'^ '^>:^' Ä"- 1^"' \.;^ ^ - ., S^'j . _^>^. v:»- T: .•*vrig.) V. Was ist Erfahrung? .... 377 VI. Das Streben nach Erhaltung 380 VII. Das seelische Leben . . . 389 — , Richard Avenarius f (Orig. mit Porträt) 425 Ostwald, Die Ueberwindung des wissenschaftlichen Materialismus . öO Ilindfleisch, Neu-Vitalismus ... 15 Schmidkunz, Philosophie im Alltags- liandeln (Orig.) 4G1 Stern, Entwiekelung der experimen- tellen Psychologie (Orig.) .... 341 Anthropologie. A m m o n , Fortschritte der Anthropo- logie und Social - Anthropologie (Orig.) 235 Billrotli, Differenz von Moll und Dur und ihre Entstehung ISl Cunningham u.Dubois, Stammbaum des Menschen-Geschlechts .... 7 Dubois, Capacität des Schädels von Pithecanthropus 344 Epstein, Einwirkung der Töne auf das Sehvermögen 105 Fürst, Javanische Sitten unil Ge- bräuche (rig.) . 5G1 Waldeyer, Uebersicht des Nerven- systems 298 Zuntz, Stoffumsatz u. Arbeitsleistung des menschlichen Körpers (Orig.) . 297 Fall von Doppelbewusstsein .... 224 Zoologie. Belila, Moritz und Wilser, Ueber Nichtvererbbarkeit und Vererbbar- keit erworbener Eigenschaften (z.Th. (->rig.) .591 Bickel, Flohdressur 588 Bündle, Ciliate Infusorien im Coecum des Pferdes 116 Chevreux, Exotischer landbewoh- nender Flohkrebs in Paris ... 301 Cholodkowski, Polydaktylie ... 287 Claus, Bienenstaat mit 2 Königinnen 68 C o c k e r e 1 1 , Geographische Verbreitung der Schildläuse 346 Decaux. Erzeuger der Tamarisken- gallen 103 Dittrich, Zugehörigkeit von pela- gischen Copepoden zu den Leucht- thieren 103 Dogel, Motorische und sensible Ele- mente des sympathischen Nerven- systems 345 Dubois, Leuchtthiere des Landes . . 56 Eberlein, Infusorien des Wieder- käuermagens 101 Eimer, Artbildung und Verwandt- schaft bei den Schmetterlingen (mit (Jrig.-Nachb.) 185 E X n e r , Elektrische Eigenschaften von Haaren und Paedem 555 Faussok, Parasitismus der Anodonta- Larven in der Fischhaut .... 27 Fried länder, B., Regeneration von Theileu des Ccntralnervensystems von Regenwärmern 56 Friedrich, Kramer u. Truessart, Pelzmilben dos Bibers 251 Fürst, .lavas wirbellose Thiere (Orig.) 329 Gaule, Aufnahme des Eisens in den tliierischen Körper 372 Seite Giesbrocht. Pelagischo Copepoden des Rothen Meeres 346 G 0 e r t h , Ueber den Todtengräber . 45 v. Graff, Zoologie seit Darwin . . . 155 Grenacher, Entladungs- und Wir- kungsweise der Nesselkapseln von I^ib-a U6 G u r n ey . Westwind und Fing der Vögel 418 Hart mann, Geburtshelferkröte. . . 397 Hartwig, Die Krebsthiere der Provinz Brandenburg (Orig. mit Orig.-Abb.) 209, 319 H e s c h e 1 e r , Regenerations-Vorgänge bei Lumbriciden ....... 323 J aekel, Stammform der Wirbelthiere 589 Je est, Transplantationsversuche an Regenwürmern 274 Jolget. Riviere und Jobert. Wir- kung des elektrischen Organs von Torpedo 567 — und Viallanes, Blut und seine Cirkulation bei Krebsen .... 614 Keller, Eine Anpassung im Thierreich 237 Kenten, Mitotische Kerntheilung bei Euglena 168 Knipo witsch, Fauna des Weissen Meeres 300 Kolielt, Zoogeographische Stellung von St. Helena 21" Kocli, L., Geselliges Zusammenleben von Spinnen 56 Kogernikov, Instinkt der Bienen . 518 Kreidl, Hörvermiigen der Fische . . 237 Lauterborn. Neue Süsswasserart der Gattung Multicilia 156 Leyden siehe Schaudinn. Leydig, Brnträume der Wabenkröte 202 L o e b , Einfluss des Lichts an der Org.^n- bildung 614 Lostel, Verlängerung der hinteren Gliedmaassen durcli Castration . . 396 Lutz, Bluten der Coccinelliden . . . 224 V. M aohrent lial. Zoologisches Institut der König!. Friedrich -Wilhelm -Uni- versität (Orig.) 305 V. Martens, Sertularia als Ampel- „Ptlanze" 303 Mingaud, Der Biber in Frankreich . 251 Moritz, Phylloxera 276 N ehr ing, Phoca grünlaiidica in Dessau geboren (Orig.) 251 — , Ringelrobbo bei Horingsdorf (Orig.) 4.57 Ortm ann. Geographische Verbreitung iler Hippidea 396 Ostroumoff, Dahl und Mrsizek, Fliegende Krebse 225 Packard, Phylogenie der Schmetter- linge 130 Physali.x und Bortrand, Wider- standsfähigkeit des Igels gegen Kreuzüttergift 480 3 S S 2 1 IV Inhalts - Verzeichniss. Seit« Plehn, Neue Polycladen 362 R e c k e r , Lebender Regenwurm im Eise 1 56 Ilocquigny - Adanson, Ueberwin- terudo Schmetterlinge 480 Römer, Gordiiden ('Jrig.) 81 Saemisch und Ludwig, Filaria loa im Auge des Menschen 129 Satuni n, Säugethiere der Kaukasus- länder 434 S c h a u d i n n , Theilungsvorgänge an der Amoeba binucleata 8 — (undLeyden), Leydeniagemmipara 479 Schewiakoff, Geographische Verbrei- tung der Süsswasserprotozoen . . ti26 Selaters, Ausgestorbene Vögel in Patagonien 252 Sekera, Lebende Regenwürmer aus dorn Eis 301 Simpson, Verbreitung der nordameri- kanischen Unionidenfauna .... 626 S i m r 0 t h , Die einfachen Farben im Thiorreich 143 T o r n i e r , Lieber vermeintliche embryo- nale Variation 433 Trabut, Dimorphismus betreft's Ab- wehr ankletternder Kerfe .... IGT Verhöff, Können Diplopoden an senkrechten Glaswänden empor- klimmen? 81 — , Wundheilung bei Carabus .... ISO — , Biologie der Diplopoden .... 237 Verschüren, Fluggeschwindigkeit der Schwalbe 419 Wandollek, Käfer mit stechenden Fühlern 300 Weltner, Süsswasserschwämme . . 144 Zernecke, Feiner Bau der Cestoden 2C.") Neue Thiere u. s. w. des Berliner zoo- logischen Gartens 168, 180 Selache maxima im Museum in Bergen 589 Botanik. Areschoug, Biologische Eigenthüm- liehkeiten beim Hervortreten unter- irdisch angelegter Sprosse über die Erde 542 Bonecke, siehe Molisch. Beyer, Neue Pflanzenpresse (Orig. mit Abb.) 218 Bonnier, Entstehung des Honigthaus 145 Bourquelot und Bertrand, Ver- färbung von Pilzen nach Verwun- dungen 203 Brefeld, Reis- und Setariabrand . . 167 Bureau, Flora von Madagascar. . . 237 Conwentz, Untei-gegangener Eiben- horst im Steller Moor ))ei Hannover 28 — , Neue Beobachtungen über urwücli- sige Eiben im nordöstlichen Deutsch- land (Orig.) 4t!) Czapek, Die saure Renction der Wurzel 529 E n g 1 e r , Pflanzenverbreitung i.Deutsch Ost-Afrika 221 Errera, Das Optimum der Pflanzen 528 Flamarion, Die verschiedenen Strah- lengattungen und die Pflanzenent- wickelung 491 Friedol, Pflanzengeschichtliches aus Padua (Orig.) 25 Fürst, Javas Flora (Orig.) .... 497 Goebel, Blattform von Campanula rotundifolia und Lichintonsität . . 204 Graebnor, Klima und Heide in Nord- deutschland (Orig.) 197 Hennings, Ucber sogenannte Thicr- pflanzen (Cordiceps). (Orig.mitOrig.- Abb.) 317 Kraus, Wachsthum des Bambusrohres 240 — , Blüthenwärme b. Cycaden, Palmen und Aracocn 106 Lindau, Anatomische Verhältnisse der rindenbewohnenden Floclitim (Orig.) 157 Migula, Bacterien-Systeni 145 Seite Molisch u. Benecke, Unentbehrlich- keit bestimmter Metalle für die Pflanzen 347 Molliard, Pollen im Ovulum ... 226 Mulford, Agaven der Vereinigten Staaten 434 Ne bring. Die Früchte und Samen der Wasser-Aloe, Stratiotes aloides L. (Orig. mit Orig.-Abb.) .... 585 Sachs, Phylogenetische Aphorismen und über innere Gestaltungs-Ur- sachen oder Automorphosen . . . 478 Seynes, Penieillium cupricuni . . . 324 Staats, Gelber Blattfarbstott' der Herbstfärbung 480 Stahl, Bunte Laubblätter 372 Stoinbrinck, ( )eifnungsmechanik von Blüthenstaub- und Sporonbehältoni (mit Orig.-Abb.) 405 Trabut, Widerstandsfähigkeit ge- wisser Schimmelpilze 226 T r (• u li . Verwendung der Blausäure als Nahrung 203 Tschirch, Blutfarbstoff und Chloro- phyll . 217 Wittrock, Zur Geschichte der Penseon .591 Ziegenbein, Pflanzeu-Athmung unter O^C. (Orig.) 104 — , Temperaturschwankungcn und nor- male Athmung (Orig) 33G Zimmermann, E., Moos-Protonema in Lehestener sulfatreichem Bachwasser (Orig.) 444, 471 Herbarium Europaeum (Baenitz) . . 583 Neue Beispiele der Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen- und Thiervvelt . 301 Palaeoutologie. Keilhack, Ueber Folliculites (Orig.) .504 Pabst, Thierfährten im Oberroth- liegenden von Tambach in Thü- ringen (Orig.) 573 Potonie , Palaeophytologische Notizen (Orig. mit zum Thcil Orig.-Abb.) I. Zur Morphogenie der Blatt- Aderung (mit Abb ) . . . . 33 II. Blattwirtel-Scheide bei Annu- laria radiata (mit Abb.) . . 114 ni. Phyllotheca-Blüthen bei Equi- setum (mit Abb.) 115 IV. Was sind die beiden „Male" auf dem untei'en Wangenpaar der Lepidodendraceen-Polster ? (mit Abb.) 115 — , Autochthonie von Kohlen-Flötzen (Orig. mit Abb.) 306 — , siehe auch unter Technik. Rütimeyer, Schröter u. a., Die Wetzikonstäbe 516 Geologie iiiid Mineralogie. Arrhcnius, Ursachen der pjiszeit und Klimaschwankungen 34S Bauer, Rubingi'wiiinung in Birma . 467 Blancken hör n, Entstehung und Ge- schichte des Todten Meeres . . . 420 Credner, R., Die Ostsee und ihn- Ent- stehung 35 Doelter, Mineralien und Röntgen- strahlen . 227 Geikie, siehe Keilhack. Hertz und Auerbach, Härtescala mit absoluten Werthrn 407 Keilhack, Geikies Gliederung der eiszeitlichen Ablagerungen in Europa 226 Langenbeck, Erdbeben im südlichen Schwarzwalde 1.57 de Launay, Bihhingsvorhältnisse der Witwaterssand-Onldlager .... 3S4 Maass, die Bestimmung von Erdbeben- herden (Orig. mit Orig.-Abb.) . . I Moissan, Metallc:irl)iile und Erdöl- bildung 408 Seite Pel ikan,SanduhrstructurderKrystalle 569 Scheibe, Der Diamant unrig.) .... 173 Wehrli, Die Lamnibach-Verheerungen bei Kienholz im Berner Oberland (Orig. mit Orig-Karte) 545 Golderzfunde in Schlesien 627 Physik. Baule, Scheinbares mechanisches Pa- radoxon (Orig.) 22 Bohu, Ueber neuere Luftpumpen C^i-iR-) 285 Borggrevc, Wesen der X-Strahlen (Orig.) 245 Brandes, Sichtbarkeit der Röntgen- strahlen 325 Buka, Röntgen-Strahlen von hoher In- tensität 582 Goldhammer, Natur 9 F 1 anini arion, Ende der Welt . . . 106 Frank, Krankheiten der Pflanzen. . 543 Frech. Karnische Alpen 119 Frey einet, Analyse-Mecanique . . 302 F r i c k - L e h m a n n , Physikalische Technik 11 Fuchs, Molekulargewichtsbestimmung 171 Genau, Physik 195 G essmann, Magnetismus und Hypno- tismus 10 Geyer, Katechismus für Aquarienlieb- haber 507 Gizycki, Vom Baume der Erkenntniss 70 Gra'etz, Elektricität 507 Griesbacb, Physik — chemische Pi-o- pädeutik . ' 219 Grob. Anatomie der Epidermis der Gramiueenblätter 531 Groos, Spiele der Thiere .... 228 Grüner, Gesteins- und Bodenkunde. 339 (iünther, Bakteriologie 158 Habe nicht, Schöpfungsgeschichte . 422 Haberlandt. Physiologische Pflanzen- anatoniie 594 Hau SS er mann, Elektrische und clie- mische Industrie 519 Hafner, Spiritismus 169 Hahn, Hausthiere .549 Haläcsy, Flora von Niederösterreich 5ll7 Hatschek und Cori, Zootomie . . 531 Haycraft, Natürliche Auslese und Kassen Verbesserung 118 Hein, Trocknen und Färben natürlicher Blumen 218 Hermann, Technische Verwendung der Lausitzer Granite 219 — , Geologische Specialaufnabmi>n in der Überlausitz 351 liertzka, Photographie 170 Hi ck mann, Geographisch-.-ilatistiscIier Taschenatlas 351 Hirsch, Wissenschaftlicher Central- verein und Humboldt-Akademie . . :i95 Hock, Laubwaldflora 494 Holzmüller, Elementar-Mathematik 507 H u m e ' 8 Traktat über diemenschliche Natur 326 Hussak, Mineralogie 411 Ihne, Beschreibende Naturwissen- schaften und Chemie 59 Jakob, Unsere Erde 228 Kayser, Fauna des Dalnianitensand- steins von Kleinlinden bei Giessen 629 Kellen, Katzenbuch ....... 4SI Keller, Leben des Meeres .... 182 Klebs, Physiologie der Fortpflanzung 107 Knuth, Flora der nordfriesischen Inseln 170 — , Flora der Insel Helgoland .... 531 --, Blumen und Insecten auf Hidgoland 531 Kodis, ApperceptionsbegritV . . . . 570 Koehne, Herbarium dendrologicuni . 483 Koenigsberger, Hehuholtz' Unter- suchungen über Grundlagen der Ma- themathik und Mechanik . . . . 231 Kohlrausch, Praktische Physik . . 459 Koken. Eiszeit ". ... 519 Kraepelin, Naturstudien im Hause . 327 — , Flora für Nord- uml Mittel-Deutsch- land 459 Seite Kraepelin, Zoologischer Unterricht 519 Kroll-Perlia, Stereoskopische Bilder 107 Kurt, Wahrhritin und Dichtungen in den Hauptlehren E. v. Hartmann's 47 Laisant et Lenioine, Arithmetique 11 Landauer, Spectralanalyse .... 135 Landsberg, Hilfsbuch für den bota- nischen und zoologischen Unterricht 387 Lang, A., Vergleichende Anatomie . 134 — , 0., Bildung des Harzgebirges . . 279 Lassar-Cohn, Chemie des täglichen Lebens 243 Leffler, Sonja Kovalevska .... 410 Lehmann, Ed.. Flora von Polnisch- Livland 93 v. Lenden fehl. Aus den Alpen . . 595 Levy, Durchleuchtung des mensch- lichen Körpers 423 Liebich, Physikalische Krystallo- graphie 571 Linck, Grundriss der Krystallographie 630 Lipps, Grundzüge der Logik ... 23 Littro w-Weiss, Wunderdes Himmels 619 Lombroso, Der Verbrecher ... 32 — . Entartung und Genie ..... 219 Lucas, L'Arithmetique amüsante . . 231 Luedecke, Die Minerale des Harzes 630 Lützow. Laubmoose Norddeutschlands 194 M a b i 1 1 e a u , Histoire de la Philosophie atomistique 32 Mach, Populäre wissenschaftliche Vor- lesungen 410 Marcuse, Atmosphärische Luft . . . 531 Mäule, Faserverlauf im Wundholz . 11 Meinecke, Aus dem Lande der Suaheli 231 Metzner, Botanisch - gärtnerisches Taschenwörterbuch 629 M e w e s . Licht- . Elektricitäts- und X-Strahlen 267 — , Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Schwerkraftstrahlen 315 Mever, Chemische Synthese .... 435 Michael, Führer für Pilzfreunde . . 375 Miethe, Praktische Photographie . . 147 Mit scherl i ch , Gesammelte Schriften 471 Mol den hau er, Niederschläge im nord- westlichen Deutschland 267 Nagel, Lichtsinn augenloser Thiere . >>\1 Nansen's Nordpolfahrt (Karte) . . 495 — , In Nacht und Eis 606 N e r n s t und Sehe n f 1 i e s s , Einführung in die mathematische Behandlung der Naturwissenschaft 231 Niedenzu, Botanische Bestimmungs- übungen 118 Nordsted t, Index Desniidiacearum . 618 Oberbeck, Licht und Leuchten . . 507 Olivier, Was ist Raum, Zeit u. s. w.? 59 Ortmann, Marine Thiergeographie . 557 Ostwalds Klassiker der exacten Wissenschaft 171, 495 Part seh. Schlesien 278 Pax, Prantl's Lehrbuch der Botanik. 351 Peter, Anatomische Morphologie und Physiologie der Pflanzen .... 267 Petri, Das Mikroskop 375 Pfeifer, (ilacialforschung und. Teleo- logie der Eiszeit 134 Picard, Traite d'analyse 363 Pokornv, Mineralreich 471 Polis, BallonfahrtiMi 2;>1 Powell, Gott im Menschen .... 23 Prey er. Zur Psychologie des Schreibens 228 — , Darwin 291 Rauber, Regeneration der Krystalle . 146 Ress, Botanik ......"... 399 Rehm, Asconiycetcn 303 Ribot, Vererbung 59 Riecke, K^.xjierimi'utal-Physik . . . 519 Rörig, Gewcnhsauuidung der Königl. Landwirtlischaftlichen Hochschule in Berlin 118 K u s s I e r , Verbreitetste Schmetterlinge Deutschlands 375 Inhalts -Verzeichniss. VII Seite Rohrbacli, Himmelsglobus .... 351 Rodewald, (aielhintr . Grössere Aufträge ent- »nstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist .<( 4.— sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inaeratenannahme Bringegeld bei der Post 15 4 extia. Postzeitungsliste Nr. 4827. Jl bei allen Aunoncenbureatut wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit Tollständiser (Quellenangabe gestattet. Die Bestimmung von Erdbebenherden. Von Dr. G. Maass. Eines der ersten und wichtigsten Probleme seit der Be- gründung einer wissenseiiaftlichen Erdbebenkunde war die Frage nacli dem Ausgangspunkte der Bewegungen, dem Herde der Erschütterungen, weil man aus der Bestimmung dieses Ortes weitere Schlüsse auf die Ursache der Beben glaubte ziehen zu können. Im Laufe der Zeit wurden zu der- artigen Bestimmungen verschiedene Methoden vorge- schlagen, die mehr oder weniger häufig Anwendung fanden und auch heute noch finden, sodass es sich wohl ver- lohnen dürfte, etwas näher auf dieselben einzugehen. Zunächst jedoch müssen wir einige Grundbegritfe etwas näher erläutern. Man hat sich von jeher daran gewöhnt, nur solche Bodenbewegungen als Erdbeben zu bezeichnen, die ihren Ursprungsort im Innern des Erd- körpers haben; das Erdbebencentruui oder besser der Erdbebenherd muss also stets unter der Erdober- fläche liegen. Der Ort der Erdoberfläche nun, der sich senkrecht über dem Erdbebenherde befindet, wird als Oberflächenmittelpunkt oder Epicentrum bezeichnet und kann, da er stets die Projection des Herdes auf die Erdoberfläche darstellt, eine sehr verschiedene Gestalt besitzen, je nach der Gestalt und Lage des Herdes. Im Epicentrum muss die Erschütterung zuerst wahrgenommen werden, da bis hierher die Bewegung den kürzesten Weg zurückzulegen hat, sofern, was bei allen unseren Unter- suchungen vorausgesetzt ist, der Erdbebenherd nicht mit dem Erdmittelpunkt zusammenfällt. An allen anderen Punkten der Erdoberfläche wird die Erschütterung je nach der Länge des vom Herde aus zurückgelegten Weges später eintreffen. Man bezeichnet nun die Linie, welche alle Punkte gleichzeitiger Erschütterung verbindet, als Rom OS eiste und die Entfernung eines beliel)igen Beob- achtungsortes vom Epicentrum als den Axialabstand dieses Ortes, während die Ausbreituugsgeschwindigkeit an der Erdoberfläche Oberflächengeschwindigkeit heisst und nicht mit der wahren Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Erschütterung im Erdkörper zu verwechseln ist. Nur im Epicentrum wird die Bewegung unmittelbar senkreciit an die Erdoberfläche gelangen und hier eine stehende Welle erzeugen ; an allen anderen Punkten muss die Bewegungsrichtung mit der Erdober- fläche einen mit wachsendem Axialabstande abneh- menden Winkel, den Emersionswinkel bilden und hier an der Oberfläche eine wirkliche Wellenbewegung veran- lassen. Nach den einfachen Gesetzen der Wellenlehre, denen auch die Erderschütterungen unterworfen sind, muss die Intensität, die Stärke der Bewegung mit dem Quadrat der Entfernung vom Erregungspunkte abnehmen. Sie muss also im Epicentrum am grössten sein, weshalb man dieses Gebiet auch als das pleistoseiste oder als Schüttergebiet erster Ordnung bezeichnet. Ent- sprechend den Homoseisten nennt man dann die Linien, welche die Punkte gleicher Intensität verbinden, Iso- sei sten. Wenn wir uns nunmehr immer bowusst bleiben, dass die Erderschütterungen durchaus den Gesetzen der Wellenlehre folgen, so besitzen wir hiermit alle für die weiteren Untersuchungen erforderlichen Vorkenntnisse. Nachdem mau sieh früher lediglich auf ungefähre Angaiien der Richtung und Intensität der Erderschütte- rungen beschränkt hatte, wurde die erste auf wissen- schaftlicher Grundlage beruhende Methode der Bestimmung eines Erdbebenherdes im Jahre 1847 von dem englischen Physiker Hopkins vorgeschlagen.*) Hopkins stellte zuerst die Gesetze der Ausbreitung von Erdbebenstrahlcn im Erdkörper fest, die für alle späteren Untersuchungen maassgebend blieben. Er nahm an. dass sicli die Er- schütterungen von einem Punkte aus nach allen Seiten hin gleichmässig in geradlinigen Hahnen ausbreiten, dass also die Flächen gleicher Bewegungsphase concentrische *) Report of the ineeting of the British associatiou for the advanceinent of scionce. London 1847, S. 83 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 1. Kug-eln bilden. Diese werden von der Erdoberfläche in um das Epicentrum conccntrischen Kreisen geschnitten, und zwar rücken diese Horizontal- Honioseisten mit zu- nelnnender Ent- fernung vom Epi- centrum immer näiier aneinan- der, wie dies Fi- gur 1 veranschau- licht, in der die Grade A B die Erdoberfläche, E das Epicentrum, C den Erdbebeu- a„ b, 6, die ein- Homo- darstel- herd, Fig. 1. u. s. w. zelnen seisten len. Die schein- bareOberflächen- geschwindigkeit nimmt also vom Epicentrum aus in der Weise ab, dass sie sich der waliren Fortpflanzungsgesciiwindigkeit der Erbeben- strahlen immer mehr nähert. Errichtet man also in unserer Figur in den Homoseistenpunkten a, «j u. s. w. Lothe auf der Geraden Aß und trägt auf diesen, unter Zugrundelegung einer beliebigen Einheit, die zugehörigen Zeitintervalle, etwa Minuten, ab, so entsteht, wenn man die so erhaltenen Zeitpunkte a, b', a\, b\ u. s. w. mit einander verbindet, eine Hyperbel, deren Asymptoten zwei Stossstrahlen selbst sind, welche sich also im Erdbebenherde schneiden müssen. Um nun ein Erdbebencentrum zu bestimmen, hätte mau nur nöthig, auf mehreren Horizontal- Homoseisten je drei Punkte festzulegen. Das Epicentrum würde man dann auf einer Karte leicht ermitteln können, wenn man die Beobaehtungspunkte einer Homoseiste durch gerade Linien mit einander verbindet und in den Halbirungs- punkten dieser Verbindungslinien Lothe auf denselben er- richtet, die sich im Mittelpunkt des Homoseistenkreises, also im Oberflächenmittelpunkte des Erdbebens, schneiden müssen. Senkrecht unter diesem muss sich nun der Erd- bebenherd befinden. Durch genaue Ausmessung der Ab- stände mehrerer Horizontal-Honioseisten kann man nun die Abnahme der Oberfläehengeschwindigkeit ermitteln und erhält so Zahlenwerthe, um auf Grund der mathe- matischen Gleichung einer Hyperbel den Schnittpunkt der Asymptoten, den Erdbebenherd zu berechnen. Hopkins gab auch Verbesserungen für seine Formeln an, um die durch die geologischen Verhältnisse des Untergrundes licrvorgerufenen Ablenkungen der Erdbeben- strahlen in Rechnung ziehen zu können. Um demnach die wirkliche Lage eines Methode bestinnnen zu können, ist es also für die Ermittelane; Erdbebenherdes nach nöthig, des Epieentrums, drei völlig dieser allein über- einstimmende Zeitangaben und ausserdem noch genaue Zeiten mehrerer Homoseisten zu besitzen; ausserdem wäre genaue Kenntniss der geologischen Verhältnisse Diese und dbestinunung aber die des Bodens bis zur Tiefe des Herdes erforderlich Bedingungen sind aber zu schwer zu erfülle in Folge dessen ist diese Methode der He bisher noch niemals angewendet worden. Die erste praktiscli angewendete Methode wurde von R. Malle t in seinem bahnbrechenden Werke: „The üTcat Neapolitan eartliquake of 1857, London 1862" begriindet und durchgeführt. Dieselbe stützt sieh auf die Untersuchung der durcli Erdstösse im Mauerwerk veraidassten Risse und Spalten und zwar auf Grund folgender Ueberleguna-. Ein senkrecht von unten nach oben wirkender Stoss wird bei nicht allzu grosser Stärke in erster Linie das Dach eines Hauses in die Höhe werfen, das sich dann wieder an die alte Stelle setzt, ein Fall, der nicht eben selten beobachtet wird, und nachträglich an den dicht unter dem Dache rings um das Gebäude verlaufenden Sprüngen zu erkennen ist. Triti't ein unter einem gewissen Eniergenzwinkcl an die Oberfläche gelangender Stoss senkrecht auf die Wand eines Gebäudes, dessen längere Mauern der Stossrichtung parallel sind (subnormal Mallet), so müssen die Theile der getroffenen Mauer zuerst eine Schwingung in der Richtung der Bewegung ausführen. Durch ihr Trägheits- moment erhält die Wand einen Anstoss, nach aussen, d. h. der Stossrichtung entgegen, einzustürzen, und wenn der Stoss stark genug bezw. die Geschwindigkeit der schwingenden Theile gross genug ist, die Festigkeit der Mauer zu überwinden, so entsteht rechtwinklig auf der Richtung des Stosses in den beiden Längswänden die Hanpt- spalte AB (Fig. 2), zu der bei grösserer Stärke auch die beiden anliegenden Nebenspalten CD und EF hinzutreten können. Gleichzeitig ist die dem Stoss abgewendete Querwand nur gegen die beiden Längswäude gedrückt worden. Unmittelbar darauf schwingen die Theilcbeu der Quermauern der Stossrichtung entgegen; die dem Fig. 2. Fig. 3. Stoss abgewendete Querwand erhält einen Anstoss nach aussen, mit der Erdbewegung einzustürzen, und so ent- steht in den Längswänden der Riss A' B'. Bei sehr starken Erschütterungen können die Querwände ganz ein- stürzen und von den Längswändeu nur die zwischen den Hauptspalten liegenden Theile (Fig. 3) stehen bleiben; doch sollen meist auch diese einstürzen. Kann man also in einem geeigneten Gebäude derartige Spalten erkennen, so braucht man nur auf der durch die zusanmiengehörigen Spaltenpaare gelegten Ebene das nach dem Erdinnern gerichtete Lot zu construircn, um sofort die Richtung der Bewegung und den Emcrsionswinkel zu erhalten. Der normale Fall Mallets, dass ein horizontaler Stoss eine Mauer trifft, kann in der Natur niemals vorkommen, da niemals ein Erdbebenherd an der Erdoberfläciie liegt. Nach Mallet wirken aber alle Erschütterungen mit einem Emcrsions- winkel von nicht über 10*' wie horizontale. Es entstehen senk- rechte Mauer- risse , die auf der dem Stosse zugekehrten Seite weiter klaf- fen. Trifft ein Stoss ein Ge- bäude über Eck (abnormal oder subabnormal Mallet), so entstehen die Hauptspalten paarweise an den zu- und abgewendeten Ecken (Fig. 4; und ebenso können noch Secundärspalten auftreten. Auch aus diesen lassen Fig. 4. Nr. 1. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 3 sich trigonometrisch Stossrichtung- und Emersionswinkel leicht bestimmen. Ebenso kann man diese Elemente bei einem unter beliebigen Winkel auftreftenden Stosse leicht berechnen. Hat man nun so durch Untersuchung der in den Mauern entstandenen Spalten die Eichtung und den Emersionswinkel bestimmt, so hat man die Richtungen nur auf eine Karte in Mercator-Projection einzutragen, um in ihrem Schnittpunkt das Epicentrum und damit auch den Axialabstand zu finden. Die Tiefe des Erebebenherdes kann man dann einfach nach der Formel berechnen // =(l.t{/e, worin d den Axialabstand und f den Emer- sionswinkel bedeutet. Bei Berücksichtigung einer grösseren Zahl von Messungen gewinnt das Resultat an Genauigkeit. Mit Hilfe dieser Methode erhielt Mallet für das neapolitanische Erdbeben von 1857 anscheinend recht befriedigende Resultate. Er nahm in 78 Orten im Ganzen 177 Richtuugsbestimmungeu vor, und es schnitten sich die Stossrichtungen von 16 Orten innerhalb eines Kreises von nur 4.^6 m Radius, also fast in einem Punkte, die Stossrichtungen von 32 anderen Orten noch innerhalb eines Kreises von 1851 m Radius; 12 weitere Bestimmun- gen Hessen sich hiermit noch in Uebereinstinnnung bringen, während für einen Theil der übrigen die Gründe der A))- weichung anzugeben waren. Auf Grund dieser Unter- suchungen glaubte Mallet die Tiefe des Eibebenherdes zu 10 (349 m (Maximum 15 ÜOO m, Minimum 5100 m) be- stimmen zu können. So einfach diese Methode an sich auch ist, und so befriedigend scheinbar die auf Grund derselben erhaltenen Resultate auch sind, so wurden doch schon bald nach ihrer Veröffentlichung von verschiedenen Seiten Wider- sprüche erhoben. M. Neumayr sagt in seiner „Erdge- schichte" (1. Aufl., Bd. I, S. 303) über dieselbe: „Diese Methode ist allerdings sehr bestechend, aber trotzdem müssen gegen dieselbe und gegen die Ueberschätzung ihrer Bedeutung einige schwerwiegende Bedenken ange- führt werden. Abgesehen von dem praktischen üebel- stande, dass sie nur bei sehr starken Erdbeben ange- wendet werden kann, stützt sie sich auf eine Reihe von Voraussetzungen, welche nur in den seltensten Fällen ein- treffen werden. In erster Linie ist die Art und Weise des Verfahrens darauf gegründet, dass die ganze Zer- störung der Gebäude durch succussorische Stösse statt- gefunden habe; da aber Beschädigungen durch einfache Wellenbewegungen geschehen können und diese hier nacli den Gesetzen eines geradlinigen Stosses (in mathema- tischem Sinne) behandelt werden, so liegt darin eine ent- schiedene Fehlerquelle. Ebenso kommt es vor, dass in einer Erdbebenperiode das Epicentrum wechselt, es werden also auch verschiedene Stossrichtungen an den einzelnen Punkten vorkommen können, die man zu ver- wechseln Gefahr läuft. Vor allem aber dürfte ein Be- denken schwer in die Wagschale fallen. Wenn ein Geolog eine vom Erdbeben stark zerrüttete Stadt betritt, so um- geben ihn Hunderte von beschädigten Gebäuden, und da er sie nicht alle untersuchen kann, so hat er nun die ge- eignetsten zu wählen, welche er speciell studiren und auf die er seine Folgerungen gründen will. Er muss als solche diejenigen Häuser aufsuchen, welche die Wirkung des Erdbebens am reinsten darstellen, und als solche wird er ganz unwillkürlich unter sonst gleichen Umständen diejenigen betrachten, welche mit einer vorläufig ge- fassten Ansicht über die Lage des Mitteii)unktes am besten harmoniren. In der Nothwendigkeit also, eine Auswahl weniger Fälle aus der grossen Menge zu treffen, und in der Schwierigkeit, um nicht zu sagen Unmöglich- keit, hierbei ganz unbefangen vorzugehen, liegt wohl die grösste Schwäche der Mallet'schen Methode, und sie tritt vielleicht am auffallendsten hervor in der unnatürlich grossen Genauigkeit der Bestimmung des Mittelpunktes bei Mallet, welche mehr leistet, als mit unseren rohen Hilfsmitteln überhaupt geleistet werden kann. Endlich muss noch hervorgehoben werden, dass in der ganzen Auffassung schon darin ein Irrthum zu liegen scheint, dass nur ein räumlich sehr beschränktes Gebiet als Ausgangs- punkt betrachtet wurde und die sehr nahe liegende Mög- lichkeit, dass eine grosse Scholle Landes sich in Be- wegung befunden habe, nicht berücksichtigt ist. Alle diese Erwägungen führen zu der Ansicht, dass das Werk von Mallet einen sehr werthvollen Versuch darstellt, dass es ein bahnlncchendes genannt werden darf, dass aber der im einzelnen eingeschlagene Weg ein unrichtiger, das Resultat ein unbefriedigendes ist." Diesen Ausführungen Neumayr 's können wir uns voOinhaltiich anschliessen ; ja, wir können sogar noch weiter gehen. In wie weit die Auswahl der zur genaueren Untersuchung herange- zogenen Gebäude von der Willkür des Beobachters, von einem vorher gefassten Urtheil abhängt, dafür liefert das lokrische Erdbeben vom 27. April 1894 einen Beweis, für welches Mitzopulos*) aus einem Mauerriss die Tiefe des Herdes zu 23 — 25 km glaubte bestimmen zu können. Die eingehenden Untersuchungen, welche in neuerer Zeit mit Hilfe der vervoUkouanneten Seismo- graphen angestellt wurden, haben ferner zur Genüge klar- gelegt, dass man die Erdbebeuerschüttcrung durchaus nicht als einen einfachen Stoss aufzufassen iiat, sondern dass während einer Erschütterung jedes Bodentheilchen äusserst compiicirte Schwin- gungen ausfuhrt, wie dies die in Fig. 5 wiedergegebene autographische Aufzeich- nung eines in Florenz beobachteten Erd- bebens veranschaulicht. Die von Neumayr genannte Möglichkeit, dass die Erschütte- rung durch die gleichzeitige Bewegung einer grösseren Scholle Landes hervorgerufen werde, dürfte für die meisten Erdbeben zutreffen, besonders da sich jetzt bei genauerer Unter- suchung die Thatsache immer mehr herausstellt, dass sich Erschütterungen über sehr grosse Gebiete hin fast gleichzeitig einstellen. Auf ' diese Q'hatsache war bereits früher hingewiesen worden, beim Erdbeben von Owens Valley in Californien am 26. März 1872, bei dem Beben im oberen Pendschab am 2. ]\Iärz 1878 und bei dem Schweizer Erdbeben am 4. Juli 1880, und dies iiatte E. Suess**) zu der Bemerkung veranlasst: „Es sind also drei Beobachter in verschiedenen Welttheilen selbst- ständig von einander zu demselben Resultate gelangt." In seiner ausführlichen Monographie des Erd Itcbens von Agram am 9. Nov. 1880 hat schliesslich Fr. Wähner***) auf Grund rein theoretischer Betrachtung, die er aber durch Anführung einer grossen Zahl von Beispielen er- härtete, gezeigt, dass das Auftreten und der Verlauf der Mauerrisse ganz unabhängig von der eigentlichen Stoss- richtung lediglicii abhängt von der Intensität und Dauer der Bodenbewegung und den besonderen Eigenheiten des Mauerwerks. Er sagt darüber (a.a.O., S. 314): „Ebenso wenig kann es gestattet sein, aus der Grösse des Winkels, welchen ein schiefer Sprung mit dem Horizonte bildet, irgend welche Schlüsse auf den Betrag oder die Richtung der veranlassenden Bewegung zu ziehen; denn die Grösse dieses Winkels hängt nicht bloss von der Neigung des Bodens und demgemäss von dem Verhältnisse der Höhe und Länge der Welle, sondern auch von der Höhe und *) Petennanns Mittheihmgen, Bd. 40 (1894), S. 227. **) Antlitz der Erde, T, S. IOl'. *'*) Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wis?ensch. z. Wien. Math.- phys. Cl. Bd. 8S. ..\l)t. 1, S. -iSStf. Fi« Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 1. anderen zufälligen Eigenschaften des Mauerwerks (Oeflf- uungen etc.) selbst, kurz von zu vielen Umständen ab, als dass man den Antbeil, welcher dem einzelnen Um- stände zuzuschreiben ist, bestimmen könnte. Die verticalen und schiefen Sprünge, welche auf die besprochene Weise entstehen, sind nicht nothwendig an das eine oder andere Ende der Mauer gebunden. Die Mauer wird vor Allem am leichtesten dort brechen, wo sie am schwächsten ist. Wenn die Mauer durch Tliflr- und Fensteröffnungen unter- brochen ist, so werden die entsprechenden Sprünge mit Vorliebe sich an die Oeffnungen anschliessen." Diese Methode ist also zur Ermittelung eines Erd- bebenherdes durchaus nicht geeignet, weil sie von Vor- aussetzungen ausgeht, welche wohl nur in den seltensten Fällen in der Natur zutreffen dürften, abgesehen von einem anderen principiellen Fehler, auf den wir später zurückkommen werden. Eine zweite gleichfalls von Mall et angegebene Methode stützt sich auf die Beobachtung umgefallener und fortgeschleuderter Gegenstände. An einem umgestürzten, vorher frei stehenden Körper kann man zunächst die Richtung bestimmen, in der die Bewegung den Körper traf, indem dieser stets in der verticalen Ebene der Be- wegung und, da er nur in Folge seiner Trägheit umge- stürzt wurde, der Bewegung entgegen liegen wird. Handelt es sich um einen Körper von einigermaassen regelmässiger Gestalt, so kann man die horizontale Bewegungscomponente und damit die Stosskraft selbst folgendermaassen be- stimmen. Es sei V die horizontale Bewegungscomponente, ni die Masse des umgestürzten Körpers, « der Abstand des Schwerpunktes des Körpers von der Unikippungsachse, (fi der Winkel, welchen die den Schwerpunkt mit der Umkippungsachse verbindende Gerade und das Loth bilden, t/ die Beschleunigung durch die Schwere (9,808) und m [k- + ft^) das Trägheitsmoment des Körpers in Bezug auf die ümkippungsachse. Dann ist ^, _ 2g . jk' + a^) (1 - cos y) a • cos^ (f Man mnss dann, um v auf absolutes Maass zurück- zuführen, noch )it bestimmen, was Ijci einem regelmässig geformten Körper nicht schwer ist. Kennt man auf diese Art die Richtung und die horizontale Bewegungscompo- nente, so ,kaini man den Emersionswinkel auf folgende Weise bestimmen. Es sei h der senkrechte Abstand einer fortgeschleuderten Kugel in ihrer ursprünglichen Lage vom Boden, c der horizontale Abstand der Kugel nach dem Stoss von ihrer ursprünglichen Lage, V die horizontale Bewegungscomponente, ry die Beschleunigung durch die Sciiwere. Dann ist b cg tg«: Die Tiefe des Krdbebenherdes findet man nach dieser Methode wieder auf Grund der Formel h=d- tg e, worin // den Axialabstand und e den Emersionswinkel be- deutet. Zur Bestimmung der für die Berechnung nöthigen Elemente gab MaUet folgende einfache Vorrichtung an (\iv\). Brit. Assoc. 18r)8, S. 98). Auf einer festen ebenen I5asis stehen, von lockerem Sande umgeben, zwei auf einander senkrecht angeordnete Reihen von kleinen Säulen, die bei demselben Instrument aus dem gleichen Material bestehen müssen. Die Höhe aller Säulen ist die gleiche; die Durchmesser schwanken dagegen in ihrem Verhältniss zur Höhe zwischen 3 : 1 und 9:1, damit die Stabilität der einzelnen Säulen verschieden ist. Bei einer Erschütterung nun fallen, je nach der Stärke der Bewegung, mehr oder weniger Säulen um und zwar der Stossricbtung entgegen. Aus der im Sande hinterlassenen Spur kann man also die Richtung des Bebens bestimmen. Zur Er- mittelung des Emersionswinkels dient eine auf einer fest mit dem Boden verbundenen Säule frei aufliegende Kugel, die bei einer Erschütterung herabgeschleudert wird. Auch diese Methode ist in den meisten Fällen nicht anwendbar, weil eben die Erdbeben zumeist nicht ein- fache Stösse sind, sondern länger andauernde und in Intensität und Richtung sich ändernde Bewegungen. Hierfür liefert R. Falb in seinem Werke „Gedanken und Studien über den Vulcanismus" S. 257 ein sehr lehr- reiches Beispiel vom Erdbeben von Belluno am 29. Juni 1873, welches S. Günther (Lehrbuch der Geophysik I, S. 390) unbegreiflicher Weise als Beweis für die An- wendbarkeit der Methode anspricht, obgleich Falb selbst sagt: „Doch scheinen verschiedene Stösse diese Spuren hinterlassen und der erste Stoss demnach in Wirklichkeit ein Bündel von verschiedenen Stössen repräsentirt zu haben.'- Die MaUet'scben Methoden wurden in gewisser Weise von R. Falb (a. a. 0., S. 211) moditicirt, indem er die- selbe unabhängig machte von der Bestimmung des Ober- flächenmittelpunktes, also der Bestimmung der Intensität. Er erreichte dies auf folgende Weise. Zwei Beobachtungs- orte A und B haben von einander die Entfernung d. Es sei von A aus die Differenz zwischen dem eigenen Stoss- azimuth und dem geographischen Azimuth von B gleich u und die entsprechende Difi'erenz von B aus = ß. Es sei dann 2d cos ■ß . a sm ß sin (a — ß) """ 2 2 Dann ist die gesuchte Herdtiefe = c. h. c • sin (c^ — 6'^) sin e' • sin «^ ' worin f ^ und e- die den Beobachtungsorten . 1 und B ent- sprechenden Emersionswinkel darstellen. Eine Modification und Verbesserung der Mallet'schcn Methode schlug auch Stapft'*) vor, indem er darauf aufmerksam machte, dass die Richtung der Spalten im Erdboden zu der des Stosses in der Beziehung steht, dass, wenn q den Reibungswinkel, also den Winkel, dessen tg der Reibungskoefficient des betreffenden Ma- terials ist, darstellt, beide einen Winkel (p = 45" — , ein- schliessen. Man hätte also den Reibungskoefticienten des von Spalten durchsetzten Erdreiches zu bestimmen und hieraus die Stossricbtung zu ermitteln, worauf man dann die Herdtiefe nach der Mallet 'sehen Formel h = d ■ tg e berechnen könnte. In neuerer Zeit könnten die zur Berechnung nöthigen Angaben, auch ohne Berücksichtigung der von Mallet vorgeschlagenen Beobachtungen, mit grösster Genauigkeit leicht von den Aufzeichnungen der Seismographen abge- lesen werden, w eiche unniittell)ar die horizontale Richtung, das Stossazinmth und durch Feststellung der verticalen und horizontalen St(issconi])onente ihrer Intensität nach auch den Emersionswinkel liefern, sofern die auf Be- nutzung des Emersionswinkels begründeten Methoden Himmel Erde, 11 (18i)0), S. 484. Nr. 1. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. überhaupt zur Bestimmung eines Erdbebenherdes aus- reichend wären, was, wie wir später sehen werden, nicht der Fall ist. In seinem Werke „Das mitteldeutsche Erdbeben vom 6. März 1872" schlug K. v. Seebach eine Methode der Herdbestimmimg vor, die das von Hopkins vorgeschla- gene Princip der Verwerthung von Zeitangaben wieder aufnahm. Die Beobachtungszeiten müssen zunächst, um mit einander verglichen werden zu können, auf eine be- liebig zu wählende Normalzeit — etwa mittlere Berliner Zeit — reducirt werden. Aus den so reducirten Zeiten soll nun zunächst das Epicentrum bestimmt werden. Diese Aufgabe ist sehr einfach gelöst, wenn drei oder mehr Orte gleiche oder zwei oder mehr Paare von Orten unter einander gleiche Zeiten ergeben. Man braucht dann nur auf einer Karte die Orte gleichzeitiger Erschütterung gerad- linig zu verbinden und in den Halbirungspunkten dieser Verbindungslinien Lothe auf denselben zu errichten, um im Schnittpunkt dieser das Epicentrum zu finden. Sind indessen keine einfachen rationellen Methoden der Be- stimmung anwendbar, so wird man am kürzesten durch Probiren zum Ziele kommen, indem man aus der Ge- sammtheit aller Beobachtungen eine erste rohe An- näherung an den Oberflächenmittclpunkt versucht. Von dem so gewählten Punkte zieht man Radien nach einigen besonders zuverlässigen ßeobachtungsorten und bestimmt aus ihnen die constant angenommene scheinbare Olier- flächengeschwindigkeit, die sich höchst wahrscheinlich auf den einzelnen Radien verschieden ergeben wird. Man nimmt nunmehr das Mittel der gefundenen Oberfläehen- geschwindigkeiten und sucht nun rückwärts ein neues Epicentrum, von dem aus man dann wieder ähnlich ver- fahren kann, bis endlich der Oberflächenmittelpunkt mit der wünschenswerthen Genauigkeit gefunden ist. Den Herd des Erdbebens kann man dann ebenfalls rein mechanisch ermitteln auf Grund folgender Betrach- tung. Es sei in Fig. 6 C der Erdmittelpunkt, 0 der Erdbebenherd, A das Epicentrum und M ein beliebiger Beobachtungs- ort; dann ist /( die ge- suchte Herdtiefe, q der Erdradius, y der Axialabstand für M im Bogenmaass und r ein Erdbebenstrahl, der in der Zeit t mit der con- stant angenommenen Geschwindigkeit v durchlaufen wird. Es ist also r = vt, und ebenso bei anderen Beobachtungs- Flg. 6. orten r ■■vt^, r.2 vL u. s. w. Nun ist aber y2 __ ^2 _j_ ^g — /jj2 — 2q (Q — //) cos 9»; also ist auch V (f, — t^) = ]/q^ + (e — ^)2 — 2q (q — h) cos yi — ]/q' + iQ — Ä)2 — 2q{q — h) cos (p2. Nun ist ferner vt = r= V 2^2 — 2Qh — 2q {q — h) cos (p + h^ oder vt = r = '^ 2() {q — h){l — cos y>) -+- h". Es ist nun also ist 1 — cos (f ^=2 sm- J ; vt= r//,2_j_4g(g_/j)gin2y oder Der Einfachheit wegen setzen wir 2q sin ^ = y. Dann ist vH^ = h- + i\ h und -;)'' h^ = vH" — u'^l — oder Es ist dies die Gleichung einer Hyperbel t- r 2 = 1> worm ist. tt = und ß ■■ Es sind dies die absolut richtigen Werthe, in die mau aber in der Praxis, da die dadurch entstehenden Fehler verschwindend klein werden, ß^h und?/ = a setzen kann, wenn a den Axialabstand des Beobachtungs- ortes bedeutet. Wir haben also für unsere Hyperbel die Gleichung v^t" a" _ Um nun die Tiefe des Erdbebenherdes gra|)hisch zu be- stimmen, trägt man in ein Netz quadratischer Felder, von irgend einem Punkte anfangend, auf den horizontalen Linien die Axialabstände der Beobachtungsorte, auf den verticalen die zugehörigen Beobachtungszeiten ab; man muss dann, bei absoluter Genauigkeit der Eintragungen oder auch der Elemente, die gesuchte Hyperbel erhalten. Der Scheitelpunkt dieser Hyperbel ist der Oberflächenmittel- punkt, der Schnittpunkt der Asymptoten mit der zum Epicentrum gehörigen Senkrechten der Zeitpunkt der ersten Erregung des Erdbebens. Es lässt sich ferner die wahre Fortpflanzungsgeschwindigkeit direct aus der Länge des zwischen zwei Zeiteinheiten, also zwei Senkrechten liegenden Stückes der Asymptote ablesen. Die Zeit zwischen dem ersten Anstosse und der Wahrnehmung im Epicentrum di- vidirt durch den Werth der Fort- pflanzungsge- schwindigkeit ergiebt die ge- suchte Tiefe des Erdbeben- herdes. Als Beispiel gelte das in F ^ ^ " =« . ^ -' ^ z:^ ^ '/ n ij !t n /er ij /s ts Fig. 7. 7 gegebene Schema für das*'rheinische Erdbeben vom 29. October 1846, für welches'sich folgende Elemente feststellen lassen : mittlere Tiefe .38 806 m, Fort- pflanzungsgeschwindigkeit 4,6 geogr. Meilen in der Minute, Differenz zwischen der Zeit des ersten Anstosses und der Wahrnehmung im Epicentrum 1.14 "'''". Zum Zweck der für diese Methode unerlässlichen genauen Zeitbestimmungen gab v. Seebaeh eine ein- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 1. fache Vorrichtung an, um im Augeubhck einer Er- .sehütterung eine Uln- in Gang zu bringen, während V. I.asaulx eine andere Einrichtung traf, um eine in Gang betindliehe Uhr anzuhalten. In neuerer Zeit kann man auch die genauen Zeitangaben von den Aufzeichnungen der Seismogra])hen direct ablesen, wodurch die Genauig- keit der .Methode wesentlich gefordert wird. Es füllt hier- mit die von v. Lasaulx angegebene Schwierigkeit fort: .,V()r allem ist die (lenauigkeit des Zeiteintrittes der Er- schütterung, die zu der Bestimmung nöthig ist, nur in ganz einzelnen, fast zufälligen Fällen zu erzielen. Gerade die angestellten Untersuchungen haben die Unzuverlässig- keit der Zeitbestimmungen in hohem Maasse ergeben. Damit wird aber die Methode selbst unzuverlässig." Schon V. Seebach selbst war nicht im Stande, für das mitteldeutsche Erdbeben von 1872 die Herdtiefe nach seiner Methode zu bestimmen, da die ihm zu Gebote stehenden Zeitangaben zur Construction des stärker ge- krümmten Theiles der Hyperbel und ihres Scheitelpunktes nicht ausreichten: es fehlten Zeitbestimmungen von Orten in der Nähe des Epicentrums. Er sah sich deshalb genöthigt, die Herdtiefe auf Grund der Mallet'schen Methode zu be- rechnen und nach diesem Resultate die Hyperbel zu con- struiren. Die zweite von v. Lasaulx angeführte Schwierigkeit lässt sich dagegen nicht beseitigen: „Das Medium des Erdbodens ist ein zu ungleiches, um die genaue Constanz der Fortpfianzungsgeschwindigkeit zu gewährleisten und endlich ist die Form des Erdbebenherdes stets mehr oder weniger von einem Punkte oder Kreise abweichend." Die hierdurch hervorgerufenen Abweichungen sind, wie wir später zeigen werden, viel zu bedeutend, als dass sie sich, „wenn nur den Zeitangaben Zuverlässigkeit zuer- kannt werden könnte, aus der Construction und Betrach- tung von selbst ergeben" und eliminiren Hessen. Dasselbe lässt sich auch gegen die von H. Kortum*) für das Erdbeben von Herzogenrath am 22. October 1873 angewendete rechnerische Bestimmung der Erdbeben- elemente vorbringen, der folgende Betrachtung zu Grunde liegt. Es sei h die Tiefe des Erdbebenherdes, a der Axialabstand eines ßeobachtungsortes, V die wahre Fortpflanzungsgeschwindigkeit einer Erschütterung, T die Zeit der ersten Erregung des Erdbebens und t die Zeit der Beobachtung. Ninnnt man nun die Erdoberfläche als Ebene und den Erdbebenstrahl geradlinig an, so ist. und a' -f }i^ = v'^ {t — Tf Auf Grund dieser Gleichung berechnete Kortum dann mit der grosstcn anwendbaren Genauigkeit die Tiefe des Erdbebenherdes zu 5100 m (0.68 geogr. Meilen) — als Mittelwerth wird gewöhnlich 11 1.30 angegeben — . Er versuchte dann noch ans den benutzten Zeitangaben mit derselben (icnauigkeit einen Maximalwerth der Tiefe zu bestinnnen, indem er denselben 10, ja 20 mal grösser annahm als den Mittelwerth und in die Bedingungs- gleichuugen einsetzte, doch gelangte er dabei zu dem Resultate: „Dieser Versuch ist gescheitert. Hienach habe ich es aufgegeben, über die Tiefe etwas genaueres her- auszubringen." *) A. V. Lasaul.x, Das Eidbeben von Heizogonratli am 2-2. Oc- tober 1873 - Bonu 1874 — S. 116 fl'. Die Schwierigkeiten der Mallet'schen und v. See- bach'schen Methoden glaubte R. Falb (Gedanken und Studien über den Vulkanismus, S. 212ft'.) umgehen zu können, indem er eine Methode vorschlug, in der nur das E})icentrum und die F'ortpflanzungsgeschwindigkeit zur Verwendung kommen unter Benutzung der mit den Erd- erschütterungen verbundenen Schallphaenomene. Es wird dabei vorausgesetzt, dass Schallerscheinung und Er- schütterung die gleiche Ursache haben und im Erdbeben- herde gleichzeitig eintreten. Es sei nun V die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erschüt- terung, i\ die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles im Erdboden, welche ebenfalls als constant und der Erschütterung proportional angenommen wird, T die Zeit zwischen dem ersten Anstoss und der Beobachtung der Erschütterung, und t die Zeit zwischen dem ersten Anstoss und der Wahrnehmung des Geräusches. Dann ist die Länge des Erdbebenstrahles zwischen dem Erdbebenherde und dem Beobachtungsort V t — ^ ~ :=k (eine Constante) v^ 1 und t = — . Bezeichnet man nun das Zeitintervall zwischen der Wahrnehmung des Schalles und der Erschütterung mit S, sodass t=T—S wird, dann ist V S Vi Nimmt mau nun die Erdoberfläche als Ebene und den Erdbebeustrahl geradlinig an und bezeichnet den Emersionswinkel mit e und die Herdtiefe mit Ji, so ist h = r • sin e. Mithin ist V ■ S- t'i • sin e h: t), — V Nun war, wie wir bei der Mallet'schen Methode ge- sehen hatten, wenn man den Axialabstand mit a be- zeichnet, /) = (/ . tg E. Es ist demnach a • te- e = cos £ = V ■ S ■ V, • sin e »1 — V a{v — und ^^i) V • S • t'i Diese Methode hat den Vorzug, dass sie weder ab- solut richtige Zeiten noch eine besouders gute Uhr er- fordert, da es nur nöthig ist, die zwischen der Wahr- nelnnung der Erschütterung und des Schallphänomens ver- flossenen Secunden zuzählen, wobei aber vorausgesetzt wird, dass der von uns mit /.- bezeichnete Werth 7p= — durch ein gut bestimmtes Erdbeben ermittelt ist. Durch Ein- führung dieses l<'actors erhielte man dann für die Herd- tiefe die Grundgleichung V • S • siü E l-k Nr. 1. Naturwissenschaftliche Wocbenschritt. worin die Fortpflanzungsgeschwindigkeit v auf irg-end eine andere Art bestinuut werden niüsste. Von der Bestininuuig dieser Grösse kann indessen ahg-eseiien werden, wenn von zwei Beobaclitungsorten, deren einer das Epieentrum ist, die zwischen der Wahi-nehmung- des Geräusches und der Erschütterung verstricliene Zeit be- kannt ist, indem man dann den Eniersimiswinkel aus diesen Zeiten nach der Formel sin s ■■ S berechnen und in die Mallet'sche (h-undgleichung einsetzen kann, worin a den Axialabstand bedeutet. Trotz ihrer scheinbaren Einfachheit lassen sich aber gegen die Anwendbarkeit dieser Methode mehrere schwerwiegende Bedenken erheben. Zunächst führt die- selbe wiederum den Emersionswinkel ein, welcher, wie wir noch zeigen werden, für unseren Zweck durchaus ungeeignet ist. Aber dieser Emersionswinkel wird hier auch noch auf Grund ganz willkürlicher Prämissen be- rechnet. Eine solche Prämisse ist die Einführung des Schallphänomens, dessen Fortpflanzungsgeschwindigkeit constant und der der Erschütterung proportional ange- nommmen wird, sodass sich die Constante k, welche durch irgend ein Erdbeben bestimmt wurde, in jedem weiteren Falle anwenden Hesse. Die Schallphänomene gehen zwar den Stössen öfter voran, als dass sie ihnen folgen, wodurch andere Fälle natürlich nicht ausgeschlossen sind. In Hallet 's Katalog finden sich 423 Angaben über Geräusche; von diesen gingen 100 den Stössen voran, 307 fielen mit ihnen zusammen oder begleiteten sie, 9 folgten ihnen, 2 gingen voran und begleiteten die Stösse, 2 begleiteten und folgten und 3 gingen voraus, begleite- ten und folgten. Aehnliche Resultate erhielt Davison aus seiner nach Meldungen aus 64 Orten angefertigten Statistik über das Erdbeben von Inverness am 15. No- vember ISyO. Für die Mehrzahl der Fälle wäre also die Falb'scbe Methode nicht anwendbar. Weiter hat sich öfters gezeigt, dass die Ausdehnung des Schall- gebietes unabhängig ist von der des erschütterten Ge- bietes, so dass die extremsten Fälle vorkommen können, Geräusch ohne Erschütterung und Erschütterung ohne Ge- räusch. Ebenso sind häufig beide Gebiete nicht con- centrisch; vielmehr liegt der Ausgangspunkt des Schall- phänomens der Oberfläche näher als der der Erschütte- rungen, eine Erscheinung, die wohl darauf zurückzuführen ist, dass die Geräusche hervorgebracht werden von den kleinsten Vibrationen, die vorzugsweise von den oberen und seitlichen Rändern der den Erdbebenherd bildenden Gleitfläche herkommen. Die Falb 'sehe Me- thode ist also ebenfalls zur Ermittelung eines Erdbeben- herdes durchaus ungeeignet. (Fortsetzung folgt.) Ueber den Stammbaum des Menschen-Geschlechtes äusserte sich D. J. Cunningham in derDiscussion eines von Dr. Dubois, dem Entdecker des Pithecanthropus erectus, vor der Royal Dublin Society am 20. November gehaltenen Vortrages. Ueber den Pithecantropus haben wir wieder- holt in diesen Blättern berichtet, zuletzt in Nr. 46 v. Jahrg. Wir entnehmen den von Cunningham gebotenen Stammbaum der englischen Zeitschrift „Nature." Er gruppirt: Hominidae Der recente Mensch 1 Neanderthal-Mensch Simiidae Chlirpanse Gorilla Pithec- j ? anthropus 1 ? Drang Gibbon Prohyiobates Auch in Berlin — in einer ausserordentlichen December-Sitzung 1895 der Berl. Ges. f. Anthrop. — hat Dubois die Knochen des Pithecantropus vorgelegt und besprochen. Er gab hier den folgenden interessanten Stammbaum: pithecidae Hylobates Simia Homo Trogloclvtes*) (jorilla Platyrhinae | ^ PUo- hylobates Pliopithecus Pithec- anthropus T" Palaeopithecus Dryopithecus Prohyiobates -Procereopithecus Archipithecus *) Ob unser Herr Berichtorstatter dieses Genus im Stanini- baum richtig untergebracht hat, ist nicht ganz siclier. Garteukalender. — Von der Redaction wurde ich aufgefordert, während eines Jahres monatlieh eine ge- drängte Uebersicht über die zeitgemässen Arbeiten im Garten zu geben. Da es zum Gelingen der Arbeiten im Garten unbedingt nothwendig ist, zu wissen, warum sie gerade so und nicht anders ausgeführt werden müssen, andererseits aber eine Kenntniss der Lebensweise der Gartengewächse Demjenigen, der den Gartenbau nicht praktisch erlernt hat, in zweifelhaften Fällen wichtige Anhaltspunkte für die Behandlung der Pflanzen bietet, so werden diese Artikel auch kurze theoretische Er- örterungen, durch Abbildungen erläutert, erhalten. Es muss indessen bemerkt werden, dass man, wie ein altes Gärtnersprichwort sagt, in der Gärtnerei niemals auslernt. Der Gärtner macht eine Menge Beobachtungen, welche wissenschaftlich noch keine Erklärung gefunden haben, welche aber gewiss noch berufen sein werden, manches interessante Streiflicht auf die Pliysiologic und Biologie der Gewächse zu werfen. Der Verfasser lehnt es daher von vornherein ab, für alle Erscheinungen eine bc- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Nr. 1, friedigende Erklärung zu geben, sowie auch dafür ein- zustehen, dass die angegebenen Arbeiten stets den er- warteten Erfolg bringen werden. Jannar. Im Obstgarten sind die Bäume zu be- schneiden. Der Zweck des Schnittes ist, an den Aesten zweierlei Triebe aus den Knospen zu erzielen: einen langen, welcher den Ast verlängert (Leittriebj und kurze Triebe (Fruchtruthen, Fruchtspiesse), welche Blüthen- knospen ansetzen. Durch den Schnitt sollen sämmtliche Knospen des vorjährigen Triebes zum Austreiben ge- bracht werden. Die Länge der sich entwickelnden Zweige ist abhängig von der Entfernung der Knospen von der Basis des Zweiges. Die absolut obersten Knospen bilden stets die längsten, die untersten Knospen die kürzesten Triebe. Die Gesammtlänge aller Triebe scheint für einen Zweig eine bestimmte zu sein : schneidet man einen Zweig sehr stark zurück, so bildet er nur Langtriebe, kürzt man ihn zu wenig, so treiben die untersten Knospen nicht aus. Nach einem richtig geführten Schnitt treibt nur die oberste stehen gebliebene Knospe einen Langtrieb, sämmtliche übrigen nur Kurztriebe. Nur an den Kurz- triebeu werden Blüthenknospen angelegt. Kurztriebe werden nicht beschnitten, weil sie sonst Laugtriebe bilden. Warum nur Kurztriebe Blüthenknospen bilden, ist unbekannt. Die verschiedenen (Jl)stsorten verhalten sich gegen den Schnitt verschieden. Starkwüehsige Sorten dürfen nur wenig, schwachwüchsige Sorten müssen stärker zurückgeschnitten werden. Im Allgemeinen kürzt man um V4 — "/0 der Gesammtlänge des vorjährigen Triebes. Die oberste, stehen bleibende Knospe stehe auf der Oberseite des Zweiges, über derselben lässt man ein etwa 1 cni langes Stück Zweig stehen, welches später abtrocknet. Die SchuittHäche muss nach unten gerichtet sein, damit sich kein Wasser auf derselben ansammeln kann. Man schneidet jetzt, weil sicli bereits im nächsten Monate der „Safttrieb" regt. Steinobstbäume dürfen nur wenig beschnitten werden, weil sich nach dem Schnitt leicht „Gummifluss" einstellt. Namentlich Kirschen sind sehr empfindlich. Pfirsiche und Aprikosen werden erst im Frühjahre beschnitten, wenn die Knospen schwellen, weil man erst dann die Blüthenknospen mit Sicherheit erkennen kann. Wallnussbäume dürfen nur noch zu Anfang des Monats beschnitten werden. Aeste, welche sich gegenseitig im Wege stehen, werden ganz entfernt. Die Schnittwunde wird mit kaltflüssigem Baum- wachs dicht verschmiert, um Nässe und Fäulniss ab- zuhalten. Alte Bäume können verjüngt werden, indem man sämmtliche Aeste bis auf kurze Stümpfe abschneidet. Die Erde unter den Bäumen ist bei mildem Wetter um- zugraben, bleibt aber ungeharkt „mit rauher Fläche" liegen, damit der Frost in den Boden eindringen kann. Vor dem Umgraben empfiehlt es sieh, phosphorsaures Kali oder, auf kalkarmem Boden, Thomasschlackenmehl auszu- streuen. Stickstoft'haltige Düngesalze dürfen jetzt nicht in den Boden gebracht werden, weil sie in die Tiefewandern. Im Gemüsegarten werden Samen langsam keimender Gemüsearten, am besten unmittelbar vor einem Schneefalle, event. auf den Schnee ausgesäet. Das zur Keimung nöthige Wasser dringt durch die Samen- resp. Fruchtschalen sehr schwer ein. Durch die Aussaat zu jetziger Zeit spart man im Frühjahre 2 — 3 Wochen. Im Ziergarten werden die Ziergehölze beschnitten. Man schneide stets die Zweige an ihrer Urspruugsstelle fort. Einspitzen, wie bei den Obstbäumen ist hier nicht angebracht, weil man dadurch leicht „Besen" bekommt und sich bei vielen Blüthcnsträuchern, welche „am alten Holze" blühen, eines grossen Theiles der Blüthenknospen beraubt. Man beginnt mit dem Schnitt der Acer-Arten, weil diese am frühesten Safttrieb zeigen und sich bei späterem Schnitt leicht an den noch nicht vernarbten Wunden ..verbluten". Die empfindlicheren, gegen Frost durch Stroh oder Decken geschützten Gehölze müssen vor Allem gegen directe Sonnenstrahlen geschützt werden, weil schroffe Temperaturwechsel gefährlicher sind als niedere Temperaturen, welche allmählich einwirken. Ebenso sind immergrüne Gehölze und Frühjahrsblüher gegen Besonnuiig zu schützen, weil sie sonst leicht „aus- wintern". Der Boden unter den Gehölzen wird wie im Obstgarten umgegraben. Alpenpflanzen werden, wenn möglich, hoch mit Schnee bedeckt, damit sie erst recht spät zum Austreiben kommen können. Udo Dammer. Au der Amoeba binucleata Oruber studirte F. Schaudinn die Theiluiigsvorgänge und fand, dass die Kerntheilung derselben eine indirecte (mitotische) ist. (Sitz.-Ber. Ges. naturf. Freunde BerUn 1895.) Die Unter- suchung an 865 conservirten Amoeben ergab, dass die Kerne stets in der Zweizahl vorhanden sind; beide Kerne befinden sich stets auf demselben Entwickelungsstadium und theilen sich zu gleicher Zeit durch Mitose, so dass die Amoeba nach der Theilung vierkernig wird. Dann theilt sich der Weichkörper in zwei zweikernige Stücke. Es folgt daraus, dass der Organismus eine stets zwei- kernige Zeile ist, in der die beiden Kerne wie einer functioniren. Die beiden Kerne sind schon bei mittlerer Ver- grösserung und bei Anwendung eines gelinden Druckes auf die Amoeba deutlich zu erkennen: sie besitzen eine feste Kernmembran, welche es ermöglicht, das Plasma zu zerdrücken und die Kerne zu isoliren, ohne sie zu schädigen. Ihr heller Kernsaft enthält im Centrum mehrere unregelmässige, stark lichtbrechende, in Gestalt, Grösse und Zahl vielfach wechselnde Chromatinbrocken. Ihre Lage im Weichkörper wechselt ebenfalls. Das erste Anzeichen der Kerntheilung ist eine feine Vertheilung des Chromatins durch den ganzen Kernraum. Hierauf flacht sich die Kugel des Kernes etwas ab und es sammelt sich an den abgeflachten Polen hyalines, structurloses Protoplasma in Form ganz flacher Kappen, sogenannter Protoplasmakegel. Zugleich verdickt sich an den abgeflachten Polen die Kernmembran, so dass hier sogenannte Polplatten entstehen, welche wahrscheinlich die Function der hier fehlenden Centrosomen mit ihren Strahlensysten erfüllen. Während dieser Vorbereitungen versammeln sich die Chromatinkörner in der Aequatorial- cbene zu einer Platte. Diese Vorgänge vollzogen sich in 25 Minuten, während die weitere Entwickelung langsam vor sieh geht. Während der nun folgenden Theilung der Aequatorialplatte wird dieselbe dicker und daher deutlicher, bisweilen zeigt sie bei günstiger Beleuchtung eine Zusammensetzung aus einzelnen, hanteiförmigen Stäbchen. Die beiden Hälften trennen sieh und rücken langsam auseinander. Achromatische Fäden Hessen sich nicht nachweisen. Nun erfolgte die Durchtheilung der beiden Kernhälften, worauf die Tochterkerne feinkörnig wurden. Genaueres über die Rückbildung der Protoplasma- kegel und Polplatten war nicht zu erkennen. Die beiden Kerne hatten die geschilderte Entwickelung gleichzeitig durchgemacht und die nunmehr vierkernige Amöbe theilte sich in zwei Theile; die Kerne zeigten dann den typischen Bau der Ruhe. Die geschilderte Kerntheilung ist eine mitotische und Scliaudinn erhebt im Anschluss daran die Frage, ob bei allen Amoeben eine solche indirecte Kerntheilung erwartet werden muss und ob nur mitotisch sich theilende Kerne zur weiteren Fortpflanzung fähig sind. Er muss dieselbe auf Grund seiner sicheren Befunde an der XI. Nr. 1. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Amoeba crystalligera (s. „Naturw. Wochenschrift" Bd. IX. No. 48), bei welcher er eine rlirecte Kcrn- theilung nacligewiesen hat, verneinen. Er glaubt, dass .sich bei unseren Amoeben verschiedene Modificatimien der directeu und indirecten Kernvermehrung finden werden, worauf ja auch schon die ausserordentiicli mannig- faltig und sehr verschieden gebauten Kerne dieser Orga- nismen hinweisen. E. Die Uinvetter vom (5. und 7. Deceiiiber. — In un- serem letzten Witterungsbcriclit für den November (siehe Nr. 50) war schon darauf liingewiesen worden, dass die Witte- rung seit dem September sich in Extremen bewegt. Das erste Drittel des Monats December hat nun wiederum für ganz Nordwest-Europa bis tief nach Oesterreich hinein Stürme, Unwetter und Ueberschwemmungen von seltener Intensität gebracht. Die Wintergewitter in Begleitung von Schnee- stürmen, welche in fast ganz Deutschland auftraten, sind zwar durchaus nicht ein so überaus seltenes Ereigniss, wie es dem meteorologischen Laien erselieinen möchte, und die grossen Wärmerücktälle im September und No- vember dieses Jahres repräsentirten weit aussergewöhn- lichere Erscheinungen, immerhin aber verdient die ab- norme Heftigkeit, mit der die Unwetter diesmal auf- traten, hervorgehoben und beschrieben zu werden. Am 4. December erschien auf dem norwegischen Meere eine tiefe Depression unter 735 mm, deren Kern aber noch draussen auf dem Ocean liegen musste. Gleichzeitig lag über dem centralen Frankreich und dem Golf von Biscaya ein Hochdruckgebiet, das 772 mm über- stieg. Am nächsten Morgen hatte sich das Minimum auf weniger als 720 mm vertieft, ohne das sein Kern schon das Festland erreicht hätte. Da das Maximum seine Lage kaum verschob, so betrug der Luftdruckgegensatz zwischen den Pyrenäen und Mittelnorwegen mein- als 50 mm. Im Kanal und über Grossbritannien tobte schon in der Frühe dieses Tages unter dem EinHuss dieses sehr bedeutenden barometrischen Gradienten ein gewaltiger Sturm; und auch in Deutschland wurden bei sehr schnell fallendem Barometer die meist südwestlichen Winde be- reits sehr stürmisch, während ergiebige Regenfälie, zumal im südwestliehen Deutschland und (Jesterreicli, nieder- gingen; so meldete Wien z. B. vom 6. nicht weniger als 56 mm Niederschlag. Gleichzeitig erfolgten eine Reihe elektrischer Entladungen. Die Gewitter, welche im Winter auftreten , erfolgen in unseren Gegenden meistens unter der Einwirkung naiier und bedeutender Cyklonen und bei unruhigem, .stürmischem Wetter. Die sommerlichen Gewitter, von V. Bezold als „Wärmegewitter" bezeichnet, treten meist auf, wenn die untersten Luftschichten stark überhitzt sind und plötzlich durch irgend eine Störung des so ent- standenen labilen Gleichgewichts rasch emporsteigen, während die kalte und schwerere obere Luft herabstürzt. Die von v. Bezold als „Wirbelgewitter" bezeichneten elektrischen Phänomene dagegen treten unter ganz an- deren Bedingungen und zumeist im Winter auf, doch lassen sich über die Entstehung dieser elektrischen Phänomene nur Vermuthungen anstellen. Im Binnen- lande ist die erstere Art die weitaus überwiegende, während über dem Meer und an den Küsten eine Ueberhitzung der unteren Luft und damit das Auftreten der AVärmegewitter seltener ist. Dagegen sind Wirbel- gewitter an der See relativ häutig und bilden zumal in den nordischen Reichen den grösseren Procentsatz der jährlichen Gewitter überhaupt. An einem und demselben Ort des Binnenlandes sind freilich winterliehe Gewitter nur alle paar Jahre einmal zu verzeichnen (das letzte aus- gedehntere in Deutschland fiel auf den 10. December 1891), pflegen aber dann zumeist sehr heftig aufzutreten, so sind z. 1). Blitzschläge bei derartigen Phänomenen relativ ungemein häutig; es rührt dies daher, dass diese Gewitter in der Regel sehr niedrig ziehen. Zumal der 6. December und die Nacht auf den 7. brachten nun eine abnorm grosse Menge von Gewittern. Am 6. drang nämlich das erwälmte Minimum, seltsamer- weise ohne an Tiefe abzunehmen, wie es gewöhnlich ge- schieht, ostsüdostwärts ülier die norwegischen Gebirge vor (der tiefste Barometerstand am Frühabend des 6. be- trug 709 mm in Norrlaudj, um dann am 7. und 8. mit abnehmender Tiefe am Bottnischen Busen entlang zu ziehen und später im hohen Norden zu verschwinden. Infolgedessen wehten die Winde über Deutschland meist aus West und Westnordwest. Sobald nun heftige kältere Winde aus West oder Nordwest in die durch lang dauernde Südwestwinde sehr feucht gewordene Luft einbrechen, wie es leicht zu geschehen pflegt, wenn eine tiefe Depression die Ostsee erreicht, so verwandelt sich der Regen in Schnee und gleichzeitig kann nun unter diesen Umständen ein Gewitter unter stärkster Steigerung des Sturmes auftreten. So war es auch diesmal: Schon am 3. December meldete eine Station von der schleswig&chen Nordseeküste ein Gewitter.*) Doch liegt hierin nichts Auttallendes, da schon während des ganzen Monats November elektrische Entladungen an der Nord- und Ostseeküstc nicht selten zur Beobachtung gelangten. Bereits am 4. lief eine grössere Anzahl Gewittermeldungen von den Küstenstationen ein. Der 5. brachte neben sehr ergiebigen Regenfällen für das ganze westliche Deutsch- land Gewitter für die Nordseeküste und für einen Streifen Landes zwischen Grünberg und Frankfurt a. 0. Die weitaus grösste Menge der Gewitter erfolgte jedoch am 6. und in der Nacht auf den 7. Die Nachmittagsstunden des 6. zwischen 4 und 6 Uhr l)raciiten plötzlich eine überaus autfallende Zunahme der Gewitterhäufigkeit über ganz Deutsch- land. Dieser Ausnahmezustand währte bis zum nächsten Morgen. Die Gewitter waren zwar überall nur von relativ kurzer Dauer, aber sehr heftig und vielfach von rasenden Schnee-, Graupel- und Hagelstürmen be- gleitet. Dabei zeigte sich die Erscheinung, dass man es nicht mit einem einzigen, ausgeprägten, fortschreitenden Wirbelgewitter zu thun hatte, sondern mit einer grossen ]\lenge von Einzelgewittern, deren Zugrichtung und Zu- sammenhang untereinander meist unbestimmt war. Die Gewitterböen folgten zuweilen in kurzen Zwischenräumen, so traten in der Umgebung von Berlin, wo schon am Nachmittag des 6. intensives Wetterleuchten im Südosten (Gewitter bei Frankfurt) beobachtet worden war, zwischeu 12 und 2 Uhr Nachts drei von einander unabhängige Gewitterzüge auf, an 2 Stationen Mecklenburgs wurden sogar im Zeitraum von 24 Stunden je 8 verschiedene Gewitter gezählt. Auf Helgoland blitzte und gewitterte es gleichzeitig in allen Ilinunelsrichtungcn. Man gewinnt den Eindruck, als sei die ganze Atmosphäre mit Elek- tricität gleichsam geschwängert gewesen, welche sich bei dem geringsten Anlass in Gewittern entlud, gleichzeitig an den verschiedensten Theilen des Landes. Auch über Wales entluden sich am 7. mehrere Gewitter. Hoftcntlich werden die beabsichtigten eingehenderen Untersuchungen über diese eigenartigen elektrischen Phänomene noch manche interessante, neue Thatsachen ergeben. Die begleitenden Stürme und Ueberschwemmungen *) Diese Angaben ül)er (iewittermeldimcrcn sind zumeist nach einer vorliiufigen Zusaninienstollung (mündliche Mittheilung) fies Herrn Karl Fischer vom Berliner Kgl. Meteorologischen Institut ^'.■inacht, welche im .Januarheft der Zeitschrift: „Das Wetter" zur Veröfi'entlichung gelangt. 10 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 1. nahmen gleichfalls einen ganz ungewöhnlichen Charakter an; zumal die beiden Nächte auf den 6. bezw. 7. zeich- neten sich durch ihre Sturmstarke aus, welche sich bis an die ungarische Grenze fülilbar machten. Im Berner Oberland erfolgte am 7. um V2-1 ühr Morgens während der grössteu Heftigkeit des Orkaus ein Erdbeben. Die üeber- schwenniumgen der Flüsse, zumal im Rheingebiet, nahmen sehr plötzlich einen äusserst bedrohlichen Charakter an, doch verliefen sie sich noch relativ ziemlich schnell. An der Nordseeküste tol)te unter dem Einfluss der west- lichen Winde eine dreitägige (5. — 7.), heftige Sturmtluth. Zwar crreiclite diese an der deutschen und holländischen Küste nicht die Höhe der letzten, vorjährigen Sturmfluth (23. XII. 1894), immerhin hat auch sie viel Schaden ge- stiftet. AVendeu wir uns aber nach den nordischen Reichen, so sehen wir, je weiter wir nach Norden kommen, die Sturmfluth immer mehr den Charakter des Ungewöhnlichen annehmen. Jtttland hat ein solches Hochwasser, wie das diesjährige seit ca. 50 Jaiiren nicht mehr gesehen, zumal die beiden Städte Lemvig und Nj'kjobing am Limfjord wurden besonders schwer heimgesucht, indem sie völlig- unter Wasser gesetzt wurden; bei Torsminde fand ein Dammbruch statt. An der Westküste des südlichen Schweden und Norwegen erreichte die Fluth sogar eine Höhe, wie sie nie zuvor eingetreten zu sein scheint. Gothenburg wurde trotz seiner zahlreichen Kanäle stellen- weise überschwemmt, ebenso Christiauia und andere Städte. Möge dieser kurze Ueberbiick ein ungefähres Bild geben von der kolossalen Heftigkeit und der grossen Ausdehnung des Unwetters vom 6. und 7. December. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wnrden: Der ausserordentliche Professor für Kinder- krankheiten und Director des Kinderkrankenhauses in Leipzig Dr. Soltinann zum ordentlichen Honorarprofessor. Berufen wurden: Henry Lewis als Docent für Borgbau aus Durham College of Science, Dr. E. P. Levis und Dr. A. C. Alexander als Docenten der Physik an die University of Cali- fornia. Es habilitirte sich: In der medicinischen Fakultät zu Berlin Dr. Ernst Stadclmann, Oberarzt bei der inneren Abtheilung des städtischen Krankenhauses am Urban. Es starben: Der ordentliche Professor der Geburtshilfe und Gynäkologie in Amsterdam Dr. G. H. van der Mey; der be- rühmte Pariser Kehlkopf-Specialist Dr. Fauvel; der Professor der organischi'n Chemie in Bahia Dr. A. de Cergneira Pin t o : der Professor der Anatomie in Krakau Dr. Teich mann; der Chemiker und Botaniker Professor George Lawson in Halifax. L i 1 1 e r a t u r. 1. J. Segall-Socoliu, Zur Verjüngung der Philosophie. Psycho- logisch•kriti^che Untersuchungen auf dem Gebiet des mensch- lichen Wis.'iens. 1. Reihe: Das Wissen von specifisch-mensch- lichen Prolegomena. Carl Duncker in Berlin 1893. — Preis 5 M:irk. 2. Ilarin Socoliu, Die Grundprobleme der Philosophie kritisch dargi'sfellt und zu lösen versucht. .1. Beck-Keller. Bern 1895. - Preis 2,4ü xMk. Die beiden genannten Bücher Socoliu's sind ein und dasselbe Werk mit ver?cliicdenem Titel, den dasselbe bei dem Uebergang in den neuen Verlag verändert hat. Hinzugefügt sind der Ncu- Ausgabo XIV Seiten, nämlich zwei Seiten mit aphoristischen Auszügen und die übrigen eine kurze systematische Uebersicht des Ganzen bringend. Aus dieser Uebersicht geben wir im Folgenden die Schluss-Zusammenfassung. der Hauptzüge des entworfenen philosophischen Systems. Es ist erstens — sagt Verf. — (psychologisch)-monistisch Zweitens ist es realistisch (absolute Objectivität der lOmpfindung; Vorhandensein der ausgedehnten Wahrnehmnngsinhalte in einer transsubjectiven, d. i. äusseren Welt; transsubjectiver Cliarakter der meisten Gedanken). Drittens ist es pantheistisch (Einheit sämmtlicher Weltthatsachen ; psychische Natur der letzteren; or- ganische Natur, der All-Einheit; sinnvolle und zielgemässe Ent- wickelung der Welt; allgemeinste Charakterisirung des Geschehens als „Denken"). Viertens ist es immanent (keine Doppelwelt, keine „Abspiegelung" bez. Andeutung des Vorhandenseins eines nicht-Gegebenen durch ein Gegebenes (,.Bild'', „Erscheinung", „Eeaction des Gehirns": all unser Wissen geht ausschliesslich auf unmittelbar Gegebenes). Fünftens ist es rationalistisch (das Denken vermag aus den sinnlichen Datis, als Material, neue Wirklichkeiten zu Schäften; Objectivität der meisten Gedanken- gebilde). Sechstens lehrt es die menschliche Freiheit (gegenüber dem „physischen" Milieu — nicht aber auch gegenüber dem socialen). Siebentes ist es dynamisch (das „Beständige", das „Sein", sind blos Specialfälle des „W^echseis", des „Werdens" — ohne darum, wenn sie sich als erstere geben. „Trug". „Hirngespinnst" zu sein ; vielmehr ist deren Auft'assung als letztere nur ein ver- feinertes, vollständigeres Innehaben derselben). Achtens ist es teleologischniecbanistisch (alles Geschehen ist. seinen Elementen nach, mechanisch: es lässt sich in lauter Elemeutarbewegungen ohne Kest auflösen — als Gesamtheit jedoch zeigt es Sinn und Ziel auf: ein Hniarbeiten auf die Herstellung einer gewissen or- ganischen Einheit). Diese Sätze genügen im Vergleich mit den in der „Naturw. Wochenschr." gebrachten Artikeln, um die Verschiedenheit der Standpunkte bemerkbar zu macheu. Dr. J Borntraeger, Regierungs- und Mediciualratli in Danzig, Diät-Vorschritten für Gesunde und Kranke jeder Art. Leipzig. Verlag von H. Hartunc & Sühn (G. M. Herzog) in Leipzig 1895. — Preis 2,80 Mk." Es dringt ja glücklicherweise schon seit geraumer Zeit in immer weitere Kreise, dass bei vielen Krankheiten nicht die Arznei, sondern eine richtige Diät das wichtigste Heilmittel ist. .Ja bei vielen chronischen Krankheiton und bei individueller Dis- position zu mannigfachen Erkrankungen ist die richtige, womög- lich Zeitlebens durchgeführte Diät das einzige, was das Leben erhalten und verlängern kann. Nur zu oft abfr haben die Pa- tienten sowohl wie die Angehörigen, sobald der Arzt den Kücken gewendet hat, alle Vorhaltungsmaassregeln vergessen. Diesem Umstand verdanken die Diät-Vorschriften zum Theil ihre Ent- stehung. Bornträger vernachlässigt neben dem wissenschaftlichen niemals den wirklich praktischen Theil. Er trifft den Nagel auf den Kopf. Das weiss jeder, der seine: „Desinfection oder Ver- hütung und Vertreibung ansteckender Krankheiten" gelesen hat. So auch die Diät-Vorschriften. Der Rathsuchendo erhält je nach seinem Zustande einen bestimmten, gedruckten Diätzettel über- geben, welcher das, was er essen und trinken darf, und das, was er meiden muss, möglichst vollständig aufzählt. B. unterscheidet dabei zwischen der Kost des Bemittelteren und Gebildeteren und der des Aermeren und Einfacheren. Der behandelnde Arzt kann dabei nach Bedarf streichen und Zusätze machen. Auch die Be- sprechung der Brunnen- und Badekuren, der Krankenpflege u. s. w. hat Aufnahme gefunden. — Die Diät-Vorschriften werden für die verschiedenen Krankheiten von der Verlagsbuchhandlung auch einzeln in Partien von je G Stück abgegeben. — Dem Ref. will es scheinen, dass eine so praktische Sache etwas billiger sein müsste, sie gewinnt dadurch an Verbreitung. Matz. G. W. Gessmann, Magnetismus und Hypnotismus. Eine Dar- stellung dieses Gebietes mit besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zwischen dem mineralischen Magnetismus, dem sogenannten thierischen Magnetismus und dem Hypnotismus. Mit 53 Abbildungen und 19 Tafeln. Elektrotechnische Biblio- thek, Band XXXV. Zweite, revidirte und ergänzte Auflage. Wien, Pest, Leipzig (Ohne Jahreszahl). A. Hartleben's Verlag. — Preis 3 Mk. Der Theil des Buches, welcher vom thierischen Magnetismus handelt, ist in Band X., Nr. 35, S. 423 bereits zum Gegen- stand eines ausführlicheren Referates gemacht worden. Schon dort wurde lobend hervorgehoben, dass das Buch ruhig und sachlich, ohne gehässige Polemik und ohne Phantasterie den heiklen Gegenstand behandelt. Es sei dem noch hinzugefügt, dass es reiche Litteraturangabeu zur Geschichte des Magnetismus bringt; im übrigen verweisen wir auf das Referat. Der H3'pnotismus ist meiner Ansicht nach zu kurz behandelt, zum Theil wohl aus dem Grunde, weil er hier und da mit dem Magnetismus verwechselt wird. Fast gänzlich fehlt die Be- schreibung der sonderbaren Steigerungen, Schwächungen und Perversitäten, die sich durch entsprechende Suggestionen im Sinnesleben hervorrufen lassen. Eine Reihe von recht guten, sehr scharfen Abbildungen führt dem Laien einige der wichtigsten Zustände und Erscheinungen in der Hypnose vor. XI. Nr. 1. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 11 Dei- letzte Theil des Buches behandelt das Gedankenlesen, das der Verfas.ser, verleitet durch die Bezeichnung „indirecte Suggestion", fälschlich als ein Sonderproljlem der hypnotischen Erscheinungen auffasst. Die gewöhnliche Form de.-j Gedanken- lesens, wie sie in öffentlichen Vorstellungen vorgeführt zu werden pflegt und wie sie u. a. im vorigen Winter durch das Ehepaar llomes-Ecy auch in Berlin in staunenswerthester Vollendung dem Publikum repräsentirt wurde, diese gewöhnliche Form hätte Gessmann nicht in sein Werk mit aufnehmen dürfen, denn dass hier von einer „Gedankenübertragung", einer Suggestion keine Rede sein kann, dass vielmehr ein durch lange Uebung erworbenes Feingefühl für kleine, immer vorhandene Anhaltspunkte einzig und allein das „Gedankenlesen" ermöglicht, ist i>ine hinreichend bekannte und zugestandene Thatsache. Ebenso merkwürdig wie unerklärlich sind dagegen die An- gaben Gessmann's über wirkliche „Gedankenübertragung" („Tele- pathie"'), die auch schon früher von gewissenhaften Forschern als echt erklärt worden ist. Gessmann theilt z. B. sehr interessante, durch vielfache Abbildungen erläuterte Versuche mit, dass eine Person nach längerer Uebung im Stande ist, eine ohne ihr Wissen gezeichnete beliebige Figur, welche hinter ihren Rücken gehalten wird, nachzuzeichnen. Die einleuchtende und geistvolle Erklärung von Hansen und Lehmann durch unwillkürliihes Flüstern, über welche Bd. X, S. .396 referirt ist, kann natürlich keine Anwendung finden. Man hat für die hier geschilderten Phänomene gar keine „Erklärung". Dies darf natürlich kein Grund sein, sie abzu- leugnen, es hat sich schon manche Erklärung für anfangs noch wunderbarer erscheinende Thatsachen gefunden; ebensowenig freilich ist man berechtigt, die erste beste übersinnliche Phantas- niagorie als Erklärung zu acceptiren. Solchen Phänomen gegen- über kann man nur — abwarten. H. C. Mäule, Der Faserverlauf im Wundholz. Eine anatomische Untersuchung. Mit 2 Tafeln, ßibliotheca Botauica. Grig.-Abth. aus dem Gesammtgebiete der Botanik. Herausg. v. Luerssen und Frank. Heft 33. Erwin Nägele. Stuttgart 1895. Verf. weist in der sorgfältigen Arbeit nach, dass die oft sehr complicirten Krümmungen der Zellen des Wund-Holzes sich aus 2 Komponenten zusammensetzen, „aus der Richtung des geringsten Schreckungswiderstandes und aus der Richtung, welche der Faser durch ihre Polarität angewiesen sind." Dr. J. Frick's Physikalische Technik speciell Anleitung zur Aus- führung pln'sikalischer Demonstrationen und zur Herstellung von physikalischen Demonstrations - Apparaten mit möglichst einfachen Mitteln. 6. umgearbeitete und vermehrte Autlage von Dr. Otto Lehmann, Professor der Physik an der technischen Hochschule zu Karlsruhe. 2. Band. Mit lülG Holzstichen und 3 Tafeln. — Braunschweig, Druck und Verlag von Friedrich Vieweg u. Sohn, 1895. — Preis 20 Mark. Den 1. Bd. der G. Aufl. des gross angelegten, vorzüglichen Nachschlage- Werkes, das in keinem einigermaassen nennenswerthen physikalischen Laboratorium fehlen darf, wurde in Band VI Seite 214 besprochen. Band 2 umfasst nicht weniger als 1054 Seiten; er beschäftigt sich mit den Versuchen über die Elektricität, über die strahlende Materie, zur Lehre von den optischen Instrumenten und den Lichtempfindungen, und zur Lehre von den Tonempfindungen und den Musikinstrumenten. Näheres über das Ge.sammtwerk vergl. in der erwähnten früheren Besprechung. Die Vorrede des Prof. Lehmann in dem vorliegenden Bande ist für die weitesten Kreise beachtenswerth. Verf. bricht u. a. eine Lanze für die eingehendere Beschäftigung der Jugend in der Schule mit der Physik. Leider sieht er zu optimistisch, wenn er sagt: „Die Zeiten, in welcher man mit sogenannter ästhetischer Er- ziehung, d. h vorwiegend Heranbildung zu gefälliger mündlicher und schriftlicher Ausdrucksweise, Erweckung von Begeisterung für das klassisch Schöne u. s. w. glaubte auskommen zu können, sind wohl für immer dahin." Wer vorwiegend in naturwissen- schaftlichen Kreisen verkehrt, mag diese Anschauung gewinnen. Man frage aber die Mehrzahl der Gymnasiallehrer, ob sie einzu- sehen im Stande sind, dass eine naturwissenschaftliche Erziehung für die Schule besser sei, als die in erster Linie jetzt gebotejie geistige Nahrung, die möglichst weit von Allem, was uns zunächst liegt und umgiebt, abzieht, — so weit, dass nicht einmal ,.gefällige mündliche und schriftliche Ausdruckweise" in der Heimath-Sprache erreicht wird. C. A. liaisant et E. Lemoine, Traite d'aritmetique. Suivi de notes sur l'ortografie simplifiee par P. Malvezin. Gauthier- Villars et Fils, Paris 189.3. 8". — Preis 5 Eres. Nachdem die Wissenschaft überall eine strenge kritische Durchmusterung der Definitionen und Lehrsätze vorgenommen hat, macht sich auch bei den für den Unterricht bestimmten Lehr- büchern seit einiger Zeit das Bestreben geltend, den gewonnenen Ergebnissen Rechnung zu tragen und die Elemente der Jlathematik in strenger und zugleich möglichst einfacher Form aufzubauen. Nach dieser Seite liegt auch der Schwerpunkt des vorliegen- den Buches; es soll die Elemente des numerischen C'alculs und der Theorie der Zahlen in einfacher und strenger Weise entwickeln. Es wird natürlich einer längeren Prüfung, namentlich auch vom pädagogischen Standpunkte bedürfen, um ein genaues Urtheil darüber aussprechen zu können, ob die Verfasser dem erstrebten Ideale in dem wünschenswerthen Grade nahe gekommen sind, und inwieweit sie die gleichgerichteten Vei suche deutscher Schul- mathematiker übertroft'en haben. Aus der Leetüre verschiedener Abschnitte haben wir jedenfalls die Ueberzeugung gewonnen, dass kein Verfasser eines Lehrbuchs der elementaren Arithmetik den vorliegendcu Traite unberücksichtigt lassen sollte. Die Darstellung ist durchaus klar, und von einer gewissen Breite. Im Allgemeinen herrscht das Bestreben vor, die Er- klärungen zu entwickeln, und dieser Umstand macht das Buch unseres Erachtens werthvoll. Inhaltlich ist das Werkchen enger begrenzt, als wir es von einem Elementarbuch der Arith- metik zu erwarten gewöhnt sind, wie sich aus den Capitelüber- schriften zur Genüge erkennen lässt: L, Calculs des nombres; IL, Les fractions; III , Sisteme metrique ou sisteme decimal des poids et mesures; IV., Theorie des nombres entiers; V., Des incomensurables, Carres et racines carrees; VI., Rapports et pro- portions. Diesen schliessen sich noch 10 Noten an von wesentlich- pädagogischen Bemeikungen. — Uebrigens scheinen die Herren Verfasser nicht zu wissen, dass auch in Deutschland das metrische System eingefühlt ist! Man vergleiche S 73, 74! Dem Leser des Buches fällt sofort die eigenthümliche Ortho- graphie des Französischen auf; die Verfasser haben sich der ver- einfachten Schreibweise bedient, welche von der Societe filologique francaise festgestellt worden ist, und über deren Principien der Gründer dieser Gesellschaft, Herr Malvezin, in einem Anhange sich verbreitet. Wir haben hier natürlich keine Veranlassung, uns mit dieser rein philologischen Angelegenheit abzufinden. Die Ausstattung des Werkchens ist eine hervorragend schöne; durch Kopfleisten und Vignetten ist es in einer Weise geschmückt, wie wir es sonst nur bei eleganten Ausgaben schöngeistiger Pro- ducte zu sehen gewöhnt sind. G. Albert, Geo., Kants transscendcntale Logik. Wien. — 4 M. Berwerth, Prof. Er Fritz, Mikroskopische Structurlulder dir Massenpesteine. 1 Lfg. Stuttgart. — 20 M. Flammarion, Camille, Das Ende der Welt. Pforzheim. — 4 M. Harms, weil Prof. Frdr , Naturjdiilosophie, Leipzig. — 3 M. Heimbach, Dr. Hans, Geologische Neuaufnahme der Farcliaiiter Alpen, München. ~ 1,50 M. Landois, Geh. Med.-B. Prof. Dir. Dr. L., Lehrbuch der Physio- logie des Menschen einseliliesslicli der Histologie und mikro- skopischen Anatomie. 9. Aufl. 1. Hälfte, \^'ien. — 10 M. Le Blanc, Priv.-Doc Dr. Max, Lehrbuch der Elektrochemie. Leipzig. — .5,80 M, Lomibroso, Prof. Cesare, Der Verbrecher. 3. Bd. Hamburg. — 15 M. Olivier, Jul. v., ^^'as ist Raum, Zeit, Bewegung, Masse? Was ist die ErscheinuugsweltV Leipzig. — 1,20 M. Bauber, Prof. Dr. A., Die Regeneration der Krystalle. Leipzig. -4M. Bosenbusch, H., mikroskopische Physiographie der Mineralien und Gesteine. 2 Bd. 3. Aufl. 1. Hälfte. Stuttgart. — 12 M. Schmitz-Dumont, O., Naturphilosophie als e.xakte Wissenschaft. Lei|.)zig. — 12 M. Schröder, Prof. Dr. Ernst, N'orlesungen über die Algebra der Logik. 3. Bd. 1. Abthlg. Leipzig. — 16 M. Tornquist, Priv.-Doc. Assist. Dr. A., Das fossilführende Unter- carbon am östlichen Rossbergmassiv in den Vogesen. Strass- burg. — 7 M. TTeberweg's , Frdr., Grundriss der Geschichte der Philosophie. 3. Teil. 1. Bd. 8. AuH Berlin. — 7,50 M. Voegler, Bob., Der Präparator und Konservator. Magdeburg. - 2,50 M. Inhalt: Dr. G. Maass, Die Bestimmung von Erdbebenherden. — Uebor den Stammbaum des Menscheii-Gesclileclites. — Garten- kaleiider. — Ueber Amoeba binucleata Gruber. — Die Unwetter vom {>. und 7. December. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: 1. J. Segall-Socoliu, Zur Verjüngung der Philosophie. — 2. Ilarin Socoliu, Die Grundprobleme der Pliilusopliie. — Dr. ,1. Borntraeger, Diät- Vorschriften für Gesunde und Kranke jeder Art. — G. W. Gessmann, Magnetismus und Hypno- tismus. — C. Mäule, Der Faserverlauf im Wundholz. — Dr. J. Frick's Physikalische Techiiil — «^ * i 0;=»«» «f i,- t „.„/.;„., Traite d'aritmetique. — Liste. C. A. Laisant et E. Lemoine. 12 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XL Nr. 1. Aligemeine botanisctie Zeitsciirift Systematik, Floristik, Pflanzeiif^eograpliie etc. Unter vorsteliondein Titel ersoheint seit Janunr 1895 unter iNIitwirknnf;' einer Reihe namhafttr Botaniker ein nenes botanisclies Fachblatt, welches, wie schon der Titel sagt, vor allem den Be- strebungen der S_vstematik, Floristik und Pflanzengeographie ge- widmet ist. Dasselbe bringt Abhandlungen über schwierige Pflanzengruppen, Diagnosen kritischer Arten, Formen und Bastarde, Schilderungen floristisch und pflanzengeographisch interessanter Gebiete, botanische Reiseberichte, Referate, Berichte über die Thätigkeit botanischer Institute, Vereine, Tauschvereine etc, ; Bio- graphien verdienter Botaniker, biographische Notizen, Anzeigen etc. Die „Allgemeine botanische Zeitschrift" erscheint pünktlich am lü. jeden Monats geheftet und mit Umschlag versehen in der Stärke von 1 — 2 Bogen, kosti't pro t^uartal 1,^0 iMk. und wird den Abon- nenten portofrei unter Kreuzband zugesandt. Probe- Kxemplare stehen auf Verlangen gratis zur Verfügung Karlsruhe i. Baden. A. Hneiickei'., Werdei-platz 48, Verlee-er: «f. «V. Reill*. Der Herausgeber: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. In unserm Verlage erschien : Lehrbuch der Differentialrechnung. Zum Gebrauch bei Vorlesungen an Universitäten und technischen Hochschulen Dr. Harry Gravelius. 331 Seiten gr. 8". Preis broschiert 6 Mark, gebunden 7 Marli. Spiegel -Camera „Phönix" D. R. G. M. Neuester Photographischer Hand -Apparat. Das bewährte Hrinzip; mittelst eines Spiegels iluich das Objectiv den aiif'zunehmendeu Gegen- stand bis zum Eintritt der Plattenbeliclitung genau in Plattengrösse scharf einstellen und beohachten zu können, ist beibehalten. ..Phönix" hat noeh folgende Vorzüge: 1. Bas Ob,iectlv (14-16 cm Kocus) be- findet sieh im Innern und ist beweglich, -j. Der neue Sehlit/.- verschlusR läuft sehr ruhig (Schnelliehkeit verstellb.) ?,. Für Hoch- ui]{l Quer-Auliiahineu Ideibt lue Lage der Camera unverändert, weil die Visir- !«eheibc .sieh um sieh selbst dreht! 4. Auslösung des Verschlusses dm-cli Druck auf Knopf vorn am Apparat .'i. Alle Wellen etc. lauten in Metalllagern. — l'iontieel frei. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstr. 33. 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Ueber Tundren und Steppen der Jetzt- mul Vorzeit mit besonderer Berücksiclitiguiii;- ihrer Fauna. Von Dr. Alfred Nehring, Prol'e.^sor der Zoologie nnd Vorsteher der zoologischen .Sammlungen an der Königliehen landwirthschattlichen Hoehschale zu Berlin, Mif I AbhilJiing im Text und i Karte der Fundorte. 266 S. gr. 8". Preis 6 Mark. •♦•♦»»•♦•♦•♦«♦•♦»♦«»•♦•♦•♦•♦»♦•♦»♦»♦•♦»♦»♦ S. Koecit'r's ISveinor Börsen fVdei'ii iill SrROElERiS: 11*4 BREMER BÖRSENFEDER Aiieiianiit lieste Bureau- \\i CoiuptoirMerii Ucbcvnll ,\H Italien; iobml) iiiiv crijt mit bnii llt'niiu'u iWocbev. WUli Büsing-, ,.,. . ... .. .. „ "ugel Lang;iähriser Assistent vuni Trof. Dr. Vug:el des photo-cheni. Laboratoriums der Ks;l. Icclin. Hochsrhule zu Charlolteuünr BerliQ W., Bendlerstr. 13 PIlOtOC'llOIIli!ü4>ll. |Iii*crsiH'li.- ,^^^ r>^l w. •i»^ Institut. xV'^ ^^ -^ ^"^ .<^^^ ..^ ,<>^^: ^v« "i^^y^ l'iiutistlie II. llivorct..'\iisb. imintl. photogr. w. <«.*' ^ ,,,^^ Ncpit.- u.Posit.-Verf.,.sow. photo-inoclian. 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Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4S27. ^ bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdrnck ist nar mit Toll»tändiser Qaellenansabe gestattet. Ueber den plötzlichen Tod aus natürlichen Ursachen. Von \i\. Karl L. Schaefer. \ Plötzliche Todesfälle, welche in jäher Vernichtung ein Menschenleben mitten aus frischer Arbeitsfreude und Lebenslust herausreissen, sind leider nicht so selten. Sie sind ein ernstes „Memento niori'- für uns alle, die wir auf unsere Kraft und Gesundheit trotzend auf Jahre hin- aus sorgen und rechnen; und verdienen gewiss, einmal etwas eingehender besprochen zu werden. Natürlich soll hier nicht die Rede sein von jenen dramatischen Vorfällen, wo Schuld oder Sühne, Unglück oder Verbrechen, Kriegsgeschick oder Berufsgefahr dem Lehen plötzlich ein Ziel setzen, mit einem Worte nicht vom gewaltsamen, sondern vom natürlichen Tode. Nur bezüglich des Selbstmordes sei erwähnt, dass er leicht mit einem natürlichen Todesfall verwechselt werden kann, wenn er geschickt genug ausgeführt wird und eine ge- nauere Untersuchung der Leiche und des übrigen That- bestandes aus irgend welchen Ursachen unterbleibt. Ge- setzt den Fall, es werde Jemand eines Morgens uner- warteter Weise tot im Bette gefunden, so wird der baldigst herbeigerufene Arzt unter anderem auch an eine Vergiftung denken und mit Rüeksiciit auf die Thatsachc, dass grosse Morphiumgaben die rupilien ausserordentlich verengern, die Augen einer Inspection unterwerfen. Die Pupillenverengerung ist aber auch so ziemlich das einzige äussere Zeichen der Morpbiumvcrgiftung, und wenn der Selbstmörder das Gift unauffällig genug erhalten, die Spuren seiner Tliat noch vor der Wirkung beseitigt und einige Tropfen einer Atro|)inIösung, welche die Pupillen- verengerung verliindert, ins Auge geträufelt hat, so hat er viele Chancen, dass sein Verbrechen unentdeckt bleibt. Der Wunsch, den Angehörigen das peinliche Gerede oder auch wohl den Verlust einer Lebensversicherungs- summe zu ersparen, veranlasst viele von denen, die frei- willig aus dem Leben scheiden, ihren Tod möglichst als einen natürlichen erscheinen zu lassen. Es wird ihnen häufiger dort gelingen, wo es noch nicht gesetzliche Vorschrift ist, jeden unter auffallenden Umständen plötzlich Verstorbenen zu obduciren. Anderer- seits ist eine solche Vorschrift auch in Fällen plötzlichen natürliciien Todes von segensreichem Eintluss auf jene vagen boshaften Gerüchte, die sich so gerne an solche unglücklichen Ereignisse knüpfen. Denn die Obduction ergiebt fast immer genügenden Aufschluss über die wahre Todesursache. Dem plötzlichen Erlöschen des Lebens muss immer eine ernste Störung derjenigen Organe zu Grunde liegen, deren ununterbrochen regelmässige Function eine Existenz- bedingung ist. Es sind dies das Gehirn, das Herz und das Gefässsystem, Vor einigen Jahren hatte ich Gelegenheit, unter den Patienten einer Nervenheilanstalt einen älteren Herrn zu sehen, welcher an periodischen Angstanfällen litt. Die sorgfältigste Untersuchung vermochte keine Krankheits- ursache aufzudecken. Auch die Behandlung blieb erfolg- los. Von Zeit zu Zeit stellten sich immer wieder die körperliclien Symptome der Angst, Herzklopfen, Beklem- mung, Wechsef der Gesichtsfarbe u. s. w. ein. Dabei fehlte es an eigentlichen psychischen Motiven für die Angst. Eines Nachts trat in einem Anfall der Tod ein. Die Section ergab eine hinieichende Erklärung des ganzen Krankheitsverlaufes. An der Stelle, wo das Rückenmark in das Gehirn übergeht, liegen wichtige, .\thmung und Herzthätigkcit regulircnde und beherrschende Neryen- centra am Boden einer kleinen llöidung. In dem diese Höhlung auskleidenden Endothelgewebc hatte sich eine Geschwulst etablirt, welche die Nervenkernc gereizt und schliesslich gelähmt hatte. Fälle dieser Art sind jedoch relativ selten; sie bleiben der Zahl nacli hinter dem Geiiirnsciilag weit zurück. Der Gehirnschlag, der übrigens keineswegs, scli)St -är 14 Naturwissenschartlichc Wochenschrift. XI. Nr. -2. wenn er tödtlich ist, inuner sofort tütet, lieruht entweder auf einem Bersten oder einer Verstopt'inii;' eines Blut- gefässes. Die Ader/erreissung findet bald im Gehirn selbst, bald in den Iliinhäuten statt. Im ersteren Falle dringt das Blut mit der Kraft des gerade herrschenden Blut- druckes zwischen die Nervenfasern, sie zerreissend, zer- quetschend oder durch die Compressiou so lähmend, dass sie ihre Functionen einstellen. Erfolgt die Ruptur in den Hirnhäuten, so ergiesst sich das Blut zwischen das Gehirn und seine starre Kapsel, die Schädelkuochen, und der abnorme Druck, den das Gehirn nun erleidet, kann sich so weit steigern, dass zuletzt eine Lähmung der lebens- wichtigen Nervenbahnen und -ccntra den Tod her- bei fuhrt. Die Gefässzerreissung resultirt manchmal aus einer ang"borcnen Zartheit der Arterienwände. Ein Hustenstass, rasches Bergsteigen, ein heftiger Atfect können dann ver- derblich werden. Von der gleichen steten Lebensgefahr werden diejenigen bedroht — und zwar um so mehr als sie oft genug keine Ahnung davon haben — , welche atheromatös erkrankte Arterien besitzen. Das Atherom ist eine mit Verkalkungen einhergehende, chronische De- struction der Gefässe, die die Elasticität und Wider- standsfähigkeit derselben so schwer schädigt, dass sie wohl noch den massigen Anforderungen einer einfachen und ruhigen Lebensführung, nicht aber mehr allerlei Extravaganzen gewachsen ist. Neben der Brüchigkeit ist die Bildung von Aneu- rysmen, sackartigen Erweiterungen eines Blutgefässes, eine häutige Folge des atheromatösen Processes. Die Wand eines Aneurysmas ist stets hochgradig verändert und besonders leicht zum Zerreissen geneigt. Aneurysmen kommen auch nicht etwa bloss im Gehirn vor, sondern könneii in jeder Arterie zur Eutwiekelung gelangen. Sehr oft ist die Aorta, die grosse, aus dem Herzen entsprin- gende Hauptschlagader, in ihrem Verlaufe durch die Brust- oder die Bauchhöhle der Sitz eines solchen. Das Platzen dieser grösseren Aortenaneurysmen hat immer schnellen Tod durch innere Verblutimg zur Folge. Eine innere Verblutung kann auch noch aus anderen Gründen stattfinden. Namentlich die frauenärztliche Praxis bietet Gelegenheit zu Beobachtungen und Er- fahrungen in dieser Beziehung. Eines anderen eigen- artigen Falles, welcher einen sogenannten Bluter betraf, entsinne ich mich aus meiner eigenen Praxis. Die Bluter oder Hämophilen sind bekanntlich Individuen mit beson- ders leicht zerreisslichen Gefässen, bei denen schon ganz geringfügige Contusionen oder Verwundungen grosse BlutunterUiufungen beziehungsweise schwer stillbare Blu- tungen hervorrufen. Der von mir beobachtete Fall betraf einen Knaben, der nach einem unvorsichtigen Sprung unter bedrohlichen Symptomen erkrankte. Ich fand ihn bereits im Sterben und konnte nur noch die Todesursache, Verblutung in die Bauchhöhle hinein, feststellen. Ist der Herzmuskel in gewisser Weise erkrankt und dadurch seines elastischen Widerstandes gegen den Blut- druck beraubt, so kann er bei einer ungewöhnlich heftigen Anstrengung oder psychischen Aufregung zerreissen. Der hiervon Betroffene wird natürlich augenblicklich todt zu- sannnenbrechen. Eine Herzruptur, die wohl einzig in ihrer Art dasteht, zog sich' ein Selbstmörder durch einen Sturz aus beträchtlicher Höhe zu. Die grossen Gefässe, Aorta und Lungenarterie, waren direct vom eigentlichen Muskel abgerissen. N'erblutungen nach Aussen in Folge krankhafter Pro- eesse haben, weim man von dem gelegentlichen Platzen einer sog. Krampfader absieht, ihre Quelle im Magen oder in der Lunge. Im er.steren Falle ist in der Regel ein rundes Magengeschwür, im letzteren die Tuberkulose die \ eranlassung, dass ein grösseres Gefäss im Verlaufe der flirtschreitenden Einschmel/.ung des Gewebes ergriffen und eröffnet wird. Neben dem Bersten ist — wie schon kurz an- gedeutet — die Verstopfung eines Gefässes unter den Ursachen plötzlicher Todesfälle anzuführen. Geräth ein fester Körper als Fremdkörper in die Blutbahn, so w'ird er mit der Strömung fortgeführt. Befindet er sich dabei im venösen Theil des Kreislaufes, so kann er ungehindert bis ins Herz gelangen und weiter in die Lungen ge- worfen werden. Anders im arteriellen System: Hier kommt er auf seinem Wege in immer enger und enger werdende Gefässe, bis er nicht mehr weiter kann und eingekeilt stecken bleibt. Alsbald bildet sich dann eine Stase, eine Blutstockung aus; das Blut staut sich vor dem Fremdkörper an, und jenseits desselben liört im ganzen zugehörigen Capillargebiet die Blutzufuhr auf. womit gleichzeitig dem betroffenen Gewebe die Ernährung ab- geschnitten ist. Passirt dies im Gehirn, so ist der Scblag- anfall da, und mit ihm der Tod, wenn die geschädigte Hirnpartie eine für das Leben unentbehrliche ist. Schlaganfälle dieser Art — die Medicin l)ezeichnet sie als embolische, durch einen Embolus bedingte — sind natürlich noch weniger vorherzusehen, als die durch einen Aderbruch verursachten. Personen, welche an Blut- andrang nach dem Kopfe leiden, vollblütig und an reichliche Aufnahme von Getränken gewöhnt sind, kann man, falls eine Untersuchung des Pulses auch noch atheromatöse Arterien ergiebt, auf die Gefahr eines eventuellen Sehlagflusses aufmerksam machen und vor Exaltationen und körperlichen Anstrengungen bei gleich- zeitiger Congestion warnen ; ob und wo sich eine Embolie vorbereitet, kann aber Niemand mit einiger Sicherheit voraussagen. Es liegt das in der Art, wie die Emboli, die Fremdkörper in der Blutbahn, entstehen. Die eine der hier in Frage kommenden Veranlassungen zur Embolusbildung ist eine intravasculäre Gerinnung des Blutes. Für gewöhnlich findet eine solche ja nur ausser- halb des Körpers statt, es kommt aber auch schon in der Blutbahn selbst dazu, wenn irgendwo die innerste Schicht der Gefässwand verletzt oder entartet ist. An derartigen Stellen bildet sich stets ein Gerinnsel, das all- mählich wachsen und von dem ein Theil losgerissen werden kann. Die andere Art Emboli sind Gewebs- fetzen, welche von entzündlich veränderten Partien der Herzklappen oder der Aorta abgesprengt werden. Tritt eine solche Absprengung ein, so hängt das Leben davon ab, wohin der Embolus verschleppt wird. Ungefährdet bleibt es, wenn er etwa in eine Muskel- oder Drüsenarterie fährt; bedroht ist es, wenn das Gehirn betroffen wird; vernichtet wird es, wenn der Pfropf in eine der Coronararferien des Herzens gelangt und diese verstopft. Die Coronararterie vermittelt die Blutzufuln- zum Herzmuskel: wird sie verlegt, so muss rasche Ermüdung des Herzens, Lähmung desselben und Tod durch Herz- schlag die Folge sein. Ueberhaupt ist der Herzschlag, der Stillstand durch Lähmung, die häufigste Ursache plötzlichen Todes. Das Herz ist insofern bekanntlich das Ccntralorgan des ganzen Körpers, als es die ununterbrochen gleichmässige Blut- zufuhr zu den Orgauen unterhält. Die nervösen Impulse zu seiner Thätigkeit empfangt es theils vom Gehirn, theils von Ganglicnzericn, die in ihm selbst liegen. Ein Ver- sagen der Ganglien, meist allerdings durch Pflanzengifte bedingt, nuiss eben.so zur tödtlichen Paralyse fuhren, wie eine Ijähmung der Herzcentra im (iehirn etwa in Folge von Hirndruck. Was die Muskelfasern des Herzens an sich anlangt, sie mannigfachen krankhaften Ver- so unterliegen XI. Nr. 2. Naturwissenschaftliche Wocheuschrift. 15 änderungen. Fettanlageruugen um und zwischen den Fibrillen, sowie andererseits fettige Entartung dieser selbst machen den auch vom Laien gekannten und ge- fiirchteten Begriff" des Fettherzens aus. Es leuchtet olinc Weiteres ein, dass die Triebkraft und der Druckwider- stand eines Fettherzens geringer als unter normalen Ver- iiältnissen ist. Dasselbe gilt natürlicii auch von Herzen, in deren "Wandung GeschwiUste oder Narbenschwielcu zur P^ntwickelnng gekommen sind. Unter diesen ]>e- dingungen vermag wohl das Herz noch, das alltäglich gewohnte Arbeitsquantum zu leisten, hat aber keinen Keservefond an Kraft wie das gesunde zur Verfügung, wenn es eine ausserge wohnliche Anstrengung gilt. Einer solchen pliitzlich gegenübergestellt, kann es dann leicht einmal völlig und für immer erlahmen. Wie alle unsere Muskeln im Stande sind, steigenden äusseren Widerständen auch bis zu einem gewissen Grade zunehmende Kraft entgegenzusetzen und dabei allmählicii an Umfang und fjeistungsfähigkcit zu wachsen, so aucii das Herz. Eine Zunahme des zu überwindenden Wider- standes erfäin-t dasselbe vorübergehend nach jeder grösseren Flüssigkeitsaufnahme; dauernd bei gewissen Erkrankungen der Gefässe, der Nieren, der Herzklappen. In diesen Fällen wird das Herz grösser und seine Wand dicker; es liypertrophirt. Die Hyi)ertrophie hält zunächst längere oder kürzere Zeit dem Fortsehritt des Krank- heitsproeesses die Wage, und der Kranke merkt relativ wenig davon. Dann kommt aber das Stadium der mangelhaften Compensation: Nach etwas reichlicheren Mahlzeiten, nach starken Getränken, nach ungewohnten Märscheu beginnt das Herz beängstigend zu kiopfen und der Athem zu fehlen. S(dclie Zeichen sind dann als ernste Mahnungen zur Schonung des Herzens aufzufassen. Denn unter derartigen Verhältnissen kommen sogar plötzliche Todesfälle durch Schreck und Freude wirklich vor, und nicht nur in der Phantasie der Dichter. 67. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte in Lübeck vom IG.— 21. September 189.x Eduard von Rindfleisch: Neo-Vitalisnius.*) — Als Naturforscher unterscheiden wir an allen Dingen einerseits den Stoff, aus dem sie gebildet sind, anderer- seits die Kräfte, die an ihnen zum Vorschein kommen. | Kraft und Stoff stehen sich in so fern feindlich gegenüber, | als die Kraft, welche von einem Naturkörper ausgeht, ohne Abzug zur Veränderung benachbarter Naturkörper verwendet wird. In demselben Naturkörper aber erseheinen Kraft und Stoff' verbunden. Es ist vergebene Mühe, sich eine Kraft ohne Stoff' oder einen vStoff ohne Kraft vor- zustellen. Aber wie sind sie verbunden? Dieses „wie" reizt unsere Wissbegierdc, denn wir fühlen, dass in dem Ver- ständniss dieser Einheit die vornehmste theoretische Auf- gabe menschlicher Forschung überhaupt gegeben ist. Zur Lösung derselben scheint die Natur selbst in unzweideutiger Weise die Hand zu bieten, indem sie uns durch ihren Anschauungsunterricht sehr bestimmte Vor- stellungen von dem, „was Stoff sei", und von dem, „was Kraft sei", vermittelt. Studire doch, so scheint sie uns zuzurufen, jedes der beiden für sich und studire sie durch- aus, so wird sich die Art ihrer Zusammenfügung schon von selbst ergeben. Man ist auch dieser Anweisung von jeher mit allem Eifer gefolgt. Die Raumerfüllung ist das Erste, was uns am Stoff bemerkenswerth erscheint. Dann folgt seine Schwere. Ein Etwas, das mit dem Stein untrennbar verbunden ist, zieht ihn zur Erde. Er fällt, wenn wir ihn loslassen. Aber kein Mensch kann uns sagen, was diese Massen- anziehung eigentlich ist, und in wie fern sie dem Stoff" zukommt. Wir legen ein Brettlein zur Leiter der Kraft hinüber, indem wir kurzer Hand die Schwerkraft als eine Eigenschaft des Stoffes erklären. Mit dieser Detinitiou endet der erste Anlauf. „Die Kraft sei eine Eigenschaft des Stoffes. Sie klebe an ihm wie Farbe am Holz; sie besehreibe und kennzeichne ihn." Sie tliut dies wirklich, aber nur äusserlich, der innere Zu- sammenhang bleibt unberührt. Der so gewonnene Stand]iunkt ist praktisch. Es lässt ') Wie der Leser sehen wird, liegen die .\nseluuiungen ile.s Henii Antors weit ab von denen, die die ..Niiturw. U'ochenselir." in niitiu-philosophischen Dinpen vertritt. — Red. sieh auf ihm stehen und — arlieiten. Wir linden auf dem- selben alle tüchtigen Naturforscher neuer und neuester Zeit ihr A\"erk Ijetreibcn. In der Atomlchre ist die Naturforschung zu einer sehr vollkommenen Einsicht in die Anatomie des Stoffes vorgedrungen. Aber hat sie damit das leidige Eigen- schafts verhältniss der Kraft zum Stoff" beseitigt V Das Atom birgt in sich das Welträthsel noch völlig ungelöst. Das „Wie" der Verbindung von Kraft und Stoff', das wir begreifen wollten, haben wir nicht begrift'en. Als wir den Stoff' mechanisch zertrünuiierten und chemisch zerlegten, machten wir eine merkwürdige Er- fahrung. Je einfachere Stoff'e die chemische Scheidung erzeugt, um so ungestümer treten an einigen von ihnen bestimmte Kraftäusserungen hervor. Wie fährt das Stück- chen Kaliummetall, das wir auf ein mit Wasser gefülltes Becken werfen, zischend hin und her, wie zerbrennt es das Wasser mit leuchtender Flamme! Auch die Lauge, welche dabei entsteht, ist noch scharf genug. Erst wenn noch eine grosse Zahl anderer Elemente hinzugetreten ist, beruhigt sich das Ganze, und es erscheint etwa ein wohl- gebildeter Cr3'stall als das vorläufige Ergebniss des che- mischen Processes. Fürwahr es lohnt sich, bei diesen Kraftproduetionen des schimmernden Metalls darüber nachzudenken, wie hierbei mit dem trägen Stoff' umgesprungen wird, wie oft er seine Gestalt und Farbe wechselt und im Umdrehen ein anderer wird. Scheint doch Alles, was wir vom Stoff" erfahren und aussagen können, Kraftwirkung zu sein. Kraftwirkungen sind seine Schwere, seine Farbe, seine Form, seine Dichtigkeit. Nur seine unbegrenzte Nach- giebigkeit gegen die Wirkungen der Kraft seheint hiervon eine Ausnahme zu machen. Dcsshalb wäre es vielleicht wirklich nicht so ungereimt, die Untersuchung über das zwiespältige Ding einmal bei der Kraft beginnen zu lassen. Kraft ist nichts als die angenommene Ursache von Bewegungen, die wir an den Naturkörpern beobachten. Wir sollen uns aber nicht bloss vorstellen, wie die Kraft den Stoff' bewegt, sondern auch — und das ist gerade die Hauptsache — wie die Kraft den Stotf hervorbringt, auf welche Weise die immaterielle Kraft etwas entstehen lässt, was Länge, Breite und Hiihe hat. Das ist der Gewalt- schritt, der uns zugemutliet wird. 16 Naturwissenschaftliche Wochcuschrift. XI. Nr. 2. Giebt es denn irgend etwas in unserem Gesichtskreise, was einem derartigen Vorgänge auch nur ähnlich wäre? Ist der Geist des Menschen nicht eine Kraft, welche Aehn- liches leistet? Kehmen wir jede mit Ueberlegung aus- geführte Handlung des täglichen Lebens. Der Plan dazu ist fertig in unserem Kopfe, ehe wir noch die Hand ge- rührt haben, und dann nimmt das äussere Werk genau die Gestalt an, welche wir im Geiste bereits voraussahen. Wenden wir uns aber zu den Werken der Kunst und über- blicken auf diesem Gebiete die grossen Thaten des mensch- lichen Geistes, so erscheint es uns nicht unnatürlich, dass man immer und immer wieder versuciit hat, die mensch- liche Geisteskraft anf die Stufe einer Universalenergie zu erheben und sie zur Schöpferin der Materie zu machen. Am zuversichtlichsten ist in dieser Beziehung Hegel vor- gegangen, der in seiner Logik einen dialektischen Process darstellte, nach dem der Geist die Welt aus sich heraus erzeugt haben sollte. Der Weg der Kraft ist kein anderer, als der viel- beschrittene Weg der idealphilosophischeu Speculatiou. Ueberblicken wir nämlich die Leistungen der Philosophie, so sehen wir da ein Jahrtausende langes Ringen um die Erkenntniss, auf welche Weise wohl der Geist die Materie habe schatten können. Andere und immer andere „Kraft- ausdrücke" tauchen auf, die das Wunder vollbringen sollen. „Im Anfang war das Wort", so lautet das Thema, welches Dichter und Denker nicht müde werden in immer neuen Einkleidungen zu wiederholen. Der vStoff ist bei Aristoteles das „bloss Mögliche", welches durch die svfgyfia des göttlielien Denkens zur Wirklichkeit gelangt. Bei Plato wird die körperliche Er- scheinung zu einer sehr mangelhaften Umhüllung oder Abschattung der überaus hoch und vornehm gehaltenen Idee veiflüciitigt. Das Mittelalter brachte wenig Neues in diesen Dingen. Desto stürmischer waren die Anläufe, welche die Philo- sophie der Neuzeit nahm. Die ersten Schritte waren frei- lich nicht ermuthigend. Cartesius zeigte die tiefe Kluft, welche zwischen der Substanz des Geistes, dem Denken, und der Substanz der Materie, der Ausdehnung, bestellt, und spottete fast des Versuchs, dieselbe zu überbrücken. Indessen Andere kamen, die es versuchten. Indem aber die Einen die Brücke von dieser, die Andern von jener Seite schlagen wollten, wurde die Scheidung in eine idea- listische und eine realistische Richtung der Philosophie stärker denn je. Von einer eingehenden Würdigung der realistisciien Philosophie können wir hier füglich Umgang nehmen. Nachdem sie die Herkunft aller unserer Vorstellungen aus der Erfahrung erwiesen, gelangte sie Schritt für Schritt dazu, die Kraft als eine dem Stoff" anklebende Eigenschaft zu betrachten. Wir kenneu diesen Standpunkt. Seine Vorzüge für die Methode der Naturforschung haben uns ebenso eingeleuchtet, wie seine philosophische Unzu- länglichkeit. Verweilen wir dagegen bei den Idealisten. Ihre ebenso grdssartigen wie vergeblichen Anstrengungen lassen sich mit nichts Geringerem vergleichen als mit dem Kampf der Titanen, welche den Pelion auf den Ossa setzten, um den Olymp zu erstürmen. Der Idealist fusst auf dem Selbstbewusstsein. In ihm findet er den Mittelpunkt des eigenen Daseins. Ilnn sehreibt er jene wunderbare Kraft der Abstraction, der Bildung von Begritfen und Ideen zu, vermittels deren wir die Masse unserer Vorstellungen und dann die Dinge selbst sichten und beherrschen. Das Selbstbewustscin ist nicht bloss das Fundament unserer geistigen Arbeit; es ist auch der Eckstein unserer moralischen \'erfassunK. Durch das Selbstbewusstsein kann der Mensch eine be- liebig breite Kluft zwischen sich und der Welt schaffen. Bestrachten wir aber das Selbstbewusstsein mit Forscherblicken, so stellt sich uns eine kraftbegabte Stelle in unserem Innern dar, die sich aber durchaus als ein sinnlich nicht vorstellbarer Punkt erweist. Jlögen wir unseren Verstand noch so fein zuspitzen und mit dessen spitzester Spitze nach dem Centrum zielen, so werden wir doch nur ein Loch in die Scheibe machen, durch welches wir in die dunkle Unendlichkeit hinaussehauen. Aber dieses körperlich Unfassbare scheint gleichwohl mit Kräften reich begabt. Vor Allem finden wir in ihm eben jene Sellistentzweiung des Individuums, jene Unterscheidung des Ich von dem Nicht-Ich, welche etwas Schöpfe- risches hat. Jacob Böhme sprach, glaube ich, zuerst von dieser Selbstentzweiung des Geistes, durch welche die Gegenstände „offenbar" würden. Am meisten Selbst- bewusstsein verrieth Fichte, der mit einer gewissen Ver- achtung auf das Nicht-Ich, die elende Materie, herabsah, die nur durch das Ich geschaffen wird und daher in seinen Augen ein höchst schattenhaftes Dasein fristet. Anders Hegel, der sich, wie gesagt, allen Ernstes daran machte, aus dem einfachen, aber mit der Kraft der Selbstobjecti- virung begabten Sein das Weltganze hervorgehen zu lassen. Man musste endlich einsehen, dass die wirkliche Welt und die AVeit unserer Vorstellung nicht einfach „identisch" sind, wie zuletzt Schelling gelehrt hatte. Mehr und mehr brach sich die Kant'scbe Kritik unseres Erkenntniss- vernii'igens Bahn. Einem Frühlingswasser vergleichbar, das zum mächtigen Strome anschwillt, unterwusch sie die übermenschlichen Bauten der freien Speculation. Und sie fielen und thaten einen grossen Fall. Ich habe die Wirkungen dieser Katastrophe nur noch in den Trümmern kennen gelernt, die sie zurückgelassen hatte. Vor 40 Jahren hatte bereits die Naturforschnug mit fliegenden Fahnen das Lager des Idealismus verlassen und begann sich auf dem „Atom" häuslich einzurichten. Das zusammengeschmolzene Häuflein der Jung-Hegelianer hatte das Panier der politischen Freiheit entfaltet und gefiel sich in der eonsequenten Verneinung alles historisch Gewordenen. Seitab aber wandelte Schopenhauer. Schopenhauer hatte die Welt der Realisten mit allen ihren Erscheinungen und Gesetzen in die Sehädelkapsel des Menschen eingesperrt, wo sie als „Welt der Vor- stellung" kaum mein- als ein Trugbild bedeutet, und be- antwortet die Frage nach dem Wesen der Ubjeete mit dem Hinweis auf einen ihnen innewohnenden „Willen zum Dasein", in welchem wir unschwer einen neuen, bisher noch nicht verbrauchten, idealistischen Kraftausdruck wieder erkennen. Indessen hat es unter den Idealisten immer auch solche gegeben, die den grossen Fehler mieden, die Welt in Bauseh und Bogen aus der Initiative des absoluten Geistes hervorgehen zu lassen, und darauf bedacht waren, der Natur des Stoffes Zugeständnisse zu machen. Leibniz .sah ein, dass man, um das Sell)stbewusstsein philosophisch zu verwcrthen, nicht anstehen dürfe, etwas dem Aehn- liclies auch im scheinbar todten Stoffe anzuerkennen. Erwog er andererseits die unendliche Tlieilbarheit des Stoffes, so musste er folgerichtig auf die Vorstellung ge- rathen , dass das Universum zusammengesetzt sei aus kleinsten Kraft- oder Bewusstseinseinlieiten, Monaden, die nach einer praestaliilirten Harmonie Verbindungen unter einander eingehen und wieder lösen. Der Vergleich dieser Leibniz'schen Monadenlehre und der heutigen Atomistik legt sich von selbst so nahe, dass man mehr nach Zeichen der Unterscheidung als nach Zeichen der Uebereinstimmung suchen möchte. Auch die XI. Nr. 2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Atomistik möchte wolil zu der Annahme von „kraft- begabten Punkten" gelangen, wie das Beispiel so vieler moderner Physiker lehrt, die es sehr bequem finden, ihre uiathematischen Netze durch fernhin wirkende Punkte zu stützen. Während aber die Atome ihre leibliche Aus- dehnung nicht los werden können, kann die Leibniz'sche Monade eine leihliche Ausdehnung um keinen Preis er- langen. Vorstellbar für uns sind nur die Atome, so lange sie noch mehr sind als kraftbegabte Punkte, d. h. so lange sie das ganze Eäthsel der Verbindung von Kraft und Stoff noch ungelöst enthalten. Die Monaden aber sind nicht vorstellbar, weil sie niciits weiter sein sollen, als kraftbegabte Orte. Die beiden skizzirten Forschungswege werden nie aufhören, das „äussere" Wissen zu mehren und die Geister der Menschen zu schulen. Al)er zu einer befriedigenden Erkenntniss der Einheit von Kraft und Stotf fuhren sie nicht. Durch die vermeintliche Deutlichkeit unserer ^'or- stellungen von Kraft und Stoff hatten wir uns verleiten lassen, das Verständniss ihrer geheimnissvollen Verbindung zuerst vom Stoff", dann von der Kraft aus anzustreben. Wie wäre es nun, wenn wir uns dem Zauber dieser ver- führerischen Deutlichkeit entzogen und den Versuch machten, Kraft und Stoff ungetrennt zu untersuchen V Wenn wir sie in ihrer Einheit zu erfassen suchten? Ein Stoff, der sich selbst bewegt — das wäre die Losung! Das wäre auch die einzige menschen- mögliche Vorstellung- der gesuchten Einheit. Ist nun nicht die Welt als Ganzes ein Stoff, der sich selbst bewegt'? Wenn dem so ist, so wäre es unbegreiflich, wenn das die ganze Welt bewegende Princip nicht auch in den Theilerscheinungen zu einer den Umständen angepassten Darstellung- drängte und in etwelchen Versuchen und Nachbildungen zum Vorschein käme, wie etwa an einem gothischen I)om die Idee des Ganzen auch an der kleinsten Dachverzierung- sieh ausprägt. Das ist nun der Fall bei der belebten Natur. Wenn Prometheus Menschen formte aus Lehm, aber nach seinem Bilde, so konnte man aus diesen Lehmfiguren über den l^rometheus ohne Zweifel mehr erfahren als aus dem ungeformten Thon. So auch die Natur — wenn sie ans KohlenstoftSerbindungen Lebewesen erzeugt, indem sie für das unreine Grundniotiv des Daseins einen um- schreibenden Ausdruck findet, so können wir aus diesen Lebewesen über jenes Grundmotiv sicherlich eine Be- lehrung- schöpfen, die wir ans der chemischen Untersuchung der Kohlenstoff'verbindungen nicht zu gewinnen vermögen. Wir weisen sie also von uns, jene aufdringliche Tyrannei des Materialismus, welche uns einreden will, dass die lebendige Natur für die Erkenntniss der letzten Dinge keinen grösseren Zeigewerth besitze, als die todte, weil die Lebewesen aus keinen anderen Stoffen bestehen wie die todte Natur. Wir brauchen den Boden der ganz leidenschaftslosen, objectiven Naturforschung mit keinem Sehritte zu verlassen, wir brauchen die Grenzen dessen, was wir begreifen können, und dessen, was transscendent ist, nicht zu vertuschen, um zu der tröstlichen Gewissheit zu gelangen, dass wir nicht gänzlich verlassen und ohne Leitstern sind bei unserem Forschen nach wahrhaftiger Erkenntniss. Das Leben kann uns lehren und das Leben wird uns lehren. Was ist denn Leben? Wirfst du einen Stein in die Luft, so wird er steigen und fallen, und wenn du ge- schickt zu werfen verstehst, wirst du sogar im voraus den Punkt bestimmen können, an welchem er die Erde wieder berühren soll. Nimmst du aber statt des Steines einen lebenden Vogel, so wird der Vogel zwar auch steigen und nach einiger Zeit zur Erde zurückkehren, aber er wird nicht jenen einfach schönen Bogen beschreiben wie der Stein, und noch weniger darfst du erwarten, dass er sich an einem von dir im voraus bestimmten Punkte niederlassen werde, sondern er wird nach Herzenslust auf- und iiicder- steigen und vielleicht zuletzt deinen Blicken entschwinden. Irgendwann freilich und irgendwo wird auch er schliess- lich zur Erde zurückkehren, aber er verstand es, dieses Niedersinken zu verzögern und die Bewegungen zu hemmen, welche ihm von aussen theils durch die Kraft deines Armes, theils durch die Schwerkraft mitgetheilt wurden. Der schlichte Menschenverstand sieht in diesem Ver- halten des Vogels die Selbstbestimmung der lebendigen Natur und betrachtet dieselbe als das am meisten charakte- ristische Merkmal des Lebens. Ebenso urtheilen wir nach Anweisung des bescheidenen philosophischen Stand- punktes, den wir eingenommen haben: Als einen Stotf, der sieh selbst bewegt, mussten wir uns die Einheit aus Kraft und Stoff vorstellen. Nur das Weltganze ist ein Stoff, der sich selbst bewegt. Das Leben aber führt uns Naturkörper vor Augen, die einen höheren und immer höheren Grad von Selbstbewegung oder doch das Spiegel- bild einer solchen anstreben und darin das Ziel ihres Daseins erschöpfen, mithin zwar unvollkommene und den Umständen angepasste, aber immerhin Nac-bbildungen des Weltganzen sind. Um Vertrauen zu dieser Auffassung zu gewinnen, wollen wir uns zunächst von ihrer allgemeinen Anwend- barkeit überzeugen. Deshalb begeben wir uns an das Mikroskop. Wir wollen sehen, ob auch die kleinsten Stückchen belebter Substanz sich ebenso verhalten wie jener Vogel. AVir entnehmen der Blutbahn des Frosches ein kleines Tröpfchen frischen Blutes und beobachten das Verhalten der sogenannten farblosen Blutkörperchen bei künstlich veränderten Temperaturen. Die farblosen Blutkörperchen sind nackte Proto- plasmaklümpchen. Sie besitzten x4lles, was zu einer richtigen Zelle gehört. Weil sie aber nicht mehr als das besitzen und völlig frei in einer klaren, durchsichtigen Flüssigkeit schwimmen, eignen sie sich besonders gut zu unseren Studien. Bis das Präparat zur Ruhe kommt, schwimmen sie in kugelrunder Gestalt an unserem Auge vorüber. Nun liegen sie still, und wir beginnen vorsichtig mit der Er- wärmung des Präparates. Da fängt unter unseren Augen die Kugel an, ihre Form ganz zu verändern. Wie zarte Fusschen tritt es an die Oberfläche hervor, und offenbar mit diesen Fusschen kriecht das Protoplasmaklümpchen auf der Gla.sfläche von Ort zu Ort. Fahren wir mit der Erwärmung- fort, so wird die Bewegung lebhafter, bis plötzlich, wenn eine gewisse Temperaturgrenze über- schritten ist, die Ausläufer eingezogen werden. Die Zelle wird wieder zur Kugel und verharrt als solche, bis wir die Temperatur wieder herabgemindert und auf eine ihr zusagende, die Bewegung fördernde Höhe gebracht hal>en. Stellen wir diesem wechselvollen Thun und Lassen einer lebenden Zelle die schlichte Ausdelmung gegenüber, welche die unbelebten Körper zumeist durch vermehrte Wärmezufuhr erfahren, so können wir nicht undiin, der Lebenssubstanz schon in iin-en untersten Prägungen die Fähigkeit einer eigenartigen Verarbeitung äusserlich über- tragener Kräfte zuzugestehen, welche uns als Selbst- bestimmung erscheint. Dass es sich bei dieser Selbstbestinnnung um eine that.sächliche Emancipation von der Herrschaft der Natur- gesetze handeln könnte, wird im Ernst .Niemand behaupten. Die Naturforschung sucht die Ursache derselben in der 18 Natnrwissenscbaftlichc Wocheuschrift. XI. Nr. 2. besonderen Beschaffenheit der Lelienssubstanz und wird nicht verfehlen, seiner Zeit mit einer völlig plausiblen atcniiistischen Erlautening- aufzuwarten. E. nimmt an, dass die vitale Selbstbestimnuing- im Wesentliciien erreicht wird durch eine vorläufige üeber- Inhrung der Kräfte, welche von aussen einwirken, in Spannkraft. Dies fiUirt zu einer Verzögerung, einer Hemmung selbst der heftigsten Impulse, xmd wenn sich dann später, ohne jeden zeitlichen Zusammenhang mit letzterer, die Zelle oder das Tier regt und allerhand Be- wegungen ausführt, so müssen diese auf den unbefangenen Beschauer den Eindruck des frei Gewollten machen, ob- wold sie nur die Eückverwandluug der vorlängst an- gehäuften potentiellen Energie in actuelle sind. Das Protoplasma besteht zumeist aus colloiden oder quellbaren Substanzen, welche wir als solche den krystal- joidcn oder löslichen Substanzen entgegensetzen. Beide Substanzen nehmen gern Wasser auf und gehen dadurch aus dem festen in einen mehr flüssigen Zustand über. Während aber die Theilchen des Krystalls, gleich- gültig gegen einander, in Lösung gehen und dabei in jeder beliebigen Richtung verschoben und durcheinander geschüttelt werden können, so dass wir durch nachträg- liches Verdampfen des Wassers niemals dieselben Krystall- individuen wiedererhalten, ist das anders bei den colloiden Körpern. Fügt man zu diesen Wasser, so werden ihre kleinsten Theilchen zwar auch auseinander gedrängt, aber so, dass sie kraft einer fortbestehenden gegenseitigen Anziehung ihre verhältnissmässige Stellung zu einander behaupten und sich seihst bei wachsender Entfernung — sozusagen — nicht aus den Augen verlieren, sondern geneigt bleiben, in ihre ursprüngliche Lage zurückzukehren. Eine trockene Erbse, die wir in Wasser quellen lassen, wird wohl drei- mal so dick und schwer, als sie war, aber sie bleibt doch sich selbst ähnlich und als Erbse erkennbar. Freilich hat auch die (Juellbarkeit ihre Grenzen. Aber innerhalb dieser (grenzen besitzen alle colloiden Körper einen gewissen Grad von Formbeständigkeit im Wasser, und diese Eigenschaft ist es, welche die Ausbildung be- stimmter Beziehungen der Theilchen zu einander gestattet und die colloiden Körper bei aller Weichheit zur Her- stellung dauerhafter Formen für den Leib der Lebewesen geschickt macht. Im Protoplasma der Zelle kommt es hierbei zur Ausbildung netzartiger, fädiger und schwam- miger Strukturen , was darauf zurückzuführen ist , dass nebeneinander mehrere CoUoide vorhanden sind, welche chemisch verschieden und desshalb auch verschieden (juellbar sind. Während nun die stärker quellbaren einen verhältnissmässig grossen Raum für sich beanspruchen, ziehen sich die weniger quellbaren unter Freigebung von Mittelfeldern zurück und erscheinen zunächst etwa als Wabensystem, weiterhin als netzförmige oder fädige oder, wenn auch die Fäden reissen, als körnige Anordnungen. Alle dauerhaften anatomischen Einriclitungen der Lebewesen lassen sich auf dieses Grundprincip zurück- führen. Aber nicht bloss für die Form, sondern auch für die Function der Lebewesen ist die Quellbarkeit der CoUoidsubstanzcn die erste Voraussetzung. Dadurch näm- lich, dass die Molecüle der colloiden Körper bei der Quellung niciit gleichgültig gegeneinander werden, sondern fortfahren, sich gegenseitig anzuziehen und ihre Stellung zu einander timnlichst zu behaupten, sind die ge(|Uolleneii Colloide zugleich elastisciie Körper, in denen jene Auf- speicherung von Spannkräften möglich ist, wie wir sie zur Erklärung der Selbstbestimmung bedürfen. Die Stärke der Spannkraft dürfte in gewissen Grenzen dem erreichten Abstände der Molecüle entsprechen. .Vuf diesen .Vbstand aber können und müssen nach physikalischen Gesetzen nicht bloss der Wassergehalt, sondern auch andere Agentien, als Wärme, Eleetricität, Chemismus steigernd und ab- schwächend einwirken und unter gleichzeitiger Vermehrung oder Verminderung der potentiellen Energie Erscheinungen zuwege bringen, die sich äusserlich als Ausdehnungen und Zusammenziehungen des geiiuollenen Colloids kundgeben. f^s wird der Xatnrforschung wahrscheinlich gelingen, seiner Zeit eine völlig plausible physikalische Beschreibung der Veränderungen zu geben, welche eine von aussen konmiende Anregung im Innern des Körpers durchmaclit, bis sie in der Form einer scheinbar spontanen Bewegung wieder nach aussen tritt. In dieser Richtung sind der Nachforschung nur solche (ireuzeu gesetzt, welche sie mit ihrem Scharfsinn zu durchbrechen gewohnt ist. Täuschen wir uns nur nicht über das, was wir als- dann haben werden. Inzwischen hindert uns gar nichts, den Blick auf die Errungenschaften des Lebens, das heisst auf solche Aeusserungen der vitalen Selbstbestimmung zu richten, welche ihr muthmaassliches Ziel und Vorbild — den Stoff, der sich selbst bewegt — am nächsten streifen. Stossen wir hier auf Eiulieiten, die sich besonders schwer in Kraft und Stoff zerlegen lassen, so werden wir uns diesem Ziele nahe fühlen und dann geneigt seiu, diese Einheiten, und zwar in höchster Vollkommenheit , dem üreineu selbst als Eigenschaften beizulegen. Suchen wir also nach solchen Einheiten! In allen biologischen Auseinandersetzungen sind wir geneigt, die Bezeichnungen activ oder passiv, thätig oder leidend zu gebrauchen. Danach werden die Lebewesen in dem einen Falle kraftspendend oder kurz gesagt als Kraft, in dem anderen als kraftempfangend oder kurz gesagt als Stoff gedacht. Diese Unterscheidung ist theo- retisch richtig. Es würde uns aber nicht leicht fallen, darzuthun, dass irgend eine eigene Bewegung des lebenden thierischeu Körpers nur activ sei. Es cntsjiricht vielmehr den herrschenden Anschauungen der Physiologie, wenn wir bei jeder Bewegung, welche unsere JMuskeln aus- führen, eine gleichzeitige Empfindung derselben annehmen, welcher sogar die wichtige Function zuertheilt ist, jene Bewegung auf Umwegen zu regeln. Andererseits erfolgt bei jeder Sinneswahrnehmung gleichzeitig eine Action des Ceutralnervensystems, welches dieselbe nach aussen pro- jicirt. Kurz alle Bewegungen der Lebewesen haben einen mit Thun und Leiden, mit Kraft und Stoff aufs innigste gemischten Charakter. Derselbe tritt besonders deutlieh an jenen Bewegungen hervor, welche ohne eine sichtbare Verschiebung der äusseren Grenze des Individuums im Innern desselben vor sieh gehen. Um diese Bewegungen zu beobachten, müssen wir den Blick nach innen richten. Da man aber nur in sein eigenes Innere sehen kann, so liegt die Gefahr nahe, es könnten diese Beobachtungen eine subjective Färbung annehmen. Indessen herrscht über die allgemeinen Formen dieser Wahrnehmungen bei allen Menschen eine solche Uebereinstimmung, dass wir mit diesen wenigstens wie mit äusseren Erfahrungen liantiren können. Wir brauchen daher kaum einen Wideispruch zu ge- wärtigen, wenn wir sagen, dass bei allem Empfinden, Denken und Wollen ein nachgiebiger Vorstellungsstoft' und eine gestaltende \'orstellungskraft betheiligt sind. Die- selben treten uns aber in so inniger Verltindung entgegen, dass sie uns als ein Seelenvcrmögen erscheinen. Als die feinste Blüthe dieser innigen Durchdringung ist die Vor- stellung über den Vorstellenden selbst zu betrachten. Das Selbstbewusstscin ist, nachdem es bei einem Indi- viduum zur vollen Entwickelung gelangt ist, von einer solchen Gleichartigkeit der Erscheinung, dass die Möglich- keit einer Scheidung, einer Selbstentzweiung, wie wir oben XI. Nr. 2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. l'.i gesehen haben, von den riiilnsoiihen erst entdeckt werden musste. Das Selbstbewusstsein erscheint uns freilich nur als eine Begleiterscheinung der Selbstbestinnnung. In dem Maasse aber, wie letztere in der aufsteigenden Reihe der Lebewesen wächst, im gleichen Maasse wächst auch die Intensität des Selbstbewusstseins und erscheint dem Menschen geradezu als der Schlussstein seiner indivi- duellen Einheit. Welcher ausserordentlichenWertlischätzung das Selbst- bewusstsein von jeher begegnet ist, haben wir oben ge- sehen. In den Augen der Menschen adelt erst das Be- wusstsein die Selbstbestimmung zur Freiheit. Wenn irgend eine, so verdient es diese Lebenserscheinung, dass wir sie in ähnlicher, nur bis zur absoluten Freiheit er- höhter Weise jenem ungetrennten Ureinen mit Kraft und Stoft' beilegen, welches sich im Weltall von selbst bewegt. Und wir dürfen in dieser Richtung noch einen Schritt weiter gehen. Auch das Mittel, dessen sich die Natur bedient, um ihre Lebewesen auf inmier höhere Stufen der Selbstbestimmung zu heben, weist über den Rahmen der individuellen Begrenzung hinaus. In nichts Anderem nämlich besteht dieses Mittel, als dass sich die Selbst- bestimmung in den Dienst der Nächstenliebe stellt. Einer für alle, alle für einen! So lautet das Gebot, welches die Theile j'edes lebenden Ganzen untereinander verbindet und die sogenannte „organische Einheit" derselben her- stellt. — Ein Schauspiel, welches den Beobachter immer von Neuem mit Staunen und Bewunderung erfüllt, ist diese organische Einheit der höheren, aus Milliarden von Zellen bestehenden Lebewesen. Alle diese Zellen sind darauf angewiesen, durcheinander und für einander zu bestehen. Sie leben nur als Organe ihres Körpers, eine selbständige Existenz ausser diesem Verbände giebt es für sie nicht. Aber innerhalb desselben ist es fast rührend, zu sehen, wii das Bedürfniss jeder einzelnen Zelle vom Ganzen wahrgenommen und oft auf weiten Umwegen be- friedigt wird. Es ist verzeihlich, wenn der ältere Vitaiis- ums für dieses Geschäft die Lebenskraft als eine Art Hausverwalter eingesetzt hat. Heute noch gewährt es hohen Genuss, die Einzelheiten jener Vermittelung zu Studiren, welche bei den Thieren bekanntlich dem Blut- gefäss- und Nervensystem zugewiesen ist. Blutgefäss- und Nervensj'stem sind hier als besondere Organe der indivi- duellen organischen Einheit anzusehen. Dass auch die einzelligen Lebewesen ihre organische Einheit besitzen, wird Niemand bezweifeln, der einmal mittels des Mikroskops dem Treiben der Infusorien im Wassert rupfen zugeschaut hat. Wir müssen sogar die organische Einheit der vielzelligen Lebewesen aus der- jenigen einer einzelnen Zelle ableiten. Denn aus der Ei- zelle geht mit der Entwiekelung des zellenreichsten Lebe- wesens auch dessen organische Einheit unmittelbar hervor. Es würde mich zu weit führen, wollte ich die Daten der Entwickelungsgeschichte auch nur im Fluge streifen. Jede der Millionen und aber Millionen Zellen, welche aus der Thcilung des Eies hervorgehen, kennt den Platz, der ihr im Ganzen zukommt, und muss oft weite Wege wandern, bis sie ihr Ziel erreicht bat. Jede Zelle theilt sich zur rechten Zeit und am rechten Ort, sendet Aus- läufer in bestinmiten Richtungen aus und begegnet den Ausläufern anderer Zellen, mit denen sie sich verbindet. So entsteht jene wundervolle Einheit, welche, wie gesagt, die wichtigste Voraussetzung für die Vervollkommnung der Lebewesen im Sinne einer wachsenden Selbstbestim- mung, hier der Sicherung des Lebens gegenüber den äusseren Lebensbedingungen, ist. Denn unter dem Schutze dieser Einheit passen sich die Zellen des Organismus einer immer grösseren Zahl von äusseren Bestimmungen und Einflüssen an. Vorausgesetzt, dass die letzteren nicht zu stark, auch nicht zu schwach und von genügender Hart- näckigkeit sind, um als Lebensreize zu wirken, theilen sieh schon bestehende Zellengrnppen in die vermehrte Arbeit. Es entstehen nöthigenfalls neue Organe, die sich in den Abkömmlingen behaupten und zur Bildung neuer Arten und Abarten den Anstoss geben. Ueber allen diesen Vervollkommnungen aber bis hin- auf zu weithin gebietender vStelluug des Menschen- geschlechtes schwebt mit leuchtender Schrift das Spruch- band der Nächstenliebe: Einer für Alle. Alle für Einen! Ein Naturgesetz und zugleich das vornehmste Gebot der Sittlichkeit Also Freiheit und Nächstenliebe! Das sind die Merk- male des Lebens, welche über das Leben hinausweisen. Sollten sie uns darum minder ehrwürdig sein, weil wir die Wurzeln derselben hinabreichen sehen lüs zu den niedrigsten Lebewesen"? Im Gegeutheil, wir wollen uns freuen, dass sie noch weiter hinabreichen in die anorga- nische Natur, dass wir sie erst verschwinden sehen in dem geheimnissvollen Ureinen aus Kraft und Stört'. Dass dieses Eine auch die höchsten Ziele und Tugenden der Jlenschen eiuschliesst, ist ein tröstlicher Gedanke. Freiheit und Nächstenliebe! Freiheit das Ziel, und Nächstenliebe das Mittel dazu! Das ist das Wort des Lebens! Alles, was lebt, spricht es unbewusst aus, und der Mensch, der zum Bewusstsein gelangt ist, erkennt es freudig als die Richtschnur seines besseren Selbst. Die ältesten Nachbihliiiigen der meiischlicheii Oestalt. — Die letzten Jahre sind ausserordentlich fruchtbar gewesen an Funden der sogenannten Höhlen- zeit, welche das Alter des Menscheugesehlechtes immer weiter nach rückwärts verlängerten. Wiederum war hauptsäclilich der Südwesten Frankreichs der Schauplatz, auf dem sich diese Entdeckun;jen abispielten. Man er- innert sich noch des ungeheuren Aufsehens, welches seiner Zeit die auf Rennthierknochen eingeritzten oder aus solchen Knochen geschnitzten Thierfiguren aus den Höhlen der Dordogne hervorriefen, denen sieh später weitere Gebilde dieser Art aus anderen Gegenden, namentlich aus dem Kessler-Locli bei Schaft'hausen, an- reihten. Es waren Zeichnungen vom Rennthier, Stein- bock, Pferd, Mammuth, Wildschwein, Fisch, u. s. w., eine Schnitzerei des Kopfes des Mosehusochsen und ein Doleh- grirt', ein Rennthier vorstellend. Die Funde erregten leb- hafte Streitigkeiten, welche neue Nahrung erhielten, als die Unechtheit mehrerer aus dem Kessler-Loch stammender Stücke nachgewiesen wurde. Arbeiter, welche bei den Ausgrabungen beschäftigt waren, hatten die Abbildungen nach Spaniers Bilderbuch auf Fundkuochen hergestellt und die Stücke verkauft; jetzt sind diese als Muster ge- schickter Fälschungen im British Museum aufbewahrt. Natürlich erweckte das Vorkonminiss Verdacht gegen alle übrigen Bildwerke und man wollte nicht mehr glauben, dass der im härtesten Kampfe ums Dasein lebende, nur mit rohen Steinwaften und -Werkzeugen versehene Höhlenmensch im Stande gewesen sei, solche Kunstgebilde mit seiner Hand auszuführen. Weitere Funde zerstörten diese Zweifel. Die Eelitlii'it der meisten solchen Bildwerke wird nicht mehr bestritten und man hat sieh in den Gedanken gefunden, dass der Höhlen- mensch tien man Anfangs als halbthierisch anzusehen 20 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 2 gesonnen war, wirklich schon eine gewisse Cultur und sogar einen Kunsttrieb besessen habe. Die neuen Funde vervollständigten das Bild des Höhlenmensihen nach zwei Richtungen hin: 1. indem sich die aus Elfen- bein gearbeiteten Werkstücke mehrten und die Annahme, dass der Mensch schon zur Zeit des Mammuth gelebt habe, immer wahrscheinlicher machten, und 2. indem Nachbildungen der menschlichen Gestalt selbst an das Tageslicht gebraclit wurden. In Hrünn stiess Prof. Makowski 1891 bei Kanal- grabungen auf eine etwa 22 cm hohe, in drei Stücke zerbrochene Elfenbeinfigur, die oifenbar einen Mann darstellen sollte, und die mit Nashorn- und Mammutii- resten, sowie menschlichen Knochen und einem Menschen- sehädel von sehr grober, ursprünglicher Gestalt zusammen- lag. Die Figur ist roh gearbeitet und stark beschädigt, lässt aber dennoch die vorstehenden Augenbrauenwülste und die niedere Stirn, Jlerkmale, die sich auch an dem Schädel linden, deutlich erkennen, ferner Brustwarzen, Nabel und den rechten Arm. Beschreibung und Ab- bildung tindcn sich in den „Mittheilungen der Anthropo- logischen Gesellschaft in Wien" von 1S92 und durch Dr. Wilser im „Ausland" von 1893. Von weit grösserer Bedeutung sind die Funde, die im südwestlichen Frankreich gemacht wurden. In der Zeitschrift „L'Anthropologie" schildert Ed. Piette die neuesten Ausgrabungen der „Grotte du Pape" bei Brassempouy und die dabei entdeckten mensch- lichen Statuetten bezw. Bruchstücke solcher, wozu er einige verwandte Gegenstände aus anderen französischen Höhlen zum Vergleich heranzieht. Es ist von Interesse, die Ergebnisse dieser Untersuchung, die sich auf neun Fundstücke erstreckt, zur Kenntniss zu nehmen. Piette schickt eine allgemeine Bemerkung zur Würdigung der Statuetten voraus. Wie bei den Thiernachbildungen, die uns oft durch ihre Naturwalirhcit ülicrraschen, so waren die Menschen jener uralten Zeit auch bei der Darstellung von iln-esgleichen Anhänger des Eealismus. Die Schnitzereien sind keine Erzeugnisse der Einbildungskraft, sondern ungeschmeichelte Nachbildungen der Wirklichkeit. Man kann sich demnach darauf verlassen, dass auch die nienschliciicn Figuren einen Begriff davon geben, wie die Bewohner jener Länder in den ältesten Zeiten ausgesehen haben. Piette unterscheidet bei den Statuetten zwei Typen: Weiher mit starken Fettpolstern, an Gesäss nnd Beinen, lang herabhängenden Brüsten und vorspringendem Piauche, und seiiianke Figuren mit flachem Bauche. Zur ersten Grup])e gehören folgende Figuren: 1. Die „FrauenbUste von Mas-d'Azil." Der Ort liegt im Arrondissement Pamiers, Departement Arriege, die Höhle auf dem rechten Ufer der Arise. Die 1888 gefundene, .57 nmi hohe Büste, von der drei Abbildungen in doppelter Grösse beigegeben sind, ist aus dem Seimeidezahn einer Pferdeart geschnitzt, oder viel- mehr aus der an dem Zalm befindlichen Wurzel. Die Bearbeitung des harten Schmelzes bereitete gro.sse Schwierigkeiten, und die seitliche Abplattung der Wurzel gestattete nicht, Schultern und Arme anzubringen. Aber der Kopf ist deutlich herausgekommen. Die Stirn macht etwas mehr als ein Drittel der Gesiciitslänge aus; die Nase ist dick und rundlich, nicht platt; der Mund fest geschlossen, die ol)cre Lippe idier die untere vorstehend; das Kiim fliehend, ohne Xdrsprung, ähnlich wie an der Kinnlade von La Naulette. Die l>rüstc hängen lang herab und endigen in einer übertrieben grossen Warze. Der ISauch ist scitlieli zusannncngedriickt und vorstehend. Unterhall) des Nabels begimit der unbearbeitete Tlieil des Zahnes, der ungefähr die Hälfte der ganzen Länge des- selben ausmacht. Dieses Stück ist ganz so erhalten, wie es die Hand des Schnitzers verliess. 2. Die „Venus von Brassempouy." Der Fundort, die „Grotie du Pape", liegt bei Brassempouy im Arron- dissement St. Sever, Deiiartement Landes, im Thalc des Pony, eines Baches, der in den Luv de France mündet; "dieser ist ein Zufluss des Luy de Bearn, eines Nebenflusses des Adour. Das etwa 78 mm hohe Bruchstück einer Statuette, aus Elfenbein geschnitzt, wurde 1892 gefunden und erweckte das grösste Interesse durch die ausserordentliche Schönheit der Arbeit. Vor- handen sind nur noch Bauch, Hüfte, sowie der rechte Dberschenkel. Kopf, Brust und alle übrigen Theile fehlen. Reste der Brüste beweisen, dass diese hängend waren. Auch der kielförmig vorstehende Bauch hängt herab. Der Schenkel ist sehr dick, in der Mitte an- schwellend und ausnehmend schön geformt. Das abge- brochene Hintcrtiieil scheint eine Gestalt wie bei den Buschmannsweibern besessen zu haben. Die in naivster Weise ausgeführten Geschlechtstheile zeigen ebenfalls eine bei den Buschmannsweibern vorkommende Eigen- tlunnlichkeit. Durch eingeritzte Striche ist eine starke Körperbcluiarung angedeutet, welche sich streifenförmig über den Leib zieht. Beim Vergleich dieses Stückes mit der Büste Nr. 1 erscheinen als gemeinsame Merkmale die herabhängenden Brüste und der starke Bauch. 3. Der Dolchgriff von Brassempouy. Ein etwa 55 mm hohes Elfe'nbeinstück, 1894 gefunden, in sehr schlechtem Zustande befindlich, stellt den Rumpf einer dicken Frau vor, welche weder Kopf noch Arme hat und nie solche gehabt hat, denn die abgebrochene elfen- beinerne Dolchklinge von 25 nun Breite und 5 mm Dicke bildete die Fortsetzung des Rückens. Bei dieser Figur kann eigentlich von Realistik keine Rede sein, da die Formen dem Gebrauchszweck angepasst sind. Immerhin erkennt man wieder die niehrerwähnten eigenthünilichen Kennzeichen der Brüste und des Bauches, wozu hier noch ein mächtig entwickeltes Hintcrtheil kommt. 4. Die Frau mit dem Rennt hier, gefunden in der Höhle von Laugerie- Basse in der Dordogne. Dies ist keine körperliche Nachbildung, sondern bloss eine Zeichnung, auf einem Stück Renthiergeweih eingeritzt. Seitenansicht einer auf der Erde liegenden, nackten, stark behaarten Frau, sowie eines Rennthieres, welches zu der Frau in keiner ersichtlichen Beziehung steht. Kopf der Frau, sowie Rücken und Vordertheil des Renu- thiers abgebrochen. Der Leib der Frau ist aufgetrieben, als ob sie sich in hochschwangerem Zustande befinde: die (ieschleciitstheile naturalistiscii angegeben. Dies sind die Beispiele des ersten Typus. Die des zweiten, schlanken, sammt und .sonders aus Elfenbein geschnitzt, stammen aus der Hidile von Brassempouy. Es sind nach Piette die folgenden: 1. „Das Mädchen." Die Schnitzerei von ungefähr 47 mm H(iiic ist grob ausgefüln-t, nach Art unserer Nürn- berger Figürchen in den billigen Spielschaciitein, und hat nach Piette's Vermuthung ebenfalls als Spielzeug ge- dient. Die Abbildung bestätigt diese Angaben. Füsse hat die Figur nicht. Sie ist in dieser Gruppe die einzige, bei welcher das Geschlecht unzweifelhaft als weiblich angegeben ist. 2. Die Figur „mit dem Gürtel" [k la ceinture). Kopf, Schultern, Brust und Füsse fehlen. Die Hüften und die Beine sind hübseh gearbeitet, der Rücken ist jedoch unnatürlich, die Rinne längs der Wirbelsäule viel zu tief, der Sitztheil zu klein. Um die Leibesmitte schlingt sich eine Art Gürtel, der jedoch nur vorne sichtbar wird. Da die (icschlechtsmcrkmale undeutlich sind und nm- eine gestaltlose Hervorragung bilden, ist Piette geneigt, die XI. Nr. 2. Naturwissenschaftliche Wochenschi-ift. 21 I'^igiir als woililich, aber dein schlanken Typus angehörend, zu bezeichnen. Ilierin möchte ich Piette nicht folj;en. Nach der Form der lliifte, welche an diejenige von Negern erinnert, scheint mir im ftegentheil, dass die Figur einen Mann vorsteilen sollte. Die I?nsclim:inner theilcn bekanntlich die Eigenthümiichkeit der über- triebenen Fettpolster nicht mit ihren AVeibcrn, und ein ähn- licher Unterschied der Geschlechter könnte bei dieser ur- alten Rasse bestanden haben. 3. Die „unfertige- Figur (lebauche). Das 72 mm hohe Stück stellt die Beine einer Figur vor, deren Leib abgebrochen ist. Die Fasse sind noch nicht ausgearbeitet und bilden blosse Klumpen. Ueberhaupt ist die Arbeit unvollendet: man erkennt die Spuren der (Feuerstein) Meissel und Schaber. Gerade durch diesen Umstand wird die Figur wichtig, denn er beweist, dass die Schnitzereien nicht von aussen eingeführt, sondern an Ort und Stelle gefertigt sind. Die Reine schwellen nach oben sichtlieh an, sodass man an eine weibliche Gestalt denken könnte; da aber die Hüfte fehlt, lässt sieh ein bestimmtes Urtheil nicht bilden und es kann auch ein Mann gewesen sein. Die Geschlechtstheile sind ebenso gestaltet, wie bei der vorigen Figur. 4. Das Figürehen „mit dem Scliulterüber- wurf" (ä la pelerine). Wurde 1894 neben der Figur mit dem Gürtel gefunden. Ein der Länge nach gespaltenes Stück von 46 mm Höhe, welches Rücken, rechte Schulter und rechten Arm vorstellt, letzteren im Ellbogen gebeugt und an den Leib angelegt. Ein glatter Uebcrwurt iie- deckt den Obertheil und reicht von der Schulter bis in die Mitte des Oberarms, um sich von da in gleicher Höhe über den Rücken und den noch erhaltenen kleinen Rest der Brust zu ziehen. Den Formen nach zu schliesscn eine männliche Gestalt. b. Das Figürehen „mit der Kaputze" (ä la ca- puehe). Dieses 1894 gehobene Stück möchte ich für das merkwürdigste der ganzen Samndung erklären. Es stellt einen abgebrochenen Kopf von vorzüglicher Arbeit dar, ungefähr 37 mm hoch. Ein grobes Flechtwerk be- deckt den Kopf, die obere Hälfte der Stirn, sowie die Ohren, und fällt bis auf die Höhe der abgebrochenen Schultern herab; die Kaputze ahmt die Zusammensetzung aus drei aneinandergenähten Theilen nach. Das Antlitz ist in der Vorderansicht nach unten spitz zulaufend, die Augen- höhlen sind tief, die Augen nicht näher angedeutet, der Mund ebenfalls nicht eingeschnitten, die Nase lang und ziendich breit. In der Seitenansicht erscheint das Kinn voll, und die Wangen wölben sieh von den Augenhöhlen an stark nach vorn. Die Einbiegung an der Nasenwurzel ist schwach, der Nasenrücken gerade, das Ganze ist voll Leben. Es wird wenige Beschauer geben, die nicht an altegyptische Bildwerke erinnert werden. Auch die Be- schreibung, die GoUignon in „L'Anthropologie" von 1894 Seite 216 0" von dem Gesichte der Basken giebt, dass es einem auf die Spitze ge^stellten Dreieck gleiche, erscheint bedeutungsvoll, und man möchte fast an einen Zusannuen- hang der jetzigen Basken mit dieser uralten ßevölkcrung von Mammuth Jägern denken, was dem haraitischenUrsprung jener nicht widerspräche. Piette berechnete auch den Kopf-Index der Statuette, welcher 94,87 ist, doch dürfte' dieser Ziffer \venig Gewicht beizulegen sein, da bei den l'raglichen Arbeiten die Form des Rohmaterials oft die Ab- messungen beeinflus.ste und das Hinterhaupt heute noch von vielen Künstlern als ein unwesentlicher Bestandtheil ange- sehen wird, den man auch verkürzen kann. Wegen des etwas langen Halses reiht Piette dieses Köpfchen der zweiten Grujjpe an. Woher kam diese Beviilkerung? fragt er am Schlüsse, und er antwortet darauf, dass der Typus nnt den Fettpolstern .jedenfalls sehr alt sein müsse. In der Gegenwart ist derselbe noch in einigen (iegenden von Afrika zu linden, doch ist er überall im Aussterben. Piette möchte annehmen, dass einstmals Menschen solcher Art, also nach üi)licdu'r Bezeichnung Haniiten, über einen grossen Theil der Welt verbreitet waren und auch das südliche Fraid^reieh l>ewohnten. Der mesoccphale Rennthierjäger, dessen knöcherne Reste wir aus den Höhlen von Cro-Magnon u. a. kennen, und der der Staunuvater sowohl der jetzigen mittelländischen, als der arischen Rasse zu sein scheint, wäre dann nicht mehr der' älteste Bewohner von Euroi)a. Ein „Manimuth- jäger" von anderer, fremdartiger Rasse würde ihm vor- hergehen und den Ursprung des Menschengeschlechtes in noeli weitere Fernen rücken, als man bisher ange- nommen hat. Soweit lässt sich Piette nicht widersprechen. Wenn wir aber seine Eintlicilung der Funde in zwei Typen, einen fettgepolsterten und einen schlanken, näher an- sehen, so können wir ihm hierin keineswegs beistimmen. Der erste Typus der Statuetten bildet offenbar Weiber ab, während dies beim zweiten unsicher ist; wahr- scheinlich sogar sollen die schlanken Gestalten Männer vor- stellen, welche bei allen Rassen anders gebaut sind, als die Weiber, und selbst bei den Buschmännern die Fett- polster jener nicht besitzen. Es würde sich also nicht um einen Unterschied zweier Typen, sondern um einen solchen der Geschlechter handeln. Der Umstand, dass die schlanken Figuren Schmuck und bezw. Bekleidung tragen (Gürtel, Scluiltertnch, Kaputze), während die fetten Typen nackt sind, spricht nicht gegen diese An- nahme, denn auf einer niederen Culturstufe putzen sich die Männer mehr als die Frauen; man denke z. B. an Federschmuck der Indianer. Auf alle Fälle ist aber die Kenntniss dieser Funde von Interesse und es lohnte sich, bei denselben zu verweilen. Die „Venus von Brasscni- pouy", die „Figur mit der Kaputze" und die übrigen Stütdvc werden jedenfalls noch viel von sich reden machen. Otto Amnion. Eine neue ärztliche ITiitersucliniigsinetliode. — Die ärztlichen Untersuchungsmethoden sind jüngst durch eine neue bereichert worden, welche eine werthvolle Er- gänzung der bisherigen üblichen Untersuchung des Kehl- kopfes "und der Luftröhre darstellt. Nach dem von dem Gesanglehrer Garcia angegebenen Prinzipe haben um die Mitte der 50er Jahre fast gleichzeitig die DDr. Czermak und Türk den sogenannten Kehlkopfspiegel construirt, welcher das Innere des Kehlkopfes und der Luftröhre da- durch sichtbar macht, dass er das umgekehrte Bild dieser Theile, welche durch von aussen eingeworfenes natür- liches oder künstliciies Licht erleuchtet werden, auffängt. j\lit Hülfe dieser Methode ist die Laryngologie begründet und auf die Hohe ihrer jetzigen Entwickelung gebracht worden. Der Kehlkopfspiegel ist ein unenti)ehrliches Hilfswerkzeug für den Arzt geworden. Die Leistungs- fähigkeit der Methode ist eine sehr grosse, sie gestattet die Erkennung fast aller krankhaften Veränderungen im Kehlkopf und im oberen Theil der Luftröhre. Von Dr. Alfred Kirstein, Assistenten des Geh. Raths Senator an der dritten medicinischen Universitätsklinik und Poli- klinik in Berlin, ist nun eine neue Methode zur Sichtbar- machung dieser Organe erfunden worden, die er als Autoskopie bezeichnet. Der Name ist deshalb ge- wählt, weil diese Methode die unmittelbare Besichtigung der o!)cren Luftwege ermöglicht. Nach mehrfacher Ver- besserung der Methode hat der Erfinder sie so verein- fach! und vcrvoUkonunnet, dass sie jetzt nach einiger 22 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 2. üebuiij;- von jedem Ar/te ohne grosse Helästignng für (U'n Kranken auss-eführt werden kann. .Sie wiid in fol- gx-nder Weise geübt: AVährend der vax Untersuchende den Kopf etwas nach rückwärts beugt, drückt der Unter- Kucher mit einem besonders construirten Spatel auf den liintersten Theil der Zunge und schiebt diese dadurch nach vorn und unten. In Folge dessen richtet sich der Kehldeckel auf, welcher gewöhnlich die Kehlkopfböhle überdeckt. Nachdem dieselbe nun freigelegt ist, kann der Untersucher, wenn er sich einer intensiven Licht- ([uelle, am besten einer kleinen elektrischen Glühlampe bedient, das Kehlkopfinncre direct beleuchten und be- sichtigen. Der Untersueher hat das Bild der Theile un- mittelbar vor sich. Der Blick dringt bis in die Tiefe der Luftröhre hinein. Es hat sich nun aber leider ergeben, dass die Autoskopie nicht bei allen Menschen ausführbar ist, Sondern mittelst dersellien nur bei etwa dem vierten Theil Kehlkopf und Luftröhre ganz zu übersehen sind, bei zwei weiteren Vierteln nur theilweise, beim Rest gar nicht. Ursache der Hinderung ist die individuelle Reizbarkeit, die Dicke der Zunge, die Straffheit der sie seitlich befestigenden Bänder u. s. w. Deshalb wird die Autoskopie die ältere Laryngoskopie niemals vollständig ersetzen oder gar verdrängen können; in den Fällen aber, wo sie ausführbar ist, bietet sie vor ihr unzweifelhafte Vor- theile: ein genaueres Sehen, selbst der feinsten Einzelheiten, v(ir Allem die Sichtbarmachung der hinteren Wand der Kehlkopf höhle, die nach der alten Methode nicht sichtbar ist. Dadurch wird die Diagnostik der Kehlkopf- krankheiten erleichtert und vervollständigt, aber auch für Operationen im Kehlkopf stellt die Autoskopie eine Er- weiterung der Technik in Aussicht. Der Werth der neuen Untersuchungsmethode ist deshalb innerhalb der ihr ge- setzten Grenzen, die ihn allerdings erheblich einschränken, für die wissenschattliche Heilkunde zweifellos; wie weit sie sich in die ärztliche Praxis einbürgern wird, nmss dahingestellt bleiben. Dr. A. In Bd. III, 8. 145 der Naturw. Wochenschr. finde ich eine Mittheilung aus ,,1'rakt. Physik", welche „ein .schein- liares mechanisches Pararto.von'' betrifft. Es handelt sich daselbst um die Rückwärtsbewegung des Körpers im anhaltenden Eisenbahnzuge, während man doch eine Vorwärtsbewegung erwarten sollte. Zur Erklärung dieser Erscheinung nimmt der Einsender zu der unwillkürlichen Lageveränderung des Fahrgastes während des liremsens seine ZuHucht. Er sagt: Der Reisende fürchtet beim An- halten des Zuges ein Fallen nach vorwärts, deshalb neigt er den Körper nach rückwärts; die schnellwirkende Bremse bringt nun den Zui,- unerwartet rasch zur Ruhe, der Rei- sende hat keine Zeit, den Körper wieder in die vertikale Lage zu bringen, er fällt deshalb nach hinten. Diese Erklärung ist offenbar am Schreibtische gefunden. Denn im Zuge hätte ihr Urheber vielleicht beobachtet, dass Schlafende die gleiche Bewegung nach rückwärts aus- führen, , wie er im Stehen; er hätte vielleicht auch ab- sichtlich den Körjjcr nach vorn, in die Richtung des Zuges gebracht, .\ucli dann würde er den Stoss nach hinten empfunden haben. Bd. IV, S. lO:^ wird eine sehr umständliche Er- klärung versucht und am Sehluss von „metaphysischen Anschauungen" gesprochen: „Die Abnahme der Sehneilig- keit jeder Bewegung i.st anzusehen als das Resultat einer der ursprünglichen Bewegung direct entgegenwirkenden Kraft". Dieser Satz steht nicht .,hinter' der nung hingestellt wird. Woher soll der Ueberschuss der ersteren Kraft konunenV sie ist doch mit dem Stillstehen des Zuges offenbar Null geworden; es ist nicht der gleiche Fall, wie bei dem zurückgezogenen Balle auf dem Billard, mehr das Umgekehrte, der Nachläufer. Der Einsender des ersteren Artikels macht die schnellwirkende Bremse verantwortlieh, während derjenige des zweiten Artikels jede Bremse gelten lässt, aber zwischen einer Wirkung auf leblose und lebende Körper unterscheidet. Zunächst sei bemerkt, dass unsere schnellwirkenden Bremsen zugleich durchgehende sind; auf die letztere Eigenschaft ist hier der Ton zu legen. Ferner möge man die Thatsache beacl^ten, dass die Rüchwärtsbewegung des Körpers, wenn iiberhaupt, erst dann eintritt, nach- dem der Zug einen Augenblick vollständig zur Ruhe ge- kommen war. Nehmen wir nun die Federn hinzu, die an den Verkuppelungen wirken, so schwindet das Para- doxe der Erscheinung. Die durchgehende Bremse bringt den Zug zum Stehen; sofort nach dem Stillstand wird die Bremse wieder gelöst, und die sämmtlichen Wagen rücken um eine kleine Strecke nach dem feststehenden Ende, d. h. nach der schweren Lokomotive hin. Dieser Ruck nach vorn verursacht die fragliche RUckwärtsbewegung des Körpers. So erklärt sich auch das Hin- und Herrütteln beim Anhalten eines Zuges, der noch mit einzelwirkeuden Handbremsen ver- sehen ist. Weil die Handbremsen nicht gleichzeitig ge- löst werden, wirken die Federn an den Verkuppelungs- hakcn ungleichmässig, wodurch eine Hin- und Herbeweguug des Zuges hervorgerufen wird, zu der auch die Federn in den PuflPerhülsen bei allen Zügen einen Beitrag liefern. Baule, Hann.-Münden. Physik, sondern drin. Metaphysisch dagegen klingt es, wenn „der Ueberschuss von rückwärtswirkender über vorwärtstrciliende Krall" als Ursache der obigen Erschei- Die Witterung des Monats December im centralen Europa. — Der December bot in seiner Witterung keinen einheitlichen Typus. Hinsichtlich seiner Temperatur hielt er sich im Gegensatz zu den Vormonaten von Extrem- werthen fern, dagegen bot er durch die gewaltigen Un- wetter des ersten Monatsdrittels des Ungewöhnlichen genug. Im Einzelnen verlief die Witterung folgender- maassen : Der 30. November bildete einen Höhei)unkt der herrschenden Frostperiode, welche in fast allen rechts- rheinischen Gebieten eingetreten war. Seit dem 1. De- cember wich die Frostgrenze weiter nach dem Osten zurück, da der Einfluss des umfangreichen Tiefdruck- gebietes im Nordwesten immer mehr um sich griff. In (Jstdeutschland, Galizien, Siebenbürgen und den um- liegenden Landen, besonders aber in Südrussland er- reichte die Kälte jedoch noch ziemlich hohe Werthe, (am 2. in Neufahrwasser und Lemberg — IP, in Krakau — 12", am 3. in Hermannstadt — 14", in Bukarest — 16"). Da lei- tete ein tiefes Minimum, das am 3. auf dem norwegischen Meer erschien, jene Epoche der Witterung ein, welche in den Unwettern des 6. und 7. ihren Höhepunkt fand und über welche in der vorigen Nummer dieser Zeitschrift ausführlich berichtet wurde. Auf diesen .Aufsatz sei im Uebrigen hiermit verwiesen. Hinzugefügt sei noch, dass auch in den Balkanstaaten gleichzeitig (8. und U.) unter dem Eiutiuss eines südlichen Minimums Schneestürme herrschten, so dass auf dem Balkan der Schnee schon mehrere Meter hoch lag. Es ist ein alter Volksglaube, dass Wiutergewitter Kälte im Gefolge haben. Diese Ansicht ist im All- gemeinen richtig, denn da, wie in der vorigen Nunnner her\orgchol)en wurde, winterliche Wirbelgewitter be- sonders gern auftreten, wenn bei steigendem Barometer ein aus dem südwestlichen Quadranten wehender Sturm XI. Nr. 2. Natnnvisseiischat'tlirhe Woclicnschrift. •JH in den nordwestlichen Quadranten überspringt, so ist klar, dass die Aufheiterung-, welche ein heftiger Nordwest in kurzer Zeit herbeizuführen püegt, eine beträchtliche Abkühhu'g bedingt, zumal wenn der Gewittersturm von Schneefall begleitet war. Diese Regel fand nun diesmal keine Bestätigung; hatte man es ja doch auch nicht mit einem gewöhnlichen, ty})ischen Wirbelgewitter, sondern mit einer Älenge kleiner Wirbelgewitterchen zu thun! Der Hauptcyklone folgten neue Depressionen, welche nördliche Winde unmöglich machten, in Folge dessen schmolz die Schneedecke bald weg und das Thauwetter behauptete sich. Eine neue Depression, welche am 10. die Dstsee erreichte, Itrachte für die holländische Küste Wiederholung der Sturmflutheu und Unwetter. Seit dem Abend des 12. erfolgte über Deutschland wiederum ein sehr bedeutender Barometersturz, zu München fiel der Luftdruck in 12 Stunden um 19 mm. Ein barometrisches Minimum von weniger als 735 mm Tiefe zog in südöst- licher Richtung scliräg durch die Nordsee. Im westlichen Deutschland nahmen die Winde wieder stürmischen Charakter an, in Grossbritannien herrschte vielfach voller Sturm, ebenso zu Biarritz, Toulon und Punta d'Ostro. In den Alpengegenden gingen sehr erhebliche Regen- mengen nieder (Klagenfurt 28 mm Schnee, Laibach 51, Abbazia 53, Görz 77 mm Regen am 13.). Im Innern des Kontinents löste sich dies Minimum rasch auf, neue Depressionen, welche in den englischen Gebieten auftauchten, beeinflussten unsere Witterung kaum, so dass sich am 15. leichter Frost wieder ein- stellte, welcher sich bald verstärkte, da der im nörd- lichen Russlaud lagernde Hochdruck nunmehr ent- schiedenen Einfluss gewann, welclier sich in östlichen und südöstlichen Winden kundgab. Memel meldete schon am 18., Swinemünde am 19. —12". Doch hob sich die Temperatur wieder über den Gefrierpunkt, als kleine Depressionen am 18., 19. und 20. über den Alpen auf- traten, welche an der Adria starke Niederschläge, Stürme und Gewitter hervorriefen; die grosse Feuchtigkeit der Luft machte sich als Nebel, Schnee, Sprühregen und Glatteis bemerkbar und die Temperatur pendelte um den Gefrierpunkt hin und her. Inzwischen hatte der Hoch- druck nach Skandinavien hinübergegriffen, so dass die Winde immer mehr nordfistlieh wurden. Am 23. und 24. endlich sank das Thermometer ent- schieden unter den Gefrierpunkt. Die Schneedecke, welche etwa seit dem 20. in den mitteldeutschen Gebirgen lag, breitete sich seit dem 25. auch über die Ebene aus. Die Kälte nahm in Folge dessen zumal im Osten wesentlich zu. Und als das Maximum sich wieder südöstlich in das innere Russland verlegte, brachte der letzte Jahrestag eine scharfe Sonderung eines Frost- und eines Thauwetter- gebietes, deren Grenze etwa durch die Elbe, Moldau und eine Verlängerung dieser Linie nach der Adria bezeichnet wurde. Während am Morgen des 31. das Thermometer in Königsberg und Memel auf — IG**, in Hermaunstadt auf — 19», in Moskau auf —290, in Kiew auf —30" stand, meldete Paris +10", Friedrichshafen 33 mm Regen. Der Tem|)eraturunterschied zwischen Moskau und Paris betrug also nicht weniger als 39". Ein über Mittel- deutschland liegendes Minimum brachte am Jahresschluss für das östliche Deutsehland noch kräftige Schneefälle. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernanut wurden: Der (U-dentliclio Professor in dor inedici- n.schen iakultat zu Marburg Dr. Emil Behrinj? und dor ausserordentliche Professor in der mediciniscl.on FakulfUt zu Bdrlin Dr. Heinr, Leop. Scrhröder zu Gelipimen Medicinal- nitl.en; die Privatdocenten in der medicinischen Fakultät zu Leipzig Dr. Wilhelm Hi.sg, Dr. Karl Hess, Dr. Kombe^rg zu aussei-ordontlichen Profos.soren ; der Privatdocent der Geologie am Polytcchnikmn zu Zürich de Girard zum ausserordentlichen Professor; die Pmatdocenten der Chemie bezw. Phvsiolofrie in l'reiburg (Schweiz) Thomas-Maunert und Artus" zu ausser- '^liV , , Professoren; der Amanuensis an der Universitäts- Hibliothek zu Lemberg Dr. Mankowski zum Scriptor; N Kus- iietzow zum aussorordentliclien Professor der Botanik in Dorpat und Director des botanischen Gartens daselbst. Berufen wurden: Der Professor der Ohrenheilkund.. in Kostock Dr. Otto Körner als ausserordentlicher Professor nach Heidelberg. Es starben: Unser Mitarbeiter, der naturwissenschaftliche Schrittsteller Ludwig Graf Pfeil-Burghau ss; der Physiker Prof. Paul Reis in Mainz; der Assistent am pathologischen Institut der Universität Kiel Dr. Müller; der auch als Gecraph und Botaniker verdiente ehemalige Professor der Geschiclue in Dorpat Dr. Karl Piathlef. L i t t e r a t u r. C. P. Powell, Gott im Menschen. \'orlesuiigeii über diu Entwickelungslehre. Autorisirte deutsche Ausgabe. Verlag des Bibliographischen Bureaus. Berlin 1894. Das Buch will in allgomeinverständlicher Weise Verstäudnis.s fiir die Entwickelung.slehre verbreiten; Verf. möchte „gern denen etwas behülflich sein, die auf dem Wege sind, sich von der Knechtschaft des Supernaturalisuius und der Gewaltherrschaft der Mythologie loszuringen." D.is Buch beschäftiget sich dem- gemäss zunächst mit der Descendenz-Theorie und ihren Begrün- dungen, um dann die Entwickelung weiter zu verfolgen, nachdem der Mensch erreicht ist. Verf. will dann zeigen, dass auch die (ieschichte der Menschheit, mit ihren Religionen, ihren Sitten- büchern, ihren Künsten in allgemeinen ethischen Gesetzen gipfelnd, ebenfalls ein Gegenstand der Entwickelung ist. Prof. Theodor Lipps, Grundzüge der Logik. Hamburg und Leipzig. Leopold Voss. ISiiS. — Preis 3 Mk. Das Buch umfasst in Octav 233 Seiten; es handelt sich also um ein Lehrbuch ziemlichen Umfanges, das übrigens nicht nur dem Lernenden dienen kann, sondern auch dem in dem Gebiete Forschenden durch eigenartige Darstellungen von Interesse sein muss. L. behandelt in kurzen Absätzen, die in Kapiteln und Ab- schnitten übersichtlich zusammengeordnet sind, jedesmal einen einzigen Bi'griff oder Gedanken. Er giebt in diesen Absätzen die wichtigsten herkömmlichen Bestimmungen und das, was ihm sonst zu den Grundzügen oder grundlegenden Elementen der Logik zu gehören schien. Die Beispiele, die er anführt, sind wenig zahlreich „und so trivial, wie es dem Zweck der Logik, die nur über logische, nicht aber allerlei sonstige Dinge belehren will, entspricht." Auf historische Excurse und polemische Erör- terungen wurde verzichtet. Prof. H., Behrens, Anleitung zur Mikrochemischen Analyse der wichtigsten organischen Verbindungen. 1. Heft. Mit -I') Figuren. Leopold Voss. Hamburg und Leipzig 1895. — Preis 2 Mk. Das vorliegende Heft beschäftigt sich mit der Anthracen- gruppe, den Phenolen, Chinoneii, Ketonen und den Aldehyden. Verf. hält nach seinen Erfahrungen ilas Mikroskop für sehr ein- fiilirenswerth auf dem Gebiet der Analyse organischer Verbin- dungen. Aber nicht allein dem Chemiker ist das Unternehmen von Werth, sondern auch aus naheliegenden Gründen dem das ,M ikroskop benutzenden Biologen. Inhalt: Dr. Karl L. Schaefer, Ueber den plötzlichen Tod aus natürlichen Ursachen. — G7. V^ersammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte in Lübeck vom 1(1.-21. September 1895. V. — Die älti'sten Nachbildungen der menschlichen Gestalt. — Eine neue ärztliche Untersuchung.^-methode. -- Ein scheinbares meclianisehes Parado.\on. — Die Witterung des Monats Decemb(!r im centralen Europa. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Lilteratur: C. P. Powell, Gott im Menschen. — Prof. Theodor Lipps, Grundzüge der Logik. — Prof. H. Behrens, Anleitung zur Mikrochemischen Analyse der wichtigsten organischen Verbindungen. 24 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Xr. Nr. 2. Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. In unserm Verljige erschien: Lehrbuch der Differentialrechnung. Zum Gebrauch bei Vorlesungen an Universitäten und technischen Hochschulen Dr. Harry Gravelius. 331 Seiten '^i: 8". Preis broscliiert 6 Mark, gebunden 7 Mark. PATEN TB UREAÜ Qlrich >^. JVlaerz Berlin NW., Luisenstr.22. Patent- Marken- u. Musterschulz für alle Länder. BiatareiaieiaietgrieiaiaiBiaiaieteieie Die Illustration wissenschaftlicher Werke erfolgt am besten und billigsten durch die modernen, auf Photo- ^aphie beruhenden Reproduc- lioDsarten. Die Zinkätzung;en dieser Zeitschrift gelten als Proben dieses Verfahrens und sind hergestellt in der graphi- schen Kunstanstalt Meisenbacli, Riffarth & Co. | in Berlin-Schöneberg, u llPBOSPECT CBATIS r.r EBFjMDEK |ARPADBAUER.JNB.BERLIN,H.31.Sirai;und.a3g I Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th Elkan Berlin N., Tegelerstr. 15. ^xb. gümmfcrs '§?cr f a g s In t d) l)anM'uita iu ^crl'in SW. Miftx cfritbtiri) itl^ Stuöcnt. •hmx ■^*attf {^inöent^cv^. SKit unücröffcntlidifciit 12iTaferiar aus. bcin ^ad)ta|Tc e^iaifcr ^ricbrit^s, einem "^itcfßil'b. 1« Bbßtföwncicn, ^autograp^ifdjcn ^äl'ttftcni :c. 96 ®etten gr. 8». 5prcia gcfjeftol l,.'iO Wiaxt, elcg. geb. 2 3Jlarf. 3u Bejicficit burd) oüc S3ud)[janfalungc:i. 1i. «. Wiimbiiiij Qilllti 4 C@. 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Fiir Hoch- und Quer-Aufnahincn bleibt die Lage der Camera unverändert, weil die Visir- scheibe sich nm sich selbst dreht! 4. Auslösung des Verschlusses durch Druck auf Knopf .1. Alle Wellen etc. laufen iu MetalUagern. — l'rospKct fr vorn am Apparat et. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstr. 33. I Dr. Robert Muencke i ♦ ♦ ^ Technisches Institut füv Anfertigunj; wissenschaftlicher Apparate ♦ ♦ und Geräthscliai'ten im Gesammtgebii'te der Xaturwissenscliaftcn. ♦ ♦♦♦♦♦«♦♦♦♦«♦♦«♦♦♦♦♦♦♦♦♦»♦«♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Liiiseuslr. 5S. BERLIN NW. Luiseustr. öS. Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. Ueber Tundren und Steppen der Jetzt- und Yorzeit mit besonderer Berücksichtigimg- ihrer Fauna. Von Dr. Alfred Nehring, Professor der Zoologie und Vorsteher dtr zoologisclieu Sanimlmigen an der Königlichen landwirthschaftlicheu Hochschule zu Berlin. Mit I Abbildung im Text und i Karte der Fundorte. 266 S. gr. 8". Preis 6 Mark. 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Pflanzengeschichtliches aus Padua. Vou Geheimrath E. Fiiedel Bereits im Jahre 1858, da ich al.s Student das erste Mal in Padua war, lockten mich die Worte, die unser grosser Goethe üljer den dortigen Botanischen Garten der Universität geäussert, besonders an, den letzteren zu besuchen. Die 1222 gegründete Hochschule ist zwar nicht die älteste der Welt, aber jedenfalls die älteste mit sämmtlichen Fakultäten und der nach dem Vorschlage des Professors Bonafede auf Veranlassung der Republik Venedig im Jahre 1545 begründete Orto Botanico der älteste für akademische Zwecke eingerich- tete l)otanische Garten, im Wesentlichen unverändert an der alten Stelle und deshalb allein schon mit besonderer Ehrfurcht zu begrüssen. Nach seinem Tagebuch in der „Italienischen Reise" gelangte Goethe in vier Stunden, von Vicenza kommend, am 26. September 1786 in Padua an: „Man fährt, sehreibt er, „in der fruchtbarsten Ebene immer südost- wärts zwischen Hecken und Bäumen, ohne weitere Aus- sicht, bis man endlich die schiinen Gebirge, von Osten gegen Süden streichend, zur rechten Hand sieht. Die Fülle der Pflanzen- und Fruchtgehänge, über Mauern und Hecken, an Bäumen herunter ist unbeschreiblich.* Kürbisse beschweren die Dächer, und die wunderlichsten Gurken hängen an Latten und Spalieren." Speciell mit Bezug auf Paduas nächste Umgebung schreilit er: „Gegen Südost ein grünes Pflanzenmeer, ohne eine Spur von Erhöhung, Baum an Baum, Busch an Busch, Pflanzung an Pflanzung, unzählige weisse Häuser, Villen und Kirchen aus dem Grünen hervor- blickend." Am 27. September betrat er, nachdem er über das unfreundlich enge üniversitätsgebäude und das noch mehr znsammengepresste Anatomische Theater seine Glossen gemacht, den Orto Botanico. „Der botanische Garten ist desto artiger und munterer. p]s können viele Pflanzen auch den Winter im Lande bleiben, wenn sie an Mauern oder nicht weit davon gesetzt sind. Man überbaut alsdann das Ganze zu Ende des Octobers und heizt die wenigen Monate. Es ist erfreuend und belehrend, unter einer Ve- getation umherzugehen, die uns fremd ist. Bei ge- wohnten Pflanzen, sowie bei andern längst bekannten Gegenständen, denken wir zuletzt an nichts^ und was ist Beschauen ohne Denken? Hier in dieser neu mir entgegentretenden Mannigfaltigkeit wird jener Gedanke immer lebendiger: dass man sich alle Pflanzengestalten vi el,leic|ht aus Einer entwickeln könne. Auf diesem Punkte bin ich in meiner botanischen Philosophie stecken geblieben und ich sehe noch nicht, wie ich mich entwirren will. Die Tiefe und Breite dieses Geschäfts scheint mir völlig gleich." Wie Goethe hier als Vorläufer Darwiu's*) durch Be- trachtung exotischer Pflanzen im botanischen Garten auf die 1790 verfasste Metamorphose der Pflanzen ge- leitet wurde, so, nachdem er am 28. September Padua verlassen und auf der Brenta Venedig erreicht, am Lido den 8. October, durch einen während der Ebbe da- selbst gefundenen, von Sand und Wellen sauber präpa- rirten, von Wind und Sonne gebleichten Halswirbel eines Schafes auf die Entwickehuig des Schädels der Wirbel-' thiere, insbesondere aber des Menschen aus den Wirbel- *) Vergl. jedoeh „Naturu. Wochenschr." 1891 Nr. 38 S. 385. Red. 2ß Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 3. knochen*). In der Mctamorpho.se der Pflanzen a. a. 0., S. 85 kommt er noch einmal und eingehender auf den Paduaner Garten zurück. „Am mehrsten aber erkannte ich die Fülle einer fremden Vegetation, als ich in den botanischen Garten von Padua hineintrat, wo mir eine hohe und breite Mauer mit feuerrothen Glocken der Bignonia radicans zauberisch entgegen leuchtete. Ferner sah ich hier im Freien manchen seltenen Baum emporgewachsen, den ich nur in unsern Glashäusern überwintern gesehen. Auch die mit einer Bedeckung gegen vorübergehenden Frost, während der strengeren Jahreszeit geschützten Pflanzen standen nunmehr im Freien und erfreuten sieh der wohlthätigen Ilimmelsluft. Eine Fächerpalme zog meine ganze Aufmerksamkeit auf sieh; glücklicher Weise standen die einfachen, lanzeu- förmigen ersten Blätter noch am Boden, die suecessive Trennung derselben nahm zu, bis endlich das Fächer- artige ia vollkommener Ausbildung zu sehen war. Aus einer spatha-gleichen Scheide zuletzt trat ein Zweiglein mit Blüthen hervor, und erschien als ein sonderbares, mit dem vorhergehenden Waehsthum in keinem Verhältniss stehenden Erzeugniss, fremdartig und überraschend. Auf mein Ersuchen schnitt mir der Gärtner die Stufenfolge dieser Veränderungen sämmtlich ab, und ich belastete mich mit einigen grossen Pappen, um diesen Fund mit mir zu führen. Sie liegen, wie ich sie damals mitgenommen, noch wohlbehalten vor mir und ich verehre sie als Fetische, die, meine Aufmerksamkeit zu erregen und zu fesseln völlig geeignet, mir eine gedeihliche Folge meiner Bemühungen zuzusagen schienen." — Die Grundform und Anlage des Botanischen Gartens von Padua ist eine Centralaniage, ein Kreis, der durch ein Wegekreuz in vier Segmente getheilt wird. Aehnlich ist in Padua der bekannte bepflanzte Platz Prato de IIa Valle, jetzt Piazza Vittorio Emanuelc, gestaltet. Ebenso zeigen diesen Grundplan die botanischen Gärten zu Bologna, Mantua, Modena, Ferrara, die alten botanischen Gärten zu Florenz und Rom, der Real Orto Botanico in Palermo, der Giardino Garibaldi in Bari und die an den Botanischen Garten zu Palermo an- stossende Villa Giulia. Die eigentlichen botanischen Gärten heissen sämmtlich Orto (vom lateinischen liortus), nur der kleine botanische Garten der Universität Ferrara heisst ausnahmsweise Giardino Botanico. Diese mathematisch regelmässigen Grundpläne der botanischen Gärten haben den Vortheil leichter üebersichtlichkeit, sind aber nach unserem jetzigen Begriff steif und lang- weilig. Der Stil ist aus dem altrömischen Gartenwesen, welches wesentlich der Architektur untergeordnet war, ins italienische Mittelalter übergegangen, von da ab in die französiselie Gartenkunst und thcils direct durch ita- lienische Baumeister und Gärtner nach Deutschland über- tragen worden, theils indirect in Nachahmung des Roi- Soleil, Ludwig XIV, dessen steife Sehlossgärten fast jeder deutsehe Fürst zum Vorbild nehmen zu müssen ver- meinte. *) „Es entsteht nämlich, da so viel von Gest;iltiui{r und Um- gestaltung fieaproclion worden, die Fr.age: ob mau denn wirklich die Schiidelknochon iius Wirbelkuochen ableiten und ihi-e anfäng- liche Gestalt, ungeachtet .so grosser und entschiedener Verän- derungen noch anerkennen solle und dürfe? Und da bekenne ich denn gern, dass icli seit drei.«sig Jahren von dieser geheimen Verwandtschaft idjerzeugt bin, auch Betrachtungen darüber immer fortgesetzt halie." (181 sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme JL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit Tollständiser <(nellenaiisabe gestattet. ' Palaeophytologische Notizen. Von H. Potonie. Zur Moi-phogcuie der Blatt-Aderuug.*) Dass die mono))odialeii Verzweigungen mor- pliogene ti.scli aus echt diehotonien hervorgegan- gen sind, ist versucht worden von mir zu begründen (vergl. „Naturw. Wochenschr." X, No. 36, S. 433 ff.). Die nachträglich erworbene Kenutniss einer Arbeit des Herrn (). Lignier*) giebt mir Veranlassung, zu dem früher Gesagten das Folgende nachzutragen, das sich speciell auf die Entwickelung der Blatt- Aderung im Laufe der Generationen bezieht. Auf Grund der von mir entwickelten Anschauung *) Einer Anregung des Herrn 0. Jaekel folgend, habe ich die ursprünglich gesetzte Uebersehrift „Zur Pliylogenie der Blatt- Aderung" in die obige geändert. In der Tiiat bezieht sich der Ausdruclv Phylogenio — wir brauchen ihn nur zu übeisetzen — auf die S tammes-Geschichte der Species, betrachten wir jedocli besondere Organtheih; oder besondere Organe hinsichtlich ilirer Um- bildungen im Laufe der Generationen, wie das in der vorliegenden Notiz geschieht, so ist der umfassendere Ausdruck Morphogenie ■besser am Platze. Als Bezeichnung für den Leitbündel-Verlauf in Blättern werde ich in Zukunft das Wort „Aderung'' der Bezeichnung „Nervatur" vorziehen, weil die Leitbahnen in physiologischer Beziehung ja ganz und gar nichts mit Nerven zu thun haben, sondern viel- mehr mit dem Blutgefässsystem der Thiere zu vergleichen sind, für dessen einzelne Bestandthoile das Wort Ader gebraucht wird. Freilich ist das Wort „Ader" nicht immer ganz und zuweilen ebensowenig zutreöend wie „Nerv", da die in Rede stehenden Bündel ausser leitenden Elementen auch meist noch ausschliess- lich der Festigung dienende Skelett-Stränge enthalten und zu- weilen sogar aussthliesslich mechanische Function haben; aber die Leitung von Nahrungsmaterialien bleibt doch das Wesentliche für das Gros der Blattleitbündel. **) La nervatiou des Cycadacees est dichotomii|ue (.\s3. friin^\ pour l'avanc. d. sc. Congres de Caen 189-1.) wäre anzunehmen, dass Hauptadern in Blättern ein secuu- därer Erwerb sein können, dass eine Hauptleitungs- ader hervorgehen kann, sei es durch allmähliche stärkere Entwickelung einzelner sich zu einer Geraden zusammeu- setzenden Gabelzweige, sei es durch nachträgliche Ver- einigung mehrerer, parallel verlaufender Gabelzweige. Die fossilen, als Taeniopteris bezeichneten, langge- streckten Farnblättchen haben z. B. eine starke auffallende Hauptader, von der bogig auf den Blattrand zulaufend feine, gegabelte Neben-Adern abgehen, sodass die Ade- rung als tiederig mit gegabelten Fiederästen bezeichnet werden kann. Herr Lignier sagt nun: „Man weiss, dass die Ade- rung der taeniopteridischen Farn im Ganzen eine dicho- tome ist, deren Gabelungen sich alle in der Haujitader berühren und deren letzte Verzweigungen, senkrecht zur Hauptader stehend, sich parallel zu einander bis zum Blattrande verlängern." Darin könnte ausgesj)rochen liegen, dass hier die Hauptader aus der einer Anzahl von Gabelzweigen Vereinigung hervorgegangen ist, wie ich das für Hauptaderii, von denen (im fertigen Zustande)- in fiederiger Anordnung Nebenadern abgehen, annehmen nuiss, falls nicht für die .Vniialime eines sym- podialeii Aufbaus aus ursprünglich ein/.cliicu Gabelzweig- Stücken die Thatsachen gewichtiger .sind. In den Cycadaceen-Blättclicn, die Lignier bezüglich ihrer Aderung" genauer untersucht hat, weist alles auf dichotomen Verlauf hin. Die Cycadaceen gruppircu sich, wenn wir A. W. Eicli- ler's*) Classification zu Grunde legen, nach dem folgen- den Stammbaum. *) Englcr-PranÜ's Natiii liehe PHan/.enfamilien 11, Leijizig 18S;), S. 20 tV. 34 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 4. Cycadaceae. Cycadeae (Rlattfiedern nur mit einer Mittelader.) Cycas Staugerieae (Fiedern fieder- aderig.) Euzamieae (Fiedern liings- aderig.) I I Stanycria hiei'lier: Bowenia, Dioon, Enceplialarto-s u. s. w. Bei Stangeria finden wir von der Hanptader ab- gehend zalilreiche, feine Nebenadern, die, zum Kande laufend, sich ein- oder zweimal gabeln. Bei der mittcl- aderloscn Bowenia gabeln sieh die säramtlich gleicli- artigen Adern in der Basis der Blättchen, ebenso bei Dioon. Bei Encephalartos kann man Gabelungen, die in die Zähne des Blattrandes laufen, namentlich am Gipfel der Blättchen bemerken; der Zusatz Lignier's „elles . . . . paraissent correspondre beaucoup plus ä des divisions du limbe des folioles et ä la formation de pointes laterales qu'a une veritable dichotomie" zeigt, dass Lignier noch nicht ganz klar zu der oben erwähnten, weit gehenden Schlussfolgerung gelangt ist, zu der ich durch die Tiiatsachen gedrängt worden bin. Aber er sagt doch (1. c. 1894 S. 2): „Der Zweck dieser Notiz ist zu zeigen, dass die Dichotomie der Aderung doch eine wahrscheinlich gewöhnliche Thatsache bei den Cycada- eeen ist." Schon früher hatte er nachgewiesen, dass keineswegs, wie oben Eichler noch angiebt, die Gattung Cycas nur eine Ader, die Hauptader, in den Fiedern besitzt, da von dieser rechtwinklig sehr feine, zahli-eiche und sehr eng stehende „filets ligneux'^ abgehen, sodass er phylo- genetisch eine taeuiopteridische Aderung für die Vor- fahren von Cycas annimmt. Auf Grund meiner früheren Auseinandersetzung können morphogenetisch etwa 4 Stadien für eine Aderung wie bei Cycas angenommen werden: 1. Sogenannte „Parallel-Aderung", d. h. lauter gleich- artige, .sich gabelnde, mehr oder minder fächerig ausein- ander gehende Adern. So heute noch bei den Eu- zamieeu. 2. Vereinigung der in der Mitte der Spreite oder des Spreitentheiles verlaufenden feinen Adern zu einer Mittel- (Haui)t-j Ader, doch so, dass die Enden derselben frei bleiben und zum 151attraiule gehen. Die Taeniop- teriden bieten für dieses Stadium ein Beispiel, da bei diesen Resten die unteren Stücke der Seiten-Nerven sich zur Haupt-Ader herabbiegend oft eine bemerkenswerthe Strecke noch frei . dicht neben der Q' Haupt-Ader vei-laufen (Fig. 1). l'liy- siologisch müsstc mau als vortheil- i.i„ , iiafter für solche Pflanzen ein un- Biattheii von Taenioptcrij mittelbareres Uebergehen der Seiten- muiuuerv|i w^dss. Nach strombalincii in die Hauptbahn an- sehen; dass dies oft nicht geschieht, würde nunmehr durch die angenonmiene Genesis der in Rede stehenden Adcrimg verständlich werden: diese unterstützen. 3. Vcrkünnncrung der Seiten-Adern, sodass nur die llaujjtader übrig bleibt. — Dieser Fall würde in sehmalen Spreitcntheilen von A'ortbeil sein können, wie in den Fiedci-n der Cycas-Laub ]51ätter, in denen wir nach Lignier — wie erwähnt — noch anatomisch die Rudimente solcher Neben-Adern constatiren können. 4. Nur eine einzige Ader, Mittel-Ader, ohne jede Spur und Andeutung vorhanden gewesener Neben-Adern. — Eventuelle Nachkommen von Cycas, bei denen eine ausgiebigere Ausbildung von Assimilations-Parenchym durch Inpiatznahme der unnütz gewordenen Rudiment- Adern diese verdrängen könnte. Manche Arten mit heute rein einadrigen Spreiten ohne jeden Hinweis auf rudimentäre Neben-Adern dürften in ihren Vorfahren ursprünglich die vier Stadien durch- gemaelit haben, jedoch wird oft nicht genauer zu er- mitteln sein, ob eine Mittel-Ader nicht etwa auch ur- sprünglich nur einheitlich gewesen ist. Dieser Fall würde — wie leicht ersichtlich — keiner- lei Widerspruch zu der allgemeinen Annahme abgeben, dass also alle Verzweigungen in phylogenetisch ursprüng- licheren Stadien ihrer Besitzer echt-diehotom waren. Speeiell für die Conifei'cn mit ihren allermeist ein- aderigen Blättern möchte Herr Lignier*) annehmen, dass das in physiologischer Hinsicht so zweifelhafte „Trans- fusionsgewebe" sein könnte: „la trace d'une nervation laterale ayant existe chez leurs ancetres." Mag dem hier so sein, so ist, falls sich solche oder sonst Anhaltspunkte für die Erkennung der morphogenetisclien Entstehung von einadrigen Blättern oder Blättchen nicht ohne W^eit^res ergeben, stets, wenn man einen Wink nach dieser Richtung sucht, zu beachten, dass man auf drei Möglichkeiten gefasst sein muss. Nämlich 1. kann also die Ader auch einheitlich bei den Vor- fahren gewesen sein: ursprünglich ein Gabelzweig, der sich im Laufe der Generationen erhalten hat und nur nach Maassgabe der Verhältnisse sieh verbreitet, ver- grössert oder verkleinert hat; 2. kann eine Mittel-Ader entstancku gedacht werden aus Gabelfussstücken, die sich im Laufe der Generationen in ein und dieselbe Gerade gerichtet haben, und 3. endlich ist der bei Taeniopteris angenommene Fall zu berücksichtigen, bei welcher Gattung also der Mittelnerv aus der Vereinigung mehrerer, parallel ver- laufender Adern gebildet worden sein dürfte. In morphogenetischer (theoretisch - morphologischer) Beziehung können sich Blattadern eben ganz verschieden verhalten; ohne Weiteres dürfen sie jedenfalls morpho- genetisch nicht verglichen werden. Ueber die Entstehung von Netz-(Maschen-) Aderung ist das Folgende zu sagen. — Dass sie aus der getrennt- läutigen Aderung hervorgegangen ist, dürfte der Botaniker schon desshalb gern annehmen ohne eine eingehende Begründung zu verlangen, weil es sich in der Netzaderung um einen eomplicirteren Bau handelt. Doch sei darauf aufmerksam gemacht, dass die Netzaderung im Laufe der geologischen Formationen an Häutigkeit zunimmt und ursprünglich ganz fehlte. Stur führt in seinem grossen Werk über die CUdm-Flora**) auch nicht eine einzige Pflanzen-Art mit Netzaderung auf Auch E. Stahl sagt:***) „Netzaderige Berippung tritt innerhalb der Gruppe der Farne der getrenntläufigen gegenüber an Häufigkeit beträchtlich zurück: in den älteren Erdformationen sind Farne mit anastomosirenden Blattrippen selten. Schon die Nervatio goniopteridis, die den einfacheren Ana- stomosentypus" stellt, ist in den palaeozoisehen For- *) La nei-vatiou taenioptoridee des folioles de Cycas et le ti.ssu de tran.-ifiision. — Bnll. d. 1. Soe. Linneeniie de Normandii' 4. ser., (;. vol. 1. fasc. 1892. S. 70. ■' ■) Wien 1870—77. Stur reclinot zum Culm auch das untere productive Carbon, also die Ostrauer- und Waldenburger- Sfliicliten. ***) Regonfall un.l Hlattgchalt. Aiui. du Jard. Bot. di< Buit.'u- zor?. XI, Leiden 1893, S. 170-171. XI. Nr. 4. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 3.-) mationen nur äusserst spärlich vertreten; von den fossilen Gattungen, die den coniplicirteren Anatomoscntypen an- gehören, finden sich gleichfalls die meisten erst in der niesozoisclien Ejtoelic vor. Die Arten, welche in Folge ungleiciior Innervirung Anastoniosenfelder höherer und niederer Ordnung aufweisen und in dieser Beziehung an die Dicotylennervatur erinnern, finden sich erst in ver- hiiltnissniässig recenteren Formationen und gehen von der rhaetischen Epoche bis zum Anfang der Kreidezeit, um mit dieser zu verschwinden oder doch bedeutend zurückzutreten." Dass die Netzaderuug in der That als eine höhere Organisation anzusehen ist, geht aus der Bemerkung Stahl's hervor: „• • • • Vergleicht man ungefähr gleich grosse Blätter, die ähnliche Stellung zum Horizont ein- nehmen und also dem Regen in gleicher Weise aus- gesetzt und überhaupt ähnlichen Vegetationsbedingungen angepasst sind, so findet man, dass die Blätter der Arten mit getrenntläufiger Nervatur meist einen viel stärkeren Querschnitt haben, als die mit anastomosirenden Rippen. ..." Die Spreiten mit Netzaderung er- halten durch dieselbe eben eine festere Beschaffenheit, sind demnach gegen Zerschlitzung besser geschützt. Studiren wir die Aderungen an fos- silen Blattspreiten mit Rücksicht auf unsere Frage , so wird man bald zu der Ueberzeugung kommen, dass — we- nigstens die palaeozoischen — Netzade- rungen durch seitliche Berührung von ursprünglich getrenntläufigen Adern zu Stande gekommen sind. Neui'opteris gigautea Sternb. des mittleren produc- tiven Carbons z. B. hat in den Fiedern letzter (Jrdnung mehrfach gegabelte Adern (Fig. 2). Nur selten findet sich einmal hier und da durch seitliche Berührung eine Masche.*) Bei der nahe verwandten Neuropteris pseudogigantea Pot.**) sind Maschen Neuropteris gif^aiitea Fied. 1. 0. in 1,5: 1. *) Vei'gl. meine Sclirift „Uobcr einige Carbonfarne" III. — .Jahrbuch der Kgl. preuss. geolog. Landesanstalt für 1891. XII. Berlin 1893, S. 24. **) Wie ich die friilier 1. c. von mir als N. Zeilleri be- m Fig. 3. Neuropteris pseudosismitea Fied. I. O. in i.s: I. — Nach Zeiller. häufiger (Fig 3). Man kann sehen, dass die Anastomaeen schräg aufwärts verlaufen und wird leicht anzunehmen geneigt sein, dass sie die untersten Stücke von 2 (iabcl- zweigen sind, deren obere Partieen sich zu einer einzigen Ader vereinigt haben. An anderen Stellen (so oben rechts in der Figur) sieht man diese Gabelzweige nach vorüber- gehender Vereinigung wieder auseinander- treten. Beispiele, welche unsere Annahme unterstützen, dass die Maschen in der That in der angedeuteten Weise entstehen, könn- ten noch mehrfach beigebracht werden. Bei der Gattung Dictyopteris, die sich von Neuro- pteris im Uebrigen weiter nicht unterscheidet, haben wir die Maschen-Bildung als Regel. Es giebt aber alle nur wünschbaren Ueber- gänge zwischen einem Ader- Verlauf, wie ihn die Neuropteris gigantea zeigt, bis zur typischsten Dictyo- pteris. Hinsichtlich der Entstehung der Hauptaderu in netz- adrigen Flächen ist genau dasselbe anzunehmen wie in den Fällen von Getrenutläufigkeit. In manchen Fällen handelt es sicii wohl um die Vereinigung einer Anzahl von ursprünglich in der Mittellinie der Fläche verlaufenden Adern. Bei anderen Arten jedoch — ich habe u. a. eine bestimmte Dictyopteris- Art im Sinne, die ich gelegentlich abbilden und beschreiben werde — sieht man mit einer Evidenz, die nicht grösser verlangt werden kann — den zuweilen angedeuteten Mittelnerven entstanden aus den einzelnen Stücken der die median befindlichen Masehen seitlich begrenzenden Leitbündel, sodass hier bei Kräfti- gung der Mittelader diese morphogenetisch nicht als zu- sammengesetzt angesehen werden darf. Dass man bei Blättern, welche wie bei den Monocotyle- donen durchaus querverlaufende und schwache Anastomen zwischen den längsverlaufenden hervortretende Adern besitzen, diese Anastomen, wenn man solche Formen zu- sammenhangslos betrachtet, als Neubildungen anzusehen geneigt sein wird, ist zu erwarten, muss aber doch, so lange die phylogenetische Reihe solcher Arten nicht ge- nügend bekannt ist, mit Vorsicht aufgenommen werden. schriebene Art nunmelir nenne, da der Name N. Zeilleri bereits, als ich die Species so nannte, durch W. de Lima, wie mir ent- gangen war, für eine rothliegende Species vergeben war. 67. Yersammlimg der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte in Lübeck vom 16.— 21. September 1895. VI. Rudolf Creduer: Ueber die Ostsee und ihre Entstehung. — Die Ostsee erfüllt als ein echtes Binnen- meer mit ihren schwach salzigen Gewässern die tiefst ge- legenen, unter das Meeresniveau hinabreichenden Partien des grossen nordeuropäischen Flachlandbeekens zwischen dem skandinavischen Hochgebirge im Norden, den Kar-* pateu und der mitteldeutschen Gebirgsschwelle im Süden. Wie ein Blick auf eine Tiefenkartc erkennen lässt, stellt diese Depression kein einheitlich gestaltetes, einziges grosses Becken dar, setzt sich vielmehr aus einer Anzahl, durch unterseeische Erhebungen von einander getrennter, in ihrer Gesammtheit reihenförmig angeordneter Ei nz ei- sen ken von theiis muldeu-, theils kessel-, theils rinnen- förniiger Gestalt zusammen, aus llohlformen also, wie sie auch in der Umgebung der Ostsee, namentlich im Be- reiche der grossen schwedischen und finnischen Seen, in den Becken des Wener-, Wetter- und Mälarsecs, sowie in denjenigen des Onega- und Ladogasees wiederkehren, deren Boden ebenfalls beträchtlich, beim Ladogasee 37U m unter den Meeresspiegel hinabreicht, bis zu einer Tiefe also, welche in der Ostsee seilest nur an einer einzigen Stelle erreicht wird. Während aber diese Depressionen in der Umgebung der Ostsee durch über den Meeresspiegel auf- ragende Landstriche nach allen Seiten abgeschlossen und von einander sowohl wie von dem Meere getrennt sind, in Folge dessen selbststäudige Binnenseen darstellen, bilden diejenigen auf dem Boden des Ostseebeckens einen einheitlichen, einem niäciitigen Graben gleichenden, lang- gestreckten Zug, innerhali) welches auch die die einzehien Senken von einander und von der Nordsee trennenden Sciiwelleu unter dem Meeresniveau gelegen und in Folge dessen mitsamnit den Senken von einer zusanimeu- 36 NaturwisscnschaCtlicbc Wochenschrift. XI. Nr. 4. bäiig-eudcn, mit dem Meere communicireiuleu Wasser- fläche bedeckt sind. \m äussersten Norden nimmt diese Eeiiie submariner Depressionen des skandinaviscli-balti- schen Bodens fast unter dem Polarkreis ihren Anfang in dem Bottnischen Meerbusen, einem fast vollkonnnen selbstständig-en, bis 270 m tiefen Becken, weiches von der im Süden angrenzenden „eigentlichen Ostsee" durch einen nur 38 ni tiefen Rücken südlich der Alandsinseln scharf abgegrenzt ist. Durch die inselgekrönten Schwellen im Bereiche der Nord- und Südquarken zerfällt dieses Hauptbecken wieder in mehrere secundäre Senken: die Bottenvik im äussersten Norden, das Bottenmeer bis zu der Enge der Südquarken und endlich, und zwar gerade an der schmälsten Stelle zwischen der schwedischen Küste und den Alandsinseln, das Alandsmeer, eine steil umrandete kesseiförmige Depression von 200—250 m Tiefe. Nur local durch die die Ostsee durchquerenden grabenartigen Einschnitte des finnischen Meerbusens und des Mälarbeckens unterbrochen, setzt sich die im Be- reiche des Bottnischen Meerbusens überall hervortretende Noi'dsüdrichtung jenseits der Alandsinseln in dem ge- räumigen Tiefbecken der hier beginnenden eigentlichen Ostsee weit nach Süden fort, besonders scharf ausgeprägt in den beiden muldenförmigen Einnen, in welche sich dieses Becken beiderseits der Inseln Gotska Sandoe und Gotland gabelt, in der west- und ostgotländischcn ]\Iuldc. Wie die Senken des Bottnischen Meerbusens, so weist auch diejenige der eigentlichen Ostsee eine Reihe secun- därer Vertiefungen auf, deren eine, das ostgotländische Tief, 249, eine zweite, das Landsort Tief im Norden der westgotländischen Rinne, 427 m, die Maximaltiefe der ganzen Ostsee, erreicht. Tiefen von mehr als 100 m finden sich weiter nach Süden und Westen zu nur noch im Bereiche der Danziger Bucht und östlich V(jn Born- holm vor, von da aus verflacht sich der Boden mehr und mehr, lässt aber auch hier noch bis in die Gegend nördlich von Rügen in einer Reihe isolirter becken- förniiger Einsenkungen Anklänge an die die östlichen und nördlichen Theile des Ostseebeckens beherrschende charakteristische Gliederung des Bo. m. und selbst im äussersten Südwesten, im Fehmarn-Belt, nur 12 — 14 p. m. Salzgehalt besitzt — ' gegenüber 35 p. m. in der nördlichen Nordsee — steht, wie erwähnt, nnt der seitdem wieder eingetretenen er- neuten Hebung des Beckens in ursächlichem Zusammen- hang. Durch das Emporrücken des Bodens der Ver- bindungsstrassen wurde das Eindringen des Tiefen- stromes salzreicben Nordseewassers erschwert und auf die beiden Belte beschränkt, während der Sund in Folge zu geringer Tiefe seines südlichen Ausgangs gegenwärtig für denselben verschlossen ist, und in der Regel nur den ausfliessenden Oberflächenstrom salzärmeren Ostseewassers zur Entwickelung gelangen lässt. Im Ostseebecken selbst verringerte sieh gleichzeitig in Folge der Aufwärts- bewegung die Wassertiefe über den unterseeischen Schwellen, und traten diese letzteren, vor Allem die gegenwärtig nur 18 m tiefliegende Darser Sehwelle, duü- niehr der Ausbreitung des salzreicheren Nordseewassers in die östlichen Theile des Binnenmeeres hemmend ent- gegen. Auf diese Weise waren die Bedingungen für eine erneute Aussüssung geschart'en. A^on den inneren Regionen ausgehend setzte sich dieselbe weiter un^. jVlaerz- Berlin NW., Luisenstr. 22. Patent-, Marken- u. Musterschutz ' für aMe Länder. Dr. F. 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Postzeitungsliste Nr. 4^27. Ji- bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger <^nellenangabe gestattet. Eine Wirkung des Lichtes. Von K. Kd. |j ie^^H ga ng- Düsscklürf. Ich setzte eine genöliiiliche Glasflasche in eine flache Schale und goss in die letztere etwas heisses Wasser, .'^odass es den Fuss der Flasche eben umspülte. Die Flasche heschlug sich: der AVasserdampf condensirte sich auf der kalten Fläche. Dieser Beschlag- war aber nicht überall gleichniässig- stark: Er zeigte sich haupt- sächlich an jener Seite der Flasche, welche gegen das Fenster hin gerichtet war. Die andere Seite war nur ganz wenig angefeuchtet. Bei der Wiederholung des Versuches bestätigte sieh immer dasselbe: Die Ciuidensation der Wasserdämpfe fand bedeutend stärker an jener Seite der Flasche statt, welche dem Licht zugewandt war, als auf der abge- wandten Seite. Fast alle Flaschen, welche mit wässerigen Liisungen halij gefüllt atn Licht standen, zeigten an der belichteten Seite (im Innern) eine Condensation von kleinen Wasser- bläsehen, während die andere Seite trocken war. Kehrte ich die Flasche um, .so entstanden aus den kleinen Bläschen an der dem Licht abgewandten Seite grosse Tropfen. Diese liefen bald die Wand hinunter und so wurde sie trocken. Auf der Lichtseite hatte sich in-, zwischen der kleinblasige Belag gebildet. Schon früher ist diese Wirkung des Lichtes auf das Ansetzen des Wasserdampfes beobachtet und studirt worden. Dorthes berichtete darüber in Gren's Journal der Physik 1790 (Band 1. (3), S. 497.): „Unter mehreren mit Branntwein gefüllten Gläsern zeigten diejenigen, die nicht ganz voll waren, bei einer Zinunerwärme von l.ö bis "20 Graden olieii an der dem Lichte zugekehrten Seite, ordentliche Tröpfchen. Das nämliche Phänomen fand ich auch bei einem Fläschchen mit Wasser gefüllt. Ich änderte meine Versuche über diese Flüssigkeiten ab und fand, immer einerlei Er- folge Ebenso sah ich auch, dass die ausge- dunsteten Theilchen von frischen Pflanzen und von Thieren, die warmes Blut haben, unter Glasglocken ge- setzt, sieh an dem dem Lichte zugekehrten Theile der Glocken anlegten; im Dunkeln wurden hingegen diese Glocken au allen Seiten überzogen. Wenn ich in einer Entfernung von 7 bis 8 Zoll ein Licht hinstellte, so zeigte sich ein merkliches Anzeichen der Dünste dagegen, welche aber doch geringer war, als beim Tageslicht . . . Uebrigens wirkt das laicht hier nicht als Wärme, denn die Dünste bewegen sich sonst, wie man weiss, nach der kalten Seite." Die Erscheinung zeigte sich nicht allein bei Wasser- dämpfen. .\uch beim Kampfer wies sie Dorthes nach: „An einem zugestopften Fläschchen mit Kampfer zeigte sich nach (> .Monaten an der Seite, die gegen das Fensterlicht gekehrt war, eine Menge von Sternchen; an der anderen Seite waren zwar auch noch wohl einige Sternchen, allein an Grösse und. Anzahl geringer. Diese: Erscheinung konnte vernünftiger Weise nur der Wirkung des Lichtes zugeschrieben werden; um mich aber davon gewiss zu überzeugen, kehrte ich das Gefäss um. Nach einem Monat fand ich die vorigen Krystalle fast ganz verschwunden und an der nunmehrigen Lichtseite fainl ich neue gebildet. Ich habe diese Erfahrungen nichnnals und mit dem besten Erfolge wiederholt." Die Kenntniss dieser Erscheinung ist also über hundert Jahre alt. Aber man hatte die Entdeckung vergessen und ihr keine Bedeutung zugemessen. 50 Naturwissenschaftliche Wochenschritt. XI. Nr. 5. Ein eingelienderos Studium Hess mich erkennen, dass es sich hierbei um eine ungemein empfindliche Eeaction auf den Lichteindruck handele: Der Wasserdampf oder das Glas erwiesen sich als fast so licht- empfindlich, wie die Bromsilbergelatineplatten, welche zu Momentaufnahmen benutzt werden: Ich wiederholte den oben beschriebenen Versuch in einer dunkeln Zimmerecke, wo Chlorsilberpapier etwa drei Tage zum Auskopiren gebraucht hätte. Schon nach fünf Secundeu Hess sich an der Lichtseite ein Beschlag des Glases wahrnehmen, während die Rückseite noch ganz trocken war. Ein Stück Holz, welches vorgehalten wurde, warf einen scharfen Schatten: erzeugte hinter sich eine trockenbleibende Stelle. Beim Licht einer Petroleumlampe goss ich Abends heisses Wasser in ein Weinglas. Die dem Licht zuge- wandte Seite beschlug sich. Die andere nicht. Wenn ich das Glas umdrehte, wechselte der Beschlag schon nach wenigen Secundeu : Die abgewandte Seite wurde trocken. Hertz hat nachgewiesen, dass das ultraviolette Licht die Eigenschaft besitzt, die Entladung der negativen Elektricität zu befördern und den von demselben getrof- fenen Körpern negative Elektricität zu entziehen. Namentlich die Untersuchungen von Elster und Geitel haben gezeigt, dass dii.se Lichtstrahlen ausser den Metallen auch viele nichtnietallische Körper mit positiver Elektricität zu laden vermögen. Ferner ist die Elektri- sirung des Flussspathes und anderer Krystalle durch das Licht schon lauge bekannt. (Vergl. Hankel's Unter- suchungen über „Actino-Elektricität".) Alles dies deutet darauf hin, dass die primäre Wirkung des Lichtes nicht die Condensation des Wasser- dampfes, sondern eine Elektrisirung des Glases i,st. Jedoch will ich diese Frage vorläufig noch unentschieden lassen. Wenn auch das Glas sich zuerst verändern sollte, braucht (lies doch keine Elektrisirung zu sein. Es könnten z. B. ähnliche Erscheinungen sein („Evapuration"), welche die Erzeugung der Töne beim Pliotoplion oder die Bewe- gung des Radiometers durch das Licht veranlassen. (Vergl. „Beitr. z. Probl. d. elektr. Fernsehens", S. b6 bis 83), und welche die Hauchbilder erzeugen. — Anderer- seits haben Versuche von Robert v. Helndioltz und Aitken bewiesen, dass auf die Condensation des Wasser- dampfes die verschiedensten Kräfte eine wesentliche Wirkung ausüben, sodass man den Gedanken an eine derartige Wirkung des Lichtes nicht von vorne herein zurückdrängen darf. Die Versuche bei Lampenlicht weisen jedenfalls darauf hin, dass es sich nicht um eine Wirkung der ultravioletten Strahlen handelt. Auch bei anderen Ge- legenheiten habe ich dies bestätigt gefunden: J5ei einer grossen Anzahl von halbgefüllten Flaschen, welche in einem Dunkelzinmier standen und nur zuweilen von dem Licht eines entfernten Gasbrenners getrofTen wurden, zeigte sich der Beschlag an der belichteten Seite, während die andere trocken war. Dies war seihst bei dunkelroth gefärbten Flaschen der Fall. Andererseits bewirken aber auch die Wärmestrahlen, welche die Evaporation veranlassen konnten, diese Er- scheinung nicht. Stellt man näudich eine Flasche in die Nähe des Ofens, so tritt die gewöhnliche Destillation ein: Der Wasserdampf condensirt sich an den kälteren Stellen, also an jenen, welche der Wärmeiiuelle abgewandt sind. Wenn die oben beschriebenen Erscheinungen bei der Einwirkung so schwacher Lichtquellen eintreten, ist nicht zu zweifeln, dass auch draussen in der Natur das Sonnen- licht indirect oder direct die Condensation des Wasser- ilampfs zu veranlassen vermag. Ich vernnithe deshalb, dass die Lichtwirkungen (nicht allein die Wärme- wirkungen) in noch viel grösserem .Maasse, als es bislici- geschah, in der Meteorologie zu beachten sind. 67. Versammlung der Geseilschaft deutscher Naturforscher und Aerzte in Lübeck vom 16.— 21. .September 189.5. VII. (Schluss.) Wilhelm Ostwald: Die Ueberwindung des wissenschaftlichen Materiaiismus. — Vom Mathe- matiker l)is zum praktischen Arzt wird jeder naturwissen- schaftlich denkende Mensch auf die Frage, wie er sich die Welt ,,im Inneren" gestaltet denkt, seine Ansicht da- hin zusammenfassen, dass die Dinge sich aus bewegten Atomen zusammensetzen, und dass diese Atome und die zwischen ihnen wirkenden Kräfte die letzen Reali- täten seien, aus denen die einzelnen Erscheinungen be- .stehen. In hundertfältigen Wiederholungen kann man den Satz hören und lesen, dass für die physische Welt kein anderes Verständniss gefunden werden kann, als indem man sie auf „Mechanik der Atome" zurück- führt; Materie und Bewegung erscheinen als die letzten Begritle, auf welche die Mannigfaltigkeit der Natur- erscheinungen bezogen werden muss. Man kann diese Auffassung den wissenschaftlichen Materialismus nennen. Diese so allgemein angenommene Autfassung ist un- haltbar; diese mechanische Weltansicht erfüllt nicht den Zweck, für den sie ausgebildet worden i.st; sie tritt mit unzweifelhaften und allgemein bekannten und anerkannten Wahrheiten in Widerspruch. Die Unzulänglichkeit der üblichen mechanistischen Ansicht wird leichter nachzuweisen sein, als die Zuläng- lichkeit der neuen, die ich als die energetische be- zeichnen möchte. Um uns in der Unendlichkeit der Erscheinungswelt i zurechtzufinden, bedienen wir uns innuer und übeiall der gleichen wissenschaftlichen Methode. Wir stellen das Aelmliche zum Aehnlichen und suchen in der Mannig- faltigkeit das Gemeinsame. Auf diese Art wird die stufenweise Bewältigung der Unendlichkeit unserer Er- scheinungswelt bewerkstelligt, und es entstehen in auf- einanderfolgender Entwickelung für diesen Zweck immer wirksamere Mittel der Zusammenfassung. N'on dem blossen Verzeichniss gelangen wir zu dem System, von diesem zum Naturgesetz, und dessen allgemeinste Form verdichtet sich in den Allgemeinbegriff. Wir nehmen wahr, dass die Erscheinungen der thatsächlichen Welt, so unbegrenzt ihre Mannigfaltigkeit auch ist, doch nur ganz bestimmte und ausgezeichnete Einzelfälle der formell denkbaren jMöglichkciten darstellen. In der Be- stimnnnig der wirklichen Fälle aus den möglichen besteht die Bedeutung der Naturgesetze, und die Gestalt, auf die sich alle zurückführen lassen, ist die Ermittelung einer Invariante, einer Grösse, die unveränderlich bleibt, wenn auch alle übrigen BestimmunKSStückc inner- XI. Nr. 5, NaturwiHscusfbaftlichc Wochenschritt. .=S1 lialb (lor luöglicheii und duich das Gesetz, ausgesprochenen ftrcnzeii sich iüideni. So sehen wir, diiss die geschicht- liclic Entwickeiiing der wissenscliaftliehen Anschauungen sicli immer an die Entdeckung und Herausarbeitung solcher hnarianten knüpft; in ihnen veransciiaulichen sich die Meilensteine des Erkenntnissweges, den die Mensch- heit gegangen ist.*) Eine solche Invariante von allgemeiner Bedeutung wurde in dem Begriif der Masse gefunden. Diese liefert nicht nur die Constanten der astronomischen Ge- setze, sondern sie erweist sich nicht minder unveränder- lich bei den einschneidendsten Aenderungen, denen wir die übjectc der Aussenwelt unterziehen können, den chemischen Vorgängen. Dadurch erwies sich dieser 1 Segriff als in hohem Maasse geeignet, zum Mittelpunkte der naturwissenschaftlichen Gesetzmässigkeit gemacht zu werden. Ereiiich war er an sieh zu arm an Inhalt, um zin- Darstellung der mannigfaltigen Erscheinungen dienen zu können und musste deshalb entsprechend erweitert werden. Dies geschah, indem man mit jenem einfachen mechanischen Begriffe die Reilie von Eigenschaften, die erfahrungsmässig mit der Masseneigenschaft verbunden sind und iln' proportional gehen, zusammentliessen Hess. So entstand der Begritf der Materie, in welchen man alles sammelte, was sinnfällig mit der Masse verbunden war und mit ihr zusammenblieb, wie das Gewicht, die Kaumcrfiillung, die chemischen Eigenschaften etc., und das physikalische Gesetz von der Erhaltung der Masse ging in das met aphj'sische Axiom von der Erhaltung der Materie über. Es ist wichtig, einzusehen, dass mit dieser Erweite- rung eine Menge hypothetischer Elemente in den ur- sprünglich ganz hypothesenfreien Begriff aufgenommen wurde. Insbesondere musste im Lichte dieser Anschau- ung der chemische Vorgang entgegen dem Augenscheine so aufgetasst werden, dass keineswegs die von der ehe- mischen Aenderung betroffene Materie verschwindet und au ihre Stelle neue mit neuen Eigenschaften tritt. Viel- mehr verlangte die Ansicht die Annahme, dass, wenn auch beispielsweise alle sinnfälligen Eigenschaften des I'^isens und des Sauerstoffs im Eisenoxyde versehwunden waren. Eisen und Sauerstoif in dem entstandenen Stoffe nichtsdestoweniger vorhanden seien und nur eben andere Eigenschaften angenommen hätten. Wir sind jetzt an eine solche Auffassung so gewöhnt, dass es uns schwer fällt, ihre Sonderbarkeit, ja Absurdität zu emptinden. Wenn wir uns aber überlegen, dass alles, was wir von einem bestimmten Stoffe wissen, die Kenntniss seiner Eigenschaften ist, so sehen wir, dass die Behauptung, es sei ein bestimmter Stoff, zwar noch vorhanden, hätte aber keine von seinen Eigenschaften mehr, von einem reinen Nonsens nicht sehr weit entfernt ist. Thatsäeh- lich dient uns diese rein formelle Annahme nur dazu, die allgemeinen Thatsachen der chemischen Vorgänge, insbesondere die stoechiometrischen Massengesetze, mit dem willkürlichen Begriffe einer an sich unveränderlichen Materie zu vereinigen. Aber auch mit dem so erweiterten Begriffe der Ma- terie nebst den erforderlichen Nebenannahmen kann man die (4esannntheit der Erscheinungen nicht umfassen, niclit einmal im Anorganischen. Die Materie wird als etwas an sich Kuhendes, Unveränderliches gedacht; um mit diesem Begriffe die Darstellung der beständig sich ver- ändernden Welt zu ermöglichen, muss er noch durch einen anderen, davon unabhängigen ergänzt werden, weicher diese Veränderlichkeit zum Ausdruck bringt. *) Vergl. hiermit und zum Foliu .Mauircl an Näbrstofl'cn im Boden 56 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 5 bemerkbar machen, dem nur schwer abgeliulfen werden kann, weil es nicht leicht ist, den Boden unter einem Baume in grösserer Tiefe gleiflniiässig mit Nährstoifen zu bereichern. Es emptielilt sich deshalb, diese Be- reicherung des Bodens vor dem Pflanzen des Ba:inies vor- zunehmen. In Betracht kommt vor Allem die Bereicherung mit Phosphorsänre. Am besten eignet sich hierzu z. Z. das Thomasschlackenmehl, weil dasselbe nur ganz alhnählich im Boden in eine von der Pflanzcnwurzel aufnehmbare Form umgewandelt wird. ^lan streue also auf die Sohle des Pflanzloches vor dem Umspaten derselben reichlich Thomassehlackenmehl und mische von letzterem auch eine grössere ilenge unter die Erde, welche man beim Pflanzen zum Ausfüllen des Pflanzloches verwendet. Vor dem Pflanzen steckt man in die Mitte des Pflanz- loches einen Baumpfahl. Das Pflanzloch wird in der Regel für den Baum zu tief sein. Deshallj häuft mau um den Pfahl einen Kegel guter Erde, auf welchen der Baum gesetzt wird. Die Wurzein müssen gleichmässig nach allen Seiten ausgebreitet werden. Mau achte darauf, dass der Baum später nicht tiefer in der Erde steht, als er vorher stand. Da sich die Erde nach dem \'erpflanzen noch bedeutend setzt, d. h. zusanmiensickert, so ist es nöthig, den Baum etwas höher zu stellen als er stehen soll. Hat der Baum seine richtige Stellung erhalten, so streut man auf und zwischen die Wurzeln zunächst gute, lockere Erde und sorgt durch Schütteln des Stammes dafür, dass die Wurzeln vollständig mit Erde umgeben werden. Hohlräume um die Wurzeln würden zur Fäulniss der letzteren führen. .le sorgfältiger man bei dieser Arbeit vorgeht, desto sicherer ist der Erfolg. Sind die Wurzeln gut und gleichmässig mit Erde bedeckt, dann füllt man die übrige, mit Thomas- sehlackenmehl gemischte Erde in das Pflanzloch, tritt sie an und macht schliesslich einen etwa 20 cm hohen Wall um das Pflanzloch. Darauf wird soviel Wasser auf die eingeschüttete Erde gegossen, bis dasselbe stehen bleibt. Durch dieses „I^inschlämmen" bewirkt man, dass sich die Erde fest um die Wurzeln legt. Der Baum wird dann lose an den Pfahl angeheftet, doch so, dass er sich noch mit der zusammensickernden Erde senken kann. Erst später, wenn sich die Erde vollständig gesetzt hat, bindet man den Baum fest an den Pfahl. Von .loliaunis- und Stachelbeersträuchern werden Jetzt Stecklinge ge- schnitten, Weinreben lassen sich durch „Augenstecklinge" leicht vermehren. Im Gemüsegarten können noch die Samen lang- sam keimender Gemüsearten ausgesäet werden. Im übrigen ruht hier noch die Arbeit. Im Ziergarten niuss der Schnitt der Ziergcliölze beendet werden. Bei mildem Weiter kann gepflanzt werden, wobei man dieselt)en Vorsichtsniaassregeln wie bei dem Pflanzen der Obstbäume beachtet. Die Erde der Hlunicnbcetc kann man bei mildem Wetter ausheben und auf Rascuflächen ausbreiten. Auf die Blumenbeete liringt man tiische, nahrhafte Erde. Rasen, welcher mit viel Unkraut durchsetzt ist, wird am besten geschält, d. h. es wird die Rasennarbe abgehoben und auf Haufen gesetzt. Damit dieselbe schneller verwest, streut man gebrannten Kalk auf die Rasenstücke. Die geschälten Fläcbcn werden umgegraben und später frisch besäet. Bei günstiger Witterung kann man bereits Samen von Delphinium, Papaver, NcuKiphila und ähnlichen harten Sommergewachsen ins tieie Land säen. Udo Danimer. Die Zahl der Leuchtlliiere des Landes hat i;ai)hacl Duliois (lurcli den Tausendfuss ( )r\ a l)arl)arica Algeriens vermehrt. (C. r. Seane. Ac. Sc. Paris, tome 117, S. 184.) Wie schon Gazagnaire beobachtet hatte, ist die leuch- tende Substanz ein Excret, das aus Poren der Sternalia und Episternalia ausdringt, und einen klebrigen, gelb- lichen, eigenthümlich riechenden Schleim darstellt. Auch Scolioplanes crassipes, der Frankreich bewohnt, sondert die leuchtende Masse auf der Bauchseite des Körpers ab. Das Secret wird in bypodermalen Drüsen erzeugt, es leuchtet nur bei Anwesenheit von Sauerstoff'. ('. Mft: Ein geselliges Zusammenleben von Spinnen bildet bei diesen Thieren die Ausnahme. Wir entnehmen der Zusannnenstellung, die über diese Seite der Lebensweise der S|)inncn Ludwig Koch in den VerhdI. der 65. Na- furf-Vers. (2. Th., LH., S. 141) gemacht hat, folgendes. In unserem Klima sitzen zuweilen 20 — 30 ^^'ohn^ngen der Springspinnengattung Heliophanus zusammen unter einem Steine. Auch hausen im Winter Clubionaarten gesellig unter loser Rinde. Micaria „socialis" lebt wirklich gesellig. Drapetisca socialis kommt nur oft in grösserer Anzahl an einem Baume vor. ,Iunge Kreuz- spinnen verblieben einige Zeit, jedoch nicht lange, im mütterlichen Netze. Die Wolfsspinnen tragen nicht selten die junge Brut einige Zeit auf dem Hinterleib herum. Im hohen Norden und an der Schneegrenze in den Alpen dagegen sind aus Mangel an Stützpunkten für die Gewebe oft Spinnengcsellschatfen, die sich sogar aus versclnedenen Arten zusammensetzen, gezwungen, unter einem Stein beisammen zu hausen. Neben kleiuen Erigone und Linyphia sitzt dann wohl eine grosse Lycosa, Gna- phora oder Drassus. In Südeuropa bewohnt das Netz von Kreuzspinnen und in Südamerika das einer riesigen Nephila das silbern gefleckte, winzige Spiunchen Argyrodes argyrodes. Es webt in eine Lücke der Radien des grossen Netzes sein kleines Gewebe. Epeira socialis Südamerikas lebt zu mehr als 100 Individuen in einem hutförmigen Netze, das b9 bis 69 Fuss lang von einem Baume zum andern reicht. Und noch einige andere troidschc Spinnen zeigen dieselben Gewohnheiten, die bei uns nur unter arktischen Lebensbedingungen ein- treten. C. Mflf. lieber die Hegeneration lieransgeschnittener Theite des ('eiitralnervensystenis von Regenwürniern hat 1'. Fr' 'dl ander Versuche augestellt (Zeifsch. für wissensch. Zoologie Bd. 60, 189.5). Es war bisher all- gemein bekannt, dass Regenwürmer eine Anzahl abge- schnittener, vorderer oder hinterer Körperringel mitsammt den in ihnen enthaltenen Organen xoUständig neu bilden. Friedländer's Versuche ergaben nun, dass auch einzelne ausgeschnittene Stücke des Centralnervensystenies, ins- besondere des Obersrhiundganglion (Gehirn), sowie auch Strecken des Bauchmarks regenerirt werden. Alle die Regenerationen konnnen in der Weise zu Stande, dass sich die angeschnittenen Stümpfe verlängern, bis sie zu- sannnenwachsen, was wahrscheinlich so aufzufassen ist, dass sie die regencrirten Partien durch Auswachsen der angeschnittenen, iu)rnialen bilden. In allen Wunden der Stümpfe konnnt es zur IJildung eines compacten horn- reichen (Gewebes, das aller Wain-scheinlichkeit nach aus Leucocyten besteht. Die Bedeutung dieses Regeneratious- gewebes ist einstweilen noch nicht zu ersehen. Alle langgestreckten Organe oder Stücke, besonders die Hintcrendcn, aber auch einzelne herausgeschnittene Strecken des Bauchmarks, wachsen Anfangs mit be- deutendverjüngtem Durclimcsser nach, eine Erscheinung, die sehr allgemein Verbreitung zu haben scheint. Bei dei' Regeneration konmicn gelegentlieii anidi Abweichungen XI. Nr. 5. Naturwi88eu8clia.l'tlicbc Wocheuschrift. fi7 von dem nornialen Typus vor, z. B. beobachtete Ver- fasser eine symmetrische Doppelbildung- des Oberschiund- yaiiglions, sowie Unregelmässigkeit in der Gliederung naeligewachsener Bauchmarksstrecken. Bei einigen der Kegcnwiirmer mit angeschnittenem Bauchmark fanden sich massenhaft parasitische Fadenwürmer, die nament- lich im Regenerationsgewebe, aber auch sonst in der Leibeshöiile, in ein compactes Gewebe cingeschIo.ssen, zur Beobachtung- kamen. Ob diese gewaltige] Ver- mehrung mit der Schädigung der Tbiere in Folge der Bancbmarksdcfecte in ursächlichem Zusammenhang steht. niuss dahin^-estellt bleiben. R. Die Vierwertliijgkeit des Sauerstoftatoins, die scimn mcin-fach auf Grund einzelner Beobachtungen an- gendumicn wurde, glaubt J. W. Brühl aus dem Ei- gcliniss seiner Versuche mit Wasserstoffsuperoxyd (D. rhcni. Ges. Ber. 189.Ö, 2847) mit Sicherheit folgern zu k(inncii. Das Wasserstoffsuperoxyd gewann er rein (hoch wieilerboltc Fractionirung des hocbconcentrirten, nach Wolffenstein eriialtenen Productes in vacuo. Es ist um so haltbarer, je reiner es ist; doch hängt dies auch von der Art der zur Aufbewahrung dienenden Gefässe und besonders von der Beschat^'enheit ihrer Oberfläche ab, da Herüln-ung mit rauhen Flächen oder spitzen Gegenständen stürmische Zersetzung herbeifüin-t. Von dem reinen Product wurden die si)ectrometrischen Constanten bestimmt und ergaben sich diese beträchtlich liiilier als für die zur Zeit geltende Formel H(»(>-H bcreclinet war. Es niuss sonach das Vorhandensein einer mehrfachen Bindung angenommen werden. Sell)stver- ständlieii müssen dann im Sauerstoft'molccül die beiden Atome durch noch mehr Valenzen an einander gebunden sein, was auch durch die speetrometrische Untersuchung des Sauerstotlfs bestätigt wird. Da nun weder vom Sauerstoff eine Verbindung bekannt ist, in welcher derselbe als dreiwertbig ang-enommen werden könnte, noch eins der anderen Elemente der Sauerstoffgruppe Andeutungen von Trivalenz zeigt, andererseits aber Schwefel, Selen und Tellur sowohl zwei- als vierwerthig auftreten, so liegt es nahe, auch für Sauerstott" dieselbe Annahme zu machen. Es wäre dann das Sauerstotfmolecül als 0 0, das Wasser- stoft'superoxyd als H-(J 0~H 7,u formuliren, welch letztere Formel die bisher räthselhaft erscheinenden Eigenschaften dieses Körpers vollkommen erklärlich erscheinen iässt. Mit der Annahme vierwerthigen Sauerstoffs fällt auch die Ausnahmestellung, welche bisher das Kohlenoxyd C( > im System der organischen Chemie einnahm; bei den anderen nur ein Atom Sauerstoff enthaltenden Körpern niüsste mau ungesättigte Valenzen desselben annehmen; was aber ebenso bei allen Körpern mit dreiwerthigem Stickstoft' oder zweiwerthigem Schwefel der Fall ist. Als ung-esättigter Körper erscheint dann auch das Wasser, I nämlich als H-O-H, und Brühl ist geneigt, eben darauf I die ganz exceptionelle Stellung zurückzuführen, welche das Wasser im Haushalte der Natur einnimmt. Die un- gesättigten Valenzen sollen seine ausserordentliche ^'er- bindungsfähigkeit, sein grosses Lösungsvermögen, vor' allem auch seine dissociirende Kraft veranlassen. In letzterer Beziehung weist B. darauf hin, dass auch alle organischen Lösungsmittel, welche als gut dissociirende Jledien bekannt sind, Sauerstoff enthalten. Sp. Cleveitgas in FixsternatniOfspliäreii. — Das seltene norwegische Mineral Cleveit enthält nach den Entdecknngen von Ramsay, über die in No, 3 dieser Zeitschrift berichtet wurde, ein Gas, das neben beigemengten Spuren von Argon einen bisher auf Erden unbekannten Stoft" dar- stellt, dessen spectralanalytisches Verhalten ihn als iden- tisch mit dem von den Astronomen in den Sonnenprotu- beranzcii schon längst entdeckten „Helium" erkennen liess. Ausser der bellen Heliumlinie Dg zeigt jedoch das Spectrum dieses irdischen Gases noch eine ganze Anzahl anderer Linien und wir müssen das Cleveitgas nach Runge und l'aschen's Untersuchungen als ein Gemisch zweier Elemente auffassen, von denen das Helium jeden- falls das schwerere ist, obgleich das Gemisch in üeber- einstimmung mit früheren Vermuthungen der Astronomen sich als wenig schwerer wie Wasserstoff (spec. Gewicht 2,2) erwiesen hat. Da man nun die D^-Linie zuerst im S(nnienspektrum entdeckt hat, lag der Gedanke nahe, in diesem auch die übrigen Cleveitgaslinien zu suchen; in der That gelang es unseres Wissens zuerst Deslandres in Paris, einige derselben in dem Spektrum der Sonnen- ehromosijhäre festzustellen. In Fixsternspektren wurden die Cleveitgaslinien von H. C. Vogel zuerst bei dem lie- kannten Veränderlichen ß Lyrae erkannt und zwar konnte dieser Forscher nach einer Mittheilung an die Berliner Aka- demie der Wissenschaften die Identität von nicht weniger als 18 Linien in beiden Spektren feststellen. Dies veran- lasste Prof. Vogel, auch in anderen Sternspektren nach ebendenselben Linien zu suchen, wobei er sich zunächst den (•rionsternen zuwandte, da deren Spektra durch eine sonst seltene Linie bei 447 jw,«, die nach Paschen und Runge dem Cleveitgas angehört, ausgezeichnet sind. In der That wurden 11 Cleveitgaslinien von Vogel und noch weitere 4 im weniger brechbaren Theile des Spektrums von Keeler in 10 Orionsternen gefunden. Während man aber früher die durch die „ Orionlinie " au.sgezeichneten Sterne an anderen Stellen des Himmels für sehr selten hielt, gelang es Vogel noch bei 25 unter 150 unter- suchten Sternen vom ersten Spectraltypus, die in Rede stehenden Linien mit Hilfe photographischer Aufnahmen von Wilsing zu constatiren. Nach Vogel dürfte sich sogar das Vorhandensein der Cleveitgaslinien besonders gut zur Eintheilung der Spektra vom sogenannten ersten Typus ider durch sehr kräftige, breite Wasserstofflinien bei sonstiger Armuth an intensiven Linien gekennzeichnet istj eignen. Das Hinzutreten der Cleveitgaslinien zu den- jenigen des Wasserstoffs dürfte nämlich einen ersten Schritt in der Entwickelung der Gestirne bedeuten, die nach Vogels Ansicht eine allmähliche Umwandlung des atmosphärischen Absorptionsspektrums in den linienreichen Sonnentypus und schliesslich in den dritten Typus mit sich bringt, als dessen Repräsentant das Spektrum von Beteigeuze gelten kann, das breite Absorptiousbänder auf- weist, welche durch vermuthlich in Folge der fort- geschrittenen Abkühlung ermöglichte ehemische Ver- bindungen zu Stande kommen. F. Kbr. Einen neuen Projectioiis-Zeicheiiapparat giebt Dr. med. Gustav Franke in der Deutschen Aerzte- Zeitung (Berlin) bekannt. — Der Hauptvorzug dieses Appa- rates — sagt F. — vor anderen Zeiehenapparaten besteht darin, dass die visirten Gegenstände bei der Einstellung gleichzeitig mit Tinte scharf gezeichnet werden. Auf diese Weise wird das Projiciren wesentlich vereinfacht und eine erlnihte Genauigkeit in der Uebcreiustinnnung der aufgezeichneten Figuien mit der Unterlage bis in die feinsten Einzelheiten ermöglicht. Die Figur auf Seite 58 zeigt den .Vpparat in situ, wie mit demscUien auf einer (Uasscbeibe {v) ein darunter liegender Wirbel ijv) al)gezcichnet wird. 58 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI Nr. h. Der Apparat besteht im Weseiitliclien aus einer an iiirem oberen Ende gebogenen und mit einem Diopter («) vei'sehenen, an ihrem unteren Ende mit einer Sciieibe (b) armirten Säule (t), welche durch zwei als Fiisse dienende verstellbare Mikrometerschrauben ((/(/) und durch eine den dritten Fuss bildende Zeichenfederspitze (e), die auf einen passend am Stativ angebrachten Halter (/) gesteckt ist, getragen wird. Unerlässliche Bedingung für die Gebrauchsfähigkeit des Apparates ist, dass die Verbindungslinie der Feder- spitze (e) mit dem Diopterniittelpunkt (a) auf der durch die drei Fussjjunkte des Apparates gelegten Ebene senk- recht steht. Zwecks Justirens wird vor dem Gebrauch der Apparat auf eine horizontale Spiegelscheibe gesetzt und alsdann werden die Mikrometerschrauben (dd) — am besten beide zugleich, jede mit einer Hand — so lange gedreht, bis beim Durchsehen durch das Diopter die Federspitze im Centrum des Diopterspiegelbildes steht; dann ist nach bekannten physikalischen Gesetzen die oben verlangte Bedingung erfüllt. Der Apparat hat im Einzelnen noch folgende zweck- mässige Einrichtungen: Die das Diopter tragende Säule lässt sich leicht ausziehen und zusammenschieben; auf diese Weise wird einerseits dem Bedürfniss des Kurz- und Weitsichtigen IJechnung getragen, andererseits wird durch die Verlängerung der Säule eine grössere Genauig- keit der Zeichnung erzielt. Dieser letztere Punkt ist dann von Bedeutung, wenn die abzuzeichnenden Gegen- stände, bezw. einzelne Theile derselben weit von der Glasscheibe entfernt liegen. Ebenso ist es jn-aktisch sehr wichtig, dass sich die Grösse der DiopterötTnung (a) mittelst einer Rotations- blende zweckcnts])rechcnd reguliren lässt. Eine grössere OefTnung würde zu wählen sein, wenn die Gegenstände nahe unter der Glasscheibe liegen, oder wenn sie schlecht beleuclitet oder an und für sich dunkel sind und überhau])t in solchen Fällen, in welchen es auf absolute Genauigkeit nicht ankommt. In den entgegengesetzten Fällen ist eine der engeren Blenden als zweckmässig zu empfehlen. Es kann aber in den crsteren Fällen, wie oben bereits angedeutet, die durch eine grössere Blende bedingte geringere Genauigkeit durch Verlängerung der Säule vollständig corrigirt werden. Ferner bietet die Art der Tintenzuführung schätz- bare Vorzüge, indem der Zeiehenfeder durch einen in einer schrägen Rinne liegenden Tuschpinsel (;/i die gerade erforderliche Menge Tinte permanent zugeführt wird. Hierdurch wird bewirkt, dass die Tinte auf der Glas- scheibe nicht kiekst und ausläuft, sondern inuner haar- scharfe Striche hinterlässt, und dass man Stunden lang ohne Unterbrechung zeichnen kann, indem der gefüllte Pinsel als Tintenreservoir dient. Endlicii betindet sich auf der Fussscheibe [h] der Federspitze gegenüber noch eine kleine Schraube (Jt), welche nur so weit heiuntergeschraubt werden darf, dass sie die Glasplatte beinahe berüiu't. Sie hat den Zweck, das allzu starke Kippen des Apparates nach hinten l»ci Punktirungen oder Strichunterbrechungen zu verhindern. '. Die Anwendung selbst geschieht in der Weise, dass über die abzuzeichnenden Gegenstände z. B. einen Wirbel (siehe Figur) eine Glasplatte (t>) gelegt und auf letztere Uler A])parat gestellt wird. Beim Zeichnen gleitet nun der Apparat über die Glasplatte hin, wobei der Zeichner durch das sich stets mitbewegende Diopter sieht und mit der mit gewöhnlicher Tinte gefüllten Federspitze das Bild des unter der Glasscheibe liegenden Gegenstandes direct auf Glas zeichnet und zwar in vollkommen ortho- gonaler Projection. Von der Glasplatte kann man die ■Zeichnung entweder auf Pauspapier oder bei durch- fallendem Lichte direct auf Zeichen})apier übertragen; es kann auch von der Glasplatte ein Diapositiv oder ein Abzug auf photograghischem Papier hergestellt werden. Dieser Zeichenapparat eignet sich wegen seiner leichten Handhabung für Jeden, auch für den Ungeüb- testen, welcher körperliche Gegenstände in ihrer wahren Grösse abzeichnen will. Er ist aber geradezu unentbehr- lich für den Mediciner und jeden Anderen, welcher für die seinen schriftstellerischen Arbeiten eventuell beige- fügten makroskoi)ischen Zeiclinungen dem Leser gegen- über die Garantie der Naturtreue üherneiimen will. Der Apparat liefert ganz eorrect Zeichnungen in natürlicher (irösse, im Gegensatze zur Photographie, welch letztere perspeetivisch zeichnet, d. h. die der Linse näher liegen- den Theile vergrössert und die entfernteren verkleinert. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Kniiinnt wurden: Der Prosektnr au der auatomistlien Anstalt der Universität Tübingen Dr. ^lichael von Lenliossek zum ausserordentlichen Professor; der Privatdneent der Chirurgii: in Leipzig Dr. Karl Eigenbrodt zum ausserordentliehen Professor. Berufen wurden: Der ausserordentliehe Professor der Mine- ralogie an der Akademie zu Miinster Dr. Otto Mügge als ordentlieher Professor nach Königsberg; der Docent für Haut- krankheiten Prof. Jarisch in Graz als ordentlicher Profes.'^or nach Leipzig. Es starben: Der norwegische Pularreisende Eiwind Astrup (verunglückt im Lille Elvedal); der Astronom Dr. John Rüssel Hind F. R. S.; der Direktor des Lebensmittel-Untersuchungsamts in Wiesliadcn Hofrath Dr. Schmitt. Bitte der Redaction von Just's Botanischem Jahresbericht (Verlag: Gebrüdei- Borntraeger in Berlin). — Da der Umfang der von doli Mitarbeitern zu leistenden Arlx'it angesichts der rund 5300 Schrit'lun, die alljährlich im Jahresbericht zu besprechen sind, ein ausserordentlich grosser ist, so lichten wir an die Botaniker aller Länder die dringende Bitte, recht viele Sonderabdrücke ihrer Arbeiten einzusenden, namentlich auch von solchen Arbeiten, deren Besprechung im Jahresbericht vermisst wird. Die bisher nocli nie überschrittene Zahl von kaum 300 Sendungen an die Redaction ist allzu gering, als da.ss sie für die Mitarbeiter wesentlich ins Gewicht fiel(>. Eine grössere Zahl von Sendungen würde eine wesentliche Beschleunigung im Erscheinen des Jahresberichts und XI. Nr Natuvwisscnschaftliche Woeiicnschrift. 59 eine Sti'ifitn'iiiiy der Zuverlässigkeit der iiiil, iiielir Rulie aus- führbaren Kerieliterstattung im Gefolge habt'ii und offenbar im Interesse der den Jahresbericht benutzenden Botaniker selbst liegen. Alle Sendungen sind zu richten an den Heraii.sgeber Professor Dr. E. Koehne in Friedenau-Berlin, Kirehstr. 5. L i 1 1 e r a t u r. Julius von Olivier, Was ist Raum, Zeit, Bewegung, Masse? Was ist die Erscheinungswelt? Louis Finsterlins \'erlag, .Minudien 18'.)5. Das Schriftehen i.st interessant zu lesen und bietet nnmchen anregenden Gedanken; es entwickelt hier und da auch neue Ideen bezw. alte Ideen in neuer Form. Tlieils philosophischer (aber nicht metaphysischer), theils physikalischer und mathe- matischer Natur sucht es die im Titel genannten Begriffe in po- inilärer Weise nach den Anschauungen der Fachwissenschaft zu deüniren, zum Theil recht glücklich; zuw(nlen freilich werden auch die Darlegungen und Ansichten des Verfassers etwas phan- tastisch, bezw. laienhaft. Zu moniren bleibt noch die zuweilen sehr sonderbare Ortho- graphie; ich erwähne nur die stetig wiederkehri'ude Sidireiltweise F,l\|ise statt Ellipse und Fliekraft statt Flichkr.ift, nian(dier anderer .Merkwürdigkeiten zu geschweigen. H. Marquis de Salisbury, Les limites actuelles de notre Science. Discours sidentiel prononcee le 8. VIII. 94 devant la British Association, dans la Session d'(.».\ford. Traduit jtar M. W. de Fonvielle. Gauthier-Villars et fils. Paris 189j. — Preis 1 fr. 50 c. Die vorliegende Rede, wissenschaftlichen Inlialtes, des ersten englischen Ministers wird sicherlich \iele neugierige Leser finden. Die Herausgabe de Fonvielle's ist nicht nur deshalb besonders werthvoll, weil er n. a. im Vorwort einen Hinweis auf die Ver- gangenheit der British-Association bringt, sondern auch wegen der passenden Anmerkungen unter dem Text der Salisbnrv'schen Rede und ferner weil sich die Erwiderung Hu.\ley's auf die Rede abgedruckt findet. — FHir die Leser werden die Druckfehler 1839 anstatt 1859 für das Erscheinen der „Origin of species" und Hoeckel «.nstatt Haeckel nicht störend sein. Th. Bibot, Professor der Experimental-Psychologio am College de France, Die Vererbung. Psychologische Untersuchung ihrer Gesetze, ethischen und socialen Consequenzen. Fünfte völlige neubearbeitete Auflage. .4utorisirte deutsche Ausgabe von Dr. Hans Kurella (Bibliothek für Sociahvissenschaft mit be- sonderer Rücksicht auf sociale Anthropologie und Pathologie, herausgegeben von Kurella, Bd. I). Georg H. Wiegand's Ver- lag in Leipzig. 1895. — Preis 10 M. Die beiden Richtungen hinsichtlich der Frage nach der Mög- lichkeit der Vererbung erworbener Eigenschaften, von denen die bejahende mit Lamarck beginnt, die verneinende mit Galton, aber sich namentlich an Weismann's Namen knüpft, bekämpfen sich seit der hervorragenden Betheiligung des letztgenannten Gelehrten an der Sache besonders eifrig und ohne Unterbrechung. Bei der hohen Wichtigkeit, die der Gegenstand bietet, ist das Interesse an demselben unter Naturforschern allgemein. Ribot steht auf d(n- mit Lamarck beginnenden Seite, aber man lernt in dem Buche aucdi gebührend die Ansichten der Gegenpartei kennen. Bei der Klarheit des Styles ist das Buch ausserordentlich geeignet, über den wichtigen Gegenstand zu Orientiren. Das Buch zerfallt in vier Theile. Der erste beschäftigt sich uiit den Thatsachen der Vererbung, der 2. mit den Gesetzen der- selben und der 3. ist überschrieben .,Die Anwendungen". Der 4. Abschnitt referirt über die Theorien der Vererbung und bringt eine Zusammenfassung. Die natarlichen Pflanzenfamilien nebst ihren Gattungen und wichtigeren Arten, insbesondere der Nutzpflanzen. 126, 127. und 128. Lieferung. Wilhelm Engelmann in Leipzig 181)5. — Preis ii Lieferung für Abonnenten 1,50, sonst 3 M. Das Erscheinen einer jeden einzelnen Lieferung des gross- artigen Pilanzenwerkes wird stets mit Freude vernonnnen. Heute können wir wieder drei derselben anmelden, von denen die 126. eine „Abtheilung" des Werkes abschliesst und zwar die ,.8. Ab- theilung b" des IV. Theiles des Gesammtwerkes. Diese Lieferung enthält den Schluss der Acanthaceen (bearb. von G. Lindau), ferner die Myoporaceen (R. v. Wettstein), die Phrymaceen (J. Brif|uet) und die Plantaginaceen (O. Harmsu.C. Reiche). I^er ganze fertig gewordene Theil umfasst incl. Register 378 Seiten und bringt nicht weniger als 1176 wie immer treffliche Einzel- bilder in l.'jO Figuren. Die Lieferung 127 bringt den Schluss der Verbenaceen und den Beginn der Labiaten (J. Bric|uet) und die Lieferung 128 den Schluss der Sabiaceen (O. War bürg), die Melianthaeecu (M. Gurke), die Balsaminaceen (O. Warburg u. H. Reiche) sowie den Beginn der Khamnaceen (A. Weberbauer). Ihne, P., Beschreibende Naturwissenschaften und Chemie. (Sonderabdruck aus den .Jaln-esljerichten ülier das hciliere .Schul- wesen. IX, 18:11. jErschien 8. 1 1 . 18!)5 ]) Da die beiden vorher- gehenden Jahrgänge dieses Berichts in dieser Zeitschrift be- sprochen wurden (vgl. die No. vom 5. Aug. 1894 u. 3. Febr. 1895) mag wenigstens kurz auf das Erscheinen des neuen Berichts hin- gewiesen werdini, der mit Noacks Bearbeitung der .Naturwissen- schaft als Ganzes" und der „Physik" äusserlich durch gemeinsame Ueberschrift ,.Naturu-issenschaft" zu einem Ganzen vereint ist. Wenn man berücksichtigt, dass dieser Bericht über sänuntliche Naturwissenschaften nur 44 Seiten einuinuiit, so kann man daraus wohl einen gewissen Schluss ziehen auf die Bedeutung, welche diesem modernsten und für das tägliche Leben wohl unzweifelhaft wichtigsten aller Lehrfächer in der modernen Schule eing<'räumt wird. F. Höck-Luckenwalde. Büchner, Prof. Dr. Ludw., Aus dem Geistesleben der Tiere oder Staaten und Thaten der Kleineu. 4. Aufl. Leijjzig. — 5 M. — Licht uud Leben. 2. Aufl. — 5 M. Cantor, Mor., Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. 3. (Schluss) Bd. Leipzig. — 6 M. Hahn, Ed., Die Hausthiere und ihre Beziehungen zur Wirthschaft des Menschen. Leipzig. — 11 M. Höffding, Prof. Dr. Harald, Geschichte der neueren Philoso|ihie. 1. Bd. Leijizig. - 10 M. liOeffelholz v. Colberg, Hauptm. a. D. Carl Frhr., Die Drohungen der Erdkruste in geologischen Zeiträumen. 2. Aufl. München. - 5 M. Meyer, Dr. Hans, Die Insel Tenerife. Leipzig. — 10 M. Ortmann, Dr. Arnold E., Grundzüge der maritimen Thiergeo- grapliie. Jena. — 2..50 M. Fartsch, Prof. Dr. Jos., Schlesien. 1. Teil. Breslau. — ll,.50M. Remsen. Prof. Dr. Ira, Einleitung in das Studium der Chemie. ■-'. Aufl. Tuliingen. — 6 M. Romanes, George, John, M. A. LL. D., Darwin und nach Dar« in. 2. Bd. Leipzig. — 7.80 M. Schwartze, Ingen. Th., Grundgesetze der Molekularphysik. Le}|)zig. — 4 M. Selenka, Emil, und Xieonore Selenka, Sonnige Welten. Wies- baden. — 16 M. Strassburger, Prof. Ed., Priv.-Docenten Fritz NoU, Heinrich Schenck, Prof. A. F. W. Schimper, Lehrbuch der Botanik für Hochschulen. 2. Aufl. Jena. — 8,50 M. Sucker, Ludw., Die Fische nebst den essbaren wirbellosen Thieren der Adria und ihre Zubereitung. 3. Abtheilung in 1 Bil. Triest. - 2 M. Volkmann, Prof. P., Franz Neumann, Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Wissenschaft. Leijizig. — 2,40 M. Vogt, Carl, Aus meinem Lohen, Stuttgart. — 5,50 M. Weber, Prof. Dr. L., Repetitoriuui der Experimental|ihysik für Studirende auf Hochschulen. München. — 4,20 M. Ziehen, Prof. Dr. Th., Leitfaden der physiologischen Psychologie in 15 Vorlesungen. 3. Aufl. Jena. — 5,25 M. Berichtigung. Auf Seite 31 Spalte 2 ist am Schluss des Artikels des Herrn W. Krebs die Bemerkung „(Schluss folgt)" zu streichen. Dem Wunsche des Autors entsprechend theilen wir mit, dass der Artikel mit dem Datum „Berlin, den 1. December 1895" versehen war. Inhalt: Ii. Ed. Liesegang, Eine Wirkung des LiriHc Abtheiliing, enthaltend: Kos- mische Physik. Itedigirt von Richard Ass- raann. ^r.^. geh. Preis a.> Mark. rAWoTfoit^n.itoironoii6iioiRitsnoiiiiiaiaEif3j;ö; Die Illustration wissenschaftlicher Werke erfolgrt am besten und billigsten durch die modernen, auf Photo- graphie beruhenden Reproduc- tionsarten. Die Zinkätzungen dieser Zeitschrift gelten als Proben dieses Verfahrens und sind hergestellt in der graphi- schen Kunstanstalt Meisenbach, Riffarth & Co. | in Berlin-Schöneberg, i welche bereitwilligst jede Aus- fc kuult erthcilt. fe räroir-ii"iMi-n";i-itö]|FTnRFaFitoiHioiigiiö;p PR05PECT GRATIS f.r ERFIMDER. lARPADBAUEB,JNGBEHLIW,H.3I.Slrals..nJSt.3S; Hempel's Klassiker-Ausgaben. .\ti.slulirl. S|iccialverzeiclniissc ji^ratLs. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. In iinsenn Verlage erschien: Lehrbuch der Differentialrechnung. Zum Gebrauch bei Vorlesungen an Universitäten und technischen Hochschulen Dr. Harry Gravelius. 331 Seiten gr. 8". Preis broschiert G Mark, gebunden 7 Mark. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. Ueber Tundren und Steppen der Jetzt- iiiicl Vorzeit mit licsouderer Berücksichtigung ihrer Fauna. Von Dr. Alfred Nehring, IVoIciSor der Zoologie und Vorsteher der zoologischen Sammhuigen an der Königlichen landwirthscbattlicben Hochschule /,u Berlin. Mi/ I Ahbildiiiig im Text und l Karte der Fundorte. 266 S. gr. 8". Preis 6 Mark. Carl Zeiss, — Optische ^A/^erkstätte. ^ IVIilir-oisilcope iiiil Äiil>oliöi'. Mikrophotographische Apparate Photographische Objective. Mechanische und optische Messapparate. Nene lloppelfernrolire f. Haiidiiebraiich. Cutaloge gratis und f'ranco. TJKVI'E ^IFA'8ÜELT>K de l'Ecole d'Anthropologie de Paris rrBLlKE PAR LES PRoFESSEl'RS Sixi^me Annee. iSiiG La Re^ue meiisuelU' ile l'Ecole d' Anthropologie de Paris parait le 15 de chaque inois Cbui|ue livraison forme un cahier de dcu.v leuilles in .s' raisin (:)'.' pagcä) contenunt: V' Une to;o;i d'un des professeurs de l'Ecole. Cette le<;on, MUi forme un tout l>ar elle-ineme, est aecompagnee de gravures, s'il .v a Heu : 2' Ues inmlyses et comptes rendus des faits, des livres et des rcvues ])eriüdiiiues. concern int l'antbro])ologie, de faeon ä tenir les lecteurs au couranl des travau.x des Societes d'anthropologie francjaises et etrangeres, ainsi (|Uc des publications nouvelles; :i* Sons Ic titre Varietes sont rassemides des notes et des documents pouvani etre utilcs au.\ iietsonues tjUi s'interessent aux sciences anthro]»ologiques. Prix (V abonnement : Un an (l\ partir du 1.") janvier) pour toiis {'-lyn- 10 Ir.iur,-; la livraison, 1 fr. On s'abonne saus frais: Che/, FEEIX ALCAN, editeiir, 108, boulexartl Saint- Gennain . ;i Paris; chez tous les libi-aires de la France et de l'ctranger, et dans totis los btireaux de poste de France et de rUiiion postalc. Spiegel -Camera „Phönix" D. K. G. M. Neuester Photographischer Hand -Apparat. 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Grössere AufträRe ent- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M i.— C sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebercinliuntt. Inseratenannahme Bringeeeld bei der Post 15 -4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4^27. JL bei allen Annoncenbureaui wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger 4|neilenans:abe gestattet. Die Bestimmung von Erdbebenherden. Von Dr. (Portsetzung Eine neue, auf ganz anderer Grundlage beruhende Methode der Herdbestimniung- schhigen C. E. Button und E. Ilaydcn*) bei ihren Untersuchungen über das Erdbeben von Cliarleston am 31. August 1886 vor, indem sie von der durchaus richtigen Annahme ausgingen, dass der Impuls des Erdbebens eine Energie ist, die als elastische Welle durch den Erdkörper fortgeleitet wird und deren Fortpflanzung und Intensitätsänderung den all- gemeinen Gesetzen der Wellenbewegung unterliegen, nun eine derartige Welle im Punkte C der in der Tiefe h unter der Erdoberfläche Entsteht (Figur 8), C liegt und ist die Intensität in der Entfernungseinheit l, so ist die Intensität im Epicentrum E An einem Beobach- -^y FiS gleich -^ . tungspunkte^J. also, dessen Axial- ' abstand a ist, ist die Intensität /„ = —IT-, — T^. Es ist dies die a- -f- «' (ileiehung einer Curve, welche die Abnahme der Intensität ent- lang einer vom Epicentrum ausstrahlenden Geraden dar- stellt. Charakteristisch für diese Curve ist die Steil- heit in der Nähe des Epicentrums, der eine sehr schnelle Abnahme der Intensität entspricht, gegenüber der geringen Neigung, der langsamen Abnahme der Intensität in- grösserer Entfernung. In einem der Herdtiefe gleichen Axialabstande ist die Intensität '/o, in der doppelten Ent- fernung 'yj, in der dreifachen Entfernung '/lo ^'f'" ''er im Epicentrum. Dieses Verhältniss der Abnahme bietet die Möglichkeit, die Herdtiefe zu bestimmen. Für Jeden Stoss giebt es einen Axialabstand, für den die Abnahme der Intensität ein Maximum ist, da dieselbe zuerst immer grösser und dann immer kleiner wird. Der Punkt, an G. Maas, und Schluss.) welchem die zunehmende Abnahme der Intensität in eine abnehmende übergeht, ist der Wendepunkt der Curve, der den Axialabstand a r besitzt. Wenn es also ge- lingt, das Epicentrum und einige Punkte zu finden, an denen die Abnahme der Intensität ein Maximum ist, so kann man die Herdtiefe nach der Formel berechnen, worin « den betreffenden Axialabstand be- deutet. Diese Methode hat den grossen Naehtheil, dass sie nur anwendbar ist bei Erdbeben, welche in einem möglichst ebenen und homogenen Terrain stattfinden, da jede Rsr flexion einer Erdbebenwelle und jede Interferenz meh- rerer die Bestimmung der Intensität illusorisch machen würde. Ausserdem aber liegt auch ihr ein prinzipieller Fehler zu Grunde, auf den wir sogleich eingehen werden. Zuvor jedoch wollen wir kurz einige Ergebnisse der auf die angegebenen Methoden gestützten Herdbestim- mungen angeben. Seiencf, 13d. IX (1887), S. 48!» Ö'. Erdbeben Mittlere Tiefe Methode Autor Rheinisches, 29. Oc- tober 1846 . . . . 38806 m V. Seebach J. Sehmi.U Neapel, l(i. Doceniber 1857 Sillein, 15. Juni 1858 9275 26266 m in Mallet V. Soobach Mallet J. Schmidt MittcUleutsehos,6 März 1872 17 956 m Maltet V. Seebach Herzogenrath, 22. ()c- tober 187;'. .... 11130 m Kortum Kortum Ilerzog-enrath, 24. .Juni 1877 27113 m V. Soebach V. Lasaulx WostilBiit.-iehe.s, 26. Au- ^;ust 1S78 .... I.M-hia, 4. Mäiv. 1881 . 8830 518 m ni V. Seebach Mallet Schumacher Johnston- T^ewis 62 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 6. Erdbeben Mittlere „ ^,_ j Tiefe ! ^''^°^' Autor Ischia, 28. Juli 1883 . Andalusien, 25. De- cember 1884 . . . Charleston, 31. August 1886 Ligurisches, 23. Fe- bruar 1887 . . . . Lokris, 27. April 1894 528 m 11000 m 19000 m 18000 m 23000-25000 Mallet Falb (.Schall) Dutton- Hayden Mallet Mallet Johnston- Lewis Fouqut' Dutton- Hayden Faramelli- Mercalli Mitzopulos Wir hatten in der Kinleitung- gesagt, dass wir uns bei der ganzen Untersuchuftg stets dessen bewusst bleiben müssen, dass die Erderschütterungen durchaus den physi- kalischen Gesetzen der Wellenbewegung unterworfen sind, und als Hauptgesetz gilt hier: die Fortpflanzungs- geschwindigkeit einer Wellenbewewegung ist in dem gleichen Medium stets die gleiche; in verschiedenen Medien dagegen ist sie direet proportional der Quadrat- wurzel aus dem Elasticitätsmodulus und umgekehrt pro- portional der Quadratwurzel aus der Dichte. Hierauf beruht das für alle Wellenbewegungen giltige Snellius- sclie Brechungsgesetz ?j • sin a = «j • sin «j, worin n und «i die resp. Fortpflanzungsgeschwindigkeiten, a und a^ die Richtung eines Strahles im Verhältniss zum Loth auf die Begrenzung der beiden Medien bedeuten. Dieses Haupt- gesetz der Wellenbewegung ist nun bei allen bisher aus- einandergesetzten Methoden der Herdbestimmung, ja bei allen Untersuchungen über die Ausbreitung von Erd- erschütterungen ausser Acht gelassen worden, es ist dies der principielle Fehler, der allen Methoden der Herd- bestimniung anhaftet, der ihre Resultate illusorisch macht. Für die theoretische Untersuchung ist es natürlich der Einfachheit wegen geboten, eine aus dem gleichen Material bestehende Erde, etwa eine Erde aus Glas oder Stahl, anzunehmen, trotzdem die thatsächliclien Ver- hältnisse von einem derartigen Idealkörper weit entfernt sind. Aber selbst unter dieser Voraussetzung darf man niemals von einer homogenen Erde reden. Schon in Folge der Schwere und des durch sie hervorgerufenen Druckes ändert sich mit zunehmender Tiefe sowohl der Elasticitäts- modulus als auch die Dichte; beide werden noch weiter verändert in Folge der Wärmezunahme nach dem Inneren der Erde. In welcher Weise diese Veränderungen aller ■vor sich gehen, ob der Elasticitätsmodulus schneller wächst als die Dichte, oder ob das Gegcntheil stattfindet oder endlich, ob beide Factorcn in gleichem Verhältniss anwachsen, darüber wissen wir nichts. Es ist hier der Spekulation völlig freier Spielraum gegeben, und es ist nun die Aufgabe der Untersuchung, die Theorie den that- sächliclien Erscheinungen möglichst anznjnissen. Die eine Annahme, dass Dichte und Elasticitätsmodulus mit der Tiefe in gleichem Verhältniss zunehmen, können wir für die Erde ganz vernachlässigen, da nicht einmal die Schall- . strahlen in der Luft sich geradlinig fort)itlanzen, wenn sie in Luftschichten von verschiedener Temperatur gelangen, während sie allerdings in gleichmässig erwärmten Luft- schichten, in denen nach dem Mariotte'schen Gesetze , stets Dichte und Elasticitätsmodulus einander proportional '.sind, ihre geradlinige Richtung beibehalten. Die starren IMineralien folgen aber dem .Mariotte'schen Gesetze nicht; !für sie fällt jeder Grund der Geradlinigkeit der Strahlen 'fort. I"'ür uns bleiben somit nur noch die beiden An- inahmen, dass die Erdbebenstrahlen nach unten convex |odev coneav sind, und wir müssen nun untersuchen, welche jdieser Annahmen den thatsäciilichon Verhältnissen am besten entspricht. Auf diese Frage ging theoretisch zuerst A. Schmidt ein, indem er nachzuweisen suchte, dass die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Erdbebenwellen mit der Tiefe zunimmt, dass also die Erdbebenstrahlen nach unten convex sind.*) Er stützte sich dabei auf die schon mehrmals gemachte Beobachtung, dass in Bergwerken die Erschütterungen weniger stark sind als an der Erd- oberfläche. Er sagt darüber: „Was sich mit dem Erd- beben fortpflanzt, ist Energie, ist Arbeit. Arbeit aber ist Product aus Kraft und Weg, je grösser der eine Factor, um so kleiner ist der andere, je grösser der Druck wird, unter welchem das Gestein steht, um so kleinere Ex- cursionen machen die schwingenden Punkte, um so weniger können aufliegende Körper mitbewegt werden. Ferner muss der veränderten Schwingungsart in der Tiefe eine veränderte Fortpflanzungsgeschwindigkeit entsjirechen, dem grösseren e**) ein grösseres c, daraus folgt ein zweiter Grund der verminderten Vernehmlichkeit." Weiter stützt sich Schmidt auf die bei Experimenten erzielten Resultate über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit von Erderschütterungen und auf die entsprechenden Beob- achtungen bei Erdbeben. Was zunächst die letzteren Beobachtungen betrift't, so giebt darüber die nachstehende Tabelle einige Angaben. Erdbeben Oberfläcliengesch vindigkeit Rheinisclies, 29. October 1846 . 0.568 km in der Secunde Neapel, 16. December 1857 . . 0.260 rt Jj w w Sillein, 15. Juni 1858 .... 0.206 n n „ n Mitteldeutsches, 6, März 1872 . 0.742 )i )i n •n Herzogenrath, 22. October 1873 0.360 « V n ■n Herzogenrath, 24. Juni 1877 . 0.475 V y. n n Westdeutsches. 26. August 1878 0.302 55 n r> Ji Andalusien, 25. December 1884 1.5—1.6 n V 51 » Churloston, 31. August 1886 2.5 jj n » )T Japan, 22. März 1894 .... 5.270-3.1 V " n ,, Lokris, 27. April 1894 . . . 2.0-3.2 » )i a )) Merida-Ecuador, 28. April 1894 3.1—7.9 n 7) )) « Konstantinopel, 10. Juli 1894 . 3.0-3.7 " " ■^ ?; Dabei ist zu beachten, dass die viel grösseren Werthe der Oberfläcliengeschwindigkeit bei den neueren Erd- beben durchaus nicht auf genauere Beobachtungen zurück- zuführen sind. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass sich die Untersuchungen bei den älteren Erdbeben nur auf das eigentliche Schtittergebiet beschränkten, während es sich bei den neueren ausschliesslich um Beobachtungen in sehr grosser Entfernung vom Epicentruiii handelt. So wurde das andalusische Erdbeben in Greenwich und Bremen, das von Charleston in Washington und New-York, das japanische in Berlin, Rom, Grenoble, das lokrische in Strassburg und Birmingham, das von Merida-Ecuador in Charkow "und Nikolaje'w und das von Constantinopel in Paris, Utrecht, Wilheimshafen wahrgenommen. Hieraus ergiebt sich nun mit vollster Klarheit, dass die Ober- fläcliengeschwindigkeit in der Nähe des Epicentrums gering, in grosser Entfernung aber sehr bedeutend ist. Diese Beobaclitungsthatsache widerspricht nun durch- aus den Ergebnissen, welche Mallet, Mi Ine, Abbot, Fouque und Michel Levy bei ihren experimentellen Untersuchungen erhielten. Hierbei fanden sie nämlich: 1) Je heftiger der erste Stoss ist, um so grösser ist die Fortpflanzungsgeschwindigkeit und 2) die Fortpflanzungs- *) A. Schmidt, Wellenbewegung und Erdbeben.^ Ein Bei- trag zur Dynamik der Erdbeben. Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg 1888 S. 248—270. **) e = Elasticitätsmodulus, c = FortpÜanzungsgeschwindig- keit. XI. Nr. 6. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. C,?> geschwindigkeit nimmt mit der Entfernung ab. Der erste Satz steht scheinbar in direetem Widerspruch zu dem von uns angeführten Gesetz der Wellenbewegung, dass näm- lich im gleichen Medium die Fortpflanzungsgeschwindig- keit einer Welle constant ist unabhängig von der Inten- sität. Die Geltung dieses Gesetzes geht aus folgender Betrachtung hervor. Hinge die Fortpflanzungsgescliwindig- keit von der Intensität ab, so müssten bei der Musik die lauten Töne, beispielsweise einer Trom])ete, zuerst das Ohr erreichen und dann erst, je nach ihrer Stärke die übrigen Töne. Dem ist es aber nicht so. und doch kann der von den genannten Forschern aufgestellte Satz nicht als auf Beobachtungsfehlern beruhend angesehen werden. An der Richtigkeit der zweiten Beobachtung lässt sieh vorläufig nicht zweifeln. Auf Grund dieser Thatsachen, geringer Betrag und Abnahme der Oberflächengeschwindigkeit in geringer Entfernung vom Epicentrum, grosser Betrag derselben bei grossen Axialabständen und Abnahme der Intensität mit der Tiefe, der eine Zunahme der wahren Fortpflanzungs- geschwindigkeit ent- spricht, kommt A. Schmidt nun zu folgenden Vorstellun- gen über die Aus- breitung von Erd- A : ^ i, fßfJ'^^^^'f^'^'tX '<'^K''<^ beben. Es sei AB \3r< \ \A \ \ ^^'ö- 9) ein Stück ?C_¥A-\-W \ V\ ^gj. Erdoberfläche und C ein Erdbeben- herd. Da die Fort- pflanzungsgeschwin- digkeit mit der Tiefe wächst , so werden die Flächen gleicher Bewegungsphase Fig. 9. nicht, wie Hopkins und seine Nachfolger annahmen, concentrische, sondern excentrische Flächen, die wir der Einfachheit wegen einmal kugelförmig annehmen wollen. Die Erdbebenstrahlen werden nach unten convexe Curven. Die Oberflächenintensität hängt dann ab von der Dichte der auf ein Flächen- element treffenden Strahlen und nimmt, wie man sieht, vom Epicentrum E aus ab. Diese Vorstellung ent- spricht den Anforderungen . der Veränderung der Ober- flächengeschwindigkeit. Zum Beweise errichte man in den Schnittpunkten der Homoseistenkreise mit der Erd- oberfläche, a, b, c u. s. w. und a,, i,. c, u. s. w., Lothe und trage auf diesen in einem beliebigen aber gleichen Maassstabe die zugehörigen Zeiten ab; dann entsteht, wenn man die so erhaltenen Punkte E, a', b', a\, b\, u. s. w. durch einen stetigen Zug verbindet, eine Curve, welche die schein- bare Oberflächengeschwindigkeit darstellt. Diese Curve, eine Conchoide, lässt aus ihrer im einzelnen Funkte grösseren oder geringeren Steigung unmittelbar die scheinbare Oberflächengeschwindigkeit im darunter liegen- den Punkte der Erdoberfläche erkennen. Je steiler die Curve ist, um so geringer ist die Oberflächengeschwindig- keit. Wo die Curve horizontal verläuft, ist die Ober- flächengeschwindigkeit unendlich gross; wo sie nach unten concav ist, nimmt die Oberflächengeschwindigkeit nach aussen zu, wo sie convex ist, ab. Wir sehen nun, dass unsere Conchoide im Epicentrum horizontal und nach unten convex ist; sie nähert sich dann schnell der grad- linigen Richtung mit stärkster Steigung, um in einem Wendepunkt aus der convexen in die concave Biegung überzugehen, mit welcher sie, unter Annäherung an die Horizontale, ins Unendliche verläuft. Hieraus ergiebt sich, dass die Oberflächengeschwindigkeit vom Epicentrum aus, wo sie unendlich gross ist, nach aussen erst bis zu einem bestimmten Grenzwerth abnimmt, um dann wieder anwachsend unendlich gross zu werden. Die Wende- punkte der Conchoide, welche dem der Wellengcschwindig- keit im Erdbebenherde gleichen Grenzwerth der ab- nehmenden Oberflächengeschwindigkeit entsprechen, liegen senkrecht über den Punkten, in denen die den Erdbeben- herd horizontal verlassenden Strahlen die Erdoberfläche treffen. Die Gestalt der Conchoide ist im hohen Grade abhängig von der Tiefe des Erdbebenherdes, indem sich mit zunehmender Tiefe die Wendepunkte von einander entfernen. Für die Herdtiefe Null verschwindet der con- vexe Theil der Curve, also auch das innere Schütter- gebiet, in welchem die Oberflächengeschwindigkeit ab- nimmt. Dies kann nun zur Erklärung der auffallenden Resultate bei den Untersuchungen über die Ausbreitung von Erderschütterungen dienen. Bei einer von einem Punkte der Erdoberfläche ausgeiienden Erschütterung nimmt, entgegen dem Hopkin'sclien Princip, die Ober- flächengeschwindigkeit zu. Von der Intensität der Er- schütterung hängt das Verbreitungsgebiet unmittelbar ab ; damit wachsen die der Messung zu Gebote stehenden Entfernungen und hierdurch auch die erhaltenen Mittel- werthe. Da die Gestalt der Conchoide von der Tiefe des Erdbebenherdes unmittelbar abhängig ist, so kann mau umgekehrt auch aus ihrer Gestalt wieder einen Schluss auf die relative Tiefe des Herdes ziehen. Es gehören dazu eine Anzahl möglichst genauer Zeitbestinmnmgen, die ebenso vermerkt werden, wie bei der v. Seeb ach- schen Methode. Man trägt die auf eine Normalzeit redu- cirten Zeitangaben und die Axialabstände der Beobach- tnngsorte in ein Quadratnetz ein und sucht die zugehörige Conchoide zu construiren, was bei genauen Zeitangaben nicht schwer sein kann. Sodann legt man die Tangente an den Wendepunkt und verlängert dieselbe bis zum Schnitt mit der durch das Epi- centrum gehenden Erdbebenachse. Wie ein Vergleich der Fig. 1 und 9 zeigt, wird diese Tangente nicht, wie die Asym- ptote der V. See- bach'schen Hy- perbel durch den Erdbebenherd ge- hen, sondern unter allen Umständen ein kleineres Stück von der Erdbebenachse abschneiden, eine kleinere Anzahl von Minuten liefern, als man nöthig hätte, um unter Be- rücksichtigung der durch den Wendepunkt bestimmten wahren Fortpflanzungsgeschwindigkeit im Centrum, in dieser Minutenzahl zugleich die Herdtiefe zu erhalten. Damit wäre nun ein Minimalwerth der Herdtiefe be- stimmt. Ein Maximalwerth ist bestimmt durch den Axialabstand des Ortes, für Oberflächengeschwindigkeit in da dieser, wie wir sahen, mit .--+^ __^^f •, _,*p«__L 1 ■ — "Vß"' rpsyr — " 7 * 9 IQ tt fi f3 n f> f$ ti FIs. 10. stets wir gleich welchen die abnehmende die zunehmende übergeht, der Herdtiefc wächst und oder grösser sein wird, als diese zweifellos selbst. Auf Grund dieser neuen Methode hat nun A, Schmidt für einige der genauer untersuchten älteren Erdheben eine neue Berechnung der Herdtiefc vorgenommen und ist da- bei zu folgenden durchaus abweichenden und kaum jemals vermuteteteu Resultaten gelangt, die für die Erdbeben- forschung von weitgehender Bedeutung sind. 64 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 6. Erdbeben Mitteldeutsches 1872 Herzofcenrath 1873 Cliarloston I.SS6 Herdtiefe alte Bestimmung 17.956 km 11,1.30 km 19,00 km neue Bestimmung 35- 70 km 0— 3 km 107—119 km Später wies A. Schmidt nocli nach, dass bei der grossen Ausbreitung- der Erdbeben auch die v. Seebach- sche Hyperbel zur Conchoide werden niüsste*), da man nun nicht mehr die Krümmung' der Erde vernachlässigen dtlrfe. „Also auch die Zweitheilung eines jeden Erdbeben- gebietes in einen inneren und äusseren Bezirk, den inneren mit einer vom Centrum an abnehmenden, den äusseren mit zunehmender Oberflächcngeschwindigkeit steht un- bedingt als Schema für jedes Erdbeben fest." In seiner ersten Arbeit über diesen Gegenstand hatte A. Schmidt den Ausspruch gethan: „Ehe wenigstens für ein centrales Erdbeben eine genügend grosse Anzahl ganz zuverlässiger Zeitbestimmungen gemacht wird, welche die genaue Feststellung der Horizontalhomoseisten und des Epicentrnms auf der Landkarte gestatten, welche gestatten, die Entfernungen der einzelnen Orte vom Epiccntrum saniint den an diesen Orten beobachteten Zeiten in dem Hodo- graphennetze einzutragen und so ein deutliches Gesammt- bild der Beobachtungen zu gewinnen, so lange wird es auch nicht möglich sein, aus der Form des Hodographen auf das Gesetz der Geschwiudigkeitsänderung mit der Tiefe einen gültigen Schluss zu macheu." Diese Bedingung ist bisher noch nidit erfüllt worden, und so kömien wir auch diese Schmidt'sciie Jlethode der angenäherten Herd- bestimmung und die derselben zu Grunde liegenden theo- retischen Erörterungen nur als eine gewissen Beobachtungs- thatsachen angepasste Speculation betrachten. Aber auch die den Schmi dt'schen Erörterungen zu Grunde liegen- den Beobachtungen sind, wie wir sogleich zeigen werden, nicht nur in dem bisher erörterten Falle zu erklären. Sie finden auch eine andere, ganz ungezwungene Erklärung in Beobachtungen, die der Sclamidt'schen Theorie durchaus widersin'echen, Beobachtungen, welche in Japan über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit von Erderschütte- rungen angestellt worden sind. Schon früher hatte Milne die Fortpflanzungsgeschwindigkeit von Erdbebenwcllen an der Erdoberfläche mit der am Grunde eines, in festem Gestein angelegten, 10 Fuss tiefen trockenen Brunnens verglichen. Das Ergebniss seiner diesbezüglichen Unter- suchungen bei drei ziemlich heftigen Erdbeben war, dass sich die grösste Fort))flanzuiigsgeschwindigkeit der Erd- bebenwellen am Grunde des Brunnens zu der an der Erd- oberfläche verhält, wie 1:34. Diese Milne'schen Versuche wurden später von Sckiya und Oraori einer Controle unterzogen, indem diese Forscher bei einer grösseren An- zahl meist schwächerer Erschütterungen dieselben Be- obachtungen an der Erdoberfläche und am Grunde eines nur wenige Meter entfernten 18 Fuss tiefen Brunnens, der in festem Alluvialboden angelegt und 2 Fuss dick mit Ziegeln ausgemauert war, anstellten. Als jMittelwerth aus den Bestimnningen bei 30 Erdbeben ergab sich, dass sieh die Fortpflanzungsgcscliwindigkeit der Erdbebenwellen am Grunde des Brunnens zu der an der Erdoberfläche verhält, wie 1:3. Die beiden Eesultate unterscheiden sich ausser ihrem absoluten Werthe nach, der wohl auf Ver- schiedenheit des Bodens und die Bcobachtungsdauer zu- rückzuführen ist, noch dadurch, dass i\Iilnc bei starken *) A. Solimidt, Untor.siK'liiiiiscn über zwei neuere Krdbeben, das Schweizerische, vom 7. .Januar 1889, und das Nordaraerikanische vom 31. August 1886. (.lalirosh. d. Vor. f. vaterl. Xaturk. in Württemberg, 1890, S. 227.) Erdbeben eine viel bedeutendere Abnahme der Geschwindig- keit, Amplitude und Beschleunigung, als bei schwachen Erschütterungen fand, während Sekiya und Omori zu der Ansicht kamen, dass bei schwachen Stössen kein wesentlicher Unterschied zwischen der Oberfläche und der Tiefe existiert, dass bei heftigen Erdbeben ein solcher Unterschied zwar vorhanden, aber nicht sehr ausgesprochen ist, dass dagegen für die kleinen, schnellen Erzitterungen des Bodens der Unterschied sehr bedeutend ist. Obgleich somit die beiden Kesultate theilweise von einander ab- weichen, so sind sie für uns doch von der grössten Wichtig- keit, weil sie den Beweis liefern, dass stets die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Erdbebenwellen in der Tiefe geringer ist, als an der Erdoberfläche. Wenn nun aber die Zunahme der Geschwindigkeit nach der Tiefe nicht V(Hdianden ist, wie erklären sich dann die unzweifelhaften Beobachtungen der geringeren Wahrnehnibarkeit von Erdstössen in Bergwerken und Brunnen, die Milne, Sekiya und Omori ebenfalls fest- stellen konnten? Nach der Sehmidt'schen Theorie ge- schah dies einfach deshalb, weil die Arbeit als Funktion der Geschwindigkeit und der Intensität beim Wachsen dos einen eine Verminderung des anderen Faktors vor- aussetzt. Sekiya und Omori glauben nun auf Grund ihrer Untersuchungen die Antwort auf unsere Frage da- hin geben zu können, dass die feinsten Bodener- schütterungen, welche hervorgerufen werden durch die kleinen den grösseren Wellen autsitzenden Wellungen, welche bei Schallwellen die Klangfarbe erzeugen würden, in der Tiefe bedeutend abgeschwächt werden und da.ss diese Abschwächung hinreichen mag, um bei heftigen Erdbeben die Wirkungen in tiefen Gruben zu mildern. Wir hätten es demnacli nicht mit einer absoluten Ver- minderung der Intensität in der Tiefe zu thun, sondern nur mit einer Veränderung der lutensitätsfarbe (sit venia verbo !). Wenn also die thatsächlichen Beobachtungen nicht unbedingt zur Annahme der Sehmidt'schen Theorie zwingen, so bliebe von den drei ^Möglichkeiten der Ver- änderung des Elastizitätsmodulus und der Dichte mit wachsender Tiefe noch die dritte zur Betrachtung übrig, dass nämlich die Dichte in höherem Grade zunimmt als der Elastizitätsmodulus. Dem würden eine nach unten abnehmende Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erdbeben- wellen und nach unten concave Erdbebenstrahlen ent- sprechen. Die japanischen Beobachtungen beweisen uns direct, dass in der That die Fortpflanzungsgeschwindigkeit in der Tiefe geringer ist als an der Erdoberfläche, und wir können daher mit vollem Recht annehmen, dass die- selbe mit zunehmender Tiefe abnimmt, obgleich wir über das Gesetz dieser Abnahme vorläufig noch nichts aus- sagen können. Um dies festzustellen, müssten bei einem Erdbeben in verschiedenen Tiefen sehr genaue Bestim- mungen der Fortpflanzungsgeschwindigkeit vorgenommen werden, was aber bisiier noch nicht geschehen ist. Da wir also über das Gesetz der Abnahme nichts genaueres wissen, die Theorie aber auf jedes (icsetz an- wendbar sein muss, so nehmen wir der Einfachheit wegen, entsprechend dem Fall der Sehmidt'schen Theorie, an, dass die Fortpllanzangsgeschwindigkeit der Erdbebenwcllen proportional der Tiefe abnimmt, ein Fall, der von der Wirkliciikcit wahrscheinlich sehr ab- weicht. Es werden dann, wie in dem Falle der Sehmidt'schen Theorie, die Flächen gleicher Bewegungs- phase, die Homoscisten, Kugeln, die Erdbebcnstrahlen Kreisbogen. Wie ein Vergleich der Fig. 11 mit Fig. 9 zeigt, sind die Erscheinungen in dem gegenwärtigen Falle dieselben wie in dem der Sehmidt'schen Theorie; denn XI. Nr. 6. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 65 wir haben diese nur in der Weise niodificirt, dass wir die Erdoberflache .4/) mit dem Epicentrum E unter das Erdbebencentrum C verschoben haben. Daraus folüt Fig. 11. aber nur, dass, wegen ihrer stärkeren Divergenz, eine geringere Zahl von Erdbebenstrahlen die Erdol)erfiache unter einem Iiedeutenderen Emersionswiukcl erreicht, während sich der grössere Theii dei'selben anschmiegt oder durch totale Eeflexion gar nicht au die Erdober- fläche gelangt. Auch in diesem Falle wird die grössere Oberflächen-Intensität hervorgerufen durch eine grössere auf ein Flächenclement trefl'ende Anzahl von Stossstrahlen. Wieder haben wir, wie man sich durch Anlegen eines Maassstabes überzeugen kann, zuerst eine Zone um das Epicentrum, in welche die scheinbare Oberflächen- geschwindigkeit bis zu einer gewissen Grenze abnimmt, um dann wieder anzuwachsen; aber während nach der Schmidt 'sehen Theorie dieser Grenzwcrth gleich der wahren Centrunisgescbwindigkeit ist, ist er in unserem Falle stets grösser als diese. Errichtet man demnach in den Schnittpunkten der Honioseisten mit der Erdober- fläche, a, h, c etc. a^, bi, q etc., Lethe, auf denen man die zugehörigen Zeiten abträgt, und verbindet man die so gefundenen Zeitpunkte, a', b', c etc., «/, &/, c/ etc. durch einen stetigen Zug, so erhält man wiederum eine Conchoide, deren Gestalt freilich von der der Schmidt'- schen verschieden ist. Dies beweist aber nur, dass die Aenderung der scheinbaren Oberflächengeschwindigkeit in anderem Verhältniss erfolgt, als nach der Schmidt 'sehen Theorie. Selbst wenn man die Krümmung der Erde be- rücksichtigte, die Erdoberfläche AB also nicht als Gerade, sondern als Kreisbogen darstellt, so würde dies an dem Ge- sammtresultat keine wesentliche Aenderung hervorrufen, es würde lediglich die Zunahme der scheinbaren Oberflächen geschwindigkeit in der äusseren Zone verlangsamt werden. Auch in dem Falle, dass die wahre Fortpflanzungs- geschwindigkeit mit wachsender Tiefe abninnnt, könnte man aus der Gestalt der Conchoide einen ungefähren Schluss auf die Tiefe des Erdbebenherdes ziehen. Denn bei einem mit dem Epicentrum zusammenfallenden Herde müsste der innere, nach unten convexe Theil der Con- choide verschwinden, während mit zunehmender Tiefe die Wendepunkte auseinander treten, die innere Zone der abnehmenden scheinbaren Oberflächengeschwindigkeit wachsen müsste. Durch Bestimmung der Abscisse" des AVendcpunktes und durch Bestimmung des Schnittpunktes der Wendepunktstangeute mit der Erdbebenachse unter Berücksichtigung der zugehörigen Fortpflanzungsgeschwin- digkeit erhielte man also auch in diesem Falle Grenz- \verthe für die Tiefe des Erdbebenherdes, die aber wohl nicht mit den Schmidt 'sehen übereinstimmen dürften. Diese Verhältnisse gelten aber nur, wenn die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit proportional der Tiefe ab- nimmt, wenn die Homoseisten Kugeln, die Erdbeben- strahlen Kreisbogen sind. Jedes andere Verhältniss der Gesehwindigkeitsabnahme würde eine Veränderung in der Gestalt der Homoseistenflächen und Erdbebeustrahlen und damit andere Grenzwerthe der Herdbestimmung be- dingen. Wir sagten bereits oben, dass wir über das Gesetz der Gesehwindigkeitsabnahme bisher noch nichts Genaueres wissen und dass dasselbe wahrscheinlich sehr verschieden von unserer Annahme sei. Dieses Gesetz müsste erst bei einem oder mehreren genauer untersuchten Erdbeben oder bei eigens zu diesem Zwecke angestellten Versuchen durch sehr genaue Bestimmung der Fort- pflanzungsgeschwindigkeit in verschiedeneu Tiefen be- stimmt werden. Dann hätte man eine Möglichkeit, wenigstens Grenzwerthe der Herdtiefe zu bestimmen. Aber die Feststellung des Gesetzes der Geschwiudig- keitsabnalnue mit der Tiefe kiinnte noch ein anderes Mittel zur genaueren Berechnung der Herdtiefe liefern. Durch Bestimmung von Emersionswinkeln, also der letzten tangentialen Bewegungen, könnte mau bei Kenntniss der Richtuugsänderung eines Strahles nach der Tiefe, die ja durch das Gesetz der Geschwindigkeitsabnahme gegeben ist, die Richtung einiger Erdbebenstrahlen und in ihrem Schnittpunkt den Erdbebenherd feststellen. Fehlerhaft beeinflusst würde eine derartige Bestinmiung freilich da- durch werden, dass auch vom Erdbebenherde in grössere Tiefen eindringende Stossstrahlen durch totale Reflexion au die Erdoberfläche gelangen und mit in Rechnung ge- zogen würden. Indessen würden sich derartige reflectirte Strahlen wegen ihres längeren Weges durch Zeit- differenzen und, da die Intensität im Quadrat der Ent- fernung abnimmt, durch geringere Intensität kenntlich machen und in Folge dessen ausscheiden lassen. Das Haupterforderniss zur Herdbestimmung ist aber, wie aus (1cm Gesagten hervorgeht, ein möglichst dichtes Netz von Beobachtungsstationen, nicht nur an der Erdoberfläche, sondern auch in verschiedenen Tiefen von Brunnen und Bergwerken, um zunächst das Gesetz der Geschwindig- keitsabnahme nach der Tiefe festzustellen. Bevor diese Bedingung erfüllt ist, kann an eine Lösung des Problems einer Herdbestimmung nicht gedacht werden und müsste man sich mit der Bestimmung von Grenzwerten für die Herdtiefe begnügen, sofern wenigstens bei einem Erd- beben das fragliehe Gesetz angenähert bestinunt wäre oder man eine Abnahme der Geschwindigkeit proportional der Tiefe voraussetzen wollte. Bei unserer Betrachtung hatten wird die ^'oraus- setzungen gemacht, dass das Erdbel)en ein centrales, der Erdbebenherd also punktförmig sei und die Erde aus gleichem Material bestehe, wenigstens in dem für das Erd- beben in Betracht kommenden Theile. Von diesen Voraus- setzungen dürfte die erste wohl nur in sehr seltenen Fällen, die zweite überhaupt wohl niemals giltig sein, und es ist nunmehr unsere Aufgabe, die durch die veränderte Gestalt des Erd- bebenherdes und die Inhomogenität der Erdmassc hervorge- rufenen Veränderungen einer Prüfung zu unterziehen. Schon durch die Untersuchungen von Mallet, Pfaff, Milne, F'ouque und Michel Levy hat es .sich ge- zeigt, dass die verschiedenen Gesteine für Erschütterungen ein verschiedenes Leitungsvermögen besitzen, wenngleich die Resultate der genannten Forscher im Einzelnen sehr von einander abweichen, wie die nachstehende Tabelle zeigt: Foiuiuö und C4esteiu Pi.itr Mallet BI. Luvy Granit 539 m 398—507 m SOÜ-Uüüm ,2450-3141 m Kalk ,547 m — 900-1-iGOm - Marmor — . — 800 -1300 m 632 m Schiefer 737 m 331 m lUOO— 1600 m' — 1 Sandstein — — — 1190-252Gm Tuff — 800— 1100m — Rand — 250 m — 300 m 66 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 6. Die Unterschiede im Einzelnen beruhen, wie oben gezeigt wurde, theihveise auf der verschiedenen Intensität der Erscinitterung und dem davon abliängigen Ver- breitungsgebiet, andererseits aber auch auf Unterschieden iu dem bei den Versuchen angewendeten Material. Aber nicht nur von dem Gesteiusmaterial allein hängt die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ab, sondern auch von der Richtung der Erschütternngswellen zur Schichtung des Gesteins oder zur Richtung in demselben vorhandener Gänge und Adern. Es hat sich dies besonders bei Unter- suchungen gezeigt, welche A. F. Nagues*) über die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit unterirdischer Erschütterungen in Gruben von 50—100 m Tiefe und au verschiedenen Gesteinen anstellte. Die dabei erhaltenen Resultate sind aus der nachstehenden Tabelle ersichtlich. Gestein Fovtpflanzuiigs- GeschwiiKiigkeit parallel zur Schichtung oder zu den erzlührenden Cjiiugen senkrecht dazu Porphyrartige Trachyte am Cap de Gata Granite der Sierra de Santa Elena Compacter Kalk der Sierra Alliamiüa Alti' Schiefer der Sierra Alhamilla I 1500 m 1480— 1500m 1400 m 800 m 1400- 1450 m 1400-145Üm 12U0 m 700-750 m Auf eine ähnliche Wirkung ist wohl zum Tlieil das folgende Ergebniss einer Untersuchung von Fouquc und Michel Levy zurückzuführen.**) Bei Anbringung des Beobachtungsapparates im Keller eines Hauses in Montricq im Granit wurden 10 kg Dynamit in 3.50 m Entfernimg an der Erdoberfläche zur Explosion gebracht. Die beim Beginn der Vibrationen beobachtete Ge- schwindigkeit betrug 3141 m. Bei Anbrini;-ung des Beobachtungsapparates an einer Schachtmündung zu Commentry und Veranstaltung einer Explosion von 8 kg Dynamit in der Tiefe des Bergwerkes, sodass die directe Entfernung vom Beobachtungsorte 383 m betrug, war die Geschwindigkeit beim Beginn der Vibrationen 2526 in. Aehnlicbe Beobachtungen wurden auch bereits bei Erd- beben gemacht. So betrug bei dem Erdbeben in Char- leston 1886 die Oberflächengeschwindigkeit in der Richtung des dem Schichtstreichen parallelen Alleghanie- gebirges 5265—5844 m, senkrecht zum Gebirge 5088 m in der Secunde.*) Somit ändert sich also die Fortpflanzungsgescliwindig- keit von Erschütterungen nicht nur mit dei" Natur des Gesteines und der Intensität, sondern sie hängt auch noch von anderen Factoren ab, von denen einige oft nur sehr schwer zu bestimmen sein werden. Man darf also die durch Experimente au bestimmten Gesteinen gefundenen Zahlen nicht verwenden für die Berechnung der Fort- pflanzungsgeschwindigkeit von Erdbebenwellen ausserhall) des Gebietes, in denen die Experimente stattgefunden. Um also die zur Construction der Conclioidc iKithigen genauen Zeitangaben zu erhalten, müssten zunächst die geologischen Verhältnisse des Schüttergebietes genau fest- gestellt werden und ebenso die Richtung der Stossstrahleii im Verhältniss zur Schichtung des Gesteins und zum Verlauf etwa vorhandener Gänge und Spalten; sodann niüsste die Fortpflanzungsgeschwindigkeit in den ein- zelnen (iesteinen des Gebietes expcrimenlcil bestimmt und eine eutspreehende Correction an den Beobachtungs- *) Comptcs rnndus, Bd. 106 (188) S. 1111. **) Memoires de l'Academie des Sciences dC l'Institnt imperial de France. 1881), S. 57. ***) American Journal of Science and Arts. Zeiten angebracht werden. Und dann hätte man immer erst die MügHchkeit, Greuzwerthe für die ilerdtiefe zu bestimmen. Dabei ist aber immer noch die Voraussetzung ge- macht, dass der Erdbebenherd punktförmig oderdoch räumlich eng begrenzt, das Erdbeben also ein cen- trales sei. In der Einleitung hatten wir gesagt, dass das Epi- centrum stets die Projectiou des Erdbebenherdes auf die Erdoberfläche darstellt und deshalb je nach der Gestalt und Lage des Herdes eine sehr verschiedene Gestalt be- sitzen wird. Durch Anbringung aller nöthigen Correc- tionen an den Beobachtungszeiten wird sich die wahre Gestalt des Epicentrums, in welchem ja die Erschütte- rungen zuerst wahrgenommen werden müssen, mit einiger Sicherheit feststellen lassen und wir werden dann von einem punktförmigen, linienförmigen oder irgend wie ge- stalteten Epieentrum reden können, ohne dass wir jedoch im Stande wären, hieraus ohne weiteres irgend eine Folgerung auf die Gestalt des Erdbebenherdes zu ziehen. Ein punkt- oder linieuförmiges Epieentrum kann ja auch hervorgerufen sein durch einen gegen die Erdoberfläche irgend wie geneigten flächenförmigen Erdbelienherd; es würde sieh dies allerdings dadurch kenntlich machen, dass sich die Horizoutal-Homoseisten einseitig nach dem Epieentrum zusammendrängen. Eine concentrische An- ordnung kreisförmiger oder elliptischer Horizontal-Homo- seisteu würde für ein punktförmiges Erdbebencentrum oder aber im letzteren Falle für einen linearen der Erd- oberfläche parallelen oder einen flächenförmigen senkrecht zur Erdoberfläche stehenden Erdbebenlierd sprechen. Es kann natürlich hier nicht unsere Aufgabe sein, die zu jeder einzelnen Gestalt des Epicentrums gehörige Form des Erdbebenherdes anzugeben. Jedenfalls aber wird ein einseitig ausgebildetes System von Horizontal-Homoseisten um ein irgend wie gestaltetes Epieentrum stets dafür sprechen, dass mau es mit einem flächenförmigen unter irgend einem Winkel gegen die Erdoberfläche geneigten Erdbebenherde zu thun hat. Das ist aber auch der einzige Schluss, den man aus der Gestalt der Horizoutal- Homoseisten ziehen kann. Die wahre Gestalt und Rich- tung des Erdbebenherdes ist deshalb nicht genau zu bestimmen, weil von jedem einzelnen Punkte desselben eine grosse Zahl von Stossstrahlen ausgehen und derjenige nicht bestimmt werden kann, welcher gerade senkrecht auf die Erdoberfläche getroffen und auch von anderen Punkten ausgehende Strahlen auf einem sehnelleren Wege denselben Punkt der Erdoberfläche erreichen können, als der senkrechte, sodass die Bestiinnmng des Anfanges der Bewegung nicht das Eintreft'en eines senkrechten Strahles ergiebt. Zur Feststellung dieses Zeitpunktes können auch nicht die von den Seismographen verzeichneten grössten Werthe der vertikalen Bewegnngscomponente dienen, da die.se nicht nur durch einen vertikal wirkenden Stoss sondern auch durch Interferenz mehrerer horizontaler oder schief auftrefl'ciuler Wellen erzengt sein können. Fassen \\\\ also die Ergebnisse unserer Untersuchung- kurz zusammen, so sahen wir, dass die von Hn])kins, Mallet, v. Seebach, Kortum, Falb und Dutton und Hayden vorgeschlagenen Methoden der Herdbestimmung zu diesem Zwecke durchaus ungeeignet sind, weil sie von ganz un- zutreftcnden und unmöglichen Voraussetzungen ausgehen. Aber auch die zuerst von A. Schmidt versuchte Bestim- mung von Grenzwerthen hat den Xachtbcil, dass allein zur Bestininuing nur angenäherter Grenzwerthe eine grosse Anzahl höchst langwieriger und verwickelter Unter- suchungen der Beobachtungszeiten, der geologischen Verhältnisse des Schüttn-gebietes, der Richtung der Stoss- strahlen, Schichtflächen, Gänge und Spalten und der XI. Nr. 6. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. fi7 Fortpflanziuigsgeschwiudigkeit von Erschütterungen unter Beriicksiuhtigung aller dieser Bodeuvcrhältnisse, noth- weudig sind, welche die Ausführbarkeit der Bestimmung- in hohem Grade beeinträchtigen. Ausserdem a1)er wird das Ergebnis der ganzen mühevollen Untersuchung durch- aus problematisch gemacht durch die in den meisten Fällen bestehende Unmöglichkeit, die Gestalt und Rich- tung des Erdbebenherdes auch nur eiuigermaassen zu be- stimmen. Wir müssen deshalb als Eudergebniss unserer Untersuchung den Satz hinstellen: die Tiefe eines Erd- bebenherdes auch nur annähernd zu liestinnnen ist iu den weitaus meisten Fällen unmöglich und sind daher alle auf die bisherigen derartigen Ergebnisse gegründeten Folgerungen haltlos. Ueber die Rei.scultiir in Japan macht der bisherige belgische Consul in Tokio, Namens F. Del vcaux, in der „Revue du Commerce et de l'Iudustrie" interressante Angaben. Japan producirt zwei Arten von Reis, die man nach der Art des Anbaues unterscheidet, nämlich Tiefland- reis und Bergreis. Der letztere erfordert nur wenig Wasser und Sonne, während der erstcre niclit genug davon haben kann. Nur in der Gegend von Tokio und auf der Sfldhälfte der Insel Kiu-Shiu wird Bergreis gebaut. Der Reis des Tieflandes umfasst drei Sorten: Früh- reis, Mittelreis und Spätreis. Diese Reisart ist bei weitem die wichtigste, sie nimmt 72 Procent alles Reislandes ein, davon kommen auf den FrUhreis 22 Procent, auf den Mittelreis 44 und auf den Spätreis 34 Procent. — Am besten bewässert und in Folge dessen am ertragreichsten ist das Innere der Insel Hondo (;= Nippon); dasselbe er- gab 1892 einen Ertrag von 14 387 llü Koku (1 Koku = etwa 18 1), während die westlichen Gebiete dieser Insel nur 9 503 727 und die nördlichen mn- 9 029 221 Koku er- gaben. Man benutzt die Flüsse zur Bewä.sserung der Reisfelder, indem man ihr AVasser durch Kanäle auf die höher gelegeneu Felder führt; nachdem das Wasser die- selben überfluthet hat, fliesst es über einen kleinen Damm in die folgende Etage und so weiter bis nach unten. Der Reis wird im Monat Juni auf Felder gepflanzt, welche 25 cm hoch unter Wasser gesetzt sind, und zwar reihenweise in 15 cm tiefe Gruben. Dieses Verfahreu hat den Vortheil, dass der Landmann andere Produete, wie Weizen, Gerste^ Raps, zwischen die noch grünen Aehreureiheu pflanzen und so eine zweifache Ernte er- zielen kann. Der erste japanische Reis kam nach Europa vor 24 Jahren; damals hatte Japan in Europa viele Schulden und schickte, um sich davon frei zu machen, Reis nach London, wo derselbe in baares Geld umgesetzt wurde. Seit dieser Zeit hat die Ausfuhr bedeutend zugenommen, obgleich die Quahtät jetzt geringer ist als früher. — Die wichtigsten Marktplätze iu Europa für japanischen Reis wie für Reis überhaupt sind London und Hamburg, von wo er nach anderen Plätzen expedirt wird. Der meiste nach London gebrachte Reis kommt allerdings aus Britisch-Indien, dann folgt aber gleich Japan, dann Siam und Saigun. — Was in Japan erste Qualität genannt wird, gilt als solche nicht auch in Europa; die Europäer verlangen den Reis glänzend, grosskörnig, hart und durch- scheinend, die Japaner dagegen legen das grösste Ge- wicht auf die Schwere der Körner. Der Nutzen, welchen Japan aus einer weiteren Aus- dehnung der Ausfuhr von Reis ziehen würde, fällt so*- gleich in die Augen, weuu man die Preise, welche der Reis in London und Hamburg erzielt, betrachtet. Für japanischen Reis zahlt man zur Zeit 20—25 Dollar per Tonne mehr als für indischen Reis; es müsste also im Interesse Japans liegen, für den inländischen Gebrauch indischen Reis zu importiren und seinen eigenen Reis nach Europa zu schicken, um ihn dort zu hohen Preisen zu verkaufen. S. Seh. Malton-Wein. — Zu Ende des vergangenen Jahres ist ein Wein in den Handel gekommen, welcher auch für die naturwissenschaftliche Welt in hohem Grade von Interesse ist. Es handelt sich nämlich nicht um einen sogenannten Kunstwein, d. h. ein Gemisch aus einer geringen Sorte von Wein, Alkohol, Glycerin, Farbstoffen u. dergl. — wie er ja leider in ganz ungeheuren Mengen in der ganzen Welt als reiner Wein in den Handel kommt — sondern um einen aus Malz hergestellten durch- aus reinen Wein, welcher deshalb den Namen Malton- Wein führt. Diese aus concentrirter Malzwürzc durch Vergährung mittelst Reiuzucht- Weinhefe besonderer Racen hergestellten Malton-Weine stimmen nach Bouquet und Geschmack mit echten Traubensüssweinen völlig überein. Professor Dr. C. A. Ewald, dirigirender Arzt am Augusta-Hospital in Berlin, hat seine Erfahrungen mit Malton- Wein, welcher dem Augusta-Hospital zur Ver- fügung gestellt war, in der Berliner klinischen Wochen- schrift vom 21. X. 95 veröffentlicht. Die Entdeckung beruht auf mehrjähriger, wissenschaftlicher Arbeit eines Botanikers, Dr. Sauer. Was zunächst das Herstellungsverfahren betrifft, so sei an das des Bieres erinnert. Es wird bekanntlich iu den Brauereien die aus der Maische, d. h. dem ge- schroteten und mit Wasser bei einer gewissen Temperatur angesetzten Malze, gewonnene Bierwürze mit einer be- stimmten Hefe, Saccharomyces cerevisiae,vergohren. Dabei bildet sich Alkohol und Kohlensäure — neben geringen Mengen anderer Säuren — durch die stattfindende Hefe- gährung. Diese wird nnterbrochen, sobald der Alkohol- gehalt eine gewisse Höhe erreicht hat. Wichtig ist e.s, u. A. die richtige AVürze herzustellen, d. h. die in dem Malz durch die Diastase eintretende Bildung von Dextrin, Isomaltose und Maltose, die sich mit der Temperatur ändert, auf ein für das betreffende Bier richtiges Opti- mum zu bringen und ferner die Hefegährnng entsprechend zu leiten. Bei den natürlichen Weinen entspricht der aus- gepresste frische Traubensaft mit den Beeren der Bier- niaisehe und der Most der Würze. Die Gährung geht vor sich ohne besonderen Zusatz durch die an den Trauben hafteudeu Weinhefen, verschiedenen Saccharomyces-Arten, u. A. S. ellipsoideus Reess, S. apiculatus Reess, S. cou- glomeratus Reess. Neuere Forschungen haben gezeigt, dass bestimmten Weinartcu ganz bestimmte Hefen zu- kommen, welche sich in Reinculturen züchten lassen. Neben Alkohol und geringen Mengen Glycerin entstehen bei der Vergährung des Mostes zu dem sog. Juugwein einige Säuren: Bernsteinsäure, Essigsäure und andere höher zusammengesetzte Fettsäuren, sowie A'erbindungen der letzteren mit höheren Alkoholeu, welche mau mit dem Sammelnamen ()enanthäther belegt. Diese Stoffe zusammengenommen bedingen den specilischen Wein- geruch und Geschmack. Zu altem und flaschcnreifen Wein wird der junge Wein nicht durch Fermentwirkung umgewandelt, sondern durch langsame Oxydation, indem die durch Vergährung erhaltene Flüssigkeit arosses Bestreben zeigt, Sauerstoff 68 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. R. aus der Luft aufzunehmen. Dabei bildet sich das end- gültige Bouquet und Aroma, d. h. der Wein reift aus. Junger Wein in ein Glasgefäss eingeschmolzen und somit völlig gegen den Luftzutritt abgeschlossen, würde stets Jungwein bleiben. Hat aber die Luft zu niedrig vergohrenen Getränken unter 12 — 13 Vol. % Alkohol — d. h. allen Biereu und fast allen Traubenweiuen [Mitteleuropas — ungehindert Zutritt, so verderben diese schnell durch Essigstich und andere Krankheiten, während Getränke von höherem Alkoholgehalt auch unter diesen Verhältnissen ausreifen. Nach der Erinnerung an diese Vorgänge wird das Verfahren Dr. Sauer's leicht verständlich. Dasselbe besteht im Wesentlichen in Folgendem : 1. Sauer gebraucht eine Würze, in welcher durch bestimmte Maischtemperaturen ein Gehalt von ca. 80 "/o > Maltose, 20 7o Isomaltose und Dextrin erzielt ist. 2. Die Säuerung dieser Würze erfolgt durch Mileh- säurcgährung aus rein gezüchteten Milclisäurebacterien. Die gebildete Milchsäure ersetzt einen Theil der bei der Gährnng aus Most entstehenden, bei der Malzgährung nicht erhältlichen Säuren. Sie ist sowohl für den nor- malen Ablauf der Vergährung, indem sie etwaige andere Bacillen in ihrer Entwickeluug hemmt und dadurch eine möglichst reine und hohe Alkoholgährung ermögliclit, als auch zur Erzielung eines guten Geschmackes, d. h. als Corrigens der sonst fade schmeckenden Würze noth- wendig. Die Menge der Milchsäure wird auf 0,6 — 1,0% der Gesammtwürze regulirt. 3. Die benutzten Hefen stammen von Trauben aus südlichen Gegenden mit hohem Zuckergehalt und bewirken eine viel höhere Vergährung als den Heferassen nörd- licher Länder eigen ist. Das besondere Verfahren Dr. Sauer's besteht darin, dass er die Hefe einer besonderen Traubenart, z. B. der spanischen oder ungarischen, aus kleinster Menge in Reincultur auf sterilisirter gesäuerter Malzwürze aufzieht und vermehrt und so eine vollkommen reine Rasse verwendet. Die zu vergährende milchsänrehaltige Würze wird mit dieser Hefe beschickt und es tritt eine starke Alkohol- gährung ein, welche bis zu 18 Vol. % Alkohol bildet. Gleichzeitig entwickeln sich dabei die eigenthünilichen, jenen Trauben, bezw. den daraus gewonnenen Weinen charakteristischen Riech- und Geschmackstofife. Dieselben sind zunächst noch von dem Malzgeschmack und Geruch überdeckt. Dieses Produkt ähnelt dem Jungwein des Traubensaftes. 4. Der specifische Malzgeschmack und Geruch wird durch den Sauerstolf der Luft dadurch entfernt, dass dieser .,Jung Malzwein" entgegen dem bei der Nach- gährung des Lagerbieres einzuschlagenden Verfahren — das Bier muss bekanntlich bei möglichstem Luftabschluss und 'J'emperaturen von 0—2" C gehalten werden — • bei einer Temperatur von ca. 50" C mit einem stetig er- neuerten Luftstrom einige Wochen lang beschickt wird. Es entwickelt sich dann aus den alkoholischen und den nocli nicht genau untersuchten aromatisclien Bestand- theilcn des Malzes jenes eigenthümlichc Aroma und jener specifische Weingeschmack, welcher sich indess l'Ur eine geübte Zunge von den echten Weinen doch unterscheiden lässt. Der Malton-Wcin hat damit die wesentlichen Stufen seiner Herstellung durcldaufen er der weiteren Nachreifung überlassen. Die Malton-Weine sind nach Ewald für die Ver- wendung bei Kranken und Reconvalescenten besonders geeignet und haben vor den üblichen Medicinalwcincn nicht zu unterschätzende Vorzüge. auf Fässer gefüllt wird Einmal stehen sie denselben im Alkoholgehalt nicht nach. Sie haben aber vor den südlichen Weinen, welche bekanntlich alle einen sehr erheblichen Zusatz von Sprit und damit Fusel, d. h. Amylalkohol, Propyl- und Isobu- tylalkohol nebst anderen giftigen alkaloidähnlichen Körpern haben, den ausserordenthciien Vorzug, dass ihr Alkohol wesentlich Aethyl-Alk ohol ist, wie er durch die reine Maltose- und Saccharose-Gährung erzeugt wird. Derselbe ist fast ganz frei von den giftigen Basen, welche sich bei der Gährung mit den gewöhnlich be- nutzten Industriehefen bei dem gewöhnlichen Brennerei- betrieb bilden. Ein weiterer Vorzug besteht darin, dass gleichzeitig mit den in dem Malton-Wein enthaltenen alkoholähn- lichen resp. ätherähnlicheu Stoffen, welche demselben den belebenden und anregenden Charakter des Weines im Gegensatz zum Bier verleihen, diesem Malzproduct der hohe Malzextractgehalt, der Gehalt an Albumosen und ferner an phosphorsauren Salzen eigen ist. Hierdurch hat der Malton-Wein anderen Weinen gegenüber einen entschiedenen Nährwerth, welcher selbst über die vergohrenen Malzextracte weit hinausgeht, gar nicht zu reden von den Kunstweinen und Weinliqueuren. Wir haben somit in erster Linie für Kranke und Reconvalescenten ein Getränk, welches durch seinen Malzextractgehalt in Verbindung mit seinem hohen Gehalt an reinem Alkohol und durch seinen angenehmen Geschmack berufen ist, eine wichtige Rolle in der Krankenpflege resp. — Ernährung zu spielen. M. Einen Bieiieiistaat mit zwei Königinnen hat auf der Wiener Naturforscherversammlung (s. Verhandlungen, 2. Th., 1. H., 1895, S. 147) C. Claus geschildert. Beide Weibchen lebten friedlich bei einander. Die anatomische Untersuchung ergab, dass beide befruchtet waren und also wohl auch Eier gelegt hatten. Damit in Ueberein- stimmung stand, dass dieser Stock, der im Mai von nur einem Schwärm besetzt worden war, ungewöhnlich rasch an Bevölkerung zugenommen hatte. Beide Königinnen zeigten im Leben an den Gliedmaassen Verletzungen, wold ein Ueberbleibsel von Anfangs stattgefundenen Kämpfen, deren tötliches Ende für eine der beiden Nebenbuhlerinnen durch das Volk gehindert sein mochte. C. Mff. lieber das Sturmwarimngswesen an der deutschen Küste und Vorscliläge zur Verbesserung desselben hielt der Abtheilungsvorstand der deutschen Seewarte in Ham- burg, Professor Dr. van Bebber, auf der Naturforscher- Versammlung zu Lübeck im Seitteniber 1895 einen Vortrag, dem wir folgende Stellen entnehmen. — Die in den letzten Decennien erzielten Errungenschaften der wissenschaft- lichen Wetterprognose sind gegenüber dem vorhergehenden seldeppenden Gang der Wissenschaft und der eminenten Bedeutung der Wettervorhersage immerhin sehr hoch anzu- schlagen. Denn das meteorologische Arbeitsfeld, welches seit dem grauesten Alterthum von Unkraut ganz über- wuchert war, ist zum grössten Theil von demselben ge- säubert, und nur hier und dort treibt manchmal noch der alte Aberglaube seine wunderlichen Auswüchse; dann aber sind die scheinbar verworrenen atmosphärischen Vorgänge in ein übersiclitliehes System eingeordnet worden, so dass Gruppen tyjjiseher Witterungserscheinungen aufgestellt werden konnten, auf deren Grundlage man eine ent- wiekelungsfähigc Wettervorhersage aufzubauen vermochte. In allen Ländern, in welchen Wettertelegraphie, ver- bunden mit Wetterprognosen, staatlich eingerichtet wurde, sei es zum Zwecke der Sturmwarnungen, sei es zum XI. Nr. 6. Naturwissenschaftliche Wiiciiensehnn. 69 Nutzen der Laudwirthscbaft, hat man die Erfahrung- ge- macht, dass zuerst eine fast aligemeine Begeisterung für diese Einrichtungen herrsclite, dass aber diese nach und nach im Allgemeinen einer Enttäuschung l'latz machte und dass die Wettervorhersagen theils über- trieben günstig und theils ebenso übertrieben ungünstig vom Pulilikum beurtheilt werden; nur selten liegen die ürtbeile in der Mitte und sind den thatsächlichen Ver- hältnissen entsiircchend. Diese Thatsache ist keines- wegs auffallend, da es mit ausserordentlichen, ja fast unüberwindlichen Schwierigkeiten verknüpft ist, eine klare Uebersicht über die Erfolge der Wettervorhersage in den einzelnen Staaten zu gewinnen. Der beste und jetzt einzig entscheidende Maass- stab für die Wirksamkeit der Wettervorhersage ist das Urtheil desjenigen Publikums, welches an den Wettervor- hersagen an meisten Interesse hat. Was zunächst die Stel- lung der Landwirthe zu der Wettervorhersage betrifft, so gehen die Urtheile hier weit auseinander, einerseits begegnen wir hier einem ausgesprochenen ( »ptimismus, andererseits einem nicht minder ausgesprochenen Skepticismus, so dass sich beide die Waage halten, aber das Urtheil ist dort am gerechtesten und auch am günstigsten, wo das Abhängigkeit vom die Verständniss am grössten und Wetter am meisten obwaltet. Bezüglich der Sturm- warnungen liegen eine grosse Menge von Urtheilen aus dem betheiligten und gebildeteren Publikum in den Ver- einigten Staaten, in England und Deutschland vor; sie alle stimmen darin übereiu, dass die Küstenbevölkeruug das Sturmwarnungswesen trotz der zeitweiligen Miss- erfolge als eine segensreiche Einrichtung ansieht. Doch sind, um diese zu fördern, noch manche Wünsche zu er- füllen. Während in den Vereinigten Staaten das wetter- telegraphische System in musterhafter Weise organisirt ist, bedarf die Wettertelegraphie in Em-opa noch sehr gründlicher und einschneidender Reformen, deren dringendste, insbesondere mit Rücksicht auf das Sturm- warnungswesen, ich hier kurz angeben will.*) Die Durchführung der folgenden sechs Vorschläge dürfte geeignet sein, das Sturmwarnungswesen an unserer Küste in hervorragender Weise zu fhischen Verbindungen der Azoren und Bermuden mit dem Festlande sind durchgeführt worden. ad 2. Eine Iteträchtliche Beschleunigung der Depeschen wäre zu erzielen durch Einführung des Circuit-Systems, welches sich in den Vereinigten Staaten vollkommen be- währt hat. Zu diesem Zweck müssten die telegraphischen Leitungen der meteorologischen Stationen und Central- anstalten kurz nach der t>eobachtung direct in \'er- bindung gesetzt werden und die Abgabe der Telegramme in ununterbrochener im Voraus bestimmter Reihenfolge geschehen. Bei zweckmässiger Einrichtung könnte man schon in höchstens IVa Stunden nach der Beobachtung im Vollbesitze des ganzen wettertelegraphischen Materials aus Europa sein, während jetzt erst vier bis fünf Stunden nacli der Beobachtung die Hatentelegramme und Wetter- berichte zur Versendung gelangen und auch die auf dem wettertelegraphischen Material begründeten Sturm- warnungen eine sehr erhebliche Verspätung erleiden. ad 3. Es kommt noch sehr häufig vor, dass die Küste von Stürmen überrascht wird, welche von der Gentralstelle nicht rechtzeitig vorher signalisirt werden können. Sehr wirkungsvoll würde die von Buys-Ballot zuerst vor- geschlagene Einrichtung der .,Telemeteorographie" diesem Slangcl abhelfen, welche darauf hinzielt, eine ständige directe telegraphiscbe Verbindung zwischen den Central- stelleu unter sich, beziehungsweise zwischen den Central- stellen und den ßeobaehtungsstationen herzustellen, um im Stande zu sein, sich jeder Zeit über die auswärtigen Witterungsverhältnisse zu informiren. Zu diesem Zweck sollten Specialdrähte die Registrirungen der meteoro- logischen Elemente, insbesondere des Luftdruckes und des Windes, auf die Centralaustalten ununterbrochen über- tragen. Eine solche ständige Registrirung wurde that- sächlich in den Niederlanden und Belgien, sowie zwischen Brüssel und Paris hergestellt, und so die Durch- führbarkeit dieser Idee ausser Frage gestellt. Durch eine solche Einrichtung wäre man im Stande, in jedem beliebigen Augenblick sowohl bei Tag als auch bei Nacht die Witterungsänderungen und, worauf es bei Sturmwarnungen und Wettervorhersagen überhaupt be- sonders ankommt, die Aenderungstendenz des Wetters un- unterbrochen zu verfolgen. ad 4. Der Küstenbevölkerung ist es von grösster Wichtigkeit, zu wissen, wie die Windverhältnisse in der nächsten Umgebung beschaffen sind, um hiernach ihre Dispositionen für ihre Unternehnnmgen zu treffen. Eine solche Information kann ganz einfach in der Weise be- werkstelligt werden, dass ein Depeschenaustausch zwischen den einzelnen benachbarten Signalstellen stattfindet, und Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. G zwar regehuässig zu bestiuimteu Tagesstundan und bei besonderen Gelegenheiten, etwa bei stark auffrischenden Winden oder bei Eintritt steifer oder stürmischer Winde, bei Aenderung der Richtung und des Charakters der Winde u. dgl. Im letzteren Falle würden Flaggensignale am Platze sein. Dahin zielende Einrichtungen sind bereits an einigen deutschen Küstenorten getroffen und haben .sich im grossen Ganzen gut bewährt, indessen würden dieselben durch Hinzufügen eines zweiten Wettertelegrammes am Nach- mittage event. noch eines dritten in den Abendstunden und durch gelegentliche Mittheiluugen gefahrdrohender Windverhältnisse in ihrer Wirksamkeit sehr erheblich ge- steigert werden können. ad 5. Ein weiteres, sehr wichtiges Moment für die grössere Wirksamkeit der Sturmwarnungen und der Wetter- vorhersaguugen überhaupt wäre ein besseres Verstäudniss der Grundlehren der praktischen Witterungskuude beim grösseren Publikum. Die wenigen allgemeinen Grund- sätze, welche aus mehrjährigen Erfahrungen gesammelt wurden, haben für die Wettervorhersage eine so ausser- ordentlich grosse Tragweite gehabt, dass sie eine voll- ständige Umwandlung in den meteorologischen An- schauungen hervorriefen; icli meine hier das barische Windgesetz und seine weitere Anwendung auf Wind und Wetter, das Verhalten und die Fortpflanzung der barometri- schen Minima und Maxima, ihren Einfluss auf den all- gemeinen Witterungscharakter, alles dieses ist für das grosse Publikum nicht allein von grossem Interesse, sondern auch von hoher praktischer Bedeutung.*) Ein besseres Verstäudniss der so ungemein wichtigen Grundlagen der praktischen Witterungskuude beim grossen Publikum wird am leichtesten und vollständigsten durch die täglichen Wetterkarten angebahnt, welche die je- weiligen Witterungszustände und ihren continuirlichen Verlauf in übersichthcher Weise veranschaulichen. Leider beschränkt sich die Verbreitung der Wetterkarten nur auf ein verhältnissniässig kleines Publikum, und dann gelangen jene erst mit mehr oder weniger grosser Verspätung zu Händen der Interessenten, so dass hierdurch der jiraktische Wertli derselben doch sehr vermindert wird. ad 6. Es lassen sich gewisse typische Wetterlagen unterscheiden, welche mit geringen Modificatiouen häufig wiederkehren und welche ganz bestimmte Witterungs- charaktere darstellen, so dass es möglich ist, alle Wetter- karten nach bestimmten Gesichtspunkten in ein festes System einzuordnen, wobei auch die Umwandlung der einen Wetterlage in die andere berücksichtigt wird. Eine solche systematische Sammlung von Wetterkarten (Wetter- atlas) würde für den praktischen Gebrauch von grossem Nutzen sein können; mau braucht nur für die jeweilige Wetterkarte die analoge im Atlas aufzusuchen, hiermit die vorhergehende und nachfolgende zu vergleichen und man erhält dann sofort Anhaltspunkte für die ßeurtheilung des demnächst zu erwartenden Wetters. Nach und nach würde man im Gebrauche eines solchen Atlanten sich eine solche Uebung in der Beur- theilung des Witterungsverlaufes verschaffen, dass die Anwendung auf die Wettervorhersage, insbesondere aber auf das Sturniwarnuugswesen mit Erfolg gemacht werden könnte. Der Wctteratlas würde nach der Erfahrung des Vortragenden zunächst etwa .^00 l)is 600 Karten (mit einer Koihe von Nebenkarten) enthalten und schon beim ersten Erscheinen ziemlich vollständig sein. Im Laufe der Zeit würden sich hier und dort Ergänzungen oder *) Ein zu dii;sem Zwecke geschriobene.s Buch ist die ,; Wetter- vorhersage" von van Bebber, bei Enke, Stuttgart. Abänderungen als wüuschenswerth erweisen, und diese könnten ja leicht nachgeliefert werden. Das sind die Vorschläge, deren Durchführung sicherlich geeignet sein dürfte, die Wirksamkeit der Wettervorhersage, insbesondere aber des Sturmwarnungs- wesens, in hohem Grade zu heben, und bei zweck- mässiger Durchführung derselben wird das Sturm- warnungswesen und die Wettervorhersage über- haupt in ein neues Stadium treten. (x.) Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ercannt wurden: Die Doeenten an der tliii-rärztlichi-n Hoch- seliule zu Berlin Wilhelm Eber und Dr. Pet^'r zvi Professoren; der zweite Docent für Forstwissenschaft an der Forstakadeniie Tharandt Oberförster Gross zum Professor; an der Univoraitäts- bibliothek zu Wien die Amanuensen Dr. Weiss und Dr. Ritter von Gricnber^er zu Scriptoren, die Praktikanten Dr. Bürge r und Dr. Bohatta zu Amanuensen; Kustos Dr. Haas an der Universitätsbibliothek zu Wien zum Universitätsbibliothekar in Graz. Berufen wurde: Der ausserordentliche Professor der Anatomie in Wien Dr. Hoch stetter als ordentlicher Professor und Director der anatomischen Universitätsklinik nach Innsbruck Es starben: Der ehemalige Professor der Augenheikunde in Grrifswald Geh. Medicinalrath Dr. Rudolf Schirmer; der Docent für mathematische Theorie der Ton.-iystemi> an der tech- nischen Hochschule zu Wien Sevcik; der um Ethnographie und Botanik verdiente Dr. Alexander Schadenberg in Manila. Der XVII. Congress für Balneologie tagt in Berlin vom 5.— 10. März. — - Näheres bei Herrn Dr. Brock, Berlin SO., Melchiorstrasse lö. Der Psychologische Verein zu Berlin versendet seinen zweiten Jahresbericht, aus dem wir gern Folgendes mit- theilen. Vom 17. September 1891 bis 17. Juli 189.5 wurden 17 Vorträge und 10 Referate gehalten, deren Themata den verschiedensten Gebieten der Psychologie (Individual- und Social-Psychologie, physiologische und experimentelle Psycho- logie, Aesthetik, Päedagogik, Psychopathologie etc.) entnommen waren. Neben den Fachleuten zählt der Verein zu seinen Mit- gliedern auch Angehörige anderer wissenschaftlicher Disciplinen, namentlich Aerzte und Lehrer. Die V^ereinsbibliothek besteht aus mehreren hundert Bänden. Auch die Veröffentlichung psy- chologischer Arbeiten lässt sich der Verein angelegen sein. Unterzeichnet ist der Jahresbericht von dem Vorsitzenden Dr. A. W reschner, Mnhrenstr., den Schriftführern Dr. W. Stern, Berlin, Kirchstr. 2.5 und Privatdocent Dr. M. Dessoir, den Biblio- thekaren Dr. E. Zermolo und prakt. Arzt Dr. Th. Fla tau. L i 1 1 e r a t u r. Stadtschulin.spector Dr. Paul von Gizycki, Vom Baume der Erkenntniss. Fragmente zur Ethik und Psychologie aus dir Weltlitteratur. Berlin, Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, 1896. X, 829 S. — Preis 7,50 Jlk., geb. 10 Mk. In dieser Zusammenstellung, die, soweit nicht die Verfasser der ausgewählten Abschnitte deutsch schrieben, sämmtliche auf- geführte Stellen in z. Th. vom Verfasser herrührejpder deutscher Uebertragung enthält, wird der Leser, wie Verfasser im Vorwort sagt „Menschen aller Zeiten und Culturstufen und Repräsentanten der wichtigsten Länder und Nationen ihre Vorstellungen von Glück und Tugend, von Werth und Ziel des Lebens aus- sprechen, er wird sie theils im triumphirenden Tone gläubiger Gewissheit, theils mit von Zweifel und Resignation gedämpfter Stimme die grossen Fragen , l-arben. — Journal für reine und angewandte Mathematik. - (Forts, u. Schluss.) — Reiscultur in Japan. — Malton-Weiu. — ungswesen an der deutschen Küste und \'orschläge zur Verbesse- Lllteratur: Dr. Paul von Gizycki, Vom Baume der Erkenntniss. — I !-ein Leben. — Dr. B. Malter. Die Oberflächen- otler Schiller — Boletin de la Comision geologica de Mexico. IZ Naiui- wissenschaftliche Wochenschrift XI. Nr. 6. In dem unterzeichneten Verlage ist erschienen lairl durch jede Buchhandlung zu bczieht-Mi: Physikalische Prinzipien der Naturlehre. Villi Aiiri'l Aiidci-ssuliii. Inhalt: Vorwort. Erster Teil. Die Mechanik der kosmischen Erscheinungen: I. Allgemeine Grundbegriffe. II. Die Massen des .Makro- kosmos. III. Die Bewegungsursadie im Weltall, das Gesetz ihrer Wirkungsweise und die Ursache der Gravitation. IV. Die Bewegungen im Weltall. 1. Die Be- wegungen im AUgeineiiien. 2. Die Bewegungen des Aethers. % Die Bewegungen der Himmelsköryier. V. Die übrigen kosmischen Erscheinungen. Zweiter Teil: Die Mechanik der te rrestrischen Erschein ungen. I.Einleitung. II. Die Schwere der irdischen Kürper. III. Die Wärme. IV. Die Kohäsion und die Aggre- gatszustünde V. Die Krystallisation. VI. Die sogenannte Saugkraft, die Flächen- anziehung uid die Kapilkirerscheinungen. Vll. Die Diffusion. VIII. Die Licht- erscheinungen. IX. Der Magnetismus. X. Die Elektrizität. XI. Der Elektro- magnetismus. Schluss. 9«- Preis .llk. l.GO. -«g Die Anderssohn'sche Drucktheorie und ihre Bedeutung für die einheitliche Erklärung der physischen Erscheinungen. Von !Prof. IDr. <3rusta.-w HoffmanrL. I'i-eis Mk. I.— . Halli- a. S. G. Schwetschkft'scher Verlag. PATENTBUREAU Ölrich I^. JVlacrz Berlin NW., Luisenstr. 22. Patent-, Marken- u. Musterschutz für alle Länder. Schmetterlings-Eier und Pnppen aller Arten, z. B. auch Ocellata, P.ivonia etc. sucht zu kaufen und wünscht darüber Angebote, ev. zu s])iltereni Tausehverkehr A. Henek, cand. theol. Greven bei Lübz in Mecklenburg. BPROSPECT GRATIS r.r ERFIHDER |ARPADBAUER.JNGBERLIW,W.3tSlrfüii.i.itSt3ei I Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan Berlin N.. Tegelerstr. 15. I Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12, ZImmerstr. 94. Ueber Tundren und Steppen der Jetzt- uiul Vorzeit mit besonderer BeriR'k>;ieliti_i;iini;- ilirer Fauna. 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CU.\QÜE NUMERO I»E L.\ REVUE CONTIENT: 1" Plusieurs articles de fond: 2" des analyses et comptes rendus des nouveaux ouvrages philosophiques franc,-ais et etrangers; o" un coinpte rendu aussi complet que possible des puhlicattons periodigues de \'t;tTaageT pour tout ce (|ui ooncorne la philosopbie; 4" des notps, docuineuts, obser- vatioiis, pouvaiit servir de tnateriau.\ ou donner lieu ä des vues nouvelles. Prix d'abonnemeiit: Un an, pour Paris, 30 fr. — Pour les departeraents et l'etranger. 3d fr. La livraison 3 fr. Les annees ecoulees se vendent separi'ment 30 fraiios, et par livraisons de 3 francs. Table generale des malleres contenues dans les 12 primieres annees (1876— 18S7), par M. KELUGOÜ, 1 vol. in-8 3 fr. Oll s'aboiiiie saus frais: Chez FELIX .\LCAN, editeiir. i(.)>. Iioulevard Saint-Germain, ä Paris: chez tous les libraires de la France et de letrauger, et dans tous les bureau.x de poste de France et de l'Union postale. Dr. Robert Muencke »♦♦♦♦ ♦ Luisenstr. 58. BERLIN NW. 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Der Vierteljahrspreis ist M 4.— BringeKeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4S27. 1[- Inserate : Die viergespaltene PetitzeUe 40 ^. Grössere Aufträge ent- der veränderliche Winkel FOE ist. Bewegt sich nun der pendelnde Punkt von A über E nach -ß, so be- schreibt der Punkt H die Peripherie des um L> mit r beschriebenen Kreises. Daher ist die gesuchte Schwingungszeit Quadrat von 1 — tt ist, so muss sein: 1 1 / 1 ^ 1 — — Nun ist 1 X 1 + 41 1 ^' 16 Z' welchen Bruch wir verkleinern, wenn wir im Nenner ;/ addiren. Also ist um so mehr: 8. t = 1/4 -2 HH, 2r cos Hieraus erhält man eine untere bezw. obere Grenze für t, wenn man für iy den kleinsten Werth 0 bezw. den grössten Werth « einsetzt. Da nun ^HH, 2rn Zj 2r 2r ist, so erhält man • 9. "1 l 9 Tt — <:t< l/}[2^ ^HH,.x-\ 2-i 2)- -4/ I n]l cos Hiermit ist nicht nur die gewöhnliche Pendelformel elementar bewiesen, sondern es ist auch erkannt, dass die wahre Schwingungszeit grösser ist als die aus der gewöhnlichen Pendelformel folgende Zeit, aber kleiner als die Zeit, die man erhält, wenn mau diese Zeit durch cos -ö" dividirt, wo den vierten Tlieil des ganzen Schwingungswinkels bedeutet. Um aus unserer Betrachtung eine noch bessere untere Grenze als nV — ist, abzuleiten, gehen wir von dem auf der rechten Seite der Formel 6. stehenden Factor 1 /- X 21 aus, wobei wir voraussetzen dürfen, dass 0 <:x •<:2l ist. Addiren wir zu dem Radikanden den positiven Bruch Nun ist aber nach dem Satze von den sta- tischen Momenten be- züglich der Tangente L im Punkte E 12. IHHi-x==2rn-r = 2r-^ir, ff 11 während, wie schon oben benutzt ist, ^ .^ .^= ^ '^t- Setzt man diese Resultate in 11. ein, so erhält man: oder 13. i> n n+ m 47 1 + 4/ l — l cosa Hieraus folgt, da r^^' — ''^"" " ^l • sin^ -^ ist, 14. ^^-l/yfl + lsin-^], also überhaupt 15. ^l/iri+4-sin2 4l<;<de, sind sie in den entlegensten aussereuropäiscben Ländern die Vorläufer europäischer Entwickelung ge- wesen, nicht, wie die Spanier und Portugiesen, mit Waffen- gerassel und blutigen Eroberungszügen, sondern, soweit es irgend anging, in friedfertiger Weise und mit diplo- matischer Hedaehtsamkeit Sclu'itt für Schritt iin'e Herr- schaft ausdehnend. In der That ist es bewundernswerth, wie ein so kleines Volk mit verhältnissmässig geringem Kraftaufwande seine Herrschaft über ein so umfang- reiclies Gebiet, wie z. B. das malaiische Inselmeer, aus- zubreiten und zu befestigen verstand, und es verdient dabei besondere Anerkennung, dass die Holländer seit dem Zeitalter der Entdeckungsreisen bis in unser Jahr- liundert neben den materiellen Handelsinteressen auch der wissenschaftlichen Erforschung ihrer Aussenbesitzungen ein lebhaftes Interesse entgegenbrachten. Was in dieser Be- ziehung durch Holländer auf dem Gebiete der Pflanzen- kunde geschehen ist, sagen Namen, wie die eines van Rheedc tot Draakestein, Rumphius, Burmann, Korthals, Teijsmann, Miquel de Vriese, Seheffer, Treub, Burck und Boerlage. In der Geschichte der Erforschung des malaiischen Inselmeeres, das als verniuthliehe Wiege der heutigen Pflanzen- und Tliierwelt und des Menschengeschlechtes das Interesse der Naturforscher in letzter Zeit in be- sonders hohem Maasse auf sich gelenkt hat, ist das jüngste' Glied der laugen Kette von Forschungsreisen die liolläiulische Borneo-Expedition der Jahre 1893 und 189-1, die den Gegenstand der folgenden Zeilen bilden soll. Das Verdienst, die erste Anregung zur wissenschaft- lichen Erforschung Mittelborneos gegeben zu haben, ge- bührt Herrn S. W. Tromp, dem Residenten von Borueos Westabtheilung. Bereits im Jahre 1890 lenkte derselbe in einem vor der königl. erdkundigen Gesellschaft zu Amsterdam gehaltenen Vortrag die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer auf diesen noch fast uniiekannten Theil Nieder- ländisch Indiens. Vom Residenten mit grossem Eifer ver- treten und weiter ausgebaut, fand der Plan einer Ex- jiedition nach Mittelborneo bald Anklang bei der im Jahre 1887 auf Veranlassung des Dr. Treub gegründeten Connnission zur Beförderung der naturwissenschaftliehen Erforschung der niederländischen Aussenbesitzungen, die_ theils in Holland, theils in niederhindiscli Indien ihren' Sitz hat und sich zur Aufgabe gestellt hat, alle auf die Erforschung der niederländischen Aussenbesitzungen ge- richteten Bestrebungen durch den Rath von Sach- verständigen, durch Anweisung von geeigneten Persönlich- keiten, von Hilfsmitteln, Untersuchungsmetlioden u. s. w. zu fördern und in richtige Bahnen zu leiten. Durch Ver- inittelung der mit dieser Connnission in engem Verband stehenden, im Jahre 1889 in Holland gegründeten gleich- namigen Gesellschaft, welche die gleichen Ziele verfolgt. sich aber ausserdem auch mit dem Zusammenbringen der Geldmittel befasst, wurden nun die zur .Vusführung des Planes erforderlichen Mittel beseliaflft, wozu auch die holländische und indische Regierung und insbesondere aucii I. I. M. M. die Königin und Königin-Regentin einen sehr ansehnlichen Betrag beisteuerten. Im Jahre 1893 waren endlich durch das Zusammen- wirken der Gesellschaft und der Commission die Vor- bereitungen so weit gefördert, dass zur Verwirklichung des Planes geschritten werden konnte, und durch Ver- niittelung des Dr. Treub wurde dem Schreiber dieses der ehrenvolle Auftrag zu Theil, in seiner Eigenschaft eines Assistenten am Jluseum und Herbarium des Botanischen Gartens zu Buitenzorg als Botaniker an der Expedition tlieilzunehmen. Die übrigen Tlieilnehmer waren der Controleur van Velthuijzen, der wegen seiner durch lang- jährigen Aufenthalt im Gebiet des oberen Kapsas er- worbenen gründlichen Vertrautheit mit Land und Leuten besonders dazu geeignet war, die persönliche Leitung der Durchquerung Borneos, welche den Schluss des Unter- nehmens bilden sollte, zu übernehmen; der durch geo- logische Untersuchungen in Westindien und Transvaal bereits bewährte Professor A. Molengraaff aus Amster- dam; der durch seine mehrjährigen und in einem an- ziehenden zweibändigen Werke geschilderten Reisen in Liberia bekannte Zoologe J. BUttikofer aus Leiden und Dr, A. Nieuw'enhuis, dem die Aufgabe des ärztlichen Beistandes zufiel, der aber, da ihm hierzu glücklicher Weise der Gesundheitszustand der Expeditionsmitglieder nicht allzuviel Gelegenheit bot, ausserdem sich durch das Studium der unter den Inländern vorkommenden Krank- heiten, durch Sammlungen und Beobachtungen aufethno- graj)hischem Gebiet und durch Bereicherung der zoologi- schen Sammlungen des Herrn Büttikofer verdient machte. Der Resident aber, dem als dem Schöpfer des Unter- nehmens auch schon bei dessen Vorbereitung ein grosses Verdienst gebührt, übernahm nun auch die Organisation und Oberleitung desselben, und mit Bezug auf die vor- treffliche Art und Weise, in welcher er dies durchgeführt hat, sagt Professor Hubrecht sehr richtig, dass ein sehr wesentlicher Unterschied besteht zwischen der Borneo- Expedition und anderen derartigen Unternehmungen, die in europäischen Studirzimmern und Bureaus ausgedacht und entworfen wurden. Zumal für Fachgenossen, die das Glück haben, an ähnlichen Unternehmungen theilnehmen zu können, kann nicht genug hervorgehoben werden, dass es ein überaus glücklicher Gedanke des Residenten war, die Expedition nicht nach dem Vorbilde so vieler ähnlicher moderner Unternehmungen zu einem unaufhaltsam vorwärts- dringenden Abenteurerzug zu gestalten, auf welchem den Bedürfnissen der Vertreter verschiedenartiger Wissens- zweige nicht Rechnung getragen und keine Gelegenheit zu gründlicher Forschung gegeben werden kann, sondern die einzelnen Tlieilnehmer von einander möglichst unabhänR-ig zu niaclien und bei Vermeidung eines unnöthigen durch allzu häufigen Ortswechsel verursachten Zeitverlustes durch längeren Aufenthalt in Stationen dem Zoologen und Botaniker, die der Stetigkeit in besonders hohem Maasse beSampan (Einbaum) in den schmalen, von einem dichten Laubdach überwölbten Bach hinein. Schon sehr bald wurde ich jedoch durch hineingestürzte Baumstämme an der Weiterfahrt gehindert und sah mich genöthigt, an Land zu gehen. Hier umfing mich ein schattiger Sumpfwald, dessen weit über den Boden hinkriechende Wurzein ein weitmaschiges Netzwerk bildeten, in dessen Maschen sich das Wasser in tiefen schlammigen Pfützen angesammelt hatte. Um nicht in den Schlannn einzu- sinken, versuchte ich auf dickeren Wurzeln und auf den kleinen die Baumstämme umgebenden Humushügeln die vSum|d'lachen zu umgehen; bei der Ungewohnheit des Terrains und meiner schwerfälligen Soldatenschuhe und Militärgamaschen gelang mir das jedoch nur sehr unvoll- kommen, und meine malaischen Begleiter, die natürlich ndt ihren nackten Füssen überall bequem auf den Baum- wurzeln entlang und mitten durch die Schlammpftttzen hindurch gehen konnten, mögen sich wohl nur schwer des Lachens über diese meine ersten Versuche im tropischen Urwalde haben erwehren krmnen. Da die Kronen der Bäume zu dicht in einander gedrängt und zu hoch waren, um daran ßlüthen und Früchte erkennen zu können, war die botanische Ausbeute diesmal noch nicht sehr reichhaltig, und ich kehrte daher bald wieder zum Schirt" zurück. Mit mehr Erfolg fuhr ich an diesem und den zwei folgenden Tagen oberhalb Srika-Lanting noch in zwei andere Seitenflüsschen hinein, um den angren- zenden Wald und einige verwilderte Ladangs (trockene Felder im Gegensatz zu den Sawahs, d. h. unter Wasser stehenden Reisfeldern) zu untersuchen, und fuhr schliess- lich in der Sampan noch eine lange Sti-ecke an deii Ufern des Kajxias entlang, um die mannigfaltige und leicht erreichbare Ufervegetation einzusannneln. Als ich soeben wieder im Begriffe war, am Ufer entlang dem Schiffe vorbei zu fahren, rief mir der malaische Djuragan (Steuermann) desselben zu, dass sich ein mächtiges Kro- kodil in der Nähe befände und es gefährlich sei, mit der kleinen Sampan noch weiter zu fahren. Obwohl ich nun zwar die Absicht merkte, wurde ich doch nicht ver- stimmt darüber, sondern gab, da der Abend bereits her- aufzudämmern begann, diesem Wink zur Umkehr gern Gehör. Da durch die ungeahnt reiche botanische Aus- beute das zum Einlegen der Pflanzen mitgenommene l'apier schon vollständig aufgebraucht war, so kehrte ich schon einen Tag frülier als eigentlich nöthig gewesen wäre, mit einer eriieblichen Zahl zum Theil noch nicht eingelegter Pflanzen am Abend des 21). IX. nach Pontianak zurück. Da die häufigen Regengüsse und die grosse Feuchtig- keit der Luft es in Borneo zur Unmöglichkeit machen, in grossem Massstabe Pflanzen an der Sonne zu trocknen, so machte das Anlegen des Ilerbars im Beginn grosse Schwierigkeiten. Ueber der Maschine des Karimata bot sich nun zwar eine vorzügliche Gelegenheit, unterwegs einen Theil der eingesammelten Pflanzen schnell und gut trocken zu bekommen, doch verdarb nachher noch manches, bevor der Ausweg gefunden war, der am besten ül)er die Schwierigkeiten hinweghalf. Für die nächste Zeit stellte mir Herr Resident eine Feuerstätte bei den Nebenge- bäuden des Residenzhauses zur Verfügung, in welcher die Pflanzen auf einem hölzernen Rost über einem mit Holz- kohlen unterhaltenen Feuer getrocknet wurden; später aber, als ich meine Stationen im Binnenlande in Dajaken- häusern oder in der Wildniss aufschlug, war es stets mein erstes, einen derartigen Rost aus Stangenholz errichten und zum Schutz gegen den Regen mit einem Dach von Kadjang (Matten aus Palm- oder Pandanusblättern) über- decken zu lassen. Auf ihm wurden die Pflanzen, nach- dem sie vorher zu dünnen Packeten zwischen je zwei mit Bindfaden oder Rottan zusammengeschnürte Band)u- rahmen eingeschnürt worden waren, ausgebreitet, und darunter wurde von früh bis abends mit Baumstämmen, die von vier mich stets begleitenden Dajaken alltäglich gefällt werden mussten, ein massiges Feuer unterhalten. Am 2. X. Morgens ^/.ß Uhr begleitete ich Herrn Residenten auf dem Regierungsdampfer „Singkawang" nach dem Orte gleichen Namens an der Westküste nlird- lich von Pontianak. Am Morgen des 3. X. erreichten wir die Rhede von Singkawang, wo Herr Resident sich an Land begab, um auf drei Tage nach Monträdo zu gehen. Bis zu seiner Rückkehr stellte mir Herr Resident (len Regierungsdampfer zur Verfügung. Nachdem ich also die Ufer des Singkfiwangflusses bis zum Orte gleichen Namens hinauf flüchtig untersucht hatte, begab ich mich nach der nahen Insel Lombok Utan, vor der wir drei Tage vor Anker lagen. Alle der Westküste Borneos zwischen dem Kapvfas und dem Sanüjas voi-gelagerten Inseln sind niedrige, sich unmittelbar aus dem Meere er- hebende Hügel bis zu ungefähr 300 m Meereshöhe. Fast alle sind sciion über und über dicht mit Cocospalmen bepflanzt und nur auf Pulouw Temädjuh, auf der sich Teijsmann*) vor 20 Jahren ."i Stunden aufgeiialten hat, sowie auf P. Raudajan, der kleinen P. Selüar und zumal auf P. Lond)ok Utan sind noch grössere Bestände des ur- sprüngliciien WahU'S erhalten geblieben. Die letztere, deren Längsachse von Norden nach Süden i)arallcl mit Borneos Westküste verläuft, ist in der Mitte durch eine sehmale Landenge eingeschnürt, auf der man in ungefähr zehn Minuten die Insel durcii(iucren kann. Noch am Abend des 3. X. ging ich an Land und machte, um einen vorläufigen Ucbcrl)lick zu gewinnen, einen kleinen Spaziergang über diesen Sattel hinweg nacli dem west- lichen Ufer. Schon von Anfang an hatte ich beim Pllanzen- sanmieln mein Augenmerk besonders auf Bäume und Lianen gerichtet; denn da von ihnen meist nur schwer *) I. E. Tcijsmaiiii, \'crslns ociior liotunischc n'i.< luuir de west- kiist van Boiik'o, van 3. Vll. 1874 t m. 18. 1. 187.i. — Naturk. Tijilschr. voüi- Ncdorl. liulie o5 (1875) S. 338. 78 Nat 111 wissenschaftliche Wocheiiscbntt. XI. Nr. 7. Blumen oder Früchte zu bekommen sind, und sie daher oft von den Sammlern mehr oder weniger vernachlässigt werden, so durfte ich hotten, gerade unter ihnen viel Neues und Bedeutsames zu tinden. Und hierfür ist Borneo kein ungeeignetes Gebiet, da die Dajaken den Belinng (Axt) mit kräftiger und sicherer Hand zu führen verstehen und zum grossen Theil auch ausgezeichnet klettern können. Auf dem Ausflug nach S/dia-Lanting hatte ich nun aber die Wahrnehmung gemacht, dass inmitten des Hocii- waldes meist das Laubdach zu hoch und zu dicht ist, um darin vom Waldboden aus noch Blüthen oder Früchte zu erkennen, zumal dieselben sich vorzugsweise in den dem Lichte zustrebenden Gipfeln entwickeln. Auf Lombo'< Utan wählte ich mir daher am Vin-- mittag des 4. X. als erstes Arbeitsfeld ein an einem steilen Al)hang der Insel frisch gekapptes Ladang (Feld), von dem aus ich bequem mit dem Opernglas den Wald- rand absuchen zu können hoffte. Darin hatte ich mich jedoch, wenigstens was die 15equemlichkeit anlangt, stark getäuscht. Kreuz und quer lagen in dem bereits mit Mais, Sorghum, Pisang, Bataten, spanischem Pfeifer und Thränengras hepilanzten Ladang und zumal am Wald- rande entlang noch mächtige halbverbrannte Bäume undicr und es galt nun, bald über ihre umfangreichen Stämme hinwegzukletteru, bald auf ihnen entlaug zu balanciren, bald wiederum sich durch das verkohlte Geästc der Baumkronen hindurchzuzwängen. Hohes Gras und Ge- strüpp, welches die Unebenheiten des Bodens verbarg und hie und da anch Stämme, Aeste und grosse Steine überwuchert und den Blicken entzogen hatte, vermehrte noch die Schwierigkeiten. Zudem befand sich gerade an der Grenze von Wald und Ladang, wo die Bäume am dichtesten durch einander lagen, ein tiefer Wasserriss, in welchem die herabgestürzten Stämme eine förmliclie Ver- schanzung bildeten. Mit ähnlichen Schwierigkeiten hatte ich auch auf den übrigen Ausflügen auf der Insel zu kämpfen, doch war trotzdem das Herbar wieder um 130 Nummern vermehrt, als wir am Morgen des 7. X. die Insel verliessen un(l uns nach der Rhede von Singkawang zurückbegaben. Nachdem Herr Resident wieder an Bord gekommen war, setzten wir unsere Reise bis Sambas fort, um hier mit Herrn Assistentresidenten van DeldCn, Dr. Nieuwenhuis und dem Sultan von Sambas einen Zug nach dem Niut, einem erloschenen Vulkan von über 1700 m Höhe im Quellgebiet des Sambasflusses, zu be- sprechen. Am Abend des 10. X. trafen wir wieder in Pontianak ein. Nachdem die nöthigen Vorbereitungen gctroften waren, trat ich am Nachmittag des 13. X. in Gesellschaft des Lieutenant Herold, der den photographischen Theil der Expedition übernommen hatte, und des Bergbauingenieurs Wing Evasion auf dem Regierungs(laiu])fer .,Djambi" zum zweiten Mal die Reise nach Sambas an. Am Morgen des lii. X. iuhrcn wir mit Dr. Nieuwen- huis von hieraus in vier Biedars, d. h. kleinen malai- ischen, mit Kadjang (Palmblattniatten) überdeckten Fahr- zeugen, mit gewöhnlich vier oder fünf Ruderern, in denen man nur zum Sitzen oder Liegen Kaum hat, den kleinen Sambas hinauf bis zum T'r»ssan, einem von der Natur vor- gebildeten, aber durch Menschenhände für kleine Fahr- zeuge fahrbar gemachten Verbindungskanal, dann durch diesen in den grossen Sambas und diesen sowie seinen Scitcnflnss Tanggi hinauf nach Sanggouw, woselbst wir am Nachmittag des 18. X. eintrafen." Wie Dr. Nieuwenhuis richtig vernmtliet hatte, waren die vom Sultan bestellten :')() Diijaken, welche uns be- gleiten sollten, noch iiiclit anwesend. Erst im Laufe des 19. X. fanden sie sich allmählich gruppenweise v(jn ihren verschiedenen Kampongs (Dörfern) ein. Den Eindruck, den diese Dajaken, die ersten, die ich zu sehen bekam, auf mich machten, war nicht gerade ein sehr erhebender. Kleine, hagere und zerlumpte Gestalten, waren sie zu- dem noch ungefähr zur Hälfte von einer ansteckenden Hautkrankheit (Kurap) befallen, die sich darin äussert, dass die Haut streckenweise oder auch am ganzen Körper in Form von zahllosen Flocken sich abschält. Die Kleidung der meisten bestand nur aus einem Lenden- gürtel aus Baumrinde (Artocarpus sji.) und einem nach Art des Löwenfells des Herkules über den Rücken ge- worfenen, zerschlissenen La])pcns von gleichem Stott". Nur wenige bezeugten durch das Tragen von Beinkleidern und in Fetzen zerfallenden Jacken, dass sie schon in engerem Verkehr mit Malaien stehen. Unter diesen ärm- lichen (liestalten fanden sich jedoch auch einige charak- teristische und geradezu schöne Typen. Fast durchweg aber zeichneten sie sich aus durch eine wohlausgebildete Muskulatur, einen elastischen, schwebenden, aufrechten Gang, der vielen Europäern und zumal den niederen Volks- klassen zum Muster dienen könnte, und eine fast katzen- artige Geschwindigkeit und Gelenkigkeit. Als endlich eine genügende Anzahl der Träger beisammen war, brachen Dr. Nieuwenhuis und ich am Nachmittag des 19. X 3 Uhr nach dem ungefähr drei Stunden entfernten Da- jakenkampong Dawar auf. Zunächst ging der Weg, ein äusserst bequemer Dajakenpfad, durch eine undurchdring- liche Ladangwildniss, in welcher hohe Gräsei', Farrn- kräuter und andere krautartige Pflanzen, Sträucher, Lianen und kleine niedrige Bäume in unentwirrbarem Chaos durch einander wachsen. Mitten in diesem Ge- strüpp bildet die üppige und wohlgepflegte Pfefferpflan- zung des Herrn Gijsberts mit dessen Landhaus Lendjang eine anmuthige Oase. Eine Strecke weit hinter der Pflanzung erreicht diese Wildniss ihr Ende und macht einer grossen Alang-alang-Fläche Platz, in der das Alang- alang durch die sengende Hand der Dajaken, der eben nichts anderes als diese Grasart auf die Dauer wider- stehen kann, streckenweise so rein erhalten wird, dass man sich fast in die üppigen Weizengefilde der goldenen Aue in Thüringen versetzt wähnt. Auf dieses Alang-alang folgt abwechselnd bald wieder Ladangwildniss, bald hinwiederum Wald oder noch in Anbau beflndliche La- dangs. Sowohl im Alang-alang, wie im Ladanggestrüpp begegnete ich vielfach einem alten Bekannten, nämlich dem Adlerfarren (Pteris aquilina), der hier wie auch am oberen Kapwas in grosser Menge und mit äussert üp])ig entwickelten Laubwedeln vorkommt und in Gemeinschaft mit einem andern Farrn (Gleichenia dichotoma) ein fast undurchdringliches, zuweilen maiineshohcs Gestrüpp bildet. Abgesehen davon, dass mehrmals der ziemlich breite und tiefe Tanggi und kleinere Nebenflüsse durchwatet werden mussten, war der Fusspfad bis Dawar sehr be- quem und nur die glühende Hitze war im Anfang be- sonders in dem schattenlosen Alang-alang sehr lästig. Ungefähr aul' der Mitte des Weges überraschte uns jedoch ein von Gewitter begleiteter, anhaltender Platzregen, wie er nur noch in den bekannten Regengüssen von Buiten- zorg seinesgleichen findet. Zum Schutze dagegen spannte ich einen mitgebrachten inländischen Paj(mg (Regen- schirnO sud'; als ich jedoch im Walde damit bald rechts bald links an Baumäste stiess und überhaupt wenig Wirkung von ihm verspürte, scbloss ich ihn bald wieder, um ihn während des ganzen achtmonatlichen Verbleibens in Borneo nie wieder zu öfl'ncu. Noch vor Eintritt der Dännnci'ung trafen wir ziendicb durcbnässt in Dawar ein. Dieses Kampcuig, sowie iU)crhaui)t die Kanqtongs dei- Gegend von Sanggouw, wird nicht nach der gewöhn- lichen Art der Dajakenkampongs aus einem oder wenigen grossen, langen, für eine grosse Zahl von Familien XI. Nv. Naturwissenschaftliche Wochcnsehrift. 79 Raum bicteiKlen Häusern gebildet, sondern von zahl- reichen kleineren Häusern, die alle auf Pfählen hoch iilier dem Boden stehen. Durch die unerniüdliche Thätigkeit der Schweine, denen in andern üajakenhäusern oft ein umgrenzter Platz unter dem Hause angewiesen ist, die sich hier in Dawar aber im ganzen Kampong uud dessen Umgebung allerlei Extravaganzen erlauben, ist dasselbe in einen unergründlichen Morast verwandelt. Da, wo der letztere naturgeniäss am tiefsten ist, nämlich in der Mitte des Dorfes, befindet sieh ein Haus, das zugleich als Rathhaus, Gerichtshof, Festsaal, Standesamt, Vorraths- kammer und Hotel und wohl noch zu mancherlei anderen nützlichen Zwecken dient. Es ist zwar viel kleiner als alle übrigen Häuser, steht aber auf viel höheren Pfählen, mehr als 5 m hoch über dem Boden. Man gelangt in dasselbe vermittels einer Art Hühnerleiter, welche durch einen vom Moderpfuhl aus schräg an die Thür gelehnten, in gleichen Abständen quer gekerbten, grossen Rauuistamm gebildet wird. Gleiche Leitern befinden sich an allen übrigen Häusern und überhaupt an sämmtlichen noch später von mir gesehenen Dajakenhäusern. Man unterscheidet an ihnen leicht die W^ohnungen der Dajaken, und zwar so- wohl derer, welche noch ihre Stammeseigenthümlichkeiten beibehalten haben, wie auch derer, welche durch üeber- tritt zum Islam Malaien geworden sind, von denen der echten Malaien. Der Zugang zu den letzteren besteht nämlich gemeiniglich aus einem weitmaschigen, aus Stangenholz verfertigten, schräg gegen das Haus gelehnten Gitterwerk. Es gelangt in diesen Dajakenleitern der- selbe Grundgedanke zur Anwendung, wie an den Stämmen der Cocospalmen, welche von den Sundanesen und wohl überhaupt von allen malaiischen Völkern in gewissen Ab- ständen eingekerbt werden, um iiei der Fruchternte das Hinaufklinnnen zu erleichtern. In unserem Absteigequartier angelaugt, liätten wir nun gern in unserem regendurchnässten Zustand frische Kleider zum Wechseln gehabt. Es war jedoch voraus- zusehen, dass die zurückgebliebenen Kulis mit unserem Barang (Gepäck) noch endlos lange würden auf sich warten lassen und so blieb uns denn schliesslich nichts anderes übrig, als eines unserer nassen Kleidungsstücke nach dem anderen auszuziehen und an der in der Mitte des Raumes befindlichen Feuerstätte zum Trocknen auf- zuhängen, bis wir uns schliesslich in unserer Kleidung quantitativ nicht mehr allzusehr von den Dajaken unter- schieden. Sogleich nach unserer Ankunft reichten uns die Dajaken von Dawai' Wasser in grossen Bamburohren und bald darauf bewirtheten sie uns mit Ubie (Bataten;, die durch ihren grossen Reichthum an Stärkemehl an Kartoffeln erinnern, aber einen widerlich süssen Ge- schmack besitzen. Diese freundliche Fürsorge gab uns die beruhigende Gewissheit, dass wir es hier mit sehr harm- losen Geschöpfen zu thun hatten, und so fanden wir denn, nachdem endlich unser Barang zur Stelle war, unter elf an der Wand aufgehängten, schwarz geräucherten Da- jakenscbädeln eine sehr ruhige Nachtruhe. Einige dieser Schädel waien halbirt und man sagte mir, dass dieselben früher unter zwei verschiedene Kampongs, welche ge- meinsam aufs Köpfeschnellen ausgegangen waren, ver- theilt worden seien, dass also die fehlenden Hälften in einem andern Kampong aufbewahrt würden. (Fortsetzung folgt.) Die Frage: „IJeeinfliisseii die Kieselfelder die öffentliche OesundheitJ" versucht Herr Theodor Weyl in einem in der Berliner klinischen Wochenschrift 1896, No. 1, abgedruckten Vortrag zu beantworten, aus dem das Folgende hier mitgetheilt sei. In den letzten Jahren — sagt Herr W., sind den Rieselfeldern eine Anzahl von Vorwürfen gemacht worden. Der gelindeste Vorwurf besteht darin, dass diese Anstalten einen unerträglichen Geruch verbreiten sollten. Man hat dann die Befürchtung ausgesprochen, der Boden müsste nach kurzer Verwendung als Rieselland übersättigt werden, die Folge wäre eine Versumpfung des Bodens, und schliesslich der wichtigste Vorwurf: Die Rieselfelder ständen im dringendsten Verdacht, Infectionskrankheiten zu verbreiten. Was nun zunächst den Geruch anbetrifft, so ist zu sagen, dass ein auffallender, peneti-anter Geruch sich nur selten geltend machte. Von einer englischen Parlaments- Commission wurde auch die Frage des Geruchs auf den Rieselfeldern erörtert. Damals sagte Dr. Carpenter aus, dass die Rieselfelder von Norwood in der Nähe von London einen so geringen Geruch ausathmeten, dass ein sehr beliebter, vielfach benutzter Spazierweg gerade über diese Rieselfelder führte. Es ist ferner erwiesen, dass man diesen Geruch, den man wahrnimmt, wenn man ein'RieselfekJ betritt, häufig mit Unreell tdeuRieselfeldern auf die Rechnung setzt. Das hat sich z. B. gelegentlich einer Klage gezeigt, die an den Seinepräfekten gelangte; es ergab sich, dass der vermeintliche Gei-uch chemischen Fabriken, aber nicht den Rieselfeldern entströmte. Schulen, die man auf den Rieselfeldern angelegt hatte, wurden zwar nicht durch den Geruch, aber durch die grosse Fliegenplage be- lästigt. Die Berliner in Mitten der Rieselfelder gelegenen Reconvalescenten - Anstalten haben über eine derartige Fliegenplage nicht zu klagen. Jedenfalls lässt sich wohl behaupten, dass, wenn die Rieselfelder einen Geruch aus- athmen, derselbe keineswegs stärker ist, als derjenige, den man wahrnimmt, wenn man Felder betritt, die mit frischer Latrine übergössen sind, ein Geruch, der bei- nahe so unangenehm ist, wie gewisse Gerüche, mit denen uns die organische Chemie beschenkt hat. Es soll ferner eine Versumpfung eintreten, weil die Rieselfelder nach kurzer Zeit insufficieut würden, die or- ganischen Substanzen zu mineralisiren. Die Stadt Bunzlau besitzt, wie acteumässig feststeht, seit dem Jahre 1559 eine Schwemmkanalisation und auch ein Rieselfeld. Ediuburg benutzt dasselbe Rieselfeld seit nunmehr 150 Jahren und die Erfahrungen von Danzig sowie von Berlin sprechen durchaus nicht für die Annahme, dass eine Ver- sumpfung der Rieselfelder eintreten müsse, wenn diese drainirt sind. Nun sagen aber einige Beobachter: ja, wir haben zwar nicht in Bunzlau, nicht in Ediuburg, nicht in Berlin, nicht in Danzig Versumpfung bemerkt, aber die Gefahr der Versumpfung bleibt bestehen. Auch dieser Gegenstand wurde von der englischen Parlamentscommission besprochen. Ein Referat über die damaligen Aussagen hat Corfield, der bekannteste englische Hygieniker, erstattet. Dieser kommt zu dem Resultat, welches übereinstinant mit den in Berlin und in Paris gemachten Wahrnehnnuigen, dass nur schlecht verwaltete Rieselfelder die Möglichkeit der Versumpfung darbieten, nur Rieselfelder, welche nicht zu Rieselfeldern gemacht werden sollten, weil die geoguostische Cou- tiguration des Bodens eine dem Zwecke nicht ent- sprechende ist, nur Rieselfelder, welche nicht drainirt werden. Auf derartigen Rieselanlagcu sind allerdings Krankheiten beobachfet worden. Dort ist sogar die Malaria aufgetreten, dort sind gehäufte Diarrhoen beob- achtet worden. Eine Versum])fung drainirter und gut geleiteter Rieselfelder ist bisher nicht beobachtet worden. 80 Naturwissenschaftliche Wochcnsclirift. XI. Nr. Nun zur Erörterung- der Frage, ob es berechtigt ist, die Ausbreitung gewisser Krankheiten auf das Schuldconto der Rieselfelder zu stellen. Wie fast alle wichtigen Fragen der öffentlichen Ge- sundheitspflege ist auch diese schon vor längerer Zeit in England Gegenstand ruhiger Untersuchungen gewesen. Die von der englischen Coniniission befragten Medical Officers haben niemals Beoltachtungen über Ausbreitung von Krauliheiten durch Rieselfelder machen können. Dr. Littlejohn führt sogar an, dass im Jahre 1865 und 1866, zu einer Zeit, wo die Cholera in Edinburgh und London hauste, also in Städten, welche ihre Abwässer auf die Rieselfelder schicken, die Bewohner dieser Rieselfelder von der Cholera befreit blieben. Als Paris seineu ersten Berieselungsversuch unternahm, da waren es vor allen Dingen die Villenbesitzter in der Nähe der zukünftigen Rieselfelder, welche die neue Einrichtung anschwärzten. Darauf ernannte der französische Staat eine Untersuchungscoramission, welche sehr exact gear- beitete Berichte veröffentlichte. Einer dieser Bericlitc stammt von Bertillon her und vergleicht die Sterblichkeit auf den Rieselfeldern in der Nähe von Paris mit der Sterblichkeit solcher Ari'ondissenients, die in der Nähe von Rieselfeldern liegen, in welchen aber nicht gerieselt wird. Auf dem Rieselland starben von 1000 Einwohnern au Typhus abdominalis im Mittel mehrerer Jaine 6 oder 7 Personen. Vergleicht man diese Zahl mit der Sterb- lichkeit an Typhus abdominalis in anderen Arrondisse- ments in der Nähe von Paris, in denen nicht gerieselt wird, so kommt man auf dieselbe Zahl, nämlich 7. Für die Diphtherie gilt dasselbe Resultat. Wenden wir uns nun zu der Kindcrdiarrhoe. Unter diesen Namen sind alle jene häufig schwer definirbaren Darmkrankheiten zusammengefasst. Da finden wir fol- gende Zahlen: Auf den Rieselfeldern eine Sterblichkeit von 29; in Ländereien, auf denen nicht gerieselt wird, 31 und 32. Nun, es ist kein Gewicht darauf zu legen, dass im letzteren Falle die Sterblichkeit auf den nicht berieselten Distrikten eine grössere war. Jedenfalls wäre das Umgekehrte unangenehmer gewesen. Zieht man das Gesanuntresultat aus allen Sterbefällen, die hier in Be- tracht kommen, so findet man pro 10 000: Sterblichkeit auf Rieselfeldern 260 bis 261, Sterblichkeit auf Nicht-Riesel- land 292. Der französische Beiieliterstatter spricht sich auf Grund dieser Tbatsaehen dahin aus, dass gut geleitete Rieselfelder Krankheiten weder erzeugen noch verbreiten. Im .-Vuschluss hieran noch eine interessante That- Sache, welche indirect zu Gunsten der Rieselfelder spricht. Der französische Militärarzt Valiin vergleicht nändich die Sterblichkeit französischer Garnisonen in Nordfrank- reich mit denen in Südfrankreicli. in Südfrankreich ist die Stei'l)lichkeit an Typhus abdominalis unter den fran- zösischen Garnisonon eine enorm hohe, z. B. in Marseille und in Montpellier: 56 und 57 auf 1000. Demgegenüber beträgt die Sterblichkeit unter der gleichen Anzahl von Soldaten in Nordfrankreich, nändicli in Arras und Douai 5 bis 13. Den Grund für den Unterschied in der Sterb- lichkeit uord- und südfranziisiseiier Garnisonen kennt man, wie es scheint, nicht. Valiin macht aber daraul' aufmerksam, dass in Nordfraid^reich die Latrine noch heute auf die Felder geschafft wird, wie zur Zeit der Kelten, und dass trotz dieser etwas barbarischen Art, dem Acker Dungmittel zuzuführen, keine ungünstige Ein- wirkung auf die Stcrl)liehkeit hervorgerufen wird. Fih' Danzig liegen umfangreiche Veröffentlichungen von H. Lissauer vor. Es ergiebt sich mit Sicherheit aus ihnen, dass die Sferbiiebkeit auf den Danziger Riesel- feldern zu keiner Zeit grösser war, als in der Stadt; im Gegentheil, sie ist kleiner gewesen. Recht interessant sind die folgenden Angaben der Herren Schottelius und Bäunder über die Rieselanlagen von Freiburg. Auch in Freiburg kamen auf den Rieselfeldern Typhus- fälle vor. Herr Bäumler setzt auseinander, dass, wenn die Rieselfelder überhaupt etwas mit diesen Typhusfällen zu tliun hätten, diese Ty})husfälle jedenfalls darauf zurückzuführen wären, dass die erkrankten Individuen Rieselwasser getrunken haben. Auch der preussische Militärfiskus besitzt einige kleinere Rieselfelder. Ein solches Rieselfeld existirt bei Gross-Lichterfelde, ein anderes Rieselfeld in Wahlstatt. Wie aus einem amtlichen Schreiben zu ersehen ist, haben weder die Rieselarbeiter, noch die Umwohner der Rieselfelder durch den Rieselbetrieb irgend welchen ge- sundheitlichen vSchaden gehabt. Soweit Angaben über das Rieselfeld, welches zu dem Gefängniss in Plötzensee gehört, zur Verfügung stehen, sind nachtheilige Einwirkungen desselben auf den Gesund- heitszustand weder in der Anstalt, noch in der Umgebung bekannt geworden. Die Rieselanlagen der Stadt Berlin sind die grössten auf der Welt befindlichen Anlagen dieser Art, Ueber den Gesundheitszustand der Rieselfelder der Stadt Berlin sind wir, danlc den statistischen Erhebungen, die seit nunmehr 15 Jahren auf Veranlassung des Magistrats nach einem von Hr. Virchow ausgearbeiteten Schema dort ge- macht werden, verhältnissmässig gut unterrichtet. Die von W. bearbeiteten Tabellen zeigen, dass die Sterblich- keit auf 10 000 Bewohner der Rieselfelder aller Alters- klassen berechnet, dort stets geringer war, als zu gleicher Zeit in der Stadt Berlin. Die Gesammtsterbliehkeit ist eine bedeutend geringere als in Berlin. Die Sterblichkeit der Kinder war nur in einem ein- zigen Jahre auf den Rieselfeldern höher als in der Stadt Berlin, nämlich im Jahre 1887/88. In allen anderen Jahren ist sie geringer auf den Rieselfeldern. Damals waren die Rieselfelder von einer Diphtherie-Epidemie heimgesucht, welche mit den Rieselfeldern als solchen nichts zu thun hat. Also auch die Altersklasse ü — 15 Jahr hat auf den Rieselfeldern eine grössere Lebens- erwartung als in Berlin. Bezüglich der Frage, ob denn bestimmte Krankheiten auf den Rieselfeldern besonders massenhaft autgetreten sind, ist zu sagen, dass z. B. im Verlaufe von 10 Jahren 15 Er- krankungen und 1 Todesfall an Typhus abdominalis auf den Rieselfeldern vorgekonmien sind I Dieses Resultat ist um so autfallender und erfreu- licher, als in Berlin während dieser Jahre, z. B. 1888/89 und 1889/JO, mehrfach recht umfangreiche Typhusepidemien beobachtet wurden. Ueber Wechselfiel)er, Masern, Scharlach, beweisen die statistischen Erhebungen mit Sicherheit, dass weder die Erkrankungszifl'er noch die Sterbeziffer aller dieser Aft'ectionen auf den Rieselfeldern eine besonders hohe gewesen ist, oder dass sie dort jemals eine höhere war als in Berlin. Durch die mitgetliciltcii Tliatsaehcn ist sicher be- wiesen, dass der (icsuiidlieitszustand auf den Berliner Rieselfeldern stets ein vortreffliciier gewesen und ferner, dass die Rieselfelder Krankheiten unter den 15ewohnern und Arbeitern der Rieselfelder nicht oder nur in sehr geringem Umfange hervorgerufen haben. Nun sagen aber die Gegner, wenn die Rieselfelder auch keine Veranlassung zur Entstehung von Krankheiten auf den l.'ieselfeldcrn geben, so ist doch möglich und wahrscheinlich, dass diese Krankheiten durch die Riesel- felder verbreitet werden. Die in der Nähe der Berliner I Rieselfelder beobachteten Typhusfalle sind von Herrn XI. Nr. 7 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Virchow näher ' analy.sirt werden und es hat sicli in keinen! Falle nut Sicherlieit naeliwcisen lassen, dass derselbe auf den hlo.ssen Aufenthalt auf den Kiesclfeldern, oder auf Manipulationen hei der Eieselarbcit zurüekzufüiircn ist. Dagei^en liat sich in allen Fallen oder in vielen Fällen gezeigt, dass es sieh nni Personen handelte, von denen mit zienilieher Sicherheit nachgewiesen werden konnte, sie iiätten Riesehvasscr getrunken. Es ergiebt sich also trotz aller Vortheile, welche die Rieselfelder bieten, noch ihre Verbesserungsbedürftigkeit. Gut geleitete Rieselfelder sind also unter keiner Bedingung- im Stande, die ötfent liehe Gesundheit zu schädigen; sie sind das beste Mittel zur Beseitigung städtischer Abwässer. (x.) „Können Diploiioden an senkrechten Glaswänden emporklimmend" Diese Frage war von 0. vom Rath (Ber. iiaturf Ges. Freil)urg i. B ) bejahend beantwortet worden. Derselbe hatte gefunden, dass Julusarten einem (^lasgefäss entflohen, dass mit einem in der Mitte durcli- lochten Glasdeekcl verschlossen war. C. Veriiöff betont nun (Zool. Anz., 19. B. 1896, S. 1 ft".), dass zunächst die Beineuden dieser Tausendfüssler nur eine einfache Kralle tragen und der hei Fliegen u. a. Kerfen vorkommenden Haftscheilien gänzlich entbehren. Aucii bestätigten Ver- suche, dass sich diese Thierc an glatten Glaswänden auf- zurichten, nicht aber auf ihnen hinaufzubewegen oder gar an der UnterHäche einer Glasseheibe fortzuklinnnen ver- mochten. Bei einem Neigungswinkel nnter 45" bestiegen sie eine Glasfläche. Die Rath'sche Beobachtung betraf walnscheinlieli ein Glas, das mit Fremdkörpern über- zogen war, an denen sich die Tausendfüssler festzuhalten vermochten. C. Mft'. F. Römer: Die Gordiidensammlung des natnr- liistorischen Mnsenms in Hamburg. (Zool. Jahrb. Al)tiieil. f Sy.stem. 1895 Bd. VIII. S. 790). — Verfasser behandelt hier die Gordiidensannnlung des Hamburger Museums, in der namentlich deutsche Arten aus der Um- gebung von Hamburg und aus Holstein;reich vertreten waren. Bestimmt wurden im Ganzen 11 Arten, wovon sechs auf das Genus Gordius und fünf auf das durch Papillen ausgezeichnete Genus Ciioi-dodes entfallen. Darunter sind als neue Arten zu erwähnen: Gordius Ion gissimus ans der Südsee, mit der ausserordentlichen Länge von 132 cm, die bisher diu- für Gordius fulgur Baird angegeben wurde. Er unterscheidet sich aber von dem letzteren durch die hellere Farbe und den Mangel des Irisirens, durch die spitzen Körperenden, die fehlende Bauch- und Rüekenlinic und die geringe Dicke. Chordodes liguligerus, aus Calcutta, dessen Oberfläche mit sehr kleinen, durch- seheinenden, stiftförmigen Einzelpapillen bedeckt ist, aber keine Papillengruppcn besitzt. Chordodes vario- papillafus, ans Bahia, mit Papillen von dreierlei Form und Gestalt, erstens lange, fingerförmige, zweitens kleinere, Stift- oder zalinlörmige, und drittens ausgebauchte, die in der Mitte bieitcr sind als an den beiden Enden. Chor- dodes hamatus, aus Westafrika, (Gaboon), der seinen, Namen dem hakenförmigen Fortsatz verdankt, der das hintere Ende des Männchens ziert, eine ganz eigenartige und neue Form des Schwanzendes, die bisher noch bei keinem Gordiiden beobachtet wurde. R. Wetterbericht für Januar. — Der vergangene Januar verlief in allen Theilen Deutschlands überaus wechselvoll, im Norden und Süden aber ziendieh ver- schieden. Zu Beginn des Monats bildete sich im Nord- seegebiete ein barometrisches Maxinunn aus, dessen trockene Nordostwinde eine allgemeine Abkühlung her- vorriefen. Aus den beistehenden Curvcn, zu deren Con- struction die täglich um 8 Uhr Morgens beobachteten Temperaturen von 28 meterologischcn Stationen in drei lVlor^cnt£m|>eialJi-cM im Janudr -1896. IG. IL ^■ Gruppen getheiit sind, ersieht man, dass in Nordwest- deutschland, worunter hier die Nordseeküste und der westlich vom 11. Meridian und nördlich vom 51. Breiten- grade gelegene Theil des deutschen Binnenlandes ver- standen ist, sich das neue Jahr mit gelindem, dagegen in Xordostdeutschland, also ungefähr den ostelbischen Landestheilen, mit recht strengem Frost einführte, da hier sogar die mittlere Temperatur bis —9,7" C. herabging. Von den einzelnen Stationen hatten Königsberg am 1. Januar — 20, Memel am 1. und Breslau am 2. —18" C. zu verzeichnen. In Süddeutsehland, wo der December mit ausserordentlich hohen Temperaturen abgeschlossen hatte, sanken dieselben erst am 2. Januar unter Null. Während dort die Abkühlung zunächst noch etwas zu- nahm, trat am 3. Januar, als ein Barometermininium von der scandinavischen Halbinsel über die Ostsee nach West- russland zog, in ganz Norddeutschland sehr plötzlich Thauwetter ein, welches im Nordwesten bis zum 8. un- unterbrochen anhielt. Dabei herrschte fast stets be- wölkter Himmel und es fanden ziendieh häufige Regen- und Schneefälle statt. Diese ergaben jedoch immer sehr geringe Beträge, wie die beistehende Zeichnung erkennen lässt, in welcher die Stationen in gleicher Weise wie in der obigen grujjpirt sind. 82 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 7. Inzwischen war das barometrische Maxininm west- wärts nach Schottland gerückt, wo es eine vielieiclit noch nie zuvor dort erreiciite Höhe annahm. Ais liöchster Barometerstand der britischen Inseln galt näm- lich bisher der Werth 788,8 Millimeter, welcher in der Nähe von Perth am 'J. Januar 1820 gemessen wurde. Genau am gleichen Tage dieses Jahres stieg das Baro- meter zu Stornoway aul' der Hcbrideninsel Lewis bis 789,6 und zu Aberdeen bis 789,3 Millimeter. Auch im deutschen Gebiete überschritt dasselbe am folgenden Tage die schon ziemlich seltene Höhe von 780 Millimetern; das in der Regel mit hohem Luftdruck im Winter gei)aarte heitere Frostwetter trat aber in Norddeutschland nur ganz vorübergehend ein, weil dort verschiedene im (Jsten vor- beiziehende Depressionen ihren Einfluss geltend machten. Die erste brachte am 9. Januar der Ostseeküste sehr heftige Nordoststürme, welche nicht unerhebliche Sturm- fluthen zur Folge hatten. In den nächsten Tagen traten milde, feuchte Westwinde auf und veranlassten l)esonders in Nordwestdcutschland eine allmähliche Zunahme der Niederschläge. In Süddeutschland war es unterdessen fast immer trocken gewesen. Die Temperaturen hatten dort seit dem 5. fortwährend und zuletzt sehr bedeutend abge- nommen, bis sie am II. Januar im Mittel — 11,4" C. be- trugen. Als darauf an der norwegischen Küste ein tiefes barometrisches Minimum erschien, welches sein Gebiet nach Süden bis über die Südgreuze Deutschlands hinaus erstreckte, fand bis zum 17. Januar eine Erwärmung statt, die noch stärker als die vorherige Abküldung war. In den Tagen vom 14. bis zum 18. gingen sodann in ganz Deutschland ziendich ergiebige Schnee-, Regen- und Hagelschauer hernieder, welche z. B. am 15. in Wies- baden 19, am 17. in Kassel 22 Millimeter lieferten. Vom 19. bis 24. Januar erfreute sich Deutschland, während ein Hochdruckgebiet sich im allgemeinen von Frankreich bis Südrussland erstreckte, mehrerer ziemlich trockener Tag-e, an denen zwar der Himmel grösstentheils bewölkt war. Der bald wieder eintretende Frost, von dem nur Nordwestdcutschland frei blieb, dehnte sich allmählich bis Mittelitalien aus, zeigte sich jedoch überall sehr gelinde. Ein abermaliger Umschlag zu Thauwetter erfolgte am 26., während gleichzeitig im Nordwesten reichliche Regenmengen lielen. Dann kühlte es sich von neuem ab und im Osten bei heiterem Hinnnel viel beträchtlicher als zuvor. Am 27. Januar wurden aus Memel 14, am 28. aus Königsberg 16, aus Breslau und Bamberg 12"^ Kälte gemeldet. Noch viel strenger trat die Kälte in Ungarn, Siebenbürgen und Bosnien auf, wo dieselbe sehr vielfach 20° C. überschritt. In Norddcutsch- land aber fand der Frost wiederum noch vor iMonats- schluss ein rasches Ende, nachdem ein neues Baromcter- mininuun mit heftigen westlichen Winden, welche am 'dO. zu Neulährwasser zum Sturme anwuchsen, von Schottland bis zur scandinavischen Halbinsel vorgedrungen war, um von da sich weiter nach Osten zu begeben. Wie ein Vergleich der Tempcraturcurven unserer ersten Zeichnung mit den ans langjährigen Beobachtungen abgeleiteten Normaltemperaturen ergieijl, welche letzteren durch die gestrichelten Linien wiedergegeben sind, lag die Temperatur in allen Theilen Deutschlands bald über und bahl unter der normalen. Ihr Monatsniittel war aber überall zu hoch; in Norddeutschland, wo sich dasselbe auf 0,8° C. bclief, übertraf es die normale Jannartempe- ratur um 1,2 Grad, an den nordostdeutschen und süd- deutschen Stationen, für die es sich zu — 1,5 bezw. — 1,4" 0. berechnet, nur um einen halben Grad. Der Eindruck als eines sehr nassen Monats, welchen der ver- gangene Januar in Folge der grossen Zahl seiner Regen- und Sehneetage, seiner starken Nebclbewölkiing und hohen Luftfeuchtigkeit wohl mindestens in Norddeutsch- land überall hinterlassen haben mag, findet sich durch das zift'ernmässige Ergebniss seiner Niederschläge keines- wegs bestätigt. Die Monatssumme derselben, welche am rechten Ende unserer zweiten Zeichnung neben den Niederschlagssunnnen der letzten fünf Jauuarmonate in kleinen Rechtecken dargestellt ist, betrug im Mittel für Nordwestdeutschland 43,2, für Nordostdcutschland 23,1 uud für Süddeutschland 30,3 Millimeter. Nur in Nord- westdeutschland überschritt sie um ein Weniges ihren durchschnittlichen Werth aus den vorangegangenen iünf Jahren, während sie in Nordostdcutschland seit 1S91 im Januar jedesmal uud in Süddeutsehlaud viermal mehr oder weniger übertroffen wurde. Dr. E. Less. Eijio einfädle photograpliisclie ('amera für Mi- kroskope macht C. Leiss ans der R. Fuess'schen Werk- stätte in Steglitz bei Berlin iiekannt (Zcitschi-ift für an- gewandte Mikroskopie). — Mehrfach wurde die Anregung gegeben, eine einfache und billige Camera für die Mikro- skope herzustellen, mittelst derer man in der Lage ist, beim Mikroskopiren Aufnahmen ohne grosse Mühe und Umstände unter gewöhnlichen Verhältnissen — bei Tages- oder Lampenlicht — vorzunehmen. Figur 1 stellt die Camera, wie dieselbe seit Kurzem von der genannten Firma verfer- tigt wird, dar. Wie ersichtlich, ist die Camera auf das Tubus- ende aufsetzbar und mit letzterem durch eine Schraube S fest zu verbinden. Es ist diese Anord- 4 ] H I,.,i t [1 \ 1: .::: s JBgfesk. »ig. 1. nung, den Tubus unmittelbar mit dem photographischen Aufsatz zu versehen, keineswegs eine neue, sondern schon vor mehr als 25 Jahren von Gerlach, wenn auch in etwas schwerlälliger F(n'm, an- gewandt worden. Auch in neu- erer Zeit siud noch häufig ähn- liehe Cameras, meistens für grös- sere Plattenformate eingerichtet, empfohlen worden. Wegen der schweren, auf dem Tubus ruhenden Belastung und der damit verbundenen Gefahr des Niedersenkens des Tubus während län- geren Expositionen ist es unvortheilhaft, über ein gewisse Dimension der Camera, bezw. der Platten hinauszugehen. R. Neuhaus bespricht unter anderen aufsetzbaren Cameras auch einen kleinen von ihm angegebenen Apparat, welcher aus einem auf das Tui)usende zu setzenden i'aiiprohr besteht und das an seinem oberen Ende den Rahmen für die Cassetten, welche für Platten von 5x5 cm ein- gerichtet sind, trägt. Bei der hier kurz zu besprechenden Camera wurde die Plattengrösse 7 x 7 cm gewählt; es gestattet dieselbe denn auch becpiem die Anfertigung von Bildern mit Durchmessern bis zu 1)5 nun, wie sich solche vielfach in Lehriiüchern linden und auch in diesen Maassen in den weitaus meisten Fällen für l'nblicationszwecke ausreichen dürften. Mit dem unteren Ende der aus sehr dünnem Blech verfertigten, trichterförmigen Röhre T ist eine mit sclieibenartigem Ansatz versehene und aus Alu- minium hergestellte Hülse verschraubt, welche sich über das Tubusende der MikroskojjC steckt; der schcii)en- förmige Ansatz ruht dabei auf dem gleichartigen, mit dem Tubus fest verbundenen Ansatz, welcher sonst für den drehbaren Analysator bestinunt ist. Diese Verbin- dung von Tubus und Camera kann noch vermittelst der Fixirschraube -S' welche gegen eine federnde Zunge der XI. Nr. 7. Natiirwi.s.scii.sc'liiif'tlichc Woclicii.sclirift. s;} mit der tnchtarförniigen Röhre verschraubten Hülse drückt, besonders gesichert werden. In gewissen Fällen ist es auch erwünscht, das aufzuneiiniende Präparat in einer bestimmt synmietrischeu Lag-c auf die Platte '/a\ bringen, wobei es dann, um eine Drehung der Camera, z. B. beim Herausziehen des Cassettenschiebers zu vermeiden, er- forderlich ist, nach vollzogener Orientirung der Camera mit dem Tubus in feste Beziehung zu bringen. Das obere Ende der trichterförmigen Röhre ist mit einem nach aussen hin umgedrückten etwa 1 cm breiten Rand ver- sehen, auf welchem der aus leichtem Holz verfertigte Einschieberahmen E der Cassette C mit sechs Schräubchen Ijcfestigt ist. Die nach Möglichkeit leicht gehaltenen Cassettcn sind, wie jetzt allgemein gebräuciilich, für zwei Platten eingerichtet; die Grösse der letzteren ist, wie bereits schon erwähnt, 7x7 cm. Ein Hau])terforderniss ist, dass die Cassettenschieber, welche zur Verringerung des Gewichtes aus einer dünnen Pappe hergestellt sind, sich mit grösster Leiclitigkeit verschieben lassen und dabei vollkommen lichtdichten Abschlussgewährleisten. Die Abriegelung der CassettensciHei)er und die Sicherung der Cassettcn im Einscliieberahmen ge- schieht in der üblichen und bekannten Art. Auf die Matt- (Visir-)Seheibe siud diagonal zwei Linien aufgezogen, deren Kreuzungspunkt die Mitte des Sehfeldes anzeigt. Damit währendder Einstellung des Objectes auf dem Tubus die genau gleiche Be- lastung wie bei der Aufnahme rulit, ist die Visirscheibe mit ihrer Einfassung auf das Gewicht einer gefüllten Doppeleassette abgestimmt. Der Einschieberahmen R besitzt eine centrale Ausdrehung, in' welclie der Bild- ebene mögliehst nahe gebrachte Blenden mit ()eft"nungen bis zu 65 mm eingelegt werden können, um so den Bildern eine scharfe und kreisförmige Begrenzung von bestiumiter Grösse zu geben. Die Länge der Camera beträgt von der unteren Fläche des scheibenförmigen Ansatzes bis zur Einstellungs- ebene ISO mm; das Gewicht der Camera mit gefüllter Doppeleassette beträgt 285 Gramm. Links von der Camera ist in der Figur 1 noch ein Schieber Seh abge- bildet, mittelst welchem die Expositionen geregelt werden ; Für den Gebrauch wird derselbe (nur bei den Fuess'sehen Mikroskopen anwendl)ar) nach Lösung eines der beiden geränderten Schraul)enköpfe k oder h\ in den über dem Objectivgewinde unter 45° zum Hauptschiiitt des Mikro- sko])es befindlichen Schlitz, welcher für gewöhnlich zur Aufnahme von Gyps- und Glimmerplättcheu etc. dient, eingeschoben. Während der Beobachtung und Einstellung fällt die Schiel)eröftnung in die Axe des Mikroskopes und der Knopf /.