialigc Absonderung' zeigt, an der die entstandenen Klufttiäclien niclit selten runde, glatte Fläclien zeigen, die den Harniscbeu ähnlicli sind. Das (u'stein ist graugrün, fettgianzend und bietet eine luinuigene (Irundniassc dar. i5eini Verwittern nimmt es ein helles, gelleektes Aussehen an, das an Bienenwaben erinnert, lieber das Altersverliältniss zum 15asalt lässt sieb nur sagen, dass beide Gesteine wohl ungefähr gleichaltrig sein müssen, so dass die Ausbrüche abge- wechselt haben, liasalt und Phonolith werden in Stein- brüchen zur Strassenbeschotterung gewonnen und weithin verfrachtet. Am umfangreichsten war die Tour durch den Thüringerwaid. Auf derselben sollten die Theil- nehnier bekannt gemacht werden mit den Ergebnissen, zu denen die mit der Aufnahme betrauten Herren der geologischen Landesanstalt gelangt waren. Für das In- teresse, welches diesem Gegenstande entgegengebracht wurde, spricht es, dass sich vierzig Herren zur Theil- nahme gemeldet hatten. Es musste daher die Excursion gctheilt werden. Während die eine Hälfte einen Tag früher aufbrach, besuchte die zweite erst noch das Höhlen- gebiet des fränkischen Jura. Die Führung hatten über- nonmien die Herren Beyschlag, Bücking, Loretz, Scheibe und Zimmermann. Geologisch zerfällt der Thüringerwald in zwei scharf getrennte Hälften, die Grenze zwischen beiden ver- läuft von Amt Gehren am Nordrande nach Unter-Neu- brunn am Südrande. Nordwestlich von dieser Linie liegt der schmalere, aber längere Theil, er besteht neben kleinen Partien von ürgebirge allein aus Gesteinen des Rothliegenden. Südöstlich der Linie treten plötzlich Schiefer des Cambrischen Systems auf. Sie legen sich rechtwinklig zur Längsachse quer über das Gebirge. Weiterhin erseheint in der Höhe von Steinach, Gräfen- thal und Saalfeld ein schmaler Strich von Silur und Devon, dem endlich Culm auflagert, der im Südosten den Frankenwald bildet. Während daher das Gebirge aus paläozoischen Schichten besteht, setzt sich das Vorland aus triassischen Sedimenten zusammen. So erscheint das Gebirge als ein durch gewaltige, scharfe Bruchlinien von dem Vorlande getrennter und stehengebliebener horstartiger Keil. Und nur dort, wo die Randbrüche nicht so scharf abgeschnitten sind, — wo mehr eine Schichten verbiegung und Niederziehung erfolgte, ist der Zechstein als ein bald breiterer, bald schmalerer Randsaum des Gebirges er- halten. Im Süden sind die Randbrüclie schärfer als nach Norden hin, wo sie allmählich aufhören. Die Brüche haben einen merkwürdig geknickten Verlauf. Der Kern bietet starke Erosionserscheinungen dar, es muss ehemals fast alles, was älter als Rothliegendcs ist, von diesem bedeckt ge- wesen sein, dafür sprechen u.a. auch die Eruptivgesteine des Rothliegenden, welche die alten Schiefer durchsetzen. Sogar Zechstein- und Buntsandsteinüberreste finden sich z. Th. an mehreren Stellen hoch oben auf dem Gebirge. Der erste, gesonderte Ausflugstag am Freitag, den 9. August, führte in das Schiefergebirge des Steinachthaies. Hinter Sonneberg hebt sich der Thüringerwald scharf aus dem Vorlaude heraus. Das Thal ist ungemein eng, es ist nur gerade für den Bach, die Strasse und die Eisenbahn Platz, und im oberen Thal ist die Eisenbahn sogar ein Stück auf die Böschung hinaufgelegt worden. Unterhalb Obcr-Lauscha sind durch die Arbeiten für den Unterbau der Bahn die Cambrischen Schiefer vorzüglich auf- geschlossen. Es sind Thonschiefer, die (juarztrümmer führen und gelegentlich deutliche Quarzitlagen ein- schliessen. Solche Quarzitlagen helfen alsdann die Schichtung kenntlich machen, da für gewöhnlich allein die Schieferung zu erkemien ist. Das Einfallen der Schiebten ist ein südöstliches, so dass im oberen Thalc die rechte Thalböschung ungefähr mit der Schichtung zu- sammenfällt. Die Schiefer besitzen eine röthlich-graue Farbe und zeigen schöne Faltungen. Von Versteinerungen konnten nur Spuren von Phycoden gesammelt werden. Die quarzitischen Einlagerungen nehmen nach oben hin zu. Kurz oberhalb des Ortes Steinach hört das Cam- brium auf. An der Grenze gegen das Silur treten Lager von oolithischen Eisenerzen auf, die früher auch hier ausgebeutet wurden, wie es jetzt wieder in stärkerer Weise bei dem benachbarten Schmiedefeld geschieht. Die untersten siluriscben Schiefer sind Thonschiefer, die ihrer praktischen Verwendung wegen den Namen Griflfel- schicl'cr führen. In den Brüchen des Fellberges zeigten die Wände eine grosse Menge von Störungsspuren. An der oberen Grenze des Griffelschiefers liegt wieder ein oolithisches Eisenerzlager, und bei Augustenthal fanden wir noch die Spuren des verlassenen Bergbaus. Augusten- thal liegt in dem Effelderthal, das zum Steinachthal parallel läuft, beide werden durch den Rücken des Fell- berges getrennt. Unterhalb Augustenthal liegt Hämmern. Zwischen dem Effelderthal und dem oberen Röthenthal, in dem Sonneberg liegt, bilden silurische und devonische Schiefer den Rücken. Hinter den letzten Häusern von Hämmern beginnt der Aufstieg mit der nächsthöheren Stufe des Silur, den Lederschieferu, über denen die Graptolithcnschiefcr folgen, mit den charakteristischen Versteinerungen. In einem Hohlwege findet sich ein sehr guter Aufschluss. In derselben Holile treten auch merk- würdige schwarze Kalke auf, die zu Ocker verwittern. Daran schliessen sich aufwärts als Sehluss des Silurs die oberen Graptolithenschiefer, die im Gegensatz zu den mannigfaltigen Formen des unteren nur gerade Formen führen. Noch vor der Höhe beginnt das Devon. Es sind zu untersl- Kalke mit winzigen Tentakuliten und gewundenen Nereiten. Jenseits des Rückens, im oberen Röthenthal treten mitteldevonische Braunwacken auf, das sind zerbröckelnde Sandsteine und tuffige Schiefer mit Resten von Pflanzen. Weiter abwärts folgen an der Böschung in vorzüglichem Aufschluss die ober- devonischen Knollenkalke. Wo die kleinen Kalkknollen ausgewittert sind, entstehen Löcher, die in parallelen Reihen angeordnet sind. Dieser Löcher wegen, die von Ameisen (Kramenzeln) ausgefressen erscheinen, hat man ihnen den Namen Kramenzelkalke gegeben. Die Schicliten sind hier in grossartiger Weise überkippt. Thalabwärts er- streckt sich bis Sonneberg der C n 1 m , der ein gleichmässiges Aussehen besitzt und nur aus Dachschiefern und Grau- wacken besteht, die hier ohne erhebliche Bedeutung sind. Die zweite Hälfte der Thüringer Waldtour währte fünf Tage, sie wurde am Donnerstag, den 15. August, angetreten und war fast ausschliesslich dem Studium des Roth liegenden gewidmet. Das.sclbe gliedert sich nach der Festsetzung durch die Geologische Landes-Anstalt folgendermaassen. Das Untere Rothliegende unifasst die Gehrener und Manebacher Schichten, das Mittlere die Goldlauterer und Oberhöfer Schichten, und das Obere die Tambacher. Die Excursion begann bei Crock, nordwest- lich von Eisfeld. Das Gebirge hebt sich hier ebenso energisch aus dem Vorlande iieraus als bei Sonneberg. Das Vorland besteht aus Schichten der Trias. Tektonisch wichtig ist hier die Anhäufung von Spalten, welche neben der Hauptrandspalte sich finden. An der Böschung des Weissabaches kann man die Spalten wunderbar schön von der Thalsohle aus ein Stück am waldfreien Ab- hänge in die Höhe hinauf verfolgen, es stösst hier 504 Natnrwissciiscbal'l liehe Wuchcusclirilt. Nr. 42. der Untere Muschelkalk an die carubrischen Schiefer. Die Schichten des Wellenkalkes sind deutlich gestaucht. AVenige Schritte thalaufwärts tritt eine neue Spalte auf, in welcher das Canibriuni seg'cn das Rothliegende ab- schneidet, so dass sich hier ein keilfiirniigcs Stück Canibriuni zwischen Eothlicgendcs und Muschelkalk ein- schiebt. Ein kleines Stück westlich taucht neben der Kirche des Irnielsberges am Rande zwischen Muschelkalk und Cambriura ein schmaler Streifen Buntsandstein auf, der offenbar in dieHöiie gequetscht worden ist. Die grösste Masse des Rothliegenden dort ist ein Conglonierat, in welchem grobe und feine Trümmer des Candiriums überwiegen. Im Thalgrunde neben dem Irmeisberg steht es grobgeschichtet in breiten Felsmasscn an; die unteren Massen, die weiter aufwärts im Thale aufgeschlossen sind, bestehen meist aus dicht aneinander gepressten Schieferbrocken, welche keine Sjjur von Ahrundung zeigen. Erst in den höheren Niveaus treten porphvrische Trümmer auf. Diese Konglo- merate von Crock liegen discordant auf den alten Schiefern, sie schliessen mehrere schwache Steinkohlenflöze ein, die abgebaut werden. Auf den Halden fand sich Callipteris conferta. Dieses kohlenfüin-ende Conglonierat gehört zu den Goldlauterer Schichten. Auch die östliche Böschung des VVeissabaches mit dem Crocker Genieindewald besteht noch aus dem rothliegcndcn Conglonierat, und erst die Höhe des Rückens ist aus Cambrischen Schiefern zu- sammengesetzt. Diese Schiefer hier zwischen Bilicr und Schleuse sind die ältesten des ("ambriunis, und nach C)sten hin werden die Schiefer immer jünger. Die Schiefer von A¥att'enrod und Hinteriod nehmen eine Mittelstellung ein, sie nähern sich durch ihr iihyllitisches Aussehen den ältesten und durch das Auftreten von reinen Thon- schiefcrn den jüngeren, die wir im Osten kennen gelernt haben. Auf der Höhe des Rückens, in der Nähe von Hinterrod tritt eine deutliche Einlagerung von gneiss- und granitartigem Gestein auf. Daneben finden sich Ein- lagerungen von Aniphiliolgesteinen. Einzelne Blöcke dieses Gesteins liegen im Höllengrunde oberhalb Crocker Blühlc. Eine wichtige Rolle spielen weiter Einlagerungen von Porphyroiden. Diese nehmen für gewöhnlich nur kleine Räume ein, sind aber sehr zahlreich. Nach dem ganzen Auftreten scheinen sie zu einem verzweigten System von Gängen und deren Apophysen zu gehören, die das ganze Schiefergebirge durchsetzen. Die Gehänge des oberen Biberthaies, das hier auf eine kurze Strecke von Ost nach AVest gerichtet ist, zeigen die glimnierigen Schiefer in zahlreichen Einschnitten. Daneben macht sich eine Engfaltung geltend, die sich bis auf den kleinsten Raum ausprägt, so dass man wellenförmig gebogene Schalen und Scherben aus dem Verband herausheben kann. Dort, wo unweit des Gebirgsrandes das Roth- liegende wieder auftritt, biegt die Biber scharf, fast recht- winklig nach Nordosten und flicsst an der Grenze zwischen beiden Schichten hin. Den Grund für diese Richtungs- änderung finden wir in dem Stock von Glinimer- porphyrit, der sich bei der Rothen Müide quer vor das Thal legt. Das Eruptivgestein zeigt dem blossen Auge eine dichte Grundniasse von röthiicher, braunrother oder dunkelviolcttcr Färbung, in welcher Feldspatlikryställchen und Biotittäfelchen eingesprengt liegen. An derselben Stelle findet sich auch ein Stock von Melaphyr, er ist anzusehen als ein Zwischenlager im Glimmerporphyrit. Am nördlichen Ausgange des Städtchens Unter-Neul)runn ist ein sogenannter gemischter Gang am AVege ange- schnitten. Die Mitte desselben bildet ein Glimmer- porphyrit, während zu beiden Seiten sahlbandähnlich ein schmaler Streifen von Kersantit auftritt. Derselbe zeichnet sich durch die Täfelchen von schwarzem Glimmer aus. Im oberen Schleusethal treten noch zahlreiche Durch- brüche von Glimmerporphyrit im Sciiicfer hervor, und kurz vor der Gabel findet sich auch ein Quarzporphyr- gang. In der röthlichen Grundniasse des Gesteines treten eingesprengte Krystalle von Orthoklas auf. In der Nähe dieses Ganges herrscht schon Oberes Canibriuni, dafür spricht eine Ouarzitbank im Schiefer, die sich auf eine ziemliche Strecke verfolgen lässt. Oberhalb der Gabel, in einem Nebenthal, am Fusse des Arolsberges, niaclicn sich im Schiefer die Contaet-Wirkungcn eines Granit- stoekes geltend, die Schiefer sind in Fleckenschiefer um- gewandelt. Ein wenig unterhalb des Rennstieges, am Abhänge der Ebcrcschen-Hölie, tritt im Granit ein Fluss- spathgang auf, der schön gefärbtes Material liefert. Mit dem Abstieg vom Rennstieg nach Stützerbacli stellte sicii das Untere Rothliegende ein und zw;ir sind es die Gehrener Schichten, die hier durch eine grosse Porphyrit- decke vertreten sind, welche sich bis Stützerbacli aus- breitet. In der Nähe dieses Ortes breitet sich auch ein Porphyrlager aus, mit Einschlüssen von Porphyritbrockcn in der Randzone. Im Meyersgrund, einem Nebentlial des Ilmthales, triHt man wieder die Unterlage dcsRotIdicgenden, den Granit des Urgebirges, und von nun an bis Maiie- bach kann man die regelmässige Folge der Glieder der Gehrener Schichten studiren. Sie beginnen am Schneidc- niüllerskopf mit einer grobkörnigen Arkose, die fast allein aus dem Quarz und Feidspath des unterliegen- den Granites besteht. Darüber folgen graue, kalkige Sandsteine, die sehr schön geschichtet sind und in denen Saurierreste und AValchien aufgefunden worden sind. Bedeckt werden dieselben von einem als Enstatit- Porphyrit bezeichneten inelaphyrartigen Eruptivgestein, darüber lagert der Glinmierporphyrit des Dachskopfes, in welchem Breccien, Thonsteine und Sandsteine eingelagert sind. Am Fusse des Dachskopfes tritt noch einmal der Granit hervor. In dem Steinbruch machen sich zwei Ausbildungsweisen bemerkbar, eine feinkörnige, aiditische und eine grobkörnige. Während die erstcre sehr wider- standsfähig ist, zerfällt die andere zu einem Gruss. Bcmerkcnswerth ist in doppelter Hinsieht die aller- nächste Umgebung von Manebach. Erstens ist hier die Hauptfnndstelle der Manebacher Schichten, d. i. der oberen Stufe des Unteren Rothliegenden. Die Manebacher Schichten sind frei von Eruiitivgesteinen, sie führen da- gegen einige unbedeutende Stcinkolilenflötzc, die früher hier abgebaut wurden. Zweitens aber liegen sie hier zwischen zwei spitzwinklig aufeinanderstossenden Ver- weifungen grabenartig eingesenkt. Die nördliche Spalte tritt bei einem Aufstieg von Kammerberg zum Kickclliahu sehr deutlich hervor. Der sogenannte Forstmeisterweg' führt längs der Spalte und wegen seiner Biegungen mehrmals über dieselbe hinweg neben dem sclirotfen Bergabhange hin; an einer Stelle, die frei ist von Moos und Bäumen, kann man an der 12 m hohen Fläche die glänzenden Harnische, d. h. die Rutscliflächen mit der Reibungsbrcccie erkennen, die entstanden sind, als die keilförmige Scholle in die Tiefe ging. Die Rutschflächen befinden sich auf dem Porphyr des Kickelhalins, der die oberste Abtheilung der Gehrener Scliiciiten bildet. An der niirdlichcn Vorstufe des Kickelliahn, dem Höllkopf, trifft man auch das Liegende des Kickelhalnqiorphyrs und des zugehörigen Tuft'es, einen merkwürdigen Mela- phyr, dessen Feldspäthe in eigenartiger Weise angeordnet sind, so dass sie von der einen Seite eines Handstücks als breite Lamellen erscheinen, während sie sich von der anderen Seite als schmale Linien darsteilen. Darunter folgt dann noch ein sehr fester Tiionstcin, welcher dem oben besprochenen Glimmer[)orphyrit aufliegt. Auf dem nördlichen Ufer der Um, kurz vor Ilmenau, ist in einem grossen Steinbruch an der Sturmheide ein Porphyr auf- I Nr. 42. Niiturwissciiscliartliclic Wocliciisehrift. 505 j;-csclil()sseii, der iiiil (It'in drs Kiukclliiiliii i;l(.'ifli;illrii;- hi, er ist sjiülciiröniiii;- ;il)i;os()n(li'i'( luiil /A'ii;t solir scIii'mk' Fluidalstnictiir. Während niif dem recliteii Ul'er der Hm die Scliicliteii des Unteren Kotliliei^enden in ihrer iirosseu ]\Ianni_i;t'alti,!;- keit sicli aiislirciten, treten nun aiil' dem anderen Ul'er die des Mittleren und (»bercn I\ nl hliei;enden auf. Am Kusse des ünndsehiidkdpfes westiieh neben Maneliacii trillt man /.iinäehst über den Maneliaelier Scluehtcn die Sandsteine und l'on.nlomerate der Goldlautcrcr Seiiicli- tcn. Als eine aufl'äliin'c Erosionsersehcinung an der Bö- seinmi;' des liundsehildkopfes ist der Knimafels anzuseilen. Heine nackten Wände erlauben es, den Kau des Coni;li)- nu'rates zu studircn. Es bestellt hau|)tsäclili('li aus l'or- phyrbroekeu und zeif;t sehr g'ridi seliieiitent'Orniii;'e Ab- sondcrnug'. Auf der Höiic treten dann die übe i'liöt'er Scliiehteu auf. Sie beginnen mit dem Quarzporpliyr des l>unds(diildk(ipfcs, der reieldieh Glimmer neben grossen Kaiu'lKpiar/krystallen zeii;t. Darüber breitet sieh ein dichter, rotiier Tutf' aus, den endlieii wieder ein Poriihyr, der l!uiiipelsberi;er Porphyr, bedeckt. Derselbe ist ein an kleinen Krystalleii \(iii Quarz und Feldsjiath reiidics Gestein, von dem dort auch die seltene Varietät mit bimsteiiiartig-eni Aussehen vorkommt. Auch auf diesen Porphyr leiste sieh wieder Conglonierat, und zwar Por- phyrcongldnierat, welches aber nun schon zum ()ber- Kothliegendeii, zu den sogen. Tanibacher Schichten gehört. Und zwar bildet es das liegende Conglonierat dcrsell)en und erstreckt sich bis an den Rand iles Gebirges. Vor den ersten Häusern von Elgersburg legen sich darüber rothe Sandsteine, welche in einem Längs- thaie zu Tage kommen, das parallel neben dem Gebirge hinzieht. Das Thal ist durch die Erosion dieser weichen Sandsteine entstanden, denn sobald sich das hangende sogen. Todtcnstein-Conglomcrat einstellt, hebt sieh auch das Terrain wieder. Auf diesem äusseren Thalrand liegen das Schloss, die Kaiscr-Wilhelmshöhe, der Todtcnstein u. a. Damit enden hier die Schichten des Pothliegendeii und es folgen scheinbar concordant, in Wirklielikeit aber übergreifend, die Schichten des Zeehstcins. Die unteren sind z. Th. durch den Eisenbalmeinschnitt aufgeschlossen worden, während der Obere Zechstein, der Plattendolo- mit, durch einen Steinbruch freigelegt ist. Die Schichten fallen immer vom Gebirge ab. Schon ganz im Vorlande liegt der Huntsaudstein und die übrigen Glieder der Trias. Der Referent war leider genöthigt, hier die Tour aufzugeben. Aus fiüheren Exeursionen sind ihm aber die geologischen Merkwürdigkeiten, die an den beiden letzten Tagen getroffen wurden, bekannt, deshalb soll hierüber noch einiges erwähnt werden. Di'r AVeg führte von Elgersburg über die Schmücke nach Suhl hinab. Zunächst wurden wieder die Schichten des Oberen und Mittleren Pothliegenden durchquert. Der Mönchshof liegt z. 1!. auf dem Conglonierat der Gold- lauterer Schichten, ebenso die Schmücke. Die Mane- baeher Schiebten endlieb sind an der Sachsendelle auf- gesclilosssen, wo sie mit einer Verwerfung gegen die Gehrener Schichten des Saclisensteins stossen. An der P)öscliung des oberen Goldlautcrthales sind noch die alten Halden eines früheren llcrgbanes zu treffen. Hier führen die schwarzen Schiefer der Goldlauterer Schichten kupfer- reiche Concrctionen, die in ihrem Innern fast immer orga- nischcReste enthalten. Eine grosse Rolle siiielcu unterdiescn neben Fischen die Excremente von Sauriern, dieCoi)rolitheii, auf deren Aussenseite noch deutlich die Eindrücke des Darmrohres zu erkennen sind. Bei dem Dorfe Goldlauter stossen die Goldlauterer Schichten mit einer Verwerfung an das Granitgebiet von Zella und Suhl. Am letzten Tage end- lich wurde die Umgegend von Liebenstein besichtigt. Jedem Besucher dieser reizenden Gegend sind die beiden schroffen Kalkfelsen, der Altenstein und der Schlossberg, bekannt. Es sind Mooskorallenrirte der Zechsteinzcit, welche hier auf dem Urgebirge aufsitzen. Am südwestlichen Ausgang von Lieheiistein, am Korällchen, ist noch ein zweiter sehr interessanter Punkt. Hier ist der Grauit von einem mela- phyrähnlichen Eruptivgestein durchbroclien, welches durch den scharfen Gegensatz seiner Kern])artie gegen die Sahlbänder ein wunderbar schönes Beispiel eines sogen, „gemischten Ganges" darbietet. Nordöstlich von Schweina sind endlich auf den Feldern die Ucberreste ehemaliger Bergbauarbeiten zu sehen, welche auf den kupferführenden Conglomeraten und Schiefern des unteren Zechsteins um- gingen. Es bleibt nun noch übrig, den Führern auch an dieser Stelle den wärmsten Dank abzustatten für die Mühe und Sorgfalt, mit welcher sie ihres Amtes gewaltet haben. Es werden die Excursionstage allen Theilnehniern in leb- hafter P^rinneruug bleiben, und die mannigfachen Ein- hin anregei Ed. Zache. drücke werden nach vielen Richtungen hin anregend wirken. Die zoologische Sammlung des Königlichen Museums für Naturkunde zu Berlin. Die Vogel - Schausammlung. [Fortsetzung.] Als die den Paradiesvögeln am uächsteu stehenden Sperlingsvögel erweisen sich die Raben, an deren Spitze der Erzrabe, Corvus crassirostris, steht, der an einem weissen, birnförmigen Fleck am Hinterkopf und Nacken kenntlich ist und in den Gebirgen Ost- und Mittelafrikas wohnt. Den mehr südliehen Theil desselben Continents bewohnt der Schildiabe, Corvus sca))ulatu.s, der sich gleich unserer Dohle in allen Gegenden an den Menschen" atta- cliirt hat. Der Saxaulhähcr, Podoces Pandeii, über dessen Leben wir erst seit 1877 genauere Kenntniss haben, wohnt im .Vmugebiet. Unserm Strauchdieb, dem Eiclielhehcr, in jeder Beziehung ebenbürtig i.st der südamerikanische Kappen- blaurabe, Cyanoeorax ehrysops, der im Norden von Amerika durch den Bläulicher, Cyaiiocitta cristata, vertreten wird. Aus Australien stammt der Flöteuvogel, (iymnorhiua tibicen, der in den letzten Jahren ein Bewohner aller Thiergärten geworden ist. Den Namen verdankt er der Kunst, allerlei Melodien mit seiner flötenden Stimme nachzusingen. Der Schwalbenwürger, Artamus fuscus, leitet über zu den Schwalben. Zu ihnen gehört die im Südosten Europas vorkommende Höhlenschwalbc, Ilirundo rufula; die Felseu- schwnlbe. Cotyle rupestris, kennzeichnet sich durch einen verhältnissmässig langsamen, sanft schwebenden Flug und graues Gefieder. Der Purpurschwalbe, deren tief schwarz- blaues Gefieder stark purpurgläuzend ist, errichtet man in den meisten Staaten Mittclamerikas eigene Wohnungen nach Art unserer Starkästen oder hängt ausgehöhlte, mit einem Eingangsloeli versehene Flaschcnkürliisse an den Bäumen auf, die sie gern annimmt, f^s ist noch die Senegal- und Glanzschwalbe zu erwähnen. Als Vertreter der Schopfheher ist der prächtige Bläu- licher, Cyanovitta cristata zu nennen, der in Amerika ein r)06 Naturwisscnseliaftlielie Woehcnsehrin. Nr. 42. arger Ncstplüiidercr ist. An der iiördlielicu und östlichen Grenze dos VerhrcitnuiisiiolMotcs unseres EiolicUielicrs be- ginnt das Wdlingebiet des L'ngliieksbeliers, Trisoreus in- taustus. Er liebt Wälder mit dieliteni Bestand und tcucbteni Grunde und wird allgemein als ein /.utraulielier und neugieriger Burscbe geseliildert, der aber wegen seiner Raublust an Eiern und Nestjinigen eitrigst vert'nigt wird. Die Wanderclstor belebt in Paaren und kleineren Trnpps die waldigen Ebenen Indiens, Assams und Chinas. Die Kittas, /.ieriieh gebaute Vögel mit lebhaft get'ärbteni Kleide sind dureh die Rothsehnabelkitta vertreten. Ferner umtasst dieser Theil der Sanuulung noch die Rergkrähe, Trauerelster, Striehelelster, den canadiseheu Heber, den peruvianisehen lieher. die llaubenelster, den liinialaya heher, die algerisehe Elster, die asiatisehe lilauelster. die sil)iriselie Dohle und die graue Lärnd^rähe, Strepera cuneieaudata, aus Südaustralien. Die Fliegcnsehnäpper sind gleieh den Würgern Waldvögel, die auf freiem Sitze auf vorüberfliegende Insecten lauern. Ihr prächtigster Vertreter ist der Paradicsfliegensehnäpper. Terpsiphone nielanogastra. der die bewaldeten Gegenden der Wendc- kreisländer Afrikas bewohnt und in seinem Prachtkleide eine überaus fesselnde Ersciicinung ist. Man erzählt, dass sieh zur Brutzeit die Jläuuchen eifrigst verfolgten, um den Nebenbuhlern die prächtigen Sehwanzfedern abzubeisscn. Neben dem rostbraunen Fächersciiweif, dem Mückendiegenfänger und dem Ccdervogel ist noch der Seidenschwanz, Am])clis garrulus. zu erwähnen, als dessen lleimath die ausgedehnten Wablungen unseres Erdtheils. welche entweder von der Fichte oder von ihr und von der Birke gebildet werden, anzusehen sind. Dort bilden auch während des Sommers die aller Besehreibung spottenden Mückenschwärme seine ausschliessliche Nahrung. Auf sein Erscheinen in Deutschland ist bereits im ersten Theilc hingewiesen worden. Die Stachelbttrzel oder llaupenfresser, Campephagidae sind in hundert Arten über Australien, die malaiischen Inseln, Südasien und Afrika verbreitet. Neben Grauculus und Irene ist der Mennigvogel, Perierocotus speciosus zu erwähnen. Bei sehwarzblauer Oberseite ist die Hauptfarbe des Männ- chens ein prächtiges Seharlachroth. Aus der Sippe der Schreivögel ist als erste Familie die der Pittas oder Prachtdrosseln zu nennen. Sie ist vertreten durch den Blauflügelpitta, Pitta bengalensis, der Neunfarbenvogel der Hindus, welcher sich durch blaugrüne Rücken-, Schultern- und FlUgeldeckfedcrn charakterisirt. Grosse Aehnlichkeit mit dieser Familie haben die Ameisen- vögel, Formicaviidae, die in den feuehtheissen Wäldern Brasiliens beheimathet sind. In grossen Scharen begleiten sie die Züge der Wauderameise, die ihre Hauptnahrung bildet. Neben Myrmeciza cinnamoniea ist das Feuerauge, Pyriglena domicella zu nennen, dessen Auge, dem Namen entsprechend, dunkel feuerroth ans dem fast durchweg schwarzen Gefieder hervorleuchtet. Ferner findet der Beschauer noch Pitliys albifrons aus Südamerika, Formi- civora leucoptera aus Sndostbrasilien. Philepitta jala, den Rallenschlüpfer, den Türkenvogel, Hylactes megapodius oder Turko der Chilenen und die in Australien heimi- schen Leierschwänze, welche die letzte Familie der Ord- nung bilden. \'on den sechzehn Steuerfederu des männlichen Me- nura superba gleichen jederseits die zweite bis siebente den zerschlissenen Schmuckfedern mancher Reiherarten. Die erste und achte dagegen haben geschlossene Fahnen und sind an der Spitze naeii aussen leierförmig gekrümmt. Die dunkelbraungrano Oberseite des Vogels geht oft ins Röthlichc über: die Kelde ist überhaupt roth, während die Enterseite bräunlich aschgrau ist. Der Leiersciiwanz bringt sein Leben hauptsächlich auf dem Erdboden zu. Laufend durehmisst er die ungeheuren Waldungen, eilt er über liegende Baumstämme oder selbst durcli das Gc- zweige derselben weg, klimmt er an den starren und rauhen Felswänden empor; springend erhebt er sicli plötzlich bis zu drei Meter und mehr über den vorher eingenonnncnen Stand, senkt er sieh von der Höhe der Felswände zur Tiefe herab, und nur wenn er den Grund einer Felsspalte besuchen will, ninunt er zu den Scliwingen seine Zuflucht. Bei eiligem Lauf trägt er sich wie ein Fasan, den Leib sehr gestreckt, den Kopf vorn über- gebeugt, den langen Schwanz wagereeht und zusammen- gelegt gehalten, weil dies die einzige Möglichkeit ist, das Hiischdickicht zu durchmessen, ohne seinen prächtigen Schmuck zu beschädigen. Aus der Reihe der Sehmuckvögel ist zu erwähnen der in den Gebirgsgegenden Guyanas und dem nordöst- lichen Theilc von Brasilien lebende Kli])pcnvogel, Rupi- eola crocea, dessen Männchen als Hauptfarbe des Ge- fieders ein lebhaftes Orangeroth mit dunkel purpurrothem Scheitelkamm hat, während das Weüicben einf'arl)ig l)raun gefärbt ist. Ueber die Tanzlust der Männchen dieser \ ögel sind in neuester Zeit interessante Beobachtungen gemacht worden. Inmitten üppigster Vegetation wird ein kleiner Platz von jedem Grashälmcheu befreit und so geglättet, als hätten ihn menschliche Hände geebnet. Gegen Abend stellen sich unter zwitschernden Tönen die prachtvollen Rubicols ein und lassen sich im Kreise um den Tanzplatz oder auf den nächsten niedrigen Zweigen nieder. Dann springt eins der Männchen in die Glitte des Platzes, beginnt seine Flügel zu spreizen, wirft das Köpfchen in die Höhe und sehlägt gleieh einem Pfau ein Rad. Dann stolzirt es einige Male im Kreise umher und kratzt den Boden auf, alles in anmuthigem, hüpfendem Gange ausgeführt. Nach Ermüdung giebt es einen eigen- thündichen, gurgelnden Ton von sich und tritt ab, einem anderen Mäuncheu Platz zu machen. Während der Pro- duetiou sitzen die übrigen Vögel, offenbar die be- wundernden Zuschauer, regungslos. Da die Zahl der Männchen die der Weibchen bei Weitem übertrifft und der Terpsichore nur zur Paarungszeit gehuldigt wird, nimmt man mit Recht an, dass sich die Rubicolmäunehen ihre Wcil>ehcn — ertanzen. In lebhaft rotliem Kleide j)räsentirt sich der Henker, Phoeniciocercus carnifex. Die Ilalsbandcotinga, Cotinga cineta bildet im schönen Ge- schlecht eine der grössten Zierden der südamerikanischen Urwälder. Der Glanz und die Pracht der Federn haben selbst die Urvölker jeuer Waldungen angetrieben, die- selben zu Putz und zu Zierrath zu verarbeiten. Neben den verschiedenen Bekarden Kappen-, Graukopf-, Mas- ken- u. s. w.) ist der Pflauzenmäder, Phytotoma Rara, zu erwähnen. Er bewohnt namentlich das chilenische Küstengebiet und nährt sich von Kräutern, hat aber die böse Eigenschaft sie nicht eher zu fressen, als bis er den Stengel dicht über der "Wurzel abgesägt hat. so l)erichtct wenigstens Molina, der erste Naturbeschreiber Chiles von dem Vogel. In den ürwaldungen Südamerikas leben die Kroi)f- vögel, Gymnoderinae, deren unterer Kehlkopf sonderbare Umbildungen zeigt. Entweder bedeckeu ihn grosse, glockenförmige Fleischkörper, oder die Luftnihrenäste über ihm sind zu einer weiten Höhle ausgedehnt, welche durch besondere Muskeln noch vergrössert werden kann. Hierdurch wird das Stimnuverkzeug befähigt, die lauten Töne hervorzubringen, welche den Mitgliedern der Familie eigen sind und durch welche sie den Eingeborenen wohl- bekannt wurden. Von dem hierher gehörenden Kapuziner, Gymnocephalus calvus, dessen Stimme an das ülöcken eines Kalbes erinnert und dem Schirmvogcl, Cephalopterus ornatus ist noch wenig bekannt. Der letztere zeichnet Nr. Naturwissenschaftliche Wochcnsfhrif't. f)07 sich durch einen aus den Stirnt'cdcrii gchihlctcn Kanini aus, der den .Sciniabel überragt und einen am Unter- halse hängenden, allseitig hetiedcrtcn Hautlai)i)en. Sein hriillcnartigcs Geschrei hat ihm auch den Namen Sticrvogcl eingetragen. Uchcr die Lebensweise des (Jjnckenvogels, Chasniarhynchus nudicollis (wegen seines nackten Halses) ist mehr bekannt geworden. Heine Stinnne gleicht dem Ton einer Glocke. Die Scimiuek- vögel sind ferner vertreten durch den niedlichen Mönchs- scbmuckvogel, Pipra manacus, der gleichfalls über einen grossen 'l'heil Südamerikas verbreitet ist. In Südamerika werden die 15aundäufer vertreten durch die Üaumsteigcr. Ein Haukünstler aus dieser Sipjje ist der Töpfervogel, Furnarius rufus, der in Brasilien lebt. Er erreicht Stargrösse, construirt aber aus Strassenkoth ein backofenförmiges Nest, das im Gewicht an 5 kg herankommt. Die fronmien Brasilianer bewundern an- dachtsvoll die l.,eistung dieses Vogels, den sie „passerino eatolieo-, das rechtgläubige Vögelchen, nennen, und be- hau|)ten, dass er am Sonntage nicht arbeite. Eine ketze- rische 8chwall)cnart kümmert sich aber durchaus nicht um die Kcchtgläubigkeit dieses Üei.ssigen und kun.streichen Baumeisters und wirft ihn oft aus seinem Backofenneste heraus, gerade so wie unser Spatz von dem Neste der Sehwalben Besitz ninnut. An den Töpfervogel reihen sich die Tyrannen an, die in ihrem Wesen und in ihrer Eigenart Würger und Fliegenfänger vereinigen. Zu ihnen gelnirt der Königswürger oder Konigsvogel, Ty- rannus carolinensis, der Rothscheitel, der Plattschnabel, der Satrap, der Cnba- und Gabeltyrann. Mit gleichfalls so gewaltigen und trotz ihres Umfanges sehr leichten Schnäbeln sind die den l'apageien benachbarten Vögel ausgestattet, die Nashornvögel, welche man wegen der ähnlichen anatomischen Eigenthündichkeiten, die sich in der Sciniabelbildung zeigen, mit jenen zu einer Gruppe vereinigte, und sie Leichtschnäbel oder Levirostres nannte. Die Nashornvögel, Bucerotidae, gehören mit etwa 50 Arten der äthiopischen und orientalischen Region an. Sie leben meist paarweise und ernähren sich von pflanz- licher und thierischer Kost. Die kleinste Art der Familie ist der braune Toko. Er ist ein echter Baumvogel, den nur Nahrungsmangel auf den Erdboden zwingt. Die Beutestücke wirft er vor dem Verschlingen in die Höhe, um sie dann mit der Sj)itze des Schnabels wieder auf- zufangen. Neben dem ausgestellten Vogel findet sich seine Bruthrdde mit einem Nestjungen. Der Toko hat die Eigcnthündiehkeit, sein brütendes Weibchen in eine Baumhöhle einzumauern und (hm Eingang zum Wochen- bett nicht grösser zu lassen, als dass der eingeschlossene Vogel den Schnabel durchstecken kann, um sich vom Männchen füttern zu lassen. Dabei wird es gewöhnlich sehr fett und gilt deshalb bei den Eingeborenen als ein Leckerbissen, während das Männchen jämmerlich ab- magert und oft schon bei einem Witterungswechsel umkommt. Der R(4hschnabeltoko, Toccus erythrorbynchus, aus dem tropischen Afrika, ist der zierlichste der ganzen Sippe. Neben ihm ist noch der Manillatoko, der >sascn- toko, der Rothschnabeltoko der Philippinen, Platycerus hydrocorax mit einem Hornaufsatz auf dem Schnabel und das Fasanhorn zu erwähnen. Auf den Sunda-Inseln und -Malakka ist Rhyticeros plicatus behcimathet, der auch .Jahrvogel heisst, weil man glaubt, dass sich in jedem Jahre eine weitere, mit Luft gefüllte (^ucrwulst auf dem Schnabel bilde. Ein recht seltsamer Vogel ist der Doppelhornvogel, Buceros bicornis, der sich über die Hochwaklungen Indiens, vom äussersten Süden an bis zum Himalaya und von der Malabarküste an bis nach Assam und der Malaiischen Halbinsel verbreitet. Die Reisenden gedenken in ihren Beschreiljungen namentHch seiner Stimme, die dem Gebrüll des Ochsenfrosches gleichkommen soll. Der berühmteste aller Hornvögel ist aber der afrikanische Hornrabe, Tmetoceros abyssinicus, der ungefähr dieselbe Verbreitung hat wie der Toko, aber überall seltener ist. Der Wjgcl i.st eine so auffallende Erscheinung, dass ihn jeder Eingeborene kennt, und er sich überall eine gewisse Achtung erworben hat. Sein Gang ähnelt dem der Rabenvögel, ist aber mehr wackelnd und in der Erregung gebärdet er sich wie der Truthahn. Der Lockruf des Vogels ist ein dumpfes, weithin schallen- des „Buh- und sein Weibchen antwortet ihm nnt derselben Silbe, aber als Dame, um eine Octave höher. (Fortsetzung folgt.) Loui.s Pasteur f. — Die Zeiten sind längst vorüber, in denen Frankreich sich als die Fidirerin der Kultur be- trachten konnte und als solche auch allgemein galt. Auch in ihren glänzendsten Zeiten hat es auf die Naturwissen- schaften wohl den geringsten Einfluss ausgeübt. Auf- fallend arm aber ist das französische Volk an Natur- forschern gerade im 19. Jahrhundert gewesen, in der Zeit, in der die Naturwissenschaften die höchste Entwickelung erreicht haben. Unter den AVenigen, die eine kulturelle Bedeutung gehabt haben, ragt Pa.steur um Haupteslänge hervor. Er war eine „Grösse", die auch in Deutsch- land neidlos anerkannt wurde, wo man Anlass hatte, ihm gram zu sein. Die Franzosen wus.sten genau, was ihnen Pasteur war, und sie feierten ihn deshalb mit einer über- schwänglichen Pjcgeisterung. Wie einen Nationalheros haben sie ihn zu Lebzeiten geehrt und belohnt, und so haben sie ihn auch zu Grabe getragen. Die geistige Bildung Pastcurs war eine ungemein umfassende. Wie heute nur noch wenige unter den Lebenden, beherrschte er mit gleicher .Meisterschaft weit von einander abliegende Gebiete der Naturwissen.schaft, Physik, Chemie. Mineralogie, Geologie, Botanik, Bakterio- logie u. a. m. Ja, er hatte nicht nur ein gediegenes, reiches Wissen auf diesen Gebieten, sondern hat ein jedes derselben durch eigene werthvolle, zum grössten Theil so- gar fundamentale Arbeiten bereichert. Indessen nur die Chende und ilie Bakteriologie waren seine Leit.sterne. Von der Chemie ist er zur Bakteriologie gelangt. Sie bildete später sein Hauptarbeitsfeld. Man muss Pasteur als den Begründer dieser Wi-ssenschaft bezeichnen. Der Samen, den er gestreut hat, ist reichlich aufgegangen. Zu dem Lehrgebäude der Bakterienkunde hat Pasteur selbst nur die Grundmauern hergerichtet, der Ausbau ist das Verdienst Robert Kochs. Es ist indess sehr be- merkenswerth, dass die Bakteriologie, nachdem das Stu- dium der Formen, Wachsthumsverhältnisse u. dgl. so gut wie überwunden ist, neuerdings in Bahnen einlenkt, Avelehe Pasteur von .Anfang an verfolgt hat und die ihn zu Ver- suchen praktischer Ausnutzung der Bakterienkunde führte, derart, wie sie gegenwärtig mit aller Energie und allent- halben mit heissen Hoffnungen in Angritf genommen werden: ich meine die Schutzim])fungen mittelst Bakterien- kulturen. Das chemische Priucip in der Wirksamkeit der Bakterien ist von Pasteur frühzeitig erkannt unil ver- werthet worden. Es ist ein hervorstechendes Kennzeichen dieses Mannes, das sich .sonst sehr selten bei Gelehrten, am ehesten nctch bei Engländern und Amerikanern findet, dass er seine Ideen resp. die Ergebnisse seiner Labora- 508 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 42. toriumsarbeitcu auch praktiscli zu vcrwcrthen verstand. Seine Arbeiten sind einerseits der industi-icilen 'J'eeiniilc, andererseits der Heilkunde und Hygiene reicidich zu Statten gekonnnen. Vielleicht wird eine spätere Zeit nicht zöiicrn, ihm den Kuhmestitel eines Wohllhäters der Mensch- iieit /.uzusi)reeheii. Nach diesen all.ii'cnieinen Hcnierkungcn wollen wir zu einer kurzen l>esj)reeluuig- der einzelnei, liauptsächliclisten Arbeiten Pasteurs Ubergeiien. Weit beriilinit sind seine Untersnchuni;-en über das Wesen der Gälirnng und Fäul- niss. Bis zu den GO er Jahren beherrschte die sogenannte Ciuitaettlieorie, die kein Geringerer als .lustus von Liebig- begründet hatte, die allgemeine Anschanung der Natur- forscher in dieser l''rage. Danach sollte die (üihrung da- durcli zu Stande konnncn, dass in der Flüssigkeit infolge einer Störung des Gleicligewielitcs die Atome nach iln-en eiiemisclien Verwandtschaften sich in neuen Gruppen zu- sanunenschliessen. Die Gährung wäre also ein toter, ])hysikalischchennscher Process. Pasteur wies die Un- richtigkeit dieser Annahme nach und zeigte, dass die Gährung die Folge einer vitalen Thätigkeit niederer Organismen ist. An der weing-eistigeu Gährung wies er iln-e Entstehung durch den Saceharomyces cerevisiae nach, welcher als Producte seines Lebensproeesses Al- cohol und Kohlensäure aus den Kohlehydraten abspaltet. Auch für die Essig-, Milch- und Buttersäuregährung u. a. zeigte Pasteur die gleiche Bildungsweise durch die Lebens- thätigkeit von Jlikroorganismen. Dabei entdeckte Pasteur schon das Vorkommen von anaerob lebenden Pilzen, die ohne Zutritt von Sauerstoff Fäulniss in eiweisshaltigen Substanzen zu erzeugen im Stande sind. Nur darin hat sich Pasteur geirrt, dass er glaubte, nur anaerobe Bak- terien vermöchten die Fäulniss zu erzeugen. Die Gährungs- studien brachten reichlichen (icwinn für die Weinbereitung, das Bierbrauen, die Essigfabrikation und zahlreiche andere verwandte Industriezweige. Die Methode des ..Pastcuri- sirens" zur Keimabtötung und Conservirung von Nahrungs- flüssigkeiten ist allgemein eingeführt. In nahem Zu- sannnenhang mit diesen Studien Pasteurs steht die Ent- deckung eines besonderen Pilzes (Nosema bombycis) als Ursache der Seidenraupenkrankheit. Indem er die Land- wirthe diesen Feind kennen lehrte, zeigte er ihnen einen einfachen Weg, ihn auszurotten: diejenigen Würmer von der Zucht fernzuhalten, deren Eier nach dem mikro- skopischen Ausweis mit dem l^arasiten behaftet sind. Für die theoretische Wissenschaft führten die Gährungsstudien Pasteurs gleichfalls in weiterer Conse- quenz zu einer sehr bedeutsamen Entdeckung. Pasteur, der ein Meister im Experimentiren und darin immer von Glück begleitet war, hat durch einen sehr einfachen Ver- such, wie denn überliaupt seine Versuchsanordnungen stets die denkbar einfachsten waren, die Fabel von der „Generatio aequivoea", die seit den Zeiten des grauen Alterthums umging und noch immer Gläubige fand, end- giltig beseitigt. Pasteur brachte den Satz „Onnie vivum ex vivo" zu Ehren, der uns heute als etwas Selbstverständ- liches erscheint. Er ist eines der Fundamente der mo- dernen Naturanschauung. Auch einen praktischen Nutzen von eminenter Tragweite zeitigten diese Untersuchungen Pasteurs. Sie brachten Lister auf den Gedanken der antiseptischcn Wundbehandlung, ohne welche die moderne Chirurgie niemals ihre erstaunliche Leistungsfähigkeit er- langt hätte. Lister verglich die Wundeiterung dem (Jährungsprocess: sie entsteht durch den Zutritt von Pilzen, welche das Wundsecret zersetzen. Heute freilich weiss man, dass die Mikroben aus der Luft für die Wund- infection kaum in l>etracht kommen. Der alternde l'asteur wandte sein Interesse von der Industrie und Technik ab und der Mediciu zu. Er setzte einen Ehrgeiz darein, das Vorbild der Schutzpoekeu- inipfung, die doch eigentlich ihrem „Entdecker" in den Schooss gefallen ist, auf dem Wege des Laboratoriums- expcrinientes für andere Krankheiten nachzuahmen. Er erfand ^lethoden, welche das Bakteriengift so al)sclnväclien, ilass die \'erimpfang der Bakterien nicht nur nicht mehr krank macht, sondern sogar Schutz gegen die Ucber- tragung des ursprünglichen Giftes gewährt. Dieses Ver- fahren hat Pasteur z. B. für die Schutzinqjfung gegen Milzbrand bei Schafen und anderen Ilausthicren empfohlen und angewendet, angeblieh mit den besten Erfolgen. Ueber den Werth dieser Impfung ist Pasteur auf dem internationalen medicinischen Cimgress in Genf 18S2 in hettigen Streit mit Koch gerathcn, der sie wohl als ausreichenden Schutz gegen den künstlichen Impfmilzbrand, aber nicht gegen den natürlichen, meist durch Infection vom Dann aus entstehenden Milzbrand ansieht. Nocli bis heute ist in dieser Frage keine definitive Entscheidung getroffen, wenn- gleich sich die Wagschale entsehiedeu zu Gunsten Pasteurs geneigt hat. Noch heisser umstritten ist Pasteurs Schutz- impfung gegen die Hundswuth, füi- welche er mehrere geniale Methoden ersonnen hat. Die beste ist diejenige, welche die Abschwächung des Wuthgiftes durch Aus- troeknung kleiner Rückenmarksstüekchen von wutld^ranken Kaninchen in der Luft erreicht. Wohl an lUOOO Men- schen sind sehon nach dieser Pastenr'sehen Methode ge- inq)ft worden, und mit der Vervollkonmnnmg der Technik sind die Resultate steigend bessere geworden. Nur in etwa 3 Vo der Fälle soll die Impfung fehlschlagen, ohne dass der Misserfolg immer ihr zur Last zu legen ist. Ausserhalb Deutschlands, wo ja übrigens die Gelegenheit zur Prüfung des Verfahrens sehr selten ist, geniesst es das volle V^ertrauen der Gelehrten- wie Laienkreise. Zu erwähnen sind noch Pasteurs Schutzimjifungen gegen Hühnereholera und Sehweinerothlauf. Diese Studien betrieb Pasteur seit dem Jahre 1888 in der schnell berühmt gewordenen Anstalt Itei Paris, die seinen Namen trug. Dort gab sieh ein grosser Theil der geistigen Elite der forschenden Jünger des Acscnlajis aus aller Herren Länder ein Stelldichein. Nur deutsche Mitarbeiter waren dort selten zu sehen. Das „Institut de Pasteur" ist eine Musteranstalt grössteu Stils, die ihresgleichen noch nicht hat. Eine Fülle werthvoller Arbeiten von Metschnikotf, Roux, Chantemesse u. a. sind daraus schon hervoi'gegangen. Paris gehörte Pasteur schon seit L8l)7 an, wo man ihn als Professor der Chemie an die Sorbonne berief. Zuvor hatte er in Dijon, Strassburg und Lille gelehrt. Er war 1822 als Sohn eines Lohgerbers geboren und verriet früh die Zeichen seines Genies. Mit 26 Jahren hatte er bereits Aufsehen er- regende Arbeiten veröffentlicht und wurde Professor. Pasteur gehörte wie Alex, von Humboldt, Helmholtz und wenige andere zu ilen Männern, die im Leben der Völker wie Meteore am Himmel erseheinen. Sie erhellen weithin den Weg, den die gewöhnlichen Sterl)lichen müh- sam suchen müssen. Aber der Glanz ihrer vorübergehen- den Erscheinung überdauert sie, er ist eine unvergessliche Erinnerung. Dr. Albert Albu. Fossiler Schädeltlieil einer Saiga-Aiitilope aus Westpreiissen. — Als ich kürzlich das interessante West- jn-eussische Provinzial-Museum in Danzig besuchte, fand ich unter den zahlreichen diluvialen Thierresten, welche dort zusammengebracht sind und mir von Herrn Gustos Dr. Kunnn gezeigt wurden, auch den rechten Hornzapfen nebst den angrenzenden Tlieilen der Schädelkaj)sel einer Saiga-Antilope vor. Aul' meinen Wunsch schickte Herr Director Dr. Conwcntz mir dieses Stück zu, um es mit den Saiga-Schädeln der mir unterstellten Saimnlung zu vergleichen. Ich konnte eine \öllige Uebereinstimmung Nr. 42. NaturwisscuscLaftliche Wochenschrift. 509 /N \l/ /\ mit der Gattung Sai.ya constatircn ; docli sind vielleicht einige kleine Spccies- Unterschiede vorhanden. Der Fossilrest ist hei dem Orte (irujtpe in der Grau- denzor Gegend aiisgeg-rahen worden, an einem Fundorte, welcher schon viele andere wohlerhaltenc Reste der l)i- hnialf'auna geliefert hat. So viel ich weiss, ist dieses der erste, sicher l)estimiiite Fossilrest einer »Saiga-Antilopc aus Deutschland. Aus Frankreich und Belgien sind hckanutlich zahlreiciie Reste dieses interessanten Steppen- thicrs festgestellt worden; auch Siidengland hat einen wohlerhalteneu Schädelrest geliefert. Ferner konnte ich selbst einige Fossilreste der Saiga aus Mähren und Ungarn nachweisen. Dagegen sind bisher aus Deutschland nur unsicdiere Funde bekannt; der vorliegende sicher bestinunte und wohlcrhaltene Fossilrest ist deshall) von erheblichem Interesse. Derselbe soll denmächst abgebildet und genau beschrieben werden. A. Nehring. Zur Lehre von den optischen Täuschiin- g'cn hat Herr F. G. -. V Müller-Lyer in Mün- chen einen bemerkeus- werthen Aufsatz ver- öft'entlielit in der „Zeit- schrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane" (Band IX, ^ ^■- Heft 1). Der Aufsatz kann gewissermaassen <^ y als das Endresultat einer langen Discussion ange- sehen werden, welche sich durch mehrere Jahre erstreckte, und an wel- cher sich u. a. Brentano, Wundt, LippsundLaska betheiligten. Jeder, der an der Discussion tlicil- nahm, hatte eigene An- ^ sichten und Erklärungen r" ||[i||1P' ^^|||L-ttl''_::^ V über das Zustandekom- men einer Reihe von optischen Täuschungen, die Erklärungen aber, welche Müller-Lyer schon 1889 in Dubois' „Archiv für Fiiysiologie" gab, scheinen den Thatsachen und Beobachtungen bei Weitem am Besten zu entsprechen. Der Streit war ausgegangen von der optisclien Täuschung, welche Fig 1 in verschiedenen Moditieationen veranschaulicht. In la werden die gleich langen Linien in Folge der an die Endpunkte angetragenen verschieden gerichteten Schenkel für ungleich gehalten. Dieselbe Täuschung hndet sich in vereinfachter Form in 1 b und am deutlichsten in Ic, wo die Linien selbst nicht mehr gezogen sind und keinen Anhaltspunkt mehr gewähren. Woher konmit diese Täuschung? Müller-Lyer meinte schon 1889, sie sei daraus zu erklären, dass man unwillkürlich die Entfernung der Sehenkelendpunkte bezw. die von den wirklichen und gedachten Linien umschlossenen Flächen- räume mit einander vergliche. Er nennt diese scheinbare Verlängerung und \'erkürzung das Princip der „Con- Huxion", weil die Linien mit den unwillkürlich gedachten Strecken „zusammenfliessen". Brentano glaubte die Er- klärung des „pseudoskopischen Winkels" anwenden zu müssen, d. h. er stützte sieh auf das Gesetz, dass kleine Winkel überschätzt, grosse unterschätzt zu werden pflegen. Er glaubte nun, dass diese Täuschung daher rühre, dass die Scheitelpunkte der spitzen Winkel sieh scheinbar gegeneinander verschieben, die Scheitelpunkte der über- stumpfen sieh von einander entfernen. Dass diese Er- klärung unrichtig sein muss, beweisen die Modificationeu des Versuchs in Fig. 2, welche keine Winkel mehr auf- weisen, aber dieselbe Täuschung darbieten. Andere wieder wollten die Täuschungen in Fig. 1 dadurch erklären, dass sie meinten, man hätte den Ein- druck, als ob die eine Figur auseinandergezogen würde, wie wenn an den Endpunkten der Schenkel Stricke be- festigt seien, während die andere durch Zug in entgegen- gesetzter Richtung zusamniengepresst erschiene. Doch ist auch diese Erklärung nicht auf die Erscheinungen von Fig. 2 anwendbar: abgesehen davon bleibt die Täuschung auch bestehen, wenn man statt der geraden Schenkel in Fig. 1 Bogen ansetzt, wo der angebliche Eindruck sofort verschwinden nuiss. Um andere Erklärungen zu übergehen, wenden wir uns nur noch zu denen von Lipps und Wundt. Ersterer glaubt, dass bei den 2. / meisten optischen Täu- . • // schungen „ästhetische Momente" irgend wel- cher Art im Spiel seien, in Fig. 1 hätte man einmal den Eindruck der „freien, siegreichen Bewegung", das andere Mal den einer gehemm- ten Bewegung. Wundt hingegen ersetzt diese psychologische Theorie durch eine physiolo- gische ähnlicher Art, ^ indem er meint, unsere ■^^^ Augenbewegungen wür- den einmal zu weit ge- ^- führt, das andere Mal würden sie plötzhch ge- hemmt, daher solle die Täuschung rühren. Nun, beide Ansichten werden von Müller-Lyer durch eine ebenso einfache, wie interessante und beweiskräftige optische Täuschung ad absurdum geführt (Fig. 3). Nach Lipps und Wundt müsste hier in b) die mittelste Linie grösser erscheinen als in a), da die angebliche Bewegung später gehemmt wird; thatsächlich aber erscheint die fragliche Linie in a) beträchtlich grö.sser als in b). Auch die Erklärung, welche sieh bei der üeberschätzung kleiner und Unterschätzung grosser Winkel anwenden Hesse, dass die Empfindungsgrössen langsamer (in geometrischer Pro- gression) wachsen als die Reizgrössen (in arithmetischer Progression), oder wie Feehncr's „psychophysisches Grund- gesetz" besagt, dass die Empfindungen proportional den Logarithmen der Reize wachsen, auch diese Erklärung versagt in dem vorliegenden Falle, da sie dasselbe Resultat verlangen würde, wie Wundt's und Lipps' Lehre. Wie erklärt nun aber Müller-Lyer die Täuschung in Fig. 3? Von einer Confluxion kann natürlich keine Rede sein. Hier spielt nun eine andere Täuschungsquelle hinein, nämlich das Princip des Contrastes, welches den Unter- schied zwischen kleinen und grossen Linien, Winkeln, Flächen, Körpern u. s. w. grösser erscheinen lässt, als er wirklich ist. Deshalb erscheint in 3 a das Mittelstüek im Vergleich mit den kleineren Seitenstücken zu gross, in 3 b im Vergleich mit den grösseren SeiteustUcken zu klein. Eine andere Erklärung als durch Contrast ist völlig aus- < 510 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 42. geschlossen-, dass dieses Princip also in den optischen Täuschnngen eine Rolle spielen muss, ist damit bewiesen. Es ist dies Ergebniss um so antfalleudcr nnd wichtiger, als daraus sich eigentlich ohne Weiteres der Sehluss er- giebt, dass die soviel citirte Bedeutung des pseudoskopi- schen Winkels hinfällig ist. Müller -Lyer zieht zwar diesen Sehluss nicht und meint z. B., dass die Täuschung in der berühmten ZüUner'schcn Figur (Fig. 4)*) auf der Ueber- schätzung der kleineren und der Unterschätzung der grossen Winkel beruhe, aber es ist durchaus unver- ständlich, wie ein kleiner neben einem grossen Winkel einmal als zu gross (pseudoskopischer Winkel), einmal als zu klein (Contrast) erscheinen soll. Meiner Meinung nach schliessen sich das Princip des Contrastes und das des pseudoskopischen Winkels gegenseitig völlig aus, wenn also das Vorkommen des ersteren erwiesen ist, so muss das zweite falsch sein. Für die Zöllner'sche Figur, wie auch für so manche andere — ich nenne nur noch die Hering'sche Figur (Fig. 5), in welcher die Linie links durch die untere rechte fortgesetzt zu sein scheint, wäh- rend die obere die riciitige Verlängerung bildet — für diese Figuren bildet der pseudoskopische Winkel durch- aus nicht die einzige Erklärung, deshalb wird man wohl gezwungen sein, diese Deutung ganz fallen zu lassen. Die Täuschung der Zöllner'schen Figur dürfte wohl darauf beruhen, dass der die Hauptlinie verfolgende Blick un- willkürlich nach der Eichtung der Seitenlinien hin abge- lenkt wird, so dass eine scheinliare Neigung nach der entgegengesetzten Seite hcr\orgerufen wird.**) Es würde also auch hier eine gewisse Confluxion wirksam sein. Dass aber bei der Hering'schen Figur nicht im pseudo- skopischen Winkel der Grund der Täuschung gesucht werden kann, ergiebt sich aus der einfachen Thatsacbe, dass die Täuschung in gleichem Umfange bestehen bleibt, wenn man die beiden mittleren Parallelen nicht zeichnet, so dass also gar kein Winkel mehr vorhanden ist. Vielmehr dürfte die Ursache des falschen ürtheils darin zu suchen sein, dass wir nur sehr schwer im Stande sind, eine nach schräg oben oder unten gerichtete Linie über eine leere Fläche hin mit den Augen zu ergänzen; werden dem Beobachter nun zwei oder gar drei Linien geboten, welche alle nahezu die Fortsetzung der ersten sind, so wird man mit Vorliebe diejenige für die wahre Ver- längerung halten, deren Anfangspunkt dem Endpunkt der ersten Linie zunächst liegt. Liegen aber die Anfangs- punkte der rivalisirenden Linien gleich weit von dem Endpunkt der ersten Linie — ein Fall, der mit Benutzung der Hering'schen Mittelparallelen nie eintreten kann — so begünstigt man die in vertikaler Erliebung zunächst- liegende Linie. Vertikale Entfernungen im Vergleich mit horizontalen pflegen ja stets überschätzt zu werden. Durch kleine Modiiicationcn des Versuchs kann man eine Be- stätigung dieser Ansieht eriialten. *) Die parallelen Linien ei-scheinen beträclitlieh gegeneinander geneigt. Daps sie aber parallel sind, sieht man, wenn man die Figur unter starkem Neigungswinkel betrachtet. Wie ich nach- träglich bemerke, iindet sich in obiger Fig. 4 noch eine secundiire optische Täuschung: die Hauptlinien scheinen nicht gerade zu sein, sondern .selbst noch gekrüunnt bezw. gebrochen, ohne dass dadurch der Hauptzweck der Figur, die Neigung der Linien gegeneinander, beeinträchtigt wird. Diese zweite Täuschung be- ruht darauf, dass die zahlreichen kleineren Linien nicht gleich gross sind, sondern dass die Verbindungen ihrer Endpunkte ge- krümmte Linien ergeben. Diese wirken auf die scheinbare Ge- stalt der Hauptlinien ein, so dass eine nochmalige Confluxion vor- liegt. Teil habe alier absichtlich diese interessante Täuschung nicht beseitigt, da sie ja den eigentlichen Zweck der Figur nicht behindert. H. **) Müller-Lyer hat in seinem Aufsatz alle diese Betrachtungen nicht angestellt, da er, wie gesagt, den pseudoskopischen Winkel noch anerkennt. H. Auch eine weitere Figur, welche Brentano besonders deutlich die von ihm vertretene Ansiclit zu l)estätigeii scheint (Fig. 6)*), lässt sich völlig emanzipiren von dem Princip des pseudoskopischen Winkels. In Fig. Ga ver- liert das Auge bei Ueberschreitung des leeren Raumes wie in der Hering'schen Figur die Richtung und weicht nach der zweiten Ecke des Dreiecks ab, in 6 b hingegen findet eine sehr deutliche Confluxion dadurch statt, dass die Verbindungslinie der Dreiecksspitzen verschmilzt mit der Verbindungslinie der Ansatzstücke. Auch hier also lässt sich die MüUer-Lyer'sche Erklärung ungezwungen anwenden. Kehren wir nach diesen längereu Betrachtungen, welche Müller-Lyer selbst nicht angestellt hat, welche aber meiner Ansicht nach lediglich Consequenzen seiner Behauptungen sind, noch einmal zu dem in Rede stehenden Aufsatz zurück! Erwähnenswerth sind noch folgende Wirkungen des Contrastes: wenn man zwei Rechtecke von gleicher Basis und sehr ungleicher Höhe neben einander stellt, so seheint das niedrigere breiter zu sein als das andere. Auf demselben Grunde beruht auch die That- sacbe, dass die Grösse eines wohlbeleibten Menschen unterschätzt, die eines hageren überschätzt zu werden pflegt. Ebenso, wenn ich an die Endpunkte einer Linie zwei gleiche Winkel mit relativ langen, freien Schenkeln antrage und daneben dieselbe Figur nur mit beträchtlich viel kürzeren Schenkeln zeichne, so erscheint die Basis der letzteren länger als die dei' ersteren: es liegt wieder eine Contrastwirkung vor. Zuweilen können Contrast und Confluxion in einer und derselben Figur auftreten, sie können sogar einander entgegenwirken: in Fig. 7 z. B. nüisste, wenn nur die Confluxion wirksam wäre, die Jlittellinie von b) grösser erscheinen als die von a). Durch den gleichzeitig wirkenden Contrast aber wird dieser Eindruck über- compensirt, so dass in Wahrheit die Linie in a) grösser erseheint als in b). Sehr glücklich weist Müller-Lyer, um das Princip der Confluxion und des Contrastes anschaulicher zu machen, auf Analogien der chromatischen Empflndungen hin. „Wenn eine weisse Scheibe sich von hellem Grunde abhebt, so sehe ich sie in einer ganz anderen Intensität, als wenn ich sie auf dunklem Grunde betrachte. Ein weisses Papier erscheint mir gelb, wenn ich einen blauen Bogen Papier unmittelbar daneben lege." (Contrast.) „Ein grünes Quadrat sehe ich aus einer gewissen Ent- fernung grau; und es erscheint mir wieder grün, wenn ich andere Quadrate von der gleichen Farbe darum herumlege." (Confluxion.) Als Gesetz glaubt Müller-Lyer aufstellen zu können: „Extensionen treten in Confluxion, wenn sie parallel laufen, und sie contrastiren, wenn sie in entgegengesetzter Richtung liegen oder senkrecht zu einander stehen." Es ist Müller-Lyers Verdienst, eine grosse Reihe der optischen Täuschungen in ein gewisses System gcliracht zu haben, welches ungezwungen durch die Thatsachen Itestätigt wird. Selbstverständlich lassen sich nicht alle optischen Täuschungen auf Contrast und Confluxion re- duciren, so z. B. die Erscheinung, dass ein in mehrere gleiche Theile zerlegtes Stück (Linie, Winkel, Quadrat) grösser erscheint als ein ungetliciltes, Müller-Lyer selbst aber verkennt am wenigsten, dass bei manchen optischen Täuschungen noch andere Momente als die hier be- sprochenen wirksam sein müssen. R. Hennig. *) In 6a scheint die Verlängerung der schrägen Scheitellinie des unteren Dreiecks durch das obere Dreieck hindurchzugehen, in tib hingegen scheint sie ausserhalb des oberen Dreiecks zu ver- laufen. Thatsächlich fallen die schrägen Scheitellinien in dieselbe gerade Nr. 4L'. Natnrwisseuschallliche Wochenschrift. 511 Aus dem wissenschaftlichen Leben. lü'iiamil wurden: Der l'iivatdofeiit für Geologie iiiui l'iiliion- tologio Di: Aujrust Kot lip letz in Miinelicn ziiiii ansserordentlielien l'rot'ei-sor; der I'rivatdoeent der Gynäkologie in Buda])ost Dr. Eliselier zum aussorordentliclion i'rotessor; Dr. phil. I''erdinand Laban zum Bibliothekar an den kgl. Kunstmu.seen in Berlin. Berufen wurde: Der Professor der Physik in Innsbruck Dr. Krnsf ]-eeher nach Prag als Nachfolger Professor Maehs; der ordentlidio Professor der Anatomie in Tomsk Dogiel nach Petersburg als Professor für mikroskopische Anatomie Dr. ( t. Künneniann zum Docenten der Thierheilkunde am land- « irthsehaftliehen Institut in .Jena als Xachfolger des Professor Eber. In den Ruhestand tritt: Der ordentliche Professor der Zoologie und Director der zoologischen Sammlung in Wien Dr. Karl Claus; der Oustos der zoologischen Sammlung des britischen Mu.':;eums Albert Günther. Es starben: Der ehemalige ordentliche Professor der Ge- schichte der Medicin in Krakau Dr. Joseph Oettinger; der Professor der pathologischi-n Anatomie in Montpellier Kiener; der ordentliche Professor für Philosojdiie und Pädagogik in Czernowitz Dr. Rudolf Hoch egger; der angesehene Chirurg Feli.\ Larrey in Paris; der Senior der homöopathischen Aerzte Berlins Dr. Hermann Fischer. Preisfragen des „Triton", Verein für Aquarien- u. Terrarien Kunde zu Berlin, betreti'eud die Vertilgung schädlicher Kktoparasiten der Fische, lies Süsb\vasserpol3'pen (Hydra) und des Tubifex ri\ulorium. I. Es ist ein Verfahren zu ermitteln, um die den Fischen schädlichen thierischen und pHanzHchen Ektoparasiten in einer Weise zu vernichten, dass nicht nur die Fische selbst, sondern thunlichst auch die mit diesen im Aquarium gehaltenen PHanzen keinerlei Schaden erleiden. Das Verfahren soll möglichst einfacli, leicht durcliführbar und völlig geeignet sein, um, wenn nicht alle, so doch tue schädlichsten und verbreitetsten Ektoparasiten, be- sonders aber die auf karpfenartigen Fischen vorkommenden Ekto- parasiten, unter anderen: Gyrodactyhis, Dactylogyrus, Ichthyo- ])hthirius, Trichodina, Chilodon, Tetramitus, Bodo, die Myxo- sporidien, zu beseitigen, und zwar nicht nur von den Fischen, sondern auch aus dem Aquarium. Die Preisrichter haben Werth darauf zu legen, dass die anzuwendenden Mittel von unsern werth- vollstcn Aquarientischen, den Teleskopfischen und den Schleier- schwanztischen, möglichst auch von schon durch die Parasiten geschwächten Exemplaren und ebenso auch von junger Brut der genannten Fischarten vertragen werden und schädliche Nach- wirkungen nicht haben. Eine auf eigenen Beobachtungen und Erfahrungen gegründete Darstellung der Entstehung und des Verlaufes der durch die betrefi'enden Parasiten bedingten Krank- heiten der Fische ist vorauszuschicken. II. Es ist ein Verfahren zu ermitteln, um ohne Schädi- gung der möglichst im Aquarium verbleibenden Pflanzen den Süsswasserpolypen, Hydra, zu vernichten. Das Verfahren soll möglichst einfach, leicht ausführbar und völlig ansreicliend sein, um sämmtliche Hydren aus dem Aquarium zu beseitigen. Hl. Es ist ein Verfahren zu ermitteln, um ohne Schädigung der möglichst im Aquarium verbleibenden Pflanzen den Röhrenwurm, Tubifex rivulorum, zu vernichten. Das Verfahren soll thunlichst einfach, leicht ausführbar und völlig ausreichend sein, um sämmt- liche Röhrenwürmer in dem Aquarium zu beseitigen. — — Die Zusammensetzung der Mittel ist genau anzugeben. Solche Mittel, welche bereits in einer der Zeitschriften: „Blätter für Ac|u;irien und Terrarieufreunde", ,,Natur und Haus'', „Allgemeine Fischerei - Zeitung", „Correspoudenzblatt für Fischzücliter", „Deutsche Fischerei-Zeitung", .Zeitschrift für Fischerei" verött'ent- licht sind oder bis zum 1. Juli 1897 verötfeutlicht werden, sind von der Prämiirung durch Geldprämien ausgeschlossen. Die Preisrichter dürfen nicht Bewerber sein. Die in deutscher, englischer, französischer, italienischer, russischer oder in einer der nordischen Sprachen abzufassenden Bewerbungen müssen eine genaue Angabe des Verfahrens nebst einer ausführlichen Darstellung aller mit demselben angestellteji Versu(die und gemachten Erfahrungen enthalten, sodass eine Nachprüfung leicht und sicher ausgeführt werden kann; sie müssen von fremder Hand deutlich geschrieben und bis zum 1. Juli des Jahres 1897 an Herrn Geheimen Reg.-Rath Professor Dr. F. E. Schulze, Director des zool. Instituts, Berlin N., Invalidcn- str. Nr. 43, portofrei eingesandt sein. Die Sendung muss mit der Bezeichnung „Preisaufgabe des Triton" und mit einem kurzen Motto versehen und darf beides nicht vom Einsender selbst geschrieben sein. Dasselbe jMotto muss ein beizulegendes und undurchscheinemles Couvcrt, das mit iVenulem Siegel verschlossen wurde, tragen, welches den eigen- händig geschriebenen vollen Namen und die genaue Adresse des Bewerbers zu enthalten hat Es sind für Aufgabe I zwei Preise, der erste zu 700 Mark der zweite zu 400 Mark, ausgesetzt, welche entweder einzeln oder combinirt nach dem Ermessen iler Herron Preisrichter ertheilt werden können, für Aufgabe II und IH sind je 200 Mark aus- gesetzt. Ausserdem stehen zur freien Verfügung des Preisrichter- collegiums die uns für diesen Zweck von dem Herrn Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten gütigst bewilligten zwei Staatsmedaillen, je 1 silberne und broncene, und eine Anzahl Diplome des Vereins. Den Preisrichtern wird eine von dem Verein „Triton" zu wählende Comu\ission zur Seite gestellt, welche zwar keine be- schliessende, wohl aber eine berathende Stimme haben soll. Die Verkündigung des l.Trtheils des Preisgerichtes erfolgt am 1. Ajiril dos Jahres 1898 in den „Blättern für Aquarien- und Terrarienfreunde" oder einem anderen Organ des Vereins. Der Verein „Triton" behält sich das Recht vor, ohne be- sondere Entschädigung die preisgekrönten Arbeiten ganz, theil- weise oder im Auszuge in seinem Vereinsorgane oder selbständig zu veröffentlichen. Die nicht prämiirten Arbeiten können von den Verfassern unter Angabe des gewählten Mottos zurückgefordert werden. Die Summe von Mark 1100 ist am I. Juli 1895 bei der Deutschen Bank hinterlegt worden, weitere 40O Mark sind von Vereinen gezeichnet, die ihrer Satzungen wegen erst nach Lösung der Aufgaben zahlen dürfen. Die Namen der Herren Preisrichter werden demnächst hier bekannt gegeben werden. Als Preisrichter wurden die nachstehend aufgeführten fünf Herren gewählt und haben zu unserer grossen Freude sämmtlich ilie Wahl angenommen: 1. Unser Ehrenmitglied, der Geheime Regierungsrath Professor Dr. F. E. Schulze, Director des zoo- logischen Instituts in Berlin. Ferner die Herren: 2. Geh. Regierungs- rath Professor Dr. K. Möbius, Director der zoolog. Sammlung des Jluseums für Naturkunde in Berlin; 3. H. Haack, Director der Kaiserl. Fischzuchtanstalt bei Hüningen i. Elsass, Post St. Ludwig; 4 Dr. Bruno Hofer, Privatdocent am zoolog. Institut in München; 5. A. Sehillinger, Directorialmitglied des Bayerischen und Deutschen Fischerei-Vereins in München. Der Vorstand. I. A.: Paul Nitsche, I.Vorsitzender. L j 1 1 e r a t u r. „Die Aula", das neue, von uns S. 187 angezeigte „Wocln^n- blatt für die Gebildeten aller Stände" hat es nur auf 26 Nummern gebracht. Sie ist aus Mangel an Abonnenten mit der Nummer vom 28. Sept. eingegangen. Man hat im Ganzen lun- Lobens- werthes über die Zeitschrift gehört, und in der That boten die veröffentlichten Artikel allermeist ein .grösseres Interesse. Jahrbuch der Chemie. Bericht über die wichtigsten Fort- schritte der reinen und angewandten Chemie. Herausgegeben von Richard Meyer, Braunschweig. IV. Jahrgang, 1894. Braunschweig, Druck und Verlag von Friedrich Vicweg & Sohn. 1895. — Preis geb. 15 M. — Das Jahrbuch hat sich bewährt. Der vorliegende, wie die vorigen Bände gediegen ausgestattete Band umfasst 646 Seiten. Es haben in demselben bearbeitet den Abschnitt 1. Physikalische Chemie W. Nernst u. F. W. Küster, 2. Anorganische Chemie Karl Seubert, 3. Organische Chemie C. A. Bisch off, 4. Physiologische Chemie Fr. Röhmann, Pharmaceutische Chemie H. Beckurts, Chemie der Nahrungs- und Genussniittel H. Beckurts, 7. Agriculturchemie M. Märck e r und W. Naumann, 8. Metallurgie E. F. Dürre, 9. Brennstotfe und anorganisch-chemische Technik C. Häusscrmaun, 10. Ex- plosivstoffe C. Häussermann, 11. Technologie der Kohlehydrate und Gährungsgewerbe M. Märcker, E. H. Schulze uml W. Naumann, 12. Technologie der Fette Rudolf Benedikt, 13. Theer- und Farbenchemie Richard Meyer, 14. Chemische Technologie der Spinnfasern P. Fr ie dlaeude r, 1.5. Photographie J. M. f]der und E. Valenta. Briefkasten. Hr. L. — Wir empfehlen Ihnen dringend, die zweite Aufl. von Neumayr's Erdgeschichte, bearbeitet von Prof. V. V hlig (Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig), die in Kürze vollständig erschienen sein wird. Der erste Band liegt bereits seit Längerem vor (eine Besprechung derselben erfolgt in einer der nächsten Nummern der „Naturw. Wochenschr."), der 2. ist im Erscheinen begriffen. 'nhalt: Di^- 36. PATENTBUREAU .Qlrich % JVlacrz Berlin NW., Luisenstr. 22. ^^= Gestündet 1878. Patent- Marken- u. Musterschutz für alle Länder. !\ie künstlerische >: Herstellung * von niustrationen und Zlnk- cliclies jeder Art und nach beliebiii:er Vorlage, für wissen- schaftliche und gewerbliche Zwecke, wird in meinem Insti- tut seit .Jahren gc)>flegt. Die Abbildungen in dieser Zeit- schrift gelten als Proben meines Verfahrens. Albert Frisch, Berlin W. 35, Lützowstr. 66. irK.l.in lind Kn^tcn;uisclil)"if;i' iMT.-llwilli;.'.! Hempers Klassiker-Ausgaben. Ausfübrl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchband!. I Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan Berlin N., Tegelerstr. 15. I ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ X Dr. Robert Muencke i X Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. X i Teclmisehes Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Ajiiiarale ♦ ♦ und Gerilthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenscliaften. ♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ I erb. püiiimltro JlfrlnpliuiljiiniiMiing In Ötvliii SW, 12, ^iinmci|!r. 94. ©oebeii erfdjieu: £\aiftt SxithtiA) nl^ ötuötnt l^dit «niicröffenfftcOfcm Matertat aus 5em ^TocOfoffc (Äaifcr 3tvicbi-tdjs, einem ^ticfßitb, 16 Jlßßifbungen, ouiogvopljircljcit ^älätferu jc. 96 ©ciien gr. 8°. «prciä gelicftct 1,50 SJIarf, eleg. ge6. 2 Siarf. 3iini crfteii 9}Jate erfäljrt in biefer @d)rift bie Somier ©tiibeiitcn^cit bc;o imiijiimliijcn Ätiifev gricbrid), li)cld)e für feine tSntiuicfehuuj non mafjgebenbfter 83ebeutnng geraefen ift, einge()cnbe ©djilbernng. 2)ie 9(rbeit ent()rtlt nieleö bi§[;er un= bevöffentitdjte äUateritil, barunter nainentlid) eine 9ieil)e uon ^Briefen bc§ fpäteren ßaifer griebrid) unb ber «'aijerin 5(ugiifta, Welche bal Ijöd^fte Sntereffe erregen bürften. . 1895 im Ruppinersee, am 29. 7. 1895 im Unteruckersee bei Prenzlau und am 22. 9. 1895 im Wcrhellinsee bei Ebersvvalde auf. Das Material aus dem Werbellinsee erhielt ich von Herrn Dr. W. Weltner zum Bestimmen überwiesen; es war von ihm schon am 14. 10. J888 gesammelt worden. 14. Daphnia hyalina Leydig. Am 8. 6. 1895 unter- suchte ich den Straussee auf Entomostraken und erbeutete dabei zum ersten Male diese Species. Am 11. 7. 1895 fischte ich sie aus dem Schwielowsee (2 — 3 m tief) in einigen Stücken. Später stellte ich diese Art noch aus verschiedenen tieferen Seen des Gebietes fest; doch fand ich sie nirgends so häufig, wie im Schermützelsee bei Bnckow a. Ostbahu. Sie variirt ganz bedeutend, ich war daher anfänglich sehr geneigt, einige neue Snbspecies aufzustellen. 15. Hyalodaphnia cristata apicata Kurz (1874). Am 8. 6. 1895 sammelte ich diese Form aus dem Straussee. Hier im Straussee fing ich an dem Tage sämmtliche Uebergänge von H. apicata nach H. cucuUata, H. ceder- strömi und H. kahlbergiensis. Nach meiner Meinung müssen wir in Zukunft diese ganze Gruppe H. cristata (Sars) — oder Hyal. jardini (Baird)|? — nennen. Man kann gewisserraaassen Hyal. cristata (Sars Gruppen zerlegen: 1. Gruppe: Helm gerade, d. h. die Spitze desselben ist etwa in der Medianlinie des Körpers gelegen. Hierher gehören die beiden Formen: Hyal. apicata (Kurz) und kahlbergiensis Schödler (1866). 2. Gruppe: Helm schief nach oben (hinten) gerichtet. Hierher gehören die Formen: Hyal. berolinensis Schödler (1865), Hyal. cucullata (Sars, 1862), Hyal. cristata (Sars, 1862), Hyal. vitrea (Kurz, 1874) und Hyal. cederströmi Schödler (1866). 3. Gruppe: Helm schief nach unten (vorn) gerichtet. Hierher gehört die Form: Hyal. cucullata procurva Poppe. Die Formen Hyal. vitrea und Hyal. procurva habe ich in der Provinz Brandenburg bis heute noch nicht auf- gefunden, wohl aber alle anderen. Dass diese vor- stehenden 8 Formen zum Tlieil nur Varietäten sind, haben schon vor mir S. A. Poiipe, 0. Zacharias, Daday und G. O. Sars ausgesprochen; ich aber ziehe diese 8 Formen zu der einzigen Species Hyal. cristata (Sars) zusammen. Ich habe am 8. 6. 1895 im Straussee, und später auch anderen Orts, zwischen Hyal. apicata und Hyal. beroli- nensis einerseits und Hyal. kahlbergiensis und ceder- strömi andererseits jede nur denkbare Zwischenstufe ge- funden. Ich halte deshalb diese sogenannten Varietäten auch nicht mehr für solche im gewöhnliehen Sinne, ja nicht einmal mehr für Lokalformen. Uebergänge und Zwischenstufen wird man sicher bei gründlicher Durchforschung unseres Gebietes auf Ento- mostraken an sehr vielen Orten finden. F.s wird dies weiterhin auch aus meinen Mittlicilungen über das Vaüo- niostrakcn-Material unserer Seen zu ersehen sein. Ich musste dies jedoch vorausschicken, um mich später stets kürzer fassen zu können. Dass die Autoren, welche die vorstehenden 8 Formen z. Th. zu Species erhoben, solches thateu, liegt meines Erachteus daran, dass die meisten dersell)cn ^voiil nicht allzu reichliches Material besassen und in diesem dann, selbstverständlich, nicht leicht Zwischenstufen auffinden konnten. Uebrigens habe ich selber noch 1893, aus Mangel an Material, diese Formen für gute Arten gehalten; anderntheils hatte ich aber dort nur zu registriren, was in der Provinz an Krebsthieren vorkommt. Oh Hyalfidaphnia cristata (Sars) und Hyal. jardini (Baird) zu identificiren sind, wie Sars es will (Oversigt II, 1890 S. 10), kann ich vorläufig nicht entscheiden, da mir Baird's Arbeit nicht zu Gebote steht. Ist dies aber der Fall, so muss Hyal. cristata (Sars) in Zukunft Hyal. jar- dini (Baird) heissen. 16. Moina fischeri Hellich (1877). Am 30. Juli 1891 brachte mir Herr Kaufmann Rud. Simon aus Berlin ein Gläsehen mit einer Moina-Species, die er bei Pankow gesammelt hatte; ich hielt sie für Moiua brachiata (.lur.). P>ei nochmaliger Nachprüfung in diesem Jahre — was bei so alten Spiritus-Exemplaren nicht immer leicht ist — möchte ich diese Stücke als Moina fischeri Hellich ansprechen. So ganz stimmen dieselben mit der Hellich'schen Beschreibung freilich nicht übereiu, deim sie besitzen am Postabdomen ausser dem Doppeldorn nicht 6 — 8 (Hellich) Zähne, sondern deren 8 — 9. Das Ephip- pium ist von brauner Farbe und enthält 2 rundliche Eier, die neben einander liegen. Wie Eylmann (1887) die Moina fischeri Hellich zur Moina paradoxa Weismana (1877), wenn auch nur fraglich stellen konnte, ist mir unerfindlich, da Hellich selber sagt (Cladoceren Böhmens, 1877, S. 56): „Diese Art ist mit M. brachiata sehr nahe verwandt und unterscheidet sieh von dieser, wie von allen anderen Arten, durch das kurze Postabdomen. Ueber die Anzahl und Stellung der Eier im Ephippium berichtet Hellich nichts. 17. Bosmina crassicornis Lilljeborg (1887). Ich sammelte die Art am 8. 8. 1895 aus dem Grossen Puls- see bei Bernstein i. Neumark. 18. Bosmina coregoni humilis Lilljeborg. Am 16.9. 1895 stellte ich diesen Rüsselkrebs für den Schermützelsee fest. Das Material war am 21. 6. 1891 von Herrn A. Protz limnetiseh (pelagisch) gesammelt worden, und zwar in einer Tiefe bis zu 30 Metern. 19. Ilyocryptus acutifrons Sars. Am 22. 7. 1895 stellte ich die Art für den Lehnitzsee hei Oranienburg fest. 20. Alona guttata Sars (1862). Am 20. 5. 1895 er- beutete ich diesen zierlichen Linseukrebs bei Werder im kleinen Entenfängersee in einem einzigen Stücke; später, wie aus meinen nachfolgenden Aufsätzen zu ersehen sein wird, gelang mir dieses jedoch an anderen Orten noch öfter. Die Art gehört scheinbar nicht zu den seltensten Cladoren der Provinz. 21. Alona guttata tuberculata Kurz (1872). Ich fand diese Form am 7. 9. 1895 in dem Materiale auf, welches Herr A. Protz am 5. 5. 1890 am Ufer des Scher- mützelsees gesammelt hatte. 22. Alona intermedia Sars. Diesen Linsenkrebs stellte ich am 21. 8. 1895 für den Hellsee bei Lanke-Bernau aus dem Protz'schen Materiale fest. 23. Pleuroxus hastatus Sars. Ich erbeutete diese Art am 4. 8. 1895 im Wesensee bei Brodewin-Oderberg, später auch noch an anderen Orten. 24. Latona setifera (0. F. Müller). Am 6. 10. 1895 stellte ich diese seltene Species für den Kalksee bei Rüdcrsdorf fest. — Ausführlicheres über die vorstehenden 24 Arten er- folgt an geeigneter Stelle in den folgenden Aufsätzen. Nr. 4r.. Natiirwisscnscliaftliehc Woelicnschrif't. 51f II. Die Crnstiiceeii-Faniiii des Miiia:ffelsee,s. Das Material, wclclics ich i'iir dicson Artiivcl benutzto, i.st sciion etwas alt; es wurde bereits am 8. '.». 1885 von Herrn Dr. W. AVeltner f;esaiiniu'lt und mir in liel)cn.swiirdii;ster Weise ein Tlieil davon am 23. 7. 1895 zur Verfügung gestellt. Ich benutzte jedoch dieses Ma- terial sehr gern, da sich darin die typischen .Stücke von Hosmina berolinensis Imliof befinden, welche Herrn Dr. ImhoC dienten, die genannte Speeies aufzustellen. Ich fand in dem Materiale: I. Cyclops strenuus Fischer. Nur wenige Stücke. '2. Cyclops leuckarti Claus. Häufig. 3. Cyclops oithonoides Sars. Häufig. 4. Diaptonius gracilis Sars. Einige Stücke. 5. Eurytcmora ( speeies?) Ein Stück, unentwickelt; daher war es niciit weiter zu bestimmen; wahrscheinlich ist es aber Eur. lacinulata S. Fischer gewesen. t;. Cypris (speeies?). Ein Stück. Larve; daher war es nicht zu bestimmen. 7. Hyalodaphnia eristata kahlbergiensis, Hyal. cristata cederströmi Schiidler etc. etc. 8. Hosmina cornuta (Jur.). Nur wenige Stücke. 9. Bosmina longicornis Schöd. Ein Stück. 10. Bosmina coregoni Baird. Nur einige Stücke. II. Bosmina gibbera thersites Poppe. Ungemein häufig. Den Höcker dieser Thiere fand ich niemals so hoch und so gekrümmt, auch bei den ältesten Stücken nicht, wie bei den Exemplaren, welche ich aus dem Schwielowsee und aus der Havel bei Werder (11. 7. 1895) sanmielte; aucli waren die letzteren Stücke durciischnittlich bedeutend grösser, als die des Müggelsees. 12. Bosmina bohemica Hellich. Selten. 13. Bosmina berolinensis Imhof. Selten. Bei einigen jüngeren Stücken sah ich einige, wenn auch nur undeut- liche, Reticulation. Ich halte Bosm. berolinensis nicht für eine Speeies, sondern nur für eine kleinere Form von Bosm. bohemica. Ausführlicheres darüber werde ich am Schlüsse dieses Artikels bringen. 14. Chydorus sphäricus (0. F. Müller). Recht häufig. 15. Septodora kindti Focke. W^enige Stücke. Bosmina minima Imhof habe ich in dem Materiale vom 8. 9. 1885 nicht gefunden. Diese Speeies stellte Imhof 1890 auf, ebenfalls nach dem Materiale, welches ihm von Herrn Dr. W. Weltner geschickt und von diesem dem Müggelsee entnommen worden war. — Ueber Bosmina bohemica Hellich n. Bosm. berolinensis Imhof. Bosm. bohemica fand ich in diesem Jahre zuerst im Schwielowsee bei Werder; es waren riesige Thiere, eins davon war 0,80 mm lang und 0,60 nmi hoch. Von meinen Notizen über diese Thiere sei hier Folgendes mit- gethcilt: I. Bosmina bohemica Hellich aus der Havel und dem Schwielowsee (11. 7. 1895): 1. Stück: junges 9. ohne Eier im Brutraume, Tastan- tenne: 22 Glieder; Schwanzkralle: 8 Zähnchen, welche nach der Basis zu allmählich kürzer werden. 2. Stück: kleines Q mit 5 Eiern im Brutraume; Tastan- tenue: 24 Glieder; Schwanzkralle: 8 Zähnchen. 'S. Stück: junges 9 ohne Eier im Brutraume; Tastan- tenne: 22 Glieder; Sehwanzkralle: 7 Zähnchen. 4. Stück: sehr kleines 9 ohne Eier im Brutraume; Tast- antenne: 21 Glieder; Schwanzkralle: G Zähnclien. 5. Stück: sehr grosses 9 mit 12 Endtryonen im Brut- raume, 0,75 mm lang und 0,55 nnn hoch; Tastan- tenne: 23 Glieder; Schwanzkrallc: 10 Ziihnchen, (1. Stück: ein mittelgrosses 9 mit 5 Eiern im Brutraume; Tastantennc: 23 Glieder; Sehwanzkralle: 8 Zähn- ehen. Diese vorstehenden 6 Stücke tragen am Schalen- stachel, welcher stets schräg nach unten gerichtet war, 2 — 4 Zähnclien. Sie erinnern gewissermaassen an Imhofs Bosmina styriaca, welche Speeies dieser Autor 1888 („Zool. Anz." 1888, S. 170) aufstellte. Einige Stücke zeigten an Kopf und K'ücken eine Längsstreifung, die aber nicht leicht zu erkennen war. II. Bosmina bohemica Hellich aus dem Müg- gelsee (8. 9. 1885): ^ 1. Stück: grosses 9 mit 5 Eiern im Brutraume; Tastan- tenne: 22 Glieder; Schwanzkrallc: G Dornen; Schalenstachel: 3 Zähnchen. 2. Stück: kleines 9 mit 3 Eiern im Brutraume; Tastan- tenne: 21 Glieder; Schwanzkralle: 6 Dornen; Schalenstachel : 3 Zähnchen. 3. Stuck: Mittelgrosses 9, keine Eier im Brutraume; Tastantenne: 20 Glieder; Schwanzkralle: G Dornen; Schalenstachel: 3 Zähnclien. Bei einem 4. Stücke (9) hatten die Tastantennen 17 Glieder. III. Bosmina berolinensis Imhof (1888) aus dem Müggelsee (8. 9. 1885): 1. Stück : kleines Exemplar, hinten mit undeutlicher Reti- culation; Tastantenne: 17 Glieder; Schwanzkralle: 6 Dornen; Sehalenstachel: 2 Zähnclien. 2. Stück: kleines 9, keine Eier im Brutraume; keine Reticulation war wahrzunehmen; Tastautenne: 15 Glieder; Schwanzkralle: 5 Dornen; Sehalenstachel: 2 Zähnchen. 3. Stück: 9 von gewöhnlicher Grösse, keine Eier im Brutraume; Tastantenne: 17 Glieder; Sehalen- stachel: 2 sehr undeutliche Zähnchen; er war an der Basis etwas nach aufwärts gerichtet und an der Spitze ein wenig nach unten gekrümmt. 4. Stück: kleines 9 mit sehr undeutlicher Reticulation; Tastantenne: 17 Glieder; Schwanzkralle: 5 Dornen; Schalenstachel: 3 Zähnchen. 5. Stück: grosses 9, keine Eier im Brutraume und keine Reticulation der Schale vorhanden; Tastantenne: 21 Glieder; Schwanzkralle: 6 Dornen; Sehalen- stachel: 3 Zähnchen. Hatten die Stücke 2—3 Eier im Brutraume, so war ich oft im Zweifel, ob ich sie als Bosm. bohemica oder Bosm. berolinensis ansprechen sollte; ähnlich war es bei den Stücken aus der Havel dl. 7. 