■ markirt durch Ansehlag gegen den Tubus diese Stellung. Ist nach vorgenommener Einstellung die Mattscheibe durch die Cassette ersetzt, so wird zunächst durch leichten Druck gegen den Knopf /.■, dem Licht der Zutritt verschlossen, hierauf der Cassettenschieber aus- gezogen und nur zur Belichtung der Platte die Schieber- öfl'nung durch Druck gegen k wieder an die uisprüngliehe Stelle gebracht. Da der vorerwähnte, den Tubus durch- setzende Schlitz, in welchen der Schieber Seh eingesetzt wird, sich nur bei den Fuess'sehen Mikroskopen befindet, so ist man genötigt, bei den anderen Mikroskopen in der wohl meistens üblichen Weise zu verfahren, dass man beim Gebrauch schwacher und mittlerer Objective vor dem Oelfnen des Cassettenschiebers mit einem zwischen Objectiv und Präparat geschalteten Pappscheiben dem Licht den Eintritt in das Objectiv versperrt; bei starken Systemen mit geringem Focalabstand bringt man für den gleichen Zweck einen genügend grossen und mattge- schwärzten Pappschirm zwischen Lichtquelle und Be- leuchtungsspiegel. Zur Befestigung der Camera an Mikroskopen anderen Ursprungs, bei denen der tellerförmige Ansatz nicht vor- handen, dient, wie in Figur 2 dargestellt, eine über das Tubusende zu steckende Verbindungsluilsc mit der Auf- satzschcibe T. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eniannt wurden: Der Professoi' der auorir;mi.sclirn Cliuiniu iui der tücliiiisclien llorhsclmlo zu Drosdoii Dr. Ilempel zum Geh. Regierung-srath ; der aussorordentliclie Professor der Geo- grapliio in Froiburg i. ßr. Neumann zum ordentlichen Professor; der ordentlicdie Professor der Geschichte in Wien Dr. Heinrich von Zeisborg zum Director der Wiener Hofljibliotliek; der Gustos an der Grazer Universitäts-Bibliothek Dr. Schlossar zum kaiserlichen Kath; Dr. Karl Lipss zum Assistenten beim Lehr- stuhl für darstellende Geometrie an der technischen Hochschule zu Lembcrg. Berufen wurden : Der berühmte holländische Chemiker Prof. J. H van t'Hoff in Amsterdam als akademischer Chemiker nach Berlin; Dr. Sieben topf in Bremen als Assistent an das mineralogische Institut der Universität Ciöttingen; der ausser- ordentliche Professor der Dermatologie in Graz Dr. J arisch als Director der derniatologischeii Klinik nach Leipzig; der Assistent für Aiineralogie und Geologie an der Bergakademie zu Leoben Dr. F. Ivatzer als Vorsteher der mineralogisch-geologischen Ab- theilung des Staatsmuseums nach Para in Brasilien. Abgelehnt hat: Der Professor der Astronomie und Director der Sternwarte in Leipzig Dr. Bruns einen Huf nach Berlin. In den Ruhestand tritt: Der ordentliche Professor der .Mine- ralogie in Würzburg Dr. Fridolin Sandberger. Es habilitirten sich: Der frühere Privat-lDocent in Dorpat Dr. E. Stadelmann für klinische Proprädeutik in Berlin; Dr. G. Karsten für Botanik in Kiel. Es starben: Der Professor der mathematischen Physik in Lüttich Gr.iindorge; der ordentliche Professor der Hygiene und der Veterinärwissenschaft in Klausenburg Dr. Kozsahegyi; der Wiener Entomologe J. von Bergenstamm. L i 1 1 e r a t u r. Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie unter Mitwirkung von Ma.\ Ileinze und Alois Riehl herausgegeben von Richard Avcnarius. XIX. Jahrgang. Leipzig. O. K. Keis- land. 189.5. - Preis M. 12. Abgesehen von Bücher-Anzeigen und anderen bibliographi- schen Mittheilungen u. s. w. bringt der Band die folgenden Artikel: Avenarius, R., Bemerkungen zum Begriff des Gegenstandes der Psychologie. (Schluss-Artikel.) — Marty, A., Lieber subject- lose Sätze und das Vcrhältniss der Grammatik zu Logik und P.sychohjgie. iSehluss-Artikel.) — Spir, A., Von der Erkenntniss des Guten und Biisen. — Petzoldt, J., D.as Gesetz der Ein- deutigkeit. — Gold friederich, J., Ueber die Realität des Zweekbegriffs. — Helm, G., Ueber die Hertz'seho Mechanik. — Kodis, J., Die Anwendung des Functionsbegriffes auf die Be- schreibung der Erfahrung. — Ploetz, A., Ableitung einer Rassen- hygiene und ihre Beziehungen zur Ethik. — Blei, F., Die Meta- physik in der Nation.alökonomie. — Wlassak, R., Bemerkungen zur allgemeinen Physiologie. Das Doubletten - Verzeichniss des Berliner botanischen Tauschvereins (XXVIl. Tausehjahr. 1S;)5/1896, Leiter: Otto Leon- hardt, Nosseu in Sachsen) umfasst 24 dreigespaltene Seiten. Eine «rosse Anzahl Arten \-(u-scliii'deHstiu- Herkunft kommt zum Angebot. Inhalt: Professur Schubert, Elementare Alileitung einer gnuiueren Pendelformel. — H. Hai Her, Die butanische Erforschung Miltelburneos. — Beeinflussen die Rieselfelder die öffentliche Gesundheit? -- Können Diplopoden an seidvrechten Glaswänden emporklimmen? — Die Gordiidensaumilnng des naturhistorischiui Museums in Hamburg. — Wetterbericht für Januar. -—Eine einfache photographische Camera für Mikroskope. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie. — Das Doubletten-Verzeichniss des Berliner bulaiuschen TauscdiNcreins. 84 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 7. In dem luiteiiiciclinctijn Verlage ist erschienen und durch Jede Huchhandlun^r zu beziehen : Physikalische Prinzipien der Naturlehre. Von Aiiri-I Aiiil('rs!S(>liii. Iiibalt: Vorwort. Erster Teil. Die -Meehanik der ko s misclieu Ersclieinunscn: I. Allgemeine Grundbegriffe. II. Die Massen des Mak'O- kosmos. III. Die IicwcgunK.snrsache im Weltall, das Gesetz ihrer Wirkungsweise und die Ursache der Gravitation. IV. Die BevvegunKen im Weltall. 1. Die Be- wegungen im Allgemeinen. 2. Die Bewegungen des Aethers. 3. Die Bewegungen der Ilinimilskorper. V. Die Übrigen kosmisehcn Erscheinungen, /.weiter Teil: Die Mechanik dci te rrcs Irisch cn E r seh ein ungen. I. Einleitung. II Die Schwere der irdischen Körper. III. Die Wärme. IV. Die Koliäsion und die Aggre- gatszustilndc V. Die Krystaliisation. VI. Die sogenannte Saugkr;d't, die Flächtn- anziehung und die Ka'pillarerscheinungen. VII. Die Ditfusion. VIII. Die Licht- IX. Der Magnetismus. X. Die Elektrizität. XI. Der Elektro- Schluss. hung ersehcinnn magnetisnnis. Preis 9Ik. 1,60. lag Die Anderssohn'sche Drucktheorie und ihre Bedeutung für die einheitliche Erklärung der physischen Erscheinungen. Von Frof. I3r. C3-u.s'ta.-w Hoffmartn. I'rois MU I.— . Mall.' a. !S. G. Schwetschkfi'scher Verlag. Uches zu Preislisten etc. HugoSfindl BeHin,8.Rittenstr.96. Billige PreiselSctmelleLieferung! Fei-nspr.Anschl. A.IV.Ne9?8,5.;. 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Der neue Scblitz- versclilnss läuft sehr rnhig (Schnellichkeit vcrstellb.i S.Für Hoch- und Quer-Aufnahmeu bleibt die Lage der Camera unverändert, weil die Visir- scheibe sich um sieh selbst dreht! 4. Auslösung des Verschlu.ssos durch Druck auf Knopf vorn am 5. Alle Wellen etc. lauten in Mefalllagern. — l'roxpi-vt frei. Apparat. Max Steckeimann, Berlin W. 8, Leipzigerstr. 33. Ferd. Düiuralers Verlagsbuchhandlung in Berlin 8W. Zimmerstiasse ','J Soeben erschien: Geologische Aiisflucje In die Umcjegend von Berlin. Von l>r. Max Fifbelkoni. > Jlil M Aliliililnugon niiil 2 Karlpulioilagcu. >: i:iu S. gr. 8. - Preis i.so Mk. Zu beztehen durch jede Buchhandlung. ® aisieieiEiaiaisieieieioioieisioioiBi® Die Illustration i wissenschaftlicher | Werke | erlolgt am besten uiul billigsten ^ durch die modernen, auf Photo- ;K graphic beruhenden Reprodne- 'H liunsarten. Die Zinkätzungen K dieser Zeitschrift gelten als s g, Proben dieses Verfahrens und w K, sind hergestellt in der gra^ihi- a pj schon Kun.->tanstalt a I Meisenbacli, Riffarth & Co. | Q in Berlin-Schöneberg, W R welche bereitwilligst jede Aus- ^ H kuntt ertheilt. ^ MMMMMnnFiFTFTnFiFtFinnFTrüinPl Willi Büsing', Berli-iW., Bendlerstr. 13 l'liotoclieiiiiwfli ■^« Lanj^iilaigt'r Assi.'^teiit vom Prof. Dr. Vogel des pholo-chcm. Laboratoriums der Kgl. techu. Hochschule zu Charlotteuburg, ^ «_■.-,- „ ^- ,. ., , ^.^ <«%\'w .AKi ' ii.dit'oret. Aiisb. lllNtltut. .x-'^^V* - '^^;>^Ni'K:it.-u.Posit..-Vfrf.,sow. r\V v> \ •ft'^^'^^.^'^ihüto-inechaii.Di-iickverftilu-en. ^^^ V C\^^ „•«, ^^»»''^Wissenschaftliche und Amateur- Kurse. V (\ V^ ^ rtjiV-'^^'^^Eintritt jederzeit. Kurze und limgerc Kurse. > >^>^ ^^J^^^'^'^lJinikelkaminern stellen zur VerfiismiK. -^^liebernahme aller vorkommenden wissenschaftl. und practischen photographischen Arbeiten. Nlduie Ausliunft bcrcilwilli<;sl. l'äglich Bcutluet von ;)— 7. ClB t ij 1 1*4) e § 4) r t f t e xi au§ bem Jcii'ttc^c 110« '^icxb. ^««tmlcrö ^ciiaö5lJitd)I)aitöfunc^ in "^^crnn. Der iHornliiiittiriilit bri fiiiiiiti. ..Sloii ?;-oli,r 5(blcr. 3hitortiicrtc llber= fc(jitiui, t)crniiögc(]cb. büii Wcorg CDU (SHäijcfi ■2'3.li., geb. ■.',(;() wl Die ethischen Gesellschaften. Voi- tnif; von l'rof. Foli.x Adler. Die ethische Bev/egung in Deutsnh- land.\'(irl)('rril('ii(|(.'ÄlitteiliMif;oi} eiues Kreises gleielifiesiniiter Miiiiner mid Fniiien zu Berlin, /.weit.- verni. Aiifliifrc. 60 Pf. ilnlirlinflinlicit. (The Kthies of Be- liet'.) 3(Dn aiMIIiaiii Äiiigbon Slifforb. Sliilorif Ucbinicl,utiig 0011 i.'ili3 uon Wijtjcfi. i:Ö ^^Nf. lloiitfiiiicfii iilirr loiinlc (ril)il;. Soii ^l>rcif. J)i'. Öcorg uon (yiäucti. Slii'3 feinem i)i'ncl)laii l)cvnu§gc= geben Boii iMlij BDU ®iäxjcfi. Sroeitc Sliiflngc. l,2i) 9J(. Die Begründung einer Gesellschaft für ethische Kultur. Einlcitimss- liedp, gehalten am 18. October 181)2 von Wilhelm Foerster, Prof. nnd Direktor der Könif;!. Sternwarte zu Berlin. 40 Pf. (Ccill(sfrtil|cit iiiiii (l)criitiiiin. C5tn Sct= trag jitm ioätnlcit ^S'riebcn. äson SBtlbelm ■;\-oerftcr. .•«) fsf. Dir .Aiitüiiiji' fiiiro iirntii (oiiiilrii (ßriltro. ©in öffentlidjer äiortrng, im J'i-rül)» jnbr]81i-4 geljalten uon 3i>ill)elm Joerftcr. CO '•Jfil Dir luirliliilitii (ijrfnlirtii irr fnar. (Sin öffcntliriier äiiirirag gcliaiteu in SBevIin am ",). 2?eäembcr lWI-1 oon äUilbclm ?;-Licrfter. 50 $f. Zur Ethik des Nationalismus und der Judenfrage. Prili', ;;i halten am 2ö. November 18',)2 von Wilhelm Foorster. 30 l'f. Hit iiiibnifinar ühnnoiiiifili iiiib (Il|ifi1|. Son l)r ?vr, Sülgeunit. 'M %^l {Üüisi' uilii finiioiliül-iilfll geinmmelt burd) bic ä^rübcr (Sirimm. 31u'^gcunil)lt unb bearbeitet iion Öeorgnnh i!ili) uiiin ÖJiäncfi. ■J. bitrttigcf. 31itfl, mit 8 ^•nrbcn= bntrf. n, Slqitareli. u, IIUII:) äl>crner. il«olf^ = 3ln§gabe 0eb. I 3Ji. ^•eine 3lU'3gabe onf Sl!elin= papier. (SIegant gcbunben 2 W. (ftl|ilil|r .^iifplirn in bri foiinlfn iöc- iDtnmiii. ä'on Dr. jvriebr. aiU II) 5voerfler in ^veibiirg, .^lO X^l llliiitilniiiitn bcr Oiiilfilini (Hrfrllfitinf) für rilfifitic f.iiliiit. 18i)3. 1. u. 2. SM'ft. a .viefl :)() %'■]. Dit ctl|ifit|f £fliciiciiiiiri(l|t. i'on 35!i[ = 1 1 a m i'f a et i n 1 i r e ö a 1 1 c r. SUi'S bem cnglifdjen '.Waiiuieripl über= fegt uon &. uon (Süäijcti- 40 i)Jf. (Trüiniif. 'i!on Oliue ®d)rciner. 3litlovi(ierte Über|e(jitng uon 3Ji ar = gorcte 3obI. 1,(J0' ffl!., eleg. geb. 2,40 9J!. ülfr loU bn- Druifilifii (Gcfdlfilmll für ttl|ilil|c fiiiltiir üfiitrifii? Vortrag uon Dr. «rlbnr^t^fungft. lO^^f. üflinioii iiiib üfornl. SonÖrafSco Sollt Ol), r.ü *|5f. „ c ,^ i o t> 0 u i> n V d) a l" K c 2.\ 11 ..■I» l) a n t> i »t it c) c »i. Verantwortlieher Ifcdaetcuir: Dr. Henry Potonio, Gr. I-,ieluerfeldi' (P.-B ) bei Berlin, Potadamerstr. 35, für den Inseratentlieil : Hugo Bernstein in Berlin.— Vorlag: Ford. Düininlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: ? Dr. H. Potonie. Verlag : Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. IS, Zimmerstr. 94. XL Band. Sonntag, den 23. Februar 1896. Nr. 8. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- Y Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 ^. Grössere Aufträge ent- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.- äp sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 4 extra. PostzeitungsUste Nr. 4s27. A bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. .\bdrack ist nnr mit vollständiger ^nellenangabe gestattet. Die botanische Erforschung Mittelborneos. Von H. Hai Her. (Fortsetzung.) Am Vormittag' des folgenden Tages verfolgten wir unseren Weg bei anhaltendem, jedoch nur massig starken Regen weiter. Der Pfad, der von Sanggouw an immer dem Rücken eines langen und breiten, vom Niut kom- menden Basaltstromes folgt, war zu Beginn, wo er wieder über ausgedehnte, gelbgrüne, mit dem Alang-alang-Gras bedeckte Flächen führt, immer noch sehr bequem. Hinter dem Alang-alang aber wurde er im Gestrüpp verlassener alter Ladangs zusehends schlechter. Er lief hier meist auf längs an einander gereihten Baumstämmen entlang, die zudem noch streckenweise von üppigem Graswuchs überwuchert waren. Es erforderte daher hier noch weit mehr als auf der Hühnerleiter des Balei (Gemeindehauses) zu Dawar die Gaukelkunst eines geübten Seiltänzers, denn bei jedem Fehltritt sank man in unter einer trügerischen Grasdecke verborgene Löcher oder in dichtes Gestrüpp, wo man von den Ranken dorniger Brombeersträucher (Rubus Hasskarli Miq.) liebreich umschlungen wurde. Im darauf folgenden Walde war der ^Na^ zwar, wenn auch hie und da der unaufhörliche Regen sumpfige Lachen gebildet hatte, im Ganzen wieder sehr bequem, aber, da der Wald eben nicht sehr dicht und überall gangbar war, oft nur für Dajaken auffindbar, weshalb ich ihn denn, beim Pflanzensammeln zurückbleibend, mehrmals verlor. Nachdem wir auch im Walde noch eine grosse Strecke zurückgelegt hatten, gelangten wir an den altbekannten Tanggi, der nun durch die anhaltenden Regengüsse zu einem tiefen und reissenden Strom angeschwollen war. Der Weg nahm hier ein Ende, doch sagte man uns, dass der Platz, wo man für uns ein Pondok (Hütte) errichten sollte, nicht mehr weit sei. Auf wiederholtes Rufen er- schienen denn auch bald auf dem jenseitigen Ufer einige der mit dem Hüttenbau beauftragten Dajaken, und er- wartungsvoll fragten wir uns, was sie wohl beginnen würden. Sie liefen in den Wald zurück und kamen nach kurzer Zeit mit langen Rottanstücken zurück. In wenigen Augenblicken war ein starkes Rottantau, das uns als Handhabe dienen sollte, verfertigt und von einem Ufer zum andern über den Fluss gespannt, und wir gewahrten nun, dass unsere Hoffnung auf eine etwa in der Nähe be- findliche Brücke vergeblich war und dass wir wohl oder übel durch den Fluss waten mussten. Mit Todesverachtung wateten wir, jeder zwischen zwei handfesten Dajaken, durch den reissenden Strom, der uns bis an die Hüften reichte. Da im Flussbett zahlreiche grosse glatte Steine umherlagen, so war dies keine leichte Aufgabe. Vor- sichtig musste man bei jedem Schritt die Unterlage prüfen und lief bei jedem Fehltritt und beim Abgleiten von wackeligen Steinen Gefahr, durch die Gewalt des Stromes weggerissen zu werden. Vom andern Ufer aus waren es nur noch wenige Schritte bis zu unserem diesmaligen Reiseziel. Mit dem Bau des Pondoks hatte man eben erst be- gonnen, doch genügte unsere Ankunft, um zu bewirken, dass ohne weitere Ermuthignngen das Versäumte schon in kürzester Zeit nachgeholt wurde. Auf einem von Stangenholz gezimmerten Baleh-baleh (eine Art Diele) wurde ein Dachgerüst errichtet, das mit Baumrinde, grossen Baumblättern und Palmwedeln gedeckt wurde, und auf der Wetterseite wurden Wände aus Palmblättern hergestellt. Im Walde trieften Zweige und Blätter der Bäume und Sträucher vom immer noch anhaltenden Regen, und mit sichtlichem Wohlbehagen über die reiche Spende des nassen Elements krochen zahllose Blutegel in katzenbuckcl- artigen Krümmungen auf dem Boden und an den Zweigen umher. Als wir uns nun nach Fertigstellung der Pon- doks zunächst unserer Gamaschen und Schuhe entledigten, wurden wir durch unsere blutdurchtränkten Beinkleider und Strümpfe gewahr, dass wir trotz unserer Fussbeklei- dung nicht weniger von diesen blutdürstigen Gesellen zu leiden hatten, als die nacktbeinigen Malaien und die in ihrer Kleidung der Natur noch um vieles näher stehenden Dajaken. Wieder mussten wir unsere sämmtliciien Klei- " ' wo sie, dungsstücke am Feuer trocknen vom Kauch gcr 86 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 8. sättigt, ihre ursprüngliche Farbe bald gegen ein intensives Braungelb austauschten und für einen Maler der realisti- schen Richtung unserer Zeit gewiss einen willkommenen Vorwurf abgegeben haben würden. Den folgenden Tag benutzte ich dazu, um die Flora der Umgebung des Pondoks zu untersuchen und fand hier die geringe Mühe reichlich belohnt durch eine Anzahl schöner Blattpflanzen, worunter ein silbern gestreifter Curculigo und eine Kaempferia mit silberfleckigen Blät- tern für den europäischen Blumentisch besonders geeignet schienen. Am Morgen des 22. X. unternahmen wir gemein- schaftlich mit den Herren Wing Easton und Herold, die uns unterdessen von Sanggouw her nachgefolgt waren, die Besteigung des Berges. Der Weg führte zunächst, allmählich ansteigend, noch eine Strecke nahe dem rechten Ufer des Tanggi entlang, dann aber zog er sich längere Zeit unter hohen Felswänden hin, von denen stellenweise das Wasser herunterrieselte und selbst in Form eines hübsehen Wasserfalles herabstürzt. Auch hier fand ich wieder eine Menge schöner Blattpflanzen, unter denen die Familie der Gesneraceen durch besonders schöne Arten mit sammetweichen Blättern vertreten war, während die Bachläufe unter dem Wasserfall von einem silberstreifigen Elatostemma gesäumt waren. Eine grössere Anzahl dieser Zierpflanzen wurde zum Einpflanzen mitgenommen. Da sie aber, vorläufig in Erde, Moos und grosse Blätter verpackt, erst mehr als 14 Tage später in Pontianak in Kisten mit Erde verpflanzt wurden, so ist leider von dieser ersten Ende November nach Buitenzorg gegangeneu Sendung lebender Pflanzen nicht viel übergeblieben. Wie schon vorher beim Anlegen des Herbars, so musste ich nun auch bei dem Transport lebender Pflanzen erst meine Erfahrungen sammeln, ehe sich gute Ergebnisse zeigten. Durch diese Erfahrungen gewitzigt, nahm ich auf meinen späteren Streifzügen stets einige leere Kisten mit, um die Pflanzen entweder sogleich nach dem Einsammeln oder doch nur wenige Tage später in dieselben einsetzen zu können. Und hierzu war die Gelegenheit am oberen Kapuas besonders günstig, da man zu Wasser meist bis nahe an den Fuss der Berge ge- langen kann und also keine langen und beschwerlichen Transporte über Land nöthig hat. Durch die reiche botanische Ausbeute war ich so sehr in Anspruch genommen, dass selbst die Dajaken mit ihren Traglasten mich allmählich alle überholten und ich bald den Schluss des langen Zuges bildete. Als jedoch nach Passirung der Felswände der Weg steil anzusteigen begann, holte ich die Kulis wieder ein. Sie hatten sich sämmtlich nach Ablegung ihrer Traglasten an einem steilen Abhang niedergelegt und behaupteten, dass Dr. Nieuwcn- huis, der sich stets an der Spitze des Zuges befand, nicht weiter könne und dalier die Rückkehr angeordnet habe. Nur mit grosser Mühe und unter Aufbietung meiner ganzen Kenntniss des Malaiischen gelang es mir, die Kulis zum Weitergehen zu bewegen. Hire Behaui^tungen waren selbstverständlich alle aus der Luft gegriffen und sollten mich nur veranlassen, von der Besteigung des Berges ab- zusehen. Von Regen wurden wir auch an diesem Tage nicht verschont, und völlig durchnässt langten wir nach einem steilen Anstieg auf einem Bergrücken an, der uns für die nächste Nacht als Lagerplatz dienen sollte. Mit dem Bau von Pondoks hatten die Dajaken, ol)- gleich sie durcii das Distriktsoberhaupt zu Sanggouw dazu beauftragt worden waren, noch nicht begonnen. Das Einzige, was wir vorfanden, war eine vorn an der Kante des Abhanges errichtete Bank, die sich später, als der Regen aufgehört hatte und der dichte uns einhüllende Nebelschleier sich gelüftet hatte, als prachtvoller Aus- sichtspunkt erwies. Nach dem Hühenbarometer des Dr. Nieuwenhuis befanden wir uns nur erst 1100 m über dem Meeresspiegel und hatten also nach unserer Berechnung bis zum Gipfel des Berges noch 600 m zurückzulegen. Am folgenden Tage beabsichtigten wir dies zur Aus- führung zu bringen, doch gelang es uns nur mit vieler Mühe und nach langen Verhandlungen, eine Anzaiil der anwesenden Dajaken zu veranlassen, uns mit dem aller- nöthigsten Barang zu folgen. Am Morgen des 23. X. brachen die drei anderen Herren auf, während ich selbst noch die Fertigstellung zweier Pflanzenkörbe, mit deren Anfertigung ich einige Dajaken beauftragt hatte, ab- wartete. Gegen 10 Uhr folgte ich nach, war aber nicht wenig erstaunt, als ich schon nach wenigen Minuten den drei vorausgegangenen Herren begegnete. Sie waren auf ihrem Marsche schon sehr bald auf den Gipfel des Berges angelangt. Für die Dajaken hatte es offenbar wenig Verlockendes gehabt, unser Gepäck bis auf einen Gipfel von 1700 m Meereshöhe hinaufzutragen und, um sich einige hundert Meter zu ersparen, hatten sie uns nicht auf den Niut, sondern auf den nur 1325 m hohen Damus geführt. Während nun die Herren Herold und Easton den Rückweg nach Sanggouw antraten, folgte ich Dr. Nieu- wenhuis nach dem Gipfel, theils um zu botanisiren, theils auch, um mich selbst noch genau zu orientiren. Wir ge- langten bald an eine Felskante, wo sich vor unseren Blicken eine prachtvolle, weite Fernsicht entfaltete. Zur linken lag, von uns durch einen tiefen, steil abfallenden und wohl mehrere Tagereisen langen Sattel getrennt, der gewaltige, bis zum Gipfel hinauf dicht bewaldete Kegel des Niut, der sich in der Richtung gegen den sich bis nach Sanggouw erstreckenden Basaltstrom zu einer Art einseitigen Kraters öffnet, nicht unähnlich dem des Salak bei Buitenzorg. Rechts davon das sich am Oberlauf des Sambasflusses hinziehende Sandsteingebirge mit dem S6- raäng als höchsten Gipfel, davor, von uns durch aus- gedehnte Waldungen getrennt, der isolirte vulkanische Semedüm, und in den Waldungen erglänzten im Sonnen- schein die silbern aufschäumenden Wassermassen eines grossen Wasserfalles, dessen Rauschen sich trotz der weiten Entfernung deutlich vernehmen Hess. Rechts vom Semedüm erhebt sich am Horizont das hcdie Bawang- gebirge bei Bengkäjang, noch weiter rechts zieht sich der Basaltstrom hin mit seinen ausgedehnten, gelbgrünen AlauK^-alanff-flächen, Gegend von Sambas dahinter liegen die Hügel der und in weiter Ferne am violett- dämmernden Horizont erhebt sich ein spitzer Bergkegel, den wir als den Gunung Pemängkat an der Mündung des Sainbasflusses deuteten. Hatten wir nun auch unser ursprüngliches Reiseziel verfehlt, so war doch diese Expedition durchaus nicht missglückt, sondern durch eine reiche botanische Ausbeute belohnt. Sogleich nach unserer Ankunft hatte ich auf dem Platz, der für unser Pondok gesäubert wurde, ver- schiedene schöne Becherj)flanzen (Nepenthes) gefunden. Am Felsrande auf dem Gipfel fand ich zu meiner grossen Ueberraschung zaliireiclie Sträucher eines hübsehen, kleinen Rhododendrons mit kleinen, rotlien, glockigen Blumen. Als der bedeutsamste Fund aber erschienen mir Coniferen, die auf dem ganzen Rücken des Berges in Exemplaren bis zu 3 m Stanmmmfang vorkonnnen. Schon vorher hatte ich bei Herrn Residenten von Menipawa stammende junge Pilanzcu solcher Cimiferen gesehen und von Dr. Nieuwenhuis einer auf dem Gunung Rumi)ut ((Jras- berg, wegen seines vorwiegend mit Gräsern und Kräutern und nur mit vereinzelten, krüppelhaften Nadelbäumen be- wachsenen Gipfels) an der Grenze von Sarawag vorkom- menden Conifere erhalten und später begegnete ich den XI. Nr. 8 Naturwissenschaftliche Woclicnschrift. S7 gleichen oder nächstverwandten Arten auf allen meinen Streifzüg'cn wieder (Dacrydium). Da der Urlaub des Dr. Nieuwenhnis nicht mehr aus- reichte, um nun noch den Niut zu besteigen, so be- schlossen wir, statt dessen noch dem .Scmßdüm einen Besuch abzustatten. Am 24. X. stiegen wir daher wieder zu unscrm am 22. X. verlassenen Pondok am Fuss des Daums hinali und am 25. X. wanderten wir, seit 5 Tagen zum ersten Mal ohne vom Regen durchnässt zu werden, durch schattigen Hochwald nach dem Fuss des Semedüm. Auf der letzten Strecke des Weges setzte sich der Da- jakeupfad, dem wir gefolgt waren, im Bett eines wasser- reichen Baches fort, an dessen Ufern wir unmittelbar unter einem Ausläufer des Semedüm unsere Pondoks aufschlagen Hessen. Am folgenden Tage stiegen wir bei sonnenhellem Wetter auf steilem Pfade den vorgenannten Ausläufer hinauf, der sich stellenweise zu einem schmalen Grat verschmälert. Au mehreren Stellen, wo der Grat be- sonders steil abfällt und daher nur für eine niedrige Strauch- und Krautvegetation Raum gewährt, bieten sich schöne Fernsichten, bald zur Linken nach dem Niut und Damus, bald zur Rechten über den Basaltstrom und die ganze Assistentresidentschaft Sambas hinweg bis zum Gunung Kuai an der Grenze von Sarawak. Schon in nngefähr 650 m Meereshöhe fand ich hier wieder ein Rhododendron mit kleinen, rothen Blüthen. Der Gipfel ist mit Hochwald bedeckt und die sehr fragmentarische Aussicht beschränkt sich daher nur auf einige Partien der benachbarten Berge. Von einem grossen Dipterocarpeen- baum aus hatte ich jedoch eine prächtige Rundsicht, die alles, was wir bereits von den Aussichtspunkten des Grates aus gesehen hatten, in sich vereinigte. Während ich noch in diesen Anblick versenkt war, versuchte Dr. Nieuwenhnis auf der Seite des Niut die Aussicht frei zu machen, indem er hier die im Wege stehenden Bäume schlagen Hess. Da jedoch bald ein dichter Wolken- schleier alle benachbarten Berge verhüllte, so musste er sein halb vollendetes Werk wieder abbrechen. Als wir uns eben zum Rückweg anschicken wollten, fiel mir ein Baum durch die eigenthümliche Form seiner Blätter auf. Ich Hess ihn fällen und entdeckte in ihm zu meiner grössten Ueberraschung wieder eine neue Coni- fere und zwar eine Verwandte des eigenartigen japa- nischen Gingkobaumes. Sie erwies sich später als Angehörige der Gattung Phyllocladus, von der bis jetzt riur drei seltene Arten auf Tasmanien, Neuseeland und Borneo bekannt sind. Von den jungen Pflanzen, die ich nach Buitenzorg schickte, ist leider nur noch eine am Leben. Noch am selben Tage stiegen wir wieder zum Fuss des Berges hinab und traten am folgenden Tag, dem 27. X., über Dawar den Rückweg nach Sanggouw an. Es war ein glühend heisser Tag, der sich besonders in den nackten, neu angelegten Ladangs fühlbar machte, in denen zudem noch die brennenden Bäume eine er- stickende Wärme ausstrahlten. Der Weg von Dawar nach Sanggouw, den wir acht Tage zuvor aus Furcht vor einbrechender Dunkelheit in grösster Eile zurück- gelegt hatten, kam mir daher an diesem Tage endlos lang vor und ich war glücklich, als wir am Nachmittag wieder in Sanggouw eintrafen. Da ich hier beim Balei des Sultans, das uns zur Wohnung diente, eine zum Pflanzentroeknen vorzüglich geeignete Feuerstätte vorfand, so hatte ich den Suda- nesen aus 's Land's j)lantentuin (dem botanischen Garten), den ich von Buitenzorg mitgebracht hatte, hier zurück- gelassen und schickte ihm aus den Bergen von Zeit zu Zeit durch Dajaken die eingelegten Pflanzen zu, um sie hier von ihm trocknen zu lassen. Bei meiner Rückkehr fand ich nun auch alles sehr gut getrocknet vor. Am 28. X. fuhr Dr. Nieuwenhuis nach Sambas zu- rück. Ich selbst nuisste jedoch, da keine Biedar mehr zur Verfügung war, noch in .Sanggouw verbleiben, bis mir Dr. Nieuwenhuis von Sambas aus eine solche ge- schickt hatte, und benutzte die Zwischenzeit dazu, die nächste Umgegend von Sanggouw zu mitcrsuchen. Auch hier machte ich wieder eine sehr reiche botanische Ernte, der am 31. X. wohl gegen 50 Bäume zum Opfer fielen. Am 3. XI. konnte ich endlich die Rückfahrt nach Sambas antreten. Um noch die Ufer des Tanggi und Sambas zu untersuchen, nahm ich mir für die Reise drei Tage Zeit und jagte, von Früh bis Abends die Fluss- ufer absuchend, in einer leichten Sampan bald vor, bald hinter der schwerfälligen Biedar her. Auf diese Weise wurde auch noch die Flora des Sambasflusses im Wesent- lichen eingesannnelt und die schon an und für sich schwer geladene Biedar war schliesslich durch die sich stetig mehrenden Pflanzen so überladen, dass sie bei jedem Ruderschlag in allen Fugen ächzte und ich froh war, als ich am Abend des 5. XI. unversehrt Sambas erreichte. Hier traf ich gerade früh genug ein, um nach Versorgung der Pflanzen noch am 6. XI. Mittags mit dem chinesischen Singapore-1 )ampfer Ban-Whatt-Hun die Rück- reise nach Pontianak anzutreten, woselbst ich am Morgen des 8. XI. eintraf. Die Ergebnisse dieses dritten Streifzuges sind in nahezu 800 Her])arnummern enthalten, während leider, wie schon gesagt, von den lebenden Pflanzen der ersten Sendung nur wenige gut nach Buitenzorg über- gekommen sind. Herr Resident hätte es nun gern gewünscht, dass ich, bevor ich mit Herrn Büttikofer nach unserer zu Smittouw am oberen Kapuas zu errichtenden Haupt- station hinaufführe, erst noch den Bukit K'lamm*) bei Sintang untersuchte. Durch das fortwährende Waten durch Waldsümpfe, Bäche und Flüsse hatten sich jedoch bereits in Sanggouw an meinen Füssen Blutegelbisse und Moskitenstiche zu bösartigen Wunden erweitert. Ich war daher gezwungen, bis zum 22. XI. ruhig in Pontianak zu verbleiben und es lag eine gewisse Ironie des Schicksals darin, als am 19. XI. in dem Zeitpunkt, wo wir uns ge- meinschaftlich nach dem eigentlichen Arbeitsfeld der Expedition begeben sollten, auch Herr Büttikofer mit kranken Füssen in Pontianak eintraf. Dies hinderte uns jedoch um so weniger, uns unver- züglich nach dem Gebiete zu begeben, dessen Erforschung uns zur Aufgabe gestellt war, als wir auf der Fahrt dorthin noch mehrere Tage Gelegenheit hatten, uns Ruhe zu gönnen. Nachdem am Abend des 21. XI. im Hause des Residenten, der Bedeutung des nun eigentlich erst seinen wahren Anfang nehmenden Unternehmens ent- sprechend, die feierliche Abschiedsstimmung in beredten Worten durch den Residenten und Herrn Büttikofer zum Ausdruck gebracht worden war, trat ich am 22. XI. 12 Uhr auf dem Regierungsdampfer „Djambi" die Reise nach dem oberen Kapwas an. Ausser unserer persönlichen Ausrüstung hatte der Djambi auch noch das einlache, aber gerade hierdurch äusserst zweckentsprechende Mobiliar für unsere Hauptstation sowie einen für mehrere Monate ausreichenden Vorrath von Lebensmitteln an Bord, wofür Herr Resident in umsichtiger Weise gesorgt hatte. Auch zwei sehr leicht gebaute Biedars, welche Herr Resident zum Gebrauch während der Expedition *) Der Apostroph doutet das Vorhandensein eines in den muhiischen Sprachen solir häufigen stummen „e" au. Naturwissenschat'tliclic Wocliensclirift. XL Nr. 8. hatte bauen lassen, hatte der Djaml)i ins Schlepptau gc- nonimen. Am 25. XL, Abends 5 Uhr ankerten wir zu Sintang, welches sich mit seinen 3 Thcilen, nämlich dem europäischen, chinesischen und malaiischen Viertel bei der Mündung des Meläwi an den drei Kapziasufern sehr malerisch ausbreitet. Ungefähr 10 Uhr traf auf dem „Harimata", welcher 2 Biedars ins Schlepptau genommen hatte, auch der Resident mit Herrn Büttikofer ein, um jedoch bereits am frühen Murgen des 26. XL die Weiter- reise anzutreten. Um 11 Uhr folgte auch der Djambi nach, der nun auch noch Herrn Assistent-Residenten Schellebrand als Passagier aufgenommen hatte. Am Vor- mittag des 27. XL wurde Smittouw, der Sitz des Con- troleurs Velthuijzen, erreicht, wo wir für die nächsten Monate unsere Hauptstation aufschlagen sollten. Auf Veranlassung des Residenten hatte zu diesem Zwecke Herr Controleur Velthuijzen auf einem Hügel am Kapwas ein geräumiges Haus mit einigen Nebengebäuden er- richten lassen. Der geradezu luxuriöse Eindruck, den die kleine Häusergruppe auf uns machte, schien uns im Anfang zu dem Zweck, welchem sie vorübergehend dienen sollte, in gar keinem rechten Verhältniss zu stehen. Erst als wir später beim Präpariren und Con- serviren unserer Sammlungen unausgesetzt mit dem regnerischen Klima und der Feuchtigkeit der Luft zu kämpfen hatten, wussten wir es zu würdigen, dass uns eine so schöne Gelegenheit geboten worden war, nach mehrwöchentlichen Ausflügen immer wieder unter dieses geräumige und trockene Obdach zurückkehien und uns hier auf einige Zeit der Conservirung unserer reichen Ausbeute widmen zu können. Nachdem in aller Eile die für die Expedition bestimmte Bagage im Stationsgebäude vorläufig untergebracht war, wurden V2I Uhr die Anker gelichtet und wieder gings unaufhaltsam stromaufwärts. Ausser der Jacht des Residenten folgte nun auch noch der Controleur auf der noch leichter als der Karimata gebauten, in Smittouw stationirten Dampfbarkasse „Eunau" und so machte denn die Flottille der drei Re- giernngsdampfer einen ganz stattlichen Eindruck, als sie am Abend des 29. XL am Ziel unserer Reise, in Putus Sibouw, alle beisammen waren und mitten im Strom in einer Reihe hinter einander vor Anker lagen. Putus Sibouw ist am Kapwas der letzte Ort, der noch von Malaien bewohnt ist und bis zu welchem noch bei nicht allzu niedrigem Wasserstande die kleinen Regierungs- dampfer und die noch kleineren chinesischen Dampfer gelangen können. Wenige Stunden stromaufwärts be- ginnen bereits die Stromschnellen, und den durch Para- sitismus der Arbeit entwöhnten Malaien, die in Boten längs der Flussläufe nur soweit ins Binnenland vorgedrungen sind, bis wohin sie mit ihren Handelsprauen noch bequem hingelangen können, bieten die abgelegenen Einöden Mittelborneos nichts, was sie noch zu fester Ansiedelung verlocken könnte, und nur ein einsames Dajakcnliaus am Ufer des zusehends flacher werdenden Flusses zeugt noch hie und da von der Anwesenheit menschlicher Bewohner. Auch für die holländische Oberherrschaft ist daher Putus Sibouw der letzte Vorposten, wo sie noch unmittelbar vertreten ist: Auf einem Vorsjjrung des linken Ufers be- findet sich in einer Benting (einem durch Pallisadcn be- festigten Haus) unter dem Befehl des Arabers Wang Achmad eine Abtheilung Pradji'irits (inländische Polizei- soldaten). Schräg gegenüber des Benting mündet in das linke Kap(trachtet, und es lässt sich nicht leugnen da.ss es durch Aufbauschung unwichtiger Einzelheiten, oder gar durch Prioritätsstreitigkeiten über den Fund dieser odi'r jener Art li'icht darin ausarten kann. Indess darf die wissenschaftliche Bedeutung der (Tesammterscheinung, als eines pflanzengeo- graphischen Experiments im grossartigsten Maasssbibe. nicht unter- schätzt werden und Verf. liefert iins ein mustergültiges Beisi)iel. wie das Auftreten der Advontivpflanzen \ on allgemeinen Gesichts- punkten zu ))etrachten ist. Die Veränderungen, welche häufig in der ursprünglichen Flora durch den Eisenbahnbau und -Betrieb her- vorgerufen wurden, fallen in einer Gegend, die ursprünglich ziemlich wenig vom Verkehr mit entfernten Landschaften berührt war. wie Polnisch-Livland, weit mehr in die Augen, als bei uns, wo schon vor dem Bau der Eisenbahnen eine beträchtliihe Zufuhr fremder Elemente stattgefunden liatto. Da auch bei uns ein beträchtlicher Theil der neuereu Adventivflora aus Süd-Russland, der Ivornkammer Europas, stammt, so sind die verbreitetsten Adventivpflanzen un- serer Rangirbahnhöfe ev. Getreide-Lagerplätze dieselben, die Verf. und seine Freunde bei Riga und Dünaburg antrafen: Salvia verticillata, Dracocephalus thymiflorus, Sisymbrium sina- pistrum und Loeselii, Gypsophila panniculata. Salsola kali u a. Ref. ist in der Lage, noch eine bemerkenswerthe Art hinzuzu- fügen, deren Heimath sich auf das untere Don- und Wolga-Gebiet beschränkt: Sisymbrium Wolgense M. B., das erst kürzlich von Dr. W. Behrendsen in einer bei Berlin und Hamburg schon seit einem Jahrzehnt beobachteten Wanderpflanze erkannt und auch bei Riga 1894 von Kupffer gesammelt wurde. Zu diesen Eisenbahnadventivpflanzen gehört in diesem Ge- biet, wie anderwärts, auch Seneeio vernalis, der augenblicklich auch im eigentlichen Livland nur bis VVerro, also kaum nördlicher als in Poln. Livland, vorgedrungen zu sein scheint. Ref. benutzt diese Gelegenheit, um sieh über eine Angelegenheit zu äussern, die er schon seit Jahren auf dem Herzen hat. Bekanntlich er- regte das rasche Vordringen dieser Art im nordöstlichen Deutsch- land und ihr Auftreten als ein sehr auffälliges, obwohl in Bezug auf den angerichteten Schaden wohl etwas überschätztes Unkraut vor 3 — 4 Jahrzehnten grosses Aufsehen. Ref. war wohl einer der Ersten, die das Detail dieser EinwandiM-ung festzustellen suchten.*) Wenn auch das Vordringen nicht in so raschem Tempo sich fort- gesetzt hat, so hat die Pflanze doch das einmal eroberte Terrain festgehalten und dehnt ihr Gebiet, abgesehen von sprungweise weit vorgeschobenen, durch Fernverkehr zu erklärenden Vorposten nor und einem hervorragenden Vertreter der Wissenschaft Dankbarkeit und Verehrung schuldet, als Impietät hätte erscheinen müssen. Da indess die Caspary'sche Mittheilung seitdem von zwei Gelehrten, auf deren Aeusserungen Ref. hohes Gewicht zu legen gewohnt ist, ohne Beifügung eines Zweiteis an den viel zu weitgehenden Folgerungen des Verfassers in Erinnerung gebracht wurde***), sieht derselijc sich veranlasst, nunmehr das Versäumte nachzuholen. Caspary, der noch 1863 iSenecio vernalis, wie alle Welt, als ,den bedeutendsten vegeta- bilischen Eroberer" betrachtet hattet), wurde zu der entgegenge- setzten Anschauung durch die von ihm constatirte Thatsache gebracht, dass in den von dem späteren I'rofessor Boretius im Auftrage des damaligen besten Kenners der Flora Preussens, des Propstes Hei wing in Angerburg im zweiten Decennium des 18. Jahrhundert angelegten Herbarien unser .Seneeio vernalis vertreten ist. .\uch Ref. hat sich von dieser Thatsache in dem im westpreussischen Provinzialmuseum aufbewahrten, früher in Erlangen befindlich gewesenen Exemplare dieses Herbariums ff) überzeugen können. So interessant dieselbe auch ist, so war sie doch keineswegs völlig unerwartet, da, worauf Ref. schon 18(il und Caspary selbst 1886 hinwies, Gilibert diese Pflanze um 1780 bei Grodno, im da- maligen polnischen, jetzt russischen, Littauen etwa 170 — 180 km südöstlich von Angerburg beobachtet hatte. Zu Anfang dieses Jahrhunderts hatte der damalige, mit Recht hochgeschätzte preussische Florist C. G. Hagen diese Hei wing-Boretius'sche Pflanze irrig als S. silvaticus bestimmt. Hierauf argumentirt nun C. a. a. O. S. 106 folgi'ndermaassen weiter: „Kann dies nicht auch anderwegcn geschehen seinV Und kann man sicher schliessen, wenn in einer Gegend bisher Seneeio vernalis nicht beobachtet ist, aber ein *) P. Ascherson, Seneeio vernalis W. K., ein freiwilliger Ein- wanderer in die deutsche Flora. Verh Bot. V. Brand. 111. IV. (1861, 1862) S. 1.50-13.'). **) Seneeio vernalis schon 1717 in l t>tpreussen gefunden. Schriften Phvs. Nat. Ges.. Königsberg XXVIl, 1.^86, S. 104— 108. ***) H. Conwentz, in Sehr. Naturf. Ges. Danzig. N. F. VII, Heft 2 (18S9), S. 182—183. J. Abromeit, Sehr. Phvs. dek. Ges. Königsberg XXXIV (1893) S- Beide Autoren begnügen sich übrigens damit, das Vorhandensein der Pflanze in dem Helwing'schen Her- barium als Beweis gegen ihre Einwanderung erst im 19. .lahr- lumdert anzuführen, wogegen selbstverständlich nichts einzu- wenden ist. f) Festgabe an die XXIV. Versammlung deutscher Land- und Forstwirthe in Königsberg i. Pr. 1863, S. 225. tt) Vergl. Conwentz a. a. 0. XI. Nr. 8. Naturwissenseliartliche Wochenschrift. Botaniker, der scharfsichtiger als seine Vorgänger ist, die Pflanze nun in ihr findet und richtig erkennt, dass die Pflanze an jenem Ort eben eingewandert sei'^-' Ferner (S. 107): „War S. vern. aber 1717 bei Angi-rlnirg in der Mitte (»stpreussens, so liegt der Schluss nahe, dass er auch sonst zu der Zeit im übrigen Preussen bereits eingebürgert war. Wie weit nach West und ob er damals schon das ganze Gebiet, in dem er sich heute findet, inne hatte, bis zur t:ibe und einige Jleilen westlich von ihr, lässt sich freilich nicht angeben " Genug, C. bestreitet für Preussen nicht nur die Einwanderung, sondern die Wanderung, und lässt nur ein „neckisches Auftreten" der Pflanze gelten, die in der Zahl der Exemplare in den einzelnen Jahren sehr schwanke. Ueber das westlichere Xorddeutschland drückt er sich minder kategorisch aus, er verweist aber doch hinsichtlich der „vermeintlichen oder wirklichen" Wanderungen in Schlesien, der Mark und Sachsen auf Wimmer, den Ref. und Maass. Er fordert indess auf, in alten Herbarien aus diesen Gebieten nachzusuchen, ob sich nicht Exemplare aus der Zeit vor der j-vermcintlichen" Einwanderung in diese Provinzen finden Hessen. Offenbar ist ihm die Notiz"), über die von Buek schon 1838 als bei Frankfurt a. 0. gesammelt an Kunth mitgetheilten Exemplare entgangen, welche" indess. selbst wenn diese Beobach- tung als zuverlässig angenommen würde, was bei den bekannten JManipulationen Buek's" jedenfalls gewagt wäre, das erste Er scheinen in der Provinz Brandenburg nur um etwa 10 — 12 Jahre zurückschieben würde, da Lasch die Pflanze bei Driesen schon von etwa 1850 an beobachtet haben dürfte. Diese Caspary'schen Ausführungen scheinen dem Ref. keines- wegs überzeugend. Derselbe will zwar kein grosses Gewicht darauf legen, dass nicht nachgewiesen werden kann, ob sich S. vern. bei Angerburg seit 1717 ununterbrochen bis auf die Gegenwart erhaften hat. Eher könnte man schon, den Spiess umkehrend, fragen, ob S. vern. 1717 dort wirklich „eingebürgert" war, was nach den von C. selbst mit gewohnter Gründlichkeit beigebrachten Documenten keineswegs so zweifellos erscheint. Mau könnte vielmehr aus dem Umstände, dass Helwing die in den besprochenen Herbarien vorliegende Pflanze in seiner „Flora (|uasi modo gouita" 1712 noch nicht, sondern erst in dem 1726 ver- öffentlichten Supplementum aufführt, folgern, dass sie auch damals als Wanderpflanze neu aufgetaucht ist. Dieser Schluss würde nicht entfernt so gewagt sein als der von Caspary aus denselben Thatsachen gezogene, dass die Pflanze schon damals im „übrigen Preussen" eingebürgert gewesen sei. Diese Annahme ist vielmehr mit den folgenden Thatsachen unvereinbar. Wäre sie 1818, in welchem Jahre C. G. Hagen sein Werk „Preussens Pflanzen" herausgab, auch nur annähernd so verbreitet gewesen wie heut, so wäre es schwer verständlich, dass sie diesem von Caspary als „ausgezeichnetester Pflanzenkenner jener Gegend" bezeichneten Gelehrten, sowie seinen zahlreichen Schülern und Freunden, von den z. B. der verdienstvolle Apotheker Kugelann in (Osterode seine Ausflüge über einen grossen Theil des südwestlichen Ost- preussens ausdehnte, entgehen konnte. Der Irrthuni, den Hagen liei der Benennung eines hundert Jahre alten, verbleichten Herbar- exemplars beging, bei dessen Anblick er schwerlich an die Mög- lichkeit dachte, dass es sich um eine damals aus ganz Deutsch- land noch nicht bekannte Art handeln könne, beweist doch wahrlich nicht, dass, falls ihm frische Exemplare derselben Pflanze vorgelegt worden wären, er sie nicht eben so gut als vier Jahre später Lottermoser in Rastenburg als ein Novum erkannt haben würde. Auch in den Floren von C. J. v. Klinggräff und Patze, Meyer und Elkan (die erstere und die betreffende Lieferung der letzten erschienen beide 1849) wird eine erst ver- hältnissmässig beschränkte Verbreitung nachgewiesen, nämlich im Weichselthale und an wenigen zerstreuten Punkten Ostpreussens. Ersterer sagt: „In den meisten Gegenden fehlend"; eine Behaup- tung, die doch mindestens eine gewisse Anzahl negativer Wahr- nehmungen voraussetzt. In der That ist die Pflanze in beiden Floren z. B. nicht aus der unmittelbaren Umgebung von Königsberg und Danzig angegeben. Wer würde jetzt fiberhaupt noch einzelne Fundorte anführen, was H. v. Klinggräff schon 1880 in seiner „Topographischen Flora der Provinz Westpreussen" überflüssig findi't. Richtig ist, dass keiner der früheren Beob- achter in den beiden Provinzen die Pflanze bei ihrem ersten Auf- treten beobachtet hat, wie Ref. dies als Ergebniss oftmals wieder- holter Beobachtungen in so charakteristischer Weise in seinem Aufsatze von 1861 feststellt; zuerst das Erscheinen einzelner Exemplare (yuartiermacher), in folgenden Jahren einer geringen, bald aber einer grossen Anzahl. Ihr Charakter als Wanderpflanze *) P. Ascherson, Senecio vernalis W. K., schon vor 1840 in der Provinz Brandenburg beobachtet? Verh. des Bot. Vereins Brandenburg V. 1863, S. 239. wurde von C. J. von Klinggräff 1849 mehr instinctiv ange- deutet; in dem 1854 erschienenen Nachtrage zu seiner Flora si)richt sich dieser Schriftsteller (S. 46) aber klar aus: „S. v. verbreitet sich von Süden und Osten immer weiter in der Pro- vinz und fehlt von Tilsit bis Danzig, bis wohin die Pflanze seit einigen Jahren vorgedrungen ist, wohl bereits jetzt in keiner Localflora. Nach Krause auch schon bei Dt. Crone." Es kann also nicht bezweifelt werden, dass zu derselben Zeit, als die Pflanze in Brandenburg und Pommern zuerst bemerkt wurde, sie auch in Preussen aud'ällig schnell an Terrain gewann und die bishei-igen Lücken in ihrer Verbreitung, wie es scheint, bleibend ausfüllte. Ein klassisches Zeugniss für diese Behauptung ist ilas- jenige des noch heut in hohem Alter in Braunsberg lebenden hoch- verdienten Floristen Seydier, der in den benachbarten Kreisen Heiligenbeil und Braunsberg mehr als ein halbes Jahrhundert hin- durch botanisirt hat. Derselbosagt (Sehr. Phvs. Gek. Ges. Königsberg XXXII (1891) S. 34). „Im Gebiete von mir 1850 zuerst bemerkt, jetzt überall gemein.*) Für Seydier war Caspary sicher die höchste Autorität in botanischen Dingen, „amicus Plato" ; aber es war „magis amica veritas"; die oben mitgetheilten Ausführungen des gefeierten Forschers konnten den schlichten Beobachter nicht an der Zuverlässigkeit seiner eigenen Wahrnehmungen irre machon. Kürzer kann sich Ref. in Bezug auf seine märkische Heimath und die südlichen und nördlichen Nachbarländer fassen, in Betreff deren die Zweifel < Caspary 's auch nicht so zuversichtlich auf- getreten sind. Wollte man annehmen, dass hier S. v. schon vor 1850 (oder allenfalls 1838) vorhanden gewesen sei, so miisste mau entweder glauben, dass der Zufall so wunderbar gespielt hätte, dass die Pflanze nie vor das Auge eines Botanikers gekommen wäre, oder aber, dass z. B. alle die zahlreichen Pflauzenkundigen, die an der Berliner Universität lehrten und lernten, von Willdenow bis A. Braun (und Caspary selbst!) bis zu dem entscheidenden De- cennium 1850—60 hinsichtlich einer Pflanze, die jetzt jeder eiuiger- maassen erfahrene Landmann, jeder botanisirende Real- und Gym- nasialschüler kennt, mit Blindheit geschlagen waren. Weshalb sich dann plötzlich die Tarnkappe verflüchtigte, die die so auf- fällige Pflanze der Wahrnehmung der Botaniker und der Land- wirt'he entzogen hatte, die ja heut auch auf behördliche Anord- nung den aussichtslosen und überflüssigen Vertilgungskrieg gegen die neue „Wucherblume" fortsetzen, das bleibt völlig räthselhaft. Wenn also nicht zwnigendere Beweise, als die von Caspary vorgebrachten sich finden sollten, werden wir die westwärts ge- richtete Wanderung des Senecio vernalis in Norddeutschland nicht für eine subjective Täuschung einer ganzen Generation von Botanikern halten dürfen, sondern nach wie vor als eine durch zahllose Beobachter objectiv festgestellte Thatsache anerkennen müssen. P- Ascherson. Centralblatt für Anthropologie, Ethnologie und Ur- geschichte nennt sich eine neue von Dr. phil. et med. G. Bnschan herausgegebene Zeitschrift (J. U. Kern's Verlag (Max Müller) in Breslau)." Der Jahrgang von 4 Heften soll 12 Mark kosten. Das Centralblatt stellt sich zur Aufgabe, möglichst schnell, kurz und objectiv über die wissenschaftlichen Erscheinungen auf den in seinem Titel angeführten Gebieten auszugsweise zu be- richten und gleichzeitig eine bibliographische L'ebersicht zu geben. Es soll also hauptsächlich Referatszwecken dienen. Ferner soll diese Berichterstattung sich nicht allein auf die Litteratur in deutscher Sprache beschränken, sondern auch sich auf die wichtig- sten Erscheinungen der amerikanischen, bosnischen, czechischen, dänischen, englischen, finnischen, französischen, griechischen, holländischen, italienischen, norwegischen, polnischen, russischen, schwedischen, spanischen und ungarischen Litteratur erstrecken. Wenngleich es nicht unbedingt in dem Wesen eines Central- blattes liegt, Originalartikel zu bringen, so wird dennoch beab- sichtigt, jeder Nummer eine ganz kurze Originalarbeit (von 2 bis 3 Seiten) beizugeben. Die Auswahl des Themas soll nach Möglich- keit so getrotten werden, dass von demselben zu erwarten steht, dass es von allgemeinem Interesse sein wird. Schliesslich soll das Centralblatt auch noch Personalien, kurze Berichte über wissenschaftlich-anthropologische Versammlungen des In- und Auslandes, wie überhaupt Beiträge zur Tages- geschichte bringen. Der Inhalt soll eine strenge Einthoilung nach den im Titel angegebenen Fächern erfahren. Das vorliegende, 96 Seiten umfassende Heft 1 bringt dieser Ankündigung "gemäss eine Fülle von Material. Der Original- Artikel aus der Feder (i. Sergi's (Rom) behandelt den Ursprung und die Verbreitung des mittelländischen Stamnvs. *) Einige speciellere Angaben hat derselbe in den Abh. Bot. V. Brand. IIP IV. Is61, 186-.', S. 96 gemacht. Inhalt: H. Hallier, Die botanische Erforschung Mittelborneos. (Forts.) — ^ Rudolf M e w als Wirkung der Aetherschwingungeu. — Zum Problem der unbewussten Zeitschätzung. — Litteratur: Ed. Lehmann, Flora von Polnisch-Livland. — Centralblatt für Anthropologi' s. Die allgemeine Masseuanzi'duing Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ethnologie und Urgeschichte. In dem unterzeichaeten Verlage ist erschienen und durch jede Buchhandluug zu beziehen: Physikalische Prinzipien der Naturiehre. Von Aurcl AiKlei'üsoliii. Inhalt: Vorwort. Erster Teil. Uie Mechanik der kosmi:?chen Erscheinungen: I. Allgemeine Grundbegriffe. II. Die Massen des Makro- kosmos. III. Die BeweeunKSursache im Weltall, das Gesetz ihrer Wirkungsweise und die Ursache der Gravitation. IV. Uie Beweguneen im Weltall, i. Die Be- wegungen im Allgemeinen. 2. Die Beweuungen des Aethers. 3. Die Bewegungen der Himmelskörper. V. Die übrigen kosmischen Erscheinungen. Zweiter Teil: Die Mechanik der terrestrischen Erscheinungen. I. Einleitung. II. Die Schwere der irdischen Körper. III. Die Wärme. IV. Die Kohäsion und die Aggre- gatszustünde V. Die Krystallisation. VI. Die sogenannte Saugkraft, die Flächen- anziehung und die Kapillarerscheiimngen. VII. Die Diffusion. VIII. Die Licht- erscheinungen. IX. Der Magnetismus. X. Die Elektrizität. XI. Der Elektro- magnetismus. Schluss. a«- Preis Mk. I.CO. Zoologe Die Anderssohn'sche Drucktheorie und ihre Bedeutung für die einheitliche Erklärung der physischen Erscheinungen. Von !E>rof. IDx- <3-u.s-ta.-\7- üoffmaim. 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Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaui wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständis:er ((aellenaneabe gestattet. Die botanische Erforschung Mittelborneos. Von H. Hallier. (Fortsetzung.) Begleitet von Herrn Controleur Welthnijzen brachen wir in den 4 Biedars, die Herr Resident für die Expedi- tion liatte anfertigen lassen, früh '/.jS Uhr anf, zunächst eine Stunde lang den Kapjias und dann dessen Seiten- fluss K'nepai auffahrend. Der letztere trägt in seinem Unterlauf ungefähr denselben Charakter vpie die Flüsse der nächsten Umgebung Smittouws, nur treten in ihm grössere Bäume in viel grösserer Zahl auf und zumal das Kajuh kawie iHopea sp.) sowie das Kajuh temesuh (Fagraea peregrina Bl.), welch letzteres in den Flüssen von .Smittouw meist nur in kleinen, jungen Exemplaren auftritt, kommen hier in zahlreichen, grossen Exemplaren bis zu 3 m Stamuuunfang vor. Oberhalb dieses Seen- gebiets steht zwar auch noch auf unabsehbare Strecken hin die ganze Vegetation im Wasser, das eigentlich tiefe Fahrwasser ist aber hier nur sehmal und windet sich in zahlreichen Schlangenlinien durch den dichten Myrtaceeu- wald hindurch. Hier tritt auch wieder der Rassouw (Pandanus sp.), der uns schon am unteren Kapelas be- gegnete, häufig auf, an den Krümmungen des Flusses hie und da schöne Gruppen bildend. Erst im Oberlaufe des Flusses ist derselbe beiderseits von festem Uferlande ein- gefasst. Trotzdem vorher die Dajaken des K'nepai be- auftragt worden waren, zu Wasser und zu Lande uns den Weg zu bahnen, waren doch auf der letzten Strecke des Weges mancherlei Hindernisse zu überwinden. Zahl- reiche, gewaltige, todte Stämme des harten Kajuh belian (Eisenbolz). — Eusideroxvlon Zwageri T. et B.) lagen quer über den Fluss. Da " diese Holzart bei den aber- gläubischen Dajaken eine hohe Verehrung geniesst, so hatten sie nicht gewagt, die Stämme anzutasten. Vor einem derselben musste von den Biedars das Dach ab- genommen werden und auch dann noch konnten sie nur eben noch darunter hindurchsehlüpfeu. Nachdem endlich oberste noch für Fahrzeuge das Pängkalan, d. h. der erreichbare Platz erreicht war, wurden hier sofort zwei Poudoks (Hütten) zum Verbleib für die Nacht errichtet. Am andern Morgen verabschiedeten wir uns von Herrn Controleur und setzten nun zu Lande die Reise fort. Nachdem der bequeme Dajakenpfad zweimal den S. K'nepai gekreuzt hat, verlässt er bald das mit einer dicken Humuslage und hohem Baumwuchs bedeckte Tief- land des Flusses und führt, meist auf trockenem, weissen Sandboden, durch einen ausgedehnten Wald, dessen dicht gedrängte, gerade Stämme erheblich kleiner sind als auf dem fetten Boden der Flussniederungen. Durch dasVoiherrschen von Myrtaceen und das steil aufgerichtete, lichtdurch- lässige Laub der meisten Bäume hat dieser Wald etwas AustraHsches an sich. Unter zahlreichen anderen be- mcrkenswerthen Pflanzen fand ich hier das eigenartige Clerodendron fistulosum Becc., einen kleinen Strauch, dessen hohle, mit kleinen Löchern versehene Stengel- glieder zahlreichen Ameisen zur Wohnung dienen. Auch Becherpflanzen (Nepenthes) fanden sich in grosser An- zahl und es Hessen sich ihrer wohl ein Dutzend Arten unterscheiden, darunter eine Art, die von den Dajaken wegen ihrer schönen, bunt gefleckten Kannen nach dem Argusfasan „Antüjut arüai" genannt wird. Von den Malaien werden diese eigenartigen Pflanzen scherzweise „Kantong kossong" (leerer Beutel) genannt. Streng genommen ist jedoch diese Bezeichnung sehr un- zulreifend, denn meist findet man in den Bechern durch zahllose kleine Thierleichen getrübtes Wasser oder eine zähe, schleimige, eiweissartige Masse. Nach ungefähr fünfstündiger Wanderung trafen wir in dem am Fuss des K'nepai inmitten ausgedehnter, mit jungem Holz bewachsener Ladangwilduiss liegenden Haus 98 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 9. der Dajalven ein, die sich nach dem vom K'uepai vor- überströmenden Bacii Meuüal-dajaken nennen. Es ist dies das erste nach der unter den Dajalien am meisten üblichen Art und Weise gebaute Dajakcn- haus, das ich genauer zu betrachten Gelegenheit hatte. Auf einem Wald von Pfählen melu-ere Meter über dem Boden sich erhebend erstreckt es sich bei einer Breite von wenigen Metern 46 ni in die Länge. An beiden Enden ist es mit je einem offenen Zugang versehen, durch welchen man nach Ersteigung der üblichen, schon oben bei (4elegeuheit der Schilderung des Dorfes Dawar beschrie- benen Huhnerleiter in das Innere gelangt. Die beiden Thüreu sind durch einen die ganze Längsachse des Hauses durchmessenden Gang mit einander verbunden. Das Eigenartige solcher Dajakenhäuser besteht nun darin, dass sie nicht einer einzigen, sondern einer grossen Anzahl von Familien zur Wohnung dienen. In Folge dessen ist daher meist schon ein einziges derartiges Haus hinreichend, um der ganzen Gemeinde eines Dorfes Unter- kunft zu bieten; nur selten finden sich ihrer zwei oder drei in einem Kampong. Die einzelnen Familien wohnen abgesondert in besonderen Zimmern, welche in einer Reihe angeordnet, die eine Längshälfte des Hauses ein- nehmen und jedes durch eine Thür mit dem in der Längsachse des Hauses verlaufenden Gange in Verbin- dung stehen. Durch die Anzahl dieser Thüren (Pintuh) wird gewöhnlich die Grösse eines Dajakenhauses bezeich- net und das Haus der Menual-dajaken ist demnach ein Haus von 14 Pintuhs. Auf der anderen Seite des Ganges ist derselbe nur durch eine Reihe von Stützpfeilern gegen einen grossen Raum abgegrenzt, der die ganze übrige Hälfte des Hauses einnimmt. In ihm spielt sich über Tag fast das ganze häusliche Leben der Bewohner ab und ausserdem dient er fast allen Gästen zum NachtverbJeib, wobei Europäern und vornehmen Inländern ein besonderer Ehrenplatz in der Mitte der Hauses angewiesen wird. Ausserhalb dieses Vorraumes verläuft längs des Hauses unter freiem Himmel noch eine Art durch einen Rost von Stangenholz gebildete Vorgallerie, welche hauptsächlich zum Trocknen von Kleidungsstücken, von allerhand Früchten u. s. w. und zur Abhaltung abendlicher Plauder- .stündehen dient. Ueber den Familienwohnungen und dem davor verlaufenden Gange befindet sich unter dem Dache eine Art Bodenraum, der zur Aufbewahrung von grossen Reistonnen, Blatten, Schilden, mit Lanzenspitzen ver- sehenen Blasrohren und anderem Geräth dient, und von unten her vernimmt man durch den Stangenliolzrost des Fussbodens das Grunzen der Schweine und das Gackern der Hühner, die sich unter dem Hause auf ebener Erde in umzäunten Räumen befinden. Nur die Hunde, eine Meute von 20— -30 kleinen, hässlichen und feigen Ge- schöpfen, haben unter den Hausthieren, weim man absieiit von Kakerlaken, Tausendfüssen und ähnlichen unschein- baren Organismen, das Vorrecht, ihren Nachtverbleib bei den Gästen im Vorräume zu nehmen, wo sie sich durch Mondscheinsonaten, sowie durch Verzehren von Leder- schuhen und anderem schmackhaftem Hausgeräth deren Gunst zu erwerben suchen. Den ersten im Haus der Menüal-dajaken verbrachten Abend widmeten wir unscrn Wirthen, um uns deren Zu- trauen zu gewinnen und uns ihrer Hilfe zu versichern. Herr Büttikofer bewies dabei, dass er sich in dieser Hin- sicht in Liberia schon eine grosse Erfahrung erworben hat, und durch allerhand 'i'urn- und (iaukelkünste wusste er bald die Dajaken in eine unbefangene und fröhliche Stim- mung zu versetzen. Und als er nun gar begann, Schweizer- lieder zu singen, da liraclien sie alle in ein lautes Ge- lächter aus und suchten die Jodler und .luchzcr in ihrer Weise durch ein ausgelassenes „Julejulejuh" nachzu- ahmen. Die fröhliche Ausgelassenheit kannte aiier keine Grenzen mehr, als wir ihnen im Duett das bekannte Lied „Studio auf einer Reis'" vorsangen; immer und immer wieder versuchten sie den Refrain zu wiederholen, und noch über 2 Wochen später, als ich mich zvu- Rückkehr nach Smittouw anschickte, konnte man von den Lippen eines kaum 6jährigen Mädchens, eines niedlichen, schwarz- äugigen Lockenkopfes, ein schüchternes „Juppheidi jupp- heida" vernehmen. In den nächsten Tagen streifte ich das Dschungel in der Umgegend des Dajakenhauses ab, das aber in botani- scher Beziehung verhältnissmässig wenig Besonderes dar- bot. Da schon in Smittouw durch die zahllosen Moskiten meine Füsse wieder in einen sehr ungangbaren Zustand gerathen waren, so musste ich schliesslich den von Buiten- zorg mitgebrachten Pflanzensammler allein zum Botanisiren ausschicken, und der Aufl)ruch nach dem Berg K'nepai verzögerte sich von Tag zu Tag. Die Zeit rückte jedoch vor, und da im Januar mein Urlaub ablief, so brach ich endlich am 29. XII. auf. Es galt nun für die Errichtung einer Station einen Platz zu wählen, der dem Gipfel möglichst nahe und doch noch genügend mit Wasser versorgt war. Die mitgenommenen Dajaken aber, welche mir einen solchen anweisen sollten, hatten das wohl nicht begriffen oder, was noch wahr- scheinlicher ist, sie fühlten keine Neigung dazu, meine Habseligkeiten noch weiter den Berg hinauf zu schlejjpen. Noch kaum eine halbe Stunde vom Dajakenhaus entfernt, machten sie schon Halt an einem Platze, von dem aus man unmöglich pflanzensammelnd in einem Tage nach dem Gipfel und zurück gelangen kann, und behaupteten, dass weiter oben kein Wasser mehr zu finden wäre. Das schien mir wegen der wasserreichen vom K'nepai kom- menden Bäche sehr unwahrscheinlich, doch erst nach langem Hin- und Herreden gelang es mir, die Leute dazu zu veranlassen, die niedergesetzten Lasten wieder auf- zunehmen. Nachdem wir eine gute Strecke Weges zurück- gelegt hatten, fand ich einen kleinen Bach oben am Ab- bang, Hess hier das Gepäck niedersetzen und ging mit zwei Mann weiter, um nach einem noch höher gelegenen, geeigneten Orte zu suchen. Nach langer Wanderung durch unwegsames BandKulickicht war ein solcher gefunden, und um sicher zu gehen, dass die Kulis auch wirklich nach- folgten, ging ich selbst wieder mit zurück, um sie zu holen. Nochmals ging ich eine gute Strecke allein vor- aus, um nach einem dem Gi]ifel noch näheren Platze zu suchen, jedoch vergeblich, und so musste ich denn schon in halber Höhe des Berges das Pondok (Hütte) errichten lassen, nachdem ich den grössten Tlieil des Weges drei- mal zurückgelegt hatte. Der K'nepai ist ein spitzer Kegel von 1125 m Höhe, der nach vei-schicdencn Seiten hin langgestreckte Aus- läufer entsendet, die durch tiefe, von wasserreichen Wald- bächcn durchbrauste Schluchten von einander getrennt sind. Am Abhang eines dieser Ausläufer, der beim Haus der Menüal-Dajaken endigt, lag das l'ondok. Bereits am 30. XII. bestieg ich den Gipfel. Zunächst noch in meist horizontaler Riclitung dem Rücken des ge- nannten Ausläufers folgend, steigt dann der Weg steil den Kegel hinauf, der bis nahe unter den Gi])fel mit Hochwald bedeckt ist, auf letzterem aber eine strauch- artige Hochgebirgsvegctation trägt. Nur wenige Arten bewahren hier oben noch einen baumartigen Charakter. Das (Jesträuch wird hauptsächlich durch zwei Rhodo- dendren gebildet, deren eines mit prächtigen, grossen, lirennend rotlien Blumen prangte, während ich von anderen leider nur Früchte fand. Zwischen dem Geäst der Sträuchcr haben sich hohe von Moos überwucherte Humus- polster angesammelt und sämmtliche Zwischenräume waren XI. Nr. 9. Naturvvissenscliaftliche Woclienschri ft. 99 (liircli einen holzigen Farrn (Olcandra neriiformis Cav.) ausi;etiillt, dessen nur wenige Fnss Iiolie, steife Ktäinmclicn ein (lichtes, sprödes Gestrüpp bildeten. Zudem war alles >StraiK'liwcrk noch durch eine in grossen Massen auf- tretende kletternde Nepeuthes dicht verflochten, deren stets gefüllte Wasserbecher den kühnen Eindringling, der es wagt, die Ruhe dieser wilden Einsamkeit /u stören, mit ihren trüben Fluthen übergiessen. Obgleich ich nun den abergläubischen Dajaken versicherte, dass alles Un- glück, das etwa an diesem heiligen Orte durch das Kappen des Gesträuches heraufbeschworen würde, nur mich als den geistigen Urheber treffen würde, so waren doch weder sie noch die zwei mitgenommenen Pradjürits dazu zu be- wegen, an diese jungfräuliche Wildniss Hand anzulegen, und so musste ich mir denn selbst mit einem Parang (Kappmesscr) den Weg bahnen, und zwar zunächst durch eine Art vom dichten Strauchwerk überwölbter, sich zwischen den Humuspolstern hindurchwindender Maul- vvurfsgänge. Ua sieh auf dem Gipfel nur wenige kleine, krüppel- hafte Bäume (Veruonia arborea, Schima sp. etc.) befinden, so gewährt er eine unbehinderte Rundsicht. Leider hatte ich es aber ndt dem Wetter schlecht getroffen und daher nur ein endloses, milchweisses Nebelmeer unter mir. Nicht viel glücklicher traf ich es am 4. I. 1894 bei der zweiten Besteigung des Gipfels. Durch die Lücken des Gewölkes, das sich schliesslich wieder zu einem dichten Nebelmeer schloss, sah ich nur bruchstückweise eine endlose Wald- landschaft unter nur und im Osten Hess sich in weiter Ferne eben noch das Seengebiet von Pulouw Madjaug erkennen. In zoologischer Hinsicht ist der K'nepai besonders dadurcli benierkenswerth, dass auf ihm noch zahlreiche Orang utans *) vorkommen. Bereits am Morgen nach unserer Ankunft im Dajakenhause erhielt Herr Büttikofer von den Üajakcn Bericht, dass sich ganz in der Nähe des Hauses ein Orang utan befände. Ohne Verzug machte er sich, wie er war, im Morgenanzug unter Führung der Dajaken auf den Weg und kehrte nach einiger Zeit mit der erlegten Jagdbeute, einem noch nicht halbwüchsigen Männchen, zurück. Die eigentliche Heimath dieser Menschen- affen ist hier jedoch, weit entfernt von menschlichen An- siedelungen, oben in der Einsamkeit des Hochwaldes an den Gehängen des Berges, und hier fanden sich, zumal in der Umgebung meiner Station, zahlreiche Si)uren ihrer Anwesenheit. Am Abhang unter dem Pondok war es eine über 30 m Höhe erreichende Nauclea, deren grosse Blätter ein besonders beliebtes und zweckentsprechendes Baumaterial zu liefern schienen und in deren hoch auf- strebenden Kronen daher die umfangreichen Nester der Orang utans besonders häufig wahrzunehmen waren. Doch auch noch ein anderer Baum, der noch viel riesenhaftere Dimensionen erreicht, schien wegen seiner zwar äusserst kleinen, aber zahllosen Früchte ein beliebter Aufenthalt dieser Geschöpfe zu sein. Unter seinen durch mächtige W^urzclbretter gestützten säulenartigeu Stämmen lagen nämlich zahlreiche abgebrochene Aeste uudier, und so hatte ich es denn ausschliesslich der Beihilfe solch geübter Baumkletterer zu verdanken, dass ich auch aus den un- erreichbaren Kronen dieser Baumriesen Herbarmaterial erlangen konnte. Leider war es mir trotz dieser zahlreichen Spuren *) Statt „Orang utan" (Wafdmenscli) Ingt man diesem noch nicht durch europäische Civilisation verdorbenen Urwahlliowolmer vielfach einen wohl durch franzilsische Ausspraclie des Wortes entstandenen Namen bei, der ihm durchaus nicht zukommt und sich weit besser auf so manchen deutschen Musensolni anwenden Hesse. „Orang utang" muss nämlich durch „Schuldenmensch'' über- setzt werden. ihrer Anwesenheit nicht vergönnt, selbst einmal einen Orang utan in freier Natur beobachten zu können. Als ich jedoch eines Tages am Abhang über dem Pondok botanisirte, wurde ich gewahr, dass sich unten die J'rad- jiirits und Kulis mit einem zottigen, kleinen, braunen Wesen zu schaffen machten, und als ich mich genähert hatte, bemerkte ich zu meiner grössten Ueberraschung, dass es ein junger Orang utan war, den sie in einen meiner l'flanzenkörlje einzusperren bemüht waren. Es war ein eigenthündiches, kleines Geschöpf, das sich ganz unbändig gebärdete und in unbcwussten Augenblicken mehrmals auf dem besten Wege war, durch die Maschen des Rottan- gefleehtes hindurchgreifend ndt sanimt dem Korbe, in dem es eingesperrt war, in die Bäume hinaufzuklettern. Wie ich von einem der beiden Pradjürits erfuhr, hatte derselbe in bedeutender Entfernung vom Pondok auf einen mäch- tigen Orang utan gesciiossen und nach Verlauf von einer halben Stunde sei derselbe wie todt herabgefallen. Mit grossem Schrecken hatte dann der Pradjürik wahrgenom- men, dass in dem schweren herabgefallenen Körper noch Leben sei, und erst nach schärferem Zusehen hatte er bemerkt, dass mit dem alten auch noch ein ganz junger Orang utan herabgefallen war, der seine Mutter fest um- klammert hatte. Durch die Kulis Hess ich nun auch die tödtlich getroffene Mutter herbeischaffen, ein kolossales Exemplar, das zwar wohl nicht viel höher als ein Malaie, also ungefähr 1' m, sein moelite, aber enorm in die Breite entwickelt war. Am folgenden Morgen Hess ich die Leiche, mit Händen und Füssen an einen jungen Baumstamm gebunden, durch zwei Kulis hinunter nach dem Dajakenliaus zu Herrn Büttikofer bringen, welcher die Haut für das Reichsmuseum in Leiden conservirt hat. Der Kleine aber schien mir eine äusserst passende Er- innerung an das Urvvaldlcben in l]orneo zu sein und ich nahm ihn daher später mit nach Buitenzorg, wo er sich, trotzdem er noch so klein war, dass er in den ersten Tagen seiner Gefangenschaft noch mit Milch aufgefüttert werden musste, sehr gut entwickelt hat und wegen seiner drolligen, halb menschlichen, halb thierischen Gebärden allgemein beliebt war. Leider ist er aber vor Kurzem nach einjähriger Gefangenschaft an Dysenterie gestorben. Im Januar lief mein Urlaub ab und es war höchste Zeit, wenn ich in Pontianak noch die Januarmail nach Batavia erreichen wollte. Am 5. I. stieg ich daher nach dem Dajakenhaus hinab, um hier am 6. I. die Vor- bereitungen zur Rückkehr nach Smittouw zu treflTen, und brach am 7. I. nach unserem Landungsplatz am S. K'nepai auf, wo ich noch ein Abenteuer zu bestehen hatte, das leicht verhängnissvolle Folgen hätte haben können. Wegen Hochwassers war unser Landungsplatz zu Fuss nicht zu erreichen. Ich nnisste daher das Gepäck an einem eine gute Strecke weiter flussaufwärts gelegenen Pangkalan, das bei gewöhnlichem Wasserstand nur für kleine Sampans erreichbar ist, zurücklassen und fuhr in einer sich hier vorfindenden Sampan nach dem unteren Pangkalan hinab. Hier Hess ich, um unter den quer über den Fluss liegenden Baumstämmen hiudurchkommeu zu können, von einer unserer vier Biedars das Dach ab- nehmen und fuhr in ihr wieder den Fluss hinauf. An meiner Uhr war schon längst Glas und Zeiger dem unruhigen Leben in der Wildniss zum Opfer gefallen und ich hatte daher unterwegs während des Pfianzen- sammelus nicht bemerkt, dass der Tag schon zur Neige ging. Als ich nun mit der Biedar schon wieder eine grosse Strecke flussaufwärts gefahren war, wurden wir von der hereinbrechenden Nacht überrascht. Laternen hatten wir nicht bei uns, und so suchten wir uns denn den Weg durch die Dunkelheit der Nacht mit Hilfe von Streichhölzern. Diese waren jedoch bald aufgebraucht 100 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 9 und wir tappten uns nun mit Ililt'e des fahlen Lichtes verniodcrnder Baunistännne weiter, erkannten jedoch bald an einer Pandanusgruppe , dass wir uns durch einen Seitenarm des Flusses hindurch mehrmals um eine grosse Insel herum im Kreise bewegt hatten. Unglücklicherweise begann es nun auch wieder zu regnen, und durch das dunkle, den Himmel überziehende Gewölk wurde es stock- finster. Als schliesslich alle Versuche, vorwärts zu kom- men, bald hier, bald da im Waldessaum der Ufer ihr Ende fanden, verloren die Kulis sänmitlich den Muth und über- liesseu sich einer unthätigen Gleichgültigkeit. Ich hatte somit die besten Aussichten, die regnerische Nacht in offener Biedar mitten auf dem Flusse zubringen zu müssen, wozu ich um so weniger Neigung fühlte, als ich schon den ganzen Tag über im Regen marschirt war und nun in meinen dnrchnässten Kleidern bereits einen kalten Schauer sowie im Magen einen gelinden Horror vacui verspürte. Ich stellte daher den Kulis vor, dass es ganz unmöglich sei, ohne Licht den weiten Rückweg zurück- zufinden, dass aber, wenn wir den nicht mehr weit ent- fernten Barang (Gepäck) und meine Laternen erreichten, alle Schwierigkeiten vorüber seien, und dass ihnen als drittes nur noch übrig bliebe, die regnerische Nacht in der obdachlosen Biedar zuzubringen. Trotzdem dauerte es noch lange, ehe sie sich entschlossen, die Ruder wieder in die Hand zu nelimen, nnd nach vieler Mühe kamen wir endlich dem oberen Pängkalan so nahe, dass als Antwort auf unser unausgesetztes Rufen nach einer „Lam- puh" (Laterne) sich wiederholt ein dajakisehes „au" (ja) deutlich vernehmen Hess. Nach langem Warten wurde endlich im Waldesdickicht ein Licht sichtbar und ein Dajak erschien mit einer Laterne. In wenigen Minuten waren wir am oberen Pängkalan, wo ein Theil des Ba- rangs verladen wurde. Auf dem Rückwege erlösten wir noch eine zweite Biedar, die ich hatte nachkommen lassen, durcli Abgabe einer von meinen beiden Laternen aus ihrer Nothlage, und Mitternacht war wohl längst vorüber, als wir endlich wieder im unteren Pängkalan anlangten. Am folgenden Morgen fuhr ich wieder in offener Biedar stromaufwärts, um den Rest des Barangs zu holen. Das Wasser war Nachts gefallen, und nachdem wir bereits an mehreren Stellen, die Tags zuvor noch leicht zu passiren waren, mit Axt und Säge hatten arbeiten müssen, versperrte uns schliesslich ein grosser Baumstamm den Weg. Es musste die kleine Sampan vorausgeschickt werden, um den Barang zu holen. Das Wasser fiel so schnell, dass auch auf der Rückfahrt wieder zur Axt ge- griffen werden musste. Noch am selben Tage fuhr ich in zwei Biedars nach Smittouw zurück. Da noch keine Antwort auf mein Gesuch um Urlaubs- verlängerung eingetroffen war, so war ich darauf vor- bereitet, mit dem nächsten Schiff nach Pontianak und von da nach Buitenzorg zurückzukehren. Bereits am folgenden Morgen traf jedoch des Residenten Jacht „Harimata" ein mit der erfreulichen Nachricht, dass ich noch bleiben könne. Da ich die Flora des Berges K'nepai im Wesent- lichen bereits eingesammelt hatte, so schien mir eine Rückkeln- nach demselben niciit mehr lohnend genug. Erst im Februar kam aber Herr Resident nach Smittouw, um die weiteren Reisepläne mit uns zu besprechen, und so beschloss ich denn, die Zwischenzeit zur Untersuchung des i5ukit K'lanim bei Sintang zu verwenden. Ich meldete mich daher bei Herrn Assistent-Resident Snelle- brand in Sintang an. Da jedoch wegen der sehr un- regolmässigcn Schiffahrt auf dem oberen Kapwas eine Antwort nicht so bald zu erwarten war, so machte ich zuvor vom 14. — 23. I. noch einen Ausflug nach dem Flusse K'nepai, um die reiche Flora desselben noch gründlicher zu untersuchen. Ich hatte es dabei haupt- sächlich auf die zahlreichen Nepenthesarten abgesehen, die ich nebst anderen Pflanzen lebend nach Buitenzorg senden wollte, und sclilug daher zunächst meine Station in unserem Pondok am Pängkalan auf. Da jedoch der Wasserstand fortwährend im Fallen begriffen war, so be- fürchtete ich, dass mir der Rückweg abgeschnitten werden könnte, und verlegte daher am 19. I. die Station weit nach unten an die Mündung des Seitenflusses Seked('iuw. Schon jetzt war das nur unter grossen Schwierigkeiten möglich. Baumstämme, über welche unsere Fahrzeuge früher mit Leichtigkeit hingeglitten waren, bildeten jetzt Brücken hoch über dem FIuss, andere, die früher tief im Wasser lagen, waren jetzt, den Weg versperrend, bis zum Wasserspiegel emporgetaucht und es musste daher die Fahrstrasse nun wieder völlig neu gebahnt werden, wobei selbst die harten Stämme des Eisenholzes unter grossem Zeitaufwand zersägt werden mussten. Am 23. I. kehrte ich mit einer grossen Menge Herbar und 5 Kisten lebender Pflanzen nach Smittouw zurück. Einer Besteigung des B. K'lamm stand nun nichts mehr im Wege und so fuhr ich denn am 26. 1. Morgens 7 Uhr nach Sintang ab, das ich, auch die Nacht durch rudernd, am folgenden Morgen gegen 6 Uhr erreichte. Von hier ging es am 28. I. wieder eine kleine Strecke den Kapöas aufwärts und dann den Sungai Djömel« hinauf. Sowohl landschaftlich wie auch botanisch trägt der letztere ungefähr denselben Charakter wie die Flüsse bei Smittouw und der S. K'nepai. Von seiner Mündung an aufwärts ist zunächst das Fahrwasser noch ziendich schmal und beiderseits durch dichtes, weit ins Wasser vordringendes und sich hauptsächlich aus Myrtaceen zu- sammensetzendes Gesträuch begrenzt. Weiter oben aber erweitert es sich zu kleinen Landscen, deren blauer AVasserspiegel rings von unabsehbaren, dicht mit Myrta- ceengesträuch bedeckten Wasserflächen eingeengt ist. Am oberen Ende dieses Seengebietes befindet sich das Pängkalan des weiter oberhalb ganz unbedeutenden Flüsschens. Von hier aus führt ein Dajakenpfad nach dem ungefähr drei Stunden entfernten Haus der Desa- Dajaken am Fuss des K'lamm. Dieser Pfad ist fast durchweg sehr bequem, führt jedoch fast nur durch Ladangwildniss und lockere Bestände jungen Holzes und kann daher bei klarem Wetter ungemein heiss und er- müdend sein. Unterwegs hat man mehrmals kleine Flüsse zu überschreiten und wegen eingetretenen Hoch- wassers war das mit ziemlichen Schwierigkeiten ver- bunden. Zwar sind die Flüsse ttbcrall durch Baum- stämme überbrückt und bei gewöhnlichem Wasserstand trockenen Fusses zu überschreiten. Diese Baumstänmie fand ich jedoch zumeist tief im Wasser vor, und es war nicht leicht, über sie hinwegzubalanciren, zumal man sie wegen der durch den Vordermann verursachten Be- wegung des dunkelfarbigen Wassers nicht sehen konnte. Gegen Abend traf ich im Dajakenhaus am Fasse des K'lamm ein. Dasselbe ist 47 m lang, also 1 m länger als das Haus der Menüaldajaken am K'nepai, und viel besser gebaut und unterhalten als das letztere. Ueberhaupt stehen die Desa - Dajaken, nur wenige -Pfunden von Sintang entfernt, dem malaisehen und euro- päischen Einfluss viel näher und daher bereits auf einer viel höheren geistigen Entwickelungsstufe wie die Memial- dajaken. Der B. K'lamm ist ein eigenartiger Berg von gross- artiger Schönheit. Er erhebt sich aligcsondcrt unmittelbar aus einer weiten, mit jungem Holz bewachsenen Ebene bis gegen 1000 m über den Meeressi>icgel und erstreckt n westöstlicher Richtung in die Länge, iialber Höhe des Berges hinauf sind sich ungefähr Bis zu ungefähr XI. Nr. 9. Niitiirwisscnsfliaftliehe Woclicnsclirif't. 101 .seine steilen Gehänge mit üppigem Hochwald bekleideti auf der oberen Hälfte aber ist er ringsum von einer mächtigen, fast allseitig senkrecht abstürzenden, nackten Felswand umgürtet, über welche das Wasser in zahl- reichen Falten des Gesteins herniederrinnt. Ueber der oberen Kante der Felswand trägt er eine aus Sträuchern und kleineu Räumen Zusammengesetze Hochgebirgs- vegetation. Ungefähr in der Mitte der südlichen Längs- seite liegt unmittelbar an seinem Fuss das Dajakenhaus. Schon zu Sintang gewährt der Berg, vom chinesischen Kampoug (Stadtviertel) aus gesehen, einen wunderbar schönen Anblick und auch unterwegs hatte ich sowohl auf dem S. Djemelä als auch auf dein Landweg mehrmals Gelegenheit, seine schroffen Formen zu bewundern. Der Anblick aber, den er, aus nächster Nähe vom Dajakenhaus aus gesehen, darbietet, wenn die Abendsonne ilin in ihre pnrpurrothen Gluthen taucht, mit ihren Strahlen die an ihm herniederrieselnden Wasser mit silbernem Glänze übergiesst und durch ihre dunklen Schatten jede Falte, jede Kante seiner senkrechten Felswände in plastischer Schärfe erscheinen lässt, ist über alle Beschreibung er- haben. Beim Anblick dieser mächtigen Felswände sollte man meinen, dass der Berg ünersteiglich sei, und in der That bedurfte es auch erst der Nachhilfe von Menschenhänden, um seinen Rücken zugänglich zu machen. Am Westende des Berges, wo der Gürtel der Felswand am schmälsten ist, haben nämlich die Dajaken eine lange Rottanleiter angebracht und pflegen nun vermittels dieser den Berg zu besuchen, um Geta njato waringiu, Akar tigäri (Alyxia, eine lianenartige Apocynacee von angenehmem Toiletten- seifengeruch, welche schöne Wandelstöckc liefert) und andere Naturerzeugnisse einzusammeln. Am 29. L Hess ich durch einige Dajaken die Leiter nochmals untersuchen und ausbessern. Bei ihrer Rückkehr brachten sie mir prachtvolle Blüthen eines Cypripediums (C. Mastersianuni Rchb. f. V) und anderer Orchideen, Zweige von Casuarinen und Coniferen (Dacrydiuni), von Myrtaceenformcn der Hochgebirgsregion, von der mit prachtvollen, scliwarzgrihien, sammetglänzenden, silbern gestreiften Fiederblättern ausgestatteten Leea amabilis und andere bcachtenswerthe Pflanzen mit, sodass ich auf eine sehr reiche und werthvolle botanische Ausbeute hotfen durfte, eine Hoffnung, deren Erfüllung später alle Erwartungen noch weit übertraf. (Schluss folgt.) Die Cacaociiltiir am Congo. — In einer der letzten Sitzungen der Societe d'Agricnlture in Paris erstattete Dybowski Bericht über die im französischen Congolaud (Gabun) mit der Cacaocultur seit fünf Jahren gemachten Erfahrungen. Die Einfuhr von Cacao nach Frankreich ist von 7 300 000 kg im Jahre 1865 auf 28 000 000 kg im Jahre 1894 gestiegen; der Verbranch in Frankreich stieg in derselben Zeit von 6 auf 14 Mill. kg, davon haben die französischen Colonien 1894 nur 665 000 kg selbst pro- ducirt. — Der Cacaobaum verlangt ein Klima von 22** Minimum und eine jährliche Regenmenge von wenigstens 1,70 — 1,80 m. Im französischen Congogcbiet sind diese Bedingungen vollständig erfüllt; an den Ufern des Ogowe wurde eine Regenmenge von 2,50 m constatirt, und mit Ausnahme einer dreimonatlichen trockenen Periode ist der Regen gleichmässig vertheilt. Seit 1890 sind dort- sclbst Versuche angestellt worden; heute stehen die Cacaopflanzuugen in voller Production, und im September 1895 sind Körner von ausserordentlicher Güte geerntet worden. In Süd-Amerika rechnet man auf jeden Baum 15 — 20 Früchte, die etwa 1 kg Bohnen ergeben; am Congo hat man 1895 pro Baum 70—80 Früchte ge- erntet, und nach den angestellten Beobachtungen kamen auf jeden Baum 50 grosse und 20 kleinere Früchte. Nach der Gährung hat man im Mittel 30 Körner per Frucht; der Totalertrag beträgt 2,200 kg pro Baum, was einen Werth von 3 Fr. 12 Ct. ausmacht. Diese Eriähruugen, sagt Dybowski, lassen hoffen, dass die französischen Colonien, wenigstens die am Congo, für die Cacaocultur mit Erfolg benutzt werden können. Dem ist hinzuzufügen, dasfe man gewöhnlich jährlich zwei Ernten abhält, mit einer Zwischen])ause von sechs Mo- naten; aber auf alten Cacaobäumen kann man fast alle Tage ernten, und es ist etwas Gewöhnliches, auf dem- selben Baume Blüthen und Früchte zu sehen. 100 kg frische Cacaokerne ergaben 45—50 kg trockenen Cacao; der jährliche Ertrag eines Baumes an trockenem Cacao variirt zwischen 50 g und 2 kg. Ist einmal die Cacaopflanzung eingerichtet, so besteht die ganze Arbeit in dem Erhalten eines lockeren Bodens, im Verschneiden der Pflanzen und euillich im Pflücken und Trocknen der Früchte. Ein einzelner Mensch kann mit 1000 Bäumen fertig werden in den zwei ersten Jahren nach der Anpflanzung, mit 2000 während der vier folgenden Jahre und mit 4000 Bäumen, wenn die Pflan- zung im vollen Gange ist. S. Seh. R. Eberlein, Ueber die im Wiederkänermageii vorkommenden Infusorien (In: Zeitschrift für wissen- schaftliche Zoologie, Band 59, 1895). — Schon seit circa 50 Jahren waren Infusorien, welche in dem Magen unserer Haussäugethiere leben, bekannt; im Jahre 1843 wurden die ersten von Gruby und Delafond beschrieben. Später haben andere Forscher, von denen Stein (1859) und Schuberg (1888) namentlich genannt sein mögen, diese Kenntnisse gefördert und viele Arten und Gattungen neu beschrieben und abgebildet. Weniger bekannt war aber bisher die allgemeine und geographische Verbreitung der Wiederkäuerinfusorien, die physiologische Bedeutung derselben und die Art der Infection der Wiederkäuer. Diese Lücke hat Eberlein in der vorliegenden Arbeit ausgefüllt. Er untersuchte den Pansen und Netzmagen einer Anzahl unserer Hauswiederkäuer, sowie auch meh- rerer fremdländischer Wiederkäuer auf ciliate Infusorien und gelangte dabei zu recht interessanten Resultaten, die im folgenden kurz wiedergegeben sein mögen. Eberlein benutzte zu seinen Untersuchungen von Hausthieren das Rind, das Schaf und die Ziege, indem er die betreffenden Magenabtheilungen frisch geschlach- teter Thiere mit einem sjjitzen Messer anstach und durch diese kleine Oeffnung den flüssigen Inhalt in ein ge- wöhnliches Cylindergfas fliessen Hess oder indem er den betreffenden wiederkäuenden Thieren die Futterballen ans dem Maule nahm. Von fremdländischen Wiederkäuern wurden ein Kamel, Lamas, Rennthiere und Kamerun- schafe des Berliner zoologischen Gartens zur Untersuchung herangezogen, die, nachdem die Versuche, sie zur Heraus- gabe von Futterballen zu zwingen, missglückt waren, mittelst einer durch eine Schlundsonde eingeführte Spritze ihres Mageniniialtes beraul)t wurden. Das so gewonnene Material wurde im Wärmsehrank auf eine Temperatur von 35" C. erhalten und auf einem heizbaren Übjecttisch 102 Naturwissenschaftliclie Wochenschrift. XL Nr. 9. bei derselben Temperatur lebend untersucht. Von jedem Thier wurden in der Regel n Priiparate angefertigt und aus diesen wenigen Präparaten ergab sich schon die überraschende Thatsache, dass, wenn auch die eine oder die andere Art der Infusorien immer zahlreicher vertreten ist als die übrigen, doch die einzelnen Thiere in der Regel alle Genera der bekannten Infusorien be- herbergten. Die Tabelle, in der die in den einzelnen Thicren gefundenen Infusorien aufgeführt sind, liefert den Beweis für ihre ungeheuere Verbreitung. Bei 87 untersuchten Wiederkäuern konnte bis auf ein einziges Mal immer die Anwesenheit von Infusorien nachgewiesen werden. In dem einzigen Falle, in dem sie fehlten, stammte das Material von einem kranken (kachektischen) Schafe. Es zeigt diese Zahl, dass die Infusorien nur bei 1,15 Procent der untersuchten Thiere fehlten, während sie bei 98,85 Procent vorhanden waren oder, besser ge- sagt, dass sie bei 100 Proceut der gesunden Thiere ge- funden wurden. Dieser Procentsatz in Verbindung mit der Thatsache, dass das Blaterial nicht von ausgesuchten Thieren, sondern von Thieren, wie sie der Zufall gerade bot, entnommen wurde und dass die Thiere als Schlacht- thiere (mit Ausnahme der fremdländischen) sich meistens in gutem Nährzustande befanden, rechtfertigt den Schluss, dass die Infusorien einen normalen Bestandtheil des ersten und zweiten Magens der Wiederkäuer bilden und absolut nicht als ))atholo gisehe Er- scheinungen zu betrachten sind. Da die Untersuchung zudem an Schlachtthieren vor- genommen wurde, die aus den verschiedensten Gegenden Deutschlands nach Berlin eingeführt waren und ausserdem Eber lein Material aus einigen Gegenden Deutsehlands direct erhielt, in allen diesen Thieren aber stets sämmt- liehe Gattungen und fast alle Arten der Infusorien in be- deutender Anzahl angetroffen wurde, so geht daraus her- vor, dass fast sämmtliche Arten der Wimper- infusorien des Wiederkäuermagens in grosser Anzahl über mindestens ganz Deutschland ver- breitet sind. Auffallend ist ferner die Thatsache, dass sich bei keinem einzigen Saugkalbe Mageninfusorien fanden. Es findet aber dieser scheinbare Widerspruch, wie Eberlein's Versuche an jungen Thieren bewiesen, darin seine Erklärung, dass den Infusorien in dem durch die Milchnahrung bedingten, stark sauren Mageninhalt keine Lebensbedingungen geboten sind. So lauge die Thiere ausschliesslicli mit Milch ernährt wurden, fanden sieh im Magen keine Infusorien; sie traten erst dann auf, wenn das P^utter vorwiegend aus Vegetabilien (Heu und Gras) bestand. Mit dem Auftreten der Infusorien geht eine Ver- änflcrung in der Beschaffenheit des Mageninhaltes Hand in Hand. Vor allen Dingen geht die stark saure Reaction in eine schwach saure oder neutrale über. Wurde nun wiederum eine schon heufressende Ziege ausschliesslich auf Milchnahrung gesetzt, so verschwanden schon nach einigen Tagen die Infusorien im Pansen, traten aber auch ebenso schnell und zahlreich wieder auf, wenn zur Heu- fütterung zurückgekehrt wurde. Der Versuch, einem nur mit Milch ernährten Thiere Infusorien aus dem Magen- inhalt eines anderen mit Heu gefütterten Thieres einzu- geben, missglUckte gänzlich; die hinterher entnommenen Proben des Mageninhaltes enthielten stets nur abgestorbene Infusorien. Ferner erwiesen die Versuche, dass die Infection der Wiederkäuer mit den Dauerformen der Infusorien zweifel- los durch das Heu und das WasscM- geschieht. Die sorgfältigste Desinfection des Käfigs, des Futters und des Wassers mit Sublimat und heisser Luft ergab wohl stets eine grosse Verminderung der Infusorien an Zahl unil Arten, aber nicht immer ein vollständiges Ver- schwinden derselben, was wohl dadurch zu erklären ist, dass die Keime den Thieren auch ebenso gut durch den Staub zugeführt werden können und dass sich die Keime in der Mundhöhle zwischen den Zähnen und in der Um- gebung der Schnauze an den Haaren längere Zeit virulent erhalten können. Eine absolute Desinfection erscheint daher zur Zeit unmöglich. El) er lein versuchte dann auch die Frage näher zu ergründen, ob und wie überhaupt unsere Ini'usorien ausser- halb des Thierkörpers leben können. Zu diesem Zwecke wurden von den dem Mageninhalt entnommenen Infusorien verschiedenartige Culturen angelegt und ihnen möglichst dieselben Bedingungen geboten, denen sie im Pansen der Wiederkäuer unterworfen sind. Es gelang aber niemals, sie länger als 48 Stunden darin am Leben zu erhalten. Aus diesen Resultaten ergiebt sich in Uebereinstimmung mit der Thatsache, dass Beobachtungen über das Vor- kommen der Wiederkäuerinfusorien ausserhalb des Magens nicht vorliegen, die Schlussfolgerung, dass den Infuso- rien zu ihrer Entwickelung ausserhalb des Thier- körpers genügende Existenzbedingungen nicht geboten sind und dass ihr Vorkommen lediglich auf die betreffenden Abtheilungen des Magens der Thiere beschränkt ist. — Endlich geht aus den Befunden an den oben erwähnten fremdländischen Wiederkäuern unzweideutig hervor, dass in ihrem Magen genau dieselben Wimperinfusorien vorkommen, wie bei unseren Hauswiederkäuern, wenigstens dann, wenn sie ganz und gar oder auch nur zum Theil mit dem gleichen Futter ernährt werden. Selbst das Renn thier, das vornehmlich mit Moos und nur nebenbei mit Heu gefüttert wurde, lässt absolut keine anderen Infusorien- Arten erkennen. Ob diese Thiere in ihren Heimathsländern, also bei der vollständig veränderten Flora auch die gleichen Infusorien beherbergen, bedarf natürlich nocli des Nachweises. Da die Infusorien stets in so ungeheurer Anzahl auf- treten, bei allen untersuchten Thieren vorhanden waren und nicht ein einziges Mal einen Nachtiieil für den Wirth bedingt haben, so knüpft sich daran ganz natürlich die Frage, welche physiologische Bedeutung den Thier- chen wohl beizumessen ist. Weil das Vorkommen aus- schliesslich auf den Pansen und Netzmagen der Wieder- käuer beschränkt ist, so liegt es nahe, die Bedeutung der Parasiten in Bezielinng zu l)ringen zur Verdauung und speciell zur Pansenverdauung. Eber lein beobachtete bei seinen Untersuchungen, dass die Infusorien in ihrem Innern fast immer Celluloscbestandthcile enthielten. Er sah häufig, dass sie die kleinen durch Maceratiou zer- kleinerten Cellulosebestandtheile frassen, aber nur höchst selten konnte er beobachten, dass die Ptlanzentheile in ihrer ty])isehen Stäbchenform wieder ausgestossen wurden. Der Infusorienkoth Itildet im Gegentheil in der liegel eine formlose, gekörnte Masse. Es geht also daraus hervor, dass die Cellulosebestandtheile im Innern des In- fusorienleibes eine Veränderung erleiden, die besonders ihre Gestalt und vcrmuthlich aucii ihre Zusanuiiensetznng betreuen, d. li. die Cellulose wird von den Infusorien ver- daut. Sie könnten also durch ihre Anwesenheit den Wohnthieren dadurch Nutzen verscliatVen, dass sie bei ihrer ungeheuren Anzahl ihrem Wirtlie einen Theil der Cellulose in einen resorbirbaren Stoft' überführen. Aber vielleicht erhöhen und erleichtern sie den Stoffwechsel ihres Wirthes bt'i ihrem massenhaften Auftreten über- haujjt schon dadurch, dass sie in den vielen Magen- und Darmabtheilungen bald absterben und verdaut werden. R. XI. Nr. 9. Naturwissenscliaftlidie Woclieuschrit't. 103 Ueber die Zugehörigkeit von jielagisclien Cope- podeii zu den Leuchtthieren sind neucidiu^s mehiere Aufsätze erscliieiieu. Während E. Dittrich (Ueber das Leuchten der Thiere, Breslau 1888) nur einige Sappliirinen und ('yclops brevicoruis als leuchtende Rudertusser auf- führt, berichtet F. Dahl (Zool. Anz., No. 437, S. 10), dass Vanhöffen aus Grönland Metridia longa als Leucbt- thier mitgebracht habe. Es bestätigt das frühere An- gaben Lilljeborgs und Boecks. Die leuchtenden Cope- poden gehören zu den Gattungen Metridia und Pleu- rduinia." W. Giesbrecht (Mitth. Zool. Stat. Neapel, 11. B., S. 648) führt dazu aus, dass die Leuchtdrüsen dieser Thiere gut bekannt seien, dass die Entleerung auf einen Reiz hin auftrete und erst das entleerte, todte Secret leuchte. Das Leuchten ist eine Begleiterscheinung der Einwirkung des Mediums auf das Secret und zwar wirkt das Wasser hier allein. Es führt das Leuchten des aus- geschiedenen Seeretes die Feinde dieser Krebse irre. Vanhöffen endlich (Zool. Anz., No. 481, S. 304) be- schreibt die als moosgrüne Flecken am Hinterkopf (und bisweilen am letzten Hinterleibring und an der Furca) seiner Metridia befindlichen Leuchtdrüsen. Doch er- scheint ihm das Secret auch schon innerhalb des Thieres zu leuchten. C. Mtt'. Der Erzeuger der Taniariskengallen. — Die Ta- niariskengallen sind schon seit langer Zeit bekannt; be- reits Peter Belon erwähnt sie 1588 als häufig in den sandigen Ebenen von Alexaudria und Rosette. Die Ent- stehung der sonderbaren Gebilde blieb aber bis auf die allerneueste Zeit räthselhaft. Man vermuthete eine Sehildlaus oder auch eine Cynips als Urheberin der Gallen; noch in der „Revue des sciences nat. appl." vom 20. September 1894 sagt Leroy in einer Arbeit über die Cultur und die Verbreitung der Gewächse in Algier, indem er von der Tamarix articulata spricht: „Dieser Baum bringt in Marocco eine Galle hervor, genannt Tacahout, die bei der Fabrication des maroccanisehen Leders ver- wandt wird. Die Pflanzen, welche wir besitzen, haben noch keine Gallen hervorgebracht; wir haben ohne Erfolg versucht, die Cynips der Eicheugalle dai'auf anzusiedeln." Ganz kürzlich hat nun der französische Entomolog FranQois Decaux in Neuilly-surSeine bei Paris das gallenbildcnde Insect entdeckt; er macht darüber Mit- theilung im „Naturaliste" (1895, Xr. 205j. Decaux Hess sich von einem Freunde aus der Gegend von Gabes in Tunis frische, im Mai und Juni von Tamarix articulata gesanmielte Gallen schicken und erhielt daraus als Gallencrzeuger sonderbarer Weise einen Schmetterling aus der Familie der Motten, Amblypalpis Olivierella Rag. Der Schmetterling ist von Ragonot im „Bulletin de la Soc. Ent. de Fr." 1895, S. 208 beschrieben worden. Die Flügel messen ausgebreitet 2 cm; Vorderflügel schmal, mit 11 Adern, weisslichgelb, mit schwärzlichen Schüpp- chen bestreut; Hinterflügel vor der Sjjitze stark ausge- randet, hellgrau glänzend; Fransen lang, seidenartig; Fühler lang, dünn, bürstenförmig; Rüssel fehlend; Thorax kugelig mit einzelneu Schuppen; Hinterleib lang, die Flügel um das Doppelte überragend, kräftig, seidenartig, glatt, bei dem Weibchen mit kurzer, zusammengedrückter Legeröhre; Beine lang. Decaux beschreibt im „Naturaliste" auch die Raupe und die Puppe. Raupe: Länge 1 cm, spindelförmig, die mittleren Ringe breiter als die drei oder vier ersten und die zwei oder drei letzten; Farbe schmutzigweiss, manch- mal röthlich; 16 Beine; au den Seiten deutliche Stigmen, je von einem braunen Ringe umgeben; Bauch schwach abgeplattet; Kopf klein. Puppe: Länge 1 cm, länglich, rothbraun, Flügelhülle dunkler. Nach Decaux' und Ragonot's Erfahrung schlüpft der Schmetterling im November aus; ein Exemplar kroch jedoch erst im April aus der Puppe; die Thiere fliegen nach Sonnenuntergang. Die Dimensionen der Gallen wechseln zwischen 10 — 12 mm in der Länge und 6—12 mm in der Breite; die Dicke der Gallenwände beträgt etwa 2 mm. Der Ausgangspunkt der anormalen Anschwellung scheint das Centrum des Zweiges zu sein, denn dieser ninmit nach allen Riciitungen an der Deformation Theil. Die Aus- wüchse wirken durchaus nicht schädigend auf die Zweige, diese fahren vielmehr fort zu wachsen und Blätter zu treiben. Dass wirklich der oben beschriebene Schmetter- ling und kein anderes Insect die Ursache des Auswuchses ist, geht daraus hervor, dass man jedesmal, wenn man eine unversehrte Galle öffnet, darin eine Raupe oder eine Puppe findet, zuweilen auch Larven von Parasiten, die auf Kosten der Raupe leben. Decaux hat die Eiablage noch nicht beobachtet, glaubt aber als sicher annehmen zu müssen, dass der weibliche Schmetterling, nachdem er einen jungen, noch weichen Tamariskenzweig gewählt hat, darauf ein Ei ablegt, welches er festklebt oder welches er in eine kleine Kerbe schiebt, die er mit Hilfe seiner Legeröhre gemacht hat. Dann fährt er mit dem Eierlegen fort, in- dem er zwischen je zwei Eiern einen Raum von etwa 2 cm lässt und 6 — 8 derselben auf jedem Zweige unter- bringt. Unmittelbar nach dem Ausschlüpfen dringt die junge Raupe in den Zweig bis auf die Markschicht. Diese Verwundung des Zweiges ruft einen Säfteandrang hervor, welcher eine Anschwellung mit dicken Wänden verursacht, die mit der Zeit erhärtet. Die junge Raupe ernährt sich anfangs von dem Mark, dann, in dem Maasse wie sie heranwächst, von den benachbarten Theilen. Wenn sie erwachsen ist, stellt sie sich einen Gang her bis zur Rinde, die sie in Form eines Rund- theiles leicht anritzt, ohne dieselbe ganz zu durchbohreu. Hat sie diese Arbeit vollendet, so verpuppt sie sich, in- dem sie einen seidenartigen Cocon spinnt. Der Schmetter- ling schlüpft aus, indem er jenes Rundtheil, das nur einen schwachen Widerstand leistet, mit dem Kopfe hinaus- stösst. — Amblypalpis Olivierella hat nur eine Generation im Jahre; ein Theil der Schmetterlinge schlüpft im No- vember aus, der andere Theil verbringt den Winter in der Galle und kommt erst im März und April aus. Muth- maasslich kriechen die im November abgelegten Eier erst im Frühling aus. An Parasiten erhielt Decaux aus den Gallen fol- gende: Hormiopterus Olivieri Gir., Microgaster gallicolus Gir., Callimome albipes Gir., Arthrolysis Guyoni Gir., sowie einen Opius nov. spec. in nur einem Exemplar. S. Seh. Gartenkaleiuler. März. Im Obstgarten hat das milde, warme Wetter im vorigen Monate die Arbeiten sehr begünstigt, so dass Aussicht vorhanden ist, dass die ge- pflanzten Bäume und Sträuchcr gut anwachsen werden. Wo man mit dem Pflanzen noch gewartet hat, darf man nun nicht länger säumen, denn je später man pflanzt, desto unsicherer wird der Erfolg. Das Beschneiden der Obstbäume und -Sträucher ist auch im vorigen .Monat im Allgemeinen ausgeführt. Nur bei den Pfirsichen und Apri- kosen, welche gedeckt sind, wartet man noch, bis die Decke nicht mehr nötliig ist. Am besten beschneidet man diese erst, wenn man deutlich erkennen kann, welche Knospen Blüthen bringen. Niemals darf man hier über einer Blüthenknospe sclmeiden. Stehen die Knospen zu- sammen, eine namentlich liei Pfirsichen häufige Erschei- nung, so ist die mittlere Knospe stets eine Laubknospe. 104 Natiirwisseuschaftliclie Wochenscbrift. XI. Nr. 9. Bei paarweise zusamcnsteheuden Knospen lässt sich aber nicht immer mit Bestimmtheit augebeu, (ib beide oder nur eine Blüthenknospen sind. Veredehiugen der Obstbäume gelingen jetzt gut. Das einfacliste Verfahren ist das Copuliren, welches darin besteht, dass man zwei Zweige gleicher Stärke, von denen der eine als von möglichst „Unterlage" dienende, an dem Baume bleibende, oben, der andere, das „Edelreis" auf die Unterlage zu veredelnde, unten, mit gleich langen, ebenen, schrägen Schnitten ver- sehen und dann so mit einander fest verbunden werden, dass die Schnittflächen genau auf einander liegen. \'on besonderer Wichtigkeit ist es, dass sich die Cambialzonen, wenigstens auf einer Seite, decken. Die bei dieser Verede- lungsmethode sich abspielenden Verwachsungsvorgänge sind noch keineswegs vollständig erforscht. Namentlich ist das Verhalten der Markkrone, wie ältere Veredelungen zeigen, und von So r au er kürzlich erwähnt wurde, noch einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Damit die Veredelung gelingt, muss Luft und Feuchtigkeit durch einen dichten Verband und Baumwachs von den Schuitt- Hächeu ferngehalten werden. Samen von Stein- und Kern- obst können noch ausgesäet werden. Im Gemüsegarten wird das Land umgegraben; schwerer Boden bleibt vor- läufig noch mit „rauher Fläche", d. h. uugeharkt liegen, während leichter, sandiger Boden, der ja schneller ab- trocknet, vollständig für die Bestellung zurecht gemacht werden kann. Um eine gute Gemüseernte zu erzielen, ist es nöthig, den Boden sehr reichlich mit leicht lös- lichen Nährstoffen zu versehen. Am besten und billigsten, dabei am saubersten, sind die mineralischen Dünger. Der Laie thut am besten, wenn er fertige Gemische xler Düngersalze verwendet, wie z. B. Wagner's Gartendünger oder Albert's Gartendünger (letzterer namentlich für Rosen- kohl). Man streut davon 100 — 150 Gramm auf den Quadratmeter gleichmässig aus (3,4 — 6 Pfennige), gräbt dann den Dünger unter und pflanzt einige Tage später. Auf Saatbeete, welche der Anzucht von jungen Setz- pflanzen dienen, streue man einige Tage vor der Aussaat auf den Dm etwa 100 g phosphorsaures Kali, das man flach untergräbt. Die Samen werden in Reihen ausge-. säet (nur Carotten, Mohrrüben, Radies und Petersilie streut man gleichmässig, aber nicht zu dicht über die ganze Fläche), und zwar in flache Furchen, welche man nach der Aussaat zuschüttet. Das Saatbeet muss durch Decken gegen Frost geschtitzt werden. Auf den SpargeJ- beetcn wird die Erde flach umgegraben; eine Düngung mit 50 — 100 g Albert's Gartendünger pro Dm, den man dabei flach untergräbt, ist sehr zu empfehlen. Im Zier- garten werden die Wege gesäubert. Das Entfernen der Schutzdeeken von den empfindlicheren Gehölzen muss sehr vorsichtig geschehen. Jedenfalls lasse man die Schutzhüllen uoQh möglichst lange auf der Sonnenseite. Viel mehr als der Frost schadet den empfindlicheren, namentlich immergrünen Gewächsen die austrocknende Wirkung der Frülijahrssonne und der trockenen Frühjahrs- wiude. Die Wurzeln können aus dem kalten Erdreiche meist noch nicht soviel Wasser herbeischaffen, wie die Blätter jetzt verdunsten. Besonders gute Zeit ist jetzt zur Vermehrung der Zierpflanzen für die Blumenbeete durch Stecklinge. Die im kühlen Raum überwinterten Pflanzen werden warm gestellt und, zunächst sehr vor- sichtig, begossen. Die jungen Triebe, welche sie dann bilden, werden, wenn sie etwa einen halben Finger lang sind, abgeschnitten, in Sand gesteckt und mit einer Glas- glocke bedeckt. Kann man die mit Stecklingen besetzten Töpfe etwas warm stellen, so ist das um so besser, weil die Stecklinge sich in feuchter, warmer Luft besser be- wurzeln. Der Sand beugt der Fäulniss der Stecklinge einigeruiaassen vor. Die Stecklinge müssen stets mit einem sehr scharfen Messer dicht unter einem Blattknoteu geschnitten werden. Ausser durch Stecklinge zieht mau sich aber junge Pflanzen jetzt auch aus Samen in Töpfen heran. Die Töpfe erhalten zunächst eine sehr starke Schicht Topfscherbeu, um einen guten Wasserabzug zu erhalten. Darauf bringt man locker .sehr sandige Erde, auf welche man die Samen ziemlich weit aussäet. Die Samen bedeckt man dann etwa so hoch, wie sie dick sind, mit sandiger Erde. Damit die Keimung glatt ver- läuft, ist es nöthig, dass mau die Erde gleichmässig, aber nicht zu nass hält. Sehr schwer keimende Samen bedeckt man statt mit Erde besser mit Torfmoos. Die jungen Sämlinge werden möglichst bald, sowie sie das erste Laubblatt gebildet haben, aus den Samentöpfen herausgenommen und weitläufiger in andere Töpfe ge- pflanzt. Dieses Vereinzeln oder „Pikiren" wird vortheil- liaft mehrmals wiederholt, bis die Pflanzen genügend gross sind, um ausgepflanzt werden zu können. Häufiges Verpflanzen übt auf die Pflanzen eine gunstigere Wirkung aus, als wenn man die Pflanzen gleich von vornherein in grosse Gefässe bringt. Udo Dammer. Vermögen Pflanzen noch bei Temperaturen unter 0" C. zu atlimen? — Diese Frage hat bereits Kreusler*) bearbeitet. Er stellte Versuche mit Sprossen von Rubus und Blättern von Phaseolus vulgaris. Ricinus communis und Prunus Laurocerasus an, wobei er beobachtete, dass die Pflanzentheile bei Temperaturen unter 0" C noch Kohlensäure abgaben. Die constatirte Atbmungsgrösse fiel aber in den Ver- suchen Krcusler's sehr geriui aus, und aus diesem Grunde erschien es wünschenswerth, weitere Beobachtungen über den Einfluss niederer Temperaturen auf die Pflanzcn- athmung durchzuführen. Zu den Experimenten benutzte ich 5 bis 6 Tage alte Keindinge von Lupinus Intens und Triticum vulgare. Die Keimung derselben erfolgte in feuchten Sägspänen bei einer Temperatur von 12—15'* C unter Abschluss des Lichtes. Benutzt wurden je 50 g der Keimlinge. Dieselben umgaben im Respirationsraume den cylindrischen Queck- silberbehältcr des Thermometers. Der Pflanzenbehälter selbst stand in einem grossen Gefäss, welches mit erbsen- grossen Eisstücken angefüllt war. Zur Erzielung der gewünschten niederen Temperatur wurden die Versuche in einem kalten Räume ausgeführt und auf die Oberfläche des Eises entsprechende Kochsalzmengen gestreut. Vor jeder Versuchsreihe mussten natürlich auch hier, ohne die Barytröhre einzuschalten, zwei Stunden Luft durch den Apparat geleitet werden. Nach Abschluss der Experimente gelangten einige Keimlinge in feuchte Sägespäne zurück. Sie wuchsen dort bei gewöhnlicher Temperatur weiter, ein Beweis, dass sie durch die Wärmegrade unter 0** C nicht getödtet waren. Versuche mit Lupinus luteus bei — 2" C. Zeitdauer des Versuclis Stückzahl der Kchnlingo lu 75 ccm Harytwasser absorbirt mg CO. Kohlcnsäiireabgabe Ijro Stunde und 1(10 g Substanz mg im Mittel mg '2 Stiinik'ii n 105 101 100 100 101 104 100 101 5,-25 5,45 5,75 5,60 3,15 3,00 3,18 2,80 5,25 5,45 5,75 5,60 6,30 6,00 6,36 5,60 5,78 *) Kreusler, Laiulw. Jiihrbüclier 1888, Bd. 17, S. 161 u. f. XI. Nr. 9. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. lOn Versuche mit Triticum vulgare bei —2" C. Zeitdauer des Vcrsucbs In 75 ccra Kohlensäureabgabc Barytwasser absorbirt pro Stunde und 1 . .,.„ , lUü g Substanz '■" '*"«''' mg CO, U1S ms 2 Stunden 7,75 7,75 7,95 7,95 8,10 8,10 7,65 7,65 rt 7,80 7,80 7,9() 1 Stunclo 4,10 4,10 4,35 4,35 3,85 3,85 1 3,90 3,90 lOU g Lupinenkeiuilinge haben also bei — 2» C pro Stunde im Mittel f),lS mg Kohlensäure geliefert. Die Weizenkeimlinge producirteu bei — 2" C auf 100 g und eine Stunde berechnet 7,96 mg Kohlensäure. Es ist also un/weifeihaft, dass bei Temperaturen unter C C noch Athmung der Keimpflanzen stattfindet. Schliesslich muss jedoch noch erwähnt werden, dass die über die Kohlensäureabgabe mitgetheilten Zahlen um ungefähr 1 mg zu lioch sind, denn mehrfach wiederholte Kontrollversuche ergaben den unvermeidlichen Fehler von ungefähr 1 mg; diese Kohlensäuremenge w'ird wahr- scheinlich beim Füllen oder Einschalten der Barytröhre aus der Luft aufgenommen. Ich habe diesen kleinen Fehler, wenn es sich um grössere, durch den Athmungsjn-ozess erzeugte Mengen an Kohlensäure handelte, nicht in Betracht gezogen. Hier verdient er aber doch Beachtung, da bei Temperaturen unter 0" C nur so geringfügige Kohlen- säurequantitäteu producirt werden. Dr. E. Ziegenbein. Ueber die Einwirkuug der Töne auf das Sehver- mögeii des Menschen hat Dr. S. Epstein interessante Versuche augestellt und darüber in dem neuesten (Januar)- Heft der „Neuen Deutschen Rundschau" berichtet. In einem Zimmer stellte Epstein eine Scheibe auf, die mit einer Geschwindigkeit von 3500 Umdrehungen in der Minute in Rotation versetzt werden konnte. Auf die Scheibe waren Theile von etwa 3 Millimeter dicken con- centrischen Kreisen gezeichnet, welche bei Drehung der Scheibe als vollständige Kreise von verschiedener Stärke erscheinen mussten. Im Nachbarzimmer stellte sich die Versuchsperson auf, welche durch ein in der Verbindungs- thür angebrachtes kleines Fernrohr die oben genannte Scheibe betrachten konnte. In einem anderen Zimmer wurden nun auf einer Orgel verschiedene Töne hervor- gerufen, die, mittelst eines Schalltrichters aufgefangen, durch zwei Hörrohre direct in die Ohren der Versuchs- person geleitet wurden. Wenn nun letztere auf der in Rotation versetzten Scheibe drei Ringe constatiren konnte, von denen der äusserste nur schwach zu sehen war, so erschien, nachdem im Orgelzimmer z. B. der Accord c -[- e + g angeschlagen war, der äussere Kreis jetzt deutlich und scharf, während noch ein neuer Kreis zwischen den beiden anderen sichtbar wurde. Das darauf erfolgende Anschlagen einer Differenz, z. B. h -)- c, hatte zur Folge, dass der zuletzt aufgetretene Ring wieder ver- schwand und der äussere Kreis wie zerrissen erschien. Wurde ein sehr tiefer Ton genommen, so rückte die Scheibe in die Ferne und erschien wie verwaschen. Auch zur Prüfung des Farbensinns konnte die Vorrichtung be- nutzt werden. Zu diesem Zwecke wurde auf die rein weisse Scheibe z. B. ein schmaler grüner Streifen ge- klebt, der bei schnelier Drehung vollständig unsichtbar wurde. Schlug man jedoch im Nachbarzimmer tiefe Töne oder Accorde an^fso wurde sofort ein grüner Schimmer erkannt. — Epstein führte au' verschiedenen Personen 168 derartige Versuche aus, von denen aus unbekannten Gründen nur 3 erfolglos w^aren; er stellte daher als Re- sultat seiner Versuche folgende Sätze auf: 1. Hohe Töne oder Aecorde wirken auf die Sehschärfe erhöhend, tiefe Töne oder Difl'erenzen erniedrigend. 2. Hohe Töne oder Aecorde wirken auf die Empfindlichkeit gegenüber roth, orange, gelb, tiefe Töne oder Dissonanzen auf diejenige gegenüber grün, blau, violett, und zwar immer in er- liöhendem Sinne. S. Seh. Ueber Abtheilung das genaue Wägen. — In der chemischen der russischen physikalisch -chemischen Ge- sellschaft hielt Prof. D. J. Mendelejeff am 14. No- vember 1895 einen Vortrag über das genaue Wägen. Er gab eine Beschreibung der Methoden, deren man sich zu diesem Zwecke in dem Petersl)urger Hauptamt für Maasse und Gewichte, dessen Director Mendelejeff ist, bedient. Der Unterschied zwischen genauem Wägen und gewöhnlichem Laboratoriumvvägen besteht darin, dass bei letzterem die letzten Gewichtstheile {;mg und ihre Bruchtheile) vermittelst besonderer Gewichtsstücke ge- funden werden, beim genauen (metrologischen) Wägen dagegen berechnet man sie aus den Schwingungen des Zeigers der Wage. Um die Fehler, welche die Ungleich- heit der Wagebalken verursacht, , bei genauem Arbeiten gänzlich zu vermeiden, wendet man die Methode des zweimaligen Wagens von Gauss an. jedoch folgende Fragen entgegen: Dabei treten uns 1. Wie ist bei der Beobachtung Zeigers der Schwingungen des Zeigers der Gleichgewichtspunkt zu bestimmen r" (bei genauem Wägen sind die Schwingungen sehr langsam und es wäre daher zu langwierig, wenn man warten wollte, bis der Zeiger ruht). 2. Wie ist das Wägen vorzunehmen, damit die Ver- änderungen, welche an der Wage selbst beim Wägen stattfinden, festgestellt werden können? Die Litteratur, welche sich mit der ersten Frage be- i schäftigt, ist ziemlich umfangreich, aber bisher wurde I noch nichts Entscheidendes festgelegt, da es an einem ' bestimmten Gesetze fehlte. Dieses Gesetz ist nun von ; Mendelejeff' entdeckt worden. I Wenn man die auf einander folgenden Schwingungen , des Zeigers nach rechts und links vom Gleichgewichts- punkte L mit /j, L, Is bezeichnet, so ist j T^^'' wo c eine Coustante darstellt, welche die Wage charak- 'terisirt und von dem Gewichte des zu wägenden Körpers i sowie von der Grösse des Luftwiderstandes abhängig ist. 'Mit anderen Worten: wenn Wage und Gewicht gegeben, ist die Verminderung der Schwingungen constant, und ;wenn c bekannt ist, so kann man schon aus zwei Schwingungen ohne weitere Schwierigkeit die Lage des j Gleichgewichtspunktes ziemlich genau ermitteln: d.2-\rli L = c-f 1 1 1 Was die zweite Frage anbetrifft, so haben die vom : Hauptamte angestellten Versuche ergeben, dass zur Dar- stellung der Veränderungen an der Wage in den Zeit- iräumen {t) zwischen den einzelnen Wägungen die gerad- linige Function L — a-[-lit nicht genügt, d. h. dass die (Veränderung der Lage des Gleichgewichtspunktes nicht vor sich geht. Aber dieselben dass man diese Gleichung des proportional der Zeit Versuche haben gezeigt Zustandes der Wage ziemlicli genau durch eine Parabel zweiter Ordnung ausdrücken kann: L,= a -\- bt -\- et-. 106 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. y. Eine Verminderung der Zahl der Wägungen und Er- leichterung der Ableitung des genauen Gewichts ermög- licht uns das von Mendelejeff entdeckte Theorem (Com. rend. 1895, S. 1467), welches folgenderniaassen lautet: Die Fläche, begrenzt von dem Theile der Parabel y = a + bx-\-cx^, welcher zwischen den Punkten m und n (oder «/i und t/o) der Achse A' (Abscisseuachse) und zwei Ordinaten der Punkte m und /( liegt, also mit den Abscissen x^ und x,, ist gleich der Fläche eines Trapezes, das statt durch eine Parabel dm"ch eine Gerade begrenzt wird, welche durch einen der äussersten Punkte der Pa- rabel {ni oder n) geht und durch einen zweiten, dessen Entfernung vom ersten 7-2 (^2 — ^\) beträgt. Mit Hilfe dieses Theorems linden wir, wenn in gleichen Zeitab- schnitten vier Wägungen: AB, BA, AB, BA (wobei in jedem Paare der linke Buchstabe das Gewicht am linken Arm bezeichnet) gemacht und die Gleichgewichtspunkte L^, Lj, Lo, L3 bestimmt worden sind, dass die Differenz der Gleichgewichte AB — BA= V4 [{Lq — L3) f 3 (L^ — Li)], was ganz genau dem Ausdruck einer Function der Zeit durch zwei Parabeln zweiter Ordnung entspricht, obwohl die Formel auf der Bestimmung nur zweier Punkte jeder Parabel basirt. Welchen wissenschaftlichen Werth können nun ge- naue Wägungen haben? Auf diese Frage antwortet Mendelejeff mit folgenden Beispielen: 1. Landolt (Zeitschr. f. Physik. Chem. 1894) hat die Frage aufgeworfen, ob sich nicht das chemische Gewicht der Elemente beim Uebergange aus einer Verbindung in die andere, ändert. Die Versuche mit genauem Wägen ergaben, was auch nicht auffallend erscheinen kann, eine positive Antwort. 2. Jolly hat gezeigt, dass man vermittelst einer ge- nauen Wage die Gewichtsdifferenz eines Körpers auf verschiedenen, aber ganz geringen Höhen, z. B. am Fuss- boden und an der Decke eines Zimmers, bestimmen kann. Die Differenz beträgt Hundertstel, sogar Tausendstel eines Milligramms. 3. In der Natur giebt es keine wichtigere Frage, als die von der Schwere, aber von dem Wesen derselben wissen wir noch nichts. Heute ist nur eine Annahme möglich, dass sich die Körper gegenseitig vermittelst des überall vorhandenen Aethers anziehen, wobei der Aether natürlich in einen Schwingungszustand geräth. Mit Hilfe einer genauen Wage kann man nun die Frage lösen, ob diese Anschauung richtig ist. Denn ist dies der Fall, so leitet dieselbe Gewichtsmenge eines Körpers, erst in hartem, alsdann in gasförmigem Zustande (wo die Theil- chen mehr auseinander gerückt), den Aetherwellen einen verschiedenen Widerstand und besitzt folglich ein ver- schiedenes Gewicht. „Also nicht aus sinnloser Scrupulosität" , endete Mendelejeff seinen Vortrag, „mühen sich diejenigen, welche die Grenze des genauen Wagens erreichen wollen, nein, ihre Arbeit ist dem Ziele geweiht, Fragen der Natur- philosophie zu lösen." L. S. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Hofratli Dr. Spengel in Dresden zum Chefarzt der chirurgischen Abtheilung des grossherzogliehen Ki-iinkoiihausos in Braunsclivvc'ig; der ausserordentliche Professor der Land- und Forstwirthscliaftslehre an der technischen Hoch- schule in Wien Krafft zum ordentlichen Professor; Dr. Opitz in Breslau zum Assistenzarzt an der dortigen Frauenklinik an Stolle des ausgeschiedenen Dr. Kantorowicz. Berufen wurden: Der Privatdocent der Physik in Göttingen Dr. Friedrich Pockels an die technische Hoch.schnle in Dresden; der Assistent an der Berliner Charitceabtheiiung für Ohrenkranke Stabsarzt Dr. Passow als ausserordentlicher Pro- fessor der Ohrenhiilkinide nach Heidelberg. Abgelehnt hat: Der ordentliche Professor der Chemie in Freiburg Dr. Baumann den Ruf nach Strassburg. Aus dem Lehramt scheidet: Der Privatdocent in der medici- nischen Fakultät zu Würzburg Dr. Reichel. Es starben: der ordentliche Professor der Anatomie in Mar- burg Dr. Guido Wagener; der ordentliche Professor für che- mische Technologie und analytische Chemie au der technischen Hochschule zu Wien Dr. Rudolf Benedikt; der ehemalige Professor der medicinischen Botanik in Genf Dr. Jean Müller; d^er Chemiker, Botaniker, Physiologe und Arzt Dr. Alfred Kennedy in Philadelphia. Der diesjährige Congress der französischen Association pour l'avancement des sciences wird in Tunis zwischen dem I. und 11. April abgehalten werden. Der diesjährige Congress für innere Medicin findet vom 8. bis 11. April in Wiesbaden statt. Ein allgemeiner wissenschaftlicher Congress der natur- wissenschaftlichen u. a. Gesellschaften des südöstlichen Eng- lands soll zu Tunbrigde Wells am Sonnabend, den "iS. April, stattfinden. — Präsident: Stebbing. L 1 1 1 e r a t u r. 1. Paul Carus, The Gospel of Buddha According to old Records. 2. edition. The Open Court Publishing Company. Chicago 1895. — Preis Dollar 1,00 2. Paul Carus, Das Evangelium Buddhas. Nach alten Quellen erzählt. Unter Mitwirkung des Verfassers aus dem Englischen übersetzt von E. F. L. Gauss. B. Westermann & Co. in New- York, W. Friedrich in Leipzig und The Open Court Publishing Co. in Chicago. 1895. Das Buch ist sehr geeignet, das Wesen des Buddhismus kennen zu lehren; es zerfällt iu eine „Einführung" und in die Abschnitte: Prinz Siddhartha wird Buddha, die Gründung des Reiches der Gerechtigkeit, die Befestigung der Religion Buddhas, Buddha als Lehrer, Gleichnisse und Erzählungen, die letzten Tage Buddha's und in einem Schluss, der sich mit der 3 fachen Per- sönlichkeit B.'s beschäftigt, mit dem , Zweck des Daseins" und ein Gedicht bringt ..Allen Buddhas Preis". Der Anhang bietet ausser dem Sachregister einen kurzen Abschnitt „Was ist Bud- dhismus", ein Verzeichniss der Quellen mit Angabe interessanter Parallelen und endlich einen Glossar. Die wichtigsten Abschnitte sind wörtliche Uebersctzungen der alten Texte. Camille Flammarion, Das Ende der Welt. Deutsche, vom Ver- fasser genehmigte Ausgabe von Karl Wenzel. Verlag von Ernst Haug (Otto Riecker's Buchhandlung). Pforzheim. — Preis 3 Mark. Eine Durchsicht des Inhaltsverzeichnisses giebt sofort Auf- schluss über das Genre des Buches. Es zerfällt in 2 Theile, die eine Anzahl Kapitel bringen: I. Theil: Im fünfundzwanzigsten Jahrhundert. — Die Theorien. — 1. Die Drohung am Himmel. — 2. Der Komet. — 3. Die Sitzung des Instituts. — 4. Wie die Welt untergehen wird. — 5. Das vaticanische Konzil. — 6. Der Glaube an den Untergang der Welt durch alle Zeiten hindurch. — 7. Der Zusammenstoss. — II. Theil: In zehn Millionen Jahren. — 1. Die Entwickelungsstufen der Zukunft. — 2. Die Ver- wandlungen. — 3. Der Höhepunkt. — 4. Alles ist eitel. — 5. Omegar. — 6. Eva. — 7. Der letzte Tag. — Epilog. — Nach dem Ende der Erdenwelt. Es handelt sich also um Phantasieen und wir fügen hinzu geistreiche Phantasieen des Verfassers über die Zukunft. Aber man würde irren, wenn man dieselben etwa mit den von Jules Verne gebotenen von vornherein in einen Topf werfen wollte. Es muss zugestanden werden, dass Flammarion sich bemüht, aus- schliesslich seine Kenntnisse urtheilen zu lassen. Sagen wir also: es handelt sich um einen Roman astronomischen Inhaltes. Wie der Gereifte keine tiefere Befriedigung an Märchen findet, sondern das Verlangen hat, in seiner belletristischen Leetüre „psycho- logische Wahrheit" zu finden, so steht in Folge des Strebens in der vorliegenden Schrift, die Thatsachen logisch zu verbinden, dieselbe weit höher als die Schriften Verno's. Wer für gut ge- schriebene, geistreiche Plaudereien ä la Bellamy Interesse hat, wird die Flammarion'sche Schrift mit Genuss lesen. Ob Ver- fasser, der jede Gelegenheit benutzt, seine weltvcrbesserische Stimmung zur Geltung zu bringen, in diesen politischen Excursen Rocht hat — — das mögen die Götter wissen. XI. Nr. 'J. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 107 Prof. Dr. Georg Klebs, Ueber einige Probleme der Physiologie der Fortpflanzung. Gustav Fischer. Jena 1895. — Preis 0,75 Maik. Wir liaben das Wesentliche der auf der letzten Naturforscher- Versammlung gehaltenen Rede mit Zugrundelegung der officiellon Veröft'entlichung bereits in Band X, Nc 49 gebracht und haben daher über den Inhalt desselben hier nichts mehr zu sagen. Es wird bei dem grossen Interesse derselben Manchem von Werth sein, sie für einen billigen Preis besonders anschaffen zu können. Prof. Dr. Otto Wilhelm Thome, Lehrbuch der Zoologie für Gymnasien, Realgymnasien, Oberreal- und Realschulen, hmd- wirthschaftliche Lehi-anstalten etc. sowie zum Selbstunterrichte. Sechste Autlage. Mit über 700 verschiedeneu Figuren auf 389 in den Te.xt eingedruckten Holzstichen, gr. 8". Friedrich Vie- weg & Solni. Braunschweig 1895. — Preis 3 M. Das dem Schulmann wohlbekannte Buch ist seinem Gcsammt- plane nach dasselbe wie früher geblieben, sodass es neben alten Auflagen benuzt werden kann. Ein Abriss über Thiergeographie ist hinzugekommen. Julien Fraipont, professeur de paleontologie ä l'Universite de Lifege, Lee Cavernes et leurs habitants. 1 volume in -IG de 334 pages avi-c 89 figures. (BibliotliiM|ue scientifique con- temporaine.) Librairie J.-B. Bailiiere et fils ii Paris — Prix 3 fr. 50. Wir haben erst kürzlich (Bd. X. No. G S. 75) ein Buch über Höhlenkunde (von Franz Kraus) angezeigt; während sich aber dieses frühere Werk mehr mit der geologischen und, wenn man so sagen kann, geographischen Seite des Gegenstandes be- schäftigt, stehen in dem französischen Buche die anthropologischen und ethnographischen Verhältnisse im Vordergrunde. Die Zusammenfassung, die Verfasser bietet, ist durchaus brauchbar und verlässlich. Im allgemeinen Theil des Buches werden besonders die ueptunischen und plutonischen Höhlen besprochen und die Vor- gänge bei ihrer nachträglichen Ausfüllung. Im speciellen Theil wird die Bewohnerschaft der Höhlen seit der Diluvialzeit be- handelt. — Ueber die Rolle, welche die Höhlungen für die Religion, Sagen und Ueberlieferungen gespielt haben und spielen, wird in besonderen Kapiteln berichtet. Eroll's Stereoskopische Bilder. 26 farbige Tafeln. Dritte ver- besserte Auflage von Dr. R- Perlia, Augenarzt in Crefeld. Leopold Voss. Hamburg und Leipzig 1895. — Preis 3 M. Um das Schielen zu verhüten, erfand der Augenarzt Dr. Kroll eine besondere Art von Stereoskopbildern, nämlich mit zwei un- gleichen, sich gegenseitig aber ergänzenden Bildtheilen, die im Stereoskop bei richtigem Sehen zu einem Bilde vereinigt er- scheinen müssen. Diese Bilder sollen angewendet werden, sobald ein Kind durch hin und wieder sich zeigende fehlerhafte Stellung seiner Augen auffällt oder häufig einen unsteten Blick darbietet; denn dann ist Gefahr des dauernden Schielens vorhanden. Wie durch das Turnen die allgemeine Muskulatur des Körpers, so werden durch das Sehen mittelst Stereoskop die Muskeln der Augen gestärkt. Eines der Bilder ermöglicht eine Veränderung des Abstandes seiner Hälften: schiebt man für den nach innen Schielenden die 2 Theile zusammen, so wird eine Stellung der Halbbilder eintreten, die eine Verschmelzung zu einem Bilde er- möglicht; zieht man jetzt die Bildhälften nach und nach aus- einander, so zwingt der Drang zum Einfachsehen zur Erschlatfung des Contrahirten inneren Augenmuskels und zur Contraction des äusseren, also zu einer dienlichen Muskelgymnastik. Für nach aussen Schielende ist natürlich umgekehrt zu verfahren. Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte. (;?. Versammlung zu Lübeck. IG. bis 20. Sept. 1895. Herausgegeben im Auftrage des Vorstandes und der Geschäfts- führer von Albert Wanger in und Otto Taschen b erg. Zweiter Theil I. Hälfte: Naturwissenschaftliche Abtheilungen. II. Hälfte: Medicinische Abtheilungen. F. C. W. Wogel. Leipzig 1896. Der 1. Theil, den Bericht über die allgemeinen Sitzungen enthaltend, namentlich den Text der in denselben gehaltenen wissenschaftlichen Vorträge, über die wir eingehend referirt haben. erschien im November 1895. Die I. Hälfte des 2. Theiles bringt, wie üblich, eine grosse Anzahl kürzerer oder längerer Referate der in den Gruppen- Sitzungen gehaltenen N'orträge. Zuweilen ist freilich nur die Ueberschrift derselben vermerkt. Es sollte zur Bedingung ge- macht werden, dass stets ein Referat zu erfolgen hat. Welchen Vortheil hat die Wissenschaft davon, die Ueberschriften von Vor- trägen zur Kenntniss zu nehmen V Es werden in Registern hier die Namen von Autoren aufgeführt, die in dem Bande garnichts bieten. Solcher zeitraubender Ballast sollte vermieden werden. Die Abtheilung für Mathematik und Astronomie bringt 20, diejenige für Physik und Meteorologie über 20, die Abtheilung für Chemie 17, die Abtheilung für Äsriculturchemie und land- wirthschaftliches Versuchswesen 5, die Abtheilung für Instru- mentonkunde über ein Dutzend, die Abtheilung für Botanik eben- falls etwa ein Dutzend, die vereinigten Abtheilungen für Zoologie und für Entomologie über 10, die Abtheilung für Mineralogie und Geologie 3, die Abtheilung für Ethnologie und Anthropo- logie 2, die Abtheilung für Geographie 3. Die Abtheilung für mathi matischen und naturwissenschaftlichen Unterricht hat sich diesmal gar nicht constituirt. Die angegebenen Zahlen sind wegen des angedeuteten Uebelstandes der Erwähnung von Vorträgen, über die im Buche nichts weitm- als der Titel geboten wird, hier und da etwas zu hoch gegriffen. Die II. Hälfte: Medicinische Abtheilungen umfasst nicht weniger als 368 Seiten, die I. Hälfte 147. Beushausen, Dr. L., Die Lamellibranchiaten des rheinischen Devon. Berlin. — 30 M. Bittner, A., Lamellibranchiaten der alpinen Trias. 1. Thl. Wien. — 54 M. Blochmann, Prof. Dr. Frdr., Die mikroskopische Thierwelt des .Süsswassers. 1. Abth. Leipzig. — 26 M. Boltzmann, Prof. Dr. liudw., Vorlesungen über Gastheorie. 1. Thl. Leipzig. — 6 M. De-Toni, Dr. J. Bapt., Sylloge Algarum omnium hucusque cognitarum. Vol. III. Fucoideae. Berlin. — 32,80 M. Ehlers, Otto E., Samoa, die Perle der Südsee. Berlin. — 3 M. Groos, Prof. Karl, Die Spiele der Thiere. Jena. — GM. Heinrich, Dr. W., Die moderne physiologische Psychologie in Deutschland. Zürich. — 4M. Krilche, Dr. Arno, Allgemeine Chirurgie und Operationslehre. G. Aufl. Leipzig. — 6,75 M. Lindau, Priv.-Doc. Dr. Gust., Ueber Wachsthum und Auheftungs- weise der Rindenflecliten. 1. Heft. Dresden. — 8 M. Löwis, Osk. V., Unsere baltischen Singvögel. Reval. — 6 M. Marwedel, Joh. Ed., Zur Kenntniss des Pseudocumenols. Heidel- berg. — 1,50 JI. Mönnichmeyer, Priv.-Doc. Dr. C, Beobachtungen von Nebel- tleckeu Bonn. — G M. Sammeisberg, Prof. Dr. C. F., Handbuch der Mineralchemie. 2, Siippl. zur 2. Aufl. Leipzig. — 14 M. Rosenberger, Prof. Dr. Ferd., Isaac Newton und seine physi- kalischen Principien. Leipzig. — 13,50 M. Schickert, Stabsarzt Dr , Die militäiürütliclien Bildungsanstalten von ihrer (Gründung bis zur Gegenwart. Berlin. — 10 M. Sievers, Prof. Dr. Wilh., Australi.'U und Ozeanien. Lei[)zig. — 1 M. Specialkarte, geologische, des Grossherzogt, Baden. 83,84. Petersthal— Reichenbach. 8889 Oberwolfach— Schenkenzell. Heidelberg. — 5 M. VanhöflFen, Dr. E., Die grönländischen Ctenophoren. Stuttgart. — 9 M. Voelkel, M. J. A., und Thomas, Alfr., Taschenwörterbuch der .\usspraclie geographischer und historischer Namen. 2. Aufl. Heidelberg. - 2,40 M. Wolf, Prof. Dr. B., Taschenbuch für Mathematik, Physik, Geodäsie und Astronomie. Zürich. — 7 M. WiUlner, Adph., Lehrbuch der Experimentalphysik. 2. Bd. Die Lehre von der Wärme. 5. Aufl. Leipzig. — 12 M. Inhalt: H. Hallier, Die botanische Erforschung Mittelborneos. (Forts.) — Die Cacaocultur am Congo. — Ueber die im Wieder- käuermagen vorkommenden Infusorien. - Die Zugehörigkeit von pelagischen Copepodcu zu den Leuchtthieren. — Der Er- zeuger der Tamariskengallen — Gartenkalender. — Vermögen Pflanzen noch bei 'reuiperuturen utiter 0" C. zu athmcn? — Die Einwirkung der Töne auf das Sehvermögen. — Ueber das genaue Wägen. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litterafur: Paul Carus, 1. The Gospel of Buddhn ; 2. Das Evangelium Buddhas. — Camille Flammariün, Das Ende der Welt. — Prof. Dr. Georg Klebs, Ueber einige Probleme der Physiologie der Fortpflanzung. — Prof. Dr. Otto Wilhelm Thome, Lehrbuch der Zoologie. — Julien Fraipont, Les Cavernes et leur habitants — KroU's Stereoskopische Bilder. — Verhandlungen der Ge- sellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte. — Liste. 108 Naturwissensdiaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 9. R. FuesSy Mechanisch -optische Werkstätten, Steglitz bei Berlin, emiitielilt ilie in uebenstflieniler Figur :il)gebililete unil patentrechtlich geschützte 4'iiifac'lK' i>liotO' ;;ra|>his<'li<> 4'ani<'ra zum Aulsetzen auf den Tubus jeden beliebigen Mikroskopes. Die C'ameru wird für Plattenfnrmate von 7 >c 7 cm bis zu 9 X 12 cnt geliefert. — Gewicht der Camera (für 7x7) mit ge- füllter Doppelcassette ca. 160 Gramm, — Beschreibung uinl ausführliche Prei.sliste, nat.Gt auch über die erforderlichen photographischen UtensiUen. gratis und franco. Ferner stehen auf Wunsch fataloge über: Spectrometer, Gonio- meter, Heliostaten, Polorisationsapparate, Jlikro- skope für krystallographische und physikalische Untersuchungen (Hauptcatalog 1891 nebst Er- ^ gänzungen 1894 und 1895), Projectionsapitarate, Schneide- und .Schleifmaschinen für Mineralien ; nstrumente für Metenrologie, wie: Barometer, Ther- mometer und registrirende Apparat« etc. etc., gratis und franco zur Verfügung. In Ferd. Uümmlers Verlagsbiich- bandhing in Berlin SW. 12 erschien: Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am köngl. Realgymn. in Berlin 444SeitenKr.8. Pi-L'isGM..!;eb. 7M. Carl Zeiss, — Optische AVerkstätte. ^ iVlilii*osliope mit Ziil>c?liör. Mikrophotographische Apparate. Photographische Objective. Mechanische und optische Messapparate. Neue Doppelfenirohre f. Handgebrauch. Cataloge gratis und fratico. Ernst Meckel, Mechaniker. BERLIN NO., Eaiserstr. 32. Werkstatt für Projektionsapparate. Scioptikon in. Kalklicht- brenner, Mt 100, bezogen bereits von mir: die Herren : Geli.-Ratb Prof. Dr. Post, Tech- nische Hoclischulc, Kerlin ; Prof. Dr. C. F. Meyer, Stettin: A. Hirt, Dresden; Dr. P. Schwahn, „Urania", hier ; Jens LUtzen, liier ; Dr. Burstert & Fürstenberg, hier ; W. Nean- der, Hannover; Dr. Röwer, Hildesheim; H. Wempe, Oldenburg; Prof. Dr. Mascow, Pvritz; Prof. Dr. Krankenhagen, Stettin; Prof. Dr. Sellentin. 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Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW^. 12. Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag:: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung:, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XI. Band. Sonntag, den 8. März 1896 Nr. 10. Abonnement: Mau abouuirt bei allen Buchhandluni^eD und Post- ")[ »nstalten. wie bei der Expedition, üer Vierteljahrapreis ist M. *.— <3E> Brineeeeld bei der Post lä ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 4S27. i^ Inserate : Die vierKespaltene Petitzeile 40 •>>. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkuuft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständisrer <(nellenaiisabe eeHtattet. Die botanische Erforschung Mittelborneos. Von H. Hallier. (Schluss.) Am 30. I. brach ich, zu den vou Sinittouvv mitge- nommenen Malaien und Sjihait-dajaken noch eine Anzahl Desa-dajaken mitnehmend, nach dem Berge auf. Der Pfad führt zunächst durch Ladangwildniss und Bambu- busch in ungefähr westlicher Eichtung unter der süd- lichen Längsseite des Berges entlang bis nahe an sein Westende, dann steigt er einen steilen, mit Hochwald be- kleideten Abhang hinan. Schon kaum eine halbe Stunde über dem Fuss des Berges, au welchem Bainbudickicht und Hochwald unvermittelt an einander grenzen, zeigten mir die Dajaken den Platz, auf dem bereits früher ein Dr. Gürtler sein Pondok aufgeschlagen hatte, dem einzigen Platz, der noch genügend mit Wasser versorgt und daher noch für die Errichtung einer Station geeignet ist. Auch auf dem mit dichtem Wald bedeckten Rücken des Berges ist zwar Wasser in reicher Menge vorhanden, dö'Ch' ist es unmöglich, den zum Ucbcrnachten nüthigen Bai-ang die steilen Gehänge und die Leiter hinaufschat^'en zu lassen. Ja ich machte mich sogar schon darauf gefasst, später meine Ptlanzenkörbe mit Hilfe von Rottantauen von der Felswand herablassen zu müssen, was indessen sich als unnöthig erweis. Unter diesen Verhältnissen musste ich also wohl oder übel auf dem angewiesenen Platz meine Station errichten und war somit gezwungen, die Besteigung des Gipfels fast vom Fuss des Berges an immer aufs neue wieder zu beginnen. Das war, da nach allem, was ich darüber gehört hatte, die Besteigung des Berges mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden ist und es vorher trotz vielfach gemachter Versuche nur erst einem Europäer (dem genannten Dr. Gürtler) ge- lungen war, den Rücken des Berges zu erreichen, eine wenig erfreulielie Aussicht. Die Dajaken erzählten mir, dass einer der Herren, der früher den Berg hatte be- steigen wollen, die steilen Abhänge hinauf schnell wie^ ein Vogel geflogen, nach dem Anblick der Leiter aber eben- so eilig wieder umgekehrt sei. Auch ich, meinten sie, würde den Gipfel nicht erreichen, es sei denn, dass ich die Felswand hinaulfliegen würde, und selbst dann wurde ihr Vertrauen zu mir noch nicht grösser, als ich ihnen sagte, ich würde mir auf jeden Arm einen Kadjang (Palmblattmatte) binden und hiermit hinauftliegen. Nachdem ich die zurückbleibenden Kulis mit der Errichtung eines Pondoks beauftragt hatte, unternahm ich unter Führung einiger Desa-dajaken noch am selben Tage die Besteigung des Berges. Auch einige Malaien schlössen sich an, doch glaubte ich nach den bei der Besteigung des K'nepai gemachten Erfahrungen, wo so- wohl Malaien wie auch der von Buitenzorg mitgebrachte Sundanese weit hinter dem Europäer und den Dajaken zurückbliebfen, nicht, dass einer von ihnen den Rücken des Berges erreichen könnte. In der Tliat kehrten auch ein Abang, d. h. ein Verwandter des Panembalian vou Sintang, und ein anderer vornehmer Malaie, die mir von Herrn Assistcntresident Suellebrand zur Hilfe mitgegeben worden waren, nach wenigen Schritten schon an der ersten Felswand um. Der nur erst halbwüchsige Koch des Abangs jedoch sowie ein anderer sehr schwächlicher und zudem noch wiederholt von Fieber heimgesuchter Malaie haben zu meiner grossen Verwunderung das Ziel erreicht. Der Weg führt zunächst noch eine kurze Strecke den mit Hochwald bekleideten. \bhang hinauf, dann aber wendet er sich mehr nach rechts, nach Osten zu, meist sehr steil ansteigend. Nach dem Bericht Croockcwit's*), welcher im. Jahre 1855 als Beamter für naturwissenschaftliche *) I. H. Croockewit, VoräUij: van ecii' tOKt naar den Goeii- oen;; Klam otc. ~ N.atmirl;. tijdsclir. Nedorl. Indii' 11 (1856), S. 28Ö. 110 Naturwisscnschaftliclie Wochenschrift. XI. Xr. 10 Untersuchungen den K'lauim zu besteigen versucht liat, soll hier früher der Wald durch einen Brand vernichtet worden sein; da sich jedoch auch jetzt nach nahezu 40 Jahren der K'lamm noch ungefähr in demselben Zustand befindet, in welchem ihn Croockwit geschildert hat, in- dem sich nämlich nur an bestimmten Stellen Wald vor- findet und hohe steile, nur mit einem dichten Gestrüpp von Gleichenia dichotoma, Pteris aquilina, Polypodium Dipteris Bl., P. bifurcatum und ganz vereinzelten krüppel- haften Bäumen bekleidete Gehänge mit kurzen, nur sanft ansteigenden, mit Hochwald bedeckten Strecken ab- wechseln, so ist es viel wahrscheinlicher, dass sich auf den steilen Felswänden überhaupt noch keine für die Hervor- bringung von Baunnvuchs hinreichende Humusdecke ge- bildet hat und dass der Boden erst, wie es von Dr. Treub auf dem Krakatau beobachtet wurde, durch Farrenkräuter und andere Kryptogamen für die liöheren Pflanzen auf- geschlossen werden muss. Auch an den steilsten Al)- hängen steigt der Pfad, ohne erleichternde Serpentinen, schnurstracks nach oben, und nachdem schon vorher zweimal kleine, steil aufgerichtete Felsplatten mit Hilfe von darüber hinkriechenden, Leitersprossen bildenden Baumwurzeln erstiegen worden sind, gelangt man an die ersten grösseren, nackten Felspartieen. Die Platten sind hier noch stark geneigt, sodass man auf ihnen fast ohne besondere Vorrichtungen hiuauflaufen kann. Vermittels zweier kurzer Rottanleitern gelangt man ohne Mühe über die nackten Platten hin, gewahrt jedoch zur Rechten be- reits die fast senkrechten, mächtigen Felswände der süd- lichen Längsseite des Berges. Nachdem nochmals ein steiler Abhang mit Gleichenia-Gestrüpp erstiegen ist, steht man plötzlich unter der hohen, den Berg rings um- gürtenden Felswand. Eine Schichtung des vom Wasser glattgewaschenen und durch tiefe Wasserrinnen gefalteten Gesteins lässt sich nicht erkennen, und es scheint fast, als wenn der- ganze Berg aus einem einzigen, ungeheuren Felsblock bestände. An dieser Wand befindet sich die steil aufgerichtete, 46 ni hohe Rottanleiter, nur unten, in der Mitte und oben im Erdreich befestigt und im übrigen dem nackten Gestein frei aufliegend. Nach kurzer Ruhe- pause stieg ich langsam und jeden Schritt sorg- fältig beobachtend unter dem fortwäln^enden Zuruf der von unten zuschauendeu Dajaken „bai bai tuan" (sachte, sachte, Herr!) die Leiter hinauf In . ihrem unteren Theil sind deren Stufen wohl Im weit von ein- ander entfernt. Zudem liegt sie hier, stellenweise dem Gestein so dicht auf, dass die Sprossen nur eben noch für die äussersten Fussspitzen einigen Halt gewähren und; man mit den Fingern kaum unter den Seitensfücken der Leiter hindurchgreifen kann. An anderen Stellen wieder, wo die Leiter etwas freier über der zarückweiclienden Felswand hängt, dreht sie sich um ihre Längsachse hin- und her, sodass man Gefahr läuft, scitwärts'-herahzu- stürzeu. Trotz alledem erfordert sie jedoch keineswegs eine besondere Gewandtheit im Bergsteigen, und üurfür: Personen, die leicht zu Schwindel neigen, ist Gefahr vor.-- banden. Und selbst zu Schwindel liictet sich nur äusserst wenig Veranlassung, da man während des Aufstieges stets nur die Leiter und die Felswand vor sich hat und zu sehr durch die Ueberwachung seiner Schritte und Handgriffe in Anspruch genommen wird, als dass n)an in Versuchung geführt würde, nach unten zu. schauen. Dennoch wurde ein Offizier von Sintang, der später Pro- fessor Molengraaff nach dem K'lannn begleitete, mitten auf der Leiter vom Schwindel erfasst nnd nur durch Professor Molengraaff's A\'arnung nicht nach unten zu schauen, vor dem Absturz bewahrt. Etwas oberhalb der jMitte der Leiter befindet sich unter derselben eine dünne Humusschicht von geringem Umfang, die jedoch hinreicht, um auf ihr stehen und sich eine kleine Ruhepause gönn.en zu können. Sowohl hier, wie am Kopf der Leiter fand ich eine Nepenthes mit ungewöhnlich grossen Kanuen. In ihrem unteren Theil sind die letzteren krugartig erweitert und dadurch in den Stand gesetzt, einerseits eine grosse Menge Wasser auf- nehmen zu können, andererseits den hineingefallenen Insecten die Flucht durch den verhältnissmässig engen Hals zu erschweren. Da diese eigenthümliche Afflknze nur an Stellen vorkommt, die vorher nur ein einziger Europäer betreten hat, so war sie zuvor wohl kauni schon bekannt. Wenige Schritte über dem Kopf der Leiter befindet sich am Waldrande ein kleiner, freier Platz. Von ihm aus bietet sich eine prächtige Fernsicht über ein weites, endloses Wäldermeer, in weiter Ferne am Horizont allmäh- lich in Nebel verschwindend und nur hie und da ab- geschlossen durch einzelne höhere Berge, streckenweise ;, unterbrochen von den Silberbändern des Kapwas und ^leläwi, an deren Zusanmienfluss die ganze Häuserreihe des chinesischen Kampongs von Sintang in Vorderansicht sichtbar i.st. Nachdem man die Leiter hinter sieh hat, ist man noch keineswegs auf dem Gipfel des Berges. Um ihn zu erreichen, muss man vielmehi" noch ein ganzes Ende steil ansteigend einem schmalen Fusspfad folgen, der auf dem waldbcdeckten, nicht sehr breiten, aber langen Rücken des Berges verläuft. Der eigentliche Hochwald reicht nicht bis an die Kanten der Felswände heran, sondern ist vielmehr, zumal auf der südlichen Längsseite, von ihnen getrennt durch hohe, steile Gehänge, auf denen schiefe, nackte Felsplatten mit hohem Graswuchs ab- wechseln. Sowohl auf den Felsplatten wie auch vor- nehmlich im Gestrüpp findet sich ein reicher Orchideen- flor, und Becherpflanzen (Nepenthes) sind in einer grossen Zahl von Arten vertreten. Baumwuchs ist hier nur sehr spärlich vorhanden und die zerstreuten kleinen Bäume mit ihren dicken, lederigen Blättern und gedrun- genem Wuchs tragen deutlich das Gepräge einer Hoch-, gebirgsflora zur Schau. Dieselbe setzt sich hauptsächlich zusammen aus Dacrydium (Conifcre), einer Casuarina, Myrtaceen, Ericaceen, einer Eiche, einer Schima, einem Glochidium; ein Rhododendron, von dem ich leider, keine Blüthen .gefunden habe, deutet au, dass. man sich hier , auch wirklich in der Alpenrosenregion beßnckitii Auch in ilem Hochwald, der über diesen steilen Ge- hängen den. sanfter gewölbten Bergrücken bedeckt, finden sich die Coniferen und -Gasuarinen wieder, doch sind .siß hier in stattlichen Exemplaren vertreten und vergegen- wärtigen nebst einer iioch nicht bestinunten Laubholzart; die grösstcu Baunn'iesen des im Uebrigen nur eine mässigfii H.öhe erreichenden dichten WaLdbestandes. , ..) Nachdem, ieli diese reiche F'lora nur erst oberflächlicUi untersucht hatte, liess ich auf dem Platz über der Leiter ein Feuer anzünden, wofür die dünnen Wedel eines : Gleichenia-Gestrüppes reichliches Material iiefexten.. lu Sintang ist dasselbe jedoch, wie ich später erfuhr, nicht bemerkt worden. ,.i Für die Malaien und Dajaken war es ein grosses Ereigniss, dass ich den Rücken des Berges erreicht hatte. Als ich daher bei dem inzwischen fertiggestellten Poudok. wieder eintraf, kamen mir der Abang und sein Gefährte,; eine Art Staatsminister des Reiches Sintang, entgegen, um micJi feierlichst zu beglückwünschen. Die Dajaken aber meinten, ich gebrauche wohl ein Obat (Arzenei), das mir Kraft uud Ausdauer verleihe, und Hessen nicht ab, mich zu bitten, auch ihnen davon abzugeben. An diesen gutherzigen Naturkindern hatte ich eine Hilfe, wie sonst hei keinem anderen Dajakenstamme, und XI. Nr. 10. Naturvvisfsenschaftliclie Wochenschrift. 111 zumal der' eine der beiden Kapala kampong (Dorfschulzen) iiess es sicli nicht nehmen, mir auf Schritt und Tritt zu folgen, und wollte es aus Furcht, dass icii hinabstürzen würde, durchaus nicht zulassen, dass ich niicii den Fcls- kanten näherte. Nachdem ich innerhalb vierzehn Tagen fünf Mal den Berg erstiegen hatte, kehrte ich am 13. II. wieder nach dem Haus der Desa-Dajaken und am 14. II. nach Sin- tang zurück. üa der reiche Orchideeuflor, der sich auf dem K'lanim überall sowohl auf den Felsplatten und Grasabhängen wie auch an den Bäumen des Waldes vorfindet, eine Versendung lebender Pflanzen sehr lohnend machte, zu- mal Orchideen ziemlich widerstandsfähig sind, so hatte ich hierauf bei diesem Ausflug das llauptgewicht ge- legt und den lebenden Pflanzen gegenüber das Herbar etwas in den Hintergrund treten lassen. Schon vor meiner Rückkehr sandte ich daher drei mal lebende Pflanzen an Herrn Suellebrand, der die Freundlichkeit hatte, sie aufs beste versorgen und nach Pontianak weiter bef(irdern zu lassen. Die vierte Partie brachte ich am 14. II. .selbst mit, sodass also im Februar von Sintang etwa zehn Kisten und sechs Körbe mit von K'lamm stammenden lebenden Pflanzen und demgegenüber nur eine Kiste mit Herbar abgesandt wurden. Am 17. II. fuhr ich auf der Regieruiigsdampfbar- kasse „Punan'" mit Professor Molengraatt", der am 15. II. in Sintang eintraf, nach Smittouw zurück. Auch Dr. Nieuwenhuis war hier inzwischen bereits eingetroifen, sodass nun die Expeditionsmitglieder vollzählig beisammen waren. Da Herr Büttikofer bereits Ende December und darauf auch seine sämmtlichen Jäger nacheinander vom Fieber befallen wurden und auch von meinen .Leuten bald dieser bald jener an Fieber zu leiden hatte, so hatte es mich fast gewundert, dass ich die ganzen fünf Monate, die ich mich bereits in diesem ungesunden Lande auf- hielt, davon verschont geblieben war. Am 22. IL wurde ich jedoch ebenfalls, wohl in Folge von Abspannung durch die fünfmalige Besteigung des Bukit K'lamm, vom Fieber befallen und von da ab wiederholte sich dasselbe regelmässig alle drei Wochen in allmählich immer heftiger werdenden Anfällen. Die um die Mitte des Monats in Sintang und Smittouw mit Herrn Residenten stattgehabten Besprechun- gen hatten zu der Verabredung geführt, dass wir unsere Hauptstation von Smittouw aus den Kapuas weiter auf- wärts nach Putus Sibouw verlegen und uns selbst für zwei Monate in Nanga Raun am Oberlauf des S. Mandai, einem linken Seitenfluss des oberen Kapuas, festsetzen sollten. Herr Oontroleur Veltbuijzen begleitete uns selbst dorthin, uns, wie auch stets zuvor, seine Hilfe in aus- giebigster Weise zu Thcil werden lassend, und so traten wir denn am 26. II. auf dem Punan die Reise an. In der Nacht vom 27. zum 28. II. erreichten wir die Mün- dung des Mandai, von wo aus wegen äusserst niedrigen Wasserstandes die Reise den Mandai aufwärts in den fünf Biedars der Expedition und einigen anderen kleinen Fahr- zeugen fortgesetzt werden musste. Diese über vier Tage andauernde Ruderfahrt war wegen der zahlreichen Stromsehnellen im Olterlauf des Mandai mit mancherlei Schwierigkeiten verbunden, die für mich selbst beinahe verhängnissvolle Folgen gehabt hätten. Beim Ankämpfen gegen eine besonders heftige Stromschnelle verloren nändich die Ruderer die Herrschaft über meine Biedar, durch die Gewalt des Stromes wurde dieselbe zur Seite geworfen und dernuiasscn gegen einen im Ufer festsitzenden Baumstamm geschleudert, dass sie in allen Fugen krachte und das Dach arg bescliädigt wurde. Glücklicherweise trafen wir jedoch ohne>-erheb- licheren Schaden am Vormittag des 4. III. in Nanga Raun ein, wo alsbald vor dem 143 m langen Haus der Dajak LIluh-Ajer, dem längsten, das ich gesehen habe, zur Er- richtung eines Stationsgebäudes geschritten wurde. Gemäss dem bereits bei den beiden ersten Aus- flügen nachSrtkaLanting und LombokUtan befolgten Grund- plan, auf meinen botanischen Ausflügen zunächst mit der leicht erreichbaren Nähe zu beginnen, um nicht allgemeiner verbreitete Pflanzen unnöthiger Weise aus abgelegenen, schwerer zugänglichen Gegenden zusammenzuschleppen, wählte ich mir zunächst für meine botanische Station den sich im Süden unmittelbar über Nanga Raun erhebenden Liang Gagang. Als nun zudem noch Professor Molen- graaffs' Berichte über die Flora dieses Berges, den er am 5. und 6. III. erstiegen hatte, günstig lauteten, brach ich am 7. III. unverzüglich dahin auf. Der Aufstieg zum Liang Gagang ist sehr steil und daher ziemlich beschwerlieh. Zumal die Lastträger laufen auf dem schlüpfrigen Boden mehrerer steiler Abhänge fortwährend Gefahr, auszugleiten. Hinter dem Dajaken- liaus erstreckt sich zunächst ein niedriges Gestrüpp, in welchem verwilderte Pisangstauden und Zingiberaceen vorherrschen. Sobald man dasselbe im Rücken hat, geniesst man auf kurze Zeit den Schatten des Hoch- waldes, in welchem sich bereits schöne Gesneraceen, Piperaceen und eine grosse Zahl anderer schöner Blatt- pflanzen vorfinden und auch der oben auf dem Berg sehr gemeine, schöne Wandelstöcke liefernde Rottau Semrf'mbüh bereits vorkommt. Dann aber sieht man auf lange Zeit nichts als junges, dicht von Lianen durchflochtenes Holz und wildes Gesträuch, wo sich als letzte Reste verlassener Ladangs (trockener Felder) noch zahlreiche Pisangstauden vorfinden. Erst auf ungefähr halber Höhe des Berges beginnt wieder Hochwald. Hier finden sich zahlreiche ehrfurchtgebietende Waldriesen vor, mit bis über 6 m Stammumfang und 30 m Stammhöhe. Es ist eine Art von Damarbäumen (Damar Pakit), die ich später als Dip- terocarpee erkannte. Ausser dieser finden sich auf dem Rücken des Berges noch vier bis fünf weitere Damararten vor, unter ihnen auch der Baum, welcher das Tengka- wängfett liefert. Nachdem man zuvor, in einer steilen Längsspalte emporklimmend, bereits eine kleine Felswand erstiegen hat, gelangt man schliesslich an eine mächtige senkrechte Felswand, welche das Nordende des Berges hufeisenförmig umgürtet. Hier bogen wir nach rechts ab und gelangten an der Westseite der Felswand bald zu einer Höhle, die mir der von Nanga Raun mitgenom- mene Führer als Wohnung anwies. Ein in der Höhle sich vorfindender Bambiipfeil und die vor der Höhle lie- genden verrotteten Felle eines Kalämpiouw (Kylobates) und eines Kubung (Flugeichhörnchens) deuteten darauf hin, dass hier zuvor Punans gehaust hatten, meist nur in einzelnen Familien umherschwärmende wilde Dajaken, die sich ihren Lebensunterhalt mit Blasrohr und ver- gifteten Pfeilen von den Bäumen herabschiessen. Doch auch noch ein für mich viel weniger harmloses Andenken hatten hier die Punans zurückgelassen. Ich hatte näudicb, auf die Ankunft der weit zurückgebliebenen Kulis wartend, vor der Höhle kaum einige Minuten auf einem Felsblock gesessen, als ich mich überdeckt sah von einer nie zuvor in solchen Scharen beisammen gesehenen, hüpfenden Insccten- art, welche später Professor Molcngraaff" mit dem Namen „Pulex vagabunda" belegte. Um den Zoologen die Ent- scheidung "der Frage zu ermöglichen, ob man es hier wirklich mit einer neuen oder nur mit der in Europa allgemein verbreiteten Art zu thun hat, sandte ich Herrn BiUtikofcr für seine zoologischen Sammlungen eine Anzahl dieser ■ Thiere. Da ich für dieselben gerade keine 112 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 10. besondere Vorliebe habe, obgleich ich im allgemeinen ein grosser Freund von Thieren bin, so Hess ich mich nach der nur wenige Minuten entfernten, auf der Ostseite der Felswand gelegenen Höhle führen, welche Professor Molengraaff zum Nachtverbleib gedient hatte. Sie ist nun zwar viel geräumiger als die auf der Westseite, doch fand ich leider Wasser nur in sehr spärlicher und für einen längeren Aufenthalt mit einer grösseren Zahl von Leuten nicht hinreichender Menge vor, und so blieb mir nichts übrig, als mich in der Pananhöhle der Westseite häuslich einzurichten. Als ich nach Ankunft der Kulis nicht mehr allein das Ziel der wanderlustigen Insectcn- scharen war und von den Kulis jeder seine „Ranssun" (Ration) in Empfang genommen hatte, wurde es denn auch nach einigen Tagen ganz erträglieh und schliesslich, als ich mich vollkommen eingerichtet hatte, sogar heimisch in der Höhle, um sie von Professor Molengraaff 's Ru- mah Batuli (Steinhaus) zu unterscheiden, wurde sie nach ihrer augenfälligsten Eigenschaft Rumah Kutuh (Insecten- beim) genannt. Die Höhle selbst ist fast wie in den Felsen eingehauen und hat ungefähr die Form eines Parallelepipeds. Sie ist nicht sehr geräumig und bietet nur Raum für wenige Personen. Vor derselben bilden jedoch die überhängenden Felsen noch eine geräumige Vorgallcric, in welcher mein Barang sowohl, wie die Hütten der Dajaken und meine Feuerstätte Platz fanden. Links von der Höhle befand sich eine kleinere Nische im Felsen, die zur Küche eingerichtet wurde. Das 'für die letztere hcnöthigte Wasser fiel vor der Höhle in langer Linie in Form eines Tropfregeus von der oberen Kante der Felswand herab. Nachdem ich nun später auch noch drei Lücken in den Wald hatte schlagen und mir die Aussicht in südlicher Riclitung nach dem benachbarten Berg Amai Ambit, nach Westen zu auf den Bukit Tilom, den gefürchteten Sitz der „Antuhs" (Geister), mit seinen senkrechten Felswänden, seinen hohen Wasser- fällen und seinem waldgekrönteu Felskopf und nach Süd- westen zu auf die unabsehbare Ebene des Mandai und oberen Kapwas hatte frei machen lassen, war mein Tro- glodytenheim wirklich schliesslich so wohnlich geworden, dass mich meine troglodytischen ^'orfahren sicher darum beneidet haben würden. Da durch das Freimachen dieser drei Fernsichten zugleich auch meine botanischen Samm- lungen eine Bereicherung erfuhren, so geschah es nur zu meinem grossen Leidwesen, dass durch unmethodisches Vorgehen der Kulis eine Gruppe grosser Bäume, von denen gewiss dieser oder jener für das Herbar Blüthcn oder P^rüchte hätte liefern können, mit donnerndem Krachen mehrmals auf Felsen aufschlagend, tief ins Thal hinabstürzte. Indessen wurde ich hierdurch gewahr, dass ich mich auf einer nur schmalen Terrasse befand, die im Westen unter mir durch eine fast ebenso steile Felswand abgegrenzt wurde, wie im Osten über niii'. Bereits am 8. III. erstieg ich die sich wohl noch keine 800 m über den Meeresspiegel erhebende vorderste (nördlichste) Felsi)ank des Berges, eben diejenige, unter deren Wcstwand sich meine Höhle befand, und am 11. 111. begleitete ich Professor Molengraaff, welcher zu diesem Zwecke tags vorher wieder von Nanga Raun heraufge- kommen war, nach der mehrere Stunden südwärts gele- genen 946 m hohen höchsten Felsbank des Liang Gagang. Von beiden Gipfeln hat man eine wunderbare Aussicht auf eine ausgedehnte Fels-, Wald- und Gebirgslandschaft, das erste zusammenhängende (Jehirgssystem, das ich von der Kapwasmündung an aufwärts angetroffen hatte. In weitem Umkreise trägt das Gebirge ungefähr den- selben Charakter wie der Liang Gagang und zwar be- steht es nach Professor Molengraaff aus einem noch verhältnissmässig jungen Lavastrom von enormer Aus- dehnung, der durch starke Verwitterung in ein compli- cirtes System von zusammenhängenden, reich verzweigten Gebirgsketten und tiefen, lang gcstieckten, von wilden Gebirgsbächen durchbrausten Thälern gegliedert ist. Auf fast der ganzen Länge dieser ausgedehnten Gebirgszüge bauen sich auf einem mehr oder minder steilen, mit Hoch- wald bedecktem Fussstück hohe Tufi'bänke terrassenförmig über einander auf. Die oberste dieser Tuffbänke hat oft nur die Ausdehnung eines hohen Felskopfes von Würfel- gestalt oder, wie auf dem Liang Pata, von der Form eines hohen Thurmes. Fast allseitig sind diese Tuff- bänke umgürtet von mehr oder minder senkrechten Fels- wänden, deren vom Wasser überrieselte Flächen mit einem sehr üppigen Pflanzenwuchs von Begonien, Gesneraceen, Eiatostemma, Aroideen, Zingiberaceen, Selaginellen, Farnen und anderen schönen Blattpflanzen bekleidet sind. An zahlreichen Stellen, wo die Felswände in Folge von Verwitterung einer weicheren Gesteinsschicht überhängen, ziehen sich unter denselben meist mein- in die Länge als in die Tiefe gestreckte Höhlen hin und vor diesen Höhlen fällt das Wasser tropfenweise in Form von langen Gar- dinen und hie und da auch in grossen Wasserfällen an- gesammelt von den Felswänden herab. Im Gestein der t'elswände findet man hie und da bald aufrecht stehende, bald von den Lavamassen umgeworfene und in horizon- taler Lage eingebettete Baumstännne, deren Holzstructur noch prachtvoll erhalten ist. Zahlreiche durch Ver- witterung aus dem Gestein herausgewaschene und mehr oder weniger verkieselte Bruchstücke solcher Baum- stämme finden sich auch auf den Geröllbänken des ganzen oberen Mandaistromes. Nach einer uns bereitwilligst zur Verfügung gestellten Kopie der noch nicht veröffentlichten Karte des topogra- phischen Instituts zu Bata\ia ist der höchste Gipfel dieses ausgedehnten Gebirgssjstems der Liang Kubung. Vom höchsten Rücken des Liang Gagang aus gesehen machte er jedoch auf mich durchaus nicht den Eindruck eines Berges von 1832 m, und in der That bestätigte später auch Herr Resident meine Vermuthung, dass diese Angabe der erwähnten Kopie nur auf einem Schreibfehler beruhe. Für 1832 ist 1332 zu setzen. Durch diese Vermuthung war jedoch in mir die HoÖ'- nung noch nicht ganz verdrängt, dass die Kopie der toi)ographischen Karte vielleicht Recht hätte; da ich nun aber in Borneo noch keinen Berg von mehr als 132f) m Höhe erstiegen hatte und sich auf einem Riesen von 1832 m eine sein- eigenartige Hochgebirgsflora erwarten Hess, so war mein Plan, nach Erledigung des Liang Gagang zunächst den benachbarten Amai Ambit zu durch- forschen und von hier aus über den Liang Pata hinweg nach dem Liang Kubung durchzudringen, später aber wo möglieh auch noch dem Bukit Tilom einen Besuch ab- zustatten. Um mich nun erst noch genauer über die Lage und die Terrainverhältnisse des Liang Kubung zu unterrichten, richtete ich, nachdem ich den vorderen Theil des Liang Gagang bereits nach allen Richtungen durch- streift hatte, meine Ausflüge wieder nach dem hinteren Theil des Berges. Wohl vier Mal hatte ich bereits den Versuch, einen Ausblick auf den Liang Kubung zu ge- winnen, wegen dichten Nebels oder Regen vergeblich gemacht, als sich endlieh wieder ein günstiger, sonnen- heller Tag bot. Doch auch diesmal war es mir nicht vergönnt, mein Ziel zu erreichen. Mitten auf dem Wege, wohl nieinere Stunden von meiner Behausung entfernt, wurde ich von einem neuen Fieberanfall überrascht. Da die beiden ersten Anfälle ziemlich bedeutungslos gewesen wäre n und mir sehr viel an der Erreichung meines Zieles lag, so Hess ich mich nicht abschrecken, sondern wartete, auf einem durch die Kulis errichteten HolzgerUst liegend, XI. Nr. 10. Naturwissenschaftliplie Wochenschrift. 118 das Nachlassen des Schüttelfrostes ab und gelangte dann, wenn auch langsam, fast zu dem Wasserriss, in welchem die liintcrc Tuft'bank des Berges erstiegen werden kann. Hier aber sah ich mich zur Umkeiir gezwungen und erreiclite nur mit unsäglicher Mühe und mich unterwegs wohl 25 Mal niedersetzend oder niederlegend, meine Station. Nachdem durch Gebrauch von Chinin das Fieber wieder einigermaassen unterdrückt worden war, stieg ich am 7. IV. nach gerade cinnionatlichem Verbleib auf dem Liang Gagaug wieder nach Nanga ßaun hinab, wo ich eine Woche in Ruhe verbrachte. Am 15. IV. brach ich, meinem Plan zu Folge, mir durch das Dickicht des Urwaldes und zwischen den Fels- wänden hindurch einen Weg nach dem Liang Kubung zu suchen, nach dem 1081 m hohen Amai Ambit auf, wo Herr Büttikofer sich ebenfalls zum Troglodyten rück- gebildet und bereits vor ungefähr einem Monat in einer geräumigen Höhle seine sehr wohnlich eingerichtete Station „Punangrotte" aufgeschlagen hatte. Was den Namen dieses Berges anlangt, so bin ich darüber mit Herrn Büttikofer, der ihn in seinen Berichten als Liang Kubung bezeichnet, nicht einig und habe auf meine oft und an verschiedenen Oertliciikeiten wiederholten Fragen von den Dajaken zu widerspiecliende Antworten erhalten, um mich mit voller Sicherheit zwischen Amai Ambit und Liang Kubung zu entscheiilen. Am meisten Vertrauen scheint mir jedoch die wiederholt erhaltene Antwort zu verdienen, dass der Berg Amai Ambit heisse, dass Liang, w'e auch im Sudanesischen .,Höble" bedeute und daher mit Liang Kubung nur die grosse Höhle bezeichnet würde, in der sich Herrn Büttikofer's Station befand. Zu bc- rücksiciitigen ist jedenfalls, dass die Reis bauenden Dajak Uluh-Ajer den weit abgelegenen auf der topograjjhischen Karte als Liang Kubung bezeichneten Berg, ja selb.st den Liang l'ata und den noch veriiältnissmässig leicht zu- gänglichen hinteren Thcil des Liang Gagang überhaupt nicht kannten und daher vielleiciit mit demselben Namen andere Berge bezeichnen, als die von der Jagd lebenden Bunaus, die bei ihrer undierschwärmenden Lebensweise einen viel weiteren geographischen Gesichtskreis be- sitzen. Schon auf dem Liang Gagang hatte ich eine Flora vorgefunden so reich wie noch auf keinem anderen Berg zuvor, und das Herbar hatte daher in einem Zeitraum von vier Wochen wieder um bOO Nummern zugenonnnen. Trotzdem erwarteten mich auf dem Amai Ambit noch viel reichere botanische Schätze. Obgleich sich in dem halben Monat, den ich dort zubrachte, die meisten meiner Aus- flüge nur erst auf die nähere ümgcbunp: unserer Punan- grotte erstreckt hatten, wuchsen meine Sammlungen hier wieder um 350 Nummern an. Die auf dem Liang Gagang so zahlreichen Bäume des Damar Pakit fehlen hier auffälliger Weise und an ihre Stelle treten hier als grösste Baumriesen des Ur- waldes Eichen, die an Grösse der Exemplare sich mit ihren europäischen Verwandten messen können. Eine derselben stand nicht weit vor unserer Punan-Grotte, mit ihrer stattlichen Krone einen ganzen Wald überschattend. Obgleich die Anzahl der bereits auf dem Liang Gagang gefundenen Arten wohl ein Dutzend erreicht haben mochte, fand ich hier wieder eine beträchtliche Zahl weiterer Arten. Von anderen Bäumen zeichneten sich auf den beiden Bergen besonders die Myrtaeeen, Rubiaceen, Auonaceen und die Gattung Myristiea durch eine grosse Zahl von Arten aus. Auch Rhododendren sind "zumal auf dem Amai Ambit zahlreich vertreten. Nur schade, dass ich von den meisten Arten dieser Prachtpflanzen keine Blüthen auffinden konnte. Obgleich ich nur jetzt die Zeit gönnte, auch viel grössere Bäume schlagen zu lassen als im Beginn meiner Streifziigc, war das Einsammeln dieser kostbaren botani- schen Schätze doch mit mancherlei Schwierigkeiten ver- bunden. So fand ich z. B. eimnal auf dem Liang Gagang mitten im Hochwald auf dem Boden eine prachtvolle, grosse, gelbe Rhododcndronblüthe. Da dies mir nun durchaus kein für Rhododendren geeigneter Staudort schien, so glaubte ich, dass sie von einer hohen, un- erreichbaren Felswand herabgeweht worden sei, und be- achtete den Fund nicht weiter. Eben solche Blüthen fand ich jedoch später in grosser Menge nahe vor meinem Rumall Kutuli in der Umgebung eines mächtigen Damar- Pakit-Baumcs und das Suchen nach dem Strauch, von dem die Blüthen herrührten, ergab, dass sich derselbe, mit Blüthen überdeckt, hoch oben in dem Geäst des Daniarbaumes befand. Da der letztere nun viel zu stattlich war, um ihn schlagen oder erklettern zu lassen, blieb mir nichts übrig, als mir die zu den Blüthen ge- hörigen Blätter mit dem Gewehr herabzu-scliiessen. Nach- dem dieser erste Versuch, mein Gewehr, das bisher nur im Dienste von Herrn Büttikofers zoologischen Samm- lungen gestanden hatte, nun auch der Botanik dienstbar zu machen, Erfolg gehabt hatte, bediente ich mich nun desselben des öfteren auf ähnliehe Weise. Fand ich nämlich in der Umgebung eines Baumes, der wegen seiner Grösse weder erstiegen noch gefällt werden konnte, am Boden Blüthen oder Früchte, so suchte ich unter den am Boden liegenden Blättern die am häufigsten vertretene Art heraus, Hess die Umgebung des Baumes von Sträuchern und kleinen Bäumen säubern und schoss zum Vergleiche einige Blätter des Baumes herab, die von den um den Baum lierum aufgestellten Dajaken auf- gefangen wurden. Stinunten nun die Blätter des Baumes mit den am Boden liegenden überein, so war ich sicher, dass die letzteren mit den gefundenen Blüthen oder Früchten zur selben Art gehören und konnte mir davon in beliebiger Menge sanmieln. Auch eine Orchidee mit prachtvollen gelben Blüthen (Spathoglottis), die auf dem Amai And)it in Menge an den unerreichbaren Felswänden über unserer Punangrotte wächst, musste mit einem Ge- wehrscluiss herabgeholt werden. Durch dieses Verfahren erhielt ich nun zwar stets nur sehr spärliches Material, immerhin aber reichte es doch hin, um darnach die Art bestimmen zu können. Ganz besondere Schwierigkeiten machte mir die Auffindung einer Liane, von der ich zwar auf dem Liang Gagang an verschiedenen Stellen die schönen gelben Blumeukronen am Boden gefunden hatte, aber in den Baumkronen nirgends die Pflanze selbst ent- decken konnte. Als ich nun schliesslich neben den Blüthen auch die zugehörigen Blätter am Boden fand und daran die Pflanze als neue Convolvulacee erkannte, Hess ich den Dajaken nicht eher Ruhe, als bis die Pflanze gefunden war. Nachdem zunächst festgestellt war, wie" weit sich das von Blüthen besäetc Terrain er- streckte, schickte ich sie wiederholt in die von zahl- reichen Liaucnarten dicht überwucherten Baumkronen hinauf, und es mochte wohl Stunden gewährt haben, bis sie endlich die Pflanze gefunden hatten, aber leider nur einen einzigen Zweig mit ofl'enen Blüthen lierabbrachten. Die reiche Flora des Liang Gagang und Amai .\ni- bit, die wohl nächst der Ausgestaltung des Gebirges ihre Ursache in dem vulkanischen Charakter desselben hat, Hess auch auf dem stattlichen Kegel des Liang Kubung der topographischen Karte reiche botanische Schätze er- warten. Leider aber war es mir nicht vergönnt, meine weiteren Pläne zur Ausführung zu bringen. Zurück- gekehrt von einem Ausflug nach dem hinteren Theil des Amai Ambit, auf dem ich dem erstrebten Ziele be- 114 Natiu-wissenschaftliche Wochenschrift. XT. Nr. 10 reits wesentlich näher geführt wurde und dem Liang Pata, der den Liang Kubung mit dem Amai Ambit verbindet, schon in nächster Nähe gesehen hatte, wurde ich am 1. Y. zum vierten Male vom Fieber befallen und sah mich dadurch zur Rückkehr nach Buitenzorg veran- lasst. Nur mit schwerem Herzen schied ich aus diesem botanischen Paradiese und erst nach langem Hin- und Herdenkeu entschied ich mich für die Rückkehr. Aber selbst dann noch gerieth ich, wenn ich mich wieder an die herrliche Gebirgslandschaft am Oberlauf des Mandai mit ihrer überreichen Flora zurückerinnerte, wiederholt in Zweifel, ob nicht der Entschluss, nach Buitenzorg zurückzukehren übereilt gewesen sei, und erst, als ich auf der Rückfahrt in einem unbequemen chinesischen Dampfboot nochmals von einem heftigen Malai'iaanfall, ja selbst noch in dem gesunden Klima von Buitenzorg davon heimgesucht wurde, tilhlte ich mich wieder völlig mit dem Geschick versöhnt. Am 5. V. stieg ich mit Herrn Büttikofer, der nun auf einige Zeit seine Station nach Nanga Raun verlegte, nach dieser unserer Hauptstation hinab. Da ich nun Gelegenheit hatte, auf der Reise nach Buitenzorg die mitgenommenen Pflanzen selbst zu überwachen, so sammelte ich während des Abstieges noch möglichst viel durch schöne Blüthen oder silbern gezeichnete Blätter auffallende Pflanzen und brachte auch am folgenden Tage noch am Fuss des Liang Gagang eine grosse Collection zusammen. So konnte ich denn 12 Kisten mit lebenden Pflanzen, zu denen sich in Pontianak noch ein Blech- gefäss mit Wasserpflanzen gesellte, mit nach Buitenzorg nehmen, wo sie trotz der weiten Entfernung und trotz der vierwöchentlichen Reise in vorzüglichem Zustande ein- getroffen sind. Bereits am 7. und 8. V. begab ich mich nach Putus Sibouw, von wo ich am 19. V. Herrn Controleur Velthuijzen auf seiner Dampfbarkasse „Punan" nach Smittouw be- gleitete. Bereits am 21. V. nahm ich Abschied von Herrn Controleur, dem ich durch seine mir fortwährend in reichem Maasse zu Theil gewordene Hilfe zu grösstem Danke vepflichtet bin. Im chinesichen Dampfer „Kim Sim" fuhr ich, nicht ohne unterwegs in Sintang Abschied zu nehmen von meinen Bekannten und zumal von Herrn Assistent-Residenten Snellebrand, der sich meiner Sintang passirenden Sendungen lebender Pflanzen stets in der sorgsamsten Weise angenommen hat, nach Pontianak. Hier traf ich am Morgen des 24. V. ein und hatte somit noch zehn Tage bis zum Abgang des Packetbootes da- selbst zu verbleiben. Am G. VI. erreichte ich, acht und einen halben Monat nach der Abreise, Buitenzorg und gewahrte hier zu meiner grossen Freude, dass wider mein Erwarten auch von den früheren Sendungen lebender Pflanzen ein grosser Theil gut übergekommen ist und unter der sorgsamen Pflege der Herren Wigman und Smith eine Anzahl schöner Blattpflanzen, worunter auch die wunderbar schöne Leea amabilis, sogar noch mehr Pracht entfalten, als an ihrem natürlichen Standorte in freier Natur. Auch von dem nunmehr 3450 Nummern umfassenden Herbar lassen sich wohl, da es aus einem Gebiete stammt, aus welchem sich ausser Teijsmann's noch unbearbeiteter Sammlung*) noch so gut wie nichts in den botanischen Museen vorfindet, werthvolle Ergebnisse erwarten. Was die Zahl der ge- sammelten Arten anlangt, so ist es natürlich schwer, die- selbe mit einiger Sicherheit anzugeben, so lange das Herbar nicht nach dem natürlichem System, sondern noch nach der Reilienfolge der Nummern geordnet ist. Da ich jedoch möglichst bestrebt war, ein und dieselbe Art nicht von verschiedenen Standorten und also unter ver- schiedenen Nummern zu sammeln, so mag es wohl nicht zu hoch gegriffen sein, wenn ich die Zahl der Arten auf annähernd oOOO schätze, zumal sich unter den lebenden Pflanzen noch zahlreiche Arten vorfinden, die unter den 3450 Nummern noch nicht inbegriffen sind. Zur Ergänzung des Herbars wurde auch ein reich- haltiges Alkoholmaterial eingesammelt. Die Anzahl der einzelnen nach Buitenzorg abgeschickten Senduniö;en be- läuft sich auf 27 Kisten mit Herbarium, 40 Kisten und 7 Körbe mit lebenden Pflanzen. Zum Schlüsse erübrigt mir noch die angenehme Pflichtj allen Denen meinen herzlichsten Dank auszusprechen, durch deren Beistand es mir ermöglicht wurde, die Gruiid- lage zu einer Flora von Borneo nicht unwesentlich zu erweitern, nämlich der Gesellschaft und der Commission zur Beförderung der naturwissenschaftlichen Erforschung der niederländischen Aussenbesitzungen, welche dem Plan der Durchforschung des Inneren von Borneo feste Gestalt gab, Herrn Dr. Treub, dem verdienstvollen Leiter des botanischen Gartens zu Buitenzorg, durch dessen^ Ver- mittelung ich mit dem botanischen Theil der durch die Expedition zu lösenden Aufgabe betraut wurde, den Herren Assistent-Residenten Snellebrand und Van Delden und Herrn Controleur van Velthuijzen für die während der Expedition gewährte Hilfe, und nicht am wenigsten Herrn Residenten S. W. Tromp, der- mit grösster Umsicht und Hingabe das grosse Unternehmen, dessen Schöpfer er ist, vorbereitet und geleitet hat und mir stets in reichstem Maasse seine Hilfe und seinen auf eigene Er- fahrung und grosse Vertrautheit mit den Verhältnissen des Landes gegründeten Ratli zu Theil werden liess. *) Alle übrigen in Borneo geinacliteii botanischen Samtn- lun,c;en stammen ans Sarawak, Liibiian. Biitiseli Nordborneo und Holländisch Südboriioo, von deren Flora daher auch schon viel mehr bekannt ist, als von derjenigen Wostborneos. Palaeophytologische Notizen. Von H. l'otonic. n. Blattvvirtel-Schcide bei Annularia radiata. Früher (vergl. „Naturw. Wochen.schr." VII (1892) Nr. 51, S. 520—521 u. Ber. d. Deutsch, bot. Ges., 1892, S. 561 fi'.) habe ich gezeigt, dass die Laubblätter der für das obere pro- duetive Carbon und für das Unter-Rothliegende charakteristischen .Vnnularia stellata (Schlotheim) Wood in jedem Wirbel am (!runde eine kurze Strecke mit einander verljunden sind und so hier eine wie bei Equisetum den Stengel umfassende Scheide, oder — da diese bei Annularia flach ausge- breitet ist — eine Scheibe bilden. Auch die für das mittlere productive Carbon charakteristische Annularia radiata (Brougn.) Sternberg besitzt, wie der in nebenstehender Fig. 1. in 1/1 abgebildete Blattwirtel dieser Art erweist, eine scheibenförmige Scheide. Im Cen- trum des Wirteis erblicken wir den durch Ver- dickung des Diaphragma - Randes zustande- j.jg. j. kommenden Ring, der den Namen Annularia XI, Nr. 10. Naturwissenscliaftlicbo Wocliensclirift. 115 veranlasst hat, dieser wird umgeben von der flachen Sclieide, die' afii Rande in die freien Blatttheiie ausstrahlt. Das abgebildete Stück betindet sich in der Sammlung der Ki^nigl. Preussischen geologischen Laudesanstalt (Bcinert'sche Sammlung) und stammt von Ekkersdorf in Nieder-Schlesieu aus dem dortigen Ilangendzug der Stein- kohlen-Formation. III. Phyllotheca Blüthen*) bei Equisetum. Die Gattung Phyllotheca Brongniart aus der Trias und dem Jura unterscheidet sich nach dem Wenigen, was wir von derselben wissen, von Equisetum nur dadurch, dass di^ Blüthe — vergl. Fig. 2, bei ersterer durch sterile Schei- den unterbrochen ist, zwischen denen mehrere Wirbel gedräng- ter Sporophylle von dem Bau derjenigen von Equisetum sitzen. Als Abnormität kommt derselbe Blüthenbau nicht gerade selten auch bei recenten Equiseten vor. Das Fig. .3 photographisch abgebildete Exemplar einer solchen abnormen Blüthe ist sehr geeignet die nahe Ver- wandtschaft zwischen Phyllo- theca und Equisetum in helles Lieht zu setzen: es liegt nichts näher als diese Abnormität als Atavismus aufzufassen. Das Exemplar ist mir freundlichst von Herrn Lehrer E. Prager in Berlin geliehen worden. Wir sehen, dass die Blüthe unterbrochen ist durch einen beträchtlichen, eine etwas von der üblichen Form abweichend gebaute Scheide tragenden Stengel-Theil, der unten und oben Sporophylle trägt. Die Abnormität von Equisetum ist übrigens längst, bekannt und nicht gar ZI} selten. Fig. 3. Phyllotheca-BIüthe. — Rechts oben Ver- grösserunp: der Spitze des Restes. — Von der unteren Tunguslta in Sibirien. — Nach Sclimalhausen. ■ IV. Was sind die beiden „Male" a,uf di?,ßi Ufiteren Wangen- paar der Lepidodendra- I eeenjPolster? ; Ich habe di^se Frage auf Grupd einer anatomischen Untersuchung an den Blatt- polsteru der .Gattung Lepidophloios dahin zu beant- ■' '^; Die ^Zweckmässigkeit, die Eciuisetuni-„Fructifikatibii" als „Bltithe-' zn bezeichnen, liabe ich in der „Natiirw. Woehenschr.", Band VIII (1893),. S. 517 ff. darget-han; vergl. auch meine „Elemente der Botanik', 3. Auflage, Berlin 1894, S. 21, 147 und 149 0'. — An dieser Stolle sei hinzugefügt, dass schon Nägcli, sj^jeciell bei Equisetum von Blüthen spricht; er sagt (Mech.-phvs. Theorie der Abstammungslehre. München und Leipzig 1884, S. ü8i)): „Die einen Arten (E. palustre) besitzen einen Laub- stengel, der in eiheFi-uchtähre (Blüthe) aiusgeht, , . ." Zu meiner Freude baluit sich, wie es scheint, der zwcckmäs.Hige Gebrauch des Wortes Blüthe für die den Blüthen der höheren Pflanzen in jeder Hinsicht entsprechenden Organ-Complexe der I'torido- phyten ivun allmälilich an. Vergl. Z. B. die 2. Auflage des Stras- burger, Schimper, Schenck, Noll'schen Lehrbuches der Botanik. Querschnitt durch die Gcrstengränne. e = Epidermis mit Spaltöffnungen st, p = Schwammi>arenfhym, g — Leitböndel. — Nacli A. Zoebl, L>er ana- tomische Bau der Fruchtschale der Gerste (Hordeum distichum L.). Verb. d. naturf. Ver. in Brunn XXVII. Brunn l*8a. Worten gesucht (Anatomie der beiden Male u. s. w. Berichte der deutschen Botanischen Gesellschaft XI, S. 319 ff., Berlin 18U3), dass die in der Ueberschrift genannten Gebilde Transpirations-Ueffnungcn sein dürften. Ein freundlichst leihweise überlassenes Cbche, das ich eigentlich für einen grössei'cn Artikel über „Neues über, die Lepidophyten" benutzen wollte, muss aber — da es. schon lange in meinen Händen ist, ohne dass ich diesen Artikel bringen konnte — zurückgehen; es veranlasst mich, in Kürze dasselbe in dieser Notiz auszunützen. Das Polster der Gattung Lepidodeiidron zeigt, wenn es typisch entwickelt ist, die in der Fig. 4 angeiiicrklen Tlieile. Vor allem die Blattnailie n mit den drei „Närbciien" / und s, über der Narbe die Ligulai'- grube g, darüber eine Erliöhung //, die als das Homologon der Ansatzstelle des Sporangiums beim Sporophyll angesehen wird, und unter der Blattnarbe das durch die Medianlinie m getheilte untere Wangenpaar uw mit den beiden in Rede stehenden Malen a. Das cen- trale Närbchcn l ist der Quer- schnitt des Blattleitbündels, die beiden Seiteunärbchen s hingegen haben mit Nahrung leitenden Strängen nichts zu thun, sondern sind die Quer- schnitte von Strängen mit lacu- nösem, dünnwandigen Pareu- chym, gerade so wie bei dem Querschnitt Fig. 5 durch eine Gerstengranne. Wie ich an Le- pidophloios nachweisen konnte, hängen die Närbchcn s mit den Ueft'nungen des Hautge- webes a im unteren Wangen- paar derart zusammen, dass die das Blatt durchziehenden schwammparenchyrnatischen Stränge, welche in s in Quer- schnitten vorliegen, an den Stellen a im Polster an die epidermale Oberfläche treten und hier also durch diese Ocft'- nungcu mit der Ausseuatmo- sphärc in Verbindung stehen. Bei diesem anatomischen Ver- halten liegt nichts näher als an Transpirationsötfnungen zu denken von der Function der Lenticellen und Spaltötfnungeu, oder den Oeflfnuugen unter der Blattnarbe von Baumfarn. Die Verhältnisse bei der Gcrstengränne, deren Quer- schnittsbild demjenigen eines Lepidodendron - Blattes, durch das centrale Leitbündel und die beiden Schwamm- parenchym-Stränge so ähnlich ist, unterstützen diese An- sicht auf das Vollkommenste: um darauf aufmerksam zu machen, wird die vorliegende Notiz geboten. Bezüglich der anderen Gründe für meine Deutung vergl. die citirte Abhandlung. Herr Zoebl giebt in der in der Unterschrift der Abbildung citirten Schrift den abgebildeten Querschnitt einer Gerstengranne, die — ebenso wie der Querschlitl" durch den von mir l. e. gebotenen Lcpidophloios-Blatt- fuss — zwei loeker-parenehymatische Stränge p zeigt, 116 Natiirwissenscliaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 10 deren Intercellularen durch je eine Spaltöffnungszeile st mit der Aussenwelt in Verbindung stehen. Zusammen mit Mi- kosch hat dann Herr Zoebl (Die Function der Grannen der Gerstenähre. Sitzungsher. der köuigl. Akad. der Wissen- schaft, Bd. 101. Wien 1892) experimentell nachgevvie.sen, dass die Grannen Transpirationsorgane sind. Bei dem nachgewiesenen Zusammenhang der schwammparenchy- niatischen Stränge mit den Oeffnungen auf dem unteren Wangenpaar von Lepidophloios liegt es also auch bei dem Vergleich mit der Gersteugranne nahe, die in Rede stehenden Organe bei den fossilen Pflanzen als Transpi- rations-Organe anzu.sehen. Ein eingehendes Referat über die Arbeit der Herren Zoebl und Mikosch findet sich in der „Naturw. Wochenschr." Band VIII (1893), Nr 33, S. 348). Dem Reichstag liegen gegenwärtig zwei auf Ab- i Schaffung des Inipfgesetzes gerichtete Anträge vor, welche zusammen die Unterschriften von mehr als J^O Abgeord- neten tragen. Es ist ausserordentlich zu bedauern, dass ein so segensreiches Gesetz auf eine solche Weise bedroht ist. Zu verwundern ist es jedoch weiter nie't, denn die Erfolge der Inipfgcgner erklären sicli zum Tiieil aus den Wirkungen des Gesetzes seib.st. Das Bevvusstscin der Gefahr, die Furcht vor dem Schrecken der Seuche hat mit dem Verschwinden der Pocken ausserordentlich ab- genonnncn. Thatsache ist, dass auch sehr viel Aci"zte die Krankheit niemals zu Gesicht bekomme» haben und sie nur aus Vorträgen oder Lehrbüchern kennen. Daher mag es auch kommen, dass die Aerzte selbst wenig dazu thun, um den impfgegiierischen Irrlehren entgegenzuwirken. Und doch wäre eine Belehrung des Publikums durch Schrift und Wort sehr augebracht. Was wird von den Eltern nicht oft als Impfschädigung aufgefasst, was ab- solut nichts mit dem Impfen zu thun hat. Alle möglichen Störungen und Leiden werden gedankenlos darauf zurück- geführt, ohne jeden Grund. Schnell fertig ist — nicht blos die Jugend mit dem Wort! Eine Mahnung für die Impfgegner werden die bemerkenswerthen Thatsachen sein, welche die kleine, 16 Fälle umfas.sende Pockcn- epidemie gegen Ende 1895 in Berlin ergeben hat. Die Infection wurde von Osten hergebracht und haftete zu- nächst nur an ungeimpften Kindern, von diesen wurden sechs befallen und fünf starben. In einer Familie mit vier Kindern erkrankte nur das eine aus Verschen nicht geimpfte Kind. Die übrigen drei, der gleichen Gefahr ausgesetzt, trotzten der Infection. Sänimtliche geimpften Erwachsenen erkiankten leicht, und doch waren seit der letzten erfolgreichen Impfung 10 Jahre vergangen. (Siehe die Berichte von Vagcdes und Kuebler in der deutschen militärärztlichen Zeitschrift 1896, Heft 2, S. 88 ff.). M. Die Frage nach der Entladnngs- nnd Wirkungs- weise der Nesselkapseln von Hydra hat H. Grenacher aufs neue beleuchtet (Zool. Anz., Nr. 482, 'S. 310.). Es .steht für ihn fest, dass die ausgestülpten Fäden nicht nur an der Haut des genesselten BeutetUieres adhäriren, son- dern in dieselbe eindringen. Er konnte das an einer Mückenlarve des süssen Wassers, sowie an einer Salpe deutlich feststellen. Das Eindringen des Fadens beruht — und Verf. bezieht sich hier auf das analoge Ausstülpen des TetrarhynchnsrUs.sels — auf dem Druck der aufs äusserstc gespannten elastischen Kapseimembran, die die Flüssigkeit in den rapid vorschiessenden und sich um- stül])enden Faden so stark hincinprcsst, dass derselbe trotz dieser Feinheit sogar in das Chitin der Mückenlarve und den Celluloseniantel der Salpe einzudringen vermag. Die elastische Membran, die an uud für sich stets die F"nt- ladung herbeizuführen geeignet ist, findet einmal oben in einem Deckelchen Widerstand, zweitens in einer in Falten gelegten, mit dem Knidoci! verbundenen zweiten äusseren Membran. Beide Widerstände zusammen verhindern die Entladung. Wird aber die äussere Mcmbi-an durch den von Knidocil ausgehenden Reiz zur Erschlaffung gebracht, dann reicht die Kraft des Deckels allein nicht mehr aus und die Entladung erfolgt. C. Mff. Dr. A. Bündle, Ciliate Infusorien im Cöcuni des Pferdes. Während bei den Wiederkäuern vornehmlich der Pansen von allerhand Infusorien bewohnt wird (vergl. „Naturw, Wochenschr." Bd. XI, No. 9), ist es bei den Pferden der Blinddarm, der freilich dem Pansen der Wiederkäuer physiologisch in mancher Hinsicht ent- spricht. Der dünnflüssige Inhalt dieses Darmtheiles der Pferde ist reich an ciliaten und flagellaten Infusorien. Verfasser constatirte in den in der Berliner Central-Ross- schlächterei geschlachteten Pferden 13 Arten von Wim{)er- Infusorien, von denen 6 Arten vollständig neu sind und bisher noch nicht bekannt und beschrieben waren, woraus man schon ersieht, wie wenig Beachtung man bisher diesen Darminfusorien geschenkt hat. Bezüglich der neuen Formen sei auf die Arbeit selbst verwiesen; hier möge nur über die Infection der Pferde mit Infusorien und über die physiologische Bedeutung derselben einiges erwähnt werden. Um festzustellen, auf welche Weise nnd durch welche Nahrungsmittel Pferde mit Infusorien iiifieirt werden, hat Verfasser verschiedene Versuche angestellt. Zunächst mit dem Heu, als dem häufigsten und gewöhnlichsten, fast nie fehlenden Nahrungsmittel der Pferde. Es wurden die ver- schiedensten HeuaufgUsse gemacht, zunächst nur mit Flnss- oder Leitungswasser, sodann unter Zusatz von dem Blind- darm entnonnnenen lebenden Infusorien. Das Resultat war in beiden Fällen ein völlig negatives; weder gelanges in gewöhnlichen Aufgüssen Darm-Infnsorien irgend einer Art zu finden, noch war in den geimpften Aufgüssen eine Vermehrung der hineingesetzten Ciliaten zu beob- achten. Nach 12 Stunden lebte nicht ein einziges Exemplar mehr, trotz genauester Regulirung der Tem- jjcratur. Es beweist dies zunächst nur, dass die In- fusorien unter anderen Bedingungen als den im Darmiuhalt gegebenen nicht zu existii-en vennögen, zu welchem Resultat ja auch Eberlein („Naturw. Wochenschrift'* Bd. XL, No. 9) bezüglich der Infusorien des Wieder- käuermagens gelangt war, nich' aber, dass das Heu nicht der Infectionsträger sein kann. — Denn anderer- seits ergaben die Versuclie auch, dass Kälber, die während der ausschliesslichen Fütterung mit Milch noch keine In- fusorien im Pansen enthielten, nach Fütterung mit dem betreffenden Heu mit den in Frage stehenden Infusorien behaftet waren. Von den im Pferdedarm lebenden Arten war jedoch keine vorhanden. Man kann also daraus entnehmen, dass die Infusorien des Blinddarmes im Pansen auch nicht die nöthigen Lebensbedingungen finden und dort zu Grunde gehen. Bezüglich der anderen Futtermittel, des Hafers und des Mais, machte Bundly einige Beobachtungen, die Be- ziehungen zwischen der Art des Futters und bestimmten Infusorienarten wahrscheinlich machen. Gerade bei gut ge- nährten Pferden, von denen man Ursache hat^ anzunehmen, XI. Nr. 10. Naturwisscn.scliaftlichc Wochenschrift. 117 dass sie iu ilircr letzten Lebenszeit viel Hafer bekonniien hatten, war eine Infusorienart (Cycloposthium bipahnatum) besonders iiäufii;' aufzufinden. Eine andere Art (Biepha- roprosthiuni pireuni) fand sich ausschliesslich im Darm derjenigen Pferde, die mit Mais gefüttert waren. Wenn auch alle die Versuche keine genauen Auf- schlüsse über die Art der Infection gaben, so geht doch mit Sicherheit aus ihnen hervor, dass die Infection durch Infusorien erst dann stattfindet, wenn die Wohnthiere ausschliesslich pflanzliche Nahrung erhalten, dass ferner die Infusorien sich weder ausserhalb des Darmes noch in einem stark sauern Darminhalt zu entwickeln, oder, in dasselbe liineingebracht, längere Zeit am Leben zu erhalten vermögen. Es folgt hieraus, dass sie nicht in dem Zustande, in welchem sie im Cöcum gefunden worden, dorthin gelangt sein können. Es muss also die Infection durch widerstandsfähige Dauercysten erfolgen, die vor der Hand noch unbekannt sind. Die ungeheuere Zahl der Infusorien, ferner der Um- stand, dass sie beim Pferde im Blinddarm, bei den Wiederkäuern im Pansen, also in jenen Abtheihingen des Darmkanals, die für die Verdauung von gleicher Be- deutung in Bezug auf Gährung und Jlaceration der Futtermassen sind, jederzeit vorkamen, sowie die Tliat- sache, dass eine Schädigung des Organismus der Wohn- thiere durch sie noch nicht constatirt wurde, lässt ver- mutlien, dass die Infusorien für die Verdauung von Wichtigkeit sind. Es fragt sicli nun wodurch. Es ist bekannt, dass im Blinddarm des Pferdes eine Gährung und Maccration der Futtermassen, die ohne solche nicht verdaut werden können, stattfindet. Beides kann nicht vor sich gehen, ohne dass Wasser die einzelnen Futterpartikel umspült und zwar um so besser und gründ- licher, je mehr die Futtermassen der Einwirkung des- selben ausgesetzt sind. Bedenkt man nun die ungeheure Anzahl der Infusorien, beachtet man, mit welch' grosser Geschwindigkeit sie den Darminhalt durcheilen, erwägt man, welch' bedeutende Kraft sie aufwenden, um sich zwischen den einzelnen Futterpartikeln hindurchzudrängen, so wird man sich sagen müssen, dass sie schon allein durch ihr mechanisches Wirken einen bedeutenden Eintluss auf die Verdauung der Futtermassen, die sich im Blind- darm (Pansen) Ijcfindeu, ausüben müssen. Konmit zu dieser Thätigkeit noch die Fähigkeit, schwerverdauliche Futterbestandtheile in leichtverdauliche überzuführen, worüber wir bisher noch nichts Genaues wissen, so wäre beides zusannnengenommen ein Moment, die Verdauung der kolossalen Mengen von Nahrungsmitteln, welche die Herbivoren zu sich nehmen, auf das Wesentlichste zu fördern. R. Die Entstehung der Mond-Oberfläche, namentlich der „Kratere" versuchte der Astronom Herr Archenhold durch Vorführung eines treft'lich gelungenen Experimentes kürzlich in einer öffentlichen Sitzung der Gesellschaft für volksthümlicJic Naturkunde in Berlin zu erklären, das uns veranlasst, auf die Sache einmal einzugehen. Er war bei Vorbereituny: des Experimentes durch Herrn Geh. Berg- Eath E. Althans unterstützt worden, der sich über den Gegenstand unter dem Titel „Ueber Bildung von Mond- kratern" 1894 im Jahresbericht der Schlcsiscben Gesell- schaft für vaterländische Cultur ausführlich geäussert hat. Aus diesem Artikel das Folgende. Die noch herrschende Ansicht, die Ringgel)irge des Mondes seien eruptiv wie die Vulcane der Erde ent- standen, reicht nicht aus, die Entstehung der sogenannten Marc, der Killen, der wunderbaren Strahlengebilde zu erklären. Ihr widerspricht der physikalische Zustand des Mondes; auch die Formen der Mondkrater sind denen unserer Vulcane kaum zu vergleichen. Astronomen und Laien haben diese Erklärung seit etwa 60 Jahren für unzureichend gehalten, und einige haben den Aufsturz kosmischer Jlassen als Ursache der Entstehung angenommen. Früher kaum beachtet, wird die Aufsturztlicoric allmählich auch in astronomischen Schriften vertreten und gewürdigt, meist al)er nur unter Vorbehalt der herrschenden Ansicht für gewisse Krater- bildnngen anerkannt. Erst nachdem Robert Mayer die Formen der Energie von Bewegung und Wärme kühn vereinigt hat, gelingt es, die Ursache der mancherlei seltsamen und grossartigen Gebilde der Mondoberfläche in der Umwandlung der Energie aufstürzender Massen in Wärmemengen zu er- kennen, die gross genug sind, um die betheiligten Massen zu schmelzen und sogar zu vergasen. Denn vorher er- forderte die Aufsturztheoric zugleich die Voraussetzung eines zähflüssigen Zustandes der Mondoberfläche. Auf diesem früheren Standpunkte befand sich der Vater des obengenannten, Karl Ludwig Althans. Nachdem er bereits 1839 in einem Büchlein*) über Weltkörperbildung und geologische Probleme die Ring- gebirgsbildungen durch Aufsturz kleinerer Begleiter der Erde erklärt und daran anschliessend auch die Ent- stchnug der Saturnringe auf die Vereinigung von Massen- anhäufungen solcher Begleiter des Saturns zurückgeführt hatte, unternahm er einige Jahre später die Herstellung eines Mondgebirgsniodelles auf mechanischem Wege durch ein wohl vorbereitetes Experiment. In einem etwa % cbm fassenden kubischen Holz- kasten war ein rasch erstarrender, aber noch flüssiger Mörtelbrei aus Kalkmilch, Cement und Gips gemischt und als Ersatz der noch zähflüssig gedachten Mondoberfläche gewählt worden. Noch Schulkuabe, musste Herr E. Alt- hans aus einer Höhe von etwa 8 m iu Zwischenräumen hintereinander je eine Kartätschkugel in den Mörtelbrei senkrecht fallen lassen. Der aus der Einfallstelle central hoch aufspringende Strahl und die davon auf der Ober- fläche entstehenden Ringwellen zerflossen bei den ersten Aufstürzen in dem noch flüssigen Brei vollständig, ohne ein Oberflächenbild zu hinterlassen. Erst die dritte Kartätschkugel ergab in dem steifer und bildsam ge- wordenen Mörtelbrei die täuschend ähnliche Nachbildung eines Mondkraters mit Ringwall, innerem Bergkegel nebst Appendix und seitlichen Vertiefungen. Der Central berg ist der untere Theil des aus dem Einsturzkanal der Kugel aufspringenden Strahles. Ein losgelöster, in geringe Höhe gestiegener Theil des Strahles bildete einen kleinen Nebenberg. Ein höher geflogener Brocken schlug seitwärts vom Kraterringe ein tiefes Loch in den Mörtelbrei, dessen Steifigkeit nur die Entsteimng eines Wellenringes gestattete. So entstanden durch den einen Aufsturz eines ver- hältnissmässig kleinen, etwa '73 kg schweren Körjters dreierlei verschiedenartige, für den Mond charakteristische Gebirgsformen : der 1 1 cm weite Kraterring, der Central- berg nebst Begleiter, der einfache Lochkrater als secun- däres Gebilde. Die typische Vertiefung innerhalb des Ringwalles gegen die umgebende Oberfläche entspricht dem Rauminhalt der emporgestiegenen Massen. Die übergekippten Fetzen des Ringes zeigen die meist zerrissenen Formen der Mondringgebirge und lassen zugleich die Art der Entstehung der wunderbaren, glänzenden Strahlengebilde vermutheu, welche von einer *) C. L. Althans, GiiindzüKC zur gänzlichen Umgestnltung der bishorigeu Geologie, oder kurze Darstollung der Woltkörper- und Erdrindenbildung. Koblenz, Bädeker 1839. S. 33 und 45. 118 Naturvvissenschaftliclie Woclieusclnii't. XI. Nr. 10. Anzahl von Mondkratern ausgehend weithin über die Mondoberfläche ssich erstreelien. Täuscliend ähnliche kleine Nachbildungen von Ring- gebildcn des Mondes sind von A. Meydcnbauer*) durch Aufsturz staubförmiger Massen hergestellt worden. Er Hess auf eine ca. 1 cm hoch mit Dextrinpulver bedeckte Glasplatte von einer Messerspitze kleine Mengen Dextrin- pulver aus ganz geringer Höhe herabfallen. Diese Ver- suche beweisen, dass zur Entstehung der binaren Ring- gebilde durch Massenaufsturz nicht nur die getroffene Oberfläche staubförmig sein kann, sondern dass dann dazu auch ein gas- oder staubförmiger Zustand der auf- stürzendeu Massen genügt. (xas.) Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ern.annt wurden: Der Doceiit der Landwirtli.scluiftslelirc an der Dresdener technischen Hochschule f )ekonomicrath von Langsdorff zum Professor; der Privatdocent der Zoologie in Leipzig Dr. Loos zum ausserordentlichen Professor. Berufen wurden: Stab.sarzt Dr. Passorvon der Ohrenklinik der Charite in Berlin als ordentlicher Professor der Ohrenheil- kunde nach Heidelberg; der Privatdocent der theoretischen Physik in München Dr. Hans Lorenz als ausserordentlicher Professor nach Halle. In den Ruhestand tritt: Der Professor der Botanik Outmans in Amsterdam. L i 1 1 e r a t u r. John B. Haycraft, Professor der Physiologie am ITniversity- CoUege in Cardiff, Natürliclie Auslese und Rassenverbesse- rungf. Autorisirte deutsche Ausgabe von Dr. Hans Kurella. (Bibliothek für Socialwissenschaft, Bd. 11.) Georg H. Wigand's Verlag in Leipzig. 1895. — Preis 5 M. Der Band enthält die vor dem Royal-College of Physicians 1894 in London gehaltenen Vorlesungen „in einer Bearbeitung — wie Verf. in der Vorrede sagt — die den Bedürfnissen eines nicht ausschliesslich aus Medizinern bestehenden Publicums angepasst ist." — Der werthvolle Inhalt und die flotte, klare Sprache, macht das Buch zu einem angenehmen, das bei dem hohen namentlich gegenwärtigen Interesse des Themas hoffentlich recht viel Leser findet. Mit Geschicklichkeit versteht es der Verf in wenigen treffenden Worten, die aber deswegen keineswegs steif und ge- zirkelt erscheinen, eine Erläuterung zu geben, z. B. über den Bo- griflf der „Auslese", über die Ansichten betreffs der Vererbung rcsp. Nicht-Vorerbung 'erworbener Eigenschaften u. dergl. Verf. begründet umsichtig die Anschauung, die vom ein- sichtigen Kenner des Darwinismus von vorn herein gefasst werden musste, dass nämlich eine Heilung von Krankheiten, sofern die Medicin dazu überhaupt im Stande ist, die menschlichen Rassen im Allgemeinen verschlechtern muss, da der natürlichen Auslese der widerstandsfähigeren Individuen dadurch entgegengearbeitet wird. Verf. fordert im Interesse der Rassenverbesserung und zur Steuei-ung der Rassenverschlechterung von der Zukunft, dass eine Auslose zur Ehe die Erzeugung der künftigen Generalion durch die Gesundesten und Besten der gegenwärtigen Generation sicher stelle. Die besten Rassen sind unter Noth und Strapazen ent- standen, die die schwachen Individuen beseitigt haben. Zur Zeit ist durch die Wirkungen der heutigen Kultur eine Rassen-Ver- schlechterung eingetreten, denn die Kultur sorgt kurzsichtig nur für das Wohlergehen des einzelnen Individuums, gar nicht aber für dasjenige der Rassen. Das Buch Haj'craft's bildet eine interessante Ergänzung zu den Büchern Ammon's „Die natürliche Auslese beim Menschen" (vergl. „Naturw. Wochenschr." VIII. S. 460) und „Gesellschafts- ordnung" („Naturw. Wochenschr." X, S. 077). Es steht ebenso wie diese auf durchaus naturwissenschaftlichem Boden, weicht aber in manchen wichtigen Punkten ab — und das ist bei dem schwierigen, noch so wenig bebauten Gebiet sehr verständlich. P. Franz Niedenzu, Handbuch für botanische Bestimmungs- übungen. Mit Ib Figuren im Te.xt. Leipzig, Wilhelm Engel- mann. 1895. — Preis 4,75 M. Es fehlte bisher an einem Handbuche für den botanischen Unterricht, welches neben den wichtigsten Vertretern der hci- *) Dr. phil., Kgl. Geh. Baurath i. Kult, Minist. Berlin, Ent- decker des photogrammetrischen Verfahrens zur Aufnahme von Skulpturen, Bauwerken und Landschaften. mischen Flora auch die häufiger in botanischen Gärton cultivirten Pflanzen berücksichtigte. Gerade solche Pflanzen sind nun aber sehr häufig für das Verständniss morphologischer Fr.agen von viel grösserer Bedeutung, als die heimischen Pflanzen. Bei den Bestimmungsübungen, welche die Systematiker theils zur Be- festigung und Vertiefung des im Cülleg mitgetheilten, theils zur Erzielung der nöthigen Summe von Specialkenntnissen mit ihren Zuhörern abzuhalten jiflegen, war man bisher auf die Be- nutzung floristischer Handbücher angewiesen. Diesem Uebel- stande suchte der Verf. durch sein Büchlein abzuhelfen. Das- selbe enthält wohl alle Gattungen und die meisten und wichtigsten Arten der Phancrogamen, Archegoniaten, Flechten und grösseren Pilze, die entweder wildwachsend in der deutschen Flora vor- kommen oder zu dem eisernen Bestände der botanischen Gärten zählen; solche Pflanzen werden jedenfalls für die betreffenden Vorlesungen mit geringer Mühe frisch zu beschaff'on sein. Von ausführlichen Beschreibungen musste natürlich abgesehen werden, damit der Umfang des Buches ein möglichst knapper bliebe. Die Bestimmungstabellen führen zunächst auf die Klasse, dann die Familie und schliesslich auf die Gattung oder die Art. Ein Bestimmungsbuch wie dieses, welches auch die niederen Pflanzen und die cultivirten Gewächse berücksichtigt, kann nur mit P'reudc begrüsst werden, da die floristischen Werke in der Thnt nur ein Nothbehelf sein konnten. Es möchte dem Ref. scheinen, als ob der Verf. in manchen Fällen die sogenannten „wissenschaftlichen" Merkmale bei seinen Tabellen zu sehr in den Vordergrund ge- stellt hat, was der wesentlich praktischen Seite Abbruch thun könnte. Es wäre vielleicht z. B. besser gewesen, die Ranun- cul US- Arten nach anderen Merkmalen zu gruppiren, als nach dem Auftreten oder Fehlen von Kry st allen in den Theil- früchten. Eine C rucif er en- Gattung mit den Merkmalen der Haare zu bestimmen, dürfte recht schwierig sein, in manchen Fällen würde man jedenfalls unter I wie unter II suchen müssen, um auf die rechte Gattung zu stossen. Mehrfach hat wohl auch der Ver- fasser Merkmale, welche für gewöhnlich nicht ermittelt werden können, wie solche der Frucht oder des Samens, zu sehr bevor- zugt; bei kleineren Familien ist das ja oft gar nicht nöthig, wo nur eine geringe Zahl von Pflanzen überhaupt in Betracht kommt. Wenn der Ref. eben einige Punkte hervorgehoben hat, die er anders wünschte, so will er damit die praktische Bedeutung des Buches nicht herabsetzen, umsoweniger, als das Buch bereits sich als recht brauchbar bei IBestimmungsübungen gezeigt hat. H. Harms. Dr. G. Rörig, Assistent am Zool. Institut der Kgl. Landw. Hoch- schule, Die Geweihsammlung der Kgl. Lrandwirthschaftlichen Hochschule in Berlin. Mit 42 vom Verfasser gezeichneten Abbildungen und einer schematischen Darstellung der bei den beschriebenen Geweihen vorhandenen Homologieon. — Preis 5 Mark. In sehr hübscher Ausstattung, im echten, grünen Weidmanns- rock ist kürzlich in dem bekannten Jagd- und Landwirthschafts- verlag von J. Neumann-Neudamm das genannte gemeinverständ- liche Werkchen erschienen, das gewiss von allen Thierkundigen und Naturfreunden, ganz besonders aber von den zahlreichen Geweihsammlern und -Liebhabern mit lebhaftem Interesse be- grüsst werden wird. Wenn es einen Fehler hat, so ist es der, dass sein Inhalt durch den — immerhin von Zufälligkeiten ab- hängigen Bestand der genannten Sammlung begrenzt ist, und man also nicht alle Geweihe, die einem vorkommen können, abgebildet findet. Aber nach dem Titel darf man das dem Verfasser nicht zum Vorwurf machen, um so weniger, als er nicht versäumt hat, fehlender Arten beiliiufig doch zu gedenken und ihnen sogar ihren Platz auf der hochinteressanten Homologientafel anzu- weisen. Damit ist freilich die schier unglaubliche Confusion noch nicht gehoben, die in der Systematik der Hirsche herrseht, und hier wohl so schlimm, wenn nicht schlinuner ist, als irgend sonst wo bei den Säugethieren. Insbesondere musste bei jeder Sammel- reise nach Ost- und Südostasien auf die Hirsche geachtet und nicht bloss dieses oder jenes Geweih, sondern auch Schädel und Fell mitgebracht werden, um endlich einmal die beschämende Thatsache zu beseitigen, dass kein Fachgenosse im Stande ist, manches „indische Sechsergeweih" zu bestimmen, d.as ihm ein wandernder Geweihhändler im Hausflur aus der Kiepe anbietet. Ewig schade, dass wir die herrliche .Simonsche Geweihsammlung aus Stuttgart nicht hierher bekommen haben; sie hätte uns ge- wiss über Manches Aufklärung gebracht! Rörig giebt uns aber wenigstens einen rothen Faden für einheitliche Betrachtung und Beschreibung des Hirschgeweihes an die Hand: ich muss sagen, dass mir seine ganzi' Aufl'assungsweise sehr einleuchtet und ich ins- bi'sondere die von ihm meines Wissens neu eingeführten Begriffe der Vorder- und Hintei'sprosse sehr glücklich gewählt finde. An- dere Referenten haben zwar schon öffentlich ausgesprochen, ab- weichende Ansichten zu haben, diese aber leider still im Busen verschwiegen gehalten. Hoffentlich nur vorläufig! Denn es wäre dringend zu wünschen, dass alle die ungelöst ruhenden Fragen XI. Nr. 10 Natnrwisscnsi'haftliclic Woc'lion.sclirift. ll'J über Hirsclic und Hirschgeweihe durch die Rörifj'scho Arbeit in Fhiss l<;inien. Und dasselbe thiite der Anatomie, Physiologie und Kntwiekelunfisgescliichto des Hirschgoweilies noth, auf die Rörif:; in seiner allgemeinen Einleitung fesselnde Streiflichter wirft: hier wäre es vielleicht noch nothwendiger und lohnender, dass die mikroskopische Untersuchung von heute mit allen den mo- dernon Hilfsmitteln ihrer Technik einmal kriiftig einsetzte! Ueber das „Abwerfen" haben wir ja Nitsches befriedigende — allerdings von ihm selbst noch nicht gedruckte — Theorie von dem Geweih als Mesodermgebilde, das, analog dem gebrochenen und durch die Haut gespiesstcn Röhrenknochenonde, dem Untergang geweiht ist, sobald es frei zu Tage tritt: aber eigentlich wissenschaftlich bearbeitet, dem heutigen Stande der Histologie entsprechend, scheint das Hirschgeweih überhaupt noch nicht zu sein. Und doch \yürde gewiss jeder grosse Jagdherr jeder berufenen wissenschaft- lichen Persönlichkeit das nöthige Untersuchungsmaterial gern zur Verfügung stellen! Auch die älteren und ältesten tertiären Funde nuissten dabei berücksichtigt und zugleich mit der Histologie des recenten Hirschgeweihes einmal gründlich mikroskopiscli durch- gearbeitet werden; denn die betreffenden paläontologischen Auf- fassungen und Beschreibungen machen mir zum Theil einen nichts weniger als klaren und einheitlichen Eindruck. So erscheint das Rörig'sche Werkchen in mehrfacher Beziehung geeignet, zu frischer wissenschaftlicher Thätigkoit anzuregen — das höchste Lob im ideellen Sinne, was ich dem Verfasser zollen könnte! — und es bleibt nur zu wünschen, dass es diese wohlthätigen Folgen auch wirklich haben möge. Dr. E. Heck (Zoolog. Garten-Berlin). Frech, Dr. Fritz, Prof, Die kamischen Alpen. Ein Beitrag zur vergleichenden Gebirgstektoiiik. Mit einem pctrographischen Anhange von Dr. L. Milch. Mit einer geologischen Special- karte 1:75 000, zwei kleinen Kärtchen, 16 Abbildungen in Lichtkujjferdruck, 8 Profiltafeln und 9(; Zinkdrucken. Halle a. S. M. Niemeyer 1894 (XIV, 514 S., Gr. 8). — M. 28. Der Verfasser hat seit dem Jahre 1887 sechs Jahre hindurch die karnische Hauptkette sowie ihre nördlichen und südlichen Vorlagen zum Gegenstand geologischer Aufnahmen gemacht; in dem vorliegenden Werke, dessen reiche Ausstattung eine Sub- vention des Königl. Preussischen Cultusuiinisteriums ermöglicht hat, bietet er das hauptsächlichste Ergebniss seiner Begehungen und Studien in dieser Gebirgsgruppc, die Tektonik und Strati- graphie derselben dar. Eingeschaltet ist dem Werke die petrographische Beschrei- bung einiger ostalpiner Gesteine von Dr. L Milch, als paläonto- logische Ergänzung dazu sind Lokalmonographien der ver- schiedenen altpalaeozoischen Faunen gedacht, deren eine bereits unter dem Titel: Ueber das Devon der Ostalpen in der Zeit- schrift der deutschon geologischen Gesellschaft in den Jahrgängen 1887, 1892, 1894 beschrieben ist. Die karnischen Alpen weisen nicht nur eine ganz ausser- gewöhnlich vollständige und versteinerungsreiche Schichtenfolge auf, die Kenntniss ihres tektonischen Aufbaues gewährt auch bei ihrer eigenartigen Stellung im gesammten Alpensysteme für die Inangriffnahme weiterer und allgemeinerer Probleme eine sichere Basis. Die ersten (Kapitel beschäftigen sich mit der Schilderung der einzelnen Abschnitte der karnischen Alpen und ihren Vor- lagen im Süden und Norden; geologisch sind mit ihrem östlichen Theilo die durch den Gärlitzbach (Thal postglacialen Alters) ge- trennten Westkarawanken zu vereinigen. Hier scheidet der Hoch- wipfelbruch steil aufgerichtete Silurschichten von flach gelagerten Triasschollen im Süden. In der Hauptkette sehen wir ein Gebiet zahlreicher Querbrüehe; die Gebirgsbildung dauert augenschein- lich fort, da Erdbebenlinien denselben entsprechen. Das Hoch- gebirge bietet mit seinen devonischen Riffen auch dem Geologen Problome mancher Art. Der Westabschnitt der karnischen Alpen ist einfacher im geologischen Bau, wie in der landschaftlichen Form. Capitel V und VI führen uns auf das Vorland im Norden und Süden, die nun folgenden fünf entwickeln des Eingehendsten dh3 Schichtenfolge vom kambrischen Quarzphyllit aufwärts bis zum Rhät, unter besonderer Berücksichtigung der verschiedenen Facies- entwickelung und Rift'bildungen im Devon und in der Trias. Es sind Meeresablagerungen vom Untersilur fortdauernd bis zum Altcarbon, im jüngsten Carbon, dann bis zur Trias hinauf ent- \\^ckelt; die deshalb hier vorhandenen marinen Ueborgangsglieder (Hercyn, Permocarbon) sind von besonderem Interesse. Der Schwerpunkt des Buches liegt in seinen letzten 3 Ca- piteln, dem tektonischen Theil, auch in der Behandlung der Linzelfragon, der Grabenspaltungen, Aufpressungen von älteren plastischen Gesteinen in starre jüngere Massen u. a. m., nament- hch aber in dem erbrachten Beweise verschiedener Phasen einer Gebirgsbildung in den karnischen Alpen. Ihre erste Faltung erfolgte nämlich bereits ungefähr in der Mitte der Carbonzeit; sin bildijten in iler Trias z. Th. eine Barre zwischen den nördlichen und südlichen Ablagerungsräumen; im jüngeren Mesozoikum erfolgten dann neue Faltungen und Längs- brüche; ihre Gesammtwirkung stellte nunmehr das einheitliche Kettengebirge dar. Die Stellung der karnischen Alpen im gesammten Alpensystomo beschäftigt den Verfasser noch weiter; so erörtert Frech das grosse Netz von Brüchen und setzt dann den scharfen Unterschied der nördlichen und südlichen Kalkalpon auseinander. An der Hand der tektonischen Leitlinien der südlichen Ostalpen erörtert er deren Beziehungen zum dinarischen Gebirge und zur Adria und beantwortet schliesslich die Frage, ob an Bruchlinien Hebungen stattfinden, von seinem Standpunkt aus in bejahendem Sinne. Andere Fragen, specicll die über die allmähliche Herausbildung der heutigen Oberflächenformen sind für ein grösseres Publikum in mehr skizzenhafter Form in der Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpen-Vereins 1890, und eingehender in der Zeit- schrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 1892 von Frech beantwortet. In die paläozoische und altmosozoische Formation fällt die Bildung der Gesteine, in das Tertiär die Auffaltung des heutigen Gebirges im Wesentlichen; in die letzten Abschnitte dieser Zeit die Entstehung der wichtigeren Tliäler. Die durch mechanische und chemische Verwitterung aufgehäuften losen Massen wurden wäh- rend der Eiszeit aus den inneren in die äusseren Theilc des Ge- birges geschafft; gleichzeitig auch Oberflächenformen gebildet, von denen u. a. Kare und Seen noch heute erhalten sind. Die Herauspräparirung der heutigen landschaftlichen For- men, das reizvolle Bild der jetzigen Berge gehört fast ausschliess- lich der jüngsten Vergangenheit, oder der geologischen Gegen- wart an. Michael. Allgemeine Botanische Zeitschrift für Systematik, Flo- ristik, Pflanzengeographie etc. Unter Mitwirkung hervor- ragender Fachmänner herausgegeben von A. Kneucker. Jahr- gang 1895. Karlsruhe. Verlag von J. J. Reiff. 1895. — Preis 6 Mai-k. — Wir können nunmehr über den ersten Jahrgang der kurz auf S. 63 (No. 5) Bd. X angezingten Zeitschrift refei-iren. Für die floristische Botanik hat die Zeitschrift Bedeutung, denn die zahlreichen Original - Mittheilungon sind überwiegend floristischen Inhaltes und eine grössere Zahl derselben ist als werthvoll zu bezeichnen. So finden wir Beiträge von den Herren Abromeit, P. Aschei-son, E. Fiek u. s. w. Bespi-echungen bota- nischer Litteratur werden ebenfalls in grösserer Zahl geboten. Ferner finden sich geboten Angelegenheiten über botanische An- stalten, wiss. Vereine, Tausch-Vereine, Exsiccatcnwerke, Reisen und auch Personal-Nachrichten fehlen nicht. Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Unter Mitwirkung der Herren Prof. Dr. A. Heim und Prof. Dr. A. Lang herausgegeben von Prof. F. Rudio, Professor am eidgenössischen Polytechnikum. Vierzigster Jahrg. 1895. 3. u. 4. Heft. (Mit fünf Tafeln.) Zürich, 1895. In Commission beiFäsi &Beer in Zürich, sowie (für Deutschland und Oesterreich) bei J. F. Leh- mann, Medicinische Buehliandlung in München. — Der Band ent- hält die folgenden Abhandlungen: Amsler-Laffon, J., Zu der Abhandlung des Herrn Dr. Maurer über das Alpenglühen; Cramer, C, Ueber Halicoryne Wrightii-Harvey. (Mit einer Tafel.); Düggelin, R., Beobachtungen über Erzeugung von Wärme durch dielektrische l'olarisation; Fiek, A. E., Ueber die Frage, ob zwischen den Netzhäuten eines Augenpaares ein sym- pathischer Zusammenhang besteht; Fliegner, A., Die inte- grirenden Factoren der mechanischen Wärmetheorie; Franol, J., Sur le Systeme de cpiatre droites dans l'espace; — , Note sur les coniplexes lineaires ; Heim, A., Geologische Nachlese. IV. Der diluviale Bergsturz von Glärnisch-Guppen (mit einer Tafel), V. A. Rotliplez in den Glarneralpen (mit einer Tafel); O verton, E., Ueber die osmotischen Eigenschaften der lebenden Pflanzen- und Thierzelle; Stiner, G., Zwei involutorische Transformationen init Anwendungen (mit zwei Tafeln); — , Bestimmung der Art eines durch fünf Punkte defiiiirten Kegelschnittes; StoU, O, Zur Zoo- geographie der landbewohnenden Wirbellosen (mit zwei Tafeln); Wolfer, A., Astronomische Mittheilungen (mit einer Tafel). Briefkasten. Hr. Prof S. — Wir haben id)er die Sello'sche Farbcnphoto- graphie bisher nichts gebracht, weil Hr. Dr. Seile die Absicht hat, selbst in der nächsten Nummer der „Naturw. Wochenschrift" einen ausführlichen Artikel zu bringen. Inhalt: H. Hallier, Die botanische Erforschung Mittelborneos. (Schhiss.) — II. Pcitonie, l'alaeojdiytologische Notizen. II.— IV. — Das Impfgesetz. — Ciliate Infusorien im Cöcum des Pferdes. — Entladungs- und \Virkungaweise der Nessclkapseln von Hydra. — Die Entstehung der Mond-Oberfläche, namentlich der „Kratere". — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: .lohn B. Haycraft. Natürliche Auslese und Rassenverbesserung. — Franz Niedenzu, Handbuch für botanische Bestimmungsübungen. — Dr. C. Rurig, Die Geweihsammlung der Kgl. Landwirthschaftlichen Hochschule in Berlin. — Prof. Dr. Fritz Frech, Die karuischon Alpen. —' Allgemeine Botanische Zeitschrift für Systematik, Floristik, Pflanzengeorgraphie etc. — Vierteljahrsschrift der Naturforschonden Gesellschaft in Zürich- — Briefkasten. 120 Naturwissenscliaftliclie W(icl)enschrift. XI. Nr. 10. Im iintorzcielinctfii Verlane cv- sclioiiit vorn I. A])iil ;i. er. iib: Illustrierte Internationales Organ für alle Interessen il. Insektenkunde. Eiiizif^os Fiu'liblatt Deutsi-lil^iiuls, wdolips spi'zic Eiitwicke- lunrr, Lfl)eii und Treiben der f;es;unten Insektunwelt lieriohtet uml iMÖchentlich eryelieint. Abonnementspreis bei allen Kaiserl. Poiit.in.stalton ii. BiK-lilKUulhingen 3 Mark pvo Vicvteljalir. Direkt von der Expedition nnter Streif- band bezoReii Mk. 3,50. -r^ Probeiiiiiiiiiior -r- steht von Mitte Miirz ab Inter- essenten kostenlos zur Vcrfügiintf. und werden Bestcllun<;on darauf i]itj;e:;eii f^enoiiuiK-n von J. Neiimanns Verlag. Neiidamm. IPROSPECT GRATIS f.r ERFIHDEK. ^ l,so Mli. Zu beziehen durch jede Suchhandlung. HempBl's Klassiker-Ausgaben. .\iisrülni. S|icciuIvci'zeichni5so gratis. rerd. Dümmlers Verlagsbuchbandl PATENTBUREAU Qlrich \{. jVlaerz Berlin NW., Luisenstr. 22. ^^^ Gegründet 1878. ^^= Patent- Marken- u. Musterschutz für alle Länder. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ I Dr. Robert Muencke | t Lnisenstr. 58. BERLIN NW. 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Püranilfro ilfriflsoiiudiJiniibiiiiiij in liciiiit SW. 12, liminfrllr. Ol. ilcx* pitn-ahtjitex-vtcijt bet* ^m^e^^ 5>ün 3tcn.ii Abl'cr. Slutortficrte Überfetjitng tjeraitägcgeOcn uon (Rcorg uoii ©ijijdti. 17G JJcitcii gr. S. tu-eis 'J iMnrh, geb. t.',(;0 .ÄlarU. la « BERLIN C, Niederlage der eigenen Glashüttenwerke und Dampf- schleifereien zu Tschernitz i. L. .\Iecliaiiisclie Werkstätten, Scliriftiuiilerei und Emaillir- An.stalt. Vacuumröhren, Funkengeber u. s. w. zu den Versuchen nach Prof. Röntgen. Neu! \i R \ er:)ntworllielier Uediieteur: Dr. Henry Potonic, Gr. Licliterfelde (P.-B ) bei Berlin, l'otädiunerstr. 35, für den Inaeratentheil : Hugo Bernstein in Berlin.— Vorlag: Ford. Dümmlors Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ■V«--- .^- ^"^ Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XL Band. Sonntaff, den 15. März 1896. Nr. 11. Abonnement: .Man abonnirt bei aUeo Buchhandlun^eu und Post- "]f anstalten. nie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Briuereffeid bei der Post 15 -^ extra. Postzeitungsliste Nr. 4S27. JL Inserate : Die viergespaltene Petitzeüe 40 .A. Grössere Aizfträße ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Debereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger <^nellenaii£;abe g^estattet. Theorie eines Verfahrens zur Herstellung von „Lichtbildern in naturgetreuen Farben". Von Dr. Seile in Brandenburg a. d. Havel. möglich repro- Wenu wir uns die Frage vorlegen, wie es ist, das Bild eines Körpers in seinen Farben zu duciren, müssen wir auf die Frage /An-iickgreifei entstehen denn überhaupt die Farben eines Objectes. Nun, das geschieht bekanntlich so, dass aus dem auf- fallenden weissen Tageslichte der Körper einen Theil absorbirt (verschluckt), den Rest dagegen reflectirt und dadurch dem Auge sichtbar wird, und zwar in einer Farbe, die sich nach den, aus dem weissen Lichte weg- genommenen Farbstrahlen richtet, d. h. complementär zu diesen ist. Wir würden also das Bild eines Körpers auf einer weissen Fläche (Bildfläche) genau wiedergeben können, wenn wir auf allen Punkten derselben, genau entsprechend dem 01)jecte, dieselben Qualitäten und Quantitäten Farbstrahlen aus dem weissen Bildgrunde wegnehmen könnten, wie es der Körper selbst aus dem weissen Tageslichte thut; dadurch wird der retlectirte Rest auf beiden Seiten, in allen entsprechenden Punkten der Gleiche: folglich muss Bild und Object dem Auge in der gleichen Farbe erscheinen. Welches Licht aber, und wieviel soll man nun au den einzelneu Punkten der zukünftigen Bildfläche aus dem Weiss derselben wegnehmen? Nun, hierfür giebt uns die Helmholtz'sche Theorie eine klare Antwort. Bekanntlich ist nach derselben das Auge, trotz der vielen Farbennuancen, welche es sieht, nur dreier ein- facher Farbencmptindungen fähig, der Roth-, der Grün- und der Blauempfindung, und erst durch das mannig- fache Spiel dieser drei Gruudempfindungen wird im Bewusstsein die ungeheure Menge von Farben zusammen- gesetzt, welche wir täglich in der Natur bewundern können. Nach dieser Theorie also zerlegt das Auge .jedes Bild, welches auf die Netzhaut trifft, in drei Bilder, in ein rotlies, ein grünes und ein (dunkel-) blaues. Diese entstehen nuu^ wie wir oben gesehen haben, dadurch, dass aus dem weissen, auffallenden Tageslichte, welches ja nach der obigen Theorie sich für das Auge nur aus Roth und Grün und Blau zusammensetzt, also aus diesem auffallenden rothen und grünen und blauen Lichte be- stimmte Quantitäten von dem Körper weggenommen werden, der reflectirte Rest dagegen als Rothbild und Grünbild und Blaubild vom Auge empfunden wird. Ge- lingt es nun, diesen Vorgang in der Natur dadurch nach- zuahmen, dass wir auf unserer weissen Bildfläche an allen, dem Objecte ents])rechenden Punkten genau die- selben Quantitäten Roth, genau dieselben Quantitäten Grün und genau dieselben Quantitäten Blau wegnehmen könnten, so muss der in das Auge reflectirte Liehtrest an allen entsprechenden Punkten im Bild und Object der gleiche sein, d. h. Object wie Bild müssen in genau den- selben Farben erscheinen. Wie können wir aber erfahren, welche Quantitäten Roth, welche Quantitäten Grün, welche Quantitäten Blau wir aus allen weissen Punkten unserer zukünftigen Bildfläche wegnehmen sollen? Auch darüber giebt uns die Helmholtz'sche Theorie Aufschluss. Sie sagt uns klar, dass unser Auge jedes Bild in drei zerlegt, in ein rothes, ein grünes und ein blaues. Wenn wir also diesen Vorgang im Auge nachahmen, indem wir vor das Ob- jectiv unseres photographischen Apparates, welcher uus das zu reprodueirende Bild liefern soll, nacheinander ein rothes, ein grünes und ein blaues Glas vorsetzen und die einzelnen Bilder auf gewöhnliche Art photographisch auf- nehmen, so haben wir an den geschwärzten Stellen der Negative genau die Quantitäten rothen, grünen und blauen Lichtes, welches der Körper noch zu reflectiren vermag, aufgezeichnet — dagegen an den weissen Stellen der Negative genau die Quantitäten rothen und grünen und 122 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 11. blauen Lichtes angegeben, welche der Körper schon aus dem weissen Lichte absorbirt hat. Die weissen Stellen im Negative also geben uns je nach ihrer grösseren oder geringeren Durchlässigkeit genau an, wo und wieviel Roth und Grün und Blau wir jedesmal aus unserer weissen Bildfläche wegnehmen müssen, um denselben Restbetrag wie im Objecte zu erhalten. Wir müssen also einfach unser hinter Roth aufgenommenes Negativ, an den weissen Stellen (an welchen ja im Objecte kein Roth vorhanden ist) in einer roth fortnehmenden Sub- stanz copireu, d. h. in einer durchsichtigen, hellblauen Farbe. Machen wir diese Copirung auf ein feines trans- parentes Häutchen und setzen dieses, das Bild hellblau zeigende Häutehen auf unsere weisse Bildflächc, so haben wir damit der ersten Forderung genügt, d. h. wir haben das Roth aus allen weissen Punkten der Fläche überall dort weggenommen, wo das Object auch das Roth aus dem weissen Tageslichte fortnahm. Nehmen wir ferner unser hinter grünem „Lichtfilter" (der grünen Glasplatte) aufgenommenes Grünnegativ, so bezeichnen die weissen Stellen desselben, dass das Object hier kein Grün re- flectirte, also müssen wir auch an den nämlichen Stellen aus unserem liilde das Grün wegnehmen, d. h. wir copiren uns das Grüunegativ auf ein feines transparentes Häutchen in einer Grün verschluckenden Farbe, also in Rosa. Setzen wir nun dieses rosa Häutchen genau, in den Bildconturen passend, auf das Bluuhäutchen, welches sich schon auf der weissen Fläche befindet, so haben wir zunächst durch das erste Häutchen an allen Punkten der weissen Bildfläche das Roth überall dort fortgenommen, wo auch das Object das Roth aus dem weissen Tages- lichte absorbiite; ferner durch das zweite Häutchen auch das Grün überall da weggenommen, wo auch das Object das Grün fortuahm. Wir haben jetzt nur noch nöthig, auch das Blau an den entsprechenden Stellen fortzu- nehmen. Zu dem Zwecke copiren wir unser hinter Blau aufgenommenes Negativ in einer Blau wegnehmenden, durchsichtigen Farbe, d. h. in Gelb, auf ein feines trans- parentes Häutchen, und passen dasselbe genau auf die beiden schon vorhandenen Bildhäutchen auf. Wir hätten jetzt in unserm Bilde genau die Farbenentstehung in der Natur nachgeahmt; denn wir sahen, dass auf jeden Punkt unseres Objectes weisse Lichtstrahlen auffielen, von denen eine bestimmte Menge Roth, eine bestimmte Menge Grün, eine bestimmte Menge Blau weggenommen wurde und der Rest ins Auge als Farbenbild reflectirt wurde. Ganz ebenso haben wir au allen weissen Punkten in unserer Bildflächc genau die gleichen Quantitäten Roth, genau die gleichen Quantitäten Grün, genau die gleichen Quantitäten Blau weggenommen, folglich muss auch der- selbe Restbetrag in das Auge reflectirt werden, d. h. das- selbe Farbenhild erscheinen. Setzen wir also diese Theorie in die Praxis um, so lautet die Vorschrift zur Herstellung von naturgetreuen Farbenbildern: Man ninnut von demselben Gegenstände hintereinander drei Aufnahmen, eine hinter rothem Licht- flltcr, die zweite hinter grünem, die dritte hinter blauem; man copirt die Negative auf feine transparente Häutchen in durchsichtigen, zu dem angewandten Lichttilter com- plementären Farben und setzt diese auf einer weissen Grundfläche genau übereinander. Dann muss man, wenn die llehnlioltz'sehe Theorie, wenn die angewandten Lichtfilter, wenn die angewandten Copirfarben richtig waren, genau ein naturgetreues Faibenbild des Objectes erbalten. Zusatz der Redaction. — Dass es Herrn Dr. Seile trefflich gelungen ist, die von ihm oben ausges])rochencn Gedanken in die Praxis unrzusetzen, iiabcn die Leser aus der Tagespresse erfahren. Wir selbst haben Gelegenheit gehabt, nach der obigen Theorie augefertigte farbige Photographien zu sehen, u. a. auch ein menschliches Porträt, und können nur sagen, dass uns die ausser- ordentliche Naturtreue der Farben -Wiedergabe ausser- ordentlich überrascht hat. Erst gegen Ende des vorigen Jahres haben wir in der Naturw. Wochenschr. (Bd. X S. 621) das Joly'sche Verfahren in natürlichen Farben zu photographiren besprochen, das ebenfalls die Youug- Helmholtz'sche Theorie zu Grunde legt, aber doch wesent- lich von dem weit überlegenen Verfahren des Herrn .Seile abweicht. Da es versuciit worden i.st, die hohen Verdienste des Herrn Seile zu schmälern, wollen wir einer in der „Voss. Ztg." (Berlin d. 20. IL 1896) erschienenen Auseinander- setzung desselben noch das Folgende entnehmen. Nach der Young-Hehnholtz'schcn Theorie war schon 1869 von Dueos du Hauron versucht worden, ein Licht- bild in natürlichen Farben herzustellen. „Diese Versuche scheiterten indessen daran, dass es nicht gelang, einmal: die richtigen Grundfarbcn-Lichttilter für die Negative und die dazu passenden Complementär- Copirfarben für die Positive zu finden; dann abergab es auch kein l)ckanntes Verfahren, das gestattete, die Positivbilder in dünner Schicht genau übereinander zu setzen. Das gelang erst, als mau versuchte, die Negative auf abdrnckbare Platten zu copiren und diese Platten dann mit den geeigneten Farben ab- und übereinander zu drucken. So entstanden die ,Naturfarben- Druckverfahren' f Albert, Vogel- Ulrich), die al)er an dem Uebelstande litten, dass sie mit unrich- tigen Lichttiltern für die Negative und ebenso auch un- richtigen Abdruckfarben für die Positive arbeiteten und daher nicht den natürlichen Eindruck hervorrufen konnten. Ausserdem haftete ihnen ein grobes, für den Druck noth- wendiges Korn an, das die Feinheit der Zeichnung un- gemein schädigte, und auch noch ein dritter Uebelstaud, die Unmöglichkeit, die drei Abdruckfarben genau über- einander zu vereinigen. Für die gewöhnliche photo- grapliische Praxis waren ausserdem diese Druckver- fahren durchaus unbrauchbar, weil die Herstellung der Druckplatten mit grossen Zeit- und Geldkosten ver- knüpft war. Diese Uebelstande habe ich nun durch Ausarbeitung eines neuen Verfahrens, das natürlich auf den oben aus- einandergesetzten, bekannten Principicn beruhen musste, sämmtlich zu beseitigen versucht. Es war zunächst keine kleine Aufgabe, die richtigen drei Grundfarben-Licbtfilter, die sehr genau abgepasst sein müssen, für den Negativ- process zu finden, dann aber verursachte auch die Aus- wahl der Copirfari)en für den Positivprocess ausserordent- liche Schwierigkeiten, da wohl der Theorie nach die Farben leicht zu wählen, dagegen praktisch schwierig aufzufinden waren. Ausserdem musste ich ein ganz neues Copirvcrfahren ausarbeiten, das folgenden Anforderungen genügen sollte. Es handelte sich darum, die Negative auf ganz feine Häutchen zu copiren, diese der Theorie entsjtrechend zu färben , und bernach zur absoluten Deckung zu bringen, und zwar so, dass das (4esammt- bild immer nur ein feines Häutchen bliei), das sich leicht auf Papier, Porccllan u. s. w. übertragen Hess. Dieses ist mir erst nach mühevollen, langjährigen Versuchen ge- glückt, und da zu diesem Verfahren in der Praxis nichts bekanntes Analoges vorlag, so musste ich es mir so zu sagen von A bis Z selbst zusannnenstellen und dürfte dann doch wohl darauf Anspruch erheben, ein neues , Verfahren Zur Herstellung von Photographien in natur- getreuen Farben' ausgearbeitet zu haben, das an Einfach- heit, Zartheit der T(ine und Naturwahriieit die bekannten \'erfahren durchaus übertrifft. '• XI. Nr. 11 Natnrwi.sseuscliaf'tliL'lic Woclicnsclirift. 123 Die Röntgen'schen Strahlen, ihre Vorgeschichte und eine Zusammensteiknig ihrer hauptsächlichsten Verwerthungen.') Die Thatsachc, dass verdiinutc Ga.se als Leiter des elektrischen Stromes eine durchaus i;esonderte Stellung einneinnen, ist sclnin seit ziemlich langer Zeit bekannt. Der er.'^te, der auf die hierbei erscheinenden merkwürdigen Phänomene aufmerksam machte, war Faraday. In seiner „dreizehnten Reihe der Experimcutaluntersuchungcn über Elektricität", veröffentlicht in Poggendorffs Annalen 1S39, macht er darüber folgende Angaben: „Ich will nun einen sehr merkwürdigen Umstand in der, \()m negativen Glimmen begleiteten, leuchtenden Entladung kennen lernen, welcher späterhin vielleicht mit Recht bis in Entladungen von weit liöiiercr Intensität ver- 0,3 Zoll Messingstäbe von Vis- 1 folgt werden kann. Zwei Dicke waren von den gegenüberliegenden Seiten her in eine Glaskugel eingelassen und mit ihren Enden in Berührung gebracht, auch war die Luft um iiinen stark verdünnt. Nun wurde eine elektrische Entladung aus der Maschine durch sie hindurch geleitet, und während diese fortfuin-, wurden die Enden von einander getrennt. Im Moment der Trennung erschien auf dem Ende des negativen Stabes ein andauerndes Glimmen, während das positive Ende ganz dunkel blieb. IJei Ver- ! grösserung der Entfernung erschien ein purpurfarbener Streif oder Nebel auf dem Ende des positiven Stabes und schritt auswärts direct auf den negativen Stab los; er verlängerte sich bei Vergrösserung des Zwischen raumes, vereinigte sich aber niemals mit dem negativen Pol, indem immer ein kurzer dunkler Raum dazwischen blieb. Dieser Raum, von etwa '/]6 — Vao Zoll, war an- scheinend unveränderlich in Ausdehnung und Lage in Bezug auf den negativen — Stab; auch erlitt das negative Glimmen keine Veränderung. Seltsam war es zu sehen, wie der positive, purpurfarbene Nebel sich beim Auseinanderrücken der Enden verkürzte oder verlängerte, und dennoch jener dunkle Raum und das Glimmen ungeändert blieben." Zur siche- ren Feststellung dieser „dunklen Entla- dung" stellte Faraday mit einer Anzald anderer verdünnter Gase, wie Salzsäure- gas, Leuchtgas, Wasserstoff, Stickstoff ** Versuche an und erhielt bei allen die gleiche Erschei- nung. Seine Erklärung für diesen Vorgang ist, dass die mit verschiedener P^lektricität geladenen Tlieüchen einander irgendwo im Zwischenraum begegnen und sich gegenseitig entladen, ohne Lichtwirkung hervorzubringen. Ais Stromquelle benutzte Faraday theils eine Elek- trisirmascliine, theils eine Leidener Flasche. Die erforderliche Verdünnung stellte er sieh mit einer ge- wöhnlichen Kolbenluftpumpe her, die während der Ver- suche mit dem Entladnugsgefäss verbunden blieb. Ungefähr 10 Jahre später gelang es H. Geissler in Bonn auf Anregung des dortigen Physikers Prof. Plücker, die von Faraday beobachteten Lichtcrseheinungen festzuhalten, in- dem er die nöthigen Gefässe gebrauchsfertig herstellte. Er wählte als Form hierfür eine ziemlich langgestreckte Glasröhre, in deren ausgezogene Enden er als Elektroden *) Eine voi-liiufige Notiz wurde bereits in Nr. 4 des jetzigen Jalirgangos der „Natiirw. Wochouschr." geboten. — Red.' Platindrälite einschmolz; durch ein Ansatzrohr, das nach- her zugesehmolzen wurde, stellte er die erforderliche Luft- verdünnung her. Die von ihm construii'te Quecksilber- luftpumpe gestattete ihm hierin viel weiter zu gehen, als es Faraday mit seinen weit unvoUkommncren Appa- raten gekonnt hatte und so Lichteftecte zu erzielen, welche die vorhergehenden bedeutend übertrafen. Aus der Farbe des positiven Lichtstreifens kann man erkennen, welches Gas man in die Röhre eingeschlossen hat. Bei einer Spur atmosphärischer Luft ist das Licht violett, bei Wasserstoff roth, bei Kohlensäure grün. Von den beiden erst kürzlich entdeckten Elementen sendet das Argon prächtige blaue, das Helium röthliche Strahlen aus. Geissler war auch der erste, der den heute für diese Versuche fast ausschliesslich angewen- deten Inductionsstrom benutzte. Sehr eingehend beschäftigte sich 1868 W. Hittorf in Münster mit der Elektricitäts- leitung der Gase. Seine Versuche beziehen sich fast ausschliesslich auf Luft resp. Stickstoff, behalten jedoch auch für die anderen Gase ihre Gültigkeit. Hier ist das negative Licht blau. Es erregt, wenn seine Temperatur sehr hoch wird, auf der Ober- fläche des Glases, das es berührt, lebhafte Fluores- cenz und zwar leuchtet gewöhnliches Glas mit gelbgrüner, bleihaltiges mit blauer Farbe. Je weiter die Verdünnung des Gases vorschreitet, desto mehr dehnt sich das negative Licht (nach einer älteren Bezeichnung von Faraday auch Kathodeidicht genannt) aus, während das positive Licht hinter dem dunkeln Raum immer mehr abnimmt, um endlich fast ganz zu verschwinden. An dem negativen Glimmlicht be- merkte Hittorf verschiedene Eigenarten. Während in den Geissler'schen Röhren das Licht ungehindert allen Biegungen und Windungen folgte, verbreitete sich das Durch eine sofort seine Bahn gehenmit (s. Fig. 1). Der von der Anode ausgehende schwache Lichtstreifen suchte jedoch trotz Krümmungen den ent- gegengesetzten Pol zu erreichen. Sei in Fig. 2a a die Anode, b die Kathode. Das Glimmlicht geht gradlinig von h aus und findet in der Glaswand sein Ende. Das positive Licht sucht, von « ausgehend, den Pol b zu erreichen. Wechseln wir jetzt die Pole und machen b zur Anode, (t zur Kathode (Fig. 2b). Jetzt fluthet das negative Licht durch die ganze Röhre, ohne sich im ge- ringsten um das Anodenlieht b zu kümmern. Dieses biegt sieh kurz um und sucht so a zu erreichen. Bei stärkerer Verdünnung geht das positive Licht nicht zur Kathode, sondern zum fluorescirendcn Gl.ase, zur äussersten Schicht des («linnnlichtes: bei zu grosser Verdünnung verschwindet es gänzlich. Das negative Licht erseheint aus drei parallelen Schichten zusammengesetzt: ein schmaler heller Saum umgiebt unmittelbar die Kathode ; dann folgt eine dickere, wenig leuchtende Schicht; diese ist wieder von einer helleren, welche den ganzen übrigen Raum ausfüllt, umgeben. Wo diese Strahlen auf ihrem Wege ein Ilinderniss gegenüberliegenden Ghis- Glimmlicht streng gradlinig. Biegung in der Röhre wurde finden, erzeugen sie auf der 124 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 11 wand einen Schatten. Crookes hat später über diese Eigenschaft des Glinnnlichtes eingehendere Untersuchungen angestellt. Die dritte sehr interessante Beobachtung, die Hittort machte, war die Beeinflussung der Gliminstrahlen durch den Magnet. „Der Glimmstrahl", sagt Ilittorf, „verhält sich wie ein unendlich dünner, gewichtsloser, steifer Stromfaden, der blos an dem Ende, welches den nega- tiven Querschnitt berührt, fest bleibt. Mit seinem anderen Ende und der ganzen biegsamen Länge folgt er den Kräften, welche zwischen seinen Theilchen und dem Magneten bestehen ohne Rücksicht darauf, welche Lage er in Bezug auf die Anode gewinnt, ob er sich von der- selben entfernt oder ihr nähert." Bei allen verschiedenen Stellungen des Katho- denlichtes erhält das Anodenlicht die Verbin- dung zwischen ersterem und dem positiven Pol; an diesen beiden Enden fest ist es sonst in Be- wegungen ungehindert. Zu seinen Versuchen benutzte Hittorf ein an- nähernd paralleles Bün- del von Glimmstrahlen. Den negativen Poldraht Hess er nur ganz wenig aus dem umgebenden Kapillarrohr hervorra- gen, so dass er die Kathode als Punkt an- nehmen konnte. Zuerst liess er nun einen Pol auf den Strom wirken. Bildete die Axe des Lichtbündels mit der magnetischen Cnrve, die durch den negativen Querschnitt geht, einen rechten Winkel, so gingen die Glinnnstrahlen in einen el)enen, zur Magnetcurve senk- rechten Kreis über, zu dessen beiden Seiten sich die divergirenden Strahlen anlagerten. Man erhielt so eine aufrecht stehende Kegelfläche, deren Querschnitt nach dem Pole zu abnahm (Fig. 3). axial über den Ankern, sodass die magnetische Curve des Querschnittes einen spitzen Winkel mit der Axe des Bündels bildet, so winden sich die Kathodenstrahlen zu einer langgestreckten Spirale, die sich bogenförmig über den Ankern wölbt. Bei genügender Länge biegen sich die Strahlen noch einmal um und bilden einen zweiten, weniger leuchtenden Bogen im spitzen Winkel zu dem ersten. Wo beide Bogen zusammentreffen, kann man deutlich oberflächliches Schmelzen des Glases wahr- nehmen (Fig. 7). Hittorf bezog seine Resultate auf die gesammten Katliodenstrahlen; es wurde jedoch später festgestellt, dass nur einem Theil von ihnen diese Eigenschaften zu- kommen. Aus den Jahren 1880 und 1881 liegen Arbeiten von E. Wiedemann und E. Goldstein vor, die sich mit dieser Frage befassten. 1883 sprach Heinrich Hertz ganz deutlich aus, dass es verschiedene Arten von Kathodenstrahleu geben müsse, „deren Eigen- schaften in einander übergehen, welche den Farben des Lichts entsprechen, und wel- che sich unterscheiden nach Phosphorescenz- erregung, Absorbirbar- keit und Ablenkbarkeit durch den Magneten." Im Jahre 189-i veröf- fentlichte E. Goldstein eingehendere Untersu- chungen über die Schich- tung des Kathodenlichtes. Er fand, dass die erste schmale, hell leuchtende Schicht ein besonders eigenartiges Strah- lungssystem darstelle; dass auch der Rest, das seeundäre aus zwei heterogenen Lichtarten besteht, negative Licht, einer. der Bildet die magnetische Curve mit der Axe keinen rechten Winkel, so gehen die Katho- denstrahlen in eine Spirale über, deren Windungen nach dem Pole zu immer enger werden. Wenn der Winkel, welchen die Stronn-ichtung mit der Tangente der magnetischen Curve l)ildet, ein stumpfer ist, wendet sich die Spirale vom Magnetpole ab (Fig. 4); ist er ein spitzer, wendet (Fig. 5). Im ganzen erhält man einen Kegelstumpf. Die Anodenstrahlen folgen jedes Mal dem Glimmlicht nach der fluorescirenden Glaswand. Seien jetzt zwei Pole unter der Röhre angebracht. alle oben besprochenen Eigenschaften zu- kommen — Hittorf's wenig leuchtende Schicht — , und einer zweiten — der äussersten hellen Schicht — , die sich um die Ecken schmiege und nichts mit der anderen gemein habe. Es erscheint sehr vcrwundei'lich, dass Hittorf, der seine Untersuchungen so genau und ein- gehend anstellte, von dieser Sache nichts bemerkt hat. sie sicii ihm zu schief liegenden Sind so heben sich ihre Wirkungen auf. kaum Ucbergewicht. SIC gleichartig, Zwar triH't dieser tlieoretische Fall in der Praxis ein; der eine Pol hat meistens ein kleines Die Einwirkung ist indcss so gering, dass sie zweifellos als Differenz zweier annähernd gleicher Kräfte erkannt wird. Sind die Pole entgegengesetzt, so verstärken sich ihre Wirkungen. Liegt die Axe des negativen Bündels in der äquatorialen Ebene, so erhält man eine leuchtende Röhre, deren Durchmesser bei starken Strömen l)is unter 1 nnn heruntergeht und dann ziemlich genau mit der entsprechenden magnetischen Curve zusammenfällt (Fig. (i). Benutzt man eine cvlindrische Röhre und la^-ert diese Kathodenstraidcn. That- Zehn Jahre nach Hittorf beschäf- tigte sich der englische Physiker Crookes sehr eingehend mit den Er stellte zuerst Versuche an, die den Hittorf'schen durchaus analog waren. Trotzdem wurde er ziemlich lange Zeit allgemein für den Entdecker der neuen Strahlungsart gehalten, bis die Priorität Hittorf's unzweifel- haft festgestellt wurde. Die Untersuchungen über Magnet- ablenkung und Scliattcnwirkung erweiterte Crookes etwas; besonders in letzterer Beziehung gelang ihm die Beob- achtung eines sehr interessanten Phänomens. Er brachte in den Weg der Strahlen ein aus Aluminiumblech ge- schnittenes Kreuz. Liess er die Entladung durchgehen, so bildete sich auf der fluorescirenden Glaswand das Kreuz als Schatten ab. Warf er jetzt das Kreuz um, so erschien an der bisherigen Scliattenstelle eine bedeutend intensivere Phosphorescenz als auf dem umgebenden Glase. Wo die Strahlen auftraten, übten sie kräftige mecha- nische Wirkung aus. Zum Beweise benutzte Crookes unter anderen folgenden Apparat. In einer stark eva- XI. Nr. n. Natnrwisseiiscliaitlic'lic Wochenschrift. 12.T cuirten Glasröhre — doch braucht die Verdünnung- nicht so stark zu sein, wie zur Phosphorcscenzerregung — be- findet sich eine von einem Ende zum andern reichende gläserne Schienenbahn. Auf dieser ruht die Axe eines kleinen Kädeiiens, das mit Glimmerschaufeln versehen ist. An jedem Ende der Riihre, etwas über der Mitte, betindet sieh ein Pol aus Aluminium. Lässt mau nun Strom hin- durchgehen, so wird das Rädehen durch die Kraft der die Schaui'eln treffenden Strahlen fortgerollt und zwar stets vom negativen Pole ab. Diese Kraft ist so stark, dass sie genügt, das Rädchen auf einer sanft ansteigenden Bahn bergan zu treiben. Auch Wärmewirkuug nahm Crookes wahr. Vereinigt man eine grosse Anzahl der Strahlen, indem man sie durch einen Hohlspiegel sam- melt, so bemerkt man, dass im Brennpunkt starke Erhitzung stattfindet. Diese genügt, um ein Platinblech zur Rotbgluth und Itei längerer Einwirkung sogar zum Schmelzen zu bringen (Fig:- S). ^ Crookes wusste diese Erscheinungen nicht anders zu erklären, als dass er einen vierten Aggregatzustand, die „strahlende jMaterie „an- nahm, ein Ausdruck, den schon der junge Faraday im Jahre 1816 gebraucht hatte. In den stark evacuirten Gefässen sei der freie Weg der Molekeln im Vergleich mit den Dimensionen des Gefässes ausserordentlich lang geworden. Es handle sich hier nicht mehr fi um eine continiiirliche Materie, sondern njan müsse die Molekeln individuell betrachten. In Folge der starken Verdünnung vermögen die Molekeln des Rück- standes mit verhältnissmässig sehr wenig Zusammenstössen durch die Röhre zu gehen. Indem sie mit ungeheurer Geschwindigkeit vom Pole ausstrahlen, nehmen sie Eigen- schaften an, die so neu und charakteristisch seien, um Crookes diese Hypothese als nothwendige Folge erscheinen zu lassen. In der Folgezeit suchten besonders Gintl und Puluj diese Anschauung zu verthei- digen und zu erweitern. Die Wärniewirkung z. B. sollte direet durch die Kraft des Stosses der abgeschleuderten Elektrodentheilchen erzeugt werden. Sehr bald wurden diese Lehren eifrig ange- griffen. Besonders E. Wiede- mann widersetzte sich ihnen aufs energischste, indem er diese Erscheinungen als Licht- strahlen ganz kurzer Schwingung definirte. Hertz und Goldstein wie auch Lenard schlössen sich im allgemeinen den Anschauungen Wiedemann's au. Ueber die Art, wie man die garnicht oder nur wenig sichtbaren Kathodenstrahlen festhalten könnte, veröffent- lichte E. Goldstein im Jahre 1880 sehr interessante Mit- theilungen. Obgleich das grüne Phosphorcscenzlicht für die gevvöhnlich benutzten photograpbischen Substairzen wenig aktinische Strahlen besitzt, lassen sich doch seine Formen photographiseh abbilden. In das Innere des Entladungs- gefasses brachte er lichtempfindliches Papier oder eine entspreehend präparirtc Platte so an, dass die enii)find- lichc Seite von den Kathodcnstrahlen getroffen wurde, P»ei Durchgang der Entladung entstand auf der sensiblen Fläche ein pliotographisehes Bild, dessen Dimensionen vollständig- analog waren dem Phosphorescenzbilde, welches von den Katbodenstrahlen auf einer phosphorescirenden Fläche gleicher Lage und Gestalt erzeugt wurde. Die Erzeugung dieser Photogra])hiecn ohne Zuhilfinahme brechender oder refiectircnder Apparate i)erubt nach Goldstein auf der ausserordentlichen Dünnheit der inten- siven ultravioletten Schicht, welche das Phosphoresciren und die chemische Zersetzung verursacht. Goldstein war also der erste, der die pliotochemische Wirkung der Kathodenstrahlen erkannte und kann wohl so als der erste directe Vorgänger der Röntgen'schen Entdeckung gelten. Einen grossen Fortschritt in der Erforschung der Kathodcnstrahlen bedeuten die Arbeiten von Heinrich Hertz aus dem Jahre 1892. Er fand, dass die Kathodcn- strahlen im Stande sind, dünne Metallschicliten zu durchdringen, indem sie etwas weniger Strahlen als gewöhnliches Licht absorbiren. Dass es keine Schuld der in Metallfolien stets vorhandenen Poren ist, beweist Hertz durch die Thatsache, dass die Strahlen nach dem Durchgange nicht geradlinig weiter gingen, sondern sich diffus verbreiteten. Hertz machte seine Versuche mit Folien von Gold, Silber, Ahuninium, wie mit den sogenannten unechten Blattmetallen, Legirungen verschiedener Me- talle wie Kupfer, Zink, Zinn. Ueberall erhielt er das gleiche Resultat. Die einfache Folie bot der Durchstrahlung ein sehr geringes Hiu- derniss dar; je mehr er über einander schich- tete, desto schwächer war der Durchgang der Strahlen, bis er bei 12 bis 20 Lagen voll- ständig aufhörte. Sämnitlichc Versuche wurden Entladungsröhre angestellt; ausserhalb derselben es ihm nicht, eine Einwirkung zu erzielen. bereitungen den Tod weitere Verfolgung seiner in der gelang Die Strahlen blieben in der Röhre, und es war nicht mög- lich, sie in Luft austreten zu lassen. Während der Vor- zu weiteren Versuchen wurde Hertz durch iiweggerafft. Seinem Assistenten, Philipp Lenard, übergab er als wissenschaftliches Vermächtniss die Ideen. Lenard sah schon Ende des Jahres 1893, noch zu Leb- zeiten von Hertz, seine Be- mühungen von Erfolg gekrönt. Er hatte einen sehr sinnreichen Apparat construirt, dessen Prin- cip wesentlich auf der Durch- dringbarkeit von Metallfolien durch die Kathodenstrahlen basirte (Figur 9). Eine massig weite Glasröhre war an einem Ende in ihrer vollen Weite erhalten, am anderen zicndich lang ausgezogen. In diesen ausgezogenen Theil brachte er ein Capillarrohr /,:; durch dieses ging die Zuleitung zur Kathode, ein Draht, an dessen freiem Ende die Kathode h, eine runde Aluminiumscheibc von 12 nun Durchmesser, augebracht war. Messiugrohr aa, das sich eng schmiegte und den Raum zwischen diesem und der Ge- fässwand fast vollständig ausfüllte. Der Draht pp diente zur besseren Befestigung und vermittelte zugleich die Zuleitung durch das Lnftpnnipcnrohr P. Die vordere Seite der Röhre war durch eine Metall- kapsel cc, welche Lenard mit Siegellack befestigte, ver- schlossen. In der Mitte dieser Kapsel war ein kleines Loch von 1,7 nmi Durchmesser ('/) gebohrt. Vor dieses brachte Als Anode diente ein an das Capillarrohr nun Ijcnard ein Aluminiumplättchen '/.j„(, nun du festigte es sorgfältig mit Marineleim. Das nennt Lenard diese Vorrichtung-), das im und be- Fcnster (so metallischen i2(; Naturwissenscliaftlic'hc Woolienschrift. XI. Nr. 11. Contact mit der Kapsel l)licb, wurde zur Erde abgeleitet, ebenso die Anode (durcli die Dräbte /' und (j). Um das Fenster uiebt selbst als Anode wirken zu lassen, braehtc Lenard vor demselben eine Blende ee von nur 3 nun Oelfnung an. Den ganzen Apparat umgab er mit einem HIeeligebäuse HUB, an der Fensterseite scbloss sieb iiicran noeli ein LSchirm .S.S Den Raum auf der anderen Seite des Schirmes nannte Lenard den Beob- acbtungsraum. Das Evacuiren der Röhre musste nun sehr vor- sichtig geschehen, da bei der geringsten üeberbean- spruchung in Folge des enormen Ueberdruckes von aussen her ein Reissen des Akimininmblättchens zu befürchten war. Die günstigste Verdünnung ergab sieh, als die Con- trol Istrecke F am Ruhmkorft- Apparat 3 cm Funkcnlänge ergab. Die Strahlen traten difl'us aus dem Rohre mit bläulichem Schein aus und verbreiteten sich in dem um- gebenden Medium. Der verwandte Inductor mit Queck- silberunterhreciier (6 pro scc.) ergab für sich eine Funken- strecke von 15 cm. Die Intensität der austretenden Strahlen war in nächster Nähe ziemlich beträchtlich; bei zunehmender Entfernung nalmi sie ab und hörte in 6—8 cm Abstand vollständig auf. Bei längerer Wirkung der Strahlen ting das Fenster sell)st zu leuciiten an. Lenard brachte ge- wöhnliches Glas, Uranglas, Flintglas, Kreide vor die Röiire; sie Icuehteten, von den Strahlen getroffen, in ihrem gewöhnlichen l'hosphoresceuzlichte, Kalkspath leuch- tete nach. Jetzt stellte Lenard vor das Entladung.sgcfäss einen phosphorescenzfähigen Schirm; vor diesen brachte er Röln-cn von Stanniol oder Glas und fand, dass das Flno- re.sciien merklich geschwächt wurde. Im Allgemeinen zeigten sich hier dieselben Vorgänge, wie sie Hertz in der Röhre seil)st l)eobachtet hatte. Auch wurde im Wesentlichen nichts geändert, wenn das Aluminiumfenster durch ein solches aus Glas ersetzt wurde. Stellte man einen undurchlässigen Gegenstand in einiger Entfernung vor dem Apparat auf, so griffen die Kathodenstrahlen um diesen etwas herum. Nur ein Bruchtheil der Strahlen verlief also geradlinig. Die Strahlen besassen auch ausserhalb der Röhre photoeheniische Wirksamkeit; sie erzeugten deutliche Eindrücke auf photographischen Platten. Die Kathodenstrahlen drangen in das Innere mctalliscli abgeschlossener Räume, sie waren vollkonnnen trennbar von den erzeugenden elektrischen Kräften. Elektrisch geladene Körper verloren ihre Ladung im Beobaehtungs- raum ; man konnte sie davor schützen, indem man einen undurchlässigen Stotl vor sie stellte oder die Strahlen vorher durch eiuen Magneten ablenkte. Im vollständigen Vacuum konnten keine Kathoden- strahlcn orzengt werden; für ihre Ausbreitung war es .jedoch kein llindcrniss. Gase verhielten sich verschieden durchlässig. Leuchtgas, das für ultrarothes wie für ultra- violettes Lieht undurchdringlich ist, bewirkte merkliche Aufhellung. Für verschiedene untersuchte Gase giebt Lenard folgende Werthe an: Gas Dichte StrahlUinge Wasseistoft" .... 1 29,5 Stickstoff 14 6,5 Luft 14,4 6,0 Sauerstoff IG 5,1 Kohlendioxyd ... 22 4,0 Schwefeldioxyd ... 32 2,3 Mit zunehmender Dichte ninnnt die Strahllänge, wie man sieht, ziemlich gleiehmässig ab. Bei zunehmender Verdünnung wächst die Durchlässigkeit. Bei sehr ge- ringem Drucke scheinen die verschiedenen Gase einer i gleichen Durchlässigkeitsgrenzc zuzustreben. Für Wasser- stoff und Luft ist diese Hypothese von Lenard experi- mentell bewiesen worden. Endlich bemerkte Lenard noch, dass bei geringerer Verdünnung die Strahlen diffuser verliefen als bei höheren Evacuatiousgraden. Zur weiteren Kenntniss der Kathodenstrahlen gelang es dem um ihre Erforschung überhaupt sehr verdienten Eugen Goldstein, im Jahre 1894 ihre chemische Wirkung auf eine Anzahl von Salzen festzustellen. Seine ersten Versuche führte er mit dem weissen Chlorlithium aus. Setzte er in einem Rohre dieses den Kathodcnstrahlen aus, so färbte es sich schnell heliotropfarben bis dunkelviolett. Schmolz er das Röhrchen evacuirt ab, so blieb die Färbung erhalten: auch schadete es nicht, wenn er trockene Luft sogar bis zum Atmosphärendruck hineiu- liess. Beim Zuführen feuchter Luft versehwand die Farbe jedoch bald wieder, konnte aber durch nochmalige Bestrahlung im Vacuum wieder erzeugt werden. Näherte man unter dem zugeschmolzenen Röhrchen eine Bunsenflamme, so änderte sieh die Farbe sofort. Das violette Salz wurde braunroth, das heliotropfarbene fleischfarben. Starke Erhitzung vernichtete jede Färbung: doch gelang es nach wiederholter Bestrahlung, die violette resp. heliotropfarbene Farbe wiederherzustellen. Die riiosphorescenzfarbe des Chlorlithiunis ist ein intensives Hellblau. So unterscheidet Goldstein bei seinen Versuchen drei Farbenreihen: 1. die Phosphorescenzfarbe, 2. die Körperfarbe, die das Salz durch die Be- strahlung annimmt und nachher behält (Nachfarbe), 3. die Körperfarbe, die das bestrahlt gewesene Salz nach massiger Erhitzung zeigt (Erhitzungsfarbe). Es seien hier einige Resultate aus Goldsteins Arbeit initgetbeilt. Chlornafriuni, dessen Phosphorescenzlicht blauweiss bis hellblau ist, nahm unter der Bestrahlung chamois bis bräunlichgelbe Färbung au. Bei coudensirtcr Bestrahlung wurde die Oberfläclie dunkelblau. Dieselbe Farbe wurde auch durch massige Erhitzung erzielt und blieb nach der Erkaltung bestehen. Bei Chlorkalium ist die Phosphorescenz lichtstark blau. Seine Nachfärbe ist heliotrop bis violett, bei Er- hitzung geht sie durch Blau in reines Weiss über. Brondvalium, grünlichblau phosphorescirend, zeigte blaue Nachfärbe; bei Jodkaliuni war die Phosphorescenz intensiv hellgrün, die Nachfärbe hellgrün. Aehnliche Ver- hältnisse ergaben sich fast in der ganzen Gruppe der Alkalimetalle. Ausserhalb derselben fand Goldstein nur Nachfarben bei Substanzen, die als lichtempfindlich be- kannt waren. Soweit waren im grossen Ganzen die Nachforschungen über die Kathodenstrahlen gediehen, da trat in den letzten Tagen des vorigen Jahres der Würzburger Physiker W. C. Röntgen mit seiner bekannten Entdeckung hervor. R(intgen war haui)tsäehlicli durch Lenards Versuche an- geregt worden. In seinem sorgfältig abgedunkelten Exi)erimcntirzinnuer arbeitete er mit einerstark evacuirten llittorrschcn Röhre. Er hatte dieselbe mit Carton be- deckt und bemerkte zufällig, dass auf dem Tisch liegende phosphorcscen/.fähige Salze bei jedem Durchschlagen des Funkens zu leuchten anfingen. Röntgen verfolgte diese Erscheinung sofort und fand zu seiner Uebcrraschung, dass die Kathodcnstrahlen ohne Lenard'sches Fenster aus der Entladungsrohre austraten, und dass sie ausser- dem im Stande waren, die schwarze Cartonhülle zu durchdringen. Ein mit Baryuniplatincyanür bestrieheuer l'apierschirm leuchtete bei jeder Entladung hell auf: die XI. Nr. 11. Natui-wissenspliaftliche Woclicnsclirift. ^■2'i Phosphorescenz war noch in 2 ni Entfernung vom Apparat bemerkbar. Für dieses fluorescenzerzengende Agens sind alle Körjjer durchlässig, wenn auch in sehr vcrscliiedeneui Grade. Papier wird in diclvcn .Scliichten noch durcli- leuchtet, ebenso Holz und Hartgummi. Dünne Metall- sehiclitcn absorbircn sehr wenig di "scr neuen Strahlen — Röntgen legte iimen bekanntlich den Namen X-Strahlen bei — Wasser und Schwefclkohlenstoti' zeigen sich sehr durchlässig, ebenso Muskeln und Gewebe des thierischen Organisnuis; bleihaltiges Glas setzt ihnen sehr energischen Widerstand entgegen, ebenso vei'halten sich die Metalle in dickeren Schichten. Im Allgemeinen scheint die Durch- lässigkeit mit wachsender Dichte abzunehmen; doch linden sich verscliiedene Fälle, die mit dieser Annahme nicht übereinstimmen. So zeigen z. B. Glas, Aluminium, Kalkspath, obgleich ungefähr gleich dicht, doch beträcht- liche Unterschiede in der Durchlässigkeit. Mit zuneh- mender Dicke werden alle Körper weniger durchlässig. Phosphorescenzfähige Körper fluoresciren unter dem Einfluss der X-Strahlen. Ebenso sind photographische Platten für sie emptindlich, Ob dieses chemisch wirk- same Lieht direct von den Kathodenstrahlcn ausgeht oder erst auf der tluoreseirenden Glaswand erzeugt wird, ist noch nicht festgestellt. Für unser Auge sind die X-Strahlen völlig unsichtbar, selbst wenn wir es ganz nahe an den Entladungsapparat heranbringen. In weiteren Versuchen stellte Röntgen fest, wie sieh die X-Strahlen beim Durchgange durch ein Prisma ver- halten. Er verwandte Wasser und Schwefelkohlenstoff im Glimmerprisma von ca. 30'' brechenden Winkel und erhielt weder am Fluorescenzsehirm noch auf der pboto- grapbischen Platte eine Ablenkung. Zum Vergleich be- obachtete Röntgen die Ablenkung von Lichtstrahlen und fand diese 10 bis 20 mm von den anderen entferntliegend. Diese Wahrnehmung scheint schon zum Beweise zu ge- nügen, dass wir es hier nicht, wie zuerst allgemein ange- nommen wurde, mit ultravioletten Strahlen zu thun haben. Mit einem Hartgummi und Ahiminiumprisma erhielt Röntgen auf dem Fluorescenzsehirm keine Ablenkung, auf der photographischen Platte erhielt er Bilder, die vielleicht doch auf eine solche schliesscn lassen. Diese ist, wenn überhaupt vorhanden — mit Siclieiheit lässt es sich nicht behaupten — so klein, dass der Brechungsexponent der X-Strahlen in diesem Medium höchstens 1,05 gesetzt werden könnte. X-Strahleu werden nicht regelmässig reflectirt: ein neuer Beweis, dass wir kaum ultraviolette Strahlen vor uns haben können. Einige Metalle zeigen freilieh Aus- nahmen, so Platin, Blei, Zink. Fein pulverisirte Sub- stanzen lassen die X-Strahlen genau so durch, wie die betreifenden kohärenten Körper! Versuche mit fein pul- verisirtem Steinsalz, Elektrolyt Silberpulver, Zinkstaub er- gaben keinen Unterschied gegen die kohärente Substanz. Mit diesen Linsen können die X-Strahlen selbstverständ- lich nicht gesannnelt werden. Versuche, ob die Durchlässigkeit von der Anordnung der 'rhcilchen im Körper abhänge, ob also z. B. ein Krystall nach der Axe oder senkrecht zu ihr gespalten den X-Strahlen verschiedenen Widerstand entgegensetzt, ergaben bei Kalkspath und Quarz ein negati\es Resultat. Nach Röntgen 's Angaben verhalten "sich die Inten- sitäten des Fluorescenzlichtcs ungefähr umgekehrt wie die Quadrate der Entfernungen des Schirmes vom Apparat. Die Luft ist demnach für X-Strahlcn durchlässiger als für Kathodenstrahlen, el)enso verhalten sich viele'andere Körper. Ein sehr wichtiges Merkmal der X-Strahlen ist, dass sie entgegen den Kathodenstrahlen nicht durch den Magnet abgelenkt werden. Im Innern der Entladungs- röhre besitzen die Strahlen diese Eigenschaft nicht; werden sie aber hier durch einen Magneten abgelenkt, so gehen die X-Strahlen jetzt von der Stelle aus, wo das abgelenkte Kathodenlicht die Glaswand zum Fluoresciren gebracht hat. Die X-Strahlen können daher kaum einfach hindurehgelassene Kathodenstrahlen sein. Es liegt die Annahme nahe, dass sie erst von den Kathodenstrahlen auf der tluoreseirenden Glaswand erzeugt werden. Dass die Eigenart des Glases hier eine grosse Rolle spielt, dafür dürfte schon der Umstand sprechen, dass die Rönt- gen'sehen Beobachtungen nicht bereits früher gemacht worden sind, umso mehr, als Röntgen selbst seinen eigenen Mittheilungen zu Folge durchaus keine bisher unerreichten Luftverdünnungen anwandte. Es gelang auch in ver- schiedenen Laboratorien nicht, die Würzburger Versuche zu wiederholen, obgleich eine grosse Anzahl von Röhren zur Verfügung stand, und alle Grade der Verdünnung ange- wendet wurden. Unter einer grossen Anzahl von ver- schiedenen Glasbläsern gelieferter Gefässc erwiesen sich in einem hiesigen Laboratorium nur zwei als tauglich! Welchen Anforderungen das zu diesem Zwecke gebrauchte Glas entsprechen muss, ist noch nicht festgestellt. Nach Untersuchungen, die Prof. Dr. Krippendorf in Dresden angestellt hat, scheint es, dass in dem Phosphorescenz- licht verschiedener Körper, das auch photochemisehe Wirkung ausübt, auch die Röntgen'schen Strahlen vor- handen sind, die im Stande sind, für unser Auge undurch- sichtige Stoffe zu durchdringen. Nach neuesten Mit- theilungen soll sieh ein den XStrahlen analoges Agens auch im Funken der elektrischen Influenzmaschine, ja sogar im Licht der Petroleumlampe wie im Auer'schen Gasglühlicht belinden. Die Phosphorescenzerregung wurde von Röntgen auch an 2 mm starkem Aluminiumblech beobachtet. Bringt man zwischen den Entladungsapparat und die photographische Platte einen wenig durchlässigen Gegen- stand, so kann man vollständige Schatteubilduug beob- achten. Verwendet man Körper, deren einzelne Partien verschieden dicht sind, so erhält man eine nach der Durchlässigkeit sehr schön abgetönte Abbildung. Allbekannt ist ja die menschliche Hand, die Röntgen auf diese Weise aufnahm, und die deutlich das Skelett umgeben von den Andeutungen der Fleischtheile zeigt: ein Gewichtssatz, eine Bussole im Holzkasten auf- genommen und anderes mehr. Figur 10 zeiii't verkleinert das Schattenbild eines Ilühnerflügels, aufgenommen im Elektrotechnischen Laboratorium der Technischen Hoch- schule Berlin-Cliarlottcnburg von G. R.-R. Prof. Dr. Slaby und seinem Assistenten, H. Klingenberg. Dieses aus- gezeichnet gelungene Bild erforderte ungefähr die Ex- ])osition einer Stunde. Im Allgemeinen itranchte man bis vor kurzer Zeit zu diesen Aufnahmen sehr starke Induetorien von 30—50 cm Funkenlängc und zur Erregung der primären Spule des Rulnnkorff'schen Inductors eine sehr bedeutende Batterie. Mau bemühte sich bald, diese Mittel so viel als möglich zu i-educiren. In der That gelang es in den letzten Tagen iles Januar im Laboratorium der l'^irma Siemens und llalske zu Berlin Dr. Neuhauss, Dr. Erl- wein, Dr. Kapo und Hauptmann Himly, in dieser Be- ziehung ganz bedeutende Resultate zu erzielen. Diese trafen eine neue Anordnung, welche gestattete, mit Funken- inductoren von 4—5 cm Funkenlängc die gleichen Re- sultate zu erhalten. Hierdurch war ausserdem die Gelahr des Durchschlagi'us der R(ihre, das bei Verwendung von Strömen sehr hoher Freipienz nach einiger Zeit fast unaus- bleiblich war, nahezu vollständig beseitigt. Nicht nur eine gut evacuirte Hittorf'sehe Röhre lieferte 128 Naturwisseuschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 11. nach kurzer Zeit (als Aufnahmezeit für eine Hand werden wenige Minuten augegeben) treffliche Resultate, ilan fand auch, dass mit der Glasbirne einer einfachen Glüh- lampe die nämlichen Wirkungen zu erreichen sind. Als Anode wurde die metallische Leitung zum Koidenfaden benutzt, als Kathode eine ausserhalb der Birne befindliche Metallplatte. Beim Durchgang des Stromes erstrahlte die- selbe m bläulichem Lichte, das also dieselben Wirkungen ausübt, wie das grüne, mit dem allein man bis dahin Aul'uahmen nach Röntgen machen zu können vermeinte. Die Anordnung der Apparate, nut denen man jetzt in unseren physikalischen Instituten Aufnahmen herstellt, ist im Wesentlichen die folgende: Man stellt ein Ent- ladungsgefäss, das übrigens in den Formen sehr variirt, so auf, dass die Kathode, die wie bei Lenard die Form einer runden .Scheibe hat, nach unten gerichtet ist. Die Röhre bleibt im Allgemeinen mit einer Quecksilberluft- pumpe verhunden, damit man die Verdünnung nach Belieben ändern kann. Ungefähr "20 — 30 cm unter die Entladungsröhre legt man die photographische Platte, die mit der liehtemptindlieheu Schicht nach oben in eine Cassette verpackt ist. Als Material für diese verwendet man im allgemeinen kein Holz, das wegen seiner geringen Gleichmässigkeit das Gesammtbild etwas stören würde; man benutzt einen homogeneren Stoff z. B. Pappe. Auf die Cassette wird nun der zu photographirende Gegenstand gelegt. Die Belichtung kann bei vollem Tageslichte ge- schehen, weil die PapphttUe, die für Lichtstrahlen undurchdringlich ist, den X-Strahlen kein wesent- liches Hinderniss darbietet. Die Belichtungsdauer ist sehr verschie- den, je nach der Art des aufzu- nehmenden Gegenstandes. Die Ex- position beträgt beispielsweise eine Hand ca. 5 — 10 Minuten, Unterarm und Oberarm 15 — 20 nuten, für Bein eine halbe Stunde und länger. Man hat hierin ja schon bedeutende Reductionen vor- genommen. Es verlautet, dass durch besondere Mittel, wie z. B. Erwärmen der Platten vor der Exposition, diese noch wesentlich ver- kürzt werden kann. Einen Maassstab für die Verdünnung licfeit die GontroUfunkenstrecke, die man am Ruhmkorff- Apparat beobachtet. Eine Funkenlänge von 6 — 8 cm am Inductorium scheint bei einer Röhre mittlerer Grösse Evacuationsgrade zu entsjtrechen. Es ist seiir wahrscheinlich, dass diese neuen Strahlen in der Wissenschaft wie in der Praxis noch grosse Be- deutung gewinnen werden. Da ist zuerst die Ileiikunde, die sich der Methode für ihre Zwecke bemächtigt hat. Hier wird sehr viel gearbeitet; grosse Erfolge sind schon erzielt worden und werden auch noch erzielt werden. Besonders die Chirurgie tindet ein neues ausgezeichnetes Mittel zur Diagnose. Auch für innere Krankheiten mögen vielleicht die Röntgenstrahlen später von einiger Bedeutung werden, doch ist nicht genug vor über- triebenen Hoffnungen zu warnen, die meistens doch früh genug enttäuscht werden. Betrachten wir einmal die Erfolge, welche die Medizin s(dion mit X-Strahlen erzielt hat. für für Mi- Am 30. Januar demonstrirte in Zürich der Professor des dortigen Polytechnikums Pernet mit Röntgen 'sehen Strahlen. Die Photographieen sind zwar von Leicheu- theilen genommen, können aber doch unmittelbar auf den lebenden Körper übertragen werden. Pernet schob zwischen Apparat und Olyect Ahiminiumplatten zur Auf- fassung der Strahlen und erreichte überraschende Resul- tate. Bei der Aufnahme einer Mumienhand ergab sich eine ausserordentlich klare Wiedergabe der Handwurzel- knochen; die Aufnahme eines mit Zinnober injicirten Ober- und Unterarmes ergab eine äusserst scharfe Er- kennl)arkeit der Knochen. Diese sind doch durchlässig genug, um bei Röhrenknochen deutlieh einen helleren Streifen in der Mitte erkennen zu lassen. Ausserdem er- hielt Pernet sehr scharf die Hauptblutarterie mit einigen Verzweigungen. Die Photographie einer Kinderhand Hess verkalkte Theile erkennen. Am 29. Januar zeigte Profes- sor Neusser in seiner Wiener Klinik, wie mit den Röntgen'schen Strahlen Diagnosen auf Blasen und Gallen- stein gemacht werden können. Der Blasenstein ist als Phosphat für die Röntgen'schen Strahlen fast undurch- lässig; man erhält auf dem Negativ eine rein weisse Stelle. Der Gallen- stein, der aus Cholesterin besteht, lässt die X-Strahlen theilweise durch, man erhält auf dem Negativ einen massig dunkeln Fleck. Infolge des grossen Unterschiedes der photo- graphischen Eindrücke ist es hier im Allgemeinen nicht nöthig, erst Positive anzufertigen. Bei Veränderungen am Knochen sind die X-Strahlen von unschätz- barer Bedeutung. Brüche sind ja äusserst leicht nachzuweisen, eben- so Verwachsungen. So stellte Pro- fessor Kiessling aus Hamburg das Bild seines eigenen Fusses her, an welchem der Ballen in Folge einer Quetschung eine abnorme Form an- genommen hatte. Der behandelnde Arzt hatte vorgeschlagen, den Aus- wuchs durch Absägen zu beseitigen, Kis- it)- da er der Ueberzeugung war, dass die Verknorpclung des betreffenden aussen gewachsen sei. Das Bild mit dem günstigsten Knochens nach Röntgenstrahlen bewies, dass der Arzt von einer unrich- tigen Voraussetzung ausgegangen war: das fragliche Ge- bilde erschien auf der Photographie nach innen ge- wachsen. Auch Professor Franz König machte in einer Sitzung der medicinischen (Tcscllschaft sehr interessante Mit- theilungen. Er \crnuithetc am Gelenk-Ende des Schien- beines eines Patienten eine Neubildung. Das Schattenbild ergab an der betreffenden Stelle verschiedene wolken- artige Partien. So war dem Experimentator der Beweis erbracht, dass an der betreffenden Stelle normale Knocheu- substanz nicht mehr vorhanden war die Richtigk(!it dieser Annahme. Solche Fälle finden sich schon jetzt sehr zahlreich. Auch in der Auffindung von Fremdkörpern im Organismus sind schon viel Erfolge erzielt worden. Kugeln, Sclirot- körner, Glas- und Metallstücke wurden durch ein Bild sofort nachgewiesen und konnten dann leicht auf opera- tivem Wege entfernt werden. Diese Angaben beziehen sich ausschliesslich auf die Extremitäten; beim inenscli- Die Section ergab XI. Nr. 11. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 129 liehen Rumpf sind infolge der hierzu erforderlichen zu langen Expositionszeit Resultate noch nicht erzielt worden, doch hoift man, besonders die neue Methode in den Dienst der Gynäkolog-ie stellen zu können. Bei inneren Krankheiten dürfte das Verfahren kaum je zu der Bedeutung- gelangen, die ihm für die chi- rurgische Praxis schon jetzt gesichert ist. Die Gewebe der einzelnen Organe weichen in der Durchlässigkeit für X-Strahlen nicht genügend von einander ab, um scharfe und deutliche Schattenbilder zu geben. Sehr wichtige Theile des Organismus sind ja von vornherein verschlossen: Das Gehirn, das Centralnervensystem, das Rückenmark sind durch die umgebenden Knochentheile so geschützt, dass sie auf der Platte überhaupt nicht zum Vorschein kommen. Andere Theile sind ja bei gut ge- lungenen Bildern ziemlich deutlich zu erkennen. So sind auf der Photographie einer Maus, die sogar mit ihrem Fell photographirt ist, die beiden Lungenflügel recht gut zu unterscheiden. Auch ist es dem Assistenten des Prof. Virchow gelungen, von einem narkotisirten Frosch ein Bild zu gewinnen, auf dem die athniendeu Lungen deut- lich sichtbar sind. Tuberkulös inficirte Theile ergeben deutliche Abschattiruug, da sie für X-Strahlen weniger durchlässig sind als das gesunde Organ. Auch Heilversuche sind mit den neuen Strahlen schon gemacht worden. Ein Stuttgarter Arzt kam auf einen ganz absonderlichen Gedanken. Es ist bekannt, dass einzelne krankheiterzeugende Bacterien im Sonnen- lichte absterben; ist es nicht möglich, dass auch X-Strahlen die gleiche Wirkung haben? So könnte man durch ein- faches Durchleuchten die Bacterien im Körper tödten. Leider ist dieser sehr schrm klingende Vorschlag nicht zu verwerthen. Versuche, die in München mit Reinculturen angestellt wurden, ergaben ein negatives Resultat. In der Thierheilkunde hoift man aus der Röntgen- schen Entdeckung grossen Nutzen ziehen zu können. Ist ein Thier krank, so ist der Arzt ohne jeden Anhalt, wo er das Leiden zu suchen hat; es fehlt das unschätzbare Material zur Diagnose, das der menschliche Patient durch seine Sprache anzugeben im Stande ist. Hier kann das Röntgen'sche Verfahren einsetzen, um den Arzt zur schnellen und sicheren Erkenntniss der Krankheit zu führen. Für die verschiedenen Zweige der Technik dürfte die Photographie mit X-Strahlen mannigfaltige Ver- werthung linden. Durchleuchtet man ein Stück Holz genügend lange Zeit, so bildet sich die Structur deutlich auf der Platte ab. Die Maserung ist genau zu erkennen, die weiche Zellmasse ist leichter durchdringlich. Beim Kienholz sieht man ganz deutlich die Harzstreifen als dunkle Linien auf der Platte. Nach den bisher angestellten Ver- suchen scheint Elscnholz die gleichmässigste Structur zu haben. Zur Untersuchung von Metallen werden die Rönt- gen'schen Strahlen bald ein unschätzbares Hilfsmittel werden. Ein so photographirtes Stück Metall lässt mit Sicherheit nicht homogene Stellen in seinem Inneren er- kennen. Ohne Weiteres kann man verborgene Brüche, Schweissungen und Lötstellen erkennen; man kann die innere Beschaffenheit von Axcn und Wellen prüfen, die Güte grosser Gussstücke coutroliren; z. B. hebt sich auf erlangten Bildern die dichtere äussere Gusshaut eines Eisenstückes scharf von dem inneren Metall ab. Es ist dies von grosser Bedeutung: wir hatten bis jetzt kein un- trügliches Mittel, um uns z. B. von der Güte eines Kanonenrohres oder einer gusseisernen Säule zu über- zeugen. Die hierill bis jetzt erreichten Resultate sind zwar noch nicht sehr glänzend. Das liegt an verschie- denen Umständen; die X-Strahlen brauchen zur Durch- dringung der starken Metallschichten sehr viel Zeit. Da man nun nur mit grossen Inductorien arbeitete, wurdeu die Röhren bei zu langer Exposition nach gewisser Zeit vom Funken durchschlagen; das Einsetzen eines neuen Entladungsrohres ist stets mit Schwierigkeiten verknüpft, besonders ist es schwer, das neue genau an Stelle des alten zu setzen. Doch ist ja das ganze Verfahren noch in seinem ersten Stadium; es ist nach den bisherigen Versuchen als ganz sicher anzunehmen, dass die allge- meine Verwerthung in der Technik nicht lauge auf sich warten lassen wird. Noch eine kleine, in gewissem Sinne auch technische Anwendung der X-Strahlen. Herrn Schultz-Henke ist es in Verbindung mit Prof. Goldstein gelungen, auf diese Weise echte Perlen von falschen zu unterscheiden. Sie stellten Photographien eines Schmuckes her, der theils aus echten, theils aus unechten, sehr gut imitirten Perlen bestand. Nachdem ^4 Stunden exponirt war, zeigten sich die echten Perlen als dunkle, undurchsichtige Massen; die unechten Perlen waren durchscheinend und Hessen sehr deutlich die Metallstange erkennen, mittelst deren sie am Schmuck befestigt waren. Ebenso können mit Hilfe der X-Stralilen echte Diamanten von falschen unterschieden werden. Was sind denn aber die X-Strahlen? Wie schon oben bemerkt, wurden sie vielfach für ultraviolette Strahlen gehalten. Dagegen spricht verschiedenes: sie werden beim Uebergang in ein anderes Medium wie Wasser, Schwefelkohlenstoff, Aluminium nicht merklich gebrochen, während doch die Strahlen über das Violett hinaus immer grössere Breclibarkeit zeigen. Sie werden von diesen Körpern nicht regelmässig rcflectirt; ihre Absorption wird von keiner anderen Eigenschaft der Körper so sehr beein- flusst als von ihrer Dichte. Es ist begreiflich, dass Röntgen sich aus diesen Gründen nicht entschliessen konnte, in seinem Agens ultraviolette Strahlen zu sehen. Man vermuthet schon lange, dass es im hypothetischen Liehtäther ausser den bekannten transversalen Schwin- gungen auch longitudinale Aetherwellen gebe, ohne die- selben bis jetzt finden zu können. Röntgen spricht daher mit aller Reserve die Ansicht aus, ob man hier nicht die lange gesuchten longitudinalen Aetherwellen vor sieh habe. Diese Hypothese entbehrt ja heute noch jeder Be- gründung, doch darf mau sie nicht kurz von der Hand weisen. Vorläufig steht eine einleuchtende Erklärung des Phänomens noch aus. Holfcn wir, dass es der eifrig strebenden Wissenschaft bald gelingen werde, in dieses Dunkel Klarheit zu bringen. Ludwig Pineussohn. lieber Filaria loa Giiyot im Auge des Menschen berichten die Professoren Tb. Saemisch und H. Ludwig in Bonn (Zeitschrift für wissens'-haftliche Zoologie, Band GO, 1895). In der Bonner Klinik meldete sich ein früherer Afrikareisender, der die Beobachtung gemacht hatte, dass er einen lebenden Wurm im Auge habe, und in der That sah man bei der Untersuchung in einem Abschnitt der Conjunctiva, die Grenzen derselben bisweilen über- sehreitend, einen sich unter der Membran sehr lebhaft liewegendcn weissliclien Strang, der einem Stück Darm- seite glich. Prof. Saemisch machte einen kleinen Ein- schnitt in die Conjunctiva, führte darauf ein kleines Iläckchen ein und zog den Strang langsam und vorsichtig heraus. Es ergab sich dann zweifellos, dass es ein 130 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 11. lebendes Wesen war, denn es machte noch auf dem Häckchen hängend, sehr lebhafte, schlangeuartige Be- wegungen. Bei der Extraction hatte der Wurm, wahr- scheinlich durch zu starke Knickungen, Risse in seiner Körperwand erlitten, durch welche grössere oder kleinere Schlingen .seiner Eingeweide frei zu Tage getreten sind. Prof. Ludwig hat den Wurm näher untersucht und als ein Weibchen von Filaria loa Gujot bestimmt. Es ist dies der erste, welcher in Europa von einem Zoologen beobachtet und näher untersucht worden ist. Alle anderen bisher bekannt gewordenen Fälle sind an Negern beob- achtet worden, deren Heimath Westafrika (Gabun, Cougo) war und die erst kurz vor dem Auftreten des Wurmes ihre Heimatli verlassen hatten. Der Wurm schmarotzte immer zwischen der Conjunctiva und dem Bulbus des menschlichen Auges, weshalb er auch schon von anderer Seite F. subconjunctivalis genannt worden ist. Da auch der obige Patient wiederholt iu Westafrika längere Zeit gelebt hat, so darf man wohl als sicher annehmen, dass er sich dort den Parasiten geholt hat. Räthselhaft bleibt aber die lange Zeit von rund vier Jahren, die seit seiner letzten Afrikareise verstrichen waren. Dass der Wurm einen solchen langen Zeitraum nöthig gehabt hätte, um seine volle Grösse und Geschlechtsreife zu erlangen, kann man wenigstens nach Analo"ie mit der Entwickelungs- geschichte anderer Filarien kaum für wahrscheinlich halten. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann bleibt nur die Vermuthung übrig, dass der Wurm .schon lange, bevor er sieh unter die Conjunctiva einarbeitete und hier zur Beobachtung kam, seine volle Ausbildung erlangt hatte und bis zu jenem Zeitpunkte tiefer im Innern seines Wirthes, vielleicht in dessen Augenhöhle, lebte. R. lieber die Plijlogeiiie der Schmetterlinge ver öffentlicht A. S. Packard im Zoologischen Anzeiger 1895, S. 228 eine Studie. Er geht von der Entdeckung Walter's*) aus, der bei Eriocephala calthella Maxillen fand, die nach dem Typus der beissenden Mundwerkzeuge ge- baut waren, d. h. eine innere Lade igalea) und eine äussere (lacinia) hatten. Packard theilt in Folge dessen die Schmetterlinge in die beiden Unterordnungen der Lepidoptera laciniata oder Protolepidoptera, die Erioce- phala umfassen würden, und die L. haustellata. Zu ersteren gehören die von Chapniau 1894 als Eriocepha- liden den Micropterygiden entgegengestellten Angehörigen der alten Gattung Micropteryx. Auch die Oberkiefer dieser laciniateu Schmetterlinge sind beissende Laden und gleichen daher denen der beissenden Insecten. Weitere primitive Charaktere sind die kleinen Netz- und zwei Punktaugen, die reducirte Vorder-, die Mittelbrust mit kurzem Scutum und dreieckigem Schildchen, die Hinter- brust mit getrennten Scutumhälftcn. Die Unterordnung der haustellaten Schmetterlinge (für beide Unterordnungen giebtVerf. zusammenfassende Diagnosen) gliedert sich ferner in die Palaeolepidoptera mit freien Puppen, die die Microp- terygidae (s. o.) umfassen, und die Neolepidoptera (Pupae incompletae und pupae ol)tcctae). Dieser Stannn geiit nun in mehrere Acste auseinander, deren weitere Gliederung die folgende ist. 1. Coehliopodidcn, aus ihnen haben sich die Megalo- pygiden entwickelt. 2. Hcpialidcn iHo])f'ens])inner und Vcrw.). 3. Tortriciden (Wickler), aus ihnen die Cossiden (Holzbohrer). 4. Thyrididen, aus ihnen die Sesiiden (Glasflügler). *) s. Kolbe, Eiiit'ülirunjj S. 227 unten. die Keiintiiiss der In.seeten- 5. Tineoliden und weiter Alucitiden, Pterophoriden, Pyralidinen. 6. Prodoxiden, von denen einmal die Palaeporidcn und Psychiden (Sackspinner), zweitens die zahl- reichen Familien der Tineiden (Motten) ab- stammen. Die letzteren sind die Vorfahren a. der Zygaeniden (Widderchen) und weiter der Chalcosiiden; b. der Lithosiiden (Fleehtcnspinnerj. Sie gliedern sich weiter iu vier Aeste: o. Nyctemeriden. ß. Arctiiden (Bärenspinner) mit dem Seiteuzweig der Noliden. Y- Cyllopodiden und von ihnen aufsteigend Dioptiden und Geometriden (Spannen. 6. Syntomideu (Ringelwidderchen), von denen zwei Stännne seitlich entspringen: L einer, der sich in die Lipariden (Bttrstenspinner, Schwanimspinner, Nonne, Weidenspinner, Goldafter und Verwandte), die Lasiocampiden (Kiefern-, Eichen-, Pappel-, Ringelspinuer u. s. f.) und die Notodontiden (Gabel- schwanz u. s. f.) gliedert. Vom Aste, dessen Gipfel die letzten bilden, zweigen zuerst die Perophoriden und Bombyciden (Seidenspinner), sodann die Endromideu und Platvpterygiden ab. Die Notodontiden bildeten sich weiter zu den Ceratocampiden und diese divergirend 1. zu den Saturniiden (Xachtpfauenaugeu) und Hemileucideu, sowie 2. zu den Sphingiden (Schwärmern) aus. II. Den Hypsiden entstammen einmal die Agaristiden und Noctuiden (Eulen), sodann die Castniiden und Hespe- riden (Diekköpfe). Aus diesen gingen einerseits die Pieriden (Weisslinge), andrerseits die Papilioniden (Ritten hervor, und aus letzteren schliesslich die Lycaenideu (Bläulingc) und Nymphaliden (Vanessa und Verw.). C. Mff. Das schwarze Licht. — Im Anschluss an die be- kannten Experimente des Prof. Röntgen (vergl. Nr. 4 und die vorliegende Nr. der Naturw. Wochenschr.) be- richtet der französische Physiker Gustave Le Bon in den „comptcs rcndus" vom 27. Januar über seine Versuche, durch undurchsichtige Körper liindurch ohne Zuhülfenahme von Kathodenstrahlen zu [jhotographiren. Wie Le Bon 's Experimente beweisen, geht schon das gewöhnliche Licht, oder doch wenigstens gewisse Strahlen desselben, ohne Schwierigkeit durch die undurch- sichtigsten Körper hindurch. Die ündurelisichtigkeit er- scheint so als ein Piiänonien, welches nur für ein Auge wie das unsrige existirt; wäre dieses ein wenig anders construirt, so könnten wir vielleicht damit durch dicke Mauern sehen. Le Bon brachte vor die empfindliche Platte eines photographischen Apparates ein beliebiges Negativ und stellte vor demselben eine Eisenjjlatte derart auf, dass sie die Camera völlig schloss und mit dem Negativ in engstem Coutact stand. Wurde nun vor den Apparat eine bren- nende Petroleumlampe gestellt, so entstand nach Verlauf von etwa drei Stunden auf der Platte ein zwar blasses, doch immerhin deutliches Bild. Dasselbe wurde kräftiger, als Le Bon bei .sonst gleicher Anordnung hinter der ])iiotograpliisclien Platte eine lüeiplatte anbrachte, deren Ränder er nach vorn umbog, so dass sie an die Seiten der vorn belindlichen Ei.senplatte .sticss und die jdioto- graphische Platte nebst dem Negativ so gleichsam iu einer Metallcassette eingeschlossen war. Auch hier ge- XI. Nr. 11 Natur\vis.sciisi'li:ittliclie Woclicnsclirift. 131 nügten drei Stunden, um ein deutliches, dabei kräftiges Bild entstehen zu lassen. Zur Erklärung- dieser wunderbaren Vorgänge nimmt Le Bon — vorläufig allerdings nur provisorisch — an, dass durch den Contact der beiden fremden Metalle schwache thermo-elektrischc Ströme erzeugt würden; die Thätigkeit derselben käme zu den die Eisenplattc durch- dringenden Lichtstrahlen hinzu. Das Sonnenlicht ergab dieselben Resultate wie das Petrolc umlicht. Ausser dem Eisen wnirden namentlich Kupfer und Pappe leicht vom Licht durchdrungen. Versuche, nach gewühnlicher Weise zu photogra- phiren, nur mit dem Unterschied, dass in den Apjjarat eine Metallplatte eingeschoben wurde, die sich also zwischen der photographischen Platte und dem zu photo- graphirenden Objecte befand, gelangen nur ausnahms- weise — ein Umstand, für den Le Bon bisher keine Erklärung tinden konnte. Le Bon nennt diese Strahlen unbekannter Natur, die im Stande sind, durch undurchsichtige Körper hindurch zu gehen, schwarzes Licht (lumiere noire), weil sie für unser Auge unsichtbar sind. Er hofft demnächst die Rolle der bei diesen überraschenden Resultaten mitwirkenden Factoren näher bestimmen zu können. Vorläufig nimmt er die Existenz uns nocli unbekannter Naturkräfte an, welche mit den uns schon l)ekauuten Kräften durch unmerkliche Ue))ergänge in Verbindung stehen. Für eine solche neue Kraft hält er sein schwarzes Licht. S. Scb. Anm. d.Red. — Einstweilen steht man den Mittheilungen Le Bons noch abwartend und recht skeptisch gegenüber, ohne dass man einen Grund hat, die Zuverlässigkeit dieses Physikers anzuzweifeln. Es müsste schon ein sehr grober Irrthum vorliegen, wenn die beschriebenen Expe- rimente und Beobachtungen, welche das vorläufige Ergebniss zweijähriger Forschungen sind, sich als völlig unrichtig her- ausstellen sollten. Doch die theoretischen Betrachtungen und Speculationen Le Bon's sind recht unklar und ver- worren. Die Bezeichnung „schwarzes Licht" ist viel- leicht die unglücklichste, die gewählt werden konnte; denn entweder hat man es wirklich mit besonderen „un- bekannten Naturkräften" zu thun, dann ist die Bezeich- nung als „Licht" unzutreffend, oder es handelt sich um ultraviolette Strahlen des Spectrums, dann giebt das Beiwort „schwarz" nur zu irrigen Vorstellungen Ver- anlassung. Dem Ref. scheint es, als ob man einstweilen durchaus nicht geuöthigt ist, die Hypothese einer unbekannten Naturkraft für die beschriebeneu Erscheinungen zu Hülfe zu nehmen, sondern dass man es dabei mit ganz gewöhnlichen, ultravioletten Strahlen zu thun hat. Be- kanntlich hat man im Spectrum drei Arten von Strahlen zu unterscheiden: Wärmestrahlen, Lichtstrahlen und chemische Strahlen. Die Lichtstrahlen umfassen die mittleren, sichtbaren Theile des Spectrums, die Wärmestrahlen die grünen, gelben, rothen und infra- rothen, die chemisch-wirksamen Strahlen die grünen, blauen, violetten und ultravioletten Theile. Es ist nun schon seit längerer Zeit bekannt, dass manche unsicht- baren Strahlen Körper durchdringen können, welche für Lichtstrahlen absolut undurchlässig sind: Raoul Bietet hat nachgewiesen, dass Körper, die auf sehr niedrige Temiieraturen abgekühlt sind, Strahlen entsenden, welche 1 — 2 111 dicke Wattelagen durchdringen. Wenn also den Wärmestrahlen dies möglich ist, warum sollen nicht auch ultraviolette, chemische Strahlen ähnliches vermögen? — und um solche handelt es sich doch wohl bei dem Le Bon- schen Versuch. Erst wenn es sich herausstellen sollte, dass Le Bon's Strahlen, analog den Röntgen'schen X-Strahlen, sich weder durch Magneten noch durch Prismen in ihrem Gange aufhalten lassen, erst dann könnte man zu der Vermuthung konnnen, dass man es vielleicht mit anderen Strahlen, als denen des Siicetrums zu thun hat. In diesem Falle würden Le Bons Strahlen \oraussiclitlich identisch sein mit Röntgen's X-Strahlen, denn es ist noch keineswegs gesagt, dass die X-Strahlen lediglich in den Kathodenstrahlen vorkommen. üebrigens sind inzwischen der Pariser Akademie von Mural in Havre Photographicen eingesandt worden, welche ebenfalls im verschlossenen Holzkasten lediglich mit Zuhilfenahme eines Auerglühlichts erzielt wurden. An anderer Stelle will man wieder derartige Photo- graphien mit einer gewöhnlichen elektrischen Lampe er- halten haben. Alle diese sich überstürzenden Ent- deckungen deuten entweder darauf hin, dass den ultra- violetten Strahlen allgemein Eigenschaften zukommen, die man bisher nicht kannte, oder darauf, dass die proble- matischen X-Strahlcu sich in ihrem Vorkommen nicht auf das Kathodenlicht beschränken. Es ist schon verschiedentlich darauf hingewiesen worden aus Anlass der Röntgen'schen Entdeckung, dass sich auft'allende Aehnlichkeiten mit den Beobachtungen, welche jetzt die Welt in Stauneu setzen, in den Experi- menten finden, welche der Freiherr von Reichenbach in den 50er und 60 er Jahren angestellt und beschrieben hat. Zwar darf man die Mittheilungen des mit gar zu lebhafter Phantasie begabten „Od"-Entdeckers nicht ohne weiteres für haare Münze nehmen, doch die seltsamen Analogien, welche seine Versuche jetzt in den Experi- menten Röntgen's und Le Bon's finden, lenken die Auf- merksamkeit mit vollem Recht wieder auf seine schon halbvergessenen Schriften — nicht seiner Theorien, sondern seiner Experimente wegen. Sein „Odlicht" ist im allge- meinen unsichtbar, geht ungehindert durch Eisenplatten, während es von Glasplatten stark absorbirt wird, kann zum Photographiren benutzt werden u. s. w. H. W. Vogel, der sich 1861 eingehender mit dem Reichenbach'schen Experimenten beschäftigte, behauptet zwar, dass „die an- geblichen pbotographischen Wirkungen des Odlichtes Verdunstungserscheinungen der Kollodiumschicht waren", ebenso Schnauss*); immerhin sind die übrigen Angaben über die Eigenschaften des „Odlichtes" damit nicht erklärt. Unter anderm berichtet Reichenbach auch, das Od- licht sei im allgemeinen unsichtbar, doch gewisse „Sensi- tive" seien im Stande, es mit dem Gesichtsinn wahrzu- nehmen. Diese Angabe würde auf ultraviolette Strahlen hinweisen, denn diese scheinen unter gewissen Umständen ebenfalls gesehen werden zu können, so von manchen Hypnotisirten und Hysterischen, nach einer Angabe Cornils auch eine Zeit lang von Staaroperirten. Vielleicht wird dadurch ein Anhaltepunkt gegeben für die Erforschung des Wesens des „schwarzen Lichtes." Es scheint, als ob die Beobachtungen Reichenbach' s und Le Bon's, vielleicht selbst diejenigen Röntgens mehr mit einander übereinstimmen, als man bislaug glaubt. H. Wetter-Monatsübersicht. — Der Gegensatz zwischen den Wärmeverhältnissen von Nord- und Süddeutschland, welcher bereits während eines grossen Theiles des Januar bestanden hatte, setzte sich im ersten Drittel des vergan- genen Februar noch in erhöhtem Maasse fort. Während im Süden im allgemeinen gelinder Frost herrschte, der aber beispielsweise in der Nacht zum 5. in München — 11, in Mühlhausen — 8° C. erreichte, lagen fast immer schon am Morgen die Temperaturen in Norddeutscliland über dem Gefrierpunkte und zwar, wie die beistehende *) Photographisches Archiv (October 18G2.) 132 Naturwisseuscliaftlichc Wuchcuscbrift. XI. Nr. 11. Zeichnung zeigt, ungefähr ebensoviel in seiner östlichen, wie in seiner westlichen Hälfte. Ueber Mitteleuropa lagerte ein hohes barometrisches Maximum, iu dessen Innerem die Winde sehr schwach waren und in ihrer Richtung häufig wechselten. Demgemäss fand in Süd- deutschland :cine ziendich bedeutende Wärmeausstrahlung statt, die nur durch den Nebel vermindert wurde, welcher oft vom Abend bis zum Morgen den Erdl)oden bedeckte. Norddeutschland gehörte gleichzeitig immer dem Gebiete einer fcuchtmilden, westlichen Luftströmung an, welche mortfentemptraTjren imlebv-Dar .1896. ITetr. 6. 1t 16. 21. 26 zwischen dem Maximum und verschiedenen sehr tiefen Depressionen wehte, die von Nordscandinavien durch Russland nach dem schwarzen oder kaspischen Meere zogen. Hier erwärmte es sich deshalb bei grösstentheils bewölktem Himmel mehr und mehr, sodass schon am 7. Februar die Oder, am 8. die Weichsel und Nogat auf vielen Strecken eisfrei waren. Erst am 9. Februar fanden warme Südwestwinde auch in Süddeutschland Eingang, worauf dort bis zum nächsten Morgen die Temperaturen im Mittel um 7" C. stiegen. Am Mittage des 9. herrschten in verschiedenen Gegenden des norddeutschen Binnen- landes, an den folgenden Mittagen auch in Süddeutsch- land zehn bis zwölf Grad Wärme. Wenn auch seit Anfang des Monats vielfach in Nord- deutschland Regenfälle herniedergingen, so blieben doch deren Erträge bis zum 9. Februar immer sehr gering, da sie im Mittel nach beistehender Zeichnung an keinem Tage auch nur 1 deutschland herrschte Millimeter Höhe erreichten. In Süd- sogar, wie es in Maximalgebieten häufig der Fall ist, vollständige Trockenheit, die sich auch auf Frankreich, die Schweiz und Italien erstreckte. Seit dem lü. Februar wurden die Regenfälle in Deutsch- land allgemein und im Küstengebiete ziemlich ergiebig. Die Stärke der Winde begann an der Ostseeküste erheb- lich zuzunehmen, namentlicii in Neufahrwasser wehten heftige Stürme vom 11. bis 14. Februar. Nachdem sich dabei die Windfahne in Folge einer Nordwärtsverscbiebuug des barometrischen Maximums nach Nordwest und später Nord gedreht hatte, gingen die Regenfalle iu Schnee über und CS trat eine allgemeine Abküliiuiig ein, welche im Norden bis zum Ki., in Süddeutschland bis zum 17. Februar ununterl)rochen anhielt. Vom 16. bis 18. Februar wurde Russland al)crmals von einem tiefen barometrischen Minimum durchzogen, welches am schwarzen Meere einen unheilvollen Sturm verursachte und für Deutschland nach zwei sonnigen Frosttageu neue Erwärmung und Trübung mit feuchten Nebeln brachte. Dann wurde durch eine bei Irland er- schienene Depression das Maxinuim rasch von Mittel europa in das Innere Russlauds gedrängt, wo es sich mit einem zweiten, aus Sibirien kommenden Maximum zu einem ausserordentlich umfangreichen Gebiete hohen Luftdruckes verband. In Deutschland traten alsbald scharfe östliche Winde ein, welche in den nächsten Tagen eine von Nordost nach Südwest fortschreitende, durch die Ausstrahlung in den klaren Nächten sehr ver- stärkte Abkühlung zur Folge hatten. Seit dem 23. Fe- bruar ging zu Memel und Königsberg, seit dem 24. auch zu Breslau und München das Thermometer Nachts bis — 11" C. oder noch tiefer herunter, und am 24. oder 25. trat in ganz Deutschland die niedrigste Morgentemperatur des vergangenen Februar ein, obwohl die Normaltenipe- ratur sich seit Beginn des Monats l)ereits um l'/., Grad wieder gehoben hatte. Die auch vorher nur spärlichen Niederschläge hörten wieder gänzlich auf, und auch die Feuchtigkeit der Luft uud in gleicher Weise wohl die- jenige des von Schnee grösstentheils entblössten Erd- bodens sanken jetzt unter dem Einflüsse der überaus trockenen Ostwinde auf sehr niedrige Grade. War die Stärke der Ostwinde schon in Deutschland recht bedeutend, so arteten dieselben in ganz Südeuropa zu schweren Stürmen aus. In allen Balkanländern rich- teten diese vielfache Schäden an. In Triest und auf dem adriatischen Meere wüthete vom 23. bis 26. eine orkanartige Bora, sodass dort zeitweilig der Schiffsver- kehr eingestellt werden musste. Gleichzeitig herrschten Schneestürme in ganz Oberitalien, wo die Temperatur am 25. Februar zu Turin auf — 4, zu Livorno auf — 2" C. herabging. Eine dort lagernde Barometerdepression ver- ursachte seit dem 24. Februar auch in Süddeutschland und Schlesien leichte Schneefälle. Ehe dieselbe ihr Ge- biet aber weiter nach Norden ausbreiten konnte, drang nwv Höh c (Itr N i t cl f rstljla^e mm -All^JS Monatsmittel schliesslich nur gering. Für Nordwestdeutsch- land herechnct sich nämiicli die diesjälirige Februar- temperatur zu 0,4, für Nordostdeutschland zu — 0,9" C, wäln-end 0,7 hezw. — 1,5" C. normal sind. Die auf — 1,7° C. sicii beziffernde Monatstemperatur von Süd- dcutschland lag dagegen um 1,6 Grad unter der normalen. — Allgemein viel zu klein war die Höhe der im ganzen Monat gefallenen Niederscldäge. In Nordwest- und Nord- ostdeutschland, wo sie sich ziemlich übereinstiumieud zu 17,0 und 15,9 Millimetern ergab, wurde sie von den Niederschlägen der Februarmonate 1893 und 1894 um das drei- bis fünffache übertroffen. Noch weniger, näm- lich nur 6,4 Millimeter maass die Niederschlagshöhe in Süddeutschland. Dieselbe blieb noch um fast einen Millimeter hinter derjenigen des ebenfalls ungewöhnlich trockenen Februar 1891 zurück, welcher auch sonst in seinen Witterungsverhältnissen mit dem diesjährigen mancherlei Aehnlichkeit hatte. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Professor der gerielitliclien Mediciu in Turin Ccsaro Lonibroso gleichzeitig zum Professor der Psj'chiatrie und Leiter der zugehörigen Klinik; Dr. Riem ans Leipzig zum Assistenten für |iraktische Astronomie an der Uni- versitäts-Sternwiirte in Göttingen; Dr. Müller an der Uni- versitäts-Bibliothek in Jena zum Director derselben; Secretär Eschke undCustos Dr. S t einh ausen ebendort zu Bibliothekaren; der Privatdocent der Landwirthschaftslehre an der thierärzt- liehen Hochschule zu Dresden von Langsdorff zum Professor; der Privatdocent der Augenheilkunde in Leiden Dr. W. Koster zum Professor. Berufen wurden: Dr. med. et phil. Dr. Neumeister in Berlin als ausserordentlicher Professor in die medicinische Fakultät zu Jena; der Assistent an der Sternwarte zu Göttingen Dr. Grossmann als Observator an der Wiener Sternwarte. Aus dem Lehramt scheidet: der Privatdocent der Forstwissen- schaft Dr. Ney in Strassburg. Seines Amtes entsetzt wurde: der Professor der Pathologie in Dorpat Vasiljev. Es habilitirten sieh: Dr. Arthur Rosenbauni für Chemie in Berlin; Dr. Paul Duden aus Soest für Chemie in Jena; der Assistent der ophthalmologischen Klinik in München Dr. Sic herer für Augenheilkunde; Dr. S zy mono wie z für Histologie in Krakau; Dr. Veillar für Physik und Mathematik in Basel. Es starben: Staatsrath Professor von Tch ond no wsky von der militär-medieinischen Akademie in Petersburg; der Anthro- jiologe und Orientalist Abel Hovelacque in Paris. Programm für den in der Zeit vom 8. bis 18. April 1896 in Berlin abzuhaltenden naturwissenschaftlichen Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen. Mittwoch, den 8. April, U '/•. Uhr: Aula des Dorothecu- städtischeu Realgymnasiums (Georgenstr. 80 ol) Eröffnung des Cursus durch Director Prof. Dr. Schwalbe. — Ebendaselbst (Chemisches Laboratorium) Dr. Lüpko: „Uebor neuere Belouch- tungsmethoden" (I) Donnerstag, den 9. April, 9— lO'/o Uhr: Auditorium der Post- und Telegraphenschule (Artilleriestr. 4 a) Lüpke: (II). — 11 — 12 Uhr: Erstes anatomisches Institut (Thierarzneisehulgarten). Geheimer Regierungsrath Prof. Dr. "Waldeyer: ,.Uebersicht des Nervensystems" (I). — 3-4 Uhr: Dorotheenstädtisches Realgym- nasium Prof. Dr. Goldstein: ,.Ueber Kathodenstrahlung mit besonderer Berücksichtigung der neuen X-Strahlen" (I). — 6 Uhr: Besuch der Urania. Freitag, den lü. April, 9-10 Uhr: Meteorologisches In- stitut (Schinkelplatz (i) Professor Dr. Assmann: „Die wissen- schaftliche Erforschung der Atmosphäre mittelst des Luftballons" (I). — lOV-j— IIV2 Ulir: Bergakademie (Invalidenstr. 44) Prof. Dr. Scheibe: „Der Diamant und sein Vorkommen". (I). — 11 1/3 bis 1'/l. Uhr: Besichtigung der Königliclien Geologischen Landes- anstalt und Bergakademie unter Führuna; des üirectors derselben Herrn Geheimen Oberbergrath Dr. Hau\- hecorne. — 3— 4 Uhr: Dorotheenstädtisches Realgymnasium. Schwalbe: ,.Zur Metho- dik des physikalischen E.xperimentes". Sonnabend, den 11. April, 9-10 Uhr: Assmann (II). — 11-12 Uhr: Waldeyer (11). — l'i'A-l '/., Uhr: Bergakademie Scheibe (IIJ. — 3—4 Uhr: Goldsteiu (II). Montag, den 13. April, 9— 10 '/s Uhr: Dorotheenstädtisches Realgymnasium (Physikal. Auditorium) Dr. Bohn: „Ucber neuere Luftpumpen." — H— 12 Uhr: Waldeyer (III). — 3-5'/., Uhr: Königstädtisclies Realgymnasium (FClisabethstr. 57/.58). 3—4 Uhr: Director Dr. Vogel: iJesichtigung und Erläuterung der Samm- lungen der Anstalt. 4— S'/i Uhr: (Chemisches Laboratorium) Prof. Dr. Seh wenn ecke: „Uebor die Belebung und Vertiefung dos chemischen Unterrichts durch Berücksichtigung der verwandten naturwissenschaftlichen Gebiete unter Vorführung einiger neueren Apparate und Versuche" Dienstag, den 14. April, 9-10 Uhr: Landwirthschaftlichc Hochschule (Invalidenstr. 42), Auditorium IV. Prof. Dr. Zuntz: ..Beziehungen zwischen Stoffumsatz und Arbeitsleistung dos menschliehen Körpers" (I). — 11— 12 Uhr: Besichtigung der land- wirthschaftliclien Hochschule. — I2V2 — l'/.^ Uhr: l'hysikalischos Institut (Reichstagsufer). Prof. Dr. Rubens: „Neues über elek- trische Wellen (Interferenz und Polarisation)" (I). — 3—4 Uhr: Goldstein (III). Mittwoch, den 15. April, 9 — 10 Uhr: Zuntz, (II). — 11-12 Uhr: Waldeyer (IV). — r2'/2-lV2 Uhr: Physikalisches Institut (Reichstags-Lifer). Prof. Dr. Warburg und Rubens: Neue Vorlesungsversuche (IL) — 3 — 4 Uhr: Goldstein (IV). Donnerstag, den 16. April, 9-10 Uhr: Zuntz (III). — 10—12 Uhr: Besichtigung des Museums für Naturkunde (Inva- lidenstr. 43) unter Führung des Herrn Geheimen Rcgierungsrathes Prof.Dr. Möbius. — 12'/2— 1 'AUhr: Physikalisches Institut (Reichs- tagufer) War bürg: „Lichtelektrischo Erscheinungen" (III). — 3 bis 4Ulir: Dorothi'enstädtischesRealgymnasium. OberlchrerDr. Geiss- 1er: Vorführung von Apparaten und Versuchen aus dem Gebiete (Irr Wellenlehre. Freitag, den 17. April, 9 — 10 Uhr: Zuntz (IV). — II — 1 Uhr: Zoologisches Institut (Invalidenstr. 43). Geheimer Regierungsrath Prof. Dr. Schulze: „Besichtigung des Instituts unti'r Vorführung einiger interessanten Präparate und Apparate unil unter Erörterung neuer Methoden". — 3—5 Uhr: Dorotheen- städtisches Realgymnasium. Schwalbe: „Geologische Experi- mente in der Schule". Sonnabend, den 18. April: Besichtigung des tertiären fossilen Waldmoors, der Braunkohlengruben und Fabrikanlagen in Gross-Räschen (Niederlausitz) unter Führung des Docenten der Bergakademie Herrn Dr. Potonie. Abfahrt c. 8h Bahnhof Friedrich- strasse. — Schluss des Cursus in Gross-Räschen durch Director Dr. Vogel. In Aussicht genommen sind ferner die Besichtigungen der städtischen Elektricitätsworke, des Postmuseums, der Central- telegraphenanstalt, event. auch der bis dahin vollendeten Theile der Berliner Gewerbe-Ausstellung. Nähere Mittheilungcu während der Curse. L i 1 1 e r a t u r. Benjamin Vetter. Die moderne Weltanschauung und der Mensch. G öfl'entl. Vorträge. Mit einem Vorwort des Herrn Prof. Dr. Ernst Haeckel in Jena. Jena. Verlag von Gustav Fischer. Zweite Auflage, 189G. — Preis 2,50 M. ' Es ist erfreulich und tröstlich, dass ein Buch dieser Art nach kaum zwei Jahren schon eine zweite Auflage erlebt. Denn es zeigt, dass die Zahl Derer doch recht gross ist. die in der natur- wissenschaftlichen Weltanschauung niclit bloss eine beipienie Hin- wegräumung alles Hohen und Tiefen und einen Freibrief für ])latti^ Genusssucht sehen. Dass sie von oberflächlichen Menschim — und das ist doch immer der Zahl, wenn auch zum Glück nicht immer dem Einfluss nach, die Majorität — in diesem Sinne verwendet wird, ist weder zu leugnen, noch zu verwundern. Die Gegner aber der naturwissenschaftlichen Weltanschauung bilden ihr Urtheil eben nach diesen Menschen, da sie am leichtesten zu überblicken sind, ohne zu bedenken, dass auch die kirchliche Weltanschauung bei dem entsprechenden Theil ihrer Anhänger ebenso wenig in die Tiefe dringt. Hier haben wir nun ein Buch vor uns, das mit unbegrenzter Wahrheitsliebi' vor keiner Konse(pieuz naturwissenschaftlichen Beobachtous und Denki-ns zurückschrickt, insbesondere die An- wendung des unendlich fruchtbaren Darwinschen Gedankens auf die wichtigsten Züge des organischen und auch des menschlichen Lebens zu verfolgensucht, dabei aber neben aller Lebhaftigkeit der Ueberzeugung von einem solehi'u sittlichen Ernst, einer solchen Milde und Wärme durchzogen ist, wie sie auf diesem Tunimelplatzo kampflustiger Geister nicht oft zu finden sind. Dass ein Buch dieser Richtung, das so gar nicht an die niedrigeren menschlichen Eigenschaften — Hass, Schadenfreude oder Spottsucht — appel- lirt, von einem früh verstorbenen Verfasser herrührend, ohne Reclame, in Deutschland (inen guten Absatz gewinnt, ist in der Tliat ein erfreuliches Zeichen dafür, dass Ernst und Wahrheits- i:!4 Naturwisseuschaftlicbe Wocbcusclirift. XI. Nr. 11. liebo in unserom Volk iniiiittcii dos Hastens und Jagons nach Besitz und Gonups doch nocli geniiK Huimstättcn finden. Eine Bcspi-ecliting der ersten Auflage habe ich im 'J. Bande dieser Zeitschrift, 18Ü4 No. 30 S. 370, gegeben. Prof. Dr. W. K.ippcn. Prof. Dr. Arnold Lang, Lehrbuch der vergleichenden Anato- mie. _ Neunte, ganzlicli uingeaibeitete Auflage von Eduard Oskar Schmidt's Handbucli der vergleichenden Anatomie. — Wirbel- lose Thiore. Dritte Abtheilung. Vergloic h en de A na- tomie der Mollusken. Mit 219 Abbildungen. Gustav Fischer. Jena 1892. — Preis 6 Mk. ~ _,— ' Vierte Abtheilunir. Vergleichende Anatomie der Echinodermen und En t erop n eu sto n. Mit 251 Abbil- dungen. Ebenda 1894. — Preis 7 Mk. Gemiiss dem Haupterforderniss in unserem Zeitalter bei wissenschaftlicher Behandlung der Thier- und Pflanzenwelt be- zweckt das vorliegende Werk eine Vergleichung der zu den ein- zelnen Haupttvpen der niederen Thierwelt gehörigen Unterab- theilungen und Gruppen hinsichtlich ihres ilusseren und inneren Baues, ihrer gegenseitigen Verwandtschaft und ihrer phylogene- tischen Beziehungen. Das schwierige Unternehmen, ein gutes Werk solcher Art zu verfassen, wurde von Prof. Lang mit Erfolg zu Ende geführt. Die beiden ersten Abtheilungen, welche 1888 und 1880 in demselljen Verlage erschienen und worüber im V. Bande der „Naturw. Wochenschr." S. 249 berichtet worden ist, enthalten die vergleichende Anatomie der Protozoen, der Zoophyten (Cölen- teraten), der Plattwürmer (Plathelminthen), der " eigentlichen Würmer (Vermes), der Crustaceen und der Tracheaten (Onycho phoren, Myriopoden, Insecten, Arachniden). Die dritte und vierte Abtheilung behandeln den liest der wirbellosen Thiore (Mollusken und Echinodermen nebst den Ente- ropneusten). Der äussere Werth des Werkes liegt in der Knappheit des Ausdrucks, der systematischen Uebersichtlichkeit und dem Reich- thum an Abbildungen. Die Mollusken (Muscheln, Schnecken, Kopffüsser u. a.) nehmen die ganze dritte Abtheilung ein. Auf die svstematische Uebersicht dieses Thierkreises folgt ein allgemeines' Schema der Molluskenorganisafion. Dieses ist naturgemäss allgemein gehalten, denn die Organisation ist in den verschiedenen Gruppen der Mol- lusken recht abweichend und theilweise eigenartig. Aber das Verständniss für die Bildung des Molluskenkörpers wird durch die generelle Darstellung erleichtert. Andere Verfasser von Lehr- büchern huldigen allerdings auch mit Erfolg der entgegengesetzten, der analytischen Methode. Wie sich zu dem aufgestellten Schema der Molluskenorga- nisation die verscliiedenen Abtheilungen dieses Kreises in ihrer äusseren und inneren Anatomie verhalten, ist in e.xacter Weise an den einzelnen Abtheilungen in vergleichender Weise zur Dar- stellung gebracht. Das gleiche Princip ist in besonderen Ab- schnitten forner angewendet auf die Haut, den Mantel, den Ein- geweidesack, die Schaale, die Organe der Mantelhöhle, die äusseren Mündungen innerer Organe, die Athmungsorgane, die Schleim- drüse, die Analdrüse, den Kopf, die Mundlappen, den Fuss nebst seini'n Drüsen, die Muskulatur und das innere Skelet, das Nerven- system, die Sinnesorgane, den Darmkanal, das Circulationssystem, die Lcibcshöhle, die Nephridien (E.xcretionsorgane) und die Ge- schlechtsorgane. Die vergleichende Darstellung aller dieser Or- gane und ( trgangruppen durch alle Abtheilungen der Mollusken ist lehrreich, ihre Anschaulichkeit durch die Beigabe zahlreicher I'iguren erhöht. ,le ein besonderes Kapitel ist noch den para- sitischen und fistsitzenden Schnecken gewidmet. Das wichtige Kapitel der Ontogenie der Mollusken ist unter Beifügung zahlreicher Abbildungen auf S. 836— 8.')8 behandelt. Eine_n sehr kleinen Kaum nimmt das Kapitel der Phviogenie ein, b. 858 — 8Ü9. „Directe Anknüijfungspunkte des .Molluskenstammes an andere Abtheilungon des Thierreiches sind zur Zeit nicht be- kannt." Leider hat der Herr Verfasser eine Phylogenese der einzelnen Gruppen und Familien zu liefern unterlassen. Den Schluss der dritten Abtheilung bildet auf S. 859-868 in kleinem Druck ein Verzcichniss der hauptsächlichsten Litteratur über die Mollusken, sowie ein Kapitel über Rhodope Veranii Koell., ein merkwürdiges, recht einfach organisirtes kleines Wesen, welches Beziehungen zu den Mollusken und Strudel- würmern hat. In ähnlicher Weise, wie die Mollusken, ist in der vierten Abthcilung des Werkes der Kreis der E cli inod.'rmata (See- igel, Seesterne, Crinoiden, Seewalzen) behandelt. In den einzelnen Abschnitten dieses Kapitels sind die systematische Uebersicht (872—902), die Morphologie des Skeletsvstems, und zwar das Apicalsystem (905—920), das orale Plattensvsteni (920-923), das lierisomatische Skelet (923-977), die Stacheln uml ihre Umwand- luiigsin-odukte: die Sphäridien und Pcdicellarien (977-990), der Kauapi>arat der Echinoideen (990—994), der Kalkring der Holo- tluirien (994-99l ,,Sündfluththeorie oder Glotschertheorie" veröft'entlicht hatte. Obwohl die Angriffe Trissis gegen die .'Vnnahmc einer ausgedehnten Vergletscherung zur Eis- zeit und die von ihm aufgestellte Sündfluththeorie von Seiten der Wissenschaft kaum eine Widerlegung verdienen, so haben doch seine Ausführungen namentlich unter den katholischen Theologen sehr viel Anklang gefunden, wie dies die bereits erschienene zwi'ite Auflage der genannten Broschüre beweist. Aus diesem (irunde glaubt<> Herr Lyceal-Professor Dr. Xaver Pfeifer in Dil- lingen hinreichende Veranlassung zu haben, seine durch ein- XI. Nr. n. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. ISf) gehende Litteraturstudien und Reisen gewonnenen Anschauungen über die Berechtigung der Glacialtheorie der Trissl'schen Sünd- Huththoorie gegenüberzustellen. Der erste Abschnitt enthält einen Bericht über eine For- schungsreise, die der Verfasser durch die eiszeitlichen Gletscher- gebiete auf der Nordseite der Alpen in Bayern, sowie in der Schweiz und Savojen unternommen hat. Zunächst werden die schönen, zuerst von K. von Zittel aufgefundenen Glacialscliliffe auf der NagelHuh bei Berg am Starenberger See besehrieben und sodann wird über die Besichtigung der Moränen innerlialb der Stadt Zürich, sowie auf dem Uetliberge und über den IJesuch des Pflugsteines bei Erlenbach am Züricher See berichtet. Zu den interessantesten Erscheinungen des alten Reussgletsehers gehören die erratischen Blöcke .auf dem Axenstein und der Gletschergarten in Luzern. Aus dem Gebiete de; alten Aargletschers werden die schönen Felssehliffe im Haslithal erwähnt Vo" dem Berner Oberlande wanderte doi- Verfasser ''urch das Kander- und Gastern- thal über den Lütschengletscher nach dem Rhönetliale, ging dann von jVIartigny über den Col de Balme und besuchti' das Mer de gla-, e und den Glaeier des Bossons. D:.r zweite Abschnitt ist ein Reisebericht über die Glaeial- excursionen, welche der Verfasser theils allein, theils unter Fülirung der Herren Penck, Brüekrer und Da Pasquier im Anschluss an den internationalen Geologencongress in Zürich im Jahre 1894 ausführte. Er macht uns Mittheilung über die bei dieser Gelegen- heit in den eiszeitliclien Gletschergebieten der Reuss, des Tessin, der Dora Baltea, der Etsch, des lim und der Isar gemachten Be- obachtungen. (Jline ficli auf die Details der Penck'schen Glacial- exeursion niü.er einzulassen, deren Hauptzweck es war, die Be weise für eine dreimalige Vergletscherung der Alpen den Geologen vorzuführen, kommt es dem Verfasser in seiner Schrift vor allem da auf an. in Hinsicht auf die Trissl'sche Broschüre schlagende Beweise für eine ausgedehnte Vergletseherung der Alpen über- i aupt zu erbringen. In dem letzten Abschnitte sucht Pfeifer die teleologische Bedeutung der Eiszeit darzuthun, indem er au der Hand zahl- reicher Litteraturangaben zeigt, da»s die vom Eise bedeckt ge- wesenen Gebiete erst durch den daselbst abgelagerten Moränen- schutt zu fruchtbaren, für den Ackerbau vorzugsweise geeigneten Wohnstätten der Mensclien umgewandelt worden seien. Das selir anregende Scliriftchen kann nameniich dem grösseren Publikum, welches sich bei seinen Alpenreisen üljer die eiszeitlichen Erscheinungen unterrichten will, angelegentlichst empfohlen werden F. Wahnschaffe. Dr. John Landauer, Die Spectralanalyse. Mit 44 Abb. u. 1 Spectraltafel. Friedrich Vieweg & Sohn. Brauuschweig 189G. — Preis 4 M. Das Buch (inel. Register 174 Seiten umfassend) ist sehr brauchbar als Handbuch über den wichtigen Gegenstand; es stellt in geschickter- Weise das Wichtige zusammen, so dass es in den meisten Fällen ausreichen wird, und wo das nicht der Fall ist, werden die reichlich angegebeneu Litteratur-Nachweise weiter helfen. Das Buch ist ein Neudruck des im Fehling-Hell'- schen „Neuen Handwörterbuch der Chemie" veröffentlicliten Ar- tikels über den Gegenstand. Verfasser hat — das wird grossen Anklang finden — die älteren Messungen auf die Rowland'sclie Scala umgerechnet. Die natürlichen Pflanzenfamilien u. s. w. von A Englor und K. PrantI, fortgesetzt von Engler. Lief. TiD und 130. Wilhelm Engelmann, Leipzig 189G. —"Preis ä l,.jO. — Lieferung 129 bringt auf 44 Seiten (incl. einem beigegebenen Register) von den Schizophyten die Schizomyeetes, also die Bactericn, bearbeitet von W. Migula. Es sind nicht weniger als 108 Einzelbilder in 47 Fi- guren beigegeben. Die Arbeit bietet eine treffliche, kurze Ueber- sicht über diese so wichtige Gruppe und namentlich bezüglich der systematischeil Eintheilung derselben bemerkenswerthe Ge- sichtspunkte, auf die wir an anderer Stelle der „Naturw. Wochen- schr." näher eingehen werden. Lieferung loU (3 Bogen stark) setzt die von G. Lindau bear- beiteten Pezizineae fort; sie bietet 23S Einzelbilder in 28 wie immer vorzüglichen Figuren. Rendiconti della R. Academia dei Lincei. - Aus dem reichen Inhalt des zweitei, llallijahrsbandes lS:i.'> mögen folgernde Mit- theiluiigen namhaft gemacht werden: C.-intoue. JM-gäiizeiidc Studien über die elastische Hysteresie der Metalle; Oddn uiul Manzella, Untersuchungen über einige italienische und fremde Cemente; Beltrami. Lieber den Kirchhoff'schen Ausdruck des Huygens'schen Princips; (der berühmte Verfasser beschäftigt sich darin von neuem mit r. .Seile, Theorie eines Verfahrens zur Her.xtellung Stralilen, ihre Vorgeschiehto und eine Zusamincnstidlung il im Auge des Men,'-chen, — Ueber die Pliylo::enie der Schm Aus dem wissenschafilichen Leben. — Lilteratur: Beiijamiu Dr. Arnold Lang, Lehrbuch der xi'rgleieiieiulcn Anatomie. - Eiszeit. — Dr. John Landauer, Die Spectralanalyse. - Die Lincei. — Liste. von „Lichtbildern in naturgetreuen Farben." — Die Röntgeu'schen rer hauptsächlichsten Verwerthungen. — Ueber Filaria loa, tJuyot etterliiige. — Das „seliwarzo l>iC12 ein geliefert. — Gewicht der Camera (iiir 7 X 7J mit ge- lüllier Doppelcassette ca 160 Gramm. - Besehreibung und ausliihrliclie Preisliste. nut.Gt auch über die erforderlichen photographischen Utensilien, gratis und franco. 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Inhalt: Einleitung. — Gesetzmässigkeit der Abänderungen (Variationen). — Die Gauss'sche Wahrscheinlichlieitsformel. — Die Wahrscheinlichlieitseurve. — Die von Beobachtungen abgeleitete HäutigUeitscurve. — Asymmetrische Häufigkeitscurven. — Aeusserste Fälle. — Die Häuligkeitscurve kann ebensowohl in dem einen, wie im andern Sinne asymmetrisch sein. — Vererbung für sich allein betrachtet. (Eingeschlechtige und zweigeschlechtige Fortpri-inzung; Panmixie; Häufigkeitscur\-e für die Kinder; PtUckschläge; Fruchtbarkeit.) — Hinzutretende Veränderlichkeit (Variabilität). - Einseitiger Eiugriti der natürlichen Auslese in den Abänderungsspielraum. — AufwärtsrUckende untere Grenze der natürlichen Auslese. — Von beiden Seiten eingreifende Auslese. — Natur der Ursachen, welche die beiden Grenzen des .\bänderungsspielraumes bestim.neu. — Grenzen des Abänderungsspielraumes bei den geistigen und sittlichen Anlagen. — Die Bedeutung des der Auslese entzogenen AbänderunKsspielraumes. — Die grösste Vollkommenheit der Organisation und die beste Anpassung. — Die Bedeutung der zweigeschlechtigen Fortpflanzung für die Ausbildung eines mittleren Typus. — Panmi-xie und EUckbildung. — Uebersicht der Vorwärts- entwickelung und der Rückwärtsbildung. — Zusammenfassung und Schluss. Einleitung. Das Walten der natürlichen Auslese in der organischeu Welt ist heutzutage jedem Naturforscher ein geläufiger Begriff, und wohl auch von den meisten in seiner Thatsächlichkeit und in seiner Tragweite aner- kannt. Dennoch sind noch nicht alle Einzelheiten der Vorgänge bei der natürlichen Auslese hinlänglich genau ermittelt, und es soll hier versucht werden, auf einen Punkt der Theorie hinzuweisen, dessen näheres Studium noch manche Aufklärung bringen kann. Man beschreibt die Thätigkeit der natürlichen Auslese gewöhnlich so: Die Aehnlichkeit der Individuen mit ihren Erzeugern ist keine vollständige, sondern es treten in jeder Generation kleine Abänderungen ein, von denen manche eine bessere, manche aber auch eine schlechtere Anpassung der Or- ganisation an die Aussenwelt darstellen. Durchdie natür- liche Auslese werden die besser angepassten Individuen er- iialten und vermehrt, die schlechter angepassten ausgemerzt, theils dadurch, dass sie als Erwachsene nicht zur Fort- pflanzung gelangen, theils aber auch dadurch, dass sie zu Grunde gehen, ehe sie das fortpflauzungsfähigc Alter erreicht haben. Hierdurch wird jede Art von Generation zu Generation immer besser an die Aussenwelt angepasst, bis ein Beharrungszustand eingetreten ist; dann kann sich die iiatiirliciie Auslese darauf besciiräukcn, die migiinstigcn Organisation oder auch zu beseitigen, durch spontane welche Keimes- Abänderungen der durch Rückschlag- Variation eintreten. Diese im Ganzen unanfechtbare Darstellung darf je- doch nicht zu dem Glauben verführen, dass nur eine ganz bestimmte Organisationshöhe einer angepassten Art von dem Zugriff der natürlichen Auslese verschont bleibe. Dies wäre unrichtig. Die Abänderung steht niemals still und die natürliche Auslese lässt ihr einen Spielraum, gewissermaassen ein Schutzgebiet, innerhalb dessen die Individuen geschont werden. Nur diejenigen Individuen, welche sich über das Schutzgebiet hinaus verirren, werden von der natürlichen Auslese erfasst und beseitigt. Gewiss haben die meisten Naturforscher, welche sich mit dem Studium der natürlichen .\uslese beschäftigen, im Stillen diese Auffassung gehabt, aber bis jetzt ist sie von Nie- manden ausgesprochen oder in ihren theoretischen Folgen untersucht worden. Die Gesetzmässigkeit der Abänderungen (Variationen). Wir wissen längst, dass die Individuen einer Art sich niemals vollkommen gleichen, und es dürfte schwierig sein, in irgend einer Art zwei bis in alle Einzel- heiten übereinstimmende Individuen aufzuHnden. Und sn inaiiiii"faiti:;' ilic .Mistiifniiufii schon im Aensseren 138 Naturwissenscbaf'tliclie Wochenschrift. XI. Nr. 12. sind, so sind sie es auch in den inneren Organen und nicht minder in den Instinliten, beziehungsweise in den höheren Seelenanlagen. Wir wissen, dass die Abstufun- gen einer Gesetzmässigkeit folgen müssen. Kein Forscher wird sich dabei beruhigen, dass es Individuen giebt, die etwas grösser sind als der Durchschnitt und solche, die unter dem Dnrchschnitt bleiben, oder dass manche Indi- viduen eine bessere Sehsciiärfe besitzen als andere, oder dass beim Menschen die Befähigungen ausserordentlich verschieden sind. Das denkende Geschöpf will wissen, wie die Grössenstufeu sich innerhalb der Grenzen des Abänderungsspielraums vertheilen, wie die Seh- schärfen und die geistigen Fähigkeiten sich hinsichtlich der Häutigkeit ihres Vorkommens veriialten. Den Biologen ist es bis jetzt nicht gelungen und wird es wegen der mikroskopischen Kleinheit der For- schungsgegenstände anch in Zukunft nicht so bald ge- lingen, die Gesetze abzuleiten, nach welchen sich die individuelle Abänderung vollzieht, und darum können jene auch über die Vertheilung der individuellen Grade keinen die Vertheilung der Anfschluss geben. Der letztere Punkt ist jedoch für einen Forscher anderer Art, für den Mathematiker, nicht unzugänglich. Auf alle Fälle hängt die BeschaÖeuheit der einzelnen Orgaue sowohl von der Art und Weise ab, als der ganzen Individuen wie die kleinsten Bestand- theile derselben combinirt sind. Dem Mathematiker wird daher die Vermuthung nicht ferne liegen, dass die Ge- setze der Combinationslehre, welche unter anderem auch über die relative Häutigkeit jeder einzelnen Com- bination Aufschluss geben, hier Geltung haben dürften, und zwar ganz unabhängig von der Vorstellung, die man sich von der Natur der kleinsten Theile selbst bilden mag. Es dürfte sich daher lohnen, einen Versuch anzu- stellen, ob die sogenannte Gauss'sche;Wabrscheinlichkeits- formel mit den beobachteten Thatsachen über die Ver- theilung individueller Fälle im Einklang steht und wenn ja, ob sieh durch ihre Anwendung einige Einblicke ge- winnen lassen. Die Gauss'sche Wahrscheinlichkeitsformel. Das Gesetz, nach welchem sich die Häutigkeit des Vor- kommens der einzelnen Fälle regelt, beruht im Wesent- lichen darauf, dass diese um so seltener werden, je weiter sie sich von der mittleren Beschaffenheit entfernen, und dass demnach die mittlere Bescliaftenheit zugleicli die am häutigsten vorkommende ist. Die von Gauss herrührende Formel, deren theoretische Ableitung wir hier übergehen müssen, lautet: y=Ye In dieser Formel bezeichnet h'x- X den Betrag der Ab- weichung vom Mittel, y Fig. 1. Die (,iauss*8clie. Walirsclieiiilicli keits-Ciirvc. die verhältuissmässige Häufigkeit des Vorkommens dieser Abwei- chung (das ist die „Wahrschein- lichkeit"), Y die Häufigkeit des mittleren Werthes, e die Basis der natürlichen Logarithmen, /* den sog. Präcisions - Coeffi- cienten, welcher bestinmit, ob die Häufigkeit mit der Entfer- nung vom Mittel rascher oder langsamer abninnnt. Die Grösse e ist also eine ein- für alle- mal feststehende Constante, Y die für die verschiedenen An- wecliseln können, dass nach dieser Formel im All- Entfernung vom Mittel die rascher abnehmen und // sind Constanten, Wendungen der Formel Mau erkennt leicht, gemeinen mit wachsender Häufigkeit des Vorkommens muss. Noch deutlicher wird dies, wenn man die Formel so schreibt : immer y- Y h'x- Fig. 2. Wahrsc'heinlichkt'itscurven, links für verschiedene Werthe der C'on- stanten }', rechts für verschiedene Werthe des Coefficienten h. Im Nenner dieses Bruches steht eine mit dem Wachsen von X in beschleunigtem ^laasse zunehmende Grösse. welche den Bruch selbst, d. h. den Werth von //, immer kleiner macht. Durch Beispiele von Zinsesziusrechnuugen und durch die bekannte Anekdote vom Schachbrett mit den zu verdoppelnden Getreidekörnern sind auch „uicht- mathematische" Kreise in das Anschwellen von Potenzen eingeweiht: hier haben wir aber nicht eine einfache Po- tenzirung von x, sondern das potenzirte x selbst bestimmt den Exponenten einer zu potenzirenden Grösse. Darnach lässt sich ermessen, mit welchem raschem Tempo die Häufigkeit bei wachsender Entfernung vom Mittel ab- nehmen muss. Die Wahrscheiulichkeitscurve. Das Gesetz der Wahrscheinlichkeitsformel lässt sich durch eine gra- phische Darstellung anschaulich machen. Trägt mau die Abweichungen vom Jlittel auf der Abscissenaxe beiderseits vom Nullpunkte auf, die zuge- hörigen Werthe von y als (»rdi- nateu, so erhält man die soge- nannte Wahrscheinlichkeitscurve (Fig. 1). Dieselbe besitzt für den mittleren Werth ein Maxi- mum, einen Gipfel, von dem an die beiden symmetrischen Arme sich schräg nach unten wenden und, immer mehr nach aussen biegend, asymptotisch neben der Abscissenaxe herlaufen. Die Constante I' ist maassgebend dafür, ob säumitliche Ordinaten in der Zeichnung nach einem gleichen Verhältnisse grösser oder kleiner werden sollen, wogegen die Con- stante /( den Charakter der Curve in der Hinsicht beein- flusst, ob die Krümmung am Gipfel und beim Auswärts- kehren der beiden Arme mehr oder weniger scharf sein soll. In Fig. 2 ist auf der linken Seite der Mittellinie die Gestaltsveränderung der Curve für verschiedene Werthe der Constanten Y und auf der rechten Seite für verschiedene Werthe des Coefficienten A versinnlicht. Die stärker ausgezogene Curve ist die nämliche, wie in Fig. 1. Die von Beobachtungen abgeleitete Häufig- keitscurve. Zeichnet man eine Curve für messbare oder sonst genau feststellbare Eigenthümlichkeiten einer Anzahl von Menschen, z. B. für die Körpergrösse Wehrpflichtiger (in dem man in dieser x\n- wendungdieGrössenals Abscissen, die Häufig- keit des Vorkommens als Ordinaten aufträgt), so erhält man Curven, welche der Wahr- scheinlichkeitscurve sehr ähnlich sehen, und zwar um so mehr, je grösser die Zahl der Beobachtungen ist. Nur eine wesentliche Abweichung bleibt für jede noch so grosse, aber immerhin ))egrenzte Zahl bestehen: die Curve hat die Abscissenaxe nicli t zur Asyuiptotc, sondern läuft bei den Grenzpunkten sodass eine geschlossene Nebensächlich ist die Verlegung des Abscissen aus dem Innern der Figur wie dies iu Fig. '■) dargestellt ist, als Ililuliglicitscurve für eine hef^ren/.te Zahl be- obachteter Einzellalle. der Beoijachtuugen in jene ein, Figur entsteht. Nullpunktes der nach ansscrhall). XI. Xr. 12. Naturwissenschaftliche Woclienscbrift. 139 eine Folge davon, dass wir bei unseren Untersuchungen nicht die Abweichungen von einem Büttel, sondern den Betrag von einem Punkte an zu erheben pflegen, der lauter positi\'e Werthe für x ergiebt. Wenn wir also die Gauss 'sehe Formel auf die Häuflgkeit individueller Fälle in der Biologie anwenden wollen, wozu uns die Aehnlich- keit der Curven berechtigt, so müssen wir zwei Aende- rungen eintreten lassen, nämlich 1. die ausserordentlich kleinen Ordinaten der Gauss'schen Curve bei ihrer An- näherung an die Abscissenaxe als praktisch gleich Null ansehen, und 2. eine Coordinatenverschiebung vornehmen, indem wir in die Formel statt x den Werth von x — a einsetzen, worin a den Abstand des jetzigen Nnlli)unktes vom früheren, also in Fig. 3 die Strecke PM bedeutet. Die Wahrscheinlichkeitscurve passt alsdann nicht bloss auf Kürpergrössen, sondern auch auf Brustumfänge, Kopf- Indices und andere vorkommende Werthe. Vergegen- wärtigen wir uns, dass die geistige Begabung eines Individuums von der Beschaffenheit seines Gehirnes ab- hängt, welches aus einer Ungeheuern Zahl einzelner, der Combination unterworfener Elemente besteht, .so wird wenig dagegen einzuwenden sein, dass wir auch die Ver- theilung der menschlichen Begabungen dem Gauss'schen Gesetze folgen lassen. Zum Ueberflusse hat Francis Galton den Nachweis geführt, dass beispielsweise die Abstufung der Prüfungsnoten bei den berüinnten Mathe- matik-Prüfungen der Universität Cambridge dem fraglichen Gesetze folgt, und er hat noch eine grosse Zahl von Er- wägungen, gestützt auf Ertährungsthatsachen, beigefügt, wodurch die Richtigkeit der Annahme mindestens sehr annehmbar gemacht wird. In Fig. 3 bedeutet U die untere Grenze der indivi- duellen Variationen, 0 die obere Grenze derselben, also UO den von der natürlichen Auslese verschonten Ab- änderungsspielraum, von dem in dieser Abhandlung die Rede sein wird. PU bedeutet allgemein den ge- ringsten Stärkegrad, der in der Beobachtungsreihe vor- kommt, PO den höchsten Stärkegrad, Pil/deu mittleren Stärkegrad. Der am häufigsten vorkommende Stärke- grad PH fällt wegen der symmetrischen Gestalt der Gurve mit dem mittleren Stärkegrad Pil/ zusammen, eben- so der durchschnittliche Stärkegrad PD, welcher dem arithmetischen Mittel aus sämmtlicheu Beobachtungen ent- spricht und in der Figur dadurch ausgedrückt ist, dass die über dem Punkte 1) errichtete Ordinate die von der Curve und der Abscissenaxe eingeschlossene Fläche halbirt. Mit anderen Worten: die mittlere, die häu- figste und die durchschnittliche Stärke decken sicli in dem vorliegenden Falle. Trägt man, wie es in der Regel geschieht, als Ordi- naten für gleiche Abscisseniutervalle nicht die unmittelbar beobachteten absoluten Häufigkeitsziffern auf sondern die aus denselben berechneten pro centualen, so ent- spricht die Summe aller (»rdinaten, welche in der Zeich- nung durch die Gesammtfläche der geschlosseneu Figur versinnlicht wird, der Zahl 100. Da dies für jede pro- centuale Darstellung zutreffen muss, werden wir zweck- mässig der angegebenen Regel folgen und uns stets procentuale Darstellungen zu Grunde gelegt denken, um den Vorthcil zu haben, dass die Fläche bei allen Gestaltsveränderungen der Curve die nämliche bleibt: es muss dann an einer Stelle immer soviel Flächenraum hinzutreten, als auf einer anderen wegfällt. Asymmetrische Häufigkeitscurven. Die empi- rische Häufigkeitscurve zeigt im Allgemeinen eine symme- trische Gestalt, wie dies der Gauss'schen Formel ent- spricht. Galton hat überall, wo er die Formel anwandte, auf die Symmetrie der Curvenäste hingewiesen und aus der Thatsache bestimmte Folgerungen gezogen. Es ist mir jedoch bei meinen Untersuchungen bisweilen be- gegnet, dass die Vertheilung der Fälle über Mittel eine andere war, als unter Mittel, somit die Häufigkeitscurve nicht symmetrisch ausfiel, und zwar ohne dass diese Un- regelmässigkeit Bcobachtungsfehlern zugeschrieben werden konnte. So bildet in meinem Buche über die „Gesell- schaftsordnung" die Einkommenscurve, die auch eine em- pirische „Häufigkeitscurve" ist, augenscheinlicii auf der oberen Seite eine weiter ausgezogene Spitze, als auf der unteren, wo die negativen Einkommen nothgedrungen sehr bald bei ihrem grösstmöglichen Betrag ankommen. Es ist möglich, aber nicht bestimmt zu sagen, dass auch die Begabungscurve über Mittel weiter ausgestreckt ist, als unter Mittel, weil hier sehr verschieden wirkende Kräfte mitspielen. Diese Erwägungen haben mich dazu veranlasst, die Möglichkeit des Vorkommens asymme- trischer Wahrscheinlichkeifscurven in Betracht zu ziehen, und ich bin zu folgenden Erwägungen gelangt: Wird in der Gauss'schen Formel die Grösse I' oder der Coef- ficient h, oder werden beide in irgend einer Weise ab- hängig von .r, dann entsteht eine asymmetrische Curve. Y und /( können aber auf verschiedene Weise von x ab- hängig werden. Einnial dadurch, dass die Fruchtbar- keit sich mit x ändert, dass also die Vermehrung der Individuen auf der einen Seite des mittleren Werthes grösser ist, als auf der andern. Dann muss die Curve von Generation zu Genera- tion auf der einen Seite an- und auf der andern abschwellen, sodass sie ihre Symmetrie verliert. Der endlich erreichte Fig. 4. Asymmetrische Häu6gkeitscurvc. Beharrungszustand muss eine asymmetrische Curve er- geben. Eine asymmetrische Curve wird ferner entstehen, wenn aus irgend welchen Ursachen Keimesvariationen in grösserer Zahl und in stärkerer Abweichung nach der einen, als nach der andern Seite entstehen, was Weis- m a n n mit dem Namen „ G e r m i n a 1 - S e 1 e k t i o n " bezeichnet und in einer kürzlich erschienenen Schrift näher behandelt hat. Diese beiden Fälle sind Spezialfälle, welche ich zunächst übergehen möchte, um sie bei späterer Gelegen- fnr sich zu erörtern. Ein dritter Fall ist der, dass die Plus- und Minus- Varianten zwar gleich häufig und in gleichem Abstände vorkommen, auch die Fruchtbarkeit die nämliche ist, jedoch die natürliche Auslese an der oberen und an der unteren Grenze des Abänderungs- spielraumes verschiedenartig eingreift. Diesen am häufigsten vorkommenden Fall müssen wir vor allem lietrachten, ehe wir daran denken können, auf jene verwickeiteren Umstände einzugehen. In der vorstehen- den Fig. 4 ist eine solche asynunetrische Curve dar- gestellt. Bei derselben ist der verschonte Abänderungs- spielraum VO von gleicher Ausdehnung angenommen, wie oben in Fig. 3. Dov Sciieitel der Curve ist jedoch nach links geiückf. Der Punkt .1/, d. h. der mittlere Grad zwischen den beiden Grenzen behauptet noch seinen früheren Platz, die grösstc Häufigkeit H fällt jedoch nicht mehr mit ihm zusammen. Ebenso über- zeugt man sich schon durch das Augennmass, dass die durchschnittliche Stärke, d. h. der Punkt D, dessen Ordinate die Fläche der Figur halbirt, weder mit il/, noch mit // zusammenfallen kann, sondern zwischen beiden anzubringen ist. Für diejenigen Bcobachtungsreihen, auf welche diese Curve passt, gelten daher folgende Sätze: Häufen sich die Fälle in der unteren Hälfte des 140 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 12. Fig. 5. Stärker ausgeprägte Asymmetrie der Curve. Abänderungsspieh-aumes an, ist also PH und Z^ sehr nahe an der Abscisscnaxe be- wegen und erst zwi- schen Zj und Zj von /T\ beiden Seiten scharf nach oben wenden, um ungefähr in der Mitte der Strecke ZiZ^ ihren Gipfel zu erreichen (Fig. 7). Dass auch mittlere Grade durch Rückschlag entstehen können, ist selbstver- ständlich und hat die Bedeutung, dass der mittlere Theil der Curve ein wenig an- ders gebogen wird, dass der Scheitel weniger hoch ansteigt und keine so scharfen Krümmungshalbmesser erhält. Unter diesen der Wirklichkeit am nächsten kommmenden Voraus- dass solche Rückschläge Die Häutigkeitscurve der Curve" fiir die Organisationsliiihc der Kinder ungleielier liltern mit Einbeziehung der KUcksehlüge. Setzungen wird sich die Curve der Kinder nicht immer , anz so gestalten, wie die der Eltern, aber, da jedes Elternpaar Varianten über den ganzen Spieli-aum von V bis (> erzeugt, findet eine so bedeutende Zusanmien- drängung der Indi\i(luen nach der Mitte, wie wir bei Ziffer 4 annehmen mussten, hier nicht statt. Bei irgendeiner Generation wird ein Beharrungszustand Platz greifen, dessen Curve zwar nicht identisch mit der ursprünglichen zu sein braucht, aber doch immer noch derselben ähn- lich gestaltet ist. 142 Naturwissenscliaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 12, 6. (Fruchtbarkeit.) Hierbei haben wir stets die Vor- aussetzung im Auge zu behalten, dass alle Paare gleich fruchtbar seien. In sehr vielen Fällen trifl't dies zu. Es giebt Organe, deren grösserer oder ge- ringerer Vollkommenheitsgrad gar keinen Einfluss auf die Fortpflanzung und die Aufzucht der Jungen besitzt. Bei diesen wird daiier die Tendenz zur Herstellung einer symmetrischen Häufigkeitscurve im Laufe der Gene- rationen zu ihrem Rechte gelangen. Anders bei allen denjenigen Organen oder Seclenanlagcn, welche auf die Erzeugung und Pflege der Jungen selbst Bezug haben. Bei diesen werden der Voraussetzung zu Folge die In- dividuen, welche im Besitze höherer Grade der Aus- stattung sind, eine grössere Zahl von Jungen haben, bezw. aufbringen. Die Vermehrung ist auf der guten Seite der Curve eine stärkere als auf der schlechten, weil sie mit x zunimmt, die Curve der Jungen wird daher auf der betreffenden .Seite voller, ohne dass die Stetigkeit leidet; es ist nicht anders, als ob wir die alten Ordinaten nunmehr nach einem wandelbaren Jlaass- stabe auftragen würden, der von [/ bis 0 wächst und so eingerichtet ist, dass die Curve wieder die nämliche Fläche einschliesst, wie ^'orher. Wir erkennen daraus, wie asymmetrische Curven entstehen können, indem die fridicrcn Constanten sich nun mit ./■ ändern, oder indem eine neue Constante als Factor eingeführt wird, welche die Abhängigkeit der Vermehrung von x ausdrückt. Das Gegenstück zu dem angeführten Falle bilden diejenigen Organe und Seelenanlagen, welche der Fortpflanzung und der Jungen])flege an sich von Nachtheil sind; bei diesen werden die am schwächsten ausgestatteten In- dividuen mehr Junge emporbringen, die Häufigkeitscurve niuss sich daher auf der unteren Seite ausbauchen, d. h. im umgekehrten Sinne asymmetrisch sein, wie vorhin, weil jetzt die Vermehrung mit dem Wachsen von x abnimmt. In beiden Fällen steigt die Asymmetrie von einer Generation zur andern, weil die Ursache fortwirkt, und dies würde bis ins Unendliche dauern, wenn nicht ein anderes Princip Schranken setzte, nämlich die endliche Zahl und die Untheilbarkeit der kleinsten Elemente, aus denen die Organismen zusammengesetzt sind. Dieses Princip beschränkt die Zahl der nniglichen ( 'Ombinationen, und deswegen muss das einseitige Anschwellen der Curve zuletzt in einen Beharruugszustand übergehen. Auch die Variabilität, von welcher sogleich die Rede sein wird, beschränkt die Anhäufung der Individuen und das Aufsteigen der Curvenscheitel, mögen diese in der Mitte, oder asymmetrisch gelegen sein. Die ungleiche Fruchtbarkeit ist, wie schon früher erwähnt, die eine der Ursachen, welche die {Symmetrie der Curven durchl)rechen können; die andere Ursache ist die schon erwähnte (Terminal-Selektion, welche nach der Plus- oder Minusseite hin mehr und bezw. weiter abstehende Varianten entstehen lässt; diese Ur- sache ist ganz so wie die ungleiche Fruchtbarkeit zu l)c- urtheilcn. Eine dritte Ursache, die natürliche Aus- lese, werden wir nacidier betrachten. Erwägen wir das Gesagte, so erkennen wir, dass die empirischen Häufigkeitscurven, die uns bei anthropologi- schen und ähnlichen Untersuchungen begegnen und die einen Beharrungszustand darstellen, mögen sie nun synmietrisch sein oder nicht, sich auf die Gauss'sche Formel zurückführen lassen. Das in den iMnzelhciten unbekannte Gesetz der Vererbung bei zweigeschlechtiger Fortpflanzung stört diese Gesetzmässigkeit der Curven thatsächlich nicht, und hieraus folgt des Weiteren der Satz: Da die empirischen Häufigkeitscurven sehr nahe mit der Gauss'schen Walirscheinlichkeits- curvc übereinstimmen, so muss auch das Ver- erbungsgesetz selbst dieser Formel gehorchen, das heisst, die kleinsten Theile der Vererbungs- substanz, durch deren Zahl und Lagerung etc. die Beschaffenheit der einzelnen körperlichen und Seelenanlagen bestimmt wird, ordnen sieb bei der Bildung der Geschlechtszellen und bei der Amphimixis nach den Gesetzen der Combinations- lehre. So hätten wir denn mindestens einen indireeten Beweis für unsere in der Einleitung gemachte Voraus- setzung beigebracht. H i n z u t r e t e n d e V e r ä n d e r 1 i e 1 1 k e i t ( V a r i a b i 1 i t ä t ). Wieder anders gestaltet sich die Curve, wenn wir, den Erfahrungsthatsachen entsprechend, die spontane Ab- weichung der Nachkommen von dem elterlichen Typus um kleine Beträge zulassen. Den vorhin betrachteten Fall, dass immer nur männliche und weibliche Individuen von gleicher Organisationshöhe sich paaren, lassen wir hier gleich ausser Acht, denn er ist rein hypothetisch. Der zweite Fall, die Paarung nach dem Zufall, welche nichts anderes ist, als eine innerhalb der Grenzen des Abänderungsspielraumes sieh vollziehende „Panmixie", ents])richt allein der Wahrheit. Wir machen daher von vorniierein die Annahme, dass zwischen sämmtlichen In- dividuen, die innerhalb des Abänderungsspielraumes Vi) vorkommen, Panmixie stattfindet. Mit Berücksichtigung der individuellen Variabilität gelangen wir nun zu folgenden Betrachtungen: Sämmtliche Nachkommen zeigen kleine Abweichungen von dem Typus, den sie nach der strengen Vererbung haben sollten. Die Individuen mittlerer Grade bleil)en trotzdem innerhalb des Spielraumes Vf); aber die nahe an den Grenzen gelegenen streben über die Grenzen hinaus zu variiren, und zw'ar dürfen wir uns den Betrag der Variation nicht als einen unendlich kleinen, wie etwa ein Ditt'erential, vorstellen, sondern es muss ein immerhin noch messbarer trag sein. In nächstfolgenden Veränderungen der HUutigkeitscurve in Folge der individuellen Variabilitüt. Be- der Ge- neration wird daher die Curve (Fig. 8) um den Betrag Vl\ nach links, und, da die Variationen rein durch die Wahr- scheinlichkeiten der Combinationen be- stimmt werden, nach rechts um den gleichgrossen Be- trag 00,, über den bisherigen Spielraum hinausgehen, die Abscissenaxe wird sieh auf die Länge l-\0^ erstrecken. Da der von der Curve eingeschlossene Flächenraum der nämliche bleiben soll, so folgt aus der Verlängerung ihrer Basis, dass der Scheitel niedriger werden muss. Die striehpunktirte Curve soll so gezeichnet sein, dass sie dem gleichen Gesetze folgt, wie die ausgezogene, jedoch durch andere Cocfficicntcn derart gestaltet ist, dass sie eine gleiciigrosse Fläche einschliesst, wie diese. Das heisst in Worten ausgedrückt: Die ^'ariabilität bei der Vererbung strebt dahin, die Grösse des S p i e 1 r a u m e s a u s z u d ebnen, die extremen und selteneren Fälle etwas häufiger, die mittleren und häufigeren Fälle etwas seltener zu machen, wirkt also der zweigeschlccbtigeii Fortpflanzung gerade entgegen. Dauert die Variabilität von Geschlecht zu Geschlecht ununtcrbi-ochen lort, so wird die Curve niedriger und niedriger, die Mannig- faltigkeit der Individuen und ihre Abweichungen von ein- ander werden immer grösser, die Aehnlichkeiten der In- dividuen unter sich und die Zahlen einander nahe stehender immer kleiner. Der Grenzfall, dass die Abscissenaxe sieh beiderseits ins Unendliche erstreckt XI. Nr. 12. Natni-\vissenspl),iftliclie Wocbcnsclirif't. 14S und die Höhe der Curve gleich Null, also der Variabili- täts-Spielraum ungeheuer gross, die Aehnlichkcit der Individuen verschwindend ist, setzt einen uuendlieh langen Zeitraum und unendliche Theilbarkeit der Grund- elenieute voraus, wird also in Wirklichkeit niemals ein- treten. Die Curve würde dann keine Curve mehr sein, d. h. keine krumme Linie mehr, sondern sie würde durch eine Gerade dargestellt werden, welche im Abstände Null mit der Abscissenaxe parallel läuft, d. h. mit dieser Beispiel vorgeschrittener Verlaiigerang und Verflaclmne iler Curve ilureli iiuU- viilucUe Variation. (Der Nullpunkt P iler Abscissenaxe ist der raiumcrsparniss lialber iiier weggelassen.) y.usannueniallt. gangsfall mit Die schon obige sehr Figur stark ü stellt einen Ueber- verlängerter und er- niedrigter Curve vor. Es ist besonders zu merken, dass hierbei die Symmetrie der Curve und das Zu- sammentreffen des mittleren Grades, der grösstcn Häufigkeit und des Durchschnittes erhalten bleiben. Die zweigeschlechtige Fortpflanzung strebt nach dem vorhin geschilderten äussersten Grenzfall, dass die Häutig- keitscurve mit der unendlich hoch gedachten verticalen Jlittellinie zusammenfällt, will also den Leib der Curve von den Seiten her zusammenschieben, während die Variabilität als Gegenstück dazu, die Curve in die hori- zontale Abscissenaxe hineindrücken möchte. Im Kampfe beider gleichzeitig wirkenden Tendenzen ist die Varia- liilität zweifellos die stärkere, denn da sie den Ab- änderuugsspielraum fortwährend verlängert, erscheint das Herabsinken des Curvenscheitels und die Verflachung der Curve ganz unvermeidlich. Ein Gleichgewichts- oder Beharrungszustand würde also nicht eintreten, wenn nicht noch ein weiteres Princip der Variabilität entgegenträte. (Fortsetzunf; folgt.) Ueber die (wreiizen der meii.sclilichen Oesaiig- stiiiime wurden nach Mittheilungen von Le Coute Ste- vens im New Yorker „Physical Review" kürzlich in ver- schiedenen deutschen Zeitungen und Zeitschriften Mit- theilungen vcrötfentlicht, die jedoch, selbst in wissen- schaftlichen lüättern, eine Reihe handgreiflicher Irrthümer bezw. Entstellungen aufweisen, so dass eine Richtig- stellung bezw. Einschränkung jener Nachrichten wohl am Platze ist. Die tiefsten T(ine, welche für manche abnorme Bass- stimmeu noch zu erreichen sind, liegen in der Contra- Octave. Von dem deutschen Bas.sisten Fischer (1745 bis 1825), dem Coniponisten des bekannten Liedes: „Im tiefen Keller sitz' ich hier" wird erzählt, er habe das Contra-F (das tiefste F des Claviers) mit 43 Do])pel- schwiugungen in der Secunde singen können, doch diese weitverbreitete Angabe erklärt der bekannte Jhisik- schriftsteller Tappert für irrthümlich, vielmehr soll der tiefste Ton Fischer's das grosse D gewesen sein. Doch berichtet Tappert gleichzeitig, er habe selbst das Contra-F einst singen hören, freilich soll dieser Ton nicht ein natürlicher gewesen, sondern soll durch einen Kunstgriff erzeugt worden sein. Le Coute Stevens behauptet, dass eine Ueberschreitung des C nach der Tiefe zu durch eine menschliche Stimme nur unter abnormen Bedingungen stattfinden kann. Diese Behauptung ist wenigstens für ge- wisse Völker unzutreffend, denn Contra-H und -B scheinen von norddeutschen und russischen Bassisten nicht gerade selten erreicht zu werden. Das Contra-H hörte Ref. selbst kürzlich mit schöner, deutlicher Tonbildung singen, während ein anderer mir bekannter Herr, dessen tiefster Ton im Allgemeinen das von Norddeutschen relativ oft erreichte grosse C ist, zeitweilig das Contra-As erreicht haben soll. Es klingt also durchaus nicht unwahrscliein- lich, dass von besonders abnormen Bassstimmen das Con- tra-F mit 43 Schwingungen erreicht ist. Wir haben daher diesen Ton als den tiefsten der menschlichen Stimme erreichbaren zu betrachten. Die höchsten Töne der besten Sopransängerinnen liegen in der dreigestricheneu Octave. Das e'" oder f" wird man, entsprechend dem grossen C der Bassstimme, als einen selten erreichten, immerhin aber noch normalen Ton zu betrachten haben. Der verbürgt höchste der menschlichen Stimme erreichbare Ton ist c"", welches Mozart im Jahre ITTU von der Sängerin Ajugari in Passagen singen hörte. Dieser Ton macht nicht weniger als 2096 Schwingungen in der Secunde und ist der höchste Ton der Violine und Flöte. Unzweifelhaft falsch ist aber die Notiz in den er- wähnten Veröffcntliciiungen, die übrigens der Ajugari statt des c"" das c""" (!j zuschreiben, dass der Stimm- umfang dieser Sängerin 47.2 Octaven (!) betragen hal)e. Danach wäre nämlicli das grosse G (nicht Go!), welches manchem Bariton schon Mühe macht, ihr tiefster Ton gewesen. Bereits ein Stimmumfang von 3 Octaven ist etwas durchaus Abnormes und sehr Seltenes; der aller- äusserste Stimmumfang, welcher vielleicht einmal vor- kommen könnte — ein Beispiel kennt Ref. nicht — dürfte 3Vo Octaven betragen, doch dürfte auch er sich nur bei manchen Castraten der früheren Zeit gefunden haben. Der Stimmumfang der Ajugari wird gleichfalls 3'., ()e- taven betragen haben, denn die Angabe, ihr tiefster Ton sei der mit 192 Schwingungen pro sec. gewesen, be- weist, dass ihre Stimme bis zum g herabreichte. Nach solchen groben Schnitzern kann natürlich die Notiz der genannten Mittheilungen, dass eine amerikanische Sängerin, Miss Ellen B. Yaw, das e"" mit 2560 Schwin- gungen gesungen habe, kaum noch Anspruch auf Glaub- würdigkeit machen. Die äussersten Grenzen der menschlichen Stimme sind also Contra-F und c"", so dass ihr Umfang sich über nicht weniger als öVä Octaven erstreckt. Bemerkt muss noch werden, dass die Schreie spielender Kinder sich zuweilen in den unglaublichen Höhen von 2500 bis 3000 Schwingungen pro sec. bewegen. H. „lieber die einfachen Farben im Tliierreicli" lautet das Thema der Antrittsvorlesung, die der Ver- fasser der „Entstehung der Landthiere", H. Simroth, in Leipzig am Beginn des laufenden Semesters hielt. (Biol. Centralbl., 16. B., 1S96, S. 33 ff.) Dem Verf. scheinen alle einfarbigen i'ignientc sämmtlicher Lebe- wesen sowohl in ihrer lOntstehung, als auch in ihrer physi- ologisch-biologischen und vielleicht auch psychischen Be- deutung auf einen einzigen Stoff zurückzugehen, „der mit dem ursprünglichen Protoplasma auf's engste verquickt ist und sich in seiner weitereu Entwicklung und Gliederung den einfachen Spectralfarben in der Reihenfolge des Rcgciihoscns unmittelbar anscldiesst," Drei Wege führen 144 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 12. zu diesem Ergebnis^. Erstens lionuut der „Sehpurpur" des Auges in Betracht, eine Farbe, die leicht in Sehgelb übergeht und wohl besser als Rhodopsin bezeichnet wird. Ausser Schwarz sind im Auge vielfach Pigmente vor- handen, die der linken Spectralhälfte angehören, das Koth als allgemeinste Grundfarbe, an die sich Gelb und am seitesten Grün anschliesst (Rhodo-, Xantho- und Chlorophan Kühnes), von denen sich das Roth am lang- samsten, das Grün am schnellsten durch das Licht zer- setzt. Streng genommen kommen im Thierreich neben schwarzen nur rothe Augen vor, da von der Regenbogen- baut der Wirbelthiere und Kopffüssler, sowie den spiegelnden Einlagerungen (tapetuni) abgesehen werden muss. Flagellaten und Schwärmsporeu, Räderthiere, Turbellarien und AIciopiden haben rothe Augen. Zweitens finden sich in Pflanzen und Thieren aber häufig rothe und gelbe Farbstoffe, die Schrötter-Kristelli als Lipoxan- thin zusammengefasst hat. Es gehören dahin die pflanz- lichen Carotin, Xauthophyll, Anthoxanthin, Erythrophyll, Bacteriopurpurin u. s. f., und immer steht das Lipoxanthin im Mittelpunkt der Assimilation. Zu den Lipoxanthineu (bezw. Lipochromen) gehören nun auch Sehpurpur und die andern Chromophane, ferner viele Hautpigmente niederer Thiere, das Hämoglobin, das Roth der Marien- käfer, das Luteiu und Vitellorubin von Eiern u. a. m. Das aus den Lipoxanthineu leicht darstellbare Cholesterin findet sich häufig in Pflanzen (Keimlingen) und Thieren (Nerven). Interessanter Weise kommt das Roth bei alter- thüralichen, bei versteckt lebenden Thieren oder an Stellen ihrer Haut vor, die schwer sichtbar werden. Eine psychische Bedeutung haben jene Farben oft als Schutz- und Trutzfarben, sowie beim Erröthen des Menschen. Drittens führt der Verf. unsere Aufmerksamkeit auf die complicirteren Farbenerscheinungen, einmal die Farben der rechten Seite des Spectrums, sodann auf die zu- sammengesetzten. Jene (wie z. B. das Lipocyan) reihen sich chemisch an die Lipoxanthine an, diese sind (schon durch den fast ausnahmslos stattfindenden Gehalt an Stickstoff) complieirtcr zusammengesetzt. Ceratin-, Chitin-, Conchiolin- und Melaninstoffe besitzen vielleicht gerade in der hohen Complication ihres chemischen Baues ein wesentliches Merkmal. Die Vertheilung dieser ver- wickeiteren secundären Farben, Schwarz, Grau, Braun, ist die, dass die psychisch und mechanisch höher stehenden Thiere sie mehr besitzen, als die Pflanzen, bei denen die einfachen Spectralfarben vorherrschen, ja sich bis zum Grün entwickelt haben, das bei den Thieren selten auf- tritt. Das Blau, das bei Pflanzen nicht selten ist und dort nach Cockerells Annahme wesentlich dem Einfluss der grössten Lichtfülle seine Entstehung verdankt, kommt als Pigment bei Landthieren sehr selten vor. Dagegen besitzt das Meer zahllose blau und violet gefärbte Thiere, und wenn auch die Verwendung dieser Farben als schützend ohne Frage geschieht, so ist doch als primäre Ursache ihrer Entstehung die unmittelbare Lichtwirkung anzusehen. Die Steigerung der Licht- und Wärmefülle erhöht die Häufigkeit des Auftretens und die Intensität des Blau bezw. Violetts. Das Si)ectrum folgt der zuneh- menden Wärme und dem zunehmenden Licht von der Seite der längsten bis zu der der kürzesten Wellen. Auch outogenetisch erhärtet sich diese Annahme, so z. B. durch den Fall, dass das wandelnde Blatt (Phyllium) roth aus dem Ei kriecht, dann gelb und zuletzt grün wird. Für das Blau insbesondere geht Verf. auf Beispiele aus dem Molluskenreich ein. Die Entwicklung der einfachen Pig- mente in der Reihe der Spectralfarben kann man sich entweder so deid^cn, dass in alter geologischer Zeit eine dichte wasserreichere Atmosphäre nur die rotlicn Strahlen des Sonnenlichtes dinchliess, und dass iiierniit die F;irl)uiii;' der Organismen gleichen Schritt hielt, oder das Proto- plasma hat es gelernt, allmählich, anstatt nur auf die gröbsten, längsten Lichtwellen zu reagiren, sich immer feiner anzupassen. C. Mff. Dr. W. Weltner, Spongillideustudien III. Katalog: und Yerbreituug- der bekannten Süsswasserschwämme. (In: Archiv für Naturgeschichte 1895, Bd. 1). Verfasser, der sieh schon seit Jahren mit dem Studium der Süss- wassersehwämme beschäftigt, giebt uns in der vorliegenden Arbeit eine systematische Aufzählung aller bekannten lebenden und fossilen Arten von Süsswasserschwämmen mit genauer Angabe der wichtigsten Litteratur und der einzelnen Fundorte. Im ganzen sind hier zwei und achtzig Arten aufgezählt (darunter 12 von Dr. Weltner neu auf- gestellte), wovon im Jahre 1887 (Potts, Monographie) nur 57 iVrten und im Jahre 1881 (Carter) gar nur 29 Arten bekannt waren. Daran schHesst sich eine Uebersicht über die geographische Verbreitung der Süsswasserschwämme und über ihr Vorkommen im Brack- und Meerwasser. Sie sind vorwiegend Bewohner der Urzone; kommen aber auch in grösseren Tiefen der Seen vor, wenn ihnen Gelegenheit gegeben ist, sich auf festen Gegenständen anzu- siedeln. In den Seen des Salzkammerguts und im Baikal- see sind sie noch in Tiefen von 100 m gefunden worden. Die Höhen, in welchen Spongilliden gefunden wurden, er- strecken sich bis zu 7000 Fuss. In dieser Höhe wurde eine Spongilla laeustris in einem Eissee in der Sierra Nevada gefunden. In Europa fand man die höchsten bei 1717 m in dem St. Moritzer-See in Graubünden. Den Versuch, für die Arten der Süsswasserschwämme bestimmte Regionen abgrenzen zu wollen oder diese Arten in die bekannten zoogeographischen Gebiete einzureihen, stösst auf Schwierigkeiten. Denn bisher ist nur von einem sehr kleinen Theil der Erde die Süsswasserschwamm- fauna genauer bekannt, nämlich von Deutsehland, England, Frankreich, Oesterreich-Uugarn, Russland, dem Baikalsee, Sumatra, Celebes und Nordamerika. Von anderen Ländern hat man angefangen einzelne Theile auf ihre Süsswasser- schwammfauna hin zu untersuchen, Indien, Japan, Deutsch- ostafrika, Südamerika und Australien. Wenn unter den 82 bisher beschriebenen Arten allein 38 nur von je einem einzigen Fundorte bekannt sind und wenn weitere 32 Arten nur ein beschränktes, zum Theil sehr kleines Verbreitungs- gebiet haben, so lässt sich wohl daraus folgern, wie unvoll- kommen unsere Kenntniss der Süsswasserschwammfauna in ihrer Verbreitung überhaupt ist. Während man noch vor wenigen Jahren nur einige Arten kannte, denen eine weitere Verbreitung zukommt, hat sich diese Zahl jetzt auf 12 erhöht. In Deutschland kamen 5 Arten von Süsswasser- schwämmen vor. — Am Schluss der Arbeit bittet der Verfasser, ihm durch üebersendung von Material an Süsswasserschwämmen aus allen Gegenden und Ländern zu einer umfassenden Arbeit behülflich sein zu wollen. (Berlin, Königl. Museum für Naturkunde, Invalidenstr. 43). Eine Anleitung zum Sammeln und Conserviren derselben hat Dr. Weltner anderwärts gegeben : (Berlin 1894. R. Friedländer & Sohn). Hier sei kurz daraus erwähnt, dass man einen Schwamm ganz, wenn er zu gross ist, theilweise aus dem Wasser sofort in 80 — 90% Spiritus bringt oder, wenn solcher nicht zu haben ist, an der Luft vorsichtig trocknet. Bei jedem gesammelten Schwamm ist Fundort, Datum, Farbe und Tiefe des Standortes genau zu notiren. R. XI. Xi Xaturwissensc'hartliche AVochenschrift. 145 Entstehung des Honigthaus. — Die „Revue scien- tifique" berichtet über die Mittheiluugeii, welche Gaston Bomiier, Professor der Botanik an der Sorbonne zu Paris, der .Societe de biologie über den Honigthau ge- macht hat. — Mit dem Namen Honigthau bezeichnet mau bekanntlich die zuckerhaltige Substanz, welche auf den vegetativen Theilen der Pflanzen, besonders der Bäume, unter gewissen Umständen entsteht. Namentlicii in den heissen Sommermonaten fällt derselbe von den Bäumen und überzieht alle darunter befindlichen Gegenstände mit einer glänzenden Decke. Wenn der Sommer sehr heiss und trocken ist, wie z. B. in den Jahren 1885 und 1893, fällt der Honigthau besonders reichlich und liefert den Bienen eine beträchtliche Ernte. Man hat viel über die Entstehung des Honigthaus gestritten [das Geschichtliche dieser Frage hat Büsgen in der „Jenaischen Zeitschrift für Naturwissenschaften" 1891 behandelt*)]. Manche sehen in dem Honigthau ein Product, welches direct als Ausschwitzung der Blätter entsteht; andere sind im Gegentbeil der Meinung, dass derselbe stets durch Blatt- und Schildläuse hervorgebracht wird, welche die Blätter angreifen und den grösseren Theil der süssen Flüssigkeit, die sie aufgesogen haben, wieder von sich geben. Bounier hat schon früher Mit- theilung gemacht („Die Nectarien" in Ann. scient. nat. Bot. 1879, S. 65) über zwei Arten von Honigthau, von denen der eine durch Blattläuse, der andere, seltenere direct durch die Pflanzen hervorgebracht wird. Da aber gegenwärtig namentlich viele Entomologen den Honigthau für ein ausschliesslich animalisches Product ansehen, hat er seine Untersuclningen wieder aufgenommen und die- selben mit der peinlichsten Sorgfalt durchgeführt. Unter gewissen atmosphärischen Umständen, beson- ders bei grossen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht, kann man auf den Blättern kein Insect ent- decken, und doch flndet mau auf denselben die süssen Tröpfchen, die nach Sonnenaufgang herabfallen. Eine directe Beobachtung unter Anwendung des Mikroskopes lässt nun erkennen, dass diese Flüssigkeit unmittelbar aus den Blättern stammt; denn wenn man die Blätter mit Löschpapier trocken wischt, sieht man bald aus den SpaltöÖ'nungen neue feine Tröpfchen hervortreten. Bon- nier hat diese Erscheinung constatirt bei Tannen, Fichten, Eichen, Espen, Pappeln, Erlen, Birken, Ahorn, dem Wein- stock, auch bei krautartigen Pflanzen, wie Hederich, Rauke, Scorzonera, Bocksbart u. a. Aus den verschiedenen Experimenten und der che- mischen Analyse, die der Autor gemacht hat, lassen sich folgende Schlüsse ziehen: 1. Obgleich die Blattläuse und Schildläuse zumeist die Ursache des Honigthaus sind, existirt doch auch Honigthau rein vegetabilischen Ursprungs. 2. Die Blattläuse erzeugen den Honigthau am Tage. Dagegen geschieht die Entstehung des pflanzlichen Honig- thaus während der Nacht und hört gewöhnlich am Tage auf; das Maximum der Production fällt in die Zeit des Sonnenaufgangs. 3. Die Bedingungen, welche die Erscheinung des vegetabilischen Honigthaus hervorrufen, sind kühle Nächte zwischen heissen, trockenen Tagen. Ein hoher Feuchtig- keitsgrad und Dunkelheit begünstigen die Production des Honigthaus. 4. Man kann auf künstliche Weise den Austritt der zuckerhaltigen Flüssigkeit aus den Spalt(irt"nungcn der Blätter hervorrufen, wenn man Zweige in Wasser setzt *) Büsgen hat sich nicht auf die geschichtliclie Seite be- schränkt, sondern ist der in Rede stehenden Frage durch experi- mentelle Studien nähergetreten. Vergl. über seine wichtigen Resul- tate die „Naturw. Wochenschr." Bd. VI (1891) S. 130—131. — Red. und sie in einem dunkeln Räume bei feuchter Luft auf- stellt; unter diesen Bedingungen können die Blätter Honig- thau hervorbringen, während die auf demselben Baume an den Zweigen sitzenden nichts erzeugen. 5. Obgleich die Bienen jede zuckerhaltige Substanz sammeln, wenn ihnen nichts Besseres zur Verfügung steht, so tragen sie doch, wenn sie die Wahl haben, immer von da ein, wo die süsse Substanz am besten ist. Wenn viele honigtragende Pflanzen blühen, so verschmähen sie den Honigthau, namentlich den durch Blattläuse erzeugten. Sie sammeln ihn aber ein, wenn es an honigtragendeu Blumen maugelt. 6. Die chemische Zusammensetzung des Honigthaus ist sehr verschieden. Der Honigthau vegetabilischen Ursprungs ähnelt mehr dem Nectar als dem Honigthau der Blattläuse. S. Seh. Migula's Bacterien- System. — Wohl auf keinem Gebiete der organischen Natur sind in den letzten Jahr- zehnten so zahlreiche, wichtig Entdeckungen gemacht worden, wie auf dem der Bacterienkunde. Nachdem man erst angefangen hatte, die pathogenen Formen dieser kleinsten Lebewesen zu studircn, musste sich ihnen ein so hervorragendes Interesse, namentlich von Seiten der Mediciner, zuwenden, dass es nicht verwunderlich er- scheint, wenn die Menge des Materials in der Bacterien- kunde schier ins Unendliche gewachsen ist. Wenn auch die Arbeiten der Medieiner von grosser Bedeutung sind, so haben sie doch für die biologische und systematische Auffassung der Gruppe nichts gethan, was woiil haupt- sächlich in dem Mangel an botanischer, überhaupt natur- wissenschaftlicher Schulung liegt, der die meisten dieser Bacterienforscher auszeichnet. Naturgemäss hat sich die Aufmerksamkeit der Botaniker deshalb von den Bacterien abgewendet; erst in neuester Zeit beginnt sieh wieder mehr das Interesse für sie zu regen. Unter diesen For- schern nimmt Migula mit den ersten Platz ein, da seine jahrelange Beschäftigung mit dieser Gruppe und seine gründliche botanische Vorbildung ihn in hervorragendem Maasse für baeteriologisch-botanisehe Arbeiten befähigt. Die Lieferung 129 der natürlichen Pflanzenfamilien*) enthält gleichsam einen Extract aus den Studien des Verfassers, und fasst unsere Kenntnisse in einer klaren und übersichtlichen Weise zusammen. Die Einleituug bringt in ihren verschiedenen Abschnitten die Uebersicht über die vegetativen und fructificativeu Zustände der Bacterien, über die Culturmethoden, über die bisher auf- gestellten Systeme u. a. m. Es liegt nicht in der Ab- sicht des Referenten, diese zum Theil sehr bekannten Thatsachen hier zu wiederholen; jeder, der sich für die Bacterien interessirt, wird diese Einleitung mit Vergnügen lesen. Namentlich den Herren Jledicinern sei sie em- pfohlen. Eine grosse Bedeutung gewinnt die Arbeit durch ihren systematischen Theil, weil hier ein System der Bacterien entwickelt wird, das sich im Gegensatz zu den Systemen (oder Bestinnnungsschlüsselu) der Mediciner als ein rein morphologisches darstellt. Zum Theil auf den alten Cohn'schen Einteilungen beruhend, berücksichtigt es zur engeren Theilung die durch die neuen Untersuchungs- methoden erst entdeckten Geissein, Gallerthüllen, Sporcn- bildungen etc. Es ist vielleicht für die Leser der Naturw. Wochen- schrift nicht ohne Interesse, wenn das Migula'sche System, das er in den Hauptzügen bereits vor Jahresfrist ver- öfl:entlieht hat, hier seinen Platz findet. *) Herausgeg. von A. Engler. Verlag von Wilhelm Eug^l- maun in Leipzig. 146 Naturwissenschaftliche WochciischriCt. XI. Nr. 1-2. Uebersicht der Familien. I. Zellen in freiem Zustand kugelrund, sich vor der Theilung nicht nach einer Kichtung in die Länge streckend. Zelltheilungen nach 1, 2 oder 3 Rich- tungen des Raumes 1. Coccaceae. II. Zellen kürzer oder länger cvlindrisch, sich nur nach einer Richtung des Raumes theilend und vor der Theilung auf die doppelte Länge streckend. a) Zellen gerade, stäbchenförmig ohne Scheide, un- beweglich oder durch Geissein beweglich 2. Bacteriaceae. b) Zellen gekrümmt, ohne Scheide 3. Spirillaceae. c) Zellen von einer Scheide umschlossen 4 . C h 1 a m y d 0 b a c t e r i a c e a e . d) Zellen ohne Scheide zu Fäden vereinigt, durch undulirende Membranen beweglich 5. Beggiatoaceae. 1. Coccaceae. A. Zellen ohne Bewegungsorgane. a) Theilung nach einer Richtung des Raumes L Streptococcus. b) Theilung nach zwei Richtungen des Raumes 2. Micrococcus. c) Theilung nach drei Richtungen des Raumes 3. Sarcina. B. Zellen mit Bewegungsorganen. a) Theilung nach zwei Richtungen des Raumes 4. Planococcus. b) Theilung nach drei Richtungen des Raumes 5. Plauosarcina. 2. Bacteriaceae. A. Zellen ohne Bewegungsorgane 6. Baeterium. B. Zellen mit Bewegungsorganen (Geissein). a) Geissein über den ganzen Körper zerstreut 7. Bacillus. b) Geissein polar 8. Pseudomonas. 3. Spirillaceae. A. Zellen starr, nicht schlangenartig biegsam. a) Zellen ohne Bewegungsorgane V. Spirosonia. b) Zellen mit Bewegungsorganen. 1. Zellen mit 1, selten 2—3 polaren Geissein 10. Microspira. 2. Zellen mit polaren Geisseibündeln 11. Spirillum. B. Zellen flexil 12. Spirochaeta. 4. Chlamydobacteriaceae. A. Zellinhalt ohne Schwefclkörnchen. a) Zellfäden unverzweigt. I. Zelltheilungen stets mir nach einer Richtung des Raumes 13. Streptothrix. II. Zelltheilung vor der Conidienbildung nach drei Richtungen des Raumes. 1. Zellen von sehr zarter, kaum sichtbarer Scheide umhüllt (marin) 14. Phragmidiothrix. 2. Scheide deutlich erkennbar (im Süsswasscr) 15. Crenothrix. 16. Cladothrix. 17. Thiothrix. b) Zellfäden verzweigt B. Zellinhalt mit Schwefelkörnchen 5. Beggiatoaceae. Einzige Gattung 18. Beggiatoa. Für die Synonymie sei noch Folgendes bemerkt. Zu Streptococcus rechnet Migula auch die bekannten Leuco- nostoc-Artcn, welche frtiher in Zuckerfabriken grossen Schaden anrichteten, indem sie die Zuckerpfannen in kurzer Zeit mit ihrem Schleim zu erfüllen vermochten. Zu Micrococcus zählt Diplococcus, Gonococcus, Strepto- coccus, Ascococcus, also alle jene gefährlichen patho- genen Arten, die theils Eiterbildung, theils schwere Er- krankungen hervorrufen können. Zu den Migula'schen Gattungen Planococcus und Plauosarcina werden eine An- zahl von Gattungen gestellt, die Winogradsky näher be- schrieben hat. Dahin gehören zu ersterer Gattung Thio- pedia, zu letzterer Thiocystis und Lamprocystis. In die grosse Gattung Baeterium gehören alle die- jenigen Stäbcbenbacterieu, die geissellos sind. Hierher sind eine Menge von gefährlichen Arten zu stellen, z. B. die Erreger des Milzbrandes, der Lungenentzündung, der Tuberculose, der Syphilis, der Diphtheritis, des Schwein- rothlaufes u. a. Zu Bacillus werden gestellt die Erreger des AVundstarrkrampfes, des Typhus, des Rauschbrandes, ferner der harmlose B. subtilis (der Heubacillusj, die Bacillen der Leguminosenknöllchen, B. amylobacter, den Vau Tieghem bereits für die Steinkohlenperiode nachge- wiesen haben will u. s. w. Aus der Gattung Pseudomonas seien erwähnt der Erreger des blauen Eiters (P. pyo- cyaneus), ferner die Winogradsky'schen Nitrosomouas- Arten; die meisten Specics bilden Farbstotie, die wegen ihrer Lebhaftigkeit auffallen. Zu Spirosoma gehört z. B. das S. nasale aus dem Schleim der Mund- und Nasenhöhle, Microspira schliesst den gefürchteten Commabacillus ein. Von Spirillum sind mehrere Arten seit langer Zeit bekannt, und häufig unter- sucht, z. B. S. Undula, S. volutans u. s. w. Zu Spiro- chaete gehört die bekannte S. Obermeieri, die den Rück- falltyphus erregt. Die Chlamydobacteriaceen bieten mehr dem Botaniker, als dem SIediciner Interesse; deshalb finden wir bei dieser Gruppe fast nur Botaniker als Untersucher, dasselbe ist auch mit den Beggiatoaceen der Fall. Näher auf die Eintheilungen der Gattungen und auf die Arten einzugehen, verbietet sich bei dem Umfange des Stoffes von selbst. Die Leetüre sei nur nochmals allen empfohlen, welche sich über die Lehren von den Infcctionskrankheiten unterrichten wollen; sie werden reiche Belehrung aus der Arbeit schöpfen. Den Medi- cinern aber sei sie empfohlen als eine wissenschaftlich- botanische Richtschnur, die bewirken möge, dass die so oft auf Abwege gerathenden bacteriologischen Arbeiten wieder sich mehr damit beschäftigen mögen, was als Grundlage aller weiteren Forschungen zu gelten hat, nämlich: Morphologie und Biologie. G. Lindau. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurde: Privatdocoiit Dr. ]{ussler an der tech- nischen Hochschule in Charlottenburg zum Professor. 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Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit Tollständigrer Quellenangabe gestattet. Der Abänderungsspielraum. Ein Beitrag zur Theorie der natürlichen Auslese. Von Otto A mm 0 11. (Fortsetzung;.) Kl innen, Eiu.seitiger Eingriff der natürlichen Auslese in den Abilntlenuigsspielrauni. Im Vorhergeiienden haben wir gesehen, wie die Variabilität wirken würde, wenn nicht noch ein einschränkendes Frincip ihr begegnete. Nunmehr wollen wir nach unseriu Programir. untersuchen, was vorgellt, wenn sclion durch die äusseren Lebens- bedinguiigcn irgend eine (Irenze für die Variabilität ge- zogen wird. Nehmen wir an, ein Organismus werde mit einem Male Bedingungen ausgesetzt, durch welche eine bisher nicht vorhanden gewesene Auslese statttindet. Dies kann z. B. geschehen, wenn wir eine Pflanze aus einem wärmeren Klima in ein kälteres versetzen; die- jenigen Individuen, welche die Kälte nicht ertragen werden dadurch sofort ausgemerzt. ( )der wenn wir Thiere an eine iimen nicht zusagende Nahrung ge- wöhnen wollen: diejenigen, welche vermöge ihrer indivi- duellen Beschaffenheit die neue Nahrung nicht ertragen, müssen sterben. In der nebenstehen- den Fig. 10 habe ich ange- nommen, diese Auslese enge den bisherigen Abänderungs- spielraum um V4 ein, d. h. sie vernichte diejenigen Indivi- duen, bei denen die Ausbildung oder Widerstandsfähigkeit von der unteren Grenze V bis etwa nach .1 sieh erstrecke, wenn VA = V4 UO ist. Die Auslese wird dann versinnlicht durch die Itei A stärker aus- gezogene Ordinate, welche das schraftirte Stück der Curve Fig. 10. Einseitiges Eingreifen der n.itür- liclien Auslese. {Nullpunkt /' der Ahscissenaxe weggelassen.) wegschneidet. Ein Blick auf die Figur lehrt, dass die Zahl der betioffenen Individuen dann lauge nicht ein Viertel aller beträgt; der Antheil der schraftirten Fläche an der Gesammttläche berechnet sich auf einen viel kleineren Antheil, der je nach der Gestalt der Gurvc, ob flacher oder spitzer, etwas schwankt. Die fSradsvertheilung der Individuen wird nun mit einem Male eine andere; sie wird durch eine zusammengesetzte Linie ausgedrückt, die bei A senkrecht zur Abscissenaxe iu die Höhe steigt, bis sie die frühere Curve erreicht, um alsdann mittelst einer Ecke in diese überzugehen. Diese Ecke würde sich iu der nächsten und in allen folgenden Generationen wieder- holen, wenn eingeschlechtige Fortpflanzung bestünde oder wenn bei zweigcschlcchtiger Fortpflanzung immer nur männliche und weibliche Individuen gleicher ()rdinaten sieh paarten. Dann wäre anzunehmen, dass die Nacli- koiumen ganz die nämliche Vertheilung zeigten, wie die Eltern, nur wären alle Ordinaten in dem Verhältniss zu ver- grössern oder zu verkleinern, dass die Fliu he wieder gleich 100 wird. In Wirklichkeit bestellt jedoch bei den meisten und namentlich bei allen höher organisirten Arten ohne Ausnahme die z weigeschleehtige F()rti)flanzung mit freier Paarung. Es kann sich jedes beliebige männ- liche Individuum irgend einer Ordinate mit irgend einem weiblichen einer andern Ordinate zusammenfinden. Durch den Wegfall der Individuen, die den .schraffirtcn 'riicil der eingeschlossenen Fläche füllten, wird die relative Zahl der bei und über Mittel gelegenen Eltern vermehrt und der Scheitel der Curve der Jungen etwas nach rechts geschoben. Zu gleicher Zeit niuss sich der Scheitel eut- sprcchend heben, da der Abänderungsspielraum eingeengt ist 150 Naturwissenscbaftliche Wochenschrift. XI. Nr. n. inul dieGesaniiiitfläche der neuen Curve die nämliche l)leiben soll. Selbstverstilndlich wird auch das Durchschnitts- maass etwas grösser. In der jungen Generation wird sich ferner die Variabilität geltend machen, d. h. die neue Curve wird um den Betrag (K\ über die alte 01)er- greuze hinausreichcn. An der Untergrenze ist die Varia- bilität gleich gross anzunehmen, sodass Jj U^ = OOi wird; dennoch wäre es ein Irrthuni, die neue Curve bei CT, in die Abcissenaxe einmünden zu lassen, denn mau würde dabei die Rückschläge vergessen. Da sich unter den Vorfahren solche befinden, deren Organisations- höhe bis auf die alte Uutcrgrenzc T zurückgeht, können Rückschläge bis zu dieser Grenze stattfinden, d. h. der untere Einniündungspunkt der Curve Ii\ muss mit dem alten Grenzpnnkte U zusammenfallen. Immerhin sind Rückschläge verhältnissmässig selten, daher wird die Curve von ü bis Ä ziemlich nahe an der Abscissenaxe hinziehen. An der oberen Grenze giebt es keine Rück- schläge, weil kein Vorfahr über 0 hinausgegangen ist; die neue Curve vereinigt sich daher hei 0, mit der Ab- scissenaxe. Ihr ganzer absteigender Schenkel verläuft wegen der Variabilität rechts von dem der alten Curve. Gäbe es keine Rückschläge und keine Variabilität, so läge der Scheitel der neuen Curve in der Ordi- nate des Schwerpunktes des verstümmelten, zwischen A^ und (> von der ausgezogenen Curve eingeschlossenen Flächenstückes. Denn für jedes Elternpaar, welches durch zwei gleich grosse Flächen- elemente bei verschiedenen Ordinaten dargestellt wird, gipfelt die Curve der Jungen in der Mitte des Ab- standes, also in dem gemeinsamen Schwerjjunkte der elterlichen Flächenelemente. Im gemeinsamen Schwer- punkte aller Flächenelemente, d. h. in dem Schwer- punkte der übrig gebliebenen Gesammtfläche, muss daher die höchste Erhebung der neuen Curve stattfinden. Die unberechenbaren Einflüsse von Rückschlag und Varia- bilität bewirken, dass dies nur ungefähr zutrifft. Hier haben wir nun die dritte Art, wie asj'm- metrische Curvcn entstehen können, nämlich durch die natürliche Auslese, welche bewirkt, dass den zwischen A^ und 0 gelegenen elterlichen Individuen die Paarungs- möglichkeiten mit den durch das weggeschnittene Dreieck vorgestellten Individuen fehlen. Die Fruchtbarkeit ist für alle Paare als gleich, die Variabilität nach beiden Seiten ebenfalls als gleich angenommen. Immerhin muss die asymmetrische Curve eine stetige sein und den Combinationsgesetzcn unterliegen; daher ist anzunehmen, dass auch sie der in dem erwähnten Sinne modificirten Gauss'sehen Formel entspricht. Mein erster Gedanke war, dass vielleicht bloss der Coüfficient // auf der linken Seite der höchsten Ordinate ein anderer sein werde, als auf der rechten; aber dann würde sich im Scheitel ein sprungweiser Uebergang der Krümnningsradien ergeben, wozu keine Ursache vorhanden ist. Die Bedingung der Stetigkeit kann nur dadurcii erfüllt werden, dass Y oder /(. oder beide in irgend einer Weise von x abhängig sind, was durch den Wegfall der soeben bezeichneten Paarungsmöglichkeiten annehmbar erscheint. Indessen habe ich mich nicht weiter in das mathematische Problem vertieft, weil eines Thcils dasselbe zu verwickelt ist, andern Thcils es vollkonunen genügt, zu wissen, dass a.synnnctrische Curven aus der Gauss'sehen Formel ab- geleitet werden können, wenn die Constanten zu Funk- tionen irgend welcher Art von .r werden. In diesen Funktionen wären zum Ausdruck zu bringen: 1. die PaarungsuKiglichkeitcn mit Weglassnng des al)gesehnit- tcnen Dreieckes, 2. die in den Jungen" ungleiciier Eltern auftretenden Combinatioiien mit Einbeziehung der Varia- bilität und der Rückschläge, 3. die Summiruug aller auf gleiche Al)scissen fallenden Ordinaten dieser Curven für sämmtliche Paarungsmöglichkeiten, endlich 4. die verhält- nissmässige Verkleinerung dieser Ordiuaten-Summen, so- dass die von der neuen Curve eingeschlossene Fläche wieder so gross wie vorhin, nämlich = 100 Vo wird. Das wäre wohl eine Preisaufgabe für einen Mathematiker erster Klasse, einen praktischen Werth hätte jedoch das Ergebniss nicht, da die Constanten der Vei'crbungscurve unbekannt sind und bleiben. Zum Glück bedürfen wir der theoretischen Lösung nicht zur Fortsetzung unserer Betrachtungen, für welche die emjiirischcu Curven genügen. Verfolgen wir nunmehr den Verlauf weiter an der Hand unserer Fig. 11. Durch die nimmer rastende natürliche Auslese wird von Neuem das zwischen /?; und A^ befindliche schraffirte Dreieck wegge- schnitten und der Prozess be- ginnt von vorne, sodass der Scheitel der Curve in der dritten Generation sieh noch ein wenig erhebt, und ebenso wie auch der obere Grenzpunkt noch etwas nach rechts rückt. In den folgenden Generationen wird die obere Grenze in Folge der spontanen Variation weiter und weiter nach (_'urven der Eitern uml (ler.Tunseil bei fortdauerndem einseitigen Ein- greilen der natUrliclien Auslese. (P weggelassen.) rechts geschoben, der Scheitel der Curve wandert langsam nach, weil an der unteren Grenze immer das Variabili- täts-Dreieckchen weggeschnitten wird. Bleibt die untere Grenze im ganzen Verlauf unverrückt, so muss ein Zeit- punkt kommen, von dem an der Scheitel der Curve wieder sich senkt, da die Curve sich mehr und mehr in die Länge streckt, aber dennoch immer den näm- 100%, liehen Flächenraum, nämlich den Ausdruck von darstellen soll. Aufwärtsrückende untere Grenze der natür- lichen Auslese. In dem Beispiel des v(u-hergehenden Absatzes haben wir angenommen, dass die untere Grenze der natürlichen Auslese unverrückt bleibe. In vielen Fällen ist dieselbe in der That eine feststehende. Es kann jedoch auch vorkommen, dass die untere Grenze nochmals ein Stück nach oben rückt. Dies wäre der Fall, wenn wir die vorhin erwähnte Pflanze, die wir aus einem wärmereu Klima in ein kälteres versetzten, nun in ein noch kälteres bringen würden, um sie etappen- mässig zu acclimatisiren. Es fragt sich nun, was in diesem Falle geschieht. Neh- men wir an, dass die Grenze sieh abermals um ein Viertel des ursprünglichen Abände- rungsspielraumes, also in Fig. 12 von Jlj bis zur Mitte der anfänglichen Curve vorschiebe, sodass Ao mit dem früheren J\[ zusammen- fällt, dann bleibt wohl kein Zweifel über die beiden Tliatsachen, dass der Schei- tel der Curve für die nächste Generation nicht nur noch weiter nach rechts rückt, sdudern auch sich noch liedeutend erhebt. Denn durch den Wegfall der schraffirten ganzen schlech- ten Hälfte der ursprüng- lii'licn Eltei-n und die Versclimälenin Spielraumes müssen sich tlie Jungen ö«4 Fig. 12. Ani'wiirtsriiciiende untere (Iren/.e der natiirlielien Auslese; Asymmetrie und ICrluihung der Curve. des Aliäuderiings- noch weit mehr, und XI. Nr. 13 Naturwissenseliai'tliclic Woclicnsclirif't. 1.51 zwar wieder uiij^cfiUir in der Ordinate de.s Schwerpunlvtes der iil)rig' gebliebenen Fläche, also ziendieli nahe bei dem früheren Mittel, jedoch rechts von demselben und auch rechts von //i, etwa bei 11., zusammendrängen. Wir erhalten die in Fig. 12 strichpunUtirte Linie, die eine unverkennbare Aehnlieldvcit mit der asynunetrischen Curve Fig. 5 besitzt. Die beiden andern Curven, die gestriciielte und die aus- gezogene, siud Wiederholungen der Stadien von Fig. 11. Es fragt sich nur, wie weit wir den Punkt B^, an dem die neue Curve sich mit der Abscissenaxe vereinigt, nach links rücken sollen. Da unter den Vorfahren sich solche befanden, deren Abänderungssj)ielraum bis zum Funkte /i\ bezw. (' ging, möchte man geneigt sein, den Punkt H., mit R^ zusammenfallen zu lassen. Nunmehr ist aber wieder zu bedenken, dass das dauernd waltende Ein- greifen der natürlichen Auslese eine Befreiung des Keim- ])lasnias von den ältesten Eückschlagstendenzeu, eine „Keimes-Auslese" nach Weisniann hervorbringt, wodurch die untere Grenze der Rückschläge ebenfalls nach oben rückt. Die liückschläge ein- zelner Organe scheinen weiter hinabzugehen, als die des Gesammtorganismus; so z. B. giebt es bisweilen Pferde mit dem gespaltenen Hufe des tertiären Hipi)arion, und beim Menschen treten gar nicht selten überzählige Brust- warzen auf, die als Erbstücke aus der Periode des mehr- zitzigcn Häugethieres anzusprechen sind. Aber niemals wurde beobachtet, dass ein Junges in seiner Gesammt- organisation auf eine Vorstufe der Species zurück- gegangen wäre. Die betreffenden Anlagen im Keini- plasma sind durch die wechselnden Combinationen und durch die wachsame Polizei der natürlichen Auslese theils zerstreut, theils beseitigt. Die Vorsicht gebietet daher, dass wir den Punkt It^ nicht mit Ä, zusanmienfallen lassen, sondern ihn zwischen f/, und 7/, anbringen. Denn jedenfalls muss der Betrag der Rückschläge grösser sein als der der Varialnlität, .4, ii'o > yl; (/j. Aus der strichpunktirten Curve erkennt man noch eine wichtige Thatsaciie. Die obere Grenze wandert durch die spontane Variabilität innuer weiter nach rechts, aber die Schnelligkeit, mit welcher diese Erweiterung des Abänderungsspielraunies vor sich geht, ist nur durch die Gesetze bestimmt, denen die Keimesvariation unterliegt, und ganz unabhängig von dem Vorrücken der unteren Grenze, also von der natürlichen Auslese. Mit andern Worten: die Natur lässt sich die Erzeugung iiervorragender Individuen nicht vorschreiben. Durch das Wegschneiden der schlechten Varianten an der unteren Grenze kann man nur die Menge des Mittelgutes vermehren, aber an der oberen Grenze, wo die Ijesten Exemplare in der fraglichen Eigenschaft entstehen, hat die Vcischiebung der unteren Grenze al)solut keinen Einfluss. Man muss der Variabilität Zeit gewähren, um Fortschritte zu machen; sie lässt sich nicht durch die Peitsche aus ihrem Trab bringen. Daraus folgt des ferneren, dass die Variabilität nur dann eine Anpassung bewirken kann, wenn die untere Grenze der Auslese nicht zu rasch vorrückt, (lesetzt, dieses Vorrücken erfolge so schnell, dass der in Fig. 12 auf der Abscissenaxe nach rechts wandernde Punkt .l, , A., . . . der die Grenze der natürlichen Auslese bezeichnet, früher nach einem weit rechts gelegenen Punkte .>■ gekonmien ist, als die Ivcimcs- variation den nämlichen Punkt erreicht iiat, dann muss die Art erlöschen, weil eine Curve nicht mehr möglich ist. Das Aussterben der Arten hat also immer den Grund, dass entweder die äusseren Lebensbedingungen sich zu schnell, oder die Keimesanlagen sich zu langsam änderten, um einer Anpassung Zeit zu lassen. Diese Erwägungen bestätigen die Richtigkeit und die Tragweite der von mir neu aufgestellten Theorie eines der natürlichen Aus- lese entzogenen Abänderungsspielraums. Es muss immer ein solcher Spielraum vorhanden sein. Mit ihm würde die Art selbst von der Erde verschwinden. Von beiden Seiten eingreifende Auslese. Nachdem wir oben gesehen haben, dass die Curve ledig- lich vermöge der Kcäniesvariationen ihre obere Grenze iunxier weiter nach rechts zu rücken sucht, wobei der Scheitel der Curve ebenfalls, nur um einen kleineren Be- trag nach rechts verschoben und zugleich herabgedrückt wird (die allmähliche Vertlacliung und Streckung der Fig. 13. SLillstehemlc untere (Ireiize mit uiiEehiiuierter Variatiou uach der oberen .Seite Verflaeliiing iler Curve- Curve ist in Fig. lo aus den Uebergangsstadien I, 11, , müssen wir uns die Frage vor- ob dies nun bis zur völlii>-cn Niederdrückung der III und IV zu ersehen legen Curve in die Abscissenaxe hinein, ähnlich wie in Fig. 11, weitergehen werde? Wenn kein Hinderniss ent- gegentritt, wird dies allerdings geschehen, d. h. die höheren Grade von Ausbildung werden immer häufiger, einzelne derselben immer vollkomme- ner, die mittleren Grade immer seltener werden. In Wirklichkeit wird jedoch die Vervollkommuuug ins Unendliche auf Hindernisse stossen. Diese können von verschiedener Art sein, wor- über nachher noch gehan- delt werden soll. Setzen wir hier einfach den Fall, die Streckung der Curve begegne bei einem bestimm- ten Punkte der Abscissen- axe ff] einer Schranke, bei welcher die natürliche Aus- lese eintritt und die weitere Ausdehnung hindert, indem sie alle über den Punkt a. Zweiseitiger Eingritr der natürlichen , . .. , ,. .' Auslese; Icndeuz zur Erhöhung der hniaUS variircnden IndlVl- Curve uud zur Wiederherstellung der ducn ausmerzt. In Fig. 14 Symmetrie. ist die Curve II der Fig. 13 wiederholt (gestrichelt). Wir haben nun denFall, in welchem die Aus- lese eine obere und eine untere Grenze setzt. Was wird gescheheu? Wie schon gesagt, werden alle über die Grenzen hinausgehenden Varianten beseitigt und der Abänderungsspielraum besitzt von nun an eine un- veränderliche Grösse AiCii, früher mit U() bezeichnet. Da die gestrichelte Curve asymmetrisch ist, fallen mehr Individuen über die Ordinate der grössten Häutigkeit als unter dieselbe. Dies wird zur Folge haben, dass (kurz ausgedrückt) in der nächsten Generation mehr Nachkommen von der gröisscrn guten Hälfte vorhanden sind, als von der kleineren schlechten, dass also der Durchschnitt sich hebt und dass der Scheitel der Cnrve ebenfalls höher wird, indem er zugleich etwas auf die rechte Seite hinüberrückt, ungefähr dem Schwerpunkt der übrig gebliebenen Fläche entsprechend. Es wird eine Curve entstehen, welche der strichpunktirten ähn- lich sieht. Das an beiden Greuzpunktcn fortdauernde 152 Natnrwissenschat'tliclie Woclieiiscliiift. XI. Nr. 18. Wegschneiden der über die Grenzen biniuisgehendeu ex- tremen Varianten bringt die Tendenz hervor, das Mittel- gut relativ zu vermehren, die Curve in jeder Gene- ration höher zu machen, als sie in der vorhergehen- den war, und dieses Bestreben findet seine Schranke ent- weder in der Variabilität, welche der Anhäufung der Individuen auf einer Ordinate entgegenwirkt, oder in der Untheilbarkeit der Grundelemente, aus denen der Or- ganismus sich aufbaut. Welches dieser beiden Prin- cipien im einzelnen Falle maassgebend sein wird, lässt sich ohne Kenntniss der näheren Verhältnisse nicht aus- sprechen. Sicher ist jedoch, da.ss ein Bcharrungs- zustand der Curve eintreten nntss, den ich durch die ausgezogene Linie in der Fig. 14 darzustellen suchte. Es ist nicht zu verkennen, dass bei der Umgestaltung der Curve auch ein Bestreben besteht, durcli die zwei- gesehlechtige Fortpflanzung die verloren gegangene Symmetrie wiederherzustellen. Jedoch geschieht das Wandern des Scheitels nach rechts immer lang- samer und langsamer, denn je näher die höchste Ordinate der Mitte rückt, desto geringer wird der Unter- schied der guten und der schlechten Hälfte, desto ge- ringer das Uebergewicht der guten Seite bei der Er- zeugung der folgenden Generation. Die Gestalt der Curve an den beiden Grenzjjunktcn trägt auch etwas zu der Verschiebung des Scheitels nach der gedachten Sym- nietrieaxe bei. Wir nehmen natürlich den Betrag der Varialjilität an beiden Enden gleich gross an, dann sind zwar die Grundlinien der wegfallenden Variationsdreieck- chen gleich, die Höhe jedoch ist an der Untergrenze grösser, als an der Obergrenze, somit auch der Flächen- inhalt und der Einfluss der fehlenden Baarungsmöglich- keiten. Dieser Umstand bewirkt eine Verschiebung des Curvenscheitels nach der Mitte des Abänderungsspiel- raumes, aber ebenfalls mit abnehmender Kraft, je näher die Curve an das Ziel gelangt, und ausserdem wirkt die Tendenz zu Rückschlägen entgegen. Die vollständige Herstellung der Symmetrie erfordert daher jedenfalls eine sehr lange Zeit. Die durch die natürliche Auslese verursachte Asymmetrie der Häufigkeitscurve besitzt einen andern Charakter als die früher betrachtete, welche von grösse- rer Fruchtbarkeit der Individuen auf der einen oder andern Seite der Curve herrührt. Letztere Asymmetrie strebt darnach, von einer Generation zur andern zuzu- nehmen, während wir hier sehen, dass die Dauer der Asymmetrie eine vorübergehende ist. Sie währt nur so lange, als eine Auslesegrenze beweglich bleibt. Bei still- stehenden Auslesegrenzen äussert sieh das entgegen- gesetzte Bestreben, die Symmetrie wiederherzustellen. Auch die Asymmetrie, welche von ungleicher Keimes- Variabilität nach einer bestimmten Richtung hin her- vorgebracht wird, ist nur ein Uebergangsstadium, denn sie hängt ebenfalls von der Beweglichkeit mindestens einer der beiden Grenzen der Personal-Auslese ab. Das Pro- blem der ungleichen Keimes- Variabilität Inauchen wir darum für jetzt nicht weiter zu verfolgen, da es sozu- sagen schon in dem des Eingriffes der natürlichen Aus- lese enthalten ist. Das Vorrücken einer Grenze der Per- sonals-Auslese ruft die Germinal-Selektion hervor, der Stillstand jener Grenze stellt die Synnnetrie der Keimcs- Variation wieder her. In diesem Punkte verhält sich die von ungleicher Keimes-Variation herrührende A.synnnetrie der Curven ganz ähnlich, wie diejenige, die von der natürlichen Auslese bedingt ist, während sie ihrem Wesen nach eigentlich mit der von ungleicher Fruchtbarkeit abhängigen zu vergleichen wäre: denn was ist die un- gleiche Keimes- Variabilität anderes, als eine ungleiche Vermehrung oder „Fruchtbarkeit" der betreffenden Deter- minanten des Keimplasmas — oder wie man sonst diese kleinsten organischen Theile nennen will'? Aber im Keime ist die ungleiche Fruchtbarkeit der Theile durch die Personal- Auslese beherrscht und besitzt keine Selbst- ständige Existenz. Andere Ursachen der Asymmetrie wüsste ich nicht anzugeben. Wenn wir bei unsern Untersuchinigen auf asynmietrische Curven stossen, so ist zunächst die Frage zu beantworten, ob dieselben von ungleicher Fruchtbar- keit herrüln'cn können, Ist dies zu verneinen, so linden wir uns zu der Annahme genöthigt, dass die Ursache in dem Vorrücken einer Auslcsegrenze zu suchen ist, welches in doppelter Weise, unmittelbar durch die Per- sonal-Auslese und mittelbar durch die Germinal-Selektion auf die Asynnnetric hinarbeitet. Natur der Ursachen, welche die beiden Gren- zen des Abänderungsspielraunies bestimmen. Die untere Grenze, bei wclclicr die natürliche Auslese einsetzt, ist in den meisten, vielleicht in allen Fällen, durch die physiologische Leistungsfähigkeit der Orgaue bezw. Anlagen bedingt. Individuen, deren Sehschärfe, Gehör, Bewegungsfähigkeit, Härte gegen äussere Ein- wirkungen, wie Kälte oder Hitze, unter dem nothwen- digen Maasse bleibt, werden durch die Auslese aus- gemerzt. Die Grenze ist also hier leicht zu begreifen. Bei der ol)eren Grenze ist die Sache etwas verwickelter. Ich bin der Meinung, dass in sehr vielen, vielleicht den meisten Fällen, die obere Grenze der Vervollkonnnnung eines Organes oder einer sonstigen Eigenschaft durch die Keimcs-Auslcse im Sinne Weismann's gesetzt wird; der „Kampf der Theile im Organismus" nach Ronx genügt zur Erklärung nicht, wenn seine Wirkung bloss den Kör- per trifft, also nicht vererbt wird. Diese Grenze wird in den einzelnen Fällen sehr verschieden hoch liegen. Die Anlage irgend eines Organes kann sich nicht bis ins Un- endliche ohne Rücksicht auf die Anlagen der ül)rigen Organe vervollkommnen, weil es diesen sonst zum Nach- theil des Individuums Stoff und Kraft in einem Maasse entziehen würde, welches sie mit Verkünnnerung bedroht. Da aber die VervoUkomnmung mancher Organe ohne grossen Aufwand au Stoff und Kraft geschehen kann, lediglich durch die Art der Gruppirung der Zellen oder feineren Elemente, so wird in solchen Fällen die (Srcnzc der Vervollkonnnnung viel später erst erreicht werden, als bei solchen Organen, deren Vervollkommnung nur durcli einen bedeutenden Massen- und Energiezuwachs möglich ist. Letztere werden daher viel bälder an der Grenze ihrer Entwickelungsfähigkeit angelangt sein, als crsterc. Als Beispiel für diese sei das Auge, für jene das Gehirn angeführt. Das Auge hat einen sehr hohen Grad v(m Vervollkonnnnung erreicht, vielleicht weil es kein massi- ges Organ ist, und auch das Gehirn erweckt durch seine Leistungen unsere Bewunderung; aber hier scheint doch schon eine ausgeprägte Schranke zu bestehen, welche das weitere Grösscnwachsthum des Gehirns verhindert. Ein noch besseres Beispiel bieten die Muskelsysteme ein- zelner Organe, die in der Zunahme ihrer Massen augen- scheinlich beschränkt sind durch die Bedürfnisse anderer, ebenso wichtiger Organe. Die beiden letzten Beispiele leiten uns schon zu der Erkenntniss hinüber, dass das Ernährungsbedürfniss nicht das einzige an der oberen Grenze wirksame Princip ist. Häufig schreibt die zweck- mässigste Ani)assung an die äussern Bedingungen selbst eine obere (Frenze der Ausbildung in einer bcslimmten Richtung vor. Beim Auge ist dies nicht der Fall; wenig- stens scheint mir, dass das Sehvernnigen niemals zu gut sein kann. Je besser es wird, desto mehr schützt und fördert es seinen Besitzer. Anders schon beim Gehirn. Von der Grösse des Gehirnes ist die des Schädels ab- XI. Nr. 13. Naturvvissensclial'tliclie Woclienschrift. 153 liäDgig. Der Kopf darf aber niclit eine gewisse Verhält- nissgrösse überschreiten, sonst wird er dem Träger in mancher Hinsicht nachtheiiig. Schon durch seine Hciiwere, die die Fortbewegung beeinträciitigt, dann aber durcli die vielen Angriifspunkte, die er Feinden darbietet. Noch deutlicher offenbart sich die verschiedene Natur der obe- ren Grenze bei den Extremitäten. Beim Vicrfüssler sind die Vorder- und Hinterl)eine gleich lang, beim Menschen hingegen die Beine weit länger als die Arme, in Folge von Anpassung an verschiedene Aufgaben. Es war beim aufrechten Gange gewiss von grossem Vortheil für die raschere Fortbewegung, lange Beine, welche weites Aus- schreiten ermöglichen, zu besitzen, und daher wurden die längeren Varianten erhalten, die kürzeren ausgemerzt. Es wäre jedoch ein Intiium, zu glauben, die Beine müss- ten um so vortheilhafter sein, je länger sie werden. Die Weite des Aussehreitens bedingt nicht allein die Schnel- ligkeit der Fortbewegung, sondern dazu gehört auch noch die entsprechende Kraftentwickelung. Der Hebel- arm der Last wächst mit der Länge der Beine, während der Hebelarm der Kraft, d. b. der Ansatz der Muskeln, nicht in dem gleichen Jlaasse fortschreiten kann. Das Verhält- niss wird also ein immer ungünstigeres, je länger die Beine werden. Die uöthige Kraft muss durch Verstär- kung der Muskeln beschafft werden, dadurch wird aber die Jlassc der Beine grösser, das Gewicht schwerer, die Bewegung langsamer. Die Weite des Aussehreitens wächst mit der einfachen Länge proportional, der Muskel- querschnitt mit dem Quadrat des Durchmessers, das Ge- wicht mit der dritten Potenz irgend einer Liine. (Quadrat und Cubus nehmen in ungleichem Maasse, aber beide viel rascher zu, als die einfache Länge, und aus diesen rein geometrischen und mechanischen Principien ei'giebt sich, dass die Schnelligkeit der Fortliewegung bei einem be- stinnnten Compromiss zwischen Bciniänge und Muskel- (juerschnitt am grössten ist, bei weiterer Zunahme der Länge aber wieder abnimmt und zuletzt eine obere Grenze erreicht, welche von dem Kampf der Theilc im Organis- mus unabhängig ist. Jenseits dieser Grenze beginnt die Auslese. Wir haben also augenscheinlich bei den untern Extremitäten des Menschen eine untere und eine obere Grenze des Variationsspielraumes, die beide lediglich durch die zwecknülssigste Anpassung bcstinunt werden. Bei den oberen Extremitäten ist es anders, und dennoch ähnlich. Die Arme mussten kürzer und kürzer werden, damit sie die nöthige Muskelkraft durch Verringerung des Hebelarmes der Last ausüben konnten , denn nur dadurch wurden sie zu ihren mannigfaltigen Hantie- rungen tauglich. Aber auch hier fand die Verkürzung eine Grenze in der zweckmässigstcn Anpassung. Der Bereich, den ein bewegter Arm beherrscht, durfte nicht zu klein werden, weil sonst manche Verrichtungen und namentlich die Vertheidigung des Individuums unmöglich geworden wären. Auch hier giebt es einen Compromiss, eine zweckmässigste nuttiere Länge, um welche die In- dividuaifälle nach Maassgabe der Gauss'schen Formel herumschwanken. Grenzen des Abänderungsspielraumes bei den geistigen und sittlichen Anlagen. Die untere Grenze der Instinkte der Thiere und der Scelenaniagen des Menschen ist wieder bcstinunt dnrcii diejenige Leistungs- fähigkeit, welche eben noch hinreicht, um das Individuum den Kampf ums Dasein bestehen zu lassen. Bei der oberen Grenze verhalten sieh die einzelnen Anlagen ver- schieden in einer der vorhin besprochenen ganz ähnlichen Weise. Manche Anlagen können nicht hoch genug aus- gebildet sein, während andere beim Ueberschreitcn einer gewissen Grenze schädlich werden. Wer wünschte sieh nicht ein möglichst hohes Maass aller jener Anlagen, welche in die Wabrnehmungs- und Urtheilssphäre ge- hören? Beobachtungsgabe, Voraussiclit, Schlussvermögen, Klarheit des WoUens und verwandte Fähigkeiten erhalten ilu-eu Mann um so besser, je höher ausgebildet sie sind. Aber schon die Thatkraft hat eine obere Grenze, bei welcher sie zu Unbesonnenheiten oder gar zu einem abenteuernden, verlorenen Leben führt. Der an sieh in massigen Graden unentbehrliche Erwerbssinn wird in stärkerer Entwiekelung zur Fratze seiner selbst, zur Hab- gier, zum Eigennutz und Geiz. Es ist ähnlich bei den Familien- und Gesellschaftsbctrieben. Eine übermässige Liebe zu den Kindern, sogen. „Affenliebe" kann den Nachwuchs durch Verwöhnung und Verderl)niss aufs Höchste gefährden, und ein zu weit getriebener .Mtruismus wird dem Träger und dessen Familie verderblich, denn wer immer nur an Andere oder an das Gemeinwohl denkt, gewinnt selten den ihm gebührenden Platz im Leben. So sehen wir in diesen Fällen eine Grenze gezogen, bei welcher die natürliche Auslese beginnt. Dass aber auch hier ein versciionter At)änderuugsspielraum besteht, ist augenfällig Nach dem Gesagten lassen sich die Ur- sachen der Auslese wie folgt zusammenfassen: 1. Die untere Grenze des Abänderung.sspielraumes wird gezogen durch die Leistungsfähigkeit der einzelnen Organe, Seelenanlagen, oder bezw. des Individuums als Ganzes. 2. Die obere Grenze kann durch verschiedene Ursachen bedingt sein, nämlich: aj durch den Kamjif der Theilc im Organismus, den wir jedoch in die Keimsubstanz verlegen müssen, — In tralkanipf ums Dasehi; b) durch die Beziehungen zur Aussenwelt, zu welcher bei geselligen Arten die eigenen Stannnesgenossen nicht gerechnet werden — Extralkampf ums Dasein; c) durch die Beziehungen zu den Angehörigen des eigenen Stannnes bei geselligen Arten — Social- kampf ums Dasein. Bei der Rubrik b) lassen sich Unterabtheilungen machen, je nachdem die Ursachen in mathematischen, mechanischen, physikalischen, piiysiologischen etc. Gesetzen liegen, oder in örtlichen Verhältnissen, wie Klima, Er- nährung, mikro- und makroskopische Feinde. Auch c) unterliegt weiterer Unterscheidung, denn der Untergang eines Individuums kann entweder durch zu starke egoistische Triebe oder durch zu starke altruistische erfolgen. Wechsclbezieiiung der Keimes- und Personal- Auslese. Ein ausserordentlich wichtiger Punkt ist die Wechselbeziehung zwischen der Wirkung der natürlichen Auslese auf die einzelnen Organe und auf das Indivi- duum als Ganzes, mit andern Worten zwischen Germinal- und Personal-Selektion. Die Personal-Selektion wirkt da- durch, dass sie Individuen mit irgend einem oder mehreren unzulänglichen Organen beseitigt, auf die Kcimes-^'ariabi- lität ein, indem die Individuen mit den mehr nach der Plus-Seite variirenden Keimzellen erhalten werden und vermöge des stärkeren Wachsthums dieser Keimzellen fortfahren, Nachkonnncn her\orzubringen, welche mehr nach der Plus-Seite hin variiren. Dies geschieht so lange, bis andere wichtige Organe durch die Germinal Selektion henachtheiligt werden und dadurch Anlass zu einer neuen Personal- Selektion geben. Die obere Grenze der Germinal-Sclektion ist daher durch die Personal- Selektion bestimmt, die obere Grenze der Per- sonal-Selektion wenigstens in gewissen Fällen durch die Germinal-Sclektion. Das einzeitige Xov- wicgen der Plus- oder Minus- Variation im Keime hat die Beweglichkeit einer oder beider Grenzen der Personal- 154 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 13. Auslese zur Vdraussctzuni;-. IW'i stillstciieudeii (ircu/.cii der Personal-Auslese niüssen die A'ariationen, unserer ein- leitenden Annaiinie entsprechend, sich symmetrisch um die Mittellinie unserer Curve gruppireu. Mit anderen Worten: Nur hei in einer Umwandlung begriffenen Arten kann es einseitige Variabilität geben, feste Arten variiren nach beiden Seiten gleich. Die Germinal- und die Personal- Auslese bilden zwei Wagschalcn, die, auf- und abschwankond, immer wieder nacli der Gleichgewichtslage streben. Die Bedeutung des der Auslese entzogenen Abänderungsspielraumes. Aus dem Vorgetragenen ergiebt sich nun, dass der Abänderungsspielraum ganz allgemein in der Natur vorkonnnt und vorkommen muss. Es ist einerlei, ob ein Mensch eine Bein- und Armlänge etwas über oder unter Mittel hat, er ist dadurch im Kampf um die Erhaltung seines Lebens weder gefordert, noch beeinträchtigt, ganz so, wie ein stärkerer oder schwächerer Geschlechtstrieb für sich allein keineswegs über die grössere oder geringere Zahl der Nachkommen entscheidet. Nur dürfen die Beine nicht unter eine gewisse Minimallänge sinken, die Arme eine gewisse Maximallänge nicht überschreiten, sonst machen sie das Individuum un- tauglich zum Leben, und der Geschlechtstrieb darf nicht so schwach sein, dass die Fortpflanzung unterbleibt, aber auch nicht so stark, dass ein ungeordnetes Lehen die Folge ist. Die natürliche Auslese beseitigt bloss die extremsten Fälle und ül)crlässt der zweigcschlechtigen Fort- pflanzung, das Werk zu vollenden, welches darin be- steht, die an der unteren und oberen Grenze sieh be- wegenden Fälle durch Paarung mit mittleren seltener, die von mittlerer BescliatTenlieit ebendadurcli und ausser- dem durch die Paarung der Mehrzahl der mittleren unter sich häuliger zu machen, einen „Typus" herzustellen, wie sich dies durch das allmähliche llöherwcrden der Curve in unserer Fig. 14 ausdrückt. Die Rolle der zwei- geschlechtigen Fortpflanzung, vermöge deren die äussersten Fälle seltener werden, also die Auslese nicht mehr so oft Gelegenheit zum Eingreifen erhält, scheint mir eine sehr wichtige zu sein und soll nachher nocii eine be- sondere Betrachtung erfahren. Freilich kann und wird es nicht dahin kommen, dass die Auslese gewissermaassen in den Ruhestand tritt, aber doch nähert sie sich bis- weilen diesem Stadium, sodass die Menschen ihrer nicht mehr gewaiir werden und eine extreme V^ariantc, die nach den Gesetzen dei' Conibinationen dann und wann doch wieder einmal vorkommen muss, für eine „Almornii- tät", ein „Monstrum" ansehen, obwohl dieselbe sich noch innerhalb des verschonten Spielraumes befindet. Fiele die natürliche Auslese fort, dann würde statt einer Concentration der lndi\iducn eine Zerstreuung der- selben id)er den xcrnuigc der Variabilität immer mehr sich ausbreitenden Spielraum eintreten (Fig. 8 und 9), die Individuen würden sich inmicr unähnlicher, das Ty- pische verschwände. Eine wohlbegrenzte, feste, bestän- dige Art wird dadurch erzielt, dass eine lange Zeit hin- durch die Lebensbedingungen nn\crändert bleiben, dass alsd die beiden (Sren/A'u des Abändernn-sspit'lraumes un- verrückl stehen. Dann hebt sichderSchcitelderGurve imnu'r mehr, die beiden Arme an den Grenzen werden flaclier und flacher, d. h. die Individuen prägen ihre Merkmale gleichartiger, „typischer" aus. Eine solche Art hat daher die Eigenthümlichkeit, dass die meisten Individuen nur geringe Abweichungen von einander zeigen, oder richtiger gesagt, dass den „Typus" verleugnende Individuen sein- selten sind. Bei neuen Arten hingegen, selbstverständlicii auch bei neuen Varietäten, müssen Abweichungen vom Typus, die keine Rückschläge zu sein brauchen, häuliger Mirkiinmien. (Eciiter „Rückschlag" ist nur, was jenseits der Grenzen des Abändcrungsspielraumes fällt.) Dies ist eine alte Wahrheit in neuem, aber vielleicht klärendem Lichte. Eine ausserordentliche Bedeutung hat der Abände- rungsspielranm für das Gesell schaff sieben des Menschen. Unser ganzes verwickeltes sociales, wirth- schaftlichcs, künstlerisches und wissenschaftliches Leben beruht auf dem Vorhandensein eines Abänderungsspiel- raumes bei den körperlichen, geistigen und sittlichen An- lagen der Individuen. Der der Auslese entzogene Ab- änderungsspielraum gewährt erst den stärker und schwächer Begabten die Lebensmöglichkeit durch Arbeitstheilung und ist nicht nur die (Ti-nndlage unserer gesellschaftlichen Or- ganisation, sondern auch der starken Vermehrung unserer Art. Herrschte statt der Ungleichheit der Menschen eine grössere Gleichmässigkeit derselben, so mflsste die Gcscll- schaftsoi-ganisation viel einfacher sein und es könnten im Ganzen weniger Menschen leben als jetzt. Diese Gedanken sind nur eine folgerichtige Fortsetzung der- jenigen, welche ich in meiner „Gesellschaftsordnung" aus- geführt und in der graphischen Darstellung der Gesell- schaftspyramide Fig. 2, S. 8G des genannten Buches durch den wagrechten Strich „Grenze der Brauchbarkeit" versinnlicht habe. (Die Abscissenaxe ist dort senkrecht angenommen.) Die „Grenze der Brauchbarkeit" ist nichts anderes, als die untere Grenze der natürlichen Auslese. .\n dieser Grenze, d. h. im Proletariat, wüthet die natür- liche Auslese am grausamsten unter dem Menschen- geschlecht, während sie erst an der oberen Grenze die durch Talent und Genie hervorragenden Individuen ver- lolgt und dadurch mittelbar, wie wir gesehen haben, von beiden Seiten auf das Anschwellen des (ihnehiu schon grossen Bauches der Curve, auf die Erzeugung von Mittelgut hinariteitet. Dass das Mittelgut, welches weder durch hohe Begabung den Neid der Götter erweckt, noch von den Sehieksalsmächten im Elend verlassen ist, allen Fährliehkeiten des Lebens am besten widersteht und sich am stärksten vermehrt, ist eine allgemein bekannte Thatsache. Die grösste Vollkommenheit der Organi- sation und die beste Anpassung sind Begrittc, die oft als identisch gebraucht werden, es aber nicht sind. Die Organisation steht am höchsten bei den spärlichen Individuen, welche sich in der Nähe der oberen Grenze bewegen. Diese können aber nicht als die am besten Angepassten betrachtet werden, weil ein vorübergehendes llcraiirtickcn der oberen Grenze oder eine geringe Variation der Nachkommen genügt, um ihren Stamm der vernichtenden Auslese zu überantworten. Am besten an- gepasst ist im Beharrungszustand jedenfalls das am iiäuiigsten vorkonnnende Mittelgut, welches sich in ge- iiöriger Entfermmg von beiden Auslescgrenzen hält, dessen Organisation also auf den vortheilhaftesten Com pro missen beruht. So ist auch der am besten an- gepasste Mensch nicht derjenige, bei dem alle Begabungen auf die Spitze getrieben erscheinen, ebensowenig derjenige, dessen Fälligkeiten nur gci-ade noch hin- reichen, Hin iini zu erhalten, Sdudern der am liestcn An- ge|)asste isl der sogenannte Durchsehnittsmeiist'ii. Sowohl die grössten als die geringsten Begabungen entbehren der günstigsten .Vnpassung und erleiden bei jedem Schwanken iln-er Lebensbedingungen starke Verluste. Man begreift also leiciit, dass es in den höchsten und den niedersten Ständen besondeier Nachschül)e bedarf, um den Ausfall zu ersetzen: darum das „Aufsteigen" und der „Be- völkerungsstrom". Die Bedeutung der zweigcschlechtigen Fort- lifianzuug für die Ausbildung eines mittleren Typus. XI. Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 155 Weit mehr als die individuelle Variahilität trägt die Ver- mischung der Anlagen zweier elterlicher Individuen zur Bildung neuer, niitzliciier und schädlicher Conihinationcn bei, auf welche die natürliche Auslese wirkt. ich habe früher die Vorstellung gehabt, als müsse die zwei- geschlechtige Fortpflanzung auf eine grössere Ausdehnung des Abänderungsspielraumes hinwirken und als sei sie besonders wichtig für die Anpassung der Arten an neue Lebensbedingungen. Diese Auffassung erkenne ich jetzt als falsch. Die Mischung der Individuen kann nichts hervorbringen, was über die Grenzen des verschonten Abänderungsspielraumes hinaus- greift. Sie kann nur coud^iniren, was schon da ist, trägt also im Allgemeinen nichts dazu bei, dass eine Art der Verschiebung der Auslesegrenzcn, wie solche etwa durch klimatische oder sonstige Aenderungen der Lebens- bedingungen iier\orgerufen werden mögen, besser folgen kann. Die Anpassung an neue Verhältnisse geschieht im Allgemeinen nur durch die Keimesvariationen, wie Weis manu im Gegensatze zu der von Anderen ange- nommenen Vererbung erworbener Eigenschaften gelehrt hat. Nur wemi man sich denken könnte, dass die Anpassung durch den Eintritt einer Cond)ination vorhandener, aber nicht bei allen Individuen verbundener Keinieselemente erleichtert werde, würde die zweigeschlecbtige Fortpflanzung eine immerhin bescheidene Rolle dabei spielen können. Ob solche Fälle vorkommen, lässt sich nicht sagen. In der Hauptsache ist die Wirkung der zwcigesehlechtigen Fort- pflanzung eine andere: sie strebt darnach, den mittleren „Typus" einer Art innner schärfer herauszuarbeiten, mehr und mehr Individuen um eine durchschnittliche Be- schaffenheit zusannnenzndrängen, die Grenzfälle seltener zu machen. Meines Erachtens steht dies mit den An- schauungen Weismanns nicht im Widerspruch, sondern giebt nur eine Erlänterung zu denselben. Wie wir ge- sehen haben, sind bei allen Thierarten diejenigen Indi- viduen die am besten angcpassten, welche sieh in ge- höriger Entfernung von den beiden Auslesegrenzen halten; wenn nun die zweigeschlecbtige Fortpflanzung im Verein mit der doppelseitigen Auslese dahin wirkt," die Individuen dem mittleren Typus zu nähern, so ist dies das nämliche, was Weisniann nut den Worten aus- sprach: „die zweigeschlecbtige Fortpflanzung schafft möglichst günstiges Material für die natürliche Auslese." Sie vermehrt die Zahl der „angepassten" Individuen und vermindert die Zahl der Opfer,' welche der Auslese ver- fallen. Die Tendenz zur Herausbildung eines „mittleren Typus" ist eine ausnehmend wichtige, wir müssen aber stets eingedenk sein, dass sie an zwei Voraussetzungen geknüpft ist. Einmal muss eine do])pelseitige Auslese bestehen, welche der Variabilität an den beiden Grenzen Schranken setzt, denn im Kamjjfe zwischen der concen- trirendcn Tendenz der zwcigesehlechtigen Fortpflanzung und der zerstreuenden der ungehinderten Variabilität ist die letztere die stärkere. Mit jeder Verlängerung des Abänderungsspielraumes sinkt der Scheitel der Curve. Ferner ist die gleiche Fruchtbarkeit sämmtlieher Individuen in allen Theilen des Abänderungsspielraumes angenommen. Mit anderen Worten, ein „mittlerer" Tyjjus kann sich nur l)ei denjenigen Organen und Seelenaulagen ausbilden, welche mit dem I'ortpflanzung.sgesehäft im weitesten Sinne, die Jungenptlege mit cingeschIo.sscn, nichts zu thun haben. Bei allen Organen und Anlagen, welche die Fortpflanzung begünstigen, entstehen asym- metrische Cnrven, deren Scheitel sich nach der oberen (irenze drängt, und im umgekehrten Sinne asymmetrisch sind die Cnrven für diejenigen Organe oder Anlagen, welche der Vermehrung schädlich sind. Wir haben es bei asymmetrischen Cnrven mit einem „extremen" Typus im Gegensatz zum „mittleren" zu thun. In beiden Fällen findet die Erhöhung des Curvenscheitels ihre Grenze entweder in der Varialtilitäl, welche die An- häufung der Individuen verhindert, oder in der Untheil- barkeit bezw. endlichen Zahl der kleinsten Elemente aus denen der Organismus sich aufbaut. Das Gesetz der Herausbildung eines „mittleren" Typus gilt auch für den Menschen. Hier wäre aber dieses Ziel weit weniger zu wünschen, als bei den Thier- arten, denn nut der Annäherung an eine grössere Gleieh- mässigkeit würde das Menschengeschlecht viele Lebens- möglichkeiten, die sich aus der Difl'erenzirung und aus der Arbeitstheilung ergeben, ein für allemal einbüssen. Beim Mensehen sind daher besondere Einrichtungen von nöthen, um die Erzeugung geistig hoch- stehender Individuen zu gewährleisten, welche sonst zu Gunsten des Mittelgutes allmählich immer seltener werden würden. Diese Einrichtungen bestehen in der Bildung von Ständen und den Heirathen Gleichstehender unter sich, wenigstens der Regel nach. Dadurch, dass die Angehörigen geistig höchst- und hochstehender Familien ihre Gattenwahl auf ihresgleichen beschränken, wird der „Tendenz nach der Mitte" ein Gegengewicht geboten und (las Engerwerden der Begabungscurve in der Nähe der oberen Grenze vermieden. Das Bestehen von Ständen, einer Einrichtung, die von den Völkern instinctiv ge- schaffen wurde, und an der sie beharrlich festhalten nach dem Spruche: „Gleich und gleich gesellt sich gern", ist ein mittelbarer Beweis für die von mir behauptete Wirkungsweise der uneingeschräidvten zweigeschlechtigen Fortpflanzung. Die Ständebildung geschieht un- bewusst im allgemeinen Art-Interesse; die empor- gehobenen Individuen mögen sich einbilden, ein Vorrecht zu haben, und die andern mögen sie um ihre höhere Lebenshaltung beneiden : im Grunde w erden aber .jene ausgenutzt und geopfert für die Wohlfahrt aller Uebrigen, die ohne eine einsichtsvollere Leitung unmöglich bestehen könnten. Die Arbeitstheilung, auf der das Gesellschafts- leben des Menschen beruht, bringt es mit sich, dass ein Herabrücken der oberen Grenze ein grösseres Heraufrücken der unteren, also ein Zusammenschrumpfen des Ab- änderungsspielraumes, eine Verringerung der Lebens- möglichkeiten nach sich ziehen würde. Denn ohne geistig bedeutende Führer (Staatsmänner, Militärs, Unternehmer u. s. w.) müssen die Massen verhungern oder ihren Feinden erliegen. (Schluss folgt.) „Die Zoologie .seit Darwin" ist der Titel der Rede, die Ludwig von Graff bei seiner Inauguration als Rector magnificus der Universität in Graz gehalten hat. Der Verfasser betont zunächst die zündende Kraft der Lehre des grossen Naturforschers und ihren Einfluss „auf fast allen Gebieten geistiger Thätigkcit"; ihm scheint die Zeit „nicht mehr ferne zu sein, da man den Darwinismus ebensowenig als Parteisaehe betrachten wird, wie das Kopernikanische Weltsystem." Man könne daher leiden- schaftslos den Einfluss des Darwin'sehen Werkes auf die Entwickelung der Zoologie verfolgen. Da beim Eintreten desselben in die Wissenschaft die Botanik in weit höliereni Maasse als die Zoologie bereits ihren physiologischen Al)schnitt ausgebildet hatte, wurde die letztere stärker ergriffen, zumal ja auch Darwin selbst in erster Linie Zoologe war und daher dieser Wissenschaft seine Bei- 156 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 1.3 spiele und Beweise vornehmlich entnahm. Die erste Auf- gabe war die Umwandluni:^ der Systematik zn einer Stammesgeschichte der Lebewesen, die Haeckel in seiner generellen Morphologie unternahm, die sein biogenetisches Grundgesetz zeitigte und aufs Neue jetzt in Haeckel's Phylogenie zum Ausdruck kommt. Die üntersuchungs- technik wurde rasch verbessert, die Lehre von Zelle und Kern stark ausgedehnt und zum Theil neu angebahnt; Mikrotom und apochroniatische Linsen gewannen grosse Bedeutung. Nelicn den morpindogischcn Untersuchungen traten entwickelungsgeschiclitliche bedeutend auf. Die Frage nach der Homologie der Keimblätter, von Haeckel mit der Gastraeatheorie begründet, liarrt noch jetzt ihrer Lösung. Die Palaeontologie wurde durch Zittel in die neue Bahn geleitet. Eine Reihe von Fragen, die zunächst für die Selectionstheorie Darwin's belanglos waren, wurde in der Folge in Angriff genommen. Die Urzeugung der Organismen behandelte Haeckel's Kohlenstofl'theorie wie Bütschli's Versuch, Plasmastructuren künstlich nach- zuahmen. Immerhin jedoch sehen wir noch nicht ein, wie todte Eiwcissverbindungeu lebende Protoplasmen werden sollen. Die innner weiter gehenden Entdeckungen von Kernen in Moneren lassen die Kluft zwischen Zelle und anorganischen Individuen stets tiefer gähnen. Die Befruchtung wurde durch eingehende Zellforsehungen richtig erkannt, aber heftig wogt der Kampf am das Wesen der Vererbung. In ausgezeichneter Weise wnrden Systematik und Biologie gefiirdert, die Thiergeographie gewann jetzt erst ihre wahre Bedeutung. Staunenerregend ist ein Werk wie das der Bearbeitung des vom Challenger gesammelten Materials. Feste Nomenclaturrcgeln vverdeu angestrebt; ja eine systematische Zusammenstellung aller Thierformen strebt das Iliescnwerk der Deiitschen Zoo- logischen Gesellschaft an. Schliesslich sieht man, wie die Zoologie als neues Ziel eine Biomeclianik anstrebt; auf diesem Wege schreitet Roux. C. Mff. Einen lebendigen Begenwnrni aus dem Eise konnte H. Becker (Zool. Anz. 19. B., liSi)(3, S. Sft'.j beob- achten. Er wurde im Juli in Münster i. W. lebend ge- funden und war offenbar im Februar oder März, wann in Westfalen das Eis gesammelt, aufgeschüttet und mit Erde bedeckt wird, in eine Sjjalte zwischen Eisstücke gerathen und hier beiui Zusanmienfrieren der Stücke ein- geschlossen worden. C. Mff. R. Lauterborn, dem wir schon manche inter- essante Arbeiten über die mikroskopische Fauna der Ge- wässer der mittelrheinischen Tiefel)ene verdanken, be- schreibt in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. ()0 eine neue Süsswasserart der Oattung Muiti- cilla (Jienkowst.v, M. laciistris. Die ganze Gattung repräsentirte bisher nur Multicilia marina, unter welchem Namen Cienkowsty im Jahre 1881 einen eigen- artigen Organismus beschrieben hatte, der durch den Besitz zahlreicher, über die ganze Körperoberfläche ver- theilter Geisschi ausgezeichnet war und darum als eine Art iMittelform zwischen den Flagellaten und den cilialen Infusorien ein erhöhtes Interesse gewann. Im März 1895 hatte nun Dr. Laiitcrborn das Glück, auf an interessanten Thierformen so reichen Dialomecn- rasen des Altrheines l)ei Neuhofen (bei Ludwigshal'cn) einen Organismus aufzufinden, der sich bei näherer Unter- suchung als cini; neue Art der bisher nur ans dem Meere bekannten (Jaltung Multicilia bewies; wegen ihres Vor- kommens im Süssvvasser nannte er dieselbe M. lacustris. Auf der ganzen Oberfläclie dieses kugeligen Körpers, den an Stelle einer besonders diffcrenzirten Hülle eine deutlich hervortretende Alveolarschicht nach aussen be- grenzt, erheben sich 40—50 Geissein von der doppelten Länge des Körperdurehmessers, welche meist annähernd radiär augeordnet sind und dadurch dem Organismus ein heliozoeuhaftes Aussehen verleihen. Sie nehmen ihren Ursprung aus der äussersten Schicht des Körperplasmas und erinnern in ihren optischen Eigenschaften ganz an die Geissein typischer Flagellaten z. B. einer Eugleua. Durch ein pendelndes Hin- und llerschlagen sännntlicher Geissein kommt die Fortbewegung der Multicilia lacustris zu Stande, wobei das Thier langsam um seine Achse rotirt. Ein Einziehen der Geissein oder eine Entstehung neuer Geisselu wurde nicht beobachtet. Auch wurde ann')boide Bewegung beobachtet. Kerne kommen in der Mehrzahl vor, doch ist von ihnen im Leben wegen der zahlreichen Nahrungskörper wenig zu sehen. Jeder Kern enthält in seinem Innern einen relativ grossen Nueleolus. Die contractileu Vacuolen sind sehr klein und contrahiren sich langsam. Die Nah- rung, die aus kleinen Flagellaten l)estcht, wird mit Hülfe pseudopodienartiger Fortsätze aufgenommen, welche die Beute umschlicssen und langsam in das Innere hiuein- ziehen. Die unverdaulichen Reste der Nahrung sannneln sich in Gestalt brauner, körniger Jlassen und werden schliesslich an einer beliebigen Stelle des Körpers aus- gestossen. Die Vermehrung der Multicilia erfolgt auf dem Wege der Zweitheilung, durch einfache Zerschnürung in zwei Theile. Der ganze Theilungsvorgang spielt sich in noch nicht ganz einer Viertelstunde ab; die Geissein erscheinen hierbei meist gerade ausgestreckt ohne lebhafte Be- wegung. Das Verhalten der Kerne hierbei konnte der zahlreichen Nahrungskörper halber nicht genauer er- mittelt werden. Der Gattung Multicilia die richtige Stellung inner- halb des Systems der Protozoen zu geben, ist nicht ganz leicht, denn sie vereinigt in ihrer Organisation Merkmale verschiedener Abtheilungen der Protozoen. Der Besitz zahlreicher ticisseln ist eine Eigeuthünilichkcit, welche die Flagellaten oder Mastigophoren charaktcrisirt; die amö- boide Bewegung des Körpers, sowie die Art und Weise der Nahrungsaufnahme erinnert stark an entsprechende Verhältnisse bei gewissen Sarkodinen, während sich aus der grossen Zahl der über die ganze Körperoberrtächc gleich- massig verthcilten Geissein Beziehungen zu den Wiinjicr- Infusorien erkennen lassen dürften. Es fragt sich nun, welche Eigenthümlichkeiten in der Organisation der Multi- cilia als ausschlaggebend zu betraehtcu sind. Lauterborn entscheidet sich mit Recht für den Besitz zahlreicher Geissein, wodurch Multicilia zu den Mastigophoren und zwar zu der Ordnung der Nudo- oder Autotlagcllaten zu stellen wäre. Innerhalb dieser Ordnung wäre dann für Multicilia, die sich in keiner der bisher unterschiedenen Unterabtheilungen einreihen lässt, eine eigene ünterab- thcilung zu errichten, für die Lauterborn den Namen Ilolomastigina vorschlägt und folgendermaassen cha- raktcrisirt: Körper nackt, schwach amöboider Bewegungen fähig, auf seiner ganzen Oberfläche mit langen Geissein bedeckt. Keine besondere MundötTiiung, sondern Nah- rungsaufnahme an jeder beliebigen Stelle der Ober- fläche mit Hülfe pseudopodienartiger Fortsätze des Körpcrplasmas. Diese Unterabtheilung würde repräsentirt allein durch die Gattung Multicilia mit zwei Arten, M. marina Mien- kowsky aus dem Meer und M. lacustris, Lauterborn aus dem süssen Wasser. R. XI. Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 1.57 Ueber das Fischgift Bacillus piscicitlus agilis und seine Wiri^img hat Frau Sieber-Schouniow in der polnischen Zeitschrift „Gazeta lekarska" {= medicinische Zeitschrift) eine Arbeit veröftentlicht. Nach Gestalt und Alter der Bactcrie lassen sich zwei Formen unterscheiden : eine kurze, breite mit abgerundeten Ecken und 1 — 1, ö /t Länge und 0,5—0,8 /t Breite, die nur in jungen Culturen auf- tritt, und eine doppelt so lange, aber nur halb so breite Form, welche sich nur in älteren Culturen tindet. Die genannte Forscherin hat verschiedene Fischarten mit dem Bacillus inficirt und die auftretenden Erscheinungen studirt. Dabei konnte sie feststellen, dass das Gift sich wirksamer zeigte, wenn die Cultur älter war; gewöhulich tritt dann schon am ersten Tage der Tod ein. Giebt man Fischen Speisen, welche solche Bacillen enthalten, so sterben sie nach 2 — 3 Tagen; sind die Gewässer durch den Bacillus verseucht, so sterben die Fische erst nach Verlauf einer Woche. Auch Itei Frösciien, Meer- schweinchen, Kaninchen und Hunden zeigt sicli die giftige Wirkung des Bacillus; es ist daher anzunehmen, dass der Bacillus piscicidus agilis auch auf den Menschen giftig wirkt, vielleicht sind manche nach dem Genuss von Fisclien auftretenden Krankheiten auf ihn zurückzuführen. Die Verfasserin hat den Bacillus auch bei Cholerakranken nachgewiesen und fand ilni auch während einer Cholera- epidemie an Verkaufstischen auf dem Petersburger Markte. 8. Seh. Ueber die aiiatomisclieu Yerhältiiisse der riiiden- bewoliiienden Flechten hat G. Lindau eine grössere Arbeit veröffentlicht*), welche manches enthält, das geeig- net ist, auf die Physiologie der Flechten ein Licht zu werfen. Bekanntlich unterscheidet man je nach dem Verhält- niss zur Rinde epi- und hjpopbloeodische Flechten, d. h. auf oder in der Rinde lebende. Bei den ersteren sitzt der Thallus in Form einer Kruste der Rinde auf; in weiterem Sinne sind hierzu auch die blattartigen und strauchigen Formen zu rechnen. Die Hypophloeoden sitzen völlig unterrindig und nur die Mündungen ihrer Früchte ragen zuletzt aus dem Substrat hervor. Der Untersuchung dieser Formen ist dei' grösste Theil der Arbeit gewidmet. Die bisherige Litteratur gab über manche Fragen keine oder nur ungenügende Auskunft. So war bisher nach Frank's Untersuchungen allgemein angenommen, dass die Hyphen und Algen (Trentepohlia) der Hypophloeoden die Membranen der Peridernizellen durchwachsen könnten oder mit anderen Worten, dass die Hyphen die Fähig- keit besässen, Cellulose (resp. Suberin) zu lösen. Verf. konnte durch Untersuchung einiger häufigen Arten, die auch Frank vorgelegen haben, leicht den Nachweis führen, dass die Zellwände nicht durchbohrt werden. Das W^achsthum im Innern der Rinde hängt also nicht von chemischen Momenten ab, sondern es spielen hier mechanische Vorgänge die Hauptrolle. Wenn man einen Querschnitt durch einen hypophloe- odischeu Thallus (etwa von Pyrenula oder Arthouia) macht, so bemerkt man, dass zwischen den Zelllagen des Periderms sich die Elemente des Thallus befinden. Die Zelllagen sind theilweise auseinandergebogen, theilweise in einzelne Zellen zertrümmert; schon der erste Eindruck, den ein solcher Schnitt macht, giebt die Verrauthung, dass es lediglich mechanische Momente sind, welche das Lockern und Auseinanderreissen der Zellen bewirken. Dafür kommen hauptsächlich die Hyphen und fädigen Algen in Betracht. Da beide nach innen wachsen, so drängen sie sieh in jede Lücke ein und schieben *) Licbenologische Uutersuchungeu. Heft I. Dresden. ISS)."!. durch ihr weiteres Wachsthum die Zellelemente ausein- ander. Ferner trägt das Dickenwachsthum des Baumes ebenfalls seinen Theil dazu bei, umAuseiuandersprengungen zu veranlassen. Genauer auf die Art der Absprengungen einzugehen, ist hier nicht möglich, da das Verständniss erst durch die in der Arbeit selbst gegebenen Bilder, die hier fehlen, wesentlich unterstützt wird. Jedenfalls lassen sich durch die angegebeneu Faetoren die Wachs- thumsbilder vollständig erklären. Es lag nun nahe, auch die Epiphloeoden daraufhin zu untersuchen, ob ihre Hyphen tiefer in die Rinde ein- dringen. Bei allen daraufhin untersuchten Arten konnte erwiesen werden, dass die Hyphen mehr oder weniger tief in die Rinde liineinwachsen, hier dieselben Sprengungs- erscheinungen hervorrufend, wie die Hypophloeoden. Algen befinden sich in dieser „Basalschicht", wie Lindau dieses Gewebe nennt, nicht vor. Die Hauptfunction der Basalschicht ist wohl die Befestigung des Thallus. Wahr- S(;heinlich aber tragen die Hyphen auch zur Ernährung des gesammten Thallus bei, indem sie die durch atmo- sphärische Einflüsse umgewandelte Zelisubstanz jedenfalls auflösen. Gerade dieser wichtige Punkt ist mit wünschens- werther Sicherheit nicht aufgeklärt, weil hierzu die ana- tomische Methode versagt; hier könnte nur physiologische Versuchsstellung ein Resultat versprechen. Eine ganz ähnliche Basalschicht zeigen auch die höheren Flechten (Everuia, Usnea etc.); diese kann in Form von Haft- scheiben oder tief ins Gewebe eindringenden, wurzelartigen Hyphensträngen ausgebildet sein. Die durch diese Ge- webe bewirkten Auflockerungen der Rindenzellen Hessen sich besonders scliön bei Evernia prunastri sehen, weil die Flechte häufig sich in Lenticellen festsetzt, an welchen Stellen natürlich das Gewebe sehr prädisponirt erscheint für Aufsprengungen. Erwähnt sei die Ausläuferbildung bei Flechten. Es kommt nämlich häufig vor, dass Zweige eines Thallus (z. B. bei Evernia, Roscella) mit einem benachbarten Aestchen des Baumes verwachsen. Wenn jetzt durch Zufall der Thallusast, der den neuen Befestigungspuukt gebildet hat, durchreisst, so entsteht natürlich eine neue Flechte. Der Vorgang führt also zu genau demselben Ergebniss, wie die Bildung der Ausläufer bei deu Erd- beeren. Aus den hier nur skizzenhaft wiedergegebenen Unter- suchungen lässt sich nun ein gewisser Schluss ziehen, oh die Flechten den Bäumen schädlich sind. Dass sie es durch ihr Wachsthum allein nicht, können, ist klar, denn die Hyphen sitzen nur im abgestorbenen Rindeugewebe. Wohl aber können sie bei jüngeren Zweigen die Lenti- cellen verstopfen und so die Erstickung herbeiführen. Indessen ist bei normal wachsenden Bäumen auch das nicht möglich, da das Wachsthum der Flechten sehr lang- sam vor sich geiit. Wächst aber ein Zweig in Folge irgend welcher ungünstiger Einflüsse sehr langsam, so können allerdings die Flechten ihn ganz einhüllen und dadurch ersticken. Die Beispiele, die Verf. für seine Ansicht anführt, zeigen, dass die abgetödteten Bäume resp. Zweige unter ungünstigen Bedingungen wuchsen, (x.) Das Erdbeben, welches am 13. Januar 1895 im südliclien Sclnvarzwalde walirgenommen wurde, ist von Dr. R. Langenhcck-Strassburg zum Gegenstände einer eingehenden Untersuchung gewählt worden, welche unter dem Titel „Das Erdbeben am 13. Januar 189.5 im südlichen Schwarzwald und den benachbarten Gebieten des Elsass und der Schweiz" im 11. Bande der Verhand- lungen des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Karlsruhe erschienen ist. 158 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 13. Aus der ziemlich beträchtlichen Zahl von Einzel- nachrichten geht hervor, dass das zusammenhängende Schüttergebiet fast den gesaniniten südliclien Schwarz- wald und einen Theil des Rhcintliales von Schaffhausen bis Basel umfasste. Seine Westgrenze wird etwa durch die grosse Hauptverwerfung zwischen jüngeren Ablage- rungen und dem krystallinischen Grundgebirge gebildet. Nach NW fällt die Grenze fast mit dem Elzthale bis Elzach zusammen, während im N das Triberger Granitmassiv die Bewegung aufgehalten zu haben scheint. Als Ost- grenze kann man zunächst eine Linie St. Georgen — Stock- burg—Kappel— Villingen — Röthebach - Gundeltingen und sodann das Wutaehthal ansprechen. Ausserhalb dieses geschlossenen Gebietes wurde das Erdbeben noch an mehreren mehr isolirten Punkten wahrgenommen, die vom eigentlichen Schüttergebiet durch grössere oder klei- nere Gebiete geschieden werden, aus denen nur negative oder gar keine Nachrichten vorliegen. Hierher gehören Schramberg im N, Donaueschingen, Schaffhausen, Aarau und mehrere Orte im Sundgau (zwischen Basel und Mühl- hausen i. E.). Von diesen isolirten Gebieten werden in- dessen nur Donaueschingen und der Sundgau als Sitze selbständiger Erdbebenerscheinungen, Relaisbebeu auf- gefasst, obgleich, wie die der Arbeit beigegebene Karte zeigt, diese Gebiete für eine solche Ansicht nicht grössere Berechtigung haben, als die anderen, besonders Aarau. Die Zeitangaben der einzelnen Beobachter sind sehr unzureichend und gestatten nur den ganz allgemeinen Schluss , dass das meist nur als ein kurzer Stoss wahr- genommene Erdbebenphänomen sich in der Zeit von 5'' 10™ bis 5'' 20'" über das ganze erschütterte Gebiet ausbreitete. Die Wirkungen des Bebens waren im All- gemeinen nur ganz unbedeutende. Am stärksten trat die Erschütterung im oberen Wicsenthale und am Südostab- hange des Feldbergmassivs auf, wo in Todtmooss einige Menschen und Gegenstände umstürzten, in Schwarzhalden ein Mauerriss entstand, in ürberg ein Verschlussblech von der Ofenöffnung fiel und in Mambach die Eisdecke der Wiese zerbarst. Als vorwiegende Bewegungsrichtung Hess sich in dem ganzen nordöstlichen Theile des Schüttergebietes die Richtung S — N feststellen, südiistlich vom Feldberg- massiv und in der südöstliclien Granitmasse NW — SO, im Wiesenthaie und am Westrande des Schüttergebietes 0 — W und in dem südöstlichen Triaszuge entsprechend dem Schichtstreiclicn SW — NO. In dem ganzen Erdbeben- gel)iet war die Erschütterung von einem sehr verschieden geschilderten Schallphänomen begleitet, welches dem Stosse meist vorangegangen sein soll. An einem Orte soll schon vor dem eigentlichen Beben eine schwache Erschütterung wahrgenommen sein, während über sogen. Nachbeben aus mehreren Ortschaften Berichte vorliegen. Als Ausgangspunkt dieses Enlljebens hat man jeden- falls die am Südostabhange des Feldbergmassivs NNO— SSW verlaufende Grenze zwischen Granit und Gneiss anzusehen, von der sich die Erschütterung, ent- sprechend dem inneren Bau des alten Gebirges, besonders nach NO und SW fortpflanzte, sofern sie nicht durch vorhandene Spalten und Verwerfungen in ihrer weiteren Ausdehnung beeinträchtigt wurde, was sich besonders beim oberen Wutachtiiale und den grossen Rheintlialver- werfungen zeigte. G. M. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Privatdocent der Psychiatrie in Berlin Dr. Ma.\ Koppen, Oberarzt und erster Assistent ander psychia- trischen Klinik der Charite, zum Professor; der erste Assistent in der chirurgischen Abtheilung des Julius Hospitals zu Wiirzburg Dr. Poetzfelder zum Assistenten in der chirurgischen Univer- sitäts-Klinik und Poliklinik; der zweite Assistent Dr. Lehner daselbst zum ersten Assistenten, Dr. Dehler zum zweiten Assistenten; der Assistent am physikalischen Institut zu Berlin Dr. Orlich zum Assistenten an der physikalisch-technischen Reichsanstalt in Charlottenburg; Dr. Emil Aschkinass zum Assistenten am physikalischen Institut zu Berlin; der frühere österreichische Cultusminister Baron Eötvös zum ordentlichen Professor der Experimentalphysik in Budapest. Berufen wurden: Der Director der vergleichend-anatomischen Universitäts- Anstalt in Dorpat Prof. Dr. Barfurth als ordent- licher Professor der Anatom e und Nachfolger des Prof. v. Brunn nach Rostock; der Privatdocent der Chemie an der technischen Hochschule zu Charlottenbui-g Dr. A. Bistrzycki als ordent- licher Professor für analytische und technische Chemie nach Freiburg in der Schweiz; Dr. Riem aus Leipzig als Assistent für praktische Astronomie an die Sternwarte zu Göttingen; der prak- tische Arzt Dr. Keller in Salkan als zweiter Assistent an die Universitäts Klinik und Poliklinik für Kinderkrankheiten in Breslau; Dr. Treub in Leyden als Professor der Gynäkologie nach Amsterdam; Dr. phil. Bakhuis Roseboom als Professor der Chemie an die Universität Amsterdam. Es habilitirten sich: In Berlin Dr. Karl Windisch für Nahrungsmittelchemie, Dr. Richard Oestreich für Anatomie, Dr. Justus Bödeker für Pathologie, Dr. Albert Jansen für Ohrenkrankheiten; in Strassburg Dr. Siegert für Kinderheil- kunde; in Jena Dr. Duden für Chemie. Aus dem Lehramt scheidet: Der Professor der Botanik A.N. B e k e t o w in Petersburg. Es starben: Der Professor der Dermatologie in Amsterdam Dr. van Haren Norman; der Agrieulturchemiker Jules Reiset in Paris; der Paläontologe C harl es W achsmu th in Burlington, Jowa; der „Lecturer" der vergleichenden Osteologie an der Har- vard University Dr. Daniel DenisonSlade in Chestnut Hill, Massachusetts. Der 25. Congress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie findet vom 27. bis öü. Mai in Berlin im Langenbeckhause statt. — Vorsitzender: Geh. Rath Professor Dr. von Bergmann-Berlin. Preisausschreiben. — Die für 1898 gestellte Aufgabe der philosophischen Facultät der Universität Göttingen verlangt eine geologische Beschreibung des „Ith" und seiner directen Fort- setzungen. Dieselbe wird ausführlich in den „Göttinger Nach- richten"' veröft'entlicht werden. Bewerbnngsschriften müssen bis zum 31. August 1898 eingereicht werden. Der erste Preis beträgt 1700 M., der zweite 680 M. L i 1 1 e r a t u r. Dr. med. Carl Günther, Einführung in das Studium der Bacteriologie mit besonderer Berücksichtigung der mikro- skopischen Technik. Für Aerzte und Studirende bearbeitet. 4. vermehrte und verbesserte Auflage. Mit 72 nach eigenen Präparaten vom Verfasser hergestellten Photogrammen. Georg Thienie. Leipzig 1895. — Preis 10 M. Wieder können wir das Erscheinen einer Neu-Auflage des vorzüglichen Buches anzeigen. Die 3. Auflage wurde erst im vorletzten Bande (IX No. 2, S. 2ü) besprochen. Das Buch um- fasst jetzt 4(51 Seiten gegen 376 der vorigen Auflage. Auch die vierte zeigt also schon äusserlieh die Vermehrung derselben an; dass sie auch innerlich bei dem rapiden Fortschreiten der Bacteriologie nicht nur vermehrt, sondern von allem gewissenhaft revidirt und den momentanen Kenntnissen angepasst worden ist, lehrt seine Durchsicht. Von den 72 geradezu grossartigen, muster- gültigen Photogrammen der 3. Auflage sind 14 durch neue ersetzt worden. Im Uebrigen verweisen wir auf nie früheren Be- sprechungen. Vilmorin's Blumengärtnerei. Beschreibung, Kultur und Verwen- dung des grs.'immten Ptlanzenuiaterials für deutsche Gärten. Dritte, neubearbeitete Auflage, unter Mitwirkung von A. Sie- bert, Director des Palmengartens zu Frankfurt a. M. Heraus- gegeben von A. Voss in Berlin, früher Institutsgärtner in Göttingen. Mit 1272 Textabbildungen und 40i) bunten Blumen- bildern auf 100 Farbendrucktafeln. Zwei starke Bände in Gross- Lexikonformat. Verlagsbuchhandlung Paul Parey in Berlin. 1896. — In llalbloder gebunden Preis 56 M. Eine vorläufige Anzeige des nunmehr fertig vorliegenden grossen Werkes haben wir bereits in Bd. IX, No. 21, S. 261 ge- macht. Es tritt in der vorliegenden 3. deutschen Auflage nun- mehr — und nicht zu seinem Schaden — in einem wesentlich er- I XI. Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. ].^9 weiterten Gewände auf. Die früheren Auflagen behandelten, wie das französische Werk, ausschliesslich die Stauden und die ein- und zweijährigen Garteni)flanzen; die vorliegende jedoch bringt sämmtliche Gartf^npHanzen, so dass es sich nunmehr um eine Gartenilora handelt. Wer sich für dieselbe aus gärt- nerischen Rücksichten oder aus Liebhaberei interessirt, hat also jetzt ein umfassendes Werk zur Verfügung, das überdies auch gediegene Auskünfte aus dem Gesammtgebieto der Gartenkunst bietet. Es wurden nicht nur die Freiland-Gehölze hinzugefügt, sondern auch Kalt- und Warmhaus-Pflanzen. Der I., nicht weniger als 126-4 Seiten umfassende Band bringt — diesmal glücklicherweise nach dem natürlichen System geoi-dnet - die reich durch die bekannten hübschen kleinen Textabbildungen illustrirten Beschreibungen der Pflanzen und der Pflanzengruppen nebst gärtnerisch praktischen Angaben über Verwendung und Kultur-Anweisung. Wer die unseres Erachteus sehr missliche frühere alphabetische Anordnung liebgewonnen haben sollte, wird durch das ausführliche beigegebene Register, das auch die Syno- nyme enthält, sich vollauf mit der in Wirklichkeit weit prak- tischeren und der Sache entsprechenderen Neu-Ordnung aus- söhnen. Die bewährtesten Gartenpflanzen wurden nicht nur überall leicht kenntlich gemacht, sondern diese sind es auch, die auf den 100 schönen Farbentafeln des II. Bandes, im Durchschnitt je 4 auf einer Tafel, hin und wieder einige mehr, zur besonderen Dar- stellung (im Ganzen also über 400) gelangt sind. Für den auch nur etwas Vertrauton ist es nicht schwer, nach dem Buche den Namen einer ihm neu entgegentretenden Garten- pflanze zu finden; auch der ganz Unbewanderte wird, unterstützt durch die vielen Abbildungen und mit Zuhülfenahme des im II. Bande gebotenen Bostimmungsschlüssels, in der Lage sein, sich allein zu helfen und in dem Gebiet vorwärts zu kommen. Das Werk enthält eine grosse Zahl praktischer Capitel: es ist überhaupt sehr geschickt redigirt. So tinden sich im II. Bande, dem angewandten Theil des Werkes, die schon erwähnten Grund- züge der Gartenkultur (Bodenarten, Dünger, Lage zur Sonne, Feuchtigkeit, Schnitt und Scliutz) behandelt, und dann folgen Aufstellungen und Register der verschiedensten Art. Es sind nämlich die Pflanzen gruppirt, je nachdem sie sich zur Einfassung und Bepflanzung von Rabatten^ zur Einzel- oder Gruppenverwen- dung, zu Tepjiichbeeten oder Trupps eignen; die Schattenpflanzen, die wohlriechenden Pflanzen, die Pflanzen mit farbigem Laub, die Schlingpflanzen, die Pflanzen mit Zierfrüchten etc. sind zusammen- gestellt. Desgleichen sind die Blumen nach ihrer Farbe geordnet und in einem Blüthenkalender nach der Zeit ilirer Blüthe. Des weiteren enthält dieser Theil eine ausführliche, durch zahlreiche Pläne erläuterte Anleitung zur Anlage einheitlicher Gartenscenerien, farbenreicher Blumenteppiche, Rabattenbepflanzungen u. s. w. Es ersetzt das Werk dem Gärtner und Gartenliebhaber in der That eine kleine Bibliotkek : eine Garteukundo, eine Dendrologie und — nun ja, den Vilmorin (denn ein anderes, derartig vollständig empfehlenswerthes Gartenbuch gab's und giebt's nicht) im alten Kleide, d. h. ein Werk mit Beschreibungen und Ab- bildungen der Stauden und ein- und zweijährigen Pflanzen. Es sei schliesslich noch hinzugefügt, dass der Besitz des Werkes auch recht vielen Botanikern recht sehr dienlich wäre : es giebt eine ganze Anzahl derselben, die mit der Keuntniss unserer Gartenpflanzen auf bedenklichem Kriegsfuss stehen, namentlich die Herren, die vorwiegend oder ausschliesslich anatomische oder physiologische Studien treiben. Durch ein Werk, wie das Vilmorins, ist ihnen bequem eine Brücke geschlagen: sie erhalten durch dasselbe in bequemster Weise Auskunft über die üblichen Namen der Gartenpflanzen, das wird vielen hinreichend sein und genügt jendenfalls vollkommen, um dadurch in die Lage versetzt zu sein, nunmehr in den systematisch-botanischen Schriften sofort an der richtigen Stelle, ohne erst langwierig suchen zu müssen, sich genauer zu orientiren. P. Dr. Max Fiebelkorn, Geologische Ausflüge in die TJmgegeud von Berlin. Mit 2 Karten und 40 Abb. Ferd. Dümmlcrs Verlag. Berlin 189ti. — Preis 1,Ö0 M. Der Inhalt des Heftes ist den Lesern der „Naturw. Wochen- schrift" bekannt, da dasselbe die in unserer Zeitschrift er- schienenen Aufsätze über den im Titel genannten Gegenstand bringt, somit können wir uns eine Inhalts-Ängabe sparen. Jedoch zeigen wir das Erscheinen der Separat-Ausgabe an, da dieselbe Manchem auch unter den Abonnenten der „Naturw. Wochenschr." willkommen sein dürfte in Anbetracht der bequemen Handlichkeit auf Excursionen. Wir bemei-ken nur, dass sich in flem Heft einige kleine Verbesserungen gegenüber der Verötl'entlichuug in der „Naturw Wochenschr." befinden. Freilich ist leider u. a. in der Unterschrift der Fig. 2 für die Schicht LM des dargestellten Profils die Bezeichnung „Lehmiger Mergel" anstatt, wie es richtig heissen muss, ,,Local-Moräne'' zu finden. Revue de l'XJniversite de Bruzelles. IreAnnee: 1895-1896. Nos 1-2. Decembre-.Ianvier. Briixelles, Bruylant-Christophe & Cie, editeurs, successeur: Emile Bruylant. — Prix 3 francs. — Von dieser neuen Monatsschrift liegt uns das 1. Doppelheft (Gross- Octav 160 S.) vor. Sie ist in erster Linie für die mit der Brüsseler Universität in Verbindung Stehenden und für frühere Schüler derselben bestimmt. Sie will das Gesammtgebiet der Wissen- schaft pflegen helfen und ausserdem über die in Rede stehende Universität auf dem Laufenden erhalten. Von den Professoren der Universität gehören zum Redactions- Comite die Herren: Dr. Dallemagne, professeur a la Faculte de medecine; Aug. Lameer e, professeur ä la Faculte des sciences; Pergameni, professeur k la Faculte de philosophie; Prinz, professeur ä la Facultd des sciences appliquees; Maurice Vauthier, professeur a la Faculte de droit. Von uns interessirenden Artikeln bringt das Heft: Paul Heger, Sur trois grandes decouvertes faites en ce siecle dans le domaine des sciences biologiques. — Jean Massart: Notes java- naises: I. Le jardin botanique de Buitenzorg, IL Lajournee d'un botaniste. — Cte. Goblet d'Alviella, Les preraieres civili- sations. — W. Vanhavre, Notice sur les decouvertes de Hittorf, Ph. Lenard, Goldstein et W. K. Roentgen. — Rene Sand, Rayons cathodi<|ues et Rayons X. Cohen, Herrn., Einleitung mit kritischem Nachtrag zu Fr. Alb. Lange's Geschiclite des Materialismus. Leipzig. — 1 M. Dreyer, Frdr., Studien zur Methodenlehre und Erkennungskritik. Leipzig. — 4 M. Fleischmann, Priv.-Doc. Dr. A., Lehrbuch der Zoologie. Spe- cieller Tbl.: Die Wirbelthiere. Wiesbaden. — 4M. Fritsch, Prof. Dr. Ant., Fauna der Gaskohle und der Kalksteine der Permformation Böhmens 3. Band. 4. Schluss-Hft. Prag. — 32 M. Glogau, t Prof. Dr. Gust., Das Vorstadium und die Anfänge der Philosophie. Kiel. — 2,40 M. Graflf, Prof. Dr. Ludw. v., Die Zoologie seit Darwin. Graz. — 2 M. Heiderich, Dr. Frz., Die Erde. Wien. — 20 M. Herz, Iiudw. F., Tropisches und Arktisches. Berlin. — 6 M. Jarius, Dr. Max, Ascochyta Pisi bei parasitischer und saprophyter Ernährung. Stettin. — 9 M. Landauer, Dr. John, Die Spectralanalyse. Braunschweig — 4 M. Moldenhauer, Dr. Paul, Die geographische Verteilung der Nieder- schläge im nordwestlichen Deutschland. Stuttgart. — 4 M. Nevunann, Geh. Hofr. Prof. Dr. C, Allgemeine Untersuchungen über das Newton'sche Princip der Fernwirkungen mit besonderer Rücksiclit auf die elektrisclien Wirkungen. Leipzig. — 10 M. Obersteiner, Prof Dr. Heinr., Anleitung beim Studium des Baues der nervösen Centralorgane im gesunden und kranken Zustande. 3. Aufl. Wien. — 16 M. Regel, Prof. Dr. Fritz, Thüringen. 3. Schluss-Thl. Jena. — 10 M. Schmidt, Apoth. Dr. Alb., Beobachtungen über das Vorkommen von Gesteinen und Mineralien in der Centralgruppe des Fichtel- gcbirges. Nürnberg. — 2 M. Specialkarte, geologische, des Königreichs Sachsen. 104. Grosser Winterberg-Tetschen. Leipzig. — 3 M. Standfuss, Doz, Kust. Dr. M., Handbuch der paläarktischen Gross-Schmetterlinge für Forscher und Sammler. Jen. — 15 M. ■Warburg, Prof Dr. Emil, Lehrbuch der Experimentalphysik für Studierende. 2. Aufl. 1. Hälfte. Freiburg i. B. — 7 M. Die Erneuerung des Abonnements wird den seelirten Abnehmern dieser Wocbensclirift Die Verlagsbuchhandlung. hierdurch in geneigte Erinnerung gebracht. Inhalt: (»tto Ammon, Der Abänderungsspielraum. Ein Beitrag zur Theorie der natürlichen Auslese. (Forts.) — Die Zoologie seit Darwin. — Ein lebendiger Regenwurm aus dem Eise. — Eine nent» Süsswasserart der Gattung Multicilia Cienkowsty, M. lacustris. — Ueber das Fischgitt Bacillus jjiscicidus agilis. — Leber die anatomischen Verhältnisse der rindonbewolinendeij Flechten. — Das Erdbeben im südlichen Schwarzwalde. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr.^ med. Carl Günther, Einführung in das Studium der Bacteriologie mit besonderer Berücksichtigung der mikroskopischen Technik. — Vilmorin's Blumongärtnerei. — Dr. Max Fiebelkorn, Geologische Ausflüge in die Umgegend von Berlin. — Revue de l'Universite de Bruxelles. — Liste. 160 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 13. R. Friedländer & Sohn, Beriin NW, Caristrasse 11. Soeben erschien : Die atmosphärische Luft. Eine aligemeine Darstellung ihres Wesens, ihrer Eigenschaften und ihrer Bedeutung. Von Dr. Adolf Marcuse. 7C Seiten gr. i<. Preis 2 Mark. Inhalts- Angabc. Vorwort. Einleitung: Definition. Hölie der atmosphärischen Luft. Zu- sammensetzung der atmosphärischen Luft. Bedeutung der atmosphärischen Luft. Erstes Kapitel: .Statische Atmosphärologie. Luftdrucli. Tem- peratur der atraos[ihärischen I^uft. Feuchtiglieit der atmosphärischen Luft. Optische Eigenschatten der atmosphärischen Luft. Electrische und altustische Eigenschaften der atmosphärischen Luft. Zweites Kapitel: Dynamische Atmosph ä rologie. Schwankungen des Luftdruckes. Schwankungen der Ijufttemperatur. Schwankungen der Feuch- tigkeit der Luft, der Bewölkung, der Siederschläge, der Gewitter und der Luft- electrizität. Die Bewegung der atmosphärischen Luft; Winde und Windgesetze. Drittes Kai)itel: Augewandte Atmosphärologie. Klima und Wetter. Klimatologie. Wetterprognose. Maritime Atmosphärologie. Agrarische Atmosphärologie. Aeronautische Atmosphärologie. Medizinische Atmosphärologie. Schlusswort. '^zuPreis^IJstenetc. >HugoSfindler ' ßeplin.6.(\ittenstp.96. BilligefrelselSchnelleLieferung! 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UlTc BSud^Oanötttngcn itni 3>c>flonfloticn «cfjmcn ^äoffcfritngcn cnlijcacn. $erti. fDümmlrrs gfrlflgöbiidjIjniiMmig tu §tx\\\\ SW. 12. ^;)inimrnhatic M4. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦# Willi Büsing', Langjähriger Assistent vom Prof. Dr. Vogel des photo-chem. Laboratoriums der Kf;I. tecliii. Ilochsctiule zu CluulotteubnrL;. BerliaW., Bendlerstr. 13 Institut. ^^..-'^^^\ ^^^^\^^^ •^\ •^ ^v^ \*^^ ri>(-ti», A, "< 0, 6, «, n-^'^^^ Fig. 1.-.. IJnisestaltuiigcii iler Curve bei allmählichem Vorrücken der Untergrenze hia zum Eingreifen einer stillatehenden Obergrenze. 1. Fall. lu Fig. 15 rücke demgemäss die untere Grenze stetig (nicht wie in dem früheren Beispiel plötzlich) von Ä^ nach A.2, A.^ und A^. Nach der gemachten Voraus- setzung müssen die Al)Stände dieser Punkte von einander grösser sein, als diejenigen der Punkte Oj , (A,, O., und O4, welche der in den gleichen Zeiträumen eintretenden Verlängerung des Abäuderungsspielraumes durch die Variabilität entsprechen. Der Spielraum wird also fortwährend eingeengt, die Rückschläge nach U^,l\^, //g und 7,'^ werden durch die Auslese beseitigt und ihr Be- trag wird immer geringer. Die Curve muss sich dem- entsprechend mehr und mehr an der Untergrenze „auf- bäumen", wie dies in den ausgezogenen Curven I, II, III und I V zur Anschauung gebracht ist. Geschähe das Vor- lücken der üntergrenze noch über A^ hinaus durch ge- nügend lange Zeit, so würde der Abänderungsspielraum An rt, endlich gleich Null werden, die Art krmnte sich nicht mehr anpassen und müsste erlöschen, auch wenn keine Auslese von obenher einträte. Macht aber die üntergrenze der Auslese bei A^ Halt, so dauert die Varia- bilität auf der rechten Seite noch fort, vorausgesetzt, dass O4 noch nicht die obere Grenze der Auslese erreicht hat. Da sich nunmehr der Abänderungsspielraum wieder ver- grössert, sinkt der Scheitel, wie dies in Fig. 15 bei den strichpunktirten Gurven V und VI zu sehen ist. Nehmen wir an, dass endlich doch bei irgend einem Punkte «i die natürliche Auslese zur Wirkung komme, etwa durch den Intralkampf im Keimplasma, dann werden die dar- über hinausgehenden Varianten «,o, fortwährend weg- geschnitten, der Abänderungsspielraum A^n^ bleibt von nun an unverändert und es beginnt in den punktirten Curven VII und VIII das Bestreben nach Wiederherstel- lung der Symmetrie unter Erhöhung des Scheitels, die Herausarbeitung eines „mittleren Typus", der von beiden Auslesegrenzen ungefähr gleich weit entfernt ist und dem ein wachsender Theil sämmtlicher Individuen angehört. lu diesem Falle haben wir also folgende drei Ent- wickelungspcriodcn zu unterscheiden : Vorrücken der unteren Auslesegrenze : Einengung des Abänderungsspielraunu'S und Hebung des nahe der Unter- grenze befindlichen Curvenscheitels. Die überlebenden Individuen werden einander immer ähnlicher, die Organi- sationshöhe der meisten derselben ist gerade noch hin- reichend zur Erhaltung des Daseins. Stillstand der unteren Auslesegrcnze: Verlängerung des Abänderungsspiclraumes, Senkung des Curvenscheitels, der weiter von der Untergrenze wegrückt. Die Individuen werden einander unähnlicher, aber die Organisationshöhe der meisten nimmt zu. Eingreifen der natürlichen Auslese von obenher: Un- veränderlichkeit des Abänderungsspielraumes, aber Hebung des Curvenscheitels durch die Begünstigung des Mittel- gutes, allmähliche Wiederherstellung der Symmetrie: Her- ausarbeitung eines „mittleren Typus" des betreffenden Organes oder der betreffenden Species. 2. Fall. Die Untergrenze der natürlichen Auslese rücke vor wie bei Fall 1, das Eingreifen der natürlichen Auslese von obenher mache sich jedoch geltend, ehe die Untergrenze zum Stillstand gekommen ist. Für diesen Fall bedarf es keiner besonderen Zeich- nung. In Fig. 15 ist nur der Punkt «i links von 0^ oder ^3 anzunehmen. Dann dauert die einseitige Aufbäumuug der Curve fort, bis die Untergrenze zum Stillstand ge- konnnen ist, die Zwischenformen V und VI mit dem ge- senkten Curvenseheitel fallen aus, auf Curve IV folgt gleich Curve VII mit der Tendenz der Wiederherstellung der Symmetrie, dann Curve VIII mit erneuter Hebung des Scheitels. Hier haben wir also wiederum drei Perioden: Vorrücken der unteren Auslesegrenze bevor die Curve die Obergrenze der natürlichen Auslese berührt: Genau wie bei Fall 1. Eingreifen der Auslese von obenher unter fort- dauerndem Vorrücken der Untergrenze: Weitere Hebung des Curvenscheitels und Verbleiben desselben nahe der Untergrenze. Die meisten Individuen gleichen sich sehr nahe, ihre Organisationshöhe genügt gerade noch. Vor- übergehendes Auftreten eines „extremen Typus". Stillstand der Untergrenze: Allmähliche Wiederher- stellung der Symmetrie, wobei der Scheitel vorübergehend sinken kann, dann aber steigt. Der „mittlere Typus" bildet sich aus. 3. Fall. Die Üntergrenze der natürlichen Auslese rücke langsamer vor, als die Erweiterung des Ab- änderungsspielraumes an der Obergrenze geschieht. Das Vorrücken komme zum Stillstand, bevor das Eingreifen einer natürlichen Auslese au der oberen Seite sich fühl- bar macht. Flg. 16. Umgestaltungen der Curve bei allmählichem Vorrücken der Untergrenze bis zum Eingreifen einer stillstehenden Obergrenze. 3. Fall. Dieser Fall ist dargestellt in Fig. IG. Die Zwischen- räume von ^1,, ^2 7 ^:i *'i"fl kleiner als die von O, , O.,, 0.,. Anstatt sich zu erheben, sinkt der Scheitel immer mehr herab, wie dies an den ausgezogenen Curven I, II und III zu ersehen. Macht die untere Auslesegrenze bei ^;i Halt, so dehnt sich die Curve unter abermaliger Senkung des Scheitels noch weiter nach rechts aus, was die stricli])unktirte Curve IV versinnlichen soll. Sobald jedoch die Auslesegrenze bei a, erreicht wird, beginnt XI. Nr. 14 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 1R3 die Erhebung der Curve, ganz wie vorhin, versinnlicht durch die punktirten Curven V und VI. Die drei Perioden sind: Vorrücken der unteren Grenze: Die Individuen werden einander unähnlicher, aber die Mehrzahl entfernt sich mehr und mehr von der unteren Grenze. Stillstand der Grenze: Die Unähnlichkeit ninunt noch zu, desgleichen die Organisationshöhe der Mehrzahl. Eingreifen der Auslese an der Obergrenze: Her- stellung der Symmetrie, Herausarbeitung des „mittleren Typus". 4. Fall. Das Vorrücken der Untergrenze wie in Fall 3, jedoch mit dem Unterschied, dass dasselbe erst zum Stillstand kommt, nachdem der Abänderungsspiel- raum sich bis zu der oberen Auslesegrcnze vorge- schoben hat. Dieser Fall ist analog dem Fall 2 und er wird eben- falls dadurch gekennzeichnet, dass die Senkung des Curvenscheitels im mittleren Stadium wegfällt, sodass in Fig. 16 auf die Curve III gleich solche wie V und VI folgen. Trotzdem lassen sich auch hier drei Perioden unterscheiden : Vorrücken der unteren Grenze: Solange die Ober- grenze sich noch nicht tühlbar macht, werden die Indi- viduen einander unähnlicher, wie in Fall 3, und die Mehr- zahl entfernt sich von der Untergrenze. Eingreifen der natürlichen Auslese an der Ober- grenze, während die Untergrenze noch weiter vorrückt: Ein „extremer Typus" zeigt sich vorübergehend an der Untergrenze. Stillstand der Untergrenze: Herstellung der Sym- metrie und Ausprägung des „mittleren Typus". Uebergangsfälle zwischen 1 und 2, sowie zwischen 3 und 4 sind gegeben, wenn die Untergrenze gerade in dem Augenblicke stillsteht, in welchem das obere Ende des Auslesespielraumes an dem Punkte a, angekommen ist, Uebergangsfälle zwischen 1 und 3, sowie zwischen 2 und 4, wenn das Vorrücken der Uutergrenze und die Verlängerung des Anslesespielraumes durch die Variabili- tät genau Schritt mit einander halten. In diesem Falle schiebt sich die Curve in gleichmässigem Tempo auf der Abscissenaxe nach rechts, und zwar je nach der Art der Vererbuug entweder ohne ihre Gestalt zu verändern, oder mit allmählicher Erhebung des Scheitels, bezw. Aus- prägung eines sich vervollkommnenden „mittleren Typus". Der wirkliche Eintritt dieser Uebergangsfälle ist sehr unwahrscheinlich und dürfte äusserst selten vorkommen. Die vier typischen Fälle lassen sich nun noch mit einer beweglichen (statt feststehenden) Ober- grenze combiniren. Unter allen Umständen muss dabei die Obergrenze nach rechts rücken, weil wir eine Vorwärtsentwickelung vorausgesetzt haben, auch mu.ss das Vorrücken langsamer geschehen, als die Er- weiterung des Abänderungsspielraumes durch die Varia- bilität, weil sonst die Curve nicht im Stande wäre, der Obergrenze zu folgen. Die vier durch das allmähliche Vorrücken der Obergreuze entstehenden neuen Fälle sind den Fällen 1 bis 4 analog, nur geschieht die Er- höhung der Curve im letzten Stadium, die Herausbildung des „mittleren Typus" langsamer, bezw. es wird dieser nicht so stark ausgeprägt, weil der Abänderungssjticl- raum grösser bleibt, und wir haben das Bild eines sicli vervollkonunnenden Typus, bildlich dargestellt durch einen mit den beiden Auslesegrenzen mehr und mehr nacli rechts rückenden hohen Curvenscheitcl. In Wirklichkeit dürfte die Obergrenze sehr häutig eine aufwärts rückende sein, denn mit dem Steigen der Gesammthöhe der Organisation wird auch jedes einzelne Organ vervollkommnet und damit wieder die Gesannutorganisatiüushöhe gehoben. Gehen wir nun zu der Rückbildung über. Geschähe diese dadurch, dass die untere Auslesegrenze stetig nach abwärts rückt, so hätten wir die Spiegelbil- der der bei der Vorwärtsentwickelung untersuchten Fälle vor uns, je nach den Combinationeu, die sich zwischen der Schnelligkeit des AbwärtsrUckens der Untergrenze und der Variabilität herstellen lassen und den gemachten Voraussetzungen entsprechen; rückt auch die Obergrenze nach unten, so haben wir den unerheblichen Unterschied, dass auch an dieser Rückschläge vorkonmien können auf die Vorfahren, welche eine bestimmte Organisations- höhe einstmals erreicht hatten. In der Regel hat aber die Rückbildung eine andere Ursache: die Untergrenze wird nicht beweglich, sondern sie fällt mit einem Male gänzlich weg, was die Sache sehr vereinfacht. Sobald ein Organ, wie das Auge des Olmes oder das hintere Beinpaar der Seesäugethiere überflüssig ge- worden ist, unterliegt es nicht mehr der natürlichen Aus- lese an der Untergrenze. Bei der Rückbildung haben wir also nur zwei Ilauptfälle in Betracht zu ziehen. 1. Fall. Die Obergrenze bleibt still stehen, nach- dem die Untergi'enze weggefallen ist. Die besten ( >r- gane werden nun ausgemerzt, die schlechtesten bestehen fort. Vermöge der Panniixic wird die Organisationsiiöhe der Mehrzahl der Jungen herabgedrückt. In Fig. IT ist Fig n. ElickbiMung bei stillstehemler Obergrenze. dies dargestellt. Durch die nach links hin ungehinderte Variabilität wird die Curve auf dieser Seite verlängert, der Spielraum vergrössert. Demnach muss sich der Scheitel der Curve senken und gleichzeitig nach links verschieben. Die Curven I^V stellen verschiedene Rück- bildungsstadien vor Augen. Das häufigste Vorkonnnen und der Durchschnitt werden immer schlechter, aber noch erstreckt sich die Curve oben bis zu dem Punkte u, bezw. bis o,, die Ungleichheit der Individuen wächst, aber unter denselben müssen sich vereinzelte Exemplare finden, welche das Organ in seiner früher erreicht ge- wesenen Vollkonnnenlieit besitzen: Rückschläge zum Gu- ten ! Endlich wird beim Linksrucken des Curvenschei- tels und bei ausserordentlicher Abmachung ein Punkt er- reicht sein, wo die ganze Curve sich der Abscissenaxe so weit nähert, dass man die Ordinaten in der Nälie der Obergrenze praktisch als Null ansehen kann. Diese Annahme erscheint gcreclitfertigt durch die Erwägung, dass kein Organ eine völlig unbeschränkte Zahl indivi- dueller Variationen aufweisen kann, sondern die Zaid durch die (JonibinationsuKiglichkeiten der Grundelemente des Organes gegeben is(. Die Zahl der Elemente i.st sehr gross, aber nicht unendlicli, und darum wird auch die Zahl der Combinationen zwar gross, aber nicht unendlich 164 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 14. sein. Wahrscheinlich g-eschieht der Kampf der Theilc im Keimplasma in der Weise, dass die Zahl der Grund- eleiiiente eines überflüssigen Organes vermindert wird, und dann ist der Aufbau des einmal erreicht gewesenen Vollkommenheitsgrades unmöglich geworden. Das Auge des Ulmes wird daher nach der Theorie grosse Ungleich- heiten zeigen, es wird Augen geben, die mehr, andere, die weniger rudimentär geworden sind; aber ein wirk- liches Auge, wie es ein am Tage lebender Molch l)esitzt, wird bei dem ( )Im schwerlich gefunden werden. Auch die überzähligen Brustwarzen beim Menschen sind von sehr verschiedener Grösse, bleiben jedoch immer weit hinter derjenigen der normalen Warzen zurück, ja, sin- ken manchmal bis auf einen kleinen Pigmentfleck der Haut herunter, den derjenige gar nicht als Rudiment einer Brustwarze erkennt, der die vielen Uebergangsstufen nicht gesehen hat. Können wir uns auf diese Weise ein ziemlich helles Bild von den Vorbedingungen der Rückbildung machen, so müssen wir uns fest einprägen, dass die hauptsäch- lichste das Fortbestehen der oberen Auslesegrenze bei «1 ist. Die Beseitigung der ausgebildetsten Organe ist es, welche den Durchschnitt herabdrückt. Bestünde die obere Grenze nicht, dann würde der Prozess nach dem Wegfall der unteren Grenze einen ganz anderen Verlauf nehmen. Die Curve würde einfach in sich selbst zu- sammensinken, wie dies schon früher ausgesprochen wurde, aber das häufigste Vorkommen und der Durch- schnitt würden annähernd auf der Mittellinie der Curve I verbleiben, demnach nicht verschlechtert werden. In Fig. 18. Rückbildung bei unliBScbränliter Variabilität nach beiden Seiten. Fig. 18 habe ich in den Curven I — IV den Verlauf bei beiderseitig unbegrenzter Variirfreiheit dargestellt. Pan- mixie allein bringt darum noch keine Rückbil- dung hervor: es muss eine wirksame Auslese an der oberen Grenze vorhanden sein. Ohne eine solche ist die Variabilität nicht verhindert, nach der guten Seite zu gehen, ja, die Curven II — IV werden ihren Scheitel nach dem Wegfall der unteren Grenze noch um ein Weniges nach rechts verschieben, wenn der Wechsel in einem Zeitpunkte eintritt, in welchem die dritte Periode der Vorwärtseiitwickelung noch nicht dahin gelangt ist, die Curve I vollkommen symmetrisch zu machen. So lange die Mehrheit der Individuen auf der rechten Seite der Ordinate der grösstcn Häutigkeit liegt, wird die Am- phimixis den Durchschnitt aucli nach dem Aufhören des Wettbeweibcs noch etwas heben und darum auch den Scheitel auf die rechte Seite bewegen. 2. Fall. Wenn die obere Grenze der Auslese sich nach abwärts schiebt, geht es mit der Rückbildung schneller, als im 1. Fall. Die Annahme, dass nach dem Verschwinden der unteren Grenze die obere herabwan- dert, ist keine unwahrscheinliche, denn das in Verlust ge- rathene Organ muss durch ein anderes ersetzt werden, welches Stoff und Kraft zu seiner Entwickelung braucht, und woher sollte das Nothwendigste genommen werden, wenn nicht gerade von dem überflüssig Gewordenen? Bei dem blinden 01m bilden sich so empfindliche Hautnerven- systeme aus, dass das Thier durch die leiseste Bewegung des Wassers über alle Vorgänge unterrichtet wird und die Nähe einer Beute sogleich merkt, ja sogar über den Ort, wo dieselbe sich befindet, unterrichtet wird. Diese Umbildung kann nur durch eine Keimesauslese ge- schehen, bei der das entbehrliche Organ die Kosten be- streitet. Flg. 19. Rückbildung bei abwärtsrückender Obergrenze. In Fig. 19 Voraussetzung der stetig von aj sind die Vorgänge dargestellt, wie sie entsprechen, dass die obere Grenze nach Og und «g rückt und dann Halt macht. Der Scheitel der Curve I wandert nun links nach II und III. In der Zeichnung ist angenonnuen, das Herab- rücken der Obergrenzc geschehe langsamer als die Verlängerung des Spielraumes durch die Variabilität nach unten; in diesem Falle senkt sich der Curvenscheitel in Folge der Vergrösserung des Spielraumes; bei rascherem Nachrücken der Obergrenze würde es zu einem vorüber- gehenden Aufstauen des Scheitels kommen, analog dem Falle I der Vorwärtsentwickelung. Jedenfalls sinkt der Scheitel schneller, wenn die Auslesegrenze stehen bleibt, wie dies in IV und V dargestellt ist, und er wandert rascher, wenn die Auslesegrenze ihm folgt. Die Links- versehiebung der Grenze bewirkt eine beschleunigte Rück- bildung, ist aber nicht Bedingung der Rückbildung über- haupt. Von da an, wo die Obergrenze stillsteht, verläuft die Rückbildung hier ebenso wie im 1. Fall und sie ge- schieht ganz vollständig, wenn eine ausreichende Zeit dazu gewährt ist. Bemerkenswerth beim 2. Falle ist, dass abweichend von der Vorwärtsentwickelung, Rückschläge nach beiden Seiten, also auch nach oben vorkommen, weil jetzt so- wohl bessere als schlechtere Vorfahren da sind. Die Rück- »•j und ihr Obergrenze schlage erstrecken sich zuerst bis «j bezw. Betrag nimmt nach dem Stehenbleiben der bei «:, ab, denn das Keimplasma wird von den Ahnen- plasmen, die über «;, hinausgehen, allmählich gereinigt. Beim Sinken und Linkswandern des Curvenscheitels tritt ein Zeitpunkt ein, an dem wegen der endlichen Zahl und der Untheilbarkcit der kleinsten Elemente der Orga- nismen die Curve nicht mehr im Stande ist, den l'unkt a., zu erreichen, wo also die günstigeren oder vollkom- meneren Varianten ganz ausbleiben. Z u s a ni m e n f a s s u n g u n d S c h 1 u s s. Die Gruppirung der Individuen und bezw. ihrer einzelnen Organe nach dem Grade ihrer Vollkommenheit folgt der Gauss'schen Formel, weil der Aufbau der Organe aus ihren Grund- XI. Nr. 14. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 16.T elementen, einerlei, wie wir uns diese vorstellen und wie wir sie nennen wollen, den Gesetzen der Combinationen unterliegen. Ohne Auslese würde die Variabilität dar- auf hinwirken, die Individuen immer ungleicher zu machen, solange die Theilbarkeit der organischen Elemente von zu- sammengesetzterer Beschaffenheit dies gestattet; an der endlichen Zahl und der üntheilbarkeit der letzten Grund- elemente findet auch die Variabilität ihre Schranke. Die nach der Gauss 'sehen Formel gezeichnete Curve würde sich von einer Generation zur andern immer weiter nach links und rechts ausbreiten, ihr Scheitel sieh immer mehr senken, der Variationsspieh-aum sich vergrössern, wenn nicht die natürliche Auslese dem Vorgang Grenzen zöge. Wir haben die verschiedenen Möglichkeiten des Eingreifens der natürlichen Auslese in Wort und Bild studirt. Die Auslese wirkt auf die Gestalt der Curve in entgegengesetztem Sinne, wie die Variabilität. Sie be- seitigt die unbrauchbaren Varianten und Rückschläge, hält den Spielraum in Schranken und strebt darnach, mittelst der zweigeschleehtigen Fortpflanzung die Individuen von mittlerer Beschaffenheit zu vermehren auf Kosten der extremeren Fälle, also einen „mittleren Typus" zu schaffen. Für sich allein wäre die zwei- geschlechtige Fortpflanzung nicht im Stande, einen Typus herauszuarbeiten; sie bedarf der Mitwirkung der dopi)el- seitigen Auslese, denn die Variabilität, welche die Indi- viduen immer ungleicher machen will, ist das stärkere Prinzip. Vorausgesetzt ist ferner, was auch als Regel zutrifft, dass die Individuen innerhalb des von der Aus- lese verschonten Spielraumes in Panmixie leben, sich lediglieh nach dem Zufall mit einander vereinigen. Bei den meisten, vielleicht bei allen Thieren, bilden die Vollkommeneren ebensowenig besondere Kasten, wie die Schlechteren. Nur die geistigen Fähigkeiten des Menschen begründen für ihn eine Ausnahme, weil es für die ge- sammte Art von unendlichem Vortheil ist, die Höher- begabten vorzugsweise unter sich zu paaren, um eine möglichst tüchtige Nachkommenschaft zu erzielen und diese im Interesse der Gesellschaft auf schwierigen Posten aller Art, die eine grössere als die Durehsehnittsbegabung erheischen, zu verwenden. Dies ist der biologische Sinn der Ständebildung, die den Menschen selbst ursprünglich als eine von Gott gesetzte Einrichtung erschien, dem gegenwärtigen Geschlecht jedoch oft wie ein unverständ- liches und unverständiges Ueberbleibsel barbarischer Zeiten vorkommt. Wir haben gesehen, in welcher Weise die von einer Seite, z. B. von der unteren, rasch vorrückende Auslese die Curven umgestaltet. Die Linien scheinen sich in der ersten Periode an der Mauer, welche die Grenze der Aus- lese vorstellt, aufzubäumen; ihr Scheitel steigt in die Höhe, der linke Abhang wird steiler, während sich der rechte Arm vermöge der ungehinderten Variabilität mehr und mehr nach rechts hinzieht. Es bildet sich ein „ex- tremer Typus", der aber nicht von Dauer ist. Wenn die untere Auslesegrenze nicht mehr nachrückt, hört in der zweiten Periode das Steigen der Scheitel auf, um einer Abflaehung der Curve, unter fortwährender Ausdehnung derselben nach rechts und gleichsinnigem Verschielieu des Scheitels Raum zu geben. Stösst endlich die rechte Seite der Curve an die obere Grenze der Auslese, dann ist die weitere Ausbreitung des Variationsspielraumes zu Ende, ebenso das Sinken des Scheitels; in dieser dritten Periode kommt die ursprüngliche Tendenz, die mittleren (Irade zu begünstigen, also die Curve höher und schlanker zu machen, wieder zur vollen Geltung. Die mittlere Periode der Vorwärtsentwiekelung kann auch ausfallen: wenn nämlich die untere Grenze länger nachrückt, als wir schematisch angenommen haben, dann kommt es nicht zur Abflachung der Curve, sondern gleich zur Tendenz nach Herstellung der Symmetrie oder doch nach An- näherung an dieselbe, unter gleichzeitiger Erhebung des Scheitels. Diese Periode bezeichnet stets die „Heraus- arbeitung des mittleren Typus", der von beiden Grenzen gehörige Entfernung einhält. Das Ansteigen des Curvenscheitels findet seine Grenze entweder in der verflachenden Tendenz der Variabilität, oder in der endliehen Zahl und der üntheilbarkeit der kleinsten Bau- elemente, die nur eine gewisse Zahl von Combinationen zulassen. Eines von Beiden muss den Beharrungs- zustand der Curve herbeiführen. Geschieht in der ersten Periode das Vorrücken der unteren Auslesegrenze lang- samer, sodass der Abänderungsspielraum sich rechts durch die Variabilität erweitern kann, so fällt das anfängliche Aufbäumen der Curven hinweg und der Verlauf ist ein weniger stürmischer. Aber sein Ende ist wieder im dritten Zeitabsclinitt die Herstellung der Symmetrie, die Ausbildung eines „mittleren Typus". Hierbei haben wir immer angenommen, dass die Fruchtbarkeit, die Vermehrung der Individuen, von ihrer Stellung auf der Abscissenaxe unabhängig sei, was bei allen Organen und Seelenanlagen zutrifft, die zu der Fortpflanzung und zu der Juugenpflege keine Beziehungen haben. Aendert sich hingegen die Vermehrung mit der Abscisse, so werden die Curven mit jeder Generation mehr und mehr asymmetrisch. Für die Auslegung der Asymmetrie, die uns bei statistischen Untersuchungen be- gegnet, folgt hieraus, dass wir zunächst fragen müssen, ob eine ungleiche Fruchtbarkeit anzunehmen istV Könnte man beispielsweise die Stärke des Geschlechtstriebes oder des Instinktes zur Pflege und Vertheidigung der Jungen in Curven darstellen, so würde sich nothwendigerweise Asymmetrie mit Verschiebung des Curvenscheitels nach rechts ergeben, was keiner weiteren Erklärung bedürfte. Handelt es sieh aber um Objecte, die keinen Einfluss auf die Vermehrung haben, so muss eine andere Ursache der Asymmetrie vorhanden sein. Der steiler abfallende Schenkel der Curve beweist, dass die Grenze der natür- lichen Auslese auf dieser Seite im Vorrücken ist. Denn wäre dies nicht der Fall, so würde sich die Symmetrie im Laufe der Zeit wiederherstellen. So ist z. B. die Curve des Kopfindex für den rund- köpfigsten Schwarzwaldbezirk Wolfach etwas asym- metrisch und zwar fällt sie auf der langköpfigen Seite steiler ab, als auf der rundköpfigen. Es ist nicht zu be- weisen und auch nicht wahrscheinlich, dass die Lang- köpfe sich stärker vermehren, als die Rundköpfe; eher wäre vielleicht das Gegentheil anzunehmen, wenn man auf die Rassenpsychologie der Lang- und Rundköpfe unter den heutigen sozialen Verhältnissen eingehen wollte. Am wahrscheinlichsten ist jedoch für den vorliegenden Fall die Gleiehgilfigkeit des Kopfindex für die Ver- mehrung. Somit ist eine ungleiche Fruchtbarkeit hier nicht als Ursache der Asymmetrie zuzulassen. Wir sind zu der Annahme genötliigt, dass die längeren Köpfe sich in stärkerer Anzahl dem Bevölkerungsstrom an- schliessen, um anderswo günstigere Lebensbedingungen aufzusuchen, und dies würde mit der Rasscnpsyehdlogie gut stimmen. Es genügt aber nicht, dass die Langköpfe in relativ stärkerer Zahl auswandern, sondern die Aus- lesegrenze muss im Vorrücken begrift'eu sein, um eine Asymmetrie zu bewirken, d. li. der Wandertrieb nniss um sieh greifen und muss nach und nach auch kürzere Köpfe erfassen, nachdem die eigentlichen Lang- köpfe und selbst die Mesocephalen schon sehr seifen ge- worden sind. Die zurückhleii)endcn Ilyperbrachycephalen werden wohl die Tendenz haben, mehr nach der Seite 166 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 14. der Rundköpfig^keit hin zu variiren und die Asymmetrie der Curve zu verstärken, doch ist dies nur eine Folge der Personal- Auslese und besitzt nicht den Werth einer "selbst- ständigen Erscheinung, dauert auch nur so lange, als die Grenze der Per.sonal-Auslese im Vorrücken ist. Dies geht schon aus folgender Thatsache hervor: Die Curven der meisten ülirigen Bezirke und der Gesammtbevölkerung Badens zeigen die.se Asymmetrie nicht, weil hier Abwande- rungen solcher Art nicht stattfinden, bezw. Ab- und Zuwanderungen sich ausgleichen. Die Indexcurve der Städter scheint sogar auf der rundköpfigen Seite etwas steiler zu sein, was sich im Sinne meiner „Natürlichen Auslese beim Menschen" erklären lässt. In dem Wolfacher Beispiel sind die Grenzen der Auslese keine ganz scharfen: es lässt sich nicht fest- stellen, von welchem Kopf-Index an der Trieb zur Aus- wanderung unter den gegebenen Verhältnissen den Trieb zum Bleiben überwiegt, sondern die beiden Indexgebiete greifen in einander über. Aehnliches wird in Wirklichkeit oft vorkommen, d. h. die Grenzen der Auslese werden in vielen Fällen nicht so ausgeprägt sein, wie wir in der Theorie angenommen haben. Dies tliut der Richtigkeit unserer Betrachtungen keinen Eintrag. Wir waren ge- zwungen, jene Annahme scharfer Grenzen zu machen, um ein klares Bild der Vorgänge zu erhalten, und wir kön- nen uns sagen, dass die Nichterfüllung der Voraussetzung das Bild nicht verzerrt, sondern nur dessen Umriss ver- wischt, dass also unsere Folgerungen wahr bleilien. Auch ist nicht zu leugnen, dass die Auslese schon für die Ver- bindung zweier ( )rgane ein anderes Ergebniss haben kann, als für jedes einzelne Organ allein. Ein nahe der un- tern Grenze innerhalb des verschonten Spielraumes ge- legenes Gehör kann seinen Besitzer noch erhalten, unter der Voraussetzung, dass die Sehschärfe eine gute ist. Sinkt diese jedoch ebenfalls auf einen geringeren Grad herab, so braucht sie ihre untere Grenze nicht zu über- schreiten, um das Individuum lebensunfähig zu machen, denn mit schlechten Augen und Ohren kann sich der Ge- sammtorganisnms schon unterhalb der für ihn als Ganzes geltenden Auslesegrenze befinden. Ordnen wir die Ge- sammtorganisation nach dem Grade ihrer Vollkommenheit, so tritt unsere Betrachtungsweise wieder in ihre vollen Rechte und die Auslesegrenzen sind hier schärfer, als bei den einzelneu Organen. Die Rückbildung überflüssig gewordener Organe geht in umgekehrter Ordnung vor sich, wie die Vorwärts- entwickelung, wobei wieder die Panmixie aller überleben- den Individuen d. h. ilne Paarung nacii dem Zufall, Vor- aussetzung ist. Die Panmixie für sich allein (ohne Aus- lese) könnte jedoch nur ein sehr grosses Auseinander- weichen der Individuen nach beiden Seiten vom Mittel zu Stande bringen, ohne dass die durchschnittliche Orga- nisationshöhe abnähme. Damit die Rückbil düng ge- schehe, muss die obere Grenze nach dem Weg- fall der unteren fortbestehen; der Verlauf wird be- schleunigt, wenn die obere Grenze herabrückt, was ver- möge der Keimes-Auslese der wahrscheinlichere Fall ist. Man hat den Eindruck, dass bei einem hochentwickelten Organe die Uanclemente in labilem (ileichgcwichte lägen, in welchem sie mn- dm-cli die beständig wirkende .\us- lese gehalten werden, und dass sie in iin'e ursprüngliche festere Gleichgewichtslage zurückzusinken droiien, wenn der Zwang entfernt wird. Dies ist jedoch nur bildlieh gesprochen, denn wir wissen zu wenig von den Verhält- nissen dieser kleinsten Bautheile der Organismen, um uns die Vorgänge selbst zu vergegenwärtigen. Die Ursachen der Auslese sind verschiedene. An der unteren Grenze ist die Leistungsfähigkeit des Or- ganes, der Anlage oder des Individuums, je nachdem wir eines von diesen der Betrachtung und der graphischen Darstellung unterziehen, für die Auslese maassgebend. Au der oberen Grenze wurden dreierlei Ursachen unter- schieden: der Intralkampf, der Extralkampf und der So- zialkampf, die jedoch zum Theil noch in Untergruppen zerfallen. Eine äusserst merkwürdige Wechselbeziehung besteht zwischen der Germinal- und der Personal-Selek- tion, indem die eine die ol)ere Grenze der andern bestimmt und umgekehrt. Eine nähere Betrachtung dieser That- sache lässt noch manchen neuen Aufschluss erwarten. Die grosse Bedeutung des Variationsspielraumes hängt innig mit derjenigen der zweigesehlechtligen Fortpflan- zung zusammen. Die Vermischung ungleicher Individuen unterstützt die Variabilität, indem sie aus den vorhande- nen Bausteinen neue Combinationen als Material für die natürliche Auslese herstellt. Jedoch kann sie nur verwen- den, was schon vorhanden ist, raubt also der indivi- duellen oder spontanen Keimesvariabilität nichts von ihrer Wichtigkeit. Bei eingeschlechtiger Fort- pflanzung hätten die Curven eine andere Gestalt: sie wür- den an den Auslese-Ordinaten emporsteigen und Ecken behalten. Durch die zweigeschlechtige Fortpflanzung werden die Ecken immer wieder abgerundet, die Curven ihrer ursprünglichen Gestalt ähnlich hergestellt, jedoch nnt der Maassgabe, dass die mittleren Grade, die „typi- schen" Individuen, begünstigt ersclicinen, wie dies schon hervorgehoben wurde. Der der Auslese entzogene Ab- äuderungsspielraum ist nicht bloss eine Thatsache, sondern er ist auch unentbehrlich für den Fortschritt der P^ntwieklung. Müssten alle Individuen bei Gefahr der Vernichtung durch die natürliche Auslese ganz genau einander gleich sein, dann wäre ein verschonter Ab- änderungsspielraum allerdings nicht vorhanden und es gäbe keine Vertheilungscurve der Grade. Alle Indivi- duen würden über einem Punkte der Abscissenaxe lie- gen, in einer einzigen Ordinate sich zusammendrängen. Die Auslesen von links und von rechts würden sich in die- ser Ordinate begegnen; Variation wäre ausgeschlossen, die Fortentwickelung unmöglich, und eine kleine Ver- schiebung der Auslesegrenzen durch Veränderung der äusseren Lebensbedingungen müsste die gesammte Art vertilgen. Denn sobald die vorrückende Grenze der Aus- lese über die der Variabilität weggeht, ist die Anpassung aufgehoben und die Art dem Tode verfallen. Für die menschliche Gesellschaft ist der Abänderungsspielraum ganz besonders wichtig. Er allein ermöglicht die Arbeits- theilung und die ganze, verwickelte, auf der Ungleichheit der Individuen beruhende Gesellschafts - Organisation. Wären die Menschen einander gleich, so müsste die Ge- sellschafts-Organisation eine äusserst einfache sein, aber dann könnte nur ein sehr geringer Bruchtheil der Men- schen am Leben bleiben, welche sich jetzt mehr oder weniger iln-es Daseins freuen, trotz der vermeintlichen Unvollkommenheiten der Weltordnuug. Aus der ursprüng- lich grösseren Gleichheit der Seelenanlagen heraus hat sich die zunehmende Ungleichheit gebildet, durch Er- weiterung der individuellen Ausstattung in dem Sinne, dass die Arbeitstheilnng möglich wurde und auch den wcinger iioch Begabten Lebcnsmögiichkciten schuf. Die Ungleichheit ist also hier die Grundbedingung des Lebens und der ^'ermehrung. Was ist aber diese Ungleichheit anderes, als der Abänderungsspielraum beim Men- schen? So sehen wir hier das Bestehen eines der Aus- lese entzogenen Spielraumes in seiner höchsten Be- deutung. XI. Nr. 14. Natnrwissenschaftliclie Wochenschrift. 167 Garteukalender. April. Im Obstgarten können noch immer (Obstbäume i;epflanzt werden, wenn sie keinen weiten Transport auszuhalten und noch nicht ihre Knospen ö-eöftuet liaben. Die Wurzeln müssen aber vor dem Pflanzen in einen dünnen Lclimbrei getaucht werden. Nach dem Pflanzen muss man sehr stark giessen und überhaupt für reichliche Bewässerung Sorge tragen. Das Umwickeln des Stammes mit Moos, welches beständig feucht zu halten ist, ist, wenn irgend ausführbar, vorzu- nehmen. Es ist aber besser, jetzt nicht mehr zu pflanzen, sondern damit bis zum Herbst zu warten. Die früher gepflanzten Bäume und Sträucher werden bei trockenem Wetter stark begossen und bespritzt. Au älteren Bäumen zeigen sich nicht selten sogenannte „Frostplatten'-. Es sind das verschieden grosse, meist scharf umschriebene Stellen am Stamme, an welchen die Rinde, etwas vertieft, fest am Holzkörper liegt. Das Cambium ist hier abge- storben. Es ist nöthig, an diesen Stellen die Rinde bis auf das Holzglatt fortzuschueiden und die Wunde mit Baumwachs zu verstreichen, so dass weder Luft noch Wasser dazu kann. Das „Ringeln" stark treibender, aber schlecht oder gar nicht blühender Bäume kann jetzt vor- genommen werden. Es besteht darin, dass man etwa einen halben JMeter über dem Boden rings um den Stamm zwei 2 — o cm von einander entfernte Schnitte bis aufs Holz führt und die Rinde mit dem Cambium entfernt. Die Wunde verheilt im Laufe des Sommers wieder, der Baum aber wird dadurch zur Blüthenbildung angeregt. Man kommt aber ohne eine solche in das Leben des Baumes tief eiugreifende Operation auch eben so gut zum Ziele, wenn man den Baum kräftig mit phosphorsaurem Kali düngt. Um während der Blüthezeit die schädliche Wirkung etwaiger Nachtfröste zu verhindern, zündet man vor Sonnenaufgang nasse Reisighaufen an, welcher aber in gehöriger Entfernung von den Bäumen stehen müssen. Man achte auch auf die Windrichtung, weil der Rauch die Bäume einhüllen muss. Erdbeerbeete werden behackt und gut begossen. Erdbeerpflanzen können zur Noth noch auf gut gedüngtes Land gepflanzt werden. Im Gemüsegarten wird nun auch der schwere Boden glatt geharkt und bestellt. Die Samen werden nie tiefer in dia Erde gebracht als sie seihst dick sind. Neben frisch gepflanzte Setzlinge stellt mau leere Blumentöpfe, um bei drohendem Froste sie damit decken zu können. Ebenso empfiehlt es sich, diese jungeu Pflanzen während der Mittagsstunden der ersten Tage, wenn die Sonne scheint, zu bedecken. Das Pflanzen wird des Abends vorgenommen. Nach dem Pflanzen muss stark gegossen werden, doch so, dass die Wurzeln nicht blossgelegt werden. Auf die Spargelbeete wird die Erde von den Wegen herangezogen, damit die „Stangen" eine genügende Länge erhalten. Der Spargel sollte nicht mit dem Messer „gestochen", sondern mit der Hand freigelegt und an seiner Ursprungsstellc gebrochen werden. Man schont auf diese Weise hervor- spriessende Sprosse und die Pflanze selbst. Das ent- stehende Loch muss natürlich wieder zugeschüttet werden. Im Anfange des Monats werden frühe, weiterhin späte Kartoft'eln gelegt. Im Ziergarten kommen nun schon eine ganze Anzahl Oewächse zur Blüthe. Die Blüthen- schäfte von Hyazinthen, Tulpen, Narzissen etc. bindet man an kleine Stäbe, man hüte sich, die Zwiebeln beim Einstecken der Stäbe zu verletzten. Die Erde zwischen den blühenden Pflanzen wird wiederholt gelockert. Reich liebes Begiessen ist sehr zu empfehlen. Gegen das Ende der Blüthezeit dünge man mit Wagner's Blumendünger. Knollen von Georginen und Cana werden zunächst in Töpfe geflanzt und im warmen Zimmer angetrieben. Die jungen Triebe der (Jeorginen können, wenn sie etwa 5 cm lang geworden siud, abgeschnitten und als Steck- linge in Sand gesteckt werden, wo sie sich leicht be- wurzeln. Die Aussaaten des vorigen Monats werden ver- einzelt, „pikirt", d. h. die jungen Pflänzchen werden in grösserer Entfernung von einander in Kästen oder Töpfe in sandige Erde gepflanzt. Im Freien nuicht man jetzt von den verschiedensten Sommerge\vächsen Aussaaten; die Samen müssen ziemlich weit von einander ausgestreut werden. Härtere Pflanzen, welche im Keller überwintert wurden, können ins Freie gebracht werden, wo mau sie am besten sofort auspflanzt. Einjährige Schlingpflanzen werden in Tö])fcn ausgesät und erst nach Mitte Mai an Ort und Stelle gepflanzt. Von Fuchsien, Pelargonien, Heliotrop, die vorläufig noeh nicht in den Garten geltracht werden, kann man immer noch Stecklinge macheu. Auch abgetriebene Rosen liefern jetzt gute Stecklinge. Während die Ziersträucher und -Bäume im Allgemeinen nicht mehr verpflanzt werden, können Nadelhölzer, wenn sie zu treiben beginnen, mit Erfolg gepflanzt werden. Dieselben müssen aber gut Ballen halten, deshalb vor dem Ver- pflanzen stark angegossen werden. Udo Dammer. Dass der Reis- und Setariabrand nicht zu den ITstilagineeu gehören, hat Brefeld bereits im Xll. Heft seiner Untersuchungen gezeigt. Aus den dort mitge- tlieilten Culturresultaten Hess sich aber die höhere Frucht- form der beiden Pilze nicht ableiten. Jetzt veröffentlicht Brefeld im Botau. Centralblatt eine kleine Arbeit, worin er nachweist, dass der Setariabrand zu einem mutterkorn- artigcü Ascomyceten gehört. Ganz nach Art der Ustilagineen befallen die beiden Pilze die Blüthen der Nährpflanze und bilden im Frucht- knoten Sporenlager aus. Die kleinen, dunkelfarbigen Sporen werden in ganz ähnlicher Weise am Mycel ge- bildet wie die Brandsporen der Ustilagineen. Bei der Oultur in Nährlösungen auf dem (Jbjectträger keimen die Sporen sehr bald und bilden an seidecht ernährten Cul- turen kleine Conidien am Mycel. Sind Nährstofte reich- Uch vorhanden, so bildet sich ein gelbliches Mycel, das schliesslich die Mächtigkeit dicker Knollen erreicht. In diesen bilden sieh die Lager der braunen Chlamydosjjoren aus. Weiteres ergab die Oultur nicht. Aus Brasilien erhielt nun Brefeld eine Anzahl von Setariafruchtknoten, in denen sclerotienartige Gebilde sich vorfanden. Da die Sporen der Chlamydosi»orenlager daran sassen, so war von vornherein zu vermuthen, dass die Sclerotien in denselben Entwieklungskreis gehöreu würden. Sie wurdeu deshalb unter den nöthigen Vor- sichtsmassregeln über ein halbes Jahr lang auf feuchtem Sand im Gewächshause ausgelegt. Endlich trat auch die Keimung ein. Es zeigte sich ein gelbliches Mycel- flöckchen an den glänzend schwarzen Körnern, das sich allmählich länger streckte und einen 3 — 4 cm langen Stiel bildete, der an der Spitze ein Köpfchen trug. In diesem sitzen, wie beim Mutterkorn, die zahlreicheu Perithecieu. Die Asken enthalten 8 sehr lange, faden- förmige Sporen, welche leicht auskeimten und dieselben Conidien bildeten wie die Chlamydos])oren. Der neue Ascomycet, der schon im XII. Heft mit dem 6attung.snamen Ustilaginoidca belegt worden war, ist der allbekannten Gattung Claviceps sehr ähnlich und würde sich nur durch die Ausbildung von Chlamydo- sporen von ihr unterscheiden. G. Lindau. Einen interessanten Bimorphisnuis betreffs der Abwelir ankletternder Kerfe zeigt das Gras Aristida ciliaris Dcsf. (L. Trabut, L'Aristida ciliaris Desf. et les Fourmis. Bull. Soc. bot. France, T. 41, S. 272). Es 168 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 14. gehört zu der Gattung, deren Miti;lieder (so A. oliftantha in Texas und A. punsens aus der Sahara) den Ameisen Getreide liefern. Während nun die gewöhnliche Form dieser gleichfalls der Sahara angehörenden Art auf jeilem Knoten einen dichten Ring langabstehender Haare trägt, der gegen Insecten schützt, fand Trabut im Süden Orans zu Ain Safra eine Form, deren Knoten nur einige win- zige Härchen aufweisen. Dagegen waren die den Knoten benachbarten Abschnitte der Internodien .stark klebrig. Wir finden hier also ein Schutzmittel durch ein zweites anderes ersetzt. C. Mtt'. Papageien des Berliner Zoologisclien Gartens. — Wahrscheinlich befindet sich wie im Berliner Zoologischen Garten nirgendwo auf der Erde eine derartig vollständige Ausstellung lebender Papageien. Herr Director Dr. Heck ist emsig bemüht, jede neue Erscheinung des Vogel- marktes für den Garten zu sichern, und es gelang ihm in den letzten Wochen wiederum, eine Anzahl sehr seltener und schöner Papageien, welche zum ersten Male lebend eingeführt worden sind, zu erwerben. Von grossem Interesse sind vor Allem vier Exemplare des Gelbstrichel- Lori, Trichoglossns versicolor, welcher in Nordaustralien lebt. Es .sind anscheinend zwei Pärchen, Verwandte des schon längere Zeit ausgestellten Moschus-Lori, Tr. con- cinnus. Sie gehören zur Gattung der Keilschwanz-Lori, welche sich durch einen stufigen Schwanz mit spitzen Steuerfedern auszeichnen. Vorläufig sind die Thierchen noch nicht ganz ausgefärbt, versprechen aber, wenn ihr Gefieder erst vollständig in Ordnung ist, ausserordentlich hübsche Vögel zu werden. Sie befinden sich im neuen Vogelliause auf der Papageienseite in einem der kleineren Glaskasten. Die Gelbstrichel-Loris haben eine sattrothe Kappe auf dem Kopf, einen gelblichen Hinterkopf, ein graublaues, gelbgrün gestricheltes Nackenbaud, ebenso gefärbte Wangen und Kehle, gelbe Ohrgegend, wein- farbige Oberbrust mit gelben Stricheln, grüner Rücken und gelbgrüne, gestrichelte Unterseite. Die Weibehen sind etwas blasser gefärbt. Alle Kcilschwanz-Loris fliegen vorzüglich in mannigfaltigen Schwenkungen , klettern wenig, sondern hüpfen von Zweig zu Zweig. Auf den Erd hoben kommen sie selten herab. Auch bei Euglena viridis Ehrbg. ist neuerdings von J. Keuten eine indirecte mitotische Kerntheilung nachgewiesen worden (Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. 16, S. 215). Schon an einer Reihe von Einzelligen konnten alle typischen Phasen der mitotischen Kerntheilung beobachtet werden, so z. B. von Schewiakoff bei Eugly])ha alveolata, Brauer bei Actinosphaerium Eich- liorni, Lanterborn bei Ceratium hirundinella, Ischi- kawa bei Noctiluca miliaris, Schaudinn l)ei Anioeba binucleata u. a. m. Es seheint demnach auch bei den Protozoen die directe Kerntheilung nicht mehr vorherrschend zu sein und die Vermehrung des Zellkernes durch ein- fache Zersclmürung viel enger begrenzt zu sein, als man früher anzunehmen geneigt war. Der Kern der Euglena ist stumpf eiförmig, in seiner Mitte liegt ein Körjjcr von fast gleicher Gestalt, dem man bisher die Bezeichnung Nucleolus beigelegt hat, weil seine Lage, seine Grösse und sein Verhalten gegen Farbstofl'e an einen gewöhnlichen Nucleolus erinnert. Da er aber in der Kerntheilung der Euglena eine Rolle spielt, die ihm die Bedeutung eines activen Theilungsorgancs giebt, so nennt Keuten dieses fragliche Gebilde „Nucleolo- Ceutrosoma." Das Chromatin ist nicht, wie man es gewöhnlich im ruhenden Kern findet, in Gestalt von Körnchen unregel- mässig im Kernraum zerstreut , sondern es stellt von vornherein stähcheuförmige Gebilde dar, welche leicht gebogen und radial gegen das central gelegene Nucleo- Centrosoma gerichtet sind. Die Chromosomen .sind überaus zahlreich und dicht an einander gelagert. Die beginnende Kerntheilung dokumentirt sich am auftalligsten dadurch, dass das Nueleolo-Centrosoma eine Streckung erfährt, seine Enden kolbenartig anschwellen und sanduhr-, später hanteiförmig werden. In diesem Stadium färben sieh seine kolbigen Enden stärker als das verbindende Mittel- stück und ragen frei in die Kernhöhle hinein, nachdem die Chromosomen von beiden Polenden her nach dem Aequator zugerückt sind und als breite äquatoriale Zonen das Mittelstück des Nucleolo-Centrosomas umgeben. Der Kern bekommt nun die Gestalt eines Rotationsellipsoides, dessen kurze Achse vom Nucleolo-Centrosom gebildet wird. Die Endstücke des letzteren zeigen 3—6 Vacuolen, welche sich von jetzt ab regelmässig verfolgen lassen. Eine Längsspaltuug der Chromosomeu konnte Keuten genau nachweisen und verfolgen. Im weiteren Verlaufe der Kerntheilung wechselt die Gestalt des Kernes wieder, indem die bisher kürzere Achse des Ellipsoides zur Längs- achse auswächst. Bedingt wird diese Gestaltsveränderung durch Vorgänge, welche sich im Innern des Kernes abspielen. Das Nucleolo-Centrosom, besonders sein Mittelstück, be- ginnt jetzt stark in die Länge zu wachsen und nimmt an Dicke ab. Gleichzeitig mit dieser Streckung setzen sich auch die Chromosomen in Bewegung, sie verlassen ihre äquatoriale Lage, indem der eine Theil dem einen, der andere Theil dem entgegengesetzten Ende des Nucleolo-Ceutrosoms zustrebt. Gegen das Ende der Kern- theilung umgeben dann die Chromosomen je ein Endstück des Nucleolo-Centrosoms allseitig, dessen Mittelstüek in der Mitte reisst und wahrscheinlich in die nunmehr als Tochternucleolo - Centrosomen erscheinenden Endstücke eingezogen wird. Schnürt sich schliesslich der Kern in der Mitte noch durch, so hat man zwei Kerne mit je einem Nueleolo-Centrosoma in einer Euglena. Dadurch, dass sich endlich das Mutterthier senkrecht zur Verbin- dungslinie der beiden Tochterkerne theilt, entstehen zwei TocTiterindividuen mit je einem Kern, die den Charakter von ruhenden Euglenen hal)en und zunächst noch von einer gemeinsamen Schleimhülle umgeben sind. Centro- somen resj). Polkörperchen hat Verf. nicht nachweisen k( innen; er vermuthet, dass sie bei der Rolle, welche das Nueleolo-Centrosoma bei der Kerntheilung spielt, über- flüssig sind. Diesen Kerntheilungsprocess der Euglena muss man ohne Zweifel als mitotischen bezeichnen. Die Coucen- trirung der chromatischen Substanz zu Fäden, die Wanderung der Fäden nach dem Aequator hin, die Längsspaltung der Chromosomen, das nachfolgende Aus- einanderweichen der Tocliterchromosomen und die Ver- theilung derselben auf zwei Hälften sind charakteristische Merkmale der indirccten Thcilung. Daneben bietet aber die Kernvermehrung der Euglena höchst merkwürdige Abweichungen von der gewöhnlichen Art und Weise der mitotischen Thcilung. Während hier gewöhnlich in ruiicnden Kernen die chromatische Substanz äusserst fein vertbeilt ist und erst als Vorbereitung zur Kerntheilung sich zu Fäden consolidirt, kommt bei Euglena die chro- matische Substanz nur in Gestalt von Fäden vor. Eine sehr bcachtcnswcrthe Rolle spielt das Nueleolo-Centrosoma. Als axialer Stab, um den lierum sich die Chromosomen je nach den verschiedenen Phasen in verschiedener An- iirdnung gruppiren, ist das Nueleolo-Centrosoma von vorn- herein bestimmend l'ür die künftige Richtung der Kern- XL Nr. U. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 169 theihmg-, und indem es auf die Bewegung des Chromo- soms richtend wirkt, beherrscht es den ganzen Theilungs- vorgang, ein Modus der Kerntheilung-, der bisher völlig isolirt dasteht. R- Die Recherche-Bai (Bei Sund) iu Spit/bergen, welche im Jahre 1838 zum ersten Male von der franzö- sischen Korvette „La Recherche" besuelit wurde, ist durch die Mannschaft des englischen Sehulgcscliwaders in der Zeit vom 29. Juli bis 4. August 18115 von neuem vermessen und untersucht worden, wobei sich die grosse Genauigkeit der alten französischen Aufnahme heraus- stellte. Die unter 77'^ 30' n. B. und 14» 36' w. L. gelegene Bai hat eine Länge von 3,5 Seemeilen, eine Breite von 2,5 Seemeilen und weist eine durchschnittliche Tiefe von 20 Faden (37 m) auf. Nur von der sogenannten Renn- thierspitze erstrecken sich Untiefen etwa V2 Seemeile weit iu die Bucht hinein. Die umgebenden Berge weisen eine durchschnittliche Höhe von etwa 600 m auf, wie der am Ende der Bai geleg-ene Observatoriumsberg, der das französische Observatorium trug, 578 m hoch ist. Zwei grosse Gletscher reichen in die Bai hinein und bilden theilweise ihre Seiten, der sogenannte Ostgletscher und der Foxgletscher; etwa 1 Seemeile östlich der Bai findet sich noch ein grosser Eisstrom. Der Ostgletscher entwickelt sich wahrscheinlich aus der das Innere der Insel bedeckenden Eisdecke und dürfte eine Länge von 30 Seemeilen haben; an der Vorderseite ist er nngefähr 1,5 Seemeilen breit bei einer durchschnittlichen Mächtig- keit von etwa 65 m, von denen aber nur 30 m über dem Meeresspiegel liegen. Wie alte Eis- und Schuttniassen vermuthen lassen, reichte der Gletscher früher weiter in die Bai hinein als gegenwärtig. Am vorderen Ende des Eisstromes wurden im Meeresniveau eine 1,8 — 1,4 m breite und etwa 6 m hohe Eishöhle gefunden, die sieh weit unter den Gletscher erstreckt und durch die nur wenig mächtige Eisdecke hindurch vom Tageslicht etwas erhellt wurde; ein Gletscherbach war zur Zeit in der Höhle nicht vorhanden. Der in den Hügeln an der Westseite der Reeherche-Bai entstehende Foxgletscher ist nur verhältniss- mässig kurz, erscheint aber von vorn gesehen, fast ebenso breit als der Ostgletscher. Ein von ihm herabströniender Bach hat an seiner Mündung eine Menge fossiler Knochen angehäuft, deren viele von den englischen Mannschaften gesanmielt wurden. Von beiden Eisströmen breciien un- ausgesetzt mit lautem Krachen grosse Eisblöcke ab, die den ganzen hinteren Theil der Bai erfüllen. Die ganze Flora dieser öden und verlassenen, aber doch landschaftlich nicht unschönen Gegend scheint nur aus einigen Moosen an den Gehängen der Hügel und verkrüppelten isländischen Mohnptlanzen zu bestehen. Belebt wurde die Landschaft nur durch sehr zahlreiche Seehunde und eine Unzahl von Seevögeln, deren Nester und Eier in grosser Zahl auf einer in der Südwestecke der Reehcrehe-Bai gelegenen Insel, der Schulgeschwader- Insel, gefunden wurden. G. M. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eniaiint wurden: IJer ordentliche Professor der Geologie und Direetor des geologisch - mineralischen Institus in Würzburg Dr. von Simdberger unter Entbindung von seinen Verpflich- tungen zum k. Geh. Rath; der Privatdocent der Cliirurgio und I. Assistenzarzt am klinischen Institut für Chirurgie Dr. Dietrich Nasse, sowie der Privatdocent der Physiologie und Alitheilungs- vorstehor am physiologischen Institut zu Berlin Dr. Johannes ThierfeUler zu ausserordentlichen Professoren; der Leiter der chirurgischen Chariteklinik zu Berlin Dr. Otto Hildebrau dt, früher Privatdocent in Göttingen, zum ausserordentlichen Pro- fessor; der praktische Arzt Dr. (j ebhard t zum Assistenten am Breglauer physiologischen Institut; der Privatdocent der Chirurgie in Marburg Dr. Arthur Barth zum ausserordentlichen Professor. Berufen wurden: Der Professor der Forstwissenschaft am Polytechnikum in Zürich Dr. A. Büliler als ordentlicher Pro- fessor nach Tübingen; der ordeiitliclie Professor der Hygiene und Direetor der hygienischen Universitäts - Anstalt in Amsterdam Dr. Joseph Forster nach Strassburg; der Assistent an der ptlanzenphvsiologisclicn Universitilts-Anstalt in München Dr. Ma- ria n Raciborski an den botanischen Garten zu Buitenzorg auf Java. Es habilitirten sich: in Strassburg Frauenarzt Dr. Klein für Geburtshilfe und Gynäkologie, Dr. Thilenius für Medizin. Es stai'ben: Der Pariser Anatom Marie Philibert Con- sta nt Sappey; der ordentliclie Professor der Geburtshilfe und Gynäkologie in Gent Dr. Vullii't; der Privatdocent der Philo- sopliie und Pädagogik in Leipzig Dr. Hermann Wolff, Direetor der 2. Bürgerschule daselbst; der bedeutende Botaniker Marma- duke Alexander Lawson iu Madras. L i 1 1 e r a t u r. Josef Hafner, Der Spiritismus und die moderne Wissenschaft. An Eduard von Hartmann. Verlagsanstalt und Druckerei A. G. (vormals J. J. Richter). Hamburg 189-5. — Preis '2 Mk. Verf. ist der Meinung, dass es unter den Kritiken über den Spiritismus ausser den von Hartmann'scheu „nur wenig Werth- volles" giebt. Verfassers Ansicht, dass die schon bestehende Kritik der fortschreitenden Verbreitung des Spiritismus desshalb keinen Einhalt thun konnte, weil dabei der von Subjectivität freie Standpunkt der principiellen Betrachtung nicht eingenommen worden sei, dürfte hinfällig sein. Ein Theil der Menschen hat nun einmal die unwiderstehliche Neigung für vorgefasste Ideen in der Erfahrung Beläge zu finden, sodass es hier beim besten Willen nicht gelingt, sie von der falschen Bahn abzuleiten. — Die beste Kritik des Spiritismus scheint uns übrigens in den Werken von Rieh. Avenarius gegeben zu sein. A. Weismann: Ueber Germinal-Selection, eine öuelle bestimmt gerichteter Variation. .Ima, G. Fiscle-r, 1890, 70 S. 8". Der Freilunger Zoologe sucht in dieser Schrift eine Lücke der Abstammungstheorie aufzufüllen, die schon von vielen Forschern empfunden worden ist. Wie kommt es, dass die nütz- lichen Keimesvariationen immer zu rechter Zeit da sind? Dass eine nützliche Eigenschaft das Bestreben bekundet, sich in der eingeschlagenen Richtung weiter zu entwickeln? Das sind Fragen, an denen man nicht vorüber kommt und auf die man eine Antwort zu geben wenigstens versuchen niuss. Weismanii gründet die seinige auf die von ihm aufgestellte Vererlnings- tlieorie (DeterminantenleLre), die bei den Lesern der „Naturw. Wochenschr." als bekannt vorausgesetzt werden darf. Er knüpft nun an den von W. Roux eingeführten Begriff des „Kampfes der Theile im (3rganismus" an und folgert, dieser Kampf müsse nicht bloss zwischen den Körperzellen sensu strictiori, sondern auch zwischen den Keimzellen stattfinden. Die Er- nährung, sagt Weismann, ist nicht bloss ein passiver Vor- gang; ein Theil wird nicht nur ernährt, sondern er ernährt sich auch activ selbst, und zwar um so stärker. Je kräftiger und assi- milationsfähiger er ist. Kräftige Determinanten im Keim werden die Nahrung stärker an sich ziehen, als schwächere, letztere wer- den deshalb laugsamer wachsen und schwächere Tochti'rzelleu liefern, als jene. Sobald es sich nun um Determinanten des Keim- plasmas handelt, die nach der Entwickelung nützliche ^'arianten darstellen, liegt in der Persi)nal-Selection ein Anstoss für die solbstständigo Einhaltung der nützlichen Variationsrichtung im Keimplasma. Denn sobald Personal Selectiou die stärkeren Va- rianten einer Determinante begünstigt, diese also nach und nach im Keimplasma der Art vorherrschen, so müssen dieselben auch dazu neigen, noch stärker nach der Plus-Seite zu variiren, nicht bloss deshalb, weil der Nnlli)unkt weiter nach aufwärts ge- rückt ist, sondern weil sie selbst jetzt ihren Nachbarn relativ stärker gegenüberstehen, also activ mehr Nahrung an sich ziehen und im Ganzen stärker wachsen und kräftigere Nach- kommen erzielen. Es wird also aus den Kraftverhältuissen zwischen den Theilclu'n des Keimplasmas selbst schon eine auf- steigende Richtung der Variation hervorgehen, ganz so, wie sie die Umwandlungsthatsachcn verhingen. Diesen schon in seiner vorjährigen Schrift ..Neue Gedanken etc." gestreiften Vorgang nennt Weismann „G er m inal-.Select ion." Seine .'\.uffassung lässt es verstehen, wie Person.al-Sclection den Anstoss zu Um- gestaltungen im Keimplasma giebt, die, wenn sie einmal in Gang 170 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 14. gebraclit sind, von sei bst in der gleic hen Ri c h tung v e i te r- golien und deshalb nicht der unausgesetzt auf einen bestimmten Theil allein gerichteten Nachhilfe der Personal-Selection be- dürfen. Wenn nur von Zeit zu Zeit durchschnittlich die schlech- testen, die Trager der schwächsten Determinanten, beseitigt wer- den, so muss die auf Germinal-Selection beruhende Va- riationsrichtuug des betreffenden Theils andauern und derselbe wird langsam, aber sicher zunehmen, so lange bis seine weitere Vergrösseruug keinen Nutzen mehr bringt und die Personal-Selection Halt gebietet. Hier möchten wir hinzufügen: oder bis die Schwächung anderer nothwcndiger Determinanten im Kampfe der Theile des Keimplasmas einen solchen Grad erreicht hat, dass die Gesammtorganisation der Individuen nothleidet und die Personal-Selection eingreift. Auf diese Weise lässt sich nach Weismann auch fasslich machen, wie eine ganze Menge von Veränderungen verschiedener Art und verschiedenen Grades gleichzeitig durch Personal-Selection geleitet werden kann, wie genau der Zweckmässigkeit entsprechend jeder Theil ab- ändert oder unverändert bleibt. Freilich könnte man einwenden, dass aus dem ungleichen Wachsthum der organischen Einheiten des Keimplasmas (Determinanten) nur Qu anti täts- Aenderungen in den Körpertheilen der Individuen hervorgehen könnten, aber dem hält Weismann entgegen, dass die meisten Quali täts- Aende- rungen eben auf Quantitäts-Aendcrungen beruhen. Wie er das neue Princip der Germinal-Selection anwendet, um auch die Rück- bildung^ zu erklären, wofür sein bisher benutztes Princip der Panmixie nach eigenem Zugeständnisse nicht völlig genügt, das muss man in der Schrift selbst nachlesen, die durch die reiche Fülle von Einzelbeobachtungen und Detailwissen ihre durch- schlagende Beweiskraft erhält. Die Grundgedanken wurden von dem Verfasser dem vorjährigen internationalen Zoologen-Congress in Lejden vorgetragen, sind aber nun hier in wesentlich er- weiterter und durchgearbeiteter Gestalt dargeboten. Otto Ammon. Adolf Bergmann I, Die Blumenpflege, ein praktisches Er- ziehungsmittel in Schule und Haus. Dargeboten der Schule und auch allen Freunden der Blumen, welche gewisse Pflanzen- lieblinge in ihre Pflege nehmen wollen. Fr. Eugen Köhler. Gera-Üntermhaus 189.5. Das Heftchen (44 Seiten umfassend) ist wohl geeignet als bequeme Einführung in die Blumenpflege zu dienen. Es" werden 18 Arten besprochen, die geschickt ausgewählt sind, da deren Cultur leicht ist und hübsche Erfolge verspricht. Dr. Paul Knuth, Flora der nordfriesischen Inseln. Lipsius und Tisclier. Kiel und Leipzig 18!)5. — Preis 2,50 M. Das leicht in der Tasche mitzuführende Büchelelicn wird dem Freunde der lieblichen Kinder Floras bei einem Besuch iler Nord- friesischen Inseln gute Dienste leisten. Der .systematischen Be- schreibung und Aufzählung der Arten gehen Abschnitte voraus, welche eine Uobersicht über die Flora der Inseln bieten und die Beziehungen zwischen Blumen und Insecten auf den Inseln be- sprechen. Für Denjenigen, der sich eingehender mit der Flora des Gebietes beschäftigen will, ist eine Liste der Litteratur von 1762 bis 1895 beigegeben. Adolf Hertzka, Die Photog^raphie. Ein Handbuch für Faeh- und Amateur- I'hotographen. Mit 194 Figuren und 3 Licht- drucktafeln. Verlag von Robert Oppenheim (G. Schmidt) Berlin. 189.5. — Preis (i M. Das incl. Register 333 Seiten umfassende Buch ist sehr ge- eignet dem Amatour-Photographcn, deren es jetzt so viele giebt — weiter zu helfen und dem Fachphotographcn zur Seite zu stehen; es vermeidet geschickt die Weitschweifigkeit und bringt für den, d(T sich mit der üblichen photographischen Aufnahme be- schäftigt oder beschäftigen will, alles Nothige. Nach einer Ein- leitung finden wir in dem Buche die Kapitel: 1. Photographischo Optik, II. Die photographischen Objective, III. Photographische Apparate, IV. Die Aufnalime, V. Die Dunkclkanumr, VI. Das Negativ. VII. Reproductionon und Vergrösserungon, VHl. Der Positivprocess, IX. Die Retouehe, X. Wiedergewinnung der Edel- metalle aus photographischen Rückständen, XI. lieber Chemi- kalien und deren Verwendungen in der Photographie. G. Wiedemann, Die Lehre von der Elektrizität, 2. Auflage, 3. Band. IJraiinschweig 1895, F. Vieweg X: Sohn. — Preis 28 Mark. Der vorliegende, dritte Band des ganzen Archivs der wissen- schaftlichen Elektrizitätslehre behandelt die Erscheinungen der Elektrodyn:uuik, des Elektromagnetismus und des Diamagnetismus. Natürlich Hess sich die Darstellung des Elektromagnetismus nicht von einer gleichzeitigen Besprechung der wichtigsten magnetischen Ercheinungen überhaupt trennen, doch hat der Verf. Alles, was nicht unmittelbar zur Elektrizitätslehre in Beziehung steht, /.. B. die eingehendere Darstellung des Erdmagnetismus, nicht in den Rahmen des Werkes hineingezogen. Um das Buch nicht zu weit ausdehnen zu müssen, sind auch alle diejenigen Forschungen, die wesentlich nur für elektrotechnische Zwecke angestellt werden, nur ganz kurz unter Hinweis auf entsprechende Specialwerke angedeutet worden. Trotz dieser Beschränkung auf rem wissen- schaftliche Forschungen, und trotzdem andererseits die Besprechung rein hypothetischer Erklärungsversuche der Erfahrungsthatsachen, wie z. B. des Wober'schen elektrodynamischen Grundgesetzes, dem Abschluss des Werkes vorbehalten blieben, ist auch dieser dritte Band zu sehr stattlichem Umfang (über 1100 Seiten) angeschwollen, ein sprechender Beweis für den auf den verschiedensten Gebieten noch nicht erlahmenden Trieb nach rein wissenschaftlichem Aus- bau unserer Kenntnisse von der gelii'inuiissvollsten unter allen Naturkräften, die der Gegenwart tliirch die überraschend plötz- liche Entwickelung einer bewunderungswürdigen Technik ihr culturelles Gepräge verliehen hat. Kbr. Ingenieur Th. Schwartze, Grundgesetze der Molekularphysik. Mit 25 Abbildungen. Verlag von I. I. Weber in Leipzig 1896. — Preis 4 Mk. Der durch eine grössere Anzahl technischer Werke schon in weiteren Kreisen bekannte Verfasser hat sich mit diesem Buche auf ein rein wissenschaftliches und wohl die schwierigsten Pro- bleme umfassendes Gebiet, das Gebiet der Molekularphysik be- geben, welches er zum Theil historisch, zum Theil in cigenthüm- licher Weise selbst vorgehend behandelt. Er knüpft zuerst an Galileis „Discorsi" an und bezieht sich dann hauptsächlich auf Lagrange, Hamilton, Maxwell, Vaschy und Hertz. Er meint, dass ein principieller Fehler in der heutigen Behandlung mechanischer Grundprinci]iien darin bestehe, dass man starre Massen und Punktsysteme voraussetze und dass man die Aufgaben der Kräftezusammensetzung i-ein phonoromisch behandle. Schon von Lagrange und noch ausdrücklicher von dem genialen William Prowan Hamilton sei darauf hingewiesen worden, dass in der Natur die freie gegenseitige Einwirkung der Kräfte nach Maass- gabe von Distanzfuuctionen stattfinde und dass schliesslich alle Verhältnisse und Wirkungen im Naturganzen auf die Behandlung freier Kraftpunktsysterae zurückzuführen sei. Die heutige Naturerkenntniss, so fährt der Verfasser weiter fort, weise darauf hin, dass alle in das Gebiet der mechanischen Ph3'sik gehörigen Naturvorgänge sich in Schwingungen von Kraft- punktsystemen vollziehen, wobei die ätherische Raumkraft oder das räumliche Kraftfeld in der Kraftstrecke zur Geltung kommen und ein Wechselspiel zwischen Kraftaufnahmevermögen und Kraftabgabevermögen im Durchlaufen einer variabeln Periode zum momentanen Ausgleich gelange, um im nächsten Moment das umgekehrte Spiel zu vollziehen. Die Statik sei überhaupt, wie schon Gauss angenommen habe, nur ein Moment der Dynamik und es habe überhaupt der Begriff der Statik bezüglich der Naturvorgänge in relativer Beziehung zur Geltung zu kommen. Der Verfasser ist der Ansicht, diss das dem Wechselspiel von Wirkung und Gegenwirkung Ausdruck gebende Princip der Zu- sammensetzung der Kräfte auch dem Parallelogrammgesetz, welchem ein freies Kraftpunktsystem dui-ch theilweise Combination und theilweise Compensation unterliege, die Grundlage der phy- sikalischen Mechanik zu bilden habe. Mit Rücksicht hierauf hat der Verfasser auf graphischem Wege mittelst Benutzung der den sich unter einem Winkel zusammensetzenden Kräften in gegen- seitiger gebundener Richtung und in gegenseitig normaler d. h. m freier Richtung zukommenden virtuellen, oder eigentlich „actu- ellen" Momente eine allgemeine Kraftformel entwickelt, wie dies schon Seitens D'Alembert's und Lagrange's in anderer Weise auf empirischem Wege geschehen ist. I)ie vom Verfasser aufgestellte Formel ist rationell entwickelt und würde nur in sofern zu be- mängeln sein, als sie auf das Parallelogrammgesetz begründet ist, welches nicht als ein Axiom angesolien werden kann, sondern erst selbst noch einer Begründung bedarf. In einer Gliederung erscheint die Formel des Verfassers den berühmten Maxweli'schen Formeln ähnlieh, wodurch dieselbe an Bedeutung gewinnt. Auch hat der Verfasser nachgewiesen, dass sich aus seiner Formel eine Reihe wichtiger idiysikalischer Gruudformeln in ungezwungener Weise ableiten lassen, z B. die Formel der Wärmecapazitäten, insbe- sondere aber auch die von Clapayron zuerst empirisch aufgestellte Formel dos Strahlungsgesetzcs. Die allgemeine Kraftformel des Verfassers dürfte daher wohl die Beachtung der Physiker ver- dienen, wie ja auch schon von der Kritik anerkannt worden ist. Als Anhang enthält das Buch „Anmerkungen über die Farbentheorie," worin der Verfasser auf interessante Farbener- scheinungen an rotirenden, schwarzweissen Scheiben hinweist und darin eine Rechtfertigung der Goethe'schen Farbentheorie finden XI. Nr. 14. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 171 will, die allerdings nicht nur in Schopenhauer, sondern auch selbst unter heutigen Physikern noch Vertreter hat. Selbstver- ständlich gehören diese Erscheinungen in das Gebiet der physio- logischen Optik, wie auch vom Verfasser anerkannt wird, indem er tlie Farben nur als Reaktionen dos Auges gegen gewisse mecha- nische Einwirkungen bezeichnet. Unzweifelhaft hat sich der Verfasser eine sehr schwierige Aufgabe gestellt, und seine Behandlung derselben wird von 'ihm selbst auch nur als ein Versuch bezeichnet. Man kann gern zu- geben, dass der Verfasser viel neue und anregende Ideen ent- wickelte und somit ist es wohl zu entschuldigen, wenn noch so manche Unklarheit in seinen Entwickehingen vorhanden ist und hier und da sieh i'n seine Ausführungen Bedenken (»riieben la.ssen. Bei alledem hat sich der Verfasser einer wohl dankens- werthen Arbeit unterzogen, die sich aber nicht auf einmal und auch nicht von einem Einzelnen bewältigen lässt. (x.) Dr. Gotthold Fuchs, Anleitung' zur Molekulargewiehts- bestünmung nach der „Beckmannschen" Gefrier- und Siede- punktsmethode. Mit 18 Textfigureu. Wilhelm Kngelmann. Leipzig 1895. — Preis 1,20 M. Die kleine Schrift soll nach dem Vorwort ihr Entstehen der Erfahrung verdanken, „dass es jungen Chemikern meist Schwierig- keiten bereitete, Molekulargowichtsbostimmungen nach Beck- mann's Methoden auszuführen, da die mancherlei dazu nöthigen Handgriffe gelernt sein müssen." Wir fürchten, dass dies auch durch die Anleitung des Verfassers trotz ihrer Ausführlichkeit nicht anders werden wird, ja dass vielleicht gerade diese Ausführlichkeit den Anfänger mehr verwirren als fordern wird. Derartig subtile Arbeitsmethoden lassen sich eben nur durch wiederholte Ausführung erlernen. Immerhin ist die Er- wähnung der möglichen Fehlerquellen und die Angabe, wie die- selben zu vermeiden sind, nicht nur für den Anfänger, sondern auch für den Lehrer von Werth. Dankenswerth ist auch die Er- wähnung der bisher bei den genannten Methoden beobachteten Anomalien; dieser Theil hätte noch etwas ausführlicher sein können. Spiegel. Handbuch dar Physik, herausgegeben von Prof. Dr. A. Winke 1" mann. Mit Abbildungen. 24.-27. Lieferung. Verlag von Eduard Trewendt, Breslau 1895. Die 24. Lieferung führt die Abtheilung „Elektrizität und Magnetismus" zu Ende und enthält die Artikel: Induction, abso- lutes Maass bei magnetischen und elektrischen Grössen, technische Anwendungen der Induction — aus der Feder von Prof. Dr. Ober- beck, ferner Pyro- und Piezoelektrizität, verfasst von Dr. Poekels, sodann von Dr. Graetz: iM-klärungsversuche für die elektrischen Erscheinungen. Den Schluss bilden ein Sach- und Namenregister sowie ein Inhaltsverzeichniss. Die 25.-27. Lieferung bilden die Fortsetzung des über die Wärme handelnden Bandes; die einzelnen Artikel sind von dem Herausgober, Prof. Dr. A. Winkelmann und von Dr. Graetz ver- fasst. Die bearbeiteten Abschnitte behandeln: Ausdehnung der Gase, Vergleichung der Flüssigkeit.sthermometer mit dem Luft- thermometer, Wärmestrahlung, Wärmeleitung, specifische Wärme, das mechanische Wärmeä(|uivalent, mechauische Wärmetheorie (Thermodynamik), Anwendungen der mechanischen Wärmetheorie. In etwa o Lieferungen wird das „Handbuch der Physik" zum Abschluss gelangen. G. Ostwald's Klassiker der exacten Wissenschaften. Wilhelm Kngelmann. Leipzig 1896. Nr. G8: Lothar Meyer und D. Mendelejeff, Das natür- liche System der chemischen Elemente. — Preis 2,40 Mark. Nr. 69: James Clerk Maxwell, Ueber Faraday s Kraft- linien. — Preis 2 Mark. Nr. 70: Th. J. Seebeck, Magnetische Polarisation der Metalle und Erze durch Temperatur-Differenz. — Preis 2 Mark. Wer die Titel der vorliegenden 3 neuen Hefte von Ostwald's Klassikern liest, wird mit Freuden wahrnehmen, mit welchem (.eschick ständig die Auswahl der „Klassiker" erfolgt. Heft 68 bietet über den Gegenstand zwei Abhandlungen Lothar Meyer's aus den .Jahren 1864 und 1809 mit einem bisher nicht gedruckten Entwurf von 1868, der ein schon 52 Elemente umfassendes System bietet, in dem die Anordnung nach der Grösse der Atomgewichte, sowie die periodische Wiederkehr der Eigen- schaften und die Regelmässigkeit der Differenzen zum Ausdruck kommt. Ferner handelt es sich um drei Abhandlungen Mende- lejeff's aus den Jahren 1869 — 1871. Karl Seubert (Tübingen) hat das Heft herausgegeben und mit Anmerkungen versehen. Die trefi'licho Uebersetzung und Commentirung von Heft 69 hat L. Boltzmann zum Autor. Ueber die Wichtigkeit der Maxwell'schcn Arbeit von 18.55 — 1856 ist ebensowenig ein Wort zu verlieren wie über diejenigen Mendelejeff's. Heft 70 mit Seebeck's Arbeit von 1822—1823 hat A. J. v. Oettingen herausgegeben. Illustrirte Wochenschrift für Entomologie, internationales Organ für alle Interessen der Insectenkunde , nennt sich ein neues, von dem Verlag von J. Neumann, Neudamm, gegründetes Blatt. Preis pro Quartal 3 Mk. — Uns liegt die Nr. 1 vom 1. April 1896 vor, bei der verantwortlich „für die Redaction" Udo Lehmann-Neudanim zeichnet. Die Redaction selbst ist aber nirgends angegeben, sodass zu schliessen ist, dass die Geschäfte derselben vom Verlag der Zeitschrift selbst besorgt worden. Die 20 Seiten umfassende Nr. 1 hat den folgenden Inhalt: Die Wege der Entomologie. Von Prof. Karl Sajö. — Was schützt den Faltery Von Dr. Chr. Schröder. Mit einer Ab- bildung. — Ein neues Musciden-System auf Grund der Toracal- beborstung und der Segmentirung des Hinterleibes. Von Ernst Girschner-Torgau. Mit 16 Figuren. — Kleinere Mitthi'iluugen: Die Faulbrnt der Himigbienen. Von Prof, Dr. Rudow, — Ent- wickelung einer Tachina-Art aus einem brasilianischen Bockkäfer. Von ß' — Praktischer Rathgeber: Cedernholz-Buchkasteu, Von Prof, Dr. Katter, — Wünschenswerthe Beobachtungen. Von Prof. K. Sajo. — Aus den Voreinen. — Litteratur, — Brief- kasten, Behrens, Prof. H., Anleitung zur mikrochemischen Analyse der wichtigsten organischen Verbindungen. 2. Heft. Hamburg. — 5 M. Dalla Torre, Prof. Dr. C. G., Catalogus Hymenopterorum huiusque descriptorum systematicus et synonymicus. Vol. X: Apidae (.Anthophila). Leiijzig. — 28 M. Eimer, Prof. Dr. G. H. Thdr., Eine systematische Darstellung der Abänderungen, Abarten und Arten der Schwalbenschwanz- ähnlichen Formen der Gattung Papille. 2. Thl. Jena. - 14 M. Habenicht, Realsch.-Oberlehr., Bodo, die analythische Form der Blätter, Quedlinburg. — 2 M. Heyden, Luc. v., Catalog der Coleopteren von Sibirien, mit Einschluss derjenigen des östlichen Ca.spi-Gebietes, von Tur- cemenien, Turkestan , Nord - Tibet und des Amur- Gebietes. Berlin. — 9 M. Heymons, Priv.-Doz. Assist. Dr. Rieh., Die Embryonalent- wickeliing von Dermapteren und Orthopteren. Jena. — 30 M. Oppenheim, Paul, Beiträge zur Binnenfauna der provencalischen Kreide, Stuttgart, — 16 M. Ostwald's Klassiker der exakten Wissenschaften. Leipzig. Nr. 67. Göpel: Entwurf einer Theorie der Abelschen Transcendenten erster Ordnung. 1 M. — 68. Loth. Meyer und Mendelejeff: Das natürliche System der chemischen Elemente. 2,40 M. — 69. M a X w e 1 1 : Ueber Faradays Kraftlinien. 2 M. — 70 S e e b e c k : Magnetische Polarisation der Metalle und Erze durch Temperatur- DiflFerenz. 2 M. — 71. Abel: Untersuchungen über die Reihe : 1 + " m -(m — 1) • (m-1) • (m— 2) IM. Kiel. 11-2 1.2-3 Seeliger, Osw., Die Pyrosomen der Plankton-Expedition. — 12. Supan, Prof. Dr. Alex, Grundzüge der physischen Erdkunde. 2. Aufl. Leipzig. - 16 M. Umann, Hauptm. Milit.-Akad.- Iiehr. I sprechenden Rabatt. Beilagen nach Debereinkunft. Isseratenannahme '^ bei allen Annoncenbitreauz wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit Tollständiger Quellenangabe gestattet. Ueber gesteinsbildende Algen und die Mitwirkung solcher bei der Bildung der skandinavisch-baltischen Silurablagerungen. Von Dr. E. Stolley. Die gewaltige Rolle, welche die Thierwclt bei der Bildung der sedimentilren Gesteine spielt, ist so allgemein bekannt, dass es überflüssig erscheint, ausführlicher auf dieselbe einzugehen. Anders steht es mit der entsprechen- den Thätigkeit der Pflanzen, die weniger allgemein be- kannt ist, nicht selten erheblich unterschätzt wird und daher geeigneteren Stoff darbietet, sowohl was die paläo- phytologische Untersuchung besonders der Ablagerungen früherer Erdperioden anlangt, als auch für eine Zusammen- stellung der bisher bekannt gewordenen Tliatsaehen. Freilich, auf den Process der Kohlenbildung und die grosse Verbreitung der verschiedenen Producte derselben brauche ich kaum erst hinzuweisen. Auch eine zweite Art pflanzlicher Wirksamkeit soll hier nur ganz kurz be- rührt werden, nämlich die Eigenschaft gewisser im Wasser lebender Moose, Pilze und Algen, fauf den Absatz von kohlensaurem Kalk, von Kieselsäure oder Eisenoxydhydrat befördernd einzuwirken. .So verdanken mächtige Absätze von Travertin, Kalktuff, Kieselsinter imd Raseneisenerz ganz vorwiegend pflanzlicher Thätigkeit ihre Entstehung. Ein Beispiel möge genügen. Diejenigen Kieselsiuter- bildungen des berühmten Yellowstone-Parks, welche durch Vermittelung solcher Algen entstanden sind, übertreffen nach den neuesten Untersuchungen von Weed*) die nur durch Verdunstung entstandenen Absätze derselben Art und desselben Gebietes um das 20 fache der Dicken- zunahme. Für den Geologen weit wichtiger ist jedoch eine dritte Art pflanzlicher Thätigkeit, bei welcher Pflanzen nicht, wie in dem letzterwähnten Falle, mittelbar auf den *) Ann. Rep. U. St. Gool. Survcy 1887/88. S. 613-676. Wasliin^ton 1S80. Absatz von Gestein fördernd einwirken, sondern ganz un- mittelbar durch Anhäufung ihrer Reste zur Gesteinsbildung beitragen, und diese ist es, welche hier ausführlicher be- sprochen werden soll. Einige Gruppen mariner Algen zeichnen sich durch die Eigenthümlichkeit aus, dass sie in ähnlicher Weise, wie viele Kalkbildner der Thierwelt, im Stande sind, den im Meerwasser enthaltenen, durch die Flüsse ihm zugeführten Kalk oder die in minimalen Mengen in demselben gelöste Kieselsäure auszuscheiden und zur Bildung eines oft sehr zierlich und complicirt Kalk- oder Kiesel-Skelettes zu verwerthen. Für kommen von den durch diese Eigenthüm- lichkeit ausgezeichneten Algen die Diatomeen, eine An- zahl von kalkabsonderndeu Dasyeladaceen oder, wie sie auch genannt werden, vertieillirenden Siphoneen, ferner die Lithothamnieen, einige Codiaceen und schliesslich pclagi- sche Algen von mikroskopischer Kleinheit in Betracht. Ueber die Diatomeen mögen einige kurze Hinweise genügen. Sowohl in der Jetztzeit wie aus früheren Erdperioden kennt man mächtige Anhäufungen der zierlichen Kieselpanzer dieser Algen. Die Untersuchungen der Challenger- Expedition wiesen ihre Verbreitung in einer breiten Zone weissen Tief- seeschlainmes nach, welche im südlichen atlantischen, in- dischen und pacifischcn Ocean den antarktischen Con- tinent umgürtet, ein Areal, welches sich auf 10 880 000 Quadratmeilen beziffert. Die fossilen Diatomeen bilden besonders in quartären und tertiären Ablagerungen mäch- tige und ausgedehnte Anhäufungen von Diatomeenerde, Bergmehl, Kieseiguhr, Tripel und Polirschiefer, wie alle die verschiedenen Arten des Auftretens heissen. Einen Cubikcentimeter des Polirschiefers von Bilin in iiöliincu schätzt man auf 2300 Millionen Diatomeen. Wälircnd zur gebauten den Geologen 174 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 15. diese Ablagerung jeduch nur 1,5 m uiächtii;- wird, eireijbt der Kieseiguhr von Columbia im Oregon - Gebiet die colossale Mächtigkeit von 150 m. In älteren als tertiären Bildungen sind Diatomeenlager seltener, doch bildet der schon lange als Polirpnlver geschätzte Tripel von <>ran ein dem Paläontologen bekanntes Beispiel, ebenso der diesem gleichaltrige Kreidemergel von Caltanisetta und Zante; auch die Kreide von Rügen, Gravesend und Mcudou enthält in Menge marine Diatomeen, und jüngst sind Diatomeenlager auch aus französischem Jura bekannt geworden.*) Auch die höchst merkwürdigen Bactryllien, stäbchen- f(irmige Körper von kieseliger Substanz, darf man viel- leicht an die Diatomeen anreihen. In geologisciier Be- ziehung sind sie deswegen von Wichtigkeit, weil sie sieh in den alpinen Partnachschichten, dem Muschelkalk der Alpen und der Gegend von Heidelberg und besonders dem Keuper und Rhät der Alpen bisweilen so massenhaft zusammengehäuft finden, dass fast das ganze Gestein aus ihnen besteht. Bekannt ist die gesteinsbildende Rolle, welche die Lithothamuien und Melobesien, die Gümljel'schen Nnlii- ])oren des Pflanzenreichs, in den tertiären Leitha- oder NulliporenKalken Oest«rreich-Ungarns und weithin nach Osten über Bosnien bis in die Türkei hinein spielen, und ebenso in den Nulliporen - Kalken des Vicentinischen, Siciliens und Algeriens. Der Granitmarnior ferner und verwandte Gesteine der eocäucn Nunnnulitenformation der Nordal})en bestehen in ihrer ganzen Erstreckung, von Roseuheim bis nach Savoyen hinein, grossentbeils aus Bruchstücken von Lithothamuien; auch der obersenone Pisolithkalk des Pariser Beckens besteht theihveise bis zu %Q aus solchen Kalkalgenfragmenten; auch noch in der Bimammaten-Zone des oberen Jura hat man sie nach- gewiesen, und es ist sehr wahrscheinlich, dass bei sehr vielen Kalkbildungen auch die älteren und ältesten For- mationen, die jetzt keine organische Structur mehr er- kennen lassen, ähnliche kalkabsonderude iiflanzliche Organismen betheiligt waren, deren Spuren im Laufe der ungeheuren Zeiträume durch Umänderung der betreffenden Gesteine, durch Annahme krystallinischen GefUges, ver- loren gingen. Die für den Geologen wichtigste Gruppe aller ge- steinsbildenden Kalkalgen sind die Dasycladaceen, deren besonders Gümbel eine grosse Zahl als Nulliporen des Thierreichs beschrieben hat. Man hielt diese au den lebenden Typus Cymopolia sich anschliessenden Formen lange für Foraminiferen, bis Munier Chalmas**) ihre Zu- gehörigkeit zu den Siphoneen nachwies, ohne jedoch leider der grossen Zahl der von ihm angeführten Genera Beschreibungen und Abbildungen beizufügen. Man kennt jedoch jetzt schon aus fast allen Formationen Vertreter dieser Kaikalgcngruppe, und in einigen derselben kommen sie an Masscnhaftigkeit ihres Auftretens und an Wirksam- keit in Bezug auf Gesteinsbildung den hauptsächlichsten Kalkbildern der Thierwelt gleich. Die Mehrzahl der von Munier Chalmas aufgezählten Genera kommt in geringerer oder grösserer Menge, frei- lich nicht gcsteinsbildcnd, in den lockeren Sauden tertiärer At)lagcrungen und besonders in den eocäucn Sauden des Pariser Beckens vor. In der Kreideformation treten, ab- gesehen von einigen zweifelhaften Formen, die Gattungen Munieria und Triploporciia gesteinsbildend auf, die erstere Cayeux, Annales do la Söc. geol. du Nord. Bd. 20, 1892, S. 57-GO. .**) Observiitions sur les Alges calcaircs appartenant au groupe des Siphonöos vci-ticillt-rg et confonduog avoc les ForaminitV-i-os (Comples rondns licbd. dos suancos do l'Acad. dos sc. vol. 85, 1877, S. 814-817; Botanisclio Zoitiiiig 1879, S. 165). in der Kreide des Bakouyer Comitats in Ungarn, wo sie Kalksteine und Thone aussehliesslicii erfüllt, die andere in der turonen Kreide des südiiciicn Libanon. Das jurassische System ist im Allgemeinen arm an solchen Pflanzen; auch i)flegen sie nicht in grosser Menge und gesteinsbildend aufzutreten; doch kommt im französischen und schweizer Corallian das Genus Petrascula und bei Fritzow in Ponmiern besonders die wahrscheinlich hierher gehörige Goniolina geometrica zahlreich vor. Reich an Siphoneen ist, wie bekainit, die al])inc Trias; hier setzen die cylindrischen Hüllen der Dijjloporen und Gyroporellen die gewaltigsten Gesteinscomjilexe zusaumieu. Sie finden sich schon im Muschelkalk, bei Pertisau in Tirol und Recoaro im Vicentinischen, auch in Obersehlcsicn, sie bilden die weissen Felsen des Mendola-Dolomifs, sie finden sich zu ungeheuren Massen angehäuft in den Kalk- und Dolomitbildungen der nördlichen wie südlichen Kalk- alpen von der Schweiz bis nach Ungarn; ihr Haupt- verbreitungsgebiet ist der Wettersteinkalk der bayrischen und tiroler Alpen von der Zugspitze bis nach Berchtes- gaden, der Hauptdolomit und Ramsaudolomit der nörd- lichen Kalkalpcn, der geschichtete Schlcrndolomit des süd- lichen Tirol und die Esiuoschiehten der lombardischeu Alpen. Auch aus ])ermischeu Ablagerungen kennt man Gyroporellen, z. B. aus dem Bellerophonkalk Süd- tirols. Aus earbonischen Schichten sind bisher keine sicheren Vertreter der verticillirten Siphoneen bekannt geworden, dagegen treten sie im Devon, wenn auch nicht massenhaft wie in der Trias, doch gcstciusbildend auf in den Gattungen Coelotrochium und Sycidium, von deneu letztere im Devon der Eifel, der russischen Ostsee- proviuzeu imd Centralrusslands einzelne Gesteine ganz und gar zusammensetzt. Dass diese Pflanzengruppe auch schon zur Silurzeit eine grosse Bedeutung besass, ja in jener alten Zeit vielleicht schon den Höhepunkt ihrer Entwickelung erreichte, habe ich kürzlich nachgewiesen.*) Die massenhaften, gänzlich oder zum grössten Theil aus solchen Algenskeletten oder den Fragmenten derselben zusammengesetzten Geschiebe des mittleren und oberen Untersilur und des uuteren Obersilur, welche über die . norddeutsche Ebene zerstreut sind und ehedem auslebend ohne Zweifel eine grosse Verbreitung besassen, lassen an der wichtigen gesteinsbildenden Rolle der silurischeu Sipho- neen keinen Zweifel. Ich werde nachher ausführlicher auf die Natur dieser silurischen Algen und auf die Art ihres geologischen Vorkonuiiens zu sprechen kommen. Ausser den verticillirten Siphoneen sind, wie ich schon anfangs erwähnte, Formen, die man an die lebende Familie der Codiaceen angereiht hat, als fossil und gesteinsbildend bekannt geworden. Es sind dies rund- liche Kör})er von sehr verschiedener Grösse, welche aus einem Geflecht meist wiederholt dichotom sich theileuder Fäden von mikroskopisch geringer Breite bestehen, einem Geflecht, das kleine Fremdkörder allseitig umzieht, con- centrisch scbaligen Aufbau besitzt und so rundliche oder kugelige Knollen von einem Durchmesser bis über 30 mm bildet, die in vielen Formationen, so im Jura, in der Trias, im Carbon und im Silur gcsteinsbildcnd auftreten. Sphaerocodium Boruemauui Rothj)lctz**) setzt z. B. in den Raibler Scliiclitcu der alpinen Trias einzelne Kalkliänke fast ausschliesslich zusannncn und in ganz ähnlicher Weise be- *) Uelxn- silui'ischo Siphoneon (Neues Jahrbuch für Mine- ralogie etc. 1893 15d II, .S. 135). Uobei- die Verbreitung Algen führender Silui-geschiebe (Neues Jahrbucii 1894, Bd.^ 1, 'S. 109). Die eambrisclien und silurischen Geschiebe Schleswig-Holsteins und ihn^ Brachiopodonfauua (Arclnv für Anthropologie und Geo- logie Schleswig-Holsteins. Bd. I Heft 1. Kiel u. Leipzig 1895). **) Fossile Kalkalgon aus den Familien der Codiaceen und Corallinoen. Zeitschr. d. d. geol. Ges. Od. 43. 1891. S. 299. XI. Nr. 1.Ö Naturwissen.scliaftliche Wochenschrift. 175 stellen iinteisilurisclic Kalke des Ordovician in Ayrsliire*) und, wie ich vor einigen Jahren beobachten konnte, ober- silurische von Bjersjölagärd in Schonen fast gänzlich ans den Knollen der Girvanella problematica Nieh. et Eth., die auch in obersilurischen Geschieben Norddentschlands niciit selten auftritt. '=''^') Ausserdem ist es sehr wahrschein- lich, dass eine grosse Anzahl der in allen Forniati(jnen verbreiteten oolithisciien liildungen pflanzlicher Natur ist. Die verhältnissmässig wenigen in dieser Hinsicht ange- stellten Untersuchungen haben die pflanzliche Natur mancher oolithischer Bildungen in den verschiedensten Formationen als sicher oder als wahrscheinlich ergeben. In llezug auf die uns hier am nächsten liegenden ober- silurischen Oolithe Gotlands und die ents])reehenden Ge- schiebe bin ich zu einem endgültigen Resultat noch nicht gelangt; aber es ist eine auffallende Thatsache, dass diese Oolithe demselben Horizont angehören, wie die Gir- vanellen- Gesteine und die sogenannten Phaciten-Kalke, deren Wülste und Knollen unzweifeliiaft aus dem concen- trisch schaligen Fadengesehlecht der Girvanella proble- matica bestehen. — Schliesslich sind noch, nach den neueren Untersuchungen der Challcngcr-Expeditiou und s])eciell Brady's zu urtheilen, zu den pelagisehen Algen die winzig kleinen Coccolithen und Coccosphaeren, Rhab- dolithen und Rhal)dosphaeren zu rechnen, welche, wie in der Mehrzahl der modernen Tiefseeablagerungen, so auch in den Meeresniederschlägen fast aller früherer Erd- perioden einen Hauptprocentsatz ausmachen. Nach Gümbel finden sie sich als wesentlicher Bestandtheil in vielen weichen marinen Kalken und Mergeln der verschiedenen Stufen des Tertiär, ganz besonders im Amphisteginen- mergel des Wiener Beckens und in den dem cocänen Granitmarmor der bayrischen Alpen eingelagerten Stock- letten. Aus der Schreibkreide sind sie durch Ehrenberg's Microgeologie bekannt geworden; auch aus vielen anderen Kalk- und Mergelbildungeu der Kreideformatiou kennt man sie, so aus der chloritischen Kreide von Ronen und dem Haldenier Mei'gel. In der Juraformation kehren sie in jedem erweichbareu Kalk und Mergel marinen Ursprungs wieder, so z. B. im Stramberger Kalk, in weichen Zwischenlagen des Solnhofer Kalks, im Ornatenthon des Dogger und im Radians- und Numismalis-Mergel des Lias. Die alpine Trias weist sie auf im rhätischeu Mergel von Reit im Winkel und im Oardita-Mergel von St. Cassian. Aus der paläozoischen Area endlich sind sie bisher l)e- kanut geworden aus dem weichen Mergel des Bergkalks vonRegnitz-Losau, denConodonten-Sehichten der russischen Ostseeprovinzen, dem Trenton-Mergel von New-York und dem cambrischen rotsdam-sandstone von Michigan und Canada. Nach diesen nahe. Tiefe die Coccolithen und Rhabdolithen einen wesent liehen Theil der Bestandmasse ausgemacht haben, und dass sie in dichtem und körnigem, namentlich älterem Kalkgestein nur durch Umänderung unkenntlich gemacht oder völlig zerstört worden sind. Ich kehre nach diesen allgemeinen Erörterungen zu dem Hauptgegenstand meines Aufsatzes, den silurischen Sipiioneen, zurück, welche an Massenhaftigkeit ihres Auf- tretens mit den Diploporen und Gyroporellen der alpinen Trias wetteifern und alle späteren Siphoneen durch die Mannigfaltigkeit ihrer Formen zu übertreffen scheinen. Es kann hier nicht der (»rt sein, ausführlicher auf die Organisation der silurischen Siphoneen einzugehen. Ich muss in dieser Hinsicht auf meinen Aufsatz über silurische _ *) Nicliolson und Ethericige: A Monograph of the silurian tossila of tlie Girvan district in Ayrsliire. lüiinburg 1878, S. -23. **) Neues Jahrbucli f. Mineralogie 1894 I, S. 109 u. Aicliiv Schlesw.-Holst., S. 112 ^78). Erfahrungen liegt der Sehluss dass in den meisten Meeressedimcnten aus grösserer die Coccolithen und ausgemacht Siphoneen*) und eine in nächster Zeit erscheinende Ab- handlung verweisen und mich hier auf das Hauptsäch- lichste beschränken. Es handelt sieh fast ausschliesslich um Formen, die ich in silurischen Geschieben Schleswig- Holsteins beobachtete. In den Rhabdoporellen lernen wir hier sehr kleine, cyliudrische Stäbchen von höchstens ü,5 mm Durchmesser, dünner Wandung und grossem centralen Hohleylinder kennen; feine Poren, den primären Wirtel- ästen entsprechend, durchsetzen gleichmässig die ganze Wandung; auch oben geschlossene, also ausgewaeh.sene Individuen, konunen vor. Abgesehen von ihrer ausserordent- lich geringen Grösse besitzen die Rhabdoporellen grosse Aehnlichkeit mit den Diploporen der alpinen Trias. Ich fand sie in grosser Zahl in Geschieben vom Alter des Leptaena-Kalks, der obersten Untersilurbildung Dalarne's. stellen ü;ekrümmte und verzweigte Die Verniiporellen Röhrchen von 0,5 — höchstens 1 mm Durchmesser und wechselnd dicker Wandung dar; der centrale Hohlraum wird von dicht stehenden Poren, die den primären AVirtel- ästen entsprechen, durchbrochen; die Poren stehen bald senkrecht, bald etwas schräge zur Stammzelle. Die Kalkhüllen der Vermiporellen und deren Fragmente er- füllen in ungeheurer Menge viele Gesteine des Untersilur, die oft gänzlich aus denselben zusammengesetzt sind; ich kann diesellien demnach nur als Vermiporellen-Gesteine bezeichnen. Die Dasyporellen sind längliche Kalkhüllen von oft unregelmässig gekrümmter, doch nie verzweigter Form; sie erreichen eine Dicke von circa 3 mm und eine Länge, wie es scheint, von circa 15 mm. Ihre Wandung ist dick, von zahlreichen einfachen Poren durchbrochen; am basalen Ende ist oft der Durchtritt der Stammzelle, am apicalen eine dem Vegetationspunkt entsprechende Einsenkung sichtbar. Die Dasyporellen sind viel seltener als die Vermiporellen, kommen aber doch oft zahlreich mit diesen zusammen in Geschieben der Wesenberger-, Lykholmer- und ßorkholmer-Schicht, resp. dem Leptaena- Kalk vor. Einen besonders interessanten Typus stellen die Pa- laeoiiorellen dar. Es sind trichter-, keulen-förmige oder cyliudrische Körper von 2 — 25 mm Länge mit centralem Hohlraum, der am unteren Ende in einer kleinen Durch- bohrung, am oberen in einer Einsenkung, dem Vege- tationsseheitel, endigt. Sie besitzen ausserordentlich grosse Uebereinstimmung mit der lebenden Dasyeladaceen- Gruppe der Bornetelleu und sind auch wie diese durch eine aus polygonalen, meist regelmässig sechsseitigen Feldern zusammengesetzte Freilich bestehen wichtige Rindenschicht ausgezeichnet. Abweichungen darin, dass bei den Bornetellen Verkalkungen nur in geringer Menge vorhanden sind, während bei den Palaeoporellen nicht nur die Membranen der Rindenfacettenschicht, sondern auch alle Zwischenräume zwischen den Wirtelästen so stark verkalkten, dass ein vollständig compactes Gehäuse eutstand. Ferner besitzen die Bornetellen nur primäre und secundäre Kurztriebe, während bei den Palaeoporellen auch tertiäre vorhanden sind, die sich an der Oberfläche zu den Rindenfacetteu erweitern. Die Palaeoporellen er- füllen in ungeheurer Menge gewisse Geschiebe des obersten Untersilur, die ich nach ihnen nur als Palaeoporelleu- Gesteine bezeichnen kann. In letzter Zeit ist es mir nun gelungen, auch die Siphoncennatur einiger bisher zu den Problematicis ge- rechneter sibirischer Fossilien nachzuweisen, nämlich der Genera Coelosphaeridium, Cyclocrius, Mastopora und einiger diesen verwandter Formen. In einer demnächst er- seheinenden grösseren Abhandlung werde ich über diese Gattungen ausführlicher berichten; hier möge nur erwähnt *) Neues Jalubucli f. Alin. etc. 1893. U. S. 135. 176 Natiirvvisscnscliat'tlichc Wochenschrift. XI. Nr. If). werden, dass auch .sie in mancher Hinsicht den be- kannten Borneteilen gleichen, daneben aber eine ganze Reihe selbständiger und ausserordentlich characteristisclier Züge aufweisen. Es ist vor allem anderen das Auftreten ausserordentlich zierlich skulpturirter Deckel )»ei Cyclo- crius, welche die einzelnen Rindenzellen schliessen, zu erwähnen. Bei aller Verschiedenheit herrscht aber in den Hauptziigeu grosse Uebereinstimmung zwischen den silu- rischen und recenten Formen und manche Eigenschaften der ersteren wird man nur dadurch zu erklären im Stande sein, dass man sie als Siphoneen ansieht. Sie finden sich z. Tii. in Menge zusammengehäuft in den nach ihnen be- nannten Coelosphaeridien- und Cycloeriuus - Kalken des Untersilur. Ausser den genannten Formen kommen nun noch eine Reihe anderer in untergeordneterer Weise in den silurischen Geschieben Schleswig- Holsteins vor; theils sind sie noch nicht hinreichend untersucht, theils ist ihre Natur noch zweifelhaft; zu den letzteren gehören auch die räthselhaften Receptaculitiden, die jüngst von Raufi'*) zu den lebenden Bornetellen in Beziehung gebracht wurden. Auch wenn man von den zweifelhaften Formen ab- sieht, erhellt aus Vorstehendem die interessante und auf- fällige Thatsache, dass schon zur Silurzeit die Gruppe der verticillirteu Siphoneen in hoher, ja vielleicht in ihrer höchsten Blüthe stand und Vertreter hervorbrachte, deren hoch diflerenzirter Bau keineswegs gegenüber den Formen der heutigen Meere zurückstand. Ich wende mich nunmehr dem geologischen Vor- kommen der silurischen Siphoneen in den Gesteinen des skandinavisch-baltischen Silurbcckeus zu.**) In den Ge- schieben der älteren Schichten des üntersilur habe ich bisher nur vereinzelt Kalkalgen gefunden, so im Ortho- cerenkalk und im Echinosphäritenkalk; eine reiche Algen- entwicklung scheint erst ungefähr von der Ablagerung der Jewc'schen Schicht an zu datiren. Hier begann, wie es scheint, die Entwicklung der silurischen Algenfacies, von der man mit demselben Recht sprechen kann wie von einer Gyroporellenfacies der alpinen Trias. Drei verschiedenartige Gesteine, alle ungefähr vom Alter der Jewe'schen Schicht des baltischen Russlands, aber wohl aus verschiedenen Ursprungsgebieten stammend, kommen hier in Betracht. Zunächst ein blaugrüner, splittrigcr Kieselkalk, der, abgesehen von einigen unzweifelhaften Fossilien der Jewe'schen Schicht, fast gänzlich aus den Gerüsten von Vcrmiporellen besteht***); sodann dichte, feinkörnige, nicht kieseligc Kalke gleichen Alters, die ebenfalls in der Vcrmiporellen-Facies entwickelt sindj); und drittens die sogenannten Coelosphaeridien- und Cyclo- crinus-Kalketi'), grüne, graue oder gelbliche, oft kieselige Gesteine, welche oft in ausserordentlich gii^sser Anzahl Coelosphaeridien, Mastoporen und Cyclocrinen enthalten neben vereinzelten Fossilien der Jewe'schen Schicht; aus- nahmsweise habe ich in grauem, nicht kicseligen Coelo- sphaeridicn-Kalk auch Vcrmiporellen beobachtet. — Die Zeit der Ablagerung der Kegel'schcn Schiebt resp. des Macrouruskalks scheint dann eine Lücke in der Algen- entwicklung zu repräsentiren; jedenfalls ist es mir trotz vielfacher Bemühungen niclit gelungen, unter den sandig- mergeligen Kalken dieses Alters auch nur ein einziges *) Sitzgber. di;r Niederrhein. Ges. f. Natur- uud Heilkunde. Bonn 1892, S. 34. **) loc. cit. S. 135. E. Stolley, Die cambrischen und siln- rischen Gcscliiebo Scldcswip-llolsfeins und ihre Braehiopodeii- l'auna I (Archiv f. Geidojiii' und Anthropologie Schleswig-Hol- steins. Bd. I, Heft 1. Kiel u. Leipzif; 1895). ***) loc. cit. S. 65 (33). t) loc. cit. S. 65 (33). tt) loc. cit. S. ü(i (34) aus Siphoneenresten bestehendes Gestein zu beobachten; freilich kommt im Macrouruskalk nicht gerade selten ein Cycloeriuus vor, doch niemals in Menge oder gar gesteins- bildeud. In Skandinavien scheint diese Unterbrechung noch länger angedauert zu haben, während in östlicheren Theilen des Balticums nach Ablagerung des Macrourus- kalks resp. der Kegel'schen Schicht wieder für die Algen- entwicklung günstigere Verhältnisse eintraten. Denn die Geschiebe vom Alter des Ostseekalks der schwedischen Geologen und der Wesenberger Schicht bestehen nicht selten wieder grossentheils aus den Gerüsten der Vcrmi- porellen neben weniger zahlreichen Dasyporellen.*) Dass im Osten des Balticums zu dieser Zeit die Algenfacies herrschte, beweist ein kurländer Geschiebe von Wesen- berger Kalk mit Vcrmiporellen und Dasyporellen; in west- lichen Gebieten des Balticums scheint der Ostseekalk der schwedischen Geologen, ein allerdings noch recht proble- matisches Etwas, z. Th. wenigstens den echten Wesen- berger Kalk zu vertreten; eine Trennung ist hier jedoch kaum durchzuführen. Ausser den Vermiporellen-Gesteinen giebt es nun in der Wesenberger Zone auch noch Cyclocrinus-Kalke, die auf Esthland weisen, doch als Geschiebe selten sind. Von der Wesenberger Schicht dauerte die Entwicklung der Algenfacies nun ununter- brochen au uud erreichte ihren Höhepunkt zur Zeit der Ablagerung der jüngsten Schichten des Üntersilur, der Lykholmer und der Borkholmer Schicht des baltischen Russ- lands resp. des Hulterstad- und Leptaeua-Kalks von Oeland und Dalarne.**) Repräsentirt wird die Algen- facies hier zunächst durch Cyclocrinus-Kalke der Lyk- holmer Schicht, die freilich selten sind und nur auf der Insel Sylt in etwas grösserer Anzahl auftreten. Sodann sind es in ganz hervorragender Weise Vermiporellen- Gesteine verschiedener Art, die sich durch die vereinzelten anderen Fossilien, die sie neben den Kalkalgen enthalten, als unzweifelhafte Aequivalente der Lykholmer Schicht kundgeben. Diese Vermij)Orellen-Gesteine sind theils litho- graphensteiuartig dichte, theils fein krystalliuische Kalke von weisser bis dunkelgrauer, auch gelblicher Färbung, welche fast gänzlich aus den verzweigten Röliren der Ver- miporcUen oder deren Fragmeuten zusammengesetzt sind und im östlichen Ilügellande Schleswig-Holsteins in grosser Menge als Geschiebe auftreten; in geringer Anzahl linden sich in ihnen mit den Vermiporcllen auch Dasyporellen vergesellschaftet. Während man nun einerseits in petro- graphischer Beziehung einen Uebergang zwischen den Vermiporellen-Gesteinen der Lykholmer und denen der Wesenberger Schicht constatiren kann, kann man anderer- seits beobachten, dass in einer Anzahl solcher Lykholmer Vermiporellcn-Gestcine einzelne Palaeoporellen auftreten; in anderen ist deren Zahl schon grösser und das End- glied dieser Reihe stellen die eigentlichen Palaeoporellen- Gcsteine dar, in welchen die Palaeoporellen bei Weitem den grössten Antheil an der Zusammensetzung des Ge- steins einnehmen, während die Vcrmiporellen, wenn auch in Menge vorhanden, mehr zurücktreten, und ausserdem Dasyporellen, Rhabdo])orelleu undOvuliten-ähnliche Körper in ungeordneter Weise zu beobachten sind, und eine typische Leptacnakalkfauna sich einstellt. Die Häutig- keit der Palaeoporellen -Gesteine ist jedenfalls im öst- lichen Schleswig-Holstein st) gross, dass sie die Lyk- holmer Vermiporellcn-Gestcine an lläutigkcit noch über- treffen und als die ü])erhauj)t häutigsten unserer silurischen Geschiebe bezeichnet werden müssen; ebenso mannig- faltig ist auch ihre Färbung; sie sind am häufigsten blassroth oder hellgrau, seltener dunkelgrau oder dunkel- •) loc. cit. S. 79 (47). **) loc. cit. S. 80-91, 133 (48—59, 101). XI. Nr. 15 Naturwissenschaftliche Wochenschrilt. 177 roth, oft auch grüuliciiwciss, seltener dunkler grün oder lila gefärbt. Allen ist eine gewöhnlich litliographensteiu- artig dichte Grundniasse gemeinsam, in welcher die läng- lichen Körper der ralaeoporellcn deutlich eingebettet liegen. Auch im übrigen Nurddcutschlaud scheinen diese Gesteine weit verbreitet zu sein; auch in »Schonen konnnen sie als Geschiebe vor; ieii fand eines bei Lund und sah ein anderes von Röstänga in Lunds geologischem Mu- seum.*) Da ausserdem bei Hulterstad auf Üeland ent- sprechende Gesteine in grosser, die Nähe des An- stehenden andeutender Menge auftreten, die von Remele Ilulterstad-Kalk genannt worden sind und z. Th. dem PalaeoporcUcn-Gestciu, z. Th. auch wohl noch dem Lyk- holmer Vermiporcllen-Gcstein entsprechen dürften, so ist es wahrscheinlich, dass ein Theil der Vermi])orellen- und Palaeoporellen-Gesteine ebenfalls auf Oelaud resp. einen östlich von Oeland belegeneu Theil des Balticums als Urspruugsgebiet zu beziehen ist. Dass auch weiter östlich, speciell in Esthland, der Leptacna- resp. Borkholmer- Kalk z. Th. als Palaeoiiorellen-Facies entwickelt gewesen sein muss, beweist ein Kurländer Geschiebe, welches den schleswig-holsteinischen Geschieben durchaus gleicht und neben unzweifelhaften Palaeporellen auch eine für die Borkholmer Schicht charakteristische Halysites-Art ent- hält. Durch diese Thatsachen ist man zu der Annahme gezwungen, dass jedenfalls zur Zeit des obersten Unter- silur die Algenfacies über ein bedeutendes Gebiet sich erstreckte. Während man im Allgemeinen wird sagen dürfen, dass die Palaeoporellen-Gesteine etwas jünger sind als die Vermiporellen-Gesteine, ist dieses Verliältniss doch nicht durchweg gültig. Es lindet nämlich von den grauen oder gelblichen, feinkrystallinischen Vermiporellen-Gesteinen auch ein ganz allmählicher üebergang zu Gesteinen von unzweifelhaft obersilurischem Alter statt, die durch das z.Tli. zahlreiche Auftreten von Stricklandinicn und anderen obersilurischen Fossilien charakterisirt sind.**) Allerdings sind die Vcrmiporellen in den Stricklandinia-Kalken bei Weitem nicht mehr in der Häufigkeit, wie in den unter- silurischcn Geschieben vorhanden; es sind nur noch die letzten Reste der Vermiporellen-Facies, die uns hier ent- gegentreten, aber einzelne Geschiebe bestehen noch fast ausschliesslich aus den Gerüsten der Kalkalgen, und der allmäliliche üebergang vom Uutersilur zum Obersilur ist in der silurischen Algenfacies unleugbar. Mit den sich hier darbietenden Verhältnissen steht auch im Einklang, dass bisweilen auch Vermiporellen-Gesteine vom Gesteins- Charakter der Palaeoporellen-Gesteine auftreten, und sogar Gesteine durchaus vom petrographischeu, wie faunistischen Charakter des Dalarner Leptaena-Kalks sich in einzelneu Fällen als gänzlich aus Vermiporellen zusammengesetzt erweisen. — Mit der obersilurischen Vermiporellen-Facies der Stricklandinia-Kalke scheint die im obersten Untersilur noch so mächtig entwickelte Algenfacies plötzlich ihr Ende gefunden zu haben; jedenfalls habe ich aus soleheu Kalkalgen bestehende Gesteine jüngeren Alters bisher nicht beobachtet und was in jüngeren Gesteinen des Obersilur an Kalkalgen vorkommt, beschränkt sieh auf den einmaligen Fund der früher beschriebenen Arthro- porella catenularia***) und auf die Girvanellen- Kalke unserer Geschiebe und des Obersilur von Bjersjölagärd in Schonen.f) Wenn ich zum Schluss noch einmal kurz die Ver- hältnisse des geologischen Auftretens der silurischen Si- *) Neues Jalirb. f. Mineralociü ete. 1894. Bd. I, S. 109. **) loc. cit. S. 86, 95 (54, (;3). *") Neues Juhrb. 1893 II, S. 145. t) Neues Jahrb. 1894 I, S. 109 u. Archiv Schlesw.-IIolst. S. 112 (80). phoneen in den Gesteinen des skandinavisch-baltischen Silurbeckens zusammenfasse, so ergiebt sich folgendes: Vereinzelte Vorläufer finden sich schon in älteren si- lurischen Ablagerungen, im Orthoceren- und Echinosphä- ritenkalk. Ungefähr zur Zeit der Jewo'schen Schicht resp. der oberen Abtheihing des Cystidcenkalks begann dann die Vermiporellen-Facies, die nach der Verschieden- artigkeit der Gesteine zu schliessen, schon eine nicht un- erhebliche Verbreitung besessen haben muss. Nach der durch die Bildung des Macrouruskalks resp. der Kegel- schen Schicht repräsentirten Lücke in der Algeuentwick- lung weisen dann die Gesteine der Wesenberger Schicht und des Ostseekalks, deren Geschiebe auf das ganze Balticum von Oeland bis nach Esthland bezogen werden müssen, wieder Vermiporellen in Menge auf und neben diesen Dasyporellen, und in den jüngsten Schich- ten des Untersilur, in den Bildungen vom Alter der Lyk- holmcr-, Borkholmer Schicht und des Leptaena-Kalks er- reichte die Algenfacies den Höhepunkt ihrer Entwick- lung; in geradezu stauuenerregenden Mengen erfüllen die Gerüste der Vermiporellen und Palaeoporellen neben unter- geordneten Formen die mannigfaltigsten Gesteine dieser Zonen, in einer Menge, die sich nur in Vergleich stellen lässt mit der Massenhaftigkeit der Diploporen in den Ge- steinen der alpinen Trias. Wie diese, so fallen auch die silurischen Algen rasch wieder von der Höhe ihres Ent- wicklungsreichthums herunter, erfüllen noch einzelne Ge- steine des untersten Obersilur und verschwinden dann gänzlich. Wen erinnert dies Verhalten nicht an das der Fusulinen, der Rudisten oder der NummulitenV — Neben der Vermiporellen- und Palaeoporellenfacies geht dann noch die Ausbildung in Form der Coelosphaeridien- und Cyclocrinus-Kalke einher. Wir haben Coelosphaeridien- Gesteine und Cyclocrinus-Kalke vom Alter der Jewe'schen und Cyclocrinus-Kalke der Wesenberger uud Lykholmer Schicht ; auch die in diesen Gesteinen enthaltenen Sipho- ncen treten plötzlich in die Erscheinung, erfüllen in I\Ienge die nach ihnen I)euannten Gesteine und verschwinden dann gänzlich. Bemerkenswerth ist dabei der ausser- ordentlich grosse Faciesweclisel, der zur Zeit der Blüthe der Algenvegetation im baltischen Silurbeeken herrschte. Während zur älteren Silurzeit noch verhältnissmässig viel Uebereinstimmung zwischen seinen östlichen und west- lichen Gebieten herrschte, änderte sich dies Verliältniss ungefähr mit dem Schlüsse der Zeit des (älteren) Chas- mopskalks; denn während in Schweden sich die jeglicher Algenreste entbehrenden Ablagerungen des Trinucleus- und Brachiopodenschiefers bildeten, dauerte in den öst- licheren Gebieten die kalkige Ausbildung fort, grossentiieils unter Mitwirkung der Siphoneen. In Schonen und zum Theil auch in Dalarne herrschte vom Brachiopodenschicfer aul'wärts Graptolithcnschieferentwickluug und nur die ober- sten Schichten des Obersilur zeigen mergelig-kalkige Ent- wicklung; in Jemtland lagerte sich über dem Brachio- ])odenschiefer zum Theil ein Quarcit, an den sich dann direct obersiluriseher Pentamereukalk anschloss. zum Theil liegt der letztere auch unmittelbar über dem Brachiopoden- schiefer; in Dalarne scheint der Lcptaena-Kalk eine ge- waltige Kalkeinlagerung im Rastrites-Schiefer zu bilden, und in einem grossen Theil des Balticums, von Oeland bis nach Esthland hinein, scheint von der Wesenberger, vielleicht zum Theil schon von der Jewe'schen Schicht an bis in's Obersilur hinein die Algenfacies geherrscht zu haben. Es sind dies in der That Facies- Verhältnisse, die in der Grossartigkeit des Wechsels lebhaft an die alpine Trias erinnern. Hier wie dort haben wir das plötzliche, unvermittelte Auftreten massenhafter Kalkalgen, die ge- waltige Gesteinseomplexe fast ausschliesslicii erfüllen, hier wie dort ein gleiches, plötzliches Verschwinden dieser 178 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 15. Organismen; und gleich grossartig ist auch der Wech- sel der Facies in beiden CJebieten. Während dort der- selbe oder benachbarte Horizont oft auf geringe Ent- fernung hin bald in Form riesiger Doloniitmassen, bald als weicher Mergel, als vulkanischer Tuff oder als wohl geschichteter Kalk entwickelt ist, so treten hier, im skandinavisch-baltischen Silurbecken Litoralbildungen und Absätze aus grösseren Meerestiefen, Graptolithen- schicfer, Mergel und Mergelkalke, sandige Absätze und Quarcite, zoogener und phytogener Kalk in buntem Wechsel auf, und nur der fehlenden Faltung der Schichten in diesem Gebiet ist es zuzuschreiben, dass sie sich nicht auf einen so engen Raum zu- sammengedrängt finden, wie in den Gebieten der alpinen Trias. Die Untcrsucliungen, deren bisherige Eesultate ich hier in kurzer Zusammenfassung des Hauptsächlichsten dargelegt habe, sind ja, wie ich schon eingangs erwähnte, bisher fast ausschliesslich nur an silurischen Geschieben angestellt worden; ähnliche Resultate, erwarte ich, wird auch eine nähere, besonders mikroskopische Untersuchung der anstehenden Silurgesteine Skandinaviens und des baltischen Russlands ergeben, und ich hoffe, eine Aus- dehnung derselben auf diese wie auf die Geschiebe des gesammten Norddeutschlands wird diese Resultate in vie- ler Beziehung ergänzen und erweitern. Ueber die Entsteluiiia: niid Bodeutuiig der Sjuopsien hat unser Mitredacteur Herr Richard Hennig in der „Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnes- organe" (Hamburg) eine Studie veröffentlicht (15d. X, Heft 3 und 4, ausgegeben 3. März 1896).*) Unter „Synästhesie" versteht man die „Mitempfin- dungen" eines nicht gereizten Sinnes bei äusseren Ein- wirkungen, welche dem Empfindungsgebiete eines anderen Sinnes angehören. Bei weitem die häufigste von allen Synästhesien ist die sogenannte „Synopsie", die Erregung des Gesichtssinnes bei Schall-, Gefühls-, Geruchs- oder Geschmacksreizen, ferner aber auch bei Vorstellung ab- strauter Gegenstände. Die wichtigste Eintheilung der synoptischen Erschei- nungen ist die in Farben- und Raumempfindungen, und zwar bestehen diese Raumempfindungen in der Wahr- nehmung von Linien, Curven, Diagrannnen etc. und finden sich mit wenigen Ausnahmen nur bei Vorstellung ab- stracter Gegenstände (selten bei acustisciien, nur einmal bei Geruchs-, nie bei Geschmacksreizen beobachtet), während Farbenempfindungen schon bei allen Arten der Sinneseindrücke wahrgenommen sind, doch sind auch hier Geschmacks-, Gefühls- und Geruchssinn am seltensten durch Synopsicn vertreten. Man könnte die chromatischen Synopsicn fPhotismen) vielleicht in zwei grosse Untergruppen theilen: in physio- logische nnd in psychologische Synopsicn. Unter den ersteren versteht H. solche, welche durch physiologische Processe bedingt sind und im eigentlichsten Sinne des Wortes „zwangsmässig" sind, so dass sie auch ohne Zu- tiiun der Ucbcrlegung zu Stande kommen würden, unter den anderen solche, welche durch eine urtheiismässig entstandene, aber sehr enge und untrennbare Verknü])fung einer Farbenvorstcllung mit einem nicht visuellen 15egriff bedingt werden. Die physiologischen Synopsicn müssen darauf beruhen, dass die Sehnerven bei gewissen Schalleindrücken in Miterregung gerathen. Nur selten freilich sind die Mitschwingungen des nervus opticus bei nicht-visuellen Reizen so stark, dass es zu thatsächlichen Gesichtsemiifindungen, gleichsam liallu- cinationcn, konmit, doch sind auch solche Fälle schon mehrfach berichtet worden. Meist aber werden die Mitsehwingungen des nervus opticus nur so geringfügig sein, dass nur eine Tendenz besteht, einen nicht-visuellen Reiz in die Sprache des Gesichts zu übersetzen, ohne dass damit irgend eine Directivc für die Einzelheiten der Synoi)sien gegeben ist. In manchen Familien neigt jedes Individuum in ausge- sprochenster Weise zu Synopsicn, in anderen kein ein- ziges; nie aber zeigt es sich, dass die Formen der Synop- *) Ver;;!. .'ineh iiboi- rlini Oegcnstanil „Natnrw. Win-Iiensdir." 189-1 (4. Miivz) und 189.^ (3. Fobniar). sieu sich bei mehreren Mitgliedern einer Familie der- maassen ähneln, dass man eine Vererbung derselben annehmen müsste. Nur die Tendenz zur Synopsie kann daher vererbbar sein, hier aber ist der Einfluss der Vererbung auch unverkennbar und unzweifelhaft. Die Tendenz zur Synopsie beruht eben auf ange- borenen physiologischen Eigenschaften irgend welcher Art, die Details hingegen bilden sich erst allmählich im Laufe des individuellen Lebens aus und beruhen grösstentheils auf Verstandesurtheilen. In die durch rein physiologische Processe bedingten cln-omatischen Synojisicn ist schon eine gewisse Gesetz- mässigkeit hineingebracht worden. Jede Statistik über Farbenenipfindungen bei Vocalen zeigt aufs deutlichste, dass den „dumpfen" Vocalen die dunkelsten, den „hellen" Vocalen auch die hellsten Farben mit Vorliebe ent- sprechen, so dass die Farben immer heller werden, je weiter man in der acustisch geordneten Reihenfolge der Vocale u, o, a, c, i fortschreitet. Allerdings niuss be- merkt werden, dass immerhin im einzelnen recht zahl- reiche Ausnahmen von dieser Regel vorkommen, dennoch aber ergiebt sich mit Sicherheit das Gesetz: je zahl- reichere und lautere Obertöne ein aeustiscber Reiz enthält, um so intensiver und heller ist zu- meist die begleitende Farl)enemiifindnng. Die Angaben verschiedener Individuen ül)er ihre Farbenem])findungen variiren zwar beim gleichen aeusti- schen Object sehr stark, und gerade bei den einfachsten acustischen Reizen, den Vocalen, finden sich die aller- stärksten Differenzen in den Synopsicn*), nichts desto weniger wird ein und dasselbe Individuum allen Klängen, deren physiologische Wirkung eine ähnliche sein nmss, auch eine mehr oder weniger übereinstimmende Farbe zu- schreiben. Wo derartige Differenzen vorkommen, da wird man im allgemeinen beobachten können, dass alle Sehallcindrücke von einem Individuum um eine Nuance dunkler, bezw. heller cni])funden werden, als vom anderen. Derartige durchgängige Differenzen würden gerade um so mehr auf eine physiologische Entstehung der betref- fenden chromatischen Synopsicn schliessen lassen, da sich bei einer psychologischen Entstehungsursache, also einer mehr oder weniger willkürlichen Auffassung der acustischen Reize, schwerlich gleichmässige Differenzen für alle Schälle ergeben und erklären würden. Während bei den physiologischen Synopsicn der Farbeneindruck die unmittelbare, nothwendige Folge des acustischen Reizes war, sind die psychologischen Synopsicn unwillkürlich erfunden, um einem Gehirn, welches sich rein abstracte Gegenstände schlecht vor- *) Doi- Grund dafür wird darin liegen, dass bei dem einen der nervus opticus Icicliter niiU'rregt werden kann, als beim anderen. Auch ein Schlat; aufs Aufje ruft bei einifcen Individuen stets gelbe, bei anderen stets rothe Farbenempfindungen hervur. XI. Nr. l.ö. Naturvvissenseliaftliche Woclien.sclirift. 179 stellen kann, ein gewisserniaassen concretes Aiischauunj;-«- niittel zu g-ewiiln-en. Sie beruhen aufUrtbeilsübertragunin^en, auf „Associationen."*) Wenden wir uns nunmehr zu dem weit reichhaltis'ercn Thema der g-conietrisehen Synopsien, speeiell der Diagramme. Das Wesen der Diagramme für Zaiden, der wiebtigsten dieser Art, bescin-eibt Fiournoy sehr gut folgcndcrmaassen : „Jedesmal, wenn die Person, welche diese Eigenthiimliehkeit besitzt, an eine Zaiil denkt, sieht sie })lötzlicb und automatisch im Felde ihres g'eistig:en (iesiehtsfeldes eine bestimmte und unveränderte Stelle, auf wclclier jede Zahl eine bestinnnte Stellung einninnnt. Diese Stelle kann in einer Linie bestehen oder in einer Reibe von Ziftern, die in einer gewissen Stellung ange- ordnet sind oder in einer Art von besonderer Farbe." Nicht nur für die Zahlen giebt es Diag;rannne, sondern auch für Buchstaben, Wochentage, Monate, Tagesstunden, Jahreszahlen u. s. w. Um solchen Personen, welche derartige Diagramme nicht kennen, das Wesen und die Entstehung dersellien verständlich zu machen, sei an folgendes erinnert: Jedes- mal, wenn uns von einer Person oder einem Gegenstand gesproclien wird, sehen wir das Object in allerdings sehr unbestinmitcn Unn-issen vor unserem g-eistigen Auge. Fast niemals kommt uns dieser Process zum Bewusstsein, und doch ist es, wenn man die Bedeutung- des Wortes Baum z. B. verstehen will, unumgäng-iicb notbwendig, dass man ein derartiges Object oder doch einen Theil desselben sich geistig- reproducirt. Wir sehen hier das Localisations- bedürfniss im ersten Stadium vor uns. Selbst Ansätze zu Diagrammen wird man wohl l)ei den meisten Älenschen finden: speeiell beim Gedanken an Gedrucktes oder Geschriebenes, mit dem man oft zu thun hat und das man immer in gleicher Weise angeordnet vorfindet, etwa weil man immer dasselbe Exemplar be- nutzt, wird die bestinnnte Raumempfindung- der aufge- schlageneu Buchseite mit der jeweiligen bekannten Loca- lisation des Schriftstückes vorschweben. Die einfache Localisationsempfindung steigert sich nun sehr häufig- zu Diagrammformen, in welchen auch abstracte Begriffe verschiedenster Art angeordnet er- scheinen. Es kann von vornherein kaum einem Zweifel unterliegen, dass die Diagramme ihre Gestalt ausschliess- lich und unter allen Umständen i)ersrmlieiieu Erlebnissen iln-es Besitzers, zumeist aus früher Kindeszeit, verdanken, dennoch ist es fast nie möglieh, sieh über die Ursachen, welche den Diagrammen ihre Gestalt geben, Rechen- schaft abzulegen. Der Hauptgrund für Aebnliehkeiten in den Synopsien derselben Familie ist in den „Wirkungen derselben Um- gebung" zu suchen. Nach Angaben des Herrn H. kann es wohl kaum einem Zweifel unterliegen, dass es unbedingt Ein- drücke der ersten Kindheit sein müssen, welche bei jedem Menschen die Form seiner Diagramme bedingen. Er selbst discutirt sehr eingehend seinZahlendiagrannn, aus dem dann auch je ein Diagramm für die Tagesstunden und für die Monate hervorgegangen ist, das er bis in kleine Einzelheiten hat zurückfuhren können auf charakteristische Eindrücke der Potsdamerstrasse in Berlin, in welcher er als 4-, .5- und (J-jährigcr Knabe wohnte. Es ist dannt zum ersten Mal gelungen, die Entstehung eines Diagramms ge- nau zu analysiren , trotzdem zahllose Menschen dergleichen Vorstellungen besitzen. *) Näheres über psychologi.sclie Syuopsieii, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, vergl. in Bd. X, No. 5 (o. II. 189.3), wo auch eine grössere Reili(^ von Beispielen ange- tuhrt ist, auf welche in diesem Referat verzichtet werden ninss. lind im Originalanfsatz selbst. Es ist übrigens nachgewiesen worden, dass in de- generirtcn Familien die Syno])sicn genau ebenso häufig vorkommen, wie in anderen, und dass ihnen eine psycho- pathische Bedeutung nicht zukonmit. Nach den Betrarbtungcu über die Entstehung der Synopsien, wendet sich II. iin-cr Bedeutung zu und zwar im Hinblick auf ihren praktisciien Nutzen. H. meint, dass sie nicht nur für mnemotech- nische Zwecke von einem ganz unschätzbaren Werthe sein können, sondern dass sie sogar geeignet sind, mittel- bar auf die Geistesentwickelung und -Ijcschäftigung nach- haltig einzuwirken. Den chromatischen Syno])sien wird freilich nur aus- nahmsweise eine Bedeutung der angegebenen Art zuzu- sprechen sein. Galton berichtet von einer Dame, welche sich ihrer Photismen [)ediente, um die richtige Ortho- graphie mancher Worte zu finden. Fiournoy erzählt von einem Maler, welcher seiner Violine Töne entlockte, um passende Farben für seine Gemälde zu finden. Gruber theilt mit, dass ein Bariton die feinsten Nuancirungen seiner Stimme nach seinen Chromatismen bestinnnte. Doch wenn man noch das Erkennen von Tönen und Ton- arten durch Farbeneindrücke hinzurechnet, sind hiermit wcdil alle Fälle erschöpft, in denen ein wesentlicher Nutzen chromatischer Synopsien nachgewiesen wurde. Im Gegensatz hierzu berichtet Fiournoy auch von be- trächtlichen Belästigungen in Folge lebhalter chromati- scher Synopsien: eine Dame wurde durch das mannig- fache Farbengeflimmer beim Lesen begreiflicher Weise ausserordentlich gestört; doch ist dies ein vereinzelter Fall. H. möchte aus Beobachtungen schliesseu, dass die Besitzer von Zahleudiagrammen im Allgemeinen nicht nur ein besseres Zahlengedächtniss haben, sondern auch weit bessere Kopfrechuer zu sein pflegen, als die Nega- tiven. Mathematiker, welche viel mit abstraeten Gegen- ständen zu thun haben, besitzen relativ selten Diagramme. Sollte sich nicht daraus vielleicht die bekannte Thatsache erklären lassen, dass gute Mathematiker überraschend oft die denkbar schlechtesten Kopfrechner sind? Wenn mau schon nach dem bisher Gesagten einen günstigen Einfluss der Diagramme auf das Geistesleben kaum wird liezweifeln dürfen, so eröffnet der im folgen- den zu berichtende Fall ungeahnte Einblicke in die Ent- stehnng- mancher scheinbarer hervorragender „ Begabungen". Es handelt sich um Jemanden, der für Zahlen ein unge- wöhnliches, für Daten ein ganz abnorm ausgebildetes Gedächtniss besitzt. Von den unwichtigsten Ereignissen der Geschichte oder besser noch, seines eigenen Lebens kann er zuweilen mit einer .solchen Bestimmtheit und Treffsicher- heit Datum und Jahreszahl angeben, dass er selbst nicht selten darüber erstaunt. Von den wichtigeren Ereignissen der Weltgeschichte, soweit sie sich genau datiren lassen, dürften relativ wenige zu finden sein, zumal unter den kriegerischen (mit diesen beschäftigte er sich als Knabe am liebsten und häufigsten), deren Daten und Jahre er nicht „auf Anhiel)" angeben kann. Gcbnrts- und Todes- tage berühmter Persönlichkeiten pflegt er ebenfalls mit überraschender Präcisität anzugeben. üeber diese merkwürdige Fähigkeit hat er sich selbst folgendermaassen schriftlich geäussert: „Auf der Schule zeichnete ich mich im Kopfrechnen und in der Matiiematik nicht gerade auffallend aus, trotzdem ich wohl von mir behaupten kann, das Durehsehnittsmaass stets überragt zu haben. Ich glaube auch, bei etwas mehr Fleiss und weniger Unaufmerksand^eit hätte ich ein sehr tüchtiger Mathematiker werden können. Der unge- wöhnliche Gang der Entwickelung erstreckte sieh nach wie vor auf das Gedächtniss für Zahlen. Der Gcschichts - Unterricht des Gymnasiums reizte niicli 180 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 15 ganz besonders, und schon in der Quinta und Quarta war ich bei manchen meiner Lehrer dafür bekannt, alle wichtigen Geschichtszahlen zu wissen. Geschiclits- werke, besonders solche, in denen recht viele Zahlen vor- kamen, verschlang ich mit nicht weniger Begierde, als Indianerbüclier. Dabei war es bemcrkenswerth, dass es eigentlich nur die Zahlen waren, die mich so sehr inter- essirtcn-, für den Zusammenhang der einzelnen Ereignisse, Verfassnngsgesehichte etc. zeigte ich durchaus nicht viel mehr Verständniss, als man es gewöhnlich ündct. Da- gegen behielt ich Jahreszahl und Datum auch von solchen Ereignissen, die mich gar nichts weiter angingen und so unbedeutend wie nur möglich waren. Nur selten kam es vor, dass ich eine schon gewusste Zahl wieder vcrgass oder verwechselte. Dennoch haljc ich mich während meiner Schulzeit auch nicht einen Augenblick hingesetzt, um Geschichtszahlen zu „ochsen", nur sehr selten brauchte ich mir überhaupt erst vorzunehmen, eine Zahl behalten zu wollen, und in den noch selteneren Fällen, wo ich unter den zum Lernen aufgegebenen Zahlen eine fand, die ich nocli nicht wusste, genügte ein einziger Blick darauf, um sie dauernd mir einzuprägen. So ist es denn gekommen, dass ich von fast allen wichtigen und einer grossen Menge unwichtiger, ja nebensächlicher Ereignisse Jahreszahl und Datum ohne Weiteres sofort angeben kann." Den Grund für dieses seltene Zahlcngedächtniss sucht der Betreffende einzig und allein in der Form seiner Diagranune (er besitzt solche für Zahlen, Monate, Wochen- tage, Tagesstunden und Buchstaben). Chromatische Synop- sien kennt er nicht. Der Hauptgrund für die leichte Unterscheidbarkeit der zahllosen Daten der Weltgeschichte liegt aber seiner Meinung nach in gewissen Charakter- zügen, bezw. Gesiehtscindrücken, welche ihm die einfachen wie die zweistelligen Zahlen und Daten zu haben scheinen. Es handelt sich hier also um eine Art von Personification bezw. Charakterisirung der Zahlen, die bei verschiedenen Individuen vorkommt (und zwar gelegent- lich — wie uns für das vorliegende Referat Herr Dr. K. L. Schaefer mitthcilt — bis zu einem ans Patho- logische streifenden Grade. So berichtet C. L. Herrik im Journ. of comparat. Neurology Vol. V. 18U5, S. 119 von einem Knaben, der jede Zahl mit dem Bilde einer bestinmiten Person verknüpfte. Er sah Zwerge, gute und böse, Soldaten, alte Männer etc. Additionen, Multiplica- tionen und ähnliche Recheuojjcrationen waren in seiner Vorstellung von einem geradezu schlachtenartigen Ge- tümmel dieser Personen begleitet.) Er erklärt, dass er den Zahlen und nochmehr den Daten mit einer vielfach gradezu heftigen Sympathie bezw. Antipathie gegenüberstehe; anderen gegenüber verhält er sich wieder indifferent. Dass diese Eigenschaft mncmotechniscii ausserordentlich vorthciliiaft sein muss, liegt auf der Hand. Es muss ausdrücklich hervorgehoben vvcrdcn, dass Ereignisse, welche an sympathischen Daten eintraten, ungleich leichter behalten werden, als andere. Seine ganze Geistesentwickelung ist wesentlich von jener merkwürdigen Fähigkeit beeintlusst worden. Da er von Berul' Mctcordloge ist, so beschäftigt er sich am liebsten mit historisch-statistischen (Gegenständen dieses Gebietes, aber auch jede andere Datumangabe auf Jahr und Tag genau ist ihm stets willkommen, da sie stets nicht nur seinen Verstand, sondern auch sein Gemütli beschäftigt. Sonderbar ist es, dass bei ihm die Diagramme für Daten, Jahreszahlen (!tc., trotz ihrer so engen Beziehungen zu einander, immer als viillig gesondert empfunden werden. Wenn ein P^rcigniss nach Jahreszahl und Datum ange- geben wird, so wird es doppelt localisirt, im Jahres- und im Monatsdiagramm. Wenn er z. B. von der Schlacht bei Graveliugen (13. Juli 1558) hört — bei diesem Datum bemerkte er zuerst die Trennung der Diagramme — so sieht er etwa in seinem Zahleudiagramm die Stelle zwischen 1558 und 1559, dann seheint dies Diagramm zurückzutreten und zu verschwinden, dafür erscheint an genau derselben Stelle das Datendiagramm im Gesichts- felde mit dem 13. Juli im Vordergrunde. Wird hingegen ein Ereigniss auf Wochentag und Tageszeit genau ange- geben, z. B. Friedrich der Grosse starb Donnerstag, den 17. August 1786, Morgens 2'' 20', so erscheint etwa nach dem Jahreszahlen- und Datendiagranmi ganz unat)hängig von ihnen das Wochentags-, und dann abermals gesondert das Tagcszeitdiagrannn. In Bezug aul' genauere Einzelheiten müssen wir auf den Aufsatz selbst verweisen. (x.) Einige neue Tliiere hat der Zoologische Garten in Berlin soeben durch eines seiner Vorstandsmitglieder, Herrn Baurath Bock mann, erhalten, welche der genannte Herr von einer grösseren überseeischen Reise als Ge- schenke heimgebracht hat. Im grossen Raubthierhause finden wir zunächst einen männlichen Puma, ein .sehr kräftiges und schönes Exemplar dieser grossen Katzen- art, welche auch unter dem Namen „vSilberlöwe" bekannt ist. Es ist deshalb eine ganz besonders willkommene Vermehrung des reichen und vielfältigen Raubthier- bestandes des Gartens, weil er ein vorhandenes Weibchen zu einem Paar ergänzt. Dasselbe gilt für einen west- afrikanischen Serwal, eine hochbeinige, schwarzgetüpfelte luchsartige Katzenform, die in zwei verschiedenen geo- graphischen Varietäten, aus dem AVesteu und aus dem Osten des dunklen Erdthcils im kleinen Raubthierhause des Gartens vertreten ist. In die Sammlung kleiner und kleinster Raubthiere im alten Vogelhause beim Concert- platz ist ferner ein mittelamerikanischer Wie kelbär einge- reiht worden, eines der merkwürdigsten kleinen Raubthiere, das ein reines Baumleben im Urwalde führt und sich bei seinen nächtlichen Streifzügen auch des nniskulösen Wickelschwanzcs zum Klettern bedient. Schliesslich haben auch die für die kleinsten gefiederten Räuber im neuen Vogelhause eingerichteten Käfige einen neuen Insassen erhalten in Gestalt eines sogenannten amerikanischen Baumfalken, eines sehrhübsch gezeichneten kleinen Raub- vogels, der dcnninstrirt, wie unserer heimischen Vogel weit sehr ähnliche Formen manchmal in den entferntesten Erd- theilen wiederkehren. lieber WunrtJieilung bei Carabns. — Dass noch häutungsfähige Kerfe (ilieder ncubilden und Wunden durch Chitinncubildungen schlicssen köinicn, nimmt nicht Wunder. Ob aber Imagines, die keine verlorenen (üicdniaasseu wieder ersetzen können, Wunden nur durch schrumpfende Blutmasse oder durch ('hitin vcrschliessen, diese Frage stand offen. Nun fand C. V erhoff (Zool. Anz. 1896, S. 72) einen lebenden Laufkäfer, bei dem eine Wunde anscheinend durch eine Neubildung des Chitinpanzers ge- schlossen war. Er exi)erimentirte darauf mit Carabus- arten und stellte fest, dass Wunden allerdings durch eine dicker werdende Chitinhaut verheilt werden, nachdem der erste Verschluss durch Blut geschehen war. Das Wund- chitin ist völlig structurlos. Welche Zellen es erzeugen, konnte nicht festgestellt werden. C. Mff. XI. Nr. 1.5. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. ISI Eine Expedition nacliNowaja-Seuilja. (Nach dem Be- richt von Tii. N. Tschcrnischeff in der l^aiserl. russischen geograi»hischeu Gesellschaft am 20. Dec. 1895). — Zweifel- los waren es Eussen, welche die Doppel-Tnsel Nowaja- Senilja entdeckten, obwohl ihrer zum ersten Mal von einem englischen Kapitän Burrough erwähnt wurde, welcher im Jahre 1556 die Nordkiiste Russlands besuchte. Dieser bemerkt ausdrücklich, dass die Insel Nowaja- Semlja heisse, habe er von seinen russischen Führern gehört. Die ersten genaueren geographischen Mittheilungen stammen von Holländern aus dem Ende des 16. Jahrhunderts. Die wichtigste Expedition ist die russische von Rosm ys- loff, welcher in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Meerenge von Matotschkin Schar, durch welche No- waja-Semlja in eine nördliche und eine südliche Insel getrennt wird, besuchte. In den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts beschrieb Litka die südliche und westliche Küste, Pastuchoff und Ziwolke die OstkUsten. Die ersten naturwissenschaftliciien Untersuchungen stellte 1837 der Akademiker Baer an, in den sechziger Jahren wurde die Insel von Deutschen erforscht, 1872 von einer öster- reichichen Expedition des Grafen Wiltschek, 1878 von Nordenskjöld. Reichen Erfolg hatten in den letzten Jahren die Forschungen der Schitfe Najesdnik, Wjestnik, Dschigit, besonders durch das Verdienst des Lieutenant Schdanko. Indessen war bis zur Expedition von Ts chemische ff, das Innere der Insel fast völlig unbekannt geblieben, da alle vorher erwähnten Reisenden sich nur auf die Küsten beschränkt hatten. Tjagin, welcher die Jahre 1877 bis 1879 auf Nowaja-Senilja verbrachte, hat vergeblich ver- sucht, die Insel zu durchqueren. Dies gelang erst 1882 Dr. Grinewetzky, der seine Reise im Winter vornahm; er gelangte dabei zu der Ueberzeugung, dass eine Durch- querung im Sommer unmöglich sei. Im Jahre 1894 ersuchte der Gouverneur des Gou- vernements Archangelsk, Engelhardt, die Regierung um Entsendung einer wissenschaftlichen Expedition naeli Nowaja-Semlja und Waigatsch. Der Landwirthsehafts- minister hielt eine solche für wünschenswerth und be- willigte die dazu erforderlichen Mittel. Zum Leiter wurde Tschcrnischeff ernannt, als Assistenten wurden ihm der Kandidat K o n d r a t j e ff und der Conservator der Warschauer Universität Morosewitsch beigegeben. Bei den Auf- nahmen bediente sich Tschcrnischeff in ausgedehntem Maasse der photographometrischen Methode. Am 10. Juli 1895 verliess die Expedition Archangelsk auf dem Klyper Dschigit und erreichte bereits in der Nacht vom 14. zum 15. Juli Malyje Karmakuly auf der Westküste der südlichen Insel, das Centrum des Lebens auf Nowaja-Semlja. Die Bevölkerung besteht aus Samo- jeden; von der Regierung sind Staatslager errichtet worden, und auch eine Kirche befindet sich dort. Am fol- genden Tage gelangten sie zu der Meerenge Matotschkin Schar, welche die beiden Inseln trennt. Der 20. Juli brachte einen heftigen Sturm aus Osten, der den Dschigit auf eine Klippe warf und damit dem weiteren Fort- schreiten der Expedition gen Norden ein Ende bereitete. Das Schitt' musste zur Reparatur nach Archangelsk zurück- kehren und so blieb die Expedition ihren eigenen Kräften iiberlassen. — Tschernischefif machte hier die eigenthüm- liche Beobachtung, dass an der Westküste der Nowaja- Semlja stets die Ostwinde von besonderer Heftigkeit sind, die Westwinde hingegen schwach, während an der Ost- küste das Gegentheil der Fall ist. Der unerschrockene Forscher begann nun, nach der Abfahrt des Dschigit, mit seinen Gefährten und zwei eingeborenen Samojeden auf 7 Schlitten mit 80 Hunden den Zug quer durch die Südinsel. Erst am dritten Tage I gelangten sie auf das innere Plateau, in dessen einförmiges Gelände nur hier und dort durch einzelne Höhenzüge Abwechselung gebracht wurde. Einige Tage darauf war die Ostküste erreicht, und zwar gelangte man zu einer Bucht des Kars'schen Meeres, welche auf der Karte noeii nicht verzeichnet ist; sie nannten sie Gregor Golitzins Bucht, dem Forscher zu Ehren, der die Insel 1889 be- sucht hatte. Somit ist es Tschcrnischeff gelungen, die Möglichkeit einer Durchquerung der Nowaja .Semlja zu erweisen. Das ganze Kars'sche Meer zeigte, wie weit das Auge reichte, eine Schneedecke von 2 m Höhe. Die Expedition kehrte nun wieder auf demselben Wege nach Malyje Karmakuly zurück und Tschcrnischeff durch- forschte eingehend einen beträchtlichen Theil der West- küste südlich von der Meerenge Matotschkin Schar, wobei er häufig gefahrvolle Fahrten in einer Schaluppe auf dem stürmischen Meere zu bestehen hatte. Am 11. September wurde die Expedition von einem Dampfer abgeholt, der sie wieder nach Archangelsk zurückführte. Durch Tschernischetfs Expedition ist neues Licht ge- worfen worden auf die Urographie und Geologie der Südinsel der Nowaja-Semlja. Wie schon erwähnt, ge- lang es ihm nicht, auf die Nordinsel vorzudringen. Üeber das Ergebniss seiner Untersuchungen auf ersterer berich- tet er indess Folgendes: Sie wird durch eine Linie, die von Südwest nach Nordost geht, scharf in zwei Theile getheilt; nördlich von dieser bietet die Insel völlig das Bild alpiner Gegend, südlich stellt sie ein glattes Hoch- plateau dar. Die Küste des nördlichen Theils ist von Fjorden durchschnitten, und zwar ist dabei bemerkens- werth, dass jedem Fjord auf der westliehen Seite ein ebensolcher auf der östliciien entspricht. Tschernischeff spricht die Vermuthung aus, dass ein jedes Paar dieser B^jorde ein durch Auswaschung sich bildendes Thal dar- stellt. Ebenso ist die Meerenge Matotschkin Schar durch die Vereinigung zweier derartiger Fjorde entstanden. An den südliehen Küsten finden sich keine Fjorde. Der nördliche Theil ist ausserdem reich an Gletschern, unter denen typische Thalgletscher (Wiltscheks Gletscher) wie auch typische Hängegletscher (Tschirakins Gletscher) zu erwähnen sind. Südlich von der namenlosen (Besimjannaja) Bucht — der oben erwähnten Trennuugslinie entsprechend — giebt es auch keine Gletscher mehr. In geologischer Hinsicht besteht der südliche Theil der Insel aus devo- nischen Ablagerungen. Seine Beobachtungen führten Tschernischeff zu dem Schluss, dass Nowaja-Semlja einst von ausgedehnten Gletschermassen bedeckt, später zur Zeit der „borealen Transgression'- zusammen mit dem nördlichen Theile des russischen Festlandes vom Meere verschlungen worden ist, und jetzt sich wieder allmählich emporgehoben hat. Zum Beweise für die letztere Behauptung führt er zahl- reiche Thatsachen an: Die alten Moränen, die etwa 30(J m über den gegenwärtigen Gletschern liegen, Delta- bildungen einiger Flüsse, ferner das "S'orhandensein von Seen, welche aus abgetrennten Meerestlieilen zwischen der Küste und naheliegenden Inseln gebildet sind, so ist z. B. die Halbinsel der Admiralität auf der Westküste der Nowaja-Semlja ehedem eine Insel gewesen. Was die Flora anbelangt, so besteht auf Nowaja- Semlja bekanntlich überhaupt keine Vegetation, was nach Tschernischeff' seinen Grund in der niedrigen Temperatur und den heftigen Winden findet. S. L. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der aiisscrordentliclie I'rot'oBsor lior Aufjen- htnlkunde in Greifswald Dr. (ttto Schirm er znni ordentlichen Professor als Nachfolger seines verstorbenen Vaters; der Privat- 182 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 15. docent für vergleichende Anatomie und Zoologie in Erlangen Dr. Albort Fleischmann zum ausserordentlichen Professor und Director der zoologischen Universitäts - Anstalt; der Privat- docent der Mathematik und Physik am Lyceum zu Dillingen Dr. Macher zum ausserordentlichen Professor; der Professor der inneren Medicin in Budapest Müller zum Ministerialrat)!; der ausserordentliche Professor der Geodäsie am Polytechnikum in Budapest zum ordentlichen Professor; der Präsident des deutschen Seefischereivereins Herwig in Hannover von der Universität Kiel zum Dr. phil. h. c. ; der Seismologe Charles Davison von der Universität Cambridge zum Doctor of Science. Geadelt wurden: Der ordentliche Professor der Physik in Würzburg Dr. Röntgen; der ordentliche Professor der Patho- logie und Therapie in Berlin Geh -R. Dr. Leyden. Berufen wurden: Der Lehrer der englischen Sprache und Litteratur am Gymnasium „Willem III" in Batavia, Bolland, als ordentlicher Professor für Philosophie, Logik, Mothaphysik und Psychologie nach Leyden; der Privatdocent der Landwirth- schaft an der Berliner landw irthschaftlichcn Hochschule Dr. Georg Rörig als ausserordentlicher Professor nach Königsberg; Gym- nasialdirector Böhm in Klausenbnrg als ordentlicher Professor der Philosophie an die dortige Universität. Es habilitirten sich: Unser Mitarbeiter und früherer Mitredac- teur Dr. A. Gutzmer in Halle für Mathematik; Dr. Sultan in Göttingen für Chirurgie; Dr. H. Dinger für Philosophie in Jena; Dr. Lange aus Strassburg in München für Chirurgie; in Wien Dr. Haberda für gerichtliche Medicin und Dr. Biedl für Pathologie. Es starb: Der ehemalige Professor der Gynäkologie in Wien Dr. Josef Spaeth. Litteratur. Prof. Dr. Rudolf Arndt, Biologische Studien. II. Artung und £ntart\mg. Julius Abel in Greifswald 1895. — Preis 6 Mk. Den 1. Band des Werkes mit dem Untertitel „Das biolo- gische Grundgesetz" haben wir Band VIIl (1893), S. 291 be- sprochen. Der vorliegende, nicht minder werthvolle Band behandelt die Thatsachen, welche die Entartung des Menschengeschlechts an- zeigen, einen Gegenstand also, der des allgemeinsten Interesses sicher sein sollte. Die Erblichkeit und die Erblichkeitsverhältnisse — sagt Verf. im Vorwort — beruhen auf der Eigenbewegung der Vorfahren in ihren Nachkommen, als Theilungsprodukten, beziehentlich einstigen Theilen von ihnen; die Artungen, Abartungen, Entartungen be- ruhen auf den Allbewegungen, welche auf .sie einwirken und in ihrem Wesen und Verhalten ändern, fördern oder hemmen. Wie sich das gegebenen Falles macht und an den Tag legt, d.as bildet den Inhalt der Abhandlung des vorliegenden Buches. Es liest sich angenehm und ist sehr anregend, sodass das Studium desselben dringend zu empfehlen ist. Prof. Dr. Conrad Keller, Das Leben des Meeres. Nebst bo- tanischen Beiträgen von Prof Dr. Carl Cr am er und Prof Dr. Hans Schinz. Mit 16 Tafeln in F'arbendruck und Holzschnitt, sowie über 300 Textabbildungen. Verlag von T. O.Weigel Nachf. (Chr. Herm. Tauchnitz), Leipzig 1895. — Preis IG M. Das schöne Werk giebt einen guten Ueberblick über die hauptsächlichsten Lebewesen und Gruppen derselben im Meere. Es ist in den letzten Jahrzehnten, namentlich in den letzten Jahren, soviel Neues über die Biologie namentlich der Meeres- thiore, aber auch mancherlei Wichtiges über die Pflanzen bekannt geworden, das Meer und was zu ihm gehört, bietet so vielerlei Interessantes, dass die vorliegende Uebersicht sicherlich zeitge- mäss ist, umsomchr, al.s der Gegenstand in weitesten Kreisen, auch über die der Naturforscher hinaus lebhaftes Interesse be- sitzt. Nicht nur Zoologie und Botanik (wir erinnern bezüglich der letzteren z. B. an die Untersucluingen Schutts über die Meeres- Diatomeen, — vergl. „Naturw. Wochenschr." VIII, 1893, S. .526 bis 527), die unmittelbar betheiligt sind, sondern auch für die Geologie ist es von Wichtigkeit, genau über die Lebenserschei- nungen im Meere orientirt zu sein. Es ist das zwar naheliegend, mag aber besonders betont werden, weil gerade in letzter Zeit, wie namentlich die geistvollen Bücher des Jenaer Prof. Walthor vor Augen führen, die Wichtigkeit der Konntniss des Lebens im Meere für die Auffassung mannigfacher geologischer Bildungen sich als eine hervorragendere gezeigt hat, als vermuthet wurde. Dem ganzen Werk geht eine einleitende Betrachtung voraus über die Beziehungen der Menschen zum Meere; es werden dann eingehende Schilderungen über die Lebenserscheinungen der Meeresthiore im Allgemeinen geboten: Zunächst Geschichtliches über die Erforschung dos Meereslebens, sodann Abschnitte über die äusseren Verhältnisse des Wohnelementes, freilebende und fest- sitzende Thiere, Arbeitstheilung und Polymorphismus, Symbiose, Parasitismus, die Farben der Meeresthiore," das Meeresleuchten, die Wandlungen der Meeresbewohner, den Suezkanal als Wander- strasse, die Strandfauna, die Hochsee und das Plankton, das Thierleben der Tiefsee, die Meeresfauna im Süsswasser, die Meeresfauna und die Voränderungen der Erdrinde, die Korallenriffe. Der zweite Theil behandelt die Wirbelthiere, der 3. die Wirbellosen und der 4. die Pflanzenwelt durch Cramer und Schinz, und zwar hat der erstere die Siphoneen, Herr Schinz das Uebrige bearbeitet. Dieser 4. Theil zerfällt in die Capitel: 1. Die mikro- skopische Flora, 2. die Siphoneen, 3. die Phaeophyceen und Rhodophyceen und 4. die Seegräser und Mangrovegetation. Die trefi'lichen zahlreichen Illustrationen erhöhen den Werth des Werkes sehr, namentlich für den Laien, dem dasselbe nach Möglichkeit hinsichtlich der Ausdrucksweise und des Vorge- brachten angepasst ist: das Buch müsste dem gebildeten Laien beim Besuch des Meeresstrandes einen grossen Genuss bereiten. Prof. Dr. Friedrich Blochmann, Die mikroskopische Thierwelt des Süsswassers. Abtiieilung I: Protozoa. 2. gänzlich umge- arbeitete und verm. Aufl. Mit 8 Tafeln, 4°, 134 S. Lucas Gräfe und Sillem. Hamburg 1896. — Preis 26 M. Die vorliegende Arbeit gehört als 1. Abtheilung des II. Theiles zu dem von dem Verf. zusammen mit unserem Mitarbeiter Herrn Prof (J. Kirchner herausgegebenen gediegenen und schönen Werk „Die mikroskopische Pflanzen- und Thierwelt des Süsswassers." Der L, von Hr. Kirchner bearbeitete Theil, der in die mikro- skopische Pflanzenwelt des Süsswassers trefflich einführt, haben wir Bd. VI (1891) S. 471-472 besprochen. Wie Hr. Kirchner in seiner Arbeit, so hat auch Bl. darauf verzichtet, die sämmtlichen Arten der mikroskopischen Thierwelt vorzuführen. Es werden, weil am häufigsten, nur die Protozoen (in dem vorliegenden Bande) und Metazoen behandelt, aber von diesen — wie vom botanischen Theil — sehr zweckmässig alle Gattungen, „welche nach Ansicht des Verfassers hinreichend fest begründet sind." Von den bekannten Arten wurden durchschnittlich etwas mehr als die Hälfte angeführt. Auf jede Gattung kommt im Grossen und Ganzen eine Abbildung. Die Abbildungen sind ebenso sauber, gewissenhaft und schön wie die von Kirchner gebotenen; ein grosser Theil derselben ist farbig. Die zur Gewinnung einer Anschauung über die sehr variablen Grössenverhältnisse der einzelnen Arten sehr zweckmässige Tafel VIII bietet eine Zahl von Umrisszeichnungen einzelner Individuen allein^—. In dieser Vergrösserung zeigt z. B. Oikomonas tetmo ohne Geissei etwa 1 mm, mit Gcissel etwa 3 mm Länge, Spiro- stomuni ambiguum hingegen über 300 mm u. s. w. Zur Einführung in den Gegenstand ist auch die vorliegende Arbeit ganz trefl'lich geeignet: sie hat auch längst, nach dem Erscheinen der 1. Aufl. gebührende Würdigung gefunden. Die Veränderungen der 2. Aufl. waren durch die seither (die erste Aufl. erschien 1886) gewonnenen neuen Resultate geboten. Otto Biermann, Elemente der höheren Mathematik. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1895. — Pri'is 10 iMk. „Die Grundlagen und Elemente der höheren Mathematik worden an den Hochschulen so selten in einer einleitenden Vor- lesung zum Vortrage gebracht, dass dem Studirenden Bücher nur erwünscht sein können, die ihn einheitlich auf das Studium der hölieren Algebra, der höheren Analysis und der höheren Func- tionentheorie vorbereiten." Mit diesen Worten der Vorrede ist die Tendenz der vorliegenden „Vorlesungen zur Vorbereitung des Studiums der Dift'erontialrechnung, Algebra und Functionentheorie" gekennzeichnet. In der Einleitung werden zunächst die verschiedenen Zahlen- grössen eingeführt und die wichtigsten Sätze über unendliche Reihen und Producte entwickelt; darauf wird der Begriff einer Function reeller und comple.Ner Grössen behandelt. Die Elemente der Theorie der algebraischen Gleichungen werden alsdann in einem weiteren Abschnitte vorgetragen, aus welchem hier hervor- gehoben werden möge, dass ein Beweis für die Unmöglichkeit einer algebraischen Lösung der allgemeinen algebraischen Glei- chungen von höherem als dem vierten Grade Aufnahme gefunden hat. Des Weiteren worilen die hauptsächlichsten Eigenschaften der Potenzreihen, deren Convergenz, Fortsetzung und L'mkehrung auseinandergesetzt, und zugleich wird hier ein Beweis für den Fundament.ilsutz der Algebra geliefert. Der in diesem Abschnitt definirte Begriff der analytischen Function einer comple.xen Va- riablen wird schliesslich in dem letzten Abschnitt an den elemen- taren Functionen eingehend erläutert. Die Darstellung ist, nach den vorgenommenen Stichproben zu urtheilen, klar und leicht verständlich. Die Ausstattung ist die bekannte gute des Teubner'schen Verlages. G. XL Nr. 15. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 1«.^ J. Bosscha, Christian Huygens. Aus dem Holländischen über- setzt von Th. W. Engelmanii. Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1895. — Preis 1,60 M. Diese Rede,am 20O.Gedächtnistage des Lebensendes von Christian Huygens von dem Verfasser gehalten und von Professor Engel- mann in Utrecht ins Deutsche übertragen, entrollt vor unseren Augen ein Bild des grossen holländischen Forschers von seiner Kindheit bis an sein Lebensende. Es sind aber nicht nur die bekannteren Züge und Ereignisse, die hier zusammengestellt werden, sondern der Verfasser fügt eine Fülle neuer Angaben hinzu, die — zum Theil in erläuternden Anmerkungen weiter ausgeführt — erst jetzt bekannt werden und die wahre Univer- salität des Huygens'schen Geistes und seiner Forschungen in das hellste Licht rücken. Es mag an dieser Stelle nur einiges angegeben werden. Der Verf. weist überzeugend nach, dass Huygens in seiner wenig beach- teten Pulvermaschine das Princip der Gasmotoren entdeckt hat, und dass er ebenso das Princip der Dampfmaschine erfasst und den Nutzen seiner Erfindung erkannt hat, welche gewöhnlich Papin zugesehrieben wird. Papin war mehrere Jahre in Paris der Gehilfe von Huygens und ist an den Versuchen mit der Pul- vermaschine betheiligt gewesen. Interessant ist ferner, dass Huygens in einer bisher nicht gedruckten Abhandlung „Traite de l'Aimant" zu Anschauungen über das Wesen des Magnetismus geführt wird, die denen Faraday's ganz nahe kommen. Eine Fernkraft ist für Huygens etwas Unverständliches, wie aus der eben genannten Abhandlung und auch aus seinen Untersuchungen über die Ur- sachen der Schwere hervorgeht. Huygens ist dem neueren Stand- punkte ausserordentlich nahe gekommen, er sucht alles auf Be- wegungsmechanismen zurückzuführen und führt verborgene Sub- stanzen als Träger derselben ein. (Vgl. Hertz, Mechanik.) Aber auch sonst bietet die vorliegende Schrift, der wir recht weite Verbreitung wünschen, wichtige Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften; einige Legenden über Newton werden für immer als das nachgewiesen, was sie sind. Je weiter in neuerer Zeit die Forschung in die Werke, in den ausserordentlich aus- gedehnten Briefwechsel Huygens' und in die Berichte über seine Thätigkeit in der Pariser Akademie eingedrungen ist, desto höher steigt Huygens empor und desto mehr wächst das lebendige Interesse, welches seine hohe und edle Persönlichkeit und seine tiefgehenden Untersuchungen beanspruchen. G. Handwörterbuch der Astronomie, unter Mitwirkung von Prof. Dr. E. Beeker-Strassburg, Prof. Dr. E. Gerland-Klausthal, Prof. Dr. M. Haid-Karlsruhe, Dr. N. Herz-Wien, Dr. H. Kobold- Strassburg, Dr. N. v. Konkoly-Budapest, Prof. Dr. C. F. W. Peters (f), Dr. E. v. Rebeur-Paschwitz-Merseburg(t), Prof. Dr. W. Schur-Göttingen, Prof Dr. H. Seeliger-München, Prof. Dr. W. Wislicenus-Strassburg, Dr. A. Zelbr-Brünn. Herausgegeben von Prof. Dr. W. Valentiner, Vorstand der Grossherzoglichen Sternwarte in Karlsruhe. Lexikon 8". Theil der „Encyklopädie der Naturwissenschaften". Verlag von Eduard Trewendt. Breslau 1895. — In Lieferungen ä 3,G0 Mk. Soweit sich aus den bis jetzt erschienenen zwei Lieferungen (12—13 sind geplant) urtheilen lässt, liegt uns hier ein gross an- gelegtes Werk vor, das auch abgesehen von dem Inhalt der ersten Lieferungen schon durch die Namen der auf die einzelnen Zweige gewonnenen Mitarbeiter, wie Becker, v. Konkoly, v. Rebeur- Paschwitz, Schur, Seeliger, Wislicenus, von vornherein auf eine lebhafte Beachtung in Gelehrtenkreisen rechnen darf Entsprechend dem ursprünglichen Plane der Trewendt'schen Encyclopaedie ist für den astronomischen Theil die lexicologische Anordnung des Stoffes gewählt worden, doch ist die Anzahl der Artikel möglichst gering gewählt, sodass das Ganze mehr einer alphabetischen An- einanderreihung von Monographieen über die wichtigsten Theile der Astronomie gleicht, während das Nachschlagen nach be- stimmten Stichworten mittelst eines sehr ausführlichen Index er- leichtert werden soll. Den Anfang des Ganzen bildet eine recht ausfüln-liche, den Entwickelungsgang unserer Welterkenntniss vom Alterthum bis zur Gegenwart scharf und eingehend kennzeich- nende, historische Einleitung aus der Feder von Norbert Herz. Der treffliche Artikel über Aberration ist von dem nun leider schon verstorbenen v. Rebeur-Pasehwitz, diejenigen über das Aequatoreal, Almucantar und Altazimuth theils von Valentiner theils von C. W. F. Peters verfasst, während eine gründliche, wenn auch freilich die Arbeiten ungarischer Forscher etwas zu sehr in den Vordergrund stellende Abhandlung von Konkoly 's über Astrophotographie den Abschluss der zweiten Lieferung bildet. Namentlich bei diesem letzten Artikel, der naturgemäss von einer grossen Zahl von Abbildungen der Instrumente be- gleitet ist, macht sich leider der fa.st mittelalterlich unsaubere Druck der Illustrationen als ein sehr fühlbarer Fehler des Werkes bemerkbar; ein beträchtlicher Theil der an sich vielleicht ganz guten Clichi^'s wird durch diesen Fehler des Druckes, an dem auch die Beschaffenheit des Papiers mit Schuld sein mag, so gut wie unbrauchbar. Wir können dem Herrn Verleger nur dringend ans Herz legen, in den späteren Lieferungen wenigstens für einigermaassen ohne ästhetische Unlustgefühle besehbaro Illustra- tionen Sorge zu tragen und möchten ihm hierbei die z. B. im Vieweg'schen Verlage erschienenen Bücher als Vorbilder empfehlen. F. Kbr. Archiv für Entwickelungsmechanik der Organismen. Heraus- gegeben von Wilhelm Koux, o. ö. Professor der Anatomie in Innsbruck. Erster Band, erstes Heft. Mit 7 Tafeln und 6 Textfiguren. Ausgegeben am IG. October, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann. 1894. — Preis 10 M. Wir haben erst jetzt Gelegenheit, diese schon Ende 1894 ins Leben getretene neue Zeitschrift anzuzeigen. Wie der Herausgeber im Prospect sagt, steht sie jeder Art von exactem Forschen über die „Ursachen der Entstehung, Erhal- tung und Rückbildung der organischen Gestaltungen" offen. Das Archiv erscheint zur Ermöglichung rascher Publikationen in zwanglosen Heften sowohl in Bezug auf den Umfang, wie auch auf die Zeit des Erscheinens; mit etwa 40 Druckbogen wird ein Band abgeschlossen. Das vorliegende 1, Heft bringt eine Einleitung von W. Roux, in der er die Aufgabe der Entwickelungsmechanik, die Methodik der entwicklungsmechanischen Forschung auseinandersetzt und das Verhältniss der Entwickelungsmechanik zu den anderen biolo- gischen Disciplinen beleuchtet. Ausserdom bietet das Heft die folgenden Abhandlungen: Wilhelm Roux, Ueber den „Cyto- tropismus" der Furchungszellen des Grasfrosches (Kana fusca). Mit Taf I— III und 3 Textfiguren. Prof. Dr. Ribber t, Beiträge zur coinpensatorischen Hypertrophie und zur Regeneration. Mit einem Abschnitt über die Regeneration der Niere von Dr. Peipers. Mit Taf. IV. Dietrich Barfurth, Die experimentelle Rege- neration überschüssiger Gliedinaassentheile (Polydaktylie) bei den Amphibien. Mit Taf. V. Dietrich Barfurth, Sind die Ex- tremitäten der Frösche regenerationsfähig? Mit Tafel VI. Gustav Tornier, Das Entstehen der Gelenkformen. Mit Tafel VII und 3 Textfiguien. Balsamo, Dr. F., Iconum algarum index adjecto generum algarum omnium indice systematico. Berlin. — 3,20 M. Chxm, Carl, Atlantis, Biologische Studien über pelagische Or- ganismen. 3. Lfg. V. Ueber pelagische Tiefsee- Sehizopoden. Stuttgart. — 42 M. Cohen, Prof. E., Zusammenstellung petrographischer Unter- suchungsmothoden, nebst Angabe der Litteratur. 3. Aufl. Stuttgart. - 2 M. Engler, A., Grundzüge der Pflanzenverbreitung in Deutsch-Ost- Afrika. Berlin. — 10 M. Foerster, Dir. Dr. W., und Astronom P. Lehmann, Proff. Die veränderliclien Tafeln des astronomischen und chronologischen Theils des königlich preussischen Normalkalenders für 1897. Berlin. — 5 M. Groshaus, J. A., Darstellung der physikalischen Eigenschaften der chemischen Verbindungen Cp Hq Ör als Funktion der Atom- summe oder Densitätszalil p + q -l- r. Berlin. ■ — GM. Lassar-Cohn, Prof. Dr., Die Chemie im täglichen Leben. Hamburg. — 4M. Linck, Prof Dr. Glob , Grundriss der Krystallographie. Jena. — 9 M. Marcuse, Dr. Adf., Die atmosphärische Luft. Berlin. — 2 M. MüUer, Biblioth.- Assist, Hugo, Röntgen's X-Strahlcn. Berlin. 0,75 M. Fassarge, Dr. S., Reiseroute der Expedition des deutschen Ka- menincomitcs in den Jahren 1893 — 94. Berlin. — 10 M. Riecke, Prof. Ed., Lehrbuch der Experimental-Physik. Leipzig. — 9 M. Seeliger, Osw., Die Pvrosomen der Plankton -Expedition. Kiel. — 12 M. Spiecker, Apoth. 2. Assist. Dr. Adf., Die Maassanalyse. Bonn. — 1,20 M. Inhalt: Dr. E. Stolley, Ueber gestciubüdende Algen und di(^ Mitwirkung solcher bei der Bildung der skandinavisch- baltischen hilurabhigerungen. — Ueber die Entstehung und Bedeutung der Synopsien. — Einige neue Tliiere im Zoologischen Garten. — Ueber Wundheilung bei Carabus. — Eine Expedition nach Nowaja-Semlja. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. - Litteratur: Prof. Dr. Rudolf Arndt, Biologische Studien. II. Artung und Entartung. — Prof. Dr. Conrad Keller, Das Leben des Meeres. Prof. Dr. Friedrich Blochmann, Die mikroskopische Tierwelt des Süsswassers. — Otto Biermann, Elemente der höheren Mathe- matik. — J. Bosscha, Christian Huygens. — Handwörterbuch der Astronomie, — Archiv für Entwickelungsmechanik der Orga- nismen. — Liste. 184 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XL Nr. 15. Röhren für SK«> am. «^^^sa_- Strahlen. 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Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- »nstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Bringeseld bei der Post 15 -i extra. Postzeitungsliste Nr. 4827. f Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 ^. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger «taellenangabe gestattet. Ueber die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen nach Th. Eimer. I. Wie der 1889 erscliienene I. Theil die Segelfalter beliaTidelte, führt uns mm Professor Dr. G. H. The od. Eimer in Tübingen in dem im Oetober 1895 erschienenen II. Theil*) die schwalbenschwanzartigen Schmetterlinge vor, um auf Grund eingehender Betrachtungen der Arten und ihrer Abänderungen, insbesondere der Zeichnung, zur Erkenntniss der Gesetze der Artbildung zu führen, wie er sie in seinem 1888 erschieneneu Buch über die Entstehung der Arten aufgestellt und entwickelt hat. Berichterstatter**) hat die Hauptsätze dieser Lehre, welche im Ganzen nicht genügende Beachtung fand, in seiner Besprechung des L Theils im Novemberheft 1889 der Zeitschrift „Humboldt" eingehender vorgeführt, und verweist auf diese. Doch werden jene Sätze auch im II. Theil wieder erläutert und bestätigt. Im Gegensatz zur „Allmacht der Naturzüchtung", welche in neuester Zeit wieder von Weismann in schroffe- rer Weise, als Darwin selbst es gethan, hervorgehoben wird, kommt Eimer zum Resultat der „Ohnmacht der Naturzüchtung", aber nur in Beziehung auf die Ent- stehung der Arten, ohne die Bedeutung dieser Lehre Darwiu's für die Erhaltung der allerdings auf anderem Wege, als dem der Naturzüchtung entstandenen Arten zu leugnen; denn nur solche Arten "können sich erhalten, \yelche dem Kampf ums Dasein gewach.sen .sind. Inso- fern hat Darwin 's Lehre immer noch ein sehr weites Feld, sie ist und bleibt eine wohlgegründete, nur eben zur Er- klärung der Entstehung der Arten ist sie unzureichend. *) Jena, Verlag von Gust. Fischer, mit 1.53 Seiten Text und 4 prachtvollen, von des Verfassers Frau gemalten Tafeln in Gross- Foho, unter Unterstützung der Kgl. Preussischen Akademie ilor Wissenschaften und unter Mitwirkung von Dr. K. Fickert. **) Das Vorliegende soll wesentlich nur ein Bericlit sein, um das inhaltvolle Buch Eimer's in weiteren Ivreisen in übersicht- hcher und gedrängter Weise bekannt zu machen. Nach Eimer entstehen die Arten durch veränderte chemisch-physikalische Constitution oder verändertes organisches Wachsen (Organophysi.s) in Folge von Ver- änderung der äusseren Lebensbedingungen, also auf rein physiologischem Wege (etwa vergleichbar den ver- schiedenartigen Krystallen, welche sich in einer gemischten Mutterlauge bilden). Die neuen Formen oder Eigen- schaften liilden sich aber nicht in unbeschränkter Mannig- faltigkeit, sondern nach nur wenigen bestimmten Richtungen, nach bestimmten Gesetzen (Ortho- genesis). Die so nun entstandeneu und erworbenen Eigenschaften, z. B. Zeichnungen, werden dann in irgend einer Gruppe bleibend: Genepistase - Geschlechtsstill- stand, d. h. Stehenbleiben auf einer bestimmten Stufe der Entwickeluiig. So trennen sich die Arten: während die einen Glieder einer Organismenkette in der Entwicklung vorschreiten, sind andere auf einer bestimmten Stufe stehen geblieben. Weiterhin macht der Kampf ums Da- sein seine Auslese, und es verliert jene abgeänderte Gruppe durch Verlorengehen der Zwischenstufen, zuweilen auch durch örtliche Trennung (Isolirung) oder durch Ent- fremdung mit Unmöglichwerden der Paarung (Kyesamecha- nie ^ Befruchtungsverhinderung :== physiologische Se- lection nach Ronianes)*) ihre Verbindung mit den übrigen in der Umbildung weiter schreitenden Verwandten. Zuweilen, mehr ausnahmsweise, mag .auch eine spru ng- weise Entwickclung, ohne Zwischenstufen (Halmato- genesis) stattfinden; wenn dabei zahlreiche dergl. Um- bildungen, z. B. Zeichnungen mit ganz neuen iMustern, im Wohngebiet der Stammformen, auftreten, kann man sie auch als „kaleidoskopische" bezeichnen. Zur Erklärung solcher Sprünge und Mannigfaltigkeit dient in erster Linie wohl die Corr elation, weiterhin auch verschie- *) Eimer beansprucht die Friorität hierfür, da or schon 1S74 dies Verhiiltniss bei Laoerta muralis und cörulea hervor- gehoben habe, Komanes erst 1880. 186 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 16. deuerlei Nahrung und Temperatur, endlich ein besonderer Zustand der Geschlechtszellen, der sich in ,, Präponde- ranz" des einen Geschlechts äussert, d. h. darin, dass das eine Geschlecht in gewissen Entwickelungsrichtungen (z. B. gewissen Zeichnungen) weiter vorgeschritten ist als das andere und für die weiteren Umbildungen maass- gebend wird. Im Gegensatz zu der sonst im Thierreich vorherrschenden männlichen Präponderanz finden sich bei den schwalbenschwanzartigen Schmetterlingen auch zahl- reiche Fälle weiblicher. Meist zeigt sich verschieden stufige Entwickelung (Heterepistasie), indem die Entwickelung in Beziehung auf gewisse Eigenschaften an einem Organismus weiter vorgeschritten ist, als auf andere, d. h. sie ist hier vor- geschritten, dort stehen gelilieben, z. B. bei den Schwalben- schwänzen zeigt sich die Oberseite im Allgemeinen als die vorgeschrittenere gegenüber der Unterseite. Entwickelungsstillstand und damit Arteubilduug tritt ein, wenn die veränderten Ursachen aufhören, oder die umwandelnde phj'siologische Arbeit sich er- schöpft hat, z. B. bei sehr beständiger klimatischer Ein- wirkung, wobei die Eigenschaften der gegebenen Form nur sich festigen, oder wenn die Nahrung in einem neuen Wohngebiete bleibend sich änderte. Zunächst werden wohl nur besonders empfindliche Individuen durch irgend welche Veränderungen im Klima oder in der Nahrung abgeändert, erscheinen so zunächst als Abarten, auch mitten im Verbreitungsgebiet der Stammform. Wenn dann alle empfindlichen Einzelwesen in die neue Form umgebildet worden, jene physiologische Arbeit also erschöpft ist, tritt Entwickelungsstillstand ein, und damit bildete sich eine Kluft zwischen der neuen Form und der Stammform, eine Art. Somit ist die Con- stitution der Organismen, welche theils selbständig, tlieils von aussen angeregt wirkt, in erster Linie maass- gebend für die Arteubilduug, und räumliche Trennung ist nicht nöthig, immerhin aber von grosser Bedeutung. Denn man findet, dass die Arten einer und derselben Ent- wickelungsrichtung umsomehr abweichen, je weiter sie vom Verbreitungsmittelpunkt entfernt leben, und je ver- schiedener die klimatischen Verhältnisse von denen jenes Mittelpunktes sind. Alle Eigenschaften stehen in gesetz- mässigem Zusammenhang mit anderen, als Ausdruck bestimmter Entwickelungsrichtungen, ausser den neu auf- tretenden, welche aber auch oft an eine früher vorhandene sich anschliessen, oder als Rückschlag auftreten, wenn die neue Form und ihre Constitution sich noch nicht ge- nügend befestigt hat. Manchmal findet man auch auffallend unter sich ähn- liche Umbildungen, bei sonst weit morphologisch und geo- grapiiiscli entfernten Arten, sei es durch den Einfluss ähnlicher Einwirkungen, sei es ohne denselben: unab- hängige Entw icke hin gsgleichheit = Homöogenesis. (Vogt's „Convergenz der Charaktere"). Dahin gehören wohl zum Theil auch die „vikarirenden Arten" oder Parallelformen verschiedener Gegenden, die man nicht immer in genetische Beziehung bringen kann. Die Entwickelungsrichtungen und Umbildungen, zunächst in der Zeichnung, auf welche sich die vor- liegende Arbeit beschränkt, weil sie das auft'allcndstc Merkmal ist, während das Flügelgeäder, wie in einem besonderen Abschnitt von Dr. Fickert gezeigt wird, un- zuverlässig und äusserst wandelbar erscheint*), sind auch *) Irgend eine anatoniisclio Grundbige sollte aber nacli der Meinung des Bericlitorstattera doch noch aiifzvifinden sein, wie es für niedere Wirbeltliiere z. B. die Chromatoplioren und andere Zellen sind (s. lilerüher auch die neuorcn Angaben von Steinaeh und Biedermann, 1892), während für die Mollusken der Verlauf der Blutgefässe und Bluträunie (.Sinus) nach Simroth maass- bei den Schwalbenschwänzen im Wesentlichen dieselben wie bei anderen Thieren, insbesondere den Scgelfalteru; die dort erhaltenen Resultate bestätigen: erst Längs- streifung, dann Fleckung, Querstreifung, Einfarbigkeit, ferner ein postero-anteriores Fortschreiten.*) Zu dem Gesetz der „männlichen Präponderanz" konunthier in einigen Fällen noch das der „weiblichen Präponderanz." Zeichen des Fort- schritts sind: Verschwinden, Verschmelzung, Verkürzung gewisser Bänder und Auflösung derselben in Flecken, endlich Ausbildung gewisser Zierden. Auch die schwalbenschwanzartigen Schmetterlinge (Fig. 1 — 3) sind zurückzuführen auf eine oder einige Stamm- oder Grundformen, welchen unter den lebenden am nächsten Papilio Eurymedon aus Californien (Fig. 1) steht. Während bei dem Segelfalter eine Zeichnung mit 11 Längsbinden, die sich über beide Flügel erstrecken (s. meinen oben genannten Bericht im „Humboldt", Fig. 1 und 2**), als ursprüngliche Form anzunehmen ist, sind die als Stammformen der Schwalbenschwänze anzunehmenden Arten gegenüber jenen ursprünglichen Seglern schon weit vorgeschritten und gleichen gewissen schon vor- geschritteneren Arten unter den Seglern (wie Leosthenes, Nomius, Aristeus). Dieser Fortsehritt besteht 1. in seit- licher Verwachsung von Binden 2/3, 5/6, 7/8, 10/11, 2. in Verbreiterung solcher und zwar aller genannten, besonders von 9, 3. im Schwinden von gewissen Binden in der Rich- tung von hinten nach vorn, während andere geblieben sind (bei Eurymedon findet man indess keine geschwunden, wohl aber bei Machaon, besonders 9). Dazu kommt als neue Eigenschaft und damit als Einleitung zu einer neuen Entwickelungsrichtung eine schwarze Umgrenzung des äusseren Randes der M ittelzelle (MZ) der Hinter- flügel. Sie ist durch die meisten Schwalbenschwänze zu verfolgen und, indem sie von vorn und hinten schwindet und nur in der Glitte bestehen bleibt, wird sie zu einer für die Schwalbenschwänze charakteristischen f- Zeich- nung (C) oder zuweilen nur zu einem auffallenden schwarzen Strich im Binnenraum der Hinterflügel, und zwar, was von Wichtigkeit ist, ist diese Zeichnung zuerst am stärksten auf der Unterseite der Hinterflügel, während gewöhnlich die Oberseite vorangeht: also eine Heterepistasie. Ein Anlauf dazu, aber in rother Farbe, und nur auf der Unterseite, zeigt sich auch bei einem Segelfalter (Protesilaus). ***) gebend sind, und für die Hirudiuecn nach A. Graf 1895 die Muskeln, durch deren Zwischenräume die mit gefärbten Excretionsproducten beladeuen Endothelzellen nach der Haut wandern. So dürften auch bei den Schmetterlingen die Matrixzellen auf ihren Inhalt an Farbstoft'en und ihr Verhalten gegen äussere Agentien näher zu prüfen sein. Ohne solclio anatomische Grundlage bleibt die Vertheilung des Pigments, wenn aucli Begelu oder Gesetze aufge- stellt werden können, in ihren Ursachen noch sehr unverständlich. *) Das „Gesetz des postero-auterioren Fortschreitens" ist, was ich nirgends erwähnt finde, wenigstens bei Wirbelthieren zurückführ- b.ir auf die ontogenetische NeubiUhmgsquelle des Urmunds. Ref. **) Unter Fig. 2 steht dort unrichtig der Name Pap. Machaon statt P. I^odalirius, während im Text richtig Fig. 2 als P. Podalirius bezeichnet ist. ***) Von Eimer wohl bei der Beschreibung der Gruppen und Arten erwähnt, aber nicht ginüg(>nd hervorgehoben, ist die bei Schwalbeusehwänzcn so autVallciule ,.blaue Randbinde'' bezw. blaue Fleckenreihe, zwischi'n den schwarzen TJingsbinden 2 und 3 der Hintertlügel. Sie fehlt nur bei Pap. Asterias var. Calvcrleyi, ist auch zuweih'n bei starkem Melanismus durch das Schwarz zum Theil verdeckt, wenigstens auf der Oberseite der Hintertlügel. Man könnte sie als Prachtbiude bezeichnen, wenn dieser Name nicht für eine andere, die Binde 9, bei den Segel- faltern vergeben wäre; sie bildet einen Hau]) tschmuck. Die Segelfalter haben wohl auch ähnliche blaue Schmuckflecken, be- sonders Pap. Podalirius, aber an anderer Stelle zwischen Rand- biude 1 und '.' der Hinterflügel, tla, wo die Schwalbenschwänze gelbe, gewöhnlich halbmondförmige Flecken haben. Es ist also eine Entwickelungsrichtung, die für die Schwalbenschwänze charakteristisch ist. XI. Nv. Iß Naturwissenschaft liehe Wochenschrift. 1R7 Die Schwalbenschwänze werden nun, wie bei den Segelfaltern, in eine Anzahl Gruppen gebracht: Turnus-, Machaon- und Arterias-Gruppc. Diese Gruppen beruiien thoils auf morphologischen Principien: auf einer grösseren Anzahl von Verschiedenheiten, oder auch auf nur einer wesentlichen. Siebeziehen sich auf Zeichnung der Flügel, oder auch des Leibes, auf die Grundfarbe, die Gestalt und den Zuschnitt der Flügel und die Länge der „Schwänze" () der Binden 1 und 2 o, theils durch Fortschreiten der LSchwarzfärbung der imieren Queradern {BQ). Aber auch auf den Hinter- flügeln schreitet die Schwarzfärbung der Adern fort, (am meisten bei Pap. xuthus und xuthulus), so dass Querstreifung nun vorherrschend erscheint «-eiienüber Fleckung. ^.j& von der früheren Längsstreifung und der Die ( ' - Zeichnung an der Mittelzelle der ~ Hinterflügel ist gegen- über der der vorigen Gruppe oft noch ver- stärkt und durch die Verbreiterung der Rand- bindc daselbst tritt sie mit letzterer mehr oder weniger in Verbindung. — Die bei der Tur- nusgruppe besprochene Ankerzeichnung in der Vorderecke der Vor- derflügel (Fig. 2 JA') ist auch bei allen Machaon vorhanden. Als neue Eigenschaft erscheint in der „Gabe 1- zellc" hinter der Anker- zeichnung oberscits ein schwarzer Punkt oder kräftiger Fleck, zuwei- len mit hellerer Mitte: „Gabel Zellen fleck" (Fig. 2 (}ZF), ein Artkennzeichen für sämmtliche Glieder der Machaongruppe, zuweilen als Abartung auch ein Pünktchen oder ein Strich in der ersten Seitenrandzelle als „.Seitenrandzellenfleck". Schon bei einigen Arten der Turnusgruppe auf- tretend, bei manchen Machaon aber stark ausgebildet, (indessen noch nicht bei P. Machaon selbst in Fig. 2) erscheint der Augen kern: ein schwarzer Fleck im Afterauge {F): er ist aus der unteren schwarzen Um- grenzung des oranienrothen Afterauges (s. Fig. 2) hervor- gegangen, wie vielfache Uebergänge zeigen. Er kann grösser werden, die innere schwarze Umgrenzung des Blau verlieren, vom Oraniengelben zum Rothen und zuletzt zum Violetten übergehen: alles besondere Entwickelungs- richtimgen. Weiter konnnt, wie in der Turnusgruppe vor: eine oranienrothe Färbung einzelner gelber Randflecken, und noch allgemeiner einiger Zellen der Ilinterflügel innerhalb der blauen Randbindc {Bl) auf der Unterseite (Fig. 2 bei Or). Eigcntliihnlicli ist eine schwarze Streifung des hinteren Theiics der Mittelzelle der Vordcrflügel bei P. xutluis und xuthulus auf der Oberseite, was auf der Unterseite schon bei einzelnen Machaon angedeutet ist (so in Fig. 2 bei 9). c) Asteriasgruppe (Fig. 3 Pap. Bairdii Edw. mas.). Ausgezeichnet durch die gemeinsame Eigenschaft des Melanismus, welche bei den einzelnen Arten stufen- weise stärker ausgebildet erscheint: eine Entwickelungs- richtung, die bei den Machaon schon vorbereitet ist (s. o.). Diese Verbreitung des Schwarz geschieht hauptsächlich in der Richtung von innen nach aussen (bei einigen. wie her ein als hin P. Bairdii, aber auch zugleich von den Randhinden nach innen). So bleibt inncrhall) der Randl)inden mehr oder weniger beschränkter heller Raum übrig, „gelbe Binnenbinde" (Fig. i GB), welche weiter- ganz oder bis auf einige Flecke, den Flügclzellen ent- sprechend, schwinden kann, besonders durch Schwarz- färbung der Queradern. So erhält man je zwei Flecken- reihen: eine äussere (AFI) zwischen den Randbinden 1 und 2/3, und eine innere {JFl = OB) als Rest der gelben Innen- binde, an den Hiuterflügeln innerhalb der blauen Flecken- binde (Bl) gelegen. Auch einzelne andere gelbe Flecke können noch in der schwarzen Grundfarbe des Binnenraums der Flügel bestehen bleiben (s. Fig. 3). Bald schwinden aber, bei vorgeschrittenem Melanismus, aucli diese und selbst die zu einer Flecken- jj'/. reihe abgeschnürte gelbe Binnenbinde {OB gleich JFl) und zwar meist in den Richtungen von hinten nach von. Die C-Zeichnung {C) als schwarze Umran- der hinteren Um- Papilio Bairdii 5. möglicher An der beiden vorigei Färbung {()r) Randbinde (V)V Bereich der hin in einzelne düng grenzung der Mittelzelle {MZ) der Hinterflügel findet sich auch bei vielen Arten dieser Gruppe und bei weni- gen noch eine Andeu- tung der Ankerzeieh- nung (Fig. 3). Der Augen kern im After- auge F ist in den meisten Arten der As- teriasgruppe stark aus- geprägt (s. Fig. 3); bei manchen fehlt er, oder ist modificirt; er hat zum Melanismus. Unterseite zeigt sich die schon in den Gruppen angedeutete oranienrothe einiger Zellen innerhalb der blauen noch weiter ausgebildet Binnenbinde gelegen, den Zellen entsi)rechende Weise Beziehungen gelben fällt, celb Die oranienrothe Färlunii;- kann sich und in dem welche mit- Flecken zer- auch auf den gebliebenen flügel erstrecken; sie kann auch auf den Vorderflüt,. Binnenraum der Mittelzclle der Hinter- ein und, wie bei P. Hellanichus, auch auf der Oberseite auftreten. Endlich können auch hier, wie in der Tur- nusgruppe, die gelben Flecken der Randbinde der Ilinter- flügel oranienroth werden. Die Asteriasgrui)pe scheint der der Machaongruppe am nächsten verwandt und aus dieser umgebildet mittelst der eben geschilderten Entwickeliingsrichtungen, anderer- seits aber steht Paj). turnus glaucns wieder dem Asterias und Troilus sehr nahe, sodass man über das phylogene- tische Verhältniss dieser Gruppen schwer entsclieiden kann, zumal unabhängige Entwickelungsgleichheit hier überall eine grosse Rolle spielt. Im speciellen Theil des Textes werden nun die ein- zelnen Arten eingehend beschrieben. Prof. Dr. C. B. Klunziuger. XI. Nr. 16. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 191 Die Differenz von Moll und Dur und ilire Ent- stehung' ist eins der Tiieniata, welclie in der naciige- lassenen Schrift von Theodor Biliroth: „Wer ist musikalisch?" behandelt sind. Als ein Beispiel für die orii;incllen und geistvollen Gedanken, welche sich so zahlreich in dieser Schrift finden, möge über dieses eine Thema ein kurzes Referat gegeben werden. Um von dem übrigen Inhalt des Werkes eine Vorstellung zu geben, verweisen wir auf die Besprechung desselben im Litte- raturbericiit dieser Nummer. Im Allgemeinen ninmit man an, dass die Üurtonartcn deshalb ihre hohe Bedeutung erlangt haben, weil der Durdreiklang der harmonischste aller denkbaren Drei- kliinge ist. Man sollte daher glauben, dass andere als die Durtonarten dem natürlichen Empfinden widersprechen müssten. Die für unser heutiges Empfinden gekünstelt scheinenden alten „Kirchentonarten" sind ja auch so gut wie völlig verschwunden. Nur die äolische oder Moll- Tonart hat sich neben dem Dur erhalten und kommt diesem an Bedeutung völlig gleich. Woher rührt diese Erscheinung"? Billroth will nachweisen, dass in physio- logischen Eigenheiten der Grund zu suchen ist, welche ein leichteres Singen des Moll als des Dur ermöglichten. Die Entstehung dieses Prozesses denkt er sich folgender- maassen : Der Mensch ist im Stande, die mannigfachsten Modu- lationen der Kehlkopftöne hervorzubringen dank einer Reihe von Fähigkeiten, als deren wichtigste die grosse Beweglichkeit der menschlichen Zunge genannt sein mag. Schon bei gewöhnlichem Sprechen hebt und senkt sich die menschliche Stimme in vielfacher Weise. Ursprüng- lich ist dieser Vorgang durchaus nicht beabsichtigt, durch Gewöhnung und uubewusste Erfahrung wird er ein re- flectorischer. Durch das Erheben der Stimme in höhere Tonlagen, gelingt es, die Aufmerksamkeit der Hörer mehr zu fesseln als durch monotones Sprechen. Stärkere Betonung ist ausserdem zugleich unabsichtliche Ton- erhöhung. Schliesslich kommt es so weit, dass selbst in den einfachsten gesprochenen Sätzen die Stimmhöhe hin und her schwankt. Am Schluss des Aussagesatzes senkt sich die Stimme; ursprünglich war das Ausgehen des Athems daran schuld, später erlangte diese Regel durch Gewöhnung und Nachahmung allgemeine Gültigkeit. Bei gewöhnlichem Sprechen hält sich die Stimme meist im Umfang einei' Quinte, bei erregtem Sprechen wird unge- fähr eine Oetave benutzt. Nun aber ist es leichter von einem Grundton aus eine kleine Terz aufwärts zu steigen als eine grosse, daher kommt es, dass die meisten Menschen in irgend einer Molltonart sprechen. In allen Sprachen (mit Ausnahme der einsilbigen) fällt die letzte Silbe meist in die kleine Terz zurück. Beim erregten oder pathetischen Sprechen, beim Vortrag u. s. w. spricht man dagegen in Dur. Billroth gicbt an, dass er selbst bei gewöhnlicher Conversation in D-moll, beim Vortrag in D-"dur spreche. Ref. dieses hat bemerkt, dass auch er meist in D-nioll zu sprechen pflegt, andere wieder in anderen Molltonarten. Aus dieser allgemein gidtigen Thatsachc folgert Billroth, dass die ersten Singversuche uncultivirter Völker sich in Moll bewegen. Er giebt an, dass die älteren Tanz- und Liel)eslieder der Franzosen noch heute gern in Moll zu stehen scheinen, ebenso die slavischen und ungarischen Volks- und Tanzlieder, wie die orientalischen Volks- gesänge. Diese Erscheinung ist schon mehrfach beob- achtet worden, auch bei aussereuropäischen Völkern. Die alte, sehr gezwungene Erklärung hierfür, dass die uueultivirten Nationen einen vorwiegend melancholischen Charakter haben, darf man nunmehr W(thl zu Gunsten der Billi'oth'schen Deutung fallen lassen. Billroth will aber sogar bezweifeln, dass dem Moll thatsächlich ein trauriger oder besser ein schwer- raüthiger, dem Dur ein mehr fröhlicher Charakter zu- kommt und glaubt, dass lediglich Conventionelles da- bei im Spiel ist. So meint er, unser heutiges Empfinden verlange für einen Trauermarsch natürlich eine Moll- tonart, nichtsdestoweniger sei der schöne, wehmüthige Trauermarsch im Händeischen „Saul" durchwegs in C-dur geschrieben und wirke dennoch durchaus als Trauermarsch. Billroth s})richt sich über diesen Punkt nicht weiter aus, andere aber verfechten lebhaft die soeben geäusserte Ansicht. So kennt Ref. einen Musikdirigenten und Or- ganisten, welcher entschieden dafür eintritt. Diesen An- schauungen gegenüber möchte aber Ref. bemerken, dass sie erstens dem fast allgemein musikalischen Gefühl durchaus widersprechen, zweitens, dass man doch zunächst einmal angeben müsste, wie so lebhafte con- ventionelle Empflndungen entstehen sollen; ein Grund für einen solchen Process ist durchaus nicht einzusehen. Und wie lebhaft diese Empfindungen sind, beweist die ein- fache Thatsache, dass man in England minor identisch mit sorrowfull = traurig gebraucht. Ferner erkennen zahllose Individuen lediglich am Charakterausdruck, nicht am Intervallgefühl, und am allerwenigsten am ,,unbe- wussten" Intervallgefühl, ob ein Dreiklang dem Dur- oder Mollgeschlecht angehört; wo ist da Platz für „conventioneile" Empfindungen V Wenn Händel den genannten Trauermarsch in Dur schrieb, so beweist dies nichts, denn die Empfindungen während eines Trauer- marsches können sehr verschiedener Natur sein. Ein ab- wehmüthiger Schmerz lässt sich sehr wohl in geklärter, Dur schildern, der herbe, verzweiflungsvolle Schmerz nur in Moll. Der berühmte Des-dur-Satz im Chopinscheu Trauermarsch (in B-moU) scheint übrigens für mein Em- pfinden nicht in einen Trauermarsch zu passen, und viel- leicht beweist die bekannte Thatsache, dass man ihn so viel und gern textlich parodirt, dass dies Empfinden ein allgemeiner verbreitetes ist. Textworte, die dem Empfinden des Künstlers weniger Spielraum lassen, geben nicht selten geradezu eine Direetive, ob Moll oder Dur vom Componisten zu wählen ist. Einen Text wie etwa: „Die Hinmiel rühmen des Ewigen Ehre" oder „Freude, schöner Götterfunken" in Moll zu componiren ist einfach eine musikalische Unmöglichkeit; umgekehrt würde es nicht nnnder abgeschmackt und lächerlich wirken, wenn etwa der erste Ohor in Bachs „Matthäuspassion": „Konunt, ihr Töchter, helft mir klagen" in Dur stände. Der er- wähnte Trauermarsch im „Saul" geht übrigens bezeich- nender Weise nach einer Coda in C-moll ebenfalls in einen Chorsatz („Klag', Israel, deiner Helden Fall") in C-moU über. Auch darauf sei hingewiesen, dass unsere Tanz- hielodien fast immer in Dur stehen, die wenigen Moll- Tänze, (z. B. selbst Ivanovicis „Donauwellen" II) weichen unbedingt von allen anderen in ihrem Charakterausdruck etwas nach der tragischen Seite hin ab, wenngleich es dem Componisten dabei ausschliesslich auf eine hübsche Melodie, und nicht auf einen Charaktcrausdruck ankam. Wir werden also doch geniithigt sein, die conventioncllen Empfindungen fallen zu lassen und auf psychische Ursachen zurückzugreifen, welche freilich in ihrem Wesen noch nicht genügend geklärt sind. 11. C. L. Schleich, dem wir die Einführung der In- filtrationsanästhesie verdanken, berichtet in den Thera- peutischen Monatsheften (Heft 2, Februar 1896) „Ueber eine neue Form antiseptisclier Wundliehiindlung", welche berufen scheint, eine sehr wichtige Rolle in der 192 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. m. Chirurgie latine. gelö.ste Gelatine zu spielen. Er benutzte dazu Fcirnialiiige- Die Substanz entsteht, wenn man in Wasser über Formalindämpfen trocknen lässt. Der neu entstandene Körper hat völlig neue Eigen- schaften. Der Leinicharakter der Gelatine ist völlig ver- loren gegangen und bildet sie nunmehr einen resistenten, überans beständigen, steinharten, klar durchsichtigen Körper. Weder trockene, noch feuchte Hitze, weder Säuren noch Alkalien lösen dieselbe. Das in der Gelatine nicht frei enthaltene, sondern festgebundene Formalin ist chemisch inactiv. Auf den gehärteten, frei aufbewahrten Platten fanden sieh nicht selten Hyphomycetenlager und der in feines Pulver zerstossene Körper, mit beliebigen Bac- terienmengcn gemischt, vermochte keinerlei Wachsthums- henmuuigen in den Culturen auszuüben. Schleich zielte daraufhin zu erfahren, ob es möglich sei, innerhalb des Organismus an der Formalingelatine die Freigabe des gebundenen Formalins auf irgend einem Wege anzubahnen und so eine Antisepsis einzuleiten, bei welcher sich die Gewebszellen ihr Antisepticum aus dem dargebotenen, nicht antiseptischen und nicht giftigen Stoffe selbstthätig bereiten. Ausgangspunkt war die Einverleibung der Formalin- gelatine in den Thierorganismus. S. erprobte eine Darm- naht und pflanzte zum Schluss ein apfelgrosses Stück ge- trockneter Formalingelatine in die Bauchhöhle eines Kaninchens. Dasselbe wurde eingenäht in der Voraus- setzung einer antiseptischen Einheilung. Als nach 6V2 Wochen völligen Wohlseins das Abdomen wieder ge- der Nahtiinie strahlige Binde- öffnet wurde, fand sich unmittelbar unter in der Mitte eines Darmconvoluts eine gewebsschwiele, etwa von der halben Grösse des em- gepflanzten Formalingelatinestückes und zunächst keine Spur von dem Fremdkörper. Bei weiterem Suchen fand sieh im Centrura der neoplastisehen Gewebsformation ein haselnussgrosser, weicher Kern, der augenscheinlich der Rest des von den Gewebszellen resorbirten Materials war. Das Peritoneum, die Leucocyten und der Gewebssaft hatten in kurzer Zeit einen Körper gelöst, der ausserhalb des Organisnms eine solche Beständigkeit gezeigt hatte. Das auffallendste war, dass l)ei dieser ohne weitere Cautelen vorgenommenen Implantation in dem sonst für lym])homatöse Eruptionen so überaus disponirtenKaninehen- thcile rings um die glasige Narbe auch nicht eine An- deutung käsiger Degeneration sich vorfand. Der Versuch wurde wiederholt, auch an Tauben und Hunden er- weitert, so dass Bacterien (Staphylococcen, Ilühnercholera, Streptococcen) mit der gepulverten Formalingelatine ver- mengt dem Thierorganismus einverleibt wurden, nachdem jedesmal der Mangel einer Culturhemmung durch con- trolircnde Nichtculturen durch das Pulver Es zeigte sich, dass die einverleibten reactionslos resorbirt wurden resp. einheilten unter völligem' Mangel jeder Art si)ecifischer Reaction von Seiten des Tliierkör)»ers. Auf diese Erfahrungen gestützt be- nutzte Schleich die Formalingelatine zur Wund- heilung und fand seine Voraussetzungen be- stätigt. Der menschliche Körper zersetzt die Formalin- gelatine unter dauernder Befreiung des Antisepticums in ununterbrochenem Strom. Allein der Contact des Ge- webes mit diesem Präparat genügt, um gleichsam in statu nascendi, bei Al)S])altung der rcsorbirbaren Gelatine in ununterbrochener Zellarbeit die in dem Präparat ge- bundenen Formalinmengen Moleeül um Molecül zu ent- wickeln und so eine ausserordentlich rationelle Wund- sferilisaticm zu erzielen. Es gelang mit Hülfe dieses Pulvers, j'ede acute Eiterung zu coupiren und für jede Wunde den aseptischen Verlauf ohne alle weitere Maass- nahmen zu garantiren. festgestellt war. Pulvermengen Bei Gegenwart frischen Blutes und bei reinen Wund- verhältnissen giebt das Pulver in wenigen Stunden einen ganz trockenen und sehr festen Wundschorf. Bei frischen Eiterungen bringt es, sofern keine Gewebsnekrosen vor- handen sind, die Eiterung innerhalb 24 Stunden zum völligen Stillstand, statt des Eiters träufelt oft reines helles Serum von der Wunde. Bei Vorhandensein nekrotischen Gewebes, z. B. bei alten Ulcera cruris, ferner bei specifischen Infectionen, Tuberculosc und Syphilis, bleibt die Formalingelatine in dieser Form wirkungslos. Bei Anwesenheit reichlichen, nekrotischen Materials wurde die Zellthätigkeit durch Pepsinsalzsäure- Verdauung unterstützt.*) M. Wetter- Monatsübersiclit. — Auf den trockenen Februar folgte während des vergangenen März zunächst eine längere Zeit mit sehr reichlichen Niederschlägen. Zwei tiefe barometrische Minima erschienen rasch nach einander auf dem atlantischen Oeean nördlich von Schott- land und entsandten jedes eine Theildepression nach Südost, welche mit lebhaften südwestlichen Winden längs der deutschen Küste fortschrittcn. Die durch dieselben verursachten Regenfalle breiteten sich über ganz Deutsch- land aus, beschränkten sich aber nach heistehender Zeichnung auf nicht sehr bedeutende Beträge. Als jedoch Hohe dtr Niedc>*schlä!Se an iedem tVlaeriLtaö ^umttitdesNIcieri vom G. bis 8. März das Hauptminimum von Südsehweden nach der Ostsee zog und sich dann unter allmählicher Verflachung in südlicher Richtung weiter begab, wuchsen die Niederschläge zu ausserordent- lichen Höhen an. Beispielsweise wurden am 9. zu Magdeburg 22, zu Hannover und Borkum je 19, vom 8. bis 10. zusammen zu München 94 Millimeter gemessen, und sogar die Mittelwerthe stiegen für die nordwe-st- deutschen Stationen bis 13,8 Millimeter am 9., für die süddeutschen bis 13,7, 12,4 und 11,1 Millimeter am 8., 9. und 10. März. Aehnliche oder noch grössere Beträge fielen in den gleichen Tagen in Ocsterrcich und der Schweiz, z. B. in Salzburg am 8. bis 11. März 123, in Zürich am 8. bis 10. 66, in Ischl am 9. und 10. 13B Milli- meter. Dort wie in den höher gelegenen Thcilen Süd- deutschlands wurde durch diese anhaltenden starken Regent alle eine äusserst rasche Schneeschmelze bewirkt, und es traten in Folge dessen eine Unzahl von Lawinen- stürzen und Erdrntsclinngcn in den Al])en und sehr weit *) Nilheros cliu-iib(.ir in dor citirtcn Uriginal;il)liantllung. XI. Nr. tn. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 193 verhreitctc Uehcrschwemmungen ein, welche besonders für (las Gebiet des Schwarzwaldes, des Rheins und seiner Nebenflüsse sehr verhängnissvoll wurden. Ein neues Minimum, welches vom 11. bis 13. Blärz seinen Weg von Norwegen wiederum nach der Ostsee nahm, brachte zwar nur geringere Niederschläge mit sich, die jedoch zur Verlängerung der Ilochwassernoth ge- nügten. Bei seinem Vorübergang fanden zahlreiche Schnee stürme statt, welche in Schweden schwerer als während dieses ganzen Winters gewesen sein sollen und auch au der deutschen Nordseeküste sehr heftig waren; in Hamburg überschritt die Wind- geschwindigkeit am 12. Nachmittags 22 Meter in der Secunde. Die vorherrschende Windrichtung, welche zu Beginn des Monats Südwest gewesen war, war inzwischen mehr und mehr in Nord übergegangen und damit gleich- zeitig nahm die anfänglich sehr milde Witterung einen rauheren Charakter an. Wie die beistehende Zeichnung lYlorjyctiTe.mperdturf n im hAötri . 1«%. --norm.H. 6 n. 16. 21 26 i^ r- NordwestcltüTscli atid erkennen lässt, sanken die Temperaturen in Norddeutscli- land sehr allmählich bis zum 14. März, an welchem Tage an den östlichen Stationen im Mittel — 2,9" gemessen wurde, dagegen fand in Süddeutschland vom 9. zum 1 1 . e i n p 1 ö t z 1 i c h e r T e m j) e r a t u rs t u r z , durchschnittlich um 9,2" C. statt. Ein vollständiger Umschwung der Witterung vollzog sich um Mitte des Monats. Eine am l.''). bei Schottland ersciiienene Barometerdepression brachte eine warme südliche Luftströnnmg mit sich. Nach ilirem Vorübergani: regen begleitet war welcher in Norddeutschland von Gewitter- bald eine neue, sieh weiter nach Süd erstreckende Depression. Diese blieb auf dem atlantischen Ocean, während vom biscayischen Meerbusen am 20. März ein barometrisches Maximum durch Mittel- europa nach Russland zog, um sich dort mit einem zweiten, höheren Maximum zu vereinigen. Es folgte jetzt eine Reihe heiterer und für die Jahreszeit un- gewöhnlich warmer Tage von sehr beständigem Witterungseharaktcr. In Nordwestdcutschland erhob sich die Morgentemperatur bis 9,7 ° C. am 26., die Temperatur- maxima stiegen aber an den binnenländischen Stationen Norddeutschlands in den Tagen vom 22. bis 25. sowohl im Westen wie im Osten auf 20 bis 22», in Süddcutsch- land auf 19 bis 20», am 22. hatte Chemnitz, am 25. Münster sogar 24» C. zu verzeichnen. Nur an der Küste fielen verschiedentlich leichte Regen, während es im Binnenlande beinahe gänzlich trocken war. Die sehr geringe Stärke der bis zur Wind.stilk südlichen Luftströnuing, welche oft liess jedoch die noch herabging, reichliche Bodenfeuchtigkeit nur in geringem Maasse ver- dampfen, so dass das längere Ausbleiben messbarer Niederschläge weder für das Gefülil iiocli auch wohl für die Pflanzenwelt sehr empfindlich wurde. Erst am 20. März, als ein oceanisches Minimum wiederum eine südöstliche Strasse einsehlug und von der Ostsee sich südwärts nach Oesterreieh bewegte, fand in Deutschland eine starke, nach der vorangegangenen Wärme um so fühlbarere Abkühlung statt; in den drei letzten Nächten des Monats gingen in den südöstlichen Gegenden die Temperaturen mehrfach unter den Gefrier- punkt herab und blieben auch an den Tagen unter 5»C. Uebcrall traten ziendich ergiebige Regenfälle auf, welche mehr und mehr in Schnee übergingen. So stieg trotz der vorangegangenen regenarmen Woche die Jlonats- summe der Niederschläge in Nordwestdeutschlaud auf 82,2, in Nordostdeutsehland auf 56,1 und in Süddeutsehland auf 81,9 Millimeter und übertraf die Niederschlagshöhen jedes der letzten fünf Märzmonate, am wenigsten in den ostelbischen Landestheilen. Ungeachtet des kühlen Monatsschlusses waren die Mitteltemperaturen des vergangenen März in ganz Deutsch- land ziemlich hoch über ihren durchschnittlichen Werthen. In Nordwestdeutschland wo sich die diesjährige März- temperatur nach den Morgenbeobachtungen zu 4,0» C. berechnet, übertraf sie die normale um 1,2 Grad, in Nord- ostdeutschland mit 3,0 um 2,1 Grad, in Süddeutschland endlich mit 5,2 um 2,2 Grad. Besonders hoch, nämlich zu 6,3» C. ergab sich das allgemeine Tem- peraturmittel z^u Berlin, wo seit Beginn der regel- mässigen Beobachtungen ein höheres erst in vier März- monaten vorgekommen ist, das höchste 7,5» im Jahre 1882. Die Erfahrung hat gelehrt, dass stärkere Abweichungen von den gewöhnlichen Witterungsverhältnissen sich nicht selten, auch nach Unterbrechung durch die entgegen- gesetzten, innerhalb etwas längerer Zeiträume zu wieder- holen pflegen; aber nur die Statistik kann darüber Aus- kunft geben, mit welcher Wahrscheinlichkeit nach einem so warmen März, wie der diesjährige war, ein durchweg zu warmer Frühling zu erwarten ist. Greifen wir aus den 45 letzten Jahren diejenigen 8 heraus, in denen zu Berlin die Märztemperaturen am höchsten waren, so finden wir, dass die Temperaturen der nachfolgenden Aprilmonate fünfmal höher und nur dreimal niedriger, die Temperaturen der nachfolgenden Maimonate aber viermal höher und auch viermal niedriger als ihr allgemeiner Mittelwerth waren. Umgekehrt hatten die 8 Jahre mit den niedrigsten März- temperaturen nur zweimal einen verhältnissmässig zu warmen und sechsmal einen zu kühlen April, dagegen ebenso oft einen zu warmen wie zu kühlen Mai. Die Jütteltemperatur der ersteren 8 Aprilmonate übertraf diejenige der letzteren um 1,1 Grad, während die Mitteltemperaturen der beiderlei 8 Maimonate mit einander übereinstimmten. Es dürfte daher von einem sehr warmen März mit einiger Wahrscheinlichkeit auch auf einen zu warmen April, aber nicht mehr auf einen zu warmen Mai zu schliessen sein. Von besonderer Wichtigkeit für die durch den warmen März frühzeitig zu neuem Leben erweckte Pflanzenwelt ist die Frage, ob dieselbe weniger als in anderen Jahren noch durch Nachtfröste gefährdet sei. Während durchschnittlich im April jährlich 3,1 Nächte vorkommen, in denen die Temperatur zu Berlin unter den Gefrierpunkt sinkt, ist die entsprechende Durch- schnittszahl der 8 Jahre mit den höchsten Märztemperaturen nur 2,6, derjenigen 8 mit den niedrigsten Märztemperaturen hingegen 3,9. Im Mai konnnen durchschnittlich in jedem zweiten Jahre eine oder mehrere Nächte vor, an denen die Temperatur im Innern der Stadt unter 2 Grad sinkt, im Freien also noch Frostschäden auftreten dürften. In 194 Naturwisscuschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 16. den 8 Jahren mit den iiöchsten Märztemperaturen ls.ani dies im Mai nur dreimal, in denjenigen mit den niedrigsten fünfmal vor. Daher scheint auch nach einem so warmen März wie der diesjährige die Gefahr der verderblichen Maifröste noch keineswegs be- seitigt, jedoch um etwa ein Drittel verringert zu sein. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden : üor ordentlichen Professor der Chemie und Director des chemischen Instituts in Freiburg Dr. Euf^eu Bau- mann zum Hofrath; der Privatdoeent der Gynäkologie in Breslau Dr. Johannes Pfannenstiel zum ausserordentlichen Professor; der Privatdoeent der Physik in Graz Dr. Paul Czermak zum ausserordentlichen Professor; der Privatdoeent der Dermatologie in Wien Dr. von Hebra zum ausserordentlichen Professor; der Privatdoeent der Psychiatrie in Halle Dr. Kobert W ollen berg zum ausserordentlichen Professor. Berufen wurde: Der Privatdoeent der Philosophie in Wien Dr. Wähle als ausserordentlicher Professor nach Czornowitz. Es habilitirten sich: Der Nahrungsmittelchemiker Hofrath Dr. Heinrich Spindlor in Stuttgart für hygienische Chemie an der dortigen technischen Hochschule; Dr. Sultan, Assistent an der chirurgischen Klinik zu Göttingen, daselbst für Chirurgie; Dr. Lange in München für Chirurgie; Dr. von Sicherer in München für Augenheilkunde. Es starben: Der um die Anthropologie verdiente General- arzt Dr. Bernhard Ornstein in Athen; der Professor der An- thropologie in Moskau Anatol Bogdanow. L i 1 1 e r a t u r. Theodor Billroth, Wer ist musikalisch? Nachgelassene Schrift. Herausgegeben von Eduard Ilanslick. Gebrüder Paotel, Berlin 1895. — Preis 5 M. Es ist bekannt, dass Billroth, der vor 2 Jahren verstorbene geniale Chirurge, hochmusikalisch war. Hatte er doch ursprüng- lich sogar die Absicht, sich ganz der Musik zu widmen, in der er sicher ebenso Hervorragendes geleistet hätte, wie er es nun in der Chirurgie gethan hat. „Ein feiner Kenner und ernster Denker in musikalischen Dingen", äussert sich sein Freund Hanshck im Vorwort zum vorliegenden Werk, „drängte es ihn in den letzten Lebensjahren, seine Ideeu über Musik zu ordnen, zu präcisiren und zu Papier zu bringen. Er als gründlicher Musiker und ge- nialer Physiolog schien in ganz einziger Weise berufen, das ge- heimnissvolle Grenzgebiet zu beleuchten, auf welchem musikalische Wirkungen mit unserem Nervenleben zusammentreft'en.'' Die vorliegende hinterlassene Arbeit ist leider Fragment ge- bli<>ben; zwar scheinen ihre Anfänge bis ins Jahr 1888 zurück- zureichen, doch fand Billroth nur in seinen kurzen Ferienzeiten Müsse, daran zu arbeiten, sodass die letzten Aufsätze nur mehr oder weniger Skizzen geblieben sind. Die 3 ersten Aufsätze: 1. Ueber den Rhythmus als ein wesentliches, mit unserem Orga- nismus innig verbundenes Element des Musikalischen. ' 2. „Ueber die Beziehungen von Tonhöhe, Tonkhmg und Tonstärke zu un- serem Organismus." ;5. Die Entwickelung des Musikalischen zur Tonkunst" sind ausgearbeitet und seit Oktober 1894 in mehrin-en Heften der „Deutschen Rundschau" veröffentlicht worden. Der 4. und 5. Aufsatz: „In welcher Weise wirkt die Musik auf uns ein?" und „Musik in Verbindung mit anderen Künsti'u" sind fast vollendet, der Ö. und 7. Aufsatz dagegen: „Die Sinne und die Künste" und „Wer ist musikalisch?" liegen grossontheils nur im Entwurf vor. Welche Bedeutung der rhythmische Sinn für die Anfänge der Musik gehabt hat, welche Verbreitung er unter den Menschen hat, wie verschieden der Sinn für das Harmonische ist, welche seltsamen physiologischen Wirkungen die Musik oft haben kann, wie die Differenz der Dur- und Molltonarten vielleicht zu erklären und entstanden ist und viele andere hochinteressante Fragen sind in einer durchaus originellen, zuweilen geradc'Zii grundlegenden Art und Weise behandelt, denn mehrere der angeführten Themata sind in dieser Weise noch nie behandelt worden, konnten vielleicht auch nur von einem hochmusikalischen Physiologen, einem Bill- roth oder einem Helmholtz, untersucht werdi'U. Das letzte der angeführten Probhüne ist als ein Beispiel für die Art des ganzen Buches in der heutigen Nummer als Referat behandelt. Jeder musikalisch gebildete Naturwissenschafter wird reichste Belehrung und vielfache Anregung in diesem eigenartigen letzten Werke' eines grossen Mannes finden. H. Dr. Havelock EUis, Verbrecher und Verbrechen. Mit 7 Tafeln und Text - Illustrationen. Autorisirte, vielfach verbesserte, deutsehe Ausgabe von Dr. Hans Kurella. Georg H. Wigands Verlag. Leipzig. 1894. — Preis .5 M. Das Buch ist tretflich geeignet über das Gebiet zu orientiren, d. h. über die Naturgeschichte des Verbrechens; es giebt eine gute Zusammenfassung des Standes der criminellen Anthropologie. Nach Ellis ist der Verbrecher ein ethisch Imbeciller: ein schwaches, nicht völlig normales Wesen, das sich, meist aus Mangel an menschlicher Hülfe, niclit in den Reihen der menschlichen Gesell- schaft behaupten kann. Ueber Lombroso's Ansichten haben wir uns wiederholt ausgelassen: er legt ein Hauptgewicht auf den Atavismus. Prof. Dr. Ludwig Büchner, Aus dem Geistesleben der Thiere oder Staaten und Thaten der Kleinen. Vierte bedeutend ver- mehrte Autlage. Theodor Thomas (Ohne Jahreszahl.) — Preis 4 Mk. Das 1876 zuerst erschienene Buch ist bekannt genug, um eine eingehendere Besprechung unnöthig zu machen, sodass wir uns .auf die blosse Anzeige des Erscheiuens einer Neu-Auflage be- schränken können. Das Buch enthält eine grosse Fülle inter- essanter Mittheilungen, die durchaus auf das Vorhandensein höherer seelischer Werthe bei Thieren schliossen lassen. Prof. Dr. Orazio Comes, Darstellung' der Pflanzen in den Male- reien von Pompeji. Autorisirte. vom Verf. revidirte Ueber- setzung. Erwin Nägele. Stuttgart 1895. Es handelt sich in dem vorliegenden Heft um die Ueber- setzung einer älteren, aus dem Jahre 1879 stammenden, den Fach- leuten bekannten Arbeit. Verf. hat sich mit Fleiss, Sorgfalt und Kenntni.ss der in vielen Fällen heiklen Aufgabe gewidmet die Pflanzen in den Malereien von Pumpeji zu bestimmen. Für die Geschichte der Einführung oder Herkunft wichtiger Pflanzen sind solche Studien begreiflicherweise von Werth. Ob Comes überall mit seinen Deutungen Recht hat, ist sehr zweifelhaft. Prof. Dr. K. W. v. Dalla-Torre, Die volksthümlichen Pflanzen- namen in Tirol und Vorarlberg nebst folkloristischen Be- merkungen zur Flora des Landes. A. Edlinger's Verlag. Innsbruck 1895. Der vorliegende Beitrag zur Heimathkunde Tirols und Vor- arlbergs ist mit Fleiss und Liebe zur Sache zusammengestellt. Der Liebhaber volksthümlicher Anschauungen und Mythen wird in dem Heftchen mancherlei Anregung finden. G. Lützovir, Die Laubmoose Norddeutschlands. Leichtfasslichc Anleitung zum Erkennen und Bestimmen der in Norddeutsch- land wachsenden Laubmoose. Mit 127 Abbildungen auf 16 Tafeln. Verlag von Fr. Eugen Köhler in Gera - Unterm- haus 1895. Das handliche Buch setzt sich die Aufgabe, die Flora unserer heimischen Laubmoose kennen zu lehren. Es orientirt zunächst über den Aufbau der Moose, soweit die Kenntniss desselben für die Bestimmung nüthig ist, über ihre Verbreitung, das Einsammeln und das Bestimmen u. s. w. Der grösste Tlieil des Buches wird naturgemäss von der systematischen Aufzählung und Beschreibung der Arten in Anspruch genommen. Als Einführung in die Kenntniss und Erkennung der Moos- Arten dürfte das Buch brauchbar sein. Es ist freilich dem Anfänger, dem eine botanische Vorkenntniss fehlt, anzurathen, sich ausserdem noch in einem guten Lehrbuch der Botanik genau über den Aufbau der Moose zu orientiren, da erst dann, wenn die allgemeinen That- sachen hinreichend Ijekannt sind, die systematische Beschäftigung mit dem Gegenstande erspriesslich und voll befriedigend sein kann. Freilich verzichten leider viele auf die kleine und so reichlich sich lohnende Mühe, die vorgeschlagene gewissenhafte Vor-Orientirung auszuführen und begnügen sich mit der ein- fachen Aufsammlung von Arten zur Befriedigung des blossen Sammeltriebes. Leider gehört auch der Autor zu der letzten Richtung; davon zeugen mannigfache Ungenauigkeiten im allgemeinen Theil. „Die Lebermoose — sagt er z. B. — haben leberartige Blätter." Weil der Thallus der häufigsten bei uns vorkommenden Art, der Mar- schantia jiolymorpha, ganz entfernt und mit besonderem Phantasie- Aufwand an eine lajipige Leber erinnert und wohl daher früher gegen Lel^erkrankhcitcu Verwendung gefunden hat, und da der deutsche Name dieser häufigsten Art, Leberkraut, der ganzen Abtheilung den Namen Lebermoose gegeben hat, begeht Ver- fasser die Flüchtigkeit, schlechtweg von den Arten der ganzen Ordnung zu behaupten, sie hätten leberartige Blätter, in welcher XI. Nr. in. NatHrwissenschaftlichc Woelieiischrift. l'.)fi kurzen Bemerkung also 2 Fehler stecken, da es sich nur bei einem Tlieil der Arten um allenfalls leberförmigc Körper handelt, während die Jungermanniales foliosae äusserlich den Laubmoosen ähnlich sind, und es sich zweitens bei der ersten Reihe von Arten gar niclit um Blätter sondern um Thallus-Gcbilde handelt. — Die Spermatozoiden nennt Verfasser Blüthenstaub u. s. w. Seminarlehrer A. Genau, Physik für Lehrerbildungsanstalten. E. F. Thieneniann. Gotha 1895. — Preis 2 M. Das Buch scheint recht gut geeignet für Repetitionen über die Elementar-Phvsik; der billlige Preis bei über 200 Seiten und über 100 Abbildungen, die geschickte Auswahl des Stoffes und weise Beschräi'kung auf das für das Verständniss des Gebotenen Nothwendige aus alltäglicher Anschauung machen das Buch durchaus als Einführung in das Gebiet empfehlenswerth. Es bringt den Stoff in rein systematischer Folge, ist also kein „me- thodisches" Lehrbuch. Die Abbildungen sind klar und eindeutig-, das Buch ist überhaupt in jeder Beziehung gewissenhaft und sorgfältig abgefasst, sodass es sehr zu empfehlen ist. Das Thierreich, h,iac ZusammensteUung und Kennzeich- nung der recenten Thierformen. Horausgeg. von der deutschen zoologischen Gesellschaft. Generalredakteur Franz Eilhard Schulze. Verlag von R. Friedländer & Sohn, Berlin NW. lieber das wichtige, grosse, von Hr (ieheim-Rath Fr. E. Schulze ins Leben gerufene Unternehmen haben wir bereits Bd. IX (1894) No. 22, S. 275 das ausführliche Programm mitgetheilt. Es liegt uns nunmehr eine Probelieferung des Werkes vor, aus welcher die Art der Bearbeitung und die Druckanordnung ersichtlich ist. Es wurde die kleine Gruppe der Heliozoa von Dr. Fritz Schau dinn fertig gestellt; dieselbe bildet ein Heft von 24 Seiten. Ein systematischer Index giebt zunächst eine bequeme Ueber- sicht über Gruppirung und Artenzahl und es werden einige Ab- kürzungen des Textes hinsichtlich oft wiederkehrender Kunstaus- drücke und Litteratur geboten, sodann folgt die Betrachtung der Gruppe in einer kurzen, klaren und genügenden Diagncse, die gesperrt gedruckt ist, zu der ein längerer Zusatz gemacht i.st, in dem wichtige Eigenthümlichkeiten nähere, durch einige kleine Figuren unterstützte Erläuterung finden. Am Schluss dieser all- gemeinen Auseinandersetzung lindet sich eine Bestimmungstabelle der 4 CIrdnungen, die dann immer mit |)raktischen Bestimmungs- tabelleu bis zu den Arten Betrachtung finden. Diese sind kurz diagnostisirt; es ist die Stelle angegeben, wo sie beschrieben sind und ihr Vorkommen ist kurz und bündig vermerkt. Den Schluss der Arbeit bildet ein alphabetisches Register. Hiernach kann sich der Leser ein Bild machen, wie das Werk geplant ist. Es wird ausserordentlichen Nutzen stiften: man denke nur daran, dass es die gesammte Bibliothek systematischer Schriften weitgehend ersetzt, dass dadurch dem in einer kleinen Stadt ohne Bibliothek Arbeitenden ein Werk geboten wird, das ihm diese weitgehend entbehrlich macht, so dass das Werk hier vielfach die Arbeit überhaupt erst ermöglichen wird. Jeder Biologe muss dem Werk mit den grössten Sympathien gegenüberstehen. Als Abtheilungs-Redakteure des Werkes wurden gewonnen: Prof. F, Blochmann in Rostock (Brachiopoda). — Prof O. Boett- ger in Frankfurt a. M. (Batrachia s. Amphibia, Reptilia). — Prof. M. Braun in Königsberg i. Pr. (Platyhelmintes). — Hofrath Prof 0. Bütschli in Heidelberg (Protozoa). — Prof. C. Chun in Breslau (Cnidaria, Ctenoplfora). — Prof F. Dahl in Kiel (Arachnoidea). — Prof C. W. von Dalla Torre in Innsbruck (Hymenoptera). — Prof. L. Doederlein in Strassburg i. E. (Mammalia). — Geh. Reg.-Rath Prof. E. Ehlers in Göttingen (Bryozoa). — Dr. W. Gies- brecht in Neapel (Crustacea). — Mag. pharm. A. Handlirsch in Wien (Rhynchota, Neuroptera). — Dr. W. Kobelt in Schwanheim (Mollusca). — Gustos J. H. Kolbe in Berlin (Coleoptera). — Dr. H. Krauss in TübiuTCu (Orthoptera). — Director Professor R. Latzel in Klagenfurt (Myriopoda). — Schulrath Prof. J. Mik in Wien (Diptera). — Dr. G. Pfeffer in Hamburg (Pisces). — Prof A. Reichenow in Berlin (Aves). — Geh. Reg..Rath Prof F. E. Schulze in Berlin (Porifera). — Director Dr. A. Seitz in Frankfurt a. M. (Lepidoptera). — Prof. J. W. Spengel in Giesseu (Vermes exel. Platylielminthes, Tunicata). Die erste Lieferung des „Thierreichs" wird voraussichtlicli zu Beginn des Jahres 1897 erscheinen. Es wird ersucht, Subscriptions- Anmeldungen und etwaige Wünsche besonderer Ausgaben bal- digst an die Verlagsbuchhandlung zu richten. Encyclopedie chimique publice sous la direction de M. Fremy par une reuniou d'anciens elövi'S de l'ccole polytech- nique, de jnofesseurs et d'industriels. Tome IX. — Chimio or- ganique 2e section. Chimie physiologique. 2e fascicule. Chimie des liquides et di'S tissus de l'organisme. Troisicmo partie I par les Drs. Garnier, Lambling et Schi agdenha uf f<'n. — Vre. Ch. Dunod et P. Vicq, editeurs. Paris 1895. — Prix 17 fr. 50. — Das viele Bände umfassende und erschöpfende W(!rk, von dem uns der im Titel genannte kloine Theil vorliegt, ist ein eminentes Nachsehlagewerk, dna sorgfältig bearbeitet und mit ausführlichen Litteratur-Angaben dem in dem Gebiet wissenschaftlich Thätigen von ausserordentlichem Nutzen sein muss. Der sehr kleine Theil des Gesammtw-erkes, der hiermit ango- zi'igt wird, umfasst nicht weniger als 406 Seiten in Gross-Octav, woraus man sich ein annäherndi's Urtheil über den grossen Um- fang des ganzen Werkes machen kann. Chun, Carl, Leuchtorgane und Facettenaugen. Ein Beitrag zur Theorie des Sehens in grossen Meerestiefen. Stuttgart. — 32 M. Dunker, Geh. Bergr. a. d. Ed., Ueber die Wärme im Innern der l'h-de und ihre möglichst fehlerfreie Ermittelung. Stuttgart. — 5 M. Frank, Prof. Dr. A. B., Die Krankheiten (hr Pflanzen. 2. Aufl. 12. (Schlu.vs-) Lfg. Breslau. - 24 M. Glazebrook, Prof. R, T., Grundriss der Wärme. Berlin. — 3,60 M. Grassmann's, Herrn., Gesaunnelte mathematische und physikali.sche \N'erke. 1. Bd. 2. Thl. Die Ausdehnungslehrc von 1862. Lcii)zig. — 16 M. Haase, Dir. Dr. Erich, researches on Mimicry on the basis of a natural Classification of the Papilionidae. Stuttgart. — 48 M. Helmholz, Herm. v.. Die Lehre von den Tonempfindungen als jiliysiologische Grundlage für die Theorie der Musik. 5. Ausg. Braunscliweig. — 14 M. Jordan, Prof. Dr. W., Barometrische Höhentafeln für Tiefland und grosse Hidien. Hannover. — 2 M. Kaiser, Dr. Wilh., Die Technik des modernen Mikroskops. Wien. — 4 M. Karte des Deutschen Reiches. Nr. 272. Landsberg a. d. W. — 274. Birnbaum. Berlin. — ä 1,50 M. König, Prof. Dr. Walth., 14 Photographien mit Röntgen-Strahlcn. Leipzig. — 8 M. Koppe, Prof. Dr. Carl, Photogrammetrie und internationale Wolkenmessung. Braunscliweig. — 7 M. Messtischblätter des preussischen Staates. Nr. 1914. Libbenichen. — 1921. Meseritz. — 1983. Frankfurt a. d. < ). — 2119. Fürsten- berg a. d. O. — 2967. Esch weder. — 29GS Düren. — 2971. Brühl. — 3030. Stolberg. — 3093. Nideggen. - 3095. Euskirchen. — 3154. Münstereifel. — 3263. Hallschlag. — 3264. Stadtkyll. Berlin. — a 1 M. Meves, Ingen. Physiker Bud., Licht-, Elektricitäts- und X-Strahlen. Berlin. - IM M. Neumann, Emil, Sein und Schein. Leipzig. — 3 M. Ostwald's Klassiker der exakten Wissenschaften. Leipzig. Nr. 72. Kirchhoff und Bunsen. Chemische Analyse durch Spec- tralbeobachtungen. 1,40 M. — 73- Euler. Zwei Abhandlungen über sphärische Trigonometrie. IM. — 71. Berthollet. Unter- suchungen über die Gesetze der Verwandtschaft. 1,80 M — 75. Gadolin. Abhandlung über die Herleitung aller krystallo- graphiseher Systeme mit ihren Unterabtheilungen aus einem einzigen Prinzipe. 1,50 M. Positionskarte di^s Königreich Bayern. 676. Dachau. — 677. Schieissheim. — 678. Ismaning. — 7O0. Pasiug. — 701. Mihichcn. 702. Aschheim. — 722. Baierbrunn. — 723. Grünwald. — 724. Hohenbrunn. München. — 1,05 M. Schenk, Dr. S. L., Lehrbuch der Elmbryologie des Menschen und der Wirbelthiere. 2. Aufl. Wien. — 16 M. Schlickum, Dr. Aug., Morphologischer und anatomischer Vergleich der Kotyledonen und ersten Laubblätter der Keimpflanzen der Monokotylen. Stuttgart. — 26 M. Schweizer, Konr., Brown, Virchow, Helmholtz-Hertz. Ueber die Beziehungen der Form und Funktion des Körperbetriebes und die neuesten Anschauungen über Blut- und Blutbewegung. Frankfurt a. M. — 6 M. Semper, Prof. Dr. C, Reisen im Archipel der Philippinen. 2. Thl. 6. Bd. 1. Lfg. Wiesbaden. — 24 M. Weismann, Aug., Ueber Gerininal-Selection, eine (Quelle be- stimmt gerichteter Variation. Jena. — 2 M- Wolf-Harnier, Ed., Gefiederte Baukünstler. Berlin. — 5 M, Wrzecionko, Dr. R., Das Wesen dos Denkens. Wien. — 1 M. Wundt, Wilh., Grundriss der Psychologie. Leipzig. — 6 M. Inhalt: Prof. Dr. C. B. Klunzinger: Ueber die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen nach Th. Eimer. — Die Differenz von Moll und Dur und ihre Entstehung. — Ueber eine neue Form antiseptischer Wundbehandlung. — Wetter- Monatsübersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Theodor Billroth, Wer ist musik.alisch? — Dr. Havelock Ellis, Verbrecher und Verbrechen. — Prof. Dr. Ludwig Büchner, Aus dem Geistesleben der Thiere. - Prof. Dr. Orazio Comes, Dar- stellung der Pflanzen in den Malereien Pomiiejis. — Prof Dr. K. W. v. Dalla-Torre, Die volksthümlichen Pflanzennamen in Tyrol und Vorarlberg nebst folikaristischen Bemerkungen zur Flora des Landes. — G. Lützow, Die Laubmoose Norddeutsch- lands. — Seminarlehrer A. Genau, Physik für Lehrerbildungsanstalten. — Das Thierreich, Eine Zusammenstellung und Kenn- zeichnung der recenten Thierformen. — Encyclopedie chemique. — Liste. 196 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 16. A'erlag von Gustav Fisclier in Jena. Soeben erschien: LinCk, Dr. Gottlob, o. ü. Professor ili'r Miii.Taloi^ii- an d.-r Uiii- virsitiit Ji'iKi, Griiiidriss der KrystalloKrapliie für Stmlirende und zum Selbstunterricht. Mit 482 Originaltigurcn im Te.\t und 2 farbigen, litbograpliirten Tafeln. Preis broscli. Mark 8, eleg. geli. Alark 9. RctZIUS, Professor Dr. Gustaf, Biologische lliitcrs^iicliiiiigeii. Neue Folge Band VII. Mit 15 Tafeln. Preis Mark 24. Weismann, August, Preiburg i. Br., Ifbcr fiiciniiiial-Sflfctioii. Eine Qnidle bestimmt gerichteter Variation. Preis Mark 2. Origiiial-Zeichiiiuigen von Insekten in (Uirchans naturgetreuer Dar- steilanÄ, «erden von einer ento- inologisciien Zeitsclirift laufend ZU erwerben gesucht. OfFert. bi'f unter w. ij.jdi Haasen- stein n. 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Von Seiten des vcreln-ten Kedacteurs der „Natur- wlssenscliaftliehen Wochensebril't", Herrn H. Potonie, ge- langte vor einiger Zeit au luicli die Auftorderung, ihm einen Auszug aus meiner Arbeit „Studien iilier die nord- deutsclic Heide"*) zu liefern und zugleich etwas über einige neuere Beobachtungen und Ergebnisse mitzutheilen. Ich folge seiner freundlichen Aufforderung um so lieber, da ich mit grosser Freude gesehen habe, dass den For- niationsstudien ein allgemeineres Interesse gebracht wird. Ein grosser Theil unseres deutschen Vaterlandes, vorzüglich der Landrücken des nordwestlichen Gebietes, der auf einer weiten Strecke die Wasserscheide zwischen deren grösstem Nebenlluss, der ener eigentluimlichen, meist aus deckt, die dem ganzen „Heide" gegeben hat. der Elbe und Weser resp Aller, bildet, ist mit immergrünen Halbsträuchern bestehenden Vegetation be grossen Gebiete den Namen der In anderen Gegenden ist dieser liegritf minder streng prilcisirt, man versteht unter „Heide" z. B. wohl in der ganzen Mark Brandenburg, auch in der Altmark (Letzlinger Heide), der (Jberlausitz (Görlitzer Heide), im Kr.nigreich Sachsen (Dresdener Heide), nach Krause auch in einem Theile von Mecklenburg und in Preussen einen Kiefernwald, dieselbe Formation, die man in einem Theile von Pommern als Fichten, an anderen Orten als Kiehnen, Föhren, Fuhren, Tannen, Tanger u. s. w. bezeichnet, j"a in vielen Gegenden heisst man „Heide" einfach eiuei'i Wald, gleichviel welcher Art; so bestehen die „Buchheiden" bei Stettin und Templin, wie der Name sagt, vorzugswei.se aus Buchenh.tehwald, die Rostocker Heide enthält nach Krause ausser Buchen noch gemischte oder reine Bestände fast aller norddeutschen Holzgewäehse. •) Knglev'a Botaiiisdip Taf. IX u. X. .liln-biii-lHM- .\X. 1895, S. .^>00 Gb4. Man wird sich danach wolil zu fragen haben, welche Formationen denn als „Heide" im wissenschaftlichen Sinne zu bezeichnen seien. — Eine Antwort erscheint nicht leicht, da wir unter Heide eine Menge verschiedenartigster Formationen verstehen müssen: die einen trocken, dicht mit Calluna bedeckt, die anderen nass und sumpfig, mit Sphagnum und Beständen von Myrica und Ledum; auf der anderen Seite haben wir die kahle Heide, vielleicht mit einigen Wachholdersträuehern, oder wenn wir noch weiter gehen, das Sandfeld, auf dem vielleicht noch einige Callunapflanzen ein kümmerliches Dasein fristen, dann Formationen, auf denen wir einige krüppelhafte Kiefern, Birken oder Eichen finden, deren Zahl an anderen Stelleu grösser w'ird, und schliesslich steht ein Hochwald vor uns, in dem Calluna einen hervorragenden Bestand bildet. Alle diese Formatinnen wird man in den Begriff' der Heide einschliessen müssen, so lange Heidesträueher in auf- fallend grosser Zahl vorhanden sind. Eiue feste Grenze wird sich natürlich hier nirgends ziehen lassen. In erster Linie sind Calluna vulgaris und Erica Tetralix, dann aber auch Myrica Gale, Emiietrum nigrum, Ledum palustre, Vacciniuin uliginosum und Arctostaphylos üva ursi als diejenigen Arten zu nennen, von denen mindestens eine in Menge vorhanden sein muss, damit man eiue Localität als Heide bezeichnen kann. Im engeren Sinne wird als „eigentliche Heide" ein offenes Gelände ohne erhel)- lichen Baumwuclis, das zugleich auch eines geschlossenen, saftigen (irasrasens ermangelt, anzusehen sein. Während der Zeit, die seit dem im vergangenen Frühjahr erfolgten Erscheinen meiner lleidearbeit ver- strichen ist, habe ich hau})tsächlich versucht, immer weiter den Ursachen nachzuforschen, die eine so frappante ücbereinstimmung der Grenzen des Wohngebietes west- licher Pdaiizen mit der \\nbreitung der grossen Heide- gebiete veranlassen, in denen wieder viele der östlichen Species fehlen. Es ist bekannt, dass eine grössere Zahl 1Ö8 Katurwissenscbaf'tliche Wochenschrift. Xt. Nr. lt. von Arten, die '/a\ der Pflan/engenossenschaft gehören, die wir als die atlantische bezeichnen, auffallend ähnliciie Ostgrenzen im Gebiete zeigen. Die Myrica-Greuze, die wohl als bestes Beispiel genommen werden kann*), ver- läuft im mittleren Norddeutschland etwa Gifhorn — Wit- tingen— Bodenteich — Artlenburg — Wittenburg (Mecklen- burg)— Lübeck, folgt dann von Rostock ab der Ostsee- küste in einem schmalen Gebietsstreifen bis zur Danziger Bucht (Pasewark), tritt dann wieder im Kreise Memel auf, begleitet mit grossen Unterbrechungen die Ostsee in ihrer ganzen Ausdehnung ostwärts**) und besitzt dann in Skan- dinavien wieder eine weitere Verbreitung. Im ßinuen- lande findet sich Myrica nur wieder in der Nieder- Lausitz (Luckau) mit Ueberspringung einer grösseren Länderstrecke. Eine ganze Anzahl anderer Arten zeigt nun annähernd dieselbe Verbreitung, so Sparganium affine, Potamogeton polygonifolius, Scirpus caespitosus, Empetrum nigrum, Helosciadium iuundatum, Myriophylhim alterni- florum, Erica Tetralix, Vaccinium nliginosum u. a. ilie im Osten nur an der Ostseekiiste sich finden, während Scir- pus multicaulis, Hypericum elodes, Helosciadium iuun- datum, Cicendia filiformis, Erica Tetralix, Scutellaria minor u. a. in der Lausitz wieder vorkommen. — Und gerade in diesem Gebiete finden wir, wie sonst nirgends in Nord- deutschland Heiden und Heidemoore in grosser Aus- dehnung. Entgegengesetzt schliessen die sogenannten pontischen Pflanzen, die besonders im Südosten verbreitet sind, das von den genannten westlichen Arten bewohnte Gebiet fast ganz aus, in einer in den Berichten der Naturf Ges. Danzig (N. F. IX 1895, 271—396) erschienenen Arbeit über die Flora der Kreise Putzig, Neustadt i. Westpr. und Lauenburg i. P. habe ich versucht nachzuweisen, class die im nordwestlichen Deutschland fehlenden oder seltenen Species auch den von atlantischen Formen eingenommenen Küstenstrich an der Ostsee mehr oder minder meiden. Nun finden sich aber gerade in jenen Theilen Nord- deutschlands, in denen Myrica, Erica u. d. ü. vorhanden sind, ausgedehnte Heidetlächen, deren grösste von der Lüneburger Heide eingenommen wird. Man wird bei der complicirten Gestaltung der Grenzlinie an ein zufälliges Zusammentreffen kaum glauben können, aber trotzdem zeigt sich die Ermittelung positiver Thatsachen ungemein schwierig. Der Versuch, eine Erklärung durch die geo- logische Gestaltung des Gebietes zu geben, scheitert einigermaassen, denn die Vergleichung der in den ver- schiedenen Gegenden des Flachlandes vorgenouimenen chemischen und physikalischen Bodenuntersuchungen zeigt keinen erkennbaren Unterschied, höchstens inso- fern, und das schien von grosser Wichtigkeit, als sie ergab, dass in den Heidegegenden, sich auf dem Dilu- vium jeden Alters ganz erheblich dickere Bleisandschichten und grössere Ortsteinlagcn finden als anderwärts. Neuere Untersuchungen, besonders von P. E. Müller und E. Ramann, haben die nothwendigen Bedingungen zur Bildung des Ortsteins, dessen Vorhandensein, wie wir unten sehen werden, für die Entstehung der Heideforma- tion von höchster Bedeutung zu sein scheint, unzweifelhaft festgestellt: Der Ortstein, auch Ur u. s. w. genannt, bildet sich nur an solchen Orten, wo sich unter der obersten hu- mosen, sandigen Schicht eine dickere Lage von Bleisand befindet, welcher durch eine grosse Armuth an in Wasser löslichen Substanzen (er besteht oft fast nur aus Silikaten) ausgezeichnet ist und im feuchten Zu.stande meist eine etwas bläulich (blei-) graue Färbung zeigt. Durch die mehr oder weniger kohlensäurereichcn Atmosphärilien *) Vergl. Aschersoii, P., Myrica Gale. Voih. bot. Ver. Brandenburg XXXII, 1890, S. Llfff. **) Vergl. Lehmann, Ed., Flora von Polnisch-Livland etc., Juijew (üoi-pat) 1095, S. 94. werden nun an der Erdoberfläche Huinusverl)indungcn ge- löst und sickern mit dem Wasser bis an die untere Grenze des armen Sandbodens hindurch. Hier werden ausser ihnen noch Salze und andere Verbindungen gelöst und die Hunnissäuren, die nur in reinem Wasser in grösserer Menge löslich sind, als gallertige Masse nieder- geschlagen; in den Dürreperioden austrocknend ver- kittet dieselbe den Sand zu einer festen, für Wasser undurchlässigen und für Pflanzenwurzeln undurehdring- lichcQ Steinschicht, die in den grossen Heidegebieten weite Strecken in einer Tiefe von 30 cm bis etwa 1 m unter der Erdoberfläche ununterbrochen bedeckt. Ob l»ei der Bildung des Ortsteins erheblichere chemische Ver- änderungen vorgehen oder nicht, ist noch nicht sicher festgestellt worden. Wenn nun die Bleisandschichten (oder jedenfalls Erdschichten, die an löslichen Mineral- stoffen arm sind) zur Bildung des Ortsteius nothwendig sind, wird man sich nach der Entstehungsursache dieser Sande zu fragen haben. Aus iliren Lagerungs- verhältnissen und ihrem Vorkommen geht hervor, dass sie die ausgelaugten Reste diluvialer (seltener alluvialer) Sande darstellen und die Frage nach den Regenverhält- nisseu derjenigen Gebiete, in denen die Hauptmenge des Bleisandes und damit des Ortsteins zu finden sind, liegt auf der Hand. Die Vergleichung der klimatologischen Tabellen ergiebt denn aucii, dass sich erhebliche Ort- steinmengen (so dass sie wirthschaftlich Schaden bringen; nur in jenen Gebieten zu finden sind, deren jährliche Niederscldagsmenge eine Höhe von etwa 60 cm erheblich übersteigt. Allerdings wird es nicht die Feuchtigkeit allein sein, wie Herr Prof. E. Rani an n mir gegenüber mit Recht betonte, die die Bildung dieser eigenartigen geologischen Formation veranlasst, sondern auch andere Factoren, besonders die Temperaturvertheiliing, die ja naturgemäss in vieler Beziehung mit den Feuchtigkeits- verhältnissen Hand in Hand gebt, werden eine grosse Rolle spielen, besonders während der kälteren ]\Ionate. — Urkundlich festgelegt ist die Tliatsaehe, dass grosse Flächen in unserem norddeutschen \'atcrlande, besonders im Gebiet der Lüneburger Heide, noch in späterer histo- rischer Zeit, zum Theil noch in nicht fernen .lahrhunderten, dort, wo wir heute nichts als weit ausgedehnte Ileide- flächen finden, mit üppigen Wäldern aus Eichen und Buchen bestanden waren. Die Forscher, die die Vor- geschichte ihres Heimathlandes zu ergründen bestrebt waren, unter ihnen besonders E. H. L. krause, der mit rastlosem Eifer die schriftlichen Hinterlassenschaften unserer Voreltern für die Florengeschichte nutzbar zu machen be- müht gewesen ist, haben versucht, die Gründe ausfindig zu machen, die die wenig vortheilliafte Veränderung in der Physiognomie der betreffenden Gegenden hervor- gerufen haben. Die meisten waren geneigt, in der rück- sichtslosen Waldverwüstung, die ja den Process der Ver- heidung in vielen Fällen beschleunigt zu haben scheint, das einzig wirksame Agens zu sehen. Ich selbst bin durch ein eingehendes Studium der Heide besonders an jenen Orten, wo die Heide selbständig entsteht und sich der Wald allmählich in Heide verwandelt, von der Un- richtigkeit der aufgestellten Hypothese überzeugt worden. — In den Heidegebieten sieht man häufig (bes. Kiefern- nnd Eichen-, aber auch Buchen-) Wälder, deren Boden nicht mit der charakteristisciien Vegetation dieser Wälder bedeckt ist, sondern mehr oder weniger Achnliehkeit mit der Heide zeigt. Bei näherer Betrachtung bemerkt man dann, dass diesen Waldtheilen fast jedes Unterholz fehlt, dass vor allen Dingen kein jüngerer Nachwuchs vorhanden ist. An anderen Orten, wo die Heidcbildung schon weiter fortgeschritten ist, bemerkt man Lichtungen, an denen ein oder mehrere überständige Bäume umgestürzt oder XI. Nr. 17. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 191» gefällt sind, ohne dass jüngere an ihre Stelle getreten sind, wie es in jedem ungestört wachsenden Wald der Fall sein nuisste. Ein Nacligraben an den lieidigen Stellen zeigt uns Ijald, dass hier eine lebhafte Bleisand- und Ort- steinbiidung vor sich gegangen ist, dass den Keimlingen der Waldbäunie durcli die undurchdringliche Steinschicht ein unüberwindliches Hinderniss beim Eindringen in die tieferen Erdschichten in den Weg gestellt ist und sie so das Opfer der ersten trockenen Witterungsperiode werden. Ich habe im letzten Sommer wieder in Westpreussen mehrfach Gelegenheit gehabt, in den Küstengegenden an Binnendünen, die durch die Gewalt des Windes oder durch Wegebau seitlich verletzt waren, zu sehen, wie sich der Ürtstein kilometerweit ununterbrochen unter den Bäumen gebildet hatte, die alten Exemplare wenig am Gedeihen zu hindern schien, aber fast jeden Nachwuchs zerstört hatte. Will man die Entstehung der Heide, d. h. die charakteristische Zusannnensetznng der Formation in der Aufeinanderfolge iiirer verschiedenen Elemente stu- diren, so wird man dies am besten dort thun, wo sie sich auf jungfräulichem Boden unzweifelhaft ohne Einwirkung des Menschen bildet. Wo in den Dünenthälern der Boden von den Strand- pflanzen verlassen ist, finden sich zuerst einige einjährige sandliebende Pflanzen an, die, obgleich locker wachsend, dem rieselnden Sande doch einen gewissen Halt ver- leihen. Es sind dies vorzugsweise Jasione montana*), Teesdalea nudieaulis, Erophila verna, Spergula vernalis, die oft in grosser Menge und oft schon in Gesellschaft der Dünenpflanzen auftreten, zwischen ihnen Aira praecox, (stellenweis in kleineren Beständen) und Arabis hirsuta, weniger A. areuosa; nicht selten sind auch Solidago Virga aurea und Chrysanthemum Leucanthemum an solchen Localitäten zahlreich oder als Bestände vertreten. Unter dem Schutze der genannten Arten, welche in ihrer nächsten Umgebung ein rasches Austrocknen des durch Atmosphärilien durchnässten Sandes verhindern, sehen wir nun um die einzelnen Individuen herum einige Colo- nien von Flechten (Cornicularia aculeata, verschiedene Cladouien, Cetraria islandica, Baeomyces roseus u. v. a.) und Mosen (besonders Bryum argenteum, Rhacomitriuni canescens, Dicranum scoparium, Ceratodon purpureus u. a.) sich ansiedeln und weiter ausbreiten. Hier und dort entstellt ein Pflänzchen von Calluna und Empetruni; in Regenzeiten sieht man auf dem Boden stellenAveis einen leichten oder kräftigeren grünen Schimmer, und wenn man an diesen Stellen die Oberfläche zeistört, bemerkt man, wie je nach der Menge der vorhanden gewesenen Feuchtigkeit sich von dem unteren rieselnden Sande eine stärkere oder schwächere Kruste abhebt, deren Stücke man meist, ohne sie zu zer- brechen, aufheben kann. Es sind Algen (Pleurococcus vulgaris, Ulothrix radicans, ü. parietina, Zygogonium ericetorum u. a.) und die plötzlich in Menge auftretenden und meist ebenso schnell wieder verschwindenden Moos- protonemata (bes. Ceratodon purpureus und Pidytrichum spec), die den ersten Humus bilden und den Sand soweit befestigen, dass seine Körner nicht von jedem Windstoss hin und her getrieben werden, was wieder für die Ent- wickelung zahlreicher Keimpflanzen von höchster Bedeu- tung ist. Die Algen sind es auch, deren verrottete Ueberreste die erste Anlage darstellen zu jener fein- pulverigen, schwarzen, organischen Substanz, die für den Heidesand so charakteristisch ist, und aus deren Vor- handensein in tieferliegenden Erdschichten man das ehe- malige Vorkommen von Heiden mit Sicherheit nachweisen kann. Ich habe versucht, durch Experimente festzustellen, *) Ueber die übrigen Arten der hier auftreteudon Algen, Flechten und Moose vergl. die III. Abtheiluug der citirtcu Arbeit. dass die Algen in der That den reinen Sand in dieser Weise zu verändern vermögen. Es wurde weisser Quarzsand so- lange ausgewaschen, bis das Wasser klar blieb, dann wurde derselbe ca. 3 Stunden unter mehrmaligem Wasser- wechsel gekocht, bis auch hier keine Trübung mehr ein- trat, und schliesslich geglüht. Einige Reagenzgläser und Flaschen wurden nun an den Wänden mit einer dünnen (1 — 5 mm starken) Sandschicht bedeckt, der Sand mit sterilisirtem Wasser angefeuchtet und dann einige Por- tionen Heidesand hineingestreut, in dem sich verschiedene Algen, wie Sirosiphon ocellatus, Ulothrix radicans, (Nostoc lichenoides), Palmogloea macrococca, Oscillaria tenerrima, Phormidiuni vulgare, und besonders Pleurococcus vulgaris befanden, welch letzterer sich meist so üppig entwickelte, dass er, nachdem die anderen Algen eine Zeit lang mit ihm gewachsen waren, bei weitem dominirte. In einem Glase herrschte schliesslich Oscdlaria tenerrima, in einem anderen Phormidiuni vulgare vor, die beiden letzteren Culturen enthielten nur l)laugrüne Algen nasser Heiden. Die Gläser wurden verkorkt am Fenster aufgestellt. Schon nach ca. ^,2 Jahre war der Sand so mit Algen durchsetzt, dass er nach Abtödtung derselben schon die charakteristische graue Färbung besass. Nun wachsen freilich die Algen im Freien, besonders an trockenen Localitäten, bei weitem nicht so intensiv, wie in der Cultur, aber was eben hier in kurzer Zeit geschieht, wird in der Natur einige Jahre in Anspruch nehmen, obgleich man im Frühjahr und Herbst, besonders nach langen Regenperioden, oft recht stattliche Strecken mit Algen überzogen findet. Eine grosse Rolle bei der Befestigung des Bodens spielen auch die Moose, die sich zerstreut auf der ganzen Fläche in einzelnen Exemplaren oder kleinen Rasen an- siedeln. Denn wenn im Herbst der Flugsand über die Heide getrieben wird, halten die einzelnen Pflänzchen je etwas Sand auf, es bildet sich auf der einen Seite ein kleines Häufchen und bald sind die Moose säramtlich ein- geweht oder von dem Gewicht der Sandmengen zur Seite gedrückt. Für die zur Rasenbildung neigenden Arten, wie Rhacomitriuni canescens, die Hypnum-Arten u.a., ist ein solches Verschütten sehr vortheilhaft, denn statt des einen Stengels werden im Frühjahr deren mehrere aus dem Boden hervorsprossen, wie ich ebenfalls durch Versuche bestätigt gefunden habe. Es wurden im Früh- jahr Moosstengel verschiedener Arten (Rhacomitriuni canescens, Hypnum Schreberi, Dicranum scoparium, Thui- diuni abietinum, Ceratodon purpureus) wagerecht auf eine dünne, ebene Schicht sterilisirten Sandes gelegt und dann so dick mit demselben Sande bestreut, bis keine Blattspitze mehr hervorsah. Nach Anfeuchtung wurde die Cultur an einem hellen Platze aufgestellt. Schon nach weniger als 14 Tagen waren die ersten Zweig- spitzen über der Sanddecke sichtbar, zuerst die kräftigen Spitzentriebe, dann folgten allmählich immer mehr und mehr seitliche Sprosse, so dass schliesslich ein etwa 1', o cm langes Stück von Hypnum Schreberi 18 auf- rechte Sprosse, d. h. ebensoviel neue Individuen erzeugt hatte. Selbst Ceratodon, von dem man eine solche vege- tative Vermehrung weniger erwarten sollte, brachte bis 6 Sprosse hervor. Bei den Polytrichum-Arten misslang dieses Experiment, es wuchs nur der Spitzentrieb durch den Sand; doch sind gerade einige Arten dieser Gattung, besonders P. pilifcruni und ]'. juniperiiium, für die Fest- legung des Bodens von höchster \Viclitigkcit. Die sehr starren Pflänzchen werden bis auf den Blattschopf mit Sand bedeckt, die Spitze wächst im folgenden Jahre über dem Boden fort und wird wieder verschüttet, der nun- mehr unterirdische Theil der Stämmchen bleibt noch längere Zeit erhalten, man kann ihn oft mehrere Zoll tief 200 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 17. in den Boden hinein verfolgen. Dadurch wird eine mechanische Befestigung des losen Sandes hervorgebracht, wie sie der Mensch durch Einschlagen von Pfählen in die Dünen herzustellen versucht. Der Widerstand, den die Moospflänzchen jeder Veränderung der Bodenober- fläche leisten, ist ganz erheblich. An zwei etwa gleich stark geneigten Dünenabhängen, die in gleicher Weise von der Sonne getroffen wurden, von denen aber der eine ziemlich dicht (d. h. mit 1 — 2 Zoll grossen Zwischen- räumen) mit Polytrichum piliferum bewachsen war, der andere, der augenscheinlieh erst kürzlich mit einer dicken Sandlage überschüttet war, nur spärliche Moos- und Fleehtenvegetation zeigte, Hessen sich ganz erhebliche Verschiedenheiten in Bezug auf die Festigkeit nach- weisen; denn während beim Ueberschreiten des erstercn kaum mehr als der Abdruck des Fusses zurückblicb, gab der Boden des zweiten so stark nach, dass bei jedem Schritt ein breiter Sandstrom zn Thal rieselte. Anch machte ich die Beobachtung, dass bei massig starkem Winde der dicht über dem Boden dem Winde entgegen- gehaltene Handrücken von zahllosen prickelnden Sand- körnern getroffen wurde, was bei dem mit Polytrichum be- wachsenen Abhänge nicht der Fall war. Die Flechten, die sich gern auf dem von den Algen etwas befestigten Boden ansiedeln und stellenweise (be- sonders die Cladonien) festere Krusten erzeugen, dienen wohl mehr als Hnnmsbildner: denn wenn man auch nicht selten eingewehte Flechten findet, so verwest iiir Körper doch so schnell, und die hinterlassenen organischen Reste sind so zerbrechlich, dass ein wesentlicher Halt durch sie nicht erzeugt werden kann. — Erst nachdem die Localität, auf diese Weise vorbereitet, sich bereits durch etwas grössere Beständigkeit der Bodenthcilchen auszeichnet, sieht man die Keimlinge siphonogamer Pflanzen sich in grösserer Anzahl erhalten, während die Samen früher wohl keimten, aber theils vertrockneten, grösstentheils aber vom Sande bedeckt abstarben. Callnna und mit ihr Empetrum stellen sieh immer zahlreicher ein. So be- deckt sich der Boden dichter und immer dichter mit Heide. Jasione, Leucanfhemum und Solidago nehmen ab, Hypnum Schreberi, welches auf dem kahlen Boden nur in vereinzelten Exemplaren und kleinen Rasen auf- trat, beginnt sieh mehr und mehr auszubreiten und die feuchteren Stellen dicht zu überziehen. Zu gleicher Zeit erscheint auch das Heer der übrigen Heidepflanzen, hier diese und dort jene; die Heide ist fertig. üeberall in den Heidegebieten, im Nordwesten, in dei* Lausitz und den baltischen Küstenländern finden wir in charakteristischer Ausbildung und in grossen Mengen in feuchten Senkungen die Formation, die man bisher meist mit dem ebensowenig treffenden als zweideutigen Namen des Hoch- oder Moosmoores bezeichnete und die ich 1. c. Heidemoor genannt habe, um zugleich ihre Zu- gehörigkeit zur Heide klarzulegen. Meine Ansicht, dass ein Heidemoor sieh nur dort bildet, wo nahrstoftarmes Wasser sich in steter Bewegung befindet, so dass eine Anreicherung löslicher Mineralstofl'e niclit stattfinden kann, während dort, wo durch stagnirendcs Wasser, welches niclit versickert, sondern verdunstet, derartige Substanzen sieh ansammeln, ein Wiesen- (oder Grünland-) Moor ent- steht, ist durch eine jüngst erschienene Arbeit von E. Ra- mann*), die wie die früheren Arbeiten desselben ihren hohen Werth dadurch gewinnt, dass die Resultate alle auf eigene zuverlässige Beobachtungen in der Natur ge- gründet sind, bestätigt worden: die vorgenommenen Ana- lysen der Moorwässer zeigen die grosse ^'crsclliedenileit *) Organogoiic Biklmipcn der Jetztzeit. Nmics Jalnli. Minr valogio, Beil. Hil. X 189.1, S. U9— 16(i. im Gehalt an gelösten Stoffen. — Die Heidemoore sind meist in flachen Mulden zwischen sanft geneigten Hügeln ausgebildet, die meist mit Heide oder einer verwandten Formation (Kiefernwald) bedeckt sind, jedenfalls aber immer eine stark ausgelaugte Oberfläche und meist sogar Ortsteinbildung zeigen. Das Wasser, welches sich in den sandigen Mulden sammelt, sickert nicht durch irgend- welche nährstoffreichen Schichten herab. Im Tliale an- gekommen, bildet es in selteneren Fällen einen kleinen Tümpel oder See, meist ist der Boden nur nass oder fencht und nur in Zeiten stärkerer Zufuhr finden wir eine flache AVasserschieht. Die Entwickelung eines Heidemoores geht natnr- gemäss beträclitlich schneller von statten, als die der trockenen Heide, weil sein Entstehen nicht durch den Mangel an Fenchtigkeit zu gewissen Jahreszeiten unter- brochen wird. Ich hatte mehrmals, besonders aber in der Lausitz an einem Ausstich unweit des Bahnhofs Luckaitz Gelegenheit, die Entstehung eines solchen Moores zu beobachten. An allen diesen Orten und auch dort, wo es mir möglieh war, den ursprünglichen Boden unter einem Heidemoore zu Gesieht zu bekommen, be- stand derselbe aus klarem, weissem, oder auch aus an- moorigem Sandboden, niemals sah ich ein Heidemoor, welches direct auf Lehm- oder Thonboden entstanden war. Was für Erdschichten sich unterhalb des Sand- bodens befanden, ist schwer zu constatiren, in einem Falle (Lange Heide bei Colberg) trat seitlich Lehm zu Tage, in der Lausitz bei Gross-Räschen, unweit Senften- berg, wo durch die Braunkohlentagesbaue die überein- anderfolgenden Formationen sehr schön aufgeschlossen waren, lag ziemlieh zu Tage eine nicht sehr dicke Spha- gnum-Torfsehiclit, unter der sich zwar eine starke Sand- schicht befand, aber von einem Lehm- oder Thongrunde konnte ich keine Spur bemerken. Auch hier waren wieder Algen, und zwar im Gegen- satz zur trockenen Heide meist blaugrüne .\rten (beson- ders Oscillaria tenerrima, Phormidium vulgare, Gloeocapsa livida und viele andere\ die ersten Humusbildner, die meist bis zu 3 mm tief die ganze Oberfläche des feuchten Sandes durchsetzten. Der Boden wird so, jedenfalls durch das Verkleben der Sandkörner durch die mit Gallertseheiden versehenen Oscillariaceen, fest und beim Eintrocknen hart. Stellenweis entsteht auch auf der Ober- fläche eine fest zusammenhängende Schicht, meist von Lyngbya latcritia gebildet, die, sobald sie an der Sonne trocknet, abblättert, als schwarzeingerollte Hautstückchen vom Winde hin und hergejagt und oft an einigen Stellen zusammengefegt wird, wo sie verfaulend eine beträchtlich starke Humusschicht hinterlässt. Beide Erscheinungen, sowohl die Bildung der festen, mit blaugrüncn Algen durchsetzten Humusschicht, als die Hautbildung, habe ich durch Cultur künstlich erzeugen können. Während sich so der Boden mit Algen bedeckt, finden sich auch schon höhere Pflanzen ein; Polytrichum juni))erinum tritt stellenweise massenhaft auf, daneben Radiola niiiltiflora, .luncus capitatus, Illccebrum verticilla- tum, Centuncuhis mininius, Ciccndia filiformis ii. a. An mehrjährigen Arten siedeln sich Pilularia globulifcra, Ly- copodium inundatum, einige Cariees (Oederi etc.), Scirpus sotaceus, Rhynchospora alba und R. fnsca, .luncus eft'usus, J. squarrosus und ,1. snpinns, Erica Tetralix, Vaccinium Oxycoccus (Ascherson) etc. an, kurz nach und nach die ganze Heideflora. Mit allen den genannten Arten, oft schon sehr früh, sehen wir je nach dem Feuchtigkeits- grade mehr oder weniger dicht gestellt kleine Sjthagnum- Pflänzchen entstehen, stellenweise sind dieselben schon zu ansehnlichen Polstern herangewachsen, die an anderen Orten schon so gross geworden sind, dass sie sieh gegen- XI. Nr. 17. Natnrwissenscliaftliche Wochenschrift. 201 scitig- bcrüliren, znsammenfliessen und eine zusaranien- liänijendc, dichte Decke bilden. Hierbei i^ann man oft die auffällig-e Bemerkung machen, dass die dem Boden aufsitzenden halbkugeligen Sphagnum-Polstcr einen be- trächtlich höheren Feuchtigkeitsgrad besitzen, als der um- gehende Sand; sie müssen also nothwendiger Weise eine Versum])fiing der Stelle hcrlieifiihren. Bei Colberg stecken in dem grossen Moor bei Alt-Tranmi grosse Eichenstämme, die aufrecht stehend in dem unteren Sandboden wurzeln; hier ist offenbar durch irgend welche Einflüsse eine Ver- sum])fnng hervorgerufen und der Eichenwald zu einem Heidemoor geworden. Eine dritte Art der Entstehung der Heideflächen ist die von Borggrcve und nach seinem Vorgange von E. H. L. Krause für alle grossen binnenländischen Heiden an- genommene, die aus devastirtem Walde. In den grossen Heidegegenden bedeckt sich fast jedes Stück kahlen Bodens mit Heide und desiialb werden auch au solchen Stellen, an denen durch Totalabtrieb des Waldes den Waldpflanzen die Vegetationsbedingungen entzogen sind, sich Heiden bilden. Auf dem schattenlos gewordenen Waldboden sieht man die Moose und andere Pflanzen vertrocknen oder doch verkümmern, auch eine grössere Austrocknung der Oberfläche findet statt, da der Wind jetzt ungehindert über die Fläche streichen kann. Hier- durch entstehen grosse kahle Stellen, die sich nun nach und nach in gleicher Weise mit Heidepflanzen bedecken, wie bei einer spontan sich bildenden Heide. Ist die Lage des Terrains sehr ungünstig, so dass dasselbe allen Stürmen und Witterungseinflüssen unmittelbar ausgesetzt ist oder hatte bereits eine starke Bleisaud- oder Ort- steinbildung im Walde stattgefunden, so kann .sich eine solche Heide lange Zeit oder dauernd erhalten , im anderen Falle aber werden bald wieder die Samen- jiflanzen der Waldbäume heranwachsen und der Heide ein Ende machen, wenn nicht durch Plaggenhich oder Brennen die Waldijildung gehemmt oder gar verhindert wird. Die Bildung derartiger Heiden habe ich nur in den grossen Heidegegenden beobachten können; in der Mark Brandenburg, in Pommern u. s. w. habe icii viele Hau- ungen gesehen, selbst selche, auf denen schon zur Zeit des Waldabtriebes viel Calluna stand, aber nie habe ich eine echte Heide sich entwickeln sehen. Die vorhandenen (!allnua-Sträueher wuchsen wohl kräftig weiter, aber von einer augenfälligen Vermehrung derselben war nichts zu l)emerken. Hier vertreten andere Pflanzen ihre Stelle, wie Aira flexuosa, A. praecox, Senecio silvaticus und S. vis- cosus, welche die bei Kahlschlägen entstehenden Erd- blössen in trockenen Lagen dicht überziehen. Pteridiuui aquilinum war in einer Hauung des Colberger Stadtwaldes mit Rubus-Arten in solcher Menge aufgetreten, dass ein Aufforsten nicht wieder gelingen wollte, und erst jetzt, nach n)ehr als 10 Jahren, sieht man wieder einige Bäum- chen emporwachsen. Eine Calluna-Heide kann aus einem Heidemoor ent- stehen, wenn demselben künstlich oder zufällig die noth- wendige Wassermenge entzogen wird. Wie diese Ver- änderung auf natürlichem Wege vor sich geht, hatte ich einmal zu beobachten Gelegenheit; östlich von Colberg, am Ende des sogenannten Salinentorfmoores, steigt der Boden um 6,9 bis 9,2 m (nach dem Messtischblatt) an, und oben auf dieser Anhöhe befindet sich eine Heide- fläche, die sogenannte „Lange Heide", deren Boden meist aus Sphagnum-Torf gebildet ist. Die Heide ist augenscheinlich früher ein wachsendes Moor gewesen und war durch eine undurchlässige Schicht (am Abhänge tritt Lehm zu Tage) von der beträchtlich tiefer liegenden Um- gebung getrennt. Die Lehmlage muss nun durch irgend eine Ursache durchbrochen worden sein, und dadurch ist dann die Austrocknung erfolgt. Von der ehemaligen Flora findet sieh nicht viel mehr vor: ausser einigen Sträuchern iVaccinium uligiuosum), die einen auffallend gedrungenen Wuchs zeigten und deren Blätter schon im August dunkelroth gefärbt waren, waren in Einsenkungen Spuren von Sphagnum, ausserdem Juncus scpiarrosus, wenig Drosera rotundifolia und Radiola multiflora vor- handen. Im üebrigen war der Boden mit Calluna dicht be- deckt, zwisciicn der sich andere Pflanzen trockener Heiden, wie Teesdaica, Aira praecox u. a. angesiedelt hatten. Auf Mooren, die zum Torfstich benutzt werden und deren höher gelegenen, stehenbleibenden Theilen durch die Sticblöclicr das Wasser entzogen wird, ist die Ver- heidung eine sehr häufige Erscheinung. Aber nicht immer stellen sich an solchen Orten echte Heidepflanzen ein; nicht selten trifft man hier Arten, die zur Heide wenig Beziehungen haben, so mitunter grössere Strecken mit Urtica dioeca dicht überzogen, oder andere, auf denen Kubus dumetorum-Formen scliicr undurchdringliche Be- stände bilden, oft gemischt mit Epilobium angustifolium und Rhainnus cathartica. C. A. Weber beschreibt in einer seiner vorzüglichen Arbeiten*) kurz die Veränderungen, die ein austrocknendes Hochmoor erleidet, wie es durch Verschwinden des Sphagnum und durch das Auftreten trockenheitliebender Moose und Sträucher in eine Heide übergeht. Cultur der Heide. Beim sogenannten Plaggen wird alle 4 — 8, meist alle 5 Jahre der Boden von dem Heide- filz, der sich während dieser Zeit gebildet hat, befreit. Die Fladen und Calluna- Büsche benutzt man dann als Stallstreu oder zur Düngung der Aecker, seltener zur Be- dachung von Schuppen oder Häusern. Das Plaggen kann nur in solchen Gegenden vorgenommen werden, in denen sich ein für die Heide sehr günstiger Boden befindet; in anderen, wo die Oberfläche sehr trocken ist und aus rieselndem Sande besteht, ist daran nicht zu denken, weil sich eine zusammenhängende Decke gar nicht bildet. So- bald der Boden aller Pflanzen lieraubt ist, bedeckt er sich sehr schnell wieder dicht mit Heide. Die einzelnen Heidekrautpflanzen erreichen kein hohes Alter (ca. 12 — l.ö Jahre), in späteren Jahren zeigen sie ein geringes Wachsthum, sie verkahlen und hören auf zu blühen. In diesem Zustande sind die Pflanzen für den Heidebauer und Imker von sehr geringem Nutzen, er zündet deshalb die ganze Fläche an und führt so eine Verjüngung der Heide herbei. Das schwarze, verkohlte Feld bedeckt sich mit jungen Pflänzchen, oder die alten, bis zur Erdoberfläche verbrannten Exemplare treiben aus dem unterirdischen Theile des Stammes neue Sprosse iiervor, wie mir Herr Prof. K. Schumann nach einer von ihm bei Rauschen im Samlande gemachten Beobachtung gütigst mittheilte. Man pflegt das Brennen ca. alle 10 Jahre, also jedes- mal, wenn die Calluna-Pflanzen zu altern beginnen, zu wiederholen: dieser Zeitraum würde wohl genügen, um eine Wald- oder doch wenigstens eine Buschl)ildung her- vorzurufen, wenn die Heide die Tendenz zeigte, .sich in Wald zu verwandeln. Statt dessen aber entstehen nur vereinzelte Sträucher oder Bäumchen, die vor dem Ab- brennen der Heide zur Holznutzung gerodet oder auch mit verbrannt werden. Schliesslich wird die Heide vielfach zur Schal'hütung benutzt. Die kleinen Fleischschafe, Heidschnucken genannt, eine charakteristi.sche Erscheinung der Lüneburger Heide, nehmen mit der mageren Kost, die ihnen die dürre Heide *) Ueber die Verämlerunscii in clor Vojretjition der Hoch- moore unter dem Einflüsse der Cultur mit Beziehung auf prak- tische Fragen. Mitt. Ver. Ford. Moork. D. Reich. IX. 1894, Nr. 17, S. 309 -.3-20. 