1895). Die Stücke, welche ich ohne Bedenken sofort als Bosmina berolinensis ansprach, hatten meist keine Eier oder Embryonen im Brutraume; selbstverständlich musste ich sie daher auch .,sehlank" finden. Je grösser die Stücke sind, je mehr Eier oder Embryonen sie im Brutraume hal)en, je mehr sich dieser also nach oben wölbt, desto steiler nach unten ist der Sehalenstachel gerichtet. Ich bin, nachdem ich eine grössere Anzahl von Stücken beider Formen untersuchte, zu der Ueberzeugung gelangt, dass Bosmina berolinensis Imhof keine Speeies ist, sondern nur aus jüngeren oder sonst wie im Wachs- thum zurückgebliebenen Stücken der Bosmina bohemica Hellich besteht. (Fortsetzung folEft.) 516 NaturwisscuscLafUiclic Wocheiiscbrift. Nr. 43. Die zoologische Sammlung des Königlichen Museums für Naturkunde zu Berlin. Die Vogel - Schaiisammlung. [Fortsetzung.] Durch einen starken und zugespitzten Schnabel kenn- zeicimen sich unter den Prachtvögeln der alten Welt die Bienenfresser Meropidae. Sie bewohnen namentlich die wärmeren Gegenden derselben, leben gesellig und nisten in selbstgegrabenen üferhöhlen. Namentlich erzählen die Eeisenden von ilirem herrliclien Finge, der bald dem der Falken, bald dem der Schwalben gleicht. Ihre Beute, die meist in Kerbthieren besteht, erhaschen sie in der Luft. Mit Giftstacheln beweln-te Insecten verschlingen sie sammt iln-er Waffe. Sic sind vertreten in dem Kehl-, Bart-, gelb- und rothkehligen Spint, dem Weisskehlspint, dem rothbrustigen und australischen Bienenfresser, dem grtinen Bienenfresser und dem Nachtspint, dessen llauj^t- färbung ein schönes, dunkles Grasgrün ist. Von exotischen Hopfen sind derZimmtwiedehopf, der Senegalbaumhopfund der gewöhnliche Baumhopf, Irrisor erythrorhynchus zu er- wähnen. Derselbe, ein Waldvogel Afrikas, ist gleich unseren Spechten im Stande, an schiefstehenden Bäumen empor zu klettern. Zum Unterschied von dieser Familie gebraucht er aber seinen weichfederigen Schwanz nicht als Kletterwerkzeug. In seinem herrlicheu Gefieder, das in metallisch glänzendem Blau bald dunkelgrün, bald purpurn schillert, bietet der muntere Vogel einen prächtigen An- blick, umsomehr, als er sich stets in kleine Gesellschaften zusammenthut. Die Eisvögel, Alcedinidae, bilden eine Familie, die in ca. 120 Arten die alte Welt bewohnt. Während die Arten nach Norden hin seltener werden, kommen im Süden reclit stattliche Formen vor. Unser einziger Vertreter, Alcedo ispida, gehört den Wassereisvögeln an, während eine andere Unterfamilie, die Stossfischer, die stärksten, ge- wandtesten und in Folge dessen auch die raubgierigsten Mitglieder der Familie umfasst, welche von Cabanis treffend „Fischtiger" genannt wurden. Zu ihnen gehört der Grauiischer, Ceryle rudis, welcher in Afrika und Asien behcimathet ist und mitunter auch in SUdeuropa (Griechen- land und Dalmatien) vorkommt. Die noch südlicheren Formen haben fast alle ein prächtiges Blau (lasur) im Gefieder, so Ceyx tridactyla, der in Ostindien und auf Borneo wohnt. Mehr Beweglichkeit und besser entwickelte Flugwerkzeuge besitzen die Lieste. Zu ihnen gehört der Baumliest, Halcyon semicoerula, der in seinem Wesen un- seren Fliegenfängern gleicht. Der Riesenliest oder Riesen- fischer, Paralcyon gigas, ist nicht nur durch seine Grösse (Lg. 46 cm, Flgllg. 21 cm, Schwzig. 16 cm), sondern auch durch den grossen, langen und dicken Schnabel cliarakterisirt. Er lebt in Australien und fällt jedem Reisenden dort auf. Die Inseln der Südsee haben einen Vertreter in Todiramphus sacer, der auf Otaliaiti früher von den Eingeborenen heilig gehalten wurde. Auf den Molukken, in Neuguinea und Nordaustralien ist Tany- siptera dea behcimathet. Ferner wären noch zu er- wähnen der chilenische Rüttelfischer, der Glanzfischcr, der Storchscluiabelliest, der Nymphenliest, Silberrückenliest und Bhiurohrliest. Die Spechte haben ihren Hauptvertreteter in dem lürstlichen Canipoj)]iilus priucipalis, dem nordanierika- nischen Elfeubeinschnabel, von dem Audubon erzählt, dass er in einigen Stunden den grossen Ast eines abgestorbenen Baumes auf eine Strecke von 10 m hin schälte, und wenn er im Holz selbst zimmert, so fliegen Späne von '/s — '/2 "1 Länge herum. Sein Kopf ist ein beliebter Schmuck der Indianer. Auf den gleichfalls iu Nord- amerika sehr verbreiteten Rothkopfspecht, Melanerpes erythrocephalus, haben verschiedene Staaten der Union einen Preis von 20 ct. pro Kopf gesetzt, weil er den Aepfelplantagen recht schädlich ist. Die südamerika- nischen Celeus flavescens und Leueonerpes fressen gleich- falls Früchte, und zwar der letztere mit besonderer Vorliebe Orangen und der Nordamerikaner Centurus uropygialis lebt im Winter nach Drosselart von Mistelbeeren. Ganz besonders schwere Vorwürfe werden aber den gleichfalls nordamerikanisehenSphyropicus-Arten gemacht. Von ihnen heisst es, dass sie wenig Insecten frässen, dafür aber das Zuckerrohr anpiekten und dessen Saft saugten, hauptsächlich aber vom Cambium der Bäume lebten. So wurden sie namentlich der Baumzucht in Prärie- strichen, wo Bäume überhaupt nur bei grösster Pflege gedeihen, sehr schädlich und könnten in wenigen Stunden die Arbeit von Jahren vernichten. Interessante Mit- theilungen haben wir schliesslich über den seltsamen l\Ie!auerpes formicivorus, einen Bewohner von Südcali- fornien und Mexiko. Der Schweizer Gelehrte G. de Saussure l)esuchte im April die Einöden um den Zuckerhutvulkan Pizarro in Mexiko. Das sind trostlose Wüsteneien voll vulcanischen Sandes, Gerölles und Lava, die ausser den abgestorbenen Stengeln einer kleinen Aloe und eines Liiiengewächses, der sogenannten Yuccapalme, jedes Pflauzenschmuckes entbehren. Da sah sich der Reisende von zahlreichen Scharen von Spechten umgel)en und sah, wie die Vögel von dem Aloe zur Yucca flogen und um- gekehrt. Bei näherer Untersuchung machte er eine der merkwürdigsten Entdeckungen, die je auf dem Gebiete der Lebensgewohnheiten der Vögel gemacht worden sind. Er sah die dürren Aloestengel, deren Innenniark ge- sc])wnnden war, von zahlreichen Löchern durchbohrt, die jedenfalls von den Vögeln herrührten und beim Spalten fand er sie mit Eicheln gefüllt. Er hatte Futtermagazinc des Melanerpes vor sich. Die Vögel waren damals gerade beschäftigt, das, was sie in der Zeit gespart hatten, in der Noth zu verwenden. Sie trugen die ge- sammelten Eicheln einzeln nach den Yuccapalmen, in die sie Löcher eingekeilt hatten, um sie dort zu spalten und zu verzehren. Jetzt wissen wir, dass sich die Thierchen im Herbst den Vorrath sammeln, um in der entsetzlich trockenen, kalten Winterperiode jener unwirthlichen Ge- genden davon zu leben. Ein wunderbarer Instinkt, zu- mal wenn man bedenkt, dass die nächsten Eichenwälder gegen 9 km entfernt sind, der Vogel daher jeder einzelnen Eichel wegen einen Flug von 18 km zurücklegen nmss. Von dem Goldspecht Nordamerikas, Calaptes auratus, soll noch erwähnt werden, dass auch er gleich unserem Grünspecht seine Zunge bis gegen 14 cm hervorzu- schleudern vermag. Während die eigentlichen Spechte einen keilförmigen Schwanz mit spitzen, steifen Steuer- federn haben, der ihnen beim Klettern als Stütze dient, haben die Picuminiden oder Weichschwanzspechte einen abgerundeten Schwanz, der aus weichen Stcuerfedern zu- sammengesetzt ist. Sie sind vertreten durch P. cirratus, einen in den Küstenwaldungen von Guyana und Paraguay beiieimafheten Zwergspecht. Als weitere interessante Spechtformen sind zu erwähnen der Weisskopf-, Zel)ra-, Goldstirn-, Uamaqua-, Labrador-, Gelbschnabel-, Ronen-, Bunt-, Sultan-, Sprenkel- und javanische Schwarzspecht. Die Pfefferfresser, Rhanipbastidae, charakterisiren sich durch einen Grösse durch die leichten Schnabel. grossen, aber trotz seiner grossen Lufträume seines Innern sehr Es sind echte Baumvögel, die sich Nr. -13. Naturwissenschaftliche Wocheusehritt. 517 alle von Früchten ernälircn und der brasilianischen und nicxikanisclicn Sal)re.£:ion ani;'cliören. Sie sind vertreten durch den Itrasilianisciien KicsentnUan, Rii. toeo, dessen oraugerother .Sclinahei schwarzen Stirnrand und eben solche ühcrselinahelspitze iiat. Im Norden Südamerikas lel)t der Kotliselniabeltukan, wäinend der ( »rangetukan in den Küstcnwaldungen Brasiliens beheiniathet ist. Der Arassari der Hrasiliancr, Pteroglossus Aracari, hat nebst seinen \'crwandten einen verhältnissmässii;' kleineren und schlankeren Schnabel. Von den Eingeborenen, die ihn häuliii- zälimen, werden der geschabte Schnabel und die Zunge als untrügliches Jlittel gegen Herzklopfen und Krämpfe angesehen. Neben diesem ist noch der Hals- band- und liauch-Arassari zu erwähnen. An die Pfcfier- fresser reihen sieh die Bartvögel, nach den zahlreichen Bartfedern in der Schnabelgegend so genannt. Alle haben ein schönfarbiges Gefieder. Eine Unterabtheilung der Sippe bilden die Bärtlinge mit dem Weissohrbärtling, dem Goldbartvogel von Ceylon, der über und unter dem Auge, an Kehle und Kinn schwefelgelb gefärbt ist, dem Eoth- kopf, dem Eiemenschnabel, dem rothkehligen Glatt- schuabel und dem Sehnurrvogel. Die Nageschnäbler mit oft gezähuelten Kieferrändern, sind gleichfalls buntfarliige Vögel aus den Wendekreisländern der alten und neuen Welt. Sie nehmen animalische und vegetabilische Kost und verfolgen die Kerbthiere mit grosser Gewandtheit, obschon 'sie sonst träger und träumerischer Natur sind. Als Vertreter seien genannt der Narina-Trogon, bei dessen Männchen die Oberseite prachtvoll goldgrün schimmert, während die Unterseite dunkel rosenroth aussieht. Beim Binden- oder Halsband-Trogon legt sich über die schar- lachrothe Brust ein blendendweisses schmales Band. Zu diesen kommt noch der Pharomacrns. Die nächsten Ver- wandten dieser Familie sind die Bartkuckucke, welche wegen ihrer Trägheit, Faulheit und Dummheit auch Faulvögel genannt werden. Der Unterfamilie der Trap- pisten gehört der Halsliand-Trappist, Monastes fusca an, den ein rcinweisses Brustband ziert. Nächst ihm ist der Weissbart-Trappist zu nennen. Auch der Schwarzwangen- und rostkehlige Faulvogel gehören hierher. In seinen Eigenschaften nicht anders als der Trappist, den der Brasilianer übrigens ,,Joao Doido", d. i. dummer Hans nennt, ist der Jakamar, Galbula viridis, der eine neu- weltliche Form der Glanzvögel ist und wegen seines Aussehens von den Eingeborenen auch „grosser Kolibri" genannt wird; neben ihm ist noch eine Canecias-, eine Laniproptila- und eine Cbelidoptera-Form zu erwähnen. Die Kuckucke, Cuculidae, gehören mit nahezu 200 Arten den Tropenländern an. Als die edelsten Mit- glieder der Familie Ijetrachtet Cabanis die Honig-Kuckucke, die zu den volksthUmlichsten Vögeln Afrikas gehören und jedem Eingeborenen vom Kap bis zum Senegal und von der Westküste bis nach Abessinien wegen ihrer Ge- wohnheit, Auffallendes durch lautes Geschrei anzuzeigen, wohl bekannt sind. Da sie durch ihr Geschrei auf die Stöcke der wilden Bienen, die ihr Hauptuahrungsmittel bilden, aufmerksam machen, hat man den einen schwarz- kehligen Honiganzeiger, Indicator Sparmanni, genannt. Durch prächtigen Jletallglauz des Gefieders zeichnen sich die Goldkuckucke aus. Von unserem gemeinen Kuckuck unterscheidet sich durch eine Federhaube am Hinterkopfe und einen langen, gestuften Schwanz der Heherknckuck, Coceystes glaudarius, der im nördlichen Afrika und süd- lichen Europa beheiniathet ist und sich auch hin und wieder einmal nach Deutschland verfliegt. Seine Eier legt er in die Nester der Krähen und Elstern. Die grösste aller Kuckucksformen ist der auf Neuholland, Neuguinea und Celebes vorkommende Riesenkuckuek, Seythrops Novae-Hollandiae, der eine Länge von 65 cm erreicht und dessen mürrisches Gesicht , (oxväQMip) durch den prächtig scbarlachrothen Augenring keineswegs iVeundliciicr ersciicint. Der Vertreter unseres Gauches ist für Amerika Coccygus americanus, auch licgcnkuckuck genannt, mit hellgraubrauner Oberseite und niilchwcisscr Unterseite. Er ist übrigens kein Brutschmarotzer, wohl aber ein arger Nestplünderer, der von den kleineren Singvögeln aufs Heftigste verfolgt wird, sobald er sich zeigt. Vom südlichen Kalifornien bis nach Mexiko breitet sich der wegen seiner auffallenden Gestalt und wegen seines eigenartigen Wesens bei Eingeborenen und Ein- gewanderten wohlbekannte Hahukuckuck, Geococcyx ealifornianus, aus, der von den Mexikanern häufig in der Gefangenschaft gehalten wird. Neben dem i)rächtigen Fratzen- und Rothbauchkuckuck ist noch der Lerchen-, Renn-, Binden-, blaue Seiden-, Wald- (Tapaczuira), Hecken-, Weisshals-, Smaragd-, graue Sichel-, Gelbschnabel-, grosse Buntschnabel-, kleine Grauschnabel-, mexikanische Fuchs- und Hirtenkucknck zu nennen. Von dem indischen, glänzend grünlichschwarzen Koel, Endyuamys niger, der seharlachrothes Auge, blassgrünen Schnabel und schiefer- blaue Füsse hat, ist bekannt, dass das Elternpaar ihr Junges, welches gewöhnlieh von der indischen Krähe ausgebrütet und zunächst erzogen wird, nach einiger Zeit selbst atzen, nachdem es die Pflegeeltern vertrieben hat. Zu den Sporenkuckucken, welche sich durch die Kralle der Innenzehe, die zu einem langen, graden, spitzen Dorn verlängert ist, auszeichnen, gehört Ccn- tro])US aegyptius, mit vorherrschend röthlichbraunem Ge- fieder und schwarzem Kopf. Die australischen Arten der Unterfamilie hat man Fasanenkuckucke genannt. Sie halten sich fast ausschliesslich auf dem Boden auf und bevorzugen sumpfige, mit Busehholz, Gras und Röhricht üppig bewachsene Gegenden. Eine recht problematische Stellung in der Vogelwclt nehmen die Mausvögel ein, Coliidae, welche ihren Namen der mausgrauen Farbe, die in ihrem Gefieder vorherrscht, verdanken. Beim Ruhen nehmen sie die Gewohnheit der Fledermäuse an und hängen sich mit dem Kopfe nach unten an die Zweige. Diese Gruppe scheint auf Mittel- und Südafrika beschränkt zu sein und hält sich nur im dichtesten Gebüsch auf. Kein anderer Vogel ist im Stande, da einzudringen, wo der ^Mausvogel noch durch- sehlüpft oder richtiger durchkriecht; denn auch in seinem Betragen erinnert der sonderbare Gesell an den kleinen Säuger, der ihm seineu Namen leihen musste. Sie sind vertreten durch den rothstirnigeu Mäusevogel, Colins macrourus, mit Federschopf und langem Schwänze, in welchem die Federn nach der Mitte zu auffällig gradatim zunehmen und den südafrikanischen i\Iäusevogel. Die Pisang- oder Bananenfresser, JMusophagidae, be- wohnen die grossen, zusammenhängenden Waldungen Mittel- und Südafrikas. Sie leben gesellig und nähren sich hauptsächlich von Pflanzenstotfen. Zu ihnen gehört der weisswangige Helm- oder Haubenvogel, Turacus leu- cotis, der grüne Hauptfarbe, einen dunkelfarbigeren Helm und purpurrothe Schwingen hat, die, wenn sie befeuchtet werden, am lebenden Vogel abfärben. Der Gürtel- oder Bindenlärmvogel ist der Vertreter der Unterfamilie Schizorhis, die sich dadurch auszeichnet, dass sie mit den Affen um die Wette lärmt. Den P.ananenfresser nennt Swainson den „Fürsten der gefiederten Schöpfung", dessen schimmerndes, purpurschwarzes Kleid durch praciit- voll hochrothe Schwingen aufs Wundervollste gehoben wird. Ferner sind der Riesen- und südafrikanische Turako als hierher gehörig zu nennen. Zaidreich vertreten sind die Papageien, die Affen unter den Vögeln, die sich in den Glasschränkeu aller- dings recht bunt ausnehmen, aber in ihren heimathlicheu 518 Naturwissenschaftliche Wocheuschritt. Nr. 4:1 Wäldern unter den buntgefärbtcn Lianen doch schwer zu entdecken wären, wenn sie sich nicht durch ihre lieweg- lichkeit und ihr Geschrei verratlicn würden. Als Kletter- vöf;i'l sind sie leicht an ihren Kletterfüssen zu erkennen, an denen zwei Zehen (2 u. 3) nach vorn, zwei Zehen (1 u. 4) nach rückwärts gewandt sind. Prof. Eeichenow, dieser ausgezeichnete Kenner der Papageien, hat die ältere Ansicht von Wallace über die ürsprungsstätte dieser Vögel wieder aufgenommen und sagt: .,Der Herd des l'apageienlebens ist die australische Region, und zwar jener untergegangene Erdtheil, dessen Reste wir heute noch in den polj'nesischen Inseln, ganz besonders aber in Neuguinea erblicken und zu welchem vrir auch Neusee- land zu zählen haben." Er meint dann weiter, es Hessen sich die Spuren des Weges noch verfolgen, welchen die Papageien allmählich von Australien aus nach Westen bis Amerika genommen hätten. An einer anderen Stelle, wo er von dem ausgestorbenen Lopliopsittacus von Mau- ritius spricht, bemerkt er, diese Art zeige den Weg, welchen die allmählich von den Kakadus zu den Araras übergehenden Formen genommen hätten, der von Austra- lien durch Lemurien nach Afrika geführt habe. Die Grenzen, innerhall) welcher gegenwärtig Papageien als Brutvögel im wilden Zustande angetroften werden, ver- laufen etwa Iblgendermaassen: in Amerika bewohnen sie den Continent von der Magelhaenstrasse im Süden bis zum Missouri (Bals Island) und bis Michigan im Norden, verbreiteten sich aber früher bis an die östlichen Abhänge des Felsengebirges, im Thal des Mississippi und bis zu den grossen Seeen, erstreckten sich also über ein Terri- torium von ungefähr dem 54** s. Br. bis zum 42'^ n. Br. Von den Inseln bewohnen sie auf der westlichen Seite bloss die in unmittelbarer Nähe der chilenischen Küste, gelegenen, fehlen aber auf Juan Fernandez, Mas a fuero und den Galapagosinseln, während sie an der östlichen Seite auf den westindischen Inseln von Trinidad bis zu den Bahamas angetroffen werden. In Afrika finden sie sich vom Atlantischen bis zum Indischen Ocean und vom Orangefluss etwa bis zum Iß** n. Br., weiter auf Mada- gaskar, den Maskarenen, Seychellen und Comoren. In Arabien und noch weiter östlich haben sie keine Vertreter, so dass zwischen dem westliehen Gestade des Rothen Meeres und dem Indus eine Lücke in der Verbreitung ist. In Asien finden sie sich östlich vom Indus und bis in die südlichen Abhänge des Himalaja in der westliehen und bis zum 30° n. Br. in der östlichen Hälfte des Continents, dann auf Ceylon, den Andamanen, sämmtlichen Sunda- inseln und den Philippinen, aber nicht im Japanischen Archipel. Weiter werden sie angetroffen auf sämmtlichen Molukken, den Papuainseln, in Australien und in der ganzen australischen Region bis Neuseeland und den Macquariinseln und östlich über fast alle Eilande der oceanisehen Subregion bis zu den Marquesasinseln und der Sandwichgruppe. Man unterscheidet fünf Familien der Psittaci, deren erste die der Kakadus ist. Sie sind Bewohner Australiens, Neu-Guineas, von Vandicmensland und der indischen Inselwelt und leicht an zu aufrichtbarem Schöpfe ver- längerter Federn auf dem Kopfe erkennbar. Wandernde Menagerien und Thierbuden führen sie als Sehauvögel häufig mit sich, und in der Gefangenschaft begegnet man ihnen oft. Die zahlreichste Familie ist die der Sittiche, welche mehr als die Hälfte aller bekannten l'apageicnarten umfasst, und sich durch einen verlängerten keilförmigen oder stufigen Seliwanz charakterisirt. Hierher gehören die in heisseu Gegenden Amerikas wohnenden Araras, deren Federn zur Zeit der Inkas als Tribut eingeliefert wurden und deren Nistbäume vererbbarcs liigenthum ge- wisser Fanülien waren. Prinz Maxinnlian von Wied be- richtet, dass noch zu seiner Zeit (181ß) bei den Tubi- namben, einem kriegerischen Volksstamme Brasiliens, die Schlächter kriegsgefangener Feinde, welche bei den blutigen Festen geopfert wurden, eine hohe Krone aus Federn von Sittace chloroptera aufgehabt hätten und dass ihre Leiber mit blauen, durch Pflanzenleira befestigte Ararafedern über und über beklebt gewesen wäre, so dass eine solche gemüthliche Persfinlichkeit einigermaassen wie eine wilde Ausgabe des harmlosen Papageno ausge- sehen habe. Die beiden ganz blauen Araraarten Sittace hyaeynthina und glauca haben gleich manchen männlichen Hühnervögeln kahle, schön orangegelbe Augenringe, die bei vielen anderen Araras weit grösser, von bleicher, weisslicher und gegen das Kolorit des Gefieders sehr ab- stechender Farbe sind. Zu den Keilschwanzsittichen, die ausschliesslich Amerikaner sind, gehört der Carolina- sittich, der als nördlichste aller Papageienarten bis in die alleghanische Subregion Nordamerikas vordringt. Der Smaragdsittich kennzeichnet sich durch die Schwanz- ränderung seiner grünen Federn und der Goldsittich unterscheidet sieh durch die goldgelbe Hauptfärbung von den meisten anderen Arten, bei denen die Färbung vor- herrschend grün ist. Hierher gehören ferner die gesellig in der orientalischen Region und madagassischen Subregion lebenden Edelsittiche, Eclectus, von denen 5 und 9 ge- wöhnlich abweichend getärbt sind, indem die Männchen das grüne Kolorit des Jugendklcides beibehalten, die AVeibchen dagegen beim Eintritt der Geschlechtsreife ein Prachtkleid von lebhaft rother Färbung anlegen, ferner unterscheiden sich die 6 durch schwarze oder gelbe Schuabelfärbung an der Stelle der rothen des 9. Die Palaeornisarten suchen zu Niststätten gleich unseren Spechten kernfaule Bäume von nicht zu beträchtlicher Dicke aus, nehmen auch in Ermangelung eines solchen mit einem Ast von ents])rechender Stärke vorlieb. Die Nisthöhle wird säuberlich ausgcmeisselt und die am un- teren Ende befindliche Brutkammer weiter als die Eingangs- höhlc und das Schlupfloch gemacht. Der zutrauliche Palaeornis torquartus, Halsbandsittich, quartirt sich in Indien mitten in den Städten in Pagoden und Häuser ein. Zu den Singsittichen gehört ein allgemein bekannter Stubenvogel, der Wellensittich, der in seiner Heimath (Australien) zu den gewandtesten Fliegern gehört. Schliesslich sei, als zu dieser Familie gehörig, noch der Erdsittich erwähnt, der in den unfruchtbaren, saudigen Gegenden Süd- und Westaustraliens lebt, mit grösster Schnelligkeit laufen kann und seine Eier frei auf den nackten Boden legt. Sein Fleisch soll nach ' dem Urtheil competenter Richter an Wohlgeschmack dem der Birkhühner und Fasanen vergleichbar sein. Die Familie der Kurzschwanzpapageien, zu welcher fast alle afrika- nischen Formen gehören, hat in dem bekannten Grau- papagei oder Jacko, Psittacus erythacus, ihren Haupt- vertreter. Baumann berichtet von ihm, dass er es liebe, sich in ungeheuren Mengen auf den kleinen, der Insel Fernando pöo vorgelagerten Eilanden (von denen eins sogar Isla de los papageios heisst) aufzuhalten und dass die Vögel jeden Abend in langen Zügen nach der Haupt- insel zögen, wo sie auf hohen Päumen ihr Nachtquartier suchten. In der Jugend soll man dem rothschwänzigen Jacko nebst der grünen Amazone (Chriysotis) wegen des Fleisches eifrigst nachstellen. In die Familie gehört auch der Sperlingspapagei, Psittacula passerina, der von Spcrlingsgrösse ist und, obwohl er nicht sprechen lernt, wegen der Zärtlichkeit der Geschlechter zu ein- ander gern paarweise in Käfigen gehalten und als Unzer- trennliche (Inseparables) bezeichnet wird. Die Fleder- mauspapageien haben die Gewohnheit sich wie die Fledermäuse, den Kopf nach unten, aufzuhängen und in Nr. 43 NaUirwissen.se lialUidic Woclicusclirift. 519 dieser Stellung /u nilieii und. .09, 189.5) einige interessante Aufschlüsse, von denen das Wichtigste hier kurz mitgetlieilt sein möge. Die Speiseröhre der Vögel zeigt in ihrem histologischen Aufbau mannigfache Verschiedenheiten. Einmal ist die Stärke der verschiedenen Wandschichten eine sehr wechselnde, selbst bei nahe ver- wandten Formen. Dann fand ich, dass die Zellen der Schleimhaut, in der Regel abgeflacht in den oberen Lagen, bei manchen Arten auch in den höchsten Schichten ihre runde Form beibehalten (Muscicapa) oder gar so orientirt sind, dass ihre längere Achse senkrecht zum Lumen der Speiseröhre steht (Saxicola). Besonders ver- schieden erwiesen sich die Drüsen, sowohl in Form und Grösse, als auch in der Zahl. Da wo der Oesophagus einen deutlichen Kropf bildet, fehlen seiner Wand vielfach die Drüsen vollständig, so bei den Papageien, bei Gallus domesticus und bis auf eine kurze Strecke auch bei der Taube. Bei anderen Vögeln wiederum fanden sich die Drüsen im Kropf nur in geringer Zahl (Fetrao, Phasianus), oder aber ein Unterschied in der Vertheilung der Drüsen in den verschiedenen Abschnitten des Oesophagus war nicht ersichtlich (Strigidae). Eine Zunahme der Drüsen- zahl gegen tlcn Magen hin oder gar ihr erstes Auftreten in dieser Region konnte nicht überall festgestellt werden. In den meisten Fällen sind die Drüsen von einem Cylinder- epithel glatt ausgekleidet, das in Höhe und Breite seiner Zellen in weiten Grenzen sehwankt; es kann zu einem kleinen Kubischen Epithel herabsinken. Vielfach ist es auch in mehr oder weniger hohe Falten gelegt, durch Leisten, welche von dem Bindegewebe aus in die Drü.-en vordringen. Doppeldrüsen als Missbildungen fanden sich auch hier und da. Das Ende des die Drüsen um- gebenden Bindegewebes zeigt vielfach einen besonderen Verlauf. Merkwürdig ist das Vorkommen von 3 .Muskel- 522 N.iturwisseiiscbaftliclic Wochcnsclirift. Nr. 4S scliichteii im Oesopliugus der untcrsucliteii Gallinacci uiul Ciirsores. Für tille diese Fälle sind in einer übersiebtlielicu Tabelle für 23 verseliiedeue Arten Maasse ansei^eben. R. Die mikroskopische Wasserfauna von Helgoland, sowobl des Meeres wie des süssen Wassers bat aueli ihre Bearbeitung bereits erfahren, wenn auch zunächst nur als Vorarbeit zu späteren ausgedehnteren Unter- snchnngeu, durch R. Lauter bor n (Beiträge zur Meeres- fauna von Helgoland, I. Band, Kiel 1894). Von der pelagischen Thierwelt des Meeres, des sog. Planktons, welches das ganze aln- hindurch von der biologischen Anstalt auf Helgoland getischt wird, wurden in erster Linie die Protozoen untersucht und die dort vor- kommenden Arten, sowie ihre relative Häufigkeit fest- gestellt. Verfasser benutzte zu seinen Beobachtungen bisher allerdings nur die Monate August und September konnte alter immerhin schon do Arten solclier pelagischer Protozoen constatiren, wovon 20 zu den Mastigophoren und Vi zu den Infusorien gehören, eine Zahl, welche natürlich noch nicht annähernd der Wirklichkeit ent- spricht und die sich namentlich noch bedeutend ver- mehren lässt, wenn die Uutersuchungeu zu anderen Jahres- zeiten und über längere Zeiträume fortgesetzt werden. Von den Rotatorieu, den Räderthierchen, sind nur 3 Formen angeführt, von denen eine als neue Art, Synchaeta triophthalma, beschrieben wird, während die beiden anderen, die bisher nur in wenigen Exemplaren aufgefunden wurden, sieb überhaupt noch nicht genau bestimmen Hessen. Die Untersuchung der .Süsswasscrfauna erstreckt sieb nur über die wenigen Brunnen Helgolands, da grössere Wasseransammlungen, wie sie für die Enfaltung einer formenreichen Organismenwelt Bedingung sind, uud über- haupt irgend welche Tümpel und Pfuhle so gut wie garnicbt vorhanden sind. Nur auf dem Oberlande befindet sich ein kleiner Tümpel, der aber bei Beginn der wärmeren Jahres- zeit völlig austrocknet. Frühere Forscher haben schon einige dieser Brunnen auf ihre Fauna hin untersucht, da- bei aber ausschliesslich die Crustaceen berücksichtigt; An- gaben über die Protozoen und Rotatorien derselben fehlten bisher gänzlich. Von den von Lauterborn untersuchten Brunnen sind hauptsächlich zwei zu nennen, der eine im Garten des Pfarrhauses, der andere in der Gärtnerei. Ersterer ist etwa 3 m tief und ständig geschlossen; daher ist seine Thierwelt recht artenarm. Neben Daphnia pulex beherbergte er nur 4 Räderthierchen, von denen die in grösserer Individuenzahl auftretende Triartha lon- giseta Ehrb. genannt sein mag, welche als Mitglied der sog. pelagischen Fauna häufig in den freien Wasserflächen unserer Seen und Teiche angetroffen wird. Von Proto- zoen fand sich dagegen nur ein einziges, Coleps hirtus, Ehrb. vor. Wenn man bedenkt, dass die Abwesenheit des Lichtes in diesem Brunnen die Existenz assimilirender Organismen vollständig ausschliesst und daher die Nahrung der hier vorkonmienden Arten sehr gering ist, so wird man über die Formenarmutli nicht erstaunt sein. Ganz an- dere Verhältnisse als die eben genannten zeigt der Brunnen in der Gärtnerei, eine offene vom Regenwasser gespeiste Cisterue von etwa 2Vo m Tiefe. Hier war der Wasserspiegel bedeckt mit einer dichten grünen Decke von der Wasserlinse, zwischen der sich auch eine kleine Diatomee — bisher die einzige des süssen Wassers in Helgoland — vorfand. Das massenhafte Auftreten einer kleinen Flagellatc, sowie der zahlreichen Individuen ver- schiedener Protozoen, Rotatorien und Orustaceen lassen erkennen, wie viel günstiger hier die Bedingungen zur Ent- faltung organischen Lebens sind als in dem lichtlosen Wasser des abgeschlossenen Brunnens. Die Zahl der Arten ist allerdings auch hier sehr gering — Verf. fand bisher aus allen 3 erwähnten Gruppen im Ganzen nur 26 Vertreter, — und wenn dieselbe auch noch um manche Formen späterhin vermehrt werden dürfte, so wird die mikroskopische Thierwelt des Süsswassers von Helgoland bei dem Mangel grösserer Wasserflächen doch stets als eine sehr arme zu bezeichnen sein. R. Die Fundschiclit des menscliliclieu Molars aus dem Diluvium von Taubacli. — In meinem Aufsätze „über fossile Menschenzähne aus dem Diluvium von Taubacb bei Weimar", welcher in Nr. 31 dieses Jahr- gangs (4. Aug. 1895) veröffentlicht ist, konnte ich vor- läufig in Bezug auf den S. 371 f. besprochenen und ab- gebildeten Molar nur angeben, dass er „in grosser Tiefe, nahe über dem Grundwasserstande", gefunden sei. Inzwischen habe ich die Herren Prof. Klopfleiscb in Jena und Dr. A. Weiss in Weimar veranlasst, ein- gehende Ermittelungen über die Fuudverhältnisse jenes Zahns auszuführen. Diese Ermittelungen haben nun ndt voller Sicherheit ergeben, dass jener Molar, welchen ich inzwischen dem Germanischen Museum in Jena zurück gesandt habe, von Herrn Gastwirth Sonn rein zu Taubacb in dessen eigener (Ambe gefunden worden ist, und zwar in der bekannten paläolithischen Fundschicht. Wie Herr Prof. Klopfleiscb mir mittheilt, ist er am 27. Juli d. J. in Folge meiner Anregung nochmals in Taubach gewesen, bat die betreffende Grube in Begleitung des Herrn Sonnrein, der ihm als ein zuverlässiger, intelligenter Mann bekannt ist, besucht und die Fundschicht des menschlichen Molars ndt völliger Siclierheit festgestellt, wobei er auch constatiren konnte, dass der betrefi'ende Fundpunkt in gleicher Tiefe und in geringer horizontaler Entfernung von einer Stelle lag, an welcher Herr Professor Klopfleiscb schon vor Auffindung des menschlichen Molars ein auf die Anwesenheit des iMenschen hindeutendes nestförnnges Lager von Thier- knochen mit Feuerspuren beobachtet hat. Nach der Profilaufnahme, welche Herr Dr. A. Weiss 1892 veranstaltet hat, finden sich in der Sonnrein'schen Grube folgende Schichten von oben nach unten: 1. Humus U,3f> m 2. Plattenkalktuft", feinkörnig 0,80 - 3. Feinkörniger Kalktufif mit vielen Schnecken 0,17 - 4. Harter Pflanzenkalk 0,19 - 5. Fester Kalktuff 0,22 - 6. Ockeriger, fester Kalktuff 0,20 - 7. Schwarze, humöse, lockere Schiebt . . . 0,13 - 8. Fester Kalktufif 1,59 - 9. Grauer, feinkörniger Kalktuff, thonii;- . . . 0,20 - 10. Ockerband . . ". 0,03 - 11. Feinkörniger Kalktutf 0,80 - 12. Knochensand (feinkörniger, thoniger, oft sandiger Kalktufil', „Scheuersand'- 1 . . . 0,45 - Darunter folgte das Grundwasser in der Grube. Der menschliche Molar, um den es sich hier handelt, ist in der 12. Schicht gefunden, welche durch Elephas an- tiquus undRliinoccrosMerckii charakterisirt wird. Dassjener Zahn etwa nachträglich in diese Schicht hineingerathen sein könnte, ist durch die Beschaffenheit der darüber liegenden Schichten ausgeschlossen. Die Fundschicht dieses Molars ist dieselbe, wie die des von nur beschriebenen menschlichen Mik'hmolars, welchen Herr Dr. A. Weiss in der Mebl- horn'sehen Grube bei Taul)acli gefunilen hat. Beide Zähne sind von grossem paläontologischen und anthropologischen Interesse. Prof. Dr. A. Nebring. Nr. 43. NaturwisseuBchaftlichc Wochenschrift. 523 Aus dem wissenschaftlichen Leben. Kniauiit wurileii: I>i!r aiissc rordciitlit-lie Professor ili'i- Zoologie in Greifswald Dr. Wilholni Müller zum onlentlii'hen Professor; ilor Dirisfiit dor Afjrikiiltiircheiiiisflien Versiichsiinstalt in (leiseii- lu'iiii am Klii'iii Dr. Wortmann zum Professor; der Präsident der zoülotcisehen Gesellschaft in London Sir William Flower znm Kustos der zoologischen Abtheilung des Britischen Museums. Berufen wurden: Der Privatdocent der Hygiene an der liH'hnischeii Hodiscliulo zu Charlottenburg Dr. Tlieodor Weyl nach Konstantino))el, um Vorschläge zur hygienischen Aufbesserung der Stadt zumadien; der ausserordentlicho Professor für Anatomie und Entwickelungsgeschichte in Halle Dr. Joseph Disse nach M.irburg; Dr. Karl Jticli ard Beck in Leipzig als ordentlicher l'rofessor für Geologie, Erzlagerungsstätte- und Versteinerungs- ichre an die Bergakademie zu Freiberg. Es starb: Der Professor d<'r Geologie an der laudwirth- schaftlichen Akademie zu Hoheuheim Friedrich Nies. L i 1 1 e r a t u r. Prof. Dr. Carl Schmidt, Das Naturereigniss der Sintfluth. Akademischer Vortrag. Benno Schwabe. Basel 1895. — Preis 1,20 Mk. Dies Schriftcheu bezweckt eine Popularisirung der bekannten Suess'schen Anschauungen über das Wesen der Sintfluth. Der biblische Bericht wird genau aualysirt, in seiner allmählichen Eut- wickelung vorgeführt und seine Grundlagen klargelegt, ganz in der Weise, wie Suess es gethan hat. Die Sagen der zahlreichen übrigen Völker basiren entweder auf localen Katastrophen oiler sind von anderen Völkern übernonnnen. Auch für diese An- schauung werden manche Beispiele gebracht. H. Prof. Dr. W. Detmer, Das pflanzenphysiologische Praktikum- Anleitung zu pHanzenpliysiologisclien Untersuchungen für Studirende und Lehrer der Naturwissenschaften, sowie der Medicin, Land- und Forstwirthschaft. Mit 184 Abbildungen. Zweite völlig neu beai-beitete Auflage. Gustav Fischer. Jena 1895. — Preis !l Mk. Das Buch hat in seiner vorliegenden Neu-AuÜage eine durch- greifende LTmarbeitung und auch Erweiterung erfahren. Es be- schäftigt sich zuerst mit der Ernährung der Pflanzen, um sich in einem 2. Abschnitt den Molekularkräften der Pflanzen zuzu- wenden: der 3. Abschnitt ist überschrieben ,,Die Stofl'wechsel- )iroducte im vegetabilischen Organismus". Diese drei Abschnitte machen den l. Theil des Buches aus „Physiologie und Ernährung," während sich der H. mit der „Physiologie des Wachsthums und der Keizbewegungen" beschäftigt; dieser zerfällt in die Abschnitte L „Die Zuwachsbewegungen der Pflanzen" und 2. „Die Reiz- bewegungen der Pflanzen." Für ein eingehenderes Studium der Pflanzenphysiologie ist Detmer's Werk ausserordentlich brauchbar. Es ist eine Experi- mental-Physiologie für den Anfänger bisweilen einer dogmatisch- darstellenden vorzuziehen, denn es ist von grösstem Werth von vornherein beim Studium zu erfahren, auf welchem Wege die Wissenschaft zu ihren Resultaten gelangt ist, welche Gründe ihre Resultate stützen. Die zahlreichen Abbildungen erhöhen den Werth des Buches bedeutend, das Sachregister gereicht dem Buch zum Vortheil und die beigegebene Uebersicht von Bezugsquellen für Apparate wird vielen dienlich sein. Karl A. von Zittel, Griindzüge der Palaeontologie (Palaeo- zoologie). Mit 2048 Abb. \'erlag von R. Oldenbourg. München und Leipzig 1895. — Preis geb. 25 Mk. Das prächtige, incl. Register 971 Seiten umfassende Compen- dium ist gewissermaassen ein Auszug aus dem mehrbändigen Handbuch der Palaeontologie desselben Verfassers, aber nur hin- sichtlich weniger Abschnitte des letztgenannten Werkes, da die Entwickelung der Palaeontologie zur Zeit eine so rasche ist, dass sich seit dem Erscheinen des Handbuchs in den meisten Gruppen, namentlich bei Wirbellosen, tiefgreifende Veränderungen voll- zogen haben, die eine vollständige Umarbeitung der betreffenden Theile verlangten; auch bei den Wirbelthieren haben die letzten Jahre eine Anzahl wichtiger Entdeckungen geliefert, die Berück- sichtiguns finden mussten. Die vorliegende Palaeontologie sieht als ihre Hauptaufgabe an, die Erziehung einer natürlichen, den morphologischen und ))hylogcnetischcn Erfahrungen entsprechenden Systematik. Die Bedeutung der Fossilien als historische Documente zur Alters- bestimmung der Erdschichten hat nur in 2. Linie Berücksichtigung gefunden. Bei der aussei-ordentlichen Reichhaltigkeit des Buches, nament- lich auch hinsichtlich der Illustrationen, ist der Preis ein sehr mäs.sigcr. Dr. Friedrich Behme, Geologischer Führer durch die Um- gebung der Stadt Harzburg einschliesslich Ilsenburg, Brocken, Altenau, Oker und Vienenburg. Mit 75 Abbildungen und einer geologischen Karte. Hahn'sche Buchhandlung. Hannover und Leipzig 1895. — Preis 0,60 Mk. Dem Naturfreunde, der Harzburg besucht, wird der vorlie- gende kleine und billige Führer sehr gelegen sein: er giebt kurz lind bündig Auskunft über die geologischen Verhältnisse un. Martin. In drei Teilen. Erster Teil: Taxiderinie oder die Lehre vom Heobac-hten, Kouseniereii, Präparieren efc. Dritte vermehrte Auflage. Mit Atlas von lü Tafeln, gr. 8. Geh. 6 Mk Zweiter l'eil: Dermoplastik und Museologie oder das Modellieren der Tiere und das .Aufstellen und Erhalten von Naturalicnsanimlungen. Zweite venn. und verb. Auflage. [ Nebst einem .\tjas you In Tafeln. gr. 8. Beb. 7 Mark .-.O Pfge. I Dritter Tel 1 : ' Naturstudien. I Die botanischtn, zoologischen und ' Akklimatisalionsgärten, Menagerien, Aquarien und Tci-rarien in ilirer gegenwärtigen Entwickclung. — All- gemeiner Naturschutz ; Einljürgerung fremder Ticrr und rirsundlieif^pHege pcliniK'iiiT .'eoeiiil>er. M^^^^ m Carl Zeiss, — Optische ^A/^erkstätte. ^- 31ilii*osliope mit Zti1>o1iöi*. Mikrophotographische Apparate. Photographische Objective. Mechanische und optische Messapparate. Nene Doppelfenirohre f. Handgebrauch. Cataloge gratis und franco. S IXrilli Büsing', Langjälii iij;ei Assistent vum Prüf. Dr. Vogel des photo-chem. Laboratoriums der Kgl. techD. Hochschule zu Charlottenbuig, Berlin W., Bendlerstr. 13. Pliotoi-Iieiiiisfh Untersuch.- ^^M^^ ^^^^ Iii«!«titHt. -^v* \« ^V i3 ^*5 sMti ^ .^^t "^^ — II. tlieoret. Ausb. in samiiitl. pliotogr. Xegat.- u.Posit.-Verf.,sow. 'photo-iiiechan. Druck verf'ithren. -^, '^^' Wissenschaftliche und Amateur- Kurse. ^ X'^Kintritt jederzeit. Kurze und längere Kurse. Dunkelkammern stellen zur Verfügung. ebernahme aller vorkommenden wissenseliattl. und praetiseben photographisrhen Arbeiten. Näliere Auskunft bereitwilligst, räglich gcnlt'net von n— 7. W^ Verantwortliclier Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Liehterfelde (P.-B) bei Berlin, Potsdauierstr. 35, für den Inscratentheil : fhigo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: f Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den 3. November 1895. Nr. 44. Abonnement: Man abonnirt bei allen BuehhandlunKen und Poat- ■\[ Inserate: Die vlerRespaltene PetitzeUe40 ^. Grössere AufträKe ent- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— ÖE) sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme BrinReReld bei der Post 15 -4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. Jl- bei allen Annoncenbiireaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger l^aellenansabe gestattet. Die Krebsthiere der Provinz Brandenburg. Von W. Hartwig, Borlin. in. 1. Nochmals der Müsselsee. Am 30. 7. 1895 erhielt ich abermals von Herrn Dr. W. Weltner Entomostraken-Material ans dem Müggel- see; es war von ihm am 28. 6. 1893 gesammelt worden. Der See stand damals, nach Ausweis des Materials, sehr in „Wasserblüthe". Ich untersuchte dasselbe am 2. 8. 1895 und fand darin : 1. Cyclops leuckarti Claus. Sehr häufig; die meisten Cyclops-Stücke des Fanges gehörten zu dieser Species. 2. Cyclops oithonoides Sars. Nicht selten. 3. Cyclops fimbriatns S. Fischer. Nur 1 Stück(J). Diese Art ist neu für die Provinz. 4. Diaptomus gracilis Sars. Wenige Stücke. 5. EurytcQiora lacinulata S. Fischer. Nicht selten; die meisten Stücke waren noch nicht geschlechtsreif. 6. Diaphanosoma bracliyurum (Liev.). Häufig. 7. Hyalodaphnia cristata cederströmi Schödler. Häufig. 8. Hyalod. crist. kahlbergieiisis Schödler. Häufig. 9. Ceriodaphiiia pulchella Sars. Einige Stücke. Diese Wachsdaphnie kommt in den meisten unserer grösseren Seen limnetisch (pelagisch) vor; doch findet man sie auch oft in der Nähe des Ufers. 10. Bosmina bohemica Hellich. Nicht selten. 11. Bosmina bohemic. beroliuensis Imliof Nicht selten. 12. Bosmina coregoni Baird. Einige Stücke. Diese Species ändert sehr ab; die verschiedenen Formen wurden theils als Species, theils als Varietäten aufgestellt. Die typische Form B. coregoni Baird geht nach meinen Beobachtungen unmerklich über in: Bosni. rotunda Schödler 1I866), Bosm. intermedia Poppe (1889), Bosm. gibbera Schödler (1866) und Bosm. thersites Poppe (1887). In Zukunft werde ich demgemäss die Benennung dieser Art einrichten. Der bekannte Crustaceenforscher Herr S. A. Poppe in Vegesack schreibt schon 1889: ., „Herr Prof. W. Lilljeborg in üpsala ist auf Grund eines umfangreichen Bosmina-Materials zu der Ansicht gelangt, dass die Bosmina coregoni Baird eine sehr variable Art ist, die eine Anzahl von Formen umfasst, die von der Var. bumilis Lilljeborg durch Var. rotunda Schödler bis zur Var. gibbera Sciiödler und Thersites Poppe eine kontinuirliche Reihe bilden." Der vorstehenden Ansicht Lilljeborgs und Poppes schliesse ich mich, nach- dem ich selber ein nicht unbedeuteudes Bosmina-Material gesammelt habe, vollständig an. 13. Bosmina lougirostris cornuta (Jur.). Einige Stücke. Bosmina cornuta (Jur.) geht nach meinen Beobachtungen unmerklich in Bosmina lougirostris (0. F. Müller) über; sie ist also keine Species. Herr Dr. 0. Zacharias führt sie ebenfalls nur noch als Varietät von Bosmina lougi- rostris an („Zool. Anz." 1895, p. 307 und 308). 14. Bosmina gibbera thersistes Poppe. Diese Art bildete die Hauptmasse der Bosmiuen. 15. Chydorus sphaerieus ((). F. Müller). Häufig. 16. Pleuro.xus aduncus (Jur.). Ein Stück. — Ausserdem kamen in dem Materiale die Larven von Dreissensia polymorpha Pall. häufig vor, von Rotatorieu: Anuraea aculeata Elireuberg in nur wenigen Stücken. 2. Der Teltower See. Der nur wenige Meter tiefe See „blühte" sehr stark. Es wurde von mir an der 0})erfläche und in der Tiefe, aber nur auf der Höhe des Sees im freien Wasser, wo keine Pflanzen stehen, gefischt. Ich erbeutete darin am 16. Juli 1891: 1. Cyclops leuckarti Claus. Selten. 2. Diaptomus gracilis Sars. Häufig. 3. Diaphanosoma brachyuruin (Liev.). Selten. 526 Naturwissenschaftliche Wocheuschrift. Nr. 44. 4. Hyalodaphuia cristata ceclerströmi Schödler. Häufig-. Sehr typische Stücke. 5. Hyalodaphnia cristata kahlbergiensis. Scliödler. Häufig. 6. Bosmina coregoni Baird. Nicht liäufig. Ich hätte in dem seichten See diese Species eigentlich nicht er- wartet. 7. Alona affinis Leydig. 8. Chydorus sphaericus (0. F. Müller). Ungemein häufig. 9. Septodora kindti Focke. Wenige Stücke, aber sehr grosse. — Von niederen Thieren erbeutete ich: Auuraea aculeata Ehrenbg., Anuraea longispina Kellic. und Ceratium hirun- dinella (0. F. Müller). 3. Der Lelinitzsee (Oranienburg). Ich untersuchte den See zweimal, am 31. Mai und am 22. Juli 1895. Der See ist etwa 800 Morgen gross und 5 — 7 Meter tief. An den tieferen Stellen hat sich viel Schlamm angesammelt. Da ich die Entomostraken- Fauna an zwei so weit aus auseinandcrliegenden Tagen, selbstverständlich verschieden fand, so will ich die Funde trennen. Ich erbeutete: Am 31. Mai 1895: (Der See war ruhig und sehr klar, der Himmel blau, kein Lüftchen regte sich.) 1. Cyclops leuckarti Claus. In Massen, an der Ober- fläche. 2. Cyclops oithonoides Sars. Sehr häufig, an der Oberfläche und in der Tiefe. 3. Cyclops strenuus S. Fischer. Nicht häufig, an der Oberfläche. 4. Cyclops hyalinus Rehberg. Nicht häufig, an der Oberfläche. 5. Diaptomus graciloides Lilljeborg. Nur wenige Stücke, einige Meter tief. 6. Diaphanosoma brachyurum (Liev.). Nur wenige Stücke. 7. Hyalodaphnia apicata Kurz. Massenhaft. 8. Hyalodaphnia beroliuensis Schödler. Nicht häufig. 9. Hyalodaphnia cucullata (Sars). Einige Meter tief. 10. Hyalodaphnia cristata cederströmi Schödler. An der Oberfläche sowohl, wie in der Tiefe; jedoch nach unten an Häufigkeit zunehmend. 11. Daphnia hyalina Leydig. Nicht selten, nahe der Oberfläche. 12. Bosmina longirostris coruuta (Jur.). In grossen Massen, an der Oberfläche. 13. Bosmina curvirostris S. Fischer. Selten, nahe der Oberfläche. 14. Bosmina longispina Leydig. Nahe der Oberfläche selten, einige Meter tief häufig. 15. Bosmina coregoni Baird. Nahe der Oberfläche nur wenige Stücke; häufiger in der Tiefe. 16. Polyphemus pediculus (de Geer). Nur wenige Stücke. — Von anderen Thieren nenne ich: 1. Anuraea aculeata Ehrenberg. Au der Oberfläche nur wenige, einige Meter tief zahlreicher. 2. Anuraea longispina Kellic. Nicht selten, einige Meter tief. Am 22. Juli 1895: (Der See war sehr stark in „Wasserblüthe" und ziemlich unruhig. Ich fischte bei Regen und Gewitter. Schon am vorhergehenden Tage war es recht stürmisch.) A. Limnetisch und tief: 1. Cyclops leuckarti Claus. Nur einige Stücke. 2. Cyclops oithonoides Sars. Selten. 3. Bosmina coregoni Baird. Häufig. Es war die häufigste Bosminenart, die ich an diesem Tage fing. 4. Ilyocryptus acutifrons (Sars). Diese Species ist neu für unsere Provinz. Nur eine Haut vom Post- abdomen fand ich im Plankton des Sees. Wo ich aber die gutgezeichneten Strümpfe fand, werde ich auch noch den Besitzer derselljcn auffinden. 5. Hyalodaphnia cristata cederströmi Schödler. Selten. 6. Hyal. erist. kahlbergiensis Schödler. Selten. 7. Chydorus sphaericus (0. F. Müller). Häufig; ebenso in der Uferzone. — Von niederen Lebewesen fand ich au dem Tage: 1. Anuraea longispina Kellic. und Ceratium hiruudi- nella (0. F Müller). B. In der Uferzone, etwa 50 Schritte vom Ufer entfernt, zwischen Binsen und Rohr: 1. Cyclops albidus (Jurine). Nur ein Stück, ein Männchen. 2. Cyclops leuckarti Claus. Einige Stücke. 3. C^'Clops oithonoides Sars. Nicht selten. 4. Bosmina longispina Leydig. Nicht selten. 5. Bosmina cornuta (Jur.). Wenige Stücke. 6. Bosmina coregoni Baird. Selten. 7. Alona rostrata (Kochi. Einige Stücke. 8. Alona costata Sars. Nur ein Stuck. 9. Chydorus sphaericus (0. F. Müller). Häufig, 10. Pleuroxus nanus Baird. Nur Sclialen fand ich davon, diese jedoch nicht selten. Von niedrigeren Thieren fand ich in der Uferzoue u. a. einige Stücke von Anuraea aculeata Ehrenberg. 4. Der Weseusee bei Brodewin-Oderbcrg. Dieser interessante See ist nur wenige Meter tief. Er ist wahrscheinlich durch einen Ausbruch des Rosinsees entstanden. Ich fischte daselbst am 4. August 1895 bei schönstem Wetter. Der See war sehr ruhig. Icli fand darin : A. Limnetisch, 2 — 3 Meter tief: 1. Cyclops fnscus (Jurine). Einige Stücke. 2. Diaptomus gracilis Sars. Niclit selten. 3. Cypridopsis vidua (0. F. Müller). Einige Stücke. 4. Cypris (species?). 8 Stücke einer etwa 1 mm langen Art, welche erst noch zu bestimmen, bezw. zu beschreiben ist. 5. Sida crystallina (0. F. Müller). Einige Stücke. 6. Diaphanosoma brachyurum (Liev.). Häufig. 7. Ceriodaphnia pulchella Sars. Häufig. 8. Bosmina longirostris cornuta (Jur.). Wenige Stücke. — Von niederen Thieren sammelte ich in der Mitte: Ceratium hirundinella (0. F. Müller). B. Am Ufer, zwischen Rohr (Phragmites communis Trin.): 1. Aselius aquaticus (Linne). Sehr häufig. 2. Cyclops fuscus (Jur.). Häufig, J et 9 fast in gleicher Anzahl. 3. Cyclops macrurus Sars. Nur 2 Stücke; davon hatte das eine 4, das andere 6 Borsten oberhalb der Seitenborste der Furka. 4. Diaptomus gracilis Sars. Nicht selten. 5. Stenocypris fasciata (0. F. Müller). Nur ein Stück. 6. Cypridopsis vidua (0. F. Müller). Häufig. Nr. 44. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 527 7. Sida crystallina (0. F. Jlüilcr). Nicht selten. 8. Ceriddaiiliniii pulchella Sars. Niclit selten. 9. Cerioiiapliiiia rctieulata (Jur.), Einige Stücke. 10. Simoceplialns cong-encr (Koch). Nicht selten. 11. Camptocercus lilljeborgi Scliödler. Nicht selten. 12. Eurycercns lamellatus (0. F. Müller). Einij;e Stücke. 13. Alonopsis elongata Sars. Einige Stücke. 14. Alona at'finis (Lcvdig). Ein Stück. 15. Pcracantha trnncata (,(>. F. Müller). Jlclirere Stücke. 16. Pleuroxus aduncus (Jur.). Wenige Stücke. 17. Pleuroxus liastatus Sars. Nur ein Stück. Diese Species ist neu für unsere Provinz. 18. Ch.vdorus globo.sus Bairti. Nur ein Stück. 19. Pohpheuius pediculus (de Geer). Einige Stücke. Ich fand den Wesensee auftauend reich an Arten. Dies spriugt sofort in die Augen, wenn ich bemerke, dass ich liinnetiseh iKich.stens 12— lö Minuten fischte, mit meinem Ufei'nctze, welches ich an meinen Regenschirm steckte, gar nur 2—3 Minuten, dazu nur an einer einzigen Stelle. IV. 5. Der Berliuchener See i. Neum. Dieser See ist etwa 2.")G Hektar gross und l.ö— 20 m tief. Er beherbergt keine Maränen, ^st aber sonst sehr fischreich. Ich untersuchte ihn am 7. 8. 1895, Nach- mittags von 4-6Vo Uhr. Der See war an dem Tage noch ziemlich stark in .,Wasseiblüthe". Durch Wind nnd Gewitter war er nicht unbedeutend erregt. Herr Hotel- besitzer Th. Rosengarten in Ikrlinchen" stellte mir in liebcnswürdig.stcr Weise sofort ein Boot mit Bedienung zur Verfügung, wofür ich ihm an dieser Stelle meinen besten Dank ausspreche. Ich fischte nur limnetisch und zwar von der Oberfläche bis zur Tiefe. Erbeutet wurden an dem Tage von mir: 1. Cyclops oithonoides Sars. Sehr häufig. Die Weibchen hatten 4—6 Eier im Eiballen. 2. Diaptomus coeruleus (S. Fischer). Nicht häufig. 3. Diaptomus gracilis Sars. Massenhaft. 4. Diaphanosoma brachynrum (Liev.). Häufig. 5. Daphnia hyaliua Leydig. Nicht häufig. 6. Hyalodaphnia crist. ' berolinensis Schödler. Nicht selten. 7. Hyalodaphnia crist. kahlbergiensis Schödler. Massenhaft. Darunter befanden sich "viele Stücke mit kürperlanger Crista. Ich fand eine Form häufig, bei welcher die Schnabelspitze und die Spitze der Crista in einer Linie liegen, die Dorsalkante der Crista aber sehr convex ist. Diese Form nähert sich der Hyal. cucullata procurva Poppe. Bei einigen Stücken meines Materials ist die Crista sogar etwas nach unten gebogen, jedoch nicht in dem Maasse, dass ich sie als HvaC procurva Popi)e ansprechen möchte. 8. Hyalodaphnia crist. cederströmi Schödler. Häufig. 9. Ceriodaphnia pulchella Sars. Ziemlich häufig. Diese gewühuliehe Wachsdaphnie unserer grösseren Seen kommt, wie ich schon in meinem „Verzeichniss" von 1893 S. 31 bemerkte, auch in den kleinsten Teichen und Tümpeln vor. 10. Bnsmina longirostris cornuta (Jur.). Einige Stücke. 11. Bosmina corcgoni Baird. Häufiger. 12. Chydorus caelatus Schödler. Ein Stück. 13. Leptodora kindti Focke. In grossen Massen. Von niedrigeren Thieren erbeutete ich häufig: 1. Anuraea aculeata Ehrenberg, 2. Anuraea longi- spiua Kellic. und 3. Ceratium hirundiucUa lO. F. xMüllerj. Ausserdem fing ich einige Larven von Dreissensia polv- morpha Fall. ■' 6. Der Grosse Pulssee bei Bernstein i. Neum. Dieser See ist etwa 358 Hektar gross und 30-33 m tief. Der Grund besteht meist aus festem Sand und Kies, so dass das Netz selten einmal eine Grundprobe mit nach oben bringt. Der See ist nicht sehr fischreich, sein Wasser kalt, wie das Wasser aller sog. Maränenseen. In ihm konunt die Edelmaräne (Coregonus generosus Peters) vor; doch ist sie, nach Aussage des Herrn Fischer- nieisters Jäger, nicht häufig. Sie wird an Ort und Stelle „Silbermaräne" genannt, erreicht ein Gewicht von etwa 1 Kilogramm. Es sei mir hier gestattet, Herrn Hotel- besitzer Fritz Barkowsky in Bernstein, der sich in liebens- würdigster Weise um das Gelingen meiner Untersuchungen bemühte, und ebenso Herrn Fischermeister Jaeger, der, obwohl die ganze Nacht auf dem stürmischen See ge- wesen, mich dessenungeachtet am nächsten Morgen selber auf dem See ruderte, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Ich untersuchte den See am 8. 8. 1895 Vormittags von i ,8- VolO Uhr. Die Temperatur war niedrig, der See ziemlich unruhig, der Himmel voller dunkler Gewitterwolken. Ich fischte nur limnetisch und zwar von der Oberfläche bis etwa 3OV2 m tief. Erbeutet wurden von mir: 1. Cyclops strenuus Fischer. Nicht selten. 2. Cyclops leuckarti Claus. Nicht selten. 3. Cyclops oithonoides Sars. Häufig. In dem kalten klaren, daher nahrungsarmen Wasser hatten die Weibchen dieses Hüpferlings durchschnittlich nur 2-3 Eier im Ei- ballen, selten einmal 4. 4. Diaptomus gracilis Sars. Massenhaft. Bildete mit Diaphanosoma braehyurum die Hauptmasse der Ento- mostraken. 5. Diaphanosoma braehyurum (Liev.). Massenhaft. 6. Daphnia hyalina Leydig, Form: pellucida P. E. Müller. Häufig. 7. Hyalodaphnia cristata berolinensis Schödler. Nicht selten. 8. Hyalodaphnia crist. cederströmi Schödler. Ziemlich häufig. 9. Hyalodaphnia crist. kahlbergiensis Schödler. Sehr häufig. 10. Ceriodaphnia pulchella Sars. Selten; die Stücke waren recht typisch. 11. Bosmina longirostris cornuta (Jur.). Nur selten. 12. Bosmina crassicornisLilljeborg(1887). Häufig. Diese Species ist neu für unsere Provinz. Der drei- gliedrige Ast der Ruderantennen meiner Stücke ist mit 5 Ruderborsten, der viergliedrige aber nur mit 4 verseheu; ausserdem trägt der viergliedrige Ast au der Spitze des Endgliedes einen Dorn. 13. Bosmina longirostris (0. F. Müller). Einige Stücke. 14. Chydorus sphaericus (0. F. Müller). Einige Stücke. 15. Bythotrephes longimanus Leydig. Nur ein Stück. Es ist der grosse Pulssee der dritte Ort in der Provinz Brandenburg, wo dieser so auffallend gestaltete Kruster erbeutet wurde (1. Werbellinsee: Dr. W. Weltner, 2. Waudlitzsee: A. Protz). Mein Stück ist bedeutend grösser, als die Stücke (3) des Wandlitzsees, welche mir zu Gesichte kamen. 16. Leptodora kindti Focke. Nicht häufig. 17. Eurytemora lacustris S. A. Poppe. Nicht häufig. 528 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 44. Die meisten Stiiclce, welche ich unter das Mikroskop bekam, waren noch nicht geschlechtsreif. Die Art ist neu für unser Gebiet. Ausserdem erbeutete ich einzelne Larven von Dreis- sensia polymorpha Fall, und von niederen Thieren: 1. Anuraea aculeata Ehrenberg-, nicht selten; 2. Anuraea longispina Kellic, einige Stücke; 3. Asplanchna helvetica Imhof. Dieses grosse Rotatorium bildete fast die Haupt- masse (der Zahl nach) des Planktons. 7. Der Juiigfernsee bei Bernstein i. Neum. Der See ist etwa 38 Hektar gross und 16 — 17 m tief. Er ist wärmer als der grosse Pulssee, in Folge dessen auch reicher an niederen Lebewesen und daher auch wieder fischreicher. Er enthält keine Maränen, ob- wohl er durch einen kleinen Graben mit dem Pulssee in Verbindung steht. Der See war durch steifen Wind etwas unruhig. Ich fischte am 8. August 1895, Vor- mittags von V2lO~V2ll Uhr, und zwar nur limnetisch. Herr Fischermeister Jäger war so liebenswürdig, mich auch auf diesem See zu fahren. Ich erbeutete an dem Tage: 1. Cyclops leuckarti Claus. Nicht selten. 2. Cyclops oithonoides Sars. Nicht selten. Hier im an Organismen reichen Wasser hatte das Weibchen dieses kleinen Spaltfusskrebses 6 und mehr Eier im Eiballen. 3. Diaptomus gracilis Sars. Massenhaft. 4. Diaptomus coeruleus (S. Fischer). Nicht häufig. 5. Diaphanosoma Ijrachyurum (Liev.) Nicht selten. 6. Hyaloda])hnia cristata berolinensis Schödler. 7. Hyalodaphnia crist. kahlbergiensis Schödler. Massenhaft. 8. Hyalodaphnia crist. cederströmi Schödler. 9. Ceriodaphnia pulchella Sars. Nicht häufig. 10. Bosmina coregoni Baird. Häufig. 11. Bosmina longispina Leydig. Einige Stücke. 12. Leptodora kindti Focke. In ungeheuren Massen. Ich lernte in der Provinz Brandenburg bis heute noch kein Gewässer kennen, worin dieses Entomostrakon in solchen Massen vorkommt. Von niedrigeren Thieren erbeutete ich: Ceratium hirundinella (0. F. Müller), aber nicht häufig. 8. Der Tegeler See bei Spandau. Herr Dr. W. Weltner sammelte aus demselben am 4. 8. 1895 Entomostraken ; er fischte nur littoral und zwar zwischen Flossholz und Elodea canadensis. Am 23. 8. 1895 übergab mir Herr Dr. W. Weltner einen Theil seines Materials zur Untersuchung; ich stellte darin folgende 31 Species fest: 1. Cyclops albidus (Jur.). Nicht selten. 2. Cyclops viridis (Jur.). Nicht selten. 3. Cyclops serrulatus S. Fischer. Nicht selten. 4. Cyclops leuckarti Claus. Niclit selten. 5. Cyclops oithonoides Sars. Einige Stücke. Die Weibchen hatten 4 — 6 Eier im Eiballen. 6. Cyclops strenuus S. Fischer. Häufig. 7. Eurytcmora lacinulata (S. Fischer). Sehr häufig. Es war der häufigste Copepode des Materials. 8. Argulus foliaceus (Lin.). Nur ein Stück. 9. Cypridopsis vidua (0. F. Müller). Häufig. Diesen Ostracoden finden wir fast in allen unseren Gewässern in der Nähe des Ufers zwischen Pflanzen. 10. Sida crystallina (0. F. Müller). Sehr häufig. 11. Diaphanosoma brachyurum (Liev.). Ziemlich häufig. 12. Daphnia longispina 0. F. Müller. Nur ein Stück. 13. Simocephalus vetulus (0. F. Müller). Häufig. 14. Scapholeberis cornuta Schödler. Einige Stücke. 15. Ceriodaphnia pulchella Sars. Massenhaft. 16. Bosmina longispina Leydig. Hin und wieder. 17. Bosmina longirostris cornuta (Jur.). Sehr häufig. 18. Eurycercus lamellatus (0. F. Müller). Häufig. 19. Camptocercus rectirostris Schödler. Häufig. Nach meinen Beobachtungen ist diese Art, nach C. biser- ratus Schödler, die seltenste der vier Camptocercus-Species der Provinz. 20. Acroperus leucocephalus (Koch). Häufig. 21. Alonopsis elougata Sars. Einige Stücke. 22. Alona affinis (Leydig). Einige Stücke. 23. Alona testudinaria (S. Fischer). Etwa ein Dutzend Stücke. Ein Weibchen hatte zwei Eier im Brutraume. Diese Species kommt in der Provinz häufiger vor, als ich früher glaubte, da ich sie in diesem Jahre (1. 8.) auch wieder bei Nauen in der Nähe des Weingartens erbeutete. 24. Pleuroxus exiguus (Lilljeborg). Einige Stücke. 25. Pleuroxus trigonellus (0. F. Müller). Einige Stücke. 26. Pleuroxus aduncus (Jurine). Einige Stücke. 27. Pleuroxus hastatus Sars. Einige Stücke. 28. Peracantha truncata (0. F. Müller). Hin und wieder. Diese S])ecies ist sonst ungemein häufig in der Provinz; es gicbt wohl kaum ein stehendes klares Ge- wässer, welches sie nicht beherbergte. Massenhaft tritt sie mitunter im Ufergebiet unserer Grunewaldseen auf. Ich spreche dies hier nur aus, da mir schon entgegen gehalten wurde, sie sei selten. Schon Schödler erklärte die Art für häufig. 29. Chydorus globosus Baird. Etwa Va Dutzend leere Schalen und ein lebendes Stück. Ich fand diese Art bis jetzt in der Provinz Brandenburg an verschie- deneu Stellen, jedoch stets nur in einigen Stücken. 30. Chydorus sphaericus (0. F. Müller). Häufig. 31. Polyphemus pediculus (de Geer). Hin und wieder. (Fortsetzung folgt.) Die zoologische Sammlung des Königlichen Museums für Naturkunde zu Berlin. Die Vogel - Schausammlung. [Fortsetzung.] Von den ausländischen Eulen, die meist Bewohner des Nordens sind, verfliegen sich hin und wieder einzelne nach Deutschland und sind theilweise auch schon unter den deutschen Vögeln mit aufgeführt worden. Hier wäre noch zu nennen die Habichtseule oder der Uralkauz, Syrnium macrura und der Bartkauz, S. cinerium. Jene in Nordosteuropa, diese im Norden Europas beheimathet. Die niedliche Zwergohreule, Ephialtes scops, bewohnt gebirgige, waldige Gegenden in Süd- und Mitteleuropa. Zu den Tageulen, welche frei am Tage jagen, gehört die prächtige Sperbereule, die im hohen Norden der l)aläarktischcn und nearktischen Region wohnt, und nächst der folgenden Art der Hauptfeind des Lemmings ist. Die Schnee-Eule, Nyctea nivea, eine der stärksten Eulen- arten, bewolnit Nordamerika und Nordeuropa. Ihre weisse Farbe wird mit zunehmendem Alter reiner. Da sie den Schneehühnern eifrigst nachstellt, wird sie ver- folgt. Eine Waldeule, die auch am Tage raubt, ist das Nr. 14. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 529 im Norden von Europa luul Asien vorkommende Sperlings- oiilclu'n, Glaucidium passcrinm. Erwähnt sei noch die Alasken-, amerikanische, westindische und australische Schleiereule, der Neuseelandskauz, der Pagoden-, Zebra-, Natal-, Hrillenkauz, die Sundaohrcule, die brasilianische, Woissohr- und Madagaskarohreule, der sibirische, blasse und virginisclie Uhu und die Fischeulen, welche Indien und die malaiischen Länder bewohnen. Nach lleobachtungcn der Reisenden späht sie von geeigneten Plätzen nach vorüberziehenden Fischen, die sie recht g-eschickt fangen soll. Durch die Präriecule sind die H(>ldeneulen vertreten, welche Charaktcrvögel Amerikas sind und die Pampas und Llanos bewohnen. Sie sitzen meist jiaarweise auf den ausgeworfenen Hügeln der Säugetliicrbanc, mit deren Besitzer sie die Wohnung theilen und verschwinden verfolgt in diesen. An die Eulen reihen sich als zweite Familie der Raub- vögel die Geier an. Zu ihnen gehört der schon erwähnte Lämmergeier, Bartgeier, Gypaetus barbatns, der egyptische Aasgeier, die „Henne der Pharaonen", Neophron percuop- terus, der in grossen Schaaren in die Städte und Dörfer Xordafrikas kommt, wo er in Vereinigung mit den Hunden eine gute Gesundheits-Strasscnpolizei durch Ver- zchrung des Aases übt und deshalb auch von den alten Egyptern als heilig verehrt wurde, und von den Orientalen noch heute als Wohlthäter gern geduldet und geschont wird. Er verfolgt auch herdenweisc die Karawanen. In Mittel- und Westafrika gesellt sich der Kappengeier, N. pileatus, zu ihm. Durch einen langen, gänseartigen Hals charakterirt sich Vultnr fulvus, dessen wir auch schon im ersten Theile gedachten. Das schönste Mitglied der Sippe aber ist der Sperbergeier, Gyps Ruppeliii. Zu den Schopfgeiern gehört der Mönchs- oder Kutten- geier, Vulfur monachus, der nach dem Lämmergeier die grösste Form ist. Eine gewaltige Art ist der Ohrengeier, V. auricularis, der von Oberegypten an über ganz Afrika verbreitet ist und sich schon nach Europa verflogen haben soll. Als die edelsten aller Geier sind die Kammgeier anzusehen, deren Heimath die neue Welt ist. In den bewaldeten Ebenen von Süd- und Mittclanierika lebt der Königsgeier und in den Hochgebirgen Südamerikas der über 1 m lange Kondor, Sarcorhamphus gryphus, der sieh vom Fleische frisch gefallener Lamas, Pferde und Rinder nährt, auch lebende Schafe und Kälber raubt, den Mensehen aber nicht angreift. Beide Arten sind mit einem Fleischkamm geziert, der sie von den Rabengeiern, die übrigens eine glatte Halsfederkrause tragen, unter- scheidet. Aus der Familie Falconidae sind zu erwähnen der Carancho, Polyborus brasiliensis und der Schlangen- sperber, Polyboroides radiatus aus Südafrika, ein mittel- amerikaniseher Milan, Ictinia niississi|»piensis, der in Afrika und Südasien beheimathete Elanus melanopterus, und der in Südeuropa vorkommende Fischräuber, Milvus ater. Von Adlern finden wir den Gold- oder Steinadler, A(|uila chrysaetus, der in Europa, Asien und Nordamerika vorkonnnt, in Deutschland nur selten beobachtet wird. Er bewohnt felsige Gebirgsgegenden und raubt grössere und kleinere Säuger, namentlich Hasen, ferner grosse V('igel, wie Troppen, Gänse, Enten, Störche, Kraniche, AValdhühner u. s. w. und soll 1838 nach Schinz in Wallis sogar ein Kind geraubt haben. Der Königs- oder Kaiser- adler, A. impcrialis, den eine weisse Schulter kennzeichnet, scheint vorzugsweise Steppenvogel zu sein. In Osteuropa und Asien, resp. Südeuropa und Asien, sind der grosse Schreiadler, A. clanga und A. pennata, der Zwergadler, zu finden. In Afrika kommen Spizaetus occipitalis, der Schopfadler und Sp. Bonelli vor. Ein wahrhaft martia- lisches Aussehen hat die meterhohe llarpye, Thrasaetus destructor aus Sflilamerika. In Westasien und Nordafrika, sehr selten in Deutschland kommt der Schlangenadler, Circaetus gallicus vor. Zu den eigentlichen Falken ge- hört der Jagdfalk, Falco gyrfaleo, der im Mittelalter zur Beize abgerichtet wurde und um so theurer bezahlt wurde, je reiner weiss das Gefieder war. So wissen die Chronisten zu berichten, dass der ge- legentlich des dritten Kreuzzuges im Jahre 1191 in Ptolemais belagerte türkische Sultan einen weissen Jagd- falken Philipp August's, welcher die Stadt eingeschlossen hatte, trotz des gebotenen Lösegeldes von 1000 Dukaten nicht herausgab. Der deutsche Kaiser Friedrich II. war einer der besten Falkouiere und sehrieb selbst ein Buch über die Kunst mit Falken zu jagen. Dass die Jagd- falken auch gewandte Flieger sind, beweist ein solcher Heinrichs II., der von Fontainebleau nach Malta in 24 Stunden entfloh (210 geogr. Ml., also stündlich 9 ML). Gleichfalls zur Jagd abgerichtet wurde der Würgfalk, F. laniarius. Eine prächtige Form ist der im Süden un- seren Thurmfalk vertretende, F. cenchris, Rötelfalk. Der rothfussige Falk, F. rufipes, der in Osteuropa und West- asien vorkommt, lebt von Inseeten, namentlich Heu- schrecken. Der Sekretär oder Kranichgeier, Gypogerani- dae serpentarius, der in Afrika mit Ausnahme des nörd- lichen Theiles vorkommt, scheint wegen seines sehr langen und stark stufigen Schwanzes gar nicht zu dem Geschlecht der Falken zu gehören. Auch seine Beine, namentlich die nackten Läufe, sind auffällig verlängert. Den Nacken ziert ein Schopf. Der Sekretär gehört bei seiner Länge (115 — 125 cm) zu den grössten Raubvögeln. Erwähnt sei noch der Chimachima, Chimango, Binden-, Kehlstreif-, Coopers-, Lachhabieht, die Brahminenweihe, der gehäubte Wespenweih, Gaukler, Zwerg-, Augur-, Schakalbussard, der Aguja, Habichts-, Prairie-, Eleonoren-, Tauben-, Schiefer-, Kicher- und Zwergfalk. Auf der niedrigsten Stufe der Hühnervögel stehen .jedenfalls die Wallnister, Megapodiidae, worauf schon ihre eigenthümlichc Nistweise hindeutet. Die eine Gattung dieser Familie, Tallegallus und die Grossfuss- hübner scharren Haufen vegetabilischer Substanz oder modriger Erde von gewaltiger Grösse zusammen, in die mehrere Weibehen gemeinsam legen. Die Bestandtheile des Reisig- und Blätterhaufens entwickeln aber beim Prozess des Verwesens eine bedeutende Wärme, wodurch die Eier ausgebrütet werden. Eine andere Art, das Hammerhnhn, Jlegacephalon maleo, welches in seinem Vorkonuuen auf das nördliche Celebes beschränkt ist, und seinen Namen der hammerartigen Hornbildung auf dem Kopfe verdankt, gräbt in den dortigen schwarzen vulcanischen Sand metertiefe Löcher, in welche je ein Ei gelegt wird und die Temperatur in diesen Bruträumen, die sich gegenüber der Lufttemperatur um 15" C. steigern kann, wird in diesem Falle zur Brüterin. Von einer weitereu Art dieser Unterfamilie, M. rubripes, die mehr in den Wäldern wohnt, ist neuerdings beobachtet worden, dass sie ihre Brntlöcher in der Nähe warmer Quellen anlegt und so den Thermen das Geschäft des Ausbrütens überlässt. Für diese Gruppe ist noch zu erwähnen Leipoa ocellata aus Süd- und Westaustralien mit verhältnissmässig recht grossem, rothbraunem Ei. Die Steisshühner sind in dem Rosthals-, Tataupa-, grossen Rost-, rostbäuchigen, Einsiedler- und Pampashuhn vertreten. Eine interessante Gruppe sind wieder die Hoceos, die von Mexiko bis Paraguay verbreitet sind, fast nur im Walde auf Bäumen leben und sich von Früchten nähren. Sie sind leicht zähmbar und werden wegen ihres wohlschmeckenden Fleisches gejagt. Zu ihnen gehört Crax alector, der glänzend blanschwarz aussieht und auf der Schnabel- wurzel einen gelblichen Fleischhöcker hat. Die nahe verwandten Schakuhühner sind vertreten durch den peru- 530 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 44. auischen Weisskopfschaku, den mexikanischen Schaku, Penelope pipile. Der Grankopfguan und Aburri-Lappen- Guan vertreten die Guauhühner. Ferner sind aus dieser Gruppe nocii zu erwähnen Daubentons Hocko aus Veue- zuehv, der iMutung-, Mitu, Helm- und Tuberkelhoeko. Als Vertreter der Schopfhiümcr sei Opistocomus cristatus aus Guiana erwähnt. Recht zahlreich sind die prächtigen Fasane vertreten, die in AVest-, Mittel- und Ostasien zu Hause sind und Haine oder dichte Gebüsche, die an fruchtbare Felder und Wiesen stosseu, beleben. Ein Hauptl)ednrfniss für sie ist ausserdem Wasser. Der Königs- fasan oder das l'fcilhuhn der Chinesen, Phasianus ßevesii ist die grösste Form. Der prächtige Goldfasan, Thau- malea picta, gehört den Kragenfasanen an. Der Argus- fasan, Argeus gigantheus, unterscheidet sich von allen anderen Arten seiner Sippe dadurch, dass die Federn des über- und Vorderarmes ausserordentlich verlängert sind. (Er raüsste nach Brehni richtiger Arguspfau heissen, da er im Bau den Pfauen näher steht, als den Fasanen). Zu erwähnen blieben noch der indische Blutfasan, der Königsglanzfasan, der gescheckte P\asan, der Sömmering- fasan, Weisshauben-, Rothrücken-, Strichel- und der be- kannte Silberfasan. Als nächste Verwandte finden wir in dieser Gruppe den schwarzflügeligen Pfau, den Pfauen- truthahn, den Jewar, den mexikanischen Truthahn, und einen Bastard von Gold- und Amheistfasau. Als ver- bindendes Glied zwischen Pfauen und Fasanen dürfte der Mantschurohr])fau, Crossoptilon mantschuricum angesehen werden, der weisse verlängerte Ohrfedern trägt. Die Perlhühner sind vertreten durch Numida vulturina, das Geierperlhuhn, \vclches in Ostafrika beheimathet ist. Gleich den Geiern hat es einen nackten Kopf und nur eine rothbraune Federkrause am Hinterkopf, die sich von Ohr zu Ohr zieht. Die Rauhfusshühner haben Vertreter in dem schottischen Schneehuhn und dem sonderbaren Präriehuhn, Tetrao cupido, das in den wald- und baum- losen Ebenen Nordamerikas lebt, und wegen seines Fleisches hoch gesehätzt und darum eifrigst gejagt wird. An den Seiten des Halses jederseits hat es eine aus- dehnbare, nackte Hautstelle, welche von einem Büschel verlängerter Federn verdeckt wird. Auch das Spitz- schwanzwaldhuhn, Centrocercus urophasianus gehört hier- her. In dem westlichen Felsengebirge ist seine Heimath. Auch die zierliehe Sippe der Wachteln ist recht reich- haltig. Neben der virginischen Wachtel, die in ihrer Lebensweise dem Rebhuhn ähnelt und gleich diesem schmackhaftes P'leisch hat, weshalb sie auch in England eingebürgert wurde, ist die mit einem Federbusch gezierte Strauss-, Schweif- und Scliwarzbrustwachtcl zu erwähnen. Neben den verschiedenen Arten der mit mehr oder we- niger Erfolg gezüchteten Haushühner sind in dieser Ab- theilung noch Varietäten des Pfau und des Fasan aus- gestellt. An die Hühner reiht sich die Sammlung der Tauben, die gleichfalls die verschiedensten Arten der Haustauben unifasst. Die Glieder der Tauben unterscheidet man in Lauf-, Baum- und eigentliche Tauben. An der Spitze der letzten Gruppe stellen wir die durch Bild dargestellte Drontc, von der auch Gipsabgüsse vom Kopf und Schädel aufgestellt sind. Die Dronte oder der Dodo, Didus ineptus, war eine flngunfähige Taube, welche bis Ende des 17. Jahrhunderts (1679) auf Mauritius, wo noch jetzt vollständige Skelette gefunden werden, gelebt hat. Bei einer Höhe von etwa Vö m erreiciite der Vogel ein Ge- wicht von 12,5 kg. Die bochberühmte Wandertaube, Ectopistes niigra- torius, ist im östlichen Nordamerika beheimathet und wandert im Herbst und Frühling in ungeheuren Schaarcn, dabei den Getreidefeldei-n unbereclienbaren Schaden zu- fügend. Früher soll sie in Pennsylvanien im Sehlaggarn zu 500 Dutzend (!) auf einmal gefangen und in New- York das Stück um 1 et verkauft worden sein. Die Lauftauben, so genannt wegen der wohlentwickcltcn Füsse, sind ver- treten durch die zierliche Schopftaube (Phaps lophotes) Australiens und die gleichfalls von dort stammende Bronceflügeltaube (Ph. chalco])tera). Aber eine der prachtvollsten aller Tauben ist die Mähnen- oder Kragen- taube, Calloenas uicobarica, des südwestlichen Asiens und der benachbarten Inseln. Ihren Namen verdankt sie den an Hals und Nacken verlängerten, schmalen, gleichsam eine Mähne Ijildenden Federn. Die Warzeutaube, Alec- troenas pulcherrima, welche auf Madagaskar lebt und an der Nasen-, Wangen- und Stirngegend läppen- und warzenförmige Auswüchse hat, gehört nebst der Papagei- taube, Treron psittacea, zu den Fruchttauben. Zu der letzten Familie der Tauben gehört die Krontaube, Goura coronata, welche auf Neuguinea und den benachbarten Inseln lebt und sich durch eine fächerartige, aufrichtbare Holle von zerschlissenen Federn kennzeichnet. Die Zahn- taube, Didunculus strigirostris, lebt nur auf den .Samoa- inseln und wird charakterisirt durch zwei starke Zähne jederseits am Unterschnabel. Erwähnung verdienen noch aus der Gruppe der Tauben: die Rotwarzentaube, die Feuertaube, Ptilopus victor von den Fidschi Inseln, die Mädchentaube von den Molukken, die grüne und rothc Kappentaube, die Zier-, Pracht- und Nacktaugentaube, Treron calva aus Westafrika. Zu den Lauftauben gehört die Schopf-, indische Glanz-, Fuchs-, Wonga-, Elster-, Rebhuhn- und Fasantaube. Zu den Baumtauben gehört ausser der Wandertaube die Himala^^a-, Kap-, Felsen-, Malakka-, Sperlings-, chinesische Turtel- und Hals- bandtaube. Die Ordnung der Stelzvögel beginnt mit der Familie der Reiher. Der stattlichste Vertreter derselben ist der Riesen- reiher, Ardea Goliath, der aus Mittel- und Südafrika stammt. Zu den Edel- oder Schmuckreihern gehört der Silber- reiher, Herodius egretta, der auch in Deutschland hin und wieder vorkommt, sonst aber im südlichen Europa, Asien und Afrika beheimathet ist. Er liefert die kost- barsten Schnnickfedcrn. Die sogenannten Reiherbüsche sind die langen Rückenfedern des Seidenreihers, H. gar- zetta. Der Kuhreiher, Ardea bubulcus, ist eine häufige Erscheinung in Afrika. Er wird oft gefangen gehalten und ergötzt durch sein drolliges Benehmen. Der gemeine Nachtreiher, A. nycticorax, war früher auch in Deutsch- land häufig, jetzt ist er äusserst selten geworden und be- wohnt das südliche Europa. Wegen seines rabenartigen Geschreies, das er Nachts hören lässt, heisst er auch Nachtrabe. Der Agami, Psophia crepitans, wird auch Trompetervogel genannt wegen der eigenthümliehen Töne, welche die Männchen hervorbringen: sie schreien gellend und lassen darauf bei geschlossenem Schnabel dumi)fe, langanhaltcnde Basstöne hören, was durch ihren eigenthümliehen Bau der Luftröhre ermöglicht wird. Der Vogel lebt schaarenweise in dem Innern der Waldungen von Guiana bis zum Südufer des Rio Negro und wird von den Indianern gern in ihren Niederlassungen gehalten, da er zahm und anhänglich wie ein Hund wird. Neben dem rothen Zwergreilier, der amerikanischen und Tiger- rohrdommel, dem Cayennereiher, dem grünen Reiher und dem amerikanischen Fischreiiier ist noch Cancroma coch- learia, der Kahnschnabel, zu erwähnen, der durch den sonderbaren Schnabel, welcher sehr breit, lang und flach gewölbt einem umgestürzten Kahne ähnlich ist, zu den sonderbarsten Erscheinungen Brasiliens gehört. Ein nächtlicher Reiher Afrikas, der Schattenvogel, Seopus umbretta, l)aut eins der wnnder))arsten Nester, welches einen Durchmesser von 2 ni bat und aus Knüppeln Nr. 11. Nixturwisscnscbaftlichc Woclicust'hriCt. 