202 Naturwissenscbaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 17. in Gestalt der Caliuna bietet, vorlieb, Enipetruin wird selbst von diesen anspruchslosen Wesen verschmäht. Dass durch res'elniässiffes Abweiden sowohl Heidekraut, als Baunnvuclis g-eschädigt wird, liegt auf der Hand, und derartig bewirthschaftete Striche sind von den wilden Heiden durch die „verbissenen" Pflanzen sofort zu unter- scheiden. Trotz der Beweidung findet man hier und dort mannshohes Gestrüpp, wie in vielen anderen Heiden auch, in einer Höhe also, wo es längst über den Kopf der Heliafe hinaus gewachsen ist. Dass auch hier ein Urennen zur dauernden Erhaltung nicht nothwendig ist, beweisen zahlreiche beweidete Heiden mit alten Wachholdern. Dass alle diese Culturmethoden auf das augenblick- liche Aussehen, auf die Dichtigkeit des Bestandes und die Höhe der Productionsfähigkcit einen grossen Einfluss aus- üben, muss ohne Weiteres zugegeben werden, ebenso dass wenigstens durch den Plaggenhieb, weil dadurch innucr eine beträchtliche Menge Humussubstanz entfernt wird, die natürliche Entwickelung beträchtlich gehemmt wird, wenn auch ohne denselben das Waelisthum ein weniger intensives und die Substanzproduction eine weniger hohe sein würde. Wie wenig aber die C'ultur an der natür- lichen Gestaltung, an der Zusammensetzung der Heide ändert, das beweist sofort ein Vergleich mit unseren ponimerschen und preussischeu Strandheiden, bei denen von Cultur keine Rede ist und die eine ganz ähnliche Zusammensetzung zeigen wie die nordwestdeutschen. Die Dünenthälcr um Colberg sind nur seit mehr als 10 Jahren genau bekannt, und während dieser Zeit hat sich kaum eine bemerkenswerthe Veränderung gezeigt, die verein- zelten Kiefern in den Heiden sind noch genau so krüppel- haft wie damals, einige sind abgestorben, dafür haben sieh einige jüngere Bäunichen entwickelt. Die Heide ist einem Walde nicht um eine Spur ähidichcr geworden. Eine Thatsache ist, dass in der Mehrzahl der Fälle eine Heide, wenigstens die massig feuchte Calluna-Heide, sich aufl'orsten lässt, und man könnte dies als einen Be- weis dafür ansehen, dass auch in der Natur jede derartige Heide sich in Wald verwandeln würde. So ist auch wohl die. dementsprechende Theorie entstanden, zusammen mit der Beobachtung, dass devastirte Wälder in den grossen Heidegebieten (aber auch nur dort i oft verheiden und nur durch Cultur Heide bleiben. Die zahlreichen vergeblichen Anbauversuche in Verliindung mit den beobachteten That- sachen über die Verheidung der Wälder müssen einen unbefangenen Beobachter zu der Ueberzeugung führen, dass wir in der Heide eine natürliclie Formation vor uns haben. Die Function des Magens ist eins der Gebiete pliysiologischer Forschung, auf denen sich in neuester Zeit erhebliche Umwälzungen unserer Anschauungen und Kenntnisse vollzogen haben. Professor Moritz in München hat in einem Vortrage über „Neuere Magen- fragen", gehalten auf dem ol)erpfälzischen Aerztetag 1895, (vgl. auch Mttnchener Med. Wochenschrift, 1895, No. 49} den gegenwärtigen Stand der Frage beleuchtet. Laien und Aerzte pflegen den Magen als ein Central- organ für die P^rnährung wenn nicht gar für den ganzen Organismus anzusehen, dessen Thätigkeit eine Grund- bedingung für den Bestand des Körpers sei. Jedoch steht gegenwärtig fest, dass dem Darm eine viel grössere Bedeutung als verdauendes Organ zukommt. Wie ]\Ioritz selbst und von Noorden beobachtet haben, können Menschen mit völlig darniederliegender Magenverdauung lediglich durch die Darmverdanung am Leben erhalten werden, ja sogar an Körpergewicht zunehmen. Zu einem ähnlichen Resultat führten Versuche anderer am Hunde. Auch die Fähigkeit des Magens, gelöste Stoffe zu resorldren, erwies sich als eine geringe. Wasser tritt seiner ganzen Quantität nach in den Darm über; p]iweiss, Pepton, Traubenzucker werden nur in ganz geringen Mengen aufgenommen. Verliältnissmässig vorzüglich da- gegen wird Alkohol resorbirt, der überdies die Eigen- schaft zeigt, die Aufsaugung mit ihm zusammen ein- geführter anderer StotTc zu erleichtern. Die Aufgabe des Magens scheint denmach hauptsächlich darin zu bestehen, die eingeführte Nahrung in einen Brei zu verwandeln und dadurch für die I »armvcrdauung geeigneter zu machen; ferner dieselbe durch die Secretion der Salz- säure zu dcsinticircn und durch die .Vbseheidung des Magensaites überhaupt zu verdünnen. Letzteres ist dem Organismus besonders dann von hohem Nutzen, wenn stark reizende Substanzen genossen wurden. Der Magen erscheint also als eine Seliutzvorriclitung und i)ewährt sich als solche auch gegenüber nachtheilig hohen oder niedrigen Tem])craturen der Speisen, gegen welche der Darm viel eniptindlichcr sein würde, als es der Magen ist. Das schnelle llindurchtrcten des Trinkwassers durch den leeren Magen — dasselbe erklärt auch die grosse In- fectionsgefährlichkeit! — dürfte auf seiner Reizlosigkeit beruhen. Je stärker die Reizwirkung der Ingesta auf die Magenschleimhaut, desto mehr wird der Austritt in den Darm verzögert, offenbar zu Gunsten der Verdünnung und der Salzsäurewirkung. Die Entleerung des Magens, auf die übrigens der Füllungszustand des Dünndarms von regulirendem Einfluss zu sein scheint, besorgt allein der darmwärts gelegene Abschnitt des Magens, der Pylorus, mittelst rhythmischer Contractionen. Er befördert nur breiförmige ]\Iassen in den Darm; feste Brocken werden durch Antiperistaltik zurückgewiesen. Dieser Vorgang ist übrigens wohl die Ausnahme, denn es konnnt der PylorMsthätigkeit zu statten, dass die ungelösten Bestandtheile der Nahrung in dem tiefer hinabreichenden Fundustheile des Magens auf den Grund sinken und der Pylornstheil nur die oberen, dünnen Massen während seiner auf die Contraction folgenden Dilatation absaugt. Schaefer. „Die liriiträume der Wabenkröte" hat neuerdings F. Leydig mit Rücksicht auf ihren morphologischen Werth besprochen (Zool. Anz., ISS^ü, S. 49j. Entgegen anderweitigen Annalmien hatte Leydig schon 1857 ausge- sprochen, da.ss die wabenartigen Räume auf dem Rücken der Pipa, in denen sich ihre Jungen entwickeln, eolossal entwickelte Hautdrüsen seien. Nun behauptete jüngst Klinkowström, der das Tliier in Surinam untersuchte, wiederum, die in Frage stehenden Waben seien einfache Hauteinstülpungen. Leydig glaubt dagegen auf seiner Ansicht beharren zu müssen. Einmal stimmt der Bau der Bruträunie mit dem der sog. Giftdrüsen ttberein, sodann aber ist die Bildung des Dcekcichens der Brutwaben nach der Auffassung Lcydigs leicht abzuleiten. In den Hautdrüsen der Batrachier bildet nänüich das Secret leicht verhär- tend einen Pfropf, der in der Drüsenmündung steckt. Solch ein flächenartig entwickelter Secretpfropf ist nun das Deckclchcn. Gegen die Meinung der Einstülpung spricht auch die Abwesenheit von .Scldeimdrüsen in der Wandung der Waben. C. Mff. XL Nr. 1?. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 203 Die Verwendung: der IJlausänre als Nahrungs- mittel ist eine <;'e\viss seltsame Thatsache. Dieselbe wurde von dem rühniiicli bekannten Director des bota- nischen Gartens zu Buitenzorg' auf Java, Dr. M. Treub, für einen Baum des malayischen Archipels und der l'hi- lilipinen, Pangium edule, nachgewiesen. (M. Treub: Sur hl localisation, Ic ti-ansport et le roie de l'acide cyanhy- drique dans le Pangium edule. Annalcs du.lardin B(itaiii(|ue de Buitenzorg, volume XIII, 1'= partie). Wie schon der Name vermuthen lässt, besitzt der Baum auch essbare Theile, nämlich das Nährgewebe der Samen, indessen muss dasselbe vor dem Genuss erwärmt oder entwässert werden, weil dadurch die Blausäure ent- fernt wird. Dieses Gift findet sich in allen Theilcn des Baumes uud ist den Eingeborenen sehr woiil bekannt. Die gepulverte Rinde, wenn man sie ins Wasser wirft, tödtet die Fische, vom Anfressen der Samen sterben die Hühner, und der Genuss der Blätter schadet dem Vieh. Die Menge der Blausäure im Baum ist hiernach nicht unbeträchtlich; sie betrag;! 1 "/o '^6'' Trockensubstanz und mehr. Treub kam Anfangs auf den naheliegenden Ge- danken, die giftige Blausäure könnte dazu dienen, den Baum gegen Ang-riffe von Seiten der Thiere zu schützen. Mag dies vielleicht bis zu einem gewissen Grade zu- tretfen, für einige Larven hat diese Vermuthung keine Geltung, denn dieselben sind gegen das Gift vollkommen immun und schädigen den Baum durch ihre Gefrässigkeit in oft ganz erheblichem Maasse. Ehe wir auf die Untersuchungen näher eingehen, welche den Verfasser zu der Ueberzeugung brachten, dass der Blausäure eine gewisse Rolle bei der Ernäbrung zu- komme, wird es interessant sein, zuvor einiges über seine Untersnchungsmethode zu erfahren, weil bei Pangium der Nachweis der Blausäure nicht ganz leicht ist. Bekanntlich ist die Blausäure so sehwach, dass sie dnrch andere Säuren leicht aus Verbindungen ausgetrieben werden kann. Dem entsprechend findet sie sieh in der Ptlanze frei oder nur ganz locker gebunden. Schneidet man demnach irgend einen Theil der Ptlanze an, so ver- flüchtigt sich die Säure und erschwert den Nachweis. T. operirte deshalb so, dass er die Schnitte nicht zu dünn machte und so schnell wie möglich in Kalilauge brachte, um die Säure zu binden. Der Nachweis geschah dann durch die Reaction mittels Berlinei- Blau. Blätter ei-gaben bei der Prüfung auf Blausäure ein negatives Resultat, weil die Cutiknla den Eintritt der Reagentien verhindert. Deshalb verwundete T. die Biattfläche durch wiederholtes Hinaufklopfen mit einer Haarbürste und konnte dann die Reaction mit aller nur wünschenswerthen Deutlichkeit eintreten sehen. Das Gift tindet sich vor Allem im eiweissleitcnden Gewebe des Baumes, also im Phloem, und ist nach An- sicht des Verfassers das erste erkennbare Product der Stiekstoffassimilation bei Pangium. Als solches entsteht es aus der Combination von reducirendem Zucker mit den aus dem Boden aufgenommenen Nitraten. T. glaubt hier- nach den ganz allgemeinen Schluss ziehen zu können, dass bei der Synthese des pflanzlichen Ei weisses immer als eines der stickstoffhaltigen Anfangs- produete Blausäure entstehe, nur lasse sich dieselbe nicht bei allen Pflanzen nachweisen, weil sie meistens sofort weiter verarbeitet wird, und die Wanderform der stickstoft'haltigen, plastischen Baustoffe dann nicht, wie bei Pangium, in Blausäure besteht. Die Bildungsstätten für dieselbe sind die Parenchym- zellen der Blätter, aus denen die Säure, wie gesagt, durch das Phloem fortgeleitet wird. Im Holz fehlt sie, wie hiernach leicht begreiflich, vollständig. Nachdem wir uns durch die vorstehenden Mitthei- lungen mit den P^rgebnissen, zu denen der Verfasser ge- langte, vertraut gemacht haben, werden wir seine Ver- suclie leicht verstehen. Hält man z. B. die jungen Bäume längere Zeit im Finstern, so verschwindet (nach circa 10 — 14 Tagen) die Blausäure aus den Blättern, weil im Dunkeln die Bildung der Kohlenhydrate unterbleibt, und somit die eine der beiden nothwendigen Coniponenten zur Entstehung der C'yanwasserstoffsäure fehlt. Gestattet man wieder den Lichtzutritt, so findet mau auch wieder Blausäure. Einen Beweis für die Nothwendigkeit der Nitrate bei der Bildung von Blausäure bietet folgender Versuch: durchschneidet man vorsichtig die Adern, welche zu einem Lappen der grossen Blätter fuhren, so tritt nach Anwendung der nöthigen Reagentien in diesem Zipfel keine Blaufärbung ein, weil keine Nitrate zugeführt werden konnten. Dass die bei der Bildung der Blausäure Stick- stoff liefernde Componente ein Nitrat sein muss, geht daraus hervor, dass einzig in dieser Form, und nicht als Ammoniakverbindung, der Stiekstoft' durch die Wurzeln aufgenommen wird. In den am jungen Stamm tiefer stehenden, älteren Blättern unterbleibt die Bildung von Blausäure, obwohl Kohlenhydrate in genügender Menge vorhanden sind. Diese Erscheinung erklärt sich dadurch, dass die jungen, lebliaft wachsenden Blätter die gesammten Nitrate ver- brauchen. Schneidet man denniach die jungen Kronen ab, so tritt Blausäure in deutlichen Mengen auch in lien älteren Blättern auf, und zwar zuerst an den grossen Adern. Deutliche Beweise für den Transport der Blausäure lieferten Ringelungsversuchc am Stamm und Blattstiel. Da hierdurch die Continuität des Phlocms unterbrochen wird, so staut sich die von den Blättern herabwandernde Blausäure oberhalb des Ringschnittes, während sie unter- halb desselben wegen der gestörten Zuleitung nach 1--3 Wochen verschwindet. Es bedarf wohl kaum der Er- wähnung, dass bei den eben besprochenen Experimenten an dem unterhalb der Ringelung befindlichen Stamm keine Blätter mehr vorhanden sein durften. Die gehemmte Ab- leitung im oberen Theil bewirkt auch eine deutliche Zu- nahme an Blausäure in den Blättern, weil Zucker uud Nitrate stets neu entstehen bezw. zugeführt werden können. Stärke bildet sich für gewöhnlich in den Blättern nicht, sondern an deren Stelle Glukose oder ein verwandter rc ducirender Zucker. Der Nachweis desselben wurde auf ma- kroskopischem Wege mittelst der E. Fischer'schen Pheuyl- hydrazinprobe geführt. Die Zaid der Versuche, welche der Verfasser ziu- Begründung seiner Ansicht ausgeführt hat, ist weit grösser uud mannigfacher als nach dem Mitgetheilten erscbeinen möchte, indessen wird das Vorstehende genügen, um den Leser mit den Hauptergebnissen der .Vrbeit bekannt zu machen. Dr. R. Kolkwitz. Verfärbung von Pilzen nach Verwundungen. — Dass viele Pilze, wenn sie angeschnitten werden, ihre Farbe ändern, ist eine so bekannte Erscheiniuig, dass mau glauben sollte, ihre wissenschaftliche Erklärung sei längst gegeben. Bouriiuelot und Bertrand geben im Bulletin de la Societe mycologiqne de France neuer- dings (1896 Heft 1) eine Erklärung, die mit den ge- wöhnlichen Ansichten nicht harmonirt. Während man sieh gew(dinlioh d:unit begnügt zu sagen, dass durch den Sauerstolf der Luft ein chemischer Körper in seiner Färbung geändert wird, gestaltet sich nach den beiden Autoren der Vorgang eomplicirtcr. Es 204 Naturwisseiiscliaftliche Wochenschrift. XL Nr. 17. findet sich nämlich in solchen Pilzen ein JStotf, der anders gefärbt wird durch ein Ferment, wenn dasselbe Sauer- stoff' aus der Luft aufnimmt. Schliesst man die Ferment- wirkung- aus, so bleibt der sich sonst färbende Stoff un- verändert. Zum Nachweise wurde folgcndermaasseu verfahren. Stücke von Boletus cyanescens wurden mit 9J 7o Alkohol gekocht, wodurch der betreffende Stott' in Lösung kam, die Flüssigkeit sah gelblich aus und hielt sich völlig un- verändert. Vorher war bereits festgestellt worden, dass im selben Pilz sich ein oxydirendes Ferment befindet. Setzt man dieses oder ein anderes gleiciier Art, etwa Lacease, der Lösung zu, so färbt sie sich allmählich tielblau, damit also zeigend, dass lediglich das oxydirende Ferment im Moment der Sauerstoffaufnahme die Verfärbung bewirkt. G. Lindau. lieber die Abliiingigkeit der Blattform von Cam- piila rottindifolia von der Lichtintensität hatK. (Joe bei in den Sitzungsberichten der mathematisch-physikalischen Classe der k. b. Akademie der Wissenschaften in München das Folgende veröffentlicht. In meinen „Pflanzenbiologisehen Schilderungen" (IL Tlieil, S. 294, l8SJ3j habe ich darauf hingewiesen, dass die bekannte Heteropliyllie von Sagittaria sagittifolia insoferne von der Lichtintensität beeinHu.sst werde, als bei schwachem Lichte nur die bandförmigen lUätter auftreten, während zur Bildung der pfeilförmigen, über den Wasser- spiegel sich erhebenden, höliere Lielitintensität erforderlich ist. Weitere Versuche (mitgetheilt in Science progress. Vol. I, Nr. 2, und Flora, 80. Bd. (1895) S. 96 ff.) be- stätigten diese Auffassung. In der letztgenannten Zeitschrift habe ich auch die später erfolgten Veröffentlichungen von Kiebs und Vöchting und den Einfluss der Lichtintensität auf die Organbildung einiger Cacteen besprochen. Aus den dort gleichfalls er- wähnten Untersuchungen, die einer meiner Schüler in meinem Laboratorium ausführte, ergab sich ferner, dass auch bei dem Keimungsprocesse einiger Lebermoose die Gestaltung der Keimpflanze durch die Lichtintensität be- dingt i.st. Bei Preissia coniniutata z. B. entsteht bei sehwacher Beleuchtung nur ein fadenförmiger Keim- sehlauch, der bei starker Lichtintensität sich zur Zell- fläehe verbreitert; diese kann bei schwacher Lichtintensität wieder veranlasst werden, als Keimschlauch weiter zu wachsen. Da die Untersuchung der Abhängigkeit der Organ- bildung von äusseren Factoren von grosser Bedeutung für ein causales Vcrstäudniss der so verwickelten vege- tabilischen Gestaltungsprocesse ist, so habe ich bei den höheren Pflanzen nach weiteren Fällen gesucht, in denen eine solche Abhängigkeit sich nachweisen lässt. Viele Phancrogamen zeigen die Erscheinung der Heteroj)hyllie, d. h. sie bringen im Verlaufe ihrer Ent- wickelung verschieden gestaltete Blätter hervor. Dass diese Heteropliyllie nicht eine erblich fixirte, sondern eine durch innere oder äussere Einflüsse bedingte ist, konnte ich, auch abgesehen von dem oben angeführten Falle von Sagittaria, früher in einigen anderen Beispielen nachweisen. Die Keimpflanze von Vicia Faba z. B. bringt zu- nächst sehr einfach gestaltete, sogenannte Priinärblätter hervor, seimppcnartige Gebilde, die sich von den S))äter auftretenden Eaubblättern beträehtlicii unteisclieiden. Es zeigte sieh, dass dieselben Ilennnungsbildungen von Eaub- blättern sind, welche zu Stande konnnen" durch Corrc- lationserscheinungen.*j Man kann dcnigemäss die Bildung . *) Vgl. Lieber die JugendzuBtände dir I'Hiiiizen l'^lora 18«9. dieser sebuppeuförmigen Priniärblätter unterdrücken und die Pflanze nöthigen, statt ihrer Laubblätter oder Zwisehenbildungen zwischen diesen und den Primärblättern hervorzubringen. f^in anderes Beispiel liefert eine neuseeländische Veroniea-Art (V. cupressoides). Dieselbe gleicht, wie der Artuamen besagt, durch ihre seiiup|)cnförmigen, der Sprossoberfläehe auliegenden Blätter einer Cupressinee. Die Verringerung der Blattgrösse ist hier eine Anpassung an trockenes Klima. Die Keim|)flanzcn dagegen besitzen zunächst flache, abstehende, denen anderer Veronica- Arten gleichende Blätter. Es gelang, die Pflanzen durch Cultur in feuchtem Räume zur Aenderung ihrer Blattform zu bringen (Pfl.-biol. Schilderungen I, S. 20), überhaupt begünstigt jeder äussere Factor, welcher von den nor- malen Lebensbedingungen der Pflanze abweicht, die Rückkehr zur Jugeudblattform. Eine solche Rückkehr, also einen Rückschlag zu erzielen, gelang auch bei Hete- ranthera reniformis. Es ist dies eine monokotyle Sumpf- pflanze, welche mit langgestielten, nierenförmigen Blättern versehen ist. Die Keimpflanzen aber bringen, wie die von Sagittaria, zunächst ungegliederte, bandförmige Blätter hervor. Keimpflanzen, welche schon nierenförmige Blätter hervorgebracht hatten, wurden in Sand bei schwacher Beleuchtung cultivirt. Bei einigen derselben, die schwach wuchsen, gelang es, sie zur Rückkehr zur Bildung der bandförmigen Primärblättcr zu nöthigen. Dies kommt in der Natur, sweit bis jetzt Beobachtungen vorliegen, nie vor. Wohl aber habe ich bei einer anderen Ponte- deriacee, bei Eichliornia azurea, einen derartigen, an Seitensprossen auftretenden Rückschlag früher constatiren können (Schilderungen II, S. 288). Ob die verminderte Lichtintensität bei Heterauthera renifornus die Ursache des Rückschlags war, nuiss ich ilahingestellt sein la.sscn, da das ]\laterial ein zu dürftiges war, und wie oben er- wähnt, alle die Vegetation ungünstig beeinflussenden Factoren das Auftreten von Rückschlagsbildungen be- günstigten. Ganz klar und unzweideutig aber waren die Er- gebnisse bei einer dikotylen Pllanze, der Oampanula ro- tundifolia. Fassen wir einen blülienden Spross derselben in das Auge, so zeigt derselbe die Erscheinung der Ileterophyllie darin, dass er beginnt mit der Bildung gestielter Blattei" mit rundlicher Blattspreite, die vom Stiele deutlich ab- gesetzt ist. Diese Blätter stehen an der Basis, sie gehen oft so zeitig zu Grunde, dass sie zur Zeit der Blüthen- cntfaltung nicht mehr nachweisbar sind. Nach oben hin folgen auf diese Blätter solche von ganz anderer Gestalt, sie sind lauzettlich, ohne Differenz von Stiel und Si)reite. Meist fanden sich zwischen beiden Blattformen ganz all- mähliche Uebergänge. Es zeigte sich nun, dass das Auftreten dieser ver- schieden geformten Blätter nicht in der Natur der Pflanze unabänderlich begründet, sondern von äusseren Be- dingungen, speciell von der Lichtintensität abhängig ist. Dies wurde nachgewiesen durch Culturen, die in ver- schiedener Entfernung von einem Südfeuster aufgestellt waren, so dass sie alle verschieden starke Beleuchtung empfingen. Es wurden zu den Culturen in abgeschwächtem Eichte Pflanzen verschiedener Entwickelung gewählt. Dabei zeigte sich Folgendes: 1. Sprosse, die nur die Rundblätter gebildet hatten, fuhren wäinend der ganzen Versuchsdauer fort, solche zu bilden, sie gelangten also nicht zur Bildung der Lang- blätter, sondern wurden, ebenso wie dies früher bei Sa- gittaria veranlasst werden konnte, auf dem Stadium der .Jugendblattform (dem der Primärblätter) zurückgehalten. XI. Nr. 17. Naturwisseuscbaftliche Wochenschrift. 205 Wurden derartige Ptianzen direct an das Fenster ge- stellt, SU entwickelten sie nach einem Monat Langblätter von ganz anderer Form und BliUhen. 2. Haben die bei gendnderteni Liehtzntritt cultivirten Pflanzen an ihrem Ende schon eine ßliitlienknosi)e an- gelegt, so ist dannt das Wachsthum der bctreftenden Sprosse natürlich abgeschlossen. Aber als .Seitensprosse entwickeln sich dann vielfach Triebe, welche Eundblätter tragen. 3. Sprosse, welche zwar schon Langblätter, aber keine Blüthcnknospcn angelegt haben, können hei geminderter Lichtintensität veranlasst werden, an der Spitze wieder Rundblättcr zu iiiiden. Damit ist die normale Blattfolge durch die (.'ulturbedingungen vollständig umgekehrt. Die Abhängigkeit des Auftretens der beiden so sehr verschiedenen Blattformen von der Lichtintensität ist damit hinrciciicnd bewiesen: die Eundblätter treten bei schwachei-, die Langblättcr bei stärkerer Beleuchtung auf Erstere sind auch für Staudorte von geminderter Lichtintensität, wie sie die Keimpflanze z. B. an einem von andern Pflanzen beschatteten Standort vorfindet, besonders ge- eignet, denn sie besitzen in ihrem, seine Waehsthums- fähigkeit lange beibehaltenden Blattstiele ein Organ, das geeignet ist, die BlattS])reite in die günstige Lichtlage zu bringen. Bei den ohnehin durch die S'eriängerung der Sprossreste über die Umgebung emporgehobenen Langblättern ist eine solche Einrichtung überflüssig, während die Schmalheit der Blattspreite sie gegen schädigende Einflüsse von Wind, liegen etc. widerstands- fähiger maclif. Die Frage, ob die Bildung der Rundblätter bei einer Keimpflanze unterdrückt werden könne (wobei dieselbe also sofort I^angblätter hervorbringen würde), wenn die Keimpflanze von Anfang an starker Beleuchtung aus- gesetzt wird, wurde in verneinendem Sinne entschieden. Trotz Anwendung einer sehr starken Lichtquelle (zweier Bogenlampen zu je 2000 Normalkerzen Lichtstärke) bildeten die Keimpflanzen zunächst auch Kundblätter. Dabei ist hervorzuheben, dass es sich nicht etwa nur um Entfaltung von im Samen schon vorliandenen Anlagen von Kundblättern handelte. Dieselben wurden vielmehr, wie die entwickelungsgeschichtlicbe Untersuchung lehrte, thatsächiich bei der Keimung neu gebildet. Dieses erste Auftreten ist also erblich fixirt. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt « unltin : l)er ordtintlicliH Professor der piitliologisi'hen Anatomie in Göttingen Dr. Joliaune.s Ortli znni Gelieimcn Medieinalratli ; der Director der Rostocker Universitäts- Bibliothek Prof. Dr. F. Sc h i rrma eher zum Oberbil)Iiothekar ; Ivustos Dr. A Hofmeister zum ersten, Ivustos Dr. G. Koiifeldt zum zweiten Bibliothekar; der Privatdocent für Phy.sik an der Dresdner technischen Hochschule Dr. I^ockels zum Professor; der Obser- vator der königliclien Kommission für internationale Erdmessung bei der königliehen Akademie der Wissenschaften in Miinclien Dr. Oertel zum Observator an der königlichen Sternwarte da- selbst; der zweite Assistent an der Gussenbauerschen ITniversitiits- Klinik in Wien Dr. Funke zum ersten, Dr.Füderl zum zweiten, Dr. Puppovak zum dritten Assistenten. Berufen wurden: Der ausserordentliche Professor für Land- wirthschaft in Leipzig Dr. Henry Settegast nach Jena als ordentlicher Professor und Nachfolger des Prof. von der Goltz ; der Amanuensis an der Universität Lund Sjöström als Assistent ans chemische I^aboratorium zu Greifswald! Aus dem Lehramt scheidet: Der ordentliche Professor der Landwirthschnft und Direktor der grossberzoglich - laiidwirth- schaftliclien Lehranstalt Hofrath Dr. Freiherr von der Goltz. Es habilitirten sich: Dr. Kolbe aus Grossuuistadt an der Dresdner technischen Hochschule für Chemie; Gyninasialprofessor Sutak in Budapest für Mathematik an der dortigen Universität. Es starben: Der ehemalige Professor für Mathematik und Astronomie an der Universität Tübingen Prof. Dr. Oft erdinger in Ulm; der ehemalige Direktor der chemischen Centralstelle für öffentliche Gesundheitspflege in Dresden Prof. Hugo Fleck; der Director der Bibliothek und des Archivs in Rudolstadt Prof. Bernhard Anomüllor; der Kliniker Constantin Paul in Paris; der Professor der inneren Medicin Senator Dr. Semola in Neapel; der um die wissenschaftliche Erforschung Kubas hoch- verdiente Naturforscher Dr. Johannes Gundlach in Havanna. Verein zur Förderung des Unterrichts in der Mathematik und den Naturwissenschaften. Tagesordnung der Haupt- versammlung zu Elberfeld 1896: Montag, 25. Mai, Abends 8 Uhr: Geselliges Zusammen- sein in den Räumen der Gesellschaft Erholung. — Dienstag, 2(5. Mai, 9 Uhr: Erste allgemeine Sitzung in der Aula des Gym- nasiums. Eröffnung und Begrüssung, geschäftliche Mit' heilungen. 9'/, Uhr: Bericht über die Beziehungen des mathematischen Unterrichts zur Ingenieur - Vorbildung. Berichterstatter: Holz- müller (Hagen i. Westf.) und Schwalbe (Berlin). Discussion im Anschluss an die.sen Bericht. (l.Th.) 11' , Uhr: Sitzungder Abtheilung für Physik in der Aula des Gymnasiums. Adolph (Elberfeld): Physikalische Demonstrationen. Die Methoden der elektrischen Schweissung, Teslaversucho. 3 Uhr: Sitzung der Abthoilungen für Zoologie, Botanik und Geographie im Gebäude des Real- gymnasiums. Wendt und Schölor (Elberfeld): Das Plösslsche elektrische Mikroskop und seine Anwendung im Schulunterricht. Rehfeld (Elberfeld): Die Verwendung des verbesserten Man^'schen Apparats im mathematisch-geographischen Unterricht. Besichti- gung der Räume und Sammhingen des Realgymnasiums (Führer: Herr Director Dr. Börner). — Mittwoch, 27. Mai, 9 Uhr: Zweite allgemeine Sitzung in der Aula des Gymnasiums. .Schotten (Cassel): Üeber die Grenze zwischen Philosophie und Mathematik mit besonderer Berücksichtigung der modernen Raumtheorien. 10 Uhr: Fortsetzung der Discussion über den Bericht von Holz- müller und Schwalbe. 1 1 Uhr: Sitzung der Abtheilung für Phy- sik im Gebäude des Gymnasiums. Looser (Essen): Demonstration des Dift'erentialthermoskops (Neue Versuche). Busch (Arnsberg): Demonstration eines neuen Elektroskops. Pietzkcr (Nordhausen): Bericht über die physikalische Normalsammlung für höhere Schulen. (Unterrichtsblätter für Math. u. Naturw. 1896, No. 2, S. 24 u. fg.) Anschliessend Discussion. -^ Uhr: Sitzung der Ab- theilungen für Matheuuitik und Zoologie im Gebäude des Gym- nasiums. Lenz (Elberfeld): Unterrichtsmittel für den stereo- metrischen Unterricht in U. II. 3'/, Uhr: Richter (Wandsbeck): Ueber die Anwendungen in den arithmetischen und trigonome- trischen Aufgabensammlungen (Physikzimmer). Lenz: Unterrichts- mittel für den Unterricht in der lusectenkunde (Chemiezimmer). Besichtigung der Räume und Sammlungen des Gymnasiums (Führer: Herr Professor Dr. Adolph). — Donnerstag, 28. Mai, 8 LHir: Ilritte allgemeine Sitzung in der Aula des Gymnasiums. Adolph (Elberfeld): Die rheiniscli-westf. Eisenindustrie. 9'/.^ Uhr: Kassenbericht. Wahl von zwei Vorstandsmitgliedern an Stelle der satzungsmässig ausscheidenden (Schsvalbe und Pietzker). Be- stimmung des Orts für die nächste Versammlung. Verhandlungen über etwaige anderweitige Anträge zur Thätigkeit des Vereins. Sonstige geschäftliche Mittheilungen. Anschliessend Sitzung der Abtheilung für Mathematik im Gebäude des Gymnasiums. Bucli- rucker (Elberfeld): Kriti-^che Bemerkungen über die Mathematik an den höheren Schulen. Besichtigung der Räume und Samm- lungen der Realschule in der Nordstadt (Führer: Herr Prof. Buch- rucker). 3 Uhr: Sitzung der Abtheilung für Physik in ilem Gebäude der Oberrealschule. Seilenthin und von Staa (Elberfeld): Neue Art der objectiven Darstellung der Hertz'schen Versuche. Versuche über Röntgensche Strahlen. Besichtigung der Räume und Einrichtungen der Obcrrealschule (Führer: Herr Professor Dr. Seilenthin). Besichtigung von industriellen Werken und öftentlichen An- lagen: Dienstag, 3 Uhr: Kattundruckerei (Schlieper i^ Baum). 5 Uhr: Städtisciies Elektricitätswerk. .Mittwoch, 3 Uhr: Mecha- nische Weberei (Böddinghaus). 5 Uhr: .Stiid tischer Schlaidithof. Donnerstag, 3 Uhr: Farbenfabriken (Bayer). 5 Uhr: .Samudungen des Naturwissenschaftlichen Vereins. 6 lUir: Vorführung von Bewegungsspielen bezw. Besichtigung der Spielplätze der hiesigen höheren Lehranstalten. Ausstellung der Linnaea (Berlin) in den Räumen des Gym- nasiums. Freitag, 29. Mai: Technologische Exciirsionen in gotreiniteu Gruppen nach den grösseren Eisenhüttenwerken des rheinisch- westfälischen Industriebezirks. Es haben sich bereit erklärt, je 20 bis 30 Herren zur Besichtigung zuzulassen: 1. Union (Dort- mund), 2 Gutehoffiuingshütte (Oberhausen), 3. Rheinische Stahl- werke (Ruhrort), 4. Phönix (Kuhrort), 5. Bergwerks- und Hütten- verein Horde (Horde). Friedrich Krupp in Essen ist bereit, 8 bis 10 Herren Zutritt zu gewähren. — Sonnabend, 30. Mai: GesammtausHug luudi Müiigsten —Burg— Remscheider Thalsperre. Das Anmeldebureau wird Montag, 2.1. Mai, Nachmittags 3 bis 10 Uhr und während der .Sitzungen im Sprechzimmer des Gym- nasiums geöffnet sein. Dort liiJgeu die Präsenzliste, ilie Listen 206 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 17. zur Einzeiehnung für die Freitagsexcursionen und den Samstags- ausflug, ferner die Liste für die Theilnalime am Festmahl auf; die Anmeldungen zum Festmahl müssen spätestens bis Montag, Abends 10 Uhr, erfolgen. Beitrittserklärungen und Zahlungen von Jahresbeiträgen (3 M.) werden ebenfalls im Bureau entgegengenommen. Der Vereinsvorstand wird bei der Unterrichtsvorwaltung der einzelnen deutschen Staaten beantragen, dass auch in diesem Jahre wie bisher die Leitungen der höheren Schulen zur Erthei- lung des nothwendigen Urlaubs an die Theilnehmer der Ver- sammlung für die zweite Hälfte der Pfingstwoche ermächtigt werden. Beitrittserklärungen nebst dem Jahresbeiträge von 3 M. nimmt der Vereinsschatzmeister, Oberlehrer Presler (Hannover, Brühl- strasse 9 c), jederzeit entgegen. Elberf'eld, Ostern 189G. Der Vereinsvorstand Der Ortsausschuss Pietzker. Dr. E. Adolph. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Ernst Schaff, Ornithologisches Taschenbuch, für Jäger und Jagdfreunde. Mit 18 vom Verfassfr gezeichneten Abbildungen. Zweite Ausgabe. Neudamm 1896. Verlag von J. Neumann. Preis 2 M. Das Buch haben wir bereits Bd. VI, 1891, S. 276, lobend be- sprochen. Da Veränderungen mit demselben nicht vorgenommen sind, verweisen wir auf das früher Gesagte. o. ö. Prof. Dr. Eduard Strasburger, Privatdocenten Dr. Fritz NoU, Dr. Heinrich Schenck unil a. o. Dr. A. F. W. Schimper, Iiehrbuch der Botanik für Hochschulen. Zweite umgearbeitete Auflage. Mit 594 zum Theil farbigen Abbildungen. Gustav Fischer. Jona 1895. — Preis 6,50 Mk. Wir haben die 1891 erschienene 1. Auflage des guten vor- liegenden Lehrbuches erst Band X, Nr. 30, S. 366 besprochen, heute können wir schon eine neue Auflage anzeigen. Die Ver- fasser haben die neuesten litterarischen Erscheinungen in der- selben berücksichtigt und sich bemüht, so weit es der Standpunkt der Verfasser gestattete, Gesichtspunkte zur Geltung bringen zu helfen, die die Schwi'ndener'sche Schule beherrschen. Erfreulich ist für den Referenten die Wahrnehmung, dass auch in dem Buche die Anerkennung der Wichtigkeit einer zweckmässigen Termino- logie, gut definirter Begriffe zum Ausdruck konunt. So wird in der neuen Auflage z. B. — wenn auch zunächst noch etwas neben- bei — von „Blüthen" der Eijuisetinen (S. 363) und der Lycopo- dinen (S. 366) gesprochen, eine Anwendung, die auf Grund unserer Kenntnisse längst Gebrauch sein sollte, für die der Unterzeichnete nicht nur in der „Naturw. Wochenschr." VHI, Nr. 47, S. 517 ft". in einem besonderen Artikel eine Lanze gebrochen hat, sondern die er auch stricte in der S.Auflage seiner „Elemente der Botanik" (Berlin 1894) bei den Pteridophyten, wo es nöthig war, durchge- führt hat. Schade, dass in dem vorliegenden Buch nicht z. B. auch für die Pteridophyten die schlechte Zusammenfassung mit den Thallophyten als „Kryptogamen" gefallen ist; in diesem Falle handelt es sich ebenso wie bei der erweiterten Anwendung des Begriffes „Blüthe" um eine neue Erkenntnis», die durch Aus- merzung einer alten Bezeichnung an hervorragenden Stellen zum Ausdruck kommen sollte. Es ist erfreulich, dass die Pflanzen- palaeontologie — wenn auch auf ausserordentlich geringem Raum in ein Paar gar zu dürftigen Notizen — Berücksichtigung gefunden hat Ich kann nicht unterlassen mit Bedauern zu vermerken, dass die Hauptdaten aus dieser Disciplin der ganz überwiegenden Mehr- zahl der Hotaiiiker ja unbekannt sind, und bei dieser ungerecht- fertigten allgemeinen Kcnntnisslosigkeit ist es nicht zu verwundern, wenn die Botanik von dem Nutzen keinen Vortheil zieht, welche die Erkenntnisse auf dem Gebiete der Palaeophytologie namentlich für den Au.sbau des Systems und die Erweiterung wichtiger Gesichts- punkte bilden. Da aber die letztgenannte Disciplin ganz allgemein in gleicher Weise wegkommt, kann in dem Gesagten kaum ein Tadel für das vorliegende Buch gefunden werden. Ausstellungen kann der Fachmann und der Specialist an jedem Lehrbuch machen : so lange nicht Götter,! sondern Menschen die Verfasser sind, wird'.s so bleiben. Die Neu-Auflago ist äusserlich ebenso umfangreich wie die erste; bringt aber statt 577 nunmehr 694, wieder zum Theil far- bige Text-Abbildungen in guter Ausführung. Die umsichtige Verlagshandlung hat trotzdem den Preis von 7 Mk. auf 6,.jO Mk. herabgesetzt. P. Carl Joseph Steiner, Das Mineralreich nach seiner Stellung in Mythologie und Volksglauben, in Sitte und Sage, in Ge- echichte und Litteratur, im Sprichwort und Volksfest. Kulturgeschichtliche Streifzüge. E. F. Thienemann in Gotha 1895. — Preis 2,40 Mk. Das Buch ist weniger umfangreich als die dem demselben entsprechenden über die Thierwelt desselben Verfassers und über die Pflanzen von Reling und Bohnhorst, das besonders empfehlens- werth ist. Es umfasst nur 142 Seiten und doch hat der Verfasser, scheint's, kaum Wichtiges übersehen und erzählt allerhand Volks- thümliches über die wichtigsten Mineralien. Die fleissigo Zu- sammenstellung kann daher wohl empfohlen werden. Dass hier und da einige Unklarheiten und Ungenauigkeiten mit unterlaufen, kann billig dem Werth der Arbeit im Ganzen keinen Abbruch thun. Bei einer Zusammenstellung wie der vorliegenden ist Vieles aus den mannigfachsten Gebieten zu berücksichtigen, die niemand gleichmässig beherrschen kann, sodass auch bei gewissenhaftester Arbeit einige Missverständnisse und Unklarheiten kaum ganz zu vermeiden sind. Bei Erwähnung der „Bonifaciuspfennigc" z. B. (vergl. Naturw. Wochenschr. X, S. 296) sagt Verf.: „Es sind dies . . . Schalthierversteinerungen, unter denen die Enkrinitcn von Seesternen besonders merkwürdig sind." Prof. Dr. Rudolf Wolf, Taschenbuch für Mathematik, Physik, Geodäsie und Astronomie. Sechste, durch l'rof. A. Wdifcr, Director der eidg. Sternwarte in Zürich, vollendete Auflage. Mit 32 Tabellen und vielen Holzschnitten. Zürich, FriMdrich Schulthess. 1895. — Preis 6 M. Dies eigenartige, zuerst 1852 erschienene Buch kann jedem, der mit Formeln und Tabellen eines der im Titel genannten Wissensgebiete zu thun hat, nur aufs angelegentlichste empfohlen werden. Es ist staunenswerth, wie der Verfasser es verstanden hat, alles Wisscnswerthe der genannten Gebiete in knappster Form auf noch nicht 400 Seiten zu präsentiren. Wenn man natürlich auch das Werk nicht als Lehrbuch betrachten kann, so giebt es doch dem einigermaassen mit den Gegenständen Vertrauten ein präch- tiges Repetitionsmittel an die Hand und ist ihm ein schätzbares Nachschlagebuch. Von der ungeheuren Mannigfaltigkeit mögen nur die Capitel- titel des Abschnitts „Arithmetik" ein ungefähres Bild geben. 1. Einleitung. 2. Die arithmetischen Operationen. 3. Die Gleichun- gen und Proportionen. 4. Die Progressionen und Kettenbrüche. 5. Die Combinationslehre und Wahrscheinlichkeitsrechnung. 6. Der binomische Lehrsatz. 7. Die Lehre von den Reihen. 8. Die Dift'ercntial- und Integralrechninig. Die wichtigsten Sätze und Formeln all dieser Disciplinen sind auf 37 Octav-Seiten zu- sammengepresst und zwar in recht übersichtlicher Form. Von den 38 Tabellen am Ende des Buches seien nur einige hervorgehoben, um einen Begriff von der Nützlichkeit und Viel- seitigkeit des Werkes zu geben: Reductionstafel für Maasse und Gewichte; Quadi-attafel (1— lOOO); Mortalitätstafel; Hülfstafel für Zinseszinsrechnung; Vierstellige gemeine Logarithmen (1— 10(X)); Zehnstellige natürliche und gemeine Logarithmen (1-100); Tri- gonometrische Tafeln und hyperbolische Functionen; Physikalische Tafel; Tafel für Wasserdanipf ; Ortstafel; Deklination und Radius der Sonne; Zeittafel; Spectraltafel; Planeten und Kometentafel; Sterntafel; Veränderliche und neue Sterne; Gregorianischer, rö- mischer und französischer Kalender; Statistische Tafel; Historisch- litterarische Tafel. Wenn das Werk auch für ein „Taschenbuch' noch zu um- fangreich ist, so ist es doch ein Handbuch par excellencc. H. M. Aime Witz, Docteur es Sciences Ingenieur des Arts et Manufaetures, Professeur au.\ Facultes Cliatholi(|ui's de Lille. L'6cole pratique de physique. Cours elementaire de mani- pulations de physique, a l'usage des candidats aux ecolcs et ,iu certiticat des ctudes physiques et naturolles. Deuxiemc edition. Revue et augmentee. — Avec 77 figures. — Librairio Gauthier-Villars et lils ä Paris. 1895. — Prix 5 fr. Das Buch giebt eine gediegene Anleitung zur Anfertigung und Handhabung der physikalischen Apjiarate mit der Absicht, gleichzeitig Experimentalphysik zu treiben. Die einzelnen Ab- schnitte beginnen mit einer theoretischen Einleitung, sodann folgt Beschreibung der Instrumente und ihre Handhabung und eine Darstellung der Resultate und Anwendungen. Das vorliegende Buch ist für Anfänger bestimmt und für solche ausserordentlich geeignet. Es ist klar geschrieben und auch die Figuren sind durchaus klar in allen gebotenen Details. A. SchtUke, Vierstellige Logarithmentafeln nebst mathema- tischen, physikalischen und astronomischen Tabellen. Ver- lag von A. G. Teiihner, Leipzig 1895. — Preis 60 Pf. Der gewählte Zitfernschnitt dieser für den Schulgebraucli zusammengestellten Tafeln hat unseren Beifall, ebenso die Anord- nung der Zahlen auf den Seiten. Bemerkt werden mag noch, dass der Grad decimal getheilt ist und die Wiukelminuten und XI. Nr. 17. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 207 secuiiilen nicht vorkomiiii3n. Es entspriclit dies z. Tli. eiiu'iii Wunsche, den wir sclion geäussert liuben ; doch es ist dies nur ein halber Schritt zum Uebergang zur Decimaltheilung des Qua- dranten, welche grösstentheils mit Rücksicht auf die kostbaren astronomischen Instrumente noch nicht zur allgemeinen Einfüh- rung gebracht werden konnte. Proportionaltafeln sind nicht an- gegeben worilen. Reichhaltig sind die beigegebenen Tabellen. Am Schluss der kleinen Schrift befindet sich eine geometrische Darstellung der Logarithmen, d. h. eine Darstellung der Zuord- nung einer geometr'achen Reihe zu einer arithmetischen. Der Druck ist ausgezeichnet. G. Prof. Giuseppe Veronese, Grundzüge der Geometrie von meh- reren Dimensionen und mehreren Arten geradliniger Ein- heiten in elementarer Form entwickelt. Mit Genehmigung des Verfassers nach einer neuen Bearbeitung des Originals übersetzt von Adolf Sehepp, Premierlieutenant a. D. B. G. Teubner in Leipzig. 1894. — Preis 20 M. Das umfangreiche Werk (Gross Octav, XLVI und 710 Seiten) ist — wie der Herr Uebersetzer mit Recht sagt — wohl das erste, das streng synthetisch, ohni' Rechnung und in voller All- gemeinheit die Geometrie von den ersten Grundlagen an aufbaut. Es sind zum Verstiindniss des Bandes also keine mathematischen Vorkenntnisse nöthig. Es ist dalier trefflich namentlich für den Selbstunterricht geeignet. Wer aber nicht am Gegenstande selber Interesse hat, sondern nur ein bestimmtes Quantum Wissen zu einem rein praktischen Zweck sich zu beschaffen bemüht ist, wird freilich seine Rechnung nicht genügend durch das Studium des Buches finden, weil es das am Gegenstande Interessanteste, das Allgemeine, Principielle in erster Linie berücksichtigt. Das Buch ist bestimmt in elementarer Weise darzuthun „wie die Geometrie der Räume von mehr als ü Dimensionen als reine Wissenschaft vollkommen analog derjenigen der Ebene und des gewöhnlichen Raumi's entwickelt werden kann." In einem Anhang bringt der Verf. historisch-kritische L^nter- suchnngen über die Principien der Geometrie. Zeitschrift für angewandte Mikroskopie. Mit besonderer Rücksicht auf die mikroskopischen Untersuchungen von Nahrungs- nnd Genussmitteln, Technischen Producten, Krankheitsstoft'en etc. etc. Herausgegeben von G. Marpmann. Erster Bd. April LSStö bis März 1896. Verlag von Gebrüder Bornträger. Berlin W. 1895 bis 189G. — Preis 10 M. — In Bd. X (1895) No. 24, S. 290 haben wir über die neue Zeilschrift eine kurze Anzeige gebracht. Nun- mehr liegt ein vollständiger Band vor, sodass sich Ausführlicheres sagen lässt. Durch den Ankauf des genannten Verlages von Seiten der Firma „Robert Thost" in Leipzig hat eine Aenderung der Verlagsbezeichnung stattgefunden. Die Redaction führt die Zeitschrift u. a. mit der Begrün- dung ein: Sie wolle dem Beuürfniss derjenigen Naturforscher und Lieb- haber entsprechen, die nicht gerade Bcrufsmikroskopiker sind. Jeder Arzt, Apotheker, Chemiker, Lehrer, Techniker etc. gebraucht von Zeit zu Zeit einmal das Mikroskop für seine Berufsarbeiten; mancher Specialforscher auf dem Gebiete der niederen und höhe- ren Organismen bearbeitet die Mikroskopie theils als Liebhaberei, theils als Erwerbsquelle, und wie diese Forseher ihre Erfahrungen und Arbeitsmethoden ihrem eigenen Gebiete anpassen, so suchen sie die Erfalirungen anderer sich bekannt zu machen und ihre Methoden zu vervollkommnen. Diesen Anforderungen soll die Zeitschrift dienen, also der i)raktischen Anfertigung, Unter- suchung und Erkennung des mikroskopischen Prä]iarats und der Anwendung dieses Präparats für die Begutachtung. Den Haupt- Nachdruck legt die Zeitschrift auf Referate, die in grosser Zahl aus dem Gesammtgebiet der Mikroskopie gebracht werden und die vielfach auch den Naturforscher anderer Disciplin interessiren und mit den neuesten Forschungen bekannt machen. Von Original-Mittheilungen bringt der Band die folgenden: Scenedesmus Opoliensis P. Rieht, nov. sp. Von Paul Richter. — Unsere modernen Einsclilussmittel. Von G. Marpmann. — Verfahren zur Fixirung von Sporen, Pollen etc. für Glycerin und wässerigen Einschluss. Von Hugo Reich elt. — Nachweis von gefärbter Wurst auf mikroskopischem Wege. Von G. Marp- mann — Beiträge zur Theorie und Technik des Mikroskops. Von Dr. Th. Marsson. — Ein einfaches Mittel, die Keimsporen in der Sporenmembran der Rostpilzo deutlich sichtbar zu machen. Dr. Dietel. - Die bacteriologisehe Fleischbeschau. Dr. Morsy. — Eine neue Mappe zum Sammeln und Aufbewahren der mikro- skopischen Präparate. — Mikroskope und deren wichtigste Neben- apparate für krystallographiseho und petrograpbi.sche Unter- suchungen. Von C. Leiss. — Untersuchung der Haut und ihrer Producte auf Entophyten und thierischo Schmarotzer. F. Becker. — Die Celloidin lösenden Oele. Marpmann. — Ueber das Ge- wicht und die Anzahl mikroskopischer Lebewesen in Binnenseen, Von Dr. O. Zacharias. — Eine neue Methode der Blutkörper- chenzählung. Von F. Donieny. — Neuer Sterilisator zur schnellen Erzeugung strömenden Wasserdampfes. — Zählidattc für Petrischo Cultursehalen. — Prqjectionsoculare von Carl Zeiss. — Das Sammeln und Präpariren der freilebenden Neniathel- minthen, Nematoden oder Rundwürmer. Mar]) mann. — Eine einfache photographische Camera für Mikroskope. C. Leiss. — Ueber die Frühjahrsvegetation limnetischer Bacillariaceen im G. Plöner .See. Von Dr. C)t to Zacharias. — Neue Einbettungs- methoden. Von G. Marpmann. — Das Photographiren von Gesteins -Dünnschliffen. Von C. Oetling. — Ueber Schimmel und die Präparation der Schimmelpilze. Von tJ. Marpmann. Edelsteine auf der Strasse. Von Reinisch. — Experimentelle Untersuchungen über die vermeintliche Umbildung des Aspergillus oryzae in einen Saccliaromyceten. Von A. Klöcker und IL .Schiönning. — Ueber die neuen mikroskopischen Apparate. Marpmann. — Methoden zur Untersuchung und Färbung der lebenden und abgestorbenen Zollen und Gewebe. Von G. Marp- mann. — Vergleichende Untersuchung der Gespinnstfasern. I. Von Dr. L. Daub. — Beiträge zur mikroskopischen Untersuchung von Mehlproben. Dr. Lange. Ausser diesen zum Theil freilich sehr kurzen, zahlreichen (!)riginal-Mittheilungeu werden also eine Unmenge Heferate ge- bracht. Ferner sind noch die Rubriken: \. Prakti.-che Notizen, 2. Zur Besprechung eingegangene Bücher, 3. Neue Litteratur, 4 Neu eingegangene Preislisten, b. Liste für Tauschgesuch und Angebot, 6. Vereinsnaehrichten, 7 Personalien, 8. Briefkasten vorhanden, sodass die Zeitschrift in der That dem Mikroskopikcr viele Anregungen, Belehrungen und Auskünfte ertheilt. die für ihn wichtig sind; sie ist gut redigirt und bei der Fülle des Stoffs durchaus zu empfohlen. Die Zeitschrift erscheint alluionallich in Heften von ca. 2 Druckbogen. Schliesslich sei noch hinzugefügt, das reichliche Illustrationen gebracht werden und in Verbindung mit der Zeitschrift ein „Lexikon der angewandten Mikro.^kojiie" herausgegeben wird, von dem in jedem vierten Heft ein Bogen zur Ausgabe gelangt. Briefkasten. Hr. Prof. H. — Eine allgemeine Uebersicht über die Pro- jeetions-Metlioden der Krystallo giebt es nicht. Von Special- Arbeiten sind die folgenden die Wichtigsten: 1. Qiienstedt: Methoden der Krystallographie, 1840. uenstedt: Handbuch der Mineralogie. 2. C. Kloin: Krystallberechnung. 187ti. 3. Neu- mann: Beiträge zur Krystallonomie, 1823. 4. Miller: A treatise on Crystallography, 1839. Dasselbe, übersetzt und bearbeitet von Gi-ailith." Wien 185ö. 6. Groth: Physikalische Krystallo- graphie. 7. Websky: Ueber Neumann'sche Projection in den Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften. Jahr? E. Hr. Dr. O. — Von Dr. L. Rabenhorst's Kry p togamcn- Flora (2. Aufl. Verlag von Eduard Kummer in Leipzig) ist seit unserer letzten Besprechung Bd. X, S. 391, erst nur eine weitere Lieferung (Lief. 27) erschienen, Sie bringt den Anfang der Hypnaccen. Wir benutzen die Gelegenheit, die erwähnte Be- sprechung dahin zu corrigiren, dass mit dem dort angezeigten Bd. IV keineswegs die Laubmoose abgeschlossen sind. Die 1. Ab- theilung dieses Bandes enthielt die Sphagnaceen, Andreaeaeeen, Archidiaceen und den Anfang der grossen Grupiie der Bryineen, die 2. Abth den Schluss dieser Gruppe. Lief. 27 bringt den Anfang der Hypnaceen. Inhalt: Dr. P. Graebner, Klima und Heide in Norddeutsehland. — Dii' Funktion des Magens. — Die Bruträume der Waben- kröte. — Die Verwendung der Blausäure als Nahrungsmittel, — Verfärbung von Pilzen nach Verwundungen. — Ueber die Abhängigkeit der Blattform von Campanula rotundifoli.ä von der Lichtintensilät. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteralur: Dr. Ernst Schaff, Ornithologisches Taschenbuch für Jäger und .lagdfreunde. — o. ö. Prof. llr. Eduard Strasburger, Privat- docenten Dr. Fritz Noll, Dr. Heinrich Schenck und a. o. Dr. A. F. W. Schimper, Lehrbuch der Botanik für Hochschulen. — Carl Joseph Steiner, Das jMineralreich nach seiner Stellung in Mvthologie und \olksglauben, in Sitte und Sage, in Gescliichto und Litteratur, im Sprichwort und Volksfest. — Prof, Dr. Rudo'lf Wolf, Taschenbuch für M.-ithematik. Physik, Geodii^sie und Astronotnie. — M. Aime Witz, L'ecole pratique de physique. Cours clementaire de manipulations de Physi'que. — A. Schülke, Vierstellige Logarithmentafeln nebst mathematischen, phvsikalischen und astronomischen Tabellen. — Prof. Giuseppe Veronese, Grundzüge der Geometrie von mehreren Dimensionen und mehreren Arten gradliniger Einheiten in elementarer Form entwickelt. — Zeitschrift für angewandte Mikroskopie. — Briefkasten. 208 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 17. Röhren für JEK«»sa-«$ä^^sa_- Strahlen. 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Dümmlers Verlacsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12 liu-o Redaktion: f Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dürmnlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XL Band. Sonntag, den 3. Mai 1896. Nr. 18. Abonnement: Man abonnirt bei allen BuchhandlunRen und Post- IC Inserate : Die viergespaltene Petitzelle 40 ^. Grössere AufträRe ent- instalten. wie bei der Expeditton. üer Vierteljahrspreis ist M 4.— e)E> sprechenden Rabatt. Beilagen nach Debereinkunft. Inaeratenannahme Bringegeld bei der Post 15 -J extra. Postzeitungsliste Nr. 4827. Jl- bei allen Annoncenbureaui wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger (Quellenangabe gestattet. Unser tägliches Zeitmaass. Von Fr. Adami in Bayreuth. Wenn unsere Abc-Schützen, die Schiefertafel mit ge- heimnissvoilen Zeichen vollgeschrieben nud den Kopf voll loser Streiche, in den ersten Wochen des Monates Januar ihren Weisheitstenipeln zueilen, drängen sich ihnen ge- rechte Zweifel an der Wahrheit der iiinen von den Priestern der Wissenschaft mitgetheilten Lehren auf. War ihnen doch gesagt worden, dass am 21. De- zember der Tag am kürzesten und die Nacht am längsten sei, und dass vom 21. Dezember ab die Tageslänge wieder zunehme. Kopfschüttelnd beobachten jedoch die angehenden Astronomen, dass jeden Morgen die gleiche Dunkelheit herrscht, und dass nur ein ungenügendes Däm- merlicht ihnen bei der Einsaugung der Wissenschaft in den philosophischen Hallen leuchtet. Allerdings merken die kleinen Kamjifhähne nach Schluss des Nachmittagsunterrichtes, dass es jetzt etwas länger Tag bleibt, und dass ihnen daher Gelegenheit gegeben ist, länger auf dem Heimweg zu ihren Penaten ver- weilen und männermordende Schlachten in grösserem Stile liefern zu können. Aber auch viele Erwachsene, die diesen Widerspruch der Theorie und Praxis mit den beiden Schlagwörtern: „Zeitgleichung" und „Mitteleuropäische Zeit" (abgekürzt: M. E. Z.) zu lösen wissen, werden, wenn man ihnen etwas auf den Zahn fühlt, sich sagen müssen, dass sie diesen Zwiespalt doch nicht zu ihrer vollen Befriedigung erklären können. Die Ursache hiervon liegt darin, dass man nicht ge- wohnt ist, den Schwerpunkt der eigentlichen Frage scharf ins Auge zu fassen und den Kern aus der umhüllenden Schale zu nehmen, wozu folgende einfache 15etrach- wird dabei, Fig. 1. Maassstab 1:8 tungen verhelfen sollen; vorausgesetzt dass kleine Zeit- und Wegstrecken (z. B. Secunden, Meter) der besseren Uebersichtlichkeit halber im nach- stehenden vernachlässigt bleiben. Bekanntlich soll der Kaiser Karl V., in dessen Reich die Sonne nicht unterging, in seinen alten Tagen daran verzweifelt sein, zwei Uhren zu construiren, die im Stande waren, beide genau denselben Gang einzuhalten. In uuserm Zeitalter der Elektrizität verursacht es nicht die geringste Schwierigkeit, sogar sämmtliche Zimmerpendel- uhreu einer grossen Stadt zu zwingen, genau dieselbe Zeit anzugeben, wobei das Schwingen der Pendel im luftver- dünnten Eaum sich als sehr vortheilhaft erwiesen hat. Aber auch ohne Anwendung der Elektrizität ist die Präzisionsmechanik heutzutage bereits soweit vorgeschritten, dass, wenn ein Uhrmacher zwölf Uhren besitzt und er bei elf derselben einen vollständig übereinstimmenden Gang be- obachtet, während die zwölfte Ab- weichungen von dem Gang der ül)ngen zeigt, der Uhrmacher sicher annimmt, dass die zwölfte falsch geht und die elf anderen richtig gehen. Schwerlich wird dem Uhrmacher in den Sinn kommen, die eine Uhr als richtig gehend anzusehen und den Gang der übrigen elf als falsch zu bezeichnen, weil eben nicht alle elf Uhren denselben Fehler haben können. Wonach richtet aber der Uhrmacher die elf Uhren und mit welcher Normaluhr vergleicht er dieselben? Mit den Uhren, die auf einer sind. Woher nehmen aber Zeit, und wer garantiil richtig gehen? Sternwarte aufgestellt nun die Astronomen die richtige ilincii. dass gerade ihre Uhren 210 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 18. Dies besorgt der grosse Welteumeister, der tiiglich einmal das ganze Himmeisgewölbe scheinbar imi die Erde dreht. — Um sich von dieser scheinbaren Dreliung des Himmelsgewölbes in sehr einfacher Weise zu überzeugen, benützt man den neben abgebildeten Apparat (Fig. 1), der schon den alten Aegyptern bekannt war und denNameuGnomou trägt. Auf einen Zeiehenbogen mache man 20 bis 30 coneentrischc Kreise, befestige den Zeichenbogen auf einem Tisch und stecke in den Mittel- punkt der Kreise genau senkrecht eine 5 cm lange kräf- tige Nähnadel, die oben ein daumeunagelgrosses, dünnes Stück Blech unter einem Winkel von ungefähr 50" trägt. In die Mitte dieses Blechstückchens hat man zuvor mit der Nähnadel ein kleines Loch gemacht. Jlan stellt jetzt den Tisch mit dieser Vorrichtung an einem Tage, an welchem die Sonne scheint, Morgens gegen 7 Uhr ins Freie, annähernd gegen Süden gerichtet, aber in der Weise, dass der Tisch unverrUckt stehen bleibt, wenn er mittelst einer Wasserwage horizontal gestellt ist, und so, dass er den ganzen Tag von der Sonne beschienen werden kann. Nun sieht man, dass die Sonne durch das kleine Loch scheint, und dass auf dem Zeichenpapier ein heller Fleck entsteht. Dieser Fleck bewegt sieh in den ersten Vor- mittags- und den späteren Nachmittagsstunden so schnell, dass man seine Bewegung mit dem freien Auge verfolgen kann, während zur Mittagszeit seine Bewegung eine lang- samere ist. So oft nun der helle Fleck auf eine der ge- zeichneten Kreisperipherien fällt, macht man mit einem Stift einem Punkt in den hellen Fleck und setzt dieses Verfahren bis gegen 5 Uhr Nachmittags fort. Hierauf verbindet man mit einem Lineal immer zwei auf ein und derselben Kreisperipherie markirten Punkte durch eine Gerade und halbirt jede so erhaltene Strecke. Die Halbirungspunkte aller dieser Strecken verbindet man mit dem Mittelpunkt der Kreise, nachdem man die Näh- nadel entfernt hat, durch gerade Linien und man sieht jetzt, dass alle diese Verbindungslinien zusammenfallen. Spannt man eine 5 bis 6 m lange Schnur über diese auf einander liegenden Verbindungslinien, so bezeichnet diese Schnur den astronomischen Meridian, den man ein für allemal durch zwei Pfähle oder durch einen Strich auf dem Erdboden tixiren kann. Der Punkt, in welchem die Schnur den Horizont nach Süden zu trifft, heisst Südpunkt, der auf der entgegen- gesetzten Seite des Horizontes und der Schnur liegende Punkt heisst Nordpunkt, die Schnur selbst heisst die Nord-Süd-Linie oder Meridian. Eine im Mittelpunkt der Kreise auf die Nordsüdlinie ge- zogene Senkrechte giebt auf dem Horizont, wenn man nach Süden schaut, links den Ostpunkt und rechts den West- punkt. — Man muss diese einfache Beobachtung, die ohne die geringsten Kosten von jedem nur einigermaassen aufgeweckten Jungen angestellt werden kann, einmal ge- macht haben, um sich jeder Zeit mit der grössten Befrie- digung wieder daran zu erinnern. Die astronomischen Methoden zur Meridianbestimmung bleiben hier unerwähnt. Auf jeder Sternwarte befindet sich nun ein in der Ebene des l\Ieridians aufgestelltes Fernrohr, welches Meridian- oder Passage- Instrument genannt wird, und das in der Meridianebene auf- und abbewegt werden kann. Sieht jetzt der Astronom einen Fi.\stern vor dem Fadenkreuz seines Meridianinstruinentes vorübergehen, und er beobachtet alle 'l'agc das Vorübergehen desselben Sternes vor dem Fadenkreuze seines Fernrohres, so wird es ihm nie gelingen, einen Zeitunterschied zwischen je zwei unmittelbar auf einander folgenden Durchgängen eines und desselben Sternes durch den Meridian zu entdecken. Unsere feinsten Zeit- messinstrumente haben bis jetzt noch nicht die geringste DitFerenz zwischen zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Durchgängen eines und desselben Sternes durch den Meridian erkennen lassen, und weil wir mit unseren Uhren keine Unregelmässigkeit der Weltuhr verzeichnen können, so sind wir gezwungen, die Weltuhr als die Normaluhr anzusehen. Den Zeitraum zwischen zwei unmittelbar auf einander folgenden Durchgängen eines und desselben Sternes durch den Meridian nennt man einen Sterntag und theilt ihn in 2-1: Stunden ein, die von 1 — 24 gezählt werden. In Wirklichkeit dreht sich alier nicht das Himmels- gewölbe um die Erde, sondern bekanntlich die Erde in der Richtung von West nach Süd um ihre Achse, wodurch jedoch die gleiche Wirkung hervorgebracht wird. Wann beginnt nun der Sterntag? Man könnte den Sterntag in dem Momente 1)eginnen lassen, in welchem irgend ein beliebiger Fixstern durch den ]\Ieridian geht; man hat jedoch den Beginn des Sterntages auf den Moment festgesetzt, wo der Punkt des Hinnnels, an welchem wir am ^littag des 20. Jlärz die Sonne erblicken, durch das Fadenkreuz des Meridian- instrumentes geht. Dieser Punkt des Himmels heisst der Frühlingspunkt. Da der Frühlingspunkt ein Punkt des Himmels ist, so geht er im Osten auf und im Westen unter. Der Frühlingspunkt ist der einzige Punkt des Himmels, der das ganze Jahr hindurch genau im Ostpunkt auf- und im Westpunkt untergeht. Folglich muss er für Orte, die weiter von uns gegen Osten liegen, schon aufgegangen sein, ehe er bei uns aufgeht. Er wird darum auch für östlich gelegene Orte früher durch den Meridian gehen als bei uns, oder die Sternzeit anzeigenden Uhren der östlich von uns gelegenen Orte gehen früher als unsere Uhren. Reisen wir im mittleren Bayern 72 km nach Osten, so gelangen wir an einen Ort, an welchem der Frühlings- punkt 4 Minuten früher durch den !\Ieridian geht als bei uns; an einem Orte, der 2-'i2 = 144 km von uns gegen Osten liegt, geht der Frühlingspunkt 2-4 = 8 Minuten früher durch den Meridian als bei uns u. s. w. An Orten, die westlich von uns liegen, geht der Frühlingspunkt in gleicher Weise später durch den Meridian, als dies bei uns der Fall ist. Warum benützt man nun aber nielit die Sternzeit, die allein uns nur ein absolut unveränderliches Zeitmaass liefert, zur Eintheilung unserer Zeit? Beobachtet man vom 20. März ab längere Zeit den Himmel, so findet man, dass die Sonne jeden Jlittag um zwei Sonnenseheibenbreiten weiter nach Osten sich vom Frühlingspunkt entfernt hat und bis zum 21. Juni zugleich höher gestiegen ist. In Folge dieser Bewegung nach Osten geht daher die Sonne, da sie links vom Frühlings- punkte steht, jeden Tag um weitere vier Minuten später durch das Fadenkreuz des Meridianinstrumentes als der Frühlingspunkt, oder der Frühlingspunkt geht früher durch den Meridian als die Sonne. So geht am 21. Juni der Frühlingspunkt schon um 6 Uhr Morgens durch den Meridian, und wenn man an diesem Tage Mittags 12 Uhr nach Westen schaut, so sieht man den Frühlingspunkt genau im Westpunkt unter- gehen. Am 2.S. September geht der Früh!ings])unkt Nachts um 12 Uhr durch den Meridian. Ein Beobachter, der am 21. Dezember, Mittags 12 Uhr, nach Osten blickt, sieht um diese Zeit den Frühlingspunkt genau im Ostpunkt aufgehen, und der Frühlingspunkt geht am 21. December, Abends G Uhr, durch den Meridian. Es würde daher der Beginn unseres Tages bald auf XI. Nr. 18. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 211 Beginn des Sterntages am 20. März n V Tl )) V !) den Vormittag, bald auf den Nachmittag, bald vor die Zeit vor Mitternacht, bald auf die Zeit nach ^Mitternaclit fallen, wie aus folgender kleiner Tabelle ersichtlich ist: . 12 Uhr Mittags, 21. Juni ... 6 „ Morgens, 23. September 12 „ Nachts, 21. Deccmber 6 „ Abends. Dass durch eine solche Eintheilung für das bürger- liche Leben, das sich doch ausschliesslich nach der Sonne richten muss, eine heillose Verwirrung entstehen müsste, ist ohne Weiteres klar. Wenn es uus einmal gelungen ist, durch das elektrische Licht die Schatten der Nacht vollständig zu verscheuchen und nach dem Verschwinden der Sonne unter dem Horizont die gleiche Helligkeit auf der ganzen Erde zu erzeugen, wie wenn die Sonne am Himmel steht, wird auch kein Hinderniss mehr i)estelien, ausschliesslich nach Sternzeit zu rechnen. Allein, wie die Dinge jetzt liegen, müssen wir uns damit begnügen, die Eintheilung der Zeit so zu treffen, dass sich diese Ein- theilung nach dem Stand der Sonne richtet. Nun wäre es angezeigt, den Beginn des Tages auf den Jlomeut festzusetzen, wo die Sonne 'am höchsten steht, und in der That ist diese Uebung nach dem Vorgang des ägyptischen Astronomen Ptolcmäus auch bei den Astronomen im Gebranch, welche den Anfang des „astronomi- schen Sonnentages'- auf den Zeit- punkt verlegen, wo der Mittelpunkt ^ der Sonne durch das Fadenkreuz des e Meridianinstrumentes geht. Ausserdem "^ [zählen die Astronomen die Stunden t von 1 — 24 und nicht, wie es im bürger- ^ liehen Leben geschieht, von 1 — 12. Wollte man jedoch den Anfang des InirgerlichenTages auch auf den JMittag verlegen, so würden sich gewisse Schwierigkeiten ergeben. Man müsste sich zum Beispiel dann merken, dass die Schlacht bei Sedan am 31. Augu,st 1870 um 16 Uhr begann und am 1. September um 6 Uhr mit dem voll- ständigen Sieg der Deutschen endete. Unsere Kinder gingen dann am 17. Januar um 20 Uhr zur Schule, kämen aus derselben am 18. Januar um 0 Uhr zum Mittagtische nach Hause, um 2 Stunden später am 18. Januar um 2 Uhr neuerdings die bloss zur Ferienzeit gepriesenen Hallen aufzusuchen. Alle unsere Arbeiten während der Tageszeit würden sich daher auf zwei ver- schiedene Daten vertheilen, und um diesen Uebelstaud zu vermeiden, hat man im bürgerlichen Leben den Anfang eines Tages auf Mitternacht festgesetzt. Die Arbeitszeit des Astronomen ist aber vorzugsweise die Nacht; wollte der Astronom nach bürgerlicher Zeit rechnen, so würden sich seine Beobachtungen und Auf- schreibungen auf zwei verschiedene Tage vertheilen, und deshalb ist die von den Astronomen eingeführte Tages- eintheilung für ihre Zwecke vortheilhafter. Es würde aber durchaus zweckmässig sein, die Zählweise der Astronomen von 1 — 24 auch im bürgerlichen Leben an- zuwenden, weil dadurch der Unterschied zwischen Vor- mittag und Vormitternacht, Nachmittag und Nachmitter- nacht wegfiele, was besonders dem heutzutage so sehr entwickelten Eisenbahnverkehr zu Gute käme. Man denke nur an die Herstellung der Fahrpläne, auf denen bis jetzt theils durch Fettdruck, theils durch Ueberdruck, theils durch Unterdrück die Zeit von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr früh angegeben ist, während bei der astronomischen Zählweise sich ein Eisenbahnfahrplan viel ciufaclier an- fertigen Hesse, und zurechtfinden würden. Noch bis ins 17. Deutschland die Taji und in Italien sogai neuerdings von den die Reisenden sich ebensoschnell Jahrhundert hatte man ja auch in esstunden von 1 bis 24 nummcrirt, nocli zur Zeit Goethe's; aber die verschiedensten Seiten gemachten Vorschläge zu der astronomischen Zählweise zurück- zukehren, seheiterten bisher an der bekannten vis inertiae. Wenn nun die Sonne am 21. März genau 4 Minuten später als der Frühlingspunkt durch den Meridian ginge (thatsächlich wäre dies der Fall, wenn ein Jahr 360 Tage hätte) am 22. März 8 dünnten, am 23. ]\Iärz 12 .^linuten später als am 20. März u. s. w., so brauchte man nur eine Uhr zu nehmen, die genaue Sternzeit anzeigt, und das Pendel an derselben soweit zu verlängern, dass die Uhr jeden Tag vier Minuten (genau 3 M. 55,91 Sek.) gegen ihren früheren Gang zurückbleibt, und man hätte dann eine richtig nach Sonnenzeit gehende Uhr. Aber als es der Mechanik gelungen war, Zeitmess- instrumente herzustellen, die grösseren Ansprüchen an Genauigkeit genügten, (etwa seit 1780) zeigte sich, dass zwar der Sterntag eine völlig unveränderliche Grösse be- sitzt, dass jedoch die Zeiträume zwischen je zwei unmittelbar auf- einander folgenden Durchgängen der Sonne durch einen und den- selben Meridian durchaus nicht gleichmässig sind. Bis dorthin half man sich dadurch, dass man die Uhren nach derSonne richtete, dieselben bald scluieller, bald langsamer laufen Hess, um sie so in Uebereinstimmung mit dem Laufe der Sonne zu halten. Man konnte damals in Paris z. B. eine halbe Stunde lang von den verschie- denen Thürmen 12 Ulir schlagen hören. Es zeigte sich also, dass die wahre Bewegung der Sonne, im Gegensatz zur 2. Bewegung eines Sternes, kein Maass für eine genaue Zeitbestimmung liefert. Zwei Ursachen wirken zusammen, um die Ungleich- mässigkeit der wahren Sonnentage — der längste wahre Sonnentag ist 51 Secunden länger als der kür- zeste wahre Sonnentag — hervorzubringen. Einmal be- wegt sich die Erde um die Sonne nicht in einem Kreis, sondern in einer in nebenstehender Figur übertrieben flach gezeichneten Ellipse, aus der der Standpunkt der Sonne sowie der Erde — der Pfeil giebt die Bewegungs- richtung der Erde an — in den verschiedenen Monaten ersichtlich ist. Aus der Zeichnung geht aber noch unmittelbar hervor, dass, wenn sich die Erde in der mit „Erdbahn" bezeiehncten Ellipse wirklich bewegt, die Sonne dann in der mit „Sonnenbahn" bezeichneten ElHpse fortzuschreiten scheint, wie die von einzelnen Stellungen der Erde nach der Sonne gezogenen Geraden erkennen lassen. Da nun am 1. Januar die Erde der Sonne am nächsten steht, wird sie von der Sonne stärker angezogen und legt daher um diese Zeit einen grösseren Bogen auf ihrer Bahn zurück, als z. B. im Monat JuH. Um sich klar zu machen, wie sicli ein Sterntag von einem Sonnentag unterscheidet, dazu dient ein ausserordent- lich einfacher Versuch. Man stelle zur Naciitzcit auf einen Tisch in der Mitte eines Zimmers ein gewöhnliches Kerzenlicht, welches die Sonne vorstellen soll, und nehme ein Glas mit einem Henkel. Das Glas stelle die Erde vor, während der Henkel den Meridian des Beobach- tungsortes bezeichnet. Stellt man das Glas so auf den Tisch, dass der 212 Natnrwissenschaftlielie Wochenschrift. XI. Nr. 18. Henkel genau von vorne durch das Licht beschienen wird, so haben die auf dem Henkel gedachten Bewohner Mittag. Ein in gerader Linie mit dem Henkel und dem Lichte befindlicher Punkt in einer Kante des Zimmers, stelle einen Stern vor. Derselbe steht dann gleichfalls im Meri- dian des Beobachtnngsortes. Dreht man jetzt das Glas, ohne den Platz desselben zu verändern, in der Richtung von West nach Süd um seine Achse, so beobachtet man, dass sowohl die Kante des Zimmers, als auch das Licht zu gleicher Zeit mit der Ebene des Henkels zusammen- fallen ; d. h. also, die Dauer eines Sterntages wäre ebenso gross als die Dauer eines Sonnentages. Verschiebt man dagegen das Glas in der Richtung des Pieiles (siehe 2. Figur) und dreht dann das Glas in derselben Weise wie vorhin um seine Achse, so sieht man auf den ersten Blick, dass die Kaute des Zimmers, also der Stern, früher mit der Ebene des Henkels zusammen- fällt, d. h. früher durch den Meridian geht, als das Licht oder die Sonne, da mau das Glas noch ein Stück weiter- drehen muss, um das Licht wieder genau auf die Vorder- seite des Henkels fallen zu sehen. Hat man diesen überaus einfachen Versuch einmal gemacht, so überzeugt man sich sofort, dass ein Steru- tag kürzer ist als ein Sonnentag. Aus diesem Versuch geht aber noch hervor, dass, wenn man das Glas in der Richtung des Pfeiles um ein grösseres Stück verschiebt, der Unterschied zwischen Sonnentag und Sterntag grösser wird. Diese grössere Verschiebung tritt in der That um die Zeit des ersten Januar ein. Die Erde legt hier auf ihrer Bahn um die Sonne einen grösseren Weg zurück als z. B. im Juli und deshalb sind die Sonnentage hier um mehr als sonst grösser wie ein Sterntag. Fig. 3. Die zweite Ursache, welche insbesondere um die Zeitvom 20. März und 23. September ihre Wirkung am stärksten zur Geltung l)ringt, besteht in der schiefen Lage der Ebene der Erdbahn zum Himmelsäquator. Man findet die Ebene der Erdbahn oder der scheinbaren Sonnenbahn, wenn man sich durch die Punkte, an welchen die Sonne an einem Tage auf- und untergeht und durch irgend einen Punkt, an welchem die Sonne an diesem Tage steht, am besten durch den höchsten Punkt, einen Kreis gezogen denkt. Den Himmelsäquator findet man bei uns, wenn man sich durch den Ost- und Westpunkt des Horizontes einen Kreisbogen gelegt denkt, der sich so hoch über den Südpunkt des Horizontes erhebt, dass man zwischen dem Südpunkt und dem höchsten Punkt des Kreises 80 sich berührende Sonncnschciben aufsteilen könnte. Sämmtlichc Sterne bewegen sieh entweder im Himnielsäquator oder in zum Himmelsäquator parallelen Kreisen und bringen auf diese Weise den Sterntag zu Wege. Nach dem oben Gesagten kann ein unveränderliches Zeitmaass nur von der Umdrehung der Erde um ihre Achse oder von der scheinbaren Drehung des Hinuncls- gewölbes hergenommen werden, und in Folge dessen muss auch der Sonne eine tägliche Bahn am Himmel angewiesen werden, die entweder mit dem Ilinnnels- I äqualen- oder mit einem Paraiieikreis zu demselben zu- sammenfällt. Die Sonne l)ewegt sicii al)er weder im llinnnels- äquator noch in einem Parallelkreis zu demselben, sondern die Ebene der scheinl)aren Sonnenbahn bildet, wie aus der dritten Figur, die nur zur Veranschaulichung dienen soll, ersichtlich ist, einen Winkel mit dem Himmels- ^./»r r äquator, der absichtlich etwas zu gross gezeichnet ist und Schiefe der Ekliptik oder Schiefe der Sonnen- bahn genannt wird. Die Sonne steht daher streng genommen im Himmels- äquator nur einen Augenblick und jede Secunde in einem andern Parallelkreis zum Hinmieisäquator. Selbst wenn nun die von der Sonne in ihrer Bahn täglich zurückgelegten Strecken \, 1^, lg, I4 einander gleich wären (was, wie wir von früher her wissen, ja gar nicht der Fall ist), so würden trotzdem diese gleichen Strecken auf den Himmelsäquator übertragen, (welche Operation man projiciren heisst) nicht mehr gleich sein, sondern p, , p,, pj u. s. w. weisen verschiedene Längen auf. Darum rückt die Sonne nicht, wie oben angegeben wurde, täglich genau um zwei Sonnenscheibenbreiten w^eiter nach Osten vom Frühlingspunkt viCi;;, selbst wenn Ij, 1,, I3 etc. gleich lang wären. Durch diese schiefe Lage der Sonnen- bahn zum Himmelsäquator tritt also eine weitere Ver- änderung der einzelnen Sonnentage ein, die theils ver- grössernd, theils verkleinernd auf die durch die erste Ursache hervorgebrachten Aenderungen einwirkt. Da sich also die Bewegung der wirkliehen Sonne wegen ihrer Ungleichmässigkeit und wegen der schiefen Stellung der Sonnenbahn zum Himmelsäquator absolut nicht eignet, diese Bewegung zum Ausgangspunkt einer Zeitein- .. _ theilung zu machen, aber von einem Punkt des Himmelsäquators (oder eines Parallelkreises) ausgegangen werden muss, so nimmt man an, es existire eine eingebil- dete oder fingirte Sonne, die sich mit voll- ständig gleichbleibender Geschwindigkeit das ganze Jahr hindurch auf dem Himmels- äquator bewegt, d. h. also, die sich täglich um gleich viel vom Frühlingspunkt nach Osten hin entfernt und nennt die Zeit, die zwischen zwei unmittelbar aufeinanderfolgen- den Durchgängen dieser eingebildeten Sonne durch den JMeridian verstreicht, einen mittleren Sonnentag. Derselbe stimmt innerhalb eines Jahres nur viermal mit dem wahren Sonnentag, d. h. der Zeit von einem Durchgang der wirklichen Sonne durch den Meridian bis zum nächstfolgenden, an Grösse überein; nämlich Mitte Februar, Mitte Mai, Ende Juli und Anfang No- vember. Unsere Uhren sind nun nach dem Laufe dieser ein- gebildeten Sonne gestellt, und die von unseren Uhren angegebene Zeit heisst die mittlere Zeit (abgekürzt: M. Z.), welche gegen tlie wahre Sonnenzeit (abgekürzt: W. S. Z.) wie sie von einer richtig construirten Sonnenuhr angegeben wird, bald voraus, bald nach ist. Die Uhren der Astronomen geben selbstverständlich auch ^I. Z. an, und es beginnt der astronomische Tag nach dem früheren in dem Moment, wo die fingirte Sonne durch das Faden- kreuz des Fernrohres geht. Unsere nach M. Z. gehenden Uhren sind daher nichts anderes als Uhren, die Sternzeit angeben, nur mit dem Unterschied, dass der Stern, d. h. die fingirte Sonne jeden Tag ca. 4 weitere Minuten s])ätcr durch den Meridian geht als der Frühlingspunkt. Mit dieser Einschränkung kann man daher den mittleren Sonnentag auch als einen Sterntag betrachten; niüssen wir ja doch unsere Zeiteintheilung nach der Bewegung der Sterne richten. Da um die Zeit vom 1. Januar wegen der schnelleren Bewegung der Erde die wahren Sonnentage grösser sind als die mittleren, so muss man die mittleren Sonnentage grösser machen, wenn man wahre Sonnentage erhalten will, d. h. man muss zu unserer Uhrzeit etwas dazu zählen, um die wahre Sonnenzeit zu erhalten. XI. Nr. 18. Naturwissenschaftliche Wochenschritt. ■21.3 Jetzt erst sind wir in der Lage, den Eingangs er- wähnten Kcrnpuniit der Frage scharf ins Auge zu fassen. Die überaus einfache Frage, die wir zu lösen haben, lautet: Wie gestaltet sich der scheinbare tägliche Lauf der Sonne, wenn eine Uhr zu früh und wie, wenn sie zu spät geht? Jedermann weiss, dass die Sonne von dem Moment ihres Aufgehens bis zu ihrem höchsten Standpunkt die- selbe Zeit, Vormittag genannt, "braucht, die verstreicht, bis die Sonne von ihrem höchsten Standpunkte ihren Unter- gangspunkt erreicht, welcher Zeitraum Nachmittag heisst. Durch den Gnomon überzeugt man sich sofort von der Richtigkeit dieser Thatsache. Stellen wir uns nun einen führerlos im Wetterstein- gebirge mit allen alpinen Ausrüstungsgegenständen, zu welchen auch eine Uhr gehört, wohl versehenen Touristen vor, der ausser der eben angeführten Thatsache, keine weiteren astronomischen Kenntnisse besitzen soll. Der Tourist beziehe am 22. September ein Biwak in den öden Karen südlich der Zugspitze und wache am 23. Sep- tember zur Zeit des Sonnenaufganges auf, während durch irgend einen Zufall seine Uhr eine Stunde zu spät gehen soll. Da der Tourist keine Kenntniss von dem unrichtigen Gang seiner Uhr hat, und auch gar nicht in der Lage ist, sie mit anderen Uhren vergleichen zu können, so wird er seine Uhr als Normaluhr betrachten und con- statiren, dass die Sonne um 5 Uhr aufgegangen sei. Bei seiner weiteren Wanderung in dem Felsengewirr findet er nach seiner Ansiclit um 12 Uhr die Sonne am höchsten stehend, und der Vormittag hat daher für ihn 7 Stunden gedauert. Er wird also schliessen, dass auch der Nach- mittag 7 Stunden dauere, und dass die Sonne um 7 Uhr untergehe. Wir aber wissen, dass am 23. September die Sonne nur 12 Stunden über dem Horizont verweilt; da nun die Sonne, M'enn die unrichtig gehende Uhr 12 Uhr zeigt, schon 7 Stunden geschienen hat, also nur noch 5 Stunden scheinen kann, so wird die Sonne nach der unrichtig gehenden Uhr zum grossen Erstaunen des Touristen schon um 5 Uhr untergehen, während er den Sonnenuntergang erst 2 Stunden später erwartete. Aus dieser Betrachtung ergiebt sich der wichtige Satz: Geht eine Uhr eine Stunde zu spät, so er- scheint der Vormittag zwei Stunden länger als der Nachmittag und umgekehrt: Erscheint bei einer Uhr der Vormittag zwei Stunden länger als der Nachmittag, so geht die Uhr eine Stunde zu spät. Est ist leicht einzusehen, dass, wenn eine Uhr V4 Stunde zu spät geht, dann der Vormittag ", Stunde länger erscheint als der Nachmittag. Nehmen wir ferner an, der Tourist rücke am 23. September seine Uhr vor, aber so, dass sie eine Stunde zu früh geht. Wenn er jetzt nach einem aber- maligen Biwak zur Zeit des Sonnenaufganges aufwacht, so zeigt seine Uhr 7 Uhr, und um 12 Uhr, also nach 5 Stunden, würde dann die Sonne nach der Ansicht des Touristen, der ja weiss, dass jeden Tag um 12 Uhr die Sonne am höchsten steht, ihren höchsten Stand erreichen, folglich müsste, da der Vormittag 5 Stunden gedauert hat, auch der Nachmittag 5 Stunden dauern, oder die Sonne um 5 Uhr untergehen. Da aber die Sonne auch am 24. September fast genau 12 Stunden scheint, und nach der unrichtig gehenden Uhr erst 5 Stunden seit ihrem Aufgange verflossen sind, so hat die Sonne noch 7 Stunden zu scheinen, geht also nach der unrichtig gehenden Uhr erst um 7 Uhr unter. Hieraus folgt der ebenso wichtige Satz: eingetheilt beträgt Geht eine Uhr eine Stunde zu früh, so er- scheint der Nachmittag zwei Stunden länger als der Vormittag und umgekehrt: Erscheint bei einer Uhr der Nachmittag zwei Stunden länger als der Vormittag, so geht die Uhr eine Stunde zu früh. Mit der Kenntniss dieser zwei Sätze, die man sich vollständig klar gemacht haben muss, ist es nun möglich, den Eingangs erwähnten Zwiespalt in ausserordentlich leichter Weise zu lösen. Man hat den Erdäquator, wie jeden Kreis, in 360 gleiche Theile eingetheilt, die man Grade heisst. Jeder Grad wird in (JO gleiche Theile (Bogenminuten) und jede ßogenminute wieder in 60 gleiche Theile (Bogensecunden) Die Länge eines Grades auf dem P^rdäquator ca. 112 km, die Länge einer dazu gehörigen Bogeuminute 1860 m und die Länge der entsprechenden Bogensecunde 31 m. Ausserdem denkt man sich durch jeden Punkt auf der Erde einen Parallelkreis zum Erdäquator gelegt. Diese Parallelkreise sind in derscUteu Weise eingetheilt. Im mittleren Bayern beträgt die Länge eines Grades auf einem solchen Parallelkreis ca. 72 km. Geht man in der oben durch den Gnomon bestimmten Nord-Südlinie, d. h. in dem Meridian bei uns immer nach Süden, so gelangt man schliesslich an den Erdäquator; d. h. jeder Meridian schneidet den Erdäquator sowie sämmtlichc Parallelkreise. Es sei hier bemerkt, dass die Nord-Südlinie, obwohl sie durch die gespannte Schnur als eine Gerade erscheint, in Wirklichkeit keine Gerade, sondern ein Stück eines Kreisbogens ist, der nur wegen der Grösse des Erdradius (6370 km) als geradlinig erscheint. Eine Entfernung von 31 m auf dem Meridian gemessen entspricht einer Bogen- secunde. Dreht sich die Erde von West nach Süd um ihre Achse, wozu sie 24 Stunden Sternzeit braucht, so kommt alle 4 Minuten ein anderer Grad unter einem bestimmten Stern vorüber. (24 Stunden = 1440 Minuten; 1440:360 = 4). Liegt daher ein Ort auf dem Erdäquator oder auf einem Parallelkreis zu diesem, so ist der Stern, wenn dieser Ort einen Grad östlich von einem anderen Ort liegt, 4 Minuten früher in dem Meridian des ersten Ortes gestanden als in dem Meridian des zweiten Ortes. Da die fingirte Sonne auch als Stern mit der oben angebenen Modifikation betrachtet werden muss, so gilt für sie das eben Gesagte in ganz gleicher Weise. Ein Reisender, der mit einer ^I. Z. angel)enden Uhr auf dem Erdäquator jeden Tag 112 km nach Westen reiste, oder ein rüstiger Fussgänger der von Petersburg aus nach Westen gehend jeden Tag 56 km zurücklegte, würde jeden Tag den Frühlingspunkt in seinem Meridian stehen sehen, wenn es auf seiner Uhr 12 ist. Ver- ändert man aber seinen Beobachtungsort nicht, d. h. sieht man durch ein fest aufgestelltes Meridianiustrument, so ist klar, dass der Frühlingspunkt jeden Tag vier weitere Minuten früher durch den Meridian Sonne. Weil ein Kreis ganz gleichmässig rund ist, so kann der Anfangspunkt der Theilung ganz beliebig gewählt werden. Leider ist dieser Anfangspunkt kein einheit- licher; man nimmt theils den Punkt, in welchem der Meridian von Ferro den Erdäquator schneidet, als Aus- gangspunkt der Theilung, theils den entsprechenden Punkt des Meridians von Paris, theils den entsprechenden Punkt des Meridians von Green wich. Dass durch diese Ver- schiedenheit das Studium der Landkarten wesentlich ge- fördert wird, kann nicht behauptet werden. Der Schnittpunkt des Meridians von Greenwich geht als die fingirte 214 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 18. mit dem Erdäquator ist nun als Ausgangspunkt für die M. E. Z., die west- und osteuropäische Zeit genommen. Seit dem 1. April 1892 ist für Süddeutschland und seit dem 1. April 1893 für das ganze übrige Deutschland angeordnet worden, sämmtliche Uhren so zu richten, dass sie alle zu derselben Zeit Mittag zeigen, wie eine in Görlitz oder Prag aufgestellte Uhr, die AI. Z. angiebt. Daher gehen jetzt alle Uhren, mit Ausnahme der Sonnen- uhren uud den Uhren auf den Sternwarten, in den Orten östlich von Görlitz zu spät, die Uhren in den Orten westlich von Görlitz zu früh und — wenig.stens in Bayern — für je 72 km nach Westen 4 weitere Minuten zu früh. Diese seit 4 bezw. 3 Jahren eingeführte Zeit heisst die M. E. Z. und erstreckt sich über Deutschland, Italien, Oesterreicb, Schweden, Norwegen, Dänemark, Serbien, Bulgarien und die Schweiz. In allen Orten der westeuropäischen oder ersten Zeit- zone, z. B. in England, Frankreich, Belgien u. s. w., zeigen sämmtliche Uhren, die nach bürgerlicher Zeit gehen, die- selbe Zeit, wie die Uhren in Green wich, wenn letztere mittlere Ortszeit (abgekürzt M. 0. Z.) angeben, und zwar erstreckt sich die westeuropäische Zone 7V2 Grad west- lich und T'/a Grad östlich von Greenwich, umfasst also im Ganzen 15 Grad. Die M. E. Z. erstreckt sich gleichfalls über 15 Grad (von T'/o Grad bis 227.3 Grad ö.stlich von Greenwich) mit dem Meridian von Görlitz in der Mitte. Die osteuropäische Zeit erstreckt sich über die Zone, die zwischen 22'/2 Grad und 37 V2 Grad östlich von Greenwich liegt. Wegen der politischen Grenzen der Länder in den einzelnen Zeitzonen ist jedoch diese Zoneneintheilung ziem- lich unvollkommen. So gehört z. B. Metz, obwohl es nicht 77., Grad, .sondern nur 676 Grad östlich von Greenwich liegt, schon zur zweiten oder mitteleuropäischen Zone, dagegen Nancy, das auch ß'/g Grad östhch von Greenwich liegt, in richtiger Weise zur ersten Zone. Die geographische östliche Grenze der ersten Zeit- zone liegt ziemlich genau auf dem Meridian, der in der Mitte zwischen Zweibrücken und Pirmasens durch- geht. Da eine Entfernung von 15 Grad auf dem Aecpiator oder auf einem Parallelkreis einen Zeitunterschied von einer Stunde (4.15 Minuten) bedingt, so gehen die Uhren, die nach M. E. Z. gestellt sind, gegen die Uhren nach westeuropäischer Zeit eine Stunde früher und gegen die Uhren nach osteuropäischer Zeit eine Stunde später. Ganz Frankreich hat westeuropäische Zeit, d. h. die Uhren in Frankreich gehen eine Stunde später als unsere Uhren. Daraus ergiebt sich eine paradoxe Erscheinung, die man, ohne eine Reise unternehmen zu müssen, auf jedem Eisenbalinfahrplan verzeichnet findet. Der Orientexpresszug trifft auf seiner Fahrt von Wien nach Paris in Deutsch- Avricourt um 2^1 früh ein und fährt um 1^2 früh, scheinbar also 49 Minuten früher, als er angekommen war, weiter gegen Paris zu. Berücksichtigt man aber, dass die Uhren in Frank- reich eine Stunde später gehen als in Deutschland, so sieht mau, dass immer noch 11 Minuten verstreichen, bis der Zug Deutsch- Avricourt wieder verlässt. Welche weitere sonderbare Differenzen sich hieraus ergeben, wird noch zu zeigen sein; ist doch die schon im Jahre 1884 auf dem astronomischen Kongress in Rom beschlossene Einführung der Weltzeit bis jetzt aus natio- nalen Gründen — man konnte sich über den Anfangs- meridiau nicht einigen — immer noch ein frommer Wunsch geblieben. Die Uhren in München und in den Orten, die auf dem Meridian, der durch München geht, liegen, zeigen dieselbe Zeit wie die Uhreu in Görlitz, obwohl München soweit westlich von Görlitz liegt, dass die M. 0. Z. in Görlitz der M. 0. Z. in München um 14 Minuten voraus ist. Daher gehen die Uhren in München 14 Minuten zu früh, und darum müssten in München sämmtliche Nachmittage des ganzen Jahres 28 Minuten länger er- scheinen als die zu ihnen gehörigen Vormittage, — wenn die Zeitgleichung nicht wäre. Zur besseren Veranschaulichung dienen die nach- stehenden vier Zifferblätter und die darunter gesetzten kleinen Tabellen, wozu Folgendes zu bemerken ist: S. A. bedeutet Sonnenaufgang; S. U. - Sonnenuntergang; T. L. - Tageslänge oder die Zeit, während welcher die Sonne über dem Hori- zont verweilt; V. D. - Vormittagsdauer; N. D. - Nachmittagsdauer. Stand der verschiedenen Uhren in München am 13. Januar zur Zeit, wo die Sonne am höchsten steht. Sternzeit. 13. .lamiar 1-2. Februar 1. Novcinboi Waliro .Soniienzoit. (Sonncnulir.) S. A. 740 V. S.U. 420 ^-^ H'MUi" j^j S.A. 7 S. U. 5 S. A. 72 T.L. lOii S. U. 4.^i ,^ T. L. i»! 56>n D. 4I1 20m n. 4I' 20m V.D.5I1 N. D. 5I1 V.D.4h.J8m N. D. 4I' 58m Man sieht, dass die Tageslänge sowohl bei der W. S. Z. als auch bei der M. 0. Z. und der M. E. Z. stets die gleiche ist, da die Tageslänge sich ja nicht nach irgend einer Uhr richtet, sondern einzig und allein von Mittlere Ortszeit. Mitteleuropäisclie Zeit. S. A. 7« S. U. 429 S.A. 7>!> s. u. 515 S. A. 6« S. U. 4" T.L. T. L. lull T.L. «h^OmV. D. 4i>llm S.A.83 V. 1) 4I1 45m ' S. A. 729 N. D. 51" 15m S. U. 529 ^"■^'^'"N.D.4l>4ImlS.U.455 T.L. Sh40m T.L. IQh T.L. 9hö6m V. D. 3h 57m N. D. 4I1 43'n Y. D. lliaim N. D. 5h 29m V. D. 5h im N. D. 4h 55m der Zeit abhängt, während welcher die Sonne über dem Horizont weilt, gleichgültig, welche Stunde von der Uhr beim S. A. angezeigt wird, wenn nur sonst die Uhr einen regelmässigen Gang einhält. XI. Nr. 18. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 21Ö Ferner sieht mau, dass am 13. Januar die M. 0. Z. anzeigende Uhr 9 Minuten gegen W. S. Z. zu früh geht — diese 9 Minuten heisst man die Zeitgleichuug — ; daher ersclieint l)ei einer nach M. 0. Z. gehenden Uln- der Nachmittag 18 Minuten länger als der Vormittag. Die M. E. Z. anzeigende Uhr geht noch weitere 14 Minuten, also im Ganzen 23 Minuten gegen W. S. Z. zu früh; daher erscheint bei der nach M. E. Z. gehenden Uhr der Nachmittag sogar 46 Minuten länger als der Vormittag, wovon man sich durch einen Blick in den Kalender überzeugt. Bei S. A. sollte die Uhr 7^« zeigen, sie zeigt aber 8^; deshalb ist es um B^ nach M. E. Z. gerade so hell wie um 7^" nach W. S. Z. Selbstverständlich wird es auch nicht heller, wenn man die Uhr z. R. auf 9 stellt; dann wird man höchstens klagen: „Jetzt ist es schon 9 Uhr und noch so finster". Fast in demselben Jlaasse nun, in welchem die Sonne jeden Tag früher aufgeht, gehen bis zum 11. Februar auch die Uhren jeden Tag früher. Geht z. B. einmal die Sonne um 8 Uhr auf, während die Uhr 9 zeigt, so war es offenbar, als die Uhr 8 zeigte, d. li. eine Stunde vor Sonnenaufgang, noch finster; geht aber die Sonne eine Stunde früher, also um 7 Uhr, auf, während die Uhr in demselben Maasse früher geht, also 9 zeigt, so war es, als die Uhr 8 zeigte, offenbar gerade so finster als im ersten Falle, da ja auch noch eine Stunde verstreichen musste, bis die Sonne aufging. Daher ist die Finsterniss in beiden Fällen, obwohl die Sonne eine Stunde früher aufgeht, um 8 Uhr die gleiche. Um zu finden, ob die fingirte Sonne mit der wahren Sonne zu gleicher Zeit im Meridian stehen kann , dazu diene folgende Betrachtuug: Auf einer Insel im Ocean befinde sich ein Astronom, der von jedem Verkehr mit der Aussenwelt abgeschlossen über eine mittlere Zeit einhaltende Uhr und ein Meridian- instrument verfügt. Am 1. Januar beobachtet der Astronom den Durchgang der Sonne durch den Meridian und stellt in diesem Moment seine Uhr auf 12. In eine Tabelle trägt der Beobachter ein ganzes Jahr hindurch die Zeit ein, die von seiner Uhr angegeben wird, wenn der Mittel- punkt der Sonne durch das Fadenkreuz seines Fernrohres geht; er wird dabei die Entdeckung machen, dass seine Uhr, bei der ein vollständig gleichmässiger Gang voraus- gesetzt wird, zur Zeit, wo die Sonne am höchsten steht, bald mehr als 12, bald weniger als 12 zeigt. Am Schluss des Jahres zählt der Beobachter alle so aufgeschriebenen Stunden, Minuten und Secunden zu- sammen und dividirt die so erhaltene Summe durch 365; dadurch erhält er eine Zahl, die angiebt, um welche Zeit die fingirte Sonne im Mittel des ganzen Jahres am höchsten gestanden wäre. 5Ian findet für diese Zeit 11^6 oder mit anderen Worten: Im Durchschnitt ist die fingirte Sonne das ganze Jahr hindurch um 11^^ am höchsten gestanden. Sieht man jetzt in der Tabelle nach, so zeigt sich, dass am 15. April, 14. Juni, 31. August und 24. December die Uhr zur Zeit, wo die wahre Sonne am höchsten ge- standen war, 11 5'' zeigte, dass also an diesen vier Tagen die fingirte Sonne und die wahre Sonne gleichzeitig im Meridian gestanden waren, und dass die Uhr das ganze Jahr hindurch 4 Minuten zu spät gegangen war. Rückt man daher die Uhr um 4 Minuten vor, so besitzt man eine Uhr, die das ganze Jahr hindurch mittlere Zeit an- giebt, und welche am 15. April, 14. Juni, 31. August und 24. December 12 zeigt, wenn die wahre Sonne durch den Meridian geht, so dass an diesen vier Tagen der wahre Mittag mit dem mittleren Mittag zusammenfällt. Am 22. December, welcher der längste wahre Sonnen- tag ist, beginnt die wahre Sonne scheinbar ihren Lauf am meisten zu beschleunigen und daher rührt eben in den Monaten Januar und Februar nach dem Früheren die grosse Abweichung der M. ü. Z. und nocli mehr der M. E. Z. von der W. S. Z. In Folge der M. E. Z. steht in den Orten, die auf dem Münchener Meridian liegen, die wahre Sonne nur zweimal im Jahre und zwar am 14. October und 23. November um 12 Uhr Mittags im Meridian. Die mittlere Tabelle giebt die Daten für den 12. Fe- bruar, an welchem Tage die Zeitgleichnng ihren grössten positiven Werth erreicht, oder die M. Z. anzeigenden Uhren am meisten zu früh gehen. Man sieht, dass nach M. 0. Z. der Nachmittag 30 Mi- nuten länger ist als der Vormittag, dass folglich die Uhren die Hälfte von 30 Minuten, d. i. 15 Minuten zu früh gehen. Diese 15 Minuten heisst man wieder die Zeitgleichung. Man findet demnach die Zeitgleichung, wenn man den Unterschied zwischen Nachmittags- und V^ormittagslänge eines und desselben Tages (oder umgekehrt), welche Längen von einer nach M. Z. gehenden Uhr angegeben werden, durch zwei dividirt. Die entsprechenden Vormittags- und Nach- mittagslängen entnimmt man einem Kalender, in dem Sonnenaufgang und Sonnenuntergang iu M. 0. Z. angegeben sind. Giebt der Kalender dagegen diese Zeiten in M. E. Z. an, so hat mau dieselbe erst auf M. 0. Z. zu reduciren. Nach M. E. Z. ist am 12. Februar der Naclmiittag sogar 58 Minuten länger als der Vormittag, folglich geht die Uhr die Hälfte von 58, also 29 Minuten zu früh, ein- mal 14 Min. wegen der M. E. Z. und dann noch 15 Min. wegen der Zeitgleichung, was mit dem Vorigen überein- stimmen muss. Die unterste Tabelle endlich enthält die Angaben für den 1. November, an welchem Tage die Zeitgleichung ihren grössten negativen Werth erreicht, oder wo die M. Z. anzeigenden Uhren am meisten gegen W. S. Z. zu s]>ät gehen, weshalb auch die Vormittage länger als die Nachmittage erscheinen. Man sieht, dass nach M. Z. der Vormittag 34 Minuten länger dauert als der Nachmittag, oder die Uhren die Hälfte von 34, d. i. 17 Minuten zu spät gehen; diese 17 Minuten heisst man wieder die Zeitgleichung. Nach M. E. Z. ist aber der Vormittag, weil die M. E. Z. anzeigende Uhr iu München 14 Minuten zu früh geht, nur noch 6 Minuten länger als der Nachmittag, d. h. die Uhren nach M. E. Z. gehen 3 Minuten gegen W. S. Z. zu spät, — eine im bürgerlichen Leben nicht besonders auf- fallende Differenz. Betrachten wir noch zum Schlüsse den 12. Februar und den 1. November für die am meisten in M. 0. Z. von einander abweichenden Orte Deutschlands, nämlich Eydt- kuhnen und Aachen, und für zwei dieselbe M. 0. Z. besitzende Orte, von denen der eine, z. B. Metz, die Uhren nach M. E. Z., der andere aber, z. B. Nancy, nach west- europäischer Zeit gestellt hat. In Ey dt kühnen erscheint am 12. Februar der Vormittag 32 IMin. länger als der Nachmittag. In Aachen erscheint am 12. Februar der Nachmittag 1 St. 42 Min. länger als der Vormittag. In Eydtkuhnen erscheint am 1. November der Vormittag 1 St. 36 Min. länger als der Nachmittag. In Aachen erseheint am 1. November der Nachmittag 38 Min. länger als der Vormittag. Würden am 12. Februar und am 1. November ein Beobachter in Metz und ein Beobachter in Nancy sich 216 Naturwissenscliaftliche Wocbeusclirift. XI. Nr. lö verabreden, beim Sonnenaufgang auf den Taster eines Telegrapbenapparates zu drücken und so die Zeit des Sonnenaufganges einander mit/.utheilen, so würden beide fast gleichzeitig den Taster niederdrüclien, weil beiden die Sonne in demselben Moment aufzugehen scheint, mag auch eine unrichtig gehende Bureauuhr des Beobachters in Metz z. B. 1 Uhr zeigen und die Bureauubr des Be- obachters in Nancy stehen geblieben sein. Dagegen erscheint am 12. Februar in Metz der Nach- mittag 1 St. 40 Min. länger als der Vormittag, in Nancy erscheint umgekehrt der Vormittag 20 Minuten länger als der Nachmittag. Am 1. November endlich erscheint in Metz der Nach- mittag 36 Minuten länger als der Vormittag und in Nancy der Vormittag 1 St. 24 Min. länger als der Nachmittag. Hier drängen sich von selbst noch folgende inter- essante Bemerkungen auf: Die Uhren in Eydtkuhncn und Aachen zeigen dieselbe M. E. Z., haben aber verschiedene Ortszeit. In Eydtkuhnen geht am 12. Februar die Uhr gegen W. S. Z. 16 Minuten zu spät und in Aachen 51 Minuten zu früh, folglich beträgt die ganze Zeitdifterenz zwischen den beiden Orten IG Min. -4- 51 Min. = 1 St. 7 Min., d. h. gerade die Zeit, um welche die M. 0. Z. in Eydtkuhnen der M. (). Z. in Aachen voraus ist. Am 1. November geht in Eydtkuhnen die Uhr 48 Minuten zu spät und in Aachen 19 Minuten zu früh, was 48 Min. -|- 19 Min. = 1 St. 7 Min. Zeitdiffercuz, wie am 12. Februar, nach M. 0. Z. für beide Orte ergiebt. Am 12. Februar geht die Uhr in Metz 50 Minuten zu früh, in Nancy 10 Minuten zu spät, folglich beträgt die ganze Ditferenz 50 Min. + 10 Min. = 1 Stunde. Beide Orte haben gleiche mittlere Zeit, Metz jedoch M. E. Z., Nancy westeuropäische Zeit, welche der M. E. Z. eine Stunde nach ist. Am 1. November geht die Uhr in Metz 18 Minuten zu früh, in Nancy 42 Minuten zu spät, d. h. die ganze Zeitdifterenz beträgt 1 Stunde wie am 12. Februar. Man wird überrascht sein, dass es verhältnissmässig so vieler Worte bedurfte, um eine an und für sich ein- fache Uhrdiflerenz zu besprechen; vielleicht schwindet diese Ueberraschung etwas, wenn man sich erinnert, dass es im Ganzen doch viele Zeitmaasse waren, deren Er- klärung nothwendig erschien, nämlich erstens: die astro- nomische Zeit mit ihren beiden Unter-Abthei- lungen: der Sternzeit und der astronomischen Sonnenzeit; zweitens: die bürgerliche Zeit mit ihren sechs Unter - Abtheilungen: der wahren Sonnenzeit, der mittleren Zeit, der mittleren Ortszeit, der west-, mittel- und osteuropäischen Zeit. Zum Schlüsse wird man sich fragen: „Ist es denn wirklich nothwendig, eine so verwickelte Zeiteinthcilung zu machen, oder wäre es nicht viel vortheilliafter, wenn im bürgerlichen Leben nach A\'. S. Z. gerechnet würde '?'- Darauf ist zu antworten, dass man allerdings bei dem heutigen Stand der Technik Uhren construiren könnte, welche die wahre Bewegung der Sonne zur Darstellung bringen. Aber diese Uhren würden erstens ausserordentlich complicirt und theuer und zweitens würde wohl Niemand eine Garantie übernehmen, dass diese Uhren längere Zeit hindurch richtig gehen. Ausserdem ist es bei dem lebhaften Verkehr auf den Eisenbahnen im Interesse einer regelmässigen Zugsabferti- gung gelegen, für einen grösseren Ländercomplex ein ein- heitliches Zeitmaass zu haben. Man bedenke nur, dass ein Eisenbahnzug bei einer Fahrt von Westen nach Osten oder umgekehrt jede Stunde eine solche Wegstrecke zurücklegt, dass die wahre oder auch die mittlere Orts- zeit des nach einer Stunde erreichten Ortes um 4 Minuten von der Zeit des Ortes der Abfahrt verschieden ist, was bei einer zehnstündigen Fahrt schon 40 Minuten ausmacht. Bei einer Fahrt von Norden nach Süden und umgekehrt, insbesondere wenn diese Fahrt in dem Meridian des Ortes der Abfahrt ausgeführt wird, zeigt sich bekanntlich kein Zeitunterschied an den mit dem Eisenbahnzug erreichten Orten, weil für alle Orte auf demselben Meridian sowohl die wahre als auch die eingebildete Sonne oder auch ein Stern, jedes für sich genommen, gleichzeitig am höchsten steht. Nachdem nun durch die Einführung der Zeitzonen sich die Bewohner schon ziemlich ausgedehnter Länder- massen daran gewöhnt haben, die Sonne nicht mehr um 12 Uhr als am höchsten stehend zu betrachten, wird es unseren Nachkommen nicht schwer fallen, sich mit der bis dorthin sicher eingeführten Weltzeit zurecht- zufinden, und es wird ihnen fast unbegreiflich er- scheinen, dass eine so lange Zeit erforderlich war, die von der Wissenschaft gestellte Forde- rung in die Praxis umzusetzen. Die geistige Erniüduug der Schulkinder beginnt mehr und mehr Gegenstand des psychophysiologischen Experimentes zu werden. In einem Aufsatz „Ueber geistige Arbeit" in Bd. 9. S. 317 dieser Zeitschrift habe ich auf die Bedeutung und die Nothwendigkeit solcher Unter- suchungen hingewiesen und über die Resultate berichtet, zu denen der bekannte Psychiater E. Kraepelin in seinen Versuchen gekommen ist. Ungefähr gleichzeitig mit Kraepelin hat R. Keller „Pädagogisch-psychometrische Studien" im Biologischen Gentralblatt 1894, Bd. 14, S. 24-32 und 38—53 veröfientlicht. Seine Methode ist eigenartig und das Ergebniss wichtig genug, um an dieser Stelle Erwähnung zu tinden. Es sei mir gestattet. eniige Sätze aus meinem, in der .,Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane" Bd. 8 S. 388 erschienenen Referat über die Anschauungen und Jlittheilungen des genannten Autors hier zu citiren. „Jede längere geistige Anspannung führt zu einer Ermüdung des Gehirns. Diese Ermüdung ist zweifellos ein chemischer Vorgang, bceinflusst die Zusammensetzung des Blutes und wird daher durch den IMutkreislauf auch auf die übrigen Orgaue übertragen, also generalisirt. Demnach büssen zugleich mit dem Ermüden des Gehirns auch die Muskeln an Leistungsfähigkeit ein und zwar nicht nur an sich, sondern auch deswegen, weil jedenfalls die von einem ermüdeten Gehirn ausgehenden motorischen Impulse quantitativ und qualitativ geringer sind, als die eines unermüdeten Gehirns." Man könnte also „die Er- müdungskurven von Muskeln als Maass für den Grad der Gehirnermüdung benutzen. Ein Schüler hatte bei jedes- mal experimentell variirter Ermüdung des Gehirns die Aufgabe, das durch eine Schnur am zweiten (41iede des Mittelfingers befestigte Gewicht eines Mosso'schen Ergo- graphcn nach dem Tacte eines Secundenpcudels so oft zu heben, bis die Fingermuskulatur den Dienst versagte. Eine Schreibvorrichtnng zeichnete dabei die Anzahl der Hebungen und die einzelnen Hubhöhen auf." .... Es ergab sich als Uauptrcsultat aus zahlreichen derartigen Vi'rsnchcn, dass die Leistungsfähigkeit des Muskels, also auch — wie Keller schliesst — die des Gehirns mit der XI. Nr. 18. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 217 geistigen Arbeit zuerst steigt, tlaiiu wiedei' sinkt und erst nach auffallend langer Ruhepause zur Norm zurückkehrt. Praktisch wiclitig erscheint aber auch das Ergebniss, dass eine kontinuirliehe, wenn auch kurz dauernde Arbeit des Gehirns einen Zustand starker Ermüdung viel sciineller herbeiführt, als die gleiche Arbeit von gleicher Dauer, wenn sie durch kurze Momente der Ruhe unterbrochen wird. Der Leser ersieht hieraus, wie sehr Kraepclin und Keller mit einander übereinstinnnen. Neuerdings hat nun Griesbach (Energetik und Hj^giene des Nervensystems in der Schule, München und Leipzig, 1895) ähnliche Untersuchungen angestellt, wobei er von der Thatsache ausging, dass Hirnermüdung die Haut- sensibiiität herabsetzt, und die Verminderung der letzteren also als ein Maass der ersteren dienen kann. Er fand, dass das Emptindungsvermögen durch mechanische Thätigkeit weit weniger als durch geistige beeinträchtigt wird. Die Abnahme der Sensibilität ist nach einstündiger geistiger Anstrengung bereits beträchtlich; durch an- haltende Denkarbeit ohne genügende Erholung wird das Empfindungsvermögen dauernd herabgesetzt. Beim Be- ginn des Xachmittags-Unterrichts in der Schule hatte eine völlige Erholung von der Morgenarbeit noch nicht stattgefunden. Schon dieses Ergebniss allein giebt zu denken. Griesbach konmit aber auch noch aus anderen Gründen zu dei- üeberzeugung, dass eine Ueberbürdung der Schuljugend durch die Art des modernen Unterrichts eine nicht zu leugnende Thatsache sei. Schaefer. Der zoogeographisclien Stellung der Insel St. He- lena widmet W. Kobelt in der Geographischen Zeit- schrift (Jahrg. 11, S. 199 ff.) eine interessante Studie, der wir Folgendes entnehmen: In der Fauna St. Helenas finden sich keinerlei ein- heimische Säugethierc, Reptilien und Süsswasserfische; auch die wahrscheinlich früher vorhandenen einheimischen Landvögel sind verschwunden. Ausser einigen Seevögeln, die man sonst nirgends als Nistvögel beobachtet hat, wird nur ein Strandpfeifer (Aegialites Sanctae Helenae) als der Insel eigenthümlich angesehen, aber auch er ist ein naher Verwandter des afrikanischen Aegialites varius Vicill. und wohl einst nach St. Helena verschlagen. Von den durch Wollaston bekannt gewordenen 203 Käfer- arten sind 57 sicher und ausserdem noch 17 höchstwahr- scheinlich durch den Menschen eingeschleppt worden. Unter den anderen 129 Arten finden sich gegen 80, die in irgend einem Entwickelungsstadium in Holz leben und daher wohl in Treibholz angeschwemmt werden konnten. Aber woher stammt diese Fauna, die zu keiner anderen enge Beziehungen aufweist? Wallace, der nur die leben- den Insectenfauncn vergleicht, kommt zu dem Sciduss, dass „die eigentliümlichen Arten am meisten Verwandt- schaft mit der aethiopischen Fauna zeigen, dann mit der südeuropäischen und sciiliesslich mit den Inseln des nord- atlantischen Meeres, während ein so bedeutender Betrag an Eigentliümlichkeit in den charakteristischen Formen vorhanden ist, dass eine specielle geographische Verwandt- schaft nicht angegeben werden kann." Wichtig ist nun, dass nach Buchanau White von den 15 weiter verbrei- teten Käfergattungen der Insel wenigstens 10 bis in das Miocän zurückreichen und daher bereits eingewandert sein können, als die Vertheilung von Land und Wasser noch eine andere war als heute. Einige Arten zeigen dabei entschieden Beziehungen zu Afrika, die Mehrzald aber deutet auf das palaearktische resp. makaronesische Gebiet, üeber die bei unserer Frage sehr wichtigen Landmollusken, von denen eine grosse Menge alter Formen fossil und subfossil erhalten ist, sagt Wallace, der sich leider auf den wenig zuverlässigen L. Pfeitfer stützte: „Die Gattungen sind Succinea, Zonites, Helix, Bulimus, Pupa und Achatina. Die Bulimi (alle jetzt aus- gestorben bis auf eincj sind in einer grossen und meh- reren kleineren Arten vorhanden, von eigenthüinlichem Typus, am meisten den Formen gleichend, welche jetzt Südamerika und die Inseln des Pacific bewohnen. Zo- nites ist hauptsächlich südeuropäisch, aber die anderen Gattungen haben einen weiten Verbreitungsbezirk und keine sind der Insel eigenthümlich." Hierzu ist nun zu bemerken: Weder Helix noch Zonites noch Achatina im heutigen Sinne kommen auf St. Helena überhaupt vor. Nach E. A. Smith umfasst die Landmolluskenfauna ausser 9 sicher eingeschleppten Arten nur 27 und von diesen leben gegenwärtig nur noch 9, die alle der Insel eigen- tlnimlich sind. Von den vertretenen 8 Gattungen sind Pupa und Succinea durch alle Länder verbreitet. Weder Bulimus noch Bulimulus lassen sich mit den südamerika- nischen Formen direct in Verbindung bringen. Tomigerus exilis .Smith spricht allerdings für eine Verwandtschaft mit Brasilien, doch steht für diese Form die Gattung noch nicht fest. Soviel ist aber sicher, keine der erwähnten Formen weist auf Afrika. Alle anderen Formen wurden von Pfeiffer als Helix beschrieben, gehören aber mit einer mit einer noch zweifelhaften Ausnahme zu Patula und Endodonta, die, wie Kobelt sagt, der ganzen Fauna „ein entschieden polynesisches, oder richtiger, ein polynesisch- antarktisches Gepräge" verleihen. Kobelt spricht daher diese Fauna als „Rest der Molluskenfauna eines unter- gegangenen mesozoischen Südcontinentes" an, „deren Ausläufer wir einerseits in Polynesien und einem Theil von Melanesien, andererseits vielleicht in den Bulimus und Bulimulus Südamerikas vor uns sehen." Mit Afrika hatte dieser Südkontinent dessen Fortdauer bis in das Miocän sich bislang noch nicht erweisen lässt, wahr- scheinlich keine Verbindung. Ebenso muss dieser Süd- kontinent geschieden werden von der Helenis Iherings' die Afrika und Südamerika verband und sicher nördlicher lag als St. Helena. Aehnliche Ergebnisse lassen sich auch aus der Untersuchung der einheimischen, jetzt mehr zurückgegangenen Flora St. Helenas ableiten. Schneeken und Pflairzen liefern demnach ein durchaus anderes Er- gebniss als die Insecten, und doch können beide richtig sein. Warum müssen denn alle Thierklassen und Pflanzen auf der Insel gleich alt sein? Warum sollen nicht Schnecken und Pflanzen noch mesozoisch, die Insecten abei' viel iüncer sein? Können Meeresströmungen und Winde nicht im Laufe der Zeit ihre Richtung geändert haben? Wir hätten dann die Einwanderung der palae- arktischen Insectenformen auf nördliche Winde zurück- zuführen. Die Uebereinstimmung der Meeresmollusken mit Formen aus Westindieu, dem Mittelmeer und der aquitanischen Provinz spricht ebenfalls dafür, dass einst eine golfstromartige Meeresströmung auch südlich vom Aequator kreiste. G. M. Beziehungen zwischen dem Bl»ttarl»st(>tt" und dem Chlorophyll lial>en die Untersuchungen von Si-liunck und Marchlewski aufgedeckt, welche nachwiesen, dass die von Tschirch aus dem grünen Farbstofi' der Blätter dargestellten Phylloporpiiyrinkrystalle mit dem Haemato- porpliyrin des Blutes nalie verwandt seien. Beide Körper geben mit Alkohol lebhaft roth gefärbte Lösungen und stimmen im Spectrum wesentlich übercin. Nach neueren Untersuchungen Tsciiirch's (der Quarzsi)cktrograph und einige damit vorgenonnucne Untersuchungen von l'flanzen- farbstoften ; Berichte der Deutschen Botanischen Gesell- schaft 189(3, Band 14, Heft 2) ist eine ähnliche üeberein- 218 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 18. Stimmung im Spectrum zwischen der Phyllocyaninsäure aus dem Chlorophyll und dem Hämoglobin des Blutes dar- gethan worden. Die Uebereinstimmung betrifft besonders den ultravioletten Theil des Spectrums und ist im miuder- brechbaren weniger ausgesprochen. Eine völlige Gleich- heit zwischen dem Blutfarbstoff und dem Chlorophyll ist natürlich deshalb nicht zu erwarten, weil beiden physio- logisch verschiedene Aufgaben zufallen. Die Phyllo- cyaninsäure ist ein schwarzblaues, krystallinisches Pulver und besitzt die Formel C^.^ Hjg No 0^. Jlanche Ver- bindungen dieser Säure haben im Spectrum und in der Farbe grosse Aehnlichkeit mit Chlorophylllösungen, sodass der Verfasser vermuthet, es könnte das Chlorophyll eine Phyllocyaninsäureverbindung sein, ob aber mit dem Eisen, ist ganz unsicher; die reine Säure ist, wie obige Formel zeigt, eisenfrei. Es mag hier nicht unerwähnt bleiben, dass die vorgetragenen Ansichten vor der Hand etwas hypothetischer Natur sind und noch des weiteren Aus- baues harren. R. Kolkwitz. Eine neue Pflanzenpresse. — Die besten bisher bekannten Pflanzenpressen waren die sogenannten Gitter- pressen mit Messingketten. Sie können schnell und bequem geschlossen und geöifnet werden und ermöglichen eine gewisse Durchlüftung wenigstens der obersten Pflanzenschichten und dadurch ein schnelleres Trocknen ohne zu häufiges Umlegen. Erfahrene Pflanzensammler, die sieh ihrer zum Präpariren grösserer Mengen von Pflanzen bedienen, klagen indess auch über beträchtliche, ihnen anhaftende Mängel. Solche sind das zu keinem Papier und keiner Pflanzeusammlung passende P^ormat (wenigstens der grösseren Sorte, 45 : 31,5 cm), das beim Tragen sehr lästige hohe Gewicht und der bei Bahn- beförderung sehr leicht abzustossende gusseiserne Griff. Weit empfindlichere üebelstände bestehen darin, dass sich die giisseisernen Rahmen der Pressen bei der Anwendung stärkeren Druckes krumm biegen, und dass die Messing- ketten sich dabei leicht verziehen und zerreissen. Das aus sehr starkem Eisendraht geflochtene weitmaschige Netz presst zudem die obersten Pflanzenschichten ungleich und zerquetscht sie theilweise, wenn man dieselben nicht durch eine dicke Papierlage schützt. Diese Mängel haben den Unterzeichneten veranlasst, eine neue Pflanzenpresse (vergl. die Figuren) herstellen zu lassen, welche dieselben Vorzüge wie die Gitterpressen be- sitzt und ihre Fehler vermeidet. Sie besteht aus Rahmen von möglichst zäiiuni Holz (Eschen-, .Vhorn-, Elsen-, auch Eichen- holz) in welche ein feines, engmaschiges Drahtgcwcbe (10 — 12 Maschen auf den rhcinisciicn Zoll) eingespannt ist. Zum Schutz gegen das Durchstechen der Dräiite werden die Verl)indung.sstellen zwischen Holz und Geflecht mit einem Bande belegt. An den Längsseiten des einen Pressenrahmens befinden sieh eiserne Patentketten, die an einer durch das Holz genieteten Eisenschiene be- festigt sind. Diese Ketten greifen bei der Benützung in Haken des anderen Presscm-ahniens fest ein. Bei der kleinsten Form der Presse wird der Verschluss der grösseren Leichtigkeit wegen durch angeschraubte Leder- riemen bewirkt, welche man in Schlaufen des anderen Rahmens einhakt. Ein fester Ledergriff mit Hanfeinlage ermöglicht bequemes Tragen. Die Presse wird zunächst in drei Glossen hergestellt. Die grösste hat das Format der meisten Herbarien, welches z. B. der bekannte Herausgeber des Herbarium Europaeum, Dr. Bänitz in Breslau, von allen Mitgliedern des Tauschvereins fordert, 42 : 28 cm, und kostet bei directem Bezüge vom Fabri- kanten 4,.50 M. Die zweite Grösse entspricht dem ge- wöhnlichen Bogenformat, 34 : 22 cm, und kostet 3,50 M. Sie kann, besonders wenn sie mit Lederriemen geschlossen wird, von Sammlern ohne grosse Beschwerde selbst auf weiten Excursionen mitgenommen werden. Die kleinste Form endlich, 23 : 15 cm, ist für Kryptogamensammler, Touristen und sonstige Pflanzenfreunde bestimmt und so leicht, dass ihre Verwendung selbst bei anstrengenden Hochgebirgstouren nicht ins Gewicht fällt. Diese Pressen werden in der Drahtgeflecht-Fabrik des Herrn Fritz Schindler, Berlin SO., Köpenicker- strasse 116, angefertigt und sind unter Musterschutz ge- stellt. Sie werden bei der diesjährigen Berliner Gewerbe- Ausstellung in der Abtheilung für Erziehung und Unter- richt ausliegen. Der Fabrikant berücksichtigt bei Bestel- lung auch sonstige etwa erwünschte Abänderungen. Der- selbe wird auf dieser Ausstellung auch praktisch einge- richtete Schwefelkohlenstoffkästen nebst Glasmodellen von solchen zur Anschauung bringen, durch welche man am bequemsten und sichersten Insecten vertilgen kann, welche sich in Herbarien eingenistet haben. Der Preis dieser aus Zink oder Eisenblech hergestellten Kästen richtet sich nach ihrer Grösse. R. Beyer. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Uebergetreten ist: aus der Univcrsitiit Tübingen an die Ber liner Universität der ausserordentliche Professor der Botanik Dr. Albert Zimmermann. In den Ruhestand tritt: der ordentliche Professor der klini- schen Medicin in Amsterdam Dr. Heinrich Hertz. Es starben: Der bekannte norwegisclie A.'itronom Sophus Tromholt; der ordentliche Professor der Astronomie und Di- rector der Sternwarte in Kiel Dr. A d a 1 b e r t K r u e g e r , Redacteur der .Astronomischen Nachrichten"; der Präsident der Societa Geographica Italiana Baron Negri, der Vizepräsident derselben Gesellsciiaft Admiral Carlo Alberto Raccfila. L i 1 1 e r a t u r. Heinrich Hein, Das Trocknen und Färben natürlicher Blumen und Gräser, sowie Präparation alles natüilichen Bouquet- materials. Zweite gänzlich umgearbeitete und erweiterte Auf- lage. Mit 102 Abbildungen. Bernhard Friedrich Voigt. Weimar 1895. — Preis 3 Mk. Eine Anzeige dieses Buches an dieser Stelle i'echtfertigt sich allenfalls durch die Hoffnung, dass es eine Brücke zur ernsteren Beschäftigung mit der Natur für solche werden könnte, die zu- nächst nur eine rein ästhetische Freude an derselben haben. Es bispriclit zunächst die Pflanzen, die das Material für Trocken- bouquets liefern, sodann die Präparation derselben in ausführ- licher Weise. Wilhelm Bölsche, Entwickelungsgeschichte der Natur. In 2 Bänden mit gegen 1000 Abbildungen und vielen Tafeln in Schwarz- und F'arbendruck. Vorlag von I. Neumann, Neudamm (Provinz Brandenburg). 1894 u. 18'J6. — Preis ä Bd. 7,.0O Mk. Nach der Terminologie, wie sie durch A. v. Huniboldt's be- rühmtes Werk geläufig geworden ist, hätten wir in dem vorlie- genden einen „populären Kosmos" vor uns, wie wir solche in der deutschen Litteratur mehrfach besitzen: es sei an den besten der- selben, Carus Sternes „Werden und Vergehen", erinnert. Gerade dieser competente Beurtheiler sagt über das Werk Bölsche's: „Ein feinsinniger Schriftsteller, (h^r sich im Kampfe der neuen Gedanken als tapferer Vorkämpfer bewährt und auch in seinen dichterischen Werken als eifriger Naturkundiger hervorgethan hat, unternimmt es, den Kosmos neu zu schreiben, eine unternehmende Vcrlagshandlung schreitet mit dem Füllhorn der neuen Verbild- XI. Nr. 18. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 219 lichungsmittel neben ihm her, um seinen — oder vielmehr des Lesers — Pfad mit bunten Blumen zu überstreuen. Sprach- gewaltig und doch zurückhaltend in seinen Schlüssen, die Grenzen des Wissens wohl kennend und erwägend, hält der Verfasser die richtige Mitte zwischen der weiland Brockes'schen Naturverzückung und der im bedächtigen Schritt wandelnden Forschung. Auch ohne zu Zimmermann'schen Uebertreibungen zu greifen, die aus der Urgeschichte einen Schauer und Abenteuerroman zu machen suchten, weiss er den Leser durch Inhalt und edle Form zu ge- winnen und festzuhalten. Der Einleitung folgt zunächst eine Ge- schichte der Weltdeutungsversuclie von den Schopfungssagen der Naturvölker an bis zum Erkcnntnissringen der Neuzeit. . . . Neben dem schönen Fluss der Darstellung ist die geschickte Gliederung des Stoffes, die Höhe des Standpunktes und die „Fülle der Gesichte" rühmend hervorzuheben; wir erhalten ein Weltbild nicht in grellen Farben hingepinselt, um rohe Massen mit falschen Vorstellungen zu erfüllen, sondern um sorgsame Leser dauernd zu fesseln und zu erfreuen . . . ." Auch wir können nicht umhin zuzugestehen, dass der Verf. sich im Ganzen gut orientirt zeigt. Dass einzelne Fehler und Ungenauigkeiten vorkommen, haben wir nicht übersehen; aber es dürfte einem Einzelnen überhaupt schwer möglich sein, das un- geheure Gebiet ohne kleine Versehen zu bewältigen. Von den Abbildungen könnte eine ganze Anzahl besser sein, namentlich im Druck. Prof. Dr. Iiidwig Büchner, Licht und Leben. Drei natur- wissenschaftliche Beiträge zur Theorie der menschlichen Welt- ordnung. Allgemein verständlich. Zweite verbesserte Auflage. Theod. Thomas. Leipzig (ohne Jahreszahl). Die drei „Beiträge" sind 1. Die Sonne und ihre Beziehung zum Leben, 2. Der Kreislauf der Kräfte und der Welt-Untergang und 3. Zur Philosophie der Zeugung. — Die flotte Schreibart des Verfassers macht das Lesen seiner Schriften leicht; sie haben daher auch, da sie stets Themata behandeln, welche das allge- meinste Interesse erwecken, weiten Anklang gefunden. Man mag über den Verf. denken, wie man will, d. h. Büchner's Resultate acceptiren oder nicht (wir selbst können z. B., wo er philosophisch wird, in den wichtigsten Punkten ihm nicht beipflichten, wie das in der „Naturw. Wochenschr." schon früher zum Ausdruck ge- kommen ist): eins dürfte der ehrlich Denkende doch nicht leugnen können, dass nämlich der unerschrockene Mann durch seine Ar- beiten, namentlich durch die bekannteste, „Kraft und Stoff"", bei der Leichtigkeit, mit der sie vorwiegend durch die Eleganz, ihres Stiles Jedermann verständlich sind, wesentlich dazu beigetragen haben, naturwissenschaftliche Regungen im grossen Publikum zu erwecken. Freilich ist es bedauerlich, dass bei der Kritiklosigkeit der Menge nun auch oft Resultate sich einwurzeln, die sich bei tieferem Eindringen als haltlos ergeben. Das vorliegende Buch ist in dieser Beziehung glücklicher Weise weniger gefährlich und wird hofl'entlich vielen Naturfreunden mannigfache Anregung und Zerstreuung geben. Cesare Lombroso, Entartung und Genie. Neue Studien. Mit 12 Tafeln. Gesammelt und unter Mitwirkung des Verfassers Deutsch herausgegeben von Dr. Hans Kurella. Georg H. Wiegand's Verlag. Leipzig 1894. — Preis 5 Mk. Wir haben schon früher (Band IV, S. 119, Band V, S. 379) auf die Studien Lombroso's über den genialen Menschen auf- merksam gemacht. In der vorliegenden interessanten Schrift liegen weitere Studien über den.selben vor. die der geistvolle Verfasser für die 6. Auflage seines Buches über den Gegenstand gesammelt und Herrn Kurella für die vorliegende besondere Ver- öff'entlichung überlassen hat. Ferner wurden in derselben ver- wcrthet noch einige der neuesten Beiträge Lombroso's zur Sache in verschiedenen deutschen und italienischen Zeitschriften, und endlich einige mündliche und briefliche Mittheilungen. Das vor- liegende Buch wurde nach einem gemeinsam zwischen Autor und Uebersetzer durchgesprochenen Plan redigirt, und diese Redaction ist dem letzteren vorzüglich gelungen. Da dieser ein guter Kenner der Lombroso'schen Ansichten ist und sich mit Liebe in die von diesem gepflegten Gegenstände vertieft hat, sind die aus seiner Feder stammenden Zuthaten in dem Buche, dem er eine durchaus einheitliche Gestalt zu geben verstanden hat, nur dankenswerth aufzunehmen. Das Buch wird den Wunsch des Herrn Kurella — wenigstens bei denen, die es ohne Voreingenommenheit studiren -— erfüllen, nämlich ein besseres Verständniss der Lombroso'schen Ansichten zu verbreiten, als es leider in Wirklichkeit vielfach vorhanden ist. Das Buch wird daher hofl'entlich eine gerechtere Beurtheilung der Sache anbahnen helfen, die versucht worden ist durch Nörgelei in Misscredit zu bringen. Das folgende Inhaltsverzeichniss giebt einen ungefähren Ein- blick in das in der Schrift Besprochene. I. Einwände gegen die degenerative Natur der Genialität. — II. Die Entstehungsbedin- gungen des Genies. 1. Kosmische und anthropologische Factoren. 2. Sociale Factoren. 3. Individuelle Factoren. — III. Zur Physiologie und Psychopathologie des Genies. 1. Die Stigmata der Entartung •J. Zur Psycho-Physiologie und Sinnes-Physiologie des Genies. — 3. Psychische und psychopathische Eigenthümlichkeiten genialer Naturen. 4. Pseudogeniale Entartungsformen. — I\^. Genie und Irresein. 1. Beispiele und Statistik irrer Genies. 2. Mattoidismus und Pseudo Genialität. 3. Der Prophet Lazzaretti. - V. Zur Theorie der Genialität. 1. Analogien der Genialität und des Irr- seins. 2. Die epileptoide Natur der Genialität. 3. Die degenera- tive Theorie der Genialität und die Biologie der Entartung. Lombroso erklärt auf Grund der Thatsachen die Entstehung des Genies durch Degeneration: damit fallen, sagt er, seine Ano- malien, seine charakteristischen atavistischen Rückschläge in das Gebiet jener merkwürdigen Compensations-Erscheinungeu, die uns durch Roux und Metschnikow*) über den Kampf der Theile im Organismus vermittelst der Phagocyten bekannt geworden sind. Die Phagocyten-Lehre wirft ein Licht auf die atavistischen Rück- schlagserscheinungen und die Disharmonien bei genialen Menschen. Je mächtiger der eine Theil bei diesen entwickelt ist, um so mehr werden andere Theile geschwächt; je mehr das Gehirn und damit die Intelligenz wächst, um so schwächer sind die Muskeln, der Magen, ja selbst die Knochen. Immer hat ein Theil des Orga- nismus zu leiden und aufzukommen für die allzu hervorragenden Leistun_en eines anderen Theils. Dr. O. Herrmann, Technische "Verwerthung der Lausitzer Granite. Souder-Abdruck der Zeitschrift für praktische Geo- logie. Verlag von Julius Springer. Berlin 1895. — Preis 1 M. Der den grössten Theil des Fels-Untergrundes der Lausitz bildende Granit hat eine ausgedehnte Industrie ins Leben ge- rufen, welche sich seit den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts zur Grossindustrie entwickelt hat und gegenwärtig ca. 5000 Menschen Beschäftigung gewährt. Ueber d.as Vorkommen und die Verwendung dieses so wichtigen Gesteins entwirft der Verf. ein dankenswerthes Bild. Er lehrt uns die Verbreitung, die bei der Entstehung des „Lausitzer Hauptgranites der Cleologen" wichtigsten tektonischen Bedingungen, die verschiedenen Abarten desselben und deren hauptsächlichste Fundpunkte kennen. Des weiteren giebt er eine Reihe statistischer Daten über die wich- tigsten Steinbruchs-Betriebe und die Masse der producirten Werk- steine und führt die hervorragendsten Bauwerke an, bei denen der Lausitzer Granit in der neuesten Zeit zur Verwendung ge- bangt ist. Die Schrift dürfte allgemein interessiren, indem sie ein Bild gewährt über einen, wenn auch local beschränkten, so doch nicht unwesentlichen Zweig der vaterländischen Industrie. Dr. Kaunhowen. Prof. Dr. med, et phil. H. Griesbach, Physikalisch-chemische Propaedeutik unter besonderer Berücksichtigung der medici- nischen Wissenschaften und mit hijitorischen und biographischen Angaben. I. Hälfte mit 44 Figuren. W'ilhelm Engelmann. Leipzig 1895. — Preis 6 Mk. Abgesehen von den Auskünften über Zweck und Inhalt des vorliegenden Werkes, soweit sie bereits der ausführliche Titel bietet, noch das Folgende. Das Werk will namentlich dem Che- miker und dem Mediciner dienen; beiden die Grundlehren der physikalisch-chemischen Wissenschaft in leichtfasslicher Form bieten; es setzt demgemäss keine fachwissenschaftlichen Kennt- nisse voraus und ist deshalb jedem, der sich für die „exacten" Naturwissenschaften iuteressirt, zu empfehlen, insbesondere den Studirenden. — Wir hoffen nach Erscheinen der II. Hälfte aus- führlicher auf das Werk zurückkommen zu können. Engler und Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien. Fort- gesetzt von A. Engler. Lief. 131 — 133. Wilhelm Engelmann. Leipzig 189(i. — Preis ä 3 Mk. (in Subscriptiou 1,50 Jlk.). Die Doppel-Lieferung 131/32 bringt den Anfang der Rutaceen bearbeitet von A. Engler, die Lieferung 133 den Schluss der genannten Familie und die Simarubaceen und den Beginn der Burseraeeen von demselben Autor. *) Vergl. „Naturw. Wochenschr.", Bd. IV. Nr. 4, S. 25 ft'. Inhalt: Reallehrer Fr. Adami in Bayreuth, Unser tägliches Zeitmaass. — Die geistige Ermüdung der Schulkinder. — Die zoogeographische Stellung der Insel St. Helena. — Beziehungen zwischen dem Blutfarbstott' und Chlorophyll. — Eine neue Pflanzen- presse. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — LItferafur: Heinrich Hein, Das Trocknen und Färben natürlicher Rlnmen und Gräser, sowie Prüparatioii alles natürlichen Bouquetmaterials. — Wilhelm Bölsche, Entwickilungsgeschichte der Natur. — Prof Dr. Ludwig Büchner, Licht und Leben. — Cesare Lombroso, Entartung und Genie. — Dr. O. Herrmann, Technische Verwerthung der Lausitzer Granite. — Prof. Dr. med. et phil. H. Griesbach, Ph\sikalisch-chemischo Propaedeutik. — Englur und Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien. 220 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 18. A\'örterl>üclier. Sachi^-Villatk« Eueyklopädisches Wuiterbiich der französischen und deutschen Sprache A. I B. Gr. Ausg. Hand- ii. Schul-Aiisg. s. Aufläse Theillnebsl, Supplem. 2ülu Seiten ■geb. 43 Mit. Theil II 2150 Seiten geb. 42 Mli. Th. I (franz. deutsch): 6i» Seiten. Theil 11 (dentsch- französ.); 853 Seiten. 85. .\uflage. Heide Theile in einem Band gebd. 13 M. 51) Pf. jeder Theil einzeln geb. 7 M. 2.1 Pf. Murct-Saiiders Encyklopädisches Wörterbuch der engli- schen und deutschen Sprache. Theil I: I Theil 11: Enf,'lifLli • (l.Mitscli von' Deutsch - onf;lisch von Prof. Dr. Ed. Murel| Prof. Hr. H. Sanders. Erscheint seit 1S91 in Lieferongeu ä 1 Mk. 50 Pf. Der erste Halbbaud, A— K des ersten Theiles liegt fertig vor. Preis geb. 21 Mk. Sachs-Villatte bez. Muret-Sanders sind unter allen ähnlichen Werken die neuesten, reichhaltigsten und vollständigsten. Sie sind die einzigen, welche bei jedem Worte angeben: 1. Aussprache, 2. Gross- und Kleinschreibuug '^. 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Jl- bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit Tollständiger (Quellenangabe gestattet. Grundzüge der Pflanzenverbreitung in Deutsch-Ost-Afrika und den Nachbargebieten. Nach A. Engler. Es kann uumöglieli die Aufgabe eines gedrängten Referats sein, auch nur einigermaassen den reichen Stoif wiederzugeben, welcher in der Arbeit Engler's über den im Titel angedeuteten Gegenstand angehäuft ist (Theil A aus A. Engler: Die Pflanzenwelt Ost- Afrikas und der Nachbargebiete. Berlin 1S95. D. Reimer). Bei dem lebhaften Interesse, welches weite Kreise an der Er- forschung unserer Colonien naturgemäss nehmen, und bei der allgemeinen Bedeutung, welche jenes Werk für die Kenntniss der Pflanzenwelt Afrikas besitzt, scheint es da- gegen durchaus angemessen, hier in Kürze wenigstens auf die Principien jener Arbeit und die wichtigsten in ihr enthaltenen Thatsachen hinzuweisen. Die Methodik der pflanzengeographischen Forschung ist heute eine andere als ehemals. Zu den früheren Auf- gaben, welche die Erforschung der Flora eines unbe- kannten oder wenig gekannten Landes stellte, sind neue hinzugetreten. Man begnügte sich zunächst mit dem Ein- sammeln, wenn möglich aller Formen eines Gebietes und ihrer genauen sorgfältigen Bestimmung; Pflanzenkataloge und Beschreibungen des gesammelten Materials, syste- matisch geordnet, waren die Frucht dieser Bemühungen. Eine weitere Aufgabe bestand darin, die Beziehungen zu der Flora des Gebietes zu der benachbarter und ent- fernterer Gebiete darzulegen, und mit Hilfe der bekannten geologischen Thatsachen die Geschichte der Flora in Umrissen zu ermitteln. Ferner handelte es sich darum, die Abhängigkeit der Pflanzendecke von dem Klima und dem Boden des Landes im Allgemeinen darzustellen. Nur wenie: oder auch gar nicht achtete man auf das ges seitige 'S'erhältniss der Pflanzen sellschaftiichcs Vorkommen, ihr stimmten Gemeinschaften sowie nisse der einzelnen Pflanzen. j;en- zu einander, auf ihr ge- Znsaminentreten zu be- auf die Standortsverhält- Beide Punkte, die Fest- stellung und Abgrenzung der Pflanzenformationen und die Ermittelung der biologischen Eigenthümlich - keiten dieser und ihrer Componenten, sind bisher zu wenig beachtet worden; es ist zu erwarten, dass die Mit- arbeiter an dem von Engler und Drude unternommenen grossen Werk „Die Vegetation der Erde", mehr, als es bisher geschehen ist, diesen Aufgaben zu genügen wissen werden. Die beiden Autoren weisen gerade in ihrem Prospect zu dem Unternehmen auf jene bisher nur mangel- haft bearbeiteten Probleme hin. Die Arbeit Engler's über die Pflanzenwelt Ostafrikas ist wesentlich von den Gesichtspunkten beherrscht, die für die Physiognomik einer Flora maassgebenden Formationen des Landes zusammenzustellen sowie auf die Beziehungen dieser Formationen zu ihren Standortsver- hältnissen hinzuweisen, wenn wir unter dieser Bezeichnung die Bedingungen des Klimas und Bodens begreifen. Für ein Land, dessen Flora bisher so ausserordentlich lücken- haft bekannt ist, war natürlich die Schilderung der Formationen mit grossen, zum Theil bis jetzt unüberwind- lichen Schwierigkeiten verbunden. Es dienten neben den gesammelten Pflanzen als Grundlage der Schilderung wesentlich die Angaben, welche Holst über die Pflanzen- gemeinschaften de"s durch seinen Forschungseifer genauer bekannt gewordenen Usambara gemacht hatte und die Mit- theilungen zahlreicher Reisender über die von ihneu durchstreiften Gebiete. Es ist keine Frage, dass einer Darstellung der Vegetations-Formationen eines Landes, die sich nur auf Angaben der Sammler und Herbarstudien stützt, sehr viele Mängel anhaften, da dem Darsteller die eigene Anschauung der Furinationen fehlt; mit Erfolg wird eine solche Schildeniiig überhaupt nur der unter- nehmen können, welciier wie Eiigler, die umfassendsten pflanzengeographischen Kenntnisse besitzt; es wird aber, 222 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 19. wie der Verfasser selbst sagt, diese Darstellung das Gute haheu, dass künftig mehr auf die Formationen der be- reisten Gebiete von den Reisenden geachtet wird, und dass die bisher sehr mangelhaft behandelte Biologie der Flora mehr Berücksichtigung findet. Greifen wir jetzt die Hauptpunkte der Pflanzenver- breitung im behandelten Gebiete heraus. — Engler gliedert die Flora in die Meeresflora der ostafrikanisclien Küste, die Flora der Koralleninseln und die Flora des ostafrikanischeu Festlandes. Das Hauptinteresse bean- sprucht natürlich die Flora des Festlandes. Wir treffen zunächst auf die Formationen des Strandlandes, unter denen auf uns eine ganz besondere Anziehung die wegen ihrer höchst merkwürdigen biologischen Eigenthümlich- keiten gerade in letzter Zeit so vielfach besprochenen Mangrovenbestände ausüben werden. Der Verfasser macht hier auf die eigenartigen Anpassungserscheinungen der Mangrovepflanzen aufmerksam. Auf die Formationen des Strandlandes folgen die der Küstenzone (der Creek- zone, auf recentem Kalk). Neben Grasland und Baum- grasland mit eingestreuten Bäumen begegnet uns hier bereits Busch, und zwar dichter, immergrüner Küsteu- busch, der den Creekstrauchgürtel bildet; er zeigt schon ganz den Charakter der Buschgehölze trockenen Bodens oder der Steppengehölze, wie sie etwas weiter landein- wärts so häufig sind. Hierzu treten, wie es scheint, auch waldartige Complexe. Hinter dem Creekstrauchgürtel auf hartem, unfruchtbaren Boden tritt uns Dornbuschdickicht entgegen. An den grösseren Flüssen finden wir Alluvial- wald, indem besonders häufig die von der ostafrikanischen Küste bis nach Queensland verbreitete Barringtonia racemosa auftritt. Nach den Formationen der Creekzone können wir die des unteren Buschlandes unterscheiden, das etwa bis zu 125 m reicht. Kein Formationstj-pus ist in Afrika so reich entwickelt, wie der der Buschgehölze, welche in den verschiedensten Abstufungen von der Küste bis in die Gebirge hinein auftreten. Auf zeitweise be- wässertem und humusreichem Boden weisen sie eine ganz ausserordentiche Mannigfaltigkeit der Gehölze und Kräuter auf, auf sterilem und hartem Boden dagegen bestehen sie aus wenigen, oft stark verdornten Sträuchern, zwischen denen eine artenarrae Krautvegetation ihr Dasein fristet, bis endlich auf gänzlich wasserarmem Bodeu der Charakter der Wüste hervortritt. Es existiren zwischen den Forma- tionen des Buschlandes keine scharfen Grenzen und es wird noch sehr intensiver Forschung bedürfen, bis wir üi)er die Ausdehnung selbst der charakteristischsten For- mationen im Klaren sind. Soviel ist sicher, dass alle diese Buschgehölzformationen vom P^tbai - Gebirgsland und Abessinien an bis nach dem Karroogebiet und vom Rothen Meer bis Senegambien viele Elemente sowohl unterein- ander wie aucii mit Arabien und Vorderindien gemeinsam haben, wenn auch andererseits in den verschiedenen Breiten ^v•iedcr recht bemcrkenswerthe Unterschiede wahr- zunehmen sind. — Fassen wir einmal den allgemeinen Charakter dieser Buschgehölze näher ins Auge. Es wird diese Formation vor Allem charaktcrisirt durch das mehr oder minder reichliche Vorkommen der Akazien. Ver- möge ihrer tief gehenden Wurzeln können sie das nur in grösserer Tiefe des Ste|)penbodens vorhandene Wasser erreichen. Ihre meist doppelt gefiederten Blätter mit zahlreichen kleinen Blättchen bieten eine für Steppen- pflanzen verhältnissmässig grosse Assimilationsfiäche dar; die Bewegliciikeit der l'dättchen, ihr Vermögen, sich horizontal und vertikal zu stellen, gestattet ihnen einer- seits, bei bedecktem Himmel das Licht möglich.st auszu- nutzen, andererseits bei zu grellem Sonnenlicht und zu trockener Luft sich gegen nachtheilige Einflüsse zu schützen. Die Entwickelung zahlreicher durch ihre Masse den Insecten auffallenden Blüthen begünstigt allemal eine reiche Frucht- und Samenentwickelung; die Früchte aber gestatten eine weitere Verbreitung durch die Steppen- winde, da bei vielen Arten die Fruchtklappen leicht und dünnhäutig, oft auch ziemlich breit sind, bei anderen die laugen und schmalen, vielfach gewundenen Hülsen, in einander verschlungen, eine vom Winde leicht zu be- wegende Masse bilden; die dicken, nährstoffVeiehcn Samen endlich ermöglichen eine rasche Fortentwickclnng der Keimpflanzen nach erfolgter Sprengung der Samenschale. Wir sehen, dass die Akazien besonders befähigt sind, vermöge ihrer Structur, den schädigenden Einflüssen eines trockenen und heissen Klimas zu widerstehen; diese IjC- guminosen werden daher in dem grössten Theile von Afrika immer siegreicher, je mehr anderen Holzgewächsen die Existenz erschwert wird. Gehölze mit einfach gefie- derten Blättern sind im Steppenbusch selten in gleicher Weise dominirend wie jene Akazien mit ihrer zierlichen doppelten Fiederung. Gehölze mit gedreiten Blättern treffen wir in diesen Formationen mehrfach an. Die grosse Mehrzahl ist jedoch mit einfachen meist kleinen Blättern ausgestattet. In den meisten Fällen gewährt eine ziemlich starke Cuticula, in manchen Fällen auch Steil- stellung der Blätter Schutz gegen die in trockenen Ge- bieten sehr ausgiebige Verdunstung. Bei geringem Zu- fluss von Bodenwasser, wie es in solchen Gebieten der Fall ist, werden die sich entwickelnden Blattaidagen nicht zu grosser Flächenausdehnung und Verzweigung gelangen ; es wird den langsamer wachsenden Blättern eine stärkere Verdickung ihrer Zellmembranen zu Theil werden; die in der Knospe zusammengedrängten Blätter werden auch bei der P^ntwickelung der Knospe einander mehr genähert bleiben und dabei weniger in horizontale Lage gerathen, als wenn ein starker Saftstrom einer raschen Verlängerung der Internodien und Vergrösserung der Blattflächen günstig ist. Die geringe Streckung der Hauptsprosse ist einer reicheren Entwickelung der Seitensprosse und damit eben der Strauchbildung günstig. Da die grosse Mehr- zahl der Buschgehülze einfache ledrige Blätter und un- ansehnliche Blüthen besitzt, so ist es meist sehr schwer, die systematische Stellung eines solchen Strauches prima vista zu bestimmen; sehr oft bedarf es dazu erst gründ- licher Untersuchungen. Es hat keinen Werth, hier Formen in grösserer Anzahl aufzuzählen: doch sei darauf hinge- wiesen, dass neben Akazien und anderen Leguminosen noch besonders die Gattungen Combretum, Commi- phora, viele Euphorbiaceen und ßubiaceen sich an der Zusammensetzung des Busches betheiligen. Neben Busch- beständeu treten im unteren Buschlande auch noch andere, weniger wichtige Formationen auf, wie Waldbestände, Wiesen, Steppen in verschiedener Form. Betrachten wir jetzt die Formationen des In- landes mit langer Trocken]) eriode. Es ist die Formation der Steppe in ihren verschiedensten Abstu- fungen und Uebergängen zum Busch, welche hier in un- endlicher Mannigfaltigkeit fesselt. Jenes immergrüne Buschgehölz, welches das Küstenland säumt, ist vielfach nur eine täuschende Kulisse, hinter der sich sehr bald in viel grösserer Ausdehnung die eigentliche Steppe des inneren Ostafrika bemerkbar macht, Anfangs anregend durch die über ihr herrschende Klarheit der Luft, durch die Eigenartigkeit vieler Vegetationsformationen, welche wohl auch im Küstenland an trockenen Stellen ange- getroft'en werden, nun aber in Massen wirken, anregend auch durch das reiche Thierleben, schliesslich aber er- müdend durch die viele Tagereisen währende Einförmig- keit. Und doch bietet gerade die Steppe dadurch, dass sie zeigt, bis zu welchem Grade mancherlei auch sonst zu beobachtende Anpassungen an anhaltende Trockenheit XI. Nr. 19 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 223 vorschreiten können, des Interessanten genug; leider aber sind die Verhältnisse nur selten derartige, dass der durch die Steppe wandernde Reisende sich einem Studium der fesselnden Vegetationsformen hingeben kann, und leider sind auch diese oft so geartet, dass sie einerseits eine vollständige Konservirung für eingehendes Studium in der Heimath nicht gestatten, andererseits in den europäischen Gewächshäusern aus Samen oder Stecklingen gezüchtet nur selten zu einer Entvvickelung gelangen, welche der im Steppenklima erfolgenden einigermaasen nahe kommt. Es ist für unsere Garteneultur viel leichter, eine tropische Regenwaldpflanze zu üppiger Entwickclung zu bringen, als eine nicht succulente Wüsten- oder Steppenpflanze so zu erziehen, dass sie nur einigermaassen das charak- teristische Gepräge ihrer heimathlichen Gestaltung zeigt. Die echten Steppen des tropischen Afrika erstrecken sich über einen grossen Raum mit verschiedenartiger, geo- gnostischer Unterlage und bis zu bedeutender Höhe über dem Meere; aber sie haben einen negativen Charakter, der sie auch von den Uebergaugsformationen zu den Buscligehölzen unterscheidet, sie entbehren grossentheils der dauerblätt- rigen dicotylen Sträucher; die Trockenzeit hält so lange an, dass bei den geringen atmosphärischen Niederschlägen und der mangelnden Budenfeuchtigkeit schliesslich auch die den Steppenpflanzen sehr oft zu Theil gewordenen Schutzmittel einer Behaarung und Verkleinerung der Blätter nicht mehr ausreichen und demzufolge das Laub verdorrt. So uiuss denn nach der kurzen Regenzeit die Arbeit der Laubentwickelung aufs neue geleistet werden und diese fällt entsprechend der verhältnissmässig geringen Menge vorhandener Haustoft'e, sowie in Folge der kurzen Vege- tationsperiode auch nur künnnerlich aus. Nur solche Sträucher und Bäume der Buschgehölze, welche eine Re- duction der Laubentvvickelung zu ertragen vermögen, haben sich auf dem trockenen Boden der echten Steppe erhalten und grössere Formenkreise erzeugen können. Da nur eine geringere Zahl von Holzgewächsen im Steppen- klima zu gedeihen vermag, so kommt es oft vor, dass da, wo die Bodenverhältnisse Strauch- und Baument- wickelung ermöglichen und wo nicht Steppeubrände wüthen, einzelne Gehölze oft meilenweit die Herrschaft gewinnen. So wie die Tj'pen der echten Steppengehölze sind auch die Typen der Succulenten und der Stauden aus den Buschgehölzformationen nicht vollkommen aus- geschlossen, sie werden dort an steinigen Plätzen oft genug vereinzelt augetrolfen; in einzelnen Thcilen der echten Steppe gelangen sie aber, eben auch in Folge ver- minderter Conkurrenz, zu einer Massenentwickelung, die auch sofort auf den Laien Eindruck macht und die Unter- scheidung einer Formation leicht gestattet. Nach den in der Steppe auftretenden Pflanzen zeigt nun diese Forma- tion eine grosse Mannigfaltigkeit. An den Ufern salz- haltiger Seen und in den mit ihnen in Verbindung stehenden Niederungeu herrscht eine dürftige, artenarme Vegetation, die man als Salzsteppe bezeichnen kann. Wüstenartige Steppen treffen wir auf steinigem, vulka- nischen Boden oder auf Laterit. Sehr eigenthümliuii ist die Formation der Obstgarten steppe, welche 11. Meyer auf seinem Marsche nach dem Kilimandscharo durch- wanderte, und die sich meilenweit ausdehnt. Es sind hier 2— 4 m hohe, pyramidenförmige Bäume in ziemlich regel- mässigen Abständen von 3—4 m über die Ebene zer- streut, in ihrer starren Zweigbildung und starken Dorn- entvvickelung gleichen sie winterkalden llolzbirnbäumen. Graswuchs ist vielfach nur sehr wenig entwickelt; Sträucher und Stauden fehlen. Das Steppenbuschdickicht weist eine grosse Anzahl meist dorniger Gehölze auf, so dass CS vielfach sehr schwer zu durchdringen ist. Im Anschluss an die Obstgartensteppe oder auslas Steppen- buschdickicht finden wir eine Formation, die in bota- nischer Beziehung zu den interessantesten Ostafrikas ge- hört, da ihre Bestandtheile sich in ganz anderer Weise als die meisten des gewöhnlichen Steppenbusches den durch eine lange Trockenperiode hervorgerufenen Be- dingungen angepasst haben. Diese Formation, der Euphorbien-Dornbusch, ist gekennzeichnet durch das massenhafte Vorkommen Strauch- oder liaumartiger Eu- phorbien von kandelabcrartiger Verzweigung und mit dunkelbiaugrünen, starren, dicken, cactusähnlichen Aesten, die an den oft geflügelten Kanten starke Dornen tragen. Stellenweise bildet unter den bisweilen 20 m hohen Eu- phorbien eine Sanseviera-Art mit ihren 1 m laugen, ba- jonettähnlichen, stachelspitzigen Blättern ein nicht zu be- tretendes Dickicht. Neben den Succulenten finden wir auch hin und wieder Bäume, besonders Akazien. Wie bei uns die Wiesen sehr verschiedene sind, so auch in Afrika die Grassteppen, Je nachdem sie auf Flugsand, auf dichterem, sandigen Boden oder auf steinigem Terrain entwickelt sind. Je nach der Höhe der Gräser lassen sich Niedergrassteppen und Hoehgrassteppen unter- scheiden. Wenn auf grössere Strecken bin vereinzelt Gebüsch auftritt, kann man von Buschgrassteppen sprechen. Einen sein- weiten Raum nimmt im Inneren Ostafrikas die Baumgrassteppe ein, in der neben vor- wiegender Gras- und Staudenvegetation alle 100 — 200 Schritte ein Baum wächst. Gewöhnlich sind es Akazien, von sehirmartigem Wuchs, Schirmakazieu, welche in diesen Gebieten dominiren. Wir haben auf die beiden in Ostatrika so mächtig und mannigfaltig entwickelten Formationen des Busches und der Steppe einen flüchtigen Blick geworfen; wo tritt nun Wald aufV In der Ebene sind waldartige Bestände fast ausschliesslich an die nähere Umgebung der Ge- wässer gebunden und gewöhnlich von sehr geringer Aus- dehnung. Kräftigerer, reichlicher Baumwuchs, durch aus- giebigere Niederschläge begünstigt, konnte in den Gebirgssj'stemen zur Entwickelung kommen. Wie in allen tropischen Gebirgsländern ist in den höheren Regionen, wo die Luft kälter ist, das Wasser leichter abfliegst, die Zahl der Baumformen eine beschränktere, das Unterholz weniger reichlich und eine grössere Anzahl von Typen vorhanden, welche auch in höheren Breiten augetrolfen werden, auch ist der Wald häuflger von natürlichen Lichtungen mit wiesenartiger Vegetation durchsetzt; dies ist die Region des Hochgebirgswaldes oder Berg- waldes, wie er auf den Höhen Usambaras und am Kilimandscharo angetroffen wird. In den unteren Re- gionen dagegen wird der eine üppigere Vegetation be- dingende Factor der Wärme erbeblich erhöht; am günstigsten sind die Bedingungen für eine üppige tropische Vegetation mit hohen, gewaltigen Bäumen, mit reichem Unterholz und zahlreichen Epiphyten, in den Schluchten, welche den Winden wenig ausgesetzt sind, in denen sich reichlicher Humus angesammelt hat, in denen die durch Verdunstung erzeugten aufsteigenden Wasser- dämpfe der Vegetation desselben Gebietes wieder zu Gute kommen und als lokale Regen wirken. Dies ist der untere tropische Gcbirgswald, der meist ein Schluchtenwald ist. An den Bachufern entlang steigt eine reichere Waldvegetation oft in ziemlich bedeutende Höhen hinauf (Bacluiicrwald), an den höheren Abhängen ist der Wald wieder etwas anders zusammengesetzt (oberer Tropenwald). Vor der Besiedclung durch die Neger haben alle diese Waldformationen jedenfalls eine grössere Ausdehnung besessen, jetzt ^vcrden sie durch den Plantagenbetrieb noch mehr zurückgedrängt. Da die Gebirgstropen Wälder das werth vollste Kulturterrain sind, dem noch eine grosse Zukunft bevorsteht, so wird 224 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 19. es das Bestreben einer einsichtsvollen Verwaltung sein müssen, durch Erhaltung von Schutzwaldungen dahin zu wirken, dass die günstigen Bodenverhältnisse nicht durch unvernünftiges Abholzen aufgehoben werden. Am besten bekannt sind die Wälder von Usambara, hier, wo hohe Bäume von epiphytischen Farnen und Orchideen bedeckt sind, kann man wohl von einem tropischen „Urwald" sprechen, wenn auch mancherlei fehlt, um diesen Wald den Urwäldern Kameruns oder gar denen des aequa- torialen Amerika und von Indo-Malaya gleichzustellen. Oberhalb des Gebirgstropenwaldes, der etwa bis 1200 m reicht, und der Steppenformationen, die stellen- weise bis 1500 m ansteigen, unterhalb der Hochwälder, die in Usambara und am Kilimandscharo erst um 1900 m beginnen, finden wir einerseits mehr oder weniger dichte Buschbestände mit einzelnen Bäumen, anderseits feuchtes oder trockeneres Wiesenland, hier und da auch nackten Fels. Der grösste Theil Hochusambaras westlieh vom Luengera gehört dieser Region an. In diesem oberen Buschwerk kehren zwar vielfach dieselben Gattungen wieder wie in den unteren Buschformationen, doch sind die Arten meistens andere. Sehr auffällig ist die Aehn- lichkeit der Flora dieser Region mit der Abyssiniens. Vielfach finden wir neben grossen Buschbeständen Ge- biete, die mit ausgedehntem Wiesen- und Weideland be- deckt sind. In der Region über 1700 m treffen wir Hoch- gebirgswälder; solche sind entwickelt in Usambara, am Kilimandscharo, im Ulugurugebirge, in den Gebirgen Centralafrikas. Durch die Schilderungen der Reisenden hat der Hochwald des Kilimandscharo, hier auch „Gürtelwald", Urwald, genannt, eine gewisse Berühmt- heit erlangt, man verdankt die genaue Kenntniss dieses Waldes neben den Forschungen Johnston's und H. Meyer's, besonders Volkens, der dieses Gebiet wiederholt nach verschiedenen Richtungen durchstreifte. Es ist eine beträchtliche Anzahl von Bäumen, die hier beobachtet worden sind; in den oberen Regionen des Waldes fällt besonders die Conifere Podocarpus Mannii auf. Der allgemeine Charakter dieser Hochwaldflora, die viele Bestaudtheile aufweist, welche Beziehungen zur Flora Abyssiniens erkennen lassen, ist vor allem dadurch bestimmt, dass sie der Ausdruck ist einer während des grössten Theiles des Jahres bei massiger Temperatur herrschenden Feuchtigkeit, welche auch besonders die üppige Entwickelung von Farnen und anderen Kräutern, sowie von Moosen begünstigt. Auf der leicht gewellten, oberhalb der Baumgrenze gelegenen, steinigen Hochebene des Kilimandscharo tritt uns eine subalpine Strauchformation, die Eri- cinclla - Formation, entgegen, durchschnittlich ,bis 3600 m, stellenweise bis 4000 m reichend. Der wichtigste Bestandtheil dieses Gesträuchs ist die auch auf den meisten anderen Hochgebirgen Ostafrikas vorkommende Ericinella Mannii, halbmannshohe, rundliche Sträucher bildend, ein Haidestrauch mit kleinen Nadelblättern. Oberhalb 4000 m verschwinden die Ericinella-Büsche, die zuletzt immer spärlicher werden und weite, mit Gesteins- trümmern bedeckte Lücken zwischen sich lassen, voll- ständig. Es beginnt die Strauch lose oder alpine Region, in der neben einigen Gräsern und anderen Kräutern besonders Strohblumen auffallen (Helichrysum). Von 4500 m an ist jede Vegetation von Blüthenpflanzen er- storben, nur Flechten überkleiden die jetzt freistehenden Blocke und bringen in die sonst so unendlich unwirthliche Umgebung den Glanz der Farben. — Wenn wir die alpine Region der ostafrikanisehen Hochgebirge mit der anderer Hochgebirge vergleichen, so finden wir im All- gemeinen, dass sie an Formenreichthum und Farben- wirkung nicht an die der europäischen und asiatischen Hochgebirge heranreicht. Am Kilimandscharo wird die Armuth der alpinen Flora noch ganz besonders durch das vulkanische Gestein bedingt, das erst da fruchtbar wird, wo Gesträuch fortkommt, wo diese Kräutern Schutz gewähren und wo die abgefallenen Blätter zur Humus- bildung mitwirken. Es braucht am Schlüsse dieses kurzen Ueberblicks nicht noch einmal erörtert zu werden, wie mangelhaft unsere Kenntnisse der Formationen Ostafrikas bis jetzt noch sind. Die von Engler gegebene Charakteristik der Formationen wird in erster Linie den Nutzen haben, dass sie alle, die das Gebiet bereisen, anregen wird zu genauerem Studium der Fflanzeugemeinschaften und ihrer biologischen Grundlagen. H. Harms. Ein Fall von „Doppelbewusstseiu'', der insbesondere auch wegen seiner eigenartigen Entstehung interessant erscheint, wird im Anschluss an eine Mittheilung in der Psychol. Rev. 1894 von der „Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane" besprochen (Bd. 10, S. 315). Ein junger Manu zog sich durch Einathmen von Leuchtgas eine schwere Kohlenoxydvergiftung zu. Es folgten zunächst Verfolgungsdelirien und dann trat ein Zustand von Gedächtnisverlust ein, der fast alle Er- innerungen aus dem Vorleben betraf. Nur der mächtigste und tiefste Atf'ect unseres Seelenlebens, die Liebe, hatte Spuren hinterlassen. Die Braut des Kranken erschien demselben als lange bekannt und ihre dauernde Nähe er- wünscht. Im Uebrigen mnsstc er wie etwa ein in einen modernen Culturstaat plötzlich versetzter Wilder alles wieder von vorne zu lernen anfangen. Dieses Lernen ging auch ganz leidlich von Statten. Nach drei Monaten verfiel er plötzlich in einen tiefen Schlaf, aus dem er gesund und im Vollbesitz seiner alten Erinnerungen wieder erwachte. Dafür hatte er nunmehr die Vorgänge während seiner Krankheit total vergessen. — Sehr l)e- merkcnswerth ist, dass auch in anderen Fällen der gleichen Vergiftung ein Vergessen der jüngsten Ver- gangenheit beobachtet worden ist. Schaefer. Das Bluten der Coccinelliden machte aufs Neue K. G. Lutz zum Gegenstand seiner Untersuchungen. (Z. Anz. No. 478, S. 244). Schon de Geer beschrieb 1781 dass bekannte Austreten gelber, schlecht riechen- der Tröpfchen am Ende der Hüften bei den Kugelkäfern. Leydig wies 1859 nach, dass der aus dem Kniegelenk ausgeschiedene Stoff das Blut dieser Thiere sei. Auch für Timarcha und Meloe zeigte Leydig. dass Blut aus dem Kniegelenk austrete. Dagegen erachteten Altum, Ludwig, Taschenberg, Masius u. a. als Austrittsstelle der Flüssigkeit die Seiten des Rumpfes. Cuenot stellte sich neuerdings auf Leydigs Seite und meint, der Druck des plötzlichen zum Stillstand gebrachten Blutes sprenge die Haut an den Punkten geringsten Widerstandes, doch konnte er keine Vorkehrungen an den Kniegelenken finden, die dem Blute den Austritt gestatteten. Lutz hat nun gefunden, dass auf einem geschickt gelegten Median- schnitt durch das Kniegelenk eines Siebenpunktes die äussere der elastischen Gelenkhäute, die die Oeffnung des Oberschenkels an der Stelle schliessen, wo die Sehne des Extcnsors der Tibia durclitritt, eine spaltförmige Oeff- nung aufweist. Diese Oeffnung wird sowohl bei der Contraction des Tibialextcnsors wie des Tibialflexors verschlossen. Wenn aber beim Sichtodtstellen das Blut in die Beine gepresst und am Zurückfliessen gehindert XI. Nr. 19. Naturwissenschaftliche Wochenschritt. 225 wird, dann drängt es bei übermässiger Contraction des Flexors aus der genannten Oeflnung. Diese Bedingungen des Blutaustrittes stimmen genau mit den gemachten Beobachtungen überein. Abgesehen von den Unter- suchungen an lebenden Thieren konnte Lutz an durch- sichtigen Beinen, z. B. von Halyzia, Luft durch den Spalt ein- und austreten sehen. Aus der verhältniss- mässigen Grösse der Blutstropfen erklärt es sich, dass ein Kugelkäfer nur 2 bis 3 mal einen solchen Tropfen hintereinander ausscheiden kann. Die Kugelkäfer brauchen auch Feuchtigkeit, damit ihr Blut niclit zu sehr austrock- net, so in der Gefangenschaft, im Winterquartier. Das Gerinnsel, das nach dem Austritt des Blutes entsteht, und die vermeintliche Wunde verstopfen soll, ist im Gegen- theil den Käfern lästig; sie reinigten sich mit den Beinen rasch von ihm. Schliesslich scheint dem Verfasser fest- zustehen, dass diese Käfer ihr Blut willkürlich aus- scheiden, und dass das nicht, wie vom Sichtodtstellen behauptet worden ist, auf einem Tetanus beruht. Dass Spinnen sich vor dem Geschmack der Coccinelliden ekeln, konnte Lutz experimentell nachweisen. Diese haben also sicher Warnungsfärbung und Unschmackhaftigkeit; werden sie trotzdem angegriffen, so lassen sie ihr widerliches Blut austreten. C. Mff. Den fliegenden Fischen des Meeres gesellen sich neuerdings fliegende Krebse aus der Ordnung der Ruder- krebse (Copepoden) bei. A. Ostroumoff in Sebastopol (Z. Anz., No. 459, S. .369) beobachtete, wie die winzige, grüne Pontellina mediterrauea Claus, als er Morgens bei ruhigem Wetter und klarem Himmel an der Küste des Chersounes entlang fuhr, häufig durch die Luft eine Curve beschrieb. Diese Bewegung begünstigen die stark gefiederten Glieder, und sie steht wohl im Zu- sammenhang mit der Häutung. Der Luftzug hält die ab- zuwerfende Hülle zurück. Auch Polypheniiden, wie Evadne und Pleopis, häuten sich auf der Wasserober- fläche, ohne freilich .Sprünge in die Luft zu machen, wie Pontellina. Unabhängig- von dieser Mittheilung ver- öfieutliehte F. Dahl in Kiel (Verhandl. D. ZooJ. Ges. 4. Vers. München, S. 04) die Erfahrung, dass Pontellina atlantica M.-Edw. gelegentlich aus dem Wasser springt. Drittens hat Kapitän Hendorff (nach A. Mräzek, Z. Airz., No. 465, S. 5) in den Jahren 1884 und 1885 beobachtet, dass Kruster bis fast einen Fuss hoch aus den Sammel- gefässen schnellten. Es handelte sich nach Mräzeks Be- stimmungen um Ponteila securifer Brady sowie um einen Schizopoden. Dass die Häutung mft den in Frage stehenden Bewegungen im Zusammenhang steht, b"c- zweifelt Mräzek. Es sind nach seiner Meinung Spiel- oder Rettungsbewegungen. C. Mif. Gartenkaleiider. Mai. Im Obstgarten ist in Folge der kühlen Witterung des vorigen Monats die Baumblüthe glücklicher Weise so weit zurückgehalten worden, dass wir hoffen können, nun doch noch eine gute Ernte zu erhalten. Drohen noch Nachtfröste, so suchen wir den- selben durch Rauch kurz vor Sonnenaufgang zu begegnen, wie im vorigen Monate angegeben wurde, "ist dicBlüthe- zeit vorüber, dann gilt es," dafür Sorge zu tragen, dass die jungen Fruchtanlagen nach Möglichkeit' erhalten bleiben. Hierzu ist zweierlei nöthig: erstens, dass die Bäume sehr reichlich Wasser erhalten; zweitens, dass ihnen eine genügende Menge Phosphorsäure, Kali und Kalk zur Verfügung steht. Deshalb düngen wir die Bäume gleich nach der Blüthe kräftig mit phospliorsaurem Kali (100 bis 150 Gramm pro Quadratmeter) und, falls der Boden kalk- arm ist, mit abgelöschtem , zu Pulver zerfallenen ge- brannten Kalk. Die im Frühjahre frischgepflanzten Bäume sind bei trockenem Wetter wiederholt sehr stark zu begiessen. Allmählich wird sich die Erde gesetzt haben und man kann diese Bäume nun fest an den Pfahl anbinden. Am besten eignet sich hierzu Cocosfaserstrick. Damit sich der Stamm nicht am Pfahle wund reibt, schlingt man den Strick in Form einer x> um Stamm und Pfahl. Jeder Baum erhält drei Bänder, zuerst eins unten, etwa 30 cm ül)er dem Boden, dann eins in halber Höhe, das dritte dicht unter der Krone. Die Erdbeerbeete sind bei trockenem Wetter sehr reichlich zu begiessen. Ein Dung- guss mit phosphorsaurem Kali (1 : lOüO) ist sehr förder- lich. Im Gemüsegarten können wir von den ver- schiedenen Kohlarten, wie Weisskohl, Rothkohl, Wirsing, Rosenkohl, ferner Kohlrabi, Kopf- und Eudiviensalat Aus- saaten auf ein warm gelegenes Beet machen, um junge Pflanzen zu erhalten. An Ort und Stelle säen wir zunächst Erbsen, Karotten, Spinat, Sommerrettig, Rapünzchen und in der Mitte des Monats Samen von Bohnen, sowie von Gurken und Kürbissen, welche letztere eine Nacht zwischen feuchten Lappen an einem warmen Orte angekeimt sind. Die beiden letzteren brauchen sehr viel Nahrung und sollte das Beet deshalb besonders stark gedüngt werden. Zur Aussaat wähle man Samen, welcher vier bis fünf Jahre alt ist, weil erfahrungsgemäss jüngerer Same weniger Früchte liefert. Niemals sollte man, wie man es oft sieht, Kürbisse auf Komposthaufen pflanzen, weil sie diesen zu viel Nahrung nehmen. Die Kultur von Melonen, früher nur in ganz besonders warmen Lagen möglich, ist jetzt seit Einführung japanischer Sorten, auch in kühleren Lagen möglich. Die Aussaat ist dieselbe wie die der Gurken und Kürbisse. Hat man sich schoü im vorigen Monate Setzpflanzen herangezogen, so werden dieselben jetzt ausgepflanzt. Um von dem Lande bald Ertrag zu haben, pflanzt man zwischen die Kohlpflanzen Kohlrabi und Kopfsalat, welche gebrauchsfertig sind, wenn sich erstere weiter ausbreiten. An die wärmsten Stellen im Garten pflanzt man Tomaten und Artischoken, die in Töpfen herangezogen wurden. Hauptarbeit ist das Be- giessen, welches stets so stark ausgeführt werden muss, dass die Erde gehörig durchfeuchtet wird. Im Zier- garten ist der Rasen bereits soweit herangewachsen, dass er beschnitten werden muss. Um einen gleichmässigen, schönen Rasen zu haben, ist es nöthig, ihn während des Sommers jede Woche einmal kurz zu scheeren, gleich- massig feucht zu halten und mehrmals zu düngen. Zum Düngen sei Alberts Rasendünger empfohlen. Die mit Frühlingsblühern bestandenen Beete werden nach der Blüthe abgeräumt, umgegraben und gedüngt und mit Sommerpflanzen bepflanzt. In der zweiten Hälfte des Monats werden f'anna und Georginen, welche man zuvor etwas angetrieben hat, ausgepflanzt. Ebenso werden dann die Blattpflanzengruppen mit Ricinus, Riesenhanf, Mais etc. besetzt. An warmen, geschützten Stelleu kann man Musa Ensete in sehr nahrhafte Erde, der man eine einen halben Meter hohe Unterlage von festgetretenem Pferdedung ge- geben hat, auspflanzen. Zu Ende des Monats beginnt man Aeclimationsversuche mit Palmen, die man an eine geschützte, der Morgeusonne nicht ausgesetzte Stelle aus- pflanzt. Chamaerops halten unter guter Decke bei Berlin noch im Freien aus. Nadelhölzer werden, wenn sie zu treiben beginnen, verpflanzt, sind aber in der ersten Zeit nach dem Verpflanzen sehr nass zu halten und reichlich zu bespritzen. Udo Danmier. 226 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 19. lieber das Yorkomiuen \on Pollen im Oviilnm berichtet eine Arbeit von Molliard: Sur la tormation da pollen dans les ovoules du Petunia hybrida (Revue generale de Botanique 1896, Tome VIII, No. 86). Danach fanden sich in monströsen Blüthen von Pe- tunia hybrida (Solanaceae) neben anderen Umbildungen von Blüthentheilen Ovula, in denen an Stelle des Embryo- sackes Pollenkörner zu beobachten waren. R. Kolkwitz. Wie gross die Widerstandsfähigkeit gewisser Schimmelpilze sein kann, geht hervor aus einer kleinen Mittiieiinng- von M. L. Trabut: Sur un Penieillium vege- tant daus des Solutions concentrees de Sulfate de cuivre. (Bulletin de la Societe Botanique de France, 1895, Heft 1.) Der Verfasser beobachtete, dass ein dem gewöhn- lichen Penieillium glaucum in der Form völlig gleiclicnder, nur mit ro.safarbenen, statt grünen Sporen fructificirender Schimmelpilz noch in einer 9,5procentigcn Kupfcrsnlfat- lösung sehr gut gedieh. Um dem Pilz die zum Waclis- thum nöthige Nahrung zu geben, setzte T. der Lösung zerriebene Getreidekörner hinzu. Das Mycel wucherte nicht nur auf der Oberfläche, soudern durchsetzte die ganze Flüssigkeit bis zum Boden des Gefässes. Nur die Conidienträger ragten in die Luft hinaus. T. weist gleich- zeitig darauf hin, dass nach diesen Beobaelitungeu die Kupfersulfatlösungen, welche man bekanntlich zum Sterili- siren der Saatkörner häutig anwendet, nicht alle Pilz- keime zu tödten brauchen. Indessen kommt es ja bei diesem Verfahren nur darauf an, dass die Sporen der krankheiterregeuden Pilze unschädlich gemaclit werden. R. Kolkwitz. Ueber J. Geikies Gliederung der eiszeitlichen Ablagerungen in Europa ist in der Naturwissensch. Wochenschr. schon ausführlich Bd. X (1S95) S. 374—376 berichtet worden, wohin wir für das Folgende verweisen. K. Keil hack sagt nun in Dr. A. Petermanns Mittheilungen (1896, Heft 3): Die gegebene Gliederung und Paralleli- sirung des berühmten Glacialforscliers fordert in vielen Punkten zu energischem Widerspruch heraus. Ich will mich darauf beschränken, zwei solcher Punkte zu erwägen. Was wir Norddeutschen bislang als obern Geschiebc- mergel, als Grundmoräue der letzten nordeuropäischen Eiszeit charakterisirt haben, was wir in ununterbrochenem Zusammenhange in breitem Streifen aus dem Gebiete südlich von Berlin bis an die Küste der Ostsee verfolgt und als eine einheitliche Bildung erkannt haben, wird von Geikie zerlegt in die Bildungen zweier Eiszeiten, von denen die jüngere an der Endmoräne des baltischen Seenrückens ihren Südrand erreicht haben soll. Nun ist aber erstens diese Endmoräne kein einheitliches Ge- bilde, sondern es liegen mehrere Reihen solcher End- moränen hintereinander; und zweitens zieht die Grund- moräne sich an vielen Stellen gleichmässig unter diesen Endmoränen hindurch und breitet sich gleichmässig auch über die südlich davon liegenden Gebiete aus. Mit dem- selben Recht, mit dem Geikie zwei Eiszeiten als Mecklen- burgian und Polandian unterscheidet, könnte er die in "2, 3 und mehr Linien hintereinander folgenden Endnioränen- zügc des Baltikums benutzen, um daraufhin die ehemalige Existenz von 3, 4 und 5 Eiszeiten zu konstatiren, die alle mit dem zusammenfallen würden, was wir oberes Diluvium nennen. Wie künstlich diese Abglicderung ist, geht auch daraus hervor, dass als interglaciale Bildungen zwischen beiden ganz ausschliesslich die als Neudeckian bezeichneten marinen Bildungen Wcstpreussens angeführt werden. Gerade die marinen Lager bei Neudeck zeigen, dass sie zwar älter sind als der dortige oberste Geschiebe- mergel, die Aufschlüsse selbst geben aber keinerlei Anhalt dafür, ob die zunäclist im Liegenden folgende Grundnioräne mit dem weiter südwärts als „Obern" bezeichneten Ge- schiebemergel identisch ist. Die paläontologischen Stütz- punkte seiner Gliederung sind also in diesem Falle sehr unzuverlässig, und die stratigraphische Specialuntersuchung des sogenannten Obern Geschiebemergels und seine Be- ziehung zu den Endmoränen spricht direct für das Gegentheil. Auch die Parallelisiruug der alpinen und nn haben. Da die einzelnen Kategorien am besten dui'ch Beispiele erläutert werden, so mag hier ein solches angeführt weraen, welches Wallace von einem jungen Orang-Utan erzählt: In den ersten paar Tagen klammerte er sich mit allen Vieren au Alles, was er packen konnte und ich musste meinen Bart sorg- fältigst vor ihm in Acht nehmen, da seine Finger das Haar hart- näckiger als irgend was festhielten und ich mich ohne Hilfe un- möglich von ihm befreien konnte. Wenn er aber ruhig war, wirthschaftete er mit den Händen in der Luft umher und ver- suchte etwas zu ergreifen. Gelang es ihm, einen Stock, oder XI. Nr. 19. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 229 einen Lappen mit zwei Händen, oder mit diesen und einem Fusse zu fassen, so schien er ganz glücklich zu sein. In Ermangelung eines Andern ergriff er oft seine eigenen Füsse und nach einiger Zeit kreuzte er fast beständig seine Arme und packte mit jeder Hand das lange Haar unter der entgegengesetzten Schulter. Zu derselben Art gehört auch die Befriedigung des Zer- störungstriebes. Dieser ist, nach Brehm, bei den Kakadus be- sonders ausgeprägt, „und die Leistungen dieser Vögel übertreffen in der That alle Vorstellungen. Sie zernagen, wie ich aus eigener Erfahrung verbürgen kann, nicht allein Bretter von 5 bis 6 cm Dicke, sondern sogar Eisenblech, von einem Millimeter Stärke; sie zerbrechen Glas und versuchen selbst das Mauerwerk zu durchhöblen." Unter den Bewegungsspielen sind diejenigen zu ver- stehen, wo die Ortsveräuderung durch Gehen, Laufen, Rennen, Springen. Klettern, Fliegen und Schwimmen, Selbstzweck ist. Dahin gehört das muntere Treiben der Flugfische, welches sowohl durch Humboldt, üls auch durch Brelim schon sehr anziehend geschildert wurde. Hiehor ist auch das Ertheilen von Schwimm- und Gehunterricht seitens der Alten an ihre Jungen zu rechnen. Die alten Scliwimmvögel ptlegen ihre Jungen auf den Rücken zu nehmen und sie dann mitten im Wasser abzuwerfen — ein sehr einfaches Mittel, wodurch auch schon mancher Knabe das Schwimmen gelernt hat. Auch das Treiben eines passionirten Spielers — des Delphins — gehört hierher, ebenso wie das Springen der Gemsen und der Böcke. Bei den Jagd spielen unterscheidet Groos wieder solche: 1. mit lebender, wirklicher Beute, 2. mit lebender Scheinbeute, 3. mit lebloser Scheinbeute. Das Erstere illustrirt das bekannte Spielen der Katze mit einer gefangenen Maus. Das Zweite kann man bei gezähmten, katzenartigen, Raubthieren beobachten. So erzählt Brehm, dass der zahme Kuguar, wenn er seinen Herrn liebgewonnen hat, gerne mit ihm spielt. Bei seiner Annäherung pflegt er sich zu verstecken und S]iringt dann unversehens auf ihn los, gerade so wie zahme Löwen auch zu thun ptlegen. Das Dritte kann man an jeder Katze beobachten, der man einen Zwiruknäuel hinwirft. Hudson hat dies auch vom Puma bemerkt, der sich in der Wüste stundenlang durch solche Scheinkämpfe die Zeit vertreibt. Auch bei den Kamp f spielen macht der Verfasser einen drei- fachen Unterschied zwischen 1. Neckerei, 2. Balgerei unter jungen Thieren, 3. spielenden Kämpfen unter erwachsenen Thieren. Neckerei tritt da ein, wo die Kampflust keine directe Be- friedigung sucht, oder findet, so erzählt Humboldt von einem Tukan, „der die trübseligen, zornmüthigeu Nachtaffen mit sicht- barer Lust zu necken pflegte." Viel weniger bekannt, als die Balgerei unter jungen Hunden und Katzen, dürfte diese bei — Ameisen sein. Eine solche will Pierre Huber (1810) belauscht haben. Die dritte Art der Kampfspiele ist besonders bei Vögeln beobachtet woi-den. Dahin verweist Naumann das Treiben der Dohlen um die Kirchthürme herum. B.aldamus schildert solche bei den Nachtreihern und Darwin bei Tetrao umbellus. Im Bezug auf die Kunstbauten hat schon Wallace nach- gewiesen, dass diejenigen der Vögel nicht auf ererbten Instincten beruhen. Zum grössten Theil entspringen sie dem Nachahmungs- trieb. Bei einigen dürften sie auch auf einer Art Tradition basiren. Bekanntlich ist Darwin über diesen Punkt anderer Meinung als Wallace. Selbstverständlich sind viele Bauten der Thiere keine Be- thätigung des Spieltriebes, sondern dienen ernsten Zwecken, so z. B. die der Biber, Füchse, Dachse, Maulwürfe, Fischottern u. a. Dennoch beoliachtet man auch hier eine spielende Thätigkeit, wenn Gefangene alle Vorkehrungen treffen, um sich ein Nest zu bauen. So berichtet Carus, dass die Webervögel vom Kap (Plo- ceus sanguinirostris) in der Gefangenschaft, wenn sie nicht ihr gewöhnliches, beuteiförmiges Nest construiren können, jedes dar- gebotene Fädchen oder Hälmchen verwenden, um damit die Gitter ihrer Bauer zu umflechten, oder zu verzieren. Hierher sind auch diejenigen Thiere zu rechnen, welche fremde Gegenstände zur Ausschmückung ihrer Wohnung ver- wenden. Das Viscacha, ein südamerikanisches Nagethier, hat nach Darwin die Gewohnheit, jeden harten Gegenstand, wie Knochen, Steine, Distelstengel u. s. w. in seinen Bau zu schleppen. Diese Manie ist so bekannt, dass ein Reiter, welcher in einer dunklen Nacht seine Uhr verloren hatte, am Morgen in der Nähe eines jedes Viscaehaloches längs des ganzen Weges suchte und dieselbe thatsächlich in einem solchen fand. Die Pflege spiele, wie sie bei kleinen Mädchen mit den Puppen getrieben werden, sind im Thierreiche schon mannigfach beobachtet worden. In seinem Bericht über die Loango-Ex- pedition erzählt Pechuel-Loesche, dass die Paviane mit leblosen Gegenständen, gerade so wie Kinder mit Puppen spielen, dass sie sie des Abends vorsorglich mit in ihre Schlatkästen nehmen und dort auch am Tage verwahren. Zahlreiche Beispiele von der Erfüllung der Mutterpflichten der Hunde gegen Katzen und um- gekehrt, sind bekannt. Herr Willibald Wullf in Schleswig er- zählt, dass er bei dem Besuche einer befreundeten Familie in Hamburg einen TerrierHund, in einem Korbe liegend, angetroffen habe, der zwei Kätzchen mit den Vorderbeinen umschlungen hielt, während zwei andere an seinen Seiten umherkletterten. Die Hausfrau erklärte, dass sich der Hund in dieser Weise der jungen Katzen mehrmals am Tage und so oft annehme, als die Katzen- mutter die Jungen verlasse; er sei noch gewissenhafter als die Mutter selbst und leide nicht, dass Jemand die Kleinen berühre. Ein Orang-Utan, den Cuvier in Paris beobachtete, hatte zwei junge Katzen lieb gewonnen und setzte sich dieselben oft auf den Kopf, obschon sie sich mit ihren Krallen an seiner Haut fest- hielten. Einige Male betrachtete er ihre Pfoten und suchte die Krallen mit seinen Fingern auszureissen. Da ihm dies nicht ge- lang, duldete er lieber die Schmerzen, als dass er das Spiel mit seinen Lieblingen aufgegeben hätte. Den iS! achah mungsspielen liegt, wie schon Herbert Spencer ausgeführt liat, eine instinctive Basis zu Grunde. Ein einfaches Beispiel dieser Art enthält die englische „Nature" (18S9J: Zwei Katzen wollen auf ein Dach, wozu eiia grosser Sprung er- forderlich ist. Dem Kater gelingt der Sprung, aber die Katze fürchtet sich und schreit. Da spi'ingt der Kater zurück und — „giving a cheerful mow" — macht er den Sprung noch einmal, worauf ihm die Katze folgt. Selbst Wölfe, welche von Hunden das Bellen lernten, werden in der „Abstammung des Menschen" von Darwin erwähnt. Dass Papageie und Staare auch solche Worte nachsprechen, welche man sie nicht gelehrt, ist bekannt. Nach Naumann ist der Nachahmungstrieb unter allen Vögeln, bei den Raben am besten ausgebildet. Sie können wie die Kinder lachen, wie die Haustauben girren, wie die Hunde bellen und wie die Menschen sprechen. Dass bei gesellig lebenden Thieren die Nachahmung eine grosse Rolle spielt, kann uns nicht Wunder nehmen. Wird doch von dem französischen Philosophen G. Tarde, behauptet, dass die Nachahmung die Gesellschaft schafft: „La societe c'est l'imitation." Prof. Groos sagt von der Neugier: „Sie ist das einzige rein geistige Spiel, das mir in der Thierwelt entgegentrat". Er nennt .sie „ein geistiges Experimeutiren", durch welches die Auf- merksamkeit geübt wird. Ein Beispiel der Neugier bei Kühen, erzählt G. H. Ph. Eimer, in der „Entstehung der Arten" : „Wenn ich auf Rottum zeichnend mein Skizzenbucb vor mir hatte, so kamen die weidenden Kühe näher und näher, stellten sich im Kreis um mich herum, streckten regungslos stehend die Hälse aus und glotzten auf mein Papier, um zu sehen, was da los sei. Sie kamen mir so nahe, dass sie mir lästig wurden und dass ich sie mit dem Stocke wegtreiben musste. Aber immer wieder machten sie von Neuem den Versuch, in das Geheimniss einzu- dringen." Die Liebesspiele zerfallen in fünf Kategorien: 1. Liebes- spiele unter jungen Thieren, 2. Bewerbung durch Bewegungs- künste, 3. Bewerbung durch das Zeigen auffallender oder schöner Farben und Formen, 4. Bewerbung durch Geräusche und Töne, 5. das Kokettiren der Weibchen. Junge Elstern stossen im September zusammenhängende, schnalzende Töne aus und bringen dadurch gerade ein solches Geschwätz hervor, wie dies später, im nächsten Frühjahre, ^vor ihrer Paarung üblich ist. Am deutlichsten zeigt sich diese Art von Liebesspielen jedoch bei den Säugethieren. In der Vogelwelt kann man bei der Bewerbung durch Be- wegungskünste, Flugkünstler von Tänzern unterscheiden. Zu den erstereu gehören die Blauraken und die deutschen Nachtschatten, deren Benehmen Brehm, und die amerikanischen Nachtfalken und die Spottdrosseln, welche Audubon schildert. Tänzer sind die Kraniche, die Pampasstrausse, die Kibitze, eine Waldhuhnart (Tetrao pha.sianellus) u. a. Auch bei der dritten Art von Bewerbung überwiegen die Vögel gegenüber den Säugethieren. So pflegt der Uferschilf- sänger bei dieser Gelegenheit sein Federkleid ballartig auf- zublähen. Der Wiedehopf entfaltet seineu merkwürdigen Kopf- putz, wie man einen Fächer auf- und zumacht. Doch gebührt die Palme in dieser Beziehung, wie schon der alte Gesuer erwähnt, dem Pfau. Auch die Fasanenmännchen lieben es, sich von der schönsten Seite zu zeigen. Der vierten Art von Bewerbung huldigen in ausgiebigster Weise die B rüllaft'en. Auch die Katzenmusik entspringt dem gleichen Triebe. Der herrliche Gesang der Amseln, das Schlagen der Finken, das Schmettern der Sprosser, haben dieselbe Ursache, wie das Krächzen der Raben. Einem Schmied gleich, der auf den Ambos schlägt, lässt sich der Glockonvogel in Brasilien ver- nehmen. Hierher gehört auch das „Meckern" der Heerschnepfe und das Klappern der Störche. Das Kokettiren der Weibchen ist viel weiter verbreitet, als man glaubt. Die Wasserspitzuuiusdame liebäugelt mit' ihrem ge- wandten Gemahl ebenso, wie das weibliche Reh mit ihrem Gatten. Die Weibchen der Laubenvögol lassen sich von dem Männchen durch die künstlichen • Hochzeitslauben mit unermüdlicher Aus- 230 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 19. datier hin- und herjagen, ehe in dem Weibchen die Sinnlichkeit über die Scheu obsiegt. Die meisten der vorgeführten Spiele lassen sich im Grunde genommen auf die Bethätigung zweier Gefühle zurückführen und zwar: auf das Freiheits- und auf das Lustgefühl. Dr. Ludwig Kareil (Wien). Oskar Drude, Deutschlands Pflanzengeographie. Ein geogra- phisches Charakterbild der Flora von Deutschland und den an- grenzenden Alpen- sowie KarpathenlUndern. Erster Theil. Mit 14 Karten und 2 Textillustrationen. Stuttgart. J. Engel- horn. 1896, XIV. 502 S., 8». — Preis 16 Mk. Das vorliegende Werk des bekannten Pflanzengeographen ist der erste Theil eines für jeden deutschen Floristen wichtigen Nachschlagewerkes, denn es behandelt alle die Flora Mitteleuropas betreffenden Fragen, soweit sie mit den Bodenverhältnissen und dem Klima und den gegenseitigen biologisclien Wechselbeziehungen der Pflanzen zu einander in Verbindung stehen in so übersicht- licher und vollständiger Weise wie keine andere bisher vorliegende Arbeit. Das Gebiet, über dessen Flora allgemeine Auskunft ge- geben wird, umfasst ausser dem deutschen Reich, den deutsch- österreichischen Landern und der deutschen Schweiz auch den Jura im Westen und die Central-Karpathen im Osten und berück- sichtigt sowohl montanaliiine Arten aus den Siebenbürger Alpen, als andererseits Holland und Belgien, nicht aber den Südabfall der Alpen. Im Wesentlichen ist also das Gebiet ein Gleiches wie das von Koch's bekannter Flora, auf deren Ersatz durch eine neue Arbeit von sachkundigster Seite alle deutschen Floristen seit Jahren mit Spannung hoft'en, wofür jetzt durch Druck der ersten Lieferung wenigstens von Ascherson's Synopsis der mitteleuro- päischen Flora gesorgt wird, neben der dies Werk also vorläufig als allgemeine Bearbeitung gelten kann. Ausgehend von der Entwickelung des Gedankens, dass die Landesflora einen wesentlichen Theil der Landeskunde ausmacht, wodurch die Stellung des Buches in der Sammlung der „Hand- bücher zur deutschen Landes- und Volkskunde", deren 4. Band es ausmacht, berechtigt wird, erörtert Verf. zunächst die Be- griffe Florenelemente und Artgenossenschaften. Prinzipiell will Verf. letztere streng von den Beständen (For- mationen) getrennt wissen, obwohl er zugiebt, dass auch bisweilen Arten einer Genossenschaft an gleichen Standorten auftreten. Wirklich werthvoll scheinen mir Studien über Genossenschaften aber nur dann zu sein, wenn diese in gleichen oder ähnlichen oder mindestens häufig mit einander im Wechsel auftretenden Beständen (z. B. Kieferwäldern und Erlenbrüchen) auftreten, wenn man sie, wie auch Verf. will, zu Fragen bezüglich des Ursprungs ihrer Glieder benutzen will, denn wenn z. B. eine trockene Sand- äcker bewohnende und eine andere feuchte Sümpfe liebende Art annähernd gleiche Gebiete heute bewohnen, scheint mir doch zweifelhaft, ob man daraus auf eine gleiche oder ähnliche Ver- breitungsgesehichte schliessen könnte, was ich aber für sehr wahr- scheinlich halte, wenn die Arten in gleichen oder ähnlichen oder oft mit einander gemeinsam auftretenden Beständen vorkommen. An die Erörterung über diese Begi'ifl'e schliesst sich eine kurze Eintheilung des Gebietes in fünf Haupt-Vegetationsregioncn, denen sich zwei Anschlussregionen, die aus benachbarten Gebieten hin- einreichen, sowie die Algenregionen der Nord- und Ostsee, welche auf Karte 1 übersichtlich eingezeichnet sind, anreihen. Einige weitere allgemeine Fragen, wie die über Frequenz und Abundanz der Arten werden erörtert, bei welcher Gelegenheit Verf. auch kurz auf eine pflanzengeographische Eintheilung Sachsens eingeht, die er in einer dem Text eingefügten Kartenskizze darstellt, um sie zur Charakteristik der Methode der Eintheilung eines Gebietes in gleiche Quadrate zu benutzen. Kurze Erörterungen über die Geschichte der Pflanzengeographie Deutschlands beschliessen den ersten Abschnitt. Der zweite Abschnitt enthält vor allem eine Beschreibung der Vegetationsformen des Gebietes, die Verf., wie er es schon in frülieren Arbeiten betont, streng nach biologischen, nicht syste- matischen Charakteren sondert. Noch einige biologische Neben- charaktere werden kurz erörtert. In dem dritten Abschnitt wird in s(^hr interessanter Weise eine Besprechung der Vertheilung der systematischen Gruppen auf verschiedene Standorte gegeben, wobei Verf. sich durchaus nicht verhehlt, dass dieselbe Art auch an verschiedenen Standorten vorkommen kann, dann aber ihren häufigsten Standort festzustellen sucht. Hierliei hält Verf. sich nicht streng an das natürliche System, fasst z. B. die Gesträuche von Uibes, Cornus und Hedera mit den Caprifoliaceen in eine Gruppe zusammen, wo- durch letzterem von den ihnen systematisch entschieden weit näher stehenden Rubiaceen und Valcrianaceen getrennt werden, was um so weniger berechtigt erscheint, als nicht alle Caprifoliaceen Ge- sträuche sind. Ob die vom Verf. vielfach verwandten Familien- bezoichnungen Poaceon für Gramineen, Apiaceen für Umbelli- feren u. a., allgemeine Anerkennung finden werden, möchte Ref. bezweifeln; da indess die gewöhnliche Bezeichnung in Klammern daneben angegeben, kann nicht etwa eine Zweideutigkeit entstehen, als wären z. B. nur ünterfamilien hiermit gemeint. Selbstverständ- lich werden die physiognomisch wichtigen Gruppen ausführlicher behandelt. So findet sich z. B. bei den Gymnospermen auch eine Erörterung der Grenzlinien einiger unserer Waldbäume, die dann auf Karte 2 eingezeichnet, welche gleichzeitig eine Eintheilung des Gebietes in Waldzonen zeigt (vergl. dazu auch des Referenten ..Laubwaldflora Norddeutschlands:" Schluss). Wenn bei anderen unserer Bäume weniger genau die Grenze angegeben ist, da diese entweder nicht in dem Gebiete liegt oder die Bäume weniger charakteristisch für unsere Wälder (ausser der Buche, bei welcher sie auf der Karte eingezeichnet), darf uns das nicht wundern, falsch aber geradezu ist es, wenn Verf. sagt, dass die Sommer- linde in Reg. II (d. h. N.-O. -Deutschland) nur angepflanzt sei (S. 209), und eine ähnliche Angabe findet sich für Acer Pseudo- platanus (S. 201), obwohl diese beiden Bäume in Nordost- Deutschland spontan nachgewiesen sind. Der vierte Abschnitt ist den mitteleuropäischen Vegetations- formationen gewidmet, von denen hier auf die erste, die Wälder, etwas näher eingegangen werden mag, da bei deren Erörterung Ref. Anschauungen in die Schuhe geschoben werden, die er nicht vertritt, „nämlich, dass bestimmte Baumarten ziemlich allgemein in ihrem Areal in weiter Ausdehnung von bestimmten Nebenarten begleitet werden" (S. 300). Gerade meine Untersuchungen haben deutlich gelehrt, dass dem nicht so ist. Wenn Verf. aus meinen ersten Arbeiten geschlossen hatte, dass ich diese Ansieht vertrete, so hätten die späteren ihm zeigen können, dass sich trotz ange- strengter Untersuchungen diese Ansicht für keine Art aufrecht erhalten lässt, auch nicht für Schmarotzer, wie Lathraea, die Verf. aus direct physiologischen Gründen für gebunden an die Buche hält (S. 302). Nichts desto weniger halte ich es für ein wissenschaftlich werthvolles Streben, die Arten festzustellen, die sehr häufig in Begleitung eines Baumes vorkommen und hin- sichtlich ihrer Verbreitung mit diesem zu vergleichen und, wenn Verf. die Resultate der Arbeiten als nur von loealer Bedeutung betrachtet, so brauche ich als Entgegnung hierauf nur auf meine schon vor IV2 Jahren gedruckte (und Verf. direct zugesandte) Arbeit in Verb. d. bot. Vereins der Provinz Brandenburg XXX VT, S. 48 zu verweisen, erlaube mir aber gleichzeitig die Leser dieser Zeitschrift an S. 228 des vor. Jahrg. dieser Zeitschr. (besonders Anm. **•) zu erinnern, wo gezeigt wird, dass verschiedene nord- deutsche Kiefernbegleiter bis Sibirien ihrem Leitbaum treu bleiben. Wo das Terrain verändert wird, treten natürlich zu den alten Arten, die nur theilweise bleiben, oft neue, weshalb die nord- deutschen und österreichischen Buchenwälder schon manche Ver- schiedenheit zeigen, doch werden mit Unrecht vom Verf. als solche der Feldahorn, Ceph al anthera ensifolia, Oxalis Acetosella, Paris u. a. zwar in Norddeutschland weniger cha- rakteristische Buchenbegleiter hervorgehoben, da sie nur in meiner ersten Liste fehlen, weil sie mir entweder damals oder auch noch jetzt nicht charakteristisch genug erschienen; ja selbst von den als besonderes Glied der Formation die Wälder charak- terisirenden Arten finden sich einige schon in Norddeutschland, wie Melittis, Dentaria enneaphyllos und Euphorbia dulcis, wie schon aus meiner oben genannten Arbeit zu ersehen, also mindestens bei der Correctur zu verbessern gewesen wäre. Doch nun genug dieser Differenzen zwischen Verf. und Ref., da ich nicht gern durch zu starke Hervorhebung derselben eine ungünstige Ansicht über das Buch hervortreten lassen möchte. Denn wenn ich mir auch nicht über die anderen Formationen ein gleich competentes Urtheil anmaasse, da ich mich weniger mit denselben befasst, so habe ich doch z. B. mich vielfach mit den Culturformationen beschäftigt und daher auch den Abschnitt des Verf.'s über diese etwas genauer geprüft, möchte aber hier fast in Allem dem Verf. beistimmen, und in ähnlicher Weise habe ich an anderen Orten, wo ich genauer geprüft habe, das Buch fast stets als recht zuverlässig erkannt. Als Erklärung namentlich zu den Culturformationen dient Karte 3 „Bodenbedeckung unter der Cultur der Gegenwart", während die letzte Kartenbeilage „Karte der Frostdauer-Periode und Terminzahlen des Einzugs des mittleren Frühlings" als Er- läuterung des letzten Abschnittes des Buches über „die periodische Entwickelung des Pflanzenlebens im Anscliluss an das mittel- europäische Klima" dient, das die Hauptergebnisse der Phänologie in anziehender Weise verarbeitet und wohl dazu dienen könnte, dieser zwischen Botanik und Kliiiiatologie vermittelnden Disciplin, die vielfach selbst von Botanikern wegen der Geringfügigkeit ihrer Einzelbeobachtungen verachtet wird, neue Anhänger zuzu- führen; denn os wird kaum eine andere Art geben, wie leichter ein Botaniker oder Pflanzenliebliaber, auch ohne zu viel Mühe einerseits und ohne gar zu genaue Einzolkenntnisse andererseits, der Wissenschaft seine Kräfte wenigstens in geringem Maasse dienstbar machen kann als durch Anstellung und Aufzeichnung phänologischer Beobachtungen. Selbstverständlich ist deren Be- arbeitung nur einem möglich, dem Beobachtungen von vielen XL Nr. 19. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 231 Orten zur Verfügung stehen; aber .auch hier wird man praktisch zur Erläuterung der Einzelergebnisse von Beobachtungen in einem beschränkten Gebiete ausgehen wie denn auch Verf. als Beispiel phänologiseher Hauptphasen die Umgebung seines Wohnortes Dresden zum Ausgangspunkt wählt und für diesen dann auch die mittleren Phasentermine der Periode 1881 — 188(i graphisch darstellt. Ein Anhang zum letzten Abschnitt erörtert die phaenolo- gischen Instructionen, ein kurzer Nachtrag erwähnt einige während des Druckes erschienene neuere Arbeiten. Genaue Berücksichtigung der Litteratur ist überhaupt ein wesentlicher Vorzug des Buches. Auch scheint mir nicht über- flüssig als solchen hervorzuheben, dass es sich überall leicht liest, da dies durchaus nicht bei derartigen Arbeiten immer der Fall ist. Es ist daher das vorliegende Werk wohl dazu angethau. zu weiteren Forschungen auf dem Gebiete der heimischen Pflanzengeographie anzuregen; und dies ist nach Ansicht des Ref. der Hauptzweck, den ein solches Werk haben kann. Mögen auch Einzelheiten nicht jeden Leser befriedigen, wer sich gern mit der Floristik des Heimathlandes beschäftigt, wird dies Werk stets immer wieder gern und mit Nutzen als Rathgeber benutzen und seine möglichst baldige Beendigung heranwünschen. F. Höck-Luckenwalde. Gustav Meinecke, Aus dem Lande der Suaheli. Theil I. Reisebriefe und Zuckeruntersuchungen am Pangani. Vege- tationsbilder von Dr. Otto Warburg. Mit 40 Illustrationen und einer Karte im Texte. Deutscher Kolonial-Vcrlag (G. Mei- necke). Berlin SW. 1895. — Preis 3 M. Die Schilderung der Plantagen und bereisten Ortschaften u. s. w. bietet, unterstützt durch gute Abbildungen, eine verläss- liche Anschauung des Theiles von Deutsch-Ostafrika am Pangani, einem durchaus fruchtbaren Gebiet, dem eine gute Zukunft prognosticirt werden kann. Die Zuckerindustrie der Araber be- wegt sich in grossen Verhältnissen. Dr. Warburg's populäre Schilderungen der dortigen Flora geben einen bequemen Einblick in die Vegetations-Verhältnisse. Meinecke's Briefe erschienen in der Post, die Vegetations- bilder in der Deutschen Kolonialzeitung. Wer sich für Land und Leute Deutsch-Ost-Afrikas interessirt, wird das Heft mit Vortheil lesen. Eduard Lucas. li'Arithmetique amüsante, Paris, Gauthier- Villars, 1895. 2(JG pages. Aus den hinterlassenen Papieren des verstorbenen, auf dem Gebiete der mathematischen Spielereien wohlverdienten Verfassers haben seine Freunde, die Herren Delannoy, Laisant und Lemoine das vorliegende Buch zusammengestellt. Der Verfasser hatte schon früher in seinen „Recreations mathematiques" eine grosse Reihe amüsanter Probleme zusammengestellt, und dadurch in französischer Sprache ein Analogon zu den ,.Zwölf Geduld- spielen" *) des Referenten geschaifen, nur dass Lucas eine viel grössere Anzahl von Problemen behandelt, während der Referent in seinem Buch sich auf die wichtigsten 12 beschränkt, jedes der- selben aber um so eingehender und kritischer behandelt. Die drei Herausgebor nennen das Buch eine Einleitung zu den „Recreations mathematiques". Es ist jedoch nicht eine Ein- leitung, sondern eine Vervollständigung der , Recreations". Nicht weniger als 149 Probleme sind behandelt. Natürlich sind dieselben nicht alle wesentlich verschieden, sondern unterscheiden sich oft nur durch die äussere Form oder die Einkleidung. Pro- bleme oder Spielereien, die auch dem Inhalt nach ganz neu sind, hat Referent, trotz der grossen Zahl der Probleme, nicht finden können. Schubert. Prof. Dr. Leo Koenig-sberger, Hermann von Helmholtz' Untersuchungen über die Grundlagen der Mathematik und Mechanik. Mit einem Bildniss Hermann von Helmholtz'. B. G. Teubner. I^eipzig 189G. — Preis '2,40 M. In dem Heft ist eine Rede des Verfassers veröfientlicht, die er mit einigen durch den mündlichen Vortrag gehobenen Ab- kürzungen im November 189,ö zu einer von der Heidelberger *) Bei Ferd. Dümmler, Berlin 189.5. Universität veranstalteten Feier gehalten hat. Die gebotene Zu- sammenstellung und Vorführung der Helmholtz"schen Ansichten ist sicher verdienstlieh, i(i'-|)ticoiis, Nchelbilder-Apparate für Pctiuloum-, Kalk u. clectiisches Licht, Photographirte u. gemalte Projcc tionsbihler. Ansichten aus iillen Ländern. Projec- tionsbilder zur Uemonstration physi- kalischer Erscheinungen. Astronomi- sche Laternenbihler nach photogra- phischen Aufnahmen. — Instrumente aller Art zur Darstelhing wissensch. Experimente. Neues illustr. Projections-Verzelchnis gratis. Ed. Liescgaiig, Düsseldorf". Hittorf'sche Röhren für Höiitgciis X- Strahlen sowie säiiiüiclie clcktrist-he Rohren l'ahrizieren Höllein & Reinhardt Tlicnnonietcr u. Glasinstruiiientenfabrik Neutiaus a. Rennweg (Thuiingen). Preisliste gratis. Ed. Liesegang. Düsseldorf. Photographische Apparate. Leiclite llandeameras aller Ai-t mit einfachster Piatteuwechselung. Sämtliche Bedarfsartiliel. Illustrirte Preisliste gratis. Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. In unserm Vi-rlage erschien: Lehrbuch der Differentialrechnung. Zum Gebrauch bei Vorlesungen an Universitäten und technischen Hochschulen Dr. Harry Gravelius. 331 Seiten gr. 8". Preis broschiert (! Dlarli, äjeldiiidcii 't Marie. Ferd. Diimmlers Yerlagsbuchhandlung in Beriiii SW. 13. Soeben erschien: Die Denkschöpfung umgebender Welt aus kosinogoiiisclieii Vorstellungen in Cultur u. l ncultur. Mit schematischen Abrissen luul 4 Tafeln. Von A. Bastian. 217 Seifen gr. 8". — Preis h Jlarli. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. Photographische Apparate und Bedarfsartikel. Specialitiit; Spit'ji't'l-t'aiiieras Sind die praktischsten Hand-Apparate, Das beliebige Otjjectiv rlieut gleichzeitig als Sucher. Das Bild bleibt bis zum Eintritt der Be- lichtung in Hiklgrösse sichtbar. Die Visierscheibe dreht sich um sich selbst (liir Hoch- und Quer- Aufnahm<-n\ In Vorbereitung für die Gewerbe- Ausstellung: Spiegel-Camera 9/12 cm ^v^^^ zum %iis;iiiiineiili'!;'«ii Allein\"ertiiel Icr Wostendorp & Welinor-l'latteii. „ l'illnajVflien Lacke. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstr. 33' Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Vor Kurzem erschien: Creologi.^elie Aimflüge in die Umgegend von Berlin. Dr. Max Fiebelkorn. lildnngen und 2 Karte 130 Seiten gr. 8'\ — Preis 1,60 Mark. Mit 40 Abbildungen und 2 Kartenbeilagen. Elementare Rechiiiiiiijeii aus di'i- mathematischen Geographie für Freunde der Astronduiie in ausgewählten Kapiteln gemeinverständlich begründet und vorgeführt von O. Weidefeld, t)bfrrussarzl a. 1'. und Mitglied der Vereiuisuug von Frouudeu der .Vstrunomie und kosmischen l'hysiU. Mit einer Figurentafel. — — 64 Seiten gr. 8". Preis 2 Mark. WUU Bnsingr, ^^ \v Berlin W., Benölerstr. 13 l*lioto«'li«>iiiis«'li. Lani^ührim'i Assistent vum Piuf. I>r. Vü^ei di-s pboio-cheni. Laboratotiuins th-r K^-l. U'cliu- HorbscUuh: zu Cliarkittenburi;. V O V^\]i^ •'-Hi.che Intrrsnvh.-^' Q^\^ o,«,^>^^ sinnn.tl. photogr. Institut. v'-^^V^^ ^, \^!>^-egitt.-n.Posit.-Vert.,so\v. ^ V ©• \ •«•^t^^,.^'^llOto-Inecllan. Druckverfahren. ^\* „«, ^-^Wissenschaftliche uud Amateur- Kurse. ' •* ■46'^'V^'^''''"'"" J>^^''<=i'^'=''- K""-'- "»<' längere Kurse. ^^'■''^Duiikelkaminern .stehen zur Verfügung. l'L'hcriiahiiic aner vorkomuieiiden wisseiiseiiattl. lind practischen photosraphisclieii Arbeiten. Niihere Auskunll bereitwilhiist. Täglicü Kdllnet von n—l. Verantwortlicher licdaetoiir: Dr. Henry Potonie, Gr. Licliterfekle (l'.-U | l>ei IJerlin. I'dtsilanii'rstr. 3.j, für den Inseratentlieil: Hugo Bernstein in Berlin.— Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Verlag ; Redaktion: ' Dr. H. Potonie. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XL Band. Sonntag, den 17. Mai 1896. Nr. 20. Abonnement: Mau abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- if Inserate: Die viergespaltene Petitzelle 40 -A. Grössere AufträRe ent- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist ^ 4.— S(& sprechenden Rabatt. Beilagen nach Debereinkunft. Inseratenannahme Eringegeld bei der Post 15 h' extra. Postzeitungsliste Nr. 4827. JL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdrnck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die Helmholtz'sche Erklärung des Moli-Charakters und Versuch einer Widerlegung derselben. Von Richard Hennig. lu No. 16 dieses Jahrganges (vom 19. April 1896) findet sich ein Referat über die Biliroth'sche Erklärung des Unterschiedes der Dur- und Moll-Tonarten. In den beiden letzten Abschnitten des Referates wurde die Bili- roth'sche Definition des Charakterausdrucks beider Ton- geschlechter, welche darauf hinauslief, die angeblichen Charaktere als lediglich auf conventionellcn Empfindungen basirend hinzustellen, von mir einer Kritik unterzogen. Das Endurtheil lautete dahin, dass der Billroth'schen Deutung zu gewichtige Bedenken entgegenständen und dass man genöthigt sei, auf psychische bezw. physische Thatsachen zurückzugreifen. Ich wurde nun im Anschluss daran dazu geführt, auch die Helmholtz'sche Erklärung des Molleharakters, auf die ich mich in jenem Referat gar nicht bezogen hatte, auf iiire Consequenzen hin genauer zu betrachten. Diese Theorie ist augenblicklich die herrschende, doch sind schon von vielen Seiten, unter anderen selbst von Dubois-Reymond, Bedenken dagegen geäussert worden. Doch beschränkten sich meines Wissens alle Kritiken bisher auf gewisse Andeutungen, ohne dass je die Con- sequenzen der Theorie systematisch gezogen wären. Im •folgenden ist dies nun kurz geschehen: ohne das Be- strelien zu haben, alle P^inwände zusammenzustellen, habe ich nur diejenigen, welche sieh mir persönlich nach einiger Ueberlegung aufdrängten und die trotz ihrer Einfachheit meines Wissens noch nirgends zu finden sind*), nieder- geschrieben. Betrachten wir zunächst die Helmholtz'sche Theorie! *) Selbst in der „Viertoljalifsselirift für Miisikwissonscliiiff hiibn icli nirgends einen derartigen ■Versiieli gefunden.. Diese will bekanntlich den Charakterunterschied der beiden Tongeschlechter durch Differenztöne erklären. Die Differenztöne des Durklanges, dessen Töne die Schwin- gungszahlen 4:5:6:8 aufweisen, fallen durchweg in die Harmonie: Der Klang c' — e' — g' — c" z. B. giebt als Differenztöne erster Ordnung C, c, g und c' und auch die eventuell aus den ersten Obertönen entstehenden scliwachen Difterenztöne sind durchwegs harmonisch mit dem Drei- klang. Anders dagegen liegen die Verhältnisse beim Mollaceord: der Klang c' — es' — g' — c" enthält als Differenztöne erster Ordnung Asj, Es, c und c', welche also einen verschobenen As-dur-Dreiklang bilden. Nimmt man gar noch die Diö'erenztöne zweiter Ordnung hinzu, so enthält der Klang ausserdem noch eine Reihe von Tönen, welche aus der Harmonie fallen. . Nun sagt'Helm- holtz („Lehre von den Tonempfindungen", S. 35.Ö): ..Es sind diese Störungen im Wohlklang der ]\Iolldreikläiige durch die Combinationstöne zweiter Ordnung allerdings zu schwach, um den genannten Accorden den Charakter von Dissonanzen zu ertheilen, aber sie bringen doch eine merkliehe Vermehrung der Rauhigkeit im Vergleich mit Duraccorden auf reinen, d. h. nach natürlichen Sciiwin- gungszahlen gestimmten Instrumenten." Aber sind auch nach Helmholtz' Ansiciit die Combinationstöne zweiter Ordnung zu schwach, um in Betracht gezogen werden zu können, diejenigen erster Ordnung, welche ja das un- harmonische Asi erzeugen, scheinen ihm vollkommen aus- zureichen: .,Praktisch scheint der Einfluss der stärkeren tiefen Combinationstöne viel wichtiger, w'elelic zwar nicht die Rauhigkeit des Zusammenklangcs vermehren, aber zu dem .Vccordc fremde Töne hinzulugen, die bei den C-moil-Accordcn dem As-dur- und Es-dur-Dreiklang aiige- 234 Natnvwissenscliait liehe Wochenschrift. XI. Nr. 20. höreu. Dadurch kommt in die Moll-Accorde etwas Fremd- artiges hinein, was nicht deutlich genug ist, um die Accorde ganz zu zerstören, was aber doch genügt, dem Wohlklang und der musikalischen Bedeutung dieser öel)en, Accorde etwas Verschleiertes und Unklares zu dessen eigentlichen Grund sich der Hörer nicht zu ent Ziffern weiss, weil die schwachen Combinatioustöne, welche die Ursache davon sind, von stärkeren anderen Tönen überdeckt werden und nur einem geübten Ohr auffallen. Daher sind die Mollklänge so geeignet, un- klare, trübe oder rauhe Stimmungen auszudrücken." Es ist auffallend, wie die psychologischen Folgerungen, zu deuen Hclmholtz gelangt, auf das Genaueste überein- stimmen mit der vorzüglichen ästhetischen Analyse des Charakters der Tongeschlechter, wie sie Vischer 5 Jahre vor dem Erscheinen des Helmlioltz'schen Werkes in seiner „Aesthetik" gegeben hat (Bd. III, 2, S. 870—872): „Dur nud Moll sind daher völlig verschiedene Tongeschlcchter, so verschieden wie Licht und Dämmerung, frohe Kraft und gedrückte Weichheit oder Wehmuth. Moll ist nicht gerade blos das Traurige, Weiche, sondern über- haupt das „Verhüllte" der Stimmung, das Versenktsein des Subjects in eine Stimmuug. ... Es belastet die Seele mit einem Druck, den sie hinwegwünscht wie einen dunkeln Flor, der das Auge an freiem Aufschauen hin- dert, es lässt unwillkürlich Lösung, Befreiung er- warten. . . . Und darum ist Dur doch das Normal- Tongeschlecht, Moll nur Ausnahme, nur ein Gegenbild zu Dnr, das in der Regel nicht vorwiegend sein kann und selbst die religiöse Musik nicht einseitig beherrschen darf." Wenn nun auch die sehr eingehende und ausführliehe Vischer'sche Definition in einigen Punkten etwas sehr weit geht, indem sie Moll als „Ausnahme", als blossen „Gegen- satz zu Dur" hinstellt, so werden doch Viele im Allge- meinen die citirteu ästhetischen Definitionen als richtig und völlig bezeichnend anerkennen. Die Art dieser Definitionen ist nun eine sehr starke Stütze für die Helmholtz'sche Theorie, welche erst später auf ganz an- derem Wege fast wörtlich zu denselben Resultaten ge- langte, während die Billroth'sche Erklärung durch die Vischer'sche Analyse — vorausgesetzt, dass man diese als zutreffend anerkennt — • völlig über den Haufen ge- worfen wird. Und trotzdem man Vischer's Au.slassungen im Allgemeinen unterschreiben kann, ist die theoretische Ableitung dieser Resultate durch Helmholtz angreifbar, wie wir sogleich sehen werden. Auf den ersten Blick scheint zwar die geistreiche Theorie unseres grossen Landsmanns sehr plausibel. Bei genauerer Betrachtung aber wird man gegen sie, wie so manche andere der von Helmholtz aufgestellten psycho-physio- logischen Theorien bei aller Verehrung für den Genius, der sie erdachte, gar manche gewichtige Bedenken nicht unterdrücken können. Wie viele Individuen giebt es, die selbst unter den günstigsten Verhältnissen und bei gespanntester Auf- merksamkeit kaum einen Differenzton wahrzunehmen im Stande sind, wohl aber den Unterschied im Klang- charakter der beiden Tongeschlechter herausfühlen (selbst- verständlich dürfen nirgends Intervall - Urtheile maass- gebend für die Erkennung sein)! Sollen für solche Indivi- duen die Differenztöne nur im Unterbewusstsein vorhanden und wirksam sein k('inneny Soll hier die Thatsache, dass alle im Unterbewusstsein vorhandenen Eindrücke, sobald man die Aufmerksamkeit darauf richtet, ins Oberbewusstsein treten und treten müssen, eine Ausnahme erfahren, da es jenen nicht möglich sein soll, die den Eindruck beeinflussenden und im Unterbewusstsein vor- handenen Differenztöne deutlich zu pcrcipiren? Wir können doch lediglich mit zwei Möglichkeiten rechnen: entweder beeinflusst der Diflferenzton den Molldreiklang gar nicht, dann bleibt dieser consonant und die Ursache des „Ver- schleierten, Unklaren" fällt fort, oder aber der ins Unter- bewusstsein tretende Eindruck genügt, um Consonanz und Charakter zu beeinflussen, dann kann keine Logik der Welt die Thatsache umgehen, dass man ein unconso- nantes Etwas vor sich hat. Man gebe einem halbwegs musikalischen Menschen den Klang c' — es' — g' — c" und dazu den Ton As, an, so wird für ihn der specifische Charakter des Molldreiklangs verschwinden, selbst wenn er sich gar keine Rechenschaft über die Klangcombination sollte geben können, und es wird sieh das Gefühl einer höchst unangenehmen, befremdenden Dissonanz einstellen, welches mit dem angenehmen Eindruck des C-moU-Drei- klangs gar nicht verglichen werden kann. Die geringste Be- einflussung der Consonanz, wie sie ja doch Helmholtz anninnnt, muss den Klang zur unvollkommenen Dissonanz stempeln, welche, etwa analog dem Septimenaccord, nach Auflösung verlangt. Uebrigens ist zu bemerken, dass bei unserer fast allein noch herrschenden temperirten Stim- muug ja auch die primären Differenztöne des Durdrei- klangs nicht v(illig in die Harmonie fallen, und dennoch wird die Consonanz des Klanges dadurch nicht gestört oder beeinflusst. Und was für Consequenzen würden aus der Helm- holtz'schen Behauptung erwachsen! Obertöne pflegen bekanntlich stärker hervorzutreten und leichter percipirt /.u werden, als Differenztöne. Ja, wenn alle diese Ober- töne Einfluss hätten auf die Consonanz des Klanges, zu was für Folgen würde das denn führen? Nehmen wir die reinsten Töne, die wir kennen, Stimmgabeltöne mit meinetwegen nur zwei Obertönen, und geben den Drei- klang c' — e' — g' an. Was für Töne erklingen dann? c' — e' — g' — c" — e" — g" — h'' — d'". Und das soll eine Consonanz sein? jene wunderbare, sinnenbethörende Harmonie, welche ein Dreiklang von reingestimmteu Stimmgabeln zu haben scheint? Warum machen hier nicht die Töne h" und d'" den Klang „verschleiert", „unklar" und „rauh", weit mehr, als es jenes meist sehr schwache As, im Klange c' — es' — g' vermag? Und nun nehmen wir Töne mit weit mehr Obertönen, wie sie in der Musik ausschliesslich gebräuchlich sind. Bedenken wir dabei, wie ein einziges, kurzes, in eine volle C-dur-Harmonie hiueinklingendes, hörbares b sofort mit zwin- gender Gewalt eine Auflösung des Klanges nach F-dur verlangt! Und nun erwäge man, dass ein einziges c, gleichviel in welcher Oktave und auf welchem Instrument es erklingt, unweigerlich ein solches b als Oberton ent- hält, und frage sich, wie es möglich ist, dass eine volle C-dur-Harmonie selbst mit vielfach verstärktem c in den tiefen Oktaven als Consonanz wirkt und nicht etwa als Septimenaccord, welchen man aufzulösen gezwungen ist! Nehmen wir die allerschärfsten, obertonreichsten Töne, die wir kennen, ein durch sie erzeugter Dreiklang kann unter Umständen schrill und unangenehm wirken, nie aber wird er nach Auflösung verlangen, er kann die Harmonie verschwinden lassen, nie die Vollkommenheit der ('onsonanz, wie es der schönste, obertouärmste Septimenaccord zweifelsohne sofort thut. Daraus folgt aber mit zwingender Nothwendigkeit, dass die Obertöne keinen Einfluss auszuüben ver- mögen auf die Consonanz eines Klanges, wie viel weniger werden also die weit schwächereu Combinations- töne dazu im Stande sein? Und noch eine weitere Consequenz müsste sich aus der Helndioltz'schen Lehre ergeben: der unharmonische Differenzton, welcher den Charakter des Moll bedingt, lässt sich eliminiren, z. B. durch den Kundfschen Inter- ferenzapparat. Glaubt man, dass alsdann ein Mollklang XI. Nr. 20 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 235 seinen specifisclien Ausdruck verliert und den iilaren, unverschleierten Charaivter des Dur annimmt? Wir brauciien aber einen solchen Versuch gar nicht erst zu machen, sondern können schon durch die Wahl der Töne, die wir zum Molldreiklang zusammensetzen, jeden Einfluss des tiefen, unharmonischen Differenztons beseitigen. Der tiefste Ton, welcher waln-nehmbar ist, ist G^, der auch schon viel leiser ist als Aso und Ao; alle tieferen Töne entziehen sich der Wahrnehmung durchs Gehör.*) Wir brauchen ja nun bloss den Differenztou in diese tiefe Region fallen zu lassen, und der Molldreiklang müsste seinen Charakterausdruck verlieren: Der Klang c — es — g müsste noch diesen Ausdruck besitzen, da sein tiefer Dift'erenzton As.2 ist, der Klang H — d — fis schon weiter weniger, da G^ nur schwach hörbar ist, der Klang *) Vergl. Nat. Woch. Bd. X No. 15, S. 185. B — des — f endlich müsste ein Molldreiklang sein, dem jener Charakterausdruck abgeht, da der Difllcrenzton Geso auch nicht einmal im Unterbcwu.sstsein wahrnehmbar ist, ebenso alle Molldreiklänge der tieferen Regionen. Nun aljcr gebe man sich den Klang B — des — f an. Er wird nicht so angenehm wirken, wie die Klänge der Mittellage, er wird dick und massig sein, wie alle Accorde, auch Duraceorde, der grossen und kleinen Octave. \ou einem Verschwinden des „Verschleierten" im Charakter ist keine Rede, geschweige denn von einer vollkommeneren Consonanz, wie sie nach der lielmholtz'schen Theorie zu erwarten wäre. Damit dürfte aber zur Genüge nachgewiesen sein, dass Hehnholtz' Erklärung des Mollcharakters unmöglich zutreffend sein kann. Das grosse Räthsel des Moll bleibt nach wie vor ungelöst. Fortschritte der Anthropologie und Sozial-Anthropologie. Die königlich italienische Sanitäts-Iuspection in Rom hat soeben unter dem Titel „Antropometria militare"*) ein Werk herausgegeben, welches geeignet ist, die Be- wunderung und beinahe auch den Neid der wissenschaft- lichen Welt anderer Länder zu erwecken. Nach jahre- langer Arbeit, welche von dem Stabsarzt Ridolfo Li vi geleitet wurde, ist die anthropologische Statistik von 299 355 Soldaten aller Garnisonen Italiens zu Stande ge- kommen. Diese Zahl umfasst junge Männer der Aus- hebungen von 1859 — 63 im Alter von 20 bis 25 Jahren, was bei einer Gesammtbevölkerung des Königreiches von 29 953-180 Köpfen im Jahr 1881 1,03 v. H., und auf die männliche Bevölkerung der entsprechenden Altersklassen bezogen, welche durch 1213 144 Köpfe vertreten sind, 24,66 V. H., nahezu ein Viertel ausmacht. Der Besitz einer solchen .Statistik für ein grosses europäisches Land ist von ausserordentlichem wissenschaftlichem Werthe. Die Ausstattung des Werkes entspricht seinem Inhalte. Der umfangreiche Quartband, welcher auf 419 Seiten den in grosser Schrift (sogen. Cicero) gedruckten Text und zahllose Tabellen enthält, ist begleitet von einem Atlas, der in prachtvollem Farbendruck alle wichtigen Ergeb- nisse übersichtlich darstellt, und zwar theils auf Land- karten, theils vermittelst Curven. Text und Atlas zu sanimen kosten nur 18 Lire. Die Ergebnisse einer Militärstatistik sind natürlich in manchen Punkten von denen verschieden, welche bei der Aushebung gewonnen werden. Nur die letztere giebt ein vollkommenes Abbild der Verhältnisse der männlichen Bevölkerung des betreffenden Alters und der betreffenden Gegend. Die Soldaten stellen eine Auslese nach mehr- fachen Gesichtspunkten dar. Leute unter der Grösse von 1,54 m und alle unentwickelten oder schwächlichen sind ausgeschlossen. Die durchschnittliche Grösse ist bei den Soldaten 1,645 m, bei den sämmt liehen Wehrpflichtigen je nach den Jahrgängen 1,624 m bis 1,634 m. Zum Glück hat der erfahrene und mit allen Fehlerquellen ver- traute Verfasser verstanden, diesen Unterschied unschäd- lich zumachen. Bei den übrigen Merkmalen, wie Kopf- *) „Antropometria militare. Risultati ottenuti dallo spoglio dei Fogli sanitarii dei Militari delle Classi 1859—63, rse- puito dair Ispettorato di Sanitli militari^ per Ordine dei Miuistero della Guerra. Inoaricato della Direzione dei Lavori Dr. Ridolfo Liyi, Capitauo medico. I^arte I. Dati antropoloeici ed etnolo- gici. Testo ed Atlante. Roma, presso il (Jiornale medico dei Regio Esercito 1890." Der zweite, später erscheinende Tlieil wird sich auf das militärische Gesundheits- und Kraukenwesen be- ziehen. form, Augen-, Haar- und Hautfarbe u. s. w., sind die Abweichungen zwischen Tauglichen und Untauglichen zwar nicht verschwindend, aber doch so gering, nament- lich beim Kopfindex, dass man die Ergebnisse der Sol- daten mit voller Beruhigung auf die gesammte männliche Bevölkerung ausdehnen kann. Man darf der königlichen Sanitäts-Inspection und ihrem Vorsitzenden, dem General- arzt Regis, sowie dem ausführenden Stabsarzt Dr. Li vi zur Vollendung dieser grossartigen, mit unerschöpflicher Geduld und unvergleichlicher Umsicht hergestellten Arbeit von Herzen Glück wünschen. Uns Deutsche möge dieses Werk daran erinnern, dass es Zeit wäre, neue Bahnen zur Förderung der Anthro- pologie einzuschlagen. Von sämmtlichen Ländern Euro- pas kennt man nun so ziemlich den Kopf-Index der Be- völkerung. Selbst in Spanien, welches etwas lange auf sich warten Hess, ist 1894 eine über das ganze Königreich ausgedehnte Untersuchung von dem Inhaber des Lehr- stuhls der Anatomie an der Universität Madrid, Professor Don OL'iriz, herausgekommen, welche mit der grö.ssten Sorgfalt ermittelte Angaben über die Kopfmaasse von 8368 Männern aus sämmtlichen Provinzen enthält.*) Von Frankreich sind .schon früher genaue Untersuchungen durch Broca, Collignon, de Laponge und andere gesammelt worden, und eine Uebersicht über das ganze Gebiet findet sich in „L'Antliropologie" von 1890 durch Oberstabsarzt Collignon veröffentlicht. Ebenso kennt man Belgien durch Ho uze. Für England hat John lieddoe seine früheren Untersuchungen ergänzt, und wenn man auch diese Statistik nicht lückenlos nennen kann, so ist sie doch genügend, um weitergehende Schlüsse zu er- lauben. Aus 0 esterreich weiss man durch Oberstabs- arzt Weisbaeh, aus Russland durch die Professoren Bogdanoff, Zograf und andere ebenfalls das Nöthigstc. Nur unser liebes Deutschland hat nichts aufzuweisen, als Prof. Ranke's Messungen in Bayern, die viel zu rasch wieder abgebrochen wurden und nur ein kleines Gebiet umfas.sen, und die badi sehen, deren Herausgabe sich noch lange verzögern wird, wenn es nicht gelingt, *) „Distribueiön geogräfica dcl iudice cofiilico en Espana, deduoida dei Examen de 8 368 Varoncs adultos. Me- moria presentada al Congreso geogräfico Hispano-Portuges-Ameri- cano, en Sesiöu de 19 de Octubre de 1892, per el Autor Don Federico Olnriz, Cat(>dratico de Auatomia de la Facultad de Modicina de Madrid. Madrid, Imprenta dei „Memorial de In- genieros" 1894. — Im stolzen Spanien ist jeder Manu ein .Baron'', wenn er aucli zu den Strafgofangenen gehört, au denen Don Oloriz seine Messungen vornaluu. 236 Naturwissenscliaftliche Wocliciisclirift. XI. Nr. 20 weitere Arbeitskräfte zur Bereeliuung der Statistik in Bc- we.aung- zu setzen. Alles übrige Reichsgebiet ist „Lücke". Die deutsche Anthropologie arbeitet fast nur noch mit dem Spaten und ist vorwiegend kulturgeschichtlich ge- worden; kommen unsere Anthropologen in ihren Con- gressen zusammen, so berathen sie neben anderen wich- tigen Dingen höchstens die beste Art der Kfiriiermessungen, ohne sich einigen zu können, während man in anderen Ländern mit dem Maassstab praktisch vorgeht und un- geahnte Ergebnisse erzielt, durch die wir Deutsche über- holt sind. In Paris ist in den letzten Tagen unter dem Namen „Les selectioris sociales" ein grosses Werk sozial- anthropologischen Inhaltes von Prof de Lapouge er- schienen, worin der geistvolle Forscher alles zusammen- gefasst hat, was die Naturgeschichte des Menschen den Soziologen bieten kann.'-') Die übersichtliche Anordnung des Stoffes, die Klarheit und Flüssigkeit des Ausdruckes, bei einem französischen Werke unerlässliche Eigenschaften, dienen demselben zu ganz besonderer Empfehlung. Der Inhalt bringt' mehr über die rein anthropologischen Beziehungen (Vererbung, Blutsverwandtscliaft. Rasserein- heit, Kreuzung, Fruchtbarkeit, Lebensdauer u. s. w.) als meine „Gesellschaftsordnmig", lässt dagegen die Volks- wirt hschaftlichen Theile zurücktreten, unseren Sozi- ologen sei das Buch aufs Wärmste empfohlen ; sie werden viel aus demselben lernen können. Das von mir aufgestellte Gesetz der Wanderung der Langköpfe nach den städtischen Mittelpunkten, der zäheren Ansässigkeit der Rundköpfe auf der länd- lichen Scholle, wird von de Lapouge nicht nur ange- nommen, sondern durch viele Thatsachen aus französischen Musterungsbezirken, durch welche die grössere Beweglieh- , keit des langköptigen Elementes dargethan wird, nach- haltig unterstützt. Es wird immer nur unter dem Namen „la loi d'Ammon" angeführt, eine Ehre, die mir beinahe i)ange macht, die aber das Gute hat, dass es möglich ist. sich mit wenigen Worten zu verständigen. Die Deutung der Thatsache ist bei de Lapouge, wie nach seinen früheren Schriften zu erwarten war, die nämliche, wie bei mir: Die Langköpfe wandern, weil sie mehr ger- manisches Blut in den Adern haben, eine Annahme, die sich auf die Rassenpsychologie stützt, wie wir sie aus den geschichtlichen Ereignissen ableiten können. Ein anderer französischer Forscher, Prof. Fouillee an der Pariser Academie des sciences morales hatte im Heft der „Revue des deux mondes" vom 15. März einen Aufsatz veröft'entlicht, worin er sich etwas zweifelnd gegen die von de Lapouge und mir gezogenen Schlüsse aus- sprach und geflissentlich allerlei untergeordnete Punkte hcrvorliob, die nnt jener Theorie nicht leicht zu ver- einigen seien. Er muss aber selbst bald ins Klare hier- über gekommen sein, denn im Heft der niunlichen Revue vom 15. Oetober bekennt sich Fouillee zu dem Gesetz der Ansammlung der Langkiipfe in den Städten. Gleichfalls in französischer Sprache verfasst ist eine Al)handlung des Genfer Licentiatcn Lucien Chalu- mcau über den Eintluss der Körpergrösse auf die Bildung der socialen Klassen.**) Die schweizerische Rekruten- statislik wurde von Chalumeau benutzt, um die durch- schnittliche Grösse für die einzelnen Berufsarten zu *) „Los Seluctions sociixlos, Cours libre de Science politif|ac profosse j'i I'Universitc de Montpi'llior 1888—1889 par G. Viiclior de Lapouge. Pai-is, Libraiiie Tlioiin et Fils, A. Fontemoing Succ. 1896. **) „ l n f 1 u e n c o de 1 a T a i 1 1 1> h ii m a i ii c s u i- I a F o r m a f i o n des Classes sociales", par J^ucion Clialumeau, Licenciö ös lettres. Extrait des Pages d'Histoii-e dedies ii M. lo prof. Picrro Va Hell er. Goiievo 181)6. berechnen, und zwar für ungefähr 80 Abtheilungen. Das Ergebnis« der Liste ist höchst auffallend. Je mehr in- tellektuelle Fähigkeiten ein Beruf erfordert, desto grössere Leute weist er auf, und Chalumeau erklärt dies ganz im Einklänge mit meinen Anschauungen durch die natürliche Auslese vermöge der seelischen Rassenanlagen. Die grossen Leute sind nämlich nach einem Gesetz der Wechsell)cziehung auch vorwiegend langköpfig. Schon früher hat ein schweizerischer Zahnarzt, W. Diet- lein, bei seinen Schuluntersuchungen in Freiburg i. B. gefunden, dass die Städter einen schmaleren Gamnen, also nach den Gesetzen der Wechselbeziehungen auch längere Köpfe haben, als die Landleute, was der Ver- fasser mit meinen Untersuchungen üiier die Kopfformen in Beziehung brachte.*) In den oben angeführten Werken aus Italien, Spanien und England finden sich auch werthvolle An- gaben, welche mit Bezugnahme auf meine Kopfmessungen an Studierenden und Nichtstudierenden erhoben wurden, um die Anwendbarkeit meiner Theorie der grösseren Langköpfigkeit der höheren Gesellschafts- klassen zu prüfen. Dieselbe schien sich zunächst nur in dem kurzköptigen Norditalien zu bestätigen, in Süditalien, Spanien und England jedoch nicht. Dies ist leicht verständlich, denn in Ländern, die von einer her- vorragend langköptigen, sei es mittelländischen oder nord- europäischen Bevölkerung bewohnt sind, wie Süditalien, Spanien und England, können die Ge))ildeten arischer Abkunft sich unmöglich durch grössere Langkö|)figkeit vom übrigen Volke abheben. Die Ergebnisse gewähren dennoch bei eingehenderer Betrachtung neben an sich sehr bedeutsamen Thatsachen eine mittelbare Bestätigung meiner Behauptungen. Doch wird dies nicht jetzt, sondern ein andermal besonders zu erörtern sein. Erhebliche Fortschritte macht die Social- Anthropologie in einem Lande, von dem mau dies nicht in erster Linie erwartet hätte, in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die republikanische Verfassung ist für die Forscher kein Hinderniss, die Natur des menschlichen Gesellschaftslebens nnljefangen zu würdigen, weini auch die Ergebnisse nicht gerade eine Ermunterung zur De- mokratie sein werden. Das Gesetz der Wanderung der Langköpfe nach den städtischen Mittelpunkten ist unter dem Namen „the law of Amnion" von C. C. Closson an der Universität Chicago zustimmend aufgenommen worden.**) Der amerikanische Gelehrte bringt aus der Weltlitteratur eine Menge von Material bei, welches ge- eignet ist, meine Angaben zu bestätigen und den Nach- weis zu führen, dass auch in anderen Ländern das er- wähnte Gesetz gilt; ja, er selbst glaubt, dass die beiden mächtigsten Wanderströme der Welt, derjenige von Eu- ropa nach den Vereinigten Staaten und derjenige von der amerikanischen Ostküste nach dem Westen, ebenfalls einen Ueberschuss von Langköpfeu der blonden arischen Rasse mit sich ziehen. In meinem Vaterlaude haben \iele Kreise nur Spott für meine Theorie gehabt, wenn sie nicht vorzogen, dieselbe todtzuschweigen. Die wohl- wollendsten Kritiker wiesen darauf hin, dass meine Untersuchungen in Baden eine zu schmale Grundlage bildeten, umdie Verallgemeinerung des Gesetzes zu ge- statten, welches wohl auf weniger Zweifel gestossen wäre, wenn ich es rein deduktiv abgeleitet hätte! Keiner *) „Uelier Zalinwcchsel und verwaii d te Fragen", von \V. Dictlein, Zahnarzt, Basel, im „Anatom. Anzeiger" von 1895 S. 354 ft'. **) „Tlie (.»iiartely Journal o f Eco noni i es, January 189G, Vol. X, No. 2, .laniiary 1896." S. 156: Disaociation by Dis- placement: a Phase of Social Sclcetiou", Carlos C. Closson. Boston, George II. Fllis 1896. XI. Nr. •20. Natnrwissent^cliaf'tlichc Woclicnsclintt. 237 der gelehrten Wäniier rührte einen Finger, um in anderen Theilen Deutsehhiuds die Prohe auf das Gesetz zu machen, als ob es eine mögliche Aufi^abe für mich sei, in der Welt herunr/.ureisen, um überall Kopfmessungen aus- zuführen! Ein Amerikaner musstc konniien, um das Fehlende zu ergänzen. Wenn die Thoirie in englischer Sprache über das Meer zurückkehrt, dann wird man sie bei uns erst einer näheren Untersuchung- für werth halten, oder sie ohne solche als richtig annehmen. Aber sie ist doch „made in Germany-'! Closson giebt eine annehmbare Erklärung und zu- gleich Erweiterung meines Gesetzes. Der Titel seines Aufsatzes „Dissociation by Displacement" enthält schon die Andeutung, wie er die Frage anfasst. Er er- blickt in der Gruppenbildung- und in den Wande- rungen eine Vorstufe der socialen, bezw. natürlichen Auslese. Die Individuen sondern sich zunächst räundich nach ihren ang-eborenen, vorwiegend psychischen, und zwar auch rassenpsychischen Anlagen, um nachher dem Eingreifen der Auslese Kaum zu gewähren. Der Ge- danke ist mit Geist durchgeführt und dürfte noch weiter fortzubilden sein. In ISoston ist ein amerikanischer Gelehrter, Professor Ripley, Anthropologe und Sociologe in einer Person, soeben mit der Herausgabe eines Werkes über die Ver- breitung- des Kopf-Index und der Rassen in Europa be- schäftigt. Er verrichtet damit eine Arbeit, welche längst hätte gethan sein sollen, und es ist wieder bezeichnend, dass in der ganzen alten Welt nicht ein einziger Gelehrter daran gedaclit hat, dieses Gegenstandes sich zu be- mäciitigen. Die kurze Uebersicht, welche ich kürzlich über die Vertheiluug- der Menschenrassen in unserm Welt- thcil zu geben suchte*), erschöpft natürlich den Gegen- stand noch lange nicht; hier war einem Gelehrten ein reiches Feld zu den wichtigsten und anziehendsten Unter- suchungen geboten. Meiner Meinung- nach wäre hierzu in erster Linie ein Bewohner des Herzens unseres Welt- theiles, also ein Deutscher, berufen gewesen. Das hätte würdiger geschienen, als dass wir auf höHichc Bitte unsere Materialien nach Amerika schicken, um sie dann verarbeitet mit englischem Texte zurückzubekommen; denn die Auskunft zu verweigern, wäre eine Kleinlichkeit, deren sich kein Forscher im internationalen Verkehr schuldig macheu wird. Man darf der Arbeit des Pro- fessors Ripley im Uebrigen mit Vertrauen entgegen- sehen. Die Fortschritte anderer Länder mögen den deutschen Anthropologen eine Mahnung zu ernster Prüfung sein, ob die in dem letzten Jahrzehnt einge- haltene Forschungsweise eine nach allen Seiten genügende ist. Insbesondere möge zu der Social- Anthropologie Stellung genommen werden, welche anderwärts Jünger begeistert und mehr und mehr in den Vordergrund des öffentlichen Interesses tritt. Unterdrücken lässt sich diese Richtung nicht mehr. Solange de Lapouge und ich allein standen, k(nuite man uns beide mit Stillschweigen übergeben; nachdem aber in allen Theilen des Auslandes Verkünder der neuen Wissenschaft auftreten, hilft es auch nichts mehr, dieselbe mit Spott abthun zu wollen. Sie ist da, sie hat Boden gefunden, und sie wird wachsen. Otto Ammon. *) „Unterhaltuugsboihigo der Tägl. Rundschau", No. 34, 3(3 und 39 von 1896. Das Hörveriiiögeii der Fische iiat A. Kreidl kürz- lich untersucht und darüber in PHügers Archiv für d. ges. Physiologie Bd. (Jl, S. 450 berichtet. Er wählte als Ver- suchsobjecte Goldtische. Ausser normalen wurden auch durch Strychnin vergiftete und labyrinthlose Exemplare verwendet. Die Strychninvergiftung hatte dabei den Zweck, die Refiexerregbarkeit zu erhöhen. Als Scball- ([uelle dienten in den gläserneu Fischkasten eintauchende Klangstäbe, welche ausserhalb des Wassers durch An- streichen mit einem Violinbogen oder elektromagnetisch durch eine Stimmgabel von entsprechender Schwingungs- zahl in Vibrationen versetzt wurden. Die drei Gruppen von Fischen reagirten nun hierauf ebeusowenig, wie auf Töne von Pfeifen, Glocken, Klingeln, die mau ausserhalb des Wassers nahe am Bassin erzeugte. Wohl aber rea- girten alle auf plötzliche Scballerzeugungcn, auf Klopfen gegen die Glaswand und Knall. Ein Hören durch das „Gehörorgan" giebt es also offenbar für die Goldfische nicht. Sie reagiren jedoch auf Schallwellen, die sie durch einen besonders entwickelten Hautsiun empfinden. Schaefer. x\phorismen zur Kiologie u. s. w. der Diplopoden, die C. Verhöff im Zool. Anz., Nr. 470, S. 203, ver- üfCentlicht, zeigen, wie die zahlreichen interessanten Beob- achtungen desselben Verfassers, wie reich das Forschungs- gebiet aiich für den Naturbeobachter, dem kein Aufenthalt an der See noch der Apparat der Seenforschung zu Ge- bote steht, sich ausbreitet. So betont auch Verhöff an anderer Stelle (Zool. Anz., Nr. 493, S. 18) den auffallen- den Umstand, dass die überall häufigen Landasseln so wenig Beachtung gefunden haben. Ref. kann dem nur beistinnneu, da ihm die fast gar nicht bearbeiteten That- saehen der Färbung dieser Thiere seit Jahren das mannigfachste Interesse abgewonnen haben. Verhöfif beobachtete, dass der Tausendfuss Palaeoiulus sabulosus Latz, an hellem Tage Pollen von Ranunkeln frisst. An- dere Arten frassen das Blattparenchym von Anthriscus, Galeopsis und Rubus. Auch Cieendia, Gentiaua und ein Farn wurden angegriffen, dagegen Urtica, wohl wegen der Brennhaare, Tilia und Sambucus, wohl wegen schlecht schmeckender Inhaltsstoffe des Parenchyms, streng ge- mieden. C. Mff. lieber eine interessante Anpassung im Thierreich be- richtet Prof. Dr. C. Keller in einem Aufsatz: Reisestudien in den Somaliländern (Globus 1896, Nr. 12). Der Gebirgs- pass von Dscherato wurde überstiegen. Die Gebirgs- massen l)estehen überall aus Urgebirgsformationen, bald aus feinkörnigem Gomygranit von tlcischrother Färbung, bald aus röthlichem Granitporphyr mit grossen rothen Feldspäten, welche an der verwitterten Oberfläche zu- weilen isolirbar sind. Die zahllosen Heuschrecken haben auf ihren grauen Flügeln Flecken, welche eine Nach- ahmung der eingesprengten Feldspäte erkennen lassen, und eine Eidechsenart (Agama spinosa), welche die Fähig- keit des Farbenwechsels besitzt, vermag durch gewisse Chromatophoren der Haut die Feldspatflecken aufs Täu- schendste hervorzurufen. L Die Flora von Madagascar. — In dem Natur- historischen Museum zu Paris hielt vor Kurzem Ed. Bureau einen Vortrag über die Flora von Madagascar; derselbe liegt gedruckt vor in der „Revue scientifique" 1896, Nr. 8, Die ersten botanischen Forschungen über Madagascar stellte in den Jahren 1648 — 55 Flacourt an, der die Insel im Namen Ludwig XIV. in Besitz genommen hatte; 2'df< Naturwissenschaftliche Wochensclirift. XI. Nr. 20, nach seiner Rückkehr verötFentlichte er 1658 ein Werk, in welchem sich zahireiclie, trotz ihrer Naivetät doch wohl erkennbare Figuren befinden. Seitdem haben viele Bo- taniker Madagascar bereist und durchforscht; Bureau zählt deren 34 auf: 5 Engländer, 3 Deutsche, 1 Oester- reicher und 25 Franzosen. Von letzteren sind vor Allem zu erwähnen : Boivin, Bernier, Richard, Commerson, Dupetit-Thouars, Bouton, Goudot, Humblot und Gran- didier. Der Ocsterreicher ist Bojer, welcher lange Zeit Director des Botanischen Gartens auf der Insel Mauritius war. Von den Deutschen ist Hildebrandt und Hilsenberg, von den Engländern Scott EUiott, William Ellis und Baron zu nennen. Fast alle diese Forscher haben ihre Samm- lungen dem Naturhistorischen Museum zu Paris überlassen, welches in Folge dessen in Bezug auf madagassische Pflanzen sehr reiches Material besitzt. Man kann Madagascar in drei botanische Regionen eintheilen: in die östliche, mittlere und westliche. Die (istlichc Region umfasst den Abhang der mächtigen Ge- birgskette, welche die Insel von Norden nach Süden durchzieht, sowie die Tiefländer zwischen dieser Kette und dem Oecan. Die viel kleinere mittlere Region be- steht aus den Hochländern, welche sich westlich an das Gebirge lagern. Die westliche Region ist so gross wie die beiden andern zusammen; sie ist ziemlich eben und reiclit bis an den Canal von Mozambique. Von den 4100 Pflanzen, welche R. Baron 1890 für Madagascar angab, sind 1108 der östlichen, 872 der mittleren und 706 der westliehen Region eigenthümlich. 1. Die östliche Region. Dieselbe setzt sich zu- sammen aus dem Küstengebiet, dem Hügelland und dem Bergland. Am weitesten nach dem Wasser hin geht ein Baum, Casuarina equisetifolia Forst., vor, der auch auf Rcunion und Mauritius wächst und hier „Filao" genannt wird. Sein Anblick ist sonderbar: die Zweige, welche ähnlich wie bei der Trauerweide herabhängen, scheinen der Blätter beraubt zu sein, sie sind nämlich zum grössten Theil mit den Zweigen verwachsen, so dass nur die Spitze frei ist. Die zweihäusigen Blüthen stehen in Aehren; die Frucht ähnelt einem kleinen Tannenzapfen. Nicht weit von diesem Baume wachsen Calophyllum inophylluniL. mit prächtigen Blättern, und Sareolaena grandiflora Dup., deren Frucht wie Mispel schmeckt; letzterer Baum gehört zur Familie der nur auf I\Iadagascar vor- kommenden Chlaenaceen, von denen man etwa 30 Arten kennt, die auf mehrere Gattungen vertheilt sind. An der Küste wachsen ausserdem: Afzelia bijuga Spr., deren Holz vielseitige Verwendung findet; llymcnaea verrucosa Gairt., eine Leguminose, welche Copalharz liefert; Tcrmi- nalia Catappa L. mit wagerecht ausgebreiteten Zweigen; zwei Myrtaceen, Barringtonia speciosa L. und apiculata; Ixora odorata Spr. mit prächtigen, weissen Blüthentrauben von köstlichem Wohlgeruch ; Stephanotis floribunda Brongn. mit grossen, weissen Blüthen; Cyeas Thouarsii K. Br., wie ein Baunifarn aussehend. Unter den krautartigen Pflanzen bemerkt man ein Immergrün, Vinca trichophylla Bak., und eine Winde, Il)onioea Pes-Caprae Roth, deren Stengel lang auf dem Sande hinkriechen. Die bemerkenswertheste Pflanze dieser Zone ist aber die berühmte Tangliinia venenifera Poir. aus der Familie der Apocyneen, deren Fruclit früher als gerichtliches Beweismittel diente. Die Anwendung war folgende: Man gab dem Angeklagten zerstossene Tanghin- frucht, eingewickelt in drei Stücke Haut von der Grösse eines Fünffranestüekes; die Verwandten des Bescinildigten füllten demselben hierauf Heiswasser in reichlicher Menge ein, bis Erbrechen eintrat. Zeigten sich nun die aus- gebroclienen drei llautstücke intaet, so wurde der An- geklagle für unschuldig erklärt; fehlte aber eins derselben oder war eins zerrissen, so wurde der Unglückliche sofort getödtet. Etwas weiter von der Küste entfernt wachsen meh- rere Pandanus-Arten, Bäume mit einem hohen Gerüst von Luftwurzeln; die Blätter sind mehrere Meter lang und am Rande dornig; P. edulis Dup. liefert eine Frucht von ausserordentlich süssem Geschmack. Hibiscus tiliaceus L., eine Jlalvaeee, liefert eine Textilfaser, die selbst nach Europa kommt; die Eingeborenen sagen, dass die Blüthen dieser Pflanze am Morgen gelb und am Abend roth aus- sähen, was nicht unmöglich ist, da mehrere Oenanthera- Arten dieselbe Erscheinung zeigen. An den Lagunen und Sümpfen findet man Nepenthes madagascariensis Poir., deren Blätter am Ende eine mit Flüssigkeit gefüllte Kanne tragen, Lepironia mueronata Rieh., die zu Säcken verarbeitet wird, und die auch bei uns wachsende Typha angustifolia L. In den Flüssen dieser Seite der Insel kommt in Menge die Ouvirandra fenestralis Poir. vor, deren Blätter gewissermaassen nur aus den Adern bestehen und einem Drahtgitter gleichen. In den Tiefländern des östlichen Madagascar wachsen besonders Leguminosen, so die Poinciana regia Boj., ein Baum von 12 — 15 Meter Höhe, mit schönen gefiederten Blättern und scharlachrothen Blüthen, und Bauhinia Humblotiana H. Bn., deren Blüthe 30 — 32 Centimeter lang ist. Auf Bäumen wachsen eine Menge Orchideen, beson- ders zur Gattung Angraecum gehörig; A. eburneum Dup. und superbum Dup. lieben den Schatten, A. sesqui- pedale Dup. dagegen bevorzugt den hellen Sonnenschein. Letztere Pflanze fällt auf durch die ausserordentliche Länge ihres Blüthenspornes, welcher nicht weniger als l'/o Fuss lang ist und der Blume den Namen gegeben hat. Der in diesem Sporn befindliche Nectar wird von einem Schmetterling aus der Familie der Sphingiden eifrig aufgesogen; zu diesem Zweck besitzt der Schmetterling einen entsprechend langen Rüssel. Bei seinem Besuche besorgt er durch Uebertragen des Blüthenstaubes die Be- fruchtung. Auf dem Wasserspiegel der Sümpfe schwimmen Nymphaea madagascariensis Dec. und stellata Willd. mit prächtigen blauen Blüthen. Besonders im Norden der östlichen Region wachsen in den schlammigen Gebieten an den Flussmündungen die Mangle- oder Mangrovebäume, deren Rinde als Gerb- mittel benutzt wird. In der Nähe der Ansiedelungen bemerkt man hier und da Cocospalmen, dieselben sind jedoch in Madagascar nicht heimisch, sondern nur ein- geführt. Das Hügelland besteht aus zahllosen Ikrgkuppen von 50 bis 800 Meter Höhe; seine Flora zeigt ein eigen- artiges Gepräge. Da ist vor allem eine Bambusart, Nastus capitatus Kunth, zu nennen, die auf weite Strecken die Hügel mit ihrem glänzenden Grün bedeckt. An den Abhängen wächst die zu den Compositen gehörige Psiadia dodoneaefolia Steetz, welche in der Zeit vom September bis November ihre orangegelben Blüthen entfaltet und der Landschaft einen frischen, lebhaften Charakter ver- leiht. Auch eine Rubusart, Rubus rosaefolius Smith, ge- deiht hier, besonders in einigen Thälern und in der Nähe der Dörfer; ihre grosse, rothe Frucht ist essbar, aller- dings nicht sehr wohlschmeckend. Sehr erstaunt ist man, zwei Caetecn anzutreffen, die einer amerikanischen Gattung angehören: Rhipsalis horrida Bak. und R. Cassytha Gaert., von denen letztere von Jamaica und St. Domingo stammt und sieh von da über die Mascarenen, das ganze tro- pische Afrika und sogar nach Ceylon verbreitet hat. In der Umgegend von Tanala steht Elephautopus scaber L., XI. Nr. 20. Naturwissenschaftliche Wociienschritt. 2:^9 eine Dioscoree, so dicht, dass dem Reisenden ein fast unilbervvindliches Hinderniss dadurch entsteht. Die häufigste Pflanze in dieser Zone ist aber Amomum Danielli Hook., das Cardaniom Madagascars; ihre grösste numerische Entwiekelung erreicht sie in einer Höhe von 700—1000 Meter, sie wächst aber auch schon im Littorale. Sehr wichtig ist eine Palme, Kaphia Ruffia Mart.; sie liefert in der Epideimis ihrer Blätter, die sich leicht in langen Streifen abziehen lässt, ein gutes Bindematerial für Gärten und Weinberge und in ihrem Stamm Sago. Ein anderer wichtiger Baum ist Ravenala madagascaricnsis Sonn., der sogenannte „Baum des Reisenden", dessen bolziger, astloser Stanuii 8 — 10 Meter hoch wird und an seiner Spitze, ähnlich wie die Banane, 20 - 30 grosse Blätter trägt. Mau erzählt von diesem Baume, dass der Regen in der Rinne des mächtigen Blattstieles hinabläuft und sieh in der Scheide an dessen Grunde ansannnelt, wodurch für durstige Reisende Gelegenheit gegeben sei, sich zu erfrischen. Die Ravenala wächst aber nur in in solchen Gegenden, wo es das ganze Jahr regnet und eigentlicher Wassermangel nie eintreten kann; ausserdem müsste man, um zu dem Wasser zu gelangen, erst zehn Meter hoch klettern. Der Baum bringt aber anderweitig viel Nutzen : der Stamm liefert in seinem süssen Saft eine geniessbare Substanz und wird zu dicken Balken verar- beitet; die plattgedrückte Rinde dient zum Dielen, die Blätter zum Decken der Hütten der Eingeborenen, auch benutzt man die Blätter als Tischtücher, als Schüsseln, Lötfei und Becher, die man bei jeder Mahlzeit wechseln kann. Ausser der madagassischen Ravenala findet sich noch eine Art dieser Gattung in Guyana. Die dritte Zone der östlichen Region wird gebildet durch das Bergland; dasselbe erhebt sich in seinen höchsten Spitzen bis 1500 Meter und ist zum grossen Theil mit fast undurchdringlichem Walde bedeckt. Die Flora dieser Zone ist eine sehr reiche. An Guttiferen wachsen hier ein halbes Dutzend Arten von Siphonia Rieh, und Garcinia L., deren einige eine Art Gummigutt liefern. Aus der Familie der Sterculiaceen findet man mehrere Arten von Dombeya Cav., von Tiliaceen einige Species der Gattung Grewia L. und von ßalsamineen 7 oder 8 Arten Impatiens L. Mehrere Araliaceeu, namentlich Panax- nnd Cussonia-Arten, wie auch die Lorauthacecn wachsen ausschliesslich in den Wäldern. Eine Loganiacee, An- thocleista rhizophoroides, deren Vulgärname „Laiidemy" ist, liefert in den kohlartigen, grossen Blättern den Eingeborenen ein Heilmittel gegen das Fieber. Die schönsten blühenden Pflanzen dieser Region gehören den Aeanthaceen, speciell den Gattungen Justicia und Hypaestes, an. Unter anderen Scitamineen findet sich die bekannte, in Amerika einheimische Maranta aruudinacea L., welche das Arrow-Root liefert, die Eingeborenen scheinen dieses Product aber nicht zu kennen. Von Palmen finden .sich hier wahre Liliputaner, manche sind nicht höher als Vä Meter und ihr Stamm nicht dicker als ein Gänsekiel; sie gehören zu den Gattungen Dypsis, Phloga u. a. Farne sind im Ueberfluss vorhanden ; etwa 20 Arten aus den Gattungen Cyathea und Alsophila sind baumartig. Der grösste Reichthum der Wälder aber besteht in den unzähligen Bäumen, welche Material für den Zimmer- mann und den Tischler liefern. Wir nennen da: von Saxi- frageen Weimanuia Bqjeriana Tul., minutiflora Bak. und eriocarpa Tul.; von Tiliaceen die Gattung Elaeocarpus L.; von Euphorbiaeeen Macaranga obovata Boiv., alnifolia Bak., myriolepida Bak.; von Leguminosen Dalbergia Ba- roni Bak. und Neobaronia phyllanthoides Bak.; endlich Podocarpus madagaseariensis Bak., den einzigen Nadel- baum der Insel. Andere Waldbäume liefern weitere wichtige Producte. Von der Ravensara aromatica Sonn., einer Art Lorbeer- baum, gewiimt man eine wohlriechende Rinde, die bei der Fabrication von Rum Verwendung findet; Blätter und Früchte desselben Baumes dienen als Gewürz. Chrysopia fasciculata Dup. und verrucosa Dup. liefern ein ausge- zeichnetes Harz, mehrere Landolphia-Arten Kautschuk und Labramia Bojeri D. C. einen guten Farbstoff, Die Früchte von Salacia dentata Bak. sind sehr wohl- schmeckend. 2. Die mittlere Region. Sie steht zu der vorigen in scharfem Gegensatz. Ihrer Unebenheit wegen iiat man sie wohl verglichen mit einem Meer, dessen Wellen fest geworden sind; der höchste Berg ist der Ankaratra, 2590 Meter hoch. Im allgemeinen ist diese Region kahl; die Wälder, die sich in manchen Thälern finden, sind nur klein. Hier wachsen eine Menge grosser, steifer Gräser, so Pennisetum triticoide Roem., Aristida Adscentionis L. und multicaulis, Andropogon schoenanthus L., hirtus L. und cymbarius L. u. a. Die beiden letzteren wachsen in so dichten Büscheln, dass sie das Reisen sehr erschweren. Die Flora dieser Region hat den Typus der ge- mässigten Zonen. Anonaceen, Guttiferen und Piperaceen sind nur durch wenige Arten vertreten, andere Familien der heissen Zone fehlen ganz. Dagegen finden sich häufig Compositen, Cruciferen, Primulaceen, Irideen, an Ranuu- culaceen 14 Arten, 30 Crassulaceen, 3 Caryophylleen, viele Ericaceen, Enziane und Umbelliferen; von letzteren treten Carum angelicaefolium, Pseucedauum capense und Bojerianum erst in 2000 Meter Ht'ihe auf. Am Fasse des Ankaratra wachsen viele Weiden, namentlich Salix mada- gascaiiensis Boj., und Orchideen, darunter besonders das Genus Habcnaria W. Reich vertreten sind ferner die Gattungen Linum, Genista, Cotyledon, Telephium, Cine- raria, Cynoglossum, Salvia, Staehys, Ajuga, Corrigiola, Bromus, Scirpus mit 15 Arten, Senecio mit 31, Cyperus mit 32, Helichrysum mit 36 Arten. Am überraschendsten aber ist es, hier Pflanzen zu finden, die in unserer Heimath wachsen, so Sanicula euro- paea L., Limosella aquatica L., Juncus eft'usus L., Lyco- podium clavatum L., Usmunda regalis L., Aspidium acu- leatum Sw., Nephrodium filix-mas Stremp., Asplenium trichomanes L., Pteris acpiilina L. und viele andere. 3. Die westliche Region. Sie besteht im wesent- lichen aus einer nach Westen zu etwas geneigten Ebene, die überall dicht mit Gras bewachsen ist. Ausserdem zieht sicli in einer Entfernung von 8 — 10 Meilen von der Küste eine Kette von Wäldern hin, die im Süden und Norden an das Waldgebiet der östlichen Region stösst, so dass Ma- dagascar einen geschlossenen Kranz vcni Wäldern aufzu- weisen hat. Das Klima ist bei einer mittleren jährlichen Regenmenge von 0,30—0,40 Meter sehr trocken und heiss; der ganze Südwesten der Insel ist in Folge dessen Wüste. In den heissen Thälern wachsen folgende Bäume und Sträucher: Orchipeda Thouarsii, eine Apocynee; Ilibiscus phanerandrus, eine Malvacee; Tamarindus indica L., eine Leguminose, u. a.; manche Thäler sind ganz angefüllt von der .schon oben genannten Palme Raphia Ruffia Mart. An Bäumen mit es.sbarcn Früchten finden sich der Man- gobaum, Mangifera L., sowie zwei Feigenarten, Ficus cocculifolia und Sakalavarum. Alyxia lucidia Wall., eine Apocynee, hat scharlachrothe Früchte; ihre Rinde und ihre Blätter werden bei der Herstellung des Rums be- nutzt, die Eingeborenen gebrauchen ferner eine Abkochung der Blätter als Wurnunittcl und als Heilmittel gegen Magenkrankheiten, auch gewinnen sie aus dem Baume eine schwarze Farbe. Im allgemeinen herrschen in der westlichen Region 240 Naturwisseuscliaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 20. die Leguminosen vor, dann kommen die Euphorbiaceen; die Compositen, die in der mittleren Region am zahl- reichsten waren, spielen hier nur eine untergeordnete Rolle. Die an Arten reichsten Gattungen sind Hibiscus mit 21 Arten, Ipomoea und Eu|)horbia mit 18, Indigo- fera mit 1.5, Croton und Cyperus mit 12, Dombeya und Desmodium mit 11, Bauhinia, Mimosa und Albizzia mit 9 Arten. In den Kiistengegenden, namentlich in der Augustin- Bai u d im Norden der Insel wächst häufig Rhizophora mucronata Lam., einer der verbreitetsten Manglebäume der heissen Zone. Im Innern gedeihen sehr viel Palmen, von denen manche noch recht unbekannt sind. Wir führen hier nur zwei auf, welche beide fächerförmige Blätter haben: Cha- maeriphes coriacea ist so gemein, dass sie weite Flächen bedeckt, ihr Stamm ist immer mehr oder weniger ge- krümmt, aus der Frucht wird Rum gewonnen. Memedia Dobilis ist ebenso häufig, sie wird viel grösser und liefert den Eingeborenen Holz zum Bau ihrer Hütten. Charakteristisch für diese Region sind die Affenbrod- bäume, von denen vier Arten vorkommen : Adansonia di- gitata L., madagascariensis H. Bn., Grandidieri H. Bn. und Za H. Bn. Ausserdem verdienen noch viele andere Bäume erwähnt zu werden, so Sclerocarya caflFra Sond. und Sorindeia madagascariensis Dec. mit essbaren Früchten; Eriodendron anfractuosum Dec., eine Bombacee, welche lang behaarte Samenkörner hat, man benutzt diese Haare zum Ausstopfen von Kissen; Gardenia succosa, eine Ru- biacee, welche eine Art Gummi ausschwitzt; ausserdem aber viele Bäume, deren Holz Verwendung findet, so Acacia Lebbeck Willd. mit schwarzem Holz, Guettarda speciosa L. mit zebraartig gestreiftem Holz, Diospyros microrrhombus Hiern, der nebst anderen Diospyros -Arten, von denen 22 auf der Insel vorkommen, das Ebenholz von Madagascar liefert. Der Süden dieser Region bildet, wie schon oben ge- sagt wurde, eine Wüste. Essbare Pfiauzen sind hier selten; die Eingeborenen essen die Frucht des Tama- rindenbaumes und die Knollen der Tacca pinnatifida L. Weite Strecken sind mit dornigen Pflanzen bewachsen, unter denen die sonderbarste die Gattung Didierea ist. Didierea madagascariensis H. Bn , entdeckt von Graudi- dier, hat den Typus eines riesenhaften Cactlis oder einer cactusartigen Euphorbia. Der Stamm ist einfach oder wenig verästelt. In den Winkeln der spiralig angeord- neten grossen Dornen sitzt entweder eine Gruppe von drei anderen kleineren Dornen oder ein Büschel linea- lischer Blätter oder ein Strauss an dünnen Stielen hän- gender Blüthen; die Pflanze ist zweihäusig. Didierea mirabilis H. Bn. wurde zuerst von Greve aufgefunden. Es ist ein Baum von 4 Meter Höhe, dessen dicker Stamm am Ende 2 — 4 Meter lange, wagerecht ausge- streckte Aeste hat; man könnte den Baum für ein riesen- haftes Lycopodium halten. In dieser Region werden die Botaniker gewiss noch viele neue Arten auffinden. S. Seh. Da.s Waclistliiiin des Bambusrolires ist zwar ein sehr intensives, indessen ist die Geschwindigkeit des- selben oft übertrieben gross angegeben worden. Wir be- sitzen jetzt dureh die Messungen von Professor Gregor Kraus (Physiologisches aus den Tropen, Annales du jardiu botanique de Buitenzorg, vol. XII, S. 19(> — 216, 1895) zuver- lässige Zahlenwerthe. l'rofessor Kraus führte seine Unter- suchungen an Dendrocala mus im botanischen Garten von Buitenzorg aus und stellte fest, dass während zweier Monate dei' tägliche Zuwachs im Mittel 20 cm, also pro Stunde annähernd 1 cm betrug. Als Maximum stellte K. er. 0,4 mm Zuwachs pro Minute fest, eine Längenzunahme, welche etwa halb so gross ist, als die vom grossen Zeiger einer Taschenuhr in der Minute zurückgelegte StrecTce. Bei Nacht ist das Wachsthum des Bambusrohres doppelt so yross als bei Tage. K. Da.s afrikanische Kautseliuk. — Im Verlage von Polleunis und Ceuterick in Brüssel ist Ende 1895 eine kleine Broschüre von Alfred Dewevre, betitelt ,,Les Cautchoucs africains", erschienen, der wir das Folgende entnehmen. — Kautschuk ist ein Hydrocarbür mit der Formel CjoHo,; es wird gewonnen, indem man den Stamm kautschukhaltiger Bäume anbohrt oder anschneidet und den austretenden Milchsaft gerinnen lässt. Viele Pflanzen aus den Familien der Apocyneen, Artocarpeen, Euphorbia- ceen, Ascle})iadeeu u. a. enthalten Kautschuk; sie wachsen in Afrika, Mittel- und Südamerika, Arabien, Indien und Australien. Das in der Industrie verwandte Kautschuk kommt meist aus Südamerika und Indien. In seinem Bericht über die Kautschuks der Aus- stellung zu Paris 1851 erwähnt Baiard noch nichts von afrikanischem Gunmii, trotzdem schon verschiedene afri- kanische Gummi])flanzen bekannt waren, so Landolfia gummifera Poir. aus Madagascar, über welche Pflanze Bojer 1837 sagt, dass sie in reichlicher Menge ein echtes Gummi elasticum erzeuge, welches dem von Siphonia elastica L. (= Hevea guianensis Aubl.) nichts nachgebe. Auch von der Westküste Afrikas waren schon seit län- geren Jahren Kautschukpflanzen bekannt; von dort her kam auch das Product nach Europa, jedoch nur in kleinen Mengen, auch war es durchgängig von geringer Qualität, so dass es wenig Beachtung fand. Dem früheren englischen Generalkonsul in Zanzibar, Kirk, ist es zu verdanken, dass das afrikanische Kaut- schuk auf den europäischen Märkten Aufnahme fand. In einem 1868 an die Direction des botanischen Gartens zu Kew bei London gerichteten Schreilien erwähnt er, dass in der Umgegend von Quillimane an der Mündung des Sambesi kleine Quantitäten von Kautschuk gesammelt würden, und bald darauf wurden auch einige Tonnen, allerdings in sehr unreinem Zustande, nach Amerika expedirt. Nachdem Kirk die das Kautseliuk erzeugende Pflanze, welche an der afrikanischen Ostküste und auch im Binnenlande sehr häufig war, festgestellt hatte, gab er den Eingeborenen den Rath, das Product mehr im Grossen zu sammeln. In P^olge dessen war er 1880 im Stande, über lOOD Tonnen Kautschuk, das lediglich aus dem District Mwango stammte, nach England zu schicken; die Tonne wurde daselbst zu 140— 250 Pfd. Sterling ver- kauft. Seit dieser Zeit wird in verschiedenen Gegenden des dunkeln Erdtheils Kautschuk gewonnen; Hauptaus- fuhrorte sind: Gabun, Congo, Angola, Benguela und (Quillimane. Man benutzt jetzt dort nicht nur die ein- iieimischen Pflanzen, sondern hat auch mehrere Kautschuk- pflanzen anderer Eidtiieile eingeführt, so wird Manihot Glaziovii Müll, in Menge in Kamerun und im Iranzösischen Oongogebiete angebaut. S. Seh. Illiistrirte Wctter-Moiiatsiiber.siclit. ^ Während des grössten Theilcs des vergangenen April hatte die Witterung in Deutscliland einen sehr gieichuiässigcn Cha- rakter: sie war im Allgemeinen unfreundlich, ziemlich kühl und nass, hielt sich jedoch fern von allen Extremen. Zu Beginn des Monats befand sich zwischen Ungarn und Südwestrussland ein umfangreiches Barometerminimum, welches an der unteren Dunau heftige Stürme verursachte und sich sehr langsam nach Osten entfernte. Unter XI. Nr. -20. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 241 seinem Einflüsse herrschten im deutschen Binnenhmde, namentlich im .Süden und Westen, anhaltende Schnee- gestöber, während an der Küste zahlreiche Regen- und Hagelschauer herniedergingen. Es wehten sehr kühle Winde aus nördlicher Richtung, mit deren allmählichem Nachlassen die anfänglich sehr tiefen Temperaturen ein wenig zu steigen begannen. In ganz Norddeutschland war demgemäss, wie die beistehende Zeichnung er- ^/or^tnt«mpcr,^]^Jren im Aptil .IS96. ' nnrrinl sichtlich macht, der erste zugleich der kühlste Tag des Monats: in Suddeutschland aber verstärkte sich die Ab- kühlung noch bis zur Drehung des Windes nach Nordost am 3. April, an welchem in der Nacht das Barometer an den meisten Stationen bis — 3 oder — 4" C. herab- ging und auch noch um 8 Uhr Morgens durchschnittlich einen Grad unter dem Gefrierpunkt stand. Nach dem Abzug der erwähnten Depression dehnte ein barometrisches Maximum, welches schon seit Ende März bei Irland lagerte, seinen Bereich über Mitteleuropa bis zu den Alpen aus. Ein zweites Maximum befand sich in Nordrussland, und in das Gebiet zwischen beiden drangen in der Folge, grösstentheils vom norwegischen, seltener vom adriatischen Meere aus, eine Anzahl mehr oder weniger tiefer Minima ein, für welche während des ganzen Monats die Ostsee einen besonderen Anziehungs- punkt zu bilden schien. Diese Wetterlage dauerte, mit geringen Abänderungen und Unterbrechungen, un- gefähr vom 4. bis 24. April, wobei das russische Hochdruck- gebiet allmählich etwas südostwärts verschoben wurde, der Kern des westlichen aber stets in der Nähe der britischen Inseln verblieb, so dass sich der Raum für die Depressionen nach und nach verbreiterte. In Nord- deutschlaud herrschte während einer Reihe von Tagen, eine schwache nordwestliche Luftströmung von sehr hohem Feuchtigkeitsgehalt vor, welche im Allgemeinen dichte Bewölkung und häufige Niederschläge veranlasste und daher auch einer rascheren Erwärmung hinderlich war. In Süddeutschland stiegen hingegen bei schwachen Südwest- winden die Temperaturen vom 7. bis 9. ziemlich schnell, aber gleichzeitig fanden ergiebigere Regenfälle statt, welche nach beistehender Zeichnung bis zu einer Durch- schnittshöhe von 9,6 Millimetern am 9. April anwuchsen; an diesem Tage wurden zu ^München 24, zu Friedrichs- hafen 22 Millimeter gemessen. Erst am 11. April, bei Annäherung einer tiefen Depression von Norden, traten auch im Nordseegebiete etwas lebhaftere südwestliche Winde auf, kehrten aber nach dem von stärkeren Regen begleiteten Vorübergang des Minimums alsbald wieder nach Nordwest zurück. Auf seinem weiteren Wege nach Süden rief dieses Minimum eine sich steigernde Ab- kühlung hervor. An den süddeutschen Stationen sank die Morgentemperatur bis 1,9" am 13. und blieben auch die Mittagstemperaturen vom 12. bis 16. unter 10" C. Vom 13. bis 15. April wurde ein grosser Theil Mittel- italiens von verderblichen Hagel- und Schneefällen be- troffen und zu Milazzo auf Sicilien fand ein lieftiger Schneesturm statt, während dort am 12. Temperaturminima von 3 bis 4, in Mittelitalien am 15. solche von 2 bis 3 Grad gemessen wurden. Etwas freundlicheres Wetter, mit häufigem Wechsel zwischen Sonnenschein und leichteren Regen trat in Norddeutschland, namentlich im Nordwesten, seit Mitte des Monats ein, wogegen es im Süden sehr trübe blieb und vom 8. bis 21. fast ununterbrochen regnete. Am 24. April rückte endlich das barometrische Maximum, welchem England ungewöhnlich heiteres und warmes Frühlingswetter zu verdanken hatte, südostwärts nach Frankreich und Süddeutschland vor und bewirkte im ganzen deutschen Binnenlande eine Drehung der Winde nach Südwest mit rascher Abnahme der Bewölkung. Die nächste Folge davon waren zahlreiche, obwohl nicht sehr strenge Nachtfröste, welche sich in den Provinzen Ost- preussen und Schlesien, sowie in Bayern ereigneten. In den folgenden drei Tagen fand unter dem Zusammen- wirken der milden Südwestwinde mit der Sonnenstrahlung eine allgemeine rasche Erwärmung statt. Die mittlere Morgentemperatnr stieg in Nordostdeutschland vom 25. bis 28. um beinahe 6, in Süddeutschland um volle 8 Grade; die Temperaturmaxima überschritten jedoch nirgends 20" G. und blieben somit um 4 Grade hinter den höchsten Temperaturen des vergangenen März zurück. Nur vom 25. zum 26. April war ganz Deutschland frei von Nieder- schlägen. Als darauf aber mehrere Barometerdepressionen von West nach Ost durch die skandinavischee Halbinsel zogen und den höchsten Luftdruck zunächst weiter süd- wärts und am Schlüsse des Monats wieder nach West verschoben, trat seit dem 27. in Norddeutschland, seit dem 29. in Süddeutschland abermals Regenwetter ein und es erfolgte eine neue, von der Nordseeküste sich langsam nach Osten und Süden verbreitende Abkühlung. Da während des grössten Theiles des vergangenen Monats die Temperaturen unter der normalen Höhe lagen, so waren auch ihre mittleren Werthe in ganz Deutsch- land zu tief, und zwar fehlten in Norddeutschland, in dessen westlicher Hälfte der April im Mittel 5,6", in dessen östlicher er 4,6" C. hatte, 1,3 bezw. 1,4 Grade, in Süddeutschland, wo die Morgenbeobachtungeu einen 242 Naturwissenschaftliche Wochenschritt. XI. Nr. 20. Mittelwerth von 5,7" C. ergaben, sogar 2,7 Grade an den normalen Temperaturen. — Die Niederscblagsböhe des ganzen Monats berechnet sich für die westlich der Elbe gelegenen Theile von Norddeutschland genau zu 50 Milli- metern, für die östlich der Elbe gelegenen zu 40,8 und für Süddeutschland zu 81,1 Millimetern. In Nordost- und Süddeutsehland übertraf sie, zum Theil sehr bedeutend, die Niederschlagshöhen jedes der letzten fünf Aprilmonate, während in Nordwestdeutschland diejenige des April 1891 noch etwas grösser war. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Die Profossori'u der Augenheilkunde bezw. Chirurgie und Gynäkologie in Wien Dr. Fuchs, Dr. Gussenbauer und Dr. Chrobak zu Hofräthen; der ordentliche Professor der Pathologie und Therapie in Königsberg Dr. Lichtheim zum Geh. Medicinalrath; der Privatdocent der chemischen Technologie an der technischen Hochschule zu iVIünchon Dr. Schaltz zum ordentlichen Professor; an der Grazer Universitäts-Bibliothek Amanuensis Kapferer zum Skriptor, die Praktikanten Ahn, Dr Lessiak und Dr. Mayr zu Amanuensen. Berufen wurde: Oberförster Dr. Möller in Idstein als Docent für Forstbenutzung an die Forstakademie zu Eberswalde. In den Ruhestand tritt: Der Director der landwirthschaftlichen Akademie zu Hohenheim, Professor für landwirthschaftliche Be- triebslehre, von A'ossler. Es habilitirte sich: in der medicinischen Fakultät zu Berlin Dr. Bödicker und Dr. Jansen; Gjmnasialprofessor E. Beke für Analysis in Budapest; Dr. K. Klecki für allgemeine und experimentelle Pathologie in Krakau; Dr L. Müller für Augen- heilkunde in München. L i 1 1 e r a t u r. A. Acloque, Faune de France. Contenant la description de toutes les indigenes especes disposees en tableaux analytique et illustree de figures representant les types caractcristiques des genres et des sous-genres. Avec une preface par Ed. Perrier. Coleop- teres. 1052 figures. Librairie J.-B. Bailiiere et Fils, k Paris 1896. — Prix 8 fr. Die Fauna Frankreichs, von der ein Band (Coleopteren) vor- liegt, ist sicherlich ein verdienstliches Unternehmen. Ob freilich das Versprechen realisirt werden wird, alle und wirklich alle be- kannten endemischen Arten so aufzuführen, dass ihre Bestimmung gleichmässig leicht möglich wird, bleibt abzuwarten; aber auch, wenn das nicht der Fall wäre, würde das Gesammtwerk doch — wenn alle Bände ebenso bearbeitet werden wie der vorliegende Band — grossen Nutzen stiften, nicht nur für die französischen sondern begreiflicher Weise auch für die deutschen Systematiker und Zoologen, freilich in erster Linie für die Liebhaber der angrenzenden Länder. Die Figuren sind gut und der Text brauchbar. Den Bestimmungstabellen vorausgesandt ist eine allgemeine Einführung über die Entomologie, welche u. a. auch die wichtigsten anato- mischen Daten bringt. Im Uebrigen bietet der umfangreiche Titel des Buches so genügende Auskunft, dass wir's bei dem Ge- sagten bewenden lassen können. Prof. Dr. Leopold Dippel, Das Mikroskop und seine Anwendung. 2. umgearbeitete Auflage. 2. Tlieil. Anwendung des Mikro- skopes auf die Histologie der Gewächse. Mit 302 Holzstichen und 3 Tafeln in Farbendruck. Friedrich Vieweg & Sohn. Braunschweig 189(;. — Preis 24 Mk. Die erste Auflage des dem Botaniker wohlbekannten Buches erschien schon 18(J9. Verf. hat sich zwar bemülit dein mächtigen Fortgang der in demselben in Betracht kommenden Untersuchungen zu folgen, aber es ist doch im Grossen und Ganzen das alte ge- blieben. Mit besonderer Vorliebe hat Verf. clie optischen Eigen- schaften der Zellen behandelt. Im Wesentlichen bringt das Buch eine Pflanzen-Histologie. Dr. O. Zacharias (Plön) und E. Lemmermann (Urenien), Ergeb- nisse einer biologischen Excursion an die Hochseen iind Moorgewässer des Riesengebirges, nebst einer morphome- trischen Skizze der beiden Eoppenteiche \ou Dr. K. Peucker (Wien). Mit 26 Abb. und einer Tiefenkarte. R. Friedländer & Sohn. Berlin 1896. — Preis 3 Mk. Schon im .lahre 1884 waren die als der Grosse und der Kleine Teich bezeichneten seonartigen Wasserbecken auf der Nordseite des Riesengebirges Gegenstand hauptsächlich f aunistischer Unter- suchungen von Zacharias, bei welchen er zu dem Ergebniss kam, dass diese Seen nicht nur äusserlich hoch alpinen Wasseransamm- lungen ähnlich sind, sondern auch die in ihnen vorgefundene Thierwelt an , diejenige der Hochgebirgsseen erinnert. Der be- merkenswertheste Fund war damals ein räthselhafter Fremdling des Süsswassers in beiden Teichen, ein Vertreter der marinen Turbellariengattung Mono tu s, der späterhin auch in der Schweiz gefunden wurde. Ein Vergleich der damaligen Forschungsresultate von Zacharias mit denen, welche Prof. Dr. Zschokke in Basel an mehreren Seen der Rhätikon Bergkette erlangt hatte, schien obige Behauptung zu bestätigen. Mit grosser Sicherheit geht dieselbe aber aus der neuesten Arbeit von Zacharias hervor, aus welcher sich ergiebt, dass die Fauna der Riesengebirgsseen sich aufs Engste an die typischen alpinen Hochseen anschliesst. Während die Flora der niederen Pflanzenwelt der beiden Teiche und ihrer Umgebung nur spärlich bekannt gewesen ist, so erfährt sie in dieser Arbeit eine schätzbare Bereicherung, namentlich durch Lemm ermann. Damit auch eine quanti- tative Bestimmung des Planktons der Teiche stattfinden konnte, wurden dieselben einer gründlichen Auslotung unterzogen. Zu diesem Zwecke miethete sich Zacharias in der zu den Teichen günstig gelegenen Baude am Haideschlosse ein und hatte für jeden Teich einen Kahn zur Verfügung. Die Tiefenverhältnisse der beiden Teiche wurden schon in den 30er Jahren dieses Jahr- hunderts von einem Grafen Schweinitz zuerst untersucht und ihre orographische Lage, sowie ihr Grössenunterschied durch ein Kärtchen veranschaulicht. Die Lotungen von Zacharias fanden nun so statt, dass ein Bindfaden, vom Westende des Teiches be- ginnend, in nordsüdlicher Richtung über den Teich gespannt wurde, er diente dem Kahnführer als Leitschnur. In Abständen von 10 zu 10 m wurde das 7 pfundige Bleilot auf den Grund gelassen und auf eine provisorische Karte zeichnete man die gemessenen Tiefen ein. Dann wurde die Leitschnur auf beiden Seiten des Teiches 10 m weiter östlich gesteckt und in angegebener Weise eine zweite Lotungstour vorgenommen und registrirt und so fort, so dass in 5 Tagen 350 Tiefenpunkte für das Bodenrelief des Grossen Teiches und daraufhin 300 Messungen für dasjenige des Kleinen Teiches festgestellt wurden, worauf eine Tiefenkarte mit genauster Orientirung über die Quer- und Längsprofile der beiden Teiche gezeichnet werden konnte, die am Schlüsse der Abhandlung beigefügt ist. Der Grosse Teich hat eine Oberfläche von 6,5 ha und liegt 1218 m über dem Meere, er ist 550 m lang und 172 m breit, die Westhälfte ist flach, die Osthälfte weist eine Maximal- tiefe von 23 m auf, die mittlere Tiefe beträgt rund 8 m und das Gesammtvolumen des Wassers 517 000 Cubikmeter. Am Ostende des Teiches befindet sich ein Abfluss, während mehrere Bäche von den .steilen Lehnen im Westen Wasser zuführen. Das Wasser des Teiches zeichnet sich durch Reinheit und Durchsichtigkeit aus, denn eine 34 cm im Durchmesser haltende quadratische Blech- scheibe, die an einer Schnur aufgehangen ist, verschwindet dem Auge des Beobachters im Wasser erst bei 9,5 m. Die Grund- proben sind von dunkelbrauner Farbe und mooriger Beschafl'en- heit und bestehen aus moderndem Sphagnumresten, kleinen Ge- steinssplittern, abgestorbenen Diatomeen und Rhizopodenschalen. Die höchste Oberflächentemperatur, welche gemessen wurde, be- trug 12,8", die an den tiefsten Stellen gewöhnlich 3" darunter. Der Kleine Teich ist nur 2,9 ha gross und liegt etwas tiefer (1168 m ü. M.) als der Grosse, von welchem er nur 1 km südöst- lich entfernt ist. Steile bis 200 m hohe Felswände lassen ihn nur nach Norden zu oflen. Eine Anzahl Rinnsale speisen ihn, während ein Abfluss, der sich mit denjenigen aus dem Grossen Teiche vereinigt, dann einen Hauptquellarm des Lomnitzflusses bildet. Die Tiefe des Kleinen Teiches beträgt nur 2,9 m im Durch- sclinitte, höchstens wurden 6,5 ra gelotet. Grundschlamm und .Temperaturverhältnisse glichen demjenigen im Grossen Teiche. Reich ist die Flora der nähern Umgebung der beiden Koppen- teiche, sie selbst bergen keine Spur phanerogamer Vegetation, während im Grossen Teiche nahe beim Ausflusse ein Farnkraut (Isoetes lacustris) wächst. Characeen sind aus diesen kühlen IJergseen nicht bekannt geworden, aber eine immerhin erhebliche Anzahl Algen haben daselbst ihre Heimath. Prof. Brun in Genf konnte nahezu 50 Species Bacillariaceen aus den Teichen nachweisen, von denen namentlich Melosii'een in bemerkbar grosser Fülle als Plankton auftreten, unter welchen Melosira alpigena und M. solida als wirkliche Hochgebirgsformen zu betrachten sind. Die Zeit ihrer üppigsten Vegetation fällt nach der Schnee- und Eisschmelze. Lemmermann fand an Chloro- jihyceen und P hy cochromaceen 28 Arten im Grossen und 37 Arten im Kleinen Teiche. Auch die fauuistische Erforschung der Koppenteiche konnte trotz eingehender Untersuchung 1884 durch eine Monge Species bereichert werden, besonders an Ver- tretern der Amoobina, Flaggellata, Ciliata und Rota- toria. Dagegen fehlen Heliozoen, Spongillen, Hydren, Hirudineen, Gammariden, Molluscen und Rryozoen gänzlich. Das Plaidvton bestand im Juni 1895 überwiegend aus XI. Nr. 20. Naturwisscnscbaftliche Wochenschrift. •243 kleinen Crustaceen, während Räderthiere und Algen auf- fjillip zurücktraten. Zaoharias bezeichnete den Planktongehalt an Crustaceen in 1 cbm Wasser auf 3,5 ccm im Grossen Teiche und 3,11 ccm im Kleinen Teiche, und wenn selbst im Hochsommer sicli der Planktongehalt verdreifacht, so gehören die beiden Teiche doch zu den sterilen, d. h. wenig Fischnahrung produ- cirondeu Gewässern. Die Planktoumengo eines von Zaoharias untersuchten kleineren Teiches im Hirschberger Thale betrug 38,5 ccm, also 10—11 Mal mehr als derjenige der Koppenteiclie und eine grosse Anzahl schlesischer Karpfenteiche weisen ein Planktonmaximum von G4 ccm pro Cubikmeter Wasser auf. Am Ende seiner Excursion sammelte Zacharias Algenmaterial aus zahlreichen Moortümpeln der Kammregion des Riesengebirges, desgleichen auch während mehrerer Monate Rittergutsbesitzer Kramsta. Dieses Material und solches von Prof. Hieronymus (Berlin) wurde im zweiten, Abschnitte der Abhandlung unter dem Titel: „Zur Algenflora des Riesengebirges" von E.Lemmer- niann bearbeitet. Er weist zuerst darauf hin, wie Geologen und Botaniker von gleichem Interesse für die Flora der Hochgebirge angespornt, die für die einzelnen Regionen der Gebirge charakte- ristischen Gewächse kennen zu lernen sich bestrebten, wie diese Studien den höhern Pflanzen und später auch den Moosen und Flech- ten galten, wie man aber Pilze und Algen vollständig ignorirte. Erst neuerdings begann mau mit der Erforschung der Algenflora der Hochgebirge, die eine Fülle neuer Erscheinungen bot. Die Kenntniss der Algen des Riesengebii^es war durch die Algenflora Schlesiens von 0. Kirchner begonnen worden. Spätere Beiträge von Hieronymus, Schröter und Hansgirg, sowie dem Referenten, versucliten sie zu ergänzen. Lemmermann konnte 84 Species neu für das Riesengebirge feststellen, 47 sind für Schlesien überhaupt neu. Einige zwanzig Species aus diesem Gebirge, welche auch in anderen Gebirgen Mitteleuropas häutig sind, werden von ihm als „alpine" Species bezeichnet und im Anschluss an ihr Ver- zeichniss wird eine Uebersicht über die bisherigen Arbeiten ge- geben, welche von arktisch-alpinen Algen handeln. Darauf folgt eine systematische Aufzählung der von Lemmermann bestimmten 170 Riesengebirgsalgeu, bei welcher die Standorte mit Datum und Sammler angegeben und die neuen Species und Varietäten be- schrieben und abgebildet werden. Als III. Theil der Abhandlung folgt die Morphometrie der Koppenteiche von Dr. Peucker. Nach Originalzeich- nungen und Lotungsdaten von Zacharias wurde eine Isobathen- karte entworfen und an Tiefenlinien von 2 resp. 1 m Aequi- distanz und Ausmessung an denselben mit Polar-Planimeter und Curvimeter eine Reihe morphometrischer Werthe gefunden, z. B. über Grösse und Form der Seespiegel, sowie Grösse und Form (Wölbung der Böschungen) der See hecken. Es er- gab sich, dass das Becken des Grossen Teiches 6'/4 mal grösser ist als das des Kleinen Teiches, während sich der entsprechende Seespiegel nur i'/s mal grösser zeigt. Die einzelnen Becken und Schuttkegel auf dem Grunde der Teiche werden beschrieben und Tabellen geben Auskunft über die Tiefenstufen in den ver- schiedenen Theilen derselben. Bei Betrachtung der Böse hungs- verhältnisse der Teiche kommt Peucker zu dem Resultat, dass das Becken des Grossen Teiches ebenso steil abgeböscht ist, als das tiefe Becken des Kleinen Teiches, aber dreimal steiler als die ganze Beckenfläche. Hinsichtlich der Form der Teichbecken ist zu bemerken, dass die coneaven Wölbungen durchweg überwiegen; beim Grossen Teiche nähert sich dieselbe der Muldenform, während der kleine Teich eine wenig ausgebauchte Trichter- oder Kesselform zeigt. Im letzteren ist die Conca vi tat der B öschungen 3'/2 mal bedeutender als im ersteren. Zum Schlüsse folgt eine tabellarische Zusammenfassung aller gefundeneu morphometrischen Werthe mit Ausnahme der vorher schon angegebenen Tiefenstufentabelle. B. Schröder-Breslau. Hermann Zippel. Ausländische Calturpfianzen in farbigen Wandtafeln mit erläuterndem Text im Anschluss au die „Re- präsentanten einheimisclier Pflanzenfamilien." Zeichnungen von Karl Bollmann zu Gera. 2. Abth., dritte, vielfach verbesserte und vermehrte Auflage. Friedrich Vieweg & Sohn. Braunschweig 1896. — Preis 2'u Mk. Auf den 24 Tafeln in 70 : 50 cm Grösse sind 27 Arten zur Darstellung gekouunen, über die ausführlich und mehr als im elementaren Unterricht interessiren könnte in dem beigegebenen Heft von 171 Seiten Auskunft ertheilt wird, sodass auch ein weitergehender Unterricht das gebotene Material sehr gut benutzen kann. Ueber die Walnu.ss z. B. werden zunächst Angaben über botanische Eigenthümlichkeiten und systematische Angaben ge- boten, sodann das Vorkommen, die Cultur, der Gehalt der Nüsse, Blätter und der Rinde an auffälligen Bestandtheilen, das Holz, der Nutzen, besprochen. Es wird ferner das Nöthige gesagt aus der Waarenkunde, es werden Angaben über den Handel gemacht, historische Daten geboten und endlich auch noch andere Arten der Gattung Juglans, die ein besonderes Interesse besitzen, erwähnt. Die Abbildungen heben sich auf schwai'zem Grunde gut hervor; sie sind zuverlässig und gut ausgeführt. Bei dem Preise von 20 Mark kostet die einzelne Tafel noch nii-ht eine Mark, sodass die An- schaftung bei der Billigkeit namentlich Schulen zu empfehlen ist, aber auch Dooenten an Hochschulen, die ein kleineres Auditorium haben. In dem vorliegenden Theil werden behandelt Cocos nucifera, Phönix dactylifera, Sagus Rumphii, Calamus draco, Cycas circi- nalis, Bambusa arundinacea, Pandamus odoratissimus, Corchorus capsularis, Boehmeria tenacissima, Ananassa sativa, Agave ame- ricana. Acacia Verek, Strychnos nux vomica, Olea europaea, Crocus sativus, Capparis spinosa, Artrocarpus incisa, Ficas carica, Musa saiiientum, Vitis vinifera, Juglans regia, Castanea vesca, Indigo- fera tincturia, Quercus suber, Maranta arundinacea, Dioscorea sativa, Batatas edulis. Prof. Dr. Lassar-Cohn, Die Chemie im täglichen Leben. Ge- meinverständliche Vorträge. Mit li) Holzschnitten. Leopold Voss. Hamburg und Leipzig 189G. — Preis 4 Mk. In 12 Vorträgen, die auch in Königsberg vom Verf. gehalten worden sind, bringt Verf. dasjenige in geschickt populärer Weise aus der Chemie, das zu wissen jedem. Gebildeten wichtig sein sollte. Das tägliche Leben bietet ja auf Schritt und Tritt che- mische Vorgänge, und eine Kenntniss der Zusammensetzung der uns umgebenden wichtigsten Körper niüssto jedem Einzelnen von Interesse sein. ' Adolph Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik. 5. Viel- fach umgearbeitete und verbesserte Auflage. IL Bd. Die Lehre von der Wärme. Mit 131 Abb. B. G. Teubner. Leipzig 1896. Der zweite Band des bewährten Werkes umfasst jetzt incl. Register 936 Seiten ; er behandelt die Wärmelehre, da die Lehre vom Licht, die früher den zweiten Band bildete, mit Rücksicht auf die elektromagnetische Lichttheorie nunmehr den vierten Band ausmachen wird. Mit Ausnahme des dritten Kapitels, welches die mechanische Wärmetheorie darlegt, haben namentlich die Kapitel 1 (Thermometrie und Ausdehnung der Körper durch die Wärme), 2 (Fortpflanzung der Wärme) und 4 (Specifische Wärme) wesent- liche Veränderungen erfahren. Die Kapitel 5 (Veränderungen des Aggregatszustandes durch die VVärme) und 6 (Wärmeentwickelung durch chemische Processe), die stark ins chemische Gebiet hinüber- greifen haben weniger Aenderungen erfahren. — Im Uebrigen kann es sich' hier nicht darum handeln, das ohnedies bekannte tretfliche Buch ausführlich zu besprechen. Fettindustrie. Wien, ad floram exsiccatam Haber, Dr. Fritz, P2xperimental-Untersuchungen über Zersetzung und Verbrennung von Kohlenwasserstoffen. München. — 1,50 M. Heusler, Priv.-Doc. Dr. Fr., Die Terpene. Braunschweig. — 5 M. Kalmann, Gewerbesch. - Prof. Wilh., Kurze Anleitung zur che- mischen Untersuchung von Rohstoft'en und Produktion der landwirthschaftlichen Gewerbe und der - 3 M. Kerner Ritter v. Marilaun, A., schedae austrü-huugaricam. \Vien. — 2,80 M. Koepert, Dr^ Otto, Die Vogelwelt des Herzogt. Sachsen-Altenburg. Altenburg. — 1 M. Koken, E,, Die Reptilien des norddeutschen Wealden. Jona. — 9 M. Kehmke, Prof. Dr. Johs., Die Bildung der Gegenwart und die Philosophie. Heilbronn. — 0,80 M. Wiesner, Prof. J., Die Nothwendigkoit des naturhistorischen Unterrichtes im medicinisehen Studium. Wien. — 1 M. Berichtigung. In der letzten Nummer vom 10. Mai hat sich in meinem Referat über Goldhammers Vortrag ein sinnentstellender Schreibfehler ein- geschlichen. Im letzten Satz ist die Rede von „Röntgens Ver- muthung, man habe es mit transversalen Aetherschwingungon zu thun", selbstverständlich muss es heissen: 1 ongitudinalen. H. Inhalt: liichard Hennig, Die Hehnholtz'eche Erklärung des Mull-Charakters und Versucli einer Widerlegung derselben. — Fortschritte der Anthropologie und Sozial-Antliropologie. — Das Hörvermögeu der Fische. — Biologi<' iler Diplopoden. — Ueber eine interressante Anpassung im Thierreich. — Die Flora von Madagascar. — Das Wachsthum des Bambusrohres. — Das afrikanische Kautfcliuk. — lllustrirte Wetter-Monatsübersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Lltteratur: A. Acloque, Faune de France. — Prof. Dr. Leopold Dippel, Das Mikroskop und seine Anwendung. — Dr. O. Zacharias und E. Lemmermann, Ergebnisse einer biologischen Excursion an die Hochseen und Moorgewässer (a€rz Berlin NW., Luisenstr. 22. ^^^ Gegründet 1878. ^^^ Patent- Marken- u. Musterschutz für alle Länder. Hittorfscbe Röhren für Röntgeiis X-Strahleii sowie Sämtliche elektrische ROhreii fabrizieren Höllein & Reinhardt Thermometer u, Glasinstrumentenfabrilt Neuhaus a. Rennweg (Thüringen). Preisliste gratis. 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Abdruck ist nur mit vollständiger Qaellenangabe gestattet. lieber das Wesen der X-Strahlen. ■*") Im Januar d. J. liefen die ersten Nachrichten über die Entdeciiuug- des Herrn Prof. Dr. Röntgen zu Würz- burg- durch die Tagesbiätter. Dieselben besagten, dass nach dieser Entdeckung von dem durch einen stark luft- verdüuuten Raum geleiteten galvanischen Strom, ausser deu längst allgemein bekannten, dabei entstehenden far- bigen Lichterscheinungen, auch noch Strahlen ausgehen, welche für das menschliche Auge nicht mehr wahrnehm- bar sind, aber gleichwohl noch hinter massig starken Schichten von manchen, als „undurchsichtig" geltenden Stoffen auf fluorescirende Flächen und photographische Platten gewisse Wirkungen ausüben und somit von noch weniger durchlassenden dazwischen gebrachten Körpern Schattenbilder werfen, und welche deshalb als eine we- sentlich von allen sonstigen bekannten Licht- etc. Wir- kungen verschiedene, neue und räthselhafte Art von Strahlen anzusehen seien. Damals kam dem Einsender dieses gleich der Gedanke, dass die unabweisliche wissen- schaftliche Specialisirung der Jetztzeit bei Beurtheilung dieser Angelegenheit vielleicht gewisse allgemeinere Ge- sichtspunkte nicht hinreichend gewürdigt haben möchte. Diese seine Auffassung festigte sich, als er bald darauf Gelegenheit hatte, die vom Herrn Oberlehrer Dr. Kadesch im „Nassauischen Verein für Naturkunde" zu Wiesbaden in dankenswerther Weise ausgeführten und erläuterten Experimente zu sehen, bei welchem mit einem relativ schwachen Strom in halbstündiger Ein- wirkung photographische Schattenbilder von Schlüsseln und Ringen durch schwarzes Papier erzeugt wurden. Da Eins. d. weder Fachphysiker ist, noch auch übrigens *) Die folgenden Ausführungen eines originell und selbst- ständig denkenden Nichtphysikers dürften wohl geeignet sein allgemeineres Interesse zu erwecken, wenngleich sie in einzelnen Punkten recht angreifbar bleiben. Seit der Einlieferung dieses Aufsatzes haben sich die Forschungen und Arbeiten über die X-Strahlen derart vormehrt, dass heut die Beurtheilung des Gegen- standes schon eine ganz andre ist, als noch vor 1'/.,— 2 Monaten. Wir haben daher in einem Nachtrag zu diesem' Artikel den jetzigen Stand der Forschung genauer präcisirt. Red. neben seinen Berufsaufgaben den neueren Fortschritten der Physik besondere Aufmerksamkeit zuwenden konnte, dann aber auch nicht über die erforderlichen Apparate und technischen Kenntnisse gebietet, um mittelst photo- graphischer Aufnahmen die Probe auf die Richtigkeit seines Gedankens machen zu können, durfte er zunächst kaum wagen, mit dem letzteren öifentlich hervorzutreten. Er benutzte aber doch in der am 13. Februar d. J. ab- gehaltenen Abendversamnilung des genannten Vereins eine ihm nach Erledigung der angesagten Vorträge noch verbleibende halbe Stunde, um seiner im Folgenden zu erörternden Ansicht über die Sache in aller Bescheiden- heit Ausdruck zu geben, und damit eine kurze Discussion anzuregen, bei welcher er freilich nur in einigen that- sächlichen Punkten Zustimmung, aber doch auch in seinen Folgerungen keine Widerlegung fand. Bis zum 25. Fe- bruar hatte er dann die nach ihrem wesentlichen Inhalt im Folgenden zunächst wiederzugebende Abhandlung niedergeschrieben, welche dann im „Frankfurter Journal", Nr. 121, Morgenblatt vom 12. März 1896 erschien. 3 Tage später, unterm 15. März, erschien darauf Nr. 1 1 der „Naturw. Wochenschr.", mit der ausführlichen, 7 Quart- seiten umfassenden, die Vorgeschichte uud die haupt- sächlichsten Verwerthungen der sogenannten X-Strahlen behandelnden, werthvollen Arbeit des Herrn Ludwig Pinkussohn, welche in sehr berechtigter Weise die Priorität der bez.Vorarbeiteu vonFaradav(1839),Plücker (1850), V. Reichenbach (ca. 1860), "' Hittorf (1868), Crookes (1879), Wiedeiuann und Goldstein (1880 und bez. 1894), Hertz (1883 und bez. 1892), Lenard (1893) wahrt, die Frage nach dem Wesen der X-Strahlen in seinem kurzen Schlussabsatz aber auch nur beiläufig streift. Ausser dieser Arbeit brachte dieselbe Nr. 11 der „Naturw. Wochenschr." dann aber noch eine wichtige, kürzere Mittheilung unter der Ueberschrift „Das schwarze Licht", nach welcher von dem französischen Physiker Gustave Le Bon bereits in den „comptes rendus" der Pariser Akademie vom 27. Januar d. J. die experimen- 246 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 21. teile Bestätigung*) des vom Eins. d. a priori aus längst bekannten Erscheinungen Gefolgerten und von ihm wohl wenigstens in Deutschland zuerst öffentlich Aus- gesprochenen (13./II) resp. Publicirten (12. III) gebracht war. Wenn nun auch hiernach Herrn Gustave LeBou ganz zweifellos die Priorität des experimentellen Beleges dafür zusteht, dass mit gewöhnlichem Licht wesentlich die gleichen Erfolge wie mit X-Strahlen zu erzielen sind, so dürfte es doch nicht ganz ohne Wcrth sein, dem Leser- publikum d. Bl. durch auszügliche Wiedergabe jenes ersten Artikels im „Fr. J." den Gedankengang darzulegen, welcher den Eins. d. bestimmte, dasjenige als nothwendig oder doch zunächst sehr wahrscheinlich öffentlich zu ver- treten, was durch jene, wie es scheint, schon vor Röntgen's erster Veröffentlichung begonnenen Versuche Le Bons inzwischen thatsächlich bestätigt war. — Der Artikel im „Frankfurter Journal" bringt u. a. folgende Abschnitte : „Ref. glaubt aber doch einem Gedanken über die Sache hiermit öffentlich Ausdruck geben zu sollen, dessen er sich von Anfang an nicht erwehren konnte, dem Ge- danken nämlich, dass es sich bei der bisherigen Dis- kussion über die Angelegenheit wenigstens theilweise um eine Folgerung aus falschen Voraussetzungen handelt, welche unbewusst eingeführt sind. Die Folgerung lautet doch etwa: „Die Roentgen- Strahlen durchdringen „undurchsichtige", also für gewöhn- liche Lichtstrahlen undurchlässige Massen. Folglich sind es keine gewöhnlichen Lichtvvirkungen, vielmehr vorläufig noch räthselhafte Strahlen, welche allerdings von einer Lichtquelle ausgehen und manches, aber doch nicht alles mit den Lichtstrahlen gemeinsam haben, sofern sie auf die Netzhaut unseres Auges keinerlei Wirkung üben, und welche wir deshalb, bis weitere Klarheit geschaffen wird, X-Strahlen nennen wollen." Die hier übernommene falsche Voraussetzung ist die der undurchsichtigen Masse. „Durchsichtig" und „undurchsichtig" sind nicht essenziell entgegengesetzte Begriffe, sondern einfach graduelle Verschiedenheiten! Was „Licht" eigentlich ist, wissen wir heute noch ebenso wenig, wie was Elektrizität und Magnetismus eigentlich ist. Die Undulations- oder Vibrations-Theorie ist bis jetzt für das Licht — nicht für den Schall — noch eine reine Hypothese. Wir wissen aber, dass die im leeren Raum oder in gewissen dünnen Medien, klarer Luft, reinem Wasser, sich ganz oder fast ungehindert gradlinig fortpflanzenden Licht- strahlen, wenn sie in andere, dichtere, bez. minder durch- lässige Medien gelangen, theilweise zurückgeworfen, „re- flectirt", theilweise verzehrt, „resorbirt", theilweise von diesen Massen weitergeleitet werden, letzteres in der Regel unter Veränderung der ursprünglichen Richtung. Es ist hier nicht der Ort, alle in Betracht kommenden Verschiedenheiten betreffs der Reflectirung und Rcsor- birung durch weisse, farlnge, schwarze, polirte, matte etc. Flächen zu erörtern, wie sie in ihren Extremen von einem guten Metallspiegel und einer berussten Fläche darge- stellt werden. Ganz älinliche Verschiedenheiten aber zeigen sich auch betrefl's der Durchlässigkeit, also der Weiterleitung der Lichtstrahlen. Selbst die reinste Luft, das klarste Wasser, das beste Glas — man denke nur an die Zu- sammenstellung von Chrom- und Flintglas für möglichst achromatische Fernröhre — sind nicht absolut durch- lässig für Lichtstrahlen. Wenn wir auch in einem klaren *) Dass die Ansiclitnn über Le Bons Versuche sich wesent- lich Jlndevn müssen, und dass daher diese Kxperimentc nicht mehr als beweisrnd für die Ideen des llerni Verf. betraclitet werden liünncn, wird aus unserm Nachtrag hervorgehen. Red. Alpensee noch auf 3, 4, 5 Meter Tiefe ein hineingewor- fenes Hühnerei auf dem Grund liegen sehen können, so hört dieses doch einige Meter tiefer auf, und jeder auch im Tauchen geübte Schwimmer weiss, wie es da unten, wenn auch nicht für jeden „fürchterlich", so doch schnell sehr dunkel wird, so dass man ein zum Probetauehen eingeworfenes, mit einem Stein beschwertes Handtuch bei grösserer Tiefe niu noch kaum 1 Meter weit erkennen kann. Andererseits haben wir zwischen scheinbar völlig durchsichtigem Fenster- und Spiegelglas, geringeren grünen und braunen Flascheuglas-Sorten, dem Milchglas unserer Lampenschirme, echtem Porzellan und den gerin- geren Porzellan- und Fayence-Fabrikaten alle mögliehen ganz allmählichen Zwischenstufen und Uebergänge von fast absoluter Durchsichtigkeit zur Undurchsichtigkeit. Dass die menschliche Haut für Lichtstrahlen durchlässig ist, zeigen die blauen Adern auf der Hand, der verschie- dene Lichtschein, den wir bei geschlossenen Augenlidern durch dieselben in der Sonne, im diffusen Tageslicht und in völlig dunkler Stube wahrnehmen. Dass aber auch viel dickere Tlieile des menschlichen Gewebes, die sogar stärker sind, als das unsere Finger und Haudknochen umgebende, schon das Licht einer gewöhnlichen Kerzen- flamme durchscheinen lassen, belegt u. A. sehr schön ein bekanntes Kunststück, welches viele von uns als Knaben gewiss schon gemacht haben. Die innere Mundhöhle ist theils wegen ihres Feuchtig- keitsgehaltes, theils wegen der Abhärtung durch den häufigen Genuss heisser Speisen, sehr wohl im Stande, die Hitze einer gewöhnlichen Kerzen- oder Wachstockflamme 1 — 3 Secunden lang zu ertragen, und sie enthält auch Luft genug, um eine solche Flamme für diese Zeit mit Sauer- stoff zu speisen, also am Leben zu erhalten. (Wer das nicht versucht oder gesehen hat, glaubt es zunächst nicht, ebenso wie die Thatsaehe, dass man einen mit stark kochendem Wasser gefüllten Kessel — der ja gewöhn- lich unten etwas berusst ist — direct vom flannnenden Holzfeuer genommen, für mehrere Secunden auf die innere Handfläche setzen kann, bevor die dann langsam zunehmende Wärme unerträglich wird). Macht man nun jenes Kunststück mit der Wachs- stockflamme Nachts in einer übrigens dunklen Stube und schliesst den Mund vollständig unter der Flamme, so zeigt sich, dass die gesammte über ein Centimeter dicke Gewebepartie der — natürlich bartlosen — Backe des lebenden Menschen schon für einen grossen Theil des, einer kleinen Wachsstockflamine entströmenden Lichtes durchlässig ist. Die gleiche Durchstrahlung, wenigstens der geschlos- senen Fingerfläche zeigt sich, wenn in einer dunklen Stube eine — zartere — Hand unmittelbar vor eine ge- wöhnliche Kerzen- oder Petroleum-Flamme gehalten wird. Auch hier erscheint, wie bei den Röntgen-Photographien der etwaige Fingerring dann als schwarzes Band auf rothem Grunde und die Conturen der Nägel l)leiben sehr deutlich, während allerdings die Knochen, wohl wegen der diffusen Ilerumleitung'des Lichtes durch die z. Th. mit kreisendem Blut gefüllten Weichthcile, nur mit undeut- lichen Unn-issen dunklere Schatten werfen. Die Photo- graphien der Schaufenster sind aber meistens von Leichenhänden abgenommen (vergl. z. B. S. 128 d. Bl.) und der eben dort' abgebildete Hühnerflügel zeigt die Knochen kaum deutlieber, als sie sich, wenn man das Seiten- licht mögliehst abschliesst, schon vor einer gewöhnlichen Flamme in einem solchen, fast nur aus Haut und Knochen bestehenden todten Gliede erkennen lassen, also ohne dass man nur Auer- oder elektrisches Glühlicht anzu- wenden braucht. Weiterbin dürfte als bekannt vorausgesetzt werden XI. Nr. 21 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 247 können, dass Metalle, zu sehr feinen Blechen ausgewalzt, durc'ljscheinend und schliesslieh durchsiciitig werden — während sie doch in gewöhnlicher Blechstärke schon den X-Strahlen zu widerstehen hegiunen. Dass auch sogar ziemlich starke Euss-Schichten durchsichtig bleiben, belegen die berussten Gläser, durch welche wir die Sonnen - Finsternisse beobachten. Holz aber besteht gar, wie viel- leicht nicht so allgemein bekannt ist, im trockenen Zu- stande zum überwiegenden Theile seines Volumens aus Luft, wird schon in Hobelspänen verschiedener Stärke durchscheinend bis durchsichtig im gewöhnlichen Sinne des Wortes und 3— .5 cm dicke Aspen- oder Tannen-Holz- tafeln lassen das übrigens abgeschlossene Licht einer Petroleumlampe durchscheinen. Nun heisst „eine Erscheinung erklären", sie auf an- dere bereits be- resp. erkannte, gleichartige oder ähnliche Erscheinungen zurückzuführen, nicht aber aus ihr dunkle, räthselhafte Hypothesen herleiten, so lange ersteres unge- zwungen möglich erseheint. Bei unserem physikalischen Schulunterricht haben wir gelernt, dass „alle Stoffe" — wenn auch in sehr ver- schiedenem Grade — porös seien. Wenn dann später wieder von „luft- und wasserdichten Abschlüssen", Mem- branen, die Rede war, so haben wir uns daran gewöhnt, dieses doch nur bedingt aufzufassen und wissen, dass jeder scheinbar, im gewissen Sinne des Wortes, luft- dichte Gumniiballon, den wir unseren Kindern auf dem Jahrmarkt gekauft haben und der, heute losgelassen an der Zimmerdecke zu kleben scheint, morgen oder spä- testens übermorgen doch am Boden liegt, weil das leich- tere Gas seiner Füllung sich nach und nach durch die dünne, gespannte Gummi-Membran verflüchtigt hat. Warum wollen wir also nicht auch, anstatt „durch- sichtige" „undurchsichtige" und dazwischen noch allenfalls „durchscheinende" Körper und Stoffe zu unterscheiden, lieber der allgemeinen Porositäts-Annahme entsprechend sagen : Kein Stoff resp. Körper refiectirt oder verzehrt in- tensive Lichtstrahlen, welche auf seine Oberfläche fallen, vollständig. Jeder leitet vielmehr, je nach seiner Be- schaffenheit und Stärke einen grösseren oder geringeren Theil derselben weiter und bedingungsweise durch. Die schwachen, durch dünnere Schichten sog. „undurchsich- tiger" Stoffe noch durchgehenden Lichtmengen — Strahlen- Reste könnte man sie nennen — vermögen, wenn sie mittels der die Retina unseres Auges direct nicht mehr „wahrnelimbar sind", bei längerer Einwirkung auf die viel emptindlicheren photographischen Platten noch eine Wirkung auszuüben, ohne dass sie darum essenziell von sonstigen Lichtstrahlen verschiedene X-Strahlen zu sein brauchen. Bis zu einer, gegenüber der bisherigen besseren Be- gründung der essenziellen Verscliiedenheit von Roentgen- Strahlen mUsste diese natürlichere Erklärung derselben also einige Geltung beanspruchen dürfen. Nachdem Vorstehendes — am 25. Februar — nieder- geschrieben, brachten die Zeitungen über die Roentgen- strahlen noch zwei Mittheilungen, nach welchen die Be- deutung der Entdeckung von zwei gewiss in erster Reihe als urtlieilsfähig zu erachtenden Stellen fast völlig ent- gegengesetzt beurtheilt zu sein scheint. Die eine dieser Mittheilungen lautete: „In einem Interview mit dem New-Yorker Special- correspondenten des Science erklärte Edison wörtlich: „Die Entdeckung Roentgens ist bedeutsamer, als irgend eine meiner eigenen Errungenschaften und wird zu wichtigeren Resultaten über das Wohl der Menschheit führen als irgend eine andere Entdeckung im Bereiche der modernen Wissenschaft." Diese Erklärung des grossen Elektrikers ist deshalb um so gewichtiger, als er sich bisher gegen Entdeckungen Anderer auf einschlägigen Gebieten sehr ablehnend verhalten hatte. Edison ist Tag und Nacht in seinem Laboratorium mit Versuchen betreffs Anwendung der X-Strahlen beschäftigt." (C. N. of G.) Nach der anderen wäre die Roentgen'sche Entdeckung von dem Professor Dr. Goldstein in Berlin, welcher sich seit 20 Jahren auf dem Gebiete der Strahlentheorie l)e- thätigt hat, schon früher, längst vor Roeutgen gemacht, wenn letzterer auch gewiss davon nichts gewusst haben möge. Professor Goldstein habe über seine bezw. Unter- suchungen an die Berliner Akademie der Wissenschaften berichtet, dieser ]:!ericht habe aber seitdem unbeachtet in deren Akten gelegen. Ist letzteres richtig, so belegt es, dass der erste wissenschaftliche Areopag Norddeutschlauds der Fest- stellung einer schwachen Lichtwirkung durch vulgo „un- durchsichtige" Körper nicht entfernt die Bedeutung beige- messen hat, wie die heutige öfl'entlichc Meinung, vielleicht, weil er wesentlich dieselbe Stellung dazu einnahm, wie Verfasser dieses, üeber die Versuche mancher Zeitungen, welche sich von vorn herein sehr heftig für die Sache und Person enragirt hatten, gleichwohl die Hauptehre für Herrn Prof. Dr. Roentgen festzuhalten, „da durch diesen erst die Entdeckung der ganzen Menschheit zu Gute komme, welche sonst in den Berichten der Akademie der Wissenschaften noch weiter geschlummert haben würde", kann hier weggegangen werden, schon weil sie dem in der Wissenschaft aus moralischen, wie aus Nützlichkeits- gründen unbedi ngt festzuhaltendenPrioritätsprincip wider- sprechen. Die Mittheilung über Edison betreffend bliebe zunächst ihre Bestätigung abzuwarten, da es sich vielleicht nur um eine Sensationsnachricht handelt. Ist sie aber richtig und bringt Edison dann fernerhiu die Bestätigung dessen, was er ausgesprochen haben soll, so würde sich Verfasser dieses immerhin trösten können, mit einer so hoch stehenden Gelehrten-Vereinigung, wie es die Berliner Akademie ist, eine Sache unterschätzt zu haben, welche das Genie eines Edison von vorn herein richtiger be- urtheilte." Wiesbaden, 25. IL 1896. Dr. B. R. B. Soweit die erste Abhandlung Eins, im Frankf. Journal vom 12. März d. J. Nachdem dann durch die 3 Tage später in Nr. 11 d. Bl. gebrachten Mittheilungen über die gelungenen Ver- suche Le Bons und Murats bewiesen ist, dass man sehr wohl auch mit verschiedenartigem, gewöhnlichem resp. „zusammengesetztem" Licht, also ohne Zuhülfenahme von Kathodenstrahlen durch „undurchsichtige" Körper hin- durch photographiren kann, dürfte damit bis auf Weiteres feststehen, dass, genau wie Eins. d. in dem oben mitge- theilten Artikel a priori aus längst bekannten Erschei- nungen und allgemeinen' naturwissenschaftlichen Erwä- gungen folgerte, schon das gewöhnliche Licht ohne Schwierigkeit durch die undurchsichtigsten Stoffe hindurch- geht und dass die sogen. „Undurchsichtigkeit" überhaupt nur eine Eigenschaft der Stofle ist, welche lediglich eine bedingte, für das menschliche resp. individuelle Auge zutreti'ende Geltung hat, also durchaus nicht auf andere Reagenzien für Lichtwirkungen übertragen werden darf. Le Bon operirte — allerdings bei sehr langen, drei Stunden und mehr dauernden Expositiouszeiten — nur mit Petroleumlampe und mit Sonnenlicht und stellte dabei fest, dass Eisen, Kupfer und Pappe leicht durchdrungen wurden, während die der Pariser Akademie von Murat in Ilavrc eingesandten Photographien im verschlossenen llolzkasten mit Auerglühlicht hergestellt sind, und — was ja nun gar nicht mein- überraschen kann -- auch das gewöhnliche elektrische Glühlieht dafür zu verwenden ist. Wenn Le Bon auch ein besonderes, von ihm genau 248 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 21. beschriebenes Verfahren anwandte, so gelangen doch auch seine Versuche, nach gewöhnlicher Weise durch eine zwischen die photographische Platte und das zu photo- graphirende Object eingeschobene Metallplatte zu photo- graphiren, „ausnahmsweise" — also wenigstens zuweilen oder zum Theil. Sonach würde es nun Sache der mit den erforder- lichen guten Apparaten und tüchtigen theoretischen Kennt- nissen, sowie praktisch-technischen Erfahrungen auf dem Gebiete der Lichtbildkunst Ausgerüsteten sein, durch Controlversuche festzustellen, ob und inwieweit die vom Eins. d. dieses vertretene Auffassung vom Wesen der sog. X-Strahlen durch die schon früher angestellten und in den „comptes rendus" veröffentlichten, aber bei uns doch erst später bekannt gewordenen Experimente Le Bon's und Murats als bestätigt angesehen werden kann. Vorläufig scheint aber doch nicht blos, wie Röntgen noch im drittletzten Absatz seiner Broschüre meint, „eine Art von Verwandtschaft zwischen den neuen Strahlen und den Lichtstrahlen zu bestehen", sondern vielmehr eine bisher nicht genügend gewürdigte Wirkung aller, oder doch der meisten Lichtarteu durch vulgo „undurchsichtige" Stoffe resp. Körper. Wahrscheinlich handelt es sich dabei nur um dunkele, ultrarothe oder ultraviolette Strahlen des Spectrums, welche bei Durchleitung des galvanischen Stromes durch einen stark gasverdünnten Raum in ähn- licher, wenn auch bisher nicht genügend aufgeklärter Weise ans dem zusammengesetzten Licht ausgeschieden werden, wie dm-ch die prismatische Brechung. Professor Röntgen sucht aber in seiner Broschüre eine völlige, essenzielle Verschiedenheit der sogenannten X-Strahlen sogar von den bereits früher bekannten Kathodenstrahlen, wie auch vom ultravioletten Licht auf- recht zu erhalten (Röntgen, Eine neue Art von Strahlen, WUrzburg 1896, S. 10, Nr. 11 u. 12; S. 11, Nr. 17), wenn er auch übrigens gewiss von jedem persönlichen Antheil an der weitgehenden Reklame, welche von an- deren Seiten mit der Entdeckung und ihren praktischen Verwerthungen betrieben wird, frei zu sprechen ist. Unmittelbar vor dem Abschluss dieser Arbeit bringt nun die „Deutsche Warte" in ihrer Beilage vom 27. März d. J. noch eine Mittheilung von Otto von Wil- ler t über einen Besuch bei Edison, welche in sehr er- wünschter Weise die angebliche frühere, sehr frappirende Aeusserung des grossen Erfinders über die X-Strahlen illustrirt. Nach derselben erklärte Edison die Röntgen'sche Ent- deckung für so „epochal, dass sie ihn 14 Tage interessirt habe" und fährt dann fort: „Jetzt bin ich mit Röntgen fertig. Ich habe er- reicht, was ich wollte. Ich habe die Crookes'schen Röhren unnöthig (sie!) gemaclit und ))ringe meine billigen Birnen auf den Markt, die denselben Dienst leisten und nur einen halben Dollar kosten. Ausserdem habe ich für die Röntgenstrahlen so empfindliche Platten hergestellt, dass die Exposition von ein Achtel Secunde genügt, um die schärfsten Bilder „des Unsichtbaren" zu schaffen. Nur ist leider die Herstellung dieser Platten keine ungefähr- liche, und wir mussten mit Glasmasken vor dem Gesicht arbeiten, um nicht von den (!iftdäni])fcn erstickt zu werden. Ich bin somit froh, dass wir mit der Sache zu Ende sind." Nun weiss Eins, freilich nicht siclier, was Edison mit seinen „billigen Birnen", die nur einen halben Dollar kosten, meint. Wenn das aber gewöhnliche, oder auch in etwas modificirte Glühliclitbirnen sind, so wäre ja damit auch von Edisons Seite eine Bestätigung dafür gebracht, dass es sich bei der Angelegenheit nicht sowohl um neue, räthselhafte, fast alles durchdringende Strahlen, als viel- mehr um die verschiedengradige Durchlässigkeit der Stoffe für das zusammengesetzte Licht und gewisse bei der Zerlegung desselben ausgeschiedene, auf unser Auge in der Regel nicht mehr wirksame Strahlen handelt, wie sie die Aether-Undulationshypothese eigentlich als selbst- verständlich voraussetzen muss, da der „Aether" ja doch alle Stoffe durchdringen soll. Jedenfalls aber sind auch nach Edison zur Erzeugung der das grosse Publi- kum allein interessirenden Effecte der Durchstrahlung von organischen Geweben für Herstellung photographischer oder Fluoreszenz -Schattenbilder von den darin einge- schlossenen Knochen etc. Crookes'sche Röhren nicht nöthig. Es bliebe nun noch der Einwand betreffs der feh- lenden oder anderartigen Brechbarkeit und Reflectirbar- keit der Kathoden- resp. X-Strahlen. Die auf S. 7—9 der Röntgen'schen Broschüre hierüber gebrachten Mit- theilungen stellen beide Eigenschaften zwar nicht unbe- dingt, aber doch für gewisse Voraussetzungen, unter welchen sie beim zusammengesetzten Licht zur Geltung gelangen, in Abrede. Es handelt sich hierbei aber doch um eine ledig- lich interne Frage für die Fachphysiker!*) Das grosse Publikum und die etwaige praktische Anwendung für Chirurgie etc. sind zunächst absolut nicht dabei inter- essirt, ob und wie die bei der Zerlegung des zusammen- gesetzten Lichtes ausgeschiedenen dunkelen Strahlen sich in dieser Beziehung abweichend verhalten; und wenn ein solches abweichendes Verhalten derselben gegenüber dem zusammengesetzten Licht und seinen sonstigen Strahlen später auch genügend klar gestellt wird, so könnte damit doch schwerlich bewiesen werden, „dass die X-Strahlen", wie Röntgen in seiner Broschüre S. 10 im letzten Absatz meint, „nicht identisch" sind mit den Kathodenstrahlen, dass sie aber von diesen in der Glaswand des Entladungs- apparats erzeugt werden. Vielmehr wäre dann nur durch Röntgen an den Kathodenstrahlen eine anderartige Brechbarkeit als durch die früheren Untersuchungen gefunden und es bliebe Sache der Control-Versuclie, festzustellen, ob nur die früheren, oder nur die Röntgen'schen Ergebnisse oder auch vielleicht beide — aber unter verschiedenen Vorbedin- gungen — richtig wären. Aehnliches ist von den sub No. 11 und No. 15 der Röntgen'schen Broschüre gebrachten Mittheilungen zu sagen, dass „es ihm trotz vieler Bemühungen nicht ge- lungen ist, auch in sehr kräftigen Feldern eine Ablenkung der X-Strahlen durch den ]\Iagnet zu erhalten" und dass von ihm auch „nach luterferenzerseheinungen derselben viel gesucht sei, aber leider, vielleicht nur in Folge der geringen Intensität derselben, ohne Erfolg." — Einsender hat u. A. nur Andeutungen darüber ge- funden, wie denn nun die unsichtbaren Strahlen auf ihre Brechungsfähigkeit etc. untersucht sind, insbesondere aber nichts darüber, ob dieses vor oder nach ihrem Durchgang durch pflanzliches oder thierisches Zellgewebe mit seinen sehr verschiedenartigen Füllstoffen erfolgt ist. Sollte letzteres geschehen sein, so bliebe zu er- widern, dass man über das Strahlen-Brechungsvermögen der Cellulose, des Fibrin, des Protoplasma, soviel bekannt geworden, überhaupt noch wenig oder nichts weiss, und dass die durch so wenig oder gar nicht homogene Medien, *) Dov Herr Verf. verkonnt den WiTtli dieser Frage doeli . recht sehr. Nieht die „Durclistrahlun^ undurchsichtifjer Stoffe" ■ ist es, welclie den KöntRen'schen Strahlen ihre Sonderstellung m angewiesen hat, sondern allein jenes völlig einzig dastehende Verhalten in Bezug auf Brechbarkeit bez. Keflectirbarkeit einer- seits und Indifferenz gegen magnetische Einwirkungen anderer- seits. Red. XI. Nr. 21. Naturwissenschaftliche Wochenschrilt. 249 wie Holz, Fleisch etc. noch durchgegangenen diffusen Strahlen, ähnlich wie die durch Schnee, Seifen- oder Bierschaum liindurchgegangenen nach erfolgter vielfacher Brechung vicllciclit ihre fernere Brechbarkeit ganz oder grösstentlieiis eingebüsst haben. Aber auch falls, wie wahrscheinlich, die Unter- suchungen betreffs einer Aenderung der Brechbarkeit etc. an den X-Strahlen direct nach ihrem Ausgang aus der (h'ookes'schen Röhre gemacht sind, bleiben vorläufig dem Einsender noch gewisse Bedenken, welche freilich in dessen gern zugestandener, durchaus mangelhafter Orien- tirung auf dem Gebiete der neueren Strahlenforschung ihre Begründung finden, aber doch hier unbefangen aus- gesprochen sein mögen, wenn auch mit dem Vorbehalt, dass ein etwaiger Irrthum seinerseits in diesem neben- sächlichen Punkte an dem Gesammt-Ergebniss seines Gedankenganges nicht viel ändern könnte. Zunächst sind doch alle Lichtstrahlen, auch die des sogenannten zusammengesetzten weissen oder des durch das Spei'trum, in dem Regenbogen oder der Crookes'sche Röhre farbig zerlegten Liclites, für unser Auge unsichtbar, wenn sie nicht in einem ziemlich steilen Winkel durch die Linse auf die Netzhaut gelangen, mag letzteres fast direct von der Lichtquelle, oder nach dem Durchgang durcli andere Medien, oder nach der Reflection von der Oberfläche solcher erfolgen. Vorbeigehende Strahlen würden wir im luttleeren Raum, wahrscheinlich auch in einer von Wasserdampf und sonstigen Beimengungen ganz freien Atmosphäre selbst vom electrischen Bogen- licht*) wohl gar nicht wahrnehmen, so dass wenn und wo Letzteres doch zu erfolgen scheint, sich dieses lediglicli durch die diffuse seitliche Weiterverbreitung mittels dieser Beimengungen erklärt. Gilt solches nun schon von weissem Licht und seinen bei der Dispersion entstandenen farbigen Strahlen, so gilt es noch viel mehr von seinen bei'cits seit 1802 ( Wollast on und Ritter) nach ihren chemischen Wirkungen bekannten dunklen Strahlen, welche übrigens, wie Helmholtz schon nachgewiesen hat, beim Abschluss aller übrigen im dunkeln Räume als braunrothe hinter den rotben und als blaugraue hinter den violetten doch auch sichtbar werden.**) Und wenn das violette und ultraviolette Licht an dem meist- abge- lenkten Rande des prismatischen Spectrums erscheint, so folgt daraus an sich noch nicht ohne Weiteres, dass es, einmal ausgeschieden, auf fernere Breclmngsbcdingungen auch wieder besonders stark reagiren muss. Doch mag solches ja experimentell bereits nachgewiesen sein — ist das der Fall, so bittet Einsender betreffs dieses Punktes um A'erzeihung wegen seiner Unkenntniss. Jedenfalls müsste jedoch, bevor über die Nebenfrage der Brechbarkeit in eine weitere Discussion eingetreten werden könnte, zunächst eine genaue Darstellung der Untersuchungs-Methoden vorliegen, welche die bisherigen bez. Folgerungen zu rechtfertigen scheinen. Würden die letzteren dann aber auch voll bestätigt, so blielte immer bestehen, dass, weim von Röntgen s. Z. lediglich Mittheilungen über neue Ergebnisse betreffs der Brech- barkeit und Ablenkbarkeit gewisser von der Vacuum- Röhre ausgehenden Strahlen publicirt wären, dieses an sich nur für die mit der Strahlentheorie beschäftigten p h y s i k al i s c h e n S p e c i a 1 i s t e n Interesse und Verständniss finden, niemals jedoch in weiteren Kreisen hätte P^poche machen können. Für diese letzteren handelt es sich ) Vom Sonnenlicht sehen wir sio nur iiusnahmswoiso, liei ge- wissen Bewölkungs-Vevhältnissen. B. **) Dies Sichtbarwerden gilt doch mir für einen sehr kleinen Theil des ganzen grossen ultravioletten bez. infrarothen Spectrunis. Dass Verf. auch die ultrarothen Strahlen als chemisch wirksam bezeichnet, ist wohl nur ein lapsus linguae. Red. lediglich um die Durchleuchtung sogenannter un- durchsichtiger Körper, für welche — daran kann nicht mehr gezweifelt werden — wie Einsender a priori gefolgert hat, weder überhaupt Kathodenstrahicn noch gar von diesen essenziell verschiedene X-Strahlen er- forderlich sind. Hiernach glaubt Einsender seine Ansicht vom Wesen der sogenannten X-Strahlen in folgenden Sätzen zusammen- fassen zu können. 1. Alle bekannten oder doch bisher daraufhin unter- suchten Stoffe lassen durch mehr oder weniger dünne .'Schichten von allen bekannten oder doch bisher darauf untersuchten Arten des weissen (zusammengesetzten) Lichtes Theile hindurchgehen, welche auf fluorescirende Flächen und photographische Platten auch dann noch Wirkungen ausüben, wenn solches überhaupt oder doch auf minder dafür disponirte menschliehe Augen direct nicht mehr erfolgt. 2. Die beim Ueberspringen von Unterbrechungen der Leitung des galvanischen Stromes durch schlechte Leiter, wie insbesondere trockene atmosphärische Luft, nnd bei Verengung der Leitung mittels dünnerer Drähte etc. ent- stehenden, sehr intensiven elektrischen Lichterschei- nungen sind natürlich besonders geeignet, solche Wirkungen zur Geltung zu bringen. 3. Bei dem Ueberströmen der Elektricität, wie sie durch eine Lücke der Leitung im erweiterten, aber von schlecht leitender Luft möglichst befreiten Hohlraum der Geissler'schen und Crookes'schen Röhren noch auf Ent- fernungen erfolgt, welche in trockener atmosphärischer Luft ein Uebersi)ringen des Funkens nicht mehr ge- statten würden, findet eine als solche seit drei Jahr- zehnten bekannte, aber bis heute noch nicht weiter aufgeklärte, der prismatischen ähnliehe Brechung resp. Zerstreung (Dispersion) des intensiven elektrischen Lichtes in verschiedenfarbigen Zonen statt, wobei gewisse, für das menschliche Auge dunkel erscheinende Strahlen aus- geschieden werden, sich gradlinig fortpflanzen und die Fähigkeit, fernerweit noch gebrochen oder reflectirt zu werden, theilweise oder ganz verloren zu haben scheinen. 4. Diese letzteren, vom Ausgang, xdO^odog, des gal- vanischen Stromes herkommenden dunklen, sogenannten Kathoden-Strahlen vermögen wenigstens ebensogut, bedingungsweise besser, als das zusammengesetzte Licht, welchem sie entstammen, welches aber das photo- graphiscli unwirksame rot he Licht mit enthält, durch sonst wenig lichtdurchlässige Schichten eine chemische Wirkung auf photographisclie Platten etc. auszuüben und damit auf solchen von noch weniger Schichten Schattenbilder zu hinterlassen. 5. Für die Erzeugung solcher Schattenbilder von Knochen und Fremdk durchlässigen körpern in den lebenden (TÜcdmaassen rotliblüthigen Thieren sind die Ka- thodenstrahlen geeigneter, als das zusammengesetzte Licht, weil solche Gliedmaassen in iiiren, von kreisendem Blut durchströmten Weichtheilen von dem letzteren vor- zugsweise die rotheu, photographisch unwirksamen Strahlen durchlassen, welche von den einzelnen Blut- körperchen diffus reflectirt sind. 6. Eine wesentlicheVerschiedenheit der sogenannten X-Strahlen Röntgen's von den längst bekannten Katlmtlen- strahlen Hittorfs ist durch das, was bisher dafür bei- gebracht wurde, nicht genügend erwiesen, geschweige denn eine Eigenthümlichkeit oder Wirksamkeit derselben festgestellt, welche sich nicht nach längst bekannten analogen Erscheinungen ungezwungen erklären Hesse. 7. Die bisher bekannt gewordeneu Mittheihmgen Röntgens u. A. über ein gegen die früheren beziehliclien 250 Naturwissenschaftliche Wochcnschnft. XL Nr. 21. Ansichten abweichendes Verhalten der X-Strahlen in BezAig auf Flection, Reflection, Interferenz, Magnetismus etc. sind zunächst nebensächlich und berechtigen jedenfalls nicht, dieselben als eine neue, von den früher bekannten aus dem weissen Licht ausgeschiedenen dunklen resp. Kathodenstrahlen essenziell verschiedene „Art von Strahlen" anzuerkennen; erscheinen vielmehr nur bedingungsweise, soweit sie sich bei Controluntersuchungen bestätigen, ge- eignet, jene früheren Ansichten in den Kreisen der Fach- physiker zu berichtigen und zu ergänzen. Nachtrag der Redaction. — Der vorstehende Auf- satz des Herrn Prof Borggreve geht von dem gewiss an- erkennenswerthen Bestreben aus, neue, unbekannte Eigen- schaften möglichst auf bekannte, einfache Thatsachen zurückzuführen. Um aber zu seiner Ansicht zu gelangen, sieht er sich genöthigt, selbst völlig willkürliche Annahmen und Voraussetzungen zu machen, wie Nr. 3, 4 und 5 seiner Behauptungen zeigen. Es würde daher mit seiner Theorie nichts gewonnen sein. Die einfach und ver- lockend klingende Annahme, dass gewöhnliches Licht, Kathodeuliclit und X-Strahlen völlig identisch sind, müsste erkauft werden mit ad hoc erfundenen Vermutbungen, zu welchen die bisherige Forschung auch nicht im geringsten berechtigt. Die Durchleuchtung sogenannter undurchsichtiger Stofle mag dem grossen Publikum, das lediglich dem nützlicher Praktischen seine Aufmerksamkeit zuwendet, allein interessant sein an den neuen Strahlen, der Phy- siker freut sich dieser praktischen Verwerthbarkeit, sieht aber darin nicht viel mehr als eine wissenschaftliche Spielerei; das, was ihn fesselt, sind eben jene Eigen- schaften der X-Strablen, welche von Herrn Prof. B. so geringschätzig behandelt werden, welche er unberech- tigter Weise als nicht genügend bewiesen hinstellt, die Niclitbrechbarkeit, die Indifferenz gegen magnetische Einflüsse u. s. w. Daraus zieht der Physiker den Schluss, dass es sich um eine „neue Art von Strahlen" handelt, und diese logische Folgerung ist nach den neuesten For- schungen zwingend, solange man eine Nicht-Identität von Licht-, Kathoden- und X-Strahlen im Auge hat. Will- kürlich bleibt nur die Vermuthung, welche aber auch nie mehr als eine interessante Vermuthung sein wollte, dass man es mit longitudinaleu Aetherschwinguugen zu thun habe. Wenn gesagt wurde, dass die neuesten Forschungen die Nicht-Identität bewiesen hätten, so bezieht sich dies darauf, dass man jetzt mit recht grosser Sicherheit die Entstellung der X-Strahlen in der Glaswand der Crocd^es'schen Röhre nachgewiesen hat. Die X-Strahlen sind nicht in den ursprünglichen Kathodenstrahlen ent- halten, sondern eine Folgeerscheinung, wie die jüngsten Veröffentlichungen Roentgens und anderer Forscher be- weisen. Die Le Bon'schen Versuche, auf welche sich Prof. Borggreve als besonders beweiskräftig beruft, stellen sich immer mehr als unzuverlässig und unbrauchbar heraus. Die Wirkung des „schwarzen Lichtes" auf photogra- phische Platten dürfte ausschliesslich von X-Strahlen iierrühren, welche unbeabsichtigt erzeugt wurden. Der Physiologe d'Arsonjval liat der Pariser Akademie den Nachweis geliefert, dass die von Le Bon be- schriebenen Erscheinungen nur auftraten, wenn zwischen der Lichtquelle und der verschlossenen photogra- phischen Cassette sich eine Glasplatte befand, die Le Bon unbegreiflicher Weise zu erwähnen vergessen hat. In dieser Glasplatte können also erst die Strahlen her- vorgerufen worden sein, welche auf die photographisciie Platte wirkten. Sobald die Glasplatte fehlte oder zwischen die Holzwand der Cassette und die pboto- graphische Platte verlegt wurde, blieb jede Wirkung aus. Es ist also hierdurch mit Wünschenswerther Deutlichkeit der Nachweis geliefert, dass ..schwarzes Licht" und X-Strahleu identisch sind.*) Beide entstehen in einer durch verschiedene Lichtquellen bestrahlten Glas- platte, und wenn man genauere Forschungen in der Weise Le Bons anstellte, so würde sich wohl auch zeigen, das nicht jedes Glas geeignet ist, das „schwarze Licht" zu erzeugen, ebenso wie nicht jede Glassorte, zurCrookes'.schen Röhre verarbeitet, X-Strahlen hervorzurufen vermag. Wie es scheint, eignen sich nur solche Glassorten, welche mehr oder weniger stark zur gelbgrüneu Fluorescenz neigen, also mit Uran versetzt sind. Damit stimmt über- ein die Beobachtung, dass alle tluorescirenden und phos- phorescirenden Körper X-Strahlen aussenden. Es scheint demnach, als ob die X-Strahlen nur enthalten sind in diesem cigenthümlichen Fluorescenz-Lichte, dessen Wesen bislang noch nicht recht erforscht ist. Gerade diese Be- obachtungen würden aber darauf schliessen lassen, dass — entgegen der Ansicht Prof. Borggreves — ein essen- zieller Unterschied zwischen X-Strahlen und gewöhnlichem Licht besteht. Dass dennoch aber nicht jede Beziehung zwischen beiden geleugnet zu werden braucht, dass die neue Art von Strahlen keineswegs eine besondere Sehwingungs- form des Aethers erfordert, keineswegs unvereinbar ist mit der elektromagnetischen Lichttheorie, dass beweisen die Ausführungen des Prof. Goldhamracr, über welche in Nr. 19 referirt wurde. Im Gegeutheil sprechen immer mehr Erscheinungen dafür, dass die X-Strahlen thatsächlich dem ultravioletten Theil des Spectrums angehören. Hertz hat bewiesen, dass die Bestrahlung mit ultraviolettem Licht auf die elektrische Entladung einen eigenthümlichen Eintluss aus- übt, dass negativ geladene elektrische Körper dadurch entladen werden; in allerjüngster Zeit hat noch Warburg diese Beobachtungen des Genaueren erforscht. Und in seiner zweiten Veröffentlichung hat Röntgen gezeigt, dass die X-Strahlen genau dieselbe Wirkung haben; eine Ab- weichung bestellt nur insofern, als auch positiv geladene Körper, wenn sie den X-Strahlen ausgesetzt werden, ihre Elektricität verlieren. Röntgen hat aber auch beobachtet, dass Luft, welche den X-Strahlen ausgesetzt war, ebenfalls elektrische Kiirper zu entladen vermag, wenn sie an ihnen vorbei- gesaugt wird. Diese Thatsache ist nun wieder völlig eigenartig und befremdend, denn die Erscheinung, dass die Lutt durch die X-Strahlen gewissermaassen mit einem eigenthümlichen Agens beladen wird, tindet nirgends ein Analogon. Das Resume dieser neuesten Forschungen dürfte doch wohl dahin zu fassen sein, dass die interessante Ansicht Prof. Borggreves, welche noch vor vielleicht zwei Älonaten ernster Erwägung werth war, doch nicht auliccht erhalten werden kann. H. *) Le Bon hat al.so, oline es zu wissen, st'hon fast 2 Jaliro vor Röntgen mit X-Strahleu gearbeitet. XI. Nr. 21. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 251 Eine Plioca sröiilaiidica in Dessau g:eboren. — Dass der gemeine Seehund (l'hoca vitulina) hie und da vom Meere aus weit in die Flüsse hinaufsteigt, indem er dem Zuge der Lachse oder sonstiger Wanderfisehe folgt, ist schon öfter beobachtet worden. Man kennt ISeispiele dieser Art, wonach Seeliunde im Rhein bis Düsseldorf oder Cüln, in der Elbe bis Magdeburg oder sogar bis Dresden gelangt sind. Aber dass eine echte Grönlandsrobbe in der Mulde bei Dessau gefangen wäre und dort bald dar- auf ein gesundes .Junge geworfen hätte, ist wohl 'noch nicht dagewesen! Und doch hat sich dieses kürzlich thatsächlich ereignet ! Am 5. März d. J. wurde von Arbeitern der Ilerzogl. Mühle bei Dessau in der Mulde ein grosser weiblicher Seehund gefangen, welcher eine Länge von 190 cm, einen grösstcn Umfang von 150 cm und ein Gewicht von 320 Pfund hatte. Derselbe wurde von dem Herzoge von Anhalt dem Besitzer des Dessauer Bahnhofshotels als Geschenk überlassen und warf in einem für ihn herge- richteten Bassin während der Nacht vom 13. zum 14. März d. .T. ein kräftiges Junge. Bekanntlich kommen die jungen Seehunde (nach einer relativ laugen Trächtigkeitsdauer von 9 Monaten, bei manchen Arten sogar von annähernd 12 Monaten) auf- fallend entwickelt zur Welt. Die in Dessau geborene Robbe wurde von Herrn Dr. H. P^-iedrich daselbst bald nach ihrer Geburt gewogen und gemessen; ihr Gewicht betrug 20 Pfund, ihre grösste Länge 85 cm! Sie trug bei ihrer Geburt das helle, weiche, flaumartige Säuglings- kleid, welches für die neugeborenen Individuen mehrerer Robben-Arten charakteristisch ist. So lange sie dieses tragen, können sie noch keine Schwimmversuche machen: sie müssen sonst elendiglich ertrinken. Später, d. h. meistens nach 2—3 Wochen*), wird dieses Säuglingskleid durch das kurze, stratfe, im Wasser eng anliegende Haar- kleid ersetzt, welches die erwachsenen Seehunde be- kanntlich tragen, und erst in diesem Haarkleide lernen die jungen Seehunde allmählich schwimmen. Das Säuglingshaar der in Dessau geborenen Robbe hatte anfangs eine citronengelbe Farbe, die bald in eine gelblichweisse überging. Bei reichlicher Nahrung, welche ihr die beiden, wenig hervortretenden Zitzen der Mutter darboten, gedieh das Thiercheu anfangs sehr günstig und nahm in den ersten zwölf Tagen imi 12 cm an Länge des Körpers zu. Leider ist es im Alter von ca. 3 Wochen gestorben. Auch die Mutter ging bald darauf in Folge von Ver- dauungsstörungen zu Grunde. Herr Dr. H. Friedrich in Dessau, der sich um die Beobachtung beider Exem- plare sehr bemüht**) und mit mir über dieselben mehr- fach correspondirt hat, präparirte die zugehörigen Schädel und sandte sie mir kürzlich zur genaueren Untersuchung. In Folge dessen konnte ich — zu meiner eigenen Ueber- raschuug! — constatiren, dass es sich in diesem Falle um die im Allgemeinen nur in den nordischen Theilen des atlantischen Oceans und angeblich auch des stillen Oceans verbreitete Grönlandsrobbe (Phoca grönlan- dica) handelt. Es erhebt sich nun die Frage: „Wie kam eine alte, trächtige Grönlandsrobbe am 5. März d. J. in die Mulde?" D^ diese ßobbenart, wie oben betont wurde, durch- *) Bei manclien Arten schon früher; bei Phoca vitulina schon vor der Geburt oder bald nach derselben. c. o*o*L^'*''"^,'- ■'Deutsche Jä^er- Zeitung" vom 2G. März 1896, S. 832f. und vom 3. Mai 1896, S. 143 f. Herr Dr. Friedrich hatte .anfangs nach der Färbung der alten Robbe, welche der Abbil- dung in Brehm's Thierleben entsprach, ihre Zugehörigkeit zu Ph. gronlandiea schon riclitig vermuthet, hntte sie dann aber aus mehreren Gründen als Halichoerus grvpus bestimmt. weg eine arktische Verbreitung bat und nur sehr selten vereinzelte, jüngere Exemplare als Irrgäste in der Nordsee beobachtet worden sind, so ist es iiöchst unwahrschein- lich, dass obiges altes Weibchen, noch dazu im träch- tigen Zustande, freiwillig elbaufwärts i)is in die Mulde geschwommen wäre. Ich vermuthe, dass sie von See- leuten aus dem Norden nach Hamburg gebracht, dort an einen Eibschiffer verkauft und bei der Bergfahrt von dem Elbschitfe entkommen ist. Jedenfalls erscheinen die Beobachtungen, welche Herr Dr. H. Friedrich über dieses Thier und sein Junges angestellt hat, in vieler Hinsicht bemerkenswerth. Berlin. Prof. Dr. A. Nehring. Fast gleichzeitig sind vor Kurzem drei neue Pelz- milben des Bibers beschrieben worden. Alle sind Vertreter neuer Gattungen. H. Friedrich in Dessau macht uns mit einer „neuen Schmarotzermilbe unseres Bibers (Histiophorus castoris n. g., n. sp.)" (Zeitschr. für Naturwissensch., Band 68, Leipzig 1896, S. 433) bekannt, und Kram er in Magdeburg veröffentlicht im Zool. Anz., 19. Band, Leipzig 1891), S. 134 einen Aufsatz „über eine neue Pelzmilbe des Bibers (Haptosoma trancatum nov. gen. nov. sp.)." Beide Tliiere gehören zu den Chirodiscinen, denn es finden sich bei ihnen die ersten beiden Bein- paare zu den schaufeiförmigen Klammerorganen umge- bildet, die Trouessart an Mitgliedern dieser Familie kennen gelehrt hat. Diese Schaufeln umfassen die Woll- haare des Wirthes wie mit einer Röhre. Bei Histiophorus sind sie stärker entwickelt; Haptosoma umfasst aber ausserdem das Haar mit der Unterlippe und einem in der Sternalgegend gelegenen Haftorgan. Die beiden letzten Beinpaare sind bei dem erstgenannten mit je zwei Krallen, bei letzterem mit Haftscheiben versehen und stehen hier so, dass das vierte zwischen das dritte gerückt ist. Kramer hat seine Milbe auch in Copula beobachtet. Es umfasst das Männchen mit dem tiefeingebuchteten Hinter- leibsende das Weibchen wie mit einer Zange. Histio- phorus fand sich zusammen mit dem Schmarotzerkäfer Platypsyilus castoris an Muldebibern, namentlich an ihren Mundwinkeln und Ohren. Auf Veranlassung von Friedrich suchte Mingaud in Nimes sie an Rhonebibern und fand sie auch dort. Die Doppelkralle, die der Biber an seiner zweiten Hinterzehe trägt, dient offenbar zum Abstreifen der lästigen Schmarotzer. Endlich beschreibt Truessart (Bull. Soc. Zool. France, T. 21, Paris 1896, S. 22: „Genre nouveau et espt'ce nouvelle du groupe des Sar- coptides pilicoles") die ihm von Mingaud mitgetheilte Milbe von Schizocarpus Mingaudi, die die platten Biber- haare mit einem Ausschnitt der viereckigen Scheibe der Vorderbeine umfasst. Auch hier tragen die hinteren Beine Saugscheiben. C Mtf. Der Biber in Frankreich. — Der Biber, welcher früher in Deutschland, Frankreich und England sebr häufig war, kommt jetzt nur noch an wenigen Orten vor und aucli da nur vereinzelt. In England ist er schon seit etwa zwei Jahrhunderten ausgerottet; sicher nachweisbar ist er in Europa ausser in Russlaud nur noch an zwei Stellen: in Südfrankreich am Rhone und in Deutschland an der Elbe zwischen Magdeburg und Wittenberg. Bei uns in Deutschland ist der Biber vor dem viUligen Aus- sterben durch strenge Jagdgesetze geschützt; gleichwohl zählte man 1890 an der Elbe nur noch ca. 200 Stück, und diese Zahl ist bis heute noch etwas zurückgegangen. Um den Biber am Rhone vor der Ausrottung zu be- wahren, haben schon früher einsichtige .Männer ihre 252 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 21. waruende Stimme erhoben. Valery Mayet, Professor der Entomologie an der Ackerbauschule zu Montpellier, veröffentlichte 1889 eine Abhandlung- über den ßhone- Biber, in den „Coraptes Rendus des seances du Congres international de Zoologie". Ihm folgte Galieu Mingau d aus Nimes mit mehreren Arbeiten in dem „Bulletin de la Societe d'Etude des scicnces naturelles de Nimes" aus den Jahren 1889, 1894 und 1895. Der Letztere erlässt jetzt abermals einen Mahnruf zum Schutze des Bibers in der „Revue scientitique" 1896, Nr. 14. Aus seiner Arbeit ersehen wir, dass der stattliche Nager am Rhone noch immer ohne jeglichen Schutz ist; ja es hat dem oben erwähnten Prof. Mayet viel Anstrengungen gekostet, um zu veranlassen, dass die Prämie von 15 Fr., die früher für jeden erlegten Biber gezahlt wurde, nun endlich auf- gehoben worden ist. Man hatte nämlich behauptet, dass die Biber durch das Durchwühlen der Deiche, die unfern des Rhoneufers zum Schutz der benachbarten Weinberge angelegt sind, höchst schädlich würden. In Wirklichkeit sind aber diese Deiche in ihrem unteren Theile nnt festen Steinen belegt, so dass der Biber hier seine Wohnung gar nicht aufsehlagen kann; man findet vielmehr die Biberbauten in den „segonnaux", d. s. die sumpfigen, un- bebauten Ländereien unmittelbar am Flusse, wo nur Pappeln und Weiden wachsen. Der Biber findet sich am Petit-Rhone zwischen Fourques und Sylvereal (Insel Camargue), am eigentlichen Rhone von Aviguon bis Port- Saint-Louis-du-Rhöne und an dem Gardon, einem Neben- flusse des Rhone; im Gardon steigt er 8 Kilometer von der Mündung aufwärts bis Pont-du-Gard. Mingaud macht nun folgende Vorschläge: 1. Der Minister des Innern möge einen Special- paragraphen in das Jagdgesetz einfügen, nach welchem in den Departements Gard und Bouches-du-Rhone für einige Jahre die Jagd auf Biber verboten ist. 2. Der Minister des Unterrichts möge dem Biber als dem interessantesten Thiere Frankreichs seinen Schutz angedeihen lassen, da derselbe wohl ebenso viel Beach- tung verdient als die megalithiscben und historischen Bauwerke. 3. Der Minister der öffentlichen Arbeiten möge die Fischereiaufseher am Rhone und Gardon beauftragen, ihre Reviere genau zu überwachen, damit der Biber an dem erwähnten Gelände, das ihm also gleichsam als Eigenthum überwiesen wird, sich festsetze und nicht an- dererorts Schaden anrichte. Schliesslich macht Mingaud noch den Vorschlag, eine Karte über die Verbreitung und die jetzigen Wohn- plätze des Bibers zu entwerfen. Seh. Ausgestorbene Vögel von Patagonien. (Nach Sclaters „The Ibis, A. Quarterly Journal of Ornitho- logy Nr. 1, 1896). — ■ Die Entdeckung des Vorhandenseins grosser flugloser Vögel in Süd-Amerika z. Z. der Ab- lagerung der unteren Tertiär-Schicht in jener Region ist eine der interessantesten, welche in den letzten Jahren gemacht sind, und die Menge und Verschiedenartigkeit der Ueberreste, welche schon ans Licht gebracht sind, versprechen uns die künftige bedeutende Vermehrung unserer Kenntniss dieser Gruppe. Im Jahre 1887 beschrieb Senor Florcntio Ameghiuo, dem wir viele Berichte über die benierkenswerthen aus- gegrabenen Thiere von Süd-Amerika verdanken, das Vordertheil des Unterkiefers eines grossen Thieres, welches er für einen Edcntatcn hielt, und welchem er den Namen Phororhacos longissimus gab. Es ist vielleicht nicht zuviel gesagt, dass, wenn keine weiteren Ent- deckungen gemacht worden wären, Niemand gewagt haben würde, dies Bruchstück einem Vogel zuzuschreiben. Nachdem derselbe Forscher jedoch im Jahre 1891 eine beträchtliche Anzahl von Knochen erhalten hatte, kündigte er an, dass sie von einem gigantischen Vogel herrührten; aber, in Anbetracht der Unvidlkommenheit seines Materials waren einige der gegebenen Kennzeichen, wie das Vorhandensein von Zähnen und eines helmähn- lichen Kammes auf dem Schädel ungenau, wie er selbst seitdem konstatirt hat. In demsellten Jahre (1891) ver- öffentlichten Moreno und Mereerat einen Katalog über die Vogelüberreste im Museum von La Plata, eine Anzahl photographischer Platten gebend, aber unglücklicher Weise keine Beschreibungen; doch hat sich herausgestellt, dass dieselben jenen riesenhaften, fluglosen Vögeln angehören, welche als Stereornithidae bezeichnet und in vier Familien : Brontornithidae, Stereornithidae, Dryornithidae und Dar- winornithidae gesondert sind. Dr. Gadow nimmt an, dass die Stereornithidae ehe- malige Formen der Ratitae sind, und dass Meserabriornis der directe Vorläufer von Rhea ist. Ameghino und Ly- dekker waren früher auch der Ansicht, als sie aber Ge- legenheit hatten einen, wenn auch nicht vollständigen Schädel zu untersuchen, fanden sie, dass das Quadratbein eine doppelte Spitze für die Gelenkverbindung mit dem Schädel hat, und änderten sie diese Ansicht dahin, dass sie diese Gruppe als modificirte Carinates betrachteten. Wahrscheinlich sind, im strengsten Sinne des Wortes, viele von diesen Vögeln „ratite", aber der allmähliche Verlust der Flugkraft und die daraus folgende Schwächung der Brustmuskeln können sehr wohl zum Verlust des Kiels im sternum bei jedem „carinate" Vogel führen. Bis zu diesem Jahre waren alle diese Muthmaassungen über die Natur dieser Vögel auf einige Beinknochen und sehr kleine Theile des Schädels gegründet, aber kürzlich hat Ameghino ein sehr werthvolles Schriftstück veröffent- licht, in welchem er eine grosse Reihe von Ueberresten, einschliesslich des grösseren Theils des Skeletts (ausser leider dem sternum) dieser Riesenvögel beschreibt. Das Geschlecht, welches am vollständigsten bekannt ist, ist Phororhacos, und auf dieses hauptsächlich be- ziehen sich die nachstehenden Mittheilungen. Der Schädel von Phororhacos ist von ausserordentlicher Gestalt uud Grösse, der der grössteu Art, Ph. longissimus hat unge- fähr 60 cm Länge. Der das Gehirn umschliessende Theil ist flach eingedrückt, während der Schnabeltheil von den Seiten zusammengedrückt ist, ähnlich wie bei der Gattung der Sturmtaucher. Der Schnabel ist hakenförmig, wie der eines Raubvogels und der Rand desselben hat am Anfang des gebogenen Theils zwei oder drei Auskerbungen. Die Augenhöhle wird durch eine vordere Augenhöhle voll- ständig fortgesetzt. Die Mastoid -Vorrichtungen sind sehr hervorragend und geben dem hinteren Theil des Schädels etwas Aehnlichkeit mit dem des Phaelorocorax, obgleich er ihm in anderen Beziehungen vollständig unähnlich ist. Die Schläfengrujtpen sind sehr gross und nur durch kurze Zwischenräume von einander getrennt. Das sehr grosse Quadrat ist mit dem Schädel durch eine doppelte Spitze verbunden. Der Unterkiefer ist ausserordentlich massiv. Sein Winkel ist abgestumpft wie bei den Raub- vögeln, Störchen und vielen anderen Vogelgruppen. Das vordere äusserste Ende ist nach oben gerichtet. In Bezug hierauf sind die Kiefer vom Agami und Sattelstorch mit dem des Fossils verglichen worden, aber bei dem ersteren biegt sieh nur der untere Rand am äussersten Ende leicht aufwärts und bei dem letzteren ist der Unterkiefer, ob- gleich er sich nach oben wendet, von dem Oberschnabel be- gleitet, wie beim Säbelschnabler, und nicht über den ersteren hinaus gebogen. Der einzige lebende Vogel, der XL Nr. 21. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 253 nach tlie.sor Hinsicht Phororhacos gleicht, ist der be- merkcnswerthe niittelafrikanische Schulischnabel, Balaeni- ceps rex, dessen liornbrauner Schnabel bekanntlich auch von aussernewöhnlicher Grösse ist. Leider ist die untere Fläche des Schnabels noch un- bekannt, so dass erst weiteres Material erwartet werden muss, ehe die wichtigen Kennzeichen dieses Theiles zum Vergleich mit anderen Arten brauchbar sind. Wenn man bedenkt, dass die systematische Ein- reihung- vieler lebender Vögel, deren Anatomie wohl be kannt ist, der Gegenstand grosser Meinungsverschieden- heiten ist, kann man kaum glauben, dass es möglich sein wird, irgend eine Gewissheit über die Verwandtschaft solcher ausgestorbenen Arten zu erhalten, von welchen selbst das Skelett nur unvollständig bekannt ist. Nichts- destoweniger kann ein Vergleich mit anderen Vögeln, lebenden oder ausgestorbenen, werthvoile Anzeichen der wahrscheinlichen Richtung geben, in welcher Art die nächsten Verwandten dieser ausgestorbenen Form zu suchen sind; aber alle Schlüsse, die aus solchen Vergleichen ge- zogen sind, dürfen nothwendiger Weise nur als provisorisch betrachtet werden, und müssen bei etwaiger Entdeckung vollkommener Exemplare der Revision unterworfen werden. Der Vergleich des Schädels von Phororhacos mit dem, was von Gastornis bekannt ist, ergiebt nicht genügende Aehnlichkeiten, die Einreihung des letzteren unter die Stereornithes zu rechtfertigen. Die wichtigeren Unter- schiede sind : 1. Das Vorhandensein von Zähnen bei Gastornis. (Wie gesagt, ist festgestellt, dass die frühere Angabe Ameghinos, dass solche auch bei Phororhacos vor- handen seien, falsch ist.) 2. Der geringe Umfang der Schläfengruben und die abfallende Hinterhauptsfläche bei Gastornis. 3. Die grosse Länge der Seiten bei dem europäischen Vogel, welche dem Schädel ein ganz anderes Aussehen geben als dem des Phororhacos. 4. Das Vorhandensein einer spitzwinkligen Vorrich- tung im Kinnbacken von Gastornis. Ein anderer Punkt, welcher gegen die Zusammen- gehörigkeit von Gastornis und Stereornithes spricht, ist, dass, obgleich von beiden gesagt wird, dass sie im unteren Eocän vorkommen, die zusammengehörige Fauna Mam- maliae es fast gewiss macht, dass das sogenannte „Niedere Eocän von Süd-Amerika" viel später datirt und wahr- scheinlich identisch mit einem Theil des Miocäu eines anderen Gebietes ist. Und was in Betreff Dasoruis gesagt werden kann, ist, dass der Schädel sehr flach zusammen- gedrückt ist, wie bei Phororhacos, aber das Exemplar, auf welches das Geschlecht gegründet war, ist so unvoll- kommen, dass selbst seine Vogelnatur in Frage gestellt werden muss. Der Schädel der Ratitae weicht hauptsächlich im Vorhandensein von nur einer einzigen Spitze am Quadrat von dem des Phororhacos ab. Der Schnabel ist auch flach zusammengedrückt, ausser beim Kasuar und Kiwi, und die Nasenlöcher sind undurchdringlich. Der Winkel des Kiefers ist abgestumpft wie bei den Stereornithes. Die Schädel von Hesperornis und Ichthyoruis, beide bekanntlich zu den Zahnvögeln gehörend, sind von dem des Phororhacos scharf getrennt durch das Vorhanden- sein der Zähne, wie auch in mancher anderen Hinsicht. In der Beschreibung des aufgefundenen Schädels legt Ameghino grossen Nachdruck auf die Thatsache, dass die eigentliche Augenhöhle von der vorderen Augen- höhle durchaus nicht getrennt ist, sondern beide im Zu- sammenhang stehen. Da aber das Thränenbein gewöhn- licli nur sehr lose mit dem Schädel verbunden ist, kann es bei dem Fossil sehr leicht etwas verschollen worden sein und es könnte angeregt werden, dass der Knochen, welcher als supraorbital beschrieben ist, in der That das Thränenbein sein kann. Die hinabsteigende lamina würde dann mit der hinabsteigenden Vorriclitung des Thränen- beins eorrespondiren, welches bei den meisten Vögeln eine mehr oder minder vollständige Trennung zwischen der Augenhöhle und der vorderen Augenhöhle bildet und bei vielen Vögeln diese Vorrichtung in geringerem Grade mit dem jugal verbindet. Dann würde als ein Theil des ethmoid das hinabsteigende Stück des Thränenbeins an- zusehen sein. In dieser Gegend des Schädels scheint eine gewisse Aehnlichkeit mit dem des südamerikanischen Seriema oder Cariama (Dicholophus cristatus) zu herrschen. Auch bei dieser Art sendet das Thränenbein einen Aus- läufer nach unten, welcher mit dem jugal durch einen kleinen rutenartigen Knochen verbunden ist, der nur bei Seriema vorkommt und dessen Kenntniss wir Burmeister verdanken. Nach Ameghinos Ansicht könnte dieses Ele- ment auch distiukt sein, und wenn dies der Fall wäre, würde es ein Punkt von wesentlichem Interesse sein. Bei Psophia, Agami, ist der Winkel des Kinnbackens abgestumpft. Beim Seriema sind die Nasenlöcher ge- öffnet, wie sie auch bei dem Fossil zu sein scheinen, doch könnte hier auch die Scheidewand verloren ge- gangen sein. Bei Channa chavaria, einem südamerika- nischen Wehrvogel, ist das Thränenbein auch klein und dehnt sich nicht bis zum jugal aus und der Kinnbacken hat eine sehr grosse, winklige Vorrichtung. Obwohl der Catharthes (Rabengeier) in dem Umriss des Oberkiefers und in der Form der Nasenlöcher Aehnlichkeit mit Pho- rorhacos hat, weicht er doch in so mancher Hinsicht von ihm ab. Die Wirbel zeigen die gleichen Gliederflächen, die bei Vogelformen beobachtet werden. Sie werden von Luftlöchern durchzogen und die des Rückens und einige des Nackens enthalten Hämophyse. Der bemerkens- wertheste Punkt ist, dass einige Rücken- und alle Schwauzwirbel in ihrem Mittelpunkt durchbohrt sind und in dem dadurch entstandenen Kanal noch Ueberreste der Chorda dorsalis bergen. Die hinteren Schwanzwirbel, welche vorn ausgehöhlt sind, vereinigen sich hier zur Bildung eines Pflugseharknochens oder Pyostyles nicht. Dieses Merkmal ist, wie bei den Ratitae, wahrscheinlich pseudoprimitiv. Auch bei Hesperornis regalis vereinigen sich die hinteren Schwanzwirbel nicht, aber in diesem Falle verwandeln ihre Querfortsätze den Schwanz in ein ruderförmiges Organ, dem das Phororhacos ganz ähnlich ist. Das Becken des Fossils ist auffallend lang und schmal und gleicht auf den ersten Blick denen des oben erwähnten Hesperornis und des Colymbus (Seetaueher), aber der Vergleich hat ergeben, dass die Becken unter sich fast in jedem Punkte differiren. Auch findet eine Vereinigung des Sitzbeines mit dem Darmbein und des Schambeines mit dem Sitzbein nicht statt. Als bemerkeus- werth ist ferner die zusammengedrückte Form des Beckens und die Verlängerung des hinteren Theiles der Pfanne hervorzuheben. Professor Milne Edwards hat die Be- merkung gemacht, dass, je grösser der vordere Theil der Pfanne ist, desto besser ist der Vogel zum Gehen ge- eignet, und je mehr der hintere Theil der Pfanne an Grösse zuninmit, desto mehr ist der Vogel zum Schwinunen geeignet. Dies ist wahr und gut veranschaulicht bei Hesperornis und Podicipcs (Steissfuss). Bei dem erstereu dieser beiden ist der hintere Theil der Pfanne dreimal so laug als der vordere Theil und bei dem anderen un- gefähr zweimal so lang. Bei Phororhacos liegen die Verhältnisse beinahe wie beim Steissfuss, aber in An- betracht seiner langen kräftigen Beine und Zehen, welche 254 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 21. mit gebogenen Krallen versehen sind, kann man sich nicht gut denken, dass er ein guter Schwimmer gewesen ist. Das Becken des Seriema ist in der hinteren Pfannen- gegend kürzer und breiter als bei Phororhaeos, aber dennoch ihm ähnlich und diese Aehnlichkeit wird noch auffallender, wenn man es von der Seite betrachtet. Das Verhältniss des Sitzbeines zum Darmbein ist ganz gleich und das Schambeim, welches ausserordentlich klein und dünn ist, ist an der Unterseite des Darmbeines, mit welchem es jedoch bei dem untersuchten Exemplar nicht verknöchert ist, befestigt. Weitere Vergleiche des Beckens mit denen vom Agami, Steisshuhn und Rabengeier er- gaben noch mehr Differenzen, Der Schenkel ist lang, gerade und verhältnissmässig schlank. Sein Kopf ragt über den schwachentwickelten Sehenkelring hinaus; in dieser Beziehung ist der Knochen dem des Gastornis ähnlich, obgleich bei diesem Vogel der Schenkelring' viel grösser ist. Beim Kranich, Seriema und Agami ist der Trochanter (Schenkelring) stark entwickelt und erhebt sich über den Schenkelkopf, wie überhaupt bei allen Ratitae der Knochen im Verhältniss zu seiner Länge stärker entwickelt ist und auch in anderen Hinsichten abweicht. Die Schiene des Phororhaeos ist ungefähr zweimal so lang als der Schenkel, dabei gerade und schlank. Die Rinne zwischen den Gelenkköpfen ist flach. Die Brücke über die Rinne für die Streckmuskelsehnen liegt nach dem inneren Rande des Knochens zu und ist etwas schief. Bei Seriema ist das Schienbein schlanker gebaut und zweimal so lang als der Schenkel. Die Streckmuskel- brücke ist etwas weniger schief und die bez. Rinne flacher als bei dem Fossil. Der Kamm für die Befesti- gung des Wadenbeines ist hervorragend. Das Schien- bein ist an seinem unteren Ende recht verschieden von dem des Gastornis, bei welchem die Brücke in der Mitte liegt, die Rinne ist tief imd im unteren Theile etwas geneigt, so dass sie der eines Gansvogels ähnelt. Bei allen Ratiten ist die Rinne zwischen den Gelenkköpfen flach und ausser bei den Dinornis- Arten fehlt die Streckmuskel- brücke. Bei einigen der kleineren Formen dieser letzten Gattung ist die Aehnlichkeit mit dem P^ossil bedeutend. Der mittlere Fuss und das Schienbein vom Phoro- rhaeos sind schon mit den correspondirenden Knochen der Ratites und einiger Carinates von Dr. Gadow verglichen worden; hier sei nur erwähnt, dass beide im Bau des hypotarsus und in der Anordnung der distae trochleae in mancher Hinsicht mit Seriema übereinstimmen. Bei diesem Vogel ist indessen der Kopf im Ganzen schlanker als bei Phororhaeos. Der letztere ist im ganzen J^au des Beines unendlich verschieden von Hespcrornis, sowie dem See- taucher und Steissfuss, bei welchen die Form des Beckens dazu führen könnte, Aehnlichkeiten zu erwarten. Von den Rabengeiern und Steisshühnern ist er auch sehr ver- schieden. Die Zehen von Phor. sind mit massigen, ge- bogenen Krallen versehen, die denen, welche bei irgend einem der Ratitae gefunden sind, vollständig unähnlich sind. Das Rabenschnabclbein ist auffallend lang und schlank. In seiner allgemeinen Form gleicht es dem einiger Hühnervögel, jedenfalls ist es keinem bei den Retitae ähnlicii, bei welchen dieser Knochen gewöhnlich breit und flach ist. Dieser grosse Unterschied in der Forni des Caracoi'des bildet jedenfalls eins der grösstcn Hindernisse für die Voraussetzung, dass die Ratitae von diesen ausgestorbenen Arten abstammen. Der Schulter- gürtel scheint primitiver und man kann nicht gut an- nehmen, dass seine Beschafleuheit untergeordnet ist oder vom Rückgang herrührt, mit anderen Worten, dass er pseudoprimitiv ist. Bei den meisten der kranicliartigen Vögel ist das Caracoid (Rabenschnabclbein) kurz und kräftig, aber beim Seriema ist der Knochen verhält- nissmässig schlank und die Hj'posternal - Vorrichtung schwächer. Der Humerus bei Phororhaeos ist sehr verkürzt und kräftig. Sein unteres Ende ist merkwürdig wegen der Schiefheit des Distal-Randes, da der innere Rand in eine zugespitzte Vorrichtung ausläuft, welche sich bis unter die Gliederflächen erstreckt. Der äussere Gelenkkopf ist ähnlich dem des Oberarmknocheus von Aptornis, welcher auch schräg ist, aber ohne den scharfen inneren Winkel. Der ununterbrochene Zusammenhang der Gliederfläcben ist wahrscheinlich nur die Folge von Reduction; die- selbe Bedingung ist leicht ersichtlich beim humerus des Kasuars. Die Elle ist kurz, kräftig und zusammengedrückt. Die Knoten, welche die Einsetzungspunkte der hinteren Flugfedern bezeichnen, sind stark entwickelt. Diese kommen bei den Ratitae nicht vor. Dort ist ein gut entwickelter Ellenbogenfortsatz. Die Mittelhand ist von der gewöhnlichen Vogelform, aber wie bei einigen Ratitae sind die Distalenden der Mittelhand nicht so fest ver- schmolzen als bei den meisten Carinatae. Die Flügel von Phororhaeos waren, obgleich sie so verkürzt waren, dass die Flugkraft wohl sicherlich fehlte, nichtsdestoweniger kräftige Organe mit augenscheinlich gut entwickelten Kielfedern. Höchst wahrscheinlich wurden sie beim Laufen oder möglicherweise beim Schwimmen zu Hilfe genommen, obgleich das letztere unwahrscheinlich erscheint. Senor Ameghino constatirt leider nicht, auf welches Zeugniss hin die verschiedenen Knochen dem Phororhaeos zugeschrieben sind, aber, da wir annehmen, dass sie richtig bestimmt sind, zeigt der oben gegebene Vergleich, dass nicht viel Grund vorhanden ist, irgend welche Verwandtschaft, zwischen Phororhaeos und den Gastornithidae bestehend, vorauszusetzen, und der Unter- schied des Zeitalters der Ablagerung, bei welcher der eine oder der andere vorkommt, machen solche Ver- wandtschaft noch unwahrscheinlicher. — Die Ratitae sind in vieler Beziehung primitiver und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie bereits scharf von den Carinatae getrennt waren, als die Stereornithes er- standen. Das Fehlen von Exemplaren von Stereornithidae in europäischen Museen ist sehr zu bedauern, da ohne Prüfung der Knochen vorschnell gehandelt wäre, wenn eine bestimmte Meinung über die Verwandtschaft dieser Gruppen aussprechen würde. Dessenungeachtet mag vor- läufig darauf hingewiesen werden, dass wenigstens einige von den Stereornithes vielleicht einen besonderen Ausläufer des Stammes bilden, aus welchem die kranichartigen Vögel der neotropischen Region entstanden sind. Viel- leicht mag auch etwas Verwandtschaft mit den Rollen- formen gefunden werden. Neben Phororhaeos beschreibt Ameghino noch ver- schiedene andere Gattungen einschliesslich Brontornis, Pelecyornis, Liornis und Callornis, aber bei dem Fehlen des genügenden Materials viel weniger vollständig. Höchst wahrscheinlich wird die Anzahl der Gattungen durch die Beibehaltung einiger von Moreno und Mercerat gegründeten, welche von Ameghino unter die Verwandten von Phororhaeos gestellt sind, vermehrt werden müssen. Hierher gehört z. B. Dryornis, dessen humerus dem des Phororhaeos vollständig unähnlich ist. Gewisse von diesen Gattungen sind so sehr verschieden, dass ihre Verweisung zu bestimmten Familien ganz gerechtfertigt erscheint. In der That scheinen die Stereornithidae eine fremd- artige Gruppe von Vögeln gewesen zu sein, deren Flügel verkürzt und deren Körper vergrössert wurde durch Ein- XI. Nr. 21. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. ion I Wirkung irgend lokaler Verhältnisse, so kann z. B. das Land, welches .sie bewohnten, eine Insel gewesen sein, auf welcher keine grossen Carnivoreu beheimathet waren. Dasselbe Beispiel liefert uns ja auch Neu-Seeland, wo die Dinrnithidae, Apteryx, Aptornis und Cueminornis (sämnitlich grosse nichtfliegende Vögel, die verschiedenen Ordnungen angehören) gefunden wurden. Wirklich scheint kein Grund dafür zu bestehen, dass nicht zu irgend einer Zeit und in irgend einer Region ähnliche Gruppen nichtfliegender Vögel unter günstigen Verhältnissen hätten entstehen können. Die Gastornithidae können gleichfalls ein Beispiel dafür abgeben. In den meisten Fällen sterben solche Rassen aus, ohne irgend welche Nachkommen zu hinterlassen, wenn die besonderen Bedingungen, denen sie angepasst waren, aufhören zu existiren; aber die modernen Ratitae können die Ueber- lebenden einer oder mehrerer ehemaliger Gruppen solcher nicbtfliegender Vögel sein. — Schenkling-Prevot. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eruannt wiirilen: Der ordentliche Professor der Geographie in Götfiiigen Dr. von Wilamo w it z-MöU endor ff zum Geh. Regieningsrath; der ordentliche Professor in der medicinischen Facultät zu Königsberg Dr. Kuhnt zum Geh. Modicinalrath; der ausserordentliche Professor der Medicinalstatistik in Berlin Dr. Albert Guttstadt zum ordentlichen Mitglied des königl. statistischen Bureaus da.selbst; der Privatdocent der Mathematik in Leipzig Dr Otto Fischer zum ausserordentlichen Professor; der Privatdocent für Arzneimittellehre in München Dr. Jcsef Brandl zum M'tglied des kaiserliehen Gesundheitsamtes mit dem Titel Regierungsrath; der Professor der Kinderheilkunde in Greifswald Dr. Paul Krabler zum Geh. Medicinalrath. Es habilitirten sich: Dr. Stör ring in Leipzig für Philo- sophie; Dr. Johann Hofer an der Münchener technischen Hoch- schule für Elektrochemie. Niedergelegt hat: Professor Dr. Georg Lewin in Berlin sein Amt als Director der Charite-Abtheilung für Haut- und ver- wandte Krankheiten. Es starben: Der ordentliche Professor der Hygiene Medicinal- rath Dr. Karl Finkeinburg; der ordentliche Professor der Mineralogie und Geognosie an der Akademie zu Münster Au gust Hosius. Feriencurse in Jena. Es wird beabsichtigt, im August d. J. die folgenden Kurse abzuhalten: A) Naturwissenschaften. (Die Curse A und B beginnen Montag, den 3. August, und enden am 1.5. August.) Die natur- wissenschaftlichen Curse sind für akademisch gebildete Lehrer und für Lehrer an Seminaren (nicht für Volksschullehrer) be- messen. Auch ist Ausländern die Theilnahme an den natur- wissenschaftlichen Cursen gestattet. 1. Grundbegriffe der Natur- lehre vom heutigen Standpunkte aus: Prof. Dr. Auerbach. 2. Ueber Bau und Leben der Pflanzen unter Vorführung von pflanzonphysiologischen Experimenten, die für den Schulunterricht wichtig sind: Prof. Dr. Detmer. S.Anleitung zu botanisch-mikro- skopischen Arbeiten und pflanzenphysiologischen Experimenten: Prof. Dr. Detmer. 4. Anleitung zu pln'sikalischen Experimenten: Prof. Dr. Schaeffer. b. Moderne physikalische Demonstrationen : Prof. Dr. Auerbach. 6. Zeit- und Ortsbestimmung mit praktischen Hebungen auf der Sternwarte: Dr. Knopf. 7. Einführung in die moderne Zoologie (Zootomische Hebungen): Dr. Römer. 8. An- leitung zu Untersuchungen mit Spectral und Polarisationsappa- raten: Dr. Gänge. 9. Hebungen im Glasblasen: Glasbläser Haak. B) Hygiene, Psychologie, Philosophie, Pädagogik. I. Schul- hygiene: Prof. Dr. Gärtner. 2. Physiologische Psychologie: Prof. Dr. Ziehen. 3. Einleitung in die Philosophie: Privatdocent Dr. Erhardt. 4. Didaktik: Prof. Dr. Rein. 5. Theorie des Hand- arbeitsunterrichts (i; Vorlesungen mit Demonstrationen): Dr. 0. W. Beyer. (Vom 3.-8. Aug.) C) Spracheurse, Litteratur, Geschichte. I. Elementarcursus in der deutschen Sprache für Ausländer: Rector Scholz. (Vom 3.-22. Aug.) n. Sprach- und Litteraturcursus für Fortgeschrit- tenere: Privatdocent Dr. Erhardt. (Vom 3.-23. Aug.) IlL Staaten- geschichte der neuesten Zeit: Prof. Dr. Brückner. IV. Die Hauptphasen der deutschen Culturentwickelung: Bibliothekar Dr. Steinhausen. An den Vorlesungen in Gruppe A und B Nr. 1 können nur Herren theilnehmen. Dagegen ist die Betheiligung von Damen an den übrigen -Cursen willkommen. Die Curse beginnen Montag, den 3. August, und werden theils am 15., theils am 22. August geschlossen. Anmeldungen nehmen entgegen und nähere Auskunft ertheilen Prof. Detmer und Prof. Rein. Litteratur. Prof. Dr. R. von 'Wettstein, Monographie der Gattung Euphra- sia. Arbeiten des botanischen Instituts der k. k. deutsclien Universität in Prag. No. IX. Mit einem De Candolle'schen Preise ausgezeichnete Arbeit. Herausgeg. mit Unterstützung der Gesellschaft zur Forderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Litteratur in Böhmen. Mit 14 Tafeln, 4 Karten und 7 Textillustrationen. Gross-t^uart 316 Seiten. Wilhelm Engelmann. Leipzig 1896. — Preis bO M. Die ausführliche Monographie der Gattung Euphrasia, die in einigen Arten namentlich unter dem Namen Augentrost auch bei uns bekannt ist, behandelt den Gegenstand so ausführlich, als es der Systematiker nur wünschen kann und wird deshalb fortan die Grundlage und der Ausgangspunkt für jede künftige Be- schäftigung mit der Gattung bleiben, die sich durch stark variirende und vielfach in einander übergehende Arten auszeich- net. Abgesehen von den Bastarden und zweifelhaften Formen führt Verf. 87 Arten an. Bemerkenswerth ist die bildliche Wieder- gabe einer grossen Anzahl von Exemplaren auf photopraphischem Wege nachHerbarium-Material, wenn möglich Original-Exemplaren. Der Habitus der Pflanze kommt dabei in so trefllicher Weise zur Anschauung, wie es Zeichnungen niemals bieten können. Die Arbeit beschränkt sich nicht auf eine blosse äussere Be- schreibung der verschiedenen Formen und das Vorkommen der- selben, wie das mit Ausnahmen (z. B. die Nägeli'sche Hieraciuna- Arbeit) sonst in systematischen Monographien üblich ist; sie beschäftigt sich vielmehr auch mit den anatomischen und den biologischen und physiologischen Eigenthümlichkeiten. Eingehend werden zeitgemäss die phylogenetischen Beziehungen behandelt, wird die Artenbildung erörtert. Verf. hat in diesem Interesse zahlreiche Kulturen gemacht. Um nur eines der Resultate anzu- deuten, welche sich bei solchen Beobachtungen dos Systematikers in der freien Natur ergeben, das Folgende. Beachtet man die ausserordentliche morphologische Ueber- einstimmung zwischen Euphrasia montana und Rostkoviana, zwischen E. curta und coerulea, zwischen E. tenuis u. brevipila, so muss man annehmen, dass hier je 2 aus je einer Art ent- standene Arten von verschiedener Vegetationsdauer vorliegen, durch welch letztere sich die morphologischen Unterschiede er- klären. Die Kulturen zeigen, dass die gesammten Arten zwischen hohem Grase nicht gut zum Blühen kommen. Sie müssen daher entweder vor der vollen Entwicklung des Rasens blühen oder nachdem derselbe abgestorben ist oder abgemäht wurde. Darin, glaubt W., liegt die Ursache der Spaltung der Formen in 2 Arten, in je eine früh- und eine spätblüthige. Die Ahnen der betreften- deii Euphrasien dürften sommerblüthig gewesen sein; in Wiesen konnten sie im Sommer aber nicht zur Blüthe kommen, einerseits, weil das mächtig anwachsende Gras dies verhinderte, andererseits, weil der regelmässige Grasschnitt dies nicht zuliess. Es konnten also nur Exemplare zur Samenreife gelangen, die entweder ab- norm früh oder abnorm spät blühten. Durch Vererbung der Eigenschaften dieser Exemplare entstanden die Parallel-Arten, Der Ausgangspunkt für die Artbildung lag hier also in der „Asvngamie", d. i. der zeitlich ungleichen Entwickelung der Indi- viduen einer Art. Es ist dies freilich ein trert'liches Beispiel der Artbildung durch Zuchtwahl. Die Richtigkeit von Wettstein's Deutung wird bestärkt durch die Thatsache, dass jene Spaltung in 2 zeitlicli hinsiciitlich des Blühens getrennte Arten nur bei den Wiesen bewohnenden Arten vorkommt, dass sie speciell bei E. curta gerade nur in jenen Gebieten auftritt, in denen diese Art vor- herrschend als Wiesenpflanze sich findet. W. sieht in dem Ent- stehen der erwähnten Parallel-Arten eine sehr bemerkenswerthe Anpassung von Wiesenpflanzen an die durch den Menschen herbei- geführten Vegotationsverhältnisse auf Wiesen. Wir hätten also Arten vor uns, die erst seit dem Auftreten der heute üblichen Wiesenwirthschaft in Mitteleuropa entstanden sein können, für deren Alter wir mithin Anhaltspunkte besitzen. Die Keimung und die Bildung vegetativer _ Sprosse ^ der Euphrasien ist unabhängig von dem Vorhandensein von Niihr- pflanzen; Blüthen und Früchte kommen jedoch nur zur Ent- wickelung, wenn die Euphrasia-Wurzeln mit Wurzeln von Nähr- pflanzeii und zwar Gramineen oder Cyperaceen in Vei-bindung stehen, dann also ist Parasitismus nothwendig. Inhalt: Professor Dr. B. R. Borggreve, Ueber das Wesen der X-Strahlen. — Eine Phoca grönlaiidica in Dessau geboren. — ■" ' "■• ^ „.. . „ ... _ ^Yyggggtprbeiie Vögel von Patagoniun. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. ' ■ ' '^ " Euphrasia. Pelzmilben des Bibers. — Der Biber in Frankreich. — JluBgc^sLul uen — Litteratur: Prof. Dr. R. von Wettstein, Monographie der Gattung 256 Naturwissenschaftliehe Wocheuschrift. M. Nr. 21 Funkeninductoren für Röntgenzwecke in jeder gewiiuscliten Fuiikön- länge unter Garantie. Siiccialfal)rik: Friedrich Bussenius, BERLIN SW. 68, Oranienstr. 122. Projections-Apparate. 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Uünimlers Verlagshiich- handliiiig in Berlin SW. 12 erschien: Einführung in die Blütenbiologie auf tiistorischer Grundlage. Von E. Loewi Professor am köngl. Realgymn. iu Berlin 444Seitengr.8. Preis6M.,geb.7M. Ferd. Dümmlers Yerlagsbuchhandlung in Berlin g.W^2, Soeben erschien: (jeruiauisclie Casussyntax. I. Der Dativ, lustrnmental, Örtliclie und Halliörtliclie Veriiältuisse. Von Heinrich WinkieP. 5R0 Seiten, gr. S". — Preis 10 Mark. Photographische Apparate und Bedarfsartikel. . Special itiji;: Kpiegel-C'aiueva^. , Sind die praktificl^steii H^nd- Apparate. Das beliel>ige Objectiv dient gleichzeitig als Sucher. X>as liild bleibt bis ,zuTO ;Eiritr1tt der^Be* lichtung in Hildgriisse sichtbar. Die Visierscheibe dreht sieh Hfh' sich selbst (für Hoch- und^-Quer- Aufnahmefi); ' ^ ' In Vorbereitung für die Gewerbe-Ausstellung: Spiegel-Camera 9/12 cm Kinn %ii» Berlin W.vBendlerstr. 13. l*lioto»'lu»niis«'li .^^*> I nlfl-sufll.-^^' Q^^V ^^^^m s-immtl. ph(,to-r. 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Anknüpfend an meinen letzten Bericht über die Thätigkeit unserer Sternwarte im Jahre 1894*) gebe ich hier eine gedrängte Uebersicht unserer Thätigkeit im abgelaufenen Jahre, aus welcher die Leser ersehen werden, dass uns unser anfängliches Glück treu blieb, und die erzielten Erfolge unsere Erwartungen sogar über- trafen. Diese Erfolge erbringen den besten Beweis dafür dass selbst ein massig grosses Instrument, wenn es nur von tadelloser Beschaffenheit und in günstiger Lage aufgestellt ist, noch sehr viel zur Förderung der astro- nomischen Forschungen beizutragen vermag; namentlich in Bezug auf die Erforschung der Planeten, welche ein scharf detinirendes (wenn auch kleineres) Fernrohr, ruhige, durchsichtige Luft und ein geübtes Auge erfordert: drei Eigenschaften, welche sich glücklicherweise hier zusammen- gefunden haben. Lage der Sternwarte: Q^ 57™ 52-4P östl. von Green wich; -t- 44" 32' 11"; 42 m über dem Meere, am Ostrande der Stadt Lnssinpiccolo auf der istrianischen Insel Lussin. Sie besteht aus einem Aufbau von 16 m" Innenraum (mit ürehtrommel), welcher einem inmitten des grössten Gartens der Stadt prachtvoll gelegenen Ge- bäude aufgesetzt worden ist. Drei Treppen hoch gelegen, ist das Aequatoreal vielen Erschütterungen ausgesetzt, welche alle Vierteljahre Neueinstellung des Instruments erfordern, doch ist es während der Beobachtungen selbst vollkommen stabil. Es ruht auf einer massiven Steinplatte, die auf 2 Eisentraversen aufliegt, welche frei schweben und in die Hauptmauern eingemauert sind. Instrumente: Ein siebenzcilliger Refractor von Reinfelder & Hertel in München mit 178 mm freier Oeffnung, 268 cm Brennweite und Kreisen von 28 cm , •) Siehe „Naturw. Wochensi'lir." No. 28, BU. X- Durchmesser, welche in 72** und 2™ getheilt sind, aber mittelst Nonien 1' und 4** ablesen, ^/^' und \^ abschätzen lassen. Als Sucher dient ein vorzüglicher Kometensucher von 81 mm freier Oeffnung und 65 cm Brennweite, mit Oculareu von 12 — 195facher Vergrösserung, (ersteres mit Gesichtsfeld von 475*), ebenfalls von Reinfelder & Hertel; Zu diesem Aequatorial gehören 24 Oculare von 40—830- facher Vergrösserung: dreilinsige Aplanaten, Huygens'sche, orthoskopische, monocentrische und Aehromaten; ferner ein helioskopisches Prisma von Reinfelder & Hertel, ein kleines Zöllner'sches Sternspectroskop von Schmidt und Hänsch in Berlin und 8 farbige Blendgläser (grau, gelb, rosa, orange und himmelblau) zur Planetenbeobachtung. Die Montirung, nebst Uhrwerk von Falck Rasmussen in Kopen- hagen angefertigt, war anfangs herzlich unpraktisch und mangelhaft, wurde jedoch vom Mechaniker Stephan Ressel in Wien so geändert, dass sie jetzt allen An- sprüchen genügt. Feinbewegung und Klemmung sind vom Ocular-Ende aus (mittelst Schlüssel und Schrauben) vorzunehmen, nicht aber die Kreisablesung, was iudess wenig zu sagen hat. Au sonstigen Intrumenten sind noch vorhanden: Ein Refractor von Carl Fritsch in Wien,, mit 79 mm freier Oeffnung und 127 cm Brennweite mit 5 Ocularen von 48 — 144facher Vergrösserung (verträgt indess auch 288- fache in der hiesigen Luft) mit Sucher von 20 mm freier Oeffnung, 24 cm Brennweite und 9 maliger Vergrösserung. (Dieses Instrument steht jetzt zum Verkaufe und soll der Erlös zur Anschaffung iiothwendigerer Ililfsiustrumente verwendet werden.) Ein kleines Browniiigsches Souneu- Spectroskop von Schmidt und Hänsch in Berlin, das trotz seiner Kleinheit 180 Fraunlioferlinieu zeigt. Ein Chrono- meter von Negus in New- York (No. 8:53), aber sehr un- verlässlieh. Ein Dynameter von Reinfelder i!e Hertel. 258 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 22. Ein Zugfernrohr von Fraunhqfer mit 46 mm freier OeiF- nung nnd SSfacher Vergrö.ss'eriing. Ein Doppelfernrohr von 10 mm freier Oeifnung und zehnfacher Vergrösserung von Alois Schwarz in Wien. Wie man sieht, fehlen gerade die drei unentbehr- lichsten Instrumente einer Sternwarte: ein vorzügliches Fadenmikrometer, (das uns zeitweilig von einem Collegen freundlichst geliehene, ist zu feinen Messungen ungeeignet) ; eine genaue Sternzeit-Pendeluhr; und ein Passageninstru- ment. Wenn sich ein hochherziger Mäceu der Wissen- schaft fände, der uns diese drei Instrumente spendete, oder eine Sternwarte uns mit solchen etwa anderswo unbenutzt verstaubenden Duplo - Instrumenten aushelfen wollte, so würde damit der Wissenschaft ein grosser Dienst erwiesen werden, indem wir in den Stand gesetzt Genauigkeit unserer Beobachtungen noch steigern, bezw. Beobachtungen anzustellen, würden, die bedeutend zu die jetzt noch unmöglich sind. Dass jene Instrumente bei uns i'leissig benutzt würden, dafür dürften wohl die Jahres- berichte dieser Sternwarte volle Bürgschaft gewähren! Bibliothek. Obwohl das Verzeichniss der zur Sternwarte gehörigen Bücher und Karten 416 Nummern enthält, so schrumpft diese Zahl doch bedeutend zu- sammen, wenn man jenes näher prüft. Denn thatsäch- lich besitzen wir nur 115 Werke, die ihrem Umfange nach diesen Namen verdienen. Alles Andere sind Broschüren uud Separat-Abdrücke. Nur das Wenigste konnte gekauft werden; das Meiste wurde uns theils von Sternwarten oder Instituten, theils von den Verfassern geschenkt, wofür denselben hier nochmals verbindhchst gedankt sei. Wir werden überhaupt jeder Sternwarte und jedem Verfasser für weitere Beiträge dankbar sein, denn für Vermehrung der Bibliothek steht mir kein Bud- get zur Verfügung. Leider mangelt uns noch das Noth- wendigste, z. ß. Sternkarten. Wir sind in dieser Be- ziehung auf die Berliner Akademischen Sternkarten und die kleinen Atlanten von Klein und Messer beschränkt. Leistungen des Aequatoreals. Das Haupt- verdienst an den erzielten Erfolgen dürfte wohl — neben der wunderbaren Luft — der erstaunlichen Detiuition und verblttfl'enden Lichtstärke des Aquatoreals zuzuschreiben sein, welche in der That Alles in Schatten stellen, was bisher von gleich grossen Fernrohren geleistet worden ist. Die ungewöhnliche Lichtstärke hat es mir ermög- licht, so schwierige Objekte, wie die die beiden Mars- Hyperion, Mimas und bis zur 14,6. Grösse zu für vollkommen durch- der sechste Stern im Monde, die vier Uranus -Monde, den Neptun-Mond — also Sterne sehen! Dies gilt natürlich nur sichtige Luft. Dann wird auch Trapez bereits bei 70-facher Vergrfisserung sichtbar und der grosse Andromeda-Nebel zeigt hunderte der feinsten Lichtpünktchen. Was aber die Definition betrirtt, so mag man sie aus nachstehender Tabelle beurtheilen, welche das Resultat meiner Doppelsternbeobachtungen enthält. Die verschiedenen Rubriken enthalten: 1 ^= Name des Sternes; 2 = Grösse der Componenten; 3 = Distanz derselben in Bogensecunden; 4 = Jahr der Messung; 5 = Daten der Beobachtung; 6 ::= Bemerkungen. Dazu wäre zu bemerken, dass die hier angegebenen Positionswinkel lediglich nach Schätzungen auf merk l)eruhen, mithin Fehler von + 10 — 15" nicht geschlo.sscn sind. In der nachstehenden Liste sind die Sterne nach ihrem Abstände geordnet, obgleich bekanntlich nicht dieser allein, sondern auch die Helligkeit und die Verschieden- heit der Grösse der Componenten über die Trennbarkeit entscheiden. So z. B. gelten d Cygni nnd H 2Vi48 für schwieriger als fi" Bootis oder t Caneri und a Scorpii für schwieriger als w Leonis. Augen- aus- 1 2 3 4 5 6 7 Andromedae BC fl Oiiuiiis BC 6-7, 8-5 0-05 91 24. VIII 95 Mit 830 längl. in Rieht. 135° -315° 8, ? 0-20 71 2. IV 94 ,.330, , , 10°— 190° /. Cassiupejae ß-f), 65 0-30 93 14. X 95 , .524 , . , 160°-34ü° 6 Equulei 4-.5, 10 035 92 2. XI 95 , 830 , . „ 20° -200° y Aquilae .')..'■., 7 045 87 10. XI 95 , 830 , , , 90° -270° (. Bootis 4-2, 4-3 (3-5, 3-7?) 0-47 93 20. VI 95 , .560 länglich, mit 600 iu Be- rührung. , 672 blickweise getrenut. 42 Comac 5-5, 6 ■0-47 93 20. VI 94 „ 5(K) länglich, mit 60O iu Be- rührung, , 672 durch feinen Haarstrich getrennt. 1 CoroDae 4, 7 0-53 94 20. VI 94 , 560 länglich, mit 672 in Be- rührung. T) Coronae :>■%, 6-2 055 93 19. V 94 , 5<>0 durch feineu Haarstrich, mit 672 schiin getrennt. V Scoipii 4, 7 0-60 88 4. VII 94 , 560 in Berührung, mit 672 getrenut. >■ Cygni -.'), 7-5 0-GC 89 31. V 94 , 330 iu Berührung, mit 56U schwach getrennt, , 600 schön getrennt. (1= Bootis C-5, 75 073 93 17. VII 94 - > 560 bei 5" Oetfuuug sehr schüu getrennt. Vi Leonis 5-5, 7 ü'86 94 31. V,^ 9i , 188 in Berührung, mit 330 getrennt. V? Herculis 10, 101 089 92 9. VI 94 , 330 getrenut, wenn Haupt- stern (H-') aus dem Gesichts- felde gebracht wurde. 1 Corouae 64, 0-5 094 93 9. VI 94 , 330 sehr Schön getrenut. e Equulei 4-5, 5-0 0-97 92 13. X 95 , 302 in Berührung, mit 480 schön getrennt. £ Scorpii .% 5-5 1-00 94 4. VII 94 , 480 schön getrennt. 68 üpliiiulii 51, 9-9 lOl 89 26. VII 95 r 165 getrenut. C Caneri 4-5. 5 105 94 26. III 94 > 137 , mit 188 sehr schön getreunt. i: I92ti 7-7, 9-2 110 89 18. VII 94 » 200 deutlieh getrennt. 1) Orionis 3, 6 1-12 88 ■ii. I 95 . 137 . t, Herculis 3, 6-5 1-2S 94 2(1. VI 94 , 330 und 5" Oeftiuiuggetrcunt e Arietis .5-0, 5 3 1-44 94 13. X 95 , 137 schwach, mit 20D deutlich getreunt. 213 Librae G-8, 95 1-46 79 .5. VII 94 » 395 deutlich getreunt. 5 Cygni 3, 8 1-62 : 90 30. V 94 . 188 , it Aquilae 7 Cygni 6-1, 6-7 162 94 13. X 95 n 137 gut getreunt. lü'4, 10'4 1-78 91 10. XI 95 n 302 schön getrenut. i Casstopejae 41, 6-1 2-27 94 14. X 95 . 137 schwach, mit 189 sehr deutlich getreunt. ■€• 9-6, 9-8 2-86 89 14. X 95 , 137 gut getrenut. a Scorpii 1, 8 2-88 86 4. VII 94 n 330 und .5" Oefl'uung sehr schön getrenut. 0 Cassiopejae 5-4, 7 5 3-01 86 14.x 95 . 98 gut getrenut. ^1 3..'), 7-5 4-65 95 14. X 95 n lOS sehr schön getrennt. H 2948 13, 13-4 6-42 91 24. VIII 94 . 395 , 5 Serpeutis 4-8 5. VII 94 „ 672 und 4—6" Oeffnung länglich in der Kichtuug 100°— 290°. a Aquilae 1-2 — 13. X 95 , 378 und 600 länglich in der Richtung 90°— 270°. Es muss ferner bemerkt werden, dass die höchst schwierigen Dojipelsterne C Bootis, 42 Oomae und ij Coro- nae zu anderen Zeiten nicht getrennt werden konnten; ebensowenig wurde der Begleiter von B Orionis (der im Frühling 1894 stets längTich gesehen wurde), später anders als rund gesehen, was darauf schliessen lässt, dass sich die beiden Componenten jetzt decken. 5 Ser- pentis wurde 1836 von Struve für einen Doppelstern ge- halten, konnte jedoch seither nie wieder getrennt werden; trotzdem möchte ich meine Beobachtung nicht für Täu- schung ansehen, weil sie dem Beobachtungs- Journale zu- folge „höchst sorgfältig" erfolgte. Was die Länglichkeit von a Aquilae anbelangt, so ist allerdings eine solche bisher nicht beobachtet worden, und mir auch zu anderen Zeiten nicht aufgefallen, doch ist es immerhin sicher, dass mir am 13. October 1895 dieser Stern länglich er- schien, während ich die anderen Sterne rund sah. Ich habe deshalb Herrn Prof. Holden gleich ersucht, a Aquilae mit dem 36-Zöller unter den günstigsten Um- ständen zu untersuchen, aber erfahren, dass auf der Lick- Sternwarte der Stern rund erschien. Luftzustand. Während des ganzen Jahres habe ich den täglichen Luftzustnnd notirt, aber dabei leider eine Methode befolgt, die eigentlich das Ergcbniss trügerisch macht. Ich notirte nämlich den günstigsten Moment und zwar derart, dass z. B. selbst das vorüber- gehende Auftauchen eines Sterns aus der Wolkenhülle genügte, statt „6" (vollständige Bewölkung) ,,ö" (schlechte Luft) zu setzen, weil man während dieser wenigen Mi- nuten allerdings eine Beobachtung hätte machen können, wenn das Fernrohr gerade auf jenen Stern gerichtet gewesen wäre. Im laufenden Jahre werden die Noti- XI. Nr. 22 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 259 rungen anders «gemacht, so dass der nächstjäiirige Bericht ühcr den Luft/Aistand ein richtigeres Bild der hiesigen Luftverhältuisse liefern wird. Uehrigens werden die Mängel der let/ijährigen Notirungen insofern etwas aus- geglichen, als die Witternngsverhältnisse unserer Insel in jeder Beziehung derart ahnorni waren, dass man auch bei Notirungen nach einer besseren Jlethode doch ein falsches Bild von dem Normalzustand bekommen hätte. Immerhin gebe ich nachstehende Tabelle des täglichen Luftzustandes, wobei bemerkt sei, dass „1" einer Durch- sichtigkeit entspricht, welche die vortheilhafte Anwendung der höchsten Vergrösserungen (Oculare von und Vü" Brennweite) auf den Mond gestattet, „2" eine solche von Oculareu von V5 und ^4 "> n^" eine solche von Ocu- laren von '/.■!" und V2") n^" eine solche von Ocularen von V4 "ud 1", „5" hingegen die schlechteste Luft, bei welcher man noch etwas sehen kann, also z. B. wenn das Bild durch Wolken oder Dunst verschleiert ist, oder heftig wallt. „6" deutet die Unmöglichkeit etwas zu sehen, an. Dabei ist zu bemerken, dass oft (z. B. bei Bora) der Himmel so wunderschön aussieht, dass jeder Fremde den Luftznstand für „1" erklären würde, während in der That die Bilder im Fernrohr so elend sind, dass man die Luft höchstens auf „4" oder gar „5" taxiren kann! Andererseits wieder hat es mich häufig in grosses Erstaunen gesetzt, wenn ich die Canäle auf dem Mars oder die Flecke auf der Venus gut zu sehen ver- mochte, während diese Planeten durch Wolken für das freie Auge unsichtbar gemacht waren! In einem solchen Falle konnte ich doch nicht „Luft 5", geschweige denn „Luft 6" setzen, sondern musste, dem gebrauchten Oculare zufolge, „Luft 4" oder auch „Luft 3" notiren. Das darf also nicht vergessen werden. a u ä 1 'S •? 's 1-5 "m < 0. U s 0 0 S5 0 0 A. Bei Tageslicht. Luft 1 . . . Tage , — 1 — — — 2 2 2 2 2 — 11 . 2... , 4 3 11 10 7 2 12 8 13 G 5 1 82 , 3 . . . „ 5 3 4 3 4 11 8 14 8 2 8 5 75 « 4 ■ • • „ 8 7 5 7 11 10 6 6 5 12 8 10 95 , 5 . • • „ — 2 4 2 2 7 2 — 2 2 5 7 35 „ 6 . . . „ 14 13 6 8 7 — 1 1 - 7 2 8 67 B. Bei Nacht. Luft 1 . . Nachte — 3 1 — _ 1 9 8 3 5 — 30 „ 2 . . „ 1 1 4 9 ß 0 14 13 13 7 H 4 81 , 3 . . „ 7 4 r, 0 4 5 .5 3 6 6 5 6 59 „ 4 . . „ 8 5 7 5 9 14 8 3 2 3 6 9 79 . 5 . . „ 3 2 3 1 2 U 2 — 1 6 3 7 36 „ , 6 . . „ 12 16 9 11 10 2 — 4 — 6 0 .3 80 Obwohl ich nun jede Gelegenheit benutzte, Beob- achtungen zu machen, so wird man doch in der nach- folgenden Tabelle eine weit geringere Zahl ßeobachtungs- tage finden. Dies rührt theils daher, dass ich manchmal unwohl, krank, überanstrengt oder abwesend war, theils aber auch daher, dass selbst bei dem klarsten Himmel Beobachtungen dann unmöglich waren, wenn ein starker Wind das Öeffnen der Seitenklappe nicht gestattete ; und dieser Fall kommt hier leider sehr oft vor! Ausserdem verzichtete ich naturlich von vornherein auf das umständ- liche Oefl'nen, Drehen der Kuppel und Einstellen des Fernrohrs, wenn ich sah, dass die Witterung voraussicht- lich nicht wenigstens eine halbstündige Beobachtung er- lauben werde. In manchen Fällen trat nach einem Gewitter oder heftigen Regen plötzlich Luft 1 ein, ohne dass ich diese treffliche Gelegenheit ausnützen konnte, weil sonst das Instrument — angeregnet worden wäre! Zu den ungünstigen Verhältnissen, mit denen ich hier wegen Mangels an Instrumenten, Werken und Karten zu kämpfen habe, tritt nändich auch der Umstand hinzu, dass die Kuppel wegen schlechter Bauart nicht wasser- dicht ist. Die traurige finanzielle Lage der Sternwarte vereitelte leider den bereits für 1895 geplant gewesenen Umbau und auch für 1896 habe ich keine Hoffnung auf Besserung der Verhältnisse, wenn nicht von auswärts Unterstützung konuut. Ich bin derart gezwungen, In- strumente und Bücher stets in wasserdichte Decken ein- gehüllt zu halten. Wenn es nun geregnet hat, so tropft es noch stundenlang nachher von der Dachklappe herab, so dass es unmöglich ist, während dieser Zeit zu beob- achten. Alle diese ungünstigen Verhältnisse müssen bei Beurtheilung meiner Thätigkeit in Rechnung gezogen werden! '■;" '^ Beobachtungs-Statistik. Monate Beobachtungstage mit Luft 1 2 3.45 Beobach- tungs- tage Zahl der aufge- wendeten stunden IJeobach- tungen .Januar Februar März April 3 2 5 3 2 1 2 l 8 11 4 4 12 14 14 5 6 3 5 6 5 10 9 13 18 8 4 4 7 8 6 4 () 2 8 20 21 11 3 3 6 6 1 1 5 5 2 1 1 5 8 10 13 14 15 21 28 25 19 9 15 11 28 23 48 40 52 V, 66V, 80V, 122V2 46 V2 56»/, 63 Vi 31 31 39 61 54 Mai 83 134 .Juli 153 128 September ()etober 70 44 November December 63 60 Ganzes Jahr 1895 . . . 16 84 97 96 23 188 6587« 920 Der Umstand, dass in dieser Tabelle die Zahl der Beobachtungstage iiinter der Summe der nach dem Luft- zustande geordneten Tage zurückbleibt, ist darauf zurück- zuführen, dass an manchen Tagen die Luft von ver- schiedener Güte war: z. B. bei einer Beobachtung No. 2, bei der nächsten No. 3 und bei der dritten No. 4. Ergebnisse der Beobaghtungen. Die Sonne wurde 11 Mal beobachtet (7 Stunden), wobei vier Zeichnungen aufgenonanen wurden. Wegen Ueberbürdnng mit anderen Beobachtungen ist es mir näm- lich nicht mögUch, der Sonne jene Aufmerksamkeit zu schenken, welche ihr gebührt. Zudem ist die Eigen- thümerin gegen die Sonnenbeobachtungen, von denen sie Nachtheil für das Aetjuatoreal fürchtet, obgleich dieselben an dem Kometensucher angestellt wurden. Das Zodiakallicht ist hier eine sehr auffallende Er- scheinung, doch fällt seine Beobachtung ausscrhall) unseres Programms, daher schenkte ich ihm während des ab- gelaufenen Jahres nur 3 Mal (% Stunden) besondere Beachtung, als es von ganz ausnehmender Pracht war: 20. und 21. Februar und 22. März. Am letztgenannten Tage erstreckte sich der Lichtkegel vom Horizont unter- halb der Venus bis zum Mars und den Plejaden, wobei ich seine Helligkeit (vielleicht übertrieben) auf den zehn- fachen Schimmer der Milchstrasse sehätzte, denn nicht einmal die hellsten Sterne waren in ihm zu er- kennen! Noch interessanter war aber der Gegen- schein, den ich damals zum ersten Male sah und welcher sich vom Horizont bis zum Löwen erstreckte, zwar kleiner, schmäler und sciiwächer als das Zodiakallicht, aber immer noch heller als die Milchstrasse (in der Cassiopeja) war. Für Zodiakallicht-Beobachtungen würde sich Lussin vorzüglich eignen. Merkur beobachtete ich auch nur 2 Mal (1 Stunde), ohne jedoch auf seiner Scheibe Flecke wahrnehmen zu 260 Naturwissenschaftliche WochcuschriÜ. XI. Nr. 22 können, weil mein Hauptinteresse von seinen Nachbar- planeten in Anspruch genommen wurde. Der Venus widmete ich nämlich im abgelaufenen Jahre 300 Beobachtungen (18974 Stunden), wobei ich 245 Zeichnungen anfertigte, von denen 85 in der „English Mechanic" veröffentlicht wurden. Das Resultat war die Entdeckung der wahren Rotationszeit der Venus, welche ich zu 23'^ 57" 7-.5459^ fand, sowie die Herstellung einer Karte der Oberfläche dieses Planeten. Zuerst gelang es mir nämlich festzustellen, dass die dunklen Flecke, welche ich in grosser Zahl sah, nicht, nahm, Hülle ilirer Fis 1. Mars am 1. März 1895. (Durchmesser: 6" 44.) wie man bisher an- der atmosphärischen der Venus, sondern festen Oberfläche angehören und daher wahrscheinlich Meere sind. Dann gelang es mir im Juli an mehreren Tagen die Flecke vor meinen Augen sich weiterbewegen zu sehen, was auf ungefähr 24 stündige Rotation hin- deutete — ein Resultat, das mich umsomehr verblüffte, als ich (wie die Leser aus meinem vorjährigen Berichte wissen) von vornherein von der Ansicht ausgegangen war, die Rotation der Venus betrage den von Schiapa- relli 1890 ausgesprochenen Vermuthungen zufolge 224.7 Tage. Eben deshalb kann auch das von mir gefundene Resultat als vollkommen unbeeinfiusst angesehen wer- den. Ich fertigte eben die Zeichnungen ganz unbe- fangen an, ohne irgend eine vorgefasste Meinung. Zu- erst schloss ich aus meinen Zeichnungen auf eine Umdrehungszeit von 23'' 57"! 36-2396% auf Grund welcher Basis ich dann eine Karte anfertigte, die in der „English Mechanic" erschien, aber schon kurz nachher durch eine zweite ersetzt wurde, die auf Grund einer Rotation von 23i> 57"" 7-5459^ (15-030« pro Stunde) entworfen war. Aber auch diese kann selbstverständlich nur als ein Provisorium, als erste Grundlage betrachtet werden, auf welcher weitergebaut wird. Ich hege die feste Zuversicht, dass es mir im Laufe der nächsten Jahre gelingen werde, die Karte der Venus-Oberfläche so zu verbessern und zu vervollständigen, dass sie an Genauigkeit vielleicht schliesslich sogar an die erste Schiaparelli'schc Marskarte heranreicht. Das würde aber angesichts der obwaltenden riesigen Schwierigkeiten allerdings fortwährende und langjährige Beobachtungen erfordern. Ausser der Feststellung der Rotationszeit und des Vorhandenseins fester Gebilde auf der Venus, brachten meine letztjährigen Beobachtungen noch andere interessante Wahrnehmungen. Die Sichtbarkeit des unbe- leuchteten Theils der Venus ist bisher als etwas Seltenes angesehen worden, das oljeiidrcin nur kurz vor und nach der unteren Conjunction vvahrgenonnucn werden Fig. 2. Mars am 8. März 1895. (Durchmesser: 6" 17.) Fig. 3. Mars am e. April 1895. (Durchmesser: 5" 1.) Fis könne. Ich sah aber den unbeleuchteten Tlieil bereits 107 Tage vor der unteren Conjunction, als noch 66.7 "/u der Scheibe beleuchtet waren, zum ersten Male, und seither fast täglich (120 Mal), während ich ihn nach der Conjunction merkwürdigerweise niemals mit Sicher- heit wahrnehmen konnte, sondern nur ein paar Mal zu sehen glaubte. Es erhöht dies noch mehr das Räthsel- hafte dieser Erscheinung. Auch sei bemerkt, dass ich mit einer einzigen Ausnahme den dunklen Theil stets dunkler als den Himmel sah, was allerdings vielleicht dem Umstände zuzusehrei- ben ist, dass ich die Venus mit wenigen Ausnalmien nur bei Sonnenschein beobach- tete. Das äusserst selten beob- achtete Phänomen der P h o s- phoreseenz des dunklen Theils konnte ich auch nur ein einziges Mal (27. Juli) wahrnehmen. Umso häufiger beobachtete ich aber die Aureole um den unbeleuch- teten Theil. Ich sah sie ebenfalls 107 Tage (4. Juni) vor der unteren Conjunction zum ersten Male und seither noch 68 Male. Gewöhnlich war sie schwach und um den ganzen Rand herum sichtbar, manchmal aber auch sehr deutlich und manchmal wieder nur auf 15, 25, 45, 60, 80 Grad jenseits der Hörner, oder auch nur jenseits eines ein- zigen Hernes wahrnehmbar. Bekanntlich ist diese Au- reole bisher nur äusserst selten, dann auch nur nahe der unteren Conjunction und gewöhnlich nur auf ein kleines Stück jenseits der Hörner gesehen worden. Alle diese Beobachtungen sind voll- ständig sicher, und auch meine aus jenen resnltirenden Annahmen, dass der Aequator der Venus zu deren Bahn um 14" geneigt und der aufsteigende Knoten des Venus- Aequators in Bezug auf die Ekliptik in 168" liege, dürfte von der Wahrheit nicht zu weit entfernt sein. Zweifelhaft dagegen ist eine Protuberanz, die ich einmal (17. April) am Ostrande zu sehen glaubte. Hingegen halte ich jene Protuberanzen, die ich mehr- mals an der Lichtgrenze wahrnahm, für reelle Erscheinungen — vielleicht durch hochschwebende Wolken oder lange Gebirgsketten ver- anlasst. Mars wurde von mir noch Stunden wobei 15 Zeichnungen zwar leichter als je zuvor ein verfolgt hat. Als ich ihn nänil Fig. 4. Mars am 10. April 1895. (Durchmesser: 5 .) 5. Mars am 12. April 189.'). (Durchmesser: 4" 96.) 46 Mal beobachtet (32V4 angefertigt wurden) und anderer Beobachter ihn ich zum letzten Male ein- sein scheinbarer Durchmesser auf Allerdings konnte ich dabei nichts stellte (11. Juni) war 4-4" herabgesunken. mehr erkennen, doch zeigte das Spectroskop noch etliche Frauniiofer-Linien. Immerhin vermochte ich noch Anfang Mai, bei einem scheinbaren Durchmesser von nur 4-84", gemeinsam mit Herrn J. N. Krieger aus Gern die Polar- XI. Nr. 22. Natnrwisscnscliaf'tliclie Wocliciischritt. 2fil flecke niid einzelne helle und dunkle Flecke der Ober- fläche zu erkennen. Dieser langen Ausdehnung meiner Beobachtungen ist es zu danken, dass es mir gelang, die Neubildung der Schneeflocke wahrzunehmen, was bisher noch niemals möglich gewesen war. Es war am 31. März, als ich am Südpol des Mars einen glänzenden Fleck sah, den ich für die verschneite Insel Argyre II hielt. Ebenso hielt ich am 4. April einen ähnlichen Fleck für die verschneite Insel Novissima Thyle. Als ich jedoch meine I>eob- achtungeu fortsetzte, er- kannte ich um ßi", dass sich neben die- ser Insel noch ein zweiter Schneefleek befand, der nur der wie- der gebildete Südpolarfleck sein konnte. Die Richtig- keit dieser Entdeckung wurde durch die Beobach- tungen derfol- 1 im if^JM iie 44 Xjp '11 m a»i/ ip tu ^« M« }Ki ■?« :y « m m 0 "J i^i -t^ h' ^o m 7. ' av <)o Tage Fig. 3 — 5.) Dieses Resultat gen den ganz ausser Zweifel gestellt. (Siehe ist um so überraschender, als der Südpol durch die Nei gung des Planeten zuletzt von uns etwas abgewendet war, derart, dass am 31. März bereits der Nordpolarfleck sichtbar wurde. (Ebenfalls der erste beobachtete Fall dieser Art.) Nicht weniger Fig. ß.lOberfläche des Jupiter am 27. Januar 1895. liänke deuten würde; ferner, dass ich vor der deflnitiven Neubildung des Südpolarflecks verschiedene Ansätze zu einer solchen feststellen konnte, was gleichzeitig auch von Herrn Prof. Schiaparelli bestätigt wurde. Jupiter wurde im abgelaufenen Jahre von mir 74 Mal beobachtet (97 '/a Stunden] und dabei 220 Zeich- nungen und Skizzen angefertigt, von denen 53 in „English Mechanic" veröffentlicht wurden. Da ich zur Einsicht kam, dass einzeln aufgenommene Zeichnungen nur Fragmente bleiben, wäh- rend ganze oder halbe Rotations- Zeichnungen ein besseres Bild des je- weiligen Aus- sehens desPla- neten geben, und gleichzei- tig auch am besten die Veränderun- gen auf seiner Oberfläche festzustellen und zu erfor- schen erlau- ben, beschloss ich, haupt- sächlich solche anzufertigen. Leider steht jedoch der Ausführung dieser Absicht der Umstand entgegen, dass nur selten Möglichkeit vorhanden ist, eine ganze Rotation aufzunehmen. Dazu gehört vor Allem Sichtbar- keit des Planeten durch mindestens 9 aufeinanderfolgende Stunden und •'Ci.1 fi(l Ha IM! ■« liCl •bOKV ' merkwürdig ist die That Sache, dass ich am 5. April die bis da- hin unseren Blicken un- sichtbar ge- wesenen Ca- näle Protoni- lus und Deu- teronilus, und am 11. April die Canäle Bo- reosyrtis und Heliconius wahrzuneh- men im Stan- de war, wo- durch sich die Zahl der von Das Merkwürdig:, noch zu einer Zeit ;»5jii-i3n jw.3i5 0 11 io 'ß je sc ki ?'i *' y'o 'W tlS KU ^}■^ i!,.l l!,t: — 1 TT-T- ' '!.''' /*; l^Q. ir. ... .( — ~p-y- Tpji ■fim» ^* jmH 8H W>>»Kg<«aVfaiifi>wni «i«t.w -..■<.gag!iw«<«B* i'i»i naitollnii 6ä §r'tm m m»L.it%. 5«®» — .^ SÄ SD *f**"5JISS!2IS?* .■#(*tt«U'' ho zwar günstij _L /,w Ufa zm in !}o no iH < i'c <■ i'j n ,tci '>; ' Fig. 7. Oliorfliiche des Jnpitcrtani 17. März 1S95. mir re gesehenen liegt Canäle auf ßS erhöht, nämlich darin, dass ich Canäle wahrzunehmen vermochte, als der scheinbare Durchmesser des Mars auf 5" reducirt war! Von sonstigen merkwürdigen Wahrnehmungen sei hervorgehoben, dass ich dreimal Argyre II, als sie an der Lichtgrenze stand, als Hervorragung sah, was nicht durch Irradiation bewirkt sein konnte, und einmal von zwei anderen Beobachtern in England gleichzeitig unab- hängig von mir gesehen wurde, also entweder auf eine lange, hohe Gebirgskette oder auf hochschwebende Wolken- weiche in günstigere Monate fallen. unter en Umständen, also in ent- sprechender Höhe und bei durchsichtiger Luft. Ersteres ist nur in den Monaten vor und nach der Opposition möglich und anhaltend gute Luft im Winter eine Seltenheit. Ich erwarte des- halb mehr von den künftigen Oppositionen, Immerhin war es mir möglich, am 27. Januar, bei leidlich guter Luft (3, in regelmässigen Pausen 4 und 5), 15 Zeichnungen von 40 Minuten aufzunehmen, aus welchen Zeichnungen dann die Karte Fig. ß zusammengestellt wurde, welche 12S Objecte enthält. Es ist dies die erste derartige, das Aussehen des ganzen Planeten an einem be- stimmten Tage darstellende Karte, denn Antoniadi's Aufnahmen in Juvisy erstreckten sich über mehrere Tage. Später glückte es mir nur noch am 17. und 18. März binnen 28 Stunden 8 Zeichnungen aufzunehmen, deren 262 Naliuwissenschiii'tlichc Woi-licnsclirift. XI. Nr. 22. Längen je 45" von einander verschieden . sind, so dass ebenfalls die ganze Oberfläclie crsiciitlicli ist. Ans diesen 8 Zeichnungen stellte ich dann die Karte Fig. 7 zu- sammen, jedoch derart, dass die Zeichnungen des 18. März auf Grund der Marth'schen Ephemeride (System I) auf den 17. März redueirt sind. Auch aus den Auf- nahmen vom 16. und 17. November, welche ebenfalls die gesannte Oberfläche des Jupiter darstellen, habe ich bereits eine Karte zusammengestellt, die später veröfient- licht werden wird. Unter den günstigsten Umständen sah ich auf dem Jupiter während der Erscheinung 1894 — 95 ausser den beiden Polarcalotten 19 Streifen: 1 weissen, 4 rothe, b graue und 9 cremefarbige. Die Zahl der gesehenen Flecke gelit in das Unendliche; sogar in den beiden Ca- lotten sali ich welche. Ausserordentlich groj-s war auch die Zahl der Risse (rifts) und Querstreifen (streaks). Die nicrkwiii'diiistc Erscheinung bildeten jedoch zwei Ketten- bildungcn, d. h. Reihen von dunklen und hellen, meist kreisrunden Flecken, welche, wie die aufgereihten Perlen einer Halskette nebeneinanderstanden und verschieden- artige Bewegung besassen. Sie befanden sich an dem Nordrandc des südlichen Aequatorialstreifens. Wie mir Herr Dr. L. de Ball nuttheilte, hat er ähnliche Ketten bereits 1884 beobachtet. Allerdings scheinen sie etwas anders ausgesehen oder er sie anders aufgefasst zu haben, weil seine Darstellungsweise von der meinigen verschieden ist. Der „grosse rothe Fleck" wurde bei guter Luft zu Anfang des Jahres stets als blassrosa- farboncs, gut begrenztes CTcbildc gesehen; zu Ende des Jahres war er schmutzig-grau und verschwommener. Ueber die Hohe der auf der Jupiter-Oberfläche sichtbaren Objecto bin ich auf Grund meiner letztjährigen Beobachtungen zu folgenden Schlüssen gekonmien: Das höchste Object dürfte der „grosse rote Fleck" sein, weil er das einzige ist, das seit 17 Jahren durch kein anderes verdeckt wurde. Nach ihm sind unzweifelhaft die schwärzlichen und weissen Flecke die höchstschwebenden Objeete, weil sie ihrerseits alle anderen bedecken, ohne jemals von Streifen bedeckt zu werden. Damit stimmt auch eine Beobachtung des Herrn L. de Ball, welcher einmal einen Riss durch dunkle Flecke durchschimmern sah. Die schwärzlichen Flecke sind ihrerseits höher als die weissen, weil ich sie über diese letzteren hinüber- ziehen .sah. Die creme-farbigen Streifen („Zonen'"), sowie die Risse müssen höher als die dunklen Streifen schweben, weil sie eine Eigenbewegung zeigen, die sonst unerklärlich wäre, und weil durch die Zonen oft parallel laufende Verdunklungen der Naclii)arstrcifen durchschnitten werden. Auch die wechselnde Breite der Nord-tro])ischen Zone (N. Tr. Z.) und des N. Nördl. gemässigten Streifens (N. N. T. B.) kann auf keine andere Weise erklärt werden. Ich glaube also, dass die dunkeln Streifen den untersten Theil der sichtbaren Hülle bilden und unter sich zusammenhängen, aber von hellen Massen überlagert werden, welche in Folge der raschen Rotation sich zu Streifen gruppiren — eben jene, die wir „Zonen" nennen. Die granatrothen Flecke dürften höher als der Gürtel, aber tiefer als die hellen Theile und Flecke Liegen. Gegen Ende des Jahres sind in der Nördl. tropischen Zone zwei intensiv granatrothe Flecken aufgetaucht, welche derzeit die auffälligsten Objeete bilden. Den vor- aufgehenden nannte ich seiner Form halber „V'iolinfleck", den nachfolgenden kurzweg „Granatfleck". Da die- selben über die Rotation des Planeten interessante Auf- schlüsse zu geben vermögen, habe ich sie einige Male mit einem mir ;cliehenen, aber sehr mangelhaften Mikro- meter gemessen und dies auch im Laufe des Jahres 1896 oft wiederholt. Das Resultat werde ich im nächsten Jahresberichte verörtentlichen. Nicht minder interessant ist eine andere von mir ge- machte Wahrnehmung. Am 23. März fiel mir bereits mit 242facher V'ergrösserung auf, dass der Schatten des I. Satelliten auf dem Jupiter länglieh erschien, und ein Blick auf den Satelliten selbst überzeugte mich, dass auch dieser länglich war. Verschiedene Versuche mit Ver- grösserungen bis zu 830 lassen darüber keinen Zweifel, dass der Satellit in der Richtung parallel zum Jupiter- Aequator länglich war. Eine gleiche Beobachtung machte ich am 16. November.*) Es ist dies eine glänzende Bestätigung der von Professor William Pickering vor einigen Jahren gemachten und seltsamerweise von Barnard bestrittenen Entdeckung. Ich wurde daher auch von Herrn Pickering zur Fortsetzung meiner Beobachtungen eingeladen. Leider aber gehört dazu nicht nur voll- kommen ruliige, die stärksten Vergrösserungen gestattende Luft, sondern auch ein ausgezeichnetes Fadenmikronieter. Erstere ist aber im Winter nicht häufig und letzteres müsste uns erst von einem edlen Freunde der Astronomie geschenkt werden; — solche grossmüthige Spender sind aber weisse Raben ! Aus dem gleichen Grnnde ist es mir auch nicht möglich, verlässliche Beobachtungen der Erscheinungen bezw. Verfinsterungen der Jupiter-Satelliten zu machen : dazu bedarf es nämlich der genauesten Kenntniss der Zeit und diese ist wieder ohne Präcisions- ühr und ohne Passagen-In.strument nicht erhältlich. Beide Instrumente fehlen mir aber! Immerhin gelang es mir an vielen Abenden wenigstens relativ genaue derartige Beobachtungen anzustellen. Saturn wurde von mir 37 Mal beobachtet (25'/2 Stunden) und dabei 5 Zeichnungen aufgenommen. Im Ganzen war ich mit dem Resultate wenig zufrieden. Nicht nur, dass der Planet heuer viel tiefer als voriges Jahr stand, hatte ich auch niemals wirklich gute Luft. Dem schrei l)e ich es zu, wenn ich heuer keine bestimmten Flecke auf dem Aequatorealgürtel zu sehen vermochte, (wie 1894 so häufig!) obwohl solche sicher vorhanden waren. Denn nicht nur bot mir der Gürtel wiederholt das Aussehen verschwommener Flecke, sondern es war auch Herr Stanley Williams so glücklich, dieselben deut- licher zu sehen. An dem Vorhandensein dieser Flecke ändert auch ihre NichtSichtbarkeit im Lick - Refractor nichts; denn es kann als ausgemachte Sache gelten, da.ss mittelgrosse Instrumente das feinste Detail der Planeten- oberflächen deutlicher darstellen als Riesenfernröhre. Unter den Thcilungeii des Ringes war die Cassini'scbc .selbstvenständlicii ein höchst auffallendes Object; aber auch die Encke'sche konnte ich sehr oft mit Leichtigkeit auf beiden Ansen, namentlich der östlichen, wahnichmen. Ring B sah wiederholt so aus, als besässe er zwei Thei- lungen, (was auch Hrn. xVntoniadi in Juvisy auffiel,) je- doch fand ich stets bei genauer Untersuchung, dass es nur plötzliche Helligkeitsabnahmen waren, die diesen Ein- druck hervorriefen.**) Der dunkle Ring zeigte sich auf- fallender als 1894 und gewöhnlich chocoladenbraun. Er füllte gut die Hälfte des Raumes zwischen Ring B und dem Planeten aus. Die Satelliten wurden wohl auch 1895 sämmtlich gesehen, aber Mimas nur einmal, Enceladus zweimal und Hyperion zehnmal. Allerdings standen die beiden Erst- genannten zur Zeit der Beobachtungen selten günstig. *) Und wiorlerliolt im Inufonden .Talii-c. **) Am "26. April l.Si)() allin-(linf;3 vei-moehtc ich diu Antn- niadischc Tlieilunp mit Sicherheit festzustellen und eine lioch- int(>res.santii Zciclmunf^ aufzunehmen, welche nebst 24 andern colorirtcn und vielen nncolorirten Zeichnungen in der astrono- mischen Abtheilung der heurigen Gewerbeausstellung zu Treptow- Berlin besichtigt werden kann. XI. Nr. 22. Natnrwisseuscliaftliche Wochenschrift. 26.S Uranus wurde wegen seines tiefen Standes nicht beobachtet und Neptun nur ein einziges Mal (V4 Stunde). Sein 1894 so deutlich gesehener Mond war diesmal un- sichtbar. Nebelflecke und Sternhaufen wurden 52 Mal beobachtet (19^/4 Stunden;, doch ist nur eine Beob- achtung des Andromeda - Nebels (G. C. 116) vom 24. August erwähncnswerth. Bei Luft 1 zeigte Vergrösse- rung 98 einen Stern in der Mitte, Vcrgrösserung 189 gab Anzeichen von Auflösung, Vergr. .378 zeigte schon viele Sterne im Nebel, Vergr. 672 endlich stellte den Nel)el als eine Masse von unzähligen feinen Lichtpiinktchen (13. — 15. Grösse) dar, welche über das ganze Gesichts- feld (4'30") zerstreut waren und auf einem dünnen Nebel- sehleier lagerten. Für die ausserordentliche Güte der Luft spricht der Umstand, dass selbst noch 830 fache Vcr- grösserung (Gesichtsfeld 3') anwendbar war und die Licht- pünktchen ersichtlich machte! Doppelsterne wurden 109 Mal (123% Stunden) andere Fixstere 90 Mal (74V2 Stunden) beobachtet. Letztere theils mit dem Spectroskop, theils zur Einstellung des Fernrohres, (was durch Herabstürzen des Uhrgewichts wiederholt nöthig wurde!) oder zur Zeitbestimmung, oder bei Bedeckungen durch den Mond. Was die Doppelsterue betritft, so habe ich das Bemerkenswertheste oben unter „Leistungen des Aequatoreals" bereits mitgetheilt. Von den Sternbedeckungen erheischt nur jene des Regulus durch den Mond am 26. Juni besonderes Interesse. Ich nahm nämlich l'/o — 2 Secunden vor dem plötzlichen Ver- schwinden des Sternes eine zwar schwache jedoch ganz zweifellose Lichtabnahme wahr, die ich mir durch die Annahme erklärte, dass Regulus ein enger Doppelstern sei. Nachdem ich jedoch Prof. William Pickering's Mond- beobachtungen im XXXII. Bande der „Annais of the Harward College Observatory" gelesen habe, bin ich über- zeugt, dass diese fast unmerkliche Lichtschwächung eine Folge der d ü n n e n M 0 n d - A t m 0 s p h är e war. Weitere Beobachtungen werden dies vielleicht klarstellen. Nach Kometen wurde 11 Mal gesucht (23 Stunden) doch ohne Erfolg. Dem Monde wurde 1895 eine geringere Aufmerk- samkeit geschenkt als 1894, daher erklärt es sich, dass die Zahl der entdeckten Objecte eine geringere ist. Theil- weise rührt dies aber auch daher, dass ich hauptsächlich immer wieder dieselben Gegenden betrachtete, in welchen ich meine ersten Entdeckungen gemacht hatte, weil es mir weniger daran liegt, neue Objecte zu ent- decken, als etwaige Veränderungen auf dem Monde fest- zustellen. Letzteres ist aber nur dann möglich, wenn man die betreffende Mondlandschaft sehr oft und unter den verschiedensten Beleuchtungen gesehen hat. Wollte ich jedes Mal eine andere Mondlandschaft beobachten und mich ausschliesslich mit dem Monde beschäftigen, so wäre es mir ein Leichtes jährlich einige Tausend neue Objecte zu entdecken. Beweis dessen der Um- stand, dass ich, als ich einmal eigens auf die Entdeckung von neuen Rillen ausging, selbst bei mittelmässiger Luft binnen 2 Stunden 25 Rillen und nebenbei 14 Krater ent- deckte — theilweise in Gegenden, welche vorher von allen Mondbeobachtern auf das Genaueste durchforscht worden waren! Es hat zwar nicht an Zweiflern gefehlt, weil die meisten meiner Entdeckungen in anderen Fernrohren un- sichtbar sind, aber in dieser Beziehung kann ich mich auf das Urtheil des Herrn J. N. Krieger aus Gern berufen, welcher an einem Abend bei uns beobachtete und trotz mittelmässiger Luft nicht nur meine Entdeckungen bei Hyginus, Cassini, Linne, Plato etc. selbst sah, sondern auch im Archimedes, Ptolemäus etc. derart feine Objecte wahrnahm, dass er im „Sirius'' bewundernd schrieb: „Von der Leistungsfähigkeit dieses Refractors war ich ganz betroffen!'' Dieses Urtheil fällt umso mehr ins Gewicht als Herr Krieger seit 9 Jahren an einem ausgezeichneten 10'/5-zölligen Refractor beobachtet.*) Die Zahl der Beobachtungen beträgt im Ganzen 184 mit 63% Stunden, darunter 15 Durchmusterungen mit 11'/ 4 Stunden. Auf die Beobachtungen der einzelnen Mondlandschaften entfallen davon: Name der Mondlandsehaft Zahl der Agatliarfliidt's Arago Arcliimedes Ariadaeus Aristoteles Aizachol Asciepi Barrow Billy Birt Caiiipanus Cassini Copi'niicus Cyiillus De Gasparis DeLambre Dionysius Euclides Eudo.xus Fracastor Gassendi Haiiizt'l Hansteen Hippalus Hominel /' Hyf;inus Katharina, Letronnt' Lindenau Linne Maclear Maginus Manners Mersenius Messier NicoUet Nubium Mari' Picciilomini Pitatus Plato Polybius c Posidonius y Ptolemäus Ramsden Riphaeus d Ritter Sabine Schickard Sosigenes a Tannerus Thebit Tycho :..,. Vitello ,. .-..:,.. . Zagut 6 .'..,.. 1895 = 54 Landschaften . . 1894 = 37 Zusammen 1 1 1 1 1 1 1 5 1 G 1 7 4 1 1 1 1 1 5 1 4 1 1 2 1 14 1 1 1 23 1 1 1 2 1 1 1 1 1 11 1 7 4 2 17 1 1 1 1 1 5 14 1, i 169 •123 '/4 'U 'U 'U V4 V4 1 V4 1% % 1 V4 V4 1/ '4 '/4 1'/.. /^ V4 V4 '/4 'A 'A '/4 V» V4 Va V2 'A 5''^ 1OV4 '/4 'A V4 '/4 . V4 1 4 . ■ 'A : tl. 52 'A ? ■ Zahl der entdeckten 100 128 28 36 140 : 2-28 64 11 3 Es muss jedoch bemerkt werden, dass von diesen 446 Objecten'* einige auch unabhängi;. von mir von *) Ende April 189G hatte auch Herr Ph. Fauth aus Land- stuhl Gelegenheit dieses Urtheil durch eigene Wahrnehmung zu bestätigen. **) Die Zahl derselben hat sich bis zur Drucklegung dieser Zeilen bereits auf 832 erhöht, nändich 325 Rillen, 371 Krater und 136 Bürge etc. 264 Naturwissenscli;iftliche Wocheiiscbrif't. XI. Nr. 22 anderen Beobachtern entdeckt wurden, sowie dass manche auch nur Richtigstellungen sind. (z. B. Berg statt Krater, Rille statt Höhenzug oder nnigekehrt.) Bei jenen Land- schaften, welche nur einmal beobachtet wurden, sind Irrthümer selbstverständlich nicht ausgeschlossen, denn mitunter kommt es vor, dass man unter einer gewissen Beleuchtung oder Libratiou einen Krater für einen Berg, oder eine Rille für einen Höhenzug ansieht — oder umge- kehrt — während eine andere Beleuchtung oder Libra- tion jene Objecte in anderer Gestalt erkennen lässt. Veröffentlichungen: Nachdem unsere Mittel uns den Luxus von umfangreichen jährlichen Beobachtungs- berichten nicht gestatten, bin ich gezwungen, das Wich- tigste darüber auszugsweise so gut es geht, in Zeit- schriften zu veröffentlichen. Um nun denjenigen, welche sich dafür interessiren, Gelegenheit zu geben, meine bis- herigen Veröffentlichungen kennen zu lernen, gebe ich hier ein Verzeichniss derselben: „Asti'onomische Nachrichten". Kiel. No. 3268. Marsl)eobachtungeii an der Manora-Sternwarte vor der Opposition 1894. (Mit 2 Tafeln.) „ 3288. Marsbeobachtungen an der Manora-Sternwarte nach der Opposition 1894-1895. (Mit 2 Tafeln.) „ 3293. Ueber die Ellipticitiit des I. Jupiter-Mondes. „ 3299. Ueber eine merkwürdige Erscheinung auf der Venus. „ 3300. Zur Frage der Rotation der Venus. (Mit Slvizze.) „ 3306. Bedeckung des Kegulus durch den Mond. „ 3314. Die Schatten auf der Venus. „ 3322. Jupiter-Beobachtungen an der Manora-Sternwarte 1894 bis 1895. (Mit 2 Tafeln.) »Naturwissenschaft liehe Wochenschrift". Berlin 1895. No. 2. Veränderungen auf dem Monde. (Mit Skizzen.) „ 28. Thätigkeit der Manora - Sternwarte im Jahre 1894. (Mit Abbildungen). „ 34. Zur Frage der Venus-Kotation. „Sirius". Köln und Leipzig. 1894 No. 7. Die Manora-Sternwarte. 1895 „ 3. Neue Wahrnehmungen am Mondkrater Linne. „ 9. Zur Frage der Venus-Rotation. „ 11. Ueber die Elliptioität des I. Jupitermondes. „ 12. Die Flecke auf der Venus. L Astronomie. Paris. 1894. No. 12. Observations de Mars. (Mit Skizze.) Bulletin de la Societe astronomique de France. Paris. 1895. No. 4. Le tour du monde do Jupiter en 10 lieures. (Mit Abbild.) „ 6. Le-s taches pohures de Mars. „ 9. La rotation de V^nns. (Mit Abbild.) „ 9. Nouveau planisphire de Mars. (Mit Abbild ) „Les Sciences populaires". Paris. 1895. No. 3. Resultat des observations de Mars faites k l'observatoire Manora. (Mit Abbild.) „ 7. La planete Venus. „Journal of the British As tr onom i cal Associat i on". London. . . 1894 No. 8. Possibles changes near Cassini. „ 9. Astronomical drawings. • „ 10. Charts of Mars. „ 10. Publication of the observations of our mcmbers. 1895 „ 1. Recent observations of Linne. (Mit Skizzen.) „ 2. Invitation to Observation of Jupiter. „ 3. Largi' versus small telescopes. „ 4. The changes of Linne. „Memoire of the British Astronomical Association." London 1895. Vol. III. Part. V. Observation.s of Vendelinus, Gasscndi, Hy- giinis N, Marc Serenitatis, Petavins, Pluto, Schickard, Thebit, Arzach<;l, B(\ssel, Capeila, Cassini, Fracastor, Goclenius, IIii)i)alus, Landsberg, Linne, Hevel, Lohr- mann, Cavallerius, Mare Humorum, Mare N\ibium, Otto Struve. (Mit Abbild.) Englisli Mechanic and World of Science. London. No. 1540. Tlio Manora Observatory now 7 inch refractor. (Mit Skizzen). „ 1545. Mars before Opposition 1894. (Mit Skizzen). No. 1547. Mars observed at the Manora Observatory. (Mit Skizzen). — Planetary markings. „ 1548. How to observe Mars. - Mars, Venus and Mercury. — Monsieur Terby. „ Ij.W. The Manora refractor. — Planetary observations at the Manora Observatory. (Mit Skizzen.) ,, 1552. How to observe Mars. — Mars after Opposition, ob- served at the Manora-Übservatory. (Mit Skizzen.) — Invitatio!!. ,, 1553. Jupiter 1894, observed at the Manora Observatory. (Mit Skizzen). — Peculiar aspects of Mars. (Mit Skizzen). — Projection on the terminator of Mars. „ 1550. Jupiter 1894, observed at the Manora Observatory. (Mit Skizzen.) — General drawing of Jupiter. — Mars 1894. (Mit Skizzen). — Work of the Manora Ob- servatory in 1894. — Last reply to Mr. Terby, „ 1557. Lunar observations at the Manora Observatory. (Mit Skizzen.) „ 1560. Jupiter 1895. (Mit Skizzen). „ 1561. Lunar observations IL (Mit Karten.) „ 1564. Around Jupiter in 10 hours. (Mit Skizzen.) „ 1568. The first satellite of Jupiter elliptical. — Chart of Mars. — (Mit Abbild.) „ 1569. Jupiter 1895. (Mit Skizzen.) „ 1570. Lunar observations III. (Mit Karten.) — Chart of Mars. (Mit Skizzen.) — Zodiacallight. „ 1574. Charts of Jupiter and observations at the Manora Ob- servatory. (Mit Abbild.) „ 1578. Saturn 1895. (Mit Skizzen.) - Venus 1895. (Mit Skizzen.) , 1581. Venus 1895. (Mit Skizzen). „ 1583. „ B n » „ lo84- „ „ „ „ " 1590. The first "chart of Venus. (Mit Abbild.) „ 1592. Chart and rotation of Venus. (Mit Abbild.) „ 1597. Drawings of Venus. Various answers. (Mit Abbild.) „ 1002. Venus 1895. (Mit Skizzen.) „ 1604. Jupiter 1895. (Mit Skizzen.) Ausser diesen 96 wissenschaftlichen noch 6 Aufsätze und 5 Feuilletons populär-astronomischen Inhalts in „Ueber Land und Meer", „Buch für Alle", „Bibliothek der Unter- haltung und des Wissens", „Wiener Tageblatt", „Tages- post", „New- Yorker Staatszeitung" etc. Arbeitsprogramm für 1896. Das Hauptaugen- merk wird, wie bisher, den Planeten zugewendet werden. Jupiter soll von Neujahr bis Mai, und von November bis Ende des Jahres beobachtet werden, wobei die Haupt- aufmerksamkeit den Rotations-Zeichnungen, (womöglich mikronietrischer Bestimmung der Lage hervorragender Flecken und demzufolge der Berechnung ihrer Eigen- bewegung,) der Ellipticität der Satelliten und überhaupt der Erforschung der physischen Besehaff'enheit des Planeten zugewandt werden soll.*) Venus soll von Neujahr bis Juni und von October bis Ende des Jahres beobachtet werden, behufs Ver- besserung ihrer Karte und der von mir für ihre Rotations- zeit, Neigung und Knoten gefundenen Zahlen, sowie Er- forschung ihrer physischen Beschaffenheit. Mars soll womöglich schon im März, mindestens aber im Mai aufs Korn genommen und das ganze Jahr hindurch beobachtet werden, weil die letztjährigen Be- obachtungen bewiesen haben, dass ich selbst bei einem Durchmesser von .^)" die Schnceflecke bei Tageslicht sehr gut zu erkennen vermag. Bin ich bis dahin im Besitze eines vorzüglichen Fadenmikrometers, so werde ich die Schnceflecke messen bezw. ihre Abnahme genau fest- stellen und ebenso später einzelne Objecte der Oberfläche, namentlich Fastigium Aryn und den Sinus Titanum. Viel- leicht gelingt es mir, dann dem wackeren Ephemeriden- Rechner, Herrn Marth, brauchbares Material zu Ver- besserungen zu liefern. Selbstverständlich wird das Studium der physischen Beschaffenheit des Planeten mit *) Bis zur Zeit, da diese Zeilen in Druck gehen, wurden thatsächlich bereits 94 Zeichnungen aufgenonnnen und eine Menge von Messungen und interessanten Beobachtungen gemacht. ) XI. Nr. 22. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 265 diesen Beobachtiingeu Hand in Hand gehen. Eventuell sollen auch die Satelliten nicht vernachlässigt werden.*) Saturn steht heuer noch tiefer und noch ungünstiger, es ist also fraglich, ob sich seine Beobachtung lohnen wird. Immerhin soll er zwischen März und Jnli bei guter Luft wiederholt beobachtet werden, namentlich falls es mir wieder gelingen sollte, Flecke auf ihm zu sehen. Die übrigen Planeten, die Sonne, Nebelflecke und Fixsterne werden wohl gelegentlich beobachtet werden, nicht aber so systematisch, wie die eben aufgezählten vier Planeten. Findet sich Jemand, der uns zu einem ordent- lichen Spectroskop verhilft, so soll auch den Sternspektren *) Mars wurde thatsächlich bereits im Januar, Februar und März beobachtet, aber erst vom 14. April ab war es mir möglich, die Schneeflecke, Meere und Länder mit Deutlichkeit zu sehen. Bezeichnend für diese Deutlickeit ist der Umstand, dass selbst Herr Fauth, der sich vorher wegen der una;ünsti£;en Lage seiner Sternwarte niemals mit Mars-Beobachtungen beschäftigt hatte, auf den ersten Blick durch unser Fernrohr (bei Sonnenlicht) alle Objecte erkannte, so dass seine unabhängig aufgenommene Zeichnung mit der meinigen vollkommen übereinstimmte. Der Durchmesser des Planeten betrug aber nur 5" 25. grössere Aufmerksamkeit als bisher geschenkt werden. Sonst fällt die Beobachtung von Veränderlichen, Doppel- sternen, Kometen, Zodiacallicht*j, Sternhelligkeiten etc. ausserhalb des Rahmens unseres Arbeitsprogramms. Was den Mond betrifft, so werde ich bisher auch fernerhin gerne jene Gegenden erforschen, um deren Be- obachtung ich von Collegen ersucht wurde. Ebenso werde ich fortfahren, gewisse Landschaften auf topogra- phische Veränderungen hin zu untersuchen.**) Sonst ge- denke ich auch nach neuen Rillen zu fahnden. Aber gegen die Hau))tsachen (Venus, Mars und Jupiter) muss die Mondbeobachtung doch zurücktreten. Nur den Bedeckungen von Sternen durch den Mond soll behufs Ergrüudung einer eventuellen Mond-Atmosphäre mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden als bisher. *) Immerhin habe ich bereits eine Reihe sehr interessanter diesbezüglicher Beobachtungen gemacht. **) In dieser Beziehung gelang mir bereits ein solcher Nach- weis bei Hyginus N (wo ich, nebenbei erwähnt, 26 Rillen, 50 Krater und 9 Berge entdeckte!), worüber ich demnächst ausführlich in dieser Zeitschrift Bericht erstatten werde. „Unter suclnuigeii über den feineren Bau der Cestoden" veröffentlicht Ernst Zernecke in den Zool. Jahrb., Abth. f. Anat. u. Ontog., 9. B., S. 92. Dieselben wurden mit der Golgischen Chronisilbermethode sowie mit Hülfe der Färbung des lebenden Gewebes durch Methylen- blau angestellt. Es konnten auf diese Weise manche wesent- liche bisher unbekannte Strueturverhältnisse geklärt werden. Die Untersuchungen wurden an einer ganzen Reihe von Bandwürmern, namentlich an Ligula aus der Plötze, aus- geführt. Das Grundgewebe der Cestoden stellt sich als eine homogene Masse heraus, in der zahlreiche ver- zweigte Zellen liegen, deren protoplasmatische Ausläufer Scheiden von Intercellularsnbstanz ausgeschieden haben und dadurch als ein Maschenwerk alle Organe durch- flechten. Namentlich den Muskelfasern schliessen sich diese Ausläufer an, um sie zu stützen. — Die Muskel- elemente haben ihre Zellnatur noch deutlich bewahrt. Alle Muskelfasern stehen mit ihrer plasmatischen kern- haltigen Bildungszelle in Zusammenhang. Es finden sich alle Ueltergänge von der nematoiden Grundform bis zum Muskel der Ringelwürmer. Bei jener liegt die Bildungs- zelle der von ihr abgeschiedenen contractilen Substanz seitlich an. Sie vermittelt ausserdem die Beziehung zum Nervensystem und zu diesem Zweck entsendet sie lange Fortsätze bis zur dorsalen und ventralen Mittellinie. Mit diesem Typus stimmen die äusseren Rings- und Längs- muskeln der Cestoden überein, wenn auch die Verlage- rung der Muskelfasern an die Oberfläche ihre Trennung von der Bildungszelle herbeigeführt hat. Die übrigen Cestodeumuskeln bilden eine Uebergangsform von dem Nematoden- zu dem Hirudineeumuskel. In letzterem ist die Bildungszelle von der contractilen Rindenschicht ein- geschlossen. Je weiter dieser Einschluss seiner Vollendung entgegen geht, um so kürzer werden die Fortsätze der Bildungszelle, und umsomehr kommen die Nerven der Zelle entgegen, bis schliesslich, wie bei den Ringel- würmern (und auch Wirbelthiercn), der Nerv die con- tractile Lücke der eingeschlossenen Zelle durchbricht, um in diese einzudringen. — Als Excretionssystem ergab sich ein innerer in der Mittelschicht zwischen den beiden Längsnervenstämnien verlaufender und ein äusserer zwischen den Subcuticularzellen und der inneren Längsmusculatur gelegener Gefässplexus. Am Vorderende des Thieres gehen beide Plexus vermittelst zahlreicher Canäle in ein- ander über, ausserdem strahlen viele feine Capillaren vom inneren zu dem äusseren aus. Der äussere Plexus mündet mit einer Reihe seitlicher Mundungen nach aussen. — Das Nervensystem der Bandwürmer war bisher noch wenig bekannt, und gerade für dieses System ergaben die oben genannten Methoden Ergebnisse, die man für strenge Entoparasiten kaum geahnt hätte, näm- lich das Vorhandensein reicher Nerven- und Sinneszellen. Die Centralorgane sind die Längsstämme nebst der 6e- hirncommissur. Sie sind von einer Hülle umgeben, be- stehen aus zahlreichen Ganglienzellen und davon aus- gehenden Seitennerven. Die Längsstämme sind den Seitennerven der Nemertinen sowie dem Bauchmark der Ringelwürmer homolog. Freilich sind die Ganglien noch nicht wie bei den letzteren eonccntrirt, und die Seiten- nerven entspringen nicht in regelmässig wiederholten Wurzeln. Das periphere Nervensystem lässt sensible und motorische Fasern sowie einen subepithelialen Nerven- plexus unterscheiden. Die sensiblen Zellen sind unter dem Epithel gelegene, specifische Sinneszellen, deren cen- trale Fortsätze frei in den Längsstämmen endigen, und deren peri])herische Fortsätze mit in der Cuticula gele- genen Endbläschen in Verbindung stehen. Die kugeligen oder birnförmigen Bläschen werden von den Nervenfasern senkrecht durchsetzt; oben endet die Faser mit einer plattenartigen Verbreiterung. Zweitens weist das sensible System frei im Epithel endigende Endbäumchen auf, deren Ganglienzellen zum Theil im subepithelialen Plexus, zum Theil in der Tiefe liegen. Sinneszellen und freie Nerven- endigungen sind in ungefähr gleicher, sehr grosser Zahl über die ganze Körperoberfläche verbreitet. Die moto- rischen Muskelnerven kommen theils aus den Längsstämmen, theils aus dem Plexus. Dieser ist mit jenen durch zahl- reiche Nervenfasern verbunden, in deren Verlauf bipolare, spindelförmige Ganglienzellen eingeschaltet sind. Dieselben Sinneszellen, die die Cestoden haben, finden sich bei Poly- chäten und Mollusken, ja auch localisirt in der Geruehs- schleimhaut und den Gesehmackspapillcn von Wirbelthiercn wieder. — Schliesslich stellte Verfasser fest, dass die Bandwürmer ein echtes Epithel besitzen, dessen Product die Cuticula ist. In dieser liegen unter Einsenkungen verästelte Zellen, deren Endfortsätze jene Einsenkungen körbchenartig umklammern. Vielleicht stehen die Appa- rate im Dienste der Nahrungsaufnahme. C. Mft'. 266 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XL Nr. 22. Die Tsetsefliege (Glossina luorsitans Westw.), ein unserer Stechfliege sehr nahe stehendes Insect des tro- pischen Afrika, war und ist zum Theil heute noch ein sehr gefürchtetes Thier, insofern es den meisten Haus- thieren durch seinen Stich Krankheit und selbst den Tod bringen sollte. Die dabei beobachteten Erscheinungen haben aber in der letzten Zeit zu der Annahme geführt, dass die gefährliche Krankheit gar nicht durch jene Fliege hervorgerufen wird, sondern contagiöser Natur ist. Neuer- dings hat nuQ der Engländer David Bruce diese Frage im Zululand, welches wegen der Tsetsefliege von jeher sehr gefürchtet ist, näher untersucht und die Ergebnisse in einer kleinen Arbeit veröffentlicht, von der das letzte Heft der „Annales de ITnstitut Pasteur" einen Auszug bringt. Der Stich der Tsetsefliege ist unter gewöhnlichen Umständen nicht schlimmer als der unserer Stechfliege; wenn er auch ziemlich schmerzhaft ist und Röthe und Geschwulst erzeugt, so ist er doch ohne jegliche schäd- liche Folgen. Die unter dem Namen „Nagana" bekannte Krankheit, welche dem Stich der Tsetsefliege zuge- schrieben wird, wird nach Bruce dm'ch einen im Blute lebenden Parasiten veranlasst, der identisch ist oder doch wenigstens sehr grosse Aehnlichkeit zeigt mit Trypanosoma Evansi, einem Haematoparasiten, welcher in Indien eine ähnliche Krankheit erzeugt. Die Nagana äussert sich durch heftiges Fieber, starke Abmagerung, eine mehr oder weniger schnelle Zerstörung der rothen Blutkörper- chen, reichliche Ansammlung einer leicht gerinnenden Flüssigkeit in den subcutanen Zellgeweben des Halses, des Leibes und der Extremitäten der erkrankten Thiere und endlich durch die constante Gegenwart eines im Blute schwimmenden Parasiten. Der letztere tritt am Anfange der Krankheit einzeln auf, nimmt an Zahl zu in dem Maasse, wie die Krankheit schlimmer wird, und ver- schwindet, wenn Heilung eintritt; bei der Untersuchung eines an der Nagana crepirteu Kindes fand Bruce in einem Cubikcentimeter Blut gegen 73 000 Parasiten. Der Parasit ist durchscheinend und vou langge- streckter Gestalt; er bewegt sich lebhaft schlängelnd zwischen den Blutkörperchen umher, von denen er zu leben scheint. Er erreicht etwa die zwei- bis dreifache Länge eines Blutkörperchens, während seine Breite unge- fähr den vierten Theil eines solchen beträgt. Die Rolle, welche nun die Tsetsefliege bei der Nagana spielt, ist die, dass sie diese kleinen Parasiten überträgt. Wenn sie an einem Thiere gesogen hat, welches in Folge der Nagana gefallen ist, so ist ihr Saugrüssel dicht mit Parasiten bedeckt, und es kann so leicht eine Infection eines bisher völlig gesunden Thieres stattfinden. Dass die Uebertragung nicht durch das Einathmen inficirtcr Luft gescliicht, geht daraus hervor, dass man in gesunden Gegenden Thiere krank machen kann, wenn man sie von Fliegen stechen lässt, die man aus einer verseuchten Gegend bezogen hat. S. Seh. Der Arzneischatz hat in jüngster Zeit eine sehr vverthvolle Bereicherung in einem neuen Desinfections- mittel, dem Forinalin, erhalten, das von der Schering' sehen Fabrik in Berlin in den Handel gebracht worden ist. Das Fornialin ist eine 40 procentigc Lösung des Formaldehyds (CH^Oj d. h. des Aldehyds der Ameisen- säure und des Oxydationsproductes des Methylalkohols, welches entsteht, wenn man die Däm])fe des letzteren über eine glühende Platinspirale zusammen mit Luft streichen lässt. Es entwickelt sich dabei ein farbloses, stechend riechendes, in Wasser leicht lösliches Gas, welches sich an der Luft zu Ameisensäure oxydirt. Durch diese reducirende Wirkung auf andere Körper kommt offenbar die desinficirende Kraft des Formaldehyds zu Stande. Sie ist zuerst von Dr. Low in München beob- achtet worden. Daran schlössen sich gleiche Mittheilungen von Buchner und Segall, Aronson (Berlin), Trillat, Berlioz und verschiedene andere noch jüngst von Dr. Walter (Hannover), der über seine auf die bacterieufeindliche Eigenschaft des Formalins gerichteten Untersuchungen in der Zeitschrift für Hygiene und Infectionskrankheiteu be- richtet. Die bisherigen Mittheilungen lassen mit Bestimmt- heit erkennen, dass in dem Formalin ein Desinfections- mittel gefunden ist, welches seine meisten Vorgänger an Brauchbarkeit erheblich übertrifft. Der beste Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung ist die Thatsache, dass das Formalin in den drei Jahren, seitdem es bekannt wurde, bereits fast allgemein Eingang in die verschie- denen Zweige der Desinfectionstechnik gefunden hat. Das Formalin besitzt fast alle Vorzüge, welche man von einem guten Desinfectionsmittel fordern muss: es besitzt eine sehr starke bacterieufeindliche Kraft, ist dabei nur sehr wenig giftig und für den praktischen Gebrauch sehr bequem zu handhaben. Das Formalin kann nämlich in allen drei Aggregatzuständen: fest, flüssig und in Gasform zur Anwendung kommen, wodurch seine Ge- brauchsfähigkeit sehr vielseitig wird, während für unsere besten Desinfectionsmittel sonst der Kreis ihrer Anwend- barkeit beschränkt ist. In fester Form kommt das For- malin als Pulver, von Kieselgnhr aufgesaugt, und in Pastillen in den Handel, von denen das erstere 20 Vo, die letzteren 50 "/o Formalin enthalten und den Namen „Formalith" tragen. Noch in sehr stark verdünnten Lösungen (1 auf 10 000 Wasser) tötet das Formalin Cholera-, Diphtherie- und Typhusbacillen, die Eitererreger mit Sicherheit, aber auch sogar Milzbrandsporen, die weitaus widerstandsfähigsten Mikroorganismen, welche immer für die desinficirende Kraft eines Mittels als Prüf- stein gelten, in einer Verdünnung von 1 auf 750 in 15 Minuten. Wie die meisten Desinfectionsmittel verhält sich auch das Formalin den einzelnen Bacterien gegen- über sehr verschieden. Während es gerade den Milz- brandbacillen gegenüber sehr wirksam ist, leistet ihm der Staphylococcus pyogenes aureus erheblichen Widerstand, und auf Fäulnissbacterien und Schimmelpilze hat es fast gar keine Einwirkung. Es wirkt zumeist nur an der Oberfläche, mit der es in Berührung kommt, in Gasform dringt es allerdings an alle Theile des zu desinficirenden Gegenstandes, auch etwas in die Tiefe desselben ein. Wegen der flüchtigen Natur des Formalins wirkt ein Theil desselben daher stets auch als Gas. Das Formalin eignet sich zur Desinfectiou der Haut, von Wunden, Gelassen, Geräthschaftcn und Kleidungsstücken, weniger für Instru- mente. Zur Desinfection von Kleidungsstücken konuut es in Form von Spray zur Anwendung, der allerdings 12 bis 24 Stunden andauernd angehalten werden muss, aber den Vortheil hat, dass er die Kleider nicht durchnässt. Nur durch die Nothwendigkcit der längeren Einwirkungs- dauer steht daher das Formalin für diese Zwecke hinter dem Wasserdampf, dem souveränsten aller Desinfections- mittel, zurück. Für kleinere Betriebe wird ihm das billi- gere Formalin sicher erhebliche Concurrenz machen. Das Formalin wirkt auch desodorirend und couscrvircnd, es wird z. B. jetzt von den Anatomen zur Aufbewahrung und Härtung von Organstücken vielfach verwendet; es ist in dieser Hinsicht mindestens ebenso leistungsfähig als der Alkohol und dergleichen Mittel, üebrigens erhöht sich die desinficirende Wirkung des Formalins in Ver- bindung mit Alkohol. Schliesslich ist noch eine sehr eigenthüniliche Eigenschaft des Formalins zu erwähnen: CS bringt lebendes (ievvebe zum Absterben (Necrose), XI. Nr. 2->. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 267 macht die Haut lederartig, beschleunigt daher z. B. die Abstossung- eitriger und zerfallener Gewebstheilchen. Ein Berliner Chirurg, Dr. Schleich, hat von dieser Eigen- schaft des Foruialins bereits ■ eine sehr werthvolle An- wendung gemacht, (vergl. Naturw. Wochenschr. Bd. XI, S. 191 ff.); er hat eine Formalingelatine hergestellt, welche als Pulver auf die Wunden gestreut wird und die Heilung derselben sehr begünstigt. Die antiseptische, resp. asep- tische Wundbehandlung hat durch das Formalin eine neue Vervollkommnung erfahren. A. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Chemiker Dr. Karl Bischof in Wies- baden zum Professor; der Docent an der Thierärztlichen Hoch- schule in Hannover Dr. Bernard Malkmus zum Professor. Es habilitirten sich: Dr. Hans Batterniaun in Berlin für Astronomie: Dr. von G eitler in Prag für Physik; an der tech- nischen Hochschule zu München Dr. Hofer, Assistent am elektro- chemischen Laboratorium daselbst, für Elektrochemie. In den Ruhestand tritt: Der ordentliclii' Professor an der technischen Hochschule und Director des botanischen Gartens zu Darmstadt Dr. Leopold Dippel. Es starben: Der Director des landwirthschaftlichen Instituts zu Götting;en Prof Liebscher; der Optiker Hermann Haensch, Chef der bekannten Firma Schmidt und Haensch in Berlin. Die Wanderversammlung der südwestdeutschen Neuro- logen und Irrenärzte wird am 6. und 7. Juni in Baden-Baden stattfinden. L i 1 1 e r a t u r. Peter, Dr. Carl, Die Anatomie, Morphologie und Physiologie der Pflanzen. Repetitorium für Studirende der Naturwissen- schaften, Aledicin und Pharmacie. Theodor Ackermann, München 1896. — Preis 0,6U Mk. Das Heft bietet auf nur 28 Seiten für die Repotition eines Studirenden, der bereits einige Collegs mit Vortheil besucht hat, bestimmte kurze Sätze, aber doch etwas wenig, um weiteren An- sprüchen zu genügen. Dem Mediciner, von dem bei der heutigen Prüfungs-Ordnung oft nur einige Schlag-Worte verlangt werden, genügt das Gebotene vielleicht. Regierung-srath Prof. Dr. J. M. Eder und E. Valenta, Ver- suche über Photographie mittelst der Köntgen'schen Strahlen. Vei-lag von R. Lechncr (W. Müller) in Wien und Wilhelm Knapp in Halle a. S. 1896. — Herausgegeben von der k. k. Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie in Wien mit Genehmigung des k. k. Ministeriums für Cultus und Unter- richt. — Preis 20 M. In dem Te.\te der vorliegenden Veröffentlichung sind die Ver- suchsbedingungen zum praktischen Arbeiten mit Röntgen-Strahlen beschrieben und durch 8 Figuren sowie 15 ganz prächtige helio- graphische Tafeln im Format von 35 X 50 cm erläutert. Die Autoren haben sich bemüht, die Röntgeu'sehe Entdeckung für die Praxis nutzbar zu machen, indem sie das Verfahren gründlich studirten und auf experimentellem Wege die Exposjtionszeit abzu- kürzen und vollkommen klare scharfe Bilder zu erhalten trachteten; sie beschreiben die bei verschiedenen Aufnahmen getrofi'euen Ein- richtungen, die von ihnen verwendeten Apparate und Stromquellen und geben endlich bei Erklärung der in den Tafeln enthaltenen Abbildungen nützliche Winke bezüglich der Aufnahme ver- schiedener (Jbjecte. Die Aufnahmen auf den 15 Tafeln betreffen 42 Objecte; es sind entschieden die besten Aufnahmen, die bisher erschienen sind. Es sind nachfolgende Objecte auf den Tafeln in Kupferdruck mit Chinapapier reproducirt: I. Hand einer 21jährigen Frau (Facsimile des Negativs). II. Hand eines 8jährigen Madchens (Facsimile des Negativs). III. Hand eines 4jährigen Kmdes, welches an Rhachitis erkrankt war (Facsimile des Nega- tivs). _ ly. Fuss eines 17jährigen Jünglings mit verkrümmter Zehe (Jiioliei-. Sacbs-Villatte Encyklopädisches 'Wörteibuch der französischen und deutschen Sprache. A. I B. Gr. Ausg. Hand- u. Schul- Ausg. V. Auflage 8S. Auflage. Teil I nebst! T.l (franz.- Beide Teile Supplem. ! deutsch): in einem 196;i Seiten! 658 Seiten. Band gebd. geb. 42 Mk'; Teil 11 13 M. 5(i Pf. Teil II , (deutsch- jeder Teil 2132 Seiten I französ.): einzeln geb. geb. 42 Mk.' 853 Seiten. 7 M. 2.i Pf. Murc't-Sanders Encyklopädisches Wörterbuch der engli- schen und deutschen Sprache. Teill:, . Teil II: Encliäcb - dpuf Bch von Deutsch - englisch von Prof. Dr. Ed. Muret Prof. Pr. D. Sanders. Erscheint seit 1S91 in Lieterongeu a 1 Mk. 50 Pf. Der erste llalbband, A — K des ersten Teiles lief,'t fertifr vor. Preis geb. 21 Mk. Ausserdem Lfg. 13/19. Voraussichtlicher Vollendungstermin des I. ensl--d'utfiL)ien Tttleg: Juli 1S97. T ' ' von Mui-et-Sand.rs, Hand- wird ebenfÄlls Mitte ISt'T, vollstündiy vorlieK«^» - lud Schulau . Teil II Eude "l898 Sachs-Villatte bez. Muret-S.inders sind unter allen ähnlicheu Werken die ■neuesten, reichhaltigsten und vollständigsten. Sie sind die einzigen, welche bei jedem Worte angeben: 1. Aussprache, '2. Gross- uod Kleinschreibung, 3. Konju- gation und Deklination. 4. Stellung der Adjectiva. 5- Etymologie etc. K(-ilin S\V. 4,. Dritte A (jtheilunsr. enthaltend: Kos- mische Physik. Redigirt vnn Rieh ard A.ssniann. Preis 25 .'' Verlas von Fiedr. Vieweg i Sohn in B r a u n -eh weis. Zu beziehen durch ,ie. Grössere AufträRe ent-^»f i instalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist ^ 4.- 00 sprechenden Rabatt. BeilaRcn nach üebereinkimft. Inseratenannahme» jk* Bringegeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4S27. A bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. j},U. Abdruck \^t nur mit vollständiser / reducirt erhält man 1 , sin (a -+■ ex) - log — ^ '- c sina als Gleichung der Lichtcurve. Der Krümmungshalbmesser ist nach der Formel ,_ h©T dx^ c • sin (a + ex) Für :e = 0 und a = 90° ist aus Beobachtungen be- rechnet worden, dass der Krümmungshalbmesser des Lichtstrahles das 7fache des Erdhalbmessers betrage (sieiie Lambert „lieber die Bahn des Lichtes durch die Luft etc."). Man hat also, in km ausgedrückt _ 1 ^ "~ 44625* TT Setzt man in der Gleichung a =-^ — ß, wo dann ß den Winkel bezeichnet, welchen der Lichtstrahl mit der Erdoberfläche eiuschliesst, so erhält man y- •log cos Iß — ex] c " cos/S 1/ erreicht sein Maximum, sobald cos \ß — ex] = 1 oder Dann wird log cos iS 2/ = ^^— • o; = - ist c Für dies x und y findet also die Reflexion des Licht- strahles statt. Die Curve besteht aus zwei gleichen Aestcn, denn man erhält dasselbe y sowohl für ß — cx^^ +y, als auch für ß—cx = — y\ ilcr absolute Werth von y darf nur nicht „ übersteigen. Nimmt man y ^ ± 2' so 1 71 wird .T = " ( jS :p '^ ) ij ^ — CO . Die Curve hat also zwei auf der Abscissenachse senkrechte Asymptoten, und zwar in einer Entfernung a\ = i -+-ß] und Xo = • (g — ß\ vom Anfangspunkte. Da in der Gleicliung natürliche Logarithmen ver- standen sind, so hat man bei Anwendung der decadischen y noch mit 2,3 zu multiplicircu. Die Gleichung lautet dann cos [ß — 0,00002241 x] tj z= 102753 . log ■ cos/¥ Um die Gleichung auf einen besondern Fall anzuwenden, setze man ß=^0; dann geht sie über in // = 102753 • log • cos 0,00002241 x Nimmt man a; = 5 km, so ist cosO,OOÜ112 = l-^;^V'^ ferner log cos 0,000112 = — 0,00000000625 folglich = 1 — 0,00000000625, y=^ — 44625 • 0,001 J0Ü00Ü625 = — 0,000279 km oder y = 0,28 m in absolutem Werthe. Nun ist, siehe Figur 6 crf = — a; . 4^ = + j; • 44625 • 0,0000224 • tg 0,0000224 x dx oder cd = 44625 • 1 0,0000224 xf = 0,558 m. Es bleibt also ad = cd — ca ^ 0,28 m. 0,28 • 32 Für x^'d km erhielte man ad^= b'' = 0,1 m. Fig. 6. Befindet sich also in A das Auge eines Beobachters, welches vom Punkte a aus einen Strahl empfängt, so wird es ihn bei einer Entfernung von 5 km resp. 3 km um 28 cm, resp. 10 cm tiefer suchen. Diese geringen Unterschiede werden aber auf so bedeutende Entfernungen von 5 km resp. 3 km hin verschwinden. Bei (lieser Rechnung sind allerdings die Temperatur- uutcrscliiede in den Luftschichten nicht beachtet worden. Aber wenn man sie auch berücksichtigen und infolge ihrer Einwirkung die Resultate verdoppeln wollte, so würden die Differenzen trotz alledem noch so gering bleiben, dass sie eine merkliche Verschiebung des Objects unmöglich hervorrufen konnten. VII. Nachdem ich so die Unhaltbarkeit der Monge'schen Erklärung gründlich nachgewiesen habe, handelt es sich jetzt daruni, eine andere Erklärung aufzustellen, die der Wahrheit angemessen ist. Die ganze Erscheinung iiat mit der Strahlenbrechung nichts zu thun; sie beruht auf einer einfachen Spiegelung. Dies lässt sich schon von vorn herein vcrnmthen, da die erwähnte Erscheinung mit der Spiegelung eines Gegenstandes in einem klaren Wasser die grösste Aehnlichkeit besitzt. Sie findet sich nur in XI. Nr. 23 Natiirwisscnscliaftliclie Woclieiischrilt. 273 Sandwüsten und an sonnenhellen Tagen, woraus folgt, dass sie an diese Bedingungen geknüpft ist. Wenn niini- licli an lieissen Tagen die Erdoberfläclie durch die Sonneu- stralden stark erhitzt ist, so bildet sich über derselben eine ebenfalls stark erhitzte, flimmernde Luftwelle, wie man sie auch bei uns an heissen Sommertagen an Häuser- wänden und Dächern beobachten kann. Diese Luftwelle ist es, welche den Gegenstand wiederspiegelt. Dass eine Luftschicht wirklich im stände ist, zu spiegeln, hat WoU- astou bewiesen. Er nahm ein stark erhitztes Kohlen- becken, über dem diese flimmernde Luftschicht lagerte, und zeigte, dass von einem auf der anderen Seite ober- halb des Beckens aufgestellten Gegenstande ein gleich grosses, umgekehrtes Bild erscheine, wenn man in schiefer Richtung auf diese Luftwelle hinaufsehe. Dies Experi- ment wird als Beleg zu der Monge'schen Erklärung an- geführt. Es enthält jedoch den schönsten Beweis für meine eigene Erklärung. Bei derselben findet sich auch nicht eine dunkle Stelle. Dass das Bild umgekehrt er- scheinen muss, folgt aus dem Umstände, dass, wenn man in einen Spiegel hineinsieht, man nicht seinen Hinterkopf erblicken kann. Dass ferner nur in Sandwüsten die er- wähnte Erscheinung zu beobachten ist, ergiebt sich daraus, dass es nur hier möglich ist, dass sich die Luft bis zu einem Grade erhitze, der eine Spiegelung möglich mache. Dass die Erscheinung bei Humusboden nicht eintreten kann, folgt unmittelbar, wenn man nur bedenkt, dass er fast sämmtliche Wärmestrahlcn absorbirt. Da ferner Humus- boden meist eine reiche Pflanzendecke trägt, so würde die Bildung einer flimmernden Luftschicht sehr erschwert, wenn nicht gar unriiöglich werden. Sehr hübsch erklärt sich auf xmsere Weise die Er- scheinung, welche man öfter beobachtet hat, dass die Wüste einem Meere gleiche, in dem sich die Dörfer als Inseln spiegelten; Wie nämlich die Wasserfläche das Bild des Himmels zurückstrahlt, so spiegelt ihn auch die Luftschicht wieder und verwandelt ihn durch die flim- mernde Bewegung zugleich in ein azurblaues, von Wellen sanft gekräuseltes Meer. Die Seespiegeluug. Eine zweite merkwürdige Erscheinung, die man bis jetzt allgemein durch Strahlenbrechung erklärt hat, ist die Seespiegelung. Sie besteht darin, dass manchmal hoch in der Luft umgekehrte Bilder von weit entfernten, noch unter dem Horizonte befindlichen oder so eben an ihm auftauchenden Schiffen wahrgenommen werden. In einigen seltenen Fällen erscheint über diesen umgekehrten Bildern noch wieder ein aufrechtes Bild. Gegen die Erklärung dieser Erscheinung durch Strahlenbrechung lassen sich sämmtliche b Punkte, die vorhin bei der Wüstenspiegelung ausgeführt sind, ent- sprechend transforniirt, einwenden; nur wird die er- fahrungsmässige Bestätigung auf grössere Schwierigkeiten stossen. Ausserdem lässt sich der Beweisgang der Er- klärung selbst angreifen. Er lautet (nach Marbaeh, „Phy- sikalisches Lexikon 2. Aufl. Bd. IV. S. 742"): Fis. 7. „Sei S ein Schitt", (siehe Fig. 7), welches von E aus nicht gesehen werden kann, nämlicii durch die Krüninnmg der Erde verdeckt ist. Ein vom Kiel F des Schiffes ausgehender Lichtstrahl erhält die Biegung der krummen Linie Fe x c E, indem derselbe bei seinem Uebergange in dünnere Luftscliichten, fortwährend vom Eiiil'allslot liin- weggebroclien wird. Bei einer gewissen Grösse des Ein- fallswinkels wird er nicht weiter in dünnere Luftschichten eindringen, sondern reflectirt werden, so dass er von hier an bei seinem Eindringen in dichtere Luftschichten ver- möge der Brechung wieder eine krumme Linie und zwar eine der vorigen gleiche, aber entgegengesetzte be- schreiben muss." In der Figur ist der Strahl nach der Reflexion als gerade Linie gezeichnet worden. Ich bemerke dies aus- drücklich, weil es gleich von Wichtigkeit ist. „Ein von der Spitze des Mastes ausgehender Licht- strahl beschreibt auf ganz ähnliche Weise die krumme Linie urg (Deceniber 1895) berichtet. — Die ( )ligochaeten besitzen wie die Anneliden im All- gemeinen ein grosses Kegcncrationsvermögen. Verliert ein Regenwurm das Schwanzende, so bildet er ein neues und geht ihm das Kopfende verloren, so vermag er auch diesen mit Gehirn und Scidundapjjarat versehenen wichtigen Theil des Kör|)ers wieder zu ersetzen. Wird ein Regenwurm in der .Mitte des Körpers zerschnitten, so entstellen aus den beiden TlieilstUckcn in Folge der Regenerationsfähigkeit zwei neue Thiere, die sich im Laufe der Zeit wieder vervollständigen. Sie können abermals in Theilstiicke zerlegt werden und wenn dies fortgesetzt wird, erhält man schliesslich eine grosse An- zahl von Stücken, deren jedes nur aus wenigen Seg-- menten besteht. Jedes von ihnen vermag einen Kopf- und Schwanzabsclinitt neu zu bilden und späterhin zu einem vollständigen Wurm auszuwaclisen. Bei einer solchen fast erstaunliehen Widerstands- J fähigkeit der Thcilstücke liegt der Gedanke nahe, mehrere 1 von ihnen zur Vereinigung und Verheilung zu bringen. Nach dieser Richtung angestellte Versuche zeigten auch sehr bald, dass dies tliatsächlich möglich ist. Die Ver- suche wurden seit dem Mai dieses Jahres zunächst von H. Rievel angestellt, und da er von seinen schon früher begonnenen Untersuchungen ähnlicher Natur zu sehr in Anspruch genommen war, später von E. Joest fortgeführt. Vorgenommen wurden die Versuche an den mit Chloro- formdäinpfeii betäul)ten Würmern in der Weise, dass die XI. Nr. 2B. Natuvwissensehaftliclie Wocheusclirift. beiden Theilstücke in der geeigneten Lage mit den Wundenden an einander gebraelit und mittelst einer feinen gebogenen Stalilnadel und Ligaturseide (durch Doppel- schlinge) zusammengenäht wurden. Hierbei ist es von Bedeutung, dass möglichst nur der Hautmuskclschlauch und nicht der Darm durchstochen wird, weil letzteres dem Ileilungsprocess binderlich ist. Bei einigen der vor- genommenen Versuche (Vereinigung zweier Kopfenden z.B.) genügt diese Methode nicht, weil die Nähte ausreissen und es mussten in diesen Fällen feine Platindrähte mit umschlungener Naht gelegt werden. Die Zahl der bei jeder Vereinigung gebrauchten Nähte ist gewöhnlich vier. Sie bleiben liegen, bis sie von selbst abgestossen werden, was innerhalb der ersten vierzehn Tage zu geschehen pflegt. Die vereinigten Thiere werden in Glasgefässen mit feuchtem Flicsspapier gehalten. Letzteres verzehren sie in grossen Jlengen, so dass bald der ganze Darm damit erfüllt ist und Fliesspapierkotli in Form weisser Ballen abgesetzt wird. Etwa 3 bis 4 Wochen nach der Vereinigung wurde dem Fliessjjapier etwas humusreiche Erde zugesetzt, da es zweifelhaft erscheinen mnss, ob das Fliesspapier irgend einen Nährwerth für die Würmer besitzt. Schliesslich wurden die Thiere in Gläsern mit Humuserde gehalten, welche alle 8 — 14 Tage gewechselt wurde. Als Versuchsobjeete dienten Lumbricus terrestris L. (agricola Hoffm.), L. rnbellns Hoffui. und L. communis lloft'm. Experimentirt wurde mit grossen ausgewachsenen, sowie mit kleineren Thieren. Die ersten Versuche betrafen die Vereinigung von Theilstücken, welche durch quere Durchtrennung ungefähr in der Mitte des Körpers gewonnen waren. Die beiden Stücke wurden in normaler Stellung, d. h. so vereinigt, als ob sie zusammen einen ganzen Wurm bildeten. Es geschah dies sowohl mit Theilstücken eines und des- selben Individuums, so dass ein vorher zerschnittener Wurm wieder zusammengesetzt wurde, wie auch mit Stücken verschiedener Individuen, wobei also ein ganzes Individuum aus Theilen zweier verschiedener Individuen hervorging. An der Vereinigungsstelle der beiden Theilstücke ist Anfangs eine tiefe Furche vorhanden, die aber allmählich, und zwar bei den einzelnen Versuchen in recht ditfereuter Zeit, ausgeglichen wird. Wie äusserlich am Körjjer, so ist dann auch im Innern eine vollständige Verwachsung eingetreten. Schon bei Betrachtung mit der Lupe be- merkt man, dass die Rückengefässe des Vorder- und Hinterstücks an der Verwachsungsstelle in einander über- gehen. Schon nach wenigen Tagen setzt sich die Pulsation vom Hinter- auf das Vorderstück fort. Ebenso ist der Darmkanal verwachsen und an der Verwachsungs- stelle passierbar, was schon nach 4—10 Tagen eintreten kann. Dies lässt sich dadurch feststellen, dass das Fliesspapier aus dem Darm des Vorderstückes in den- jenigen des Hinterstückes übergeht und letzterer, der seither ziemlich entleert war, sich wieder mit Darminhalt füllt. Der Wurm beginnt jetzt bald die weissen Ballen des Fliesspapierkothes abzusetzen. Auch die beiden Theile der Ganglienkette treten in Verbindung. In dieser Hinsicht ist bcmerkenswerth, dass bereits in den ersten Tagen das Ilinterstück sich dem Vorderstück in seinen Bewegungen so anschliesst wie beim normalen Thier. Es gelingt also, Theilstücke zweier verschiedener Individuen zu einem einzigen Individuum zu vereinigen und zwar auf längere Zeit, so dass man die Vereinigung wohl als eine dauernde ansehen darf. Wie sich Theilstücke von Würmern derselben Art vereinigen lassen, so auch solche von Würmern, die ver- schiedenen Arten angehören. Es wurden Theilstücke der verschiedenen oben genannten Arten zunächst ohne be- stimmte Wahl verbunden, welche Versuche sowie die mit Theilstücken derselben Art vorgenonnnenen gelangen. Ebenso wurden die verschiedenen Varietäten von Lum- bricus communis verwandt und es giebt ein eigenfhüm- liches Bild, wenn das rotlibraune Vorderende des L. ru- licllus mit dem fast farblosen Hinterende eines nach dieser Richtung variirenden L. communis vereinigt ist. Ebenfalls ohne grosse Schwierigkeit auszuführen wie die bisherigen Versuche sind diejenigen, bei welchen es sich nicht um Vereinigungen in normaler Stellung handelt, sondern bei denen das eine Theilstück gegen das andere um die Längsaxe gedreht ist. War die Drehung eine geringe, wie sie sich bei ungenauer Vereinigung in nor- maler Lage leicht ergiebt, so trat trotzdem eine Ver- wachsung der gleichartigen Organe ein. Es wurden Ver- einigungen bei Drehung um 90*' und 180" vorgenommen. Auch hierbei trat eine vollständige Verwachsung ein. Die Darmconmuinication stellte sich fast zu gleicher Zeit wie bei den in normaler Stellung verbundenen Thieren ein. Das Kriechen der in dieser Weise vereinigten Thiere er- folgt zuweilen so, dass das Hinterstück auf dem Rücken liegend vom Vorderstück nachgezogen wird, wobei es sich nur mit schwachen Contractionen des Hautmuskel- schlauchs an der Fortbewegung betheiligt: zuweilen je- doch sieht man das HiuterstUek sich in der Nähe der Vereinigungsstelle derart drehen, dass es ebenfalls mit der Bauchseite gegen den Boden zu liegen kommt. Bei den bisherigen Versuchen kamen die Wiindstellen ungleichnamiger Enden (ein Hinterend» .:t cn. ni Vorder- ende) zur Verwachsung. Es wurden auch Versuche über die Vereinigung gleichnamiger Enden (Hinterende mit Hinterende, Vorderende mit Vordereude) ausgeführt, um festzustellen, wie weit sieh die Fähigkeit der Verheilung von Theilstücken erstreckt. Die Vereinigungsversnche zweier Kopf- oder Vorder- stücke stossen auf grosse Schwierigkeiten. Es wurden bisher 57 derartige Versuche und zwar mit weit grösserer Sorgfalt, als bei den übrigen erforderlich war, angestellt, ohne dass ein günstiges Resultat erzielt werden konnte. Die vereinigten Stücke trennten sich gewöhnlich schon bald wieder von einander. Infolge der entgegengesetzt gerichteten Bewegung der beiden Ko])fstücke wird an der Vereinigungsstelle ein so starker Zug ausgeübt, dass die Nähte ausreissen und die Theilstücke sich anfangs theilweisc und bald gänzlich von einander loslösen. Auch das eine Stück recht lan, wählen, bot bisher keinen wesentlichen Vortheil. das andere möglichst kurz zu Es °-e- lang, einige der Verbindungen 8 und 9 Tage zu erhalten, aber dann kamen auch sie zur Loslösung. In einem Falle wurde eine besonders exacte Vereinigung erzielt, bei welcher die Wundränder zu recht genauer Verwachsung kamen und die Nähte am 12. Tage alle abgestossen waren. Auch nachher blieb die Vereinigung vollkommen erhalten; beide Stücke waren sehr lebensfrisch und es schien, als ob sie sich länger halten würden, doch er- folgte am IG. Tage der Tod in Folge starken An- schwellens und schliesslichen Platzen des Darmes, welcher gefidlt war. Dieser Versuch macht es wahrscheinlich, dass andere mit solchen Würmern besser gelingen werden, deren Darm vor der Zerstückelung bereits ent- leert war. Die Vereinigung zweier Hinterstücke gelingt ver- hältnissmässig leicht. Die gegen einander gerichtete Bewegung der Theilstücke bewirkt ein Zusammeni)ressen der Wundfläehen, wodurch eine rasche und vollkommene Verwachsung derselben möglich ist. Der Darm der beiden Theilstücke wird innerhalb weniger Tage entleert, eine weitere Nahrungsaufnahme kann natürlich nicht er- folgen. Trotzdem vermögen die Thiere recht lauge za 276 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 23. leben; eines von ihnen konnte vom 5. September bis zum 29. November erhalten werden, wurde also fast drei Monate alt. Versuche über seitliehe Einpfropfung von Vorder- und riintcr.stücken in einen volistiindii;eu Wurm wurden eben- falls vorgenommen. Die Darstellung- von Individuen mit zwei Köpfen und einem Schwanztheil gelang bei 14 Versuchen niemals, wobei der Misserfolg denselben Grund hat wie bei der Vereinigung zweier Kopfstücke. Dagegen gelang die Einpfropfuug von Schwanzstücken leichter.*) Aehuliche Versuche wie die geschilderten sind in der letzteren Zeit von Born und Wetze I angestellt worden. Der erstgenannte Forscher experimentirte in sehr ge- schickter und zielbewusster Weise mit jungen Amphibien- larven, welche er zerschnitt und deren TheilstUcke er so zur Verwachsung bringen konnte, dass wieder ein ganzes Thier daraus entstand. Er stellte weiterhin Doppel- bildungen mit zwei Köpfen oder zwei Schwänzen her und versuchte zwei Schwanzstücke wie auch zwei Kopfstücke an einander zu heilen. Die Versuche gelangen nicht nur mit Angehörigen derselben Arten, sondern auch mit Larven, die verschiedenen Arten und Gattungen angehören. Man sieht also, dass die Versuche an erwachsenen Thieren, welche hier geschildert wurden, mit den an jungen, in der Entwickelung begriffenen Larven ge- wonnenen Ergebnissen, sehr übereinstimmen. Die Versuche von Wetzel beziehen sich anf Hydra und wurden mit erwachsenen Thieren vorgenommen, die bekanntlich eine ausserorordentlich grosse Widerstands- fähigkeit besitzen. Auch bei diesem Object gelang es, zwei Theilstüeke so zu vereinigen, dass sie ein einziges Individuum zu bilden scheinen, doch ist dieses Verhalten weniger auffällig, weil Hydra sich lebhaft durch Knospung fortpflanzt, so dass eines der vereinigten Stücke bald wie eine Knospe des anderen erscheint und weil man von dieser einfach gebauten, • niederstehenden Form schon eher eine gewisse Bildungsfähigkeit des Organismus er- warten darf. Sowohl aus den Versuchen von Wetzel wie von Born ergab sich, dass sich gleichnamige Enden vereinigen lassen und zwar im Falle von Hydra nnt dauerndem Er- folg, was bei den Pfropfungen der Pflanzen Ijekanntlich nicht möglich ist. Die Erfahrungen beim Regenwurm lieferten ein ähnliches Resultat. Hier können derartig vereinigte Theilstüeke lange Zeit existircn. Beobachtinigeii und Versuche, betreffend die Reb- laus, rbyllöxera vastatrix PI., und deren Bekämiifung. — Schiin die No. 47 des Jahrgangs 1894 der „Naturw. Wochenschrift" berichtete unter gleichem Titel über eine Arbeit des Regierungsraths Dr. J. Moritz. Der Ge- nannte hat seine Untersuchungen in der ihm eigenen gründliciien Weise während der letzten .Jahre fortgesetzt und verött'cntlicht das Resultat derselben jetzt iu dem XII. Bande der „Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesund- heitsamte", S. 661-685. In seiner neuen Arbeit bringt der Verfasser sehr ausführliche Mittheilungen über die geflügelte Phylloxcra und iinc Fortpflanzung, er berichtet auch über zahlreiche neue Versuche und Beobachtungen, wodurch seine früheren Mittheilungen vorthcilhaft ergänzt werden. Dass durch Nässe und Kälte die Entwickelung der Nymphe zum geflügelten Insect verzögert wird, war schon früher nachgewiesen; durch neue Versuche konnte die *) Doppiilsfliwilnzigi' Regcnwiirmer kommen Jils seltene Abnormitiiten vor. Vergl. A. Collin, Ein seltener Fall von Doppcl- bildinig beim Kegenwurm. .Naturw. Wochensclir." VI, 1891, No. 12, H. 113 ff. — Ked. Ablage von Eiern durch in der Entwickelung zum ge- flügelten Insekt aufgehaltene Nymphen nicht nachge- wiesen werden. Ferner zeigte sich, dass eine schnell eintretende, andauernde Abkühlung auf ungefähr 0" auch Nymphen und erwachsene Rebläuse tödtet; junge Rebläuse widerstehen der Kälte besser, obschon ein Theil von ihnen dabei auch zu Grunde geht. Andere Versuche bezogen sich darauf, festzustellen, ob die Entziehung von Nahrung auf die spätere An- siedelungsfälligkeit der l'hylloxera von Einwirkung ist. Die angestellten Experimente machten es wahr.scheinlich, dass ausgewachsene Rebläuse sich nur schwer an den Wurzeln wieder ansiedeln, wenn sie unter ungünstigen Verhältnissen ausserhalb des Erdbodens ohne Nahrung längere Zeit hindurch zugebracht haben. Weitere interessante Beobachtungen beziehen sich auf die jMorphologie und die Lebensweise der Phylloxcra. Ein besonders grosses Exemplar der wurzelbewohncnden Form, das Verfasser gemessen hat, war 1,46 mm laug. May et giebt in „Les insectes de la vigne" als grösste Länge 1 mm, Fatio in „Le phylloxcra" 1,25 mm an. Das geflügelte Insect wurde sowohl in der Gefangen- schaft als im Freien beobachtet. Es gelang Dr. Moritz zuerst, in Zuchtgläseru Eier von der geflügelten Form zu erhalten, welche an die Glaswand abgelegt wurden, jedoch nicht zur Entwickelung gebracht werden konnten. Die Eier unterschieden sich von denen der wurzel- bewohnenden Form durch eine mehr länglich-cylindrische Gestalt und hellgelbe Färbung. Später wurden von ge- flügelten Rebläusen eben solche Eier auf die Unterseite der Weiublätter abgelegt. Sie entwickelten sich Anfangs gut, so dass schon einzelne Theile des zukünftigen In- sects zu erkennen waren, welche dem Geschlechtsweibchen eigenthümlich sind; sie gelangten jedoch ebenfalls nicht zum Ausschlüpfen. Im Freien wurden Spinngewel)e und Weinblätter nach geflügelten Rebläusen abgesucht, An- fangs ganz ohne Erfolg; jedoch im August und September 1895 fand Dr. Moritz an 18 Tagen in Spinngeweben 155 Stück der geflügelten Form, davon 23 resp. 21 an je einem Tage; 10 Stück hatten sich einmal in einem Spinngewebe von der Grosse eines kleinen Tellers ge- fangen. An den Rebeublätteru fand Verfasser trotz eifrigen Suchens nicht mehr als 1 Thier. Bisher war in Deutschland vergeblich nach den Nachkommen der geflügelten Reblaus, den Gesehlechts- thieren, und nach dem sogenannten Winterei gesucht worden. Der Grund ist nach dem Verfasser darin zu suchen, dass diese Thiere zwei Naturtrieben genügt haben müssen, bevor sie entwickelungsfähige Eier abzulegen im Stande sind. Diese beiden Triebe sind der Trieb zur Wanderung und zur Ernährung. Dr. Moritz brachte nun lebende geflügelte Rebläuse aus Spinngeweben, die also ihrem Wandertriebe schon bis zu einem gewissen Grade genügt hatten, auf das Blatt einer Topfrebe, woselbst das Thier am Morgen des nächsten Tages saugend ange- troften wurde; am Nachmittag dieses Tages legte es zwei Eier und am folgenden Morgen noch ein Ei ab, dann starb es. Die Eier wurden sorgfältig beobachtet und Hessen am 5. resp. 6. Tage schon die rothen Augenfleckc deutlich durch die Eihülle erkennen; .später Hessen sich auch die Körperabschnitte sowie die Fühler und Beine unterscheiden, und am 9. Tage schlüpfte das erste Ge- schlechtsweibchen aus, dem am nächsten Tage die beiden andern folgten. Bei dem Präpariren eines dieser Thiere fand Dr. Moritz, dass es noch ein kleines, allerdings äusserst verkümmertes, aber doch deutlich erkennbares Stück der Horstenscheide besass, welche bei den meisten Individuen dieser Entwickelungsform vollkommen ver- schwunden zu sein pflegt. Es entspricht dies den Au- XI. Nr. 23. Niiturwi.s.seuscli;iltliehe Wochenschrift. in gabcu vun Drcyfus („Zoohig. Anzeiger" 1889, No. 300), dass das Rostruui bei den Geschlcchtsthieren der von ihm untersuchten Phyiioxera-Arten wohl selir verliümniert, al)er doch niclit immer so ganz vollständig verschwunden und durch ein Läppchen ersetzt ist, wie allgemein ge- schrieben wird. Andere in einem Spinngewebe gefangene geflügelte Rebläuse hatten auf die Blätter einer Topfrebe Eier ge- legt, die in ihrer Form wesentlich von den oben be- scTn-icbenen, welche Geschlechtswcibclien lieferten, ab- wichen. Während die letzteren cylindriseh geformt sind und an den beiden Enden gleichmässig flach gerundet erscheinen, iiaüen diese Eier mehr eine ovoide Form; während ferner die erstereu Eier 0,39 mm lang und 0,19 mm breit waren, maassen die jetzt gelegten Eier nur 0,26 mm resp. 0,13 mm. Nach Mayet liefern der- artige kleine Eier stets männliche Gcschleclitsthiere; leider kamen die Thierc nicht zum Ausschlüpfen, da die Eier durch Wcliimmclpilze getüdtet wurden. Bei einer anderen Reblaus konnte Dr. Moritz die Ablage eines Wintereics beobachten. Ein soeben aus dem Ei geschlüpftes weibliches Geschlechtstbier wurde in einen hohlgeschliffcnen Objectträger gebracht und genau beobachtet; nacli fünf Tagen legte dieses Ge- schlechtsweibchcn, (dmc dass also eine Begattung hatte stattflnden können, ein im \'erbältniss zum Jluttertbier sehr grosses Ei ab, welches vei'mittelst eines stielartigen Fortsatzes noch am Hinterleibsende des Mutterthieres hing. Es besass eine grünlichgelbe Farbe, eine schwach rauhe Oberfläche und an dem zuerst aus dem Körper ge- tretenen Ende ein ringförmiges Gebilde, die Mikropyle, welche die Eingangspforte für den Samen des männlichen Thieres darstellt und für das Winterei der Reblaus charakteristisch ist. Leider ging das Ei zu Grunde. Die bisher mitgetheilten Beobachtungen und Unter- suchungen fasst Dr. Moritz in folgenden Sätzen zu- sammen: 1. Auch in Deutschland macht die Reblaus den- selben Entwickelungscyclus durch wie in anderen Ländern. 2. Die Zahl der bisher in Deutschland noch nicht beobachteten Glieder in der Entwickelungsreihe derReb laus ist durch die Ergebnisse des Jahres 1895 auf zwei gesunken. Es sind dies das männliche Geschlechtsthicr und die Blattgallen bildende Form der Reblaus. 3. Die Zeitdauer, welche zwischen der Ablage des Eies durch das geflügelte Insect und der durch Verlassen des Platzes dargethanen vollendeteten Entwickelung des weiblichen Geschlechtsthieres lag, schwankte zwischen 10—14 oder 16 Tagen. 4. Das weibliche Geschlechtstbier kann mehrere Tage — in einem beobachteten Falle fünf Tage — am Leben bleiben, obschon es während dieser Zeit ausser Stande ist, Nahrung aufzunehmen. Da dieses Thierchen ausser- ordentlich unruhig ist und sich fast ununterbrochen in Be- wegung befindet, so ist es befähigt, im Verhältniss zu seiner eigenen Grösse bedeutende Entfernungen während seines Lebens zurückzulegen. Dieser Umstand dürfte von wesentlicher Bedeutung für die Erfüllung der einzigen Aufgabe sein, welche die. Natur diesem Geschöpfe ge stellt hat und welche in der Hervorbringung eines durch vorausgegangene Begattung durch ein Männchen be- fruchteten Eies besteht. Denn die erwähnte Eigenschaft niuss die Möglichkeit des Zusammentreffens mit einem männlichen Thierc erhelilich steigern, vorausgesetzt, dass ein solches auf derselben Pflanze vorhanden ist. 5. Das Ei des weiblichen Geschlechtsthieres, welches als „Winterei" bezeichnet wird, kann auch ohne voraus- gangene Begattung abgelegt werden. In dem einen zur Beobachtung gelangten Falle erwies sich dieses Ei in- dessen nicht als lebensfähig. Weitere wichtige Versuche des Dr. Moritz beziehen sich auf die Vernichtung der Reblaus. Ueber die von dem Verfasser schon früher angestclIteniExperimente und die Resultate derselben ist in der oben angeführten Nummer unserer Zeitschrift schon ausführlich berichtet. Die neu angestellten Versuche bewiesen, dass bei Temperaturen, welche erheblich unter 20" C. liegen, die tödtliche Wir- kung des Schwefelkohlenstoffes auf die Rebläuse und deren Eier bedeutend verzögert wird. Es hat sich ge- zeigt, dass eine mehrstündige Einwirkung des Schwefel- kohlenstoffes erforderlich ist, wenn unter diesen Umständen alles Insectenleben vernichtet werden soll. S. Seh. GarteHkalender. Juni. — Obstgarten. Die Ob.st- blüthe ist diesmal gut ausgefallen, indessen hat eine kühle, nasse AVitterung die Aussichten auf eine gute Ernte wesentlich verschlechtert. Durch reichliche Bewä.sserung und Düngung mit phosphorsaurem Kali müssen wir nun den Fruchtansatz zu erhalten suchen. Das Land unter den Kronen der Obstbäume ist wiederholt mit der Hacke zu lockern und vom Unkraut zu reinigen. Besondere Aufmerk- samkeit muss man jetzt auf die sich ausbildenden Zweige richten. Ueberall dort, wo sich zwei Zweige gegenseitig im Wege stehen, muss einer von beiden entfernt werden. Solche Zweige, welche zu üppig wachsen und die Form der Krone verunstalten würden, müssen in ihrem Wachs- thum eingeschränkt werden. Dies geschieht in der Weise, dass man die Zweige an geeigneter Stelle um- und zurückbiegt und das obere Ende um sich selbst und um das untere Ende dreht. Dadurch wird eine Saftstockung herbeigeführt, welche aber nicht genügt, um Seitenknospen des Triebes zum Austreiben zu bringen. Letzteres würde man erreichen, wenn man die Zweige einfach durch Be- schneiden einkürzte. Die an den Stämmen erscheinenden Zweige, die „Räuber", sind sofort beim Erscheinen zu entfernen. Um von den Erdbeerbüschen schön entwickelte Früchte zu erhalten, giesst man nach der Blüthe bei trockenem Wetter täglich reichlich mit einer Lösung von Waguer's Gartendünger (ein halbes Gramm auf ein Liter Wasser, nicht mehr!). ■ — Gemüsegarten. Die Haupt- arbeiten in diesem Monate bilden das Begiessen der Pflanzen und das wiederholte Behacken der Beete. Je häufiger man letztere Arbeit vornimmt, desto besser werden sich die Pflanzen entwickeln. Wegen des hohen Wasser- gehaltes der Geniüscsorten ist reichliche Bewässerung un- bedingt nothwendig. Um höchste Erträge zu erzielen, ist häufige Düngung mit Albert's oder Wagner's Gartendünger in Lösung (1 : 1000) dringend zu empfehlen. Die im vorigen Monate herangezogenen Gemüsesämlinge werden jetzt aus- gepflanzt und zwar bei warmem Wetter am besten in den Abendstunden. Nach dem Einpflanzen werden sie reich- lich begossen, jedoch ohne die Wurzeln blosszuspülen. Für spätere Pflanzungen säet man auf einem warm ge- legenen Beete noch verschiedene Kohlartcn, namentlich Grünkohl und Kohlrabi aus, während an Ort und Stelle in Reihen Karotten, Spinat, Winterrettig, Markerbsen und Buschbohnen ausgesäet werden. Radieschen dürfen nur noch auf etwas schattig gelegene Beete gesäet werden. Auch Gurkenkerne kann man noch, nachdem sie zuvor 24 Stunden in warmem Wasser angekeimt sind, legen. Wurzelgewächse, welche zu dicht stehen, werden verzogen, so dass die stehen bleibenden Pflanzen sich gut ent- wickeln können. Bohnen und Kartoffeln werden be- häufelt. Mit dem Spargelstechen hört man zu Ende des Mtmats auf. Damit sich die Pflanzen gehörig kräftigen und im nächsten Jahre wieder einen guten Ertrag liefern. 278 Naturwisseuschaftliche Wocheuschritt. XI. Nr. 23. streut man zwischen die Beete auf den laufenden Bieter 50 Gramm Wagner's Gartcndiinser, bringt denselben mit der Hacke in die Erde und zieht dann die Erde von den Beeten, welche man im Frühjahre aufgeschüttelt hatte, auf die Wege. — Ziergarten. Die Fi-ühlingsblidier, welche sich in Folge der kühlen Witterung des vorigen Monats ausnahmsweise lange gehalten haben, werden nun von den Blumenbeeten entfernt. Die einjährigen wandern, nachdem man den Samen eingesammelt hat, auf den Komposthaufen, die Stauden auf das Reservebeet. Die Blumenbeete selbst werden kräftig gedüngt, gut um- gegraben und mit Sommergewächsen bepflanzt. Um be- sonders stattliche Blattpflanzengruppen zu erhalten, schachtet man die betreifenden Beete V2 — ^U Meter tief aus, füllt sie zu V3 mit Stallmist, den man recht gleich- massig ausgebreitet und festtritt, und dann ziemlich hoch mit sehr nahrhafter Erde, in welche man die Pflanzen pflanzt. Der Stallmist erhitzt sich, erwärmt die Erde und bringt die Pflanzen zu üppiger Entwickelung. Noch besser ist die Verwendung von Gerberlohe, welche nicht so schnell verrottet und abkühlt und im nächsten Jahre nur umgestochen zu werden braucht, um wieder einen „warmen Fuss" zu geben. Der Rasen wird reichlich be- sprengt, wöchentlich einmal mit der Maschine beschnitten und wenigstens alle 14 Tage mit Wagncr's Gartendünger- lösung fl : 1000) durchdringend begossen. Jetzt wachsen Stecklinge der verschiedensten Art leicht an. Ziergehölze kann man, sowie sich die Rinde leicht lösst, durch Ocu- liren veredeln. Udo Dammer. Aus dem wissenschaftlichen Leben. -Ernannt wurden: Der ordentliclio Professor doi- Jlintn-alogie und Petrographie und Director des mineralogischen Instituts in Marburg Dr. Max Bauer zum Geheimen Regierungsrath; der ausserordentliche Professor der Mathematik in Jena Dr. Gott- lieb Frege zum ordentlichen Professor; Dr. med. Lickfett in Danzig • zum Director des neuerrichteten hygienisch-bakteriolo- gischen Instituts daselbst; der Privatdocent der Chemie und Assistent am chemischen Laboratorium der technischen Hoch- schule zu Karlsruhe Dr. Scholl zum ausserordentlichen Professor. Berufen wurden: Der ausserordentliche Professor der Frauen- heilkunde in Berlin Dr. Veit als ordentlicher Professor und Director der Universitiits-Frauenklinik nach Leiden; der Privat- docent der Forstwissenschaft an der technischen Hochschule zu Karlsruhe Dr. Wislicenus als Professor an die Forstakademie zu Tharandt; der Professor der Psychiatric» in Utrecht Dr. Winkler nach Amsterdam; der Professor der Botanik am Lyceum zu Freising Dr. M. Westermaier als ordentlicher Professor nach Freiburg i. d. Schweiz. Es habilitirten sich: Dr. Knoblauch für Physik und Dr. Krückmann in der medicinischcn Fakultät zu Leipzig. VjS starben: Regicrungs- und Medicinalrath Dr. Agathon Wo mich in Berlin; der ordentliche Professor der Anatomie in Tübingen Dr. von Henke, ehemaliger Docent für Geburtshilfe und innere Mediciii in Tokio; der ausserordentliche Professor der I.andwirthsehaftskunde in Königsberg Dr. Ludwig Marek; der Professor der Chemie in Buenos Ayres Sclii cken dan tz; der Professor der Medicin an der ecole de medecine in Paris Ger- main See, der ehemalige ordentliche Professor der Geburtshilfe in Strassburg Dr. Josef Alexis Stoltz in Andlau. L i 1 1 e r a t u r. Prof. Dr. Joseph Partsch, Schlesien. Eine Landeskunde für rlas deutsclie Volk auf wissciischuftlicher Grundlage bearbeitet. I. Theil: Das ganze Land. Mit 6 farbigen Karten und 23 Ab- bildungen. Ferdinand Hirt in Breslau 18!)(i. — Preis 0 M. Im vorliegenden Werk wird .Schlesien, „die grösste, durch .Mannigfaltigkeit der Natur und Kultur, wie der Abstammung und Gesittung der Bewoliner unübertroffene Provinz Preussens" in einer Gesammtdarstellung vereinigt. Der erste Band behandelt für das ganze Gebiet die Naturverhältnisae, die Bewohner und die Naturbedingungen des Schutzes gegen feindliehe Angriffe. Der zweite Band soll alsdann Bilder der einzc'l neu Lan dscha ften und ihrer wichtigsten Orte enthalten. Indem vorliegenden ersten Bande entsiu-icht die vom Verfasser angestrebte Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit der Einzelarbeit wie der Gesamnitauffassung in der That den strengsten Anforderungen, dabei ist die Form der Darstellung eine solche, dass dieses Werk jedem Gebildeten verständlich bleibt. Die Ausstattung ist eine vorzügliclie, namentlich auch in Bezug auf die beigegebenen Kartenskizzen. An die Spitze stellt der Verfasser eine kurze Entwicke- lung der schlesischen Landeskunde bis zum gegenwärtigen Stande. Hierbei zeigt sich sofort die grosse, durch mehrere Monographien wie durch eine Langjährige Lehrthätigkeit erlangte Saehkenntniss und Beherrschung der einschlägigen Arbeiten. Die Litteraturangaben sind w-eniger zahlreich, weil dieselben in einer besonderen Schrift vom Verfasser kürzlich zusammengestellt worden sind Dadurch wird das Werk in wohlthätiger Weise ent- lastet. Ein anziehendes Bild gewährt die Schilderung der Welt- lage Schlesiens an der Grenze von Ost- und West-Europa, zu- gleich vermittelnd zwischen dem Norden und Süden Mittel- europas: im Widerstreit der hier zusammenstossenden Gegensätze hat Schlesien wechselvolle Schicksale erfahren bis zu seinem Anschluss an Preussen, dessen Grossmachtstellung es nunmehr entscheidend beeinflusst. Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit dem Namen sowie dem Begriff und den Grenzen Schlesiens im Verlauf der Geschichte seit der Gauzeit bis zur prcussischen Besitzergreifung und der Gegenwart: von den Si- lingorn und dem pagus Silensus wurde der Name auf das ganze Land ausgedehnt Eingehend wird nunmehr der Gebirgsbau behandelt: auf die Schihlerung der Beskiden folgt die Gliederung der Sudeten, welche in Ost- und West-Sudeten geschieden werden. Natur- gemäss wird dem Riesen- und Isergcbirge eine nähere Darstolluncr zu Theil. Hieran schliesst sich das Bober-Katzbachgebiet mit seinem ausgesprochenen Muldenbau, endlich das Hügelland der • •berlausitz und die Vorbei-ge Mittelschlesiens. Es folgt sodann die Schilderung vom Bodenbau des oberschlesischen Hügel- landes und des schlesischen Landrückens, sowie der Tiefebene. Die Entwickelungsge schichte der Landoberfläche behandelt der V^erfasser nur in ihren Grundzügen, etwas ein- gehender werden die Vereisung der norddeutschen Tiefebene während der Eiszeit, die Spuren der diluvialen Thierwclt während der Interglacialzeit in Schlesien, sowie die einstigen Gletscher des Riesengebirges geschildert. Bei der Behandlung des Wasser nctzes fällt naturgemäss dem Oderstrom die Hauptrolle zn: sein Lauf und Gefälle, die Entwickelung seines Thalgrundes bis zur Regulirung und Ein- deichung im 19. Jahrhundert, die Hochwassergefahr (insbesondere die Hochfluth von 1854) werden kurz geschildert; die Abnahme des Fischreichthums der Gewässer seit ihrer stärkeren Ver- werthung im Dienste der Industrie und des Verkehrs findet ebenfalls Berücksichtigung. Meisterhaft erscheint dem Referenten der Abschnitt über das Klima. Der Vertheilung der Niederschläge hat der Verfasser kürzlich in den „Forschungen der deutschen Landeskunde" eine besondere Darstellung gewidmet, hier giebt er zwar nur kurz die Resultate der neueren Forschungen über die Luftwärme, die Luft- feuchtigkeit und die Winde unter gelegentlicher Berücksichtigung auch der älteren Beobachtungen, doch finden nicht nur alle Hauptfactoren des Klimas, sondern auch Erscheinungen wie z. B. der Rauhreif und Nebel im Gebirge, der Schneefall, die Ver- theilung und Häufigkeit der Gewitter und der Hagelschläge und die Zugrichtung der Gewitter noch hinreichende Berücksichtigung. Bei den Winden ist der Föhn des Riesengebirges charakterisirt. Verhältnissmässig kurz behandelt der Verfasser die P f lan z e n - und Thierwclt Schlesiens. Bei ersterer wird auf die Ent- wickelung der Pflanzenwelt wie auf die Pflanzengcographie über- haupt nicht eingegangen, sondern nur die floristische Zusammen- setzung der Wälder in ihren verschiedenen Abstufungen (Gebirgsvvald u. s. w.), sowie die Pflanzenwelt, der Moore und des Oedlandes näher geschildert, besonders aber die Art und Weise der la nd wir th schaftlichen Bodenbenutzung in allen Hauptzügen vorgeführt. In dem Abschnitt über die Fauna ist zwar die frei lebende Thierwclt mehr berücksichtigt, aber auch hier nur die Wirbelthiere und von diesen wiederum besonders eingehender die Vierfussler, Vögel und Fische. Die Reptilien und Amphibien, welche der Verfasser in d<'r alten Weise Linnes als Amphibien zusammenfasst, sind nur kurz erwähnt, die wirbellosen Kleinthiere üb(M-hau|)t nicht i)erücksichtigt, blo.ss das Vorkommen der Krebse ist berührt, sowie die Bienenzucht, da- gegen der Viehstand an Pferden, Rimlern, Schweinen, Schaf'i'U und Ziegen nach den einzelnen Gegenden eingehend veran- schaulicht. Den Glanzpunkt des ganzen ersten Theiles bildet aber wohl die neu folgende Darstellung der Be v ö I kern ngs verbal t ni sse. Die Vorgeschichte ist zwar nur kurz, aber ausreichend zur Charakterisirung der verschiedenen Entwickelungsphasen be- handelt. An paläolithischen Funden ist Schlesien arm. Für •die XI. Nr, 23. Naturwissenschaftliche Wocheuschrift. •27!) jüngere fStfinzeit versprechen die Funde, die neuerdings in der Nähe von Breslau bei dem Bahnbau aufgedeckt worden sind, be- sonders werthvolle Ergebnisse zu liefern. Auch war der Nach- weis von Nephrit bei Jordansmühle in Schlesien durch Traube von besonderer Bedeutung, In der Metallzeit sind charakteristische Belege der Hallstadt-Cultur von grossem Interesse für die Ver- knüpfung Schlesiens uüt dein Südosten Europas. E;ingehend be- schäftigt sich der Verfasser mit der frühgeschichtlieheu Zeit, in welcher die wichtige Bernstoinstrasse mitten durch Schlesien hindurchführte, um die Schätze des Samlandes dem römischen Handel zugänglich zu machen. Es werden durch eine hübsche Kartenskizze die in Schlesien bis jetzt gemachten römischen Funde veranschaulicht, und ebenso eine geistvolle Deutung der Angaben des Ptolemäus beigefügt. Für die slavische Zeit hatte sich der Verf. der Unterstützung lies Geheimrath Dr. Wladislaus Nehring zu erfreuen. Wir er- halten vom Zustand der damaligen Ansiedelungen mit ihren Kastellaneien, Bisehofssitzen, Burgwällen, Strassenzügen und (Irenawehren ein anschauliches Bild. Unter den Funden jener Zeit sind besonders die Schläfenringe hervorzuheben. Nunmehr wird das friedliche Vordringen der Deutschen in Schlesien näher geschildert. Besonders haben die Cistercienser hier Hervorragendes geleistet: Kloster Leubus ist eine Tochter- anstalt von Kloster Pforta in Thüringen. Bis hierher wurden niederländische Ansiedler gezogen, uin das Land zu entwässern und zu colonisiren. Zahlreiche deutsche Dörfer entstanden, theils an neuen Stellen, besonders als langgestreckte Waldhufen in den Gebirgsthälern, oder unmittelbar neben den bereits bestehenden slavischen Orten, oder zuweilen auch eine Anzahl dieser kleinen Siedlungen zu einer grösseren zusammcnschlicssend. Die grossen städtischen Anlagen gehören namentlich dem 13. und 14. Jahr- hundert an. Bis zur Reformation sehen wir das Deutschthum in stetigem Fortschi-eiten, bis von Böhmen her die Tschechen vor- drangen und in der schlimmen Zeit der Gegenreformation den deutschen Bewohnern viel Boden entzogen wird. Nur mühsam konnte die evangelische Lehre sich halten, zahlreiche E.vulanten verliessen damals die Heimath. Es war daher hohe Zeit, dass Friedrich der Grosse mit kräftiger Hand sofort nach der Erwerbung und Behauptung Schlesiens die deutsche Colonisation in Gang brachte, wenn auch nicht alle seine Versuche vom Glück begünstigt waren. Eine hübsche Karte veranschaulicht die Sprach- grenze von 1790 und 1890. Hier zeigt sich, welche bedeutenden Theile von Mittelschlesien dem Deutschthum im jüngst ver- flossenen Jahrhundert zurückgewonnen wurden. Eine weitere Karte enthält die Sprachgrenzen in und um Schlesien, und zeigt, wie das polnische Gebiet im Südosten auch auf die linke Seite der Oder übergreift und direct an die tschechischen Gegenden im Süden, welche nach Westen hin sich nach Böhmen hin weiter fortsetzen. So wird von den Polen und Tschechen im Zusammen- hang mit den Wenden der Lausitz fast ein Ring gebildet um die deutsche Bevölkerung Schlesiens bis wieder zur polnischen Sprach- grenze im äussersten Norden. Die Mundarten der polnischen und der deutschen Bevölkerung werden nunmehr durch gut ausge- wählte Sprachproben veranschaulicht, der Volkscharakter des schlesischen Stammes treft'end geschildert und das Hervoi'treten der Schlesier im deutschen Geistesleben wie in der deutschen Dichtung kurz beleuchtet und durch Beispiele belegt. Die Mehrung der Volkszahl seit dem 17. Jahrhundert durch natürlichen Zuwachs und Einwanderung, die heutige Verthoilung der Bevölkerung in Stadt und Land, sowie das Mischungsverhält- niss der Confessioneu ist durch statistische Uebersichten ver- deutlicht. Der letzte Abschnitt behandelt Schlesien als Kriegs- schauplatz. Naturgemässß kommen hier das Gebirge, der Ge- birgsrand und vor Allem die Pässe in Betracht, es zeigt sich, dass im Lauf der Geschichte der Vortheil auf Seiten der Vertheidiger Böhmens lag, so lange der Glatzer Gebirgskessel mit Böhmen vereinigt war; Friedrich der Grosse musste daher zur Sicher- stellung Schlesiens auf der Erwerbung des letzteren bestehen. Auch die Gebirgsinseln der Ebene und das Wassernetz des Landes spielen in der Kriegsgeschichte eine wichtige Rolle, nament- lich die Vertheidigungslinien der hauptsächlichsten Nebenflüsse, der Oder wie der Glatzer Neisse, der Katzbach, der Bo-ber, det Lausitzer Neisse, der Bartsch und Weide. Der schwächste Punkt ist freilich die otfene (,)stgrenze. 'In markigen Zügen wird aus der Kriegsgeschichte der neueren Zeit, besonders des schlesischen Krieges Friedrichs, den Freiheitskriegen und den Kämpfen von 1866 die Vertheidigung Schlesiens vorgeführt,, und damit die Be- deutung der Landesnatur für kriegerische Ereignisse scharf be- leuchtet. Mit S])annung darf man der Fortsetzung der lichtvollen Aus- führungen im zweiten Bande entgegen sehen. Zweifellos Hegt hier eine der hervorragendsten und geistvollsten landeskundlichen Darstellungen vor, welche bis jetzt ein einzelnes Ländergebiet erfahren hat. Fr. Regel. Otto Lang, Die Bildung des Harzgebirges. Mit 2 Buntdruck- tafeln. Verlagsanstalt und Druckerei Act. - Ges. (vormals J. F. Richter). Hamburg 1896. — Preis 1,^0 M. Kurz und bündig giebt das Heft eine Uebersicht über die geologische Zusammensetzung des Harzes, die einen Naturlicbhaber, der den lieblichen Harz besucht, über das Allerwesentlichste orientirt. Die beiden Tafeln bringen eine klare geologische Karte und Profile. Prof. Dr. V. Eberhard. Die Grundgebilde der ebenen Geometrie. Erster Band. Mit fünf Figurentafeln. Verlag von B. G. Teubner. Leipzig 1895. ; . In dem Werke, dessen erster Band vorliegt, unternimmt der Verfasser auf Grund einer eingehenden Analyse unserer durch die sinnlichen Wahrnehmungen gewonnenen Vorstellung vom Räume den Versuch, in die Natur der geometrischen Gebilde auf rein anschauung.sgemässen Grundlagen, ohne Benutzung des Cal- culs und eines Coordinatensystemes, einzudringen. Um auf diesem Wege zu dem erstrebton Ziele zu gelangen, muss naturgomäss zunächst die Frage erörtert werden, ob die Anschauung übi>rhaupt allgemeine Kriterien besitzt, um vor- liegende Gebilde als zufällige oder gesetzmässige zu erkennen. Es knüpft sich daran „die Aufgabe der Anschauungswissenschaft, diese Kriterien vollständig zu ermitteln und auf denselben als der einzigen naturgemässeu Grundlage eine Beschreibung der gesetz- mässigen Raumvorstellungen systematisch aufzubauen." Der Ver- fasser nennt n im Räume gegebene discrete Elemente (Punkte, Geraden, Ebenen) ein System und zeigt, dass eine Oberfläche oder eine Curve nur dann als ein einziges gesetzmässiges Conti- nuum aufzufassen ist, wenn zwischen demselben und einem in der Mannigfaltigkeit frei beweglichen Punkte eine constantfe an- schauungsgemässe Abhängigkeit statthat. In dem vorliegenden Bande beschäftigt sich der Verfasser im Wesentlichen mit topologischen Betrachtungen von n Punkten oder Strahlen in der Ebene; dieselben bilden zugleich den ersten Abschnitt des ganzen Werkes. Zur Behandlung dieses endlichen ebenen Punktsystems in allgemeinster und ursprünglichster An- schauung hat sich der Verfasser in seinen Charakteristiken und Indicessystemen Hülfsmittel geschaffen, die ihm zur Erforschung der Eigenschaften der Punktsysteme dienen. Allerdings ist der Weg ein mühevoller, und es wird sich erst aus dem zweiten Bande des Werkes ein Urtheil darüber gewinnen lassen, ob der gewiss originelle Grundgedanke des \ erfassers mit dem neuen, sinnreich erdachten Apparat in befriedigender Weise das erstrebte Ziel zu erreichen gestattet. Sollte dieses der Fall sein, so wäre damit unseres Erachtens eine neue Geo- metrie geschaflen, die hinsichtlich ihres Ausgangspunktes und des Weges wesentlich von der gegenwärtigen Geometrie abwiche. Hoffentlich lässt der Verfasser den zweiten Band bald dem vor- liegenden folgen. Ueber die Grundlagen und Ziele der Raumlehre hat sich der Verfasser ausführlich in der Vorrede verbreitet; es sei noch darauf hingewiesen, dass die letztere auch' als besonderes Heft erschienen ist. Der Verfasser behandelt darin zunächst die Entstehung der Raumvorstellungen und entwickelt dann nach einer kurzen Skizze über den Einfluss der Anschauung und des C'alculs auf die Ent- wickelung der Geometrie im gegenwiCrtigan Jahrhundert in scharf pointirter Weise seine Ideen und Methoden, sowie den wesentlichen Inhalt des vorliegenden Bandes. G- Engler vmd Praritl, Die natürliclien Pflanzenfamilien, Fort- gesetzt von A. Eng 1er. 134. und 135. Lieferung. Verlag von Wilhelm Eugelmann in Leipzig 1896. — Preis k 3 Mk. (in Sub- skription 1,50 Mk.). . , Die Lieferung 134 bringt die Fortsetzung der Labiaten (be- arbeitet von I Briquet), die Lieferung 135 den Schluss der Burseraceen (A. Engler) und. den Anfang der Meliaceen (H. Harms). Wie üblich, gehen wir erst bei Absehluss einer Abtheilung nähei''auf den Inhalt ein. Inhalt: Fr. Nölke, Zur Theorie der Luftspiegelungen. — Traiisplantationsversuche an Regenwüruiern. — Beobachtungen und Versuche, betreffend die Reblaus, Phylloxera vastatrix PL, und der^'u Bekäm]ifung. — Gartenkaleuder. — Aus dem wissenschaft- lichen Leben. — Litteratur: Prof Dr. Joseph Partsch, Schlesien. — Utto Lang, Die Bildung de.-< llarzgebirges. — Prof Dr. V. Eberhard, Die Grundgebilde der ebenen Geometrie. — Engler und Prantl, Die natürlichen PflanzenfamiUen. 280 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 23 Rollwände- und Jalousienfabrik C. Behrens, BKRLI^^ C. KaiserMtrasse 'HH. ^ l'reiSlifte grätig iint franfc! # Funkeninductoren fiir Röntgenzwecke in jeder gewünschten Fuiiken- länge unter Garantie. S])ecialfal)rik: Friedrich Bussenius, BERLIN SW. 68, Oranienstr. 122. Amateur-Photograph. Illiistrirte Mümit.s.sehrit't. .liihrlicli Mk .%. Grundlinien der Amateurpho- tographie. Von M. Allihn. Mk. 2.50. Ed. Liespgang's Verlag, Dasseldorf. 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Soeben erschien: Über geographische Ortsbestiiiiimiiigen ohne astronomische Instrumente. Von Prof. Dr. P. Harzer. Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. (Sonder-Abdruok aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik.) 53 Seiten Lex. 8». — Preis 1,20 M. Photographische Apparate und Bedarfsartikel. Specialität: f^piejjt'I-C'aiiieras. Sind die praktischsten Hand-Apparate Das beliebige Ob.iectiv dient f leichzeitig als Sucher. Das Bild leibt bis zum Eintritt der Be- lichtung in Bildgrösse sichtbar. Die Visierscheibe dreht sich um sich selbst (für Hoch- und Quer- Aufnahmi-n). In Vorbereitung für die Gewerbe-Ausstellung: Spiegel-Camera 9/12 cm zum ZiisaniiiieiileK'iMi. Alleinvertrieb der Westeiidorp Ji Woliner-Platten. „ „ Pilliiaj"«ehen Lacke. 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Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureauz wie bei der Expedition. Abdrnck ist nur mit voilständiser <(aellenane;abe gestattet. Der 6. naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen, abgehalten in Berlin vom 8. bis 18. April 1896. Bericht, zusammengestellt durch Prof. Dr. B. Schwalbe.*) Das in der „Naturw. Wochensehr." mitgetheilte Pro- gramm wurde durchgeführt bis auf die Vorlesung des Herrn Oberlelirer Dr. Geissler, „Versuche aus dem Ge- biete der Wellenlehre", welche wegen Erkrankung des Herrn Vortragenden ausfallen musste und für den nächsten Feriencursus vorbehalten ist. Vorlesungen: a) Physik, Chemie, Mineralogie und Geologie. 1. Prof. Dr. War bürg: Lichtelektrische Erschei- nungen, und neuere Vorlesungsversuche. 2. Prof. Dr. Rubens: Neues über elektrische Wellen (Interferenz, Polarisation). 3. Prof. Dr. Gold stein: Ueber Kathodenstrahlung, mit besonderer Berücksichtigung der neuen X-Strahlen. 4. Oberlehrer Dr. Bohn: Ueber neuere Luftpumpen. 5. Oberlehrer Dr. L ü p k e : Ueber neuere Beleuchtungs- methoden. . . 6. Prof. Dr. Assmann. Die wissenschaftliche Er- forschung der Atmosphäre mittelst des Luftballons. 7. Prof. Dr. Scheibe: Der Diamant und sein Vor- kommen. 8. Prof. Dr. Schwannecke: Ueber die Belebung und Vertiefung des chemischen Unterrichts durch Berück- sichtigung der verwandten naturwissenschaftlichen Ge- biete unter Vorführung einiger neuen Apparate und Ver- suche. 9. Prof. Dr. Schwalbe: Zur Methodik des physi- kalischen Experiments. 10. Prof. Dr. Schwalbe: Das geologische Experiment in der Schule. b) Biologische Wissenschaften. 1. Geh. R. Prof Dr. Waldeyeir: Uebersicht des Nervensystems. *) Betreff der frülieren Curse vergleiche man die „N.aturw. Wochenachr." 1894 No. 18 und 1895 No. 24. 2. Prof. Dr. Zuntz: Beziehung zwischen Stoft'umsatz und Arbeitsleistung des menschlichen Körpers. c) Besichtigungen und Excursionen. 1. Besuch der Urania, Vortrag des Herrn Spies: Ueber das Tesla-Licht. 2. Besichtigung der Königl. geologischen Landes- anstalt und Bergakademie unter Führung des Directors derselben, Herrn Geh. Ober-Bergrath Dr. Hauchecorne. 3. Director Dr. Vogel: Besichtigung und Erläuterung der Sammlungen des Königstädtischen Realgymnasiums. 4. Besichtigung des Museums für Naturkunde unter Führung des Herrn Prof. Dr. Möbius. 5. Geh. R. Prof Dr. E. Schulze: Besichtigung des Zoologischen Instituts unter Vorführung einiger interessanter Präparate und Apparate und unter Erörterung neuer Me- thoden. 6. Besichtigung der landwirthschaftlichen Hoch- schule, der städtischen Elektricitäts werke, des Central- Telegraphen- und Rohrpostamtes, des Postmuseums unter sachkundiger Leitung. 7. Besichtigung des tertiären fossilen Waldmoors, der Braunkohlengruben und Fabrikanlagen bei Gross-Räschen (Niederlausitz) unter Führung des Herrn Dr. Potonie und Schluss des Cursus durch Herrn Director Dr. Vogel. An dem Cursus nahmen Theil die Herren: Provinz Ostpreussen: 1. Oberlehrer Dr. Troje vom Altstadt. Gymn. Königsberg i. Pr., 2. Oberl. Schlicht vom Gymn. Rastenburg, 3. Obcrl. Borchert, vom Gymri. Lyck, 4. Oberl. Switalski vom Gymn. Braunsberg. -^ Provinz Wcstpreussen: 5. Prof. Feyerabend vom Gymn. Thorn, 6. Prof. Hennecke vom Progymnasium Pr. Friedland, 7, Oberl. Dr. Boekwoldt vom Gymn. Neustadt i. Wpr. — Provinz Brandenburg: 8. Oberl. Altenkirch vom Friedr. Wcrd. Gymn. Berlin, 9. Hültsl. Dr. -M. Koppen vom Gymn. zum grauen Kloster Berlin, 282 Naturwissenscliaf'tliche Wochenschrift. XL Nr. 24. 10. Oberl. Schmaltz vom Joachimsth. Gynm., Berlin. 11. Oberl. Heyne vom Falk-Realgymn. Berlin, 12. Uberl. Dr. Schulz von der 2. Realschule Berlin, 13. Oberl. ür. Büttner von der 6. Realscli. Berlin, 14. Oberl. Dr. Lange von der 12. Realscb. Berlin, 15. Oberl. Kusch vom Gymn. Potsdam, 16. Oberl. Müller vom Gymu. Landsberg- a. W., 17. Oberl. K ersten vom Gymn. Luckau, 18. Oberl. Dr. Gercken vom Realgymn. Perleberg, 19. Oberl. Dr. Krüger von der Realschule Charlotten- burg. — Provinz Pommern: 20. Dr. IbrUgger vom Gymn. Greifenberg i. P., 21. Prof. Dr. Katter vom Pädagog. in Putbus, 22. Prof. Schümann vom Pädagog. in Putbus, 23. Oberl. Marquardt vom Realprogymn. zu Wollin. — Provinz Posen: 24. Prof. Selting vom Mariengymn. in Posen, 25. Oberl. Dr. Heine vom Gynm. in Ostrowo, 26. Oberl. Bock vom Realgymn. in Brom- berg. 27. Prof. Zerbst vom Gymn. Schneidemühl. — Provinz Schlesien: 28. Oberl. Bricke vom Realgymn. in Grünberg i. Schles., 29. Oberl. Dr. Schirdewain vom Gymn. in Lauban, 30. Oberl. Weyh vom Gymn. in Kreuzburg, 31. Oberl. Dr. Krüger vom Gymn. in Pless. 32. Oberl. Dr. Schob in vom Gymn. in Königshüttc in Schlesien, 33. Oberl. Dr. Haacke vom Gymn. in Wohlau. — Provinz Sachsen: 34. Oberl. Richter vom Gymn. in Quedlinburg, 35. Hülfslehrer Dr. Eis den vom Real- gymnasium der Franke'scben Stiftung zu Halle a. S., 36. Oberl. Dr. Offenhauer vom Realgymn. in Eilenburg, 37. Oberl. Dr. Dankwordt von der Guericke-Sch. (O.-R.) in Magdeburg, 38. Oberl. Bässler von der Realschule in Bitterfeld. — Provinz Schleswig-Holstein: 39. Oberl. Dr. Kopeke von der Realschule zu Ottensen, 40. Oberl. Duncker vom Gymn. in Hadersleben, 41. Oberl. WUstnei vom Realprogymn. Sonderburg. Ausserdem betheiligten sich an dem Feriencursus noch eine grosse Anzahl von Lehrern höherer Lehr- anstalten aus Berlin und Umgebung, sowie einige Herren, welche nach Berlin von weiteren Entfernungen her ge- kommen waren. Eröffnung des Cursus. Die Leitung des Feriencursus war auch diesmal den Herren Directoren Schwalbe und Vogel überti-agen. Der erstere eröffnete den Cursus in der Aula des Dorotbeen- .städtischen Realgymnasiums, in dem auch alle Mitthei- lungen und Anzeigen erfolgten, am Mittwoch, den 8. April. In seiner Ansprache legte derselbe zunächst die Zwecke und Ziele der Feriencurse dar und betonte be- sonders, dass sie sowohl mit den neuesten wissenschaft- lichen Entdeckungen und Forschungen wie mit den Fort- schritten der Technik bekannt machen sollten, dabei aber zugleich das Erforderliche für Methodik des naturwissen- schaftlichen Unterrichts, die Schulexperimeute und An- schauungsmittel berücksichtigen niüssten. Dabei wurde ein Rückblick auf die fünf ersten Feriencurse gegeben. Die Theilnahme, die dieselben gefunden, zeige, dass die- selben einem Bedürfuiss entgegenkommen. Wenn die Ver- vollkommnung des naturwissenschaftlichen Unterrichts immer weiter fortschreitet, wird derselbe der modernen Culturentwickclung entsprechend in der Schule mit ein Hauptelemeut der Jugendbildung werden können. Hierauf begrü.sste Herr Geh. 01)errcgierungsriith Dr. Stand er, der mit den Herren Geheimrath Grubl und Kopeke der Er- öffnung beiwohnte, die Theilnehmer des Cursus im Namen Sr. Exccllenz des Herrn Ministers Dr. Bosse. Diese Feriencurse seien eine der zahlreichen Ein- richtungen, durch welche die ünterricbtsverwaitung den Lehrern theils eine Fortbildung auf ihrem speciellen Ge- biete ermögliche, theils eineu üeberblick über die Fort- schritte auf dem gesammten Gebiete der Naturwissen- schaften verscbatfeu wolle. In der modernen Entwicke- lung seien die Naturwissenschaften geradezu das bildende Element; wer für die neueren Ergebnisse auf diesem Ge- biete und deren Anwendungen in der Technik kein Ver- ständniss zeige, könne nicht mehr voll zu den Gebildeten gezählt werden. Die Ünterricbtsverwaitung erkenne es dankbar an, in welch aufopfernder AVeise und mit welcher Energie die Lehrer die besonders durch die neueren Lehrpläne gesteigerten Aufgaben in Angriff genommen haben. Der rege Eifer der Theilnehmer des Cursus sei ganz be- sonders erfreulich, da er ja sicherlich der Schule zu gute komme. Es mögen nun die einzelnen kurzen Berichte über die Vorträge folgen, die von den Herren Docenten zum grössten Theile selbst gegeben sind. Einige derselben werden oder sind an anderen Orten ausführlich ver- ört'entlicht. Prof. Dr. E. Warburg: Ueber lichtclcktrische Ersclieinungen. Der Vortragende führte zunächst einige der wich- tigeren licbtelektrischen Versuche vor. Zuerst mit elektrischem Bogenlicht den Versuch von H. Hertz*) über die Wirkung des Lichts auf die Funkenentladung, wobei auch mittlest eines durch Quarzprismen entwor- fenen Spectrums gezeigt wurde, dass das Maximum der AVirkung weit ausserhalb des sichtbaren Speetrunis im Ultraviolett stattfindet und dass die Wirkung nur auf die Kathode ausgeübt wird. Indem mit der Funkenstrecke in die Reihe ein Geissler'scbes Rohr geschaltet wurde, ergab sich, dass durch die Belichtung der Funkenstrecke die Glimmentladung sich veränderte, anzeigend, dass die Spanuungsdififcrenz abnimmt. Es folgten die Versuche von Hallwaehs**) über die Entladung einer negativ geladenen Zinkplatte und die positive Elektrisirung der unelektrischen Platte durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht und gleichzeitiges Anblasen.**'') Endlich wurde eine für Lampenlicht em- pfindliche Natriumzelle von Elster und Geitelf) vor- geführt. Es sind, fuhr der Vortragende fort, mancherlei Er- klärungen der lichtelektrischen Wirkungen gegeben worden, keine aber, welche bis jetzt dem Experiment zugänglich gewesen wäre; d. h. es ist nicht gelungen, einen Zu- sammenhang jener Wirkungen mit anderen Thatsachen experimentell mit Sicherheit nachzuweisen. Man hat es hier also vorläufig mit einem in sich begrenzten Gebiet von Erscheinungen zu thun. Auch ist innerhalb des Ge- bietes selbst noch Manches aufzuklären; so ist der Zu- sammenhang der verschiedenen lichtelektrischen Erschei- nungen unter sich noch keineswegs in abschliessender Weise ergründet, obgleich man es hier wahrscheinlich nur mit verschiedenen Erscheinungsformen eines und des- selben Vorganges zu thun hat. Sogar die einzelnen Ex- perimente bedürfen noch sehr der Analyse, d. h. der Ablösung der in ihnen zum Ausdruck kommenden ein- fachen Thatsache von der besonderen Form des Ex- perimentes. Eine solche Analyse wurde zum Schluss für den ursprünglichen Versuch von 11. Hertz gegeben ff). Dieser Versuch scheint dahin beschrieben werden zu können, *) H. Hoi-tz, Berlin. Akad. Brr. 1887, S. 487. **) W. HuUwachs, Wied. Ann. 33, 301. 1888. ***) \V. lliilhvachs, Wiod. Ann. 40, 342. 1890. (Auch Bieliaet lind Blondlot, Jouni. df i)liys. (2) T. Vlll 245. 1889.) t) J. Eistor u. H. Geitel, Wied. Ann. 43, 225. 1891. tt) E. Warburg, Berl. Akad. Ber. 1896. 5. März. XI. Nr. 24 Natnr\vis.seiiscliaftlielie Wochenschrift. 283 dass durch die Kathodonliestrahliing- die zur Funkeneiit- ladung- benötliigte Potciitialdifl'ereuz herabgesetzt wird. Es wurde nun von den beiden blankpolirten Eisenkugehi einer frei in der Luft befindlichen Funkenstreckc die eine (2) an die Erde, die andere (1) an die mit einem Elektro- meter verbundene CoUectorpiatte eines geladenen Condcn- sators angelegt und durch Entfernen der Condensator- platten von einander die Potentialdifferenz zwischen den Kugeln langsam gesteigert, bis die Entladung eintrat. Die hierzu benöthigte Poteutialdifferenz (statisclie Eut- ladungspotentialdifferenz) ergab sich nur wenig ver- schieden, mochte die Funkenstrecke belichtet werden oder nicht. Bei diesen Versuchen wurde bemerkt, dass nach Herstellung der statischen Entladungspotentialdifterenz der Funke oft nicht sofort auftrat, sondern erst nach einiger Zeit. Daraus hat Jaumann*) geschlossen, dass der Funkencntladung ein anderer Vorgang vorausgeht. Die Natur dieses Vorganges ist noch nicht sicher festgestellt, seine Dauer hängt von verscliiedenen, zum Theil noch uncontrollirbaren Umständen ab. Der beschriebene Versuch wurde nun in der Weise abgeändert, dass man die zunächst zur Erde abgeleitete Kugel 1 der Funkenstrecke mittelst einer einfachen Schnellvorrichtung nur während einiger Tausendstel der öecundc mit der geladenen CoUectorpiatte in leitende Verbindung setzte ; am Elektrometer konnte dann bemerkt werden, ob in dieser Zeit die Funkencntladung einge- treten war oder nicht. Es ergab sich, dass die während sehr kurzer Zeit angelegte Potentiahlifferenz bedeutend grösser als die statische Entladungspotentialdififerenz sein konnte, ohne im Dunkeln die Funkencntladung zu be- wirken, im ßogcnlicht dagegen dieselbe stets hervorrief. Die Wirkung der Kathodenbestrahlung auf die Funken- entladung besteht also der Hauptsache nach in der zeit- lichen Abkürzung des der Funkenentladung voraus- gehenden Vorganges oder, wie wir sagen, in einer Abkürzung der Verzögerung. Bei dem Versuch von Hertz wird nun während einer sehr kurzen Zeit durch das Inductorium eine hohe Poten- tialdifferenz zwischen den Elektroden hergestellt. Damit in dieser kurzen Zeit die Funkencntladung eintrete, muss die Verzögerung herabgemindert werden; dies ist die haupt- sächliche Wirkung der Kathodenbestrahlung. 1. Versuch von Elihu Thomson in der Form von V. V. Lang.**) Eine kurze, verticale Drahtspule steht auf dem Tisch und umgiebt das untere Ende eines langen Eisendrahtkerns.***) Ein 0,.ö kg schwerer Kupferring liegt auf der Spule, den Eisenkern umgebend. Aus einer Wechselstrommaschinc wurden Wechselströme (8 Amp.) durch die Spule geschickt; alsdann wurde der Knpferring von der Spule abgestossen und über ihr schwebend ge- halten; als man die Stromstärke auf 13 Amp. erhöhte, wurde der Kupferring gehoben und in grösserer Höhe schwebend gehalten. Leichtere Ringe aus Kupfer oder Aluminium wurden beim Stromschluss mehrere Meter hoch in die Höhe geschleudert. Die Wechselzahl der Maschine betrug etwas weniger als 200 in der Sekunde. Setzt man den Wechselstrom /, in der Spule a sm nt. so wäre ohne Selbstinduction der Strom M di^ Man ductionscoefficient zwischen Spule und Ring, iv^ der Wider- im Ring 4 cos nt, wenn M der In- *) G. Jaumann, Wied. Ann. 5ö, 656. 1896. **\ V. V. Lang, Wien. Ber. Bd. lO'i Abth. II, S. 523, 1893. ***) Die benutzte Spule bestand aus 12 Lagen von je 28 Win- dungen 3 mm dicken besponnenen Knpfcidi-ahts; ihr Widerstand betrug '/* S-E. Höhe der Holzrolle Vi cm. Der Eisenkern war . 83 cm lang, 5,4 cm weit. stand des Ringes ist. Die graphische Darstellung der Ströme /, und i.i zeigt, dass sie in aufeinander folgenden Viertels- perioden abwechselnd entgegengesetzt und gleichgerichtet sind und Anziehung und Abstossung einander compensiren. Mit Berücksichtigung der Selbstinduction im Ring ist aber M dii dt tüo dt IVn P di ^ T oder für den stationären Zustand Mna Im Grenzfall wird '?• = 2 ' *2 = - ■ cos {nt — 9-)\ tg i> ^ P. w« Mna iwo^ + P^n^ sin )d: die Ströme in Spule und Ring sind stets entgegengerichtet und CS findet Abstossung statt. Die vorgeführte Er- scheinung beruht also auf der Selbstinduction. 2. Demonstration eines Vorlesimgs - Thermometers, welches der Vortragende seit langer Zeit zu Versuchen über die Wärmelehre benutzt. Es ist knieförmig ge- bogen, der vertikale Theil enthält das Gefäss, der hori- zontale Theil die gläserne Projektionsskala, von welcher durch Lampen- oder Bogenlicht ein vergrössertcs P>ild auf einen Schirm geworfen wird. Das Thermometer steht zusammen mit dem Versuchsobjcct auf einem Rollwagen, durch dessen Bewegung das Fadenende im Gesichtsfeld gehalten wird. Zchntelgrade können geschätzt werden.*) Es wurde beispielsweise der Versuch über die Mischungs- temperatur bei der Mischung zweier ungleich temperirter Wassermassen gemacht. 3. Demonstration des von v. Hefner- Alteneck**) an- gegebenen Variationsbarometers, mittelst dessen die Ab- nahme des Barometerstandes bei Erhebung um 1 m gezeigt wurde. Warburg. Prof. Rubens: Neuere Versuche mit kurzen elektrischen Wellen. Bei dem klassischen Versuche von Hertz über Strahlen elektrischer Kraft, in welchem die Analogie in dem Ver- halten der Lichtstrahlen und elektrischen Strahlen un- mittelbar dargethan wird, gelangten elektromagnetische Wellen von ca. 60 cm Länge zur Anwendung. Die Wellenlänge dieser Strahlen übertrifft also diejenige der Lichtstrahlen, z. B. die der gelben Natriumlinie, um etwa das Millionenfache. Es ist nun leicht einzusehen, dass der optische Charakter der elektromagnetischen Strahlen um .so deutlicher hervortreten muss, je mehr es gelingt, in Bezug auf die Wellenlänge eine bessere Annäherung an die Lichtstrahlen zu erreichen, d. h. die Wellenlänge zu verkleinern. Viele Versuche sind nach dieser Richtung hin unternommen worden, aber lange Zeit ohne Erfolg. Insbesondere waren es zwei Uebelständc, welche sich bemerkbar machten, wenn man den Versuch machte, mit kürzeren elektrischen Wellen und entsprechend kleineren Primärleiteru zu arbeiten: Einmal nahm die Energie der Schwingungen mit den Dimensionen des Primäriciters rasch ab und zweitens zeigte es sich, dass die Zuleituugs- drähte, welche die Zuführung der Elektricität von den Polen des Inductoriums oder der Influenzmaschine zu dem primären Leiter vermittelten, auf die Oscillationen des Primärleiters einen störenden Einfluss ausübten, welcher um so grösser war, je kleiner die Grössenverhältnissc des Primärleiters gewählt wiu'den. *) Das Tliirmometer wird vom Glasbläser C. Krämer, Fried- ricbstrasae 1.5. Fioiburg i. Badt-u geliefert. **) V. Hefuor-Alteueck. Wied. Ann. 57, S. 468, 1896. 284 Naturwisscnscliaftliche Woclienscbrift. XI. Nr. 24. Wenn es uns heute möglicli ist, wesentlich kürzere elektrische Wellen von genügender Energie zu erzeugen und deren Wirkungen und Eigenschaften einem grossen Auditorium vorzuführen, so verdanken wir dies in erster Linie den Arbeiten der Physiker Sarasin und de la Rive, Righi und Klemencic. Zuerst gelang es den Genfer Physikern Sarasin und de la Rive, die Intensität der elektrischen Schwingungen dadurch wesentlich zu steigern, dass sie die Primärfunken nicht in Luft, sondern in einer isolirenden Flüssigkeit übergehen Hessen. Es wird hierdurch erreicht, dass für die gleiche Sehlagweite ein bei weitem höheres Funken- potential erforderlich ist um den Entladungsvorgang ein- zuleiten. 5Iau erhält somit l)ei gleicher Dämpfung Schwingungen von grösserer Energie. Zu- ein Zuleitung Zur Vermeidung des störenden Einflusses der leitungsdrähte wandte Prof. A. Righi in Bologna äusserst sinnreiches Mittel an. Er führte die von dem Inductorium nicht unmittelbar bis an den Primär- leiter, sondern nur bis in die Nähe desselben, so dass bei jeder Entladung zwischen den Enden der Zuleitungs- drähte und den beiden Hälften des Primärleiters Funken übersprangen, deren Länge so regulirt war, dass dieselben im Gegensatz zu der mittleren in Oel befindlichen Funken- strecke nicht alternirenden sondern continuirlichen Cha- rakter besassen. Auf diese Weise war der Primärleiter während der Dauer des Schwingungsvorganges von den Zuleitungsdrähten in praktisch vollkommen genügender Weise isolirt. Der von dem Vortragenden benutzte Primärleiter war nach den vorstehend erwähnten Principien construirt. Die nebenstehende Figur giebt eine Abl)ildung desselben in natürlicher Grösse; ein kleines Beclierglas ist zum Tlieil mit Petroleum gefüllt und mit einem Holzdeckel ver- schlossen. Dieser ist in der Mitte mit einem kreisförmigen Loch verschen, in welches zwei federnde Metalldrähte, /'und /',, hineinragen. Diese Federn sind an den Klemm- schrauben /,■ und /i'i, l)efestigt, welche mit den Polklemmen des Inductoriums durch Drähte m Verbindung stehen. So weit die Drähte f und /", im Innern des Becherglases verlaufen, sind dieselben von Glascapillaren /y und r/j umgeben, die bis zu den Metallstückchen li und ^, Z^7/0\ XZA Y/TZZX herabreichen, welche zusammen //y//\ V/A v^\^/A den eigentlichen Primärlciter bilden. Kurz vor ihrem unteren Ende erleiden die Drähte /' und /i eine kurze Unterbrechung, so dass ))ei jeder Entladung des Inductoriums drei Funken- strecken zu überspringen sind, von denen sich die mittlere (r) im Petroleum, die beiden anderen {a und l) in Luft befinden. Wird die Länge der mittleren Funkenstrecke passend regulirt, was mit Hülfe der Schraube s (am Holzdeekcl) leicht geschehen kann, so er- hält man bei a und h eontinuirliche, bei c alternirende Entladungen und der Apparat sendet nun kurze elektrische Wellen der aus, deren Länge lediglich von den Dimensionen Metallstücke h und /;, abhängen. Zur Beobachtung der von dem Primärlciter ausge- sendeten kurzen elektrischen Wellen diente ein Secuiidär- leiter von der Form, wie sie Klemencic zur Messung län- gerer Wellen zur Anwendung brachte. Dieser Resonator war von so kleinen Dimensionen, dass derselbe im Innern einer kleinen Pillenschachtel reiciilich Platz fand. Er be- stand aus zwei 1 cm langen Streif- eben von Schablonenblech {a aj), welche auf dem Boden der Schachtel aufgeklebt waren. An dem einan- der zugekehrten Ende mündete jedes der beiden Blechstreifchen in einen äusserst feinen Draht aus, von wel- chen einer aus Eisen, der andere aus Neusilber bestand. Diese beiden feinen Drähte wurden einmal um einander geschlungen, dann rechtwinkelig umgebogen und mit Hülfe kleiner Metall- federn i) und ie entstandenen farbigen Substanzen i sind stark lichtempfindlich und gehen unter dem Einfluss der Tages- oder künstlicher Beleuchtnng wieder in die ursprünglichen farblosen Modificationen zurück. — Das ; Kathodenlicht ist nicht homogen, sondern besteht aus drei einander durchdringenden Lichtarten von verschie- denen Eigenschaften. Der einen Lichtart konnnen die- jenigen Eigenschaften zu, welche man dem Kathodenlicht gewöhnlich zuschreibt: Geradlinige Ausbreitung, Erregung starken Phosphorenscenzlichts, kräftige Wärmewirkungen, Beeinflussung durch den Magneten in der von Plücker und von Hittorf angegebenen Weise. Die zweite Art hat ebenfalls geradlinige Ausbreitung, erregt aber Phospho- rescenzlicht und Wärme nur in minimalem Maasse und ist durch die stärksten magnetischen Kräfte nicht zu defor- miren. Diese Strahlen können durch besondere Versuchs- anordnungen von den beiden andern Komponenten des Kathodenlichts völlig gesondert werden. Die dritte Licht- art geht um eine Biegung des Entladungsgefässes lierum, erscheint also nicht mehr geradlinig; sie erzeugt nur wenig Pliophorescenz und Wärme; dem ^Magneten ist sie unter- worfen. — Die ersterwähnte, für die meisten gewöindiehen Experimente wichtigste Art der Kathodenstrahlung breitet sidh nicht wie gewöhnliches optisches Licht von einem strahlenilen Fläciienelcnient glcichmässig nach allen Seiten aus, sondern nur nach einer Richtung, die l)ei gewissen Gasdichten senkrecht zu dem Element ist. Bei variireu- der Gasdichte ändert sich die Ausbreitungsrichtung der Strahlen. Auch bei constanter Gasdichte ist die Strahlungs- richtung verschieden für verschiedene Flächcnelemente, je nach ihrer Lage gegen die Aussengrenze tler Kathoden- tläche. — Kathodenstrahlen erleiden eine kräftige Ab- stossung, wenn sie in der Nähe einer andern Kathode oder nahe andern Theilen derselben Kathode vorüber- gehen. — Beim Auftreffen auf eine feste Wanel- Construetiou), 2. eine einfache nach Spiess, 3. eine Wasserluft- asscrdruck und 4. eine Compressions- 28ß Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 24 pumpe von Fuess. Die Wirkung der Pumpen wurde an einer Reihe von Versuchen erläutert, welche zum Theil längst bekannt, aber den modernen Luftpumpen in neuer Form angepasst, zum Theil völlig neu waren, wie das Modell einer Borsig'schen Mammutpunipe und die Her- stellung eines Wärme - Schwerkraftmotors mit Hülfe der Wasserluftpumpe. Bohn. Dr. Robert Lüpke: Die moderne Gasbe- leuchtung. In den am 8. und 9. April gehaltenen Vorträgen wurde der Standpunkt der heutigen Gasbeleuchtung und deren geschichtliche Entwickelung durch eine grössere Anzahl von Versuchen, sowie durch Vorführung vieler der bisher gebräuchlichen Beleuchtungsapparate und De- monstration von Abbildungen charakterisirt. Ausgehend von dem einfachsten Beleuchtungskörper, der Kerze, erörterte der Vortragende zunächst das Wesen der Flanniie als einer in Folge der Verbrennung glühen- den Gasmasse, die sich aus dem Material der Kerze durch die Verbrennungswärme selbst entwickelt. Weit grössere und billigere Licliteftekte werden aber durch die fabrik- mässig ausgeführte trfickene Destillation der von der Natur gelieferten Brennstoffe, der Steinkohlen, des Holzes und der Braunkohlen, erzielt. Unter den Producten, welche in der Industrie dieser Stoffe gewonnen werden, kommen für die Beleuclitung insbesondere das Leuchtgas, das Paraffin und das Solaröl in Betracht. Im Anschluss an das letztere wird das Vorkommen des Erdöls und seine Verarbeitung auseinandergesetzt und hervorgehoben, dass seine Entstehung der Zersetzung des Fettes vorweltlicher Seethiere zugeschrieben wird. Welcher dieser Leuchtstoffe auch zur Beleuchtung dienen mag, stets geht der Verbrennung desselben, wenn er nicht an sich schon gasförmig ist, eine Vergasung voraus, denn diese ist die Vorbedingung für die Flammen- bildung. Das Leuchtvermögen einer Flamme ist aber nicht auf das blosse Glühen der Gase zurückzuführen. Vielmehr ist es der aus den schweren Kohlenwasserstoffen der Flannnengase durch die Zersetzung derselben aus- geschiedene Kohlenstoff, der das Leuchten bewirkt. Nach neueren Versuchen ist die Verbrennungstemperatur, welche das Ergebniss der complicirten, bei der Oxydation statt- lindendcn molekularen Umlagerungcn ist, höher als die Schnielzhitze des Platins. Sie erklärt die Weissgluth des Kohlenstoffs und die damit verbundene heftige Erregung des Lichtäthers. Je höher der Kohlenstoffgehalt der Flamniengase und die Verl)rcnnungstemperatür sind, um so stärker ist im allgemeinen die Leuchtkraft. Die Gastechniker haben nicht ohne Erfolg versucht, das Kohlengas durch Carburiren mit Benzin zu verbessern. Viel geeigneter wäre hierzu das Aeetylen, da es einer- seits der an Kohlenstoff reichste Kohlenwasserstoff ist, andererseits als cndothermische Verbindung bei seiner Zersetzung Wärme frei macht. Die Gewinnung des Acetylens aus dem jetzt im Grossen hergestellten Calcium- carbid, sowie seine hohe Leuchtkraft und insbesondere seine Fähigkeit, als Carburirungsmittel zu wirken, werden im Vortrag durch Versuche, auf deren nähere Beschrei- bung im Heft 7 der „elektrocheniisciien Zeitschrift" 1895 hingewiesen sei, demonstrirt. Der noch zu hohe Preis des Acetylens lässt eine praktische Verwendung desselben vorläufig nur in den Fällen zu, wo es, wie bei der Be- leuchtung der Eisenbahnwagen oder im Signalwesen, darauf ankommt, aus einem möglichst kleinen Volumen eines Leuchtstoffs grosse Lichteffccte zu erzielen. Immer- hin würde das Aeetylen schon jetzt allgemeiner in Ge- branch kommen kilnnen, falls die (Jewinnung des wohl- feilen Wassergases, dessen Flamme an sich nicht leuchtet, aber sehr heiss ist, in grösserem Umfang betrieben würde. Da diesem Gase eine hohe Zukunft bevorsteht, so wird die Darstellung desselben aus glühenden Kohlen und Wasserdampf im Vortrag genauer auseinandergesetzt. Nachdem so die bei der Gasbeleuchtung zur Geltung kommenden Brennstoffe gekennzeichnet sind, geht der Vor- tragende zu den verschiedenen Constructioneu der Lampen über. Auch hier ist ihm die geschichtliche Entwickelung für den Gang seiner Auseinandersetzungen maassgebend. Es wird gezeigt, welche bedeutenden Fortschritte die Beleuchtungstechnik durch die Benutzung des Cylinders und des hohlen Dochtes, zweier erst dem vorigen Jahr- hundert angehörenden Erfindungen, machte, ferner wie die selbst heute noch gebrauchten Rüböllampen immer mehr verbessert wurden, und welche Unterschiede zwischen diesen und den Petroleumlampen obwalten. Auch die- jenigen Vorkehrungen werden erwähnt, in denen man durch besondere Verdampfung der flüssigen Brennstoffe, namentlich des Petroleums (Dürr-Licht) ausserordentlich grosse, zur Beleuchtung im Freien passende Flammen erzeugt. Seitdem vor etwa zwei Jahrzehnten das elektrische Licht aufkam, schien es, als ob die bisherige Beleuch- tungspraxis verdrängt werden würde. Für die Gas- techniker lag die Gefahr nahe, namentlich die Beleuchtung der Strassen und der grösseren geschlossenen Räume den Elektrotechnikern überlassen zu müssen. Aber sie haben den im Einzelnen sehr interessanten Kampf um ihre Existenz mit gutem Erfolg durchgeführt, wie im Vortrag eingehend geschildert wird. Zunächst wandten sie auf die Beleuchtungskörper das Regenerativprinzip an, indem sie die Wärme der al)zielienden Verbrennungsproduete zur Vorwärmung sowohl der Leuchtgase als der zur Ver- brennung derselben erforderlichen Luft ausnutzten und auf diese Weise ein stärkeres Licht erhielten, ohne den Consum des Brennstoffes zu steigern. Die vielfach ver- breiteten, der Construction nach mannigfach variirenden Regenerativgaslampen liefern den Beweis für die hohe Bedeutung jenes öconomischen Princips. Auch auf das Petroleumlicht ist dasselbe mit durchschlagendem Erfolg übertragen, einerseits durch die für den Hausgebrauch bestimmte Millionlampe, andererseits durch das zur Be- leuchtung im Grossen vorzüglich geeignete Petroleum- glairzliclit. Der Erfinder des letzteren, Ingenieur Schülke, hat es vermocht, dem Publikum das billigste Licht zu schaffen, da seine Lampe, ein Meisterwerk der Technik, 40 Normalkerzenstunden für 1 Pf. erzeugt. Als wesentlichste Waffe der Gastechnik hat sich aber das als Auer-Licht allgemein bekannte lucaudescenzlicht erwiesen. Der Charakter dieses Lichtes besteht darin, dass andere Körper als Kohlenstoff, nämlich schwer schmelzbare Erden, durch eine an sich nicht leuchtende, aber sehr heisse Flamme zum Glühen gebracht werden. Die urs])rünglichen, schon vor 50 Jahren erfundenen Formen dieser Beleuchtungsart, das Drummondsche und das Fahnejhelmsehe Licht, bei denen die Erden die Gestalt von Scheiben bezvv. kanmiartig angeordneten Nadeln hatten, waren einer allgemeineren Verwendung kaum fähig. Im Jahre 1848 schlug Frankenstein vor, ein cylindrischcs Baumwollgcwebe mit den Lösungen der Erden zu imprägniren und die nach dem Veraschen desselben übrigbleibende gcwcbcartige Masse der Erden, den sogenannten Strum])f, als Leuchtkörper zu gebrauchen. Auer von Wclsbach 20 Jahren weiter. Der verfolgte diese Idee vor etwa i:rossartigc Erfolg, den er davon- trug, verdankte er der Benutzung der „edlen Erden", Letztere werden heut- zumeist aus tlem Monazitsand ge- der sieh in ausreichender Menge in Brasilien des Thors, Yttriums und Cers. zutage fabrikmässig Wonnen, XI. Nr. 24. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 287 findet. Das Maximum der Helligkeit ergeben die Strümpfe, die 99 % Tlioroxyd und im üebrigen wesentlich Ceroxyd enthalten. Die Widerstandsfähigkeit der Strümpfe gegen mechanische Einflüsse hat man durch Ausglühen mittelst Pressgases sowie durch besondere coustructive Anordnungen, von denen namentlich diejenigen der Gasglühlicht-Gesell- schaft Meteor hervorgehoben sein mögen, in l)efriedigender Weise gesteigert. Der zweite Theil einer Gasglühlichtlampe ist der Brenner. Derselbe ist im Priucip ein Bunsenbrenner, der bekanntlich in Folge der Beimischung von Luft zum Leucht- gas eine schwach leuchtende und wegen der Reduction auf ein geringeres Volumen sehr heisse Kohlenoxydflanime liefert, indessen ist gerade die Form dieser Flamme der- jenigen des Strumpfes genau anzupassen, und in der Art, wie dies erreicht wird, weichen die einzelnen Gasglüh- lichttypen etwas von einander ab. Dil in Deutschland nur 500 ölTentliehe Gasanstalten existiren, so musste das Streben der Beleuchtungstechnik darauf gerichtet sein, eine geeignete Bunsenflamme mittelst des Spiritus zu erzeugen. Dem Ingenieur Ricks der Ge- sellschaft „Helios" gebührt das Verdienst, das Problem dadurch in genialer Weise gelöst zu haben, dass er den Spiritusvergaser in die Achse des Glühstrumpfcs verlegte und so mittelst der strahlenden Wärme des letzteren den Spiritus verdampfte. Die ausserordentliche Leuchtkraft der Strümpfe ist der höheren Temperatur des Bunsen'schen Brenners nicht allein zuzuschreiben, denn die in einem Glasrohr auf diese Temperatur erhitzte Erdenmasse leuchtet nur schwach. Es muss also die Lichtemission der Erden mit der durcii die Verbrennungsvorgänge der Flanimengase hervorgerufenen lebhaften Atombewegung in innigem Zu- sammenhang stehen. Inwiefern die Molekeln der Erden an der Lichterzeugung activ betheiligt sind, ob chemisch oder ])hysikalisch, bedaif noch genauerer Prüfung. That- sache ist, wie das Spectrum des Auerliehtcs darthut, dass die gelben und grünen Strahlen, welche die glühenden edlen Erden in der Flamme erregen, also diejenigen Theile des Speetrums, welche die Netzhaut unseres Auges als die hellsten empfindet, an Intensität den entsprechenden Strahlen des Kohlenstoffs der Leuchtgasflamme weit über- legen sind. Jene Erden vermögen somit einen grösseren Theil der chemischen Energie des Brennstoffes in Lieht- euergie umzusetzen. Sie bedürfen nur eines Fünftels der Leuchtgasmenge, um dieselbe Helligkeit hervorzubringen, als der gewöhnliche Argaudbrenner. Die Abnahme des Leuchtvermögens eines Glühstrumpfes nach längerem Gebrauch erklärt sich vor Allem dadurch, dass die an- fangs sehr lockere Masse der Erden mit der Zeit zu- sammensintert. Am Schluss des Vortrags wurden nach einer Tabelle (siehe „Versuche zur Charakteristik des Acetylens, Elektro- chemische Zeitschrift 1895, Heft 7) die verschiedenen Be- leuehtungsmethoden in öconomischer und hygienischer Beziehung mit einander verglichen. Welche dieser Me- thoden man aber in den einzelneu Fällen zu wählen hat, hängt wesentlich von dem jeweiligen Lichtbedürfniss und den lokalen Verhältnissen, bei denen die Reflexion und Absorption des Lichtes eine Rolle spielen, ab. Lüpke. (Fortsetzung folgt.) Die als Polydaktylie bezeichnete Anomalie der Ver- mehrung der Fingerzahl tritt bei einigen Thierarten, so z. B. bei den Schweinen, besonders häufig auf. In einem Vortrag in der Petersburger Gesellschaft der Naturforscher zeigte Prof. N. A. Cholodkowski zwei Füsse von Sehweinen, die dem dortigen Forstmuseum gehören; deren jeder fünf wohlentwickelte Zehen mit Hufen aufweist, ferner einen Frosch (Rana esculenta), der an seinen Hinterfüssen 7 bis 8 Zehen besitzt; bemerkenswerth ist, dass in der Gegend, wo dieser Frosch gefunden wurde, polydakfylische Frösche keine Seltenheit sind. Es ist nun sehr oft die Meinung ausgesprochen worden, dass Polydaktylie eine atavistische Erscheinung Sei, die darauf hinweise, dass die Vorfahren dieser Thiere eine grössere Zahl von Fingern besassen. Gegenbaur ist bei der kritischen Untersuchung dieser Frage zu dem Schlüsse gelangt, dass die Polydaktylie in vielen Fällen keinen atavistischen Charakter besitzt, vielmehr nur eine Abnormität, die Spaltung eines Fingers, darstellt. Eben- so hat Prof. Cholodkowski bei der Untersuchung der vor- geführten Organe gefunden, dass die Zahl der übrigen Knochen des Fusses normal und der vermehrten Finger- zahl nicht entspricht; beim Frosch beobachtete er, dass einige Finger sich einfach verzweigten. Demnach ist anzu- nehmen, dass wir es nur mit einer Verdoppelung eines Fingers zu thun haben und nicht mit einem üeberbleibsel aus der vorgeschichtlichen Phylogenie des Thieres. Ad. Die Waldbewiisserung als Mittel zur Vertilgniig hauptsächlich der am Boden sich aufhaltenden forst- sdiädliche» Kerfe, sowie alles anderen Bodenunge- ziefers sehlägt Dr. Leo Anderlind in Nr. 19 des Jahrg. 1896 der österreichischen Forst- und Jagd -Zeitung vor. Unter den stets oder längere oder kürzere Zeit in der oberen Bodenschicht sich aufhaltenden waldsehädlichen Thieren, gegen welche das Vertilgungsverfahren sich richtet, seien namentlich angeführt: Der Kiefernspanner (Fidonia piniaria L.), die Kieferneule (Trachea piniperda L.), der Kiefern- spinner (Gastropacha pini L.), die kleine Kiefernwespe (Lophyrus pini Esp.), die grossen Kieferublattwespen (Lyda pratensis F., Lyda campestris L., Lyda erythrocephala L.), die Werre oder Maulwurfsgrille (Gryllotalpa vulgaris Latr.), einige Rüsselkäferarten, namentlich Hylobius abietis L., die an den Wurzeln brütenden Hylesinen Hylesinus ater F., Hylesinus opacus Er., Hylesinus angustatus Hb., Hylesinus cunicularius Kn., die Larve des Maikäfers (der Enger- ling, Melolontha vulgaris F.), ferner verschiedene Arten Mäuse u. s. Vf. Er gelangt zu diesem Vorschlage auf Grund von Beobachtungen, welche er während eines Zeitraumes von sieben Jahren auf drei vorzugsweise dem Studium der Bodenbewässerung gewidmeten Reisen in vier Erdtheilen zu machen Gelegenheit fand. A. hat nämlich in Egypten, in der Guta bei Damascus, in der zwischen Antilibanou und Libanon gelegenen, vom Litani durchströmten Thal- mulde (Bekaa, Cölesyrien), in Italien, Spanien, Mexico, und in den Unionsstaaten Utah und Californien Millionen Hectar bewässerte Felder und Rebgelände gesehen, aber niemals augenfällige Schädigungen durch Kerfe, Mäuse, Maulwürfe, Hamster und dergl. wahrgenommen, auch Niemand über solche Schädigungen klagen hören. Ausser- dem wurde A. im Sarnothaie bei Pompeji von einem Landwirthe, welcher ein keineswegs an Trockenheit leidendes Weizenfeld bewässerte, versichert, dies geschehe ziu' Vertilgung der Werre. In Erwägung dieser Heol)- achtungen sprach A. schon 1889 die Vernmthung aus, die Bodenbewässerung werde oft auch zur Vernichtung der Reblaus (Phylloxera vastratrix Planch.) sieh ver- werthen lassen, eine Vermuthung, welche die Franzosen 288 Naturwisseuschaftliche Wocheuschrift. XI. Nr. 24. jetzt sich anschicken, in grossartigem Maasse zu verwirk- lichen. Sichert nun die Bodenbewiisserung die Feld- gewächse und die Rebe vor Schädigungen durch Un- geziefer, so wird dies im Allgemeinen auch bei den Holzgewiiclisen der Fall sein. Zum Theile werden ja die Feld- und Holzgewächse von den nämlichen Thiereu (Werre, Engerling, Maus etc.) heimgesucht. Nur insofern stehen die Holzgewächse im Vergleiche zu den Feld- gewächsen etwas ungünstiger, als jene auch von unter der Rinde und im Holze lebenden Kerfen befallen werden, welchen durch die Bodenhewässerung nur dort beizukommeu sein dürfte, wo die Waldungen auf den der Fächerbewässe- rung keine Schwierigkeiten darbietenden Ebenen stocken. Verf. bespricht dann die Beschaffung des zur Wald- bodenbewässerung erforderlichen Wassers. Ein durchschlagender Erfolg lässt sich mit der Be- wässerung nur erzielen, wenn sie in den richtigen Zeit- punkten vorgenommen wird. Bei der Bekämpfung von Kerfen nämlich dann, wenn die befruchteten Weibchen ihre Eier am Boden, an den Baumwurzcln und Stocken absetzen, ferner dann, wenn Werre undEngerling die Pfianzen- wurzeln anzugreifen beginnen, wenn die Raupen aus den am Boden, Wurzeln, Stöcken abgesetzten Eiern ausge- schlüpft und im Begriffe sind, zwecks Blätterfrasses am Stamme empor zu wandern, weiter dann, wenn die Raupen sich zur Verpuppung von den Bäumen auf den Boden begeben, und zu der Zeit, da die Falter die Cocon- und I'uppenhülsen verlassen etc. Die Eier, Cocon- und Puppenhülsen sind mehr oder weniger wasserdicht, und die Anwendung der Bewässerung gegen die Kerfe in den bezeichneten Zuständen würde sich ganz oder theilweise wirkungslos erweisen. Ausserdem wird man die Bewässerung, einerlei, bei welchem der erwähnten Vorgänge man eingreifen will, zeitweise unterbrechen müssen, weil jeder einzelne Vorgang sich bei dem Kerfe nicht überall gleichzeitig und in kurzer Zeit vollzieht. Auch kann es sich empfehlen, namentlich da, wo der Boden eine für Wasser schwer durchdringbare, aus Blättern, tilzigem Rasen u. s. w. bestehende Decke zeigt, diese vor jeder Fluth wenden zu lassen. So wird sich die künst- liche Bewässerung in ihrer Wirkung vortheilhaft unter- scheiden von der natürlichen Ueberschwenimung. Diese muss sich Kerfen gegenüber oft als gänzlich unwirksam erweisen, weil sie häufig nicht gerade in dem Zeitpunkte eintritt, wo allein das Wasser den Kerfen verderblich wird, weil die Ueberscliwemmung ununterbrochen, oft auch nicht lange genug andauert, und weil vor Ein- tritt und während derselben die Bodendeckc unverändert bleibt, auch wenn sie für Wasser noch so schwer durch- dringbar ist. Eine neue Karte des Mars. — Seitdem man be- gonnen hatte, genauer als vorher die Vorgänge auf der Oberfläche dieses unseres Nachbarplaneten zu studiren, hatte derselbe in immer höherem Grade das Interesse der astronomischen Welt auf sieh gelenkt. So zeichnet auch bereits Huyghens ein dunkleres Gebilde auf seiner Ober- fläche, das sich ganz sicher mit dem jetzt unter dem Namen „Syrtis major" bekannten Meerbusen identificiren lässt. Das waren die ersten Anfänge der Marstopographie. Immer genauer wurden die Zeichnungen, immer neue Details Hessen die immer vorzuglicher werdenden Fern- rohre erkennen, und so hat jetzt bereits jedes l'ünktchen auf der Oberfläche dieses so interessanten und vielleicht auch räth.selhaftcn Planeten seinen Namen bekommen und ist auch genau nach martograpliischcr Länge und Breite in in hohem Grade genauen Karten eingetragen. Bekanntlich hat man nun wieder während der letzten günstigen Stellung des Mars zur Erde, während seiner Opposition im Jahre 1894, äusserst sorgfältige Studien an der Oberfläche dieses Planeten gemacht und war dabei zu ebenso genauen und interessanten Resultaten bezüglich der bekannten Kanalsysteme, wie auch bezüglich der dunkelcn Flecken und der übrigen Oberfläche gekonnnen. Man konnte da Erscheinungen l)eobaehten, die zu ])eob- achtcn man bis nun noch nicht Gelegenheit gehabt hatte. So war es unter Anderem bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal gelungen, das vollständige Abschmelzen der südlichen polaren Schneekappe zu beobachten. Zwar hatte schon einmal im Jahre 1879 Schiaparelli eine auf- fallend geringe Ausdehnung der Polarcalotte beobachtet, — ihr Durchmesser betrug damals nur etwa 140 engl. Meilen, — aber immerhin steht das vollständige Ab- schmelzen des Polarschnees im Oetober 1894 vollkommen vereinzelt da in der Gcschiclite der Marsforschung. Natürlich wurde die kürzliche günstige Stellung un- seres Nachbars gehörig ausgenützt, und so kann es uns nicht Wunder nehmen, wenn es Percival Lowell gelungen ist, nach seinen eigenen, sowie nach den Beobachtungen W. H. Pickerings und Douglass, welche drei bekannte Astronomen auf dem Privatobservatorium Lowells zu Flagstaff in Noi'damerika arbeiteten, eine neue, genaue Karte der Marsoberfläche zu zeichnen. Von der Genauigkeit dieser neuen Karte, welche Lowell erst vor Kurzem im Bulletin der astronomischen Gesellschaft zu Frankreich veröft'entlicht hat, überzeugen uns sowohl die klangvollen Namen der genannten Beobachter, wie auch insbesondere die äusserst günstigen Bedingungen, unter denen ihre Arbeiten V(ir sich gehen konnten. Die mit den vorzüglichsten Instrumenten und technischen Hilfs- mitteln ausgerüstete Sternwarte ist nämlich nach Lowells eigenem Plane in der Nähe der Stadt Flagstaff in Ari- zona in ungefähr 112" w. L. und 35" n. Br. erbaut und ist bei einer Meereshöhe von 2210 m unter den grösseren Observatorien der nördlichen Halbkugel eines der höchst- gelegenen, so dass sowohl in Folge ihrer grossen Meeres- hölie und der deswegen dünneren und durchsichtigeren Luft, als auch wegen ihrer geeigneten geographischen Lage die Beobachtungen durch ein ausnehmend trockenes und klares Klima unterstützt werden. Ausserdem ist die AVarte gegen Norden durch den Höhenzug des San Fran- cisco-Gebirges gedeckt, während ein waldiges Hügelland die nöthige Klarheit der für im Süden und Südosten Luft sorgt. Die Beobachtungen, die zur Zeichnung der Karle benutzt wurden, sind mit einem Refraetor von 45 cm Ob jectivöfinuug bei Vergrösserungen von 400 bis 900 an- gestellt. So kann auch die neue Karte, von der die astronomische Monatschrift Sirius eine ausgezeichnete Reproduction in Lichtdruck bringt, eine Menge Details enthalten, welche auf älteren Karten noch nicht ver- zeichnet sind. Unter den 288 Nummern, mit denen die einzelnen Marsgegenden benannt sind, bezeichnen unge- fähr 183 sogenannte Kanäle. Ueber 100, also die bei weitem grössere Zahl derselben, wurden erst bei der eben vergangenen Opposition auf Lowells Flagstaft- observatorium als neue Gebilde dieser Art verzeichnet. So wirken also alle Umstände, sowohl die Genauigkeit der Zeichnung selbst, wie auch besonders die grosse Zahl der eingetragenen Ohjecte zusammen, die Publication des gelehrten Amerikaners als ein wcrthvollcs Product menschlicher Beobachtungsthätigkeit nnd menschüchen Forscherfleisses erscheinen zu lassen. Die Topographie der Marsoberfläche begegnet, abge- sehen von der ungleich grösseren Feinheit und Zartheit, sowie der oft grossen Uudcutlichkeit der zu beobachtenden Oh- jecte, auch noch aus einem anderen Grunde viel grösseren Schwierigkeiten als zum Beispiel die des Mondes, weil XI. Nr. 24. N;itnrwis.seiis(-baftliche Wocheuschrirt. Wetter-Monatsttbersicht. — Der kühle Witterungs- charakter , welcher bereits während des grössten Theilcs des vorangegangeuen Monats bestanden hatte, herrsehte auch im Laufe des Mai in ganz Deutschland vor. Wie schon seit Ende März hielt sich fast immer in der Nähe der britischen Inseln ein barometrisches Maximum auf, während in den ersten Maitagen eine De- pression vom mittelländischen Meere über Ungarn und Polen sehr langsam nach dem Inneren Russlauds zog. Diese für die bekannten Kälterückfälle, die am häutigsten zur Zeit der „gestrengen Herren" zwischen dem 10. und i:!. Mm vorzukommen pflegen, durchaus charakteristische Wetterlage bedingt für Deutschland kalte Winde aus nördlicher und nordöstlicher Richtung. Der Monat be- gann demgemäss nach nachstehender Zeichnung überall mit Morgentemperaturen von 6 bis 7 « C. In den Nächten sank das Thermometer vielfach bis nahe an den Gefrier- punkt, und wurden empfindlichere Frostschäden auch zunächst durch die starke Bewölkung verhütet, so kamen auf Mars nie alle Einzelheiten zu gleicher Zeit und mit gleicher Deutlichkeit sichtbar werden. Da hei.sst es oft lange Tage beobachten, bis nach und nach ein Fleckchen nach dem andern deutlich ))egrenzt und sichtbar ge- worden, um dann wieder verschwommen und unklar, ja ganz unsichtbar zu werden, bis gleichsam eine Weile grösster Deutlichkeit über die Marsoberfläehc gezogen ist und so nach und nach die ganze Planetenoberfläche vor unseren Blicken hat erscheinen lassen. Ueberdies werden während einer solchen Periode oft nicht einmal dieselben Objecte sichtbar, wie während einer anderen. Oft er- scheinen bei einer Opposition Kanäle, die bei der nächsten auch mit besseren optischen Hilfsmitteln absolut nicht aufgefunden werden können, um dann plötzlich wieder einmal sogar in schwächeren Fernrohren sichtbar zu werden. Dann bleibt auch das Aussehen dieser bis jetzt noch immer mehr oder minder räthsehaftcn Gebilde un- bestimmt unil veränderlich. Daher müssen auch viele Beobachtungen zusammen- treten, um ein Gesammtbild dieses unseres geheimniss- vollen Nachbarplaneten zu geben. Dureli diese und an- dere sonderbare und merkwürdige Vorgänge auf der Marsoberfläche, die bis jetzt auf unserer Erde gänzlich ohne Analogon geblieben sind, wird es auch leichter er- klärlieh, wie so viele hochverdiente Forseher und gewandte Beobachter zu oft vollkommen diametralen Ansichten über das Wesen der Erscheinungen, die sich da unseren Augen darbieten, hatten kommen können. Auch Lowell hat sich aus seinen Beobachtungen eine Theorie zurecht gelegt, und er glaubt auf Grund seiner Erfahrungen, die ganzen Vorgänge auf unserem Nachbarplaneten sich durch die Thätigkeit der organischen Natur erklären zu können. Aber wenn es ihm auch gelungen ist, jahres- zeitliche Perioden herauszuschälen und seine Beobachtungen danach zu erklären, so bleibt doch immer noch das geo- metrische Netz der oft vollkommen geradlinigen Kanäle merkwürdig, und es erscheint ebenso unerklärlich, will man von dem Wirken der anorganischen, oder mit Lowell von der Thätigkeit der organischen Natur ausgehen, um jene Gebilde und ihre sonderbare Verdoppelung zu er- klären. Ob aber, — wie „Sirius" meint — , Lowells Er- klärung bezüglich der Anlage jener Kanalsysteme durch intelligente Wesen, vielleicht zum Zwecke der Bewässe- rung, für imseren Verstand wirklich befriedigender sein soll, das möge wohl dahingestellt bleiben. Schliesslich muss es ja immer dem Willen und der Phantasie Jeder- manns überlassen bleiben, sich die Vorgänge ausserhalb seines eigenen Ich so genial zu erklären, als er will oder kann. Adolf Huatek. 289 doch am 1., sowie vom 5. bis 10. Mai in Süd- und Mittel- deutschland häufige Reifbildungen vor, auch ging am 5 zu Bamberg die Lufttemperatur einen Grad unter den (retrierpunkt herab. Mordentemptraturen im Mai 'Mfe. ^ ,mma\ n. I«. 21. 26. ,11 r 11- 16. 21. iS. i Sehr ungleich waren während dieser Zeit die Nieder- schläge in Deutschland vertheilt. Während das dem Barometermaximum noch angehörende nordwestliehe Ge- biet vom 2. bis 15. Mai an gänzlicher Trockenheit zu leiden hatte, welche nur einmal durch belanglose Regen an der Nordsee eine kurze Unterbrechung erfuhr, fanden, wie aus der Zeichnung ersichtlich, östlich der Elbe vom 1. bis 7., in Süddeutschland vom 1. bis 5. täglich ziem- lich ergiebige Regenfälle statt. Ihre mittlere Höhe stieg bis 6,4 Millimeter in Nordostdeutsehland, bis 8,6 Milli- meter in Süddeutschland am 4. Mai; zu München wurden an diesem Tage allein 37 und vom 1. bis 5. insgesammt 121 Millimeter Regen gemessen. In ähnlichen Mengen traten Regen- und Schneefälle im ganzen Alpengebiete auf, und ebenso wurde der Weg des barometrischen Minimums au der adriatischen Küste, in Ungarn, Galizien, Böhmen, und Schlesien durch heftige Gewitterregen ge- kennzeichnet, deren Folgen sich zwischen dem 3. und 6. Mai in Hochwassern, besonders der Moldau, Elbe und Oder, mit verschiedentlichen Dammrutschungen sehr fühl- bar machten. Als nacii Entfernung der Depression am 7. Mai das Maximum sein Gebiet weiter nordostwärts ausbreiten konnte, stellte sich in ganz Dentsehland für mehrere Tage trockenes, heiteres Wetter ein. Zwar Hess der anhaltende 290 Naturwisseusfhaftliche Woclieusclintt. XI. Nr. -24. Nordostwind eine sebr rasche Erwärmung nicht aufiionniieu. Besonders bliel) es in den klaren Nächten noch immer ziemHch iialt; in den Tagesstunden stiegen aber die Temperaturen bei hellem Sonnenschein beträchtlich an, und das nordwestliche Deutschland, wo fast überall wolkenloser Himmel herrschte, hatte am 10. und 11. Mai die höchsten Nachmittagstemperaturen des Monats, durch- schnittlich 19, im Biuuenlande bis zu 24" C. zu ver- zeichnen. Eine neue Abkühlung wurde am 12. Mai durch ein tiefes Minimum eingeleitet, welches sich vom nördlichen Eismeere nach AVestrussland begab und das Maximum alsbald nach Westen zurücktrieb. lu der folgenden Nacht wuchs der Nordwind in Neufahrwasser zum Sturme an und zu Memel fiel bei 1 Grad Wärme Schnee, zu Königsberg am Vormittag Hagel. Auch in Nordwest- deutschlaud trat jetzt bewölkter Himmel ein, aber erst 2 Tage später fand dort die lange Trockenheit ihren Abschluss. Während dann mehrere weitere, obschon flachere Minima von Nordscandinavieu aus eine sudöst- liche Strasse einschlugen, welches ein jedes derselben über die Ostsee führte, herrschte in ganz Deutschland kühles, unfreundliches Regenwetter, wobei die Winde all- mählich in Nordwest und West übergingen. In Nordost- deutschland trat am 16. die niedrigste Morgentemperatur des Monats mit 6,8" C. ein; selbst die Naclimittags- temperaturen blieben an diesem Tage in Ost- und West- preussen, ebenso in Pommern bis zur Oder unter 10" und in der folgenden Nacht sank das Thermometer in Königsl)erg und Neufahrwasser auf den Gefrierpunkt. Die sehr häufigen Eegenfälle lieferten im Allgemeinen massige Erträge, nur zu Kassel wurden am 20. Slai nach einem Gewitter 24 Millimeter gemessen. Seit dem 23. Mai drang das Maximum abermals nordostwärts vor und brachte zunächst wieder dem nord- westlichen Deutschland Trockenheit, während noch über Schlesien schwere Gewitter herniedergingeu und iu den Schwarzwaldhöhen starke Schneefälle auftraten. Nach und nach verminderte sich überall die Bewölkung, worauf es rasch, besonders im Osten, sehr warm wurde. Der 28. war der einzige Tag, an welchem die Normaltempe- ratur in Nordostdeutschland um mehr als 3 Grade über- schritten wurde, während dieselbe dort im Durchschnitt des ganzen Monats um 1,3, in Nordwestdeutschland um 1,9 und in Süddeutschlaud sogar um 2,3 Grad über der diesjährigen Maitemperatur lag. Schon in der Naclit zum 28. kühlte es sich in Berlin und Grünberg nicht unter 16" ab, am Mittag aber stieg die Temperatur in Grünberg bis 30, in Königsberg, Berlin und Bamberg bis 29 und in Breslau bis 28" C. Doch bereits am folgenden Tage zog wieder ein Minimum vom Polarmeere nach Süden und rief, indem das Hochdruckgebiet von neuem auf die britischen Inselu beschränkt wurde, eine Wieder- holung der Abkühlung- von Mitte des Monats hervor. In Norddeutscidand trat bei massigen Nordwestwiuden sein- veränderliche Witterung ein und waren, besonders an der Ostseeküste, die Regenfälle häufig, während es im Süden in den letzten Monatstagen trocken und ziemlich heiter blieb. Wie es nach der langen Dürre wälircnd der ersten Monatsliälfte zu erwarten war, blieb die Monatssumme der Niederschläge in Nordwestdeutschland mit 19,1 Milli- metern hinter allen der vorangegangenen fünf Maimonate mehr oder weniger zurück. Sie war nicht halb so gross als in Nordostdeutschland, wo dieselbe zu 44,9, und als in Süddeutschland, wo sie zu 53,0 Milllimetern gemessen wurde. Uebrigens geht aus dem rechten Ende unserer Niederschlagszcichnung hervor, dass die westlichen Theilc Norddeutschlands im Monat Mai nicht selten weniger Regen als die östlichen empfangen. In der That war auch das längere Verweilen des l)aromctrisclicn Maxinnuus bei England und die Ausdehnung seines Gebietes nach Nord- westdeutschland der Regel durchaus entsprechend; nur liegt das Hoclidruckgel)iet, wie es sich aus laugjährigen Beobachtungen herausgestellt hat, durchschnittlich im Mai etwas südlicher, so dass es uns sonst weniger kalte Winde als in diesem Jahre bringt. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eruaniit wurden: Der aii.ssei-ordeiitliche I'rofessdr der Mathe- matik in Jena Dr. Fregc zum ordentliclu'n Professor; der ausserordentliche Professor für Ohrenkrankheiten und Director der Klinik für (Jhrenkrankheiten Dr. Schwarze in Halle zum ordentlichen Professor; der Privatdocent der Anatomie in Hallo Prosector Dr. Paul Eisler zum ausserordentlichen Professor; Dr. med. Kehr in Halberstadt zum Professor; die Bibliothekare Dr. Seelmanu und Dr. Weil an der köuigl. Bibliothek zu Berlin zu Obei-bibliothekaron; Ciistos Dr. Günther von der zoologischen Abtheilung des Britischen Museums in London zum Präses der Linne-Gesellschaft; der ausserordentliche Professor der Zoologie inKennes Dr. L. Joubin zum ordentlichen Professor; Dr. H. Prous zum ausserordentlichen Professor der Zoologie in Lille. ■ Berufen wurden: Der ordentliche Professor der darstellenden Mathematik an der technischen Hochschule in Graz Dr. P e 1 z als ordentlicher Professor an die böhmisch-technische Hochschule in Prag; der Professor der Chemie in Göttingen von Buchka an das Keichspatentamt in Berlin. Suspendirt wurde: Der Director des pathologischen Labo- ratoriums in Pai'is Roger. Es starl)en: Der bekannte Afrikareisende Gerhard Rohlfs; der Ordentliche Professor der Astronomie und Director der Stern- warte in Kiel Dr. Krüger; der ordentliche Professor der Piiilo- sophie in Rostock von Stein;, der Professor der Mathematik iu Pisa Ernesto Padova; der Meteorologe Rev. W. C. Ley; der Präsident des „Royal College of Physicians" Sir Russell Reynolds in London. Eine Gesellschaft zur Zähmung und Züchtung nutzbarer Thiere in vmseren Colonien, die aus dem Comitee zur Züchtung des afrikanisclien Elefanten*) hervorgegangen ist, erläs.st einen Aufruf mit zahlreichen Unterschriften, unter deneu viele in kolo- nialen Dingen klangvolle Namen sich finden. Die gewaltigen Strecken Landes in dem Tropengürtel Afrikas, welche bis jetzt den Hauptbestandtheil des Deutsclien Colonial- Besitzes ausmachen — heisst es in dem Aufruf — harren nach wie vor der Erschliessung, und sind noch lange nicht zu der Quelle dos Segens und der Vortheile mannigfachster Art gewor- den, wie es ihre Erwerber einst erhofften. Nicht zum Wenigsten hat an diesem Misserfolg der Mangel an jenen Haus- und Nutz- thioren Schuld, deren Hülfe wir uns in der Heimath zu bedienen pflegen, und ganz zweifellos kann auch gerade auf diesen Mangel manche Erkrankung in den Tropen zurückgeführt werden. Denn da Reit- uud Zugthiere sowohl in Ostafrika als in Kamerun und Togo fehlen, ganz verschwindend wenig Pferde und einige zuge- rittene Esel ausgenommen, so mnss eben der Mensch mit seinem Kör])er auch diese Leistung auf sich nehmen; und da auch der Rindviehbestand nur ein geringer ist, so ist der Europäer bezüg- lich Milch, Butter und Rindfleisch nur auf Büchsenkonserven aus der Heimnth angewiesen, also auf einen Ersatz, der doch auf keinen Fall als vollwerthig zu bezeichnen ist. Demuaeh stellt sich der Mangel an geeignetem, zweckent- sprechendem Vieh wegen der Gefährdung für den Körper und die bedeutende Erliöhung der Ausgaben als eine ganz wesentliche Erschwerung unserer Colonisationsbestrebungen dar, und dass man diesen Mangel bisher nicht auszugleichen verstanden, nuiss entschieden als eine Lücke in unseren kolonialen Unternehmungen bezeichnet werden. Sobald der nöthige Viehbestand vorhanden, wird es auch kleineren Pflanzern möglich werden, sich iu den (Kolonien niederzulassen, und es wird dauut definitiv der Vorwurf fallen, der heute so gerne gemacht wird, dass nämlich nur dir bisher allrin möglichen grossen Plant.agengesellschaftcn den ein- zigen Nutzen von den Colonien hätten. Die Thätigkeit der Gesellschaft wird sich zunächst auf jene Thiere erstrecken, welche am meisten den vorhandenen Be1 nebst Er- gänzungen 1894 und 1895), Projectionsapparate, Sehneide- und Schleifmaschinen für Mineralien; Instrumente lür Meteorologie, wie: Barometer, Ther- mometer und registrirende Apparat« etc- etc., gratis und franco zur Verfügung. Ferd, Dümmlers Tex'Iagsbuchhandlmig in Berlia SW. 12. Soeben erschien: (jeriiianische Casussyiitax. I. Der Dativ, Iiistruniental, Örtlictie und Halliörtliclie Verliältuisse, Von Heinrich Winkler. 560 Seiten, gr. 8". — Preis 10 iMark. Zu beziehen durch alle Buchfiundlungen. 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Grössere Aufträge ent- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist J! 4.— SS sprechenden Rabatt. Beilagen nach Debereinkunft. Inseratenannahme arinsegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 4827. Jl- bei allen Annoneenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger t^nellenaneabe gestattet. Der 6. naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen, abgehalten in Berlin vom 8. bis 18. April 1896. Bericht, zusammengestellt durch Prof. Dr. B. Schwalbe. Fortsetzung. Prof. Assmann: Wisse nsebaftlicbe Forschungen in der Atmosphäre mittelst des Luftballons. Gründe für die Nothwendigkeit von Forschungen in der Atmosphäre anzugeben, würde vor einem Kreise naturwissenschaftlich vorgebildeter Zuhörer mehr als über- flüssig sein. Aligemein wichtige physikalische Aufgaben, wie die Erkenntniss der Verhältnisse an der sogenannten „oberen Grenze" der Atmosphäre, neben zahlreichen im engeren Sinne meteorologischen harren der Lösung. Die bis- herigen Arbeiten auf diesem Gebiete, wie sie von Welsh, Glaisher und einigen französischeu Forschern ausgeführt worden sind, entbehren der Zuverlässigkeit gerade dort, wo sie am wichtigsten ist, in den höheren Atmosphären- schiehten •, die mit zunehmender Höhe steigende Intensität der Sonnenstrahlung fälschte die ermittelten Werthe der Lufttemperatur in völlig uncontrollirbarer Weise, je nachdem die .Sonnenstrahlung mehr oder weniger, vornehmlich durch liewölkungsverhältnisse beeinflusst, einwirkte. So ist es gekommen, dass die Abnahme der Lufttemperatur mit der Höhe in völlig falschem Lichte erschien, da man gefunden hat erreichten Höhe, eine Lufttemperatur von-— 47,9° beob- achtet hat, dass er ferner in der Höhe von 7750 m, wo Glaisher einmal —8,9°, ein anderes Mal —20,0° notirte_, im Winter wie im Sommer eine Temperatur von — 35 bis 36° gefunden hat; ja, in 6900 m Höhe beobachtete er constant — 30°, wo Glaisher l)ald —17,1°, bald + 3,4° abgelesen hatte. So ergaben die neueren Fahrten, dass die Temperatur-Abnahme nicht kleiner, sondern so^ gar grösser wird, je mehr man sich von der Erdoberfläche entfernt; und dass nicht der Werth von — 36° oder — 42° als „Temperatur des interplanetarischen Raumes angesehen werden kann, wenn in 9150 m Höhe .schon — 47,9° herrschen. — Um aus noch gi-össeren Höhen Beobachtungen zu erhalten, wurden Registrirapparate mit einem kleineren unbemannten Ballon auf^'eiassen, bei 294 Naturwissenscliai'tliclic Wooliciisflirift. XI. Nr. 2^^. welcliem sich auf pliotographiscliem Wege Temperatur und Luftdruck aufzeichneten. Es gelang, auf diese Weise aus Höllen his zu 20000 m Regi-strirungen zu erlangen, wo die Lufttemperatur mit — 68° aufgezeichnet wurde. Und trotzdem s]>rechen viele Gründe dahin, dass diese Temperaturen noch von der Sonnenstrahlung beeinflusst, also noch zu hoch sind; diese Experimente werden des- halb noch weiter fortgesetzt werden. — Ueber die an- deren meteorologischen Elemente, Feuchtigkeit, Wind, Be- wölkung und Niederschläge, sowie über den elektrischen Zustand der Atmosphäre und über die physiologische Wirkung grosser Luftverdünnungen wurden hochwichtige Beobachtungen in ausserordentlicher Reichhaltigkeit ge- wonnen, deren ausführliche Bearbeitung zur Zeit in An- gritr genommen ist. Der Erfolg verspricht, die Mittel und Mühen, welche darauf verwandt sind, reichlich zu lohnen. Assmann. Prof. Dr. R. Scheibe, Ueber den Diamant und sein Vorkommen. Der Vortrag brachte im ersten Theil eine Uebersieht über die Eigenschaften des Diamanten. Diamant ist reiner Kohlenstotl"; er krystallisirt regulär-tetraedriseh in mannig- fachen Krystallformen, die meist gekrümmte, zum Theil auch gesetzmässig feiner gezeichnete Flächen besitzen. Die verschiedenen Krystallformen sind nicht in allen Fundorten vorhanden. Die Grösse der Krystalle schwankt innerhalb weiterer Grenzen. Der Blätterbrueh nach dem Oktaeder, die Sprödigkeit, Härte, spec. Gewicht, Farbe, Natur des färbenden Bestandtheiis, Durchsichtigkeit, Glanz- und Lichtbrechungsverhältnisse wurden erörtert und die Bedeutung dieser Eigenschaften für die Ver- wendung des Diamanten als Schmuckstein und in der Technik berührt. Endlich wurden optische, thermische und elektrische Eigenschaften erwähnt. Derb kommt der Diamant als Bort oder Carbonado vor, letzterer in einer für die Bohrtechnik besonders günstigen Besehaftenheit. Der zweite Theil des Vortrags behandelte das Vor- kommen, die Entstehung, künstliche Darstellung und technische Ueberblick Mineralien theils auf Verwendung über die überhaupt, seeundärer des Diamanten. Nach eniem Arten des Vorkommens nutzbarer einestheils auf primärer, andern- Lagerstätte, besonders in Seifen, und einer Würdigung des verschiedenen Wertlies der- selben für die Deutung der Entstehung des Minerals, wurden die verschiedenen Fundorte der Diamanten l)c- •sprochen. Dabei wurde auf die geologischen ^'erhält- nisse der Lagerstätten und die Bedingungen, unter denen sieh Diamant findet, besonderer Werth gelegt, um hieraus Schlüsse auf die Entstehung ziehen zu können. Voraus- genommen wurde das Auftreten in gewissen Meteoriten, welches für die künstliche Darstellung des Diamants be- deutsam geworden ist. Die Vorkommnisse in Ostindien, Borneo, Australien, ferner im Ural, in Lapiiland und Nordamerika sind aus- schliesslicii solche auf .seeundärer Lagerstätte, z. Th. in Seifen verschiedenen geologischen Alters. Sie sind also von geringerer geologischer Bedeutung. Dem entspricht im Ganzen auch das Vorkommen in Brasilien, denn die Verhältnisse, unter denen sicii der Diamant bei Säo Joäo da Chapada und GnXo Mogol findet, sind noch nicht ge- nügend geklärt, um die^^e-i Auftreten als solches auf pri- märer Lagerstätte ansehen zu kömien. Wohl ist aber letzteres der Fall l»oi dem Vorkonnncn des Diamanten im blue ground Südafrikas und in Meteo- riten. Dasselbe ist somit von hoher wissenschaftlicher, und die Fundstätte in Südafrika zugleich von hervor- ragender piaklis'hcr Bedeutung. Lieferte letztere doch bisher für 1500 Millionen Mark des kostbaren Steins und fördei't fast "/lo sämmtlicher Diamanten des Handels. Dieses Vorkommen wurde deshalb eingehender behandelt. Nach Vorausschickung von Angaben über das Auftreten der Diamanten in den Flussallnvionen (river diggings) besonders des Vaalflusses, wui-den unter Berücksiciitigmig des geologischen Baues von Südafrika die Diamantgruben (diy diggings) besprochen. Die Verhältnisse der Kimberley- und Debeers mine wurden dabei zu Grande gelegt. Die in den Schichten der mittleren KarroolVirmation senkrecht in die Tiefe setzenden Säulen des blue ground sind das Muttergestein der Diamanten, von denen sie durch- schnittlich ^1000000 pCt. ihrer Masse fülren. Der blue ground ist ein eruptiver, breccienhafter Olivinaugitfels (Kimberlit), welcher Brocken (boulders) besonders des Nebengesteins enthält und in den oberen Teufen stark serpentinisirt ist. Him gehörte der Kohlenstoff von Haus aus an. Derselbe wurde in der Tiefe unter hohem Druck von dem magnesiareichen Magma als Diamant aus- geschieden. Daten über Entwiekelung des Diamantberg- baues, über die heutige Gewinnung, über den Eintiuss der Diamautfunde auf die wirthschaftliche Entwiekelung Südafrikas schlössen sich an. Die Deutung der Entstehung des Diamanten muss auf das primäre geologische Vorkommen sich stützen. Die Hypothesen, welche dies ausser Acht lassen, haben deshalb nur rein speeulativen Werth. Wo aber jene Grundlage benutzt wurde, führte sie auch bei der künst- lichen Darstellung zu einem Erfolg. Diese ist bis jetzt nur Moissan gelungen. Bei Erörterung der Verwendung des Diamanten im praktischen Leben wurde eine Reihe von Ajiparaten und mit Diamant bearbeiteten Gegenständen vorgelegt, wie überhaupt durch möglichst reichhaltiges Demonstrations- material (Diamantkrystalle, Gesteine, geschliifene Dia- manten, Zeichnungen u. dergl.) der Vortrag unterstüzt wurde.*) Scheibe. Prof. E. Schwanneeke: Ueber Belebung und Vertiefung des ehemischen Unterrichtes durch Heranziehung verwandter naturwissenschaft- licher Gebiete, unter Vorführung neuerer Appa- rate und Versuchsanordnungen. Zur Belebung und Vertiefung des ehemischen Unter- richtes sind auf Anregung des Herrn Director Vogel schon seit Jahren die praktischen Arbeiten der Schüler im chemischen Laboratorium des König-städtischen Real- gynmasiums auf solche physikalische Erscheinungen aus- gedehnt worden, welche für die Chemie von besonderer Wichtigkeit sind. Auch im chemischen Unterrichte selbst empfiehlt es sich, die Einfirmigkeit rein chemischer Experimente durch Heranziehung von Versuchen aus anderen naturwissen- schaftlichen Gebieten zu unterbrechen und so den Unter- richt allgemeiner nutzbringend zu gestalten. Der Vor- tragende führt einige diesem Zwecke dienende Versuche in neuer Anordnung aus und zeigt vcm ihm C(mstruirte physikalische Apparate, sowie verstellbare Krystallmodclle vor. Es gelangen zur Demonstration: L Unterkühlung des Wassers. In einem Erlcnmeyer- schen Kölbcben werden 100 gr Wasser mit Oel überdeckt und die Luft aus den Flüssigkeiten durch Kochen ent- fernt. Das ganz gefüllte (!efäss wird mit einem doppelt durchbohrten Kautschukstöj)sel verschlossen. Durch die eine Durchbohrung- führt ein Thermometer bis in das *) Ein aiisfiilirliclioi-, mit Illu.'itrutionfn vorsoliciicr Ai-tiki'l (li'S Ilcn-n Vortr:i;;-nii(li'ii winl (Iriniiiiclist in ilcr N:itnr\v.\Vclte, mit Saucrstotf gemischte Mchistaub lässt sich leicht entzünden und giebt eine 10 — 12 dem hohe Flamme; der Versuch ist ohne Gefahr. Auch die Abkühlung des aus enger Oefi'- nung ausströmenden Gases mit Demonstrationsthermometer oder ]\Ianometer - Thermoskop lässt sich leicht zeigen. Diese Abkühlung ist von Linde, llamiison, Dewar zur Erzeugung niedriger Temperaturen in grösserem Maass- stabe, Verflüssigung der Luft und des Wasserstofles be- nutzt worden. (Wied. Ann. 57, 328, Nature 53, 515 etc.) Ausserdem wurde unter Zugrundelegung der Arbeit von H. Rebenstorff über Farbenthermoskope und ihre Verwendung im Unterricht, eine Beilage zum Jahresbericht der Realschule zu Dresden-Friedrichstadt, eine Anzahl der in der Abhandlung angegebenen Versuche vorgeführt. Das benutzte thermoskopische Papier (mit gelbem Silber- Quecksilberjodid überzogen) ist weit empflndlichcr als das früher benutzte rothe Kupfer - Quecksilberjodidpapier. Die erforderlichen Papiere und kleinen Versuchsvorrich- tungen sind von G. Lorenz, Chemnitz, Schollcrstr. 15, für 13,50 bis 16 M. zu beziehen. Auf diese Methode Wärme- erscheinungen oder Versuche, bei denen Wärmeentwicke- lung auftritt, zu zeigen, ist sehr fruchtbar; Herr Reben- storff selbst hat noch neue Versuche angegeben und weitere Verwendungen lassen sich leicht auffinden. Sodann wurden Versuche mitnianometrischen Flammen, die in einfachster Weise hergestellt waren (Poskc, Ztschr. f. phys. Unterr.) vorgeführt, die Wirkung zweier Gasströme auf einander demonstrirt, eine Zusammenstellung alter und neuer Zeichnungen für optische Täuschungen gezeigt, auch wurden besondere Apparate und Präparate der Sammlung des Dorotheenstädtischen Realgynmasiums (Quellung und Imbibition von Agar-Agar, Efflorescenzen u. s. w. vorgeführt.*) Dir. Prof. Dr. B. Schwalbe: Geologische Ex- perimente in der Schule. Nach Cliarakterisirung der Stellung der Geologie im deutschen Schulunterricht und einer historischen Ein- leitung, die an die Arbeit: „Ueber die Geologie als Zweig des geographischen Unterrichts" (Central-Organ für die Interessen des Realsclmlwesens, 1879, S. 193) und das kurzgefasste Lehrbuch der allgemeinen Geologie (Verlag von H. W. Müller) des Vortragenden anknüpfte, wurden die litterarischen sonstigen Hilfsmittel für den geologischen Unterricht, insbesondere für die Experimental-Geologie (Tafeln bei Fischer, Reports, Daubree, Roth, Reyer, Meunicr u. s. w.) dargelegt und die Stellen angedeutet, wo im Laufe des Schulunterrichts das geologische Ex- periment zweckmässig herangezogen werden kann (Ge- setz der communicirenden Gefiisse, bei Betrachtung der Ij Kohlensäure, Capillaritätswirkungen, Einfluss niederer 11 Temperaturen etc.). Auch die sonstigen Mittel, die geo- logischen Verhältnisse dem Unterrichte nutzbar zu machen, wurden kurz dargelegt im Hinblick auf die Wichtigkeit dieser Wissenschaft und ihre Beziehungen zur allgemeinen Bildung. Es scheint daher nicht unzweckmässig, die Ex- perimente, welche Beziehung zur Geologie und zu den in der Schule gelehrten Naturwissenschaften haben, zu- sammenzustellen imd auch die Theile der Physik und Chemie anzudeuten, in denen auf geologische Verhältnisse Rücksicht genonunen werden muss, um die geologische Kenntniss für die .Jugend zugänglich zu machen, da Geo- logie in besonderen Unterrichtsstunden zusammenhängend nicht gelehrt werden kann, ohne sonst den betreffenden Hauptgegenstand zu sehr einzuengen. Die Versuche werden in folgende Gruppen gethcilt: 1. Exi)erinicntc zur Demonstration vulkanischer (geothermischer) Erscheinungen (Geysire, Entstehung *) Einzelne der Versucho werden veröffentlicht worden. XI. Nr. 25. Naturwissenscbaftliclic Woclicnscliritt. 297 von Vulkanbergen, Stosswirkung auf loekere Massen, Erdbeben).*) 2. Experimente betreffend die Wirkungen des Wasser. s in den verscbiedenen Aggregatzuständen und den Eintluss der Atmosphärilien (Verwitterung, Lösung, nieeha- niselie Wirkungen, Tropt'enwirkungen, Suspension, Sedi- mentirung, Absetzungen, 'J'r(i])fstein, Wirkungen und Bil- dung der Erde u. s. w.); die Zahl der hierher gehörigen Versuche ist eine so grosse, dass Unterabschnitte ange- bracht werden müssen, sobald ein eingehenderer Lieber- blick gegeben wird. 3. Experimente über äoliscbe Wirkungen (Dünen, Abschlcifungen). 4. Experimental- Versuche, die Wirkung der Orga- nismen auf die Bildung der Erdoberfläche zu zeigen. (Humusbildung, Lignitbildung etc.) 5. Geognostische Versuche (Einfluss von Druck auf Verschiebungen, Verwerfung etc.). 6. Petrogenetische Versuche (Bildung von Gyps, von Sinter, von verschiedenen Jlineralieu). Aus Mangel au Zeit werden die Versuche, die als Beispiele für einzelne Gruppen dienen sollten, nicht vor- geführt. Die Vorlegung und Beschreibung derselben ist einem dritten Beitrage zur Jlethodik des Experimentes in der Zeitschrift für physikalischen und ehemischen Unter- richt (Poske Ztschr.) vorbehalten und wird dort veröffent- licht werden. Da auch betrelTs der allgemeinen Gesichts- punkte (die Geologie als Unterricbtsgegenstand in den höheren Schulen) eine ausführlichere Darstellung gegeben werden soll, kann von weitcrem Eingehen auf einzelne Punkte abgesehen werden. Nach der Vorlesung wurde die Eich 1er 'sehe Stoff- sammlung besichtigt, und über die Verwendung derselben im Unterricht gesprochen. Die Ajtparate in der mathematischen Geographie und in der Astronomie, an denen die Sammlung des Dorotheen- städtischen Realgynmasiums besonders reich ist, und die zum Theil Eigenthum der Hundjoldt-Akademie sind, bil- deten einen weiteren Gegenstand der Erörterung. Der Siemens'sche Wasserkochapparat, der im Falle von Epidemien für Abkochung des Wassers, das den Schülern als Trinkwasser geliefert werden soll, wurde von Herrn Oberlehrer Böttger in Function gesetzt. Auch im Anschluss an andere Vorlesungen fanden I)emonstrationen einzelner Ap|)arate statt, die die Herren Theilnehmer zu sehen gewünscht hatten oder die soust bemerkensvverth waren; so wurde nach den physikalischen Vorlesungen im üniversitätsinstitut das Bolometcr und ein neues Gewiehtsaräometer von Th. Lohnstein (Zeitschrift iür Instrunientenkunde, Mai 1894) gezeigt, ebenso der elektrische Anschlu.ss des Dorotheenstädtischen Real- gymnasiums nach den Vorlesungen des Herrn Professor Goldstein. Prof N. Zuntz: Beziehung zwischen Stoff- umsatz und Arbeitsleistung des menschlichen Körpers. Der Vortrag suchte an der Hand von Demonstrationen und Experimenten möglichst klar zu entwickeln, wie man die Grosse der geleisteten Arbeit eines isolirteu Muskels einerseits, eines arbeitenden Menschen andererseits, genau messen kann, während man gleichzeitig den behufs Leistung der Arbeit erfolgten Stoffunisatz seiner Grösse nach niisst und die durch diesen Stoffumsatz entwickelte Energie feststellt. 1 ■ t^ Die Erdbebenvei-sucho mögen hier angoi-eiht werden, w enn- gleich vielleicht der grösste Theil der Erdbeben, tektonischer Natur ist. 1. An mikroskopischen Präparaten wurden die ver- schiedenen Arbeitsorgane unseres Körpers demonstrirt: a) coiitractiles Zellprotoplasma (lebende Amoeben und Paramaecien aus dem Frosehdarin). b) Fliminerbewegung an den Paramaecien. c) Bau der glatten Muskulatur und ihre Anordnung zur Entleerung von Hohlorganen an der Harnblase des Frosches. d) Bau der quergestreiften Muskeln. 2. Die Leistung der Fliminerbewegung für die Rein- haltung der Schleimhäute von Fremdkörpern wurde an der flimmernden Schleimhaut des Frosclischluudes de- monstrirt. Aufgelegte Froscheier und ähnliehe Objecte wurden auch bergauf prompt bis in den Magen befördert. 3. Der isolirte Wadenmuskel des Frosches zuckt bei Erregung des zugehörigen Hüftnerven durch Oeffuung oder Schliessung eines constanten Stromes bezw. durch Zuleiten eines Inductionssehlages; der zuckende Muskel hebt ein Gewicht um so höher, je geringer die Belastung. Der Muskel zuckt auch in dem Augenblick, in welchem der Nerv, gleichzeitig an die Mitte und das Sehnenende des Muskels angelegt, von dem Muskelstrom durchflössen wird. (Galvanis Zuckung ohne Metalle.) 4. Dem Nerven wird eine Folge von Inductions- schlagen, wenigstens 30 in der Secunde, zugeleitet, der Muskel verharrt in dauernder Verkürzung, welche stärker ist als das Maximum der durch den stärksten eiumaligen Reiz erzielbaren. 5. Durch chemische Reizung des Nerven (Aufstreuen von Kochsalz) wird der Muskel ebenfalls zur Contraction veranlasst. 6) Der zeitliche Ablauf der Muskelzuekung wird durch Registrirung derselben auf rasch bewegter berusster Glasplatte, auf welcher gleichzeitig eine Stimmgabel ihre Schwingungen schreibt, veranschaulicht, (du Bois-Rey- mond's Modification des Helmholtz'schen Myographions.) 7. Es werden 2 Muskelcurven nach einander ge- schrieben; bei der zweiten trifft der Reiz eine um 8 eni vom Muskel entferntere Stelle des Nerven; die Zuckung beginnt 0,003 Secunden später (Messung der Fort- pflanzungsgeschwindigkeit des Nervenprinzips, Latenz- periode des gereizten Muskels). — 8. Als Einleitung der Besprechung des Stoffunisatzes im Muiskel dient die mikroskopische Betrachtung des Kreislaufs in der Schwimmhaut eines curarisirten Frosches, wobei gezeigt wird, dass die Weite der Arterien und damit die Menge des in der Scliwimiuhaut circulirenden Blutes durch nervöse Einflüsse regulirt wird. 9. Die Vermittelung der Sauerstoffzufuhr zum thätigeu Muskel wird durch Demonstration des Spectrunis sauer- stoffhaltiger Blutlösung und seiner Aeiideruiig durch re- ducirende Substanzen erläutert. 10. Demonstration der entsprechenden Farbenänderung norinaleu Blutes und ihrer Abhängigkeit einerseits vom Sauerstoffgellalt, andererseits von der Lichtrellexion durch die rothen Blutkörperchen. 11. Mit Hülfe der l'flüger'schen Blutgaspnmpe wird arterielles Blut entgast und die Analyse des im Eudiometcr gesammelten Gases demonstrirt (Absorption der Kohlen- säure mit Kalilauge, Verputt'ung nach Zusatz von über- schüssigem Wasserstoffgas.) 12. Zur Erörterung der Lungenathniung: Mikro- skopisches Bild der Lungenalveoleu und des (blau inji- cirten) Blutgcfässnetzes in ihnen. 13. Die Art der Fiilluug und Entleerung der Lungen, die Wirkung des Zwerehfclles und die Bedeutung der 29S Naturwissenschaftliche Wochenschvit't. XI. Nr. 2n. I durcli die Elasticität der Lun.iien bedinjiten Druck- vcrinindcrung im Thorax für den Bliitlauf wird au eiuem Blodclle demoiistrirt. 14. Ein Mensch athmet bei verschlossener Nase durch ein Mundstück, wie sie bei Tauchern üblich sind; die durch Ventile von der inspirirten getrennte Ausathmungs- luft wird in einer Gasuhr gemessen und ein aliquoter Theil davon über AVasser zur Analyse aufgefangen. Die Methode der Analyse wird demoustrirt. Es wird gezeigt, dass die Athemgrösse erheblich wächst, wenn die ein- geathmete Luft einige Procente Kohlensäure enthält, ebenso wenn der Manu arbeitet. Die Arbeit geschieht durch Drehung eines gebremsten Eades, dessen Wider- stand genau gemessen werden kann. So ergiebt sich aus Messung und Analyse der Athemluft die Menge Sauer- stoff, welche zur Leistung einer bestimmten Arbeit ver- braucht und die Kohlensäure, welche dabei gebildet wird. Hieraus und aus dem mit dem Harn entleerten Stickstoff wird berechnet, wieviel Eiwciss, Fett und Kohlcnhydrat für die Arbeit verbraucht worden ist. 1.5. Die Verbrennungswärme und damit das mecha- nische Aequivalent der umgesetzten Nährstoffe wird am genauesten mit Hülfe der Berthelot'schen Bombe bestimmt. Vorführung eines solchen Versuchs. 16. Demonstration einer von einem Motor bewegten Trethahn, auf welcher Menschen und Thiere leicht mess- bare Arbeit durch Gehen, Bergsteigen, Ziehen leisten können, und dabei immer au derselben Stelle bleiben, also l)equeni mit dem Apparate zur Messung der Athmung verbunden bleiben können. Zuntz. Geh. Regierungsrath Prof. Dr. W aide y er: Ueb er- sieht des Nervensystems. Das Nervensystem besteht aus Nervenzellen und Nervenfasern, von denen die letzteren theils markhaltig, tlieils marklos sind. Remak entdeckte an den mark- haltigen Fasern einen Achsencylinder, der von einer Mark- scheide umgeben ist. Diese ist an einzelnen Stellen durch die sogenannten Schntirringe unterbrochen, sodass die dazwischen liegenden Stücke gleiche Grösse haben. Das Ganze wird umkleidet von einer dünnen Haut, der Schwann'schen Scheide, die an der Verengerung theil- nimmt. Imprägnirung mit salpetersanrem Silber zeigt hier ein schwarzes lateinisches Kreuz und lehrt also, dass der Nerv hier seine Ernährungssäfte bezieht. An den Enden verdünnt sich sowohl die Markscheide, wie auch die Schwann'sche Scheide, sodass der Achsencylinder im Centrum und in der Peripherie nackt endigt, ein Beweis dafür, dass nur der erstere leitet, während die anderen Bestandthcile Scliutzvorrichtungen sind. Bei der mark- losen Faser liegt in der Schwann'schen Scheide eine grosse Anzahl feiner Achsenfibrillen, die in ihrer Gesammt- heit dem Achsencylinder entspreciien. Marklose Fasern konnnen nur bei höheren Wiri)elthieren vor, bei Amphi- oxus fehlen sie noch, sie gehören dem sympathischen Nervensystem an; die niarklialtigen, welche wir in dem letzteren linden, sind nach Kölliker aus dem Gehirn- und Rückenniarksystem hineingetragen. Während die Nerven- faser die Leitung darstellt, konnnt die Bewusstseinsvor- stcUung in der Nervenzelle zu Stande. Die Nervenzellen, in den dreissiger Jahren von Ehrenberg entdeckt, zeigen ausser ihrem centralen Theil zwei Arten von Fortsätzen, die ersten sind Protopiasniaverlängerungen, die soge- nannten Dendriten, die eine sehr reicldiche Verzweigung aufweisen, die letzteren bilden den Fortsatz eines Aehsen- cylinders, man nennt sie Neuriten. Nun unterscheidet man je nach der Zahl der Fortsätze nionopolare, bipolare, polypolare Ganglienzellen. Bei den bipolaren Zellen ist der eine Fortsatz als Dendrit, der andere als Neurit an- zusehen; die Zelle ist direct in die Leitungsbahn einge- schaltet. Solehe bipolaren Zellen finden wir bei den nie- driger stehenden Wirbelthieren, den Fischen, und zum Theil beim Embryo des Mensehen. Eine höhere Stufe der Eutwickelung stellt die monopolare Zelle dar, welche durch den Verlauf ihrer Fortsätze, die anfangs beide neben einander verlaufen, später im rechten Winkel nach entgegengesetzten Seiten abbiegen, als T-Zelle charak- terisirt wird. Sie entsteht in der Weise aus der bipo- laren Zelle, dass dieselbe allmählich aus der Leitungs- bahn zur Seite rückt, dies ist das Spinalganglion der sensiblen Faser. Verfolgen wir die Bahn des Neuriten, so sehen wir ihn sowohl in seinem Verlaufe, wie auch am Ende sich verzweigen. Die Seitenzweige oder Colla- terale, welche meist rechtwinklig abgezweigt sind, schwächen den Nerven nicht, am Ende löst er sich in ein Endbäumchen auf. Eine dritte Substanz ist von Virchow im Nerven entdeckt und als Neuroglia bezeichnet worden: für die Leitung kommt dieselbe nicht in Betracht, sie dient nur als Stützgerüst der beiden ersten. Die Nerveneinheit begreift also 1. einen Zellkörper mit Kern, 2. ein End- bäumehen, 3. Dendriten, 4. Neuriten, 5. CoUaterale; solche Einheit nennt Waldej^er ein Neuron. Das Wesent- liche desselben ist eine Zelle mit einem Ausläufer von sehr excessiver Ausdehnung (bis 1 m). Das ganze Nerven- system besteht aus einer Summe von Neuronen, etwa einer Milliarde ; dieselben sind wie die Glieder einer Kette mit einander verschränkt, aber nicht organisch verschmolzen. Nun haben wir zwei Haupttheile zu unterscheiden, das cerebrospinale und das sympathische Nervensystem. Der centrale Theil des letzteren ist der truneus sympa- thicus, das ist die Summe der Ganglien, welche vorn zu beiden Seiten der Wirbelsäule entlang liegen und sämmt- lich durch einen Strang verbunden sind. Die peripheren Nerven dieses Systems sind nach Kölliker ausschliesslich motorische: sie bestimmen die Bewegungen der glatten Muskelfasern, z. B. des Herzens, Darmes u. s. w., also diejenigen Bewegungen, welche unserem Willen entzogen sind. Den niederen Thieren fehlt der Sympathicus. Das cerebrospinale Nervensystem hat als Centren ->( das Cehirn, ß die Medulla oblongata, ■; das Rückenmark. Das letztere reicht bis zum zweiten Lendenwirbel, von da ab finden wir nur Nervenfasern. Es würde zu viel Raum bean- spruchen, das reichliche Material, welches Herr Prof. Dr. Waldeyer in ausserordentlich durchsichtiger Anordnung den Hörern darbot, in allen seinen Tiieilen wiederzu- geben; zusammenfassend sei noch Folgendes mitge- theilt. Die weisse Substanz des Rückenmarks besteht aus Neuriten und CoUateralen, dient also der Leitung; nur die graue enthält Nervenzellen. Mikroskopische Durch- schnitte, die durcli den Projcctionsapparat vergrössert wurden, zeigten die Anordnung der einzelnen Theilc. Die vordere Wurzel des Nerveustammes ist mot(jriseli, die M hintere mit einem Spinalganglion versehene sensibel ; damit " beginnen die peripheren Theile des cerebrospinalen Nerven- systems. Am Gehirn ist der vagus der einzige Nerv, der sich nicht nur am Kopfe ausbreitet, sondern auch am Kelilkopf, Herzen, Magen u. s. w. Durchschnitte durch das (Tcliirn, die an Tafeln, einem in Spiritus gehärteten und einem frischen Gehirn gezeigt wurden, erläuterten die Lagerung der einzelnen Theile und den Sitz der einzelnen Functionen, endlich die Leitungsbahnen. Von Einzelheiten seien inn- am Grosshirn erwähnt, dass die Zirl)cldriise wahrscheinlich ein Rudiment eines ursprüngliclien Auges (Scheitelaugc I ist; ferner, dass die Sylvische Furche zwei ganz bestimmte Zonen der Empfindung trennt, vor XI. Nr. 25. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 299 derselben liegt die psychomotorische, hinter derselben die psyciiosensorische Zone. Am wenigsten bekannt ist uotdi die vorderste Partie des Grosshirns in seinen Functionen, Entfernung oder Erkrankung der Grosshirnrinde wirkt P.lödsinn. An der Centralfurche liegen die Wülste, welche mit den Extremitäten in Verbindung stehen. Bekannt sind lerncr die Centren für das Sehen, Hören, die Sprache und das Sprachverständniss, das Lesen, die Schrift, für die Bewegung der Augenlider, der Lippen und für den Miiskelsinn. Fehlt z. B. letzterer, so treten Schwankungen des Körpers ein. Das ^V)rhandensein eines Centrums für die Sprache unterscheidet den Mensehen, wie kein anderes Merkmal von allen Thieren, auch den am iiöchsten entwickelten Alien. Was zum Schluss die Leitung anl)etritft, so ist dieselbe eine zweifache, moto- risch oder sensibel. Die motorisciic Leitung (die soge- nannte Pyramidcnbalm) setzt sich aus zwei Neuronen zu- sammen, beginnt am Gehirn und verläuft durch die Byra- midenkreuznng nach der anderen Seite des Körpers. Die sensible Leitung nimmt ihren Anfang in der Beripiierie mit einem Endbäumelien, geht zum Bückenmark, indem sie vorher ein Spinalganglion jjassirt; im Rückenmark tritt auch hier ein zweites Ncur<»n in Wirksands.eit und leitet (Schleifenbahn) die Empfindung zum Gehirn. Bock. (Seliliiss folgt.) Die Krebsthiere der Provinz Brandenburg. Von W. Hartwig, Berlin. VL 12. Der Sclivvielowsee und ciie Havel (»cj Werder. Ich untersuchte den See am IL Juli LS95 inul fischte nur limnetisch von der Oberfiäche bis zu einer Tiete von 2 — 3 Metern. Das Wasser war fast spangrün von starker „Wasserblüthe". Der Himmel war unbewölkt. Die Tem- peratur betrug etwa 20° C. Erbeutet wurden von mir: 1. Cyclops leuekarti Claus. Nicht sehr zliisclie Ortsbestimmuugeii ohne astronomische Instrumente. Von l'rdf. Dr. V. Harzer. Director der Herzoglichen .Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. (Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik.) 53 Seiten Lex. S". — Preis 1.20 IM. Zu beziehen durch alle Buchhandlutiffen. IXrilli Büsingr, Lan5JähriKfr .\ssisteiit vom Prof. Dr. Vogel des photo-chem. Laboratoriums der Karl, techn. Hochscliuli' zu rliarlotteubursc. Berlin W., Bendlerstr. 13 l*liotoeli«'iiiiis«'li liitcrsiivli ]Il^«titnt. fraetisflie II. theoret-^ii!*!». ^^J^i^'^in siimnitl. photogr. ^^.^^■^Xegat.-u.Posit.-Verf.sow. plioto-Miechan. Druckverfahren. Wisseu.schaftlichi- und Amateur- Kurse. i:intiitt jederzeit. Kurze und längere Kurse. Dunkelkammern stehen zur Verfügung. rchcrnahine aller vorkommenden wissensohattl. lind luactischen photo^raphischen Arbeiten. N;ihcii- Au>l> I li.M. ii«illiu'-i. Täftlich iVll.'t VIDI V'eraiitwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfeld Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchh ii (P.-ß.) bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentheil: Hugo iindlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein. Berlin SW. 12. - ^ ...» '>-<»v ^<»,1 Redaktion; 7 Dr. H. Potonie. Verlag:: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XL Band. Sonntag, den 28. Juni 1896. Nr. 26. Abonnement: Man abounirt bei allen Buchhandlungen und Post- ir Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 ^. Grössere Aufträge ent- mstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist .Ä 4.— GjD sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post l.i ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 4827. A bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit Tollständiger Qaellenang^abe gestattet. Der 6. naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen, abgehalten in Berlin vom 8. bis 18. April 1896. Bericht, zusammengestellt durch Prof. Dr. B. Schwalbe. Schluss. Bemerkungen über die Besichtigungen. Schon im letzten Bericlit wurde dargelei^t, weshalb es nicht gut möglich ist, über die Besichtigungen im Ein- zelnen zu lierichten. Hervorgehoben mag nur werden, dass dieselben sich dadurch ganz besonders fruchtbar gestalteten, dass die Herren Leiter der Besichtigungen das Hehenswertheste, besonders Wichtige und Eigenthüm- liche den Herren Theilnehmern besonders zugänglich machten und darlegten, zugleich aber doch einen Ueber- biick über die ganzen Einrichtungen gaben und Bemer- kungen hinzufügten, die für die besonderen Zwecke der Theilnehmer wichtig waren. Gerade durch die Leistungen in den einzelnen Instituten, die ja nur in besonderen Veranlassungen stattfinden, treten die grossartigen An- lagen und Schätze derselben recht hervor und bieten nur neues Interesse dar. Den Herren, welche ja nur im Interesse der Sache, mit aufoitferuder Mühe die Fülirungen übernahmen, ist der Dank der Theilnehmer sicher, denen auch dieser Theil des Feriencursus dauernd in Erinne- rung bleiben wird. Besichtigung der Kgl. geologischen Landes- ■ Es ist hier Herr Geheim. anstalt und der Bergakademie, der grossen Liebenswürdigkeit, mit der uns zu eführt hat. unerwähnt bleiben, dass ossen , neu angefertigten Ober-Bergrath Hau c h e c o r n e denken und es darf nicht Prof. Wahnschaffe die g geologischen Wandkarten gütigst erläutert hat. Besichtigung der landwirth sc haftlichen Hoch- schule. — Herr Prof. Frank, derzeitiger Reetor, hatte die gütige Erlaul)niss dazu gegeben. Die Besichtigung erfolgte unter Führung der Herren Vorsteher der einzelnen Abtheilungen, welche in der bereitwilligsten und ent- gegenkommensten Weise die Sammlungen erläuterten. Zu besonderem Danke sind wir dem Herrn Geh. Re- gierungsrath Prof. Dr. Wittmac k, Herrn Prof. Dr. Ne bring, Herrn Prof. Lehmann und Herrn Geh. Re- gierungsrath Schotte verpflichtet. Besichtigung des Museums für Naturkunde. — Herr Geh. Regierungsrath Prof. Dr. Möbius, der dem Feriencursus schon oft in der liebenswürdigsten Weise seine Mithilfe geschenkt hat, übernahm selbst wieder die Führung. Bei seinen eingehenden Erläuterungen wies er insbesondere auch auf das für den Unterricht Wichtige hin, wofür die Herren Besucher dankbar waren. Zoologisches Institut der Königl. Friedrich- Wilhelms-Üniversität. — Die Theilnehmer des Ferieu- kursus wurden im Grossen Hörsaal des zweiten Stock- werkes empfangen und erhielten durch eine Ansprache des Directors des Zoologischen Instituts, des Herrn Geh. Regierungsraths F. E. Schulze, eine üebersicht über Anlage und Eintheilung der Anstalt. Darauf wurde eine Besichtigung aller Räume vor- genommen, in denen je nach ihrer Bestimmung Demon- strationen verschiedener Art stattfanden. In den beiden Sammlungssälen, welche die zum Unterricht erforderlichen Präparate enthalten, waren u. A. auf besonderen Tischen ausgestellt: eine vollständige Reihe von Entwiekelungs- stadien des Hühnchens, zur Demonstration der vor- züglichen Conservirungsweise mittelst Formalin imd als Muster, wie solche für den Unterricht wichtige Präparate herzurichten und aufzustellen sind; 306 Naturwissensclini'tlicbe Wochenschrift. XI. Nr. 26. Knorpelschädel von Stören, Herzen ver- schiedener Wirbelthiere, durch Tränkung mit Paratfin als instructive Trockenpräparate her- gestellt ; Durchschnittene Augen, in Glyeerinleim ein- gebettet und in ringförmigen Glasgefässen ein- geschlossen ; Mägen, Lungen und Herzen verschiedener Säugethiere, in weichem Zustande und zum Auf- blasen hergerichtet ; Knorpelskelett-Präparate vollkommenster Art, von Cyclostomen und Ganoiden, von der Lehr- mittelbandlung V. Fric in Prag; in eigenartiger Weise zur Hälfte mit dem Balg überdeckte Skelette von Säugern und Vögeln, hergestellt von der „Liunaea" in Berlin; eine Reihe mustergültiger Trockenpräparate von Fischen verschiedener Familien, augefertigt von dem Lehrer L. von Kirchroth in Mödling bei Wien. Im anstossenden Curssaal wurden ein vollständig aus- gerüsteter Arbeitsplatz für makroskopisclie und ein solcher für mikroskopische Curse besichtigt. Daselbst waren ausgestellt die in den letzten Jahren von den bewährtesten Modelleuren des Inlandes hergestellten Unterrichtsmittel, so u. A. die neuesten Modelle von P. Osterloh in Leipzig (Bau der Feder, Katzenkralle, Wiederkäuermagen, In- sekten-Stigma, Anatomie des Seesternes, Bau der Ko- rallen u. a.), Wachspräparate von Ziegler in Freiburg i. B. (embryologische Modelle, das Modell des Facettenauges von C. Liebreich's Nachf. in Giessen). Die Collection der Wandtafeln, aus etwas über 1300 fast ausschliesslich im Institute angefertigten Bildern grossen Formates bestehend, wurde im Sammluugssaal für wirbellose Thiere in Augenschein genommen. Die eigenartige Aufhängevorrichtung der Wandtafeln war im Curssaal sowie in den anderen, dem Unterricht dienenden Räumen ersichtlich. Nach dieser den Unterrichtsmitteln gewidmeten Be- sichtigung wurden die der Forschung dienenden Räume aufgesucht. Zunächst begaben sich die Theilnehmer in das Dachgeschoss, um das daselbst zur Pflege von Land- und Wasserthieren eingerichtete, mit Käfigen, Terrarien und Aquarien reich ausgestattete Gewächshaus und das mit Dunkelkammer und allem erforderlichen Zubehör aus- gerüstete Atelier zu besichtigen. In letzterem Räume wurden ein grosser mikrophotographischer Apparat von C. Leitz mit Zirkonlicht und ein neuer als Zeichenapparat dienender Projectionsapparat von C. Leitz demonstrirt. In den darauf besichtigten Arbeitsräumen des Directors und der Beamteu im I. Stockwerke wurden zahlreiche zu Forschungszwecken bestimmte Geräthe und Einrichtungen vorgezeigt und erläutert, so u. a. binoculare Lupen von Westien in Rostock, Brücke'sche Lupen auf eigenartigen Stationen und ein Schulze'sches Aquarium-Mikroskop von Blönne u. Möller in Berlin, ein neuartiges Mikrotom von de Groot in Utrecht. Im Bil)liothekraum war die dem Institute von der englischen Regierung kürzlich geschenkte vollständige Reihe der Berichte der Challenger-Expedition in 50 statt- lichen Bänden zur näheren Besichtigung ausgestellt. Die Herren Assistenten Dr. Heymon s und Dr. Sc han- dln n demonstrirten sodann eine Reihe selbst gefertigter Präparate und erläuterten an diesen ihre neuesten Forschungsergebnisse. Dr. Ileymons zeigte einige Fälle von Herma))hroditismits bei Insecten und demonsfrirte die Entwickelungsgeschichte von Phyllodioniia germanica. Dr. Schaudinn legte eine Anzahl Präparate vor, welche die Fortpflanzuugserscheiuungen und die Vorgänge der Kerntheilung bei Protozoen erläuterten. Herr Privatdocent Dr. Plate führte den Besuchern einige der interessantesten Objecte vor, welche von seiner Reise nach Chile her- stammen, darunter den durch seine Brutpflege merk- würdigen Frosch Rhinoderma darwini mit seinen Larven, das Myxinoid Bdellostoma und dessen Eier, ein Ei von Callorhynchus und mehrere durch Lähmung mittelst Cocain in tadelloser Weise zur Conservirung gebrachte Klapp- muscheln und Schnecken. Nach Besichtigung des noch im 1. Stockwerke ge- legenen kleinen Hörsaales, der im Erdgeschoss befind- lichen Praktikanten-Zimmer und der reichhaltigen Samm- lung von Material für Untersuchungs- und Unterrichts- zwecke, der im Keller untergebrachten Käfige, Terrarien und Aquarien sehloss der diesjährige Besuch der Theil- nehmer au dem naturwissenschaftlichen Feriencursus. von Maehrenthal. Das Königstädtiche Realgymnasium. — Es wurden nicht nur die Sammlungen der Schule besichtigt, Herr Dr. Mogelin führte auch in dem physikalischen Cabi- net einige neue Apparate, wie in dem Tre])penflur das Foucault'sche Pendel vor; endlich wurde in der Aula des Realgymnasiums eine kleine Ausstellung von Lehrmitteln veranstaltet, an der sich besonders die Linnaca (Besitzer Dr. Müller), der Mechaniker L. Herbst, der Buchhändler L. Poppe (Firma G. Winckelmanni betheiligt iiatten, und bei der auch Herr Dr. Junack einige von ihm selbst hergestellte Reliefkarten, die vielen Beifall fanden, zeigte, indem er zugleich die Art der Ausführung erläuterte. Ueber die Excursion in das Braunkohlenrevier der Niederlausitz das Folgende. Zur Orientiruug namentlich über die Sehenswürdig- keit in den Braunkohlen-Tagebauen hatte der Leiter der Excur.sion, Herr Dr. H. Potonie, einige Tage vor der- selben in der Kgl. Bergakademie einen Vortrag gehalten über Autochtbonie von Kohlen-Flötzen. Die Frage nach der Bildung der fossilen Humus- lager — sagte der Vortragende — wird augenblicklich wieder eifriger ventilirt. Seiner Meinung nach sind die- selben — also vornehmlich die Steinkohlen- und Braun- kohlenlager — im Ganzen ebenso autochthon wie das Gros der heutigen hauptsächlichsten Huniuslager: die 31oore. Das heisst : ebenso wie die Pflanzen der Torf- und AValdmoore an Ort und Stelle, wo sie wachsen, Humuslager erzeugen, war es auch in der Vorzeit die Norm, dass solche Lager an derselben Stelle gebildet wurden, wo auch das Mate- rial derselben gewachsen ist. Die Annahme, dass die Autochtbonie die Hauptrolle gespielt hat, hat von vornherein mehr Wahrscheinlichkeit für sich als diejenige der Allochthonie, der Anschwemmung des Flötzmateriales; es gehören nur einfache Vorbedin- gungen zur Bildung von autochthoneu Humuslagern, die immer wieder leicht gegeben sein mussten und gegeben sind, wie schon die erwähnte Thatsache, dass wir heute die Autochtbonie herrschen sehen, sofort klar macht. Von den Mooren, die sclmell grosse llumusmasseu erzeugen, bis zu den bewaldeten Sandflächen der Pro- vinz Brandenburg, die in den meisten Fällen (namentlich die Böden der Kiefernwälder) auch nicht einmal sehwach humös werden, sondern rein sandig verbleiben, giebt es alle Ucbergänge, je nachdem das absterbende Pflanzen- material durch (lie vorliandenen Bedingungen, namentlich Luftabschluss, mit dauernder Hinterlassung von Humus eine Umbildung erfährt, wie in den Mooren, oder mehr oder minder weitgehend oder endlich namentlich bei ge- XI. Nr. 2r, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 307 iiiiS-endem Luftzutritt, stets vollständig derartig zersetzt wird, dass in oder auf dem liodeu nichts zurückbleilit. I »ic Volunien-Rcduction des Ptianzen-Materiales bei Um- liildung zu Humus ist also je nach den bei der Ver- wesung und Fäulniss durch die Verhältnisse l)edingten ciieniischen Vorgänge ganz verschieden, ja, wie wir sehen, kann die gesamnite abgestorbene Substanz ohne Hinter- lassung fester Bestandtheile verschwinden. Die Pflanzen der Steinkohlenformation, ihr übliches Vorkommen, ihre gewöhnliehe Erhaltnngsweise: Alles spricht durcliaus dafür, dass wir es in der überwiegenden Mehrzahl der Kohlenflötze dieser Formation mit fossilen Moorbiidungen zu thun haben.*) Es sei nur das l<'ol- gende hervorgehoben. Das häuifigste Fossil des Carbons ist die Stigmaria. welche die Wurzeln vertreten*), nicht in grössere Tiefen zu senden, wie es die Pflanzen auf trockenen Böden nöthig liaben. So macht Voikens darauf aufmerksam, dass Wiistenptianzen, welche die Regenzeit überdauern, ungemein lange, senkrecht hinabgehende Wurzeln be- sitzen, die die oberirdischen Theile der zugehörigen Pflanzen um das 20 fache (!) an Länge übertreffen können. Fand man doch bei Gelegenheit der Ausgrabung des vSuezkanals auf dessen Sohle Wurzeln, die zu hoch oben auf seitwärts gelegenen Höhen wachsenden Bäumen ge- hörten. Auch statische Gründe sind vielleicht für die eigenartige Ausbildung der Wurzeln grösserer, schwererer Pflanzen in Sumpflandschaften zu berücksichtigen, da die liorizontale Ausbreitung des unterirdischen Stützwerkes besser vor dem Versinken (und umfallen V) schützt, wie die Stigmaria. Vom Piesberg bei Osnabrück. — Aufgestellt im I^ichtb.of der Kgl. Bergakademie und Geologischen Landesanstalt zu Berlin. Die Stigniarien, Fig. 1, sind die unterirdischen Organe der Lepidoj)hytaceen, zu denen namentlich die Lepido- dendraceen, die Vorfahren unserer Bärlappe (Lycopodia- cecn) und die Sigillariaceeu gehören: die haui)tsächlichsten Waldbäume der Carbonzeit. Die horizontale Aus- breitung der wiederholt- gegabelten Stigraaria-Zweige ist insofern bemerkenswerth, weil diese Eigenthümlichkeit durchaus an das Verhalten der Wurzeln der in Sümpfen und Mooren wachsenden recenten Bäume erinnert. So verdanke ich Herrn Prof. E. Ramann eine „Moor-Kiefer", die er in der Sitzung vom 1. Ajjril d. J. der Deutschen geolog. Gesellschaft vorlegte, die denselben Habitus des Wurzelwerkes zeigt, wie die Stigmarien. Pflanzen, die auf so regelmässig nassem Boden wachsen, wie ihn die Moore bieten, brauchen ihre Wurzeln resp. die Theile, *) Versl. meine Abhandlung „Ueber Autoehthonie von Carbon- kohlen-Flötzen und des Seuftonberger Braunkohlen-Flötzcs''. Jahr- buch der k. preuss. goolog. Landesanstalt für 1895. Berlin. horizontale Ausbreitung der Arme oder des ganzen Kcirpers eines in lockeren Dünensand oder in ein durchlässiges Moor versinkenden Menschen diesen unter Umständen zu retten vermag. Den Stigmaria - Körpern sitzen radial zur Längsaxe ausstrahlend cylindrische Gebilde, „Appendices", an, Fig. 2, die man gewöhnlich bandförmig erhalten an dem Fossil meist noch in der ursprünglichen Richtung ab- gehend angeheftet findet. Das wäre bei der sehr ge- ringen Festigkeit der Appendices unerklärlich, wenn solche Stigmarien nicht an Ort und Stelle gewachsen wären, wo wir sie heute finden. Auch bei anderen Steinkohlcnpflanzen kann man dieselbe Erscheinung beob- achten, z. B. bei den Vorfahren der Equisetaceen, der Schachtelhalme, den Rhizoraen der Calamariaceen. *) In den Stigmarien haben wir es in physiologischer Hin- sicht mit Wurzeln zu thun, in tlieoretisch- morphologischer Hin- sieht haben sie vieles mit ühizonien gemein. Wir werden sie in Folgendem kurz als Wurzeln bezeichnen. 308 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 26. \ Wenn mau berücksichtigt, dass — wie namentlich Herr P. Graebuer begründete — viele unserer Moore aus Wäldern hervorgegangen sind, so hat das so häufig besonders massenhafte Auf- treten von Stigmarien im Liegenden der Steinkohlen- flötze nichts Befremdendes : auch diese Thatsache unter- stützt somit die Ansicht, dass die in Rede stehenden Flötze autochthon sind. Hervorragend reich an Kohleuflötzen ist erst wieder das Tertiär mit seinen Braun- kohlen. Betrachten wir ins- besondere das Seuftenber- ger Braunkohlenflötz in der Niederlausitz, dass der „Na- turwissenschaftHche Ferien- cursus" auf einer Excursiou nach Gr. Raschen in den Tagebauen der Gruben Vic- toria und Marie Nordwest- feld kennen gelernt hat. Das Braunkohlenflötz, um das es sich handelt, bie- tet ein nicht geringes wissen- schaftliches Interesse, denn es scheint uns ein treif liches Beispiel für den Nachweis der Bildung des Kohlen- Materials, des fossilen Hu- mus, an derselben Stelle, wo auch die Pflanzen, wel- che die Kohle geliefert haben, gewachsen sind. Das Seuftenberger Braunkohlen- Flötz, auf dem viele Gruben bauen, ist in einem Bezirk von etwa einer Quadrat- meile bekannt; es gehört der Tertiärformation, wohl dem Miocän an, besitzt eine Mächtigkeit von rund 10 — 20 m und wird von Thoneu und Sauden überlagert, die, wo die Mächtigkeit derselben nicht zu bedeutend ist, ab- gedeckt werden , sodass dann die Kohle in Tage- bauen abgebaut wird. Meh- rere der letzteren bieten eine besonders interessante Erscheinung dadurch, dass in dem Kohlen-Flötz mäch- tige, bis 4 m, unter Um- ständen auch mehr im Durch- messer zeigende, aufrechte Baumstümpfe stecken : die Reste der alten Riesen, wel- :x 3 3. i^. big. -l. ») *) Die Abbildungen Fig. 2, 3 und 4 stammen aus meiner weiter oben citirten Abhaiid- lung; die Cliclies zu denselben wurden für den vorliegenden Bericlit gütigst von dem Direc- tor der Kgl. geolog. Landesanstalt und Bergakademie, Herrn Gebeim. Ober-Bergrath Dr. Hauchecorne, liergeliehen. che das Waldmoor einst belebten. Die Gruben Ilse, Vic- toria, Marie Nordwestfekl bei Gr. Raschen, ferner die Hör- litzer Werke und die Heye- grübe sind diesbezüglich zu . f- nennen (übrigens zeigt auch die über VU Meile östlich von Gr. Raschen gelegene Grube Clara bei Welzow die in Rede stehende Er- scheinung ebenfalls). Ein sehr instructives Bild entsteht nach dem Ab- bau eines grösseren Flötz- theiles an der Stelle, wo er sich befand. Der Boden, der das Flötz trug, zeigt sich nämlich mit gebräun- ten, mächtigen Stümpfen bedeckt, in Entfernungen von einander, wie sie der Kampf ums Dasein in einem Urwalde schafft (Fig. 3). Die Stüm])fe sind alle bis zu einer bestimmten Höhe verbrochen, vermuthlich da- durch den ehemaligen Was- serstand anzeigend: der über das Wasser hinaus- ragende Theil war durch den Einflnss der Atmosphäre hinfälliger als der unter Wasser befindliche. Hori- zontal liegende Baunircste, Stammstücke, gelegentlich bis zu einer Länge von über 20 m geben Kunde von den gestürzten Tlieilen der Riesen. Auf der Oberfläche des Flützes, nach Entfer- nung der Sand und Thon- Decke, dasselbe Bild, und auch inmitten des Flötzes selbst (Fig. 4), sind die aufrechten, nocli bewurzel- ten Stümpfe und die zu- gehörigen abgebrochenen Stämme in horizontaler Lage vorhanden (Fig. 5). Es handelt sich eben in dem Flötz um ein fos.siles Wald- moor, in welchem die spä- teren Generationen auf den Leichen der vorhergehenden wuchsen. In der Jetztzeit bieten die nordamerikauisclien Cy- pressen-Sümpfe , die ,,Cy- press-Swamps" der Ameri- kaner, dieselbe Erscheinung. Ja, um den Vergleich voll- kommen zu machen: so- gar der Haujitbaum dieser Swamps, die virginische Sumpf-Cypresse, Taxodium distichum, scheint auch in unserem fossilen Swamp dieselbe Rolle gespielt zu haben. Soweit anatomische Untersuchungen der Stümpfe und Ilorizontal-Stämnie vor- ■J '"J Stigmaria mit nach allen Richtungen ausstrahlenden Appenciices. — 1 — Stig- miiriji-niiuptkürper « mit den kreisförmigen Narben, eieren Appcnilires indem abgciii'cktcn (icsteinsstUclt stecken. Die in der Schif!itun(^stla<-]H- ln-tindliclien Appenilif'fs c sind mehr oder minder bandförmig. 2 - DusmcUk- .Stiiek von der Unterseite, die (juerzerbrochenen, noch cylindrischen Appendices cier Unterseite von a zeigend. '^ = Dasselbe Stück von der Seite gesehen, a der .Stigmaria- üauptkörper mit dem Marksteinkern 6, c die Appendices. — Alles '/^ natürl. Grösse. XI. Nr. 26. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 309 zeigte sich die Zugehörigkeit der meisten zu liegen, Taxodium distichum. Namentlich die liegendste Partie des Flötzes und ein Thoulager im Hangenden desselben, das jetzt auch in dem Tagebau der Grube Victoria zu Tage getreten ist, enthalten deutliche Reste und Abdrücke von Pflanzen, welche über die Flora weitere Aufschlüsse geben. Es sei erwähnt, dass sieh benadelte Sprosse von Taxodium distichum und zahlreiche Dicotyledonen- (Laubholz)- Blätter gefunden haben, welche letzteren offenbar Arten ent- stammen, welche das Unterholz gebildet haben: ein un- durchdringliches Dickicht. Es sei bei Erwähnung der Taxodium-Sprosse daran erinnert, dass die Sumpf-Cypresse ein Nadelholz ist, das alljährlich — entgegen dem sonstigen Verhalten der Nadelhölzer mit ihren vieljährig ausdauernden Nadeln — das Laub vollständig verliert, indem es die begrenzten Sprosse abwirft. Auf die floristische genauere Bearbeitung des Ma- terials darf man ge- spannt sein, da es von grossem Interesse sein muss, zu sehen, inwie- weit auch sonst diese Flora Aehulichkeiten mit der der recenten Cy- press-Swamps aufweist. Erwähnenswerth ist, dass in der Grube Anna bei Zschipkau das Flötz durch Einschie- bung schwacher Thou- Lager in 3 Theile zer- legt erscheint. Es ist nun bemerkenswerth — im Vergleich mit dem Auftreten von Stigmari- en namentlich im Lie- genden der Steinkohleu- flöfze und der ebenfalls oben erwähnten That- sache, dass jetzt unbe- waldete Moore oft durch Vermoorung von Wäl- dern hervorgegangen sind — dass hier gerade die Thon-Lager die aufrechten Stümpfe besitzen. Für den Bergbau ist das Vorhandensein des fossilen Holzes, den „Lignits", in der Kohle (es ist erdige Braun- kohle) keineswegs günstig; die Stümpfe im Liegenden bleiben stehen und werden in den Tagebauen mit dem „Abraum", dem Material der Flötzdecke, das fortgeschafft wird, um das Flötz freizulegen, wieder verschüttet. Ab- gesehen davon, dass das Holz den Abbau der sehr wasserhaltigen Kohle erschwert, ist es nämlich für die Briquettirung unverwerthbar. Die Stümpfe sind allermeist hohl. In den Höhlungen befindet sich gewöhnlich Schweelkohle : eine sehr harz- reiche Kohle, die angezündet, leicht weiter Schwedt oder mit leuchtender Flamme ohne Weiteres brennt. Die Taxodien sind harzführend. Das Harz wird von den Bäumen als Wundverschluss benutzt und da die Höhlung in einem alten Baume als eine mächtige Wunde anzu- sehen ist, so wird in diese ein besonders reichlicher Harz- erguss erfolgen, der nach abwärts fliessend schliesslich den übrigbleibenden Stumpfen erfüllt. Im rechten Vorder- grunde der Figur 3 befindet sich ein Stumpf, aus dessen Höhlung die Schweelkohle entfernt wurde, im linken Vordergrunde ein anderer Stumpf, bei dem das Aussenholz bis zur Ausfüllungsmasse der Höhlung, also exelusive der Schweelkohle, fortgenommen worden ist, sodass auf dem die Basis der Höhlung bildenden, übrigbleibenden Holz- klotz ein tüchtiger Klotz von Schweelkohle thront. Wie man freilich die Herkunft und Lagerstätte der Schweelkohle, wo sie den liegenden Theil des Flötzes bildet, zu erklären hat, isf? mir vorläufig unklar. Unser fossiles Waldmoor liefert eines der wichtigsten Heizmaterialien der Berliner. Die Kohle wird, da sie ziemlich wasserhaltig ist, in Pulverform getrocknet und dann unter hohem Druck in bestimmte Formen gepresst, als Senftenberger Braunkohlenbrikets verkauft. Potonie. Von dem Feriencursus wurde die Briketfabrik der Grube Victoria (zu den Fried. Hoffmann'schen Gr. Räsche- ner Werken gehörig) besucht unter Führung des luspec- tors der genannten Fabrik, des Herrn G. Brummer. Wir verdanken ihm die folgende kurze Beschreibung: Die Braunkohle, welche in der Grube stückweise abgehauen und in För- derwagen geladen wird, wird mittelst einer För- derkette in die Briket- fabrik transportirt, dort kommt die Kohle zu- nächst in das Sortirhaus, wo dieselbe zerkleinert und gesiebt wird, alle Kohlenholztheile werden durch die Schüttelsiebe soviel als möglich aus- geschieden Fig. 3. Einige aufrechte Baumstümiife in der Solile des Tagebaues der Grube Marie Nordwestfeld. und nach den Kesselfeuerungen als Heizmaterial trans- portirt, während die sor- tirte Kohle, welche auf eine Korngrösse von 12 bis 15 mm gebracht worden ist, mittelst Ele- vator auf den Kohlen- boden, welcher oberhalb der Trockenöfen liegt, ti'ansportirt wird. Vom Kohlenboden aus wird die Kohle den Trockenöfen durch eine mechanische Vorrichtung (continuirlich) zugefüiirt. Die Trockenöfen, sogenannte Dampftelleröfen, bestehen aus schmiedeeisernen, hohlen Tellern, welche auf der oberen Tellerfläche ein Rührwerk tragen. Dem Hohl- raum der Teller wird durch verschiedene Rohrsysteme der Auspuft'dam])f sämmtlicher Maschinen zugeführt, welcher hier beide Tellerplatten erwärmt und die auf den oberen Tellerplatten durch das Rührwerk bewegte Kohlen trocknet. Ausserdem besitzt der Tellerofen eine Vorrichtung, auf welcher die halbtrockene Kohle gesiebt, gewalzt und von allem Unrath befreit wird. Die Kohle besitzt im Grubenfeuchten-Zustande einen Wassergehalt von 58 bis 62 %, mit diesem Wassergehalt kommt die Kohle in die Oefen und wird hier bis zu einem Wasser- gehalt von 14 bis 16 % getrocknet. Nachdem die Kohle den untersten Teller der Trockenöfen passirt hat, wird dieselbe mittelst Schnecke nach einem Mischraum, genannt Sammelraum, transportirt, von da aus gelangt sie in die Pressen. Hier wird die Kohle durch eine Vertheilungs- walze der Presse gleichzeitig zugeführt, sodass ein be- stimmtes Quantum trockene Kohle bei der Rückwärts- bewegung des Pressenstempels vor diesen fällt und bei der Vorwärtsbewegung in eine Form gedrückt wird. Da die Briketpresse eine offene Form besitzt, in welcher die 310 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 26 fertigen \altem Wasser gekühlt werden, Reibung zwischen den in der Form befindlichen Brikets und den Wandungen der Form den Widerstand für den zur Pressung nöthigen Druck bildet, kann die Presse continnirlieh arbeiten, sodass auf jede Umdrehung der die Presse treibenden Dampfmaschinenwelle, deren Eotation durch directe Verbindmig die hin- und hergeliende Bewegung des Presscnstempels liervorbringt, ein Briket fertig wird. Die hierdurch aus der Pressenform hinter einander herauskommenden Brikets werden in eisernen Rinnen von der Presse selbst bis nach der Verladestelle gedrückt und dort in Eisenbahnwaggons verladen. Das Pressen der Brikets geschieht mit einem Druck von ca. 1600 bis 1800 Atmosphären. Die Pressenform, welche durch die grosse Reibung stark erwärmt wird, muss durch Zuführung von damit die Temperatur der Form 90° C. nicht übersteigt. Die Tempe- ratur der Kohle vor dem Eintritt in die Presse beträgt .36» C, die in- nere Wärme der fer- tigen Brikets am Aus- gang der Form 56" G. Die das Pressenmund- stück mit der Ver- ladestelle verbindenden eisernen Rinnen be- zwecken eine schnelle Abkühlung der Brikets, da bei sehr heiss ver- ladenen Brikets leicht Entzündungen einti-eteu. Brummer. welchem drei Strangpressen arbeiten, sowie das Dampf- mascliincngebäude, in welchem eine 100 pferdekräftige Locomobile von Wolff in Buckau nicht allein die motorische Kraft für die drei Pressen und einen in dem sich südlich dem Ofenhause anschliessenden Maukraum aufgestellten Thon- vorbereitungsapparat liefert, sondern auch den Dampf füi- die ausgedehnte Heizrohrleitung, welche längs der Wände des Ofenhauses angebracht ist und das Trocknen der Steine auch im Winter gestattet. Der über dem Kohleuflötz der Grube Victoria la- gernde Thon wird bei dem Tagebau der Grube als Ab- raum gefördert und auf einer nornialspurigen Eisenbahn zur Ziegelei befördert, dort im Freien gelagert, dann in das Sumpfhaus gebracht, von da dem Thonvorbereitungs- apparat, demnächst dem Maukraum und schliesslich den Pressen zugeführt. Die durch die Pressen hergestellten Steine werden in die geräumigen, theils um den Ofen, theils über demselben angeordneten Trockengerüste vertheilt und kommen dann nach 8 bis 14 Tagen (je nach- dem die Temperatur und der Feuchtigkeits- gehalt der Luft das Trocknen erleichtert oder erschwert) in den Ofen. Ueber den des Ringofens, interessantesten der Anlage mö; für diejenigen. Fig. 4. Unterer Theil des Flötzes der Grube Ilse mit einem aufrechten Baumstumpf inmitten desselben feuerte und versuchte, fertig ;it und Die ist in 24 Abtheilungen Zum Schluss der Excursion wurde die Ziegelei Gross-Rä- schen, insbesondere der Ringofen be- sucht, über den uns der Erfinder desselben, Herr Baurath Fried. Hoff- mann, die folgende Er- läuterung gütigst zur Verfügung stellt. — Die Ziegelei Gross-Räschen ist in unmittelbarem Anschluss an die Geleise des Bahnhofs errichtet. Der Ringofen ist 84 m lang, 19 m breit, das Umfassungsgebäude ist 92 m lang, 28 ni breit und 7V2 Dl hoch. Der Ofen ist in 24 Abtheilungen zu ca. 18 000 normalformatigen Mauerziegeln getheilt und kann nöthigenfalls mit zwei Feuern betrieben werden, sodass er dann das Doijpelte leistet, nämlich das Fertigbrennen von zwei Abtheilungcn k 18 mille Steine täglich. Der Betrieb des Ringofens ist jedoch so elastisch, dass das Feuer je nach Umständen langsamer, '/2 Abtheilungslänge und selbst weniger, im anderen Falle schneller, l'/a Ab- theilungen, ja selbst zwei und noch mehr, durchbrennen kann. Der Gross-Räschener Ringofen ist durchweg aus feuerfestem Material erbaut, da die in demselben zu er- brennenden Ziegel aus schwerliüssigem Thon bestehen und daher eine hohe Tc'mperatur beim Brennen erfordern; das Umfassungsgebäude ist in den Wänden massiv und hat eine Balkenlage in der Höhe des Ofens, sodass ein ge- räumiger Trockenboden vorhanden ist, der incl. der Ober- fläche des Ofens seli)st ca. 2500 qm. hält. An das Ofenhaus schliesst sich der Pressenraum, in Betrieb als des Theils xe hier die ihn nicht kennen, kurz Fol- gendes gesagt sein: Der Versuch, einen ununterbrochenen P)rennbetrieb zu ermög- lichen, ist vor der Er- findung des Ringofens verschiedentlich da- durch angestrebt, dass man einen Ofen an den anderen setzte, sie nach- einander der Reihe nach mit den bekannten Feuerungsanlagen be- durch die abgehende Wärme des ebrannten Ofens den nächstfolgenden vorzuwärmen. Die fertigen Steine nnisstcn sorgfältig, meist bei dicht ver- mauerten und verklebten Thttren und Feuerungsöfi'nuugen abkühlen, weil in anderem Falle, die durch den Zutritt kalter Luft kühlenden, in höchster Gluth befindlichen Ziegel, massenweise sprangen und oft zu Schutt zersplitterten. Der Ringofen machte den alten Anschauungen ein Ende: 1. Er zeigt nur einen einzigen, langen, endlosen, d. h. in sich -zurückkehrenden Brennkanal, welcher an ver- schiedenen Stellen durch Thüren zugänglich ist, während er durch Canäle (Rauchcanäle), deren jeder einer Thür entspricht, mit einem Schornstein in Verbindung steht. .Fede Thür kann durch Vermauerung und jeder Rauch- canal durch eine Glocke geschlossen werden. Denkt man sich alle Thüren und Rauchcanäle geschlossen, bis auf eine Thür, und den correspondirenden Rauchcaual Luft unten wird eine und den Schornstein in Thätigkeit, d. h. die ansaugend und oben ins Freie sendend, so Luftbewegung entstehen, indem die atmosphärische Luft XI. Nr. 26. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 311 in die offene Thür eintritt nnd durch den offenen Rauch- canai nach dem Schornstein gelangt. Schiebt man aber zwischen der offenen Thür (I des beigefügten Gruud- fisses, Fig. 6) vmd dem offenen Rauchcanal (1) eine Wand ein, welche den Querschnitt des Ofens abschliesst, so wird die Luft, wel- che in Thür I eintritt, gezwungen, von Thür I ab den ganzen Ofen- canal zu durchziehen, um nach dem geöffne- ten Rauchcanal 1 und von da in den Schorn- stein gelangen. Denkt man sich ferner den Öfencanal mit den zu brennenden Gegenständen, z. B. Ziegelsteinen, gefüllt, und zwar derart, dass der Luftzug in der ersten Hälfte des Canals bereits fertig gebrannte, in der Abkühlung be- griffene Steine durch- streift, demnächst das Feuer speist (welches durch Einstreuen des Brennmaterials in die glühenden Steinmassen von oben unterhalten wird) und auf der letz- ten Hälfte des Ofen- canals durch noch nicht gebrannte Steine zieht, um dann durch den offenen Rauchcanal in den Schornstein zu entweichen, so ist klar: 1. dass die in die offene Thür eindringende atmo- sphärische Luft auf ihrem Laufe durch den ersten Theil des Ofens, indem sie die fertig ge- brannten Steine abkühlt, sich in hohem Grade erhitzt, folglich 2. im Stande ist, in dem nun folgenden Theile des Ofens, welcher mit Heizmaterial l)e- schickt wird, die Verbrennung zu fordern, und den Effect des Feuers zu erhöhen, endlich Fig. 5. Zusammengesunkener, horizontal liegender Stamm, im Flötz der Grube Marie Nordwestfeld steckend. frisch eingesetzten Steinen erfolgen*), diese Thür kann ge- öffnet, die vorhergehende geschlossen werden, und ebenso der nächste Rauchcanal geöffnet, der geöffnet gewesene geschlossen und das Feuer vorwärts gerückt haben. Durch stetige Wiederholung dieses Vorganges macht das Feuer die Runde im Ofen, wie auch gleich- zeitig das Ausziehen und Einsetzen der Steine ringsum ohne Unter- brechung stattfindet, und es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass, um diese letzten beiden Manipulationen gleichzeitig vornehmen zu können, die zwei ersten Thtiren, ja selbst mehrere, die einen für das Ausziehen, die an- dere für das Einsetzen, zu gleicher Zeit offen stehen können. Der erste Ringofen ward im Jahre 1858 nahe bei Stettin erbaut und isi erst vor 5^6 Jahren abgebrochen worden, da er äusserst sparsam, nicht so solide wie z. B. der Gross-Rä- schener erbaut wurde. Die Ziegler standen der neuen Erfindung fast ausnahmslos ganz 3. dass die gasförmigen Verbrennnngsproducte auf dem Wege durch den letzten Theil des Ofens (resp. Rauchsammler) eine Menge Wärme an die noch ungebrannten Steine ab- setzen und dieselben bis zu einer solchen Temperatur vor- wärmen und erhitzen, dass nur eine kurze Brennzeit und eine verhältnissmässig geringe Menge Brennmaterial erforderlich ist, um sie vollständig gar zu brennen. Wenn nun die der offenen Thür zunächst stehenden Steine genügend abgekühlt, und zum Herausziehen tauglich sind, so kann man sie durch frische, ungebrannte Steine ersetzen; der Abschiuss des Ofens mittelst der Zwischenwand kann vor der nächsten Thür hinter den misstrauisch gegenüber. Nachdem aber die ersten Ausführungen des Ofens Jeder- mann die Resultate vor Augen führten, wurde seine An- wendung so allgemein, dass in wenigen Jahren alle Erd- theile, Australien nicht ausge- schlossen, die Neuerung einge- führt hatten. Der Brennmaterialverbrauch ist auf Vs des in den alten Oefen erforderlichen Quantums reducirt und dadurch, dass der Brennstoff sofort in die Zone der höchsten Temperatur ein- geführt, zersetzt auch allseitig mit dem Sauerstoff der atmos- phärischen durch den Ofen strei- chenden Luft in Berührung, also zur günstigsten Verbrennung ge- bracht wird, entstand der wei- tere Vortheii, dass jeder Brenn- stoff, namentlich die bei der Herd- und Rostfeuerung früher nicht benutzbaren staubförmigen Brennstoffe, verwendbar wurden. Der Ringofen wird zum Brennen von Ziegeln, Kalk, Cement, Thonwaren aller Art Fig. 6. verwendet und ist durch viel- fache Modificationeu in seiner Grundrissform und in seiner inneren Gestaltung fähig. *) Diese Zwischenwand winl inoistens aus l'iipier aiigofertigt; sie wird auf ilor einen Seite von der atmosphärischen Luft, auf der anderen von den oft bis auf ca. 50» abgelciihlten Kauchgasen bespült und kann nicht verbrennen. 312 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 26. Der Gross Räschener Ringofen ist im länglichen Viereck mit ausserhalb stehendem Schornstein erbaut. Der 50 m hohe Schornstein dient auch der Locomobilkessel- feueruug uud kann ebenso noch einem zweiten Ringofen dienen. Die ganze Ziegeleianlage, sowie die Grubenanlagen sind mit kleinen Arbeitsgeleisen durchzogen, auf welchen alle horizontale Transporte gesciiehen und hat die hierzu benutzte Schiene auch ein vom gebriluchlicheii ab- weichendes, vom Baurath Hofimaun erfundenes Prohl. Schhiss des Cursüs. Nach der Excursion versammelten sich die Theil- nehmer zu einem Essen in Gr. Raschen. Die Reihe der Ansprachen eröffnete Herr Prof. Schwalbe, der den tiefgefühlten Dank der Theil- nehmer aussprach für die liebenswürdige Bereitwilligkeit, mit der der Besitzer der Gr. Räschener Werke, Herr Baurath E'r. Hofmann, und seine Herren Beamten, ins- besondere die Herren Directoren Lietzmann und Lutze sowie Herr Inspector Brummer die Excursion unterstützt haben. Es sei schliesslich nur noch der Schlussworte des Herrn Director Dr. Vogel gedacht. Nach einem kurzen Rücklick auf alles bei dem dies- jährigen Cursus den Herren Theilnehmern Dargebotene gab er dem Gefühl der Freude über den ganzen Verlauf des Feriencursus Ausdruck. Dank der Fürsorge der Behörden, der Aufopferung der Herren Vortragenden, dem freundliehen Entgegenkommen, welches das Unternehmen nicht nur bei den Männern der Wissenschaft, sondern auch bei den Männern der Industrie und des Verkehrs gefunden habe, sei es möglich geworden, den Herren Theilnehmern eine ungewöhnlicli grosse Fülle neuer Anregungen zu gewähren. Vielleicht sei die Fülle des Neuen und Schönen sogar etwas zu gross gewesen. Den Herren sei eine ganz beträchtliche Anstrengung zuge- muthet worden. Zugleich im Namen seines Kollegen, des Herrn Director Schwalbe, schloss er mit dem Wunsche, dass die Herren Theilnebmer wohlbehalten in ihre Hei- matli zurückkehren, dem schönen Unternehmen der Ferieu- curse aber nicht nur eine freundliche Theilnahme schenken, sondern selbst kräftig an der weiteren Ausgestaltung der Curse mitwirken möchten. Ueber holosphärisclie Isaiiomalen der Temperatur hat Erminio Sella in der Mai-Nummer der „Meteorolo- gischen Zeitschrift" eine Arbeit veröffentlicht. Der Be- grifl" der Temperatur-Isanomalen ist durch Dove eingeführt worden. Dove ging von dem Gedanken aus, dass bei einer homogenen Oberfläche der Erde auf einem und demselben Parallelkreis allenthalben dieselbe Mitteltempc- ratur herrschen müsste, und dass dementsprechend der Einfluss von Festland und Wasser am auffallendsten her- vortreten muss, wenn man die Differenzen bildet zwischen den einem bestimmten Orte zukommenden Mittelwerthe der Temperatur und dem des ganzen Parallelkreises. Diese Ditierenz nannte er die thermische Anomalie, und als Isanomalen bezeichnete er die Linien, welche alle Orte mit gleicher Anomalie verbinden, entsprechend den Isothermen, durch welche Humboldt zuerst die Orte mit gleichen Mitteltemperaturen verband. Die ideale Temperaturvcrtheilung bei homogener Oberfläche vermag man nun freilich ohne allzu gewagte Hypothesen leider nicht zu ermitteln. Doch lassen sich die Mittelwerthe der l'arallelkreise wenigstens annähernd in der Weise feststellen, dass man das arithmetische Mittel aus den Mittelwerthen aller auf gleichem Parallel- kreise liegenden Stationen berechnet. Die Sella'sche Arbeit stellt nun insofern einen Fort- schritt gegen die Dove'schen dar, als sie die Mitteltempe- raturen beider gleichweit vom Aequator abstehenden, d. h. unter der gleichen nördlichen und südlichen Breite gelegenen Parallelkreise zu einem Gesammt- mittel vereinigt, während Dove die beiden Hemisphären unabhängig von einander bearbeitet hat; Dove hat die hemisphärischen, Sella die holosphärischen Isano- malen berechnet. Die letzteren bieten insofern einen Vortheil gegenüber den anderen, als sie allein im Stande sind, das verschiedene Verhalten beider Hemisi)hären in den nach den Diflercnzen gezeichneten Karten hervortreten zu lassen. Uebrigens ist zu bemerken, dass der Gedanke der holosphärischen Temperatur-Isanomalen nicht Sella'sEigcn- thuni ist, sondern dass die Arbeit angeregt wurde durch den Director des Berliner Meteorologischen Instituts, Geh. Rath Prof. Dr. von Bezold, welcher durch seine Arbeiten über Isanomalen des erdmagnetischen Potentials auf jenen Gedanken geführt wurde. Sella hat nun nicht nur die holosphärischen Isano- malen der Temperatur für die Jahresmittel berechnet, sondern auch für die Monate Januar und Juli. Dabei ging er natürlich in der Weise zu Werke, dass er die Normal-Temperaturen des Januar auf einer Hemisphäre und des Juli auf der anderen zum Mittel vereinigte. Die Karte, welche die Januar-Isanomalen für die nörd- liche Halbkugel bedeutet, musste für die südliche Hemi- sphäre als Juli-lsanomalen-Karte bezeichnet werden und umgekehrt. Bearbeitet wurde das ganze Gebiet vom 60. Grade südlicher bis zum 75. Grade, stellenweise 80. Grade nörd- licher Breite. Von den Ergebnissen seien die folgenden erwähnt: Wie zu erwarten war, weichen die holosphärischen Isanomalen des Jahres nicht sehr stark von den hemi- sphärischen ab. Bis zu einer Breite von 60" beträgt die Differenz zwischen beiden nirgends mehr als 0,8". Da die Construction der holosphärischen Isanomalen im Grunde genommen nichts anderes ist, als eine Ver- glcichung der Temperaturverliältnisse unserer Erde mit einer anderen, deren Contiuentalitätscharakter kleiner ist als der unserer nördlichen und grösser als derjenige der südlichen Hemisphäre , so ist von vornherein zu ver- muthen, dass auf der nördlichen Halbkugel der Land- charakter, auf der südlichen der Seccharakter stärker hervortreten wird. Und thatsächlich tritt diese Erschei- nung in so ausgesprochener Weise auf der Karte hervor, dass man besonders für die höheren Breiten nach dem Verlauf der Isanomalen beinahe die Umrisse der Continente zeichnen könnte, (in den niederen Breiten ist diese Erscheinung weniger deutlich zu beob- achten, da hier die Vertheilung von Land und Wasser eine ungefähr gleiche ist). Im Jahresmittel ist die nördliche Hemisphäre bis ungefähr zu einer Breite von 45" wärmer als die südliche Hemisphäre, von da ab ist sie kälter. Auch aus den Januar- uud J uli-Isanomalcn, welche natürlich weit bedeutendere Unterschiede mit den hemi- sphärischen Isanomalen aufweisen, als die Jahres-Isano- raalen, lassen sich interessante Schlüsse folgern: Gegen den Aequator zu ist die nördliche Hemisphäre ebenfalls wärmer als die südliche im Juli, doch schon von 25" 50' an wird sie, entsprechend ihrem entschiedenen XL Nr. 26. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 313 I Ci^ntiuentalcharakter, kälter. Umgekehrt ist die nordliehe Halbkugel im Juli nahe dem Aequator etwas kälter als die südliche im Januar, doch schon bei 4" 30' tritt hier der Wendepunkt ein. Für diejenigen Gegenden, in welchen die Temperatur- Anomalien ein Maximum erreichen, weichen die Zahlen- werthe der holosphärischen Isanomaleu sehr beträchtlich von den hemisphärischen ab. Für die Lofoten fand Dove eine Januar- Anomalie von -I- 26", nach Sclla beträgt sie nur -+- 18". Für das berühmte Kältegebiet im östlichen Sibirien (Gegend um Werchojansk im Lenathal) dagegen ergeben die holosphärischen Isanomalen des Januar einen Wärmeausfall von vollen 33". In den höheren Breiten (von 40" an) der südlichen Hemisphäre hatten die Dove'schen Isanomalen für den Sommer nur unbedeutende Werthe der Abweichung ergeben, die holosphärischen Anomalien erreichen — 10". um- gekehrt kommen im Winter in denselben Gegenden positive Abweichungen von 12" vor, wohin die hemisphärischen Anomalien die 0-Isanomale verlegten. Beiderseits des Aequators treten auf allen drei Isano mal en-K arten in den östlichen Theilen des atlantischen und stillen Oceans scharf ausgeprägte Kälte- gebiete hervor. Mau könnte denken, dass sie verursacht werden durch kalte Strömungen, die von höheren Breiten, den Continenten entlang, gegen den Aequator hinströmen. Doch müssten die Kälteinseln in diesem Fall sich eng an die Küsten drängen und langgestreckte Formen besitzen; in Wirklichkeit aber haben sie eine eigenthümliche, fast kreisförmige Gestalt, so dass man wohl wirkliche Kälte- quellen in ihnen suchen muss. Sella glaubt nun eine Er- klärung darin zu sehen, dass in den genannten Gebieten ein Ersatz für das von den Passaten stets fortgetriebene warme Wasser der Meeresoberfläche schwieriger ist als anderswo, infolge der vorgelagerten Landbarre. Diese sehr plausible Erklärung wird noch wahrscheinlicher durch die Thatsache, dass im östlichen Theil des indischen Oceans, wo die abschliessende Continentalität durchbrochen ist, eine Kälteinsel im angedeuteten Sinne sich nicht findet. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: der Privatdocent der technischen Chemie zu Halle Dr. Geo rg Baumert, Assistent am dortigen landwirth- schat^lichen Institut, zum ausserordentlichen Professor; der Privat- docent der Irrenheilkunde in Bonn Dr. Robert Thomsen zum ausserordentlichen Professor; der Privatdocent Dr. Hugo Hessler in der medizinisclien Facultät zu Halle zum ausserordentlichen Professor; Bibliothekar Dr. Rudolf Weil an der kgl. Bibliothek zu Berlin zum Oberbibliothekar; Bibliothekar .Schröder daselbst zum Bibliothekar am preussischen Abgeordnetenhauso; der prak- tische Arzt Dr. Balack zum zweiten Assistenten am pathologi- schen Institut der Universität Breslau; der ausserordentliche Pro- fessor' der Mechanik und theoretischen Maschinenlehre an der technischen Hochschule zu Lemberg Fiedler zum ordentlichen Profe.?sor. Berufen wurden: der ordentliche Professor der Philosophie in Jena Dr. Rudolf Eucken als Nachfolger Professor Riehls nach Freiburg; der Privatdocent der Augen- und «Ohrenheilkunde in Leipzig Dr. Küster als Professor nach Leiden; der Privatdocent der Anatomie in Breslau Dr. Hermann Endres als ausser- ordentlichen Professor nach Halle. Aufruf zur Errichtung eines Lossen-Denkmals im Harz. — Der Naturwissenschaftliche Verein des Harzes in Wernigerode hat in seiner diesjährigen Generalversammlung den Beschluss ge- fasst, das Andenken des um die geologische Erforschung des Harzes hochverdienten, am 24. Februar 1893 verstorbenen Landes- geologen Prof. Dr. Karl Lossen*) durch Errichtung eines ein- fachen, aber würdigen Denkmals zu feiern und damit die Er- innerung an den verehrten, als Mensch wie als Gelehrten gleich hochstehenden. Mann auch äusserlich zu einer bleibenden zu gestalten. *) Vergl. „Naturw. Wochenschr.' Bd. VIII, S. 113. — Red. Das Denkmal soll aus einem Harzer Granitmon(dithen mit eingelassenem Keliefbild bestehen — für die Aufstellung des- selben ist ein durch Schönheit der Lage ausgezeichneter Platz in der Nähe von Wernigerode, nämlich die Stelle, wo die nach Schierke führende Hagenstrasse und die Thumkuhlenthal-Chausseo sich trennen, in Aussicht genommen. Die hohe Verehrung, welche Lossen von Nah und Fern ent- gegengebracht wurde, berechtigt uns zu der Hoft'nung, dass unser Plan auch über den Kreis seiner Freunde im Harz hinaus Zu- stimmung und Unterstützung finden werde. Um die Ausführung des Denkmals in der angegebenen Weise zu ermöglichen, wenden wir uns daher an alle Freunde, Verehrer und Fachgenossen des Verstorbenen mit der Bitte, unser Vorhaben durch Spendung von Beiträgen fördern zu helfen. Geldsendungen beliebe man an den Schatzmeister des Natur- wissenschaftlichen Vereins des Harzes, Herrn Kammersecretär Brandt hierselbst, zu richten. Wernigerode, Mai 189G. Das Comite zur Errichtung eines Lossen-Denkmals. Brandt. Dr. M. Koch, Berlin. W. Lüders. Roth. W. Schleifenbaum. Springinsguth. Wockowitz. L i 1 1 e r a t u r. Paul Ascherson, Dr. med. et phil., Professor der Botanik an der Universität zu Berlin. Synopsis der mitteleuropäischen Flora. Erster Band. Erste Lieferung. Bogen 1— -5. Hymeno- phyllaceae. Polypodiaceae: Aspidioideae und Asplenoideae. Leipzig (Wilhelm Engelmann) 1896. 8". Preis pro Bogen 0,40 Mk. Fünfzig .Jahre sind vergangen seit die zweite Auflage von Koch's treii'licher Synopsis erschien, und noch immer fehlte eine kritische Neubearbeitung oder ein neu geschaffenes Werk, welches das grosse in zahllosen Specialfloren, Monographien und Zeit- schriften niedergelegte Material, das sich in jenem langen Zeit- räume angehäuft hat, verwerthete und so der Allgemeinheit zu- gänglich machte. Zugleich musste bei dem rüstigen Fortschreiten der botanischen Wissenschaft ebenso auf pflanzengeographisch- systematischem als auf pflanzenphysiologisch-anatomischem Ge- biete vieles veraltet erscheinen, was vor einem halben Jahr- hundert allgemein anerkannt feststand. P. Ascherson hat es stets als das Ziel seiner wissenschaftlichen Thätigkeit betrachtet, eine kritische Bearbeitung des gesammten floristischen Materials vorzunehmen. Der Verfasser erscheint wie sonst niemand be- rufen, ein für lange Zeit maassgebendes Werk über die Flora Mitteleuropas zu liefern, denn den bei weitem grössteu Teil seiner langjährigen botanischen Thätigkeit hat er in den Dienst der flo- ristischen Erforschung Deutschlands und der umliegenden Lande gestellt und unermüdlich hat er dem Ziele zugestrebt, durch eigene Anschauung die einzelnen Theile des Gebietes kennen zu lernen, mit allen hervorragenden Fachgenossen in persönliche Beziehungen zu treten und so einen möglichst umfassenden Ueberblick über die Vegetationsverhältnisse Mitteleuropas zu erlangen. Die erste Lieferung des (auf 3 Bände berechneten) Werkes ist nunmehr erschienen, und die zweite, grösstentheils im Druck vollendete, in der die Farnpflanzen nahezu zum Abschluss ge- langen, dürfte bald folgen. Die allgemeine Spannung, mit der das Erscheinen derselben erwartet wurde, rechtfertigt eine aus- führliche Besprechung der ganzen Anlage und der einzelnen Theile. — Es sollen im Jahre 6 Lieferungen (zu 5 Bogen, oder 3 zu 10 Bogen) erscheinen; je 60 Bogen bilden einen Band. Am Schluss des 3. Bandes wird ein umfassendes Register geliefert werden. Das in Ascherson's Synopsis berücksichtigte Gebiet umfasst ausser dem Deutschen Reiche und der ganzen österreichisch-un- garischen Monarchie mit Einschluss von Bosnien-Herzegowina nebst Montenegro, die gesammte Alpenkette und schliesst nach Westen Belgien, die Niederlande und das Grossherzogthum Luxemburg, nach Osten das Königreich Polen ein, ist also be- deutend umfangreicher als das von Koch's Synopsis, entspricht dagegen nahezu dem von Reichenbach's Flora Germanica ex- cursoria. Verfasser ist, wie es wohl zum ersten Male in einem grösseren Werke Buchenau in seiner „Flora der nordwestdeutschen Tiefebene" durchgeführt hat bei der systematischen Anordnung der Classen und Reihen von der bisher in den meisten Floren gebräuchlich gewesenen Anordnung abgewichen und ist im Grossen und Ganzen dem in den „Natürlichen Pflanzenfamilien" von Engler und Prantl zum Ausdruck gelangenden System gefolgt, wie es in dem Syllabus der Vorlesungen von Engler vorliegt. Jede gi'össore Gruppe wird mit einer beschreibenden Charakteristik eingeleitet. Das vorliegende Heft beginnt mit der dritten Abtheilung des 314 Naturwissenschaftliche Wocheuschrift. XI. Nr. 26. Pflanzenreichs, den Embryoph_yta zoidiogamii, von der wiederuzu nur die zweite Unterabtheilung die Pteridophj^a berücksichtigt sind, bezüglich der 1. und 2. Abtheilung (Myxothallophyta, Eu- thallophyta) und der Brj'ophyta verweist Verf. auf die zweite Auflage von Eabe.nhorst's Kryptogamcuflora. Die Auffindung der Classen, Unterclassen und Familien ist durch einen der Be- sehreibung der betreffenden Gruppe folgenden Bestimmungs- schlüssel für die nächst untergeordneten Gruppen erleichtert. Bei der Anordnung für die Bestimmung der Gattungen innerhalb grösserer Familien sind im Allgemeinen die natürlichen Ver- wandtschaftsverhältnisse maassgebend iiewesen. In Fällen wo, wie bei den Polypodiaceen, es sehr schwer, ja oft unmöglich sein dürfte (besonders getrocknete) der Gattung nach unbekannte In- dividuen nach einer solchen Tabelle richtig unterzubringen, da die entscheidenden Merkmale, wenn überhaupt an dem Exem- plare vorhanden sehr schwer und oft nur mit Hülfe des Mikro- skopes auffindbar sind, giebt der Verf. einen zweiten in Petit gesetzten Bestimmungschlüssel nach leicht auffindbaren Merk- malen ohne Berücksichtigung der verwandtschaftlichen Be- ziehungen unter einander. Die einzelnen Gattungen sind fort- laufend numerirt, auch bei ihnen folgt auf den Namen die An- gabe der auf die Aufstellung bezw. veränderte Begrenzung bezüg- lichen Litteratur und der etwaigen Sj'nonyme, nebst Hinweis auf Handbücher oder Monographien, wo weitere Belehrung zu finden ist, darauf eine ausführliche Beschreibung, (in Petit gesetzt) in einzelnen Fällen nothwendige kritische Erörterungen über die systematische Stellung, die Nomenklatur etc. (ähnliche Ausein- andersetzungen finden sich auch bei einzelnen Familien und Arten) und schliesslich (wie auch schon bei den Familien) kurze Angaben über die Zahl der Arten und deren geographische Ver- breitung auf der Erdoberfläche. Ganz besondere Sorgfalt hat Verf. darauf verwandt, die Be- stimmung der Arten einer Gattung zu erleichtern und trotz der gewahrtbleibenden Anordnung nach der natürlichen Verwandt- schaft jede Zweideutigkeit auszuschliessen. Bei den dichotomischeu Tabellen verfährt Verf. nicht so, dass die ganze tabellarische Uebcrsicht der Gattung vorangestellt ist oder immer fortschreitend auf später folgende Zahlen verwiesen wird, sondern nach der bereits in seiner Flora angewendeten bewährten Methode: jeder einzelnen Untergattung, Section etc. geht die Charakterisirung unmittelbar vorher. Jede grössere Gattung wird zuerst in zwei Abtheilungen zerlegt, deren erstere mit A bezeichnet ist, dem wieder weiter unten ein B entspricht, beide Abtheilungen zer- fallen wieder in I. und IL, diese wieder in a und b und so fort, bis schliesslich in jeder Gruppe nur zwei nächstverwandte Ai-ten übrig bleiben. Referent hält diese Art der Bestimmungsschlüssel für eine Flora für sehr zweckmässig, da auf diese Art das un- liebsame Dilemma vermieden wird, entweder in den Beschreibungen die in dem vorausgeschickten Schlüssel benutzten Merkmale zu wiederholen oder den Leser zu zwingen, sich das zu einer Art gehörige an zwei oft weit von einander entfernten Stellen zu- sammenzusuchen. Bei der Artabgrenzung hält Verf. die Mitte zwischen den ver- schiedenen in neuerer Zeit zu Tage getretenen Richtungen in der Systematik, von denen die eine alle polymorphen Formenkreise in eine grössere (bei den Hieracien sogar verwirrend grosse) Menge von Arten zerlegt, die andere noch recht erheblich verschiedene Formengruppen in eine Art zusammenzuziehen bestrebt ist. Da so naturgemäss der systematische Werth der einzelnen in den ver- schiedenen Monographien aufgeführten „Arten" ein ganz unge- mein verschiedenartiger sein muss, ist die vom Verf. eingeführte Abstufung, die Einführung der Begriffe : Gesammtart, Art, Unter- art, Rasse etc. mit Freuden zu begrüssen. Da in neuerer Zeit die Begriffe der verschiedenen Systematiker nicht nur in Bezug auf die Abgrenzung der Arten divergireu, sondern auch die Auffassung von Familie. Gattung sehr vielfach auseinandergehen, trägt eine solche allmähliche Abstufung, wie sie Verf. durch- geführt hat, allen Anschauungen Rechnung. Familie, Unter- familie, Tribus, Gattung, Untergattung, Section, Gesammtart, Art, Unterart. Rasse, Abart. Unterabart, Lusus, Monstrosität bilden eine ununterbrochene Reihe systematisch verschiedenwertiger Formengruppen, die sehr häufig nicht durch scharfe Grenzen von einander zu trennen sind. Es ist deshalb entschieden sehr erfreu- licli, wenn von so berufener Seite eine möglichst gleichmässige Behandlung der verschiedensten Familien und Gattungen der mitteleuroi)äischen Flora zu erwarten steht, die ja zum Theil in ganz vorzüglichen, aber je nach anderen Gesichtspunkten bear- beiteten Monographien behandelt sind, ich erinnere nur an die Ver- schieilenartigkeit der Artauffassung in den Monographien von Engler: Saxifraga, Fax: Primula, Urban: Medicago etc. gegenüber Christ: Rosa, Focke: Rubus, Naegeli und Peter: Piloselloiden, Wettstein : Euphrasia u. a. Von den Formen, die meist ebenfalls in einem dichotomischen (oder trichotomischen) Schlüssel geordnet erscheinen, beginnen nur die wichtigsten (Abarten) mit einer neuen Zeile. Formen mit besonderer geographischer Verbreitung od('r von grösserer syste- matischer Bedeutung (Rassen) zeichnen sich vor den übrigen in Petit gesetzten durch grösseren Druck aus. Wie in seiner Flora von Brandenburg hat Verf auch im vor- liegenden Werki- mit das Hauptgewicht der Bearbeitung auf eine möglichst fehlerfreie Ausgestaltung der Diagnosen gelegt. Es tritt hier wieder in der geschickten Auswahl bezeichnender Aus- drücke wie in der überall gleichmässigen Schilderung der Arten und ihrer Eigenheiten, wie sie eben nur Jemand zu geben ver- mag, der jede der Pflanze aus eigener Anschauung kennt und bei weitem den meisten wiederholt im Freien begegnet ist, wieder Ascherson's diagnostisches Talent hervor. Die Diagnosen sind ziemlich lang, oft über eine halbe Seite, ohne dass jedoch die Länge des Textes, wie so häufig in anderen Floren und Mono- graphien, störend wirkt, da die hauptsächlichsten Merkmale ge- sperrt gedruckt sind und daher sofort in die Augen fallen. Bei der Bezeichnung verschiedener Organe hat Verf., um Missverständ- nissen vorzubeugen, streng darauf gesehen, dass dasselbe Organ auch stets mit demselben und zwar mit einem mögliehst treff'enden unzweideutigen Ausdruck belegt wird. — Der Diagnose folgt eine kurze Schilderung des bevorzugten Standortes und unmittelbar darauf die Angabe der Verbreitung im Gebiet, die bei Pflanzen mit complicirten Grenzen bis zu einer halben Seite Raum ein- nimmt. Den Schluss des mit der Diagnose beginnenden Absatzes bildet eine kurze Notiz über Blütezeit, bezw. Sporenreife und die Aufführung der wichtigsten Synonyme, wobei besonders zu be- merken ist, dass Verf. nicht die Citate mit ihren Seiten- und Jahreszahlen den Monographien, Indices etc. entnommen hat, son- dern soweit es irgend anging, jedes Citat nachgeprüft und so in manchen Fällen durch Jahrzehnte sich in der Litteratur fort- pflanzende Fehler berichtigt hat. Jedem Namen, sei es ein Synonym oder nicht, ist die Jahreszahl seiner Publication beigefügt. In der Nomenklatur selbst hat Verf. einige Neuerungen getrofi'en; die hauptsächlichste ist das Fortlassen der Autoritätsbezeichnung hinter dem vorangestellten Namen. Der Name des Autors folgt dort, wo er eigentlich hingehört, bei den Litteraturangaben am Fusse des Absatzes. Verf. will dadurch möglichst dem LTnwesen steuern, dass sich eine 'Anzahl botanischer Schriftsteller haben verleiten lassen, möglichst viele Umtaufungen vorzunehmen, nur um hinter der neuen Combination ihre Namen prangen zu sehen. Eine weitere Abweichung von bisher zumeist angewendeten Ge- bräuchen ist die, dass im Allgemeinen die Speciesnamen klein geschrieben werden, ausgenommen die von Personen- oder Länder- namen abgeleiteten, also Asplenum trichomanes, Onoclea struthop- teris, aber Cystopteris Sudetica etc., dem klassischen .Sprach- gebrauch entsprechend. L^eberhaupt ist Verf. bemüht, alle durch mangelhafte Kenntniss der klassischen Sprachen oder durch Schreib- und Druckfehler entstandenen in den botanischen .Sj)rach- gebrauch mehr oder weniger allgemein übergegangenen Incorrect- heiten aus der Nomenclatur und Terminologie auszumerzen, soweit es sich um kleine unwesentliche Correcturen handelt, die das Verständniss des Ganzen nicht schädigen, so wird z. B. S. 1 darauf hingewiesen, dass die herkömmliche Latinisirung des Wortes ffißQvoy = embryo — onis und die davon abgeleiten Formen (embryonal etc.) unrichtig sind, richtig embryal etc. Statt Hymeno- phyllum tunbridgense schreibt Verf. S. .5, wie Linnö (1753) nach Petiver (1700) richtiger wieder Tunbrigense, S. 43 Struthopteris (öTpoii.Wff Strauss und rnnjic: Farn) statt Struthiopteris (vgl. bereits des Verf. Flora von Brandenburg I, S 929) statt der herkömm- lichen Schreibweisi' daedalea S. 4-1 daedala {= bunt geschmückt), dass erstere Wort würde (gross geschrieben) auf den bekannten kretensischen Künstler Daidalos bezüglich heissen, statt Asplenium S. 53 ft'. wie bereits vielfach gebräuchlich Asplenum (von anlrjv Milz), statt melaenum S. 73 melan (von fiel«; schwarz) u. a. m. Bei jedem Namen ist durch Einfügung eines Accentes auf den betonten Vocal die richtige Aussprache des Wortes bezeichnet, die nicht ohne Weiteres verständlichen Namen sind in einer Fuss- note erklärt, ev. auch kurz die Geschichte des Namens angedeutet; handelt es sich um von Personennamen abgeleitete Gattungen oder Speciesbezeichnungen, so sind in der Fussnote kurze bio- graphische Notizen über die Persönlichkeit gegeben, der zu Ehren die Pflanze ihren Namen erhalten hat; auch hier wurden mehrfach neue Aufschlüsse geboten. Am Schlüsse einer jeden Art finden sich kurze Angaben über die Verbreitung der betreftenden Species über die Erdoberfläche ausserhalb des Gebietes. — Vulgärnamen sind nur insoweit be- rücksichtigt worden, als es sich um wirkliche Volksnamen oder wenigstens in der allgemeinen Litteratur gebräuchliche Namen handelt, dieselben sind dann der Diagnose der Familie, ^Gattung oder Art, der diese Namen zukommen, vorangestellt und zwar in sämmtlichen im Gebiet gesprochenen Sprachen (deutsch, nieder- ländisch, vlämisch, dänisch, französisch, italienisch, rumänisch, polnisch, wendisch, böhmisch, russisch, kroatisch, serbisch, iittauisch. ungarisch). — Bastarde werden verhältnissmässig ausführlich behandelt und nicht am Schlüsse der Gattung, sondern am Schlüsse derjenigen Abtheilung aufgeführt, wohin sie nach ihren morphologischen XL Nr. 26. Naturwisseu.sehattliclie Wochenschrift. 31.5 Merkmalen gehören, sodass sie also (selb.st dann, wenn sie nirlit von vornherein als hybriden Ursprungs erkannt werden) mit Hilfe der ditdiotomisfhen Tabelle bestimmbar sind. — Neu beschrieben wurden : S. 78 Asplenum trichomanes x per-septentrionale. S. 79 A. trichomanes x ruta muraria. Die Gattungen Phegopteris und Ceterach zieht Verfasser ein und Zwar erstere zu Aspidium, letztere zu Asplenum, da die ge- ringen vorhandenen Unterschiede kaum zur generischeu Trennung genügen und ausserdem bei ersterer neuerdings bekannt ge- wordene exotische Species den Uebergang vollkommen ver- mitteln. Solche Pflanzenarteu oder Formen, die im Gebiet noch nicht beobachtet, aber wohl wahrscheinlich noch gefunden werden, früher (oft unsicher) angegeben oder häufiger verwildert sind, werden je nach ihrer Bedeutung kurz oder mit ausführlichei'er (in Petit gesetzter) Diagnose ohne Nummer aufgeführt. Bei der ungeheuren Fülle des zu bewältigenden Stoffes ist es naturgemäss unmöglich, dass Verfasser alle Gruppen selbständig bearbeitet, besonders da die Kenntniss der polymorphen Formen- kreise in neuerer Zeit soweit fortgeschritten ist, dass für viele derselben ein langjähriges Studium nothwendig ist. Zur Mitarbeit haben sich bisher bereit erklärt J. Freyn-Prag (Thalictrum, Ra- nuneulus), Max Schulze-Jena (Rosa, Viola). R. v. Wettstein (Sem- pervivum, Gentiana, Euphrasia) und Ref. Trotzdem aus dem reichen Inhalt der wenigen vorliegenden Bogen nur das wesentlichste hervorgehoben werden konnte, glaubt Ref. doch den Lesern einen Ueberblick über die Gesammtanlage des Werkes und die innere Ausgestaltung gegeben zu haben. Wer sich bemüht auch nur einigermaassen die tausend und abertausend Einzelheiten zu überblicken, die jede einzeln in gleich gewissenhafter Weise berücksichtigt werden müssen, um das ganze Werk zu dem zu machen, was es zu werden verspricht, ein Standart-work allerersten Ranges, wird einsehen, dass die gesammte Kraft und Zeit eines Mannes vollauf durch solche Arbeit in Anspruch genommen ist, deshalb an alle Freunde und Correspondenten aes Verfassers, an alle diejenigen, denen an der Förderung des Werkes und damit der botanischen Wissenschaft gelegen ist, die ebenso herzliche als eindringliche Bitte, Herrn Prof. Ascherson möglichst keine unbestimmten Pflanzen aus an- deren als den gerade in Bearbeitung befindlichen Gruppen, keine Manuscripte zur Durchsicht, keine Anfragen, die zeitraubende Herbar- oder Litteraturstudien erfordern, u. a. m. zusenden zu wollen. Denn wenn auch die rüstige Kraft und Gesundheit des nunmehr 62 jährigen Verfassers zu der Hoffnung berechtigt, dass er noch mehrere Jahrzehnte uns und der botanischen Wissen- schaft wird erhalten bleiben, so darf man doch den Umfang einer solchen Arbeit nicht unterschätzen und der unbedingt nothwendige ungestörte Fortgang der Arbeit erfordert gebieterisch die Ver- meidung aller nur irgend zu umgehenden Unterbrechungen. Darum nochmals die innigste Bitte an alle Fachgenossen: Schonen Sie alle soviel als irgend möglich, die Zeit und Arbeits- kraft unseres vorehrten Prof. Ascherson. Ref. ist gern bereit, soweit es in seinen schwachen Kräften steht (eveut. nach Rücksprache mit Prof. Ascherson), Anfragen zu erledigen und kritische Formen zu bestimmen, wenn damit Herrn Prof. Ascherson die Arbeit erleichtert werden kann. P. Graebner-Berlin. Rudolf Mewes, Ingenieur und Physiker, Die Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Schwerkraftstrahlen und deren "Wirkungsgesetze. Fischers Technologischer Verlag. M. Krayn. Berlin lS9(i. Der unsern Lesern als unser Mitarbeiter wohlbekannte Verf. versucht im vorliegenden Werk (92 Seiten) nichts mehr und nichts weniger als das bisher umfassendste aller Naturgesetze, das von der Erhaltung der Kraft, aufs alleräusserste zu verallge- meinern, „das Mayer'sche Gesetz von der Erhaltung der Kraft aus der einen Kraftgattung in die andere, zu demjenigen der Wesensgleichheit aller Naturkräfte" zu erweitern (dass" an der Aufstellung dieses Gesetzes Helmholtz einen mindestens ebenso grossen Antheil hatte als Mayer, übersieht Verf. als radikaler Dühringiauer vollkommen; der Name Helmholtz findet sich Inder ganzen Schrift nicht einmal erwähnt). Er will den Nachweis führen, dass nicht nur die Massenanziehung eine bestimmte Zeit brauche, um sich räumlich fortzupflanzen, was schon Kepler und Newton ver- mutheten, sondern auch, dass ihre Fortpflanzungsgeschwindigkeit gleich derjenigen des Lichtes und der Elektrizität sei. Wie also Elektricität, Wärme, Licht nach den neusten Anschauungen als wesensgleich mit einander aufgefasst werden, so will Mewes jetzt die Brücke schlagen zwischen .Mechanik und Elektromagnetismus, die bisher unvereinbar waren. Er findet, dass die „Schwerkraft- Strahlen" sich mit einer Geschwindigkeit von 288 000 Ijis 310 000 km fortpflanzen; das arithmetische Mittel beider Zahlen würde also genau mit der Geschwindigkeit der Licht- und Elektrizitätswellen zusammenfallen, welche nach den neuesten, sehr genauen und zu- verlässigen Angaben 298- bis 299 OOO km beträgt. Die Ableitung des Beweises ist recht geschickt, wenngleich natürlich bei der Schwierigkeit des Problems die Resultate vorläufig nur den Werth einer interessanten Hypothese haben. Ein fernerer Satz, den Mewes ableiten will, ist: „Die Massen der Weltkörper verhalten sich annähernd wie die dritten Potenzen ihrer absoluten Temperaturen." Die mathematischen Deductionen sind auf ein Minimum be- schränkt, enthalten sich jeder höheren Mathematik und sind daher durchweg einfach und allgemeinverständlich. Um eine durchgebildete Theorie kann es sich natürlich bei dem geringen Umfang der Schrift nicht handeln, zumal ein weit gewaltigerer mathematischer Apparat erforderlich wäre, um eine ele k tomagnetische Schwerkrafttheorie zu begründen. Einer .Seltsamkeit sei zum Sehluss noch Erwähnung gethan. Verf. behauptet mit Prof. Lodge-Liverpool, der Sehluss läge nahe, „dass die X-Strahlen und die Schwerkraftstrahlen wenn nicht ganz identisch, so doch sicherlich einander ähnlich sind" (S. 17). Was man sich darunter vorstellen soll, ist dem Ref. nicht klar geworden. H. Photographieen der Tagebaue der Braunkohlengruben bei Gr. Raschen in der Niederlausitz, angefertigt \'om Photographen Herr mann Meyer in Senftenberg, N. L. Die vorliegenden Blätter sind namentlich für Vorlesungszwecke ausserordentlich geeignet. Es sind 7 Photographieen von vor- züglicher Ausführung: 2 grössere im Format 32.5:38 cm (auf Gar- tens 49 : 06), also recht grosse Bilder und 5 kleinere in 22,5 : 28,5 cm (auf Cartons 33 : 49). Photographie I stellt den Tagebau der Grube Victoria dar; sie zeigt die Stamm- (Sumpfcypressen-) Stümpfe der liegenden Flötzgrenze in ausgezeichneter Weise. Der vordere Stumjjf ist (auf Veranlassung des Referenten) vor der Aufnahme ausgehöhlt worden, um den ursprünglichen mit Schweelkohle gefüllten Hohlraum desselben zu demonstriren. Auf dem Bilde hat dieser Stumpf nicht weniger als 6 cm Durchmesser. Das Bild giebt eine treft'liche Anschauung von dem Auftreten der Taxodiuni-Stümpfe in dem Flötz: dem fossilen Cypressen- Sumpf. Das schöne Bild kostet nur 3 Mk; es ist das ausserordentlich billig; die kleineren werden zur Hälfte dieses Preises berechnet. Bild Is'r. II veranschaulicht dasselbe wie I. nur in kleinerem For- mat und einer anderen Aufnahme. Bild Nr. III (kleineres Format) illustrirt die Verhältnisse im Tagebau der Grube Marie Nordwest- feld (Marie II) : zahlreiche Stümpfe in der liegenden Flötzgrenze. Blatt IV (grosses Format) bildet zu dem vorherigen insofern eine Ergänzung, als es die hangende Flötzgrenze mit den Stüm- pfen und zwar der Grube Marie II ganz vorzüglich veranschaulicht. Dieses Bild i.st ein schönes Pendant zu Nr. I. Die Blätter Nr. V und VI (kleineres Format) veranschaulichen den Betrieb in den Gruben: Blatt V namentlich die Thätigkeit der Bagger- maschine zur Wegschaffung der Flötzdecke, Blatt VI den Abbau der Kohle. Blatt VII (kleines Format) endlich giebt ein Bild der Brikettfabrik der Grube Victoria. Die schönen Photographien verdienen bei dem äusserst massigen Preise und dem interessanten Gegenstande, den sie zum Vorwurf haben, weiteste Verbreitung. Näheres über die Objecte, die die Photographien darstellen vergl. in dem Artikel S. 306 ff. die- ser Nummer der Naturw. Wocheuschr. Es sei daran erinnert, dass auch Herr Ziesler in Berlin (vergl. Naturw. Wochenschr. Bd. XI S. 231) Photographieen der in Rede stehenden Gruben in den Handel gebracht hat. P. Berichtigung. Folgende Druckfehler aus No. 22 sind zu berichtigen: Seite 260 2. Spalte, Zeile S von unten lies „länger" statt „leichter." Seite 262 in der Fussnote lies „40" statt „24". Seite 264, 2. Spalte Zeile 41 von, oben Hess „75" statt „5". Brenner. Die Enieueniiig des Aboiiiienieiits wird den geelirteii Alnielimerii dieser Woclieiisclirill hierdurch in geneigte Erinneriuig gebracht. Die Verlagsbuchhandlung. Inhalt: Prot. Dr. R. Schwalbe, Der 6. naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren .Schulen, aljgelialten in Berlin vom 8. bis 18. April 1896. (Sehluss.) — Ueber holosphärische Isanomalen der Temperatur. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Paul Ascherson, Synopsis der mitteleuropäischen Flora. — Rudolf Mewes, Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Schwerkraftstrahlen. — Photographieen der Tagebaue der Braunkohlengruben bei Gr. Raschen in der Niederlausitz. — Berichtigung^ AVör te rbüclier-. Sachs-VilKitte Encyklopädisches Wörterbuch der Tranzösiscüeü und deutschen Sprache. A. ! B. Gr. Ausg. Hand- u. Scbul-Ansg. 9. Auflage Teil I nebst! Supplem. 1959 Seiten! geb. 42 Mli,| Teil II 2132 Seiten.! geb. 42 Mk: T. I (franz.- deutschj: 658 Seiten. Teil Jl (deutsch- tVanzös.): 853 Seiten. 88. Auflage. Beide Teile iu einem Band gebd. 13 M. 5(1 Pf. jeder Teil einzeln geb. 7 M. 2.S Pf. Muret-Sanders Encyklopädisches Wörterbuch der engli- schen und deutschen Sprache. Teil I: [ Teil II: Englisch- deutsch von I Deut seh - englisch v.>n Prof. Dr. Ed. Muret Prof. Dr. D. Sanders. Ersclu-iiit seit 18^1 iu Lieferunspii ä 1 Mk. 50 Pf. Der erst.- Ilalbband, A — K dee ersten Teiles liegt fertig vor. Preis geb. 21 Mk. Ausserdem Lfg. 13/ 19, VorauBBichtlicher Vollendungstermin des I. eni,-l. -deutschen Teiles: Juli I89T. Teil I von Mar'- 1- Sanders, Hand- und Schul au «gäbe ird ebenfalle Mitte 1897, Teil II Eiid.- 1H9B :^lUtandi^,• vorliegen! Sachs-Viilatte bez. Muret-Sanders sind unter allen ähnlichen Werken die neuesten, reichhaltigsten und vollständigsten. Sie sind die einzigen, welche bei jedem Worte angeben: 1. Aussprache, 2. Gross- und Kleinschreibung, 3. Konju- gation und ]>eklination. 4. Stellung der Adjectiva. 5. Etymologie etc. I^jiiiy:<*"^*'l»*'"''*'^<'i'<' ^ <* ■laj;>>liac*lili. (Prof. <;. liant^i'iisrhridt ). Kerl in S\V. 4«. PATENTBUREAU Ölrich \{. jVlacrz Berlin NW., Luisenstr. 22. Cesründet 1878. ^^^ Patent- Marken- u. Musterschulz für alte Länder. Hittorfsche Röhren sowie »iänitlit'lic elektrische Röhren fabrizieren Höllein & Reinhardt Thermometer u. 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Wenn die Raupenplage in umfangreicherem Maasse auftritt, pflegt sich gewöhn- lich die durch den Pilz hervorgerufene Raupenpest einzu- stellen und es wird dadurch dem Ueberhandnehmen des schädlichen Ungeziefers oft Einhalt geboten. — Im Spätherbst wachsen dann aus der grünen Laubmoosdecke des Kiefernwaldes 3 — 5 cm lange, schön scharlachroth gefärbte keulige oder verzweigte Pilze hervor, die grosse Aehnlichkeit mit einzelnen Clavaria-Arten besitzen. — Hebt man daselbst die Moosdecke sorgfältig ab, oder untersucht die darunter befindliche Erde, so findet man in derselben die mumificirtcn Körper der Raupen oder Puppen aus denen eine oder mehrere dieser Keulen hervor- gewachsen sind. Etwas anders ist die auf grösseren Carrabus- Arten oder deren Larven vorkommende Cordiceps cinerea (Tul.) (Fig. 2) gestaltet. Aus dem Kopfe, seltener aus dem Leibe des Insectes wächst ein dünner, schwärzlicher, oft gebogener, bis 10 cm langer Stiel hervor, au desseni Ende .sieh ein fast kugeliges, graues oder bräunliches Köpfchen von 3 bis 4 mm Durchmesser befindet. Auf Wespenarten tritt C. entomorrhiza (Dicks.) Fries (Fig. 3) auf; es brechen aus dem Körper dieser 3—4 cm lange, dünne, hellgelbe Stiele mit kugeligen oder ei- förmigen, ca. 3 cm grossen, hellgelbliehen Kö])fen hervor. Die Stromata der pilzbewohnenden Arten sind von ähnlicher Form wie die beschriebenen, keulig oder kopf- förmig. C. parasitica (Willd.) (Fig. 8), dessen Mycel das Innere der befallenen Hirschtrüffel durchsetzt, entwickelt auf der Oberfläche dieser gelbliche Stränge, aus denen mehr oder weniger langgestielte, 3—^9 cm lange, cyliu- drische Keulen hervorgehen, die olivenbraun, später schwärzlich gefärbt sind. 318 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 27. Bei C. capitata (Holmsii) Link (Fig. 7) besteht das Stroma aus einem cylindrischen, 3 — 8 cm hoben, 5 — 10 nun dicken g-elbHcben Stiel, der unmittelbar aus dem Substrat, der Hirschtrüf- fel hervorbricht und au der Spitze ein ku- geliges , rotb- braunes Köpf- chen trägt. Die- ses Köpfchen ist auf der Ober- fläche fast glatt, aber mit zahl- reichen Punk- ten gezeichnet, während die rothen fleischi- gen Keulen von C. militaris mit kleinen kegel- förmigen Erhe- bungen besetzt erscheinen. Diese Erhebun- gen stellen die eigentlichen Fruchtkörper, die Perithecien, des Pilzes dar, welche bei den übrigen erwähn- ten Arten mehr oder weniger ganz in das Sti"oma(Fig. 7a) eingesenkt sind. Schneidet man ein derartiges Perithecium der Länge nach auf (Fig. 7 b), so sehen wir bei starker mikro- skopischer Ver- grösserung im Innern dessel- ben zahllose cy- lindrische lange Schläuche (Fig. 4a, 5 b, 6 a), die an den Spitzen meist abgerun- det sind. Im In- nern der Schläu- che zeigen sich 8 fadenförmige, sehr dünne farb- lose, parallel- liegende Sporen (Fig. 4b, 5c, 6b), welche zahlrei- che Querschei- dewände be- sitzen und die beim Hervor- treten aus dem oder weni 1. Coidiceps militaris Lk., lii. Isaria-Zwcifjstiick (vergr.) — 2. C. cinerea Till. — 3. C entomorrliiza (Uicks.) Fr. — 4. C. submilitaris P. Heiin., 4 a. ascus, ■Ib. Sjinre, 4c. Sporenstilck (COO 7iiii mal vergr.). — 5. C. Mölleri P. Hemi., .'la. Stroma (vergr). 5 b. Ascus, Tic Spore, r>(l. Theilzellcn der Sporen (letztere 3 Figuren ca. Güu— '.HiO mal vergr. — fi. C. ülaziovii P. Henn., i'.a. Ascus, i;b. Spore, 6c. Thcilzellen einer Sjjore (a, b. c ca. (WOmal vergrössert, alle Ilauptfiguren in natürlicher Crosse). — 7. C. capitata Link, 7 a. Längsschnitt din-ch das Fruchtkiipfchcn mit den Perithecien, 7 b. l'erithecium mit den Asken (letztere stärker vergr.) - 8. C parasitica (W.) P. Henn. Schlauch, je nach der Art, in mehr er lange Thcilzellen (Fig. 4c, 5d, 6c) zerfallen. Werden diese Sporenthciic nun auf den betreöendcn lebenden Insectenkörper übertragen, was in der freien Natur durch den \Vlud oder dadurch geschehen mag, dass die Insecten über mit Sporen behaftete Moose oder Eide hinkrie- chen, so begin- nen die Sporen- zellen bei ent- sprechender Feuchtigkeit auf dem Körper zu keimen. Die Keimschläuche pflegen dann durch die Haut oder durch die Tracheen ein- zutreten, indem sie die Wand der letzteren durchbohren. Hier beginnen die Pilzhyphen sich oft zu ver- zweigen und zwischen die Muskeibündel und die Lappen der Fettkörper einzudringen. An den En- den der Haupt- äste oder der Seitenzweige der Hyphen werden dann länglich cylin- drische Co- nidien abge- schnürt, wel- che in die Lei- beshöhle ein- dringen und sich hier durch Sprossung ver- mehren. DasThierbe- ginnt in diesem Zustande weich und schlaff zu werden und stirbt schliess- lich ab. Auf Kosten der todten Kör- persubstanzen wachsen die Sprosszellcn binnen kurzer Zeit zu reich verästelten Hy- phen aus und (lurchwnchcni den ganzen In- sectenk(irper. Dieser behält seine äussere festen Sclerotium in diesem Zu- Gestalt, wird aber dabei zu einem umgewandelt, welches meist längere Zeit Stande verharrt. XI. Nr. 27 Na tuiwisseiiscliiift liehe Wiielieiisehrift. 319 Zur i;eeigiieteu Jahreszeit begiuneu nun aus dem Thierkörpersclerotium meistens fädige oder keulenförmige, iift dcudritisch verzweigte Gebilde herauszuwachsen, welche einen weissstäubigen Uebcrzug zeigen. Diese Gebilde stellen die Couidient'ructification des Pilzes, die Isaria (Fig. la) dar. — Nicht bei allen Cordiceps- Arten ist letztere Fruehtform bekannt, ebenso kennt man von zahlreichen Isaria- Arten nicht die Perithecienform. — Die Oonidieusporen werden in unglaublicher Menge ketten- förmig abgeschnürt, sie sind von äusserster Kleinheit, meist kugelig und farblos. Werden diese Conidien nun mit dem betreffenden Inscctenkörper in Berührung gebracht, so keimen sie unter geeigneten Umständen; der Keimschlauch dringt, wie es bei den Ascosporen geschildert, in den Körper ein und es wird dieser nach und nach von den Hyphen durch- wach rt. — Bisher ist es zwar nicht gelungen, aus den Conidien- aussaaten Perithecienträger zu entwickeln. Meistens erst nach dem Verschwinden der Conidienträger, die aus Ascosporen hervorgegangen sind, seltener mit diesen zu- gleich, treten aus den Sclerotien Askenträger hervor. Im Grunewald bei ISerlin, wo Cord, militaris, parasitica und capitata häutiger auftreten, fand ich im September 1888 zwischen feuchtem Torfmoose eine äusserlich fast un- veränderte Puppe von Sphinx Euphorbiae, aus der ein häutiges fast weissliehes Myccl, wohl in Folge der um- gebenden Feuchtigkeit herausgewachsen war, aus dem eine keulig verzweigte Isaria, sowie mehrere stattliche Stro- mata der Perithecienträger gleichzeitig entstanden waren. Es sind bisher gegen 70 Arten der Gattung bekannt, von denen in Europa ca. 12 Arten vorkommen. Die ansehnlichsten insectenbewohnenden Species finden sich in Australien und Neu-Seeland, unter diesen zeichnen sich besonders Cordiceps Hflgelii, C. Gunii und C. Henleyae, welche letztere neuerdings von G. Massec in: „A Revision of the Genus Cordiceps" beschrieben und ab- gebildet wurde, durch ihre Grösse aus. C. sinensis (Benk.) Sacc. kommt in China und Japan vor und wird von den Chinesen seit alter Zeit als „Hea Tsaon Taong Chung" in der Medizin verwendet. Der Pilz bewohnt die Raupe einer zu den Noctuideen gehören- den Gortyna-Art, welche mumificirt, äusserlich wenig ver- ändert wird und aus deren After ein 3 — 4 cm langes Stroma wächst, welcher im oberen Theil keulig verdickt, die Perithecien trägt. Nachstehend gebe ich die Beschreibung einiger neuer Arten, die ich bereits früher von Herrn Dr. Alf. Möller, der diese bei Blumenau in Süd-Brasilien gesammelt, zu- gesandt erhielt, sowie die einer anderen Art, die von Herrn Dr. Glaziou bei Rio Janeiro gesammelt worden ist. C. submilitaris P. Henn. (Fig. 4, 4 a, b, c) tritt auf einer grösseren Käferlarve auf, diese hat mit C. militaris, die ebenfalls in Brasilien wie bei uns vor- kommt, grosse Aehnlichkeit, ist aber durch das Stroma, sowie durch die Theil-Si)orcn verschieden. Die keulen- förmigen, lang gestielten, schön orangerotheu Stromata brechen einzeln oder zu mehreren aus dem Sclerotium her- vor. Auf der Oberfläche dieses findet sich eine weiss- liche Myceihaut, aus der mehrere verzweigte ca. '/a nim dicke Mycelstränge, aus deren Enden die Stromata ent- stehen, hervorgehen. Letztere sind 6—7 cm lang und ist der obere ca. 4 — 5 mm keulig verdickte Theil mit kegel- förmigen Erhebungen, den Perithecien bedeckt, die über die Hälfte eingesenkt sind. Die das Perithecium er- füllenden Schläuche sind cylindrisch fadenförmig 250 bis 340 (i. lang, 3^ /o— 4 (j^ dick und enthalten 8 fadenförmige, farblose mit zahlosen Querscheidewänden versehene Sporen, die in kaum V2 /"- dicke Glieder zerfallen. Cordiceps Mölleri P. Henn. (Fig. 5, 5a, 5 b, c, d) wurde gleichfalls von Dr. A. Möller auf Schmetterlingen bei Blumenau gesammelt. Aus den Sclerotien erheben sich nach verschiedenen Seiten mehrere 10 — 13 mm hohe Stromata, deren cylindrische oder etwas zusammenge- drückte 3 — 5 mm lange Stiele am Grunde scheibenförmig verbreitert sind, und fast strahlend am Fuss aufsitzen. Der Stiel trägt völlig freie pyramidenförmige, all- seitig abstehende Perithecien und läuft oberhalb dieser in 1 oder 2 pfriemliche, zusammengedrückte, 2 — 5 mm lauge Spitzen aus. Das Stroma stellt ein fast morgensternartiges Ge- bilde dar. Die Perithecien enthalten zahlreiche Asken von cylindrischer Gestalt, sie sind ca. 250—3.50 fi lang, 4—5 /i, dick und sind oben abgerundet, im Innern mit 8 fadenförmigen, farblosen Sporen. Letztere sind viel- fach septirt und zerfallen in längliche ca. 0,5 fi dicke Theilzellen. Die Art hat mit der in Nordamerika heimischen C. isarioides äusserlich Aehnlichkeit, ist aber von dieser völlig verschieden. Eine dritte Art C. Glaziovii P. Henn. (Fig. 6, 6 a, b, c) wurde von Dr. Glaziou auf Raupen gesammelt, dem botanischen Museum übersandt. Diese ist von den vorigen völlig durch die kopf- förmige Form des Peritheciumträgers verschieden und hat mit C. capitata äusserlich grosse Aehnlichkeit. Der etwa 6 cm lange, 2—3 mm dicke Stiel ist fast cylindrisch, stark gedreht, etwas geschlängelt und trägt an der Spitze ein fast kugeliges 6 — 7 mm langes, 5 mm dickes, braun- rothes Köjjfchen, das auffder Oberfläche warzig punktirt ist. Die Perithecien sind eingesenkt und enthalten zahlreiche 120 — 180 ft lange, 4 — 5 /j^ dicke cylindrische Schläuche, die an der Spitze fast kopfförmig verdickt sind. Die 8 fadenförmigen Sporen sind durch zahlreiche Quer- scheidewände septirt und zerfallen in längliche ca. 0,5 ,a dicke Theilzellen. — Der auf der Larve abgebildete verzweigte Fruchtkörper gehört einer eigenen Art, der C. brasiliensis P. Henn. au. Die Krebsthiere der Provinz Brandenburg. Von W. Hartwig. Berlin. VII. 18. Der Waiidlitzsee, zwischen Biesenthal und Oranienburg. Das Material erhielt ich von Herrn A. Protz, welcher mehrmals in dem reichlich 30 m tiefen See fischte. Der See enthält, nach dem Materialc zu schliessen, an den tieferen Stellen ziemHch viel Schlamm, welcher reich au Diatomeen ist. Es wurden erbeutet: A. Am 6. September 1891 von der Oberfläche bis zu einer Tiefe von etwa 25—30 Metern, von mir bestimmt am 17. August 1895. 1. Cyclops fuscus. Mehrere Stücke, von bedeutender Grösse. 2. Cyclops albidus. Einiso Dutzend Stücke. 3. Cyclops strenuus. Niciit selten. 4. Cyclops leuckarti. Nicht selten; die Weibchen meist mit .uittallond wenig Eiern im Eiballen. .5. DiaptoMuis graciloides. Sclir häufig. t). Diaphauosoma brachyurum. Nicht selten. 320 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XL Nr. 27. 7. Daplmia byalina. Nicht luiulig-. 8. Hyalodaphnia jardini kalilborgicnsis. Ich fand auch Formen, welche die Crista etwas nach vorn (unten) geneigt hatten, also Uobergänge nach Hyal. procurva Poppe, aber kein typisches Stück dieser letzteren. 9. Hyalod. jard. cederströmi. Nicht selten. 10. Bosmina gibbera. Sehr häufig. 11. Eurycercus lamellatus. Ein Stück. 12. Camptocercus rectirostris. Einige Stücke. 13. Alonopsis elongata. Einige Stücke. 14. Leptodora kindti Focke. Nicht selten. — Von niedrigeren Thieren fand ich: 1. Anuraea aculeata. Nicht häufig. 2. Anuraea longispina. Nicht selten. 3. Ceratiura hirundinella. In ungeheuren Massen; vorherrschend war die schlanke Form. (Siehe 0. Zacharias, Forschungsberichte 181)4, S. 119.) B. Am 6. October 1889 limuetisch iu einer Tiefe von 12 — 15 Metern, von mir am 18. August 1895 be- stimmt: 1. Cyclops stronuus. Häufig; grosso Stücke. 2. Cyclops leuckarti. Nicht selten. 3. Cyclops oithonoides. 4. Diaptomus graciloides. Häufig. 5. Diaphanosoma brachyurum. G. Daphnia byalina. Nicht häufig. 7. Hyalod. jard. kahlbergiensis. Sehr häutig. 8. Hyalod. jard. cederströmi. 'J. Bosmina coregoni Baird. Nicht häufig. , 10. Bosmina gibbera. Häufig. 11. Acroperus leucocephalus. Einige Stücke. 12. Alona guttata Sars. Ein Stück. 13. Bythotrephes lougimanus Leydig. Ein Stück. Die anderen Stücke, etwa 8, hatte Herr Protz schon früher aus diesem IMa- terialo herausgesucht. 14. Leptodora kindti Focke. Häufig. — Von niedrigeren Thieren lionute ich u. a. feststellen: 1. Anuraea aculeata. Nicht selten. 2. Ceratium hirundinella. Häufig. C. Am 6. October 1889 littoral gesammelt, von mir am 18. August 1895 bestimmt: 1. Cyclops strenuus Fischer. Nicht selten. 2. Cyclops leuckarti. 3. Cyclops serrulatus. Vereinzelt. 4. Diaptomus graciloides. Nicht selten. 5. Sida crystallina. 6. Hyalod. jard. kahlbergiensis. 7. Bosmina longicornis. Einige Stücke. 8. Bosmina gibbera. Vereinzelt. 9. Acroperus leucocephalus. Einige Stücke. — Von niedrigeren Thieren fand ich u. a.: 1. Anuraea longispina. Vereinzelt. 2. Ceratium hirundinella. Vei-einzelt. 19. Der ScLermützelsee bei Buckow (Ostbahn). Das Material wurde von Herrn A. Protz gesammelt: A. Limnetisch, bis zu einer Tiefe von 30 Metern, am 21. Juni 1891. Ich untersuchte das Material am 6. September 1895 und fand darin: 1. Asollus aquaticus. Ein Stück; dasselbe gerieth wohl nur durch Strömung in die Mitte des Sees. 2. Cyclops albidus. Einige Stücke. 3. Cyclops strenuus. Häufig; auffallend grosse Stücke. 4. Cylops oithonoides. Sehr häutig. 5. Diaptomus gracilis. Massenhaft. 6. Candona Candida. (O. F. Müller). Ein Stück. Es kann dieses nur durch Strömung in die Mitte des grossen Sees ge- rathon sein. 7. Diaphanosoma brachyurum. Nicht häufig. 8. Daphnia hyalina. Selir häutig. Die Weibchen hatten durch- schnittlich nur 3 — 5 Eier im Brut räume. !l. Bosmina longispina. Nicht selten. 10. Bosmina coregoni humilis Lilljeborg (1887). Nicht selten. Diese Form ist neu für unsere Provinz. Wenn ich meine Stücke mit der Lilljeburg'schen Beschreibung und Abbildung vergleiche, so finde ich: 1. Die Grösse stiniiiif mit der Grüsseuangabc Lillje- borgs übereiu. 2. Das Verhältuiss der Länge zur Hölic stimmt ziem- lich genau mit den Angaben Lilljeborg's überein (72 : 59). 3. Die Gliederzahl der Tastantennen bei 5 von mir genauer untersuchten Stücke beträgt: 15, 19, 20, 21, 22. Lilljeborg giebt 13—20 an. 4. Der Schaleustachel ist verhältnissmässig etwas kürzer, als die Zeichnung Lilljeborg's angiebt. 5. Der Rücken scheint ein wenig mehr gewölbt zu sein, als dies bei den Lilljeborg'sehen Stücken der Fall ist. 6. Der obere hintere Schalenwiukel ist bei meinen Stücken ziemlich deutlich zu erkennen, bei Lillje- l)org's Stücken (nach der Abbildung) jedocli nicht. Ich spreche meine Stücke dennoch als zur Form Bosmina humilis gehörend an, um nicht eine neue Sub- species von Bosm. coregoni aufstellen zu müssen, was mir bei der grossen Variabilität dieser Species nicht an- gebracht erscheint. 11. Lei)todora kindti. Häufig; sehr grosse Stücke. — Von niedrigeren Thieren fand ich u. a. : 1. Anuraea longispina. Häufig. 2. Ceratium hirundinella. Häufig. 3. Triarthra longisota Ehrenberg. Nicht selten. B. Littoral, zwischen Schilf, am 5. Mai 1890. Ich untersuchte das sehr reichhaltige Material am 7., 15. und 16. September 1895. Folgende 29 Arten stellte ich darin fest: 1. Asellus aquaticus. Häufig. 2. Gammarus fluviatilis Rös. Häufig; aber keine erwaclisenon Stücke. 3. Cyclops fuscus. Häufig. 4. Cyclops viridis. Nicht selten. 5. Cyclops serrulatus. Nicht häufig. 6. Cyclops macrurus. Nicht selten; mit 4 und 5 Borsten an der Seite der Furka. 7. Cyclops phaleratus Koch, Einige Stücke. 8. Cyclops leuckarti. Einige Stücke. 9. Cauthocamptus minutus Claus = Canth. minutus O. Schmoil. Etwa 12—15 Stücke. Im Eiballen eines Weibchens befanden sich 14 Eier. 10. Cauthocamptus pygmaeus Sars = Canth. pygmaeusO.Sehmeil. Einige Stücke. Die Art ist neu für unser Gebiet. 11. Nitocra hibernica (Brady). Ein Stück (q). Diese Species wurde bis jetzt in Deutschland (nach 0. Schmeil, Süsswasser- Copepoden II, S. 84) nur bei Kiel und bei Halle gefunden. Sie ist neu für unser Gebiet. 12. Belisarius viguieri Maupas ^ Phyl- Ipgnathopus paludosus Mräzek. Ein Stück (Q). Die Art ist neu für unsere Provinz. Maupas beschrieb sie 1892 für Algier, Mrä- zek im selben Jahre für Böhmen; ohne dass für das Vorkommen in Algier der letztere Forscher bei Aufstellung seiner Gattung Phyllognathopus eine Konntniss von der Maupas'schon Arbeit hatte. Da die Maupas'sche Arbeit („Sur le Belisarius Vi- guieri") frülier erschien, als die Mrazek'sche („Beitrag zur Kenntniss der Harpacticiden- fauna des Süsswassers"), müssen wir leider den so bezeichnenden Namen Phyllogna- thopus wieder fallen lassen. Die äussere (kurze) Apicalborste der Furka meines Stückes ist iu der Nähe der Basis fast kugelig verdickt, etwa wie in nebenstehender Figur. 13. Ectinosoma edwardsi (Richard) = Ectinosonia edwardsi Schmeil. Diese Art wurde nach U. Scluneil in Deutschland bisher nur bei Kiel (Dobersdorfer See) gefunden. Für die Provinz Brandiuiburg ist sie neu. Ich fand am 7. September d. J. nur die Furka nebst dem letzten Abdominalsegmente i^ines Männchens auf, gerade den Theil, welelu'ii 0. Scluneil in seinem vorzüglichen Werke („Süsswasser-Copopoden" 11, Taf. VIII, Fig. G) so trell'lich abbildet. 14. Notodromas monacha. Massenhaft, meist geschlechtsreife Stücke. Meist tritt diese Art in unserer Provinz um fast einen Monat später auf. 15. Candona Candida Etwa ein Dutzend Stücke. IG. Stenocyi)ris fasciata (O. F. Mülle:). Häufig. a. innere Apicalborste. ii. äussere Ai)icalborste. XI. Nr. 27 Naturwissenschaftliche Wochenschritt. 321 17. Cypridopsis vidiui (O. F. Müller). Nicht selten. 18. Cyclocypris laovis (0. F. Miillor). Häufig. 19. Cypria exculpta (S. Fiselier). Einige gcscliloehtsi-uife Stücke. 20. Sida crystallina. Fiinige Stücke. Der früheste Zeitpunkt, an welchem ich diese Species erbeutete, war der 7. April (1894); es war am Nordufer des Tegeler Sees. 21. Scapholeberis cornuta Scliödler. Zwei Stücke; der 5. Mai ist für diese Species etwas früh. 22. Eurycercus lamellatus. Häufig. 23. Camptocercus lilljeborgi Schödler. Ein Stück. -4. Alonopsis elongata. Ich fand drei Weibchen, wovon eines 2 Embryonen, ein anderes 1 Ei im Brntraunie hatte. 25. Alona affinis Leydig. Ein lebendes Stück ; sonst nur Schalen, diese aber häufig. 26. Allona guttata Savs, Form tuberculata Kurz. Einige Stücke. Diese Form ist neu für unser Gebiet. 27. Alona tenuicaudis Sars. Vier Stücke; davon hatte eines zwei Eier im Brutraume. 28. Peracantha truncata. Nicht selten. 29. Polyphemus ]iedieuhis. Einige Stücke. — Vom September und October 1889 besitze ich eben- falls reichliches Entomostraken - Material ans dem Scher- mützelsee; doch befindet sich darin nichts Neues. Indem 4;'esammten Materiale fand ich nicht eine einzige Daphnia jardini (Baicrd.) mit ihren Formen; das ist auffällig. Ich will damit durchaus noch nicht i;esagt haben, dass diese Art in dem See nicht vorkäme. Nach dem vorstehend aufgeführten Materiale zwei- maliger Befischung wurden von mir aus dem bis 4U m tiefen Schermützelsee '68 Species von Krebstliieren festgestellt. Das lässt uns den See als einen an diesen Lebewesen recht reichiialtigen erkennen. Nach meinen Erfahrungen glaube ich mir daher den Ausspruch ge- statten zu dürfen, dass er unter den Wasserbecken der Provinz Brandenburg in Bezug auf Reichhaltigkeit an Crustaceeuspecies eine sehr hervorragende Stelle ein- ninunt. Auch an anderen niederen Thiercn und an Algen fand ich ihn reich. 20. Der AVerbellinsee bei Joachimsthal. Das Entomostraken-Material aus diesem See erhielt ich von Dr. W. Weltner am 10./9. 95 zur Untersuchung. Der Werbellinsee ist eine alte Schmelzwasserrinne von 20 — 22 m Tiefe. Der Spiegel desselben liegt in einer Meercshühe von etwa 43 Metern, die Sohle demgemäss noch in einer solchen von ungefähr 20 Metern. Sein Abfluss, das Werbelliner Fliess, mundet in den Finow- kanal. Es wurden von Herrn Dr. W. Weltncr er- beutet : A. Gegenüber von Altenhof, am 14./10. 88, littoral in 1,4 m Tiefe, durchweg zwischen Wäldern von Klodea, wie Herr Dr. Weltner schreibt. Ich fand am 19. September 1895 folgende Arten darin: 1. Asellus aquaticus. Einige Stücke. 2. Gamniarus fluviatilis Rös. = Gammarus roeselli Gervais. Nicht selten; doch waren die Stücke meist noch nicht aus- gewachsen. 3. Gyclops fuscus. Nicht selten. 4. Gyclops viridis. Häufig; die Stücke waren aber meist nicht geschlechtsreif. f>. Gyclops serrulatus. Nicht selten. G. Gyclops leuckarti. Häufig. 7. Canthocamptus staphylinus (Jur.) Nicht selten. 8. Canthocamptus trispinosus Brady. Einige Stücke. 9. Diaptouius graciloides. Sehr häufig. 10. Gandona Candida (0. F. Müller (9). 11. Gyclocypris laevis (O. F. Müller). Häufig. 12. Cypridopsis vidua. Häutig. 13. Sida crystallina. Häufig. 14. Diaphanosoma brachyurum. Nicht selten. \ä. Hyalodaphnia jardini kahlbergiensis. Einige Stücke. 16. Simocephalus vetulus. Einige Stücke. 17. Geriodaphuia pulchella Sars. Nur wenige Stücke. 18. Bosmina coregoni. Einige Stücke. 19. Eurycercus lamellatus. Häufig. 20. Airo|ierus leucocophalus. Häutig. 21. Alona affinis (Leydig). Sehr häufig. 22. Alona testudinaria. Einige Stücke. 23. Alona guttata Sars. Einige Stücke. 24. Peracantha truncata. Nicht selten. 25. Pleuroxus aduncus. Einige Stücke. B. Limne tisch, von der Oberfläche bis G m tief, 14./10. 88. Ich fand am 29. '9. 95 darin: 1. Cxclops viridis. Einige Stücke. 2. Gyclops leuckarti. Sehr häutig. 3. Gyclops oithonoides. Häutig. 4. Diaptomus graciloides. Massenhaft. 5. Diaphanosoma brachyurum. Häufig. 6. Hyalodaphnia jardini berolinensis. Einige Stücke. • 7. Hyalod. jard. kahlbergiensis. 8. Bosmina longispina. Einige Stücke. 9. Bosmina coregoni. Häufig. — Ausserdem fand ich einige Larven von Dreisseusia polymorpha Pall. C. Limnetisch, 80 Fuss tief, nach Angaben des Herrn Dr. Weltuer; doch soll, nach anderen Angaben, die Tiefe des Sees, wie ich schon vorhin l)emerkte, nur 22 m (70 Fuss) betragen. Das Material wurde ebenfalls am 14./ 10. 88 gesammelt und von mir am 22./9. 95 unter- sucht. Ich fand darin: 1. Gyclops leuckarti. Häufig. 2. Gyclops oithonoides. Häufig. 3. Diaptomus graciloides. Nicht so häufig, wie in den oberen Wasserschiehten. 4. Diaphanosoma brachyurum. Häufig. 5. Hyalodaphnia jardini kahlbergiensis. Nicht häufig. 6. Bosminia longispina. Einige Stücke. 7. Bosmina coregoni. Häufig. Einige Stücke kamen durch ihren Schalendorn d(>r Form humilis nahe. — Ausserdem fand ich Larven von Dreisseusia polymorpha Pall., aber nur wenige. D. Limnetisch, am 13./10. 88, von der Oberfläche bis 1 m tief. Ich untersuchte das Material am 22./9. 95 und fand darin: 1. Gyclops leuckarti. Hilufig. 2. Gyclops oithonoides. Nicht häufig. 3. Diaptomus graciloides. In grossen Massen: die Haujit- masse des Planktons bildend. 4. Heterocope appimdiculata Sars. Ein Stück ((j'). Es ist höchst interessant, dass Herr Dr. Wultner diesen Gopepoden, den man meist für einen Tiefenbewohner hält, an der Oberfläche er- beutete. Für die Provinz Brandenburg ist der Werbellinsee die dritte Fundstelle dieser Art. 5. Diaphanosoma brachyurum. Sehr häufig. 6. Daidinia hyalina. Ein Stück (9). 7. Hyaloda|)linia jardini kahlbergiensis'. Häufig. Manche Stücke hatten die Grista nach unten geneigt. 8. Hyalodajihnia jardini cederströmi. 9. Ceriodaphnia pulchella. Einige Stücke. 10. Bosmina longispina Leydig. peinige Stücke. 11. Bosmina coregoni. Sehr häufig. E. Littoral, bei Altenhof, am lo./lO. 88. Ich be- stimmte das Jlaterial am 22./9. 95; es fanden sich fol- gende 17 Species darin: 1. Gammarus fluviatilis Rös. Einige Stücke. 2. Gyclops albidus. Nicht selten; die meisten Stücke waren nicht geschlechtsreif. 3. Gyclops serrulatus. Nicht häufig. 4. Gyclops macrurus. Häufiger als G serrulatus. Die StUcke besassen 4 — 5 Borsten an der Seite der Furkakweige. 5. Gyclops leuckarti. Nicht selten. 6. Ganthocamptus (speciesV). Nicht soweit entwickelt, dass ich die Art bestimmen konnte. 7. Gypridopsis vidua. Nicht selten. 8. Diaphanosouux brachyurum. Nicht selten. 9. Hyalodaphnia jard. cederströmi. Einige Stücke. 10. Bosmina coregoni. Einige Stücke. 11. Eurycercus lamellatus. Sehr häufig. 12. Acroperus leucocephalus. Sehr häufig. 13. Alonopsis elongata Sars. Häufig. Einige Stücke von auffallend dunkler Farbe. 14. Alona affinis. Einige Stücke. 1.5. Alona linoata (Fischer) = Alona spinifera Schödler. Nicht selten. 16. Peracantha truncata. Einige Stücke. 17. Ghydorus globosus Baird. Nur zwei Stücke. 322 Naturwissenscliaf'tlicbe Wochcnscbrift. XI. Nr. 27 F. Um die Entomostraken- Fauna des Werbellinsees zu vervollständigen, füge ich noch die Arten an, welche ich im Magen- und Darminhulte eines Stücke« von Coregonus albula (Lin.) am 23./9. 95 fand, welches sich Herr Dr. Weltner am 21., 10. 8S hatte schicken lassen; es sind dies folgende 11 Specics: 1. Cyclops strenuus Fischer. Sehr häufig, oft recht gut er- halten. i. Cyclops U'uekarti. Nicht .selten. 3. CiUithocamptus sta])hylinus (Jur.) Ein Stück ( j'). 4. Dia])tomus gntciloicles. Nicht selten. 5. Candona (spocies?). Nur Bruchstücke der Schale eines noch nicht geschlechtsreifen Thieres. 6. Syda crystallina. Nur wenige Reste. 7. Hyalodaphnia jardt. kahlbergiensis. Nicht selten, meist gut verdaut. 8. Bosniina longispina. Einige gut erlialtone Stücke. 9. Bosniina coregoni. Sehr häufig, viele Stücke recht gut er- halten. 10. Bythotrephes longinianus. Die noch gut erhaltenen Stücke hatte Herr Dr. Weltner schon herausgelesen; doch fand ich noch vielfach Beste dieser Art. 11. Leptodora kindti Focko. Die gut erhaltenen Stücke hatte Herr Dr. Weltnor schon daraus entfernt; doch fanden sich Bruchstücke dieser Art noch recht zaldreich. Die IIaui)tniasse des Inhaltes des Vcrdauungskanales dieser „Kleinen Maräne" bestand aus Cyclops strenuus, nächstdem aus Bosmina coregoni und Leptodora kindti. Das ist um so interessanter, als Cyclops strenuus und Leptodora kindti in dem frei im See gesammelten Materiale sich nicht befanden; beide Entomostraken müssen sich demnach an dem genannten Tage (21./ 10. 88) an einer bestimmten Stelle des Sees in grösseren Massen vorgefunden haben. Auch Bythotrephes wurde in dem aus dem See gesammelten Materiale weder von Herrn Dr. Weltner noch von mir aufgefunden. So konnte ich aus dem Gesammtmateriale des Sees 37 Species feststellen, dabei Hyalodaphnia jardini in 3 Formen. Schliesslich will ich noch einige Sätze aufstellen, welche sich unschwer aus der Lektüre meiner vorstehenden Aufsätze ergeben: 1. Eine „Tiefenfauna" ist in den Seen der Provinz Brandenburg nicht vorhanden. Sie kann nicht vorhanden sein, da unsere Wasserbecken zu seicht sind. Das tiefste von mir untersuchte Becken, der Scher- mützelsee, ist — wenn die von mir benutzten Angaben richtig sind — etwa 40 m tief. Dies genügt sicherlich nicht zur Ausbildung einer eigentlichen Tiefenfauna. Bythotrephes longimanus ist nach dem, was wir heute von ihm wissen, kein echter Tiefenbewohner. 2. Sogenannte „Dämmerungsthiere" habe ich unter unseren heimischen Entomostraken nicht kennen gelernt. Wenn besonders Leptodora öfter als solches hingestellt wurde, so will ich dazu bemerken, dass ich dieses hyaline Krcbsthicrchen beim hellsten Sonnenscheine ebenso oft in nächster Nähe der Ober- fläche sannnelte, wie in der Tiefe, ebenso bei bewölktem Himmel und bei Regen; bei steifem Winde und bei er- regtem Wasser aber fand ich das zartgebaute Thierchen — das sicher Wellenschlag nicht vertragen kann — stets in den tieferen Wasserschichten. Wenn es von Diaptomus gracilis Sars heisst: „hält sich bei Tage in der Tiefe, kommt nur Nachts an die Oberfläche und meidet dabei die Näiie des Ufers", so triÖ't dies durchaus nicht zu. In den Seen, wo dieser Centropagide vorkommt — und er ist sehr verbreitet im Gebiete — fing ich ihn beim schönsten Sonnenschein sowohl limnetisch an der Oberfläche, wie auch am Ufer. 3. Eine feste Grenze zwischen den so- genannten limnetischen (pelagischen) und litto ralen Formen lässt sich durchaus nicht ziehen. Freilich trifft man nicht allzuoft die Uferformen in der Mitte — am meisten noch Chydorus sphaericus — desto häufiger aber die sog. limnetischen Formen am Ufer an. Fast alle limnetischen Arten erbeutete ich auch am Ufer, einige davon freilich recht selten. Als „eulim- netisch" (echt pelagisch) vermag ich nur sehr wenige Arten anzusprechen, wie: Eurytemora lacustris Popi)e, Heterocope appendiculata Sars, Bythotrephes longimanus Leydig, Leptodora kindti Focke*), Daphnia hyalina Leydig (V; ich fand sie im Unteruckersee nicht selten in der üferzone), Bosmina crassicornis Lilljeborg (?) und Latona setifera ("?, 0. F. Müller); doch habe ich über die Lebens- weise der beiden letzten Arten noch keine oder nur sehr wenige Erfahrung. Keine Cyclops- Art der Provinz gehört zu den eulimnetischcn Formen ! Ich erbeutete sämmtliche Hüpferlinge nicht nur am Ufer unserer Seen, sondern auch in den kleinsten Tümpeln, Pfützen, Gräben. Auch andere Entomostraken, die oft als limnetische Formen j aufgeführt werden — Diaptomus graciloides etc., — er- beutete ich in den kleinsten Tümpeln und Wiesengräben. 4. Die Entomostraken variieren sehr. Ich er- innere nur an die Gattungen Cyclops, Daphnia**), Hyalo- daphnia Candona. Ich wage daher zu behaupten, dass man im strengsten Sinne des Wortes sogenannte „typische" Stücke meist nur in dem Gewässer suchen darf, welchem der Autor die Exemplare entnahm, die er zur Aufstellung seiner Art oder Form benutzte, und dann ist oft sogar noch zu .beachten, dass dies aucii zu derselben Jahres- zeit geschieht; ein Chydorus sphaericus im frühesten Frühjahre und ein solcher im Spätherbste sehen doch manchmal recht verschieden aus. 5. Ueber die geographische Verbreitung der Entomostraken lässt sich zur Zeit Speciclles nur wenig sagen. Die wenigsten Gebiete der Erde, ja aucii nur Europas, sind in Bezug auf niedere Krebsthiere hinreichend durchforscht. Warum sind so wenige Gegenden reich an Entomostraken V Weil denselben etwa nur dort die natürlichen Bedingungen gegeben sind"? Nein, weil dort — so paradox dies auch klingen mag, so spreche ich es doch aus — , Kenner dieser Thicrc lebten oder noch leben. Die Entomostraken dürften ziemlich gleich- massig über grosse Striche der Erdoberfläche verbreitet sein; viele sogenannte seltene Arten dürften noch an hundert anderen Orten, als wo sie bis jetzt gefunden wurden, vorhanden sein; nur das Auge des Forschers, das sie zu entdecken vermag, fehlt! Vielleicht sind wir in einigen Jahrzehnten so weit, M ein Entomostrakcnforscher über die geographische 1 Thiere etwas Brauchbares schreiben kann! — dass Verbreitung dieser *\ Fing ich am lO./G. DG dicht am Ufer zwischen Binsen (Schwielowsee). **) Zu D. pulex de Gecr rechne ich z. B. heute ausser D. pennata auch noch ü. gilihosa, D. ohtusa und D. curvirostris ; zu D. longispina zähle ich D. caudata und D. rosea. XI. Nr. 27. Naturwissenscliaftliclie Woclii irift. 32;} Einige Erklilruiigeu spiritistischer Pliäuoineiie giebt W. R. Newbold, Professor an der Universität zu Pennsylvania in einem Aufsatz: „Experimental induction of automatic processes" betitelt, welcher im „Psycliological Review" erschienen ist (Jahrgang 1895, Seite 348 ft'.). Das erste derartige Phänomen, welches Newbold er- klärt, ist die Glas- oder Krystallvision. Schon von Alters her wurde behauptet, dass sich nach längerem Schauen auf Glas oder auf einen andern spiegelnden oder durchsichtigen Gegenstand bei vielen Personen Visionen einstellten, welche sie befähigen sollten, Ereignisse zu sehen, die sich in der Zukunft oder in der Ferne ab- spielten. Newbold scheute sich nun nicht, experimentell zu untersuchen, was an diesem Glauben Wahres sei, der natiu-lich besonders lebhaft von den Spiritisten befür- wortet wird. Er liess Versuchspersonen auf eine wasser- gefüllte, den Gesichtssinn stark reizende Glaskugel blicken und konnte feststellen, dass thatsächlich gewisse Bilder und Gestalten wahrgenommen wurden, zuweilen sofort, zuweilen auch erst nach fünf Minuten. Manchmal be- sassen diese Wahrnehmungen sehr scharfe Contouren, ver- schwanden aber meist schon nach wenigen Seeunden. Beim geringsten Bewegen des Glases, sowie beim Augen- scliliessen verschwanden die Bilder auf der Stelle. Die Art der Bilder war nur ausnahmsweise abhängig vom Willen der Versuchspersonen oder den Worten des Experimentators. Viele wurden als Erinnerungsbilder erkannt, freilich mehrfach erst mit Unterstützung des Gedächtnisses durch hypnotische Suggestion. Die ganze Erscheinung der Glas- und Krystallvision ist also nichts anderes als eine künstlich hervor- gerufene Hallucinatiou. Dass eine solche nur gar zu leicht von einem ungeschulten Denken als mystisch und übernatürlich gedeutet wird, kann Niemanden be- fremden; werden doch sogar noch in unserer Zeit die Bilder und Gestalten, welche in den Träumen dem Schla- fenden vorschweben, vielfach als Vorbedeutungen auf- gefasst! Newbold vermochte übrigens durch unbestimmte Schallreize von längerer Dauer auch auf akustischem Ge- biet Hallucinationen hervorzurufen, die denen auf optischem vollkommen analog waren. Ein zweites Phänomen, das Newbold zu erklären sucht und das mit dem vorhergehenden bis zu einem ge- wissen Grade zusammenhängt, ist das automatische Schreiben. Wie das mit Unrecht berüchtigte Tisch- rücken dadurch verursacht wird, dass durch Ueberreizung der lange Zeit hindurch ausgestreckten Arme und Hände sich ohne Willen und Wissen des Subjects kräftige Reflexe auslösen, so wird auch das automatische Schreiben verursacht durch anhaltende, starke Einwirkung eines unbestimmten Reizes auf den hochentwickelten Schreib- niechanismus. Newbold's Versuche mit einer geeigneten Person ergaben, dass die mit dem Schreibstift bewaffnete Hand, sohange die Versuchsperson nicht an einen be- stimmten Inhalt des Schreibens dachte, nur Gekritzel hervorbrachte. Sobald aber der Schreibende an einen bestimmten Inhalt dachte, wurden von der Hand automatisch die Bewegungen gemacht, welche zur Niederschrift der gedachten Worte" erforderlich waren.*) Der Inhalt des mit deutlich lesbarer Schrift Geschriebenen entsprach oft dem vorher gefassten Gedanken, während *) Zum Vergleich sei daran erinnert, dass unsere Sprach- werlvzi-ugfe, deren Mechanismus noch liöher entwickelt ist als der Schroibmechanismus, bei jedem Wort, das wir sprechen, gleichfalls automatisch mit bewundernswerther Schnelligkeit die richtigen Bewegungen macht, um die gewünschten Laute zu artikuliren. Auch dieser Process kommt nicht zum Bewusstsein und ist lediglich durch Uebung zu einem so hohen Grade der Vollkommenheit gediehen. die Versuchsperson das deutliche Gefühl hatte, dass sie nicht aus eigenem Antrieb schriebe, sondern dass ein „Geist" i n ihr wirksam sei. Als der Person der Gedanke gekommen war, es sei ein anderer Geist gekonnnen, der nicht schreiben könne, oder ein Kind, so wurde die Schrift unleserlich bezw. unbeholfen. Diese letzten Beobachtungen werden der Suggestious-Wisseusehaft wie der Graphologie gleich interessant sein. Newbold's Versuche ergeben einen neuen, dankcns- werthen Ausblick in die rein-automatischen Processc im Menschen und werden hoffentlich den jeder Kritik ent- l)ehrenden spiritistischen Lehren den gewünschten Ab- l)ruch thun. lieber Uegeneratioiisvorgäuge bei Lmnbricideu hat Karl Hescheler ausgedehnte Untersuchungen an- gestellt (Jenaische Zeitschrift f. Naturw., Bd. 30, 1896), deren hauptsächlichste Resultate in Kürze wiedergegeben werden mögen. Die Versuche wurden an den bei uns häufig vorkonmienden und zugleich grössten Arten der Gattiuigen Lumbricus und Allolobophora ausge- führt, die bis auf geringe Abweichungen fast alle gleich- massig die Fähigkeit besitzen, abgeschnittene Körper- enden zu ersetzen. Alle Arten zeigen sogenannie Auto- tomie oder Selbstamputation, d. h. die Fähigkeit bei irgend welchem Unbehagen, z. B. bei Verweilen in der Hand, den hinteren Theil ihres Körpers preiszu- geben. Während die Regeneration des Hinterendes leicht vor sich geht, wie die zahlreichen Funde von Individuen mit regenerirtem Schwanzende beweisen, wird das Vorder- ende nur in beschränktem Maasse regenerirt. Einmal tritt sichere Regeneration nur bei Abnahme ganz weniger Segmente ein; schon beim Verlust von 9 Segmenten an nimmt das Regeuerationsvermögen schnell ab. Deutliche, segmentirte Regenerate wurden bloss bei Abnahme von 15 Segmenten noch beobachtet. Bei Verlust grösserer, vorderer Partien traten noch ausnahmsweise Regenerations- kuospen auf, die sich aber nicht weiter entwickelten. Eine bestimmte Grenze für die Regeneration des Kopfes existirt daher nicht. Dies gilt in erster Linie für Allolo- bophora terrestris und mit grosser Wahrscheinlichkeit für die anderen angeführten Species. Die letzteren auch regeneriren sicher wenige vordere Segmente wieder. Für alle Arten wurde festgestellt, dass schon von der Abnahme von 4 Segmenten an stets eine geringere Zahl regenerirt wird, als abgeschnitten worden waren, ohne dass bei dieser Beschränkung eine progressive Zunahme bei steigendem Verlust an Segmenten bemerkbar ist. Gewöhnlich werden etwa 4 regenerirt. Die Regeneration des Schwanzendes geht auf andere Weise vor sich, als die des Vorderendes. Es tritt das Regenerat als langes, dünnes Aidiängsel mit vielen Seg- meuten plötzlich auf. Die Beobachtungen sprechen dafür, dass diese Art der Regeneration vor Allem in der wär- meren Jahreszeit stattfindet. Ob daneben noch langsame Neubildung von hinteren Segmenten vorkommt, konnte Ver- fasser nicht mit Sicherheit entschcideu. Alle Fälle, welche zur Prüfung dieser Frage herangezogen wurden, sprechen für das Gegentheil. Die Regeneration am Vorder- und Hinterendc ist unabhängig von einander; es können beide gleichzeitig vor sich gehen. Auf schiefe Schnitte erfolgt liiuten Selbstamputation, vorn Regeneration von der schiefen Schnittfläche aus unter Ergänzung der angesclmiltcnen Segmente. Es bestätigt dies, die von Barfurth aufge- stellte Regel, dass die Achse des Regenerationstückes stets senkrecht auf der Schnittebene steht. Die Jahreszeit zeigt einen wesentlichen Einfluss auf 324 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 21 die Regeneration; im Sommer regeneriren alle Arten schneller als im Winter. Die Temperatur spielt dabei eine Hauptrolle, wie Versuche im Wärmeofen zeigten. All. foetida regenerirt von den untersuchten Arten im Sommer am schnellsten, im Winter verwischen sich diese Dilferenzen etwas. Junge Thiere regeneriren im Sommer schneller als alte, während auch hier der Winter die Differenzen ausgleicht. Es ruft ferner keinen wesentlichen Unterschied in der Geschwindigkeit der Regeneration hervor, ob 4 oder 8 vorderste Segmente abgeschnitten werden; dagegen verlangsamt sich, vom Verluste von 9 Segmenten an, die Geschwindigkeit ungefähr proportional der Grösse des abgeschnittenen Stückes und zugleich tritt von da an eine auffällige individuelle Variation in den bezüglichen Zahlen ein. Jlehrmalige Regeneration des Kopfes wurde bei allen Species beobachtet; im jMaximum sogar 5 Mal bei einem All. foetida. Dabei tritt mit der zunehmenden Zahl der Operationen eine steigende Verlangsamung des Regenerationsjn'ocesses ein, der Umfang des Vermögens, was die Zahl der Segmente betrittt, nimmt dagegen im Allgemeinen nicht al). Regenerate können ebensogut aus schon regenerirtem Gewebe hervorgehen; hierbei kann sieh das Regenerationsvermögen sogar steigern. R. Penicilliiini cupricura hatten wir in einem Referat der Nummer 19, Bd. XI dieser Wochenscinift kennen gelernt. Im Anschluss an die Untersuchungen Trabut's führte de Seynes weitere, interessante Experimente mit diesem Pilz aus. (De Seynes, Resultats de la culture du Penicillium cupricum Trabut. Bulletin de la Society botanique de France. 1895. I. S. 451—454; II, S. 482 bis 485). Verfasser setzte Material nnt rosafarbenen Sporen in mit Zucker versetzten Citronensaft ans und erhielt dann am Mycel Sporen von grüner Farbe wie bei Penicillium ■glaucum, nur war die Conidienbildung eine sehr spär- liche. — Auch der umgekehrte Versuch gelang. Bei der Uebertragung von Penicillium glaucum in Lösungen von Gerstendekokt und 2,5, 5 und 9 "/o Kupfersulfat zeigten tlie am Mycel entstehenden Sporen ein rosafarbenes Aus- sehen. R. K. Garteiikaleiuler. Juli. — Obstgarten. In diesem Monate werden die ersten Kernobstfruchte reif. Sie müssen, ebenso wie Aprikosen, einige Tage vor der völligen Reife abgepflückt und im Zimmer bis zur Voll- reife aufbewahrt werden, weil sie dadurch an Wohl- geschmack gewinnen. Pfirsiche dagegen dürfen nicht früher abgenommen werden, weil sie, einmal abgelöst, nicht naclu'eifen. Die j'ungen Früchte der Herbst- und Wintersfirten vergrösscrn sich jetzt sehr schnell und be- lasten dadurch die Acste übermässig. Man stützt die letzteren deshalb mit IM'ählcn. Die Bäume selbst, nament- lich die im Frühjahre gepflanzten, werden bei trockenem Wetter sehr reichlieii i)egossen. Zur guten Ausbildung des Johannistriebes düngt man die Obstbäume zu Anfang des Monats mit Kalisalpeter, der schnell von der Pflanze aufgenommen wird. Erdbeerpflanzen, Johaniiis-, Stachei- und Himbeersträucher, sind hei trockenem Wetter eben- falls sehr reichlich mit Wasser zu begiessen, weil die saftigen Früchte zu ihrer Ausbildung viel Wasser brauchen. Um besonders schöne Früchte zu erzielen, giesst man diese Pflanzen wöchentlich einmal mit einer Lösung von Wagner's Gartendünger (ein Gramm in einem Liter Wasser gelöst, nicht mehr!!;. Von Johannis- beeren wird Wein bereitet, der sich leicht herstellen lässt, und ein dem Portwein ähnliches, sehr wohlfeiles Getränk liefert. Den besten Wein liefern Beeren, wenn sie am Zweige zu schrumpfen beginnen. Zur Anlage neuer Erd- beerbeete löst mau jetzt die kräftigsten Ausläufer ab und pflanzt sie in Reihen auf ein besonderes Beet. Sie be- wurzeln sich sehr schnell und liefern im nächsten Monate vorzügliche Pflänzlinge. — Gemüsegarten. Nach und nach werden immer mehr Gemüsebeete frei, die sofort wieder bepflanzt werden müssen, um einen möglichst hohen Ertrag zu geben. Grünkohl, Kohlrabi, Kopfsalat, Sellerie, Porree, Winterendivie bringen auf diesen Beeten noch volle Ernten, wenn man das Land massig düngt. Zur Düngung empfiehlt sich Wagner's Gartendünger, den man einige Tage vor dem Pflanzen gleichmässig ausstreut und untergräbt. Von Erbsen, Karotten i frühe Sorten, welche sich schnell entwickeln), Radies, Spinat, Buschbohnen, Grünkohl macht man jetzt noch Aussaaten. Radies dürfen jetzt nur auf halbschattige Beete gesäet werden, weil sie sonst „pelzig" werden. Die besten Radieschen erhält man auf einem sehr nahrhaften humosen Boden, der feingesiebt wurde. Die Zweige der Gurken- pflanzen werden auf Reisig gelegt, stellenweise aber an den Blaftachseln mit Erde bedeckt, damit sie hier Wur- zeln bilden. Gurken brauchen viel Wasser und Nahrung und sind deshalb ebenfalls bei trockenem Wetter reich- lich zu begiessen und wöchentlich einmal mit Wagner's Gartendünger wie oben augegeben zu düngen. Die Zwiebeln werden, nachdem das Laub abgetrocknet ist, aus der Erde genommen und an trockener luftiger Stelle getrocknet. DasBleichgemüse, wie Bleichsellerie, Kardyetc. wird in Stroh eingebunden, mit Körben oder Kisten be- deckt und diese mit Erde beschüttet. Spargel wird spätestens zu Anfang dieses Monats, wie im vorigen Mo- nate angegeben, gedüngt. Die Düngung wird nach vier Wochen wiederholt. Die Gewürzkräuter werden unmittel- bar vor der Blüthe abgeschnitten und in Bündel zu- sammengebunden zum Trocknen aufgehängt. Die Kohl- pflanzen sind zu behäufeln. Die frühen Kartoffeln werden aufgenommen. Das Unkraut ist zu jäten. Es wandert auf den (!omi)osthaufen, den man von Zeit zu Zeit mit Thomasphosphatmehl bestreut. Hacken und Giessen bilden die laufenden Arbeiten. — Ziergarten. In diesem Monat haben wir verhältnissmässig wenig zu thun. Bei trockenem Wetter muss reichlich gegossen werden, der Boden zwischen den Gehölzgrui)pen ist zu behacken. Hecken werden jetzt zum zweiten Male, diejenigen aus Nadelholzgehölzen nur in den Morgenstunden beschnitten. Der Rasen ist wöchentlich einmal zu mähen, zu walzen und zu düngen. Krautige, hochwaehsende Gewächse, wie Georginen, sind mit Pfählen zu versehen. Stecklinge der verschiedenen ausdauernden Sonmiergewächse, auch von Rosen, bilden in diesem Monate leicht Wurzeln. Stauden können, nachdem sie abgeblüht sind, leicht durch Theilung vermehrt werden. Das Oculireu gelingt jetzt gut. Für den näclistjährigen Frühliugsflor säet man in diesem Monate den Samen von Stiefmütterchen, Vergiss- meinnicht, und anderen zweijährigen Pflanzen aus. Die Sämlinge werden bald auf besondere Beete einzeln ge- pflanzt, wo sie sich bis zum Herbst zu kräftigen Pflanzen entwickeln. Udo Dammer. Betreffs der Frage nach der Bedeutung der Leber für Pancreas-Diabetes, deren Erörterung auch von höchster Wichtigkeit ist für die Kenntniss der Glykogen- bildung überhaupt, haben die Versuche von W. Mar- cuse ergeben, dass bei Fröschen, denen man sowohl Leber wie Pancreas exstirpirte, sich keine Gljeosurie zeigte, während Aldehott' fand, dass die Entfernung des XT. Nr. 27. Nutuiwi.ssiMischai'tlichc Woeliensclirilt. 325 Pancrcas Ikm diesen Tliiereii einen siclicren Diabetes zur Folge iiatte. Interessante Resultate, die zum Theil mit denen Mareuses übereinstimmen, bieten die üntcrsuciiunj^'en von Dr. A. Montuori in Neapel, welche er in der Gazzctta degii Ospedali e delle Cliniche mittlieilt. Mon- tuori wählte als Versuehsthiere Hunde, und da diese die Exstirpation der Leber nicht vertragen, verfuhr er nach dem von Minkowski klargelegten Princip, dass durch die Mcunnung ihrer Cireulation auch die Function der Leber aufgehoben wird, indem er, anstatt das ganze Organ zu entfernen, die Vena portae und Arteria hepatica unter- band. Nach demselben Princip verzichtete er auch auf; die Exstirpation des Pancrcas und begnügte sich auch, liier mit der Unterbindung seiner Gefässe; die Folge-i ersclieinungcn betreffs der Veränderung des Zucker- 1 gciuilts prüfte er dann nicht am Urin, sondern am Blute. Des Näheren giebt er sein Verfahren folgender-; maassen an: Nachdem der Hund festgebunden, wurde? eine Probe Carotidenl)lutes zur Bestimmung des normalen Zuckcrgclialtcs entnommen, alsdann fand die Ausschaltung des Pancrcas in der bereits angegebenen Weise statt; nach einer halben Stunde wurde eine zweite Probe ent-; nommeu, die, wie zu erwarten, einen bedeutend höheren Procentsatz an Zucker zeigte. Nach Verlauf einer weitereu Stunde und nachdem die Vena portae am Hilus und die Arteria hepatica unterbunden worden, wurde eiuc; dritte Probe Blutes aus der Carotis entnommen. Die Er-' gebnisse von fünf Versuchen zeigt folgende Tabelle: Zuckergehalt des Blutes in pCt. Vcrsiicli 1 2 3 4 5 beim uormaleu Thier 0,128 0,095 0,197 0,162 0,188 nacli UnterbiQdung nach Unteibmdung der der Gct'ässe des Gefässe desPancreas Pancreas und der Leber. 0,328 0,285 0,388 0,450 0,392 0,182 0,105 0,125 0,200 0,198 Diese Zahlen erweisen zweifellos, dass nach Auf- hebung der Cireulation im Pancreas der Zuckergehalt steigt, nach Ausschaltung der Leber jedoch wieder be- deutend sinkt. Und hier liegt ein grosser Unterschied zwischen den Versuchen Mareuses und Montuoris, da erstcrer, welcher beide Organe zugleich entfernte, die ; Wirkung der Entfernung des Pancreas allein nicht beob- achten konnte. Montuori bezweifelt nun auch die An- nahme, dass ein Ferment in der Leber die Zuckcrbildung; bewirke, da es ihm unerklärlich scheint, wie das Ferment, , das eben noch wirksam war, nach Entfernung der Leber ganz plötzlich und spurlos verschwinden sollte. Bezüglich der Frage nach dem Ursprung des Zuckers; neigt Montuori der Hypothese zu, welche annimmt, dass in der dem Thier entnommenen Leber die Zuckcrbildung j aus dem Glykogen und anderen ähnlichen im Körper ent-j haltenen Kohlenhydraten erfolgt, und nicht aus anderen i Elementen, wie Fette und Albumine. Seine nach eigener i Methode angestellten Versuche, die in der Rend. delhij R. Accadcmia dclle Scienze Fisichc e Mateniatiche di Napoli vcriifl'eiitlclit sind, ergaben, dass sowohl in der- dem lebenden Thiere frisch entnommenen Leber, als auch : in der, wo postmortale Zuckerbildung eingetreten war, die j Gesanmitmengc der Kohlenhydrate sich auf constanter Höhe hält. Folgende Zahlen sollen dies beweisen: : ersuc'li A: F.: Versuch A: 1?: 1 2 3 ■1 7,83 10,25 8,42 12,00 7,84 10,05 8,60 12,00 5 6 7 9,20 9,75 15,00 9,61 9,61 15,05. Unter A sind diejenigen Mengen Zucker in Procenten angeführt, die man, nach Abkochen mit Säuren, aus einem fiischen Stück Leber gewonnen, unter B die- jenigen, welche man aus einem Stück derselben Leber erhalten, das aber erst, nachdem es 24 Stunden liegen geblieben, in derselben Weise behandelt worden war. G. A. lieber die Siclitbarkeit der Röntgenstrahlen hat der Privatdocent der Zoologie Dr. G. Brandes zu Halle a. S. soeben eine kurze Mittheiluug in den Sitzungs- berichten der Berliner Akademie der Wissenschaften ver- ölfentlicht. Angeregt durch die Notiz, dass der italienische Physiker Salvioni constatirt habe, die Linse des thie- rischen Auges sei besonders wenig durchlässig für die neuen Strahlen, kam Dr. Brandes auf die Vermuthung, dass die Unsiclitbarkeit der Röntgenstrahlen in der starken Absorptionsfähigkeit der Linse ihren Grund haben könne. Im Verein mit Professor Dorn und Dr. Braun schweig wurden deshalb einige Personen untersucht, welchen eine oder beide Linsen extrahirt waren. Es wurden ein starkes Inductorium und eine Dorn'sche Röhre (deren Boden mit einer Schicht von Jodrubidium bedeckt ist) zu den Versuchen verwendet; die Röhre war völlig eingehüllt, und die betreflende Person wurde in die Nähender Röhre geführt. Nachdem der Apparat in Thätigkeit gesetzt war, meldete die zu untersuchende Person sofort Lichtempfinduug auf dem linsenlosen Auge, resp. auf beiden Augen. Bei der Nachprüfung der Versuche wurde ferner die überraschende Wahrnehmung gemacht, dass auch in einem normalen Auge Lichterseheinungen auftreten ; aller- dings treten diese Erscheinungen bei anderen Röhren er- heblich weniger stark auf als bei der Dorn 'sehen Röhre, die nach vergleichenden Untersuchungen allen anderen, auch der Edisou'schen (mit wolframsaurem Calcium ge- füllten) Röhren weit überlegen ist. ■ Es mag hier nicht weiter ausgeführt werden, dass und in welcher Weise festgestellt wurde, dass auch wirk- lich die Röntgenstrahlen und nicht irgend welche anderen Reize die genannten Lichterseheinungen im normalen Auge hervorrufen. Die weiteren Untersuchungen führten ferner zu der Vermuthung, dass die Röntgenstrahlen nur dort die Retina erreichen, wo sie von den verschiedeneu Theilen des Auges nichts weiter als die Bulbuswandung zu durchsetzen haben, um auf die Netzhaut zu treffen. Es bleibt nun die Frage weiterer Untersuchung vor- behalten, ob die genannten Lichterseheinungen, welche u. a. auch von dem bekannten Ophtalmologen Geheimrath von Hippel constatirt worden sind, directcn Wirkungen der Röntgenstrahlen auf die Netzhaut — wie die ge- wöhnlichen Lichtemi)tindungen — zuzuschreiben sind, oder ob durch die Röntgenstrahlen ein Theil des Auges zum Fluorescircn gelangt und diese Fluorescenz die eigent- liche Quelle für die Lichtemptiiulungen liildet. Es scheint, ajs ob die erste Frage zu bejahen ist, doch können uns darüber er.st weitere, sehr eingehende Untersuchungen Aufschluss geben, mit denen Dr. Brandes beschäftigt ist. Jedenfalls ist die Mittheiluug des letzteren von hohem Interesse, und wir sehen den weiteren Untersuchungen nach dieser Richtung mit Spannung entgegen. G, Aus dem wissenschaftlichen Leben. Der VII. Congress französischer Irrenärzte und Neurologen findcr Miii I. August in Nancy statt. Schweizerische naturforschende GeseUschaft. — Einhuliing -zur 79. Julircsversauinihini; am 'i.— 5. August in Züricli. — Zum 326 Naturwisscuscliaf'tlichc Woclicusclinlt. XI. Nr. 27. sechsten Male wird Zürich die Mitfrliiider der schweizerischen naturforschenden Gesollschaft zu ihrer Jahresversammlung em- pfanfien. Diesmal ist es ein ganz besonderer Grund nach Zürich einzuladen: Die naturforsehende Gesellschaft von Zürich, die älteste der Schweiz und eine der ältesten wissenschaftlichen Ge- sellschaften des Continents, feiert zugleich ihren 160-jährigen Bei- stand. Bis spätestens den 15. Juli ist Anmeldung erwün.scht. — Für alle Auskunft resp. Mittheilungen wolle man sich an den Secretär des Jahresvorstandes Dr. Aug. Aeppli, Kinkelstrasse, Zürich IV wenden. Der dritte internationale Congress für Dermatologie und Sypliilidographie wird vom 4. bis 8. August in London tagen. Der III. Internationale Congress für Psychologie findet in München vom 4. bis 7. August statt. — Vorsitzender: Prof. Dr. Lipps; Generelsecretär: Dr. Frhr. von Schrenck-No tzing; Beide in München. Die Ophthalmologisclie Gesellschaft hält ihre Jahresver- sammlung vom 5. bis 8. Augu.st in Heidelberg ab. Die Amerikanische Mikroskopische Oesellschaft tagt vom 18. bis 20. August in Pittsburg in Pennsylvanien — Vorsitzender: Dr. A. Clifi'ord Mercer in Syracuse (N.-Y.). Der vierte Congress für criminelle Anthropologie wird vom 24. bis "20. August in Genf stattfinden. L i 1 1 e r a t u r. David Hnme's Traktat über die menschliche Natur (Treatise on hiunan nature). I. Theil: Ueber den V erstand. Ueber- setzt von E. Kiittgen. Die Uebersetzung überarbeitet und mit Anmerkungen und einem Register versehen von Theodor Lipps, Professor der Philosophie in München. Hamburg und Leipzig 189.5. — 6 M. Wir fordern zum Studium dieses Werkes, eines der bedeu- tendsten und dabei am leichtesten zugänglichen der Philosophie überhaupt, am besten mit den Worten auf, die ihm der Heraus- geber zum Geleite giebt. „Eine Uebersetzung von David Hume's Abhandlung über die menschliche Natur bedarf keiner Rechtfertigung. Lange durch die „Essays" in den Hintergrund gedrängt, beginnt das Werk jetzt in seiner Bedeutung anerkannt zu werden. Niemand zwei- felt mehr, dass es das Hauptwei'k des genialen und scharfsinnigen Philosophen sei. Man beginnt insbesondere dem ersten Theile desselben „Ueber den Verstand", seinen Platz anzuweisen neben dem einzigen der Geschichte der neueren Philosophie angehörigen Werke gleichartigen Inhalts, das mit ihm verglichen werden kann, nämlich Kant's Kritik der reinen Vernunft. Welcher- der beiden Philosophen das Problem der Erkenntniss schärfer und tiefer gefasst, wer von ihnen als der grössere Entdecker auf diesem Gebiete zu gelten habe, von wem wir auch heute noch das meiste lernen können, dies mag hier dahingestellt bleiben; obgleich ich meine, voraussagi'n zu können, dass man in Zukunft hierüber anders urtheilen wird, als man jetzt noch, wohl gar mit dem Anspruch der Selbstverständlichkeit, darüber zu urtheilen gewolmt ist. Die Werthschätzung der „Abhandlung über die menschliclie Natur' wird zunehmen und sich verallge- meinern in dem Maasse, als die Kenntniss und das Verständniss derselben — ich meine des Ganzen, nicht blos der wenigen Punkte, die man als die Hauptpunkte hervorzuheben pflegt — zunimmt und sich verallgememert. Hierzu möchte auch diese Uebersetzung etwas beitragen." „Welche Stellung und Bedeutung man auch sonst der „Ab- handlung über die menschliche Natur" anweisen mag, in jedem Fall ist sie durch nichts ersetzbar für denjenigen, dem daran liegt, an der Hand eines der Geschichte ange- hörigen Philosophen in philosophische Problome sich einführen zu lassen. Hunie ist der Meister in der Kunst der psychologischen Analyse, durch die allein das Erkennt- nissproblem zu lösen ist, und die für alle sonstige philo- sophische Arbeit die Voraussetzung bildet. Dazu kommt, dass Humo zu den klarsten Seh rifstellern gehört. Hume ist klar auch in seinen Irrthümern. Er ist zugleich der lebendige Beweis dafür, dass wahre Tiefe mit Klarheit und Einfachheit nicht unverträglich ist. Hume führt überall in die Tiefe; aber er meidet den blossen Schein der Tiefe. Diese wissonscliaftlichc Walnliaftigkeit und die daraus fliessende Bescheidenheit des Wissens, das sind nicht di« letzten unter den Eigenschaften, die die ,,Abhandlung über die menschliclio Natur" geeignet machen, in die Philosophie einzuführen." — Wir sind der Meinung, dass das Lesen des Huine'schen Buches nicht sowohl um seiner letzten Resultate, als vielmehr um der Methode v/illen eine vortreffliche Vorbereitung auf das Studium desjenigen Werkes ist, das wir — obwohl es noch nicht der „Geschichte" angehört — nicht anstehen, neben die Leistungen llume's und Kant's als ein drittes Standard work zu stellen, der Kritik der reinen Erfalirung von Richard Avenarius. I lume ist stets auf das peinlichste bemüht, nur die Erfahrung zur Grundlage seiner Erörterungen zu machen und diese stets wieder nur an der Erfahrung zu prüfen. Metaphysische .Speculationcn sind ihm aufs äussorste verhasst: Niemand kennt ihre Unfrucht- barkeit besser als er, und keiner kann uns darum besser die Achtung vor dem Thatsächlichen, vor der Wirklichkeit lehren Er ist unermüdlich in dorn Hinweis auf den Thatbestand, genaue Boschreibung und strenge Analyse des Vorgefundenen stehen ihm obenan. So lernen wir schon bei ihm, was erst Mach und Ave- narius mit vollem Nachdruck wieder hervorgehoben und zur Grundlage ihrer Weltanschauung machten, dass alles unmittelbar Gegebene, also alle „äusseren und inneren Eindrücke", d. h. alle unsere Sinnesempfindungen, unsere Neigungen und Affecte, unsere Lust und Unlust, ursprünglich auf gleicher Stufe steht, dass es also nur eine Art des Vorfindons der Elemente des Wirklichen giebt. Dabei geräth er allerdings, da er sich von dem alten meta- physischen Seinsbegriff nicdit losmachen konnte, in ein Dilemma, das ihn zum Skeptiker machte: auf der einen Seite führte ihn sein Nachdenken zu dem unausweichlichen Satze, dass die Welt nur insoweit und so lange e.xistiro, als er sie wahrnehme, auf der anderen Seite konnte er sich von der naiven Anschauung, dass die Dinge auch unabhängig von unserem Wahrnehmen da seien, nicht befreien. Man wird diesen ungeheuren erkenntniss- theoretischen Zwiespalt, in den das menschliche Denken gerathen ist, und das tiefe Problem, das sich daraus ergeben hat, nirgends klarer und — ich möchte sagen — plastischer dargestellt finden als bei Hume. Und wo könnte man offener als bei ihm das Ein- geständniss der Gefühle finden, von denen ein an der Lösinig ver- zweifelndes Denken begleitet wird? Fürwahr, wer Sinn und Interesse für die tiefsten Fragen hat, die die Menschenbrust be- wegten, den müssen die klaren und ehrlichen Darlegungen dieses scharf- und hochsinnigen Geistes wie ein theures Vermächtniss anmuthen. Und welche vortreffliche Vorbereitung für die glän- zende Lösung des Problems, mit der uns Avenarius in seinem „menschlichen Weltbegriff" beschenkt hat! Von besonderer Wichtigkeit für jeden Philosophen und Naturforscher ist es, sich möglichst frühzeitig und gründlich von den herrschenden Begriffen der Substanzialität und Kausalität zu befreien. Hume kann ihm dazu helfen. Ihm sind die Sub- stanzen und Accideenzien nichts als „Gespenster im Dunkeln." Und in welchem inbrünstigen Glauben sehen die Naturforscher noch heute — anderthalb Jahrhunderte nach Hume's kristallklarer Kritik — am „hellen" Tage unseres naturwissenschaftlichen Zeit- alters diese Gespenster umgehen! Moleküle und Atome, das sind die Götter, denen mau Tempel baut. Der Aether ist der „Träger" aller räthselhaften Vorgänge, der Esel, den man mit allem bepackt, was man selbst nicht tragen kann, und der längst zusammen- gebrochen wäre, hätte er nicht den Vorzug, wie die sieben mageren Kühe Pharaos, die ja auch das Unmögliche möglich machten, nur ein Traumgebilde zu sein. Die mechanische Deutung aller Vorgänge und das absolute Maasssystem wirken wie die Glas- kugeln, die der Hypnotiseur von seinen Objecten anstarren lässt. So treibt man unbewusst die rückständigste Philospohie, während man alle Philosophie schmäht und sie niclit nöthig zu haben meint. Und so konnte es kommen, dass auf der letzten Naturforscher - Vorsammlung in Lübeck Gedanken den Ein- druck des Neuen, ja Unorliörteu machten, die in ihrem wesent- lichen, haltbaren Theilo mit noch vielem anderen Bedeutenden, das in Lübeck überhaupt nicht zur Sprache kam, schon seit mehr als einem Menschenalter in tiefgehenden Untersuchungen nicht bloss im Allgemeinen, sondern handgreiflich an zahlreichen Beispielen von Mach dargelegt worden sind, die wir in ihren all- gemeinen Wurzeln aber bereits in Hume's Traktat finden. Wir werden uns, wenn wir die bleibenden Gedanken Hume's in uns aufnehmen, darüber, dass die Metaphysik noch immer in der Naturwissenschaft eine so grosse Rolle spielt, nicht wundern. Hume giebt selbst die Erklärung. Sie liegt in der Macht der Gewohnheit. Hume weist diese zum ersten Male auch auf dem Gebiete des reinen Denkens nach. Wie unsere Sitte, so ist auch unser Denken durch die Gewohnheit bestimmt. Damit wird zu- gleich gezeigt, dass die Wahrheit unserer jeweiligen Erkenntnisse nur eine relative ist, d.ass es eine absolute „Wahrheit" überhaupt nicht geben kann. Auch hier können wir ohne Weiteres in die all- gemeine Erkenntnisslehre von Avenarius, in der die Begriffe der Uebung und der Gewohnheit zu den grundlegenden gehören, übertreten. Die Uebersetzung des Werkes — bisher hat es au einer XI. Nr. 27. Naturwissen.schaftliche Wochenschrift. 327 solchen so gut wio überliaupt gefohlt — ist oil'ciibav auf das Sorgfältigste angefertigt. Wo der Leser durch einen zu knapi)en oder nachlässigen Ausdruck Hume's zu Misaverständnissen veran- lasst oder auch nur genöthigt sein könnte, einen Augenblick über den Ausilruck nachzudenken und so im Weiterlesen anzuhalten, da hat der Herausgeber in Klammern Zusätze beigefügt, die im Bunde mit weit mehr als dreihundert Anmerkungen und einem genauen Sachregister das Auseinanderhalten der verwendeten Begritfe und damit die Beherrschung des Inhalts noch weiter er- leichtern, als es die klare Schreibweise des grossen Philosoplien an sich schon thut. Dr. Petzoklt. Dr. Karl Kraepelin, Naturstudien im Hause. Plaudereien in der Dämmerstunde. Ein Buch für die Jugend. Mit Zeichnungen VOM U. Schwindrazheim. B. G. Teubner. Leipzig 1896. Der in 14 „Abende" gegliederte Inhalt winl in Dialogform geboten: es sind Gespräche zwischen einem Vater und seinen 3 Söhnen, einem Secundaner. einem Untertertianer und einem Quintaner. Verf. hat das Zunäehstliegende, Alltägliche geschickt zur Grundlage der Besprechungen gewählt, wie die Stubenfliege, das Kochsalz, das Wasser u. s. w. Prof. H. Rodewald, Untersuchungen über die ftuellung der Stärke. Kiel und Leipzig. Verlag von Lijisius & Tischer, 189G. — Preis 2,40 Mk. Bei der grossen Verbreitung der Quellung im pflanzlichen Organismus und auch im tliierischen Körper (Cellulose, Stärke, Muskelfasern, Gelatine, Protoplasma) schien es dem Verfasser er- wünscht, diese Substanzen auch nach der physikalischen Seite näher zu untersuchen, weil damit voraussichtlich die physiologische Forschung erheblieh gefördert zu werden verspricht. Es ist darum die Arbeit als eine wesentlich physikalische zu betrachten, welcher als makroskopisches Untersuchungsobject die Stärke (Weizen) zu Grunde liegt. Man kann die Abhandlung in zwei Theile zerlegen, in deren erstem der Autor Methoden der praktischen Physik, im zweiten solche der theoretischen bei seinen Untersuchungen anwendet und zwar handelt es sieh dabei wesentlich um Fragen aus der Wärmelehre. Im ersten Abschnitt werden wichtige physikalische Constanten auf experimentellem Wege bestimmt, im zweiten dieselben und ableitbare theoretisch nach Sätzen der mechanischen Wärme- theorie. Als erste Constante bestimmte R. nnter sorgfältiger Anwen- dung des Dilatometera, also eines Glasgefässes mit einem ange- fügten kapillaren, kalibrirten Rohr den Ausde hnungskoef f i- cienten der Stärke und fand denselben für die gequollene Stärke im Mittel = 0,0003989 und für die uugequollene = 0,00003 bis 0,00005 (Glas hat den kubischen Ausdehnungskoefficienten 0,000025). Zu zweit bestimmte der Verfasser die specifischen Wärmen mittelst des ßunsen'schen Eiskalorimeters; dieselben ergaben für die trockene Stärke im Temperaturintervall von 0" bis 100" den Werth 0,2786 + O.Ü006 t (Glas besitzt die specifische Wärme 0,19), für die gequollene von 0» bis 60» = 0,3059 + 0,0012.54 t, endlich für Stärkekleister zwischen den Grenzen 0» und 100" den Werth 0,3148 + 0,001331 t. Die Quelinngswärme wurde nach Methoden bestimmt, die der Leser im Original nachsehen möge (unter anderem kam auch hierbei das Eiskalorimeter zur Anwendung). Es ergaben sich für dieselbe 24,02 Kalorien, wenn das specifische Volumen 0,671 betrug (mittelst des Pyknometers bestimmt). Der Wassergehalt der Stärke im Quell u ngsma.\ imum liess sich dadurch ermitteln, dass trockene Stärke längei-e Zeit im dampfgesättigteu Raum verblieb. Er betrug 36"/o des Trocken- gewichtes. Hiermit ist der experimentelle Theil der Arbeit beendet, und es folgt eine Berechnung der Constanten nach den Sätzen der mechanischen Wärmetheorie. Sämmtliche Werthe sind durch Differentialgleichungen dargestellt, die zu ihrer praktischen An- wendung die Kenntniss von etwa einem Dutzend Werthe erfordern. Diese sind nur solche, welche vom Verfasser im ex- perimentellen Theil der Arbeit zahlenmässig ermittelt wurden. Es ergall sich nach Einsetzen dieser empirisch gefundenen Zahlen in die Differentialgleichungen eine befriedigende Uebereinstimmung der theoretisch berechneten Werthe mit den experimentell ge- fundenen. Unter Zugrundelegung des gewonnenen Zahlenmaterials wurden durch Rechnung de» weiteren ermittelt: 1. Der Compressibilitätskoefficiont der gequol- lenen Stärke. Danach wurde bei dem Druck von 1 gr. pro l] cm eine Compression des Volumens von 0,00000002386 con- t-latirt, also bei einem Atmosphärendruck eine solche von 0,00002464. 2. Der Unterschied der beid en specifischen Wärmen iler trockenen und gequollenen Stärke ^ 0,0461 (nach der Beobachtung 0,0525). 3. Der thermische Spannungskoefficient = 63,8 Atm. pro Dem (bei einer Temperatursteigerung um 1" und bei con- stantem Volumen). 4. Die Aenderung der Q uellungs wärme mit der Temperatur bei maximaler Arbeitsleistung. Bei der t,>uellung unter diesen Bedingungen (siehe das Original S. 79 uml 80) werden 0,0358 Kalorien abgegeben. 5. Die Aenderung der Q uellungs war me mit der Temperatur ohne Arbeitsleistung. Die abgegebene Wärme beträgt in diesem Falle 0,0461 Kalorien. 6. Der mittlere Druck, unter dem das in die Stärke eingetretene Wasser steht. Derselbe beträgt 2137 Atmo- sphären pro n cm. Ein solcher Druck herrscht also zwischen zwei Micellen im Sinne Naegeli's. Es leuchtet ein, dass derselbe auf chemische Processe im Stärkekorn nicht ohne Einfluss sein kann. 7. Die maximale Arbeitsleistung zu 116300 gern = 2,745 Kalorien. 8. Der grösstmii gliche Nutzeffekt beim Uebergang von Wärme in Arbeit, der bei der Quollung erreicht werden kann zu 11,4 %. Dr. R Kolkwitz. Handbuch der Physik, herausgeg. von Prof. Dr. A. Winkel - mann. Mit Abbildungen. 28.