531 und Aostcn besteht, die mit Lclmi voniiaucrt sind. Die äussere Gestalt des Nestes ähnelt einem Backofen, aber das Merkwürdigste ist, dass es im Innern drei Gemächer besitzt : einen kleinen Vorderraum, in dem sich das Männ- chen aufliält. einen iirösseren Raum, in dem iibcrtliissige .Iai;-dl)cute anriieualHt wird, also eine Vorratliskanmicr und endlich aus dem hinteren grössten Räume, der einen etwas erhöhten Fussboden hat und als Wochenbett und Schlafstube dient. Aebnliche Schnabelbildung- wie der Kahnsclmabcl hat der Schuhsehnabel, Balaeniceps rex, nur unterscheidet er sich dadurch, dass sieh zwischen den Acsten des Untersehnabcls eine nackte Haut aus- spannt. Zudem hat der \'ogel, der Mittclafrika, besonders das Gebiet des weissen Nil bewohnt, am Hinterkopfe einen ganz kurzen Federschopf. Dm Wehrvogel, welche in kleineren Trupps die grösseren Süm])fc Südamerikas bewohnen, haben an den Flügeln zwei dornige Krallen und auf dem Scheitel ein aufrechtstehendes nacli vorn gebogenes Hörn. Der Anhima, Palamedea corniitii und der Tschaja aus den sudbrasili- anischen Wäldern sind ihre Ver- treter. Die Trappen leben mit Aus- nahme Amerikas in allen Erd- thcilcn, besonders häutig kom- men sie in Asien und Afrika vor, woselbst sie die Steppen bewohnen. Sie werden reprä- sentirt durch die Weissobr- trappe, Otis afra, aus Südafrika und die Kragentrappe, 0. nn- dulata, die mehr in Nordafrika und Arabien vorkommt und sicli auch selten nach Deutschland veiirrt. Von den Kranichen ist der Kronen-, Paradies-, Jung- fern- und amerikanische Kranich zu nennen. Der Jungfernkra- nich, Grus virgo, ist eine unge- mein zierliche Form, die die mittelasiatischen Steppen häutig besucht. Der Pfauenkranich (Kronenkranich), G. pavonina, stammt aus Nord- und Westafrika und wird überall in zoolo- gischen Gärten gehalten. Gleich dem männlichen Pfau trägt das Männchen einen Schmuck auf dem Kopfe. Der Karunkelkranich ist nach den in der Augengegend be- tiudlichen, karunkelähnlichen Gebilden so genannt. Seriama, Dicholophus cristatus, lebt in Südamerika Insecten, Eidechsen, Schlangen, Amphibien, kleinen Vögeln und Säugetbieren. Trotz seines wohlschmeckenden Fleisches, das in Zartheit und Geschmack dem Htthner- Ilauptvertreter ist der Marabu, Lcptoptilus argala. Ev lebt in Afrika, hat einen nackten, fleischfarbenen Kopf und Hals, die nur spärlich mit kurzen Borstenfedern be- deckt sind und liefert in seinen prächtigen unteren Schwanzdeckfedern einen hoch geschätzten Damenputz, der sehr tbeuer bezahlt wird. Zu dieser Gruppe gehört ferner der Klatfschnabel, Anastomus lamelligerus, der Mittel- und Südafrika bewohnt und sich besonders von Sehnecken und Muscheln nährt. Dazu kommen der Jabiru, Abdimstorch, Maguani und Ajaja. Die Ibis- vögel sind vertreten in Threskiornis' religiosa, dem heiligen H)is, der von den alten Aegyptern göttlich ver- ehrt und einbalsaniirt wurde und auf aegyptiscben Denkmälern Während er früher in Aegypten dessen Bild man häufig und Inschriften findet recht häufig war, wird er jetzt dort seltener, kommt aber dafür häufiger in Nnbien vor. Der rothe Sichler, Falcinellus rufus, der an einem langen, bogenförmigen, verhältnissmässig dünnen Schnalicl, Schwänze breiten und und dichtem, Brütender Flamingo, Phönicopterus ruber L. Der von fleisch gleichkommen soll, wird er sorgfältigst geschont. Vielleicht trägt auch sein scheues und verborgenes Leben zu der Schonung bei. Zu den Reihervögeln gehört auch der auf seinem Neste ruhende Flamingo roseus (s. obensteh. Abbildung), der verschiedene Male in Deutschland verlegt wurde und der an der atlantisclien Küste nistende rothe Flamingo, Phoeni- copterus ruber. Die Störche sind vertreten durch den mittelafrikanischen Nimmersatt, Tantalus ibis, sogenannt wegen der Gehässigkeit, welche die Vögel zeigen und den in Brasilien häufigen Nimmersatt, T. loeulator. Aus Mittel- und Südafrika ist der Sattelstorch, Mycteria senegalensis, vertreten, der seinen Namen dem schwarzen Sattel auf dem rothen Schnabel verdankt. Durch einen nackten, herabhängenden Sack an der Kehle kennzeichnen sich die Kropfstörche, die in drei Arten auf die äthio- pische und orientalische Region beschränkt sind. Der abgerundeten Flügeln, kurzem kastanienrothbrauneu Gefieder kenntlich ist, lebt in den Donau- tiefländern. Weitere Arten sind der weisshanbige, kahlköpfige und Nippon-Ibis. Die Sumpfhühner oder Ral- len, Rallidae, sind vertreten in der Riesen-, Königs-, Sehwarz- schwanz-, Bänder- und Mada- gaskarralle. Am bekanntesten ist wohl der Wachtelkönig, Crex pratensis, der in Nordeuropa und Mittelasien zu Hause ist und in Deutschland als Zugvogel vor- kommt. Er lebt auf Getreide- feldern und feuchten Wiesen von Insecten und Sämereien, würgt auch gern junge Vögel. Im Mai kommt er mit den Wachteln zu uns und verlässt uns im September mit diesen wieder, deshalb Wachtelkönig. Im Frühling lässt er sein lautes, knarrendes Geschrei oft halbe Nächte lang erschallen. Sein Fleisch gilt als wohlschmeckend. An den egyp- tischen Seen lebt das Smaragdhuhn, Porphyrio smarag- notus. Sonst ist noch das indische Teiehhuhn, ameri- kanische Wasserhuhn und die Weckerralle zu erwähnen. Als Ueberleiter zu den Schnepfen sind die südamerika- nische Rallenschnepfe, die brasilianische Riesenralle, die afrikanische Sumpfralle und die Goldralle, Rhyn- chia capensis, deren Verbreitungsgebiet sich über einen grossen Theil Afrikas und Südasiens erstreckt, anzusehen. Eine grosse Familie der Stelzvögel bilden die Schnepfen- vögel. Der vier eigentlichen Schnepfen, die bei uns brüten, ist schon gedacht worden. Dazu kommen der Schnepfenibis, der Schnepfenläufer, Bartrams Sandläufer, die Terekschnepfe, der Schlammtreter und Schlamm- läufer, der Klippeuläufer, der Schlammstelzer, der Reiherläufer und der Kragen-Strandreiter. Zu ihuen gehört auch der niedliche Santlerling, Calidros avenaria, der im Norden der ganzen Erde seine Heimath hat. Gleichfalls im hohen Norden brütet der Seestrandläufer, Tringa maritima. Der merkwürdigste aller Strandläufer ist indess der sciion erwähnte Kampfläufer. Eine sonder- bare Gruppe der Stelzvögel bilden die gleichfalls im Norden wohnenden Wassertreter (Phalaropodinae) mit Ph. hyperboreus und Ph. falicarius, beide gleichfalls dem hohen Norden angehörend. Schlanker von Gestalt sind die Wasserläufer, Totaninae. Durch die Säbelschnabler, o32 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 44 mittelgrosse Strandvögel (Recurvirostra Avocelta), die Brachvögel (Numenius arquatas) und N. borealis, den Eskimobrachvogel wird die Ueberleitung zu den schon erwähnten Reihervögeln hergestellt. In ihrer Figur er- innert au die Reiher die Sonnenralle, Eurypyga solaris, die von Reisenden, welche das nördliche Südamerika be- suchten, nicht ganz mit Unrecht einem grossgeliederten Schmetterlinge verglichen wurde. „Das reizende, grau, gelb, grün, schwarz, weiss und braun gemischte Gefieder", ' sagt Schomburgk, „macht die Sonnenralle zu einem der schönsten dieser an glänzenden Vögeln so reichen Gegend, namentlich wenn sie Flügel und Schwanz, gleich einem Truthahn ausbreitet und in den Sonnenstrahlen spiegeln und schillern lässt." An stillstehenden oder ruhig fliessenden Gewässern wärmerer Länder, deren Oberfläche mit l)reiten, schwimmenden Blättern verschiedener Wasser- pflanzen, besonders der Wasserrosen bedeckt ist, leben die Blätterhühnchen, Paridac, in deren Gang auf den Blättern, die keinen andern Vogel von gleicher Grösse zu tragen im Stande sind, der Zauber liegt, mit welchem sie den Beobachter umstricken. Noch erübrigte es der Regen- pfeifer im engeren Sinne zu gedenken, der Kiebitze, welche hier Aufstellung gefunden haben. In den sUd- russischen und asiatischen Steppen kommt der Steppen- kiebitz, Ghettusia gregaria vor; eine fernere Art der Sippe, Chettusia leucura, bewohnt die sumpfigen Stellen Nord- und Mittelafrikas, die Nilländer, Turkestau, Afghanistau und Indien. Eine auffällige Erscheinung für den Reisenden ist in den oberen Nilländern der Sporenkiebitz. Während der Goldregenpfeifer, Charadrius pluvialis, sich durch ein goldgrüngelbes Gefieder kennzeichet, gleicht das des Mor- nel, Ch. morinellus, der Bodeufärbuug einer Gebirgshalde. Andere Kiebitze sind der Lappenkiebitz, der in der Augeugegend gelbe Hautgebilde hat, der schöne Bart- kiebitz, der schwarze Bartkiebitz, der Brustschildkiebitz, der Strandpfeifer, die europäisclic Brachschwalbe, Gla- rcola pratincola, die zu den südosteuropäischen Zugvögeln gehört und auch in Deutschland vorkonmit, allerdings äusserst selten, der Rennvogel oder Wüstenläufer, Cur- sorius gallicus, der die sandigen Wüstcndistricte Afrikas und Indiens bewohnt, und der Krokodilwächter, Pluvianus aegyptius, von dem schon Herodot erzählt, dass dieser lebhafte, im Nilgebiet heimische Vogel dem Krokodil nützt, indem er dasselbe durch sein Geschrei vor nahender Gefahr warnt und dessen Körperoberfläche von ansitzendem, kleinem Gethier reinigt. Als Verwandter unseres im Osten häufig nistenden Triel ist der australische Diekfuss anzusehen. Dazu kommen noch der Steinwälzer, schwarze Austernfischer und vScheidenmantel. Von exotischen Schwänen ist der Koskoroba zu erwähnen. Gleich den Schwänen haben die Gänse im Norden ihre Heimath. Durch einen Höcker auf dem Schnabel und zu starken Sporen ausgebildete Hornwarzen kenn- zeichnet sich die Sporengaus, Plectropterus gambensis, die ganz Mittel-, Ost- und Westafrika bewohnt. Australien bekundet sein eigenthümliches Gepräge durch die Hühner- gans, Cereopsis Novae-Hollandiae, die scheinbar immer seltener wird und deren Wildpret von den Reisenden als vorzüglich geschätzt und weit höher als das der euro- päischen Gans gestellt wird. Zu den Sporengänsen ist auch die Schwauengans, Anser canadensis, zu stellen, die sich durch einen schlankeren Leib und bunteres Gefieder von allen ül)rigen Gänsen unterscheidet. Ihre Heimath ist Nordamerika; sie wird aber immer mehr nach dem nörd- lichen Theile desselben zurückgedrängt. Die Nonuengans, Bernicla lencopis, gehört den Meergänsen an, die durch- weg verhältnissmässig klein und gedrungen gebaut, aber doch zierlich gestaltet sind. Verbreitet über ganz Afrika ist die Nilgans, Cheualopex aegyptiacus, die im Laufen mit der hochbeinigen Sporengans wetteifert, geschickt schwimmt, taucht und leicht und schnell fliegt. In Egypten wird sie wegen ihres Fleisches von Türken und Euro- päern gejagt, hat auch in den Adlern und Krokodilen gefährliche Feinde. Neben der Radja-, Rothkopf-, Sand- wichs- und Spiegelgans verdienen die Falklands- und Magellansgans Erwähnung. Zu den Höhlengänsen, die vorzugsweise Meeresbewohner sind und in H/ilden brüten, gehört die Brandgans, Tadorna viüpanser und die Fuchs- gans Australiens. Geringer au Grösse als jene haben sie mehr Aehnlichkeit mit den Enten, die in der grössten Form, der Rieseuente, aus dem südlichsten Theile von Südamerika und von den Falklandinseln vertreten ist; die Moschus- ente, bei deren 5 die Bürzeldrüse im Frühjahr ein nach Moschus riechendes Secret entwickelt, gehört Mittel- und Südamerika an. Die Schmuckenten sind vertreten durch die zu Nordamerika gehörende Brautente und die Man- darinenente, eine Bewohnerin Chinas. (Fortsetzung folgt.) Die Auslegung graphischer Darstellungen in der Anthroponietrie bildet den Gegenstand scharfsinniger Eröiterungen des Königlich italienischen Stabsarztes Dr. R. Li vi*), des Begründers der anthropologischen Militärstatistik Italiens. Bekanntlich bedient man sich in der Anthropologie zweier Darstellungsarten um Messungs- ergebnisse übersichtlich zu machen: nach der einen nimmt man aus den erhobenen individuellen Maassen das arithmetische Mittel (den „Durchschnitt"), nach der anderen ordnet man jene reihcnniässig in bestimmte grössere oder kleinere Gruppen und berechnet den Ver- hältniss-Anthcil, der in jede dieser Gruppen fällt. Die erste Art hat den Vorzug, das Gedäehtuiss nur nat einer einzigen Zahl zu belasten und eine leicht fassliche Vor- stellung zu gewähren, wogegen die zweite Art darin übeilegen ist, dass sie einen Einblick in die Beschaflen- licit der individuellen Fälle eröffnet. Dieser Einblick ^vird um so genauer, je kleiner und zahlreicher die Gruppen gewählt werden, allein im umgekehrten Verhält- *) „Sulla interpi-etazione delle curvo seriali in Autvopometria" per il Dott. R. Livi, Capitano meclico, „Atti della Societä Honiana ili Antropologia", Vol. III, l'aso. 1 — 18!)ö. nisse dazu steht die Uebersichtlichkcit. Man kann eine zusammengesetzte Reihe dadurch übersichtlicher machen, dass man sie graphisch darstellt, indem man die Maasse der Gruppen als Abscissen, die Häufigkeitsziffern als Ordinaten aufträgt und die Endpunkte der Ordinaten mit einander verbindet. Je nachdem dies durch gerade oder stetig gebogene Linien geschieht, bekommt man eine gebrochene Linie oder eine Curve, doch ist es Sprach- gebrauch, auch die erstere als „Curve" zu bezeichnen, weil man sich Ijewusst ist, dass die Gesetzmässigkeit der Natur eigentlich eine Curve verlangt und man diese in Gedanken unterstellt. Zeichnet man beispielsweise die Curven für die Körpergrösse oder für den Schädel-Index*) einer Anzahl von lAIenschen. so bekommt man Figuren, welche im allgemeinen, wie es zu erwarten war, der Gauss 'sehen Wahrscheinlichkeitscurve ähnlich sehen, deren Formel ist 1/ = r.-^l *) Unter Sehäd.'l-Index versteht man die Zahl, welche das Verhältniss des Breiten- zum Liingendurclimesssr der Schädel- kapsel ausdrückt ; dieses VerhiÜtniss ist ein wichtiges Kassen- nierkm.-il. Nr. 44. Naturwisseuschattliche Wocheusclirilt. .'i33 Diese Curve zeigt für ein mittleres Maass die {^rosste il:iufii?keit des Vorkoinniens, also einen abgerundeten Gipfel mit zwei symmetrischen Abhängen, weich' letztere in Haclien Hogen nach aussen wendend, sich der Abscissen- axe asymptotisch nähern. Für eine begrenzte Zahl von Einzelfällen bildet die Abscissenaxe natürlich keine .\symp- totc der Curve, sondern diese geht in einer gewissen Entfernung von der Symmetrielinie in die Abscissenaxe über. Auch sonst giebt es mancherlei Abweichungen zwischen Theorie und Praxis. lAIeist sind die Curven nicht streng s^-mmetriseh und, je kleiner die Zahl der be(il)achteten Fälle, desto weniger stetig. Manche Curve hat anstatt eines abgerundeten Gipfels zwei Spitzen, die mehr oder weniger weit von einander abstehen, und auch die abwärtsgehenden Arme der Curven lassen grössere und kleinere Höcker oder Einkerbungen erkennen. Die Auslegung dieser Unregelmässigkeiten spielt eine grosse Rolle in der Anthropologie und bildet den Haupt- gegenstand der Li vi 'sehen Erörterungen. Es liegt nahe, und man hat nicht gezögert, es auszusprechen, dass die beiden Gipfel auf zwei in ungefähr gleicher Zahlenstärke vorhandene Rassenelemente sehliessen lassen, deren ursprüngliche Versehiedenlieit sicli noch in der V.r- niischung ausprägt, und dass die sonstigen Hervorragnngen auf fremde Volksbestandtheile von geringerer Stärke hin- deuten. Li vi gelangt dazu, diese Anschauungen voll- ständig zu verwerfen, nnd seine Beweisführung scheint mir durchschlagende Kraft zu besitzen. Sie bewegt sieh in zwei Richtungen: 1. die genannten Unregelmässigkeiten der Curven können nicht von der Mengung zweier Typen herrühren, und 2. die Unregelmässigkeiten lassen sich durch Reobachtungsfehler und andere störende Einflüsse erklären. Bei Ziffer 1 verfährt Li vi synthetisch, bei 2 analytisch. Geht man von der Voraussetzung aus, man habe zwei verschiedene Typen vor sich, z. B. zwei Be- Fignr 1. Ermittelung der Grössencurve für eine je zur Hälfte aus zwei verschiedenen Rassentypen gemengte Bevölkerung, wenn die beiden Componenten bei einer Grösse von l.fio m und bezw. 1,72 m gipfeln. (Copie nach R Livi). völkerungen, die von ungleicher Körpergrösse sind, so lässt sich aus den Curven, welche die Körpergrösse jedes einzelnen Typus darstellen, mit Leichtigkeit die Curve des Gemenges ableiten. Der Einfachheit w-egen seien die beiden Typen gleich an Zahl, also jeder 50 % des Ganzen, dann hat man nur die aufeinanderfallenden Or- dinaten zu addireu und die Summe durch zwei zu theilen, um die Ordinaten der neuen Curve zu erhalten. (Fig. 1). Welches ist nun die charakteristische Gestalt der neuen Curve"? Wenn die Gii)fel der beiden ursprünglichen Curven nicht gar zu weit von einander abstehen, so ergiebt sich als Resultante keine zweigipfelige Curve, sondern eine solche, deren Seheitel nur etwas herabgedrückt ist und deren beide Arme abgeflacht erscheinen, da die Basis um den Betrag des seitlichen Abstandes der Sciieitel der ursprüng- lichen Curven verlängert ist. Der neue Scheitel fällt mit dem Durchschnittspunkte der beiden ursjjrünglichen Curven zusammen. Nur wenn die Körpergrössen der beiden Tyiien sehr weit von einander abstehen, sodass der Schnittpunkt der ursprünglichen Curven eine Ordinate hat, die noch etwas weniger beträgt als die Hälfte der Figur 2. Abände; ung des in Kgur 1 dargestellten Falles, wenn die Grössen der Componenteu weiter von einander abstehen und bei 1,58 m bezw. 1,74 m gipfeln. (Copie nach R. Livi). grössten Ordinaten an den Scheitelpunkten, macht sich bei der neuen Curve eine Einbiegung in der Mitte und eine Erhebung zweier getrennter Gipfel bemerklieh; diese Gipfel sind aber unter allen Umständen bedeutend niederer, als die ursprünglichen. (Fig. 2). Das charakteristische Merkmal einer Curve, in welcher zwei verschiedene Typen verborgen stecken, ist daher die Verflachung und Verlängerung der Curve. Besitzt eine Curve zwei nahe beisammenstehende Gipfel, so können diese un- möglich von dem Vorhandensein zweier verschiedener Rassenbestandtheile herrühren. Livi untersucht einige zweigipflige Curven, aus denen man solche Folgerungen gezogen hat und hebt hervor, dass jenen das wesentliche Merkmal der Vermischung, nämlich die Vcr flach ung gänzlich fehle. Diese Curven sind ziemlich steil und an der Basis nicht breiter als andere, welche sich auf anerkannt einheitliche Bevölkerungen beziehen und nur einen ein- zigen Gipfel haben. Auf Grund ähnlicher Untersuchungen wird ferner ge- folgert, dass die Hervorragungen, die sich in den Seiten- ästen zeigen, ebenfalls nicht die ihnen zugeschriebene Bedeutung haben können. Welches sind nun aber die Ursachen, durch welche solche Unregelmässigkeiten hervorgerufen werden"? Auch diese Frage hat Livi, wie schon angedeutet, eingehend untersucht. Eine ganz allgemein wirkende Ursache von Hervorragungen und Ein- kerbungen bildet der Zufall, die kleine Zahl. Je grösser die Zahl der Individuen, desto mehr verschwindet diese Ursache, desto regelmässiger wird die Curve. Livi thut dies durch Versuche mit Würfeln dar, indem er die jeder Augenzahl zukommende Häufigkeit theoretisch berechnet und dann die wirklieh eintretende Häutigkeit experimentell ermittelt. In der Tabelle und der graphischen Darstellung sieht man deutlich, wie die 10 Gruppen von je 100 Würfen von einander abweichen, wie aber bei der Sum- mirung in Gruppen von 200, 500 und 1000 Würfen die Ergebnisse sich mehr und mehr der Forderung der Theorie annähern und zugleich regelmässiger werden. Die arith- metischen Mittel, l)eiläufig bemerkt, stimmen besser über- ein und sind schon bei 100 Würfen fast so genau wie bei 1000. Eine andere Ursache von Unregelmässigkeiten be- steht in dem unwillkürlichen und oft unbewussten Be- streben der B e o b a e h t e r nach A b r u n düng der Zahlen. 534 Naturwisseuscliaftlicbc Wochenschrift. Nr. 44 An den grapliischen Darstellungen der Grössen von Wehr- pÜiclitigen aus Italien, sowie aus der dentsehen, fran- zösischen und italienischen Schweiz zeigt Li vi, dass die Hervorragungen meist bei solchen Ordinaten stattfinden, welche runden, mit 0 oder 5 endigenden Zahlen ent- sprechen, und er legt dies so aus, dass in diese Gruppen manche Individuen aufgenommen wurden, die nicht ganz das geforderte Maass hatten, aber durch die Beobachter vermöge des Bestrebens nach Abrundung der Zahlen trotzdem aufgenommen wurden. Auch bei diesen Curven sieht man im Uebrigen, dass dieselben um so regelmässiger gestaltet werden, je grösser die Zahl der Individuen ist; die Curve aus der italienischen .Schweiz, welche eine schwache Gruppe darstellt, ist die unregelmässigstc, die aus der deutschen die regelmässigste, w^eil auf grösseren Zahlen beruhend. Einer der merkwürdigsten Fälle von zweigipfligen Curven ist der durch Bertillon mitgetheilte von 16 707 Wehrpflichtigen des Departements Doubs in den Jahren 1858 bis 1862*). Dieser Fall wird in der anthropo- logischen Litteratur häufig als ein bezeichnendes Beispiel für das Vorkommen zweier Volkstvpen (Burgunden und Sequaner) eitirt, aber Livi weist nach, dass die EinSenkung zwischen den beiden Gipfeln der Curve lediglich Folge der Abrundung ist. Die Maasse wurden an den Wehr- pflichtigen genommen mittelst eines Metermaasses, und zwar von Ccntimeter zu Centimeter. Livi hat sieii das Ursprung- liclie Zahlenmaterial zu verschaffen gewusst, und die nach diesem construirte Curve zeigt nur einen einzigen Gipfel. Bertillon hat die ^laasse in Pariser Zoll um- gerechnet, und da nun manchmal zwei Centimeter-Inter- valle in einen Zoll fallen, manchmal aber drei, ergiebt sich eine künstliche Ungleicidieit in der Füllung der neuen Intervalle, von welcher die fragliche Einsenkung bezw. (las Entstehen zweier Gipfel herrührt. Obwohl ich selbst von der Berichtigung mitbetroffen werde, da ich in nieinei „Natürlichen Auslese beim Menschen" (Satz 44), die Angaben Bertillon s als Thatsachen annahm und verwerthete, so muss ich es doch für ein grosses Ver- dienst Li vis erklären, dass er der Legende so gründlich nachgegangen ist und sie zerstört hat, denn auch solche Irrthünier „erben sicii wie eine ew'gc Krankheit fort". Aclndich liegt der Fall bei der Berechnung des Kopf- Index aus der gemessenen Länge und Breite der Schädel oder Köpfe. Wir messen mit unseren Instrumenten von Millimeter zu Millimeter, und wir erhalten für den Index thcils ganze Zahlen, theils endliehe, theils unendliche Decimalbrüche. Die Weglassung der Brüche bezw. die Abrundung der Index-Zahlen hat zur Folge, dass in manche Intervalle mehr Fälle, in andere weniger Fälle kommen, als eigentlich kommen sollten. Diese That- sache hat Livi schon früher hervorgehoben**) und ich habe seine damaligen Ausführungen in meiner „Natür- lichen Auslese beim Mensehen" angenonnnen und benutzt (Satz 56). Gewisse Erhöhungen und Vertiefungen in den Index-Curven vergehen darum auch bei Heranziehung sehr grosser Zahlen nicht und können zu der Meinung verleiten, dass sie besondere ethnologische Eigenthümlich- keiten verriethen. Sie rühren aber nur von der Ab- rundung her und bezeugen nichts. Die Erörterungen Li vis betreffen eine der Grundlagen der Anthropologie und sind vermöge ihrer überzeugenden Klarheit sehr ge- eignet, darauf aufmerksam zu machen, wie vorsiciitig man bei der Auslegung von Zahlen und Curven sein muss. So hat z. B. der bedachtsame Erforscher der räumlichen Vertlieilung des Kopf-Index in Spanien, Professor Glijriz*), der sonst allen störenden Einflüssen unermüdlich nach- spürte, docli die von der Abrundung des Index her- rührenden sich entgehen lassen und aus der Zweigipfelig- keit der Curven ziemlieh weitgehende Schlüsse gezogen, die nun einer Revision bedüifen. Man wird nicht ver- fehlen, auch in Deutschland bei allen künftigen Unter- suchungen den Fehlerquellen Rechnung zu tragen, welche der italienische Anthropologe mit einem so l)edeutenden Aufwand an Geduld und Scharfsinn aus Licht gehracht hat. Ihm gebührt Dank und Anerkennung, welche ich ihm für meinen Theil hiermit aussprechen möchte. Livi hat indessen den Gegenstand nicht völlig erschöpft, denn es giebt noch weitere Einwirkungen auf die Gestalt der Curve, von denen er keine Notiz genommen hat. Wenn wir beispielsweise finden, dass die Curve des Schädel- Index der heutigen süddeutschen Bevölkerung, welche bekanntermaassen eine vielfach gemischte ist, durchaus nicht plattgedrückt und verbreitert erscheint, sondern fast so hoch und schmal ist wie die Curve der Reihen- gräbersehädel alter Germanen, nur um 6 Einheiten nach der Seite der Kurzköpfigkeit hin verschoben, so müssen doch gewisse Ursachen für den Mangel an Abplattung vor- handen sein. Eine Hauptursache ist sicherlich die natür- liche Auslese. Die natürliche Auslese strebt darnach, die extremen Fälle auszumerzen und dadurch die Individuen mittlerer Beschaffenheit verhältnissmässig zahlreicher zu machen, also die durch Mischung flachgedrückte Curve wieder zu erhöhen und zu verschmälern. Mit anderen Worten, Li vis construirte Curven gelten nur für mechanische Gemenge, nicht für Verschmelzungen, die durch Kreuzung hervorgerufen werden. Ein anfangs aus Individuen zweier Rassen bestehendes Gemenge unterliegt aber im Laufe der Zeit der Kreuzung und der natürlichen Auslese, welche nun ihrerseits auf die Gestalt der Curve ein- wirken. Dieser Gegenstand eröffnet weite Fernsichten und ist zu wichtig, um so gelegentlich abgethan zu werden ; hiervon ein ander Mal. 0. Ammon. *) Bulletin de la Society d'Anthi'opologie de Pai'is" 1863, ab- gedruckt in den „Annales de Demogi-.aphie" 1882; auszugsweise in „Die natürliche Auslese beim Menschen" vVin Otto Ainmön, Jena 1893. (Satz 44.) . .**} ,^'Indice cefalico degli Italiani-', Firenzo 1886. P. Schmidt, Beitrag zur Keiintiiiss der Lanf- spiiiiieii (Araneae Citigradae Thor.) Kns.slaiirts. (Zool. Jahrl). Abtlicil. f. Systematik Bd. 8. 1895). — Die Arbeit ist das Resultat der llcarbeitung eines Theiles der Spinnen- sammlungen des zoologischen Museums der Kais. Aka- demie der Wissenschaften und der zoologischen Museen der Universitäten in St. Petersburg und Moskau. Verf. wählte deshall) die Unterordnung der Laufspinnen, weil gerade diese Unterordnung in faunistischer Beziehung für das russische Reich am charakteristischsten sein dürfte, da ja die Laufspiunen unter allen Spinnen die Hauptbe- wohner des Flachlandes, der Steppen und Wüsten sind. Es fanden sich in den betreffenden Sammlungen unter 56 von Schmidt bestimmten Arten 3 ganz neue, 12 für Russ- land neue und mehrere sehr interessante und ungenügend bekannte Arten. Für letztere werden die mangelhaften Diagnosen der älteren Autoren durch ausführliche neue Diagnosen ersetzt. Am Ende der Arbeit giebt der Ver- fasser ein Verzeichniss sämratlicher bis jetzt in Russland beobachteten und beschriebenen 104 Arten von Lauf- spinnen mit kurzen Angaben ihrer geographischen Ver- breitung, wovon allein 37 Arten nur aus Russland be- kannt sind; gewiss ein schöner Beweis für die Eigen- artigkeit der Laufspinnen Russlands. Ein ferneres Ver- zeichniss bringt die die Laufspinnen Russlands betreffende Litteratur. R. *) „Distribueiön gcogräfica del Indiiic ceftilico en Espan:i''. por el aiitor Don Pederico C)loi-iz. Catedratico de Anatonna de la Facultad de Medecina de Madrid. — Madrid 1894. Nr. Naturvvisscusehaftliche Wochenschrift. 'ÖÖD Aus dem wissenschaftlichen Leben. IM-Munnt. «iinicn: Drr l'iivatdoci'iil drr ( l|ii eHlii'ilUuii(lt' zu Königsberg ytalisaiv.t Dr. l'aul Ostmanu zum aiissoi-onlcntliclien l'rofessor; ilcr Dii-ector des Vieh- und .Schlachtliot'cs in iVIünehen Alngiii zum Docenlen an der tliierärztliclien Hncliscliulc daselbst; Dr. Duchiu.\ zum Leiter des Institut Pasteur in l'aiis, Dr. Roux zu seinem .Stellvertreter. Berufen wurden: Der ordentlielie Professor der Chirurgie und Diri'Ctor der ehirurgischen Klinik in Giittingcn Dr. Kranz König als Nacdifolger Bardclebens naeh Berlin ; der ausferordentlielie Professor der Chemie in Bonn Klinger als ordentlicher Professor naeh Kiinigs- berg; der Privatdocent der pharmaceutisehon Chemie in Marburg Dr. Part heil als ordentlicher Professor nach Bonn; Dr. J. P. Kueneu auf den neuen Plarris-Lehrstuhl der Physik am Uni- versity College, Dundee; der Professor der Physik und Geologie an der llniversitiit Colorado W. S. .Strong an das Rates College. lis starben: Der Geologe Dr. Stajjff in Ostafrika; der be- kannte Breslauer Arzt Dr. Otto Janicke; der Director des bo- tanischen Gartens in Bukarest Professor Di m il ri Brändza; der Botaniker und Afrikaforscher Dr. Riva in Rom; der Zoologe Prof. ('. \'. Riley in VV.ashiugton. L i 1 1 e r a t u r. Alexander Baumgartner, S. J., Keisebilder aus Schottland. .Mit einem Titelbilde in Farbendruck, ".'o Te.\t- unil U) Ton- bildern. 2. verb. Autl. Herder'sche Veringsb Freiburg im Breisgau ISÜö. — Preis 7,-50 M. Die Reisebilder aus Schottland bilden den 3. Band „Nor- discher Fahrten, Skizzen und Studien" des Verfassers, von denen wir die beiden ersten „Island und die Faröer" und „Durch Skandi- navien nach St. Petersburg" in Band VI auf S. 531 (Nr. .5-2) an- gezeigt haben. Wir könnten das dort lobend Ge.-agte bei Be- sprechung des vorliegenden Bandes hinsichtlich Inhalt und Ab- bildungen nur wiederholen und müssen uns daher darauf beschränken, die Inhaltsüberscbriftcn der einzelnen Capitel an- zugeben. Sie lauten: I. Von Stonyhurst nach Glasgow, II. Glasgow. IIP Am Clyde, IV. Im Lande der Seen, V. Von Clyde nach Ohan, VL Oban, VII. Jona, VIII. Stafi'a, IX. Die äusseren Hebriden, X. Glencoe und der Caledonische Canal, XI. Fdinburgh, XIL Eine Arbeiterdemonstration in Edinburgh, XIII. Hawtlioniden und Roslin. XIV. Die Ruinen von Mebrose, XV. Abbotsford und Dryburgb, XVI. Schottische Städte. Balmoral. XVII. Die Trossachs. Loch Ivatrine. Loch Lomond. In der vorliegenden neuen Aufl. finden sich 11 Illustrationen mehr als in der früheren und einige zeitgemässe Aenderungen (die 1. Aufl. erschien 1884) sind vorgenommen worden. E. T. Newton, ( in a Human Skull and Limb-Bones found in the Paleolithic Terrace-Gravel at Gallev Hill, Kent. — «^tuart. •lourn Geolog. Soc, August 189.3, S. 506-.'J27, nebst Tafel XVI. In dieser interl^ssanten Abhandlung werden Menschenreste (ein Schädel. Beinknochen etc.) besprochen und beschrieben, welche 18K,S von Robert Elliot, einem eifrigen Sammler palaooli- thischer Instrumente, in einem Terrassen-Kies bei Gallev Hill, unweit Northflect in Kent. gefunden worden sind. Der Schädel ist auffallend lang und schmal; zugleich besitzt er stark vor- springende Augenbrauenwülste, wenn auch nicht so stark aus- gebdilet, wii' der bekannte Neanderthal-Schädel sie zeigt. Vom Unterkiefer ist die rechte Hälfte erhalten, wenngleich im lädirten Zustande; sie enthält noch alle f> Backenzähne. Letztere sind verhältnissmässig gross und breit*), was namentlich in Bezug auf den letzten Molar hervorzuheben ist. Ks werden eingehende Vergleichungen mit anderen diluvialen Mensclienresten angestellt, insbesondere mit denen von Spv in Belgien, vom Xeandertbal und von Cro Magnon. Schliesslich werden die Fundverhältnisse sehr genau besprochen und die etwaigen Zweifel an dem diluvialen Alter der mensch- lichen Reste von Gallev Hill discutirt. Leider sind fossile Thier- reste bisher an der betreft'enden Fundstätte nicht gefunden *) Der von mir in dieser Zeitschrift, 1895, S. 371 besc hriebene untere Molar (m 1) aus dem Diluvium von Taubach ist 11,7 mm lang. 9,9 mm breit, der entsprechende Zahn von Galley Hill misst 1 1,5 mm : 10.8 mm. \y(irden; dagegen bat man dort eine ansehnliche Zahl von palaeo- lithischen Feuerstein-Instrumenten gesammelt, von dt^nen sechs auf S. .■>23 abgebildet sind. Nach Newton's Ansicht ist das dilu- viale Alter der betreffenden M(>nschenreste kaum zu bezweifeln. Mag man über das geologische Alter derselben denken, wie man will, in Jedem Falh' ist die vorliegende Abhandlung eine sehr beachtonswertho Publication. Prof. Dr. Nehring. Alfred Möller, Protobasidiomyceten. Untersuchungen aus Brasilien. .Mit IG Tafeln. Botanische Mittheilungen aus den Tropen. Herausg. von A. F. W. Schimper Heft 8. Gustav Fischer in Jena 1895. - Preis 10 Mk. _ Der Inhalt dieser bemerkenswerthen Arbeit ist für die Myco- logie von so weittragender Bedeutung, dass wir in einer der nächsten Nummern der „Naturw. VS^ociienschr " ein ausführliches Referat unter den kleineren Mittheilungen bringen werden; wir begnügen uns daher an dieser Stelle mit der vorläufigen Anzeige derselben. Prof. Dr. A. Bernthsen, Kurzes Lehrbuch der organischen Chemie. 5. Aufl. bearbeitet unter Mitwirkung von Dr. Eduard Buchner. Friedrich Vieweg & Sohn. Braunschweig 1895 — Preis 10 M. In dem vorliegenden Lehrbuch (es umfasst Klein-Oetav XVI und 573 S.) hat Buchner, der im Lehrfache als Privatdocent steht, seit der 4. Aufl. wesentlich mitgearbeitet. Prof. Bernthsen, früher Professor an der Universität Heidelberg, ist jetzt Vorstand des Hauptlaboratoriums der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik, und hat .als solcher nicht mehr in gleicher Weise die Gelegenheit, stets das g.anze Gebiet von Amtswegen durchzugehen. Die Heran- ziehung einer jüngeren Kraft lag daher durchaus im Interesse des Buches. Den vereinten Kräften der beiden Genannten ist es gelungen, ein treft'liches Werk zu schaffen, dass auch weiterhin mit Vorliebe namentlich von den .Studirenden, aber auch sonst zum Nachschlagen benutzt werden wird. Bei dem schnellen Fort- schritt auf chemischem Gebiet sieht jede neue Aufl. wescntlicli anders aus als die vorhergehende. Auf eine consequente Classi- fication der Verbindungen ist besonders geachtet worden und in diesem Interesse haben mehrere derselben in der Neu-Anflage — so Indigo, Indamine, Thiophten, u. s. w. — eine Umstellung er- fahren. Dr. Carl Oppenheimer, Grundriss der organischen Chemie. Boas u. Hesse. Berlin 1895. — Preis 2,40 Mk. Das kleine Büchlein hat sich die grosso Aufgabe gestellt, das Verständniss der organischen Chemie dem Anfänger zu er- schliessen. So weit es sich hierbei an bewährte JVIuster hält, dürfte es dieser Aufgalie gerecht werden. Denn als etwas wesent- lich Neues ist i\s doch kaum zu bezeichnen, dass die Trennung in „Allgemeines' und in die Bes(direibung der einzelnen Verbindungen, die sich in anderen Büchern bei jeder Körpergruppe findet, hier das Ganze in zwei Theile zerschneidet. Die Kürze, deren der Verf. sich beflei.ssigt, hat ihn vielfach zu einer Oberflächlichkeit verleitet, die zuweilen den Gedanken nahelegt, er sei selber über das Anfängerstadium noch nicht weit heraus und habe noch mehr zu lernen als zu lehren. Fragen, die sich beim Durchlesen der lapidaren Sätze unwillkürlich aufd längen, bleiben durchaus unbe- antwortet, viele Verbinduiigsgruppen werden in ganz ungehöriger Weise durcheinander geworfen; so findet man z. B. über die für die Synthese wichtigen Zinkalkyle und anderen metallorganischcn Verbindungen im allgemeinen Theil gar nichts, im speciellen eine höchst dürftige Notiz bei den — Aminen. Die Isomerie der Disubstitutionsiiroduete des Benzols ist besprochen, von Trisuli- stitutionsprodueten ist hingegen keine Rede mehr. Das Büchlein enthält alier auch directe Unrichtigkeiten. So wird als Fundstelle für Theobromin Thee und Kaft'ee, für Cocain gar die Kolaiiuss angegeben. Wir können daher beim besten Willen das Werkchen keinem Andern als dem Verfasser, und zwar zu eingehemler Um- arbeitung, empfehlen. Spiegel. Ethnologisches Notizblatt. Herausgegeben von der Direction des Köuigl. Museums für Völkerkunde in Berlin. Verlag von A. Haack in Berlin. Diese neue Zeitschrift soll in zwanglosen Heften (2 davon liegen bis jetzt vor) erscheinen. Inhalt: V JI<>i't"ig- Uie Krebsthiere der Provinz Brandenburg. (Forts.) — Die zoologische Sammlung des königlichen Museums für Naturkunde zu Berlin. (Forts.) — Die Auslegung graphischer Darstellungen in der Anthrnpnmetrie, — Beitrag zur Kenntniss der Lautspinnen (Araiieae Citigradae Thor.) Kusslands. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — ülteratur: Alexander Baum- gartner, S. J., Reisebilder aus Schottland. — E. T. Newton, On a Human Skull and Limb-Bones found in the Paleolithic Terrace- Gravel at Galley Hill, Kent. — Alfred Möller, Protobasidiomvceten. — Prof. Dr. A. Bernthsen, Kurzes Lehrbuch der organi- schen Chemie. — Dr. Carl Oppenheimer, Grundriss der organischen Chemie. — Ethnologisches Notizblatt. 53B Naturwissenschaftliche Wochcaschrilt. Nr. 44. Ernst Meckel, Mechaniker. BERLIN NO., Kaiserstr. 32. Werkstatt für Projektionsapparate. Scioptikon m. Kaiklicht- brenner, M« I00| bezogen bereits von mir: die Herren: Gch.-Ratb Prof. Dr. Post, Tech- nische Hochficbule, Merlin; Prof. Dr. C. F. Meyer, Stettin; A. Hirt, Dresden; Dr. P. Schwahn, ^Urania", hier ; Jens Liltzen, hier; Dr. Burstert & FÜratenberg, hier ; W. Nean- der, Hannover ; Dr. BÖ wer, Hildesheim: H. Weinpe, Oldenburg'; Prof, Dr. Mascow, l'vrilz ; Prof. Dr. Krankenha^ren, Stettin: Prof. Dr. Scilentin. Elberfeld ; Prof. Dr. Credner, Greifswald ; Dr. Schmidt. Criin- iniJschiiu; W. Tiuibtrt, Kudo]f;tadt u. a. I Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan Berlin N., Tegelerstr. 15. I Sammlungs-Schränke für Sammlungen jeder Art in den verschiedensten Ausführungen. Rudolph Zwach Tischlermeister. BERLIN, Invalidenstrasse 101. Liefi-rant der Königl. Berg-Aka- demie, Landwirthschaftl. Hoch- Sfliule und Museum für Natur- kunde. In Fertl. Uümmlers Verlagsbuch- bandluiig in Berlin SW. 12 erschien: Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am köngl. Realgymn. in Berlin. 444 Seiten gr S, PrfistlM.. geb. 7 M. IIPKOSPECTGBATISf.rEBFIMDER if I '^m[^^'^M!E^Mm-.'^ 1^:^ü ÄRPADB&UER,JNG.EEIiLi(J,M.3l,Slrah.T,dSi36, Erfindungen, Neuheiten, Modelle jeder Art werden zu- verlässig, billig, discret in meiner Spe- cialwerkstatt ausgearbeitet und angefer- tigt, auch brieflich. W. Maaske, Mechau., Berlin N., JSchwedterstr. 31. 9. PATENTBUREAU Qlrich T{. Jylacrz Berlin NW., Luisenstr. 22. ■ Cejrünier 1878.- - Patent- Marken- u. Musterschutz für alle Länder. ie künstlerische ^> Herstellung * von lUustrationen und Zink- cliches jeder Art und nach belielii^^er Vorlage, für wissen- schaftliche und gewerbliche Zwecke, wird in meinem Insti- tut seit .Jahren geijHegt. Die Abbildungen in dieser Zeit- schrift gelten als Proben meines Verfahrens. Albert Frisch, Berlin W. 35, Lützowstr. 66. \^smmM^m^^Mm |crb. Diiimiilcro ücrlnpliiidjljniibliius in Ötrliii SW. 12, ^imincrllr. 94. Soeben eridjieii: fialfcr cf-ricötid) al^ Stuöcut Mii umHH-öffcnl[id)fcm TJJTateriat auo bcm Tictd)[arfc Äaifer 3tvicörid)s, einem f itctBil'6. lö Bßßilbungcn, autoavapljifcOen 53 fötfern Jc 96 gettcn gr. 8". 5(5ret§ geheftet 1,50 3Karf, cleg. geb. 2 Start. giini evften SJfale erfäfivt in biefer S^rtft bie 93onner ©tubentcn^cit be§ nn^malitjcn Saifer ^r'^^^rif^/ tt)eld)e für feine (Sutiuirfeliinq «on inaf?gebenbf^ter IScbeutnng geluefeu ift, eiutjel)enbe ©d^ilberuni]. "Sie 3lrbeit entliält oielcS bigl)cr nu: oeröffentlidjte 3)lateriat, barunter nomenttid) eine Ü?eil}e non Briefen be§ fpäteren Saifer ^riebrid) unb ber Ä'aiferin Slngufta, weld)e bog t)5d)fte ^ntereffe erregen bürften. d-ricbrid) UJiUjelm öiT Bicrtc. 3ii feinem KlOiäfiügea ©cfiacfsfag 15. ®^fo6ci: 1895. <£ine cscfdjidjtlidjc 5tu5ic. 5ßon Dr. ^ötnxtnö g^rte^entaittt- 48 ©citcn gr. 8". ?^rciä gef)cftct 1 9Jiart. znz: ;^H bcjicdcn turd) ntte Qjud)l)nnbtiinflcu. : BERLIN NW. Luisenstr. ♦ ♦ 58. « ♦♦»♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Hempels Klassiker-Ausgaben. Au.sfiiltrl. :>]iccialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. ♦««♦♦<'♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Wiimbiiii,) Oilliti &: E@.-,i BERLIN C, Niederlage eigener Glashüttenweriie und Dampfschleifereien. Mechanische Werkstätten, Schriftmalerei und Anstalt. Emaillir- Fabrik und Lager sämmtlictier Apparate, Gefässe und Ge- räthe für wissenschaftliche und technische Laboratorien. 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Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den 10. November 1895. Nr. 45. Abonnement: Man abonnirt bei allen Bucbhandlunpen und Post- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrapreis ist JC 4,— Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. i Inserate : Die vierj^espaltene Petitzeile 40 ^. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Bellagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbiireaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger <(aellenansabe gestattet. Der III. Internationale Zoologencongress zu Leiden (16.— 21. September). Der diesmalige Schauplatz der Tliätigkeit des Con- gresses, Leiden, war entschieden glücklich gewählt. Besitzt doch Holland hier iu seinem „Rijks Museum van uatuurlijke Historie" eine der grossartigsten zoologischen Sammhingen, die es auf dem Erdballe giebt. Ja, unter seinem friiiieren Director Schlegel, einem Deutschen, nahm diese sogar unbestritten den ersten Platz ein. Wenn sie auch heute von dem Londoner und wohl auch dem Ber- liner und Pariser sowohl an Umfang wie iu der Art der Aufstellung überflügelt ist, so beansprucht es auch heute noch in zoologischen Kreisen das höchste Interesse. So war denn auch die Betheiligung an dem Congresse recht rege. Allein das deutsche Keich war ebenso wie Oesterreich nur in schwacher Zahl vertreten. Dies hatte wohl seinen Grund in dem zeitlichen Zusammenfallen des Congresses mit dem Naturforscher- und Aerzletage zu Lübeck. Nachdem unter den üblichen Ansprachen der Congress durch den Minister des Innern van Houten und den Präsideuten Dr. Jentink, Director des zoologischen Mu- seums, eröffnet war, fand die erste allgemeine Sitzung statt. Wir heben von den Vorträgen nur die wichtigsten heraus. Weismann (Freiburg) sprach über den weiteren Ausbau der Selectionstheorie. Gegen dieselbe sind in der letzten Zeit von verschiedener Seite, u. a. von Huxley, Zweifel erhoben worden. Dem kann W. jedoch nicht beipflichten. Er sieht vielmehr in diesen Aeusserungen nur einen Rückschlag, der als Folge der Ueberschätzung, welche die Theorie bei ihrer Aufstellung in der wissen- schaftlichen Welt fand, nothwendig eintreten musste. An dem Beispiele von Schmetterlingen, besonders Callima inachus, zeigt W., dass die blattförmige Zeichnung ganz unabhängig von dem Geäder der Flügel ist. Die Haupt- rippe des Blattes besteht z. B. aus zwei Stücken, welche nur in ruhender Stellung des Schmetterlinges an einander passen. Die Zeichnung ist also nicht durch innere Triebe, (Nägeli, Askenasy), sondern durch äussere Directive zu erklären. Nach der Selecliou kaun mau die Blattzeich- uung durch eine langsame Entwickelung erklären, wenn man annimmt, dass die richtige Variation immer am rich- tigen Platze eintritt. Dass die Zeichnung langsam und allmählich vorgeschritten sein muss, dafür spricht, dass man auch heute noch Insecten in den verschiedensten Stadien der Entwickelung derartiger Zeichnungen — z. B. findet sich die Zeichnung erst nur auf einer Seite — antrifft. Wie kommt es nun, dass die nützlichen Variationen stets vorhanden sind? Darauf vermag die Personalselection im Sinne Darwin's und Wallace's nicht zu antworten. Auch die von Roux zur Ergänzung der- selben aufgestellte Histonalselection versagt hier. Diese Lücke sucht W. nun durch seine Theorie der Germinal- selection (der Selection im Keime) auszufüllen. Die Variationsrichtung eines Theiles muss durch die Nützlichkeit bestimmt werden. Die ganze künstliche Züchtung beruht ja darauf. Ist eine Variation einmal da, dann gelingt auch durch künstliche Züchtung die Steigerung, d. h. die Veränderung der erblichen Anlage, der Keimesanlage. Jeder selbst und erblich variable Theil des Keimes entspricht nach W. einer Determinante. Diese schwanken um einen Nullpunkt, der sich nun fort- während seinei'seits verschiebt, je nachdem die Variation nach oben oder unten fortschreitet. Dies erklärt das Auftreten neuer Abänderungen. Es müssen die Anfangs- stadieii aller thatsächlich stattgehabten Veränderung Se- lectionswerth gehabt haben; die Anfänge müssen sich steigern, sobald Personalselection hinzukommt. Der Schwund der nutzlosen (rudimentären) Organe findet erst durch W.'s Theorie eine befriedigende Erklärung. Ein Theil eines Organes wird nicht nur ernährt, sondern ernährt sich auch selbst. Kräftige Determinanten werden daher im Keime auch kräftiger wachsen. Die Variation nach der negativen Seite hin beruht nur anf schwächerer Ent- wickelung der Determinanten des Keimes. Die Durch- schnittsdeterminanten des nutzlosen Oi-ganes befinden sich fortwährend den anderen gegenüber im Nachtheile, weil ihnen nicht wie diesen durch Personalselection aufge- holfen wird. 538 NatuiwisseuscbaCtlielic Woclicnsclirift. Nr. 45. Wenden wir diese Erklärung' auf die Vergrösseruni^ eines Org-anes an. Auch hier wird, sobald Personal- selection die Variabilität einer Determinante begünstigt, diese dadurch veranlasst, in den Entwickelungsprocess nach vorwärts einzutreten. Diese Erklärung hat auch bei Qualitätsänderungen, die ja meist auch solche der Quanti- tät sind, Gültigkeit. Auch die Mimicry erscheint nur verständlich, wenn die nützlichen Abänderungen durch innere Auslesevorgänge im Keime hervorgerulen werden kihuien. Ueber die bei der Theorie vorausgesetzten Keimes- anlagen wissen wir noch wenig. Herbert Spencer macht eine entgegengesetzte Annahme, wie W. Er nimmt gleiche Beschatf'enheit aller Theile der Keimsubstanz an. Dann mussten aber alle Determinanten in jedem Thcilchen des Keimes enthalten sein. Sind aber alle t^inheiteu gleich, dann kann kein Kampf untereinander statttinden! Daher ist diese Annahme eine Evolutionstheorie. Die Germiualselectiou ist nach W. die letzte Conse- quenz der Anwendung des Malthus'schen l'rincips auf die lebende Natur. Vorläufig sei die Theorie, welche im formalen Sinne eine befriedigende Erklärung gel>e, nur eine Formel, mit der sich gut rechnen lasse, ihre Riciitig- keit sei jedoch damit noch nicht erwiesen. Der äusserst interessante und geistvolle Vortrag fand den verdienten lebhaften Beifall des Congresses. Victor Mensen (Kiel) sprach über den Zweck, Ziel und Methode der Plankton - Untersuchungen. Als wichtigstes Resultat derartiger Forschungen ist hervor- zuheben, dass die Methode deu Prt)centsatz der ver- schiedenen Thierformen eines Fanges zu bestimmen, sich als durchaus exact erwiesen hat, so dass mau darauf weitere Untersuchungen aufbauen kann. Marsh (New-Haven) behandelte die verwandtschaft- lichen Beziehungen und die Classification der Dinosaurier, jener interessanten Gruppe der Reptilien, der die grössten aller Landbewohner angehört haben. M. zeigte dazu eine Anzahl Darstellungen von ihm restaurirter Skelette, die meist ans dem Connecticut - Thale stanmien, vor. Ueber die bekannten Fussspuren aus dem Connecticut-Sand- steine, die früher als Vogelfährten gedeutet wurden, dann aber neuerdings Amphibien oder auch Dinosauriern zu- geschrieben sind, ist M. auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Ergebnisse gelangt, dass sie von letzteren her- rühren. Es kommen häufig grosse dreizehige Spuren (von Hinterfüssen) mit kleinen vierzehigen (von Vorder- füssen) im Zusammenhange vor. Diese rühren von auf- recht gehenden Formen her, die sich nur zeitweise der schwachen Vordcrfüsse als Stütze bedienten, wenn sie, wie z. B. hier, im weichen Schlamme einsanken. Büttikofer (Leiden) theilte einige der vorläufigen Ergebnisse der niederländischen Expedition nach Central- Borneo (1893/94) mit, an der er als Zoologe theilgenommen; die Expedition fand sehr zweckmässiger Weise nicht zu- sammenhängend statt, sondern jeder einzelne wissen- schaftliche Theilnehnier hatte fast vollständige Freiheit, sein Arbeitsfeld zu wählen und seine Reise so einzurichten, wie sie seinen Zwecken am besten entsprach. Die Ex- pedition erstreckte sich von Pontianak an der Westküste aus über das Gebiet des Kapuas und seiner Nebenflüsse. Es wurden in den verschiedensten Höhenlagen Stationen angelegt und von hier aus die jedesmalige Umgegend möglichst gründlich durchforscht. Im (juellengebiete des Mandat, eines linken, oberen Zuflusses des Kapuas, im Bereiche des von Molengraafi'duri'hforschtcn und benannten „Müller-Gebirges" fand man auf den Hochfiächen Wälder von schlanken Coniferen. Durch die hier ausserordentlich flp])ig wuchernde Moosvegetation, die den Boden knietief bedeckt, haben auch die Baumstämme in Folge oft meter- dicker Mooslagen einen riesigen Scheinumfang. Die Waldblutegel, die Plage der Bergwälder Borneos, machten sich hier besonders unangenehm bemerkbar; sonst war die Fauna auf den Hochfiächen gegenüber derjenigen der Gehäuge und Thalgebiete arm. Die riesige Ausdehnung der Wälder auf Borueo musste natürlich die Untersuchungen wesentlich auf die Flussgebiete, die allein gangbar sind, beschränken. Wenn natürlich auch dadurch die reiche Ausbeute etwas einseitig wurde, so lässt sich dennoch das Ergebniss mit Bestimmtheit hinstellen, dass die Vogel- und Säugethier- tauna der grossen Insel gegenwärtig schon sehr gut be- kannt ist. Ja Borneo ist in dieser Hinsicht die best- erforschte Insel des malayischen Archipels. In dem gi'ossen, von B. durchreisten Gebiete macht sich in der Säugethierfauna ein eigenartiges Ueberwiegen der Baum- bewohner bemerklich. Fast alle Raubthiere sind Bauni- bewohner und von den 66 Säugethiereu leben 52 auf Bäumen. Wahrscheinlich findet diese Erscheinung ihre Erklärung in der schon erwähnten, sehr umfangreichen Verbreitung der Wälder, sodann aber auch in den aus- gedehnten jährlichen Uebersehwemmungen, welche in der Regenzeit die Flussgebiete überfluthen. Ueber die Verbreitung des (»rang-Utang, der auf die Bergwälder nördlich vom Kapuas beschränkt ist, in Baum- kronen lebt und ein dem grosser Raubvögel ähnliches Nest hat, machte B. noch weitere Mittheilungen. Leider musste der sehr vorgerückten Zeit wegen der interessante Vortrag, den eine reiche Ausstellung werthvoller Photo- graphien begleitete, vorzeitig abgebrochen werden. Lütken (Kopenhagen) besprach und legte die haupt- sächlich von dänischen Forschern angestellten Unter- suchungen über die Höhlenfauna von Lagoa Santa (Bra- süien) vor. Sie setzt sich aus Aft'en, Chiroptereu, Raub- thieren, Marsupialiern und Vögeln zusammen. Aber es sind in ihr auch eine ganze Reihe von menschlichen Schädeln gefunden. Die Fauna kann, obwohl sie einige ausgestorbene Arten enthält, nicht älter als mehrere tausend .Jahre sein. Wardell Stiles (Washington) besprach die Revision der bei den Leporiden auftretenden Cestoden. Es ergiebt sich daraus, dass keine europäische Form in Amerika vorkonmit. Julin (Lüttich) theilt als Ergebniss der von seinem Schüler R. Legros angestellten Untersuchungen über die Entvvickelung und den Bau der Geschlechtsorgane bei den Aseiden und Amphioxus ungefähr Folgendes mit: „Die Bildung der Geschlechtsproduete zeigt bei beiden die grösste Aehnlichkeit. Die Ovarial- und Testikel- gebikle sind denen bei Amphioxus homolog. Das ein- fache Epithel, welches das Keimepithel der Geschlechts- organe bei den Ascidien bedeckt, bildet mit dem Epithel der Ausführungsgänge dieser Geschlechtsorgane ein Homologon zu den äusseren und inneren Epithellagen, welche die Oberfläche der entsi)rechenden Gebilde bei Amphioxus bekleiden. Durch diese Nachweise werden die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Ascidien und Amphioxus, welche zuerst durch Kowalewsky's schöne Untersuchungen ins rechte Licht gerückt wurden, noch enger. Scott (Princeton) hielt einen Vortrag über die grossen Seenbecken, welche einst in der Tertiärzeit im mittleren und westliehen Nordamerika fluthcten und in ihren ununter- brochen auf einander folgenden Ablagerungen eine reiche Wirbelthierfauna überliefert haben. Diese hat den Gegen- stand eingehender Studien des Vortragenden gebildet. Nicht nur erlauben diese Ablagerungen eine Parallelisirung mit den schon länger bekannten europäischen, worauf wir mit Rücksicht auf den hier zu Gebote stehenden Nr. 4r). Naturwissenschaftliche Woclicnschrift. 539 Kaum iiiclit näher einj;elK'ii krinuen, sondern die in ihnen erhaltenen Sängethiere hereichern auch in grossem Uin- tanu:e unsere Kcnntniss über die Staniinentwickelunü: mancher Formenkreisc, i'ii)er die Entwickciungsijesetze und die Waiidcruni;eii der Thiere. Ferner sind darin Gattungen, die man aus curoiiäischeui Tertiär nur in dürftigen Resten kannte, z. B. Hynaenodon, Aucodus, Elotherium, ( »reodon u. a. m. in fast vollständigen Ske- letten aufgefunden, rrojektionsbildcr der betreffenden Profile und Landschaften, sowie zahlreicher Skelette der Thicrformen vervollständigten die Darstellungen. Howdler Sharpe (London' hielt in einer durch die Königin, die Kiinigin-Regcntin und die l'rinzcssin Pau- line von Württemberg besuchteu Festversammlung einen Vortrag über Eigeuthümlichkciten aus dem Leben der Vögel. Eine ausserordentlich wirkungsvolle Erläuterung erhielt derselbe durch die Begleitung von farbigen Pro- jectionsbildern. Diese von dem holländischen Thiermaler Keulenians mit Transparentfarben auf Glas gemalt, sind von einer so lebendigen, ausdrucksvollen und farben- richtigen Darstellung, dass sie wohl nicht ihres Gleichen haben. Eimer (Tübingen), welcher über „Orthogenesis" d. h. bestimmt gerichtete Entwickelung sprach, ist einer der Forscher, welche sicli gegen die Ueberschätzung von Darwin's Theorie der Auslese wenden. Er erklärt letztere für ohnmächtig bei der Bildung von Arten. Seine seit längerer Zeit verfolgten üutei suchungen dieser Fragen, bei der er besonders der Zeichnung der Thiere seine Aufmerksandveit gewidmet hat, haben ihn zur Aufstellung der Theorie „der bestimmt gerichteten Entwickelung" geführt und weitere Arbeiten, besonders id)er Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen, haben je weiter je mehr dieselbe bestätigt. Nicht wie die Dar- winsche Theorie voraussetzt, eine fast unbegrenzte Zahl von Abänderungen tritt auf, sondern das Variiren findet stets nach wenigen, bestimmten Richtungen statt, ohne dass dabei Nutzen in Betracht kommt. Aeussere Ein- flüsse wirken umbildend auf die gegebene Constitution. Tritt nun ein Stehenbleiben auf bestimmten Stufen der Entwickelung ein (Genepistase), so löst sich die Kette der Organismen in Arten auf. Dies geschieht aber auch weiter durch sprungweise Entwickelung (Halmatogenesis) und durch Befruchtungsverhinderung fKyesamechanie). Manche der gegenwärtig als ,,^limicry" aufgeführten Fälle i'z. B. grosse Aehnlichkeit der Zeichnung bei nicht unmittelbar verwandten Thicrformen) sind nur der Aus- druck einer unabhängigen Entwickelungsgleichheit (Ho- moeogenesis) und auch durch bestimmte Entwickelungs- richtungen bedingt. Die Scinnetterlingsgruppe der Papi- lioniden diente dem ^'ortragenden besonders als Beleg- material bei seinen Ausführungen. Die von E. aufgestellte „Orthogenesis'- steht aber zu Weismann's „Germinal- selection- im Widerspruche. E. weist letztere, die nicht den beobachteten Thatsachen Rechnung trage, als nur speculativ zurück. Aus dem ^'ortrage von Leche (Stockholm) über seine Untersuchungen zur Entwickelung des Zahnsystems der Säugethiere sei die von L. vertretene Ansicht hervor- gehoben, dass das reihenweise Auftreten der Zähne sich erst allmählich entwickelt habe. Ferner gebe es zwischen den verschiedenen Bezahnungen keine absoluten Grenzen. Bei den Säugethieren kämen mindestens vier als ver- schiedene Generationen aufzufassende Dentitionen vor. Semon (Jena) .sprach über die embryonalen Hüllen und Anhangsorgane der ^\'irbelthiere. Das Amnion ver- dankt nach ihm in erster Linie einem Schutzbedürfniss der Frucht bei Landbewohnern seine Entstehung. Zuerst senkt sich das Vorder-, dann das Hinterende des Embrvo in den Dottersack ein. Mit diesem Vorgange geht die Ausbildung der AUantois, als embryonalen Athmungs- organcs Hand in Hand. Die Monotremata nehmen hin- sichtlicii des Baues und der Entwickelung ihrer Enibryo- nalhttllen zwischen den Sauropsiden (Vögeln und Reptilien) einerseits und den übrigen Säugern andererseits eine vermittelnde Stellung ein. Hubrecht (Utrecht) theilte seine Untersuciiungcn über die Placenta bei Lemuroiden mit. Bei Tarsius ist die Placentation gänzlich von der Nycticebus und anderen Prosimiern eigenen verschieden. Nycticebus hat eine diffuse Placenta, wie sie für die Jleeressäuger, die Pe- rissodactylen und manche Artiodactylen charakteristisch ist. Dagegen ist sie bei Tarsius nicht mehr vorhanden, vielmehr ist die B^ruchthttUe ganz dünn und durchsichtig, und die Placenta schon als eine Art placenta discoidalis ausgebildet. Sie entwickelt sich Anfangs als ein massiver Zapfen, der in eine entsprechend veränderte Stelle der Uterus- Wand einwächst. Zograf (Moskaui machte Mittbeilungen über die Bczahnung bei den Knorpel- Ganoiden. Die Accipenser- (Stör-)Arten haben in ihrer Jugend sämmtlich Zähne. Diese bleiben am längsten bei den Formen des östlichen V^erbreitungsgebietes erhalten. Am einen Ende dieser Reihe steht der Sterlet (A. ruthenus L. i, welcher die Zähne schon im ersten Jahre verliert. Am anderen Ende hat der im Ganges lebende Psephurus gladius seinen Platz. Er behält sie lebenslänglich. Wie dieser verhält sich von den amerikanischen Formen Polyodou folium, während über die anderen in dieser Hinsicht leider nichts bekannt ist. Die Verfolgung dieser Frage an den ameri- kanischen Arten wäre interessant, weil sich möglicher Weise daraus wichtige Anhaltspunkte über den Ursprung der jetzt auf Eurasien und Amerika vertheilten Accipen- seriden ergeben könnte. Van Bemme len (Haag) theilte einige Ergebnisse zur vergleichenden Anatomie der Schildkröten mit. Die durchlirochene Schädeldecke der Süsswasserschildkröte ist nach ihm, wie diejenige der Saurier und Ophidier, von der geschlossenen Schädeldecke der Meeresbewohner ab- zuleiten. Das Quadratum hat sieb in der Reihe der Schildkröten zu einem Tympaualringe entwickelt, der wahrscheinlich dem tympanicum der Säugethiere homolog sei. Im Plastron seien Elemente verschiedenen phylo- genetischen Alters zu unterscheiden. Die vorderen sind die Homologa des Episternum und der Clavicula. Die Gattung Si)hargys endlich sei eine hoch diÖerenzirte und nicht eine primitive Form. Der Auffassung des Quadratums pflichtete auch Leche bei. Perrier (Paris) gab eine neue Eintheiluug der Würmer; die Nematoden, Echinoderius, Gordius und Akan- thocephalus trennt er als Nemathelminthes von den Würmern und reiht sie den Arthropoden ein. Die Platyhelminthes und Anneliden sind die Würmer im engeren Sinne. Die Rotatorien, Bryozoen undBrachiopoden bilden unter der Be- zeichnung Lophostomata eine Uebergangsgruppe zwischen den Glieder- und Plattwürmern. Salensky (Odessa) berichtete über die Entwickelung des Herzens beim Frosche. Aus seinen Untersuchungen geht hervor, dass das Herz der Wlrbelthiere gänzlich verschieden ist von dem ])etreffenden Organe bei den Tunicaten, sowie ferner, dass das Entocard mesodernialen Ursprunges ist. P2in besonderes Interesse beanspruchte der Vortrag von E. Dubois (Java) über Pithecautropus erectus. Bei dieser Gelegenheit wurden auch zum ersten Male die Belegstücke zu dieser schon viel umstrittenen Frage einem grösseren wissenschaftlichen Kreise vorgelegt. Der Vor- 540 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 45. trag- fasste noch einmal alle Beobachtungen und That- sachen zusammen und suchte die bisher erhobenen Ein- wände zu widerlegen. Die Leser der .,Naturw. Wochen- schrift" sind bereits durch einen Artikel des Herrn Kolbe (No. 6 dieses Jahrganges) über alles Wesentliche auf diese Funde bezügliche, soweit es damals bekannt war, unterriclitet. In der No 7 hat Herr Matschie die Frage dann weiter discutirt. Endlich ist in No. 36, in dem Berichte über die Anthropologenversauunlung zu Kassel noch ein- mal von diesem Thema die Rede gewesen. Ich kann mich daher hier darauf beschränken, aus dem Vortrage von D. das herauszuheben, was an dieser Stelle noch nicht mitgetheilt ist. Zunächst konmien dabei die näheren Angaben über den Fundort in Betracht. Derselbe, Trinil, liegt im südlichen Theile des mittleren Java in der Hügel- kette des Kendeng. Das Gebiet baut sich vorwiegend aus erhärteten vulkanischen Tuffen und Sauden auf, die bis 350 m Mächtigkeit erreichen sollen. Diese Tuffe sind geschichtet und liegen discordant auf marinen Pliocän- schichten. In diese vulkanischen Schichten hat nun der Solo sich ein bis 15 m tiefes Bett mit steilen Gehängen eingeschnitten. In den letzteren — also nicht etwa in den Alluvionen des Baches — fand man nun die ersten Spuren von Wirbeltliierknochen. Diese veranlassten zu Nachgrabungen und führten dann zu den Funden. Die Knochen nehmen in den Schichten von oben nach unten an Zahl zu, verschwinden jedoch fast ganz in der tiefsten, conglomeratischen Lage. So wenig wie die Reste des Pitliecantropus im Zusammen- hange gefunden sind, so wenig ist dies mit den anderen Wirbelthieren der Fall. Offenbar haben Krokodile, deren Reste sich hier auch finden, im Verein mit dem fliessenden Wasser die Kadaver auseinanderzerren und verschleppen helfen. So versucht D. den Einwurf, dass die Reste ent- fernt von einander gefunden sind, also nicht zusannnen- gehöreu, zu entkräften. Auch anderwärts habe man viel- fach die Skelette fossiler Wirbelthiere über eine Fläche zerstreut gefunden. Die mit den fraglichen Resten zusammen vor- kommende Fauna besteht aus Cervus, Bubalus, Bose- laphus, Gavialis, Crocodilus, Rliinoceros, Sus, Felis, Hyaena, Stegodon und Hexapotodon. Von letzteren beiden Subgenera abgesehen sind es lauter lebende Gattungen; doch sind die Arten zum grössten Theile aus- gestorben, lebend kommt keine mehr auf Java vor. Nachträglich hat sich unter dem an jener ersten Fundstelle angesammelten Materiale ein weiterer Molar (m^) gefunden, als bereits die Arbeit D's verüffentlicht war. Was nun die Deutung betrifft, welche die Pitlic- canthropus-Reste erfahren haben, so halten Cunningham, Turner, Keith, Lydekker, Matschie, R. Martin und A. Petit aus anatomischen Gründen den Femur und das Schädel- dach für menschliche Knochen. W. Krause und Waldeyer halten das Schädeldach für das eines grossen Affen aus der Verwandtschaft von Hylobates. Lydekker hält es für das eines niikrocephalen Idioten. Auch über den zuerst aufgefundenen Molar inig) sind die Ansichten in ähnlicher Weise verschieden. Der zweite, erst jetzt zur Discussion kommende Molar (m^) ist in seinem Quer- durchmesser etwas schmaler als der vorige, im sagittalen Durchmesser aber etwas grösser. Die Wurzeln sind etwas kürzer, aber ebenso stark divergirend und auch schief nach hinten gerichtet. Sie sind an beiden Molaren nach demselben Typus gebaut. Die Krone ist am zweiten ähnlieh eingeschnürt, wie die des ersten, aber sie ist viel mehr abgekaut. Die Retrogression tritt an dem neuen Zahne ebenfalls am liinteren, äusseren Hügel — also wie bei den Anthropoiden — auf. Beim Menschen wird da- gegen der hintere, innere Hügel davon betroffen. Im Anschlüsse an D.'s Vortrag entstand eine lebhafte Discussion, die jedoch eine endgiltige Lösung der mancherlei Fragen nicht brachte und naturgemäss nicht bringen konnte. Virehow ist auf Grund der am Femur vorhandenen Exostose geneigt, denselben für einen menschlichen zu halten. Denn eine verheilte Caries setze einen sehr lang- samen Heilprocess bei Ruhe voraus. Jedoch kann V. nicht leugnen, dass der Gesammteindruck des nun vor- liegenden Knochens ein anderer sei als der eines mensch- lichen Femur. Er steht dem eines Hylobates, abgesehen davon, dass es bei Weitem nicht so grosse lebende Arten giebt, näher als einem menschlichen, etwa dem eines Australiers. Doch legt V. vom pathologischen Stand- punkte auf dieses Grössenverhältniss keinen grossen Werth als Merkmal für eine neue Art. Mit dem Neanderthal- schädel könne der von Trinil nicht verglichen werden, da ersterer krankhaft — jedoch kein Idiot — sei. Eine Bemerkung Virchow's über diesen so oft citirten Schädel aus dem Neanderthale mag hier noch mitgetheilt werden, da sie von besonderem Interesse ist. V. ist einer der wenigen Gelehrten, welche den Schädel im Originale haben untersuchen können. Der ursprüngliche Besitzer, in dessen Händen der Fund lange war, überliess ihn Niemandem zur Untersuchung. In seiner Abwesenheit gelang es V. nun einmal, eingeführt in das Haus des Besitzers durch einen seiner früheren Schüler das Object zu untersuchen. Die so verbreiteten Abbildungen und Maasse von dem Schädel sind auf Grund mehr oder weniger schlechter Gipsabgüsse gemacht. Fast alle Forscher haben den Neanderthalschädel mit dem des Australiers verglichen. Damit stimmt er sonst wohl, aber durchaus nicht sein Hinterhaupt. Dieses ist scharf abgesetzt, eine pithekoide Eigenschaft, die auch der Trinil-Schädel zeigt. Der Hauptausdruck des Affen- artigen am Aflfenschädel ist nach V. die Abgrenzung des orbitalen Theiles, der opernguckerartig gestaltet ist, vom cerebralen. Diese Bildung ist am Trinil-Schädel eine ver- mittelnde. Da sein Dach synostotisch ist, d. h. die Nähte verwachsen sind, so liegt hier ein altes Individuum vor. Der Molar m^ ist jedoch so wenig benutzt, dass er kaum zu dem Schädel gehören könne, wenn man nicht einen selten vorkommenden Fall, bei dem durch schiefe Stellung die fast unversehrte Erhaltung eines Zahnes möglich sei, zur Erklärung in Anspruch nehmen wolle. Marsh (New-Haven) hebt hervor, wie wichtig es sei, das geologische Alter der mitvorkommenden Fauna feststellen zu können. Er glaubt, dass eine Sivalik-Fauna vorliege. Er habe übrigens ähnliche Exostosen auch an Oberschenkelknochen fossiler Säuger mehrfach beobachtet. Schliesslich erklärt er, dass auch er die fraglichen Reste nicht für die eines wirklichen Menschen halte. Rosen berg (Utrecht) macht vom anatomischen Standpunkte einige Einwendungen gegen Dubois. Die 4 von letzteren am Femur beobachteten Eigenthümiichkeiten habe er sowohl vereinzelt, als auch alle 4 zusammen an einem menschlichen Knochen wiedergefunden. Auch das Schädeldach zeige eine bemerkenswerthe Eigcnthümlich- keit, die derjenigen der bisher zu Vergleichen nicht be- rücksichtigten neuweltlichen Affen sehr nahe komme. Es ist dies das Verhältniss des Planum locale zum PI. occipitale. Daher kann daraus nicht auf ein Aufrechtgehen geschlossen werden. Dies unterstütze den Zweifel an der individuellen Zusammengehörigkeit der Knochen. R. neigt zu der Ansicht, dass der erste Beleg für den tertiären Menschen hiermit vorliege, mögen die Objecte nun zu- sammengehören oder nicht. K. Martin (Leiden) bemerkt an Marsh anknüpfend, Nr. -If) Naturwissenschaftliche Wochenschrift. .'i41 über das Alter der fr:ii;lichen Ablagerungen, dass aus ihrer Auflagerung auf marinen pliociincn >Sfhic'liten hervor- gehe, dass sie selbst entweder nur jungpliocän oder alt- pleistocänen Alters sein können. Zur Zeit ist dies nicht bestimmt zu entscheiden. Die begleitende Wirbelthier- fauna sei eine sivalisciic, aber mit besonderem Gepräge. Sie sei übrigens erst im Pliocän von Vorderindien aus auf den indischen Archipel eingewandert. Wohl sind durch diese Verhandlungen manche miss- verständlichc Autlassungcn, welche die erste N'eroffent- lichuug über den Gegenstand hervorgerufen hat, beseitigt worden und vor allem ist die Natur und das Alter der Schichten, soweit als angängig, sicher gestellt worden. Eine einigerniaassen bestimmte und endgültige Entscheidung über diese Frage bleibt jedoch der Zukunft vorbehalten. Murray (Edinburgh) sprach über Tiefseeforschungen unter besonderer Berücksichtigung der kürzlich zu Ende geführten Ergebnisse der Challenger-Expedition, deren letzter Leiter er war. Wir führen folgende daraus an. Die grösste bisher gemessene Meerestiefe ist 8513 m, die mittlere Tiefe beträgt 4500 m. 5 "^^ der Meerestiefen hat 5500 ni und darüber. Während die Oberfläehentemparafur der Meere zwischen 28" (Aequator) und 0" (Pole) schwankt, ist sie am Grunde fast gleichmässig und constant, im Mittel be- trägt sie — 3". Die Zahl der Thierarten ist in den grossen Tiefen der Tropen viel grösser als in denen der gemässigten Klimate. Umgekehrt verhält es sich dagegen mit der Zahl der Individuen. Dies ist möglicherweise ■/.. Th. die Folge einer grösseren Lebensenergie und Lebens- fähigkeit, welche die höhere Temperatur unter den Tropen im Gefolge hat, und die bewirkt, dass die Thiere der Tropen- region früher fortpflanzungsfähig werden. Unter den Thier- forraen der grossen Mecrestiefen hat man keine gefunden, welche mau als Vertreter einer erloschenen Fauna betrach- ten könnte. Abgesehen von ihren oft beträchtlichen Di- mensionen, dem Fehlen kräftiger Farben, dem Vorlianden- scin von leuchtenden Organen, unterscheidet sich die Thierwelt wenig von der geringerer Tiefen. Bemerkens- werth ist noch, dass die Thierfornien der Tiefen der nörd- lichen Breiten denen der tropischen Breiten sehr ähnlich sind, häufig sicii sogar direct wiederfinden. Dies erklärt 5L so, dass ehemals der Boden des Oceaus bei überall gleichmässiger Temperatur überall die gleiche Fauua be- sass. Die Sonne strahlte damals zwar auch nicht viel mehr Wärme aus als heute, aber ihre strahlende Fläche war bedeutend grösser. Daher war die Vertheilung der Sonnenwärme auf der Erdoberfläche von der heutigen sehr verschieden. Während des Congresses wurden die Herren Weis- mann (Freiburg), Milne Edwards (Paris) und Flower (London) von dem Senat der Universität Utrecht honoris causa zu Doctoren in der Zoologie und Botanik promovirt. Als Präsident des nächsten (4) 1898 stattfindenden Congresses wurde Sir William Flower gewählt. Die Ent- scheidung des Vorortes, ob London oder Cambridge, wird den Engländern überlassen. Dr. Paul Gustav Krause (Leideu). Die zoologische Sammlung des Königlichen Museums für Naturkunde zu Berlin. Die Vogel Schausammlung. [Schluss.] Aus der stattlichen Reihe der Entenvögel seien noch die Rost-, Kropf-, amerikanische Tafel-, kleine Schell-, neuseeländische Tauch-, kleine Berg-, Weichschnabel-, Brillen-, Pe])0saka- (Anas metopias) aus Chile, Roth- augen-, Sommersprossen-, Rothsclmabel-, Buntschnabel-, chilenische Pfeif-, Gelbschnabel-, chinesische und bra- silianische Krick-, Kappen-, Kehlkopf-, Sichel-, Bahama-, Nonnen-, Herbst- und afrikanische Zwergente genannt. An die Enten schliessen sich die Säger, Mergidae, an, die in dem chilenischen Borsten- und rothbrüstigen Kappen- säger vertreten sind. Die grössten und auffallendsten Mitglieder aus der Ordnung der Ruderfüsse sind die Pelekane, die den Alten als Symbol aufopfernder Mutterliebe galten, da man glaubte, sie rissen sich selbst die Brust auf, um den Durst der Jungen mit ihrem Blute zu stillen. Sie sind vertreten durch den Lappenpelekan, Pelecanus erythro- rhynchus, der auf dem Schnabel ein horniges Gebilde trägt und in den Vereinigten Staaten und Mexico zu Hause ist, durch den krausköpfigen oder Schopfpelekan, P. crispus, dessen Hinterkopf und Nacken mit gekräuselten Federn besetzt ist und den braunen Pelekan, P. fuscus, aus dem tropischen Amerika. Ein Skelett zeigt die beiden ünterkieferäste, zwischen welchen sich der verschieden- farbige Kehlsack ausspannt. Die Sturmvögel, Prosellarüdac, weisen neben dem schon erwähnten St. Petersvogel und der ihm verwandten Weissbügelsturmschwalbe, den Riesen- sturmvogel, Procellaria gigantea auf, dessen Verbreitungs- bezirk sich über die südlichen kalten und gemässigten Zonen erstreckt und dessen Leichnam auch einmal auf dem Rheine gefunden sein soll. Peru und Chile ist durch den Tauchersturmvogel, Pelecanoides garnoti, vertreten. Ein Bewohner der Inseln in der Südsee ist der Enten- sturmvogel, Prion vittata. Dieselbe Heimatb hat die Sturmtaube, P. turtur. Die Kaptaube, Daption capensis, ist ein den Schiffern wohlbekannter Vogel, weil er unter allen Seevögeln der treueste Begleiter der Schiffe ist. In dem heissen Gürtel wird er allerdings seltener beob- achtet und verschwindet am Gleicher ganz. An der Kap- küste beheimathet ist der Möveusturmvogel, Procellaria aequinoctialis. Als zu dieser Gruppe gehörig sei noch der dunkle Wasserscherer aus der Südsee erwähnt. Eine gleiche Heimath mit der Kaptaube hat das Kapschaf oder der gemeine Albatross, Dioniedea exulans. Zwischen dem 30" und 40" südl. Br. soll der Vogel am häufigsten sein und verfolgt mit seinem herrlichen Fluge oft tagelang die Schiffe. Der Grund, welcher den Albatross bewegt, so ausgedehnte Strecken zu durchfliegen und weitaus den grössten Theil seines Lebens in der Luft zu verbringen, ist sein unersättlicher Heisshunger. Seine Verdauung ist ungemein schnell, und er deshalb auch genöthigt, be- ständig nach Beute zu suchen; wenn er wirklich einmal so glücklich war, durch reichlichen Genuss sich zu feisten, verurtheilt ihn ein länger währender Sturm zum Fasten und nimmt ihm das Fett wieder, welches er sich an- sammelte. Neben ihm ist noch der Gelbschnabelalbatross, D. culminata, und der schwarze Albatross, D. fulginosa, aus dem Süd-Paeifik zu erwähnen. Die Tölpel mit nacktem Gesicht und nackter Kehle, feingesägten Sehnabelräudern, sehr langen Flugein und langem, keilförmigen Schwänze sind mittelgrosse, kurz- halsige Schwimmvögel, die gesellig leben, gut fliegen und nur zur Fortpflanzungszeit in grossen Schaaren auf die Felsen und Klippen an die Meeresufer kommen. Auf dem Lande bewegen sie sich äusserst unbeholfen, daher ihr deutscher Name. Ihre Nahrung besteht aus Fischen, 542 Naturwi.sseiisebaltliche Wochenschrift. Nr. 45. die sie stosstauchend erbeuten. Der braune Tölpel, Sula leucogastra, ist in dem tropischen Amerika belieimathet. Als König der Lüfte ist der Fregattvogel zu er- wähnen, Tachypetes aquila, der Adler des Meeres, der gleichfalls stosstauchend seine Beute dem Meere entnimmt, und sie wohl gar dem schwerfälligeren Tölpel abjagt. .Seine Flügel sind sehr lang und spitz und ebenso ist sein .Schwanz recht lang und dabei tief gegabelt, also ein herrliches Steuer. Die zwei bekannten Arten leben auf den tropischen Meeren und begeben sich nur zur Euhe und zur Fortptlanzungszeit auf einsame Felsen. JMan hat sie schon 70—100 geogr. Meilen weit vom Lande an- getroffen und der französische Ornitholog Lancaster hat mit Hilfe der Schiflfsleute beobachtet, dass der Fregatt- vogel sieben Tage und Nächte oline auszuruhen fliegen kann. In Wirklichkeit sind die Fliigelbewegungen dieses geborenen Königs der Lüfte immer nur sehr leichte, selbst wenn er mit einer Geschwindigkeit von 160 km in der Stunde dahineilt. Ein ausserordentliches Ruhebedürfniss, wie der Albatross, der König des offenen Meeres, hat er nicht. Ist der Albatross lange den Fahrzeugen auf offenem Meere gefolgt, so ist er genöthigt, einige Zeit auszuruhen, wenn es nicht anders geht und kein Felsen im Meer sichtbar ist, auf dem Schifie selbst, und dieses Ruhe- bedürfniss tritt bei dem Fregattvogel erst nach 4 — 5 Tagen ein. Durch einen ausserordentlich langen und dünnen Hals zeichneu sieh die Schlangenhalsvögel aus. Von den vier Arten, von denen je eine auf Amerika, Asien, Afrika und Australien beschränkt ist, finden wir in der Sammlung riotus levaillantii, den Schlangenhalsvögel aus Afrika, dessen Hals wirklich an eine Schlange erinnert, indem er nicht blos ähnlich gezeichnet ist, sondern auch in ähn- licher Weise bewegt wird. Wenn der Vogel tauchend zwischen der Überfläche und dem Grunde des Wassers dahinschwimmt, wird er selbst zur Scldange, und wenn er sich zur Wehre setzt oder einen Feind angreifen will, wirft er den Hals mit einer so blitzartigen Schnelligkeit vor, dass man an einen Angriff der Viper denken kann. Das tropische Amerika bewohnt der Ahinga, Fl. ahinga. Die Plotideen nähren sich ausschliesslich von Fischen, welche sie mit grosser Gewandtheit schwimmtauchend er- beuten. Sie ruhen und nisten auf Bäumen. Die Flussscharben sind vertreten durch die schwarze Scharbe oder den Kormoran (aus corvus marinus — Seerabe entstanden, wegen seiner rabenartigen Stimme kräh kräh), Fhalaecrocorax carbo, der Zwergscharbe, Ph. pygmaeus und den Tropikvogel, Phaeton acthereus, der von Linne ,,Sohn der Sonne" genannt wurde und dem Schiffer als Wahr- zeichen gilt, dass sein Fahrzeug den heissen Gürtel er- reicht hat, da der Vogel nur in den Tropen vorkommt. Die „Raben des Meeres", wie Brehm die Möven nennt, sind vertreten durch die Elfenbeinraöve, Pagophila eburnea, auch Schneemöve und Rathsiierr genannt. Im hohen Norden der Erde ist ihre Heimath und nur selten geht sie in niederere Breiten, so dass sie auf Island schon gar nicht mehr vorkonnnt. Sie frisst gern von den Leichen der durch die Wallrossjäger gctödteten Tliiere und ninmit auch fürlieb mit den Bissen, welche von den Mahlzeiten der Eisbären übrig bleiben. Ihre wichtigste Nahrung besteht aber, nach dem alten Seefahrer Martens, in dem Kothe der Robben und Wallrosse, der auf den Ruhe- plätzen, die sich um die offenen Stellen und Eislöcher ausbreiten, das Eis braun färbt. Drei bis fünf der Vogel gruppiren sich um eine solche Oeff'nung und erwarten geduldig das Emporsteigen der Robben. Es scheint dann wirklich, als ob sie, um einen runden Tisch sitzend, Rath hielten, und ohne Zweifel hat diese ihre Sitte Anlass gegeben zu dem von Martens (1675) ihnen gegebenen sonderbaren Namen „Rathsherr". Auch die Stummel- oder Dreizehmöve, Rissa tridactyla, ist ein hochnordischer Vogel, als dessen wichtiges Kennzeichen das Fehlen der Hinterzehe angesehen werden muss. Die Mantelmöve, Larus marinus, hat bei sonst weissem Gefieder bläulich- grauen bis schwarzen Oberrücken und ebensolche Schultern. Die Weissaugenmöve, L. leueophthalmus, entstammt dem Gebiet des südlichen Rothen und Indischen Meeres. Neben der Königsmöve sind noch die asiatische Binden- und dttnnschnäbelige Möve zu erwähnen. Von den Steissfüssen oder Lappentauchern, Podici- pedae, sagt der alte Vogelkenner Naumann, dass keine andere Vogelart so ganz Wasser- oder Schwimmvogel sei, wie sie. Ihre Lebensweise theilt sich in Schwimmen und Tauchen, und wenn andere Schwimmvögel sich erholen, ausruhen, sonnen wollen und sich dazu an das Ufer oder sonst ein festes Plätzchen begeben, bleiben die Lappen- taucher auf dem Wasserspiegel 'und erreichen dasselbe schwinmiend. Der Blauschnabel ist auf San Domingo beheimathet. Neben dem Riesensteissfuss ist der Eis- taucher zu nennen, der zu den Seetauchern gehört, wie man die Gruppe der Podicipiden nennt, welche das Meer bewohnt. Im Hochzeitskleide erscheint das oben und an den Seiten dunkelschwarze Gefieder mit weisslichen, fensterartigen Flecken geziert. Als die vollkommensten Flieger und Stosstaucher aus der Ordnung Longipennes sind die Seeschwalben, Sterninae, anzusehen, unter welchen der Raubseeschwalbe, Sterna caspia, die erste Stelle gebührt. Von dem über Vo m grossen Flieger, der die wärmeren und gemässigten Meere der alten W^elt bewolint, nistet eine kleine Colonie auch auf der Insel Sylt. Zu der Unterordnung der Wasserschwalben gehört die auf Kopf, Nacken, Brust- und Bauchmitte sammetschwarze, auf dem Mantel blau- graue und in der Steissgegend weisse Trauerseeschwalbe, Hydrochelidon nigra und die Bartseeschwalbe, H. hyprida, wegen des weisslichen Zügelstreifens so genannt. Durch besondere Schönheit zeichnet sich die dem Stillen und Indischen Weltmeere angehörende Feenseeschwalbe, Gygis alba, aus. Am oberen und mittleren Nil wohnt der Scheerenschnabel, Rhynchops flavirostris, bei dessen Schnabel der untere Kiefer den oberen weit überragt und unmittelbar vom Grunde aus so auffallend verschmächtigt ist, dass er nur mit den beiden Schneiden einer Scheere verglichen werden kann. Wie die Eulen zu den Falken, so verhalten sich die Scherenschnäbel zu den See- sehwalben: sie sind Nachtvögel. Die Alke gehören dem nördlichen Eismeer mit seinen Buchten und Strassen an und gehen nur hier und da südlich bis über den Polarkreis, den sie gelegentlich ihrer AVanderungen allerdings regelmässig überschreiten. Sie sind ausgesprochene Meervögel, welche sich von Fischen und Krebsen nähren, die selbst in bedeutenden Tiefen erjagt werdeu. Das liebenswürdigste Mitglied der Familie ist die Gryllteitse, Cepphus grylle, die sich durch geringe Grösse kennzeichnet. Von der Untersippe der Lummen ist wiederum der Krappentaucher, Jlergulus Alle, die kleinste Art. Die Grönlandsfahrer nennen den Vogel „Eisvogel", weil sein massenhaftes Auftreten die Nähe grosser Eismassen andeutet. Sein Fleisch gilt neben dem Wildi)ret des Rennthieres als ein Leckerbissen des hohen Nordens. Der liarventaucher, Fraternla arctica, lebt gesellig auf den nordeuropäischen Inseln. Einzeln soll er auch auf Helgoland brüten (Mai und Juni) und kommt im Winter auch sonst auf der Nordsee vor. Wegen seines kurzen, papageiartigen Schnabels, dessen Wachshaut an der Schnabelwurzel wulstförmig verdickt ist, heisst der Vogel auch Papageitaucher und Seepapagei, und früher nannte man ihn gar Mornion nach dem griechischen iioqi-iwi> = fabelhaftes Schreckgespenst. Nr. 4."S. Naturwisscnscliaftlichc VVoclienschrilt. 543 In (lieser Gruppe befindet sich unter den Alcidecu im besonderen Glaskasten der Kiesenaik oder Hrillenalk, Alea inipennis, der ..(ieirt'ni;!" dei- Islander. Er bat eine Höhe von ca. i)0 eni bei einer l''liiii'elläni;'e von nur|17 — 2()eni. Seine Oberseite ist <;l;inzend s<-li\varz, die Unterseite bis auf die sehwärzlieh-braiuie Keble reinweiss, wie auch ein anselinlielier runder, über und vor Jedem Auge stehender Fleck, der dem Vo_i;el eben den Namen Hrillenalk eini;e- tragcn hat. jjet'ärbt ist. Das verhäitnissmilssig- g-rossc Ei ist von ausgesprochener Uirncngestalt und zeigt auf gräulich- grauem Grunde unregelmässige, dunkelbraune Zeichnungen. Der Geirfugl bewohnte die Felseninseln, Klippen und Schären des nördlichen Atlantischen Oceans, entlang- der Küste Grönlands bis nach Neuseeland herab, die Bai von St. Lawrence und Labrador, Island, Spitzbergen, Nor- wegen, die Faröer-, (>rkncy-, Hebrideu- und dänischen Inseln. Er scheint ebeu keine Seltenheit gewesen zu sein, wurde aber von den Walfisehjägern massenhaft ersehlagen und frisch und eingesalzen verspeist. Auch an den Küsten Nordamerikas, wo er im 16. Jahrhundert noch zahlreich vorkam, wurde seine Zahl bald durch die Seeleute verringert. Auf den Fa- röern wurde der letzte Geirfugl 1786 beobachtet, 1S14 im Cattegat, 1821 bei Grönland und 1829 auf St. Kilda. Im Jahre 1830 wurden noch 20 Stück auf Grimsey nördlich von Island erschlagen. Der letzte, von dem man je gehört bat, wurde 1845 oder lS4fJ im Hafen von Vestmauuae3'jai (Island) geschossen. Na- türlich stehen die Ueberbleibsel dieses ausgestorbenen Thieres hoch im Preis bei den Sammlern, und die Museen sind stolz darauf, solche zu besitzen. Aus- gestopfte Bälge kennt man, nach der sorgsamen Zusammenstellung- des Prof. Wilb. Blasius in Braunschweig, 76, von denen sich im Deutschen Reiche im Ganzen 20 befinden. Vollständige oder fast vollständige Skelette werden 19 aufbewahrt, davon 1 in Deutschland und zwar im königl. Museum zu Dresden. Einzelne Knochen sind in den letzten dreissig- Jahren zahlreich zusammen ge- bracht worden und tlnden sich in vielen Sammlungen, aber Weiehtheile bloss in Kopenhagen. Eier haben sich 68 Stück erhalten, davon 42 allein in England und im deutschen Reiche nur 4. Einige Exemplare von Eiern, derer in der zoologischen Litteratur gedacht wird, scheinen verschollen zu sein, d. h. sich in alten vergessenen Sammlungen zu ver- bergen. Wenn der ahnungslose Besitzer wüsste, welcher Werth darin steckt! So wirde u. a. 1880 auf einer Auction London ein Alca impennis-Ei um 107 Pfund Sterling und 2 Schilling verkauft und in neuerer Zeit ist gleichfalls in London für ein solches die respektable Summe von 6300 Mark bezahlt worden! Wegen der äusseren Aehnlich- keit hat man früher zu den Alken die Pinguine gestellt. Ihre anatomische Untersuchung aber hat ergeben, dass sie mit den Schwinmi- und Tauchervögeln, wie zu anderen Vögeln nähere Verwandtschaft überhaupt nicht besitzen. Die Pinguine scheinen auf der tiefsten Entwickelungs- stufe der Vögel zurückgeblieben zu sein. Man könnte sie die Fische oder auch die Delphine unter den Vögeln nennen. Ihre Flügel sind vollständig zu Rudern um- gebildet und können zum Flug in keiner Weise mehr ge- braucht werden. Die Schwingen sind demgemäss Kiesenpinguin, Äptenodytes pata' gonica Forst. ver- kümmert, und die Befiederung der Flügel gleicht einem übrigen Körjjcrs. Die Beine sind weit an das hintere Körperendc gerückt, so dass die Thierc auf dem Lande, falls sie nicht nach .Vrt der Seehunde auf dem Bauche liegen, eine aufrechte Stellung einnehmen und watschelnd laufen müssen. Die Füsse dienen ihnen aber nicht als Ruder, sondern als Steuer; sie werden beim Schwimmen weit nach hinten gestreckt und regeln durch ihre Be- wegungen die Richtung, die der mit Hilfe der fiosseu- artigen Flügel schwimmende Vogel einnimmt. Dabei schwiuunt der Pinguin mit einem in voller Fahrt sich be- findlichen Dampfer um die Wette. Auf welch niedriger Entwickclungsstufe die Pinguine stehen, beweist ferner der Umstaud, dass der patagonische Pinguin seine Eier zwischen den Schenkeln trägt, wo sich sogar Hautfalten zur Aufnahme der Eier gebildet haben. Der Riesen- pinguin, Äptenodytes patagonica (s. nebensteh, .\bbilduug), erreicht 1 m Höhe, während der Brillenpinguin. Sphenis- eus demersa, der an der Südspitze von Afrika und Süd- amerika lebt, nur halb so hoch wird. Der goldhaarige Pinguin, wegen der beiden blassgelben Kopfbüsche so ge- nannt, der auch springender Hans heisst, weil er oft über 1 m hoch aus dem Wasser emporspringt, soll gesellig ein ähnliches Nest bauen wie der Flamingo, deren Menge neben einander Piiiguinen- städtc genannt werden. Er ist im süd- lichen .Stillen Oceau beheimathet. Neben ihm sind noch der Esels-, Falklands-, Steinbrech- und Felsenpin- guin zu nennen. Nächst dem Urgreif aus den litho- graphischen Schiefern des Jura von Solenhofen und Eichstätt werden nach der Übereinstimmenden Ansicht urtheils- berechtigter Forscher die Strausse als die nächstälteste Vogelform bezeichnet. Unter diesen verstehen wir von heute lebenden straussartigen Vögeln nur die drei afrikanischen Arten, Struthio came- lus L., S. molybdophanes Rchw. und S. australis Gurn., von denen die l)eiden erstgenannten in der Sehausammlung enthalten sind, während die dritte Spe- eies eine neuere Erwerbung des Zoo- S. camelus: 6 Kopf, Hals und Beine hellroth; Q aschgrau mit gelblichem Schimmer, auf dem Kopfe eine schmutzig- hellbraun gefärbte, kahle Stelle. S. molybdophanes: 6 Kopf, Hals und Beine bläulich-grau, die ersteren etwas dunkler wie die letzteren; 9 grau mit gelblichem Schimmer, ähnlich trockenem, staubigen Flusssande, das Hornschild auf dem Kopfe scharf kappenartig aus- geprägt. Während die schwarzen Federn dieser Art, sowie von australis gesättigt schwarz erscheinen, haben sie bei camelus einen röthlichen Schimmer. Das Ei des S. camelus ist glatt, kleiner als das des molybdophanes und seine Schale zeigt einzeln stehende, tief eingesenkte Poren. Die Eischale des S. molybdophanes zeigt die Porenöffnungeu in eingesenkten Grübchen. Am auf- fälligsten entwickelt sind die Beine der Strausse, weil an ihnen nur noch zwei Zehen vorhanden sind, von denen die eine besonders stark ausgebildet, die andere aber auch schou weit zurückgebildet ist und keine Kralle mehr trägt. Man könnte deshalb die Strausse als Einhufer unter den Vögeln nennen. Der Strauss ist der grösste lebende Vogel dessen 6 logischen Gartens zu Berlin bildet, laus Schuppeukleide; schuppenartig sind auch die Federn des | familieu- und m hoch und 75 kg schwer wird herdenweise in den Er lebt Wüsten Afrikas 544 Naturwissenschaftliche Wuchcusclivift. Nr. 45. (S. camelus, iStr. Nordafrikas, S. moiypdopliaues, Str. des Somali- und Gallalandes, St. australis, Str. Südafrikas und Westasiens), läuft schneller als ein Rennpferd und nährt sich von Gras, Laub, Körnern, Insecten und anderen kleineren Thieren, verschlingt aber aueli unverdauliche Gegenstände: Steine, Scherben, Nägel u. s.w. Das Nest besteht in einer Erdvertiefung, in welcher mehrere Hennen zusammen etwa 30 Eier legen, welche sie am Tage ab- wechselnd bebrüten, Nachts aber brütet das 6. Am Tage werden die Eier übrigens oft auch der Sonnen- wärme zur ßebrütung überlassen. Wegen der Eier, wegen des Fleisches und hauptsächlich wegen der Federn werden Strausse seit Anfang der sechziger Jahre in der Kap- colonie mit bestem Erfolg gezüchtet. Das Ei wiegt etwa 3 Pfund englisch, ausnahmsweise mehr. Sein Nährgehalt entspricht 24 Hühnereiern und beträgt der Grösse nach ein Sechstel von dem im selben (Tlasschrank ausgelegten Ei des Hochvogels (Abguss), jenem sagenhaften Ungethüm, das in so vielen alten Geschichten eine Rolle spielt und das der Reisende jMarco Polo (13. Jain-hundert) gesehen haben will. Auf Madagascar, den Maskarenen und Neu- seeland soll er mit dem gigantischen Moa und noch anderen straussähnlichen Riesenvögelu gelebt haben. Jetzt sind diese gewaltigen Vögel ausgestorben, aber Knochen- und Eischaleustücke werden häufig gefunden, hin und wieder auch ein vollständiges Ei. Aehnlich, aber nicht verwandt, sind den Straussen die amerikanischen Nanduarten, von denen es drei giebt und Rhea americana die bekannteste ist. Sie lebt in den Pampas des südlichen Südamerika, besonders in deu La Plata-Staaten. Gleich dem afrikanischen Strausse lebeu die Nandus in Familien und Herden beisammen, sind vortreffliche Läufer und nähreu sich von Blättern, Beeren und Sämereien. In eine vom Männchen gescharrte Erdmulde legen die zur Familie gehörigen Weibehen etwa 20 Eier, die vom Männchen ausgebrütet werden. Fleisch und Eier werden gegessen, die Federn zu Wedeln, weniger zum Schmuck gebraucht. Ein Bewohner der Insel Ccram und Neu- guineas ist der straussenähnliche Helmkasuar, Casuarius galeatus, dessen Stirn mit einem hornartigen, seitlich zu- sammengedrückten Aufsatz (Helm-galea) versehen ist. Das ganze schwarze Gefieder ist haarähnlich, das Gesicht erscheint grünblau und der Hinterkopf grün. Die Nahrung besteht in allerlei vegetabilischen Stoffen. Etwas grösser ist der Emu, Dromaeus Novae-Hollandiae, der die Wal- dungen des östlichen Australiens bewohnt und durch be- ständige Verfolgung immer seltener wird. Von allen Arten der Ordnung pflanzt er sich am leichtesten, auch in unserem Klima, in der Gefangenschaft fort. Die sonderbarste Gestalt iu der gesammten Vogelwelt ist aber wohl der Kiwi-Kiwi, Apteryx australis, der als Haupt- uachtvogel sich bei Tage in Erdlöchern versteckt aufhält und nur zur Nachtzeit auf Nahrung ausgeht, die in In- secten und Würmern besteht. Er sieht braun aus und hat die Grösse unseres Huhnes, während die andere Form, welche gleichfalls auf der Südinsel von Neusee- land lebt, auf aschgrauem Grunde weisslich getropft ist. In der gesammten Schausammlung sind etwa 2500 Vögel aufgestellt und zwar in der Weise, dass die vater- ländische Sanunlung ca. 1250 Exemplare und die syste- matische Sammlung an 1300 Exemplare enthält. Besonderer Wert ist darauf gelegt, dass ein und dieselbe Art sich in den verschiedenen Kleidern (Jugend- kleid, Uebergangskleid, und Alterskleid) repräsentirl und so der Beobachter in der Lage ist, etwaigen Zweifel über einen Vogel zu haben. Wo es anging, hat der Gustos der Vogelsammlung, Herr Professor Dr. Reichenow, dafür Sorge getragen, dass auch Nest und Ei ausgestellt wurden. In einzelnen Fällen ist das ganze Familienleben dargestellt. Anschliessend hieran sei bemerkt, dass die Hauptsammlung (wissen- schaftliche), die in den oberen Räumen untergebracht ist, etwa 39000 Stück umfasst, von welchen 28000 aufgestellt, die übrigen als Bälge conservirt sind. Daneben bergen die Schränke eine Eiersammlung von 13000 Stück in 1700 Arten. Die Schausammlung enthält neben den aufgestellten Vögeln noch eine Reihe anatomischer Präparate, so z. B. das Skelet eines Pelikans, die Gehörknöchelchen ver- schiedener Vögel in Bleiguss, das Herz, den Blutkreislauf, die Luftröhre, die Reibplatte des Somalistrausses, die inneren Organe u. s. w. An einer Silbermöve ist die Bezeichnung der äusseren Teile am Vogelkörper abzulesen. Nachbildungen in Wachs zeigen die Stellung der Fittiche während des Fluges und gleich am Eingange in die vaterländische Sammlung findet der Besucher in instructiver Weise die Entstehung der Feder dargestellt. (Wird fortgesetzt.) Die Krebsthiere der Provinz Brandenburg. Von W. Hartwig, Berlin. V. 9. Der Ruppiiier See. Ich sammelte das Material am 23. (i. 1895, unter- suchte es aber erst genauer am 2. 8. d. J. Die grösste Tiefe des Sees soll nach Herrn Seminarlehrer Bade in Neu-Ruppin 23 m betragen. Ich fischte nur bis etwa 16 m tief. Der See war an dem Tage verhältnissmässig arm an Entomostraken. Algen bildeten die Hauptmasse des Planktons; der See war also sehr stark in sogen. „Wasserblüthe". In sehr grossen Massen wurden von mir die Larven von Dreissensia polymorpha Pall. erbeutet. Diese Muschel ist besonders in der Wuthenower Bucht in grossen Mengen vorhanden. Es sei mir hier gestattet, Herrn Seminar- lehrer Bade, welcher mich an dem Tage mit dem See bekannt machte, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Wir erbeuteten folgende Arten: 1. Cyclops leuckarti Claus. Nicht häufig. 2. Cyclops oithonoides Sars. Nicht liäufig. Die 1 Weibchen mit G — 8 Eiern im Eiballen. 3. Heterocope appendiculata Sars. Diese Spe- cies ist neu für die Provinz. Ich erbeutete davon 3 9 und 2 o • Wenn ich in meinem „Verzeichniss" von 1893, S. 20 in der Anmerkung sagte: „Die Gattungen Hetero- cope und Eurytemora haben sicher in den grösseren Seen unserer Provinz auch Vertreter etc.", so ist diese meine Vermuthung jetzt zur Gewissheit geworden, da ich im Laufe dieses Sommers zwei Species der Gattung Euryte- mora und eine Art der Gattung Heterocope für unser Gebiet nachwies. y 4. Canthocamptus palustris elongatus Scott (1895)? Ein Weibchen mit 14 Eiern im Eiballen. Als ich das Stück behufs genauerer Untersuchung isoliren wollte, ging es mir durch Ungeschicklichkeit verloren, ich nuiss Nr. 45. Naturwissenschaftliche Wocbeuschrift. 545 es dalier vorläufig uiicntscliieden lassen, ob es wirklich diese Species war. Die Art wäre neu für unser Gebiet. 5. Candona (speciesV). Eine leere Schale. 6. Cypris (spcciesV). Eine leere Schale. 7. Hyalodaphnia crist. cederströmi Schödler. Nicht häufig. 8. Hyalodaphnia crist. kahlbergiensis Schödler. Nicht häufig. y. Hosmina longirostris (0. F. Müller). Selten. lU. Bosmina longirostris cornuta (Jur.). Selteu. 11. Bosmina coregoni Baird. Nicht häufig. 12. Bosmina coregoni rotiiuda Schödler. Nicht häufig, jedoch häufiger, als die typische Form coregoni. 13. Bosmina longispina Leydig. Nicht häufig. 14. Alona guttata Sars. Ein Weibchen mit 2 Eiern im Brutraunie. lü. Pleuroxus nanus (Baird). Ein Stück. 16. Chydorus sphacricus ( 0. F. Müller). Einige Stücke. 17. Leptodora kindti Focke. Besonders häufig in der seichten Bucht bei Wuthenow. — An niederen Thieren erbeutete ich u. a. Anuraea aculeata Ehrenbg., Anuraea longispina Kellic. und Cera- tium birundiuella 0. F. Müller. — Es springt bei Durch- sieht der obigen Liste sofort in die Augen, dass ich hauptsächlich limnetisch fischte. Nur in der Bucht von Wuthenow, gegenüber von Neu-Ruppin, fischte ich ein wenig vom Boote aus zwischen Rohr und Schilf. 10. Der Unteruckersee bei Prenzlau. Es ist dies einer der grössten Seen der Provinz. Ich sammelte mein Material aus demselben am 27. 7. 1895, untersuchte es aber erst genauer am 3. 9. d. J. Während ich mich auf dem See befand, Nachmittags zwischen 2 bis 4 Uhr, gewitterte es und regnete auch einige Mal; der See war daher unruhig. „Wasserblüthe" war nur sehr wenig vorhanden. Ich erbeutete : A. Limnetisch, etwa 300 m vom Ufer angefangen bis zur Mitte, von der Oberfläche bis 15 m tief: 1. Cyclops albidus (Jurine). Einige Stücke. 2. Cyclops oithonoides Sars. Sehr häufig. Von 6 Weibchen, deren Eier ich zählte, hatten 3 Stück 4 und 3 Stück 5 Eier im Eiballen. 3. Diaptomns graciloides Lilljeborg. In ungeheueren Massen. 4. Heterocope appendiculata Sars. Ich erbeutete 4 9 und l S- Es ist der Prenzlauer See die 2. Fund- stelle dieser Species in der Provinz Brandenburg. 5. Cypridopsis laevis (U. F. Müller). Mehrere Stücke. 6. Diaphanosoma brachyurum (Liev.). Sehr häufig. 7. Daphnia hyalina Leydig. Einige Stücke; die Weibchen meist mit 4 Eiern im Brutraunie. 8. Hyalodaphnia cristataberolinensis Schödler. Selten. 9. Hyal. crist. kahlbergiensis Schödler. Massenhaft. 10. Hyal. crist. cederströmi Schödler. Häufig. 11. Ceriodaphnia pulchella Sars. Nicht häufig. 12. Bosmina longirostris cornuta (Jur.). Sehr häufig. 13. Bosmina longispina Leydig. Häufig. 14. Bosmina coregoni Baird. Nicht selten. AVeibchen mit 4 und 5 Eiern im Brutraume standen der Form ro- tunda Schödler sehr nahe, die mit 2 Eiern im Brutraume waren meist typ. coregoni. 15. Alona rostrata (Koch). Ein Stück. 16. Leptodora kindti Focke. Nicht häufig — Von niederen Thieren erbeutete ich u. a. sehr häutig Ceratium hirundinella 0. F. Müller und .\nuraea longi- spina Kellic, ausserdem einige Larven von Dreissensia polymorpha Pall. B. Einige hundert Meter vom Ufer entfernt, theilweisc zwischen Binsen, fing ich: 1. Cyclops oithonoides Sars. Sehr häufig. Die Weib- chen hatten 4 und 5 Eier im Eiljallen. 2. Diaptomns graciloides Lillj. Sehr häufig. 3. Sida crystallina (0. F. Müll.). Nicht selten. 4. Diaphanosoma brachyurum (Liev.). Häufig. Die Weibchen hatten 2 — 4 Eier im Brutraume. 5. Daphnia hyalina Leydig. Nicht selten. 6. Hyalodaphnia crist. kahlbergiensis Schödler. Häufig. Die AVeibchen hatten 3—5 Eier im Brutraume. 7. Hyal. crist. cederströmi Schödler. Häufig. 8. Ceriodaphnia pulchella Sars. Einige Stücke. 9. Bosmina longispina Leydig. Bei manchen Stücken war der Schalenstaciiel au der Unterseite mit 5 — 6 nach hinten gerichteten Zähnchen versehen. 10. Bosmina coregoei Baird. Nicht häufig. Ein Weibchen hatte 6 Eier im Brutraume. 11. Bosmina coregoni rotunda Schödler. Selten. Ein Weibchen hatte 8 Embryonen im Brutraume. 12. Acroperus leucocephalus (Koch). Einige Stücke. 13. Alona affinis (Leydig). Einige Stücke. 14. Peracanthatruncata (O.F.Müll-). Einzelne Stücke. 15. Pleuroxus nanus (Baird). Die Schalen davon fand ich mehrfach vor. 16. Leptodora kindti Focke. Einige Stücke. — Ausserdem fand ich auch hier in der Uferzone die Larven von Dreissensia polymorpha Pall. und von niederen Thieren u. a. massenhaft: Anuraea longispina Kell, und Ceratium hirundinella 0. F. Müll. 11. Der Straussee bei Strausberg (Ostbahn). Ich untersuchte den See am 8. 6. 1895. Der Tag war warm und klar, die Oberfläche des Sees spiegelglatt. Von „Wasserblüthe" war kaum eine Spur vorhanden. Ich fand den See ungemein reich an Entomostraken, was die Zahl der Individuen anbelangt. Der Straussee gehört zu den tieferen Seen unserer Provinz; doch konnte ich, wegen Mangels an Leine, nur bis 11 V2 m tief fischen. Es wurden von mir erbeutet: A. Limnetisch, von der Oberfläche bis 11\2 m tief: 1. Cyclops leuckarti Claus. Häufig. 2. Cyclops oithcmoides Sars. Häufig. Die Weibchen hatten 5 — 6 Eier im Eiballen. 3. Diaptomns coeruleus (S. Fischer). AVenige Stücke. 4. Diaptomns gracilis Sars. Häufig. Die von mir untersuchten Weibchen hatten meist 12—13 Eier im Ei- ballen, eines 9 und eines 6. 5. Diaphanosoma brachyurum (Liev). Nicht häufig. 6. Daphnia hyalina Leydig. Selten, meist der Ober- fläche nahe. 7. Hyalodaphnia cucuUata (Sars). Häufig. 8. Hyal. berolinensis Schödler. Häufig, einige Meter tief. Bei 22 AVeibchen zählte ich die Eier im Brutraume; es hatten darin : 7 9 : 2 Eier, 5 9:3 Eier, 59:4 Eier, 2 9:5 Eier, 29:6 Eier, 1 9 : 7 Eier. 9. Hyalod. kahlbergiensis Schödler. Sehr häufig, einige Meter tief. 10. Hyal. cederströmi Schödler. Häufig, einige Meter tief. 11. Ceriodaphnia pulchella Sars. Nur wenige Stücke. , 12. Bosmina longir. cornuta (Jur.) Häufig, der Ober- fläche nahe. 546 Naturwisscüscbaftliche Wochenschrift. Nr. 4fr. 13. Bosniina longicornis (0. F. Müll.) Häufig-, nahe der Oberfläche. 14. Bo.smina longispina Leydig. Häufig, meist in der Tiefe. 15. Bosmina coregoni Baird. Nur wenige Stücke. 16. Bosniina coregoni rotunda Schödler. Einige Stücke. 17. Leptodora kindti Focke. Massenhaft, einige Meter tief. — Ausserdem erbeutete ich an niederen Tliieren u. a. : Triarthra longiseta Ehrenbg. Häufig, in der Tiefe und Ceratium birundinelia 0. F. Müller. Häufig, in der Tiefe. B. In der Nähe des Ufers, zwischen Rohr und Binsen: 1. Cyclops niaerurus Sars. f]twa ein Dutzend Stücke. Die Exemplare hatten jederseits au der Furka über der Seitenborste noch fünf kleinere Borsten. 2. Cyclops strenuus S. Fischer. Wenige Stücke. 3. CeriodapJHiia reticulata (Jur.). Einige Stücke. 4. Scapholeberis cornuta Schödler. Einige Stücke. 5. Alonopsis elongata Sars. Einige Stücke. 6. Acroperus leucocephalus (Koch). Häufig. 7. Chydorus globosus Baird. Einige Stücke. 8. Chydorus sphaericus (0. F. Müller). Mehrere Stücke. (Fortsetzung folgt.) Die Witterung des Mouats October im centralen Europa. Die Witterung des October war ziemlich Wechsel- voll: heiteres, ruhiges, schönes Herbstwetter wechselte mit Regen und Sturm, Schnee und Gewitter, mehrfach ab. Zu Beginn herrschte noch der „Altweibersommer'", dieser Wärmerückfall des Herbstes, der ein gewisses Pendant zu den „kalten Tagen" des Mai bildet, am 1., einem prachtvollen warmen Tage war die Temperatur noch in Salzburg und Paris auf 25 ", in Pola auf 27 ", in Palermo auf 33" gestiegen, doch sclion an diesem Tage wurde das C4e- biet hohen Druckes, das seit Mitte September über Central- europa gelagert hatte, durch ein oceanisches Minimum zurückgedrängt, welches am 2., unter 740 mm tief, auf der nördlichen Nordsee lag und damit dem Altweibersonmier nach 14tägiger .Dauer ein sehr plötzliches Ende bereitete. Die Winde frischten in Grossbritannien und an der Nordsee stark auf, ergiebigere Regenfälle traten hier wie auch gleichzeitig an der Adria ein. Das Hauptniinimum folgte erst später, am 4. lag es, 7.30 mm tief, an der süd- norwegischen Küste und Hess die Winde an den eng- lischen Küsten zum Sturm anwachsen, während die Niederschläge sich unter beträchtlicher Abkühlung über die ganze Westhälfte des Continents verbreitete. Der vielwöchentlichen Dürre in der Schweiz wurde am 3. durch kräftige, zum Theil von Sturm begleitete Regen- fälle ein Ende gemacht. Am 4. fiel bei Klagenfurt schon Schnee, nachdem die ersten Schneefälle des Jahres sich bereits in der letzten Dekade des September in Finnland eingestellt hatten. Weitere Depressionen verliehen der trüben, regne- rischen Witterung Dauer; zu Münster fielen am 6. 31 mm Regen. Ein Minimum, das, unter 740 mm tief, am 9. am Pas de Calais lag, dann nach Nordwesten fortschreitend, die Nordsee durchquerte und nach Skandinavien zog, ver- ursachte zumal an den englischen und belgischen Küsten neben reichlichen Niederschlägen schwere, verderbliche Sturme. Im Rücken der Depression wurde es, bei meist nordwestlichen Winden, immer kälter. Am 16. wurde Mitteldeutschland von einer flachen, unscheinbaren De- pression durchzogen, welche aber gewaltige Regcufälle mit sich brachte, grosse Theile von Sachsen und Nord- böhmen mit bedeutenden Gewittern heimsuchte, in Wien und besonders im Altenburgischen beträchtliche Hagel- fälle hervorrief. Im Rücken der Depressionen erfolgte in Folge der aufspringenden nördlichen Winde ein starker Temperatursturz, der Regen ging an allen höher gelegenen Orten in Schneefall über, dann klarte der Himmel auf und, trotzdem der Schnee fortschmolz, kam es in der Nacht zum 18. zu den ersten Nachtfrösten in Deutschland, allgemein in Süddeutschland; in Kaisers- lautern sank das Thermometer in dieser Nacht schon bis — 5«. Fast gleichzeitig zeigte sich ein ähnlicher Witterungs- umschlag in Ober-Italien: am 18. tobte ein gewaltiger Sturm auf der ganzen Adria, in Avellino kam es zu einer verheerenden Springfluth, im District von Fermo zu einem unheilvollen Gewitter. Die Temperatur sank rapide, stellenweis von 16 auf 2", in den Abruzzen fiel schon Schnee. Das kühle, aber heitere und ruhige Wetter in Deutsch- land machte am 20. einer kurzen Erwärmung Platz. Da der höchste Luftdruck sich auf den Ocean nördlich von Irland verlegte, herrschten jetzt jedoch nördliche Winde vor, die seit dem 21. die Temperatur abermals herabdrückten. Besonders abnorm wurde die Kälte für Schottland, wo am 22. sturmartige Schneewehen auftraten. Am 23. hatte sich eine umfangreiche Zone niederen Luftdrucks von Skandinavien bis nach Spanien ausgebildet, deren süd- licher Theil nun nach Westen zog, bis er am 26. in Russlaud augelangt war. Enorme Regenfälle wurden da- durch hervorgerufen: in Deutschland, das nur am 23. davon betroffen wurde, blieben sie noch relativ gering (Maximum : 29 mm in Kaiserslautern), am 24. alter fielen in Agram 54 mm, in Laibach 55 in Gorz 63 und in Abazzia sogar die sehr seltene Menge von 92 mm, auch in Kiew gingen am 25. 44 mm nieder. Am 27. wiederholten sich diese ungewöhnlich starken Niederschläge in noch inten- siverer Weise: allein über 50 mm fielen in Klagenfurt (51), Unghvar (52), Laibach (59), Görz (71) und Abbazia (wieder 93). In den 4 Tagen vom 24. bis zum 27. waren in Laibach niclit weniger als 182 mm, in Abbazia gar über 220 mm gefallen. Durch diese enormen Regen- mengen wurden zumal in Kroatien sehr unheilvolle Ueber- sehwemmungen durch die Save hervorgerufen. Im inneren Deutschland erfolgten nach den Nieder- schlägen des 23., die zum Schluss sich wieder zumeist in Schneefälle von kurzer Dauer verwandelten, fast täglich bis zum Schluss des Monats Nachtfröste. In der Um- gebung der Nordsee rief das unverwandt über Süd- skandinavien lagernde Minimum am 24. und besonders am 25. zahlreiche Gewittererscheinungen hervor, auch in den folgenden Tagen zeigten sich noch elektrische Ent- ladungen an den Küsten. Am 30. ging ein ziemlieh schweres Gewitter mit Schneefall in Ostpreussen nieder. Das Wetter blieb bis zum Monatsschluss wechselvoll, doch im allgemeinen relativ kühl. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eniannt wurden: Der Oberarzt der Proviiizial-trrenanstalt zu R\'bnik Dr. 0. Butten berg zum Director der Heil- und Pflege- anstalt zu Freiburg i. Schles.; der Privatdocent der Veterinär- kunde in Wien, Prof. am dortigen Militärarzneiinstitut Dr. Csokor zum ausserordentlichen Professor; Dr. Walter M. Rankin nnd Dr. Charles F. W. Mc. Chi v e zu ausserordentlichen Profe.ssoren der Biologie am Princeton College; Dr. Zinn zum Assistenten an der zweiten medicinischen Klinik in Berlin. Berufen wurden: Der ausserordentliche Professor der Physio- iogie in Berlin Dr. J ohanues Gad als ordentlicher Professor und Director des physiologischen Instituts an die deutsche Universität Nr. l.'>. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Ü47 Prag;, der Privatdocent der Anatoiiüo und Prosektor in VVürz- burff ' Professor Dr. Michael von Lfinhossek als Prosektor nnd NMchtblger des Professors Froriep nach Tübingen; der Assistent am anatomischen Univorsitätsinstitut zu Berlin Dr. Jo- hannes Sobotta als Prostktor nach Wiirzburg; der Privat- docent in der mcdicinisclien Fakultät zu Berlin Dr. Wilhelm Weintraud als erster klinischer Assistenzarzt an die medicinische Klinik zu Breslau, wo er sich uleichzrititx habilitirte. Es habilitirten sich: Dr. Wilhelm Müller für Mineralogie und Geologie an der technischen Hochschule zu Charlottcnburg- Bcrlin; Dr. Kicder für Chirurgie in Bonn. In den Puhestand treten: Der Professor der Astronomie und Director der Universitiitssternwarte zu Breslau Geh. Regierungs- rath Dr. Galle; der ordentliche Professor der Zoologie in Wien Dr. Karl Claus. Es starben: Der jüngst in den Ruhestand getretene Kurator der Bonner Universität "Geh.-Rath Dr. Gandter: der ausser- ordentliche Professor der Zoologie in Bonn Dr. Philipp Bertkau; der Berliner Arzt Sanitätsrath Dr. Paul Schütte; der Professor der Philosophie in Utrecht Dr. Molkzer (durch Unfall). Preisausschreiben des allgemeinen deutschen Sprachvereins. Deutsche Pflanzennamen für die ileutsche Schule. Der für unsere Jugend so wichtige und anziehende Unten-icht in dm- Pflanzenkunde wird durch die unverständlichen nnd darum schwer zu lernenden lateinischen Benennungen sehr beeinträchtigt. Dem Verlangen nach deutschen Pflanzennamen für die deutsche Jugend steht die Schwierigkeit entgegen, dass es eine einheitliche deutsche Pflanzenbezeichnung nicht giebt. Wie die fleissige Sannnlung von Pritzel und Jessen (die deutschen Volksnamen der Pflanzen, Hannover 1882) zeigt, weichen die Pflanzenbenennuugen in den verschiedenen Gegenden deutschen Gebietes wesentlich von einander ab: für manche Pflanzen giebt es mehr als hundert verschiedene Namen. Es soll also untersucht werden, wie diesem Uebelstande ab- zuhelfen sei. auf welchem Wege wir — vielleicht mit Unter- stützung des allgemeinen deutschen Sprachvereins — zu einer ein- heitlichen deutschen Xamengebung gelangen können, soweit es das Bedürfniss der Schide erfordert — denn die Kunstsprache der Wissenschaft soll selbstverständlich nicht angetastet werden. Namentlich wäre in Betracht zu ziehen, welche Pflanzen dabii in Frage kommen, und nach welchen Grundsätzen eine Auswahl aus den vorhandenen deutschen Namen zu treffen sei. Das Haupt- gewicht ist dabei weniger auf eine erschöpfende Wortliste zu legen, als auf eine gründliche und zugleich gut lesbare, anregende Erörterung der ganzen Frage. Die Preisarbeiten sind mit einem Wahlspruch zu versehen, und bis Ende 1896 an den Vorstand des Vereins einzusenden. Bei- zufügen ist ein verschlossener Brief mit demselben Kennworte, welcner den Namen des Verfassers enthält. Für die besten Bearbeitungen der Aufgabe sind zwei Preise im Betrage von 600 und von 400 Mark ausgesetzt worden. Das Preisriehteramt haben übernommen die Herren: Professor Dr. Behaghel in Giessen, Professor Dr. Drude in Dresden, Prof. Dr. Dunger in Dresden, Prof. Dr. Hansen in Giessen, Prof. Dr. Pietsch in Berlin. Der Gesammtvor stand des allgemeinen deutschen Sprachvereins. Dr. Max Jahns, Vorsitzender. Die Kaiserliche Leopoldinisch-Carolinisch deutsche Aka- demie der Naturforscher feiert die Erinnerung an eine ihr vor lil Jahren überwiesene Stiftung, indem sie zum ersten Mal wohl- befähigte. tüchtige junge Arbeiter im Facht der vergleichenden Anatomie, der Physiologie oder der P.«ychologie zur Beworbung um eine l'nterstützung im Betrage von 1000 Mark auffordert. Beim fünfzigjährigen Staatsdiener-Jubiläum des damaligen Aka- demie-Präsidenten C. G. Carus hatten am 2. November 1864 Freunde und Verehrer des trefflichen Mannes die Carus-Stiftung durch Aufsammlung von Geldbeiträgen begründet. Doch war das Kapital so gering, dass Carus vorzog, die Zinsen zunächst zur Verrnehrung des Grundvermögens zu benutzen, statt kleine Be- träge an würdige junge Gelehrte durch die Akademie auszahlen zu lassen. Nach seinem Tode 1861) schien die Stiftung durcli die Unredlichkeit des Akademie-Sekretärs vernichtet zu sein, und trotz aller Bemühungen vermochte es der Nachfolger im Präsi- dium, W. F. G. Beim, nicht, sie wieder ins Leben zu rufen. Erst der umsichtigen Thätigkeit H. Knoblauch's ist es gelungen, das Verlorene wieder einzuliringen uml das Vermögen so weit zu er- höhen, dass die Akademie jetzt im Stande ist, jene Aufforderung zu veröffentlichen. Den Bewerbern sind keine lästigen Bedin- gungen auferlegt; sie haben nur ihre Befähigung und ihre Tüchtigkeit nachzuweisen. Daher ist zu erwarten, dass die Stiftung ernste wissenschaftliche Forschung befördern nnd dem Andenken des hochverdienten C. G. Carus, sowie der Wirksam- keit der kurz nach den Stürmen des dreissigjährigen Krieges be- gründeten Deutschen Naturforscher-Akademie Ehre bringen wird. L i 1 1 e r a t u r. August Czullik, Das k. k. Lustschloss Laxenburg und seine Parkanlagen. Mit 18 Ansichten und 1 Plane des Parkes. Carl Gerold's Sohn in Wien. 1895 — Preis 1,60 M. Das Heft ist durch Text und Bild wohl geeignet, eine richtige Anschauung von der schönen im Titel genannten Anlage und den in derselben befindlichen Gebäulichkeiten zu geben. Der Besucher Wiens kann das Heft als Führer für Laxenburg trefl'lich benutzen. Basile Conta, Theorie de l'ondulation universelle. Essais sur l'evolution. Traduction et nutice biogni]iliiijue jiar D. Rosetti Tescanu Avec une lettre-preface par le Prof. L Büchner. (Bil)liotheque de philosophie contemporaine). Anc. librairie Giermer Baillicre & Co Felix Alcan, editeur. Paris 1895. — Prix 3 fr. 76. Conta theilt die Körperwelt in eine evohitive und eine nicht evolutive ein. Die zur ersten Kategorie gehörigen Körper wachsen allmählich, erreichen einen Höhepunkt und gehen dann zurück, um schlicsslicli wieder den ursprünglichen Zustand zu er- reichen. Das sich hierin aussprechende Gesetz nennt C. „ondu- lation universelle" und ihm sind z. B. unterthan die Pflanzen, die Thiere und die Planeten. Soviel zur Erklärung des Titels. Im übrigen sei erwähnt, dass das Buch in der Richtung des Büchner'schi-n Materialismus liegt ; wie diesem überhaupt fehlt auch dem Autor die genügende Vertiefung, doch dürfen wir (h^shalb nicht verkennen, dass die Arbeit immerhin mancherlei Anregung bietet. Prof. Dr. Otto Wünsche, Die verbreitetsten Käfer Deutsch- lands. Ein Uebnngsbuch für den n.atui wissenschaftlichen Unter- richt. Mit zwei Tafeln. B. G. Teubner in Leipzig 1895. — Geb. 2 Mk. Das Buch bihlet ein zoologisches Gegenstück zu dem bota- nischen Werkclien ^Haupt- 47 ^ " 120 ^'^^^> karten m. ll/ ^ alphab. Na- O^ menregistern. Durch jede Buchhandlung, auch in 16 Liefgn., jede zu M. 1,80, zu beziehen. Auf Wunsch Prospekt gratis. ^ Leipzig, H. Wagner & E. Debes i 3895. i to)iofloBTiroiroir5iKff3Tto!oroTfc,iioitoBoito^ra i Die Illustration - I wissenschaftlicher I Werke M erfolgt am besten und billigsten ri durch die modernen, auf Photo- g graphie beruhenden Reproduc- tion^arten. Die Zinkätzungen dieser Zeitschrift gelten als Proben dieses Verfahrens und sind hergestellt in der graphi- schen Kunstanstait Meisenbach, Riffarth & Co, in Berlin-Schöneberg, welche bereitwillig-st .jede Aus- kuntt crtlieilt. Uches f zu Preislisten etc. HugoSfindler BeNin,5.Rittepstp.96. Billige PpBiselSdinelle Lieferuns! 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IliitersH«'li.- ^<^ oCi' \^^ Langjähriger Assistent vuia l'tul. l>r. \'u;;cl des photo-chem. Laboratoriums der Kgl. techn. Hochschule zu Charlottenburg. ^^^ »«v u» - «•?.. -.'' ,.1, „V^^ Ad ^^ — u. theoret. Ausb. . »wO^ <,aOS^^!^^^'^'" säinnitl. photogr. rzu eine Beilage von der Weidmannschen Buchhandlung in Berlin SW. 12. und Lehrbücher", die wir liiemiit liesomlerer Beachtung empfehlen. betrefleiiil : „Nalurwissen- Verantwortlicher Hedacteur: Dr. Henry Potoni^, Gr. Lichterfelde (P.-B ) bei Berlin, Potsdanierstr. 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. V*--- ^^^~^^ Redaktion: ? Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 13, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den 17. November 1895. Nr. 4G. Abonnement: Man abonnirt bei allen BuchhandlunKen und Post- ")[■ Inserate: Die vier^espaltene Petitzeile 40 -^. Grössere Aufträge ent- anstalten. wie bei der Eipedition. Der Vierteljahrspreis ist ^ 4.— ejp sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post lö ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. JL bei allen Annoncenbiireaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger <{nellenaiisabe gestattet. Ein pithecanthropos-ähnlicher Menschenschädel aus den Sambaquis von Santos in Brasilien. (Vorläufige Mittheilung.) Von Prof. Dr. A. Nehring in Berlin. Mit 3 Abbildungen. Bei dem grossen Interesse, welches den von Eug. Dubois beschriebenen Resten des Pithecantliropos erectus entgegengebracht wird, dürfte es nicht ungeeiguet er- scheinen, wenn ich hier einen menschlichen Schä- del aus einem brasili- anischen Sambaqui kurz beschreibe, welcher in manchen Punkten dem Schädel des Pithecau- thropos ähnlich ist, und hiermit einen Beitraj;- zu der auch in dieser Zeit- schrift schon mehrfach erörterten Pithecanthro- pos-Frage liefere.*) Jener Sambaqui- Scbädel befindet sich schon seit etwa 18 Jahren Privatsanmi- lu meiner lung; er ist 1875 von meinem Bruder Carl, der damals als Apotheker in Santos lebte, auf einer vor dem Hafen dieser Stadt liegenden Insel ausge- graben oder, genau ge- nommen, durch Spreng- pulver und Spitzhacke an das Tageslicht be- fördert worden. Die auf der betrefifenden Insel KiS- 1- Menschenschädel aus einem Sambaqui von Santos in Brasilien. Ansicht von oben, iloch nicht ganz senkrecht. Ktwa '/lUat. Griisse. Gezeichnet von l>r. <;. Itörig. damals befindlichen Sambaquis oder Muschelhaufeu*), welche man in Santos nach Angabe meines Bruders „Casqueirinhos" zu nennen pflegte, wurden zeitweise aus- gebeutet, um Kalk zum Kalkbrennen zu ge- vinnen. Bei dieser Gelegen- lieit fand man nicht selten rohe menschliche Steiugeräthe, sowie auch hie und da menschliche Skelettheile. Man konnte unter den Steingeräthen einen jüngeren, voll- kommeneren Typus und einen älteren, rohen Typus unterscheiden ; von beiden besitze ich Proben. Der menschliche Schädel, um den es sich hier handelt, ist zusammen mit rohen Steinbeilen in den tiefsten Schichten eines Sambaqui von meinem Bruder ge- Schädel des Pithecanthropos erectus. An- fuudcn WOrdcU; iu Seiner sieht von oben. Knapp ';. «at. Grösse. XT.jlip Ino-pn iincll andere t'opiert nach Dubois von f)r. (J. Rörig. •'^'*"6 'agen UOCU anutie Reste eines menschlichen Skelets. Die umgebende Masse, von der mir Proben vorliegen, besteht aus ver- Fis *) Vorgl. ..Naturw. Wochenschi-. ", 1894, S. 59 C. S. V22f. ISfl.-i, S. 70 ff., S. 81 ff., S. 432. *) Diese Muschelhiuifen la.ssen sich mit den bekannten „Kjokenmöddings" der dänischen Küsten vergleichen, fionaueres findet man in den Verh. d. Berl. anthrop. Gosellsch., Bd. 4, S. 187 ff Bd. G, S. i ff. Bd. 8, S. 111. 550 Naturwisscuschaftliche Wochenschrift. Nr. 4n siutcrten Muschelschalen bezw. Bruchstücken solcher Schalen; sie ist stellenweise ausserordentlich hart und fest, so dass sie mit Pulver gesprengt werden musste. Vorliegender Schädel ist der einzige, den mein Bruder in einem ziemlich vollständigen Zustande aus der angt hat. P]r gehört einem Ausser den noch die verletzt sind. De ein solcher, wie man ihn bei jungdiluvialeu Knochenhöhlen zu namentlich von den hinteren abgebildeten zugehörigen Schläfen- Erhaltungs- gilt umgebenden Muschelbreccie er erwachsenen Individuum an. Schädeltheilen besitze ich beine, welche aber etwas zustand des Schädels ist vielen Knochen aus finden pflegt; dieses Theilen der Schädelkapscl, welche einen ziemlich „fossilen" Eindruck machen. Auch haften daran noch Partien der harten Muschelbreccie, meistens in Form eines dünnen Ueberzugs. Spuren einer künstlichen Defor- mation kann ich an dem Schädel nicht entdecken; da- gegen beobachtete ich an einigen Stellen der Scheitel- beine feine Risse, welche unter dem Einflüsse der um- gebenden Ablagerungsmasse entstanden sind. Was nun zunächst die Grösse des Schädels an- betrifft, so bemerke ich darüber Folgendes. Die grösste sagittale Länge grader Abrechnung masse, welche der Schädelkapsel, in Linie von der Glabella ab geraessen, beträgt 18.8 mm. Misst man die quere Breite an den Scheitelbeinhöckern, so beträgt sie nur 135 mm. Misst man die Breite des Schädels weiter vor- wärts und abwärts, so beträgt die grösste Breite ca. 142 mm, unter der Incrustations- sich dort findet. Auffallend eingeschnürt er- scheint der Schädel in der Schläfenpartie des Stirn- beins; hier beträgt die quere Breite („temporaleBreite" Dubois') nur 92 mm. (Siehe Fig. 1 *). Bei dem Pithecanthropos ercetus be- trägt die grösste sagittale Länge 185 mm. Breite an den Scheitelbeinen 130 mm, die Breite" des Stirnbeins 90 mm; doch betont Dubois, dass diese letztere Dimension am unversehrten Schädel 94 mm betragen haben müsse. (Siehe Fig. 2.) Zum Vergleiche stelle ich in folgender Tabelle die Dimensionen von drei Schädeln anthropoider Affen unserer Sammlung mit denen der oben besprochenen Schädel zu- zammen, wobei ich bemerke, dass am männlichen Gorilla- Schädel die starke Crista der Lambda-Naht nicht mit- ü'erechnet ist. Seitenansicht Knapp hinsichtlich seiner Länge und Breite (namentlich hin- sichtlich der „temporalen Breite" des Stirnbeins) dem Schädel des Pithccanthrojjos sehr ähnlich. Wesentlich verschieden zeigt sich dagegen die Höhe der Schädelkapsel in ihrem hin teren.A bschnittc; hier ist der Sambaqui-Sehädel bedeutend höher als der des Pithecanthropos, wie eine Vergleichung der Aijbil- düngen leicht ergiebt, und seine Capacität muss wesent- lich grösser gewesen sein, als die des letzteren. Was die Formv erhältnisse anbetrifft, so finde ich die Profillinie beider Schädel von der Glabella bis zum hinteren Drittel der Seheitellieinc einander ziemlich ähnlich; der Hauptunterschied zeigt sich in der Bildung des letzten Abschnitts der Scheitelbeine und in der des Hinterhaupt- beins. Bei dem Pithecanthropos ist das Hinterhaupt scharf nach vorn herumgebogen, also stark affenartig gebildet; bei meinem Sambaciui-Schädel erscheint die Biegung des Hinterhaupts nicht so scharf und die ganze Hinterhaupts- partie ist höher, voller und rundlicher gebildet. (Siehe Fig. 3.) Ich erkenne hierin einen Hauptunterschied zwischen beiden Schädeln. Im Uebrigen ist auch die Stirn meines Sambaqui-Sehädels relativ niedrig und zurück- weichend; die Augenbrauenbogen erscheinen ziemlich ausgebililet, wenngleich nicht so stark, wie bei dem bekannten Neanderthaler Schädel.*) Der Gesichtstheil zeigt einen sehr ausgeprägten Prog- nathi Sinus; man könnte ihn schon als „Schnauzentheil" be- zeichnen und darf ihn wohl mit einer gewissen Berechtigung affen- ähnlich nennen. Dass derselbe hinter den Augenhöhlen deutlich abgeschnürt ist, habe ich schon oben erwähnt. Diese Abschnürung würde noch mehr Fig. 3. des durch Fig. 1 dargestellten Menschenschüdel; /,j nat.. Grösse, (iczeiflinet von Dr. G. Rtiri;?. die „temporale grösste hervortreten, wenn die Jochbeine vollständig erhalten wären. Virchow hat neuerdings auf diese Abschnürung des Orbitaltheils vom Cerebraltlieile ein besonderes Gewicht hinsichtlich der Beurtheihing des Pithecautropos- gelegt 1. Sam- baqui- Sehädel 2. Pithe- can- thropos 3. Gorilla cT ad. 4. Gorilla 9 ad. 5. Schim- panse 9 ad. 1. Grösste sagittale Länge des Schädels 183 18.5 IGO 148 128 2. Grösste transversale Breite des Schädels am unteren Rande der Scheitelbeine . 142 130 100 98 96 3. Geringste Breite der Stirn an der temporalen Kin- schnürang 92 90-94 68 68 67 Hiernach erscheint mein Sambaqui-Sehädel von Santos *) Diese Abbildung und Fig. 3 sind unter Benutzung von Photographien, welche Herr Dr. Frentzel freundlichst hergestellt hat, nach dem Original von meinem Assistenten, Ilrrrn Dr. Rurig, gezeichnet worden. Schädels.**) Er sagt darüber u habe dieses sonderbarer Weise Merkmal den Mitgliedern des Con keinen Widerspruch gefunden. Folgendes: A. ganz ^.esses demonstrirt Ob es „Ich vernachlässigte ist, wage ich deswegen und als nicht zu angenommen zu betrachten sagen. Aber das kann ich bestimmt behaupten, dass der javanische Schädel (d. h. der Pithecanthropos- Schädel) dieses Merkmal ebenso vollständig besitzt, wie es jeder Gibbon-Schädel zeigt, während der Neander- thaler und der australische Schädel es nicht besitzen. Und darum kann ich nicht umhin, den javanischen Schädel für einen Artensehädel zu erklären, wie ich es von Anfang an gethan habe." Ich muss anerkennen, dass die Abschnürung des Orbitaltheils vom Cerebraltheile ein sehr hervortretender Charakter des Schädels erwachsener Affen ist; und zwar zeigt sich jene Abschnürung um so deutlicher und ener- gischer ausgeprägt, je kräftiger die Kaumuskeln (Muse. *) Eine genauere Vergleichung mit dem Neanderthaler, sowie mit anderen diluvialen bezw. prähistorischen Menschenschädeln soll in einer späteren ausführlichen Arbeit geliefert werden, wobei auch die bisherige Litteratur über den Pithecanthropos berücksichtigt werden wird. **) „Die Nation", herausgegeben v. Dr. Barth, 13. Jahrg., Nr. 4. vom 26. Oct. 1895, S. 53- ü5: „Der Pithecanthropos vor dem Zoolog. Kongress zu Leiden." Nr. 4r.. Naturwis.scii.scIiaf'tlR'hc W((c.licii.sfhrift. 551 tcmpiiiiilis niid iM. iiiassctci) entw icki'lt sind. Hei den niännliciiou Aft'en i.st jene Ah.seliniirun^ü: stärker als hei den \veil)lielien, »eil bei .jenen die f;euannten Beiss- oder Kaumuskeln kräftii^er entvviekelt sind, als bei diesen. Die aufl'allenden Kämme und Leisten des crwaehsencn inännlielien (lorilla-Seliädels liänj;en mit der stärkeren P^ntwickeluno- der Koptmuskulatur zusammen; sie haben sieh unter dem Einllusse dieser Muskulatur herausgebildet. Der iSehädel des weil)lie]ien. mit sehwächerer Kopt- muskulatur versehenen Gorillas zeigt eine viel sehwäehere Entwiekehuii;- jener Knoehenkäunne; der Scheitelkanmi (Crista sa,i;ittalis), welcher beim erwachsenen männlichen Gorilla stark entwickelt zu sein jttlegt und als Ansatz- und Gren/.tläciie der beiderseitigen Sehlät'ennmskeln dient, t'eldt dem erwach.senen Weibehen so gut wie vollständig. Audi die .Vugenhrauenwülste, welche in enger Heziehung zu der stärkereu oder schwächeren Entwiekelung des Btirn- muskels stellen, sind beim erwachsenen Gorilla-Männchen kräftiger entwickelt, als beim erwachsenen Weibchen. Entsprechende Unterschiede zwischen erwachsenen niänn- liehen und weiblichen Schädeln tinden sich beim Schim- panse und bei vielen anderen Affenarten. Auch bei vielen Kaubthieren kann man den Einfluss der stärkeren oder schwächeren Entwiekelung der am Schädel inserirten Jluskeln auf die Form des Schädels und insbesondere auf die stärkere oder schwächere Abschnürung des (»rbitaltheils vom Cereljraltheile nachweisen, worauf ich an einem andern Orte näher einzugehen gedenke. Der vorliegende Mensehenschädel aus den Sambaquis von Sautos beweist, dass auch beim Menschen, wenigstens bei der hier repräsentirten, wenig cultivirten, prähistorischen Rasse eine ziemlich starke Absehnü- rung des Orbitaltheils vom Cerebraltheile vor- kommen kann.*) Ich bemerke, dass diese Abschnürung in natura noch stärker hervortritt, als in unserer nach einer Photographie hergestellten Abbildung Nr. 1, da die ßreitendimensionen durch die photographische Aufnahme in 7o nat. Gr. etwas vergrössert worden sind. Wir dürfen aus der starken Schläfen-Einschnürnng des Santos- Schädels, welche mit eiuer deutlichen Ent- wiekelung einer Crista auf der Grenze zwischen Facies temporalis und Vorderseite des Stirnbeins verbunden ist, auf eine starke Entwiekelung der Kaumuskeln, namentlich des Schläfenmuskels, schliessen. In Zusammenhang hier- mit steht die kräftige Ausbildung des Gebisses. Die Kackenzäinie sind relativ gross und breit; sie zeigen sieh flach abgekaut, wie man es so häutig bei prähisto- rischen Schädeln findet. Die Stellung der Baekenzahn- reihen zu einander erscheint fast parallel oder weicht doch von derjenigen Stellung, welche wir bei heutigen Culturmenschen zu beobachten pflegen, wesentlich ab. Merkwürdigerweise sind statt der typischen vier Sehneide- zähne sieben Schneidezähne vorhanden, von denen zwei hinter der Zahnreihe aus der Gaumenfläehe hervorge- waehsen sind. Dieser Umstand dürfte aber auf die Stellung der 5 vorderen Sehneidezähne kaum einen nennenswerthen *) Bei genauer Vcrgleichung von Fig. 1 und Fig. 2 wird man erkennen, dass der Schädel des Pithecanthrnjios sich mehr all- mählicli nucli der tei]ii)orah;n liinschniii-unf; liiii verschmälert, dass er überliaupt schhmker gebaut ist, als der Men.scliensehädol von Santos. — Die von R. Virehow in seinem j^rossen Werke: .,Crania Ethnica Americana", Berlin 1892, S. 30 f. ab- gebildeten und besprochenen beiden Sambaqui- Schädel zeigen wesentliche Unterschiede gegenüber dem meinigen; vielleicht stammen sie aus den jüngeren Schichten der Samljaquis, worauf auch die vollkommenere Form NaturwisscnschiiCtlichc Woclicusclirill. 553 die zu (K'ii Lei^iiiniiKisen j;eliören.*i Die beste Noxta ist (las l)rasiiiaiiiselie Kosi'iihol/, der Enj;l;ui(k'r, das aus den rmviiizeii liio de Janeiro uud Baliia, und naciistdciu aus l'ara kommt. Das Holz ist röthlielibrauii, rcieblieli scliwiirziicli gestreift und in derselben Suliattirunj;- ge- masert. Ks ist liart, scbwer und nimmt eine seböne l'dliliu' an, sebmecUt scliwaeb bitter und etwas balsanuscb und dul'tet roscnabnlicii. Wegen seines llar/.geiialtes ist CS etwas sebwierij;' zu bearbeiten, doeb verscliwindet dieser Naebtlieil den Vorzügen 'eniiber. Für die Kunsttisebierei ist es dagegen eine sebr üble Eigen- sebal't, dass das Holz am Markkerne zu verwesen be- ginnt, bevor der IJaum die Reife erlangt bat. Daber klimmen niemals viereckige lilöcke oder breite Planken in den Handel. Gewölinlicb werden die Stämme in der Liingsricbtung balbirt und das faule Holz wird aus- gebaucn, so dass die Balken auf der inneren Seite keine ebene Fläche zeigen, sondern, dem faulen Kerne ent- sprecliend, mebr oder weniger eingebauebt sind. Die nn- regelmässige Form der Holzstücke bedingt den Verkauf nacb Gewicbt. Die Preise scbwanken zwischen weiten Grenzen, je nacb der Farbenschattirung und der Maserung. Je schärfer die Scbattirungen von dem Grunde abstechen, je unregelmässiger die Maserung verläuft, desto höher steigen die Preise. Die Hauptabnehmerin neben der Luxustiscblerei ist die Pianofortefabrikation. Der Export an brasilianischem Roscubolz steigt von Jahr zu Jahr und sein jährlicher Werth beträgt jetzt schon über 2 Millionen Mark. Auch Indien bringt ein Rosenholz hervor, das von den Engländern Hlackwood (Dalbergia latifolia, Familie Leguminosae) genannt wird. Es stammt von einem zu den Schmetterlingsblüthlern gehörenden und namentlich auf Malabar heimischen Baum, der einen brauchbaren Stamm von etwa 15 Meter Länge uud einem Durch- messer des gewöhnlich gesunden Kernholzes bis zu 1 m liefert. Das Holz ist dunkelbraun, fast schwarz schattirt und häufig schön gemasert. Die Nachfrage nach ihm ist so gross, dass sieb die indische Forstverwaltung veran- lasst sah, ausgedehnte Anpflanzungen anzulegen. In der Neuzeit haben sich auch die Franzosen be- müht, aus ihrer Colonie Guiana ein Holz in Europa ein- zuführen, dem sie denNamenweiblicbes Rosenholz**j geben. Es besitzt einen köstlichen, an Bergamotöl erinnernden Geruch. Das Holz kann nur zur Gewinnung von ätheri- schem Oel verwandt werden, W(jzu es geraspelt wird und dann in eine Destillirblase gefüllt wird. Der Gerucli des Holzes ist so flüchtig, dass es erst kurz vor der Dar- stellung des Oel pulverisirt werden darf. Das Oel wird von den Pariser Parfümeriefabriken verarbeitet. Das Holz ist gelb und grobfaserig und dürfte kaum zu einem anderen Zwecke benutzbar sein. Auch eine nach \'eilchen riechende Holzart existirt, die von dem in Ostaustralien wachsenden Myall geliefert wird. Der Myall (Aeacia homolophylla), welcher den Akazien angehört, ist ein schwachwüchsiger Baum, dessen Stamm selten einen Durchmesser über 30 cm erreicht. Das dunkelbraune, harte und schwere Holz strömt einen starken Veilchengeruch aus und bewahrt ihn auch so lange, als es unprdirt bleibt, was in solcher V(dlk(mnnen- beit bei keinem anderen bekannten Hri;ia nigra, ehentalls zu den Ijeguminosen gchörifc, zuriickf;efülu't wird. *') Walubclieinlich ein Product von Licaria odorata. Baum am häufigsten vorkommt, Luxusartikel aus diesem Holz zur Schau gelnacht, dessen bemerkcnswertbe Eigen- schatten seitdem allgemein bekainit wurden und Veran- lassung zu einer dauernden Nachfrage in Europa gaben. Das Holz wird jetzt zu F(jurnireu, Kästchen für Hand- schuhe und Briefpapier und andere ähnliche feinere Drechslerarbciten verwendet. Australien ist üljcrbaupt ziendich rcicii an wohl- riechenden Hölzern. So weist auch die Colonie West- australieu einen bindjcerduftenden Baum (Aeacia aeumi- nata) auf — eine Akazienart — der diesen Namen empfing, weil sein Holz ähnlich wie Himbeeren, richtiger wie llimbccrgailerte riecht. In seinem Verbreitungsbezirk schätzt man es ausserordentlich wegen seiner Brauchbar- keit zu feinen Möbeln, und auch in England liat es sich bereits Anerkennung verschatft. Ebenfalls in Australien findet sich der Moscbusbauni, dessen Holz einen dem Namen entsprechenden, angenehmen Geruch und eine schön gefleckte Farbe hat. Auch das australische Fuchs- holz (Bursaria spinosa) bat einen lieblichen, aber ver- gänglichen Geruch. Sehr selten ist das südamerikanische Holz Palo Santo, das einen feinen Geruch l»esitzt, welchen es niemals verliert. Es ist grünlich gefärbt, fest, elastisch und nimmt eine prächtige Politur an. Der Baum, von dem es abstammt, ist noch unbekannt. Eine ausgedehnte Verwendung findet das Santalholz, das im Deutschen meistens unrichtig SandcUuilz, in Nach- ahmung der Engländer geschrieben wird. Santa! ist der arabische Name für dieses Holz. Der Handel mit ihm besass schon Wichtigkeit, als die geschichtliche Zeit zu dämmern begann. Die erste schriftliche Erwähnung als Cbandana in der Sanskritsprachc bringt ein Werk aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. Es wurde schon damals zu den religiösen Ceremonien benutzt. Aus der älteren Hindureligion ist dann dieser Gel)rauch in den Buddbismus übernommen worden, so dass beute die religiösen Gefühle mehrerer hundert Millionen Menschen eng mit diesem Holze verknüpft sind. Wenn sich sein Rauch hinunel- wärts kräuselt, ist der Hindu und Buddhist überzeugt, eine religiöse Pflicht erfüllt zu haben und glauljt, dass der zu seinem Gotte aufsteigende süsse Woblgeruch eine schwere Sündenlast für immer verschleiert. Seitdem der Buddhismus in China eingeführt worden ist, ist dieses den Santalbaum entbehrende Reich zum hauptsächlichsten Markt jenes Holzes geworden. Das Santalholz wird von mehreren Arten der Gattung Sautalum geliefert, die über Asien, Australien und Poly- nesien verbreitet sind und in ihrer Tracht am besten mit der Myrthe zu vergleichen sind. Von der hervor- ragendsten Bedeutung ist der weisse Santalbaum (Sau- talum album I. Wie alle Arten dieser Gattung kommt er nur auf trockenen Hügeln und Bergen vor, wird er auf feuchten Niederungen angepflanzt, so verliert sein Holz fast jeden Werth. Gewöhnlich erreicht er eine Höbe von 7 bis 8 Meter bei einem Stammdurchmesser von 30 Centi- meter. Lässt man ihn stärker werden, so verwest in der Regel der Jlarkkern und seine nächste Umgebung. Ge- fällt werden die Bäume, wenn sie 20 bis 25 Jahre alt sind, denn um diese Zeit erreichen sie ihre Reife. Die Rinde wird sofort abgeschält und der Stamm in Blöcke von etwa 60 Centimcter Länge gehauen, die für mehrere Monate in die Erde eingebettet werden. Die Termiten fressen inzwischen den Splint vollständig ab, lassen aber das wohlriechende Kernholz unberührt. Die Blöcke werden nun mit der Axt zugestutzt und in geschlossenen Speichern der Forstverwaltung langsam getrocknet, wo- durch eine Geruchsverfeinerung stattfindet und der Neigung des Ilcdzes zum Reissen vorgebeugt wird. Je tiefer die Farbe, desto stärker ist der (icruch uud um so werth- 554 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 4(;. voller (las Holz. Hellgelbe Stücke, oder solche, welchen noch der weisse Splint anhängt, haben wenig Werth. Die Farbe soll tiefgelb sein, oder noch besser, ins Röth- liche spielen und röthliche Adern zeigen. Gewöhnlich ist die Farbe je nälier den Wurzeln desto tiefer und desto stärker ist auch der Geruch. Den eigentlünnlichen Geruch verleiht dem Santalholz ein ätherisches Oel, welches schwerer als Wasser ist. Es hat seinen Sitz vorzugsweise im Kernholz und in den grösseren Wurzeln, der Splint der älteren Bäume und das ganze Holz junger Bäume ist geruchlos. Das Oel wird gewöhnlich an dem Platze destillirt, wo die Bäume gefällt werden und zwar aus den Spänen und Wurzeln. Die grösseren Blocke gehen hauptsächlieh nach China, die kleineren nach Arabien, während mittelgrosse Stücke in Indien verwendet werden. Ausser zu Rauch- opfern und zum Räuchern der Wohnungen benutzt man in China das Santalholz auch zur Herstellung von Schnitzereien aller Art. In Indien verfertigt man aus ihm die Götterliilder. Ferner verwenden es die wohl- habenden Hindns, um ilnen Reichthum zu zeigen, bei den Todtenopfern, indem sie Santalblöcke auf die zur Leichenverbrennung errichteten Seheiterhaufen werfen. Industriell wird es zu Luxuswaaren, namentlich zu Fächern und eingelegten Arbeiten gel)raucht. In Form von Pulver wird das Holz dem Farbstoff beigemengt, mit dem die Brahniancn ihre Kastenabzeichen herstellten. Das Santahil findet eine ausgedehnte Verwendung als Parfüm, von seiner Beimischung bleiben nur wenige indische Parfümartikel frei. In Europa und Nordamerika dient das Holz zu Luxusholzarbeiten. In Spiiitus auf- gelöst und nnt Rosenöl versetzt wird aus dem Santalöl ein kostbares l'aschentuchparfüm fabricirt. Weil es sich leicht mit Rosenöl vermischt, wird es oft zur Fälschung desselben benutzt. Das Kilogramm Santalöl wird in Frankreich mit 140 Mark bezahlt. Das hauptsächlichste Ausfuhrgebiet des Santalholzes ist Indien, wo es zum Theil Regierungsmonopol ist und nur von bestimmten Beamten gefällt und verkauft werden kann. Der Baum wird hier durch die Forstverwaltung regelrecht angebaut. Indien liefert jährlich gegen 1200 Tonnen Santalholz in einem Wertlie von mehr als 1 Million Mark. Eine Tonne der besseren Qualitäten Santalholz wird in China mit 240 bis 800 Mark bezahlt. Noch höher als das Santalholz werden von den Südasiaten jene Hölzer geschätzt, welche den Handels- namen Aloeholz, Garon, Calambak oder Adlerholz führen. Es ist noch nicht zuverlässig festgestellt, von welchen Bäumen sie gewonnen werden. Das beste Adlerholz soll von einer in Cochinchina heimischen Leguminose stammen (wahrscheinlich von Aleoxylon agalloclium). Ein naher Verwandter davon wächst als ein mittelhoher Baum am Golf von Slam in den Gebirgen von Borneo, Sumatra und .Java. Sein Holz ist fest, gelb und mit schwarzen Streifen und giebt, wenn es gerieben oder gespalten wird, einen Rhabarbei-geruch von sich, der einem dunkel- farbigen Harze entspringt. Zu den Bäumen mit wohlriechendem Holz gehören auch die Cedern. Als Ceder bezeichnet man heute vielmals Bäume, denen dieser Name gar nicht gebührt. In Nord-Amerika wird jede Thupa, jeder Wachholder, verschiedene Cypressen Ceder genannt. Ebenso ist die Bermudaceder ein Wachholder, derjenige Baum aber, welcher das westindische Cedernholz liefert, besitzt mit den echten Cedern nicht einmal Familienverwandt- schaft. Ihre Berühmtheit hat diese ßaumgattung be- kanntlich durch hl U tu 57 cm. In Leder geb. 32 Mark. GANZ NEUI /T^ /3^ ^^ 4/ ^ "120 • ^^'^^^ Neben- • ^'^^^^ karten m. I4/ ^^ alphab. Na- ^J» menregistern. a^^^ Durch jede W^^^ Buclihandlung, ^^^ auch in 16 Lielgn., ^N^^ jede zu M. 1,80, zu ^^^^ beziehen. p Auf Wunsch Prospekt gratis. A Leipzig, H. Wagner & E. Debes I 1895. 9 PATENTBUREAü airich ?^. jvlaerz Berlin NW., Luisenstr. 22. ^^= Cejrünäet 1878. ^^= Patent- Marken- u. Musterschutz für alle Länder. ^ni^^M^t^^-sm^m I llJie künstlerische KT »Herstellung* von ninstrationen und Zink- cliches jeiter Art und nacli beliebjirer Vorlage, für wissen- schaftliclie und gewerhliclie Zwecke, wird in meinem Insti- tut seit .laliren geiiliegt. Die Abbildungen in dieser Zeit- schrift eelteu als Proben meines Verfahrens. 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I 564 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 46. Verlai;- von (Jiistav Fischer in .leiia. Sueben sind erschienen: Biedermann, m-. W., Professor der Physiologie in Jena, Elektro- l>ll.VSi»l(>yio. Zweite Abteilung. Mit 149 Abbildungen. Preis '.i Mark. Preis für das voUstiindigc Werk: brosch. 18 Mark, geb. 20 Mark. Lliner, Dr. G. H. Theodor, Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie zu Tübingen. Die ArtbildlllljJr und Yer\vaii(l(scliat't bei den ScllllietterlillSeil. /.weiter Teil. Eine systematische Darstellung der Abänderungen, Abarten und Arien der Sehwalbelischwanz-ähnlichen Formen der Gattung Papilio. Unter Bütwirkung von Dr. K. Fickert. Mit 4 Tafeln in Farbendruck und 7 Abbildungen im Text. Preis 14 Mark. HeymOnSi Di-. Richard, Privatdocent und Assistent am Zoologischen Institut iier Königi. Univcrsifiit in liiriin. l>ie Eiuhryonaleiitwickeluiig- von »ermaptereil tllld Ortliopteren unter besonderer Berüeksiehti- gung der Keimblätterbildung monographisrh bearbeitet. Mit 12 litho- graphischen Tafeln und 3:i Abbildungen im Text. Preis ;;u Mark. Jaekel, o., Iteiträye zur Kenntnis der paläozoi^clieii Criiio'iden Keutsclllands. Mit lO Tafeln und 2'.) Textliguren. Pi eis 2ii Mark. Dieses Werk bildet das 1. Heft des III. Bandes der Neuen Folge der Palaeontol. Abhandlungen, herausgegeben von W. DAMES und E. KAYSER. KlebS, Dr. Georg, Professor der Botanik in Basel, Uebcr einijfe Pro- bleuie der Physiologie der Fortpflanzung, pieis bro.sch. 75 Pf. Möller, Alfred, Protobasidiomycelen. Untersuchungen aus Brasi- lien. Mit 6 Tafeln. Preis In Mark. Die Möller'sche Arbeit bildet das 8. Heft der Botanisehen Mittheilungen aus den Tropen, herausgegeben von Dr. A. F. Vf. SCHIMPER. PrlngSheim, N., fJesanimelte.VbliandlnngPn. herausgegeben von seinen Kindern. Erster Hand. Befruchtung, Vermehrung und Systematik der Algen. Mit einem Bildniss des Verfassers und 28 lithogr. Tafeln. Preis 20 Mark. Pringsheim, N., Gesammelte Ahhandhinaren, herausgegeben vonselnen Kintlern. Zweiter Band, l'hyconiyceten, Charen, Moose, Farne. Mit :i2 lithogr. Tafeln. Preis 1.^ Mark. Die Ausgabe der ,, Gesammelten Abhandlungen von Sl. Prings- heim" wird in 4 Bünden erfolgen, deren Preis den Betrag von »»0 Mark voraussichtlich nicht überschreiten wird. Verhandlungen der Analomiscben Oesellscliaft anf der i>. Ter- samilllliny in ISaseK vom 17.-20. Al>ril 1S'.I5. hn Auftrage der Ge- sellschaft lieraiisur^M'ben von Prof. l)r. Karl von Bardeleben, Schrift- führer der ijiscllschaft. Mit 40 Abbildungen im Text. [Ergiinzungsheft zum X. Bd., IS'.i."., des Anatomischen Anzeigers.) Preis brosch. 6 Mark. Preis für Abonnenten des Anatom. Anzeigers 4 Mark. Welimer, Dr. C, Privatdozent an der technischen Hochschule zu HannoA-er, Heiträye zur Kenntnis einlieiniisclier Pilze. Experimentelle I ntersMChungen auf dem Gebiete der Physiologie, Biologie und Morphologie pilzlicher Organismen. Zweites Heft. -Mit ;i lithogr. Tafeln und i; Tabellen. Preis 7 Mark. Weismann, Dr. August, Professor der Zoologie an der Universität in Freiburg i. Br. Neue Gedanken zur Yererbunysfrage. Eine Antwort an Herbert Spencer. Preis 1 Mark 5ii Pf. WeJSmann, Dr. August, Professor in Freiburg i. Br., Nene Versuclie zum Saison-Dimorphismus der Sclimetterlinge. [Abdruck aus den Zoologischen Jahrliüehern, Abt. f. Syst., Bd. viTT] ,-- ' Preis i Mark 5i) I^f. liPBOSPECT CBATIS f.r ERFIMDER |ARPADBAUER.JNGBEIiLIM,H.3I.Slraisi.nJSt36, Erfiiitlnngen, Neuheiten, Modelle jeder Art werden zu- verlässiff, billig, discret in meiner Spe- cialwerk.statt ausgearbeitet und angefer- tigt, auch brieflich. W. Maasko, Mechan., BerUn N.. Schwedterstr. 31. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ : Dr. Robert Muencke : X Liiisenstr. 58. BERLIN NW. 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Die sogenannte Saugkraft, die Flächen- ;nizieliung und die Kapillarerscheinungen. VII. Die Diffusion. VIII. Die Licht- erscbiinungen. 1,\. Der Magnetismus. X. Die Elektrizität. XI. Der Elektro- magnetismus. Schluss. Wm- Preis Mk. 1.60. -ÜQ Die Anderssohn'sche Druektheorie und ihre Bedeutung für die einheitliche Erklärung der physischen Erscheinungen. Von Frof. IDr- C3-u.sta-w Hoffmann- a*- Preis Mit. 1,—. Hall« a. S. 6. Schwetschke'scher Verlag. Sammlungs-Schränke für Siiinmhiiigfn jeder Art in den verschiedensten Aiisfinn'uni;on. Rudolph Zwach Tischlermeister. BERLIN, Invalidenstrasse 101. Lieferant der Ivöiiifil. Berg-Aka- demie, Laiidwirthseliaf'tl. Hoch- schule und Museum für Natur- kunde. In Ferd. Bummlers Verlagslnich- handluiig in Berlin SW. 1« erschien: Einführung in die Bltitenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am köngl. Realgymn. in Berlin. 444 Seiten gr. 8. Preis GM., geb. 7 M. Spiegel -Camera „Phönix" D. K. G. M. Neuester Photographischer Hand -Apparat. Das bewährte Prinzi]!: mittelst eines Spiegels durch das Obieetiv örterungen wie die obenerwähnte dem Gebiet der Gesichtseindrücke entnehmen. Wie unser Beispiel zeigt, sind dazu lange nicht immer besondere Vor- richtungen, eigene Laboratoriumsgegenstände erforderlich. Zu vielen anderen genügen wieder die geringsten Hilfs- mittel. Eine Hauptsache, die allaugenblicks zur Ver- wendung kommen kann, ist ein Stück Sammet, von keinem feinsten aber von möglichst tiefschwarzem. Am besten hält man ein möglichst grosses und ein oder das andere kleine Stück bereit. Jenes, das man zweckmässig auch über ein Reissbrett oder dergleichen spannen kann, thut gute Dienste zur Beobachtung irgend welcher Farben- erscheinungen, für die es den Hintergrund oder Unter- grund abgiebt; so spielt ja Sammet auch in den Auslagen von Blumenhandlungen eine Rolle, da sich auf ihm die Farben der Blumen vortheilhaft abheben. Das kleine Sammtstttck benützt man z. B. folgendermaassen. Jlan nimmt irgend ein sogenanntes Muster, ein Teppich- oder Tapeteumuster, ein Roiirgetiecht wie an einem Rohrstuhl oder ähnliches und bedeckt es im Halbdunkel, in welchem mau gerade noch die Zeichnung verfolgen kann, zu einem kleinen Theil mit Sanuuet; dann sieht man trotz der wirk- lichen Undurchsichtigkeit des Sammets dennoch das ringsherum frei sichtbare Muster sich auch durch den Sammet fortsetzen, wenngleich nur mehr oder minder deutlich. Wechselnde Beleuchtung, z. B. das Auf- und Abdrehen einer Lampe, das Verlegen des Experiments aus einem dunkeln Ort an einen hellen oder dergleichen verändert auch den Erfolg unseres Versuchs. Natürlich muss man sich für gewöhnlich hüten, vor Anstellung des Versuchs das Ergebniss vorauszusagen, da sonst allzuieicht der Beobachter sieht, was man ihn sehen lassen will — wiederum auf Grund eines beachtenswerthen seelischen Factors. Zu den naheliegenden Vorrichtungen, die für unsere Spielereien in Betracht kommen, gehört das sogenannte Stereoskop. Man weiss, wie darin zwei richtig zusammen- gepasstc flächenhafte Bilder einen körperlichen Eindruck darbieten, wenngleich vielleicht nur den Eindruck mehrerer hintereinander geschobener Flächen. Doch auch abge- sehen davon lässt sich dieser Apparat noch zu Einfacherem verwenden. Er beruht zunächst darauf, dass wir zwei Bilder ebenso als ein einziges sehen, wie wir ja über- haupt durch unsere beiden gesunden Augen stets zwei Gesichtseindrücke erhalten, aber nur als einen einzigen in die Seele aufnehmen. Man braucht bloss das eine Auge durch einen Druck verschieben und kann nun die beiden Bilder als zwei unterscheiden. Für gewöhnlich sind diese beiden Bilder so beschaften, dass sie einander genau ent- sprechen, und dass das eine Gesamratbild sich von jedem einzelnen nur durch seine körperliche Erscheinung unter- scheidet; und so ist's auch beim üblichen Gebrauch des Stereoskops. Sind aber die zwei Einzelbilder von ein- ander mehr als in diesen Fällen verschieden, so muss sich das vereinigte Bild von jedem der beiden Bestand- theile noch durch etwas mehr luiterscheiden als bloss durch den körperlichen Eindruck. Lege ich in den einen Tbeil des Stereoskops ein Blatt, das nur den von links nach rechts schiefen Strich / enthält, und in den andern eins, das nur einen schiefen Strich von rechts nach links '\ zeigt, so werde ich, wenn die Striche an den ent- sprechenden Stellen der beiden Gesichtsflächen an- gebracht sind, beim Hineinblicken mit beiden Augen die aus den 2 Strichen zusammengesetzte Zeichnung x sehen. Verwickeitere Muster ergeben natürlich auch reichhaltigere Gesammtbilder. Vereinige ich auf gleiche Weise zwei Farben, so erhalte ich eine Mischfarbe, u. s. w. Ausser- dem zeigt sich, wenigstens für die meisten Augen, ein steter Wechsel, indem bald die eine, bald die andere Fläche vorherrscht; man nennt dies den „Wettstreit der Sehfelder." Besonders reichhaltig werden die Versuche, wenn wir die verschiedenen Wirkungen verfolgen, die in unserm Auge theils durch besondere Beobachtung einzelner Farben, theils und namentlich durch das gleichzeitige oder folgeweise Betrachten mehrerer Farben entstehen. Es sind dies die sogenannten Nachbilder, Contraste und dergleichen; besonders schön sind die „farbigen Schatten". Die Hauptsache ist dann die Frage, worin die Ursache der mannigfachen Erscheinungen liegt, die zumeist als Sinnestäuschungen bezeichnet werden können. Indessen müsste diesem Gegenstand eine eigene Auseinandersetzung gewidmet werden. An dieser Stelle ist es vielmehr nöthig, vor den Gefahren zu warnen, die durch unvorsichtige Be- schäftigung mit solchen Dingen entstehen können. Es muss dringend gerathen werden, die Augen dabei nicht zu überanstrengen. Das Schauen darf nicht einmal so lang fortgesetzt werden, bis sich in den Augen ein Un- behagen zeigt, sondern muss bereits früher beendigt, mindestens unterbrochen werden. Um diese Zeit nicht zu verfehlen, lasse man, namentlich im Anfang, die ganze Sehübung so kurz als möglich dauern und unterbreche die Experimente durch aufklärende Erörterungen. Ausser- dem ist zu fordern: geweiliges Ausruhen der Augen durch Blick ins Dunkel oder besser durch Verdecken der ge- schlossenen Augen, doch ohne Druck darauf; Vermeidung jedes grellen Lichtes und sogar einer helleren Zimmer- einrichtung und Schutz vor anderen Lichteindrücken als denen, die grade beobachtet werden sollen, zu welchem Zweck man auch den Kopf mit einer Mütze für Augen- kranke oder für Fechtmeister oder einem Schlapphut be- 568 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 47. decken soll, dessen vordere Krempe als Augendach nach ab\Yärts ^ezog-en wird. Und in jedem Fall, der nicht ausdrücklich anders vorgeschrieben ist, benütze man stets beide Augen („binocular"); es ist ein allerdings häufiger Irrthuni, dass durch Zuhalten des einen und zeitweise ausschliessliches Benützen des anderen Auges beide ge- schont werden. * * * Unter den Zweigen der Philosophie besitzt nicht bloss die Psychologie solche günstige Gelegenheiten zur lehrreichen Unterhaltung. Von den übrigen ist es vor- nehmlich die Aesthetik, die vielfache Beobachtungs- spielcreien, zum Theil sehr ähnliche wie die Psychologie ermöglicht. Beispiel: Man mache in ein halbbrüchiges Papier einen oder mehrere Tintenklekse, presse es zu- sammengefaltet und beobachte nun die nach dem Aus- einanderfalten sichtbaren Figuren, die ihr oft über- raschende Wohlgefäliigkeit einzig der Symmetrie ver- danken. Dass auch die vermeintlich so trockenen Dis- ciplinen Logik und Ethik solche heiterernste Beschäftigung nicht ausschliessen, wäre ebenfalls leicht zu zeigen. Die Elektricität im Lichte der Vibrationstheorie. Von Rudolf Mewes, Assistent an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenbuig. I. Reflexion, Brechung und Fortpflanzungs- geschwindigkeit. Ans der Undulationstheorie, die im letzten Jahrzehnt auch in der Elektricität eine dominirende Stellung ein genommen hat, folgt, dass der Quotient aus den Brechungs- exponenten fii, iir beim Uebergang der Wellen aus dem Medium / in das Medium r das umgekehrte Verhältniss der Fortpflanzungsgeschwindigkeiten der Aetherwellen im ersten und zweiten Medium angiebt. Bezeichnet man demnach die Geschwindigkeit der Aetherwellen in dem so ersten ]\[edinm mit r, und besteht die Gleichung d in dem zweiten mit c. rir tii Dass für die Fortpflanzungsgeschwindigkeiten der Licht- und Wärmestrahlen diese Formel in der That gilt, hat Foneault im .lahre 1854 durch seine bekannten Versuche über die Fortpflanzung jener Wellen in Luft und Wasser nachgewiesen. Umgekehrt bietet aber diese Beziehung ein bequemes Mittel, die Brechungsexponenten aus der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Aetherwellen in ver- schiedenen Medien zu bestimmen. Namentlich verdient diese Bestinnuungsmethode in den Fällen, in welchen die gewöhnlichen optischen Methoden ihren Dienst versagen, eine ganz besondere Berücksichtigung und Werthschätzuug, wie beispielsweise bei der Bestimmung der Brechungs- exponenten der Metalle für die Aetherwellen und vor Allem für die Elektricitätswellen; denn während man in diesem Falle nach den bisher gebräuchlichen Methoden zu von einander höchst abweichenden Resultaten gelangt — ich weise nur auf die einander direkt widersprechenden Brechungsexponenten für Silber von Kundt, Drude und Wernicke hin — , erhält man aus den Fortpflanzungs- geschwindigkeiten der elektrischen Wellen Werthe, die erstlich mit den Grundgesetzen der Vibrationstheorie und zweitens auch mit den best gesicherten Resultaten jener Beobachtungsmotlioden gut übereinstimmen. Nach den in „La Lumiere Electrique", T. XXXIV, p. 240 angegebenen Beobachtungen ist das Verhältniss der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Stromes in einer gewöhnlichen Eisenleitung imd in einer unterseeischen 11600 Kabelleitung aus Kupfer gleich 4000 , d. h. die auf den luftleeren Raum bezogenen Brechungsexponenten von Kupfer und Eisen verhalten sich rund zu einander wie 12:4 oder wie 3:1. Auch die Beobachtungen, welche schon früher Mitchell über die Geschwindigkeit des elek- trischen Stromes in einer Eisendrahtleitung und Hilgard in einer solchen aus Kupferdraht angestellt hatte, haben für die Fortpflanzungsgeschwindigkeiten im Eisen und im Kupfer das Verhältniss 46 000 : 137()0 oder rund 3 : 1 ergeben. Nach den genauen Beobachtungen von Feddersen, Popp. Ann. Bd. 116, beträgt die Geschwindigkeit des elektrischen Stromes einer Batterie in Kupfei'drähten 4000 bis 6000 km in der Secunde, während Miesler in seiner bekannten Arbeit über diesen Gegenstand (Ber. d. Wiener Akad. 1890) für die Geschwindigkeit des elektrischen Stromes in Messingdrähten den um etwas mehr als das Doppelte höheren Werth 15000 km fand. Hieraus ergiebt sich für das Verhältniss der Brechungsexponenten des Kupfers und Messings der Zahlenwerth 15000 5 Da sich nun 6000 2 nach Obigem die Brechuugsexponenten des Kupfers und des Eisens wie 3 : 1 verhalten, so folgt aus diesen Pro- portionen, dass sich die Brechungsexponenten von Messing und Eisen wie 6 : 5 verhalten, was mit den Beobachtungen von Drude stimmt. Aus den vorstehenden Darlegungen folgt, dass auch die elektrischen Wellen, was für die elektrische Wellen- theorie von wesentlicher Bedeutung ist, dem Brechungs- gesetz von Snellius gehorchten. Aus der Snellius'schen Gleichung erhält man sm« sin r sm t -- sni r. Da nun aber der Einfallswinkel / nicht grösser als 90" werden kann und sin SJO" = 1 ist, so kann sin /■ nicht grösser, sondern höchstens gleich - werden. Der Brechungswinkel r kann also nie über den Grenzwerth hinauswachsen, der diesem Werth des Sinus entspricht. Derselbe wird darum der Grenzwinkel der Brechung genannt. Geht aber umgekehrt ein Strahl aus dem dichteren in das dünnere Medium über, so erreicht der Brechungswinkel schon dann, wenn man den Einfalls- winkel gleich dem Grenzwinkel setzt, seinen grössten Werth von 90". Für grössere Werthe des Einfallswinkels ergiebt die Formel sin / = n sin /■ für den Sinus des Brechungswinkels Werthe, welche grösser als 1 sind und zu welchen kein Winkel gehört. Es kann daher in diesem Falle überhaupt kein Wellenstrahl aus dem dichteren in das dünnere Medium übertreten; der Strahl wird vielmehr an der Grenzfläche vollständig in das Innere des dichteren Mittels zurückgeworfen oder total reflektirt. Nr. 47. NaturwisBcnschaftliche Wochenschrift. 569 Mau kann in dieser Hinsicht zum besseren Verständniss auf einen bekannten analogen Vorgang der Optik hinweisen. Sieht mau nämiieh von einem l*iinktc A aus unter Wasser in die Höhe, so gehen die Sehstraiden nur zum Theii aus dem Wasser heraus; man sielit nur in einem kreisrunden Feld die Gegenstände über dem Wasser, rund herum aber die (iegenstände auf dem Hoden des Wassers durch total reflektirte Strahlen. Wächst der Brechungs- e.xponent n, so wird der Grcnzwinkel und damit das kreisrunde Feld immer kleiner, so dass bei so grossen lirechungsexponenten, wie sie die Metalle besitzen, die wirklich ausgesandten Strahlen fast normal zur Oberfläche austreten und somit die von Crookcs bewirkte Concentration der Kathodenstrahlen erklärlich ist. Da die Strahlen den Umfang des Drahtes oder eines cylindrisclien Stabes unter mehr oder weniger geneigten Winkeln tretfeu, so müssen sie den Draht oder Stab in einer Zickzacklinie von der oberen (Grundfläche bis zur unteren durchlaufen und an der letzteren, wenn dies möglich ist, wieder aus dem leitenden Körper heraustreten oder erst dort wieder umkehren, denn eine vorherige Umkehr ist wegen des Reflexionsgesetzes nicht möglich. Die hier angenommene Auffassung von dem Wesen der Elektricität erklärt in ganz einfacher und natürlicher Weise die beobachtete Thatsache, dass der eigentliche Sitz der Elektricität die Oberfläche der Körper ist, dass sie hauptsächlich au dieser wirksam und sichtbar wird, Denn nach derselben müssen ja die Wellen längs ihres Hindernisses, der Körperoberfläche, sich hinbewegen, da sie im Innern selbst sich gegenseitig aufheben, bezüglich durchkreuzen und nur an der Oberfläche in einseitiger Weise zur Wirkung konnnen können. Ebenso lässt sich unter der obigen Hypothese das leichte und vorzugsweise Ausstrcimen der Elektricität aus den Spitzen der Leiter recht wohl begreifen. Denken wir uns nämlich einen möglichst spitzen Kegel, dessen Vertikalschnitt das gleich- schenklige Dreieck ACB sein mag, uud nehmen wir an, dass die Grundfläche AB bestrahlt werde; dann müssen die Wellen schon, wenn der Brechungsexponent der Kugel- substanz gleich 2 oder grösser ist^ nach ihrem Eintritt von dem Kugelmantel fast sämmtlich nach dem Innern und der Spitze zu total zurückgeworfen und schliesslich in der Spitze zusammenlaufen, da in Folge des Reflexions- gesetzes, dass der auffallende Strahl und der abgelenkte Strahl mit dem Einfallslote denselben Winkel bilden müssen, ein Zurücklaufen nicht eintreten kann. Zurück können die Strahlen nicht, aber hinzu kommen immer mehr neue, welche die frühreren verstärken und auf diese Weise in der Spitze eine solche Menge an- sammeln oder eine solche Kraft und Spannung erlangen, dass sie die Spitze durchsetzen, indem sie eben den ihrem weiteren Laufe entgegenstehenden Widerstand überwinden. Dadurch, dass die elektrischen Wellen in der Spitze sich zusammendrängen, wird zunächst eine Erh 1 1,(51 \2,10 |2,36 (D) 12,23 (W) 2,9> (W) 12,15 (D) 12,23 (W) 2,07 (L) jl,90 (D) 12,23 (L) J2.01 (D) 12,4 (L) |3,04 (D) |2,35 (L) 1 1,73 (D) 12,61 (D) Die Uebereinstinimung zwischen den beobachteten und berechneten Werthen dürfte vollständig genügen, da die benutzten Beobachtungen nicht unter genau denselben äusseren Bedingungen angestellt worden sind. von vorliegende li den Angaben Ebenso wenig R. Lauterliorn: Kern- und Zelltheilnng Ceratinm liirundinella 0. F. M. — Die Arbeit behandelt die Kern- und Zelltheilung einer Di- noflagellate des süssen Wassers, welche in der wärmeren Jahreszeit zu den gemeinsten Bewohnern unserer Teiche gehört und mit einem feinen Plankton-Netz, welches einige Zeit durch die freie AVasserHäche gezogen wird, leicht in beliebiger Menge zu haben ist. Aus den Untersuchungen ergieht sich, dass die Theilung des Ceratiuni-Kernes keineswegs eine direete ist, wie man nac älterer Autoren (Blanc) annehmen könnte, ist sie aber auch eine „echt" mitolische, wie 0. Zacharias beobachtet haben wollte. Sie erinnert vielmehr an die Theilung des Makronucleus der ciliaten Infusorien. Man kann sie wie diese als eine Art Uebergang von der directen zur karyokinetischen Theilung betrachten: vor der ersteren hat sie eine Umlagerung der chromatischen Substanz voraus, von der letzteren unterscheidet sie sich — abgesehen davon, dass eine Längsspaltung der chro- matischen Elemente nicht beobachtet werden konnte — vor allem durch das P^ehlcn einer achromatischen Spindel, und im Zusammenhang damit auch aller jener Erschei- nungen, welche gerade für die typische Mitose charak- teristisch sind. Der Verlauf der Kern- und Zelltheilung von Ceratinm hirundinella gestaltet sich im einzelnen folgender- maassen: der Kern, welcher stets in der Einzahl vor- handen ist, erscheint im Leben stark gekörnt, lässt aber nach passender Conservirung und Färbung in seinem Innern eine sehr feinmaschige, netz-wabige Structur er- kennen, ein Verhalten, welches Bütschli als charakte- ristisch für den Kern der Dinoflagellaten ermittelt hat. Er enthält stets ein bis zwei (selten mehr) Kernkörperchen, welclie in der Mitte wie am Rande des Kernes liegen und sich lebhaft färben. Beim Beginn der Theilung, die während der Nacht erfolgt, vergrössert sich das Volumen des Kernes, wobei die regelmässige Structur in seinem Innern in eine verworrene knänlige übergeht. Sodann beginnen sich — zuerst schrittweise, dann allgemein — die Kernfäden annähernd parallel zur späteren Theilungsachse, anzuordnen. Umlagerung der chromatischen Substanz nimmt der Kern eine bestimmte Stellung in der Zelle ein, die bei der ganzen Theilung erhalten bleibt: seine kürzere Achse, die spätere Theilungsachse, verläuft in einen Winkel von etwa 450 zu der Querfurche und zwar stets von links oben nach rechts unten. Im weiteren Verlaufe streckt sich der Kern in der Richtung der Theilungsachse, wo- bei die Kernfäden im Aequator durchgeschnürt werden, worauf die Tochterkerne auseinander rücken. Jetzt er- folgt die Theilung der Zelle durch eine links unten zu- erst aufstrebende Einschnürung des Plasmas, die in schiefer Richtung nach rechts oben fortschreitet. In einem Falle wurde auf dem Stadium, wo die Einschnürung die Mitte zwischen beiden erreicht hat, hier ein sehr deutliches, zwischenkörperartiges Gebilde beobachtet. Während die Tochterkerne immer weiter auseinander rücken, erfolgt vollständige die das jetzt Individuen wird lang einer beginnende des Plasmas. Durch Auswachsen der beiden Tochter- DurchschnUrung umgebende anz der bestimmten. kurzen Achse, der wodurch der Kern faserig erscheint. Zwischen den stark gefärbten Fäden wurden an günstigen Stellen feine Verbindungen wahr- genommen. Nucleolen wurden hier noch an den Polen im umirebenden Plasma gefunden. Gleichzeitig mit der Panzer gesprengt, ent- durch die Anordnung der Platten winkeligen, schiefen Linie, welche der Tlicilungs- ebcne des Plasmas annähernd parallel verläuft. An den beiderseitigen Rändern des Spaltes wölbt sich das Plasma der beiden Tochter-Ceratien vor und beginnt sogleich mit Regeneration der ihm fehlenden Theile. Sehr früh er- scheint die Querfurche, ebenso die Anlage der horn- artigen Fortsätze, welche zuerst als höckerige Erhebungen des Plasmas sichtbar werden, dann kegelförmige Gestalt Gestalt annehmen und rasch an Grösse zunehmen. Durch ihr AVachsen wird der Spalt immer mehr verbreitert, bis schliesslich die Trennung der beiden Tochterindividuen erfolgt. Von den jetzt freischwimmenden Ceratieu besitzt somit jedes eine Hälfte des mütterlichen Panzers, wozu es die fehlenden Theile durch Neubildung ergänzt. Bei der Uebereiustimmung, welche im Bau des ruhenden Kernes unter den Dinoflagellaten herrscht, ist es wohl wahrscheinlich, dass auch die Theilung des Kernes überall in ähnlicher Weise vor sich geht, wie sie hier für Ceratinm hirundinella geschildert wurde. Die Kerntheilung der Dinoflagellaten würde somit viel mehr Aehnliehkeit mit der Theilung des Makronucleus der Ciliaten-Infusorien als mit derjenigen der Geissel-Infusorien erkennen lassen. R übrigen 572 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 47. Die Seesterne der „Vettor-Pisani" - Expedition (1882 — 1885), welche von dem Köiiigl. italienischen Ma- rineofficier G. Chierchia während der Reise der Korvette „Vettor-Pisani" um die Erde gesanuuelt worden waren, hat F. Leipoldt einer umfangreichen und gründlichen Be- ai'beitung unterzogen. (Zeitsclir. f. wissensch. Zool. Bd. 59. 1895). Die meisten Exemplare entstannuten dem Meeres- gebiete der 8iidsi)itze Südamerikas und dem tropischen Theiie des östlichen stillen üceans. Verliältnissmässig wenige Exemplare waren in dem indopacitischen Ocean und dem rothen Meere erbeutet worden und aus dem atlanti- schen Ocean war nur ein einziger Seestern unter der Aus- beute vorhanden. Sie gehörten im ganzen 1 1 Familien an, die mit 17 Gattungen und 28 Arten vertreten waren. Unter den letzteren befanden sich zwei Arten, die .sich in keine der bekannten Arten einreihen Hessen und daher von Leipoldt als neue Arten beschrieben werden, Echi- naster panara ensis und Luidia magellanica. Auch konnten bei der vorzüglichen Conservirung der Exemplare die Beschreibungen einiger bisher ungenügend bekannter Arten vervollständigt oder richtig gestellt und die bisher zweifelhafte Identität mehrerer Arten constatirt werden. Ebenso ergaben .sich in Betreff der Verbreitungsbezirke einzelner Arten einige neue Thatsachen. R. „Protobasidiomyceten'", so betitelt sich ein von Alfred Möller*) vor Kurzem herausgegebenes Buch, in dem Untersuchungen über diese Pilzgruppe enthalten sind. Bekanntlich wurde durch Brefeld's Arbeiten un- trüglich festgestellt, dass die Basidiomyceten in 2 Reihen zerfallen, von denen die Protobasidiomyceten ihre Sporen an mehrzelligen Basidien, die Auto- basidiomyceten dagegen an einzelligen bilden. Die Difterenzirung in diesen beiden Reihen schien eine sehr ungleiche zu sein. Während die Fruchtkörper der Autobasidiomyceten von formlosen Krusten zu solchen ansteigen, welche das Hymenium auf Stacheln oder in Löchern tragen, bis die wunderbare Ausbildung der La- mellenpilze den Höhepunkt ihrer derzeitigen Entwickelung bezeichnet, war von derartigen Formen bei den Proto- basidiomyceten nichts bekannt. Die meisten treten als formlose Krusten oder Gallertklumpen auf; nur die mühe- volle Untersuchung der Nebenfruehtfonnen ergab eine etwas grössere Mannigfaltigkeit als bei der anderen Reihe. Dagegen zeigte sich in der Ausbildung der Ba- sidien von vornherein ein grosser Unterschied. Bei den Autobasidiomyceten war die Form der Basidie ein für alle Mal gegeben, eine keulige Zelle, auf oder seltener au der die Sporen in Zahl gewöhnlich von 2, 4 oder 6 sitzen. Bei der getheilten Basidie der Protobasidiomyceten war dagegen von vornherein eine do])pelte Möglichkeit der Ausbildung gegeben. Entweder wird die Basidie durch wagerechte Wände in (meist 4) Zellen getheilt, von denen jede Zelle eine Spore reproducirt; oder aber durch senkrechte Wände entstehen 2 oder 4 über Kreuz liegende Zellen. Die erstere Art, die in den Promycelien der Uredineen ihren bekanntesten Vertreter findet, ist die Auricularia- cecnbasidie, die zweite die Tremellinenbasidie, weil die Tremellaarten den Tyj)us dieser Form repräsentircn. Es war nun an und für sich nicht unwahrscheinlich, dass auch unter den Protobasidiomyceten sich noch andere Typen der Fruchtkörperausbildungen finden würden, als bislier bekannt waren. Mit dieser Hoffnung begann Möller, der den Lesern *) Bot. Mittheil, aus den Tropen von A. F. W. Schimper. Heft 8. Jena (G. Fischer). Vergl. „Naturw. Wochenschr." 