— 30. Lieferung, Verlag von Eduard Trewendt. Breslau 1895—96. Durch die vorliegenden 3 Lieferungen wird das „Handbuch der Physik" und damit zugleich ein wichtiger Theil der Ency- clopädie der Naturwissenschaften abgeschlossen, durch deren Herausgabe sich die Trewendt'sche Verlagsbuchhandlung eine nicht geringes Verdienst um die Verbreitung der naturwissen- schaftlichen Kenntnisse erworben hat. Aber nicht nur für den Laien, der sich aus Neigung in seinen Mussestunden über den heutigen Stand der gesammten Naturwissenschaften unterrichten möchte, sondern auch für den Fachmann haben diese encyklo- pädistischen Darstellungen der einzelnen naturwissenschaftlichen Disciplinen Interesse und Werth. Sie führen ihm den Zusammen- hang seines Specialgebietes mit den übrigen Gebieten und dieser untereinander vor Augen und ermöglichen ihm so einen Ueber- blick über die eine grosse Wissenschaft von der Natur. Dieses Ziel ist natürlich nur durch die gemeinsame Arbeit einer grossen Zahl von Specialforschern zu erreichen, und man wird deshalb selbstverständlich auch in dem nunmehr vollendeten Handbuche der Physik manche Ungleichmässigkeit bei genauerem Studium bemerken. Indessen wird dadurch das Verdienst des Unternehmens nicht beeinträchtigt; einmal lassen sich beim Zu- sammenarbeiten mehrerer schwerlich Lfnebenheiten in dem Fluss der Darstellung vermeiden, andererseits aber sind diese Stellen meist nur dem scharfen Auge fachmännischer Kritik bemerklich. Es kann deshalb durchaus gesagt werden, dass das Handbuch der Physik allen Erwartungen entsprochen hat. Dem Herausgeber und seinen Mitarbeitern gebührt für das Zustandekommen dieses Handbuchs allseitiger Dank. Welche unendliche Fülle von Littcratur allein zur Berück- sichtigung gelangt ist, geht nicht nur aus den zahlreichen Fuss- noten hervor, mit welchen das Werk durchsetzt ist, sondern auch vor Allem aus den Inhaltsverzeichnissen, die in sorgfältiger Be- arbeitung der Schlusslieferuug beigegeben worden sind. Wo es für das Verständniss nöthig erschien, ist der Text durch Ab- bildungen erläutert worden, die im Allgemeinen zweckentsprehend ausgeführt sind; nur einzelne Darstellungen möchten wir durch zartere Ausführungen bei einer neuen Auflage ersetzt sehen. Im Uebrigen ist die typographische Ausstattung eine gute. G. Blasius, Prof. Dr. K., Die Vögel des Ilerzogthums Braunschweig und der angrenzenden Gebiete. Braunschweig. — 1,20 M. Gattermann, Prof. Dr. Iiudw., Die Praxis des organischen Che- mikers. 2. Grossmann, tropischen die Schuh' .eipzig. Aufl. Astron. Dr., (iebieten für , Berlin. — 4 — 6 M. 4 Sternkarten, geographische M. Zum (iebrauch in Ortsbestimmungen den und Richter, Priv.-Doz. Dr. Ed., Grundriss der normalen menschlichen Anatomie. Berlin. — 13 M. Inhalt: P. Hennings, Ueber sogeuannte Thierpflanzen (Cordiceps). — W. Hartwig, Die Krebsthiere der Provinz Brandenluirg. (Schluss). — Einige Erklärungen s|)iritistischer Pliiinomene. — lieber Regnerationsvorgängo bei Lumbnciden. — Penici Iium cupricum. — Gartenkalender. — Bedeutung der Leber für Pancreas-Diabetes. — Ueber die Sichtbarkeit der Röntgenstraliien. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: David Humes'a Traktat über die menschliche Natur (Treatise on human ualure). — Dr. Karl Kraepuliu, Naturstudien im Hause. — Prof. H Rodewald, Llulerouchuug über die QuuUuug der Starke. - Handbuch der Physik. — Liste. 328 Natni'wisscnscliaftliche Woclieiischrif't. XI. Nr. 27. Beyer's neue Pflanzenpresse (vci\l;1. „Xiitinwissenscliat'tlii-lii" Wnclien- schrift" 189G Nr. 18 S. 218) in '6 (irössen: 42 X 2S cm a St. 4,50 31. 32 X 22 cm „ 3,50 „ 23x15 cm „ 2,50 „ stets vorrätliig bei Fritz Schindler, ;. BERLIN SO., Köpenickerstr. 116. Fernsprecher Amt 7 Nr. 1055. Ferd. Dümmlers VerlagsbnchhaiKlhing in Berlin SW. 12; ; , Zimmerstrasse 94. i Bastians ersehleuen in üii-; Nachstehende Werke Ad. serra Verlane: • Die Denkschöpfung umgebender Welt aus kosmogonischen VorstcUimgenj in Ciiltiir und Unoultur. Mit 4 Tafeln. 5 M.] Beiträge zur vergleichenden Psychologie. Die Seele uud ihre Er-! .seheinungen in der Ethnosriiphie. 5 M.i Der Buddhismus in seiner Psychologie. Mit einer Karte des! liud.lhisti.'iehen Weltsystems. 7 M. 50 Pf.! Indonesien oder die Inseln des Malayschen Archipel 1. Lief : Die Molukken. Mit -J Tafeln. IL IIL IV. V. Zur ethnischen Ethik. .5 M.. Timor und umliegende Inseln. Mit 2 Tafeln. 6 M.< Sumatra und Nachbarschaft. 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Vor- trag von Prof. Felix Adler. ■>b Pf. Die ethische Bewegung in Deutsch- land.N'cirln'rri tinde Mitteilungen eines Kndses gleicligesinnter Männer und Frauen zu Berlin. Zweite venu. Auflage. GO Pf. Uioijrilllftijllfit. (The Ethies of Be- lief.l Hon SlUIItomSingbon CUfforb. Slutorif. Uebcrjcgung Don Stil) Don ©tävicfi. OU ^f. ilorlrfuiigcn iibcT rminlc (H\\\^. 33on %to]. Dr. föcorg uon Öi3t)cfi. SMu§ feinem üfadjlaf; I)crauäigc= geben »du üiltj uoii ©tä^cti. Brocite aiuflagc. I,2(i 9)!. Die Begründung einer Gesellschaft für ethische Kultur. Einleitungs- Kcde, gehalten am 18. October 1 892 von W i 1 h e 1 m F o e r s t e r , Prof. und Direktor der Königh Stcn-n« arte zu Berlin. 40 Pf. I (i5ti(lcofrcil|rit iiiiii (r)flitiuiitt. ©in Söet* trng 311111 fosialcii gricbcn. Soit aBiII)eIm S-oerfter. .30 %^\. Plt .^nfüitgr riiico ikiicii foiialrii (5cillro. Ciii öffenllidier Sorlrog, im %x\üy \al)x 18'.)4 geljaüen ouit 3BiIt)cIm Jfoerficr.' CD 'if,\. Dir wirlilidicii fficfniitcii kr lajc. 6tn öffentlidier SBortrag gehalten in älerlin am 9. Scjembcr 1894 »du aiWllKlm Jvocrfter. 50 5ßf. Zur Ethik des Nationalismus und der Judenfrage. Eede, gehalten am 2ö. November 1892 von Wilhelm Foerster. 30 Pf. Dir iiiibnifrnnc b'lioiioiiiKdi iiiib rtl|ifit|. a>on Dr, $vr. Sit Igen Oll. ÖO %\. ^iiiiicr= null flniioiiiüriiifii gcfammclt burd) bic 58 ruber (Sri mm. Sluggemätjlt unb bearbeitet uoii (Senrg «11b Sili) üon ®t3t)cti. 2. burd)gcf. Ülufl. mit 8 Jvorben» brud. n. SUiuareil. n. älUHtj aSerner a!oIfä = 3lue;gabe Öeb. 1 9)!. 5 eine 31 u '3 gäbe auf Stclin= popier. (iiegnnt gcbimbcn '1 i'f. (ftl|i(d)c .liifgnlicii in iicr foiiolcii J5c= uicjiiiig. 8!oii Dr. js-riebr. SBil^. ^' D e r ft c r in ^-reiburg. hQ ^pf. iHittciliiimi'n btt Ontlfdirii (Oclrllfdinfl für rtljifdic f.iiliur. 1S9Ö. 1. u. ■2. ."peft. a .veft .^0 ^M'- üif ctliifdic Crbfiioniindit. «on 3BtI= Itam 9)iaclinlirc ©alter. 3luei belli citglifdjen 3J!oiiu)cript übcr= fegt Don ®. DDit (Sitäpcti. -10 $f Oriiiiuic. i*Dii Dliuc Srijr einer. Stulorifterte Übcrfetjung uon 3Ji or= garcte 3obL l,(iü 3J1. , clcg. geb. -2,40 31. Jütr (i)U brv flcutfdicii fficftllfdiall für rtljifdic fiiilfur bcitrftcn? Sortrag ^ uon Dr. 3t r t f) it r %( f u 11 g ft. 40 ^^f . ütlinioii uiiii iWorttl. S5oii©raf2eo Solftoti. CO X'l „(ftljifdic fiiiliur" iiiib iljr (Sficitc. I. 3(ie(5id)e=3}arren. II. SBöIfc in iviidj^pcläcii. 4*011 Jcrbiiianb SöniiicS. 7ä ^"f. Dir ctl|ifd|r äiifnnlic ko ülfiifdjru. l'oii Dr. »crtliolb aBeij;. 30 ^:)5f. .\pljgi'il)ifd|r (nriiiiMtgiiiis ciiicc ill|ilo= fr);il|if btfi (5rfd)tl|cn9. Soii Dr. aiertliDlb Slieii;, 1/20 3)!. (ffllifdir fiuliiit. ai5od)enfd)rift für fo3ial=et[)ifd)c aicfoniien. Sa^rfl- I 1S9;-;, 1894 u. 189.J. ®cb. a 8 31. ^M &c<}tc^cri öxtrcß cttte gUttciHianöCxtngcn. Verantwortlicher Kedacteur: Dr. Ilein-y Potoni6, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potadamerstr. 35, für den Inserateutheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verfag : Jerd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW- 12. ^.■r^ Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XL Band. Sonntag, den 12. Juli 1896. Nr. 28. Abonnement : Man abonnirt bei allen BuchhandlunKen und Post- Y Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 -A. Grössere AufträRe ent- instalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— <: Ö sprechenden Rabatt. BeilaRen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme BriDKCKeld bei der Post 15 -4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4827. Jl- bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit Toilständiger ((aellenansabe gestattet. Javas wirbellose Thiere."^) Von K. Fürst. Es giebt wohl keine Wissenschaft, welclie in den letzten 30 Jahren mehr Fortschritte g-einacht und in ihrer Untersuchungsweise dvu'chgreifendere Veränderungen erfahren hatte, als die Zoologie. Dies fällt uns uinsomehr auf, je tiefer wir zu den niedrigsten Formen des thierischen Lebens hinabsteigen, deren einfache Lebenserscheinung die Entwickelungslehre mit besonderem Interesse beob- achtet. Protozoen und Zoophyten, Stachelhäuter und Würmer nehmen in den heutigen Handbüchern einen Raum ein, welcher zur Behandlung nicht nur der Wirbel- thiere, sondern auch der Insecten und Weichthiere, in ganz anderem Verhältniss steht, als in älteren derartigen Büchern. Natürlich sind die Beobachtungen an diesen Thieren, welche dem sammelnden Reisenden oder An- siedler meist entgehen, gewöhnlich nur in den Ländern der Civilisation, an den Wirkungsstätten der Gelehrten gemacht; so ist denn auch von der javanischen Fauna noch wenig nach dieser Richtung hin bekannt. Wenn wir zur niedrigsten Sprosse des Tbierlebens hinabsteigen, so ist dasselbe kaum mehr vom Pflanzen- leben zu unterscheiden; die Grenzen von Pflanzen- und Thierleben sind noch stets nicht endgültig festgestellt. Die Diatomaceen, früher als Infusorien betrachtet, jetzt aber allgemein als Algen erkannt, schweben auch in Java, einzeln oder in Reihen aneinander hängend, unsichtbar mit blossem Auge, zu Millionen im stillstehenden Wasser herum. Hauptvertreter ist Bacillaria. Auch die Monaden und Volvocinen sind eigentlich nur üebergangsformen. Mikroskopisch kleine Infusorien, von welchen auf Java fast jeder Wassertropfen wimmelt, stehen in ihren Lebcns- erscheinungen einigermaassen über den Monaden. In der Oeconomie der Natur erfüllen diese kleinen Organismen eine wichtige Rolle, da sie durch Fäulniss und Gährung *) Ueber Javas Wirbelthiere verel. Natmw, Wochenschr. Bd. X. S. 555 ff. entbundene organische Bestandtheile verschlingen, um selbst wieder höher organisirten Thieren zur Nahrung zu dienen. Die schädlichen Ausdünstungen der Sümpfe, welche einerseits Java's Klima so sehr begünstigt, werden andererseits durch den endlosen Reichtbuiu der Sunipf- fauna eingeschränkt, so lange diese Sümpfe Wasser genug enthalten, um den Kreislauf des Lebens ungestört stattfinden zu lassen. Wenn aber die Hitze das Wasser verdampft und den sumpfigen Boden mit seinen Millionen mehr und mehr in einen kleinen Raum zusammenge- drängten, und der Lebenskraft beraubten Organismen der Wirkung der Atmosphäre blossstellt, so entwickeln sich aus diesen grossen Gräbern übelriechende Miasmen, welche Mensch und Thicr mit dem Tode bedrohen. Noch mehr als die Infusorien verdienen die Quallen und Polypen unsere Aufmerksamkeit, ferner die Korallen, durch den Staunen erregenden Einfluss, welchen sie durch Kalk- abscheidung auf die Bildung von neuem Lande ausüben. Der Korallenkalkstein, welcher einen Hauptbestandtheil von Java's Boden bildet, ist das Werk vorsintfluthlicher Korallenthiere; aber noch heute setzen längs der Küste Java's und der umliegenden Inseln diese Thierchen ihre Arbeit fort; sie umringen die ganze Insel mit einem Gürtel. Die Inseln, welche vor der Rhede von Batavia liegen und sich immer mehr gegeneinander ausbreiten, bestehen aus Polypengehäusen, während ausserdem die Ritfe und der Strand bedeckt sind mit deren Ueber- bleibseln. Ihre steinartigen Wohnungen liefern auf Java Material zum Pflastern der Strassen und zur Fabrication von Korallenkalk, ein zum Bauen sehr geschätzes Mate- rial. Actiniden, Polypen ohne feste Schale, findet man in grosser Menge überall in dem umgebenden Meere. Etwas höher als die Polypen stehen die Quallen, von welchen sich an der javanischen Küste hauptsächlich Rhizo- stoma aufhält. Die Chinesen gebrauchen einzelne Arten 330 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 28. dieser Thiere beim Arakbrennen, in der Meinung-, dass dadurch die anregende Kraft ihres Lieblingsgetränkes er- höht wird. Die Stachelliäuter sind hauptsächlich durch einige Arten, Seeigel und Seewalzen, vertreten; man findet sie auf den Bänken und Riffen längs der Küste und der umliegenden Inseln und auf dem sumpfigen Grund der Rliizophoreiiwälder. Sie liefern dem Handel einen Ar- tikel von grossem Werth, den von den Chinesen so ge- suchten Tripang, den dieselben als stärkende Speise und kräftiges Aphrodisiacum betrachten. Der gewöhnliche Tripang hat viel Aehnlichkeit mit einer sehr warzigen Gurke von weisslich-brauner Farbe; die verschiedenen Arten sehen jedoch verschieden aus, eine ist sogar ganz schwarz. Um sie zu fangen, waten die Fischer etwa bis an die Knie ins Wasser und ziehen ihre Kähne hinter sich her; sobald sie mit dem Fuss an eine Seevvaize stossen, wird diese aufgenommen und in den Kahn ge- worfen. Zuweilen wird auch in tieferem Wasser nach Tripang getaucht oder sie werden mii eisernem Scharr- netzen heraufgezogen, die an langen Bambusstangen be- festigt sind. Zu Hause wird der Tripang eine halbe Stunde lang über das Feuer gehängt, danach mit einem scharfen Messer geöffnet und entleert, dann 3 Stunden lang in Salzwasser, oft mit Zufügung einer aromatischen Baumrinde gekocht, darauf in Trockenscheuern auf Bambusdarren ausgebreitet und durch ein darunter an- gelegtes Feuer geräuchert, und endlich zur Verschickung in Körbe verpackt. Die Tripangfischerei ist für Java von geringerer Wichtigkeit als für Celebes und andere Inseln des Archipels, doch werden bei den Tausend- Inseln grosse Mengen gefangen, die stets von Chinesen aufgekauft werden, da der Inländer diesen eigenthüm- liehen Genuss verschmäht. Der Tripangexport von Java nach China beträgt jälirlich etwa 375 000 Kilo und liefert bedeutende Einkünfte, obgleich die feinsten und am theuersten bezahlten Arten auf Java nicht vorkommen. Eine Seencssel, Cidarites diadema, die an Java's Küsten nicht selten ist, fürchten die Tripangfischer sehr; den nackten Füssen unvorsichtiger Fischer bringt sie oft ernste und schwer heilende Wunden bei. Unter den Würmern fallen zunächst die Cestoden (Band- würmer) auf, welche als Parasiten im Körper des Mensclien und der Thiere leben. Unser gewöhnlicher Bandwurm, Tae- nia solium, und der viel grössere, mehr in Russland und Südfrankreich einheimische, Bothriocephalus latus, werden beide auf Java, sowohl bei Europäern als bei Asiaten, gefunden, wenn sie da auch weniger häufig vorzukommen scheinen, als in Mittel-Europa. Vorfahren der Band- würmer sind die Strudelwürmer (Turbellarien). Diese sind auf Java vertreten durch Chaetonotus und Chleno- phora, hauptsächlich aber durch Sphyrocephalus, von welchem verschiedene Arten, wie Marginatus, Albocoe- ruleus, Niger, Unistriatus, Vittatus, bis zu einer ziemlichen Höhe im feuchten Humus der Wälder gefunden werden. Eingeweidewürmer sind auf Java eine grosse und allgemeine Qual; in feuchten Küstenstrichen, wo krank- hafte Zustände des Darmkanals die Festsetzung der Ento- zoen begünstigen, verschonen diese weder Kinder noch Erwachsene, Europäer noch Inländer, und nur wenige Individuen bleiben von ihnen frei. Hauptsächlich sind es Spulwürmer (Ascaris lumbricoides), welche hier den Platz aller anderen Eingeweidewürmer eingenommen haben. Die durch die Regierung eingeführten Neger, aber auch diese allein, werden von einem anderen Parasiten ge- plagt, den sie jedoch verrauthlich aus ihrem Vaterlande mitgebracht haben, dem Guinea - Fadenwurm (Filaria dracnnculus), welcher sich unter der Haut, hauptsächlich in der Fusssohle aufhält, und zuweilen bis 3 Meter lang wird. Verwandt mit den Ascariden und Filariden sind die mikroskopisch kleinen Anguilluliden, die in unzähl- baren Mengen in Java's stillstehenden Gewässern leben. Ob es auch, wie in Europa, Arten giebt, welche para- sitisch in Pflanzen leben, konnte ich nicht erforschen. Bryozoen, kleine, oft mikroskopische Thierchen, welche, in Colonien vereinigt, wie Moose aussehen, und in Süss- und Salzwasser sich an Steinen, Muscheln, Korallen und Wasserpflanzen festsetzen, sind in den Meeren an Java's Küsten hauptsächlich durch die in verkalkten Zellen wohnenden Escharinen und Celleporinen vertreten. Die Räderthierchen führen uns in das Süsswasser zurück, von ihren sechs Familien findet man drei in verschiedenen Arten. Mehr Interesse bieten uns die Anneliden (Ringel- würmer), besonders die Blutegel (Hirudineen). In den Strandsümpfeu werden überall Blutegel in Staunen er- regender Menge gefunden, und da man sie auf Java bei vielen verschiedenen Krankheitsfällen gebraucht, so ist die Leichtigkeit, nüt welcher man sie fängt, und ihre Billigkeit keine Nebensache. Zum officiellen Gebrauch sind die besten Arten Hiruda Javaniea und Vittata, die der Europäischen Hirudo medicinalis entsprechen. Einige Arten, wie Hirudo brunnea und Poicilogaster leben mehr in feuchter Erde, dies ist aber vor Allem der Fall mit Hirudo Zeylanica, einem Springblutegel, den die Javanen Padjet nennen. Diese fadenförmigen, 1 — l'/o Zoll langen Würmer, sind an feuchten, schattenreichen Orten der Ur- wälder in der 3. Zone so zahlreich, dass man letztere nicht mit Unrecht die Zone der Blutegel nennen könnte. Sie halten sich nicht nur auf dem Boden an verwesenden Baumstämmen auf, sondern sie steigen auch auf die Blätter des Unterholzes, und, da sie einige Decimeter weit springen können, indem sie sich einziehen und dann plötzlich wieder ausstrecken, sind sie für Reisende, welche das Hochgebirge aufsuchen, oft eine wirkliche Plage. Zu Java's borstentragenden Anneliden gehören viele Arten von Regenwürmern, die man, in dicken und feuchten Humuslagen, noch in einer Höhe von 6000 Fuss antrifft. Viel auffallender zur Beobachtung, auch zahlreicher an Arten, sind die höher organisirten Artropoden, zu welchen die Schalenthiere (Crustaceen), die Spinnen, (Arachnoideen), die Tausendfüssler (Myriapoden) und die Insecten (Hexapoden) gehören. In Java's Fauna nehmen die Crustaceen eine wich- tige Stelle ein, denn von ihnen dienen viele zur Ernährung der Bevölkerung. Freilich gilt dies weniger für die niederen Gruppen, wie die Rankenfüssler, von welchen Baianus, der sich auf Pfählen, auf treibenden Gegenständen, auf der Schale von AVeichthieren, ja selbst an der Haut ein- zelner Fischarten festsetzt, an Java's Küste in verschie- denen Arten vorkommt; ebenso wenig für Cyclops, Cypris, Daphnia, Limnadia, Branchipus, welche auf Java die Copepoden, Ostracodeu und Phyllopoden vertreten und trotz ihrer geringen Körpergrösse, in den Strandsümpfen als gewaltige Riesen erseheinen unter den dort hausen- den Infusorien und Rotatorien, mit welchen sie gemein- same Lebensbedingungen und geographische Verbreitung besitzen. Mit Vorliebe gegessen wird der seltsame Mo- lukkenkrcbs aus der Gruppe der Schwertschwänze, Limu- lus moluccanus, der „mimi" der Javanen; in den Monaten Juli und August wird er in der Rhede von Batavia in Mengen gefangen und lebend auf den Markt gebracht. Obsehon man auch sein Fleisch isst, bilden hauptsächlich seine Eier eine sehr gesuchte Delicatesse; Chinesen und Inländer bereiten von ihnen mit Reis und Essig einen ausgezeichneten Leckerbissen. XL Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 331 Unter den Stoniatopoden bieten die Seeheuschrecken (Squillidae) einige geniessbare Arten; selten findet man in den javanischen Gewässern 8quilla niaculata. Wich- tiger sind die Decapoden, zu welchen die Krebse, 'Gar- nale und Krabben gehören. Krebse und Garnale be- zeichnen die Inlander mit dem gemeinsamen Namen Udang, zu welchem sie besondere Namen zur Unter- scheidung der Arten fügen. Hier, wie in hundert anderen Fällen, verbinden sie Geschlechts- und Artnamen, wie unsere Systematiker, und zeigen in der Wahl ihrer Be- nennungen oft eine sehr feine Beobachtungsgabe. Am Jiäutigsten werden Alpheus und l'alaemou zum Markt ge- Itracht, welche in ihrem Geschmack mit unsern Krebsen und Garnalen übereinstimmen; die feinste Art Jedoch ist l'alinurus homarus, der ebenso selten wie wohlschmeckeud ist, und darum sehr hoch bezahlt wird. Die Anomuren, welche eigentlich zwischen den laug und kurzschwanzigen Decapoden stehen, haben weniger Nutzen für die Volksernährung, ihre Lebensweise ist da- gegen höchst merkwürdig. Sie quartiren sich in ver- lassene Tritonschalen ein und leben auf dem Sumpfboden von Rhizophoren- und anderen Strandwäldern, wo sie oft in die Bäume klettern und diese auf eigenartige Weise ausstaffireu. Sie sind vertreten durch verschiedene Arten Pagurus, Birgus und Porcellana. Von Krabben (Bra- chyuren) findet mau in Javas Meeren eine Erstaunen er- regende Verschiedenheit von Arten; die von den Fein- schmeckern gepriesensten sind Paliuurus sexdentatus und Portunus pelagicus. Je mehr wir Thiere höherer Ordnung unserer Beobachtung unterziehen, treten die Eigenartig- keiten der Indo-Malayischeu Fauna mehr und mehr her- vor. Schon die Crustaceen bieten uns besondere Familien und Arten; in noch viel höherem Maasse ist dies der Fall bei den Spinnen (Arachnoideen), von welchen kolossale und durch ihr Gift höchst gefährliche Exem- plare vorkommen, wie man sie in gemässigteren Zonen nicht findet. Milben, die als Schmarotzer auf Menschen and Thieren leben, kommen auf Java nicht weniger zahl- reich vor als in Europa. Man findet verschiedene Arten von Zecken auf Säugern und gro.ssen Schlangen, während der „fliegende Hund" und andere Fledermäuse durch be- sondere Arten von Milben gequält werden. Unter den echten Spinneu (Araneiden) finden wir zunächst einen Vertreter der Vogelspinneu (Mygaliden), ein grosses, giftiges Thier, welchem selbst kleine Vögel eine willkommene Beute sind. Die haarige, rauhe Ge- stalt dieser Spinnen ist wohl Ursache des auf Java herr- schenden Volksglaubens, dass diese Thiere, in Oel ein- geweicht und auf dem Kopfe zerrieben, ein ausgezeich- netes Haarwuchsmittel bilden. Ein Arzt, der ein noch nicht ganz ausgewachsenes, lebendiges Exemplar von Mygale javaneusis bekommen hatte, maclite folgende Probe, um die Stärke ihres Giftes festzustellen. Er Hess das Thier einige Tage lang in seiner Wohnuug hungern, in einem zu diesem Zweck verfertigten Kästchen, darauf gab er ihm einen erwachsenen Reisvogel zur Gesellschaft Sofort warf sich die Spinne auf ihre Beute, umfasste sie mit den Beinen, und schlug ihr die Gifthacken dicht neben der Wirbelsäule in den Körper. Innerhalb 30 Se- cunden starb der Vogel unter tetanischen Erscheinungen. Bei der Section desselben fand der Forscher die Herz- kammer leer, die Vorhöfe dagegen mit geronnenem Blut gefüllt; der Vogel war an Hyperaemie des Rückenmarks und der Gehirnhaut gestorben. Als er am folgenden Tag die Probe mit einem grösseren (Jbject wiederholen wollte, war die Spinne tot. Die Springspinnen (Saitigraden), welche keine Gewebe machen, sondern hüpfend ihre Beute verfolgen und fangen, sind auf Java vertreten durch Attus und Eresus, die sehr verwandten Schnellläufer (Citigraden) durch Lycosa, die Sedentarien, welche in Geweben der Beute auflauern, durch Thomysus, Olios, Dysdera, Scytodes, Drassus, Clu- biona und Tegenaria. Olios javensis wird allgemein in den Häusern, zwischen altem Holz angetroffen. Die Or- bitelen, welche grosse radförmige Gewebe verfertigen, mit festen Fäden, die wie Radspeichen vom Mittelpunkte ausgehen, durch concentrische Kreise von feineren Fäden verbunden, haben auf Java viele Vertreter aus der Familie Epeira und Plectana. Sehr häufig kommt Epeira mala- barica vor. Die Gewebe der Epeiren sind so stark, dass, wenn sie die Wege versperren, über welche sie gespannt sind, sie mit Gewalt auseinander gerissen werden müssen. Einen Uebergang von den echten Spinnen zu den Scorpionen bilden die Scorpionspinnen (Pedipalpen), von welchen verschiedene Arten von Telyponus an feuchten Orten unter Steinen vorkommen. Die echten Scorpione jedoch verdienen unsere Aufmerksamkeit in höherem Maasse; sie sind ausgezeichnet durch einen sechsgliederigen Schwanz, an dessen Ende sich ein Stachel mit einer Giftdrüse befindet, durch den oft gefährliche Wunden bei- gebracht werden. Die kleineren Scorpione, Tityus longi- manus und mucronatus, gehören zu den häufigsten java- nischen Spinnen, die sich oft zwischen Büchern und Möbeln aufhalten. Eine sehr kleine Art, Ischnurus com- planatus, ist äusserst häufig in jungen Cocosanpflanzuugen, wo diese kleinen Thierchen au feuchten Orten fast unter jedem Stamm und unter jedem Blatt vorkommen. Glück- licherweise greifen Scorpione den Menschen nicht au, und mit etwas Vorsicht entgeht man leicht der Gefahr, gestochen zu werden, auch dringen die grösseren Arten, wie Buttus cyaneus, obschon sie nicht selten vorkommen, nicht in die Wohnungen ein; über Tag verstecken sie sich an feuchten Orten unter Steinen, und Nachts trachten sie eine Beute zu erjagen. Auch die letzte Unterordnung der Spinnenthiere, die Solifugen, ist durch verschiedene Arten Galeodes ver- treten, es sind gefürchtete Nachtthiere, die in den Tropen im Sande leben. Die Myriapoden, Tausendfüssler, sind sehr mannig- faltig, sowohl Julus uud Polydesmus als die Scolopender. Scolopendra morsitans wird sehr gefürchtet; ihr Biss ver- ursacht eiue höchst schmerzliche Entzündung mit heftigem Fieber. Doch verhält sie sich wie die giftigen Spinnen und die Scorpione, sie verwundet nur, wenn sie ange- fallen wird und ist viel weniger gefährlich als die Insecten. Von allen Thierordnungen ist die der Hexapoden am reichlichsten vertreten; zu den Rhynchoten gehören die meisten der uns unangenehmen Insecten, weil sie auf Mensch und Thier parasitisch leben. In seinen ost-in- dischen Typen bietet v. Pers uns eine Vorstellung davon, welche, so sehr sie auch durch ihren platten Realismus missfällt, uns doch ein treues Bild einer sehr gewöhn- liehen Scene aus dem javanischen Volksleben giebt; sie trägt die Üeberschrift: „Javanen, die einander reinigen." Beide Geschlechter tragen das Haar laug und salben es reichlich mit Oel ein; solch ein Kopf dient einer zahl- reichen Läusebevölkerung zum Aufenthalt; dieser Umstand gab Veranlassung zu folgender Gewohnheit: Nachbaren oder Bekannte fangen einander die Thierchen, wenn sie sich besuchen, oder auch während der Arbeitspausen, und die Beute wird vom Jäger als Delicatesse — gegessen! Diese nationale Gewohnheit ist selbst in der javanischen Mythologie verherrlicht, in welcher Kopfwunden, welche beim Reinigen der Haare entdeckt wurden, Eltern öfters Veranlassung gaben zur Wiedererkennung ihrer verloren geglaubten Kinder. So viel ich weiss, sind die auf Java vorkommenden 332 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XL Nr. 28. Blattläuse noch nicht genau untersucht, unter den Schild- läusen jedoch hat der Coccus lacca die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil er nicht unwichtig für die In- dustrie ist. Die AVeibchen dieses Insectes saugen sich au Zweigen von Feigen- uud anderen Bäumen fest und secerniren eine dickflüssige, harzartige Substanz, welche durch Erhärtung das Gummiharz bildet; sie kommen in Form einer Zellenauhäufung vor, welche die Zweige ringartig umgiebt; iu jeder Zelle findet man die Ueber- reste eines AVeibchens, in einer rothgefärbten Flüssigkeit eingebettet. Dieser Farbstoff' giebt die rothe Farbe, welche als Lack die Cochenille ersetzt, und das Harz bildet einen Hauptbestandtheil der Lackfirnisse uud des Siegellacks, auch wird es als Isolirmittel bei elekrischeu Apparaten augewendet. Darum werden diese Insecten in Hindustan und Slam künstlich gezüchtet und ihre Pro- ducte worden mit grosser Sorgfalt gereinigt. In Java jedoch ist der Gebrauch dieses Farbstoffes nicht liekannt, und das Harz ist von geringem Werth, weil es unsauber und schlecht bereitet ist. Der Javane kratzt die In- secten nehst der sie umgebenden Substanz von den Zweigen ah und bringt sie in dünne Bambusköcher, welche über einem P^'euer stark erhitzt werden; die Masse schmilzt dadurch zu Stangen, welche unter dem Namen Gala-Gala auf den Markt gebracht werden und entweder als Siegellack oder als Kitt dienen. Merkwürdig ist der Umstand, dass die niederländische Regierung das ver- wandte Cocheuille-Insect (Coccus eacti), mit der Nopal- pflanze, auf welcher es lebt, mit vieler Mühe uud grossen Kosten aus seinem amerikanischen Vaterlande nach Java überbrachte, aber nie trachtete das auf Java einheimische Product des Coccus lacca zu veredeln. Eine andere Gruppe der Rhynchoteu bilden die Homopteren oder Cicadarien, welche auf Java in den verschiedensten Arten vorkommen. Die Cicaden sind be- kanntlich unermüdliche Sänger, es wäre selbst kaum ge- wagt, zu behaupten, dass ihr musikalischer FIciss über- trieben ist, ja langweilig wird. Eine grosse und schöne Art, grün und roth gefärbt, mit undurchsichtigen Flügeln, Tosena fasciata, giebt in den höher gelegenen Wäldern Concerte, bei welchen einem Hören und Sehen vergehen! Bei einbrechender Dunkelheit hört man plötzlich ein lautes Zirpen oder Schnurren, das überall durch den Wald widerhallt, dann plötzlich aufhört, um nach einer kurzen Pause ebenso plötzlich wieder zu ertönen. Alle Sänger halten genau denselben Tact ein, alle fangen im selben Augenblick an und hören zu gleicher Zeit auf; nachdem das Coneert etwa °U Stunden gedauert hat, wird der Wald wieder todtenstill. Die letzte Gruppe der Rliyuchoten bilden die llemipteren oder Wanzen, unter welchen die echten Cinnces die Wohnungen verpesten, und sich nur mit vieler Mühe von denselben abhalten lassen. Viele Arten leben im Wasser oder auf den Feldern. Die Flüsse und Sümpfe liefern verschiedene Arten von Notonectiden, Nepiden uud llydrtimctriden Nain'ung im Ueberfluss, andere Arten, lieduviden, Capsidcn, Lugaeiden, Coreiden und Penta- tomiden bewohnen Garten und Feld. Von letzteren ist die gefürchtete Art Stenocoris varicornis, der „Walang sangit" der Inländer zu nennen, welcher in Reisfeldern grossen Schaden verursacht, ein beissendes Secret ab- sondert, das für die Augen sehr schädlich ist und einen unerträglichen Gestank verbreitet, weshalb er in den A\'oh- nungen, die er bei seinem abendlichen Ausfluge mit seinem Besuche beehrt, ein höchst unwillkommener Gast ist. Die Reihe der Dipteren eröffnen die Flöhe. Den .Menschen (piälcn sie auf Java weniger als in Europa, dagegen peinigen sie die meisten llausthiere. Die Laus- fliegen (Pupiparae), welche die zweite Gruppe der Dip- teren bilden und sich parasitisch auf Warmblütern auf- halten, sind auf Java vertreten durch Olfersia, wovon 0. Congipalpis auf verschiedenen Vögeln gefunden wird. Die übrigen Dipteren, Braehyura und Nemocera kommen in zahlreichen Arten vor. In Antidoxion besitzt Java eine Familie, welche den Uebergang zwischen beiden bildet; die Fliegen, welche in die Häuser dringen, und sieh auf alles Essbare stürzen, können zur Mittags- zeit unerträglich werden, noch ärger aber sind einige Mückenarten. Alle Stechmücken, welche den Menschen anfallen, nennt man landläufig Moskitos. Das Blut der Menschen und der höheren Thiere sind ihnen eine Deli- katesse und an feuchten und sumpfigen Orten sind sie eine wahre Landplage; setzt man sieh, besonders Abends, nieder, um gemüthlieh von der Tagesarbeit auszuruhen, so wird das Vergnügen bald auf sehr unangenehme Weise unterbrochen durch die giftigen Stiche dieser kleinen Teufel, die von allen Seiten den Ausruhenden bestürmen, plagen, und endlich zu Bett jagen; sie sind es, welche einem den Genuss eines köstlichen indischen Abends ganz und gar vergällen können. Im Zimmer hat der Bediente bereits, mit Hülfe eines Besens oder eines Tuches etwaige Moskiten aus dem Bett vertrieben, und ihre Rückkehr dadurch verhindert, dass er die um das Bett hängenden Tulle-Gardinen rund um dasselbe fest unter die Matratze gestopft hat; nun wartet unser eine sich allabendlich wiederholende Uebung; sie besteht darin, dass man den Bettvorhang so wenig wie möglich (iffnet und schnell in das Bett schlüpft, um sieh danach sofort wieder zu vers'dianzcn, indem man den Vorhang zwischen Bett und Matratze hineinstoiift. Wird einem dabei das Glück zu Theil, dass kein Moskito obige Turnübung mitmachte, so kann man eine erfrischende Nachtruhe geniessen ; klingt einem aber kurz danach das langweilige Piepen einiger dieser Thierchen in den Ohren, gefolgt von einem peinlichen Stich im Gesicht oder an den Füssen, so kann man ruhig auf Nachtruhe verzichten, die höllischen Trompeter vertreiben selbst dem Todt- müdeu den Schlaf, und ihr Stachel dringt durch den leichten Nachtanzug und bedeckt den Körper mit ])ein- licli juckenden Stichen, die bei Neuangekommenen oft zu hartnäckigen Geschwüren werden. Java's Diitteren sind im Allgemeinen noch mangelhaft bekannt, die Sammlungen von Wallace, die am meisten zur KenntnissderdipterologisehenFauuades indischen Archipels beigetragen haben, wurden beinahe ausschliesslich auf an- deren Inseln angelegt, dagegen sammelte der leider zu früh verstorbene Doctor I)oleschall nebst einer Anzahl ambonesischen, auch viele javanische Arten, die er in der „Natuurkundig Tydschrift voor Nederlandsch Indie" be- schrieb. Die Mücken sind in dieser Sammlung sehr spärlich vertreten, sie sind zu zart gel)aut, um gut eon- servirt zu werden; doch glückte es Dolesehall, einige der lästigsten Moskitenartcn in unbeschädigtem Zustande zu fangen und sie abzuzeichnen. Dabei sah er, dass es gerade nicht die grössten .Mückenarten sind, welche am meisten in die Wohnungen eindringen; diese halten sich grösstentheils zwischen Pflanzen auf; tagsüber suchen sie den Schatten an der Unterseite der Blätter, und nur in der Dännnerung fliegen sie in Schwärmen herum und er- füllen die Luft mit weit hörbarem Sunnnen. Unter Javas Fliegen zeichnen sieh die Syrphiden aus durch grosse Mannigfaltigkeit der Formen und Farbenschönheit, ferner die durch van der Widp beschriebenen Asiliden, vor Allem Laphria, durch die Unverdrossenheit, mit welcher sie In- secten jagen, welche viel grös.ser sind, wie sie selbst, und die goldgrüii glänzenden Dolichopodiden. Javas Lepidopteren sind uns dagegen besser bekannt, XI. Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschntt. 3.33 und die Praciit der javaniischen Schmetterlinge wird vielleicht nur durch die der südamerikanischen und der ^lolukkaner übertrotfen; auch ilirc Arten sind sehr zald- reich, obgleich sie meistens nur in den niederen Regionen der Insel vorkonnnen. Die Tagfalter sind in den euro- päischen Sammlungen wohl zicndich vollständig vertreten, ebenso die grössten und anttailigstcn Nachtfalter, kleine Schmetterlinge jedoch sind nur mangelhaft beschrieben bc7,w. gesammelt, und ihre Verwandlung, ihre Lebens- weise sowohl im vollkoninienen als im unvollkonmicnen Zustand, hauptsächlich auch die Frage, welche Arten von Raupen für die verschiedenen Zweige der Land- und Forstcultur schädlich sind, bieten der wissenschaftlichen Untersuchung noch ein unabsehbares Feld. Von den Papilioniden hat man nicht mit Unrecht behauptet, dass sie in den Landstrichen, in welchen sie in grösserer Anzahl vorkonnnen, sehr viel zur natürlichen Schönheit der Landschaft beitragen, selbst mehr als die meisten Vögel. Die grösseren Arten haben eine Spann- weite von 12 — 15 Centimeter, ruhig schweben sie mittelst ihrer grossen Flügel durch die Luft und breiten eine Musterkarte der glänzendsten Farben aus. Von diesen prächtigen Faltern welche durch P. Machaon und Poda- lirius bei uns vertreten sind, besitzt Java nicht weniger als 27 Arten, von welchen sich manche durch ihre starke Neigung zum Variireu auszeichnen und also den Satz be- stätigen, dass die tropische Sonne die grösste Züchterin von Varietäten ist. Bei vielen Arten, besonders bei den AVeibchen, tritt Dimorphismus, selbst Polymorphismus so stark auf, dass frühere Fm'scher die verschiedeneu Formen für ganz verschiedene Arten hielten. Java's Pa- piiios sind meistens dunkel; schwarz ist ihre Grundfarbe, dasselbe wechselt aber ab mit hochrothen, gelben und grünen Flecken, bei manchen Arten zeichnet es sich durch besonderen Glanz aus, bei anderen ist es wie mit G(dd- staub übersäet. Bei den Pierideu herrschen die weisse und gelbe Farbe vor; Weisslinge, Citronenfalter etc. kommen auch auf Java vor, unterscheiden sich aber von den nnsrigen durch viel intensivere Färbung, die sich jedocii hau]it- sächlich an der Unterseite der Flügel zeigt, und oben kaum durchschimmert; bis jetzt wurden 37 Arten be- stimmt. Die Danaiden gehören auf Java zu den gewöhnlichen Schmetterlingen, in grosser Anzahl fliegen sie in Gärten, im Niederwald, an Wegen herum, und lassen sich leicht fangen; bei ihnen ist braun die vorherrschende Farbe; Hestia und Ideopsis sind weissgrau, mit schwarzen Hecken und Punkten; die Flügel von Euploea gleichen schwarzem oder braunem Sammt, mit blauem oder vio- lettem Reflexe. Von allen Schmetterlings - Familien besitzen die Nymphaliden die grösste Anzahl Arten und zeichnen sich durch grosse Verschiedenheit in Form und Zeichnung aus; sie fliegen schnell und haben sehr glänzende Farben. Von ihnen besitzt Java 70 Arten, von welchen 23 auf diese Insel allein beschränkt sind. Der seltene Charaxes Kadenii hat am Hinterende eines jeden Flügels zwei krumme Auswüchse, welche den Schenkeln eines Dieken- messers gleichen, andere bieten merkwürdige Beispiele von Mimicry, z. B. Kallima paralecta, welche auf der Oberseite der Flügel in glänzenden Farben prangt, wenn sie sich jedoch, mit zusammengeklappten Flügeln, ge- wohnter Weise, zwischen dürres Laub hinsetzt, wird sie nur sehr schwer durch ein scharfes P^ntomologenauge er- kannt werden; andere wieder, wie Cyrestis Hylas, unter- scheiden sich durch besondere Feinheit der Zeiclnnnig. Auch unter den Satyriden, Lycacniden und hauptsächlich den Hesperiden findet man prächtige Arten. Auf Java kommen mancherlei schädliche Insecten vor, unter welchen viele Raupenarten einen Hauptplatz einnehmen; es sind wohl weniger Raupen von Tagtältern, als solche von Nachtschmctterlingen, deren Arten bisher nur sehr unvollständig bestimmt sind. Auch die Larven von vielen Mottenarten richten, viel mehr noch als in Europa, grosse Verwüstungen in Kleidern und Büchern an. In Vergleich zur Erstaunen erweckenden Anzahl sciiädlicher Insecten ist die der nützlichen sehr gering; dotdi liefern sie einige für die Industrie sehr wichtige Producte. Scricaria mori, deren Cocon aus Seide be- steht, gehört zu den Bombyces, welche auf Java durch viele zum Theil sehr schöne und auch sehr grosse Arten vertreten sind. Der eigentliche Seidenwurm ist auf Java nicht einheimisch, und obschon er sich da ziemlich accli- matisirt, haben Versuche, welche die Regierung mit ihm machte, viel Geld gekostet und wenig Erfolg gehabt; die Productionskosten waren stets viel höher als der Handels- werth. Zu den Bombyxarten gehört auch der grösste der auf Java vorkommenden Faltern, Saturuia Atlas; die Spannweite beträgt bei den Männchen 20, bei den Weibchen ])is 25 Centimeter, ihre Grundfarbe ist hell- braun, mit breiten, in gelb übergehenden, mit ver- schiedenen Zeiclmungen verzierten Rändern und grossen, dreieckigen, durchsichtigen, perlunitterartigeu Flecken in der Mitte eines jeden Flügels; die grüne, branngefleckte, etwa 9 Centimeter lange Raupe nährt sicii hauptsächlich von den Blättern der Emblica ofticinalis, und ist nicht sehr selten; die Cocons sind schwerer als die irgend eines anderen Seiden-Wurmes und geben ziendich gute Seide. Cynthia ist viel kleiner, hellgrün, hat halbmond- förmige anstatt dreieckiger Flecken und ist sehr selten; trifenestra, eine noch kleinere Art, ist rothbraun, mit 3 untereinanderstehenden durchsichtigen Flecken auf den Oberflügeln, und kommt sehr häutig vor; ihre Seide hat jedoch so geringen Werth, dass die Züchtung des Thieres die Mühe nicht lohnt. Ein Haupthinderniss in der Zucht der gewöhnlichen Seidenwürmer dürfte wohl in der Gleichmässigkeit der Temperatur und in der allzugrossen Feuchtigkeit der Luft bestehen; man hat wohl getrachtet ihnen dadurch einen künstlichen Winter zu verschaffen, dass man sie zu gewissen Jahreszeiten auf hohe Berg- gipfel überbrachte, aber diese Maassregel war nicht ge- nügend, der Degeneration des Thieres entgegenzuwirken; durch die zu rasche Aufeinanderfolge der Generationen wurden die Cocons immer kleiner. Von den Ortiioptercn machen sich viele bemerkbar durch ihre schädlichen Eigenschaften, andere durch ihre sonderbaren Formen. Zu den Cursorien gehören die widerlichen Kakker- lake (Periplaneta orientalis), die sich aus dem Osten her fast über die ganze Erde verbreiteten und in Küche, Keller und Speisekammer ihren Wohnsitz haben, zu den Gressorien die phantastisch aussehenden Mantiden und Phasmiden, die man auch „lebende Blätter" bczw. ,Jebcnde Zweige" nennt, zu den Saltatorien erstaunlich viele Arten von Heuschrecken, in den verschiedensten Farben und Formen, welche den Anpflanzungen oft grossen Schaden zufügen. Das Aussehen der Mantiden und Phasmiden gab wohl Veranlassung zur Legende, dass auf Java die Blätter von gewissen Bäumen sich zu grünen Heuschrecken entwickeln, bei welcher Metamorphose der Miltelnerv des Blattes in den Leib mit Kopf, die Seitennerven in Flügel und P^üsse übergehen. Dass der Javane so etwas er- zählt, ist schon stark, dass aber ein europäischer Reisender, Buddingh, das nicht nur glaubt, sondern selb.st meint, an einem Zweige, den er abgepflückt hatte, die verschiedenen Phasen der Heuschreckcnbildung deutlich unterschieden zu haben, lässt dai-auf schliessen, welch' 334 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 28, grossen Eiufluss das sagenumwobene Indien auf seine Phantasie ausübte. Die Loenstiden sind durch über 50 Arten vertreten, die Gryllidon lassen Abends ihr .Summen hören, welches sie im Fliegen hervorbringen, oder den zirpenden Ton, welcher durch das Aneinanderreil)en ihrer Flügelschilder verursacht wird. Zu ihnen gehört eine Grillenart, welche der Javane Djangkrik nennt, und zu den schädlichsten Insekten rechnet. Die Inländer, welche ein grosses Ver- gnügen darin finden, Thierc miteinander kämpfen zu lassen, haben auch diese kleinen Thierchen ihrer grau- samen Lust dienstbar gemacht. Die Männchen, welche allein zu solchen Kämpfen gebraucht werden, hängt man während 24 Stunden an einem um die Mitte ihres Leibes festgeknüpften Faden wagerecht auf, dann werden sie in Wasser getaucht und dadurch bewusstlos gemacht; in diesem Zustand werden .sie in einen Bambusköcher ge- sperrt, in welchem sie, nach dieser sonderbaren Zähmungs- weise, wieder erwachen, und mit gekochtem Reis ge- füttert werden. Den Kampfplatz bildet ein kleiner Korb, der durch einen Schieber in zwei Abtheilungen getheilt ist. Vor dem Kampf wird der Reis, welcher den Thieren vorgesetzt wird, mit fein gestossenen Körnern der Datura alba vermischt, welche narcotisch wirken, dann setzt man die Kämpfer je in eine Abtheilung des Körbchens, worauf sie solange mit einem feinen Pinsel gekitzelt werden, bis sie ganz rasend sind. Der Schieber wird nun entfernt und es beginnt ein Kampf, welcher, wegen der mit ihm verbundenen Wetten, bei den Zuschauern das lebhafteste Interesse hervorruft. Ein besiegter Djangkrik wird zu anderen Kämpfen nicht mehr gebraucht. Nach dem Ge- fecht werden unter das Futter Ricinusblätter gemischt, um die Schmerzen in den Muudwerkzeugeu der Streiter zu lindern. Von den Pseudo-Ncuropteren sind die Libcllulinae durch zahlreiche Agrion-, Aeschna- und Libellula- Arten ver- treten. Da sich diese Insecten ziemlich schwer conser- viren lassen, und javanische Entomologie meistens in Europa betrieben wird, wo man sich zu Beschreibungen der in Sammlungen vorkommenden f^xemplare bedienen muss, so ist es natürlich, dass wir noch wenig von ihnen wissen; noch erstaunlicher aber ist der Umstand, dass noch nie eine specielle Untersuchung der auf Java vorkommenden und zur selben Klasse gehöi enden Ter- mitenarten stattfand, während diese doch zu den alier- schädlichsten dortigen Insecten gerechnet werden, und im Larvenzustand alles vernichten, was nicht metall- oder glashart ist. Ja, in den seligen Tagen der ostindischen Compagnie, kam es vor, dass man Kassendefecte den Verwüstungen der Termiten zuschrieb! In diesem Falle werden sie aber, wie bösartig sie auch sein mögen, nicht die wirklichen Delinquenten gewesen sein. Die Bambus- wohnungen der Javanen werden von den Termiten in kurzer Zeit ganz und gar vernichtet, und nur einzelne sehr harte und aromatische Holzarten sind vor ihren Ver- wüstungen gesichert; in Europäer Wohnungen sind Möbel und Esswaaren iin-e bevorzugte Beute, Baumwidle scheinen sie jedoch zu verschmähen, auch behauptet man, dass sie Angst haben vor den scharfen Spitzen der ReishUllen, weshalb man den Boden der Speisekammern einen Fuss hoch dandt bestreut. Blechgefä.sse mit Wasser oder Oel gelullt, in welche die Füsse der Möiicl gestellt werden, bilden ein Praeventivnnttel sowohl gegen Ternnten als gegen eigentliche Ameisen. Terndtengänge sind leicht zu erkennen, da sie wohl die Dicke eines Fingers haben, sie sind aber gewöhnlich an dunkelen Orten, in verliorgenen Winkeln angelegt. Vom Holzwerke, welches sie ver- nichten, lassen die Ternnten die Oberlläche so infact, dass es seine äussere Form behält, wenn es von innen auch so vernagt ist, dass es bei der geringsten Berührung zu- sammenfällt. Die Termiten sind über alle tropischen Länder ver- breitet, und eine kleine, doch sehr gefürchtete Art, Ter- mes lueifuga, wird selbst in einem Theil von Süd-Frank- reich angetroffen. Afrika, Amerika, Asien, haben ihre eigene Arten, deren Nesterbau sehr verschieden ist. Obschon die Termiten im Bau ihrer Flügel und in ihren Verwandlungen so sehr von den Ameisen verschieden sind, dass sie von den Entomologen einer ganz anderen Insectcnklasse angereiht werden, zeigen sie doch in ihrer Lebensweise eine treffende AehnHchkeit mit den Formi- eiden. Wie diese bilden sie einen geordneten Staat, der übrigens in vielen Hinsichten auch dem der Bienen ähn- lieh ist. Der Jlittclpunkt eines Termitennestes besteht in der Wohnung eines einzelnen Weibchens, der Königin, welche, nach der Befruchtung, durch erstaunliches An- schwellen des Hinterleibes so gross wird, dass sie die gewöhnlichen Termiten wohl 1000 Mal an Grösse über- trifft, und ihre Zelle nicht mehr verlassen kann. Hier wird sie durch die ganze Familie ernährt und verpflegt, denn von ihr hängt das Bestehen der Colonie ab. Die Anzaid Eier, welche solch ein Weibehen legt, berechnete man auf 80 000; bei der afrieanisehen Tcrmes fatalis soll die Zahl noch viel grösser sein , da das Weibehen, wenn es einmal zu legen anfängt, während zwei voller Jahre, Tag und Nacht, etwa (30 Eier per Minute ablegt, so dass die Gesannntzahl etwa 65 Millionen beträgt. Rund um die Wohnung der Königin befinden sich Vorrathszellen, nebst solchen, in welche die Arbeiter der Colonie die Eier bringen und die daraus schlüpfenden jungen Termiten so lange verpflegen, bis dieselben sieh an der Arbeit betheiligen können. Die Jungen sind von viererlei Arten: ^Männchen, Weibchen, und zweierlei ge- schlechtslose Formen, welche keine Augen haben, eine grössere, die sich durch starke Kiefer unterscheidet, und die man Soldaten nennt, weil sie stets Wache halten, um alle Angriffe abzuwehren, und eine kleinere, die Arbeiter, deren Aufgabe darin besteht, die gemeinschaftliche Wohnung in gutem Zustand zn halten und für Beschaffung der n(ithigcn Vorräthe zu sorgen. Bei ihrer letzten Ver- wandlung" bekommen die Männchen und Weibchen Flügel, während die Soldaten und die Arbeiter flügellos bleiben. Wenn die Erstgenannten du'e vollkommene Entwiekelung erreicht haben, verlassen sie Nachts bei Tausenden das Nest und fliegen in dichten Schwärmen herum; am fol- genden Tage" fallen ihre vertrockneten Flügel ab, und sie bedecken den Boden und die darauf waehsenden Pflanzen, bis sie zur Beute ihrer zahllosen Feinde werden, zu welchen vor allen eine Art Ziegenmelker, Caprimulgus affinis, und das Schuppcnthier, Manis javanica, gehören. Ersterer jagt übrigens die Ternnten schon, sobald sie in geflügeltem" Zustande aus ihren Höhlen zum Vorschein kommen, und das Schuppcnthier verfolgt sie bis in ihre Nester, die es nicht selten aufkratzt; doch auch der Mensch verachtet die Ternnten nicht, gebraten oder ge- röstet bilden sie eine mandelartig schmeckende Delica- tesse für Javanen und Chinesen. Vom allgemeinen Unter- gang werden einige Weibchen und Männchen durch die Ar))eiter gerettet, um eine neue Colonie zu bilden; dazu werden ein Mäniu-hen und ein Weibchen zusammen ein- geschlossen, das Männchen stirbt bald nachdem es seine Aufgabe erfüllt hat, und die Zelle in welcher das be- fruchtete Weibchen allein zurückbleibt, wird zum Mittel- punkt einer neuen Colonie. Unter den echten Neuropten lassen sich nur die Florfliegen, die Ameisenlöwen und die Köeherfliegen an- führen, welfiic auf Java in einigen .\rten vorkommen. Wie die Insecten alle anderen Thierarten übertreffen, XI. Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 335 so spielen unter den Insecten die Coleopteren die erste Rolle, und da die Käfer, wie die Schmetterlinge, am meisten die Aufmerksamkeit der Samudcr auf sich ziehen, und sich leicht fanjicn und aufbewahren lassen, so sind ihre Arten, was wenigstens deren äussere fertige Gestalt betrifft, ziemlich gut bekannt. Von der Lebensweise der javanisclien Käfer wissen wir dagegen sehr wenig. Viele sind den Gärten und Feldern sehr schädlich, ebenso den Magazinen und Speisekammern, und manclie Xylopliagcu der Familie Ptinus vergreifen sich selbst an Büchern, Holzwerk und Miibeln; andere Arten, vor allen die I^a- mellicornier, welchen die grössten Käfer angehören, be- weisen dem Menschen nicht zu unterschätzende Dienste, durch die Vertilgung von Aas und faulenden Substanzen. Die am meisten gefürchteten sind wohl die Rüsselkäfer der Familie Calandra, welche im gepellten Reis grosse Verwüstungen anrichten. Der grösste javanische Käfer ist der zu den La- mellicorniern gehörende Megasoma Atlas, welcher sich durch seine grossen Hörner und den schönen, grünlich schimmernden Metallglanz seiner schwarzen Farbe aus- zeichnet und oft in l'Caft'ee])lantagen angetroffen wird, wo die faulenden, oft riesigen l^aumstämme, die überall auf dem Boden zerstreut liegen, von Iväfern wimmeln. Auf einer Höhe von 4000 bis 4500 Fuss fällt der schwarz und gelb gefleckte Rüsselkäfer, Eutracheles Temminkii auf, sowohl durch seine merkwürdige Gestalt, als durch die ungeheure Häufigkeit seines Vorkoinmens. Unter den zahlreichen Laufkäfern ist Mormolyce phyllodes wohl der auffallendste, er hält sich in den Gebirgswäldern auf, seine braunen, flachen Schilder haben eine blattförmige Verbreiterung, während der wunderbar gestreckte Kopf, mit langen, an die Bockkäfer erinnernden Fühlern be- waffnet ist, und die langen, dünneu Beine gespenstartig aussehen. Zur selben Gruppe gehört Catadromus tene- briüides, der grösste javanische Carabide, schwarz, mit grüngoldenem Bande. Unter den Hirschkäfern unter- scheidet sich Lamprima Boisduvalii durch stark ent- wickelte Hinterschenkel und glänzende Farbenpracht, im Allgemeinen aber werden die prächtigsten Farben bei den Prachtkäfern angetroffen, welche sich meistens in baunireichen Dorfwäldchen aufhalten ; unter diesen findet man in Java sehr allgemein Chrysochroa fulminans, glänzend grün, mit rothgoldenem Flecken am Hinterrande der Deckschilder; viel seltener ist die beträchtlich grössere Chrysochroa bicolor, über deren grüngoldene Schilder ein gelblicher Querstreifen verläuft. Während trockene Orte von Cicindeliden und Cara- biden in vielerlei Arten wimmeln, schwimmen in Pfuhlen und Sümpfen die mit ihren verwandten Dytiseiden und Gyriniden in Erstaunen erregender Anzahl herum, und sind eben solche arge Räuber wie ihre Verwandten bei uns. Besonders zahlreich sind auch die Kurzflügler und die alle anderen Käfer durch ihren zierlichen Körperbau übertreffenden Bockkäfer, die hauptsächlich durch Saperda, Lamia, Cerambyx, Prionus u. s. w. vertreten sind. End- los ist auch die Zahl der Blatt- und Rüsselkäferarten. Unter den Tenebrioniden ist Cossyphus bemerkenswerth und unter den Weichflüglern die Leuchtkäfer der Familie Lampyris, deren Vertreter bei uns die Johanniswürmchen sind; bei unseren europäischen Arten ist das Leucht- organ am meisten bei den flügellosen, auf dem Boden lebenden Weibchen entwickelt, auf Java dagegen sieht man, sobald die Dunkelheit eingebrochen ist, oft Tau- sende von Individuen verschiedener Arten dieser Familie in der Luft schweben, die durch ihr phosphorescirendes Licht einen zauberhaften Glanz auf die sie umringenden Gegenstände werfen. Eine Anzahl solcher Thiere in einem Fläsehchen gebrauchen die Inländer oft als Laterne. Auch bei den Hynienopteren finden wir eine grosse Anzahl Familien und Arten, denn fast jede Familie ist auf Java vertreten. Von den Legeimmen gieht es Gall-, Schlupf- und Springwespen, wahrend die Stechimmen viele Arten .Ameisen, Dolciiwespen, Grabwespen, Papier- wespen und Bienen aufweisen. Unter allen sind die Ameisen in erstaunenerregender Anzahl vorhanden und Illingen bei Tausenden in die Wohnungen, wo sie sieh auf Kosten der vorhandenen Vorräthe ernähren. Im All- gemeinen sind Java's Hynienopteren noch wenig unter- sucht, nur von den Bienen und Wespen wissen wir etwas mehr, obschon das auch noch wenig genug ist. Ueberall, an schattenreichen Orten, in grossen Bäumen oder auf den Dächern der Häuser findet man ihre kunstvoll ge- bauten Nester, und, insofern dieselben Honig enthalten, werden sie von den Inländern eifrig gesucht; in den I^reanger-Rcgcntseiiaiten existirt selbst eine primitive Art von Bienenzucht. Die Körbe bestehen aus einem runden Holzstück, 1'/., bis 2 Fuss laug und • ., bis 1 Fuss dick; dieses wird der Länge nach gespalten und ausgehöhlt, wonach die beiden Stücke wieder aneinandergefügt werden. Die Oeflfnungen an beiden Seiten werden durch Brettcheu verschlossen, und an der einen Seite wird ein Loch iiineingebohrt, zum Aus- und Eingang für die Bienen. Solch "ein Korb wird leer im Wald aufgehängt, und, so- bald sich ein Bienenschwarm darin niedergelassen hat, wird er Abends in das Dorf zurückgebracht und hinter dem Hause unter einem Dach aufgehängt. Lässt man den Bienen genügende Ruhe und nimmt man die Honig- scheiben nicht zu oft und nie ganz heraus, so hat man jahrelangen Genuss von solchen Körben, während sie anderenfalls gewöhnlich schnell verlassen werden. Die Imker gebrauchen den Honig und das Wachs zum Theil im eigenen Haushalte, zum Theil bringen sie dieselben auf den Markt. Ein Korb kann per Jahr 12 Honig- seheiben liefern, die zu 17 Pfennigen das Stück verkauft werden. 7 ausgepresste Scheiben geben eine Flasche reinen Honig, die 1 Mark 70 Pf. werth ist. Das Wachs, welches theils aus den leeren, theils aus den mit Honig gefüllten Scheiben bereitet wird, und im ersten Fall weiss, im zweiten gelb ist, wird in kleinen Stücken ver- kauft und erreicht einen Werth von etwa M. 1,35 per Kattie (625 Gramm). Die in solchen Körben gehaltenen Bienen wurden bisher nicht genau bestimmt; in der Regentschaft Suka- pura wird \ ielfach eine kleine, stachellose Biene gehalten, die nicht viel grösser als eine Ameise ist und von Jung- huhn Melipoma minuta genannt wurde. In wildem Zu- stande nistet sie in Höhlen und Löchern von Kalkfelsen, als Körbe gebraucht man da ein Stück Bambus oder ein Stück des Stammes von Arenga obfusifolia. Die beiden durch Spaltung erhaltenen Hälften werden mit einem Tau an einander gebunden und hängen gewöhnlich unter einem hervorspringenden Tlieile des Hausdaches. Die Insecten möchte ich nicht verlassen, ohne bei einer Erscheinung zu verweilen, welche die Aufmerksam- keit aller Reisenden erregt, dem Chorgesang, welchen die Insecten beim Eintreten der Abenddämmerung anstimmen. Es ist als ob die Millionen von Mücken, Käfer, Heu- schrecken, Grillen, und anderen geflügelten Choristen, welche sich tagsüber im dichten Laub der Bäume ver- steckt halten, nur den Sonnenuntergang abwarten würden, um mit ihrer Musik air/.ufangen; deutlich kann man 20 und mehr Töne unterscheiden, welche durch diese vielen Arten von Musikanten hervorgebracht werden, aber alle diese Töne vereinigen sich zu einem ohrenbetäubenden Brummen, welches sich, wie auf das Zeichen eines un- sichtbaren Kapellmeisters, verstärkt, dann wieder ab- nimmt, der nie ganz aufhört. Solche Inseetenchüre hört 33C Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 28 man sowohl am Meeresstrande wie in den hochstamnii;L;'en Wäldern des Gebirges; bis nach dem Einfallen der Dunlcel- heit dauern sie noch mit derselben Energie fort, und erst um Mitternacht herum sterben sie laugsam ab; nur die ein- tönige Stimme des Ziegenmelkers, der, wie die un/iilüigen Feldmäuse, Insecten jagt, und das Quaken der Frösche überlebt alle anderen Geräusche, und wiederhallt noch grell und laut, wäln-end die ganze übrige Schöpfung schweigt. Tunicaten kommen auch an Javas Küste vor; Sal- l)eu, kleine gallertartige, oft in langeu Schnüren an einander gereihte Tliierciien, treiben sicii in unzäldbaren Mengen herum. Die Palliobranciiiaten sind vertreten durch Terrebratula und Lingula, unendlich wichtiger jedoch sind die Lamellibranchiaten, zu welchen alle 2schaligeu Wirbelthiere gehören, deren Schalen durch ein Scharnier verbunden sind. Als Delicatesse werden viele von ihnen in Java nicht weniger hoch geschätzt als in Europa. Unsere gewöhnliche Auster (Ostrea edulis) wird ersetzt durch ostrea imbricata, welche sowohl von Europäern als von Javanen gegessen wird, von letzteren allerdings nur in gekochtem Zustande. Zu derselben Gruppe gehören auch die Meleagrinen (Perlmuscheln), welche Perlmutter und Perlen liefern. Gegenwärtig werden Perlen nur von den Bewohnern der Segara Anakan auf Java's Südküste gefischt, jedoch wurde im 17. Jahr- hundert auf ganz Java, selbst in der Nähe von Batavia die Perlentischerei auf grossem Fusse betrieben, und in Java's Hauptstadt bildeten die Taucher, wie das jetzt noch auf Ceylou der Fall ist, eine besondere Kaste. Wahrscheinlich haben Mangel an Fürsorge und über- triebene Habsucht die Bänke verwüstet und erschöpft, sicherlich würde aber, nach so vielen Jahren, eine gründ- liche Untersuchung in einigem Abstand von der Küste, im Tiefwasser, die Anwesenheit gut bevölkerter Bänke bestätigen. Ein anderes auf Java's Strand vorkommendes, merk- würdiges Weichthicr ist die Riesenmuschel, Tridacna gigas. Früher gclirauchtc man deren colossale Schalen oft in Gärten als Wasserbehälter und in Kirchen als Weihwassergcfässe; ein Paar solcher Schalen, welches zusanuuen über 500 Pfund wiegt, und deren jede einen Durchmesser von über 2 Fuss hat, kann man in Paris, in der Kirche St. Sulpice bewundern. Der Schalen- rand ist so scharf und die Kraft der Schliessmuskeln so gross, dass das Tliier im Stande ist, durch Zuklappen seiner Behausung ein dickes Tau durchzuschneiden. Um solch eines Thieres habhaft zu werden, umwickelt es der Taucher gewöhnlich mit einem festen Tau, wonach es ans Tageslicht gezogen wird, darauf werden die Schliess- muskeln durchgeschnitten und das Tliier ist machtlos. Unter den Schalenthieren giebt es auch schädliche Arten, welche grosse Verwüstungen anrichten können, man denke nur an die Pfahlmuschel, Teredo, deren Hei- math der Indische Archipel ist, und welche durch von ihr angetastete Schifte zu uns gebracht wurde; sie lebt im Holz, welches sie in allen Richtungen durchbohrt, während sie die Höhlungen, in welchen sie sich aufhält, mit einer Kalkkruste bekleidet; die eigentlichen Schalen dieses Thieres, welches itis zu 1 Fuss lang wird, sind sehr klein, und bedecken nur seinen oberen Theil. Es i.st deutlich, dass diese Thiere im Holz wach.sen, denn die Oeffnungen, die man an dessen Oberfläche findet, sind zu klein, um erwachsene Teredos hineinzulassen, wie sie jedoch hiuciukonnnen, ist noch nicht deutlich erwiesen. Ausser den vielen, oft in iirächtigen Gehäusen wohnenden Conchiferen, welche an Java's Strand ge- funden werden, kommen auch viele Arten im Süsswasser vor, besonders in den breiten, langsam fliessenden Bächen des Südlichen Neptunischen Gebirges, hauptsächlich viele Cyrene-Arten; in höheren Zonen, wo nur reissende Berg- ströme vorkommen, verschwinden die Süsswasser-Conchi- feren allmählich. Am Meeresstrande findet man unendlich viele Arten von Gastropoden, unter welchen sich Voluta, Oliva, Mitra, Murex, Conus, Cypraea, Cassis, Dolium, Strombus und andere oft durch grosse Schönheit auszeichnen. Im Süss- wasser findet man Cyclostoma, Ampullaria, Paludina, Melania und andere. Ampullaria wird von den Inländern gegessen. An fruchtbaren, schattigen Orten findet man colossale Mengen von Landschnecken, wie Nanina, Helix, Bulimus und Clausilia. Von den Cephalopoden kann ich nur sagen, dass der Mangel an Verschiedenheit der vorkommenden Arten in hohem Grade aufgewogen wird durch den Reichthum an Individuen der Genera Loligo und Sepia, welche täglich bei Tausenden auf den Markt gebracht werden; die gewöhnlichste Art ist Loligo javanica, aber auch Sepia aculeata, inermis, tuberculata und unita sind oft in grossen Mengen zu bekonnnen. Chinesen und Inländer essen sie gern, Europäer aber finden an ihrem zähen Fleisch nur massigen Genuss. Aus den vorhergehenden Schilderungen, denen ich, ausser eigenen Aufzeichnungen, das treft'lichc Werk von Veth zu Grunde legte, ist ersichtlich, dass Javas Averte- brateu-Fauna, obwohl ihre Erforschung noch sehr mangel- haft ist, sich einer überaus grossen Reichhaltigkeit erfreut, und in biologischer Hinsicht ein Interesse bietet, wie kaum eine andere; noch vielmehr als die Vertebraten- Fauna hat sie Eintluss auf das Wohl und Wehe der Be- wohner, welche sich gegen die Unzahl kleiner Feinde viel weniger zu schützen vermögen, als gegen Gegner, welche höheren Ordnungen angehören. Der Zweck dieser Zeilen wäre erreicht, wenn sie mit den nöthigen Mitteln ausgerüstete, und durch keine Nebenbeschäftigung in ihren Arbeiten gehinderte Forscher veranlassen würden, zur Kenntniss der Arten, ihrer Lebensweise und ihrer Be- ziehungen zum Menschen das ihrige beizutragen. W«ilclieii Eiiifluss iil»eii TeniperaiurscliwaiikHiigen auf die normale Atliniiuig der l'tiaiizen aiisJ In der Natur sind die Gewächse ununterbrochen kleineren oder grösseren Temperaturschwankungen ausgesetzt, weshalb es von Interesse ist, festzustellen, welchen Einfluss die- selben auf den Verlauf des Athmungsprocesscs ausüben. Zudem besitzt die bezügliche Frage, die überhaupt noch gar nicht behandelt worden ist, ein methodisches Inter- esse. Bei den Untersuchungen, welche der Ermittelung des Temperaturoptiniuius und -maximums gewidmet waren, habe ich zu den Experimenten bei höheren Temperaturen stets neues Pflanzenmaterial verwendet. Es geschah dies deshalb, weil von vornherein zu verumthcn war, dass Pflanzen, die längere Zeit bei ziemlich hohen Wärme- graden verweilt hatten, dadurch gewisse Schädigung ihrer Lebensenergie erfahren konnten, und in der That ist diese Voraussetzung durch die folgende Beobachtung bestätigt. Zu den Versuchen dienten die in Sägspähnen bei einer Temperatur von 12 — 15" C, sowie Abschluss des Lichts gezogenen Keimlinge von Lupinus Intens und Vicia Faba. Die Untersuchungsmethode war ganz die- selbe, wie sie in Nr. o3 des vorigen Jahrgangs der „Naturw. Wochenschr." auf Seite 394 beschrieben wurde. XL Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 337 Der Gang der Experimente war im Allgemeinen ein derartiger, dass die üntersuchungsobjectc zunächst bei gewöhnlicher Temperatur auf ihre Athniungsgrüsse geprüft wurden, um sie dann längere Zeit höheren Wärmegraden auszusetzen und schliesslich abermals bei gewöhnlicher Temperatur ihre Athmungsgrösse zu untersuchen. Da die Experimente sich über eine lange Zeit aus- delinten, so war es von Wichtigkeit zu erfahren, ob sich während dieser Zeit keine Veränderungen der Athmungs- grösse aus inneren Ursachen geltend machten. Für die Keimlinge von Vicia Faba ist es bekannt, dass dieselben bei beginnender Entwickelung langsam athmen, dann allmählich eine grössere Kohlcnsäuremenge liefern, deren Production aber fortan unter gleich- bleibenden äusseren Bedingungen und für die Zeiteinheit nahezu constant bleibt. In der That fand ich folgende Werthe, als ich die Athmungsgrösse der Vicia-Keimlinge in verschiedenen Entwickeluugsstadien feststellte. Temijeratur Alter der Keimlinge Kohlensäureallgabe pro Stuudc und luo g Substanz im Mittel u)i; + 15" C. 1 Tag 2 Tage 3 „ 0 .1 8,00 11,9 14,23 17,8 18,2 17,8 Bei den Versuchen mit Lupinenkeimlingen experimen- tirte ich mit 6 Tage altem Versuchsmaterial. Zur Prü- fung der Frage nach dem Eintluss innerer Ursachen auf die Kolilensäureproduction wurde mehrfach am Morgen des sechsten Tages die Athmungsgrösse der Keimlinge bestimmt und diese Ermittelung am Abend wiederholt, uaclidem die Tflanzen in der Zwischenzeit bei gewöhn- licher Zimmertemperatur verweilt hatten. Die Kohlen- säureabgabe war bei gleichen Temperaturen am Abend ganz die gleiche wie am Morgen. Was die Experimente über den Einfluss der Tempe- raturschwankuiigen selbst anbelangt, so verwandte ich zu denselben fünf Tage alte Vicia- und 6 Tage alte Lupinen- keimlinge. Die Bestimmung der Kohlensäureproduction erfolgte zuerst bei 15 oder 20" C, dann wurde das Uutersuchungsmaterial unter fortwährendem Dui-chleiten von Luft auf 30 resp. auf 42 — iS'/.j" C. fünf resp. drei .•stunden lang erwärmt, wieder auf 15 oder 20 ** C. abge- kühlt und abermals bei dieser Temperatur auf seine Athmungscnergie geprüft. Die Athmungsversuehe begannen stets erst, nachdem 2 .Stunden lang bei derjenigen Temperatur, bei welcher experinientirt werden sollte, Luft durch den Kespirations- apparat geleitet worden war. Versuche mit Vicia Faba. Angewendete Menge: 20 Stück = 100 g Vor dem Erwärmen Nach 5 stündigem Erwärmen auf + SU» C. Temperatur C»' PJ" ?*""'''' ,. . „ . . und 100 g Grad Celsius ^ rag CO; im Mittel pro Stunde mg 00, pro Stunde CO, im Mittel und 100 g pro Stunde mg mg + 15 21,00 21,45 17,74 18,00 17,7 17,7 18,0 17,75 1 21/22 } 17,87 17,87 19,('.5 19,50 19,00 18,75 18,08 17,95 18,75 19,25 ] i9,(;o } 18,87 \ 18,51 \ 19,00 + 20 . 22,2 22,35 22,27 22,20 22,35 1 22,27 a) Versuche mit Lupinus luteus. Angewandte Menge: Substanz = 100 g. Vor dem Erwärmen Temperatur i CO" Pjo Stunde . . j r, 1 • l ind 100 g (jrad Celsms : mg 15 34,85 \ 34,85 + 20 CO, im Mittel pro Stunde 34,85 43,70 43,70 f 43,70 Nach 5 stundigem Erwärmen auf -I- 30° C. CO; pro Stunde und 100 g mg CO, im Mittel pro Stunde 34,65 34,45 43,65 43,45 34,55 j 43,; 55 b) Versuche mit Lupinus luteus. Angewandte Menge: Substanz = 100 g. Vor dem Erwärmen Nach 5 stündigem Erwärmen auf -1- 42-43'// C. Temperatur Grad Celsius CO, pro stunde CO, im Mittel und 100 g pro Stunde mg mg CO, pro Stunde und 100 g mg CO, im Mittel pro Stunde mg + 15 1 M;' 1 3*''5 i;2 } 23'3 + 20 43,2 43,0 } 43,1 30,6 30,9 } 30,75 Die Resultate der mitgetheilten Untersuchungen lassen sich wie folgt, zusammenfassen: 1. Werden Keimlinge von Vicia oder Lupinus bei 15 oder 20" C. auf ihre Athmungscnergie geprüft, nun einige Stunden auf 30" erwärmt, um ihre Kohlensäure- production dann abermals bei 15 oder 20" C. festzustellen, so findet man keinen Unterschied zwischen der Athmungs- grösse des Uutersuchungsmaterials bei Beginn und bei Abschluss der Experimente. Die Temperaturschwankungen wirken nicht als Reizursache auf die Keimpflanzen ein. 2. Werden Lupinenkeimlinge vorübergehend auf 42 bis 43,5" C. gebracht, also einer Temperatur ausgesetzt, die etwas höher liegt als das Temperaturoptimum für die Athmung, so ergeben die Kohlensäurebestimmungen bei Abschluss der Versuche einen erheblich geringereu Werth als diejenigen bei Beginn derselben. Temperaturen von 42 — 43,5" C. müssen also die Lebenseneigie des Unter- suchungsmaterials schwächen, eine Thatsache, die mit Rücksicht auf die Frage nach der Beeinflussung des Pflanzenlebens durch höhere Temperatui-en überhaupt ein allgemeineres Interesse beansprucht. Dr. E. Ziegenbein. Wetter-Mouatsiiberssicht. — Auf den kühlen Mai ist ein in seinem grösseren Theil sehr warmer und überaus gewitterreicher Junimonat gefolgt. Sogleich bei Beginn desselben trat in allen Witterungsverhältnissen ein völliger Umschwung ein. Das barometrische Maximum, weiches über zwei Monate hindurch fast unbeweglich bei den britischen Inseln verharrt hatte, rückte im Laufe des 31. Mai plötzlich nach Osten bis in die Mitte Deutsch- lands vor, während südlich von Irland am 1. Juni eine umfangreiche Depression erschien. Alsbald sprangen die Winde in ganz Deutschland nach Südost um, und es fand bei klarem, in den meisten Gegenden gänzlich wolken- losem Himmel eine allgemeine Erwärmung statt, welche sich nach umstehender Teniperaturzeichnung im Norden viel schneller als im Süden vollzog. Vom 1. bis 4. stieg die Morgentemperatur an den nordwestdeutschen Stationen , im Mittel um 5,6, reclits von der Eibe sogar um (3,8" C, "und während in der Nacht zum 1. das Thermometer noch vielfach bis 4 oder ö" herabgegangen war, erreichte es 338 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 28. Mnr(>ttitf nipi Tdtui-i n im \j\in\ .^&•)f, tiormdi . Jwni am 2. Mittags zu Münster 30, am 3. bereits 32" C. In den folgenden Tagen hatten besonders die Provinzen Ost- und Westpreussen unter grosser Hitze zu leiden, z. B. stieg zu Königsberg die Mittagstemperatur noch bis zum 9. fast täglich auf 31 oder 32" C, nachdem die- selbe in vielen anderen Gegenden sich schon bedeutend gemässigt hatte. Indem die südwestliche Depression ihr Gebiet langsam nordwärts ausbreitete, drehten sich die Winde in Deutseh- land über Süd nach Südwest und die Bewölkung nahm mehr und mehr zu. Seit dem 2. Nachmittags traten in Süddeutschland, seit dem folgenden Nachmittag in Nord- westdeutschland die ersten Gewitter auf, welche all- mählich zahlreicher wurden und sich weiter nach Osten fortpflanzten. Wie aus der beistehenden Zeichnung her- Hnlu der Nluler-ulilSo 5» 35 IUI l*">C 5 'I h 2 \ vorgeht, waren die Durchschnittswerthe der von den- selben gelieferten Ilegenmengen erst am G. Juni ziemlich beträcbtlicb; doch kamen an einzelnen Orten auch sonst sehr ergiebige Niederschläge vor, so vom 4. zum f). in Magdeburg 42 Miilinieter Regen und Hagel. Am H. .Tnni drang das Barometerminimum von Süd- irland nach Frankreich vor, um sich in den folgenden Tagen in langsamen Schritten weiter nacli Osten zu begeben. Bei seinem Voriiberzuge richtete es in vielen Thcilcn Ober- und Mittel-Italiens durch starke Regenfälle grossen Scha- den an, in der Umgebung Bologna's wurde am 10. durch einen heftigen Hagelschlag fast die ganze Ernte ver- nichtet. Bald darauf wurde durch Wolkenbrüchc im östcrreicliisehen Küstenlande, welche z. B. in Görz eine Regenhöhe von 89 Millimetern lieferten, der grösste Tbeil von Gradiska und Cormons überschwemmt. In Deutsch- land, wo jetzt namentlich im Osten die Gewitter eine be- deutende Vermehrung erfuhren, suchten schwere Unwetter besonders Niederschlesien, das Gebiet des Isergebirges und dessen nördliche Vorberge heim, wobei in der Nacht vom 12. zum 13. zehn Ortschaften im Löwenberger Kreise durch zwei sehr starke Wolkenbrüche übcrscliwennnt und arg beschädigt wurden. Wie verbängnissvoll al>er auch solche elementaren Ereignisse für einzelne Gegenden wurden, so erwies sich doch im Allgemeinen das warme Wetter mit Sonnenschein, aber auch häufigen Nieder- schlägen als ausserordentlich fruchtbar, so dass schon um Mitte .Juni eine wesentliche Besserung der Ernteaus- sichten in Preussen durch die amtlichen Saatenstands- berichte festgestellt werden konnte. Nachdem die Depression sich am 13. Juni in das Innere Russlands entfernt hatte, wo sie ebenfalls sehr be- deutende und lange anhaltende Regenfälle namentlich in der Gegend von Charkow und Saratow verursachte, trafen im südlichen Skandinavien zwei barometrische Maxima zusannnen, von denen das eine vom weissen, das ainlere vom biscayischen Meere hergek(unmen war. Das ganze Hochdruckgebiet verschob sich darauf nach Süden; bald erschien ein neues Mininuim bei den britischen Inseln und jetzt wiederholten sich in rascher Folge alle Witte- rungsvorgänge von Anfang des Monats. Unter dem Zu- sammenwirken sehr trockener, lieisscr Ostwinde und einer durch AVolken während zweier bis dreier Tage fast gar nicht beeinträchtigten Sonnenstrahlung fand abernmls eine beträchtliche Steigerung der Temperaturen statt, welche zuerst in Süddeutschland am 15., im Nordwesten am 17. und im Nordosten am 18. ihren höchsten Stand erreichten. Am ärgsten wai die Hitze wiederum in Nordostdeutsch- land wo die mittlere jMorgcntempcratur sich bis 22, f)" erhob und als Temperaturmaximum am 17. zu Berlin und am 18. zu Königsberg 34" C. gemessen wurden. Seit dem 16. Nachmittags traten neuerdiegs im Süden einzelne Ge- witter auf, welche am folgenden Tage dort und im Nord- westen, zwei Tage später auch im Osten sehr verbreitet waren und zu einem durchgreifenden Witterungsumschlag die Einleitung bildeten. Dieser wurde durch ein neues Hochdruckgebiet be- wirkt, welches von Südwest her in Frankreich erschien und das Jlininnnn von Schottland langsam nach Osten ablenkte. In Dcutscidand gelangten demgcniäss seit dem 21. West- und später Nordwestwinde zur dauernden Herr- schaft, die eine ziemlieh beträchtliche AbkiUdung mit sich brachten. Dabei war in den meisten Gegenden das Wetter an den Vormittagen im allgemeinen heiter, während in Norddeutschland an jedem Nachmittag zahlreiche Ge- witterregen herniedergingen. So fanden z. B. in Berlin vom 21. bis 27. Juni ausser am 24. täglich fast genau zur selben Stunde, zwischen 12 und 2 Ulir Nachmittags, kräftige Regenschauer statt, auf deren Bildung eben die Sonnenstrahlung einen viel unmittelbareren Eintluss aus- zuüben scheint als auf die Entstehung der länger anhal- tenden, aber weniger dichten Niederschläge, die man als Landregen bezeichnet. Im Süden Deutschlands herrschte vom 22. bis 24. Juni völlige Trockenheit, dann aber folgten allgemeine und ausserordentlich schwere Gewitter, welche am 26. zu Karlsruhe 44, zu Bamberg 43 und so- gar im Durchschnitt aller süddeutschen Stationen 23,7 I XI. Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 339 Millimeter Kegcu lieferten. Als gegen Schluss des Monats ein neues Baronicterminimuni rasch in südöstlicher Rich- tung l)is Siidsehwcden vordrang, verstärkten sich die nord- westlichen Winde und ihre ahkühlende Wirkung zicniiich- licdeutend, so dass am letzten Junitage überall die niedrigsten Temperaturen gemessen wurden. Durch den küiden letzten Thcil des ^lonats wurde auch die Mitteltcmperatur des vergangenen Juni in ganz Deutschland beträchtlich herabgemindert, so dass dieselbe im Süden ihre nonn;ilc llölic nicht einmal voll erreichte und diese im Nordwesten nur um 0,6" ('. übertraf. In Xordcistdcntschland aber, wo die Hitze am Anfang und Jlittc Juni am stärksten gewesen war, bclief sich die mittlere Junitemperatur auf 17,5" C, 2,3 (4rad höher, als dem vieljährigen Durchschnitt entspricht. — Die sehr häutigen und oft sehr ergiebigen Niederschläge waren in Süddcutschland, wo sich iJuc mittlere lliihe zu 104,1 mm ergab, grösser als in den vorangegangenen 4 Junimonaten, während ihre Monatssummc sowohl in Nordwestdeutsch- iand, ()4,1 Millimeter, als auch östlich der Elbe, .'i7,7 Milli- meter betragend, seit 1891 im Juni dreimal noch über- troflfen wurde. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ki-iKuuit wurdon: Der l'rivatclocciit diT I!ot;inik an der tecliiiischi'ii Iloclisclnile zu Berlin - Cliarlottoiilnirü; Dr. Karl Müller zum ansseronlentlichen Professdr; der l'rivatdocent in der niediciniselien Fakultät zu Bonn Dr. ICarl Bohl and, Oberarzt an der dhosphorsäure-haltigen Mineralien, ihrer Lagerstätten und der daraus hergestellten landwirthschaftlich sowie technisch wichtigen Fabrikate enthält. Der vierte Theil endlich enthält eine Ueber- sicht und kurze Charakteristik der haui)tsächlichstcn Gesteins- und Bodenarten, im wesentlichen in der Anordnung nach Credner. In einem Anhange wird die Bodenanalyse kurz behandelt. Her- vorzuheben sind die ausführliehen Mittheilungen bezüglich des Gebrauches der Mineralien und Gesteine überall dort, wo das landwirthschaftliche Interesse einsetzt wie z. B. bei den Thon- Mergeln, Kalksteinen, Guanos, Phosphoriten, Chilisalpeter etc. Ferner sind als wichtige Zugabe hei der Beschreibung der Mine- ralien die Angaben über das Vorkounnen derselben in den Gesteins- arten, über die begleitenden Minnr.ilien und die Verwitterungs- weise zu bezeichnen. Im iietrographischen Theile sind die aus- führlichen Uebersichten der verschii'deneu Sandarten, der als Erde bezeichneten Gebilde und der hauptsächlichsten Ackererden hervorzuheben. Der Werth des Buches würde sich erheblich steigern, wenn die Namen der betreffenden Forscher in grösserem Umfange als geschehen, vermerkt wären. Die anfänglich fehlende Uebersicht über die benutzte Litteratur ist mittlerweile nachträg- lich erschienen. Udo Dammer. F. Gomes Teixeira, Curso de Analyse Infinitesimal. Calculo Differential. .'Ja. l''.dicrio. Porto. Tvpographia Occidental. 18',)G. Die zweite Auflage des vorliegenden Baude-s h.iben wir in Bd. VI, S. 31— 3'2 dieser Wocheuscln-ift angezeigt, und wir haben damals der mannigfachen Vorzüge gedacht, welche dieses Werk vor vielen anderen der zahlreichen Lehrbücher der Differential- und Integralrechnung auszi'iclnien. Ks ist besonder.-; die Ver- werthung der fiinctionenthcoretischen Gesiclitspunkte für die Be- handlung der Infinitesinuilrechnung von uns und auch von anderer Seite als besonders lobens- und anerkenni'uswerth bezeichnet worden. Jeder, der heutzutage ein Lelu'buch über die Differential- und Integralrechnung bearbeiten will, ist unbedingt gezw-ungen, das vorliegende Werk dabei zu berücksiiditigen. Ausser der uneingeschränkten Anerkennung seitens der Fach- genossen beweist der thatsächliche Erfolg den Werth des Werkes; es hat innerhalb eines Zeitraumes von sieben Jahren schon drei Auflagen erlebt: für ein Land wie Portugal sicher ein durch- schlagender Erfolg! *'• Haläcsy, Dr. 'Eng. v,, Flora von Niederösterreich. Leipzig. — 7 .M. IiOmmel, Prof. Dr. E. v., Lelulnich der Experimentalphysik. 3. Aufl. Leipzig. — 7.20 M. Lüpke, Realgymn- Oberlehr. Doc. Dr. Rob. , Grundziige der Elektrochemie auf exiierimenteller Basis. 2. Aufl. Berlin. — 4,40 M. Russ, Dr. Karl, Die Ainazonenpapageien. Ihre Naturgeschichte, Pflege und Abrichtung. Magdtdnirg. — 2.60 M. Warming, Prof. Dir. Dr. Eugenius, Lehrbuch der ökologischen Pflanzengeographie. Berlin. — 8 M. Briefkasten. Herrn Conrad Mix- Berlin. — Bitte um Angabe Ihrer Adresse. Herrn Dr. Berthold Weiss. — Die von Ihnen ausgesjjrochene Vermuthung, dass die Konu'ten als Uebergang zwischen Xebel- stadium und Systemstadium betrachtet werden könnten, ist nicht haltbar. Beweis dafür ist in erster Linie die aussercn-dentlich geringe Masse der Kometen, welche schon einem der grösseren Planeten gegenüber von unendlich kleiner Grössenorilnung ist, um wieviel mehr also der ganzen Masse des Sonnensystems gegen- über bezw. des Urweltnebels, aus welchem jenes hervorging. Die Erscheinung der Kometen ist ja zwar noch in vieler Be- ziehung räthselhaft und unerklärt, aber soviel lässt sich doch mit ziemlicher Bestimmtheit behaupten, dass sie nicht Uebergangs- formen sind „gleich den Uebergangsthieren, die im Laufe der Zeit immer mehr verschwinden", sondern aller Wahrscheinlichkeit nach Zortrümmerungsproducte, vielleicht von fernen Himmcls- körperri und Systemen, die mit unserem Sonnensystem in keiner Beziehung stehen. Möglich auch ist es, dass sie dereinst winzig kleine Asteroiden waren, welche durch die Anziehitng der grossen benachbarten Planeten in ihre seltsamen Bahnen geworfen wurden, doch würde auch diese Ainudiino schon mancherlei Si liwierigkeiteu bieten. "• Inhalt: E. Fürst, Javas wirbellose Thiere. — Welchen Einfluss üben Tem]H'ratursehwankung.'n auf die normale Athnuing der Pflanzen ans? — Wetter-Monatsübersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: I)r. H. Grüner, Grundriss der Gesteins- und Bodenkunde. — F. Gomes Teixeira, Curso de Analyse Inlinitesimal. — Liste. — Briefkasten. 340 Nal lirwissenschaftliche Wocheuschrift. XI. Nr. 28. R. Fuess , Mechanisch -optische Werkstätten, Steglitz bei Berlin, enipliflilt lue in iiL-benstelieinler Figur altEfbiUlete uiul patentrechtlich geschützte einfa<'lie plioto- u:i'a|tlii>i«*lit' l'aiiicra zum Aufsetzen auf den Tubus jeden beliebigen Mikroskopes. Die Lanicra wird l'ür l'lattei:fi»rin;it<' von 7x7 cm bis zu ■.1x12 cm t^eliefert. — Gewicht der Camera (für 7x7] mit ge- lullter Doppelcassette ca. 160 Gramm. — liesclirei billig und ausführliche Preisliste. al.Gr auch über die crfürderliehen photOfiraphischen IJteusiHen. gratis uml franco. 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Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme BriuKeKeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4827. -"■ bei allen Annoncenbuxeaux wie bei der Expedition. Abdrnck \»t nur mit vollständiger l^nellenansabe sestattet. Die Entwickelung der experimentellen Psychologie. Von Dr. L. William Stern.*) Wenn wir in dieser, der Naturwissenschaft gewidmeten Zeitschrift heute die „Scelenkunde", also ein scheinbar von ihren Bestrebungen weit abliegendes Wissenschafts- gebiet, zum C4egenstand unserer Betrachtuug machen, so bedürfte dies vielleicht einer ausführlicheren Recht- fertigung — wenn dieselbe nicht schon in dem anderen Theile unseres Titels, in dem AVorte „experimentell", ent- halten wäre. In der That, der Zweig der Psychologie, den wir hier besprechen wollen, steht in engster Be- ziehung zur Naturwissenschaft; er hat nicht nur deren wichtigstes Hilfsmittel, das Experiment, mit überraschendem Erfolge angewandt, er hat auch durch Verwendung der Messung und Zählung sich deren Exactheit zu eigen ge- macht, und er hat sich ihr genähert, indem er das Grenz- gebiet zwischen äusserer Natur und Seele, die Beziehung zwischen Physischem und Psychischem zu einem Haupt- gegenstand seiner Forschung machte. Versuchen wir auf die Entstehungsgründe dieses neuen Wissenschaftsgebietes einen BHck zu werfen. Die Seelenforschung, welche in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts noch durchaus ungetrennt von der Philosophie war, besass auch all' deren damalige Fehler im reichlichsten Maasse. Jene Abkehr von der Wirklich- keit, jene Verachtung der sinnlichen Erfahrung, jene Vorliebe für begrift'liche Constructionen, wie wir sie zum Theil in der Hegel'sehen Philosophie verkörpert finden, trugen dazu bei, aus der l'sychologie eine unfruchtbare Wort- und Begritfsspielerei zu machen, durch welche die *) Obwohl wir nicht den „naiv-kritischen" Standpunkt des Verfassers theilen, vielmehr auf dem „empirio-kritischen" von Richard Avenarius stehen, wie es ja schon wiederholt in län<,'eren Artikeln dieser Zeitschrift zum Ausdruck gekommen ist, hatten wir uns doch zum Abdruck des Aufsatzes untschlüsseii, um dem Leser ein knappes Bild von den Bestrebungen der experimentellen Psychologie zu geben. Red. (Pz.) wirklichen Elemente und Gesetze des Seelenlebens durchaus nicht erkannt wurden. Dieser Zustand besserte sich etwas, als J. Fr. Herbart auftrat, der die ersten (i rund- steine zu einer wirklich wissenschaftlichen Seelenkunde legte, indem er gegen die „Seelenvermögen" der alten Lehre den Vernichtungskampf führte und die Selbst- beobachtung zu einer recht brauchbaren p.sychologischen Methode ausgestaltete. Allein auch Herbarts Lehre ist durchsetzt von luftigen Speculationcn, von metaphysischen Hypothesen, die ihr leider nicht zum Vortheil gereichen. Inzwischen war aber eine gewaltige Reaction gegen die ganze damalige, einseitig geisteswissenschaftliche*) Richtung, die in Ilcgel kulminirt hatte, zum Ausbruch gekommen, und wie jede Reaction, ging auch diese nach der entgegengesetzten Seite zu weit. Von der sehr richtigen Auffassung ausgehend, dass die physischen Eigenschaften der Dinge, dass die Natur und ihre Ge- setze sträflich vernachlässigt worden seien, verstieg man sich zu der Behauptung, die Natur sei überhaupt das Einzige, was der Erforschung werth und ihr auch zu- gänglich wäre, alles Geistige sei nichts weiter als ein Erzeugniss oder eine Function des körperliehen (le- schehens. Diese Anschauung, die in den Materialisten Carl Vogt, Büchner und Moleschott ihre Hauptvertreter fand, war im Stande, einige Jahre lang sich thatsächlieh zur herrschenden zu machen, freilich unter wüthenden Gegenanstrengungen der andern Richtung; erst allmählich glätteten sich die Wellen des in den Annalen der Philo- sophie fast beispiellos heftigen Kampfes, und besonnenere *) Unter „Geisteswissenscliaft" im Gegensatz zu „Natur- wissenschaft" \ersteht man alle jene Wissensgebiete, welche sich mit dem menscldiihen CSiist, seinen Gesetzen und seinen Er- zeugnissen beschäftigen, also Psychologie untl Logik, Ethik u.id Aesthetik, Geschichte, Philologie, Sprachwissenscliaft, Juris- prudenz u. s. w. 342 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 29. Beziehungen Erwägungen begannen wieder Platz zu greifen. Natur- wissenschaftler und Geisteswissenschaftler kamen ein- ander näher; sie entdeckten vielfache Berührungspunkte zwischen ihren Wissenschaftsgebieten. Die Einseitigkeit materialistischer Natnrbetrachtung wurde vermieden, aber die unermessliche Bedeutung naturwissenschaftlicher An- schauungsweise anerkannt; die Thatsachen des Geistes wurden nicht zu einfachen Erscheinungen an den physi sehen Gegenständen degradirt, aber die zwischen diesen und jenen in ihrer Wichtigkeit würdigt. Freilich ging auf geisteswissenschaftlicher Seite die Annäherung nur langsam vorwärts; es währte geraume Zeit, ehe man es lernte, den Boden der Wirklichkeit unter den Füssen zu behalten, die Verachtung der „Er- fahrung" abzulegen und naturwissenschaftliche Methodik und Exactheit sich anzueignen. Viel schneller erfolgte der Umschwung bei den Naturwissenschaftlern, namentlich durch Vermittelung der gleich zu besprechenden Physio- logie, und so kam es, dass die eigentliche Besiegeluug des Ausgleichs, die Begründung eines Zwischen- gebiets zwischen Physis und Psyche von natur- wissenschaftlicher Seite ausging. Die Entwickelung dieses Gebietes hat drei Stadien durchgemacht, die noch heute als gleichbereehtigte Zweige neben einander bestehen, und die man mit den Namen des physiologischen, psychophysischen und psychologischen Stadiums bezeichnen kann. Die Physiologie, jene Naturwissenschaft, welche sieh mit den Functionen des organischen Körpers, ins- besondere des menschlichen befasst, hatte zu jener Zeit einen bedeutenden Aufschwung genommen und kam bald zu der Einsicht, wie eng körperliche und seelische Vor- gänge mit einander verknüpft seien, wie sehr sie in einem Verhältniss gegenseitiger Abhängigkeit ständen. Namentlich war es die Physiologie der Sinnesorgane, welche auf die ungeheure Bedeutung des psychischen Elements aufmerksam wurde. Sind doch die Sinne gleichsam die Eingangsthüren, durch welche die Ein- drücke der Aussenwelt in die Seele gelangen und linden doch hier stets zugleich körperliche, also physiologische, und seelische Processe statt, die, so verschieden sie auch sind, in innigstem Zusammenhang mit einander stehen. Wie kann z. B. der Physiologe die körperlichen Vor- gänge, welche im Ohr vor sich gehen, in ihre feinsten Details verfolgen, ohne genau jene psychischen Eindrücke zu berücksichtigen, die in uns innerlich als „Hören" wahrgenommen werden! Wie könnte er etwa erweisen, welche complicirten Nervenprocesse im Ohrlabyrinth er- regt werden beim Hören einer wohlklingenden Consonanz, ohne zu wissen, was wir seelisch als „Consonanz" ver- stehen und welche Empfindungen sie iu uns auslöst! Wäre es möglich, eine Theorie über die physiologischen Functionen der Netzhaut beim Einwirken von ver- schiedenfarbigem Licht aufzustellen, ohne jene mannig- fachen inneren Wahrnehmungen studirt zu haben, die wir Farben, Farbencontrast, Nachbilder, Farbenmischung u. s. w. bezeichnen? So hat denn die Sinnesphysiologie ihre Beziehung zur Seelenkunde erkannt und gepÜegt und steht noch heut in engstem Connex mit ihr, zu ihrem eigenen Vortheil und zum Vortheil der Psychologie, die wiederum aus den Ergebnissen jener eine Fülle neuer und überraschender Schlüsse für ihre eigenen Probleme ziehen konnte. Viele Namen von Physiologen könnte man hier aufzählen; wir wollen nur Joh. Müller, E. H. Weber, Brücke und vor Allem H. Helmholtz nennen, der ein Reformator, ja zum Theil der Begründer der moderneu Sinnespliysiologic heis.seu darf. Seine „Physiologische Optik" ( ISfiG — ßti) und seine „Lehre von den Tonempfindungen" (1862) sind nicht nur fundamentale Schöpfungen für den Physiologen, sondern dürfen auch von keinem Seelenforscher, der das Gebiet der Gesichts- und Gehörswahrnehmung durch- arbeitet, ungestraft vernachlässigt werden. Greifen doch die Ausführungen des genialen Forschers auf jeder Seite tief auf das psychische Gebiet hinüber; so sucht er einer- seits die Wahrnehmung von Helligkeiten uud Farben, die Raumvorstellung, die Tiefenauffassung, andererseits das Wesen der Consonanz, der Harmonie, der Klangfarbe, der Melodie, lauter seelische Thatsachen, zu erkennen und zu ergründen. Aber wenn auch so die Physiologie oft das Psy- chische streift, so handelt es sich eben doch nur um ge- legentliche Streifzüge; der psychologische Standpunkt wird nur vorübergehend eingenommen als Mittel zum Zweck der besseren Erforschung von körperlichen ^'or- gängen, mit denen es die Physiologie allein zu thun hat. Während also hier noch durchaus die physische Seite vorwaltet, ist die zweite Erscheinungsform jener wissen- schaftlichen Bewegung diejenige, in welcher das Phy- sische und das Psychische als gleichberechtigte Factoren in Betracht gezogen werden. Nicht mehr gilt es nur, dass eine als Hilfsmittel zm- Untersuchung des anderen heranzuziehen, sondern es handelt sich darum, die Beziehungen selbst, die zwischen jenen l>eiden Elementen obwalten, kennen zu lernen. Diese Wissenschaft heisst Psychophysik; der Vater der Namens, wie auch der Sache ist der Leipziger Phy- siker, Philosoph und Humorist*) Gustav Theodor Fe ebner, der auf Grund dieser Thatsache im wissen- schaftlichen Leiten unseres Jahrhunderts eine der hervor- ragendsten Stellen einnimmt. Im Jahre 1860, mit dem Erscheinen der „Elemente der Psychophysik" erblickte jene Wissenschaft das Licht der Welt und hat sich seit- dem, in Gemeinschaft mit ihrer jüngeren Schwester, der experimentellen Psychologie, einen Achtung gebietenden Platz in der modernen Culturentwickelung erobert. Versuchen wir uns kurz die Probleme, welche Fechner aufstellte, zu veranschaulichen. — Die Punkte, an welchen Physis und Psyche in Wechselwirkung mit einander treten, sind höchst zahlreich (man denke z. B. nur an das Gehirn als Centralstelle des Seelenlebens, an die Bewegungen der Sprachorgane, der Augen, der Mienen, der Hände als Aeusserungen unserer Gedanken und Gefühle) und eine vollständige Psychophysik hätte sie alle zu behandeln; der Punkt aber, an welchem die Beziehung am unmittel- barsten zu Tage tritt und sich der Erforschung am leich- testen zugänglich zeigt, ist die Sinnesempfindung, und ihr wandte Fechner seine Aufmerksamkeit vor allem zu. Die physikalischen \'orgänge, welche von aussen her auf unsere Sinnesorgane einwirken, also die Aether- schwingungen des Lichtes, die Luftwellen des Schalles u. s. w. bezeichnen wir als Reize, die in unserer Seele dadurch erzeugten Eindrücke, also die gesehenen Farben, den gehörten Ton, als Empfindungen. Dass nun die Reize und Empfindungen sich in gewissen Verhältnissen zu einander befinden, i.st ohne weiteres klar; worin aber dies Verhältniss bestehe, welche Gesetzmässigkeit dabei obwalte, das ist nicht von vorn herein bekannt. Wir wissen, dass, wenn der Reiz stärker wird, auch die Empfindung im allgemeinen zunimmt — aber in welchem Maasse nimmt sie zu ? Verdoppelt sich z. B. die Em- pfindung, wenn der Reiz sich verdoppelt? Oder walten hier ganz andere Gesetze ob? Ferner, wenn etwa zwei Helligkeiten von 10 und 1 1 Normalkerzen grade eben ') Als solcher schrieb er unter dem Pseudonym Dr. Mises: Fi'chner ist 1887 gestorben. XI. Nr. 29. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 343 als verschieden empfunden werden, wird man dann auch den Heliigkeitsunterschied von 20 bis 21 Kerzen eben noch wahrnehmen? Oder wird hier vielleicht eine grössere Dift'erenz nüthig sein, damit man sie als ver- schieden erkenne? Ferner, wenn wir drei Helligkeiten von 10, 15 und 20 Kerzen Stärke haben, seheinen dann auch die durch sie hervorgerufenen Empfindungen sich um gleiche Grossen von einander zu unterscheiden? Man sieht, welche Fülle von Fragen (die man natür- lich auf sämmtliche Sinnesgebiete anwenden kann) sich aufdrängt, sowie man die Beziehung zwischen Körper- lichem und Seelischem, zwischen Reiz und Empfindung zum Gegenstand der Forschung machen will. Feehuer wagte sich nun kühn an die Beantwortung dieser Fragen heran, wohl sich bewusst der ungeheuren Schwierigkeiten, die er zu überwinden hatte. Denn nicht nur das AVie ihrer Beantwortung, sondern auch das Ob ihrer Beantwortbarkeit musste erst nachgewiesen werden. Um die Gesetzmässig- keit jener Beziehungen festzustellen, musste man die beiden Factoren, Reize und PLmpfinduugcn messen können; nun, dicMessbarkeit der Reize war nicht zweifelhaft; denn Hellig- keiten, Tonhöhen und Tonstärken, Raumstrecken (für Augenniaass versuche), Tastsinnes) sind sehr Werth zu bestinuncn. Empfindungen etwas Gewichte (zur genau in Dagegen Untersuchung des ihrem zahlenniässigen war die Messung von ;änzlich Unerhörtes. Wahnwitzig schien es, an die Regungen unseres Innern die Elle an- legen zu wollen, unmöglich, diese fortwährend wechselnden stets im Fluss befindlichen Erscheinungen des Seelen- lebens in starre Zahlen zu fassen. Klingt es nicht ab- surd, so könnte man fragen, dass eine Empfindung das Vier- oder Sechsfache einer anderen betragen soll? Und auf diesem l'rincip bcrulie doch alles Messen! — Fechner wusste wohl, dass hier der Angelpunkt seiner ganzen liege, dass die Frage: „Sind Empfindungen seiner Frage Schöpfung messbar oder nicht?" die Existenzfrage Wissenschaft bedeute. Und er bewies, dass die zu bejahen sei. Freilich, dass eine Empfindung in einer anderen mehrfacli enthalten sei, etwa wie das Centimeter im Meter, das zu behaupten ist ein Unding; aber nicht die Vervielfältigung, sondern die Gleichsetzung ist das eigentliche Princip der Messung und dies können wir anwenden. Wir vermögen z. B. stets zu sagen, ob zwei Hel- ligkeiten zwei Gewichte etc. ist dei'jenige, hört. Wenn Händen halte (die in Wirklichkeit nicht gleich zu sein brauchen) uns gleicii hell, gleich schwer erscheinen oder nicht. Wenn wir nun untersuchen, welche wirklichen (objectiven) Verschiedenheiten der Reize wir noch nicht als verschieden empfinden, gewinnen wir eine directe Maassbeziehuug zwischen Reiz und Empfin- dung. Doch ein noch bequemerer Punkt zur Messung wo die scheinbare Gleichheit eben auf- ich zwei gleich schwere Gewichte in den und ich das eine allmählich immer mehr belaste, so konnnt ein ganz genau zu bestimmender Augenblick, in dem die Verschiedenheit eben empfunden wird. Betragen in diesem Moment die zwei Gewichte einmal 1000 und 1004 gr., ein anderes Mal 3000 und 3012, so kann ich sagen: Ein eben merklicher Empfin- dungsunterschied entsteht dann, wenn die Reize ein haben (denn 1000 : 1004 = ich eine gesetzmässige Be- stimmung zwischen Empfindung und Reiz ausgesprochen. Durch diese und älinlielie Argumentationen tliat Fechner unwiderleglich die Messbarkeit der Empfindungen dar; gleichzeitig gab er seinen Ausführungen eine breite theoretisch-mathematische Grundlage und arbeitete ver- schiedene Methoden aus, durch welche die obigen Maass- principien Anwendung finden konnten. Dass diese Me- thoden auch praktisch verwerthhar seien, bewies er bestimmtes Verhältniss 3000:3012); hiermit habe ebenfalls, indem er selbst fast auf allen Sinnesgebieten die umfassendsten Experimentaluntcrsuchungen anstellte, um die Gesetzmässigkeit zwischen Reiz und Empfindung aufzudecken. Er fand auch bei seinen sämmtlichen Experimenten ein Gesetz verwirklicht, das er das „Weber'schc" nannte, das wir aber jetzt mit Recht als das „Weber-Fechner'sche" bezeichnen. Dies Gesetz stellte er selbst als das Grund- gesetz alles Geschehens auf dem Grenzgebiet von Leib und Seele hin; wir vermögen ihm zwar diese fundamentale Bedeutung nicht mehr beizumessen, dennoch gilt es auch jetzt noch als eines der umfassendsten Gesetze, das unsere Wissenschaft kennt. (Das obige Beispiel von den eben merklichen Gewichtsunterschieden stellt einen speciellen Fall des Fechner"schen Gesetzes dar; dasselbe lässt sich ganz allgemein so formuliren: Die Empfindung wächst proportional dem Logarithmus des Reizes.) Das Fechner'sche Werk entfesselte wieder einen wissenschaftlichen Sturm, der freilich an Heftigkeit und Gehässigkeit nicht an den Matcrialismusstreit heranreichte, dafür aber an positiver Ausbeute viel ergiebiger war. Fechner und seine Jünger, die bald eine stattliche Schaar bildetLU, widerlegten die Gegner auf die edelste Art: durch Thaten. Die Angriffe, die lange Zeit gegen die Möglichkeit einer psychischen Messung geschleudert wurden, sie mussten endlich verstummen, denn die Wirk- licldvcit führte sie ad absurdum. Die experimentelle Untersuchung und Messung der Empfindungen erwies sich nicht nur als möglich, sondern auch als über Er- warten fruchtbar und erfolgreich. Die Methoden wurden verfeinert, neue ausgebildet und bald auch auf neue Ge- biete angewandt. Allmählich stellte es sich heraus, dass nicht nur die Beziehungen zwischen dem Physischen und Psychischen dadurch erschlossen wurden, sondern dass die erzielten Resultate auch die überraschendsten Schlag- lichter warfen auf bisher unerforschte Gebiete seelischen Geschehens. Die Folge war, dass man nach und nach das Schwergewicht derartiger Experimentalarbeitcn immer mehr auf die Erforschung der psychischen Factoren ver- legte, und so entwickelte sich denn aus der Psycho- physik die eigentliche experimentelle Psycholgie. Hiermit treten wir in das dritte Entwickelungsstadium unseres Wissenschaftsgebietes ein. Die Möglichkeit, seelische Vorgänge experimentell zu behandeln, war dar- gethau ; es galt nun, dies Princip von den immerhin spe- ciellen Fällen aus, die Fechner im Auge hatte, zu ver- allgemeinern. Und so geschah es bald. Zunächst wurde das ICmpfin dungsieben des Menschen nach allen Seiten hin durchforscht. Nicht nur die Stärkeverhältnisse der Empfindungen (mit denen sich F. fast allein beschäftigt hatte), sondern auch ihre vielgestaltigen qualitativen Ver- schiedenheiten, ihre räumlichen Beziehungen, ihre zeitliche Aufeinderfolge zog man jetzt in den Rahmen der Betrach- tung. Die sinnliche Wahrnehmung, auf welche die Psycho- logen] so lange mit verächtlichem Achselzucken, als auf die „niederste" Seelenthätigkeit, herabgeblickt iiatten, sie wurde erst in Folge der experimentellen Behandlung in gebührender Weise gewürdigt und ihr Antheil am ganzen Geistesleben, am Zustandekommen selbst der höchsten und edelsten Seelenprocesse erkannt. Allein man blieb nicht bei den Empfindungen stehen. Waren sie auch dem Ex- periment am leichtesten zugänglich, so waren doch andere l)sychische Vorgänge von jenem nicht ausgeschlossen. Durch scharfsinnige Methoden, durch Constructiou ganz neuer Apjiarate gelangte mau dazu, die Zeit, deren ver- schiedene Scelenthätigkeiten zu ihrem Vollzuge bedürfen, zu messen; ja auch der Verlauf und die A'erbinduug unserer Vorstellungen, die Art, wie das Gedächt- niss arbeitet, der Einfiuss der Aufmerksamkeit, die 344 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 29. Gefühlsbetonung gewisser psychischer Processe, die geistige Ermüdung, all diese und noch viele andere Phänomene des Seelenlebens waren Probleme, die der Experiraentalpsychologe zu lösen unternahm und zum grossen Theil auch löste. Der Mann nun, der avn meisten dazu beigetragen hat, die experimentelle Seclenkundc zu einem solchen Aufschwung zu bringen und ihren Wirkungskreis in dem geschilderten Maasse zu erweitern, war ebenfalls ein Leipziger Gelehrter, der noch lientc im Kreise seiner Schüler an dem Ausbau derselben arbeitet: Wilhelm Wundt. Ursprünglich Physiologe von Fach und auch als solcher schon von Bedeutung, ging er dann gänzlich zur Philosophie über und wurde durch zwei Thaten zum eigentlichen Begründer der experimentellen Psycho- logie in der Gestalt, die sie in den Hauptzügen noch heute zeigt: die erste war die Begründung des ersten psychologischen Laboratoriums, die andere die Schöpfung seines Werkes: „Grundzüge der physiologischen Psycho- logie", dessen erste Auflage 1873/74 erschien und das heute in der vierten vorliegt. Er erkannte, dass jene Wissen- schaft erst dann die Selbständigkeit, deren sie bedarf, erringen kann, wenn sie nicht als Anhängsel in physi- kalischen und physiologischen Arbeitsstätten l)ehandelt würde, sondern ihr eigenes Laboratorium, besonders ge- schulte Kräfte und ihre eigenen Apparate besässe. Und so schuf er denn in Leipzig ein solches Institut, das, aus kleinen Anfängen hervorgehend, sich schnell entwickelte und gegenwärtig das grösste existirende ist, welchem zahlreiche jüngere Psychologen ihre Ausbildung verdanken. Die daselbst zum kleineren Theil von Wundt selbst, zum grösseren Theil von seinen Schülern ausgeführten Arbeiten erstreckten sich auf alle Gebiete der experimentellen Psychologie, und die gefundenen Ergebnisse bildeten dann die Grundlage für das umfassende Lehrgebäude, das Wundt in seinen „Grundzügen" aufbaute. In diesem Werke zeigt er, wie fast alle Seiten des seelischen Lebens sich unter den Gesichtspunkt exact experimenteller Behandlung bringen lassen; hier weist er nach, dass und wieviel die Psycho- logie durch scharfsinnige Verwerthung physiologischer Thatsachen gefördert werden könne; er liefert in diesem Buch die erste Eneyclopädie der neuen Wissenschaft. Allmählich gewann dieselbe immer mehr Anhänger; und auch ausserhalb der Wundt'schcn Schule erstanden ihr tüchtige Mitarbeiter, die selbständige Richtungen ver- traten. Neue Institute wurden gegründet und hoffentlich ist die Zeit nicht mehr all zu fern, wo für jede deutsche Universität der Besitz eines psychologischen Laboratoriums ebenso selbstverständlich ist, wie heute der eines physio- logischen Instituts. Gegenwärtig zählt Deutschland ausser dem Leipziger noch fünf Laboratorien: in Berlin ein in schnellem Aufblühen begriffenes unter Leitung des Ton- psyclioldgen Prof, Stumpf, in Breslau (Prof. Ebbinghaus), in'Göftingen (Prof. G. E. Müller), in Bonn (Prof. Martins) und in Freiburg (Prof. Münsterberg). Sonst hat Europa nur noch ein grösseres derartiges Institut in Paris; da- gegen sind in Amerika die psychologischen Laboratorien wie Pilze aus der Erde geschossen; dort wird mit geradezu fieberliaffcm Eifer gearbeitet, zuweilen freilich auf Kosten der Gründlichkeit und Gediegenheit. — Endlich sei erwähnt, dass gegenwärtig in Deutschland zwei Zeitschriften er- scheinen, die sich die Pflege und den Ausbau der ex- perimentellen Psychologie zur Aufgabe machen: die von Ebbinghaus und König herausgegebene „Zeitscjirift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane" und die von Wundt redigirten „Philosophischen Studien." Um Verwirrungen und Verwechselungen zu vermeiden, möchte ich noch bemerken, dass der Name „experimentelle Psychologie" auch noch von zwei anderen Seiten in An- spruch genommen wird. Hiervon hat die eine absolut nichts mit unserem oben geschilderten Forschungsgebiet zu fhun, ist überhaupt nicht ein Feld der Wissenschaft, sondern des Aberglaubens; ich meine den Spiritismus. Die hier angestellten „Experimente" bestehen in den bekannten Geistercitationen, im Tanzenlassen von Tischen u. s. w.; die Anmaassung des Namens „Psychologie" stammt daher, dass man derartige Kunststücke auf „seelische" Kräfte, auf „geistige Gewalten" zurückführen will. Uebrigens sprechen die Spiritisten statt von einer „psychologischen" lieber von einer „psychischen Wissenschaft". Die andere Richtung dagegen, die sich leider nur all zu oft mit der eben genannten verquickt hat, ist den- noch in ihrem Kern durchaus wissenschaftlich und inso- fern als Tlieilgebiet der experimentellen Psychologie an- zuerkennen. Es ist das Gebiet des Hypnotisnius. In der Hypnose ist in der That ein experimentell herbeizu- fahrender und auszunutzender Geisteszustand gegeben, der uns über manche Probleme der Psyche Aufschluss zu geben vermag. Indessen ist die Hypnose noch selbst viel zu sehr Problem, um als das Universalmittel zur Auf- deckung aller Seelengeheimnisse gelten zu können; daher muss vor der einseitigen Ueberschätzung dieser Erschei- nung gewarnt werden. In neuester Zeit hat das Arbeitsgebiet der Experi- mental-Psychologie wiederum einige Erweiterungen er- fahren, die mit Freuden zu begrüssen sind, und, wenn uns nicht alles täuscht, für die Entwicklung unserer Wissenschaft in nicht all zu ferner Zukunft recht folgen- reich werden können. Dem kundigen Blicke begegnen die ersten Anfänge einer, bisher gänzlich fehlenden. Differential -Psychologie, d. h. einer Seelenkunde welche sich nicht die allgemeinen Gesetzmässigkeiten des Seelenlebens, sondern gerade die individuellen Differenzen zum Forschungsproblem erhebt; hier wird, im Gegensatz zu den roh-laienhaften Verfahren, wie es etwa die Grapho- logie ausübt, das Experiment viel tiefer die Eigenheiten der persönlichen Individualitäten zu enthüllen im Stande sein. Und wir finden ferner vielversprechende Anfänge einer angewandten Form unseres Forschungsgebietes; die Aesthetik der Töne, Farben und Gestalten, die Paedagogik, die Psychiatrie beginnt die bisherigen Resultate und Verfahrungsweisen der experimentellen Psychologie für sich zu verwerthen und neue, ihren spe- ciellen Zwecken angepasste Methoden zu ersinnen. Die Seelenwissenschaft steht am Vorabend eines be- deutsamen Ereignisses: im Anfang des August findet in Jlünchen der 111. internationale Psychologen-Congress statt, der erste in Deutschland. Auf ihm wird die Expcrimental- Psychologie eine hervorragende Stellung einnehmen; zahl- reiche Vorträge, die von den namhaftesten Vertretern des Faches angekündigt sind, sowie eine Sammlung psycho- logischer Apparate wird gestatten, von dem gegenwärtigen Staude der oben geschilderten AVissenschaft, sich ein ab- gerundetes und annähernd vollständiges Bild zu entwerfen. Die Capacität des Schädels von rithecaiithropus erectus. — In einer kürzlich erschienenen .\bhandlung hat Eng. Dubois nochmals die von ihm auf .Java ge- sammelten Fossilresfe des Pithecanthropus erectus be- sprochen und seine früher schon mehrfach dargelegte Ansicht über dieselben noch genauer begründet.*) Be- *) Eng. Dubois, Pitfiecanthropus erectus, eine Stammform des Mensclien. Mit 9 Figuren. Abdruclc aus dem „Anatom. An- zf'igfr", Bd. XII, 189G, No. 1. Auf S. 16 hat Dubois auch eine Reconstruotion des ganzen Schädels abbilden lassen. XI. Nr. 29. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 345 sonders interessant erscheint der Umstand, dass Dubois inzwischen die felsenharte fiesteinsmasse, welche früher die Schädelkapsel (genauer ; die Calvaria) erfüllte, fast völlig herausgenieisselt hat. Hierdurch wurde er in den Stand gesetzt, die Cai)acität des Schädels genauer, als es ihm früher möglich war, zu messen bezw. zu berechnen. Früher hatte Dubois die Capacität des Pithecanthropus-Schädels auf ca. 1000 Cubikcentimeter ge- schätzt; jetzt ist er zu dem Resultate gekommen, dass dieselbe nur 900 ccm oder ein Wenig mehr betragen habe. Bei seinen früheren Berechnungen hatte Dubois die durchschnittliche Dicke des Schädclknochens zu gering angenommen; sie beträgt thatsächlich ca. B mm. Auch nach dieser Berechnung, welche der Wahrheit jedenfalls sehr nahe kommt, steht die Schädel-Capacität des Pithccanthropus bedeutend über derjenigen der grössten anthropomorphen Atfen der Jetztzeit. „Die grössten Schädel von Menschenaffen", sagt Dubois, „haben durchschnittlich keine grössere Capacität als etwa bOO ccm, und nur höchst selten hat man solche, die 600 ccm erreichen, gemessen." William Turner erwähnt, dass er 3 Schädel von er- wachsenen weiblichen Individuen der australischen Ein- geborenen untersucht habe, welche nur eine Capacität von 930, 94G und 998 ccm aufwiesen. Unter den Schädeln der Eingeborenen der Andanianen, unter den Veddahs etc. fand er 17 Exemplare, welche nur eine Capacität von 1000 bis 1092 cm hatten.*) Sogar in Deutschland konnnen hie und da Menschenschädel von auffallend geringer Capacität vor. So z. B. ist vor Kurzem in Buekau bei Magdeburg ein Menschensehädel ausgegraben worden, welcher, obgleich erwachsen, eine sehr geringe Capacität zeigt. Ich erhielt denselben durch meinen Bruder Hermann Nehring und konnte seine Ca- pacität auf 1090 ccm feststellen.**) Dubois kommt im Verlaufe seiner Darlegungen zu dem Resultate, dass auch nach den wiederholten Unter- suchungen, welche er selbst und andere Forscher den Pithecanthropus-Resten gewidmet haben, die von vorn herein durcii ihn vertretene Ansieht, es handle sich um eine „menschenähnliche Uebergangsform", die grösste Wahrscheinlichkeit für sich habe. Ja, er spricht seine Ueberzeugung, dass Pithccanthropus erectus „der unmittel- bare Erzeuger des Menschen" sei, jetzt noch schärfer aus, als früher. , Wie ich selbst über die Pithecanthropus-Frage denke, habe ich in dieser Zeitschrift, 189.Ö, Bd. X, Nr. 46, S. 549 ff. und in den Verhandlungen der Berl. Anthropol. Gesellschaft, 1895, S. 714-721, 738-740 dargelegt. Ich stehe in der Hauptsache auf Dubois' Standpunkte, d. h. ich sehe in dem Pithccanthropus erectus eine „menschenähnliche Uebergangsform"; ob derselbe gerade- zu als der unmittelbare Erze'uger des Menschen" zu be- trachten sei, lasse ich vorläufig dahin gestellt sein. Der Anblick der Fossiireste selbst***), welche Dubois bekanntlich hier in Berlin am 14. December v. J. der Anthropologischen Gesellschaft vorlegte, hat mich in meiner Anschauung nur bestärkt. Ueberhaupt hat die Zahl der- jenigen, welche in dem Pithccanthropus von Java eine menschenähnliche Uebergangsform sehen, sich in der letzten Zeit erheblich vermehrt; ich nenne als Vertreter *) William Turner, ( )n M. Dubois' Descriptions of Remains etc., Journ. of Anatomy aud Physiology, Vol. 29, S. 437. **) Seine Form ist froilicli eine ganz andere, als die des Pithe- canthropus-Schädels; letzterer ist dolichocephal, ersterer hyper- brachycephal (grösste Länge nur 158, grösste Breite 142 mm). ***) Uass diese Pithecanthropus-Reste echt fossil sind, wird Niemand bestreiten, der sie mit eigenen Augen gesehen hat. Ich halte sie mit Dubois für jungpliocän, wofür auch die beglei- tende Fauna spricht. dieser Ansicht Manouvrier, 0. C. Marsch, E. Haeckel, Dames, Jaekel, Kollmann, Vernean, Pettit. Auch der Anatom Schwalbe ist kürzlieh zu derselben übergegangen. Zum Schluss möchte ich hier noch bemerken, dass nach meiner Ansicht kein genügender Grund vorliegt, eine besondere „Familie" (im systematischen Sinnc^ iür den Pithccanthropus erectus aufzustellen. Ich würde ihn in die Familie der Hominidae einreihen und die Charakteie dieser Familie soweit abändern, wie jene Ein- reihung es erfordert.*) Wenn aber die Ansicht Dubois', dass Pithccanthropus erectus „der unmittelbare Erzeuger des Mensehen" sei, richtig ist, so scheint es mir unnatürlich zu sein, ihn als Vertreter einer besonderen Familie zu betrachten und von der Familie der Hominidae auszu- schliessen. Prof. Dr. A. Nehring. In der Petersburger Gesellschaft der Naturforscher berichtete Prof. A. S. Dogel in einem Vortrag über „die motorischen und sensiblen Elemente des sjnii)a- thisclien Nervensystems und das Verhältniss derselben zu den Rüekenmarksganglien' über die neuesten Ergeb- nisse seiner Untersuchungen auf diesem Gebiete. Das sympathische Nervensystem, das, bei den höheren Wirbel- thieren in Form zweier Ketten zu beiden .Seiten der Wirbelsäule gelegen, die wichtigsten vegetativen Organe mit besonderen Ganglien versorgt, ist bereits seit längerer Zeit ein Forsciiungsobject zahlreicher hervorragender Ge- lehrten. Schon vor der Entwickelung der Mikroskopie war den Anatomen bekannt, dass es in einem gewissen Zusammenhang mit dem Centralnerven-system steht, was auch aus physiologischen Thatsachcn klar hervorgeht. Sjjäter wurde durch Histologen, wie besonders Reniak und Ranvier, erwiesen, dass die Zellen der sympathischen Ganglien wie die des Centralnervensystems multipolar sind, d. h. zahlreiche Fortsätze besitzen, darunter die Remak'schen Fasern, die die Verbindung mit anderen Zellen herstellen und z. B. in den Wandungen des Darm- canals grosse Verzweigungen bilden. Der feinere histo- logische Bau dieser Zellen, der Charakter ihrer Verzwei- gungen und besonders ihre Verbindung unter einander und mit den Elementen des Centralnervensystems sind erst in den achtziger Jahren näher erforscht worden durch die Untersuehungsmethoden von Golgi, Kölliker, Ramon y Cajal, Lenhossek u. a. Von allen diesen Gelehrten (mit Ausnahme Köllikers, der die Vernnithung der Existenz von sensiblen und motorischen Elementen ausgesprochen hat) ist nur eine Art sympathischer Nervenzellen ange- nommen worden, indem sie die Eintheilung in sensible und motorische Zellen wie bei den Elementen des Central- nervensystems verwarfen. Prof. Dogel, der sich bereits mehrere Jahre mit der Untersuchung dieser Frage beschäftigt hat, ist dank seiner neuen Färbungsmethode mit Methylenblau zu dem ent- gegengesetzten Ergebniss gelangt, bestätigt also die Ver- muthung Köllikers. Er fand, dass die Zellen der sym- pathischen Ganglien in zwei histologisch deutlieh ge- schiedene Arten zerfallen, und verschiedene Thatsachcn sprechen bezüglich ihrer Lage und ihres Charakters dafür, dass sie sich auch in physiologischer Hin- sicht unterscheiden, d. h. dass die einen sensibel, die anderen motorisch sind. Erstere zeichnen sich durch ihre Grösse und die Art ihrer Verzweigungen aus, ferner durch ihr Verhalten bei der Färbung; ihre zahlreichen Fort- sätze gehen in Nervenrohre über, die an ihrem Ende sensitive Apparate besitzen. Beide Arten von Zellen *) Vergl. auch die sehr interessante Abhandlung von L. Ma- nouvrier, „Deuxifeme 6tude sur le Pithccanthropus erectus", Bull. Soc. d'Anthropol. de Paris, Tome VI, Paris 1895, S. 656. 346 Naturwisscnscluittliche Wochenscbrift. XI. Nr. 29. stehen vermittelst ihrer Fäserchcn iu enger Verbindung sowohl unter einander, als mit dem Centralnervensystem. Diese Thatsachen liefern eine sehr natürlieiie Erklärung für das Vorhanden.'jcin von Reflexen im sympatlnsehen Nervensystem, Eeflcxe, die zur Öelbstreguliruiig der drjiane dienen, andererseits auch dafür, dass Zustände der inneren Organe, z. B. Ueberfüllung des Magens oder der Blase, Schmerzen bei einem Entzündungsprocess an einem der vegetativen Orgaue, zum Bewusstsein gelangen, und daSs umgekehrt psychische Erregungen, wie Zorn, Schrecken u. s. w. auf jene einen Einfluss auszuüben vermögen. G. A. Ueber die geograpliisclie Verbreitung der Scbild- läuse (t'occ'idae) verötfentlicht Th. D. A. Co ck er eil, Professor der Zoologie und Entomcdogie am Agricultural College zu Las Cruccs in Nordamerika (New Jlcxico), eine werthvolle Arbeit in den jetzt zur Au.sgabc gelangten ,,Prüceedings of the United States National Museum", Bd. XVII. Auf die paläarktische Region entfallen etwa 200 Arten, darunter noch einige zweifelhafte. Die arten reichsten Gattungen sind Lccanium mit 32, Aspidiotus mit 25, Pulvinaria mit 17, Phcnacoccus mit 12, Dnctyioljius mit 11 Arten. Der grösstc Theil der europäisclicn .\iten konnnt auf Frankreich, wo sich Signoret, Boisduval, Lichtenstein und Giard mit Coccidcn beschäftigt hat)cn. üeber deutsche und österreichische Schildläusc schrieben in früherer Zeit Bouche und Schrank, neuerdings P. Low, R. Götlie und C. Schaufuss. (Nacli einer lirictiichcn Mit- theilung des letzteren konnnt Lccanium ribis Fitch, eine bisher nur für Nordamerika nachgewiesene Art, auch bei Meissen in Sachsen auf der Johannisbeere vor. Ref.) In Italien haben sich Targioni-Tozzctti und Berlese, auf der Pyrenäenlialbinsel Colvee und ^lorgan, in Bölimcn K. Sulc mit den Schildläusen iteschäftigt. Aus Griechen- land beschrieb Gennadius den weit verbreiteten Aspi- diotus aurantii, und aus Kleiuasieu derselbe Autor den Dactylopius caricus. Aus Aegy])ten sind nur zwei Arten bekannt, Ccroplastes mimosae Sign, und Icerya aegyptica Dongl., welch letztere auch in Indien vorkommt. Algier weist 5 Arten auf, Madeira nebst den Kanarischen Inseln 2 Arten, welche aber beide als eingeführt zu betrachten sind. Aus Russland ist nur Gossyparia mannifera uiul Porphyropliora polonica L., aus Finnland Chionasjiis sorbi Dougl., aus Holland Eriopeltis Liclitensteini, ans Scandinavien noch gar keine Coccide bekannt. Besser erforscht scheint England zu sein, wo Westwood, Curtis, Hardy, Douglas und iu der jüngsten Zeit Newstead die Schildläusc beobachtet haben. Der asiatische Theil der paläarktischen Region ist in Bezug auf Coccidcn noch völlig terra incognita, ausgenommen Klcinasien, Arabien, Syrien uiul .\rmenicn, woher einige wenige Arten be- kannt sind. Aus der ganzen äthiopischen K'cgion kennt man bisher 14 Arten, darunter Monophlcbus Raddoni Westw., verbreitet von Tanger bis Capstadt, Aonidia Blanchardi Targ. aus der Sahara, Ccroplastes myricae vom Cap, leerya seyclicUarum Westw. und saccliari Sign, von den Seychellen und den l)enachbarten Inseln. Die orientalisch c Region weist bisher 28 Coccidcn, auf l(i Gattungen vcrthcilt, auf, darunter Monophlcbus, Lccanium uiul Aspidiotus mit je 4 Arten. Auf Sumatra lebt der schon von Fabricius beschriebene Monophlcbus dubius, auf .lava Mon. atripcnnis Klug, auch ist Coccus cacti L. dasellist eingeführt. \'on den übrigen Sunda- inseln, sowie von den Philip])inen ist nichts bekannt. Auf Ceylon beschäftigt sich besonders der Thecpflauzer E. E. Green viel mit den Coccidcn, er hat schon viele neue Arten beschrieben, Lecanium mangifera, Aspidiotus theac u. a. ; auch die dem Kaffeebaum schädlichen Arten Lecanium nigrum, coft'eae und viride kommen auf Ceylon vor. Green ist zur Zeit damit beschäftigt, die Coccidcn Ceylons zu bearbeiten. Die indischen Coccidcn studirt seit Jahren der oben erwähnte Newstead; er gedenkt ebenfalls eine Bearbeitung zu liefern. In China lebt Eri- cerus pe-la, das Wachsinscct der Chinesen, ferner Aspi- diotus gossypii Fitch, Drosicha contrahens Sign. u. a. Die australische Region ist etwas genauer be- kannt, namentlich durch die Untersuchungen von W. M. Maskell, Registratur der Universität auf Neu-Seeland. Von Australien kennt man bereits 108 und von Neu- Seeland 77 Arten, dabei sind die daselbst eingeführten Species gar nicht mitgezählt. In Australien hat in den letzten Jahren auch Koebele viel gesammelt; seine Ausbeute wurde von MaskcU in den „Transactions of New Zcaland Institute" beschrieben. Als neue Arten sind daselbst auf- geführt Gossyparia casuarinae und confluens, Icerya Koebclci, Fiorinia syncarjiiae und viele andere. Von den Fidji- und Sandwiciis-Inseln erhielt Maskell vcr.schiedene neue Arten zugesandt, besonders Dactylopius- und Lcca- nium-Arten. Auch von Ncu-Guinea, Neu-Caledonicn, Tasmania und Tahiti sind einige Coccidcn bekannt. Die bis 1894 bekannten Coccidcn der neotropischen Region hat Cockercll schon früher in dem „Journal of the Trinidad Ficld-Naturalist's Club" zusammengesteUt. Ihic Zahl beziffert sich jetzt auf 124. Als wichtige Formen sind zu nennen Palaeococcus brasiliensis Walk. von Buenos-Ayrcs, Aspidiotus Bowreyi Cock. und Cero- l)lastes albolineatus Cock. von Jamaica, Mytilaspis phUo- coccus Cock. von Mexico. In letzterem Lande sind über- haupt 28 Arten nachgewiesen. Aus der nearktischen Region kennt man im (ianzen 127 Coccidcn, lässt man jedoch die eingeführten Arten weg, so stellt sich die Zahl auf 94. Um die Kenntniss derselben haben sich vor allem Coiiuillct, Dou- glas, Riley, Howard und Cockercll verdient gemacht. Wir nennen von nordamerikanischen Arten Eriocoecus coccineus Cock. von Nebraska, Lecanium phoradendri Cock. von Arizona, Lee. insignicollis Crawf. von Califor- nien, Diaspis lanatus Morg., eingeführt in Florida, Co- lumbia und (icorgia, und Diaspis amygdali Tr., eingeführt in Califoi-nicn. Von Aspidiotus juglans rcgiae sind zwei Varietäten beobachtet worden, var. pruni Cock. und var. all)us Cock. V(ni der Gattung Ripersia, von welcher in Nordamerika bisher noch kein \'ertreter bekannt war, hat Cockercll eine neue Art aufgefunden, die er dem- nächst beschreiben wird. S. Seh. Heber die pelascisclieii Copepodeii des Kotheii Meeres nuicht W. Gi es brecht einige faunistische Mit- theilungen (Zool. .lahrbücher, Abtiicil. f. System, lid. IX., Heft 2), welche sich aus der Bearbeitung des von dem Marinestabsarzt Dr. A. Krämer auf einer Dienstreise im Rothen Meere gesannnelten Crustacecn-Planktons ergeben haben. Die Li.ste der Ruderfüssler, welche Dr. (Hes- 1) recht aufstellt, cntstannnt zwei Planktcmsannnlungen, welche Mitte Juni und Anfang August von Dr. Krämer gewonnen wurden. Obwohl sie der Jahreszeit nach mir kurze Zeit auseinanderliegen, komm! doch wenigstens die Hälfte der in jeder von ihnen voriiandcnen Species in der anderen nicht vor. Daraus schon allein ersieht num, wie wichtig es ist, in allen Jahreszeiten solche Plankton- fänge zu machen. Aus der Giesbrecht'sciuM» Bearbeitung ergiebt sich nun, dass die Verwandtschaft der Copepodenarteu des XI. Nr. 29. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. .347 Rotheu Meero.s mit denen des indopacitischen Oceaus grösser ist als mit denen des atlantischen. Denn unter den auch in anderen Meeren vorkommenden crythräisclien Arten befindet sich keine von denen, die bislier nur im atlantischen Oeean und seinen Nebennieeren gefunden wurden, dagej^'en 7 Arten, die bisher nur im indopacitischen, nicht aber im atlantischen Oeean gefunden wurden. Es war ja von vornherein zu erwarten, dass die erythräische Fauna sich als ein Zweig der indopacitischen heraus- stellen würde, wenn auch der Suez-Kanal während der 30 Jahre seines Bestehens einen Austausch der L'auna des Rothen Meeres mit der des östlichen Mittelmeeres er- möglicht. Dass ein solcher Austausch wenigstens tlieil- weise stattfinden kann, beweisen Krämer's Fänge aus dem Bittersee. Dieser See ist bekanntlich erst nach Anlegung des Suez-Canals wieder mit Wasser gefüllt worden, und es fiudet sich jetzt in ihm eine Anzald von Arten, die mitten in den Oceanen leben, also eupelagisehe. Fraglich bleibt aber zunächst noch, ob sie von Norden oder Süden oder von beiden Seiten in den Bittersee gekommen sind und ob sie aus demselben auch wieder in der ihrer Einwanderung entgegengesetzten Richtung auswandern können. Diese Fragen können nur durch weit- gehende Untersuchungen an Ort und Stelle entschieden werden, zumal auch bisher von den Copepoden des öst- lichen Mittelmeeres noch wenig bekannt ist. Doch kann man immerhin schon jetzt annehmen, dass der grösste Thcil der pelagischen Copepoden des Bittersces erythrä- ischen Ursprungs ist, denn erstlich ist die Verbindung zwischen Mittelmeer und Bittersee für pelagischc Arten schwerer zu durchwandern als diejenige zwischen Rothem Meer und Bittersee, zweitens fand sich unter den von Dr. Krämer im grossen Bittersee erbeuteten Cope- poden-Arten keine, welche nicht auch südlich von Suez angefroffen wurde. R. Die Uiientbehrliclikeit bestiiuiuter Metalle für das Gedeihen der Pflanzen ist bekanntlich eine bereits feststehende Thatsache. Zu den unentbehrlichen Ele- menten zählten ganz allgemein K, Ca, Mg. Vor Kurzem hat nun Prof. Mo lisch gezeigt, dass es grüne Algen giebt, welelie das Element Ca vollständig entbehren können. (H. Molisch, Die Ernährung der Algen. Sitzungsber. d. Akad. der Wissenschaften zu Wien. 1895. Band 104, Heft 8.) ' Diese und andere Thatsaehen thun sicherlich dar, dass dieses Gebiet der Pflanzenphysiologie allenfalls in allgemeinen Zügen, in den Einzelheiten aber noch sehr wenig durchgearbeitet ist. Man hat sieh in neuerer Zeit vielfach bemüht, zur Erledigung dieser Fragen zunächst ein einwandfreies Thatsachenmaterial durch ])einlich sorg- fältige Culturen zu erlangen. Mit welchem Aufwand von Mühe solche Culturen angesetzt und wie genau jede Fehlerquelle beachtet werden muss, zeigt unter den neuen Veröffentlichungen auch die Arbeit von Dr. Wilhelm Be- necke: Die Bedeutung des Kaliums und des Magnesiums für Entwickelung und Wachsthum des Aspergillus niger sowie einiger anderer Pilzformen. (Botanische Zeitung 1896. Heft VI.) Verfasser stellte sich, an vorhergehende Arbeiten an- schliessend, unter anderem die Frage, ob nicht doch K und Mg entbelirlich seien, wenn man z. B. die Zusammen- setzung oder die Conecntration der Nährlösung günstig zu treffen wüsste. Das Ergebniss seiner Untersuchungen besteht darin, dass K und Mg ganz allgemein in irgend einer unschädlichen Verbindung g\>l)oten werden müssen, um eine nicht gar zu dürftige Entwickelung und übeiliaupt Sporenausbildung bei Pilzen zu erzielen. Bei den Culturen mu.ss natürlich stets darauf geachtet werden, dass die Nährlösung vom Culturglase aus keine Bei eicherung z. B. an K erfährt und die Nährsaize rein zur Verwendung kommen. Indessen hält es der Autor gar nicht für gänzlich ausgeschlossen, dass bei werteren Forschungen sich vielleicht Pilzformen finden Hessen, die daS eine der beiden genannten Metalle zu entbehren vermögen; bis jetzt fiudet diese Vermuthung aber durch keinen einzigen genügend sorgfältig angestellten Versuch Bestätigung. R. Kolkwitz. Die Nachtseite des Merkur ist Ende Mai von un- serem geschätzten Mitarbeiter, Herrn Director Leo Brenner in Lussinpieeolo beobachtet worden. Sie war von einer Art Aureole umgeben nnd erschien dunkler als der um- gebende Theil des Himmels. Schon im vorigen Jahrhundert war die Nachtseite der Veiuis beobachtet worden, welche gegen das um- liegende heiler erscheinende Himmelsgewölbe ai)staeh. Bis 1869 waren 11 derartige Beobachtungen an der Venus gemacht worden; man stand ihnen jedoch bis in die neueste Zeit hinein vielfach recht skeptisch gegen- über. Am Älerkur aber, diesem schwer zu beobachtenden Planeten hat man derlei Beobachtungen noch nie ge- macht. Um so interessanter sind Brenners Beobachtungen, durch welche die älteren Beobachtungen an der Venus bestätigt werden. Flammarion hat schon vor einiger Zeit eine Hypo- these aufgestellt über die Sichtbarkeit der Nachtseite der Venus. Er vermuthet, dass der Himmel deswegen heller erscheint als die unbeleuchtete Seite des Planeten, weil der ganze Raum zwischen Sonne und Erdbahn angefüllt sei mit einer sehr feinen Materie, der Sonnenatmosphäre, welche stets von der Sonne bestrahlt wird und daher nie völlig dunkel erseheinen kann, ausserdem unter günstigen Bestrahlungsvcrhältnissen als Zodiakallicht erseheinen soll, während die unbeleuchtete Seite der inneren Planeten gar kein Licht reflectirt. Diese Theorie hat, wie noch bemerkt werden mag, durch Brenners Beobachtungen eine nicht unwesentliche Stütze erhalten. Doch wollen wir die Schlüsse aus der neuen Entdeckung lieber Herrn Director Brenner selber überlassen. Das Klima von Werchojansk, jenes berühmten Ortes im Lenathal, welcher als der kälteste der Erde, als „Kältepol" zu betrachten ist, hat Prof J. Hann nach den in den Annalen des kaiserlich russischen physika- lischen Central-Observaforiums für das Jahr 1893 gege- benen Daten neuen tabellarisch-statistischen Berechnungen unterworfen (Juniheft der „Meteorologischen Zeitschrift" S. 242). Aus 9— 11jährigen Beobachtungen ergab sieh für Werchojansk (67» 34» N. Br., 133" ,51" E. v. Gr. 107 m Meereshöhe) ein Jahresmittel der Temperatur von — 17,2". Dabei weicht die Temperatur des Juli gar nicht so sehr von der uWSerer Sommermonate ab, sie beträgt im Durch- schnitt 15,0" und erhob sich in einem Jahr bis auf 18,0", während die absoluten Wärmeextreme der Sonnnermonate Juni, .Inli und Augu.st 31,5», 30,8" und 30,1" betrugen. Dem kältesten Monat, dem Januar, kommt aber im Mittel eine Temperatur von — 51,2" zu, sein niedrigstes Monats- mittel war sogar in einem Jahr — 57,3", sein höchstes immer noch — 45,3". Niemals stieg im Januar das Ther- mometer über — 22,7"; um sieh eine Vorstellung von dieser Kälte zu machen, sei daran erinnert, dass eine Toiii|}('ratur von — 22,7", wie sie in Werchojansk dem absiiinten Wärmeextrem des .lanuar entspricht, beispiels- 348 Naturwissenschaftlrche Wochenschrift. XI. Nr; 29 weise in Berlin seit 1861 nicht mehr beobachtet worden ist. Die tiefste in Werohojansk beobachtete Temperatur betrug im Januar — 67,8^', im Februar g-ar — 69,8«. Die Amplitude der Temperatnrextreme beträgt also nicht weniger als 101,3*. Noch der März hat eine Mitteltemperatur von — 33,8« und weist ein Temperaturextrem von — 60,8« auf. Auch im April (Mittel: — 14,1«) und Mai (Mittel: -+- 1,4«) kamen noch Kälteextreme von — 41,4« bezw. — 34,2« vor. Auch im Juni und August sank das Termometer je einmal bis auf 7« Kälte, und nur der Juli ist bisher ganz von Frost verschont geblieben. Der October weist schon wieder ein Temperaturmittel von — 14,9«, der November ein solches von — 38,9« auf. Die Bewölkung muss natürlich bei solchen klimatischen Verhältnissen eine sehr geringe sein, nur in den Sommer- und Herbstmonaten erreicht sie etwas beträchtlichere Werthe. Der Februar und Dezember weisen in der zehn- theiligen Scala Mittelwerthe der Bewölkung von nur 2,8 auf. Es ist dabei zu bedenken, dass Werchojansk in der Mitte des grossen sibirischen barometrischen Winter- maxinuuns liegt, wo in den Thalkesseln der Lena während des Winters stets Windstille und fast wolkenloser Himmel herrschen, ohne welche eine so kolossale Abkühlung durch Ausstrahlung ja auch unmöglich Auch die Niederschläge sind, wie gering: ihre jährliche Höhe beträgt Durchschnitt nur 99 nun, wovon noch wäre. zu erwarten sehr im siebenjährigen dazu -/a, nämlich 64 mm allein auf die drei Sommermonate entfallen. Der März hat im Durchschnitt eine Niederschlagsmenge von nur 1 mm aufzuweisen. H. Eine neue Theorie der Ursaclieii der Eiszeit und der KUmaschwankungen hat der berühmte schwedische Meteorologe und Physiker, Prof. Svante Arrhenius in Stockholm, aufgestellt. Schon auf der Lübecker Na- turforscherversammhnig im September vorigen Jahres hatte Arrhenius seine äusserst geistvollen Gedanken über jenen Gegenstand vorgetragen, jetzt nun hat er der schwedischen Akademie eine ausführliche Arbeit vorgelegt und einen längeren Auszug daraus im „Philosophical Magazine" (Vol. XLI, S. 237) veröffentlicht. Er nimmt an, dass der Gehalt der Atmosphäre an freier Kohlensäure, welcher bekanntlich inn- einen sehr geringen (etwa 0,5) Procentsatz ausmacht, in langen Zeit- räumen variabel ist. Ein grösserer Gehalt an Kohlensäure würde zwar den Efiect der Sonnenstrahlung nicht beein- trächtigen, wohl aber die Ausstrahlung der Erde gegen den Weltenraum wesentlich abschwächen*), so dass die mittlere Temperatur der Erdoberfläche steigen würde. Um- gekehrt würde natürlich ein Herabgeheu des Kohlensäure- gehaltes ein Sinken der Temperatur für die ganze Erde bedingen. Um nun die Bedeutung des CO^,- Gehaltes der Luft für die Wärmeverhältnisse der Erde zahleuraässig fixiren zu können, griff Arrhenius auf eine vor mehreren Jahren erschiene Arbeit des bekannten amerikanischen Physikers, Prof. Langlej', zurück, welche die Strahlung des Mondes bei verschiedenen Höhen des Mondes rechnerisch unter- suchte. Aus Langleys Messungen Hess sich berechnen, um welche Beträge die Absorptionsfähigkeit der Atmos- l)liäre für Wärmemengen bei variablem CÜ2- Gehalt schwanken müsste. Aus der Aenderung der Absorptions- •) Schon Fouiier wios nach, dass ein Wäiino .'ibsorbirendcj Gas, wie; die Kohlensaure, die hellen Strahlen der Sonne durch die Atmosphäre hindurchtreten lassen muss, die dunklen, vom Boden ausgestrahlten d.igegen zurückhalten wird. — 3,10« + 3,52« + 6,05^ + 7,95» + 9,30« — 3,22« + 3,62« + 6,02« + 7,87« + 9;30« — 3,30« + 3,65« + 5,92« + 7,10« + 9,17» - 3,32« + 3,52» + 5,70« + 7,42« + 8,82» - .3,17« + 3,47« + 5,30« + 6,87« + 8,10« — 3,07« + 3,25« + 5,20« + 6,52» + 7,52» — 3,02« + 3,15« + 4,95» + 6,42» + 7,30« — 3,02« + 3,15» + 4,95» + 6,50» + 7,35« — 3,12» + 3,20« + 5,07« + 6,65« + 7,62« - 3,20« + 3,27« + 5,350 + 6,87« + 8,22» — 3,35» + 3,52» + 5,62» + 7,32» + 8,80» — 3,40« + 3,70» + 5,95» + 7,85« + 9,25« fähigkeit berechnete nun Arrhenius in sehr mühevoller Weise, um wieviel gleichzeitig die mittlere Temperatur der verschiedenen Zonen in verschiedenen Jahreszeiten und im Jahr sich ändern müsste. Es zeigt sich ans seinen Tabellen, dass die Temperaturänderungeu für die ganze Erde stets annähernd die gleichen sein würden. Setzt man den jetzigen mittleren Werth des COg-Ge- haltes gleich 1, so würden sich für die Werthe des "COo- Gehaltes =0,67, 1,5, 2, 2,5 und 3 Aendcrungen der Jahresmittel - Temperaturabgaben einstellen müssen, welche in der folgenden Tabelle für die verschiedenen Breitenkreise von 10 zu 10» mitgetheih sind: Breite CO2 = 0,G7 C0s=l,5 CO., = 2 CO., = 2,5 CO., = 3 70« N 60 50 40 30 20 10 0 10» S 20 30 40 .50 Es zeigt sich also, dass schon eine Verringerung des COo-Gehaltes auf -/g der jetzigen Menge eine Temperatur abnähme von mehr als 3» für die ganze Erde bedingen würde. Da nun die mittlere Temperatur während der Eiszeit wahrscheinlich nur 4 bis 5» niedriger war als heut, so lässt sich das Entstehen dieser Temperatur voll- kommen erklären durch die Annahme, dass der COg-Ge- halt der Atmosphäre auf 0,55 bis 0,62 des jetzigen Be- trages gesunken sei. Andererseits würde eine V'erdoppelung des jetzigen CO.j-Gehaltes eine Temperatursteigerung von 6« für unsere Breiten bedingen, eine Verdreifachung gar eine solche von mehr als 9 «, so dass die Wärme der Eocaen- zeit, welche 8 bis 9« höhere Mitteltemperaturen verlangte, durch eine Zunahme des COo-Gehaltes um das 2^/4fache des jetzigen Betrages bedingt werden konnte. Nun aber wird jedermann fragen: ist es erstens mög- lich, dass grosse Schwankungen des COo-Gehaltes sich im Lauf der Jahrtausende vollziehen, zweitens: wodurch sollen diese Schwankungen hervorgerufen werden? Diese Frage ist entschieden zu bejahen. Högban hat darauf hingewiesen, dass die Menge der im Kalkstein der Sedimentärschichten gebundenen Kohlensäure diejenige der freien Atmosphäre um das 25 000tache Ubertrefte, und alle diese Mengen von CO.^ müssen dereinst Bestandtheile der Luft gewesen sein. Es kann also nur noch die Frage aufgeworfen werden, wodurch ein starkes Auf- und Niederschwanken des COa-Gehaltes, wie es die Arrhenius'sche Theorie erfordert, bedingt werden konnte. Abgesehen von mehreren weniger wichtigen Factoren, die im Wechselspiel der Naturkräfte den CO2- Gehalt der Atmosphäre vermehren oder vermindern, sind es etwa fol- gende, welche ihn in einigermaassen beträchtlicher Weise zu beeinflussen vermögen: 1. Verbrennung und Verwesung organischer Körper, 2. Verbrauch der atmosphärischen CO2 zum Aufbau der Pflanzen. Diese beiden Factoren arbeiten sich in ihrem Einfluss nicht nur entgegen, sondern scheinen sich geradezu zu annulliren, nach den Unter- suchungen der letzten 50 Jahre zu scbliessen, 3. vul- kanische Exhalationen , 4. Verbrennung kohlehaltiger Meteoriten, 5. Bildung von Carbonaten aus Silicaten beim Verwittern, 6. Absorption der CO^ seitens des Meeres- wassers. 3. und 4. vermehren den CO, Gehalt der Luft, XI. Nr. 29. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 349 allerdings aucli nur in sehr untergeordneter Weise, 5. und 6. vermindern ihn, jedoch ebenfalls nicht sehr beträchtlich. Es ist also immerhin möglicli, dass thatsächlicli durcli ein zeitweilig' starkes Ueberwiegen eines oder mehrerer Factoron der COo-Gehalt der Atmosphäre bedeutenderen .Schwankungen ausgesetzt ist. Welche Factoren dafür in Frage kommen und was ihr Hervortreten veranlasste, kann natürlich einstweilen auch nicht vermuthungsweise gesagt werden. Jedenfalls wird man kaum bezweifeln können, dass die Arrhenius'sche Theorie, die man wohl treffend als meteorologische Eiszeit-Theorie bezeichnen kann, allen anderen Erklärungen der Eiszeit weitaus überlege n und vorzuziehen ist. Ihr Hauptvorzug dürfte woiil darin bestehen, dass sie ungezwungen die gleich- zeitige Ausbreitung der Kälteperiode über die ganze Erde, welche bisher besonders viel Schwierigkeiten machte, zu eiklären vermag, ja sogar nothwcndig verlangen muss. Ein Punkt freilieh bedarf noch der Aufklärung: das Herabgehen der Mitteltemperatnren um 4 bis 5" vermag allein noch nicht die Eiszeit zu erklären; um diese her- vorzuljringen, bedarf es noch eines ganz gewaltigen An- wachsens der Niederschlagsmengen, wie es auch that- sächlicli auf der ganzen Erde stattgefunden zu haben scheint (vergl. die betrctfenden Abschnitte in Bd. IX Nr. 21). Die blosse Kälte vermag keine Gletscher zu erzeugen, falls nur geringe Niederschläge vorhanden sind; Sibirien beweist das in schlagender Weise. Doch musste wohl das Sinken der mittleren Temperatur im Verein mit stärkerer Ausstrahlung schon eine nicht unbedeutende Vermehrung der Niederschläge bedingen. Ob diese Vermehrung gross genug gewesen sein mag, um alle Ersciieinungen zu erklären, lässt sich freilich nicht ohne weiteres ent- scheiden; vielleicht Hesse sich auch sie einer Rechnung unterwerfen und wenigstens annäherungsweise in Zahlen- werthcn ausdrirlvcn, H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wunlon: Der ordentliche Professor der Mineralogie in Marburg Dr. Bauer zum Geheimen Eegierungs-Kath ; der ordentliche Professor der pathologischen Anatomie daselbst Dr. Marchand zum Geheimen Medicinalrath; der Ehrenprofessor in der niedicinisclieu Fakultät zu Würzburg, Dr. Friedricli Helf- reich zum Professor auf dem neu errichteten Lehrstuld für Ge- schichte der Heilkunde, medicinische Geographie und Statistik daselbst; der Privatdocent der Chemie in Greifswahl Dr. Hein- rich Biltz zum ausserordentlichen Professor; der Privatdocent der inneren Medicin in Kiel Dr. Heinrich Hochliaus zum ausserordentlichen Professor; der ausserordentliche Professor der Astronomie in Heidelberg Dr. Wolf zum etatsmässigen ausser- ordentlichen Professor; der Professor der Physik an der tech- nischen Hochschule zu München Linde zniii Doctor honoris causa der philosopliischen Fakultät zu Göttiugen; die ordentlichen Professoren der medicinischen Chemie Dr. Hüppert und der Pathologie Dr. KnoU an der deutschen Unixersität Prag zu Hofräthen; der Titular-Professor der Dermatologie daselbst Dr. Pick zum ordentlichen Professor; der ordentliche Professor der Pharmakologie au der böhmischen Universität Prag Dr. von .lirusz zum Hofrath; der ordentliche Professor fler speciellen l^athologio und Therapie in Wien Dr. Neusser zum Hofrath; der ausserordentliche Professor der Botanik an der Wiener Hochschule für Bodenkultur Wilhelm zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Der ordentliche Professor für Ohren- und Kehlkopfkranklieiten in Rostock Dr. Körner nach Leipzig; der Oberarzt der chirurgischen Klinik in Marburg Prof. Arthur B art h als Oberarzt der chirurgischen Abthoilung des Stadt kranken- hauses n.acli Danzig. Abgelehnt hat: Der ordentliche Professor der Philosophie in .lena Dr. Eucken den Ruf nach Freibu-g. Es habitilirteu sich: Dr. Kruckmann in Leipzig für Augen- heilkunde; Dr. Cienersich in Klausenburg für Kinderkrankheiten; Dr. Keiss in Krakan für Dermatologie. In den Kuhestand treten: Der ordentliche Professor der Anatomie in Erlangen Dr. von Gerlach; der ordentliche Pro- fessor der Augenheilkunde und Director der Universitäts-Augen- klinik in Breslau Geheimer Medicinal-Rath Dr. Foerster. Aus dem Lehramt scheiden: Der Privatdocent der Philosophie in Erlangen Dr. Rabus; der ordentliche Professor der Zoologie in Wien Dr. Claus; der Privatdocent der Chirurgie in Zürich Dr. Brunn er. Geadelt wurde: Der ordentliche Professor der Philosophie in Wien Dr. Zimmermann. Es starben: Der ordentliche Professor der Geologie in Berlin Geheimer Bergrath Dr. Heinrich Ernst Beyrich; der Pro- fessor der Naturwissenschaften an der Centralhochschule zu Pitts- burg (Nordamerika) Gustav Ritter von Guttenberg; der Custos an der Universitäts-Bibliothek zu Innsbruck Dr. Bruder; der Privatdocent der Gynäkologie in Wien Dr. Schlesinger; der ehemalige Professor "der Forstwissenschaft und Director dos Polytechnikums zu Zürich Landolt. L i 1 1 e r a t u r. Eduard Hahn. Die Hausthiere vmd ihre Beziehungen zur Wirthschaft des Menschen Eine geographische Studie. Mit 1 chromidith. Karte: Die Wirthschaftsformeu der Erde. Duncker & Humblot. Leipzig 1896. - Preis 11 Mk. Im 6. Bande dieser Zeitschrift (S. 375) ist auf einige wichtige Anmerkungen aufmerksam gemacht worden, die Herr Ed. Hiihn in einem vorgreifenden Aufsatz über den Beginn der Hausthier- züchtung und zu der landläufigen Eintheilung der Wirthschafts- formeu gemacht hatte. Jetzt liegt das damals angekündigte Buch über die Hausthiero abgeschlossen vor. Der Verfasser hat darin aus einer weiten Litteratur der allerverschiedeusten Art, die für die behandelten Fragen zum Theil noch gar nicht nutzbar gemacht war, ein stattliches Material mit grossem Fleiss zu- sammengetragen und verarbeitet. Was der Arbeit Hahn's, abge- sehen von der immer gern gesehenen Sanmilung von zerstreuten Einzelthatsachen, besonderen Werth giebt, und ihr auch neben dem Werk von Victor Hehn eine selbständige Stellung sichert, ist die Frische neuer Gesichtspunkte und der Reiz einer oft originellen Fragestellung. Dazu kommt, dass hier Kenntnisse aus rocht verschiedenartigen Wissensgebieten, wie sie sonst selten bei einander getroffen werden, durch die combinatorische Be- gabung des Verfassers auf einander befruchtend gewirkt und neue Hypothesen über die Gewinnung der Hausthiere und damit zusammenhängende Fragen gezeitigt liaben, die das eine klärlieh beweisen, dass das Problem sehr viel tiefer gefasst werden kann und muss, als bisher geschehen ist. In dem allgemeinen Theil sind die zoologisch interessanten Punkte zusammengefasst. Der erste Abschnitt berichtet über die bei allen Hausthieren auftretenden Variationen in Farbe und Grösse, sowie in der Ausbildung einzelner Körpertheile, so über Verkürzungen und Verkrümmungen der Gliedmaassen, den sog. Mopskopf, die Hautbedeckung, vom Woll- und Seidenhaar bis zum Haarschwund, über die verschiedenen Fettbildungen, die Veränderungen von Ohren, Schwanz, .Sexualzeichen und Nervensystem^ Hier sei nur auf die Färbung etwas eingegangen. Der Verfasser macht besonders auf die Coi-rolation .aufmerksam, die zwischen Leucismus — diese sprachlich richtigere Bezeichnung wird für Albinismus gebraucht — und Melanismus besteht. Nicht nur kommen im weissen Haar- und Federkleid schwarze Flecken von allen Farben am häufigsten vor. sondern es gesellt sich gerade zu völligem Leucismus des Haars und der Feder bisweilen ein aufi'allender Melanismus der Haut, ja selbst des Fleisches und des Knochenperiosts. In dem Xantliismus (Kanarienvogel), Chrysismus (Goldfisch) und Ery- thrismus (Pudel, Schaf) glaubt der Verfasser Zwischenstufen zwischen Melanismus und Leucismus sehen zu sollen. Er weist ferner auf die Parallele hin, in die sich die verschiedenen Fär- bungen der Menschenrassen zu den angeführten Thatsachen der Hausthierfärbung bringen la.ssen und veriuuthet, dass es sich da- bei um mehr als um eine bloss äusserliche Aehulichkeit handelt. In den nächsten Abschnitten kounnen die Bastardbildung, das Verwildern, der Beaiun der Zucht, sowie die Benutzung der Hausthiere zur Darstellung. Im Anschluss an das letzte Kapitel werden auch die Eingriffe des Menschen in den thierischen Orga- nismus besprochen, von denen die Castration den interessantesten, aber auch, wie der Verfasser zeigt, hinsichtlich der Motive noch sehr der Aufklärung bedürftigen Punkt abgiebt. Eine Reihe der in diesi>n Kaiiiteln neu aufgeworfenen oder besonders betonten Fr.agen fordert die Beantwortung durch E.\- periiuente in grossem Maassstiibc, die eine lange Zeitdauer bean- spruchen und daher nur mit öffentlichen Mitteln angestellt werden können. Um so mehr ist den Ann'gungen des Verfassers Erfolg zu winischeu. Trotz der Unzahl der thatsächlich immer unil immer wieder beobachteten Verwilderungen von Hausthieren ist z. B. noch nichts Genaues übiu- das Verwildern selbst bekannt, weder über die Einzelheiten des Processes noch über die jeweiligen Endresultate, obwohl es sich hier um ein wichtiges Mittel für die 350 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 29. Erkenntniss der Eigenthiimlichkeiten der Stammformen handelt. Verfasser weisst nun darauf hin, wie Gä an Stelle mancher mühe- voller und resultatlos verlaufener Akklimatisationsversuche zur Bereicherung unseres Wildbestandes von wissenschaftlichem Stand- punkt aus sicherlich werthvoUer und wahrscheinlich auch praktisch erfolgreicher gewesen wäre, wenn man unter geeigneten Be- dingungen Thiere aus unseren Hausthierbeständen ausgesetzt hätte. Statt des Versuches z. B. den amerikanischen Truthahn zu akklimatisiren hätte man lieber zahme Truthühner in unsere verarmten Laub- und Auwälder aussetzen sollen und statt das Wildschaf des Atlas, Ovis tragelaphus, auf den Höhen der Senne einzuführen, hätte man zweckmässiger mit einem Haidschnucken- bestand vorgehen sollen und ihn dort verwildern lassen. Auch frei in unseren Hochgebirgen ausgesetzte Ziegen würden ein dankbares Studienobject abgeben. Ferner ist die schon von Darwin hervorgehobene Thatsache, dass gefangene Thiere, die sich ja im allgemeinen nicht fort- pfl.anzen, immer noch eher zur Kreuzung mit nahe verwandten Artgenossen schreiten, wirthsehaftlich lange nicht genug benutzt. Eine verständige Bastardirung würde nicht nur eine ganz andere Herrschaft über das Material verschaflTcu und gleichsam dessen Schmiegsamkeit erhöhen, sondern könnte auch zu neuen wirth- sehaftlich verwerthbaren Eigenschaften führen. Deshalb sollten Versuche, unsere Hausthiere mit verwandten Arten zu kreuzen, wie sie im Hausthiergarten zu Halle unter Kühn's Leitung be- gonnen sind, viel ausgedehnter angestellt und vor allem in den Fällen beschleunigt werden, wo unwiderbringliche Verluste drohen. Der amerikanische Bison lässt sich nicht einmal mehr in dem National Park gegen die Jagdwuth halten ; trotzdem ist hier nocli nichts für die Zucht gethan, während doch schon die wilde Bison- kuh unsen^ zahme Kuh durch iliro Milchproduction übertrifl't. Auch die afrikanischen Büttel, sowie das Zebra sollten auf ihre wirthsehaftliche Verwertlibarkeit geprüft werden. Hinsichtlich des Beginns der Zucht legt Verfasser auf eine Mischung an der Wurzel des Staunnes Werth, sofern ein poly- phyler Ursprung für Hund, Schaf und Ziege und wohl auch für das Schwein anzunehmen ist. Er empfiehlt daher als Ziel für die Züchtung des Zebras eine fortpflanzungsfähige Maulesel- und Maulthierzuchtrasse mit etwas Tigerpferdblut und eine Tiger- pferdrasse mit etwas Esel- und Pferdeblut. Auch hinsichtlich des schon vorhandenen Maulthiers, das immer wieder durch Bastardirung von Pferd und Esel neu gewonnen wird, sollte die sicher beobachtete Ausnahme von der sogenannten Thatsaclie, dass Bastarde weder unter sich, noch mit den Eitern fruchtbar sind, einmal nachhaltig verfolgt und der Versuch gemacht werdeu, ob sich nicht dennoch eine Maultliierrasse züchten Hesse. Auf alle Fälle würde dabei ein wissenschaftlich wichtiges, im positiven Fall auch ein bedeutendes praktisches Resultat gewonnen werden. Auf die bisher ziemlich leichthin behandelte Frage nacli den Anfängen der Domestification hat der Verfasser, wie gesagt, die Aufmerksamkeit in verstärktem Maasse gelenkt, indem er zeigt, wieviel Problematisches sie haben. Wenn auch der Geselligkeits- trieb des Menschen immer wieder zur Zähmung von wilden Thieren, möglicherweise auch zum Erwerb des Hundes und einiger Hausvögel geführt hat, so darf man ihm doch keine weite Be- deutung zuschreiben. Sind gefangene Thiere einer Fortpflanzung überhaupt schon sehr abhold, so ist im Falle eingetretener Fort- pflanzung doch die Ernährinig der Jungen noch keineswegs als gesichert zu betrachten. Von Seiten des Menschen al)er, der ja doch die einzige Milclii|uelle abgelien konnte, hätte sich allenfalls wohl für den Hund und vielleicht noch für das Schwein aus- reichend Nahrung liefern lassen; für die grösseren Thiere aber lag hier ein kaum überwindliches Hinderniss vor. Denn wenn in einem interessanten P^ail einmal ein Elephant auf diese un- gewöhnliche Weise von Birmaninen ernährt wurde, so wäre die Zahl der Ammen bei primitiveren socialen Verhältnissen doch eben nicht zur Verfügung gewesen. Was aber vor Allem gewöhnlich ganz übersehen wird, ist, dass die Idee, Thiere zu Nutzungszwocken dauernd dem Haus- bestand einzugliedern, sicher nicht zu den einfachen gehört, die ohne Weiteres iunner wieder vom Menschen cimcipirt wurden. Sonst würde die Liste der Hausthiere sicher länger geworden sein. .\uch dass sich gerade Woehcn- t^chi-ift" ISOG Nr. 18 S. 218; in 3 Grössen: 42 X 28 cm ä St. 4,50 M. , ,, 32 X 22 ein ., 3,50 ., \/' 23 X 15 cm „ 2,50 „ stets vorrätliig bei Fritz Schindler, ui li BERLIN SO., Köpenickerstr. 116. Fernsprecher Amt 7 Nr. 1055. Hittorrsche Röhren für Röiitgeii's X-Str.ililcii sowie itiiiiitliilic elektrische Itolircii tabrizieren Höllein & Reinhardt 'riicrnioinoter u. (jrlasinsirumontenfabi-ili Neuhaus a. Rennweg (Thüringen). Preisliste gratis. In Ferd. Uümmlers Verlagsbiicli- handliiii§: in Berlin SW. 12 erschien: EiDführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am köngl. Realgymn. in Berlin 444 Seiten gr. 8. Preis6M.,geb. 7JM. Ferd. Düiiniilers TerlassbiKlihiUidluiig: in Berlin SW. 12 Zimmerstrasse 94. Naelistehende Werke Acl> Ba^Üan'S erschienen in iin- sorni Vm-lage : Die Denkschöpfung umgebender Welt aus kosinogonischcn Vorstelluiic;en in Ciiltiir uiiil rneultiir. Mit 4 Tat'ehi. .5 M. Beiträge zur vergleichenden Psychologie. Die Seele nml ihre Er- .seh''iniiiij;en in der Ethnoi;ra])hie, 5 JM. Der Buddhismus In seiner Psychologie. Jlit einer Karte des liHil.ihisfisehen Weltsystems. 7 M. .50 Pf. Indonesien oder die Inseln des Malayschen Archipel. 1. Lief: Die Mohikken. Mit o Tal'eln. b M. Ji. ,, Timor .und umliegende Jnseln. Mit 2 Tafeln. 6 M. III. ,, .Sumatra und Nachbarschaft. Mit iliei Tafeln. 7 M. IV. „ Borneo und Celebes. Mit drei Tafeln. 7 M. \'. .. .Java und Sehluss. Mit 15 Tafeln. 8 M. complet 3i M. Zur ethnischen Ethik. (Separat-Abdiuek aus Indonesien. IV. Lief.) 2 M. Inselgruppen In Oceanien. ßeiseergebuisse und Studien. Mit drei Tatein • " 7 M. 50 Pf. Zur Kenntniss Hawali's. — Nachtrag und Ergänzungen zu den Insel- L;rn|i|irn in < iceanien. Mit einer Tafel und drei Beilagen. 4 M. Einiges aus Samoa und anderen Inseln der Siidsee. Mit ethno- gr:i|)hiseheii Anmerkungen zur rolonialgesrhiehte. 1 M 80 Pf. Der Völkergedanke Im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen und seine Begründung auf rthnolug. .Sammhuige)!. 4 M. Völkerstämme am Brahmaputra und verwandtschaftliche Nachbarn. K'i-is''eig('hnisse und Studien. Mit zwei Tafeln. G M. Die Vorgeschichte der Ethnologie. Deutschlands Denkfreunden ge- widmet für eine Mussestunde. 2 M. Ziu beziehen durch jede Buchhandlung, Soeben ersolieir>.t 1 1100000 Artikel 16 Bäjide greb. Ii 10 M. Unentbehrlich für Jedermann. 16500 Seiten Text. Brockhaus Kon versations 'Lexikon. H.Auflage. 9500 I ChromoB. Photographische Apparate und Bedarfsartikel. SpeciiUität; Spi«'<>-«'l-l"aiiicras. Sind die praktischsten Hand-Apparate. Das beliebige Objectiv dit^nt gleichzeitig als Sucher. 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Abonnement: Man abonnirt bei allen BnehhandlunKen und Post- J Inserate : Die viersfespaltene Petitzeile 40 0.. Grössere AufträKe ent- mstalten. wie bti der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist .« 4.— <3S sprechenden Rabatt. BeilaRen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme BrinKCKeld bei der Post 15 .1 extra. Postzeitungsliste Nr. 4S27. JL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständieer itnellenansabe gestattet. lieber einige Eigenschaften von Gallerten. Von. K. Ed. Liesegang. Fast alle Arbeiteu, welche eine Aufklännis über die gebeimnissvolten Vorgänge in den lebenden Wesen Aus- kunl't geben sollten, waren Studien an den lebenden Or- ganismen selbst. Nur wenige Forscher der Neuzeit ver- suchten wie die Aleheraisten diese Erscheinungen des Lebenden an nichtlebeuder Materie nachzuahmen. Es sind eigentlich nur Bütschli und Quincke hervorzuheben. Ersterer vermochte mit structurloser Materie Formen zu erzeugen, welche den Formen der Lebewesen sehr ähn- lich sind. Letzterer beobachtete die Bewegung eines Quecksilber- und Oeltropfens und stellte ihre Aehnlichkeit mit der Bewegung niederer Organismen fest. Derartige Untersuchungen halte ich für ebenso wichtig, wie die eigentliche Arbeit des Physiologen. Ueberhaupt haben wir meistens erst durch eine zufällige Nachahmung das Wesen der Organe verstehen gelernt: z. B. durch die optischen Vorrichtungen und durch die Photographie die Function des Auges. So wird es wohl auch mit jenen Kräften gehen, welche bis jetzt nur in lebenden Organismen beobachtet worden sind und welche ich unter dem Begriff „Lebens- kraft" zusammenfassen möchte. Eine neue Beobachtung am Nichlebenden kann zu einer Erklärung führen, auf welche Weise z. B. die Contraction des Muskels geschieht und was der Nervenstrom sei, welcher sie auslöst. Dieses wegweisende Experiment wird sich um so eher einstellen, je mehr man unter Bedingungen arbeitet, die auch bei den Lebewesen vorhanden sind. Eine solche günstige Bedingung ist die, dass man weder mit Flüssig- keiten noch mit festen Körpern arbeitet, sondern mit Massen in einem Zustand, welcher zwischen beiden liegt: mit Gallerten. Einige Eigenschaften derselben sollen im Folgenden beschrieben werden. Allerdings bleiben die Kesultate dieser Vorarbeit noch weit von dem vorgesteckten Ziel entfernt. Aber die Biologie wird dabei vielleicht einige Anhaltsimnkte finden, deren weitere Verfolgung das eine oder andere kleine Problem lösen kann. So betrachte ich besonders die Structurbildung in einer structurlosen Materie und namentlich die merkwürdigen rhythmischen Erscheinungen als wichtig für die Entwickelungsmechauik der Or- ganismen. L Ich stellte eine Lösung von 50 Gramm reiner Gela- tine in 1 Liter warmem Wasser her und übergoss hier- mit Glasplatten, so dass auf einer Platte vom Format 13 X 18 cm etwa 50 ccm blieben. Diese Gallerte Hess ich erstarren (nicht eintrocknen!) und benutzte sie bald danach zu den Versuchen. 1. Ein Tropfen reinen Wassers, welchen man darauf fallen lässt, zieht bald ein. Die Gelatine quillt darunter noch ein wenig stärker auf. Es zeigt sich kein bleibender Eindruck. 2. Gleich grosse Tropfen verschiedener wässeriger Salzlösungen zielien ganz verschieden rasch in die Gelatine hinein. Einige ebenso rasch wie das Wasser, andere dagegen äusserst langsam. Ein Tropfen Kochsalzlösung verschwindet fast ebenso rasch wie Wasser. 3. Ein Tropfen Eisenchlorid oder Uranylchloritl bleibt dagegen mehrere Tage auf der Gallerte stehen. Das Wasser einer lOproccntigen Eisenchloridlösuug zieht ulicr- haupt nicht in die Gelatine hinein. Es verschwindet nur durch Verdunstung in die Atmosphäre. 4. Ist die Salzlösung gefärbt, so kann man die Dill'u- sion des Salzes in der Cielatine leicht mit dem Auge ver- folgen. Es zeigt sich dabei, dass das Eiseuchlorid ziem- lich rasch weiter dringt. Da der Tropfen stehen bleibt, 354 Natuiwissensfliaftliche Wocheuschrift. XI. Nr. 30 Diuss eiue Zerlegung- stattfiiuleu : Das Eiseusalz dringt allein in die Gallerte ein, während das Wasser zurück- bleibt. (Genau so gebt es mit Kupferacetat und Uranyl- uitrat.) 5. Dies bestätigt sieb, wenn man den obcnstehendeu Tropfen von Zeit zu Zeit untcrsucbt: Zuerst ist er inten- siv gelb gefärbt. Dann verliert er immer mehr an Farbe. Zuletzt ist er ganz eisenfrei und reagirt nur noch seliwach sauer. 6. Eine Cblornatriumlosung wird dagegen niebt oder in bedeutend geringerem Maasse zerlegt. — Aebnlicli wie das Eiseucblorid verbalten sieb einige Salze des Urans und Kupfers, worüber ieb später bericbteu werde. Dieses verscbiedene Verbalten ist bauptsäcblicli dadurch bedingt, dass letztere Salze sieb mit der Gelatine cbemiscb ver- binden und sie gerben, während das z. B. Kochsalz nicht thut. 7. Das gebt uamentlicb daraus hervor, dass die Gallerte unter einem Eiseuchloridtropfeu nicht nur nicht aufgequollen, sondern sogar umgekehrt vertieft erscheint. — Man darf nicht ohne Weiteres annehmen, dass das Wasser nur in Folge der Gerbuug zurückbleibt oder dass das Eisensalz mit der Gelatine eine Art Niederschlags- membrau bildet, welche das Wasser nicht durchdringen kann. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ausserdem noch die chemische Verbindung beider Körper die Zerlegung der Salzlösung bedingt. 8. Verwendet man nämHch eine Jodkalium -haltige statt der reinen Gelatine, so wird das Eisensalz noch rascher eingezogen: Der obenstehende Tropfen wird rascher cisenfrei. 9. Die Gerbung der Gallerte findet nicht nur un- mittelbar nnter dem Eisencbloridtropfen statt, sondern sie erstreckt sich so weit wie der gelbe Kreis, welcher durch die Difl'usion des Eisensalzes entsteht. Wie die Färbung ist auch die Gerbung nach aussen hin scharf begrenzt. 10. Ausserbalb dieser Grenze befindet sieb ein ebenso scharf begrenzter, mehrere Millimeter breiter, farbloser Ring, welcher stark aufgequollen ist. Derselbe ist stark salzsäurehaltig, aber doch nicht allein durch die ent- gerbende Wirkung der Säure bedingt. (Vergl. 22. j Jedenfalls diff'undirt aber die überschüssige Salzsäure des käuflichen Eisencblorids rascher als das Eiseucblorid selber. So findet eine Scheidung der Bestandtheile statt. (Von einem Tro])fen von etwa 2 ccm hat sich nach zwei Tagen ein gelber Ring von 8 mm Breite gebildet Die Breite des aufgequollenen äusseren Ringes betrug 6 mm.) 11. Diesen äusseren aufgequollenen Ring kann man auch bei der Diffusion anderer gerbender Metallsalze beobachten, z. ß. beim Uranylnitrat und besonders beim Zinnchlorür, wenn dieselben einen Ueberschuss an Säure enthalten. Er ist um so breiter, je grösser der Säure- gebalt ist. Neutralisirt man das käufliche Eiseucblorid mit kohlensaurem Natron, so wird er immer schmaler und verschwindet zuletzt vollständig. Im letzteren Fall ist nur noch der scharf begrenzte, braungelbe, gegerbte Kreis zu sehen. 12. Es ist nicht die Gelatine, welche die Scheidung der Säure von dem Metallsalz bedingt, sondern das in der Gallerte enthaltene Wasser. Auf trockener (Jelatine tritt sie nändicb nicht ein. Auch in trockenem Filtrir- papier dift'undirt die Mischung unzerlegt weiter. Eine Absebeidung des Wassers findet bei letzterem Versuch nicht statt. 13. Das Eisenchlorid diffundirt um so rascher in der Gallerte, je wasserhaltiger letztere ist. Auf trockener (ielatine findet fast gar keine Weiterwanderung der 10-procentigen L/isung statt. Es wird dies durch die Ab- haltung des Quellungswasscrs bedingt. Das nichtgerbende Scbnelliffkeit des Eindringens von ver- die (ierbung Chlornatrium zieht dagegen auch in die trockene Gelatine rasch ein. 14. Der Umfang des gefärbten Kreises ist um so grösser, je eoncentrirter die Lösung (bei gleicher Grösse des Tropfens) des Eisenchlorids ist 15. In der dünnten oder concentrirten Tropfen von Cblornatrium, Bromkaliuni und vielen andern Salzen (welche sich mit der Gelatine nicht chemisch verbinden) zeigt sich kein wesentlicher Unterschied. Nur das hygroskopische ^'er- halten kann ein wenig modificirend darauf wirken. 16. Salze, welche die Gelatine entgerben, indem sie damit chemische Verbindungen eingehen, ziehen rascher ein, als die oben genannten neutralen. So verschwindet ein Tro])fen von doppelcbromsaurem Amnion und viele Säuren besonders rasch. Ebenso diflundiren sie schnell in der Gallerte. 17. Aus diesem Grunde wandert auch die Salzsäure dem Eiseucblorid immer weit voraus. Wie der Versuch mit der trockenen (ielatine (vergl. 12) beweist, ist jedocli diese Trennung an sich nicht allein durch und Entgerbung bedingt. 18. Doppelchromsaure Alkalien diffundiren sehr rasch, weil sie durch die Aufweichung der Gelatine der nach- rückenden Flüssigkeit die Wanderung erleichtern. Nach aussen sind die Kreise nicht scharf begrenzt, sondern das Gelb geht allmählich in das Farblose über. 19. In ähnlicher Weise wird auch die Salzsäure dem nachrückenden Eisenchlorid den Weg erleichtern. Neu- tralisirte Eiseuchloridlösung dift'undirt wenigstens sanier als die gewöhnliche, übersauere. 20. Unter einem Tropfen Uranylnitratlösung lässt sich die Gerbung besonders deutlich beobachten: So weit die Umgebung durch die Dirt'usion des Salzes gelb ge- färbt ist, liegt die Gallerte tief An der ganzen Gbertlächc dieses gegerbten Kreises treten kleine Tröpfchen aus; die Gallerte schrumpft durch die Einwirkung des Uransalzes zusammen und presst dadurch das Wasser heraus. Durch einen geringen Salzgehalt ist letzteres gelblich gefärbt. — Es findet also gerade das Gegentheil von Flüssigkeitsauf- nabme statt. — (Ein Beitrag zur Mechanik des Gerbens.) 21. Bei Eisenchlorid ist diese Pressung des Wassers nach aussen allerdings nicht so stark. Aber man kann sie auch beobachten: Wischt man nach eintägiger Ein- wirkung den Tropfen von der, Gallerte ab und macht diese oberflächlich ganz trocken so tritt in der Mitte bald ein Ausschwitzen von Feuchtigkeit ein. (Sehr stark ist die Tropfenbildung in der Umgebung von Eiseucblorid, wenn man die Gelatine vorher mit etwas Jodkalium ver- setzt hatte.) 22. Genau so, wie hier die Gerbung der Gallerte ein Herauspressen von Wasser nach der Oberfläche bedingt, erfolgt auch ein solcher Druck nach den Seiten hin. Da- durch entsteht der stark-aufgequoUene Ring ausserhalb der Grenze des diftundirenden Eisenchlorids. Die vor- wandernde Salzsäure hatte hier die Gelatine zu weiterer Wasseraufnahme besonders geeignet gemacht. 23. Der äussere gequollene Ring ist also nicht durch die Salzsäure bedingt (vergl. 10), sondern seine Ent- stehung nur durch ihr Vorhandensein begünstigt. lang- Dieser King ist nach aussen bin sehr scharf begrenzt. Durch Betupfen mit Silbernitratlösung lässt sich aber leicht nachweisen, dass die Grenze des Ringes nicht mit der Grenze der Salzsäuredift'usion zusammenfällt. Die- selbe ist vielmehr schon bedeutend weiter vorgewaudert. — Deshalb darf man auch nicht annehmen Scheidun^ (ierbung der (iailcrto sei. dass die der Salzsäure von Eiseucblorid eine Folge der 24. So fällt auch bei vielen anderen Mctallsalzeu die XI. Nr. 30 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 355 Grenze der (durch Gerbung und Aufquellung) sichtbaren Diffusion nicht mit der Grenze der thatsächlicheu Diffusion zusammen z. B. beim Quecksilberchlorid. A'ielleicht cr- kläien sich hieraus und aus der Scheidung der Bestand- theile einige der sogenannten ..physiologischen Fern- wirkungen." 2b. Besteht der diflundireude Tropfen aus einer Mischung zweier Salzlösungen, so können ebenfalls Schei- dungen eintreten. Es reisst nicht etwa ein leicht diftun- direndes Salz ein schwer difCundirendcs mit. Aus einer Mischung von Eisenchlorid und essigsaurem Kupfer ditfundirt dasjenige Salz am raschesten, welches im üeber- schuss ist. 26. So wird auch der Tropfen eines photographischen Entwicklers, z B. eine Mischung von Pjrogallol, kohlen- saurem und schwefelsaurem Natron durch die Diffusion zerlegt. Es ist dies sowohl für die Photographie, wie fiir die Dermatologie von besonderem Interesse. '21. Einige Salzlösungen geben bei der Diffusion in die Gallerte milchige Trübungen: Kohlensaures Natron, Kaliumferrido.xaiat. Bleinitrat, Silbernitrat, Zinnchlorid. ~ Es kann dies verschiedene Ursachen haben. Entweder v^ird das Salz zerlegt oder es verbindet sich chemisch mit der Gelatine oder mit den geringen Verunreinigungen der letzteren: 28. Das Zinnchlorüi', welches im neutralen Zustand schwerlöslich ist, bleibt nnlchig zurück, weil die Salzsäure stark vorwandert. — Das Kaliumferridoxalat diffundirt wohl in der Gelatine, giebt aber liald eine gelbe Trübung. Viel- Iciciit findet eine Zerlegung des Doppelsalzes statt, indem das Oxalsäure Kali vorwandert. 29. Bei Silbcrniti-at entsteht dircct unter dem Tropfen eine stark weisse Trübung. Dieselbe erstreckt sich nicht weiter in die Umgebung. Vielmehr ist der Tropfen von einem klaren Ring unigel)en. Die äussere Grenze der Difl'usion ist wieder durch eine schwächere weisse Trübung gekennzeichnet. Hier liegt eine chemische Ver- liindung des Silbersalzes mit der Gelatine oder ihren Ver- unreinigungen vor. — Eine lOOprocentige und eine 25prücentige Silbernitratlösung verhalten sich übrigens in dieser Beziehung nicht verschieden. Sie ziehen beide gleich rasch in die Gallerte ein. Nur diffundirt die con- centrirtere Lösung weiter als die verdünntere. 'AO. Bei diesen Salzen, welche eine Trüliung der Gallerte veranlassen, treten oft merkwürdige Erscheinungen ein, welche schon hier besprochen, aber erst später (vgl. 49ff'.) erklärt werden sollen: Bleinitrat giebt einen weissen Kreis scheinbar an der Grenze der Diffusion. Unter Umständen, besonders, wenn die Gallerte etwas eingetrocknet war, rückt dieser Kreis immer weiter und wird daliei auch dicker. Allerdings bezeichnet derselbe nicht die äusserste Grenze der Ditfusion, denn ausserhalb desselben lässt sich noch Bleinitrat mit chemischen Mitteln nachweisen. Das Innere des Kreises ist ganz klar. — Unter anderen Umständen rückt der zuerst ent- standene Kreis nicht weiter, sondern er bleibt in einer geringen Entfernung vom Tropfen stehen. Das Bleisalz diffundirt liindui'ch und in einer Entfernung von etwa Vi mm bildet sich nach einiger Zeit ein zweiter weisser Kreis. Allmählich folgen sich inmier meiir solcher Kreise in fast gleichen Abständen. Dieselben sind ungemein schmal und scliarf begrenzt, wäln-end der im ersteren Fall erhaltene Kreis breit ist, sodass seine Masse etwa so viel betragen mag, wie alle kleinen Kreise zusanmien. — Diese rhythmischen Figuren erinnern an die Absätze der Geysire und Sintcrquellcn. Ihre Entstehung kann aber mit der Bildung der letzteren keine Aelinlichkeit haben. 31. Etwas anders sind die CDncentrischen Ringe um den Tropfen von kohlensaurem Kali angeordnet : Direct darunter eine weisse Trübung, darum ein schmaler, klarer Ring. Dann folgend abwechselnd inmier Ijreitere, ti'übe Ringe, welche durch schmale, klare unterbrochen werden. — Ich verzichte hier auf eine eingehende Beschreibung, da der Versuch zu leicht mit Erfolg zu wiederholen ist. 32. Zuweilen tritt dieser Rhythnuis auch bei Silber- nitrat auf. Auf Gallerten ist er aber für das blosse Auge nicht so stark ausgeprägt. (Vgl. 70.) Ungemein stark sah ich ihn einmal, als ein Tropfen Silberuitrat auf ein Buch gefallen und durch alle (schlecht geleimten) Blätter gezogen war. In Folge des Alters hatte sich das ge- silbcrtc Papier geschwärzt. Es zeigte sich auf jeder Seite etwa dreissig regelmässig auf einanderfolgendc intensiv-schwarze Ringe, welche durch hellere Streifen unterbrochen waren. 33. Ich vermuthe, dass in der Entwickelungsmechanik der Lebewesen Voi'gänge eine Rolle spielen, welche dieser rhythmischen Diti'usion und den später zu be- schreibenden (scheinbar-)rhythmischen Reaetionen ähnlich sind. Jedoch darf man nicht so weit gehen, z. B. die Jahresringe der Bäume damit erklären zu wollen. Diese entstehen vielmehr, wie die Absätze der Sintenpiellen, durch einen Rhythmus des erregenden Aeusseren: durcii die regelmässige Folge von Sommer und Winter. IL 34. Wenn man auf die ebeu-erstarrte Gallerte zwei Tropfen von verschiedenen Salzlösungen bringt, z. B. von Chlornatrium und von Silbernitrat, so treten cliemische Vorgänge (Chlorsilberbildung) ein, wenn die DiÖ'usionen sich treffen. — Vorher war keine Beeinflussung des einen Ditfusionskreises auf den andern eingetreten: keine Fern- wirkung des Silbernitrats auf das Chlornatrium, welche sich etwa durch eine raschere Diffusion nach der einen oder anderen Richtung bemerkltar gemacht hätte. 35. Reformatsky hatte festgestellt, dass die Ge- schwindigkeit chemischer Vorgänge durch die Gegenwart von Gallerten nicht wesentlich beeinflusst wird. (Zeitschr. für physikal. Chemie 1891 S. 34}. — Aber ein wesentlicher Unterschied von den Vorgängen in wässerigen Lösungen tritt ein: Wenn das Zersetzungsproduct ein fester Körper ist, bleibt es in der Gallerte an jenem Punkte stehen, wo es entstand. Man kann also den chemischen Vor- gang auf diese Weise leicht lokalisiren. 36. Von besonderem Interesse für die Physiologie ist bei diesem Verfahren das Verhalten der ditfundirenden Salze zu den von ihnen erzeugten Niederschlagsmendiranen, wie überhaupt die osmotischen Versuche für die Lehre von der Mechanik der Zelle, für die Botanik und für die Tliierphysiologie von grosser Wichtigkeit geworden sind. — Derartige Untersuchungen hat schon Pringsheini au- gestellt. (Jahrbuch f. wiss. Botanik, 1895 S. 1.) Er be- nutzt jedoch eine andere Methode, welche die Er- scheinungen nicht ganz so deutlich erkennen lässt: Eine 5procentige Gelatinelösung wurde in Glasröhren von 1 — 2 cm Durchmesser gegossen und erstarren ge- lassen. An die Enden der Glasröhre wurden kleine An- sätze angebracht, welche mit Salzlösungen gefüllt waren. Die Salze ditfundirten in den Gallcrtepfropfen. Bei ihrem Zusammentreffen im Innern desselben traten die chemischen Umsetzung, die Bildung der Nicderschlagsmcnd)ran und die osmotischen Erscheinungen ein. — Ich wci'de im Verlauf meiner Darstellung wiederholt auf die Resultate Pringsheims zurückkommen. 37. Bringt man einen Tropfen einer lOOproccntigeu wässrigen Silbernitratlösung auf die erstarrte Gelatine- gallerte und in einem Abstand von 23 nun einen ebenso grossen Tropfen einer couccntrirten, d. i. 36proccntigen 356 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 30. wässrigen Chlornatriumlösung, so findet die erste Chlor- silberbiidung, welche sich durch einen feinen, weissen Strich andeutet, in der Mitte des Abstands beider Tropfen statt, am Rande der deutlich sichtbaren Silbernitrat- Diffusion. Der Strich wächst dann bezüglich der Dicke und der Länge. Es setzt sich jedoch nur an der dem Silbernitrat-Tropfeu zugewandten Seite neues Chlorsilber an. Nach dem Chlornatriumtropfen hin bleibt die erste Chlorsilberablagerung als scharfe Grenze bestehen. Nach 6 Stunden hat der Streifen eine Breite von 3 mm. Nach weiteren 24 Stunden ist er bis auf 6 mm Breite gewachsen. Nach weiteren 4 Tagen beträgt sie 20 nnn. Der undurchsichtige, weisse Chlorsilber- niederschlag ragt dann weit in den (inzwischen einge trockneten) Silbernitrattropfen hinein. Nach dem Chlor- natriumtropfen hin hat nicht die geringste Verbreiterung stattgefunden. (Der weiteren Diffusion ist eine natürliche Grenze ge- setzt: Das Eintrocknen der Gallerte. Es wäre allerdings möglich, dasselbe durch Zusatz von Glycerin zu verlang- samen. Aber ich habe diesen Zusatz unterlassen, da die Vorgänge durch dasselbe beeinflusst werden.) 38. Die verschiedenen Phasen der Reaction lassen sich leicht dadurch für eine spätere Vergleichung dauernd fixiren, dass man photograpbische Copien auf Bromsilber- papier nach den Platten darstellt. Es kommt dabei viel darauf an, dass man ungefähr gleich lang belichtet, da man sonst (namentlich bei den später zu beschreibenden „rhyth- mischen Reactioneu") verschiedene, starke Auflösungen der Zeichnung bekommen würde, welche zu Täuschungen Anlass geben könnten. — Pringsheim hat das Dift'usions- präparat selber als photographisclie Platte benutzt, was natürlich bei den Silbersalzen leicht möglich ist. Er schwärzte den zuerst entstandenen schmalen Chlorsilber- streifen durch Belichtung und Hess dann die Diffusion im Dunkeln weiter gehen. Dadurch konnte er die wichtige Thatsache feststellen, „dass bei jeder eintretenden Ver- dickung des Niederschlags die eine Lösung — also hier das Chiornatrium — durch den vorhandenen Niederschlag hindurch zu der anderen hinübertritt und auf der anderen Seite des Niederschlags bei der hier stattfindenden Be- rührung mit dem anderen Diffusionsstrom eine neue Lage von Niederschlagsmolekülen bildet, die sich als jüngste Schicht an die älteren Schichten des Niederschlags anlegt und ihn verdickt." 39. Bei der Dift'usion eines lOü-prcicentigen Silber- nitrattropfens gegen eine halbverdünnte (etwa 18-pro- centige) Chlornatriumlösung verbreitert sich der Chlor- silberniederschlag nach dem Chlornatriumtropfen hin, während nach dem Silbernitrat hin die ursprüngliche ( Ircn-ze bestehen bleibt. Der nach (> Stunden 5 nnn breite Streifen ist nach 5 Tagen auf 8 mm gewachsen. Es kaim also sowohl das Chlornatrium, wie das Silbeniitrat die Chlorsilbermembran durchdringen. Eine Reihe von Controlversuchen bewies, dass dies allein von dem Verliältniss der Coucentrationen der beiden Salz- lösungen abhängt. Pringsheim hat diese Bedingungen genauer untersucht und festgestellt, dass die Richtung des Wachstliums von der molecularmehrwerthigen Lösung bestinniit wird. Der molekular melirwcrtliige Diffusions- strom gellt durch den Niederschlag zu den molekular minderwcrthigcn über. Die gleichwcrtliigen Lösungen bilden die Grenze und den Uebergang der beiden Rich- tungen. Bei solchen ,.ä(|ui|»otentiellen" Lösungen müssen sich die Diffusidiisströine an der Stelle der ersten Be- gegnung immer wieder treffen. So wird bei diesem Conccntrationsverliältniss die Membran nicht dicker, weil kein Salz durchwandern kann. Aber ihre Dichte nimmt immer mehr zu, bis sie so gross geworden ist, dass der Niederschlag eine völlige Scheidewand bildet und deshalb die Lösungen sich gar nicht mehr treffen. 4L Diese Gesetze treffen für die oben beschriebenen und auch für die weiteren Versuche zu. Jedoch scheint das molekular raehrwerthige Chhirnatrium leichter als das Silbernitrat die Chlorsilbermembran durchdringen zu können. — Vielleicht hängt dies dannt zusammen, dass Chlornatrium ein besseres Lösemittel für Chlorsilber ist, als Silbernitrat. 42. Neben dieser Verschiedenheit in der Art der Verdickung der Membran ist das relative Concentrations- verhältniss der gegeneinander diftundirenden Lösungen noch durch eine andere Gestaltung der Niederschlags- membran charaktcrisirt, welche sich bei der Versuchs- anordnung Pringsheims nicht so gut beobachten Hess: dieselbe bildet meistens keine gerade Linie, sondern sie ist gegen den Silbernitrattropfen entweder convex oder concav gebogen, je nachdem das Silbernitrat oder das Chlornatrium molckularmehrwertig ist. Es handelt sieh dabei natürlich nur um denjenigen Rand des Chlorsilber- niederschlags, welcher der stärkeren Lösung zugewandt ist, welcher also stehen bleibt. Die andere (wachsende) Seite ist nicht so charakteristisch, weil das mehrwerthige Silbernitrat das Chlorsilber nicht so leicht durchdringt, wie das mehrwerthige Chlornatrium. Dringt in einen 100 procentigen Silbertropfen von Hnks eine 36-procentige, von rechts eine IS-procentige Chlornatriundösung ein, so ist (nach dem Silbersalz hin) der Chlorsilberniederschlag links concav, rechts convex gebogen. — Aus dieser Form lässt sich ein Schluss auf die relativen Coneentrationsverhältnisse der beiden Chlor- natriumtropfen ziehen. 43. Der Diffusionsstrom, welcher von der molekular mehrvverthigen Chlornatriumlosung ausgeht, übt auf die Chlorsilbermembran einen starken Druck aus, sodass letztere in der Riehtung desselben etwas fortgesehoben werden kann. Als eine 36-proeentige Chlornatriundösung gegen eine uO-procentige Silbernitratlösung diffuudirte, sah ich eine solche Verschiebung von 2 mm. Die Membran wurde in die Höhe getrieben und umgestülpt. Der Difiusionsstrom vermag also verhältnissmässig starke mechanische Wirkungen auf die Niedersehlags- membran auszuüben. 44. Bringt man einen Tropfen Silbernitratlösung auf eine Chlornatrium-haltige Gallerte, so treten ganz ähnliche Erscheinungen ein, wie wenn beide in der Gallerte diffun- dirten: damit das Silbernitrat in die Gallerte hineinzu- dringen vermöge, muss es molekular mehrwerthig sein. Sonst dringt das Chlornatrium in den Tropfen und Chlor- silber bildet sich nur auf der Oberfläche der Gallerte, nicht in dieser selbst. Dasselbe lässt sich dann leicht abwischen. — Damit das Silbernitrat die Gallerte wirk- lich ganz durchdringe, ist es nöthig, dass es bedeutend concentrirter als die Chlornatriumgelatine sei. Denn es ist auch hier zu beachten, dass das Silbernitrat schlechter als Chlornatrium durch die Chlorsilbermembran hindurch- geht. — Diese Diftusionsvcrhältuisse geben Aufschluss über die photographischc Erscheinung, dass die Sensibili- sirung des ehUirirten Gelatinepapieres bisher nicht so gut gelingen wollte, als jene des Eiweisspapiers. 45. Bringt man eine Verdünnte Silbernitratlösung auf die Chlornatrium-Gallcrte, so bildet sich (vergl. 44) sofort ein dichter, weisser Niederschlag von Chlorsilber auf der Oberfläche. Eine 100-procentige Silbcrnitratlösung erzeugt dagegen nur eine ganz schwache Trübung innerhalb der Sehicht. Das fUdorsilber ist also in diesem Fall sehr fein vertheilt, während es in ersterem sehr grobkörnig, zu grösserem Molekularcomplexe zusammengetreten ist. 46. Wie dem entgegendiffundirenden Chlornatrium- XI. Nr. 30. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 357 tropfen gegenüber verhält sich das Siibernitrat auch zu den Bromiden und Jodiden der Alkalien. Für einige Bromsal/.e ist es noch charakteristisch, das.s vor dem Be- ginn der Bromsill)ertrül)uiig die Trübung verschwindet, welche das Silbernitrat in der Gelatine erzeugt. 47. Die Kupfersalze bilden bei ihrem Zusammen- treffen mit anderen Salzen Nicderschlagsniembranen, welche bedeutend weniger durclilässig sind, als diejenigen der Silbersalze. Sie bleiben deshalb gewöhnlicli sehr schmal und scharf begrenzt. Sowohl die rotlibraunen Striche, welche bei der Einwirkung von gelbem oder rothem Blutlaugensalz und essigsaurem Kupfer entstehen, wie der rothe, welchen ein Alkalijodid und der grüne, welchen ein Alkalicarbonat erzeugt. Sie entstehen alle an der Grenze der deutlich sichtbaren (blaugrünen) Kupferaeetat-Dift'usion. Nach dem Eintrocknen der Gallerte macheu sich so- wohl diese, wie die weiter unten beschriebenen Nieder- schläge auch beim Befühlen der Platte durch eine sehr deutliche Erhöhung bemerkbar. 48. Ein ganz ähnliches Verhalten zeigen die Mem- branen, welche man mit Uransalzen erhält: die z. B. bei Einwirkung von gelbem oder rothem Blutlaugeusalz ent- stehenden Niederschläge sind schwer durchlässig und bleiben deshalb verhältnissniässig schmal. Ich übergehe hier jedoch diese einfachen Reactionen, welche sich so leicht wicdcrlioleu lassen, um das Haupt- interesse auf Erscheinungen zu lenken, welche ich im ersten Theil des Aufsatzes vorläufig als „rhythmische Reac- tionen" bezeichnet hatte. 49. Lässt man einen Tropfen gelbes Blutlaugensalz gegen eine molekular minderwerthige Eisenchloridlösung diifundiren, so entsteht das erste Berlinerblau an der äusseren Grenze des aufgequollenen Säurerings. Es ist ein sehr dünner, blaugrüuer Streifen, welcher bei der weiteren Diffusion nicht im mindesten breiter wird. (Er beweist, dass der Salzsäurering doch eine Spur Eisensalz enthalten muss. Vergl. 10.) Jedoch ist es ungewiss, ob hier das Oxydsalz oder vielleicht Eisenchlorür vorliegt. Letzteres ist wahrscheinlicher, da das Eisenchlorür die Gelatine aufzuweichen vermag und deshalb besser diffun- diren muss. Einige Zeit danach entsteht in einem Abstand von 5 mm hinter diesen ersten Streifen ein zweiter an der äusseren Grenze der braunrothen Eisenchlorid-Diffusion. Derselbe ist intensiv blau gefärbt und verbreitert sich immer mehr nach der Mitte des Eiscnchloridtropfens bin. — In diesem Zeitpunkt bestehen also zwei scharf be- grenzte Streifen von Berlinerblau, deren Sonderung auf die schon vorher vorhandene Structur der Eisenchlorid- Diffusion: auf die Dissociatiou dieser Lösung zurück- zuführen ist. 50. Aber so bleibt es nicht. — Bald entstehen neue Linien zwischen den beiden ersten, und deren Ursprung kann nicht auf eine vorher vorhandene Structur zurück- geführt werden. Während die beiden ersten Linien nach dem Blutlaugensalz hin convex gekrümmt sind, l)ilden die neuen theilweise geraden Linien, andere sind eben- falls convex und laufen parallel neben den ersteren. Es lassen sich vier oder fünf scharf begrenzte Linien unter- scheiden. Dazwischen liegen hellblaue und fast farblose Linien. 51. Die Diffusion der überschüssigen Salzsäure wird übrigens durch die Berlinerblau-Membran nicht im Ge- ringsten verlangsamt. Sie macht sich durch eine Gelb- lichfärbung des vorher farblosen Blutlaugensalzes be- merkbar. 52. Die Sonderung der verschiedenen blauen Striche ist um so besser, je mehr Salzsäure im Eiseuchlorid ent- halten war. Bei dem neutralisirten Eisenchlorid fehlen sie. — Bei der Einwirkung von gelbem Blutlaugensalz auf Kaliumferridoxalat tritt sie überhaupt nicht ein. Hier entsteht eine gleichmässig gefärbte Sciiicht von Berliner- blau, indem das Blutlaugeusalz tief in das oxalsaure Eiseuoxyd-Kali eindringt. — Rothes Blutlaugeusalz er- zeugt mit Eisenchlorid ebenfalls mehrere blaue Mem- branen. Dieselben sind aber gewöhnlicli nicht so scharf gesondert. 53. Bei einer grossen Anzahl von Reactionen sieht man diese Erscheinung auftreten, dass sich mehrere Niederschlagslagen oder eigeuthümlichc Einthcilungen innerhalb einer einzelnen breitereu Schicht bilden. Bei weitem am stärksten tritt sie aber beim Eutgegcuwaudcrn von Silbernitrat und einem Bichromat, z. B. doppelt- chromsaurem Amnion auf. Ein solches fertiges Präparat ist so complicirt gebaut, dass mau aus einer Beschreibung mit Worten sieh überhaupt kein klares Bild darüber machen kann. Es sind zahllose kürzere oder längere Linien, welche zum Theil parallel, zum Theil senkrecht zur Richtung der Diffusionsrichtuug stehen. Dieselben sind scharlachrotli bis rothschwarz. Ferner sind da Gruppen von schwarzen Punkten vorhanden untl manche andere Zeichnungen. Nach dem Eintrocknen der Gallerte liefern dieselben ein sehr starkes Relief Da die Art der Gruppirung je nach dem Concen- trationsverhältniss der beiden Tropfen stark wechselt, will ich dieselbe hier gar nicht zu beschreiben ver- suchen. Der Leser würde sich durch den einfachen Ver- such viel rascher darüber klar werden, als durch meine Worte. Die Entstehung dieser Figuren, welche im Folgenden geschildert werden soll, ist von viel grösserer Wichtigkeit, als das Endresultat. 54. Ich übergoss eine Glasplatte mit einer dicken Schicht Chlorsilbergelatinc-Emulsion, welche viel über- schüssiges Silbernitrat enthielt. Nach dem Erstarren brachte ich einen Trojjfen einer concentrirten wässerigen Lösung von doppeltchromsaurcm Amnion darauf. Zuerst entstand darunter ein intensiv rother Fleck: das doppeltchromsaure Amnion verband sich mit dem Silbernitrat zu Silberliichromat. Durch Diffusion des Amuionsalzes wuchs der Fleck, ohne zjuerst besondere Structurverhältnisse zu zeigen. Als der rothe Kreis einen Durchmesser von etwa 32 mm erreicht hatte, wuchs er nicht mehr so gleichmässig weiter, sondern es trennte sich am äussersten Rande ein dunkclrother Ring ab. Derselbe war von dem ersten Kreis durch einen ganz hellen Ring von etwa 1 mm Breite geschieden. Bei der weiteren Diffusion entstand ein zweiter, noch breiterer Ring. Der Zwischenraum war noch etwas grösser, als im ersten Fall. Gleichzeitig begann der ganze — vorher gleich- massig rotiie — Flecken sich in viele concentrische dunkelrotbe Ringe aufzulösen, zwischen denen ganz hell- rothe Zwischenräume lagen. Diese Ringe — welche ich beim Fehleu einer charakterstischen Bezeichnung der Kürze halber als „A-Linien" bezeichnen will -- sind sehr scharf von einander gesondert. Sie folgen sich in ganz regelmässigen Zwischenräumen. Auf dem Raum von 30 mm waren 15 derselben zu erkennen. Am Rande sind sie verhältnissniässig breit und liabcu grösseren Ab- stand von einander. Nach der Mitte des Tropfens zu werden sie immer schmaler und folgen immer dichter aufeinander. Die braunrothen A-Linien sind — auch nach dem Eintrocknen der Gallerte ~ erhaben, während die iiollen Zwiseheuräume tief liegen. Eine leichte Gelbfärbung und die geringe Licht emiitindlichkeit lassen erkennen, dass das doppeltciirom 358 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 30. saure Animou schon viel weiter in die Gallerte liinein- (liffiindirt sei, als wie die Bildung- des dunkeln Silher- bichromat reichte. Die wirkliche" Ditfnsionsgrenze lieut noeii 12 uini jenseits der letzten A-Linie. (Die Gallerte war inzwischen eingetrocknet, sonst wäre die Bildung der A-Linien auch nach aussen hin noch weiter fort- g-eschritten.) 55. Bei diesem Versucli liandclt es sieh um eine ein- seitige Diflfasion. Es wirkt iiir kein anderer Ditfnsions- strom entgegen. Ist letzteres der Fall, so wird das Resultat viel com- plieirter. Aber die A-Linicu spielen bei der Entstehung der merkwürdigen Figuren doch die Hauptrolle und machen sie verständlicher. 56. Ich kehre wieder zu der alten Versuchsanordnung zurück: Zwei Salztropfen diflnndiren in einer eben er- starrten öprocentigen Gelatinegallert gegeneinander. Der eine ist eine lUOprocentige wässrige Lösung von Silber- nitrat, der andere eine öproccntige Lösung von doppelt- chromsaurem Ammon. Die Silberlösung ist also bedeutend mehrwerthig. Beide Ditfusionskrcise dringen zuerst in einander ein, ohne dass die Geschwindigkeit ihrer Ausbreitung im Geringsten vermindert würde. Das doppeltehromsaure Auuiion scheint sogar in Silbernitrat rascher zu diffnndiren, als in der reinen Gallerte. — Der nach dem Bielironiat- tropfen gerichtete Silbernitratkreis ist 8 mm breit hellgelb gefärbt. 57. Die zweite Phase besteht darin, dass sich in der .Mitte dieses gelben, ellipsenförmigen Flecks ein scharlach- rotiicr Punkt bildet; also von der für das Silberbichromat charakteristischen Farbe. Derselbe verlängert sich bald senkrecht zu der Richtung der Diflfusionsströrae zu einem gleiehmässig rothen Streifen von 12 nun Länge. Er ver- breitert sich bis auf 1 mm. Weder oben und unten, noch an der Seite stösst er an die Grenze der Silber- nitrat-Ditü'nsion an. In dieser zweiten Phase besteht eine scheinbar nor- male Niederschlagsmembran von Silberbichromat. Von nun an wandert das doiipeltchromsaure Ammon nicht mehr weiter nach dem Silbernitrat-Tropfen zu. Der um- gekehrte Ditfusionsstrom geht dagegen unbehindert weiter fort. 58. Diese normale Niederschlagsmembran bleibt jedoch nicht lange bestehen. Die dritte Phase ist die Bildung der A-Linien: auf der nach dem ßichroraat hin gerichteten Seite der Membran entsteht eine neue, äusserst schjnale Linie. Dieselbe bildet einen kleinen Halbkreis, dessen Mittelpunkt in der Mitte der ersten Membran, also in der Mittellinie der beiden Diffusionsströme liegt. Dieser Halbkreis wendet (auch bei anderen Concentrations- verhältnissen) seine ortcne Seite nach dem Silbernitrat hin. Im Verlauf von einem halben Tag entstehen auf einem 10 mm breiten Raum 16 sehr scharf begrenzte und sehr schmale, conccntrische A-Linien. 59. Die Räume zwischen densell)cn sind nicht gelblich gefärbt, sondern sie zeigen nur die weisse Trübung, welche das Silbernitrat in der Gelatine erzeugt. (Vgl. 29.) 60. Die A-Linien veranlassen, dass sieh auch die zuerst gebildete breitere Memliran (vgl. 57) in Linien auflöst, resp. die Fortsetzung der ,\-Linien liegt in dieser Memi)ran. Letztere wird also in Striche zerrissen, welche mehr parallel als senkrecht zur Richtung der Ditlnsions- strönie liegen. 61. Es besteht ein Unterschied zwischen den A-Linien und den Theilen derselben, welche aus der ersten (57.) Membran gebildet wurden, und jenen, welche direct entstanden. Während ersterc schailachroth, ziendieh breit und nicht "so scharf begrenzt sind, sind letztere äusserst schmal und fast schwarz. Dieser Unterschied bleibt während der ganzen Dauer des Versuchs bestehen. Die Lage der ersten Silberbichnmiat-Bildung bleibt also deutlich sichtbar, obgleich eine Zertheilung in derselben stattgefunden hat. 62. In diesem dritten Stadium bestand eine Figur, welche im Grossen identisch mit jener ist, welche man bei einem einseitigen Diffusiousstrom von doppelt- chromsaurem Anunon in Silbernitrat Gallerte (vgl. 54) oder bei dem umgekehrten Versuch erhält. Die weiteren Stadien bestehen in einer theihveisen Zerstörung und Verschiebung der .\-Linien und in der Neubildung einer scheinbar anderen .\rt von Linien. 63. Vierte Phase: Die schwarzen A-Linien werden zerstört. Sie zerfallen in kleine schwarze Punkte, welche sich gleiehmässig über das ganze Gebiet vertheilen, welches vorher diese .\-Linicn einnahmen. Die Structur der ersten (57.) Membran bleibt dagegen unverändert be- stehen. Der benachbarte, mit den schwarzen Punkten besäete Streifen hat den weissen Grundton (ganz ohne Gelb) beibehalten. 64. Fünfte Phase: Gleichzeitig entwickelt sich aus einer oder mehreren der zerstörten A-Linien in einem Abstand von etwa 5 mm von der ersten eine zweite breite Niederschlagsmembran. Dieselbe ist bedeutend dunkler roth gefärbt. Aus dieser bilden sich bald nach dem Bichromat-Triipfen hin neue, tiefrothe und scharf- begrenzte A-Linien, deren Rhythmus jedoch nicht so scharf ausgeprägt ist, als derjenige en diesen cheniischen Wirkungen des Stromes und der Dittusion der Zersetzungsprodukte tritt gewöhn- lich noch eine physikalische Erscheinung bei der Elektro- Ij'se der Gallerten auf: Jener Einfluss der Elektricität auf das Lösungsmittel (Wasser), welchen man bei den Flüssigkeiten als eine Wanderung desselben in der Richtung des positiven Stromes auffasste: Die elektrische Endosmose. Zum Studium dieser Erscheinung scheinen die Gal- lerten von vornherein sehr geeignet zu sein, weil bei ihnen die Bedine-ungen am besten erfüllt sind, welche zum P^intritt der „elektrischen Endosmose" nöthig sind. Denn der ganze Elektrolyt bildet hier gewissermaassen eine Membran. Sie sind allerdings dazu geeignet. — Aber man muss bei der Beurtheilung der Vorgänge sehr vorsichtig sein, weil allerlei Nebenumstände den Hauptvorgang modifi- ciren und zu falschen Schlüssen Anlass geben können : die Wirkung der Zersetzungsprodukte auf die Gelatine, die direete Wirkung des Stromes auf dieselbe: ihre Gerbung und Aufquellung. Ferner kommt dazu die mechanische Wirkung (Lockerung der Gallerte) der an den Elektroden entwickelten Gase, z. B. des Wasserstoffes an der Kathode. 88. Wenn man alle diese Nebenumstände berück- sichtigt, kommt man zu dem gleichen Ergebniss wie bei der Elektrolyse einer Flüssigkeit, welche durch ein Dia- l)hragma in zwei Theile getheilt ist: An der Kathode sammelt sieh in den meisten Fällen das Wasser an. 89. Ich brauche hier absichtlich nicht den Ausdruck, dass das Wasser in der Richtung des positiven Stromes XI. Nr. 30. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 361 wandere. Ich finde nur, dass sich das Wasser an der Kathode ansammelt. — Der Orund wird aus dem iblgou- den Versuch verständlich : Bei der Elektrolyse einer Silbernitrat-dallertc wird zunächst an der Kathode das Silbersalz zu Jletall rcdu- cirt. Es entsteht darunter ein kleiner, intensiv schwarzer Kreis (a;. Rings herum liegt ein farbloser, sehr tief- liegender Ring (b). Ueber a hat sich ein einziger grosser Tropfen reinen Wassers angesammelt. Dasselbe ist der directen Umgebung (b) der Elektrode, welche sich in diesem Fall durcli das metallische Silber vergrössert hat, entzogen worden. Dadurch liegt der Ring b so tief, ohne dass dort die fielatine wirklich gegerbt wäre. Ausserlialb des scharf begrenzten Ringes b, welcher in der Verbindungslinie der beiden Elektroden nicht im geringsten breiter ist als nach der anderen Seite hin, ist die Gallerte unverändert geblieben. Von einer wirklichen VV^anderung des Wassers von der Anode zur Kathode hin kann also wenigstens bei den Gallerten nicht gesprochen werden. 90. Bei der Elektrolyse reiner Gelatine-Gallerte lässt sich leicht naciiweisen, dass der äussere Ring (b) nur indirect durch den Strom entsteht. Wenn derselben etwas Phcnolphtalein zugesetzt worden war, reicht die Roth- färbung nur bis zur inneren Grenze von b. Dieser Ring selber ist aber nicht gefärbt. 91. Comj)licirter ist der Vorgang au der Kathode bei der Elektrolyse von Zinkjodid: Zunächst ist da ein grosser Wassertropfen, welcher auf der Gallerte steht und die Elektrode einhiült. Direct darunter ist die Gallerte stark aufgequollen (a). Rings herum liegt wieder ein schmaler, sehr tief liegender Ring, aus welchem das Wasser heraus- geholt worden ist (b). Während a bei der Elektrolyse von Silbernitrat durch das metallische Silber gegerbt ist, fehlt beim Jodzink ein solciier gerbender Stoff. Ein Theil des Wassers wird dadurch in die Gallerte hereingepresst. Da diese AntuUung mit Wasser übermässig gross ist, erscheinen an den Seiten des erhöhten a viele kleine Tröpl'chen. 92. Auch beim doppelchromsauren Annnon sammelt sich an der Kathode das Wasser au. Nach zweistündiger Elektrolyse mit 6 Trockenelementen mochte der Tropfen etwa 2 cm betragen. Darunter war die Gallerte gleich- massig bis zu einem Kreis von 20 mm Durchmesser farb- los geworden. Während die Gallerte vorher 4 nnu dick war, ist dieser Kreis nur noch 2 mm dick. 93. Beim Chlornatrium und Jodkalium zeigt sich au der Kathode Nichts, was in dieser Beziehung bemerkens- werth wäre. Es tritt nur eine Aufweichung der Gelatine durch das Alkali ein. Es sei nur noch auf die Wirkung des entweichenden Wasserstoffs aufmerksam gemacht, welcher ein mecha- nisches Auflockern der Gallerte veranlasst. 94. Die Erscheinungen, welche an der Anode auf- treten, sind allein durch die Wirkung der Zersetzungspro- duete auf die Gelatine bedingt. Von einer Abstossung des Wassers habe ich in keinem Fall etwas beobachtet. Die Salpetersäure, welche aus Silbernitrat frei wird, weicht die Gallerte nur auf. Der weite Kreis ist nicht aufgequollen. 95. Entsteht an der Anode ein gerbendes Product, so bildet sich ein tiefliegender Kreis. An der ganzen Oberfläche desselben treten dann kleine Tröpfchen aus. Dieselben werden aus der (iallertc iicrausgepresst. Es ist dies keine directc Wirkung des Stromes, son- dern sie erfolgt auf dieselbe Weise, wie beim Eindringen eines Tropfens von Eisenchlorid (vergl. 21) oder Uranyl- nitrat (vergl. 20). Auch nach Stromschluss setzt sich diese Tröpfchenbildung fort. 96. V^or der Flüssigkeitsansammlung an der Kathode ist diese seeundäre Tröpfchen-Bildung leicht zu unter- scheiden. — Man kann sie leicht an den folgenden Prä- paraten beobachten: Bei Bichromatgelatine ist nach zweistündiger Ein- wirkung des Stromes ein Kreis von 37 mm Durchmesser entstanden, welcher dunkler orange ist als die Umgebung. Er ist etwa ^,., mm tief gegerbt. Seine ganze Ober- fläche ist gleichmässig mit vielen kleinen Tröpfchen be- deckt. (Bei der Elektrolyse einer flüssigen Bichromat- gelatine setzt sich die Gelatine als feste Masse auf der Anode an.) 97. Das aus Jodkalium an der Anode frei werdende Jod gerbt ebenfalls und bedingt dadurch — namentlich nach" Stromschluss — eine starke Tröpfchenbildung. Der durch die Gerbung in der (iallertc erzeugte Druck veranlasst (ausser dieser Flüssigkeitsausscheidung) in beiden Fällen, dass der Anodenkreis nach Stromschluss sich noch rasch verbreitert. 98. Die an der Kathode durch den Strom gesammelte Flüssigkeit ist farblos. Die an der Anode secundär ausgeschiedene ist durch Jod resp. durch das Bichromat stark gefärbt. 99. Bei der Elektrolyse einer erstarrten Chlorsilber- gelatine-Emulsion, welche überschüssiges Silberuitrat ent- hält, tritt au der Kathode dasselbe ein, wie bei der Silberuitrat-Gallerte: Die Reduction zu Metall und die starke Wasseransammlung. In der Umgebung ist die Trübung durch das Chlorsilber genau so stark wie zuvor geblieben. Dagegen ist an der Anode ein grosser, klarer kreis entstanden, in welchem die Chlorsilber-Trübung vollständig fehlt. Es ist dies merkwürdig, da doch das Chlor, welches nach der Anode hin geschafft wird, sich mit Silber verbinden könnte 100. Nur in einem einzigen Fall habe ich eine directe Wasseransammlung an der Anode beobachtet: Beim Kupferaeetat, wenn die Anode uadelförmig war, während die Kathode aus einer grosser Platte bestand. Auf letz- terer bildeten sich dabei die Nobili'schen Ringe aus. Waren beide Pole gleich gross, oder endete der po- sitive in einer Platte und der negative in einer Spitze, so trat der Wassertropfen nicht auf. 101. Ehe die zwei durch den Strom indirect er- zeugten Diffusionen sich berühren, dehnen sie sich kreis- förmig aus. Beim Zusammentrefieu tritt eine beider- seitige Abplattung ein. Bei der Zerlegung von doppelchromsaurem Ammon war die Grenzlinie um 10 mm von der Kathode und 1.5 mm von der Anode entfernt. 102. Es scheint, als wenn schon etwas vorher noch andere Erscheinungen zu den reinen Diflfusionsvorgängen kämen. Denn der Kreis um die Anode ist nach der Kathode hin weiter ausgedehnt, als nach der entgegen- gesetzten Seite hin. Der erstere Radius ist 15 mm, der letztere 13 mm. Etwas seitlich von der directen Ver- bindungslinie der beiden Pole ist der Radius sogar IS mm gross. Wahrscheinlich hängt das mit der Anziehung des Wassers nach der Kathode hin zusammen. 102. Wenn sich der rothe und der gelbe Kreis einer mit Phcnolphtalein versetzten Jodkaliumgallcrte berühren, dringt zuerst der gelbe Anodenkreis in den rotheu Kathodenkreis. Bei weiterer Elektrolyse plattet sich die (Grenzlinie immer mehr ab und zuletzt ist die Linie nach der Kathode hin stark eoncav gebogen. — Es kommt das von der rascheren Ausdehnung des Anodenkreises. dem überschüssigen Silbernitrat zu weiterem Chlor- 362 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 30. 103. Nach der Unterbrechung des Stromes verbindet sich der Inhalt der beiden Kreise an der Grenze wieder zu Jodkalium. Diese farblose Linie wird immer breiter. Jlan kann dann kräftige Polarisationströme erhalten. 104. Hat man einen Tropfen Kupferacetat gegen gelbes Blutlaugensalz ditt'undiren lassen, bis eine dichte, braun- rothe Niederschlagsmenibran dazwischen entstanden ist, und taucht man nun die Kathode in das Kupferacetat, die Anode in das Blutlaugensalz, so wird der Strich nicht im Mindesten verändert. (Vgl. damit 83). Auch wandert bei der umgekehrten Stromrichtung kein Kupfer zm- Kathode und kein Blutlaugensalz zur Anode. 105. Bestehen die Elektroden bei diesen Versuchen nicht aus Platin, sondern aus einem angreifbaren Metall, z. B. aus Kupfer, so sind die Erscheinungen nicht prin- cipicll von den oben beschrieben verschieden. Nur difl'undirt von der Anode das entsprechende Kupfersalz statt der Säure in die Gallerte. lOß. Ausser der Bedeutung, welche diese Unter- suchungen an Gallerten für die Elektricitäts-Lehre haben, vermögen sie auch auf anderen Gebieten Aufklärung zu ver- schaffen. Ich will hier nur eins herausgreifen, welches mit dem Hauptthema in näherer Berührung steht: der Ver- wendung der Elekrolyse in der Medicin. Auch hier haben wir es weniger mit directen Wir- kungen des Stromes zu thun, als vielmehr mit secuudären Wirkungen. Zunächst kommt die mechanische Wirkung der nascirenden Gase in Betracht (vgl. 93). „Der am nega- tiven Pol sich entwickelnde Wasserstoff" wirkt explodirend auf die Gewebe und ruft eine Zerreissung der Haut her- vor, sodass dieselbe nicht mehr färbbar ist." (Heller, Monatsh. f. pr. Derm. 1894. IXX, S. 375.) — Auf diese Weise gelingt die elektrische Entferaung der Haare. „Eine Platinnadel, die mit dem negativen Pol verbunden ist, wird in den Haarbalg eingestossen. Die clektroly- tische Action macht sich sofort durch Aufschäumen einer weisslichen Masse um die Nadel bemerkbar." (Santi, Monatsh. f. pr. Dermatologie 1894. XVIII, S. 459.) Bei diesem Experiment „kann man auch in einer gewissen Entfernung von der Nadel noch eine Einwirkung des Stromes beobachten.". (Giovanni, ibid. IXX, S. 85.) Hier ist dann schon eine weitergehende Wirkung des Stromes eingetreten, wie ich sie oben beschrieben habe. Durch einen Vergleich mit den Gallert-Versuchen wird es sich leicht feststellen lassen, welcher Pol für eine bestimmte Krankheit zu wählen ist. Santi benutzt bei Lupus, bei Warzen, bei Acne rosacea, bei Skrophuloderm die Kathode. Bei Angiomen liefert auch der positive Pol gute Resultate. Neben diesen physikalischen Wirkungen können aber auch die Zersetzungsproducte chemisch zur Wirksamkeit gelangen, wie es Newmann (AUgem. Wiener med. Ztg. 1892, S. 71) bei seiner Behandlung der Harnröhren- Strikturen nachgewiesen hat: „An der Anode sammeln sich Säuren und Sauerstoff". Das Blut gerinnt. Bei Einwirkung eines starken Stromes entsteht ein trockener Brandschorf, welcher eine Narbe hinterlässt, wie das auch gewöhnlich bei Einwirkung von Mineralsäuren stattfindet. An der Kathode sammeln sich die Alkalien und alkalischen Basen; es bildet sich Am- moniak und Wasserstoff". Die Aetzung starker Ströme gleicht der AVirkung eines kaustischen Alkali. Das Blut bleibt oder wird flüssig; Neoplasmen werden zerstört oder zur Resorption gebracht; Wasserstoff" wird fort- während erzeugt und zeigt sich in kleinen Blasen." Aus all diesen verschiedenen Vorgängen kann sich der Ert'ect der Elektrolyse zusammensetzen und es kommt auf die zweckmässige Hervorhebung des einen oder an- deren an, damit das gewünschte Resultat erreicht wird. Neue Polycladeii, gesammelt von Kapitäu C'liier- cliia bei der Erdumschilfniig der Korvette Vettor Pisaiii, Prof. W. Kükentlial im nördlichen Eismeer nnd von Prof. R. Semon in Java, beschreibt Marianne Plehn, Assistentin am zoologischen Laboratorium in Zürich (Jenaische Zeitschrift, Bd. 30, 1896). Die Arbeit befasst sich in erster Linie mit einer eingehenden anato- mischen und histologischen Untersuchung der neuen Platt- würmer, liel"crt aber auch einige interessante Resultate über die Verbreitung dieser Thiere. Bisher waren mit Ausnahme des Mittelmeeres nur sehr wenige Gegenden auf ihre Plattodenfauna erforscht. Daher ist es auch nicht wunderbar, wenn sich von 18 der von der Ver- fasserin uutcrsuehten Arten 12 als neu ergaben, die sich zum Thcil in das bisherige System einreihen Hessen und wofür neue Gattungen aufgestellt werden nnissten. Das lässt darauf schliessen, welche Mannigfaltigkeit von unbekannten Formen der Ocean noch bergen mag, und eine wie verhältnissmässig geringe Zahl iiisher gründlich untersucht worden ist. AVenn auch die neuen Arten in ihren wichtigsten Merkmalen manche Sonderheiten auf- weisen, welche die Organisation der Polycladen äusserst variabel erscheinen lassen, so ist andererseits auch er- staunlich, wie fest sie sich trotz aller A'ariaticnicn an die Grundzüge des Bauplanes halten. Diese abweichenden Merkmale sind für die Art- und Genusdiagnose gewiss interessant und wcrthvoll, gestatten aber wieder einzeln für sich nicht den geringsten Schluss auf die übrige Or- ganisation, weil sie in ganz verschiedenen Familien auf- treten können. Besonders sei eine neue Polyclade aus Ostsidtzbergen erwähnt, Acelis arctica, welche gar keine Augen be- sitzt. Die mikroskopische Untersuchung der Quer- und Längsschnittserien ergab ein vollständiges Fehlen von Augen. Weder in der Gehirngegend noch am Körperende findet sieh von Augen eine Spur. Es ist dies der einzig sicher constatirte Fall bei allen Polycladen. Bei vier der als neu beschriebenen Arten liegen die Keimdrüsen, männliche wie weibliche, in einer dorsalen Schicht regellos durcheinander, während sonst bei allen bisher beschriebenen Polycladen die Hoden in einer ven- tralen, die Ovarien in einer dursalcn Schiebt getrennt liegen. Bei einer fünften Form, Plagiotata promiscua, enthalten beide Schichten sowohl (Ovarien als auch Hoden. Drei andere Formen zeichnen sich durch das Fehlen der Körnerdrüsen aus; hier sind Abschnitte des Samen- leiters drüsig modificirt und scheinen also die Körner- drüse zu ersetzen. Die neue Gattung Thysanoplana, welcher neue Arten indica und margin ata aus Java zugerechnet werden, unterscheidet sich durch die Art der Verzweigung des Hauptdarmes von allen übrigen Poly- claden. Es entspringen nämlich auf einem Querschnitt des llauptdarmes nicht nur jederscits ein Darmast, sondern mehrere, häufig 3 oder 4, übereinander. Diese Darm- äste lagern sich in den zarten Scitcnfcldern wieder in einer horizontalen Schicht. Hczüglieh weiterer Eiirzel lu'iten sei auf die Arbeit selbst verwiesen. R. XI. Nr. 30. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 363 Aus dem wissenschaftlichen Leben. Es «uvilen erimiint: Die I'rivatdocenteii der Chemie Dr. Friedr. Wilh. Küster in Jlarburt; und Dr. Seninil er in Greifs- Avald zu ausserordentlichen Professoren; der Privatdocent der ]iatli(doj,'iseheM Anatomie in Kiel Dr. Paul Doehle zum aussi'r- ordentlielien Professor; der Privatdocent der Augenheilkunde in Leipzig Dr. Wilhelm Schoenzum ausserordentlichen Professor; der Privatdocent der inneren Mediein zu Kiel Dr. Heinrich Hochhaus zum ausserordentlichen Professor; Professor Mü 11 er , Docent an der technischen Hochschule in Hannover zum etats- miissigen Professor; der Privatdocent der gerichtlichen Mediein in Innsbruck Dr. Ipsen zum ausserordentlichen Professor. Es habitilirte sich: Dr. Johannes Müller in der medicini- schen Fakultät zu Würzburg. Es starben: Der ordentliche Professor der Chemie in Bonn Geheimrath Dr. August Kekule von Stradonitz; di'r ehe- malige Director der thieriirztlichen Hochschule zu Hannover Geheimer Medicinalrath Prof. Karl Günther; der Privatdocent der Augenheilkunde in Innsbruck Dr. Sachs; der ehemalige Bibliothekar am kaiserlichen botanischen Garten zu Petersburg Ferdinand von Herder. Die iliesjährige allgemeine Versammlung der Deutschen geologischen Gesellschaft findet vom Sonntag den 9. bis Sonn- abend den 15. August statt. Geschäftsführer: von Eck und E. Fraas. L i 1 1 e r a t u r. Otto Ammon, Der Abänderungsspielraum. Ein Beitrag zur Theorie der natürlichen Auslese. Ferd. Dümmlers Verlags- buchhandlung. Berlin 189(j. — Preis l,--'0 M. Der Artikel ist zuerst in der „Naturw. Wochenschr." (Bd. XI, No. 12 — 14) erschienen, bei der Wichtigkeit desselben ist der vorliegende .Sonderabdruck besonders herausgegeben worden. Emile Picard, Traite d'analyse. Tome III. Des singularites des integrales des equations dif f eren t iell es. Etüde du cas oü la variable reste reelle; des, courbes de fi nies par des equations differentieUes. Equations lineaires; analogies entre les equations algebriques et les equations lineaires. Gauthier- Villars & Fils. P:«is 1896. Der vorliegende Band umfasst nach der Vorrede die Vor- lesungen, welche der Verfasser während der letzten drei Jahre an der Facultc des Sciences zu Paris gehalten hat. Er ist, wie aus dem oben ausführlich angegebenen Untertitel ersichtlich ist, fast ausschliesslich der Betrachtung der Differentialgleichungen ge- widmet. Bereits bei Besprechung der bei•«• l-t"aiin»i'as. Sind die praktischsten Hand-Apparate. Das beliebige Ohjectiv tlient gleielizfitig als Suclier. Das IJild bleibt bis zum Eintritt der Be- lichtung in Hildgrösse siebtbar. Die Visier.scheibe drelit sich um sicli selbst (für Hoch- und quer- Aufnahmcn). In Vorbereitung für die Gewerbe-Ausstellung: Spiegel-Camera 9/12 cm xiiiii %iiNaiiiiiiciilc!;t'ii. Alleinvertrieb lU'r Wi'Hteiidoi'ii & Weliner-PIatten. ,, „ Pillnaj 'selieu liiirke. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstr. 33i- I Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th Elkan Berlin N., Tegelerstr. 15. Hittorfsche Röhren für ltuiit|[vi'ii.s X-JStraiilfii sowie i^iiiiillU liv clektrisrlif Itölircii fabrizieren Höllein & Reinhardt 'I'Itcrnionu'tcr u. (_ilasins(rinnentenial»rik Neuhaus a. Rennweg (Thüringen). l'reisiiste gratis. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ j Dr. Robert Muencke : X Luiseiistr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. t # Tt'flniisches Institut für Anfertif,'un{;wissensc'haftlielier Apparate ♦ ♦ unil GerilthstliaftBU im Gesannntgebii'tc der Naturwissrnscliaften. ♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ 1» « I BERLIN C, Niederlage der eigenen Glashüttenwerke und Dampf- schleifereien zu Tschernitz i. 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Redaktion: f Dr. H. Potonie. Verlag : Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XL Band. Sonntag, den 2. August 1896. Nr. 31. Abonnement : Man abonnirt bei allen Buchhandluntcen und Post- "jp auätalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— <3E> Bringe^eld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 4S27. A Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 J.. Grossere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilap^en nach Uebereinkunft, Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdrack ist nnr mit vollständiser Qnellenans;abe gestattet. Ueber Erzeugung von X-Strahlen. Von Dr. Langer, Ohrdruf. Im Folgenden sind eine Reihe von Beobaclituug-en und Resultaten mitgethcilt, welche ich seit Bekanntwerden von Röntgens epochemachender Entdeckung bis jetzt in Oemeiuschaft mit Herrn Fabrikbesitzer Max Gundelach in Gehlberg- vorgenommen, beziehungsweise gefunden habe. Von der Voraussetzung ausgehend, dass die bei den ersten Entladungsröhren benutzte Phosphorcscenz der Glaswandung nicht die beste Form der Quellen für X-Strahlen bleiben würde, verwandte ich bald nach Be- kanntwerden der Entdeckung eine von Götze in Leipzig hergestellte Puluj'sche Phosphorescenz - Lampe zur Er- zeugung von X-Strahlen. In Gemeinschaft mit den Herren Hofpliotographen Zink und Sohn in Gotha, welche in dankenswerther Liebenswürdigkeit mit photographischen Platten nach Ohrdruf gekommen waren, wurden Aufnahmen mit der Puluj'schen Lampe, die mit Inductionsströmieii, sowie in einem andern Versuch mit Tesla-Strömen gespeist wurde, gemacht und mit der Wirkung eines einfachen Kathoden- rohrs verglichen. Es stellte sich heraus, dass die Puluj- sche Lampe in der Tiiat dem angewendeten Kathoden- rohr erheblich überlegen war. Es wurde nun in weiteren Versuchen, welche in Gemeinschaft mit Herrn Professor Dr. Thomas vorgenommen wurden, unter sorgfältiger Aus- scheidung aller directen Kathodenstrahleii durch Mctall- bleche nur der von dem phosphorescirenden Belag der Puluj'schen Lampe herrührende Theil der Strahlen auf die photographische Platte wirken gelassen und durch die geschlossene Cassette hindurch gute und zufrieden- stellende Aufnahmen der Hand erzielt.*) Weitere Versuche mit Puluj'schen Röhren, in denen verschiedene Substanzen, wie Schwefelcalcium, Apatit *) et", llofonito von Dr. Tli. in der Oothaischen Zeitnng vom 7. Februar d. Js. und im „Tiiüriiiger Waldboten" vom 11. Fobriiar. von Ehrenfriedensdorf und Zillerthal (Apatite von anderen Fundorten erwiesen sich als wirkungslos) Flussspat von Oltschenalp, ßalmain'sche Leuchtfarbe und verschiedene andere luminiscirende .Substanzen verwendet wurden, ergaben Resultate, welche zwar mit denen der Puluj'schen Lampe, aber nicht melir mit den nunmehr bald sehr ver- besserten Entladuugsapparaten, wie sie namentlich aus der Fabrik von E. Gundelach hervorgingen, concurrircn konnten. Die Abänderung der Form der Lampe in eine solche, dass die Strahlen axial austraten, womit eine seitliche Anbringung der Kathoden verbunden war, ferner die Anbringung ringförmiger Kathoden, Belegung der Kathoden mit Glimmer erwiesen sich ebenfalls als un- geeignet oder unzureichend, um die Uebertlügeluug der Phosphoresceuzrohre durch einfache Kathodenrohre zu verhindern. Namentlich wenn starke Inductorien von 20 cm Funkenlänge angewendet wurden, stellte sich die Ueberlegenhcit der Katbodenröhren den Phospborescenz- röhren gegenüber heraus. Dies wurde aber sofort ander.s, als ich" sUtt der Glinnnerscheiben, auf die die lumi- niscirende Substanz gestrichen war, Aluminium anwandte, und die Platte den Querschnitt des Rohres ziemlieh voll- ständig ausfüllen Hess. Der Unterschied war sehr hervor- tretend. Wenn man z. B. mit einer Pappröhre, die au einem Ende mit dichtem, schwarzen Papier, auf welches ein Kreuz von wolframsaurem Calcium angebracht war, die Lichtquelle betrachtete, so ging bei Anwendung einer Glimmerseheibc genügend viel Licht durch das Papier, während das durch die X-Strahlen bewirkte Aufleuchten des wolframsauren Calciums sehr massig war und durch Contrastwirkung verschwand. Man sah ein schwarzes Kreuz auf hellem Grunde. Wurde mit dciiiselben .Ami- lysator nun dieselbe Substanz auf Aluminium betraclitct, so sah man umgekehrt ein helles Kreuz auf schwarzem 366 Naturwissenscliat'f liehe Wochenschrift. XI. Nr. 31. Grunde, da jetzt das Aufleuchten der Substanz überwog, und das Nebenlicht durch Contrastwirkung zum Ver- schwinden brachte. Die Wirkung auf die photographische Platte be- stätigte diese Beobachtung. Die Resultate waren nun wesentlich besser als die mit den besten Kathodenröhren erzielten, auch wenn z. B. nur das blau phosphorescircnde Schwefelcalcium aus der chemischen Fabrik von Schnchardt in Görlitz als luminiscirende Substanz verwendet wurde, die Aufnahme einer Hand bei 25 cm Entfernung mit einem Inductorium von 20 cm Funkenlänge erforderte (iO Se- cunden, während die besten Kathodenröhren zu der gleichen Wirkung 2 Minuten brauchten. Auch diese Schwefelcalcium - Röhren wurden bald durch die sogenannten Platinspiegelröhrcn mit einer Platinscheibe als „Antikathode" überflügelt. Es wurde jetzt wolframsaurer Kalk, die von Edison als Ersatz für Platinbarynmcynür vorgeschlagene Sub- stanz, an Stelle des Schwefclcalciums benutzt und die Sub- stanz in einer am 7. Mai von Herrn Max Gundelach be- wirkten Aufnahme mit Schwefelcalcium verglichen, sie zeigte sieh erlieblicli überlegen. Die Aufnahme einer Knochenhand erforderte 30 Secunden. Auftauend war dabei die glänzende Lumiuiscenz des wolframsauren Kalkes, welche, wie aus dem Referat Nr. 245 Heft V d. J. in den Beiblättern für Physik und Chemie hervor- geht, schon von Edison selbst beobachtet worden ist. Eine neue wesentliche Verbesserung erfuhr das Pliospho- rescenzrohr, als statt Calciumwolframat Baryumwolframat verwendet wurde. Diese Röhren zeigten sich bei einer Aufnahme vom 18. Mai von den Platinspiegelröhren, was Intensität der Strahlen anlangt, so wenig verschieden, dass es schwer war, einen Unterschied zu Gunsten der Platinspiegelröhre zu finden. Es schien, als seien bei letzteren die Conturen der Knochen etwas schärfer, die Aufnahme einer Hand immer unter den obigen Bedin- gungen erforderte kaum 25 Secunden, wenigstens war bei dieser Expositionszeit die Platte theilweise überlichtet. Es wurden nun eine Reihe anderer Wolframate untersucht, gleichzeitig wurde die Form der Puluj'schen Lampe ver- lassen und Röhren angewendet, in denen ohne Phospho- rescenzschirm Kathode und Anode sich gegenüberstanden. Letztere war unter ca. 40^ gegen die Rohraxe geneigt, so dass die an der Anode gebildeten X-Strahlen nach aussen fallen konnten. Um den Eiufluss der relativen und absoluten Grösse der Kathoden und Anoden, sowie den des Abstaudcs derselben, der Krümmung der Kathode, als letztere in Form eines Hohlspiegels angewendet wurde, kennen zu lernen, wurde eine Reihe von Röhren angefertigt und so evaeuirt, dass ungefähr der scheinbare Widerstand des Rohres einer Funkenlücke von 7 cm entsprach. Die Re- sultate wurden durch photographische Aufnahmen auf einer und derselben Platte so controlirt und verglichen, dass nur immer ein Theil der Platte den X-Strahlen ausgesetzt, der übrige durch dicke Eisen- und Messingbleche abge- blendet war. Bei den ersten Vergleichsaufnahmen wurden nur vier Aufnahmen auf einer Platte gemacht und jedes Mal die ganze Hand aufgenommen, soweit sie auf dem vierten Thcil der Platte Platz hatte. Sjjäter wurden so bis zu 24 Aufnahmen auf einer Platte untergebracht. Als Object wurde ein Finger eines Mädchens verwandt, so dass die ganze Platte also 24 von 24 verschiedenen Aufnahmen herrührende Finger aufwies. Da die Umstände der Ent- vvickelung des Bildes bei allen 24 Aufnahmen die gleichen waren, so gab die Schärfe der einzelnen Bilder einen direetcn Maassstab für die Wirksamkeit der betreffenden Röhren. Die Untersuchungen führten zur Consfruction einer konischen Form des Entladungsrohres, in dem einer grösseren Kathode eine kleinere schräg gestellte Anode (auch der Einfluss des Winkels wurde untersucht) gegen- übergestellt war. Bei dieser Form des Entladungsrohres bildete sich auf der Anode ein kleiner, leuchtender Fleck, so dass also keineswegs die ganze Anodenfläche für Aussendung der X-Strahlen in Betracht kam. Es geht daraus hervor, dass zur Concentration der Kathoden- strahien nicht unter allen Umständen Hohlspiegelkathoden verwendet werden müssen. Die oben erwähnten weiteruntersuchten Wolframate wurden vorwiegend in dieser oben beschriebenen Form der Entladungsrohren der Beobachtung unterzogen. Vor- züglich wirkende Röhren gaben Uranwolframat, Kalium- uranat, Uranphosphat. Bei Aufnahme einer Hand in 15 Secunden am 5. Juni zeigte sich das Uranwolframat- rohr dem Platinrohr an Intensität der Strahlen unbedingt überlegen. Noch besser wirkte das grüne Uranoxyd U3 Og, welches durch Glühen von chemisch reinem Uranuitrat bei Sauerstoft'zutritt hergestellt worden war. In der Reihe der beobachteten Substanzen wurde auch das Platin unter denselben Bedingungen, also mit ebener Kathode im konischen Rohr untersucht, es wurde in seiner Wirksam- keit X-Strahlen auszusenden als zwischen Baryumwolfra- mat und Uranwolframat stehend gefunden. Bringt man die sämmtlichen von mir nntersuchten Substanzen in eine Reihe hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, so würde dieselbe etwa folgende sein: Phosphorescirendes Schwefelzink, Schwefelcalcium von Schnchardt, wolframsaurer Kalk, wolframsaurer Baryt, Rubidiumjodid, Thalliumjodid, Silberwolframat, Platin, Kaliumuranat, Uranphosphat, Uranwolframat und grünes Uranoxyd Ug Og. Es liegt nahe, nach einer Gesetz- mässigkeit der Wirksamkeit obiger Substanzen zu suchen, da die Substanzen unter den gleichen Bedingungen unter- sucht sind, und die stark ins Gewicht fallenden Einflüsse der Glasdicke des Rohres und der Höhe des Vaeuums dadurch weniger einflussreich gemacht wurden, dass von den meisten Substanzen, namentlich den wirksameren, mehrere Röhren hergestellt worden sind. Es scheint nach dem Obigen, dass die Fähigkeit, X-Strahlen auszu- senden den Substanz wächst Wenn dem so wäre, so müsste das Kaliumhexauranat KoUcOi,,, falls es sich unter dem Einflüsse der Kathoden- strahlen nicht zersetzt, mit seinem Molekulargewicht 1782 gegen Uranoxyd 848 sich als ganz besonders wirksam erweisen. Die Herstellung von Kaliumhexauranat ist mir indessen nicht geglückt, weil mir nur mangelhafte Labora- toriumseinrichtungen zur Verfügung stehen. Dass die Molekulargewichte ganz allein ceteris paribus nur aus- schlaggebend sind, widerspricht der guten Wirkung von Thallium- und Rubidiumjodid. Letztere Substanz müsste weniger wirksam als Calciumwolframat sein, während sie eine entschiedene Ueberlegenheit zeigt. Die beiden ge- nannten Jodide, namentlich Thalliumjodid, zeichnen sieh wieder durch hohe atombindende Verbindungsgewichte aus, aus diesem Grunde sind sie auch in den Kreis der Betrachtung gezogen worden. Beiläulig mag bemerkt werden, dass beim Durch- gang des Stromes durch Tlialliumjodiddampf ganz präch- tige, grüne Lichterscheinungen auftraten. — Bei Untersuchung und Vergleichung von Röhren ist eine möglichst genaue Gleichheit des Vaeuums noth- wendig; diese wird bei gleicher Form der Röhren am besten durch Gleichheit einer Funkenlücke, die dem schein- baren inneren Widerstand des Rohres beziehungsweise der elektromotorischen Gegenkraft, die zur Einleitung der Entladung überwunden werden muss, äquivalent zugleich mit dem Molekulargewicht der betreffen- XI. Nr. 31 Naturwissenscliaftliche Wochenschrift. 367 ist, erreicht. Man kann bei einiger Ucbung tliatsächlicii an dem Aussehen des Entladungsrohres, die grössere oder geringere Entfernung vom kritisclien Zustand, bei dem es die meisten X-Strahlen aussendet, erkennen. Dieser Zustand ändert sich leider durch die Entladung von selbst. Diese Röhren werden, wenn sie hochevacuirt sind, unter dem Einflüsse der Entladung namentlich grösserer Inductorien leerer und rasch so leer, dass die Funken den Raum nicht mehr durchsetzen können, wäh- rend vorher die Entladung unter intensiver Ausstrahlung von X-Strahlen vor sich ging. Das von Blaserna gefundene Resultat*), dass die Wirksamkeit mancher Röhren mit dem Gebrauch steigt, ist also dahin zu corrigircn, dass sie nicht wirksamer, sondern leerer, und wenn sie den Grad höchster Wirk- samkeit überschreiten, schlechter werden. Wie mir mein oben genannter Mitarbeiter Herr Max Gundelach mittheilt, soll übrigens dieses Leererwerden bei einfachen Kathodenröhren nicht eintreten. Demnach dürfte ein Abfangen der von der Kathode abgeschleuderten Gas- und Elektrodentheilchen, welche vom Platin beziehungsweise den von mir untersuchten Stoffen von der Anode unter Absorption aufgefangen werden, die Ursache sein. Mit dieser Auffassung scheint die Thatsache in Ein- klang zu stehen, dass ausser dem Platin namentlich poröse Substanzen dieses Leererwerden begünstigen. Ist das Inductorium gross genug, so kann thatsächlich ein von der Pmnpe ganz abgeschlossenes Rohr, wenn das- selbe vorher etwa auf 0,1 Millimeter, also nicht besonders stark evacuirt wurde, bloss durch den Einfluss der Ent- *) cfr. Wiedemanns Beiblätter. Bd. 20, Hoft V, Keferat No. 253. ladungen weiter bis zum Ausbleiben derselben evacuirt werden. Als Gas, welches bis zuletzt die Entladung ver- mittelt, zeigt das Spectrcjskop Wasserstotf an, welcher offenbar aus der Kathode stammend vom Platin absorbirt wird. Auch die Absorption der festen Elektrodentheilchen hat insofern Einfluss, als mit der Verminderung der Zahl derselben die Zahl der Anstössc auf die Gasmoleküle und damit die Summe der lebendigen Kräfte des letzteren vermindert wird. — Dieses Leererwerden der Entladungsröhren namentlich derer, in denen Platin verwendet wird, scheint zur Zeit der grüsste Fehler aller Evacuationsgefässe zu sein. Ein Er- wärmen derselben macht zwar wieder von der Glaswand okkludirte Gase vorübergehend locker und stellt die Brauch- barkeit des Rohres wieder her, jedoch nicht in vollem Umfang, einerseits weil das Rohr kalt am wirksam.sten ist, andererseits, weil das Vacuum durch dieses Erwärmen in Folge des oben angedeuteten Processes selbst wieder steigt. Die Rubidium- und Thalliumjodidröhren zeigen übri- gens dieses Leererwerden nach meinen Beobachtungen nicht, desgleichen Röhren, bei denen als X-Strablen er- zeugende Substanz eine Schmelze von Thalliumjodid mit UgOg verwandt wurde. Diese letzteren vertragen indessen nicht die Anwendung von Hohlspiegelkathoden und damit die Concentration der Kathodenstrahlen auf einen Punkt, weil die Jodite unter dem Einflüsse der eintretenden Er- wärmung sich verflüchtigen. Zur Erzielung scharfer Bilder ist aber die Concentration der Kathodenstrahlen uncrlässlich. In diesem Falle müssen die oben genannten wirksamen Uranverbindungen in Form von Emaillen, welche die Wärme gut leiten, verwendet werden. lieber das Achtdamenproblem und seine Verallgemeinerung.'^) Von Edmund Landau. Ueber das Achtdamenproblem, d. h. die Aufgabe, auf einem Schachbrett von 64 Feldern 8 Damen so auf- zustellen, dass keine eine andere angreift, ist in den letzten vierzig Jahren viel geschrieben worden. Die Aufgabe ist nicht blosse Spielerei, sondern auch von mathema- tischem Interesse. Sie lautet, von ihrem unmathema- tischen Gewände befreit: Es sollen diejenigen Permuta- tionen der Zahlen von 1 bis 8 aufgesucht werden, bei denen die Differenz zweier beliebigen Zahlen nicht gleich der Differenz ihrer Ordnungszahlen ist, wenn man dem ersten, zweiten . . . Element der Permutation die Ord- nungszahlen 1, 2 . . . beilegt. Ganz analog lässt sich die Aufgabe für das jfj--feldrige Brett auss{)rechen; es sind dann die p Zahlen von 1 bis p in der angegebenen Weise zu permutiren. Diese mathematische Interpretation der Aufgabe ist sehr naheliegend und findet sich schon in den ältesten Untersuchungen. Es sei beiläufig erwähnt, dass die Aufgabe nicht, wie überall irrthümlich angegeben wird, zuerst von Dr. Nauek im Jahre 1850 in der Illustrirten Zeitung veröflentlicht wurde; sie stammt vielmehr aus der Berliner Schach- zeitung und findet sich dort im Septeml)erheft 1848 in folgender Form: „Wie viele Steine mit der Wirksam- keit der Dame können auf das im Uebrigen leere Brett in der Art aufgestellt werden, dass keiner den anderen *) Vergl. zu Obigem auch diu früheren Artikel über den Gegenstand in der Naturw. Wochensolu-. Bd. V No. 30 S. 291 und VII No. 21 S. 203. — Ked. angreift und deckt, und wie müssen sie aufgestellt werden?" Im Januarheft 1849 finden sich dann 2 Lösungen mit der Angabe, dass es noch eine ungemein grosse Anzahl von Lösungen gebe, dass aber nie .auf einem Eckfeld eine Dame zu stehen käme. Diese letztere Bemerkung ist be- kanntlich falsch; denn in 16 der 92 Lösungen, bezw. in 2 der 12 Stammlösungen steht eine Dame auf einem Eckfeld. Die Aufgabe, nicht durch planloses Probiren, sondern methodisch die Lösungen für ein beliebiges Schachbrett zu finden, ist durch den Aufsatz von Herrn Professor Günther*), sowie durch die von Glaisher**) angegebene Vereinfachung wesentlich gefördert worden, und es ist auch vor einigen Jahren das Aufsuchen der Lösungen von Herrn Dr'y Pein***) bis zum 81- und 100-feldrigen Brett fortgeführt worden. Vom mathematischen Stand- punkte ist die Auffindung der Lösungen selbst weniger interessant als die Frage nach der Anzahl der Lösungen, und hierüber ist noch fast gar nichts veröflentlicht worden. Die Aufgabe, um die es sich handelt, ist in etwas allge- meinerer Form folgende: Auf wieviel Arten lassen sich n Damen (w ;< p) auf einem //--feldrigeu Brett so aufstellen, dass keine eine andere angreift? *) „Zur mathematischen Theorie dos Schachbretts." (Arcliiv für Mathematik und Physik, Bd. 56, 1874). **) „On the problom of the eight queens." (Philosophical Ma- gazine Dezember 1874.) **') Beilage zu dem Jahresbericht der städtischen Realschule zu Bochum über das Schuljahr 1888,89. 368 Natuiwisscnscliaftliche Wocheuschiift. XI. Nr. 31. Für H=l lautet die Antwort ofleubar: auf j)^ Arten. Für « ^ 2 leitet Lucas*) die Lösung- auf fols'endcm Wege ab: Um die Anzahl der den Bedingungen des Problems entsprechenden Aufstellungen zu linden, hat man von der Anzahl der überhaupt möglichen .Stellungen die Anzahl der verbotenen abzuziehen, d. h. der Aufstellungen, bei denen sich beide Damen angreifen. Die Anzahl der mögliehen Aufstellungen von zwei Steinen auf einem jJ-'-feldrigeu Brett ist 1) 2/~ 2 die Anzahl der Aufstellungen, bei denen sich die beiden Damen angreifen, ist nun oflenbar gleich der halben An- zahl der Züge, die eine Dame überhaupt auf dem Brett ausführen kann; denn wenn sich zwei Damen angreifen, so kann jede auf das Feld der anderen ziehen, und umge- kehrt, wenn zwei Damen so stehen, dass jede auf das Feld der andern ziehen kann, so greifen sie sich elien an. Lucas berechnet die Anzahl der Züge, die eine Dame ausführen kann, indem er die Bewegungsmöglich- keit der Dame aus der des Thurnis und der des Läufers zusammensetzt; er findet so als Anzahl der mögliehen Züge einer Dame -p{p^l)ibp-l). Also ist die Anzahl der verboteneu Aufstellungen die Anzahl der Aufstellungen von zwei Damen, die sich nicht angreifen, ist also ^p2 Q,2 _ 1) _ i_ ^j Q, _ 1) (5j, _ 1) = -Qp iP — 1) (3i'' + 3j> — lOjj + 2) = ^PiP-^){p-2)iBp-l}. Mit Rücksicht auf den Zweck dieses Aufsatzes, die Fortführung der Untersuchung über den Fall h = 2 hin- aus, soll zunächst dies Resultat auf einem anderen Wege abgeleitet werden. Denken wir uns das Schachbrett in eoacentrisclic Ränder eingetlieilt; dann stehen, wie man sich leicht ül)erzeugt, der Dame auf allen Feldern eines und desselben Randes g-leich viele Züge zur Verfügung. Für gerades p giebt es ^Ränder; der äusserste Rand hat ip — 4 Felder; jeder folgende hat 8 Felder weniger als der vorhergehende; der x-te Rand enthält also Ap-\-i — 8 v Felder, der innerste, ~ te, folglieh 4 Felder. Auf dem äussersten Rande greift die Dame ^p — 3 Fel- der an, näudich p — 1 vertical als Thurm, p — 1 hori- zontal als 'l'hurm und p — 1 diagonal als Läufer; auf jedem Rande beherrscht sie 2 Felder mehr als auf dem vorhergehenden, auf dem r ten Rande also ?>p — 5 -|- 2 r Felder, Die Anzahl der Züge, die die Dame überhaupt ausführen kann, ist demnach *) Theorie des nombres, I, 1891, S. 'J8; rccreations matliü- matiquos, IV, 18!)1, S. 132. ]£] (4^j -4- 4 - 8 r) (:6p — 5 + 2 1-) :2;(42J-4-4)(3i; — 5) + (— 24j; + 40+8jJ + 8)v-16v2} •'=1 = (122;2-8iJ-20)|- -I- (- \^p + 48) ^^-^ i - 16 ^ ^^ 4 r 3^j-2) = '-^i^ {^f - ^P - 15 — 3jj2 + 3^; + 18 2 = ^P{^P- — ^P^^) = |-i>(/^-l)(5j;-l). Für ungerades p giebt es - -^ - Ränder; auch hier hat der äusserste An — 4 Felder, und jeder folgende 8 Felder weniger als der vorhergehende, der vte also 4h + 4 — Sv Felder; dies gilt aber nur für r = 1, 2 . P ; denn der P + 1 te Rand hat 8 Felder, der innerste, ^—^ — te jedoch 1 Feld, also nur 7 Felder weniger; er ist bei der Summatiou nicht einzuschliessen, sondern besonders zu berücksichtigen. P"'ür die Zügezahl auf dem v ten Rand gilt dasselbe wie bei geradem ;»; die Anzahl der Züge, die eine Dame auf dem ^^-'-feldrigen Brett {p unge- rade) ausführen kann, ist also, da sie vom Mittelfeld aus Ay — 4 Felder beherrscht, 4i; — 4 + 2 (^1' + ■* - 8^') ^^I' - 5 + 2^) ■»=1 :4p — 4 + {12p' — 8p — 20) ^—^1 P- ■(— lG2; + 48)^ 1 11±1 2 16 p 1 J5 -f- 1 2 ^2—^ 6 = -3- (/> - 1) iV - 6^ — 15 — 3^;2 + 6j> +' - 1) iir - 2). Wenn es gelingt, idrei weitere unabhängige lineare Gleichungen für P, Ui, fo, U-j aufzustellen, lässt sich P daraus berechnen. Zwei sich nicht angreifende Damen lassen >sich, wie oben angegeben wurde, auf ±p(p-l){p-2){5p^l) Arten aufstellen. Wenn man auf einem beliebigen der |j2 — 2 freien Felder eine dritte Dame aufstellt, so sind unter den ~pXp-V (P- 2) (3p — 1) {f - 2) auf diese Weise entstehenden Stellungen enthalten: 1. Die P Stellungen der gesuchten Art, und zwar jede dreimal, da ja jede Dame als dritte betrachtet werden kann. 2. Die verbotenen Stellungen der ersten Klasse, und zwar jede zweimal, da jede der beiden sich angreifenden Damen als dritte gelten kann. 3. Die verbotenen Stellungen der zweiten Klasse, und zwar einmal. Also haben wir die Gleichung (2) •dP + 2U, + U, l){p'-2). Eine dritte Gleichung erhalten wir durch Betrachtung der „Doppelzügc", d. h. der Möglichkeiten, in zwei Zügen von irgend einem Felde des ^/--feldrigen Schachbretts aus auf irgend ein anderes zu gelangen. Wenn man eine Dame einen Doppelzug ausführen lässt, so liegen die drei von ihr eingenommenen Felder so, dass das eine die zwei anderen angreift; diese greifen sich an oder nicht; alle Fälle, in denen sie sich angreifen, sind sechs- fach gerechnet, da jedes der drei Felder als erstes be- trachtet werden und überdies der Doppelzug von dem Anfangsfelde aus in zweifacher Weise ausgeführt werden kann; alle Fälle, in denen sich das Anfangs- und End- fcld' nicht angreifen, sind offenbar doppelt gerechnet. Die halbe Anzalil der Doppelzüge ist also := il^ -{- BU^. Um nun die Anzahl der Doppelzüge auf dem 2J--feldrigen Brett durch p auszudrücken, sind zwei Fälle zu unter- scheiden, je nachdem p gerade oder ungerade ist. Wenn p gerade ist, theileu ,wir die Doppelzügc in ^ Arten ein, je nachdem das von der Dame nach dem ersten Zuge eingenommene Feld auf dem ersten, zweiten, . . ., ^ten Rande liegt. Wenn es eines der 4j> -H 4 — 8v Felder des rten Randes ist, kann der erste Zug von jedem der 3^^ — h-^2v Felder ausgehen, die das Feld angreift; für den zweiten Zug stehen nur 3j> — 6 -I- 2v Felder zur Verfügung, da das Feld, auf dem die Dame ursprünglich stand, nicht wieder betreten werden darf; also ist V. + ^U, = \Yi ^^^' ~ 5 + 2r) (3y> — 6 + 2r) (4/> +4 - Sp) " v=l 2 = 2 ^^^' — 5 + 2 v) (32J — 6 + 2 V) (2jj + 2 — \v) v=l V = 2|(3i>-r.)(3^.-6)(2/. + 2) -^(2 (3;^ — 6) (2iJ + 2) + 2 (3^j — 5)(2]> + 2) -4(3i--5)(3iv-6))v -f-(- 8(3y> - 5) — 8(3j; — G) + 4(2yj -4- 2))r- — 16 r'} = (31? - 5) (3i; - 6) (2iJ 4- 2) • -|- P iP + (— 12/j'- + 112^^ — 164) 2 \2 + 1 2 . (_ 40jj + 96) ^^-^ ~ 16 fd'^-r (3'') l\+ 3 1/3 = ^2/^(672^3 - 180/j- + \mp - 36). (2) + (3'^) — 2-(l) giebt 3P + 2I7i +1/. +f/, -^ 3[/3 — 2P - 2^1 —2V<,-2U^ = P+U, = 4f (6ij5 — 20ji' + ü^r' + 36/j- - mp -h 8 + 67 p» 1 - _ 180^;- + 146 j; - 36 — ip" + 12/ - 8jp) = _Lp {2pö _ 20 pi -I- Sbifi — 144 j/- + 102 p — 28). P ist also durch L3 ausgedrückt und es ist zur Berech- nung von P nur Lg zu bestimmen. "Ehe wir dazu übergehen, wollen wir die Berechnung der Zahl der Doppelzüge für ungerades p nachtragen. V — 1 Es ist hier die Summe von r = 1 l)is v = — ^ — ^" strecken und das dem Mittelfeld entsprechende Glied hin- zuzufügen. Also t/2 + 3t^ 2 ■ , = ^(ßp — 5 + 2v)(32; — r> + 2»') (2// + 2 — 8v) ' V— 1 -^±(4p-4){4p-b) 370 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 31 = {Sp-b){-diJ-6){2p + 2)'--, 1 + (— 12j)2 _(- n2p — 164) -^- p — 1 ö+l + (- 40p + 96) — g-? + (2p - 2) (4i> — 5) — 1) (67ij3 p — 1 p + 1 2 ' 2 2 (^,_1)2 (p + l)2 (3b) C/2+3[/3 = 12 ^^' (2)4- (3b) -2.(1) giebt P+U, = iVi^-l)(6i^' -14 16 113/- + 33iJ — 3). ^)* — Sp^ + 28p2 — 82J + 67 /j" — 113/>2 -I- 33j, -—3 _ 4^5 _ 4pi -+- 8f + 8 p'-) = ^(P — 1) (2p» — 18p* + 672J» - 77 tr + 25p — 3). C'3 lässt sich nun durch geometrische Erwägungen auf folgende Weise berechnen: fi'g ist die Anzahl der Auf- stellungen, bei denen sich je zwei der drei Damen an- greifen. Dies tritt in folgenden vier Filllen ein: _! I I I I I Flg. 1. I .. I .1 I Fig. i. Fig. 2. Fig. 3. 1. Die drei von den Damen eingenommenen Felder liegen auf derselben Horizontalen oder Verticalen (Fig. 1). 2. Die drei Felder liegen auf derselben Diagonalen, wobei unter „Diagonale" auch jede Parallele zu einer der beiden Hauptdiagonalen verstanden wird (Fig. 2). 3. Die drei Felder bilden ein rechtwinklig-gleich- schenkliges Dreieck', dessen Hypotenuse auf einer Dia- gonalen liegt (Fig. 3). 4. Die drei Felder bilden ein rechtwinklig-gleich- schenkliges Dreieck, dessen Hypotenuse auf einer Hori- zontalen oder Verticalen liegt (Fig. 4). Es möge Fl, Fo, F^, V^ Stellungen der vier Klassen geben; dann ist U, = V, + V, + V,-hV,. 1. Da es p Horizontal- und p Verticalreihen giebt, deren jede p Felder hat, und da auf jeder drei Damen sich auf ß)^!^^^ 1)0' -2) Arten aufstellen lassen, ist Vr .2p ■ . p{p-\){p-2) = yp'(p- 1) {P - 2) 2. In der Richtung von links oben nach rechts unten und von links unten nach rechts oben giebt es je 2p — 1 Diagonalen, deren eine p und je zwei p — 1, jJ — 2, . . ., 2, 1 Felder enthalten. Auf einer Diagonale von v Feldern lassen sicli drei Damen auf ;;w|. (.-!)(. -2) Arten aufstellen; also ist V-i 2 -g- p iP P~i l)ip-2)+i.-^'^v{v-l){v-2) = ^PiP- 1 , ^){p i)(p. 2)-+- ■2) v = l .1 p 1 3i'--t-2r) 2 /(p-l)V o (p-l)p(2p-l) (P-1)P\ y( 4 ^ ^6 + ^— 2^-j = -^PiP- l)(p---3jj + 2) -^jj{p-lf(p- 2). 3. Je zwei auf einer Diagonale liegenden Punkten entsprechen zwei rechtwinklig-gleichschenklige Dreiecke, deren Hypotenuse der Abstand dieser Punkte ist; also 2 ^i 2 {p-l)p{2p — l) {p — l)p\ F, 2pip~-l)-h4 =^^pip-i){2p-l). 6 2 4. Wenn man auf einer Horizontalen oder Verti- calen zwei Felder wählt, so entsplicht ihnen, wenn ihr Abstand durch eine ungerade Zahl ausgedrückt wird, kein rechtwinklig-gleichschenkliges Dreieck, dessen Hypote- nuse von ihnen begrenzt wird. Wenn ihr Abstand durch eine gerade Zahl ausgedrückt wird, so entsprechen ihnen ein oder zwei Dreiecke der erwähnten Art, je nachdem ihr halber Abstand grösser oder nicht grösser ist als der Abstand der Reihe von der ihr zunächst liegenden, parallelen Reihe des äusseren Randes. Es sei zunächst p gerade; dann giebt es je zwei Horizontalen und je zwei Verticalen, die vom Rande be- zieliuugsweise die Abstände 0, 1, 2, . . ., t, — 1 haben. Jede Reihe hat p Felder; es lassen sich also, wie man leicht einsieht, zwei den Abstand 2,« habende Punkte auf jeder Reihe auf p — 2|u Arten bestinnnen. Wenn man nun die Reihe betrachtet, die den Abstand r vom Rande hat, so entspricht allen ft > v ein Dreieck, allen jw < V zwei Dreiecke. Die Anzahl der Fälle, denen zwei Dreiecke entsprechen, ist also — 1 = üii = v = u 4(p-l)2^'-42^' V:^0 = 4(p-l) 1 (!}-')! ,(l -■)!<"-'> p{p-l){p-2). XI. Nr. 31. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 371 Die Anzaiil der Fälle, denen 1 oder 2 Dreiecke ent- sprechen, zusammen ist g-leicli tler Anzahl der möglichen Stellungen zweier Damen auf derselben Horizontalen oder Verticaleu in „geradem" Abstände, also •VS (/'--'/') |i = i ■ 2p 1 G(i-)-.'^^) l\ ist also gleich diesem Ausdruck, vermehrt um die Anzahl der Fälle, denen noch ein zweites Dreieck ent- spricht; also y, = 'lpHp-2)+~p(p = ^V ip-2){bp-2). 1) il^ - 2) Für ungerades p gestalten sich die Rechnungen etwas anders, da es je vier Horizontalen und Verticalen im p — 3 Abstand 0, 1, p-1 -, dagegen nur zwei im Abstand 2 vom Rande giebt. Die Anzahl der Fälle, denen zwei Dreiecke entsprechen, ist also 2 P-1 2 42 ^{p-2n)-h2'^(p-2ny, V=l (1=1 |i=l die Gesammtzahl der Lösungen beider Fälle ist ^-1 2p^{p-2i,y, also R=i P-3 2 p-l ^^4 = 4 20' 1' - •■ ( V + D) 4- {2p + 2)2 iP - 2/') v=l ^=1 p — 3 p — 1 p — 3 p — 1 Af i\~2 2^ r^ = 4(p — 1) ^ 4 (P - 2) [2p^2)\p' — 2 Für gerades p ist also ?7, Vx + V^ + V^ + T^ = -.if{p~ V)(p 1 2)+^^'(/'-l)'(/'-2) + \ r (/^ - 1) (2p - 1) + \v {V -2) (5j5 — 2) 1 2 = :ij(p« + 23"-5p + 2). P = _yj (2p5_20/>^-H 85^)^-144/^+ 102;>— 28) - r/3 = ^ P (2;*^— 20p-'-l- 79/;-'— 150ij2^_ 132;. -40) P = ^p{p- 2)-' (2/»^ - I2p^ + 23/, - 10). Für ungerades /) ist [/j = r, + T'o + F, + r, = \p- (J^ - 1 ) (? - 2) + -J- V(V- !)■' (/^ - 2) -Hy P (P - 1) (27' - 1) + g- ?^ (/) - 1) (-V - ') = YP(p-l)(p' + 2iJ-3) = yp0j-1)-0' + 3). ^ = 4(1*- ')(-/'— 18/''+C72r' — 77/)2-|-25/.-3) -[.'s 12 12 (/j— I)(2p5-18p*+61j3^ — 8%j2_,_43^j_3) /"= ^ (/> - I) (/» - 3) (2yB^ - 12/»' + 25/,^ - 14/, + I). Die Aufgabe, die Anzahl derjenigen Aufstellungen von drei Damen zu berechnen, bei denen keine eine andere angreift, ist hiermit gelöst. Wie schon von vornherein zu erwarten ist, enthält der Ausdruck für gerades p die Linearfactoren p und p — 2, für ungerades p die Factoren p — 1 und p — -3; denn auf dem 0-, 1-, 4-, 9-feldrigen Brett giebt es keine Lösung der Aufgabe. Die im Vorhergehenden angewandte Methode, die verbotenen Stellungen, je nach der Anzahl der Damen, die sieh angreifen, in Klassen einzutheileu und eine hin- reichende Anzahl von linearen Gleichungen abzuleiten, lässt sich auf die Fälle m=4 u. s. w. ausdehnen; mindesteus eine Klassenzahl wird wohl immer direct zu berechnen sein; doch nimmt die Schwierigkeit dieser Berechnung mit wachsendem n nicht wesentlich zu ; denn für w >- 5 giebt es gar keine Stellungen mehr, in denen sich je zwei Damen angreifen, ausser wenn alle auf derselben Geraden stehen; dieser Fall ist aber leicht zu erledigen. Es wird immer nur darauf ankommen, ganze Functionen von p und v nach V zu sunmiiren; es treten dabei nur ganze Functionen auf; hieraus folgt natürlich unmittelbar, dass die Anzahl der den Bedingungen des Problems entsprechenden Auf- stellungen von n Damen (w bezeichnet eine gegebene Zahl) auf dem 2*- - feldrigen Brett (/* ist veränderlich) eine ganze rationale Function 2Hten Grades von p ist; denn die Anzahl der möglichen Aufstellungen von n Damen auf dem /.--feldrigen Brett ist r ), also eine ganze Function 2Hten Grades von f\ wäre die Zahl der erlaubten Auf- stellungen von höherem Grade, so gäbe es für hinrcicliend grosses 7. mehr erlaul)te Aufstellungen als mögliche. 372 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 31. lieber Theefälschuuj^eii iu Riisslaud veröffentlicht Bonkowski iu der „Medecine moderne" einige Mitthei- lungen. Darnach wird in Moskau unter dem Namen Rogogeski ein Thee verkauft, welcher auf folgende Weise hergestellt wurde. In den Häusern kaufen wandernde Juden Theehlätter auf, die schon zur Bereitung des Ge- tränkes gedient hahen; noch feucht, werden dieselben mit anderen Blättern, zum Theil von gutem Thee, zum Thcil aber von verschiedenen anderen Pflanzen, vermischt. Diese Misehuni;- wird dann, um die Farbe und den Ge- schmack zu verbessern, mit Karamel oder mit dem Ex- tract von Campccheholz gekocht. Da die Blätter dadurch leicht werden, sucht man das Gewicht auf die Weise zu erhöhen, dass man Sand, Erde und Eisenfeilspähne da- zwischen bringt. Zuletzt werden die Blätter noch zwischen den Händen gerollt. Der so hergestellte Thee besitzt einen unangenehmen Geruch; die Blätter sind schlecht gerollt und zeigen Spuren von Karamel. Nach Ticho- miroffs Untersuchungen kann man ihn leicht von gutem Thee unterscheiden. Wenn man ihn nämlich in eine kalte, gesättigte Lösung von Kupfergrün bringt, so färbt sich dieselbe blau; waren die Blätter noch nicht benutzt, so wird die Flüssigkeit grün. In Warschau hat die Polizei bei einem Fabrikanten eine grössere Quantität Thee mit Beschlag belegt, der alles Mögliche enthielt, nur — keine Theeblätter. Es fanden sich da Stücke von Zimmet, Apfelsinen- und Citronen- sehale, Tannenrinde, Nussschalen, Citronen- und Kürbis- kerne, Steinkohle, Fischschuppen, vertrocknete Küchen- schaben, Erde u. a. m. S. Seh. Ueber die Aufnalime des Eisens iu den thierischen Körper hat Justus Gaule in der deutsch, medicinisch. Wochenschr. 1896, No. 19 und 24 zwei Untersuchungen ver- üftentlicht, welche nicht nur für die physiologische Chemie, sondern auch für die Behandlung der Bleichsucht und ver- wandten Gesundheitsstörungen von grossem Interesse sind, letzteres besonders deswegen, weil sie geeignet scheinen, die bekannte Streitfrage, ob nur organische oder auch un- organische Eisenverbindungen resorbierbar sind, zu lösen. Um zunächst das Schicksal organischer Eisenverbin- dungeu im Verdauungscaiial zu verfolgen, unternahm Verfasser Fütterungsversuche mit einer solchen an Ka- ninchen. Zwei Stunden nach Aufnahme der Eisenver- bindung (Carniferrin) wurden die Thiere getödtet und Stücke des Magens, des Dünndarms, der Leber und der Milz mit Schwefelammonium behandelt. Es ergab sich aus dem entstehenden Niederschlag von Schwefeleiscn^ dass nur die Milz und dass dem Magen zunächst ge- legene Stück des Dünndarms, das Duodenum, das Eisen aufgenommen hatten. Hieraus folgt, dass nur das Duo- denum Eisen resorbirt, und dieses von hier aus nicht etwa durch den J'fortaderkrcislauf zur Lelier transportirt wird. Es gelangt Aielmehr aus dem Epithel des Dünn- darms, von dem es in ganz älmlicher Weise wie das Fett aus dem Darminhalt aufgenommen wird, d. h. nicht ein- fach durch Diff'usion, sondern durch active ZcUthätigkeit, in die Lymphgcfässc der Dünndarmzotten, dann durch den Lym])listrom ins Blut und mit diesem in die Milz. Die niikrosko])ischc Untersuchung der Darmscldcindiaut und specielle vivisektorische Experimente ergaben diese Thatsachen zur Evidenz. ; Es. Hess sich überdies zeigen, dass die Eisenaufnahme seitens der Lymjjhe ungefähr 40 Minuten nach der Fütterung beginnt, dann das Maxi- mum 10 — 20 Minuten später erreicht und hiernach wieder abnimmt. Im Blute lässt sich dieses I'iscn nicht nachweisen; es wird vielmehr alsbald von der Milz fest- gehalten und zwar in Form kleinerer oder grösserer Körnchen iu einer ganz bestimmten Art von Zellen. Was nun die Resorption anorganischer Eisensalze anlangt, so werden diese bekanntlich im Magen durch die Salzsäure desselben in Eisenchlorid umgewandelt. Als nun Verfasser seine Kaninchen, deren übrige Nah- rung aus Hafer und Rüben bestand', mit Eiscnchlorid fütterte, fand sich, dass das Eisen mit einem Kohlehydrat des Mageninhaltes eine im I\[agcn selbst unlösliche or- ganische Verbindung einging. Die der Resorption des Eisens im Duodenum vorangehende Lösung dieser Ver- bindung beruht wahrscheinlich auf einer Umwandlung des Kohlehydrats in Zucker durch das diastatische Ferment der Bauchspeicheldrüse, deren Secret ja gerade ins Duodenum ergossen wird. Dies würde auch erklären, warum nur hier eine Eisenresorption stattfindet. Diese interessanten Untersuchungen werfen ein be- deutsames Licht auf den grösseren Theil des complicirten Weges, auf dem die rothen Blutkörperchen ihren Eisen- gehalt aus der Nahrung erhalten. Schaefer. Ueber bunte Laubblätter, so lautet der Titel einer von Prof. E. Stahl (Jena) veröftenthchten Arbeit. (An- nales du Jaitlin Botanique de Buitenzorg, volume XIII, 1896). Um über dieses Thema Studien zu machen, ist unser gemässigtes Klima weniger geeignet als der an mannigfach gefärbten Blättern reiche Tropenwald mit seiner dunstge- sättigten Atmosphäre. Damit ist schon augedeutet, dass Blatt- farbe und Luftfeuchtigkeit in einem näheren Zusammenhang stehen. Stahl hat, um diese Beziehung bis ins Einzelne zu ergründen, zahlreiche Versuche angestellt und seine Beobachtungen auf möglichst zahlreiche Formen aus- gedehnt. Die anfänglich von Stahl gehegte Verniuthung, did Buntblättrigkeit könnte Schreck- oder Warnfarbc für Thiere bedeuten, erwies sich als unzulänglich, da Füt- terungsversuche zu keinem Resultat führten. Schnecken, Raupen, Kaninchen, Ziegen, Schafe Hessen sich bei der Beurtheilung der dargebotenen Blätter nicht durch die Farbe leiten, sondern durch Geschmack oder Geruch. Bei Schnecken ist gleichzeitig, wie der Verfasser in einer früheren Arbeit dargethan hat, der Gehalt an Raphiden maassgebeud, welche die Zungen der Schnecken ver- wunden. (E. Stahl: Pflanzen und Schnecken. Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft und Mcdicin, Bd. XXII, N. F. XV. 1888. Ein Referat beiindet sich in der Naturw. Wochei^schr. Bd. III No. 14 S. 111.) ;' Dagegen giebt es pflaüzliche Organe, welche durch ihre Form und Farbe die Tluere vom Geuuss abschrecken können. Hierher gehören die schlangenähulichcn Blattstiele mancher Aracecn z. B. diejenigen von Amorphophallus variabilis. Zwar Hess sich unser Damwild durch dieselben nicht erschrecken, wohl aber die Anoa (Antilope depressi- cornis) aus Celebes, mit welcher der Verfasser im zoolo- gischen Garten von Batavia experimentirtc. Wurde den im Allgemeinen scheuen Thieren Gi-as geboten, so nahmen sie dasselbe willig an. Sobald aber ein gescheckter Blattstiel des Amcirphophallns varial)ilis .gleichzeitig da- neben gehalten wurde, wich das Tliier Jedes Mal sofort scheu zurück und drolite mit den Hörnern. Die Aehn- lichkeit des Blattstiels von Amorpliopiiallus variabilis mit einer im gleichen Wohnbezirk (Java) verbreiteten Trigo- nocephalusart soll oft geradezu überraschend sein. Da di(! Buntblättrigkeit nach den angestellten Ver- suchen keine Ani)assung zur Al)wehr von Thieren sein konnte, bemühte sich der Verfasser eine andere Deutung, und zwar eine physiologische, zu linden. XI. Nr. 31. Naturwissenschaft liulic Wochenschrift. 373 Im Anschluss an die bereits vorliejicnden Arbeiten von Morren (1S5S) und Hassack (188G) stellte Verfasser fest, dass das Blattroth (Erythropliyll) eine stärkere ErvvärmunK der Blätter gestatte, als ob dieselben rein •••rün wären. Mit Hülfe thernioelektriselier Methoden stellte St. fest, dass die rothen Stellen eines Blattes sieh um 1— 2" stärker zu erwärmen pfiegen als die rein grünen. Will man die Wirkung des rotheu Farbstoft'es uur quali- tativ veranschaulichen, so kann mau die bunte Blatttläehc mit einem Gemisch von Kakaobutter und Wachs be- streichen und sie der Sonne aussetzen. Dann schmilzt der Ueberzug an den rothen Stellen stets zuerst. Anders dagegen verhält es sich mit den hellen Silberfleckcn, "die sich z. B. vielfach bei Begonien- l)lättern finden. Hier schmilzt die Kakaobutter an den hellen Stellen immer später als an den grünen und, wenn schliesslich der ganze Ueberzug verflüssigt ist, bleibt der- selbe beim Abkühlen am längsten geschmolzen, ein Beweis, dass an den Silberflecken die Wärme langsamer abge- geben wird. Die von verschiedenen Forschern vertretene Ansicht, dass der rothe Farbstoft" dazu diene, die Chloro])hyll- körner vor schädlichen Einflüssen von Seiten der Sonnen- strahlen zu bewahren, weist Stahl zurück. Kerner von Marilaun's bekannten Versuch, wonach Satureja hor- tcnsis beim Verpflanzen in höhere, stark belichtete Alpen- regioncn sich zu rothen begann, erklärt St. anders. Der rothc Farbstoff soll, weil er eine Heizung des Blattes be- deutet, unter Anderem die Ableitung der Assimilate aus den Blättern beschleunigen und dadurch ein die Blatt- thätigkeit hemmendes Anhäufen von Stärke verhüten, da nämlich sonst die Pflanze während der Nacht nicht alle Stärke abzuleiten im Staude ist. Die Lichtschirmtheorie wird also vom Verfasser ver- worfen. Zur weiteren Klärung der vorliegenden Frage zieht St. die Transpiration herbei. Bekanntlich stehen sich bis heute in Bezug auf diesen Punkt zwei Ansichten diametral gegenüber. Forscher, welche die Vegetation sehr trockener Gegenden studirt haben (Volkens), halten die Verdunstung für ein nicht zu verhütendes, aber ent- behrliches Ucbcl, Botaniker dagegen, welche überaus ieuchte Landstriche durchforscht haben (Stahl), behaupten das Gegenthcil und halten die Transpiration für einen dem Nährsalztransport überaus günstigen und noth- wendigen Vorgang. Diesen Staudpunkt Stahls nniss man kennen, um seinen weiteren Ausführungen folgen zu können. Das Blattroth hat also nach seinen Darlegungen den Zweck, durch Wärnieabsorption einerseits Stoft'wandcrung und Stofl'wechselproeesse zu fördern, andcrntheiis die 'J'ranspiration zu beschleunigen, besonders in solchen Gegenden, wo die Luft meist dunstgesättigt ist, während die Förderung des Stoftwechsels besonders für unser Klima in Betracht käme. Die höhere Tempcrirung wird namentlich bei Sammetblättern erreicht, weil diese durch ihre konisch hervorgewölbten Epidermiszellen wie Strahlcnfänge wirken und auch schief von der Seite ein- fallendes Licht noch ausnutzen. Hellfleckigkcit findet sich sowohl bei Bewohnern trockener Gegenden (Arten von Aloe, Mescinl)rianthenuini etc.) als auch, und zwar viel reichlicher, bei solclien feuchter Tropenwälder. Bei den Wttstenpflanzen wird, wie eine später erscheinende Arbeit Stahls noch darthun soll, die Gefahr der Versengung vermindert, für tropische Gewächse dagegen bedeutet die Hellfleckigkcit eine Steigerung der Transpiration. In einer frühereu Arbeit „Regenfall und Blattgestalt" (vergl. Naturw. Wochensclir. Bd. VIII S. 284] hatte Stahl dargelegt, dass die Schattenpflanzen des feuchten Urwaldes ängstlich bemüht sind, die beregneten Blätter möglichst schnell wieder von dem daran haftenden Wasser zu befreien. Pflanzen feuchter Gegenden besitzen noch andere Mittel, um sich z. B. auch des aufgenommenen Wassers bald zu entledigen, wie Hydathoden, das sind z. Th. selbstthätig Wasser ausscheidende Blattdrüsen, Wasserspalten und die Umgestaltung der Blattspreiten. Silberfleckigkeit und Schlafstellung sind zwei Factoren, welche der Pflanze i)e- sonders in der Nacht zu Gute kommen. Wie die Mittel zur Wasserausscheidung sich häufen können, ergiebt sich aus folgender Zusammenstellung: L Wasser in tropfbarer Form ausscheidende Hyda- thoden: Gramineen, Cyperaceen, die Mehrzahl der ein- heimischen krautigen Dicotyleu. 2. Schlafstellung der Blattspreiten, keine Hydathoden: Die Mehrzahl der Papilionaceen und Mimoseen, viele Chenopodiaceen. 3. Schlafstellung der Blattspreiten, Hydathoden: Oxalis acetosella, Tropacoluni majus, Colocasia anti- quorum, Maranta arundinacea. 4. Schlafstellung der Blattspreiten, Hydathoden, Erythrophyll; Oxalis Ortgiesi, 0. tetraphylla, Maranta Kerchoveana. 5. Wie 4., dazu noch helle Flecken auf der Blatt- oberseite und als Strahlenfänge wirkende Kegelpapillen: Calathea zebrina und andere Marantaceen. R Kolkwitz. Der Erflnder der ZinuUiölzcheii. — Wie so viele andere wichtige P^rflnduiigen nehmen auch die Erfindung der Zündhölzchen mehrere Völker für sich in Anspruch. Die Oesterreicher nennen als Erfinder Römer und Preshel, die Ungarn den kürzlich verstorbenen Chemiker Johann Irinyi, die Russen Worstakoft", die Engländer Watt und Atoldeu. Auch die Deutschen treten als Concurrenten auf mit dem Namen Moldenhauer und Kammerer; noch in der jüngsten Zeit brachte der „Prometheus" einen Ar- tikel, welcher Chemiker Friedrich Kammerer aus Ludwigs- hurg die Ehre der Entdeckung zuschreibt. Seitdem hat sich jedoch, wie die „Revue scientifique" No. 15 niit- theilt, herausgestellt, dass der Erfinder ein Franzose Namens Charles Sauria, ist, der erst im vergangenen Jahre verstorben ist. Während Kammerer, wegen seiner Theilnahnie an den Freiheitsbestrebungen der dreissiger Jahre auf dem Hohenasbcrg eingesperrt, in seiner Zelle erst 1833 auf die Benutzung des gelben Phosjihors als Zündstoff kam, hatte Sauria schon im Januar 1831 als Schüler des College zu Dole Reibzündhölzchen zu Stande gebracht, indem er mit Schwefellösung bestrichene Holz- stäbchen in chlorsaures Kali tauchte und dieselben an einer Mauer, welche von früheren anderweitigen Ver- suchen her noch Spuren von Phosphor trug, entzündete. Sauria war sicli sogleich bewusst, welche wichtige Rolle der Phosphor bei seinem Experiment gespielt hatte und stellte deshalb eine Mischung von chlorsaurem Kali, Schwefel und Phosphor her, tauchte seine Hölzchen hinein und überzog die Spitze mit einem schützenden Ueberzug von arabischem Gummi. Die so gefertigten Zündhölzchen dienten den Schülern am (College anfangs zur l)l(isseu Unterhaltung. Als Sauria später seine Erfindung prak- tisch verwerthen wollte, fehlte es ihm an den nölliigen Geldmitteln; die Erfindung war aber unterdessen bekannt geworden, und um die Mitte der dreissiger Jahre wurden namentlich in Deutschland Pliosphorzündhölzer schon fabrikmässig hergestellt. — Die „schwedischen" Zünd- hölzer, welche phosphorfrei sind und sich nur aus einer Reibfläche von rothem, uiiscliädlichem PliDsplior enl- 374 Naturwissenschaftliche Wi)cheiischritt. XI. Nr. Bl. zünden, wurden schon 1849 in einer Fabrik zu Schütten- liofen in Böbnien licrgestellt, fanden aber keinen Anklanj;', weil das Publikiuii die Anwendung!; einer bestiiiuntcn Reibfläche zu unbequem fand, in Folge dessen ging die Fabrik ein. Erst als zehn Jahre sjjäter dieselben Iliilzelicn aus Schweden zu uns kamen, wurden sie bereitwilligst angenommen, und heute sind fast nur noch, wenigstens in den grösseren Städten, -die schwedischen „Säkerhets Tändstickor utan svafvel och fosfor", die allerer zweite internationale Congress für Gynäkologie und ; ■Geburtshilfe tagt in Genf in der ersten Woclu.' des September r*ie Versammlung des deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege wird vom 10. — 13. September in Kiel statt- finden. 68. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Frankfurt a. M. 21.— 26. Seiitemlier 1H96. I. Oeseh.-it'tstuhrer : fleli. San.-I{ath Prof. Dr. med. M. Schmidt; H. Geschäftsführer: Prof. Dr. phil. W. König; Schriftführer: Dr. med. A. Knob- lauch; Kasaenführer: Hugo Metzler. Allgemeine Tagesordnung. Sonntag, den 20. September: Morgens 10 Uhr: Sitzung des Vorstandes der Gesellschaft deutscher Naturforseher und Aerzte im grossen Conferenzzimmer des Hau|)tpersonenbahidiofs (Nord- flügel). Morgens 11 IThr: Grundsteinlegung des Denkmals Samuel Thomas, von Soemmerings. Mittags 12 l'hr: Sitzung des wissen- schaftlichen Ausschusses im grossen Conferenzzimmer des Haupt- personenbahnhofs (NorilHügel). Abends 8 Uhr: Begrüssung im Saalban (mit Damen): Liedervortriige des Sängerchors des Frank- furter Lehrervereins. Montag, den 21. September: Morgens 9 Uhr: L Allgemeine Sitzung im grossen Saale des Saalbaues. 1. Eröffnung durch den ej-sten Geschüftsführer der Versammlung, Herrn Geh. San.-Ratli Professor Dr. med. Moritz Schmidt. 2. Begrüssung.sansprachen. 3. 'Mittheilungen des Vorsitzenden der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte, Herrn Geh.-Rath Prof Dr. med. Hugo von Ziemssen (München). 4. Vortrag des Herrn Prof. Dr. med. Hans Buchner (München): Biologie und Gesundheitslehre. 5. Vor- trag des Herrn Geh. Hofrath Prof. Dr. phil. Richard Lepsius (Darmstadt): Cidtur uml Eiszeit. JVaclnnittags 3 Uhr: Bildung und Eröffnung der Abtlieilungen. W.ild der Wahlmänner für den wissenschaftlichen Ausschuss. Abends 7 Uhr: Festvorstelhnig im Opernhause; V^orstellung im Schauspielhause. Nach denselben Tfwanglose gesellige Vereinigung. . Dienstag, den 22. September: Morgens 9 Uhr: Sitzungen der Abtheilungen. Wahl der Wahlmänuer für den wissenschaftlichen Ausschuss (sofern nicht am 21. September Naclunittags vollzogen). Nachmittags: Sitzungen der Abtheilungen. Abends G'/j Uhr: Festessen im Zoologischen Garten (juit Damen), nach demselben zwanglose gesellige Vereinigung daselbst. : Mittwoch, den 23. September: Morgens 9 U'ir: Wahl des wissenschaftlichen Au.sschusses durch die Wahlmänner im grossen Saal d(ts SaallMiues. Abtlieilungssitzungon, . bezw. gemeinsame Sitzungen verschiedener Abtheilungen. (Temeinsame Sitzung der Abtheilungen der medicinischen Hauptgi'uppe im grossen Saal di^s vSaalbaues, Morgens 9'4 Uhr. Vorsitzender: Herr (leb. Medicinal- rath Prof. Dr. med. Wilhelm His (Leipzig). Zur Verhandlung kommen: „Die Ergebnisse der neueren (iehirnforschung." Ka haben Referate iibeiiiommen: Herr Geh. Medicinnlrath Prof Dr. med. Paul Flec lisig (Leipzig): Die Localisation der geistigen Vor- gänge. Herr Prof. Dr. med. Ludwig Edinger (Frankfurt a. M ): Die EntwickebiMg der Gehirnbahnen in der Thierreihe. Herr Geh.-Ratli Prof Dr. med. Ernst von Bergmann (Berlin): Ueber Gehirugeschwnlste. Discussiou. Die Uebertragung viui Vorträgen, die für Abtheilung.sSitzungen angemeldet sind, auf diese gemein- same Sitzung bleibt späterer Verständigung vorbehalten. Nach- mittags: Abflieiluug.s-Sitzungen, bezw- gemein.-^ame Sitzungen ver- schiedener Abtheilungen. Abends 8',.. Uhr: Fest-Coniüun's (mit Dami'u) in der Landwiithschaftlichen Halle, gegeben von der Stadt Frankfurt a. M. Donnerstag, den 24. September: Sitzungen der Abtheilungen. Abends S Uhr: Festball im Pabnengarten. Freitag, den 25. September: Morgens 9 Uhr: Geschäftssitzung der Gesellschaft im grossen .Sa.ale des Sa.albaues. Morgens 9'/^ Uhr: II. Allgemeine Sitzung daselbst. 1. Vortrag des Herrn Prof. Dr. med. Max Verworn (Jena): Erregung und Lähmung. 2. Vortrag des Herrn Dr. med. Ernst Below (Berlin): Die ]]rak- tischen Ziele der Tropi'uhvgiene. o. Vortrag des Herrn Geh. Sau.-Rath Prof Dr. med. Carl Weigert (Fra'nkfurt a. M.): Neue Fragestellungen in der pathologischen Anatomie. Nachmittags: Ausflüge 1. nach Darmstadt zum Besuch der Technischen Hoch- schule (Besiclitigung der neuen Institute) und der Landwirtli- schaftlichen Versuchsstation. 2. nach der Lungenbeilanstalt Falkenstein, der Volksheilstätte Ruppertshain und Königstein i. T. 3. nacli den Höchster Farbwerken zur Besichtigung der Serum- Abthcilung, 4. nach Bad Soden a. T. 5. nach Bad Naidieim. Abends: 1. Zwanglose gesellige Vereinigung im Saalbau in Darui- stadt. 2. Gesellige Vereinigung im Garten des Hütel Pfatf in Königstein i. T.; Concort uml Beleuchtung der Burgruine. 3. Ge- sellige Vereinigung auf der Kurhausterrasse in Bad Soden a. T., Concert und bengalische Beleuchtung des Kurparks. 4. Gesellige Vereinigung auf der Kurhansterrasse in Bad Nauheim, Concert und Beleuchtung des grossen Sprudels. 5. Festconcert der Museumsgesellschaft im grossen Saale des Saalbaues in Frank- furt a. M. Sonnabend, den 26. September: 1. Tagesausflug nach Hom- burg V. d. H. Besichtigung des Iv^uellengebietes, Badehauses und Saalburgmuseums. Gemeinsames Frühstück auf der Terrasse, ge- geben von der Stallt Homburg. Fahrt nach der Saalburg, Be- sichtigung derselben unter fachmännischer Führung. Rückkehr nach Homburg. Mahl im Kurhause, Gartenfest und Brillaiitfeuer- werk im Kur|iark. 2. Tagesausflug nach iMarburg i. H. Führung zur Besichtigung der Institute der Universität und der Sidiens- würdigkeit.en der Stailt. Musikfrüh>cl)oppen auf Bopp-Ledi'rer's Terrasse, gegeben von der Stadt Marburg. Gemeinschaftliches Mittagessen im Local der Museums-Gesellschaft, Garten- oder Waldfest. Abends eventuell Beleuchtung des Schlosses, o. Vor- mittagsaustlng nach Giessen (eventuell mit dem Ausflüge nach Marburg zu verbinden). Besichtigung der medicinischen Univer- sifätsinstitute, sodann Frühstück in der Actienbrauerei, gegeben von der Stadt Giessen. Anmeldungen zur Älitgliedschaft erfolgen schriftlich beim Schatzmeister der Gesellschaft Herrn Dr. Carl Lam pe- ViscIiiM-, Leipzig, an der Bürgerschule 2, vom 20. .Sejitember an auch per- sönlich in der Geschäftsstelle der (18. Versamndung, in der Turn- halle des städtischen Gymnasiums zu Frankfurt a. M., Junghof Strasse lö (S 1 der Geschäftsordnung). Theilnehnu'r an der Versammlung kami Jeder werden, welcher sich für N,-iturwissenschaft und Medicin interessirt. Die Theilnehmerkarte ist von jetzt ab gegen Einsendung von 15 Mark an den Cassirer der Geschäft,sführuug iler IJS. Versamm- lung deutscher Naturforscher und Aerzte, llerrn H. Metzler in Fraid^fiut a. M., aui Salzhaus 3, zu erhalten. Damenkarten 6 Mark. L 1 1 1 6 r a t u r. Dr. Alexander Brandt, Ueber die Variationsrichtungen im Thierreich. .Sanunluug i:emcinverst. \\'issen.-cli;iftl. \ ertrage, herausgeg. von Rud. Vircbow u. Willi. WattcMibach, Hid't 228 der neuen Folge. \'erlag.sanstalt u. Druckei-ei A. G. (vormals J. F. Richter). Hamburg 1896. — Preis 1 M. Verf. plädirt — freilich iniseres ICrachtens nicht iiberzeugeiid — „dass die Variati(msriclifungen als vorgezeichnet, durch die Organisation der betreffenden Thiere selbst vorherbestimmt inid nicht etwa als blindes Facit zufalliger individueller, durch die natürliche Zuclitwahl befestigter Variationen aiifzufassiui seien." Die Anfidirung des A.\ohitrs z. B., um das zu beweisen, ist v: Borries. Zwickau i. S. I89() — Preis l,.'.il .\l. 2. Edmund Blichael, Volks - Ausgabe des Führer für Pilz- freunde. — Preis 2,üO .M. Das Supplement enthält 21 Pilzgru|)pen, welche in der 2. Aufl. des Führers neu hinzugekommen sind. Wir haben auf die I. Aufl., zu der vorliegendes Hi-ftchen eine Ergänzung bildet, bereits lobend Bd. X (1895) No. 36, S. 439 aufmerksam gemacht. Es sind in dem Supplement eine Anzahl meist häufiger odi-r doch nicht seltener Arten zur Darstellung gelangt, wie Sparassis lamosa, Elaphomyces granulatus, Peziza aurantia u. s. w., die dem Pilzfreund begegnen müssen und bei ihrer Auffälligkeit ohne Weiteres dazu herausforilern, wenigstens dem Namen nach ihm bekannt zu werden. Auch die n(!uen Figuren, die der Maler Albin Schmalfuss mit grossem Geschick entworfen bat, sind vorzüglich naturgetreu. Die Volksausgabe, enthaltend 29 Pilzgruppen, wird Vielen, die wenigstens ilie allerwichstigsten Ess- und Gift-Pilze kennen lernen wollen und für einen massigen Preis ein zuverlässiges Werk wünschen, genehm sein. Regierungsrath Dr. med. R. J. Petri, Das Mikroskop. Von seinen Anfängen bis zur jetzigen Vervollkommnung für alle Freunde dieses Instruments. Mit 191 Abbildungen und 2 Facsi- miledrucken. Verlag von Richard Sehoetz. Berlin 189ij — Preis 8 M. Es unterliegt keinem Zweifel, dass erst historische Betrach- tungen ganz vertraut machen mit den heutigen; das Studium der Geschichte des Mikroskops ist also ein guter Weg, das so wichtig gewordene Instrument genau kennen zu lernen. Daher ist das vorliegende Werk Petris mit Freuden zu begrüssen. Auch sonst ist die Geschichte iles Mikroskops von Interesse ganz abgesehen von der Verfolgung der Geistesthätigkeit, welche es geschafi^en hat: Die gewissenhafte Berücksichtigung der geschichtlichen Entwickelung ist nämlich in der Lage manche Winke zu bieten für eine Vervollkomnung des Instrumentes. Die Gestaltung des- selben hat sieh in einer bestimmten Richtung entwickelt und Kinzel- heiten, die fallen gelassen werden, könnten jetzt, bei der Mannig- faltigkeit, die das Mikrosko]) für die verschiedenen Zwecke, denen es dient, erreicht hat, hier und da wieder :iufgenomm»n werden, um gute Dienste zu leisten. — Die Vielen, denen das Mikroskop Be- rufs-Instrument geworden ist, werden das 248 .Seiten umfassende Buch gern zur Hand nehmen. Die ..Zeitschrift für sociale Medicin" herausgegeben von .Sanitätsrath Dr. \. (Mdeinlorff (Verlag von Georg Tliieme in Leipzig) hört mit lieft 6, Band 1 zu erscheinen auf, da sie nicht di'u an dieselbe geknüpften buchhändlerischen Erwartungen ent- sprochen hat. Kiel. — 7,20 M. i der ostfriesischen der Natur- Apstein, Dr. Carl, Das Süsswasserplankton. Buchenau, Realsch.-Dir. Prof. Dr. Frz., Fh Inseln. 3. Autl. Leipzig, — 4.10 M. Dannemann, Dr. Frdr. Grundriss einer Geschieht Wissenschaften. 1. Bd. Leipzig. — 7,20 M. Futterer, K., Ueber einige Versteinerungen aus iler Kreidefor- niation der karnischen Voralpen. Jena. — 1 M. Nagel, Priv.-Doc. Dr. Willib. A., Der Liehtsinn augenloser Thiore. .Jena. — 2,4U .M. Oppel, Prof. Dr. Alb., Lehrbuch der vergleichenden mikro- .-kopisehen .Anatouiie der Wirbelthien^ 1. Thl. Jena. — 14 M. Rickert, Prof. Dr. Heinr., Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbilduijg. 1. Hälfte. Freiburg i B. — (i M. Specialkarte, geologische, des Grossherzogth. Baden, delberg. Heidelberg. — 2 .M. Turner, A., Die strahlende Materie. Leipzig. — 1 M. Vogt, William, la vie d'un hoinme. Paris. — 12 M. 23 Hei- *) Vergl. z. B. „Naturw. Wochenschrift" Bd. IX. S. -485 ff. Ililialt: Dr. Langer, Ueber Erzeugung von X-Strahlen. — Edmund Landau, Ueber das Achtilameiiproblem und seiiu; Ver- allgemeinerung. — Ueber Theefälsehungen in Russland. — Ueber die Aufnahiue des F.isens in den thieri-chen Körper. — ueoer ijunte Laubblatter. — Der Erfinder der Züniihölzchen. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Lilteratnr: Dr. Alexander ßianat, Ueber die Variationsrichtungen im Thierreieh. — Oberlehrer Dr. Richard Rössler, Die verbreitetsten SchmetteHinge ueutscli ands. -- Pn.f Eug. Warming, Plantesamfund. — Prof Dr. Eugenius Warming, Lehrbuch der ökologischen Pflanzon- geograpliie. — Edmund Michael, Supplemement zur 1. Aufl. des Führer für Pilzfreundo. — Edmund Michael, \'olks-Ausgabe des 1 Ullier für 1 ilzfreuiide. — Regierungsrath Dr. med. R, J. Petri, Das Mikro.'^kop. — „Zeitschrift für sociale Medicin." — Liste. 376 Naturwissenscliaftliche Woclieiisclirilt. XI. Nr. 31. ♦♦♦#♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦«•#♦♦« Dr. Robert Muencke I Luiseiistr. 58. 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IlT i t ö e m € i n f ü 1) r u n cj s = i<^ c f c te. lUoljlfrilr (Tcit=?iispbf. — 570 Sfitfii l)aiibliil)to (Ottnu. ^'reiö ürofd). i ?Jllt., in fl'ciißel'm ^iciiieulinnft "i.so 'OSli. ?luägobc mit (Sndiicgiltcv 2,'JO ÜJI., geb. 3 'M. 3u bc5ic()cu burcT) alle SÖU(f)I)anbhiiigcn. In Ferd. l»iiminlers Verla^sbucb- baiidluiig in Berlin SW. 1- erschieu: Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am kongl. Rcalgyuui. in Berlin 444 Seiton gl-. 8. Preislj M., geb. 7 M. Ferd. Dümmlers Verlagshuchhaiidlmig in Berlin SW. 12. Soeben erschien: (reriiiauische Ctisussyntax. I. Der Datjy, luslriinieiital, Örtliche iiud Halirtliclie Verliältulsse, Von Heinrich Winkler. 5G0 Seiten, gr. 8". — Preis 11) Mark. Zu beziehen durch alle Buchhandlutigen. li U BERLIN C, Niederlage der eigenen Glashüttenwerke und Dampf- schleifereien zu Tschernitz i. L. .Medianisclic WerkstäUen, Scliril'f maierei und Eniailiir- Anstalt. 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Abonnement: Man abonnirt bei allen BuchhandlunRen und Poat- instalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreia ist M 4.— BrinKCKeld bei der Post 15 -^ extra. Postzeitungsliste Nr. 4827. Y Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 J.. Grössere Aufträge ent- Gi3 sprechenden Rabatt. Beilagen nach tJebereinkunft. Inseratenannahme •"• bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdrnck ist nnr mit Tollständiger f^nellenangabe gestattet. Die Philosophie der reinen Erfahrung. Von Dr. Maximilian Klein.*) V. Was ist „Erfahrung"? Einer der heissumstrittcnsten Begriffe ist (lei;jenige der „Erfalirung", und da der .Standpunkt, den' diese Zeitschrift eiiiniinnit und so aucli diese Aufsätze ver- treten, der „erfahrnngsphihisophische" ist, so ist es in Anbetracht der durch jenes Gekäinple eingetretenen Ver- vyimuig- doppelt nothwendig, dem Begriflfe „Erfahrung" eine etwas nähere Beachtung zu schenken. Hört man einen Mctapliysiker, ja .so ist reine Er- fahrung eigentlich gar nicht möglieh und es hat danach keinen Sinn, eine Philosophie der reinen Er- fahrung zu vertreten. Denn, so meinen jene Denker, es gäbe keine Erfahrung, die wir wirklich machen, bei der nicht „intellektuelle Zuthaten" (Denkoperationen, Be- thätigung unseres Verstandes) vorhanden wären. Reine Erfahrungen seien nur die sogenannten reinen oder blossen Empfindungen, d. h. die Eni])fiiidungcn ohne die „gedanklichen Verarbeitungen". Und da es in der Wirklichkeit keine reinen Empfindungen gäbe, sondern stets nur gedanklich bearbeitete Empfindungen, so gäbe es danach natürlich auch keine reine Erfahrung, vielmehr nur ein Gemisch von Erfahrung und" Gedank- lichem. Unsere Erkenntniss habe demnach zwei WurzeliK Erfahrung und Verstand. Eine Philosophie der reineil Erfahrung sei also der reine Unsinn. Quod erat demonstrandum! Demgegenüber bemerken wir zuvörderst, dass der ganze Beweis auf einer petitio principii beruht: es wird das von vornherein angenommen, was zu beweisen war. Es wird nämlich von vornherein etwas als „reine Er- fahrung" bezeichnet, was in der Wirklichkeit' garnicht *) Fortsetzung von No. 38 Band X. dor „Natiivw. W..rh,.|i- schrift." vorkommt, sondern nur — in den Köpfen der Mcta- pliysiker, und dann daraus der — wie glänzende! — Scliluss gefolgert: also giebt's in Wirklichkeit keine reine Erfahrung! Nun, diese Art und Weise der Beweisführung ist, wofern sie ernsthaft gegen die Erfahrungsphilosojihic zu verwerthen gesucht wird, als Wortspielerei oder Sophistik rundweg abzulehnen. Der metaphysische Be- griff der „reinen Erfahrung" (dessen Bezeichnung an das „lucus a non lucendo" erinnert) Hesse sich allenfalls gut in Witzblättern verwenden. Denn etwas als „reine Er- fahrung" zu bezeichnen, was überhaupt nie erfahren wird, ist doch sicher ein Verhalten, das der Komik nicht entbehrt. Wir stellen fest: dass wir wirklich „erfahren" (reine Erfahrungen machen), ist eine Thatsache, die nur von etlichen Metapliysikerii liestritten, von der übrigen Mensch- wird. Es kann sich für dieser Thatsache handeln — ihre llinwcgdisputirung mittelst einer niiss- bräuchlichen Verwendung des Worts „Erfahrung" richtet sich eben von selbst, wie einst die liestreitung der Be- wegung durch die Eleaten, — sondern nur um eine nähere Kennzeichnung der Thatbestände, die wir als „Er- fahrung" bezeichnen. Und da müssen wir zunäclust einmal beim Begrilf „Erfahrung" zweierlei unterscheiden: Erfahrung im sub- jectiven Sinne (das Erfahren oder die .,Er!alirang als Charakter", wie Avenarius sich ausdrückt) d. h. also die Thatsache, dass wir „erfahren" und nicht „glauben" oder „vermuthen" u. s. w., und Erfahrung im objectiven Sinne (die „Erfahrung als Inhalt", wie Avenarius sagt), (1. li. also (las „Was", das ich erfahre. Wir beschäftigen Ulis zunächst mit ersterer und werfen nun die l''ragc auf, was geschieht, wenn wir eine Erfahrung machen. Wie heit aber unbedingt anerkannt uns hier nicht mehr um die Erhärtung 378 Naturwisseuscliai'tliche Wocbeuscbrift. XI. Nr. 32. verhalteu wir uns dabei? — Zur bezüglicben Feststellung mögen uns Beispiele dienen. Der eine — das Kind (A) — „erfährt", dass die kleinen Kinder vom Storcb gebracbt werden, der andere — der Erwachsene (B) — macht die Erfahrung, dass seine verstorbene Frau ihm leibhaftig erschienen ist, ein weiterer — der Spiritist (C) — macht die Erfahrung, dass es Geister giebt, ein vierter — der Naturforscher (D) — macht die Erfahrung, dass alles in der Welt nothwcndig miteinander als Ursache und Wirkung verknüpft ist, ein fünfter — ein Theologe (E) — erfährt Gott, ein weiterer Theologe (F) — Naujcns Luther — erfährt den Teufel auf der Wartburg und wirft bei der Gelegenheit mit dem Tintenfasse nach dem- selben; und VÄ\ allen diesen Arten von Erfahrungen kommt vor Allem jene unendliche Fülle von Erfahrungen des täglichen Lebens: über unseren und der anderen Ge- sundheitszustand (Schlaf, Verdauung, Arbeitsfähigkeit u. s. w.), über unser und der anderen geistiges Leben (Freuden und Schmerzen, Zweifel, Entdeckungen n. s. w.), über unser und der anderen wirthschaftlicbes Leben (Armuth, Reichthum u. s. w.), über das gesellschaftliche und menschbeitlicbe Treiben, wie über die Naturergnisse im Allgemeinen (Tag und Nacht, Regen und Sonnen- schein u. s. w.). All das wird „erfahren" und noch vieles andere (z. B. Geister, Dämonen u. s. w.). Was ist nun das Gemeinsame bei all diesen vielfältigen Er- fahrungen? Das ist eine reine blosse Kenntniss- n ab nie: ich habe den Sonnenschein, den Hunger, die Liebe, den Geist der verstorbenen Frau „zur Kenntniss genommen." Und zwar muss die Keuntnissnabme eine „reine, blosse" gewesen sein, d. h. es darf keine Bei- mischung des „reinen Denkens" eingetreten sein, es darf nur eine Keuntnissnabme, nichts anders als eine Kenntnissnahme erfolgt sein. — Was wir nun unter „Keuntnissnabme" verstehen, wird ersichtlich, wenn wir den Unterschied derselben von einem blossen Bewusst- werden — einer Abheilung, wie Avenarius sich aus- drückt — feststellen. Denn nicht jeder Bewusstseinsakt ist eine Kenntnissnahme, eine Erfahrung — oder wir müssten beide Begriffe ganz ungewöhnlich ausdehnen! — sondern nur die verhältnissmässig klaren Abhebungen (Bewusstwerdungeu, Bewusstseinsakte) bedeuten eine Kenntnissnahme und damit eine Erfahrung. Unsere Aufmerksamkeit muss sieb auf die bezüglichen Gegen- stände oder Geschehnisse gerichtet haben: dann erfolgt eine Kenntnissnahme, eine Erfahrung. Wir müssen also für uns festgestellt haben: das ist das (z. B. „dies ist ein Rose", oder „diese Rose ist eine Trauerrose" oder „es regnet" und so fort). Die minderwerthigen Ab- hebungen (Bewusstseinsakte), wie sie ja neben den klaren, den maximalen Abhebungen stets nebenher laufen (also die „todtcn Wcrthe", wie sie Avenarius nennt) geben keine Kenntnissnahme, keine Erfahrung. Es muss sich etwas — um mich der Wundt'schen Ausdrücke zu bedienen — nicht nur im Blickfeld, sondern auch im Blickpunkt des Picwusstscins befunden haben, dann erfolgt Kenntniss- nahme und damit Erfahrung. Glauben wir damit das Erfahren, d. h. also die Er- fahrung im subjectiven Sinne vorläufig genügend gekenn- zeichnet zu haben, so erübrigt es noch, einige Be- merkungen über die Erfahrung als Inhalt, d. h. die Er- fahrung im objectivcn Sinne zu machen. Was wir erfahren, also dei- Inhalt unserer Erfahrung kann sich auf alles Mögliche erstrecken. Alles was im Bewusstsein aufzutauchen vermag, also jeder seelische Wcrth (oder — wie Avenarius sagt — jeder E-Wertb) kann zur Kenntnissnahme und damit zum Erfahrenwerden ge- langen. Regen und Blumen, Blitze und Steine, kurz Umgebungs - Gegenstände und Geschehnisse aller Art, ferner Gedanken und Gefühle, aber auch — wie schon vorbin festgestellt — Engel und Teufel, Geister und Ge- spenster u. s. w., endlich aber auch die „Wirkung des Fluchs der Eltern" u. s. w. : kurzum, es kann eben alles Denkl)are auch „erfahren" werden! Es kommt dabei auf Art, Grösse und Umfang der Vorbereitung au oder — anders ausgedrückt — einerseits auf die Gebirn- veranlagung, die wir von unsern Vorfahren ererbt haben (die „ererbte Uebung") und andererseits auf die Weise an, wie diese ererbte Organisation im Leljcn weiter beeintlusst worden ist durch Erziehung, Unterricht, Um- gebung u. s. w. (die „erworbene Uebung"). Die ererbten und die erworbenen Anlagen, die ererbte und die er- worbene Uebung, d. b. unsere Organisation, wie sie sich auf Grund der Vererbung und der Erwerbung (des Lebens- kani])fes) gestaltet bat, macht unsere „Vorbereitung" aus. Und je nachdem diese geartet ist, je nachdem wird auch unser Denken und auch — unser Erfahren arten. Je nach der „Vorbereitung" werden die Erfahrungen der Einen sich auf wirklich Vorgefundenes beschränken, die der Anderen theilweise sich auf solche Dinge und Geschehnisse be- ziehen, die von den Ersteren als „Vermuthungen" oder als „erdichtet", als „Phantasiebilder" oder „Phantastereien" bezeichnet werden. Besonders mannigfach aber werden die „Formen", (d. h. hier die Gefühlsbetonungen, die Charakterisirungen) sein, in denen bestimmte Körper oder Geschehnisse erfahren werden. Dieselben Körper (z. B. eine Blume oder eine Speise) oder Geschehnisse (z. B. ein Gewitter oder eine militärische Uebung) können von dem- selben Menschen das eine Mal in der „Form" (der Ge- fühlsbctonung) des Angenehmen, ein anderes Mal in der des Unangenehmen erfahren werden. So kann man also bei der objektiven Erfahrung, d. b. bei der Erfahrung als Inhalt noch wieder (mit Avenarius) unterscheiden zwischen den Empfindungs- oder Elementcncomplexen als Erfahrungsinhalten im engeren Sinne und den Ge- fühlsbetouungen (den Charakterisirungen) als Er- fahrungsformen, von denen also die ersteren das ver- hältnissmässig Bleibende, Beständige, die letzteren das verhältnissmässig Wechselnde sein würden. Beide zusammen aber erst würden die ganze „Erfahrung als Inhalt" ausmachen und als solche von Art, Grösse und Umfang der Vorbereitung bedingt sein. Bei den Erfahrungsinhalten müssen wir aber noch einen Unterschied anmei'ken, der nicht unwichtig ist: es ist der, ob die Kenntnissnahme sich auf Körperliches oder auf Gedanken"') imd Gefühle („Geistiges") bezieht. Beide Gruppen nnterscheiden sich in ihrer Erfahrb arkeit er- heblich: Die Körper (z. B. Bäume) können von mehreren oder vielen — selbst gleichzeitig — erfahren werden, da- gegen die Gedanken und Gefühle immer nur von dem- jenigen, der sie bat. Und so taucht die Frage auf: haben die Körper einen höheren Erfabrungswerth, als die Ge- danken und Gefühle? Diese Frage ist von dem Stand- punkte des Erfahrenden aus zu verneinen. Alles, was ich vorfinde und in gleicher Art zur Kenntniss nehme, ist auch in gleicher Weise von mir erfahren, hat gleichen Erfabrungswerth. Von meinem persönlichen Stand})unkte aus, d. h. vom Standpunkte des Erfahrenden aus sind beide Eriahrungsarten gleichwerthig. Aber nicht so vom Standpunkte des Nebenmenschen, des Beobachters aus! Was von mir an Gedanken und Gefühlen in mir vorge- *) Um Missvovstiinflnisso 7,11 veniiriili'ii, benioiko ich noch, diiHS sellistverstäiuUich nicht (h)r Inhalt all unserer (Icdaiikon zu diMi Erfaliriingen gehört, /.. H. wenn ich persönlich (iei.ster und Gespenster denke, so betrachte ich dieselben no(di lanj^e nicht als meine l%rl'ahrunf;. Aber wohl ist es eine solche für mich, dass ich jene Geister und Gespenster denke! Nicht der Centaur ist eine Erfahrung, wohl aber der Gedanke ,Ceutaur'! XI. Nr. 32. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 379 fanden und zur Kenntniss genommen, also erfahren ist, ist damit noch nicht auch von meinem Nebeumenscheu vorgefunden und erfahren. Meine Gedanken und Ge- fühle sind nur für mich ein Erfahrbares, aber nie für meine Nebenmenschen. Für diesen sind sie kein Vor- gefundenes, sondern nur etwas Angenommenes (eine Hypo- these): er kann sie somit nicht zur Kenntniss nehmen und erfahren. Vom Stand])uukte des Nebenmenschen aus sind also beide Erfahrungsarten nicht gleichwertliig! Ja die zweite Art meiner P^rfahrung ist für meinen Nebenmenschen überhaui)t keine Erfahrung, sondern nur Hyjjothese, aller- dings die bestbegründete aller Hypothesen. Aber immer- hin ist damit gesagt, dass allen Aussagen über Gedanken und Gefühle vom allgemein menschlichen Standpunkte aus nicht derjenige Erfahrungswerth zukonnnen kann, wie den Aussagen über Körper. Die Aussagen über Gedanken und Gefühle (über unser „Innenleben") können und werden zu sehr individuell gefärbt sein. Es ist bei ihnen nicht, wie bei den Aussagen über Körper, eine Kontrolle mög- lieh. — Soviel über die Erfahrung als Inhalt. Nach den gemachten Ausführungen können wir nun die beiden von Avenarius eingeführten Begriffe reiner Erfahrung vorführen. Avenarius unterscheidet nämlich den analytischen und den synthetischen Begrilf reiner Erfahrung. Bei ersterer Art von Erfahrung, ist der Erfahrungs-Aussage nichts beigemischt, was nicht selbst wieder Erfahrung wäre. Es ist also da eine Erfahrung- vorhanden, die in sich nichts anderes als Erfahrung ist, der mit Bewusstsein nichts Unerfahrenes beigemischt ist. Oder kurz: zum analytischen Begriff der reinen Er- fahrung gehört weiter nichts, als dass der Aussagende den Inhalt seiner Aussage in gutem Glauben (bona fide) als „Erfahrung" bezeichnet. Mag der Inhalt der Erfahrung der „Teufel auf der Wartburg" (wie für Luther), oder die Erscheinung von Geistern (wie für die Spiritisten), oder die Heilwirkung irgend welcher Arz- neien oder der Storch als Kiuderbringer u. s. w. u. s. w. sein: das ist ganz gleichgültig! Es kommt bei diesem Begriff" der reinen Erfahrung nur auf den guten Glauben des Aussagenden an die Thatsächlichkcit seiner Erfahrung an. Luther, die (ehrlichen) Spiritisten, storchgläubige Kinder u. s. w. halten ehrlich den Inhalt ihrer Aussagen für Erfahrung und so sind sie — vom Standpunkte dieses Erfahrungs-Begriff'es aus — genau so gut „Erfahrende", wie diejenigen, die über die für alle Beobachter gleiche Wahrnehmung von Pflanzen, Thieren, Wcttererscheinungen u. s. w. ihre Aussagen machen. Ganz anders verhält es sieh dagegen, wenn wir die Sache vom Standpunkte des synthetischen Begriffes der reinen Erfahrung aus betrachten. Hier darf in der Aussage nichts vorhanden sein, was seine Voraussetzung nicht in Umgebungsbestandtheilen hätte. Alle Bestand- theile (Componenten) der Aussage müssen rein nur Be- staniltheile unserer Umgebung zur Voraussetzung haben. Es muss hier eine In-Verbindung-Setzung (eine „Syn- these") der Aussage-Inhalte mit den Umgebungsbestand- theilen, mit dem „Vorgefundenen" eintreten. Nun aber stimmen bekanntlich die Ansichten über das Vorgefundene zum Theil nicht überein. Für die Spiritisten sind die Geister etwas Vorgefundenes, sind „Umgcbungsbestand- theile" von ihnen. Für viele andere Menschen, vielleicht die Mehrzahl, werden die Geistererscheinungen nicht ein Vorgefundenes sein. Der Beweis kann nur dadurch er- bracht werden, dass der betreffende Aussage-Inhalt den Zweiflern vorgezeigt und damit zu einem Umgebungs- bestandtheile für sie gemacht wird. Die Spiritisten haben also, falls sie auf Anerkennung der Geister als allgemeine Erfahrungsthatsachen Anspruch nuichen, die Pflicht, den Zweiflern die Geister vorzuzeigen. Thun sie das nicht (und mir gegenüber ist das verschiedenen Medien bislang noch nicht gelungen), so bleiben zwar die Geister für sie (ich meine natürlich die ehrlich gläubigen Spiritisten) ein Vorgefundenes, eine reine Erfahrung (wie es ja auch der Teufel für Luther auf der Wartburg war), aber nicht so für die Nichtgläubigen. — Anderseits ist z. ß. die Sonne eine Thatsache, die von keinem (geistig auch nur halb- wegs gesunden) Menschen geleugnet, sondern vielmehr von allen als ein Vorgefundenes, ein Umgebungsiiestandtheil und damit als eine Erfahrungsthatsache, als eine reine Er- fahrung anerkannt werden wird. In diesem Falle ist eben für Alle die geforderte „Synthese" vorhanden: deshalb gilt hier also der synthetische Begriff' der reinen Er- fahrung. Das Zusammenfallen beider Begriffe reiner Erfahrung ist Ideal menschlichen Strcbens. Denn was uns mit diesem Zusammenfallen zu Theil würde, das wäre eine allgemeine, eine menschheitliche reine Erfahrung und damit eine feste, einheitliche Weltauffassung für die ganze Menschheit. Heute herrscht noch zu sehr die individuelle, die einzelmenschliche Erfain-ung, die ja bei besonders entwickelten Individuen sich schon dem synthetischen Begriffe, beziehentlicii dem ZusammenfaUen von analytischem und synthetischem Begriffe nähert, aber bei der grossen Masse doch noch recht weit ab von diesem Endziele menschlichen Strebens liegt. Bei ihr herrscht der analytische Begriff" der Erfahrung, es ist die stark subjectiv gefärbte, die individuelle, einzel-mcnsehliche Erfahrung, die bei ihr noch eine sehr bedeutende Rolle spielt. Schritt für Schritt schaltet die Menschheit diejenigen Erfahrungs- inhalte aus, die sich nicht mit Umgebungsbestandtheilen in Verbindung setzen lassen und damit sich als ungeeignet erweisen, eine menschlich-einheitliche Erfahrung herbei- zuführen. Naturwissenschaften und Philosophie bieten uns Beispiele in Hülle und Fülle für die Beseitigung der unter den analytischen Begriff reiner Erfahrung fallenden gutgläubigen Erdichtungen, bezw. „Vermuthungen" u. s. w., für die eine immer „exactere", d. h. die lu-Verbindung- Setzung (Synthese) der Aussage-Inhalte mit den Umgebungs- bestandtheilen besser ermöglichende Gestaltung ihrer In- halte tritt. Das heute so lebhafte Ankämpfen gegen alles Speculative (Metaphysische) in Philosophie und Natur- wissenschaft (auch letztere ist ja heute noch so sehr viel- fältig mit speculativen Bestandtheilen durchsetzt!) ist ja nichts anderes als der klarste Ausdruck jenes Aus- schaltungsstrebens. Noch einen Punkt hätten wir schliesslich bezüglich der Erfahrung zu erörtern, nämlich das „Wie" der Er- falirung, das im „Was" meiner Erfahrung enthalten ist. Und da hätten wir zunächst daran zu erinnern, dass Aus- drücke wie „meine Erfahrung" oder „ich erfahre, finde vor u. s. w." eigentlich nicht ganz genau, vielmehr Zuge- ständnisse an den Sprachgebrauch sind. Das „Ich" ist selber nichts anderes, als ein Vorgefundenes, und zwar in ganz demselben Sinne wie etwa ein Baum. Ich und Umgebungsbestandtheil (Baum, Thier u. s. w.) sind ganz gleichmässig einander nebengeordnet, ganz gleichmässig Inhalt eines und desselbeu Vorgefundenen; sie stehen, wenn sie gegeben sind, hinsichtlich ihres Gegebenseins vollständig auf gleicher Stufe. „Die Erfahrung, welche ich zu beschreiben vermag, (sagt Avenarius, Welt- begriff", S. 82) umspannt also immer das Ich-Bezoichnete und die Umgebung; das Ich wird immer als ein Um- gebenes, der Baum innner als ein Gegenüber des Ich er- fahren." Es wird sonach wohl im Ich und Umgebungs- bestandtheil ein Gegenüber und ein Verschiedenes er- faliren; „aber sie werden nicht in verschiedener Weise und nicht geschiedener Weise erfain-en, — wenn sie überhaupt erfahren werden.'- Ich erfahre also den Baum 380 Natnrwissenscliaftliclie Wochenschrift. XI. Nr. 32. Ich, mein Ich ist nur insofern der f;-ebungsbestandtheil Centraluervensystem i!;euau so wie mein icli, mein icn genau so, wie den Baum — beide als Zugcliörige einer Erfahrung. „Ich erfahre den Baum" heisst also so viel wie: eine Erfah- rung besteht aus dem Ich und dem Baum. Beide sind zusammengehörig, unzertrennlich und gleichwerthig. Aveuarius bezeichnet dies Verhältniss, diese grund- sätzliche Zuordnung beider Wcrthe als „empirio-kritische Principialkoordination." In dieser aller Erfahrung eis'euthümlichen Zuordnung fman könnte wohl auch sagen „Beziehung" und „Relation") ist das Ich das eine verhältniss- mässig beständige, der Umgebungsbcstandtheil das andere verhältnissmässig wechselnde Glied. Ersteres lässt sich als Centralglied, letzteres als Gegenglied bezeichnen. Das Gegenglied („R" z. B.) kann in verschiedenen Koordinationen der Zahl nach eines sein; damit ist es aber noch nicht der Beschaffenheit nach dasselbe. Dies Fall, als für die durch den üm- hervorgcrufenen Aenderungen im (mit denen die seelischen Werthe in Functioualbeziehung stehen) g e m e i n s a m e B e d i n g u n g e n anzunehmen sind. In dem Maassstabe aber, als eigen- th lim liehe Bedingungen (die gesammte Vorgeschichte der Individuen, der Centralglieder, und ihre räumlich- zeitliche Beziehung zum Umgebungsbcstandtheil, dem Gegengliede) hinzutreten, in dem Maasse wird R in der einen Coordination anders bestimmt sein, als in der anderen. Es kommt also wesentlich (vergleiche oben!) auf die „Vorbereitung", d. h. auf die ererbte und erworbene Uebung der Individuen an: je nachdem werden auch die Aussagen verschieden lauten, zu welcher Verschieden- heit in den Aussagen dann noch die Abweichungen in den räumlich-zeitlichen Beziehungen zum Gegengliede das Ihrige beitragen. Und hieraus werden wir weitere Schlüsse ziehen: vor allem den folgeschweren, dass alles relativ ist. Ich kann mich nie wegdenken! Wenn ich mir die Welt ohne Menschen denke, oder mir eine Umgebung denke, in die noch nie ein nicnschliches Individuum ge- kommen ist, so bin doch jcdenialls ich da, nämlich als Gegenstand Centralglied! Wir können eben keinen Wir können Wir können denken, der nicht zugleich Gegenglied wäre, uns als Centralglied gar nicht wegdenken, wohl von uns zeitweilig absehen, uns unbeachtet lassen, aber da sind wir doch, ebensogut, wie ein Zuschauer, der über dem Schauspiel sich selbst vergisst. Es können nur die anderen Centralglieder ausgescidossen werden, niemals aber wir selber, die Erfahrenden, da eben zu jeder Erfahrung ein Erfahrender, ein Ich, ein Centralglied gehört. „Einen Umgebungsbcstandtheil (ein ,Object', ein ,Ding') „an und für sich" denken, sagt Avcnarius (Weltbgr. S. 131) heisst mithin etwas zu denkeu versuchen, was garnicht gedacht, aber auch niciit erschlossen werden kann; und einen ,Umgebungsbestandtheil' (ein ,Übject', ein ,Ding') „an und für sich" bcschaft'enheitlich positiv oder au(-h nur negativ bestinnnen wollen, heisst etwas Undeidvbares durch Denkbarkeiten zu bestimmen ver- suchen. Da keine .\nalyse der Erfaiirung und kein Schluss von der Erfahrung aus zu solchen Fehllicgriifen führt, so kann die Fragestellung auch nur auf dem Boden einer (unwissenschaftlichen) j'lrfaln-ungsfälschung oder eines Fchlgritt'es entstanden sein." Oder kurz: die Annahme eines Absoluten ist schlechthin unhaltliar. Es giebt nur Relatives. Und wie es einerseits kein Absolutes, d. h. vom In- dividuum völlig Unabhängiges giebt, so giebt es anderer- seits auch kein rein Sul)jeetives, d. h. nicht etwa? vom Umgebuugsbestandthcil völlig Unabhängiges. Es müssen eben immer beide Thcile — Ich und Umgebungs- bestaudtiieil — vorhanden sein. Z. B. Farben, Tone u. s. w. (die sogenannten secundären sinnlichen Qualitäten) sind genau so gut etwas Vorgefundenes, Seiendes, wie die räumlichen Bestimmtheiten. Sie sind also keineswegs, wie auch so manche heutige Naturforscher noch annehmen, im Unterschiede von „Materie", Raum, Bewegung u. s. w. etwas rein Subjectives. Diese irrige Ansicht ist daraui' zurückzuführen, dass Farben, Töne u. s. w. nicht ohne Weiteres eine allinenschlieh gültige beschreibende (descrip- tive) Bestimmung der Umgebungsbestandtheile sind: die Schwingungen bieten viel günstigere Bedingungen dar, sich zu einer vollkommen beständigen besehreibenden Be- stimmung derselben zu entwickeln. Aber daraus folgt denn doch nicht, dass zwar die Schwingungen ein Vor- gefundenes, Seiendes sind, aber nicht die Farben, Töne u. s. w. Vielmehr: genau so gut wie die Schwingungen, sind auch Farben, Töne u. s. w. ein Seiendes, Vor- gefundenes. Man halte nur fest den Punkt im Auge, ilass zu jeder Erfahrung, zu jeder Aussage sowohl ein , Ich als aucli ein Umgebungsbestandtheil gehören, dann fallen die Lehren vom Absoluten und Subjectiven, Realismus und Idealismus (Subjectivismus) in sich zusammen. . . . Wir werden auf diesen Punkt noch weiterhin einzugehen haben. Zunächst mögen diese Bemerkungen genügen. Und damit hätten wir auch den letzten Punkt er- ledigt, den wir noch zum Begriff der Erfahrung zu er- örtern hatten und gehen nun zur Besprechung des lei- tenden Gesichtspunktes über, den uns unsere Erfahrungen zur Auffassung der Wirklichkeit bieten. VI. Das Streben nach Erhaltung (Tendenz zur Stabilität) als leitender Gesichtspunkt der Natur- auffassung. Wollen wir das Leben und unser Leben von einem richtigen Gesichtspunkte aus auffassen, so müssen wir zu- nächst einmal den Begriif des Lebens so fassen, dass er alle Erschciuungsstufen des Lebens, vom Ernährungsvor- gange in seinen einfachsten Formen bis zu den ent- wickeltsten und verwickeltsten seelischen Werthen, wie wir sie im höhereu Gedanken- und Gefühlsleben vor uns haben, mit umfasst. Die Lebenslehre unserer Tage strebt einen solchen allgemeinen Lebensbegrift" an, indem sie unter Leben die "Regsamkeit oder Bewegung aus einem inneren Grunde als Rückwirkung gegen, bezw. durch Anpassung an ein Aeusseres versteht. Jedes Lebewesen, bzw. jedes seiner Theilsystemc, ist iu stetiger Sclbsterhaltung begriffen, und alle seine Bctliäti- gung ist aus diesem einzigen Gesichtspunkt der Erhal- tung seiner selbst, bezw. der Art zu verstehen. Selbstthätige Bewegung im Dienste der Er- haltung: das ist das charakteristische Merkmal aller Lebewesen. Und auch alle seelischen Werthe sind ganz und gar durch die Weltstellung des bzgl. Lebewesens bedingt, sie stehen in engstem Zusammenhange mit der Nöthigung zur Sclbsterhaltung durch Wechselwirkung mit der ausser unserem Körper befindlichen Welt, mit uu- serer Umgebung. Das menschliche Seelenleben „bezeich- net den höchsten Punkt der Lebensentwickclung, zeigt uns die luiehsten Formen, unter welclien lebende Wesen den grossen Kamjif mit den Weltverhältnissen kämpfen und m diesem Kampf ihre Natur entfalten."*) Das Streben nach Erhaltung, nach Dauerzuständen, nach Stabilität ist der springende Punkt, der uns den ficfstcn Einblick in das ganze Wcltgetriebe gewährt. Von ihm aus haben wir die seelischen Werthe, wie über- haupt alle Lebenserscheinungen zu beurthcilen. Und wie wir diejenigen Ansichten und Einsichten als die wahrsten bezeichnen, die sich uns als im Lebenskampfe besonders *) Höffdiiig, Empirische Psychologie, S. 31. XI. Nr. 32. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 381 brauchbar und demf;eniäss haltbar (stabil) erwiesen haben, so hat sich unsere ganze Lebens- und Weltan- schauung um diesen Begrifl" zu gruppiren. Er bildet das Leitmotiv für unser Handeln, für unser Denken und Fülden, überhaupt für unser ganzes Leben. Sehen wir uns diese Begriffe der Erhaltung und Stabilität etwas näher an. Es ist seit Darwin der leitende Gesichtsjjunkt der heutigen Naturauffassung, dass der Haupthebel bei den organischen Vorgängen der Selbsterhaltungstrieb, der Kampf ums „Dasein" oder genauer um die Erhaltung, um das Beharren in seinem Sein ist. Der Gedanke an sich ist nicht neu. Die alte Philosophie ging in ihrer Auffassung des Lebens von ihm aus, in der Neuzeit wurde er von Ilobbes und weiterhin von Spinoza und vielen anderen Denkern, besonders natürlich Eni])irikern und Materialisten, aber auch Metapliysikern, wie Herbart und Lotzc geltend gemacht. Aber erst seit Darwin brach er sich soweit Bahn, dass er auch auf die ganze Aus- gestaltung und Entwiekelung des Lebens anzuwenden versucht wurde, dass ihm alles — geistige wie körper- liehe Entwiekelung — unterstellt wurde. „Leben heisst ein Kämpfer sein" ist ein altes Wort, aber nicht so alt ist der Nachweis, wie unser ganzes Streben darin auf- geht, die Störungen der Umgebung sei es abzuwehren, sei es auszugleichen, wie alle Lebensvorgänge sich unter den Begriffen der Arbeit im weiteren Sinne (d. h. der Abwehr der Störungen) und der Ernährung im weiteren Sinne (d. h. des Ausgleichs des durch die „Arbeit" ver- ursachten Verlustes, der Reintegriruug nach erfolgter Desintegrirung) sieh unterordnen lassen, wie also für alle Lebensvorgänge, die einfachsten nud die verwickelt- sten, für die Thaten von Kindern und Weisen, von Papuas und Ariern, von Erzdummköpfen und Männern wie Kant, Goethe, Fechner u. s. w. der einzig maassgebende Ge- sichtspunkt das Selbsterhaltuugsstreben ist. Ob es sich um die Beschaffung von Nahrungsmitteln oder um die Aufstellung philosophischer Lehrgebäude handelt, — das Streben nacli Liebe, das Schaffen von Kunstwerken, die Stiftung von Religionen, das politisch -sociale Partei- getriebe, das Erfinden neuer Gewehre und Kanonen, die minutiöse Beschreibung und Eiutheilung unzähliger Pflanzen und Thiere, die Bildung von Begriffen und Gesetzen, alle möglichen Orientirungsbestrebungen, die naturwissenschaft- lichen Entdeckungen aller Art, Gesundheitslehren und Kriegslehren, — alles, alles, was es auch sein möge, ist durch den Erhaltungstrieb bedingt. Wir wollen die Störungen — bestehen sie in Hunger oder Durst, in Frost, Hitze, Müdigkeit, in Liebe, Hass, Blitleid, in Zweifeln, in künstlerischem Gestaltungsdrang, in religiöser und sittlicher oder politischer Bekehrungswuth, in socialen Disharmonien u. s. w., u. s. w. — wir wollen diese Störungen beseitigen, wollen ungestört im gewohnten, uns zufrieden stellenden Geleise uns fortbewegen, wollen mög- lichst im Gewohnten und Erprobten beliarren und die „Systenn-uhe" wahren, uns nicht aus unserem „System- Gleichgewichte" (Gleichgewicht von Arbeit und Ernäh- rung) herausreissen lassen, — mit einem Worte: wir wünschen Dauerzustände, Stabilität. Das ist es, worauf in letzter Linie alles hinausläuft, der regelmässige Wechsel von Schlaf und Wachen (je regelmässiger der- selbe, desto förderlicher für unsere Gesundheit!), der Kreislauf des Blutes, die peristalisehe Bewegung der Eingeweide, der Rhythnms des Athmens, die mehr oder weniger periodische Nahrungsaufnahme (je regelmässiger, desto gesunder!) uiul Geschlechtsverrichtung — das alles sind deutliche, sprechende Zeugen dafür, wie der Drang nach Dauerzuständen (bezw. Dauerbewegungen) die Haupt- triebfeder unseres Lebens ist. Nicht im Widerspruche damit steht es, dass aus dem Erhaltungskampfe sich eine immer weitere Fortbildung und Entwiekelung ergiebt. Das wird eben dadurch hervorgerufen, dass sich die best- ausgerüsteten Individuen auch am besten, selbst unter den schwierigsten Verhältnissen zu behaupten vermögen. Je entwickelter das Individuum, desto grossere Selbst- erhaltungsfähigkeit besitzt es. Damit hängt die Aus- bildung des Nervensystems zusammen, damit aber auch die Entwiekelung der menschlichen Denkformen, die nichts Anderes als ein Erzeugniss des Erhaltungskam[)fes sind. Unsere körperliche und unsere geistige Gestaltung sind das Ergebuiss des rastlosen Erhaltungsstrcbens, das mit Nothwendigkeit zu immer weiterer Entwiekelung und Ver- vollkommnung treibt, bis einmal — wer weiss wannV — leidlich stabile Zustände erreicht werden. Demnach muss es als eine unbedingte Forderung auf- gestellt werden, diesen Gesichtspunkt auch wirklich streng bis in die letzten Cousequenzen hindurchzuführen; und dies ist es, was die neuere empirische Philosophie, be- sonders aber das System von Richard Avenarius versucht. Doch weiter! Der obige Gesichtspunkt des Erhaltungs- strcbens gilt, wie schon oben gesagt, nicht nur für Menschen, sondern auch für Thiere und Pflanzen. Auch die Schnee- kleider mancher Thiere (Bären, Hasen, Vögel), überhaupt Färbung zu Schutz und Trutz, der üble Geruch, der leise Gang der Katze, der Giraftenhals, die Schnabelformen, auch dass das Axolotl gezwungen werden kann ans Land zu gehen; ferner in der Pflanzenwelt ebenfalls die Färbungen, Gerüche u. s. w., wie auch von andern Thatsachen das Streben nach dem Lichte, auch die langen Sprosse bei den Kartoffeln (je geringer die Beleuchtung, desto länger die Internodien), ferner aber auch das Blühen der Bäume nach einem Hagelschlage oder auch jene Thatsache, dass Pflanzen, die schlecht genährt sind, vor allem für Fort- pflanzung (also für Erhaltung der Art) sorgen, so z. B. Algen, wenn der Bach austrocknet, während gutgenährte Pflanzen ins Kraut schiessen: kurz überall auch hier das Streben (bezw. die Tendenz) nach Nahrung, Sicherung, Fort- pflanzung, d. h. nach Erhaltung seiner selbst, bezw. der Art. Aber noch weiter lässt sich der Erhaltungsbegriff ausdehnen, d. h. also auf das unorganische Gebiet, nur dass wir hier besser tiiun, das nun einmal für die organische Welt gebrauchte Wort „Erhaltung" zu meiden und dafür entweder „Dauerzustände" oder „Sta- bilität" zu sagen. Fechner ist es gewesen, der zum ersten Male das Princip der Stabilität in seinen Haupt- punkten erfasst und in seiner geistvollen Schrift „Einige Ideen zur Schöpfungs- und Entwickclungsgeschichte der Organismen" (Leipzig 1873, S. 25 ff'.) dargelegt hat. Fechner versteht unter stabilen Verhältnissen die in regelmässiger Periode, d. i. aufeinander folgenden, gleichen Zeitabschnitten, wiederkehrenden Lage- und Be- wegungsverhältnisse der Thcilchen eines materiellen Systems oder der Schwerpuid^te ganzer Massen, die man zu einem grösseren System vereinigt denken kann. Fechner unterscheidet drei Fälle von Stabilität: 1. abso- lute, d. i. der Ruhezustand der Thcilchen oder Massen bezüglich einander; 2. volle, wo zwar Bewegungen stattfinden, diese aber in genau gleichen Zeitabschnitten immer zu denselben Verhältnissen der Thcilchen oder Massen nicht nur nach iin-er Lage, sondern auch (le- schwiudigkeit, Richtung und Aenderung der Geschwindig- keit und Richtung bezüglich einander 'zurückführen; 3. approximative Stabilität, der Fall einer grösseren oder geringeren Annäherung an die volle Stabilität, wenn nämlich die Thcilchen otlcr Massen eines Systems _ nie wieder genau, aber doch annäiiernd in gleichen Zeitab- schnitten zu den früheren Verhältnissen bezüglich einander zurückkehren. 382 Naturwissenscliaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 32. Die erste, die absolute Stabilität, die dem Seiu der Eleaten entsprechen würde, würde die völlige Verneinung jeglichen Lebens sein und kommt für uns nicht in Be- tracht. Erfahrungsnüissig haben wir es nur mit der dritten, der approximativen, die wir auch als relative bezeichnen können, zu thun. Ein vorzügliches Beispiel derselben aus der unorganischen Natur liefern uns die Hauptmassen unseres Planetensystems! Kann die ganze Welt zur Stabilität kommen? Etwa zu einem „seeligen Sphairos" werden nach Art des Empe- doklcischen? Das dürfen wir wohl ruhig mit „Nein" be- antworten, soweit sich das überhaupt vom menschlichen Standpunkte aus beantworten lässt. Denn wir können über jede denkbare Grenze im Welträume hinausgehen und müssen also annehmen, dass sich immer neue Systeme geltend machen können und diese die von den alten Systemen erlangte Stabilität stören würden, wie ja auch die Stö- rung der relativen Stabilität unseres Planetensystems durch Einbrüche von ausserhalb desselben befindlichen Weltkörpern doch keineswegs zu den Unmöglichkeiten gehört. Man kann vor der Hand nur annehmen, dass die Stabilität örtlich und zeitweise erreicht werde. Die be- zügliche Tendenz ist jedenfalls auch im unorganischen, wie im organischen Gebiete ausgeprägt. So sehen wir, wie sich derselbe Gesichtspunkt als leitender für die verschiedensten Naturgebiete erweist und von ihm sich wunderbar klar ein Ueberblick über das Leben, das menschliche insbesonders, gewinnen lässt. Was wir gut nennen, das ist das, was uns der Stabilisirung der menschlichen Verhältnisse näher bringt. Das Ideal einer menschlichen Gesellschaft ist, dass unter allen Gliedern derselben Gegenseitigkeit (Solidarität) vorhanden ist. Die Störungen sollen nicht mehr auch von unseren Mitmenschen ausgehen, sondern nur von aussen. Wir wollen keine Feinde mehr haben, sondern nur Freunde. Allerdings bedingt dieser letzte Punkt, dass die Stabilisirung nicht zu weit vorschreitet und zu einer Erstickung des geistigen Lebens führt. Es müssen also auch im Idealstaate Leiden in den Kauf genommen werden, aber keine schroffen, übermässigen, tieferschüt- ternden mehr, sondern gemilderte, sanftere. Lust und Freude sind an Entbehrung und Leiden gebunden. Es wäre traurig, wenn alle Entbehrungen, alle Anstrengungen verschwinden würden. Die Ueber- windung derselben macht Lust, in der gemeinsamen Ueberwindung noch höhere und reinere. Nur diejenigen Entbehrungen und Leiden müssen beseitigt werden, die niederdrückend und lähmend wirken, also die eigentliche „Noth" des Daseins. Nicht minder, wie das Gute, zielt das Schöne auf die Stabilität ab, wie ich früher schon au.sführlich ge- zeigt habe.*) Wir bezeichnen die Sinnbilder (Symbole) der Erhaltung, der Stabilität als schön. Und endlich das Wahre! Nun eben diejenigen Ein- sichten sind „wahr", die unser Erhaltungsstreben fördern, also brauchbar, nützlieh, vielverwcndbar und vielgeülit und darum haltbar sind. Die brauchbarsten oder halt- barsten Ansichten sind die wahren! — • Auf alle diese Begriife, wie auf mannigfache Einzel- heiten des Stabilitäts-Gesichtsi)unktes werde ich später einzugehen haben. Wir haben uns vorher noch mit der Anwendung unseres Lcitprincips auf unser geistiges Leben im allgemeinen zu befassen. (Fortsetzung folgt.) *) Vei-gl. „Naturw. Wochenschr." 1894, Nr. -'5. Ueber Messungen und Maasse der Schallintensität. Von Dr. K;irl L. Scliaefer. Wiederholt ist das Problem in Angriff' genommen, in Analogie zum Photometer und zur Photometrie einen Schallstärkcmcsser und ein Scliallstärkcmaass zu finden. Man hat auf mechanischem, elektrischem, optischem und akustischem Wege versucht, zu diesem Ziele zu gelangen. Die erste dieser Gruppen bilden die Untersuchungen von ?>nst Grimschl (Tonstärkemessung, licalgynmasium des Johanneums zu Hamburg, Bericht über das 54. Schul- jahr. Hamburg l • /(% worin j» das Fallgewicht, h die Fallhöhe und f den constanten Exponenten 0,622 bedeutet. Da e > 0,ö, wachsen also die Intensitäten tbatsächlich etwas rascher als die Quadratwurzel der Fallhöhe. „Ueber eine neue optische Methode, die Schwingungen tönender Luftsäulen zu analysiren" haben Tocpler und Boltzmann berichtet in Poggendorflf's Annalcn der Physik und Chemie, Bd. 141 (1870) S. 321. Um die Sehwin- gungsvorgänge in tönenden Pfeifen sichtbar und damit messbar zu machen, bedienten sie sich des stroboskopischen Princips. Dieses besteht l)ekanatlich darin, dass eine sehr rasche und daher an und für sich unsichtbare Pendel- bewegung durch eine ebenfalls sehr rasch intermittircnde Lichtquelle beleuchtet und dadurch dem Auge wahrnehm- bar gemacht wird, indem nunmehr die Bewegung ganz erbeblich verlangsamt erscheint. Tocpler und Boltzmann Hessen die Strahlen einer intermittirenden Beleuchtungs- vorrichtung zum Theil durch die schwingende Luftsäule einer tönenden Pfeife, zum Theil durch eine ruhende Luftschicht hindurchgehen und diese beiden Strahlen- gruppen alsdann sich wieder vereinigen. Es entstand dabei ein Interferenzstreifen und zwar, weil die durch die schwingende Luftsäule gehenden Strahlen bald eine Ver- zögerung, bald eine Vorauseiluug aufwiesen, ein schwin- gender. Da seine Quelle eine intermittircnde, erschien derselbe stroboskopisch verlangsamt und erwies sich als sehr geeignet zu den beabsichtigten Messungen. Es wurden die Schwinguiigsformen, der Luftdruck und die Diclitigkcitsänderungen in den Schwiugungsknotcn, sowie die Amplituden der Partialschwingungen festgestellt. Sehr interessant ist, dass anhangsweise auch noch die Ampli- tude in einem bestimmten Abstand von der Pfeife, näm- lich an der Grenze ihrer Hörweite (Hörschwelle), bestimmt wurde. Die gefundene Grösse war 0,00004 mm, das ist etwa Vio von der Wellenlänge des grünen Lichtes. „In einer Abhandlung „Ueber ein Maximum- und Minimummanoraeter für die Druckänderungen in tönenden Luftsäulen'- beschreibt Kundt in Poggendorf's Ann. 134, S. 563 ein Verfahren, durch welches ermöglicht wird, das Maximum (resp. Minimum) des in dem Knoten einer Orgelpfeife herrschenden Druckes sichtbar zu machen und der Messung zu unterwerfen. Dies wurde dadurch er- reicht, dass zwischen Pfeife und Manometer ein sich ein- seitig öffnendes Membranventil eingesetzt wurde, welches nur die Verdichtungen (resp. nur die Verdünnungen) der Pfeife auf das Manometer wirken lässt, während es bei der entgegengesetzten Druckphase einen Abschluss bildet." Mit diesem Citat eröffnet A. Raps seine Untersuchung „Zur objectiven Darstellung der Schallintensität" (Ann. d. Phys. u. Chem. S. 273), in welcher mittelst wesent- lich verbesserter Schallventile ähnliche Beobachtungen wie von Toepler und Boltzmann ausgeführt wurden. Eine objective Darstellung der Schallintensität kann auch dadureli erzielt werden, dass die Scliallschwingungen auf eine Membran übertragen werden, welche einen Schreibhebel trägt. Die Excursioncn des letzteren können zur Messung der Amplitude dienen. Einige Versuche nach diesem Princip sind bereits vcin August Heller (Ueber eine Inteusitätsmessung des Schalles. Poggendorfs Ann. Bd. 141, S. 576) ausgeführt, allerdings nur zur Beant- wortung einer mehr nebensächlichen Frage. Wichtiger sind die Residtate, die Max Wien (Ueber die Messung der Tonstärke. Ann. d. Phys. u. Chem., N. F. Bd. 36, S. 834) mit Hülfe eines auf demselben Grundgedanken bernhenden Apparates erhielt. Er untersuchte unter an- derem dircct die Abnahme der Schallintensität mit der Entfernung und fand, dass die Scliallstärke mit wachsen- dem Abstand von der Schallquelle etwas rascher ab- nimmt, als das Quadrat des letzteren. Zu bemerken ist hierbei, dass die Versuche sieh nur auf grössere Distanzen beziehen und kleinere Entfernungen von der Schallquelle nicht berücksichtigt wurden. Als akastische darf man wohl diejenigen Methoden zur Vergleichung von Schallintensitäten bezeichnen, welche das Ohr selbst als Indikator benutzen. In dieser Rich- tung hat zuerst Schafhäutl (Ueber Phonometrie, nebst Beschreibung eines zur Messung der Intensität des Schalles erfundenen Instrumentes. Math, physikal. Abhandlungen d. Königl. bayer. Akademie d. Wiss. 1855, Bd. 7, S. 499) gearbeitet. Er stellte einen besonderen Ajtparat zu- sammen, der es gestattete, Kugeln von bestimmtem Ge- wicht aus genau messbarer Höhe auf Platten fallen zu lassen und leitete theoretisch aus Fallhöhe und Fall- gewicht eine Schallmaassformel ab. Als Maasseinheit diente diejenige Fallhöhe und dasjenige Fallgewicht, wodurch eben noch eine Schallemptindung ausgelöst wurde. Die von ihm angegebene Art und Weise, seine Formel zur Schallstärkemessung zu benutzen, ist nach dem heutigen Standpunkt der Psychophysik nicht mehr brauchbar. In anderer Form ist das Verfahren Schafhäutls wieder aufgenommen worden durch Karl Vierordt (Ueber Schallstärkeuiessung u. s. w. Zcitschr. f. Biologie, Bd. 14, S. 300; Bd. 17, S. 361; Bd. 18, S. 383 u. 397; Bd. 19, S. 101. Ann. d. Phys. u. Ghem., N. F., Bd. 18, S. 471; Bd. 19, S. 207; Bd. 21, S. 509. — Vergleiche ferner W. Preyer, Wiss. Briefe von G. Th. Fechner und W.Preyer. Hamburg und Leipzig 1890, S. 169 ff.). Der Kernpunkt aller seiner theils experimentellen, thcils polemisirenden Abhandlungen ist der, dass es ein allgemeines Schall- maass gebe, und zwar J^=p-h^ (s. o.), und dass die Schallintensität nicht im quadratischen, sondern im linearen Verhältniss mit der zunehmenden Entfernung von der Schallquelle abnimmt, derart nämlich, dass der Schall bei seiner fortschreitenden Ausbreitung immer pro Meter oder Centimeter oder sonstiger Längeneinheit ein gleiches Quantum seiner Intensität einbüsst. Gegen Vierordt's Behauptung, dass f ein constanter Exponent gleich 0,6 sei, haben sich W. Wundt (Ueber Schallstärkemcssung. Ann. den Phys. u. Chem. N. F., Bd 18, S. 695) und E. Tischer (Ueber die Unterscheidung von Schallstärken. Dissertation, Leipzig, Engelmann, 1882) nachdrücklich ausgesprochen: e sei sehr verschieden gross, je nach der Art des Versuches, und sogar zuweilen grösser als 1. In Anbetracht des schroffen Gegensatzes zwischen den Resultaten Wiens und Vierordts habe ich selbst kürz- lich die Abnahme der Schallstärke mit der Entfernung aufs Neue untersucht (Karl L. Schaefer, Versuche über die Abnahme der Schallstärke mit der Entfernung. Annalen der Physik und Chemie, N. F. Bd. 57, S. 785), und zwar nach einer besonderen psychophj'sischen Me- thode. Die in Gemeinschaft mit II. Wegener von mir angestellten Versuche, in denen die Gleichheit oder Ver- schiedenheit der physikalischen Intensitäten durch die Gleichheit oder den Unterschied der zugehörigen Em- 384 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. S2. pfinduug-siuteusitäten bestimmt wurde, ergaben, dass die Schallstärke in der Nähe der Schallquelle — als solche wurden nur Telephone benutzt — langsamer, in grösserer Entfernuni;- rascher abnimmt als mit dem Quadrat der letzteren. In einer gewissen, von der Intensität des Tele- phons abhängigen mittleren Entfernung nimmt die Schail- stärke in demselben Verhältniss ab, wie das Quadrat der letztei-en zunimmt. Bezüglich grosser Abstände von der Schallquelle also ist hiermit das Ergebniss Wiens be- stätigt. — Obstgarten. Die Gartenkaleiulev. A u g u s t Ernte der Kernobstsorten beginnt jetzt, während das Steinobst bis auf späte Pflaumen und Pfirsiche geerntet ist. Die jetzt reifenden frühen KeriKibstsortcn, die so- genannten Sommeräi)fel und Sommerbirnen, halten sich leider nicht lange Zeit, sondern müssen mögliclist bald verbraucht werden. Von den später reifenden Sorten fallen jetzt viele Früchte, meist in Folge von Wurmfrass oder von Windschaden ab. Diese Früchte sind sämmtlich zu sammeln und in der Küche zu Muss, Gelee, Kuclien etc. zu verwerthen. Von den wurmsticiiigen Früchten werden die beschädigten Theile, welche den Larven als Aufenthalt dienen, ausgeschnitten und vcrniclitet. Auf keinen Fall dürfen wurmstichige Früchte unter den Bäumen liegen bleiben. Die Erdbeerbeete, welche drei Jahre lang getragen haben, werden abgeräumt, tief um- gegraben und dabei gut gedüngt und dann sofort mit Winterkohl bepflanzt. Die übrigen Erdbeerbeete werden geputzt, d. h. es werden alle Ausläufer dicht an der Ur- sprungsstelle abgeschnitten. Von den jungen Pflänzchen, welche sich an diesen Ausläufern gebildet haben, wählt mau die kräftigsten gut bewurzelten aus und verwendet sie zur Neuanpflanzung von Beeten, wenn man nicht bereits im vorigen Monate Pflänzlinge auf ein besonderes Beet gepflanzt hat, die mittlerweile sehr kräftig geworden sind und sich noch besser zu Neupflanzungen eignen. Man pflanzt die Pflanzen auf den Beeten in drei Reihen und zwar im Verband in der Weise: ,•',■[ Stets werden drei Pflanzen an einer Stelle zusammengepflanzt. Das Erdbeerbeet muss vor der Bepflauzung gut gedüngt wer- den. Ebenso düngt man jetzt die übrigen Erdbeerbeete am besten mit phosphorsaurem Kali. — Gemüsegarten. Die wichtigsten Arbeiten sind jetzt das Beharken der Beete, das Jäten des Unkrautes und das Begiessen der Pflanzen bei trockenem Wetter. Um die Pflanzen zur höchsten Entwicklung zu l)ringen, düngt man sie jetzt häufig mit einer Lösung von Albert's Gartendünger (1 : lOOOi. Diejenigen Beete, welche abgeerntet werden, werden sofort wieder umgegraben und gedüngt und mit schnellwachsen- den Gemüsesorten, wie Spinat, Salat, Kohlrabi, Radies, Erb- sen etc. oder mit Grün- oder Braunkohl l)estellt. Auf nahr- haftem sandigen Boden kann man jetzt auch Teltower Rübchen aussäen. Alle Abfälle aus dem Gemüsegarten wandern auf den Korapostliaufcn, der sich jetzt schnell vergrössert. Man streut auf denselben von Zeit zu Zeit Thomasi)hosphatmehl und sticht ihn einmal in diesem Monate um. Ist er etwa 2 m hoch, so legt man einen neuen Komposfhaufen an. — Ziergarten. Hier und da fällt nun schon gelbes Laub von den Bäumen, ein trauriges Zeichen, dass der Sommer zur Rüste geht. Auch die Blumen welche jetzt erscheinen, haben herbst- lichen Charakter. Unsere Aufgabe ist es aber, den Gar- ten nun solange wie nur irgend möglich im vollen Sommer- schmucke zu erhalten. Durch sehr reichliche Bewässerung an trockenen Tagen und durch reichliche Düngung mit lihosphorsaurem Kali halten wir die Vegetation am läng- sten frisch und gesund. AVenn wir bei Zeiten mit der mineralischen Düngmig l)egonnen haben, so machen sich die F(jlgcn davon bei den zarteren Sommergewachsen jetzt erst ganz besonders bemerkbar: die Pflanzen zeigen eine ansserordentlich üppige Blattentfaltung und sind selir reichlich mit Blüthen bedeckt, welche besonders gut aus- gebildet sind. Es ist jetzt aber nicht mehr angebracht, die Pflanzen mit Stickstoff zu düngen, weil sie jetzt all- mählich darauf vorbereitet werden müssen, in die Winfcr- ruhe einzutreten. Nur die einjährigen Gewächse, welche ja doch im Herbste zu Grunde uehen, düngt man auch jetzt noch mit salpctersuurem Kali. Sie erlangen in Folge der hohen Temperatur dann noch bis zum Herbst ganz ungewöhnliche Dimensionen. Will man einzelne Sonnner- gewächse, wie Pelargonien, Fuchsien, Heliotrop, Canna etc. im Herl)st ins Zimmer nehmen, wo sie dann noch lange Zeit blühen, so muss man sie jetzt in Töpfe |iflan- zen. Sie wachsen dann noch gut an und halten sich sehr lange im Zimmer. Es ist nur nöthig, dass man sie später nicht zu lange im Freien lässt, damit sie sich nicht erst an die kühlen, thauigen Nächte gewöhnen. Würde man sie zu lange im Freien lassen, so würde die Folge sein, dass sie im warmen Zimmer sehr schnell ihr Laub und ihre Knospen abwerfen. Staudengewächse, welche abgeblüht haben, lassen sicli jetzt leiclit und sicher durch Theilung vermehren. Jetzt ist auch die beste Zeit zur Aussaat von Staudensamen, sowie von Samen ein- und zweijähriger Gewächse. Haben die Samen gekeimt, so müssen die Sämlinge möglichst bald einzeln gepflanzt werden, damit sie sich kräftig entwickeln. Udo Dammer. Die Bildungsverbältni.sse der Witwatersrand-Gold- lager. — Der Reichthum des Witwatersrandes hat aus den verschiedenen Nationen, welche Capitalien in dessen Ausbeutung angelegt haben, Sachverständige dahin ge- führt, die nicht nur über die industriellen Fragen ihren Auftragebern Bescheid gaben, sondern sich bestrebten, bei dieser Gelegenheit auch der Wissenschaft zu dienen. Schon sind der Ansichten über die Art der Bildung jener Erze so viele geäussert worden, dass unter ihnen die Auswahl für diejenigen schwer fällt, welche nicht den Vorzug eigener Untersuchung der Vorkonnnen genossen haben. Und doch fühlt sich jeder (ieolog zu einer be- stimmten Urtheilsbildung verpflichtet schon deshalb, weil jene Goldlager in ihrer Gesammtheit alle bislang bekannten älteren Goldvorkoramen von sedimentärem Charakter an Mächtigkeit und Masse übertreffen. Aus der Schichtenfolge allein, da organische Reste für die genaue Alters- bcstimnnnig fehlen, ist, und wohl mit Recht, gefolgert worden, dass dieses aus wechsellagernden Sandsteinen, Quarziten imd Conglomeraten aufgebaute Sehiehtensysteni, das auf Granit auflagert, dem Devon zugehöre, und hierin Sandsteinen des Tafelberges entspreche. Unter diesen Umständen sind die diesen Gegenstand behandelnden und sich durch akademische Ruhe und Gründlichkeit auszeichnenden Darlegungen von L. de Lau- nay zu begrüssen. Dieser Forscher, der die Ergebnisse seiner Beobachtungen ausführlicher in einer das 1. Heft des neuen Jahrganges der „Annales des mines" ausfüllenden, mit instrnctiven Skizzen reich ausgestatteten Al)handlung dargestellt hat, auf welche rücksichtlich aller Einzelheiten unbefriedigte Interessenten verwiesen sein mögen und welcher auch einige der folgenden Darstellung einge- streute Angaben entnommen sind, machte auch der französischen Akademie Mittheilungen, zunächst (Comptes rendus 18'J(i, No. fi) über die geidogischcn Verhältnisse der Couglomeratlagcr, und dann (ebenda No. 7) über XI. Ni. 32 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 385 deren ßiklungsvcrhilltnisse, die als kurze Auszüge aus jener Abiiandlung zu betrachten sind. Zunächst betonter, dass die goldführenden Coug'lomerat- lagcr, wenn vielleicht auch ohne Goldgehalt, und das ganze etwa 7800 m mächtige .Schichtensystem, welchem sie angehören, seiner Meinung nach einst eine bedeutend grössere Erstreekung besessen halten müssen, als wie jetzt. Die bisher in Abbau genommenen Lager, die einer west- östlichen Mulde von etwa .50 km Längserstreckung an- gehören, deren nördlichen Schenkel die Lager des eigent- lichen „Randes" und deren südlichen diejenigen von Nigel und Heidelberg darstellen, wären demnach nur als Reste einer viel ausgedehnteren Ablagerung zu betrachten. Richtiger ist wohl die Richtung der Mulde als von Süd- west nach Nordost gehend zu bezeichnen. Im Südwesten, nach welcher Richtung die Schichten und Lager an Mächtigkeit und Zahl einbüssen, ist ein Abschluss noch nicht so bald zu vermutheu. Dagegen nähern sich im Osten die beiden Muldenschenkel dermaassen, dass die das Mulden - Innere einnehmenden mittelcarbonischen Schichten der Gats-Rand- und Magaliesberg-Stufe ver- schwinden; dadurch scheint ein Beckenschluss gegeben zu sein. Launay betont jedoch, dass sich auch sehr wohl die Mulde weiter östlich wieder aufthun könne und Sicherheit hierüber deshalb nicht zu erlangen sei, weil in jenem Landstriche die Schollen diseordant aufgelagerter Karrooschichten und die aus deren Verwitterung hervor- gegangene mächtige Lehmdecke den Untergrund verhüllen. Dass der Muldeubau erst ein secundärer, durch spätere Gebirgsfaltung gegebener ist und die Sand- steine und Conglomerate nicht Ablagerungen innerhalb eines dem JMulden-Innern entsprechenden Seebeckens sind (was auch die nicht seltene steile Schichtenstcllung längs des Randes unwahrscheinlich macht), dafür spricht ins- besondere die von Launay in Ann. d. mines hervor- gehobene Thatsache, dass Schichtensättel die Mulde seit- lich sowohl im Nordwesten wie im Südosten Ijegleiten. Ferner müssen wohl auch die anscheinend die Unter- lage des Schichtensystems darstellenden, sowohl südlich der Mulde, wie auch wenige Kilometer nördlich von Johannes- burg zu Tage liegenden Granitmassen, welche man als Ufer eines Seebeckens betrachten könnte, für jünger gelten als die goldführenden Schiehtmassen, da innerhalb der letzteren Granit in Gangform auftritt und jene Granitmassen auf alle angetrott'enen Sedimente intensiv contactmetamorphisch eingewirkt haben sollen. Das Gold tiudet sich in Conglomeraten (nur selten in quarzitischen Sandsteinen), deren abgerollte Bestand- theile, Geschiebe und Sandkörner, fast ausschliesslich dem Quarz, nur untergeordnet dem Quarzite (bei Heidelberg stellenweise dem Bandcpiarze mit pyritreichen Bändern) angehören, während das Bindemittel von Schwefelkies (Pyrit) und goldhaltiger Kieselsäure (silice) geliefert ist. Unter den Quarzgeschieben, die z. Th. ganz abge- rundet, z. Th. nur an den Ecken abgestumpft, oft aber auch abgeflaeht sind, kann man solche von zweierlei Art unterscheiden, nämlich einmal bläulich-weiss erscheinende (bleutes) und andererseits rauchsehwarze, welche ohne ersichtlichen Grund in manchen Gruben für Anzeiger glücklichen Fundes gelten. Beiläufig bemerkt dürften die Conglomerate der petrographischen Forschung noch ein fruchtbares Feld bieten, wenigstens tauchen bei Be- trachtung der von Launay in Ann. d. mines gebote- nen Skizzen derselben verschiedene Fragen auf, zumal über die feinere Structur des Bindemittels, dessen Mengen- verhältniss zu den Gerollen und sein Zwischen drängen zwischen zerspaltene Geschiebe. Die wegen grösseren oder geringeren Goldgehaltes mehr oder weniger abbauwürdigen Lager sind über meh- rere Tausend ]\Ieter Mächtigkeit des aus Sandsteinen und Conglomeraten aufgebauten Schiehtensystems vertheilt, welches nur wenig Schiefer an seiner Basis und gar keine Kalksteinbank eingeschaltet enthält. Die ersten ulolomitischen) Kalksteine treten nicht früher als über dem jüngsten der bekannten Golderzlager, demjenigen von Black Reef auf, dadurch einen durchgreifenden Wechsel der Ablagerungs-Unistände bezeugend. Rück- sichtlich der Mächtigkeit und des gegenseitigen Abstandes zeigen die verschiedenen goldhaltigen Conglomeratbänke überall örtliche Variationen, sie recken sich aus oder gabeln sieh, um ein Sandsteinmittel zu umschliessen u. a. m.; trotzdem scheinen sie sich selten völlig ausznkeilen und eine anscheinend plötzlich sich aufthuende Bank von Conglomerat oder Sandstein ist meist nur die Fortsetzung einer bis auf geringe Spuren (Sandgehalt des Conglomerat- lagers oder Band von zerstreuten Gerollen) gesteigerten Verdrückuug. Deshalb zeigen alle Querprofile, von dem einen Ende der goldführenden Zone bis zum anderen, bei ihrer Zusanmienstellung eine gewisse Ucbereinstinmiuug und zwar scheint der Rcichthum an Gold, wenigstens in soweit ein Urtheil nach den noch unvollständigen Er- mittelungen erlaubt ist, im Mittel immer auf dieselbe Reihe von Bänken beschränkt. Zahlreich und unzweideutig sind die Erscheinungen, welche nach Ablagerung der Conglomerate eingetretene mechanische Beeinflussungen beweisen. Dahin gehören die durch die Muldenfaltung gegebene Neigung und Lage- rung der Schichten, welche sich in ihrer jetzigen Stellung unmöglich bilden konnten, ferner das Auftreten von Letten- bestegen auf Gleit- und Reibungstlächen, die Netze von Spalten, auf denen sich Quarz mit Krystallen von Schwefel- kies, Kupferkies, Bleiglanz, Blende und manchmal auch von Gold krystallinisch ausgeschieden hat, und endlieh die meist von Nordost nach Südwest streichenden Ver- werfer, von denen etwa 70 Proceut widersinnige sind, sowie die Eruptivgesteinsgänge; von diesen scheint eine in 35 km streichender Länge und 1200 m Breite anstehende Masse, diejenige des Klipriverberges nämlich, in einer gewissen Beziehung zur Bildung des jüngsten Golderz- lagers, das als Black Reef bezeichnet wird, zu stehen, und wird sie in Ann. d. m. überhaupt nicht als Intrusiv- masse, sondern als Lager geschildert, auf dessen welliger Oberfläche sich der goldhaltige Kies in Furchen ablagerte. In den Erzen tritt Freigold nicht selten auf, bleibt aber stets (wenigstens insoweit es nicht secundärer Natur ist) für das blosse Auge unerkennbar; beständig be- gleitet wird es von Schwefelkies, ohne jedoch anschei- nend an diesen chemisch gebunden zu sein; wenigstens kann man es oft mittelst des Mikroskops nur eingebettet in Kies und von diesem umschlossen erkennen. Der Ge- halt an Kies steigt in vielen Lagerpartien bis zu fünf auf hundert Gewichtstheile des Gesteins (stellenweise so- gar auf 30 "/o); dabei besitzt der Schwefelkies im Allge- meinen eine bemerkenswerthe Reinheit der Substanz, da er nur ausnahmsweise Spuren von Kupfer, Blei, Zink oder Arsenik enthält; sein mittlerer Goldgehalt sehwankt in den in Abbau befindlichen Lagern zwischen 10 und 50 g auf die Tonne. Als ganz feststehende und allgemein giltige That- sache ist die Beschränkung von Gold und Schwefelkies auf das Bindemittel der Gerolle in den Conglomeraten erkannt worden; in den Geschieben selbst finden sie sich dagegen nirgends, ausser dass sie sich in seltenen Fällen auf Spalten derselben angesiedelt haben. Dies ist der wichtigste Grund, welcher gegen die Annahme gleicher Herkunft der GeröUe und des goldhaltigen Kieses spricht, wobei letzterer aus der Zerstörung eines Goldquarz- ganges hervorgegangen sein könnte. 386 Naturwissenschaftliche VVuchcuschrift. XI. Nr. 32. Der goldhaltige Schwefelkies bildet entweder einen Ueberzng über den QuarzgeröUen und scheint sich auf deren Oberfläche niedergeschlagen zu liaben, oder aber unregelmässige Acdercheu in dem kieseiigen, die Gerolle einhüllenden Bindemittel. Manchmal findet er sich in zoneuförmig geordneten Aederchen (gemeint sind wohl Parallelsysteme derselben. — Der Berichterstatter), wobei diese entweder parallel der allgemeinen Schichtung oder aber schräg zu dieser und entsprechend einer discordanteu Schieferung der Sedimente gerichtet sind (den Skizzen in Ann. d. mines nach zu urtheilen, handelt es sich um eigentliche discordante Schieferung oder „ripple drift't", nicht um eine falsche und secundäre). Prüft man diesen Schwefelkies unter der Lupe oder dem Mikroskop, so er- scheint er sehr oft abgerollt (eine von Launay in seinen genetischen Folgerungen stark betonte Erkenntniss), ins- besondere derjenige aus den ])arallel geordneten Aederchen; doch findet er sich manchmal auch schön krystallisirt. (Auf dem ältesten und noch häufiger auf dem jüngsten der Goldlager sind sogar ganze Pyritgesehiebe von 5—6 mm Durchmesser angetroffen worden.) Zwischen den Dimensionen der Gerolle und dem Reichthum an Gold ist ein allgemein herrschendes Ab- häugigkeitsverhältniss wenigstens für eine beschränkte Partie derselben Lager ermittelt worden. Die Sandsteine von feinem Korn führen nur ganz ausnahmsweise Gold, nämlich nur längs gewisser Bänder zerstreuter und kaum sichtbarer Geschiebe; in den Conglomeraten selbst hält man die Lagen groben Gerölls für besonders reich, ins- besondere diejenigen, welche sich zu unterst im Lager befinden. Die schon für gut erachteten Erze sind die- jenigen mit etwas groben Gerollen, welche breite, aber nicht allzubreite Zwischenräume zwischen sich lassen und «leren Bindemittel sowohl wegen der eigenen Färljung des Quarzes als auch wegen reichlichen Schwefelkieses dunkel erscheint. Nicht immer ist, wie in den Goldseifen, der Gold- gehalt innerhalb eines Conglomeratlagers an deren Basis eonccntrirt, vielmehr ist derselbe entweder gleiehmässig durch die ganze Masse vertheilt oder aller, wenn er in einer Lage angereichert ist, kann sich diese ebenso wohl oben als unten im Lager finden, wenn auch letzteres häufiger der Fall ist. Der Goldgehalt auf die Tonne seheint innerhalb ein und desselben Lagers in umgekehrtem Verhältniss zu dessen Mächtigkeit zu stehen; je geringer letztere, desto bedeutender jener. Zwar gilt dies nicht ganz allgemein, doch sehr gewöhnlich und es macht den Eindruck, als ob ein festbemessener und gleichbleibender Goldgehalt überall auf die wechselnde Mächtigkeit des Lagers zu verthcilcn gewesen wäre. Einige goldhaltige Lager und unter ihnen sehr reiche finden sich zwisehcngeschaltet zwischen Quarzitc und Schiefer (East Rand, Van Ryn, Modderfoutain, Nigel, Midas u. a.) Der Goldgehalt der Congloraerate ist nun jedenfalls nur als eine (irtliche Eigenheit, keine an sich wesentliche und unabtrennbare Eigenschaft derselben aufzufassen; Launay unterscheidet für seine ]}ildung dreierlei Hypo- thesen, je nachdem diese die Entstehung oder chemische Ausscheidung des Goldes vor, während oder nach der Conglomeratbildnng behaujiten. Wäre das Gold schon vorher vorhanden gewesen, hätte dasselbe ebenso wie die Gerolle nur einen Orts- wechsel und eine nieclianischc Aufbereitung erfahren, so lägen also paläozoische Goldseifen (placers) vor. Würde man weiter annehmen, dass lieide Bestandtlieile der Conglomerate, nämlich die Gcröllc und das Gold, aus zerstörten Goldqnarzgängen stammten, so müsste man die wichtige und allerorts festgestellte Thatsaehe, dass aus- schliesslich das Bindemittel und niemals die Gerolle in ihrer eigenen Substanz das Gold und den letzteres be- gleitenden Schwefelkies enthalten, dahin erklären, dass in den zerstörten Goldquarzgängen das Gold sehr ungleich- massig vertheilt gewesen sei, die gold- und kieslialtigen Partien geringere mechanische Widerstandskraft besessen haben und deshalb weitergehender Zerkleinerung verfielen, während die reinen Quarzpartien zu Gerollen abgerundet wurden; diese konnten den tauben Kernstücken in dem Netzwerke goldhaltiger Kiesadern entsprechen, welchen als den Flächen geringereu Zusammenhaltes die Zer- trümmerung bei der Zerstörung der Goldquarzgangmassen folgte. Dieser Annahme kann man aber auch ausweichen durch diejenige, dass die Gerolle anderer Herkunft seien als wie der Schwefelkies und das Gold. Für die Annahme einer gleichzeitig mit der Conglo- meratablagerung vor sieh gegangenen Goldausscheidung würde Voraussetzung sein, dass, vermuthlich an einem seichten Meeresstrande, wo Quarzstücke von beliebiger Herkunft auf- und abgerollt und zerrieben wurden, das Wasser einen beträchtlichen Gehalt an Gold- und Eisen- salzen besessen habe, sodass sich Schwefelkies und Gold in ähnlicher Weise abscheiden konnten, wie im Mansfelder Kupferschiefer die Kupfersulfide, oder im Sandsteine von Commern und Mechernich die Bleiknoten, oder in den Conglomeraten von Boleo die vergesellschafteten Kupfer- erze. Die ausgeschiedenen Erze würden da von den Wellen sofort abgerollt worden sein, um sich darnach im Gemenge mit den Geschieben abzulagern; dies mochten sie vielleicht auch erst thun, nachdem sie eine rohe mechanische Aufbereitung und Sonderung durch die Wellen erfahren hatten, wodurch erklärt werden kann, dass das (!old fast ausschliesslich innerhalb der Conglo- merate und nicht auch in den zwischeiigelagerten Sand- steinen geluudcn wird. Diese Sonderung kann man je- doch auch aus einem anderen Grunde ableiten; stellt man nändieh den Wechsel in der (iesteinsausbildung innerhalb des Schichtensystems, ob als Conglonierat oder als Sandstein, auf Rechnung entweder einer stattgehabten Bodenbewegung oder aber einer durch eine Bewegung ähnlicher Art bedingten Aendernng der Strönningsstärken oder -richtungen, so liegt auch die Möglichkeit oder Wahr- scheinlichkeit nahe, dass jede solche Bodenbewegung und Erderschütterung einen Erguss Schwefel- und Metall- haltiger Quellen veranlasst oder gefördert habe, welche also periodisch das Wasser mit diesen Bestandtheilen an- reicherten. Diese Hypothese lässt als ganz natürlich auch den Umstand erscheinen, dass sich neben abgerolltem Schwefelkiese auch scharf krystallisirter findet; es kann da eine Ergänzungsbildung vorliegen, wie solche in anderen Fällen nicht selten beobachtet worden ist; andererseits mussten aber auch die Oberflächen der (ieschiebe den Niederschlag anregen, wie solche es in Eisen- oder Kalk- haltigem Wasser thun, wo sie sieh bald von Rost oder Kalkcarbonat überzogen finden. M^elchem Unistande mau die Ausscheidung des Goldes zuzurechnen habe, erscheint dabei nebensächlich, da Goldabschcidung aus Lösung durch sehr viele und verschiedenartige Bedingungen ge- fordert wird; stellenweise können dies reducirende orga- nische Stiifl'e besorgt haben, vou denen kohligc oder bi- tuminöse Reste zu Büft'elsdorn, auf Grube Orion und an anderen Orten gefunden wurden. Auch kommt hier zu- nächst nicht in Frage, woher das C!old stammte, ob aus (!ol(l- unil Kieselsäure-haltigen Thermen, denen man die Bildung von (lold(|uarzgängen zuschreibt, oder aber aus der chemischen Zersetzung von vielleicht gleichzeitig auch mechanisch zerstörten Goldquarzgangmassen. Als einzige wirkliche Schwierigkeit für diese Bildungstheorie, welcher XI. Nr. 32. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 387 Laiinay selbst den Vorzug einräumt, erkennt und bekennt er die, dass man der für die betrachtete Bildunn' nütbigen Combination günstiger Umstände eine ungewöhnlich lange Dauer oder mindestens eine ungemein häutige periodische Wiederkehr zuschreiben müsse, um für die gewaltige Ge- sammtmächtigkeit der durch ungeheure Sandsteinmassen von einander getrennten Golderzlager, von Rietfontain an bis zum jüngsten von Black reef, eine Erklärung zu liicten. Die dritte Hypothese, welche eine nachträgliche Imprägnation der Comglomeratlager behauptet, hat auch manches Bestechende. 80 bedarf sie z. B. nicht der be- denklichen Annahme, welche soeben erwähnt wurde, und genügt ihr im Gegentheil die Annahme eines einmaligen Auftretens von metallhaltigem Schwefelqucllwasser; auch für sie sind Natur und Herkunft der Gerolle ganz gleich- giltig, wogegen Dimensionen, .Structur und Lage der- selben sehr in Betracht kommen; die Gerolle spielen da eben nur die Kolle eines neutralen Filters. Die Beschrän- kung des Goldes auf die Comglomeratlager rührt nach dieser Theorie einfach daher, dass letztere eben für die MetalUösuugen durchdringbarer (permeabler) waren als die Sandsteine und Quarzite. Da zwischengeschaltete .Schieferschichteu den circulirenden Wassern immer den Weg weisen, erklärt sie sehr schön die häufig festgestellte örtliche Goldanreieherung der zwischen Quarzite und Schiefer zwischengelagerteuConglomerate. Ferner sprechen zn Gunsten dieser Annahme stellenweis vorhandene Ab- hängigkeitsverhältnisse zwischen Goldführung und Eruptiv- gesteinen, sowie zwischen Goldgehalt und Neigungswinkel der Lager. Dagegen macht ihr schon Schwierigkeit, dass von zwei einander auf wenige Meter Entfernung benach- barten Conglomeratlagern mit gleichgrossen Geschieben und von übereinstimmender physikalischer Besehatfenheit das eine goldhaltig, das andere taub sein kann. Auch würde man dem Zeitintervall zwischen Conglonieratab- lagerung und Ausbildung des metallhaltigen Bindemittels zumeist keine lange Dauer zuschreiben dürfen, da Con- glomerate nach kurzer Zeit schon bis zur Undurchlässig- keit verkittet zu werden pflegen und da, für Blackreef wenigstens, die Verhältnisse fast unabweislicli fordern, eine mit der Ablagerung gleichzeitige (!oldal)Scheidung anzunehmen. Als diese Hypothese jedoch unl)edingt widerlegenden und abweisenden Umstand stellt Launay die Thatsache hin, dass der in den Erzen vorhandene Schwefelkies zumeist abgerollt ist. 0. Lang. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Krnaiiiit windeu: Der aiissriordeutliclio l-'rot'fssor der Elek- ti'Oteelinik au der technischen Hochschule zu Karlsrulie IJr. Seh leiermaehor zum ordentlichen Professor; der Privatdoceut der Zoologie in Heidelberg Dr. .Schub er g zuru ausserordimtlichcn Professor; der Privatdoceut in der medicinischen Fakultät zu Leipzig Dr. Schön zum ausserordentlichen Professor; der Privat- docent in der medicinischen Fakultät zu Marburg Dr. Sand- meyer zum ausserordentlielien Professor. Berufen wurden: Der ordentliche Professor der Pharmakologie an der deutschen Universität Prag Dr. Franz Hofmeister als ordentlichen Professor der physiologischen Chemie und Nachfolger Hoppe-Seylers nach Strassburg; der ordentliche Professor der Augenheilkunde in Marburg Dr. Uhthoff nach Breslau; der Privatdoceut der Botanik und Custos am Botanischen Garten in Miinclieii Dr. Weiss .als ausserordentlicher Professor der Botanik, Zoologie und Anthropologie ans Lyceum zu Freising; der ausser- ordentliche Professor der Chemie in Heidelberg Dr. Jacobsohn als Generalsekretär der deutschen chemischen Gesellschaft nach Berlin; der Leiter der polnischen Bibliothek in Paris Dr. Korze- niowski als Amanuensis an die Univorsitäts-Bibliothck zu Lemberg. Es habilitirten sich: Dr. Arthur Drews an der technischen Hochschule zu Karlsruhe für Pliilosopliie; Prof. Dr. Jolles für Projectionslehre und Graphostatik an der technischen Hochschule zu Berlin-Charlottenburg; Dr. Brauns an der medicinischen Fakultät zu Jena; Dr. Kroenig, Assistent an der Frauenklinik zu Leipzig, daselbst für Gynäkologie; Dr. Biehringer für all- gemeine technische Chemie an der technischen Hochschule zu Braunschweig; Dr. Benecke, Assistent am botanischen Institut zu Strassburg, daselbst für Botanik; Dr. Gudden, Assistenzarzt an der psychiatrischen Klinik zu Tübingen, daselbst für Psychia- trie; Dr. Roos, Assistent an der Poliklinik zu Freiburg i. B., daselbst für innere Medicin; Dr. Kimla für pathologische Ana- tomie und Dr. Schrutz für Geschichte der Medicin und Epide- miologie an der böhmischen Universität Prag. Aus dem Lehramt scheidet: Der ordentliche Professor der Hj'giene zu Marburg Dr. Behring. Enthoben wurde: Der Assistent für darstellende Geometrie .an der technischen Hochschule zu München Dr. von Dalwigk ilieser Stellung auf eigenes Ansuchen. Es starben: Der ordentliche Professor der Botanik zu Klausen- Ijurg Dr. Kanitz; der l^rofessor der Medicin in Bologna Canta- lamessa; der ehemalige Professor der Erdkunde in Wien flof- rath Dr. Simony; der naturwissenschaftliche Schriftsteller Rudolf Röttger in Mainz (durch Selbstmord). Die 66. British Association for the Advancement of Science tagt vom IG. — '2o Si'pteniber in Liverpool. — Präsident: Joseph Lister General-Secretairc: A. G. Vernon Harcourt und K. A. Schäfer. L i 1 1 e r a t u r. Oberlehrer Prof. Dr. Otto Wünsche, Die verbreitetsten Pflanzen Deutschlands. Ein Uebungsbuch für den natürwissi'uscbaft- lichen Unterricht. 2. Autt. B. G. Teubner. Leipzig ISDG. — Preis geb. 2,40 Mark. Das Buch ('J72 Seiten) ist für Schulen zweckmässig, da es die vielen Arten, die dort niemals zur Betrachtung gelangen können, wie Subularia, Saxifraga Hirculus u. s. w. ausser Be- traclit lässt unil dadurch der Umfang und somit der Preis be- schränkt sind. Dass Verfasser sich nicht zur Aufnahme von Be- stimmungstabellen nach dem Liune'schen System hat entschliessen können, „weil sie, abgesehen von einigen Fällen, nicht schneller zum Ziele führen und gar keinen Einblick in die Gliede- rung und Stufenfolge .- . ^ » , ^ v..^^^ -— .- — und Maasse clor Schallintensität. — Gartenkalender. — Die Bildungsverhältnisse der Witwatersrand-(}oldlager. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratnr: Oberlelirer Prof. Dr. Otto Wünsche, Die verbreitetsten Pflanzen Deutscidands. - Ubcr- lehrcr Heruhard Landsberg, Hilfs- und Uebungsbuch für den botanischen und zoologischen Unterricht. 388 Naturwissenschaftliche Wocheuschrift. XI. Nr. 32. R. Fuess, Mechanisch -optische Werkstätten, Steglitz bei Berlin, eiiiiJlii'hlL ilii' in m;l»ensti;lu'mler Fif^vir ;il)^t-liil(icte Liiul paientrechtlich geschützte eiiil'ai'lio plnit»- ;;i*ai»lii><'li4' <'aiii4'rfv zum Aufsetzen auf den Tubus jeden beliebigen Milcrüskopes. Die Camera wird für I'lHttciifurrn;Uc von 7X7 cm bis zu '.i r< 12 um gelirfcrt. - Gewicht der Camera (llir 7X7) mit ge- lullter Doppelcassette ca. 160 Gramm. — licsrlirt'ibunt; unit ausiüiirliche Preisliste, nat.Gr. auch über die eribrderliülien phütOKrapliisclien Utensilien, gratis und franco. 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Licliterfelde (P.-li.) bei ßerliii, i'utsdanieratr. ö6, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. _ Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XL Band. Sonntag, den IG. August 1896. Nr. 33. Abonnement: Man abonnirt bei allen BuchhandlunKen und Post- Y Inserate : Die vier(?eapaltene Petitzeile 40 Ji. Grössere Aufträge ent- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist .Ä 4.— <3E) sprechenden Rabatt. BeilaRen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme BrinKegeld bei der Post IS 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4S27. ^ bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit Tollständiser Qaellenangabe gestattet. Die Philosophie der reinen Erfahrung. Von Dr. Maximilian Klein. VII. Das seeliscbe Leben. (1. Nervensyätem — 2. Bedingungen des seelischen Lebens — 3. Das Unbowusste und die Dispositionen — 4. Das Traumleben — 5. Vcrhältniss der seelischen Werthe zum Nervensystem.) 1. Die Entwickelung des seeliseben oder geistigen Lebens, soweit es uns beiiannt ist, zeigt sieb eng geknüpft an die Entwickelung des Nervensystems, das sieb in der ganzen Tbierwelt (von den niedersten tbieriseben Lebe- wesen abgeseben) vorfindet. Vor dem Auftreten von Nerven baben wir nicbts als das Unterscbeiduiigsvennögen zwiscben verscbiedenen Reizen und die Fäbigkeit, die entsprecbenden einfacben Bewegungen auszufiibren. Wo zum ersten Male Nerven vorkommen, da „finden wir, dass die betreffenden Tliiere (Medusen) bestimmte Siuncswerk- zeuge besitzen, mittelst deren sie verbältuissmässig fein und rascli zwiscben Hell und Dunkel und wabrselieiiilich auch zwiscben Schall und Stille zu unterscheiden wissen. Auch sind sie mit einem ausgebildeten Füblapparat ver- sehen, welcher sie rasch und sicher eine Unterscheidung zwiscben unbeweglichen und beweglichen, von irgend welcher Seite her auf sie zukommenden Gegenständen, sowie auch zwiscben nährenden und uichtnährenden Dingen treffen lässt. Entsprechend diesem weiteren Fortschritte in der receptiven Fäbigkeit finden wir hier auch ein starkes Fortschreiten des executiven Vermögens; die Thiere sind in hohem Grade bewegungsfähig, entziehen sich der als gefahrlich erkannten Berührung durch rasches Fort- schwimmen und zeigen noch verschiedene andere Reflex- thätigkeifen von ähnlicher Anpassungsart."*) Zwischen dem Besitze von Organen, die für mannig- fache Thätigkeiten fähig sind und dem Grade der Intelli- *) Romanes, Die geistige Leipzig 1887. S. 54. Entwickelung im Thierreichc. genz (Klugheit, Anstelligkeit) des betreffenden Tbieres besteht, wie schon Herbert Spencer hervorgehoben hat, ein harmonisches Vcrhältniss. Oder allgemeiner ausge- drückt: es besteht ein Wechselverhältniss zwischen Unter- scheidungsvermögen und Mannigfaltigkeit angepasster Be- „__„en. Die Entwickelungsstufe des Nervensystems, auf der dasselbe zwiscben neuen, hoch verwickelten Reizen zu unterscheiden beginnt, auf der es nicht nur auf un- mittelbare Ergebnisse, sondern auch auf entfernter liegende Möglichkeiten Bezug nimmt, ist die Stufe des jvernünftigcn Nachdenkens' und sie bezeichnet den Beginn neuer Zustände. Die nun eintretende Be- nutzung von Werkzeugen war für das bezeichnete Lebewesen ein Mittel, sieb unabhängig von dem Fort- schritte des Muskelsystems (des Bewegungsverniogens) weiter zu entwickeln, und speciell der Mensch bat sich dieses Mittels so ausreichend zu bedienen gewusst, dass heute bei den gesitteten Völkern ein wesentlicher Theil ihrer angepassten Bewegungen durch selbstgescbaffene Mechanismen geleistet wn-d. Mit dieser Entwickelungs- stufe sind wir "nun wiederum keineswegs aus der allge- meinen Eutwickelungsreihe herausgetreten: auch das feinste Urtbeil und der scharfsinnigste und umfassendste Scbluss sind nichts anderes als ausserordentlich feine Uuterscheidungsakte*) (und zwar — physiologisch be- trachtet — seitens hochentwickelter nervöser Gebilde) zwischen Reizen sehr verwickelten Charakters, während anderseits die umsichtigste und vorsichtigste Handlung *) Das Wort „Untersclir id ung" wird also in doppelter Beziehung gebraucht, sowohl physiologisch, als psycliologisch. Diese Doppelbedeutung, die für die klare Auscinanderhjiltung der Nervenvorgänge und der seelischen Wertlie nicht grade förder- lich ist, lässt sich aber schw'er ändern. 