1895, No. 44. S. .52.5. der „Naturw. Wochenschr." durch seine lebendigen Schilderungen des Lebens und der Natur bei Blumenau in Brasilien wohl bekannt ist, seine Forschungen im tropischen Wald. Wie bei den Phallaeeen, so ging sie ihm auch bei dieser Gruppe glänzend in Erfüllung. Ohne auf Einzelheiten der Untersuchungen ein- zugehen, soll in grossen Zügen geschildert werden, wie sich uns jetzt der systematische und niorphologischc Aufbau der Gruppe darstellt. Die Protobasidiomyceten schliessen morphologisch an die Hemibasidii, die Ustilagineen, an, speciell an die- jenige Gruppe (Ustilagieac), deren Sporen in „Promy- celien" auskeimen, die durch wagerecht gestellte Wände getheilt sind. Von vornherein müssen wir zwei Zweige der Protobasidiomyceten unterscheiden, den der Auricu- lariaceen und den der Tremellaceen. Sehen wir uns beide Zweige genauer an. Auf der untersten Stufe des Auriculariaceenzweiges stehen Formen, welche aus regellos verflochtenen Hyphen bestehen, die sich noch zn keinem Hymenium heraus- dirt'crenziren. Beliebige Hyphenenden bilden sich zu vierzelligen Basidien um. Das ist die Gruppe der Sty- pinelleen, von denen ein Vertreter auch bei uns in Deutschland sich findet. Doch schon hier zeigt sich eine gewisse Steigerung. Während nämlich die Gattung Stypinella dem geschilderten Typus entspricht, zeigt Saccoblastia an der Tragzelle der Basidie einen seit- lichen Sack, deren Inhalt bei der Bildung der Basidie alhnälilich aufgebraucht wird. Es wird also ein Reserve- stoffbehälter gebildet. Wenn sich jetzt die an den Hyphen gebildeten Ba- sidien dichter zusamraenschliessen, um ein fast glattes, thelephoreenartiges Hymenium zu bilden, so haben wir die Gruppe der Platygloeen vor uns. Von ihnen zeigt die Gattung Jola eine Tragzelle der Basidien, die ei- förmig angeschwollen ist und der Teleutospore der Ure- dineen entspricht. Bei Platygloea tritt uns als Neben- fruchtform die Bildung von Hefeconidien entgegen, eine Fruchtform, die bei den Ustilagineen so häufig ist. Schliesst sich jetzt das Hymenium fester zusammen, so dass Fruchtkörper entstehen, welche noch weiter gehende Formausgestaltung zeigen, so bckonnnen wir die Auriculariecn. In der Gattung Auricularia zeigen die gynuniearpen Formen mit Auriculariaceen- basidien einen Höhepunkt. Das bekannte Judasohr (Au- ricularia auricula .ludae) besitzt abstehend hutartige Fruchtkörper, welche das Hymenium auf glatter, wabiger oder polyporeenartig ausgebildeter Fläche tragen. Da- durch entstehen Formen (Laschia), welche sehr an die hochstehenden Polyporeen der Autobasidiomyceten er- innern. An diese gymnocarpe Familie der Auriculariaceen schlieäfeen sich nun noch zwei weitere Familien mit ebenfalls wagerecht gestellten Basidien, die Uredinaceen und Pilacraceen. Erstere Familie zeichnet sich namentlich durch ihren Reichthum an Fruchtformen aus und hat des- halb immer das Interesse der Mycologen erweckt. Nach- dem Brefeld die Promycelien, welche aus den Teleuto- sporen keimen, richtig als Basidien erkannt hat, war natür- lich die Teleutospore für nichts weiter zu halten, als für eine Chlamydospore, d. h. eine Dauersporenform, d.azu bestimmt, die ungünstige Jahreszeit zu überdauern. Zu- gleich aber auch wurden in ihr die Reservestoflfe für die spätere Ausbildung der Basidie angesammelt. Diese An- schauung gewinnt durch den Bau von Saccoblastia und Jola noch grössere Gewissheit. Bei beiden finden sich schon Reservestoffbehälter, die nur noch nicht als Chla- mydosporerl ausgebildet werden. Denken wir uns die Tragzelle der Jolabasidie mit dicker Membran umgeben, Nr. 47. NatuiwiHseuschaftliche Wocheüschrift. 573 so liinilert uii,s nichts, .^ic ileii Toleutosporcn der Urediiiecii (lircct an die Seite zu stellen. Einen dritten llölieininkt der Aiuieulariaceenreilie bildet die Familie der l'ilacraeeen. Während die bis- heriiien Familien die Ikisidien auf frei Heißenden Lag-ern entwickelten, stehen sie bei den Gattungen Pilacre und l'ilaerella an einem kleinen Hute völlig- bedeckt von lly|)heiii(iindeln. Wohl kaum ein anderer Pilz ist für unsere iieutigen Anselianungcn über die Morjjhologie der Pil/e wichtiger als Pilacre Petersii, der Prefeld den Sehlüs.sel zur Deutung der Hasidie gab. Die Cultur von Pilacrella delcctaus in Brasilien gab die glänzendste Be- stätigung jener Anschauungen. Auch in anderer Weise hat die Untersuchung des letzteren Pilzes unsere Kennt- nisse gefördert. Als Nebenfruchtfonneu kommen nämlich kleiue!,^ keiniungsunfähige Conidien (Spermatieu) vor und leicht keimende grosse Conidien. Beide gehen auf ge- meinsamen Ursprung zurück. Der Ursprung der so lange räthselhaft gebliebeneu Spermatieu liegt also hier ganz klar auf der Hand. Die zweite Reihe der Protobasidiomyceteu beginnt mit der Familie der Sirobasidiaceen, die dadurch ausgezeichnet sind, dass sich ihre Basidien als Faden- anschwellungcn basipetal an einer Hyphe entwickeln. Wenn die zu oberst gebildete Basidie abzusterben be- ginnt nach der Sporenbildnng, entwickelt sich unter ihr die nächste und so fort. Jede Basidie wird durch eine Querwand, welche etwas schief geht, in 2 Zellen getheilt. deren jede eine Spore producirt. Da es bisweilen vor- kommt, dass die Scheidewand sowohl fast senkrecht wie wagerecbt steht, so sehen wir in der Form dieser Basidie einen Uebergang zwischen der Auriculariaceen- und Tre- mellaceenbasidie. Zu dieser Familie gehört nur Siro- basidium. Die weiteren Grupi)en, welche die Familie der Tre- mellaceen bilden, zeigen nun eine ganz ähnliche mor- phologische Steigerung wie die Auriculariaceen. In den Stypelleen finden wir eine Parallelgruppe zu den Sty- pinelleen, also ebenfalls durch regellose Bildung der Ba- sidien an beliebigen Mycelfäden charakterisirt. Den Platygloceen entsprechen die Exidiopsideen, deren Basidien zu glatten Thelephoreen-artigcn Lagern zu- sammentreten. Zu ihnen gehört ausser der tropischen Heterochaete auch die bei uns vertretene Gattung Exidiopsis. Die Tremelleen zeigen gegenüber den Exidiopsideen insofern einen weiteren Fortschritt, als sie wohlausgebildete gallertige Fruchtkörper besitzen, die vom Substrat ab- stehen. Die Unterschiede zwischen den beiden Gattungen Tremella und Exidia liegen nur in den Nebenfrucht- formen. Erstere besitzt Hefecouidien, letztere Häkchen- conidien. Nach dem Muster der Polyporcen bilden die Proto- polyporeen ihr Hymenium aus. Ihnen gehört einzig die Gattung Protomerulius an, die äusserlich einem Merulius aufs Haar gleicht. Endlich zeigen einige Gattungen ihr Hymenium auf einzelne Stacheln vertheilt, wie die Hydneen. Das sind die Protohydneen mit den Gattungen Protohydnum und Tremellodon. Wie in der Reihe der Auriculariaceen, so existirt auch bei den Tremellaceen eine Familie, welche angio- carpe Fruchtkörper besitzt. Die Hyaloriaceen mit der Gattung Hyaloria gleichen äusserlich völlig der Gattung Pilacre, nur dass eben über Kreuz getheilte Basidien vor- handen sind. Aus diesem kurzen Resume der Arbeit geht wohl zur Genüge hervor, welche bedeutenden Resultate in ihr enthalten sind. Für die fernere Erforschung der Proto- basidiomyceteu sind jetzt derartige Grundlagen gelegt, dass wir berechtigt sind, sie für eine der interessantesten und für die Erforschung der allgemeinen Morphologie der l'ilze wichtigsten Gruppen der höheren Pilze zu halten. G. Lindau. Aus dem wissenschaftlichen Leben. I'jniunut wiirdeu: Der orilontliche Professor ilor (ieolof;ic und Paläontologie in Göttingen Dr. Adolf von Konen zum Geli. Bcrgrath; der bekannte Arzt Dr. Karl Ludwig Kahlbaum in (iörlitz zum Sanitätsrath ; Dr. Wohlgemutli zum Professor der praktischen Philosopliie am Lvceum in Eichstädt. Berufen wurde: Der Professor der Botanik am Owens College zu Manchester Marsliall Ward nach Cambridge. Es starben: Der Braunschweiger Chirurg und Orthoj)Rde Prof. Dr. Hermann Seidel (durch Selbstmord); der Chemiker und Mineraloge Dr. Albert E. Foote in Philadelphia. L j 1 1 e r a t u r. Berthold Weiss, Aphoristische Grundlegung einer Philosophie des Geschehens. Berlin, Ferd. Dünmiler l.s'Jö. — Preis 1,20 M. Die kurzen, aber klaren, in leicht verständlicher und schöner, vielfacli blendender Sprache geschriebeneu Darlegungen ver- dienen im Besonderen auch das Interesse der Naturforseher und zwar vor Allem wegen der consequenten Festlialtung zweier Vor- aussetzungen. Die eine ist die unbedingte Geltung des sogenannten Kausalgesetzes, dem alles Geschehen, Natur- wie Geistes- geschehen. unterworfen gedacht wird, die andere sieht in allem Geschehen eine grosse E nt wi ckelun g. Dem Naturforscher er- scheinen im Allgemeinen beide Voraussetzungen heute als selbst- verständlich. Wer gestattete wohl der Natur auch nur die kleinste Ausnahme vom Energiegesetz zu machen, und wer möchte auf den Vortheil verzichten, den die Beachtung der fort- schreitenden Entwickehing unter D arw in 'sclien Gesichtspunkten der Naturerkenntniss gebracht hat! Aber wie sieht es mit diesen Grundsätzen in der Anwendung aus? Sie werden immer nur auf Bruchstücke der Wirklichkeit angewandt, fast nirgends aber folgerichtig durchgeführt. Wie' viele machen mit der Determinirt- heit aller Vorgänge, also auch der des Centralnervensystems luul damit auch der von diesen „abhängigen", mit ihnen functionell verbundenen „geistigen" Vorgänge wirklich Ernst? Und wenn sie principiell eine völlige Bestimmtheit alles Denkens und Thuns zugeben, wie viele ziehen daraus die letzton unausweichlichen Consequenzen? Und wie viele verfolgen den Gedanken der Entwickelung bis ins letzte hinein? Und doch liegt gerade in diesem unerbittlichen Vordringen des Gedankens bis an die letzt- möglichen Ziele die wichtigste Aufgabe der geistigen Arbeit des Menschen. Der leider so früh geschiedene grösste Naturforscher der jüngeren Generation, Heinrich Hertz, leitet seine nach- gelassene Mechanik, sein wissenschaftliches Testament, mit den Worten ein: „Es ist die nächste und in gewissem Sinne wichtigste Aufgabe unserer bewussten Naturerkennt- niss, dass sie uns befähige, zukünftige Erfahrungen vorauszusehen, um nach dieser Voraussicht unser gegen wärtiges Handeln einrichten zu können." Es wird das wohl auch allgemein zugegeben werden, aber mit Hohnlächeln und Achselzucken dürften die meisten der Behauptung begegnen, dass sich der zukünftige Dauerzustand der Menschheit so weit voraussehen lasse, dass das davon entworfene Bild auf unser Handeln, auf die politische und sociale Entwickelung der Mensch- heit einen erheblichen Einfluss gewinnen müsse. Und doch braucht man nur den Weg zu verfolgen, den die oben angeführten beiden Voraussetzungen — prinzipiell Gemeingut der heutigen Naturforscher — uns weisen, um, wenn auch nur in allgemeinen, doch scharfen Umrissen vom klaren Himmel einer fernen Zukunft sieh die Höhen abheben zu sehen, die das unvermeidliche Ziel der Wanderung der Menschheit sein werden. Die Vorstellung dieses unvermeidlichen Zieles wird der mächtigste Factor für die Erklimmung der höheren und immer höheren Stufen werden, bis endlich der Zustand erreicht ist, der in sich weitere Bedingungen zur Aenderung seiner selbst nicht mehr trägt, der letzte Dauer- zustand. Kie vorliegende Schrift sucht nicht das Endziel der mensch- lichon Entwickelung genauer festzustellen, obwohl sie ihren Gegenstand durchaus unter ethischem Gesichtspunkt betrachtet, — offenbar darum nicht, weil der Verfasser die letzte Phase der Menschheitsgeschichte für eine Periode des Verfalls hält, während er in der vorhergehenden mittleren — wir selbst befinden uns heute noch in der ersten Phase, wenn auch nahe am Beginn der mittleren — den Höhepunkt des Prozesses sieht. Er zerlogt das I' 574 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 47. Geschehen in drei Arten: äusseres — etwa das, was man sonst auch Natur^eschehen nennt — inneres, d. h. Erkennen — und in die Vereinigung von innerem und äusserem Geschehen — Handeln. Auf allen drei Gebieten giobt es drei grosse Perioden der Entwickehmg: erstens das Neb elstadium, charakterisirt auf dem kosmischen Gebiet durch „ein Maximum ungeordneter Zer- streuung', auf dem Gebiete des Erkennens durch „ungeordnete Einzelerfahrungen" in „widerspruchsvollem Gegeneinander", auf dem dritten durch „widerspruchsvolles Gegeneinander ungeordneter Einzelzwecke und Einzelhandlungen" ; zweitens das System- stadium, das auf dem ersten Gebiet „I<2ntgegensetzung peri- pherischer Theile gegenüber einem Centralkörper mit vorüber- gehenden Vereinheitlichungen und Wiederzerstreuungen" zeigt, auf dem zweiten Gebiete „Trennung des Ungleichartigen und Vereinigung des Gleichartigen in Einzel-, Art- und Gattungs- begriffen und deren üeber- und Unterordnung in Systemen", auf dem Gebiete des Handelns „geordnetes Miteinander von Einzelzwecken und Einzelhandlungen in zusammenfassender Ueber- und Unterordnung"; drittens das Mond Stadium, ge- kennzeichnet auf dem ersten Geliiet.e durch die bleibende Verein- heitlichung aller in den früheren Stadien noch entgegengesetzten Theile eines kosmischen Individuums (z. B. eines Planetensystems), auf dem Gebiete des Erkennens durch „erstarrten Formalismus, verknöcherte Systeme", und endlich auf dem Gebiete des Han- delns durch „beziehungsloses Nebeneinander von Einzelzwecken und Einzelhandlungen ohne ordnende Zusammenfassung". Immer führt der Entwickelungsprocess von einem ungeordneten, wider- spruchsvollen Gegeneinander über ein geordnetes Mitein- ander zu einem beziehungslosen Nebeneinander. Die Grundanschauung des Verfassers findet sich noch deut- liclier als in jener Eintheilung der Arten des Geschehens in fol- genden Sätzen angedeutet: „Veränderung und Empfindung sind dasselbe von aussen und innen gesehen. Aber nur das Handeln schlägt eine Brücke von den Innenvorgängen zu den Aussen- vorgängen- Für das Ei-kennen bleibt stets eine unüberschreitbare Kluft". „Ohne Sprung können wir nie aus dem inneren zum äusseren Geschehen hinaus. Das Sein niuss dem Denken stets etwas Gedachtes bleiben." „Zum Sein, zum äusseren Geschehen führt uns nur die unabweisliche Hypothese von in einer auf- steigenden Entwickelung entstandenen erkennenden Wesen, die als solche nothwendigerweise aus dem Denken nicht heraus können und denen daher das Sein immer etwas Gedachtes bleiben muss. Dies ist auch das einzige Argument, durch welches der Solipsismus zu überwinden ist." (S. 35.) Weiss geht also, wie das der ja einstweilen noch herrschende Subjectivismus ganz allgemein thut, von der unmittelbaren Reali- tät des Subjccts, des Bewusstseins aus und von da kann er zur Wirklichkeit von (Jbjecten nur auf dem Wege einer „unabweis- lichen Hypothese" gelangen. Dieser Weg dürfte aber auch von tiem )irinzipiellen Standpunkte des Verfassers aus nicht einwandfrei sein. Für den Anhänger idealistischer Denk weise kann nur ein einziger Augenblick, nur der Inhalt desjenigen Momentes, den man den gegenwärtigen nennt, auf Realität Anspruch machen. Diejenigen Vorstellungskomple.xe dieses Zeitpunktes, die ich als Erinnerungen bezeichne, projizire ich erst mit Hilfe der , Anschauungsform' der Zeit in die , Vergangenheit', und die anderen, die mir als Er- wartungen gelten, ebenso in die , Zukunft'. Wirklich ist aber weder Vergangenheit noch Zukunft, beide sind nur ideell, wie der Raum ,da draussen', in den ich Dinge und Phänomene hinein projizire, auch nur ideell, nur subjektiv ist. Mit Hilfe der An- schauungsformen des Raumes und der Zeit erlangt das Subject Ordnung seiner momentanen Empfindungs- und Vorstellungs- komplexe, Ueberblick über sie, es , versteht' sie, , begreift' sie. So müsste für Weiss auch jene Entwickelungshypothese nur ein subjectives Mittel sein, eine bestimmte Gattung solcher Complexe zu verstehen, zu begreifen. Und es wäre dann nicht einzusehen, wie man mit dieser Hypothese eher als mit der , Hypothese' der zeitlichen Anordnung der Empfindungscomplexe die Kluft zwischen den ,,Innen"- und den ,Aussenvorgängen" über- brücken könnte. Nein, wer mit dem Subject und dem Bewusst- seiu anfäugt, der kommt nie aus ihnen heraus, für den muss die Welt ewig nur Vorstellung bleiben, der kann den Solipsismus nie überwinden. Scdion im Anfang liegt aber eben der Fehler. Der Idealismus ist die ungeheuerlichste petitio princijjii, auf die der Menscliengeist verfallen ist. Das kann hier nicht näher aus- geführt werden. Es sei nur auf Klein 's Aufsätze über die Phi- losophie der reinen Erfahrung in dieser Zeitschrift (namentlich im vorliegenden Band No. 38) verwiesen, die über die Gedanken Orientiren, denen ohne Zweifel die endgiltige Ueberwindung des Subjectivismus gelingen wird. Für den hauptsächlichsten Inhalt der Weiss'schen Schrift kommt es übrigens auf den principiellon Standpunkt ihres Ver- fassers nur wenig an. Es handelt sich da um Dinge, die von jeder Grundanschauung aus vei'ständlicli und für jede von grösster Wichtigkeit sind: um die vergangene und künftige Entwickelung der Menschheit. Und hier enthält das Schriftchen soviel prächtige Gedanken und zeugt von soviel Freimuth und vortrefflicher Gesinnung, dass ih m der weiteste Leser- kreis gewünscht worden muss. Gleichwohl ist auch hier ein Haupteinwand zu erheben und zwar gegen die Art der Be- gründung, die der Verfasser anwendet, oder vielleicht noch richtiger gegen den Mangel an Begründung, der sich gerade in wesentlichsten Punkten fühlbar macht. Weiss stellt den Ent- wickelungsgang des menschlichen Erkennens und Handi'lns in Parallele mit dem Entwickelungsgang eines Sonnensystems. Der Weg führt vom Nebelstadium aufwärts zum Systemstadium und von da wieder abwärts zum Mondstadium. Wir erfahren aber nicht warum. Die bezüglichen Facta werden neben einander ge- stellt, ohne dass die tieferen Zusammenhänge aufgezeigt werden, deren Ausdruck jener Parallelismus ist. Ein näheres Eingehen auf das Wesen aller Entwickelung der anorganischen Systeme ebenso wie der organischen würde gewiss den Darlegungen des Verfassers in hohem Grade zu Gute gekommen sein.*) Das Gesetz der Tendenz zur Stabilität hätte die Grundlage für seine Unter- suchungen bilden müssen. Dann wäre es ihm vielleicht fraglich geworden, ob denn wirklieh das , Systemstadium' als der „Höhe- punkt" des Prozi'sses anzusehen und das , Mondstadium' nur als eine Periode des Verfalls zu beti'achten sei. Und dann hätte er auch vielleiclit einen Maassstab angegeben, nach dem er seine Be- werthungen vorgenonunen hat, die so, wie sie jetzt dastehen, vollkommen in der Luft schweben. Er spricht von der , richtigen' Mitte zwischen ,falschen' Extremen, von der ,riehtigen' Staats- form, der ,richtigen' Verwaltungsform, vom ,wahren' Weib, vom , Normalmenschen', aber nirgends erfahren wir von dem Werth- messer, der bei diesen Beurtheilungen angewandt ist — und der dürfte doch in einer „Philosophie des Geschehens", die sich durchaus in den Dienst der Ethik stellt, auf keinen Fall fehlen. Der Titel der Schrift dürfte übrigens zu weitgehend sein. Es ist ja wahr, es wird das Hauptsächlichste einer Weltanschauung entwickelt, aber unter dem gegebenen Titel würdi' man doch noch mehr erwarten müssen, als der Verfasser zu geben die Ab- sicht hatte. Z. B. spricht er in Hauptabschnitten vom Erkennen und vom Handeln, das Gefühl ist aber — wenn man von einigen Bemerkungen, die uns den Verfasser als Anhänger der Glück- Seligkeitslehre zeigen, absieht — gänzlich unbehandelt geblieben. Was der Verfasser giebt, ist im Wesentlichen eine Parallelisirung der individuellen, nationalen und menschheitlichen Entwickelung mit der Entwickelung kosmischer unorganischer Systeme. Zum Schluss noch eine Bemerkung über die Form der Schrift, die vielfach eine äusserst kunstvolle ist, auf die jedenfalls die grösste Sorgfalt verwendet worden ist. Viele Paragraphen der ver- schiedenen Theile entsprechen sich sogar ihrem Wortlaute nach. Ich habe mich aber doch zuweilen nicht des Eindruckes erwehren können, als beeinflusse die dem aphoristischen Stile im Uebrigen ja natürliche Pointirung die Gedanken des Verfassers, als thue er mitunter der geistreichen Zuspitzung zu Liebe den Thatsachen Gewalt an und als seien Analogieen voller Esprit an Stellen ge- treten, die sorgfältige Begründungen hätten ausfüllen sollen. Es ist ja aber dem Verfasser gewiss auch viel mehr um die klare, leicht auffassbare Mittheilung der Hauptpunkte seiner Welt- und Lebensanschauung zu thun gewesen, als um die eingehende Dar- legung aller ihrer inneren Zusammenhänge. Und oline Vortheilc ist das wieder niclit: die gewählte meisteidiaft angewandte apho- ristische Darstellungsweise fesselt auf joden Fall das Interesse des Lesers und regt sein Nachdenken in hohem Grade an, so dass sich das Büchlein auch zur Wirkung auf weitere Kreise vor- züglich eignen dürfte. Dr. Petzoldt. Dr. Wilhelm Haacke, Die Schöpfung des Menschen und seiner Ideale. Ein Versuch zur Versöhnung zwischen Religion und Wissenschaft. Mit (.1'2 Alib. Hermann Costenoble. .Jena 1805. - Preis 1-2 Mk. Die Leser kennen einen — wenn auch freilich nur geringen — Theil des Inhaltes vorliegenden Buches bereits aus dem Aufsatz des Verfassers „Schöpfung und Wesen der Organismenform" in der „Naturw. Wochenschr." IX. Bd., Nr. 3'2-38. Verfasser betont gebührend das „Streben nach Gleichgewicht", das sich in Allem äussert, das Streben nach „Stabilität", wie andere Autoreu sagen würden, namentlich der geniale Fechner**). Es ist erfreulieh, dass die Biologen beginnen, dieses Grundgesetz aller Bewegung, auch der sich in den Organismen äussernden, zu berücksichtigen: ein wahres Verständniss der biologischen Er- scheinungen ist nur von ihm aus zu gewinnen. Es ist also ein philosophischer Zug in dem Buche. Das genannte Streben wird nach dem Verf. vom „Willen" geleitet; er gebraucht dieses Wort *) Vgl. den Aufsatz: „Ueber den Begriff der Entwickelung und einige Anwendungen desselben" in Bd. IX dieser Zeitschrift, 1894, No. 7 u. 8, wo sich auch weitere Litteraturangaben finden **) Vergl. Petzoldt, Begriff der Entwickelung. „Naturw. Wochenschr." IX, Nr. 7. Nr. 47. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 575 identisch mit „Kraft", und es wird schliesslic}i ja auch darauf hinauskommen. Joiloch muss davor gewarnt werden, Worte zu gebrauchen, deren Begrifte in der idealistischen Philosophie eine bestimmte Färbung besitzen, die der Naturforscher zu ver- meiden hat. Besser ist es schon — nach dem Vorbilde des grossen Kirchhoff, der in seiner Mechanik sogar den Hilfsbegrilf ,.Kraft'' vermieden hat — Begriffe mit untauglicher Färbung ganz auszumerzen. Wenn Verf. — dies au.sser Acht lassend — schliesslich von „beseelten" Atomen, niimlieh „von Willen bc- .^eelten" spricht, so giebt das doch entschieden Verwirrung. Manches W'ichtige könnte noch monirt werden, aber der tiefer Blickende kann nur aufathnien, dass die Naturwissenschaft über- haupt wieder beginnt Naturphilosophie zu treiben, dass die Periode der begreiHiehen Abneigung gegen dieselbe — durch die Schuld ( )ken's und Schelling's — immer mehr und mehr über- wunden wird. Das Buch bietet so vielerlei Anregungen, zeugt von so aufrichtiger, e.xact philosophischer Neigung, dass jeder in dieser Beziehung mit dem Verfasser congenial Denkende seine Rechnung an demselben finden wird. Freilich dürfen wir nicht verschweigen, dass — wie angedeutet ^ weniger das Philoso- phische selbst in dem Buch als der philosophische Geist Aner- kennung verdient. Wo Verf. jedoch zoologische Auseinander- .setzungen bietet, wo es sich um Darwinismus und Aehnliohes liandelt, ist das Buch in hohem Grade beachtenswerth. Es ist durch den klaren Styl des Verfassers allgemein-verständlich zu nennen und findet hoffentlich viele Leser. Es ist interessant zu sehen, wie Verfasser — ohne die in Betracht kommende Litteratur genügend zu kennen: Fechner, Mach, Avenarius u. a. — zu An- sichten tendirt, die schon fi.xirt sind. Es liegt eben der „Empii-io- kriticismus" in der Luft: die bisher gewonnene naturwissen- schaftliche Erkenntniss führt nothwendig dorthin, und es ist daher nur begreiflich, dass Mehrere auf dem Wege sich befinden. Dass Haacke zu diesen gehört, macht ihm alle Ehre. P. Prof. Stanislas Meunier, La Geologie comparee. Avec 35 figures (Bibliotlie(|ue Scientitique internationale LXXXII). Feli.x Alcan a Paris 1895. — Pri.x cart. 6 fr. St. Meunier hat sich schon früher oft mit dem Gegenstände beschäftigt, z. B. in seiner Abhandlung „le ciel geologique, pro- drome de Geologie comparee" (1871). Der Titel dieser Abhand- lung besagt besser als der des vorliegenden Buches, um was es sich inhaltlich handelt, also um eine Geologie der Himmelskörper verglichen mit derjeiiigi'U der Erde, soweit sich das eben than lässt. Es bietet eine Zusammenfassung der Meunier'schcn An- sichten und bisherigen Untersu< hungen über den Gegenstand. Dass bei einer solchen Untersuchung die Meteoriten eine grosse Rolle spielen, bedarf keiner näheren Ausführung. L. Graf von Pfeil, Die Lufthülle der Erde, der Planeten vmd der Sonne. Zweite vernn'hrte A\itlage. Dazu eiiir Darwiui- sti?che Phantasie. Ferd. Dümmler's Verlagsbucldiandlung. Berlin 1895. — Preis l,-20 M. Es ist sicherlich anerkennenswerth und ehrenvoll, dass der Verf. trotz seines hohen Alters noch immer dasselbe wissen- schaftliche Interesse und dieselbe Kami)fesfreude besitzt, wie früher. Leider aber ist auch die Art seiner Beweisführung keine andere geworden. Seine Hypothesen, deren mögliche Riciitigkeit zum Theil durchaus nicht geradezu ausgeschlossen ist, die er aber keineswegs hinlänglich beweist, trägt er fstets mit apodik- tischer Gewissheit vor; eine solche Gepflogenheit aber schadet der Sache am meisten, da sie jeden vor einer sachlichen Dis- cussion zurückschreckt, sofern sie eine solche nicht gar völlig ausschliesst. Und am wenigsten ist eine so zuversichtliche Sprache da angebracht, wenn Hypothesen jahrzehntehmger kühler Zurück- haltung in wissenschaftlichen Kreisen begegnet sind. So scheint der Anfang dieser in zweiter Auflage er- schieneneu Arbeit, der Beweis, dass in den höchsten Schichten der Atmosphäre eine Wasserstoft'schicht sich befinde, ganz plau- sibel, aber ganz verfehlt ist es, aus dieser Hypothese so weitgehende und unwahrscheinliche Konsequenzen zu ziehen, wie der Verf. es thut. Graf Pfeil möchte nun einmal durchaus alle räthselhaften Vorgänge in der Atmosphäre, zum Theil auch im Weltenraume, erklären; es wäre besser, wenn er eine einzige derartige Ei- scheinung gründlich durchforschte. So aber will er für das Polar- licht, die Kugel- und „Ketten"-Blitze. die Mondkratere, die Kanäle des Mars und ihre Verdoppelung, den rothen Heck des .Jupiter, die Sonnenflecken u. s. w. allein auf den 65 Seiten dieses kleinen Schriftchens die „einzig richtige Erklärung" geben, statt sich zu sagen, dass die allseitig abweisende Haltung seinen Hypothesen gegenüber wohl in Schwächen seiner Deduction bezw. in der Unwahrscheinlichkeit seiner Behauptungen ihren Grund haben dürfte. Einen ungünstigen Eindruck muss es auch machen, wenn in einem Anhang zu derartigen Hypothesen wieder neue „Plianta- sirn" — um einen eigenen Ausdruck des Verf. zu gebrauchen — vorgebracht werden, die mit dem sonstigen Inhalt des Buches gar keinen Zusammenhang haben und auf 10 Seiten das ganze Wundergebäude des Darwinismus umstürzen wollen. Auch hier findet sich wieder dieselbe felsenfeste Ueberzeugung, dass keine andere als die voi-getragene Theorie richtig sein könne, welche in nichts Geringerem gipfelt als in einem Beweis, es müsse ein „bewusster Schöpfungsact" (S. 7(J) der einzelnen Arten statt- gefunden haben. H. Bericht über die Senckenbergische naturforschende Gesell- schaft in Frankfurt am Main. 1895. Mit I Tafel und 2 Text- figuren. Frankfurt a. M. — Der ausführliche Bericht nimmt nicht weniger als LXXV Seiten ein, ihm folgt eine Reihe , wissen- schaftlicher Abhandlungen." Auch in dem „Anhang" zum Be- richt (S. LXXVI — CXIX) enthaltend die Sectionsberichte und Protokoll-Auszüge finden sich wissenschaftliche Mittheilungen. Unter diesen heben wir hervor den Vortrag W. Kükenthal's über seine Reise im malayischen Archipel und denienigcn von Ix. Vohsen über die Probleme des Ohrlabyrinths. Die „wissen- schaftlichen Abtheilungen" sind folgende: Zum hundertsten Geburtstage Eduard Rüppels. Von Dr. W. Kobelt. — Die Ethnographie Europas. II. Von Dr. W. Koh elt. — Wanderungen in Norwegen und Schweden. Von Dr. J. H. Beehhold. — Vor und während der Diluvialzeit im Rhoin- Maingebiet. Von Prof. Dr. F. Kinkelin. — Zwei Briefe aus Argentinien von Dr. Jean Valentin. — Beitrag zur geolo- gischen Kenntniss der Sierren von Olavarria und Azul, Provinz Buenos Aires (Republik Argentinien) Von Dr. J ean Valentin. — Die Pyramideneiehe bei Harreshausen (Grossherzogthum Hessen). V^on Oberlehrer J. Blum. (Mit einer Tafel und einer Figur im Text). — Die Gebirgsarten des Spessarts. Von Franz R i 1 1 0 r. — Die Lehre von der Immunität. Von Dr. F. Blum. Baumgartner, Prof. Dr. Heinr., Zur Litteratur der Erdkunde. Lei]izig. — 1 M. Dölp, weil. Prof. Dr. H., Aufgaben zur Differential- und Integral- rechnung, nebst den Resultaten und den zur Lösung nöthigen theoretischen Erläuterungen. Jena. — 4M. Generalkarte, neue, von Mittel-Europa. 30/47. Bruneck. — 31/46. Tri.'st. — 3147. Hofgastein. — 34/44. Spalato. - 35/43. Mostar. — 36/43. Ragusa. — 36/44. Sarajevo. — 40,46. Lugos. - 45/48. Mogilew. — 4846. Odessa. Wien. — 2 M. Giberne, Agnes, Das Luftmeer. Berlin. — 6 M. Günther, Priv.-Doc. Cust. Dr. Carl, Einführung in das Studium der Bakteriologie. 4. Auti. Leipzig. — 11 M. Kantor, S., Theorie der endlichen Gruppen von eindeutigen Trans- formationen in der Ebene. Berlin. — 5 M. Kobelt, Dr. A., Mitose und Amitose. Ein Erklärungsversuch des Theilungsphänomens. Basel. — 'i M. Koch, Dr. Emil, Das Bewusstsein der Transcendenz oder der Wirklichkeit. Halle. — 3 M. Krause, Prof. Dr. IVTart., Theorie der doppeltperiodischen P^inc- tinnen einer veränderlichen Grösse. 1. Bd. Leipzig. — 12 M. Lindau, Rud., Aus China und Japan. Berlin. 6 M. SIesstischblätter des preussischen Staates. 2906. Bergheim. — 3035. Bonu. — 3-206. .\Ialmedy. Berlin. — 1 M. Meyer, Geh.-B. Prof. Dr. Viot., Probleme der Atomistik. Heidel- bers:. — 1 -M. Ostwald, Prof. Dr. Wilh., Elektrochemie. Leipzig. — 30 M. Palacky, Prof. Dr. J., Die Verbreitung der Fische. Prag. — 8 M. Ferner, Assist. Dr. Jaroslav, etudes sur les Graptoliths de Boheme. Leipzig. — 15 M. Wiedemann, Gust., die Lehre von der Elektricität. 2. Aufl. 3. Bd. Braunschweig. — 30 M. Willkomm, weil. Prof. Dr. Mor., Die Wunder des Mikroskops oder die Welt im kleinsten Räume. 5. Aufl. Leipzig. — 7 M. Wirtinger, Prof. Dr. Wilh., Untersuchungen über Thetafunctiouen Leipzig. — '.< .M. Inhalt: Dr. Hans Schmidkunz: Psychologische Spielereien. — Rudolf Mewes: Die Elektricität im Lichte der Vibrations- theorie. — Kern- und Zertheilung von Ceratium hiruudinella O. F. M. — Die Seesterne der „^'ettor-Pisani" -Expedition. — Protobasidiomyceten. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Berthold Weiss, Aphoristische Grundlegung einer Philosophie des Geschehens. — Dr. Wilhelm Haacke. Die Schöpfung des Menschen und seiner Ideale. — Prof. Stanislas Meunier, La Geologie comparee. — L. Graf von Pfeil, Die Lufthülle der Erde, der Planeten und der Sonne. — Bericht über die Sencken- bergische naturforschende Gesellschaft. — Liste. 576 Naturwissenschaftliche Wochenschrit'i. Nr. 47. In dem unterzeichneten Verlage ist erseiiicnen und durch jede Buchhandlung zu beziehen: Physikalische Prinzipien der Naturlehre. Von Aurel Aii CHI Focus) be- findet sich im Innern und ist bewegiich. i'. Der neue .Schlit/.- versehluss läult sehr ruhig (Schnellichkeit verstellb.) S.Für Hoch- und Quer-Aufnahinen bleibt die Lage der Camera unverändert, weil die Visir- seheibe sich um sich selbst dreht! 4. Auslösung des Verschlusses durch Druck auf Knoiif vorn am Apparat ."i. Alle Wellen etc. laufen in Metalllagern. — l'rospect frei. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstr. 33. aif Keue illustrirtc Preisliste erscheint Anfang l>eeeml»er. Erfinduiig'en, Neuheiten, Modelle jeder Art werden zu- verlässig, billig, discret in meiner Spe- cialwerkstatt ausgearbeitet und angefer- tigt, auch brieflich. W. Maaske, Mechan., Berlin N., Schwedterstr. 31. IIPROSPECT CBÄTIS f.r ERFIMDER. ünöT |ARPADBHUEI!,JNB.BERlllÜ,H.3I.Slralsi.nilSl.36. *.*.*iii**^it*.*.^*.^*.^****^ ^pl)ori|!il'(l)f inniölfiiiing Einer |il)ilD|'öpl|ifüf5(5rf(i)rlicns. Sou Dr. ^crfBott» SScig. 73 5;. lU'- •'*• Jl^rriB 1,20 ÜHIatl!. ^ü [ie5icl7cn ^u^dJ jc^c Bud^hariMunij. Icrii. Äüuiiiilcrö lIrrlnöslmtl)l)iiiiM. ¥¥¥¥?¥??¥¥¥¥¥*¥¥*¥¥¥ Hempel's Klassiker-Ausgaben. AusfUhrl. S))ecialverzeichnisse gratis. Ferd. Dämmlers Verlagsbuchhandl. ♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ gfcrb. püinittters ^erfttgseut^fjanblung in perJin SW. 12. ^Soeben erfd)ien unb ift buvt^falle S8ud)5nnblunflen ,ui lu'jiefjen: as trägt untt treibt \snx 3^0ltiaten im JKclbe? itnö ^ttmmungsßiföer aus 6en ^agen vox ^iflc^. Don Dr. ^bolf üon (Uoröon. bb Seiten gr. 8". %U-etö SO ^'f. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ l'crb. piimmltro JlfrlnijobiKliijniililung tu Strüti SW, 12, Jinunfrftr. 94. Soeben er(d)ien: fmifcv cfrkbttrl) al^ Situiitut. IKIit unücröffcntlidUem IKTafcriat auo bcm 12iadjf«ffc c^aifet: gtrieöric^s, einem f Hefßilb, 16 JlßßtflMiuflcn, oufograp^ifcOen ^l'öttcnt :c. 96 Seiten gr. 8°. 5ßret§ get)eftet 1,50 3)larf, eleg. geb. 2 Warf. 3um erfteu ÜJfoIe erfälirt in btefer @d)vtft bie Sonner ©tubentcn^eit be§ nQdjinülit3cn fiaifer ?yriebrid), weld)e für feine tSiitiuicEehinc; non mafJigebenbfter 93ebcntnnij gemefen ift, eJHijelienbe ©djilbernug. S)ie 'jJlrbcit cntl)ält uielcji bidtjer nii.- Derbffentlid)te 9)fatevtiit, barunter nanienttid} eine 9{eil)e oon Briefen beg jpäteren fiaifer ^riebrid) unb ber Äaijcrtn Stuguftn, tt)e(d)e 'tiü?, ^ö6)\it Sntereffe erregen biivften. 3ii [ßinciii lOdinfirigcii ©cBiicfsfa« 15. (O^foBcc 1895. £inc gcfdiidjtlidjc 5lu6ic. !i8on Dr. ^ötj\xtn^ 3'*'**-'*^*-'"^*****^' 48 ©eiten gr. 8". $rei§ geheftet 1 3Äort. '^ZZZZ 3" bcjielien ^lu•ll) alle iBiidibnuMiinncii. rziZZ In Ferd. ]>üinmler$ Verlagsbiicb- bandlung in Berlin SW. 12 erschien: Einffihrung in die Blfltenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am köngl. Realgymn. in Berlin. 444 Si'itcn "T. S. Preise M.. tjeli. 7 M. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. Ziramerstrasse '.tl. In unserm Verlage erschien:' Die Lufthülle der Erde, der Planeten und der Sonne. Von L. Graf von Pfeil. üi^ Zweite vermehrte .Vuflage. ^^ Dazu eine Darwiiustiscbe Phantasie. so Seiten gr. .S°. Preis: l,2ü M. Billige PruiselSchnelleüeferuns! Fernspr.Anschl.A.IV.Nä 938,5:, El m n 1^ Die Illustration wissenschaftlicher Werke erfolgt am besten und billigsten durch die modernen, auf Photo- graphie beruhenden Reproduc- tionsarten. Die Zinkätzungen dieser Zeitschrift gelten als Proben dieses Verfahrens und '^ sind hergestellt in der graphi- y, sehen Kuustanstalt I Meisenbacli, Riffarth & Co, i in Berlin-Schöneberg, y, welche bereitwilligst jede Aus- B kiiult crtheilt. Willi BüsiniT? LaugjiUiiiger Assistent vom Prof. Itr. W des pbüto-chem. Laboratoiiums der Kgl. techu. Hochschule zu Charlottenburg Berlin W., Bendlerstr, PllOtOcll«'llliK4'll I'iitoi'ti«n<-li. Inwtitiit. l'rat-tischc II. tlieort't. Aiisb. 111 siiiiiiiitl. pliotogr. Xegat.- u.Posit.-VcTt.,so\v. lioto-inechan. Druckverfahren. Wisseuschaftlichc und Amateur -Kurse. Eiutritt jederzeit. Kurze und längere Kurse. Dunkelkammern stellen zur VerfüRnng. llebernahme aller vorkouimenden wissenschattl. und practisehen photographischen Arbeiten. Niihcrc Ausliuntt bereitwilligst. "" Taglich nIVnct von tl— V Verantwortlieher Redacteur: Dr. Henry Potonic, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstr. Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck 35, G. für den Inseratentlieil: lli Bernstein, Berlin SW. 12. /^s^^-- P'm die DftlorwaafOKtiiiUkho Forsch 00 e ■□ririebt ka waltimi- fuseodn Idoni und ui LKkoo- Arn G«bQd«n der PhuUalB, wirf Ihr rtklilkl) enetzt dordi «n Zub«r da- WlrkllcUceUr d Uthwant "z**^- v-^""^ Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den 1. December 1895. Nr. 48. Abonnement: Man abonnirt bei allen BuchhandlunRen und Post- y Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 -A. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist .« 4.— W sprechenden Rabatt. Beilagen nach Debereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. JL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger t^nellenang^abe gestattet. Bei welchen Wärmegraden ist das Temperaturoptimum und Temperaturmaximum für die normale Athmung verschiedener Pflanzentheile zu suchen? Von Dr. E. Zieeenbein. Zur Stellung und Beantwortung der vorstehend auf- gcworicnen Frage veranlassten mich die Untersuchungen von Clauscn. Derselbe wies durch zahlreiche Experi- mente nach, dass das Tempcraturoptimum für die normale Atlinuing der Keimpflanzen von Lupinus und Triticum, sowie für die Blüthen von Syringa bei 40° C. liegt. Es schien mir von Interesse, auch andere Unter- suchungsobjecte in der bezeichneten Weise zu prüfen, um namentlich festzustellen, ob die Ptlanzen denn wirklich ganz allgemein bei 40" C. am lebhaftesten athmen oder ob nach dieser Richtung hin, wie von vornherein zu er- warten war, Unterschiede im Verhalten verschiedener Pflanzenspecies bestehen. Meine Versuche wurden nach der in Nr. 33 dieses Jahrganges der „Naturw. Wochenschr." auf Seite 394 angegebenen Methode durchgeführt. Zur Aufnahme der Kartoffeln diente ein weithalsiges Gefäss, in dessen Kork, abgesehen von dem Thermometer und dem Gasableitungs- rohre, das eine P^nde eines Glass)nralrolires eingeführt war. Dieses Spiralrohr hatte den Zweck, die Luft vor- zuwärmen, bevor sie in den mit Pflanzen angefüllten Re- sjjirationsraum gelangte, welch letzterer in ein grosses, mit Wasser von hinreichend hoher Temperatur angefülltes Gefäss eintauchte, das vor dem Zutritt des Lichte's durch einen Umschlag von schwarzer Pappe geschützt war. — Die Geschwindigkeit des Luftstroms war immer derartig regu- lirt. dass in der Stunde genau 3 1 Luft den Apparat durchströmten. Vor Beginn der Versuche leitete ich zwei Stunden, bei den Versuchen mit Kartoffeln drei Stunden lang Luft durch die ^'orrichtung, ohne die Barytröhre einzuschalten. Versuche mit Kartoffeln. Zu den Experimenten wurden möglichst gleichmässige Exemplare der weissen Bisqnitkaitoft'el vom durchschnitt- lichen Gewicht von 70 g ausgewählt. Zur Verwendung kamen bei jedem Versuche 10 Stück im Gewicht von genau 700 g. Um die Knollen sicher ihrer ganzen Masse nach auf die gewünschte Temperatur zu bringen, wurden sie vor der Einführung in den Pflanzenbehälter einige Zeit lang im Trockenscliranke bei derjenigen Temperatur vorgewärmt, welche bezüglich ihrer Wirkung auf die Athmung geprüft werden sollte. Ebenso ist zu bemerken, dass zu jeder Versuchsreihe bei 35, 40° etc. immer neues Pflanzenmaterial, — sowohl hier als auch bei den übrigen Versuchen — verwandt wurde und niemals Objecte, die z. B. bei 35° auf ihre Athmungsgrösse geprüft worden waren, noch zu Experimenten bei 40** Verwendung fanden. Zeitdauer des Versuches stets 1 Stunde. In 75 com ßarytvpasser Kohlensäureahgabe Temperatur pro Stunde absorbirt und liiu g fri- im Mittel scher Substanz Grad Celsius mg. CO, mg. CO, mg + 30 1 32,8 4,69 ! 4,62 32,2 4,60 32,1 4,59 54,7 7,81 7,85 + 3.5 55,0 7,85 .55,3 7,90 71,2 10,17 ! 1 + 40 72,2 10,30 10,24 71,8 10,25 + 45 1 86,4 12,84 1 12,22 85,2 12,17 85,1 12,15 + Ö0 77,5 11,07 11,14 77,9 11,13 78,6 11,23 j -f- 55 72,6 71,7 10,37 10,24 } 10,30 + G0 [ 19,2 18,8 2,74 2,69 2,71 Die Kartoffeln, welche zu Versuchen bei 45° und 50° C. auf ihre Atlimungsgrösse geprüft wurden, zeigten nachträglich ein durchaus normales Aussehen. Bei den Experimenten von 50° trat jedoch ein eigenthümlich süsslieher Geruch im Respirationsgefäss auf, aus den 578 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 48. Knollen war Zellsaft ausgetreten und ihre ganze Aiissen- fiäche war mit einer siisslich schmeckenden, klebrigen Flüssigkeit bedeckt. Die Knollen, mit welchen bei 60^ ex- perimentirt worden war, Hessen deutlich den Geruch nach gekochten Kartotfeln wahrnehmen und nahmen nach Ver- lanf einiger Tage, wie sich beim Zerschneiden ergab, eine tiefschwarze Färhung an. Versuche mit Vicia Faba. Zu den Versuchen dienten die in Sägspänen ge- keimten, gut gereinigten Keimpflanzen in einem Alter von fünf Tagen. Zu dieser Zeit besassen dieselben eine Länge von 5—6 cm. Zeitdauer des Versuches stets 1 Stunde. In rs ccm Barytwasser Kohlcnsäureabgabe Tempeiatur pro Stunde absorbirt und 100 g fri- scher Substanz im Mittel firad Celsius mg. CO, ms. CO, mg + 30 1 27,6 27,6 Sj [ S5,2 1 40,10 80,2 1 • +35 39,80 38.60 79,6 77,2 78,72 38,95 77,9 J . 33,2 66,4 65,1 + 40 1 32,7 32,35 65,4 64,7 31,95 63,9 + 45 29,15 28,75 58,3 57,5 57,8 + 50 1 10,4 10,4 20,8 20,8 20,8 Die bei 40 und 45*^ C. zu den Experimenten be- nutzten Keimpflanzen zeigten ein vollständig normales Aussehen und wuchsen in Sägspäne zurückgelegt fort. Die Keimlinge, welche bei öO** auf ihre Athmungsgrössc geprüft worden waren, erwiesen sich jedoch als ab- gestorben, der Turgor war geschwunden, die Wurzeln braun bis schwarz geworden und eingeschrumpft. Versuche mit Taraxacum officinale. Zu diesen Experimenten kamen die dicht unter der Insertion des Hüllkelches abgeschnittenen Blüthenköpfe in Anwendung. Auf die Auswahl möglichst gleich- massiger, demselben Standort entnommener Exemplare musste sorgfältig geachtet werden. Da die Untersuchungs- objecte rasch welkten, konnten nie mehr als zwei Versuche mit demselben Material vorgenommen werden. In An- wendung kamen stets 40 g Substanz. Zeitdauer der Versuche stets 1 Stunde. In 75 ccm Barytwasser Kohlensäureabgabe Temperatur pro Stunde absorbirt und 100 g fri- im Mittel scher Substanz horen spielen, d. h. durch die Producte ihrer Assinnlation den Rhizopodenkörper er- nähren. Er schliesst dies daraus, dass in keiner ein- zigen der 200 untersuchten Individuen der Pauli- nella auch nur eine Spur von aussen aufgenom- mener fester Nahrung nachzuweisen war. Während die mit Paulinella zusanmien lebenden beschälten Rhizo- poden förndich vollgepfropft waren mit gefressenen Algen, Diatomeen und Flagellaten, erschien das Innere der Pauli- nella stets vollkonnnen frei von diesen; Verf. glaubt daher sagen zu können, dass sein neuer Rhizopode überhaupt ausser Stande sei, grössere Nahrungskör|)er von aussen in das Innere seiner Schale hereinzuziehen, da das überaus enge Lumen der halsartigen Mündung für Olyecte von bedeutenden Dimensionen unpassirbar sein dürfte. Die Pseudopodien der Paulinella sind sehr lang und dünn, geradlinig oder an der Basis geknickt. Das Ausstrecken und Einziehen derselben erfolgt mit der grössten Schnelligkeit. Die Vermehrung scheint durch Zweitheilung vor sich zu gehen. Nähere Beobach- tungen konnte Verf. aber noch nicht machen. Was schliesslich die systematische Stellung der neu errichteten Gattung Paulinella anbetrifft, so ist sie nach ihrem Bau in die Familie der Euglyphinae neben Euglypha und Trinema einzureihen, wenn sich auch nicht verkennen lässt, dass die Structur der Schale in mancher Hin.sicht an die Gattung Quadrula erinnert. R. Das tiefste Bohrloch der Erde, über das wir in der Naturw. Wochenschr. in Bd. IX, Nr. 18, S. 221 bereits eine Notiz gebracht haben, ist von Herrn Bergrath K ö b r ich, auf der 9 intern. Wanderversammlung der Bohringenicure und Bohrteehniker in Halle a. S. besprochen worden. Wir berichten über diesen Vortrag im Folgenden nach der Zeitschrift „Glück auf" (Essen), deren Redaction wir das Cliche zu der Figur auf S. 585 verdanken. — Die Tief boh- rung führt actenmässig die Bezeichnung „Paruschowitz 5". Sie ist unter einer grösseren Reihe anderer Bohrbetriebe, die in der Gegend von Paruschowitz bei Rybnik in Ober- schlesien ausgeführt und sämmtlich zur Unterscheidung numerirt sind und sich theilweise auch noch im Betriebe befinden, dadurch hervorgetreten, dass sie alle bekannten Bohrungen, selbst die tiefe Bohrung zu Schladebach bei Merseburg, um ein Erhebliches überragt, so dass sie als tiefste Bohrung der Erde (dme weiteres bezeichnet werden kann. Die Bohrung von Schladebach hatte 1748,40 m Teufe. Die Bohrung Paruschowitz 5 dagegen hat in Sunnna 2003,34 m Teu/e erreicht. Der Unterschied Nr. 4S. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 583 beider 'reulei) von ■2.")4,1)4 in seiinnni)tt etwas zusannnen, wenn l)eriieksiclitii;-t wird, dass die Tas'essitnation von i'aruseliowit/. 254 ni über N. N., die von Seiiiadebaeh aber nur 102 ni ül)er N. N. liei;t, so dass die Sohle des I)(dn-lo{'iics Paruschowitz f) sich dem Erdniittelpuidvt nur um 102 m mehr nälicrt als die Sohle des Bohrloches zu Seliladcbacli. Die ISoiirung- Paruschowitz ;') diente zunäclist dem Zwecke, Ucreclitsame auf SteinU(ddcn an einer noch un- l)elci;-tcn Stelle für den Staat zu erwerben, wie es mit iM-foli;- in umfangreichem Maasse seit dem Jahre 1889 in Oberschicsien geschehen ist. Die Bohrung sollte aber auch gleichzeitig Aufschluss über die Flötzverhältnisse in diesem, verhältnissmässig noch unbekannten Gebiete Obcrschlesicns geben, und so ist gerade in Erfüllung dieses Zwecks die Bohrung zu der grossen, schon an- gegebenen Teufe gelangt. Der eigentliche Bohrbetrieb ist am 26. Januar 1892 begonnen worden und zwar mit dem grössten der bei staatlichen Bohrungen verwendeten Patentrohre. Das- selbe hat 320 mm Durchmesser und 10 unn Wand. Bei den Rohren sind die verbindenden Gewinde aus der Wand geschnitten und sie bilden daher, in 2Vo ni Längen zu- sammengeschraubt, einen innen und aussen glatten Rohr- strang, welcher besonders vortheilhaft in schwinnuenden Schichten zu verwenden ist, wie solche au diesem Punkte die Steinkohlcnformation üi)erlagerten. Das Rohr trägt natürlich an seinem untersten P^nde einen stark verstählten Schuii mit Zähnen. Das erste Rohr wurde unter Anwendung der Schappe und Spülung in einem Wechsel von diluvialem Sande und Thon bis zum 4. Februar in 70 m Teufe gebracht und in diesem Niveau zurückgelassen; obgleich es wohl möglich ge- wesen wäre noch tiefer zu kommen. Es war dann aber zweifelhaft, ob es gelänge, das erste Rohr nach Beendi- gung der Bohrarbeit im ganzen wieder zu gewinnen, wenn man es über 70 m hinaus noch tiefer gebracht haben würde. Man Hess also das Rohr stehen, bohrte mit Schappe im festen grauen Tegel bis zu l02 m vor und Hess dann eine zweite Tour von 270 mm Lichtenmaass, und ebenso zusammengesetzt wie die erste, ein. Nachdem sie bis 107 m hinabgesenkt war, wurde der Tegel so fest, dass die Schappe nur noch wenig angriff und desshalb un- verzüglich zum Diamantbohrbetrieb*) übergegangen wurde. Man bediente sich hierl)ei einer Krone von 171 nmi äusserem Duchmesser und drang bis zum 17. Februar bis 189 m Teufe vor. Das Bohren im Tegel mit Diamant- kronen ist bei den staatlichen Bohrbetrieben in Schlesien zuerst eingeführt worden. Es war dies ein glücklicher Griff, dem es unzweifelhaft zu danken ist, dass die fisca- lischen Bohrungen in zahlreichen Concurrenzfällen dort ihre üeberlegenheit gegenüber den anderen angewendeten Bohrs^-stemen behaupten konnten. Man kann wcdjl sagen, dass der Tegel sich ebenso günstig der Diamantkrone gegenüber verhält, wie sich derselbe ungünstig dem Stoss- bohrbetricbe gegenüber verhält. Der oberschlesische Tegel ist ein fest abgelagerter, griinlicli grauer Thon, zur mittleren Tertiärbildung ge- hörig. p]s ist theils ^Meeres-, theils Brackwasserbildung mit zahlreichen Petrefakten. Er enthält reichlich Gips- und Kalksteinbracken. Auch Salzlager von geringer Mächtigkeit kommen darin vor. Die unangenehmste Eigenschaft des Tegels für den Bohrbetrieb ist sein An- quellen, nachdem er einige Zeit dem Bohrlochswasser ausgesetzt gewesen ist. Es ist also nöthig, ihn durch Röhren zu sichern, ehe er anfängt zu quellen. *) Zum Verständniss der Diainantbohrmethode vergl. Natuvw. Wochenschr. Bd. V. S. 171 ff. Red. Die Röhren hält er natürlich sehr fest, doch hat man diese unerwihisclitc Eigenschaft des Tegels dadui'ch iierabgemindert, dass man die Riijn'cn vor dem Einlassen mit einer billigen Fettmasse (Abfällen u. s. w.) anstrich. Dadurch konnten wesentlich bessere Resultate beim Röhrenziehen nach ]5eendigungder Bohrarbeit erzielt werden. Als im Bohrloch Paruschowitz ;"> die Teufe \(>n 189 m erreicht war, stellte sich Nachfall ein und ver- anlasste sogleich eine Erweiterung des Bohrloches mittels Kronen von 171 auf 213 und sodann von 213 auf 250 mm, worauf dann die dritte Tour von 220 mm Lichtenmaass bis vor Ort eingelassen wurde. Das Er- weitern im Tegel ist bei den staatlichen Bohrbetrieben in neuester Zeit vielfach und mit bestem Erfolge mit einem einfach unten gezahnten Rohr oder auch mit einer gewöhnlichen Schajjpe ausgeführt worden. Nachdem die dritte Tour eingelassen war, setzte man die Arbeit mit der Krone von 171 mm Durchmesser fort und traf im Niveau von 196 bis 210 m einen echten Schwimmsand und unnnttelbar unter demselben die Steinkohlcnformation, bestehend in geblich grauem, erhärtetem Thon mit allerlei Pflanzenabdrücken. Es wäre nun erwünscht gewesen, die dritte Tour von 189 m an noch tiefer zu senken, allein sie wurde vom Tegel schon festgehalten und man musste sich desshalb cntschliessen, den Einbau einer vierten Ver- rohrung nach vorhergegangener Erweiterung auf 213 mm Durehmesser vorzunehmen. Unter sehr erheblichen Schwierigkeiten, welche durch die steigenden Sandmassen im Niveau von 196 bis 210 m hervorgerufen wurden, gelang es endlich am 8. März, den Sand mit der vierten Tour abzusperren und über 210 m hinaus vorzudringen. Am 21. März traf man das erste Steinkohlenflötz an und konnte jetzt eine gute Probe davon zu Tage fcirdcru. Das Herausschaffen der Fundprobe geschah einfach da- durch, dass etwa 10 cm in das Flötz mit Krone hinein- gebohrt und dann lediglieh gespült wurde, worauf nach einiger Zeit kohlschwarz gefärbte, schaumige Spülwässer zu Tage traten, in welcher die Kohle in kleinereu Stücken vertheilt war und in untergehaltenem Siebe aufgefangen werden konnte. Die Probe wurde bis zum amtlichen Fundestermin bewahrt. Im Termin selbst ist das erste Flötz durchbohrt und eine Flötzmäehtigkeit von 3,40 m reiner Kohle konstatirt worden. Die Durchbohrung des Flötzes geschah, um grosse Kohlenstücke zu gewinnen, nicht mittels Krone, sondern vermittels Schappe bei um- gekehrter Spülung, so da.ss die Spülung im Hohlgestängc heraustrat. Dabei sind recht ansehnliche Kohlenjiroben zu Tage gebracht worden, welche die Eigenschaften des Fund- fiötzes in durchaus genügendem Maasse erkennen Hessen. Als die Bohrung am 9. April 260 m Teufe erreicht hatte, stellte sich abermals Nachfall ein und verursachte heftige Einklemnuuigen des arbeitenden Gezeuges. Da CS wegen der unmittelbar auf der Steinkohlcn- formation abgelagerten Schwimmsandmassen nicht rathsam erschien, die vierte Tour nochmals zu bewegen und möglichenfalls tiefer zu bringen, so wurde alsbald eine fünfte Tour von 150 mm Durchmesser eingelassen, um mit derselben den Nachfall abzusehneiden. Die Fortsetzung der Bohrung geschah alsdann mit der Krone von 142 nun in einem Wechsel von Kohlensandstein und Sehieferthon nebst zahlreichen Steinkohlenflötzen von meist stattlicher Mächtigkeit. Am 19. April war man nach Erreichung von 319 m Teufe abermals zum Einsetzen einer sechsten Tour ge- zwungen, wodurch sich der Bohrlochsdurchmesser auf 116 nnii reduzirte. Mit diesem Durchmesser drang man bis 571 m vor und fand dabei abermals eine Reihe 584 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 4S, von Flützen , jedoch meist in geringerer Mächtigkeit. Die Zahl dcl' durchbohrten Miitzc war schon auf 24 ge- stiegen. Als man eintretenden Naehfalles wegen am IS. Juni eine siebente Tour von ',i'2 nnn Liclitenniaass eingesezt hatte, wurde die Bohrung mit Krone von Ül mm Durch- messer fortgesetzt und zwar wiederum in einem Wechsel von Sandstein, Sehicfcrtlion und Steinkohlcnflötzen. Mit dieser Krone wurde bis zum ?>. .Sciitembcr die Teufe von 1014 m erreicht. Ein sehr gefälirlicher ßruch des Hohlgestänges, welcher nur sehr miüisam bewältigt werden konnte, veranlasste jetzt den Einbau einer achten Verrohrung von 72 mm Liclitenniaass und demnächst die Fortsetzung der Bohrung mit Krone von 69 mm Durch- messer. In diesem Durchmesser ist das Bohrloch bis zur erreichten grössten Teufe gebracht und Röhren nicht weiter eingesetzt worden. Die letzte, achte Verrohrung brachte man nicht bis zu Tage, sondern Hess sie so ab, dass ihr Kopfende im Niveau von 540 m blieb, während ihr Schuh im Niveau 1014 m sich befand. Sie bestand aus einzelnen Rohr- stücken von je 5 m Länge und inneren Linksmufl'en von 70 nun Durchmesser, welche die einzelnen Rohrstücke mit einander verbanden. Die Tour ist der Bohrung verhängnisvoll geworden und ist im wesentlichen daran schuld, dass der Bohrung in 2003,34 m Teufe ein Ziel gesetzt worden ist. Als am 14. November 1892 die Bohrteufe von 1319 m er- reicht war und in der Nachtschiidit das Bohrzeug gehoben werden sollte, trat plötzlich eine Verklemroung ein und das Holdgestänge riss ganz oben in einer Verbindungs- muttc durch. Das noch im Bohrloch befindliche Hohl- gestänge von 560 m stürzte 750 m tief im Bohrloche nieder. Es konnte zwar bald mittelst Fangspitze an seinem oberen Ende gefasst und heraufgeholt werden, allein es war bei dieser Gelegenheit jedenfalls durch Aufschlagen der Diamautkronc auf die Muffen der ver- lorenen Tour eine Beschädigung der Tour eingetreten, denn der Bruch verklemmte sich in der Tour und ein Theil derselben in Länge von 165 m kann mit dem Bruch- stück zugleich zu Tage. Der Schuh, welcher am Grunde des Muttergewindes abgebrochen war, wurde, mit einer Schraubmufife versehen, wieder abgelassen und einge- schraubt, wobei man sich eines Instrumentes — Kopf und Halsstüekes mit Zahn — l)cdiente. Als die verlorene Tour wieder ergänzt schien, wurde der Betrieb, durch sie hindurch, mit der Krone von 69 mm Durchmesser fortgesetzt. Dabei kam aber nach einigen Tagen das aufgeschraubte Roin-stück abermals mit nach oben. Ein Vorgang der sich trotz sorgfältigsten Bemühens, die Tour zu ergänzen, wiederholte. Man musste annehmen, dass das Rohr an der Stelle, wo auf- geschraubt werden mus.ste, aufgeplatzt war, sodass die Schraubenverbindung niemals ganz haltbar wurde. Es wurde nun versucht, die ganze verlorene Tour aus dem Bohrloch zu entfernen, um eine neue an deren Stelle zu setzen, allein der untere Theil der Tour sass sehr fest und in anbetracht der Teufe und des geringen Durch- messers bei der Bruchstelle Hessen sich keine Mittel anbringen, um mit Nachdruck vorgehen zu können und die Tour zu entfernen. Es wurde nun versucht, ein Stück der Tour abzuschrauben und auf diese Weise eine andere Schraubenverbindung der Tour freizulegen, um alsdann sicher aufsciirauben zu können. Das Absehrauben einer Tour ist auch gelungen, aber das abgeschraul)tc Gewinde war so deformirt, dass von einem Wieder- aufsehrauben eines guten Gewindes nicht mehr die Rede sein konnte, vielmehr die Ueberzeugung eintrat, dass sämmtliche Gewinde der verlorenen Tour durch den oben erwähnten grossen Gestängesturz gelitten haben mussten. Nachdem man immer und immer wieder versucht hatte, die Tour zu ergänzen, ohne dass dies gelang, wurde es endlich riskirt, das obere Röhrende fortzulassen, wodurch dann eine freie unverröhrte Stelle im Niveau zwisclien 571 und 754 m entstand, welche, wenn sie auch zunächst keinen Nachfall lieferte, doch innner als eine die Existenz der Bohrung in hohem Grade gefährdende Stelle betrachtet werden musste, und in der That auch das Aufgeben der Bohrung herbeigeführt hat. Vom December 1892 an, als die Bohrung etwa 1330 ni erreicht hatte, ist die Bohrung dauernd mit dieser gefährlichen Stelle behaftet in Betrieb gewesen. Es ist jedenfalls viel Glück dabei im Spiele, wenn es trotz dieser prekären Lage gelungen ist, das Bohrloch Paruschowitz 5 bis zur grössten Teufe zu bringen, be- sonders weil zahlreiche Unfälle eintraten, welche theils durch starke Inanspruchnahme der Gestänge und die sich nach und nach als unzureichend erweisende maschinelle Einrichtung, theils auch durch die Belastung des Thurmes beim Heraufholen und Einlassen und theils auch durch Störungen in der Wasserspülung bemerkbar machten. So brach am 20. December 1892 nach Erreichung von 1404 m Teufe infolge einer Störung in der Wasserspülung die Diamantkrone Ijeim Bohren ab. Sie musste zerbohrt werden und der Unfall verursachte eine Betriebsstockung von vollen zwei Wochen. Gleich nachher traten eine Reihe von Gestängebrüchen und Brüchen in den Maschinen- theilen ein und mahnten, nach Erreichung von 1450 m auf eine wesentliche Erleichterung der Gestängelast hin- zuwirken. Das seither benutzte Hohlgestänge aus Patentröhren von 35 mm Lichtenmaass wog bis dahin 12 368 kg. Es wurden nun an Stelle der Schmiedeeisernen Röhren Mannesmannröhren aus Stahl ohne Naht eingestellt und damit sofort eine Verminderung der Gestängelast nin 16()0 kg erzielt, so dass von 1450 m ab eine ganz er- hebliehe Erleichterung geschaffen war, während gleich- zeitig die Sicherheit gegen Abreissen oder Abdrehen der Gestänge infolge des verbesserten Materials imi ein Be- trächtliches vermehrt wurde. Es ist gar nicht zu leugnen, dass die Einführung der Mannesmannröhren*) in die Bohrtechnik einen ganz erheblichen Sehritt nach vorwärts bedeutet, und ich glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, dass ohne diese Röhren die Bohrung Paruschowitz 5 ihre Teufe nicht erreicht haben würde. Bei jeder tiefen Bohrung führt die Zunahme der Ge- stängelast zu unerträglichen Ueltelständen, die vorläufig durcli nichts zu beseitigen sind und in denen der Todes- keim für jede tiefe Bohrung ruht. Bei Anwendung der Mannesmannröhren wird der Zeitpunkt, an welchem diese Uebestände eintreten, l)eträchtlich hinausgeschoben oder mit anderen Worten: die Bohrung kann, indem sie mit dem besseren, dem festeren, aber leichteren Material arbeitet, in viel grössere Tiefen vordringen als es seither möglich war. Als die Bohrteufe von 2002,34 m am 17. Mai 1893 erreicht war, wurde es für zweckmässig gehalten, eine Pause im eigentlichen Bohrbetriebe eintreten zu lassen. Es sollte zunächst eine Reihe von Temperatur- messungen im Bohrloch vorgenommen werden und zwar in der Erwägung, dass es jetzt wohl möglich sei, Thermo- meter in die seither noch unerreichte Teufe von 2000 m hinabzulassen, man aber vor der Gefahr stehe, dass ein Unfall das Bohrloch unpassirbar machen und es hindern könne, mit Thermometern in der Tiefe zu operiren. Im Bohrloche vorgenommene Temperaturbeobaehtungen *) Vergl. über dieselben Naturw. Wochensclir. Bd. II, S. olu.oO. Nr. 48. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 585 ergaben eine sehr unregeiiuässig geartete Zunahme der Teniperiitnr, sodass sicii eine hostininito Norm nur schwer l'eststt'llcn lässt. Auf 64 Stationen \viir(l(Mi mit je (> Ther- mometcTii )]S-i Messungen ausgeführt, die ein Steigen der Temperatur von 12.1" l)is auf Uü,3" C. ergaben. Im Durclisclinitt ergaben ;U,I4 m Tiefe ein Steigen von 1" C, in den Hohrlöciiern zu Sehladebaeli trat ein sololics bei 35.45 ni, zu Sennewitz bei Halle a. S. bei 36, ()6 ni. y.ii Lieht bei 35,07 m und zu Spcrenberg bei 32 m ein. Sodann wurde auch eine an- sehnliche Verstärkung des Bohrapparates für dringend nötiiig gehalten. Es nnisste die bis zu 2002 m \erweudete Loko- mobile von 15 Pferdekräften gegen eine solche von 25 Pferdekräften ausge- weelisclt und ebenso das defekte Ketten- kabel zum Heraufhohlen und Einlassen des Bohrzeuges gegen ein neues, stär- keres umgetauscht werden. Alle diese Arbeiten sind in der Zeit vom 17. Mai 1893 bis zum 23. August desselben Jahres ausgeführt, und dann die Arbeit fortgesetzt worden. Aber nicht lange I Denn als am 23. August 1893 nur noch ein Meter gebohrt und die Teufe von 2003,34 m erreicht war, ergab sich unruhiger Gang und Stockungen in der Spülung, die allem Anscheine nach von Nachfallsniassen herrührten, welche sich während des dreimonatlichen Stillstandes vor Bohrort angesammelt hatten. Es sollte aufgeholt werden. Als man indess etwa 5 m hoch geholt hatte, riss bei etwa 500 m Teufe eine Hohl- gestängcmufi'e durch und 1480 ni Hohl- gestänge stürzten ins Bohrloch zurück. Zwar wurde der Bruch sofort mittelst Fangspitze gcfasst, allein die Krone nel).st Kernrohr hatten sich vor Ort fest- geklemmt und zwar wahrscheinlich in- folge von Stauchung durch die enorme Last des hinabgestürzten Gestänges. Bei den unausgesetzt betriebenen Versuchen zur Freimachung des Bohr- zeuges traten mehrfach neue Hohl- gestängebrüche ein, sodass man sich nach vielen vergeblichen Versuchen dazu entsehliessen nnisste, auf das Heraus- rcisseii der Krone und des Kernrohres zu verzichten und nur noch dahin zu arbeiten, die Hohlgestänge aus dem Bohrloche abzuschrauben, in der Absicht, nachher das eingeklemmte Kernrohr oben aufzuweiten und durch dasselbe hindurch die Bohrung mit einer engeren Krone fortzusetzen. Zu diesem Vorgehen war man gewissermaassen durch den, bei der grossen Bohrteufe immer noch be- trächtlichen ii*.l nun aufgefordert schrauben geschah mittels eines zu diesem Zwecke be- sonders hergerichteten nahezu 2000 m langen, mit Links- gewinde versehenem, hohlen Fanggestänge. Es handelte sich, wie man aus diesem einen Moment schon ermessen kann, nicht nur um eine aufhältliche, son- dern auch sehr kostspielige Fangarbeit. Als in den letzten Tagen desOctobers ma Bohrlochsdurchmesser von Die nachfolgende engere Krone würde dann immer noch 48 mm erhalten haben. Das Abschrauben der Hohlgestänge ist anfänglich. Avenn auch wiederholt duicli kleine Zwischen- fälle gestört, (loch im ganzen nach AN'unscli von statten gegangen, so dass sich bis zum 30. Octoher 1893 nur noch 189 m Hohlgestänge in der Tiefe befanden. Das Ab- i 0 t 6 9 ' eine ziemlieh starke Versehlännuung im unteren Theile des Bohrloches wahrge- nonnnen wurde, die ja natürlich war, weil bei der Fangarbeit keine Spülung angewendet wurde, Hess man am 2. No- vember eine Bohrkrone am Fanggestänge hinab, um das Bohrloch um die nach unten betindlichen Hohlgestäuge herum zu reinigen und dadurch das fernerhin beabsichtigte Abschrauben des Restes der Hohlgestänge zu erleichtern. Hierbei riss am 2. November, als man nur noch 14 m von Oberkaute des abzuschraubenden Hohlgestänges ent- fernt war, das Fanggestäuge in 20 m unter Tage durch und 1799 m Fang- gestäuge sammt Krone und Kernrohr stürzten 14 m im Bohrloch hinab. Ein oberes Stück von rund 600 m Länge wurde alsbald gefasst und zu Tage ge- bracht, ergab aber, dass durch den Sturz das Fanggestänge nochmals ge- brochen war und zwar unglücklicherweise in 620 m Teufe, also an einer Stelle, welche durch das früher beschriebene aneinaudergehen der verlorenen Tour unverröhrt war. Aus diesem Grunde ist es möglich gewesen, dass das obere Bruchende sich im Niveau von 620 m seitlich in die Gebirgswand verstecken k'onnte. Hiermit war das Ende der Bohrung Paruschowitz 5 gekommen, denn alle Versuche, den Bruch zu fassen, oder dem oberen Ende eine günstigere, das Fassen ermöglichende Wendung zugeben, blieben erfolglos. Das einzige anwend- bare Jiittel, den Fall mit Erfolg zu be- kämpfen, hätte darin gelegen, das seitlich abgebogene Fanggestängestück mittelst Fraiser zu durchsehneiden; das obere abgefraiste Ende würde dann ein Stuck abwärts gefallen sein, konnte dann entfernt werden und man wäre in der Lage gewesen, den nun wieder normal legenden Unfall weiter zu bekämpfen. Man hätte dann zuerst das hinab- gestürzte Fanggestänge von 1250 m Länge zu entfernen gehabt, um hernach wieder au das Abschrauben des unteren 189 m Hohlgestäuges zu gehen. Jeden- falls ist sieher, dass Monate von Zeit nur auf die Fangarbeit zu verwenden gewesen wären, und dass es enorme Kosten verursacht hätte, sollte der iiolirlietrieb nach der Teufe hin wieder Hott gemacht werden. Es trat nun die Frage ein, ob der Werth einer weiteren Fortsetzung der Bohrung Paruschowitz 5 es rechtfertige, die Aufwältigung des Bohrloches auch unter den jetzt vorliegenden Verhältnissen noch weiter zu betreiben. Da die Frage von der preussischen Bergbehörde verneint 586 Natm-wissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 48. wurde, so ist die Fangarbeit am 21. November 1893 eingestellt und das Bohrloch nach Herausnahme der Ab- nperrröhren endgültig eingestellt worden. Zwei Diamantkronen von 69 nun Durchmesser, 40 m Kernrolire und 1343 m Mannesiuannrühren, theils Hohl- gestänge, theils Fanggestänge blieben dauernd im Bohr- loch zurück. Die Zeit, welche es erforderte, um die Diamantkrone aus 2000 m Teufe heraufzuholen, um den Kern heraus- zunehmen, betrug im Durchschnitt 10 Stunden. Ebenso lange dauerte das Einlassen der Kione bis vor Ort. Es ging abwärts nicht schneller, weil regelmässig von 1000 m Teufe an nicht mehr an der Bremse, sondern mit der Lokomobile bei Rückwärtsgang eingelassen wurde. Das entsprach der Vorsicht. Die Zusammensetzung des Hohlgestänges war nach Erreichung von 2000 m Teufe folgende : 300 m = 2835 kg Querschnitt 1161 qmm 400 „ = 3200 ., „ 923 „ 800 „ = 4872 „ „ 548 „ 500 „ = 2800 „ „ 399 ,, Gesammtlänge 2000 m, Gesammtgewicht 13 707 kg. Das Gesammtgewicht des Boiirzeuges von 2000 m betrug 13 875 kg. Eine bedeutende Betriebsschwierigkeit bildete hei Paruschowitz — ebenso wie früher bei Schladebach — das Absetzen von suspendirtem Bohrklein, während der zwischen je zwei Bohrgevierten liegenden, auf Aufholen und Einlassen verwendeten Zeit. Es war deshalb nöthig, bei jeder neuen Bohrperiode 10 bis 15 m über Ort schon mit Rotiren zu beginnen, um ein Versetzen der Krone mit Bohrklein zu verhüten. Das Aufsetzen der Krone auf den Bohrort spürte man über Tage mit der Hand nicht, aber man horte es an dem veränderten Gange des Rota- tionsapparates. Oeftcrs wurde es nöthig, die aufgesammelten Schlämme vor Ort durch ümkehrung der Spülung gründlich zu ent- fernen. Die darauf verwendete Zeit wurde durch später erzielten besseren Bolnfortschritt reichlich wieder auf- gewogen. Die zuletzt angewendete Krone misst 69 mm Durchmesser. Der gewonnene Kern misst noch 45 mm Durchmesser. Wenn man die letzten Kerne von Schlade- bach ansieht, so wird man zugeben, dass man des Durch- messers wegen bei Paruschowitz 5 hätte noch bedeutend tiefer gehen können. Die Bohrung Paruschowitz 5 ist, wie bereits erwähnt, am 26. Januar 1892 begonnen und hat bis zum 17. Mai 1893 die Teufe von 2002,34 m erreicht. Die Bohrarbeit, welche ohne jede Eile betrieben ist, da Concurrenz nicht vorlag, ist nur an Werktagen, nicht aber an Sonn- und Festtagen betrieben worden. Sie hat daher in Summa 399 Tage in Anspruch genommen und es berechnet sich mithin ein täglicher Bohrfortschritt von 5,01 m. Die Kosten der Bohrarbeit Paruchowitz 5 haben die Summe von 75 225,41 Mark betragen und stellt sich hiernach ein Meter Bohrteufe auf 37,55 Mark. Ge- wiss ein sehr massiger Betrag, auch beispielsweise gegen- über den Kosten von Schladebach, welche seinerzeit 121304,63 Mark betragen haben, d. i. pro Meter 121,43 Mark. Die Kosten der Bohrung Paruschowitz 5 erscheinen besonders unerheblich, wenn man ihnen den Aufschluss gegenüberstellt, welchen sie geliefert hat. Es wurden mit der Bohrung in Summa 83 Stein- kohlenflötze von theilweise gewaltiger Mächtigkeit er- schlossen. Alle Flötze zusammengelegt, ergeben eine Steinkohlenmächtigkeit von 89,50 m und der Aufschluss ist daher wohl geeignet, einen hoffnungsreichen Ausblick auf die Entwickelung der gesammten oberschlesischen Industrie zu gewähren. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ausserordentliche Professor der l-'hysio- logio in Berlin Dr. Immanuel Munk zum Vorstelier der spociell-pliysiologisclieu Abtheilung des ph3'siologischen Instituts daselbst als Nachfolger des Prof Dr. Gad; der Observator am astrophysikalischen Observatorium zu Potsdam Dr. Paul Kempf zum Professor, ebenso der wissenschaftliche Assistent Dr. Jo- hannes Wilsing am gleichen Observatorium; der Privatdocent in der medicinischen Fakultät zu Berlin Sanitätsratli Dr. Leo- pold Ri<'ss zum ausserordentlichen Professor; der Assistent des königl. Instituts für Infectionskrankheiten zu Berlin Dr. Bern- hard Proskauer zum Professor; der Bibliothekar au der königl. Bibliothek zu Berlin Dr. Theodor Gleiniger zum Ober- bibliothekar; Prof. Theel in Stockholm zum Director des dortigen naturhistorisclien Museums; der ordentliche Professor der Botanik, technischen Waarenkunde und Mikroskopie an der technischen Hochschule zu Brunn Dr. Mikosch zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Der ordentliche Professor der Chirurgie in Königsberg Dr. Heinrich Braun nach Göttingen als Nachfolger Professor Königs; der ausserordentliche Professor der darstellenden Geometrie an der technischen Hochschule in Wien Ruth als ordentlicher Professor der Geodäsie an die deutsche technische Hochschule nach Prag; der Privatdocent der mathematischen Geophysik und Meteorologie Dr. von Rudzki in Odessa als ausserordentlicher Professor nach Krakau. Es habilitirte sich: Dr. Scheurlen für Hygiene in Strass- burg. Es starben: Der Professor der Physiologie in Dorpat Dr. Popow; der (iründer und Director des Geologischen Instituts zu Mexico Antonio del Castillo. Aufforderung. Die Kaiserliclie Leopoldinisch-Carolinische Deutsche Aka- demie der Naturforscher kann im künftigen .Jahre zum ersten Male aus den Mitteln der Carus-Stiftung einem „wohlbofähigten, tüchtigen, jungen Arbeiter im Fache der vergleichenden Anatomie, der Physiologie oder der Psychologie" eine Unterstützung ge- währen. Diese ist für 189G auf lOOO Mark festgestellt. Die Herren Bewerber werden gebeten, bis zum 1. Februar 1896 Gesuche einzureichen. Beizulegen sind: 1) Darstellungen des Lebenslaufes und Studienganges mit An- gabe der nächsten wissenschaftlichen Ziele. 2) Zeugnisse über Leistungen an Lehranstalten oder in Kvankenhäusei'n. 3) Druckschriften, die den Anspruch auf Unterstützung recht- fertigen. Die Entscheidung über die Bewerbungen wird in dein am 1. Mai 1896 auszugebenden Hefte der Leopoldina veröffentlicht werden. Halle a. S, den 31. detober isy5. Der Präsident der Eaiserl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher. Dr. K. v. Fritsch. L i 1 1 e r a t u r. Dr. M. Erass und Prof. Dr. H. Landris. Lehrbuch für den Unterricht in der Zoologie. P^ür Gymnasien, Realgymnasien und andere höhere Lehranstalten. 4., nach den neuen Lehrplänen vi'rbesserte AuH. Mit "222 Abb. Herder'sche Verlagshandlung. Freiburg i. Breisgau 189.J. — Preis 3,30 Mk. Die Verfasser haben das Buch in der Neu-Auflage nach dem Erlass des preussischen Cultus-Ministeriums vom (i. Januar 1892 umgearbeitet und verbessert. Wir haben schon früher auf das Buch aufmerksam gemacht und können nns daher diesmal mit dieser Anzeige beschränken. Prof. Dr. F. G. Kohl, Die officinellen Pflanzen der Pharma- copoea germanica für Pharniaceuteu und Mediciner besprochen und durch Uriginalabbildungen erläutert. Mit 173 mit der Hand colorirten Kupfertafeln. Johann Ambrosius Barth (Arthur Meiner). Leipzig lb95. — Preis in Mappe 105 Mark. Das Erscheinen des Werkes haben wir Bd. VI. S. 462 an- gezeigt. Es tti'gt nun als stattlicher Quartband vollendet vor. Sämmtliche Pflanzen der Pharmacopoea germanica editio III finden sich genügend abgebildet und beschrieben. Es werden die officinellen Theile angegeben und über die Chemie der Pflanzen wird das Nöthige gesagt. Der vielleicht zunächst hoch erschei- nende Preis des Werkes wird hinreichend durch die Hand- f'olorirung der Tafeln erklärt; die Farbengebung ist als recht Nr. 48. Niitnrwissensc'linrtliplie Wocliensclirift. 587 naturgetreu uml gelungen za bezeichnen. Es ist noch in Betracht zu ziehen, diiss es sich um eine grosse Anzjihl Tafeln handelt (173) und dass der Text L'4(i Seiten unifasst. Wir können das Werk wohl empfehlen und wünsehcii, dass es die verdiente Ver- breitung findet. Prof. Dr. Siegmund Günther, Die Phänologie, ein Grenzgebiet zwischen lJi(dogie und Klimakunde. AseliendorflF'sehe Buch- handlung. Münster 1895. — l'reis 1 Mk. Das Heft ist geeignet über das Gebiet der Phänologie zu orientiren Verf bespricht nach einer Einleitung die phiinulo- gischeu Bestrebungen in früherer Zeit, die Lehre von den Wärme- summen und endlieh zum Schluss „die rh;in(dogie als geogra- phisches Problem betrachtet." Nikola Tesla's Untersuchungen über Mehrphasenströme und über Wechselströme hoher Spannung und Frequenz. Mit liesonderer llerücksichtigurg seiner Arbeiten auf den Gebieten der Mehrpliasenstrommcitoren und der Hoclispannungsbeleuch- tung, zusammengestellt \on Thomas Commerford Martin. Autorisirte deutsclie Ausgabe von H. Maser. Mit 313 Abbil- dungen. Wilhelm Knapp. Halle a. S. 1895. — Preis 15 M. Das grössere Publikum ist auf Tesla in letzter Zeit nach- drücklicher aufmerksam geworden durch Berichte, welche darauf aufmerksam gemacht haben, dass das Licht der Zukunft durch Tesla's Untersuchungen eine wesentliche Veränderung gegen das heutige hinsichtlich der Herstellungs-Methode bedingen dürfte. Bei dem grossen Interesse, welches diese Untersuchungen, schon aus dem angegebenen Grunde bieten, ist die vorliegende Dar- bietung der Haujitarbeiten Tesla's von hoher Wichtigkeit für den deutschen Interessentenkreis. Zwar sind die hauptsächlichsten Entdeckungen des bedeutenden Physikers auch in Zeitscln-ifton Deutschlands bekannt gegeben worden, aber die vorliegende Zu- sammenfassung der Arbeiten ist beipiemer und ferner authentischer, da Tesla selbst das vorliegende Buch an den wichtigsten Stellen durchgesehen hat, sodass mancherlei Ungenauigkeiten in den deutschen Zeitschriften geklärt werden. Das Buch bietet eine Fülle von Anregungen und weiten Ausblicken. Bruno Kolbe, Einführung in die Elektricitätslehre. Vorträge. II. Dynamische Elektricität. Mit 75 Abbild, .lulius Springer iu Berlin und R. Oldenbourg in München. 1895. — Preis 3 Mark. Das Heft wurde im Bd. VIII, S. 244 besprochen; das dort lobend Gesagte kann auch Anwendung auf den vorliegenden Theil finden, der die dynamische Elektricität behandelt, während sich der erste mit der statischen beschäftigt. Wer sich — und in un- serer elektrischen Zeit dürfte das für Jeden Gebildeten Bedürfniss sein — über die elektrischen Erscheinungen zu orientiren wünscht, dem kann kaum eine bessere Leetüre empfohlen werden, als die Kolbe'schen Vorträge. Prof. Dr. E. von Lommel, Lehrbuch der Experimentalphysik. Mit 430 Figuren. 2. Aufi. Johann Ambrosius Barth (Arthur Meiner), Leipzig 1895. — Preis G,40 Mk. Die erste Autlage wurde Bd. VIII, S. 415 besprochen. Wir haben dem dort Gesagten hinzuzufügen, dass Verf. das Buch zeit- gemäss verbessert und etwas erweitert hat; im übrigen hat es den allgemein verständlichen Charakter bewahrt. Es ist auch für den nicht mathematisch Vorgebildeten trefflich geeignet. Fortschritten, welche die Physik aufzuweisen hat, bedeutend ge- wesen. Das Werk wird in der Neu-Auflage seinen alten guten Ruf wahren. Adolph 'Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik. 1. Bd. Allgemeine Physik und Akustik. 5. vielfach umgearbeitete und verbesserte Aufi. .Mit 321 Abbild. B. G Teubner. Leipzig 1895 — Preis 12 M. ' ^ Das bekannte Wüllner'sche Werk, das zum tieferen Eindringen in den Gegenstand, den es behandelt, vorzüglich geeignet ist, wird hiermit in 5. Auflage angezeigt. In der Benutzung der Mathematik geht Verf. bis zu den Anfängen der höheren Ana- lysis, aber er bietet in der Einleitung „einige Sätze aus der Diffe- rential- und Integralrechnung'' als Einführung in diese Hilfsdisciplin. An zeitgemässer Umarbeitung des Werkes hat es Verf nicht fehlen lassen und diese Arbeit ist bei den grossen und vielen F. Klein, 'Vorträge über ausgewählte Fragen der Elementar- geometrie. Au.sgearlieiti't von F. Tag er t. Eine Festschrift zu der Pfingsten 1895 in Göttingen stattfindenden dritten Ver- sannnhuig des Vereins zur Förderung des Mathematischen und Naturwissenschaftlichen Unterrichts. Mit 10 in den Text ge- druckten Figuren und 2 litographirten Tafeln. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1895. — Preis 2,40 Mk. Die vorliegende Scln-ift miichten wir sowohl den Lehrern unserer höheren Schulen und den jungen Studirenden als auch den für die Mathematik sich intere'ssirenden Laien recht warm empfehlen. Es wird hier va.s bewährte Prinzip: mittelst eines S|)iegHls durch das Objeetiv den aui'zunehmentkMi Gej;in- stand bis zum Eintritt der Plattenbeliehtung genau in Plattengrösse scharf einstellen und beobachten zu können, ist beibehalten. „PliÖnix" hat noch folgende Vorzüge: 1. Das Objeetiv (U-iB cm Focns) be- findet sich im Innern und ist beweglieh. •>. Der neue Schlit/,- verschluös läult sehr nihi^ (Schnellichkcit verstellb.) X Für 11 och- und Quer-Autiiahineu bleibt die Lage der Camera unverändert, weil die Visir- scheibe sieb um sieh selbst dreht! 4. Auslösung des Verschlusses durcli Drnek aufKnoi)!' vorn am .'). Alle Wellen ete. lauten in Metalllapern. — l'rositfct ft'i'i, Max Sieckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstr. 33. Aeiie illiistrirt*' I'reislistc t'rsrlu'iiit Anfang; Meeeniber. Dr. F. Krantz, Rlieiiiisclies Mineralien- C^oiitor. Verlag geognostischer Reliefkarten. Gcschäftsgründunpr 1S3:1. Bonfl ü. Rh. (ieschiiftssründung 18:i:!. In meinem Vorlage sind erschienen: 1. Geognostische Reliefkarte der Umgegend von Coblenz anf *inindlaf?e des Messtisehblattes der topogi'aphischen Landesaufnahme und fieognostischen Bcarbeitune: von E. Kayser; ir.odellirt von Dr. Fr. Vogel. Maassstab 1 : 25,üuO fvierfache Ueberhöhung.) In elegantem schwarzen Ilnlzrahmen M. 4r». — . 2. Geognostische Reliefkarte des Harzgebirges auf lirundlage der Anhaf?en'schen topographischen Karte und der geo- guDstischen Uebersichtskarte von K. A. I.ossen; n.odellirt von Dr. K. Biisz. Maassstab 1 : loo.oOO (achtfache üeberhöhung.) In eleg. Hohrahmen M. 160.—. 3. Geognostische Reliefkarte vom Kaiserstuhl i. B. auf Grundlage iler topograi)lnsehen T-andesaufnahme und der geogiiostischen Karte von A. Knop (Leipzig is.'S): nunUdlirt von Dr. Fr. Tegel. Maass- stab 1 : 25,uou (vierfache tleberhöhung.) In elegantem schwarzen Holz- rahmen M. 50. — . Apparat Elektrische Kraft-Anlagen im Anschluss an die hiesigen Centralstationen eventuell unter Ankauf vorhandener Kraftmaschinen (Gasniotorea etc) «««♦♦♦♦«♦♦♦♦*♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ t Dr. Robert Muencke x t Luisensfr. 58. BERLIN NW. Liiiseiistr. 58. X ^ Teoluiisclics Institut für AiiiVrti;^uiit;"'i.ssriiscluiftliclior Apptirate i ♦ uiiii Oorätlisi-li.iftou im Oos:iiinivitgebiot(' der Natnrwissoiiscliaftcu. ♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ 1\lil)oriitii'riir ©riiiiDlriniiiii eiiirviiliilofiniliirör^CM'iiiirliniri. Dr. iäcrtßoti) 3Sd^. 73 5. sir. 8. Ih-m \,->o Mavk. Hempel's Klassiker-Ausgaben. 5u bpsirhcn ^urci! jrtc Su*KiiiMunfl. Ausführl. Speeialverzeicinnssc gratis. inh. fliiiiimlf 10 !lcrlnßoliiid|!|fliilil. Perd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. ilPROSPECT CBATjS f.r ERFIMDER^ Jill |ARPADBAUER.JNBBERilM,H.3I.Sirahuiida36 führt uuti.M' günstigon Bediuguiigcn ans Elektromotor" G. m. b. H. 21. Schiffbauerdamm. BERLIN NW. Schiffbauerdamm 2L 91 J » K( BERLIN C, Niederlage eigener GlashiitteDwerlie und Daiuptschleifereien, Mecliaiiisclie AVcrk.stätteii, Scliriftmalerei und Eiiiaillir- Aiistalt. Falirik und Lager sauiiiitliL-her Aiiparato. (n'fiisso uini (ie- rathe für wissenselialtliclie und toclniische LaboratorRMi. 