390 Naturwissenschaftliche Wocheusehrift. XI. Nr. 33. wiederum nichts anderes als eine der Umgebung auge- passte Bewegungsform ist. Das, was mit dem Vorhandensein eines Nerven- werks in einem Lebewesen für dasselbe erreicht wird, dürfte nach dem Bisherigen vor allem darin zu suchen sein, dass die augenblickliche Umgebung des Wesens von ihm besser erkannt wird, dass es auch spe- ciell Tliatsachen und Verhältnisse berücksichtigen kann, die es für den Augenblick nicht unmittelbar berühren, dass die Wechselwirkung mit der Aussenwelt sich solcher- maassen mit der höheren Entwickcluug des Nerveawerks immer mehr ausbreitet und immer weniger unmittelbar und augenblicklich wird, dass es ferner auf Grund der Erinnerung möglich gemacht ist, früher gemachte Er- fahrung besser nutzbar zu machen, endlich aber auch darin, dass durch das Nerveuwerk die verschiedenen Theile des Organismus in innige gegenseitige Beziehungen gebracht werden und dadurch der thierische Organismus der Umgebung mehr als ein geschlossenes Ganze und darum auch unter erschwerten Bedingungen erhaltuugs- fähiger gegenübersteht, als die Pflanze. 2. Als bezeichnende Merkmale der von der Nerventhätigkeit abhängigen seelischen Yorgäuge dürfen wir die folgenden drei ansehen: die höchst entwickelte Unterscheidungsfähigkeit zwischen verschiedenen Reizen, das Bewahren und Wiedererzeugen früher gegebener Thatsacheu, bezw. früher gemachter Erfahrungen und die innere Einheit des AViedererkennens. Um dieselben noch näher zu charakterisiren, fragen wir nach den Bediii- dungen, unter denen überhaupt ein seelischer Werth zu Stande kommen kann, oder — mit anderen Worten — nach den Bedingungen der Abhebung, des Bewusstwerdens eines Werthes. Stellen wir uns vor, es gäbe auf der Welt nur eine einzisi-e Bewegungsart: nach Form und Stärke völlig gleichartig. Es würden unsere Siunesnerven (Gesicht, Gehör u. s. w.) also stets nur iu ganz gleicher Weise gereizt. Was würde die Folge sein? Einzelne Reiz- mengen würden nicht abgehoben werden, weil diese Theile keinen Vorzug vor den anderen Theileu haben würden. Also müssten entweder alle Reizmassen in völlig gleicher Weise zur Abhebung (zum Bewusstwerden) gelangen oder es würden gar keine Reize bewusst. Das erste kann aber nicht eintreten, weil ja das Urprincip der seelischen Thätigkeit das Unterscheiden ist, beim Vorhandensein einer einzigen in sich völlig gleichartigen Reizmasse (die- selbe sei z. B. blaues Licht) ja kein Unterscheiden statt- tinden könnte. Denn wovon sollte das blaue Licht unter- schieden werden, wenn es keine andere Art von Licht (bezw. von anderen Reizen) gäbe! Es würde also der zweite Fall eintreten und überhaupt nichts zur Ab- hebung gelangen, weil wir einen Reiz nur nach seinem Verhältniss zu anderen Reizen empfinden. Die Grundvoraussetzung dafür; dass etwas zur Abhebung gelangen kann, ist also Verschiedenheit (Differenz) der Reize! Der Mangel einer solchen, die Beständigkeit imd Gleichheit der Reize ist eine der Ursachen, weshalb der Mensch vor der Geburt kein rechtes Bewusstseins- lebcn hat. Er ist auch der Grund für die einschläfernde Wirkung des Riesclns einer Quelle, des Rauschens von See und Wald, des eintönigen Zählcns, des Denkens an einen Gedanken oder an das gleichmässige Wogen des Meeres u. 8. w. Der hypnotische Schlaf wird erzielt durch das .\n.starren eines Gegenstandes, eines Punktes, durch Aufgehen in einer Vorstellung, durch gleiclimiissigcs Streicheln, eintöniges Zureden u. s. w. Auch die bei Mystikern in ihrer Ekstase eintretende Bewusstlosigkcit wird wesentHcli durch das Aufgehen in die eine Vor- stellung der Gottheit hervorgerufen. Eine eintönige Predigt, ein ebensolcher Vortrag bringt die Hörer zum Einschlafen. Also Gegensatz der Reize, Veränderung ist nöthig. Dann ist Unterscheidung und damit Abhebung (Bewusst- sein) möglich. Erst die verschiedenen Wärmegrade er- möglichen es, dass uns die Wärme zur Abhebung gelangt, und ähnlich wirkt der Gegensatz von Licht und Finster- niss, von Stille und Lärm, von Bewegung und Ruhe n. s. w. Für den Müller und Uhrmacher hebt es sich nicht ab, dass die Mühle unaufhörlich klappert, dass die Uhren ununterbrochen ticken; aber wohl gelangt das plötzliche Aufhören des bezüglichen gleichmässigen Geräusches für jene zur Abhebung, kann sie sogar aus dem Schlafe erwecken. Unser Seelenleben bewegt sich stets in wech- selnden Vorstellungen; nur sehr schwer ist es uns möglich, eine und dieselbe Vorstellung längere Zeit festzuhalten, ohne einzuschlafen, bezw. bewusstlos zu werden. Ver- schiedenheit, Gegensatz, Wechsel, Veränderung, Contrast der Reize ist also die erste Grundvoraussetzung der Abhebung*), und dieser Punkt ist zugleich von höchster Bedeutung für unser ganzes Seelenleben, ins- besondere auch für die Schätzung des Werthes des Lebens (worauf wir noch später zurückkommen werden). Die andere Voraussetzung der Abhebung aber ist die, dass unser Organismus, unser Nervenwerk in be- stimm te Verhältnisse derNöthigung kommt, d.h. dass die Reize genügend stark sind und mit hin- reichender Geschwindigkeit erfolgen. Unser Orga- nismus steht unter dem Trägheitsgesetz und sucht zu be- harren. Er ändert seinen Zustand nur, wenn er muss, wenn er durch Aenderungen seiner Umgebung, bez. der Eindrücke derselben dazu gezwungen wird. Die Reize dürfen nun zwar nicht zu stark sein, sonst tritt Ohnmacht ein; aber auch nicht zu schwach, sonst tritt zwar ein Nervenvorgang ein, aber kein seelischer Werth, keine Abhebung ein: der Reiz bleibt unter der „Schwelle des Bewusstseins." Er überschreitet dieselbe, d. h. er gelangt zur Abhebung, sobald er genügend stark ist und auch mit genügender Geschwindigkeit erfolgt. 3. Werden die Bedingungen der Ablehnung nicht er- füllt, so tritt keine Abhebung, kein Bewusstscin ein. Es kann aber, falls der Reiz nicht genügend stark war, ein Nervenvorgang erfolgen, der bei genügendem Anwachsen dann noch von einer Abhebung begleitet sein kann. Letztere, bezw. diejenigen Hirnvorgänge, von welchen sie abhängig ist, tritt also nicht ohne Vorbereitungen^ ins Leben, sie ist nicht eine ganz plötzlich eintretende That- sache. Und ferner: ist der abgehobene Werth wieder unter die „Schwelle des Bewusstseins" gesunken, sei es wegen der Unbeständigkeit unseres Seelenlebens, sei es weil die Stärke der Reizung nachgelassen hat, so hören damit noch nicht sofort die' dzgl. Hirn Vorgänge auf, und es kann das betreftende Element sehr leicht wieder her- vorgerufen werden. Mau spricht nun mit Bezug auf solche Hirnvorgänge, die von keinen seelischen Werthen *) Hierzu ist Avenarius' „Satz des Con tr.astes" (Kritik 11,74) zu vergleichen: „joiler E-Werth (seelischer Werth) ist, was er ist, nur als Gegensatz zu einem difterenten E-Werth, und er ist um so entschiedener, was er ist, je mehr er mit diesem contrastirt." — Ausserdem vergleiche aber auch den Abschnitt über die Ab- hebung (Kritik II, 50 ft'.). Avenarius unterscheidet da in recht zweckmässiger Weise von der klaren Abhebung zwei Arten min- derer Abhebung: Die Ueberabh ebung, die in den seelischen Werthen der Verworrenheit, bezw. des Gewirrs auftritt, und nach der anderen Seite hin: dieKbnung, der alle diejenigen seelischen Werthe zugelKireu, welche erst nachträglich vermöge der Erinne- rung als vorhanden gewesene ausgesagt werden, und zwar mit dem Hinzufügen, tiass sie sicli zur Zeit der früheren Aussage nicht von den übrigen abhoben. Diese letzteren Werthe werden von Avenarius recht hübsch als „todte Werthe" bezeichnet. XI. Nr. 33 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 391 begleitet sind, vou einem (wirkenden) „Unbewiissten". Es bleibt dabei oft unklar, ob man wirklich nur die von keinen seelischen Werthen begleiteten Hiruvorgänge meint oder ein etwas mystisches oder vielmehr recht unklares Mittelding zwischen Hirnvorgängen ohne seelische P.egleit- erseheinungen und solchen mit seelischen Abhängigen, oder ob mau endlich solche Hirnvorgäuge meint, die zwar von Abhebungen begleitet sind, aber von solchen äusserst kleiner Stärke („unendlich" kleiner Energie, wie Leibnitz meinte). — In ersterem Falle ist es besser vom Gebrauch des Wortes „ünbewusst" abzusehen und nur von Hirnvorgängen zu sprechen. — Der zweite Fall (bei dem man an E. v. Hartmanns „Unbewusstes" denken kann, das — als Gott gedacht — zwar ewig ünbewusst, al)er trotzdem allwissend und allweise ist!) würde das erbauliche Bild eines „bewussteu üubewussten", eines „abgehobenen Nichtabgehobenen" ergeben. Nun, ebenso gut wie kein vernünftiger Jlensch berechtigt ist, vou hölzernem Eisen zu reden, so auch nicht von „bewusstem Unbewussten". Bewusst und Ünbewusst schliessen ein- ander aus. — Was endHch den dritten Fall anbelangt, so mag es ja immerhin als ein Bedürfniss anerkannt werden, jene Abhebungen von sehr geringer Stärke l)c- sonders zu bezeichnen, aber dann möge man sieh ein l)e- sonderes Wort bilden: das Wort „ünbewusst" passt für keine Abhebungen, mögen dieselben von noch so geringer Stärke sein. Was mau aber doch wohl gewöhnlich im Auge hat, wenn mau von einem wirkenden Unbewussten spricht, das dürften denn doch die ohne Abhebungen verlaufenden Hirnvorgänge sein. Man denkt an die Art und Weise, wie die ererbten oder durch Uebuug erlangten Anlagen (Instinkt, Gewohnheit, Takt), ferner die Körperentwicklung (unbewusstes Wachsthum der Gefühle) u. s. w. wirken. Dies geschieht , ünbewusst'. Nun ja, die (sei es selbst- erworbene oder angeborene) Anlage (Disposition), die doch in einer bestimmten Verfassung des Hirns besteht, kann ihren Einfluss geltend machen, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. So leben (angeeignete, eingeimpfte, vererbte) Gewohnheiten noch lange, nachdem ihre Ur- sachen weggefallen sind. Man denke an die Neigung der Knaben, auf die Bäume zu klettern oder Höhlen auf- zusuchen, (»bst zu naschen, Räuber und Soldaten zu spielen u. s. w., welche Neigungen doch ursprünglich aus dem Sehutztrieb des Urmenschen hervorgegangen sind.*) Auch die Gespensterfurcht ist eine ererbte, ursprünglich zweckmässige, d. h. die Erhaltung fördernde Eigenschaft, wohlbegrüudet nämlich bei einem Wesen, das jeden Augenblick von irgend einem Ungethüm vernichtet werden kann. „Die Gespensterfureht ist die wirkliehe Mutter der Religionen. Weder die naturwissenschaftliche Analyse, noch die sorgfältige historische Kritik eines David Strauss Mythen gegenüber, welche für den kräftigen Intellekt schon widerlegt sind, bevor sie noch erfunden wurden, werden diese Dinge plötzlich beseitigen und hinwegdekre- tiren. Was so lange einem wirklichen ökonomischen Be- dürfniss entsprach und theilweise noch entspricht (Furcht eines Schlimmem, Hoffnung eines Bessern), wird in den dunkleren, unkontrollirbaren, instinktiven Gedanken- reihen noch lange fortleben. Wie die Vögel auf un- bevvolinteu Inseln (nach Darwin) die Menschenfurcht erst im Laufe mehrerer Generationen erlernen müssen, so werden wir erst nach vielen Generationen das unnöthig gewordene , Gruseln' verlernen. Jede Faustaufführung kann uns belehren, wie sympathisch uns insgeheim die An.scliauungen der Hexenzeit noch sind.'- Diese Worte *) Vergl. hierzu unter andorm: G. H. S cli neide r, Der mensch- liche Wille. Berlin. 1882. S. .53 ff. Machs*) liefern sicherlich einen hübschen Beleg für die Macht ererbter Gewohnheiten, aber anderseits auch einen kleinen Beleg dafür, dass selbst ein so klarer Denker, wie Mach es ist, gelegentlich auch in eine altgewohnte, unzutreffende Ausdrucksweise zurückfallen kann. Denn von der Macht der „dunklereu unkontrollierbaren Ge- dankenreihen" kann doch in obigem Falle sieher nicht gesprochen werden, sondern vielmehr nur von der sich bei passenden Reizen geltend machenden Macht er- erbter Hirnanlagen (Dispositionen). Gedankenreihen sind weder vererbt, noch sind sie unkontrollirbar. Was Mach bezüglich der Gespensterfureht und der religiösen Gefühle ausführt, gilt auch von allen anderen ererbten Gewohnheiten: plötzliche Aenderungen, Um- wälzungen im Gebiete der An- und Einsichten vermögen bei einzelnen, wie bei Völkern vorläufig nur wenig. Es halten sich zunächst die alten Neigungen , unterirdisch' fort, weil sich eben die ererbten Hirnanlagen nicht ebenso plötzlich wie die Ansichten ändern lassen. Solche unter- irdischen, d. h. unter der Schwelle des Bewusstseius fort- wirkenden Neigungsanlagen können noch gar manchen Rückfall in die alten Ansichten herbeiführen : man denke daran, wie so oft bei entschlossenen Freidenkern eine plötzliche Undvclir zu dem Glauben ihrer Kindcrjahre und ihrer Ahnen eintritt. Die neuen Ansichten sind erst dann richtig eingewurzelt, wenn sie „in Fleisch und Blut über- gegangen" sind, d. h. wenn sie ,, ünbewusst" als Hirn- anlagen ihren Einfluss bei passenden Gelegenheiten geltend machen. Auch bei den geistig bedeutendsten, den „willens- stärksten" Menschen sehen wir, wie sie schwer ringen müssen, um ererbte Anlagen, die dann noch durch Jugend- eindrücke und Uebung verstärkt und ausgebildet wurden, zu beseitigen. Ein hübsches sagenhaftes Beispiel liefert uns auch Herodot (IV, 3/4), wenn er erzählt, dass die Sclaven der Skythen die Frauen ihrer — wegen ferner Kriegs- züge lange abwesenden — Herren geheirathet und ein kräftiges Geschlecht gezeugt hatten, das von den zurück- gekehrten Herren erst dann gebändigt werden konnte, als sie mit den Peitschen knallten, die gewöhnlich zur Bestrafung der Sclaven dienten! — Entsprechend den eben behandelten ererbten Hiru- anlagen verhält es sich mit den durch langdauernde Uebung erworbenen. Jedermann weiss, wie schwierig es ist, eine eingewurzelte Gewohnheit, deren Schädlich- keit man eingesehen hat, abzulegen. So kann dem Kopf- arbeiter, insbesondere dem der Grossstädte, die Nacht- arbeit so zur Gewohnheit geworden sein, dass es für ihn äusserst schwer hält, sich an eine gesundheitsgeraässe Zeiteintheilung zu gewöhnen. Und noch viel schwieriger ist die Beseitigung jener fehlerhaften Gewohnheiten, die uns durch unrichtige Erziehung, den Einfluss unserer Ver- hältnisse und unserer Umgebung, schlechte Vorbilder u. s. w. zur „zweiten Natur" geworden sind. — Was endlich den sich „ünbewusst" geltend machenden Einfluss unserer Körperentwicklung auf unsere seelischen Werthe betrifft, so erinnern wir einerseits daran, wie sieh unser Lebensgefühl, unsere allgemeine Lebcnsstinnmuig mit dem Heranwachsen und Altern ganz unvermerkt ändert, anderseits aber — um noch ein specielles Beispiel hervorzuheben — , wie die Entwicklung der Liebesgcfühle beim reifenden Menschen und die sieh daran anschliessende Umwandlung von Ansichten, Stimmung, Haltung und Zielen des Strebens, eine „Wirkung des Unbewussten" d. h. eine Begleiterscheinung der mit der Reife eintretenden Aende- rungen des Ilauptnervenwerks sind. Der innere Zusammenhang in der Geschichte des *) Analj'se der Rnipliiidiingen S. OG. 392 Naturwissenscbaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 33 einzelnen Menschen wie des ganzen Geschlechts wird durch diese „unbewusst" verlaufenden Hirnänderungen und die sich daran als Folge der Uebung allmählich an- schliessenden, „unbewusst" erlangten und weiter vererbten Hirnanlagen (Dispositionen) bewahrt. „Nur wenn wir uns an die ausgeprägten Bewusstseinszustände halten, scheint es scharfe Grenzen und plötzliche Revolutionen zu geben; tief unten werden die unendlich verzweigten Uebergänge entdeckt. So bauen die Korallenthicre immer unter der Oberfläche des Meeres und ihr Bau wird erst entdeckt, wenn er sich über die Meeresfläche erhebt."*) 4. Im Traume haben wir eine Mittelstufe zwischen den ohne jegliche Abhebung verlaufenden Nervenvor- gängen und denjenigen, an die sich deutliche Abhebungen anschliessen. Die Traumbilder sind nichts anderes als die Abhängigen des Restes von Hirnvorgängeu, die im schlafenden Menschen statthaben; und je nach der Be- schaffenheit der Hirnvorgänge sind auch die Arten der Träume. Zwischen Schlaf, einem Zustande, der zu den regelmässigen (periodischen) Lebensvorgängen gehört und seinen allgemeinen Grund in dem Erueuerungsbediirfniss der Nerven hat, und Wachen giebt es nun keine aus- geprägten Gegensätze. Der wache Zustand kennt ja doch auch keinen einheitlichen Grad der Abheining, son- dern vielmehr eine Reihe von Graden des Zusammen- hangs, der Klarheit, Deutlichkeit und Kraft unserer see- lischen Werthe, die uns allmähiich an die (irenzen des Schlafzustandes führen. Und im letzteren unterscheiden wir wiederum eine Reihe von Stufen, vom Halbschlummer und leichten Morgenschlaf an hinunter durch den tiefen und tiefsten Schlaf bis zum krankhaften Fieberschlaf. Wahrscheinlich sind sämmtliche Arten des Schlafs von Träumen begleitet, da ja fortwährend Hirnvorgänge und Veränderungen derselben durch Sinneseindrücke statt- finden; die Träume sind um so lebhafter, je leichter jener ist. Der Nachweis derselben fehlt indessen im tiefsten Schlaf und im Fieberschlaf. .Jedenfalls steht der Traum- schlaf, und zwar insbesondere der Halbschlaf und der leichte Morgenschlaf, während derer ein lebhaftes Träumen stattzufinden pflegt, dem wachen Leben nicht zu fern. Die Bestandtheile der Traumwelt sind aus den Er- fahrungen des wachen Lebens und den während des Schlafes erfolgenden neuen Eindrücken zusammengesetzt; all das wird im Traume wegen des Mangels an , Samm- lung' und , Selbstüberwachung' in oft sehr willkürlicher, wunderlicher oder abenteuerlicher Weise verknüpft, ge- deutet und beurtheilt. Das, was uns in wachem Zustande beschäftigt, ist auch Gegenstand des Traumes, so allerhand schwierige Arbeiten und Hindernisse (sagen wir z. B. eine schwierige Prüfung), die man zu über- winden hat, und die im Traum oft spielend leicht er- ledigt werden. „Jüngst verstorbene Angehörige oder Freunde erscheinen vermöge des tiefen Eindrucks, welchen Tod und Leichenbegängniss auf uns hervor- bringen, ganz gewöhnlich im Traume; daher der weit- verbreitete Glaube, dass die Gestorbenen in der Nacht ihren Verkehr mit den Lebenden fortsetzen."**) Aber auch fernabliegende, scheinbar längst vergessene Vorgänge holt der Traum (mittelst der Vorstellungsver- knüpfung) hervor, was durcii den Mangel an „Sammlung", „Aufmerksamkeit" und „Selbstprüfung" erklärt wird, der die uns zur Zeit am meisten beschäftigenden Gedanken mehr zurücktreten, die sonst zurückgehaltenen oder wegen des stärkereu Gewichts anderer Vorsteilungsmassen nicht zur Abhebung gelangten Erinnerungsbilder früherer Vor- gänge gelegentlich sich geltend maciicn lässt. — Bc- *) Höffding, empirische Psychologie, 06. **) Wumlt, Grilz. d. phys. 'Psych. II, 442 f. sonders stark aber machen sich die während des Schlafes (sei es aus dem Körper-Inneren, sei es aus der Umgebung) erfolgenden Eindrücke in den Träumen geltend, aller- dings durch die phantastische Deutung zu Illusionen um- gestaltet. Behinderung der Athmung oder des Blutkreis- laufes, Ueberfüllung des Magens, äusserer Druck, un- zweckmässige Körperlage u. s. w. führen die sehr mannig- faltigen Angstträume herbei. Das „Alpdrücken", das früher auf böse Geister, die sich dem Schläfer auf die Brust oder andere Körpertheile setzen sollten, bezogen wurde und Veranlassung zu so vielen Hexenprocessen wurde, ist auf solche Ursachen zurückzuführen. Jene vielen Träume, in denen das Wasser eine grosse Rolle spielt, haben meist ihre Ursache in dem Urindrang des Schlafenden. — Andere Traumarten werden durch häufig wieder- kehrende äussere Eindrücke hervorgerufen, so z. B. das Fliegen, das wohl auf besonders leichtes Athnien zurück- zufuhren ist. Macht man im Traume eine Polarfahrt oder erblickt man sich zu seinem lebhaften Schrecken in Ge- sellschaft oder auf der Strasse in einer sehr ergänzungs- bedürftigen Kleidung, so wird der harmlose Grund im theilweisen oder gänzlichen Hinabgleiten der Bett- decke zu finden sein. Eine Wärmeflasche unter den Füssen ruft die Vorstellung hervor, dass man auf einem Krater spazieren gehe. Ein Geräusch in unserer Nähe führt zur Vorstellung eines Schusses, eines Donner- schlages u. s. w., Sehnarchen zur Vorstellung eines brummenden Bären, eine Falte im Bettlaken oder irgend ein im Bett liegender kleiner harmloser Gegenstand (z. B. ein vStreichholz) kann zu den aufregenden Vorstellungen von scharfen, spitzigen Mordwerkzeugen führen. — Die Traumvorstcllungen könnnen auch Bewegungen nach sich ziehen, so besonders Sprachbewegungen, oft auch pantomimische, geberdenartige Bewegungen der Arme und Hände, aber nur selten zusammengesetzte Handlungen (Nachtwandeln). Der Nachtwandler wirft den Ofen, den er für einen kämpfenden Gegner hält, um und setzt auch gelegentlich wohl die Beschäftigung des Tages fort (sei es das Schreiben eines Aufsatzes oder Stiefelputzen oder sonst irgend etwas). Im Verlaufe der Träume vermögen wir nicht den neu hinzutretenden Eindrücken zu widerstehen; jeder derselben macht seinen Einfluss geltend und ruft eine neue Vorstellungsreihe hervor: hieraus crgiebt sich jene verhältnissmässige Regellosigkeit und Zusammen- hangslos igk ei t der Traumbilder, die wohl die meisten derselben für immer unserem Gedächtnisse entzieht. Es ist eben der fast völlige Mangel an ,Sammlung' und , Besinnung', an , Selbstüberwachung' und ,Urtheil', an , Widerstandskraft' und jFestigkeit', der diese bezeich- nenden Eigcntlittndichkeiten des Traumlebens hervorruft. Deshalb tülirt dieselbe Art der Erklärung der einzelneu Eindrücke, nämlich nach ihrem Verhält- hältnissc zu unseren anderen Erfahrungen, im Traume zu ganz anderen Ergebnissen als im wachen Leben. Trotz dieser anderen Ergebnisse werden wir aber fest- stellen müssen, dass im Traumschlafc sich jene Gesetze geltend machen, die wir früher (im Absch. 19) als Grund- gesetze der Abhebung und der seelischen Werthe kennen gelernt haben. Das \'erhältniss zwischen den ohne und den mit Ab- hebungen verlaufenden Hirnvorgängen wird übrigens auch durcli die Umstände, die gelegentlich den Vorgang des Erwachens aus dem Schlafe begleiten, etwas beleuchtet. Geweckt wird man nicht nur durch starke körperliche Reize, sondern vor Allem auch durch solche Reize, die zu unserem Wohl und Wehe in engen Beziehun- gen stehen. Ein gleichgültiges Wort erweckt nicht, ja auch der Lärm unserer Umgebung braucht uns nicht XI. Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wocheuschritt. 393 zu wecl-ceu : aber bei aiicli nur gering-fiigigeu Bewegungen des Kindes erwaciit die liebende ^Mutter, auf das geflüsterte Wort „Signal" hin erwacht ein trotz starken Lärms schlafender, sorgsamer Seeofticier, auf den auch nur halb- lauten Ruf „Kellner" erwacht der mitten imWirthslärm ruhig schlafende Kellner, beim Aufhören des Miihlengeklappers oder Uhrentickens erwachen Jliiller und Uhrmacher, und ein sehr geiziger Mensch soll erwacht sein, als man ihm ein Geldstück in die Hand drückte. Der betrefl'ende für unser Wohl und Wehe (für unser Erhaltungsstreben) wich- tige einzelne Eindruck löst eine ganze Reihe von Wirkungen im Hirn aus, deren Folge das Erwachen ist. Ein einzelner Eindruck gelangt eben nicht als solcher, sondern erst durch die Verbindung mit anderen Erfah- rungen zur Abhebung. ;'). Wir haben oben gesehen, wie die eigentlichen seelischen Werthe geknüpft sind an das Vorhandensein von derartigen Vorgängen in einem Nervenwerk, die durch genügend starke und geschwinde, gegensätzliche Reize der Umgebung hervorgerufen worden sind. Nur bei Nervenvorgängen, bei denen letztere Bedingungen erfüllt waren, traten Abhebungen, seelische Werthe auf, anderenfalls verlaufen jene „unbewusst", d. h. ohne Ab- ^ von letzteren zu ersteren bilden Wir wollen nundas Ver- hältiiiss der seelischen Werthe (der Abbebuugen) ziun Nervensystem einer näheren Betrachtung unterziehen. Die Frage, wie seelische Werthe und Nervenwerk zusammenhängen, haben wir schon wiederholentlich be- rührt und dahin beantwortet, dass beide Aenderungsreiheu miteinander in Functioualbeziehung stehen, gewisser- maassen Parallelismus und Proportionalität zeigen. Wir wollen diese Sätze nun etwas näher beleuchten, indem wir insbesondere gegentheilige Anschauungen mit in Be- tracht ziehen. Mit so einseitigen Ansicliteu allerdings, wie den idealistischen oder spiritualistischen einerseits und der materialistischen (die die Gedanken als Erzeugnisse oder gar so als „Absonderungen" des Gehirns betrachtet, wie — so meinte Karl Vogt — der Urin eine Absonde- rung der Nieren sei) andererseits, welche beiden An- sichten das eine der beiden Glieder streichen, bezw. dem andern völlig unterortlueu, brauchen wir uns wegen ihres schroffen Widerstreites gegen die Erfahrung, die uns doch Nervenvorgänge und seelische Werthe hcbungen. Ein üebergan.s. die Vorgänge im Traumschlafe. deutlich ver- gleiehberechtigte Aenderungsreiheu dar- beide Reihen — als von einander leicht zu sondernde schiedene und bietet, nicht näher abzugeben. Um so mehr erscheint dies geboten hinsichtlich der (dualistisch-spiritualistischen) Hypothese von der Wechselwirkung zwischen „Seele" und Nervenwerk, die ja wohl zur Zeit noch die meistver- breitete Ansicht über das in Rede stehende Verbältniss ist. Bevor wir auf diese Hypothese specieller zu sprechen konnuen, stellen wir fest, dass eine völlige Unabhängig- keit zwischen seelischen Werthen und Nervenvorgängen nicht nur geradezu ausgeschlossen, sondern dass vielmehr ein äusserst inniger Zusammenhang auf Schritt imd Tritt anzutreffen ist. Beide Vorgänge sind an einander geknüpft: wir kennen einerseits keine allein vorkommen- den seelischen Werthe, und wir dürfen andrerseits ver- niuthen, dass in der niederen körperlichen Natur Vor- stufen der seelischen Werthe vorhanden sind. Jedenfalls wissen wir, dass die Entstehung von Wahrnehmungen, die doch die Grundlage unseres seelischen Lebens bilden, an bestimmte Körpertheile (insbesondere an die Unver- sehrtheit der sensiblen Nerven und des Gehirns) gebunden ist. Die Ent Wickelung des seelischen Lebens geht parallel dem Verlaufe des Nervcnlebens, bezw. des Körperlebens. Das seelische Leben folgt dem Wechsel zwischen Wachen und Schlaf, zwischen Hunger und Sättigung, Ermüdung und Erholung, Krankheit und Ge- sundheit, es ändert sich entsprechend, wenn gewisse Stoffe wie Alkohol ins Blut geführt werden oder mecha- nische Einwirkungen (Schlag, Stoss) auf den Kopf aus- geübt werden. Und umgekehrt: in Begleitung starker Gemüthsbewcgung sehen wir eine Reihe körperlicher Veränderungen auftreten (z. B. bei Furcht, Hemmung der Verdauung). Die Vorgänge in der einen Reihe bieten oft den Schlüssel zu denen in der anderen. Aus dem natürlichen Ausilruck imserer Gefühle, der durchaus lieständig und gewi.ssermaassen eine natürliche Sprache derselben ist, kann ohne Weiteres auf das Dasein jener geschlossen werden. Ja, man kann mit Darwin sogar sagen, dass die meisten unserer Gemüthsbewegungcn kaum existiren würden, wenn unser (äusserer) Körper passiv bliebe, und mit Maudsley feststellen, dass die specielle Mnskelthätigkeit nicht bloss der Ausdruck der Leidenschaft, sondern ein wesentlicher Bestandtheil der- selben ist. Wir können nicht dann, wenn die Gesichts- züge in dem Ausdrucke einer bestimmten Leidenschaft tixirt sind, zu einem andern Gefühl übergehen. Auch die edelsten uud erhabensten Gefühle haben ihren scharf aus- geprägten und von ihnen untrennbaren körperlichen Aus- druck. Gefühlsleben und Körperleben bilden eine un- trennbare Einheit. Von der Regelmässigkeit des Zu- sammenhanges zwischen Charakteren (Gefühlen) und Ausdrucksbcwegungeu hängt unsere Kenntniss des Seelen- lebens unserer Mitmenschen ab. Und insbesondere Malerei und Bildnerei benutzen dies, um durch Vorfüh- rung von Ausdrucksbevvegungen uns das Seelenleben der betreifendeu Personen errathen zu lassen. Nerven Vorgänge und seelische Geschehnisse werden durch Veränderungen, die als Reize auftreten, hervor- gerufen, welchen Reizen dann in beiden Gebieten eine Reihe von neuen Veränderungen folgt, die theils als ein Empfangen, bezw. Aneignen, theils als ein Rück- wirken bezeichnet werden können, oder von anderem Gesichtspunkte aus, theils als ein Angewöhnen, bezw. Einüben, theils als ein Abgewöhnen, bezw. Hemmen. Beide Vorgangsreihen, die der Aussenwelt gegenüber ge- schlossen auftreten, brauchen zu ihrem Ablaufe Zeit. Sie sind beiderseits ihrer Gliederung, Bedeutung und Wichtigkeit nach sehr verschieden. Alle diese Zusammenhänge, die Aehnlichkeitcn und Parallelen sprechen dafür, dass ein Nebenherlaufen beider äusserst innig verknüpften Reihen statthat, dass beide Reihen sich vergleichsweise verhalten, wie zwei Seiten eines und desselben Proeesses. Dagegen nun erhebt Einspruch der Dualismns (bezw. Spiritualismus), der ausgehend von der Annahme einer Seelensubstanz die Wechselwirkung zwischen der- selben und dem (von ihr wesensverschiedenen) Körjjcr lehrt. Diese Ansicht ist unbeweisbar: denn die Er- fahrung zeigt uns weder eine Seelcnsubstanz, noch eine Wechselwirkung zwischen Seele und Körper, sondern nur zwei Vorgangsreihen, die mit einander in Fuuctional- beziehung stehen. Jene Ansicht ist aber auch in sich widerspruchsvoll: denn nicht nur ist es z. B. unbe- greifbar, wie ein einfaches Wesen — ein solches soll die Seelensubstanz doch sein — ein so mannigfaltiges Geschehen in sich beherbergt und zu mindestens ebenso mannigfaltigen die Ursache sein soll, sondern Seele und Körper sollen ja auch — so will es insbesondere das Haupt der Dualisten Descartes — in denkbar schroffslem Gegensatze stehen, sodass schon deshalb die Möglichkeit der Wechselwirkung ausgeschlossen erscheint. Aber die Ansicht von der Wechselwirkung widers])richt auch eii;; ni Grundgesetze der Naturwissenschaft: dem Oesetze von der Erhaltung der Energie, welches verlangt, dass jede 394 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 33 verschwindende Summe körperlicher Energie durch eine entsprechende Summe körperlicher Energie ersetzt werden muss. Dies Gesetz macht die körperliche Welt zu einem geschlossenen Ganzen, zu einer Totalität, die nirgendwo durchbrochen werden darf, ohne das Ge- setz aufzuheben. „Die Causalität und d. h. hier das Gesetz der Erhaltung der Energie leitet wohl vom ,0b- ject' durch den Aether oder die Luft zu den peri- piierischen Nervenenden, von diesen die Nervenfaser ent- lang bis zum Ccntralorgan: indessen von da an weiter nur — wieder die Nervenfaser entlang — zum Muskel und von dort zum ,Object' zurück oder zu einem andern Umgebuugsbestandtheile: aber zum Bewusstsein leitet es gar nirgends."*) Die Naturwissenschaft erklärt demzufolge körperliche Vorgänge auch nur mittelst körperlicher Vorgänge. Von den „Vorstellungen in unserem Kopfe" aus ist demnach das Gegenständliche gar nicht zu erreichen, wie es um- gekehrt auch nicht der Fall ist. „Der Körper, sagt Spinoza**), kann die Seele nicht zum Denken und die Seele den Körper nicht zur Bewegung oder Ruhe oder sonst etwas bestimmen." — Die Nervenvorgänge bilden mit dem sonstigen körperlichen Geschehsn ein zusammen- hängendes Ganze, das an keinem Orte etwa durcli seelisclies Geschehen unterbrochen werden darf. Das letztere wäre kein Ersatz für die verschwundene körperliche Energie, da das obige Gesetz sich nur auf die körperliche Welt bezieht. Wenn Avenarius meint (Kritik I, 202 f.), dass die Forderung, die sogenannten zweckmässigen Bewegungen der Glieder, die Veränderungen des Gesichtsausdruckes, das Sprechen u. s. w. rein nur als Aenderuugen eines nervösen Centralorgans erfolgend zu denken, nur denjeni- gen schwer fallen oder auch ganz unmöglich sein dürfte, die allzu einseitig gewöhnt sind, diese Bewegungen von einem „Geist" oder einem „Bewusstsein" geleitet zu denken, so will uns scheinen, dass diese allzu einseitige Gewöhnung doch allzu häufig vorkommt. Wie schwer es den Dualisten — und so auch dem durch den Kirchen- glauben dualistisch gerichteten gewöhnlichen Verstände wird, sich dieser Forderung einer lückenlosen Kausalreihe zu fügen und die Nervenvorgänge in ihrer wahren Be- deutung zu würdigen, dafür noch ein drastisches Beispiel, das ich einem gegen den Materialismus gerichteten popu- lären, mir zufällig voriicgeuden Schriftchen eines Theo- logen***) entnehme. Man möge, so heisst es dort, den *) Avenarius, Der ini'nschliche Weltbogriff 1J7 f. Zu voi- gleichon ist „Kritik" I, 'J()2 ff. **) Etliik, übersetzt vuii J. II. von Kirelimann, Berlin 18G8. S. 104. ***) Was wissen wir über die Unsterblichkeit der Seele? Von Lic. Dr. Riomann. Magdeburg lSt)l. S. 24 f. entsetzlichen Fall annehmen, „dass eine Mutter ihr vor wenigen Minuten noch gesund und fröhlich spielendes Kindlein, an dem sich ebeu iln- Mutterauge noch dankbar geweidet hatte, plötzlich durch einen schrecklichen Vor- fall getödtet in seinem Blute vor sich liegen sieht und im jähen Schrecken darüber zusannnenbricht und gleichfalls stirbt. Wo ist da der eigentliche Erregungspunkt, von dem ihr Tod seinen Ausgang genommen? Es ist klar (!!), dass wenn die betreflende Mutter ganz dasselbe Bild, bis in das Einzelnste (!!) naturgetreu, in einem Theaterstücke gesehen haben würde, dass dann die bezüglichen Mate- rientheiichen ihres Auges und Gehirnes in ganz genau derselben Weise würden berührt worden sein, doch ohne solche Wirkung (!!)." ü. s. f. Die eigenthche Todesur- sache sei die geistige Auffassung und Erregung des „Ich". Der betreifende Verfasser bleibt uns leider den Beweis dafür schuldig, dass ganz genau dasselbe Bild ganz andere Wirkungen gehabt haben würde. War der Vor- gang wirklich „bis in das Einzelnste naturgetreu", und das heisst doch: wurde das Kind statt auf der Strasse nun auf der Bühne getödtet, so ist es doch ganz selbst- verständlich, dass auch dieselben Wirkungen eintreten würden. Der angeführte Verfasser scheint allerdings etwas sonderbare Ansichten über die „Dasselbigkeit" zu besitzen und so gelangt er durch eine völlig falsche Auslegung der physiologischen Lehren — wie die Metaphysiker und Gesiuuungsverwandten so oft thun — zu einer seinen Sonderwünschen entsprechenden Verurtheilung derselben und zur Durchbrechung der körperlichen Kausalreihe durch das ..geistige Ich", während unserer Ansicht nach weder ein substanzielles geistiges Ich existirt, noch auch überhaupt das Seelische etwas inmitten der körperlichen Kausalreihe zu schatfen hat. Die betreffenden seelischen Vorgänge bei der Mutter (furchtbarer Schreck, Verzweif- s. w.) sind nur Begleiterscheinungen äusserst Nicht der Schreck und die Ver- zweiflung, sondern vielmehr die weitverzweigten äusserst plötzlichen Hirnvorgänge (deren Begleiterscheinungen Sehreck und Verzweiflung sind) verursachen die vom Ver- fasser angenommene Gehirnblutung nebst darauf folgendem Tode der Mutter. Die körperliche Kausalreihe muss lückenlos sein: dies verlangt das Gesetz von der Erhaltung der Energie. Und dies war der dritte Gesichtspunkt, \ on dem aus wir den Dualismus verworfen haben. Die einzige mit der Er- fahrung nnd dem Gesetze von der Erhaltung der Energie voll übereinstimmende in sich widerspruchsfreie und eine Reihe von Dunkelheiten aufhellende Ansicht ist diejenige eines Nebeneinanderherlaufens (Parallclismus) der beiden Vorgangsreihen, die beide mit einander in Funktional- beziehung stehen, zwischen denen „Proportionalität" oder „Correspondcnz" vorhanden ist. hing u erregter Hirnvorgänge. Einige Bemerkungen über Luftspiegelung. Von W. Köppon, Hamburg, Seewarte. In dem Aufsatze des Herrn Fr. Nölke „Zur Theorie der Luftspiegelungen" im Juniheft der „Naturwissensch. Wochenschrift" zählt der Autor die jetzige Erklärung der Luftspiegelung zu den „unsinnigsten Sachen," „hand- greiflichen Irrthümern", nennt sie „grundfalsch" u. s. w., und zu haben. glaubt ihre Unhaltbarkeit „gründlich \'on den nachgewiesen' m Gegentheil höchst sorgfältigen und überlegten Abhandlungen der älteren Autoren seheint N. allerdings fast nichts zu kennen.*) Wenn man seinen Aufsatz mit den zahlreichen, auf breiter Beobachtungs- grundlage aufgebauten und meist auch in der Theorie ebenso klaren als scharfsinnigen Aufsätzen von AVoUaston, Iluddart, Biot, Gruber, AVoltmann, Brandes, Gilbert u. A. *) Marliach, „Physikalisches Lexikon" ist seine einzige Quelle (mehrfach eiwähnt), und auf eine schlechte Figur darin baut sich ein Theil seiner Einwände auf. XI. Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 395 vergleicht, die iu den ersten 20 Jahren dieses Jahr- hunderts erschienen sind und von denen allein die Bände 3, 11, 47 und 48 von Gilbert's Annalen der Physik eine ganze Reihe enthalten, so erschrickt mau über den Rückschritt in der wissenschaftlichen Behandlung dieser Sache. Zunächst die Thatsachen! Während Biet, Weltmann u. A. sie g;euau, sogar messend, monatelang verfolgen, setzt Herr N. sich über sie mit den Andeutungen hinweg, die „Wüstenspicgelung", nämlich das Erscheinen eines umgekehrten Bildes unter dem aufrechten, finde sich „nur in Sandvvüsten und an sonnenhellen Tagen") S. 273 oben), die „Seespiegelung" aber bestehe darin, dass hoch in der Luft umgekehrte Bilder von entfernten Schiffen sich zeigten. In Wirklichkeit ist die von ihm als „Wüstenspiegelung" bezeichnete Erscheinung ein auch an allen Küsten sehr häufigos Phänomen, das ich selbst z. B. an der Elbniündung und im Kurischeu Haff ebenso schon gesehen habe, wie in der südrussischen Steppe, während das, was er „Seespiegelung" nennt, viel seltener, aber bisweilen mit jener häufigeren Erscheinung zugleich ge- sehen wird. Ich will die letztere mit den Worten des alten Cuxhavener Baudirectors Weltmann, eines ihrer sorgfältigsten Beobachter, aus den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts kurz angeben, die ich dem im Jahre 1800 erschienenen 3. Bande von Gilbert's Annalen S. 398 ff. entnehme (die Hervorhebungen sind von Weltmann selbst) : „Entlegene Gegenstände, Häuser, Bäume etc. nahe am Horizonte, scheinen bei diesem Phänomene durch einen hellen Luftstreif oder einen glänzenden leeren Raum von der Erdfläche getrennt zu sein; man glaubt sie in der Luft schwebend zu sehen, oder wenn das Auge ansehnlich erhaben ist, ein stilles glänzendes Meer über der ganzen Landschaft, worin die Gegenstände stehen und sich spiegeln, wahrzunehmen. Durch ein Fernrohr sieht mau dann die entfernten Gegenstände sehr deutlich . . . Das verkehrte Bild und das Object sind an Farbe und Helligkeit gleich und hängeu unmittelbar zusammen, so dass man sie mit blossen Augen für einen Gegenstand zu halten geneigt ist. Diese Erscheinung zeigt sich auch au Schiffen, auf ziemlich unruhigem Wasser, welches denn blau und dunkel erscheint, und sich sehr auffallend von dem hellen Streifen unterscheidet, iu welchem sich das Schift' spiegelt. Man sieht sie ebenso gut nach einem Regen, als gleich vor demselben, und selbst im Regen versehwindet sie nicht eher, als bis die Undurchsichtigkeit der Luft die Aussicht in die Ferne verhindert. Ueberhaupt ist die Erscheinung (wenigstens um Cuxhaven) weit häufiger, als man sie mit blossen Augen gewahr wird, indem an dunkeln Tagen der Luft- streifen, welcher die Gegenstäude von der Erde zu trennen scheint, nicht so als an hellen Tagen ins Auge fällt." Weltmann hat über seine Beobachtungen vom Sep- tember 1794 bis October 1795 Tagebuch geführt. Am häufigsten wurde die Spiegelung abwärts im Juli, August und September wahrgenommen, nämlich iu den drei Mo- naten (92 Tagen) an 80 Morgen, 50 Mittagen und 43 Abenden; am seltensten in den drei Monaten Februar bis April, nämlich (unter 89 Tagen) an 19 Morgen, 15 Mit- tagen und 9 Abenden. Wenn diese Spiegelung sich zeigt, erweisen sich auch die aufrechten (oberen) Bilder der be- treffenden Gegenstände fast stets unter ihre wahre Lage herabgedrUckt. Umgekehrt treten bei besonders starken Erhebungen der Gegenstände auch Spiegelungen nach aufwärts ein; jedoch konnte Weltmann solche in 9 Mo- naten nur 3 mal mit deutlichen Bildern wahrnehmen, wohl aber (bei heisser Luft) nicht selten mit unkeuntlicheu und verworrenen Bildern. „Das Bild des Wasserhorizents erscheint dabei zuoberst in voUkouimen grader Linie, an welcher die Bilder der Häuser, Ufer, Hügel, Mühlen, Bäume unterwärts umgekehrt wie bei der vorigen Art von Spieglung hängen. Zuweilen trennt ein Luftstreifen das verkehrte Bild von dem darunter stehenden Gegen- stande; doch stossen häufiger Bild und Gegenstand zu- sammen und vermischen sich so, dass keins von beiden kenntlich ist und das Ganze wie eine hohe Seeküstc, mit vielen senkrechten Streifen, erscheint." Als Anhaltspunkt für die horizontalen und vertikalen Grössen, um die es sich bei diesen Erscheinungen handelt, will ich die Maasse für den hauptsächlich von Weltmann beobachteten Gegenstand, ein Haus auf Hechsand, mit- theilen. Dessen Abstand vom Beobachtungspunkt ist 18 km, die Höhe des Firstes über der Elbe (an deren Ufer beide Punkte liegen) I4V2 ni, davon fallen 6V2 m unterhalb der Tangente des Horizonts. Scheinbar ge- spiegelt wurden in der Regel das Haus = 8 m und ein fast doppelt so hoher Luftstreif darüber = ca. 14 m, also ein Object von ca. 22 m absoluter resp. 4' 2" Winkel- höhe; die Winkelhöhe des umgekehrten Bildes war nur etwa halb so gross, wie die des aufrechten. Dass es sich bei diesen Spiegelungen „nur scheinbar um ein katoptrisches Phänomeu" handelt, iu Wirklichkeit aber um Strahlenbrechung, dafür führt Weltmann ins- besondere die eben erwähnte ungleiche Höhe von Bild und Gegenstand, resp. umgekehrtem und aufrechtem Bild, an. Ersteres ist meist nur '/2 bis -/s so hoch wie letzteres — eine Wahrnehmung, die ich nach eigenen Beob- achtungen bestätigen kann, die ich niedergeschrieben habe, ehe ich über diesen Punkt etwas gelesen hatte. Herr Nölke macht sich den Beweis, dass „die ganze Er- scheinung mit Strahlenbrechung nichts zu thun hat und auf einer einfachen Spiegelung beruht" äusserst leicht; er erklärt kurzweg die Wollasten'schen Experimente als schönsten Beweis für seine Erklärung, jedoch ohne jede nähere Erläuterung. Der berühmte Experimentator selbst und alle Nachfolger waren bekanntlich so verblendet, sie für Wirkungen der Refraction zu halten und eingehend zu analysiren. Dass es sich nicht um „einfache Spiegelung", d. h. solche an der Grenze eines dichteren Mittels handle, seheint klar genug. Es könnte sich nur um sogenannte Totalreflexion handeln; als solche bezeichnet auch z. B. Meusson in seinem bekannten Lehrbuch der Physik den Vorgang der „Luftspiegelung" an der Stelle, wo der ge- krümmte Strahl die Fläche gleicher Dichte berührt resp. seinen Scheitelpunkt erreicht. Da jedoch in Medien mit stetig sich (dem Räume nach) ändernder Dichte der Strahl auch an dieser Stelle keine Knickung, sondern dieselbe Krümmung wie vor und nachdem erleidet, die sich aus der Anwendung des Huyghens'schen Princips auf solche Medien direkt ergiebt, so ist die Heranziehung des Begrift's der Totalreflexion hier zum Mindesten un- nöthig, wenn auch das Resultat darunter nicht leidet. Herrn Nölke's theoretische Erörterungen sind so völlig haltlos, dass ich darauf nicht näher eingehen kann. Man vergleiche nur seinen Abschnitt V! Zwei Punkte aber möchte ich etwas näher beleuchten, die neuerdings öfters nicht richtig aufgefasst werden, und die von fun- damentaler Bedeutung für die Sache sind. 1. Für die Vertheilung der optischen Dichtigkeit der Luft in den untersten Luftschichten ist wesentlich die Vertheilung der Temperatur entscheidend. Leider aber ist unsere Kenntniss von der verticalen Temperatur- Ver- theilung iu unmittelbarer Nähe des Erdbodens noch sehr mangelhaft. Die wenigen Beobachtungsreihen über die Temperatur - Aenderung mit der Hohe innerhalb der untersten 10 Meter über dem Boden, die wir be- 396 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XL Nr. 33. sitzen, sind meist in uncontrolirbarer Weise von Strahlungs- wirkungen beeinflusst. Da das Assmann'sche Aspirations- Thermometer von diesem bekanntlich sehr wenig beriün-t wird, so ist zu verwundern, dass noch kein Institut sich der dankbaren Aufgabe, mit diesem die Temperatur- Vertheilung zu allen Tages- und Jahreszeiten von Centi- meter zu Centimeter zu verfolgen, unterzogen zu haben scheint. So viel dürfte indessen nach allen bisherigen Beobachtungen feststehen, dass der verticalc Temperatur- (Iradient, d. h. die Temperatur- Aenderung für jedes Meter Höhe, in der Regel mit der Entfernung vom Erdboden sehr rasch abnimmt und 2 bis 3 m über dem Boden kaum Vioo von der Grösse besitzt, die für die untersten Centi- meter Luft über dem Boden gewöhnlich ist. Diese Um- .stände sind von Herrn Nölke nicht berücksichtigt worden; sie gel)en für das gleichzeitige Bestehen eines oberen aufreclaten und eines unteren umgekehrten Bildes von Bäumen, Häusern u. s. w. in Folge zweifachen Sich- Schneidens der Lichtstrahlen genügende Erklärung. Eine Luftmasse ist meciianisch und im allgemeinen auch optisch „dünner" als die über ihr liegende, sobald die Temiieraturabnahme zwischen beiden mehr 318 0,034"' C. auf jedes Meter beträgt — eine Grösse, die gewiss sehr oft überschritten wird. Dann ist freilich kein stabiles Gleich- gewicht möglich und muss diese leichtere Luft in der dichteren emporsteigen, aber durch die Nähe des heissen Bodens oder des warmen Wassers wird der Temperatur- Uebcrschuss der untersten Schicht fortwährend wieder- hergestellt, und mit dem Zittern der Bilder geht ihre Umkehrung und Verdoppelung Hand in Hand. Bei Biot's Untersuchung der Luftspiegelung am 9. März 1809, wohl der genauesten bisher ausgeführten, stellte sich eine Abnahme der Temperatur innerhalb des ersten Meters Erhebung über den Erdboden zu 3,4 " C. heraus, oberhalb dieser Grenze war keine Abnahme mehr nachweisbar; aus der Luftspiegelung selbst berechnet Biot dieselbe Temi)eraturditferenz zu 2,8" C, was eine vortreifliche Uebereinstimmung zwischen Theorie und Beobachtung ergiebt. Würde die Schicht mit nach unten rasch abnehmender Dichte mächtig genug sein, so würden wir, je nacii un- serer .Stellung, eine Vielheit von Bildern desselben Ub- jectes sehen können. Da sie aber in der Regel auf die nächste Nähe der Erdoberfläche beschränkt ist, so kommt gewöhnlich neben dem ersten aufreciiten deprimirten nur noch das erste umgekehrte Bild darunter zu Stande, während alle tieferen vom Erdboden abgeschnitten werden. 2. Die häufig, auch in sehr verbreiteten Lehrbüchern, z. B. Midler's Kosmischer Physik, üi)liciie Darstellung der Dichteverthcilung in der Luft durch Schichten von ver- sciiiedenem Brechungsindex, statt der continuirliciien Aenderung dieses Index mit der Höhe, führt zu dem Fehl- schluss, den Müller auch selbst zieht: dass ein horizontaler Strahl (bei horizontaler Schichtung") keine Ablenkung er- fahre. Herr Nölke geht in seiner Betrachtung richtig von continuiriich gekrümmten Strahlen, nicht gebrochenen Linien, aus. Dennoch spricht auch er gegen Ende seines Abschnitts I. jenen Fehlschluss aus. Geht man vom Snellius'schen Gesetz und von in sich homogenen Schichten verschiedener Dichte von endlicher Dicke aus, so muss man allerdings zu diesem Fehlschluss kommen. Dieser fällt aber weg, wenn man das allge- meinere Huygens'sche Princip und ein continuiriich seine Dichte änderndes Medium der Betrachtung zu Grunde legt. Wegen der umgekehrt mit der Dichte continuiriich sich ändernden Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Licht- wellen müssen die Kugelwellen excentrisch und die (zur Wellenoberfläche rechtwinkligen) „Strahlen" krumm wer- ddn. Der Sinn dieser Krümmung ergiebt sich am ein- fachsten aus dem sogenannten „Princip der schnellsten Ankunft", wonach das Lieht zwischen zwei Punkten unter mehreren nächstbenachbarten stets den Weg wählt, zu dessen Zurücklegung die kürzeste Zeit erforderlich ist (ebenso der Schall und jede Welle). Sind mehrere solche Minimahvege zwischen zwei Punkten vorhanden, wenn auch von ungleichem Werthe, so giebt es auch mehrere Strahlen, die durch beide Punkte gehen. Auch die Brechung des Lichts an der Grenze zweier homogener Medien folgt diesem Princip: das aus dem Punkte a im dichteren Me- dium A ausgehende Licht erreicht den Beob- achter in h nicht auf dem geraden Wege adb, sondern auf der gebrochenen Linie ach, auf der es einen länge- ren Weg im Medium B zurücklegt, wo seine Fortpflanzung schneller ist, als in A\ gerade wie ein Mensch es thun würde, wenn B feste Wiese und A Ackerland oder Flug sand ist. Das Obige hat nur den Zweck, ein schönes Stück geleisteter Arbeit nicht in Vergessenheit gerathen und nicht durch oberflächliches Absprechen ersetzen zu lassen. Es ist dringend zu wünschen, dass die Aufmerksamkeit der Fachleute sich dem Gegenstande wieder zuwende, da seit 70 Jahren fast gar keine genauen messenden Be- obachtungen über Luftspiegelung mehr angestellt worden sind und seitdem mancher Fortschritt in Instrumenten, Methoden und Anschauungen gemacht ist. Es fehlt also noch sehr an der Beobachtungs-Grundlage, ohne die alle Theorie mehr Schaden, als Nutzen bringt. Theoretische Erwägungen aber sollen dazu dienen, uns Schritt für Schritt die Fragen vorzulegen, welche die Beobachtung beantworten soll. Auf die Vcrläiigerniig der liiiitercii Gliedniaassen in Folge t'astratioii macht Loste 1 (Comptes rend. C.\Xli. Paris 1896) aufmerksam. — Die Eunuchen sind meist ausser- gewöhnlich gross, oft über 2 m lang, was, wie L. an den Eunuchen Kairos nachweisen konnte, durch abweichend von dem normalen Verhalten stark verlängerte Gliedmaassen zu Stande kommt. Im Anschluss hieran macht der genannte .\utor darauf auimerksam, dass auch der Kapaun mit dem Halm ver- glichen, durch schlanke Fasse auffällt und dass beim Ochsen der Rücken durch die längeren llinterl)eine hinten gehoben wird, während die Rückenlinie beim Stier absteigt. Uebor die geogra])liisclie Verbreitung der Deca- podengruppe der Hippidea schreibt Dr. A. E. Ortmann in den zoologisciicn Jahrbüchern (Abtli. f. System. Bd. IX, 1896), woraus folgende allgemeinen Schlussfolgerungen über die Verbreitung dieser Krebsgruppc kurz hervor- gehoben werden mögen. — Die IIip]iidea sind, trotz- dem noch keine hierher gehörigen fossilen i\este gefunden wurden, als eine verliältnissmässig alte Gruppe aufzu- fassen, die vielleicht Ins zu l)eginn der Tertiärzeit zurück- reicht, sicher aber in der Mitte der Tertiärzeit schon in Familien und Gattungen ditf'erenzirt war und deren Ent- stehungscentrum wahrscheinlich in das amerikanische Litoral zu verlegen ist; jedenfalls finden sich hier noch fünf von den sechs jetzt lebenden Gattungen. Die crstere XI. Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 397 Annahme, dass die Gruppe verhältnissmässig alt ist, wird 7Auiächst durch die morphologischen Charaktere der Gruppe gestützt und ferner durch einige thatsächliche Verhältnisse der Verbreitung. Die gemeinsamen resp. verwandten west- und ostamerikanischen Formen weisen gleichmässig auf ein Alter hin, das mindestens bis zur Mittel-Tertiär- zeit zurückreicht, und die wahrscheinliche Entstehung in einem isolirten amerikanischen Litoral lässt ein Alter zu, das höchstens bis zum Anfang der Tertiärzeit zurück- reicht. Die zweite Annahme, dass die amerikanischen Gewässer das Entstehungscentrum der Hippidea seien, wird dadurch gerechtfertigt, dass eine ganze Anzahl der im Litoral der übrigen Erde vorkommenden Formen in ihren Verwandtschaftsbeziehungen gleichmässig auf ameri- kanische Formen hinweisen und dass im Allgemeinen gerade die amerikanischen Formen die primitiveren sind. Die noch zur Jetztzeit in den amerikanischen Meeren überwiegende Zahl der Gattungen und Arten dürfte diese Annahme ebenfalls, wenn auch nur in ge- wisser Hinsicht, stutzen. Zum Theil geschah diese Verbreitung durch frei- schwimmende Larven, zum Theil war vielleicht auch in früheren Zeiten durch topographische und klimatische Continuität des Litorals längs der nordpacifischen Gestade ein Verbreitungsmittel für die betreffenden Formen gegeben. Jedenfalls ist die Verbreitung der Hippidea, welche vom Verfasser in der genannten Arbeit eingehend be- sprochen wird, äusserst interessant, und als Hauptcigen- tliümlichkeit ist die Thatsache hervorzuheben, dass neben der Abhängigkeit von den recenten thiergeographisclieu Verhältnissen der Erdoberfläche zahlreiche Eigenheiten uns entgegentreten, die als Ueberreste aus früheren geo- logischen Zeiten nicht nur angesehen werden können, sondern auch angesehen werden müssen. Es wäre höchst willkommen, wenn fossile Reste der Hippidea bekannt würden, welche im Stande wären, eine Controle der von Ortmann gegebenen Annahme hinsichtlich der Ent- stehung der Verbreitung dieser Gruppe zu liefern. Aber dafür sind wenig Aussichten vorhanden, denn die Krebse leben meist an solchen Localitäten, wo nicht die ent- fernteste Möglichkeit vorhanden ist, dass ihre Reste im Sediment erhalten werden können. Der von den Wogen fortwährend bearbeitete Sand, der am Strande die Wohn- plätze dieser Art bildet, muss unweigerlich jede Spur ihres Vorhandenseins in kurzer Zeit vernichten. Und wenn die Hippidea in der Tertiärzeit an ähnlichen Localitäten gelebt haben, so ist es kein Wunder, wenn die Reste spurlos verschwunden sind. Dieser Mangel an fossilen Hippidea kann aber nicht als Gegen-Argument gegen ihr hohes Alter benutzt werden. R. Ueber die Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans WagL), welche in Frankreich, Italien, der Schweiz und Deutschland (Rheingebiet, Westfalen, Harz und wahr- scheinlich noch weiter verbreitet) vorkommt, bringt C. Hartmann in dem Juniheft des „Natural Science" interessante Mittlieilungen, von denen wir hier nur Einiges noch wenig oder gar nicht Bekannte wiedergeben. Vom März bis August kann man die Männchen schreien hören; sie stossen nur einen kurzen, aber wohl- klingenden Pfeiflaut aus und rufen auf diese Weise das Weibelien herbei. Nachdem dieses die Eier, welche in Form einer doppelten Schnur zusammenhängen und an Zahl etwa 200 betragen, abgelegt hat, befruchtet sie das Männchen und schlingt sich die Eierschnüre in Form einer 8 um seine Hinterbeine, so dass jedes Bein in einem Bogen steckt. Die Last scheint dem Männclien wenig Beschwerde zu machen, denn es geht nach wie vo^- — allerdings nur des Nachts — seiner Nahrung nach, vermag selbst noch gewandte Sprünge auszuführen. Nach etwa drei Wochen geht es ins Wasser und streift daselbst seine Last ab; hierauf verlässt es das Wasser wieder und führt von jetzt ab eine versteckte Lebensweise. Die Eier entwickeln sich rasch, und bald schlüpfen die Quappen aus. Dieselben verbleiben während des folgenden Herbstes und Winters im Larvenzustande im Wasser und haben erst im nächsten Mai ihre Entwickelung vollendet. Die Kälte schadet ihnen nicht; Ilartmann fand Kaul- quappen von Alytes in einen Eisblock eingeschlossen, und nachdem das Eis aufgethaut worden war, schwammen sie lustig davon. Die Quappen leben von thierisclien Stoifen, namentlich fressen sie Larven von Wasseriusecten, todte Frösche und Molche. Die erwachsenen Geburtshelfer- kröten nähren sich von Fliegen und allerlei Insecten, Schnecken und Würmern. Wenn sie eine Beute ins Auge fassen, geratlien ihre Zehen, wie Hartmann be- merkte, in lebhaftes Zittern, eine ^Erscheinung, die Re- ferent auch bei sännntlichen deutschen Arten der Gattung Bufo wahrnehmen konnte. S. Seh. Wetter-Moiiatsübersicht. — Wie am Schlüsse des vorangegangenen Monats war das Wetter in den ersten Julitagen allgemein trübe, kühl und sehr regnerisch. Die Niederschläge waren über ganz Deutschland ausgebreitet und besonders ergiebig in den nordwestlichen Landes- theilen, wo sie nach beistehender Zeichnung am 4. mit Höhe der Nitcltr5cljl<ä^e nwtL 1 (Summe des Juli !&9 6 5 'I i i Nordwest eulsc ildticl. — » • ■ ■■■■=£■ ■ ■■■ I »■^-■1 ^JSgalS S"S"SS dem mittleren Betrage von 12,.'-! Millimetern ihren Höhe- punkt erreichten. Namentlich auf den Nordseeinseln und an der ganzen Westküste wurden am 3. und 4. Juli sehr grosse Regenmengen: z. B. auf Helgoland 32, in Kiel 31, Wustrow 29, ""Cuxhaven 24, Wilhelmshaven 22 Milli- meter gemessen, während dort selbst die Blittagstcmpc- raturen meistens unter 15" C. blieben. Ausserhalb Deutsch- lands fanden etwa um dieselbe Zeit im Tatragebirge, in Obersteiermark, Kärnthen und Krain reichliche Schnee- fälle statt, wogegen in Schweden und Finnland zu Beginn wie wäln-cnd des grössten Theiles des Monats starke Hitze henschtc; von der sonst wegen ihrer strengen Winter- 398 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 33. kälte bekannten Station Haparanda unter dem 66. Breiten- grade wurden vom 2. bis 4. Juli Morgentemperaturen zwischen 24 und 26** C. und am Mittag des 2. sogar 31" Wärme gemeldet. Die das Regenwetter in Deutschland verur.sac])ende Barometerdepression, die mehrere Tage fast unbeweglich bei Dänemark verharrt hatte, entfernte sich am 5. mit stürmischen Nordwe^twindeu in das Innere Russlands, worauf von Südwesten ein umfangreiches Hochdruckgebiet nach Mitteleuropa vordrang. Schon im Laufe des fol- genden Tages klärte sich der Himmel überall auf, und es begann eine längere Zeit mit zwar wechselnder, aber weit überwiegend freundlicher Witterung. lu Folge der starken Sonnenstrahlung trat eine ziemlich rasche Er- wärmung ein, welche bald durch leichte trockene Südost- winde eine beträchtliche Steigerung erfuhr. Wie aus unserer zweiten Zeichnung hervorgeht, stiegen die Tempe- tVlor^tnUmperdtuttii mi Juli ^&%. normal. ' t.J.i; II. 16. 2K 36. il. raturen in ganz Deutschland ununterbrochen vom 6. bis zum 10. Juli und zwar im Mittel der nordwestlichen Stationen \\m 8,6, nordöstlich der Elbe um 6,5 und im Süden um 7,0" C. Während das Thermometer noch in der Nacht zum 7. in Chemnitz bis 6, in Süddeutschland herabging, erhob es .sich am 7. Mittags zum ersten Male wieder auf 31 und In den nächsten zwei Tagen brachte Barometermininnnn, welches Deutsch- vielfach bis 8» C. zu Kaiserslautern am 9. auf 34" C. ein unscheinbares land von Südwest nach Nordost durchzog, sehr zahlreiche Gewitter und empfindliche Al)kühlung, die aber nicht lange anhielt. Dem Minimum folgte nämlich ein neues Hochdruckgebiet auf dem Fussc, und die gleichen Vor- gänge: Lagerung eines barometrischen Maximums über Mitteleuropa mit heiterem Himmel und Windstille oder continentalen östlichen Winden, darauf Verdrängung des- selben durch ein tlachcs Mininnun, während im Westen ein neues Maximum erscheint und zunächst eine frische Nordwestströmuug lier\orruft, wicderiiolten sich mit fast rhythmischer Regelmässigkeit noch mehrere Male. Ihre Wirkung zeigt sich an der wellenähnliciien Form der Temperaturcurven, besonders derjenigen für Nordwest- deutschland. Die Spitzen derselben erheben sich ziem- lich hoch über die gestrichelten Linien der normalen Temperaturen; aber jedes Mal, wenn die Hitze und gleich- zeitige Trockenheit erst ein paar Tage gedauert hatte, stellten sich in grosser Zahl erfrischende Gewitterregen ein. Am ergiebigsten waren diese in der ganzen west- lichen Hälfte Deutschlands zwischen dem 10. und 11. Juli. Am 10. wurden durch Unwetter zwischen Rhein und Mosel zahlreiche Weinberge vernichtet, in der Eifel viele Ortschaften überschwemmt und gleichzeitig bei Lübeck bedeutende Windbrüche verursacht. In Süddeutschland wurde am 11. die grösste Durchschnittshöhe der Nieder- schläge zu 11,1 Millimetern gemessen. Dort häuften sich seit Mitte des Monats die Gewitter derart, dass die Temperatur nur selten noch ihren normalen Werth er- reichen konnte und auch im Monatsmittel mit 17,1" G. um 1,3 Grade hinter demselben zurückblieb. In der östlichen Hälfte Norddeutschlands, wo bisher zwischen Oder und Weichsel empfindliehe Dürre ge- herrscht hatte, traten im Gefolge mehrerer flacher l3e- pressionen, die vom adriatischen Meere zur Ostsee zogen, seit dem 24. ebenfalls länger anhaltende Regenfälle ein. Am 25. Juli wurden zu Chemnitz 44, zu Grünberg 16, zu Berlin 14 Jlillimeter, zwei Tage später, während ein Minimum mitten auf der Nordsee lag, auch auf Borkum 25 Millimeter Regen gemessen. Aeusserst wecbselvoll gestalteten sieh die Bewegungen der Gebiete hohen und niederen Luftdruckes in den letzten Tagen des Monats, ihre Wirkung aber war die, dass im Westen Deutschlands meistens nördliche und westliche, im Osten Winde aus östlicher Richtung wehten. So gering auch die Stärke derselben überall blieb, so bildeten sich doch zwischen den westlichen und östlichen Landestheilen sehr scharfe Temperaturgegensätze aus, die am bedeutendsten am 29. und 30. Juli waren. Am Morgen des 29. wurden zu Memel und Neufahrwasser 24, zu Königsberg und Breslau 23, am Morgen des 30. zu Neufahrwasser 27, zu ]\Iemel 26, zu Königsberg 25" C. beobachtet, während Hannover und Münster am 29. nur 13 und am 30. Hannover und Bamberg 13, Kaiserslautern sogar nur 12" C. hatte. Ebenso stieg am Mittag des 29. das Thermometer in Königsberg bis 34, in Neufahrwasser und Breslau bis 33, in Grünberg bis 32" C, wogegen es in Hamburg und München 16, in Kiel, Mülhausen i. E. und Karlsruhe 17" C. nicht überschritt. Diese Temperaturunterschiede ebenso wie die Abschwächung, welche schon vorher jede Abkühlung beim Fortschreiten nach Osten erfahren hatte, machten sich auch in den Monatsmitteln der Temperatur nicht wenig bemerkbar. Während sieh nämlich das nor- male Julimittel im Nordwesten wie im Nordosten Deutsch- lands auf 17,3" C. beläuft, hatte der diesjährige Juli in den nordwestlichen Landestheilen eine fast um einen Grad niedrigere, östlich der Elbe hingegen eine um einen halben Grad höhere Mittelteinperatur. Auch in den letzten Julitagen fanden in verschiedenen Gegenden Deutsehlands sehr heftige Gewitter statt. Am 25. und 26. wurde besonders die Provinz Ostpreussen, am 25. in der Umgegend von Marggrabowa, am 26. zu Heydekrug, von Hagelschlägen, am 26. und 27. das niederrheinische Gebiet, wie kurz vorher Paris und un- gefähr gleichzeitig ein grosser Theil Belgiens von Ge- witterstürmen heimgesucht, während am 30. im Riesen- gebirge ein schweres Hagelwetter niederging. Vergleicht man die Monatssummen der Niederschläge, welche an den nordwestlichen Stationen sieh zu sich zu 86,5, an den nordöstlichen zu 82,4 und an den südliehen zu 96,3 Millimetern berechnet, mit denjenigen der fünf letzten .lulimonate, so ersieht man, dass dieselben überall etwas höher als der Durchschnitt waren. Doch ist dabei nicht zu verkennen, dass ihre Beträge in ganz Norddeutschland sich wohl noch zum grösseren Theile als sonst im Juli aus kurzdauernden, ergiebigen (iewitterregen zusammen- setzten, durcli welche eine viel geringere Durchfeuchtnng der Luft und des Bodens als durch weniger dichte, aber länger anhaltende Regen erzielt wird, wogegen es für dieselbe andererseits von Vortheil war, dass nur in we- nigen Gegenden Deutschlands während längerer Zeit- räume imunterbrochene Trockenheit herrsehte. XI. Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 399 Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ausserordentliche Professor für dar- stellende Geometrie an der technischen Hochschule zu Brunn Dr. Kupp zum ordentlichen Professor; der Privatdocent der medicinischen Chemie und Pharmakologie in Heidelberg Dr. Richard Gott lieb zum ausserordentlichen Professor; der Privatdocent der H^'giene in Heidelberg Dr. Gramer zum ausserordentlichen Professor; der ausserordentliche Professor der Chemie Auschütz in Bonn zum provisorischen Director des dortigen chemischen Instituts; der Augenarzt Dr. Konrad Fr ö lieh in Berlin zum Professor. Berufen wurden: Der ausserordentliche Professor der Philo- sophie in Wien Dr. Hillebrand als ordentlicher Professor nach Innsbruck; der Privatdocent der Elektrochemie und Assistent am chemischen Institut zu Göttingen Dr. Lorenz als Professor ans Polytechnicum zu Zürich; der Privatdocent der Philosophie in Wien Dr. Freiherr von Ehren fei s als ausserordentlicher Pro- fessor an die deutsche Universität Prag. Abgelehnt hat: Der ordentliche Professor der Dermatologie in Breslau Geheimrath Dr. Ne isser den Ruf nach Berlin. Es habilitirten sich: In Berlin Dr. med. et phil. Joseph Brandt, Mitglied des Reichsgesundheitsamts, für Hygiene und Dr. Rudolf Krause, Assistent am 2. anatomischen Institut, für Anatomie; in Breslau Dr. Kionka, Assistent am dortigen phar- makologischen Institut, für Pharmakologie. Es starben: Der bekannte englische Physiker Sir William Grove; der ehemalige Professor der Physik und Geologie an der Forstakademie zu Tharandt Dr. Krutzsch. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Friedrich Dannemann, Grundriss einer Geschichte der Naturwissenschaften zugleich eine Einführung in das Studium der naturwissenschaftlichen Litteratur. I. Bd: Erläuterte Abschnitte aus den Werken hervorragender Natur- forscher aller Völker und Zeiten. Mit 44 Abbildungen. Wilhelm Engelmann. Leipzig 1896. — Preis 6 Mark. Mit dem Buch verfolgt Verfasser den Zweck „weitere Kreise, insbesondere die Schüler der oberen Klassen höherer Lehranstalten, Studirende, Techniker, kurz alle, die sich für Methode und Er- gebnisse der e.xakten Forschung interessiren, in die grundlegende Litteratur und Geschichte der Naturwissenschaften einzuführen." Das ist dem Verfasser durch geschickte Auswahl und Redaction von principiell wichtigen Abschnitten aus den Werken jener Naturforscher trefflich gelungen. Es ist zweifellos von grossem Werth für den werdenden Naturforscher, die Litteratur-Quellen kennen zu lernen, und dem fertigen Naturforscher wird es lieb und interessant sein, einmal wichtige Stellen aus dem Kreise der Wissenschaft, dem er specieller nicht angehört, einzusehen. Von Aristoteles bis A. v. Humboldt, Pasteur, Kirchhoff und Bunsen, auch Ch. Darwin fehlt nicht (mit einem Artikel über di»^ Bildung der Roralleninseln), werden 62 wichtige Abschnitte vorgeführt. Ihnen voraus geht stets eine wenigzeilige biographische Notiz über den Autor mit besonderer Berücksichtigung der wissenschaft- lichen Thaten in bündigen Worten. Die erläuternden Anmerkungen, die D. bringt, zeugen von einer allseitigen naturwissenschaftlichen Bildung. Dem Buch kann man nur weite Verbreitung wünschen. Für die höheren Klassen von Real-Gymnasien und Gymnasien ist es ein prächtiges Lesebuch. Prof. Dr. Max Keess, Lehrbuch der Botanik. Mit über 400 Figuren. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. 1896. — Preis 10 Mark. „Indem ich das nachfolgende Lehrbuch der Botanik der Oeffent- lichkeit überreiche — sagt Verfasser im Vorwort — habe ich geglaubt, es sei zwischen unsern bestehenden Werken noch immer ein Platz frei. Mein Ziel war, unter Vermeidung von allzuviel Einzelnheiten, sowohl im allgemeinen wie im systematischen Theil das Wesentliche in knapper Form vorzuführen. Dabei sollte gleichzeitig in der Ausstattung mit guten Abbildungen nirgends gespart werden; auch ist der Herr Verleger bereitwillig auf den Gedanken eingegangen, eine Anzahl farbiger Textbilder zur Vor- anschaulichung besonders wichtiger einheimischer Giftpflanzen horsteilen zu lassen. Obgleich das Buch sich an einen allgemei- neren Leserkreis wendet, ist doch gleichzeitig auf die besonderen Bedürfnisse der Mediciner und Pharmaceuten thunlichst Rücksicht genommen." Besondere Eigenthümlichkeiten bietet das neue Lehrbuch nicht, auch nicht hinsichtlich der Abbildungen. Die meisten der- selben sind aus anderen Lehrbüchern bereits bekannt, wie vor allem die trefflichen Abbildungen Luorssen's und Kny's. Einige der Abbildungen (die den Pharmaceuten wichtigen Pflanzen-Arten) sind farbig, wie solche in dem Viermännor-Buch (Strasburger, Noll, Schenck und Schimper's Botanik) bereits mit Vortheil verwandt worden sind. „Die Morphologie — mit diesen Worten beginnt das Buch — beschäftigt sich mit dem äusseren, die Anatomie mit dem inneren Bau." Ob es zweckmässig ist, den Begrifi" der Morphologie so beschr.änkt zu lassen, wie er freilich früher gebraucht wurde, ist doch gewiss zweifelhaft; doch hat das keine principielle Wichtig- keit, sondern nur pädagogische. Aber es läge durchaus im Interesse der Wissenschaft, dass die Gelehrten mehr als bisher auf die letzt- genannte Seite Rücksicht nähmen. In dieser Beziehung könnte noch auf vielerlei Punkte in dem vorliegenden Buch aufmerksam gemacht werden. TTebersichtskarte der Braunkohlenwerke zwischen Aussig und Komotau. Maassstab 1 : 144,000. Adolph Becker in Teplitz, 18'J6. - 1 M. Die Karte ist als Beilage zum „Taschenbuch für Braunkohlen- Interessenten" erschienen, aber nicht diesem allein, auch dem Ge- ologen und Pflanzenpalaeontologen wird sie bei Aufsuchung von Schächten und Oertlichkeiten Dienste leisten. Dr. W. J. van Bebber, Abtheilungsvorstand der Deutschen See- warte. Die Beurtheilung des Wetters auf mehrere Tage voraus. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. 189G. — Preis 1 M. Das 8 Kärtchen resp. Figuren enthaltende Hoftchen (52 Seiten) ist sehr geeignet ein Verständniss für die Wetter- Vorhersage, für die Mittel, die Methode derselben zu verbreiten. Man sollte meinen, class es dem Landwirth vor allem praktisch wichtig sein müsste über den Gegenstand orientirt zu sein. Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft. XLVII. Band. Berlin, 1895. — Abgesehen von „brieflichen Mit- theilungen" und „Verhandlungen" (^= Sitzungsberichten) bringt der Band die folgenden Aufsätze: 1. Ueber das Alter der Bünduer Schiefer. Von A. Rothpletz. (Tafel I und II). — 2. Neue Binnen- schnecken aus dem Vicentiner Eocän. Von P. Oppenheim. (Tafel III und IV). — 3. Ueber einige Spongien aus der Kreide WesC- phalens. Von Clemens Schlüter. — 4. Die untere Kreide des subhercynen Quadersandstein- Gebirges. Von Günther Maas. (Tafel V bis IX). — 5. Notiz über ein Nothosauriden-Fragment. Von W. De ecke. — 6. Beitrag zur Kenntniss der Gattung Quenstedti- ceras. Von W. Weiss ermel. (Tafel X bis XII). — 7. Ueber neue Saurier-Funde aus dem Muschelkalk von Bayreuth. Von Gustav Geissler in Nürnberg. (Tafel XIII und XIV). — 8. Gco- gnostischo Skizze der Umgegend von Finero. Von Cesare Porro (Tafel XV uud XVI). — 9. Die subhercyne Tourtia und ihre Brachiopoden- und Molusken-Fauna. Von E. Thiessen. (Tafel XVII und XVIII). — 10. Der Glimmersynit von Rothschönberg bei Deutschenbora im Königreich Sachsen. Von J. M. C. Hender- sohn. — 11. Ueber eine CaVqua-Schicht, das Hangende und Liegende des Paffrather Stringocephalen-Kalkes. Von Fr. Winter- feld. — 12. Beitrag zur Kenntniss des Aufbaues und der Schichten- folge im Grignagebirge. Von Emil Philippi. (Tafel XIX bis XXI). — 13. Ueber Nautilus Deslongchampsianus d'Orb. aus der oberen Kreide. Von E. Thiessen. (Tafel XXII). Gutberiet, Dr. Const., Die Psychologie. 3. Bd. 3. Aufl. Münster — 0.80 M. Habenicht, Herrn., Grundriss einer exacten Schöpfungsgeschichte. Wien. —4M. Rolfes, Dr. E., Die substantiale Form und der Begriff der Seele bei Aristoteles. Paderborn. — 3,20 M. Schröter, Ludw., Taschenflora des Alpen- Wanderers. 5. Aufl. Zürich. — 4,80 M. Strümpell, Prof. Dir. Dr. Adf., 1. Acute Infectionskrankhoiten. Respirations- und Circulationsorgano. — 2. Digestionsorgane. Harnorgane. Bewegungsorgane. Constitutionskraukheitcn. Ver- giftungen. 10. Aufl. Leipzig. — 14 M. Wilby, K. F., Der Dualismus in der Materie. Zürich. — 2,50 M. Inhalt: Dr. Maximilian Klein, Die Philosophie der reinen Erfahrung. VII. — W. Koppen, Einige Bemerkungen über Luftspiegelung. — Die Verlängerung der hinteren Gliedmaassen in Folge Castration. — Ueber die geographische Verbreitung der Decapodengruppe der Hippidea. — Ueber die Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans Wagl.) — Wetter-Monats- übersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Friedrich Dannemann, Grundriss einer Geschichte der Natur- wissenschaften. — Prof. Dr. Max Reess, Lehrbuch der Botanik. — Uebersichtskarte der Braunkohlenwerko zwischen Aussig und Komotau. — Dr. W. J. van Bebber, Die Beurtheilung des Wetters auf mehrere Tage voraus. — Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft. — Liste. 400 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XL Nr. 33. *^>^,OEgJEggEJ!aBE^ Beyer's neue Pflanzenpresse (vcrgl. „Natnrwissensrliat'tlii-'lio Wochen- schrift" 189G Nr. !8 S. 218) in 3 Grössen: 42 X 28 cm ä St. 4,50 M. 32x22 cm „ 3,50 „ 23x15 cm „ 2,50 „ stets vorräthig bei Fritz Schindler, BERLIN SO., Köpenickerstr. 116. 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Diese Tempe- raturerhöhung ist keine einmalige und constante, sondern lässt eine tägliche Wärmcpcriodc erkennen, die sich z. B. f) Tage lang wiederholt. Am Morgen ist die Tem])cratur gleich derjenigen der Umgebung, steigt dann i)is zu einem Maximum im Laufe des halben Nachmittags und sinkt gegen Al)eud rasch auf die Temperatur der Luft. So war z. B. die Luft um 4'''» Nachmittags 24,6» C. warm, während der Kolben eine Temperatur von 36,3" C. besass. Der Ueberschuss betrug also 11,7" C. Am Vor- mittag zwischen 10 und 11 Uhr war ausserdem ein kleines Maximum zu beobachten. XI. Nr. 34. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 407 In eleu aufciaauderfolgendea Tagen tritt nun das grosse Maximum nicht immer zur selben Zeit am Nachmittag ein, sondern erfahrt eine gesetzmässige Verscliiebung. So erfolgte das Maximum am 21. Januar um 4-i, am 28. um 4'**', am 2'J. um 5-'-. Ein Beispiel möge den Gang der Temperatur an einem Tage zeigen. 13. Jan. Zeit Lufttenip. Kolben Diff. 7 morgens 23,0 23,7 0,7 745 23,2 24 0,8 1015 24,3 25,3 1,0 J115 24,4 25,7 1,3 klcMiios Maximum 12 mittags 24,8 25,7 0,9 1240 24,9 25,6 0,7 140 „ 25,3 0,3 4 nachmittags 24,G 28,1 3,5 435 „ 34,4 9,8 442 „ 35,55 10,95 448 „ 36,2 11,G 450 „ 36,3 11,7 grosses Maximum 456 „ 3G,2 11,6 5 „ 35,9 11,3 510 „ 34,65 10,05 518 „ 33,6 9,8 526 24,5 32,45 7,95 534 „ 31,75 7,25 545 „ 30,6 6,1 6 abends 24,4 30 5,5 Bei Macrozamia wird das Maximum gegen 12 ühr mittags erreicht. Ein kleines Maximum war nicht zu beobachten. Die Verschiebung der Maxima erfolgte in entgegengesetzter Richtung z. B. 10. Jan. um 12'", 11. um 1155, 12. um lli', 13. um 10", 14. um lO''. An Palraenblüthen, die dem Autor nur in geringer Menge zur Verfügung standen, Hess sich bei männlichen wie weiblichen Blüthen eine Temperatursteigerung fest- stellen. Steckt man das Thermometer z. B. in die Scheide, so steigt es sofort um ca. 10"^. Eine Periode war nicht recht zu beobachten (bisweilen ergab sich ein Maximum am Morgen), und die Temperaturerhöhung schien auch über Nacht anzuhalten. Araeeen (z. B. Philodendron melanochrysum) lassen sich schon wieder besser mit den Cycadeen vergleichen. Das Maximum erfolgte gegen Abend um 7 Uhr und er- fuhr an den aufeinanderfolgenden Tagen Verschiebungen. Geruchs- und Wärmeintensität fallen hier zusammen. Den Zweck der Erwärmung sieht K. in der An- lockung der Insecten, eine Ansieht, welche auch Delpino vertritt. Macrozamia besitzt einen starken, feinen Geruch, der zahlreiche kleine Bienen anlockt. Des Nachts, wenn die Thierc nicht fliegen, ist der Kolben nicht stärker als die Luft erwärmt. Ceratozamia allerdings ist völlig geruch- los und wurde von den Bienen nicht beachtet. (NB. Männ- liche Cycaszapfen haben, wenn sie aufblühen, einen über- aus starken, scheusslichen, in Java geradezu gefürchteten Geruch). Unter den Palmen werden viele nicht von In- secten besucht, weil sie wiudblüthig sind. (Sabal und Chamacdorea sind nach Delpino insectenblüthig.) Da die Scheiden der Palmenblüthenstände oft mit hörbarem Geräusch plötzlich aufspringen, so glaubt K. dass die Erwärmung ein Mittel zum leichteren Oeffnen sei, weil durch die gesteigerte Temperatur die Luft in der Scheide eine Ausdehnung erfährt. R. Kolkwitz. Die Hilrtescala mit absoluten AVertheii. — Die Mohs'sche Härtescala gehört zu den altehrwürdigsten In- venturstücken der Mineralogie und ist über die Kreise dieser hinaus eingebürgert und beliebt auch bei Physikern und Technikern. Dabei hat man jedoch nie aufgehört, sie zu bemängeln und insbesondere die ungleiche Höhe ihrer Stufen zu rügen. Noch wesentlicheren Tadel aber erfuhr sie von Seiten der Physiker; der zu Grunde lie- genden Auffassung der Härte als derjenigen Festigkeit, welche die Körper dem Eindringen von Spitzen und Schneiden entgegensetzen, wurde der wissenscliaftliche Charakter abgesprochen; es wurde betont, dass das mine- ralogische Verfahren des Ritzens eine quantitative Be- stimmung der Härte von irgend welchem Werthe nicht geben und eine wissenschaftliche Härtescala auch auf die von Pfaff, Musehenbroek, Grace-Calout, Hugueny und anderen vorgeschlagenen Methoden nicht begründet werden könne, weil eben auch für diese jene ältere Definition der Härte Voraussetzung sei. Da es zur Bestimmung der Härte eines Körpers nach allen diesen Verfahren durch- aus eines härteren, zweiten Körpers bedarf, erhält man eben nur relative Werthe, aber die Wissenschaft ver- langt absolute Maasse. Zu diesem Ziele zu gelangen, diese Aussicht eröffnete der geniale Heinrich Hertz, als er, gewissermaa.ssen nur gelegentlich und beiläufig in einer Abhandlung über die Berührung fester elastischer Körper (Verb. d. Ver. z. F. d. Gewerbfl. Berlin 1882, 449 ff.), eine Definition der Härte aufstellte, die als wissenschaftlich exact gelten kann: „Die Härte ist die Festigkeit, welche ein Körper derjenigen Deformation entgegensetzt, die einer I5e- rührung mit kreisförmiger Druckfläche entspricht — und wird gemessen durch den Normaldruck auf die Flächen- einheit, welcher im Mittelpunkt einer kreisförmigen Druckfläche herrscheu muss, damit in einem I^unkte des Körpers die Spannungen eben die Elasticitätsgrenze er- reichen." Da man hiernach die Härte einer Substanz mit 2 aus derselben hergestellten Körpern bestimmen kann und einer weiteren Substanz hierzu nicht bedarf, kann man die Messung als eine absolute bezeichnen. Theorie und Methode dieser Härtebestimmung wurde von Hertz nicht weiter gegeben, sondern erst von F. Auerbach (Gott. Nach. 1890; Anual. Phys. 43) ab- geleitet. Demnach ist die „theoretische Härte" einer 6 P Substanz = —^frr,, in welcher Formel P den Grenzwerth des Druckes bedeutet, d. h. den Werth im Augenblicke des Eintritts einer bleibenden Deformation, und D den Grenz- werth des Durchmessers der Druckfläche, in mm ausgedrückt. Die vorgeschriebene Methode und der construirte Apparat gestattet wenigstens für alle durchsichtigen Stoffe mit genügender Genauigkeit die so definirte Härte zu be- stimmen, dass aber die Definition noch nicht vollständig genügt, darauf lässt die von Auerbach schon bei seinen Bestimmungen von Härten an Gläsern gemachte Erfahrung schliessen; dass der Druck auf die Flächeneinheit, bei dem ein Sprung in der geprüften Platte auftritt, bei gleichem Material nicht unter allen Umständen derselbe, sondern desto grösser ist, je gekrümmter die drückende Linse oder je kleiner die Druckfläche ist. Auerbach hat nun a. a. 0. 1896 auch für die von Mobs in seine Härtescala aufgenommenen Stoffe (mit Ausnahme des Diamant, von welchem keine geeigneten Stücke zu erlangen waren) die absolute Härte bestimmt, was in Folge von deren Durchsichtigkeit ermöglicht, durch mehrere andere Umstände aber erschwert war. Die Schwierigkeiten lagen zunächst darin, dass ausser spröden auch plastische Körper in die Seala aufgenommen sind, die doch gegenüber kräftigen Beanspruchungen ein anderes Verhalten zeigen als jene. Vom Talk ist die Plasticität längst bekannt und die nur auf indirectem Wege bestimmte Härte ein Annäherungswerth; gegenüber den hier stattfindenden Beanspruchungen erweisen sich aber auch Gips, Steinsalz, Kalkspath, Flussspath und sogar Apatit plastisch. Eine andere wesentliche Schwierig- keit ist dadurch gegeben, dass die in die Scala aufge- 408 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XL Nr. 34. uommeneu Kürper nicht amorpher, sondern krystalli- nischer Natur sind, Spaltbarkeitsriehtungen und überhaupt krystalliuisches Gefiige also ihren Eiufluss geltend machen. Weniger wichtig, jedoch immerhin nicht ausser Acht zu lassen ist endlich noch die Unsicherheit der Definition mancher Mineralien in chemischer Bezieliung, die als (ilieder von „Reihen" eine den Abänderungen des che- mischen Bestandes entsprechende Unbeständigkeit der physikalischen Eigenheiten erkennen lassen. Die absolute Härte, welche also die äusserste von den Stoffen ertragene und die eben schon zur Trennimg der Theilclien führende Eindringungs-Beanspruchung dar- stellt, wurde von Auerbach zu folgenden Werthen er- mittelt : 1. Talk etwa 5 kg/qmm oder besser Gips (J_ Spaltfl.) . ., 14 „ 2. Steinsalz (J_ Würfelfl.) . „ 20 „ 3. Kalkspath (1 Spaltfl.) . „ 92 .. 4. Flussspath (Octaed. Fl.) „ 110 „ 5. Apatit (Axe) „ 237 ., 6. Adular (1 Basis) . . . . „ 253 „ 7. Quarz (Axe) „ 308 „ 8. Topas (1 Basis) . . . . „ 525 „ 9. Korund (Axe) „ 1150 ,, Interessant ist ferner, dass Auerbach aus seinen Härtebestimmungen von Korund, Topas und Quarz auch die „Härtewerthe" der dieselben aufbauenden einfachen chemischen Verbindungen berechnet hat. Den Härte- werth eines Procentes Thonerde (Korund) fand er nach dem Mittelwerthe für alle Krystallflächen des Korund zu 10,5, den für Kieselsäure Quarz ebenso zu 2,9. Da nun Korund, Topas und Quarz eine Reihe bilden, deren naturgemässes Mittelglied der Topas darstellt, welcher die Thonerde mit dem Korund, die Kieselsäure mit dem Quarz gemeinsam hat, so lag der Gedanke nahe, die Härte des Topases aus derjenigen von Korund und Quarz zu berechnen, wenn auch unter Vernachlässigung der im Topas enthaltenen Fluorverbindungen; darnach er- hält man 47,1 X 10,5 + 27,8 x 2,9 = 575 „also ungefähr das Mittel aus den für die verschiedenen Flächen (des Topases) beobachteten AVerthen. Die Sauerstoffverbindungen allein ergaben also schon den ganzen Härtewerth, die F'luorverbindungeu können dem- nach jedenfalls keinen erheblichen Beitrag liefern." Für die wissenschaftliche wie technische Praxis haben diese absoluten Härtebestiramungen natürlicher Weise nur indirecte Bedeutung. Da wird man auch fernerhin an der älteren und beliebten Methode des Ritzcns festhalten. Aber freudig soll man die wissen- schaftlichere Begründung der Härteerseheinungen und der bereits empirisch empfundenen Mängel der alten Me- thode begrüssen. So insbesondere den Nachweis der Ungleichheiten in der Höhe der einzelnen Ilärtestufen. öm dem praktischen Bedürfnisse cntgegenzukonnnen, sehlägt Auerbach da vor, Mittelglieder einzuschalten nach Maassgabe von deren z. Th. erst noch zu bestimmenden absoluten Härte. Hierzu würden sich besonders gut Gläser aus der Jena'er Glasssehmelzerei von Schott und Genossen eignen, weil dies chemisch streng definirte, amorphe Stoffe sind und weil ihre absolute Härte schon bestimmt ist. Zwischen (^uarz und Adular wäre so Bo- rosilicafkronglas einzuschalten (mit absol. Härte 274), zwischen Apatit und Flussspath aber: leichtes Flintglas (absol. H. 210) und schwerstes Silicatflintglas (absol. H. 170). 0. Lang. MetaHcarbide und ErdöH)ildiiiig. — Schon in weite Kreise ist der Ruf Henri Moissan's gedrungen, weil es diesem gelungen ist, mittelst der Hitze des elektrischen Lichtbogens bis dahin für unschmelzbar gehaltene feste Körper flüssig oder danipffVirmig zu machen, mehrere Stoffe rein darzustellen und viele neue chemische Ver- bindungen zu gewinnen. Unter letzteren verdienen aus verschiedenen Gesichtspunkten, z. B. auch vom gewerb- lichen Standpunkte aus, die Kohlenstoffverbindungen oder Carbide besonderes Interesse. Wer aber die zahlreichen Mittheilungen verfolgte, in denen der Autor immer wieder von der Gewinnung neuer Carbide berichten konnte, dem blieb es bald nicht verborgen, dass Moissan seine Studien auch ausnutzen wollte, um auf das theoretische Gebiet der Geologie Einfluss zu gewinnen. Die abgeleitete Hypothese liegt jetzt formulirt vor. Moissan behauptet, was vor ihm schon Berthelot und Mendelejeff gethan hatten, für Erdöl eine j)lutouisch-chemische oder in viel- leicht richtigerer Bezeichnung eine tellurisehe Bildung. Nun haben bekanntlich die Hypothesen letztgenannter Forscher in geologischen Kreisen keinen Anklang ge- funden nicht sowohl in Rücksicht auf die Möglichkeit, als vielmehr auf die Wahrscheinlichkeit der vorausgesetzten Umstände. Ob Moissan glücklicher sein werde, möge der Leser ermessen, welchem die im Folgenden mit- getheilte Darstellung wohl um so willkommener sein wird, als Moissan der Entwickelung seiner Theorie eine Ueber- sicht und Classification der Carbide vorausgeschickt hat. Die Mittheilung ist enthalten im Comptes rendus 1896, S. 1462 unter dem Titel: „Ueber die Bildung gasförmiger und flüssiger Kohlenwasserstotfverbindungen in Folge der Einwirkung von Wasser auf MetaHcarbide. Classification der Carbide von Henri Moissan." Bislang waren die in bestimmten Verhältnissen ge- knüpften, krystallinischen Verbindungen von Kohlenstoff mit Metalloiden und Metallen sehr wenig bekannt. Doch wusstc man schon längst, dass gewisse Metalle, wie z. B. das Eisen, Kohlenstoff aufzulösen und Schmelzflüsse zu l)ilden vermochten. Sehr bedeutend waren die chemischen Kenntnisse hiervon allerdings nicht, weil diese Ver- bindungen nur bei sehr hoher Temperatur entstehen. Dadurch, dass Moissan den elektrischen Lichtbogen als Heizmittel eines Laboratoriums-Apparates anwandte, ge- lang es ihm, dieser Frage näherzutreten. Bei der hohen Temperatur des elektrischen Ofens lösen gewisse Metalle, zu denen Gold, Wismuth und Zinn gehören, Kohlenstoff nicht auf. Schmelzflüssiges Kupfer nimmt nur eine sehr geringe Menge desselben auf, die gleichwohl genügt, um die Eigenschaften und besonders stark die Schmiedbarkeit oder Hämmerbarkeit abzu- ändern. Silber löst in gewisser Temperatur ein klein wenig Kohlenstoff", den es aber dann bei der Erkaltung in Form von Graphit wieder ausscheidet. Moissan behauptet, dass allein hierdurch die Volumenver- mehrung des Silbers und des sich ebenso verhaltenden Eisens beim Erstarren bedingt werde. Reines Silber und reines Eisen sollen beim Uebergang vom flüssigen in den starren Zustand ihr Volumen vermindern, wogegen Schmelzflüsse von Eisen oder Silber es vergrössern. Gleicherweise verhält sieh nacli Moissan Aluminium. — Platinmetalle lösen geschmolzenen Kohlenstoff mit Leichtigkeit und scheiden ihn vor ihrer Erstarrung als „aufquellenden" Grapliit aus (d. h. aufquellend bei liefeuchtung mit Salpetersäure und Erwärmung). Eine grosse Zahl von Metallen aber bilden im Gegensatz zu den vorerwähnten bei der Temperatur des elektrischen Ofens bestimmte, auskrystallisirende Ver- bindungen. XI. Nr. 84. Niiliir\vi.s.scji.scliaf'tliche Wochenschrift. 409 Die KolilciistoßVcrbindiiii;;' (das Carbid) von Natrium hat sciion Bcrthclot hergestellt durch Einwirivung dieser Alliaiiinetalle auf einen Strom von Acetylengas. Moissan gewann, indem er ein Gemenge von Lithion oder von Lithiumcarbonat mit Kohle in seinem elektrischen Ofen erhitzte, mit Leichtigkeit das Lithiumcarbid in durch- sichtigen Krystallen, das auf das Kilogrannn 587 Liter reines Aeelylcngas entwickelt. Ebenso erhielt er, indem er Gemenge der betreffenden Oxyde mit Kohle im elektrischen Ofen erhitzte, nach einem generellen Ver- fahren in reinem, krystallisirtem Zustande und in an- sehnlichen Mengen die Carbide des Calciums, Bariums und Strontiums; das Prioritätsrecht kann er hier aus dem Grunde beanspruchen, weil Calciumcarbid vorher nur amorph und unrein als ein schwarzes Pulver dargestellt worden war. All diese Carbide zerfallen in Berührung mit kaltem Wasser unter Entwickelung von ganz reinem Acctyleugas und zwar vollständig. Daliei entspricht der Bestand der Carbide der Erdalkalicn der Formel C^R, derjenige des Lithium der Formel C^Li.^. Auf erwähnter Reaction fusst bekanntlich die industrielle Herstellung des Acetylen. Einen anderen Typus von durchsichtigem, in sechs- seitigen Blättern von 1 cm Ourchmesscr krystallisirtem Carbid liefert das Aluminium. Erhitzt man (lieses Metall stark bei Gegenwart von Kohle im elektrisciien Ofen, so füllt CS sieh mit gelben Cariiid-Blättern, welche man durch eine ziemlich delieate Behandlung mit verdünnter, auf 0" Temperatur abgekühlter Chlorwasserstoffsäure zu isoliren vermag. Wasser von gewühulieher Temperatur zersetzt auch dieses, der Formel G3AI4 entsprechende Carbid, wobei Thouerdc und reines Methangas entstehen. Unter gleichen Bedingungen hat Lebeau Glucinium- oder Beryllium-Carbid erhalten, das mit kaltem Wasser l)e- handelt, ebenfalls reines Methan entwickelt. Die Metalle der Cer-Gruppe liefern krystallinische Carbide von der Formel C^R, welche also derjenigen der Erdalkaliearbide ähnelt. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Zerlegung mittels Wasser geschenkt bei Cerium-, Lanthanium-, Yttrium- und Thoriumcarbid (C^Cc, CgLa, C^Yt und C^Th). Alle diese Stoffe zer- setzen das Wasser, indem sie dabei ein an Acetylen reiches, zugleich aber auch Methan enthaltendes Gas- gemenge liefern; beim Thoriumcarbid ist aber schon die Menge des Acetylen gemindert (auf 47,7 Procent), die- jenige des Methan gesteigert (auf 29,3 Procent; ausser- dem wurden Aethylen und freier Wasserstoff nach- gewiesen; C. r. 1896, 573). Eisen hat dagegen allen angestellten Versuchen zum Trotz bei gewöhnlichem Druck und hoher Temperatur keine abgeschlossene Verbindung, geschweige denn Krystalle einer solchen geliefert. Mangan aber giebt, wie man schon aus den Untersuchungen von Troost und Hautefeuille weiss, ein Carbid CMug, welches sehr leicht im elektrischen Ofen dargestellt werden kann, sich bei der Berührung mit kaltem Wasser zersetzt und ein Ge- menge von ]\Ietlian mit ebensoviel Wasserstoff liefert. Das auf demselben Wege gewonnene Urancarbid CVjUra zeigt eine verwiekeltere Reaction; dieses sehr schön krystallisirte und in ganz kleinen Blättehen durchsichtige Carbid entwickelt bei der Zersetzung mit kaltem Wasser ein Gasgenienge, welches reichlich Methan, Wasserstoff und Aethylen enthält, liefert überdies aber auch noch, und dies ist das wunderbarste, flüssige und feste Kohlen- wasserstoffe in Menge. Zwei Drittlieile des Kohlenstoffes aus dem Carbid binden sich in dieser Gestalt. Auch die Carbide von Cerium und Lanthanium haben bei ihrer Zersetzung im Wasser, obwohl in geringerer Masse, flüssige und feste Kohlenstoffverbindungen geliefcrl. Die vorerwähnten, durch Wasser von gewöhnlicher Temperatur unter Entwickelung von Kohlenwasserstoffen zerlegbaren Carbide bilden zusannueu die erste Ord- nung von Verbindungen aus der Familie der Metall- carbide. Die zweite Ordnung derselben stellen diejenigen Carbide dar, welche sich mit Wasser von gewöhnlicher Temperatur nicht zersetzen; es sind das die Carbide von Molybdaen (CMog), von Wolfram (CW,) und von Chrom (CCr4 und CäCr^). Dieselben bilden keine Krystalle, sind undurchsichtig und besitzen Metallglanz und grosse Härte. Sie schmelzen nur bei sehr hoher Temperatur, doch ge- lang es, sie im elektrischen Ofen zu gewinnen. Auch die Metalloide haben mit Kohlenstoff, bei der Temperatur des elektrischen Ofens, genau bestimmte und krystallisirte Verbindungen geliefert. So das von Acheson entdeckte, unter dem Namen „Carborundum" gewerl)lich dargestellte Siliciumcarbid (oder Kohlenstoffsilicid) CSi, ferner das Titaniumcarbid CTi, welches genügende Härte für Diamantschnitt besitzt, dasjenige des Zirkoniums CZr und des Vanadiums CVa. Aus den zahlreichen, mit dem elektrischen Ofen aus- geführten Untersuchungen lässt sieh als allgemein giltige l'hatsache ableiten, dass die bei hoher Temperatur ent- standenen Verbindungen immer von sehr einfacher Zu- sammensetzungsformcl sind und sehr oft nur in einem einzigen Verknüpfungsverhältniss existiren. Für die wunderbarste, bei diesen Untersuchungen er- mittelte Reaction hält Moissan die leichte Erzeugung von gasförmigen, flüssigen oder festen Kohlenwasserstoffen durch Einwirkung von kaltem Wasser auf gewisse Metall- carbide und zwar erschien ihm dieses Ergebniss auch von geologischem Interesse. Die mehrorts angetroffenen und seit Jahrhunderten währenden Entwickelungen von mehr oder weniger reinem Methan (Grubengas) könnten ja ihre Entstehung der Einwirkung von Wasser auf Aluminiumcarbid verdanken. Eine Reaction gleicher Art vermag aber, nach Moissan, auch die Entstehung flüssiger Kohlenstoffverbindungen zu erklären. Für die Erdöle ist ja nun ausser der Theorie ihrer Entstehung durch Zer- setzung organischer, animalischer oder vegetabilischer Substanzen, sowie der von Humboldt 1804 aufgestellten Hypothese ihrer Bildung in P^lge von vulcanischeu Er- scheinungen, auch diejenige der rein chemischen anor- ganischen Reactionen zuerst von Berthelot und darnach von Mendelejeff entwickelt worden. Diese versucht nun Moissan zu kräftigen. Indem er von 4 kg Uraniumcarbid ausging, erhielt er bei einem einzigen Versuche mehr als 100 gr. flüssige Kohlenstoffverbindungeu; dieselben bestanden grossentheils aus Aethylen-Carljidcn, in geringerer Menge aus gesättigten und aus Acetylen-KohlcnstoflVerbindungen und entwickelten sich in Gegenwart von ziemlich viel Methan und Wasser- stoff bei gewöhnlichen Druck- und Temperaturverhältnissen; bei hoher Temperatur würden sich nach der Meinung Moissan's bei jener Zersetzung gesättigte Kohlenstoffver- bindungeu bilden, wie solche in den Erdölen enthalten sind. Berthelot hat die Behaui)tung vertreten, dass die directe Bindung des Wasserstoffs an eine ungesättigte KohlenstottVerbindung schon allein durch die Wärme be- wirkt werde. Die Existenz dieser neuen, durch Wasser zersetzbaren Metallcarbidc könne denn die bislang ge- gebenen theoretischen Ideen modifiziren, um die Entste- hung von Erdölen zu erklären. Doch solle man sich sehr vor übereilten Verallgemeinerungen hüten. Wahrscheinlich sind (nach Moissan) die Erdöle von sehr verschiedenartigem Ursprünge. So seien z. B. zu Autun die bituminösen Schiefer allem Anschein nach ans der Zersef/ung organischer Materie hervorgegangen. 410 Naturwisscuschaftliche Wochcnschrit't. XI. Nr. 34. Dagegen erfülle in der Limagne (Puy de Dome) der Asphalt alle Klüfte des aquitanischen Süsswasserkalkstcins, welcher sehr arm au Versteinerungen ist; dieser Asphalt steht in direeter Beziehung zu Gangmassen von Peperit (Basalttuff), und wie hierdurch bestimmt erwiesen sei, zu den vulcanisehen Ausbrüchen der Limagne. Eine jüngst daselbts bei Riom, bis zu 1200 m ausgeführte Tiefbohrung hat den Ausfluss von einigen Litern Erdöl herbeigeführt. Die Entstehung dieser flüssigen KohleustortVerbindung in diesem Gebiete würde der Einwirkung von Wasser auf Metallcarbide zugeschrieben werden können. Für das Calciumcarbid hat Moissan die Bedingungen seines Verbrennens und Verwandeis zu Kohlensäure nach- gewiesen; er hält es nun für wahrscheinlich, dass sich in den frühesten Perioden der Erdentwicklung fast der ge- sanimte Kohlenstoff in Gestalt von Metall- Carbideu be- funden habe. Sobald dann das Wasser in Wirksamkeit trat, lieferten die Metallcarbide Kohlenwasserstoffe und letztere wiederum, infolge von Oxydation, Kohlensäure. Ein Beispiel dieser Umsetzung könne man vielleicht in der Umgegend von Saint-Neetaire (ebenfalls in Puy de Dome) erblicken. Aus den Graniten daselbst, die das Tertiär- becken umranden, entweicht stetig und reichlich Kohlen- säuregas. Auch gewisse vulcanisehe Erscheinungen möchten auf die Einwirkung von Wasser auf leicht zersetzbare Metall- carbide zurückzuführen sein. Von allen Geologen würden als letzte Aeusserungcu eines vulcanisehen Herdes die „Emanationen" von sehr verschiedenem Kohleustoflgehalte, vom Asphalt und Erdölen bis zu dem Endgliede der Oxydation, der Kohlensäure, betrachtet. Eine Bodenbe- wegung, welche Wasser und Metallcarbide zusammen fuhrt, vermag eine gewaltsame Entwickeluug von Gasmasseu zu erzeugen. Sobald die Temperatur steigt, machen die Polymerisationserscheinungen der Kohlenstoflfverbindungen ihre Einwirkung geltend, um eine ganze Reihe complexer Producte zu liefern. Die Kohlenwasserstoffe können also zunächst entstehen, hierauf treten die Erscheinungen der Oxydation auf und machen die Reactionen verwickelter. An gewissen Orten vermag eine vulcanisehe Spalte wie ein gewaltiger Wetterschacht oder Luftkaniin zu wirken. Bekanntlich variirt die Natur des in den Fumaroleu ge- sammelten Gases je nachdem ob der vulkanische Apparat in den Ocean eingetaucht ist oder von atmosphärischer Luft umspült wird. Auf Santorin z. B. hat Fou(iuc freies Wasserstoflfgas in den unterseeischen vulcanisehen Mün- dungen gesammelt, während er in den von Luft erfüllten Klüften nur Wasserdampf antraf. Die Existenz von Mctallcarbiden, welche bei hohen Temperaturen so leicht darzustellen sind und die sich wahrscheinlich, nach der hohen Dichte des Erdkerns zu urtheilen, in den Tiefenmassen des Planeten vorfinden, würde also, wenn auch nur in einigen Fällen, die Ent- stehung von gasförmigen, flüssigen (nler festen Kohlen- wasserstoffen zu erklären gestatten und könnte ferner die Ursache gewisser vulcanischer Ausbrüche sein. 0. Lang. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eriiaiint wiirdeu: Der l'ri\ aUluci.'iit ilci- l'liysik in Berlin Dr. Willielni Wien zum aiisserortlcmtliclien Professor; (ier l*riviiUloe<'nt der Cheniii^ in Froiburg i. H. Dr. Albert Eilinger Zinn iinsserordentliehen Professor; die Privatdocenten der Augen- lieillvundo in Ijjisel Dr. II o seh und Dr. Meli in gor zu ausser- ordentlichen Professoren. Berufen wurden: Der ausserordentliche Professor der Botanik in Berlin Dr. A. Zimmermann an das botanische Institut zu Buitonzorg; der Privatdocent in der modicinischon Facultiit zu Greifswald Dr. Eugen Endorion als zweiter Arzt an die chirurgische Universitiits-Klinik zu Marburg; der Assistunzarzt am DiakonibSenhaubC in Posen Dr. Reicliard als Assistenzarzt an die chirurgische Abtheilung des Königin Augusta-Hospitals zu Berlin; der Privatdocent der Mineralogie und Assistent am mine- ralogischen Institut zu München Dr. Staudtnneier als Professor der Chemie, Geologie und Mineralogie ans Lyceum zu Freising; Ingenieur Frauke aus Hannover als Assistent ans elektro- chemische Laboratorium der technischen Hochschule zu Brauu- schweig. Es habilitirten sich: In der medicinischen Facultät zu Berlin Dr. Krause; in der medicinischen Facultät zu Strassburg Dr. Kau seh; in der medicinischen Facultät zu Halle Dr. O. Jensen aus München; in der medicinischen Facultät zu Würz- burg Dr. Post. In den Ruhestand treten: Der Director des allgemeinen Krankenhauses in Wien l^rof. Dr. Karl Böhm; der Professor der Pathologie Victor Harsley vom Uuiversity College in London; der Mathematiker Gymnasial - Oberlehrer Professor Dr. Hermes in Berlin. Es starben: Der durch seine Flugversuche bekannte Ingenieur Otto Lilienthal (verunglückt bei seinen Versuchen); der Pro- fessor der Mathematik und Physik an der technischen Hoch- schule zu Karlsruhe Dr. Ludwig Christian Wiener; der ordentliche Professor der Mathematik in München Geheimrath Dr. von Seidel; der Begründer der ,Pharmaceutisch6n Zeitung'' (jetzt in Berlin) Hermann Muellor in Bunzlau. L 1 1 1 e r a t u r. A. Charl. Leffler, Sonja Kovalevsky, was ich mit ihr zusammen erlebt habe und was sie mir über sich selbst mitgetheilt hat. Aus dem Schwedischen von Dr. Heinrich von Lenk. Philipp Reclam jun. Leipzig 1894. — Preis 0,40 M. Die „Universal-Bibliothek" des genannten Verlages, zu der d.as vorliegende billige Bändchen gehört, führt ihren Namen in der That mit Rocht. Der Verlag hat grosse Verdienste um die Verbreitung klassischer, wichtiger und interessanter Schriftwerke, und die Geschicklichkeit desselben in der Auswahl der Schriften für die Bibliothek verdient alles Lob. Ueber die Professorin der Mathematik, Sonja Kovalevsky, deren anziehende Persönlichkeit uns in der vorliegenden Schrift näher gerückt wird, haben wir bei Gelegenheit ihres Todes eine kurze Mittheilung in der „Naturw. Wochenschr." VI (1891), S. 133 gebracht. Lebensschicksale haben ein ganz allgemeines Interesse: Biographion hervorragender Persönlichkeiten werden stets gern gelesen, wenn sie mit Geist und aufrichtiger Vertiefung in die Persönlichkeit verfasst sind. Von einem bewegten Leben, das interessante Streiflichter auf die derzeitigen Kulturzustände wirft, wie das von Sonja Kovalevsky, die in Russland geboren, dann als verheirathete Frau nach Deutschland ging, um zu studieren und schliesslich als Professorin der Mathematik nach Stockholm kam, wird man ganz besonders gern Kenntniss nehmen. Prof. Dr. E. Mach, FopulSr-wissenschaftliche Vorlesungen. Mit 46 Abbildungen. Johann Ambrosius Barth. Leipzig 1896. Die vorliegenden geistreichen Vorträge des trefflichen Ge- lehrten gehören zu dem Gediegensten, was die Litteratur in dem Genre besitzt. Sie stehen auf derselben Stufe wie etwa Helm- holtz' Vorträge. Es sind meist rein wissenschaftliche Fragen, die näher gerückt werden sollen, wie die Themata über die Gestalten der Flüssigkeit, über die Cortiachen Fasern des ( )lnes, über die Symmetrie u. s. \v., aber in dem letzten (15.) Vortrag „über den relativen Bildungswerth der philologischen und der mathenuitisch- naturwissenschaftlichen Unterrichtsfächer der höheren Schulen" berührt Verf. ein eminent praktisch-wichtiges Thema, viel wich- tiger als es aus der Lässigkeit des grosseiVPublikums dem Gegen- stande gegenüber luschlossen werden könnte, das leider gar zu tliatenfaul das zukünftige Geschlecht in einer Bahn auf der Schule unterrichten lässt, das zu den heutigen Verhältnissen passt wie die I''aust auf's Auge. Aus dieser Vorlesung nur einige Sätze. M. sagt unter anderem: „Der Lateinunterricht wurde durch die römische Kirche mit dem christlichen (ilauben eingeführt. Mit der lateinischen Sprache zugleich wurden die spärlichen und dürftigen Ueberresto der an- tiken Wissenschaft überliefert. Wer sich diese Bildung — da- mals die einzige nennenswerthe — erwerben wollte, für den war die lateinische Siirache das einzige und notliwendige Mittel; er musste lateinisch lernen, um zu den Gebildeten zu zählen. Der grosse Einfluss der römischen Kirche hat mancherlei Wirkungen hervorgebracht. Zu ilen Jedermann willkouuuenen Wirkungen rechnen wir wohl ohne Widerspruch die Herstellung einer gewissen Uniformität unter den Völkern, eines internatio- nalen Verkehr-s durch die lateinische Sprache, den- das Zusammen- arbeiten der Völker an der gemeinsamen Culturaufgabe im 15. bis 18. Jahrhundert wesentlich gefördert hat. Lange war so die la- teinische Sprache dic> Gelehrtensprachc und der Lateinunterricht der Weg zur allgemeinen Bildung. XI. Nr. 34. Naturvvisseuschartliche Wocheusclirift. 411 Dass für (liejeiiif;uii, die ans dur lateiiüsehen Litteratur der vcrHu.ssenen Jahrluiiidi.'rte schöiifeu wollen, unsere ganze nacli höherer Bildung strebende Jugend in so unmässiger Weise Lateinisch und Griechisch treiben muss, dass deshalb die an- gehenden Mediciner und Naturforscher niangolliaft gebildet, ja verbirdot, an die Hochschule kommen müssen, dass sie nur von jener Schule kommen dürfen, welche ihnen nicht die nöthigc Vorbildung zu geben vermag, das sind doch etwas starke Folgerungen. Wer luir aus der griechischen und lateinischen Litteratur schöpft, wer nur diese Bildung kennt, hat kein Recht den Werth einer anderen abzusprechen. Als Forsehungsohjeet für Einzelne ist ja diese Litteratur äusserst wcrthvoll, ob aber als fast einziges Unterrichtsmittel für die Jugend, das ist eine andere Frage. Der Einfluss der Naturwissf^nschaft durchdringt alle unsere Verhältnisse, unser ganzes Leben, ihre Anschauungen werden also .auch überall maassgebend. Wie ganz andiMs wird auch der Jurist, der Staatsmann, der Natioualökonom urtheilen, welcher sich z. B. nur lebhaft gegenwärtig hält, dass eine Quadratmeile fruchtbarsten Landes mit der alljährlich verbrauchten Sonneu- wärnie nur eine ganz bestimmte begrenzte Monschenzahl zu er- nähren vermag, welche durch keine Kunst, keine Wissenschaft weiter gesteigert werden kann. Gar manche volkswirthschaftliche Theorie, die mit luftigen Begrifl'en neue Bahnen bricht, natürlich wieder nur in der Luft, wird ihm vor dieser Einsicht hinfällig. Jede Wissenschaft, so auch die Mathematik und die Natur- wissenschaften, leisten in Bezug auf Uebung des Urtheils das- selbe, wie die Beschäftigung mit den todteu Sjirachen, wo nicht mehr. Hierzu kommt noch, dass der Stoff dieser Wissenschaften für die Jugend ein viel höheres Interesse hat, wodurch die Aufmerksamkeit von selbst gefesselt wird, und dass dieselben noch in anderen Richtungen aufklärend und nützlich wirken, in welchen die Grammatik gar nichts leisten kann. Wem wäre es an sich nicht gänzlich gleichgiltig, ob man im Genitiv Pluralis „hominum'" oder „liominorum" sagt, so interessant dies auch für den Sprachforscher sein mag. Und wer widlte es bestreiten, dass das Causali tätsbed ür f niss durch die Naturwissenschaften und nicht durch die Grammatik geweckt wird'? Ohne eine wenigstens elementare mathematische und natur- wissenschaftliche Bildung bleibt der Mensch ein Fremdling in der W(!lt, in welcher er lebt, ein Fremdling in der Cultur der Zeit, die ihn trägt. Was ihm in der Natur oder in der Technik be- gegnet, spriclit ihn entweder gar nicht an, weil er kein Ohr und kein Auge dafür hat, oder es spricht zu ihm in einer unverständ- lichen Sprache. Das sachliche Verständniss der Welt und der Cultur ist aber nicht die einzige Wirkung des Studiums der Mathematik und der Wissenschaften. Viel wichtiger für die Vorbcreitungsschule ist die formale Bildung durch diese Fächer, die Kräftigung des Ver- standes und Urtheils, die Uebung der Anschauung. Die Mathe- matik, die Physik, die Chemie und die sogenannten beschrei- benden Naturwissenschaften vorhalten sich in dieser Kichtung ganz ähnlich." Dieso wenigen Proben aus der Vorlesung müssen hier genügen Wir können dem Pädagogen nur dringend rathen, die- selbe zu lesen. Dr. Eugen Hussak, Katechismus der Mineralogie. 5., ver- mulu'tc und verbesserte Auflage. Mit 154 Abbildungen. J. J. Weber in Leipzig. 1890. — Preis 2,50 M. Ursprünglich wurde das vorliegende brauchbare Wei'kchen von dem bekannten Mineralogen und Geologen Prof. 6. Leonhard herausgegeben, darüber ist leider nirgends in der Neu-Auflagc ein Vermerk zu finden. Es wäre der Ordnung halber und da doch solche Angaben für viele von Interesse sind, von Wichtigkeit, stets die früheren Autoren zu nennen. Die Geologische Wand im Humboldthain zu Berlin. Ein An- schauungsmittel zur Einführung in die Lehre von dem Bau und den Schätzen der Erdrinde in unserem Vaterlande. Im Auftrage der Städtischen Park- und Ciarten-Deputation erbaut und erläutert von Eduard Zache. Mit einer Tafel. 189G. Verlag von P. Stankiewicz' Buchdruckerei. Berlin SW. — Preis 1 M. Während von den drei beschreibenden Naturwissenschaften die Botanik und die Zoologie mit ihren Thatsachen und Pro- bhMuen überall in den Kreisen der gebildeten Laien die weiteste Beachtung gefunden haben, ist bislier die Geologie entschieden zurückgesetzt worden; und doch sind einige Kenntnisse aus dieser Wissenschaft nnumgänglich notliwendig, um z. B. geographische Studien mit Erfolg treiben zu können. Es kommt diese Er- scheinung, abgesehen davon, dass die Geologie als Wissenschaft viel jünger ist als jene, wohl daher, dass sich in der Nord- deutschen Tiefebene wenig Gelegenheit zum Geologisiren bietet, und dass es bisher an dem erforderlichen Anregungsmittel gefehlt hat. Diesem Uebelstande soll die Geologische ^Vand abhelfen. Dieselbe ist in den letzten Jahren aus städtischen Mitteln erbaut worden, vornehmlich unter der lobhaften Antheilnahnio dos Herrn Geheimen Regierungsrathes und Stadtrathes Friodel. Die Geologische Wand ist aus den wichtigsten Gesteinen Deutschlands aufgeführt worden, aber nicht in der Weise, wie die schematischen Zeichnungen älterer Elementarbücher der Geologie dies zeigen; sie bringt vielmehr wirkliche Profile einzelner Gegenden Deutschlands, und diese Profile sind in Feldern so aneinander gefügt worden, dass die Wand als Ganzes von der westlichen zur östlichen Ecke die Schichten der Erde von den ältesten bis zu den jüngsten umschliesst. Dabei ist auch hier nicht immer ganz schematisch verfahren worden, um wiederum der Wirklichkeit möglichst nahe zu kommen, denn es giebt keinen Punkt der Erde, an welchem sich alle Schichten beieinander finden. Uebi'rall treten Störungen und Unterbrechungen auf. Was nun die Broschüre betrifft, so bringt dieselbe in ebenso knapper wie klarer und in einer die Materie vollständig umfassenden Weise den Text zu jenen Bildern. In dem ersten Abschnitt werden zunächst die Baustoft'e der Erdrinde (Schicht- gesteine, Massengesteino, krystallinische Schiefer) nach ihrem Aussehen und ihrer Bildungsweise geschildert, alsdann wird das Gefügo der Erdrinde (Lagcruugsverhältnisse, Störungen u. s. w.) behandelt. Der zweite, umfangreichere Abschnitt giebt eine Ge- schichte der Erdrinde Deutschlands von den ältesten Zeiten bis an die Schwelle der Gegenwart. Bei dieser Besprechung der einzelnen erdgeschiehtlichen Abschnitte werden sowohl die Ge- steine als auch ihre Lagerungsverhältnisse, wie sie sich in den betreft'enden Strichen Deutschlands finden, charakterisirt. Wo nutzbare Bodenschätze (Kohlen, Erze, Salze) lagern, wird auch die Methode der Ausbeutung besprochen, auf ihre volkswirth- schaftliche Bedeutung hingewiesen und d.is nöthigo Zahlen- material nach den jüngsten amtlichen Publikationen gebracht. Auch kurze Charakteristiken der landschaftlichen Formen sind eingefügt. Somit ist der Text nach vielen Seiten hin anregend. Die Tafel, in welcher die Schichten und Felder mit Zahlen versehen sind, dient endlich dazu, die betrefi'enden Formationen in der Wand schnell auffinden zu lassen; sie ist so klar, dass man auch, ohne vor der Wand zu stehen, sich zu orientiren vormag. Allerdings wäre es wünsclienswerth, dass die Verlags- buchhandlung sich entschliessen möchte, eine farbige Ver- grössorung derselben als Wandtafel anfertigen zu lassen; in diesem Falle könnte sie den interessirten Kreisen ausserhalb Berlins noch nachhaltiger nützen. Ein ausführliches Register und eine besondere Erklärung der Tafel tragen nicht unerheblich dazu bei, das Büchlein zu em- pfehlen. In erster Linie wird die Geologische Wand den Berliner Schulen dienen sowohl zur Vertiefung des erdkundlichen Unter- richts als auch zur Veranschaulichung auf chemisch-naturwissen- schaftlichem Gebiete. Aber sie wird ferner in weiteren Kreisen das Verständniss für die Schönheiten, die Eigenheiten und die Schätze unseres Vaterlandes wecken und damit die Liebe zu demselben erhöhen. x. Ap&thy, Prof. Dr. Stef., Die Mikrotcchnik der thierischon Mor- ]jhologie. Braunschweig. — 7,G0 M. Autenrieth, 1. Assist. Wilh., Zur Kenntuiss der Isomerie- verhältnisse bei ungesättigten Säuren. Freiburg i. B. — 2 M. Dammer, Dr. O., Handbuch der chemischen Technologie. 3. Bd. Stuttgart. — 21 M. Dodel, Prof. Dr. A., Aus Leben und Wissenschaft. 1. Lfg. Stuttgart. — U,20 M. Futterer, K., Ueber einige Versteinerungen aus der Kreidefor- mation der karnischen Voralpeu. Jena. — 12 M. Nernst, Prof. Dr. Walth., Die Ziele der physikalischen Chemie. Göttingen. — 0,GU M. Rethwisch, Ernst, Die Bewegung im Weltraum. 2. Aufl. Berlin. — 4,5U M. Studer. Prof. Th., G. Amstein, A. Brot, DD., Fauna helvetica. G. Hft. Mollusken. Brrn. — O.CO M. Inhalt: A. Steusloff, Zur Entstehung unserer Solle. — Ueber SelbstverKiftungsprocosse im menschlichen Organismus. — Grundzügo der Oeffnungsmechanik von Blüthenstaub- und einigen Sporenl)ehäItern. — Untersuchungen über Blüthenwärme bei Cycadeen, Palmen und Araceen. — Die Härtescala mit absoluten Werthen. — Metallcarbide und Erdölbildung. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: A. Charl. Lefiler, Sonja Kovalovsky. — Prof. Dr. E. Mach, Populär-wissenschaftliche Vorlesungen. — Dr. Eugen Hussak, Katechismus der Mineralogie. — Die Geologische Wand im llurnboldthain zu Berlin. — Liste. 412 NaturwisseuscliaClliflie Woclieuscluii't. XI. Nr. 34. Beyer's neue Pflanzenpresse voi-f^l. „Naturwissonschaftliche Woclicn- schrift" 189(5 Nr. 18 S. 218) in 3 Grössen: 42 X 2S cm jV St. 4,50 M. 33 X cm 3,50 „ 23 X 15 cm „ 2,50 „ stets vorräthig bei Fritz Schindler, BERLIN SO., Köpenickerstr. 116. Fernsprecher Amt 7 Nr. 1055. Dr. F. Krantz, Klieiuiü^clie»^ Mineralien- Coiitor. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. Ge.c, sowie von uiathcmatischi'U Modellen aller Art. b) Dünnschliffen von Mineralien, Gesteinen und Petrufaeten zum mikroskopischen Studium, e) Gypsabgüssen berühmter Goldklumpen, Meteoriten, seltener Fossilien und Reliefkarten mit gcognostischcr Coloriruug. d) Geotektonischen Modellen nach Prof. Dr. Kalkowsky. gV Ausführliche Kataloge stehen iiortot'rei zur Verfügung. Pbotographische Apparate und Bedarfsartikel. 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Abonnement: Man abonnirt bei allen BuchhandlunKen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Ji 4.— BrinBeKeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4827. Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 .A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureanx wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit Tollständiger l^nellenangabe gestattet. Friedrich August Kekule. Am 13. Juli dieses Jahres schloss Angust Keiiuie die Augen, der Letzten Einer von den führenden Geistern, welche in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts die glänzende Eutwickelung der organischen Chemie herbei- führten, ihr die Bahnen wiesen und dadurch weit über den Kreis der Fachgelehrten hinaus Bedeutung gewannen. Doch gehört gerade er nicht zu den Männern, deren Namen in weiteren Kreisen bekannt und populär geworden ist; denn seine Bedeutung lag nicht auf unmittelbar prak- tischem Gebiet, keine der glänzenden technischen Ent- deckungen ist direet mit seinem Namen verknüpft. Sein Hauptverdienst liegt auf dem Gebiete theoretischer Specu- lationcn, und von diesen kennt man ausserhalb der Fach- genossen kaum mehr als das allerdings universell ver- breitete Sechseck, das er als Schema des Benzols ein- führte. Es wird daher unsere Aufgabe sein, seine Thätig- keit auf diesem Gebiete etwas eingehender darzulegen. Waren doch seine Theorien so fruchtbringend wie kaum irgend eine zuvor! Sie gaben Anregung und Anleitung zu einer fast unendlichen Zahl experimenteller Forschungen, sie haben die gleichcnlose Entwiekelung der organischen Chemie und der damit in engstem Zusammenhange stehen- den Chemie der TlieerfarbstoflFe erst ermöglicht; so haben denn mit vollem Recht die Vertreter der deutschen che- mischen Industrie dem Bilde des Verewigten, von Angeli's Meisterhand gemalt, neben dem A. W. von Hofmann's einen Platz in der Nationalgallerie gegeben Geboren am 7 Kekule während der Gymnasialzeit besondere Voran lagung für Mathematik und Zeichnen und sollte dcslialb auf Wunsch seiner Eltern sich zum Architekten ausbilden. Der Einfluss Liebig's bestimmte ihn wie manchen Anderen „umzusatteln" und zum Studium der Chemie überzugehen. Doch findet sich gerade in seinen bedeutendsten Leistungen Manches, was au die ursprüngliche Bestimmung bezw. die September 1829 zu Darmstadt, zeigte hierfür maassgebende besondere Begabung erinnert. Er ist gewissermaassen der Baumeister unter den Chemikern geworden, und tretfend hat Ad. von P>aeyer, sein ältester und hervorragendster Schüler, das 25jährige Jubiläum der Benzoltheorie als das „Richtfest der Structurtheorie" bezeichnet. Sein Studiengang führte Kekule nach Paris und London, was zweifellos von grosser Bedeutung für seine künftige Entwiekelung war. Denn in Paris waren seine Lehrer Dumas, Wurtz und Gerhardt, die Hauptvertreter der Typentheorie, in London aber Williamson, der die philosophische Richtung in der Chemie vertrat. 1856 in Heidelberg habilitirt, wurde er 1858 als Professor nach Gent und" 1865 als Hofmann's Nachfolger nach Bonn be- rufen, wo er bis zu seinem Tode tliätig war. Von einer Idee Williamson's ging Kekule's erste be- deutende wissenschaftliehe That aus. Jener hatte die Ansicht ausgesprochen, dass einige chemische Verbindungen von vervielfachten oder condcnsirten Typen abzuleiten seien. Kekule erkannte die Fruchtbarkeit dieses Ge- dankens, da dcrsell)e die Sonderstellung der „gepaarten Verbindungen" in seinem seit 1859 sogenannten beseitigte. Er hat, besonders erscheinenden „Lehrbuch der orga- nischen Chemie" diese möglichte einheitliche biudungen consequent er die Typeutheoric führung eines neuen, grundleaenden Typus. H II Auffassung Darstellung durchgeführt und der die dadurch er- organischen Ver- gleich erweiterte aufs Fruchtbarste durch Ein- fnr die Kohlenstoffverbindungen Dies war der Typus Methan CH, C en er merkwürdiger Weise zunächst C^Hi schrieb unter Benutzung der alten, von ihm selbst bereits früher für unrichtig gehaltenen Atomgewichte 0 = 8, C := 6. 414 Ncaturwissenseli.it'tliche Wochenschrift. XI. Nr. 35. Die Vertiefung der Typentheorie durch Frankland und Kolhe, die dadurch herbeigeführte Verschmelzuni: mit der Radicaltheorie kamen Kekule sehr zu statten. Denn naturgemäss gaben sie seinem neuen Typus erliüiite Be- deutung. Die Anschauungen Frankland 's über die Valenz der Elemente führten Kekule auch l)ei seinem nächsten Schritte. Er stellte die Vierwertbigkeit des Kohlenstoffs fest (1858), eine der wesentlichsten Grund- lagen, auf denen die organische Chemie sich aufbaut. Nachdem aber dieser Schritt gethan war, ging K. weiter. Er erforschte die Bindungsverhältnisse der or- ganischen Körper und, indem er ihre Gesetze auffand, wurde er der eigentliche Begründer der Structurtheorie. „Für Substanzen, die mehrere Kohlenstoff- Atome ent- halten, muss man annehmen, dass ein Theil der Atome wenig.stcns durch die Affinität des Kohlenstoffes gehalten werde, und dass die Kohlenstoß'atome selbst sich an- einander anlagern, wobei natürlich ein Theil der Affinität des anderen gebunden wird." An diesen Grundsatz der Atomverkettungstheorie scbliesst K. die Auseinandersetzung, wie im einfachsten Falle je eine Verwandtschaft des einen Atoms mit einer des anderen verbunden wird, so dass die Reihe der gesättigten Verbindungen, d H2n + « ent- steht; es könne aber auch „eine dichtere Aneinander- lagerung der Kohlenstoftatome", z. B. im Benzol und Naphtalin, angenommen werden. Die nächst einfachste Aneinanderlagerung sei bei einem Austausch von je zwei Verwaudtschaftseinheiten. Kurz, die ganze Verkettungs- theorie, die in der aliphatischen Reihe Verbindungen mit 120 Kohleustoffatomen aufbauen Hess und überall Be- stätigung fand, ist in jener Abhandlung enthalten. Die „dichtere Bindung" der Kohlenstoffatome zu er- klären, blieb für Kekule eine Hauptaufgabe, die durch eine im Jahre 1865 veröffentlichte Abhandlung ihre glänzende Lösung fand. In einem halb traumhaften Zu- stande, wie schon früher vor Aufstellung der Verkettungs- theorie, so erzählt K., sei ihm das Bild der tanzenden Atome erschienen und unter den Figuren, die sie bildeten, sei plötzlich eine Schlange aufgetaucht, die sich in den Schwanz biss und nun höhnisch vor seinen Augen herum- wirbelte. So erschloss sich ihm das Bild für die Configuration des Benzols, jeuer Complex aus sechs mit einander ver- bundenen Kohlenstoffatomen, von denen das letzte mit dem ersten wieder in Verbindung steht. Kekule nahm an, dass zwischen diesen Atomen, die ja ausserdem nur noch mit je einem Wasserstoffatom in Ver])indung stehen, aiiwcchsclnd einfache und doppelte Bindung stattfinde. Sein Schema, das fast allgemein gel)raucht wird, ohne dass man doch den Glauben an seine absolute Richtigkeit ausdrücken will, ist H C HC ■^ CH HC CH \'' H bekanntlich hat Iiajecte haben. Es ist natürlich in erster Linie darauf zu achten, falls von ein und derselben Art viel vorliegt und nicht Alles mitgenommen werden kann, Stücke zu sammeln, die möglichst viel bieten, die so viele Theile als möglich in organischem Zusammenhang zeigen; das werden meist die grösseren und grossen Exemplare sein, auf die man also zunächst sein Augenmerk zu richten hat. Nach Fortpflanzungsorganen au den Resten, wie Sori und Sporangien auf Farnwedel u. s. w. muss stets gesucht werden. Es ist zweckmässig, Druck und Gegendruck eines Fossils mitzunehmen. Bei Steinkerneu ist auf pein- liche Erhaltung einer eventuellen Kohlenrindc zu achten, da die Ausscnfläche derselben der Sculptur der Ausscn- fläche des Organes entspricht, die z. B. bei Lepidodendren und Sigillarien die Bestimmung allein ermöglicht. Niemals dürfen die aufgesammelten Stücke ohne Weiteres über- und aufeinander gelegt werden, da sie sich gegenseitig leicht lädiren, die feineren Sculpturen leiden; vielmehr müssen sie sofort in Papier gepackt werden. Ist ein Exemplar in mehrere Stücke zerfallen, so ist also jedes einzelne Bruchstück für sich einzu- wickeln, aber die zusammengehörigen Stücke zu einem einheitlichen Packet zu gestalten. Zum Transport nach dem definitiven Packort dienen am besten grosse Netze aus starker Schnur von der Form der früheren Taschen-Börsen ; ein solches Netz lässt sich bequem über der Schulter tragen, nimmt eine ganz gehörige Partie von Material auf, ohne doch vorher, wie z. B. eine Tasche, unnöthig durch Raum-Wegnahme zu Ijelästigen. Ein Rucksack ist ebenfalls sehr bequem, jedoch sollte man daneben immer noch zwei Sammcinetze mitnehmen. Die Verpackung zur Versendung hat am besten so zu erfolgen, dass um die eingewickelten Stücke eine — je nach der Grösse oder mehr oder minder leichteren Zer- brechlichkeit derselben — auch mehr oder minder dicke Umhüllung eines weichen, einen elastischen Mantel bil- denden Packmaterials, wie Watte, Putzwolle, Säges|)ähne u. dergl. zu geben ist; das Ganze ist dann nochmals mit Umschnürung in einen Papier-Umschlag zu thun. Die so behandelten Stücke können dann ohne Weiteres in Kisten gethan werden, wobei natürlich etwaige Lücken 416 Naturwissenschaltlicbe Wocheuschrift. XI. Nr. 35. beliebig auszufüileu sind. Die Kisten sind nicht zu gross zu wäblen. Ein Formatisiren der Stücke in dem Sinne, wie es die Petrographen mit ihren Objecten vornehmen, denen sie allen die gleiche Form und Grösse geben können, ohne sie zu eutwerthen, ist natürlich bei der Mannigfaltigkeit von Gestalt und Grösse der Fossilien ausgeschlossen; jedoch können die die Fossilien tragenden Gesteinsstücke durch Wegnahme belangsloser Theile und störender Vorsprünge am Rande mittelst einer scharfen, am besten mit Fede- rung versehenen Stahlzange bequem verkleinert werden. Der Versuch, grosse Theile mit einem Male in dieser Weise wegzunehmen, ist — abgesehen von dem grösseren Kraftaufwande, der dazu erforderlich ist — niisslich, weil dann das Stück oft durch den organischen Rest resp. Abdruck durchspringt; es dürfen also nur ganz kleine Brocken nacheinander entfernt werden. Bei einiger Uebung in der Führung des Hammers, der stets mit der Vorderkante der Bahn auffallen muss, lässt sich mit diesem das Formatisiren gröberer Stücke vornehmen. Die Schläge müssen kurz und kräftig sein und auch hier sind nur kleine Partien nach und nach zu entfernen. Solleu übermässig dicke Stücke dünner gestaltet werden, so ist mit dem Flachmeissel zu arbeiten, dessen Schneide natür- lich in Richtung der Schichtungsflächcn einzusetzen ist. Das Formatisiren von ungeschichteteu Gesteinen wie Thoneisensteinknollen ist sehr schwierig und nach Mög- lichkeit zu vermeiden, da sie in unberechenbaren Rich- tungen zerspringen. Namentlich beim Zersclilagen des Gesteins spaltet es nicht immer genau und überall in der SchichtuugsÜäche, sodass oft Theile z. B. eines Blattes bedeckt bleiben; diese entfernt man durch vorsichtige Wegmeisselung, wobei besonders der Spitzmeissel gute Dienste leistet. Das Stück wird dabei auf ein Sandkissen gelegt. Ueber das Rcpariren zerbrochener Fossilien wurde bereits in der „Naturw. Wochenschr." Bd. XI (1896), No. 3, S. 31 eine Anweisung gegeben. Man rührt zu gleichen Theilen Wismuth-Nitrat, Stärke, Zucker und ge- nügend Wasser zu einem flüssigen Kleister zusammen. Mit einem Pinsel trägt man diese Mischung auf die beiden Theile der gebrochenen Flächen auf und fügt beide Stücke gleich wieder zusammen. Das Klebemittel fasst sofort. Wenn das Fossil gefärbt ist, kann man ein wenig von dem Gestein, aus welchem das zu klebende Stück besteht, abkratzen und mit dem Klcbestoff" mischen. Auf diese Weise erhält die reparirte Stelle dieselbe Farl)e, wie die sie umgebenden Theile. Lässt man den Klebestoff 14 Tage gähren, so nimmt die Klebekraft zu. Vorzüglich ist auch Fischleini („Syndetikon"), den ich selbst zu verwenden pflege; auch hier ist eine Mischung mit einem feinen Pulver, z. B. mit Bleiweiss, oft von Vortheil. Hat man mehrere Bruchstücke zusammenzusetzen, so nniss das an aufeinanderfolgenden Tagen geschehen: an jedem Tage ein Stück, nachdem das vorherige bereits vollkonmien befestigt ist. Es ist dabei aufmerksam darauf zu achten, dass auch nicht eine Spur des Klebe- materiales auf eine Fläche geräth, die noch mit einem der Bruchstücke zu verbinden ist, weil nach dem Ein- trocknen desselben dieses Bruckstück niciit mehr genau der Fläche anpasst und dadurch eine wesentliche Herab- minderung der Festigkeit im Gefolge hat. Nicht alle Fossilien sind an der Luft beständig; ent- halten sie z. B. neben der organischen Substanz Schwefel- kies oder eiu Mineral, das sich durch Einwirkung der Luft verändert, so kann das Fossil gänzlich der Ver- nichtung anlieimfallen, verwittern. In solclien, glücklicher- weise nur seltenen Fällen muss die Luft etwa dadnrcii, dass das Fossil in Petroleum oder sunst eine passende Flüssigkeit aufbewahrt wird, abgesperrt werden; man kann das Stück auch mit einer erhärtenden Flüssigkeit (Schcllacklösung u. dcrgl.) überziehen. Lockere, leicht bröckelige oder durch blosses An- fassen zerreibliche Gesteine mit Abdrücken oder Resten müssen mit einer Flüssigkeit, welche die physikalischen Bestandtheile des Gesteins zusammenkittet, getränkt wer- den. Je nach Umständen wird man hierzu Wasserglas, Schellacklösung, dünnen Fischleim u. dergl. verwenden. Grubenfeuchte Subfossilien, z. B. Coniferen-Zapfen, Früchte, Hölzer aus der Braunkohle, zerfallen und zer- reissen in lufttrockenem Zustande sehr leicht. Man er- reicht viel, wenn man solche Objecte ganz laugsam trocknen lässt, etwa erst auf längere Zeit im Keller auf- bewahrt. Interessant ist, dass reife, aber noch ge- schlossene sul)fossile Zapfen aus der Braunkohle und dem Torf bei guter Erhaltung nach dem Austrocknen noch regelrecht aufspringen. Haben die Pflanzenreste, wie z. B. in Kalk-Tuffen, durch gänzlichen Schwund der organischeu Bestandtheile nur Hohlräume hinterlassen, so kann man die Form der- selben wiedergewinnen, indem mau den Tuft" unter der Luftpumpe oder durch Anwendung von Druck mit flüssi- gem Wachs oder einer Wachs-Steariu-Mischung oder Gyps u. s. w. imprägnirt und das Gesteins-Material nachher mit Salzsäure löst. In dieser Weise kann man schöue Modelle von Objecten wie Früchte, Samen und sogar Blüthen erhalten. Laubblattabdrücke sind in Tuffen meist gut erhalten und bedürfen zu ihrer genügenden Eruirung der erwähnten Behandlung nicht. Auch durch blosses Ein- tauchen in die Flüssigkeit wird man Erfolge habeu, nament- lich wenn mau die Imprägniruugsmasse während des Ein- dringens derselben warm hält; das muss geschehen, so lange Luftblasen und Wasserdampf dem Gesteinsstück entsteigen. Im Pariser Musee d'histoire naturelle befinden sich schöne nach dieser Methode hergestellte Objecte. Die künstliche Nachbildung von Resten oder Abdrücken, die sich iu fremdem Besitz befinden, lässt sich dann, wenn es sich um Reliefs handelt, oft leicht bewerkstelligen. In der „Naturw. Wochenschr." Bd. IV (1889) No. 18, S. 141, habe ich bereits eine bequeme Methode ange- geben, die hier im Zusammenhang noch einmal erwähnt werden muss. Mau hat sonst künstliche Abdrücke von Pflanzen-Petrefacten, die Relief zeigten, in der ver- schiedensten Weise hergestellt: durch Aufdrücken von nassem Fliesspapier auf das Petrefact, welches nach dem Trocknen das Relief behält, durch directes Aufgiesscn von über Feuer flüssig gemachtem Wachs oder Schwefel nach vorheriger Benetzuug des Stückes, durch Aufdrücken von Zahnpasta, Guttapercha, durch Uebergiesscn mit Gyps. Alle diese Methoden haben — abgesehen davon, dass sie nicht getreu das Objeet wiedergeben, da sie das er- haben zeigen, was auf dem Petrefact vertieft ist und umgekehrt, was unter Umständen freilieh gerade von Vortheil sein kann — Mängel, die zuweilen, wie die Be- netzuug des Petrefaetes, dieselben ausschliessen. Die von mir mit bestem Erfolge angewendete, sehr einfache, neue Methode beseitigt die Mängel und liefert ganz aus- gezeichnete Resultate. Das Verfahren ist das folgende. Eine auf die abzudrückende Fläche des Gesteiusstiiekes gelegte Zinnfolie (Stanniol) wird mit einer Nagelbürste dem Relief angebürstet, bis dasselbe in all seinen Einzel- heiten auf der Zinnfolie erscheint. Ist das Relief verhält- nissmässig hoch, so entstehen leicht kleine, kaum sicht- bare Risse in der Zinnfolie und man thut dann gut, noch eine Zinnfolie der ersten aufzubürsten und wenn nöthig auch noch eine dritte. Das Gesteinsstück wird dann ent- fernt und auf die Fläche der ersten Folie, welche das Negativ des Petrefaetes zeigt, am besten über Feuer XI. Nr. 35. Naturwissenschaftliche Wochenschrilt. 417 flüssig g-emachtes, feinstes Modellirwachs, wie es die Gold- arbciter verwenden, sonst auch geschmolzener Schwefel gegossen. Nach dem Erkalten lässt sich die Folie leicht von dem Wachsabguss abziehen. Ein Ueberstreichen des- selben mit feinem Graphitpulver bewirkt oftmals ein schärferes Hervortreten der Einzelheiten und verleiht dem Wachsabdruck das Aussehen von Thonschiefer der Stein- kohlcnforniation, welchem Gestein ja die meisten Pflanzeu- fossilien entstannnen. Man erhält so Modelle, die durch- aus dem Original entsprechen. Will mau ein Negativ des Petrefactres haben, wie das oft bei Lepido])hyten, Sigillarien und Lepidodendren z. B., wichtig ist, die oft nur als Ilohldruck der ursprünglichen Stannuoberfläche er- halten sind, also nicht das Positiv der letzteren bieten, so ist die directe Benutzung von Modellirwachs oder Schwefel am empfehlensten, um so das iu Rede stehende Positiv zu erhalten. Bei dieser Gelegenheit sei mit Nach- druck darauf aufmerksam gemacht, dass es sehr misslich ist, wie man das leider meist findet, stets und unter allen Umständen vom Original für Veröffentlichungen zeichnen zu lassen, sondern dass es dringend anzurathen ist, in den Fällen, wo Hohldrücke vorliegen (wie also l)ei den Lepido- ])liyten z. B. sehr oft) sich eine Positiv-Skuljjtur der Stamm- Oberfläche durch Herstellung eines Modelies zu verschaffen und diese zu veröffentlichen. Ein Vergleich verschiedener Arten ist nur dann sicher möglicli und Iirtliümer werden leichter vermieden, wenn alle abgebildeten Objecte gleich- sinnige Skulpturen besitzen, wenn diese alle Positiv-Ober- flächen der ursprünglichen Pflanzen entsprechen. Eine Ab- bildung soll doch eine Anschauung von dem wirklichen Aus- sehen der Pflanze geben: wie zufällig das Petrefact aus- gefallen ist, ob dies ein Hohldruck ist oder nicht, das ist eine ganz untergeordnete Sache. Bei der Leiclitigkeit, mit der die eigentlich so selbstverständliche erwähnte Forderung befriedigt werden kann, sollte sie allgemein Eingang finden. Jedem Object für die Sammlung ist ein Etiquett mit genauer und gewissenhafter, (z. B. auch Angabe, ob auf der Halde gesammelt) Bezeichnung der Herkunft anzu- kleben, mindestens aber mit einer deutlichen Bezeich- nung zu versehen, die auf dem beiliegenden Etiquett, um Verwechselungen von Stücken und Etiquetten zu ver- meiden, zu wiederholen ist. Da angeklebte Papier- Etiquetten oft zuweilen so stark angegriffen werden, dass sie schliesslich zerfallen oder doch unleserlich werden, ist es am Geratheusteu, die Stücke mit einer deutlichen guten Farbe zu bezeichnen, etwa mit Mennige. Nach dem Trocknen derselben ist eine solche Schrift mit Schel- lack-Lösung zu überstreichen. Bei Besuch mehrerer Fund- punkte auf ein und derselben Exeursion sind die ein- zelneu Stücke sofort, jeder Fundjjunkt mit einem be- sonderen Zeichen zu versehen; hierzu sind Zahlen, die sich vermittelst eines Spitzmeissels oder sonst eines harten Objectes (wie eines Champagner-Brechers am Taschen- messer) leicht einritzen lassen, am geeignetsten. Sie geben dann die Reihenfolge der besuchten Punkte an, die in den nächsten Tagen nicht so leicht vergessen wird. Bei gi-össeren Reisen wird man nothwendig die Zahlen inj Tagebuch mit Angabe des Fundpunktes wiederholen müssen. Stücke ohne oder mit ungenauer Fundortsan- gabe sind natürlich für den Geologen Im ersten Falle ganz, im anderen fast werthlos. Die echten Versteinerungen bedürfen natürlich einer besonderen Präparirung vor der Untersuchung. Eine vorläufige (Jrientirung ist meist nach blossem Anschleifen nach p(dirtcr Sehlilfflächc mit der Lu|)e möglich. Schliffe werden am ))esten mit der Diamantkreissäge geschnitten, dann mit Canadabalsam auf ein Gasplättchen, einen Ob- jectträger, aufgekittet und beiderseits nach Erforderniss dünn geschliffen und polirt. Ucber die Herstellung mikro- skopischer Dünnschlitfe von solchen Objeeteu, die zu weich oder zu bröcklich sind, als dass sie oinie Weiteres angeschliffen werden könnten, hat Herr Triebel in der „Naturw. Wochenschr." IV (1889) No. 31, S. 245 be- richtet. Er schreibt über seine Erfahrungen: „Eine grosse Zahl braunkohlenartiger Hölzer, die nicht benetzt werden konnten, (jhue zu (luellen und zu zerfallen, und andererseits zu brüchig waren, um eine mechanische Bearbeitung zuzulassen, habe ich auf nach- stehende Weise mit bestem Erfolg präparirt. Von dem Holz wird mit der Laubsäge ein für die gewünschten .Schliffe ausreichendes Stück abgetrennt. Zumeist wird man von einem Stück Schliffe nach allen 3 Richtungen macheu wollen und die Grösse des Stückes darnach be- messen. Wenn das Holz vollkommen trocken ist, wird es iu Terpentinöl getaucht und einige Minuten darin be- lassen, damit es völlig durchtränkt werde. Sehr bröck- liche Stücke thut man gut, zuvor mit feinem Draht zu umwickeln, um den Zerfall zu verhindern. Darnach faucht man das Holzstück in eine heisse Mischung von Ter- pentinöl und Danmiaraharz. Man wählt möglichst reine Stücke von Dammarabarz, und übergiesst dieselben mit soviel Terpentinöl, als etwa hinreicht, um das gepulverte Dammaraharz völlig zu durchtränken. Durch gelindes Erwärmen erreicht man bei einigem Rühren mit einem Glasstab die völlige Auflösung des Harzes. Man nimmt mit dem Glasstab einen Tropfen heraus, den man auf eine Metallfläche fallen lässt. Nachdem dieser Tropfen sich völlig abgekühlt, was immerhin einige Minuten dauert, prüft man seine Härte mit dem Fingernagel. Er darf nicht so spröde sein, wie Colophonium, sondern muss eben noch einen schwachen Eindruck des Nagels annehmen, oder bei verstärktem Druck gespalten werden. Ist er spröder, so setzt man zu der Mischung noch etwas Terpentinöl, im entgegengesetzten Fall etwas Harz und nimmt die Probe aufs Neue vor. Hat die Terpentin- Dammaraharzmischung die gewünschte Consistenz, so bringt man in das geschmolzene Gemisch das mit Ter- pentinöl durchtränkte Holzstück und belässt es ganz unter- getaucht so lange darin, bis die lebhafte Gasentwickelung nachgelassen hat. Eine Viertelstunde wird allemal aus- reichen, und das Holz dann iu allen seinen Hohlräumen sowie auch in seinen etwaigen Lücken ganz mit Dammara- harz erfüllt sein. Man lässt das Gefäss mit der Mischung erkalten und nimmt das Stück Holz heraus, wenn das Harz soweit erstarrt ist, dass es auch aus grösseren Lücken des Holzes nicht mehr austiiesst. Nach dem völligen Erkalten kratzt man die überflussigen Harz- mengen ab und schleift die gewünschte Fläche an. Ich habe mich hierzu stets einer nicht zu feinen Schicht- feile bedient, auf der trocken hin- und hergeführt das Stück rasch eine Schliff'fläche erhielt, die auf einem voll- kommen ebenen Schieferwetzstein mit Wasser polirt wurde. Ist das Dammaraharzgemisch zu weich, d. h. zu terpen- tinreich gewesen, so verschmiert es die Feile, war es zu spröde, so hat das Stück nicht die Festigkeit, die es bei richtiger Behandlung haben konnte; immerhin ist etwas Sprödigkeit des Harzes weniger unangenehm als zu grosse Weichheit. Das Stück wurde dann mit der polirten Fläche mittelst Ganadabalsam unter 'ganz gelindem Druck auf den Objectträger gekittet, alsdaun mit der Laubsäge ein Schnitt parallel dem Objectträger in 1—2 mm Eutfernuug von demselben geführt und die so abgetrennte auf dem Objectträger sitzende Platte in der vorherigen Weise mit der Feile und dem Wetzstein abgeschliffen und geebnet. Eine einigerniaassen geschickte Haudfüin-ung vermeidet vollkommen das Mitanschleifen des Objectträgers und macht eine Ucbertragung überflüssig, welche zudem fast allemal das Präparat zerstören würde." 41« Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 35 Wie das „Archiv for Pharnuici oy' Chemi" 1896, 13 niittheilt, nimmt die Production vou Lebertliraii in Norwci^cn ständig ab. Im Jahre 1890 betrug dieselbe 80 OUO^ Tonnen, 1891 . . . 55 000 Tonnen 1892 ... Gl 000 „ 1893 . . . 67 000 1894 ... 40000 „ 1895 . . . 18 000 „ Der Dorschfang im Jahre 1895 erfolgte unter sehr ungünstigen Witterungsverhältnissen; es gab nur sehr wenig Fische und diese waren zudem noch recht klein. Auch waren die Lebern mager; anfänglich ergaben 650 bis 700 Lebern 1 hl Thran, nach dem Monat März stellten sieh die Verhältnisse noch ungünstiger, indem zu demselben Quantum Thran 1000 Lebern erforderlich waren, während in den Noriiialjahren 1888 — 1893 300 bis 350 Lebern dazu genügten. Im Jahre 1896 waren bis zum 10. März 6 Millionen Fische gefangen, die 1800 hl Dampfthran ergal)en, während in der gleichen Zeit des Jahres 1895 14 Millionen Fische gefangen waren, aus denen 5200 hl Dampfthran gew(mnen wurde. Ende Februar betrag der Preis 180 Kronen, Anfang März jedoch schon 200 Kronen. G. A. Die entkalkende Wirknng des Qnecksilbers auf die Knochen. — Seit langer Zeit Itereits besteht die Ansiciit, dass das Quecksill)er einen zerstörenden Einfluss auf die Knochen ausübt, eine Meinung, die ihre Unter- stützung fand in den äusserst schweren Folgen, welche früher durch übermässigen Quecksilbergebrauch bei syphilitischen Erkrankungen zu Tage traten. Allein es mangelte an unleugbaren experimentellen Beweisen und häufig aucii konnte man geneigt sein, die im Organismus erzeugten Zerstörungen eher dem syphilitischen Process selbst als der Wirkung des Quecksilbers zuzuschreiben. Bereits zahlreiche Autoren hatten darauf hingewiesen, dass man bei (Quecksilbervergiftung eine kalkige Infiltra- tion der Nieren findet; Prcvost wies ferner nach auf (irund gewissenhafter Versuche,, dass sich bei den mit Quecksilber l)ehandelten Thieren neben der Ablagerung von Kalk in den Nieren eine Entkalkung der Knochen zeigte, indem der in ihnen enthaltene Proceutsatz von Kalksalzen abnahm. Während Prevost sich mit der Feststellung dieser Thatsache begnügte, stellte Virchow einige Jahre später auf Grund anatomisch-pathologischer Vergleiche die Hyjjothcse auf, dass durch die AVirkung des (iueeksilbers die Lebensfähigkeit des Knochens der- artig beeinträchtigt wird, dass er den Kalk nicht mehr zu behalten vermag, ein Vorgang, den er mit demjenigen vergleicht, der bei ausgedehnten Sarkomen und Carcinomen der Knociieu beobachtet wird. Demnach ist anzuncluncn, dass das Quecksilber in der Weise auf den Stotfwechsel der Knochen wirkt, dass der Kalk löslich wird und sich in den Nieren ablagert. Um nun zu untersuchen, ob Hg diese Entkalkung auf rein chemischem Wege zu Stande bringen kann, hat Dr. Sabbatani drei Reihen von Versuchen angestellt, deren Ergebnisse er in den „Annali dl Chimica e Farmaco- logia", vol. XXIII, p. 49, niedergelegt hat. In der ersten Reihe von Versuchen gelang es ihm, festzustellen, dass, wenn man kleine Stückchen getrock- neter Knochen in Lösungen verschiedener Quecksilber- präparate einige Zeit liegen Hess, eine Verminderung der procentuellcu Menge der von ihnen gelieferten Asche ein trat; im Allgemeinen zeigt sich, dass der Verlust von Salzeu zunimmt proportional iler Menge Quecksilber, welche mit dem Knochen in Berührung kommt. Durch die zweite Reihe sollte untersucht werden, welche mine- ralischen Basen der Knochen t)ei der Berührung mit Quecksilber löslich werden, und man fand als solche aus- schliesslich den Kalk. Die dritte Versuchsreihe endlich sollte erweisen, welche Kalksalze der Knochen bei Be- rührung mit Quecksilberchlorür eine Reaction zeigen und wie beschafl'en diese in den verschiedenen Fällen ist. Es wurde beobachtet, dass Sublimat reagirt und Kalk löslich macht, wenn es in Berührung gebracht wird mit tertiärem Caleiumphosphat, Apatit und Calciumcarbonat, dagegen seine lösende Wirkung nicht ausübt bei Fluor- verbindungen. Das Quecksilberchlorür besitzt grosse Neigung zur Bildung von Doppelsalzeu, welche noch be- ständiger sind als das einfache Bichlorür, und diese Nei- gung scheint in besonderem Maasse bei den Calciumsalzen vorhanden zu sein. Dementsprechend konnte man beob- achten, dass in den genannten Salzen der Kalk löslich wird durch die Wirkung des Quecksilbers; er tritt in Gestalt von Calciumciuecksilberchlorid auf. Die Reaction, welche mit dem Tricalcium])hiisphat stattfindet, lässt sich durch folgende Gleichung ausdrücken: 54IigCI„ + 6 H.,0 -+- 3 Gag (PO,)., = 2 (3HgO • 9 HgCl.,) -h -h 3Ca (H^POJa + 6 (5HgCl2 • CaClo); die mit dem Calciumcarbonat stattfindende durch: 30HgCl., -+- leCaCOs -H 8H,0 = SHiiO • 6IIgCI., -+- -t- 8(2HgC1.3 • CaClo) -4- 8 Ca (HCO3),. Wenn man nun die entkalkende Wirkung des Queck- silbers in Uetracht zieht, welche Prevost beim lebenden Thiere gefunden hat, so ersieht man sofort, dass die an- gegebenen chemischen Reaetioneu nicht genügen, um diese Thatsachen zu erklären; denn die Rechnung zeigt, dass im besten Falle, wenn es sich um Calciumcarbonat handelt, 100 Theile IlgCl., ungefäin- 12 Theile CaCC»;, lösen. Wenn nun dieser selbe Vorgang" in demselben Maasse sich im tliieriseheu (Organismus vollziehen sollte, würde der Verlust an Kalk, der den wenigen Centigrauuu Sublimat, die genügen, ihn zu vergiften, entspräche, so gering sein, dass es selbst dem geschicktesten Experimen- tator nicht gelingen könnte, ihn festzustellen. Ofl'enbar spielt im Organismus, so führt Dr. Sabbatani aus, noch ein anderer Factor mit. Bekanntlich verweilt Quecksill)er lange Zeit im Organismus und wird nur ausserordentlich langsam ausgeschieden. Denmacli kann man annehmen, dass die löslichen Verbindungen, welche das (.iueeksilber mit dem Kalk der Knochen bildet, im Organismus circuliren und dann, wenn es zur Ausscheidung kommen s(dl, wieder von einander getrennt werden; und während der Kalk entweder zur Ablagerung gelangt (z. B. in der Niere), oder ausgeschieden wird, bleibt das Quecksilber zum grossen Theile zurück, circulirt weiter und verbindet sieh wieder von neuem mit dem Kalk der Knochen. Mit dieser Annahme ist es leicht verständlich, dass das (iueeksilber, während eine einmalige Reaction zwischen ihm und dem Kalk für die Entkalkuug der Knochen nicht genügen würde, dadurch dass es lange Zeit circulirt und fortgesetzt seine Wirkung ausübt, grosse iMengen Kalk dem thierischen Körper zu entziehen vermag. G. A. Ueber den Eiiilluss des Westwindes auf den Flug der Vögel hat J. 11 Gurney im „Ibis" 1895, S. 423 tf., eine werthvolle Arbeit („On the eilect of westerly winds on the flight of Gulls (Laridae) and other birds") ver- ötfentlieht. — Die Stärke und die Richtung des Windes sind von bestinnncndcm Einiluss auf den Flug der Vögel. Ohne jeden Wind vermag der Vogel niemals schnell zu XI. Nr. 35. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 419 fliegen, auch muss er sich bei windstillem Wetter mehr anstrengen; der Flug mit dem Winde erfolgt mühsamer als der Flug gegen den Wind. Diese schon seit längerer Zeit bekannte Thatsache ist durch neue bei Cromcr an der Küste von Norfolk in England angestellte Unter- suchungen bestätigt worden. In Folge der günstigen Lage dieser Stadt kann man auch den Einfluss der Wind- richtung auf die in niedrigem Zuge wandernden Vögel genau beobachten. In seinem prächtigen Werke „Die Vogelwarte Helgo- land" kommt Heinrich Gätke zu folgendem Resume: „Wenn der Wind in einer bestimmten Richtung weht, sieht man Wandervögel in grosser Zahl, aber sobald der Wind wechselt, bemerkt man fast -gar keine mehr." Nun sind die Winde, welche die Wanderungen auf Helgoland beeinflussen, nicht dieselben, welche die ausserordentlich grosse Menge von Vögeln nach Norfolk und überhaupt an die Ostküste Englands führen. Man darf deswegen die Vogclwanderungen an beiden Orten nicht als über- einstimmend betrachten. 80 erschienen im October 1870 auf Helgoland Tausende von Kohlmeisen (Farns major L.); 1874 s^h man daselbst in grosser Zahl die Alpenlerche (Otocorys ali)estris Bonap.), 1876 die Feldlerche (Alauda arvensis L-), 1879 den Nordseetaucher (Colynibus septcn- trionalis L), 1880 den Trauerfliegenschnäp})er (Mnscica])a atricapilla L.), während in den bezeichneten Jahren an der englischen Küste sich keiner der genannten Vögel zeigte. Ausser Gätke hat namentlich John Cordcaux Be- obachtungen über die Beziehungen zwischen dem Winde und dem Fluge der Vögel angestellt; er beobachtete 1881 an der Mündung des Huraber und kommt in seinem „Dritten Bericht über die Vogclwanderungen" zu dem Satze: „Bei Süd- und Westwind, falls dieselben nicht zu stürmisch sind, gehen die Wanderungen immer auf regel- mässige Weise vor sich (an der Ostküste während des Herl)stes), aber bei entgegengesetztem Winde ist es ge- rade das Gegeutheil." Gurncy beobachtete nun während seines Aufent- haltes zu Cromer alle Vogelarteu, welche sich daselbst zeigten, vor allem die Möven, und zwar die Silbermöve (Larus argentatus Brunn.) und die HäringsuKive (L. fus- cus L.), welche beide an den englisclicn Küsten sehr häufig und bequem zu beobachten sind. Von dem Ver- halten dieser Vcigcl gegen den Wind zieht Gurney Schlüsse auf die Vogelwelt im Allgemeinen. In allen Jahren Hess sich leicht eonstatiren, wie die beiden ge-: nannten Mövenarteu auf ihrem Zuge den Küsten folgten; und sieh nach Westen wandten. Man hat sich oftge-: fragt, welches ihr Ziel ist und warum sie immer den- selben Weg einschlagen. Im Jahre 1884 beobachteten Cordeaux und Gurney gleichzeitig einen bedeutenden Zug von Möven, der erstere an der Küste der Grafschaft Lincoln, der andere auf Norfolk. Cordeaux mit seinen Begleitern konnte in den Tagen vom 2.5.-28. September einen sehr grossen Zug von Silber- und Häringsmöven beobachten, welche dem ziemlich starken Süd-West folgten. Etwa 14 Tage sjjäter, am 11. October, wurde ein ähnlicher Zug auf Norlblk bei Cromer und dem be- nachbarten Dorfc Overstrand bemerkt. Ein heftiger^ Nord-Nord- West hatte in der vorhergehenden Nacht ge- herrscht. Vor 11 Uhr Vormittags war noch keine ein- zige Möve zu sehen gewesen; wann der mächtige Zug angefangen, Hess sich später nicht mehr sicher feststellen, wahrscheinlich gleich nach 11 Uhr. Als Gurney ücgen 3 Uhr Nachmittags an das Ufer kam, hatte der Wnid etwas an Stärke abgenonniien; zahlreiche Möven belebten die Luft, etwa 9 Stunden mochte der Zug gedauert haben, und die Zahl der wandernden Vögel wurde auf ca. 12 000 geschätzt. Es waren hauptsächlich Silber- und Heriugsmöven, dazwischen einige Sturm- (L. cauus L.) und Mantelmöven (L. marinus L.), auch einige Lach- möven (L. ridibundus L.). Alle Vögel folgten der Richtung Wcst-Nord-Wcst. Am folgenden Tage drehte sich plötzlicli der Wind, und von diesem Augenblicke an war keine einzige Möve mehr zu sehen. Am 26. October wurden wieder grosse Sehwärme beobachtet; Gurney blieb 10 Stunden am Ufer, um eine annähernd richtige Zahl der vorüberfliegenden Vögel feststellen zu können. In der ersten Stunde, von :),20 Uhr Nachmittags an, zählte Gurney etwa 415, in der zweiten Stunde 345 Stück. Die Schwärme flogen in kleinen Gruppen vorüber und bestanden aus denselben Arten wie früher, die Sturmmöve war die häufigste; alle folgten derselben Richtung nach Westen. Wahrsclicinlich hatte die Wanderung schon in der Morgendämmerung l)cgonnen und setzte sich bis in die Nacht hinein fort. Der Wind wehte spät am Abend aus Nord-Nord-Wcst; am folgenden Tage kam er aus derselben Richtung, al)cr es war keine Möve mehr zu sehen. Am nächsten Tage, dem 28. October, als ein starker Wind aus West-Nord-West wehte, bemerkte Cordeaux einen beträchtlichen Zug von Waldscimepfen (Scolopax rusticola L.). Auch neue Mövenzüge zeigten sich, wie die frülieren nach Westen fliegend; ihre Zahl Hess sieh auf 2 — 3000 abschätzen, während am 26. October gegen 5000 vorbeigeflogen waren. Es ist nun die Frage, ob die Vögel vom 28. October dieselben waren, die am 26. October gewandert waren. Man könnte glauben, dass die am 26. October wandernden Vögel am 27. die Richtung ihres Fluges geändert hätten bezw. durch den Einfluss des Windes hätten ändern müssen und dann zu- rückgekehrt seien; aber in diesem Falle müssten sie von dem Winde mit fortgerissen worden sein, denn es ist als sicher anzunehmen, dass sie ihm nicht freiwillig folgten. Andrerseits kann man annehmen, dass es sicii um neue Wandervögel handelt, welche aus Essex, Kent und sell)st aus Belgien gekommen sein mochten. Nun ist nicht nur an der englischen Küste, sondern überhaupt auf der nördlichen Halbkugel jenseit des 30. Breitengrades der Westwind der vorherrschende; im Jahre 1890 zählte man z. B. in Norfolk 191 Tage, an denen der Wind aus Westen kam. An allen Herbsttagen, an welchen ein nicht zu heftiger West weht, bemerkt man Wandervögel, welche in grossen Schaaren nach Westen, also dem Winde entgegen, ziehen. Das triflt nicht nur zu für die Möve, sondern für alle Vögel, welche am Tage wandern, wie die Nebclkrähe, die Ral)cnkrähe, die Dohle, der Star, die Fcldlerche, der Buchfink, die Waldschnepfe u. a. Gurnay konnnt in Folge dessen zu dem Schlüsse, dass die Windrichtung den Zug der wan- dernden Vögel stark beeinflusst. S. Seh. Ueber die Fluggescliwiinligkoit der Seinvalbe findet man in den verschiedenen Werken die verschiedensten Angaben. Der Italiener Spallauzani (gest. 1799) be- rechnete für die Schwalbe eine Geschwindigkeit von 89 Metern pro Secunde; später wurde diese Zahl auf 45 Meter herabgesetzt, und jetzt sind neue Unter- suchungen angestellt worden, nach welchen die Zahl sich wieder etwas erhöht. Die neuen Experimente wurden angestellt durch Aug. Verschüren, Beamter zu Antwerpen; die „Revue scientifique" vom 11. Juli er. bringt darüber einen kurzen Auszug aus der Zeitschrift „Ciel et Terre". Einer Sendung Brieftauben, welche von Antwerpen nach Compiegne a. d. Oise geschickt wurde gab Vcrschüren 420 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 35. eine in Antwerpen nistende Schwalbe bei, welche er durch Farbe kenntlich gemacht hatte. Die Schwalbe wurde in Compiegne gleichzeitig mit den Tauben am 17. Mai, Morgens 7,15 Uhr, losgelassen, und sofort nahm sie die Richtung nach Norden, während die Tauben erst mehrere Bogen beschrieben, um sich über die Richtung 'm orientiren. Schon 8,23 Uhr kam die Schwalbe in Antwerpen au und suchte sofort ihr Nest auf; zahlreiche Personen waren Zeugen der Rückkehr. Die ersten Tauben trafen erst 11,30 Uhr in ihrer Heimath ein. Die Schwalbe hatte also den Weg zwischen Com- pifegne und Antwerpen, eine Strecke von 236 Kilometern, in 1 Stunde 8 Minuten zurückgelegt, das macht auf 1 Stunde 207 Kilometer oder auf 1 Sccunde 58 Meter. Die Tauben hatten nur eine Schnelligkeit von 57 Kilo- metern pro Stunde oder von 15 Metern pro Sccunde er- reicht. Ans den gewonnenen Zahlen ergiebt sich, dass die Schwalbe kaum einen halben Tag gebraucht, um ihre Reise von Belgien nach Nordafrika zurückzulegen. S. Seh. Eiitsteliuiig und (ieschiclite des Todteu Meeres, ein Beitrag zur Geologie Palästinas betitelt M. Blancken- horn eine Arbeit, in der er eine Zusammenfassung eigener Forschungen in Palästina und eine Zusammen- stellung früherer Untersuchungen veröffentlicht (Zeitschr. des Deutschen Palästina- Vereins Bd. 19). Während der Trias-, Jura- und Unteren Kreide- periode stellte das Gebiet Palästinas ein Festland dar, bestehend aus einer wohlgcschichteten Decke von palaeo- zoischen, permo - karl)onischen Sandsteinen, dem so- genannten Wüstensandstein mit einer ein- oder auf- gelagerten Kalk- und Dolomitbank und einem archäischen (Grundgebirge von Granit, altkrystallinen Schiefern, Gneiss, Glimmerschiefer und Phyllit, durchsetzt von zahlreichen Gängen und Stöcken von Porphyren, Porphyriten' und Dioriten, aus deren Zertrümmerung noch vor Bildung der Sandsteindecke an manchen Orten ein eigenes breccien- artigcs Konglomerat, die grüne ägyptische Breccie Lar- tet's entstand, die älteste Gesteinsart, welche im Gebiete des Todten Meeres heute anstehend nachweisbar ist. Die Reste dieses postpermischen Festlandes, soweit da.sselbc der subaerischen Erosion und Denudation ent- ging, wurden nun während der oberen Kreide abermals von marinen Sedimenten überdeckt, die jetzt in ganzer Vollständigkeit im Osten des Todten Meeres zu Tage treten. Die Basis dieser neuen Bildungen bildet eine Wechsellagcrung bunter Sandsteine, der Nubisclie Sand- stein, der im Ge))iete von Palästina bisher zwar noch keine Fossilien lieferte, im Libanon aber, wo er eben- falls entwickelt ist, eine Reihe von Conchylien enthält, die ihn dem älteren Cenoman zuweisen. In die Zeit seiner Ablagerung fallen aucli Ergüsse basaltartiger Gesteine, der Mimositc, die bäulig lageni'örmig im Sandstein liegen und häufig durt^h Tuife ailmüliiieb in letzteren ül)ergelien. Ueber diesen versteinerungslecren Sandsteinen folgt nun eine mächtige Reihe von Mergeln, Kalken und Dolomiten mit einer reichen Fülle von Fossilien, die in Algerien und Pjuropa als leitend für das Cenoman gelten. Die tiefere Alttlieilung dieses Schichtencomplcxes besteht aus wechselnden Mergeln, Kalken und Dolomiten mit vielen echt cenoinanen Ecliinidcn, Austern und Amnioniten (z. B. Acanthoccras rotomagense), die iK'ihere Abtheilung aus Kalken, Dolomiten und Kieselkalken mit einer Fauna von Rudisten, Nerinecn und Actaeoncllen. Diese letzteren Schicliten bilden meist hohe, steile .\i)f'älle mul Stufen an den Gehängen und nnisclilicsscn einerseits die wichtigsten natiirliciicn Höhlen des Landes, wie sie andererseits auch vielfach zur Anlage künstlicher Grotten benutzt wurden; zugleich lieferten sie von jeher das ge- schätzteste Baumaterial für Jerusalem. Auf den Horizont der Nerineen und Rudisten folgt nun eine weitere mächtige Schichtfolge, die durch die zahlreich vor- handenen Petrefacten als Senon charakterisirt wird. An der Basis dieses Schichtsystems liegen Kalke, die als Aequivalente der Gosau-Schichten und des Emscher auf- zufassen sind. Darüber folgen meist hellfarbige Kalke, die oft ein wahres Bonebed von Fischknochen, Kopro- lithen, Schnecken, Austern und Foraminiferen darstellen und die ursprünglichen Lager der palästinensischen Bitumeusubstanzen enthalten, die in schwarzen bituminösen Kalken, den Asphaltkalken bestehen und unter denen der für Schmuckwaaren verwendete „Mosesstein" am be- kanntesten ist. Nach oben zu treten diese Stinkkalke häufig auf in Gesellschaft mit möglichst buntfarbigen Gypsmergeln, deren Färbung durch den verschiedenen Gehalt an Eisenoxyd- und Oxydul - Verbindungen, be- sonders durch Chromverbindungen, auch durch Phosphate bedingt wird. Den Abschluss der Senon bilden weisse Mergelkalke mit mächtigen Feuersteinbänken. t. Im Laufe der älteren Tertiärperiode zog sich das Meer, das im Eoeän nur noch die westlichsten Theile Palästinas bedeckte, hier kieselige Numnnditenkalke hinter- lassend, vollkommen zurück und seitdem arbeiteten nur die festländischen Agentien an der Zerstörung und Ein- ebnung der neu gebildeten LaudschoUe; Feuersteinbreccien und Flussschotter sind die Bildungen jener neuen Fest- landsperiode, in der auch die Ausbrüche der älteren echten Basalte im Osten des Todten Meeres stattfanden, deren deckentVirmige Massen nur auf den höheren Theilen des Kreidege))irges und in einzelnen isolirten Tafelljcrgen erhalten blieben. Gegen Ende der Tertiärperiode trat dann das ge- waltigste Ereigniss in der geologischen Geschichte Palästinas ein, das, wie die älteren Basaltergüsse beweisen, schon früher eingeleitet war; das ganze syrische Land zerriss von N nach S durch Bildung von Spalten in S-N- oder SSW-NNO-Richtung, zwischen denen die einzelnen Gebirgsschollen gegen einander in die Tiefe sanken. In der Bildung des grabenartigen Einschnittes des Jordanthaies und des Wa
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Abdi-ack ist nur mit vollständiger <^nellenansabe gestattet. Richard Avenarius f.*) Rieliard Avcnariu.s i.st nicht mein! Der Mann, der mit gcwaltii;-er Gestaltungskraft das moderne Wissen um Natur und Lel)en in eine einzigartige Form gegos.sen, der uns /u den ErrungensQhaftcn der darwinistischcn Lehre und der anilcren neuzeitigen Naturwissenschaften hinzu auf ihnen aufbauend — einen herrlichen Ge- *) In (U'r No. 1 vom 7. .Januar 1894 der „Natiirw. Wochenschr." habe ich chm Artikel des Henii Dr. Maximilian Klein, der als erster einer Artikel-Serie die Philosophie iles verstorbenen Meistors den Lesern näher rücken soll, unter anderen mit den Worten be- gleitet: „Es ist diesem Gelehrten gelungen, den Weg aus dem ungeheuren Labyrinthe vorget'asster Meinungen, einge- fleischter aber wissenschaftlisch unbegründeter Ansichten zu finden. Wir haben in seinen seit 1888 erschienenen Werken endlich eine Grundlegung der einzigen Philosophie er- halten, die zu suchen auch die Naturwissenschaft auf dem langen Wege ist. Bewundernd steht derjenige, dem durch eifriges Studium der Werke des genannten Plulosüphen die ersehnte Morgenröthe zu dämmern beginnt, vor dem geschaffenen, fest und gewaltig gefügten Lehrgebäude, das endlich einmal ein Heim der exakten Wissenschaft werden muss." Auch heuto^ kann ich keinen anderen Ausdruck für meine Ueberzeugung linden, die von den wenigen Naturforschern, die sich bisher die Zeit genommen haben von dem Gedankengange unseres l'hiloso])hen gründlicher Kenntniss zu nehmen, getheilt wird. Es ist durchaus verständlich, dass Avenarius noch so wenig bekannt ist, denn — wie icli schon in No. 41 (189.5) bemerkte — das wirkliche, tieferi' Ein(h-ingeii in philosophische Betrachtungen kostet Zeit, hindert dadurch zum Theil an Sjiecialarbeiten und man läuft Get'aln' im Kampf mns Dasein zurückzubleiben. Es fehlt ilem Naturforscher eben für ein tieferes Eindringen und ruhiges Vorarbeiten der in ihm auftauchenden philosophischen Probleme die Zeit, die er anders benutzen muss, wenn er äussere Erfolge haben will. Und dann: Es ist psychologisch durchaus verständlich, dass, je weiter eine neue Entdeckung von den üblichen Ansichten und dem bisher Erkannten abliegt, sie um so weniger Aussicht hat von der augenblicklich herrschenden Allgemeinheit anerkannt zu werden. Für die Herrschenden im Gebiete der Philosophie trifft das zu. Diese Thatsa.chen sind unabänderlicli und wir müssen uns in dieselben linden, wenn uns auch rein menschlicli ein tieftrauriges Gefühl bcschleicht, dass ein Mann wie Avenarius, der eine neue Epoche einleitet, nicht mehr zu seinen Lebzeiten die gebührende dankenbau voll Licht und Leben, voll Einklang und Harmonie geschafifen hat, der dem deutschen Volke und der Menschheit eine l'hilosophie geschenkt hat, die wie keine zweite im festen Boden der Wirklichkeit wurzelt, wie .Jicine- zweite den Anschauungen des naturwüchsigen und kindlichen Mensehen eben so gerecht wird, wie denen des streng wissenschaftliehen Naturforschers und des Anerkennung findet — — — : aber wenn auch der Hahn nicht kräht, Tag wird es doch! Bei meiner Bewunderung für die Thaten unseres Philosophen hatte ich das lebhafteste Verlangen, ihm auch persönlich näher zu treten; das Schicksal wollfc es aber nicht erfüllen, denn die Gelegenheiten, die zur Ausführung des Verhallens beiderseits gesucht wurden, haben durch kleine unvorhergesehene Zwischen- fälle nicht zu dem gewünschten Ziele geführt. Als ich meinen Artikel „Lieber die Entstehung der Denk- formen" (veröffentlicht in der Nummer vom 12. April 1891) schrieb, wusste ich noch nichts von dem Erscheinen der „Kritik der reinen Erfahrung," kannte überhaupt unseren Philosophen noch nicht. Ich hatte es mir trotz der unauslöschlichen Neigung, die Lösung des „Welträthsels" zu erstreben, längst abgewohnt bei den „Philosophen" diesbezüglich Belehrung zu suchen und inich somit auf „eigene Füsse" gestellt. Die damals versprochene aus- führlichere Schrift über den Gegenstand — dies als Antwort auf mehrere freundliche Aufragen — wird nunmehr wohl länger auf sich warten lassen, als ich damals hoffte : wir sind in unserem Denken und Handeln mit starken Ketten an das Gewohnte gefesselt, und die Ketten können nur allmählich zei'rissen werden. Wenn Charles Darwin einmal sagt: ,.jedc neue Ansicht muss in ziemlicher Ausführlichkeit mitgetheilt. werden, um die öff(>nt- liche Aufmerksamkeit zu erregen," so liegt ein Grund hierfür in der Thatsache, dass auch als solche anerkannte Wahrheiten nur dann Verwendung finden, wenn man sich dieselben wiederholt vergegenwärtigt, wenn eine Hebung stattgefunden hat. Der letzterwähnte Artikel der „Naturw. Wochenschr." ist es, der mich durch Vermittelung meines nunmehrigen Freundes, des Herrn Dr. Kleiri, zu Avenarius geführt hat. Langsam aber sicher wird für die Naturforscher das Alles erhellöiide Licht, das uns Avenarius gebracht hat, aufgehen. Gleichwie ein fernes, neu auftauchendes Gestirn uns erst nach vielen Jahren sein Licht sendet und wie wir dasselbe noch ge- niessen, wenn das Gestirn selbst schon längst wie, Naturwissenschaftliclic Woehcnsclirift. 431 Nausen's rolarfahrt. — Am lo. Aivuiist meldete ein kurzes Telegramm aus Vardö iu Fiuumarkeu die g'lückliehe llcinikchr des kuliuen Folarfahrers, weitere 'l'elei'rammc iiericliteten kurz über den Verlauf und die wichtigsten Ergebnisse der Reise, und wenn auch zur Zeit sieh der Umfang und die ücdeutung der gemachten Entdeckungen und neuen Wahrnclimnngen noch durchaus nicht übersehen Jässt, so ist es für die Leser dieser Zeitscinift doch vielleicht von Interesse, einen vorläutigcn Ueberblick über die nun glücklich zu Ende geführte Expedition zu erhalten. Nach seiner eriVilgrcichen Durchqucrung Grönlands im Jahre 18MS war in Nansen der schon frülier gehegte IMan zu einer grösseren Unternehnuuig gereift; der Er- reichung des Nordpols selbst galt sein Wagen. Die Opfer- willigkeit seiner Landsleute verschaffte ilnn die nöthigen Mittel. Der norwegische Reichstag bewilligte eine Summe von nngcfähr 350 (»00 Mark, von Privatleuten wurden un- gefähr 200 (KX) Mark zusammengebracht. Nanscn's Plan war, mit einem eigens dazu erbauten Schifte in das sibirische Eismeer einzudringen und sich, vom Eise ein- geschlossen, durch die Strömung nach Norden, möglichst über den Pol hinweg nach Grönland treiben zu lassen. Für die Annahme einer solchen Strömung hatte er man- cherlei Gründe. An der Südostküste Grönlands werden be- ständig grosse Treibholzmasseu ans Land geworfen, welche nach den Untersuchungen Nansen's und anderer sibirischen Baumarten entstammen. Auch beobachteten Nordenskiöld und die amerikanische Jeannette-Expedition 1879 — 81 eine nacli Nordosten gerichtete Strömung längs der sibirischen Küste; ganz besonders aber waren es Eunde von Ueber- bleil)seln der unglücklichen Jeannette-Expedition, die 3 Jalu'c nach dem Untergange des Schiffes an Grönlands Südostküste in der Nähe von Julianehaab gemacht wurden, durch welche nicht nur das Vorhandensein und die allgemeine Richtung der Striimung, sondern auch ihre durchschnittliche Ge- schwindigkeit festzustehen schien. Allerdings wurden diese Funde bald darauf bezüglich ihrer Echtheit und Herkunft angezweifelt, und die Meinungen darüber geiicn auch heute noch auseinander, für Nansen aber waren sie eine Thatsache, welche wesentlich seinen Plan l)estimmte. In froher Zuversicht trat er am 'Ji. Juni 1893 mit 12 Be- gleitern in seinem Schilfe Fram von Vardö aus die Fahrt nach dem sibirischen Eismeere an. Die letzten Nach- richten sandte er am 3. August von Charabowa an der Jugorstrasse, wo er 34 Selilittenhunde an Bord naiini. Vim hier wollte er seinen Lauf durch das karische Meer nach den neusibirischen Inseln richten, vorher aber noch die Olenekmündung anlaufen, um weitere Hunde aufzunehmen. Indess wurde seine Ankunft dort vergeblich erwartet und bis zu seiner nun glücklich erfolgten Rückkehr blieb man 3 Jahre lang ohne jegliche Nachricht über sein Schicksal. Zwar hatte Nansen selbst eine dreijährige Dauer seiner Fahrt in Aussieht genommen, dennoch war es natürlich, dass noch vor Ablauf dieser Frist hier und da Besorg- nisse laut wurden, namentlich als eine im Frühjahr dieses Jahres gemeldete Nachricht von seiner Ankunft auf den neusibirischen Inseln sich als unbegründet er- wies. Nun sind diese Besorgnisse zerstreut, und nach- dem jetzt auch die zurückgebliebenen Gefährten Nansens mit der Fram glücklieh heimgekehrt sind, tiarf Nansens Polarfahrt, wenn auch der Pol selbst nicht erreicht wurde, als eine der glücklichsten und erfolgreichsten gepriesen werden. — Aus den bisher gemeldeten"telegraphisclicn Mit- theilungen ergiebt sich der folgende Verlauf der Expe- dition. Am 4. August 1893 wurde die Jugorstrasse passirt. Auf der Weiterfahrt wurde im karischen Meer eine Insel entdeckt, mehrere andere längs der Küste bis zum Gap Tscheljuskin. Vom Gap ans wurde das Schiff' in nörd- licher und nordwestlicher Richtung weiter getrieben; nordwärts vom 79. Breitengrade nahm die Meerestiefe rasch zu und stieg bis zu lliOO und IDOL) Faden, während südlich vom 79. Grad in Uebcreinstinunung mit den älte- ren Beobachtungen nur Tiefen bis 90 Faden gemessen worden waren. Zugleich nahm auch die Temi)eratar des Wassers und der Salzgehalt zu. Die Lnl'ttemperatur er- reichte im Winter 1893 — 94 ihren tiefsten Stand mit — 62" C. Während des Sonnners dagegen wurden -H 31 bis 33* G. beobachtet. Am 18. Juni 1894 befand sich das Schiff" in 81" 52' nördlicher Breite, trieb aber wieder südwärts; erst am 21. Octobcr wurde der 82. (Jrail nördl. Breite passirt, am Weihnachtshciligabend der 83. und einige Tage später 83" 24', die höchste Breite, bis zu welcher je zuvor Menschen gelangt waren. Am 4. und 5. Januar 1895 war die Fram in Gefahr, durch starke Schraubungen des Eises erdrückt zu werden. Die Aus- rüstung und der nothwendige Proviant wurden aufs Eis gebracht und die Mannschaft hielt sieh bereit, jeden Augenblick das Schiff zu verlassen. Als aber das Schrauben den höchsten Grad erreichte und das Eis sich hoch über die Schiffswände emporhob, wurde das Fahr- zeug v(m dem mehrere Meter dicken Eise, in dem es eingefroren war, losgerissen und unbeschädigt in die Höhe gehoben. Da die Trift in nordwestlicher Rich- tung weiterging und Nansen vcrnmthetc , dass das Schiff' bald nördlich von Franz Josephs - Land seine höchste Breite erreichen würde, verlicss er dasselbe am 14. März 1895 auf 83» 59' nördl. Br. und 102" 27' östl. L. von Greenwieh mit dem Lieutenant Johansen, um das Meer nordwärts zu erforschen, die höchstmögliche Breite zu erreichen und dann über Franz Joseph-Land nach Spitz- bergen zurückzukehren. Die beiden Polarfahrer nahmen 28 Hunde, 3 Schlitten und 2 Kajaks mit. Die Eisver- hältnisse waren nicht günstig, so dass nur langsam Fort- schritte gemacht werden konnten; auch trieb das Eis nach Süden. Als daher am 7. April die Breite von 86" 14' erreicht war, hielt Nansen es für unklug, die Reise in nördlicher Richtung fortzusetzen und wandte sieh nach Franz Joseph-Land. Die Temperatur war während der ganzen Zeit sehr niedrig gewesen; im März betrug das Mini- mum — 45", das Maximum — 24", im April das Minimum 38", das Maximum 20" Kälte, was den Reisenden um so fühlbarer wurde, als sie, um Gewicht zu sparen, ihre Pelzkleidung zurückgelassen hatten. Land wnrde nicht gesehen. Am 12. April standen die Ghronometer still, daher ])licb die Ortsbestinnnung bezüglich der Länge unsicher. Der Proviant nahm ab und von den Hunden musste einer nach dem anderen geschlachtet werden, um als Futter für die Ueberlebenden zu dienen. Die Hunderationen wurden auf das Mindeste beschräidct und die Hunde selbst waren bald in trauriger Weise al)- gemagert. Im Juni wurden die Eisspalten schlimmer, der Sclilittenweg war elend. Hunde, Schneesciuihc, Schlittenkufen gruben sich tief in den Schnee. Die Hoffnung, Land in Sicht zu bekommen, wurde lange ge- täuscht. Am 31. Mai war man auf 82" 21' nördl. Br., am 4. Juni auf 82" 18', am 15. Juni aber wieder nord- westlich auf 82" 2()' getrieben. Am 22. Juni wuiden 1 Robbe und 3 Bären geschossen, so dass die beiden übrig geliliebenen llmnle gut gefüttert werden koiuitcn. Am 2-1. Juli kam endlich in ungefähr 82" nördl. Pireite Land in Sicht; doch war das Eis überall in kleine Felder aufgebrochen, die Spalten dazwischen mit Eisklumpen und Eisschlanmi gefüllt, so dass ein Vorwärtskonnnen mit Kajaks nicht mtiglich war und mit grösster An- strengung von einem Fisbhick zum anderen balancirt werden musste. Erst am f). August auf 81" 38' nördl. Breite und ungefähr 63*^ östl. Länge wurde das Land erreicht, drei Inseln, welche llvittcnland getauft wurden. 432 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 36. Längs dieser Insehi fuln- man nach Westen und entdeckte am 12. August ein ausgedehntes Land, das Nansen für die Westküste von Franz Josephs-Land hielt. Am 26. August wurde unter 81" 12' nördl. Br. und bü" üstl. Lilnge ein Ort erreicht, der zu einer üelicrwintcrung ge- eignet schien. Aus Steinen, Erde und Moos wurde eine Hütte erhaut und mit Wallrossfellen gedeckt. Wallross- S[)eck diente zum Kochen, zur liclciichtung und zum Heizen. ]?ärenileisch und Speck waren die einzige Nahrung, P.ärcnfclle bildeten das Lager. Der Winter verlief gut und der Gesundheitszustand war ausgezeichnet. Als der Frühling kam, rüstete man sich zur Weiterreise nach Spitzhergen. Kleidung und Schlafsäcke wurden ge- näht, l'roviant hcschaflt. Am V.). Mai 1896 wurde auf- gebrochen, am 23. Mai traf man in 81^' 5' nördl. Br. offenes Wasser und ruderte nun westwärts längs der Küste, um von der Westspitzc von Franz Joscpiis-Land nach Spitz- bergen hinüherzufain-cn. Am IS. Juni wurde < 'ap Flora erreicht, wo ein unerwartetes alier freudiges Ztisammen- trctfen mit der l'olarexpedition des Engländers Jackson stattfand. In dessen Winterhause fanden die ivcisenden gastliche Aufnahme; am 7. August verliessen sie Franz Joseph-Land mit dem Schiff' der Jackson'schcn Expedition „Windward", und am 13. August langten sie wohlbehalten in \^ard(i an. Auch über das Schicksal der zurü<'kgel)liebenen Ge- fährten sollte nicht lange Ungewissheit herrschen. Das Vertrauen Nansen's auf die Festigkeit seines Schiffes und die Tüchtigkeit seines Leiters, des Kapitän Sverdrup, wurde nicht getäuscht. Schon am 20. Aug,,st meldete der Telegraph aus Hannncrfest die Ankunft des „Fram" in Skjervö, Schiff und Bemannung langten wohlbehalten in der Heimath au. — Der „Fram" war, nachdem Nansen und Johansen sie verlassen hatten, langsam nordwärts getrieben. In der Zeit vom 19. Oct. bis 15. Nov. 1895 wurde die ii(ichste Breite mit 85" 57' erreicht. Vom 13. .lanuar 1896 trieb das Schiff wieder nach Süden. Am 2. Juni wurde es nach grossen Anstrengungen vom Eise losgemacht, doch erst am 19. Juli unter 83" 14' n. Br. begann es sich aus der Eisregion, welche bis 8P 32' reichte, herauszuarbeiten. Am 13. August war das offene Meer erreicht. — Auf die Ergebnisse von Nansen's Ex- ])C(iition nälier einzugehen, ist noch nicht die Zeit. Es möge viirlänfig genügen, auf einige derselben hinzuweisen. Zunächst übertrifft die von Nansen erreichte Polhöhe um fast volle drei Grad diejenige, welche bisher als die höchste je von einem Menschen erreicht wurde. Bis 83" 24' kam nändich im Frühjahr 1882 Lieutenant Lockwood von der Grccly Expedition auf seiner Schlittenreise an der Nordküstc Gn'inlands. Und um mehr als 3 Breiten- grade drang der „Fram" h()her nach Norden hinauf, als je ein l)emanntcs Schiff zuvor, denn die höchste bisher von einem Schiff erreichte Breite war die der Nares'sehen P^xpedition, welche unter 82" 24' im Smith Sunde ülterwintertc. Was aber dieser Gewinn von drei (iraden zu Scliitl und zu Schlitten zu bedeuten iiat, wird recht crsiclitlich, wenn man crmisst, wie langsam und mühsam bisher jeder Schritt weiter zum Pol er- käni])ft werden nuisste. Zwar ist der Pol auch jetzt noch nicht erreicht worden, aber die Möglichkeit der Erreichung desselben um ein gutes Theil näher gerückt. Hätte Nansen den „Eram" iu der von iimi erreichten höch- sten Breite von S5" 57' verlassen, so würde er voraus- sichtlich ohne wesentlich grössere Anstrengungeu noch um 2 Breitcngrailc nördlicher vorgedrungen sein. Freilich wird man die Erreichung des Nordpols allein nicht als ein Ziel von hoher wissenschaftlicher Bedeutung an- sehen können. Wichtige Prolilenie sind dort nicht zu lösen, neue Einblicke nicht zu gewinnen, und die Frage, ob festes Land oder Wasser am Pol sich befinde, ziem- lich nebensächlich. Aber der gcheimnissvolle Reiz des Unbekannten und Unnahbaren hat diesen Punkt der Erdoltcriiäche mit einem eigenthünilichen Zauber uni- wol)cn und die Erreichung desselben zu einem ersfrebens- wcrthcn Ziele gemacht. Unseren Dank schulden wir deshalb den Männern, welche ihr Leben einsetzen, nm die von der Natur gesetzten .Schranken zu überwinden und den Schleier zu lüften. — Auch schliesst ja die Er- reichung des Nordjtols die Erforschung weiter noch gänz- lich unbekannter Gebiete ein, deren wissenschaftliche Er- schliessung für viele Fragen der physischen Erdkunde von hoher Bedeutung ist. Wie erfolgreich in dieser Be- ziehung die Nansen'sche Expedition gewesen ist, lassen schon die vorläufigen Nachrichten vermuthen. Die Ver- vollständigung des Kartenbildcs der Polargegend, die hydrographischen und meteorologischen Beobachtungen, der unerwartete Nachweis von grossen Meerestiefen nörd- lich vom 79", Wahrnehmungen über das Tliier- und Pflanzenleben in den bisher noch nie erreichten hohen Breiten werden reichlichen Stoff zu neuen Vorstellungen und zur Berichtigung von alten Irrthümern geben. Krause. Oartenkiileiider. — Se])tember. Im Obstgarten findet jetzt die Einte sehr vieler Aepfcl und Birnen statt. Man sollte niemals die Früchte abschütteln oder ab- schlagen, sondern stets entweder mit der Hand oder einem Obstpflücker abpflücken. Die Früchte bleiben bei diesem Verfahren unversehrt und die Fruchtzweige den Bäumen erhalten. Die besseren Obstsorten werden am besten so aufbewahrt, dass sich die einzelnen Früchte nicht gegenseitig berühren. Sehr gut hat sich das Obst- aufbewahrungsgestell von J. C. Schmidt in Erfurt be- währt. Dassel- be gestattet, auf V2 um Grund fläche ca. 2ü()ü mittclgrosse Aepfel oder Bn- ncn so aufzube- wahren, dass keine Frucht die andere bc rüiu't und dass man bequem jede einzelne Frucht entfer- nen kann. Die Ausgaben für das sauber ge- arbeitete Ge- stell machen sich durch die gute Erhaltung der Früchte schnell bezahlt. l''ür die Herbst- l)flanzung wer- den jetzt die Pflanzlöcher ausgeworfen. Man mache dieselben nicht zu klem, mindestens im Durchmesser. Gedüngt darf jetzt nicht werden, damit das Holz gut ausreifen kami. theilwcise Abblatten der Obsfgehölze, um dadurch ijreblich eine bessere Keife der Früchte zu :i m mehr Das an- erzielen, ist zu verwerfen, weil die Reife der Früchte dadurch doch nicht beschleunigt wird, die Pflanzen aber dadurch eines XI. Nr. 36. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 4:^3 Theiles ihres Verdunstungsapparates beraubt werden, der das überschüssige Wasser aus dem Hol/e entfernen soll. — Im Gemüsegarten wird jetzt ebeufalls fleissig ge- erntet. Mau sollte aber die spätreifenden Gemüse noch so lange wie nur irgend möglieh auf den Beeten lassen, weil erfahrnng.sgemäss gerade jetzt noch viele Gemüse ausserordentlich wachsen. Deshalb ist auch hier noch immer Düngung am Platze, am besten mit Albert's oder Waguer's Gartendünger in gelöster Form, 1 : 1000 beide zu beziehen direct aus der Fabrik von H. u. E. Albert in Biebrich a. Rh. Die abgeernteten Gemüsebeete werden sämmtlich sofort tief umgegraben. Kohlstrünke sollte man uiemals über Winter auf den Beeten lasseu, weil sie nur die Uel>erwiuterungsstätten für viel Ungeziefer sind. Sie wandern auf den Composthaufen oder werden getrocknet und als Brennmaterial verwendet. Die umgegrabenen Beete bleiben entweder mit rauher Fläche, uugeharkt, über Winter liegen, damit der Frost tief eindringen kann, oder sie werden glatt geharkt und gleich wieder mit Spinat, Wintersalat, Rapünzchen, Petersilie, Karotten und Kerbelrüben besäet. Die Samen keimen noch in diesem Herbste und die jungen Pflänzchen überwintern gut. Die Aussaaten von Kopfkohl und Herbstrüben des vorigen Monats werden auf fünf cm gegenseitigen Abstand ver- dünnt. Die jetzt reichlich vorhandenen Abfälle kommen sämmtlich auf den Composthaufen. — Der Ziergarten hat jetzt schon ein ganz herbstliches Aussehen, muss aber gerade deswegen so sauber wie möglich gebalten werden. Alles abfallende Laub wird jeden Tag zusammengefegt und vorläufig auf einen besonderen Haufen gebracht. Es dient später zum Bedecken empfindlicherer Pflanzen. Die Sämlinge der Stauden vom vorigen Monate werden jetzt einzeln gepflanzt. Aeltere Stauden können noch mit Er- folg getheilt werden. Von Rosen kann mau jetzt mit Erfolg Stecklinge machen. Für den Frühjahrsflor sorgt man durch Aussaat von Delphinium, Calendula, Iberis etc. Vor Allem aber werden jetzt Zwiebeln und Knollen der verschiedenen Frühlingsblüher. wie Hyazinthen, Tulpen, Crocus, Scilla, Narcissen, Winterling, Anemonen etc. etc. gelegt. Für die Herbstpflanzung werden wie im Obst- garten jetzt auch bereits die Pflanzlöcher ausgeworfen. Der Rasen wird noch immer regelmässig beschnitten und gewalzt. Von denjenigen Sommergewächsen, welche man noch längere Zeit im Zinmier in Blüthe haben will, nimmt man nun diejenigen Exemplare, welche man im vorigen Monat in Töpfe gepflanzt hat, in die Wohnräume und zwar noch bevor die kalten, thaureicheu Nächte kommen, damit sich die Pflanzen nicht an die kühle, feuchte Luft gewöhnen. Ebenso werden jetzt die empfind- licheren Zimmerpflanzen, welche während des Sommers im Freien standen, nachdem sie gründlich gesäubert sind, wieder in das Zimmer gebracht. Udo Dammer. lieber die Cultur und Präparation der Vanille Itringt die „Gazette des Campagnes" interessante Mit- theilungen. Die wichtigste Arbeit bei der Vanillecultur ist die künstliche Befruchtung; um den Blüthenstaub zu erhalten, wird ein gelinder Druck auf die Staubbeutel ausgeübt, wodurch dem Pollen der Austritt erleichtert wird. Durch diese Operation, welche von einem leider unbekannt gebliebenen Neger erfunden worden ist, wird eine volle Entwickelung und gehörige Reife der Frucht erreicht. Um die Früchte gut conserviren zu können, muss man sie vor der vollen Reife abpflücken, wenn sie noch eine grüne Farbe und keinerlei Wohlgeruch haben. Dann bringt man sie in heisseu Dampf oder in siedendes Wasser, wodurch sie augenblicklich einen tiefbraunen Farbton erhalten. Hierauf setzt man sie der Luft und der Sonne aus, bis sie genügend getrocknet sind. Dann wird die Vanille in Blechkästen gelegt, wo man sie drei Monate lang täglich genau untersucht, um die Früchte, welche zu feucht sind und in Folge dessen in Gährung übergehen und die daneben liegenden verderben würden, zu entfernen. Das Parfüm entwickelt sich nach und nach, und wenn es seine volle Intensität erreicht hat, werden die Früchte in Bündel von 50 Stück zusanmien- gebunden und in den Handel gebracht. Sie haben nun- mehr % ihres ursprünglichen Gewichts verloren. Der Anbau der Vanille ist für die französischen Kolonien 3Iaurice und Reunion sehr wichtig. Daselbst werden jährlich etwa 50 000 Kilogramm trockene Vanille gewonnen, was einer Ernte von 200 000 Kilogramm grüner Vanille entspricht. In diesen äquatorialen Gegenden erfordert die Pflanze weder Düngung noch Bewässerung; die Cultur ist in Folge dessen sehr einfach und besteht nur in der Erneuerung der Stecklinge, der Befruchtung und garten in voller der Ernte. Nichts ist Blüthe vergleichbar! einem Vanille- Die kleinsten Pflanzungen umfassen ca. 100 Hectar Wald, an dessen Stämmen die Vanillepflanze, welche bekanntlich ein schmarotzendes Klettergewächs ist, sich emporwindet und eine Länge von 45 Metern erreichen würde, wenn man sie nicht von Zeit zu Zeit zurüekschnitte. Eine Pflanze liefert eine grosse Zahl von Trauben, von denen jede 5 oder 6 Blüthen trägt. S. Seh. Ueber vermeintliche embryonale Variation macht G. Tornier in einer Arbeit (Ueber Hyperdaktylie, Re- generation und Vererbung mit Experimenten [Archiv für der Organismen, Leipzig 1896]) Entwickelungsmechanik folgende Bemerkung. Weibehen später di- schliesst Wallace macht in einer von seinen Schriften darauf aufmerksam, dass bei Schmetterlingen, deren Männchen di- und trimorph sind, ein und dasselbe gleichzeitig Eier abgeben kann, aus welchen und trimorphe Männchen entstehen, und er daraus, dass diese heteromorphen Männehen durch „em- bryonale Variation" und nicht unter dem Einfluss äusserer Ursachen entstanden seien. Auch mir liegt ein ähnlicher Fall vor. Ich fand nänflich bei ein und demselben Weibchen von Chamae- saura tenuior, welches Reptil lebendig gebiert, Embryonen von ausgesprochenem Dimorphismus in demselben Oviduet. Haben wir in diesen Fällen wirklich mit „embryonaler Variation" der Individuen zu thun? Darüber klärt das erwähnte Experiment völlig auf. Um rassereine Dachshunde zu erhalten, wurden von meinem Vater und mir zwei rassereine Thiere dieser Art zusamniengesperrt und begatteten sich auch. Zufällig entwischte die Hündin aus dem Gehege und begattete sich in imserer Gegenwart nun noch nachträglich mit einem Hühnerhund. Die Folge war, die Hündin gebar drei rassereine Dachshunde und einen ausgesprochenen Bastard zwischen Dachs- und Hühnerhund, der um nur eins zu erwähnen, bereits bei der Geburt fast doppelt so gross als seine Gefährten war. Hieraus geht mit Sicher- heit hervor: Wenn ein und dasselbe Weibchen, das nor- malerweise mehrere Junge wirft, in ein und demselben Wurf heteromorphe Nachkommen gebiert, ist das kein Beweis dafür, dass diese Jungen durch embryonale Variation heteromorph geworden sind: — das Weibchen kann für diesen Wurf nach einander von mehreren Männchen betrattet worden sein. 434 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XL Nr. 3ß. theiluUä Stellung, Uebei' die Siiiigetbierfauiia der Kaukasusläuder giebt K. Satunin in den zoologischen Jahrbüchern (Ab- für Sj'steuuitik Band IX Heft 2) eine Zusannnen- welche aus einer Reihe von Einzelarlieiten, die sich mit der geographischen Verbreitung einzelner Arten beschäftigten, aus eigenen, mehrjährigen Beobachtungen und Sammlungen und aus der Bearbeitung der Säuge- thiere des kaukasischen Museums in Tiflis geschöpft ist. Die Säugethieri'auna ist insofern interessant zu nennen, als in einzelnen nicht zu weit von einander entfernten Gegenden des Kaukasus eine gänzlich verschiedene Fauna angetrofl'en wird. Doch sind die Beobachtungen darüber noch höchst unvollkommen und zu einer monographischen Bearbeitung der Säugethiere der Kaukasusländer noch nicht ausreichend. Das Verzeichniss führt im ganzen 108 Arten an, welche sich auf die einzelnen Ordnungen folgendermaassen vertheilen: Chir opferen 18 Arten, Insectivoren 10, Carnivoren 23, Pinnipedier 3, Rodentier 35, ün- gulaten 15 und Cetaceen 4 Arten. Speciell möge daraus erwähnt werden, dass das Vorkonuuen des Bibers in den Kaukasusländern noch zweifelhaft ist. Von den früheren Autoren, welche vom Vorkommen des Bibers reden, hat keiner den Biber selbst gesehen, und Beweis- stücke fehlen gänzlich; sie stellen ihn in ihre Verzeich- nisse entweder auf das Zeugniss älterer Autoren hin oder nach Hörensagen. Satunin stellt sein Vorkommen direct in Abrede, weil die Gebirgsbäche des nordwestlichen Kaukasus, von dem seine Existenz bisher angenommen wurde, für seine Lebensweise nicht geeignet sind. Der Tiger ist nur noch im russischen Gebiet des Talysch, der Panter dagegen noch ziemlich weit verbreitet. Das ge- meine Eichhörnchen (Seiurus vulgaris L.) fehlt dem Kaukasus gänzlich. Von dem kaukasischen Auerochsen (Bos bonasus L.) wurden noch im September 1895 zwei Exemplare am Keschafluss erlegt. R. Die Agaveu der Tereinigteii Staaten behandelt Isabella Mulford in dem im letzten Mai erschienenen „Siebenten Jahresbericht des Missouri Botanical Garden." Die Arbeit beschäftigt sich hauptsächlich mit der Syste- matik der Agaven, giebt Beschreil)ungen der Arten, die Synonymie u. s. w., bringt aber auch einige interessante allgemeine Betrachtungen. V^ Die Agaven gehören bekanntlich zur Flora der heissen Zone, und in Nord-Amerika trifft man sie nur an in Mexico und in den südwestlichen Gebieten zwischen Texas und Galilbrnien: neuerdings hat man sie aber auch mit Glück in Südfrankreich im Freien cultivirt. Die dicken Blätter sind mit einer festen Oberhaut versehen, welche die Verdunstung vermindern soll, und dass die Blätter so fleischig sind, hat zum Zwecke, das AVasser für die oft lange andauernden trockenen Perioden auf- zuspeichern. Der Saft ist sehr reich an Mucin, Saponin und an verschiedenen Salzen, welche das Wasser absor- biren und lange zurückhalten krmnen. Dieser Wasser- reichtlium der Blätter bringt der PHauzc aber auch ent- schiedene Nachtheile, indem die Wüstenthiere die Agaven gern fressen werden, um ihren Durst zu stillen. Gegen diese thierischen Angriffe hat die Agave gleich dem Cactus, dem andern ächten Wüstcnbewohncr, Schutz- mittel: die Blätter sind oft mit Stacheln und scharfen Endspitzen versehen, haben hornige Seitenränder und sehr derbe Fasern. Es ist eine beim grossen Publikum verbreitete Mei- nung, dass die Agave nur einmal in ihrem Leben blühe und zwar, wenn sie 100 Jahre alt ist, und dass sie nach- dem sterbe. Manche Agaven blühen aber mit 3 oder 4 Jahren, andere mit 10, 15, 20, 30 und mehr Jahren und leben dann ungestört weiter. Die Blüthezeit kann man an gewissen Veränderungen vorhersehen. Die neuen Blätter werden immer kleiner und schmäler; der Mittel- trieb verdickt sich, und nach einiger Zeit wächst er ganz ausserordentlich rasch, ein Wachsthum von 7 Ceutimetern pro Tag ist nichts Aussergewöhnliches. Es ist der Blüthenstiel, welcher sich so kräftig entwickelt, und an der Spitze dieses mitunter 15 Meter langen Stieles er- scheinen dann die Blüthen. Manche Agaven sterben nach der Blüthezeit ab, andere bleiben noch lange Jahre leben. Gewisse Arten blühen in jedem Jahre, andere in weiteren Zwischenräumen. Viele Agaven sind gewissermaassen vivipar, indem ihre Samenkörner schon keimen, bevor sie noch herab- gefallen sind, und so als junge Schösslinge zur Erde fallen, die nur Wurzeln zu treiben brauchen, um ihre Entwickelung fortzusetzen. Ausser dieser geschlechtlichen Fortpflanzung kennt man auch eine ungeschlechtliche, bei welcher sich an dem Blüthenstiele kleine Knollen bilden, die sich, auf den Boden gelangt, leicht entwickeln. Ausserdem treiben viele Agaven während der Blüthezeit nach allen Seiten Stolonen. Die Lebensfähigkeit der Agaven ist eine ausser- ordentlich starke. Sie kommen noch in Regionen fort, wo sonst die Hitze alles Lebende tödtet. Mau kann sie aus dem Boden reissen und Monate lang liegen lassen, in guten Boden gebracht, wachsen sie fröhlich weiter. Die Zähigkeit, mit" welcher sie das einmal aufgenommene Wasser bei sich bewahren, ist die Ursache dieser ausser- ordentlichen Widerstandsfähigkeit. Die bedeutende Länge des Blüthenschaftes hat vielleicht zum Zwecke, Vögel und Insecten besser anlocken zu können, damit diese die Bestäubung besorgen; ferner kann die Pflanze so leichter bewegt und die Samenkörner und Knollen können auf weitere Entfernung von der Mutteri)flanze hin verstreut werden. Die Agave gehört zu den nützHchsten Pflanzen. Die langen und festen Fasern, welche in der Längsrichtung der Blätter verlaufen, dienen namentlich zur Herstellung von Tauen und Zeugen. Die Agaventaue sind von ausser- ordentlicher Haltbarkeit; Humboldt sah zu Quito eine Brücke, welche an 40 Jleter langen Tauen aus Agaveu- fasern hing. Aus den Blüthenstielen verfertigt man Gritfe für Messer und allerlei Geräthe, auch benutzt man sie zu Baumpfählen. Die harte und scharfe Blattspitze hängt mit den Fasern zusammen und bildet so eine Nadel mit natürlichem Faden. Der mit Gyps vermischte Saft der Blätter dient zur Vertreibung der Ameisen; die lebenden Blätter bilden eine Hecke, welche man nicht ungestraft durchschreitet; die Spitze des Blüthenschaftes dient als Streichriemen für Rasirmesser. Durch ihren reichen Ge- halt an Saponin vermögen die Agaven in Mexico und Arizona die Seife zu ersetzen. Von der Agave americana und A. atrovirens gewinnt man zur Blüthezeit einen zuckerhaltigen Saft, indem man den Blüthenschaft und die inneren Blätter abschneidet und in den Stumpf eine cylindrische Calebasse einführt; in derselben sannneln sieh Monate lang täglich 5—6 Liter Saft an. Dieser Saft wird in Beuteln aus Ochsenhaut der Gährung unter- worfen, und so erhält man einen Liqueur, welcher in seiner Consistenz halb geronnener Milch ähnelt und Pulque genannt wird. Indem man diese Pulque destil- lirt, erhäit man eine Art Branntwein, den sogenannten ]\Iescal, der von der 13evölkcrung nur zu sehr geschätzt wird. Aus der Agave utahensis wird auf folgende Weise ein kräftiges Nahrungsmittel hergestellt. Man gräbt in den Boden ein Loch, legt dasselbe mit kleinen, glatten Steinen aus und eriiitzt dieselben; nachdem man die XI. Nr. Si;. Naturwissen.sc-hnrtüclie Wochensclirift. 435 Asche entfernt bat, bringt mau auf die beisseu Steine das „Herz'" mehrerer Agaven, d. h. das Innere einer Pflanze ohne Blätter und Bliitbeuscbaft, bedeckt das Ganze mit grossen, heissen Steinen und dämpft es 2 — 3 Tage lang. Durch diese Behandlung verwandein sich die Pflanzentbeile unbescluidet ihrer derben Fasern in eine gelatiueartige Masse von angenehmem Gesehmaclv und hohem Nährwerth. Neuerdings hat man Versuche gemacht, die Agave auch in anderen Theilcn Nord-Amerikas, in Florida und Babama, zu acclimatisircn; die Versuche sind völlig ge- gluckt, und die Pflanze wird ohne Zweifel in späterer Zeit mit zur Prosperität dieser Gegenden beitragen. S. Seh. lieber die Yerbreituiig des Glutamins in den Pflanzen. — Das von E. Schulze und Bosshard im Jahre 1883 aus Rübensaft isolirte Glutamin ist ein Ho- mologes des Asparagins. Wie dieses das saure Amid der Amidobernsteiusäure CH(NH,,)-COOH CH2-CONH2 darstellt, so leitet sich das Glutamin von deren nächstem Homologen, der Amidonormalbrenzweinsäure ab, entspricht also der Formel CH(NH2)-C00H CH, CH2-CONH2 Es war danach zu erwarten, dass ähnlich dem Asparagin auch das Glutamin im Pflanzenreiche weit verbreitet sei. Diese Voraussetzung ist durch die üntersuchunt;en von E. Schulze (D. Chem. Ges. Ber. 1896, 1882) bestätigt worden. Glutamin fand sich in folgenden Pflanzentheilen: 1. Keimpflanzen von Cucurbita pepo, Helianthus aunus, Ricinus communis, Brassica Napus var. annua Sinapis alba, Rapbanus sativus var. radicula, Lepidium sativum, Picea excelsa. 2. Wurzeln von Beta vulgaris, Daucus Carota, Ra- phanus sativus var. rapiferus, Apium graveolens. 3. Knollen von Stacbys tuberifera, Brassica oleracea var. gongylodes (Kohlrabi), Bi-assica Napus var. napo- brassica (Steckrübe oder Erdkohlrabi). 4. Junge grüne Pflanzen von Saponaria officinalis, Pteris aquilina, Aspidium filis mas und Asplenium filix femina. 5. Blätter von Beta vulgaris und Brassica oleracea var. gongylodes. In einzelnen der genannten Objecte wird bald Glu- tamin, bald Asparagin gefunden, während andererseits in ganzen Pflanzenfamilien das Glutamin die Rolle des As- paragins übernommen zu haben scheint. In den Keim- pflanzen von Picea excelsa und in den Knollen von Brassica Napus var. napobrassica fanden sich daneben beträchtliche Mengen von Arginin. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Privatdocent der Chemie in Strass- burg Dr. Emil Erlenme3'er zum ausserordentlichen Professor; der vereidete Chemiker der Gerichte und der Handelskammer zu Breslau Dr. Franz Hulwa zum Professor. Berufen wurden: Der ordentliche Professor für Landwirth- schaft in Königsherj; Geheimratli Dr. Wilhelm Fleisch mann als Nachfolger Prof. Liebschers und Director des landwirth- scliaftlichen Instituts nach Göttiniren; der Privatdocent der Augen- heilkunde in Leipzig Dr. Karl Hes.s nacli Marburg; der Privat- docent für Arzneimittellehre in Marljurg Dr. von So hieran ski als ordentliclier Professor nach Lemberg; Kreisthierarzt Fr ick in Hettstedt als Docent für Chirurgie und Akiurgie und Leiter der Klinik für kleine Hausthiere an die thierärztliche Hoch- schule zu Hannover; der Prosector an der militär-mcdicinischeu Akademie zu Petersburg Dr. Tschermak als ordentlicher Pro- fessor und Naclifolger des Prof. Barfurth nach Dorpat. In den Ruhestand tritt: Der Docent an der thiorärztlichen Hochschule zu Hannover Prof. Dr. Lustig. Es starben: Der ordentliche Professor der Mathematik in München Dr. Philipp Ludwig Seidel; der ordentliche Pro- fessor der Anatomie in München Dr. Nikolaus Küdinger zu Tutzingen; der ordentliche Professor der Mathematik in Greifswald Dr. Bernhard Minuigerod e zu Spindelmühl: der als Ethnograph und Geograph verdiente Schriftsteller Heinricli August \oe: der als Geograph und Kartograph verdiente Oberbefehlsliaber der kongostaatlicheu Flotte und schwedische Schiifskapitän Skager- ström; der Professor der Geologie in Oxford Alexander H. Green. Die 13. Hauptversammlung des preussischen Medicinal- beamtenvereins tindet am lö. und 16. September im Hygienischen Institut in Berlin statt. E>er 4. internationale Congress für Hydrologie und Klima- tologie tindet Ende September in Clermont-Ferraud statt. L i 1 1 e r a t u r. Dr. O. Schmeil, Pflanzen der Heimath, biologisch betrachtet. Eine Einführung in die Biologie unserer verbreitetsten Gewächse und eine Anleitung zum selbständigen und aufmerksamen Be- trachten der Pflanzenwelt, bearbeitet für Schule und Haus. Mit 128 farbigen und 22 schwarzen Tafeln, Verlag von Erwin Nägele in Stuttgart, 1896. — Preis gebunden 4.50 M. Der bekannte Copepodenforsclier behandelt in dem vor- liegenden Buche in allgemeinverständlicher Sprache 150 ein- heimische Ptlanzenarteii vom biologischen Standpunkte aus. Nicht für den Fachmann, sondern für den „nicht wissenschaftlich ge- bildeten Naturfreund' und „für die Schule" ist das Werk ge- schrieben; daher mussten die botanischen Kuustausdrücke fast ganz wegfallen, was vom pädagogischen Standpunkte aus nur zu loben ist. Es ist eine dankensw-erthe Arbeit, aber keine leichte Aufgabe, die Pflanzenbiologie einmal allgemeinverständlich und scliulgemäss zu behandeln; desshalb wollen wir gern über kleine Mängel in Text und Abbildungen hinwegsehen; der Verfasser wird dieselben für die 2. Auflage zu beseitieen wissen. W. Hartwig. Prof. Dr. Richard Meyer, Die chemische Synthese. Ihre Be- deutung für die Wissenschaft und das Leben. N'erlagsanstalt und Druckerei A. G. (vormals J. F. Richter). Hamburg 1896. — Preis 0,6U M. Eine kurze historische Darstellung der den Chemikern ge- lungenen Synthesen namentlich auf dem Gebiet der organischen Chemie mit Berücksichtigung ihrer praktischen Wichtigkeit. Dei „Vortrag" (Sammlung Virchow- Wattenbach) umfasst nur 29 Seiten. Jahrbuch der Chemie. Bericht über die wichtigsten Fortschritte der reinen und angewandten Chemie. Herausgegeben von Richard Meyer. V. Jahrgang. 189.D. — Friedrich Vicweg & Sohn. Braunschweig 1896. — Preis 14 M. Um das vorliegende Jahrbuch können andere Disciplinen die Chemie beneiden. Es ist trefflich geeignet über die wichtigsten Fortschritte der Chemie zu orieutiren und was von besonderem Werth ist: es erscheint thunlichst schnell nach dem Ablauf des behandelten Jahres. Der vorliegende Jahrgang umfasst 592 Seiten. Die physikalische Chemie ist diesmal von F. W. Küster allein bearbeitet worden, die Technologie dv.v Kohlehydrate und Gährungsgewerbo von M. Märcki>r und W. Naumann; die Technologie der Fette und Erdöle hat diesmal J.Le w ko wi t sc h übernommen. Im übrigen sind die Referenten für die XV Ab- schnitte geblieben wie im vorjährigen Bande (vergl. Naturw. Wochenschr. Bd. X (1895) No. 42 S. '511). Inhalt: Richard Avenarius f. — Nansen's Polarfahrt. — Gartcnkalender. — lieber die Cultur und Präparation der Ueber vermeintliche embryonale Variation. — Ueber die Säugetim-fauna der Kaukasnsländcr. — Die Agaven der Staaten. — Ueber die Verbreitung des Glutamins in den Pflanzen. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr Pflanzen der Heimath biologisch betrachtet. — Prof. Dr. Richard Mever, Die chemische Svnthese. — Jahrbuch de; Vanille. — Vereinigten rChe^^lt;^^ 1^ ■* -^•-%' \t\< LijlLI --y' W\ - /- \'d>K>. 4:;'' Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 36. R. Fuess, Mechanisch -optische Werkstätten, Steglitz bei Berlin, emptiehlt die in nebensteht^nder Figur abgebildete und paientrechtlich gesctiützte einfache photo- ;;raphiselie Camera zum Aulsetzen auf den Tubus jeden beliebigen Mikroskopes. 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Gcwölmlichcr ist der Fall, dass Hexakis- tetraeder sich diiichUreiizeii (Fig. 3) uiul dann sind die Rinnen geknickt. Dabei präg-t sicli au den einspringenden Flächen eine Streuung aus, welclie durch wiederholtes, abwechselndes Auftreten der rechten und linken Fläche der Furche bedingt wird (Fig. 4). Lst die Streifung recht fein und liegen die Kanten gleich hoch, so verschwindet die tiefe Furche und an ihre Stelle tritt eine gewölbte, streitige Fläche, die in ihrer Lage einer Fläche des Pyramidenwiirfels entspricht. Solehe Krystalle kommen ani Cap oft vor (Fig. 5). Vergrcisscrn sich die octac- drisehen Abstunij)fungsflächeu bis zum Durchschnitt beider, so bildet sich ein einfaches Octaeder heraus, dem man seine Entstehung oft nicht mebr ansieht und von dem ausgehend jene Durchkreu- zungszwillinge hemiedriseher Ge- stalten als interessante aber zufällige Waclisthumserseheinun- gen angesehen wurden, während der Diamant gesctzmässig voll- flächig krystallisiren sollte. Octae- drische Gestalten sind beim Dia- mant ungemein häutig. Die Flächen des Octaeders erscheinen stets eben und glänzend, besitzen aber vielfach eine verlaufende feine, ihren Umrissen parallele Streitungen, welche durch Auf- lagerung dünner Substanzlamelleu parallel zurOctaederfläche hervor- gerufen sind. Jede folgende derselben tritt gegen die unter- Fig. 3. gesetzmässig Zeichnung durch Flg. liegende etwas zurück. Ferner treten kleine, dreieckige Vertie- fungen auf, deren Ecken den Octaederkanten zugewendet sind (Fig. 4 und Fig. 9). Recht häufig sind auch (Bra- silien und Cap) würfelförmige Ge- stalten, Combinationen des Wür- fels mit dem Tetrakishexaeder (Pyramidcnwttrfcl). Die Flächen des ersteren sind rauh in Folge Auftretens kleiner vierseitiger Gru- ben, deren Umrisse den Würfel- ilächendiagonalen parallel laufen (Fig. G). Der Pyramidenwürfel hat gekrümmte Flächen. Rhom- bendodekaeder mit gekrümmten Flächen, welche zum Tiieil durch Querknickung in Pyramidenwürfel (Fig. 7), oder Knickung nach bei- den Diagonalen der Flächen in 48 flächner übergehen, sind auch recht verbreitet. Letztere 48fläeiiige Gestalten können fast kugelförmig erscheinen. Sic stammen meist aus ] Brasilien und vom Cap. Endlich sind eine andere Art von Zwillingen, solche nach der Octaederflächc (sog. Spincllzwillinge) oft zu be- obachten, an denen das Octaeder (Fig. S) oder auch ein in der Richtung der Zwillingsaxe verkürzter 4Sflächner als l'.egrenzung auftritt. Die verschiedenen Gestalten kommen nun nicht an den verschiedenen l'undstellen gleichmässig vor, im Gegcn- tiieil sind einzelne i'ür bestimmte Orte charakteristisch; so z. B. haben Würlel ihre Ileimath wesentlich in Brasilien, wo übrigens auch stark gerundete Rhombendodekaeder und Fig. !». 48 flächner häufig sind, wogegen am Cap Würfel seltener vorkommen. Dafür sind Octaeder hier häutig, daneben Rhombcndodecacder. Diese Gestalten herrschen auch in Lidien und Borneo vor, während Würfel hier auch recht selten sind. Auch die Grösse der Krystalle schwankt sehr. Von mikroskopischer Kleinheit kennt man sie bis zu Hühncrei- grösse. Während aber Australien keine, Borneo und Bra- silien (z. B. Südstern 25472 Kar. roh, 125'/.2 Kar. ge- schliffen) vereinzelte, Indien (z. B. Regent 410 Kar. roh, 137 Kar. geschliffen. Fig. U*)) einige grosse Steine von mehr als 100 Karat lieferte, sind solche am Cap, obwohl hier die Diamanten erst seit kaum 30 Jahren bekannt sind, durchaus keine Seltenheiten; von etwa lODg (iewicht sind sie zu vielen Hun- derten vorgekommen. Von dort stanmieu sogar etliche von mehre- ren hundert Karat und ebenso der grösste aller bekannten Dia- manten, der 1893 gefundene Ex- eelsior von 971 Kar. (Fig. 12.) Die Diamantkrystalle zeigen einen ausgezeichneten Blätter- brueh nach den Octaederflächen, welcher in Verbindung mit der grossen Sprödigkeit der Kry- stalle es ermöglicht, durch An- wendung geringer Kraft dieselben zu zertrümmern und in staubfeine Partikel ül)erzuführen. In einem gewöhnlichen Stahlmörser gelingt das durch leichte Ilammersehläge. Die Festigkeit des Diamants gegenüber Stoss, d. h. seine Zä- higkeit, ist also gering. Seine Härte, d. h. sein Widerstand gegen eindringende fremde Kör- per, gegen Abnutzung, ist da- gegen ausserordentlich hoch. Nur vereinzelte Substanzen, wie kry- stallisirtes Bor und der Carbo- rund, eine in neuerer Zeit durch Zusammenschmelzen von Kohle und Sand im elektrischen Flam- menbogen erzeugte Kohlenstoff- siliciumverbindung (CSi), kommen dem Diamant ziemlich nahe. Die natürlichen Mineralien stehen alle weit unter ihm. Insbesondere ist er ganz bedeutend härter als der Korund und \on diesem durch eine grössere Kluft getrennt, als letzterer vom Talk, unserem weichsten Mineral in der Härtescala. Nach letzterer hat Korund den Härtegrad ^ 9, Diamant = 10. Durch praktische Versuche hat man die ^\'i(lerstandsfähigkeit einer Reihe von Mineralen beim Schleifen geprüft. Ver- reibt man ein gegebenes Quantum Schleifmatcrial auf einer ebenen Glas- oder Metallunterlage bis zur Un- wirksandvcit, so erhält man durch die an Probekörpern erzielten Substanzverluste bei Anwendung verschiedener Schleifmittel verschiedene Werthe. Wenn für den Korund (Smirgel) hierbei der Werth 1000 als Maassstab an- Fig. 6. Fig. 10. *) 1 Karat = 205 Milligninim. Figur II .stellt ticn Regent, oinoii Brill.uiton von 137 Kaivit Scliwon', in n:itiirliclu'v (irösse dar. Auf di'V Hi'ilinor Gowerbe-Aiisstcllung belindot sich oin goll)ev Capdiaiiuint vun ISO Karat, etwa Walhuissgrösse. XI. Nr. 37. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 439 genommen wird, so eri;chen sich für die Glieder der Mohs'scheu Härtescala tVdgeude Vcrglcicliswertlie: Talic 0,04, Steinsalz 2, Calcit 5,G, Fluorit ü,4, A))atit S, Adular 59,2, Quarz 175, Topas 194, Korund 1000, Diamant 1-tOOOO. — Hieraus geiit am deutlichsten der hohe Härte- grad gegeuüber anderen Mineralien hervor. Aber nicht alle Diamanten sind gleich iiart. Aus^tralische sollen härter sein als die anderen und nur mit eigenem l'ulver schleifhar sein. Auch der einzelne Krystall ist manch- mal an der Oberlläehe härter als im Innern und besonders schwankt die Härte mit der krystallugraphischen Lage der zu prüfenden llichtung. Auf der AVürfeldäche z. 15. ist die Härte in der Diagonalen grösser als parallel zin- Würfelkante. Das specifische Gewicht des Diamants ist = 3,52, seh wankt auch bei reinen Steinen nur innerhalb reelit enger Grenzen, von 3,50 — 3,55 etwa. Grössere Abwei- chungen haben besondere Ursachen, die an sich nicht mit der Substanz des Diamants zusammen- hängen. Diese Eigen- schaft bietet ein gutes achtet worden. Hell- und dunkelblaue Steine sind bekannt, unter letzteren der 44Vi. Kar. schwere rein saphirblaue des Bankier Ilope in London. Selten sind auch schwarze, rothe und violette Diamanten. Ein roscnrother von 32 Kar. liegt in Wien. Braune Steine kommen oft vor. Verbreitet und besonders in Brasilien heimisch sind grün gefärbte Diamanten; allerdings ist es selten ein leb- haftes reines Grün, welches sicli zeigt, sondern besonders ülgrün oder ein anderer mehr ins gelbliche oder graue gehender grüner Farbenton ohne besondere Schönheit. Der schönste grüne Diamant liegt im grünen Gewölbe Kegent, dur sehöustr i4-russ(j 1 Kis- II. rillaiit, loT Karat scliucr (uat. Grössr). und für einen geschliffenen besonders bequemes und Stein dureiiaus gefahrloses Mittel dar, echte Diamanten von vielen dafür angesprochenen Substanzen zu unterscheiden. Der Graphit liat nur ein specifisches Gewicht von 2,1 — 2,2. Grosse Mannigfaltigkeit zeigt die Farbe des Dia- mants. Wenn uns auch, weil wir vorwiegend den Dia- mant als Schmuckstein zu sehen bekimnocn, derselbe in der Kegel als weiss bezw. farblos entgegentritt, so muss doch hervorgehoben werden , dass ohne Zweifel die Hälfte der in der Natur vorgefundenen Dia- manten eine deutliche Fär- bung zeigt und nur etwa der vierte Theil als durchaus farblos bezeichnet werden kann. P^rei- lich sind die Farben meist wenig intensiv und bei ganz blassen, besonders gelblichen Tönen, ge- hört schon ein geübtes Auge, oder der unmittelbare Vei-gieich mit einem wirklich farblosen Stück dazu, um die Färbung noch wahrzunehmen. Diese ist stets eine Folge der Beimen«-un^ Excelsior, einer fremden, färbenden Sub- stanz, mit deren im Ganzen sehr geringen Menge die Intensität der Farbe wächst. Diamant, soweit er che- misch rein ist, ist farblos. Verbindet sich mit völ- liger Farblosigkeit auch vollkommene Durclisichtigkeit, so zeigt der Stein besonders im geschliffenen Zustande den geschätzten, etwas ins bläuliche gehenden weissen Lichtschein, der die Bezeichnung „blau weiss" hervor- gerufen hat und den Steinen l)esonderen Werth ver- leiht. Indische und brasiliaiüsche Steine besitzen diese Eigenschaft immerhin öfters, während die afrikani- schen Diamanten sie nur in verhältnissmässig wenigen Fällen zeigen, am häutigsten noch an Stücken von Jagers- fontein. Unter den Farben ist gelb, grün, gr|au am meisten vorhanden; es kommen aber fast alle anderen l-'arben vor und zudem in recht verschiedenen Tönen. Blaue Farbe ist beim Diamant am seltensten beob- in Dresden; er wiegt 48V2 Kar. Es sind also zugleich Steine von bemerkenswerther Grösse, weiche sicli durch schöne Färl)ung aus- zeichnen. Am allcrhäuligsten besitzen die Diamanten eine gelbe Farbe. Diese konunt in allen Nuancen von tiefen, satten Tönen bis zu den blassesten vor. Lebhaft gelb ist der 125 Kar. schwere Brillant des Juweliers Tifl'any in New- York, der in Südafrika gefunden wurde. Blass- gelb sind die meisten Cap-Dianiauten, und bezeichnender Weise nennt man die sehr helle, nur dem geübten Auge als gelblich erkennbare Farbe Capweiss. Je nach dem feineren Farbenton hat nuxn am Cap eine grosse Reihe, bis zu 10 versciiiedencn Arten des Gelb durch besondere Be- zeichnungen unteischiedcn. Ferner sind zweifache Fär- bungen beobachtet worden z. B. gelb und blau. Nicht selten ist auch der Stein nicht in allen Theilcn, oder nicht gleich stark gefärbt. Graue und grüne Diamanten zeigen diese fleckige Vertheilung des Färbemittels wohl am meisten. .Manchmal folgt die Vertheilung dem gesetz- mässigen Bau des Krystalls, bei dem dann wohl die Ecken anders als Kern gefärbt sind; z. B. am Cap die Ecken gelb oder grau, der Kern farblos, oder umgekehrt. Die gelegentlich beobachtete grau-schwarze Hülle um farblosen Kern mag beson- deren Einflüssen ihre spätere Entstehung verdanken. Ueber die Natur, die che- mische Zusannncnsetzung des färbenden Jlittels weiss man Es erklärt sich dies aus dem gc- desselben im Diamant und der Kost- letzteren. Im allgemeinen ist die Farbe Eisen- und vielleicht auch Titanverbin- wenigstens der grüsstc Diamant, 971 Karat schwer JaKcrsfontein (nat. Grösse). nur sehr wer ringen Anthci barkeit des beständig. düngen sind als Bestandtheile farbiger Diamanten nachgewiesen und wohl öfters als Ursache der Fär- bung anzusehen. Da bisweilen die l'^irbe beim Glühen versehwindet, so mag sie in diesen Fällen organischer Natur sein. In anderen Fällen ändert sie sich nur, z. B. grüne werden braun, braune roth; aber nicht inmier ist die neue Nuance beständig, sondern geht gelegentlich in den früheren Ton zurück. Ein Mittel, um die gefärbten Steine, besonders die gelblichen, farblos zu machen, giebt es nicht, wenn anders mau nicht den Knilf, durch einen violetten Uebcrzug einen gelbiiehen Stein vermittelst Ausgleich der Gomple- mentärfarben farblos erscheinen zu lassen, für ein 440 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 37. solches gelten lassen will. Die Waschprobe genügt hier aber zur Prüfung. Bemerkenswerth ist, dass Diamantpulver, auch solches von farblosen Steinen, nicht weiss, sondern grau aussieht und zwar um so dunkler, je feiner das Pulver ist. Farblose, durchaus reine Diamanten sind durchsichtig; bei den gefärbten nimmt die Durchsichtigkeit nicht nothwendig, aber doch meist etwas ab. Soweit eine rauhe Oberfläche dieselbe beeinflusst, lässt sich durch Glättung, durch den Schliff' derselben Abhilfe schaffen. Dies ist natür- lich bei Anwesenheit trüber innerer Stellen („Wolken") oder von Einschlüssen nicht möglich. Auch innere Hohlräume (Poreureihen = „Fahnen") und durchgehende feine Klüfte (Spaltrissc == „Federn") beeinträchtigen die Durchsiclitig- keit, das sogenannte „Wasser" der Diamanten. Diese erzeugt nun in Verbindung mit dem lebhaften, ihm eigenen besonderen Glanz, den der Diamant auf glatten Flächen wegen seines hohen Breehungsexponenten annimmt und mit der starken Farbenzerstreuung die als „Feuer und Farbenspiel" des Edelsteins bezeichnete gescliützte Eigen- schaft. Es giebt genug Mineralien, z. B. Zinnober, Roth- giltigerz, Rutil, deren Brechungsexponent höher als der des Diamants ist, doch keinen Edelstein, der letzteren hierin übertrifft. Der Brechungsexponent des Diamants ist n = 2,42 (für gelbes Licht). Dagegen hat z. B. Rubin und Sapiiir nur n = l,7(i, Smaragd n = 1,57, Topas n = 1,6. Diese haben demnach geringeres Feuer. In Folge der starken Lichtbrechung wird beim Dia- mant häufig Totalreflexion eintreten, also ein starker Licht- schein und Glanz, welcher besonders bei satten Farben in das metallische übergeht. Ferner bewirkt aber die starke Dispersion des Dia- mants leicht Farbenspiele. Es ist n^ = 2,40 für rotiies, i>r = 2,4B für violettes Licht. Der Dispersionseoefficient ist also = 0,06, während derselbe für Glas nur etwa die Hälfte beträgt. Diamanten vom „reinsten Wasser", die völlig farblos und durchsichtig sind, werden sonach auch das höchste „Feuer" zeigen; aber auch hei gefärbten Diamanten ist dieses noch immer viel liöher als bei anderen ge- färbten Edelsteinen, sodass diese gegenüber Diamanten immer beträchtlich an Schönheit und Eindruck zurück- stellen. Irisiren, ähnlich dem Opal, zeigt der Diamant nur ganz vereinzelt. Als reguläres Mineral ist Diamant oiitisch isotrop. Um Einschlüsse und Sprünge herum beoliachtet man aber öfters anomale Doppelbrechung, die auch bei gewissen grauen Diamanten (smoky stones) sich recht deutlich zeigt. Da diese bei Erschütterungen, den Gla.sthränen ähnlicli, in Folge innerer Spannungen leicht zerspringen, so erklärt sich \v(il:l als Folge letzterer auch die Doppel- brechung. Es mag ferner noch erwähnt werden, dass der Diamant in gewissen Fällen l'iuisphorescenz zeigt, d. h. die Fähigkeit, im Dunkeln sell)sttiiätig Licht auszustrahlen. Dui'ch Reilmng \vii> dnrcli elektrische Erregung tritt die Eischcinung wolil mich am ehesten ein; kaum ist es der Fall, wenn nm- Sonnenbcstraldung vianiant positiv elektrisch (wie Glas), verliert aber die Elektricität bald wieder. (Jegen gewisse physikalisciic und chemische Ein- wirkungen ist der Diamaut sehr widerstandsfähig. Stücke oder Krystalle desselben kann man auf Temperaturen von weit über 1000° erhitzen, ohne eine andere Um- änderung als Trübung derselben wahrzunehmen, besonders wenn die Luft bezw. Sauerstoff abgeschlossen ist. Erst bei Temperaturen von 1800 — 2000**, wie sie im elektri- schen Flammenbogen auftreten, erleidet der Diamant eine allmähliche, von aussen nach innen gehende Umwandlung in eine specifisch leichtere, schwarze, abfärbende Sub- ■ stanz; er geht in Graphit über. Geschah die Erhitzung ' bei Luftzutritt, so zeigt er auch wohl Abrundung der Ecken oder erlangte cokesälndichcs Aussehen. Ob aber I eine Schmelzung, wie zum Theil berichtet wird, einti'itt, f erscheint unsicher. Dagegen verbrennt der Diamant im Sauerstoffstrome ziemlieh leicht bei Temperaturen von gegen lOOO*", er geräth dabei in die lebhafteste Weiss- gluth und bedeckt sich in Folge seiner in verschiedenen Richtungen verschiedenen Angreifbarkeit auf den Octaeder- flächen mit dreiseitigen Vertiefungen, Aetzfiguren, welche mit ihren Umrissen den Octaederkanten parallel verlaufen, ihre Ecken aber den Octaederecken zukehren (Fig. 10), also umgekehrt orientirt sind wie die auf den Octaederflächen oft voihandenen, oben erwähnten, natürlichen Eindrücke (Fig. 9). Diamantpulver verbrennt schon beim Glühen in Luft. Chemische Reagenzien wie Säuren, Basen und dergleichen sind beim Diamanten unwirksam, wohl wirken aber Substanzen ein, welche Sauerstoff entwickeln, z. B. schmelzender Salpeter (NO^K), oder eine Mischung von chromsaurem Kali und Schwefelsäure. Die geschilderten geometrischen und physikalischen Eigenschaften kommen aber im Wesentlichen nur der deutliche einheitliche Krystallstructur bezw. Krystalltbrm zeigenden Art des Diamanten zu. Es giebt aber noch Ausbildungsformen desselben, welche als Bort und Car- bon ado bezeichnet werden. Beim Bort muss man die technische und die mine- ralogische Bedeutung auseinanderhalten. Im ersteren Sinne heisst alles Bort, was nicht schleifbar, nicht als Schmuckstein verwendbar ist und darum in der Technik zum Schneiden, Bohren, Schleifen u. s. w. verbraucht wird, also auch trübe, fleckige und dergleichen Krystalle. Mineralogisch versteht man unter Bort derben Diamant, d. h. solchen, an dem keine einheitliche Kr_ystallbegrenzung wahrnehndjar ist, Ijcsonders die zu Gruppen regellos ver- wachsenen Massen. Sind sie kugelig, so spricht man von Bortkugeln, die übrigens auch durch Abrolluug ge- glättet sein können. In der Provinz Bahia fast allein kommt nun die fernere als Carbonado bezeichnete Art des Diamantes vor, die sich an den mineralogischen Bort eng an- schliesst, insofern hier auch durchgängig derber, nicht etwa amorpher Diamant vorliegt, dessen schwarze Farbe in Verbindung mit seinem meist schlackigen Aus- sehen zu seinem Namen Anlass gab. Im Allgemeinen sieht diese Substanz grau bis schwarz aus, besonders auf der Oberfläche. Sic besteht aus einem ])oriisen ])is schlackig-blasigen, feinkörnigen bis fast diciiten Aggregat winziger Diamantkörner und weist in Folge dessen keine durchgehende Spaltbarkeit, eine l)e- sondere Zähigkeit und, was innncrhin auffällig ist, beson- ders hohe Härte auf. Mit Carbonadopulver kann man gut Diamantkrystallc schleifen, aber nicht umgekehrt. Soweit imn der Carbonado iiröckclig oder zerreüilicli ist, wird er in Pulverform zum Srhleiten, soweit er fest ist, in Hroc'kentorni von bestimmter durch Theilung erzeugter (Jrösse besonders zum Bohren benutzt. Die dunkle Farbe wird in der Regel durch viele opake Einschlüsse in den kleinen grauen bis bräunlichen Diamantpartikeln des- selben her\-ori;erufen. Dass die Einschlüsse Kohle seien, XI. Nr. 37. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 441 ist nicht erwiesen, festgestellt ist nur, dass ein Eisen- und Kalki;cli;ilt ihnen cigentliiimlich ist. Nester und Htrcifcn gowcilmlichen derben, farblosen Dianiants durch- ziehen bisweilen den Carbonado ganz unregeliniissig und gehen allmählich in diesen über. Nur selten tritt der Cari)onado mit regelmässiger krystallographiseher Be- grenzung, z. B. in Wiirfelgestalt auf. Die Carbonado- niasscn sind neben gewöhnlichen Diamanten in bis faust- grossen (3500 Karat schweren) Massen von unregel- mässiger Gestalt in Bahia (Brasilien) gefunden worden. Die bisher angeführten Eigenschaften des Diamantes vermögen uns nur wenig auf die wichtige Frage nach seiner Entstehung auszusagen. Sehen wir zu, inwieweit sein natürliches Vorkommen darüber Aufschluss geben kann, besonders in Verbindung mit der bisher allein zur Erzeugung dcssellten erfolgreichen Methode. Vor Allem würde dasjenige geologische Vorkommen heranzuziehen sein, welches als primäres, ursprüngliches sicii ausweist, denn hier findet sich der Diamant noch in dem (iestcin und wohl auch an dem Ort, wo er entstanden ist. Ein solches i)riniäres Vorkommen auf unserer Erde ist uns jetzt bekannt, wenn es auch vielleicht noch nicht über allen Zweifel erhaben sein, bis in jede Einzelheit strengen Anforderungen Genüge leisten mag. Es ist dies das Vorkommen im sogenannten blue ground von Süd- afrika. Als primär ist auch das Auftreten in Meteoriten unzweifelhaft anzusehen. Letzteres ist mehrfach beobachtet worden. In dem Meteorstein von Novo Urei (Gouv. Permj ist neben Olivin, Augit, Niekeleisen und Kohle Diamant vorhanden und macht etwa 1 pOt. der Masse aus. Auch in den Meteor- eisen von Canon Diablo (Arizona) und Arva (Ungarn) ist Diamant nachgewiesen worden, nachdem schon früher im Meteoreisen von Arva aufgefundene, als Cliftonit be- zeichnete graphitähiiliche, würfelförmige Körner als Pseudomori)ltoscn nach Diamant angesprochen worden waren. Auf der Erde ist der Diamant meist im Seifengebirge und gewöhnlich auf secundärer Lagerstätte aufgefunden worden. Wird z. B. ein edelsteinführendes Gestein von der Einwirkung der Atmosphärilien ergriffen, so werden die leichter angreifbaren Bestandtheile zerstört und wohl auch fortgeführt, während die widerstandsfähigen, darunter der Edelstein, sieh halten. So lange die aufgelockerten Massen ihren Ort nicht wechseln, bewahren die festen Bestandtheile ihre scharfen Umrisse. Unterliegen sie aber einem Transport, besonders durch flicssendes Wasser, so rollen sich die Bestandtheile ab, und erleiden dabei zugleich eine natürliche Aufbereitung nach Schwere und Beweglichkeit. An günstigen Orten, oft weit vom Ur- sprungsort entfernt, werden die Gerolle und unter ihnen die Edelsteine zusamniengesehweninit und abgelagert. Hier sind diese dann leichter und gewöhnlieh in grösserer Menge als an der primären Lagerstätte zu gewinnen. In der mit der Aufbereitung und dem Transport ver- bundenen natürlichen Auslese, in der die Steine auf Festigkeit durch Stoss und Druck geprüft und als „ge- sund" befunden wurden, liegt auch die Erklärung dafür, dass die abgerollten Stücke in gewissem Sinne günstigere Beschaffenheit als die von ursprünglicher Lagerstätte zeigen. Was brüchig war, ist zu Grunde gegangen. Die mit den Edelsteinen aufgehäuften Gesteinstrümmer, mögen sie noch an ihrem Ursprungsort liegen oder fortgeführt sein, bilden eine Seife, aus der durch Auslesen, Aus- waschen und dergleichen Autbereitung die nutzbaren V>^- standtheile gewonnen werden. Das Vorkommen in Seifen vermag nur mittelbar einen oft wenig sicheren Anhalt für das urs])rüngliche Vorkommen und damit die Ent- stehungsart des Diamanten zu geben. Die begleitenden Minerale und ihr Zusammenvorkommen dienen dabei als Stütze, da wir von vielen derselben ihr Auftreten kennen. Die Stütze wird aber um so unsicherer, je öfters eine Umlagerung etwa stattgefunden hat. Denn wie in unserer Zeit haben sich auch in früheren geologischen Zeit- räumen Seifen gebildet, die dann später abermals der Zerstörung anheimfallen konnten. Solehe „fossile Seifen" sind bekannt. Die goldführenden Congiomerate der süd- afrikanischen Republik werden mehrfach, aber mit Un- recht, als paläozoische Seifen angesehen. Zweifellose fossile Goldseifen sind in den Dacotah hüls (Nord- Amerika) aufgefunden, und fossile Diamantseifen sind die Ablagerungen in Indien in den Banaganpillysaudsteinen der Vindhjaformation und zum Theil die servi(jos da serra (die Plateauablagerungen) Brasiliens. Betrachten wir die Fundorte der Diamanten etwas näher. Ihre Eintragung auf einer Weltkarte zeigt, dass dieselben in allen Erdtheilen und allen Zonen liegen, ihre geographische Lage, oder wie die Alten meinten, das Klima, also ohne Einfluss ist. Im Alterthum schon wurden in Indien und wohl auch auf Borneo Diamanten gewonnen. Am Beginn des acht- zehnten Jahrhunderts (1727) wurden die brasilianischen Vorkommen aufgefunden. In den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts wurden im Ural, in den fünfziger Jahren in Australien und Nordamerika, dann im Jahre 1867 in Südafrika, später in Lappland Diamanten ent- deckt. Indien. Die Fundpunkte der Diamanten in Indien sind im Allgemeinen geologisch noch wenig bekannt. Sie liegen im Wesentlichen am Rande des Plateau von Dekan und ziehen sich an der Ostseite desselben ent- lang bis zum Nordrand im Gebiet der unteren Dschumna. Der Diamant wird in festen Sandsteinen und Couglo- nieraten, in den durch Auflockerung und Zertrümmerung derselben gebildeten Seifen und in Flussalluvioneii ge- funden. Die diamantführenden Sandsteine und Congio- merate treten in zwei Horizonten einer sehr alten, jeden- falls altpaläozoischen Schichtenreihe auf, welche aus Schiefern, Kalken, Sandsteinen, Quarziten, Conglomeraten besteht und auf dem aus Gneiss, Granit und krystallini- sehen Schiefern zusammengesetzten archäischen Urgebirge Indiens liegt. Sie ist als Vindhjaformation bezeichnet worden (nach dem Vindhjagebirge). Der untere Theil derselben, die Carnulformation, ist im südlichen Indien verbreitet. Hier liegt an ihrer Basis ein 4 — 6 m mächtiger geröllführender Sandstein, der Banaganpillysandstein, in dem eine V4 — ^/i ™ dicke, grobconglomeratische Schicht die Diamanten führt. Als grobe Gerolle finden sich im Sandstein Quarzit, Hornstein, Schiefer und andere Zer- störnngsrückstände älterer Gesteine. Mit den Diamanten treten in der Zwisehenmassc Geschiebe von gelblichem Quarz, Epidot, Jaspis, Eisenerz, Korund u. dergl. auf. Im nördlichen Indien stellt sich über der unteren Vindhjaforination auch die obere .Abtheilung derselben ein und in dem mittleren Theil der letzteren liegen hier die Diamantgesteine. Es sind rotlie, eisenschüssige Congio- merate, die in die sogeiiamiteii Pannahschichten ein- geschaltet sind. Sie gleichen durch die Gesehiebe- führung den diamaiitluliri'iulen Gesteinen der unteren Vindhjaformation und sind vielleicht durch Umlagerung solcher gebildet worden. Wo die diamantführenden Gesteinsschichten zu Tage treten, sind sie mit der Zeit aufgelockert worden, zer- fallen und zu Seifen umgebildet. Zum Theil sind sie vom Wasser in die Mussläiifc transportirt und in Gestalt von Schottermasseu abgelagert, die als alte Flussterrassen über dem jetzigen l'MussIauf, oder als jün- gere Alluvionen im Flussbett liegen. 442 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XL Nr. 37. Gewonnen wird der Diamant sowohl nun den Fluss- schottern, wie aus den Seifen nud den anstehenden Conglomeraten und Sandsteinen. Die wiclitigsten in Betracht kommenden Gebiete sind die folgenden, die aber nicht schon alle im Alterthum als Fundstätten belsannt waren, sondern meist erst seit einigen Jahrhunderten ausgebeutet werden. Eine südliche Gruppe bikleten die sogenannten Dschennurgruben am unteren Pannartiuss, die Gruben bei Bellary und Wairali-Karrur, bei Banaganpilly zwischen Pannar und Kistnaii und in der Umgebung von Eilore am nnteren Kistnaii. Sie stehen z. Tb. im Banagan- pillysandstcin, z. Th. in AUuvionen. Die Gruben von Banaganpilly waren früher berühmt. Die Vorkommen von Wairah-Karrur haben dadurch Interesse erlangt, dass der Franzose Chaper dort Diamantkrystalle mit Korund in Pcgniatit aufgefunden haben wollte. Man darf kaum zweifeln, dass seine Mittheilungen nicht zutreifeud sind. Die Gruben der Elloregegend hat man auch als die von Golconda bezeichnet, der alten Bergfeste bei Heidcrabad, obwohl sie nicht dort liegen. Golconda war aber der berühmte Stapelplatz für die Diamanten, daher die Bezeichnung. Die am rechten Ufer des Kistnah in losen Seilen liegenden Gruben von Kollnr sind etwa 1560 entdeckt worden; von hier stammen jedenfalls der Kohinoor (früher 186 Kar. jetzt 106 Kar.), der etwas zweifelhafte Grossmogul (ursprünglich 787,5 Kar.) und der Blaue Hope - Di aniant (jetzt ein Brillant von 44V2 Kar.). Auf dem linken Ufer liegen die berühmten Gruben von Parti al in Seifen und .\lluvionen, aus denen W(dd der Regent (1701 gefunden; ursprünglich 410 Kar., nach dem Schliff' ein Brillant von 137 Kar., Fig. 11) stammt. Eine östliche Grupjie bilden die Diamantlagerstätten, am mittleren Mahanady im Lande Godwara, besonders bei Sam baipur. Die Zeit der Auftindung ist unbekainit. Höchst wahrscheinlich siiul es diese Gruben, welche im Alterthum schon ausgebeutet wurden, sodass der Maha- nady der „Diamantenfluss" des Ptolemäus sein könnte. Die Steine, welche hier gewonnen wurden, gehören zu den reinsten und schönsten. Baryt, Topas, Granat, Carneol, Amethyst, Bergkrystall, Gold begleiten den Diamant, dürften aber kaum aus dem Diamantnuittergestein stammen, das man allerdings hier noch nicht aufgefunden hat. Die anstehenden Gesteine gleichen denen im südlichen Indien. Auch westlieh und nördlich von Sambalpur führen AUuvionen Diamanten. Die nördliche Gruppe ist die von P an nah, süd- westlich Allahabad im Lande Bandelkhand auf der Süd- seite der Dschunuia und des Gangesgebietes. Die Gruben bauen hier sowohl in anstehenden, eisenschüssigen, thonigen Sandsteinen und Conglomeraten der oberen ^'indjaformation, wie in Ablagerungen der Flüsse. Die indischen Gruben haben eine Menge der schönsten, berühmtesten Diamanten geliefert. Die durch Güte, Grösse und Farbe hervorragenden oben erwähnten Steine stammen von dort. Eine Schätzung der Gesammt- förderung ist aber unmöglich, da früher wie jetzt die Steine im Wesentlichen im Lande bleiben und eine ControUe kaum statthatte. Uebrigens ist die bis vor etwa 200 Jahren noch lebhafte (iewinnung lunnnchr zum allergrössten Tlieile erloschen. Nur die Gegend von Paiunih konnnt jetzt in Betracht. Sowohl die Ersehöjjfung der alten Gruben, die politischen Verhältnisse, als auch besonders die scharfe Con- currcnz, die zunächst nach 1727 Brasilien und neuerdings das Capland machen, lassen eine gewinnbringende Arbeit wenig aussichtsvoll erscheinen. Die Förderung mag jetzt 2 — 3 Millionen Mark jährlich an Wertli betragen. Sie wird im Lande aiifgcnouimen und genügt nicht den An- sprüchen. Es (indet Einfuhr statt. Zusammenfassend sei hervorgehoben, dass in Indien die jtriinäre Lagerstätte der Diamanten nicht bekannt ist. — Borneo. Auf Borneo tinden sich Diamantlager- stätten namentlich am Fusse der Ausläufer des nordwest- lichen und südöstlichen Gebirgszuges der Insel. In der Nordwesteeke liegen sie am Oberlauf des Landaek, Si- kajani und Serawak, z. Th. auch am KapuasHuss, an der Südostküste im Gebiet von Tanahlaut (hau|)t.sächlich in der Nähe der Stadt Martapura), Kasan und z. Th. Tanahbumba. Die reichsten Gruben sind die von Lan- daek gewesen. Die Ablagerungen bestehen aus jungen Schottern und Sauden, deren Hauptbestandtheile Quarz- geschiebe sind; daneben finden sich Trütnmer von Quarzit, Thonschiefer, Sandstein, basischen Eruptivge- steinen und besonders blauer Korund. Gold begleitet den Diamant durchi;ängig. Eisenschüssiger Thon bedeckt die diamantführenden Schichten. Sie liegen am Fuss von Hügeln und sind z. Th. alte Flussablagerungen. Von hier aus sind die Diamanten auch in die jetzigen Flussläufe gekommen. Ihr Muttergestein ist noch völlig unbekannt. Die Diamanten sind meist sehr klein, auch oft nicht rein, doch ist ein Theil vom reinsten Wasser, einzelne sind ganz schwarz. Vereinzelte grosse über 100 Kar. sind voi-gekommen. Die Production ist jetzt, be- sonders in Folge der afrikanischen Concurrenz, wenig lohnend und gering und beträgt kaum 5000 Kar. im Jahre. Brasilien. Die brasilianischen Fundstätten, von denen die ersten 1727 bekannt wurden, liegen in der Hauptsache in den Provinzen Minas Geraes und ]>ahia. Ihnen gegenüber können die in den anstossenden Pro- vinzen kaum in Betracht kommen, obwohl besonders Matto Grosso eine bemerkenswerthe Menge producirte. In der Provinz Minas Geraes ist der Bezirk von Diamantina (800 km von der Küste, nördlich Rio di Ja- neiro liegend) am bedeutendsten; dann folgt nach Westen die Gegend am Rio Abaete, von Bagagem und nach Norden Gräo Mogol (Grammagoa). Der Bezirk von Diamantina mnfasst einen Theil der Serra do Espinhaco. Diese ist ein 1100—1200 m hohes Bcrgland, welches vorwiegend aus dUnnschieferigen, glimmerführenden, zum Theil bieg- samen Sandsteinen, nach dem Berg Itacolumi Itacolumit genannt, besteht. Mehrfach werden die Itaeolumite durch grössere Quarzgerölle conglonieratiscli. Als Einlage- rungen kommen in den Itacolumiten Thonschiefer, Glimmer- und Hornblendsehiefer und Eisenglimuierschiefer vor. Zusammen mit den unterliegenden Gneissen und Krystallinischen Schiefern sind jene Gesteine aufgerichtet. In abweichender und flacher Lagerung wird der Itacolu- mit auf den Höhen der Serra von einem groben, zum Theil conglomeratischen Sandstein bedeckt, der dem Ita- columit recht ähnhch sieht, aber viel jünger ist. Der Itacolumit scheint mindestens altpalaeozoisch, wenn nicht älter zu sein. Hervorzuheben ist noch, dass derselbe nebst den begleitenden Gesteinen von Gängen durchsetzt wird, die vorwiegend Quarz, daneben Eisenerze, Titanmine- ralien, Turmalin und andere .Alinerale führen, welche als Begleiter des Diamantes in den Seifen und AUu- vionen beobachtet werden. Die diamantfübrenden Ab- lagerungen sind solche in Flüssen, an Gehängen und auf den Hochflächen; sie sind einander im gro.ssen Gairzen recht ähnlich. Sie führen im Wesentlichen die gleichen Beglcitniincrale und stehen jedenfalls insofern in genetischem Zusammenhang, als die Platcauablage- rungen durch Weiterführung des Materials in Gehänge- und Flussablagerungen übergeführt werden. Als begleitende Minerale linden sich Quarz, Jaspis, Rutil, Anatas, Brookit, Magnetit, Eisenglanz, Titaneisen, Braun, eisen, Schwefelkies, Turmalin, Granat, Lazu- lith, Glimmer, Xenotin, Monazit, Cyanit, chlor. XI. Nr. 37. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 443 haltigc Phosphate („Favas"), Staurolith, Diaspor, Titanit, Topas, Gohi, Platin. Von ihnen werden Quarz, Eisenglanz, Älonazit, besonders aber Anatas und Turnialin („tejos") als günstige Anzeichen i'ür das Auf- treten von Diamant angesehen und als „Formation'- der Dianiantlager bezeichnet. Die dianiantfidn-endeu Fkissschotter sind oft stark mit Thon gemengt und werden als cascalho bezeichnet. Gelegentlich sind sie durch ein eisenschüssiges Binde- mittel fest verkittet. Solches QuarzgeröUeonglomcrat heisst Tapanh oaeanga. In Vertiefungen der Flussbetten ist der diamantfuhrende edle Cascallio oft angehäuft. Dia- mantfreie Massen (wilder Cascalho) bedecken ihn. Die Diamanten sind stark abgerollt. Die Gehängeablagerungen sind gewöhnlich we- niger reich, als die Flussschotter. In ihnen ist auch der Diamant weniger abgerollt. Sie sind als alte l'luss- terrassen aufzufassen. In den Plateauablagerungen giebt eine rothe, thonige Erde das Bindemittel für die Brocken der Gesteine, die Diamanten, und ihre Begleitmineralien ab, von welch letzteren die schweren Eisen- und T i t a n e r z e reichlich vorhanden sind. A b r o 1 1 u n g zeigen hier die Mineralien kaum. Die Massen sind also, wenn überhaupt, nur wenig fortbewegt worden und können zum Theil tiefgründig verwitterte Massen des an- stehenden diamantführeuden Gesteins sein. Sie werden als gurg-ulho bezeichnet. Die Diamanten sind in ihnen wenig zahlreich, aber meist grösser als in den anderen Ablageruugen. — Von Wichtigkeit i.st die diamantführende Höhenablagerung westlich von Diamantina bei Säo Joäo da Chapada. Ein rother, geschichteter Thon wird von Itacolumitbänkchen durchzogen und von hauptsächlich Quarz, Rutil und Eisenglanz führenden Gängen durchsetzt. Letztere Mineralien finden sich nun mit Turmalin u. a. örtlich angehäuft in dem Thon und dabei stellt sich in der Regel auch Diamant ein. Alle Stücke sind völlig scharfkantig, nicht abgerollt. Obwohl nun auf den Gängen zwar die übrigen Minerale, aber noch keine Diamanten mit Sicherheit aufgefunden wurden, so schliesst doch Gorceix, der jene Gegend durchforschte, dass der Diamant mit jenen Mineralien auf den Gängen gebildet worden sei. Durch tiefgründige Verwitterung sei ursprünglicher Thonschiefer in den Thon verwandelt worden und die Mineralien der ebenfalls zersetzten Gänge seien nun scheinbare örtliche Beimengungen des Thones. Für diese Auflassung spricht auch der Umstand, dass die Diamantkrystalle vielfach Eindrücke und- Ansatzstellen zeigen. Da nun der Diamant auch in Verwachsung mit Quarz, Anatas, Eisenglanz, ferner eingewachsen in solche Mineralien beobachtet worden ist, so wäre aller- dings die Möglichkeit zuzugeben, dass er gleichzeitig mit diesen und seinen übrigen Begleitmineralien, die auf den Gängen vorkommen, gebildet, somit ein Gangmineral sei. Nur die Thatsache, dass er noch n i e in den Gängen ge- funden wurde, verhindert einen zureichenden Schluss. Im Uebrigen vermuthete man, dass der Itacolumit die Diamanten führe, weil solcher bei Gräo Mogol mit Dia- manten beobachtet worden sei. Aber wahrscheinlich liegt hier kein Itacolumit, sondern der diesem ähnliche, ihm diseordant aufgelagerte jüngere Sandstein vor. Zugleich ist der Itacolumit, wie letzterer, wohl auch nur ein Sediment, sodass beide nicht das ursprüngliche Mutter- gestein des Diamanten wären. In unanfechtbarer Weise ist dies in Minas Geraes also noch 'nicht nach- gewiesen. Die Vorkommnisse des Diamants in der Provinz Bahia übertreffen jetzt die von Minas Geraes. Diese sind spärlicher geworden, während jene noch in neuerer Zeit Zuwachs durch neue Funde erhalten haben. Die Lager- stätten sind Seifen und Flussalhivien. Fundorte in solchen liegen l)es(niders auf der Ost- seite der Serra da Cliapada, der Fortsetzung der Serra do Es])inhac(), und zwar nordwestlich der Stadt Bahia bei Paraguassu und Len(;.oes. Die Diamanten werden von den gleichen Mineralen wie bei Dia- mantina begleitet, nur Zinnstein, Zinnober, Feld- spat h konnnen hinzu. Uebcr das Muttergestein weiss man noch nichts Siciieres. Wichtig waren die Funde in Flussalluvionen in der Serra da Cincora im Jahre 1844. Diese lieferten zwar geringwerthige Steine von vorwiegend gelber, grüner, brauner und rother Farbe und längliclier, ungünstiger Gestalt, aber dafür kommt in ihnen der Carbonado vor, jene schlackig aussehende, poröse Art derben Diamants, welche anderwärts kaum gefunden worden ist. Nur in Borneo und Südafrika wurde Carbo- nado in geringen Mengen beobachtet. In jungen thonigen Höhenablagerungen und an den Gehängen sowie in den Alkivionen der Flüsse treten westlich des Hafens Canavieiras im Gebiet des Rio Pardo bei Salobro Diamanten auf. Unter seinen Begleitern finden sich zwar viele Mineralien, die an anderen Orten Brasiliens ndt Diamant zusammen vorkommen, aber es fehlen auffälliger Weise der duukele Turmalin („fejos"), Rutil, Anatas, auch die Ilydrophospbate, Itacolumit fehlt in der Ge- des Diamanten kennt man Muttergestein dafür ist Korund vorhanden. geud. Vom nichts. Die brasilianischen Diamanten sind meist klein, zum grösseren Theil höchstens von Erbsengrösse und kaum V4 Kar. schwer. Nur 2 bis 3 Stück sind durchschnittlich jährlich erbeutet worden, welche die Grösse einer Haseluuss über- schritten, und ausser dem Stern d e s S ü d e n s , der 254 Vä Kar. schwer im .fahre IS.öB bei Bagagem (Minas Geraes AVcst- theil) gefunden wurde, sind nur noch drei Steine über KJÖ Kar. erwähnt worden. Rhombendodekaeder, Achtund- vierzigfiächner, Würfel sind besonders häufig, tetraedri- sehe Formen und Octaeder seltener. Unregelmässige Ver- wachsungen und Bortkugeln treten oft auf. Etwa der vierte Theil der Steine war vom reinsten Wasser, ein weiteres Viertel noch farblos. Der Rest war leichter oder stärker gefärbt. Ein Viertel ist nur Bort gewesen. Die Bis 1869 versorgte Brasilien fast allein den Markt Production ist im Ganzen zurückgegangen und wechselte ^ ' stark. je nach den Entdeckungen neuer Funde stark. Sie ist auch jetzt inmier noch ziemlich hoch. Wegen starken Schmuggels und der Lücken in den amtlichen Listen ist die Schätzung der Gesammtproduction unsicher. Es mögen aber sicher 12 — 18 Millionen Karat Diamant (= 240U bis 2650 kg) für etwa 400 Mill. Mark seit seiner Auf- findung im Jahre 1727 bis heute von Brasilien geliefert worden sein, wozu Jlinas Geraes gut die Hälfte beitrug. Für 1889 wird der jährliche Ertrag auf 30 000 Kar. ge- schätzt. Zur Zeit wird derselbe kaum viel anders sein. Australien. In Au.straHen sind Diamanten an vielen Orten beobachtet worden. So in Tasmanien, Westaustralien, Victoria, Queensland, besonders aber in Neu- Süd- Wales. Ueberall treten sie als untergeordnetes Begleitnnneral in den Gold- und Zinnsteinseifen und in alten Fluss- scholtern auf. Aus ihnen sind sie in die jetzigen Wasser- läufe gelangt. Das Muttergestein kennt man nirgends. In Neu-Süd-Wales liegen die wichtigen Fundorte westlich und nordwestlich von Sidney im Macquarie- flussgebiet, so am Cudgegong bei Mudgee, bei Bathurst u. a. 0. Audi am oberen Lachlan sind Diamanten gefunden worden, ebenso im oberen Gwydir- bei Inverell und Bingera. Gold, Zinn- gebiet 444 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 37. stein, dann Saphir, i; ult in, Zirkun, Granat, Spinell, Eisenerze, Tur malin treten als Bei;leiter auf. Die Diamanten sind fast ohne Ausnahme klein, kaum erhsen- gross, im Dnrchsclinitt in Neu Süd-Wales iiur V4 Karat schwer. Sie sind farljlos, se"'» .niiinlich oder braun. Die meist gerundeten Krystnlirormcn sind (»ctaeder, Eliom- bendodekaeder, Ilcxakisoetaeder n. a. Auffallii;- ist iln-e grosse Härte. Die Gesamnitfördernni;- crreiebtc etwa 12 000 Kar. Nordamerika. Die Funde in den vereinigten Staaten von Nordamerika sind bisher vereinzelte geblieben, obvv(dd sie sich auf recht weit von einander entfernte (icgenden erstrecken. Im Osten sind am Ostbang- der Alleghanies in Virginia, Nord- und Süd-Carolina und Georgia Steine (gewöhnlich Octacder) gefunden worden, meist beim Goldsuchen. In Nord-Carolina und Georgia ist Itacolumit vorhanden, wodurch man an brasilianische Verhältnisse des Vorkommens erinnert wird. Im Norden hat Wisconsin westlich vom Michigan-See einige Dia- mantkrystalle (Oetaeder und Rliombendodekaeder) ge- liefert, die zum Theil bis haselnussgross waren. Im Westeu wurden in den Goldseifen Californiens gelegentlich Steine beobachtet. Die Funde sind inter- essant, aber mit einiger Vorsicht zu behandeln. Für das Muttergestein ist nirgends ein Anhalt erlangt worden. Ural. Die Auffindung einiger Diamantkrystalle von etwa 1 Karat Schwere in den (ioldseifen von Adolphs- koi bei Byssersk im .lahre 1829, denen sich dann auch Fnndc weiter im Süden, z. B. in den Goldseil'en der Gegend von .Iekaterinl)urg anieihten, ist von Interesse, weil Humboldt auf die Möglichkeit des Vorkonnnens von Diamant in den Gold- und riatinseifen des Urals, mit Rücksicht auf deren Aehnliehkeit mit den brasilianischen, hingewiesen hatte. Auch im Ural kennt man das M utter- gestcin des Diamanten nicht. In Lap|»land vor etwa 10 .Jahren gemachte Fnndc winziger, unter 1 mm grosser Diamanten seien deshalb hier erwähnt, weil dort, im Pasevigthale am Varangerfjord, die Begleitniineralien des Diamants im Flusssaud meist dieselben wie in Indien und Brasilien sind, nändich Granat. Zirkon, Hornblende, Cyaiiit, Epidot, Feldspatii u. dcrgl. Der Fluss strömt über (ineiss mit Pegmatitgängen, aus denen die Beglcitminerale herrühren. Sollte der Dia- mant dem Pegmatit entstammen, so würde die gleiche Art des Vorkommens auch für Brasilien und Indien an Wahr- scheinlichkeit gewinnen. Aber ein sicherer Anhalt hierfür liegt auch in Lappland nicht vor. (Scliluss folRt.) Polster von Moos-Protoiieina in dem den Lchestener Scliieterbrnclilialden entströmenden snlfatreichen Bach- wasser. — Die Gegend von Leln-sten im Fiankenwalde ist bekanntlich ausgezeichnet durch die grosse Zahl, Aus- dehnung und Bedeutung ihrer Dachschieferbi'iiche, welche die grössten des europäischen Festlandes sind. Diese Brüche stehen zumeist — und namentlich die grössten, die Oertel'schen und die herrschaftlichen, — im Culm, der dort die verbreitetste Formation ist, also in derseli)en I'ormation, der auch die durch ihren Reichthum an iossilen PHanzen ausgezeichneten mährischen Dachschiefer angehören. Doch sind bei Lehcsten auch im Unter- und Mitteldevon Schieferbrüehe betrieben worden, zumeist jedoch wieder eingegangen, weil die Güte oder die Menge brauchbaren Gesteins nicht genügten. Auch inner- halb des Culnis, und zwar des Unterculms, sind noch mehrere, mindestens 2 Daehschieferhorizonte zu unter- scheiden, von denen der unterste äusserst nahe dem obersten Devon angrenzt, während der zweite Horizont von diesem ersten durch ein mächtiges Quarzitlager ge- trennt ist; dieses Quarzitlager bildet unter anderem den höchsten Berg des Frankenwaldes, den 785 m hohen Wetzstein, an dessen Fusse eben Lehestcn liegt. Von den beiden genannten Hauptdachschieferzonen im Culm nun, die ich nach den Hauptorten ihrer Aus- beutung als Lehestener und als Röttersdorfcr Zone unter- scheide, ist die untere als Lehestener Zone durchgängig ebenso reich an Schwefelkies wie der obere, Rötters- dorfcr Horizont daran arm oder eigentlich davon frei ist. Der Schwefelkies, iinscheinend stets Pyi'it, tritt theils in grossen bis sehr grossen (über 1 m l)urchmesser) Con- cretionen, sogenannten „Kieskältcrn" gehäuft, oder aber in kleinen bis sehr kleinen Kryställchen (2 nun bis zu mikroskopischer Kleinheit) gleichmässig durch die Schiefer- schiehten zerstreut, wenn auch in den verschiedenen Schichten verschieden reichlich, auf, und es giebt auch um Lehestcn Lagen geinig, die fast frei davon sind. Die daran sehr reichen werden meist auf die Halden ge- worfen, wohin natürlich auch die aus anderen Gründen unbrauchbaren Stücke der pyritärmeren Schiefer und die bei der Verari)eitung entstehenden Abfälle waiulern. Und zwar ist die Menge des Unbrauchbaren und der Abfälle wohl mehr als doppelt so gross wie die Menge der ge- brauchsfertigen Waarc. Bei dem riesigen Gesamnitbetricbe häufen sieh ent- sprechend riesig grosse Halden auf, welche dem Lehestener Landschaftsbild jetzt sein besonderes Gepräge geben, derart, dass in manchen Bildern nicht mehr die natür- lichen, sanft gesehwungenen Umrisse der Berge den Horizont begrenzen, sondern die langen horizontalen Oberflächen und die unter 33 bis 34" geneigten Seiten- wände der Halden, die meist in mehreren gewaltigen Stufen sich eine über der anderen erheben. Mit solchen Halden sind schon bis fast 100 m tiefe Thäler quer aus- gefüllt und werden drei derselben, das oberste Lo(piitz- thal, den Gloppen- oder Greppenbach und den Rehbach bald auch auf mehrere 100 Jleter nach ihrer Länge aus- füllen. Aber es kommt hier nicht bloss die Aenderung des Landschaftsbildes im Grossen in Ik'tracht, sondern eine Anzahl Aenderungen der Lebewelt auch im Kleinen. Diese Aenderungen haben fast ausschliesslich ihren ersten Grund in der Verwitterung der oben genannten ungeheuren Mengen von Schwefelkies. Der Schwefelkies des llalden- schuttes, obgleich er, wie gesagt, nur in der schwer \er- witterbaren Moditication als Pyrit auftritt, ist nämlich dadurch der Oxydation besonders zugänglich, dass er erstens, selbst fein vertheilt, auf unendlich vielen Ober- flächen von Schieferbruchstücken, die doch nur lose, mit vielen und grossen Zwischenräumen aufeinanderliegen, der Luft ausgesetzt ist, und zweitens dadnrcii, dass diese Zwischenräume meistens von feuchter, darum wirkungs- vollerer Luft erfüllt sind. Diese Feuchtigkeit konnnt daher, dass zufolge Adhäsion und Cai)illarität selbst die Unterseiten und selbst die nicht an der Obertläehe liegenden Schieferstücke bei Regen nass werden und die Nässe lange festhalten, und dass, bei Troekenheit, zu- folge der starken Wärineausstrahlung des Schiefers auch die P.ethauung eine sehr starke ist. In dieser ewig feuchten Atmosphäre waiuleln sich die Pyritkörnchen in Eisensulfat und freie Sehwefelsäure um, welche ihrerseits den Thons(diiefer angreift und Thonerdesulfat liefert. Alle diese in Wasser löslichen Erzeugnisse gelangen all- mählich in die Bäche, und es giebt jetzt um Lehestcn XI. Nr. 37. Natiirwisseuschaftliche Wocheuschrift. 445 keinen an einer Halde vorbei oder gar unter einer solchen bindurchfiiessenden liaeh nielir, der nicht intensiv nach Tinte schmeckte. Die Farbe dieses BacLvvassers, beson- ders, wenn es in Teichen, zu Miildzwecken, aufgestaut ist, ist wunderbar hellbiaugrün und klar, und könnte sich mit der manchen Alpensees vergleichen lassen. Je länger aber mit der Luft in Beriilu'ung, um so mehr setzt dieses Wasser zuerst braunen Eisenrost ab, später, d. h. weiter abwärts eine schneeweisse Substanz, die bisher als eine Thoncrdeverbiudung gedeutet worden ist. Die chemischen Vorgänge dieser Absetzungen sind mir noch ungenügend bekannt. Die braunen, sehr reichlichen Absätze finden sieh schon unmittelbar beim Austritt des Wassers aus der Halde; die weissen Absätze auf den Steinen des Bach- bettes, welch letztere dadurch in Verbindung mit dem grünlichen Wasser darüber wie Eisschollen aussehen, reichen in Spuren bis mindestens 6 Kilometer weit ab- wärts. Dieses an schwefelsauren Salzen so reiche Wasser also nun ist es, welches die oben angedeuteten biolo- logischen Veränderungen herbeiführt. Ich neuue von diesen nur ein paar sein- auffällige: während früher alle Bäciie der weiten Umgebung Lehestens reich an Fischen und besonders auch an Forellen waren, sind diese alle jetzt ringsum ausgestorben und nur noch, zufolge mensch- lichen Eingreifens, in den kurzen, oberhalb der Halden- gelegenen Baehstücken sehr spärlich zu finden. Die Be- schatfenheit der Wiesen, die Güte des darauf wachsenden Futters, hat besonders dicht unterhalb der Halden sehr gelitten, indem viele höhere Pflanzen vernichtet und theils gar nicht, theils durch Moose ersetzt wurden. Diese Moose allein bilden denn nun auch von den Halden 1 bis 2 km. abwärts die unmittelbare und ausschliessliche Einfassung der Bachränder; aber — und das ist das Auffällige — sie sind nicht etwa auch kümmerlich, sondern bilden üppig schwellende Rasen, herrliche, leuchtend grüne Polster, die wie dicke Wülste sich über die Vi bis V2 Qi seitlich vom Bache beginnende niedrige, kümmerliche Grasvegetation erheben: ein kost- barer Sammetbesatz am Saume eines gemeinen, feilen, zerrissenen Kleides. Unter diesen Moosen sind zwei bis drei Arten besonders häutig, am allerhäufigsten ein Poly- trichum, welches auch am häufigsten fructificirt und die grösste Länge (bis 3 dm) der einzelnen Stämmcheu erreicht. Auch iu und unter diesem Tintenwasser giebt es neben langflächendeu, grünen Algen üppig wachsende Moose; eines von diesen ist nun besonders häufig da, wo der oben genannte Gloppen- oder Greppenbach aus der mächtigen Halde der Uertels-Brüche hastigen Lautes in mehreren Adern hinausströmt und gelbe Absätze liefert. Diese bis ^/^ m breiten und bis IVo dm tiefen Bachadern, deren Grund von Schieferstücken und von brauneu Holz- stücken bedeckt ist, die aus dem nebenan sich befindenden kleinen Torfmoor stanmien, zeigen nun auch — ■ als ein- ziger mir aufgefallener Ort in der ganzen Umgegend — auf ihrem Grunde, auf dem Holze und auf den Steinen, sehr dichte, erst recht sammetartig erscheinende smaragd- grüne Polster, die zuerst als erbsengrosse einzelne Halb- kugelu auffällig werden, beim Weiterwachsen aber unter- einander zu grösseren Massen mit traubiger Oberfläche verschmelzen, von denen man leicht Stücke bis fast Quadratfuss-Grösse sammeln könnte, ohne dass dazwischen der Untergrund durchblickte oder eine andere Pflanze sich einschöbe. Diese Polster waren mir ganz unljckannt und meine Verwunderung steigerte sich, als sich beim Durchbrechen eine compacte, radialfaserige, an gewisse Polyporuspilze erinnernde Struetur zeigte, wobei sich von aussen nach innen zugleich eine concentrischschalige Struetur und rothbraune Urfärbung bemerkbar machte, welche mit dem Verlust des Chlorophylls und dem zonaren Absterben der einzelnen Fasern, ilu'cr Zersetzung und der dann zwischen ihnen erfolgenden Ausscheidung von Eisen- rost aus dem tintigen Bachwasser in Zusammenhang stand. Herr Professor Ludwig in Greiz, mein kryptogamen- kundiger Freund, dem ich diese Polster mit der Frage nach ihrer Natur schickte, hat das Verdienst, sie als Moos-Protonema erkannt zu haben, allerdings in einer bisher unbekannten Massenhaftigkeit der Ausbildung. Als ich ihm die Proben schickte, — es mag im Juni ge- wesen sein, waren mir daran noch keine Auswüchse echten gewöhnlichen Moosrasens aufgefallen, jetzt im August sind solche reichlicher, und nun dürfte auch Gattung und Art bestimmbar sein. Es scheint, als ob die Protonemen dann und da zur Entwickelung des ge- wöhnlichen Moosrasens sich anschickten, wo sie über den Wasserspiegel emportauchten. Ich möchte wünschen, dass einmal ein Botaniker von Fach nach Lehesten käme, um hier zu sammeln und zu beobachten; reich ist die Flora nicht, interessant aber trotzdem und zwar nicht bloss iu Bezug auf die hier näher geschilderten Verhältnisse der sulfatreichen Bäche. Dr. E. Zimmermann, Geolog. Ueber die Rotation des Planeten Venus sind die Ansichten der Astronomen durchaus noch nicht als über- einstimmend zu betrachten, wie es nacli den von Herrn Brenner in Nr. 22 dieser Zeitschrift hierüber gemachten Aeusserungen scheinen könnte. Mit derselben Zuversieht, mit der Herr Brenner von seiner „Entdeckung der wahren Rotatiouszeit der Venus" spricht, betrachtet nämlich Perrotiu, der berühmte Director der Nizzaer Sternwarte, die Frage als im entgegengesetzten Sinne erledigt. Dieser durch langjährige, praktische Erfahrung im Beobachten aufs Vorzüglichste geschulte Fachastronom begab sich im letzten December und Februar mehrmals auf den 2741 m hohen Mont Mounier in den Seealpen, um noch klarere und ruhigere Bilder der Planetenscheibe zu er- halten, als sie von dem nur 370 m hoch gelegenen Nizzaer Observatorium aus zu erlangen sind. Das Aussehen des Planeten zeigte nun bei diesen Expeditionen ebenso wie früher keine Veränderungen im Verlaufe weniger Stunden, wie solche bei einer Umdrehungszeit von etwa 24 Stunden nothweudig eintreten müssten. Perrotin glaubt sogar, durch seine Beobachtungen direct die Vermuthung Schia- parelli's, dass die Unufrehungszeit hier wie bei Merkur mit der ümlaufszeit um die Sonne übereinstimmt, als voll bestätigt ansehen zu dürfen. In ganz gleicliem Sinne lauten auch die auf Beobachtungen aus dem Jahre 1895 gestützten Urtheile von Schiaparelli, CeruUi, Mascari, Tacchiui imd anderer. — Wägen wir die beiden einander entgegenstehenden Zeugnisse unparteiisch gegen einander ab, so wird man zweifellos geneigt sein, den zahlreichen, läng,st rühmlichst in der Wissenschaft bekannten Astro- nomen Glauben zu sciienkeu. Referent glaubte den Lesern dieses Blattes die Bemerkung schuldig zu sein, dass eben diese Entdeckungen des Herrn Brenner noch der Be- stätigung bedürfen und vorläufig von den Fachastronomen mindestens sehr skeptisch aufgenommen worden sind. Dr. F. Koerbcr. ö" Wettei'übersiclit. — Der diesjährige August verlief iu anz Deutschland verhältnissmässig kühl bei wenig Sonnenschein und zahlreichen, oft sehr ergiebigen Regen- fällen. Sogleich zu Beginn des Monats fanden in Süd- und Ostdeutschland ebenso wie in Oesterreich-Ungarn schwere Unwetter statt, welche ein von Süden nacii der 446 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 31 Ostsee wauderudcs ßarouietenuiiiimiim in seiueui Gefolge hatte. Dasselbe verursachte am Abend des 1. August einen halbstündigen Woikeubrueh zu Wien, in welchem 42 Millimeter Regen und Hagel herniederfielen, und einen ausserordentlich heftigen, einige Minuten dauernden Orkan zu Budapest. In Deutschland wurden am 2. August zu Friedrichshafen 29, zu Kaiserslautern 28, am 2. und 3. zusammen zu Chemnitz 52 und vom 2. bis 4. zu Griin- berg nicht weniger als 139 Millimeter Regen gemessen. Selbst die mittlere Höhe der Niederschläge erreichte, wie die beistehende Zeichnung erkennen lässt. am 2. August Hont derNiederschläöi 6ui,tLa^ 1496. Brinjjetreld bei der Post LS -^ extra. Postzeitimscsliste Nr. 4S27. JL Inserate : Die vier^eapaltene Petltzeüe 40 .A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereiubunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger (^aellenangabe gestattet. Neue Beobachtungen über urwüchsige Eiben im nordöstlichen Deutschland. Von H. Coiiwentz in Danzip Die vor einer Reihe von Jaiiren in Westpreussen be- gonnenen Untersuchungen iUier das Vorkommen der Eibe lind anderer .seltener Holzarten der Gegenwart und histo- rischen Vergangenheit sind über dieses Gebiet hinaus tortge- setzt worden und linden jetzt eine immer grö.sscre Theilnahme und Unterstützung in botanischen und weiteren Kreisen. Auch der Chef der Prenssischen Foistverwaltung, Herr Wirk- Hcher Geheimer Rath Donner in Berlin, hat mit Interesse diese Bestrebungen verfolgt, und ebenso werden dieselben dauernd von den Reviervervvaltern im Gelände wirksam ge- fordert. Auf diese Weise ist wiederum eine grössere An- zahl von Oertlichkeiten, wo die Eibe noch heute gedeiht oder cliedem vorkam, aufs Neue bekannt geworden, und es mögen einige davon hier geschildert werden, um zu weiteren Beobachtungen über diesen Gegenstand anzuregen. 1. Rev icr Nemonien am Kurischen Haft'. In seinen Geologischen Wanderungen durch Altpreussen (Königs- berg i. Pr. l.SßD) berichtet J. .Schumann, dass in allen Theilen des Nenionien-Bruches cngringige Stubben vor- kommen, die er der Kiefer zurechnete. Als ich bei einer Bereisung in diesem Frühjahr mit Herrn Forstmeister Wittig aus Alt Christburg, welcher früher das Revier Nemonien verwaltet hatte, zusammentraf, erfuhr ich von ihm, dass zu seiner Zeit im Belauf Krmiggrätz am Rande einer Insel im Moor in ',2 '>i^ 1 m Tiefe aucii mehrere Stubben aufgefunden sind. Er war noch im Besitz eines solchen Stückes und stellte nur einen Abschnitt davon zur Verfügung; die mikroskopische Prüfung desselben ergab, dass es sich um Taxus handelt. Hierbei sei daran erinnert, dass ältere Autoren noch lebende Eiben in dem- selben landrätiilichen Kreise, z. B. in der Forst bei Lau- kischken, anführen. 2. Revier Alt Christburg (Ostpr.) Bei derselben Gelegenheit theilte Herr Wittig mir mit, dass auch in seinem jetzigen Revier einige Eiben vorhanden sind, in Folge dessen ich sogleich diesen Standort aufsuchte. Derselbe befindet sich im Jagen 45 a, Belauf Brun.stplatz, in einem entlegenen Waidgebiet, und ist aus diesem Grunde wohl so lange unbekannt geblieben. Das Gelände stellte ehedem eine ca. 8 ha grosse Bruchpartie dar, von welcher jetzt ein Theil zur Dieustwiese für den Forst- Schutzbeamten umgewandelt ist. Um dieselbe zu ent- wässern, wurde ein Graben angelegt, welclier nach dem Geserichsec hinführt. Den Hauptbestand bilden Kiefer und Rothbuchc; daneben kommen Fichte'-'), Birke, Eberesche, Birne und Apfelbaum, Hasel, Faulbaum Rham- nus Fraiigula L.) u. A. vor. In der Bruchpartie treten vornehmheh noch Eric und Eibe hinzu, jedoch findet sich letztere in einigen wenigen, bis 8 m hohen Exemplaren auch noch in der weiteren Umgebung. Die Eiben stellen, einzeln oder in Gruppen, besonders am Rande und an höher gelegenen Stellen. Im Ganzen sind über fünfzig, fast durchweg schwache Bäume und Sträucher vorhanden, die mebr oder weniger verkümmern. Wie in vielen Gegenden, nicht blos in unserem Staat, herrscht leider auch hier der Brauch, zu Pfingsten und an anderen Festen die Thüren und Wände mit Eibeugrün zu sehniücken, besonders wenn sich um diese Zeit die Blätter der Lauli- bäunie noch nicht entfaltet haben. Dieser Umstand, so- wie die Beschädigungen der Zweige durch Wild, tragen dazu bei, dass die Eiben nicht recht gedeihen wollen. Aber die Hauptursache dafür ist gewiss in der Anlage des Grabens zu suchen, welcher die Bodenfrische, deren sie in hohem Grade bedürfen, wesentlich verringert hat. An der Basis der Erlen und anderer Bäume sitzen noch die abgestorbenen Reste von Torfmoosen, und hie und da bemerkt man am Boden auch die Ucberblcibsel anderer *) Dio Fichto, Picea cxcelsa Lk., tritt schon weiter westlich iirwüchsip; auf, z. B. im Gräflich Dolina'schon Revier Finkenstein, Belauf Michelau, unweit Rosenberp in Westpreussen. 450 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. .S8. Sumpf- und Wasserpflanzen, wie RanuucuUiri Flaninuila L., Calla palustris L., Iris Pseud-Acorus L. etc. 3. Revier Karthaus (Westpr.). Die schon früher angestellten Erhebungen über das Vorkommen der Eibe in Westpreussen*) hatten gezeigt, dass im Karthäuser Kreise noch an drei Stellen lebende bezw. abgestorbene Reste dieser Holzart vorkommen. Daher waren wohl noch weitere Funde dieser Art in jener Gegend zu ver- muthen, und ich benutzte jede Gelegenheit auf meinen Dienstreisen, um der Bevölkerung das Holz nebst den grünen Zweigen von Taxus vorzulegen und sie darüber zu befragen. Bei einem solchen Anlass nannte einer der grrisstcntheils polnisch sprechenden Bauern aus Po- mictschinerhUtte einmal das Holz mit dem richtigen Namen eis und erzählte dann, dass es in seiner Gegend im Torf vorhanden sei. Die nunmehr im Gelände von mir aus- geführte Untersuchung ergab folgendes Resultat. Etwa (),.ö km im NNW. von Karthaus liegt Pomietschinerhütte und 2 km westlich davon Sianowerhütte. Zwischen beiden Ortschaften erstreckt sich ein Heidemoor, dessen nördlicher Thcil zum Belauf Kienl)ruch (Jg. 308, .309) des Reviers Karthaus gehört. Hier steht ein ungefähr 45jäh- riger Mischwald von Kiefern, Roth- und Weissbuchen und Eichen, während das Unterholz von Wacholder, Faul- baum, Hasel u. A. gebildet wird. Nach den vom da- maligen Inspectionsbeamten Herrn Forstrath Goullon an- gestellten Ermittelungen ist vor mehreren Jahren auch ein einzelner kleiner lebender Eibenstrauch vorgekommen, von welchem jetzt aber keine Spur zu bemerken war. Hingegen finden sieh, vornehmlich am Rande des Moores, wo auch einige Schwarzerlen stehen, mehr oder weniger unter Tage, alte Stubben von Eichen, Birken, Erlen und Eiben, und zwar konnte ich mit Hilfe eines alten Hoizschlägers im Ganzen 22 der letzteren .\rt auf- decken. Nahezu die Hälfte davon hatte mehr als 1 m, und ein Exemplar sogar 1,5 m Umfang. Das Holz dieser subfossilcn Stücke ist fest und widerstandsfähig und wird von einem Tischler in einem benachbarten Dorf gelegent- lich zu allerhand Kleinsachcn verarbeitet. Wann die Eiben hier eingegangen sind, kann schwerlich festgestellt werden, denn nach Aussage des im 65. Lebensjahre stehen- den Besitzers hat auch sein Vater nicht mehr die grünen Räume gekannt. Anderseits kann aus dem Umstände, dass die P>innernng an die Eibe noch ganz lebhaft ist, und daraus, dass sich der Gebrauch des Holzes dort in der Volksmediein bis heute erhalten hat, wohl gefolgert werden, dass das Absterben erst in neuerer Zeit einge- treten ist. Neben anderen, schon früher im nordöstlichen Deutsch- land bekannt gewordenen subfossilen Eibenhorsten (z. B. Revier Zanderbrück, Belauf Ibenwerdcr) ist dies ein be- merkenswerther Fund. Der Zufall hat es gefügt, dass fast gleichzeitig ein ähnliches, aber bei Weitem unifnng- reiehcros Voi-komnien subfossiler Eiben und Fichten in der Lüneburger Heide nachgewiesen werden konnte**), wo man die Existenz beider Baumarten bisher bezweifelt hatte. Diese Beobachtungen mahnen daran, neben den lebenden Ueberresten seltener Holzarten, besonders auch die Einschlüsse von Hölzern, Zai)fen u. dergl. in unseren Mooren wohl zu beachten. *) Oonwntz, II., Die Kibc in \V(>st))n>iis9cn, (^iii aus- sti'rl)endi!r VViildbuiim. Mit 'J 'Pufeln. Ablianilliinpcn zur Lancles- kunile ilor Provinz Westjnoussen. lieft III. Danzig I8!)2. **) Conwentz, II.. UcbiM- oinen uiitorgof^aiif^cnen Kiboiihorst im Stelli>r Mnor unwoit Ilaniiovci'. — Ucriolite dor Denlschen Botani.sclicn Gcspllschaff. XIIl. .JaliiR. 1896, S. 402. — Kof. in dieser Zcitsclirift, XL Bd., ISDÖ, S. 28. 4. Gutswald Ossecken (Hinterpommcni). Auf seinen IS'Jö mit besonderem Erfolg ausgeführten bota- nischen Excursionen im pommerellischen Küstengebiet hatte Herr Dr. Graebner nachträglich die Mittheiluug er- halten, dass Taxus „im Schnittbruch bei Ossecken" vor- kommen soll"; jedoch war es ihm nicht möglich gewesen, nochmals dorthin zurückzukchicn, um sich von der Richtig- keit dieser Augabc zu überzeugen. Deshalb setzte ich mich mit dem Besitzer, Herrn von Koller, ins Einver- nehmen, und, nachdem dieser das Vorkommen der Eibe in seinem Walde bestätigt hatte, besuchte ich denselben im Frühjahr. Nördlich von Ossecken im pommersehen Kreise Lauen- burg liegt der zur Herrschaft gehörige, etwa 2000 ha grosse Wald, welcher die beiden Belaufe Ossecken und Wittenberg umfasst. Oestlich davon befindet sich das Gross Wierschutziner Moor, das mit dem Wittenberger Bruch das letzte Glied in jener Reihe von Mooren bildet, die sich von Putzig ohne Unterbrechung an der Küste hinzieht. Die nordwestliche Ecke, nahe dem Strande, nimmt das Schnittbruch ein, ursprünglicli eine Sandfläche, über welche sich aber ein AValdbach ausbreitet, dessen Ausiiuss durch das Vorrücken einer Wanderdüne vers|)errt wird. Der Osseeker Wald hat grösstentheils Kiefernbestände, aber auch Mischwaid und stellenweise fast reine Rothbuchen- bestäude; die Vegetationsvcrhältni.sse im Allgemeinen sind von Herrn Graebner*) ausführlich geschildert worden. Bei meiner Bereisung fand ich lebende Eiben im Belauf Ossecken, Jagen 21, au zwei verschiedenen Stelleu, welche in der Nähe des Schnittbruehes, aber nicht in diesem selbst gelegen sind. Das ganze Jagen hat einen urwüchsigen gemischten Bestand von Rothbuchen und Kiefern, neben welchen stellenweise auch Schwarzerle, Eberesche, Hasel, Faulbaum, Wacholder, Eibe u. a. m. auftreten. Der erste Standort der Eil)e liegt am Ostrande der Brandschonung im NAV der grossen Waldwiese und kaum 1,5 km vom Strande der Ostsee. Das Gelände ist flach, quellig, und wird im Frühjahre tlieilweise unter Wasser gesetzt. Hier stehen nahe bei einander acht 1 m liohc Eibensträucher und mehrere alte Stubben. Jene werden durch das zahlreich vorhandene Wild stark beschädigt, und überdies erzählt man, dass auch Theile von hier weggeholt wurden, um in Gärten verpflanzt zu werden. Die Eiben stehen am Rande einer erst im letztcMi Winter al)gctriebenen Fläche, und dalier ist zu befürclilen, dass durch die iih'itzliclie Freisteilung ihr v()lliges Eingehen be- schleunigt werden wird. Die zweite Stelle befindet sich ca. 1/2 k"i östlich, in einem etwas höher gelegenen Ge- lände mit humosem Boden. Zwölf Taxus, von denen nur noch die Hälfte grünt, stehen ganz regelmässig kreisförmig um zwei lebende Rothbuchen und einen alten Kiefernstoek. Es liegt nahe, zu vernnithen, dass diese Eiben seiner Zeit durch Absenker aus den dem Boden aufliegenden Aesten eines Mutter.stammes hervorgegangen sind, welcher einst die Mitte des Kranzes eingenommen hat. Denn ebenso wie Fichte und Wacholder, kann auch die Eibe Senker bilden und ich habe schon früher einen solchen Fall au einem Gartenexemplar beschrieben; neuer- dings hatte ich zum ersten Male {Gelegenheit, derartige Senker an urwüchsigen Eiben zu beobachten, und zwar in den feuchten Waldungen von Narmhnscn im nördlichen Curland. *) GraebiiiT, I'., Zur Fim-.i dfi- Krrisc riitzls, Neustadt und Lain'nbnrg. — Schriften drr Natiiri'or.sclic'nib^i Gcsellscli.'ift in Danzig. Neue Folge. IX. Band, 1. Heft. Danzig 18',)(i. S. Ö33. XI. Nr. 38. Naturwissenschal'tliche Wochcuscbrift. 451 Der Diamant und sein Vorkommen. Vortraij vor dem in Berlin abgehaltenen 6. naturwissenschaftlichen Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen. Vuu K. Schcibü, Professor dur Miuoralogic an der Königlichen Bergakademie zu Berlin. (Schluss.) haben. 12UUU kg Afrika. Von der griis.steu praktischen und vvissen- scbal'tlichen Bedeutung sind die Lagerstatten in Süd- afrika, welche — obwohl erst seit oU Jahren bekannt — doeii selion V5 — Vio ^"ei" Diamanten liefern und schon viel mehr als l)islier die gair/.c übrige Welt geliefert Dort sind bis heute etwa GU Millionen Karat Diamant im Werthe von etwa 15UU Millionen Mark ge- \vi innen worden, eine Masse von beinahe o'/.j t''»" des iierrliehen Minerales. Brasilien •/.. 15. hat in 170 Jahren nur etwa \ 5 des südafrikanischen Betrages erreicht, ob- wohl es vorher das Hauptproductionslaiul war. Alan mag daran ermessen, welchen Anstoss zur wirthschaftliehen Eiitwickclung Südafrikas die Entdeckung der Diamant- fehler gab. Die wissen- schaftliche Bedeutung der afrikanischen Vorkommnisse liegt darin, dass hier die Diamanten auf ihrer ur- sprünglichen Lagerstätte sich tiuden. Im Jahre 1SG7 wurde der erste Diamant bekannt, den ein Jäger aus der Gegend von llo])etowu am Oranje- lluss mitgebracht hatte. Zwei Jahre s])äter arbeiteten schon eine Menge von Dig- gers am Uraujefluss, Mudder und Vaal (Fig. 13), um aus den Flusssehotteru Diaman- ten zu gewinnen. Allmählich concentiirte sich die Gewin- nung auf den VaalHuss und zwar auf deu Abschnitt von der Einmündung des Hart an aufwärts bis zum Knie bei Barkly West (B. in Fig. 13). Der Stern von Süd- afrika (83 Vu Kar.) und der Stewart ("28872 Kar.) stam- men aus den Alluvioaen, letzterer von Barkly West. Die übrigen Flussläufe lio- ten gegenüber dem Vaal zu geringe Ausbeute. Am Vaal wird auch jetzt noch 30 OCX) Kar. Diamant jährlich später erfolgte Auffindung der \ p • 4? / / '''äTKifTiberley 4^ i;^-!*^^^ ^ ,/^Jacobsclal ;^ C^ /Koffifontem^^ \^ /ORANJE \V_ Hr~^""^FREISTAÄT^ K A P LAND \ ^A \ Ja^ersfontefH Fig. 13. Uebersicht über die Lage der Diamantgruben in Südafrika. i'egraben uud gegen gewonnen, obwohl die Diamantgruben liei der heutigen Stadt Kindjerley die Gräberei in den Flnssallu- vionen, die ri ver diggiugs, unrentabel gemacht hat. Jene (4ruben, die dry diggings (wegen der anfänglichen Ge- winnung der Diamanten auf trockenem Wege so genannt), liefern heute IW "/„ der Diamanten vom Gap. Durch die Zerstörung solcher Lagerstätten sind jedenfalls die Dia- manten in die Flussläufe gerathen. Die (ide Hochebene, auf welcher zwischen Vaal und Oranjeiluss im District (!ri(iualand West der Capcolonic und im benachbarten Theile des Oranjevri.j.stats die Diamant- gruben liegen, wird von Gesteinen'einer Schichteureihe ge- bildet, die als K amioformation bezeichnet worden ist. Auf der Primärformation Südafrikas, den Swazi- sehichten, welche aus Granit, Gnciss, krystallinen Schiefern, Quarzit und Thonschieferu bestehen uud besonders nördlich des Gebiets von Griiiualand-West bis zur Delagoa- bai auftreten, liegt eine Scliichtenfolge von vorwiegend Sandsteinen uud Gonglomeraten mit eingeschalteten Eruptivgesteinen, welche Oapformation genannt wurde und silurischen bis devonischen Alters sein mag. Sie bildet z. B. den Südrand am Gap und tritt in der süd- afrikanischen Republik ebenfalls auf; hier liegen in ihr die goldführenden Couglomerate des Witwatersrands. Darauf folgt die gegen 3000 m messende Karroo- formation, welche die w'citc Ebene vom Gap bis Natal und Transvaal bedeckt. Sie umfasst jedenfalls Schichten vom Alter des Carbons bis zur Trias. Die Altersbe- stinmmng ist unsicher, da iu ihr noch keine marinen Eeste gefunden wurden. Die Karrooformatiou besteht aus Conglomerateu, Sand- steinen und Schieferthoueu, welche in ihrer oberen Ab- theilung bauwürdige Kohlen- ilötze enthalten. Einige der- selben führen eine charakte- i'istische fossile Ptiauze, die Glossopteris. In den Sand- steinen sind grosse und eigenartige Reptilien gefun- den worden. Folgende Glie- der sind iu der Karroo- formatiou von unten nach oben unterschieden worden: 1. Dwykaconglomerat, "2. Ec- caschichten (Schiefer, Saud- steine), 3. Untere Koouap- schichten == Kimberleyschie- fei' (Schiefer, Quarzite, Sand- steine, Diabase), 4. Obere Koonapschichten = Blan- fortschiehten (Sandstein mit Reptilien), 5. Stormberg- schiehten (Saudsteine, Scbie- Glossopteris). Mächtige, bis sind besonders in der nnt Diabaslager ferthone und Kohlen über 100 m dicke mittleren Abtheilung vorhanden, die im übrigen besonders aus Quarziteu und'duukclen Schieferthonen mit dünnen Kohlesehmitzchen besteht und als Kimbcrleyschiefer wegen ihrer Verbreitung in der Umgebung dieser Stadt bezeichnet noch jüngere Sand- Strecken hin die worden ist. Diluviale Kalktutfe und decken überziehen oft auf weite Karroosehichten. An den Hängen eines flachen Hügels (Kopje) im Gebiet der Kimberleyschiefer fanden nun Diggcr im Jahre 1870 in der Gegend des heutigen Kind)erley Diamanten, und zwar zuerst auf der Farm Dutoits])an. Der Hügel bestand aus einer mürben, gelben Erde, dem ycllow ground, welcher nach etlichen Metern Tiefe dem lirauneu 452 Naturwisseuschaltlichc Wochensebriit. XI. Nr. 38. lusty grouiid und endlich bei etwa 20 m Tiefe dem blue grouud Platz machte, einem grünlich- bis schwärzlich- blauem Gestein, als dessen Verwitterung'sproduete yellow und riisty ground sich auswiesen. Ueberall fand man in dieser Erde Diamant. Nach und nach wurden eine Reihe ähnlicher Kopjes untersucht und durchwühlt, von denen aber nur wenige enie Es sind dies die Gruben Richtung i-cii-eu die meisten Diamant führten, grössere Bedeutung erlangten. Kimberley, Debeos, Dutoitspan und Bultfontein bei Kimberley (angedeutet durch die quadratischen Flecke nördlich, nordöstlich, südöstlich und südlich bei dieser .Stadt auf Fig. 13) in Griijualand, Koffifontein und J agersfontein (120 km südlich von Kimberley) im Orangevrijstaat. Sie waren 1872 schon bekannt. Neuer- dings kam dazu die Wessel ton grübe östlich von Kimber- ley auf der Grenze der genannten Länder. Im Ganzen sind 1(5 Kopjes bekannt. Bei den meisten ruht aber der Be- triel) wegen geringen Ertrags, zum Theil wohl auch, weil überhaupt kein Diamant vorhanden ist. Die Gruben liegen auf einer in NNW - SSO verlaufenden , 200 km langen Linie und häufen sich bei Kimberley (siehe Fig. 13). Sie stinnnen in ihrem wesentlichen Ikiu, soweit dieser bekannt ist, so nahe ühercin, dass die Be- sprechung von einer als Typus genügt. Am besten bekannt sind die Gruben Kimberley und Debecrs. Die bisherigen Auf- schlüsse haben erge- ben, dass das dia- mantführeude Gestein, der blue ground säulenförmige Körper (Fig. 14) von vor- wiegend ovalem bis kreisförmigem, bisweilen auch unrcgelmässigem Querschnitt bildet, welche senkrecht in die Tiefe setzen und dabei an Umfang abnehmen. Zunächst sind sie bis gegen 400 m Tiefe verfolgt worden. In der Kimberleygrube hatte die ovale groundsäule oben 270 : 200 m Durchmesser bei etwa 41 000 qni (Querschnitt. In 300 m Tiefe waren nur noch 234 : 103 ni Durchmesser, also etwa 1*J 000 qni (Querschnitt vorhanden. Die übrigen wichtigen Grul)en sind meist grösser. Dutoitspan z. ii. bedeckt KJOOOO qm und be- sitzt Ilufeisenform im Querschnitt. Das Nebengestein, welches in den verschiedenen (iiubeu im Weseiitliciien übcrcinstinnut, ist in der Kim))erley- grubc (Fig. 14) bis auf etwa 1200 engl. Fuss oder beinahe 400 m Tiefe bekannt (1 engl. Fuss = 0,305 m); es folgen von oben nach unten lichte ScIiiefertlKMie mit einem Lager von dichtem Diabas, dann dunkele Sehieferthone mit Kohleschmitzchen bis zu 105 m; dann ein gegen 140 m niäciitiger MandelsteinDiabas; dann über 144 m Quarzit mit Schieferzonen und Diabasgängen. Das Nebengestein wird als Rilf (= reef; weini fest anstidiend ^ nniin reef) be- zeichnet. Es greirzt sich scharf vom blue ground ab. Am Contact sind die Schichten des reef zuweilen 1—3 m weit nach aufwärts gebogen, zeigen aber keine weiteren Einwir- kungen des blue ground, welcher sie durciibrochen hat. Der blue ground ist eine diamantführende Hreecie. Eckige Hruchstücke einer lichteren ddcs dunkleren bläu lich-grünen bis schwärzlich-blauen serpentinartigen Masse sind in eine überwiegende Gruudmasse eingebettet, welche aus einem feinen Aggregat von derselben Be- sehaflFenlieit und Farbe wie jene Bruchstücke l)csteht. Besonders in grösserer Teufe zeigt sie sich in dunkleren Farben. Als fernere regelmässige Bestandtheile wurden ausser Diamant Olivin, Biotit, Fyrop, chrondialtiger niono- Bronzit, viel Titan- Unregel- kliner Augit (Diopsid und Dialla eisen, Magneteiseu und Perowsl« massig vertheilt finden sich im blue ground eckige oder abgerundete Stücke des Nebengesteins der Karroofornui- tion: Quarzit, Diabas und dunkler Schieferthon, von denen letzterer örtlich sehr gehäuft sein kann. Viel seltener ist Granit, Chloritscliiefer u. dergl., welche keine Bestand- theile der Karrooformation .sind, also wohl aus grö.sserer Tiefe stammen müssen. Dergleichen Einschlüsse fremder Gesteine im Ijlue ground werden als boulders (GeröUe) bezeichnet. Ihre Grösse schwankt sehr; von winzigen Dimensionen kommen sie bis zu vielen cbm Inhalt vor. Das „island" Debeersgrube z. Fig. 14. Schnitt durch die Kimberleygrube und ihre Umgebung. in der B. ist eine Diabasscholle von 280 qm (Querschnitt und 21() m Höhe. Die serpeutinartige Masse des blue ground erweist sieh bei näherer Untersuchung als ein mehr oder wenige ser- l)entinisirter Olivin- fels, dessen Bestand- theile ausser vielOliviu die oben genannten Minerale Biotit, chrom- haltiger Augit, Pyrop, Bronzit, Titaneisen, Magneteisen und Pe- rowskit sind. Neben diesen finden sich, wenn auch recht sel- ten, Zirkon, Turmalin, Rutil, Cyanit, Topas, Korund vor. Quarz ist Während in den oberen des (icsteins noch nicht i)eobachtct worden. Teufen der (jSrube der (Jlivinbestandthei völlig in Serpentin umgewandelt ist, ist er in grösserer Teufe noch vielfach frisch und in Form gelblichgrüuer Körner in der Grundmasse vorhanden. Gesteine von der angeführten Zusannnensetzung kann man nach analogen Vorkonunnissen vom See Lherz in den Py- renäen als Lherzolith, oder wegen ihres (Jefügcs viel- leicht besser als Pikrit (Pikritpoiphyrit) bezeichnen. Carville Lewis hat den blue ground treffend „Kimberlit" genannt. Als wichtig sei noch hervorgehoben, dass in der Debeersgrube ein (lang eines Eruptivgesteins (snakc = Schlange genannt) den blue ground in Windungen durchsetzt, welches mit dem Kimberlit übcrcinstinnnt, aber keinen Diamant führt. Dieser tindet sich ausschliess- lich im blue ground; noch nie ist er in anderen tiesteinen der Gruben beobachtet worden. Der Diamant ist ein an Menge sehr zurücktretender Bestandtheil des Idue ground, aber sein wichtigster. Er findet sich meist in Krystallen, ohne ein Sjiur \dn Ai»- rollung, bisweilen aber auch in scharfkantigen Bruch- stücken, von denen die zusannnengehörigen Theile nicht aufzufindtui waren. Es müssen diese deshall) schon als solche an ihren jetzigen Ort gelangt, die Diamantkrystalle also wohl in grösserer Tiefe entstanden sein. Einmal ist eine Verwachsmiii von Diamant mit Granat beobaciitet XI. Nr. 38. Niitiirwisseusfliattlicbe Wochcnschritt. 453 worden. Die Menge de« I)iiiiii;ints im hlue i;rouiid ist dem l'roeeutsatz nach eine minimale. In der reiclisten Grulte, der Kindjerleymine, beträgt sein Autheil am Ge stein an der reichsten Stelle nur den zweimillionsten Tlieil = '/-ooou "/u "^''^'' ''L- ^'^^^'"' '" 1 cbni. In anderen Gruben ist er geringer und sinkt bis ''^ooonoo "/»■ Auch inner- halb des blue grouud ein und derselben Grjibe schwankt der Gehalt. In der Kinil)erleygrube nimmt er nach der Tiefe zu etwas ab, in anderen Gruben dagegen zu. Ferner mag nueh hervorgehoben werden, dass mit Aende- rungen der Beschaffenheit, welche der blue ground innerhalb einer Grube zeigt — in der Kind)erleygrube trennt er sich in 15 Theilsäulen — auch die darin enthaltenen Diamanten gewisse Abweichungen erkennen lassen. Vor weiterem Eino-ehen aut die genetischen Verhält- nisse des blue ground möge ein Blick aut die Gewinnung der Diamanten geworfen werden. Der Bergbau hat in Kindicrley eine Entwickclung durchgemacht, welche alle die Stadien in wenige Jahre zusannncngcdraiigt zeigt, die sich bei uns in der Regel auf Jahrhunderte vertheilten. Anfangs (auf Dutoitsj)an, Bultfontein u. s. w.) wühlte Jeder nach Belieben im ground herum. Wie er zum Abbau gelangte und seine gelorderte Masse herausbrachte, war ihm völlig überlassen. Bald wurden aber bestimmte Grubenfelder (claims) fest- gesetzt, ([uadratische Räume von ca. 90L in Fläche, von denen nicht mehr als zwei in einer Hand vereinigt sein durften, die aber dann, wenn sie für einen Besitzer zu gross erschienen, in Halbe, Viertel und Sechszehntcl ge- thcilt wurden. So war z. B. Dutoitsi)an in 14oU, die Kimberleygriibe anfangs in 1500 claims getheilt. Da nun auf jedem claini oft mehrere Leute arbeiteten, lunsste auf den innnerhin kleinen Flächen der Gruben zu Zeiten ein Leben herrschen, welches passend mit dem Gewiminel in einem beunruhigten Ameisenhaufen verglichen worden ist. Mit dem Tieferwerden der Sehächtchen oder Pingen in den ersten Gruben verlangte indess die Förderung des diamantführenden Bodens besondere Einrichtungen. Zu dem Zwecke wurden bei der Kimberleygrube zwischen den claims Strassen ausgesjjart, auf denen die Förder- haspel standen und der Verkehr stattfand. Als aber der Abbau noch weiter vorschritt, stürzten diese schmalen Wände zusammen. Später brach auch das Rift' herein und seine Trümmennasseu innssten mit grossen Anstren- gungen und Kosten wieder entfernt werden. Nach einigen Jahren glich die ursprüngliche Kiniberleykopje einem Riesenloch von 300 bis 350 m (.Querschnitt und 125 m Tiefe, (vgl. Fig. 14 mit den Grenzen des Abbaus in vier verschiedeneu Jahren), das durch eine Unmenge von Förderseilen wie mit einem Spinngewebe überzogen schien. Die Hunderte von Fördervorrichtungen -- jeder claini hatte seine eigenen — standen nuninehr am Rande der Grube; meist waren es noch Handgöpel, aber auch vereinzelte Danipfniasehinen waren schon vorhanden. Es zeigte sich dann, dass es auch so nicht gut weitergehen konnte. Der Tagebau war nicht lialtbar. Mit der Zeit wurde die Bestiunnung aufgehoben, dass Niemand mehr als zwei claims zugleich besitzen durfte. Es bildeten sich in Folge dessen Gesellschaften zu gemeinsamer Arbeit, von welchen 1884 mit unterirdischem, geregelten Bergwerks- betrieb begonnen wurde. Schächte wurden abgeteuft, Strecken getrieben. Nunmehr gab es keinen Bruch mehr, aber andere Schwierigkeiten stellten sich ein. Unter der Coneurrenz der vei-schiedenen Gesellschaften stieg die Förderung so stark, dass Ueberproduction eintrat. Dem wurde von 18.SS ab durch Bildung einer immer grösseren Besitz erlangenden Gesellschaft, der Debeers Consolidated mines, gesteuert. Diese beherrscht jetzt den Bergbau und regelt den Betrieb der wichtigen Gruben nach Maass- gabe des von den Bewohnern der Erde jährlich auf- genonimenen Betrages an Diamant, welcher reichlich 3 Millionen Karat für beinahe 80 Millionen Mark ausmacht. 1^. Naturwissenschaftliche Wochenschriit. 45n Kis. 1.-. c. Voi-arbeituDg von Gesteinsblöcken zu Säulen (Sehälapparat). Sonach wäre der l)lue grouud Ausfüllung- der Trichter von oben her unter Mitwirkuni;' glacialer Phänomene gedacht worden. Endlich ist der bluc g-round selbst als ein Eruptivgestein angeschen worden, welches gluthfliis- sig eni])orgedrun- gcn und in den Canälen erstarrt sei. In diesem Sinne nannte es Carwille Lewis Kindierlit. Diese Auffassung, wel- che neuerdings durch A. Stelzner unter Berufung aut mehrere andere Forscher weiter ergä nzt worden ist, erscheint mir als die einfachste und wahrscheinlichste, besonders wenn wir uns erinnern, (lass ein dem Kimberlit gleiches Gestein als Gang (the snake) im blue ground der Üebecrsgrube auf- setzt, also nach dem Empordrin- gen des blue ground unzweifel- haft eruptiv geworden ist. ein eruptives Olivinaugitgestein, welches glutliflüssig in die trichterförmigen Hohlräume eingepresst wurde und dabei Theile des Nebengesteins losriss und um- schloss. Während und nach der Er- starrung-hat es wei- tere lieweguugen erlitten, ist dabei zertrümmert wor- den und hat die breccicnhaftc Be- schaffenheit ange- nommen. Das Vor- handensein etwas verschiedener Theilsäulen z. B. in der Kimberley- grube beweist, dass mehrfache Nachschübe des Magmas stattge- funden haben, als (leren letzten einer der massige, oben- erwähnte Kimber- litgang (snake) in der Debcersgrube sich darstellt. Bei diesen Vorgäng-en kcmnten sich die boulders -mm Theil etwas abrollen, die vorhandenen Diamauten zerbrechen. Auffällig erscheint dabei die Bildung der schlauchförmigen Canäle, aber dai'ür haben Veraibeitunn' von Gesteinsblöcken zu Säulen (Seliälapparat) wir Analoga an Eruptivg;esteinsvorkümmen anderer Ge- genden. Die Anordnung der Ausbruchstellen auf einer geraden ^Linie scheint mir auf eine Spalte hinzudeuten, auf welcher die Kratere aufsetzen. Wo ist nun der Diamant her- g-ekommenV Seine Begicitminerale sind Bestandt heile des Kimbcrlits. Man kann ihn also nur in diesem suchen. Berück- sichtigen wir, dass Einschlüsse flüssi- ger Kohlensäure fifters in den Be- standtheilen von Eruptivgesteinen vorhanden sind und darauf hin- weisen, dass die gliitliHüssig-en Magmen mit Koh- lensäure, also koh- lenstoffhaltiger Substanz, impräg- nirt waren und unter hohem Druck standen; ferner dass in Meteoriten (Novo Drei; Canon Diablo) deren Zusammensetzung (hauptsächlich Ulivin, Augit, Eisen u. s. w.) jener des Kimbcrlits bis auf den Eisengehalt analog ist, Diamant gefumlen worden ist, der hier doch sicher primäriu dem Mag- ma (aus erstarren- dem Eisen aus- geschieden';') ent- standen ist; end- lich, dass Kindier- lit (blue ground) bei hohen Tempe- raturen geschmol- zen, Diamant zu resorbiren vermag, ihn also auch gleichsam gelöst enthalten und aus- scheiden konnte, — so erscheint mau berechtigt, anzunehmen, dass auch im Kimberlit das basische, eisen- und magnesiarei- che Magma, wel- ches vor der Erup- tion unter hohem Druck stand, den Kohlenstoir von Haus aus besass und ihn vor der Erupticni in der Tiefe als Diamant ausschied. Dafür spricht auch die von Stelzner beobachtete Verwachsung- \-on Granat nnt Diamant, der demnach nur dieselbe Ileimath mit jenem 45fi Naturwissensi'liaftliclie Woi'licnschrift. XI. Nr. P.S;. Ali. 1). wesentlichen Bestandtbeil des Kimberlits haben kann. Es läge also in diesem Gestein die primäre Lagerstätte des Diamants vor, bis jetzt die einzige durch gute Anbaltepunkte gestützte ii'dische. — Innnerliin kann der Diamant auch ndcli in anderen Gesteinen entstanden sein, als in Olivinfelsartcu. Was sonst über die mögliche Entstehung geäussert worden ist, hat rein theoretiscb-s])cculativc Bedeutung. »Solche Meinungen sollen hier nicht näher bebandelt wercleu. Denn wir müssen vom a geologischen Vorkommen ausgeben. So- weit wir dieses als primäi- zu betrachten vermögen, ist es an Eruptivgesteine (in weiterem Sinne) gebunden. Es kann also die vegetabilische Entstehung kaum in Betracht kommen, wie sie insbesondere Göppert nachgewiesen zu bal)en glaubte. Organische Körper, wie Algenformen und dergl. sind als Einschlüsse nicht nachzuweisen gewesen. Von viel h(iherem wissenschaftlichen Wertb ist die künstliche Darstellung des Diamants. Sie ist viel versucht worden, aber nur durch Moissan in Paris in den letzten Jahren durchgeführt worden.*) Alle früheren Versuche lie- ferten Producte, deren Identität mit Diamant nicht erwiesen ist. Das Princip Moissans stützte sich auf das Vorkommen des Diamants im Meteoreisen und beruht darauf, Metalle bei hohen Temperaturen (bis 3000'') mit Kohle zu sättigen und durch Abkühlung unter hohem Druck die Ausscheidung der liehst so zu beeintiussen, dass dies in Form \on Diamant anstatt als Graphit oder in anderer Form geschieht. Er füllte einen Cylinder von weichem Eisen fest mit Zuekerkohle, verschluss denselben, brachte ihn in elek- trisch geschmolzenes Eisen und kühlte dieses dann durch Ein- tauchen in Wasser oder Blei schnell ab. Hierbei übte das crstairendc Aeussere auf das lliissige Innere einen hohen Druck aus, unter dem es dann auch erstarrte. In der That hatten sich dabei neben in anderer Form abgegeschicdcnem Kohlen- stotf auch einzelne winzige Täfel- cben und bis 0,5 mm grosse Kryställchen gebildet, welche sich als Diamant, meist in carbonado- ähnlichcm Zustand auswiesen. Die künstliche Darstellung des Diamants krnnitc nun bei der zunehmenden Verwendung dessel- ben in der Technik von hoher Bedeutung werden, wenn dabei der Diannvnt in Menge und ent- sprechender I)illigkeit geliefert werden könnte. Al)er von die- sem Ziel sind wir nocii weit entfernt. Ucber die Verwendung des Diamants sollen liier nur ein paar llüchtigc Andeutungen folgen; vielleicht bietet sieb (Jelcgenbeit später ausi'ührlicher darauf zurückzukonnnen. Fis. lli. Bohrkrone eines Diamantbohrers. Liiiipfsclniitt dm-oli cUe Jinhrkrone. Gewiiulc für das linlilc Bohrj^estänge. Untere mit schwarzen Diamanten (Carbonado) sjjiralis besetzte Fläche der Bohrkrone. Liinge der Rohrkrone i.'i cm Lichter Durchmesser unten 5,5 cm. Kohk Allgemein geübt ist der Gebrauch des Diamants zum Glasschneiden. Hierbei soll seine Schneiile aus einer natürlichen Kante bestehen, welche von gckrünnaten Flächen gebildet ist. Spitze Diamantsjjlitter werden zum Schreiben, Zeichnen und Graviren, rotirende Spitzen zum Graviren und Bohren, wie beim Schneiden von Gemmen und Camecn benutzt. Eine wichtige Rolle spielt jetzt der Diamant ))eim Verarbeiten von Gestcins- biöcken zu Säulen, runden Schalen und dergl. Zu dem Zwecke werden die Blöcke in eine Art Drehbank einge- spannt. Ein an seiner Sehneide mit Diamanten besetzter nieisselartiger eiser- ner Arm, welcher am Angriffspunkt dauernd mit Wasser benetzt wird (Fig. 15 A — D), schält dann die Säulen gleichsam heraus, oder schneidet tiefe Rinnen ein, welche die weitere Arbeit bei Erzeugung von Hohlräumen erleich- tern. Durch geeignete Aneinanderfügung mehrerer eiserner Platten, wobei deren mit Diamanten besetzte Kanten in ver- schiedener Höhe liegen und im Quer- schnitt ein bestimmtes Profil bilden, werden Körper erhalten, mit denen Ge- steinssäulcn , beispielsweise von Granit oder Saiulstein, wie ndt einem Hobel bearbeitet und mit zierlichen Profilen leicht und sicher versehen werden kön- nen. In ähnlicher Weise wird der Dia- mant in der Metallindustrie, z. B. beim Kanonenriihren benutzt. Abdrehen von Zum Sciiärfcn dci den Diamant. Wälirend zu den lieber Diamant braue Mühlsteine verwendet man auch erwähnten Verrichtungen Fig. 17.**) Maschine zum Schneiden mittelst Diamantstaub. werden durch P der Hand oder *) Vorf,'l.(;(,in|.t. r.'iid. 117, IG4, sclnvarzcii l)i;nii:nit. aus Acotyli'H olektrisclion I'xiijon d;ir. **) J)jis Cliclu': zu Fip. 17 ist uns froiiiiiUicIist von R. Fuess iu Steglitz gebehen worden. — IveU. (1. ünussc.'iM stnilto .MiscIn'iiK'nil luicli Zi'r.sotzunir dc.ssollxMi im T Firma gewöhn- l)ar ist, findet der Carl)onado in der Tiefbohrtechnik hauptsäch- lich Anwendung. Er dient zur Besetzung der Bohrkronen (Fi- gur Ki), mit denen säulenförmige Körper (Bohrkerne) aus der Erd- rinde herausgebohrt werden.*) Ausserordentlich verbreitet ist die Verwendung von Dia- mant zum Schneiden harter Gegenstände, besonders solcher aus Stein. Hierbei gebraucht man für gröbere Zwecke etwa 2 — 5 mm dicke, runde, eiserne Sehneideplatten, die am Rande mit Diamantkrystallen von 2 bis 3 mm Grösse besetzt sind. Für feineres und werthvoUes ]\Iaterial wendet man dünne, kreisrunde Platten (,S' in Figur 17) von weichem Eisen oder Kupier an, in die am Aussenrande Diamant- pnlvcr eingeiiresst wurde. Die sehr schnell rotirenden Scheiben Iroleuni oder Wasser gekühlt und mit durch elementare Kräfte in Beweguni;- gesetzt. Endlieh wird Diamant zum Schleifen und Poliren des Diamants selbst gebraucht, wenn deiselbe zu Selnnuck- stcinen vcraiiicitet wird. Va- wird dabei in der Regel als Brillant gesiidiifcn, da er in dieser Form sein Feuer *) Vergl. Xaturw. VVotbeusclii-. IS'JÜ, I3d. V, Nr. 18. XI. Nr. .38. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 457 und Farbenspiel am besten »iftenbart. Sich dazu nicht eignende, besonders flache und kleine Steine, finden als Rose Verwendung. Die Anlage zum Brillautschliff geht vom Octaeder aus, das nötliigenfalls durch Spaltung hergestellt wird. Obwohl man nun, um Material zu schonen, nicht immer ein genaues Maass in der Form einhält, so ist doch be- sonders ein gewisses Verhältniss der Höhe zur Breite ge- boten um den höchsten Effect des Schmucksteins zu er- zielen. Der in Figur 11 abgebildete Regent, welcher im französischen Staatssehatz liegt, ist z. B. in sehr günstigen Dimensionen geschliffen und dürfte somit der schönste der grossen Brillanten sein. Die Abbildung unterrichtet zugleich über die Form und Vertheilung der Facetten an einem Brillanten. — Weitere Angaben hierüber müssen unterbleiben. Man findet dieselben leicht in Lehrbüchern; so giebt z. B. die eben erschienene vortreffliche Edelstein- kunde von Professor Max Bauer genügenden Aufschluss. Rillgelrobbe bei Heriiigsdorf. — Am 26. August wurde hier bei Heringsdorf von mehreren Fischern eine erwachsene Ringelrobbe (Phoca annellata) lebend in einem Fluudernetze gefangen. Dieselbe war ungefähr 3' o — 4 Fuss laug, und ihr Fell zeigte die charakteristischen Ringflecken in ausgeprägter Form. Sie wurde hier in Heringsdorf von den Eigenthümern den Badegästen zur Schau gestellt, und zwar in einer grossen Wanne, sodass ich sie genau beobachten konnte. Gegenüber den Necke- reien der Badegäste betrug sie sich sehr abwehrend und biss heftig um sich. Sie verweigerte vorläufig jede Nah- rung; da sie aber sehr fett war, wird sie wohl eine Zeit ohne Nahrung auskommen können. Die Fischer hielten sie natürlich für den „gemeinen Seebund", aber es war gauz unzweifelhaft eine Riugel- robbe, wie insbesondere auch die Kopfform bewies. Wie ich schon in mehreren Publicationen betont habe, kommt der sogenannte gemeine Seehund (Ph. vitulina) östlich von Rügen an den deutsehen Küsten garnieht vor; we- nigstens waren alle Seehunde, welche ich bisher aus diesem Gebiete untersuchen konnte, entweder Phoca annellata, oder Halichoerus grj'pus. Auch das West- preussische Provinzial-Museum in Danzig besitzt aus dem betreffenden Gebiete nur diese beiden Arten. Prof. Dr. Nehring. üeber die Cultur der Baumwolle in Egjpteii machte kürzlich H. de Vilmorin der Soeiete d'Agriculture zu Paris interessante Mittheilungen. Schon in den ältesten Zeiten war die Baumwolle, die in Nubien wild wächst, in Egypten bekannt und in Benutzung, denn selbst in sehr alten Gräbern findet man die Leichen in baumwollene Bänder und Tücher eingewickelt. Im Grossen angebaut wird die Baumwollstaude aber erst seit Anfang dieses Jahrhunderts; um ihre Einführung und Verbreitung hat sich der Vicekönig Mehemed Ali sehr verdient gemacht, er wurde dabei unterstützt durch einen Franzosen Namens Jumel. Aber erst dadurch, dass der Nil eingedeicht und das ganze in Frage kommende Land canalisirt wurde, war es möglich. Pflanzen wie die Baum- wolle, den Mais und das Zuckerrohr, die nur ein be- stimmtes Quantum Nässe vertragen, rationell anzubauen. Die verschiedenen Arten der Baumwollenstaude, die in Egypten cultivirt werden, lassen sich fast alle zurück- führen auf die aus Nordamerika stammende langfaserige Baumwolle, welche mit einer Form mit gefärbter Faser gekreuzt worden ist; nur wenige Pflanzen sind aus indi- schen Samenkörnern gezogen. Die BaumwoUcultur in Egypten hat sich in den letzten Jahrzehnten ausserordentlich schnell gehoben. Im Jahre 1830 wurden 25 000 Ballen exportirt, 1840 38 000, 1850 79 000, 1860 109 000, 1870 220 000 und 1880 240 000 Ballen. Die bedeutendste Zunahme des Exports fällt in die Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges (1861—1864), doch ist dem egyptischen Product wegen seiner be- sonderen Güte die Gunst der Industrie auch nach Be- endigung dieses Krieges treu geblieben. Gegenwärtig be- ziffert sich der Werth einer durchschnittlichen Jahres- ernte auf 200— 300 Millionen Francs; etwa 400 000Hectar sind mit Baumwollenstauden in 7 — 8 Arten resp. Varietäten bepflanzt, und in jedem Jahre nimmt der Anbau noch zu. S. Seh. Emil Fischer und Heinrich Herborn: „lieber Isorhamuose" (Ber. der Devitsch. ehem. Ges. 29, 1961). — Zur Bereitung der Isorhamnose gehen die Verfasser von der bekannten Rhamuousäure aus, die sie durch Erhitzen mit Pyridin in die Isorhaniuonsäure umlagern; durch Re- duction der Letzteren mittels Natriumamalgam erhalten sie dann den entsprechenden Zucker, die Isorhamnose. Da nach allen bisherigen Erfahrungen die üm- lagerung bei den einbasischen Zuckersäuren ausschliess- lich au dem dem Carboxyl (COOH) benachbarten asym- metrischen Kohlenstoflatom (ein Kohlenstoffatom, dessen Affinitäten durch vier verschiedene Atome oder Atom- gruppen gesättigt sind) stattfindet, würde der Uebergang der Rhamnose in die Isorhamnose ebenso wie die Be- ziehungen der Glucose zur Mannose zu deuten sein, was sich unter Bezugnahme auf die bekannte Configuration der Rhamnose wie folgt darstellt: COH H-C-OH COH HO-C-H H— C— OH H— C-OH HO-C-H HO— C-H CHOH? CHOH? CH3 CH3 Rhamnose Isorhamnose Im Einklang mit dieser Auffassung steht einerseit die Gleichheit der Osazone (Verbindungen eines Moleküls Zucker mit zwei Molekülen Phenylhydrazin) beider Zucker und andererseits die Ueberführbarkeit der Isorhamnon- säure in die iuactive Xylotrioxyglutarsänre, während die Rhamuousäure unter gleichen Bedingungen 1-Trioxyglutar- sänre giebt. COOH HO-C— H COOH HO-C-H H— C-OH + 50 = H-C— OH + 2H20-t-C02 HO— C— H CHOH? HO— C-H COOH CH3 Isorhamnonsäure Xylotriosyglutarsäure Als Ausgangsmatcrial für die Bereitung der Isorham- nose dient somit die Rhamnonsäure, die Fischer und Herborn nach einer von Will und Peters*) gegebenen *) Ber. 21, 1813. 458 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 38. Vorschrift durch Oxydation der Rhamnose mit Brom bereiteten. Isorhamnonsäure. Zur üeberführuug in dielsorhamnon- säure wird das Rhamnolactou (inneres Anhydrid der Rham- nonsäure) *) in Wasser gelöst und nach Zugabe von Pyridin im Autoclaven drei Stunden auf circa 150" erhitzt; nach dem Versetzen mit der berechneten Menge Barythydrat wird bis zum Verschwinden des Pyridins gekocht. Jetzt wird der Baryt quantitativ mit Schwefelsäure als schwefel- saurer Baryt (BaSOj) gefällt, das Filtrat verdampft und der hinterbleibeude Syrup wiederholt zur Entfernung un- veränderten Lactons mit Aceton erschöpft. Der Rück- stand, ein Gemenge von Rhamnonsäure mit Isorhamnon- säure, wird zur Isolirung der Letzteren in das Bruein.salz übergeführt. Durch wiederholtes Behandeln des resul- tirenden Reactionsproductes mit kochendem absoluten Alcohol hiuterbleibt schliesslich das reine Brucinsalz der Isorhamnonsäure, aus dem die freie Isorhamnonsäure leicht zu erhalten ist. Isorhamuose. Durch Reduction des Isorhamnonsäure- lactons mit der zwölffachen Menge 2"., procent. Natrium- amalgam gelangen die Verfasser zur Isorhamuose, die auf Grund ihrer leichten Löslichkeit in Alkohol ohne Schwierigkeit von den Natriumsalzen getrennt werden kann. Nach dem Verdampfen des Alcohols hiuterbleibt die Isorhamnose als Syrup, der süss schmeckt und nickt krystallisirt. Dr. A. Sp. Zm- Ergänzung der Notiz des Herrn Dr. Spiegel „Ueber die Verbreitung des Olutauiiiis in deu Pflanzen" (Naturw. Wochenschr. Nr. 36, XI) möchte ich hier noch einige Worte über das Verfahren, das Schulze zur Iso- lirung des Glutamins aus den Pflanzen anwandte, hinzu- fügen : Der durch Auspressen gewonnene Pflanzensaft wurde zunächst zur Reiuiginig mit einer Bleiacetatlösung ver- setzt und dann das Glutamin durch Zugabe von Mercuri- nitrat gefällt; der entstandene Niederschlag wird in Wasser suspendirt, mit Schwefelwasserstoff behandelt und die durch Filtration vom Schwefelquecksilber getrennte Hüssigkeit nach der Neutralisation mit Ammoniak bei 50 — 60" bis zur Krystallisation verdunstet. Bei vielen Versuchen war das so erhaltene Präparat sofort rein, oft aber auch lag ein Gemisch des Glutamins mit anderen Verbindungen : Asparagin, Tyrosin, Arginin vor, so dass zu seiner ReindarstcUung eine weitere Be- handlung nöthig wurde. Die Scheidung des Glutamins vom Tyrosin beruht auf der schweren Löslichkeit des Letzteren in kaltem Wasser; das Arginin ist zum Gegensatz zum Glutamin durch Phosphorwolframsäure fällbar, die Trennung des Glutamins vom Asparagin endlich basirt wieder auf der leichteren Löslichkeit des Ersteren in Wasser. Charakteristisch für das Glutamin ist die leichte Ab- spaltung von Ammoniak beim Erwärmen mit verdünntem Alkali oder schwachen Mineralsäuren, wodurch es sich leicht von anderen Stickstolfverbindungen unterscheidet. Mit Kupferhydroxyd liefert es in der Wärme eine be- ständige Kupferverbindung. Aus der Thatsache, dass in einigen von den unter- suchten Pflanzen sich bald Glutamin, bald Asparagin findet, zieht Schulze am Ende seiner Abhandlung den *) Dio Fälligkeit Lactono, d. h. innere Anhydr!-el-t"aiiieras. Sind die praktischsten Hand-Apparate Das beliebige Objeetiv dient gleichzeitig als Suclier. Das Bild bleibt bis zum Eintritt der Be- lichtung in Bildgrö.sse sichtbar. 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Inseratenannahme BrinKepeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 4827. ^ bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger f^neilenangabe gestattet. Philosophie im Alltagshandeln.*^) Von Dr. Hans Sehmidkunz. Es scheint nicht bald g-rösserc Gegensätze zu g-eben als die zwischen Theorie und Praxis, uud es seiieint nicht bald etwas lebensfremder, thcoriegraner zu sein als die Philosopiiie. Sie ist auch dcmgeniilss von Leuten des praktischen Lebens gering genug geschätzt und wird nicht befragt, wo es gilt zu handeln. Das erwartet sie auch nicht; ja es wäre eine geradezu zweckwidrig ein- gerichtete Welt, in der man vor jedem Schritt die Philo- sophie fragen müsste. Denn bis dies geschieht, würde mancher günstige Augenblick verpasst sein, manche uns dräuende Naturniacht uns überwältigt haben; und nach- dem es geschchn ist, müsste die allem Philosopliiren, ja allem theoretischen Denken eigene Bedächtigkeit und Zweifelsorgc an der Forderung der Praxis nach Ent- schiedenheit scheitern. Allein etwas Anderes will die Theorie und im Besondern die Philosoi)hie: sie will dem Menschen zu seinem Handeln, auch wenn es nur auf sich *) Die Absicht des Heim Dr. Sehmidkunz, zu zeigen, wie die Philnsopliio auch im Allt-iRsleben von Krossem Sej;cn sein kann, verdient gewiss w.arme Billigung. Eine „möglichst tiefe Be- sinnung über das Was und Wie und Wozu seines Handelns" sollte eigentlich bei jedem iSb^nschen zu finden sein, der auf Bildung Anspruch macht, und insbosondcre bei jedem Naturforscher und Liebhaber der Naturforschung, die doch eben alles auf Ursachen und Folgen hin prüft. Soll von dieser Prüfung nur das eigene Handeln ausgeschlossen bleiben? Das wäre doch ein sehr merkwürdiges, gar nicht nach Bildung und Wissenschaft aus- sehendes Verhalten, das allerdings noch leidi'r gar nicht selten in Naturforscherkreisen anzutreffen ist. Man nimmt Antheil am Lauf der fernsten Sterne, achtet auf jede Bewegung winziger Ptiänzchen und Thiorchon und orgi-übelt deren Ursachen und Ziele, — aber seine eigenen Bewegungen, und besonders gerade die Handlungen — das Interessanteste, was es eigentlich für uns geben sollte, bleiben ausser Beachtung. Sie lassen sich ja allnrdings nicht so leicht mit Lupe und Fernrohr begucken, wie Sterne und Thierchen, ergeben nicht so hübsche mit langen Zahlenreihen zu (^liliiternde Kesultate, sind id)erdies recht oft auch etwas — unbeipiem oder gar ungemüthlich. und so — legen wir diesen Theil des Natur- selber beruht, noch etwas Zweites dazugeben, die möglichst tiefe Besinnung über das Was uud Wie und Wozu seines Handelns, die Heraushebung dieses Treibens aus einem auch dem Thier und selbst dem Kind eigenen Naturdräiigen zu einer so recht menschlichen Betiiätiguug. Ein Nationalgedicht, das uns allen durch sein überzeugend klares Wiedergehen der elementarsten Alltäglichkeit tief in's Herz gewachsen ist, hat es ausgesprochen: So lasst uns jetzt mit Floiss betrachten. Was durch die schwache Kraft entspringt; Den schlechten Mann muss man verachten, Der nie bedacht, was er vollbringt. Das ist's ja, was den Menschen zieret, Und dazu ward ilmi cler Verstand, Dass er im Innern Herzen spüret. Was er erschafft mit seiner Hand. Das Betrachten, das Bedenken, das Spüren im inneren Herzen ist's hier, was das zweibeinige Wesen geschehens lieber zu dem Blümloin „Rühr mich nicht an." Das muss anders werden, wenn wir anders dem Ideal menschhoitlicher Verfassung uns nähern wollen, und es wird auch sicher nnd(>rs werden. Zu begrüssen ist natürlich jede bezügliche Triebkraft und deshalb auch der Schmidkunz'sche Aufsatz. Herr Dr. Sehmid- kunz denkt offenbar, Naturforschern muss man mit Zahlen kommen: das weckt in diesen Kreisen sofort Ehrfurcht und Hut- abziohen. Dass daran viel Wahres ist, ist ohne weiteres zuzu- geben; und so lässt sich gegen die Art und Weise, wie Herr Dr. Sehmidkunz seine sehr lobenswerthen Bestrebungen fördern will, kaum etwas einwenden. Allerdings möchte ich mir die Bemerkung gestatten, dass es eine Fidle von Beispielen aus dem täglichen Leben giebt, an denen sich der Nutzen der Philosojjhie sinnfälliger — zwar nicht mit Zahhui ^, aber dpch vidlig auf Grund klar daliegender Naturgesetze zeigen lässt, als in den von Herrn Seh. herangezogenen Beispielen. Ich erinnere vor allem an jene Lobensrogcln, die sich an das Gesetz des Gegensatzes (Kontrastes), an die F,rkenntniss der Nothwendigkeit alles Ge- scheliens, der Mang(^lhafligkeit alles Lebens u. s. w. anknüpfen. Vielleicht bietet sich eiinnal die Gelegenheit, auf diese Lehren näher zurückzukommen. Dr. M. Klein. 462 Naturwissensclial'tliche Wochcnschnft. XI. Nr. B9. zum Menschen macht, was eine Zierde nicht des Thieres oder selbst des Kindes — denn diese würden wir darob aus- lachen — sondern des Menschen ist, und was nicht etwa, wie eine falsche Bctonunj;' des Verses ergeben würde, den ungeschniückten Mensclien vom geschmückten unter- scheidet. In solchem Sinn wollen wir versuchen, etwas zu betrachten und im inneren Herzen nachzuspüren, was tagtäglich aus unserem Schaffen entspringt. Ein Mensch ist in Noth und entschliesst sich, einen Mitmenschen um Hilfe anzugehn. Es sei aber beispiels- weise im Allgemeinen 9 gegen 1 zu wetten, dass irgend einer der Mitmenschen die Hilfe verweigern werde. Der Nothlcidende lässt sich dadurch nicht abschrecken; selbst diese geringe Hoffnung ist für ihn schon viel. Doch damit begnügt er sich nicht: er will vom Einen zum Anderen gehn," bis endlich einer ihm hilft. Warum? Ist es nur die schwache Hoffnung, die sich durch den Unter- schied etwa von 1 Mark zu 9 Mark bestimmt, was ihn dazu treibt? Nein, es ist mehr: es ist ein Anwachsen der Hoffnung mit jedem Menschen, den er in sein Vorhaben einschliesst. Dieser Umstand treibt ihn, so zu handeln, auch wenn er nichts davon im inneren Herzen spürt, auch wenn ilnu alle Besinnung mangelt. Diese Besinnung könnte auch wieder nur bestätigen oder recht- fertigen, was er ohne sie von selber thut, und sie wird mit seinem Handeln übereinstimmen; ja sie muss es, wenn sie so ist, wie sie sein soll, d. h. wahr, und wenn auch das Handeln so war, wie es sein sollte, d. h. zweck- mässig sein. Was heisst das: ich wette 9 gegen 1, dass der ge- fürchtete Misserfolg eintrift't? Das heisst: ich denke mir mein Schicksal so eingetheilt, dass es wie eine Summe von sagen wir 10 Mark ist, von denen nur 1 mir und die übrigen 9 nicht mir gehören. Es ist geradeso, wie wenn in einem Gefäss, aus dem ich hoff"e eine weisse Kugel zu ziehen, 9 schwarze und nur 1 weisse Kugel liegen. Auch hier ist 9 gegen 1 zu wetten, dass meine Hoffnung fehl- schlägt, und 1 gegen 9, dass sie in Erfüllung geht. Mache ich aber 10 Griffe in das Gefäss, wobei die Kugel immer wieder zurückgelegt wird, so ist vernünftiger Weise vorauszusetzen, dass sich da auch die weisse ein- stellen werde, und zwar in Folge ihres Verhältnisses zu den schwarzen am ehesten etwa Einmal. Bei einer Wieder- holung dieser Reihe von 10 Griffen ist das nämliche Er- gcbniss abermals am ehesten zu erwarten. Ziehe ich 100 Mal, so wird die weisse Kugel annähernd 10 Mal wiederkehren; und während bei 10 Griffen zwar mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auf 1 weisse zu reclmen war, immerhin aber sowohl das gänzliche Ausbleiben der weissen als auch ihr mehrmaliges Auftreten nicht zu ver- wundern gewesen wäre, können wir jetzt mit fast völliger Sicherheit sagen, dass sich die Zahl der weissen Züge nicht weit von 10 entfernen wird. Waren damals 3 weisse Züge neben 7 schwarzen kaum verwunderlich, so würden jetzt ßO weisse neben 70 schwarzen dies in hohem Gi-adc sein und uns vermuthen lassen, dass es „nicht mit rechten Dingen zugeht". Noch mehr, wenn unter 10 000 Zügen .SOOO oder etwa nur 300 weisse kämen; hingegen ist dann auf ungefähr 1000 weisse und ungefähr 9000 schwarze (wenngleich keineswegs auf genau 1000 und genau 9000) mit höcli.ster Walirscheinlicidceit zu rechnen, wenn nur keine Störung, keine „günstige" Lage oder Greifl)arkeit der weissen Kugel u. s. w. dazwischen kommt. Man nennt diese Naturerscheinung, wonach sich mit der Gc- sannnt/.ahl der betrachteten Fälle die Erwartung einer bestinnntcn Thcilzahl der „günstigen" Fälle immer .steigert und sich das Verhältniss dieser Theilzahl zur Gcsanimtzahl sozusagen immer mehr festigt, das „Gesetz der grossen Zahlen". Wie sehr es uns in Praxis und Wissenschaft ermöglicht ist, Regelmässigkeiten über ver- einzelte Zufallstücken hinaus festzustellen, dürfte ein- leuchten; die Statistik zeigt es auf Schritt und Tritt. Wir hatten im ganzen Bisherigen hau])tsächlich mit dem Verhältniss einer Theilzahl von günstigen Fällen zur Gcsannntzahl der überhaupt miigliclien Fälle zu thun. Dieses war in unserem Beispiel zunächst 1 : 10, dann 10:100, endlich 1000:10 000; das entgegengesetzte Ver- hältniss, das der ungünstigen Fälle zur Gesammtzahl, war erst 9 : 10, dann 90 : 100, dann 9000 : 10 000. Diese Verhältnisse lassen sich auch als echte Brüche betrachten : Vio W- s. w., 7io "• ^- ^^-'i jt'der dieser Brüche zeigt an, was wir in einem einzelnen Beispiel zu erwarten haben, ist also für uns das sogcnainite „Maass der Wahrschein- lichkeit". Die Erwartung, dass sich unsere Hoffnung er- füllen werde, und die Erwartung, dass sie fehlschlagen werde, zusammen machen die Erwartung überhaupt von dem, was geschehen wird, aus; /lO und so 1 _ giebt'7io — das ist das Maass der Walirsclieinliehkeit, dass unserer Hoffnung irgend ein Schicksal überhaupt beschieden sein wird. Dies muss unter allen Umständen erwartet werden. Es ist nicht blos wahrscheinlich, sondern auch gewiss; und da der Bruch dafür, ^Vm. gleich Eins ist, ebenso der Ausdruck für volle Gewissheit, wie Ausdruck für eine besondere — und zwar ziemlich — Wahrscheinlichkeit war. Wir können es uns vorstellen: Von den Feldern, in die unser Schicksal ein- getheilt war, gehören die einen unserer Hoffnung und zeigen durch ihr Verhältniss zu den übrigen an, wie wir auf unsern Erfolg „setzen" oder wetten krmncn, durch ihr Verhältniss zu allen, zum Gesanimtfcld, ist 1 /lo der niedrige auch so wahrscheinlich unsere P^rwartung ist. Zahl der günstigen Felder, so steigt dieser Vermehrt sich Bruch viel und wie die und Maass der Wahrscheinlichkeit" an; er bleibt Bruch und geht nur, sobald alle sobald unsere Erwartung gewiss ist, somit das aber stets ein echter Felder günstig sind in die Einheit über, niemals darüber hinaus. Wenn ich nun statt Eines Kugelgefässes deren zwei und in jedem 10 Kugeln habe, wovon je eine weiss, neun schwarz sind: wie gross ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass ich bei einem Doppelzug — mit der rechten Hand aus dem einen, mit der linken Hand aus dem andern Gefäss — unter den gezogenen zwei Kugeln eine weisse bekommen werde? Man kann hier ganz gut zunächst den sogenannten gesunden Menschenverstand oder das sogenannte dunkle Gefühl sprechen lassen und davon die Weisung bekommen, dass jetzt eine weisse Kugel schon eher, etwa doppelt so leicht als früher zu ziehen ist, also wohl mit der Wahrscheinlichkeit -/m. Fragt man sich näher, in welche Felder jetzt das Schicksal zerfällt, uiul welche davon uns günstig sind, so scheint die Antwort nahezuliegen: in 20, wovon zwei günstig. Wären es drei Gefässe mit gleicher Füllung, und zögen wir je drei Kugeln, so hiltten wir dann 30, wovon drei günstig; bei vier Ge- fässen 40 u. s. w. Somit wäre ein weisser Zug mit der Wahrsclicinlichkeit -/.ig oder 7:!o "'^''•' Vm? -i'^" innucr wieder mit '/in zu erwarten, nicht, wie anfangs vcrnnitlict wurde, mit mehr als Eine der beiden Annahmen muss näher Fälle Kugc falsch sein. Sehen wir uns nun die zweite Annahme an, wonach die Zaid der ttberhau])t möglichen ebenso gross als die Gcsannntzahl der voriiandencn n (20, 30, 40 u. s. w.), die Zahl der i;ttnstigcn Fälle ebenso gross (2, 3, 4 u. s. w.) dass diese Annahme einer ganz anderen Situation ent- spricht. Sic passt für die Voraussetzung, dass in einem einzigen Gefäss 20 oder 30 oder 40 Kugeln überhaupt, davon 2 oder 3 oder 4 weisse liegen, und dass ich mit einer Hand hineingreife, um je einen Zug zu thun. Mache als die Summe der weissen Kugeln wäre, so müssen wir liald merken, XI. Nr. 39. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 463 ich (liii^-c^'cn iuis zwei Gctu.ssun mit je lU sulcliuii Kii.:;i'lii einen üoi>i»clzug', so durf ich mir beiderseits die Kui;eln von 1 bis lU (nicht von 1 bis 20) numerirt denken und Iviiun dann paarweise ziclm: entweder Nr. 1 rechts mit Nr. 1 links, oder Nr. 1 mit Nr. 2 oder ebenso weiter und schliesslich Nr. 1 mit Nr. lü; ebenso gut aber auch Nr. 2 rechts mit Nr. 1 links, oder Nr '2. rechts mit Nr. 2 links, oder Nr. 2 mit Nr. o, auch Nr. 2 mit Nr. lü, desgleichen Nr. o mit jeder Nummer von drüben u. s.w. Wir sehen: es tritt nicht etwa zu jeder Kugel der ersten Urne eine Kugel der zweiten hinzu, durch Addition, sondern zu jeder Kugel auf der einen Seite kann jede Kugel der anderen Seite hinzutreten; jede anfänglich vorhandene Kugel wird gleichsam so oft vervielfacht, als neuerdings Kugeln dazugekommen sind, hier also verzehnfacht — durch Multiplication. Danach sind die Kugcipaare, die mir überhaupt in die Hände gerathen können, 10 X lÜ, das ist lUO an Zaid. Wie viele aber von diesen über- haupt möglichen Fällen sind mir günstig, d. h. in wie vielen dieser 100 Paare findet sich wenigstens Eine weisse Kugel, wenigstens Ein weisser Halbzug-y Nehmen wir au, beiderseits sei die weisse Kugel mit Nr. 1 bezeichnet. Dann wird jede der 10 Verbindungen, welche die Nr. 1 von der einen Seite mit der anderen Seite eingehen kann, mindestens Einmal AVeiss enthalten; das giebt 10 günstige Fälle. Ausserdem trifft jede der ü schwarzen Kugeln (Nr. 2 bis Nr. 10) in ihrer ebenfalls zehnfachen Verbindung mit drüben Einmal auf eine weisse Gesellschafterin; macht noch 9 und zusammen also 19 günstige Fälle. Oder Nr. 1 von rechts giebt 10 günstige Paare, Nr. 1 von links giebt auch iO günstige Paare, nur dass davon eins bereits da war, (nändich Nr. 1 links mit Nr. 1 rechts); das macht wieder 19. Sonach ist das „Maass der Wahrscheinlichkeit", eine weisse Kugel zu ziehn, weder i/n, d. i. i^/mn, noch '^/^^ d- i- "%oo) sondern ^Vioüi und das entgegengesetzte, nur lauter schwarze zu ziehn, ist *"/ioo (die Wahrscheinlich- keit, lauter weisse zu ziehn, ist Vi^o, die, mindestens Eine schwarze zu ziehn, ''Vion)- Die verhüllte Zukunft, die erst nur in 10 Felder ein- getbeilt war, wurde diesmal noch weiter zerlegt, indem jedes der Felder wieder weitergetheilt ward, aber nicht in Hälften sondern in Zehntel. Von diesen lOO Feldern gehören 19 unserm Glück, 81 unserm Unglück; soll auf jedes eine Mark eingesetzt werden, so setzen wir 19 und unser böser Dämon setzt 81 Mark. Es ist eine Wette von 19 gegen 81 unsererseits, von 81 gegen 19 wider uns. Woher nun diese räthselhaften Zahlen? Denken wir lans das bei einem einzigen Zug aus einem zehn- kugeligen Gcfäss bevorstehende Schicksal als einen (juer- liegenden Streifen, zehnmal so lang als breit und in die bekannten lO Felder eingetheilt, wovon das Eckfeld links für weiss gilt, also uns gehört. An diesen Streifen setzen wir rechts nach unten einen gleichen Streifen an, dessen oberstes Feld mit dem rechten Eckfeld des ersten Streifens zusannnenfällt, und dessen unterstes Feld wieder für weiss gilt; dieser Streifen birgt die Zukunft des zweiten Zuges. Ergänzen wir dieses Gebilde zu einem Quadrat mit zchn- theiliger Seite, so zerfällt dieses in 100 Quadratchen, die zusammen das Gesammtschicksal eines Doppelzuges aus- machen. Von dem grossen Quadrat bilden aber die 9 schwarzen Felder oben und die 9 schwarzen rechts wieder die Seiten eines Theilquadrats von 81 Feldern, während die übrig bleibenden Streifen links und unten je 10 weisse Felder, wovon eins gemeinsam, also 19 bilden. Somit bedeutet hier 81 das Quadrat der Zahl der bei einem Zug ungünstigen Fälle, 19 die Ergänzung auf 100. Wollen wir uns einen dreifachen Kugelzug aus drei Ge- lassen veranschaulichen, so müssen wir uns jede der beim zweifachen Zug anzunehmenden lOO Möglichkeiten mit jeder der lO Möglichkeiten verbunden denken, die für einen dritten Zug allein in Betracht kämen. Zu diesem Zweck setzen wir auf demselben Eckfeld rechts oben, das zum Uebergang vom einfachen in den doppelten Zug gedient hatte, einen entsprechend zehntheiligen vier- eckigen Pfeiler auf, dessen 9 untere Würfel schwarz, dessen oberster Würfel weiss bedeutet, und l)ilden mit dieser Höhe aus der vorliegenden Grundfläche einen Wiu-fel, dessen 1000 Würfeltheilchen die sännntlicheu Möglichkeiten des dreifachen Zuges enthalten. Ein Teil- würfel davon ist mit 9gliedriger Kante und 81glic(lriger Seite, also mit 729 Würfeltheilchen, als Vertreter der sännntlichcn rein sciiwarzen Züge anzusehn ; das aus den übrigen 271 Würfcltlieilchen gebildete Zelt als Vertreter der sämmtlichen mit weiss mindestens gemischten Züge. Die Wette steht jetzt 271 zu 729, die Hoffnung auf Ge winnst, die erst nur Vio "der /lOOO) dann '■','100 oder '''7iooo war, beträgt jetzt -",:ooo7 ist also von 100 auf 190 und weiter auf 271 gestiegen. Wenden wir dies auf den Fall des Ilülfesuchens an, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass mich nicht nur Ein Mitmensch zurückweist (was zu '7io anzusetzen war), sondern dass zwei es thun, '*\'ioo; die Wahrscheinlichkeit, dass drei es thun, '""/uiuo- Ebenso die Wahrscheiulich- - ~- i'.i auf 1,000.000' 43,046.721 keit, dass mir von Zweien Einer hilft, '''/loo; dass von Di'cien Einer hilft, '"^"/looo- I^h musste nur, dort wie hier, das uns schon Ijckannte Verbältniss Vio» das Maass der sogenannten einfachen Wahrscheinlichkeit, mit sich selbst multipliciren, um das der zweifach zusammengesetzten zu erhalten: -'/lo X '7,o. geschrieben (Vlo)^ giebt ^'/i^o: der Rest bleibt mir. Zur dreifach zusammengesetzten Wahr- scheinlichkeit bedarf es einer nochmaligen Multiplication mit 7i0) geschrieben (7iof, d. i. '-'Viooo- ^^^ Wahr- scheinlichkeit also, dass meine Hoffnung fehlschlägt, sinkt beim Einbeziehn von zwei statt Eines Menschen in meine Absichten von 900 Tausendsteln auf 810, beim Ein- beziehn von dreien auf 729. Dehne ich meine Ab- sichten auf vier Menschen aus, so sinkt sie auf (7io)*> , . 6561 , . „.. .. „ ., ,, , . 59.049 , . , ^' 10.000' ^ ""^ ' '■ 100.000' ^ 531.441 . . . , ^ 4,782.969 , . ,, „ bei sieben auf T^A,T7>7=vrrj oei acht auf 10,000.000 innnnrwion' ^^^^ '" ungefähren Tausendsteln ausge- drückt: von 729 auf 656, auf 590, auf 531, auf 478, auf 430. Dehne ich den Plan immer weiter aus, so kann ich diese Wahrscheinlichkeit um so kleiner machen, je weiter ich gehe; und nur äussere Gründe, Mangel au Zeit u. s. w., können mich verhindern , diese Wahr- scheinlichkeit, die allerdings niemals Null wird, so klein zu machen, dass sie praktisch nicht mehr in Betracht kommt, und meine Erfolgshoffnung, die freilich niemals 1 wird, so zu vergrössern, dass sie praktisch so viel wie eine Gewissheit ist. Was wir hier auseinandergesetzt, weisl uns kein neues Handeln an; denn wir handeln bereits in der That so, indem wir beharrlich vom Einen zum Andern gchn und denken: „Einer muss eben helfen." Sind wir nicht so beharrlich, lassen wir schon nach 1 oder 2 Fehlgriffen den Muth sinken, so fehlt's uns zunächst nicht an logischer Einsicht, sondern an Muth oder Thatkraft; dann allerdings kann uns jene theoretiseiie Belehrung zu neuen Versuchen Kraft geben, aber dann waren wir eben praktisch unvoll- kommene Mensehen, die sich erst durch die Theorie zeit- weilig vollkommen machen Hessen und erst mittelst dieses theoretischen Gewinnes wieder entsprechend handeln konnten. 464 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 39. folges von Mit dem Sinken der Wahrscheinlichiieit des Misser- 90J auf 810 auf 729 auf 656 auf 590 auf 531 auf 478 auf 430 Tausendstel war die Wahrschein- lichkeit des Erfolges «estiesen. Bei Einem angerufenen Menschen betrug sie 100 Tausendstel, bei zweien 190, bei dreien 271, bei vieren 344, bei fünfen 410, bei scchsen 469, bei sieben 522, bei achten 570. Bis zum sechsten war die AVahrscheinlichkeit des Misserfolges grösser als die des Erfolges, vom siebenten an ist's umgekehrt. Sie könnten etwa auch gleich sein, jede 500 Tausendstel; dann ist das Schicksalsfeld halbirt, die Wahrscheinlich- keit sowohl für als gegen ist Vi, die Wette steht 1 zu 1. Sobald diese Mittelwand überschritten wird und zwar um einen Betrag, der gross genug ist, um nicht praktisch zu verschwinden, sprechen wir von mehr Wahrscheinlichkeit als UnWahrscheinlichkeit oder kurz im engern Sinn von Wahrscheinlichkeit; bleiben die „Chancen" ebenso imter V2) so sprechen wir von Unwahrscheinlichkeit. Zwischen zwei Wegen den zu wählen, dessen Erfolg diese Grenze von '/._, genügend überschreitet, ist im Allgemeinen „Raison". Einen Weg, der mir nur Vio verspricht, statt eines Weges zu wählen, der mir so im Allgemeinen unvernünftig Hülferufs an Eine Person, der nur '% erwarten lässt, einen anderen Ausweg, der ^1., verlieisst, so soll ich diesen anderen einschlagen; der Hülferuf jedoch, den ich achtmal wiederhole, verspricht mir ^Vioo? '^l'^"' mehr als "2, und ist deshalb unter sonst gleichen Umständen vor- zuziehu. Allein es ist nur eben ziemlich, d. i. °Vioo wahr- scheinlich, dass ich reussire. Lohnt sich darum die Mühe '? Bei einer einzigen Wanderung zu acht Pcisonen ist es doch zu leicht, d. h. ^'Vion, niöglich, dass sie uiiss- lingt. /]ii verspricht, ist eben- Habe ich statt jenes AVenn ich mir jedoch diese „Raison" zum Lebens- grundsatz mache und jedesmal meine Wanderungen da- nach einrichte, so kommt mir wieder das Sieg erzwingende Gesetz der grossen Zahlen zu Hülfe. Ich wende meinen Grundsatz in allen ähnlichen Fällen an, sagen wir in 1000. Dann bin ich annähernd sicher, dass mir von den 1000 Ver- suchen ungefähr 570, nicht viel mehr und nicht viel weniger, aber höchstwahrscheinlich mehr als die Hälfte gelingen werden. Wer am „Abend seines Lebens" die „Summe" des Erreichten zieht, dem wird die Rechnung stimmen. Allerdings sind die Voraussetzungen nicht zu ver- gessen. Wenn die Blühen und Kosten der achtmaligen Wanderung den erhoft'ten Gewinn übersteigen, ist sie nicht mehr Raison. Wenn der Ausatz, dass bei Einem Schritt die Erfolgswahrscheinlichkeit Vio beträgt, zu hoch war, dann ist die Rechnung irrig; doch eine andere Rechnung kann immer noch etwa für 16 Schritte den Erfolg voraussagen u. s. w. Es heisst nur, die Richtig- keit des Ansatzes prüfen. Ein Hauptbeispiel: War der erste Sehritt erfolglos, so fragt sich, ob dann der zweite Schritt noch inmier die Erfolgswahrseheinlichkeit '"/luo) der achte die von "Vioo verspricht. Man möchte fast meinen: ja; und für die folgenden Schritte scheint sich sogar die Hoffnung zu erhöhen, indem dann schon unter sieben Angerufenen sich ein Williger finden werde. Die Falschheit dieses Schlusses zeigt sich aber, wenn keiner der ersten Sieben Hilfe gewährt hat. Wird denn dann der Achte aus seinem einen Zehntel von Geberlaune heraus in •^'/ino hinaufgetriebenV Keineswegs: er bleibt ersichtlich bei seinem Maass von Freigebigkeit, das er schon vor unseren sieben ersten Sehritten besass. Doch noch mehr: wenn sieben Menschen mich al)schlägig bescheiden, habe ich dann nicht Grund, an der Richtigkeit meiner Hoffnung von Vio, ^^^ 'ch in jeden setzte, zu zweifeln? Gewiss, falls sie mir nicht so feststeht, dass ich den siebenmaligen Misserfolg auf „Zufall", d. h. hier: auf individuelle Ur- sachen, schieben darf. Sonst aber lehrt wieder die Theorie, dass jedes eingetretene Ereigniss seine Wiederholung im Allgemeinen wahrscheinlicher macht als seine Nicht- wiederholung; doch davon ein andermal. Es scheint also doch, dass die graue Theorie wenigstens das Verdienst hat, unser Handeln zu erklären und zu rechtfertigen. Ja sogar die Frage ist nicht üher- Hüssig, ob man nicht vollkommener handelt, wenn man sich auf solche Erklärungen und Rechtfertigungen stützen kann. Wenigstens ein Handeln, das über den Alltag hinausgeht, das in besonderer Weise ein echt menschliches ist, mag derart von der Theorie eine Kräftigung erhalten, die es von praktischen Mächten, von Instinct, Gewohnheit, Leidensciiaft und dergleichen nie erfahren hätte. Schon alle Thätigkeiten, die sich, wie iusbesonders Finanz- uuternehmungeu verschiedenster Art, auf Rechnung gründen, beweisen es. Ueber neue Heilerfolge durch H.vpuotisinus be- richtet Dr. Hugo Starcke, Assistent an der Czerny'schen chirurgischen Klinik zu Heidelberg, in der „Münchener Mcdicinischen Wochenschrift" vom 11. August 1896. Der Aufsatz beginnt mit einem sehr berechtigten und beachtens- werthen Tadel des Verhaltens der deutschen Gelehrten zum Hypnotisnms. Es heisst z. B. : „Während bei uns ein grosser Theil der Aerztc nicht mehr von den „Wun- dern" des Hypnotismus weiss, als was sie gelegentlieh einer Zaubervorstcllung anzustaunen Gelegenheit hatten, gilt die hypnotische Suggestion in Frankreich als wich- tiger therapeutischer Factor in der Medicin. Man schenkt ihr an unseren Universitäten so wenig Beachtung, dass heutzutage ein Mediciner ileissig seine Collegien besucht haben kann, ohne aus dem Munde seiner Lehrer jemals das Wort „Hypnotismus" vernommen zu haben." Starcke veröffentlicht nun einige seiner interessantesten Heilerfolge durch liypnotische Suggestion, hauptsächlich, wie er sagt, von der Erwägung geleitet, „dass nur stets sich wieder- holende Publicationen über hypnotische Erfolge im Stande sind, das dem Hypnotismus entgegengebrachte Misstrauen zu zerstreuen und die ihm zukonunende Stelle unter den zur Medicin gehörigen Factoren zu fixircn." Zwei Fälle, welche ein besonderes Interesse verdienen, werden ganz eingehend beschrieben und mögen ;uich hier auszugsweise wiedergegeben werden. Ein 56-jähriger Goldari)eiter litt schon seit Jahren an psychogenen Krami)fanfällen, die von den Gesichts- muskeln ausgehend sich später auch auf die Hals-, Nacken- und P>auchmuskeln übertrugen. Die Krämjjfe traten oft 10 bis 20 Mal täglich ein und bewirkten stän- dige Schlaflosigkeit nebst starker Neigung zum Erbrechen. Starcke suchte dem Leiden durch hypnotische Suggestion beizukonnnen und zwar mit vortrefflichem Erfolge. Der Patient wurde Anfangs täglieli, später alle 2 bis 3 Tage '/4 bis V2 Stunde lang hyj)notisch behandelt. Während zuerst nur die leichteren Stadien des hypnotischen Schlafes (Unfähigkeit die Augen von selbst zu öffnen) er- reicht wurden, gelang es schon nach wenigen Sitzungen, die tietsti'ii Stadien der Hypnose zu erzielen, so dass der Patient für alle Suggestionen empfänglich wurde. Durch geeignete Suggestionen gelangte Starcke dahin, dass schon von der vierten Sitzung an die Krämpfe vollständig verschwanden und innerhalb weniger Wochen konnte der XI. Nr. :^9. Naturwissenschaftliche Wochenschritt. 465 Patient als „geheilt" entlassen werden, und es scheint, als ül) die Ileilung eine dauernde sein werde, denn in dem seither verflossenen halben Jahr haben sich die An- fälle nicht mehr wiederholt. Im zweiten Fall handelte es sieh um eine 22-jährige Kraukenschwester, welche au einer eitrigen Mittelohr- entzündung litt. Die Krankheit hatte Schlaflosigkeit, Kopfschmerz, Fieber, Schwindel und Erbrechen nach jeder Nahrungsaufnahme im Gefolge, welches letztere als hysterisch gedeutet wurde. Man glaubte schon auf einen Hirnabscess schliessen zu müssen. Die Krankheit verschlim- merte sich trotz mehrfacher Operationen von Monat zu Monat, endlich suchte man wenigstens dem ständigen Erbrechen, das sich oft 6 Mal täglich einstellte und wo- durch die Patientin schon völlig entkräftet war, suggestiv beizukonnnen. Schon in der zweiten hy})notischen Sitzung erreichte Starcke, dass in der Hypnose verabreichte Milch, „welche nicht gebrochen werden kann" auch nach dem Erwachen behalten wurde, während Milch, welche die Patientin im wachen Zustande genoss, alsbald wieder ausgebrochen wurde. Bald gelang es, das Erbrechen auch im wachen Zustande zu unterdrücken, und nun suchte Starcke (in der vierten Sitzung) auch gegen den Kopfschmerz vorzugehen. Auch dies Bemühen war bald von Erfolg gekrönt, und in der neunten Sitzung wagte Starcke sciion die Schwindclanfälle zu bekämpfeu, eben- So war bereits nach 16 Taa-en die falls erfolgreich. Kranke wieder „zu einem für schwere Arbeit tauglieheu lebensfrohen Wesen" gemacht. Der Krankheit selbst natür- lich konnte vermittelst der Hypnose nicht beigekommen werden, die gefährlichen Symptome aber sind auf sug- gestivem Wege beseitigt oder doch auf ein Minimum be- schränkt. Der Hauptwertli dieser Behaudlung liegt aber darin, dass Herrn Dr. Starcke der Nachweis gelang, dass der Verdacht eines Hirnabscesses unbegründet war: auf diese Weise bewahrte er die Patientin vor einem schweren operativen Eingriff. So hat Starcke in schönster Weise gezeigt, dass die differential-diagnostische Bedeutung dei Hyp- Icich- nose ihrem therapeutischen Werth vöUi; kommt. Auch ein dritter Fall wird noch mitgetbeilt. Ein mit starkem Spitzfuss versehener Mann bekam bei jedem Geh- versuch sofort einen Collaps. Starcke brachte ihn durch mehrfaches Hypuotisiren dazu, dass er Anfangs im hyp- notischen Schlaf, später auch im Wachzustande ohne Schmerzen zu gehen vermochte. Es sind somit drei interessante, typische Fälle zu verzeichnen, welche beweisen, wie der Hypnotismus an der Hand eines geschickten und vorsichtigen Suggestions- therapeutikers die segensreichsten Wirkungen erzielen kann. Es ist daher nur zu wünschen, dass Starckc's Er- folge in den weitesten Kreisen bekannt werden, damit das Misstrauen, ja man kann sagen die Angst, welche man dem Hypnotismus entgegenbringt, und welche viel- fach zu einem mehr oder weniger strengen Verbot des- selben geführt hat, baldigst schwinden mögen. Der Hyp- notismus ist ein Heilmittel, das in vielen Fällen unerreicht und unersetzbar ist, zumal gegen functionelle Störungen, Schmerzen, neurasthenische und hysterische Besehwerden, besonders also in Nerven- und psychiatrischen Anstalten, aber auch in der Gynäkologie und sogar in der Chi- rurgie als Anaesthetikum: so wurden durch Prof. Haab Staaroperationeu an Hypnotisirten vollzogen, Bernheim öffnete während der Hypnose Abscesse und zog Zähne, Esdaile in Kalkutta hat sogar grosse Amputationen an Hypnotisirten ausgeführt, und auch die Geburtshilfe hat die Hypnose schon als vortreffliches Anaesthetikum benutzt. Freilich erfordert die Erzieluug eines tiefen hypno- tischen Schlafes liei der Mehrzahl sehr viel Zeit und Ge- duld, so dass aus diesem Grunde für den Arzt die An- wendung der Hypnose eine beschränkte bleiben muss, zumal da er in der Ertheilung der Suggestionen schritt- weise vorgehen nmss, um etwas zu erreichen. Wie aber auch im grossen Maassstabe die Segimngen der Hypnose durch einen geschickten Experimentator verwerthet werden können, das zeigt in erster Linie das Beispiel Forels in Zürich. Auch Starcke erklärt selten jemand gefunden zu haben, „der nicht hypnotisabel wäre", wenn er einigen guten Willen hat. Diese Anschauung stinnnt gegenüber der verbreiteten Meinung in Laienkreisen vollkonnnen mit den Ansichten und Betrachtungen der bedeutendsten Autoritäten der Suggestionstherapie überein. Wetterstrand fand unter mehr als 3ÜUÜ Personen iJ7 Procent, die der Hypnose zugänglich waren, auch Forel hat unter seinen zahllosen Patienten, wie es scheint, kaum jemals einen gehabt, der trotz guten Willens zur Sache ganz wider- standsfähig geblieben wäre. Vogt hat sogar direct aus- gesprochen, dass bei jedem geistig gesunden Menschen Somnambulismus erzielt werden könne. Selbstverständlich gelingt der Versuch bei dem einen sofort, bei dem andern erst nach mehreren vergeblichen Sitzungen. Auch an dieser Stelle mag aber noch einmal mit aller Ent- schiedenheit der festgewurzelten, irrigen Ansicht ent- gegengetreten werden, dass ein gewisser Grad von Ner- vosität dazu gehöre, damit eine Person hypnotisirt werden könne. Auch über die vermeintliche Schädlichkeit der Hyp- nose macht Starcke eine sehr beachteuswcrthe Aeusserung: „Einen Schaden durch die Hypnose habe ich noch nirgends gesehen und glaube nicht an solchen bei richtiger An- wendung derselben. Im Gegentheil, die Leute fühlen sich so wohl, dass mau mich schon gebeten hat, anstatt eine Morphiuminjection gegen Schlaflosigkeit oder Schmerz zu geben, sie einzuschläfern." Aber ehe diese Ansicht, welche alle Autoritäten theilen, sich durchringt, auch nur in niedicinisch und psychologisch gebildeten oder gar nur in psychiatrischen Kreisen, wird wohl noch lange Zeit ver- gehen. Der unglückselige Tod des Fräulein v. Salamon im September 1894*), über den so viele Unrichtigkeiten und ünsinnigkeiten in Umlauf gesetzt sind und der an und für sieh gar nichts mit der Hypnose zu thun hatte, sowie der ziemlich bedeutungslose, unnöthig aufgebauschte Prozess Czynski in München haben allenthalben die Furcht vor dem Hypuotisiren unnöthig beträchtlich vermehrt und fast einen ganzen Sagenkreis um das Phänomen gewoben. Es ist zu bedauern, dass selbst in Deutschland daraufhin die früher gestatteten öffentlichen Demonstrationen der hypnotischen Erscheinungen fast überall verboten wurden, wodurch der unbefugten bezw. verbrecherischen Anwendung eher Vorschub geleistet wird, als dass man sie damit be- kämpft. Denn gerade nur eine möglichst allgemeine Kenntnis der diesbezüglichen Vorgänge kann das Geheim- nissvolle zerstören, was in den Augen der meisten Laien jenem pathologischen Zustand zu eigen ist, und gegen den Unfug kann nicht die Polizei, sondern nur jeder sich selbst schützen. Wenn die ganz unberechtigte Furcht erst geschwunden ist, wird man erkennen, dass die gewaltigen Segnungen der Hypnose den fast stets nur geringen Schaden, den sie hier und da, und beinah nur in den Händen Unberufener, zu stiften vermag, weit ülterwiegeii. Mögen wir bald der Hypnose gegenüber wenigstens ilic Stellung einnehmen, die das weniger ängstliche und skep- tische Frankreich sich schon seit Jahrzehnten erobert hat! *) Vergl. Natuiw. Woclionsclir. BjukI iX (1894) S. 50G. 46fi Naturwisseuschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 39 Uelier die Configiiriilioii der Weinsäure liat sieh Emil Fischer in den Berichten der Üeutschcu Chemi- schen Gesellschaft (29, 1377) geäussert. — lieiui eingeheudeu Studium der üi'.naniseheu Chemie sind eine Reihe von Körpern beobachtet worden, bei deueu zwei oder mehrere Verbindungen von verschiedenem chemischen wie physikalischen Verhalten, gleiche Structur- l'ormelu besitzen; solche Körper uenut mau alloisomer oder stereoisomer und spricht von einer Conliguratiou der Moleküle. Die Ursache dieser Erscheinung ist, wie durch die umfassendsten Studien von Wislicenus und vau 't Hott' festgelegt worden ist, in einer verschiedenen räumlichen Anordnung der Atome im MolekiU zu suchen. Nach den Theorien von van 't Hoif und Lc Bei ent- hält die Weinsäure, die unter die Kategorie dieser Körper zu zählen ist, zwei asymmetrische Kohlenstoffatome, d. h. zwei Kohleustoöatome, deren Valenzen durch vier ver- schiedene Atome beziehungsweise Atomgruppen gesättigt sind; die verschiedene räumliche Lagerung derselben be- dingt die optische Activität der Weinsäure. Diese Lagerung oder besser Anordnung der Atome kann an beiden asymmetrischen Koidenstoffatomen die gleiche sein, so dass die optische Wirkung verstärkt wird, wir sprechen dann von rechts — res])ectivc linksdrehender Weinsäure (in Bezug auf ihr Verhalten gegen polari- sirtes Licht). Ist dagegen die Anordnung der Atome an dem einen Kohlenstott'atom die entgegengesetzte wie am anderen, dann wird augenscheinlich die optische Activität aufgehoben, und wir erhalten die optisch inactive Meso- weinsäure. Eine vierte ebenfalls optisch inactive, die sogenannte racemische Form wird erhalten durch Ver- einigung gleicher Molekiüe Rechts- und Links-Weinsäure. Diese Säure, Traubensäure auch Paraweinsäure genannt, ist zum Unterschiede von der ebenfalls inactiven Meso- weinsäure durch Aussaat gewisser Pilze (Penicillium glau- cuni, Schizomyceteu) oder durch das Natrium-Annnoniuui- salz in die beiden oi)tischen Antipoden spaltbar. Ich gcl)e hier die möglichen sterischen Formeln der Wein- säure wieder, die nach E. Fischer durch Projeetion der tetracdrischen, die räundichen Verhältnisse ausdrückenden Figuren auf die Papierebene erhalten sind: COOH HO— C-H COOH COOH H-C— OH HO-C— H H— C— OH HO -C-H HO— C— H COOH COOH COOH I. II. III. (Mosoweiusituru). Aus den Projectionsfiguren ist nun sofort ersichtlich, dass in den beiden ersten Figuren, die Bewegungsrichtung von 011 über II nach COOH je in den oberen und unteren Hälften des Moleküls identisch, in Figur III hingegen verschieden ist. Unter der Annahme also, dass die o|)tische Activität von der Reihenfolge der Atome abhängt, würde sich für Fall I und II eine Verstärkung, für Fall III eine Aufhebung der Activität ergeben. Alle stereochennschen 15etrachtungen des Weiteren haben von der Weinsäure ihren Ausgang genommen; um so bedauerlicher war es daher, dass gerade die Frage, welcher von beiden unter I und U oben gegebenen Formeln der Rechts- oder d-Weinsäure zukäme, nicht mit Sicherheit erwiesen werden konnte. Dem genialen Forsciierljlicke eines Emil Fischer ist es \-orl)ehaltcn ge- blieben, diese em|)findliche Lücke in dem sterischen System der Zuckcrgrupi)e auf elegante und einfache Weise zu lösen. Theoretischer Theil: Fischer geht bei seinen Ver- suchen von der Rhamnose aus, für die er in Gemeinschalt mit Morell folgende Configuration testgelegt hat: COH II_C_U11 H— C-OH HO— C-H CHOHy CH3 Nach dem sch(tnen Abbauverfahren von Wohl führt er diese Verbindung in Methyltetrose von der Formel: COH H-C-OH HO-C— H CHOHy CH3 über, die er dann mittels Salpetersäure zu d- Weinsäure oxydirt; der Vorgang vollzieht sich nach folgender Gleichuni. COH H_C-OH HO-C— H CHOH ■ " ' CH, ■ ' COOH H_C-OH 60 = HO-C-H +C0,f2H.,0 COOH d-Weinsäure Metliyltetrose Aus der Formel der d Weinsäure erschliesst Fischer dann die Contiguration der entsprechenden Aepfelsäure: COOH H— C— OH CH, COOH und der zugehörigen Asparaginsäure : COOH H— C— NH., CH2 COOH Experimenteller Theil: Den Abbau der Rhanniose bewirkt Fischer, wie bereits im theoretischen Theil er- wähnt ist, durcii das Wold'schc Verfahren: Durcli Einwirkung von Hydroxylandn auf Rhanniose in alkolischer Lösung erhält Fischer unter Wasseraustritt, das zugehörige Oxim, das mit Essigsäureanhydrid und Natriumaeetat behandelt, das Tetraacetylrhannionsäurenitril CH., (CIK) • C.jH|0), -CN ergiebt; um hieraus das Cyan laui die Ace'tyle abzuspalten, lässt er auf diese Ver- bindung annncniiakalische Silhcrlösung einwirken, wobei schliesslich eine Verbindung der Methyltetrose mit Acetamid resultirt. Durch einstündiges Kochen mit verdünnter Sali)etcr- säure wird die Acetamidverbinduug zunächst unter Wasser- aufnahme in ihre Componenton zerlegt, worauf man die gesammte Flüssigkeit auf die Hälfte ihres Volumens cin- dunstct und sofort mit starker Salpetersäure oxydirt. Aus dem so erhaltenen Reactionsgemisch kann schliesslich XI. Nr. 39. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 461 nach dem Neutrahsiren mit Cal(^iumcari)onat und Iblgendcm Versetzen mit Bleiacetat die Weinsäure als Hlcisalz ge- wonnen werden, aus dem dann durch Behandeln mit Schwei'elwasscrstoff die reine Säure in Freiheit gesetzt wird. Durch einige Idontifitätsveisuche erhält die Fischer- schc Arheit ihren Abschluss. Ur. A. Speier. Die Rubiiigewiiiiiuiig in Birma. — Der Ruhin er- scheint auch jetzt noch als das wichtigste Bcrgproduct von Birma, insbesondere von Olicr-Birma. Dieses an Edelsteinen überhaupt unge\vr)hnlich reiche Land liefert aber auch Steine, deren Wcrth viel höher gesehätzt wird als derjenige von edelsten Diamanten. Prot'. Dr. Bauer giebt nändich hierfür folgende Zahlen an. Ein schöner, als Brillant geschliffener „blauwei.sser" Diamant von 1 Kar. {= 20r) nigr) Gewicht kann etwa auf 300 Mark geschätzt werden, während ein allerfeinster dunkelcarrainrother oder taubenblutrotlier fehlerfreier Rubin von derselben Form und (irösse schon etwa das doppelte kostet. Ein drei- karätiger Diamant erster Qualität in Brillantform ist etwa .3000 Mark, ein ebenso schwerer Rubin derselben Art .30000 Mark werth, und bei 5 Karat sind die entsprechen- den Zahlen ßOOO und 60000 Mark. Wohl dieses hohen Werthes halber hat die ehemalige birmanische Regierung- Fundorte, Lagerungs- und Gcwinnungsverliältnisse der Rubine zu verheimlichen gestrebt, sodass es kaum einem oder dem anderen Europäer gelang, zu den wichtigsten Rubinfeldern durchzudringen und sich in unseren Lehr- büchern unrichtige, vor Jahrhunderten seitens des franzö- sischen Edelsteinhändlers Tavernier nach Hörensagen er- kundete Angaben über deren geographische Lage noch bis auf unsere Tage erhalten konnten. Erst seit der englischen Besitzergreifung im Jahre 1886 steht das Land offen und haben seitdem zaldreiche Europäer zu Forsehuugs- oder zu Handelszweckcn jene Gegenden besucht. Nach den von Prof. Dr. Max Bauer im Sitzungs- bericht der Gesellschaft zur Bef. der gesannnten Naturwissenschaften zu Marburg, Januar 1896 gemachten Mittheilungen besitzen Rubine in Birma anscheinend eine sehr grosse Verbreitung; die wichtigsten und zahlreichsten Gewinnungsstätten (der Rnby- oder Stones Tract) sind, wenn man die schon erschöpften mit einrechnet, auf einen Raum von etwa 160 qkm um die Stadt Mogouk herum vertheilt, welche etwa lf)Okm nordöstlich von derHaujjtstadt Mandalay auf der linken östlichen Seite des Irrawaddi in einiger Entfernung von diesem Flusse liegt. Genauer er- forscht ist dort zwar erst ein Gebiet von etwa 42 km Länge und 19 km Breite, doch hat man Grund für die Annahme, dass sich die Rubinlagerstätten noch weithin nach Süden und Osten ziehen. Das Rubingebiet um Mogouk herum stellt ein bis 2400 m hohes, von dichtem Dschungel bedecktes Gebirgsland vor, das vom Irrawaddi durch ein fast 50 km breites Tiefland getrennt wird, und in dessen immerhin nocii 1230— IIjOO m über dem Meeres- spiegel hochgelegenen Thälern bei den Städten Mogouk, Kate und Kyat-pycn oder Kapyun die meisten und er- tragreichsten Rul)ingräbereien sich schaaren. Dieses Gebirgsland besteht hauptsächlich aus von zahlreichen Pegmatitgängen durchsetzten Gneissen und anderen Glie- dern des Urgebirgssystems, von denen manche den Schie- fern der edelsteinführenden Bezirke von Ceylon, sowie des mit ausgedehnten Lagern von gemeinem Korund aus- gestatteten Districts von Salem im (Jouvernement Madras gleichen sollen. Muttergestein des Rubins und der zahl- reichen, demselben vergesellschafteten Mineralien (Sj)inelle u. a. m.) ist aber ein meist weisser und auch als Bau- material geschätzter Marmor, welcher in grossen Massen und weiter Verbreitung gebiri;sbildend auftritt. Derselbe wird von Brown und Judd dem Urgebirgssystem zuge- rechnet, nach Noetling aber ist er durcli Kontakt mit einem bisher noch nicht eingehender untersuchten P>nptiv- gestein aus gemeinem thonigen Kalksteine hervorgegangen, welcher noch an anderen Stellen in ursprünglicher Be- schaffenheit angetroffen wird und durch allerdings sehr seltne Versteinerungen als von karbonischem Alter ge- kennzeichnet ist. Vom Hochlande von Mogouk ans ist der Rubin -iialtige Marmor auf der linken, östlichen Seite des Irrawaddi bis in dessen letzte südliche Ausläufer, die etwa 24 km m'irdlich von Mandalay belegenen Sadschijiii- Hügel zu verfolgen, welche das nächstwichtige Rubin- gebiet nach demjenigen von Jlogouk darstellen. Die in dem Marmor eingewachsenen Mineralien sind entweder unrcgelmässig begrenzte Körner oder, und dies gilt vom Rubin stets, regelmässig ausgebildete Krystalle, diese je- doch innner mit „geflossenen'- Kanten und Ecken; vor- waltende Formen sind beim Rubin das Rhomboeder und die Gradendfläche. Da derselbe an Menge unter den Einsprenglingen keineswegs vorwaltet, kann seine un- mittelbare Gewinnung aus dem Muttergesteine, die gleich- wohl stellenweise stattfindet, nicht von Belang sein. Die meisten in den Handel kommenden Rubine und der mit diesen zusammen gewonnenen edlen Spinelle stannnen viel- mehr aus den Verwitterungsproducten des Marmors, so- wohl den noch auf ihrer prinuiren Lagerstätte ruhenden, als auch den vom Wasser umgelagerten und oft weithin verfrachteten. Erstere, nämlich gelbe, braune oder rothe Thone und mehr oder weniger sandige Lehme, denen ausser den der Verwitterung widerstehenden, eingewachsen gewesenen Mineralien auch gewöhnlich noch Brocken der Nachbargesteine in grösserer oder geringerer Anzahl ein- gemengt sind, bedecken nicht allein in stellenweise 15 m übersteigender Mächtigkeit die Abhänge der Kalk- berge, sondern erfüllen auch ganz oder theilweise die Höhlenräume, von denen diese, wie die Kalksteinma.ssen anderer Länder auch, häufig durchzogen werden. Die secundären, von Bächen und Flüssen gebildeten Lager- stätten aber zeigen sieh oft so reich an Edelsteinen, dass Tausende winziger Rubinkörnchen mit prächtiger rother Farbe von der Sonne beschienen erglänzen. Allen diesen Rubin-haltigen Ablagerungen ist von den Eingebornen die gemeinsame Bezeichnung Byon oder Pyon beigelegt worden, wie unsere Bergleute sie vielleicht als Rubinerz benannt haben würden. Als besonders ertragsreich, der der Ablagerung vor- angegangenen Saigerung halber, haben sich natürlich die von heutigen oder ehemaligen Wasserläufen gebildeten Seifen herausgestellt, obwohl die aus ihnen stammenden Steine meist stark abgercdlt zu sein pflegen. Interesse erregen nun auch die von den Eingeljornen schon seit un- bekannten Zeiten angewandten Abbauarten. In den Seifen taufen die Eingebornen kleine Schächte ab und zimmern dieselben mit Bambusstangen aus, um durch die tauben Kiesschichten zum Byon zu gelangen, der sich innner dem anstehenden Fcisijoden unmittelbar aufgelagert findet. Diese Sehächte verbinden .sie im Byon selbst durch Tiefbau-strecken (eine wesentliche Al)weicliung von unserem „Duckelbau"!), von denen aus sie so viel als möglieh von der edelstcinhaltigcn Erde hcreinzuge- winnen suchen. Diese und auch das Grubenwasser werden in enggeflochtenen Körben mittels einfacher, aus Bambus hergestellter Hebelwerke in den Schäciiten gefördert, und der Byon hierauf in gewöhnlicher Weise verwaschen. Liefert ein Schacht keinen Byon mehr, so wird er ver- lassen und ein neuer angelegt, und trifft man in Folge dessen in Flussthälern oft auf eine grosse Schaar alter Scdiächte, welche nicht selten ein sehr stiircndes und ge- fahrbringendes Vcrkehrshinderniss bilden. 4fi8 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 39. Diese Bearbeitung der Seifen ist aber nur in der trockenen Jalireszeit niög-iich; in der Regenzeit werden die Gruben ül)erschwcmmt und unzugänglich, und wenden sich dann die Arbeiter den Byonablagerungen an den Bergabhängen und in den Höhlen zu. Letztere werden auch durch einen primitiven Grubenbau mit sehr mangel- hafter Zimmerung, Wetterführung und sonstigen Sicher- beitsvorrichtungeu gewonnen, der manches Menschenleben fordert. Die Gehänge-Ablagerungen aber werden nach einer Methode ausgebeutet, welche man als eine un.serer modernen Errungenschaften zu preisen gewohnt i.st und deren Ausbildung insbesondere Californien für sich in Anspruch nimmt, nämlich nach hydraulischem Verfahren. In Bambusröhren und oft aus weiter Eutfcrnung leiten die Eingebornen Wasser herbei und lassen dasselbe von oben auf die Massen wirken, sodass dieselben in Bewegung gesetzt und die thonigen Materialien fortgeschwemmt werden. Jedermann, der nach diesen herkömmlichen Methoden Rubine gewinnen will, erhält von der gegenwärtigen Re- gierung die Erlaubniss dazu gegen eine jährliche Abgabe von 2U Rupien (18,5 Mark); eine Zeit lang war die Ab- gabe auf 30 Rupien erhöht, durch den Rückgang der Einnahmen aus denselben, da die Zahl der Rubingräber sogleich abnahm, wurde die Regierung aber geuöthigt, den urs])rünglichen, niedrigeren Satz wieder herzustellen. In neuerer Zeit hat sich eine grosse Gesellschaft gebildet, welche die Rubingewinuung mit allen Hülfsmittcln euro- päischer Technik eingerichtet hat und der eine Jahres- abgabe von 400 000 Rupien (.370 000 Mark) auferlegt ist. Mit Bezahlung dieser Abgabe ist sie aber im Rückstand geblieben, was ebenso wie die oben mitgetheilte geschei- terte Erhöhung der Steuer für eiuzelne Rubingräber uicht für einen besonders reichen Ertrag der Rubingräbereicn im Allgemeinen spricht. 