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Abdruck ist nar mit Toilständiger Quellenangabe gestattet. lieber die Wirkung der mechanischen Naturkräfte. Von Ingenieur Tlieodor Schwartze. Der Ausdruck „Kraft" ist ein so geläufiger, dass mau dabei garuicht daran denlit, wie unklar der Angrirt' der Kraft in der heutigen J'hj.sik noch immer geblieben ist. Bei der Behandlung wissenschaftlicher und techni- scher Fragen schreibt man wohl einen Buchstaben v hin und bezeichnet damit bald eine Kraft, bald eine Ge- schwindigkeit. Oder man zieht von einem Punkte aus zwei einen gewissen AVinkel einsehliessende Linien und denkt dabei an zwei auf diesen Punkt einwirkende Kräfte oder Geschwindigkeiten. Dann vollendet man das durch die beiden Linien und den davon eingeschlossenen Winkel bestimmte Parallelogramm, zieht von dem gegebenen An- gritfsiuinkte der gedachten Kräfte oder Geschwindig- keiten die Diagonale und bezeichnet diese als die Re- sultante des Systems. Ein anderes Mal schreibt man -— hin und nennt diesen Ausdruck eine lebendige Kraft, wobei man an eine Stosskvaft denkt und so weiter. Das Alles ist dem Techniker und Physiker so geläufig, dass dabei der 15egriff von Kraft und lebendiger Kraft gar nicht in Frage kommt, indem nur Rechnuugsformeln zu behandeln, deren numerisches Resultat von Interesse ist. Erst die in kurzer Zeit zu erstaunlicher Entwickelung gelangte Elektrotechnik und die daraus entwickelte Elektricitätslehre hat Anlass gegel)en, dass die Physiker sich wiederum eifriger mit dem Wesen der Kräfte be- schäftigen, über welches die Philosophen sich schon viel- fach den Kopf zerbrochen haben. Ein heller Lichtstrahl ist in dieses dunkle Gebiet durch die bekannten Experi- mentaluntersuchungen des verstorbenen Prof. Heinrich Hertz geworfen worden. Früher schon sind mit Bezug auf die Feststellung des Wesens der Kräfte atomistische Theorien entwickelt worden, nach denen die Ursache der Kräfte in Schwingungen und Rotationen eines hypo- thetischen Mediums, das man als Aether bezeichnet, be- stehen soll. Es wird dem menschlichen Erkenntnissvermögen nie- mals gelingen, die letzte Ursache des Naturwirkens zu ergründen; denn der Urquell der Naturkräfte liegt jen- seits der Grenzen des Gebietes, welches der Mensch mit den Hilfsmitteln der verfeinertsten Beobachtungskunst zu erschlicssen vermag. Aber der Naturwissenschaft fällt die Aufgabe zu, die Thatsachen der Beobachtung durch Aufstellung gewisser Voraussetzungen oder Hypothesen in möglichst ungezwungener Weise in einen wider- spruchslosen Zusammenhang zu bringen und die Be- trachtungen der Naturvorgänge von einem fixirtcn Aus- gangspunkte zu beginnen, der mit Berücksichtigung der auf diesem Gebiete gewonnenen Erfahrungen bis an die Grenze des Unerforschlichen hinausgeschoben ist. Die Fortschritte in den bezüglichen Erfahrungen werden be- wirken, dass dieser Ausgangspunkt der Naturbetrachtung im Verlaufe der Zeit immer weiter hinausgeschoben werden kann, indem Stück für Stück von dem vorher als unerforschlich angesehenen Gebiet von dem sieges- bewusst vordringenden Forschermuthe erobert wird. Der Kraftbegrifif wurde zuerst von Galilei, dem Be- gründer der Dynamik, festgestellt. Unter Dynamik ver- steht man aber die Lehre von der Bethätigung der Kräfte bei stattfindender Störung ihres stabilen Gleich- gewichtszustandes, in welchem man sich die Kräfte in starrer Ruhe denkt. Starre Ruhe ist jedoch im Natur- getriebe nirgends vorhanden, denn das Bestehen der Dinge beruht auf Kraftbetbätigung, auf Bewegung. Die Statik ist immer nur ein Moment der Dynamik, wie bei dem Pendelschlage der Ruhepunkt der Schwingungs- umkehr und der Punkt der grössten Geschwindigkeits- entwickelung zwischen Niedergang und Aufgang nur als ein Moment im Wechselspiele der hierbei wirksamen Schwerkraft und Trägheitskraft hervortritt. Galilei begründete den Kraftbegriff auf das sub- jective Gefühl der Muskelkraft und verstand unter Kraft 590 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 49. einen Antrieb zur Bewegung-, der mit der Hervorbringung einer gewissen Geschwindiglicit abschliesst und im Fort- gange sicli periodisch wiederiiolt. Hierin liegt schon der Begriff des puisatorischen Wirkens der Kräfte, das in Scliwingungen sich vollzieht. Auf Grund der von Newton aufgestellten Gravitations- thcorie wurde der Kraftbegriff weiter ausgcl)ildct, wobei derselbe in dem unbestinnnten Gedanken der Fernwirkung aufging. Gewissermaassen traten dabei die räumlichen Beziehungen der Massen an die Stelle der Kräfte. Es wurden Centralkräfte angenommen, die ihre Wirkungen umgekehrt zum Quadrate der Entfernung, das heisst in concentrischen Kugelflächen sieh ausdehnend im Räume ausbreiten, wobei die Massen durch die Massenmittel- punkte oder Trägheitsmittelpunkte als sogenannte Gravi- tationscentren ersetzt wurden. So wurde der Raum selbst in Folge seiner vorausgesetzten Wechselwirkung mit den Massen als ein Kraftfeld gedacht und indem in allen Punkten des Raumes und der in demselben \or- haudencn Materie in Folge der Wechselwirkung Kräfte sich eutfalten, erscheint das ganze Universum als ein un- endlich grosser Kraftbehälter. Die Fortpflanzung oder Uebertragung der Kräfte durch den leeren Raum widerspricht aller Erfahrung, denn diese lehrt, dass Kräfte nur mittels materieller Mittel sich von Punkt zu Punkt durch Zug oder Druck über- tragen lassen, Auch bei der Uebertragung des Lichtes der Sonne und anderer noch viel weiter von der Erde entfernter Himmelskörper wird ein die Fortpflanzung der als Licht auf unsere Sehnerven einwirkenden Erregung durch ein schwingendes Medium, das man Aether nennt, vorausgesetzt. In der mechanischen Wärnietheorie wurde man aber ganz besonders darauf hingewiesen, die Kraft- übertragung nicht der statischen Wirkung von Anziehungs- und Abstossungskräften, sondern der schwingenden Be- wegung der kleinsten Substanztheilehen, sei es sogenannter Materie, sei es sogenannter Aether, zuzuschreiben. Für gewöhnlich deflnirt man die Kraft als eine Ur- sache von Bewegung. Man hat dabei aber daran zu denken, dass die Ursache einer Bewegung nach dem Kausalprincip in einer vorausgegangeuen Bewegung liegen niuss. Somit ist vorauszusetzen, dass die Kraftentwickeluug in Bewegung beruht, denn die Kraft selbst ist als eine statische Arbeitsgrösse anzusehen. So repräsentirt z. B. der in einem Dampfkessel aufgespeicherte Hochdruck- dam])f eine Kraft, welche sieh erst durch Ocftiien des Ventils nach der Dampfmaschine in Bewegung bethätigen und als Geschwindigkeit diflerenziren kann. Schon dei- gewöhnliche Sprachgebrauch, den auch die Wissenschaft zum Theil adoptirt hat, spricht für diese Deutung des Kraftbegriffs. Mau spricht von Arbeits- kraft, Lebenskraft, Muskelkraft, Keimkraft, Dampfkraft, motorischer Kraft, lebendiger Kraft u. s. w. und versteht darunter ein aufgespeichertes Arbeitsvermögen oder eine Arbeitsgrösse, welche durch Auslösung sich bethätigen kann, die aber schon in ihrem statischen oder neutralen Zustande eine Kraft repräsentirt. Die Bildung einer Kraft setzt eine vorausgehende entsprechende Arbeits- leistung voraus, die sich natürlich durch irgend welche Bewegung vollzogen hat. Wird ein Gewicht mittels eines Seilzuges auf eine gewisse Höhe gehoben, so wird eine Arbeit geleistet, die — abgesehen von den Reibungsverlusten — in dem gehobenen Gewichte als Kraft aufgespeichert ist. Inso- fern diese Kraft durch die Hubhöhe bedingt wird, kann man diese Hubhöhe, in welcher die Schwerkraft als Gegenkraft der Hebekraft wirksam war, als Kraftstrecke bezeichnen und die Hubhöhe selbst als eine Kraft, das ist als die Gegenkraft der Hebekraft ansehen, wobei man die gehobene Masse nur als das Auslösungsmittel dieser Kraft in Betracht zieht. Eine ähnliche Ansieht über die Bedeutung des Raumes als Kraftspender hat schon Julius Robert Meyer, der Entdecker des meclia- nischcn Wärmeäquivalents ausgesprochen und die neueren Erfalii'ungen über die elektrischen Vorgänge, insbesondere aber die f^xperimcntahmtcrsuchungen von Prof Hertz, sowie die bekannten Tesla'schen Experimente sprechen dafür, dass der Raum wesentlich an den elektrischen und magnetischen Vorgängen lietheiligt ist, so dass man mit Recht wohl behaupten darf, der Raum sei mit einem als p]nergiequelle zu betrachtenden Medium, dem Aether er- füllt und mache sich als ein, das ganze Universum bil- dende und in seinem Bestände erhaltendes Kraftfeld geltend. Wir müssen annehmen, dass die bei dem einstmals unser Sonnensystem und speciell den Erdball bildenden Ballungsachse die wirksame Ursache in dem Welträume vorhanden war und dass der aus diesem Welträume heraus wirksame Druck die Himmelskörper zusammen- hält und die Ordnung ihrer Systeme bewahrt. Nehmen bedeutende Forscher, wie William Thomson und Andere doch an, dass der Weltäther die Erde mit einem enormen Drucke umhülle, dessen Schärfe nur durch das die Erde direct umgebende Luftmeer gemildert werde. Der Aether selbst wird als eine fast absolut starre Masse betrachtet, denn nur unter Voraussetzung dieser Starrheit ist die Möglichkeit denkbar, dass dieses Medium so kleine und so rasche Schwingungen übertrage, wie dies die Licht- schwingungen sind. Nur eine sehr straft' gespannte Saite ergiebt die höchsten, am schnellsten schwingenden Töne. Wenn man es unglaublich flndcn will, dass in einem solch starren Medium sieh Körper frei bewegen können, wie dies bei den Planeten und selbst bezüglich der Erden- bewolmer vorausgesetzt werden müsste, so hat man daran zu denken, dass zarte Lel)ewesen bis zu 5000 Meter und wohl auch noch grösserer Tiefe im üeean sich freier Be- wegung erfreuen, obschon der sie umgebende Wasserdruck etwa 500 Atmosphären beträgt. Der Raum ist also ein Kraftfeld, duich dessen Energie- zufluss z. B. die magnetische Kraft des maguetisirten Stahles unterhalten wird, indem die räumliche Energie die nach der Ampere'schen Theorie vorausgesetzten kleinen Kreisströme unterhält, welche in ihrer molecularen Arbeitsleistung den Magnetismus erzeugen. Im Naturganzen befinden sich alle Kräfte bei gegen- seitiger Wechselwirkung in einem gewissen Spannungs- zustande, in welchem jede Kraft bei schwingender Wirkung mit einem gewissen Mittelwerthe sich betheiligt, wobei dieser Spannungswerth zwischen weiteren oder engeren Grenzen schwanken kann, wie dies insbesondere bei den magnetischen und elektrischen Kräften des Erd- balls und seiner Atmosphäre der Fall ist. Keine Natur- kraft braucht sich in irgend welcher Zeit erst aus dem absoluten Nullpunkte zu entwickeln und keine Naturkraft verschwindet zu irgend welcher Zeit in dem absoluten Nullpunkte. Jede Kraft entwickelt sich aus einem bereits vorhandenen Kraftkeime, der z. B. bei der Schwere als Schwerkraftsbeschleunigung vorausgesetzt wird und welchen man als eine Geschwindigkeit schon in die ruhende Masse verlegt, indem man das Gewicht einer Masse M durch das Product ilJg ausdrückt, wobei g die in der ersten Secunde erlangte Fallgeschwindigkeit bezeichnet. Das Vorhandensein eines zur Kraftentwickelung noth- wendigen Kraftkeimes findet in dem dynamischen Priucip seinen Ausdruck, welches von Werner Siemens für die Kraftcntwickelung der Dynamomaschine als dy- namoelektrisches Princip, also nur für einen Sonderfall Nr. 49. Naturwisseuschaftliche Wochenschrift. 591 d' zur Geltung- gebraclit wurde. Dieser Krat'tiieim reprä- scntirt das Miniuumi der Kraltentialtunf;-, wehdies von Lasiaugc als die kleinste lebendii;e Kraft bezeieiuiet wurde. Das Maxininni der Kraftentfaltung' tritt mit der Kntwiekelung der Maximalgcseliwindigkcit r ein und V- wird für die Masseneinheit dureli ,^ als grüsste leben- dige Kraft ausgedrückt, wogegen die kleinste lebendige Kraft ihren Ausdruck durch f^\_{jlvf 2/~ 4 also im halben Quadrat des Differentials der Geschwindig- keit V findet. Selbstverständlich kann man die Begriffe der kleinsten und grössten lebendigen Kraft in ihren relativen AYertlien bei einem Vorgange l)etrachten, so dass mit Bezug auf die Schwerkraft die kleinste lebendige Kraft für die Masseneinheit durch ^- ihren Ausdruck fände. Die ab- 4 sohlt grösste lebendige Kraft der Schwere würde aber durch "das Viertel-Quadrat derjenigen Fallgeschwindigkeit gegeben sein, mit welcher die aus unendlicher Ferne durch den luftleer gedachten Raum fallende Masseueinheit auf der Erdoberfläche aufsehlagen würde. Diese Maxitnal- gescliwindigkeit der Fallkraft würde aber ungefähr U HOl) m betragen. Denkt man daran, dass die Wirkung einer Kraft sich entweder durch Ilintereinandericihung ihrer Elemente in der Kraftstrecke, oder durch Nel)eneinanderreihung dieser Elemente in der Niveaufläehe sieh bethätigen kann, so ist, im Anschluss an die Elektricitätslebre, von einer Reihenschaltung und einer Parallelschaltung der Kräfte zu sprechen, so dass man Linearkräfte (ider Kraftlinien und Flächenkräfte oder Kraftfläehen unterscheiden kann. Die meisten Naturvorgänge sind aber als Wirkung von Fläcbenkräften zu betrachten. Das Product aus Linear- kraft und Flächenkraft ergiebt die Voluinenkraft, welche als Parallelschaltung von Linearkrättcn oder als Hinter- einanderschaltung von Fläcbenkräften zu betrachten ist. So entwickelt sich z. B. die Vohunenkraft der im Dampfeylinder abgesperrten Dampfmenge durch Vorwärts- sehiebeu des Koll)ens, gegen dessen Fläche der Dampf- druck als Flächenkraft wirkt, wobei die als Ge- schwindigkeit sich entwickelnde Expansivkraft des Dampfes die Druckflächen hintereinander schaltet, das ist in Reihenschaltung bringt, wodurch die Volumenkraft zum Ausdruck kommt. 67. Yersammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte in Lübeck vom 16.— 21. September 1895. Es haben in den allgemeinen Sitzungen Vorträge ge- halten: \. Professor Dr. Georg Klebs (Basel): Ueber einige Probleme aus der Physiologie der Fortpflanzung. 2. Prof'es.sor Dr. E. Behring (Marburg): lieber die Heilserumfrage. 3. Hofrath Professor Dr. B. Riedel (Jena): Ueber Operationen im Gehirn. 4. Geheimrath Professor Dr. Victor Meyer (Heidel- berg): Probleme der Atomistik. G. Hofrath Professor Dr. E. von Rindfleisch (Würz- burg): Ueber Neo-Vitalismus. 6. Professor Dr. Rudolf Credner (Greifswald): Ueber die Ostsee und ihre Entstehung. 7. Professor Dr. Wilhelm Ostwald (Leipzig): Die Üeberwindung des wissenschaftlichen Materialismus. \. Georg Klebs: Ueber einige Probleme aus der Physiologie der Fortpflanzung. — Unter den allen Oi'ganismen gemeinsamen Lebenseigenschaften er- scheint die Fähigkeit, sich durch Keime irgend welcher .\rt fortzupflanzen, als die letzte und höchste Function, der alle anderen Functionen, wie Ernährung, Wachsthum, Reizbarkeit dienen müssen. Denn alles Lebens höchstes Ziel ist, neues Leben zu gebären. Durch die vor- bereitende Thätigkeit der niederen Lebensfunctionen wird jeder Organismus erst in jenen Zustand starken An- schwcllens aller inneren Kräfte versetzt, zu jener höchsten Maehtentfaltung geführt, die in der Erzeugung neuer Wesen gleicher Art ihren wahren Zweck erfüllt. Auf diesem Höhejinnkt seines Lebens und Wirkens droht bereits dem Organisnuis das Verhängniss seines Unter- ganges, da oft unmittelbar mit der Bethätigung seines Zeugungstriebes der Tod seiner Individualität verbunden ist (ider dieser nach einer kürzeren oder längeren Spanne Zeit ihn ereilt. In Staunenswerther Mannigfaltigkeit vollzieht sich der Process der Fortpflair/Aiug im Thier- und Pflanzen- reich, und seit Jahrhunderten ist die Wissenschaft be- strebt gewesen, des hier quellenden Reichtluuus Herr zu werden. Zunächst waren die gröberen Formverhältnisse, die auf den Bau der Zeugungsorgane sich beziehen, Gegenstand lebhaften Interesses, eingehender Unter- suchung. Einen neuen Aufschwung nahm die Lehre von der Fortpflanzung, als in der Mitte unseres Jahrhunderts die ganze Biolog'ie durch die von Sehleiden und Schwann angebahnte Zellentheorie umgewandelt wurde. Mit ihr verbunden, trat die mikroskopische Forschung ihren Siegeszug an. Durch sie wurde auch erst der 'Weg in die Fortpflanzung der niederen Thiere und Pflanzen ge- ebnet, bei denen vielfach die wesentlichen Vorgänge der Zeugung unverhüllter vor Augen liegen, als bei den höher- stehenden Wesen, wo, tief im Innern geheimnissvoll ver- borgen, der Befruehtungsprocess sich vollzieht. Jeder Fortschritt auf dem Gebiete des Zellcnlebens wirkte von nun an anregend auf die Lehre von der Fortpflanzung ein. In den 60er Jahren wurde sie durch die von Schultze erfolgreich vertretene Anschauung gefördert, nach der in den Zellen das schleimige, halbflüssige Protoplasma die eigentlichen Triebkräfte des Lebens entwickelt; seit den 70er Jahren führte die Erkenntniss von der Bedeutung des kleinen, in jeder Zelle vorhandenen Zellkerns zu neuen Umwälzungen der Ansichten. Das merkwürdige Ver- halten des Zellkernes bei der Theilung, seine durch scharf- sinnige Methoden erschlossenen, feinen Structureu, der experimentelle Nachweis seiner Bedeutung für die wichtigsten Functionen, alles drängte dazu, die hervor- ragende Rolle des Zellkernes klar zu legen. Das Interesse für ihn steigerte sich noch, als man erkannte, dass er bei der Befruchtung wesentlich betheiligt ist, und er- reichte seinen Gipfelpunkt in der von 0. Hertwig aus- gesprochenen und bald allgemein anerkannten These, dass bei der Vereinigung der männlichen und weiblichen Geschlechtszellen es allein auf die Verschniclzung ihrer Zellkerne ankommt. Von diesem Standpunkt aus er- 592 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 49. scheinen die Zellkerne auch als die einzigen Träger der von den Eltern auf die Nachkommen vererbten Eigen- schaften, und, der Quelle dieser Voraussetzungen ent- springend, ergiesst sieh ein heute noch immer wachsender Strom von lebhaft durcheinander wirbelnden Hypothesen über das Wesen von Zeugung und Vererbung. Doch man darf sich nicht darüber täuschen, dass dieser Strom den Vorwärtsstrebenden nicht zu den er- wünschten Gefilden tieferer Erkenutniss führt, sondern ihn bald auf den trockenen Sand unbefriedigenden Zweifels wirft. Denn weder die besondere Bedeutung des Zell- kernes, noch die des Protoplasmas, noch die des Centro- soms für die Fortpflanzung liegt klar vor Augen. Die an und für sich so werthvoUen und interessanten Ergebnisse der histologischen Forschungen können wohl im Augenblick durch ihren Reichthuni blenden, aber sie erscheinen dem kritischen Blick doch nur wie eine glänzende Schale um den unverändert dunkeln Kern des Zeugungsproblems. Je mächtiger heute die Bestrebungen auftreten, sich in die Probleme der Fortpflanzung za vertiefen, um so lebhafter regt sich der Wunsch, neue Wege dafür zu bahnen, da die Morphologie immer verwickeitere Form- verliältnisse aufdeckt und dadurch immer neue Räthsel schafft. Wie immer in solchen Fällen, müssen wir zur Physiologie greifen und an ihr die Fackel entzünden, um aus dem so reich aufgehäuften, aber noch in Finsterniss ruhenden Material morphologischer Tliatsacheu das funkelnde Gold und Edelgestein wirklicher Erkenntniss herauszuholen. Die wesentlichen Thatsaehen, auf denen unser Wissen von der Zeugung beruht, sind durch ex])erimentelle Forschungen der Jahrhunderte nach langem Kampfe er- rungen worden. Zahlreiche Gelehrte haben sich in neuerer Zeit mit Fragen der Fortpflanzungsphysiologie beschäftigt. Aber ein Blick in die anerkannten Lehr- und Handbücher der Physiologie offenbart, dass eine Physiologie der Fort- pflanzung, vergleichbar der Physiologie anderer Functionen, nicht existirt, dass sie entweder überhaupt nicht der Be- sprechung werth erachtet wird oder wesentlich nur aus einer Zusammenstellung morphologischer und oekologischer Thatsaehen besteht, die oft in unsicher schwankende Er- örterungen getaucht sind. Noch lange wird die Ver- wickelung in den Zeugungsprocessen es verhindern, dass ihre Physiologie auf eine weithin glänzende Höhe ge- bracht wird. Für den Augenblick liegt die wichtigste Aufgabe darin, feste Angriffspunkte zu gewinnen, von denen aus eine jthysiologische Behandlung der Fort- pflanzung möglich ist. Die Grundfiage, von deren Beantwortung die ganze Zukunft der Physiologie der Fortpflanzung beherrscht wird, lautet dahin, ob überiiaupt und in welchem Grade ihre Processe von äusseren Kräften beeinflusst werden, üeberblickt man die Lebensgeschichte einer einjährigen Pflanze, die im Frühjahr keimt, bald blüht und nach der Reife der Früchte vergeht, so erhält man den Eindruck, als ob die Blütlien nothwendig als Folge der innersten unerklärlichen Natur der Pflanze auftreten, und dass die äusseren Bedingungen nur mittell)ar durch ihre Wirkung auf die Ernährung die Zeit des Blühens und die Zahl der Blüthen beeinflussen, aber nicht das P)lttlien bestimmen. Die eigentlich treibenden Kräfte würden nach dieser An- sicht sich der Erkenntniss ebenso entziehen, wie die letzten Ursachen des Le])ens ül)erliaupt. Bei der Mein'zahl der niederen l'flanzen unterscheiden wir zwei Arten der Fortpflanzung, die ungeschlechtliche, bei der die einzelnen Keime jeder für sich zu neuen Wesen heranwachsen, und die geschlechtliche, bei der zwei gesonderte Zellen mit einander verschmelzen müssen, um ein entvvickelungsfähiges Product zu liefern. Bei den grünen, in unseren Gewässern verbreiteten Algen besteht die ungeschlechtliche Fortpflanzung häufig in der Bildung frei im Wasser schwimmender Keime, der Zoosi)oren, die auf eine Verwandtschaft der Algen mit den einfachsten Formen thierischen Lebens hindeuten. Diese Zoosporenbildung, eine höchst charakteristische Fortpflanzungsweise, steht in strenger Abhängigkeit von bestimmten äusseren Bedingungen und die Kenntniss dieser giebt dem Forscher die Macht, bei den niederen Pflanzen nach Belieben die Zoosporenbildung hervor- zurufen oder zu unterdrücken.*) Hier bei diesen ein- fachen Pflanzen kommt der Physiologe dem heissersehnten und doch kaum erreichbaren Ziele näher, die Launen- haftigkeit der Organismen zu besiegen und die Resultate seiner Versuche an ihnen mit der Sicherheit eines physi- kalischen oder chemischen P^xperiraentes eintreten zu sehen. In buntem Wechsel schwankt das Verhältniss der Zoosporenbildung zur Aussenwelt je nach den einzelnen Arten; bei den einen ruft der Uebergang aus Salzlösung in Wasser den Process hervor, bei den anderen bewirkt Veränderung der Lichtintensität das Gleiche, und wieder andere Arten werden durch besondere organische Stoffe, wie Kohlenhydrate und Glykoside, dazu veranlasst. Inner- halb der gleichen Gattung (Oedogonium) walten Unter- schiede in der Abhängigkeit von der Aussenwelt zwischen den Arten vor, so dass z. B. die eine (capillare) durch Schwächung der Lichtintensität, die andere (diplandrum) durch Erhöhung der Temperatur zur Zoosporenbildung sich zwingen lässt. So mannigfaltig sich die Beziehungen der un- geschlechtlichen Fortpflanzung zu den äusseren Kräften der Natur gestalten, eine allgemeine Erscheinung prägt sich in ihrem Verhalten aus. Stets erfolgt die Zoosporen- bildung in lebhaftestem Grade, wenn die Pflanze nach kräftigem Wachstinun jtlötzlich eine Aenderung in ihren äusseren Bedingungen erfährt. Diese Aenderungen des Lichtes, der Temi)eratur, der chemischen Beschaffenheit des Mediums spielen die Rolle von sogenannten Reizen, d. h. nach Pfetfer's Definition kleinen inneren oder äusseren Anstössen, die im Organismus die unendlich variirenden Lebensäusserungen veranlassen oder auslösen. Wir er- kennen, dass die allen Lebewesen gemeinsame Eigen- schaft, solche Reize zu empfinden, auch in d(!n Dienst der Fortpflanzung tritt, und dass auf diese Weise ein neues, interessantes Gebiet von Reizerseheinungen er- schlossen wird. Eine noch grössere Bedeutung als bei den Algen ge- winnt die ungeschlechtliche Fortpflanzung in dem grossen Reiche der Pilze, die, in hreni Leben gebunden an vor- gebildete organische Substanzen von todten oder lebenden Organismen, sehr viel mehr dem Spiel des Zufalls unter- worfen sind und diesen Naclithcil durch eine ungeheure Fruchtbarkeit zu beseitigen suchen. Dieses tritt in be- sonders auffälliger Weise bei jenen Pilzen hervor, die mehrere verschiedene Formen ungeschlechtlicher Fort- pflanzung bei ein und derselben Species besitzen. Giebt es doch Pilze, die \ier, ja fünf verschiedene Sporen- formen erzeugen, deren genetischer Zusammenhang erst durch lange mühselige Arbeit sich feststellen lässt. Bei allen den zahlreichen Arbeiten über Pilze handelt es sich darum, die Art und Weise ihrer Fortpflanzung zu beob- achten, den Zusammenhang verschiedener Pilzfornien ent- wickelungsgeschichtlich naclr/.uweisen. Dagegen wird die uns hier interessirende Frage nach den physiologischen Bedingungen der Forti)flanzung noch kaum behandelt, und nur wenige Arbeiten, wie die Hansens über die Sporenbildung der Hefe, berühren das Problem. Brefeld, *) Vgir„Natui-w. Woclienschi-ift" V. S. lli:, VIII. S. 381, IX. S. 41. - Red. Nr. 49. Naturwisseuscliaftliche Wochenschrift. 593 der zur Zuit die reichste Ert'ahrmig in der Cultnr der Pilze besitzt, ivoiniiit zu dem Schiuss, dass bei normaler Ernähruiii;- für das Auftreten und den Wechsel der Fort- ])flanznngsformen nicht äussere Hedingunj^en maassgebend sind, sondern innere, in der Natur der Pflanze liegende Gründe. Doch ein eingehendes .Studium der Arbeiten Brefeld's lässt erkennen, dass seine ßeobaehtungen nicht zu dieser Folgerung nöthigten, weil er die Frage nie in umfassender und z\veckents}irechcnder Weise bearbeitet hat. Gleich das erste Beispiel unter den Pilzen, an dem die Abhängigkeit der Fortpflanzung von äusseren Be- dingungen geprüft wurde, entsprach den Erwartungen, zu denen meine Algenstudien berechtigten. Bachniann unter- suchte den zierlichen Schimmelpilz Thanniidium elegans, der an dem gleichen Fruclitträgcr zwei verschiedene Keimbehälter, sogenannte Sporangicn, entwickelt, grosse einzelne am Ende, kleine an fein verzweigten Aesten seitlich sitzende. In unzweideutiger Weise hängen diese Fruchtformen von äusseren Umständen ab, so dass man nach Belieben jede Form für sieh oder beide zugleich zur Entwickelung bringen kann. Ebenso vermochte Schostakowitsch bei dem üi)erall verbreiteten Pilz De- matiuiu iiuliulans die verschiedenen Entwickelungsformen, wie reine Mycelbildung, Hefcsprossung, Gemmenbilduug, als nothwendige Folge bestimmter äusserer Bedingungen zu erkennen. Es gelang ihm auch, den Zusammenhang von Dematium mit einem früher als selbstständig be- ständig beschriebenen Pilz Coniotlieeium nachzuweisen, der stets unter dem Eintluss höherer Temperatur aus Dematium erzielt werden kann. Während bei den Algen als lichtbedürftigen Wesen der Wechsel der Lichtintensität so oft wirkungsvoll ist, lehren die bisherigen Unter- suchungen an Pilzen, dass bei ihnen mehr die chemische Zusammensetzung des Nährbodens und die Temperatur von Eintluss sind. Auch bei den verschiedenartigen Formen der un- geschlechtlichen Fortpflanzung von Moosen und Farn- kräutern lassen sich deutliehe Beziehungen zur Ausseu- welt erkennen; so entstehen aus dem Vorkeim der Moose die Pflänzchen nur bei heller Beleuchtung, und die kleinen rasch vergänglichen Geschlechtspflanzen der Farne, die Protliallien, lassen sich durch schwaches Licht jahrelang zum Wachsthum und einer lebhaften Vermehrung durch Adventivsprosse veranlassen. Bei den Blüthenpflanzen treffen wir selten besondere Organe ungcschlechtlieher Fortpflanzung an; doch kann eine ^'ermehrung auf vege- tativem Wege durch Knollen, Zwiebeln, Stecklinge lebhaft erfolgen. Der Zeugungsvorgang, dessen wesentlicher Charakter in der Vereinigung der männlichen und weiblichen Ge- schlechtszellen liegt, bietet mit allem, was ihm voraus- geht und ihm nachfolgt, einen Reichthuni von interessanten Lebcnsprobiemen dar. Es drängt sich auch hier die Frage auf, ob die Physiologie im Stande ist, die Be- dingungen, welche der Bildung der Geschlechtsorgane zu Grunde liegen, aufzudecken. Fast allgemein erfolgt ihre Entwickelung, wenn der Organismus einen gewissen Reifezustand erreicht hat, der als Folge eines vorher- gehenden kräftigen Waehsthums erscheint. Doch viele Gelehrte, unter ihnen Darwin, Spencer, haben betont, dass die sexuelle Function ihrem Wesen nach dem Wachsthum entgegengesetzt ist, weil stets mit der Aus- bildung der Geschlechtsorgane der Stillstand des Waehs- thums verknüpft ist. Hier bietet sich ein Angriffspunkt für die experimentelle Forschung dar, da es möglich scheint, durch küustlidie Hemmung des Waehsthums eine vorzeitige oder lebhaftere Bildung der Geschlechtsorgane zu veranlassen. Schon seit lange werden in der Praxis der Obstbaumzucht solche Versuche angestellt, bei denen Aejjfel- und Birnbäume durch Besehneidung des Wurzel- systcms zum reichen Blühen geliracht werden. Die un- zweifelhaft vorhandene Beziehung zwischen Wachsthum und Zeugung, die man unter den weiten Begriff der Correlation fasst, eröffnet aber noch keinen Weg für das physiologische Verständniss, weil die Art des Zusammen- hanges beider Functionen völlig undurchsichtig bleibt und daher auf die verschiedenste Weise gedeutet werden kann. Eine klarere iMusieht gewinnen wir vielleicht, wenn wir auch hierbei die niederen Pfiauzen voranstellen, bei denen die Aussenwelt unmittelbar in das Leben ein- greift. Bei den Algen treffen wir die beiden Hauptformen der geschlechtlichen Fortpflanzung an; bei der einen ver- einigen sich zwei gleichartige Zellen, bei der anderen, höheren Form ist eine Sonderung der Zellen in männliche und weibliche ausgesprochen. Alle Uebergänge zwischen beiden Befruclitungsarten finden sich vor sogar innerhalb der gleichen eng begrenzten Familie und beweisen uns, dass eine principielle Scheidung nicht möglich ist. Wie nun auch die Form der Geschlechtszelleu sei, ihre Bildung hängt bei vielen Algen nothwendig von äusseren Be- dingungen ab. Es lassen sich Algen, wie Hidrodictyon, Oedogonium, Spirogyra, Vauchcria jederzeit zur ge- schlechtlichen Fortpflanzung nöthigen oder durch deren Unterdrückung in sterilem, dabei wachsthumsfähigem Zu- stande erhalten.*) Die grosse Sicherheit, mit der die ^'ersuche gelingen, erlaubt es, die verschiedenen physio- logischen Bedingungen zu erforschen. In alleu Fällen beobachten wir dabei die schon vor- hin erwähnte Beziehung zwischen dem Auftreten der Geschlechtsorgane und der Hemmung des Waehsthums. .Jede der beiden Tiiätigkeiten verlangt die volle, durch die Ernährung gelieferte Kraftsumme und zwingt die andere zum Stillstand. Dabei müssen wir, um die ge- schlechtliche Thätigkeit künstlich zu veranlassen, solche Mittel anwenden, die das Wachsthum behindern, z. B. Entziehung der dafür nothwendigen anorganischen Salze. Aber es wäre sehr irrig, daraus zu schliesseu, dass die Waehsthumshennnung die nächste wesentliche Ursache der Fortpflanzung wäre. Denn man kann Wachsthums- hemmungen in verschiedener Weise herbeiführen, z. B. bei Oedogonium durch Lichtabschluss, ohne dass deshalb Ge- schlechtsorgane entwickelt werden. Um dieses zu er- reichen, müssen noch andere charakteristische äussere Bedingungen mitwirken. Bei einfachen I'flanzcn, z. B. dem Wassernetz, können die Geschlechtszellen im Dunkeln entstehen, und bei Pro- tosiphon wirkt plötzliche Verdunkelung geradezu als Ent- wickelungsreiz. Dagegen bei der Mehrzahl der höheren Algen gehört das Licht zu den nothwendigen Bedingungen des Geschlechtsproeesses. Denn das Licht der Sonne ist für die grünen Algen die Kraftquelle zur Erzeugung der Nahrungsstoffe, die in sehr reichlicher Menge bei der Ausbildung der Geschlechtsorgane verbraucht werden. Auffallender ist es, dass das Licht noch in ganz specifi- seher Weise dabei mitwirken muss. Man kann bei Algen wie Vaucheria die ernährende Rolle des Lichtes durch Cultur in COo-freieni Raum und durch Zusatz organischer Substanzen, z. B. Zucker, völlig ersetzen; die specifische Rolle des Lichtes ist bisher unersetzlich und unerklärlich. Wir müssen uns vorläufig mit der Vorstellung begnügen, dass bei der Entwickelung der Geschlechtsorgane com- plicirte chemische Vorgänge betheiligt sind, die analog wie die Zersetzung der Kohlensäure des Lichtes bedürfen. Während aber der Ernährungs|)rocess auch bei schwachem Lieht erfolgt, wenn auch weniger ergiebig, ist die *) Vergl. 1. c. — Kcd. 594 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 49. Wirkung des Lichtes auf die Geschlechtsorgane an eine höhere Intensität gebunden, so dass beim Sinken unter eine bestimmte Grenze die Pflanze steril bleiben muss. Die geschlechtliche Thätigkeit kann noch auf andere Weise unterdrückt werden bei uugeschwächter Beleuchtung und voller Lebenskraft der Organismen. In lebhaft strömendem Wasser iu Bächen und Flüssen bilden einige niedere Pflanzen (Arten von .Sj)irogyra, Oedogoniunj, Vau- cheria) niemals Geschlechtsorgane, wachsen dagegen in grosser üeppigkeit. Prüft man die chemischen und physikalischen Eigenschaften des strömenden Wassers im Vergleich zum stehenden kleiner Teiche, so lässt sich kein Grund finden, der dieses merkwürdige Hemmniss der Geschlechtsfunetion erklären könnte. Denn weder die mechanische Reibung, noch das Wegschwenmien von Aus- wurfsstofi'en, noch die gleichmässige, niedere Temperatur, noch die stets erneute Zuführung von Sauerstoff, Nähr- salzen, Kohlensäure können für sich allein entscheidend sein. Die Annahme bleibt als die wahrscheinlichste übrig, dass alle diese Eigenschaften des strömenden Wassers zusammenwirken, um ein ununterbrochenes Wacbstluim herbeizufüin-en. Nur wenige Tage des Aufenthaltes in kleiner stellender Wassermenge genügen, um die geschlechtliche Thätigkeit wieder zu erwecken. Bei diesen Algen haben wir einen fast sicheren Fall, dass lebhaftes Wachsthum, durch nichts gestört, die ge- schlechtliche Function beliebig lange hindert und dadurch den Pflanzen fortdauernde Jugend verleiht. Die Algen sind bisher die einzigen Organismen, bei denen die äusseren Bedingungen ihrer geschlechtliehen Fortpflanzung so weit sich enthüllen lassen, dass sie der willkürlichen Gewalt des Physiologen unterworfen ist. Für ihn beginnt erst jetzt die eigentliche Aufgabe, die Wirkungen der verschiedenartigen Bedingungen zu er- klären, indem er die von ihnen veranlassten Veränderungen im Innern der Zellen zu erkennen sucht. Ueberall stösst er hierbei auf neue, noch ungelöste Fragen, die zugleich der allgemeinen Physiologie angehören und nur im Verein mit ihr wie mit Physik und Chemie sich erforschen lassen. Noch sehr viel verwickelter stellt sich das Problem über die Bedingungen der Geschlechtsbildung bei den Blüthenpflanzen. Denn jeder äussere Reiz, der irgend eine Wirkung auf die Geschlechtsorgane ausübt, beein- flusst auch die anderen Organe der Pflanzen, wie AVurzein, Stengel und Blätter, und deren Veränderungen leiten sich wieder auf die Biütlien tort, so dass diese von der gleichen Reizquelle verschiedene Einflüsse erfahren, die zu bestimmen ebenso schwierig wie leicht irreführend ist. Daher geben auch die älteren Versuche, Pflanzen durch äussere Einwirkungen zu raschem Blühen zu bringen, so wenig sichere Resultate, und selbst wenn der Erfolg an- scheinend glückt, so befriedigt er doch nicht, weil die ihn bedingenden Umstände nicht klar liegen. Die einzigen wissenschaftlichen Untersuchungen, die der neueren Zeit angehören, behandeln die Wirkung des Lichtes auf die Anlage und Ausbildung der Blüthen. Den Arbeiten von Sachs verdanken wir den Nachweis, dass bei einer Anzahl Pflanzen die Blätter unter Mit- wirkung des Lichtes für die Blüthenbildung eine maass- gebende Rolle spielen. Saclis ninnnt an, dass unter dem Einfluss des Lichtes in den Blättern besondere Substanzen erzeugt werden, die nach Art von Fermenten die Nahrungs- stoffe zum Aufbau der Blüthen verarbeiten. Diese ange- nommenen Blüthcnferniente sollen merkwürdiger Weise nach den Versuchen von Sachs nur durch die ultra- violetten, für unser Auge unsichtbaren Strahlen des Sonnenspectrums entstehen. Es ist fraglich, db diesen Versuchen von Sachs allgemeine Bedeutung zukommt, da meine gleichen Experimente an Algen beweisen, dass diese Strahlen für die Entstehung der Geschlechtsorgane gleichgültig sind. Vielmehr stimmen mit den Erfahrungen an den Algen die Versuche Vöchting's überein, der die entscheidende Bedeutung der Lichtintensität nachgewiesen hat. Vöchting beobachtete, dass durch Schwächung der Lichtintensität die Form und Grösse vieler Blüthen ver- ändert wird, grosse offene zu kleinen geschlossen bleibenden umgewandelt werden; er stellte fest, dass Mimulus Tilingi in schwachem Licht überhaupt keine Blüthen mehr hervorbringt und jahrelang nur auf vege- tativem Wege sieh erhält.*) So tritt uns bei dem Ver- gleiche der Blüthenpflanze mit den so tief unter ihr stellenden Algen ein überraschend gleiches Verhalten zum Licht entgegen; wir stehen bei beiden vor dem gleichen und ungelösten Problem, die Wirkung des Lichtes zu erklären. Die bisherigen Erörterungen werden so weit genügen, um erkennen zu lassen, dass sowohl die geschlechtliche wie die ungeschlechtliclie Fortpflanzung iu mannig- faltigster Abhängigkeit von der Ausseiiwelt steht, und dass dadurch der Physiologie bald schmälere, bald breitere Pfade zum Vorwärtsdringen geöffnet .sind. Beide Arten der Fortpflanzung finden sich vereinigt bei zahlreichen niederen Thieren und Pflanzen. Bei den höheren Pflanzen gewinnt die geschlechtliche Fortpflanzung mehr und mehr an Bedeutung, bis sie schliesslich bei den höchsten Thieren einzig und allein herrscht. Unzweifelhaft ist die ungeschlechtliche die einfachere, für schnelle Ver- mehrung vortheilhaftere Art; man fragt sich, warum sie nicht im Leben aller Organismen waltet, warum diese Vereinigung der Geschlechter iu immer steigendem Maasse, von den niedrigsten bis zu den am höclisten stehenden Organismen, die Herrschaft an sich gerissen hat. Un- willkürlich glaubt man dem Zeugungsvorgang etwas Mystisches, Unfassbares zuschreiben zu müssen, das mit dem innersten Wesen jedes Organismus zusannuenhängt und nothwendig zum Leben der Species gehört. In der That begegnet man vielfach bei Zoologen die Anschauung, dass die Sexualität eine primäre Function aller Lebe- wesen ist, während die Botaniker mehr annehmen, dass sie sich aus der ursprünglichen, ungeschlechtlichen Fort- pflanzung entwickelt hat. Anscheinend liegen nun Be- weise für die erste Ansieht in den interessanten Arbeiten von Manilas vor, die die Conjugation der Infusorien be- handeln. Maupas stellte durch Versuche fest, dass diese kleinen Tliiere sich durch einfache Tlieilung nur eine be- grenzte Zahl von Generationen hindurch vermeliren können, dass bei Ueberschreitung der Grenze eine all- mähliche Degeneration der Zellen um sich greift und die Infusorien dem Untergange weiht. Sowie dagegen vorher eine geschlechtliche Vereinigung zweier Individuen ein- getreten ist, so kann wieder die ungeschleclitliclie Ver- mehrung eine Zeit lang fortgehen. Die Conjugation ver- leiht nach Mau))as den Zellen eine verjüngende Kraft, die überhaupt jeder geschlechtlichen Vereinigung von Organismen zugeschrieben wird. In Ucbereinstimmuug mit dieser Auffassung steht die bei Pflanzenzüclitern viel- fach verbieitete Ansicht, dass Culturpflanzen, die sehr lange nur ungeschlechtlich vermehrt wurden, deshalb einer greisenhaften Degeneration verfallen sollen. Wenn nuui auch die Richtigkeit der Versuche von Maupas anerkennt, so fragt man sich doch, ob die daraus gezogene Folgerung allgemeine Geltung hat, oder ob nicht in den Infusorien ein besonderer Fall vorliegt. Wir kennen schon lange ein anderes analoges Beispiel in den kleinen Kiesclalgen, den Diatomeen, die nur eine be- *) Vergl. „Naturw. W'ochem-^hr/' Bd. IX S. 47'J. — Rod. Nr. 49. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 595 » f?rcii/tc /ulil viui Generationen hiiidureli sich \eruiehren k(")nnen, weil sie sich bei jeder Tiieilung fort und fort verkleinern; sie bilden von Zeit /u Zeit Sporen, durch die sie ibre normale Grösse wieder erlangen. Auch biei' können wir von einem Verjiingungsproccss sprechen, der bei der einen (iruppe von Diatomeen gesclilccbtlicii, lici anderen ung'cschiochtlich verläuft, woraus folgl. dass die Sexualität kein durchaus notliwendiges. sondern nur ein i;ele!;entlich brauchbares Mittel darstellt. Wie wenig die von .Maupas u. A. vertretene Anffassuiij;' der Hefruehtunj;-, als niithweiHli,i;e (^Hielle einer Leben verjüngenden Kraft, allgemein rieiitig sein kann, das wird auch durch das Veriialten jener .\lgen einleuchtend, die bei geschlecht- licher Fortpllan/.ung in wenigen Wochen ihr Leben voll- enden, steril sich jahrelang jung und frisch erhalten lassen. Das Gleiche beweist das Experiment, das die Natur im Grossen nnt jenen niederen Ptianzcn anstellt, die in strömendem Wasser Jahre, .Jahrzehnte hindurch, wer weiss wie lauge, ohne Geschlechtsorgane üppig vegetiren. Jene vermeintlichen Thatsachen, die eine De- generation von Culturpflanzen nach lauger ungeschlecht- licher Vermehrung beweisen sollen, ruhen auf ganz un- sicherem Boden, während es zvveifello.5 ist, dass uralte Culturpflanzen, wie die Banane, Feige u. a., seit Jahr- hunderten ungeschlechtlich und ohne Schaden vermehrt worden sind. Gauz genau bekannt ist es, dass die Trauerweide am Ende des \origeu Jahrhunderts nach Europa eingeführt und durch Stecklinge seitdem fort- gepflanzt wird, dass die Wasserpest (Elodea) seit 1830 in ungeheurer Menge, in zahllosen Generationen, sich vegetativ vermehrt hat. Aus diesen und ähnlichen That- sachen folgt nicht, dass eine Degeneration empfindlicher Cultur\ arietäten wegen fehlender Befruchtung unmöglich ist, wohl aber folgt, dass kein allgemein gültiges Gesetz die Welt der Organismen beherrscht, nach welchem die geschlechtliehe Fortpflanzung, sei es regelmässig, sei es von Zeit zu Zeit, neu verjüngende Kräfte dem Leben ein- flössen nuiss. Die Ansicht, dass die Sexualität eine Grundfnnctiou jedes Orgauisnms ist, lässt sich noch auf anderen Wegen widerlegen. Bei aller Anerkennung des Satzes, dass negative Resultate eine beschräukte Beweiskraft haben, bleibt es doch eine zu auffällige Thatsache, da,ss bei einer so grossen Menge niederer Organismen Sexualität niemals beobachtet worden ist, und darunter beiluden sich die so sorgfältig untersuchten Bacterien. Bedeutungs- voller ist es, dass nach den Untersuchungen Brefeld's das zahllose Heer der höheren Pilze nur ungeschlechtlich sieh vermehrt, während bei niederen Pilzen noch Sexualität vorkonnnt. Am entscheidendsten sind indessen jene merk- würdigen Vorgänge der Parthenogenesis, bei der weibliche Eizellen im Stande sind, ohne Befruchtung sich weiter zu entwickeln. Nachdem Siebold als der erste diese jung- fräuliche Zeugung bei gewissen Insecten nachgewiesen hatte, wurde sie bei vielen anderen Thieren beobachtet, während bei Pflanzen bisher kaum ein sicheres Beispiel dafür bekannt ist, so lange man die echte Parthenogenesis darauf beschränkt, dass sicher befrnchtungsfähige Ge- schlechtszellen auch ohne Befruchtung zur Entwiekelung kommen. Gelegentliche Beobachtungen von Dodel, Bert- hold über parthenogenetische Erscheinungen bei den niedersten Pflanzen führten mich zu Versuchen, sie künstlich zu veranlassen. Bei der Fadeualge Spirogyra, bei der bereits der Anfang einer Sonderung in männliche und weibliehe Zellen deutlich ist, gelang es, durch Ein- wirkung einer Salzlösung im geeigneten .4ugenbliek die Vereinigung der Geschleebtszellen zu verhindern. Diese, sowohl die männlichen wie die weiblichen, wandelten sich in Sporen um, die vollkommen den sonst durch die Befruchtung gebildeten Producten glichen und in derselben Weise keimten. Besonders lehrreich verhält sieh die kleine Alge Protosi])hon, die man sehr leicht dazu reizen kann, geschlechtliche Schwärmer zu erzeugen, die äusserst lebhaft im Wasser undu'rschwinnneu und zu je zweien mit einander verschmelzen. Der kleine Zusatz einer Salz- lösung genügt, um den der (Jopulation so bedürftigen Schwärmern jjhitzlicdi Lust uinl Fälligkeit dafür zu rauben. Statt sich zu suchen, aufeinander zu stossen, bewegen sie sich gleichgültig neben einander, konunen ohne Gopulation zur Ruhe und bilden dennoch keimfähige S|)oren. In den besprochenen Fällen wirken kleine Aeuderungen der Lebensbedingungen dahin, eine künstliche Partheno- genesis hervorzurufen. In einer höher stehenden Alge, Draparnaldia, besitzen wir ein Beispiel, bei dem an- scheinend ohne äussere Einwirkung die Geschlechtszellen, theils nach der Vereinigung von je zweien, theils ohne eine solche, die gleichen keimfähigen Ruhezellen bilden. Die geschlechtliche Fortpflanzung ist also bei diesen niederen Pflanzen rein facultativ, sie kann, aber nniss nicht erfolgen, und das wesentliche Ziel wird dennoch erreicht. Wir stehen hier an einem l^unkte, wo die un- geschlechtliche und geschlechtliche Fortpflanzung in ein- ander übergehen. Alle die verschiedenen Beobachtungen und Versuchs- resultate führen zum Siege jener Anschauung, nach der die geschlechtliche Fortpflanzung keine ursprüngliche nothwendige Function jedes Organismus ist und sie sich von der ungeschlechtlichen herleitet. Wollen wir weiter gehen und zu erkennen suchen, wie dieser Vorgang sich vollzogen, warum die geschlechtliche schliesslich die herrschende Macht erlangt hat, so müssen wir den sicheren Boden verlassen und uns auf den Wellen dei' Hj'pothese schaukchi. Doch ist es zu verlockend, zum Schluss wenigstens einigen Gedanken zu folgen, die sich bei diesen F'ragen aufdrängen. Wenn wir die erkennbaren Wirkungen der Be- fruchtung ins Auge fassen, so erhalten wir den über- zeugenden Eindruck, dass durch sie nicht ihr Eigen- thümliches, nichts Anderes geschaffen wird, als was incht ebenso bei manchen Organismen durch die ungeschlecht- liche Fortpflanzung erreichbar ist. Die geschlechtliche kann schon bei niederen Pflanzen die einzige Art der Vermehrung sein, sie dient bei anderen dazu, Keime zu bilden, die in Form von Dauerzellen in, der Ungunst äusserer Umstände die Species erhalten müssen. Sie \er- mag bei Diatomeen, Infusorien, die aus lortgesetzter Theilung .sich ergebenden Nachtheile, seien es solche der Grösse, seien es die der inneren Organisation, zu be- seitigen, und vor Allem kommt ihr die so ausserordentlich wichtige Rolle bei der Entstehung und Umbildung der Alten "zu, die seit Darwin in den Vordergrund gestellt wird. Alles dieses kann auch auf ungeschlechtlichem Wege bei nahe verwandten Organismen errungen werden, sogar eine grosse Mannigfaltigkeit in der Artbildung, wofür die geschlechtslosen Bacterien ein leuchtendes Beispiel sind. Wenn nun auch bei nieileren Organismen die beiden Fortpflanzungsweisen sich in Allem vertreten krmnen, so müssen doch mit der Sexualität in bestimmter Richtung Vortheile verbunden sein, und sie liegen darin, dass durch die Vereinigung zweier Zellen in jedem Falle eine grössere Kraftsumme zur Verfügung steht. Für keine der Wirkungen ist aber die Vereinigung der Zellen von entscheidenderer Bedeutung, als für die Förderung der Artbildung. Denn die schon bald auftretenden Ein- richtungen, die ^'ermischung blutsverwandter Geschlechts- zellen zu verhindern, die Sonderung des männlichen und weiblichen Geschlechtes, die Möglichkeit der Bastard- 596 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 49. befruchtung, Alles wirkt zusammen, dass die sich ver- einigenden Zellen durch individuelle Verschiedenheiten in der Organisation ausgezeichnet sind. In Folge dessen kommen eigenartige Mischungen der elterlichen Eigen- schaften in den Nachkommen zur Entfaltung, und damit sind die ersten Schritte /,ur Varietätcnbildung gegeben. Die geschlechtliche Fortpflanzung ist daher eine sehr viel mächtiger sprudelnde Quelle der Variabilität und hat mit der allmählichen hiiliercn Entwickelung der Arten die ungeschlechtliche in den Hintergrund gedrängt und auf engere Kreise beschränkt. Die höheren Pflanzen gestatten nocii den charakteristischen Unterschied der beiden Fort- ptlanzungsweisen zu erhennen. Denn die praktischen Ergebnisse der Pflanzencultur lehren uns, dass die be- sonderen Merkmale irgend einer ausgezeiclnieten Varietät oder Easse sich leichter durch ungescidechtliche Ver- mehrung auf die Nachkommen vererben lassen, als durch die Befruchtung, die nach verseiiicdenen, oft sehr un- erwünschten Richtungen abweichende Individuen her- vorruft. Exi»eriiiientelle Studien über die sogenannte „(Gedankenübertragung" haben F. C. C. Hansen und Alfred Lehmann in Kopenhagen angestellt, deren über- raschende Ergebnisse sie in den von Wundt herausge- gebenen „Philosophischen Studien" (11. Band, 4. Heft) veröffentlichen. Von der Ueberzeugung ausgehend, dass durch zahlreiche Untersuchungen der letzten .Tahre die That- sache festgestellt zu sein schien, „dass der menschliche Gedanke auf eine andere Person in nicht zu grosser Ent- fernung übertragen werden könne", ohne dass bisher eine Erklärung der Erscheinung möglich war, hielten sie sich an die Annahme, „dass die sogenannte Üebcrtragung von „Gedanken" durch irgend eine bekannte oder unbekannte Form der Energie zu Staude konnne." Da sie dabei an Wellenbewegung irgend eines Mediums dachten, kamen sie auf die zunächst phantastisch scheinende Idee, „durch Hohlspiegel die „Gedanken" in einem entfernten Punkte stark zu concentrieren", und dieser Weg fiihrte trotz seiner scheinbaren Ungeheuerlichkeit wirklieh zum Ziele, freilich auf eine ganz andere Weise, als die Experimen- tatoren ursju'ünglicli ahnten. Sie benutzten zwei sphärische, nietallenc Hohlspiegel mit einem Krümmungsradius von 54 cm und einer Oeflfnungs-Querlinie von 90 cm. Die beiden Herren setzten sich nun beide so, dass ihr Kopf sich etwa im Brennpunkt je eines Spiegels befand; die beiden Brenn- punkte waicn dabei 2 m von einander entfernt. Die Gesichter wandten sie den Spiegeln zu, so dass sie sich gegenseitig den Kücken zukehrten. Auf diese Weise versuchten sie nun Gedanken an zweistellige Zahlen zu übertragen : ein Herr hatte einen Sack mit einem ge- wöhnlichen Lottospiel vor sich, dessen Nummern auf 100 ergänzt waren, während alle einstelligen Zahlen ausgc schaltet waren, und fiemühte sich nun, sobald er eine Zahl aus dem Spiel gezogen hatte, seine Gedanken mög- lichst auf dieselbe zn eoncentriren. Der andere dagegen versuchte jeden willkürlichen Gedanken zu unterdrücken, nach 5 bis 10 Minuten begannen dann Zahlenbilder in seinem Bewusstsein aufzusteigen, welche er aufzeichnete, nachdem sie eine gewisse Stabilität erlaugt hatten. Als „Abseuder" und „Empfänger" der Gedanken wechselten Hansen und Lehmann ah, um der Ermüdung zu entgehen. Auf die.se etwas mühsame Weise machten sie 15 Ver- suche, von denen 6 als mehr oder weniger gelungen be- zeichnet werden konnten, also immerhin ein recht ansehn- licher Procentsatz. Allerdings waren die aufgezeichneten Zablenbilder recht unbe-stinmit; in einem Fall hatte z. B. der Empfänger das aufgezeichnete Zahlenbild als eine 16 angesehen, während es, auf den Kopf gestellt, der ge- zogenen Zahl 77 annähernd entsprach. Die späteren Ver- suche zeigten aber, dass auch die vorhandenen Ueber- einstimmungen lediglich auf Zufall beruhen kr)nnen, eben- so die Fälle, welche von früheren Forschern mitgetheilt worden sind, wobei in erster Linie an die gründlichen Experimente Kichets zu denken ist. Lehmann thut fol- gende beachtenswerthen Aussprüche : „Sännntliche Zahlen werden ja mit wenigen Zügen, mit einfachen Combi- nationen gerader und krummer Linien geschrieben. Wenn also solche Figuren — wie die unsrigeu — nur hin- reichend unbestinnnt gehalten werden, ist es nicht schwer, eine Aehnlichkeit zwischen ihnen und gegebenen Zahlen zu finden. Kurz gesagt, die Uebereinstimmung ist ledig- lich eine Illusion. Für alle Illusionen gilt nämlich das Gesetz, dass die Aehnlichkeit des Unbe- kannten oder des ungenau Wahrgenommenen mit etwas Bekanntem überschätzt wird. Und eine solche Ueberschätzung lässt man sich zweifellos zu Schul- den kommen, wenn man ein mehrdeutiges Bild in eben der Richtung auslegt, in welcher es mit der gedachten Zahl übereiustinnnt. Nur wenn mau sich um jeden Preis täuschen will, kann man solche Resultate als eine Bestäti- gung der Gedankenübertragung ansehen." Oft stellt sich der Percipient unter seiner Zeichnung, welche Aehnlichkeit mit dem Original hat, sogar selbst etwas ganz anderes vor, als beabsichtigt war; so sah, wie erwähnt, der Percipient einmal eine halljwegs ge- lungene 77 als 16 an, ein ander Mal denkt er an eine (auf den Kopf stehende) Katze, wo seine Zeichnung ent- fernte Aehnlichkeit mit einer brennenden Kerze haben soll (Riebet), oder an eine Blumenschale mit einem Spring- brunnen in der JMitte, während die Zeichnung nachträglich als ungefähre Wiedergabe des gedachten Krebses ange- sehen wird (Riebet I. Wenn einmal eine wirklich deutliche Uebereinstimnnmg vorliegt, so nniss man immer bedenken, dass auch der Zufall sein Spiel treiben kann, denn nach einer Mitthei- lung des Colonel Taylor werden bei einfachen Versuchen, wo jede Gedankenübertragung ausgeschlossen, ja gar nicht beabsichtigt ist, etwa 2 "/o fl'cr Fälle eine Ueber- einstimuumg ergeben. Von der Möglichkeit einer Gedankenübertragung kann daher nur die Rede sein, wenn ohne jedes Mitspielen von Illusion und Phantasie die angegebene Procentzahl beträchtlich überschritten wird, wenn also z. B. die Per- cipicnten ihre Eindrücke nicht aufsehreiben, sondern benennen. Die Verfasser untersuchten nun eine Reihe von Fällen, die von gewissenliatten und ernsten Forsehern, Prof und Mrs. Sidgwick seinerzeit ausgeführt wurden und in denen beim Errathen von zweistelligen Zahlen von 10 — 90 zuweilen bis zu 30 7o richtiger Fälle auf- getreten waren.*) Die Percipienten dieser Versuche waren Hypnotisirte, denen suggerirt war, sie sollten die Zablenbilder „sehen". Durch welchen Sinn sieh nun auch die Zahl übertrug, immer musste sie als Gesichtseiudruck ins Bewusstsein treten. Dennoch meinte Sidgwick, dass die Gesichts- bilder direct hervorgerufen seineu, weil einige ähnliche Zahlen, wie 8 und 3 oder 2 und 3 oder 1 und 4 am *) Mitgetheilt in Proeeetlings of S. P. K. Vol. 6, S. l-28fF.: „E.xperimpnts in tliougt-transference." Nr. 4'J. Naturwissenschaftliche Wochenschrift.. 597 häufigstoii verwechselt wurden. Nacli dieser Tiieorie aber niüsste /.. Vi. aucli 1 inid 7 liäutif;- verweeliseit werden, was iveincswes's der Fall ist. Dass Flüstern oder leises Aussprechen die Verweclischin^en herhi'il'iiiiren könne, bestritt Si(ii;\vick .i;anz entscliieden. weil seiner Meiuiini;' nach Zahlen in deren Namen i;-leiche C!(insonantcn anf- ti-etcn, dann am häufigsten verwechselt werden niiisstcn, wie .,four'' und „live", six" und ,,seven'', vielleicht auch ..two" und „eight", „onc'' und .,nine", während „three", das v(in allen anderen Zahlenlie/eichnuni;-en franz ver- schieden ist, allein stellen niüsste. Weil aber diese ver- langten Verwechselungen relativ selten sind, so glaubte Sidgwick die Theoi'ie des unwillkürlichen Flüsterns wider- legt zu haben. Diese Argumentation aber greifen Hansen und Leh- mann nun an: „Laute, die in gew(')hulichen Reden sehr verschieden sind, können einander sehr ähnlich werden, wenn sie gefiüstert werden," so z. B. „two" und „three". In dieser Kichtung forschten nun die Verfasser weiter. Bei ihren bisher erwähnten Vei suchen hatten sie die grosse Neigung zur Innervation der Sprechmuskeln beim intensiven Gedanken an eine bestimmte Zahl er- folgreich bekämpft und unterdrückt; jetzt leisteten sie den unwillkürlichen Sprechbewegungeu keinen Widerstand iMclir. Dadurch erhielten sie sogleich völlig andere Re- sultate: „Während wir früher bis über lU Minuten warten muästen, ehe sieh die Zahlenbilder einstellten, gelang es jetzt, nach kurzer Uebung, in weniger als einer ^Minute eine bestimmte Vorstellung von einer Zahl zu übertragen. Die einzige Veränderung in der Versuchsanordnung war hierbei diese, dass der Empfänger das Ohr in den I>renn- punkt des Spiegels brachte .... Trotzdem kann man nicht sagen, dass die Zahlen von dem Absender willkür- lich geflüstert wurden. Er hat eigentlich nichts anderes getlian, als an die Zahl zu denken und den unwillkürlichen Sprechbewegungen freies Spiel zu lassen. Sein Mund war gewöhnlich fest geschlossen, Bewegungen der Lip])en waren nicht sichtbar, und ein Nebenstehender konnte überhaupt keinen Laut hören." .'^OO Versuche wurden auf diese Weise mit wechseln- den Rollen als Absender und Empfänger der Zahlen ge- macht; 166 mal (in 33 'Vq) wurden die Zahlen vollkommen richtig übertragen. 206 mal (in 41 ", q) nur eine der beiden gedachten Ziti'ern, und nur in 128 Fällen (26 "/o) gar keine richtige. Beachtenswerth ist auch der Umstand, dass die Versuchsreihen bei beiden Herren fast genau die gleiche Häufigkeit richtiger und falscher Fälle auf- weisen, was bei willkürlichem Flüstern kaum möglich gewesen wäre. Die Reizsehwelle beider Herren für Ge- iKirswahrnehmungen ist übrigens ziemlich die gleiche. In der Regel musste die Zahl mehrmals sehr leise vom Agenten wiederholt werden, ehe sie von dem Percipienten aufgefasst wurde. Die Auffassung war eine succes- sive, d. h. es wurden die Zahlen stückweise gehört. Das erste Mal, als die Zahl geflüstert wurde, hörte der Pereipient z. B. die eine Ziffer oder gar nur eine Silbe oder einen einzigen Laut, das zweite Mal die andere Zifl'er oder Silbe etc. etc. Eine eingehende phonetische Untersuchung des Herrn Hansen, welche Vokale und Consonanten, nach Achnlich- kciten ihrer Sprachbildung zu urtheilen, theoretisch am häufigsten verwechselt werden müssten, kann hier natür- lich nicht weiter behandelt werden. Es sei deshalb hier nur erwähnt, dass thatsächlich diejenigen Zahlen, deren Aussprechen ähnliche Muskelbewegungen und Mund- stellungen bedingt, am leichtesten und häufigsten ver- wechselt wurden, wie bei einer Betrachtung der Versuchs- Zahlenreihen deutlieh vor Augen tritt. Damit scheinen denn mit einem Mal die meisten Erscheinungen der räthsel- haften Gedankenübertragung gegeben zu sein, wenngleich sich natürlich eine definitive Entscheidung noch nicht fällen läs.st. H. Ein Vortrag von Prof. Dr. Otto Jackel über die Or- gaiiiMatioii der Cystoideeii (Verhandlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft 1895) bietet in mehrfacher Hin- sieht Interesse. Wir entnehmen ihm das Folgende: Die Cy.stoideen stellen keine einheitliche Abtheilung dar, son- dern zerfallen zunächst in zwei sehr verschieden organisirte Formenkreise. Die einen stellen einfache sack-, kugcl- oder becherförmige Kapseln dar, die mit der Unterseite auf- gewachsen sind, an ihrem oberen Pol den Mund und von diesem ausgehend fünf offene, aber durch das Kelehskelet verschliessbare Winiperrinnen aufweisen. Die Afteröfl'nung liegt in einem Interradius und stört allein die sonst scharf ausgeprägte Pentanierie. Andere Poren oder sonstige Oetl'iiungen fehlen. Hierher gehören Formen wie Hemi- cystites, Cytaster, Agelacrinus, Cyathocystis. Dieselben sin künstliche Erzeugung, ihre Einwirkung auf Thiere, Pflanzen, Mikroorga- nismen, chemische Processe, physikalische Vorgänge etc. sowie ihre Anwendung in der Industrie. Nach den neuesten Unter- suchungen bearbeitet für Chemiker, Physiker, Mediciner, Bak- teriologen, Lehrer der Naturwi.ssenschaften, sowie für sämmt- liche Interessenten der Kälte-Industrie. Verlag von J. Greven. Crefeld 1895. Der Titel des 86 Seiten umfassenden Octav-Heftes ist so vollständig, dass über den Inhalt desselben nichts mehr zu sagen übrig bleibt. Es ist zur Orientirung über das namentlich von Prof. Raoul Pictet gepflegte Gebiet geeignet. Dr. Bernhard Wiesengrund, Die Elektricität, ihre Erzeugung, praktische Verwendung und Messung. Für Jedermann ver- ständlich kurz dargestellt. Mit 44 Abbild. Verlag von H. Bech- hold in Frankfurt a. M. — Preis 1 Mk. In Kürze bespricht Verf. dasjenige aus der Electricitätslehre und der praktischen Verwendung der Elektricität, was ,Jederina,nn interessiren muss. Das folgende Inhaltsverzeichniss giebt eine Anschauung von dem Gebotenen. 1) Grundbegriffe (Elektrischer Strom, Widerstand, Span- nung etc.). ■_') Elektrisches Maass undMaasseinheiten (Volt, Am- pere, Ohm). 3) Wirkungen des elektrischen Stroms: Wärme- wirkung und elektrisches Licht (Schaltung elektrischer Lampen), Arbeitsleistung des elektrischen Stroms, Physiologische Wirkungen, chemische Wirkungen, Elektromagnetismus und Induktionsströme. 4. Messinstrumentc. 5. Dynamomaschine (Stromerzeugung durch Maschinen). C) Elektromotoren. 7) Elektrische Kraftüber- tragung. 8l Elektrische Beleuchtung. 9) Elektrische Bahnen und Boote. 10) Verwendung der Elektricität in der Medicin. 11) Telegraphie. Telephonie und Signalwesen. E. Franklin, Die Amateurphotographie unter besonderer Be- rücksichtigung der Moment- und Blitzlicht-Aufnahmen. 5. Aufl. Verlag von H. Bechhold, Frankfurt a. M. — l'reis 1 M. Auf 35 Seiten giebt Verf. in geschickter und knapper Weise, unterstützt durch Abbildungen, eine Anleitung zum Photographiren, so dass das Heft wohl geeignet erscheint, seinen Zweck zu erfüllen. Alfred George Greenhill. Les fonctions elliptiques et leurs ap- plications. Traduif de l'anglais par J. Grioss. Avec uue prtiface de M. P. Appell. Georges Carre, Paris 1895. Herr Appell hebt in der Vorrede, welche er der Uebersetzung dieses umfangreichen Werkes beigegeben hat, als einen grossen Uebelstand hervor, dass die französischen Studirenden zwar die allgemeinen Theorien sehr gut kennen, dass sie aber häufig ausser Stande sind, selbst einfachere Anwendungen der Theorien auszu- führen ; es sei deshalb sehr nützlich, ihnen Werke in die Hand zu geben, welche geeignet sind, diesem Mangel abzuhelfen. Was hier von den französischen Studirenden gesagt wii'd, gilt auch vielfach von ihren deutschen Collegen. Grade die An- wendung der elliptischen Functionen ist eines der Gebiete, dass noch grosser Pflege bedarf. Zwar werden an den Universitäten regelmässig Vorlesungen über diesen Gegenstand gehalten, doch liegt es in der Natur der Sache, dass nur eine beschränkte An- zahl von Problemen genauer durchgeführt werden kann, und des- halb ist ein Werk gewiss willkommen zu heissen, welches an Zahl und Mannigfaltigkeit der behandelten Aufgaben wohl alle ähnlichen übertrifft, wie dies bei dem Buche des Herrn Greenhill der Fall ist. Es ist eine eigenartige Erscheinung, dass die englische Litte- ratur besonders reich ist an derartigen Werken ; während die auf dem Continent gepflegten theoretischen Betrachtungen, der Ausbau allgemeiner Theorien, die Hervorhebung functionen- theoretischer Gesichtspunkte nur wenig Anklang und Förderung seitens englischer Mathematiker finden, wenden sich die letzteren mit Vorliebe der Behandlung von Aufgaben zu, die ihnen durch die Mechanik und mathematische Physik gestellt werden, ganz in Uebereinstimmung mit den Worten Fourier's, die dem vorliegenden Werke vorgesetzt sind : „L'etude approfondie de la nature est la source la plus feconde des decouvertes mathematiques." Die Richtigkeit dieser Bemerkung wird durch einen Blick in die Entwickelung der Mathematik bestätigt. Die allgemeineren Gesichtspunkte, die grossen Theorien sind auch in der Mathe- matik fast ausnahmslos aus der Betrachtung specieller Fälle ge- wonnen worden und erwachsen; man denke nur an die Entwicke- lung der Algebra, der Theorie der Reihen, der Variationsreidinung u. s. w. Ein Weg, der diesen Umstand benutzt, um in eine allge- meinere Ideensphäre einzuführen, hat anerkanntermaassen die grössten pädagogischen Vorzüge. Deshalb möchten wir dem Werke des Herrn Greenhill recht weite Verbreitung wünschen. Und zwar würden wir die französische Uebersetzung desselben in erster Linie empfehlen, weil dieselbe gegen das engliche Original eine recht grosse Zahl von Zusätzen und Aeuderungen enthält- LTeber den Inhalt im Einzelnen zu berichten, würde bei der Fülle von Aufgaben an dieser Stelle zu weit führen. Die behandelten Probleme sind mit Geschick aneinandergereiht, so dass sie den Leser allmälilich in das reiche Gebiet der elliptischen Functionen einführen, und durch die Auswahl der Aufgaben aus den ver- schiedensten Gebieten, der Mechanik, der mathematischen Physik, der Geometrie, der Arithmetik, wird zugleich die Viel- seitigkeit und Fru(ditbarkeit der Anwendung der elliptischen Functionen dargethan. Wir hätten nur gewünscht, dass die ellip- tischen Functionen viel mehr in der von Weierstrass gegebenen Form zur Verwendung gelangt wären als es geschehen ist, da sich vermuthlich manches dadurch hätte vereinfachen lassen. Zum Glück haben wir in absehbarer Zeit eine Herausgabe der Weierstrass'schen Vorlesungen über die Theorie der elliptischen Functionen und ihre Anwendungen zu erwarten. Wir können nicht schliessen, ohne auf das durchaus unzu- reichende Inhaltsverzeichniss hinzuweisen. Es werden in dem- selben nur die allgemeinen Capitelüberschriften angegeben, sodass der Leser, der etwas nachschlagen möchte, zw sehr mühsamem und zeitraubendem Suchen genöthigt ist. Hoffentlich wird dieser Uebelstand, der neuerdings immer seltener zu bemerken ist, bei einer neuen Auflage beseitigt. In typographischer Hinsicht können wir nur Lob spenden, doch möchten wir den Wunsch nicht unterdrücken, dass für die Charakteristik der Weierstrass'schen Sigmafunction die von Herrn Prof. H. A. Schwarz in seiner bekannten Formelsammlung be- nutzte Form in Zukunft verwendet werden möchte. A. G. Inhalt: Ingenieur Th eodo r Seh wa rt ze. lieber die Wirkung der mechanischen Naturkräffe. — 67. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte in Lübeck vom 16.— 21. September 1S95. — Experimentelle Studien über die sogenannte „Gedankenübertragung'. — Die Organisation der Cystoideen.— Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Friedrieli Carstanjen, Richard Avenarius' Biomechanische Grundlegung der neuen allgemeinen Erkenntuisstheorie. — Dr. Ferdinand Cohn, Die Pflanze. Dr. Hermann Schlesinger, Grundzüge der Ernährung des gesunden und kranken Menschen. — Dr. Adolf Welter. Die tiefen Temperaturen. — Dr. Bernhard Wiesengrund, Die Elektricität. — E. Franklin, Die Aaiateurphotographie. — Alfred George Greenhill, Los fonctions elliptiques et leurs applications. GOO Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 4?. In dem imterzeichneteu Verlage ist erschienen und durch jede Buchhandlung zu beziehen; Physikalische Prinzipien der Naturlehre. Von Aiirel Aiidersüdliii. Inhalt: Vorwort. Erster Teil. Die Mechanik der kosmischen Erscheinungen: I. AUgenaeine Grundbegrirt'e. II. Die Massen des Makro- kosmos. III. Die Beweguugsursache im Weltall, das Gesetz ihrer Wirkungsweise und die Ursache der Gravitation. IV. Die Bewegungen im Weltall, i. Die Be- wegungen im Allgemeinen. 2. Die Bewe:;ungen des Aethers. 3. Die Bewegungen der Himmelskörper. V. I'ie übrigen kosmischen Erscheinungen. Zweiter Teil: Die Mechanik der terrestrischen Erscheinungen. I. Einleitung. II. Die Schwere der irdischen Körper. III. Die Wiirme. IV. Die Kohäsion und die Aggre- gatszustiinde V. Die Krj-stuUisation. VI. Die sogenannte Saugkraft, die Flächen- :inziehung UTid die Kajjillarerscheinungen. VII. Die Diffu.sion. VIII. Die Licht- erscheinungen. IX. Der Magnetismus. X, Die Elektrizität. XI. Der Elektro- magnetismus. Schluss. 3V Preis 91k. l.«0. Die Anderssohn'sche Drucktheorie und ihre Bedeutung für die einheitliche Erklärung der physischen Erscheinungen. Von !Prof- IDr. G-us-ta.-^ HoffmanrL. l'rois Mk. 1.— . Hallo a. S. 6. Schwetschke'scher Verlag. IfPROSPECT ERATIS f.r glFIMDE^ |ARPADBAUER,JKGBERLIW,H3I.Slral;..nJSt38. 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Piimnilcro ilcrlnöobudilionblnng in iJfrlin SW. 12., 3iinnirr|lr. 94. (Etttriicft in bic Qufunft 5>ojial|.icilitirdjcv iHomau 284 Seiten tjr. 8. }Or£ts 3 4Mark, elfi?. gi-bunbni 4 iffilark. (Eine ©ErlobungagabB. 95011 l'voffifor au tov UniiMilitcit ,iu Scriiu. hocheleganter Quartbanb mit ®oIbfct)nitt. $]ms 4 M. = 3u 6r)teBen burdi a^c 33ud)Aan!)run(ien. ^= Spiegel -Camera „Phönix" D. K. G. M. Neuester Pbotographischer Hand -Apparat. Das bewährte Prinzip: mittelst eines Spiegels durch das Objectiv den aufzunehmenden Gegen- stand bis zum Eintritt der Plattenbelichtung genau in Plattengrosse .scharf einstellen und beobachten zu können, jst beibehalten. ..PliUnix" hat noch folgende Vorzüge: 1. Das Objectiv (14-16 cm Focus) be- findet sich im Innern und ist beweglich. •>. Der neue Schlitz- verscbhiss läuft sehr ruhig (Sehnellichkeit verstellb.l 3. Für Hoch- nnd Quer-Aufnuhmen bleibt die Lage der Camera unverändert, weil die Visir- scheibe sich um sieh selbst dreht! 4. 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Hochschule zu Charlotteuburr Berlin W., Bendlerstr. 13 Pliotoi'lioiiii»««'!!.^,.««^*- O llntersuch.- ^^^cV^ ^^ -^ Iiii^titnt. ^-.^^^ s> ... I*ractisi-Iie u. theoi-t't. Aiisb. iiniiitl. pliotof^r. ^ Ncgiit.- n.Pusit.-Vi-M t.,sow. plioto-iiifcliaii.Drnclc verfahren. ' i>^i V'^ Wisseuschaftlichf und Amateur-Kurse. •X^ V-^'^'iii'i'itt jederzeit. Kurze und längere Kur.sc. ^ lluiikelkniiimern stehen zur Verfüguiifr. Icbernahme aller vorkommenden wissenschaltl. und practischen photographischen Arbeiten. Näheie .\uskuiift bereitwilligst. Täglich ge.iftuet von :)— 7. Jlii'rzu zwei l?eil;ii.'eii: 1. \on I. ü. Kern's Verlag (Blax MUer) in Breslau, betreffend: „Or. Feidinand Colin, üle Pflau/e". -l. von der Verlagsbuchhandlung I. J. Weber in Leipzig, betreffend: „lIi. Schnartze, (Jnindsesetze der Molekiiiarithvsik". die wir hiermit besondirer lic-ichtmit; eiii|)t(dili'ii. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potoni(5, Gr. Lichterfelde (P.-B ) bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentheil Hii.-o Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dtimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin bW. 12. Redaktion: ~f Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntag, den 15. December 1895. Nr. 50. Abonnement: Man abonnirt bei allen BuchhandUmpen und Poat- Y anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— <^ Brinsepeld bei der Post lä 4 eitra. Postzeitungsliste Nr. 4732. JL Inserate : Die viergespaltene Petitzeüe 40 -A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseraten annähme bei allen Annoncen bureauz wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständig^er i{aellenaiig:abe s:e8tattet. Kenntniss tropischer Kulturpflanzen und deren Producte bei den Griechen und Römern. Vou Arthur Bab. Ein nicht unbeträchtlicLer Tlieil unserer heutigen pflanz- lichen Nahrung'S- und Genussmittci kiinnen in unseren Breiten nicht zur Reife und vollen Entwickelung gelangen, ja oft nicht einmal in der uns benachbarten wärmeren Pflanzenzone, dem Mittelmeergebiet, sondern sie verdanken lediglich der glühenden Tropensonne ihr Entstehen. Da aber die Länder der heissen Zone erst in neuerer Zeit den Kulturv(ilkern näher getreten sind, so ist es erklär- lich, dass den Kulturnationen des Alterthums — also vor- züglich den Griechen und Römern — diese Pflanzen trotz geringerer räumlicher Entfernung wenig oder gar nicht bekannt waren, obgleich einzelnen von ihnen das dortige Klima durchaus zusagt. Wenn nun auch selten die Ge- wächse selbst, so waren doch bei einer beträchtlichen Anzahl von ihnen deren geuiessbaren Producte (häufig Samen oder Früchte bisweilen aber auch andere Theile) durch den Handelsverkehr, meist in geringerer, seltener in grösserer Anzahl, zu den Griechen und Römern ge- bracht. Eine Nachfrage nach dem Stammland und Art der Mutterpflanze ergab sich daraus von selbst, und kann man in dieser Beziehung vor den Eroberungszügen Alexander des Grossen (336—323 v. Chr. G.) oft die wunderbarsten Erzählungen linden. Nach diesen Kriegen, welche ja bis in das damalige Wunderland Indien führten, und so einen Theil der heissen Zone dem Gesichtskreis der abendländischen Völker bedeutend näher rückten, wuchs die Kenntniss der tropischen Pflanzenwelt um ein Bedeutendes, doch blieben die aus Hinterindien und dem ostiudischen Archipelagus stammenden Gewächse immer noch meist unbekannt, ebenso natürlich alle Erzeugnisse Amerikas. Betrachten wir nun zuerst die aus der heissen Zone herrührenden auch bei uns eingebürgerten Nahrungsmittel, dann die beträchtliche Anzahl der Stanmipflanzen von Gewürzen, Aufgussgetränken und Narkotika, sowie schliesslich die wichtigsten technischen Zwecken dienen- den Handelsgewächse. Vou directen Nahrungsmitteln sind bei uns nur 3 verbreitet, nämlich der Reis, der Sago und der Zucker, letzterer als Product des Zuckerrohrs; doch hat sich die Wichtigkeit des letzteren, seitdem man den Zucker aus heimischen Rüben gewinnt, stark vermindert. Als Heimath aller drei Pflanzen gilt Ostindien. Der Reis, der Samen der Reispflanze (Oryza sativa), welche heute auch vielfach in der lombardischen Tiefebene angebaut wird, war im Alterthum nur als Frucht bekannt, und erwähnt die- selbe zuerst Theophrast, ein Zeitgenosse Alexanders des Grossen, als ein indisches Nahrungsmittel, giebt eine kurze zutreffende Beschreibung des Blütheustandes, und weiss auch, dass andauernde Bewässerung zu ihrem Gedeihen nöthig wäre. Eine genauere, richtige Kulturanweisung finden wir auch bei dem Geographen Strabo (60 v. Chr.), während ein Jahrhundert später der Naturforscher Plinius (79 n. Chr.) eine falsche Beschreibung der Reispflanze giebt, sie also wohl nie selbst gesehen hat. In der That ist im Alterthum der Reis nicht im Mittelmeergebiet an- gepflanzt worden und machten die ersten derartigen Ver- suche die Araber, denen wir als eifrige Verbreiter wich- tiger Kulturpflanzen noch öfter im Laufe unserer Betrach- tungen begegnen werden. Die Reisfrucht selbst muss jedoch wenigstens am Ausgange des Alterthums ein ganz alltägliches Nahrungsmittel gewesen sein, denn Ho- ratius spricht in seinen Satiren davon, dass man für 8 as schon eine grosse Portion erhalten könne. Auch der Arak, der aus Reis gewonnen wird, war bekannt; jedoch offenbar weniger als Getränk für die Menschen, wie für die Kriegselephanten, deren Muth es zum Kampfe an- fachen sollte. Das Zuckerrohr (saccharum officinarum) wird erst beim Beginn unserer Zeitrechnung erwähnt; Strabo (60 v. Chr.), Seneka (65 u. Chr.), Plinius, Dios- korides (60 n. Chr.) sind die ersten, welche es nennen; später finden wir es auch noch in den Werken des Arztes Galenus (190 n. Chr.) angeführt. Immerhin blieb der aus diesem Rohr gewonnene Zucker eine Seltenheit, und musste man sieh im Allgemeinen zum Süssen der Speisen 602 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 50. des Honigs bedienen. Anbauversuche machten auch hier wieder zuerst die Araber im Mittelalter und zwar in Egypten und Sicilieu, doch war das Klima selbst dort etwas zu rauh, während das Zuckerrohr sich jedoch später in den tropischen Gegenden Amerikas ausgezeichnet entwickelt hat. Das dritte pflanzliche Froduct, den Sago, den man aus dem Marke von cycas circinalis und metro- xylon Rhumphii gewinnt, finden wir nirgends bei den alten Schriftstellern erwähnt, und ist dies wohl daher zu erklären, dass diese beiden Palmen im östliciien Theile des indischen Monsumgebietes (auf den Sundainseln, Malackaj ihre Heimath haben, bis wohin die Handels- verbindungen der griechischen und römischen Kaufleute doch nicht reichten. Gehen wir nun zu den Pflanzenproducten über, welche weniger nahrhaft wie geistig anregend wirken, so fällt der Tabak i und damit die Kenutniss des Rauchens über- haupt), sowie der Cacao, als dem amerikanischen Boden entsprossen, natürlich aus; aber auch der Katfee (cotfea arabica aus Abessinien, coftea liberica aus Gumea stam- mend), sowie der Thee, als dessen Urheimath Assam, die nordöstliche Provinz von Britisch Vorderindien, gilt, waren gänzlich unbekannt. Auch von den Gewürzen, soweit sie nicht wie Anis, Minze, Fenchel, Kümmel und andere heimisch waren, musste die damalige Küche viel ent- behren. Ihr waren ausser den amerikanischen Gewürzen (Vanille) alle auf den Mollucken heimischen Ptianzen und deren Producte völlig unbekannt, so vor allem die Mus- katnüsse und Gewürznelken, erstere die nussartigen Früchte von myrcitica moschata, letztere die Blüthen- knospeu von caryophyllus aromaticus vorstellend. Die Kenntniss des Pfeffers verdankt das Alterthum wieder den Kriegen des grossen Alexander. Der eigentliche PfeÖ'er (piper nigruni) ist eine in Indien heimische Kletter- pflanze, ebenso wie der Paprika (capricium luteum;, zu den Solaneen gehörig und Jetzt viel m Ungarn angebaut. Der schon erwähnte Schriftsteller Theophrast nennt beide Arten von Früchten mit kurzer richtiger Beschreibung; doch seheint man auch später, so bekannt der Pfefter als Gewürz wurde, die Ptianzen selbst nie gesehen zu haben; denn sowohl Dioskorides wie Plinius geben uns eine unklare Schikleruug von ihnen und verwechseln die Stammptianzen von schwarzem Pfeffer (aus den grünen gedörrten Früchten von piper uigrum); von weissem Pfeifer (aus den überreifen Früchten von piper nigrum) und vom Paprika. Von letzterem kostete zur Zeit des Plinius das Pfund lö Denare; vom schwarzen PfeÖ'er 4, vom weissen 7 Denare (ein Denar ist gleich 64 I^f). Wir kommen nun zum Zimmt, der aus Ceylon stammend die Rinde des Zimmtstrauches (ciunamomum zeylanicum) oder des Kassiastrauches (cinnamomum cassia) darstellt. Er galt als etwas ganz besonders Kostbares und waren über seinen Ursprung vor Alexander dem Grossen die wunderbarsten Fabeln im Schwange. So hatten die Araber, die den Zimmthandel in Händen hatten und jedenfalls ihre Bezugsquellen verschleiern wollten, dem guten Herodot (484 v. Chr.) eine ganze Räubergeschichte aufgebunden. Grosse Vögel, sagten sie, brächten aus unbekannten Ländern den Zimmt in Form von Spähneu und trügen ihn in ihre, auf unzugängliche Felsen gebaute Nester. Sie — die Araber — legten nun grosse Fleisch- stücke an den Fuss der Felsen, welche die Vögel in ihr Nest schleppten, und diese so damit bepackten, dass der Zimmt heruutertiele und dann natürlieh schnell gesammelt wiu'de. Auf ähnliehe Weise berichtet noch Aristoteles von der Gewinnung des Zimmt; aber bereits sein Schüler Theo- phrast kennt, da inzwischen das Perserreich erobert war, sowohl den Zimmt wie die KassiapHanze und deren Kul- turen. Auch Strobo, Dioskorides und Plinius beschreiben beide und nennen Indien als ihre Heimath, von wo sie durch den arabischen Meerbusen nach Egypten eingeführt wurden. Eine grosse Seltenheit blieb er jedoch stets, denn Plinius berichtet, dass Kaiser Vespasian in Gold gefasste Zimmtkränze im Capitol aufgehängt habe. Das Pfund kostete damals 1500 Denare, also 960 M.; doch waren die Preise nach Plinius vorher um die Hälfte billiger. Kassia dagegen galt 5 — 50 Denare, was immer noch 3,20 — 32 M. für das Pfund ausmacht, wozu man nun noch den verhältnissmässig höheren Werth des Geldes in der damaligen Zeit in Anrechnung bringen muss. Die Kardamone (elettarea cardamonum), von der der Same, und der Ingwer (zingiber ofticinale), von dem der Wurzelstock als Gewürz dient, scheinen erst am Ausgang des Alterthums bekannt geworden zu sein; denn Dios- korides (60 n. Chr.) und Plinius (79 n. Chr.) sind die ersten, welche beide erwähnen, ohne jedoch Ptianzen und Kulturen näher zu besehreiben. Von letzterem kostete nach Plinius das Pfund 6, von ersterer 3 Denare. Wir treten jetzt den Handelsgewächsen näher, bei denen wir nun die wichtigsten kurz streifen wollen. Die jetzt so alltägliche Baumwolle — das Samenhaar meh- rerer Arten von gossyphium — erwähnt bereits Herodot. Bekannter wurde sie jedoch erst wieder nach den Perserkriegen, ja man baute sie sogar nach Plinius wie nach Pausanias (117 — 138 n. Chr.) in der Landschaft Elis im Pelopones wie in Palästina an. Dass sie zum allgemeinen Gebrauch diente wie heute, ist wohl kaum anzunehmen, denn Plinius theilt mit, dass sie früher mit Gold aufgewogen wurde; am häutigsten sind sie wohl in Egypten von den Priestern zu ihren Gewändern und zum Umwickeln der Mumien verwendet worden. Araber be- gründeten in den Mittelmeerländern die Baumwollen- kultur aufs Neue und wird sie noch heute in Südspanien, Italien und Griechenland betrieben, ohne jedoch in diesen Ländern eine grosse Bedeutung zu haben. Nur in Egypten ist sie in neuester Zeit in Aufschwung ge- kommen, während die überwiegend grösste Menge von Baumwolle nach wie vor in dem südlichen Theil der Ver- einigten Staaten von Amerika erzeugt wird. Gummi, den wir jetzt als Gummi arabicum aus dem Sudan von verschiedenen Sträuchern der acacia-Gruppe beziehen, entnahm das Alterthum ebensolchen aus Egypten; auch die verschiedenen meist aus Arabien stammenden wohlriechenden Harze (wie Weihrauch, Myrrhen, Storax) waren wohlbekannt und wohl noch mehr geschätzt wie in unserer Zeit. Vergeblich sehen wir uns jedoch nach Erwähnung des jetzt zu sovielen technischen Zwecken verwendeten Kautschuk um. Denselben gewinnt mau vor- züglich aus uphonia elastica, die im tropischen Südamerika heimisch ist, sowie von dem ostindischen ficus elastica und religiosa. Letzterer Baum selbst, der durch seinen ungeheuren Umfang auffiel, wird des öfteren von Plinius, Strabo und Theophrast erwähnt; niemals jedoch sein so werthvolles Product, das den geronnenen Saft darstellt. Von den Farbpfianzen, bei denen jetzt die einheimischen als minderwerthig verschmäht und vorzugsweise nur solche verwendet werden, in denen die Tropensonne grössere Mengen von Farbstoff destillirt hat, waren den alten Kulturvölkern bekannt, zunächst der ostindische indigofera tinctoria, deren Blau damals wie heute hoch- geschätzt war. Den rothfärbenden, ebenfalls ostindischen SafHor, von der Färbediestel carthamus tinctorius ab- stammend, beschreibt Dioskorides so ausführlich, dass man an einen sehr frühzeitigen Anbau in den iMittelmeer- ländern zu glauben geneigt ist. Die Pflanze wird jedoch nur als Gemüse und ihrer Samen halber vermeintlicher medizinischer Eigenschaften, nicht aber wegen seines Farbstofies, wodurch sie jetzt allein Werth hat, gerühmt. Nr. nO. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 603 [u unserer Zeit sind l'ersien, Indien und Egypfen ihre Hau])tprodueti()nsländcr, auch kann man sie ab und zu in Mitteleuropa aufgebaut finden. Wenn wir zum Schluss noch einmal unsere Betrach- tungen kurz zusammenfassen, so seilen wir, dass die Mehrzahl der tropischen Kulturpniduetc aus der alten Welt dem Alterthum zwar bereits bekannt waren, aber mehr als besondere Seltenheit wie als alltägliche Er- scheinung. Acclimatisationsver.suche werden, mit Aus- nahme der Baumwolle und des Satflors nirgends erwähnt, und in den Stürmen der Völkerwanderung seheint auch die Kcnntniss der tropischen Pfianzcnproductc überhaupt verloren gegangen zu sein. Da sind es die Aralter, welche nach der im 7. und 8. Jahrhundert erfolgten Eroberung des grösseren Theils des Mittelmeergebiets (ganz Nord- afrika, Syrien, die pyrenäische Halbinsel, Cypern, Sicilien, Corsika, Sardinien) " diese Länder mit den Erzeugnissen der heissen Zone bekannt machten. Ja auch überall An- bauversuche unternahmen. Von dort drang die Kcnntniss von ihnen bald nach dem übrigen Euro])a, das ja auch durch die Kreuzzüge, die bis an die Greuzländer der Tropen führten, seine diesbezügliche Kenntnisse und Be- dürfnisse vermehrte. Man bemülite sich daher eifrig, diese kostbaren Naturschätze zu erlangen, anfänglieh durch die Vermittelung der uiorgenländischen Völker, versuchte aber bald diese direct aus den Stannuländern zu beziehen. In erster Reihe thatcn dies die Spanier und Portugiesen, während den Zwischenhandel mit dem Orient italienische Seestädte wie Genua, Pisa, W^iedig in Händen hatten. Ihr Ansehen und Macht schwand zum grössten Theil durch die Entdeckung des Seewegs nach Ostindien seitens der Portugiesen und der Amerikas sei- tens der Spanier. Durcii letztere, bei welcher man an- fänglich nur den ersehnten Theil Süd-Asiens vor sich zu haben glaubte (daher die Namen Westindien, Indianer), lernten die europäischen Völker niclit nur ganz neue Erzeugnisse der heissen Zone kennen, sondern gewannen in den eroberten Ländern geeigneten Boden zum Anbau amerikanischer, asiatischer und afrikanischer Gewächse und tauschten so die Producte der verschiedenen Trojjen- länder zu Anbauversuchen, die oft von grossem Erfolg gekrönt waren, mit einander aus. Jetzt stehen diese An- pflanzungen meist unter fachgemässer, geordneter Leitung, lin- Ertrag ist dadurch bedeutend grösser und regelmässiger geworden, und durch die bequemen und schnellen Handelsverbindungen strömen die Gaben der südlichen Flora bei uns in Mengen zusammen, die es erklärlich machen, dass fast alle diese tropischen Producte in den breitesten Schichten des Volkes eine alltägliche, kaum mehr entbehrliche Erscheinung geworden sind. (Bei der üebertragung der Pflanzennamen ist die üebersetzung von H. 0. Lenz als Richtschnur genommen.) 67. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte in Lübeck vom 16.— 21. September 1895. IL Emil liehring: Leistungen und Ziele der Serumtherapie. — In der Heilkunde der Gegenwart wird eine neue Idee auf ihre praktische Brauchbarkeit geprüft. Es ist das die Idee, dass die Naturheilung der- jenigen Krankheiten, welche auf specifisehc Gifte zurück- zuführen sind, durch die Erzeugung von specitischen Gegengiften im erkrankten Organismus ermöglicht wird. Diese Idee wurde concipirt gelegentlich der Beobach- tung von diphtheriekranken Versuehsthieren, welche zum Zweck der Immunisirung absichtlich krank gemacht worden waren. Sie wurde dann weiter verfolgt bei dem Studium anderer Infectionskrankheiten, die ebenso, wie die Diphtherie, im letzten Grunde auf ein parasitäres Gift zurückzuführen sind, und gegenwärtig wird sie deductiv auch angewendet auf solche Krankheiten, deren äussere Ursache wir noch gar nicht kennen. Schwerlich aber würde der Gedanke, dass die Heilung bei vielen und wichtigen Krankheiten aufs engste verknüpft ist mit der Erzeugung von Gegengiften, eine so grosse werbende Kraft bewiesen haben, wenn nicht aus ihm heraus sich Specialideen entwickelt hätten, die eine unmittelbare Anwendung auf die Verhältnisse in der Praxis haben. Jener Gedanke zeitigte den Versuch, die im lebenden Organismus producirten Gegengifte, die speeifischcn Antitoxine, in solcher Concentration und Menge zu gewinnen, dass mit ihrer Hülfe Krankheiten, denen wir bisher machtlos gegenüberstanden, mit Erfolg bekämpft werden konnten. Als dieser Versuch bei Labo- ratoriumsthieren gelungen war, und als dann der weitere Versuch unternommen wurde, die neuen Heilkörper für die Behandlung des Menschen nutzbar zu machen, da wurden die Interessen Vieler erregt. Die Behandlung der Diphtherie mit dem Diphtheriegegengift dem Diph- therieantitoxin, kann jetzt als ein wirklicher und dauern- der Fortschritt betrachtet werden. Das wird bewiesen nicht bloss durch autoritative Urtheile, sondern auch durch die ül»erzeugende Kraft der Statistik. Die Möglichkeit, den Einfluss ganz bestimmter Mo- mente auf die Abänderung bisher beobachteter Zahlen- verhältnisse zu tixiren, ist es nun, welche die medici- nische Statistik und innerhalb derselben die medicinisch- prophylaktische und die medicinisch - therapeutische Statistik geschatlen hat. Die Verhütung verderblicher Wundkrankheiten durch Fernhaltung und Beseitigung der von aussen zu den Wunden hinzutretenden Schädlich- keiten ist durch unzählige Kiankenhausstatistiken zur un- umstössliehen Thatsache geworden, und die anfänglich viel bekämpfte Lehre Lister's ist auf diese Weise zu gleicher Anerkennung gelangt, wie Jenner's Lehre von der Vermeidbarkeit der Pocken. Auf statistischem Wege, unter Zugrundelegung vergleichender Sterblichkeitsziffern, hat man auch die Ueberzeugung gewonnen von dem günstigen Einfluss, den die Reinigung des städtischen Untergrundes auf die Erkrankungen an Abdominaltypims ausübt. Die Statistik endlich ist es, welche uns den Beweis liefert für die Richtigkeit der Lehre Koeh's von der Bedeutung seiner Kommabacillen in öffentlichen Fluss- läufen und im Trinkwasser und von dem Nutzen der liierauf begründeten prophylaktischen Maassnahmcn. Für die Therapie, insbesondere für die medicamen- töse Behandlung kianker Menschen, hat die Statistik er- freuliche Beeinflussungen der Mortalitätsziffern nur selten im Laufe der Zeiten aufzudecken vermocht. Seit der Einführung der Salicylsäure in die Behandlung des acuten Gelenkrheumatismus sind zwar für sehr viele Krankheiten des Menschen neue Medicamente empfohlen und auch geprüft worden, aber vollkommen einwandsfreie statistische Beweise für einen eclatanten Nutzen haben ausser Pa.steur's Behandlung der Tollwuth mit abge- schwächtem Tollwuthvirus und der Kropfbchandlung mit Schilddrüsensaft bis jetzt kaum für eines der vielen 604 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 50. anderen neueingefiihrten Medicamente erbracht werden können. Das mag zum Theil daran liegen, dass man nicht in der richtigen Weise die Zahlen zu Rathe gezogen hat, zum Theil wohl aber auch daran, dass in der That die neuen Mittel nicht das gehalten haben, was man sich von ihnen auf Grund von Einzclbeobaclitungen ver- sprach. Wie steht es nun mit dem neuen Diphtheriemittel? Zuerst waren es Krankenhausstatistiken, die auffällig günstige Zahlenergebnisse unter dem Einfluss der Heil- serumbehandlung ergaben und für die Empfehlung des neuen Büttels verwerthet wurden. Es ging aus den Mit- theilungen hervor, dass durch die im Laufe des Jahres 1894 gewählte Dosirung des Mittels in den Berliner und in den Pariser Krankenhäusern die Diphtheriesterblichkeit ungefähr um die Hälfte heruntergedrückt wurde. Dann erschien eine fast unübersehbare Fülle von weiteren Krankenhausmittheilungen aus allen Theilen der Welt, die zum grösseren Theil noch günstigere Ergebnisse zu registriren liatten. Die Diphtheriesterblichkeit in Berlin im Jahre 1895 beträgt — nach B. — bis jetzt ca. 15 7o "nd ist damit um fast ",3 geringer geworden, als in den 17 Jahren, über welche wir in den Veröft'entlichungen des Kaiser- liclien Gesundheitsamts genaue Angaben vorfinden. Ferner wird die Zahl der o;)erativen Eingriffe wegen diphtherischer Larynxstenose in hohem Grade vermindert durch genügend kräftige Heilserumdosen, weil dieselben das Fortschreiten des diphtherischen Exsudationsprocesses verhüten. Nach einer ausführlichen Auseinandersetzung und Kritik über die Statistik in der Behandlung der Diph- therie mit Heilserum fährt B. fort: Aus den in den früheren Abschnitten dieses Vortrags enthaltenen Daten entnehme ich die Ueberzeugung, dass selbst unter den ungünstigen Verhältnissen der Diphtherie- Stationen mit vielen Larynxstenosen eine Verminderung der Mortalität um ''^j^ bis Vs erreicht werden kann, wenn das Heilserum in genügender Dosirung consequent an- gewendet wird, und dass bei frühzeitiger Serumbehand- lung der Diphtheriekranken in der Privatpraxis die Diph- theriesterblichkeit noch mehr herabgesetzt wird. Aber wenn wir für die Gesammtmortalität eines ganzen Landes an Diphtherie auch nur die Verminderung um 75 7o ^Is erreichbares Ziel der Serumtherapie betrachten, so macht das schon eine ganz gewaltige Summe von geretteten Menschenleben in der Blüthe der Jahre aus. Es .starben nach dem mir vorliegenden statistischen Material von den ca. 4ß Millionen Bewohnern des Deutschen Reiches durchschnittlich etwa 60 000 in jedem der letzten Jahre an Dipht erie, und man kann sich der Consequenz jetzt nicht mhhr entziehen, dass es möglich ist, jährlich 45 000 deavon vor dem Diphtherietode zu bewahren. In Wirklichkeit ist in dem Jahre, welches bis jetzt nach Einführung des Diphtheriescrums vergangen ist, dieses Resultat nicht erreicht, einerseits weil die Dosirung im Allgemeinen noch zu niedrig gehalten wird, andererseits weil bisher nur ein Theil der Erkrankten serumthera- peutisch behandelt ist. Aber auch so schon, wie jetzt die Behandlung gehandhabt wird, schätze ich den Einfluss des Heilserums so hoch, dass ich nicht zu weif zu gehen glaube, wenn ich annehme, dass thafsächlich jetzt '/.3 weniger Diphtheriekranke sterben als früher, was nach Ahschluss der Diphtheriestatistik des Jahres 1895 da- durch zum Ausdruck kommen müsste, dass die Zahl der Diphtherietodesfalle in ganz Deutschland statt 60 000 höchstens 40 000 betragen wird. Was über den Einfluss des Diphtherieheilserums auf die Statistik der Diphthcric- sterblielikeit zu sagen ist, wird jedoch durch seine thera- peutische Leistung nicht erschöpft. Wir müssen da auch noch der innnunisirenden Leistungsfähigkeit des neuen Mittels gedenken, von welcher bislier noch gar nicht die Rede war. In der That hat auch die medieinisch-pro- phylaktische Statistik, auf welche die Immunisirung ihre Wirkung äussern müsste, so dass zunächst die Zahl der Erkrankungen an Diphtherie vermindert wird und indirect erst die Zahl der Sterbefälle, noch keine Gelegenheit ge- habt, der Serumtherapie nennenswerthe Dienste zu leisten. Was will das sagen, wenn auf eine Bevölkerung von 46 Millionen Lebenden in Deutschland ein paar Tausend prophylaktische Einspritzungen bekommen haben sollten und von den IVo Millionen in Berlin ein paar Hundert? Meine Stellungnahme zur Lnmunisiruugsfrage habe ich schon in früheren Arbeiten dahin präcisirt, dass erst der therapeutische Werth meines Jlittels und seine Unschäd- lichkeit zur Anerkennung gekommen sein müsse, ehe mit wirklichem und schnellem Erfolge an die Einführung der allgemeinen Immunisirung herangegangen werden könne. Nachdem jetzt für absehbare Zeit die technische Arbeit zur Gewinnung von quantitativ und qualitativ ge- nügendem Diphtherieserum in ruhigen und gesicherten Fortgang gekommen ist, habe ich — fährt B. im zweiten Abschnitt seines Vortrages fort, der sich auf wissen- schaftliehe Ergebnisse und praktische Ziele in Bezug auf die Serumtherapie bei anderen Infectionskrankheiten be- zieht — mit meinen Mitarbeitern auch wieder den anderen Gebieten der Serumtherapie mich zugewandt. Drei Krankheiten sind es da, die uns vornehmlich beschäftigen, die Cholera, der Tetanus und die Tuberculose. Für alle diese Krankheiten haben die Höchster Farbwerke mit nicht genug anzuerkennendem Entgegenkommen die Nutz- barmachung der wissenschaftlichen Errungenschaften in Angriff genommen. Was die Cholera betrifft, so verdanken wir es den unermüdet fortgesetzten Studien des Dr. Ransom, wenn die Fortschritte in unseren Leistungen als unerwartet schnelle bezeichnet werden können. Während bis zum Beginn der Arbeiten Ransom's vor jetzt einem Jahre es noch für ausgemacht galt, dass die Schutzkörper, welche im Blute choleraimmunisirter Individuen auftreten, nicht antitoxisch, nicht als Gegengifte wirken, konnte schon vor mehreren Jlonaten von Höchst aus die Mittheilung gemacht werden, dass sich die Sache im Princip hier genau so verhält, wie bei der Diptherie. Auch die Kommabacillen der asiatischen Cholera produciren ein lösliches specifisches Gift, und auch gegen dieses lässt sich im Blute eigenartig vorbehandelter und dadurch choleraimmun gewordener Thiere das Gegengift gewinnen; nur muss man es verstehen, die Giftimmunifät genügend hoch zu treiben. In seiner Veröft'entliehung hat Ransom mitgetheilt, dass sein Antitoxin das 2— 3 fache der sicher tödtliehen Minimaldosis von Choleragift unschädlich nuicht. Jetzt hat er ein do])pelt so starkes Antitoxin, und zwar nach einer Vorbehandlung mit so kleinen Mengen seines Choleragiftes, dass er dieselbe noch mindestens um das Zehnfache steigern kann, wodurch die qualitative Leistung des Antitoxins noch erheblich vermehrt werden wird. Wir haben die Absicht, demnächst, wenn an- nähernd ein zehnfaches Antitoxin in grösseren Quantitäten vorräthig ist, d. h. ein solches, mit welchem das Zehn- fache der sicher tödtliehen (üftdosis unschädlich gemacht wird, dasselbe allgemein zugänglich zu machen, und man wird dann die Probe darauf anstellen können, was für die Bekämpfung der Cholera damit zu erreichen ist. Der Wundstarrkrampf hat schon seit mehren Jahren in serunitherapeutischen Berichten eine stehende Rubrik. Er war die erste Krankheit, bei welcher das Thiei'- experiment positive Imuumisirungs- und Heilerfolge nach Nr. üO. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 605 Ainvcudung des specifischeii Antitoxins erkennen liess. Die Gewinnung eines zur Heilung;- des Tetanus beim Menschen ausreichenden Heilserums trat jedoch bei mir in den Hintergrund, als die iMüglieiikeit der Diplitlicrie- lieilung festere Form annahm, und als dann andere sehr verbreitete Krankheiten Aussicht auf Heilung durch die Serumtlierapie darboten. Wo von anderer Seite die Heilserum-Gewiuuungsversuche fortgesetzt wurden, da ist nicht einmal diejenige Leistung des Tetanusantitoxius erreicht worden, welche vor 2—3 Jahren von mir be- richtet werden konnte. Keiner der späteren üntersucher hat nämlich ein Serum gewinnen können, mit welchem mau tetanuskrauke Jläuse sicher heilen kann. In letzter Zeit hat aber Dr. Knorr in der Herstellung des Tetauus- heilserums so erhebliehe Fortschritte gemacht, dass die Behandlung des Wundstarrkrampfs auch beim Jleusehen »in ein neues Stadium zu treten \erspricht. Ob freilich die Industrie, bei der Seltenheit dieser Krankiieit einer- seits, bei der Kostspieligkeit der Herstellung des Mittels andererseits, die Arbeit im Grossen wird ausführen wollen, das ist mir noch zweifelhaft, Und auf die Opferwillig- keit weiterer Kreise, welche in Frankreich es Pasteur ermöglicht hat, für die Hundswuth, eine beim Menschen noch* seltenere Krankheit, in einem besonderen Institut sein Heilmittel herzustellen, darauf kann ich nach den bisher von mir gemachten Erfahrungen kaum rechnen. In der Tuberculose-Antitoxingewinuung war durch die Arbeiten R. Koeh's über das lösliche Tuberculose- gift, über das Tubereulin, ein wichtiger Theil der uns ge- stellten Aufgaben schon gelöst. Es ist hier vielleicht ange- bracht, einige Worte zu sagen von der epochemachenden Tuberculinentdeckung Koeh's, die in ihrer wahren Be- deutung viel zu wenig gewürdigt wird. Alle unsere jetzigen Immunisirungsarbeiteu zum Zwecke der Gewinnung des Antitoxins für die Diphtherie und für andere Krankheiten sind weiter nichts, als Wiederholungen der Tubereulinbehandiung des Menschen nach dem Koch'schen Schema. Wie wir von Milligrammen und Deeimilligrammen des Tuberculins allmählich an- steigen bis zu ganz grossen Dosen und damit eine Immu- nisirung gegen das Tubereulin erreichen, so macheu wir es auch bei der Immunisirung gegenüber dem Diphtherie- gift und dem Choleragift. Bis vor fünt Jahren galt in P>ankreich wie in Deutsehland der Satz, dass eine un- zweifelhafte Immunisirung gegenüber den Bakteriengiften zu den frommen Wünschen zu rechnen sei. Neben den Pbagocj'ten, welche die Bakterien auffressen, Hess man bloss noch den baktericiden Zustand der Blutflüssigkeit als nachweisbare Hülfskräfte gelten im Kampf des lebenden Organismus mit den Infectionskrankheiten. Da kam R. Koch mit seinen elassischen Untersuchungen über das Tubereulosegift und zeigte, dass man nicht bloss Thiere, sondern auch den Menschen an dasselbe gewöhnen kann. Wäre diese Entdeckung nicht voraufgegangen, wir hätten noch lange warten können auf praktisch brauch- bare Methoden der Antitoxingewinnung. Das Diphtherie- gift war ja vorhanden lange vor dem Tubereulin. Warum haben denn die Herren im Pasteur'schen Institut nicht Thiere gegen dasselbe immun gemacht:' Einfach, weil ihnen in Folge von vorgefassten Meinungen die Sache ganz aussichtslos schien. Und warum sind im Gegensatz dazu im Koch'schen Institut, trotz unglaublicher Schwierig- keiten im Anfange, unentwegt diese Versuche fortgesetzt worden, so lange, bis sie von Erfolg gekrönt waren V Ich dai"f aus bester Kenntniss der Sachlage antworten: Einfach deswegen, weil ich die Ueberzeugung hatte, dass auch bei anderen Bakteriengiften möglich ist, was an dem Tubereulin Koch aller Welt ad oculos demon- strirt hatte. Noch viel ferner lag der Pasteur'schen Schule der Gedanke, im Blute immunisirter Individuen Gegengifte nachzuweisen. Niemand hat auch nur den Anlauf dazu genonmien, eine litterarisehe Stelle aufzufinden, an welcher ein solcher Gedanke vor meiner Entdeckung des Diph- therieantitoxins angedeutet wäre. Dass Roux, dem man in Frankreich wider seinen Willen die Priorität zu- schreiben wollte, in durchaus correcter Form den wahren Sachverhalt darzustellen immer aufs Neue sich bemüht hat, dürfte jetzt wohl allgemein bekannt sein. Der Gedanke an ein Blutantitoxin als Ursache der Immunität ist freilich auch in die Tuberculinimmunisirung erst später hineingekommen. Soweit man früher ül)er- haupt eine Erklärung für das Zustandekommen der Gift- immunität versuchte, fasste man immer die Sache so auf, dass die lebenden Zellen durch gewohuheitsmässige Auf- nahme eines Giftes unempfindlich gegen dasselbe würden. Erst nach dem Bekanntwerden des Diphtherie- und Tetauusantitoxins durch meine erste, mit dem Japaner Kitasato darüber publicirte Arbeit wurde die Möglichkeit erwogen, dass auch für andere Giftgewöhnungen die Production von Gegengiften im Blute des lebenden Or- ganismus ein zutreffendes Erklärungsmoment abgeben könne. Für die Tuberculininnuunisirung des Menschen hat erst im Laufe dieses Jahres auf meine Veranlassung Wernicke mit Erfolg den Versuch unternommen, im Blute solcher Personen, die lange Zeit mit Tubereulin behandelt waren, das Antituberculin nachzuweisen, und bei Ver- suchsthiereu ist dasselbe erst in letzter Zeit von mir in Gemeinschaft mit Knorr gefunden worden. Der Nachweis geschieht in der Art, dass man Meerschweinen in einem bestimmten Stadium der tuberculöseu Erkrankung sicher tödtliche Tuberculindoseu zum Theil mit, zum Theil ohne Blutserum unter die Haut spritzt. Bleiben dann die Serumthiere alle am Leben, während alle Controlthiere in kurzer Zeit sterben, so gilt uns das als ein Beweis für die Anwesenheit von Antitoxin im Serum. Auch die Möglichkeit, dieses wichtige Experiment anzustellen, ver- danken wir dem genialen Scharfblick Koeh's, welcher uns gelehrt hat, qualitativ und quantitativ das Tuber- eulosegift zu bestimmen. Sollte in späterer Zeit es ge- lingen, besser noch mit dem Antituberculin als mit dem Tubereulin die heimtückische Schwindsucht zu bekämpfen, dann darf die Welt nicht vergessen, was sie R. Koch dabei schuldig ist. Er hat zuerst zu allgemeiner Aner- kennung gebracht, dass diese Krankheit eine Infections- krankheit ist, indem er die wunderbare Leistung voll- brachte, den Krankheitserreger der Tuberculose uns mikroskopisch vor Augen zu führen und ausserhalb des kranken Individuums zu züchten. Er hat im Tubereulin dann uns das Mittel an die Hand gegeben, ein Gegengift zu finden und es quantitativ in seiner Stärke zu be- stimmen. Von diesen Leistungen ist jede einzelne geeignet, einen Mann der medicinischen Wissenschaft unsterblich zu machen im Gedächtuiss der Menschen, und da sollte Koeh's letzte, schwierigste und für die Medicin als Heil- kunde bedeutsamste Entdeckung, die des Tuberculins, deswegen, wie manche Leute meinen, der deutschen Wissenschaft einen Makel angehängt haben, weil ihre Nutzanwendung für einen bestimmten Fall nicht das ge- leistet hat, was Koch sich selbst vielleicht anfänglich davon versprochen Iiat? Was soll man dann zu solchen medicinischen Koryphäen sagen, welche ohne eigenen Antlieil au dieser Entdeckung mit dem Gewicht ihrer Autorität in noch viel bestimmterer Weise als Koch selbst für die Heilwirkungen des Tuberculins eintraten":' Nur wer nicht Eigenes von Werth zu schaffen und zu finden vermag, kann es übersehen, dass bloss grosse Hofl- nungen und die Ueberzeugung von der Wichtigkeit seiner 606 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 50. »Sache einen vielseitig- begabten Mann dazu anspornen kcinnen, mit Aulwendung der ganzen Arbeitskraft ein bestimmtes Ziel zu verfolgen, zu dessen Erreichung er die Mitwirkung Vieler braucht. Der kennt nicht das Zu- standekommen grosser Thaten, wer da glaubt, dass für die Vollbringung derselben eine genügsame und philister- hafte C'iiarakteranlage die beste Grundbedingung abgiebt. Wenn wir des Columbus als des Entdeckers von Amerika gedenken, wird deswegen sein Ruhm kleiner, weil wir wissen, dass er bei der spanischen Königsfamilie und bei der spanischen Nation im Anschluss an seine Ent- deckung Hoffnungen erregte, die sich nicht alle erfüllt haben, und dass Amerika ganz anders auf das religiöse und politische Leben Europas gewirkt hat, als Columbus gehofft und gewünscht hat? Wir sollten glücklich und zufrieden sein, dass Koch auf der Suche nach einem Tuberculoseheilmittel etwas gefunden hat, was uns einen Einl)Iick verschafft hat in eine ganz neue Welt von biologischen Erscheinungen, deren Studium uns in der Kenntniss specifischer Heilmittel und ihrer Ge- winnung ein gewaltiges Stück vorwärts gebracht hat. Ich glaube, die Zeit ist nicht mehr fern, wo in höherem Grade noch als die Diphtberiegiftentdeckung die Entdeckung des Tuberculins als eine Grossthat gefeiert werden wird. Von verschiedenen Seiten schon wird an der Antitoxin- gewinnung füi- die Tuberculosc gearbeitet, und wer da mit Erfolg thätig sein will, der wird nicht umhin können, jeden Satz in den Abliandlungen Koch's über sein Tuber- culin genau zu studiren. Denn der Besitz des Tuber- cnlosegiftes ist unerlässliche Voraussetzung für die Her- stellung des Tuberculose-Heilmittels der Zukunft. ■Man sieht, die Serumtherapie hat bei den hier von mir erwähnten Krankheiten, abgesehen von der Be- kämpfung der Diphtherie, mehr Hoffnungen als Leistungen für die Praxis aufzuweisen. Wenn man aber berück- sichtigt, dass das ganze Menschengeschlecht immer ein paar hundert Jahre gebraucht hat, ehe es ein wirkliches Heilmittel fand, so dass noch immer die medicanientösen Heilmittel, die dieses Namens würdig sind, alle zusammen sich auf einen Fingernagel aufschreiben lassen, dann wird man mit der Serumtherapie auch schon zufrieden sei)!, kiinnen, selbst wenn sie längere Zeit bei dem Diph- therieheilmittel stehen bleiben sollte. Aber dass das nicht der Fall sein wird, dafür bürgt die productive Mitarbeit vieler und ausgezeichneter Kräfte in der ganzen Welt. In dieser Richtung sind die Gegensätze ausgeglichen, die in mancher anderen früher zwischen der Koch'schen, Pasteur'schen und der Pettenkofer'schen Schule bestan- den, und den einig zusammenwirkenden Bakteriologen und Hygienikern reichen willig auch die Kliniker und Vertreter anderer medicinischer Disciplinen die Hand. Ich habe keine Sorge, dass jemals der Gedanke, welcher der antitoxischen Serunitherapie zu Grunde liegt, aus der Mediciu verschwinden könnte. lieber die Winterfauiia einiger Gewässer der (H)errheinel)eue, mit Beschreibungen neuer Protozoen, schreibt R. Lauterborn mi Biologischen Centralblatt, Band 14, 1894. Verfasser untersuchte einige Altwasser des Rheines, sowie mehrere Teiche und Tümpel der Um- gebung von Ludwigshafen a. Rh. auf ihre mikrosko- pische Fauna im Winter. Als Resultat ergab sich über- all das Vorhandensein einer an Arten und theilweise auch an Individuen sehr reichen Thierwelt, sowohl im Schlamm am Grunde der Gewässer als auch in der freien Wasser- fläche unmittelbar unter der Eisdecke. Am Boden con- centrirt sich das Leben der niederen Thiere im Winter vor- zugsweise auf die ausgedehnten Diatomeen-Rasen, welche sich in den Altwassern, sowie an ruhigen Stellen des freien Rheines gerade um diese Jahreszeit besonders üppig zu entwickeln pflegen. Eine Zusammenstellung der dort aufgefundenen Arten aus der Gruppe der Rhizopoden Heliozoen, Flagellaten, Ciliaten, Rotatorien, Crustaceen und Tardigraden giebt ein Bild von der Reichhaltigkeit. Unter den Mitgliedern der aus Protozoen, Rota- torien und einigen Crustaceen bestehenden pela- gi sehen oder lim netischen Fauna traten einzelne Formen in ganz riesigen Massen auf und zwar gleich- zeitig an verschiedenen Oertlichkeiten, die mehrere Kilo- meter weit auseinander lagen. Nach der vom Verfasser hier gegebenen Zusammenstellung ist aber auch die Artenzahl eine sehr beträchtliche. (44). Unter den Proto- zoen finden sich mehrere neue Formen, welche Verfasser in der kälteren Jahreszeit dort zuerst auffand und am Schlüsse der Arbeit kurz beschreibt und charakterisirt. Es ist aber wohl anzunehmen, dass sich einige derselben auch noch in den wärmeren Monaten nachweisen lassen werden. Von den Räder -Thierchen dagegen konnte Veriasser noch keine Art finden, deren zeitliches Vor- kommen ausschliesslich auf den Winter beschränkt wäre, wenn sich auch nicht verkennen lässt, dass einzelne Arten in der kälteren Jahreszeit dort entschieden häufiger sind als im Sommer. Alle in der Ucbersicht angeführten Räder-Thierchen finden sich mehr oder weniger häufig auch in der wärmeren Jahreszeit und qualificiren sich dadurch als ausgesprochen eurytherme Thiere, die im Laufe eines Jahres Temperaturen von -|- 2" C. (December und Januar) bis +27" C. (August) ausgesetzt sind und sich dabei zu allen Zeiten lebhaft vermehren — ein Um- stand, der natürlich auch für eine ausgedehnte Verbreitung in horizontaler und verticaler Richtung über weite Gebiete hin von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung ist. Als eigentliche S o m m e r f o rm e n , welche im Rhein bei Ludwigshafen mit der wärmeren Jahreszeit erscheinen und verschwinden, führt Verfasser 8 Arten von Räder- Thierchen an. Es wäre gewiss nicht ohne Interesse, fes'tzustellen, wie sich die genannten Arten in anderen Gegenden verhalten. Von Protozoen kennt Verfasser in seinem Untersuchungsgebiete bis jetzt nur eine typische limnetische „Sommerform," Ceratium hirundinella 0. J. M. R. Ueber Traiisplantatioiisvei-siiche mit Hydra be- richtet G. Wetzel im Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. 45. 1895. Bekanntlich hat bereits in der Mitte des vorigen Jahrhunderts Trenibley an den grünen Süss- wasserpolypen Umkehrungs-, Theilungs- und Versehmel- zungsversuche vorgenommen. Es glückte ihm indessen nur wenige Male, TheilstUcke der Hydra aufeinander zu pfropfen, d. h. das abgeschnittene Vorderende eines Süss- wasserpolypen mit der hinteren Hälfte eines anderen Exemplares derselben Art zu vereinigen. Wetzel nahm nun diese Versuche wieder auf und schnitt nach der von Trembley angegebenen Methode mit einer feinen, schar- fen Scheere zwei lang ausgestreckte Hydren etwa in der Körpermitte in zwei Hälften und übertrug die vordere Hälfte der einen und die hintere der anderen in einige Tropfen Wasser auf einen hohlgeschliflfenen Objectträger. Dort brachte er die Wundflächen unter Controle mit ge- eigneten Vergrösseruugen in möglichst genaue Berührung und schob sie mit zwei Präparirnadeln oder mit Schweins- borsten so lange wieder zusammen, bis sie sich nicht wie- Nr. 50. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 607 der trennten. Da dieses Experiment alter einen iiolicii Grad von Geduld und Ausdauer erforderte, versuchte Wetzel ein anderes Verfahren, das sieh auch als sehr geeignet erwies und von der Hydra ebenso gut vertragen wurde. Das vordere Ende eines Exemplars wurde abge- schnitten und durch seinen Leibesraum eine Borste ge- führt. Einem anderen wurde die Vorderhiilfte und die Eussscheibe abgetrennt und das Thier, welches nunmehr nur noch eine an beiden Enden otfene Röhre darstellt, gleichfalls auf die Borste geschoben und zwar so, dass das hintere Eude des ersten und das vordere des zweiten Tliieres sieh beriünten. Dadurcii werden die wie Perlen aufgereihten Stücke gehindert, nach der Seite zu entweichen. Auch in der Längsrichtung können sie sich nur schwierig- ent- fernen; denn, durch die vorhergegangeneu Manipulationen gereizt, sind sie stark contrahirt und ein Ausdehnen bringt die VVuudtlilehen um so fester aneinander. Erst wenn sie sich nach der Ausdehnung wieder zusannnenziehen , ent- fernen sie sieh natürlich von einander. Diese zweite Zu- sammenziehung findet aber meist nur dann statt, wenn sie irgendwie beunruhigt werden; man muss also mit grosser Vorsicht zu Werke gehen. Dann wurde das über- schüssige Wasser mitEliesspapier abgesaugt uud die Thiere, um sie vor Verdunstung uud Austrocknung zu schützen in eine feuchte Kammer gebracht. Nach Verlauf einer Mertelstunde hafteten sie meistens schon aneinander uud nach einer halben Stuude konnten sie schon von den Borsten abgestreift werden, ohne dass sie sich dabei wie- der getrennt hätten. So ausgeführt ist der Versuch wohl ein wenig zeitraubend, gelingt aber in der grossen Mehr- zahl der Eälle. Wetzel führte nun doppelte Versuchsweisen aus; erstens wurden die Theile so vereinigt, dass sie gleich gerichtet blieben, also ihre oralen Enden nach der einen Kicbtung sahen, ihre aboraleu nach der andern. Dabei verbanden sich die oralen Wände des einen Stückes mit den aboralen des andern, also immer die uugleichnamigeu miteinander. Bei der zweiten Versuchsweise wurden die Theile im entgegengesetzten Sinne orieutirt uud aneinander gebracht. Die zahlreichen in extenso mitgetheilten Fälle ergaben folgende Resultate. Verbanden sich zwei Schnitt- Stücke einer Hydra in normaler Richtung, so .stellte sich ein Unterschied heraus, je nachdem die beiden Schnitt- Häcben innerhalb des Magens der Versuchsthiere gelegen waren oder nicht. Im ersten Falle bildete sich ohne Wei- teres ein Thier, das von einem normalen in keiner Weise zu unterscheiden war. Lag aber die Schnittfläche des vorderen Thieres innerhalb des Fusses, so wurde eines von beiden zur Knospe des anderen und sie trennten sich nach anfänglicher Verw'achsung wieder. Bei der umge- kehrten Pfropfung wurde die ursprüngliche entgegenge- setzte Orientirung hauptsächlich nur dann beibehalten, wenu zwei aborale Flächen sich verbanden. Lagen die Wuud- flächen im Fuss, so trat in kurzer Zeit wieder eine Tren- nung beider Theile ein. Lagen sie hingegen im Körper und zwar in den bemerkenswerthen Fällen nicht weit vom Munde entfernt, so blieben die Hydren sehr lange unverändert, dann entwickelte sich in der Mitte zwischen den Köpfen, vermuthlich der ursprünglichen Verbindungs- stelle entsprechend, eine gemeinsame Kuospuugszoue, mitten in der Knospungszone entstand alsdann ein gemein- sames Fussstück, dies schnürte sich in der Mitte ein, uud die beiden Theile lösten sich immer mehr von einander. In \ielen Fällen mit umgekehrter Pfropfung hatten aber die Theile die künstlieh erzeugte, entgegengesetzte Orienti- rung zu einander nicht beibehalten, sondern sie in eine parallele, gleichgerichtete verwandelt. Dazu zählen er- stens die Fälle, in denen an der Vereinigung oraler Flächen ein Mund sich bildete und die beiden Körper mehr oder weniger der Länge nach sich verbanden. Auch sind die Fälle hierher zu rechnen, in denen die endständigen Köpfe zw'cier mit den aboralen Enden vereinigten Thiere sich einander näherten und zu Einem verschmolzen, während ihnen gegenüber ein Fuss sich bildete. Eine eigenthümliche Stellung nehmen die Zerreissungs- vorgänge ein, wo trotz eines in der Mitte entstandeneu gemeinsamen Mundes keine weitere Verschmelzung ein- trat, sondern im Gegentheil eine gewaltsame Trennung. Dabei Hess sich in einem Falle genau entscheiden, ob die ursprüngliche Wundstelle wieder auseinander riss, oder eine andere Stelle, bei der vorher keine Coutiuuitäts- trennung vorhanden war. Ein helles und ein dunkles Thier waren aneinander gefügt worden und die Tentakel bildeten sich von beiden aus, wie ihre Färbung unzwei- deutig erkennen Hess. Auch der Mund war halb hell und halb dunkel. Beim Zerreissen blieb der ganze Kopf an der einen Hälfte, die andere war ohne Kopf und Ten- takel, also musste der Riss durch eine vorher nicht ge- trennte Stelle hindurchgegangen sein. Sämmtlichen Resultaten war nur eins gemeinsam: überall zeigte sich ein deutliches Streben, die normale Gestalt wieder herzustellen und dies Ziel wurde erreicht, ohne dass dabei eine Schä- digung der Thiere stattfindet. Die Wege, die dazu führen, sind vollkommene Verschmelzung beider Theile nach Abänderung der entgegesetzten Orientirung oder eine Reihe von Processen, die sieh auf das Deutlichste als Knospung darstellen. Wie sich bei der Knospung bei einer normalen Hydra erst ein kleiner Höcker erhebt, der allmählich wächst, schliesslich ein Fussstück bildet und sich dann ablöst, so wachsen zwei mit den aboralen En- den verbundene Stücke eine Zeitlang, bilden dann einen Fuss und trennen sich. Jedes Thier ist dabei als die Knospe des andern zu betrachten. Ein umgekehrt einge- fasstes Stück verlässt sogar seinen Platz auf eine Weise, die sich von der Knospung in nichts anderem unterschei- det, als in der Stelle, wo sie stattfindet. Ueber die eigentliche Ursache und die theoretische Ausnutzung der geschilderten Processe, äussert sich der Verfasser nicht. Auch hat \ erfasser noch keine Versuche mit Theilstücken verschiedener Hydraarten gemacht. R. Braseiiia (Cratopleura) im iuterglacialeii Torf- lager von Lauenburg. — Wir hatten Band IX, Seite 219, Spalte 1 darauf aufmerksam gemacht, dass die uament- Hch von Klinge her so bekannt gewordenen diluvialen Brasenia-Samen auch von Hr. Keil hack im Lauenburger Torflager gefunden worden sind, aber dann 1. c. S. 534 bemerkt: „hoÖeutlich liegt keine Fundortsverwechselung vor?" Hierzu schreibt Dr. Keilhack im Neuen Jahrbuch für Mineralogie etc. unterm 14. März 1895: „Als ich im Winter 1893/94 mit der Neuordnung der Diluvialsammlung der Königlichen Geologischen Landes- anstalt beschäftigt war, fand ich in der von Dr. L. Meyn herrührenden, von der Geologischen Landesanstalt er- worbenen Sammlung eine Reihe von Stücken, von denen drei die Bezeichnung tragen: Braunkohle. Lauenburg, während bei einem vierten Stücke sich folgende Etiquette findet : „Lauenburg Braunkohle, wirkl. tertiär? Wasserniveau. Riecht torfig gleich dem oberen Lager." Später ist von Meyn's Hand hiuzugefugt worden : „ist aber von uns auch als Unterdiluvium erkannt", sowie das Wort „wirkHch" durch „scheinbar" ersetzt und 608 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 50. das Fragezeichen ausgestrichen. Ausserdem enthielt die Sammlung vier Gliischen mit Früchten von Laueuburg, von Herrn Klockniann etiquettirt, nach einer mir .'^einer Zeit von ihm zu Theil gewordenen Mittheiiung gleichfalls aus der Meyn'sclien Sammlung lierrülnend. Die Etiquetten und die Beschaffenheit der Stücke sehliessen jeden Zweifel daran aus, dass man es hier mit Resten aus dem bekannten, viel umstrittenen Torflager am Steilufer der Elbe zu thun hat. Als Herr Dr. Potonie jene angeführte, an der Her- kunft zweifelnde Notiz in seiner Naturwissenschaftlichen Wochenschrift niederschrieb, hatte er es leider versäumt, sich von den näheren Umständen zu überzeugen. Nach- dem er dies jedoch nachträglich gethan hat, erklärt er, keinen Zweifel an der Echtheit der Stücke und des Fund- ortes zu hegen." In dem Neuen Jahrbuch für Mineralogie wird nun von Hr. Nehring unterm 8. October 1895 mitgetheilt, dass nunmehr ein neuer Fund von CratopIeura-(Brasenia-)Samen aus dem Torfe von Lauenburg a. d. Elbe vorliegt. „Als ich — sagt N. — mit Herrn Dr. Kolkwitz die Funde von Klinge besprach und ihm die zahlreichen, von mir dort gesammelten Cratopleura-Samen zeigte, glaubte er sich zu erinnern, dass in einigen Torfproben, welche er ge- legentlich der von Herrn Professor Dr. Dames um Pfingsten dieses Jahres veran.stalteten Excursion aus dem bekannten Lauenburger Torflager mitgebracht hätte, dieselben Samen enthalten seien. Ich bat Herrn Dr. Koikwitz, mir die be- trefi'euden Stücke zur Untersuchung zu überlassen und konnte heute in seiner Gegenwart ohne Schwierigkeit fest- stellen, dass dieselben eine Anzahl von Cratopleura-Samen (darunter 6 wohlerhaltene) enthielten, und zwar neben zahlreichen Früchten von Carpiuus betulus. Wie Herr Dr. Kolkwitz bestimmt angiebt, hat er die betreffenden Torfstücke dem tiefsten Niveau des Lauenburger Torf- lagers entnommen." (kx). P. Die Wirkung der Saiulfiltration auf den Keim- gelialt des Was.sers und die T.yplins-Epidemie in Berlin 1SSS/S9. — Der einige Stunden anhaltende schlechte Geschmack des Leitungswassers in einigen Theilen Berlins hat im Novemljer des Jahres 1895 eine Debatte der Berliner Stadtverordneten und eine Reihe von alarmirenden Zeitungsartikeln veranlasst. Von bacte- riologisch-hygienischer Seite wurden Besorgnisse besonders nach zwei Richtungen geäussert. Vom Tegeler Wasser- werk aus, wo die Ursache der Verunreinigung schnell entdeckt und beseitigt war, könnten trotzdem gefährliche Seueheukeime bei dieser Gelegenheit mitpassirt sein. Von dem anderen Wasserwerk Berlins, am Müggelsee, könnte dieselbe Befürchtung gehegt werden, da es jedenfalls zur Zeit der Reinigung des Tegeler Werkes überan- strengt worden sei. Diese Besorgnisse waren begründet auf eine Unter- suchung des Ingenieur Piefke und des Arztes Dr. Fränkel, die im achten Band der Zeitschrift für Hygiene ver- öffentlicht ist. Sie betraf die Leistungen der Sand- filtration und war aus Anlass einer Typhus-Epidemie im Jahre 1889 unternommen, welche der damaligen Wasser- versorgung des östlichen Berlin aus der Spree bei Stralau Schuld gegeben war. Aus jener experimentellen Untersuchung gaben sie selbst ausdrücklich zu, einen Schluss auf diesen Zusammenhang nicht ziehen zu können (S. 30). Sie neigten sich dieser Annahme nur auf Grund einer Kartirung zu, nach welcher die Ver- breitung des Typhus ungefähr mit derjenigen des Stra- lauer Wassers zusammenzufallen schien. Ihr positives Ergebniss beschränkte sich darauf, dass von besonderen Bacterienarten, die in das Rohwasser ein- gesetzt wurden, bei langsamer Filtration im Reinwasser weniger vorhanden war, als bei schneller. Sie führten diese stärkeie Vernichtung besonderer Bacterien l)ei langsamer Filtration auf den Filtrationsvorgang zurück. Diese Annahme ist durch Nichts erwiesen. Vielmein- sprechen Erfahrungen, wie sie auch gelegentlich der eigenen Versuche von P. und F. gemacht und in ihren Tabellen verzeichnet sind, für den Einfluss eines ganz anderen Unistandes. In dem von einge\\'öhnteu Bacterien wimmelnden Rohwasser ist der Kampf ums Dasein für neu hineingesetzte besonders schwer. Je länger sie zum Verweilen in demselben gezwungen sind, umsomehr müssen sie von ihren Nebenbacterien decimirt werden. Bei zwei Versuchsreihen von P. und F. geschah das nicht allein ihnen, sondere allen anderen Arten. Sie wurden von einem grauen Wasserbacterium überwuchert und fast gänzlich vernichtet. Unsere neue Annahme ist zahlenmässig aus dem ge- sammten Tabellenmaterial der Filtrationsversuche zu be- weisen. Es ist dazu nur nöthig, die von Piefke und Fränkel unterlassene Summiruug der Keime aller Arten vorzunehmen, die im Reinwasser erhalten blieben. Das ist in folgender Zusammenstellung geschehen. Summe der Keime im Reinwasser p. ccm. Versuchs- reihen Filtrationsgeschwintljgkeit Bacterienzahl bei in der Stunde verlangsamter 300 mm 100 min Filtration Filter Filter la. (im Wassorwerk) A. 15.218 B. 13.643 kaum gfrinscr Ib. (im hygienischen InstitutJ. . . . A. 10.616 ß. 9.406 kaum geringer IIa. (im Wasserwerk) A. 2.989 B. 4.278 viel mehr IIb. (im liygienischen Institut). . . . A. 6.855 B. 3.232 viel weniger 300 mm 50 mm III 'a. (im Wasserwerk I A. 4.497 B. 1.441 viel weniger Ill'b. (im hygienischen Institut) .... A. 8.470 B. 1.407 viel weniger -'»0 mm 25 mm Ill-a. (im Wasserwerk) B. 3.098 A. 3.799 mehr IIPl). (im hygieni.schen Institut). . . . B. 2.554 A. 6.120 viel mehr IV. B. 4.253 A. 2.291 viel weniger. Aus der Tabelle geht hervor, dass auf den allge- meinen Keimgehalt des Reiuwassers, d. i. seinen Gesammt- gehalt an entwickeluugsfähigen Keimen von Bacterien jeder Art, Verlangsamung der Filtration den von Piefke und Fränkel behaupteten Einfluss nicht äusserte. Nur bei 4 von 9 Fällen war eine erhebliche Verminderung zu bemerken. In 2 blieben die Zahlen bei den ver- schiedenen Filtrationsgeschwindigkeiten nahezu gleich. In 3 Fällen stellte sich nach verlangsamter Filtration sogar eine wesentlich höhere Zahl ein als nach be- schleunigter. — Das Ergebniss in Bezug auf den allgemeinen Keini- gehalt ist also, dass die verschiedene Filtrationsgeschwindig- keit bei gleichmächtiger Filterschicht für die Grösse des- selben im Reinwasser ganz und gar belanglos ist. Es findet noch eine zweite Bestätigung darin, dass gerade in der wegen ihrer grossen Summenzahlen statistisch am besten geeigneten beiden ersten Versuchsreihen (la und Ib) sich nahezu dieselbe Keimzahl bei den ver- schiedenen Geschwindigkeiten einstellte, während sie bei den übrigen Versuchsreihen zwischen „viel mehr" und „viel weniger" hin- und herschwank.te. Dieselben beiden statistisch bevorzugten Versuchs- reihen lassen ein anderes Zahlenverhältniss erkennen, welches wieder mit der von uns gemachten Annahme übereinstimmt und somit als dritte statistische Probe diese bestätigt. Nr. 50. Natm'wissenschaftliche Wochenschrift. 609 1V011 Bacillus violaceus Als Lcitbacillus wählten Fiefke und Friinkel den B. violaceus, von dem „in regelmässigen Zwischeuräumeu meist alle sechs Stunden", eine beträchtliclie Cultiir (etwa lOÜ ccm verdünnter Fleisehbrülie) dem Rohwasser zuge- setzt wurde. Das Ergebniss war in Summen jeder Ver- suchsreiiie bei Filtrutionsgeschwinilit^keit :tOO mm 100 mm la. (im W;isstM-\vcrk) A. 81)4 Ki'iinc B. 3G1 Koinii Ib. (im livgii3iiischeii Institut) . . . A. 1578 „ B. 007 In jedem der beiden Versuche betrug demnach bei langsamer Filtration die Zahl der Keime im Reinwasser wenig mehr als 7.-i derjenigen nach schneller Filtration. Dieser Hruchtheil entspricht alter mit überraschender (Ge- nauigkeit dem in jenem Falle durch die Verlangsamung der Filtration bedingten fast genau dreimal längeren Aufenthalte in dem für neuhineingesetzte Bacterienarten von leliensgefährlichen Feinden überfüllten Rohwasser. Unser Ergebniss ist also, dass es ein vollkoniinener Irrthura war, aus jener experimentellen Unter- suchung über die Leistungen der Saudfiltration auf eine besonders heilsame Wirkung langsamer Filtration zu schliessen. Da mit der davon aus- gehenden praktischen Einrichtung der Filtra- tionsweise, besonders der Vorschrift der be- stimmten Grenze der Filtrationsgeschwindigkeit, von 100 mm pro Stunde, bedeutende Kosten ver- bunden sind, ist esräthlich, recht bald von jenem Irrthum zurückz ukommen. Damit erledigt sich auch die besondere Besorgnis», die an eine mittelbare Wirkung der Tegeler Kalamität 1895 durch Ueberanstrengung des anderen Wasserwerkes, am Müggelsee, geknüpft war. Es bleibt allein als besorgniss- erregendes Moment die vorübergehende Verschlechterung- des aus den Tegeler Wasserwerken bezogenen Trink- wassers selbst. Dass aber auch diese Besorgniss nicht übertrieben werden darf, das lehrt eine Diskussion der Vertheilung des Typhus 1888 9 in Berlin auf Grund neuerer boden- hygienischer Anschauungen. Von Fiefke und Fränkel konnten diese gelegentlich ihrer Untersuchung deshalb nicht in Betracht gezogen werden, weil sie als allgemein- gültig damals noch nicht vertreten wurden. Jene Autoren constatirten in Bezug auf die Typhus- Epidenue in Berlin (S. 4): „Nicht Norden und Süden, oder Centrum und Feripherie, sondern Westen und Osten Stauden sich schroff gegenüber, und in dem letztgenannten Gebiete waren gleichmässig alle Theile ergriifen, unab- hängig davon, oIj sie dem Flusslauf (sc. der Spree) näher oder entfernter lagen, hohes oder niedriges Grundwasser hatten." Sie meinten deshalb, nur darauf Bezug nehmen zu können, dass der (Jsten Berlins vorzugsweise mit til- trirtem Spreewasser von Stralau versorgt wurde (S. 30): „Im Hinblick auf die schon erwähnten epidemiologischen Thatsacheu wird man mit Recht sogar der Meinung zu- neigen, dass eine derartige Beziehung zwischen Ursache und Wirkung (sc. Stralauer Wasser und Typhus) in der That l)estandeu habe." Diese indircete Beweisführung wird durch dasErgebniss städtehygienisclier Untersuchungen durchbrochen, welche der Unterzeichnete an der Sterblichkeits- und Hoch- wasserstatistik an Strömen liegender europäischen Gross- städte angestellt hat.*) Nach diesen statistischen Unter- suchungen ist es einem Zweifel nicht mehr unterworfen, dass jede Versumpfung des Baugrundes durch Grund- wasserstau auf die Einwohnerschaft des betroffenen '') W. Krebs, Hochwasser, Grundwasserstau und Gesund- heitsverhältnisse in europäischen Grossstädten. .läger's Verlag, Frankfurt a. M. 1895. Stadtgebiets einen hygienisch ungünstigen Einfluss aus- übt und dasselbe zur Ausbildung von Seuchenherden dis- ponirt. Besondere Benachtlieiligung der nach dem Cen- trum hin gelegenen östlichen Stadttheile Berlins ist in dieser Hinsicht durch die Schleusenanlagen der Spree- arme im Herzen der Stadt gegeben. Durch sie wurde die obere Spree aufgestaut. Die an ihr gelegenen Stadttheile, gleichviel, ob auf dem rechten oder dem linken Ufer, werden jenen Nachtheil um so fühlbarer hervortreten lassen, je näher sie den stauenden Anlagen, also dem Centruni der Stadt, gelegen sind. Auch für den heutigen Stand der bodenhygienischeu Grundwasserlehre war demnach ein Unterschied erforderter Art für den Osten und Westen Berlins gegeben. Er tritt auf Karten der allgemeinen Sterblichkeit, besonders aus den Zeiten vor oder zu An- fang der Tieferlegung der Spree ebenfalls entgegen. Die Einzelheiten in der Vertheilung der Typhus- Epidemie 1888,89, wie sie die von Fiefke und Fränkel veröffentlichte Karte darstellt, lassen sich aus ihm be- friedigender erklären, als aus dem Antheil des Stralauer Wasserwerkes an der Versorgung Berlins. Wir heben besonders das Freibleiben der Friedrichstadt und nörd- lichen Rosenthaler Vorstadt hervor, im Gegensatz zu dem Auftreten von epidemischem Typhus in Alt-Berlin und Köln, obgleich erstere Stadttheile sehr wesentlich mit von Stralau, letztere vorzugsweise von Tegel aus versorgt wurden. Das Auftreten der P^pidemie in der Friedrichs-Vor- stadt südlich des Landwehrkanals, die ausschliesslich mit Tegeler Wasser versorgt war, also von Stralau her nicht angesteckt sein konnte, wird ebenfalls aus einem boden- hygienischen Grunde erklärt. Dieselbe ist die damals noch sehr mangelhafte Drainage dieses auf stark ansteigendem, theilweise aus undurchlässigem Geschiebelehm bestehenden Boden erbauten Stadttheils. Dass die östliche Louisenstadt günstiger daran war, ist umgekehrt mit ihrer besseren Drainage durch den dort verhältnissmässig niedrig gehaltenen Landwehrkanal zu begrün den. Für die besonders starke Herdbildung in König.stadt und Stralauer Viertel mögen neben dem erwähnten Stau- zustand ihrer Grundwasser näher der östlichen Spreeschleuse ebenfalls geologische Verhältnisse in Betracht kommen. Erhebliche Fartien ihres Baugrundes bestehen nach der geologischen Specialkarte aus Aljschlännnmassen, die der Natur ihrer Entstehung nach durch Abspülen von den benachbarten Erhebungen des Geschiebelehmes schon an sich stark verunreinigt sein müssen. Durch diese Antwort auf die au die „Grundwasser- fanatiker" von Fiefke und Fränkel gerichtete Frage wird also das von diesen beanspruchte Recht, sich der Meinung zuneigen, jede Typhusepidemie habe thatsächlich in Zu- sammenhang mit dem Stralauer Trinkwasser gestanden, illusorisch gemacht. Mit ihm entfällt auch der zweite Grund für die in den erwähnten Zeitungsartikeln vertretene Behauptung, aus der topographischen Vertheilung jener T y p h u s - E p i d e m i e vollständig. Der übrig bleibende Schluss, dass gelegentlich jener Epidemie bodenhygienische Gründe zum mindesten mit- gewirkt, wahrscheinlich aber den Ausschlag gegeben haben, steht in Uebereinstimmung mit dem epidemiolo- gischen Verhalten anderer Grossstädte. Berlin nimmt hierin eine Ausnahmestellung nicht ein. Das im Einzelnen nachzuweisen, an schon veröffentlichten und theilweise auch an neu aufgefundenen, bisher unbekannten j\late- rialieii der Berliner Bevölkerungsstatistik, wird Gegen- stand einer besonderen Arbeit des Unterzeichneten sein. Wilhelm Krebs. 610 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 50. Eine Feuerkugel ^ing' am Donnerstag, den 21 No- vember, Abends um 6 Ulir mitteleuropäischer Zeit an un- serem südlichen Himmel vorüber, scheinbar von Südosten nach Nordwesten. Die näheren Wahrnehmungen waren folgende: Ein heller, an das elektrische Bogenlieht erinnernder Schein machte auf das Kommen aufmerksam; gleich darauf bemerkte man einen schwebenden, kugelschwammähnlichen Feuerkern, der in llachem Bogen von kaum ö" Bahn- krümraung in unserem Horizonte empor- und niederging. Beim Vorüberziehen bemerkte man einen auf ungefähr zwei Meter zu schätzenden Feuer- und Rauchschweif in wagerechter Verlängerung der Bewegung nach rückwärts, und zwar zuerst violett, dann roth und gelb scheinend und an den Grenzen in Rauchwellen übergehend. Die verbreitete Helligkeit ül)erstieg die des Vollmondes. Wäh- rend des Vorüberfluges vernahm man dahier ein leises Brau- sen oder Zischen, an den Laut „seh" erinnernd. In ungefähr zwölf Secunden war für uns die Sichtbarkeit vorüber; wir hatten Anfangs dasdefühl, als ob „das Meteor" am Horizonte in der Nähe niedergefallen sein müsse, was wir jedoch nicht anzunehmen brauchten, da das Geräusch nicht in ein Knallen übergegangen war. Wir beiden Beobachter schätzten den Feuerball auf l.ö cm Durehmesser bei etwa 300 m scheinbarer Höhe und 45'* Bogensclieitelhöhe. Nachträgliche Erhebungen in der Umgegend und Ver- gleichuug der verschiedenen in den Localzeitungen von Strassburg (Eis.) bis Köln a. Rh. niedergelegten Artikel scheinen zu ergeben: 1. Die Feuerkugel (Bolide) bewegte sich von Süden nach Norden über die Erdoberfläche, was bei der Um- drehung der Erde wahrscheinlich eine wirkliche Bewegung von Südosten nach Nordwesten bedeutet. Sie kulminierte über die Strecke Lausanne-Saarge- münd-Köln in der Zeit von kaum einigen Minuten am 21. November, 6 Uhr Nachmittags mitteleuropäischer Zeit. 2. Die Höhe war bei Saargemünd 22 Kilometer. (22 Kilometer südlich von unserem Beobachtungsorte wurde der senkrechte Vorübergang konstatiert, während bei uns der Culminationspunkt auf 45" stand. 3. Die Grösse des Feuerballes war demnach, die optische Täuschung abgerechnet, fast 1000 m Durchmesser entsprechend. Der Schweif stellte sich im jeweiligen Be- obachtungsmomente dar als eine über 14 km lange Be- leuchtungs- und Rauchsäule. 4. In Folge der Erdbewegung wurde von allen Be- übachtungspunkten, die nicht in der Culminationslinie lagen, die Richtung der Bewegung irrig aufgefasst. 5. Nur östlich gelegene Orte liatten schon genügende Dämmerung, um die prachtvolle Erscheinung auf grössere Entfernungen (bis 1.5U km!) wahrnehmen zu können. 6. Die Geschwindigkeit war enorm gross, ungefähr zwei Meilen pro Secunde. — Wird diese Feuerkugel nun in Spiralen noch einige Tage die Erde umkreisen, um dann irgend wo in Meteore zerplatzend nieder zu gehen, oder wird sie in Folge der ungeheueren Wärmeentwickelung sich in der Atmosphäre aufreiben? Vogelgesang, Lehrer in St. Ingbert (Pfalz.) Die Witterung des Monats November im centralen Europa. — Die Witterung des November zerflel in zwei völlig verschiedene Tlieile. Während die regnerischen ersten 17 Tage des Monats einen Wärmerüekfall im gross- artigsten Stile brachten, der in Bezug auf Intensität, Dauer und Ausdehnung um diese Jahreszeit wohl einzig dasteht, brachten die beiden letzten Wochen leichten Frost und nur wenig Niederschläge. Wie noch erinnerlich sein dürfte, hatten die letzten 14 Tage des October schon einen recht winterlichen Charak- ter angenommen; zumal in Schweden undFinnland herrschte am Monatsschluss schon strenge Kälte, so war am 31. Oc- tober das Thermometer zu Arneberg (Amt Hedemarkeu) auf — 23", in Jemtland auf — 22" gesunken, während die .Schneedecke schon einen Fuss Höhe erreichte. Selbst in Südeuropa hielt der Winter bereits seinen Einzug: Madrid meldete am 31. Frost, Avila Schneefall. Am 1. November hatte sich über ganz (Jentraleuropa ein beträchtliches Hochdruckgebiet ausgebreitet, welches starke nächtliche Ausstrahlung und Andauer des Frostes erwarten Hess. Da begann das Maximum, dessen Kern Barometerhöhen von mehr als 780 mm aufwies, nach dem Südosten des Erdtheils zurückzuweichen. Südliche und westliche Winde griffen in Folge dessen Platz, die zunächst ein Anwachsen der Niederschlagsmengen, zumal in Oberitalien und der Schweiz, (Genf am 2. 51 mm Regen), dann ein starkes Emporschnellen der Temperaturen bedingten. Unwetter und Gewitter traten in den verschiedensten Gegenden auf, so besonders in Cagliari auf Sardinien am 4., in Landsberg an der Warthe am 6. Die Witterung wurde ausserdem recht stürmisch, seit am 5. ein tiefes Minimum westlich von Irland erschienen war, Karlsruhe meldete am 6. vollen Sturm aus SW., auf dem Brocken betrug das Maximum der Wind- geschwindigkeit 33 m pro Secunde. Bei andauernd stark regnerischem Wetter (Berlin am 7. 28 nmi) erreichte nun die Temperatur ungewöhnlich hohe Werthe, zumal in den österreichischen Gebieten. Auf der Wetterkarte vom 7. steht Wien mit 18" verzeichnet; es ist dies ein Werth, wie er sonst an mittelwarmen Sommer- tagen des ^Morgens herrscht. Das Temperaturmaximum überschritt am gleichen Tage in Wien, wie auch in Salz- burg und an anderen Orten 19'/2", das Tagesmittel be- trug in Wien 18,2", während der wärmste Novembertag der letzten 20 Jahre, der 12. November 1877, nur ein Mittel von 17,4" aufweist. Dieser excessive Wärmerückfall er- streckte sich über ganz Oentraleuropa, von Frankreich bis zur Türkei, von Italien bis zu den russischen Ostsee- provinzen. Die Temperaturdift'erenz zwischen Haparanda und Wien betrug am Morgen des 7. nicht weniger als 28 Grad. Am 10. erschien ein neues, sehr tiefes Mininnun auf dem Oeean, das am 11., unter 720 mm tief, iiei den Shet- lands lag und für die britischen Inseln einen sehr schweren Sturm herbeiführte, den stärksten, der in diesem Herbst bisher dort zur Beobachtung gelangte. In Centraleuropa fiel von Neuem bei sehr niedrigem Barometerstand und an- dauernd warmer Witterung vielfach starker Regen, (am 12. zu Kaiserslautern 31, zu Karlsruhe 33 mm, am 13. zu Zürich 37, zu Abbazia 47 mm.) Durch die unaufhörlichen Niederschläge kam es im Gebiet der Ruhr, Saar, Mosel und Rhone zu nicht unbedeutenden Hochwassern, bei Metz erreichte die Mosel ihren höchsten Stand seit 12 Jahren. Im Laufe des 13. verlegte sich das Maximum nach der Alpengegend, wodurch auf der Adria am 14. eine heftige Bora liervorgerufen wurde, doch zog es sich vor dem Andrang eines neuen oceanischen Minimums wieder nach der russischen Grenze zurück; in der Nacht vom 14. auf den 15. wurde in Petersburg durch die Wassermassen der Ostsee, welche durch den Bottnischen Busen gegen die Küste geschleudert wurden, ein plötzlich einbrechendes und recht bedeutendes Hochwasser veranlasst, welches an Höhe nur um Vii Fuss dem von 1873 nachstand. Die warme Witterung blieb noch bis zum 17. bestehen, und da gleichzeitig die Tendenz zu Regeni'ällen nachliess, brachten der 16. und 17. in manchen Theilen Deutschlands eine Witterung, deren sieh kein Maitag hätte zu schämen brauchen. Am 18. jedoch gelang es dem hohen Druck, sich Nr. 50. Naturwissciispliaftlielie Wochenschrift. 611 über ganz Central- und Hüdeuropa auszubreiten, daher bracii iin diesem Taf^e die reg^nerisciie, ungewöhnlich warme l'eriode der Witterung- sehr plötzlich ab. Am 19. trat noch naciiträglieh in der Elbe und Moldau lioch- wa.sser ein, am 18. eine heftige Stuinitluth in Hüd-Xorwegen. In der Nacht zum 19. erfolgte ein Temperatursturz über Xorddeutschland; gleiclizeitig breitete sich eine Nebeldecke aus, die au Dichte derjenigen vom 9. Dezember des Vor- jahres wohl kaum nachstand und jede Temperaturcrhöiiung durch Sonnenstrahlung unterdrückte. Schon am 20. trat in Nord- und Mitteldeutschland, am 22. in ganz Deutsch- land Nachtfrost ein, nachdem der höchste Druck, welcher 780 mm überstieg, sich nach Finnland verlegt hatte, so dass er uns nun kalte Ostwinde zuführte. Über Irland bildete sich gleichfalls eine Anticykloue aus. Zwischen beide Maxinia schob sich jedoch am 22. und 23. ein Minimum, das trotz seiner geringen Tiefe das westliche Deutschland mit Sehneefällen überschüttete, so dass Wilhelnishat'en am 20. s( hon eine Schneehöhe von 8 cm melden konnte. Be- sonders heftig traten gleichzeitig Schneetreiben in Ru- mänien und Ungarn auf. Das westliche Maximum gewann die Oberhand und breitete sich weiter nach dem Osten aus. Die dadurch ver- anlassten nordöstlichen Winde wurden auf der Nordsee ziemlieh stürmisch und verbreiteten das Frostwetter weit nach dem Süden. In Norditalien, das unter dem Eintluss einer über Sardinien lagernden Depression stand, traten Schneefälle ein, wie sie für diese Jahreszeit dort durchaus aussergewöhnlich sind; bei Turin »oll der Schnee 60 cm, bei Cuneo über 1 m hoch gelegen haben. Ein ungemein starker Temiieratursturz erfolgte gleichzeitig in Haparanda: am Morgen des 25. meldete es -f- 2" bei WNW-Wind, 24 Stunden später Windstille und — 19°. Ein Minimum, das am 26. und 27. vom nördlichen Nor- wegen nach Moskau zog, Hess die Winde auf der Ostsee stark auffrischen, gewann aber sonst wenig Einfluss. Am 28 schien Tauwetter eintreten zu wollen, doch erneutes .\ufklaren Hess die Temperatur von Neuem sinken und tiefer als zuvor, so dass der 30. der kälteste Tag des Monats war, welcher vielfach Temperaturen unter 10" brachte. Die Gesammtwitterung des November schloss sich in ihrer Abnormität würdig an die ungewöhnliche Witterung der beiden Vormonate an. Nach dem fast beispiellos warmen und trockenen September und dem recht kalten Oetober sind abermals zwei Witterungsperioden von aus- geprägtester Eig nart gefolgt, welche sieh aber in ihrem Einfluss auf die Mittcltemperatur des Monats entgegen- wirkten. Jedenfalls ist in diesem Jahr nach den voraus- gegangenen Abnormitäten weniger denn je ein Urtheil über die Witterung des konmieuden Winters möglieh, und alle Vermutliungen darüber sind leere Phantasien. H. Abgelehnt hat: Der Professor der Staatswissenschaften im der landwirthschaftliehen Hochschule zu Berlin Dr. Sering einen Ruf als Direktor der huidwirthschaftlichen Akademie in I'oppelsdorf. Es starb: Der Ornithologe Henry Seebolim in London. Aus dem wissenschaftlichen Leben. l'.nKinnt \vurd<'n: Der i'rivatdoi-ent der Frauenheilkunde in Berlin Dr. Alfred Dührssen zum au.sserordentlichen Professor; der Privatdocent der Meteorologie an der böhmischen Universität Prag Gymnasialprofessor Dr. Augustin zum ausserordentlichen Professor; der Bihliothekar an der hessischen Landesbibliothek in Wiesbaden Dr. Franke zum Oberbibliothekar: an der Wiener Hofbibliüthek Custos Chmelacz zum l. Custos, Skriptor Gött- mann zum Custos, ilie wissenschaftlichen Hilfsarbeiter Dr. Dou- blier und Dr. Mantuani zu Amauuenses. L i 1 1 e r a t u r. P. Polis, Vorstand der meteorologischen Station Aachen. Das Klima von Marienbad. \'erlag von Otto Midier, Aachen 18'J.J. Das Klima des beliebten Badeortes ist nach den Beobachtun- gen der Jahre 1S(J7, 1868, 1884 bis 18;i3, theilweise auch 1S29 be- arbeitet und in übersichtliche Tabellen gebracht. Auch ein Be- richt über Temperaturmessungen der dortigen Quellen ist bei- gegeben. H. Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft bei ihrer Versannnlung zu Schaft'Iiausciu den 30. und 31. .luli und 1. August 1891. 77. Jahresversammlung. Jahres- bericht !S;t3— 94, Schatfhausen 1894. — Die Eröffnungsrede des Jahrespräsidenten Prof. Meister beschäftigt sich mit dem Schatf- hauser Diluvium, die darauf folgenden Protokolle enthalten eine grössere Zahl kleinerer wissenschaftlicher Mittheilungen und den Schluss bilden Berichte verschiedener Comaiissionen , Nekro- loge u. s. w. Bi'igegeben ist dem Bande ein gutes Bildniss des Chemikers und Nekrologen Charles Marignae. Briefkasten. Hrn- H. — Die eingesandten ICiefernzweige sind durch den sogenannten i.Waldgärtner' (Hylesinus piniperda L.) zum Abbruch gekommen. Nach Mittheilung von Dr. Eckstein ist auch neuer- dings H. minor Htg. als Ursache dieser Form von Beschädigungen nachgewiesen worden. Die jungen Käfer der diesjährigen Brut fliegen im Juni und Juli nach den Wipfeln der Kiefer und bohren sieh in Triebe ein. Dabei können zwei Fälle vorkommen: 1. Die Käfer finden noch junge, krautartige, unentwickelte Triebe. In die.sem Falle bohrt .sich der Käfer in die vorjährigen Triebe ein und höhlt dieselben aus. In Folge dessen vertrocknen die neuen Triebe und fallen alle ab oder einer derselben erholt sich wieder. Zwischen Nadeln treiben neue Knospen. 2. Der Käfer findet bei seinem Anfluge die jungen Triebe bereits erstarkt. Dann bohrt er sich in diese und höhlt sie ent- weder nahe der Knospe oder an der Basis aus; nebenbei geht er auch in die vorjäln-igen und höhlt sie aus Es stirbt aber in diesem Falle nichts ab. Zur Zeit der Herbststürme jedoch kann der ausgehöhlte Zweig die Last der Nadeln nicht tragen und bricht bald am Anfang, bald am Ende des Bohrgangs ab, wie dies im vorliegenden Falle geschehen ist. Die abgebrochenen, ml'un(5cn. = PATENTBUREAU airich 1^. ^laerz Berlin NW., Luisenstr. 22: — Gegründet 1878. " Patent- Marken- u. Musterschutz für atle Länder. Sammlungs-Schränke für Sammlungen jeder Art in Jen verschiedensten Ausführungen. Rudolph Zwach Tisehh^rmeister. BERLIN, Invalidenstrasse lOL Lieferant der König]. Berg-Aku- demie, Landwirthschaftl. Hoch- schule und Museum für Natur- kunde. Hempel's Klassiker-Ausgaben. Aiisfübrl. Specialverzeiclini.^se gratis. Ferd. Dümmlers VerlagsbuchbandL ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦^♦♦♦♦♦♦♦♦^•♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦* : Dr. Robert Muencke | X Luisenstr. 58. BERLIN NW. 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Bernstein, Berlin SW. 12. -^.J^^ PorKboDf »ofgiebl ui waUiun- r*A«D(]en Idaeo Dod »n Uckeo- dcn Gabüd«) tat f^maUä*. wtrtj Ihr FFlcbllcb enstil durch 4»n Ziabor dT Wlrtllchkett, dn Ihn Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. X. Band. Sonntai;, den 22. December 1895. Nr. 51. Abonnement : Mau abounirt bei allen BuchhandUing;eD und Poat- anstalten. wie bei der Kxpedition. Der Vierteljahrspreis ist M *.— BriuKeKeld bei der Post 15 -4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4732. i Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 .A, Grössere Aufträge ent- sprecheuden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdrnck ist nur mit vollständiger Qaellenangabe gestattet. Ueber eine beim Aufbau des absoluten Maass- Systems begangene Inconsequenz. Von Professor Herrn. Schubert in Hamburg. Länge, Zeit und Masse sind die drei Grössen, aus denen das absolute Maass-System der Physik, der Dimension nacii, alle sonstigen physikalischen Grössen zusammensetzt. Als Einheiten hat man dabei beziehungs- weise das Centimeter, die Secunde und die normale Grammmasse gewählt. Demgemäss wird die Dimension jeder physikalischen Grösse ein Produet von Potenzen der Buchstaben l, t, m, wo l Länge, t Zeit, m Masse be- deuten soll. Da der reciproke Werth einer Potenz gleich derjenigen Potenz ist, die dieselbe Basis, aber den ent- sprechenden negativen Exponenten hat, so treten als Exponenten jener Potenzen auch negative Zahlen auf, wie z. B. bei der „Beschleunigung", deren Dimension l • <"- ist. Hiergegen wird sich der gesunde Menschen- verstand nicht sträuben können, da ja mit Hilfe eines Bruchstrichs jeder negative Exponent entfernt werden kann, indem z. B. l • f"' nur eine andere Schreibweise für -7^ ist. Aber seit Einführung der magnetischen, elektro- magnetischen und elektrostatischen Maasse enthalten die Dimensions-Symbole auch gebrochene Exponenten. Bei- spielsweise ist das Volt von der Dimension itr l' f, das Ampere von der Dimension ni- l- t~^. Wenn der gesunde Menschenverstand sich gegen m^, d. h. Quadrat- wurzel au.s Masse, oder gegen F, d. h. Quadratwurzel aus der dritten Potenz der Länge, sträubt, so kann mau ihm das wirklich nicht übel nehmen. Schon als das absolute Maass-System eingeführt wurde, erkannte der Verfasser, dass diese Missgeburten der Physik ihren Ursprung der Inconsequenz verdanken, die man begeht, wenn man beim (Newton'schen) Gesetze der Massen- Anziehung den Propor- tionalitätsfactor (Gravitations-Gonstante) nicht gleich 1 setzt, bei den Gesetzen der magnetischen und der elektrostatischen Anziehung aber doch gleich 1 setzt. Der Verfasser äusserte damals seine Bedenken gegen die magnetischen und elektrischen Dimensionen nur mündlieh, seinen physikalischen Freunden gegenüber; nur mündlich, erstens, weil ihm der consequente Aufbau der physikali- schen Dimensionen als etwas Selbstverständliches erschien, zweitens, weil es schliesslich von geringer Bedeutung ist, ob man eine Dimension so oder so schreibt, wenn die Forschung darunter nicht leidet. Kürzlich jedoch erfuhr der Verfasser, dass auch Physiker*) schon die Frage eines besseren Dimensions-Systems gestreift hätten, ohne jedoch dasselbe vollständig aufzustellen. Hierdurch er- muthigt, legt der Verfasser nunmehr im Folgenden den- jenigen Aufbau der physikalischen Dimensionen vor, der nach seiner Meinung der einzig consequente ist. Dabei denkt der Verfasser keineswegs an irgend- welche Aenderung des bestehenden Maass- Systems. Es kommt ihm vielmehr nur darauf an, zu zeigen, dass ein naturgemässer Aufbau eines Maass-Systems nicht zu complieirt zusammenge- setzten Dimensions-Symbolen, wie irr P t ', son- dern zu äusserst einfachen Symbolen führt. In der Physik leitet man jede neue Grösse aus einer, zwei oder mehr anderen, schon als bekannt und gebräuchlich vorausgesetzten Grössen dadurch ab, dass man von vornherein in die Definition der neuen Grösse hineinlegt, dass sie jeder der bekannten Grössen direct oder umgekehrt proportionaf sein soll. Dabei ist dann zweierlei möglich, entweder die Erscheinungen gestatten, dass man den Proportionalitätsfactor ganz fortlässt, oder sie gestatten dies nicht. Im letzteren Falle ist man ge- nöthigt, diesen Factor auch als eine physikalische Grösse aufzufassen und demgemäss ihm eine Dimension zu ertheilen. Ein Beispiel wird dies ver- *) Helmholtz in Wiedemann's Annalen Bd. 17, S. 44, und Volckmann in Wiedemann's Auualen, Bd. IG, S. 481 bis 487. Das Princip, auf dem der Aufbau von Maass-Systemen beruht, wendet auf iiiagnetische Kräfte schon Gauss an, und zwar in seinen „Res. aus d. Beob. d. niagnet. Vereins 1839". 614 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. Nr. 51. deutlichen. Nachdem in der Elektrieitätstheorie die Stromstärke .? und die elektrische Spannung d definirt sind, legt man in die Definition des elektrischen Wider- standes tu den Umstand hinein, dass er bei Gleichbleiben der Stromstärke der Spannung proportional sein soll, und dass er bei gleichbleibender Spannung der Stromstärke umgekehrt proportional sein soll. Hiernach sind wir be- rechtigt, entweder w = — = rf . s " ^ oder w = f s s f-d-s-^ zu setzen, wo /'ein Propoi'tionalitätsfaclor ist. Wir dürfen uns für das erste entscheiden, weil alle Erscheinungen mit der dadurch hervorgerufenen Definition des Wider- standes verträglieh sind. Andererseits erkennen wir, dass der so definirte elektrische Widerstand eines Leitungs- drahtes proportional seiner Länge l und umgekehrt pro- portional seinem Querschnitt q ist. Demgemäss muss richtig sein : MI = — ^ Z • rt ~ ' oder ir = f = f.l . q~'^, q ' q ' ^ Hier sind wir nun aber gezwungen, die zweite Gleichung zu nehmen, weil verschiedene Stoife trotz gleicher Länge und gleichem Querschnitt verschiedene Widerstände im Sinne vonM' = (7-s~^ zeigen. Wir dürfen also nur tv = f.l.q-'^ setzen, und führen dadurch in dem Buchstaben /' eine neue physikalische Grösse ein, nämlich den speci fischen Leitungswiderstand. Dieses Beispiel wird zunächst genügen, um die Bedeutung des Proportionalitätsfactors klarzustellen. Wir beginnen nun mit dem Aufbau der Dimensionen der physikalischen Grössen. Da Raum und Zeit apriorische Begriffe sind, so ist es natürlich, dass wir nicht Strecke l und Zeit t durch andere Grössen, sondern umgekehrt die letzteren durch Strecke und Zeit auszudrücken ver- suchen. Als Einheit der Strecke nehmen wir das Centi- meter, als Einheit der Zeit die Secunde, ganz dem Usus entsprechend. Aus beiden geht zunächst die Ge- schwindigkeit V hervor. Da noch kein Grund vor- handen ist, den Proportionalitätsfactor nicht fortzulassen, so erhalten wir als Dimension der Geschwindigkeit: v = l-t -1 Der Anblick der Bewegungen mit nicht constanter Geschwindigkeit führt uns dann weiter zum Begriff" der Beschleunigung h, d. h. des in liestimmter Zeit gewon- nenen Zuwachses an Geschwindigkeit. Da auch hier der Proportionalitätsfactor fortgelassen werden darf, so ergiebt sich für die Dimension der Beschleunigung: b = v:t = l-t~'\ Die eingeführten Grössen Strecke, Zeit, Geschwindig- keit und Beschleunigung reichen aus, um die Bewegung von Punkten zu studiren. Nun besteht aber die Weit nicht aus Punkten, sondern aus Stoff, Substanz oder Masse m. Wie haben wir nun die Masse zu messen? Wir beo])achten, dass die Masse eines Körpers proportional seinem Volumen, d. h. einer Grösse sein kann, deren Dimension P ist. Wir können daher ansetzen: m ■ f-l'. Hier darf aber der Proportionalitätsfactor nicht fort- gelassen werden, weil im Allgemeinen nicht irgendwelche zwei Massen sich wie ihre Volumina verhalten. Der Proportionalitätsfactor führt uns also hier zu einer neuen physikalischen Grösse, der Dichtigkeit. Deshalb war die Gleichung m^f-V^ ungeeignet, die Dimension der Masse zu bestimmen. Wir würden nun genöthigt sein, die Masse als eine dritte grundlegende Grösse, wie Strecke und Zeit, betrachten zu müssen, wenn wir keine Eigenschaft der Masse kennten, die allein von Strecke und Zeit abhinge. Eine solche Eigenschaft kennen wir aber. Denn jede Masse bewirkt Bewegungen, die auf sie zu gerichtet sind, und die unabhängig davon sind, was in Bewegung gesetzt wird. Wir wissen ferner, dass dieselbe Masse bei derselben Entfernung dessen, was be- wegt wird, immer dieselbe Beschleunigung hervorruft, dass aber die letztere im umgekehrten quadratischen Ver- hältniss der Entfernung abnimmt. Dies berechtigt uns, die Masse sowohl proportional der von ihr verursachten Beschleunigung, als auch proportional dem Quadrate der Entfernung dessen zu setzen, was bewegt wird. Da die erwähnte Eigenschaft allen Massen in gleicher Weise zu- kommt, so ist kein (irund vorhanden, den Proportionalitäts- factor nicht fortzulassen. Wir definiren also die Masse durch die Gleichung: m - i.r^ = f. t-\ r^ = f.h~' kt wo /; die verursachte Beschleunigung, r die Entfernung bedeutete, in der diese Beschleunigung bewirkt wurde. Hier nun ist die Stelle, wo das soeben aufgebaute Maass-System von dem sogenannten absoluten Maass- System abweicht. Bei letzterem betrachtet man die Masse als dritte grundlegende Grösse, wodurch beim An- setzen der Eigenschaft der Masse, in jeder Entfernung Beschleunigungen hervorzurufen, es nöthig wird, den Pro- portionalitätsfactor /' beizubehalten, und ihm eine be- stimmte Dimension beizulegen. Da nämlich beim absoluten Maass-System m = f ■ so bekommt f die Dimension ml~^t^. Man hat f~^ Gravitationsconstante genannt. Die Inconsequenz, die im Aufbau des absoluten Maass-Systems liegt, besteht nun darin, dass man bei den Bewegungen, die durch magneti- sche oder elektrostatische Anziehung bewirkt werden, den Proportionalitätsfactor fortlässt, während man ihn bei der Gravitation unnöthiger Weise beibehält. Dadurch kommt es, dass man das Product zweier magnetischer bezw. elektrischer Mengen gleich in ■ff' setzen muss, wo- durch die Dimension einer magnetischen bezw. elektri- sehen Menge Quadratwurzel aus tnl t oder m- V' t werden muss. Indem wir die gerügte Inconsequenz nicht begehen, sondern immer, wo die Erscheinungen es gestatten, den Proportionalitätsfactor fortlassen, erhalten wir, dass die Dimension der Masse m aliein von den beiden apriorischen Grössen Strecke l und Zeit t abhängt. Da wir als Ein- heit der Strecke das Centimeter, als Einheit der Zeit die Secunde eingeführt haben, so haben wir folgerichtig als Einheit der Geschwindigkeit diejenige festzusetzen, bei welcher 1 Centimeter in 1 Secunde zurückgelegt wird, und als Einheit der Picschleunigung diejenige, bei welcher in der Zeiteinheit eine Zunahme der Geschwindigkeit um die Geschwindigkeits - Einheit stattfindet. Demgemäss haben wir nun auch als Massen-Einheit diejenige Masse zu betrachten, welche in der Entfernung von 1 Centimeter die Einheit der Beschleuni- gung hervorruft. Hieraus folgt z. B., dass die Masse der Erde r^ • g Massen-Einheiten betragen muss, wo r angiebt, wieviel Centimeter ihr Radius beträgt und (j angiebt, wieviel Beschleunigungs - Einheiten die Be- schleunigung des freien Falls an der Erdoberfläche be- trägt. Bisher haben wir den Begriff" der Kraft noch nicht Nr. öl. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 615 ^'ebrauelit. Derselbe wiirc auch ^ar nicht nöthig, wenn die Massen-Anziehung: die einzige Ursache von Hewegungen wäre. Da wir aber noch andere Ursachen kennen, so haben wir den Begritl' der Kraft k cinzuftiliren. Wir legen in die Dctinition derselben hinein, dass die einer- seits proportional der von ihr in Bewe,!;un.i;- gesetzten Masse, andererseits auch proportional der dieser Masse ertheilteu Beschlcuuigung sein solle. Also ist die Dimen- sion der Kraft k = ni.h=^ft-''-ir- = lH-\ In der Detinition der Arbeit a liegt, dass sie so- wohl proportional der dabei wirksamen Kraft, wie auch proportional dem Wege ist, auf dem sie wirkt. Also ist die Dimensiou der Arbeit In der Detinition des Effects c liegt, dass derselbe sowohl direct proportional der geleisteten Arbeit, wie auch umgekehrt proportional der dazu verbrauchten Zeit sein soll. Also ist die Dimension des Effects Die nunmehr gewonnenen Dimensionen der mecha- nisclien Grössen stellen wir noch einmal tabellarisch zu- sammen, und zwar, da l immer einen positiven Ex- l)onenten, t einen negativen Exponenten bekommen hat, nicht allein mit Benutzung von / und t, sondern auch von l und v, wo l Lange, t Zeit, v Geschwindigkeit be- deutet: Masse m^l'' • t " = v" ■ l, Kraft k = l^ -r^ =v^, Arbeit a = l^ ■ t~^ =v^ ■ l, Eifect e = f-r:'=v^. So wird also die Dimension der Kraft einfach die vierte, die des Etfects die fünfte Potenz der Dimension der Geschwindigkeit r. Wenn wir nun noch zeigen, dass die Dimensionen der elektrischen Stromstärke und Span- nung die zweite bezw. dritte Potenz von v werden, so wird Jeder zugeben, dass der consequente Aufbau der Dimensionen der physikalischen Grössen zu äusserst ein- fachen und leicht zu belialtenden Symbolen führt. Da einerseits ein Magnet, andererseits auch ein elektrisch geladener Körper Anziehungswirkungen ausübt, die im umgekehrt quadratischen Verhältniss der Ent- fernung stehen, so ist von vorherein klar, dass die mag- netische Menge oder Polstärke ebenso wie die elek- trische Menge keine andere Dimension haben können, als die Masse, also ft~'^ oder r^I. Was die Stromstärke s nach elektromagnetischem Maasse angeht, so wird sie durch die Wirkung definirt, die sie auf einen Magneten ausübt, den sie umkreist. Sie muss daher proportional der hervorgerufenen Kraft und dem Quadrat des Radius des Bogeus sein, indem sich der Strom bewegt, aber umgekehrt proportional sowohl der Länge dieses Bogens wie auch der im Centrum thätigen magnetischen Menge. Also ist die Dimension der Stromstärke _k_^_v^-l^ _ , Die elektrische S|)annung d setzt man propor- tional der in gewisser Zeit produzirten Wärmemenge, d. h. dem verursachten Etfecte und umgekehrt proportional der Stromstärke. Also ergiebt sich die Dimension der elektrischen Spannung p ^e: s = v'' : v' ■ v\ Für die Dimension des elektrischen Wider- standes ir, den man proportional der Spannung und umgekehrt proportional der Stromstärke setzt, erhält man: also die Dimension der Geschwindigkeit. Wir haben hiernach als Resultat erhalten, dass die Dimensionen des elektrischen Wider- standes, der Stromstärke, der Spannung, der Kraft und des Effectes durch die erste, zweite, dritte, vierte und fünfte Potenz der Dimension der Geschwindigkeit dargestellt werden. Ins- besondere erkennt man jetzt deutlich, dass mechanische und elektrische Eft'ecte sich dadurch unterscheiden, dass r" bei den ersteren in v* mal v, (Kraft mal Geschwindig- keit) bei den letzteren in v^ mal v" (Volt mal Ampere) zerlegt wird. Es bleibt noch übrig, die Einheiten, die sich aus den soeben entwickelten Dimensionen ergeben, wenn ^^ICenti- meter, t = 1 Secunde gesetzt wird, mit den üblichen Ein- heiten zu vergleichen. Dazu ist nur nöthig, zu berechnen, wieviel Gramm-Massen die Masseneinheit unseres Centimeter- Secunden - Systems enthält. Schon oben ist berechnet, dass die' Erde r-f/ Massen-Einheiten enthält, wenn r ihr Radius in Centimetern ist und wenn (/ angiebt, wieviel Beschleunigungseinheiten die Beschleu- nigung des freien Falls an der Erdoberfläche beträgt. Ist also E die uns näherungsweise bekannte Zahl, welche angiebt, aus wieviel Gramm-Massen die Masse der Erde besteht, so drückt -0— aus, wieviel Gramm-Massen >' 9 unsere Massen-Einheit enthält. Freilich sind die Zahlen r und r/ keine festen Zahlen und E kann nur näherungs- weise berechnet werden. Trotzdem aber ergiebt sich, dass die wahre Zahl der Gramm-Massen, die unsere Massen- Einheit enthält, von 15,2 Millionen so wenig abweicht, dass die erste Decimalstelle 2 nach 15 durchaus richtig ist. Hiernach hat man also in einer Masse, die au der Erdoberfläche 15,2 Tons*) wiegt, die Massen- Einheit unseres Centimeter-Secunden-Systems zu sehen, d. h. eine solche Masse, in einem Punkte vereinigt ge- dacht, würde in 1 Centimeter Entfernung eine Be- schleunigung von 1 Centimeter pro Secunde hervorrufen. Um nun auch die Krafteinheit numerisch in Gramm auszudrücken, beachten wir, dass sie im Stande sein soll, der Jlassen-Einheit die Beschleunigungseinhcit zu ertheilen. Wir wissen aber, dass die Kraft, die wir an der Erdoberfläciie 1 Gramm nennen, der Masse, die in 1 Gramm steckt, die Beschleunigung von // Centimetern' ertheilt. Um also der Masse, die in der Massen-Einheit (gleich 15,2.10'' Gramm) steckt, die Beschleunigungs- Einheit zu ertheilen, ist eine Kraft von (15,2-10'* : g) Gramm erforderlich. Dies ergiebt 15,5 • 10'' Gramm. Wir haben also in 15,5 Kilogramm oder 31 Pfund die Krafteinheit im Centimeter - Secunden - System zu sehen. Demnach müsste also durch zwei in je einem Punkte concentrirt gedachte Massen von je 15,2 Tons eine Kraft von 15,5 Kilogramm erzeugt werden, falls die beiden Punkte ein Centimeter Entfernung haben. Hieraus berechnet sich die Einheit der Arbeit zu 15,2-10'^ Erg oder 1,52 Joule, die Einheit des Effects zu 1,52 Watts oder 0,002 Pferdekraft, die Einheit der Stromstärke zu 39 000 Ampere, die Einheit der elek- trischen Spannung zu 0,000039 Volt, wobei jede Einheit im reinen Centimeter-Seeundensystem gedachtist. Die beiden letztgenannten Zahlen entstehen, wenn man erstens beach- *) Diese Zahl erwähnt auch Volckmann in dem citirten Auf- satze (Wiedemann's Ann., Brl. 16, S. 484). 616 Natnrwissenschaftlichc Wochenschrift. Nr. 51. tet, dass liier die alten Eiulieiten mit Vl5,2-10'' = 3,9-10-' zu multipliziren sind, um die neuen Einheiten zu liefern, zweitens beachtet, dass das Ampere als der zehnte Theil der alten Stromstärke-Einheit, das Volt als das 10^ fache der alten Einheit der elektrischen Spannung festge- setzt ist. Da die Dimensionen von fiuif der wichtigsten physi- kalischen Grössen sich als die ersten fünf Potenzen der Geschwindigkeit darstellen, so liegt es nahe, als eine der beiden Grundeinheiten die Geschwindigkeit zu wählen. Dann aber ist die Möglichkeit vorhanden, eine Einheit festzusetzen, welche, unabhängig von der Erdform und der Erd-Rotation, nicht allein, wie das Centimeter und die Secunde, international, sondern sogar universell ist, und das ist die Geschwindigkeit der Wellen- bewegung des Aethers, die uns, je nachdem die Länge der Wellen sehr klein oder sehr gross ist, als Geschwindigkeit des Lichtes oder der Elektricität wahr- nehmbar wird. Diesen Gedanken spricht auch Helmholtz (in Wiedem. Ann. Bd. 17, S. 44) aus, und zwar im Zu- sammenhang mit kurzen Andeutungen über ein nur auf zwei Einheiten basirtcs Maass-System, das, wie er sagt, „vielleicht in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird, wenn es gelungen sein wird, genauere Bestimmungen der Gravitationskraft auszuführen." Als zweite grund- legende Grösse könnte, wie Helmholtz meint, die absolute Dichtigkeit genommen werden. In der Tliat hängt dic- sell)e nur von der Zeit ab, da ihre Dimension m ff. P ■ f wird. Als Dichtigkeits - P^inheit würde man, wie bisher, die Dichtigkeit des Wassers nehmen können. Am Schlüsse dieser kleinen, weniger für Physiker als für Laien bestimmten Arbeit möchte der Verfasser noch einmal betonen, dass der Zweck derselben erreicht ist, wenn der Leser sich überzeugt hat, erstens, dass die ge- brochenen Exponenten in den Dimensionen magnetischer und elektrischer Grössen keineswegs auf Naturerschei- nungen beruhen, sondern nur die Folge davon sind, dass man bei Anwendung des Newton'schen Gesetzes auf magnetische und elektrische Anziehungen den Proportiouali- tätsfactor fortlässt, bei seiner Anwendung auf Massen- Anziehung aber nicht; zweitens, dass bei Vermeidung der Inconsequenz, sich die Dimensionen der physi- kalischen Grössen äusserst einfach gestalten, indem ins- besondere die Dimensionen von Stromstärke, elektrischer Spannung, Kraft, Effect als die zweite, dritte, vierte und fünfte Potenz der Dimension der Geschwindigkeit erscheinen. 67. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte in Lübeck vom IG.— 21. September 189.5. III. Bernhard Riedel: Ueber Operationen im Gehirn. — Sie kennen alle das Gehirn unserer grossen Schlachtthiere, z. B. das Gehirn des Kalbes. Es hat ziemlich viel Aehnlichkeit in Betreff seiner Substanz mit dem des Menschen. Es ist weich, teigig, weil sich darin ausserordentlich wenig Bindegewebe befindet. Daher rührt die Weichheit. Diese weiche Masse umschliesst sehr complicirte Hohlräume, die sogenannten Ventrikel. Bekleidet ist das Gehirn mit einer Membran, der soge- nannten weichen Hirnhaut. An der Oberfläche hat das Gehirn eine grössere Menge von Wülsten; dazwischen liegen entsprechende Furchen. Diese ganze weiche Masse mit den Hohlräumen in ihrem Innern, den Ventrikeln, ist eingeschlossen in den knöchernen Schädel, der an seiner Innenwand fest anliegend eine Knochenhaut, die Dura mater, hat. Diese harte Hirnhaut bekommt beson- ders von der Seite her ein grosses Blutgefäss, das von dem Ohr zum Schädel hinaufzieht, die sogenannte Arteria meningea media, die wichtigste Arterie der harten Hirn- haut. Das Gewicht des Gehirns vom Manne beträgt gegen 1500 Grm., also 3 Pfund, das der Frau wiegt un- gefähr 200 Grm. weniger. Das Gehirn ist keine gleichmässige und gleich- werthige Masse wie die Lunge und Leber, sondern es besteht aus lauter einzelnen Centralstationen mit einer ganz bestimmten Function. Man hat schon längst die- jenigen Centralstationen gekannt, die in der Tiefe des Gehirns liegen und für den Organisnnis durchaus die wichtigsten sind: die Centralstationen für die Athmungs- organe, für die Herzbewegungen u. s. w. Erst in neuerer Zeit war es Frifsch und Hitzig vorbehalten, nachzuweisen, dass auch die Gehirnoberfläche, die bis dahin so im All- gemeinen als der Sitz des Verstandes angesehen wurde, aus lauter einzelnen Centralstationen besteht mit einer ganz bestimmten Function. Sieht man die Oberfläche des Gehirns von der Seite an, so lässt sich in betreff der Functionen erkennen, dass die Gehirnoberfläche in zwei Abtheilungen zerfallt. Die eine, die vordere Abtheilung, enthält die Centralstationen für die Bewegung, die Moti- lität; die dahinter resp. darunter gelegene Partie enthält die Centralstationen für die Sensibilität incl. der Organe des Gesichts, Gehörs u. s. w. Um sich über die Grenzen an der Oberfläche des Gehirns zu orientiren, ist es nothwendig, sich mit einigen wenigen Furchen bekannt zu machen. Wir haben an der Oberfläche des Gehirns, von der Mittellinie an herunter- kommend, eine Furche, die sogenannte Centralfurche oder Rolando'sche Furche, deren Anfang auch von aussen sehr gut zu bestimmen ist. Nehmen Sie ein huuderttheiliges Maass, legen Sie dasselbe von der Stirn über den Kopf bis zum Hinterhauptsliöcker, so finden sie auf Nummer 53 die Stelle, wo die Centralfurche in der Mitte oben ent- springt, also etwas hinter der Mitte der Linie. Sie läuft dann etwas nach vorn seitlich herunter, so dass Sie, wenn Sie das vordere untere Ende dieser Centralfurche bestimmen wollen, dann wieder das Maass vom Hinter- haupt zur Stirn legend, finden werden, dass bei Nummer 42, von vorn an gerechnet, die Centralfurche gerade genau die Schläfe schneidet. Die zweite grosse Furche, mit der wir uns zu be- schäftigen haben, ist die sogenannte Sylvi'sche Furche. Sie theilt den oberhalb des Oln-s gelegenen sogenannten Schläfenlappen ab von dem übrigen Gehirn. Die Stelle, wo diese Furche den vorderen Ast nach oben, den Haupt- ast nach hinten abgiebt, liegt ungefähr 2 cm oberhalb der Mitte des Jochbogens. Diese Centralstationen entsprechen also innner be- stimmten Theilen des Körpers. Ein motorisches Centrum im Gehirn hat eine entsprechende Leistung, es hat einen Theil des Körpers zu regieren. Nun ist die Sache aller- dings nicht so einfach, dass entsprechend einem meinet- wegen auf der rechten Seite gelegenen Centrum auch rechterseits der Körper regiert wird, sondern die Leitung Nr. 51. Natiirwis8eü.schaftliclie Wochenschrift. 617 ist eine erhehlicli complicirtero. Die Leituug geht (lurcli das (Jeliirn liiiulurcli, si>riiigt hier zum grüssten Theil über auf die audere Kiirperseite (es ist dies die sogenanute Pyraniideukreu/.uug) und konniit dann ins Rückcnniark. Dort geht die Leitung über in bestinniite Centralürganc für die Körpernerven, und nun gebt von da aus die Leitung weiter nach den Endstationen. Der Vorgang ist, wenn wir ihn mit den modernen Tidegrapiien vergleichen, ein ganz einfaciier. Das llaupttclegraphenamt ist oben im Gehirn. Das seiiickt seine Depesche ab auf der Leitung hinunter ans Nebenamt. Das Nebenamt, das sicii im Rückenmark befindet, schickt die Depesche auf der Baim der einzehien Nerven weiter in den Körper hinein, in diejenigen Nerven, die in den Muskeln endigen. Der Nerv giebt das Conmiando; der Muskel zuckt; die Depesche ist erledigt. Umgekehrt laufen von der Peri- pherie, von den sensiblen Nerven aus, ähnliche Bahnen zurück nach den Endstationen im Gehirn, nur dass diese Bahnen viel complicirtcr sind. Es gielit vielfache Um- schaltungen, auf die ich nicht weiter eingehen kann. — Die motorischen Gesichtsnerven, auch der bekannte N. facialis, verhalten sich ähnlich; wir linden immer dieselbe Anordnung: Centralstation, Nebenamt und dann Weiter- laufen der Depesche bis ans Ende. Dass die Centralstationen wirklich diese Bedeutung haben, ist auf experimentellem Wege bewiesen, zuerst von den vorhin genannten Forsehern. Später haben sich viele andere an den weiteren Forschungen be- theiligt. Daraus ergiebt sich, dass eine Reizung an dieser Stelle — vorwiegend bat man den elektrischen Strom benutzt — sich fortsetzt auf dem Wege der Leitung nach der entgegengesetzten Körperseite hin. Erst treten ge- wöhnlich, wenn die Reizung anfängt, mehrfach unter- brochene Zuckungen auf, sogenannte klonische Znckungen. Wird aber der Reiz verstärkt, so gehen diese klonischen Zuckungen über in tonische, in beständige Zuckungen. Man nimmt an, dass diese tonischen Zuckungen vielleicht nicht von oben aus ausgelöst werden, sondern tiefer unten, indem der Reiz auf dem absteigenden Wege überspringt aut tiefer liegende Centra. Ausschneidungsversuche haben dasselbe ergeben. Wenn man ein Stück der Rinde ent- fernt, 'aber gründlich und ausgiebig — sonst wird der Versuch nicht glücken ^ so muss unbedingt eine Lälimuug des jenseitigen, vom Centralpuukt abhängigen Körpertheils erfolgen. Was die Localisation der einzelnen Centralstationen an der Gehirnoberfläche anlangt, so haben wir in der Umgebung der Centralfurche die hauptsächlichsten moto- rischen Centren, oben das Centrum für das Bein, weiter unten das Centrum für den Arm. Weiter kommt eine Stelle, nach deren Zerstörung die feinen Bewegungen, die zum Schreiben nothwendig sind, nicht mehr möglich sind, wenn auch die rohe Kraft des Armes noch erhalten ist. Wenn das Sprachcentrum zerstört wird, so führt das zur Lähmung derjenigen feinen Bewegungen des Mundes, der Zunge, des Kehlkopfes u. s. w., die zum Sprechen nöthig sind. Die grobe Kraft der Muskeln bleibt er- halten, die feine fällt aus. Wir sprechen in Folge dessen von motorischer Aphasie, von dem Nichtspreclienkönnen, das entsteht in Folge mangelnder Function der feinen Muskeln. Ich erwähne noch den Centralpuukt für die Zunge, den Mundfacialis für die gröberen Lippcnl)e- wegungen, ferner das Centrum für den Augenfacialis und das Centrum für die übrigen Augenmuskeln. Der vordere Theil des Gehirnes enthält die Centra für die Runipf- und Nackenmuskulatur. Hinter der Centralfurche, wie einige aimehmen, hinter der Fissura posterior Iteginnt die sensorische Region, die vorhin schon genauer bezeichnet ist. Es wird angenommen, dass hier wahrscheinlich die Sensibilität auch ihren Sitz habe. Immerhin ist das zweifelhaft. Wir finden aber eine Menge von Menschen, die niotoriscii gelähmt sind und auch gleichzeitig Lähmung des Gefühls haben, so dass jedenfalls motorische und und sensible Centra ziendich dicht neben einander sein müssen. Zerstörung der mit „Muskelsinn" bezeichneten Stelle des Gehirnes bewirkt, dass der Kranke bei ge- schlossenen Augen über die Lage und passive Bewegungen seiner Glieder nichts anzugeben weiss. An den er- wähnten Theil schliesst sich das Centralorgan fürs Sehen, Lesen, weiter die Centralorgane für Riechen, Schmecken, Hören, Sprachverständniss u. s. w. an, die ich nicht weiter ins Detail verfolgen will. An diesem weichen, colossal complicirten Organe soll also operirt werden und ist auch stets operirt worden, so lange die Menschheit existirt. Es ist gar nicht zu be- zweifeln, dass zu allen Zeiten, so lange Menschen ge- lebt haben, diejenigen, die verletzt wurden, und denen besonders durch schwere Schläge auf den Kopf der Schädelknochen eingedrückt wurde, von ihren Mitmenschen Hülfe verlangt und wahrscheinlich auch gefunden haben. Es haben sich wenig cultivirte Völker, Urvölker, an diesen Heilversuclien ebenso betheiligt wie die cultivirten. Es werden die meisten von Ihnen gelesen haben, dass die Ausstellung von alten Inkasschädeln, die ein peruanischer Arzt vor einigen Jainen in Chicago veranstaltete, damals ein hervorragendes Interesse erweckte. Er hatte 1000 Inkasschädel gesammelt; von diesen zeigten 19 die Spuren der Operation, der sogenannten Trepanation. Man hatte mit Steinen Rinnen um die eingeschlagenen Schädelpartien gezogen, tiefe Rinnen; augenscheinlich lagen Versuche vor, das hereingeschlagene Stück zu eleviren. Vier von den Schädeln hatten derartige Rinnen; man musste annehmen, dass die Patienten wahrscheinlich während der Operation gestorben waren. Bei andern war die Operation geglückt. Man fand einige ganz hübsch viereckig ausgefeilte Defecte, und die Knochenwucherungen am Rande der Defecte bewiesen, dass die Patienten die Operation überlebt hatten. In einem Schädel war sogar der Defect geschlossen durch eine silberne Platte. Das- selbe also, was heutzutage mit vieler Mühe versucht wird, nämlich Löcher im Schädel mit Celluloidplatten zu decken, haben auch schon die Inkas versucht. Andere uncultivirte Völker haben auch trepanirt. Der vornehme römische Arzt — das beweisen die Funde in Herculanum und Pompeji — hat mit dem Hohlmeissel gearbeitet. Es muss immer so gewesen sein, dass man solchen Kranken Hülfe bringen wollte. Selbstverständlich wird immer nur bei Verletzungen an die Leute der Gedanke heran- getreten sein, eine Operation am Schädel oder Gehirn zu machen. .\ueh heute noch ist die Schädelverletzung, die Ge- walteinwirkung auf den Schädel, die Hauptindication zum (Jperiren. Die Operation am Schädel hat innner wieder geschwankt, bis es durch die antiseptische Behandlung möglich war, auch für die am Kopf Verletzten Segen zu stiften. Seitdem haben Schädelverletzungen zum grossen Theil ihren Schrecken verloren, wenn sie richtig be- handelt werden. Alle die schweren Gewalteinwirkungeu auf den Schädel, die jeden Tag vorkommen durch die rotirenden Maschinen, durch Sturz vom Wagen und vom Pferde, Hieb mit dem Todtschläger, haben heute viel weniger Schrecken, wenn in jedem Falle die Behandlung eines Verletzten mit einer möglichst grossen Sorgfalt durchgeführt wird. Weil ich einmal jetzt über Schädel- operationen spreche, muss ich besonders daraufhinweisen, dass die Hauptindication für Operationen die Schädel- verletzung sein, und dass auf diesem Gebiete die Be- 618 Natuiwissenschaftlichc Wochenschrift. Nr. öl. handlung der Schädelverletzuiif;- immer der Schwerpunkt unseres operativen Vorgehens bleiben wird. Es lässt sich allerdings die Forderung, dass jede Schädel-, jede Koptverletzung- genau und cxact behandelt wird, natür- lich in einer Hospitalpraxis besser durchführen, als in der Privatpraxis. Aber auch da werden die meisten Aerzte heutzutage so weit sein, dass sie unbedingt nicht nur jeden Schädel-, sondern auch jeden Kopfverletzten als einen Schwerverletzten betrachten und ihn mit ungeheurer Sorgfalt antiseptisch behandeln und auch alsbald operativ eingreifen, wenn es nöthig ist. Bei offener Wunde — ich spreche immer nur von offenen Wunden, wenn der Schädel eingedrückt, eingeschlagen ist, der Typus dieser Verletzungen ist der Todtschlägerhieb — ich sage, bei offener Wunde muss unbedingt der Arzt so viel Chirurg sein, dass er den eingetriebenen Knochen freilegt, seitlich abnieisselt und den restirenden Theil des Knochens elevirt. Für gewölnilich liegt der Fall so, dass beim Todtscliläger- liieb der Knochen nur bis auf die Dura eingedrückt wird. Wirkt die Kraft stärker, so geiit der Hieb ins Gehirn hinein. Aber auch diese Fälle, wenn sie nur von Anfang an ganz peinlich sorgfältig behandelt werden, geben keine schlechte Prognose, wie die letzten Mit- theiluugen, besonders von Wagner und Anderen, bewiesen haben. Kann der Arzt eine solche Operation nicht machen, ist er verpflichtet, den Kranken möglichst schnell ins nächste Krankenhaus zu schicken. Diese alte, seit unendlichen Zeiten bestehende Be- handlung der Depressions-Fracturen hat natürlich nicht ein solches Interesse, wie die Behandlung des Mensehen ohne Wunde, dem ich den Schädel aufmachen will. Wenn Jemand eine Verletzung hat, so hat die rohe Ge- walt dafür gesorgt, dass er schon schwer krank in meine Hände kommt. In diesem Falle habe ich nicht allein die Verantwortung für den Kranken, wenn er zu Grunde geht. Und es gehen heute noch unendlich viel Kranke zu Grunde, trotz aller antiseptisehcn Behandlung. Wir k("innen das gar nicht hindern. Aber wenn der Mensch stirbt, ist mtistens die rohe Gewalt daran schuld. Ganz anders liegt die Sache, wenn ich einem Menschen mit intacter Hautdecke den Schädel aufmache, um eine be- stimmte Operation auszuführen. Ich übernehme eine viel grössere Verantwortung. Deswegen konnten derartige Gperationen auch erst gemacht werden, nachdem ph3'sio- logisch die Grundlagen festgestellt waren, nachdem vor Allem durch die Arbeiten unserer besten Forsciier (von Bergmann, Leyden, Nothnagel n. s. w.) die Leine vom Ilirndruck u. s. w. begründet war, nachdem durch die Arbeiten von Hitzig und Fritsch die Centralstationen ent- deckt waren. Alles dies musste zusammenkommen mit dem Lister'schcu Verfahren, um es zu ermöglichen, dass wir ruhigen Gewissens Trepanationen machen und Schädel, die keine Verletzung der Haut haben, aufmeisseln. Wenn wir die Indicationen besprechen wollen, die heutzutage vorliegen für die Eröffnung eines Schädels ohne Hautverletzung, so haben wir es zunächst zu thun mit den Folgen der bekannten Verletzung der Arteria meningea media mit dem nachfolgenden Bluterguss zwischen Dura und Schädel, im Anschluss an einen Schädelbruch, an eine schwere Verletzung des Kopfes, die aber nicht zur Hautwunde geführt hat. Bei Kranken, wo der Verdacht entsteht, dass ein Bluterguss sich bildet zwischen Dura und Schädel, werden nach und nach die Symptome des Hirndruckes zum Vorsehein kommen: Puls- verlangsamung, Neigung zum Erbrechen, langsame, halb- seitige Lähmung auf der entgegengesetzten Seite. Bei diesen Kranken ist man unbedingt gezwungen, auch bei intacten Hautdecken den Schnitt in den Schädel zu machen, um die Arterie zu gewinnen. Leider Gottes ist die Diagnose in den meisten Fällen, da man die Kranken nicht von Anfang an sieht, schwierig, so dass die Mehr- heit der Menschen, die eine solche Verletzung erlitten haben, gestorben und nur die Minorität gerettet ist. Das wäre die erste Indieation. Die zweite Indieation, einen Schädel zu öffnen, sind Eiterungsproeesse zwischen Dura und Schädel und im Gehirn selbst. Dieselben können sich entwickeln schon bei ganz ausserordentlich leichten Verletzungen der Weich- theile des Kopfes. Es braucht der Schädel gar nicht verletzt zu werden, der Knochen kann intact bleiben. Es kann sogar vorkonnncn, dass die Knochenhaut intact ist, und doch genügt eine geringfügige Wunde auf dem Kopfe, die Folge einer leichten Verletzung, um dafür zu sorgen, dass zwischen Dura und Schädel oder im Gehirn selbst sich Eiter entwickelt. Diese Fälle, die jeder Chirurg kennt, wenn sich ein eiteriger Process an eine solche elende Verletzung anschliesst, führen dazu, dass man die Ansicht vertreten muss, dass auch die leichteste Verletzung des Kopfes unberechenbare Folgen haben kann. So stirbt der Student, der seinen Schmiss verbummelt, wenn ein Hieb den Kopf getroffen hat. Ich habe leider einen Menschen in dieser Weise zu Grunde gehen sehen. Es wandert der Eiter durch den Knochen hindurch, man sieht dem Knochen zunächst gar nichts an. Nach und nach wird er jedoch grau, und dann kommt es so ganz langsam, nach 4—6 Wochen, dass der Verletzte mit einem Male über Kopfschmerzen zu klagen beginnt; von da an geht die Krankheit meistens rasch weiter. Der Mensch wird unruhig und unbesinnlich, es tritt halbseitige Läh- mung auf, wir haben einen schweren Fall vor uns, der eventuell tödtlich endet. Es war mir interessant, dass ich einen solchen Fall einmal zu sehen bekommen habe im Anschluss an eine liebenswürdige Verletzung von Seiten des Ehemannes. Dieser hatte seiner Frau eine Tasse an den Ko])f geworfen, wodurch eine oberflächliche Verletzung entstanden war. Die Frau kam in die Poli- klinik, aber sie w(dlte sich nicht auf Behandlung einlassen und lief weg. Nach 6 Wochen wurde sie ohne Besinnung, zeitweise mit den schwersten epileptischen Anfällen, ins Krankenhaus geführt. Ich schlug den verfärbten Knochen weg, der Eiter floss heraus. Die Person hatte das Glück, dass die Eiterung nicht weit gekommen war. Am nächsten Tage lief sie wieder umher. Von Epilepsie und allen schweren Erscheinungen war nichts mehr zu finden. Nun, diese Fälle, wo solche Vernachlässigungen vor- kommen, sind immerhin selten. Das Hauptcontiugent der Gehirnabscesse wie der zwischen Dura und Schädel ge- legenen Abscesse geht vom Ohre aus. Erst nach und nach ist man so weit gekommen, dass man diese Aetio- logie in den Vordergrund stellt, und heutzutage braucht man nicht zu debattircn, es weiss Jedermann, dass die Mittelohrenentzündnng in ihren Consequenzen unberechen- bar ist und den Hauptantheil stellt zu den Abscessen zwischen Dura und Schädel, resp. im Schädel selbst. Der Schläfenlappen liegt in unmittelbarster Nähe des Mittelohres. Es braucht nur durch die Schädeldecke der Eiter durchzubrechen, und wir haben zunächst einen sub- duralen Abscess und alsbald einen Abscess im Gehirn selbst. In diesen beiden Fällen kann man gewöhnlich die Diagnose stellen, wenn sie auch oft lange genug Schwierigkeiten macht. Man hat das kranke Ohr, man kann sagen: Von da nniss der Process ausgehen. Viel hässlicher und schlinnner sind die Gehirneiterungen, die durch nietastatischc Eiterung von weit her zur Ent- wickelung konmicn. Wir wissen, dass im Anschluss an Typhus, Pneumonie und Scharlach Gehirnabscesse ent- stehen. Wunderlicher Weise weiss ich nur einen Fall, Nr. ,')! Naturwisseiis(rLat'tliche Wocheuschritt. (;19 durch private Mittheiluiig, dass in Foli;c' von Osteomyelitis acuta ein Geliiruabscess entstanden ist. Weiter sind die Hauptquoiic von derartigen Ab- seessen putride Hronchitis und alte Kitoruniisproccsse in der Hrustliöhle, die so oft verna(lilässi!;t werden aus Furcht vor der Kadicalopcration, der ausgiebigen Re- seetion der Kippen. Diese Kranken geben das Haupt contingent. Ich habe in der letzten Zeit dreimal Geliirn- abscesse gesehen im Anschlüsse au Empyeme, die nicht ausheilen wollten. Einen Furunkel halte ich auch für bedenklich. Heweisen lässt sich so etwas nicht. Ich weiss nur, dass ein Karbunkel acute Vereiterung des Auges gemacht hat. Auch metastatische Abscesse, die Vereiterung des Ueckenkuoehens und des Oberschenkel- knochens sind entstauden unter meinen Augen im An- schluss an einen Kai-bunkel. So sind auch zwei Fälle von nietastatischen Gehirnabseessen nicht unmittelbar, aber doch gleich nach Ai)heilung eines Furunkels entstanden, so dass ich dem Furunkel, der beide Male im Nacken war, eine gewisse Bedeutung beilegen müchte. Diese Gehirnabseesse zeichnen sich dadurch aus, dass sie tlieil- weise viele Jahre lang gar keine Fortschritte machen. Die Infection war bei einem meiner Krauken 7 Jahre zu- vor erfolgt, es giebt aber auch Fälle von 20jähriger Dauer, dann erst treten plötzlich Erscheinungen auf. Die Diagnose von diesen langsam schleichend verlaufenden Eiterungen, die nur dadurch sich kenntlich macheu, dass die Menschen Kopfschmerzen bekommen — aber auch viele Monate ganz ohne Kopfschmerzen sein können — , macht ungeheure Schwierigkeiten. Wir treffen zum ersten Male auf die Schwierigkeit, die hernach wieder beim Tumor zur Sprache kommen wird, nämlich herauszubringen, ob derllerd in der Hirnrinde liegt oder tiefer. Es ist selbst- verständlich, dass ein Herd, der in der Hirnrinde liegt, hier, wo die einzelnen Bahnen alle noch getrennt sind, ganz andere Erscheinungen machen muss, als ein Herd, der in der Tiefe ist, wo er die sämmtlichen Leitungs- bahnen alle gleichzeitig erfasst. Dem Kranken zuckt vielleicht nur ein Finger. Er praesentirt sich dem Arzt und sagt ihm, dass ihm nur ein F'iuger zuckt. Immer handelt es sich hier zuerst nur um klonische Krämpfe in dem Finger. Damit fängt die Seene an. Sowie das ist, kann man sich sagen, es ist ein Rindenherd. Wenn der Herd zuerst auch nur klein ist, bald wird er mehr occupiren, nicht nur einen Finger, sondern die Muskulatur einer ganzen Extremität. Wenn der Process dort in der Rinde weiter geht, werden mehr Centren mit hineingezogen, und es entstehen Krämpfe, die entsprechend dem sind, was vorhin geschildert ist, als Folgen einer elektrischen Reizung, Krämpfe, die von der einen Stelle übergehen auch auf die übrige Muskulatur, in einer ge- wissen Reihenfolge vom Kopf auf die Hand, von der Hand auf den Fuss; wenn der Reiz noch nicht nachlässt, wird der Process übersjjringen auf das zweite Bein, auf den zweiten Arm u. s. w. Bald hernach haben wir Aus- fallserscheinungen; aber es sind immer, wie gesagt, nur kleine Ausfallserscheinungen; tiefere Herde werden mehr halbseitige Total-Lähmungen erzeugen. Wenu sieh der Herd an der Peripherie entwickelt, bekommt der Kranke vielmehr isolirte kleine Functionsstürungen, so dass nur ein besonders gewandter Nervenarzt diese entdeckt. Selbstverständlich, wenn der Herd an der Peripherie grösser wird, wird das Bild ein ganz anderes werden. Wir haben einen sehr schwierigen Stand, um derartige Fälle soweit sicher zu stellen, dass wir sie operiren können. Die meisten wohl von diesen Leuten mit meta- statischen Abscessen bieten ungünstige Prognosen. Es sind einzelne Kranke geheilt, die meisten sind zu Grunde gegangen, weil der Abscess gross gezogen ist, ehe der Kranke operirt wurde. Oft hat sich der Arzt zum Ope- riren nicht eher entschliessen können, weil die Diagnose zu unsicher gewesen ist. Je früher wir zur Operation der Fälle konmicn, desto besser wird die Prognose werden. Günstiger sind otitische Abscesse. Körner hat in seiner .\rbeit 57 Fälle zusammengestellt, und von diesen sind 29 als geheilt bezeichnet. Nun, es werden ja nicht alle ungeheilten Fälle publicirt, oft nur die geheilten. Die Sache stimmt nicht ganz; aber wenn eine solche Menge von Menschen, die natürlich sonst zu Grunde gegangen wären, geheilt werden kann, so ist das ein riesenhafter Fortschritt, an den früher gar nicht zu denken war. Die dritte Indication zur Oeffnung des Schädels sind Gesehwiüste, Tumoren in der Schädeldecke, resp. der Dura, der Pia, im Gehirn. Da sieht die Sache allerdings viel ungünstiger aus. Zunächst ist festgestellt worden, dass ungefähr auf die Zahl von 100 Geschwülsten nur sechs gleichzeitig auffindbar und operirbar waren, und einzelne Autoren meinen, dass von diesen sechs Fällen nun noch wenigstens drei im Anschluss an die Operation tödtlich verlaufen würden. Wir müssen nur rechnen mit 3 % Heilung. Das ist ausserordentlich wenig. Aber man muss auch berücksichtigen, welche colossalen Schwierig- keiten die ( )peration eines Gehirntumors macht, be- sonders wenn er nicht frühzeitig operirt wird. Die Schwierigkeit in der Diagnose macht zunächst Hin- haltungen nothwendig. Die meisten Aerzte werden nicht zu einem operativen Eingriff rathen, wenn die Diagnose nicht feststeht. Darüber kann man sich nicht wundern, und in Folge dessen werden die meisten Kranken grosse Tumoren im Schädel haben, wenu sie zur Operation kommen, und dann kann auch die einfache Cyste, die sonst überall in der Chirurgie als leicht heilbar betrachtet wird, so gross sein, dass wegen der ungünstigen mechanischen Verhältnisse die Heilung nicht mehr erfolgen kann. Wenn Jemand eine Cyste im Kopf hat, so gross wie einen Apfel — ich habe mehrere solcher operirt — , woher soll dann die Substanz kommen, die den Defect im Gehirn ersetzt? Das Gehirn bleibt, wenu das Gewebe zu Grunde ge- gangen ist, eingeschlossen in die harte Masse des Schädels. Wie soll dann ein solcher Substanzverlust aus- gefüllt werden? Wir haben in ein paar Fällen den Weg einge- schlagen, den man einschlägt, wenn ein Brustabscess nicht heilen will, d. h. der Knochen wurde in grosser Ausdehnung fortgenommen. Das ist nicht schön, ebenso wenig, als wenn Sie einen grossen Theil der Brustwand wegnehmen. Man kann dies aber wenigstens mit den Kleidern cachiren. Und trotzdem bedaure ich, dass ich den ersten Kranken nicht so operirt habe, ich hätte ihn vielleicht gerettet, die letzten waren zu schlimm. Sie hatten die Eigenthümlichkeit, dass die Cysten mit den Ventrikeln communicirten. Eine von diesen grossen Cysten bot ein wunderbares Bild bei der Operation. Der Kranke hatte etwa ein halbes Jahr lang die Symptome: er war halbseitig gelähmt uud sah nicht mehr. Er war sehr vernachlässigt. Ich operirte den Mann, weil er sonst bestimmt zu Grunde gegangen sein würde, und öffnete den Schädel au der betreffenden Stelle. Diese war leicht zu bestimmen. Sowie ich die Dura durchschnitten hatte, ergab sich ein eigenthümliches Bild: es wogte und wallte und mit einem Mal kam die Cyste zum Vorschein, platzte vor meinen Augen, ich blickte in einen ungeheuren Hohl- raum hinein und sah den Ventrikel geöffnet. Die Fälle, wo die Ventrikel mit derartigen Cysten in Verbindung stehen, sind so ungünstig, dass man sie wohl schwerlich heilen kann. Es hat neulich Kocher einen Aufsehen er- regenden Fall mitgetheilt, wo es ihm glückte, einen solchen Kranken zu heilen. Er hat zunächst die Cyste 620 Naturwisseuschaftliche Wochenschrift. Nr. 51. punktiit und drainirt, längere Zeit hindurcii ist der Inhalt herausgelaufen; er hat etwas Jod hineingctröpfelt und hernach, nachdem die Wunde lauge drainirt worden war, hat die Heilung stattgefunden. Die Beobachtung ist 18 Monate lang; das ist viel zu wenig. Was soll an Stelle der Cyste treten? Da, wo Wasser war, tritt immer wieder Wasser auf. Das Kind wird später ebensogut Anfälle von Epilepsie bekommen, wie vorher. Die Geschichte anderer Fälle beweist, dass derartige Resultate sehr unsicher sind. Ich sage also, wenn schon gutartige Cysten so ausserordentliche Schwierigkeiten machen und ungünstig verlaufen, wie soll es dann erst werden mit soliden Tumoren? Die werden doch erst recht schwer zu bekämpfen sein. Allerdings, einer meiner Fälle be- weist, dass das Ceutralorgan ausserordentlich resistenzfähig ist. Einen horrenden Tumor, der den ganzen Schläfen- lappen eingenommen hatte, habe ich vor 3V2 Jahren operirt. Der Mensch wurde stumpfsinnig, aber er lebt heute noch, und es sind S'/^ Jahre seit der Operation verflossen. Nun, wer die Qual kennt, die ein Mensch mit Hirn- tumor durchmacht, wird sagen, dass die Operation — wenn auch nur 3 % Kranke Aussicht auf Heilung haben — bei bestimmten Symptomen gerechtfertigt ist. Damit müssen wir rechnen, dass wir meistens Misserfolg haben und nur in einigen Fällen Erfolge erzielen. Die letzten publicirten Fälle beweisen aber, wie gelegentlich einmal ein günstiges Resultat gewonnen werden kann. Die letzte Indieation zum Trepaniren ist durch die sogenannte traumatische Rinden - Epilepsie gegeben. Letztere entwickelt sich zuweilen nach Verletzungen des Schädels mit directer oder indirecter Schädigung der Rindencentra; sie ist kenntlich durch ganz charakte- ristische Symptome, die ich schon oben bei den Erkran- kungen der Rindencentra erwfihut habe. Selbstverständ- lich sind die Resultate von dieteen Operationen, wenn man etwas fand, eine Exostose, einen eingetriebenen Knochen- splitter, sehr gut. Es giebt schon Heilungen von 7 — 10 jähriger Dauer. Leider Gottes ist die Sache aber so, dass wohl vielfach kein pathologisch-anatomischer Befund da ist, es sind Leute, die anscheinend nur Functions- störungen der betreftenden Rindeupartie haben. Mau schneidet den Schädel auf und findet nichts. Nun, die Akten darüber, wie weit man hier gehen soll, sind noch lange nicht geschlossen. Man muss iunner berücksichtigen, dass die Epilepsie eine Krankheit ist, die in so und so vielen Fällen von selbst ausheilt. Wenn man nicht ganz sichere Handhaben zum Operiren hat, so wird Niemand wagen, eine Epilepsie, die einer spontanen Heilung fähig ist, operiren zu wollen. Wir müssen immer berücksich- iigen, dass die Narbe, die wir machen, eventuell wieder zur Epilepsie Anlass geben könnte, wenn das auch höchst unwahrseheinlich ist. Trotzdem muss ich sagen, dass die traumatische Epilepsie, die ich operirt habe, ganz ausser- ordentlich gebessert wurde. Ich habe zwei Leute operirt, die Verletzungen am Kopfe erlitten hatten. Das Resultat war, dass ich bei Oeifnung des Schädels und der Dura zunächst gar nichts fand. Ich habe die Dura nach ver- schiedenen Richtungen jmnktirt, das Gehirn punktirt und nichts gefunden. Was war der Effect? Der, dass die epileptischen Anfälle zunächst ein volles Jahr aussetzen. und hernach nur auftraten, wenn die Leute sieh zu sehr mit Alkohol befreundeten. Der eine Kranke hatte auf der Fahrt von der Heiniath nach Jena 18 epileptische An- fälle, und wenn dieser Mensch erst ein Jahr nach der Operation den ersten Anfall wieder erlitt und sieh si)äter verheirathen konnte und sich verheirathet hat, so ist an- zuerkennen, dass mit der Operation etwas ausgerichtet ist. Das hat uns denn veranlasst, auch andere Epilep- tiker zu operiren, Leute, die Schmerzpuukte hatten, die bestimmte Gründe hatten für ihre Epilepsie. Wir meinten das wenigstens. Da war das Resultat fast dasselbe. Ein Kranker wurde mit einem Schmerzpunkt am Kopfe operirt. Das Gehirn wurde ein paar Mal punktirt; die Wunde heilte glatt aus und der Mann — er war Forst- beamter — ging seiner Thätigkeit wieder nach und ist dauernd gesund geblieben. Einem zweiten Herrn, bei dem Hydrops bestand, punktirte ich den Ventrikel; er war und blieb blödsinnig und ging zu Grunde. Ein dritter Kranker bietet besonderes Interesse, weil er beweist, wie unsicher der Erfolg einer Operation ist. Es war ein Kranker von 17 Jahren, dem als Kind eine Ver- letzung durch einen Hahn zugefügt worden war — er hatte ihn gebissen. Der Junge bekam eiterige Ent- zündungen; es stiess sich ein Knochensplitter ab, es blieb eine kleine Delle. Ein paar Jahre später bekam der Junge Epilepsie. Das dauerte 10 Jahre. Dann wurde er in die innere Klinik nach Jena gebracht. Professor Rossbach bestand darauf, er müsste operirt werden. Ich war nicht damit einverstanden, musste aber doch schliess- lich Rossbach den Gefallen thun zu operiren. Ich öffnete an der Stelle, wo die Delle war, den Schädel und fand an der Innenseite eine kleine Lücke, von der aus büschel- förmig Gefässe nach der Dura übergingen, die sieh dort fächerförmig verbreiteten. Die andern Epileptiker hatten nichts gehabt. Wir waren ganz stolz. Als das Stück Dura ausgeschnitten war, war die Epilepsie fort. Drei Jahre bekam der Mensch keine Anfälle. Es war ein Fall, an dem man Freude haben konnte. Das ging so lange gut, bis Patient in die Metzgerlehre nach Leipzig kam. Da wurde der Junge überanstrengt. Der Vater brachte ihn wieder und wünschte eine zweite Operation, Prof. Bins- wanger war dagegen. Ich machte die Narbe wieder auf, da war die Situation eine andere. Sowie ich den Schädel geöffnet hatte, sah ich, wie das Gehirn stark herausquoll; ich sah, es war ein Druck dahinter, ein Hydrops ventri- culi. Ich punktirte den Ventrikel und im Strahl spritzte das Wasser aus. — ■ Ich beschloss nun, den Jungen etwas anders als sonst zu behandeln, den Schädelknochen ganz wegzunehmen, die Hautwunde zu heilen und den Jungen von Zeit zu Zeit zu punktiren. Die Wirkung der zweiten Operation dauerte aber nur ganz kurze Zeit. Nach vier Monaten brachte der Vater den Jungen wieder und wünschte eine dritte (Operation. Nun musste ich die Operation ablehnen, denn der Ventrikelhydrops war nicht wiedergekommen. Patient ist epileptisch geblieben. Nun muss ich sagen: Wenn man einen Kranken durch eine Operation so und so viele Jahre von der Epilepsie befreien kann, so ist es kein Unrecht, dass man eine solche gewagte (Operation macht. Heber Ustilagineen handeln zwei Hefte der „Unter- suchungen aus dem Gesamnitgebiet der Mykologie", welche kürzlich von Professor Dr. 0. Brefeld herausgegeben wurden.*) — Da das 12. Heft mehr den Mykologen M)n *) In Commissionsverlag bei H. Schöningh, Münster i. W. Heft XI 11. XII. Fach interessirt, so soll hier nur auf den Inhalt des 11. Heftes näher eingegangen werden, weil darin In- fectionsversuche mit einheimischen Brandjiilzen geschildert werden, die auch weitere Kreise lebhaft interessiren dürften. Wenn bisher Infectionsversuche mit Ustilagineen ge- Nr. :")!. Naturwissciiscliaftliclie Wochcnsclirif't. 621 niiiclit wurden, so beiuitzte mau dazu die Hrandsporeii selbst, die erst auf der Pflanze keimen luussten; die Conidien, wehdie an den „I'romveeiien" i!;-ebildet wurden, trieben dann einen Keimscidaneb, (Um* zur Krkennnni;- der Xaln-iiiian/.e den Anstoss ijab. Der KrI'olg mit der bislierif;en Metbdde war durcbaus nieiit siidier, da die Keiniuni;- der (liekwandii;en lirandsporen von Znfallij^keiten abbängii;- war, die (ler Experimentator nieht obne Weiteres vorber überseben konnte. Zweifellos aber wird der Erfolg', wenn niebt mein- mit Brandsporen, sondern nur mit iK'n Conidien und den aus iiinen iiervori;elienden Hefeconidien experi- mentirt wird. Diesen Wey bat Hrefeid eing'eseblagen, indem er auf dem Objeetträi;cr in künstlieben Näbr- lösungen die Keimung- der Brandsporen veranlasste und nun mit den sieb in ungebeurer Menge entwickelnden llefeeonidien die Infeetionen vornabm. Verfolgen wir zuerst die Infeetionen, die an Hafer vorgenonnnen wurden. Die Haferkörner wurden in grossen luedrigen Hebältern zum Keimen gebrai'bt und nun die jungen KcimpHanzen in versebiedenen Altersstadien mit den Conidien besprengt. Auf die näbercu Umstände soll bier nicbt weiter eingegangen werden. Es ergab sieb daraus in erster Linie, dass die jungen Keimpflänzeben für die Intcetion am empfängliebsten sind, dass die Kmpfangliebkeit allmäblieii abninnnt und selnni nabezu crloseben ist, wenn das Sebeidenblatt an dem Kuospcben durcbstossen wird. \Vurde zu den Keimungsversnehen Erde gewäblt, die mit den nach reicblicher Düngung Hefeconidien besebiekt wurde, so ergab sich eine reicli- liebere Infection als bei blosser Besprengung der Pflänz- chen. Wenn die Hefeconidien ni langen Generationen in künstlicher Nährlösung gczüelitet wurden, so zeigte sich, dass je nach der Dauer dieser Kulturen die Infections- kraft albnählicb abnahm. In den jungen, noch von keiner harten Epidernds umgebenen Geweben drangen die Keimscbläucbe der Conidien ohne Weiteres ein, an älteren Geweben ver- mochten sie nicbt oder nur wenig einzudringen; in letzterem Falle gingen sie bald zu Grunde. Die erwachsene Pflanze ist daher völlig immun gegen Brandinfectionen. Solange die Keimpflanzengewebe noch jung sind und nur wenig in die Länge wachsen, haben natürlich die Mycelien Zeit, sieb in den Geweben auszubreiten. So- bald aber das Längenwaclistum sclmeller erfolgt, können die Hyphen demselben nicht mehr nachfolgen und werden in einzelne Partieen zerrissen. Bei der Erhärtung der Gewebe erstarren gleichsam die Pilzhyphen und finden sich nur in Resten an denjenigen Stellen, welche weich, d. b. entwickelnngsfähig bleiben, also an den Knoten und am Vegetationsscbeitel. Hier können sie mit dem ent- sprccbend langsameren Waebsthum der Zellen Schritt halten. Wenn jetzt die Blütentheile angelegt werden, so wachsen die Hyphen schnell in die jungen Meristeme hinein bis zu den BlUthen, wo dann erst die Bildung der Brandsporen im Fruchtknoten vor sich gebt. Die Infection, welche zur Vernichtung der Frucht führt, kann also nur erfolgreich verlaufen, wenn es einzelnen Hyphen gelingt, die Blütbenmeri.iteme zu erreichen. Also selbst bei er- folgreicher Impfung der Keimpflanzen können doch zu- fällig, wenn die Hyphen nicht den Vegetationsscheitel er- reichen, die Pflanzen brandfrei bleiben. Ver.sncbe mit dem Brand der Hirse ergaben ganz ähnliche Kcsultate, nur war hier das eigenthnmlicbe Ver- halten der erfolgreich inficirten Pflanzen benierkenswertb. Diese wuchsen viel schneller und kräftiger als die ge- sunden. Es scheint also, als ob die Pflanze durch er- höhtes Wachsthum versuchen wollte, den Pilz recht bald in erhärtete Gewebe einzuschliesscn. Dies gelingt freilich nur in wcni:;en Fällen. Während Hafer- und Ilirsebraud ihre Hefeconidien nur unter der Flüssigkeit bilden, erzeugt der Jlaisbrand auch Luftconidicn. Inwiefern dies für die Infection eine Bedeutung bat, werden wir sofort sehen. Die Infeetionen der Maispflanze wurden zuerst in genau derselben Weise wie beim'- Hafer vorgenonnnen, ergaben aber im Gegen- satz dazu nur kümmerliche ßesultate. Ausserdem wurden stets nur Brandbeulen an den Wurzeln oder unten an den Axen gebildet. Diese Resultate legten den Schluss nahe, dass das Wachsthum der Hyphen hier in anderer Weise erfolgen nmsste als in Hafer und Hirse. Die ana- tomische Untersuchung ergab denn auch, dass die My- celien sieh von der Infectionsstelle aus nicht wesentlich weiter verbreiten, sondern dass die Bildung der Brand- sporeu unmittelbar au den Impfstellen vor sich ging. Die Infection an den Blättern, BlUthen etc. musste deshalb in anderer Weise erfolgen, also nicht von den Keimpflanzen aus. Den Schlüssel zu diesem Verbalten bildet eben das Vorhandensein von Luftconidicn. Diese müssen erst später auf die betreffenden Pflanzentheile, so lange sie noch jung sind, gelangen. Jetzt ergab sich die An- stellung der Versuche von selbst. Das Infectionsmaterial wurde auf die jungen Pflanzentbeile gebracht, also Blätter, männliche und weibliche Blnthen, Adventivwurzehi u. s. w. Hier erfolgte dann ausnahmslos die Bildung von Brand- beulen. Brefeld ging sogar so weit, dass er nur einzelne Teile des jungen Fruchtstandes inficirte, ja nur einzelne weibliche ßlüthen und immer erhielt er die Krankheit, damit in einwandfreier Weise zeigend, dass die Keimscbläucbe in alle noch jungen Gewebe einzudringen im Stande sind und dass die Infection rein lokal ist. Die Unterschiede zwischen den Krankheiten der Hafer- und Maispflanze sind also vollkommen klar. Bei ersterer Infection von der Keimpflanze aus, bei letzterer Infection au allen jungen Geweben, also meistens erst in späterem Lebensalter der Pflanze. Aus den Infeetionen beim Hafer ergiebt sich nun die Erklärung der eigenthümlichen Tbatsachen, dass bei per- ennirenden Pflanzen (mit Rhizomen, Stolonen etc.) in manchen Jahren die Brandkrankheit ausbleibt, während sie in anderen plötzlich wieder auftritt. Das Myeel sitzt in den Rhizomen, gelangt aber nieht in jedem Jahre bis in diejenigen Theile der Pflanze, welche für die Aus- bildung der Brandsporen geeignet erscheinen. Das plötz- liche .\uftreten des Brandes ist also hier nicht auf Neu- infection zurückzuführen, sondern nur auf den günstigen Zufall, dass das Mycel von der Grundaxe bis zum Seheitel hinaufgelangt. Dies sind im Wesentlichen die Resultate der bedeut- samen Untersuchungen, die unsere Kenntnisse von dem Entwiekelungsgang der Brandpilze in so ungeahnter Weise vervollständigen und fordern. G. Lindau. Photographien in natürlichen Farben von Dr. J. Joly in Dublin hat Cl. du Bois-Reymond am 6. November, dem 36. Projections-Abend der Freien photographisehcn Vereinigung in Berlin, vorgezeigt. Er benutzte den Kalklicht-Apparat, um die verschiedensten Gegenstände zu demonstriren : eine Landschaft, ein Bildniss, ein Mikroskop, buntes Porzellan, das Spectrum. Die l'jilder sind Glascopien der ersten Versuchsplatten des Erfinders selbst, der — durch gütige Vermittelung des Herrn Dr. Jagor mit dem Vortragenden bekannt ge- worden, — ihm solche mit dankenswertber Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellt hat. Bei nur geringen technischen Mängeln zeigen sie viele Einzelheiten in überraschender Naturtreue des Farbentons. Das Verfahren Dr. Joly's besteht darin, einen „Farbenschirm" in der Camera vor 622 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 51. die gewöhnliche orthochromatische Trockcnplatte zu legen. Der Farbenschirm ist eine Platte ans Spiegelglas, auf welcher mit Ziehfedern und der Tlieilmascliine farbige Streifen von ^'g mm Breite aufgetragen sind. Es werden dazu farbige Lasurtinten in drei möglichst den von Arthur König ermittelten Grundfarben entsprechenden Tönen benutzt. Die Streifen sind abwechselnd roth, grün und l)lau und der Intensität nach so abgestimmt, dass der Farbenschirm, aus genügender Entfernung betrachtet, gleiehmässig weiss erscheint. Die hinter dem Farben- schirm exponirte Platte liefert ein Negativ, das auf Glas copirt wird. Die Copie gleicht einer gewöhnlichen schAvarzen Photographie, bis auf eine zarte Strichelung, die den Schatten der Farbenstreifen entspricht. Diese Schatten enthalten jedoch g(;rade die Verdunkelungs- oder Schwarzwerthe, die an jedem Orte von den Einzel- streifen des Farbenschirms zu subtrahiren sind, um die ursprüngliche örtliche Mischfarbe wieder zu Schäften. Wird also jetzt das Positiv und der Farbenschirm scharf auf einander gepresst, so dass die Streifen sich decken, und in dieser Lage befestigt, so erscheint in der Durchsicht durch beide Gläser das naturfarbige Bild. In grosser Nähe oder unter dem Mikroskop erkennt man, dass lediglich das Roth, Grün und Blau des Schirmes mit dem zugeniischten Grau der Bildschicht vorhanden sind-, sobald man aber das Bild in die geeignete Entfernung vom Auge l)ringt, vollzieht sich in der Netzhaut die richtige Jlischung. und die mannigfaltigsten Färbungen treten mit höclister Leijhaftigkeit auf. Herr Joly versichert, dass die Farbenschirme binnen Kurzem fabrikmässig hergestellt werden sollen. Da die Handhabung des Verfahrens sonst nichts erfordert, als die jedem photographischen An- fänger geläufigen Handgriffe, so wird alsdann der all- gemeinen Ausbildung nichts mehr im Wege stehen. (x-) Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eruaunt wurden: Der Professor für Hautkrankheiten in Breslau Dr. Albert Neisser zum Geheimen Medizinalrath ; Professor Dr. Paul Ehrlich in Berlin zum ordentlichen Professor für specielle Pathologie und Therapie daselbst als Nachfolger des im Vorjahr verstorbenen Professor August Hirsch; Dr. G.Wohl- muth zum Docenten für praktische Philosophie am Lyceum zu Eichstätt; der Docent für Zoologie und Botanik an der Thier- arzneischule zu Zürich Dr. Heuscher zum Professor; I. Ehr- hardt ebendort provisorisch auf ein Jahr zum vierten Haupt- lehrer für allgemeine Therapie, Gesundheitspflege, Arzneimittel- lehre etc.; der erste klinische Assistent daselbst A. Rusterholz zum Lehrer für ambul. Klinik und Leiter der e.xternen Praxis; der Hon. Ober-Custos A. Semsey in Klausenburg zum Doctor honoris causa. Berufen wurden: Der Assistent an der Göttinger Sternwarte Dr. Grossmann als Observator an die Wiener Sternwarte; der I^rivatdocent der Philosophie in Wien C. von Twardowski als ausserordentlicher Professor nach Lemberg. Niedergelegt hat sein Amt: Der ausserordentliche Professor der Laryngologie und Rhinologie in Berlin Dr. Hermann Krause in Folge eines gegen ihn eröifneten Disciplinar- verfahrens. Es habilitirten sich: Dr. Hausdorf in I^eipzig für Astronomie und Mathematik; der ex-ste Assistent an der Irrenheilanstalt in Marburg Dr. Buchholz an der dortigen Universität für Irren- heilkunde; Dr. S. Fuchs in Wien für Physiologie. Es starben: Geheime Medicinalrath Dr. Starck in Danzig; der Amanuensis der Krakauer Universitäts-Bibliothek Z. Pauli. ein möglichst getreues Bild der gewaltigen Gesammtloistung der Amateur-Photographie auf den Gebieten der Kunst und Wissen- schaft zu erhalten. — Die Ausstellung soll im neuen Reichstags- gebäude in Berlin stattfinden- — Anmeldungen sind zu richten an Herrn Dir. Sc h u 1 tz -Henck e, Schriftführer der Ausstellung, Berlin SW., Königgrätzerstr. 'JO, Lettehaus. Internationale Ausstellung für Amateur-Photographie Berlin 1896. — Die Deutliche Gesi-llschaft von Freunden der l'h(jtographie und die Freie photographische Vereinigung, Berlin, hallen sich verbunden, um im Jahre 1896 in Berlin eine Inter- nationale Ausstellung für Amateur-Photographie zu veranstalten. — Der aus den Vorständen der beiden Vereine gebildete Ausschuss wendet sich an die Amateur-Photographen der ganzen Welt, mit der Bitte, durch ihre Betheiligung mitzuhelfen an der Verwirk- lichung der zu Grunde liegenden Idee: durch diese Ausstellung Ich beabsichtige im Laufe der nächsten zwei Jahre eine neue botanische Reise nach Süd- und Ostafrika zu unternehmen. Dieselbe soll sich ausschliesslich in Gegenden bewegen, welche meine erste Reise nicht berührt hat. Namaland das Hantam- Gebirge, Coud-Bockeveld. Transvaal, Linipopo, Matabeleland bis zum Zambesi werden das hauptsächlichste Feld meiner Er- forschungen und Ausbeuten sein. Die Pflanzen werden hiermit der Subscription angeboten, die Centurie mit 35 Mk. Herr Prof. Schumann (Berlin, Königl. Bot. Museum) wird die Güte haben, die Abonnements entgegen zu nehmen und hat sich freundlichst zu meinem Vertreter angeboten, an den ich in jeder Angelegen- heit sich zu wenden bitte. Rudolf Schlechter. L i 1 1 e r a t u r. Brockhaus' Konversations-Lexikon. 1-4., vollständig neubear- b.-itete Auflage. IG. Band. Turkestan— Zz. .Mit 73 Tafeln, darunter 12 Ohromotafeln, 22 Karten und Pläne, und 201 Text- abbildungen. F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien 1895. — Preis geb. 10 M. Das schöne grosse Werk liegt nun in 16 Bänden vollständig abgeschlossen vor Es kommt für Weihnachten gerade noch zu recliter Zeit und schmückt hoffentlich viele Tische unter dem Fichtenbaum. Vom ersten bis zum letzten Bande kann nur das Beste über das Lexikon gesagt werden: es ist durchweg gleich- massig bearbeitet, steht durchaus auf der Höhe der Zeit und bringt eine Fülle von Material, sodass jeder, der von einem Lexikon nicht mehr verlangt, als es leisten will und kann, seine Rechnung findet. Auch in dem letzten Bande ist die Natur- wissenschaft wieder verhältnissmässig gut weggekommen: eine ganze Anzahl schöner Tafeln sind der Zoologie und Botanik ge- widmet. Gute, deutliche geographische Karten, die das ganze Werk reichlich bringt, ersetzen in der That vollständig einen grösseren Atlas, nicht; zu vergessen, dass durch die vielfach ge- botenen Städtepläne das Lexikon über einen geographischen Atlas hinausgeht. Prof. Dr. Wilhelm Sievers, Australien und Oceanien. Eine allgemeiiLe Landeskunde. Mit 137 Abbildungen, 12 Karten und 20 Tafeln in Holzschnitt und Farbendruck. Bibliographisches Institut. Leipzig und Wien 1895. — Preis geb. 16 M. Das prächtige Werk bildet den 5. {Schluss)-Band zur „All- gemeinen Länderkunde' ; es reiht sich in jeder Beziehung ebenbürtig den früheren Bänden (Europa, Asien, Afrika und Amerika) an. Zunächst kommt die Entdeckungsgeschichte zur Darstellung; es folgt dann eine allgemeine LTebersicht, eine Besprechung der Oberflächengestalt, des Klimas, der Pflanzenwelt, der Thierwelt, der Bevölkerung und des Verkehrs. Zum Schluss flnden die Staaten und Colonien eine genügende Berücksichtigung. Als Anhang werden die Südpolarländer besprochen. Professor R. von Lendenfeld hat seine Unterstützung bei den Abschnitten allgemeine Uebersicht, Oberflächengestalt und Thierwelt sowie für die „Karte der Verbreitung der Thiere in Australien und Oceanien" geboten. Die Abbildungen sind, wie immer Abbildungen vom Biblio- graphischen Institut, vorzüglich; ihre Wahl auch sehr geschickt. Das ganze nun vorliegende 5 bändige Werk ist so .recht für die bessere Familien - Bibliothek geschaffen, und geographische Dinge interessiren jeden. Es ist daher zu wünschen, dass es weite Verbreitung finde: wir hoffen, dass die Weihnachtszeit das ihrige dazu beitragen wird. Prof. Dr. Melchior Neumayr, Erdgeschichte. Zweite Auflage; neubearbeitet von Prof. Dr. Victor Uhlig. 2 Bände. Leipzig und Wien. Bibliographisches Institut. 1895. — Preis 32 Mark. Die Erdgeschichte des der Wissenschaft leider nur allzufrüh entrissenen Neumayr, deren zwei Bände in den Jahren 1886 und 1887 in erster Auflage erschienen, liegt jetzt in einer Neu- bearbeitung seines ehemaligen Schülers, des Professors an der Technischen Hochschule in Prag Dr. Victor Uhlig vor. Das ]iopuläre und doch auf streng wissenschaftlicher Grundlage be- ruhende ausgezeichnete Werk hat sich seit seinem ersten Er- scheinen nicht nur zahlreiche Freunde unter dem gebildeten Publikum erworben, für das es in erster Linie bestimmt war, Nr. ')!. NaturwisHeuscbaftliche Wocheuschrift. 623 sondern li;U mich bei den Geologen und Giiograplien vom Faidi ;illseitif;e iinfietlioilte Anerkennung iiefnnden. Dem Xeubearlicitcr fiel die seliwierige Aufgabe zu, die Sehöpfunf; Neumayrs unter möglielister Krbaituni; ihrer Originalität dem licutigfU Stande der geologi-selien Wi^senscliat't entspreeliend unizugestalt<'n und die seit den Jahren 1886 und 1887 in so reicdier Fülle vorliegenden neuen Forschungsergebnisse in den gegebenen Rahmen hinein zu verarbeiten. Dies ist Prof. Uhlig in vortretl lieber Weise gelungen, sodass wir das schöne Werk in seinem neuen Gewände allen, die sich über den heutigen .Stand der Geologie belehren wollen, auf das Angelegentlichste empfehlen können. Schon bei eini>m flüchtigen Durchblättern erkennt man aus der grossen Zahl der neu hinzugekommenen Abbildungen, wie viel Neues in dem Werke enthalten ist, dringt man aber tiefer in dasselbe ein. so kommt mau zu der Ueberzcugung, dass der Ncu- bearbeiter fast überall, wo dies nötbig war, unter möglichster Sclionung des vorhandenen Textes die neuen Ergebnisse der geologischen Wissenschaft berücksichtigt hat. So haben, um nur Einzelnes hier herauszugreifen, in dem ersten, die , Allgemeine Geologie" umfassenden Bande die Abschnitte über Vulkane und Erdbeben eine bedeutende Bereicherung erfahren. Bei der Be- sprechung der Ursachen der Erdbeben ist als klassisches Beispiel eines Dislocationsbebeiis das von Kotö beschriebene mittel japanische Erdbeben vom Jahre 18i)l gewählt worden, während zur Er- läuterung von Horizontalverschiebungen die Eisenbahnschienen- Verbieguugi'U bei dem Erdbeben von Sanzal im Jahre 1892 er- wähnt und abgebildet «orden sind. Wesentlich umgestaltet ist der Abschnitt über Gebirgsbildung. Als ein grossartiges Beispiel für die Grabenbrüche wird der durch die Entdeckungen der neuesten Zeit bekannt gewordene „grosse ostafrikanische Graben" in kurzen Zügen beschrieben und bei dem Eingeben auf das Wesen der Gebirgsbildung bat nicht nur, wie dies in der ersten Auflage der Fall war, die aus der allmählichen Abkühlung der Erde gefolgerte S c hr u m pf ungs theorie Berücksichtigung ge- funden, sondern Uhlig ist auch auf die anderen modernen Gebirgs- bildungstheorien näher eingegangen. Wir werden hier belehrt über die von E. Mellard - Reade ausgebildete thermische The]orie der Gebirgsbildung, welche auf der Volumvermehrung eines Stückes der Erdrinde in Folge von Temperaturerhöhung be- ruhen soll. Ferner erwähnt wird die von Ch. Dutton aufgestellte Gleichgewichtshypothese, welche eine gewisse Elasticität der Erdkruste zur Voraussetzung hat und die Theorie der Ge- birgsbildung, die die ;A nziehungsk raft der Gestirne als wirksame Ursache von Krustenbewegungen ansieht. Der erst vor Kurzem erschienene zweite, die „Beschreibende Geologie" enthaltende Band der Erdgeschichte ist ebenfalls sehr wesentlich umgestaltet worden. Bedeutende Aenderungen haben namentlich die Kapitel erfahren, welche die Kambrische, Silur- und Devon-Formation bebandeln. Schon auf den ersten Blick tritt dies bei dem Kambrium hervor, wenn mau die Tabellen der ersten und zweiten Auflage mit einander vergleicht, die eine Uebersicht über die Entwickelung der hierher gehörigen Ab- lagerungen in den verschiedenen Gebieten und ihre Parallelisirung darbieten. Als fast neu ist der Abschnitt über die alpine Trias zu bezeichnen. Hier sind die neueren Arbeiten von Bittner, von Mojsisovics und anderen auf das Sorgfältigste berücksichtigt worden. Ebenso hat auch Uhlig das Kapitel über die Kreide- formation zweckmässig umgestaltet und in den Kapiteln über das Tertiär und Diluvium vielfach neue Ergebnisse der Forschung eingefügt. Es muss noch besonders hervorgehoben werden, dass das von der Verlagsbuchhandlung aufs Beste ausgestattete Werk mit vielen neuen Abbildungen von überraschender Naturwahrheit ver- .sehen worden^ ist. Möge die Neumayr'sche Erdgeschichte in ihrem neuen Kleide in immer weitere Kreise des gebildeten Pu- blikums eindringen und auch fernerhin die Anerkennung finden, welche sie in so vollem Maasse verdient. F. Wahuschaffe. 0. Hiibner's Gecgraphisch-statistische Tabellen aller Länder der Erdi'. 44. Ausgabe für das Jahr 1895. Herausgegeben von Univ.-Prof Dr. Fr. von Juraschek. Verlag von Heinrich Keller in Frankfurt a. M. — Preis 1,20 Mk. Die vorliegende Ausgabe der bekannten Hübner'schen Ta- bellen wird vielen alten Freunden derselben gelegen kommen. Sie umfasst Name, Regierungsform, Staats-Oberhaupt, Flächen- inhalt, Bevölkerung, Volksdichtigkeit, Ein- und Ausw.anderung, Nationalitäten, Religionsbekenntnisse, Staats -Einnabincn, -Aus- gaben und -Schulden, Staatspapiergeld, Bauknoteuundauf, Stehendes Heer, Kriegsflotte, Handelsflotte, Ein- und Ausfuhr, Haupterzeugnisse, Münzen unas Objectiv (14-11; cm FocnsJ be- findet .sich im Innern und ist beweglich. •_'. Der neue Schiit ',- versciiluss läuft sehr ruhig (Schnelliclikeit verstellb.) ?,. Für tloch- und Quer-Aufnahmeu bleibt die Lage der Camera unverändert, weil die Visir- seheibe sich um sich selbst clreht! 4. Auslösung des Verschlusses durch Druck auf Knojtf vorn am A\i :•. Alle Wellen etc. laufen in Metalllagern. — l'i-osiieet frei. parat Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstr. 33. tHflilsueRFIMDER ^IH ld|.hr|l|c|h iH |ARPADBAUEB.JNGBERLIHI,H.3I.Slralsur.il.St3g: [jlonoifoiioitoBoironoiioitoTRirsmiiBTtsnsitöirai-^ Die Illustration ~ wissenschaftlicher Werke erfolgt am besten und billigsten durch die modernen, auf Photo- graphie beruhenden Reproduc- tionsarten. Die Zinkätzungen diesei' Zeitschrift gelten als Proben dieses V^erfahrens und sind hergestellt in der graphi- schen Kunstanstalt Meisenbach, Riffarth & Co. in Berlin-Schöneberg, welche bereitwilligst jede Aus- kunft ertheilt. taMi"ii-irii-^n";i^irg^feii"iMpiröTioiioiMEigitö| ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ gferb. püittittters "gfertttgsßui^Odttbfung in Säcrrin SW. 12. ©ocbcn crfct)ien mit ift hiivd) alle S8iid)I)aiiMim3cn 311 hc,iie[)en: it^aö trägt unb trciltt treu i^ülbaten im JUcltie? ttn6 gttimtnun9sßif5cr aits 6ctt ^agctt t?or ^{Ic^. Don Dr. 3^öolf tJon ®orbon. 55 Seiten gr. 8". %xt\i sn %\. Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. In unseinn Verlage erschien: Lehrbuch der Differentialrechnung. Zum Gebrauch bei Vorlesungen an Universitäten und technischen Hochschulen Dr. Harry Gravelius. ;J31 Seiton gr. 8". TrcLs hroschiort 6 iMark, gebunden 7 Marli. Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. Ueber Tundren und Steppen der Jetzt- und Yor/eit mit besonderer licrtteksielitii^uiii;- ihrer Kanna. Von Dr. Alfred Nehring, Professor der Zooloprie und Vorsteher dtr zoolo^scheu Samnilun^eii an der Königlichen landwirthsehaftlicheu Hochschule zu IScriin Mit I Abbildung im Text und i Karte der Fundorte, 266 S. gr. 8". Preis 6 Mark. •♦•♦»♦»♦«♦•♦•♦»»•♦•»•♦•♦•♦•♦•♦•♦•♦•♦•♦•♦•♦ S. Roeder's Bremer Börseiifeclerii k IBREMER BORSENFEDER. 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Langjähriger Assistent vom Prof. Dr. Vogel des photo-chem. Laboratoriums der Kgl. techn. Hochscliule zu Oharlottenbu Berlin W., Bendlorstr. 13 Pliotot'lioiiiisoli.^,,X^4^ö llnlei-snoh.- ^^^cCiV V* 5^^*!^^ In»«titiit. ^^ ^: ■^^ NMi ractische II. llieoret. Ausb. ___ ,, uiiiitl. pliotogr. ^ Negat.- u.Posit,.-Verf.,soxv. photo-meclian. Druckverfahren. Wissenschaftliche und Amateur- Kurse. Eintritt jederzeit. Kurze und längere Kurse. ^ DiinkelUammern sti'lien zur Vcrfiigtiiig. i;el>ei'nahme ,^ller vorkommenden wissenschaltl. und praclisrlien photopraphisehen Arbeiten. Anskiiiifl lincilttimu'^l. Tiislich L;.-ntTnct vnu '.1-7. ^*^ ^\ Die Eriieueniiig des Aboniieiiieiits wird den geehrten Alnielimerii dieser Wocliensthrift Die Verlagsbuchhandlung. liierdiircli in geneigte Erinnernng gebr.aclit Veraiitworflielicr Rerlacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Licliterfeldo (P.-B ) bei Berlin, P fler Stamm hat sich also ebenso wenig wie die Aeste gereinigt. Die dichte, geschlossene Krone ist nicht pyramidal kegelförmig, wie bei gewöhnlichen Fichten, sondern bildet eine regelmässige Säule von 2V2 bis 3 m Durchmesser, welche sich erst in - 3 ihrer Höhe nach oben verjüngt. Die dünnen Aeste sind zwar anfangs, also in der Spitze der Krone, aufwärts gerichtet, später aber wagerecht, sie neigen dann immer mehr und mehr abwärts," bis sie endlich vollständig hängen und höchstens an ihrer Spitze sich etwas aufwärts krümmen. Bei den untersten 2V2 ni langen Aesten befindet sich z. B. die Spitze derselben P , m unter dem Ansatz des Astes. Diese Erscheinung zusammen mit der schlanken, säulenförmigen, tief herabreichenden Krone bedingt den Hauptcharakter der Trauertichte. Sie macht den Eindruck, als stehe ein geschorener Baum vor dem Beschauer (Fig. 1). Eine zweite ähnliche, aber nicht so schön regel- mässige Trauertichte steht in dem Bauernwald von Jegotheu bei Heilsberg in Ostpreussen. Sie ist 27 m hoch und iu 8 m Schafthöhe beginnen die ersten Aeste am Stamme herabzuhängen. Aus Samen dieses Baumes wurde im Garten des Herrn Schuhart unter vielen Exemplaren eins erzogen, welches ebenfalls zu dieser eigenthümlichen Form neigt und seit einer Reihe von Jahren immer [mehr den Charakter der Mutterpflanze zum Ausdruck bringt. Zwei weitere Exemplare befinden sich in der Nähe von Schierke im Harz, welche kürzlich auch durch Forst- assessor Böhm in der Zeitschrift für Forst- und Jagd- 634 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 52. wesen als .Säulenfichteu eine kurze Besprecliuni;- gefunden haben. Geht man von Schierke aus auf der neuen Brocken- chaussee zwischen den Bordsteinen 17,4 und 17,5 etwa 120 m nordwärts in den Wald, das Quitschenhäu, einen steilen Siidabhang zur Kalten Bode, hinein, so stösst man auf eine Trauerfichtc (Fig-. 2), die in der Tracht von den beiden vorigen sehr abweichend ist, sie sieht von Weitem aus wie eine mit Hopfen behangene Stange. Die Aeste hängen vollkommen geisselartig herunter, ohne sich an der Spitze wieder nach oben zu krümmen. Der 14 m hohe Stamm ist schwach gebogen und steht schief nach Süden überhängend. Der Baum ist leider sehr frei ge- stellt und dürfte den Stürmen auf die Dauer nicht trotzen. Verfolgt man dann die neue Brockenchaussee weiter, so biegt von ihr ein Holzabfuhrweg ab, welcher nach dem Torfhause hinführt. Nicht weit von dieser Abzweigung steht an der Südseite des Holzweges zunächst eine Schlangenfichte (Picea excelsa var. virgata), neuerdings ziu' Verhütung von Beschädigungen mit einem Zaune um- geben, und dann ca. 2 km weiter westlich eine Trauer- fichte (Fig. 3), Königstanne daselbst genannt, in einem vom Königsberge und Winterl)erge gebildeten, engen l'hal nahe der Kalten Bode in einer kleinen Lichtung am Rande von'(Bruchpartien, 10 m vom Südrande des obengenannten Abfuhrweges. Der Baum ist etwa 28 m hoch und besitzt eine Scliaftlänge von 5 m; in 8 m Höhe ist er etwas ein- geknickt, was wohl dadurch zu erklären ist, dass die Fichte früher eine dreitheiiige Zwieselbildung zeigte, von welcher die lieiden überflüssigen Aeste entfernt worden sind. Der sich als Haupttrieb weiter entwickelnde Ast zeigt die Trauerform in den ganz schlaff iierabhängenden Aesten noch viel schöner als der untere Theil der Krone (Fig. 3). Erst von 8 m ab ist die Fichte grün. Der Baum ist krank, er ist vom Borkenkäfer befallen, der Specht hat neuerdings zahlreiche, tief eindringende Löcher hineingearbeitet, und das Holz im Innern ist angefault, so dass auch die Tage dieses Exemplars gezählt sein dürften. Auf welche Ursachen die abweichende Wuchsform der Trauerfichte zurückzuführen ist, entzieht sich bis jetzt unserer Kenntniss. Die von anderer Seite ausgesprochene Vermuthung, dass es sich um eine ]iathologische Erscheinung handele, ist durch nichts bewiesen, und wir können die Trauerfichte nur als ein Glied in der Formenreihe der vielgestaltigen Picea excelsa Lk., welches sich an die Formen der Hänge- und Säulenfichte natürlich anschliesst, betrachten, (ex.) Dr. C. Brick (Hamburg). Die Spectralaiialy.se des Fixsteriiliclite.s zeitigt fast täglich neue, interessante Ergebnisse. Zu den nun schon in grösserer Zahl bekannten Sternen, die spectral- analytisch untersucht eine periodische Verschiebung der dunklen Absorptionslinien erkennen lassen, aus welcher wir nach dem Doppler'schen Princip auf eine Bahn- bewegung, d. h. auf die Doppelsternnatur jener Gestirne schliessen müssen, sind jüngst wieder zwei neue hinzu- gekommen, nändich rf Cephei und a Aquilae (Atair). An dem ersteren, sehr regelmässig mit einer kurzen Periode von 5V.3 Tagen veränderlichen Stern hat Belopolsky in Pulkowa eine oscillirende Bewegung in der Gesiehtslinie, deren Periode mit derjenigen des Helligkeitswechsels übereinstimmt, festgestellt und es steht zu hoffen, dass diese Entdeckung eine Handhabe geben wird, um den Lichtwechsel der Veränderlichen des betreffenden Tj'pus (der wegen seiner fortwährenden Lichtänderung von dem durch Verfinsterungen erklärten sogenannten Algol- typus 7.U unterscheiden ist) plausibel zu erklären. Bei Atair ist die Existenz einer allerdings ziendich eomplieirten Oscillation in der Richtung der Gesichtslinie ganz neuerdings von Deslandres in Paris ermittelt worden. An dem Spectrum desselben Sterns hat der Genannte ausserdem die Wahrnehmung machen können, dass zeit- weise im Inneren der breiten Wasserstottlinien, sowie auch der Linien des Calcium und Eisens helle Linien aufblitzen, die nur von dem von der Atmosphäre des Sterns ausgesandten Lichte herrühren können. Atair ist demnach der erste Stern, bei welchem directe Anzeichen für das Vorhandensein einer Atmosphäre zu Tage ge- treten sind, in welcher Vorgänge sich abspielen, die mit den Protuberanz- und Fackel-Bildungen auf der Sonne Aehnlichkeit haben. F. Kbr. Hermann v. Helnilioltz' Untersuchnnsen über die Grundlagen der Matliematik und Mechanik ist der Titel einer Rede, welche der dz. Prorector der Uni- versität Heidelberg, Professor Koenigsberger, am 22. November 1895 gehalten hat, und in welcher die- jenige Seite von v. Helmiioltz' Forschungen eine ebenso eindringende wie klare Darstellung und Würdigung findet, die bisher in den Gedächtnissreden nur wenig berührt worden ist. Und doch darf man wohl sagen, dass durch die hier berührten Forschungen, in dem von Professor Koenigsberger gewählten Umfange, von Helmholtz sich den schönsten unvergänglichen Lorbeer gepflückt hat. H. von Helmholtz war nicht ein Mathematiker in dem gewöhnlichen Sinne des Worts. „Es lag eben nicht in der Natur seines Geistes begründet, mathematische Untersuchungen um ihrer selbst willen durchzufuhren, sich zu erfreuen an der Herleitung völlig abstractcr Wahr- heiten, welche Eigenschaften der geometrischen und arithmetischen Gebilde dar.stellen, die dann möglicher Weise in den exacten Naturwissenschaften ihie Anwendung finden; er holte sich vielmehr seine mathematischen Pi'o- bleme — und es ist dies der einzig wahre, aber auch nur von einem so grossen Meister mit Erfolg einzu- schlagende Weg — unmittelbar aus der Beobachtung der Natur, indem er von der Voraussetzung ausging, dass die Wissenschaft, deren Zweck es ist, die Natur zu begreifen, auch annehmen müsse, dass sie begreiflich sei, und be- greiflich sein Ijedeutet für ihn nichts anderes als — um mit den Worten seines grössten Schülers Heinrich Hertz zu reden — „die denknothwendigen Folgen der inneren Scheinbilder äusserer Gegenstände mit den naturnoth- wendigen Folgen der abgebildeten Gegenstände in Uebereinstimmung zu bringen, oder die Probleme der Natur mathematisch zu formuliren.^' „Nur dann inter- essirten ihn auch mathematische Untersuchungen an sich, wenn es sich um die Aufsuchung der Grundlagen und Axiome mathematischer Disciplinen handelte, und so hat er in der That darauf bezügliche Forschungen für die drei grossen Gebiete der Mathematik, die Geo- metrie, Arithmetik und Mechanik angestellt, die für die Erkenntnisstheorie, sowie für die gesannnte Ent- Wickelung der mathematischen Physik bahnbrechend ge- wesen sind, wobei ihm aber auch hier wieder im Gegen- satz zu ähnlichen oder ganz gleichgerichteten Unter- suchungen anderer ausgezeichneter Mathematiker stets die Beobachtung und Erfahrung den festen Boden und eine sichere Richtschnur für seine Wege gaben, auf denen er zu den abstractesten niatiicuiatischen Wahrheiten ge- langte." Indem Herr Prof. Koenigsberger mit der grössten Belcsenheit und gründlichsten Sachkenntniss den Versuch unternonnnen hat, von Helmholtz' tiefgehende Unter- suchungen auf dem Gebiete der Mathematik in ihrer ganzen Ausdehnung zu kennzeichnen und zu würdigen, hat er nicht nur den Leistungen des unsterblichen Meisters Nr. Naturwissenschaftliche Wochcuschrift. 635 ein soliönes Denkmal gesetzt, soiidern er hat sich aucli den Dank derer in Iiolieni Maasse erworhen, die hislier eine Wertlischät/inii;- der l)es])roelienen Forschungen schnierzlicli verniisst iialien. Für den Laien bilden viel- leielit Dinge, wie die Erlindung des Augenspiegels, den Gegenstand der grössten Hewunderung, der Mann der Wissenschaft wird v. llehnhult/, in erster Linie für seine tiefsinnigen Forschungen auf dem Felde der reinen und angewandten Mathematik die Palme zuerkennen. Möge die Rede des Herrn Professor Koenigsberger rt'cht viele Leser linden ! G. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Kriiannt wurcli'ii: Der l'iivatcl(ii.-ciit der Physiologie zw Breslau Prof. Dr. Hürtlile zum ausserordentlichen Professor; der Chemiker Dr. Ferdinand t'isclier in Göttingen zum Professor; Dr. Nicolai Busch zum Directorgehülfen am Bota- nischen Garten der Uiiivi.i-sität Dorpat. Berufen wurden: Der ordentliclie Professor der organischen und physiologischen Oiemie, Director des chemisclien Labora- toriums und des pliysiologiseh-chemischrn Instituts zu Tübingen Dr. Karl Gnstav Huefner nach Sirassburg als Nachfolger lioppe-Seylers; der ordentliclie Professor der Landwirtliseliaft und Director des landwirthschaftlichen Instituts in .lena Di-. Theodor von der Goltz nach Bonn als ordentlicher Professor und Director der landwirthschaftlichen Akademie zu Poppeisdorf; der Director der Klinik für Haut- und verwandte Krankheiten und ausserordentliche Professor in .Strassburg Dr. Wolf als ordent- licher Professor nach Leipzig; der Privatdocent der Astronomie an der ITniversität zu München Dr. .Julius Bauschinger als ausserordi'ntlicher Professor der Astronomie und Leiter des astro- nomischen Reeheninstitnts nach Berlin au Stelle des verstorbenen Prof. Tietjen; der Forstmeister und Entomologe Wachtl an der forstlichen Versuchsanstalt IMarienbrunn als ordentlicher Professor des Forstschutzes und der forstlichen Entomologie an die Hoch- schule für Bodencultur zu Wien; der ordentliche Professor der Chirurgie in Utrecht Dr. Anton Freiherr von Eiseisberg nach Königsberg als Nachfolger des Prof Braun. In den Ruhestand tritt: Der Director der landwirthschaft- lichen Akademie Popjjelsdorf Geheimer Regierungsrath Professor Dünkelberg. Es starben: Der ordentliche Professor der Anatumie und Director der anatomischen Anstalt in Rostock Dr. Albert von Brunn; der Professor für Botanik und Chemie an der medici- nischen Hochschule zu Kairo Dr. Sickenberger. L i 1 1 e r a t u r. H. Poincare, Theorie analytique de la propagation de la chaleur. — Capillarite. tieiuges Carre, Paris 1895. Zu der grossen Zahl von Vorlesungen über die verschiedenen Zweige der mathematischen Physik, welche Herr Poincare in dem oben genannten Verlage hat erscheinen lassen, gesellen sich nun auch die über die analytische Theorie der Wärmeausbreitung und über Capillarität. Die Erstere ist von den Herren Rouger und Baire, die Letztere von Herrn Blondin redigirt worden den wir schon von früheren Bünden dieser Serie her kennen. Üeber die Vorzüge der Poineare'schen Darstellungsweise ist bei Gelegenheit der Be.«precliung der früheren Bände und deren deutschen Ueber- setzungen in diesen Spalten ausführlich gesprochen worden, und es könnte hier nur eine Wiederholung stattfinden, wenn wir von Neuem hier.auf eingehen wollten. Ebensowenig kann an dieser Stelle auf Einzelheiten der Entwicklungen eingegangen werden. Referent kann sich daher auf einige kurze Angaben über den Inhalt der vorliegenden Vorlesinigen beschränken. In dem ersten der anzuzeigenden Werke wird zunächst an die Fourier'schen Arbeiten angeknüpft, und seine Hypothesen werden näher aus- einander gesetzt. - Besondere Aufmerksamkeit wird den An- wendungen auf specielle Probleme geschenkt, bei denen sowohl den Fourier'schen Reihen als auch den Fourier'schen Integralen eine eingehendere Erörterung zu Theil wird. Die Vorlesungen über Capillarität beginnen mit einer Darstellung der Laplace'schcn Theorie; hierauf wird auf die Theorien von Gau.ss und Poisson eingegangen, deren Grundlagen auseinandergesetzt werden. Diesen Capiteln folgt eines über dünne Schichten, in welchem zunächst der wichtige Nachweis geliefert wird, dass die Gleichgewichts- tlächen dünner Flüssigkeitsmembranen Minimaltläehen sind. Dies führt naturgeuiäss zu den Platoan'schcn E.Nperimenten über diesen Gegenstand, die im nächsten Capitel mathematisch behandelt «■«■rdi'U. In dein folgenden fünften Capitel werden solche Probleme bi'handelt, bei denen die Schwi-re von Einfliiss ist. ■/.. B. das Gleich- gewicht eines Flüssigkeitstropfeus. der auf einer dichteren Flüssig- keit ruht. Das si'chstc und letzte Capitcd bescliäftigt sich noch kurz mit Anwendungen der Thermodynamik auf die Capillar- erschoinungen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die vorliegenden 'Vor- lesungen dos Herrn Poincare, dem nicht nur die reine Mathematik, sondern auch die mathematische Physik so hervorragende Be- reicherungen verdankt, ebenso wie die früheren, im gleichen Ver- lage erschienenen Bände das besondere Interesse der Mathematiker und Physiker erregen, und so auch in Deutschland eine grössere Verbreitung finden werden. G. Die Fortscliritte der Physik im Jahre 1893. Dargestellt von der physikalischen Gesellschaft zu Berlin. 49. Jahrg. 2 Abth. enthaltend: Physik des Aethers, redigirt von Richard Börn- stein. — Preis" 30 Mk. 3 Ahth. enthaltend: Kosmische Physik, redigirt von Richard Assmann. — Preis 25 Mk. Verlag von Fried- rich Vieweg u. Sohn, Braunschweig 1895. — Bezüglich der zweiten Abtheilung des neuen Jahrgangs können wie unser in No. 28 (Seite 343) über die erste Abtheilung gegebenes Urtheil aufrecht erhalten, dagegen können wir der Redaction der dritten Abtheilung ilen Vorwurf einer nicht hinreichend sorgfältigen Znsammenstellung nicht ersparen. Möglichste Vollständigkeit in der Berücksichtigung aller, auch selbst schwerer zugänglicher wissenschaftlicher Publi- cationen ist das erste Erforderniss, das ein Unternehmen wie das Vorliegende erfüllen muss, wenn es überhaupt seinem Zweck ge- recht werden will. Was soll man von diesem Gesichtspunkte aus dazu sagen, dass der von der Berliner physikalischen Gesellschaft veranlasste Bericht über die Fortschritte der kosmischen Physik die „Mittheilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik" nicht kennt, obgleich diese Vereinigung ihren Sitz gleichfalls in Berlin hat. Die Berichte über die Fort- schritte auf dem Gebiet der veränderlichen .Sterne, der atmosphä- rischen Optik und der Meteoriten sind unter Anderem in Folge dieser groben Nachlässigkeit — denn persönliche Motive hält Ref. bei einem derartigen 'V^'erk für ausgeschlossen — recht unvoll- ständig ausgefallen und erschüttern in bedenklichem Grade das einem bisher so hohes Ansehen geniessenden Unternehmen ent- gegengebrachte Vertrauen. Oder sollte vielleicht doch auch jetzt noch einer alten Tradition gemäss, das Prinzip des Todtschweigens (man denke an Schopenhauer, Robert Mayer n. T. W.) als eine im Gelehrtenkriege gut brauchbare Waffe angesehen werden"? F. Kbr. Notizblatt des Königl. botanischen Gartens und Museums zu Berlin liei.sst eine neue seit Anfang dieses Jahres erscheinende Zeitschrift, die in Commission bei Wilhelm Engelmann in Leipzig erscheint. — In den letzten Jahren — sagt »o»o»»»»»«»«»»» S. Roeder's Breniei* Börse iifedei'ii , ^rROEDERISL BREMER BÖRSENFEDER Aiieiiaiiiit lieste Biireaii- imfl CoiiiptoirfedeFii Itcbci-iiU 511 I)alicn; joliod) iiuv cdjt mit ticiii Oiaiiu'ii SJocbct. Elektrische Kraft-Anlagen im Ansciiluss an die hiesigen Centralstationen eventuell unter Ankauf vorhandener Kraftmaschinen iGasnioloreu etc.i führt unter günstigen Bedingungen aus „Elektromotor" G. m. b. H. 21. Schifibauerdamm. BERLIN NW. Schilfbauerdamm 21. PATE NT BUREAU Qlrich TJ. jVtaerz BerWn NW., Luisenstr. 22. Patent-, Märken- u. Musterschutz für alle Länder. Uches zuPpeiß^listenetc. 'HügoShndler - Beplin,S.Rittepstr.96. Fernspp.Anschl.A:iV.NS9?85:, "t^ie künstlerische Gr * Herstellung ■:•■ von niustratiouen und Zink- cliches jeder Art und nacli beliebiger Vorlage, für wissen- schaftliche und gexverbliche Zwecke, wird in meinem Insti- tnt >.'it .Nihrt-ji gT-iifl.-,s,-t. Die Abbildungen in" dieser Zeit- schrift gelten als Proben meines Verfahrens. 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Für ilocli- und Quer-Aufnalimen bleibt die tage der Camera unverändert, weil die Visir- schcibe sich um sich seihst dreht! 4. Auslösung des Verschlusses durch Druck auf Knopf i. Alle Wellen etc, laufen in Metalllagern. — l'/ox/iect />■ vorn am Apjiarat Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstr. 33. Willi Büsing', Ijangjährigei Assistent vom Prof. Dr. Vogel des photo-cheni. Laboratoriums der Ksl. techn. Hochschule zu fJharlotteuburg Berlin W., Bendlerstr. 13 PliAtocheiniüich. llliiititllt I'ractisclie ii.tlicuret.Ansb. m siimmtl. pbotogr. Negat.-n.Posit.-Verf.,sow. iioto-mechan. Druck verfahren. Wissenschaftliche und Amateur- Kurse. .'i.N'^^,>^^Eiutritt jederzeit. Kurze und längere Kurse. Dunkelkammern stehen zur Verfügung, Uehernahnie aller vorkommenden wissenschattl. und practischen photograpbischen Arbeiten. N;ihere Auskunft bereit wiUisst. Tägiieh Keidluet von 11— 7. llntersncli.- ^^^Z'. cCi»' •vCVS' \ erautwortlicber iiedact Bernstein in Berlin eur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentbeil: 1 — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW, 12, — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12 Hugo 2. «iS', •^ii*::*!;' ^l'.vC^if K., %i ..:ik. ^y\y