0. L. „Neuere Yersnche mit unsiclitbareu Strahlen'" betitelt Dr. Paul Spies einen Vortrag, mit welchem die alte Berliner Urania in der Invalidcnstrasse im Sep- tember aufs Neue dem Publikum ihre Pforten öffnete. Seit dem 24. April ist der llauptschwerpunkt der Urania, die naturwissenschaftlichen Experimentirsäle, in ein an- deres Gebäude verlegt. In diesem beträchtlich erweiter- ten Tochter - Institut, das in der Taubenstrasse liegt, werden jedoch nicht die altbewährten populär-wissen- schaftlichen Projcctions- und Experimental-Vorträge, wie einst im alten Institut, gehalten, sondern lediglich die wissenschaftlichen Theatervorstellungen, in Form von Aus- stattungsstücken, gepflegt. Nunmehr ist das Mutterinstistut einzig und allein den wissenschaftlichen Vorträgen ge- weiht worden, und die alte Theaterbühne daselbst ist in sehr origineller und geschickter Weise in ein Experi- mentirzinnner verwandelt worden. Der Spics'sche Vortrag nun, dessen Ilauptwcrth in den äusserst gescbictkten, reicidichen und anschau- liehen Experimenten liegt, i'asst in übersichtlicher, und — Einzelheiten ausgenommen — allgemeinverständ- licher Weise alle wichtigeren Ergebnisse der Forschung üi)er die Röntgen-Strahlen und die verwandten Er- scheinungen zusammen. Soweit in dieser Zeitschrift über die neueren Forschungen noch nicht referirt worden ist, sei im Anschluss an diese unsere Mittheilung von der Neuerölfiunig der Urania darü])cr berichtet. Die neueren wichtigen Forschungen über Röntgen- strahlen gclii'u dnrciiweg von fi'anzösiclicn Gelehrten aus. Da sind zunächst die für den Physiker besonders wich- tigen Untersuchungen La Faycs über die Ablcnkbar- keit der Röntgenstrahlen zu erwähnen. Bekanntlich ist es gerade das abnorme, ganz inditferente Verhalten dieser Strahlen gegen alle Versuche, sie durch Magnete abzulenken, sie zu reflectiren, zu brechen und zu polari- siren, welches in er.ster Linie das Interesse der physikalisch- wissenschaftlichen Welt in Anspruch nahm. Die letzteren Eigenthümlichkeiten hat, wie in No. 19 vom 10. Mai berichtet wurde, Goldhammer in durchaus befriedigen- der Weise durch die Annahme einer sehr kleinen Wellen- länge für die Rrmtgen-Strahlen und anomaler Disper- sion derselben zu erklären versucht. Dabei sei bemerkt, dass die Goldhanmiersche Ansicht, wonach die Röntgen- strahlen ultraviolette oder — um den Ausdruck eines französischen Forschers zu gebrauchen — „hyperultra- violette" Strahlen sind, inzwischen eine, wie es scheint, allgemeine Anerkennung erfahren hat, und dass man zu ihren Gunsten die Hypothese der longitudinalen Aether- schwingung endgültig hat fallen lassen, welche ja auch eine Einordnung der Röntgen-Strahlen in die Maxwell 'sehe Theorie nicht gestatten würde. Die Nichtablenkbarkeit der Strahlen durch den Magneten dagegen, welche sie von den gewöhnlichen Kathodenstrahlen in so prägnanter Weise unterscheidet, wird von der Goldhammer'schen Theorie uicht tangirt und bleibt augenblicklich wohl das einzige, was au den Röntgen-Strahlen noch unerklärt ist. La Faye nun behauptet unter gewissen Bedingungen eine Ablenkung erzielen zu können, und zwar, wenn man die Röntgen-Strahlen durch ein elektri- sirtes Metallplättchen hat hindurchgehen lassen. Sehr eigenthümlich ist dagegen die weitere Mittheilung La Fayes, wonach er die Ablenkung auch erreicht haben will, wenn er den Magneten kurz vor der elektrisirten Metallplatte auf den Gang der Strahlen wirken Hess. Was es mit dieser sehr seltsamen Behauptung für eine Bewandtniss hat, lässt sich noch nicht entscheiden. Erwähnt sei auch ein beträchtlicher Fortschritt in der Technik der Erzeugung von Röntgen-Strahlen. Die ersten photographischen Aufnahmen mit Röntgen-Strahlen erforderten bekanntlich eine äusserst lange, oft halb- stündige und längere Expositionszeit. Jetzt nun hat man es erreicht, dass ein Platinblech, welches nach den Angaben Prof. W. Königs in Frankfurt a. M. im Innern der luft- leeren Röhre von den Kathodenstrahlen getroffen wird, weit kräftiger Röntgen-Strahlen aussendet, so dass meist schon eine Expositionszeit von noch uicht einer Minute genügt. Ist es ja doch vermittelst dieses Fortschrittes nun auch schon gelungen, gute, deutliche und in J'olge dessen recht werthvolle Aufnahmen von den Knochen- gerüsten des menschlichen Brustkastens und Schädels am lebenden Object zu machen. Zu welcher kolossalen Wärme entwiekelung es übrigens in der Geissicr'schen Röhre bei solchen Versuchen kommt, beweist die Thatsache, dass das Platinblech, wenn es zu dünn ist, bis zum Glühen erhitzt werden kann. Auch die ithysiologische und hygienische For- schung hat einen kleinen Fortschritt in der Erforschung der Röntgen-Strahlen zu verzeichnen. Es hat sich ge- zeigt, dass bei häufiger Einwirkung der Strahlen auf dieselben Ilautstelien eine lebhafte Bräunung der Haut, ja sogar eine Abschähnig derselben erfolgte, Erschei- nungen, welche in sinnl'älligster Weise an Sonnenl)rand erinnerten und welche daher zu einer gewissen Vorsicht bei Versuchen mit Röntgen-Strahlen am lebenden Orga- nismus mahnen, zumal da auch bei derartigen Experi- menten schon ein vollkommener Ausfall der Haare an den betron'encu llanistelien bciil)achtet worden ist. Die mehr- fach in der Tagespresse aultanclicnden Nacin-ichtcn, dass CS gelungen sei, vermittelst der Htintgen-Strahlen Bakterien im Innern des Körpers abzutiidten, sind daher an und für sich durchaus nicht unglaubwürdig, wenngleich von XI. Nr. 39. Natiirwisscusehaftliclie Wochenschrift. 469 niiias.sgcbeuder Stelle iiueli uieiits über die Wahrsclieiu- lichkeit uikI Bedeutung' der bisherigen diesbezüglieben Mittbeihuigen verlautet ist. Endlich sind im Anschluss an die von uns schon zweimal besprochene Entdeckung des „schwarzen Lichtes" durch Lc Bon weitere Forschungen zu verzeichnen. In unserer Nummer vom 24. Mai war im Anschluss an den Aufsatz des Prof. JJorggreve schon geäussert worden, dass das schwarze Licht, welches Le Bon in den Strahlen einer Petroleundampc zu finden glaubte, wahr- scheinlich nichts anderes sei als Röntgen-Stralilen, die durch das Licht der Petroleumlampe in einer fluorcscenz- fahigen, uranhaltigen Glasjjlatte erzeugt wurden. Diese Auffassung ist nun — mit einer gewissen Einschränkung, von der weiter unten die Rede sein wird — neuerdings bestätigt worden. Becquerel hat nämlich vor einiger Zeit der Pariser Akademie eine Mittheilung gemacht von seiner Entdeckung der „üranstrahlen": es ist ihm gelungen, in einer verschlossenen photographischcu Kas- sette auch Aufnahmen zu machen von Strahlen, welche von einer Schicht Uraukörner oder von einer stark mit Uran versetzten Glasplatte ausgingen, also mit gewöhn- lichem Fluorescenzlicht. Es sei übrigens bemerkt, dass Herr Spics ebenfalls derartige Aufnahmen bereits ge- macht hat und in seinem Vortrage vorführt. Sicherlich sind diese Strahlen dieselben, mit welchen Le Bon ex- perimciitirt hat, wenngleich man sich nach seinen ersten recht konfusen Mittheilungen und Anschauungen der- gleichen nicht versehen konnte; war es doch erst d'Ar- sonval, der darauf aufmerksam machte, dass bei Le Bon's Versuchen zwischen der Petroleumlampe und der photo- graphischen Kassette sich stets eine Glasplatte befunden hatte, von der erst die wirksamen Strahlen ausgegangen sein können. Die neuentdeckten Uraustrahleii*), mn deren Er- forschung sich bisher hauptsächlich LeBon, Becquerel und Henry verdient gemacht haben, zeigen nun i'reilich eine Eigenschaft, die sie von den Röntgeu-Strahlen — aller Aehnlichkeiten ungeachtet — principiell unterscheidet: sie sind ebenso wie alle sonstigen Strahlen durch Magneten abzulenken, ferner auch zu brechen, zu reflectireu und zu polarisiren. Sie unterscheiden sich somit von den früher bekannten „ehemischen" Strahlen nur dadurch, dass sie durch Holz, Metall u. s. w. ungehindert hindurchgehen. Andererseits stehen sie aber auch den Röntgen-Strahlen zweifellos sehr nahe. Mau braucht nur daran zu denken, dass diese bisher meist in der Glaswand der Geissler'schen Röhre erzeugt wurden, und dass dieser Versuch, wie es scheint, nur dann ge- lingt, wenn die betreffende Glassorte uranhaltig ist; die Wirkung der Fluorescenz ist wohl in diesem Fall nur da- durch noch intensiver als sonst, als gleichzeitig eine kolossale Wärmeentwickelung auftritt, welche ja sich unter gewissen Umständen dermaassen steigern kann, dass das Glas schmilzt. Bei einer Erzeugung der Röntgen-Strahlen vermittelst eines Platinblcches kann natürlich nicht von Fluorescenz die Rede sein, aber eine Parallele dürfte sich auch hier unschwer finden lassen. Wir werden also die Uranstrahlen als chemische Strahlen von relativ sehr kurzer Wellenlänge anzusehen haben, welche aber die noch weiter hinaus ins Ultra- violette fallenden Rcintgen-Strahlen doch an Wellenlänge noch übertreffen. Wenn wir die Annahme machen, dass es möglich sei alle Strahlengattungen des Aethers ohne Berück- sichtigung der anomalen Dispersion nach der Grösse der Wellenlängen geordnet in einem einzigen Spectrum zu *) Fluorescenz strahlen würe wohl ein troffontleror, weil allgemeinerer Ausdruck. vereinigen, so würde sich also nunmehr folgendes Schema ergeben : Elektri- sche Strahlen ■i (Ultraro- Unbe- the) kannte Wärme- Strahlen Strahlen Licht- Strahlen (Ultravio- lette) Chemi- sche Strahlen Uran- Böntgen- Strablen Strahlen Dabei ist zu bemerken, dass natürlich Uran-Strahlen wie Röntgenstrahlen nur als Unterabtheilung der ge- sammten „chemischen" Strahlen aufzufassen sind, wie ja auch die Lichtstrahlen zur einen Hälfte chemische, zur anderen Wärme-Strahlen sind. Auch sei noch hervor- gehoben, dass selbstverständlich die Raum Verhältnisse, welche die einzelnen Strahlengattungeu im Schema ein- nehmen, ganz und gar nicht den thatsächlichen Verhält- nissen entsprechen, dass eben nur die Reihenfolge der Anordnung dadurch klar gemacht werden soll. So dürfte denn nunmehr endlich eine definitive aus- reichend begründete Klassification der neuen Strahlen- gattungen, welche Anfangs ganz ohne Analoga dazustehen schienen, erreicht sein. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. Fritlijof Nansen zum l'rofcssor und Director der biologischou Station in Christiania; der ausser- ordentliche Professor der Mineralogie, Krystallographie und Petroiraphic in Freiburg i. B. Dr. Franz Graft' zum etats- mässigen ausserordentlichen Professor. Es starben: Der bekannte Director des Vesuv-Observatoriums und Meteorologe Prof. Luigi Palmieri; der Hilfs.arbeiter an der Berliner Sternwarte Prof. Dr. Heinrich Oppenheim; der Zoologe Dr. Margo, Professor in der medicinischen Facultät zu Budapest. Programm der im Herbst 1896 im Königl. botanischen Museum und botanischen Garten abzuhaltenden Vorträge über Colonialbotanik, Cultur und Verwerthung tropischer Nutz- pflanzen. — Unter dem Vorbehalt eventueller Aenderungen in der Reihenfolge der Vorträge ist mit besonderer Berücksichtigung des jedesmaligen Eutwickolungszustandes der zu demonstrirenden lebenden Pflanzen folgendes Programm aufgestellt worden. 29. September: Prof. Dr. A. Eugler: Demonstration der im botanischen Garten herangezogenen einjährigen tropischen Cultur- pflanzen. G. October: Inspector Perring: Ueber das Sammeln und den Versand lebender Pflanzen von und nach den Colouien. 18. October: Prof. Dr. A. Engler: Ueber die tropische ICüstenflora. 20. October: Prof. Dr. Volkens: Ueber die lulaudsforma- tionen Ostafrikas. 27. October: Privatdocent Dr. Lindau: Ueber das Sammeln und Beobachten niederer Pflanzen in den Tropen. 3. November: Dr. Harms: Ueber Oel- und Fettpflanzen. 10. November: Prof. Dr. Urban: Ueber Cultur- und Uaudels- pflauzen Westindiens. Das Programm der weiteren Vorträge wird im October be- kannt gemacht werden. L i t t e r a t u r. Prof. J. Wiesner, Die Nothwendigkeit des naturhistorischen Unterrichts im medicinischen Studium. Aus Aulass der lie- vorstehenden Reform der medicinischen Studien an den öster- reichischen Universitäten. Alfred Holder, k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler. Wien 1896. Wir geben in Folgendem einen Auszug aus dem ersten Theil der Schrift. Rokitansky — sagt der Verf. — hat einer seiner berühmten Reden die Worte vorangestellt: ,,Der Adel der Heilkunde ist dieser, dass sie eine Tochter der Naturwissenscliaft ist", und Helm- holtz sagte in einem nicht minder berühmt gewordenen, bei einer der ersten Naturforschiu'versannnlungen abgehaltenen Vor- trage, dass es der Jungbrunnen der Naturwissenschaft sei, in welchem die Medicin stets neues Loben und frische Kraft ge- wonnen habe. 470 Naturwisscusi^hat'tliche WochcuscLrilt. XI. Nr. 39. Zoologie, Botanik und Miuei-alogic bieten dorn Studircnden der Medicin eine Summe positiven Wissens, die für ihn aus zwei Ur- sachen unentbehrlich ist: erstlich, weil er zahlreiche natur- geschichtliche Tluitsachen in seinem Berufe kennen muss, und zweitens, weil die Kenntniss anderer für viele seiner medicinischen Specialstudien ein geradezu unersetzliches Erfordemiss bildet. Ohne Vorkenntnisse aus der Zoologie, sagte einer der hervor- ragendsten Vortreter der menschlichen Anatomie, stösst der Unter- richt in der letzteren auf unbesiegliche Hindernisse, will der Vor- tragende nicht, um sich verständlich zu machen, weit ausholen. „Das Studium der menschlichen Morphologie", sagt der hoch- angesehene Nestor der deutschen Anatomen, Prof. Kölliker, „mag dasselbe nun den Erwachsenen oder den Embr3'o betreffen, sich auf die Organe und Systeme oder die Elementartheile beziehen, ist nicht gedenkbar, ohne die verwandten Bildungen der Tliiere in Betracht zu ziehen. Bisher konnte eine bestimmte Summe zoologischen V^issens mit Recht bei den Vorträgen der Anatomie vorausgesetzt werden. Fällt die Zoologie als Lohrgegenstaud für Medicin aus, so kann der Professor der Anatomie kaum irgend etwas an zoologischen Kenntnissen voraussetzen, denn das "We- nige, was der Gymnasiast in der fünften oder sechsten Classe aus Zoologie gelernt hat, ist zum grössteu Theile vergessen. Es ist ja später nicht rocapitulirt worden, da die Naturgeschichte be- kanntlich keinen Gegenstand der Maturitätsprüfung bildet. Durch den zoologischen Unterricht wird der Mediciner mit den im menschlichen Körper auftretenden Species der Eingeweide- würmer und deren Entwickelungsformen bekannt. Von be- rufenster Seite ist hervorgehoben worden, dass weder der Kliniker noch der pathologische Anatom die Grundgesetze der Entwicke- lung und Fortpflanzung der Eingeweidewürmer in seinen Vor- lesungen darlegen kann. Dies muss dem Zoologen vorbehalten bleiben, weil dieser Gegenstand einen Theil der Zeugungs- und Entwickelungslehre der Thiere bildet, welcher nicht aus dem Zu- sammenhang gerissen werden darf. Die Vorträge über Botanik bilden in dem den Elementen der Pflauzenanatomie gewidmeten Theile zunächst eine wichtige Vor- schule für die thierische und menschliche Histologie. W. sagt dies unter Berufung auf seinen grossen Lehrer Ernst v. Brücke. Durch Vorführung der einfachen, klaren, schon liei schwachen Mikroskopvergrösserungen leicht erkennliaren Formverhältnisse ebnet man dem Mediciner, der gewöhnlich ein Jahr später mensch- liche Histologie hört, am besten die Wege, und er fasst dann viel leichter die verwickelten, häufig erst auf Umwegen und erst bei starken Vergrösserungon sichtbar zu machenden morpholo- gischen Verhältnisse der menschlichen und thierischen Gewebe und ihrer Elemente auf. Die groben, leicht verständlich zu machenden Pfianzenkrank- heiten, wie Rost, Brand des Getreides, Hernie der Kohlptlanze etc. sind für das Studium der menschlichen Infectionskrankheiten in propädeutischer Beziehung von hohem Werthe. Durch die Physiologie der Pflanzen lernt der Mediciner die für die Hygiene so wichtige Wechselbeziehung zwischen Pflanze und Thier, die Regeneration des Sauerstofi'es in der Atmosphäre durch die grüne Pflanze kennen, er wird über so Vieles aufgeklärt, was der Hygienikcr nur aus den Händen des Pflanzenphysiologen über- nehmen kann. Die das ganze organische Leben erhaltende com- I)licirtc Wechselbeziehung zwischen Chlorophyll, Licht, Kohlen- säureaufnahme und Sauerstofl'ausscheidung unter Verwandlung des todten anorganischen Stofl'es in organische Materie darf doch dem Arzt nicht unbekannt sein. Der Hygienikcr wird diese Wechselbeziehungen nicht unberührt lassen; aber erklärt, wissen- schaftlich begründet, experimentell nachgewiesen können diese Processe doch nur durch den Pflanzenphysiologen werden. Wenn die Mineralogie in einer für den Mediciner zweckent- s|)rechenden Weise vorgetragen wird, so beschränkt sich der Pro- fessor des Faches nicht bloss auf die Vermittelung der Kenntniss wichtiger Minerale und deren Eigenschaften, sondern erörtert auch die für den Arzt wichtigsten Fragen über den Boden, über das Grundwasser, über die Beschaffenheit der Brunnenwässer, über die Entstehung der Quellen mit besonderer Berücksichtigung der Hoil((uellcn, über die Entstehung der Mineralquellen u. s. w. Doch auf diese Vermittelung positiver, für den Arzt wichtiger oder nützlicher Kenntnisse durch die naturgeschichtlichen Fächer kommt es bei ßeurtlieilung dieser Gegenstände mit Rücksicht auf die Vorbildung des Mediciuers allein nicht an. Von weitaus grö.sserer Bedeutung für die Ausbildung eines de-nkenden und forschenden Arztes ist die Anregung zur Lösung praktischer Fragen der Medicin $§iieyer a. Rli. ■♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦»♦♦♦♦! von Poncet Glashütten -Werke 54, Köpnickerstr. BERLIN SO., Köpnickerstr. 54. ^ Falirik und Lager aller Getll.s.se und Utensilien füi- ' ehem., pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. ^ Gläser für den Versand und zur '') Ausstellung naturwissenschaftlicher Präparate. I'rttfivt'rzrtc/ifitss f/rafirt uttfi franvo. Vcrantwortlielier Rcdaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Liehtcrfelde (P.-H.) bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentlieil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag; Ferd. Düuiuders Verlagsbuchhandlung, Berlin .S\V. 12. — Druck: G. Berustuiu, Berlin SW. \'l. Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag': Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XL Band. Sonntag, den 4. October 1896. Nr. 40. Abonnement: Man abonuirt bei allen BuchhaiidUinf^eri und Post- If anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreia ist ^K 4.— <3,0 BrinseKeld bei der Post 15 -^ extra. Postzeitunersliate Nr. 4^27. J*- Inserate : Die vier(?eapaltene Petitzeile 40 ■A. Grössere AufträRe ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollHtändieer 4(neilenansabe setttattet. Das Westpreussische Provinzial-Museum zu Danzig im Jahre 1895. Das im Jahre 1880 eröfl'iiete Provinzial-Mnscum West- | hing zeiclinen sieh ein preussens hat sich im Laufe der Zeit zum Centraipniikt für i von der P^ndmoräne die naturwisseiischattliche Ertorsciiung- dieser früher so vcrnachlilssigteii Provinz herausj;ehiidet, nnd die all- jährlichen, inhaltsreichen Berichte zählen diejenigen Bausteine auf, um welche die naturiiistorischeii, vor- und friihgeschicht Hellen Samm- lungen bereichert worden sind; sie geben daher, we- nigstens so weit die Objecte einer Bestimmung und Bear- beitung unterworfen worden sind, ein übersichtliches Bild der Fortschritte unserer Kenntnisse westpreussischer Naturkörper und Alterthü- mer. Es dürfte wohl auch weitere Kreise interessiren, aus dem vorliegenden, um- fangreichen, vom Dircetor Prof. Dr. Conwentz er- statteten XVI. Amtlichen Berieht für das Jahr 1895 (63 S. gr. 40 mit 29 Abbil- dungen) die wichtigsten der- selben in kurzen Zügen kennen zu lernen. Die Sammlung west- preussischer M i 11 e r a 1 i e n hat eine ausführliehe Bear- beitung durch Dr. Dahms in den Schriften der Natur- forsclienden Gesellschaft zn Danzig (IX. Band 1. Heft) ge- funden. Unter dem Zu- wachs der Gesteinssamm- Fig. 1. Linke (icweilistuuge vom Ueiitliier von Keinboschewo, ca. der iiut. eigenartiges ehloritreiches Geschiebe bei Bublitz in Pommern nahe der westpreussischen Grenze und ein schönes Gabbro-ähnliches Gestein von Swaroschiu aus; \nn einigen gefundenen Gra- niten (Rapakivij ist die Her- kunft zwischen Frederiks- hamn und Viborg wohl zwei- fellos. Von Bohrprolien gingen ca. 1300 Proben ein, die sich auf 62 verschiedene BohruDgeu vertheilen; eine Bohrung bei WeichselmUude förderte aus 102 m Tiefe ein senones Kalkstück mit einem Abdruck von Peeteu ptycho- des Goldf. herauf. Kreide- fossilien sind in grosser Menge aufgefunden worden, am häufigsten Belemnitella, Ostrea, Pecten, auch einige Saurierwirbel, ^'on gut er- haltenen Einschlüssen im Succinit sind crwähnens- werth eine Eichenblütlie, Pinus-Blattbüschel und der Fiedertheil einer Farnart, wovon bisher nur ein Excm- ])lar bekannt geworden ist. Tertiäre Phosphorite in knolligen Stücken sind an den verschiedensten Orten aufgelesen worden. Als sehr seltene Fossilien linden sich in Westpreussen gewisse, wahrscheinlich dem marinen Oligocän angehörende Ko- rallen, von denen ein Kiesgrube Stück in einer 474 Na tuiwissensclial't liebe Woclicusclnift. XI. Nr. 40. weit verbreitete B r a u n k o b 1 e , bei Baldram (Kreis Marienwerder) gesammelt wurde Die in der Provinz welebe bei Auf- findung günstig gelegener, ab- bauwürdiger La- wirtliscbaftlicbe Bedeutung erlan- gen könnte, ge- bort im Norden der Provinz, wie z. B. die am bo- ben Strande der Ostsee an der Danziger Bucbt mebrfacb zu Ta- ge kommenden Schiebten, dem Miociiu an, wäh- rend die süd- licheren Vor- konuunisse, z. B. die bei Ruda- brück am Ufer der Brahe (Kreis Tucbeli zu 'J'age tretenden Braun- koblenbildungen dem Oligocän zu- gerechnet werden müssen. Sie lie- fern Hölzer und naher Beziehung die verkieselten Hölzer, wel- che als (Icschicbe in diluvialen Schichten, besonders in Kiesgru- ben, vorkonnnen, und welche in ausserordentlich grosser Zahl ge- sannnelt wurden. Auch an einer Stelle des Strandes der Dan- ziger Bucht, bei Hoch -Redlau finden sie sich in ganz kleinen oder bis kopfgrossen , meist stark abgerollten, theilweise von Bohr- löcbern durchsetzten Stücken, von denen allein 73 Stück dem Museum zugewendet werden konnten. Zu- sammengehörig mit ihnen sind auch wohl Blattabdrücke, die in (|uarzitiscbem Sandstein ebenda- selbst aui'genonnnen worden sind. Aus dem Diluvium lieferten die frübglacialen, am Südufer des Frischen Haffes anstehenden Yoldia- und Cyiirincn-Thonc eine reiche Ausbeute ])flanzlicber und tbicriscber Fo.ssilien, wie Höl- zer, Pinus-Zapfen, Muschelschalen, P^iscliknoclien und Bruchstücke des Unterkiefers von Pago])bilus groculandicus Gray mit noch in den Alveolen befindlichen Zäh- nen. Stellenweise massenhaft treten die interglacialen marinen Schädel des ür von Ostritz. c:i. '/,, der uat. Grösse. Zapfen verscliiedener Abietaceeu. In zu diesen Braunkoblenbölzeru stehen vorfinden. Von diluvialen Säugetliieren sind ebenfalls zahlreicbe"'wertbvolle Reste, besonders bei ]\Ienthen, auf- gefunden wor- den; sie gehö- ren dem Mam- mut (Unterkiefer, Zäbne, Halswir- Itel, Fusswurzel- kuochen), Rbi- noccros (Zäbne, Rippen. Unterkie- fer), Rison und Di- luvialpferd (Zäh- ne), Rentbier (Ge- weibstücke) und Höblenlöwen (Backenzähne) an. Durch Herrn Prof. Neb ring richtig gestellt wurde die Bestim- mung eines schon früher im Kies- lager zu Gru])pe gefundenen Horn- zapfens einer fos- silen Autilopen- art, Saiga prisca Nbrg. , welche mit der leben- den Saiga tarta- rica Gray nahe in der Naturw. Dieser Plg. 4. Nest einer Beutelmeise von Tlicirn, Diluvialconcbylien auf, die im ehemaligen Weichselthale meist auf primärer, an den anderen Fundstellen der Provinz dagegen vorwiegend auf secundärer Lagerstätte sieb verwandt ist. Auf denselben ist schon VVochensebr. Bd. X, S. HOS hingewiesen worden. Fund unterstützt die Annahme, das.s während eines Tbeiles der Diluvialzeit in Westpreussen ein Steppenklima geiierrscht hat. Von sedimentären nordi- schen D i 1 u V i a 1 g e s c b i c b e n sind besonders zahlreich Sibirge- sehiebe, die in der Proxinz über- haupt bedeutend überwiegen, in schönen und bemerkenswerthen Formen dem Museum ülterwiesen, z. H. mehrfach der Untertheil von Auloco])ium aurantiuni Osw., wäh- rend von den in viel geringer Menge vorkommenden Devonge- schieben fast nur die sogenannten Kugelsandsteine einliefen. Auch ein jurassisches Geschiebe (Gr}'- pbacti arcuata Lmk.) und mehrere Cenomangeschiebe (Lingula Krau- sei Dames) wurden gesammelt. Diese Diluvialgescbiebe tragen häufig noch mehr oder minder dcutlieiic Spuren der Einwiikung der mechanischen Kräfte, welche sie transportirt haben, oder der Agcntien, welchen sie dabei oder nachher ausgesetzt gewesen sind; CS finden sich tiann Bildungen wie Auswaschungen, Gletscber- schrammeii, linsenförmige RoU- steinc, narbige (ilättungcn durch fliegenden Sand, Dreikanter etc. Das Alluvium lieferte Kalktuffe, z. Tb. mit Blattab- drücken, Osteocollcn, eine linke Geweibstange des Ben- der nat. Grösse. XI. Nr. 40. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 475 thiers (Fig. 1), 1,5 m tief unter Torf in Reniboscliewo (Kreis Karthaus), eine andere bei Czarnikau (ivr. Berent) gefunden. Eheni'alis aus dem Torfe des Kreises Karthaus stannnen ein ausserordentlicli grosser Schädel des Ur, Bos priniigenius Boj. (Fig. 2), von Ostritz und ein solcher von Bos priscus Boj. von Gorrenschin. Subfüssile Eiben- reste wurden im Hei- demoor bei l'omiet- schincrhütte (Kr. Kar- thausj aufgefunden. Im ganzen stehen da- selbst 22 Taxus-Stub- ben, von denen 10 mehr als 1 ni Umfang messen. (Ein noch grösseres Vorkdunneu von etwa 50 Stubben konnte im Steller Moor nordöstlich von Hannover im vorigen Jahre ebentalls fest- gestellt werden ; vergl. Naturw. Wochensehr. Bd. XI, No. 3). Die holzigen , Console- ähnlichen Fruchtträ- ger von holzzerstö- renden Polyjioriis- Ar- ten fanden sich in dem Torfe von Scha- drau (Kr. Berent). Von recenten Pflanzen ist dem Vorkonnncn der Eis- beere, schwedischen Mehlbeere, der Trau- ertichte und der Wassernuss Iteson- dere Aufnierksandvcit zugewandt worden (vgl. Naturw. Wochen- sehr. X, S. )j41 und S. 630); von der Wassernuss (Trapa natans L.) ist hier eine Abbildung nach einem nicht völlig ausgewachsenen, aber sehr charakte- ristischen Exemplar aus dem Linkehner See in (Jstpreussen g'egeben (Fig. 3). Von der Eisbeere wurde noch ein wei- terer Standort von 10 alten, theilweise fruchttragenden Stänunen und eini- gen liundcrt jüngeren Pflanzen im Schutzbezirk Scharudw, Revier Wilhelms- walde, beobachtet. Der internationale Verband forst- licher Versuchsanstalten hat die Elsbecre, Pirus tor- minalis Ehrh., in die Reihe der facultativ zu beobach- tenden Bauniarten aufgenonnnen, wiiiircnd die Bcol)ach- tungen über die Eibe für «obligatorisch erklärt ^vurden. Dem vom Westpreussisehen Botanisch-Zoologischen Verein in die Küstengebiete zwischen Rheda- und Lcbamündung Wa.s.senniss aus dem Linkcliuer See iu (>st])reu.s.seu, ca. Vj tl*5r iiat. Grosso, entsandten Dr. P. Graebner gelang es daselbst einige neue Pflanzenformen zu finden, wie Sparganium diver- sifoliuni Graebn. u. sp., Sagina nodosa L. var. simplex Graebn. n.v., Drosera rotundifolia L. var. maritima (iraebn., Pirus Aria x sueci- ca und eine unter- getauchte, fluthendc Form von Scirpus maritimus L.; als für Deutschland neue Pflanzenarten sind hervorzuhel)en Scle- rotinia Ledi Naw., Poa costata Schum. Drej., Juneus lialti cus X filiformis, Pla- tanthera montana x bifolia und schliess- lich als neu für die Provinz Westpreus- sen, bezw. den gan- zen Nordosten, sind zu nennen Potamo- geton polygonifolius Poir., Sparganium af- fine Schnizl., Schoe- niis ferrugineus L., Scirpus parvulus R. Seh., Carex punctata Gaud., bisher nur auf einigen Inseln der Nordsee, Carex eclii- uata X remota, Ra- nunculus Petivcri C. et G., Rubus caesius L. var. praecurrcns Fr. et Gel., i'oivgala oxypteraRI). til., Tilia intermedia DC, Sa- molus Valeraudi L. u. a. Es sind dies meist westeuropäi- sche Pflanzen, welciie längs der Küste nach Osten sind. Unter den zoolo- gischen Objecten ist bemi'rkenswerth das sehr sorgfältig und gefällig gearbei- tete Nest einer Beu- telmeise, Aegitlialus pendulinus Vig. (Fig. 4), welche zu den seltensten Arten der westpreussisehen Or- nis gehört; das Nest ist schon 1868 an der Thorner Eisen- bahnbrücke aufge- funden, aber jetzt erst dem :\lnscum geschenkt worden. Von weiteren selteneren Vogelarten wurden eingeliefert eine Sperbereule, Surnia nisoria Bechst., Wespenbussard, Berg- flidv, Schreiadicr u. a. Von niederen Tliieren ist ebenfalls eine Reiiie seltener Arten gesannnelt worden, unter denen mehrere neu für Westpreussen sind und die Hydrachnidc Arrenurus rutiosus Protz sich als neue Art herausstellte. vorgedrungen 470 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 40 Die vorgeschichtlichen Sammlungen des Mu- seums wurden bereichert aus der Steinzeit durch Funde von Waffen und Werkzeugen aus Knochen und Stein, namentlich durchlochte Steinhämmer, Thongetasse und Schmucksachen. Aus der älteren Bronzezeit wurden die Hügelgräber bei Gapowo, Kr. Karthaus, durch Dr. Lakowitz einer eingehenden Untersuchung unter- worfen, während aus dem der jüngsten Bronzezeit ange- hörenden, im Gebiete weit verbreiteten Steinkistengräbern zahlreiche Objecte, besonders auch Gesichtsurnen ohne Verzierung oder mit z. Th. recht eigenthümlichen Orna- menten herrühren. Eine solche Gesichtsurne von Za- krzewke (Kr. Flatow) zeichnet sich durch grosse muschelartige Ohren, starke Augenbrauen mit gestrichelten Ilakenringe sowie eigenartige Zeichnungen, Thieres '^ Brauen darunter die eines vierfüssigen an einer Leine, zweier Jagdspeere mit Schleife, welche von einem Arm mit Hand gehalten werden (Fig. 5), aus; die Zeichnungen sind mit einer weis- sen Masse — nach der Analyse wahr- scheinlich Knochenasche — erfüllt. Der Tene-Periode der Eisenzeit ge- hören Gürtelschliesshakcn, Fibeln, Sehnalienbügel, Messerklingen etc. an, sänmitlich von Eisen aus Brandgräbern des feldes im Fribbethal bei Kulm. Die römische lieferte besonders Schleifsteine, Brouzemünzen u. a dem ist l)emerkenswerth ein Depotfund von Zeichnung auf der Gesichtsurne von Zakizewke. '/, der nat. Grösse. Gräber- Periode Ausser- Gr. Katz, be- stehend m einem grossen Handgelenkspiralen, einem bronzenen stabförmigen Oberarmring, Anhänger drei mit Ring-Oese, vier Berloques von ornanientirten, ausgeschnit- dus im Kreise Kulm Messer von Eisen, von Bronze und Silber, Glas-, Email- und Bernstein- perlen, eine Lederscheide mit Bronzebeschlag, thöncrne Spinnwirtel, ein Bronzestück mit sauber gearbeiteter Thierkopfverzierung, einen sogenannten „Wendcnjjfennig" aus dem dritten Viertel des IL Jahrhunderts u. s. w. Aus den dem Ende dieser Zeitperiode zuzurechenden, in der Provinz ziemlich häufigen Burgwällen — es sind aus Westpreussen 206 und aus Ostpreussen 291 bisher be- kannt — stanunen jMühlsteiue, eine eiserne Scheere, Eek- und Backenzähne vom Fuchs, Pferd, Hirsch und Schwein, z. Th. als Berloques durchbohrt. In den Beginn dieser arabisch- nordischen Periode des jüngsten Ab- schnittes der Eisenzeit, ist ein Fund zu setzen, welcher ein allgemeines Interesse beansprucht. Es sind dies die Ueberreste eines 12 m langen, eichenen Kielbootes, welches 1 m unter Tage in der Moorwiese nördlich von Baumgarth bei Christ- burg 10 km vom Ufer des Drauseu- sees ausgegraben worden ist. Gefun- den wurde 1) der Kiel in einem Stück, 2) mehrere der Bootswand, welche stellenweise hängen und durch eiserne Nieten 3) sechs Eijjpen (Spanten), darunter eine mit Mastspur und fünf weitere Rip])enstücke, 4) zwei Bänke (Duchten) darunter eine Mastducht, 5) eine Querwand (Schott) 6) zahlreiche lose eiserne Nieten und ein offener Kinj von Bandeisen, 7) viele Holznägel und andere bear unvollständig erhalten 6,82 m langen Plankentheile noch zusammen- verbunden sind, Fig. «. Gesammtansicht des reconstriiirten Bootes von Hauins^arlh. tenen Bronzeplatten, eine Kette und acht durchbohrten Bronzeperlen. Die Bronze besteht nach der Analyse von 0. Helm aus 88,16 Cu, 7,67 Sn, 3,42 Pb, 0,41 Zn, 0,19 Ni, 0,09 Sb, 0,04 Fe und 0,02 S. — Skelett- und Urnengräber dieser Periode ergaben Glas-, Bernstein- und Email])erlen sowie bronzene, theilweise versilberte oder vergoldete Fibeln und Spangen, Bronzebeschläge von Messerscheiden u. s. w. An einem ausgegrabenen Schläfenbein befand sich ein bleierner Ilakenring, wie sie auch von einigen wenigen andern Orten aus dieser Periode bekannt geworden sind; es sind wohl lokale Nachbildungen der silbernen Schläfenringe der arabisch- nordischen Periode. Aus dieser l'eriode selbst ergab besondei'S das schon seit langer Zeit hervorragende Funde liefernde Gräberfeld am Lorenzberge bei Kal- beitcte kleine Holztheilc und 8) drei Ilol/.stangcn, v(in denen zwei am stärksten Ende einseitig ausgeschnitten sind. Das Boot war in seinem ganzen Verbände ge- lockert und teilweise gelöst; es fehlen ferner besonders die Steven. Zur Erhaltung der Form und um das Zu- sammentrocknen zu verhindern, wurden die einzelnen Stücke mit einer Petroleum-Firniss-Miscliung (iftcrs ge- tränkt. Die einzelnen Thcile wurden unter sachverstän- diger Leitung zusammengefügt und eine Gesammtansielit des Fahrzeuges entworfen (Fig. 6). Danach ist dasselbe zwischen den .Steven 11,9 m lang, auf den Spanten mittschiffs 2,52 ni breit und daselbst 0,95 m hoch ge- wesen. Das Vorliandenscin des Kiels weist darauf hin, dass das Boot nicht für den Binnenverkehr, sondern zur Seefahrt bcstinunt gewesen ist. Die Planken haben eine XI. Nr. 40. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 477 Stärke von 25 mm und eine mittlere Breite von 24 cm. Die sie zusammenhaltenden 4— (5 cm langen, vierkantigen schmiedeeisernen Nieten sind 14 — 15 cm von einander entfernt. Die Ueberlappungen der Planken sind mit den verflochtenen 10 Spanten Haaren einer Bison-Art gedichtet. Die (Fig. und 8) sind ohne künstliche Biegung aus dem gewach- senen Holze gearbeitet; der sechste Spant (Fig. 9) trug den Mast. Von den Duchten sind zwei er- halten, von denen die Spant VI gelegen Länge von 2,52 m Breite von 12,5- aufweist und in Spant III, Fi?. 7. '/,., der nat. tirösse. Fig. S. Spant VIII, ' ,, der nat. Grösse. grösste nirgends über die hat, eine und eine —23 cm der Mitte eine elliptische Oeffnung von 12,5 ; 14,5 cm Durchmesser für den Mast besitzt. Der Zweck der aufgefundenen, eichenen Stangen ist noch nicht genügend aufgeklärt; einerseits wird vermuthet, da.ss sie zum Abhalten (Ab- baumen) des Fahrzeuges vom Lande dienten, andererseits werden sie als Zeltstangen angesprochen oder als Stehder, welche beim Auslegen der Netze in See den Ort der- selben bezeichnen. Von einem Verdeck war eine Spur zu entdecken. Das Baumgartlicr Boot zeigt einen hohen Grad technischer ^'ollkomInenheit. Es vertritt in seiner Bauart den nordischen Typ, auf Klinker gebaut, an beiden Enden spitz und mit hohem Kiel, bedingt durch die Eigenart der nordischen Meere und Küsten. Da charakteristische Beigaben irgend welcher Art fehlen, lässt sich das Alter des Bootes besonders durch die Lage des Fundortes bestim- men, und zwar durch das allmähliche Verlanden des Drausensee's, welcher einst die weiter südlich gelegenen Diluvialhügel liespülte. Die Fundstelle ist, wie erwähnt, vom Ufer des jetzigen Drau- sensee's 10 km entfernt. Da mm zur Ordenszeit um die xAIitte des 14. Jahrhunderts in der Um- gebung des Drauseu schon alle heutigen Ort- schaften bestanden haben, so ist es wahrschein- lich, dass jene Periode, in welcher die Fund- stelle noch am Südufer des Drausensee's lag, in das voi'igc Jahrtausend zurückicicht. Das l)00t staunnt aus dem Norden — es sieht in Form und Bauart den zur Wikingerzeit gebräuchlichen Fahrzeugen ähnlich — und kam durch eins der damals bestehenden Tiefe der Frischen Nehrung (Bodenwinkel oder Kahlbcrg) in's Fi-ischc Hatf und weiter durch den Ell)ing in den Drauseu; Ijcim Auflaufen auf eine Sandbank unweit der Sorge- mündung ist es zum Wrack geworden, welches dann bei dem fortschreitenden Verlanden des Sees von Schlick und Moorerde eingedeckt worden ist. Das Fahrzeug hat FiS- 9. Spant VI mit Mastloch, '/ ^ der nat. Grösse. ma Fig. 10. Oberer Deckknoehen von der Schwanz- üosse des Störs. '■'/, der nat. Grösse nicht kriegerischen Unternehmungen, sondern wahrschein- lich der Fischerei gedient. Fahrten der Wikinger in diese Gegenden sind nichts Ungewöhnliches. Uns ist der Pieisebericht des Seefahrers Wulfstan überliefert, welcher um die Mitte des \). Jahrhunderts von Schleswig über See durch _ __ ^ das Frische Hatf in den Drauseu ge- langt ist. Die Reise Wulf- stan's fällt in den letzten Abschnitt des jüngeren Eisenzeital- ters, welcher als Wikin- gerzeit be- zeichnet wird. In der weiteren Um- gebung des Fundortes sind früher zahlreiche Münzen und Waffen aufgefunden worden, welche ebenfalls auf die Wi- kingerzeit hinweisen. Unweit jener Fundstelle bei Baumgarth sind vor eini- gen Jahren Reste eines ähn- lichen, aber viel kleineren Bootes aufgefunden worden, welches vielleicht zu dem obigen Boote gehört haben anderen Stellen der Provinzen West- sind Reste alter Seefahrzeuge in u. ä. ausgegraben worden, jedoch geblieben. Daher stellt das Baum- garther Boot das erste zusammengesetzte Faiir- zeug der Wikingerzeit dar, welches in Deutseh- land erhalten und einem Museum zugeführt ist. Der ethnologischen S a m m 1 u n g des West- jircussischen Provinzial-Museums wurden eben- falls eine grosse Reihe von Funden überwiesen wie Speerspitzen, Kämme, Ketten, Glänzen u. a. Schon wiederholt hat man im Boden der Stadt Danzig, 1 — 2 m unter Tage, eigentliündiche gabelförmige Knochen (Fig. 10), gewöhnlich mit Gebrauchsgegenständen zusammen, angetrof- fen, welche von unseren Vorfahren sicherlich als Gabeln benutzt worden sind. Die Abstammung derselben war lange zweifelhaft, bis Prof. Hil- gendorf sie kürzlich mit den oberen Deek- knochen des basalen Theiles der Schwanzflosse des Störs idciitificirte. Die ausserordentlich grosse Zahl der Ge- schcnkgebcr sowie die Reichhaltigkeit und der Werth der überwiesenen Gegenstände zeigen, welches hervorragende Interesse dem West- preussischen Provinzial-Museum in Danzig aus allen Kreisen entgegen gebracht wird, wie reich die Provinz an naturwissenschaftlichen 01)jecten ist und wie andererseits die Direction es al)cr auch versteht, zum Sammeln anzuregen, die zerstreuten Gegenstände und Fuiide am geeigneten Orte zu vereinigen und den Spccial- forsehern dadurch zugänglich zu machen. Dr. C. Brick-Hambnrg. Auch an und Ostpreussen Fliessen, Wiesen meist unbeachtet 478 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 40 In seinen neuesten pl)ysioIo.j;isehen Notizen: Pb.vlo- geiu'tisclie A|»li(»ri(snu'ii und über innere Gestaltnnss- Urtsachen oder Autonioridiosen (Flora 1896, Heft 111) macht uns J. Sachs mit seinen jetzigen Ansichten über Phylogenie und Deseendenz bekannt. „Hie .Systematik", heisst es iS. 185, „auch die i»hyiin;eneti.sche, ist niclit der letzte Zweck unserer Wissenschaft, so anziehend auch immerhin ein ernstes Studium der Verwandtschaftsverhält- nisse ist; vielmehr soll sie, wie die Physiologie, uns einen Einblick in das wahre Wesen der Lebewelt ermöglichen helfen, indem sie zunächst gestattet, die Gesetze und Ur- sachen der s(( wunderbaren Gestaltungsvorgänge aufzu- finden; dazu ist aber vor allem nöthig, dass auf (irund morphologischer und pliysit)logischer Forschungen die phylogenetischen Gruppierungen richtig durchgeführt werden. Die morphologische Forschung soll uns die inneren Gestaltungsursachen im Ptlanzenreich aufdecken, die Automorphosen also, wie Sachs sie schon im Titel seiner Arbeit nennt. Als Beispiel einer Automorphose könnte man etwa die Samenbildung anführen, von der später noch die Rede sein soll. Die physiologische Forschung dagegen hat die for- mativen Keizwirkungen mit ihren Einflüssen auf den Organisunis zum Gegenstand, also z. B. die Veränderungen, welche das Lieht hervorbringt (Photonior|diosen). Naege li hat die beiden bekannten Kategorien, Gestaltungstrieb und forniative Reize, mit Progression (Vervollkonmnuings- streben) und directe Bewirkung bezeichnet; die Pro- gression besteht nach Naegeli in einem Streben nach grösserer Arbeitst hcilung. Wirken lormative Reize ein, so ist es nicht gleich- gültig, in welchem Entwickelungsstadium sich die Pflanze zur Zeit der Reizwirkung befindet. Gallenstiche in den Vegetationspunkt rufen z. B. viel grössere Veränderungen hervor, als ob das Inseet ältere Sprosstheile ansticht. Was die ^'eränderung der ( »rganisnien durch Auto- morphose anlangt, so mag erwähnt werden, dass erstlich nach Sachs alle Individuen einer Species sich im Laufe der geologischen Epochen nicht im gleichen Sinne zu verändern brauchen, ja dass die Ursprungsformen noch bestellen lileibcn können, wenn andersgestaltetc sieh daraus schon abgeleitet haben, und dass zweitens Ver- änderungen auch recht gut sprungweise stattfinden können. Solche Veränderungen haben in der Constitutions- ändcrung des Plasmas ihren Grund und brauchen für die Existenz und Lebensweise einer Speeies nicht von Be- deutung also nicht zweckmässig zu sein. Daunt giebt Sachs kund, dass er das Selektionsprincip Darwins, also vor allem das richtungslose Variiren der Pflanzen nicht mehr ancrkemit. Die Gründe, welche ihn zu dieser Uebcrzeugung führten, sind folgende: 1. In phylogene- tischen, stark divcrgirenden Parallelreihen, die, wenn sie einmal entstanden sind, nichts als den Ursprung gemein hai)cn, aber sonst sozusagen absolut keine verbindenden Anastomosen besitzen, konnnen gleiche ^'eränderungcn durch Automorphose zu Stande, z. B. die Samenbiidung in den Parallelreihen, Cycadeen, Coniferen und die Bil- dung von Eiern und S])erniatozoiden bei verwandsehaft- lieh weit von einandcrstehenden Algengattungen. Dabei war an der Stelle, wo die Reihen zu divergircn anfingen, udcii nicht die geringste S|)ur einer Samenbildung. Während durch äussere Reize erworbene Merkmale durch geeignete Experimente verändert werden können, ist (lies für die durch Aut(nnorphose ererbten nicht der Fall. 2. spricht gegen den Darwinismus die geringe Zahl der grossen Parallclreihcn, von denen später noch die Rede sein soll. „Es muss Wunder nehmen", sagt Sachs, „dass sieh ans den noch kaum in sich ditfercn- eirten einfachsten Urformen (deren Zahl als sehr gross und überall verbreitet anzunehmen ist, wo einfachstes Leben möglich war, wie noch jetzt das Plankton und der organismenreiche Staub) — dass sich aus diesen eine so geringe Zahl von Architypen herausbildete. Vielleicht weist dies darauf hin, dass ein ganz besonderes Zusammen - treflen chemischer und physikalischer Bedingungen nöthig war, auch eine ganz bes(mdere innere Struetur der ur- sprünglichen Energiden, die allein im Stande war, aus sich heraus neue, erbliche und höher ditterencirte Formen zu erzeugen. Ich glaube, dem zutälligen Eingreifen forinativer Reize dürfen wir keine allzugrosse Bedeutung beimessen, sofern es sich unj die Entstehung der Archi- typen (Entwickelungsreihen) handelt; denn man darf nicht vergessen, dass formative Reize zufällig eintreten; wo- gegen gerade die Betrachtung der Architypen nach Allem, was ich in dieser Notiz gesagt habe, darauf hinweist, dass in jedem Arehitypns ein nur ihm eigenes Gesetz der Gestalt ung herrscht " . 3. hält es Sachs für verfehlt, die aus der künst^ liehen Zuchtwahl gewonnenen Resultate auf die freie Natur zu übertragen. Denn die Veränderungen im Or- ganismus, welche Thierzüchter und Gärtner erzielen, bctrert'en nicht den durch Automorphose fortschreitenden phylotjenetischen Process, sondern entstehen durch forma- tive Reize. Wer sieh für diesen Punkt näher interessirt, sei auf das hingewiesen , was Naegeli in seiner mecha- nischen Abstanunungslehrc über Rassen und Varietäten gesagt hat. Ueberhaupt sei an dieser Stelle die Leetüre des Kapitels, \velchcs die Kritik des Darwinismus ent- hält und leicht verständlich geschrieben ist, in dem Naegeli'schen Werke empfohlen. 4. Man sieht in den weitgehenden Anpassungs- erscheinungen in der Blüthenregion eine wichtige Stütze für die Selection. Nun hat Sachs aber an Asdepias syriaca, die gewiss sehr vollkommen an Insecten ange- passt ist, beobachtet, dass trotz reichlichen Besuches nur 1 Vo <^c'' Blüthen mit Erfolg befruchtet wurden. ]\lan ersieht hieraus, dass sehr .speeialisirte Anpassungen für die Erhaltung der Arten schädlich sein können. In diesem Falle wäre also die Selection ein schädigendes Gesetz. (Ref. möchte bei dieser Gelegenheit auf eine Arlieit von Burek in den Annales du Jardin botaniquc de Buitzen- zorg hinweisen: üeber Kleistogamic im weiteren Sinne und das Knight-Darwin'sche Gesetz, Bd. Vllf, 18U0, in welcher die Zweckmässigkeit der bekannten Blüthenein- richtung von Aristoloebia geleugnet wird). Nach Sachs ist überhaupt die Zahl der si)ceifisclien Anpassungen nur gering. Der Dinosanriei- Ccratops horridus ;ius Nordamerika besass einen 8 Fuss langen Schädel, der für den (ihrigen Körper zu schwer war. Dies wäre ein Beispiel für Un- zweckmässigkeit, entstanden dm-ch .\ntomori)hose, welcher durcdi zweckentsprechende formati\ e Reize nicht rechtzeitig entgegengearbeitet werden konnte. Wenden wir uns jetzt zu den Betrachtungen Sachs' über Phylogenie und den daraus gezogenen Schlüssen. Entsprechend den grossen Klassen des Thierreiehes unterscheidet der Verfasser folgende Architypen: 1. Gyanoi)liyccen [mit Einschluss der Spaltpilze | (blau- grüne Algen). 2. Pliaeophyeeen ( Braunalgen i. 3. Phodopliyceen (Florideen). 4. Gonjngaten |iuel. Diatomcen|. l^. Siplioncen |einschl. PhycomycetenJ. 6. .Archcgoniaten, zu welchen noch S. Coleochae- taeeen, Moose, Farnkräuter, Equisetaceen, Lycopodiaccen, Cycadeen, Coniferen, Monocotyledoncn und Dicotylcdoncn gehören. XI. Nr. 40. Natui-wissenschaftliche Wochenschrift. 479 Da dieser letzte Architypus der Archeiioniaten aueli ]ialäontoio,i!;iseh am besten bekannt ist, so knüpft 8. an ilni seine Erörterungen an. Die Gruppe der reingrünen Algen (Ciiloropliyceen) ist, was lUutsverwandtscliaft anbe- trifft, noch zu wenig erforscht; sie ist dosiiall) unter den Architypen niciit aufgefiÜH't. Die unter Nr. 6 aufgeführten Abtheilungen gehürcn, \iclleicht mit Ausnahme der Coleochaetaceae, sicher zu einer einheitlichen Gruppe (Archcgoniaten), da ihre Mor- plidlogie aufs bestimmteste darauf hinweist. N'erschicdcnc luiter ihnen können wir bis tief ins Paläoznicum \erfolgen, ja man wird annehmen können, dass die Arch(>goniaten schon in ältesten Zeiten „alle ihre Talente entfaltet haben." Die organische Welt ist nach Sachs jetzt alt ge- worden und wir können nicht mehr erwarten, dass in der Zukunft neue Architypen entstehen werden. Es ist sogar wahrscheinlich, dass seit dem Carbon die einzelneu Aeste des Stammbaumes sich nur weiter entwickelt, aber nicht verzweigt haben. Wendet man das Wort Stauunbaum an, so muss man dabei bedenken, dass wir mir die Aeste, nicht aber den Stamm selbst kennen. Nach einem demnächst erscheinenden Werk von 11. Potonie (Elemente der PHanzenpalaeontologic), in das mir der Verfasser freundlichst einen Einblick gestattete, lässt sich alles, was wir über die Phylogenie der Arche- goniateu mit befriedigender Sicherheit wissen, ungefähr in folgendes Schema zusammenfassen: Filices Asterocalaniite.s Sphenophjllaceae Calamariaceae I Pbj'Uotlieca Lepidodendraceae Sigillanaceae Moose FiUces Salviniaceae Ec|nisetaeeae Selaginellaceae Lycopodiaceae Isoetaceae Cycadaceae ? ? Coniferen Monocotyledonen II- Dicotyledonen Es leuchtet ein, dass diese Zusanunenstellung nicht mit einem Baum, sondern nur mit einzelnen Aesten ver- glichen werden kann. Jede dieser etwa 12 recenten Gruppen entwickelt sieh unabhängig von den übrigen für sieh und stre))t nach seiner ihm eigcnthüudichen Art, gleichsam nacli eigener Morphologie, nach Vollkommenheit. Wie aus dem Schema zu ersehen ist, hal)en die Cy- cadeen, Coniferen und Phanerogamen schon seit langem keine Berührungspunkte mehr und doch hat es jeder Zweig zur Samcnbildung gebracht. Es ist das, wie vorher er- wähnt, einer der Einwürfe erhebt. Es steht zu erwarten, dass die genannten Zweige mit der Samenbildung ihr höchstes Ziel erreicht haben und sich in wesentlichen Punkten nicht mehr vervollkommnen können. welche Sachs gegen Darwin Wenn es uns nicht gelingt, nach Erkenntniss wich- tiger Gesetze, nach denen die Phylogenie sich abspielt, Schlüsse auf die Urformen zu ziehen, werden uns die- selben wahrscheinlich für immer unbekannt bleiben. Der Ursprung der Pilze ist nach Sachs — ein poly- phyletischer, denn wenn die Spaltpilze von den Spaltalgen, die Phyconiyceten von den Siphoueen abstammen, so ist damit gesagt, dass das Pilzreich gleich von Anfang an mindestens zwei Ausgangspunkte hatte. Auch die Myxomyceten dürften nicht Urformen, sondern rückgebil- det sein. Da die Pilze Ider noch einen secundären Typus darstellen, sind ihre Urformen nicht einfach und nicht sehr klein gewesen. Ob der Ursprung des gesammten Pflanzenreiches ein mono- oder polypiiyietiseher sei, lässt S. unentschieden. R. Kolkwitz. Leydenia geniiuipara Schaudiim, ein neuer, in der Ascites-Flüssisykeit des lebenden Menschen gefun- dener anioebenähnlicher Rhizopode betitelt sich eine der Akademie der Wissenschaften vorgelegte Abhandlung von Prof. Dr. E. von Leyden und Dr. F. Schau dinn. — Der an zweiter Stelle genannte Autor erhielt Nachricht, dass sich bei zwei Patienten der ersten medicinischen Uni- versitätsklinik in der Bauchhöhlenflüssigkeit merkwürdige Zellen mit Eigenbewegung gefunden hätten, die den Verdacht erweckten, dass es fremde Eindringlinge seien. Seh. sollte begutacliten, ob es vielleicht Protozoen sein könnten. Die Beobachtung der lebenden Zellen, wie das Stu- dium des eonservirten Materials bewies in kurzer Zeit, dass es sich bei diesen Zellen um einen parasitären, amoebenähnlichen Rhizopoden handelt. In contrahirtem Zustand besitzen die Amoeben kugelige oder unregelmässige polygonale Gestalt. Ihre <»berfläehe ist selten glatt, sondern mit Buckeln und Höckern besetzt. Sie können einen Durclmicsser von 'MSfi er- reichen. In nicht eoutraliirtem Zustand zeigen sie noch bedeutendere Dimensionen. Von dieser Maximalgrösse lassen sich bis zur Minimalgrösse von 'ifi alle Uebergänge auffinden, was durch die Art der Fortpflanzung licdingt ist. Das Plasma der Leydenia ist dicht mit stark licht- brechenden, gelblieh glänzenden Körnern durchsetzt, uud ihr Aussehen ist daher bei durchfallendem Licht ziemlieh opak. Ein hyalines Ektojjlasma lässt sich von dem kör- nigen Entoplasma nur selten unterscheiden und auch dann ist die Grenze dieser beiden Zonen nie scharf. Ge- wöhnlich machen sich im contrahirten Zustand auf der Oberfläche des grobkiirnigen Plasmaklumpens nur hier und da Inseln hyalinen Plasmas bemerkbar. Aus diesem hyalinen Plasma wird bei der Bewegung ein Theil der Pseudopodien gebildet; nur ein Theil deshalb, weil auch das körnige Plasma sich an der Pseudopodienbildung betheiligt. Es tiuden sich nämlich zwei Sorten von Pseudopodien; erstens hyaline, lamellöse, zweitens kör- nige, fadenförmige; l)eide Formen treten gewöhnlich com- binirt auf, können aber auch bei demselben Individuum einander vertreten. Die Bewegungen und Gestaltveränderungen der Amoebe sind ziemlich träge, was vielleicht auf eine zäh- flüssige Consistenz des Plasmas schliessen lässt. Wiederholt hat Scli. das Umfliesseu von rothcu uud weissen Blutkörperchen beol)achtet; dieselben wurden vollständig dem Plasma einverleibt und in eine sogenannte Nahrungsvacuole eingeschlossen. Wenn die Blutkörper vor der Aufnahme glattrandig waren, so wurden sie innerhalb des Amoebcuiilasmas ganz unregelmässig ge- staltet, sie schrumpften zusammen. 480 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 40. Leydeiiia besitzt, wenn sie sich nicht zur Fortpflan- zung vorbereitet, stets nur einen Kern. Derselbe ist ge- wöhnlich schon deutlich am lebenden Thier walirzunehnien, und stellt eine helle Blase dar, in der sieh ein grosser, stark lichtbrechender Kernk(irper befindet. Die Fortpflanzung der Lej'denia erfolgt durch 'J'hei- lung und Knospung; eine Grenze zwischen diesen beiden Modis lässt sich nicht ziehen; die beiden Theilstücke, in die sich das Thier durchschnürt, können gleich, aber auch sehr verschieden gross sein. Was für die ganzen Thiere gilt, lässt sich auch bei den Kernen coustatiren, die sich vor der Durchschnürung des Plasmas auf directe Weise theilen. Eine Discussiou über die Frage, ob unser Rhizopode etwas mit dem gleichzeitig vorhandenen Carcinom zu thun hat, kann erst nach einer Untersuchung der krebsigeu Geschwülste stattfinden. Ueberwiiiternde Schmetterlinge. — In der „Kevue scientitique" vom 1. Auguste, veröflentlicht der auch als Protozoenforscher bekannte H. de Rocquigny-Adauson aus Moulins am Allier in Frankreich seine Erfahrungen über die Ueberwinterung der Schmetterlinge. Dieselbe ist nicht als eine Ausnahme, sondern als eine jährlich vorkonunende, durchaus normale Erscheinung zu betrachten, die sich nicht darnach richtet, ob der Winter streng oder gelinde auftritt. Rocquigny kann über die letzten zehn Jahre, von 1887 bis 1896, berichten; in dieser Zeit hat er sein Augenmerk besonders auf die Gattung Vanessa gerichtet. Die Daten des ersten Auftretens der einzelnen Arten sind folgende: Van. V. V. V. V. C-iilbum pohxliloros urticae lo Antiopa 1887 7. März ;>. März 26. Febr. 18. April 18. April 1888 1. April 23. Miirz 8. März I. April 28. März 1889 23. Miirz 5. April '.). März 10. März 10. April 1890 13. März 20. Fein-. 18. Febr. 28. März 27. März 1891 22. Febr. 28. Febr. 21. Febr. 27. Febr. 10. April 1892 17. März 20. März 17. März 20. Febr. 17. März 189.S — 22. März 21. März 12. März — 189+ 21. März — 21. März 28. März 27. März 189.'') 19. März 23, März 17. März r>. April 5. April 1896 14. März 11. März 9. Febr. IT.. Jlärz 23. März V. Atalanta 1887 7. März 1889 19. April 1891 10. April 1894 24. März 188S 18. April 1890 27. März 1892 21. März 1896 27. April Es muss hier hervorgehoben werden, dass die .Vrten der Gattung Vanessa erst im .luni resp. ,hili aus der Puppe schlüpfen, in Frankreich wohl auch schon Ende Mai. Die an den oben bezeichneten Tagen beobachteten .Schmetterlinge müssen also vom vorigen Jahre stammen; sie haben sich in einem passenden Schlupfwiidcel den Winter über verborgen gehalten und sind nun, verlockt durch die warnion Straldcn der Sonne, hervorgekonniien. So erklären sich die jährlich in den Tageszeitungen ge- meldeten „Frühlingsboten'-, die freilich meist bald einem nachfolgenden kalten Tage zum ( »pfer fallen. Als überwinternde Schmetteilingc stellte Rociiuigny ferner folgende fest: Khodocera rhannii (1890 schon am b. Januar, 1S92 am oO. Januar beobachtet), Rh. Cleopatra, Mncroglossa stcUatarum, Gonopfcra liiiatrix, Lareidia dubitaria, Tinea misella. S. Seh. IJel)er die Widerstaiidsfäliigkeit des Igels gegen das (Jift der Kreuzotter ist schon vieles ])ro et contra geschi-icbenw(M-den (vergl. „Naturw. Wochen.schr." ]5d. VIII, 1893, S. 128, 2bi) u. 329). Neuere Untersuchungen, welche von G. Physalix und G. Hertrand in l'aris angestellt wurden, haben nun nochmals bewiesen, dass der Igel in der Tliat gegen das Otterngift immun ist. Die Genannten brachten, wie sie iu der „Revue seienti- fique" vom 6. August er. berichten, mehrfach Igel mit Kreuzottern zusammen und konnten constatiren, dass erstere völlig gesund blieben, trotzdem sie verschiedene derbe Schlangenbisse ins (iesicht erhielten. Sie versuchten darauf, einem Igel getrocknetes Viperngift einzuimpfen, und auch dies wurde von dem Igel in kleineren Mengen ohne Sehaden ertragen; erst eine Quantität von 20 mg führte den Tod herbei. Das Meerschweinchen hingegen stirbt schon, wenn ihm 0,5 mg trockenes Schlangengift injicirt werden. Nun beträgt aber die Giftnieuge in den Drüsen der Kreuzotter, wie zahlreiche Untersuchungen ergaben, fast niemals 20 mg, auch giebt die Schlange nie ihr ganzes Gift auf einmal aus; das mit dem Biss eingeführte Gift reicht also nicht hin, den Igel zu tödten. Um diese natürliche Immunität des Igels zu erklären, setzten Physalix und Bertrand ilire Untersuchungen in der Weise fort, dass sie einem Meerschweinchen Igelblut ein- impften, um festzustellen, ob dasselbe eine Substanz ent- hielte, welche das Gift der Schlange zu neutralisiren im Stande sei. Diese Versuche hatten aber alle zur Folge, dass das Meerschweinchen nach erfolgter Impfung starb, indem das Igelblut an und für sich schon für das IMeer- schweinchen giftig ist; 2 — 3 Cubikcentimeter reines Igel- l)lut führten nach ca. 20 Stunden regelmässig den Tod herbei. Es galt daher, zu versuchen, ob die in dem Igel- blute enthaltenen giftigen Substanzen nicht zerstört werden könnten, ohne dass die immunisirende Wirkung des Blutes aufgehoben wurde. Auch dies gelang den unermüdlichen Forschern. Sie erhitzten Igelblut, nachdem sie dessen Faserstoft' ausgeschieden hatten, eine Viertel- stunde lang auf 58" und verwandten dasselbe bei ihren weiteren Versuchen. Einem Meerschweinchen, dem sie 8 Cubikcentimeter derartiges Serum in den Leib injicirt hatten, führten sie unmittell)ar darauf eine starke Dosis Viperngift in den Schenkel ein. Das Thier behielt seine volle Lebhaftigkeit, kaum dass die Bhitwärme auf kurze Zeit um etwa 1" sank. Diese Immunität hielt allerdings nicht lange vor, schon nach einigen Tagen war sie ver- schwunden; die beiden iVanzösischen Forscher gedenken aller ihre Versuche fortzusetzen, um noch günstigere Re- sultate zu erzielen, und dabei ausser dem Igel auch andere Thiere zu benutzen, wie sie ja früher schon mit dem Ichneumon (Herpestes Ichneumon Wagn.) operirt haben. S. Seh. Ueber den gelben IJIattfarbstoff der Herb,st- färbnng ist eine Untersuchung von G. Staats (Ber. d. D. Chem. Ges. 28, 2807) erschienen. — Verfasser wirft in seiner Abhandlung die Frage auf, ob bei der Herbst- färbung der Blätter das Clilorophyll zunächst in seine Abbauproducte: Pliylloxanthiu und riiyllocyanin zerfällt, so zwar, dass Letzteres zerstiirt wiril, so dass für die Gelbfärbung der Blätter au.sschliesslich das Phylloxanthin in Betracht kommt. Durch Vergleich eines alkoholischen Auszuges völlig gelber Lindenblätter mit aus Linden- und Pseud-Akazien- chloroi)h\ll durch Spaltung (Schuid<, Ber. 18, Ref. 567) erhaltenem Phylloxanthin ergai) sieh, dass Letzteres die rothe Flnorcsccnz des Chlorophylls zeigt, während der alkoholische Auszug aus Lindenblättern derselben er- mangelt. Verfasser zieht hieraus den Schluss, dass das Ilerbstgclb, das er mit dem Namen Autumnixanthin be- legt, nicht identisch mit Phylloxanthin ist. Kalilauge fällt aus den siedenden, alkoholischen Lösungen des llcrbstgelbes der Sommerlinde und Hain- buche rothbraune Niederschläge, die unlöslich in Alkohol XI. Nr. 40. NaturwisseiLschaftliche Wochenschrift. 481 lind Aether, löslich dagegen in Wasser sind und aus al- koholischem Wasser beim Abdunsten in rotbgelben Nadeln krystallisiren. Dr. A. Speier. Eine Iii(liu-ol)iMiing niiter der oxydireiulen Wir- kuiij;- des Sonnenlichtes hat E. Eugler in Gemeinschaft mit K. Dorant beobachtet. (Ber. D. Chem. Ges. 28, 2497). — Durch Condensation von o-Nitroacetophenon mit Benzaldehyd in alkoholischer Lösung erhält man unter Mitwirkung von verdünnter Natronlauge das Benzylideu- o-Nitroacetophenon von der Formel : CbH,(N02)CO-CH:CH-C6H5 Lässt man eine ätherische Lösung dieses Körpers in einer Glasschale verdunsten, so hinterbleibt das Beuzy- iiden-o-Nitroacetophenon zunächst in farblosen Nadeln, die sieb, dem directen Sonnenlichte ausgesetzt, nach ge- raumer Zeit färben und scbliesslicb den dem Indigo eigenen Kupferschimmer zeigen. Die Reaction vollzieht sich unter Abspaltung von Benzoesäure und zwar nach folgender Gleichung: /NO2 2 C6H4^^, Q/CH : CH • CgHä = (Benzyliden-o-Nitroacetophenou) /NH\, /NH\ ^6^i\QQ/^ • ^\co/ ^^^* "^ '^ C^HgO^ (Indigo) (Benzoesäure) Nach dem Auswaseben des Reactionsproductes mit Alkohol und Aether konnte der Rückstand leicht als Indigo identifieirt werden. Durch Erwärmen des Benzyliden-o-Nitroacetophenons im Dunkeln tritt keine Indigobildung ein, sie unterbleibt ebenfalls im rothen, tritt schwach im gelben, erheblich stärker im grünen und am stärksten im violetten Theile des Spectrums ein. Beweise dafür, dass die Indigobilduug eine Folge chemischer Licbtwirkung ist. Auch der Sauerstofl' der Luft nimmt nicht an der Reaction Antbeil, da das Benzyliden-o-Nitroacetophenon sich ebenfalls in einer Kohlensäureatmosphäre unter dem Einflüsse des Sonnenlichtes dunkelblauschwarz färbt. Die Bildung des Indigos erklärt sich somit durch eine Oxydation des Benzylidenrestes zu Benzoesäure auf Kosten des Sauerstofis der Nitrogruppe: CaH^ . N Oo CO • CH : CH • CgHä Leider ist das Verfahren für die Praxis nicht zu vervverthen, da einerseits das Sonnenlicht seiner üngleich- mässigkeit wegen für den Fabrikbetrieb wenig geeignet ist, andererseits aber die Ausbeute ein höch.st unbefrie- digendes Resultat ergab. Dr. A. Speier. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ordentliche l^rot'essor der Cliemie an der Bergakademie zu Freiberg in Sachsen Kieme ns Win kl er zum Director dieser Anstalt; der Privatdocent der Chirurgie in Leipzig Dr. Friedrich zum Director des chirurgischen und poli- klinischen Instituts daselbst; erster Assistenzarzt an der chirur- gischen Ivlinik zu Leipzig Prof. Dr. Eigenbrodt zum Director der Poliklinik für Chirurgie am städt. Krankenhause daselbst; der Docent der analyt. Chemie Dr. Brunck an der Bergakademie zu Freiberg i. S. zum ausserordentlichen Professor; Überarzt Dr. Rot t er am St. Hedwigskrankenhaus in Berlin zum Professor; der ausserordentliche Professor der darstellenden und praktischen Geometrie an der Bergakademie in Leoben Dr. Kl inga tsch zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Der Privatdocent der Physiologie in Marburg Dr. Busse als ordentlicher Professor nach Rostock; der ordent- liche Professor der Mathematik an der deutschen technischen Hochschule zu Prag an die technische Hochschule zu Wien; der Privatdocent der Statistik in Wien Dr. Rauchberg als ordent- licher Professor an die deutsche Universität Prag. Es habilitirte sich: Dr. Pelikan in Wien für Mineralogie. In den Ruhestand tritt: Der Director der Bergakademie zu Freiberg i. S. Geh. Bergrath Prof. Dr. Richter. Es starb: Der bekannte französische Physiker Hippolyte F i z e a u . Zu dem in der vorigen Nununer S. 4fi9 mitgetheilteu „Programm der im Sommer und Herbst 1896 im Königl. botanischen Museum und botanischen ^jarten abzuhaltenden Vorträge über Kolonialbotanik, Kultur und Verwerthung tropischer Nutzpflanzen," soweit es sich um die Ende di's Jahres noch ab- zulialtenden Vorträge handelt, sei die folgende Erklärung gegeben: Nicht bloss seit dem Bestehen unserer Kolonien, sondern auch schon lange vorher, ehe an die Erwerbung solcher gedacht wurde, haben Botaniker und andere Naturforscher, welche Reisen nach übersee- ischen Ländern unternahmen, die Sammlungen des botanischen Mu- seums benutzt, um sich mit der Pflanzenwelt der von ihnen zu berei- senden Länder möglichst vertraut zu machen. Nachdem mit dem Jahre 1892 in Folge Vertrages des Auswärtigen Amtes und des Kul- turministeriums mit dem botanischen Garten zugleich eine botanische Centralstelle für die Kolonien verbunden ist, von welcher tro- pische Kulturpflanzen und Sämereien nach den Kolonien gesendet werden, wurde am botanischen Garten auch für die weitere Aus- bildung derjenigen Gärtner gesorgt, welche für den botanischen Garten in Victoria oder andere Stationen der afrikanischen Kolonien in Aussicht genommen war. Es geschah dies gewöhnlich in der Weise, dass die für die Kolonien designirten Gärtner einem der Museumsbeamten überwiesen und von diesem mit der einschlägigen Litteratur, sowie mit den zum Sammeln nötigen Manipulationen vertraut gemacht wurden. Allmählich ist aber am botanischen Museum eine grössere Arbeitstheilung eingetreten, derzufolge die am Museum thätigen Botaniker mit einzelnen Gruppen tropischer Nutzpflanzen ganz besonders vertraut geworden sind. Demgemäss hat nunmehr die Direction sowohl im Interesse der zu unterweisenden Gärtner, wie auch zum Zweck der Zeit- ersparniss die Einrichtung getroffen, dass während des grössten Theiles des Jahres im Auditorium des botanischen Museums (Grunewaldstr. 6,'7) Dienstags von (j — 8 Uhr von einem der Beamten oder einem anderen Fachmann ein Vortrag aus dem Gebiete der Kolonialbotanik, verbunden mit Demonstration le- bender Pflanzen , praktischer Erläuterung der Kulturmethoden und Demonstration von Pflanzenproducten gehalten wird. Diese- Vorträge sind in erster Linie für die Gärtner des botanischen Gartens bestimmt und werden unentgeltlich gehalten, jedoch soll es auch anderen Personen, welche Interesse für den Gegenstand besitzen, gestattet sein, dieselben zu besuchen, insbesondere Studierenden und den Mitgliedern der deutschen Kolonialgesell- schaft, sowie auch Missionären. Ueber die Katzen ist schon manches geschrieben worden, aber es fehlte bisher an einem umfassenden Werke, das nicht bloss die Geschichte und Naturgeschichte, sondern auch die Rolle der Katzen in der Litteratur und Kunst, in Sagen und Märchen u. s. w. und überhaupt Alles, was auf die Hauskatze und die wilden Katzen Bezug hat, behandelte. Von dem vollständigsten bisher erschienenen Werke, meinem „Katzenbuch", das nur als Beilage zu einer Zeitschrift ei'schien und nicht in den Buchhandel kam, wird nächstens eine bedeutend vermehrte und illustrirte zweite Auflagi.» erscheinen. Ich bitte den freundlichen Leserkreis, um Mittheilung von merkwürdigen Vorfällen aus dem Katzenleben zur eventuellen Aufnahme in dem Werk. T. Kellen, Essen (Ruhr) Frohuhauserstr. 1. Litteratur. Dr. M. Standfuss, Handbuch der paläarktischen Gross-Schmet- terlinge für Forscher und Sammler. Zueite gänzlich umge- arbeitete und durch Studien zur Descendenztheorie erweiterte Auflage für Sammler des Handbuches der europäischen Gross- Schmetterlinge. 392 Seiten. Mit 8 lithograjjliischen Tafeln und 8 Textfiguren. Jena, \'erlag von Gustav Fischer, 1896. — Preis 14 Mark. Das in der vorliegenden zweiten Auflage sehr erweiterte Werk ist nicht nur ein ausgezeiiduietes Handbuch für Schmetterlings- sammler und Züchter; es will auch zu wissenschaftlichen Unter- suchungen, zu welchen sich die Lepidopteren in ausgedehntesten. Maasse eignen, anleiten und dem Forscher die Wege für ein an 482 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 40. Resultaten reiches Forschungsgebiet zeigen. So vereinigt das Buch in so glücklicher Weise Praxis und Theorie, dass ihm jedenfalls noch eine Zukunft beschieden ist und dass es sicher auch seinen Weg in die zoologischen Institute der Universitäten finden wird. Denn die Biologie und die Physiologie werden von späteren Zoologen vermuthlich ebenso eifrig gepflegt werden, wie in der Gegenwart die meist allzu einseitig behandelte Anatomie. Ebenso wie für den Schmetterlingssammler, der in seinen Mussestunden sich an den holden, schönbeschwingten Kindern der Sommernatur erfreut, so bietet auch für den zielbewussten Forscher das Handbuch eine Fülle von Belehrungen, wie, wo und wann die Schmetterlinge, die seinen Forschungen dienen sollen, zu sammeln, die Raupen zu züchten sind, wie jene für die Sammlung zubereitet werden müssen, damit sie gefällig aussehen und zugleich allseitig besichtigt werden können. Auch über die Paarung im Freien und in der Gefangenschaft ist in mehreren Abschnitten die Rede. Sehr eingehend wird die Paarung von Männchen und Weibchen verschiedener Arten und damit die Zucht von Hybriden liesprochen. Diesem Kapitel sind weit über 70 Seiten gewidmet (S. 41—117). Lieber das Ei zu Zuchtzwecken ist auf Seite 117 — 120 die Rede. Auf Seite 120—170 ist die Raupe behandelt, und zwar deren Zucht in Behältern, die kleine Raupe, die herangewachsene Raupe, Mord- raupen etc., die zur Verpuppung schreitende Raupe, die Ueber- winterung der Raupe, das Treiben der Raupe durch Erhöhung der Temperatur, die Krankheiten der Raupe und zwar gewöhnlicher Durchfall, perlschnurförniig zusammenhängende Excremente, Mus- kardine (Botrytis bassiana Bals.), Pebrine, CorpuscoH di Cornalia (Micrococcus ovatus Leb.), Flacherie, Flaccidenza, Schlafsucht etc. Der Zucht und Pflege der Schmetterlingspuppen sind die Seiten 170—186 gewidmet. Dann werden behandelt die Gesetze der Färbung, denen sich alle Lepidopteren mehr oder weniger unterworfen zeigen (Albinis- mus, Melanismus); die Gesetze, welchen eine grosse Menge und theils gar nicht verwandter Arten unterliegt (Farbenwechsel, Farbentausch, Lokalrassen, Lokalformen, Lokalvarietäten, Zeit- formen, Zeitvarietäten, Saison-Dimorphismus); schliesslich die Ge- setze, welche der einzelnen Art oder doch nur Gruppen ver- wandter Arten spezifisch eigenthümlich sind (Aberrationen). Ueber die Artbildung werden wir auf Seite 322 — 3.53 belehrt. Dem Leser der „Xaturw. Wochenschr." sind gewiss noch einige nähere Mittheilungen aus dem an Beobachtungen, Erfahrungen und Ansichten reichen Buche erwünscht. Dies ist theilweise, ohne allzu weitläufig zu werden, nicht angängig; denn in dem Buche sind die mühevollen Beobachtungsresultate aus mehreren Jahr- zehnten niedergelegt (schon des Verfassers Vater widmete sich demselben Gegenstande). Doch werden wir versuchen, auf einige der aus den Untersuchungen eines sehr reichen Materials gewon- nenen Ergebnisse hinzuweisen. Es sind hauptsächlich einige Arten, an denen die ganze Natur- geschichte des Schmetterlings zur Darstellung gebracht wii-d, namentlich die paläarktischen Arten von Saturnia. Das relative phylo genetische Alter (Seite 100) der drei Arten Saturnia spini, pavonia und pyri ergiebt sich aus der Ver- gleichung der Entwickelungsstadien der drei Arten untereinander. Das Ei der S. spini hat in dem beschränkten Verbreitungsbezirke der Art eine merkwürdig constante Grösse, das der weiter verbreiteten S. pavonia schwankt sehr in den Verhältnissen der Grösse (im Norden klein, im Süden erheblich gross). Für S. spini ist aber noch der dichte filzige Ueberzug der Eier mit Afterwolle charak- teristisch, von dem sich an den Eigelegen der S. pavonia nichts oder doch nur andeutungsweise etwas in Gestalt eines kaum bemerkbaren Flaumes findet. Das Ei der S. pyri wird nicht gruppenweise, sondern in perlschnurförmigen Reihen oder Doppel- reihen gelegt, welche niemals mit Wolle bekleidet sind. Die Grösse der Eier variirt je nach dem Vorkommen dieser weit ver- breiteten Art. S. spini hat die Merkmale einer in einem rauhen Klima (hoher Norden, Hochgebirge) lebenden Art an sich: erstens das häufige mehrfache Ueberwintern der Puppen; zweitens der un- gemein dichte Haarpelz beider Geschlechter als Imago und drittens die Bekleidung der Kiergelege mit Afterwolle. Die Art lebt gegenwärtig aber in einem durchaus nicht besonders rauhen Klima. Wahrscheinlich sind jene Merkmale wohl Reste einer vormals noth wendigen Anpassung an rauhe und ungünstige klimatische Verhältnisse, und da sie bis zur Gegenwart erhalten blieben, so müssen sie wohl sehr lange nothwendig gewesen und dadurch sehr fest geworden sein. „Wir werden Grund haben, anzunehmen, dass diese Art bereits lange Zeit während der Eis- zeit lebte, ja dass sie vielleicht die gesammte Eiszeit mit allen ihren Rückschlägen durchmachte.'' (S. 351.) Das Gebiet, welches S. spini bewohnt, war während der Eiszeit nicht überfluthet und auch nicht in grösseren Dimensionen vereist; aber es stand unter dem Einfiusse jener Epoche mit wesentlich niedriger Temperatur. Ferner weist die Raupe von S. spini noch nidit die schützende grüne Färbung auf; sie ist in allen Altersstufen schwarz oder wenigstens sehr dunkel. S. pavonia ist nur in den ersten Alters- stufen schwarz, ebenso S. pyri. Die grüne Farbe ist oft'enbar eine Schutzfärbung; sie kommt den letzten Stadien der Raupe von pa- vonia und pyri zu, tritt aber bei pyri früher und vollkommener auf als bei pavonia, fehlt jedoch bei spini ganz. Letztere Art erscheint als die älteste, sie trat früher auf als pavonia und pyri und pa- vonia früher als pyri. Zudem ist pyri vollkommener organisirt als die genannten Arten und kann nur auf jene folgen. Bei der Bildung neuer Arten werden zwei Wege von der Natur eingeschlagen (S. 322). Erstens findet die Umgestaltung einer Art zur neuen Art zeitlich nacheinander statt. Beobachten lässt sich dies nicht, weil der Vorgang ein sehr allmählicher ist. Aber so allmählich auch die Umbildung der Art vor sich ging, so müsste die langsame Umgestaltung nach Ablauf gewisser Epochen zu einer Form führen, die, verglichen mit dem Ausgangst3pus, eine durchaus andere Form und damit auch eine andere, eine neue Art darstellte. Zweitens die Spaltung der Art in neue Arten zeitlich nebeneinander (S 324). Hierbei kommen äussere Einflüsse in Betracht, die sowohl das Ei, wie die Larve und Puppe betreffen können. Der äussere Einfluss der Natur kann Veränderungen in der Grösse, Gestalt und Färbung der betreffenden Individuen im Gefolge haben. Die Fixirung dieser Veränderungen kann bei Isolirung der der Veränderung unterworfenen Individuen stattfinden. Dadurch erfolgt die Ablösuns der divergent werdenden Indivi- duengruppen von den Artgenossen und das Selbständigwerden der Gruppen den letzteren gegenüber. In einer bestimmten Zeiteinheit, in diesem Fall also in der Gegenwart, befinden sich die einzelnen Arten auf ganz verschiedenen Punkten der Divergenz und der Befestigung ihrer Eigenschaften. Mit dem Divergentwerden der äusserlich sichtbaren Form und Erscheinung einer Individuengruppe gehen unzweifelhaft schwer oder nicht erkennbare iunere Ver- schiebungen und Veränderungen Hand in Hand. So z. B. scheint der Duft der weiblichen Individuen, welcher für jede Art ein durchaus specifischer sein muss, und für die männlichen Individuen nicht nur als Führer, sondern auch als Anreizungsmittel zur Paarung dient, bei den Rassen der Art bereits in Divergenz be- griffen zu sein (Versuche mit Callimorpha var. persona Hb). ,.Die Männchen von Callim. dominula L. fanden sich bei zahlreich ausgesetzten, frisch entwickelten Weibchen der var. persona Hb. äusserst spärlich ein, während sie in Menge an die gleich- zeitig und nicht weit davon ausgesetzten, ebenfalls frisch ent- wickelten Weibchen von dominula anflogen." Diese beiden Formen werden also divergent nebeneinander weiter laufen. Schliesslich werden auch die Copulations- und Genitalapparate bei jeder der beiden Formen in selbständiger Weise sich umbilden, natürlich in beiden Geschlechtern. „Gewiss ist anzunehmen, dass dieser äussere Genitalapparat divergent wird, und zwar so, dass sich hierin männliche und weibliche Individuen korrelativ verändern, da Greif- zangen und andere männliche abdominale Appeudices stets in entsprechende Gruben und Höhlungen des weiblichen Organismus passen." „Es sollten diesbezüglich umfangreiche Untersuchungen bei den verschiedenen Lokalrassen möglichst vieler Arten von den Lepidopterologen ausgeführt werden. Leider nimmt die meisten Sammler dieser Thiergruppe die Farbenpracht ihrer Lieblinge so stark gefangen, dass sie darüber alle weiteren Gedanken und Arbeiten vollkommen vergessen." (S. 331.) Bei einer ganzen Reihe von Formen (S. 331) ist es ungewiss, ob wir es noch mit Rassen der gleichen Art oder mit bereits isolirten, selbständigen Formen, also mit wirklichen Arten zu thuu haben, z. B. bei Thais rumina L. und var. medesicaste 111., An- thocharis tagis Hb. und var. bellezina B., Arctia aulica L. und macularia Lang, Psyche hirsutella Hb. und standfussi H. S., Agrotis rubi View, und flörida Schmidt, Agrotis festiva Hb. und conflua Fr. — Hier lässt sich der wahre Sachverhalt nur durch Experi- mente ermitteln, wofür die genannten und viele andere hier nicht genannte Lepidopteren ein geeignetes Material bieten. — Hier ist also noch ein grosses ArVieitsfeld für die interessantesten Be- obachtungen und Forschungen, wozu jeder Sammler befähigt ist, wenn er aufmerksam und objectiv zusieht und urtheilt. Das Kapitel über das Zahlen verhältniss der beiden Geschlechter einer Art enthält das nach langen mühevollen und zeitraubenden Beobachtungen ermittelte Resultat, dass erstens dieses Zahlenverhältniss ein sehr coustantes ist, und dass zweitens auf je 100 weibliche Individuen etwa 105—107 männliche kommen (S. 192). Der Verfasser hat 40 Arten in 32 17(5 Individuen beob- obachtet. Bei den Pflanzen hat Friedrich Heyer („Unter- .suchungen über das Verhältniss des Geschlechtes bei einhäusigen und zweihäusigen Pflanzen." 1883) merkwürdiger Weise dasselbe Zahlenverhältniss gefunden: auf lOO weibliche Pflanzen einer Art kamen lOG mänidiche. Auch beim Menschen kommen, wie die Ver- hältnisszahlen der Geburten ergeben, auf 100 Mädchen 106 Knaben. Es ist die bisher wiederholt aufgestellte Behauptung nicht richtig, dass Nahrungsmangel die Entwickelung einer Ueberzald männlicher Individuen, Nahrungsüberfluss aber w eiblicher Individuen zur Folge habe (S. 194). — Allerdings hat man gefunden, dass, wenn that- sächlich Nahrungsnoth eintritt. Nahrungsnoth in so hohem Grade, dass ein bedeutender Procentsatz der Brut nicht zu voller Ent- XI. Nr. 40. Naturwissensclial'tliehe Wochenschrift. 483 wickehing zu gelangen vermag, dass dann die überlebenden Indi- viduen durchaus überwiegend männliche sind. Betreifs der Vererbung erworbener Eigenschaften, welche Frage die gesammte Naturforschung gegenwärtig be- schäftigt, heisst es noch immer: Vererben sich erworbene Eigen- schaften oder vererben sie sich nicht? (S. 336.) Es kommt vor, dass eine anscheinend rein individuell auftretende Eigenthümlichkeit sich vererbt (Beispiele S. 307 ff.). Die Beziehungen zwischen Färbung und Lebens- gewohnheiten werden S. 341 erläutert und erklärt, und zwar auf Grund der Wiener'schen Untersuchungen, welche in der These gipfeln: Es ist grundsätzlich möglich, dass farbige Beleuchtung in geeigneten Stoßen gleichfarbige Körperfarben erzeugt. Für die Untersuchungen über die Artbildung haben dem Verfasser gleichfalls die Arten Saturnia spini, pavonia und pyri gedient, wobei sich herausstellte, dass spini als die älteste, pavonia als eine jüngere und pyri als die jüngste Art zu betrachten ist (S. 344). ■ Siehe oben. Standfuss gewinnt auf Grund seiner Untersuchungen fol- genden Artbegriff: „Arten sind Individuengruppen, welche durch den directen Einfluss gewisser Factoren der Aussenwelt soweit von den nächstverwandten Typen divergent geworden sind, dass sie sich mit diesen in ihren geschlechtlich entwickelten Formen nicht mehr dergestalt kreuzen können, dass sich die aus dieser Kreuzung hervorgehenden, vollkommen ausgebildeten Thiere unbeschränkt miteinander fortzupflanzen vermögen." (S. 353.) Auf dem gleichen Standpunkte steht Eimer, dessen dies- bezügliche Definition (s. dessen Werk: ,Die Artbildung und Ver- wandtschaft bei den Schmetterlingen") lautet: „Es sind eben Arten nur Gruppen von dergestalt abgeänderten Einzelthieren, dass eine geschlechtliche Mischung zwischen ihnen und anderen Arten nicht mehr geschieht oder mit Erfolg unbegrenzt nicht mehr möglich ist." Es würde zu weit führen, auch nur alle erwähnenswerthen Punkte anzuführen. Aus Vorstehendem möge man ersehen, dass das Standfuss'sche Werk ein Buch ist, welches den einfachen Sammler zum wirklichen Forscher herauszubilden im Stande ist, das ihn erkennen lässt, dass seine zahlreichen Beobachtungen vielfach wissenschaftlichen Werth und Bedeutung haben. Darin liegt auch ein nicht zu unterschätzender Werth des Buches. Schliesslich gebührt dem Herrn Verleger die Anerkennung seines Verdienstes um die würdevolle Ausstattung des Buches, namentlich um die vorzüglich feine und naturgetreue Darstellung der Schmetterlings- und Eaupenfiguren auf den lithographischen Tafeln. H. J. Kolbe. Prof. Dr. Faul Ascherson, Synopsis der Mitteleuropäischen Flora. I. Bd. 2. Lief. (Bogen 6—10). Wilhelm Engelmann in Leipzig. 1896. - Preis 2 M. Von dem wichtigen' Werk, über dessen Plan u. s. w. ausführ- lich in diesem Bande S. 313 berichtet wurde, bringt die vor- liegende 2. Lief, den Schluss der Polypodiaceen, die Osmundaceen. die Ophioglossaceen, die Hydropterides, die Equisetaceen, die Lyco- podiaceen und den Beginn der Selaginellaceen. Prof. Dr. Ferdinand Cohn, Die Pflanze. Vorträge aus dem Ge- biete der Botanik. 2. verm. Aufl., i. Bd. J. U. Keru's Verlag (Max Müller) in Breslau. 1896. — Preis 9 M. Die ersten Lieferungen des nunmehr vollendet vorliegenden l. Bandes von Cohn's hübschem Werk „Die Pflanze" haben wir bereits in Bd. 10 (1895) No. 49, S. 599 angezeigt._ Die nunmehr in 2. Aufl. vorliegenden Vorträge sind die folgenden': 1. Botanische Probleme, 2. Lebensfragen, 3. Goethe als Botaniker, 4. Jean Jacques Rousseau als Botaniker, 5. Der Zellenstaat, 6. Licht und Leben, 7. Der Pflanzenkalender, 8. Vom Pol zum Aequator, 9. Vom Meeresspiegel zum ewigen Schnee. Nach Cohn's Ansicht gehört die Bekanntschaft mit den wichtigsten naturwissenschaftlichen Problemen, mit den Wegen, auf denen ihre Lösung in Angrift" genommen wird, und mit den Ergebnissen, die bisher gewonnen worden sind, ebenso noth- wendig zur allgemeinen Bildung, als dies für Religion und Philo- sophie, für Staats- und Kulturgeschichte, für Kunst und Litteratur allgemein zugestanden wird. Mangel naturwissenschaftlicher Kenntnisse stört nicht nur die Harmonie der Bildung, sondern vermindert auch das Maass des edelsten geistigen Geniessens, welches sich uns durch das Verständniss der Natur eröfiuet. Welcher naturwissenschaftlich Gebildete wollte das leugnen? Und doch: wie weit sind die Kreise, diu berufen wären, dies- beiüglich in der Schule zu wirken, noch vielfach von der allge- meinen Anerkennung dieser Wahrheit entfernt! Das aber wenigstens das Volk, das gebildete Volk, die Bedeutung natur- wissenschaftlicher Bildung anerkennt, geht aus dem immerhin guten Absatz populär -naturwissenschaftlicher Schriften hervor. Mit Freuden fühlen wir daraus, dass die Zukunft wohl anders liegt, als sie gewisse bremsende Kreise zu gestalten suchen, und mit Genugthuung müssen wir verzeichnen, dass auch so gediegene populäre Werke, wie das vorliegende, das jede gesucht-sensatio- nelle Mittheilung vermeidet und sich streng an die gut begrün- deten Resultate hält, die gebührende Anerkennung finden. Einem gebildeten Laien, der den Wunsch hat, „an dem Leben, das die Botanik der Gegenwart durchweht, Antheil zu nehmen' — für diese ist nach Ausspruch des Verfassers das Werk be- stimmt — , kann nichts Besseres empfohlen werden. Ja es ist sogar durch die Wahl der Vorträge eine Einführung in die Botanik, und da Verf. gemäss den Fortschritten wo nöthig Verbesserungen und Umar-beitungen bietet, steht es auf der Höhe der Wissen- schaft. In besonderen „Erläuterungen", die jedem Vortrag bei- gegeben sind, will Verf. denjenigen weitere Anregungen geben, die sich eingehender zu belehren wünschen. Die Illustrationen sind ganz trefflich und künstlerisch. Auch dic?mal wünschen wir, dass das tadellos und vornehm ausgestattete Buch viele Weihnachtstische schmücken möge. P. E. Koehne, Herbarium dendrologicum adumbrationibus illu- Stratum. Centuria I. — Preis 30 Mk. Die jedem Exemplar des trefflichen dendrologischen Her- bariums beigegebenen Zeichnungen stellen besonders diejenigen für die Artunterscheidung wichtigen Blüthen- und Fruchtmerkmale dar, welche ohne Zerlegung nicht zu sehen sein würden, sowie vergrösserte Blüthen und dergl. Die Exemplare bestehen stets aus gut präparirten Blüthen- und Blattzweigen, ausschliesslich von cultivirten Pflanzen, und, wo nur immer Früchte zu erlangen waren, auch aus Fruclitzweigen oder einzelnen Früchten. Bevorzugt werden neue, kritische, schwierige, selten fructificirende Arten und dergl. Erscheinen werden die Centurien in Zwischenräumen von 1 — 2 Jahren, da die Beschaflung des nöthigen, zuweilen von einer Pflanze 3 und selbst 4 Mal zu sammelnden Materials die Her- stellung einer Centurie innerhalb eines Sommers schon zu einer schwierigen Aufgabe macht. Die Anzahl der Centurien lässt sich nicht im voraus bestimmen, wird aber voraussichtlich nicht sehr hoch werden, da von einer ganzen Anzahl von Hochgewächsen das nöthige reicldiche Material gar nicht zu erlangen ist. Geplant ist für manche Gattungen, bei denen es angebracht ist auch die Ausgabe besonderer Centurien sicher bestimmter Blattzweige zu erheblich billigerem Preise, aber mit Hinzufügung wenigstens der Zeichnungen von Blüthen und Früchten. — Prof. Koehne ist einer der besten Kenner unserer Gehölze; seine von uns seiner Zeit (Naturw. Wochenschr. Bd. VIII. Nr. 29) besprochene Dendrologie hat ihn auch weiteren Kreisen als zuverlässigsten Führer in dem Gebiet kennen gelehrt. Sein dendrologisches Herbarium wird botanischen Museen, aber auch pflanzen-palaeontologischen Samm- lungen als vorzügliches Vergleichsmaterial bei Bestimmung ter- tiärer Pflanzen unschätzbar werden. Unmittelbar zu beziehen ist das Herbarium vom Heraus- geber der Sammlung, Professor E. Koehne, Berlin-Friedenau, Kirchstr. 5. P. Schutzenbergar, Les Fermentations. Avec 28 figures. 6. editiou entierement refondue. Felix Alcan, editeur ä Paris 1896. — Prix cartonne 6 fr. Bei der praktischen Wichtigkeit des Gegenstandes in indu- strieller, landwirthscbaftlicher und medicinischer Beziehung hat das vorliegende werthvolle Handbuch mehr als ein rein wissen- schaftliches Interesse. Verf. behandelt in dem ersten der beiden Abschnitte des Buches die lebenden Fermente, die Organismen, welche Fermen- tation veranlassen, im zweiten, kürzeren Abschnitt die löslichen, von Organismen erzeugten Fermente. Berichtigung. Seite 459 muss es in dem Titel • ii K liii- Knaben von düngen und EmplehlunsiMi. Hl H> Jahren. Meiser & Mertig's Experimentirkästen : -Physik" mit illustrirtem Buch und 400 Versuchen, Mark 20.—. „Franklin", für Eleetricität. Mark24.-. FernerUalvanische Elcctricität, Influenzelectricität, Akustik. Optik mit je 12U Uebungsaufgaben, .je 25 Mark. Alles purtofrci. Physik.. technische Weiser & Mertig, Dresden, '<'"^"'"'^" Strasse Werkstätten. No. 33. 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Abonnement : Man abonnirt bei allen BuchhaudlunKen und Post- »nstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreia ist M 4.— Briugegeid bei der Post lä -4 extra. Postzeitungsliste Nr. 4827. Y Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere AuftrüRe ent- '^ sprechenden Rabatt. BeilaReu nach Uebereinkunft. Inseratenannahme jL bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit volli^tändiser t^uellenaneabe gestattet. Das menschliche Auge und die photographische Camera. Von F. Paul Liesegang. Es ist vielfach hingewiesen worden auf die Analogie der hat und ganzes technisches Werke der Natur mit denen des Menschen; ja man die Behauptung aufgestellt, dass alle Instrumente Maschinen, welche der Mensch construirt, dass sein Wirken eine unhewusste Naehbilduni;- der Organe und der l<'unctionen von lebenden Wesen sei. „Niemand hat wohl", sagt Carus, einer der Philosophen der Technik, „den Schwan auf einer Wasserfläche ruhig und schön dahingleiten sehen, dem niclit eingefallen wäre, dass von ihm das erste Modell zu dem Schiff, wie es halb von Rudern bewegt, halb von den sich blähenden Segeln getrieben, daliintälirt, entnommen sein möchte. Ebensowenig wird man das fest gegliederte und zugleich leicht bewegliche Schaiengerüste des Krebses betrachten können, ohne darin das vollkommene Vorbild der Rüstungen der Ritterzeit wahrzunehmen. Ebenso werfe man einen Blick auf den Bau der Schalen vieler Geschlechter von Muscheln, und das Schalensehloss in seinen vielfachen Abänderungen, mit seinen eingreifenden Gelenkknöpfen, vorspringenden Zähnen, genau schliessenden Kanten u. s. w. wird, nebst seinen elastischen Bändern, ein treft'liches Vorbild zu jeder Art von Charnieren darbieten." — Kap]) fasst das Menscheuwerk als eine Selbstprojection von Organen des menschlichen (Organismus auf. Der Hammer ist ihm das unhewusste Nachbild des Vorderarmes mit der zur Faust geballten Hand. Der gekrümmte Finger wird zum Haken, die hohle Hand wird zur Schale; im Schwert, im Speer, im Ruder, in der Schaufel, im Rechen, im Ftlug, im Dreizack hat man mancherlei Richtungen des Arms, der Hand und der Finger, deren Anpassung auf die Jagd-, Fischfang, Garten- und Feldgeräthe sieh ohne besondere Schwierigkeit verfolgen lässt. Wie der Griffel ein ver- längerter Finger, so ist die Lanze eine Verlängerung des Armes, dessen Kraftwirkung sie steigert, indem sie mit der Distanzverkürzung die Erreichbarkeit des Zieles erhöht, ein Vortheil, der diircli Freigebung des Speeres im Wurf sich noch vervielfältigt. P]r führt Linse, Camera obscura, Daguerrotypie als Nachbildungen des mcnscliLichen Auges an; das Corti'schc Organ ist eine Miniaturliarfe im Ohre. Die Einrichtung der Stimmorgane entspricht den Haujit- bestandtheilen der ( »rgel. Durch den Mechanismus eines Pumpwerkes lässt sich die Herzthätigkeit erläutern. Die Anordnung der Knoeheusubstanz ist nach Untersuchungen von Cuknann, Meyer und Wolff das unhewusste Vorbild der Architektur gewesen. (Die Architektur der Spongiosa des oberen Endes des menschlichen Oberschenkelbeines steht in vollkommener Uebereinstimmung mit dem Verlauf der theoretischen Druck- und Zuglinien im Krahn. So ist der Pauly'sche Brückenträger auf der Theorie der Druck- und Zuglinien basirt, wonach der Knochen sich aufgebaut hat). Kapp vergleicht die Dampfmaschine mit dem physisch arbeitenden menschlichen Organismus. Das Netz der Blutgefässe ist das organische Vorbild des Eisenbahnsystenis. „Unsere Vorstellungen von Nerven und vom elektrischen Draht decken sich im gewöhnlichen Leben so sehr, dass man mit Fug behaupten darf, es existire überhaupt keine andere mechanische Vorrichtung, welche in genauerer Uebereinstimmung ihr organisches Vorbild wiedergiebt, und andrerseits kein Organ, dessen innere Bescliafl'enheit in dem ihm unbewusst nachgeformten Telegraphenkabel so deutlich wiedergefunden wird, wie der Nervenstrang im Bein." Besonders interessant ist die unhewusste Nachbildung der Sinnesorgane des Menschen — vor Allem die Analogie zwischen unserem Auge und der photographischen Camera. Die allgemeine Einrichtung ist bei Auge und (,'amera die- selbe: beide bestehen aus der sammelnden Linse, Dunkel- kammer und lichtempfindlicher Schicht. Jedoch weicht das Auge in der Coustruction der einzelnen Theilc und in dem Functionircn des ganzen Apparates wesentlich von der Camera ab — sie dienen ja auch einem verschiedenen Zweck. 486 Nalurwissensehaftliclic Wiichensehrift. XI. Nr. 41. Das 01)jcctiv der pliotoijrapliisc-licu Camera ist ein System von Glaslinsen mit sphärischen Kriimmungsflächen. Eine ein/eine Linse, zur Aufnahme benutzt, giebt kein scharfes ßild in Folge einer Reihe von Abweichungen. Durch C()mljinatiou mehrerer Linsen lassen sich diese Abweichungen mehr oder weniger corrigiren. Mau muss dazu den Krümnmngsradien der Linsen passende Werthc geben und geeignete Glassorten verwenden, in deren Auswahl man allerdings sehr bcscln-änkt ist. — • Der optische Ap|)arat unseres Auges besteht ebenfalls aus einer Com])ination von Linsen verschiedener Medien, die zusammen wie eine Sammellinse wirken. Von der Camera unterscheidet sich das Auge zunächst insofern, als das erste und letzte brechende Blediuni, welches beim plioto- graphischen Apparat dasselbe ist — nämlich Luft, hier verschieden ist. Ein principieller unterschied ist dies allerdings nicht: entsprechend wie beim Auge kiinnte auch die Camera im Innern aus Glasmasse bestehen oder mit einer anderen durchsichtigen, festen oder tlüssigen Substanz, etwa Wasser gefüllt sein. Aber abgesehen hiervon ist das Liuseusystem des Auges ganz anders ge- baut als das photographische Objeetiv. Der optische Apparat des Auges setzt sich zusammen aus Hornhaut, wässeriger Flüssigkeit, Krystalllinse und Glaskörper — aus vier Medien, welche das Licht beinahe gleich stark — etwas stärker wie das Wasser — brechen-, den grössten Brechungse^cponent hat die Krystalllinse. Die Hornhaut hat im Allgemeinen die Form eines stark gekrümmten Uhrglases. Strahlen, welche von einem entfernten Punkte kommen, werden von der Hornhaut allein so gebrochen, dass sie sich 30,6 mm hinter dem Scheitel der Hornhaut und damit 10 mm hinter der Netz- haut vereinigen. Durch die hinter der Hornhaut liegenden brechenden Äledien werden die Strahlen noch stärker con- vergent gemacht, sodass sie sich in der Netzhaut tretfen, dies geschieht hauptsächlich durch die Krystall- linse. Zwischen der Hornhaut und der Krystalllinse befindet sich in der vorderen Augenkammer eine wässerige Flüssig- keit, welche aus Wasser mit nur 2 "/o Meersalz und einigen anderen organischen Substanzen besteht. Die Krystalllinse ist eine durchsichtige, farblose, bi- convexe Linse, deren hintere Fläche stärker als die vordere gewölbt ist. Sie besteht aus zarten, wasserklaren, schalcnartigen Blättern, welche nach innen stets dichter werden. Die einzelnen Schichten werden gebildet durch sechskantige Fasern, d. h. häutige Röhrchen mit flüssigem Inhalt. Die Linse ist sehr elastisch, giebt leicht jeder äusseren Gewalt nach und kehrt nachher schnell und voll- kommen in ihre frühere Form zurück, sobald die äussere Wirkung aufgehört hat; sie ist von einer häutigen, glas- helleu Ka])sel umgeben. An die Krystalllinse schliesst sich unmittelbar der Glaskörper an, eine gallertartige, klebrige Substanz; sie sieht aus wie durchsichtiges Eiweiss oder geschmolzenes Glas und ist vollkommen wasserklar. Der Glaskörper ist eingeschlossen von einer äussert feinen, klaren Glas- haut, welche nach vorne mit der Linseukapsel ver- wachsen ist. Hornhaut, wässerige Flüssigkeit und Krystalllinse bilden zusammen ein System von unmittell)ar hinterein- ander liegenden SannucUinscn, welche die ins Auge ein- tretenden Strahlen derartig brechen, dass sie sieh in einem Punkte des letzten brechenden Mediums, des Glas- körpers — oder vielmehr unmittelbar hinter demselben (auf der Netzhaut) vereinigen. Mau kann sich die op- tische Wirkung des Auges, wenn man sich auf Gegen- stände von grosser Entfernung beschränkt, durch eine optisch brechende Kugelfiäche mit einem Radius von einer Punkt genau fläche roides 5,13 mm, deren Scheitel 1,3 mm hinter dem Seheitel der Hornhaut liegt, ersetzt denken. Vor dieser Kugelfläche befindet sich Luft, hinter ihr eine Glaskcirperfüllung mit dem Breehungsexponent 1,34. Die beiden Hauptbrenn- weiten dieses „reducirtcu Auges^ von Listing sind 15,2 mm und 20,1 mm. Die hinreichende Correction der Abweichungen, welche der einfachen Linse anhaften, wird beim photo- graphischen Objeetiv durch passende Combination ver- schiedener Linsen erreicht. So ist es auch beim ojjtischen Apparat des Auges. Doch werden hier die Abweichungen theils — wie die sphärische Abweichung — auf beson- dere Weise corrigirt. Wenn Lichtstrahlen von einem entfernten leuchtenden Punkt auf ein homogenes Medium fallen, welches von Umdrehungsflächc, in deren Axe der leuchtende liegt, begrenzt wird, und wenn das Strahlenhflndel in einen Punkt convergiren soll, so muss die Ober- dic Gestalt eines abgeplatteten Umdrehungssphä- besitzen, dessen ümdrehuugsaxe durch den leuch- tenden Punkt geht und dessen erzeugende Ellipse eine Exccntricität gleich dem reciproken Werth des Brechungs- exponenten hat. Nun ist es bemerkenswerth, dass die Hornhaut annähernd eine solche Fläche bildet. — Die sphärische Aberration für gewöhnliche, von sphärischen Flächen begrenzte Linsen, wie wir sie im photo- graphischen Objeetiv haben, besteht ferner darin, dass die Raudstrahlen stärker gebrochen werden als die Central- strahlen. Die Correction der Abweichung wäre also da- durch zu erreichen, dass man die Dichte und damit den Brechungsindex des Jlediums vom Rande zum Centrum hin in geeigneter stetiger Weise zunehmen Hesse. Eine solche Linse herzustellen ist uns nicht möglich; doch haben wir eine derartige Einrichtung in der Krystalllinse des Auges. In der Hauptsache wird die störende Aberration durch die Einschaltung der die Randstrahlen abblendenden Iris beseitigt. Es bleibt noch eine geringe Quantität sphärischer Abweichung übrig, jedoch ist der Betrag derselben nicht gross genug, um eine merkliche Störung in der Schärfe des Nctzhautbildes hervorzurufen, und in der That lässt sich die Existenz der übrigblei- benden sphärischen Aberration nur durch feine I^xperi- niente nachweisen. Der Rest des Astigmatismus der Abweichung schiefer Strahlenbündel — tritt unter ge- wöhnlichen Verhältnissen ebenfalls nicht störend hervor; jedoch lässt er sich daran erkennen, dass wir in der- selben Entfernung befindliche horizontale und verticale Linien nicht gleichzeitig scharf sehen können. Auch führt man es auf den Astigmatismus zurück, dass uns Sterne und entfernte Flammen strahlenförmig erscheinen. Man hat lange gee;laubt, das Auge wäre frei von Farbenabweichung. Euler stellte auf diese Annahme hin die Behauptung auf, dass es möglich sein müsse, ein achromatisches Fernrohr zu construiren, da ja die Natur einen achromatischen Apparat hergestellt habe. Schon Young zog die Achromasie des Auges in Zweifel; später wurde nachgewiesen (besonders von Fraunhofer und Helmholtz), dass das Auge in der That kein achro- matisches Linsensystem ist. Es kann auch kein solches sein, da die brechenden Medien vor und hinter der bi- convexen Krystalllinse nahezu den gleichen und einen kleineren Brechungsindex besitzen als die Linse. Das- Augc muss daher dasselbe Disjjersionsvermögen haben, als wenn es eine brechende Fläche wäre, vor welcher Luft und hinter welcher der Glaskörper sich befindet — es muss das Dispersionsvermögen des redueirten Auges haben. Die Farbentrennung der brechenden Medien des Auges ist jedoch geringer als die des Glases; deshalb tritt der durch sie veranlasste Fehler weniger hervor als XI. Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 487 bei gläsernen Linsen. Durch Versuclie wurde festgestellt, dass der Brennpunkt der rotlien Strahlen ungefähr 0,6 mm hinter dem der violetten liegt. Im weissen Licht ist die Farbentrenuung deshalh nicht selir merklich, weil die von den äussersten .Strahlen des Spectrums, Koth und Violett, entworfenen Bilder gegen die lichtstarken, gelben, grünen und hellblauen sehr '/Airücktretcn. Um also die chroma- tische Abweichung merklich zu machen, nmss man die und grünen Strahlen ausschliessen und nur die gelben rotheu, blauen und violetten zur Wirkimg kommen lassen. Mau betrachtet dazu eine weisse Lichtquelle, z. B. eine Kerzentlanime durch eiue entsprechend concentrirte Losung von Chromsäure oder durch ein hinlänglich duidvclblaucs (mit Kobaltoxyd gefärbtes) Glas. Bei grösserer Ent- fernung — etwa 30 bis 60 m — sieht mau eine rothe Flamme, welche von einem blau-violetten Saum umgeben ist. Nähert man sich aber der Kerzenflannne bis zur deutlichen Sehweite oder aucii noch etwas näher, so er- blickt man eine blau-violette Flauuue mit einem schwachen rothen Hand. — Ferner ersciicinen an einem dicht vor das Auge gehaltenen dunklen Gegenstaude lebhafte Farbensäume, wenn man an ihm vorbei das Auge auf ferne Gegenstände richtet und diese deutlich sieht. Lässt man in einem sonst dunklen Zimmer ein reines Spectruui auf eine engbedruckte Seite fallen, so werden die Worte im heilsten Tlieile des Spectrums bei der dem deutlichen Lesen eutsi)rechenden Entfernung ganz scharf gesehen; dagegen erscheiuen sie etwas unbestimmt im ßothen wegen Weitsichtigkeit und sehr undeutlich im Violetten wegen Kurzsichtigkeit. Der Maugel an Achromasic ist jedoch keineswegs als eine Unvollkommenheit des Auges zu bezeichnen. Denu die Schärfe des Netzhautbildes wird nicht merklich dadurch beeinträchtigt; erfordert es doch schon feine Ex- perimente, um die Farbenstreuung im Auge überhaupt zu constatiren. Für photographische Zwecke wäre allerdings ein Objectiv, wie wir es im Auge haben, nicht verwendbar; ja, würde uns eiu Optiker ein derartiges Objectiv con- struiren, so müssten wir es, wie Helmholtz sagt, mit dem ernstesten Tadel zurückweisen. Vor allem ist das scharfe Gesichtsfeld der Augeulinse ausserordentlich klein — und doch erfüllt dieses „fehlerhafte Instrument" seinen Zweck in der vollkommensten Weise. Wie der photograjjhischc Apparat, so hat auch das Auge eine Dunkelkammer, deren luncnflächen geschwärzt sind. Sie dient dazu, fremdes Licht abzuhalten und Re- flexionen im Innern der Camera resp. des Auges zu ver- hindern. Die ganze innere Seite des Augapfels ist mit einer zarten, bräunlich rothen Haut, der Aderhaut, über- kleidet, welche au der äusseren Fläche mit einem dunkel- braun gefärbten Pigment versehen ist. Wenn das Pigment fehlt, wie bei den Albinos oder Kakerlaken, so wird die Deutlichkeit des Netzhautbildes durch die vielen Zurück- werfungen des Lichtes im Innern des Auges sehr gestört; am hellen Tage ist ein deutliches Sehen nicht möglich. Die Augen solcher Menschen sehen blassroth aus, weil bei iimen das Blut der Gefässe durchscheint. — Auch die Reerenbogenhaut, der vordere Abschuitt der Gefäss- Regenbogenhaut, haut, hat eine braune Pigmentschicht. Diese Haut ist iu der Mitte von der Pupille durchbohrt; als optische Blen- dung liegt sie der Vorderfiäche der Linse dicht an und lässt daher nur Lichtstrahlen auf den centralen, von ihr unbedeckten Abschuitt der Linse auffallen. Der lichtempfindlichen Platte der photographischen Camera entspricht beim Auge die Netzhaut. Der äusseren Form nach unterscheidet sich die Netzhaut von der ebenen photographischeu Platte dadurch, dass sie kugelig gewölbt ist. Diese Anordnung gewährt aussei- anderem einen Vortheil insofern, als das Auge so einen möglichst geringen Raum einnimmt. — Die Netziiaut ist, wie Prof. Boll in Rom 1876 entdeckte, nicht, wie mau bisher an- nahm, durchsichtig und faiOdos, sondern mit einem inten- siven Purpur bedeckt. Diese Färbung erlischt im Lichte schnell und erhält sich nach dem Tode nicht länger als 24 Stunden. Der Sehpurpur wirkt wie eiue photogra- phische i'latte; er wird zersetzt an den Stellen, wo das Netzhautbild entsteht. Jlan konnte dies nachweisen an der herausgenommenen Netzhaut frisch gctüdteter Thicre, worauf die Abbildungen der vor dem Tode zuletzt ge- sehenen Gegenstände beobachtet wurden. Die Netzhaut ist eine hautartige Ausbreitimg der Sehnerven; sie besteht aus meiu'crcn, das Licht durchlassenden Lagen von Ncrven- elenienten. Die äusserste Schicht verläuft zu höchst feinen und zarten Nervenenden, welche theils cylindrisch sind, wie die Stäbchen, theils conisch, wie die Zaiifen. Stäbchen und Zapfen bilden ein äusserst feines Mosaik. Die Anordnung der Stäbchen und Zapfen ist keine gleich- massige. In der Vertiefung des gelben Flecks — gegen- über dem Scheitel der Hornhaut — linden sich nur Zapfen; an dieser Stelle, welche 1 bis 1,2 mm breit ist, ist die grösste Empfindlichkeit. xVu der Grenze der Grube stellen zuerst \venige Stäbchen zwischen den Zapfen, von dort aus nimmt die Zahl der Stäbchen zu, bis an der Randpartie der Netzhaut Idoss noch Stäbchen sind. Die Nervenhaut selber wird nach vorne immer dünner und die lichtemidiudlichen Nervenenden werden immer sparsamer vertheilt. Schliesslich geht die Netzhaut in eine nerven- lose Membran über, welche bis zur Linse reicht und an diese angeheftet ist. Auch an der Stelle, wo der Sehnerv eintritt, in dem Mariotte'schen oder blinden Fleck, finden sich gar keine Nervenenden : dort ist also gar keine Licht- empfindung vorhanden. Die Empfindlichkeit der photographischen Platte und der Netzhaut für die verschiedenen Lichtstrahlen ist nicht dieselbe. Die gewöiiuliche photographische Platte ist hauptsächlich empfindlich für stärker brechbare Strahlen (chemische Strahlen), die Netzhaut für Strahlen geringerer Brechbarkejt (optische Strahlen). Doch ist es gelungen, lichtempfindliche Schichten (die orthochromatischen oder farbenempfindlichen Platten) herzustellen, welche iu dieser Hinsicht der Netzhaut zicndich gleich kommen. Der Ilauptunterschied besteht darin, dass die Netzhaut Strahlen verschiedener Wellenlänge zu unterscheiden vermag, dass wir mit unserem Auge in Farben sehen können, während die photographische Platte uns alles iu gleichem Tone wiedergiebt, die Lichtstrahlen nur ihrer Intensität nach — also quantitativ, nicht aber auch qualitativ unterscheidet. Die Natur selbst lehrt uns durch die Constructiini des Auges, dass die Farbenphotographie kein Ding der Un- möglichkeit ist. Die Schärfe des Bildes ist, wenn man \on den Fehlern des Objectives a])sieht, bedingt durch das Korn der lichtempfindlichen Schicht. Je gröber das Korn, desto weniger scharf ist das Bild. Mau kann phofographischc Platten mit sehr feinem Korn herstellen; Aufnahmen mit solchen Platten gestatten eine starke V'crgrösserung. Doch sind diese Platten wenig lichtempfindlich ; je schneller die Platte arbeitet, desto gröber ist das Korn. Auch die Netzhaut hat ihr Korn und zwar in dem Mosaik der Stäbchen und Zapfen. Dadurch ist unserem Auge eine Grenze in der Untersclicidung der Gegenstände gesetzt. Die Dicke der Zapfen im gelben I'leck beträgt mich Messungen von lleiin-ich Müller 0,001;")— 0,0020 nun, nach Max Schulze 0,ü02.i) nnu, nach Welke 0,00o 1—0,00:56 nun; die stabförmigen Enden der Netzhaut sind nach M. Schulze 0,00066 mm "breit. Das beste von E. II. Wel)er unter- suchte Auge konnte zwei weisse Striche, deren Mittellinie 488 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 41. 0,00526 mm (gleicli 73 sec. Gesichtswinkel) von einander abstand, noch gesondert unterscheiden; nach Volkmann und Hischmann bekommt man noch kleinere Werthe bis zu 0,00356 mm (gleich 50 sec. Gesichtswinkel). Die Grenze der Sichtbarkeit ist natürlich bei den einzelnen Individuen verschieden; sie hängt ausser von der Güte des Auges ab von der Beleuchtung und Farbe des Ob- jcctes, sowie vom Hintergrund. Man nimmt an, dass ein normales Auge bei massiger Beleuchtung einen Gegen- stand noch unter einem Winkel von 30 sec. sehen kann ; einen hellen Gegenstand z. B. einen glänzenden Silber- draht auf dunklem Grunde erkennt man noch l)ci einem Gesichtswinkel von 2 sec. — hellleuchtende Objecte, wie die Fixsterne, sehen wir unter einem noch viel kleineren Winkel. Die Eindrücke auf der Netzhaut können wir mit Momentaufnahmen vergleichen. Die Lichtwirkung muss jedoch ungefähr Vio sec. währen, um eine Empfindung hervorzurufen. Gegenstände, welche sich schnell liewegcn, z. B. die Speichen eines rollenden Rades, erscheinen daher verschwommen oder entgehen unserem Auge vollständig, wie die vorüberfliegendc Flinteukugel. Starke Lichtein- drücke vermögen wir noch wahrzunehmen, wenn auch die Dauer derselben ausserordentlich klein ist. So ist die Dauer des elektrischen Funkens nach Messungen von Cazin und Lucas 0,000007 bis 0,00009 sec, Lord Ray- leigh giebt sie geringer als V25000000 sec. an. Von diesem kleinen Zeittheilchen kann man sich einen Begriff machen, wenn man bedenkt, dass dies ungefähr derselbe Bruch- fheil einer Secunde ist, wie die Secunde von einem Jahr, da letzteres etwas über .30 000 000 Secunden hat. Die Zeitdauer des Blitzes nimmt Arago geringer als Viooo ^^^'■ an. Die genaue Form von solch kurzen Lichteiudrücken können wir nicht wahrnehmen; dazu wäre eine bedeutend längere Zeit erforderlich. In dieser Hinsicht ist die phütographische Camera unserem Auge voraus: sie vermag die fliegende Kugel wie den Blitz genau zu fixiren. Beim Vergleich zwischen Auge und Camera haben wir noch einen Punkt unberücksichtigt gelassen: Das Einstellen auf Gegenstände verschiedener Entfernung. Der photographische Apparat ist zu diesem Zweck mit einem Auszug versehen; die Mattscheibe lässt sich der Linse nähern und davon entfernen. Beim Auge ist der Abstand zwischen Linse und empfindlicher Schicht unveränderlich. Das Einstellen muss hier also auf andere Weise geschehen. — Stärker gewölbte Linsen vereinigen die von einem Punkte ausgehenden Lichtstrahlen in geringerer Ent- fernung hinter sich als schwächer brechende. Um also von einem näher an der Camera befindlichen Objecte ein scharfes liild zu erhalten, muss man, wenn der Abstand von liinse und empfindlicher Schicht derselbe sein soll, eine entsprechend stärker gewölbte, d. b. stärker brecliendc Linse verwenden. Man denke sich nun die lichtbrecheudc Linse aus einem elastischen, durchsichtigen Stoffe her- gestellt und um den äusseren schmalen Rand dieser Linse ein Kreisband gelegt, das man enger zusannucn- ziehen kann. Dadurcli Hesse sich die elastische Linse Vdin Rande her zusannncndrücken, ihre Wölbung damit entsprechend vergrössern und das ljichtl)rechungsvermügen dcmgemäss steigern. Das Bild naher Gegenstände würde dann näher als vorhin hinter ihr erscheinen und man könnte einfacii durch schwächere oder stärkere Wölbung der elastischen Linse das Bild von (icgenständen be- liebiger Entfcrming von der Linse innner scharf erlialfcn. Eine solche Anordnung haben wir im Auge. Beim normal brechenden Auge befindet sich die Netzhaut ohne Acconi- modation in der Brennebene des lichtbrecheuden Api)a- rates, sodass ohne weiteres ferne Gegenstände ein scharfes l'ild geben. Damit von näheren und nanz nahen Gegen- ständen auch ein scharfes Bild erhalten wird, wird durch die Wirkung eines musculösen Druckapparates (den ring- förmigen Ciliarmuskel), der den Rand der elastischen Augenlinse umfasst, die Linse entsprechend stärker und zwar so stark gewölbt, dass gerade ein scharfes Bild des gesehenen Gegenstandes auf der Netzhaut erscheint. Die Augenlinse lässt sich dadurch nachbilden, dass zwischen zwei sehr dünne, elastische, runde, parallele Glasplatten eine grössere oder geringere Menge Flüssigkeit (z. B. Schwefelkohlenstoff) gepresst würde; die Glasplatten würden dadurch mehr oder minder gewölbt und die Brennweite der Linse dementsprechend grösser als kleiner. Einfacher erhält nmn aber ein Objectiv mit veränderlicher Brennweite durch die Combinatiou von zwei Linsen (zwei convexe Linsen oder eine convexe mit einer concaven), deren Abstand variabel ist. Interessant ist es, dass beim Auge der Knochenfische das Einstellen genau so erfolgt wie bei der photogra- phischen Camera — nämlich durch Verändern des Ab- staudes der Linse von der empfindlichen Schicht. Die Camera steht also noch auf dem „Fischstadium". Es liegt die Frage nahe, ob die Einrichtung unseres Auges dem Fischauge und der Camera gegenüber einen Vorzug hat. Das Sehen resultirt aus einer ununterbrochenen Peihe von Eindrücken auf die Netzhaut. Wenn das Auge eine Ansicht betrachtet, und dabei von der Nähe in die Ferne schweift, so erhält die Netzhaut nach einander eine Un- zahl verschiedener Bilder. Jedes einzelne Bild gibt — mathematisch genommen — nur eine Verticalebeue scharf wieder; alle Bilder zusammen geben ein Gesammt- bild der Ansicht. Machen wir analog eine ununterl)rochene Reihe von Momentaufnahmen, wobei wir bei jeder Aufnahme auf eine iunuer etwas grössere Entfernung einstellen. Auf jedem Bilde seien nur die Objeefpunkte wiedergegeben, welche in der jemaligen Entfernung von der Camera liegen und also (mathematisch genommen) allein scharf werden. Setzen wir nun alle diese Bilder zusammen, so erhalten wir ein Gesannntbild der Ansicht; doch entspricht dies der Natur keineswegs: die nahen Partien sind im Verhältniss zu den fernen viel zu gross. Jedes einzelne Bild hat eine andere Bildweite; denn bei allen Aufnahmen ist auf verschiedene P^ntfernungen eingestellt worden und daher der Auszug stets ein anderer. Je nätier das Object, desto grösser der Auszug und damit das Bild. Jede Aufnahme hat mithin eine andere Per- spective und das Gesannntbild besteht daher aus einer ununterbrochenen Reihe von Bildern mit verschiedener Perspective. Eine gerade, zur Achse der Camera j)arallele Linie erscheint gekrümmt; das Bild ist verzerrt. So ist es bei der Camera und beim Fischauge. Anders beim Auge des Menschen. Hier bleibt der Aus- zug oder die Bildweite bei Einstellung auf jede Ent- fernung, also bei allen Bildern derselbe; das resultirende Bild der Ansicht entspricht daher einer einzigen Auf- naiimc, wie sie ein ( »bjectiv mit unendlich grosser Tiefe, die Lochcamera giebt — wir bekonnnen ein (iesammtbild mit rieiitiger Perspective. Das mensciiiiclie Auge ist also gewisscrmaassen ein Objectiv von ausserordentlicher 'fiele und doch grosser (Jcffuung — es vereinigt zwei Eigen- schaften, welche sich widersprechen und die ein photo- grai)hisches ()l)jeetiv nicht gleichzeitig besitzen kann; nur werden beim Auge die Olijecte verschiedener Ent fernungen nicht sogleich, sondern sehr schnell nach ein- ander aut'genonmien. Ans der Pildgriisse eines Objectes können wir un- mittelbar auf seine Entfcrming schliessen; denn die Grösse des Bildes steht im umgekehrten Veriiältniss zur Ent- fernung. Beim l''ischauge ist dies nicht der Fall, da sich XI. Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 4ft9 mit der Entternnng' des Objectes gleichzeitig die Bild- weite iliidert und die lüldgrösse dadurch modificirt wird. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, das« der Zweck von Auge und Camera ein verschiedener ist. — Unser Auge setzt sich ein Gcsanimtbild zusammen aus unzählig vielen einzelnen Bildern. Die Camera giebt uns von einem Objecte ein einziges Bild bei einem l)estimmten Auszug; von einem Objcctc in anderer Entfernung hin- wieder ein Bild bei anderem Auszug; jedes der Bilder hat eine in sicii richtige Perspective, und das genügt; denn zumeist kommt es uns nur auf jedes Bild für sich an. Dass die Bilddistanz von zwei Bildern, die nichts miteinander zu thun haben, verschieden ist, ist natürlicli gleichgültig. Nur wenn es sich um den Vergleich von mehreren Aufnahmen auf verschiedene Entfernung handelt, nmss bei denselben die Bildweite dieselbe sein; es ist dann also eine Camera erforderlieh mit einem constanten Auszug und mit einem Objectiv von veränderlicher Brenn- weite. So könnte eine derartige Camera, wie sie im menschlichen Auge vorgebildet ist, zur Anwendung kommen, wenn eine Reiiie von Momentaufnahmen eines Gegenstandes gemacht werden soll, der sich von uns wegbewegt, z. B. eines fliegenden Insectes. Im letzteren Falle wäre ausserdem eine selbstthätige Regulirung der Einstellung von Nöthen, wie wir sie im Auge haben, da wir mit der Camera nicht schnell genug einstellen können. Wie bei der photographisehen Camera wird auch Ijei unserem Auge nicht die volle Öefthung der Linse aus- genutzt: die Randpartien derselben werden durch eine Blende von der Wirkung ausgeschlossen. Die Irisblende des Auges hat aber nicht allein den Zweck, die Rand- strahlen, welche die Schärfe des Bildes beeinträchtigen würden, abzuschneiden; sie dient auch dazu, die Licht- zufuhr zu reguliren. Die Pupille kann nämlich ent- sprechend dem Liclitbedürfniss bald verengt, bald er- weitert werden, und zwar geschieht dies durch Ring- und (v)uermuskelfasern, deren Nerven durch den Lichtreiz reflectorisch erregt werden. Wir können diese Erweiterung und Verengung der Pupille jeden Abend am eigenen Auge sehr leicht im Spiegel sehen. Betrachtet man zuerst im Halbdunkel das Auge, so ist die Pupille weit offen, ihre schwarze Fläche gross, ninunt man nun ein Licht in die Hand und bringt dasselbe vors Gesicht, sodass dasselbe stark beleuchtet wird, so verengt sich die Papille fast bis zur Stecknadelgrösse. Die Vcr- grüsscrung und Verkleinerung erfolgt nur langsam. Wir können uns hiervon leicht überzeugen, wenn wir im Finstern gegen das Auge einer Person mit einer Kerzen- flannne rascii hinfahren, oder wenn wir, wie die das Auge untersuchenden Aerzte es thun, das durch ein Fenster kommende Licht — mittelst schnellen Drehens der an der Schläfe seitwärts gelehnten Ilandfiächc — einigemale abschneiden und wieder zulassen. Treten wir plötzlich aus einem dunklen Raum ins Freie, so sind wir zuerst wie geblendet; erst nach einiger Zeit können wir im Hellen deutlich sehen: die Pupille muss sieh erst genügend verengt haben. Analog ist es, wenn wir aus dem Freien in einen dunkeln Raum treten: wir sind solange blind, bis sieh die ]'a|»ille hinreichend erweitert hat. I>ei zu schwachem Liciit nutzt aber auch die möglichste Er- weiterung und bei zu kräftiger Lichtwirkung die stärkste Zusamnienziebung nicht aus. In beiden Fällen ist ein Sehen unmöglich; die Grenzen liegen weit auseinander und hängen zum Theil von der Gewohnheit ab. In dieser Richtung erzählt man nach Pisko von Leuten, welche lange Zeit im Finstern gefangen worden waren, zwar seltsame, doch glaubwürdige Thatsaciicn. Bei solchen l'ersonen war die Iris auf einen sehr schmalen K'and erweitert und sie konnten im Dunkeln noch (Jegenstäiule unterscheiden, wo für uns alles Sehen längst aufgehört hat. Der Freiheit wiedergegeben, musste man die Un- glücklichen erst langsam wieder an das Licht gewöhnen. — Einen Begriff von dem weiten Spielraum der Iris- bewegung kann man sich machen, wenn man i)edenkt, dass wir sowohl beim Sonnenlicht, welches 12 UOU Mal stärker, als auch beim Vollniondiicht, welches 25 Mal schwächer als das Licht einer Wachskerze ist, noch lesen kann. — Ausser den auf die Netzhaut ausgeübten Beizen vermögen noch mehrere narkotische Stoffe die Pupille zu erweitern, wenn sie — wie bei manchen Augen- operationen — in wässrigcr Lösung mit der Bindehaut des Auges durch Eintröpfeln in die Augenwinkel in Be- rührung gebraclit oder wenn sie vom Magen aus oder direct "dem Blute mitgetheilt wei'den. In solclier Weise erweitert besonders die Belladonna und ihr Alkaloid, das Atropin, vermöge ihrer P^inwirkung auf die inneren Augen- muskeln mächtig die Pupille der Säugcthiere und Amjjiiibicn, kaum merklich die der Vögel. Der Giftlattich (lactuca virosa) verengt die Pupille. Will man in die jthotographische Camera mehr oder weniger Licht zulassen, so setzt mau eine grössere oder kleinere Blende ein. Doch könnte man auch entsprcciicnd der Einrichtung in unserem Auge eine Blende anfertigen, welche sich erweitern und verengen Hesse. Bereits im Jahre 1859 wurde der Versuch gemacht, eine Irisblende aus Gummi-Elasticum herzustellen; jedenfalls hat dabei die Blende unseres Auges als Vorbild gedient, .fetzt sind Irisdiaphragmen allenthalben im Gebrauch. .\uch die selbstthätige Regulirung der Blendenöffnung durch das Licht, wie sie im Auge stattfindet, Hesse sich nach- bilden. Dazu könnte man nach R. Ed. Liesegang die Wirkung des Licdites auf Selen benutzen. Das Licht be- wirkt die Veränderung der Leitungsfähigkeit einer Selen- zelle und beeinfiusst damit die Stärke eines elektrischen Stromes, in welchen die Selenzelle eingeschaltet ist. Die Aendernng der Stromstärke dient hinwieder dazu, um ensprechend der Lichtstärke die Blendenöffnung zu ver- grössern oder zu verkleinern. Auch folgendes Prinzip Hesse sich dazu vcrvverthen. Lässt man Licht auf Chlor- knallgas wirken, so tritt durch Absorption der gebildeten Salzsäure eine Volumveräiulerung ein. Durch Ilebclübcr- traguug bewirke dies eine Verkleinerung der Blenden- öffnung. Nach Benutzung wird der frühere Zustand durch Elektrolyse der Salzsäure wiederhergestellt. Das scharfe (Tcsicbtsfeld des Auges ist äusserst klein; doch wird dieser Mangel behoben durch die ausser- ordentlich leichte Beweglichkeit des Auges. Die Seh- achse schweift mit grosser Geschwindigkeit von Punkt zu Punkt, beim Lesen z. B. von Wort zu Wort. Wir sehen die einzelnen Theile eines (ausgedehnten) Objectes nicht gleichzeitig, wie die photographische Camera, son- dern nacheinander, doch so schnell, dass wir uns dessen nicht bewiLsst werden. Der Einrichtung des Auges konnnt am nächsten der Panorama-.Vpparat, mit dem ein Stück nach dem anderen durch einen schmalen Schlitz aufge- nommen wird. Auch die Perspective des Panorama- Apparates, die Cylinder-Perspective entspricht nahezu der Kugel-Perspcctive des Auges, wenn die iiilder nicht zu hoch sind. — Das gesannntc Gesichtsfeld des .\uges ist sehr gross. Bei geradeaus sehendem Auge werden die noch gesehenen Gegenstände von einem Wiid^el von i;!;)" bis 150'^ eingefasst. Wenn beide Augen in die Ferne gerichtet sind, so umspannt das Gesichtsfeld beider Augen einen horizontalen liogcn von mehr als LSU", der durch Augenbewegungen, auch ohne Kopfdreliuiig, noch \er- grösscrt werden kann. Die Camera giebt uns ein liild, welches ein Oiiject in einem bestinnnten Moment darstellt; das lüld mit allen 490 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 41. seinen Details bleibt erhalten und wir können uns da- durch jederzeit den (ol)jectiven) Eindruck, den der Gegen- stand iu dem betreftendeu Augenblick machte, wieder vorführen. Das Auge ist eine photographische Camera, welche blitzschnell hintereinander Aufnahme auf Aufnahme macht. Dabei wird ])loss eine einzige lichtempfindliche Schicht benuzt; dies ist dadurch ermöglicht, dass die Netzhaut stets wieder lichtemptindlich wird: das Liebt schreibt auf eine Tafel, welche immer wieder rein ge- putzt wird. Doch gehen die Eindrücke nicht verloren. Das Auge ist durch den Sehnerv mit einem besonderen Apparat verbunden, in welchem die aufeinanderfolgenden Eindrücke fixirt werden und so zum Bewusstsein gebracht werden. Wie wir unser Auge auf die Gegenstände heften, welche unser Interesse erregen, so wird auch von den Eindrücken nur das aufgespeichert, was uns iuteressirt; nebensächliche Details werden übersehen. Unser Gesichtsorgan stellt eine ganze photographische Werkstatt dar. Die pbotographische Camera macht un- unterbrochen Momentaufnahmen; jedes Bild wird fixirt und davon zur Aufbewahrung ein Stück ausgeschnitten, welches uns interessirt. Die Platte wird nach jeder Auf- nahme sofort wieder lichtempfindlich gemacht und von Neuem benutzt. Alle aufbewahrten Bilderstücke werden zusammengesetzt zu einem Gesammtbilde, durch welches man den Eindruck, den ein Gegenstand gemacht hat, später beliebig wieder hervorrufen kann. Doch ist dieses Gesammtbild, welches iu unserem Gedächtnisse lebt, stets mehr oder weniger beeinflusst durch früher oder später erhaltene andere Eindrücke: es ist nicht objectiv, wie die Aufnahmen der photographischen Camera. Das Auge ist ein grossartiges Werk der Natur, welches ausserordentlich zweckmässig eingerichtet ist. Ein Theil der Einrichtungen des Auges findet sich in der photographischen Camera, einem Werke des Mensehen wieder. Wenn auch der Zweck, dem die Camera dient, ein anderer ist, als der des Auges, so zeigt doch die Analogie zwischen beiden, dass die Camera dem Auge iu Manchem nachsteht — so in der Farben. Auch die Natur muss versuchen, erproben und er- finden, wie der Mensch. Sie hat das Auge, dessen wir uns erfreuen, nicht auf einmal, sondern allmählich ge- schaffen und zu so hoher Vollkonnneuheit gebracht, ebenso wie die Camera des Photographen nach und nach entstand. Das erste Stadium des späteren Auges ist eine Pig- mentlage am Ende eines Sehnerven, welches nur Hell und Dunkel unterscheidet. Ein solches Sehorgan findet sich bei vielen niederen Thieren. Die lichtempfindliche Stelle liegt in einer Vertiefung. Die (irube wird immer tiefer und um ihren Rand erhebt sich die Epidermis und wächst von allen Seiten nach einwärts. Bei der Nai)fsclmccke ist dieses Stadium — eine Grube mit weit Wiedergabe der icöffnctcr Mündung durchs Leben erhalten. Die Oefl- uung der Grube wird immer enger und die Sinneszellen dadurch immer weniger zufälligen Angriffen ausgesetzt. Beim Meerohr (Haliotis) und bei Trochus nähern sich die ßänder schon sehr. Schliesslich communicirt sie mit der Ausseuwelt nur noch durch ein kleines Loch. Während bei dem früheren Zustande des Sehorgans nur Hell und Dunkel unterschieden wurde, kann jetzt das Licht von einem äusseren Objectpunkte in Folge der Kleinheit der Oeffnuug nur auf bestimmten Theil der Pigmentschicht fallen: es entsteht ein liild auf derselben. Beim Schifi's- boot (Nautilus) ist dieses Lochauge bleibend. Später wird die Grubenöffnuug, wie bei den gewöhnlichen Land- schnecken und anderen Gastropoden, mit einer durch- sichtigen Substanz geschlossen, weil hierdurch wieder Fremdkörper abgehalten werden. Diese Substanz, zuerst eine Flüssigkeit, bildet einen Tropfen, eine Kugel: die erste Anlage der Linse ist fertig. Das Auge ist dadurch um ein bedeutendes Stück vollkommener geworden. Die Lichtstrahlen werden genauer auf der Netzhaut vereinigt, ein grösserer Lichtkegel wird von jedem Object]ninkte zugelassen und so eine grössere Genauigkeit und Klarheit des Bildes erzielt. Die Grundlage für unser Auge ist geschafl'en. Die primitivste Camera obscura, welche Roger IJacon, Leonardo da Vinci oder Porta herstellte, bestand aus einem Kasten, in dessen vorderer Wand nur eine kleine Oeflfuung gelassen war. Ein zufällig auf diese Weise entstandenes Bild hatte ihnen den Weg zur Coustruction des Instrumentes gewiesen. Wie Porta dazu kam, eine Linse zu benutzen, ist nicht ül)erliefert. Vielleicht spielt bei dieser Erfindung derselbe Zufall mit wie in der Ge- Alterthume haben Wasser- nesis des Auges: Form geschliffenen Sehmuck- schon im tropfen und die in dieser steine dem Menschen ihre optischen Eigenschaften offen hart. Stephen Gray stellte 1(396 ganz gute Microscope dadurch her, dass er Wassertropfen in runde Löcher brachte, die in eine Platte gestochen waren. Die Camera obscura mit einer üeffnung in der Vorderwand, welche durch einen Wassertropfen — oder durch eine Linse — geschlossen ist, bildet die Grundlage des photographischeu Apparates. Das Auge erfüllt scinenZweck bedeutend vollkonuncncr als die Camera. Uebcrhaupt ist die Natur dem .Menschen weit voraus. Aber ihre Werke haben sich ebenso ent- wickelt, wie sich die Werke des Menschen entwickelt haben und jedenfalls auch weiter entwickeln werden. Ob der Mensch die Natur jemals erreichen wird"? — Das können wir dahingestellt sein lassen — jedenfalls weist die Natur ihn au, dass er udch mehr erreichen kann, als er bereits erreicht hat. Darum schaffe der Jlenseh weiter, und halte sich bei seinem Schaffen an die Werke der Natur; denn von ihnen kann er lernen! l'eber Niclitvererbbarkeit von Stiininiclscliwänzen bei Tliioreii. — Die Frage über die Vererbbarkeit von im Leben erworbenen ^Eigenschaften ist noch nicht hin- reichend geklärt, sie birgt noch manches Dunkele. Sicher- gestellt ai)cr dürfte sein speciell die Frage über die Vererb- barkeit vcin Verletzungen oder Verstünnindungen auf die Nachkonnnen. Sie muss nach dem jetzigen einschlägigen Wissen in negativem Sinne beantwortet werden. Die in der Litteratur mehrfach dafür angeführten Beispiele halten bei näherer Piüfung nicht Stand. Bekanntlieh wurden 1S87 auf der Naturfi)rsclierversammfung zu Wiesbaden schwanzlose kleine Katzen gezeigt, von einer Mutter ge- worfen, welche ihren Schwanz angeblich durch Ueber- fahren verloren haben sollte. Letzteres I^actum licss sich jedoch nicht genau constatiren. Der Fall war nicht cin- wandsfrei, um so mehr, da eine angeborene, vererbte Missbildung nicht ausgeschlossen war. Eine kurz- schwänzige Katzenrasse kcnnmt vor auf der Insel Man und entfernter an den Küstengebieten Japans. Ich bin iu der Lage, von einem neuen Fall zu lierichten, dass ein Stunnnelschwanz der Katze sich nicht auf die Jungen vererbt hat. Bei Gelegenheit der Praxis sah ich im Sommer 18'J4 in dem Dorfe Falkenberg (Kreis Luckau) eine trächtige Katze, mit einem 4 cm langem Stnnmiel- schwanz. Auf P)efrageu erfuhr ich bei dem Besitzer dieser Katze, dass sie denselben durcli llineingeratlien in ein XI. Nr. 41. Naturwisscnscliaftliche Wochenschrift. 491 Ratteneisen verloren habe, bereits vor dem Eintritt der Tr;lchfii>keit. Hier war also die bei Lel)zciten einge- tretene Schwanzverstüunneiung- vollständig- sichergestellt. leii verfolgte den Ausgang; die Katze warf vier Junge mit normalen Hchwauzen. Auch in den folgenden Jahren hat sie Junge geboren, die nicht verkürzt waren. Eine Analogie dazu bietet die künstliche Verkürzung der Sciiwänze in den Schafheerden bei uns in der Lausitz. Hier herrscht im Allgemeinen die seit Alters her geübte Sitte, den Matterlämmern den Schwanz zu kürzen. Man thut dies nach Angabe der Schäfer der leichteren Hegattung wegen. Das Verfahren ist Folgendes: Ein Mann hält das ^/4 jährige Mutterlamm unter dem Arm, während der Schäfer den Scliwanz anzieht und denselben bis auf circa 8 cm Rest quer mit einem Messer abschneidet. Irgend ein Verband oder Medikamente werden dabei nicht an- gewendet. In circa 14 Tagen ist die Wunde heil. Noch nie hat man beobachtet, obwohl dies Verfahren an vielen tausendeu lndi\idueu vorgenommen und seit Jahrhunderten geübt wird, dass schwanzlose oder stummelschwänzige Junge geboren wurden. Auch diese in anderen Gegenden herrschende Sitte hat nie eine Abnormität in der Schwanz- bildung gezeitigt. Zum Ueberfluss mag angeführt werden, dass diese Frage auch experimentell zu Ungunsten ent- schieden worden ist. Weismann hat weissen Mäusen Schwänze abgeschnitten. Von den 849 während 17 Genera- tionen gezogenen jungen Mäusen zeigte kein einziges Schwanzlosigkeit oder einen Stummelschwanz. Was bei diesen Sehwanzverstümmelungen beobachtet wird, gilt auch von anderen Verstünnnelungen des Körpers : Hunde, denen Schvv^nz und Ohr gestutzt wurde, vererben diese Artefacte nicht, selbst nicht in Zeiträumen von Jahrtausenden, wie Abbildungen in den aegyptischen Pyramiden beweisen. Abtragungen der Hörnerspitzen bei den Äladagassen vererben sich nicht auf die Nachkommen. Dasselbe beweisen eine Reihe von Verstümmelungen des menschlichen Körpers, wie sie nach alten Sitten und Ge- bräuchen seit Jahrhunderten bei manchen Völkern gang und gäbe sind, z. K. die Beschneidung bei den Semiten und anderen Stämmen auf der südlichen Halbkugel, die Verstümmelung der Fasse bei den Chinesen, der Köpfe bei den Indianern, der Durchbohrung der Ohrläppchen und Lippen, die Einschnürungen der Leber etc. — Kurz diese Beispiele zeigen evident die Thatsache, dass Ver- letzungen und Verstümmelungen wenigstens sich nicht vererben. Sanitätsrath Dr. Robert Behla. Zusatz der Redaction. — Herr Regierungsrath Moritz theilt uns freundlichst mit, dass in dem meck- lenburgischen Ostseebade Brunshaupteu schwanzlose Katzen regelmässig vorkommen. Der beobachteten Paarung eines ungeschwänzten Katers mit einer normalschwänzigen Katze entstammten drei Kätzchen, welche alle drei un- geschwänzt waren. In der Regel finden sich jedoch unter solchen Umständen in einem Wurf uormalschwäuzige Exemplare und solche ohne Schwänze. Nach den An- gaben eines älteren Ortsangehörigen gab es vor 25 Jahren daselbst keine ungeschwäuzten Katzen, während jetzt ungefähr die Hälfte aller Katzen im Orte uugesehwänzt sein sollen. Freilich bleibt es unklar, ob es sich hier um die schwanzlose Katzen -„Rasse" handelt oder ob ur- sprünglich einer Katze der Schwanz durch Gewalt ent- fernt worden ist. Die Frage nach der Vererbbarkeit erworbener Eigen- schaften ist aber doch noch längst nicht abgeschlossen. So theilt in geradem Gegensatz zu Herrn Dr. Behla Dr. Ludwig Wilser in einem lesenswerthen Aufsatz „Auslese und Kampf ums Dasein" (XII. Bd. d. Verh. d. Naturw. Vereins zu Karlsruhe), der ganz kürzlich erschienen ist, mit, dass seine Familie ein Beispiel von der Vererbbarkeit er- worbener Eigenschaften liefere. Er sagt: „Wer, wie z. B. der Arzt, mit offenen Augen ins Leben sieht, hat häufig Gelegenheit, die erbliche Uebertragung solcher P]igeu- schaftcn zu beobachten. Meine eigene Familie liefert folgendes Beispiel: meine Schwiegermutter hatte sich durch einen Sturz in der Jugend eine Verstauchung des kleinen Fingers der linken Hand zugezogen. In Folge der langdauernden Anschwellung hat sieh am ersten Fingerglied auf der Beugeseite eine weitere Zwischenfalte entwickelt. Diese sonst ganz ungewöhnliche l'alte hat meine Frau an einer, mein Zweitältester Sohn an beiden Händen. Freilich wird nicht jede Beschädigung vererbt; das wäre ja .scidinnn. Um Gestalt und Gesundlieit zu bewahren, hat die Natur zwei mächtige Hilfsmittel: die erhaltende Vererbungskraft, am stärksten bei den ältesten Eigenschaften, und die geschlechtliche Fort|)flanzung, die zusammen j'ede Abweichung vom Rassendurchschnitt zu verwischen streben. Um eine Vererbung zu Stande zu bringen, inuss entweder an länger dauernder Reiz — z. B. Entzündung bei Verletzungen — die erhaltende Ver- erbungskraft überwinden oder es müssen von beiden Elternseiten gleiche oder ähnliche Veränderungen oder Anpassungen zusannnentrefieu. Wo diese Voraussetzun- gen vorhanden sind, sehen wir fast immer Vererbung eintreten, ja Avir können sie sogar künstlich herbeiführen. Anhängern und Gegnern der Weismaun'schen Theorie sei folgender Versuch empfohlen: man impfe je ein Auge eines jungen Kaninchenpärchens mit giftigem Eiter, so dass das Auge durch Entzündung zu Grunde geht. Es ist Tausend gegen Eins zu wetten, dass unter den N^ach- kommen des Pärchens sich Thiere mit verkümmerten Augen befinden werden." Der Einfliiss verscliiedener Strahlengattiiiigeii auf die Pflanzeuentwickeluiig ist jüngst von dem bekannten französischen Forscher Camille Flamarion in seinem Observatorium zu Juvisy aufs Neue untersucht worden. Er brachte mehrere gleich weit entwickelte Sinupflanzen von je etwa 3 cm Höhe in verschiedene Gehäuse, welche durch einfarbige Gläser bewirkten, dass nur eine bestimmte Strahlengattung die Versuchspflanzen belichtete. Flam- marion wählte für seine Experimente rothcs, gi'ünes und blaues Licht, während eine vierte Gruppe zur Kontrolle dem gewöhnlichen Tageslicht ausgesetzt wurde. Dass im Uebrigen auf möglichst gleiche Bedingungen für die Ent- wickelung der Pflanzen geachtet wurde, braucht wohl kaum noch hervoi'^^ehoben zu werden. Das Resultat, welches sich 11 Wochen nach Beginn der Versuche ergal), war ein in mancher Beziehung sehr auffallendes. Es zeigte sich, dass die rothbelichteten Pflanzen sich bei Weitem am stärksten entwickelt hatten, denn sie hatten eine Höhe von 42 cm erreicht, während die dem grünen Licht ausgesetzten Pflanzen nur 1.') cm gross geworden waren und die von den blauen Strahlen getroflenen überhaupt keine A\"eiterentwickelung auf- zuweisen vermochten. Die Pflanzen dagegen, welche im vollen Tageslicht gestanden hatten, waren im Wachsthum noch hinter den grünbcleuchteten zurückgeblieben und hatten nur eine Grösse von 10 cm erlangt. Auch zeigte sich, dass die rothen Lichtstrahlen im Gegensatz zu den übrigen eine reiche Blüthcnentfaltung, eine grosse Em- pfindlichkeit und eine sehr helle Färbung der Blätter be- dingt hatten, während die dem blauen Licht ausgesetzten Pflanzen in jeder Beziehung die gegentheiligen Eigen- schaften aufwiesen. Aus diesen Versuchen ergab sich mit Nothwendigkeit der Schluss, dass die Strahlen mit relativ geringer Brechbarkeit (roth) wachsthumförderud seien, die stark 49-2 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XL Nr. 41. brechbaren dai^egeu nicht nur wenij^er förderlich, sondern sogar direct schildlich für die Entwickcluug der Pflanzen, denn sonst hätte das Tageslicht niciit dem rothen, ja sogar dem grünen Licht an günstigem Eiufluss nach- stehen können. Diese Folgeningen, zu denen die Flaniarionschen Beobachtungen nnljcdingt führen, stehen nun aber in scharfem Widers])rnch mit den Ergeljnissen mancher friUierer ähnlicher Experimente. Besonders die Untersuchungen von Sachs, über welche in dieser Zeit- schrift am 30. Septendjer lbU4 (Bd. IX S. 477) berichtet wurde, hatten zu einem fast entgegengesetzten Resultat geführt: Sachs hatte das die Pflanzen (Tropaeolnm majus) treffende Licht durch schwefelsaures Chinin seiner ultra- violetten Strahlen beraubt und hatte gefnnden, dass da- durch die Pflanzen in ihrer Entwickelung gehemmt wurden. Die Sachs'schen Versuche sind von Casimir de CandoUe wiederholt und bestätigt worden. Wie der Widerspruch der beiden sieher durchaus zuverlässigen und möglichst exacten Beobachtungen zu lösen ist, muss einstweilen dahingestellt bleiben. Die beschriebenen Autoren arbeiteten übrigens mit verschiedenen Plianzeu-Arten und so mag hierin die Al)- weiehung der Resultate begründet sein. H. Elemente gerailer Valenz. Auffällige Bezieliuiigen iinicrlialb des perio- dischen Systems der Elemente hat J. R. Rydberg gefunden. Schon vor 10 Jahren wies er in einer längeren, in schwedischer Sprache geschriebenen Abhandlung darauf hin (Bihang tili So. Vetensk. Akad. Haudl. 11, "No. 13, 1886), doch scheint damals die Kenntniss des betreffenden Aufsatzes nicht in weitere Kreise gedrungen zu sein. Neuerdings nun kommt Rydberg in einem Aufsatz über „Die neuen Grundstoffe des Cleveitgases'", welciie er in Wiedemann's „Annalen der Physik und Chemie" (189(5, No. 8) ver(')ftcntlicht iiat, auf seine damaligen Ideen zurück und glaubt in dem Verhalten des Argon und Helium eine Bestätigung seiner Theorie zu finden. Rydberg stellt nämlich folgenden Satz auf: „Wenn man die Atomgewichte der Grundstoffe, welche die ersten Reihen des ])eriodisclicn Systems bilden, auf ganze Zahlen abkürzt, bekommt man für die (Grundstoffe ungerader Valenz ungerade Zahlen von der Form 4n — 1 und für diejenigen gerader Valenz gerade Zahlen von der Form 4n. Genauer verfolgen lässt sich dies Gesetz bisher nur an den ersten 24 bekannten P^lemcnten. Folgende Tafel wird dies zeigen. p]s ist dabei zu bemerken, dass für das Argon (Atomgewicht 19,94) das Zeichen ..4 eingeführt wurde, für Helium (Atomgewicht 4,0) die Abkürzung He, während die Bezeichnung Pa sieii auf ein noch zweifel- haftes, neues Element bezieht, das sich noch neben dem Helium in den Gasen des Clevcit zu flnden scheint und deshalb einstweilen den provisorischen Namen Parhelinm erhalten hat. Elemente unt. 'crade r Valenz. SiKiiatiii- des Elements Pa Li B N Fl Na AI Atoragewiclit ■? 7,01 10,9 14,01 19,06 22,995 27,04 4n— 1 3 7 11 15 l'J 2ü 27 iSi{;natui' des Elements P Cl 35,37 K Sc — V Mn Atomgewicht 30,96 39,oa 43,97 — 51,1 ^4,8 4n— 1 31 35 39 ■13 ■17 51 55 Sifi:n;itur dos Elements He Bc c U A Mg öi Atomgewicht 4,0 9,03 11,97 15,96 19,94 24,3 28,:! 4n 4 s 12 i<; ■20 24 2S Signatur des Elumenls S l'ii Ti fr Fr Atomgewiclit 31,98 — 39,91 — 48,0 5-2,0 55,88 4n 32 36 40 44 48 52 5G Wir finden also in dieser Tabelle ausser der Stelle, welche das zweifelhafte Pa einnimmt, noch drei Lücken (Atomgewicht 36, 44, 47), die dereinst durch Elemente ersetzt werden müssten. Ausserdem aber zeigen sich bei drei Grundstofl'en (N, Bc, Sc) Abweichungen der durch Versuche ermittelten Zahlenweithe des Atomgewichtes von dem theoretisch erforderten. Doch scheint die merk- würdige Gesetzmässigkeit der Tabelle darauf hinzudeuten, dass jene Abweichungen wohl nur scheinbare sind und vielleicht aus nicht ganz genauen Beobachtungen zu er- klären sind. Gerade bei so seltenen Elementen, wie Beryllium und Scandium es sind, hat eine derartige An- nahme genug Wahrscheinlichkeit für sich, und was den Stickstoff anbetrifft, so hat ja erst die Entdeckung des Argon gelehrt, wie oft in den älteren Bestimmungen der scheinbar ganz reine StickstofI' verunreinigt gewesen sein muss. Ebenso wird man die Nichtbestätigung des Ryd- berg'schen Gesetzes bei den Elementen nut einem Atom- gewicht über 56 oder die Bedenken gegen die Zulässig- keit der Abrun:lnng auf ganze Zahlen bei den Atom- gewichten nicht ohne Weiteres als schwerwiegenden Grund gegen die sicher sehr auffallende Gesetzmässigkeit der ersten 24 Elemente anführen können. Eine neue Synthese der Harnsilnre und ihrer Methylderivate bieten Emil Fischer und Lorenz Ach. (Ber.'D. Chem. Ges. 28, 2473.) — Bekanntlich haben sich bereits Liebig und Wöhler vergeblich bemüht, die Harnsäure aus üraniil und Cyansäure aufzubauen; später ist es Schlieper und Baeyer gelungen, durch \'erwen(lung von cyansauieni Kali die um ein MolekiU wasserreichere Pscudoharnsäure zu gewinnen. Durch Abspaltung von Wasser aus dieser Verbindung musste man zur Harn- säure gelangen, allein die Anwendung der bekanntesten wasserentziehenden Mittel führte merkwürdiger Weise zu keinem Ergebniss, sodass man schliesslich davon Abstand nahm, die Harnsäure auf diesem Wege zu bereiten. Inzwischen war Horbaczewski durch Erhitzen von Glycocoll und Harnstoff synthetisch zur Harnsäure ge- langt, ihm folgten Behrend und Roosen, die die Harn- säure durch Einwirkung von Isodialursäure auf Harnstoff bei (Jegenwart von Schwefelsäure erhielten; aber die complicirten j'hasen, durch die die letzten Forscher schliesslich zum Ziele gelangen, sind schlecht geeignet, dem weniger Vorgeschrittenen ein klares Bild von dem synthctisciien Aufbau der Harnsäure zu gewähren. — Die Ansicht, dass es trotz aller bisherigen negativen Ergebnisse schliesslich doch gelingen würde, die Pscudo- harnsäure durch Wasserentzichnng in Harnsäure iUjcrzu- fiUn-en, hat Fischer und Ach veranlasst, dies Problem wieder aufzunehmen, und es gelang ihnen endlich, in der schmelzenden Oxalsäure das geeignete wasser- entzichcndc Mittel zu flnden. Die neue Synthese der Harnsäure ist aus praktischen wie didaktischen Gründen XL Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 493 bei weitem derjenigen von Behrend und Roosen vorzu- ziehen, da sie eine Reihe ghitt verlaufender und iciubt verständlicher Reactionen darstellt : Harnstoff und Malonsäure geben Malonylharnstoff: CO .NHo HOOC \ NH . COs NNH^^HOOC/*^"^ = ^^\NH . co/^'"-^'^"-*^* durch Einwirkung von salpetriger Säure erhält man hier- aus die Isonitrosoverbinilung, die Violursäurc /NH— C0\ ^0 = NO«' die bei der Reduetion Uramil = Amidobarbitursäure /NH • C0\ ^«N^^^ ergiebt. Weitere Einwirkung von cyansaurern ]>Caii i'iilirt zur Pseudoharnsänre, die Fischer niitttels Oxalsäure, wie folgt, in Harnsäure: ,NH— C— NH CO co: C— NH ^NH— CO (Harnsäure) überführt. Eine abgewogene Menge Oxalsäure wird in einem passenden Glasg-efäss geschmolzen und in die Schmelze der liundertste Gewichtstheil Pseudoharnsäure eingetragen. Bei \ib^ hat sich die Pseudoharnsäure gelöst und bei 185" ist die Reaction beendet. Während des Erhitzens hat sich bereits der grösste Theil der Oxalsäure verflüchtigt, der Rest geht beim Be- handeln mit Alkohol in Lösung; als Rückstand iiinter- bleibt die Harnsäure in fast reinem Zustand. Mannig- fache Versuche erwiesen nach völliger Reinigung des Productes die vollständige Identität mit der natürlichen Harnsäure. Durch Schmelzen der Dimethylpseudoharnsäure mit Oxalsäure erhält Fischer in analoger Weise die ;'-Dime- thylharnsäure CH3.N— CO CO C-NH CH, -N — C-NH CO , die aus Wasser in schönen Nadeln oder Prismen krystalli- sirt. Das Bleisalz dieser Verbindung liefert beim Erhitzen mit Jodmethyl /i/Trimethylharnsäure CH3 • N • CO CO C-NH CH3 . N • C . nTcHs deren Structur einerseits aus der der Dinictiiylhai-nsäure, andererseits aus der Spaltung in Kohlensäure, Methyl- amin und Glycocoll folgt. Durch Eriiitzen des Bleisalzes der /if-TrimcthyllKun- säure mit Acther und Jodmethyl resultirt schliesslich die bekannte Tetramethylharnsäure : CH3 • N • CO CO C-N-CHa ! 1 ^^^--"<^ö CHa-N • C-N-CHj. Dr. A. Speicr. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Privatdocont für Thierheilkunde in Kiel Dr. Georg SehneidemüliI zum ausserordentliclien Pro- fessor; der Repetitor an der chirurgischen Klinik in Berlin Dr. med. und phil. Eber lein zum Docenton der thierärztlichen Hochschule und Leiter der Poliklinik für grosse Hausthiere da- selbst; Prof. Dr. Ostertag zum ordentlichon Professor des neuen Lehrstuhls für Hygiene an der Berliner thierärztlichen Hoch- schule; der Inspector für Sanitätswesen in Kairo Dr. Heinrich Bitter zum Director der Hygieneanstalt daselbst. Es habilitirten sich: Dr. Haskover für Neuropathologie und Dr. Scherer für Krankheiten der Neugeborenen und Säug- linge an der böhmischen Universität Prag. Es starben: Der Mathematiker und ehemalige ordentliche Professor der Phil(iso|)hie in Leipzig M.W. Drobisch, der Vor- kämpfer der Herliart'schen Schule; der Chirurg und Anatom Sir George Murray Humphry; der Director a. D. der Taub- stummenanstalt in Leipzig Schulrath Dr. Eichler; der Professor der Mathematik am Polytechnikum zu Riga Gustav Kiese- ritzky; der Professor der Geologie an der Harvard-Univcrsity zu Chicago Whitney; der Mathematiker Guiseppe Zurria; der verdiente französische Arzt Prof Dr. Jules Rochard; der Missionar und Naturforscher Abbe. Dalavay; der Clief-Redac- teur der Revue horticole Elie Abel Carriere in Montreuil bei Paris. L i 1 1 e r a t u r. Prof. Dr. Rud Arendt, Bildungselemente und erziehlicher Werth des Unterrichts in der Chemie an niederen und höheren Lehranstalten. Zweiter unveränderter Abdruck. Leopold Voss. Hamburg und Leipzig 18'J5. — Preis 2 M. Ursprünglich bildete die obige Schrift die Einleitung zur „Technik der Experimentalchemie" von demselben Verfasser. In der vor einiger Zeit erschienenen zweiten Auflage der Technik ist diese Einleitung weggelassen ; nun erscheint sie als besondere Schrift und zwar in völlig unverändertem Abdruck. Der letztere Umstand wird den Leser an einzelnen Stellen eigen- thümlich berühren, so, wenn Seite 33 Hinweise gegeben werden auf andere Stellen, die doch jetzt dem Buche garnicht mehr an- gehören und wenn selbst dabei nicht einmal die neue Auflage der Technik, sondern nur die alte berücksichtigt wird, oder wenn in der Kennzeichnung der Lage des chemischen Unterrichts an den Schulen die Veränderungen seit 1881 garnicht berührt werden. Es wäre nach meinem Dafürhalten am Platze gewesen, wenn wenigstens in Anmerkungen, die ja am Schluss hätten angefügt werden können, der veränderten Sachlage wäre Rechnung getragen worden. Die Schrift behandelt in meist eingehender Weise zunächst die Bedeutung des naturwissenschaftlichen Unterrichts für die Bildung überhaupt, darauf die besondere Stellung des chemischen Unterrichts zu den übrigen Zweigen des naturwissenschaftlichen Unterrichts und endlich die Methodik des chemischen Unter- richts. Bezüglich des ersten Theiles liegt es ja leider meist so, dass gerade diejenigen, für welche er berechnet ist und welche den meisten Nutzen davon haben könnten, nämlich solche, welche diesem Unterricht selbst ferner stehen, nur selten derartige Schriften lesen. Die Erörterungen über die Stellung des chemi- schen innerhalb des gesamniten naturwissenschaftlichen Unter- richts, dass er nämlich der Unterricht in der inductiven Er- fahrungswissenschaft im eigentlichsten Sinne ist, verdienen im Ganzen Zustimmung; aber die Vertreter des naturgeschichtlichen Unterrichts werden mit mancher Bemerkung bezüglich tles letzteren durchaus nicht einverstanden und aus solchen Bemerkungen auf nicht genügende Vertrautheit des Verfassers mit diesem Unter- richt zu schliessen geneigt sein. Es meint z. B. der Verfasser, dass der botanische und zoologische Unterricht nur übe in der Bildung klarer Anschauungen und Begriffe, dass die Behaniilung von Theilen der allgemeinen Botanik doch volle Beherrschung des descriptiven Theiles voraussetze, dass das Ziel des natur- geschichtlichen Unterrichts klar festgestellt und fast einhi'itlich angenommen sei. Er erkennt ferner z, B. nicht den inneren Unterschied der natürlichen Systematik der Lebewesen und der Gruppenbildung der chemischen Elemente. Wenn er endlich in der Anzahl der naturgeschichtlichen Stunden in den unteren Klassen eine Bevorzugung dieses Gegenstandes sieht und für eine Einführung des physikalischen und chemischen Unterrichts weiter hinunter eintritt, so ist doch dazu zu beuuu'kcn, dass wenigstens in den realistischen Vollanstalten die (Jhemie- uiul Pliysik-.Stunden in den oberen Klassen schwerer wiegen als die 12 naturgeschichtlichon Stunden der vorhergehenden Klassen — für 2 Stunden Physik in Obersecunda oder Prinui gebe ich gern, bemerkte ein bek.-innter Vertreter des Pliysik-l'nterriclits auf einer der Versainndungen der betrett'endeu Fachlehrer gegenüber ähnlichen Wünschen, ü Stunden 494 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 41. in den unteren Klassen hin — und dass, wenn von den 2 natur- fjesehichtliehen Wochenstundon der Unter- und Mittellilassen ein Tlieil abgegeben werden sollte für Chemie, wahrscheinlich beide Unterrichtsfächer so gut wie nichts bei solcher Verzettelung würden leisten können. Die hervorragenden Verdienste des Verfassers um die Me- thode des chemischen Unterrichts sind bekannt und es wird so leicht kein Lehrer der Chemie, der sieh um seine Aufgabe ge- wissenhaft bemüht, unterlassen Kenntniss von derselben, wie sie Arendt herausgebildet hat, zu nehmen. Den Lesern der Wochen- schrift wird sie meist aus den mehrfachen V^eröfl'entlichungen des Verfassers bekannt sein; es genüge daher, hier darauf hinzuweisen, dass Arendt im Gegensatz zu dem systematischen Unterricht, der den Stotf nach den chemischen Elementen ordnet, unter Betonung des Grundsatzes vom „Leichteren zum Schwereren" die Anordnung des Stoffes nach der leichteren oder schwereren Verständlichkeit des chemischen Vorganges trifft, also mit den einfachsten Syn- thesen beginnt und zu immer verwickeiteren Vorgängen fort- schreitet. Dass er dabei wesentlich die Synthese in den Vorder- grund stellt, bildet den wichtigsten Unterschied gegen Wilbrandt, Zu den Aussetzungen und Anschauungen des Letzteren nimmt Arendt im Schluss-Theile Stellung. Dr. E. Schmidt. Prof. Dr. A. Bodel, Aus Leben imd Wissenschaft. Gesammelte Vorträge und Aufsätze. Mit 50 Figuren. L Theil. J. H. W. Dietz in Stuttgart. 1896. — Preis 1,60 M. Ueber den Inhalt orientirt am besten die Inhaltsangabe, die wir in Folgendem bieten. Die im vorliegenden Theil gebotenen Vorträge und Aufsätze fasst Verf. unter dem Titel „Leben und Tod" zusammen. Nach einer kurzen Einleitung sucht er die Frage zu beantworten „Was ist Leben'?", um sodann 2. aus der Geschichte von der Anschau- ung des Lebens Mittheilungen zu machen, 3. die Baustofl'e des lebendigen Leibes zu besprechen, sodann 4. das Protoplasma, 5. den Zellkern, 6. die Zeugung, 7. die Folgen der Befruchtung. 8. das biogenetische Grundgesetz, 9. die Unterschiede zwischen Thier und Pflanze, und 10. in ihrer Ernährungsweise, 11. das active und latente Leben, die Athmung, 12. das Leben als Auf- bau und Zerstörung, 13. die Frage von der Lebenskraft und end- lich 14. Geist und Materie, Tod und Unsterblichkeit zu besprechen. Verf. sucht also in dem vorliegenden Bändchen das Principielle, Wesentliche der Biologie in populärer Form vorzubringen, und dasselbe ist denn auch geeignet, als eine Einführung zu dienen. Verf. steht auf dem materialistischen Standj5unkt eines Vogt und Büchner, die diesen Standpunkt mit so grossem Geschick und Muth verfochten haben. Wenn wir den freundlichen Leser daran erinnern, dass wir speciell denselben zu vertreten nicht in der Lage sind, wie aus den Aufsätzen über die Philosphie der reinen Erfahrung in der „Naturw. Wochenschr." hervorgeht, so soll da- mit nicht im mindesten ein tiefer gehender Tadel ausgesprochen werden, denn wir wissen sehr gut, dass die naturwissenschaftliche Forschung den Ehrlichen eher und zunächst zum Materialismus führt als zum Gegentheil, Diese Richtung hat aber ernstlicher, trotz verbreiteter Ansicht, in der Naturwissenschaft doch immer noch nicht genügende Beachtung gefunden, mit anderen Worten, es ist von dieser Seite aus noch immer nicht hinreichend versucht worden, sie zu vertiefen, sonst wäre sie längst gänzlich abgethau. Doch wir wollen hier keine philosophische Vorlesung halten, son- dern nur noch darauf aufmerksam machen, dass ja die seelischen Werthe bisher als ein Bestandtheil in einer Kette aufeinander- und auseinanderfolgender Kraftwirkungen nicht constatirt werden konnten: und so lange das nicht möglich ist, fehlt dem Materia- lismus jeder Halt. P. Dr. F. Hock, Laubwaldflora Norddeutschlands. Eine pflanzen- gcographi.scbe Studie (^Fi^rschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde. IX. Bd. Heft 4). ' J. Engelhorn. Stuttgart 1896. — Preis 2,70 M. In vorliegender Arbeit sind die Kesultatc verschiedener voran- gehender Stildien über Formations- und Associationsverhältnisse in der Laubwaldflora Norddeutschlands zusammengefasst und (er- gänzt. Da diese Arbeit also einen gewissen Abschluss bildet, möchte Verf., an den von Seiten der Redaction diesiM- Zeitschrift die Bitte um einen Bericht über diese Arbeit erging, die Gelegen- heit benutzen, hier noch einmal kurz die Hauptresultate zusammen- zustellen, um gleichzeitig auf einige Ungenauigkciten hinzuweisen. Nach einer kurzen Einleitung, in welcher die Arbeit als noth- wendigo Ergänzung der vom Verf. in gleicher Sauunlung vor einigen Jahren erschienenen Studie über die „Nadelwaldflora Norddeutschlands" bezeichiu't wird, folgt zunächst ein Ueberblick über die geographische Verbreitung der norddeutschen Laubbäume, wo bei den bestandbildenden auch auf die Verbreitung ausserhalb des Gebietes hingc^wiesen wird, unter welche letztere Gruj)pe allerdings die Birke wohl noch hätte aufgeuonmien werden müssen, da sie doch nicht selten kleine Bestände bildet, was bei der Espe, mit der sie unrichtiger Weise verglichen, nur im äussersten Nordosten der Fall. Eine Berichtigung auf Grund einer nachträglichen Veröffentlichung Weber's verdient Acer platanoides, die jetzt auch für Schleswig-Holstein als spontan erwiesen ist. Der zweite Hauptabschnitt behandelt den Formationsbestand der Laubwälder Norddeutschlands und zwar wird zunächst eine Uebersicht über die Brandenburger Laubwaldflora gegeben, wobei die Eintheilung entsprechend d^r früheren Studie in Gehölz, Ge- sträuch (hier ist aus Versehen die in späteren Abschnitten berück- sichtigte Lonicera Xylosteum ausgelassen), Gestände, Gekraut (hier wären nach brieflicher Mittheilung von Herrn Prof. Ascherson noch Omphalodes scorpioides [Magdeburger Gebiet, Niederlausitz], Draba muralis [Saalberge bei Dessau im Laubwald, dagegen bei Burg am grasigen Abhang], Thlaspi alpestre [oft an buschigen Dämmen, allerdings häufiger aufwiesen] und Symphy- tum tuberosum [Würlitz in Eichenbestand] nachzutragen), Gehälm, Geschlinge, Geäst, Geblätt und Gehölz beibehalten wird. Die in der Brandenburger Flora (im Sinne Ascherson's) fehlenden, abor im übrigen Norddeutschland vorkommenden Laubwaldpflanzen werden daran angeschlossen. Eine Betrachtung über die Laub- waldbestände beschliesst den Abschnitt. Der dritte Hauptabschnitt enthält Untersuchungen über Ge- nossenschaften in der norddeutschen Laubwaldflora, von denen ein allgemeineres Interesse diejenigen verdienen, welche mit einem oder mehreren Bäumen eine grössere Aehnlichkeit in der Gesammt- verbreitung zeigen, zumal da einige Arten derselben auch meist an die Nähe dieser Bäume gebunden sind. (Eine Waldpflanze, die streng an bestimmten Baumbestand gebunden ist, scheint es überhaupt nicht zu geben; vereinzelte Ausnahmen kommen auch bei den treuesten Begleitern vor). So können nach ihrer Gesammt- verbreitung als Buchenbegleiter bezeichnet werden besonders: Ranunculus* lanuginosus, Dentaria* bulbifera, Hypericum mon- tanum, Acer Pseudoplatanus, Circaea intermedia, Hedera Helix, Phyteuma* spicatum, Vinca minor, Veronica* montana, Lysi- machia nemorum, Primula elatior, Quercus sessiliflora. Carpinus Betulus, Arum* maculatum, Cephalanthera* grandiflora, C* Xipho- phyllum, C. rubra, Allium ursinum, Melica* uniflora, Festuca sil- vatica, Elymus* europaeus, von denen die mit * bezeichneten auch meist auf Buchenbestand beschränkt sind. Diesen schliessen sich einige weniger verbreitete Arten an, von denen namentlich Jlex aquifolium. Primula acuulis und Epipactis microphylla noch recht nahe Beziehungen zur Buche .zeigen. Eine zweite Genossenschaft aus der Laubwaldflora Nord- deutschlands, die in einer nachträglich in Engler's botanischen Jahrbüchern (XXII, 545—576) erschienenen Arbeit noch eingoheud(u- betrachtet ist, schliesst sich an die Schwarzerle (und die mit ihr in der Gesammtverbreitung ziemlich übereinstimmende Stieleiche). Die wichtigsten Arten dieser Gruppe sind (die in Klammer ge- nannten schliessen sich näher an die Stieleiche als an die Erle): Ranunculus auricomus, Hypericum tetrapterum, (Acer plata- noides), (Evonymus europaeus), Frangula Alnus, Geum urbanum, (Pirus Malus), (P. communis), Eupatorium cannabinum, (Fra.xinus excelsior), Solanum Dulcamara, Stachys silvatica, Ajuga rei)tans, (Ulmus campestris), (Corylus Avellana), Betula pubescens, Carex remota, Festuca gigantea, (Brachypodium silvaticum), Polystichum cristatum. W^eniger Interesse verdiente eine dritte sich in der Gesammt- verbreitung eiuigermaassen an Espe (und Birke) anschliessende Gruppe von Pflanzen, da die Arten derselben standörtlich nur wenig Beziehungen zu diesen Bäumen zeigen. Der vierte Hauptabschnitt der Arbeit, welcher auf die Geschichte der Laubwaldflora eingeht, ist naturgemäss vielfach recht angreifbar, da die Daten, auf welchen er basirt, die namentlich auf Mooruntersuchungen beruhen, nur verhältniss- mässig gering sind, im Uebrigen aber Theorien zur Hilfe ge- zogen werden müssen. Verfasser sucht darin als wahrscheinlich zu erweisen, dass die Pflanzen, welche in ihrer Gesammtver- lireitung (und oft auch im Bestände) nahe Beziehungen zu einem Baume zeigen, auch etwa gleichzeitig mit demselben unser Land erreicht haben, dass also nicht nur die Buche der jüngste bestand- bildende Baum Norddcutschlands (abgesehen von den überhaupt nur wenig in das Ebenengebiet hineinreichenden Fichten und Tannen), die Espen und Birken, die zuerst nach der Eiszeit ein- gewanderten Bäume, sondern dass auch die Begleiter des ersteren Baumes für unser Gebiet meist wesentlich jünger als die der letzteren sind, während die Kiefer oiner.seits, die Stieleiclie und Erle andererseits nebst ihren Begleitern eine vermittelnde Stufe zwischen diesen Extremen bilden. Dass hier noch vielfach weitere Untersuchungen Ergänzungen und Berichtigungen bringen, ist Verfasser ganz unzweifelhaft, er betrachtet daher selbst diese Untersuchungen als hypothetische. Hück-Luckenwalde. Nansen's Nordpolfahrt 1893—1896. Verlagshandlung G, Freytag it Bernilt, \Vieii Vll,i. — Preis O.oÜ M. Unter tliesem Titel bringt der genannte Verlag ein hübsches, kl.ires, farbiges Kärtchen der Polarländer, auf dem die Route XI. Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 495 Nanspn's, des „Fram", sowie die der wichtigsten bisherigen Nord- polexpeditionen mit den erreicliten nördlichsten Punkten ein- gezeichnet sind. Auch Andrces projectirte Ballonfahrt ist einge- tragen. Ausserdem enthält das Karteublatt auf der Rückseite eine Schilderung der Reise Nansen's und dessen Porträt, sowie eine Abbildung des „Fram". Wir benutzen die Gelegenheit, als Nachtrag zu unserer Schil- derung über Nansen's Nordpolfahrt (vergl. den vorliegenden Band der Naturw. Wochenschr. Nr. 36 S. 431) den Lesern ein Kärtchen der genannten rührigen Verlagshandlung zu bieten, das über- sichtlich die Reise Nansen's und des Fram zur Anschauung bringt ebenso wie die DurclK(uerung Grönlands 1888, von der wir No. 74: Claude Louis Berthollet: Untersuchungen über die Gesetze der Verwan d tsch af t (1801). Herausgeg. von W. Ostwald. 1896. — Preis 1,80 M. No. 75: Axel Gadolin, Abh.widlung über die Hor- Icitung aller kry stall ograph ischen Systeme mit ihren Untorabtheilungen aus einem einzigen Principe (1867). Mit 26 Texttig. und 3 Tafeln. Deutsch herausgeg. von P. Groth. 1896. — Preis 1,50 M. Es wäre ganz müssig, einem Naturfoscher gegenüber die Be- rechtigung zu boi'ründen, die berühmte Untersuchung Kirchhotl"s und Bunsen's in der Klassiker-Serie zu veröffentlichen: Der ge- waltige Einfluss, den die Schrift geübt hat, ist zu bekannt. Die Kartogr. Anstalt t. tl. FIIKYTAG & BERJiDT, Wien. übrigens Bd. IV Nr. 37 S. 289 schon eine kartographische Dar- stellung gegeben haben. Auch andere bemerkenswerthe Einzel- heiten der Nordpolforschung sind auf dem Kärtchen vergleichshalber eingetragen; so die Stelle des Untergangs der Jeannette. so\\ic die nördlichsten von Payer (1874), Parrv (1827), Lockwoud (1882), Markham (1876) erreichte Punkte. Auch der magnetische Pol nndet sich eingetragen. Ostwald'a Klassiker der exacten Wissenschaften. Wilhelm Liigeliiiaiin in Leipzig. No. 72: G. Kirch hoff und U. Bunseii: Chem isc he Analyse durch Spectralboobachtungen (1860). Herausgegeben von W. Ost wal d. Mit 2 Tafeln und 7 Textfiguren. 1895. — Preis 1,40 M. farbigen Spectraltafeln sind vorzüglich reproducirt worden. Der Preis dieses und der folgenden Hefte ist namentlich wegen der Tafeln in den Heften 72 und 75 sehr massig und dabei vergesse man nicht, dass sie gleich cartonnirt abgegeben worden. Heft 74 ist gerade zur Zeit, die wieder Hervorragendes über die chemische Verwandtschaft geleistet hat, sehr am Platze. Es wird Vielen genehm sein, die wichtigste ältere Schrift zu be- sitzen, welche mit den heute vorgebrachten Ansichten über den Gegenstand die meisten Berührungspunkte besitzt. Heft 75 führt der Herausgeber Groth mit den Worten ein: Unter den Arbeiten, welche wesentlich zu der in neuester Zeit erreichten, definitiven Feststellung der Systematik der Krystallo beigetragen haben, gehört in erster Linie diejenige Axel Gadolin's. Inhalt: F. Paul Liesegang, Das menschliche Auge und die photographische Camera. — l'eber Nichtvererbbarkeit von Stummel- schwänzen bei Thieren. — Der Kiiifluss verschiedener Strahlengattuiigeu auf die Ptlanzenentwickelung. — Auffällige Beziehungen innerhalb des periodischen Systems der Elemente. — Eine neue Synthese der Harnsäuri' und ihrer Methylderivate. — Aus dem wissetischaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Dr. Rud. Arendt, Bildung.selemento und erziehlicher Werth des Unterrichts in der Cheiiiii! an niederen und liöhercn Lehranstalten. — Prof. Dr. A. Dodel, Aus Leben und Wissenschaft. — Dr. F. Hock, Laub- waldflüia Norddeutschlands. — Nansen's Nordpolfahrt 1893— 1896. — üstwald's Klassiker der exacten Wissenschaften. 496 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XL Nr. 41. ünsei-e ausgedehnten Nympbaciicüünkulturen setzen uns in den Stand alle Arten von Aqnarniniiidasizeii zu äusserst billigem Preis und in einer tadellosen, vollkommenen Beschaifenheit zu lietVru. Da die Pflanzen des Aquariums einer zeitweiligen Erneuerung bedürfen, so wird unser Angebot allen A(|nariuuit'reunden ein selir willliouinienes sein. Wir empfehlen eine IBustersammlung von kräftigen Pflanzen der 10 empfehlenswertesten exotischen Arten für 3 W., Kiste und Ver- packung eingeschlossen, nakropodenzuchtpaare 2—5 DI. Man verlange unsere rrielilialtig'' Preisliste! (■ärtuerei Celir. Harster, Speyer a. Kli. I Photographische Apparate und Bedarfsartikel. S|ii'riaiitiit; >»pi«>{Jt'l-<_"«IBieraüi. Sind die praktischsten Hand-Apparate. 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Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12 erschienen: Sternliarten in gnomonischer Projection zum Einzeichnen von Meteorbahnen, Nordlichtstrahl en, Cometenschweifen, leuchten- den Wolken, Zodiakallicht und anderen Himmelserscheinungen zugieicli als Repetitlonsatlas für das Studium der Sternbilder entworlen und bearbeitet von Dp. phil> Carl Rohrbach. HerausKCceben von der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik. ^= In 13 Seetioneii: ^= IV. Serpens. VII. Aquila. X- Noriua. I. t'ygnus. 11. Ursa major. V. Cancer. III I'crseus. VI. Pisces. VII. Aquila. VIII. Corvus. IX. Eriilanus. XI. Argo navis. XU. Phoenix. In Ferd Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12 erscheinen: Mitteilungen der Vereiiiipiig ?ou Freiiudeu der Astroiioiiile iiud komisclieii Ptiysili. Uedigiert von Prof. Dr. W. Foerster zu Berlin. Jäbrlieh 10-12 Hefte gr. 8". PiH'is pro Jahrg-aii;? 0 JI. Man abonniert bei allen Buehhandlungen und Postanstalten. Die Mitglieder der genannten Vereinigung erhalten obige Mit- teilungen gratis. Beitrittsoi-klärungen sind an den Sehriftführer der Vereinigung, Herrn l)r. P. Schvvahn, Berlin SW., Kreuzbergstr. 71 zu richten. Ferd. Dümmlers Yerlagsbuchhandlung in Berliü SW. 12. In uuserm Verlage erschien: Ueber Tundren und Steppen der Jetzt- und A'orzeit mit besonderer Beriic,ksi(htii;uni; ihrer I*''auna. Von Dr. Alfred Nehring, Professor der Zoologie und Voistchcr der zoologischen Sannnliingcn an der Königlicbcn landwirlhschalHichcn Hochschule zu Itcrlin. Alii I Abbildung im Text und i Karte der Fundorte. 266 S. gr. 8". Preis 6 Mark. 7m hexieluti durch alle, littrhhinidlaunen. Diese Sternkarten werden geliefert: als Atlas (je 1 Ex. der 12 Karten enthaltend) in Lederrapierumschlag geh., als Block du E.x. einer Karte enthaltend) auf Pappe, mit Gebrauchsanweisung. Exemplare des Atlas oder der Blockausgabe sind zum Preise von I Mark durch jede Buchhandlung zu beziehen. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. VI Zimmerstrasse 94. Vor Kurzem erschien: Über geographische Ortsbestiiinmiugeii ohne astronomische Instrumente. Von l»iof. Dr. 1». Harztr, Director der Ilerzoglicheu Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. (Sonder-Abdruck aus den Mittellungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik.) 5y Seiton Lex. 8». — Preis l,2ü M. Eleiueiitiire Kechiiuiigeii aus der mathematischen Geographie riir rreinulc der Astronomie iu ausgewählten Kapiteln gemeinverständlich begründet und vorgeführt von O. Weidefeld, ObciTu.s.surz( a. I>. und Milf;lii'd der Vereinigung von Freunden der Aslronomie aud kosuiiscln-u l'liy.sik. _- - - Mit einer Figiircntafcl. ^— Ü4 Seiten gr. 8". Preis 2 Mark. Zai beziehen durch alle Buchhandlungen. V.'rantwortlicher Kedacteur: Dr. Henry Potonie, tir. Licliterfelde (l'.-B.) bei Berlin, Potsdainerstr. 3J, tur den Inseratenthei Bernstein in ßtirlin. - Vorlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstem, Berlin SW len Inseratentheil: Hugo " 12. Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag:: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XL Band. Sonntag, den 18. October 1896. Nr. 42. Abonnement: Man aboiinirt bei aüeu BuchhandlunKeu und Post- y Inserate: Die vierRespaltene Petitzelle 4U ^. Grössere AufträKe enl- iiistalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist ..« 4.- (3& sprechenden Rabatt. Beilagen nach Ueberelnkunft. Inseratenannahme BnneeKeld bei der Post l.i -i extra. Postzoitimtisliste Nr. 4s27. Jl- bei allen Annoncenbureaax wie bei der Expedition. .4l>drnck iMt nar mit vollHtändiser ^aellenantfabe t;e««tattet. Java's Flora. Von E. Fürst. Unter all dem Schönen, das auf Java des Be- suchers Auge gleichsam um die Wette auf sich lenkt, giebt es nichts, das zur Schönheit des Landes mehr bei- trägt, als das diese Insel schmückende iirächtige Pflanzen- kleid. Wärme und Feuchtigkeit, die beiden Haupt- bedingungen zu einem kräftigen, üppigen Pflanzeuwuchs, .sind hier beide in hohem Grade vorhanden, dazu kommt ein besonders geeigneter Boden, und diese Factoren bringen eine Vegetation zu Stande, wie sie ein anderes Land kaum aufzuweisen vermag. Allerdings hat, in aus- gestreckten 'J'heilen der Insel, der natürliche Pflanzeu- wuchs den Ciilturpflanzen das Feld geräumt, und die Riesen der Urwälder haben vielfältig niedrigen Pflanzen Platz gemacht, welche den Menschen Kleidung und Nahrung verschaffen, doch hat die Schönheit des Landes dabei mehr gewonnen als verloren. Das zarte Grün der Reisfelder, al)wechselnd mit den reizenden Dortwäldchen, in welchen die Wohnungen der Inländer verborgen liegen, die glänzend grünen Blätter der Kaffeesträucher, zwischen welchen erst die schneeweisscn Blütheu, dann die carminrothen Früchte funkeln, während die dünneu Kronen der Schattenbäume sich mehr als oO Fuss hoch über ihnen ausbreiten, bieten in ihrer Art nicht weniger anziehende Bilder als der Urwald, in welchem jeder Ricseustamm mit einer Welt von Parasiten geschmückt, der Bfidcii darunter mit Niederholz dicht bedeckt ist, und alles durch guirlandenartig herabhängende Schlingpflanzen zu einer dichten Masse zusammengebunden wird ; und sie ersetzen das Stolze und Erhabene durch sanfte und lieb- liche Eindrücke. Hauptgegenstaud dieses Aufsatzes wird der natürliche Pflanzenwuchs bilden, da sie an anderer Stelle Gelegenheit im Ueberfluss bieten wird, bei den ver- schiedenen Culturgewächsen zu verweilen. Bei der Betraelitiing von Javas Flora werden Jung- hubn und Veth unsere Haiiptführer sein. Soviel auch Andere zur Kenntniss der Javanischen l'flanzcnvvelt bei- trugen, haben uns diese beiden allein in allgemeinen Zügen den Pflauzeuwuchs der Insel auf jeder Höhe, unter seiner Aufgabe gerecht ander Rede jeder Verschiedenheit des Bodens und des Klimas vor Augen geführt, sie haben uns Javas Triften und Wälder mit der Genauigkeit des Naturforschers geschildert, aber bei Beiden ist auch der Künstler geworden. Zur Erleichterung der Uebersicht über Javas Pflanzen- wuchs vertheilt Junghulin die Insel, je nach der Höhe des Bodens, in vier Zonen, welche sich von einander sovv(dil durch eigenartige Culturgewächse als durch Verschieden- heiten des natürlichen Pflanzenkleides unterscheiden, ob- schon sie selbstverständlich an den Grenzen in cin- Ubergeheii, also von plötzlichen Uebergängen keine sein kann. Die Verschiedenheiten des Pflanzen- wuchses, je nach der wechselnden Bodenhohe, halten einigermaassen gleichen Schritt mit den Unterschieden in verschiedenen geographischen Breitelageu, und wir werden sehen, dass auf Java in der höchsten und kältesten Zone die Vegetation in vielen Hinsichten an die unserer ge- mässigten Zonen eiinnert. Die erste oder heisse Pflanzen-Zone erstreckt sich vom Meeresspiegel bis zu einer Höhe von 2000 Fuss. In viel grösserem Maasse als in höher gelegenen Zonen ist hier die ursprüngliche Wildniss der Cultur gewichen, denn dieser Zone gehören ausschliesslich die ausgestreck- ten alluvialen Flächen, welche den für Nährgewächsc günstigen Boden bilden; man könnte sie die Reis- und Zuckcrcultur nennen, denn die Reisfelder, welche dem Javancn sein Hauptnalirungsmittel liefern, sind zum grössten Theil in ihr gelegen, obschon selbst die nassen Reisfelder sich hier und da, an sanften Bergabhängeii bis zu einer Höhe von 3000 Fuss erstrecken; auch der Rohrzucker eines der beiden Haupti)roducte, welche Java dem europäischen Handel liefert, wächst ausschliesslich im fetten Boden der Alluvialflächen. Andere dieser Zone eigenthünilichcn Culturgewächse sind Cocos-, Areca- und Weinpalmen, Indigo, Zinnnt, Cactacecn, Baumwolle, Sesamkraut, Tabak (für welchen jedoch die Keim- pfläuzchen oft in höher gelegenen Berggegenden ge- 498 Natnrwissenscliaft liehe Wrielicnsclirift. XI. Nr. 42. Wonnen werden), viele Arten von Erd- und Ilülsen- triicliteu, Gemüse, w(jhlrieclieude Blumen, und eine un- endliche Verschiedenheit von Bäumen und Sträuchern, welche Obst, Zuspeisen zum Reis, Oel, Textil-Stoflfe und andei-e nützlichen Gegenstände für die inländische Haus- haltung- liefern. Städte und Dörfer und die bebauten Felder, welche dieselben umringen, ziehen natürlich am meisten die Blicke der Fremden an, welche Java besuchen, aber die Wildniss, welche bis mitten in die bewohnten Striche ein- dringt und schon im Strandgebüsch einen sehr eigen- artigen Charakter zeigt, wird doch bald die Aufmerk- samkeit derjenigen Reisenden in iVuspruch nehmen, welche daran gewöhnt sind, auch die wilde Natur zu beobachten. Au Stellen, wo ein niederer und Hacher Strand allrnälig in den untiefen Grund der See übergeht, auf dem von salzigem Wasser getränktem Grunde, welcher die unsichere Grenze zwischen Land und Meer bildet, erheben sich dichte Wälder von Rhizophoren (Mangroven)-, zum grossen Theil ist Javas Nordküste von solchen Wäldern umsäumt; an der Südküste können sie uatürlich nur an einzelnen Stellen vorkommen, weil da die Ufer meistens sehr steil sind. Die Rhizophoren sind hübsche 10 — 25 Fuss hohe Bäumchen, von sehr eigenartiger Gestalt. Der Stamm erreicht den Grund nicht, auf welchem er Mächst, sondern er steht gleiclisam auf Stelzen, welche sich von seinem Unterende strahlenförmig und mit gabe- ligen Verzweigungen zum Boden hin ausstrecken. Wälircnd der Fluth ragen nur die eigentlichen Stämme mit ihrem dichtverfiochtenen, dunklen Laubgewölbe über dem Wasser empor; während der Ebbe wird das dichte Gitterwerk der sich in allen möglichen Richtungen kreuzenden Luft- wurzeln sichtbar, zwischen welchen der sinkende Sumpf- boden von allerlei Seethiereu wimmelt. In den Strand- wäldern von Java findet man 7 verschiedene Mangrove- Arten, von welchen fast stets zwei oder mehr Arten nebeneinander vorkommen, doch so, dass immer das Vor- Komnien einer bestimmten Art überwiegend ist. Die merkwürdigste den Rhizophoren zugeschriebene Eigenschaft ist ihre alluviale Thätigkeit. Die Wurzeln l)reiten sich immer mehr nach vorn aus und die Frucht keimt, während sie noch an den Aesten hängt und ent- wickelt sich da zu einem Stämmchen, dessen Wurzeln schon bereit sind, sich im weichen Sumpfboden festzu- setzen, wenn der Keinding abfällt; auch hält das Gitter- werk der Wurzeln alle festen Bestandtheile zurück, welche von den Wellen angespült werden. Am günstigsten können sie natürlich ihre Thätigkeit entfalten, wenn die Gewässer, an deren Mündung sie stehen, in ruhige See- cinschnitte ausflicsscu, wo die Brandung gering ist und der Keimling sieh festsetzen kann, ohne vom Wasser weg- gesjiült zu werden. Zwischen den Rhizophoren wachsen andere Bäume und Sträuchcr. Betrachten wir jedoch lieber die Sträudicr, welche au der Landseite des Mangrovewaldes die Süni])fc bedecken, und welche nicht mehr mit dem Seewasser in IJeriUirung kommen. Grui)pcnwcise wächst hier die Nipah- oder Sumpfpalme, wie eine Cocosiialme, deren Blätter, ohne Stamm, unmittelbar aus dem Boden heraus- wachsen. Dieser Baum liefert geniessbare I'rüchte, ferner eine I'almweinart, die jedoch auf Java nicht getruidien wird, vor allem aber Material zur Dachbedeckung; unter vielen anderen, in den Strandsünii)fen vorkommenden Pflanzen und Sträuchern möge hier noch der Schulliolz- liaum, Alstonia scholaris, erwähnt werden, dessen äusserst weiches Holz die Entomologen statt Kork gei)rauclieii und dessen Rinde ein Arzneimittel gegen Fieber enthält. Wo an der flachen Küste keine Schlamm abführenden Gewässer ausmünden, sondern nur ein mehr oder weniger breiter Sandgürtel vom Meer aufgeworfen wurde, welcher vielfältig lauge Hügel bildet, da zeigen sich einige be- sondere Gewächse, welche die tropische Dünenflora bilden. Schöne Convolvulus - Arten mit schillernden Blumen bedecken den Boden mit ihrem Rankennetz, an- derswo wächst eine sjjitze Grasart, zwischen welcher die gelben Schmetterlingsblüthci) des Bengalischen Hanfes glänzen, oder die mit anderen Grasarten bedeckte Fläche ist mit den Blätterbüschen und Blumen von Knollen- gewächsen aus der schönen Familie der Narcissen ge- schmückt. Die merkwürdigsten Froducte dieses sandigen Strandes sind jedoch kleine Bäunichcn, deren lange Blätter spii'alig angeordnet sind, und ein sehr gutes Ma- terial zu Matten und anderen Flechtereien liefern; es sind die Pandanen oder Schraubenbäume, deren am Wurzel- ende gabelförmig vertheilter Stamm uns die Rhizophoren in die Erinnerung zurückruft, während die dichten Blätterbusche, welche das wenig oder nicht verzweigte Oberende des Stammes krönen, sie wie kleine Palmen aussehen lassen. Viele Pandanen wachsen jedoch auch auf felsigem Strande, wo ihre Wurzeln in die Löcher und Risse des Kalkbodens einzudringen vermögen; oft bildet die lebendige kupfergrüne Farbe der Blätter einen präch- tigen Contrast mit den zinnobei'rothcn Früchten, welche wie kopfgrosse Kugeln unter den Blätterbüschen herab- hängen. Eine dritte Pfianzcngruppc eihebt sich an der Land- seite der Dünen oder auf dem trockenen Grunde hinter den Strandwäldern. Wo weder Rhizophoren noch Dünen vorhanden sind, sondern sich die Küste wie eine Felseu- niauer aus den Wogen erhebt oder mit steilem Aufstieg scharf in trockenes Land übergeht, grenzt sie un- mittelbar aU die blaue Wasserfläche. Hier glänzeu die weissen Blunicnkronen verschiedener Goodeniaceen, von welchen Scae\ola Königii ein feines Mark hat, aus welchem die Mollukaner Kunstblumen und andere Nippsachen machen. Hier findet man unter anderem auch die jdumpen, 5 — (j Fuss hohen, mit Ringen versehenen Stännne von Cycas circinalis, der grossblätterigen Sagopalme, auf deren Ende sich gefiederte, schirmarlig sich ausbreitende Blätter erheben, während sich dazwischen erst die eiför- migen, dottergelben Blüthcn und später hunderte wallnuss- grosse, grüne Früchte befinden. Der Stannii dieses Baumes enthält Sago, er ist je- doch nicht der eigentliche Sagobanni. Die Inländer nennen diesen Baum Königsfarn, und in der That steht er in seinem Aussehen zwischen Baumfarne und Palme. Die Cycadeen wachsen sehr langsam und können sehr alt werden, die vielen gefundenen fossilen Cycadeenstämmo deuten darauf hin, dass sie früher viel stärker vcifrctcn waren als in der gegenwärtigen Zeit. Von den übrigen Bäumen dieser Grup)>e erwähne ich noch einige Pandanusartcn, unter welchen die Königin der Pandaneen, Pandanus bidur, die fast ebenso hoch als die Cocospalmc wird, von Junghuhn am Fusse des Berges Pajung auf Javas südwestlicher Spitze gefunden wurde, feiner einige Ccrbera-.Vrten, deren l<'riichfe giftig sind, aus deren Samen al)cr Lampcnöl gewonnen wird, und eine Rotangart, Calamus litoralis, welche die Bäume da umschlingt, wo die Krone am dichtesten ist. Auf dem mit Sand bedeckten Korallenbodcn wächst Caroi)hylluni inophyllum, welche auf Bantams Südküste die herrlichsten sciiatfigstcni Wälder bildet. Das leben- dige Grün der lederartigen Blällcr, die schönoi, weissen lilüthen, welche cincui herrlichen (ierucli \cri)reiten, das wohlriechende, brcuubaic, gelbe Harz, welches aus dem Bast rinnt, geben diesem Baum solch einen Werth, dass er oft in der Nähe der Dörfer ange|)flanzt wird. Das- sell)C gilt von Hibiseus Siliaceus, einer kleinen Eibisehart, Xl. Nr. 42 NatmwissenscIiaCtlic'lie Wochenschrift. 499 die am Sliaiiilc ii'nn/,f Wäkii-hcii mit (ÜL-Iitcm Laubij;'e- wölbe bildet, al)er ailch von den Iidiuuleni iu der Näiic der Dörfer we^en seiner g-eibcn IJlliiueu und des von ihm produeirten Bastes angepflanzt wird; ausser einigen kleineren Fahnen findet man ferner die der Cocospalnie seiir äiinliciie Areea-I'aime (Areea nibuni;), welche einen sein- preiswürdigen Talmkoid liefert, und eine Hauptstelle unter den Hoizpalmen einnimmt wegen der Leichtigkeit, mit welcher ihr Stannu sieh in Latten schalten lässt, und die Zuckcrpalmc, Arenga ohtnsifolia, welche ausser Zucker Und einem zu Lanzen und Webergeräthschaften sehr ge- eignetem Holz, einen faserigen Hast liefert, aus welchem Besen und Daehbedeckungsniaterial verfertigt werden. Die Areea paime wächst aucii auf sumpfigem Alluvial- grund, kdunut aber da mehr vereinzelt vor; die Zucker- pahiie bildet einen Uebergang von der Küsten- Vegetation zum schatteureichen Urwald. Line besondere Gruppe in der Küstenfiora bilden die ausgedehnten Wäldclien v(ni Filcherpalmen, welche in West-Java durch Schirmpalmen (Coiypha gebanga) gebildet werden; nur im (istlichen Theil tritt die Fächer- palme (Borassus tiabclliformisj an deren .Stelle. Die Schirmpalme steigt nie in unmittelbarer Nähe der Küste herab, entfernt sich aber auch nie allzusehr von der- selben. Betrachtet man solch ein ralmenwäldchen aus einiger Entfernung, so scheint es aus Millionen 3U — 40 Fuss hohen Säulchen mit ganz gleichförmigen, kugel- runden Blätterkronen zu bestehen; beim Betreten des Waldes sieht man, dass die kugeligen Kronen aus enor- men, fächerartigen Blättern bestehen, und die Säulen aus plumpen Stänuncn. Die Schirmpalme scheint den salzigen VVasserdampf, der in der Nähe des Meeres in der Atmo- sphäre verbreitet ist, unbedingt zum Leben nöthig zu haben; sie bringt der Bevölkerung grossen Nutzen, die äussere Wandung des Stammes wird zu Hausgeräthen verarbeitet und dient, in Längsstücken geschnitten, und an der einen Seite mit Ziegenfell überzogen, als Trommel, um die Betstunden anzusagen. Das Mark liefert eine Art Sago, welcher die Bevölkerung schon manches Mal vor Hungersnoth gerettet hat; die jungen, noch nicht ent- wickelten JMätfer dienen als Zuspeise zum Reis, die alten als Dachbedeckung; die jungen Früchte gebraucht man beim Fischen, um die Fische zu betäuben, aus den alten werden Knöi)fe gemacht und Perlen für Muselmännische Rosenkränze. Die Fächcrpalme dient hauptsächlich zur Zuckerbereitung, und zwar Saft, welcher in grosser Menge aus den weiblichen Blumenkolben gesammelt wird; dieser Baum liefert auch Sago und essbare Früchte ; von alters her wurden seine Blätter anstatt Papier zum Schreiben gebraucht, auf einzelneu Inseln geschieht das noch heute. Verlassen wir nun die Küste und wenden wir uns in das Innere des Landes, wo zunächst die sehr eigen- artige Flora der stillstehenden Gewässer unsere Blicke auf sich zieht. Die den Wasserspiegel bedeckenden Pflanzen haben grosse Aehnlichkeit mit unseren Sumpf- pflanzen. Am meisten fällt uns der Wasserschlauch (Utri- cularia) auf, mit seinen zahlreichen gelben Blumen, und die iu der indischen Mythologie eine so grosse Rolle spielende Lotnsblumc. Zwischen den schwimmenden Blumenbeeten, welche die Lotuspflanze bildet, ist der Wasserspiegel ganz bedeckt mit Millionen von rosetten- artig angeordneten Blättern der Muschelblume (Pistia stratiotes) oder mit den cosmopolitischen Wasserlinsen. Um die Sümpfe herum breitet sich ein prächtiger Teppich aus, welchem verschiedene Gräser und Cyperaccen eine grüne Grundfarbe verleihen, in welcher gelbe, rothe und blaue Blumen von verschiedenen Pflanzen und Sträuchern schillern. Einen ganz anderen Aidjlick bieten uns die Gras- wildnisse, welche unter dem Namen .\Iang-Alang-Fclder bekannt sind. Sie bestehen aus einem eintönigen, silber- weissem (-rrasmeer, welches sich meilenweit über Flächen und sanfte Bergabhänge hinzieht und hauptsächlich ge- bildet wird aus den kräftigen, 3—4 Fuss hohen Stengeln des Alanggrases (Imperata arundinacea); an einzelnen ( h'ten erheben sich noch höher wachsende Grasarten, be- sonders Saccharum spontaneum, und i)ilden gleichsam Inseln im flrasmeere. Sich durch solche (irasflächen einen We^ zu bahnen ist unendlich schwerer als durcii den Urwald; nirgends findet man eine Spur von Schatten, nirgends einen Trojjfen Wasser, nicht einmal eine Blume gedeilit auf dem iiartcn, lehmigen, rothen Boden, ausser einer Enzianart (Exacnm sulcatumj, die in Gruppen von 5 — 10 Individuen in dieser Graswüste erscheint, und durch ihre hübschen, hinnnelblauen Blüthen beim Reisenden einen noch angenehmeren Eindruck erweckt, als die Enzian- glocken auf unseren Haiden. In den meisten Fällen scheinen die Alangfelder die Stelle des Urwaldes ein- gcnonnnen zu haben, da wo der Mensch ihn ausrottete, um den Boden eine Zeit lang zu Culturzweckcn zu ge- brauchen; diese schädliche Grasart ist stets bereit, die Stellen einzunehmen, die die Cultiir verlassen hat, und sie erstickt die Samen fast aller anderen Pflanzen; wenn sie im October oder November blüht, so tragen die bei Millionen neben einander aufblühenden Halme wollige Aehren, aus welchen der leichte Samen sich mühelos los- löst und durcli den Wind überall hingetragen wird, also auch überall wächst, wo er einen günstigen Boden findet; doch ist sie nicht ganz und gar nutzlos; die jungen Blätter dienen als Viehfutter, das getrocknete Gras als Dachbedeckung, und aus den Wurzeln fabriciren die In- länder eine Medicin von zweifelhaftem Wcrthe. Ausser den Grasinseln kommen in den Alang-Feldern auch Waldinseln vor, die aus liöchsteus 30 Fuss hoben wilden Sträuehern bestehen; hier flndet man zwischen anderen Bambusarten den Dornbandnis; daneben wachsen Hundstot-, Krapp- und Kreuzdorn- Arten, welche das Wäldchen ganz undurchdringlich machen. Als ob dies noch nicht genügte, umfassen Convolvulaceen und andere Schling}iflanzen die Bäume mit ihren Ranken, während sie den IJusch in allen Riehtungen durchflechten. Hier findet man die schwefelgelbe Blumenkrone der Trichter- winde fI])omaea vitifolia), anderswo zeigt Argyreia niollis ihre pfirsichblauen Blüthen, dort hängen Modecca ol)tusa und Cordifolia ihre schönen, scharlachrothen Früchte an den Bäumen auf und an das Flcchtwerk legt die Bambus- liane die letzte Hand, deren Rauken den Busch iu allen Richtungen durchdringen, um an diesen Rand ihr präch- tiges Laub in Bögen herabhängen zu lassen. Mitten im Wäldchen erheben sich Pandanen und am Rande, wo der Wald an das Grasmeer grenzt, zeigen sieh kleine in Gru|)pen vereinigte Licuala-Palnien. Es giebt auch einige wenige Bäume, welche in den Alangfeldern einheinnsch sind, vor allen anderen der Malabarische Lackbaum, der trotz seines niederen, krummen Stammes und seiner spärlichen Blätter, in seiner Blüthe- zeit eine Zierde der Alangwildniss bildet; auch der Anila- baum (Embliea olficinalis) ist ein steter Begleiter des Alanggrases; seine gro.ssen, kugeligen, saftigen Früchte bieten dem durstigen Reisenden eine erwünschte Er- quickung. Von den eintönigen Alang-Wildnissen unterscheiden sich die mit niederen Girasarten bedeckten Weiden, welche theils in der Fläche und am untersten Theil von sauftt-n Bergabhängen den Ort früherer Kultur einnehmen und einen Uebergang bilden zu den bewohnten Orten der Insel, theils in der Nähe der Dörfer vorkommen, wo sie die Triften bilden, auf vveichen sich der mit einer hol- 500 Natuiwissciiscliiirtliclic VVocbcuscLritt. XI. Ni. 42 zernen Glocke behangeiie Biitlel grasend einen Weg dureli die Striluelier bahnt, die überall aufschiessen und das Feld durch den Reiclithuni ihrer Blütiien verzieren. Hier und da erhebt sich ein einzelner Obstbaum, ein Ziebeth- oder ein Manggobaum über das Gesträuch, welches meistens aus Schwarzumud-, Cassia- und Mudarpflauzen besteht. Letztere Pflanze fällt auf durch ihre i)tirsich- rothen Blüthen, zwischen den grossen, kupfergrünen Blät- tern, die Cassia durch ihre prächtigen, goldgelben lilumen. Weniger angenehm sind die brennenden Blätter ver- schiedener Nesselarten, und der Leichengeruch, welcher durch äusserlich schöne Blumen von Aronartigen Pflanzen Arten von Riesengras verbreitet wird. Verschiedene werden zu Viebfutter verwendet Das heisse, trockeneHügellanddes neptunischen, haupt- sächlich kalkhaltigen Bodens hat eine eigenartige Vege- tation ungleich hoher Bäume und vSträuclier, die kleine Wäldchen bilden. Das weisse Laub der Visenia indica bricht das Grün des Blätterdaches auf angenehme Weise, und im August blühen die goldgelben Blüthen der Cassia fistula nebst den rosenrothen und purpurnen Kelchen dci' Ca.ssia javanica; sobald im October die prachtvolle Lagerströmia blüht, scheint das ganze Wäldclien in einen Blumengarten umgewandelt zu sein, da dann die Kronen ilieser Bäume, welche alle anderen überragen, mit herr- lichen, violetten Blüthen beladen sind, die schon von fern die Blicke des Reisenden auf sich lenken; zu den Merk- würdigkeiten solcher Wäldchen gehören auch die paar- weise wachsenden, mehrere Fuss gross werdenden Früchte von Kickxia arborea. Die Wände der steilen Kalkbänke und die hier und da sich wie Thürme erhebenden Kalkfelsen sind von den hölzernen Stempeln verschiedener Piperaceen und von anderen Klimm- und Schlingpflanzen umflochten. Ihre grünen Blätter, welche an vielen Orten wie Guirlauden vom Rande der Felsenthürme herabhängen, bilden mit den weissen Kalkwänden einen lieblichen Contrast und werden ausgeschmückt durch die schönen Blüthen der Meerbohne (Entada scandens) und anderer kleiner Pflanzen, die in den Aushöhlungen der Kalksteine wurzeln. Der Gipfel dieser Kalkfelsen ist meistens mit prächtigen Feigenarten gekrönt, deren schattiges Laub sich weit ül)cr den Rand der Felsen ausstreckt; während die Klinnu- pflanzen längs der Felsenwand himmelwärts streben, steigen die Luftwurzeln dieser Bäume vom Gipfel herab, dringen in alle Risse und Löcher, die sie wachsend mit unwiderstehlicher Kraft auseinander reissen, so dass oft colossale SteinstUcke, vom Felsen, dem sie angehörten, losgerissen, nur noch durch die Wurzeln festgehalten werden, von denen sie umwachsen wurden. Da sich auf diesem Felsen oft gar keine Erde befindet, so können keine anderen Bäume darauf wachsen; die riesigen Feigenbäume finden alier genügend Nahrung, da ihre Wurzeln in den Stein dringen und bis in die Höhlen reichen, die im Innern der Kalkfelscn vorkommen. Die Kalksteine sind in hohem Maasse der Verwitterung aus- gesetzt und diese wird nicht wenig gefördert durch die darauf iiauscnden Krustenflechten. Das immer durchsickernde, Kohlensäure haltige Wasser löst fortwährend Thcile des Kalksteines auf, die in diesem Zustande mit dem Wasser in die inneren Höhlen dringen und als Stalactitcn am Gewöllie liängcn bleil)cn, oder sich als Stalagmiten auf dem Boden absetzen. Nun dringen aber auch die Wurzeln der Fcigenbäiune, die zum Theil in dem kalkhaltigem Wasser ihre Nahrung finden, wie Polypenarmc durch alle Spalten in den Stein, durch ihr Dickenwachsthum reissen sie die Spalten fortwährend weiter auf und zersplittern den Felsen, bis dass endlich der ganze Berg in einen Trümmerhaufen verändert ist. Nach tausend Jaiu'eu wird vielleiclit, wenn der Kalkstein ganz verschwunden ist, die Hand des Menschen, die an diesen Stellen entstandenen Bäume fällen und da einen Acker anlegen, wo sich einst hohe Felsen erhoben. In einigen Theilen des ueptunischen Gebirges, wo ein besserer Grund gefunden wird, hat sich au Stelle der gefällten Wälder eine Erstaunen erregende Menge wilder Bananenbäume entwickelt, der sogenannte Harz-Pisang. Die colossalen Blätter dieser Pflanze sind au der Unter- seite mit einem weissen, mehlartigen Staub bedeckt, den die Javauen mit hölzernen Messern abkratzen, auf einem Feuer schmelzen, dann sieben und als feines Wachs in den Handel bringen, wodurch der Bevölkerung dieser Landstriche ein erheblicher Gewinn erwächst. Soweit der Hochwald zur ersten Zone gehört, kann man darin dreierlei Gebiete unterscheiden: Die Acazien- wälder, die Djatti- (Tectona grandis) Wälder und die eigentlichen, aus verschiedenen schattenreichen Bäumen be- stehenden Urwälder. Die Acazienwälder grenzen unmittelbar au die Haine des kalkigen Bodens, ja sie wachsen mit Vorliebe auf den Kalkbergen selbst, wo diese mit einer Erdlage be- deckt sind; nur vier Arten jedoch bilden diese Wälder, während andere in den gemischten Wäldern dieser und der zweiten Zone angetrorten werden. Den Hauptliestand- theil der Acazienwälder bilden die innner neben einander wechselnden Albizzia stipulata und procera, die erste, die schönste und grösste der Acazienarten, durch einen asch- grauen Stamm und feingeformte Blätter ausgezeichnet, die andere mit weissem Stamm und grossen, stumpfen Blättern. Albizzia stipulata liefert dem Inländer ein leichtes und brauchbares Zimmerholz, welches die Ter- miten verabscheuen; beide enthalten eine dem arabischen Gummi sehr ähnliche Gunimiart. Von den beiden anderen Arten hat Acacia teuerrima noch feinere Blätter als Al- bizzia stipulata und Acacia leucophlaea besitzt sehr lange Dornen. Die Acazienbäume stehen auf grossem Abstand von einander auf einem Boden, der gewöhnlich mit Gras, hie und da mit Niederholz bedeckt ist. Lianen, Moos und Farne findet man an diesem Baume nicht; er scheint die Gesellschaft anderer Bäume nicht zu dulden. Doch verleiht seine schöne, schirmartig ausgebreitete Krone, durch welche der blaue Himmel hindurch schimmert, den KalkhUgeln, auf welchen er wächst, einen eigenartigen Reiz. Wenn sie auch weniger schön sind, so verdienen die Djattiwälder unsere Aufmerksamkeit doch in hohem Maasse, denn sie bilden einen wichtigen Theil von Javas natürlichem Reichthum. Von ihnen staunnt das beste Zimmerholz der Insel, deswegen wird der Djatti- baum auch angepflanzt. Die Tectona grandis gehört zu den Verbenaceeu; in Englisch-Indicn nennt man sie Teak- tree, sie zieht einen trockenen Lehm- oder Sandboden vor; stets wachsen viele Individuen nebeneinander, welche alle anderen Bäume aus ihrer Nähe verdrängen. Die Djattil)äume bilden ausgestreckte Waldungen, welche in den trockensten und wärmsten Monaten dem Tropen- bewohner ein Bild des europäischen Winters darbieten. Schon im Juli fallen die Blätter ab, bald wird der Baum ganz kahl, und erst im Mai erhält er wieder Blätter. Die Djattibäunie erreichen eine Höhe von 60 — 80 Fuss; der Stannu ist nicht schön, einigermaassen krunun mit wenigen weit von einander abstehenden Aesten; mit 100 Jahren ist er ausgewachsen und hat dann einen Durchmesser von 1 — l'/o Meter; doch wird er gewöhnlich mit 40 bis TjO Jahren geschlagen. In einem Djattiwald findet man fast keine Lianen, auch das Unterholz ist spärlich vor- handen. In den rationell behandelten Djattiwäldern wird das Unterholz mit dem zwischen den Stänunen wachsenden (iras jährlich in der trockenen Zeit verbrannt; obsclion XI. Nr. 42 Natniwissciisflial'tliclie WoelieiLScIiritt. ÖOI dadurch die Rinde des Baumes beseliädi^t wird und die noch übrig' f;-ebiiebeneu Blätter versengt wcrdeu, schadet dies dem 15aunie niciits, vvulu'scheinlich j;ibt die Ver- brennung dem dürren Boden, mittelst der Asche, den Älist, den er nöthig hat, während die von der Hitze ver- ursachten Risse dem Regenwasser Gelegenheit geben, in den Boden zu dringen. Im Früiijain- ziclit der Wald sehr scinicil sein Frühlingskleid an; die Blätter geben einen ertVischcnden Schatten, überall grenzen die Kronen im herrlichsten Grün, aus welchem einige Blumenliüsche ihren lici)liclicu Geruch durch den Wald verbreiten. Diese Fracht ist jedoch von kurzer Dauer; nach wenigen Wochen schon werden die Blüthen grau, dann fangen die Blätter an zu welken uud abzufallen, und ebenso schnell, als er sich mit jungem Grün geschmückt hatte, wird der Baum wieder dürr und hässlich. Der Djattibaum kommt nur bis zu einer Höhe von 500 Fuss vor; im wasserreichen Westen Javas ist er nicht zu Hause; auf einer Reise von Westen nach Osten findet man den ersten Djattiwald zwischen dem Manuk- flusse und den nordlichen Ausläufern des Tjermegebirges. In der Mitte und im Osten der Insel ist er nicht selten, nirgends aber trifft mau ihn auf Kalkboden, sondern nur in sandigen Strichen; und auf ursprünglich vulkanischem, durch verwitterte Lava gebildeten ({i'und scheint der Baum ganz und gar nicht zu gedeihen. In dieser tlüchtigen Uebersicht bleiben uns noch die hochstämmigen, aus allerhand Baumarten zusannnenge- setzten Wälder zur Betrachtung übrig. Man findet sie in der Fläche sowohl, als auf den Bergabliängen, wo sie in die Urwälder der 2. Zone übergehen. Will man die Pracht der tropischen Vegetation in ihrem ganzen Glänze bewundern, so betrete man den Urwald. Uubegreiilich ist, beim ersten Anblick, der Formcnreichthum; wer aber solch eine Expedition uuterniuniit, wird wohl daran thun, ein Dutzend mit Hackmesser bewaffneter, kräftiger Javanen voraus zu schicken, um die Sträucher uud sonstigen PHanzen, deren dichte Masse ihm den Weg versperren würde, vorher umzuhauen. Es ist schwer auszumachen, ob die erste oder die zweite Zone die meiste Abwechs- lung bietet, mir scheint jedoch, dass die 1. in dieser Hin- sieht von der 2. übertroffen wird, in ihr findet man auch die grössteu Waldungen. Der Urwald der 1. Zone besteht aus einer unend- lichen Artenzalil hochstämmiger Bäume, gemittelt 60 bis 80 Fnss hoch, j'edoch so, dass einzelne Riesen sich um Vs, ja um die Ilälfte über die mittlere Höhe erheben, die Ficusarten dagegen, deren Höhe meistens unter der gemittelten bleibt, sich mehr durch den erstaunlichen Umfang ihres Laubgewölbes auszeichnen. Unter dem -Schatten dieser hohen Bäume bildet eine Welt von Sträuchern und kleinen Bäumcheu einen undurchdring- lichen Niederwald; wo auch nur das kleinste Boden- fleckchen frei gelassen wird, wachsen Farne, Beeherpfianzen (Nepenthacceu) mit ihren sonderbaren, oft .schöngefärbten Blüttcrkrügen oder Klinnuen, die auf dem untersten Theil ihres holzigen Stengels die i)arasitischen Riesenlilunien der Rafflesia tragen, und erst nieterweit durch Sträucher und Farnen und anderen kleinen Pflanzen hinkricchen, um sich dann aufzuwickeln uud bis in die Gipfel der umstehenden Bäume zu klettern; die Lianen, die bis zu den höchsten Baumkronen steigen, strecken sich in allen Richtungen von einem Baum zum anderen aus, und jeder grössere Baumstanun trägt eine neue Welt von pseudo- parasitisehen Pflanzen, .^loosen, I'arncn und Orchideen, die seine Zweige teppichartig bekleiden. Unter den hohen Bäumen gebührt den Magnoliaceen und den Anouaceen der erste Platz. Von den ersten be- sitzt Aromadendron elegans eine bittere, aromatische Rinde und ein hartes Ibdz, während verschiedene Miche- liaarten den Wald ndt ihren geliien, wohlriechenden Blumen verzieren. Unter andern ist Stelecliocarpus bura- hol zu erwähnen, ein Baum der nur an der Südküste wild vorkommt, aber wegen seiner fcinsehmeckendeu, goldgelben Früchte cultivirt wird. Früher war im Reiche Jogjakarta der Genuss dieser Früchte ein ausschliess- liches Vorrecht des Sultans und der Prinzen; ein geringer Javane, der sie zu essen wagte, wurde mit dem Tode bestraft. Doch gehören obige Bäume nicht zu den Wald- riesen, die ihre Krone über alle übrigen erheben; dazu rechnet man vor allen Mimusops aenorinata, Spothadea gigantea und Irina glaljra. Der Stamm dieses letzten, zu den Seifenbäumen gehörenden Baumes, besteht am Fusse aus strahlenförmigen Leisten, die sich zu einer colossalen Säule vereinigen, deren Laubgewölbe sich 120 Fuss hoch über dem Boden ausbreitet. Solche in Leisten ausstrahlende Bäume sind nicht selten in Javas Urwäldern; sie liefern den Inländern Material für die aus einer einzelnen Holzscheibe bestehenden Räder ihrer Büffelkarren. Das Laubgewölbe der Ficusarten wird durch eine Menge von den Aesten herabliegender und sich im Boden fortsetzender Luftwurzeln getragen, die wie Nebenstämme aussehen. Der grösste von Allen, Urostigma karet, er- regt eines jeden Reisenden Bewunderung; bei noch jungen Bäumen, die nur etwa b Fuss hoch sind, hat die Krone einen Durchmesser von über 500 Fuss und wird von hunderteu solcher Nebenstämme getragen, zwischen welchen man bequem hindurch spazieren kann. Wird der Baum älter, so werden diese Säulen in einander verflochten, so dass das Ganze wie ein oft hunderte von Fuss dicker Stamm aussieht, höher werden die zusammengeflochtenen Stämme allmählich dünner uud sehen endlich wie eine einzelne, das Laubdach tragende Säule aus. Selten wird der vorbeigehende Javane es versäumen, solch einen Baum mit einem Hackmesser eine Wuude beizubringen, um den aus der Wunde fliessenden dicken, klcbcrigen, zu Gummi erhärteten Saft zu sammeln. In Ost-Java findet man vielfältig im Urwalde den berüchtigten Gift- baum, Antiaris toxicaria, der zu den Brotfruchtbäumen gehört; das Volk glaubt fest und steif, dass es aus einem Schlafe unter seinem Schatten kein Erwachen mehr giebt, und dass Vögel, die über ihn hinfliegen, todt niedersürtzeu; die Uebertreibung dieser Erzählungen ist längst aufgeklärt; in Wirklichkeit enthält dieser Baum einen scharfen, gif- tigen Milchsaft, den die Inländer gebrauchen, um ihre Waffen giftig zu machen und so die Gefahr der damit zugebrachten Wunden zu vergrössern. Unter den Sträucheru dieser Urwälder sind besonders die zu den Gewürzlilien (Scitamineae) gehörenden Car- damom- und Galgantpflanzen bemerkenswerth; es sind aromatische, saftige Pflanzen, die ihre Stengel gruppen- weise, 8 — 12 Fuss hoch, dicht neben einander erheben, und so einen kleinen Wald im Walde bilden, wodurch dem Reisenden der Weg sehr versperrt wird. Das Auge wird ercpiickt durch den üpiiigen Wuclis ihrer grossen Blätter und durch die Pracht ihrer gelben und rothen Blüthen, die einmal aus dem Grund herauszuwachsen scheinen, dann wieder am Ende der Stengel funkeln. Nun sind wir zur zweiten Zone gekommen, zur ge- mässigten, die sich an den Bergal)hängen von 2000 bis 45(X) Fuss über oden, den wir jetzt betrachten werden, besteht aus Abhängen von Vulkanen, aus iJcrgsättclu, welche Vulcane verbinden, die sich in der Mitte einigerniaassen flach ausbreiten, oder schliess- lich aus Hochebenen, von welchen das riateau von ßan- dong die höchste und grösste ist. Die Vcrscliiedcnheit der Bedini;ungeu, unter welchen sich hier die PHanzeu entwickeln, besteht nicht allein in der Bodenbeschafi'enheit, ein noch wichtigerer Factor ist der Klinia-Unterscliicd. Der Luftdruck wird geringer, die Temperatur ist niedriger, der Feuchtigkeitsgehalt der Lutt ist grösser als in der Niederung, theils durch den Kinflnss der in dieser und der dritten Zone vorhandenen dichten Wälder, theils weil der Seewind grosse Wasser- dampfmassen in die Höhe treibt, die sich in der kühlen Teni])eratur viel schneller verdichten und oft plötzlich in Form von heftigen Gewitterregen niederstürzen. Diese Zone könnte man den Gürtel der Wolken und Nel)el nennen; natürlich ist die zweite Zone, hauptsächlich im feuchten Klima von West- Java, den Einflüssen eines be- nachbarten, höher gelegenen Striches ausgesetzt, dessen Luft oft ganz mit Wasserdampf gesättigt ist. Wo die Kultur noch nicht die Stelle der ursprüng- lichen Wälder eingenommen hat, ist die zweite Zone fast ganz mit Urwald bedeckt. Ausgenommen ist in den l'reangcr Regentschaften, wo die Kafi'eekultur wegen Er- schöpfung des Bodens sich nach anderen Plätzen um- sehen musste, das Terrain verlassener und wieder ver- wilderter Kaifeegärten, welches gegenwärtig einen Uel)er- gang bildet zwischen den kultivirten Strichen und dem Urwald. In Mittel-Java, wo man verschiedene Berge lindet, die vom Fuss bis zur Spitze fast ganz ihres ur- sprünglichen Waldsclimuckes beraubt wurden, können die mit (iras und Gesträuch bewachsenen Abhänge zu dem- selben Floi-a-Gebiete gerechnet werden. Hinsichtlich der Kulturgewächse kann man diese Zone die der Kafieekultur nennen, denn der Kaffee- strauch hat hier ein neues Vaterland gefunden. Wie ein (Uirtcl, der sich fast überall auf gleicher Höhe fortsetzt, hier und da durch Wald abgebrochen, dort wieder in schmalen Strichen höher steigend, winden sieh die Kaff'ee- gäilen um das Gebirge; doch fängt in den letzten Jahren der Tlicestranch in manchen Gegenden an, dem Katfee- strauch das Land streitig zu machen; der Java-Thee, welcher lange Zeit hindurch unserem Geschmack nicht entsprach, fängt an sich in Europa einzubürgern. Je höher man in dieser Zone steigt, desto seltener werden die inländischen Dörfer. Im untersten Theil tragen die < 'ocos- und Arecapalmcn noch Früchte, doch weichen sie albiiählieh der Zuckerpalme (Arenga saccharifera), ebenso wie Mais für die armen Bergbewohner an die Stelle des Jiciscs tritt. In dieser Zone werden auch Gärten für euroi)äisehe Gemiisearten angelegt, für welche aber stets frischer Samen aus Europa bezogen werden nmss. In i'inzclnen Strichen von Mittel-Java wird auf dieser Höhe auch Weizen gcptianzt, aus welchem in Salatiga und Se- marang ansgezcichnetcs Brot gebacken wird. Die Vegetation der in (lieser Zone vorkounnenden Grasflächen sfinnnt ziendicli ttbcrein mit derjenigen der Alang-Alang l'\'lder. Bemerkenswcrtli sind einige Ficus- arten, mit grossen, weichen Blättern, Curcunnisträucher, mit gelben und purjmrfarbcmcn Achren, aus deren Wurzeln ein gelber Farbstolf extrahirt wird, einige Schwarznnnul- gcnvächse, welche die Landschaft mit ihren schönen, rosenfarbigen Blüthen verzieren, hauptsächlich aber die Banmfarnen mit ihren kranzartig um die 10 — lö Fuss hohen Stämme angeordneten Blättern. Hier hat der Urwald denselben allgemeinen Charakter als in der vorigen Zone, je höher wir jedoch steigen, desto mehr verändert er sich, und er bietet uns andere, nicht minder schöne Pflanzenformen. In der unteren Hälfte trifft man noch zahlreiche Feigenbäume an; in den höheren Strichen verschwinden dieselben. Zu den merkwürdigsten Feigenarten gehört Ficus subracemosa, aus welchem durch EinkcrVmngcu ein weisser Milchsaft gewonnen wird, der, eingedickt, ein feines, weisses Wachs liefert. Auch Akazien ziehen unsere Blicke an, vor allen Pithecolobium Junghuhnianum, einer der präch- tigsten Bäume Javas, mit grossen, hellglänzenden Blättern und unzählbaren, carminrothen Blüthen. Schöne Muskat- nussbäunie, die etwa 50 Fuss hoch werden, Lindenarten mit umfangreichem Blätterdach, Sapotillbäume mit präch- tigen, weissen Blumen, Compositen der Familie Vernonia, mit 50 Fuss hohen Stämmen, jjrächtige Rubiaceen, Eu- l)h(U'biaceen, deren schmale, schildförmige Blätter beim geringsten Windhauch zittern, Loganiaceen, die im März und April ganz mit gelben Blumen bedeckt sind, Magnoli- aeeen und Anonaceen, deren wunderbare Blüthen einen herrlichen Geruch verbreiten, riesige Terebinthaceeu und Dipterocarpeen, die ein dem Gunmii gleichendes Harz aus- schwitzen, und hundert andere Baumformen drängen sich unserer Betrachtung auf. Manche Baunuirten verdienen besondere Erwähnung wegen ihres vortrefflichen Holzes, zunächst einige Tern- stromiaceen, wie Schima noronhae und Gcu'donia excelsa. Ersterer kommt in dieser Zone vielfältig vor, sein säulen- artiger Stanmi erreicht eine Ilrdie von 80 Fuss, die Kinde ist rauh, das Laub dicht, die Blumen gross und schnee- weiss. Das starke, feine, rothe und sehr schwere Holz wird als Zinnnerholz und zur Verfertigung von Möbeln gebraucht, und die Rinde, welche betäubende Alkaloide enthält, wii'd fein gestampft und in Gewässer geworfen, in welchen mau fischen will. Das Holz von Gordonia excelsa ist noch werthvoller. Zum Haus- und Schifl'i)au verwendet man mit Vorliebe Holz von Pterosjiermum Blumeanuni. Der höchste und prächtigste Baum dieser Zone ist der Rasamalabaum, Li([uidanibar altingia. Sein kerzen- gerader Stamm vertheilt sich erst in einer Höhe von 90 — 100 Fuss in Aeste und bildet eine colossale Laub- krone, deren Gipfel noch 50 — 60 Fuss höher steigt: der Stannn ist hellgrau, und bildet am Rande der Wälder riesige Säulengänge, die einen um so grösseren Contrast mit dem dunklen Hintergrunde bilden, da sich auf ihrer glatten Rinde fast nie eine parasitische Pflanze ansiedelt. 10 Fuss über dem Grund haben sie einen Durchmesser von 5 — 9 Fuss; höher nimmt der Umfang ab, sodass sie auf einer Höhe von (iO Fuss nur noch einen Durchmesser von etwa einem Fuss haben. Einen wunderbaren An- blick geniesst der Reisende, wenn sieh ein kletternder Ficus neben einem Rasamalabaum angesiedelt hat, wie ein riesiges Tau an dessen Stamm aufklinnnt, in der Nähe der Laubkronc den Ilauptstannn mit seinen Luft- wurzeln spirallVirmig umwindet, und sein Laub mit dem des Rasamalas vereinigt. Die Rasamalas liefern ein sehr feines, wohlriechendes Harz, dessen sich eine kleine, stachcUose Biene, Melipona vidua, zur Verfertigung ihrer Zellen bedient; die Inländer gebrauchen es als Räueher- werk. Die geographische Verbreitung des Rasamalas ist sehr eng begrenzt, der Baum kommt nur in den Prcanger Regenfschattcn und in den angrenzenden Thcilen von Buitcnzorg vor, und zwar nirgends unter 2000 oder über 4000 Fuss vor. Von den hohen Bäumen wenden wir unsere Blicke nach einigen anderen Pflanzenformen hin und bemerken zunächst grosse, holzige Lianen, Cissus- und Rotangarten, XI. Nr. 42. Natnrwissenscliaftliche Woclicusfliiift. 50B die sicli in dieser Zone cntwickelu, wie in Iveiuer audereii. Cissus papulosa erreicht die Dicke eiues Maniiesschenkels, ist al)cr so weich, dass man sie mit einem einzigen Hieb dnrciiliaiien kann, ihr süsser, reichlich flicsscnder Saft l)ictet dem durstigen Reisenden eine willkonnnenc Er- (piic'kung. Unter den liotangästcn ist IMectocomia clegans die grösste. In der 2. Zone sind die Sti-auchgewächsc unter den hohen Bäumen noch dichter als in der ersten; mit Wohlgefallen ruht das Auge auf den rothen Blüthen- schirmeu der Pavetta, ebenso unangenehm ist aber der Ge- stank verschiedener Lasianthusarten und einer Verbenacee, Prenuia footida. Daneben findet man Hoehmcria's mit an der Untenseite weissen ßlättern, Ardisias mit einer Fülle prächtiger Blüthen, Polygala's, kleine Palmen und Baumfarnen, die ihren zierlichen Blätterschirm dachartig ausbreiten. Zwischen den Sträuchern ist der Boden bedeckt mit Farnen, Baerlajjpen, Becherpflanzen, Tradcscantien, Big- noniaccen, während verschiedene Aeschynantusarten mit ihren Wurzel schiessenden Stengeln über Baunistännne hinkricchen und mit ihren prächtigen Blumen dem ganzen Wald Leben verleihen. Die hohen Bäume sind oft mit wunderbaren Farnen und Orchideen beladen, und auf alten oder todten Stännnen entwickeln sich Pilze in allerlei Grössen und mit den sonderbarsten Formen. Die 3. oder kühle Zone erstreckt sich v(ni 4500 bis 7500 Fuss. Hier besteht der Boden nur aus Abhängen vulkanischer Berge, doch ist er sehr fruchtbar; er wird gebildet aus verwitterten Eruptionsproductcn, mit ver- mulmten Ucberbleibseln der Wälder vermischt. Die Aus- breitung dieser Zone beträgt noch keine Vö.io ^oh (^cr der ersten Zone, aber das ganz anderen Bedingungen unter- worfene Pflanzenkleid bietet nicht weniger merkwürdige Erscheinungen. Der Luftdruck und die Temperatur sind viel niedriger als in der 2. Zone, der Feuchtigkeitsgehalt der Luft dagegen erheblich grösser. Schon Vormittags um 10 Uhr bilden sich dichte Wolken, und von 11 bis 3 Uhr ist alles in einen dichten Nebel gehüllt, der sich, oft au mehreren Orten zugleich, in einen gewaltigen Regen verwandelt; findet diese Verwandlung nicht statt, so bleibt der Nebel und fällt nach Sonncnuntergung als Thau ineder, im anderen Fall bescheint die Nachmittagssonne die blumenreiche Waldoberfiäche, fast immer aber glänzen Nachts die Sterne am Himmel, denn die Wolken l)leiben selten Nachts auf den Bergen hängen. In dieser Zone ist die Cultur von geringer Bedeutung; der Inländer siedelt sich nicht so hoch an, Gemüsefelder findet man nicht über einer Höhe von 5000 Fuss, und diese Höhe ist auch die äusserste Grenze für den Kaffee- baum. Ausnahmen hiervon bilden das Tengergebirge, das noch auf (UOO Fuss bewohnt wird, und das Plateau von Dieng, auf welchem, in einer Höhe von ()800 Fuss, das höchste javanische Dorf, Simpoengan, liegt nnd wo, ausser europäischen Gemüsen, der beste javanische Tabak wächst. Die Vegetation besteht aus schattenreichen, lioch- stännnigen Wäldern, in welchen oft Mincrahpiollen und ziendich ausgestreckte Seen und Sümpfe vorkommen. Mau findet hier viele Pflanzen, die zur javanischen Alpen- flora gehören, wie Erdbeeren, Ranunkeln, Veilchen u. s. w. in Arten, die, wie sehr sie auch von unseren nordischen Exemplaren verschieden sind, doch stark an dieselben erinnern. Im Walde finden wir eine Unzahl von Moosen, Farnen und Orchideen, die an Stämmen und Aesten halten; sie werden um so zahlreicher, je mehr die uns bekannten Bäume anderen den Platz' räumen und der Wald schliess- lich hauptsächlich aus Podocaspusarten, P^ichen und Lau- rineen besteht. Man unterscheidet auf Java nnndcstcns 25 Eichenarten. Ohne gerade zu den VValdriescn zu ge- hören, sind es hohe Bäume mit kugeliger Krone und säulenförmigem Stamme. Zu den Eichen gesellen sich hier unter anderen drei Kastanienarten, von welchen Ca- stanca javanica eine Fi'uciit liefert, welche die Inländer ge- röstet essen, die aber bei weitem nicht so gut ist, als unsere gewöhnliche Kastanie. Andere dieser Zone eigcntliiini- liche Bäume sind der Knoblauchbaum, Dysoxylon allia- ceum, so genannt wegen des Knoblauchgeruclics seines Holzes und seiner Rinde, ferner eine schlanke Akazien- art, Pithecolobium montanum, und der schöne javanische Ahorn, Acer laurinum, mit grossen, ganzrandigcn, hell- grünen, an der Unterseite weissen Blättern nnd braunen FlügelfrUchten. Im höheren Theil dieser Zone herrscheu die Lau- rineen vor nebst den Ternströmiaceen. Erstere erkennt man sofort an ihrer glatten Oberfläche, dem Glanz ihrer Blätter und ihrem aromatischen Geruch, der japanische Campherbaum, der ccylonsche Zinnntiiaum und der Sassa- fras gehören zu Laurincenfainilien, von wclciien auch auf Java wildwachsende Vertreter v(n'konnnen. Auf derselben Höhe findet man in West- Java noch einige Arten von Caryota- Palmen, deren Stamm einen schwarzen, etwa 1 cm dicken Holzcylinder bildet, welcher so hart ist, da.ss man mehrere Stunden braucht, um einen solchen Baum zu fällen; aus seinem Holze verfertigen die Javanen ihre Nägel. Unter diesen Waldriesen zeichnen sich zunächst vier oder fünf Coniferenarten aus, die zu den Podocarpen ge- hören und theils schmale, nadeiförmige, theils dicke, breite, lederartige Blätter haben. In Pracht wetteifern sie mit dem Rasamalas, und auf einer Höhe von 7500 Fuss, wo alle anderen Bäume zu verkümmern anfangen, haben sie noch prächtige, säulenartige Stämme. In Ost-Java nehmen die Casuarinen ihre Stelle ein. Alte Bäume dieser Ordnung, deren Blätterkrone spärlich geworden ist, von welchen aber lange Bartflechten herabhängen, erinnern nus, im nebeligen Klima dieser Zone, an den europäischen Herbst. Andere Prachtbäumc sind Memecylon eostatum, der Kupferbaum der Javanen, so genannt wegen der Kupferfarbe seines Holzes, ferner Cedrela toona, deren weiches Holz zur Verfertigung gewöhnlicher Geräth- schaften gebraucht wird, während ihre bittere Rinde als Mittel gegen Fieber gilt. Schönfarbige Blumen kommen in dieser Zone auf hohen Bäumen niclit vor. Dieser Um- stand ist jedoch nicht mit den Nebeln in Verbindung zu bringen, denn auf Sträuchcrn und kleineren Bäumen findet man prächtige Blütlicn und gerade in dieser Höhe ent- falten die Orchideen ihren prächtigsten Schmuck in den merkwürdigsten Formen. Lianen konnnen viel spärlicher vor als in niederen Zonen, aber desto mehr Moose und Flechten, nebst einer erstaunlichen Menge von Farnen und Orchideen, die diesen Wäldern ein rauhes, haariges Aussehen verleihen. In der vierten oder kalten Zone, die sich ausstreckt von 7500—10000 Fuss ist die Luft trocken und kalt, und die Verwitterung der vulkanischen Producte findet da nur sehr langsam statt. Die mittlere Temperatur beträgt an der unteren Grenze etwa 13» C, an der oberen S" C; auf den höchsten Bergspitzen sinkt sie oft bis zum (Gefrier- punkt. Der Feuchtigkeit.sgclialt der Luft ist sehr ver- mindert, denn die dünne Luft vermag nur wenig Wasser- dampf aufzunehmen. Wolken können sich auch ni(dit bilden, und Regen kommt nur in Form von feinen Tropfen vor. Dann und wann steigen die Wasserdänii)fc der niederen Gürtel zu dieser Zone auf und fallen dann als Hagel nieder; die Luft ist da viel reiner und durclisich- tiger und sie absorbirt weniger Licht, der llinnncl ist blauer, der Contrast zwischen laicht und Schatten stärker, der Schall pflanzt sich weniger intensiv fort, die .\thmnng 504 Natunvissenschaftlichc Wochenschrift. XI. Nr. 42. wird schwerer, uud dem Keiseiideii, weiciier länizcrc Zeit in diesen Strichen verweilt, springen Lippen, Gesicht und Hände auf. Von Cultur kann auf solcher Hohe keine Rede mehr sein. Ihr Pflanzenkleid verdient aber in hohem Maassc die Aufmerksand^eit des Beobachters. Die javanische Alpenflora schliesst sich der curopiiischeu ent;- an. Palmen fehlen ganz, die Baunifarnen dagegen sind viel höher; Bäume werden luiciistens 30 Fuss hoch, ihre Stämme sind krumm und buckelig und vertheiien sich sehr bald in Aeste, die oft ganz eigenartig gebogen sind. Die Laubkronen sind schirniartig, breit ausgestreckt und haben meistens keine Bliithcn; Orchideen sind selten, auf den Bäumen wachsen viele Moose und Flechten, ebenso auf den Felsen und auf der Erde; man findet viele Baer- lappen und andere kleine Pflanzen und das Alang-Gras, welches nicht über 7000 Fuss steigt, wird ersetzt durch ein fahles Kleid von Festuca uubigena. Unter den auf dieser Zone vorkommenden Blumen will ich nur eine erwähnen, die Primula imperialis, welche nur auf dem Berg Pangerango vorzukonmien seheint. Diese schönste aller Primulacecn hat einen oft über drei Fuss langen Stengel, an dessen Ende mehrere kranzartig geordnete Blnmenbündel vorkommen. Möge diese kurze, aus eigener Anschauung be- gonnene und mit Hidfe von Junghuhu's und Veth's Ar- beiten vervollständigte Betraclitung der Javanischen Flora dazu dienen, eine wenn auch nur unvollkommene Vor- stellung des unendlichen Fornicnreichthms in einem Lande zu geben, welches man mit Kecht das gelobte Land für Naturforscher nennen könnte. Ueber Folliculites (vorläufige Mittheilung). — In dem bekannten Torflager von Klinge fand Prof. Nehring bekannt- lieh eine sehr grosse Menge von wurstförmigen Samen, die keiner der zahlreichen um Rath befragten Botaniker und Pflanzen])aläontologen auf eine lebende Art zurückführen konnte, und die er deshalb als Paradoxocarpus carinatns, — als Räthselfrucht bezeichnete. Dieselben Samen fand später C. Weber in einem diluvialen Torflager von Lützen-Bornholt in Schleswig-Holstein, — und es ergab sich weiterhin, dass sie schon lange aus dem Cromer forestbed in England und aus einer pleistocänen Ablagerung von St. Gross in Suftblk von Clement Reid gefunden waren. Nehring sowohl wie Weber waren nach der Art des Auftretens dieser Samen auf der natürlichen Lagerstätte der Meinung, dass sie einer im ibu'hen Wasser wachsenden Pflanze angehören möchten und spcciell Weber glaubte sie in die Verwandtschaft der Naja- daceen stellen zu müssen. Potonie untersuchte aufs ge- naueste den anatomischen Bau dieser Samen, erkannte sie als Drupen, stellte ihre anatomische Verwandtschaft mit dem tertiären Folliculites Kaltennordheimensis Zenker fest und si)rach aus, dass die höchste Wahrscheinlichkeit dafür spräche, die zugehörige Pflanze in der Gruppe der Anacar- diaceen zu suchen. Von früheren Autoren waren noch zahl- reiciic andere Ansichten ausgesprochen, wonach dieseSamen mit Ranunculaceen, Coniferen, Santalaceen und anderen Pllauzcnfamilien in verwandtschaftliche Beziehungen gc- Iti-aeht wurden. In Bezug darauf verweise ich auf Potonie's Arbeit im Neuen Jahrbuch 1893. Alle diese Vermuthungen haben sich nun als falsch erwiesen. Von der Voraussetzung ausgehend, dass die zugeluirige Pflanze zu der nunmehr von Potonie in Folli- culites carinatus umgetauften Räthselfrucht, unter unseren Wasserpflanzen zu suchen sei, ha])e ich es mir im Ver- laufe (lii'scs Sommers, während meiner Aufnahmearbeiten in den ausgedehnten Moorgebieten am Ostrande desStettiner Haffes angelegen sein lassen, alle möglichen Sumpf- und W^asscrpflanzen auf die Form ihrer Samen zu prüfen. Am 28. Sejjteniber dieses Jahres hatte ich das Glück, in den Torf graben bei Fürstenflagge, 10 Kilometer west- lich von Gollnow, die zugehörige lebende Pflanze aufzu- (iudcn. Dieselbe ist unsere in Norddeutschland weit ver- breitete Wasseraloc, Stratiotes aloidcs L. Die Samen dieser l'llaiize stimmen, wie mir auch Herr Prof. Nehring bestätigte, in ihrem Bau bis in die geringsten Einzelheiten mit Folliculites carinatus überein und es i.st in Folge dessen in Zukunft dieser Name durch Stratiotes aloides zu ersetzen, und lolgerichtig auch der tertiäre Folliculites Kalten- nordheimensis als Stratiotes Kaltennordheimensis zu be- zeichnen. Näiiere Miltheilungen behalte ich mir für die Novenibersitzuug der Deutscheu Geologischen Gesell- schaft vor. K. Keilhaek. Gartenkiileiider. Oetober. — Obstgarten. In diesem Monate wird der Rest der Früchte von den Bäumen genommen. Mit der „Baunn-eife" ist aber die Fruchtreife noch nicht beendet. Viele Sorten werden vielmehr erst nach Monaten geniessbar. Es ist biologisch von nicht geringem Interesse, dass Früchte derselben Art so überaus verschieden lange Zeit zu ihrer Reife brauchen, wie dies bei dem Kernobste der Fall ist. Die Obst- bäume werden sofort, nachdem die letzten Früchte ge- crntet sind, gründlich gesäubert, am besten mit Stahl- bürsten und Kratzern, und dann mit Kalkmilch bestrichen. Die Weinreben werden, nachdem das Laub abgefallen ist, von den Spalieren losgelöst und beschnitten. Aus- gereifte, abgeschnittene Zweige derselben können zu Steck- lingen verwendet werden, welche man in der Weise schneidet, dass jeder Steckling drei bis vier Knospen hat. Die Stecklinge werden dann in Bündel zusammen- gebunden uud im Keller in massig feuchten Sand ein- gegraben, in dem sie l)is zum nächsten Früiijahre Wurzeln bilden. Die beschnittenen Reben werden aber, wenn Frost eintritt, zusanmiengebunden, auf die Erde gelegt und mit Stroh oder Erde gegen die Kälte geschützt. Für das empfindlichere Spalier(d)St ist Deckmaterial zu besorgen. Gemüsegarten. Bis auf Brauu- (irün- uüd Rosenkohl werden die Kohlarten jetzt aus dem Boden genommen. Tritt im Oetober noch schönes Wetter ein, so lässt man die Pflanzen so lange wie möglich auf den Beeten, weil sie gerade jetzt noch nicht unbedeutend nachwachsen. Die Strünke der Kohlpflanzcn dürfen nicht auf den Beeten stehen bleiben, sondern müssen entfernt werden. Blumenkohlpflanzen, deren Köpfe noch nicht ausgebildet sind, werden mit den Wurzeln aus der Erde genommen und im hellen Keller in Sand eingeschlagen, wo sich die Köpfe noch ausbilden. Die abgeräumten Beete werden tief umgegraben und entweder nochmals mit den im vorigen Monate genannten Sämereien i)esäet, oder ungeharkt mit rauher Schollenfläche liegen gelassen, damit der Frost möglichst tief in die Erde eindringen kann. Die jetzigen Aussaaten werden in diesem Jahre nicht mehr keimen. Der Zweck der Aussaat ist. dass die Samen, welche zum Keimen viel Wasser braueheu und erst längere Zeit nach der Aussaat keimen, im Laufe . vermehrte Auflage. Verlag von J.Engelhorn. Stuttgart 1895. — Preis 7 Mark. In unserer elektrischen Zeit wird mancher das Bedürfniss fühlen, sich näher mit dem Gebiete der Elektricität zu beschäf- tigen, schon um zu einem Verständniss der vielen in der Praxis des täglichen Lebens vorhandenen elektrischen Vehikel, Be- leuchtungs-Apparate u. s. w. zu gelangen. Zur Erwerbung einer grösseren Vertiefung auf dem Gebiete ist kaum ein em- pfehlenswertheres Buch vorhanden als das vorliegende; es hat ja auch die gebührende Anerkennung längst gefunden. Gemäss dem neuesten Standpunkt ist das Buch verändert worden; so wurde die Kraftlinientheorie des Magnetismus aus- führlicher behandelt, das Ohm'sche Gesetz für den Magnetismus eingeführt, die Versuche von Tesla und von Hertz neu dargestellt, die Maxwell-Faraday'sche Auffassung der elektrischen Erschei- nungen in ihren Hauptzügen darzustellen versucht, ein Abschnitt über Elektrochemie hinzugefügt u. s. w. Director Dr. Gustav Holzmüller, Methodisches Lehrbuch der Elementar-Mathematik. Gymnasial-Ausgabe. 1. Tlieil, im Anschluss an die preussischen Lehr|däne von 1892 nach Jahr- gängen geordnet und bis zur Abschlussprüfung der Untersekunda reichend. Mit 138 Textfiguren. B. G. Teiibner. Leipzig 1896. Wir haben die Holzmüller'schen mathematischen Lehrbücher schon wiederholt in der Naturw. Wochenschr. loljcnd erwähnt. Vorliegendes Buch ist eine besondere Ausgabe für Gymnasien des Buches gleichen Titels, das früher erschienen eine allgemeine Bearbeitung'des Gegenstandes bietet und auch den Anforderungen des Realgymnasiums und der Oberrcalschulc genügt. Wie bisher gellt Verf. auch in dem vorliegenden Lehrbuch anfangs propä- deutisch, erst später mehr wissenschaftlich vor. Das Buch enthält Geometrie für Quarta, Tertia und Sekunda b, Arithmetik für Tertia a und b, sowie Sekunila b, Trigonometrie für Sekunda b und Stereometrie für Sekunda b. In einem Anhang wird die etymologische Erklärung einiger aus dem Griechischen stammenden Fremdwörter geboten. Anton Oberbeck, lieber Licht und Leuchten. Antrittsrede bei Uebernahme der ordentlichen Professur der Physik an der Hochschule zu Tübingen. Franz Pitzcker in Tübingen 1895. — Preis 0,80 Mark. Zunächst beantwortet Verfasser die Frage „Was ist Licht?", um sodann zur Erörterung der Bedingungen überzugchen, unter denen Licht entsteht. Es werden dabei die Beleuchtungsarten der Praxis in anregender Weise besprochen; es handelt sich also um ein Thema allerwoitesten Interesses. Auch Tesla's Untersuchungen finden Erwähnung. Dr. E. Vogel, Taschenbuch der praktischen Photographie. Ein Leitfaden für Fachmänner und Liebhaber. 4. vermehrte und verbesserte Auflage. Mit vielen Abbildungen. Robert Oppenheim (Gustav Schmidt). Berlin 1896. — Preis 3 Mark. Eine frühere (die 2.) Auflage wurde in Bd. VII S. 400 günstig besprochen. In der vorliegenden 4. Auflage sind die Neuerungen und Verbesserungen auf dem Gebiete gewissenhaft berücksichtigt und im übriKen" ist iler Text verbessert unil erweitert worden. Inhalt: E. Fürst, Java's Flora. — Ueber Folliculites. — Gartenkalender. — Ueber das Cholesterin der menschlichen Faeccs. — Ueber Alloxantin als Siialtungsproduet des Cra». Sind die praktisclisten Hand-Apparate. / Das beliebige Objectiv dient - '^ gleiehzeitig als Sucher. Das Bild bleibt bis zum Eintritt der Be- iUchtung in liildgrössc sichtbar. Die Visiersclicibe dreht sich inn sieb selbst (für Hoch- und Quer- Aufnahmen). Spiegel-Camera 9/12 cm zum Zusaninic'iile^vii. Alleinvertrieb der W A Wolincr-Platten. „ „ l'illnaj'solieii liSivke. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstr. 33 ■• ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ t Dr. Robert Muencke x X Luisen.str. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. t ^ Teclinisches Institut für Anfertigung wissenscliaftlielier Apparate ♦ ♦ und Gerätliscliaftiin im Gesammtgebietc iler Naturwisseii-seliaften. ♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ I Carl Zeiss, ^ — - Optiselie AVerkstätte. ^- M Mikroskope mit Zubehör. 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Band. SoDntag, den 25. October 1896. Nr. 43. Abonnement : Man abonnlrt bei allen BuchhandluDKeu und Post- "][ inatalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.- G|S> BrinsreReld bei der Post 15 -4 extra. PostzeitunesUste Nr. 4S27. ^'■ Inserate : Die vieri^espaltene Petitzeile 40 J>. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. BeilaRen nach Uebereinkunlt. Inseratenannahnie bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit Toliständiser 4(aellenansabe gestattet. Veränderungen auf dem Monde. Von Loo Brenn Ol-, Diroctor der Manora-Sternwarte in Lussinpiccolo. II. in Nr. 2 des Jahrgangs 1895 dieser obigem Titel meine Beobaclitun en Zeit- des Ais icli scbrift unter Mondliraters Linnc verötleutlichte, fügte ich der lieber scbrift flin ■? ein liinzu, weil icb damals die Frage: ob auf dem Monde thatsäcblicbe Veränderungen statttänden, nocb nicht zu beantworten wagte. Heute erscheint der Titel ohne '?, weil es mir mittlerweile gelungen ist, die Ent- deckung zu machen, dass sich die Umgebung der Mond- landschaft Hyginus N thatsächlich binnen IV2 J'ihren bemerkenswerth verändert hat. Dies nachzuweisen ist der Zweck der nachstehenden Mittheilungen. Veränderungen auf dem Monde wurden wolil bisher wiederholt vermuthet und von erfahrenen Mondbeobachtern auch behauptet, allein sie konnten deshalb nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden, weil die Gegner be- ständig mit dem Einwände kamen: es ist auch möglich, dass die früheren Beobachter entweder das betreffende Object übersehen, oder zu ungünstiger Zeit beobachtet haben, oder auch waren ihre Augen weniger geübt, ihre Instrumente weniger leistungsfähig, oder ihre Luft un- günstiger, oder sie können das Object einzutragen ver- gessen oder es verzeichnet haben, etc. Nachdem derartige Einwürfe nicht zu sind, konnte ein thatsächlicher Nachweis von wirklichen Veränderungen nur dann erbracht werden, wenn es fest- stand, dass derselbe Beobachter mit demselben In- strumente, unter denselben Verhältnissen, bei gleicher Beleuchtung und bei minderer Luft mit Leichtigkeit Objecte sah, die er zuvor bei besserer Luft nicht, oder anders, gesehen hatte, deren Ausseben jedoch alle Möglichkeit eines früheren Uebersehens ausschloss. Und solche Fälle liegen nun hier vor! Die Mondlandschaft Hyginus machte schon einmal, vor 19 Jahren, viel von sich reden, als Dr. Klein mit der Ankündigung in die Oeffentlichkcit trat, er habe dort einen sehr auffälligen neuen Krater und ein neues Thal entdeckt, die sich erst vor Mai 1877 gebildet haben widerlegen könnten. Alle Fernrohre wurden nun auf den Hyginus gerichtet und thatsächlich ein Object gefunden, das zu gewissen Zeiten als grosser schwarzer Fleck erschien, also durchaus nicht übersehen werden konnte, zu anderen Zeiten aber ganz unsichtbar war und eher als heller Fleck erschien. Aus eben diesem Grunde folgerten aber die Leugner von Veränderungen auf dem Monde die Möglichkeit, dass die früheren Beobachter zufällig Hyginus N, (wie Klein's Entdeckung getauft wurde), stets nur zu solchen Zeiten beobachtet hätten, da dieses Object, (nebenbei erwähnt, kein Krater, sondern eine schiefe Mulde), eben unsichtbar gewesen sei. Ein solcher Zu- fall war allerdings im höclisten Grade unwahrscheinlich; denn der Mond wird am häufigsten (weil am bequemsten), im ersten, und am seltensten (weil am unbequemsten) im letzten Viertel beobachtet; Hyginus N ist aber gerade im ersten Viertel sichtbar, im letzten unsichtbar! Nachdem ein solcher Zufall aber iininerhin nicht ausgeschlossen war und es sich überdies herausstellte, dass das S-förmige Thal, welches vom Krater Hyginus (H auf der beigegebenen Karte) zum „Schneckenberg" (S auf der beigegebeuen Karte) zieht und von Dr. Klein ebenfalls als Neubildung bezeichnet worden war, sich bereits auf einer Zeichnung von Schmidt vom 18. Februar 1869 fand, konnten die Gegner nicht überzeugt werden und die Frage blieb nach wie als ich vor mehr als zwei vor offen. So stand die Sache, Jahren in Folge directer Aufforderung durch Herrn Dr. Klein meine Aufmerksamkeit dem Hyginus N zuwandte ; zum besseren Verständniss des Nachstehenden will icli vor- her schildern, was bis dabin von jener Landschaft anderer- seits gesehen worden war. Zu diesem Zwecke ersuche ich den Leser, die beigegebene Karte zu Ratlic zu ziehen. Sie ist die Reproduetioii einer der prachtvollen Mond- photographien des Directors der Frager k. k. Sternwarte, Herrn Prof. Dr. L. Weiiiek. Bekanntlieh hat dieser Astronom die Herstellung eines photographisclien Mond- atlasses unternommen; indem er die besten Moudphoto- 510 Natnrwissenseliaitliche Wophcnsclirif't. XI. Nr. 43. Li( o-raphien von L mit T bezeichnet i, welcher die Lage meiner Rille 60 einnimmt. Die letzte Karte von Dr. Klein (1893j, das Resultat seiner 17 jähr. Beobachtungen der Hygiuus-Gegend mit Refractoren von 5V3— 6V5 Zoll Oeftuung zusammenfassend, enthält fol-' gende Objecte: Rillen 4, 36 (anders piaeirt), 87, Krater 79, 80, 11, 12, 96, 72, 75 und noch einige, die aber gleich allem anderen derart verzeichnet sind, dass die Identification ein Ding der Unmöglichkeit ist. Von dem geschicktesten und glücklichsten Mond- beobachter der damaligen Zeit, Herrn C. M. Gaudibert in Vaison, waren bis 1894 folgende (Jbjccte gesehen worden, (wie aus den Skizzen hervorgeht, die er mir kürzlich zu senden die Güte hatte) : Rillen 87, 4 und eine von 79 über 14 und 78 an 25 vorbei durch die grosse Hyginus-Rille gegen 53 ziehende Rille, die ich niemals zu sehen vermochte.*) Ferner Krater 79, 80, 14, 78, 72, 68, 69, 28, 31, 20, 76(?) 75, 11 und 12. Diese Resultate wurden von Herrn Gaudibert unter sehr ungünstigen Um- ständen mit drei Reflectoren von 8 — 10 Zoll Oeffuung gewonnen. In jüngster Zeit nahm auch Herr Rh. Fauth in Kaiserslautern (jetzt in Landstuhl), ein ebenso fieissiger als geschickter Beobachter, den Hyginus aufs Korn. Sein Instrument war ein ausgezeichneter 6' ä-Zöller, so dass es ihm gelang, auf seiner kürzlich veröflentlichteu Karte fol- gende Objecte einzutragen: Krater 68, 69, 90, 70, 67, 33, 5, 12, 14, 75, 72, 80, 79, 96, 99 und Rillen 94 und 100. Nach seiner Uebersiedlung nach Landstuhl vermehrte sich jedoch die Zahl dieser Olijeete in erfreulicher Weise, wie ich mich zu überzeugen vermochte, als Herr Fauth heuer nach Lussin kam und seine letzten Beobachtungen mit- brachte. Bei Vergleich derselben mit den meinigen zeigte sich eine geradezu wunderbare Uebereinstimmung, welche den besten Beweis für die Existenz der betreffenden Objecte liefert. Die englischen Mondbeobachter leiden alle unter dem Fluche ihrer Reflectoren und ihres ungünstigen Klimas. Die ersteren taugen nur ausnahmsweise etwas, uudselbst gute Instrumente finden in England nur wenige Nächte, in denen sie au.sgenUtzt werden können. Dieser beklagensvverthe Um- stand erklärt das Misstrauen, welches jene englischen Beob- achter, die nur ihre eigenen Reflectoren und ihr eigenes Klima kennen, allen anderen Astronomen entgegenbringen, welche mehr zu sehen in der Lage sind. Der einzige Gwyn Elger macht eine Ausnahme, denn nicht nur scheint sein 8-zülliger Refiector zu den besseren zu gehören, sondern seine Geschicklichkeit ersetzt auch theilweise die Nach- theile des schlechten Klimas, so da.ss seine Mondbeobach- tungen von höherem Werthe sind als jene der übrigen englischen Beobachter; — freilich reicht dies allein nicht hin, ihm das Erkennen auch der feineren Objecte zu er- möglichen. Deshalb ist es sehr zu l^eklagen, dass er nicht z. B. bei uns zu beobachten vermag, wo er sicher- *) Siu schoint nur bei iibnchmüinlüin Monde sichtbar zu goin, also zu einor Zeit, du ich niemals Hyginus mit besonderer Auf- mcrk.^amkeit ert'ursclit habe, weil dann nur wenige Objecte sicht- bar sind. lieh alljährlich mehrere tausend Objecte entdecken würde. Was e r bei Hyginus sah, vermag ich nicht zu sagen, da ich sein diesbezügliches Werk leider nicht besitze; ich glaube jedoch kaum, dass er auch nur so viel zu sehen vermochte, als sein ebenso geschickter französischer College, Herr Gaudibert, mit besseren Instrumenten und in besserer Luft sah. Kurz bevor ich meine Beobachtungen begann, hatte auch Herr J. N. Krieger in Gern (München, jetzt in Triest) seinen ausgezeichneten Reinfelder'sehen lO'/o Zöller auf Hyginus gerichtet und am 12. April 1894 eine Zeich- nung aufgenommen, welche folgende Objecte enthielt: Rillen 71,^4, 22, 87, 94, 7, 3, 46, Krater' 75, 5, 23, 11, 12, 79, 80, 96, 68, 89, 69, 33, 29, 41, 35 (?) 20 (V) 26 (als Berg), und Berge 15 und 67 — also mehr als je zuvor ein Beobachter gesehen hatte. Dies erschien Herrn Klein, welcher voraussetzte, dass es um Hyginus herum (den er in 17 Jahren mehrere hundert Male beobachtet hatte) keine (»bjecte gäbe, die er nicht kenne, so un- glaublich, dass er der Krieger'schen Beobachtung grosses Misstrauen entgegenbrachte. Namentlich Krater 5 (von Krieger als Mulde gezeichnet) verblüffte ihn derart, dass er die Ansicht aussprach, wenn jene Mulde wirklich existire, müsse sie eine Neubildung sein. Um dies herauszubringen schrieb er mir, ich möge scheu, ob ich in der Nähe von Hyginus N irgend etwas Besonderes wahrnehmen könne; ein Beobachter habe ihm daselbst eine Neubildung angezeigt, die ihm unwahrscheinlich vorkomme. In Folge dieser Autforderung stellte ich am 10. Juni 1894 um 8'/4'' M. E. Z. Hyginus ein, beobachtete ihn bis 11^^ und fertigte eine Skizze an, die in den „Memoirs of the British Astronomical Association'- Vol. 111 Part. V veröffentlicht wurde. Das wunderbare Bild, welches ich bekam, ist mir noch heute im Gedächtniss. Es war Luft 1, das Instrument (der siebenzöllige Refractor von Reinfelder ä Hertel, dessen grossartige Leistungen zur Genüge bekannt sind), noch ganz neu und die (damals) stärkste Vergrösserung von 672 anwendbar; doch benützte ich auch die Vergrösserungen 410 und 600. Die Luft war so wunderbar rein, dass selbst mit 672 nicht das geringste Zittern des Bildes bemerkt werden konnte. Unter diesen Umständen hat also das, was ich damals sah, besonderen Werth. Ich beschrieb es im Beob- aehtungs-Journale folgendermaassen: „Hyginus N er- scheint, wenn auch nicht so tiefschwarz wie der Schatten von Hyginus selbst, doch so dunkel und auf- fallend, dass es unmöglich gewesen sein muss, ihn vor 1877 zu übersehen, wenn er damals so ausgesehen hätte wie heute. Mit den schwächeren Vergrösserungen (146) erschien er übrigens noch weit auffallender, weil ab- stechender, als mit den stärkeren. Die zungenförmige Verlängerung von N (das übrigens gar kein Krater, sondern nur eine tiefe Mulde zu sein scheint), gegen Südwest (57) ist sehr schwach sichtbar, hängt mit N nicht zusauuneu und verlängert sich durch eine sehr schwache Schatten- linie (4) bis zu einer dunklen Doppelmulde, oder Krater- gruben (82, 23). Nordöstlich neben N zeigt sich eine an- dere dunkle Mulde (1), welclie wahrscheinlich in Klein's Brief gemeint ist. (Wie oben bemerkt, bezog sich aber sein Brief auf 5.) Nordwestlich neben N sehe ich einen kleinen Hügel (2, später als Krater erkannt), neben dem die Rille 3 — die am Abhang des Schneckcnbergcs (S) ])eginnt und in südwcstiiclicr Richtung gegen die Krater 11 und 12 zuläuft (später erschien mir diese Rille einer- seits thatsächlich bis 12 verlängert, andererseits aber bei 13 unterbrochen und erst als Rille 3() fortgesetzt) — eine P>weiterung zeigt. (Später als Krater 13, 45 erkannt.) Diese Rille hat an ihrem südwestlichen Ende zwei 512 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 43 dunkle Erweiterungen — vielleicht Kratergruben (21, 97). Südöstlich neben N und mit diesem durch eine kleine Rille verbunden, befindet sich der kleine Krater 5 (wie man sehen wird, ist derselbe jetzt gross und selbst dann noch zu sehen, wenn alle anderen feinen Objecte unsichtbar sind!) der gleich 1 ein Viertel des Durch- messers von N misst, — sowie N ein Viertel des Durch- messers von Hygiuus hat — und von dem die Rille 6 nach 'dem S-Thal führt. 7 ist eine breite Rille und 8 eiu Krater, beide am Westabhange des Schneckenberges (S). Dieser Abbang ist doppelt so breit, als Klein ihn zeichnet, dessen Rille (36) auch viel zu nahe an N ge- zeichnet ist. Ebenso falsch ist bei ihm die Lage der Krater um 23, 82 herum. 9 und 10 sind deutliche grosse Rillen, welche die beiden Höhenzüge durchbrechcu und die beiden Ebenen durchschneiden. Ebenso sah ich nördlich davon, dort wo Ncison V und 6 zeichnet, und zwar zwischen diesen beiden Buchstaben eine grosse Rille (43), welche wahrscheinlich mit der vonil2V5-Zöller der „Urania" entdeckten identisch i.st.'' Vergleichen wir nun diese Schilderung mit der Krieger'schen Zeichnung vom 12. April 9'' (520fache Vergrösserung), so ergiebt sich Folgendes: Mulde 1 war damals unsichtbar, Krater 2 konnte angedeutet sein, Rille 3 war sichtbar, Rille 4 erscheint doppelt und bei 82 zusammenlaufend, was ich mir so deute, dass Herr Krieger damals schon meine Rille 46 sah, jedoch ihren Ursprung aus Krater 2 deshalb nicht erkannte, weil N damals grösser war, als bei meiner Beobachtung. Während ich nämlich den Durchmesser von N ausdrücklich als mit ^/^ von Hyginus angebe, misst er auf Krieger's Zeichnung ^/^ dieses Kraters, also dreimal mehr! Dieser Umstand erklärt es auch, weshalb auf der Krieger'schen Zeichnung 2, 57 und die nördliche Hälfte von 46 unsichtbar sind: sie waren eben vom Schatten N bedeckt, oder vielmehr sie liegen theilweise in dieser grossen Mulde. Mulde 82 ist bei Krieger ebenfalls viel grösser und düi'fte daher Krater 23 verdeckt haben. Krater 5 erscheint bei Krieger als Mulde, in deren Nähe meine Rille 7 mündet. Letztere erschien mir aber eher als Durchbruch des Ausseuwalles des Scbneckenbergcs. Krater 8 zeigt sich bei Krieger als schwarzer Fleck. Krater 75 und 14 sind correct, 11, 12 etwas verzeiclmet eingetragen, dagegen noch ein Berg sichtbar, der bei mir fehlt. Bemcrkenswerth ist, dass Krieger auch meine Rillen 71 und 22 hat, die ich später nur bei besonderer Beleuchtung zu sehen vermochte. Doch lässt er 22 bei 12 münden, was ich wegen des dazwischenliegenden Berges 15 für unwahrscheinlich halte. Nicht gesehen hat also Herr Krieger drei Monate vor meiner Beobachtung die Objecte: 1, 6, 9, 10, 13, 45, 21, 97 und die Südhälfte der Rille 3, obgleich deren Sicht- barkeit nicht uuniöglich gewesen wäre. Immerhin liegt aber die Möglichkeit vor, dass jene Objecte nur bei ganz gleiclier Beleuchtung und Libration sichtbar sind, und deshalb will ich daraus noch keine Schlüsse auf Veränderungen ziehen. Nur das Fehlen von Mulde 1 erscheint mir JKiclist seltsam! Man vergesse nicht, dass II tri' Kricgei" in Mondbeobachtung geübter ist als ich, dass sein Instrument doppelt so viel Lichtstärke als das nieinige hat und die Lutt sein' gut gewesen sein nuiss, da er sonst nicht 520 fache Vergrösserung liätte anwenden können. Das Resultat meiner Beobachtung nel)st Skizze sandte ich natürlich Herrn Klein, der es seinerseits Herrn Krieger mittlieilte. Letzterer war sehr erstaunt, zu linden, dass ich, ohne von seinen Entdeckungen etwas zu wissen, die Objecte 5, 4, 82, 7, 8, 3 etc. identisch gesehen hatte, und setzte sich mit mir direct in Verbindung. Von einer Bekanntmachung dieser parallelen Beobachtungen im ..Sirius" sah jedoch Herr Klein ab, weil er die neuen Objecte erst mit dem Siebenzöller des Herrn Mengering in Deutz verificiren wollte, was aber wegen der elenden Luft, die in Köln und Umgebung gewöhnlich zu herrschen scheint, selbstverständlich niemals möglich war. Meine nächste Beobachtung fand am 10. Juli 1894, 8 — 9*^ statt, aber unter ungünstigeren Umständen ; Luft 3, heftiger Wind, der das Fernrohr zittern machte, deshalb nur Vergrösserung 310 uud Lichtgrenze bereits bis Archi- medes vorgeschritten. Im Tagebuch steht darüber: „Der ungeheure Unterschied, den die Beobachtuugs- verhältnisse bewirken, wurde heute deutlich sichtbar! N war heute viel weniger auffallend und hätte in einem kleineren Fernrohre leicht übersehen werden können. Manchmal erschien N doppelt in der Richtung Südwest- Nordost, offenbar dadurch bewirkt, dass die Mulde 1 bliekweise auftauchte. Ebenso sah ich blickweise Krater 5, meine Mulden 82, 23, wie die Rillen 3, 6 und 7. Aber auch die vorgeschrittene Beleuchtung hatte dabei ihren Einfluss, denn das S-förmige Thal war nur sehr schwach zu erkennen, dafür aber im Innern des Hyginus die diesen Krater durchziehende grosse Rille. Um nun den Unterschied in der Beleuchtung so recht kennen zu lernen, beschloss ich Hyginus N auch bei ab- nehmendem Monde zu beobachten. Am 22. Juli 1894 von 123/4— 13'*/4h bei Luft 3, Lichtgrenze Theophilus, sah ich die Gegend mit Vergrösserung 198 nur oberflächlich an, weil ich von einer vorhergegangenen fünfstündigen Be- obachtung zu sehr ermüdet war. Hyginus gewährte einen ganz fremdartigen Anblick: an Stelle von 57 und 4 war ein heller weisser Fleck, N und 5 als dunklere Sehat- tirungen bemerkbar. Um dies genauer festzustellen, be- obachtete ich in der nächsten Nacht von I2V2 — l^Va'' abermals Hyginus. Luft war 2 — 3, Lichtgrenze bei Bessel, Vergrösserungen 310 und 410. Darüber heisst es im Journal: „Krater 5 überraschte mich dadurch, dass er grösser als N zu sein schien. Er sah auch wie ein Krater aus, während N entschieden nur eine Mulde sein kann. Rille 3 deutlich zu sehen; ebenso die beiden schwarzen Punkte (21 und 97) in welche sie mündet und die mir heute den Eindruck kleiner Kraterlöchcr machten. Seltsamer Weise aber sah ich an Stelle von 57 einen grossen weissen Fleck! Die Mulden 82 imd 23 am Ende von 4 glaubte ich manchmal erkennen zu können. Die umliegenden Krater sah ich deutlich. Kille 6 glaubte ich manchmal als feinen Haarstrich zu sehen. Das S-Thal war als flache, schwach schattirte Senkung zu erkennen. Dort wo es den Schneckenberg erreicht, ist dieser weit gespalten, so dass das Thal als tiefe Schlucht in denselben eindringen muss. Krater 8 sichtbar." Nach mehreren bedeutungslosen Beobachtungen konnte ich am 22. August 13'', bei Luft 1 — 2, Lichtgrenze Manilius, mit Vergrösserungen 410, 488 und 672 wieder Hyginus besser sehen. Es heisst darüber im Journal: „Es scheint, dass N eine schiefsolige Mulde ist, welche nur bei aufgehender Sonne beschattet, bei untergehender aber beleuchtet ist, denn heute erschien der sonst schwarze Fleck weiss. Daneben sah ich 5 sehr deutlich als Krater, aber nichts anderes von meinen Entdeckungen. Dafür sah ich Rille 71." Die nächste Beobaciitung erfolgte am 20. Sejjtembcr 17 — ^173/4'' bei Luft 2, Lichtgrenze westlich von Linne. mit Vergrösserungen 310 und 410. Ich schrieb darüber ins Journal: „S-Thal und die Schlucht in welcher es in den Schneckenberg mündet, kenntlich. Bei dieser Mün- dung entdeckte ich einen Krater (28) und einen zweiten weiter rechts (27). 5 ist sehr deutlich und gross. 3, 9 und die Krater südlich und westlich von 82 sehr aufiällige Objecte. 82 und 23 glaube icli zu identificiren, dagegen erscheint N als heller Fleck." XL Nr. 43. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 513 Am 6. October 6V2— '?'' Luft 2, Lichtgrenze Cassini, Verg-rösscrunü- 410 ist nur kurz bemerkt, dass N sehr auffällig und ersichtlich eine starke Vertiefung, 1, 23, 82, 3 und 7 sichtbar waren. Eine am 5. November 6 — 7^ bei Luft 1—2, Licht- grenze Archimedes, Vergrösserung 410 gemachte Skizze enthält folgende Objecte: N, 57, 1 und 82 als Mulden, Rillen 4 und 3 (Letztere bereits als feiner Haarstrich bis 11 fortgesetzt), Krater 9S, 62, 14, 75, 76, 11, 12, 13, 77, 8, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 66, 9G, 2, 5 und 50, sowie Berg 15. Hier haben wir also eine Beobachtung, die sich mit jener vom 10. Juni völlig vergleichen lässt. Dass 6 u. 7 nicht sichtbar waren, Hesse sich allenfalls dadurch er- klären, dass die Luft weniger gut war als am 10. Juni; wie erklärt man aber den seltsamen Umstand, dass der Krater 50 neu aufgetaucht ist und Rille 3 sich über 97 hinaus bis 11 verfolgen lässt und zwar halb so breit als die alte Rille V Auch 2, das am 10. Juni als Berg erschienen war, entpuppte sich jetzt als Krater. Zwei Tage später (Lichtgrenze Riphäen) war N kaum bemerkbar. Am 18. November {lb\U — 15Vo'', Luft 3 und heftiger Wind, Lichtgrenze bei Linne A) war N wieder ein heller Fleck, der durch zwei dunkle Flecke (5 und 77?) von S getrennt war. Am 1. Mai 1895 beobachtete Herr Krieger an un- serem Fernrohre von 7— 8V2'' bei Luft 3 — 2 mit Ver- grösserung 310 und konnte alle meine bisherigen Ent- deckungen bei Hyginus sehen, namentlich auch die von Klein so sehr bezweifelten 5, 1, 6, 57, 2, 4 und 82. Am 30. Mai 1895, IOV4— 11'' lag N gerade an der Lichtgrenze, wo es eine schwarze Schattenbucht bildete. Die Rillen waren alle stark hervortretend. Sonderbar ist es, dass am nächsten Abend 9'y^ — 10'', bei Luft 4, Lichtgrenze beim Plato- Westwall, N ganz un- aulfällig war, dunkelgrau, gleich den andern dunklen Flecken südlich der grossen Hyginus-Rille. So wie es damals war, hätten es Mädler und Schmidt sicherlich nur für eine Bodenschattirung gebalten. 3, 6, 5, 8 waren sichtbar, 1, 4 und 82 zu errathen. Ebenso unbedeutend, als dunklerer Fleck, zeigte sich N am 30. Juni 9'\ Licht- grenze Eratosthenes; und am 1. Juli 9'', Liehtgrenze Bullialdus, war es kaum erkennbar. Auch am 29. Juli 7V2''; Lichtgrenze Archimedes, zeigte sich N als unbedeutender schwarzer Fleck, und 29 und 30 als ein dunkler Fleck. Am 31. Juli S'/gh, Lichtgrenze Riphäen, Luft 3, war N gänzlich unsichtbar; am 27. August S'', Lichtgrenze Aristillus, Luft 3, trat es als schwarzer Fleck hervor; auch waren 5, 6, 4, 82, 23, 3 und 8 sichtbar, 1 dagegen merkwürdiger Weise nicht. Am folgenden Tage war N nur ein unbedeutender schwärzlicher Fleck; (Lichtgrenze Plato) ebenso wenig auffallend erschien es am 26. Sep- tember 672*^ (Lichtgrenze Archimedes), während es zwei Tage später schon unsichtbar war. Nun kommen wir zu der entscheidenden Beobachtung. Am 22. Januar 1896 von 5V2 — 8V2'' war Luft 2, die sich später mancimial zu 1 — 2, sogar bisweilen 1 besserte. (Licht- grenze Aristillus, Vergr. 410, gelegentlich GOO und 830.) Ueber diese Beobachtung schrieb ich ins Journal: „Heute steht es fest, dass auf dem Monde und namentlich bei Hyginus noch Veränderungen stattfinden. Anblick, Luft und Definition waren ähnlich wie am 10. Juni 1894. Von den damals entdeckten Objecten fand ich 1, 3, 4, 5, 6, 82, 23, 8 und 9 wieder, 2 als Krater, 7 ebenso; (vielleicht ist es nur eine grosse Scharte). Dagegen fand ich so auffallende neue Objecte um N herum, dass ich sie unmöglich hätte nherschen können, wenn sie damals bereits vorhanden gewesen wären, umsomehr, als damals die Luft doch noch besser und das Objectiv ganz rein war. Von 1 zog sich eine deutliche Rille (58) um N herum und mündete in den (neuen) Krater 50 an dessen Südrande. Sie wurde durch eine zweite Rille (47) gekreuzt, welche von 5 ausgeht, den Rand von N durchschneidet, ein tiefschwarzes Loch (57) passirt und dann in Krater 11 mündet, nach- dem sie in der Mitte zwei kraterartige Erweiterungen (48, 49) gezeigt hat. Vom Nebenkrater 12 geht eine andere Rille (3), gegen die Rille 3, mit der sie verschmilzt*), aber nur eine kraterartige Erweiterung (21) zeigt (gegen 97 am 10. Juni 1894) und in einen Doppelkrater (13, 45) mündet, der an der Stelle der Erweiterung 13 liegt. Von dem daneben liegenden Krater 2 zieht eine ebenso deutliche Rille (46) gegen 82, das diesmal mit 23 ver- schmolzen, als einzige aber grössere schwarze Mulde er- schien. Eine fünfte Rille (22) sah ich zwischen 14 und Hyginus. Sie war weiss leuchtend, ohne Schatten, wahr- scheinlich weil die Sonne sie der Länge nach durch- schien. Nördlich davon entdeckte ich einen Krater (24), einen anderen (16) bei 80, einen dritten (20) in der Rille 9. Ausserdem zeichnete ich noch weitere 14 Krater in die Karte ein (19, 24, 99, 25, 35, 41, 26, 54, 55, 61, 70, 72, 64, 78) sowie 3 Berge (darunter 53). Eine Rille (51) entdeckte ich in der Nähe von 66, welche die grosse Hyginus-Riiie kreuzt, wie denn letztere sich überhaupt viel weiter erstreckt (52) als alle Karten angeben. Eine Rille (43) läuft auch vom grossen Krater v nordöstlich und wird nach Süden durch eine Kraterrille (44) fort- gesetzt, die sich durch die Berge windet, eine Nebenrille (42) nach Nordost entsendet und dann (36) an vier Kratern (37 — 40) vorbei gegen Rille 3 läuft, von der sie durch einen kleinen Zwischenraum getrennt ist." Aus dieser Eintragung ersieht man zur Genüge, wie verblüfft ich über das also veränderte Aussehen der Um- gebung von Hyginus N war. Die Rillen 58 und 47 waren so deutliche und auffallende Objecte, dass sie unmöglich von mir übersehen werden konnten, wenn sie am 10. Juni 1894 bereits vorhanden ge- wesen wären! Auch von anderen der neu gesehenen Objecte ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie bei meinen vorhergegangenen Beobachtungen stets unsichtbar ge- wesen sein sollten. Um darüber Gewissheit zu erlangen, setzte ich meine Beobachtungen fort. Am 20. Februar 1896, 7V3— 9'^'», bei Luft 2 — 3, beobachtete ich das Auftauchen der Land- schaft aus der Lichtgrenze mit 242 — 410facher Ver- grösserung. Zuerst nahm ich 11, 12, 15 und 71 walir, und sah an neuen Objecten die Berge 81, 59, 60, 73, den HUgelzug 74 und die Rillen 83 und 84. Später sah ich 3, 6, 82, aber weder 4 noch 47, 46, 1, 58, 50. Dii- gegeu entdeckte ich die Rillen 63 und 65, die Berge 17, 18 und sah die Krater 64, 76 und 78 wieder. Auch ver- besserte ich die Lage des Kraters 62. N war so un^- gewöhnlich gross, dass die Objecte 1, 2, 4, 46, 50, 57 und 58 in seinen Schatten zu liegen kamen. N machte diesmal den Eindruck, als sei es nur der Schatten der westlichen Anhöhen, was aber nach den früheren Beob- achtungen keineswegs der Wirklichkeit entspricht. Viel- mehr stelle ich mir das Profil dieser Senkung folgeuder- maassen vor: *) Wie man obfii sah, hatte ich diese Verfängcrunt; der Rille 3 bis 12 schon am b. November 181)4 als feinen Strich wahr- genommen, der nach II führte; weini es al.so auch müslicii ist, dass ich mich damals geiirt und 11 mit 12 verwechselt \y.i\ic, so bin ich doch überzcuirt, dass diese damals so schmal erscheinende Verliingeninf; seither betriicliflich liriMter geworden war; denn am 2"3. Januar 1806 war sie überall gleich breit. 514 Naturwissenschaftliche Woehenscnrift. XI. Nr. 43. ac wäre das Niveau im Westen, 6 f/ jenes im Osten, ab jenes Object, das uns als N erscheint. Bei zunehmendem Monde scheint die Sonne in der Richtung- c d, folglich bleibt die Anhöhe a i so lange im Schatten, bis die Sonne höher als die Verlängerung von n h steht. So lange sehen wir also N als schwarzen Fleck. Nähert sich die Sonne dem Punkte, von dem aus ihre Strahlen mit a h parallel fallen, so nimmt die Dunkelheit von N ab und letzteres erscheint als grauer Fleck. Steigt die Sonne höher, so verschwindet N, und bei abnehmendem Monde, wenn die Sonnenstrahlen direct auf a b fallen, zeigt sich N hell beleuchtet als li eller Fleck. Bemerkenswerth ist ferner, dass mir am 20. Februar auch 82 und 75 Anfangs den Eindruck von grösseren schattenwerfendeu Objecten machten. Nachdem diese Beobachtung- deshalb nicht ent- scheidend sein konnte, weil die fraglichen Objecte inner- halb des Fleckes N zu liegen gekommen waren, erneuerte ich die Beobachtung am 21. März, 8— 974'^, bei Luft 1, mit Vergrösseruugen 410—830, Lichtgrenze Uckert. Ob- wohl also Lichtgrenze und Libration gegen den 22. Januar verändert waren, hatte ich doch ganz denselben An- blick wie damals; 71, 22, 1, 5, 6, 51, 52, 57, 82, 4, 46, 2, 45, 13, 7, 9, 20, 10, 41, 42, 43, 44, 36, 37, 38, 39, 40, 47, 58 und 50 waren sichtbar, und namentlich die drei letztgenannten so auffällig, dass an deren Neubildung gar nicht zu zweifeln ist — denn warum hätte ich sie nicht bei meinen vorhergegangenen 27 Beobachtungen gesehen, bei denen Luft, Beleuchtung und Libration wiederholt ganz gleich, oder doch nicht wesentlich ver- schieden waren? Ausserdem zeichnete ich an jenem Tage noch die Rillen 85, 87, 93, 94, 95, 101 und 'die Krat'er 86, 88, 89, 90, 91, 92 neu ein und konnte die Rille 51 bis unterhalb Uckert, also auf das Doppelte verlängern. Seither habe ich Hyginus nur noch zweimal beob- achtet: am 19. Mai 8 — S'/^'', bei Luft 4, (Vergrösscrung 96, Lichtgrenze Aristillus), wo ich Rillen 3, 4, 22 u. .51 sehr deutlieh sali und 5 fast so gross wie 75 fand; (N und 82 waren ausserordentlich auffallend;) und am 20. Mai 73/4— 8^, bei Luft 1, Lichtgrenze Erato.sthenes, Vergrösscrung 410, wo ich Alles so wie am 22 Ja- nuar und 21. März fand; N, 4, 82, 3, 5 (fast so gross wie 75), 11, 12, 15 etc. waren wieder sehr auffallende Objecte. Betrachten wir nun jene Objecte, welche der Neu- bildung oder Veränderung verdächtig sind und unter- suchen wir die betreffenden Fälle näher. Mulde 1 wurde von mir gleich bei der ersten Be- obachtung und seither noch aclitmal gesehen. (Auch von Krieger bei uns.) Wenn sie auch sonst noch in keinem anderen Fernrohr gesehen wurde, ist es nicht ausge- schlossen, dass sie längst vorhanden war. Krater 2 erschien mir zuerst (10. Juni 1S94) als Berg, spätei zweifelhal't und und endlicii ganz deutlich als Krater. Er ki'innte vielleicht mit einem Fleck der Kricger'schen Zeichnung vom 12. März 1894 identisch sein, doch ist das nicht sicher. Ich sah ihn im Ganzen mindesfeus sechs Mal (auch Krieger bei uns). Wenngleich es nicht ausge- schlossen ist, dass 2 sich veränderte oder eine Neubildung ist, so liegt doch kein Beweis dafür vor, weil auch er bisher noch von keinem anderen Fernrohre gezeigt wurde. Rille 3 hingegen scheint mir der Veränderung und Neubildung sicher. Klein hat sie wiederholt, aber nie weiter als l)is 21 und 97 gesehen, und so erscheint sie auch auf Krieger's Zeichnung und bei meinen ersten fünf Beobachtungen. Erst am 5. November 1894 sah ich sie bis 11 verlängert, diese Verlängerung aber nur halb so breit als die alte Rille, während sie nachiier mit dieser stets gleiche Breite hat. (Krieger sah sie bei uns bereits so lang.) Ich bin also tiberzeugt, dass sich das Stück 97 — 12 neu gebildet hat. Wäre dem nicht so, so hätte ich bei den späteren Beobachtungen doch wenigstens einmal wieder nur die halbe Rille sehen müssen; ich sah sie aber noch acht Mal gleich lang! Ob Krater 5 eine Neubildung ist, könnte nur dann unbedingt bejaht werden, wenn Gaudibert, Elger oder Klein ihn jetzt mit Leichtigkeit zu sehen vermöchten, während sie ihn früher nie sahen. Thatsache ist nun, dass dieses Object — eins der auffallendsten und leichtesten um N herum! — wirklich auf einer Gau- dibert'schen Skizze, vom 1. j\Iai 1895 vorkommt, was also für die Neubildung sprechen würde. Für dieselbe sjjricht aber auch der Umstand, dass Krieger 5 erst am 12. April sah und zwar nicht als Krater, sondern als Mulde; ferner, dass 5 mir erst als kleiner, später als grösserer Krater erschien und ich ihn zuletzt fast so gross wie 75 sah, welches doch der grösste Krater jener Gegend ist! Hier also können wir mit ziemlicher Bestinnntheit eine Neubildung behaupten. Von Rille 6 gilt dasselbe wie von Mulde 1. Ebenso vom Doppelkrater 13 und 45. Krater 21 und 97 erschienen am 10. Juni 1894 als dunkle Punkte, am 23. Juli 1894 als Kraterlöchcr. Während aber 21 später immer noch als Krater sicht- bar bliel), konnte 97 selbst unter den günstigsten Um- ständen nicht mehr gesehen werden, so dass also hier der erste Fall des Versehwindens eines Kraters vor- zuliegen scheint! Diese Vermuthung würde dann zur Gewissheit, wenn es mir nicht gelingen sollte, 97 etwa in späterer Zeit wiederzusehen. Rille 22 wurde von Krieger bereits am 12. April 1894 gesehen und von mir dreimal. Obwohl es sonderbar ist, dass sie noch nie zuvor gesehen worden sein soll, lässt sich doch die Frage auf Neubildung nicht bejahen. Mulden 23 xmd 82 erschienen mir am 10. Juni 1894 als gleich grosse dunkle Punkte. Krieger hatte sie zwei Monate vorher als einen einzigen, grossen, dunklen Fleck ge- sehen. Während ich nun 82 stets als Mulde erblickte, deren Grösse allerdings nicht immer gleich war, konnte ich 23 nur sieben Mal sehen, und zwar in der letzten Zeit immer als deutlichen Krater. Auch hier lässt sich also nichts mit Sicherheit sagen. Rille 36 erscheint bei Klein als von 37 bis 45 reichend, Krieger zeichnet sie in Einem mit Rille 3, beide zusannnen jedoch nur auf ein sehr kurzes Stück. Bei meiner ersten Beobachtung sah ich sie deutlich von 13 bis 37 reichen. Um so seltsamer ist es dann, dass ich später nicht nur den Krater 45 neben 13 neu sah, sondern auch eine deutliche Trennung der Rillen 3 und 36 von einander, sowie die Verlängerung \ow 36 l)is zur Kraterrille 44. Dies Alles ist sehr verdächtig und ich neige mich der Anschauung hin, dass auch 36 sich ver- ändert hat. Doch kann dies immerhin nicht für er- wiesen gelten. Rille 46 könnte mit Bestimmtheit für eine Neu- bihlung gehalten werden, wenn nicht der Umstand be- denklich wäre, dass sie (wie ich oben erläutci-tc), bereits auf der Kricger'schen Zeichnung vorhanden zu sein scheint. Dagegen ist Rille 47 ganz zweifellos eine Neubildung, da sie vom 22. Januar 1896 an als auffälliges Object er- scheint, während sie bei 27 vorhergegangenen Beob- achtungen, die thcilweisc genau unter denselben Bedin- gungen erfolgt waren (ja sogar unter noch günstigeren!) niemals gesehen werden konnte. Dasselbe gilt von den Kratern 48 und 49, sowie wohl auch von Krater 50. Letzterer war vor dem 5. November 1894 bestimmt nicht vorhanden, obwohl er ein leichtes Object XI. Nr. 43. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 515 ist niul später immer unter günstigen Verhältnissen ge- sehen wurde. Von Mulde 57 gilt dasselbe wie von Mulde 1. Rille 58 ist zweifellos eine Neubildu ng, aus den hei 47 angeführten Gründen. Rille (>:> mag ebenso wie Rillen 51, 52, 71, 83, 85, \)'.\, '.15, lül nur zu gewissen Zeiten siehtljar sein und auch dann nur unter den günstigsten ßedingungen, dcs- iialb will ich aus ihrer späten Entdeckung keine .Schlüsse auf Neubildung ziehen. Dagegen scheint mir die späte Entdeckung der Rille 65 sehr verdächtig; denn bei der genauen Er- forschung, welche ich stets der unmittelbaren Umgebung von N angedeihen Hess, erseheint es höchst unwahr- scheinlich, dass ich nicht wenigstens das Stück zwischen den Kratern 5 und 64 gesehen haben sollte, wenn es vor dem 20. Februar 1896 bereits vorhanden gewesen wäre. Hält man .sich zudem vor Augen, dass 65 eigentlich nichts als die Fortsetzung von 47 ist, dessen Neubildung ich nachwies, so können wir mit ziendiclicr Sicherheit auch 65 für eine Neubildung halten. Auffallend sind ferner noch zwei Umstände: Rille 22 erscheint bei Krieger bis 11 und 12 verlängert, während ich sie nie anders als bis 14 reichend sah und zwischen 14 und 11 vom 5. November 1894 ab immer den Berg 15 gewahrte. Andererseits hat Krieger oberhalb 15 einen Rcrg, der auch auf der Fauth'schen Karte, aber als Krater mit,/ bezeichnet ist, den ich indess nie gesehen zu haben scheine, weil ich ihm auf meiner Karte keine Nummer gab. Sollen diese beiden Fälle auf Veränderungen hindeuten"? Der erste Fall lässt sich heute w(dil kaum mehr aufklären, weil der Beweis fehlt, dass 22 thatsächlich früher bis 11 gereicht hat. Eher jedoch könnte der zweite Fall aufgeklärt werden, wenn es mir nämlich bei meinen künftigen Beobachtungen gelingen sollte, den frag- lichen Krater oder Berg zu sehen, oder wenn er unter den günstigsten Umständen von keinem anderen Beob- achter wiedergesehen werden sollte. Uebrigens falle die Entscheidung in den zweifelhaften Fragen (j, 22, 23, 36, 46, 82 und 97) wie immer, das Eine steht bereits fest, dass meine Objecte 3, 5, 47, 48, 49, 50, 58 und 65 mit grösserer oder gerin- gerer Bestimmtheit als Neubildungen bezw. Veränderungen betrachtet werden können, die Frage nach Veränderungen auf dem Monde mithin endgültig entschieden ist. Damit sind auch alle Zweifel beseitigt, die mau bisher nocli von mancher Seite den von Klein behaupteten und in seinem „Führer" ge- schilderten Veränderungen von N entgegenbrachte; denn wenn es Thatsaclie ist, dass obige 8 Objecte binnen V/o Jahren neu entstanden sind, so erklären sich alle von Klein seit 1877 bei N beobachteten Veränderungen V(m selbst. Was nuu die Verificirung meiner Beobachtungen betrifft, so ist eine solche nur bedingt möglieh : es müsste ein geschickter Mondbeobachter sich in Lussin nieder- lassen und ein Jahr lang jede Hyginus-Erscheinung in unserem Fernrohre zu beobachten trachten. Ich liabe daher schon den Herreu Krieger und Fauth gelegentlich ihrer Besuche hier diesen Vorschlag gemacht, doch setzten sich seiner Verwirklichung unüberwindliche Schwierig- keiten entgegen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass Herr Krieger, der bald seine neue Sternwarte in Triest vollendet haben wird, mit seinen lO^/j-Zöller dort soviel sehen werde als ich hier — wenngleich die Triester Luft sich mit der hiesigen auch nicht im Entfern- testen vergleichen darf. Ebenso halte ich es für wahr- scheinlich, dass Herr Fauth, dem nun ebenfalls eine neue, viel besser gelegene Sternwarte und ein noch besseres Instrument (7 '/g-Zöllcr) zur Verfügung stellt, einen grossen Theil meiner Entdeckungen zu veriliciren im Stande sein wird. Dafür spricht schon der Umstand, dass seine in Landstuhl ge- machten neueren lIyginus-l>eobachtungen zur Entdeckung von sehr vielen ()i)jecten führten, die sich auch auf meiner Karte vorliuden. Herr Gaudibert würde — dafür bürgen seine Erl'ahrung, (icschicklichkeit und seine guten Instrumente — sicherlich ebenfalls mit Leichtigkeit meine Entdeckungen verificiren können, wenn er nicht unter so schrecklich trostlosen Verhältnissen beobachten müsste. Aus demselben Grunde wird Herr Elger noch weniger im Stande sein, zur Veriiicirung beizutragen. Es ist das Alles sehr bedauerlich, weil es dann wieder nicht an Leuten fehlen wird, die das von mir gesehene feine Detail für „Einbildung" erklären werden, weil — sie selbst es nicht zu scheu vermöigen! Man hat dies ja erst kürzlich in der Frage der Saturn-Flecke gesehen, wo dem negativen Beweise der Beobachter an Rie.scn- fcrm'ohren mehr Zutrauen geschenkt wurde, als dem positiven Beweise, den Herr Williams und ich er- brachten, bis endlich die Frage durch Herrn Wonaszek in so glänzender Weise endgiltig zu unseren Gunsten entschieden wurde. Jene Anhänger der negativen Be- weisführung machen es geradeso, wie seinerzeit der be- kannte Wiener Verthcidiger Markbreiter, der dem Präsi- denten auf seine Bemerkung: „Zwei Zeugen haben selbst gesehen, wie der Angeklagte gestohlen hat!" unverfroren zur Antwort gab: „Ich kann Ihnen dagegen zwanzig Zeugen vorführen, die zu beeiden vermögen, dass sie das nicht gesehen haben!" Die Logik bleibt in beiden Fällen ganz dieselbe. Nachschrift. Nach Schluss obiger Abhandlung erhalte ich von Herrn Fauth eine Karte der von ihm gesehenen Objecto um Ilyginus N, aus der ich ersehe, dass es ihm bereits gelungen ist, folgende ( »bjecte meiner Karte zu verificiren, bezw. ebenfalls zu sehen: Mulden 1 (als Krater), 82—23 (als ein Fleck.) Rillen 71, 47, 3, 46, 44, 42, 51, 93, 9, 83. Krater 55, 75, 14, 12,. 11, 92, 13, 45, 49, 99, 79, 80, 62, 5, 29, 30, 33, 66, 35, 41, 20, 2, 77, 54. Von diesen Objeeten sind zwar viele bereits in seiner ersten Karte enthalten, andere aber sah er erst in jüngster Zeit (18. Juni und 28. August). Darunter fallen besonders ins Gewicht: die Rillen 46 (nördliche Hälfte), 47 (südliche Hälfte und ein Stück der nördlichen), 9 (nördliclie Hälfte), 71 (nördliche Hälfte), 42, 44, 51, 93, 83; die Mulde 1 (von Fauth für einen Krater gehalten, was mir den Verdacht erregt, es könnte seither eine neue Veränderung \ orgegaugen sciu und 1 sich thatsächlich in einen Krater verwandelt haben [wie 23], was wohl meine nächste günstige Beobachtung ent- scheiden dürfte) ; und die Krater 2 (neben welchen Fauth noch einen zweiten zeichnet, der dann ganz zweifellos eine Neubildung sein müsste) 5, 13, 45, 20, 35 und 49. Ausserdem ist es auffallend, dass Fauth 75 und 12 als Doppelkrater sah. Bei dem Umstände, dass ich diese beiden Objecte wiederholt so deutlich (und unter den günstigsten Umständen) sah, dass sie mir heute noch vor Augen schweben, ist für mich jeder Zweifel aus- geschlossen, dass, falls ich diese drei neuen Objecte des Herrn Fauth bei der nächsten günstigen Beobachtung ebenfalls sehen sollte, weitere Neubildungen vor- liegen. Es scheint somit, dass thatsächlich Ilygi- nus N der Mittelpunkt von unzweifelhaften, ziem- lieh raschen Veränderungen auf dem Monde ist. 51G Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 43. Die Wetzikonstäbe. — Im Jahre 1874 erhielt der kürzlich verstorbene Anatom Prof. Riitimeyer in Basel vier anscheinend von Menschenhand zugespitzte Holzstäbe, die in einem Blocke Schieferkohlen gefunden worden waren. Jener Block stammte aus der Grube Schöneich bei Wetzikon im schweizerischen Kanton Zürich. Da die Schieferkohlen von Schöncich der Diluvialzcit ihre Ent- stehung verdanken, so hielt Rütinieyer die ihm über- gebenen Stäbe für Zeugen des Dilnvialmenschen und damit für die ältesten Spuren des Menschen in der Schweiz. Der grösste Stab hat eine 6—7 cm lange Spitze, deren vorderes Ende nicht in der Axe des Stabes liegt, sondern etwas seitwärts derselben. Nahe der Basis dieser Spitze ist eine Stelle, wo in Folge Zerbröckeliing der Oberfläche des Stabes das Innere derselben, von der umgebenden Kohle nur durch die Holztextur verschieden, sichtbar wird. Alle vier Stäbe haben ovalen Querschnitt und sind auf der einen Breitseite flacher als auf der an- deren; die ursprünglich cylindrische Form ist durch Druck abgeplattet worden. Direct hinter dem Grunde der Spitze des grössten Stabes liegt noch ein Stück „Rinde." Diese zeigt eine Art Einschnürung und auch die darunter- liegenden Holztheile sind davon betroffen worden. Der ganze Stab, 13 — 14 cm lang, war in bröckelige Kohle ein- gebettet. Auch die übrigen Stäbe lagen in solcher Masse. Die Spitze des zweiten Stabes ist viel kürzer, nur 4 cm lang und schien den ersten Untersuchern zum Theil mit einer fremden Rinde und zwar in querer Richtung, umwickelt zu sein. In Bezug auf den Durchschnitt gleicht dieser Stab dem ersten. Der Botaniker Prof. Schwendener, damals ebenfalls in Basel, entnahm dem zweiten Stabe Material zu mikroskopischer Untersuchung, indem er an der Spitze desselben durch einen Schnitt die Jahrringe bioslegte. Da das Innere des Holzes an dieser Stelle hell und fest war, konnten die Schnitte scharf ausfallen. Sie brachten den Untersuchenden zu der Ansicht, dass die Zuspitzung in einer Art erfolgt sei, welche „offenbar" auf menschliche Thätigkeit hinweise. Der Bau des Holzes entspreche dem Couiferentypus. Das Vorkommen von Harzgängen und das Fehlen der eiförmigen, grossen Poren, wie der zackenförmigen Verdickungen in den Markstrahl- zellen schliessen die Weisstanne aus, ebenso die bei uns vorkommenden Pinusarten. Auch Taxus mit seinen Spiral- zellen komme nicht in Betracht und ebensowenig eine der Cupressincen, die ja keine Harzgänge haben. Es handle sich also um Lärche oder Rothtanne, welche nach der Beschatfenheit des Holzes nicht unterschieden werden können. Trotz der schwer zu untersuchenden Rinde glaubte Schwendener doch behaupten zu dürfen, dass die Holzstücke von der Rothtanne (Abies excelsa) herrühren. Die für diese charakteristischen, porös dickwandigen Pcridermzellen fanden sich in den peripherischen Theilen der verkohlten Kruste häufig vor, während die wellig in- einandergreifenden Pcridermzellen der Lärchenrinde und deren gestreckte Prosenchymzellen nicht gefunden wurden. Wahrscheinlich sind die Stäbe nicht Stämmchen, son- dern Aeste. Die Zahl der Jahrringe variirt nach Schwende- ners Beobachtungen zwischen 5 und 7 und ihre durchschnitt- liclic Mächtigkeit erreicht oft nicht einmal 0,5 mm. Zudem bestehen dieselben fast nur aus dickwandigen Zellen oder aus Herbstholz. Die grösseren Schuppen oder die „fremde" Rinde, gehören nach Schwendener nicht zum Coniferen- holz, obschon sie äusserlich damit verwachsen scheinen, sondern es seien Reste einer bastführenden Dicotyledonen- rinde. Der dritte und vierte Stab sind weniger charakte- ristisch; der eine zeigt indessen die Zuspitzung noch deutlich, der andere aber ist fast ganz in Kohle ein- geschlossen. Das Ergebniss der botanischen Untersuchung be- stärkte Rütinieyer in seiner Annahme, dass die Stäbe von Menschen zugespitzt worden seien. Sie schienen iimi einem korbartigen Geflecht angehört zu haben, in welchem die Dicotyledonenrinde die Verbindung zwischen den einzelnen Stäben hergestellt hätte. Er publicirte nun den Fund im Archiv für Anthropologie [Bd. 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Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XI. Band. Sonntag, den 1. November 1896. Nr. 44. Abonnement: Man abonnirl bei allen Buehbandlunf^eD und Poai- instalien. wie bei der Eipedltion. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.— Bringegeld bei der Post 15 -i extra. Postzeitungsliste Nr. 4S27. ¥ Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 ^. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkuntt. Inseratenannahme bei allen Aunoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nar mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Javanische Sitten und Gebräuche. \'on E. F Urs t. Von den Inseln des indischen Archipels, welche sich wie ein Smaragdgürtel uai den Ae(iuator winden, wie sich Veth in seinem meisterhaften Werke über Java so poetisch ausdrückt, ist die Insel Java wohl nicht die g-rösste, in Jeder Hinsicht aber die wichtigste. Sie er- nährt allein eine zahlreichere Bevölkerung, als alle an- deren indischen Inseln zusammen, eine Bevölkerung, welche ebenso dicht ist, wie die der am meisten be- völkerten europäischen Länder. An Naturschonhcit kann sie sich mit den schönsten Ländern der Erde messen: mit der Schweiz durch ihre majestätischen Berge, mit dem skandinavischen Norden durch die Pracht ihrer Wälder und Wasserfälle, mit Italien durch ihre roman- tischen Thäler, und sie Ubertritft die Gesaninitheit dieser Länder durch die schreckliche Schönheit der Verwüstungen, welche ihre zwanzig Vulcane angerichtet haben mid immer noch anrichten. Ihrem milden Klima und dem Fleiss ihrer Bevölkerung verdanken wir einen grösseren Schatz nützlicher Producte, als vielleicht ein anderes Land von gleicher Grösse im Stande wäre aufzubringen, und dadurch wurde sie die Quelle von Hollands lieich- thum. Inmitten dieser prächtigen reichen Natur, welche wie gescharten ist, die Bewohner des Landes glücklich zu macheu, lebt eiu zum malayischen Stamme gehörendes Volk, die Javanen, deren Sitten und Gebräuche das Interesse jedes Fremden erregen, bei welchen aber auch Missstände herrschen, die sich mit unseren europäischen Sittlichkcitsbcgritfen nicht vereinigen lassen. Diese Miss- stände werden erst mit der Polygamie verschwinden, wenn der Javane soweit gekommen ist, dass er den un- schätzbaren Wcrth eines glücklichen Familienlebens und den in der guten Erziehung seiner Kinder liegenden Ge- nuss erkannt hat. Alle aus Europa ankommenden Passagiere betreten das Land in der Hauptstadt Batavia, diese Stadt ist für alle Schiffe der erste Ankerplatz auf Java, und auch wenn man mit demselben Schiff weiterfahren will, ist ein mindestens achttägiger Aufenthalt in Batavia uner- lässlich, weil das Schiff' diese Zeit nöthig hat, um seine- für West-Java bestimmte Ladung an Land zu bringen. Im Hafen Tandj(nig Prick legt das Schiff am Damm an, und eine etwa '4 stündige Eisenbahnfahrt bringt uns nach Weltevreden und Ryswyk, die Theile von Batavia, in welchen sich die Europäer niedergelassen haben. Im alten Batavia, das die Europäer am Anfang dieses Jahr- hunderts wegen Gesundheitsrücksichten verliessen, findet man nur noch ein hässliches Nebeneinander von Regierungs- gebäuden, Handelscontoren, Läden, Magazinen und Pack- häusern; während des Tages geht es da sehr lebendig zu, denn der Handel blieb da gefestigt, aber Bequem- lichkeit und Luxus sind verschwunden; nachts ist da alles wie ausgestorben. In Ryswyk und dem darangrenzenden Weltevreden sieht es ganz anders aus, da hat die Stadt einen mehr europäischen Anstrich; die besseren Hotels, der Palast des Generalgouverneurs, die Wohnungen der besser situ- irten Beamten und Privatleute, die Kasernen und andere Militäreinrichtuugen, ein Theater, eine katholische und eine protestantische Kirche sind für den NeuHng Sehens- würdigkeiten, die sein Interesse erwecken. Die meisten Privathäuser liegen versteckt zwischen schattenreichen Bäumen und Blumen, auch die Wege sind beschattet und alles macht uns einen unvergesslichcn Eindruck, üeber- all ragen natürlich die charakteristischen Palmbäume mit ihrer wunderbaren Pilätterkrone empor, und erst jetzt begreift man, dass mau Batavia die Königin des Ostens nennen konute, luul man wird davon überzeugt, wie sehr dieser Name verdient ist. Wer in Batavia keine Freunde oder Bekannten hat, bei welchen er die erste Zeit verbringen kann, muss sich nolens volens mit einem Hotelzimmer begnügen. Im All- gemeinen sind dieselben einfach, aber nett und sauber eingerichtet. Das Hauptmöbel ist eiu grosses eisernes indisches Bett, welches ganz und gar von einem Vorhang aus Tülle umgeben ist, zum Schutze gegen die Muskieten. Der steinerne Boden ist mit einer Rohrmatte bedeckt, und ein Tisch, einige Stühle, ein Sopiia, ein Waschtisch, ein Kleiderschrank und ein grosser Schirm vor der Thüre gegen Zugluft und neugierige Beobachter machen das gauze Mobiliar ans. \'(>r der Thüie ist eine kleine Veranda 522 NatnrwissensL'haf'tliche Wophensfhrift. XI. Nr. 44. mit einem grossen bequemen Sessel. Die weissen Wände sind mit einem Spiegel und einigen kleinen liildern verziert. Böden von Stein und weiss angestrichene Wände findet man in indischen Häusern allgemein, denn die Feuchtigkeit der Luft und zahllose Insecten aller Art würden Holzböden und Tapeten wenig rathsam machen. Unser Zimmer, in einer Reihe mit vielen anderen ebenso eingerichteten, liegt an einer gemeinschaftlichen überdeck- ten Gallerie. Die Zimmer liegen fast alle in Nebengebäuden; das Hauptgebäude ist eingerichtet wie die meisten Batavia- schen grösseren Privathäuser. Die Häuser sind meist einstöckig wegen eventueller Erdbeben, und haben vorn eine überdeckte, an drei Seiten offene Gallerie, welche nur durch Kouleaux gegen Sonne und Wind geschützt wird. Hier haust man Abends; die Möbel sind einfach. Das innere Haus, welches von der Vorgallerie durch Wände, Thüren und Fenster geschieden wird, ist meistens reich möblirt; da empfängt man Besuche bei besonderen Gelegenheiten und man findet da auch Schlaf-, Kinder-, Studirzimmer und andere Gemächer; die hintere, der vorderen entsprechende Gallerie dient als Esszimmer. Zu jeder Mahlzeit wird im Hotel geläutet. Wir begeben uns gegen 1 Uhr zum Dejeuner in die Hintergallerie und finden da einen gemeinschaftlichen Tisch, bis zum Ueber- fluss verziert mit tropischen Blumen, deren Geruch, ver- bunden mit dem Aroma stark gewürzter Speisen und dem Anblick indischer Früchte, uns trotz der Wärme in eine angenehme Stimmung versetzen. In guten Hotels gehört zu jedem Zimmer ein Bedienter, welcher auch bei Tisch für den Zimmerbewohner zu sorgen hat. Zunächst bringt er eine grosse Schüssel gekochten Eeis mit Kurrie, und dann setzt er uns eine Verwunderung erregende Menge kleiner Schüsselchen hin, von deren Inhalt man nie ge- hört oder geträumt hat. Reis und Kurrie, Gemüse in Bouillon gekocht, gehacktes Fleisch, Hühner in Tama- rinde gebraten, gebackene und getrocknete Fische, ge- trocknetes Hirschfleisch, gesalzene Eier, Ochsenaugen, Eierkuchen, Garnelen, Hummer, Fischeier, eine Anzahl kleiner Schüsseln mit sehr stark gewürzten Zuspeisen, feingehackter spanischer Pfeffer, verschiedene Arten ein- gemachter Gurken bilden die Reistafel, und alles wird durcheinander gegessen. Sicherlich wird man am Anfang erstaunt sein über den Ap])etit zarter indischer Damen, das Dejeuner ist jedoch in Indien die Hauptmahlzeit und Abends beim Diner, welches meistens um 8 Uhr statt- findet, wird nur wenig mehr gegessen. Nach dem Reis kommen noch Beefsteak mit Kar- toffeln, gebratene Hühner mit Salat etc. Die Getränke sind gut, aber ziemlich theuer. Der feste Preis für eine Flasche gewöhnlichen Rothwein be- trägt 2 fl, für eine Flasche Bier 1 fl. Eis giebt es ä dis- cretion. Früchte als Dessert sind in höchstem Grade an- lockend, Ananas, Bananen, Mangostan, Orangen und viele andere bieten uns in Indien eine Abwechslung, welche man in Europa vergeblich suchen würde. Nach Tisch kehrt man in sein Zimmer zurück, wo der Bediente bereits die Jahnisien geschlossen hat, um es einigermaassen kühl zu halten; die Tischkleidung muss dem bequemen Neglige weichen, und man legt sich zu Bett, um bis gegen 4 Uhr Siesta zu halten. Um 4 Uhr bringt der Bediente Thee, und darnach wird gebadet; in keiner europäischen Behausung, möchte sie auch noch so ärmlich sein, fehlt das Badezimmer; nach dem Bade wird noch \/^ Stündchen au.sgeruht und dann wieder Toilette gemacht. Um 5 Uhr geht oder fährt man spazieren und gegen 7 Uhr macht oder em- ])fängt man Besuche. Gegen 8 Uhr kehrt man in das Hotel zurück zum Diner, welches ganz und gar nach euro- päischer Art ist. und danach geht man ins Theater oder in irgend einen Club, in welchem man stets einen gut versehenen Zeitungstisch findet. Eine Hauptbedingung, damit man sich und andere in den bataviaschen Gesell- schaftskreisen nicht langweile, ist die, dass man entweder Karten spielt oder tanzt, oder musicirt, denn selten kommt es vor, dass ein einzelner Abend einer causerie gewidmet wird, und dann geschieht dies auch nur in kleinem, ver- trauten Kreise; der echte Indier ist kein causeur, was wohl einer gewissen Indolenz zugeschrieben werden muss, welche das Klima zur Ursache hat. Vor dem zu Bett gehen setzt man sich gewöhnlich en neglige noch etwas in die Veranda; Anfangs wird das Ohr getroffen durch den surrenden, zirpenden Ton von tausenden Insecten; sobald die Sonne untergegangen ist, fangen sie ein Concert au, welches bis Sonnenaufgang ununterbrochen fortdauert. Störend ist jedoch dieser Lärm nicht, und bald gewöhnt man sich so daran, dass man ihn nicht mehr hört. Das Gefühl wird jedoch schnell auf sehr unangenehme Weise gereizt durch die giftigen Stiche kleiner Teufel, der Muskieten, die von allen Seiten den Ausruhenden bestürmen, plagen und endlich zu Bett jagen. Sie sind es, welche einem den Genuss dieser köstlichen Abende in Indien gründlich vergällen können. Im Zimmer hat der Bediente mit Hülfe eines Besens oder eines Tuches etwaige Muskieten bereits aus dem Bette vertrieben, und nun steht uns eine Uebung bevor, welche unserer jeden Abend wartet, so lange wir in Indien sind, sie besteht darin, dass man den Bettvor- hang nur ganz wenig lüftet, und so rasch wie möglich in das Bett schlüpft, um sich wieder eiligst zu verschanzen, indem man den Vorhang zwischen Bett und Matratze hineinstopft. Die Betten sind hart, also auch kühl, und wenn einem das Glück zu Theil wurde, dass kein Muskiet obige Uebung mitmachte, so kann man eine erfrischende Ruhe gemessen ; klingt einem aber kurz darnach das langweilige Piepen einiger dieser Thierchen in den Ohren, gefolgt von einem peinlichen Stich im Gesicht oder an Händen oder Füssen, so kann man ruhig auf Nachtruhe verzichten, und man wird sich glücklich schätzen, wenn der Tag anbricht. Eine unbedingte Vorsichtsmaassregel besteht darin, bevor man aufsteht, zu sehen wohin man den Fuss setzt, denn da könnte eine Schlange oder ein Tausendfüssler liegen, dessen auf diese Weise gemachte Bekanntschaft weniger angenehm wäre. Aus demselben Grund schüttelt man Pantoffeln, Schuhe und andere Kleidungsstücke stets sorgfältig aus, bevor man sie anzieht. Des Morgens um 6 Uhr ist fast jedermann auf den Beinen; mit jeder Minute, welche man in den Tropen nach Sonnenaufgang im Bette zubringt, beraubt man sich selbst. Der kühle Morgen dauert nicht laug, und bald bekommt die Sonne Kraft genug, um durch ihre Wärme lästig zu sein. Das nächtliche Concert weicht dem Singen, Pfeifen und Girren der Vögel, die Sonne steigt langsam am Horizont und übergiesst alles mit goldenen und purpurnen Farben, und mit Genuss athmet man den Geruch der vor der Veranda stehenden Blumen ein. Der Nachtthau hat die Pflanzen erfrischt und gelabt und sie mit uuzähligen Edelsteinen bedeckt, in welchen sich das Sonnenlicht spiegelt. — Nachdem man sieh leicht ange- kleidet hat, geht man spazieren, wohin der Zufall einen führt, um die Morgenstunden zu geniessen. Man fühlt sich verjüngt, als ob neues Leben den Körper durch- strömte, überall empfängt man neue und anregende Ein- drücke und sieht man Europäer, die sich dem Genuss der frischen Luft hingeben; man hat Gelegenheit, manches frische Gesichtchen zu bewundern, aus welchem feurige Augen herausstrahlen, mit einem natürlichen Haarwuchs, XI. Nr. 44. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 523 der wie ein Wasserfall über Schultern und RUckeu herab- fliesst, — von allen Seiten kommen die Inländer heran, um sich im Fluss durch ein Bad zu erfrischen. Nach einiger Zeit kehrt man nach Hause zurück, und nach einem crfrischendeu Bade und einem Frühstück, welches aus Kaffee oder Thee, Eiern, Fleisch und Käse besteht, gebt man seinen Geschäften nach. An der Küste ist die malayische Sprache die Um- gangssprache zwischen Europäern und Inländern; mit dieser Sprache kommt man fast überall durch, sie ist die officielle Sprache für die Regierung und im Handel, und die vertrauliche Sprache im Hause, die Sprache, durcii welche so viele Rassen sich verstehen und in welcher die wichtigsten Angelegenheiten besprochen werden. Man spricht oft von Hoch- und Nieder-Malayisch, aber nicht mit Recht; es giebt nur eine Malayische Sprache, näm- lich die, welche durch gebildete Malayen gesprochen und geschrieben wird. Im Verlauf der Zeit haben sich jedoch eine Anzahl javanische, chinesische, portugiesische, eng- lische und holländische Wörter eingeschmuggelt, wodurch eine Art Küstenmalayisch entstanden ist, das man Niedcr- malayisch nennt und welches eine mehr allgemeine, rohe, ungeformte Sprache ist, deren sich ein grosser Theil der Europäer im täglichen Umgange mit den Inländern bedient. Zu einem längeren Aufenthalt im Innern des Landes, ist die Kenntniss der javanischen Sprache unerlässlich. üeber die zu befolgende Lebensweise und die zu treffenden Gesundheitsmaassregeln gehen die Ansichten fast ebenso auseinander wie über die Seekrankheit; alles hängt von der körperlichen Beschaftenheit, vom Wirkungs- kreis und vom Wohnsitz al). Das Essen von vielen schweren Speisen oder von sehr abkühlendem Obst, viel Wein- und Spiritualien zu trinken, sich einem i)lötzlichen Temperaturwechsel auszusetzen, ist in Europa ebenso sehr abzurathen wie in Indien. Ueberall verdient ein ge- regeltes und massiges Leben Empfehlung, ohne dass man darum in Extreme verfällt. — Speisen würze man nicht allzusehr; Obst und Gemüse esse man in massigen Quan- titäten, Wein, Bier und Grog gebrauche man nicht im Uebertluss, das Wasser trinke man nicht zu kalt, be- sonders nach dem Genüsse von Obst; man vermische es lieber mit Wein oder trinke kalten Thee. Man stehe früh auf und gehe nicht zu spät zur Ruhe; während der wärmsten Tagesstunden lege man sich etwas nieder, wenn der Wirkungskreis es erlaubt, dazu mache man Nachttoilette oder man ruhe wenigstens während dieser Zeit in einem bequemen Sessel aus; lange bewegt sich der Europäer nicht ungestraft in der Mittagshitze, wie der Inländer das zu thun vermag. In niedergelegenen Orten darf man sich nicht den Ausdünstungen des Bodens aus- setzen, und ein wenig Chinin als Präservativmittel gegen Fieber, in Wein oder Wermuth eingenommen, wird Niemand schaden. Bäder sind sehr stärkend, dürfen aber täglich nicht mehr als zweimal gebraucht werden. Morgens und Abends ist ein Spaziergang oder Ritt sehr zu empfehlen. Leiclite Kleider mit dünnen Flanell- oder Lahmann- Hemden sind nothwcndig und schützen Morgens und Abends vor dem raschen Temperaturwechsel. Weniger das indische Klima ist es, welches viele Europäer in ein frühes Grab bringt, als der sinnliche Genuss, die Un- mässigkeit und eine grenzenlose Gleichgültigkeit gegen- über den fundamentalen Regeln der Hygiene; dadurch bekam das tropische Klima einen Ruf, welchen es niciit \crdient. In letzterer Zeit jedoch wird der Zutluss von Europäern qualitativ besser, und in dem Maasse ver- besserten sich auch die Lebensweise und der aligemeine Gesundheitszustand. Ausser den Eingeborenen und den Europäern findet man auf Java Leute von allen möglichen Nationen, die sich mehr oder weniger durch Hautfarbe, Körperbau, Ge- sichtsform und Kleidertracht unterscheiden, unter Allen sind die Chinesen die häufigsten und merkwürdigsten. In allen N. 0. J. Besitzungen trifft man mehr oder weniger viel Vertreter dieser Nation an, die hier einen guten Zu- fluchtsort finden. An Schlauheit, aber auch an Rührigkeit und Arbeit- samkeit ül)ertreften sie bei Weitem die Euroi)äer, sie sind unermüdlich, wenn sie etwas verdienen können, treiben alle nur möglichen Handwerke, vorzugsweise aber Handel und Schacher, weshalb sie bei der Trägheit der Javanen den Europäern ganz unentbehrlich geworden sind und keinen unbedeutenden Theil der dortigen Geldmittel in Händen haben. Allerdings ist im Handelsverkehr mit ihnen die äusserste Vorsicht nöthig. Sie sind immer guter Laune, nehmen so leicht nichts übel, vertragen also einen tüchtigen Scherz, entgelten dies aber durch ihre auf- dringlichen Anerbietungen, womit sie sieli so leicht nicht abweisen lassen, und den Geldvortheil, welchen sie aus Allem zu ziehen wissen. Täglich sieht man Hunderte von sogenannten Klontongs mit einem nialayischen Kuli, der ihren Marktkram trägt, herum hausiren und ihre in allerhand Kleidungsstoffen, chinesischen und europäischen Kurzwaaren, Glas, Porcellan, Oel, Zucker, Esswaaren, Gemüse etc. bestehenden Handelsartikel feilzubieten. In den Städten besitzen die reichen Chinesen Läden mit allen nur erdenklichen Handelsartikeln, die sie im Grossen und im Kleinen verkaufen und womit sie meist gute Ge- schäfte machen. Der Handel mit Hühnern, malayischen Esswaaren, Früchten etc. ist mehr den Javanen über- lassen. Die gewöhnliche, äusserst zweckmässige Kleidung der bezopften Söhne des himmlischen Reiches besteht aus einer sehr weiten Hose, einer baumwollenen Jacke, bis an den halben Schenkel reichend, den bekannten chinesischen Schuhen oder Sandalen und einem schwarzen Käppchen, oder einem zugespitzten Strohhute. Sie sind Liebhaber von Bier, Wein, Branntwein, Tju (ein chine- sischer Liqueur) und allen hitzigen Getränken, die sie jedoch sehr selten im Uebermaasse gebrauchen, vor allem aber von Schweinefleisch und schwachem Thee, den sie den ganzen Tag aus kleinen Tässchen trinken. Unter ihren Frauen, von denen die reichen selten zum Vor- schein kommen, findet mau wirkliche Schönheiten, freilich im mongolischen Typus, die den Europäerinnen an Farbe oft beinahe gleichkommen. In ihren Häusern, die sie mit Vorliebe chinesisch möbliren, findet man stets einen guten und einen bösen Gott abgebildet. Da der gute Gott so wie so gut ist, wird er nicht besonders geehrt; den bösen aber trachten sie sich zum Freunde zu halten; vor seinem Bilde brennen Tag und Nacht eine Lampe und zwei rothe Lichter, zwischen denen eine Vase mit rothen Opfer- hölzern steht. Fast allabendlich, vorzüglich liei Mond- schein, finden chinesische Theatervorstellungen statt, meistens in einem grossen offenen Schuppen, mit er- habener Bühne. Zuschauer sind Chinesen und Javanen, oft auch Europäer; das Zuschauen ist unentgeltlich und dem Theater sind stets Hazardspiel-Buden wie auch Opiumhäuser zugefügt; Alles wird von der Regierung an Pächter verpachtet und steht unter Polizeiaufsicht. Ihr grösster Festtag ist der chinesische Neujahrstag. Die Festlichkeiten dauern 8—10 Tage, imd dabei werden Umzüge abgehalten mit zierlich und reich gekleideten, auf Stangengerüsten wie schwebend stehenden Kindern, colossalen, aus Papier verfertigten Draclien. Seidangen, Tigern und allerlei Ungeheuern, wobei Unmassen von Feuerwerk verbraucht werden. Sie sind grosse Epi- curäer und darum als Köche sehr gesucht. Die Reichen führen eine sehr kostbare Tafel, von der dem Europäer freilich die meisten Gerichte nicht munden, da sie oft Be- 524 Naturwissenschat'tliclie Wochenschrift. XI. Nr. 44. staudtheile enthalten, die, wie tiieuer auch, uns geradezu ekelhaft dünken. Da man aus Höflichkeitsrücksichtcn jedoch öfters einer chinesischen Einladung nachkommen muss, so befolgt mau am besten den Eath, den mir vor meiner Abreise ein sehr geschätzter, viel gereister Freund gab, welcher mir einprägte: Iss bei einem Chinesen aus besserem Stande von Allem, was man dir vorsetzt, denn Alles schmeckt herrlich, frage aber nie, was es ist, denn dann könnte die Reue unter Umständen lang werden. Von der Regierung erhalten die chinesischen Häuptlinge die Titel: Lieutenant-Capitain und Major, sie haften für die (trdnuug in iin-em Viertel. Mit Ausnahme der Araber, die sich jedoch nur mit Handel abgeben und wenig Interessantes bieten, sind die übrigen asiatischen Völker in zu geringer Zahl vertreten, um in Betracht gezogen zu werden. Sie verschwinden unter den Eingeborenen, mit denen sie sich verschwägern: nur die wenigen vorhandenen Armenier leben ganz für sich und werden mehr als Europäer betrachtet. (Schluss folgt.) Von der Berliner Gewerbeausstelliing 1896. Von den ausgestellt gewesenen Objecten, die uns näher angehen, können wir bei der Fülle derselben nur Einzelnes herausgreifen. Die Gruppen IX. Chemische Industrie, XI. Wissen- schaftliche Instrumente, XVII. Photographie, XVIII. Ge- sundheitspflege und Wohlfalirts-Einriehtungen, XIX. Un- terricht und Erziehung, XX. Fischerei, XXII. Gartenl)au und XXIll. die DeutscheKolonialausstellung bieten ganz be- sonders reichlich des Interessanten für den Naturforscher. 1. Chemische Industrie (IX. Gruppe). Auf einem Fläschenraum von 4500 qni hatte in einem besonderen Gebäude die Chemie und die verwand- ten Disciplinen ihr Unter- kommen gefunden. Ver- hältnissmässig schwach vertreten, legt das We- nige dennoch beredtes Zeugnis für die mäch- tige Entwickelung unse- rer chemischen Industrie in den beiden letzten Jahrzehnten ab. Zunächst fällt die Ausstellung der Che- mischen Fabrik auf Actien vormals Sche- ring in die Augen: Co- lossale Krystallraassen von Brechweinstein und Borax, metallischem Wis- muth und Jod, beträcht- liche Mengen Piperazin und Utropin, Harnsäure lösende Präparate, Euca- Tn, ein Ersatzmittel des Cocains, sowie Diphthe- rie-Antitoxin fesseln un- sere Aufmerksandceit. Unmittelbar hieran sehliesst sich die Gro.ss- firma J. D. Riedel; sie maciit uns vertraut mit einigen ihrer wiciitigsten Fabrikationszweige, indem sie auf Tal)lcaux zunäciist den Process chemisch forniulirt und dann eine graphische Darstellung der Mengenverhältnisse der ver- schiedenen Phasen, wie sie dem Grossbetriebe entsprechen, hinzufügt; in weiterer Folge werden uns die Ausgangs-, Zwisciien- und Endproducte selbst vorgefüiirt. So finden wir beispielsweise die Phcnacetinfabrikatinn veranschau- licht. Von l)esondereni Interesse für die .\llgcmcinheit dürfte eine circa 20 kg*) betragende Menge von Thorium- *) Chemikor-Zeitung \o. 45, 1S96. uitrat, bekanntlich die Basis der Gasglüiilichtindustrie, sein; diese Menge, die vor circa zwei Jahren noch den respectablen Werth von 36 000 Mark hatte, würde nach dem heutigen Preisstande nicht mehr als 2500 Mark kosten; ein Beweiss für die ungeheuren Preisschwankungen, denen die chemische Industrie unterworfen ist. Die Gesellschaft für flüssige Gase, Raoult Rietet & Comp., die sich bekanntlich die Herstellung und Ver- werthung verflüssigter Gase zur Aufgabe macht, führt uns zahlreiche Bomben flüssiger Kohlen mit „Liquide Rietet" und Sehweflinersäure vor eni Gemisch das zur Er- Fis niedriger Temperaturen dient und mit grossem Erfolge zur Desinfection verwandt wird. Von nicht geringer Bedeutung ist die Beobachtung der Ge- sellschaft, dass Spirituo- sen unter dem Einflüsse hoher Kältegrade die ge- schätzen Eigenschaften des Alters erlangen. Ver- schiedene Cognacproben erläutern das Verfahren. Das in zahlreichen Bom- ben vorgeführte Acety- len scheint dazu berufen, als ein erfolgreicher Geg- ner der Gasglühlichtindu- strie zu fungiren; unab- lässig ist die Gesellschaft bemüht, dem Acetylen- licht Eingang zu ver- sciiatfen, und schon kann sie in verschiedenen Städten recht gute Re- sultate aufweisen. Eine Reihe mächtiger Stahlcylinder, auf 250 At. geprüft und zur Aufnahme verdichteten Sauerstoffs bestinmit, führt uns Herr — - Dy Elkan vor. Zur *■ Erzeugung hoher Tempe- raturen, zur Belebung nach Narkosen, zum Eindicken von Oeler. etc. erfreut sieh der couqiriniirte Sauerstoff eines von Jaln- zu Jahr zunehmenden Consums. Die Firma Kunheim i^ Comp., die zuerst den Deaconjjroccss der Chlorgewinnung in Deutschland ein- führte, hat sich besonders durch die Massenfabrikation und Einfüin-ung flüssiger Kohlensäure einen Namen in der chemischen Welt erworben. Erwähnenswerth ist ferner die Ausstellung der Firma geachteten Sternberg i*c Deutsch, die nach Patenten die XL Nr. 44. Naturwissciiiscliiiftliclic VVoclieiiscIiritt. 525 Herstellung;- der nietallisciien Elemente: „Cliron), Molyb- dän, Wolt'rani", die vorzüglicli zur Härtung des Stahles geeignet sind, betreibt. Ein farbenprächtiges liild bietet uns die Actien- gesellschaft für Anilinfabrikation. Eine beträcht- liche Menge metalliscb glänzender Farbstoft'e blendet das Auge des Beschauers schier; besonders hervorzuheben ist eine mächtige Glasschale, die vollständig mit Benzidin von wunderbarer Schönheit angefüllt ist. Die reichhaltige Beschickung liefert einen schlagenden Beweis für die immense Entwickelung der Tlieerfarben und ihrer Zwischen- producte, wohl einer der bedeutendsten Industriezweige der Chemie. Recht gut ist die Gruppe pharmaceutisclier Präparate beschickt-, es sei hier nur kurz auf den 3Iittel- und Glanz- punkt, Dr. Kades Oranienapotheke (Inb. Dr. Lutze) hingewiesen. Die Fir- r^ ma lässt sich besonders den Export chemisch -pharmaceutischer Präparate angelegen sein, comprimirte Verband- stoffe, Tabletten versehiedener Art für den Gebrauch in der deutschen Armee, ein revisionsfähiges Dispensatorium für Aerzte und ein Jlodell einer Schiffs- apotheke; für den Gebrauch Sr. Majestät des Kaisers an Bord der Hohenzollern bestimmt, geben Zeugnis von der Lei- stungsfähigkeit der Firma. Die letzte desshalb niclit minder interessante Gruppe bildet die Ausstel- lung chemisch-pharmaeeutischer Appa- rate. Herr Julius Schober führt uns unter anderem einen Bunsenbrenner neuer Construetion ohne Reductions- flamme vor, dessen Oxydationstiamme vermöge ihrer hohen Temperatur im Stande ist, circa 5 mm dicke Kupfer- drähte zu schmelzen; durch Entfernen des Brennerkopfes und Regulirung des Luftzuges lässt sich der Brenner leiclit in einen gewöhnlichen Bunsenbrenner umwandeln. Die Firma Kaehler & Martiny macht uns mit einer Reihe durch Heiss- luftmotore, Turbinen zu betreibender Rülir- und Schüttelapparate bekannt. Geradezu von hervorragender Schön- heit und Eleganz sind die von Christ ausgestellten Vaeuum- und Destillirapparate, auf denen auch das Auge gern voll Bewunderung ruht. Dr. A. Speier. 2. Wissenschaftliche Instrumente (XI. Gruppe). Die Sammlung der wissenschaftlichen Instrumente, welche in der Berliner Gewerbe-Ausstellung hauptsächlich in der sogenannten Gruppe XL im „Chemiegebäude" aus- gestellt sind, dürfte in Bezug auf Reichhaltigkeit und Feinheit der Instrumente nicht leicht ihresgleichen tinden. Die hervorragendsten Bei liner Firmen sowie Firmen anderer deutscher Städte, soweit sie in Berlin Filialen besitzen, unter ihnen mehrere von Weltruf, hal)en sich vereinigt, um in dieser „Collectiv-Aussteliung der deutschen Gesellschaft für Mechanik und Optik" ein Bild von Präzisionstechnik zu liefern, welches zu höchster Achtung zwingt vor unserer heutigen wissenschaftlieh -instrumentellen Kunst — denn um wahre Kunstwerke handelt es sich liier überall. Wir wollen natürlich in dieser Wochenschrift nicht versuchen, alle Instrumente oder auch nur alle ausstellen- den Firmen zu erwähnen bezw. zu beschreiben. Aus der ungeheueren Fülle des Gebotenen wollen wir nur eine beschränkte Anzahl von Instrumenten herausgreifen, zum Teil erst Erfindungen der letzten Jahre, zum 'l'eil solche, die in der einen oder der anderen Weise originell genug sind, um auf besonderes Interesse Anspruch machen zu können. Um mit den physikalischen Apparaten zu beginnen, so seien hier zunächst die von Lummer und Brodhun erfundenen und nach ihren Angaben gefertigten Photo- meter genannt, wie sie die Firma Krüss- Hamburg so- wie Schmidt & Haensch - Berlin ausgestellt haben. Das Princip dieses Apparates ist die Vergleichung einer zu messenden Licht- quelle mit einer Vergleichsflamme von bekannter Lichtstärke und wird erreicht durch gleichzeitige Beobachtung beider Seiten eines Photometerschirms fohne Fettfleck) vermittelst Spiegelung. Und JiZi^ii^fc zwar wird durch Vermittelung eines eigenartigen Prismenpaares das Bild der einen Seite umschlossen von dem Bilde der anderen Seite, so dass sich eine sehr scharfe Abgrenzung ermöglichen lässt, zumal da durch ein Fernrohr be- obachtet wird. Dieses liegt in der Achse, so dass bei Drehung des Photo- meters das Auge des Beobachters in Ruhe bleibt. Durch horizontales Verschieben der zu messenden Lichtquelle lässt es sich schliesslich erreichen, dass die Ab- grenzung verschwindet, und nun kann man nach bekannten Gesetzen die Stärke der Lichtquelle ausserordentlich genau bestimmen. Ferner seien erwähnt die Queck- silber-Thermometer aus Borosilieat- glas mit Schutzvorrichtung gegen Ver- unreinigimgen, welche eine Ablesung bis abO" gestatten. Sie sind ausgestellt von der Firma Nie bis- Berlin, welche vor drei Jahren zuerst derartige Instru- mente herstellte. Das Quecksilber dieser Thermometer steht unter einem Druck von 20 Atmosphären. Von den zahllosen feinen Waagen, b welche von den verschiedensten Firmen Fig- 2- ausgestellt sind, werde hier nur eine von Paul Bunge- Hamburg ausgestellte erwähnt, welche ein Auflegen und Abheben der Gewichte gestattet, ohne dass das umgebende Schutzgehäuse ge- öffnet zu werden braucht. Apparate für photographische Aufnahmen mit Röntgen-Strahlen sind vielfach ausgestellt, so von den Firmen Blänsdorf- Berlin, Ernecke- Berlin, A. Geisslers Wwe.-Berhn, Hirschmann-Berlin. Wehr- sen -Berlin. Von einem derartigen Apparat bringen wir in Fig. 1 auf S. 524 eine Abbildung. Um eine intensive Durchleuchtung des Körpers zu ermöglichen, ist ein grosser Induktor von wenigstens 20 cm Funkcnlänge erforderlich, ausserdem ein sehr gleichmässig arbeitender Quecksilber- Unterbrecher, der in der Minute den Strom mindestens 1000 mal unterbricht. Von meteorologischen Instrumenten sei an erster Stelle erwähnt das erst wenige Jahre alte, aber schon unent- behrlich gewordene Aspirationspsyehrometer des Prof. Assmanu, dessen Herstellung der weltberühmten 526 Naturwissenschaftliche Wochcuscnrift. XI. Nr. 44. Firma Fuess-Steglitz bei wovon wir in Fig. 2 a und zur Anschauung bringen. Berlin zu verdanken ist und 2 b zwei verschiedene Formen Bekanntlich sind die Fehler, mag man auch gleichzeitig Feuchtigkeit welche gewöhnliehe Thermometer unter dem Einfiiiss der Sonnenstrahlung aufweisen können, ausserordentlich gross, so dass alle Angaben über Lufttemperaturen, soweit diese nicht in tiefem Schatten gemessen werden, völlig ungenau und unbrauchbar sind. Zumal auf Luftschitffahrten machte dieser Umstand sich in der unangenehmsten Weise be- merkbar. Prof. Assmann nun ersann, um diesem üebel abzuhelfen, das Aspirations- psychrometer, dessen Herstellung der ge- nannten vortrefflichen Firma vollständig gelang. Durcli ein Uhrwerk wird ein Rädchen in sehr schnelle Umdrehung ver- setzt in der Weise, dass es dabei die Luft in raschem Strome ansaugt. Dieser Luft- strom besitzt in Folge seiner kräftigen Bewegung die wahre Lufttemperatur und wird nun so geleitet, dass er gezwungen wird, an den beiden Thermometern (ein trockenes und ein feuchtes) vorbeizustreichen. Da nun die beiden Thermometer nach Mög- lichkeit auch gegen die directe Strahlung der Sonne geschützt sind, so kommt es, dass man mit dem Aspirationspsychrometer selbst in stärkster Sonnengluth die wahre Lufttemperatur bis auf winzig kleine Fehler zu ermitteln im Stande ist. Da ein trocke- nes und ein feuchtes Thermometer vorhanden sind, so ver- die absolute und relative fehlerfrei zu bestimmen. Das Instrument ist ausserordentlich handlich und im Lederetui bequem in der Tasche zu trans- portiren, so dass es zu- mal für Forschungsrei- sende von höchster Be- deutung ist. Man ver- dankt es vorzugsweise diesem Instrumente, wenn man jetzt durch die wis- senschaftlichen Ballon- fahrten die Lufttempe- raturen in den hohen Schichten der Atmosphäre genau bestimmt hat, wo- bei man erkannte, dass die alten, meist von Glais- her herstannnenden Tem- pcraturbeobaclitungen auf Ballonfahrten durcli Strahlungseinflüsse viel- fach Fehler von 20, ja 25 und mehr Graden aufweisen, also ganz un- ^==Bii.=:-_=_™„„ brauchbar sind. Die gleiche Firma stellt neben vielen rein physikalischen noch andere meteorologische Apparate aus, zumal in den Berliner Urania-Säulen haben. Erwähnt seien hier nur noch Anemometer, welche durch mehrere Flg. 3, Ftg. 4. Verwendung zahlreiche diejenigen, ge- die Fuess- Uhrwerke ionen Metern Umdrehungen des Schalenkreuzes H. -Al- welche fundcn sehen bis zu lU Mil selltstthätig Variometer heisst ein neues, von v. Hefner teneck angegebenes Instrument (Fig. 3), welches die ge- ringfügigsten, plötzlichen Aenderungen des Luftdrucks mit Sicherheit zu erkennen gestattet und insofern die Angaben des Barometers in sehr wUnschenswerther Weise zu cr- registru-en ganzen berufen ist. Das neue Instrument ist von der Firma Warmbrunn, Quilitz & Co. iu Berlin ausgestellt. Es ist von der einfachsten Construction und kann daher unbeschadet seiner Genauigkeit und Empfindlichkeit für einen fabelhaft billigen Preis (3,60 M.) hergestellt werden. Im Wesentlichen besteht es nämlich aus einer mit Luft erfüllten Flasche, welche durch einen mit zwei Glasröhrchen durchbohrten Gummipfropf verschlossen ist. Das eine dieser Glasröhr- chen enthält in einem in wagerechter Lage gebogenen Abschnitt ein Flüssigkeitströpfchen, das den Abschluss der im Inneren der Flasche enthaltenen Luft gegen die Aussenluft bil- det. Bei jeder eintretenden äusseren Druck- schwankung wird dieses gefärbte Flüssig- keitströpfchen so weit verschoben werden, bis der Luftdruck im Innern der Flasche gleich dem äusseren Druck geworden ist. Um nun dieses als Index dienende Tröpf- chen nach erfolgter Verschiebung wieder auf die normale Stellung zurückzufuhren und zugleich eine Verschiebung desselben durch den Wechsel der Lufttemperatur zu verhin- dern, ist das zweite Glasröhrchen in eine sehr feine Spitze ausgezogen und setzt durch diese die äussere Luft mit der inneren in unmittelbare Communication. Allmählich wird daher durch die feine Oeff'nung der Ausgleich zwischen innerer und äusserer Luft erfolgen und das oben erwähnte Flüssigkeitströpfchen daher wieder in seine ursprüngliche Lage zurückkehren. Es ist klar, dass plötzliche Tempe- raturänderungen der inneren Luft ebensolche Wirkungen äussern müssten, wie blosse Druckschwankun- gen der Aussenluft und desshalb besitzt die ganze Flasche noch einen Filz- mantel, welcher schnelle Temperaturänderungen der Innenluft unmöglich macht. Das so geschaffe- ne, in der That höchst einfache Instrumentchen zeigt nun eine wirklich erstaunliche Empfindlich- keit, indem es z. B. die Luftdruckabnahme mit der Höhe schon bei einer Hebung um wenige Deci- meter aufs deutlichste zu erkennen gil)t und auch andere, minimale Druck- änderungen, z. B. die durch das Oeffnen einer Thür entstehenden, sofort anzeigt. Es steht zu er- warteu, dass auch die Meteorologie die Angaben des Variometers, die uns sozusagen von den kleinsten Wellen in unserem Luftmecr Kunde geben, nicht unbeachtet lassen wird, wenn dieselben auch für das Studium der Atmo- sphäre nicht von so grosser Bedeutung sein dürften wie die vom langsamen Ebben und Fluthen im Luftmeer zeu- genden Schwankungen des Barometers. F. Kbr. Erwäinit niöye" ferner ein Barometer der Firma Otto Bohne-Berlin werden, das sogenannte „Barometer No. 14", welches gegen Teniperatureinfluss compensirt ist, so dass keine Correctionen der Barometerstände auf 0" erlbrdcrlich sind. Das Instrument ist besonders für llöhenmessungen geeignet, da es eine Skala zum directen XI. Nr, 44. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 527 Ablesen der Hölienuuterschiede in einzelnen Metern — bis 1800 ni reichend — trägt. Durch Schätzen kann man bequem bis 10 cm Höhendifferenz unterscheiden. Die Firma Günther-Braunschweig- fuhrt einen photo- graphischeu Apparat vor, der speciell für Gewitter- p h 0 1 0 g r ap h i e u hergerichtet ist. Au dieser Stelle sei auch hingewiesen auf das „Horizontalpendel" der bekannten Firma Stückrath- Friedenau. Das sehr complicirte und recht umfangreiche Instrument wird zur Ermittelung kleiner und kleinster Bodenschwankungen benutzt: zwei senkrecht zu einander stehende Horizontalpendel registriren automatisch alle des Erdbodens auf eine Trommel. Um nunmehr zu den physiologischen Apparaten überzugehen, sei zunächst erwähnt, dass die Firma Sydow- Berlin eine hochinteressante „historische Sannnlung von Augenspiegeln" ausgestellt hat. Bewegungen 1 : 10 oder 1 : i'O benutzt, nur bei starker Vermehrung der weissen Blutkürper (Leukämie) 1 : 25 bis 1 : 50. Eine besonders bequeme Handcentrifuge für Se- dimentir- Versuche, die ebenso für chemisch -analytische Centrifugirvcrsucbe als für Harnsedimentirungeu, mikro- skopische Ausschleuderungen etc. dient, stellt die Firma Altmann- Berlin aus. Eine einmalige Umdrehung des in die Spindel eingreifenden Zahnrades bewirkt schon eine 50 malige Drehung der Scheibe, auf welcher die 4 Glas- röhrchen befestigt sind. Da nun das Rad mit Leichtig- keit 100 Mal in der Minute gedreht werden kann, ist man im Stande, die Scheibe in einer Minute 5000 Mal rotiren zu lassen. Endlich sei in diesem Zusammenhang der von Alt- manu- Berlin vorgeführte Trockenapparat des ver- dienten Prof. Soxhlet genannt, der besonders auf Milch, Bier, Stärke u. s. w. berechnet ist, und dessen besonderer Die Firma Ernecke-Berlin hat ungemein grosse und in Folge dessen sehr tiefe Stimmgabeln ausgestellt, welche vielfach für ohrenärztliche Zwecke dienen, da die Schwingungszahl des tiefsten individuell noch wahrnehmbaren Tones ein Maass für die Güte des Gehörs abgeben kann. Leitz -Wetzlar stellt einen Thoma-Zeiss'schen Appa- rat zur Zählung der Blutkörper aus: eine kleine Menge Blut wird in bestimmten Flüssigkeiten auf 1 Hundert- stel oder 1 Zweihundertstel verdünnt und dann auf eine mikroskopische Feldereintheilung gebracht, welche unter einer starken (120 — 200 fachen) Vergrösserung betrachtet wird. Die in den Quadraten der mikroskopischen Felder- eintheilung befindlichen Blutkörperchen lassen sich ab- zählen, und da die Grösse der Blutverdüunung sowie der Rauminhalt über jedem Quadrat (V4000 cbmm) bekannt ist, lässt sich dann die Zahl der rothen Blutkörperchen in einem cbmm leicht berechnen. Die Zählung der weissen Blutkörperchen erfolgt auf dieselbe Methode, allerdings mit einer gewissen Modification: zur Verdünnung benutzt man V3 bis V2 proc. Essigsäure, welche die rothen Blut- körperchen löst, während sie die weissen nicht beeinflusst; auch wird aus naheliegenden Gründen nur die Verdünnung Vorzug darin besteht, dass die zu trocknende Substanz der hohen Temperatur nur auf ganz kurze Zeit ausgesetzt zu werden braucht, so dass sie kaum wesentlich von ihrer sonstigen Eigenthümlichkeit einbüsst. Von mikroskopischen und teleskopischen In- strumenten seien noch die folgenden erwähnt. Die durch ihre vorzüglichen Miskroskope bekannt gewordene Firma Leitz -Wetzlar hat unter zahlreichen anderen Instrumenten ein Mikroskop mit Zeichenapparat ausgestellt, deren Einrichtung aus Figur 4 ersichtlich ist. Die Zeichen- oculare werden wie ein gewöhnliches Ocular in den Tubus eingesetzt und durch eine seitliche Schraube festgeklemmt. Unter den Instrumenten der Firma Z e i s s - Jena, welche unter der vortrefflichen Leitung des Prof. Abbe ihren glänzenden Weltruf erlangt hat, seien hier nur die interessanten handlichen Relief - Fernrohre erwähnt, welche — etwa wie eine Lorgnette — zusammeugeklajjpt werden können. Sehr erwähnen« werth ist noch das sogenannte „Hlitz- glas" der Firma Paetz & Fl ohr- Berlin. Es ist dies ein Feldstecher von schwacher (nur etwa Sfacher) Ver- grösserung, welcher eine schnelle Orientirung in einer Gegend gestattet. Wünscht man nun aber einen be- 528 Natiirwissensehaftliclje Woclienselirift. XI. Nr. 44. stinimteu Punkt genauer zu betrachten, so genügt ein ciu- faeher Druck auf einen Knopf, um eine siebenfache Ver- grösserung einzuschalten; man braucht dabei niclit einmal das Instrument vom Auge zu entfernen. Das verschärfte Bild ist dabei sogleich eben so deutlich, wie das ursprüngliche. Ein mikrophotographischer A pparat, von der l)e- kannten Firma Schmidt it Haensch- Berlin ausgestellt, ist in Fig. 5 abgebildet. Er dient zur Beobachtung und Auf- nahme von Metall-, zumal Eisenschliffen und ist nach den Angaben des Geh. Bergraths Prof. Wedding in Berlin gefertigt. Er besteht aus einer eisernen optischen Bank mit Theilung, vier verstellbaren Schlitten mit Klemmvor- richtung und Zeiger, dem Beleuchtuugsapparat mit Plan- spiegel, einem kleinen Steiuheil'schen Aplanat und dem ProjectioD&ocular. H. Als Schluss dieses Abschnitts über die wissenschaft- lichen Instrumente, von denen natürlich nur ein winzig kleiner Teil Erwähnung finden konnte, stehe ein Bericht über das vielbesprochene Riesenfernrohr. Das Riesenferurohr in Treptow erhebt sich auf einem mächtigen Unterbau, welcher 12 m hoch, 8 m lang und ebenso breit ist. In dieses Fundament ist die Polarachse eingelassen, welche durch einen Elektromotor in 24 Stunden einmal um sich selbst gedreht wird, und dabei das ganze Rohr mitninnnt. Denn an ihr sitzt eine Art Glocke, welche au zwei einander gegenüberliegenden Stellen etwas in die Höhe ragt und dort zwei Zapfen trägt, welche die Dekli- uationsaehse darstellen; um diese letztere dreht sich eine 440 Centner schwere Traverse, die das Rohr und dessen Mantel trägt, sowie die je 200 Centner schweren Gegen- gewichte, welche nach der anderen Seite wegragen. Da bei der grossen Schwere dieser Stücke die Gefahr nahe liegt, dass die Palorachse eine Durchbiegung erleidet, wenn sie nur auf die Glocke und dadurch aucli auf die Achse gestützt sind, so ruhen sie auf mächtigen Ent- lastungsböcken, welche als eine Art äusserer Glocke die innere umgeben. Diese Böcke stehen auf einem Kranze, der seinerseits auf drei Rollen läuft, welche direct im Fun- dament ihr Lager haben, so dass die ganze Last auf den Mauerpfeiler übertragen ist. Die wesentliche Bedeutung dieser Construction liegt in dem Ar elieniiold sehen Gedanken, die grosse Dreh- kuppel, mit welcher sonst ein grosses Fernrohr überspannt wird, durch einen cylindrischen Mantel zu ersetzen. In zwei Richtungen wirkte diese Kuppel hemmend auf die Entwickelung der Fernrohrbauten : Erstens vertheuerte sie den Bau enorm — "/^ bis P/., Million Mark kostete sonst ein grosses Fernroln-, wäln-end für das Treptower etwa '/4 Million erforderlich war — , zweitens verhindert sie die Anwendung langer Brennweiten; denn dabei müsste der Durchmesser der Kuppel so ausserordentlich wachsen, dass der Preis kaum noch zu erschwingen ist. Bei dieser Construction ist mit der Vergrösserung der Brennweite nur eine Verlängerung des Rohres verknüpft, welche keine erheblichen Mehrkosten verursacht. Daher übertrifft auch das Treptower Rohr mit 21 Meter Brennweite an Länge die grössten amerikanischen Fernrohre, hinter deren Linsen sein Objectiv mit 70 cm zurückbleibt. Abgesehen von der astronomischen Wichtigkeit, welche die Erbauung von Fernrohren mit langen Brennweiten haben, stellen sich diese auch billiger, da es viel leichter ist, eine Linse auf eine lange, statt auf eine kurze Brenn- weite abzuschleifen. Somit eröffnet das interessante Treptower Fernrohr der praktischen Optik sowie dem Fernrohrbau eine ausser- ordentlich günstige Perspective und scheint berufen, eine Umwälzung in diesen Industrien hervorzurufen. (x.) (Fortsetzung folgt.) Das Optimum der Pflanzen. — Der Universitäts- professor Le(j Errera in Brüssel giebt im Verlage von H. Lamertin daselbst ein auf eine längere Reihe von Heften berechnetes botanisches Werk heraus, das er nach einem ähnliehen Werke Linne's „Essais de Philosophie Botanique" nennt. Er will darin in Einzelabhandlungen die wichtigsten Fragen der modernen Botanik behandeln. Heft 1 (30 Seiten), welches soeben erschienen ist, be- handelt das Optimum der Pflanzen. Voraus schickt Errera einige Worte über die Faetoren und die Fundamentalbedingungen des Lebens. Alle leben- den Wesen sind, vom morphologischen Standpunkte aus beti'achtet, Mechanismen von bewunderungswürdiger Fein- heit. Vom dynamischen Standpunkte aus erscheinen sie als eine Art explodirbarer Körper, in denen die Energie in Menge gesammelt ist und bei einem geringen Anlass mit Heftigkeit sieh entlädt. Man nennt Alimente die Substanzen, durch welche die Organismen ihre Energie- menge erneuern; Erreger sind die äusseren Agentien, welche die Explosion des lebenden Wesens herbeiführen, indem sie einem Theile dieser angehäuften Energie die Freiheit geben. Um diese Explosion zu ermöglichen, müssen durch das umgebende Medium gewisse Bedin- gungen erfüllt werden. Diese Bedingungen, welche zur Aeusserung des Lebens nöthig sind, sind: Wasser, Sauer- stoff', Wärme und, wie Hoppe-Seyler, Verworn u. a. nachgewiesen haben, der Druck. Das Licht erseheint nicht für das Leben nothwendig; denn viele Wesen be- wohnen finstere Höhlen oder submarine Tiefen, in welche nie ein Lichtstrahl dringt, auch leben die tief gelegenen Zellen aller grossen Thiere und Pflanzen in ständiger Finsterniss. Ebenso sind die Gravitation, die Elektricität und der Jlagnetismus nicht als nothwendig für das orga- nische Leben nachgewiesen. Hiernach Hesse sich das Leben definiren als eine Summe von Energie, die sich in einem besonderen Mechanismus zeigt und unter gewissen Bedingungen des Mediums durch bestimmte Erreger in Thätigkeit gesetzt wird. Jede der verschiedenen Lebensbedingungen wirkt in einem bestimmten Grade auf die Lebewesen am günstigsten ein, und dies ist das Optimum; darüber und darunter sind die Wirkungen weniger gut. Der Begriff' und das Wort Optimum sind 1860 von Julius Sachs, Pro- fessor der Botanik in Würzburg, in die Wissenschaft ein- geführt worden. Er bezog den Ausdruck nur auf die Pflanzen, doch heutzutage findet derselbe auch Anwen- dung in der animalischen Physiologie. Man wusste zwar schon vor Sachs, dass ein gewisses Minimum der Tempe- ratur nothwendig sei, um ein Samenkorn zum Keimen zu bringen, aber man meinte, dass die Entwickelung eine um so schnellere wäre, je höher die Temperatur über diesem Minimum stände. Sachs bestimmte nun für ver- schiedene Samen zuerst die untere Grenze, bei welcher dieselben noch keimten, also den thermomctrischen Null- punkt, sodann auch das Maximum der Temperatur. Zwischen diesen beiden Grenzen liegt nun das Optimum; bei einer Temperatur, welche sich über das Optimum erhebt, tritt ebenso eine Entwiekelungshcmmung ein wie bei einer Temperatur unter dem Optimum. Das Getreide z. B. beginnt langsam zu keimen bei etwaO", das Maxi- nmm ist 40", und bei 28 — 29" ist die Entwickelung am lebhaftesten, das ist das Optimum. Die Beziehung, welche zwischen der Schnelligkeit des Wachsthums und der Tem- l)eratur besteht, könnte also dargestellt wei'den durch eine XI. Nr. 44. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. .029 Cnrve, welche sich allmählich erhöht, einen höchsten Funkt erreicht und dann wieder fällt. Nicht allein auf Keinuiui;- und Wachsthum, sondern auf fast alle physiologischen Erscheinungen übt die Wärme einen deutlichen Eintluss aus. Sowohl bei der Bewegung des Protoplasmas im Innern der Zellen, als bei der Aufsaugung der Nahrung durch die Wurzeln und selbst bei der Frequenz der Pulsschläge bei den Thieren wirkt eine bestimmte mittlere Temperatur am günstigsten. Eine zweite Bedingung des Lebens ist das Wasser. Alle Organismen schliessen eine grössere oder kleinere Menge davon ein. Viele Samenkörner enthalten nur 10—15 0,0 Wasser, das Splintholz gegen 50 7,,, '^ie frischen Früchte bis 87 "/o, der Fliegenschwamm 98 "/o und die Melone 95 "/g. Auch für das Wasser, nicht allein für das als Getränk aufgenommene, sondern auch für dasjenige, welches die lebenden Gewebe durchdringt und im Innern der Zellen enthalten ist, giebt es ein mittleres Maass, das weder in dem einen noch in dem anderen Sinne ausser Acht gelassen werden darf. Dasselbe gilt für den Sauerstoff'. Derselbe ist für das Leben nothwendig, doch ein Ueberniaass von Sauerstoff tödtet. Man verdankt Paul Bert über diesen Gegen- stand treif liehe Untersuchungen; er hat gezeigt, dass der Tod in Folge eines Uebermaasses von Sauerstott' wunder- barer Weise genau dieselben Erscheinungen bietet wie der Tod ans Mangel an Sauerstoff', in jedem Falle erfolgt er durch Ersticken. Jede Art hat also auch ein Optimum des Sauerstoff's. Es giebt nun allerdings niedere pflanz- liche Wesen, die von Pasteur zuerst genauer studirt wurden, die x\naerobien, welche ohne Luft leben können. Pasteur hat, nachdem er seine ersten Untersuchungen darüber veröttentliclit hatte, mannigfache Angriffe erleitlcu müssen, die Zeit hat ihm aber Recht gegeben: heutzutage züchtet man in allen Laboratorien den TetanusOacillus im luftleeren Räume. Manche Anaerobien, die facultativen, können den Sauerstoff' entbehren, aber auch in Gegen- wart desselben gedeihen; andere dagegen, die obligaten Anaerobien, gedeihen nur bei Fernhaltuug alles freien Sauerstoffes, wie z. B. der eben genannte Tetanusbacillus. Diese Anaerobien athmen aber gleichfalls wie die Aerobieu, sie sind auf den in Verbindungen vorkommenden Sauerstoff angewiesen und erscheinen so als Lebewesen, für welche das Optimum des Sauerstoff's sehr tief liegt. Eine weitere Lebensbedingung ist der Druck. Der Mensch erträgt, wie die Erfahrungen der Taucher er- geben, noch einen Druck, der viermal so gross ist als derjenige der Atmosphäre; umgekehrt haben Luftschitfer schon Höhen erreicht, in denen der Luftdruck nur eben ein Drittel des atmosphärischen Druckes betrug. Eine Steigerung dieser Zahlen nach den entsprechenden Seiten hin ist ohne Lebensgefahr nicht möglich, also auch hier ein Optimum, das wir auch bei allen Thieren und Pflanzen flnden. Selbst auf Substanzen, welche nicht unbedingt zum Leben nöthig sind, flndet das Gesetz des Optimum An- wendung. Bekanntlich sind massige Reizungen für die Vollziehung der Lebensfunctionen von günstigem Einttuss, werden dieselben aber übertrieben, so wirken sie schäd- lich. Für die Nerven und Muskeln der Thiere ist dies ohne Weiteres einleuchtend, weniger deutlich ist das Vorhandensein eines Optimum in Bezug auf die Wider- standsfähigkeit gegen Gifte. Man weiss, dass Gifte in sehr kleinen Mengen von nützlicher, stimulirender Wirkung sind. Ueber den Einfluss des Giftes auf die thierischcn und pflanzlichen Zellen hat Hugo Schulz eingehende Studien gemacht. Bei der Bierhefe üben die giftigsten ;:ünstigen Einfluss auf die Gährung aus. Körper einen wenn sie in sehr kleinen Quantitäten dazwischen gebracht werden. So bewirkt salicylsaures Natron die Gährung, wenn man es in einer Dosis von '/4000 anwendet: arscnigc Säure bewirkt dasselbe bei einer Verdünnung auf ' 400007 Quecksilberchlorid bei Vöooooo und Jod bei ^/^jqoooo- Durch diese sorgfältigen Untersuchungen ist unsere Auffassung von den Giften eine wesentlich andere geworden; darnach ist das Gift ein Körper, dessen Optimum der Wirkung sehr tief gelegen ist. So zeigt sich das Gesetz des Optimum bei den Fundamentalbedingungen des Lebens wie bei verschie- denen anderen physiologischen Phänomenen. Schon vor beinahe 20 Jahren kam Prof. Errera in einer Arbeit im „Bull, de la Soc. royale de Bot. de Belgique" 1878, S. 246 (Sur la structurc et les modes de fccondation des fleurs) zu demselben Schlüsse. S. Seh. Die Züchtung des Silherreihers (Ardea egretta Boie) iiud des Seideiireihers (A. garzetta L.) hat J. Forest auf dem im August d. J. zu Lorient (Morbihan) abgehaltenen Congress der französischen Gesellschaften für Geographie befürwortet. Die Reiherfedern werden jetzt vielfach, namentlich in Paris, als Ersatz für Straussen- Vedern zum Aufputzen der Damenhüte und als Haar- schmuck verwandt. Während der Silberreiher früher in Florida und Nord- und Süd-Carolina an den Fluss- miinduugen sehr häufig war, ist er jetzt daselbst voll- ständig verschwunden, auch im übrigen Amerika sowie in Europa und Afrika ist er im Abnehmen begriffen, und es ist bei der rücksichtslosen Verfolgung, welcher der Vogel ausgesetzt ist, ein Aussterben desselben über kurz oder lang zu erwarten. In der Tliat ist seit etwa zehn Jahren die Jagd auf den Silberreiher produetiver als das Suchen nach Gold und Kautschuk. Allein von Venezuela aus wurden 1895 ungefähr 600 Kilogramm Schmuckfedern des Silberreihers "nach Paris geschickt. Von Brasilien, Paraguay und Uruguay aus kamen nach demselben Orte in grosser ]\Ieuge Federn des Seidenreihers. Eine Züchtung des Reihers ist möglich, wie die seit 1895 in Tunis angestellten Versuche ergeben haben. Da- selbst hat man in geringer Entfernung von der Stadt eine geräumige Voliere eingerichtet, welche ein grosses Wasserbassin und einige Bäume enthält; die Anlage hat 14 000 Francs gekostet. Dieses Vogelhaus enthält gegen- wärtig 387 Reiher; es ist im Jahre 1895 mit gefangeneu Reihern, die man das Stück mit 4 Francs bezahlt hatte, bevölkert worden, und die Vögel haben sich im Laufe des einen Jahres schon bedeutend vermehrt. Die Reiher werden zweimal im Jahre, im Juni und Anfang October, gerupft; jeder liefert etwa 6 Gramm Federn, von denen das Gramm mit 5 Francs bezahlt wird. Da die Reiher omnivor sind, ist ihr Unterhalt leicht; in Tunis giebt man ihnen das Fleisch gefallener Pferde, Maulthiere und Esel, die Ernährung eines Vogels kommt auf ungefähr 5 Francs pro Jahr. ' Wenn die Jungen drei Wochen alt sind, vermögen sie sich selbst zu ernähren. S. Seh. Die saure Rcaction der ^Vurzel äussert sich, wie bekannt, in zwei Beziehungen. Erstlich wird blaues Lak- muspapier geröthet und zweitens erzeugen die \\'urzeln, wenn man Pflanzen im Blumentopf erzieht und auf den Boden derselben eine Marmorplatte legt, sogenannte Oorrosionen auf dieser. Die Anätzung der polierten Platte geschieht durch ein saures Secrct der Wurzeln, und man erhält durch blind erscheinende Linien ein genaues Hild der dar- über hingewachsenen Wnr/.cin. 530 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 44. Ueber die Natur dieser sauren Ausscheidung belehrt uns eine Arbeit von Friedrich Czapek: „Zur Lehre von den Wurzelausscheidungen", in Pringshcims Jahrb. 1896, Heft 3. Danach haljen wir es vorzugsweise mit in Wasser gelöster Kohlensäure zu thun. Durch solches Wasser werden bekanntlich Kalkgesteine, Dolomite und andere Erdalkali- und Magncsiumsalze allmählich gelöst. Um zu beweisen, dass wirklich Kohlensäure die Ursache dieser Corrosionen sei, verwendete C. z. B. Platten von verschiedenen Substanzen und konnte, je nachdem die- selben von Wurzeln angeätzt wurden oder nicht, die Zahl der in Betracht kommenden Säuren mehr und mehr einengen. Diese Platten stellte Verf. so her, dass er die betreffende Substanz mit gleichen Theilen Gipsmehl mischte, zu einem Brei verrührte und diesen auf eine Glas- scheibe goss. Wendet man Platten von Alumiaiumphosphat [AlofPO^)^] an, so treten keine Aetzfiguren durch Wurzeln auf. Damit sind ohne Weiteres Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure, Ameisensäure, Weinsäure, Milchsäure, Ci- tronensäure u. a. m. ausgeschlossen und es bleiben noch Kohlensäure, Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure. Da die letzteren, wenn sie von den Wurzeln ausgeschieden würden, eine Lösung von Kongoroth bläuen müssten, was durch Wurzeln aber nicht geschieht, so bleibt nur Kohlen- säure, welche das Kongoroth in ein Bräunlichroth ver- wandelt. Es braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden, dass ausser dieser Methode vom Verf. noch andere au- gewendet wurden, um sicher zu gehen: indessen genügten die obigen Angaben vollkommen, um sich über den Gang der Untersuchung zu orientiren. Ein anderes Bewenden hat es mit der Röthung des Lakmuspapiers, denn dieses bleibt an den von intaeten Wurzeln berührten Stellen roth, auch wenn die Kohlen- säure durch Erwärmen des Papieres vertrieben ist. Um nun das hier wirksame Agens zu ermitteln, verfuhr C. wie folgt. Es ist bekannt, dass Wurzeln im duustgesättigten Raum, ob sie in Wasserkulturen oder im Boden erzogen werden, Tröpfchen ausscheiden. Diese untersuchte der Verfasser und stellte fest, dass sie besonders Kali- und Phosphorsalze enthielten. Es zeigte sich nun bald, dass Monokaliumphosphat (KH2PO4) das gesuchte Agens sei. Also dieses und Kohlensäure sind die beiden wirksamsten Principien. Es steht aber jetzt schon fest, dass die Verhältnisse noch complicirter liegen und wenn auch in viel geringerem Maasse, noch andere Substanzen in Betracht kommen, sogar Salzsäure. Ausserdem verhalten sich die Wurzeln der verschiedenen Pflanzen nicht gleich. Auch die Ausscheidungen der mit Haftscheiben festsitzenden Meeresalgen, die zugleich das Gestein augreifen, und die nackte Felsen bewohnenden Flechten harren noch näherer Untersuchungen. Es dürfte nach Ansicht C.'s auch hier die Kohlensäure eine Rolle spielen. Die Wirkung derselben hat man sich so vorzustellen, dass die mit Wasser imbibirten Ausseumembranen der Wurzeln die Kohlensäure aufnehmen und durch das so bereicherte Wasser auf die Erdpartikel, denen sie innig anliegen, einwirken. Eine Ausscheidung von Fermenteu ist nach der Meinung des Verfassers l)isher noch nicht mit Sicherheit festgestellt, o]>wohl z. B. Diastasc in Wurzeln sehr ver- breitet ist. Mit .Siciierheit ist Absonderung von Fermenten bisher bei zahlreichen Pilzen festgestellt, ausserdem bei den Haustorien phanerogamer Schmarotzer und endlich bei Pollenschläuchen. Natürlich beziehen sich diese Angaben nur auf solche Wurzeln, welche keine Mycorrhiza besitzen, also nicht von Pilzen umsponnen sind. Die auf Knochenplatten durch Wurzeln erzeugten Corrosionen sollen sich so erklären, dass die abgeschiedenen sondern auf die Säuren nicht auf die organischen Substanzen, Knochen enthaltenen anorganischen Salze nn einwirken. R. Kolkwitz. Ueber Galactit aus deu Samen der gelben Lupine veröffentlicht H. Ritthausen in deu Ber. D. Chem. Ges. 2y, 896 einen Aufsatz. — Aus einem durch Aus- ziehen mit Alkohol gewonnenem Extract gepulverter Lu- pinensamen konnten nach Behandlung mit Aether zwecks Entfettung und Zugabe einer bestimmten Menge Aetz- kalilösuiig durcii Petroläther zunächst die Alkaloide Lu- piniu und Lupinidin abgeschieden werden. Das mit Schwefelsäure angesäuerte Filtrat wird zur Abscheidung schwefelsauren Kalis mit Alkohol vermischt, nach dem Absetzen des Niederschlages filtrirt und destillirt. Der Rückstand lässt sieh durch Behandeln mit 96 proccntigem Sprit in einen schwer und leicht löslichen Theil sondern. Der leicht lösliche Theil giebt nach dem Ai)destilliren des Alkoiiols uud Wiederauflösen des Rück- standes in 96 procentigem Alkohol beim Hinzufügen des halben Volumens Aether reichUche Mengen sechsseitiger Blättchen, die umkrystallisirt bei 142" schmelzen und die empirische Formel: CciHigO; haben. Beim Kochen des Galactits mit verdünnter Schwefel- säure tritt Hydrolyse ein, die erhaltene Lösung dreht stark rechts und ergiebt bei weiterer Behandlung einen krystallinischen Körper, der Schmelzpunkt, Reductions- und Polarisationsgrösse und Osazon der Galactose l)esitzt und daher identisch mit letzterer ist. Dr. A. Speier. Ueber das Vorkommen von Staehjdrin in den Blättern von Citrus vulgaris berichtet E. Jahns. (Ber. D. Chem. Ges. 29,2065). Die Blätter dieser l'flanze ent- halten neben ätherisciiem Oel, Bitterstoff und anderen Stoffen hauptsächlich einen betainartigen Körper, der identisch mit dem in den AVurzeln von Stachys tubifera von A. von Planta und E. Schulze gefundenem Stachy- drin ist. Zur Gewinnung des Stachydrins werden fein ge- schnittene Orangenbiätter wiederholt mit kochendem Wasser extrahirt und zu den wässerigeu Auszügen so lange Blei- essig gegeben, als ein Niederschlag entsteht. Das Filtrat wird zur Fällung überschüssigen Bleis mit Natriumphos- pliat behandelt, dann abermals filtrirt, partiell verdampft und schliesslich nach reichlicher Zugabe von Schwefel- säure zur Fällung der Base mit Kalium-Wismuthjodid versetzt. Der entstandene rothe Niederschlag wird ausge- waschen und noch feucht mit soviel in Wasser suspen (lirtem Silbercarbonat versetzt Reaction auf Jodide mehr zeigt; in Lösun Spuren von Silber werden mit Schwefelwasserstoff be- seitigt. Das Filtrat wird auf dem Wasserbade zum Trocknen eingedampft, der Rückstand in wenig absolutem Alkohol gelöst und zu der alkoholischen Lösung so viel Aether hinzugefügt, bis eine bleibende Trübung eintritt; alsbald beginnt die Krystallisatiou des Stachydrins. Aus der Mutterlauge können durch erneuten Zusatz von Aether weitere Giengen des Körpers gewonnen werden. Durch UmkrystaUisiren aus Aether- Alkohol erhält man das Stachydrin in farblosen Krystallen, die süss schmeckcu, neutrale Reaction besitzen und die empirische Formel C7lI,3NO,, + H^O haben. Eine wässerige Lösung giebt mit Eisenclilorid eine Rotlifärbung. — Die Identität des von A. von Planta und E. Schulze bis die Flüssigkeit keine XI. Nr. 44. Natiirwisseu.scliiirtlif.lic Woiibeusclirift. 531 uis Ovaiigenblättcni darg-estellten Stachydriiis mit der gewonnenen Verbinduni;- crgicbt sich des Weiteren dnrcli die vullis^dumiene Uebereinstinniiung der bezüglichen Hydro- cldorate und Golddoppelsalze. Dr. A. Speier. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ei-nannt wurden: Der ausserordentliche Professor der Embryo- logie in Wien Dr. Schenk zum ordentlichen Professor; der ausser- ordentliche Professor der Ohrenheilkunde in Prag Dr. Zaufal zum Director der Klinik für Ohrenkrankheiten; Dr. Wilhelm Meinard US zum Assistenten am meteorologischen Observatorium zu Potsdam; der Mitredacteur der Naturw. Wochenschr. Ric hard Hennig zum Assistenten am meteorologischen Institut zu Berlin. Es starben: Der französische Astronom und Mathematiker und Director der Pariser Sternwarte Feli.x Tisserand; der französische Botaniker Auguste Adoli)h Lucien Trecul in Paris; der ehemalige ordentlich Professor der Arzeneimittellehre und Therapie in Strassburg Leon Coze. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Karl Russ, Die Amazonen-Papageien. Ihre Naturgeschichte, Pflege und Abrichtung. Mit einer Parbendruck- und 7 Schwarz- drucktafeln sowie 3 Holzschnitten iui Text. Creutz'sche Ver- lagsbuchhandlung (R. c& M. Kretschmann). Magdeburg 1896. — Preis 2 Mark. , Neben dem Kanarienvogel steht die Pflege der Amazonen- papageien in besonderer Beliebtheit. Und mit Recht, denn iliese sich den Menschen so überaus anpassenden, klugen und, wenn sie richtig behandelt werden, zumeist gutmüthigen Vögel verdienen allerdings die Beachtung als Hausgenossen. Mit Gründlichkeit hat Verf. die bisher eingeführten Arten der Amazonenpapageien geschildert, die Art und Weise ihrer Behandlung, ihrer Verpflegung, ihrer Abrichtung und endlich die Heilweisen etwa ausbrechender Krankheiten angegeben. Den Liebhabern und Besitzern von Aniazonenpapageien wird das Buch willkommen sein und sicher gute Dienste leisten. Prof. Dr. B. Hatschek und Privatdocent Dr. C. J. Cori, Ele- mentarcursus der Zootomie in 15 Vorlesungen. Mit IIb Tafeln und 4 Text-Figuren. Gustav Fischer, Jena 1S96. — Preis 6,50 M. Ein vorzugliches Buch mit vorzüglichen Abbildungen, mit wenigen Ausnahmen nach Original-Präparaten! Es werden vor- geführt: Salamandra maculosa, Rana temporaria, Anodonta muta- bilis, Helix poniatia, Astacus fluviatilis, Apus cancriformis, Peri- plancta orientalis, Hydrophilus piceus, Lumbricus terrestris und Hirudo medicinalis, also alles Arten, die leicht zugänglich sind. Die Untersuchung geht stets nur so weit, als man makroskopisch und ohne Anwendung besonderer Hülfsmittel, wie Injectionen, gelangen kann. Es handelt sich also wirlich um einen Elemen- tarcursus. Eine kurze „Pjinleitung" giebt Auskunft über die noth- wendigen Instrumente und Apparate. Prof. Dr. Paul Knuth, Flora der Insel Helgoland. Lipsius & Tischer in Kiel ISUG. — Preis 1 iM. — , Blumen und Insecten auf Helgoland. Mit 1 Karte. (Sep.- Abdr. aus der Dodonaea in Gent. ) Verlag von Lipsius & Tischer in Kiel 1896. — Preis 1 M. Im Anschluss an seine „Flora der nordfriesisehen Inseln" hat Verf. kürzlich im Verlage von Lipsius & Tischer in Kiel eine „Flora von Helgoland" und gleichzeitig eine Arbeit „Blumen und Insecten auf Helgoland" erscheinen lassen. Das erste Werkchen zählt 27 Seiten. Auf ein Litteraturverzeichniss folgt eine Ueber- sicht über die Flora Helgolands nach Standorten ; der Strand des Unterlandes, die Kartott'eläcker und Getreidefelder des Oberlandes, die Wegränder, das Festungsgebiet, die Schafweide, die stür- mische Nordwestspitze, die Wände des Felsens und die Düne werden kurz charakterisirt. Besonders interessant ist der Ab- schnitt, welcher das gelegentliche Auftreten mancher Pflanzen auf der Insel behandelt. Von diesen haben nur etwa 5 "/o wirk- same Flugvorrichtungen an den Samen; die Klettpflanzen, deren Samen durch Vögel übertragen werden, umfassen etwa 18 "/o dieser Pflanzen, so dass noch 80 "„ zurückbleiben, welche sich ohne be- sondere Verbreitungsniittel eingestellt haben, zum grössten Thoile wohl durch zufällige Verschle))pung durch Sumpfvögel oder durch Versendung von Vv'aaren und dergleichen. Entwiokelungsgeschicht- lich erscheint die Landflora Helgolands als Abkömmling der deutschen Festlandsflora, von welcher aus noch in der Diluvial- zeit die Besiedehnig der Inscd mit Pflanzen vor sich ging. — Der dritte Abschnitt bringt dann eine systematische Aufzählung der auf Helgoland vorkommenden Blüthenpflanzen. Das in deutscher und holländischer Sprache geschriebene Werk „Blumen und Insecten auf Helgoland" ist mit einer Karten- skizze der Insel ausgestattet. Es ergiebt sich, dass von den 174 Blüthenpflanzen Helgolands nur etwa 30% windblüthig sind, die übrigen sind auf Insectenbesuch angewiesen. An der den Stürmen besonders ausgesetzten Westküste fehlen die Insecten- blumen fast ganz, und die Windblüther herrschen vor, anders dagegen an der sich abdachenden Ostseite, wo die Insectenblumen und ihre Besucher Schutz finden. Auf der Düne, die oft zuui grössten Theile überfluthet wird, sind die Existenzbedingungen für Insecten gering; trotzdem werden manche Pflanzen, wie z. B. Cacile maritima, von einer grossen Anzahl von Insecten besucht. Der Verfasser giebt sodann eine eingehendere Beschreibung der Befruchtungsvorgänge solcher Pflanzen, über welcher in dieser Beziehung noch Zweifel vorliegen und zählt dann in einem grösseren Abschnitte die Besucher und Befruchter der einzelnen Species auf. — Aus der Zusammenstellung der Insectenarten mit den Pflanzenarten der einzelnen Blumenklassen ergeben sich dann noch einige interessante Resultate. Unter den blumenbesuchen- den Inseclen nehmen auf Helgoland die Fliegen die erste Stelle ein. die Käfer kommen nur auf der Düne als Besucher in Be- tracht, während die Bienen ausschliesslich auf dem (,)berlandc vorkommen ; die Honigbiene und die Hummelarten fehlen übrigens auf Helgoland ganz, dagegen sind Schmetterlinge vorhanden, um für die Befruchtung der Falterblumen zu sorgen. Im Allgemeinen lässt sich eine grosse Aehnlichkeit der blüthenbiologischen Be- funde auf Helgoland mit denjenigen auf den Halligen erkennen. Die beiden Hefte werden als Ergänzungen früherer Arbeiten des Verfassers den Freunden der Blüthenbiologie willkommen sein. Dr. August Grob. Beiträge zur Anatomie der Epidermis der Gramineenblätter. 1. llälftc. Mit 5. Tafeln. (P.ibliotheca Bntanica. Original -Abhandlungen aus dem Gesammtgebiete der Botanik. Herausgegeben von Chr. Luerssen und B. Frank. Heft 36 Lief. 1). Erwin Nägele in Stuttgart 1896. Die Arbeit wird eingeleitet durch einen geschichtlichen Abriss, aus dem sich ergiebt, dass die „meisten Forscher, darunter auch diejenigen, welche die ausgedehntesten Untersuchungen angestellt haben, die Epidermis etwas vernachlässigt und ihr Hauptinteresse dem Studium des Mesophylls zugewendet" haben. Verfasser hat, um die Lücke zu füllen, 109 Arten (aus 191 Gattungen) untersucht. Näher eingehen wollen wir auf die fleissige und mit exacten Illustrationen versehene Arbeit vorläufig noch nicht, da der Schluss noch aussteht. Dr. Adolt Marcuse, Die atmosphärische Iiuit. Eine allgemeine Darstellung ihres Wesens, ihrer Eigensc-h:ift(;n und ihrer Be- deutung. Friedländer & Sohn. Berlin 1896. — Preis 2 Mark. Vorliegendes Werkchen entstand gelegentlich eines Preis- ausschreibens der Smithsonian Institution in W^ashington und wurde von dem wissenschaftlichen Comite zur Beurteilung der eingegangenen Arbeiten durch eine „ehrenvolle Erwähnung" aus- gezeichnet. Verfasser hat seine Schrift, abgesehen von einer längeren Einleitung und einem Schlusswort, im wesentlichen in drei Kapitel eiugetheilt: 1. Statische Atmosphärologie. 2. Dynamische At- mosphärologie. 3. Angewandte Atmosphärologie, deren jedes in 4—7 Unterabtheilungen zerfällt. Das gesammte Material ist z^yar ziemlich vollständig behandelt, aber oft viel zu knapp: meist sind es nur kurze Ande'utungen skizzenhafter Natur, die der Verfasser giebt. Wenn aber auch die Art der Aufgabe eine solche sehr kurze Behandlung des Gegeutandes nothwendig machte, so hätte doch wenigsten einiges etwas ausführlicher behandelt werden müssen, so z. B. die Ergebnisse der neuen wissenschaftlichen Ballonfahrten. Auch vermeidet es der Verfasser nach Möglichkeit von den Extremwerthen den meteorologischen Faktoren zu sprechen; wo dies aber geschieht, finden sich mehrfach Unrichtigki>iten der Zahlenwerthe: so ist z. B. das gelegentlich beobachtete Minimum der Temperatur nicht, wie es auf Seite 45 heisst, — 63°, sond^n-n — 69" (in Werchojansk), reducirt sogar wahrscheinlich — 75". Ebenso ist die obere Grenze der Gewitterwolken (S. 36) nicht 5000, sondern etwa 8000 m (vergl. Arago : „Sur le tonnerre"). Immerhin ist für den Laien, der kurz erfahren will, womit sich eigentlich Atmosphärologie und Meteorologie beschäftigen, das Büchlein zu empfehlen. H. Inhalt: E. Fürst, Javanische Sitten und Gebräuche. ~ Von der Berliner Gewerbeausstellung 1896. — Das Optimum der Pflanzen. — Die Züchtung des Silberreihers (Ardea egretta Bnie) unil des Seidenreihers (A. garzetta L.). — Die saure Reaction der Wurzel. — Ueber Galactit aus den Samen der gelben Lupine. — ITeber das Vorkommen von Stachydrin in den Blättern von Citrus vulgaris. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Karl Russ, Die Amazonen-Pajjageien. — Prof. Dr. B. Hatschek und Privatdocent Dr. C. J. Cori, Elementarcursus der Zootomie. — Prof. Dr. Paul Knuth, Flora der Insel Helgo- land. — Dr. August Grob, Beiträge zur Anatomie der Epidermis der Gramineenblätter. — Dr. Adolf Marcuse, Die atmosphä- rische Luft. 532 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 44. Verlair von Gustav Fischer in Jena. Im Frühjahr 1896 erschien: Eleineiitarkiirs der Zootomie in fünfzehn Vorlesungen. Von Dr. B. Hatscheki 0. ö. Professor der Zoologie an der deutschen Universität in Prag, >md Dr. C. J. Cori, Privatdozent für Zoologie an der deutschen Universität in Prag. Mit 18 Tafeln und 4 Figuren im Text. _ Preis : brosch. 6 Mark 50 Pf. S geb. ^ Mark 50 Pf. * PATENTBUREAU Ölrich T^, jVlaerz Berlin NW., Luisenstr. 22. ^^^ Gestündet 1878. ' Patent-, Marken: u. Musters(;hutz für alle Länder: L Beyer's neue Pflanzenpresse (vergl. „Naturwissenschaftliche Wochen- schrift" 1896 Nr. 18 S. 218) in 3 Grössen: 42 X 28 cm ä St. 4,50 M. 32x22 cm „ 3,50 ,, 23 X 15 cm 2,50 „ stets vorräthig bei Fritz Schindler, BERLIN SO., Köpenickerstr. 116. Fernsprecher Amt 7 Nr. 1055. * Elektrische Kraft-Anlagen ■ im Anschluss an die hiesigen Centralstationen eventuell unter Ankauf vorhandener Kraftmaschinen (öasniolorEtt etc.) führt unter günstigen Bedingungen aus „Elektromotor" G. m. b. H. 21. Scbiffbauerdamm. BERLIN NW. ScliiObauerdamm 21. 3ferft. pümutters ^Jcrfagsettt^eaitblunfl in ^crfin SW. 12. 3)Dn ^d'ix i^bfcr. Slutortftertc Übcrfcgung ^eraulgegcbcn oon ffieorg uon ffiijiithi. 176 Ä£tten gr. 8. 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Bernstein, Berlin SW^. 12. Redaktion: f Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XL Band. Sonntag, den 8. November 1896. Nr. 45. Abonnement : Man abonnirt bei allen BuchhaadlunKeD und Poat- anstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— BringeKeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitungsliste. Nr. 4827. Y Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge ent- <3E) sprecheuden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. luseratenannahme ^ bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger ({aellenansabe gestattet. Javanische Sitten und Gebräuche. Von E. Fürst. (Schluss.) Stellen wir uns in Java einen Fremden vor, der zum ersten Mal von einem erhöhten Punkte aus die Land- schaft betrachtet, selbst in einem dicht bevölkerten Theile des Landes, gleich wird er die Frage an uns richten, wo denn die Dörfer zu finden sind, in welchen die In- länder wohnen. Von Häusern und Thürmen ist nirgends eine Spur zu sehen, nur üppige Wälder liegen zwischen Feldern zerstreut, in diesen Wäldern sind die Wohnungen verborgen; ein Wald von Palmen und anderen Frucht- bäumen, in Gruppen vertheilt, so zu sagen eine Insel bildend in einem Meer von Reisfeldern, die ihn umgeben, das ist das Bild, welches in einiger Entfernung ein java- nisches Dorf dem Blicke des Beschauers darbietet. Die javanischen Dörfer nennt man Dessa; jede Dessa hat ihr eigenes Oberhaupt, das die Stelle eines Bürger- meisters einnimmt: man hat wohl solche von 100 — 1000 Familien, doch letztere sind selten, denn die Dessa hat die Neigung, sich bei grosser Bevölkerung zu vertheilen. Wenn neue Urbarmachungen nothwendig werden, und die dazu nöthigen Felder zu sehr vom Centrum der Gemeinde entfernt sind, so schickt die Dessa eine Golonie aus, die Anfangs unter dem Namen Dukuh mit der Mutter-Dessa noch ein Ganzes ausmacht, aber nicht selten, wenn die Anzahl ihrer Familien bis zu etwa 20 angewachsen ist, sich zu einer besonderen Dessa bildet, und entweder ihr eigenes Haupt wählt, oder sieh, ihr Recht auf freier Wahl auf- gebend, ein solches vom Regenten (inländischer höchster Beamter einer Residenz) aufdringen lässt. Natürlich trachtet der Regent stets auf diese Weise zu handeln, denn mit Hinsicht auf seinen Eiufluss in dem ihm unter- stellten Gebiet, hat er am liebsten Dorfhiluptlinge, die ihm ihre sociale Stellung zu verdanken haben. Im Allgemeinen besteht eine Dessa aus 20 bis 40 Familien. Die das Dorf umgebenden Reisfelder gehören weder gemeinschaftlich allen Bewohnern der Dessa sie sind besonderes und erbliches Besitzthum der gesessenen Die Nähe einer Dessa kündigt sich dadurch an, die Felder kleiner werden, ihre Bepflanzuug mehr ent- oder Eiu- dass dem Hausbedarf dient. Schmale Fusswege ziehen sich zwischen allerhand nützlichen und schönblühenden Bäumen hin. Hie und da wird die Fläche von breiten Wegen durchschnitten, welche, an beiden Seiten mit Kenari- oder Tamarinde-Bäumen bepflanzt, die schönsten Alleen bilden, die man sich vorstellen kann. Die Alleen und Pfade, welche den Zugang zum Dorfe bilden, bringen uns bald vor eine dichte Hecke von Bambus, welche das Dorf einschliesst. Tausende 40 bis 70 Fuss hohe grüngelbe Halme, so dicht wie möglich bei einander, von deren Gipfel ein zartes, rauschendes Laub herabhängt, bilden eine undurchdringliche Hecke, während nur einige Oeft'- nnngen, wie Thüren, in dieser lebendigen Mauer den Zu- gang zum Dorfe ermöglichen. Hier hat jede Familie ein Anwesen, in dessen Mitte das Haus steht. Verweilen wir einen Augenblick bei der Bauart und der Einrichtung dieser Häuser, bevor wir uns weiter in der Dessa umsehen. Solch ein Haus kann man im allgemeinen beschreiben als eine fensterlose Hütte, welche sich der Bewohner selbst ganz von Bambus verfertigt hat, mit einem Dache von Alanggras oder von den Blättern der Nipa-Palme. Es steht unmittelbar auf der Erde und erhält nur Licht durch die Thüre ; dies ist genügend, denn der Javane, welcher stets seine Arbeit im Freien verrichtet, sucht in seiner Wohnung nur einen Schlupfwinkel gegen Regen, oder gegen die brennende Mittagshitze. Ausserdem be- findet sich stets vor dem Hause eine offene Veranda, in welcher die Frauen spinnen, weben und andere häusliche Arbeiten vornehmen. Das Haus selbst besteht gewöhnlich aus zwei Zimmern, das eine für die Eltern, das andere für die Kinder, unter einem besonderen Dache steht eine Küche hinter dem Hanse. Der Werth eines solchen Hauses an Material und Arbeitslohn beträgt etwa 10 Mark, doch entsprechen diese einfachen Wohnungen ganz und gar den Zwecken der ebenso einfachen Bewohner. Im Hausgeräthe des javanischen Landnmnnes wird man wohl keinen Luxus erwarten. Der Schlafplatz liegt gewöhnlich etwas höher als der Boden, und darüber liegt eine Binsenmatte, auf welche der Javane sich niederlegt, 534 Naturwissensehai'tlicbe Wocbeusclirift. XI. Nr. 45. während sein Kopf auf einem mit Baumwolle gefüllten Kissen ruht. Oft findet man im Hause eine Bank von Bambus; Sttihle jedoch und Tische wird man vergeblicli .suchen. Die .Speisen werden in irdenen Schüsseln auf-' getragen, auf einem hölzernen Brett, und man setzt sie auf den Boden auf eine Matte, um welche sich die Gäste mit unter dem Körper gekreuzten Beinen lagern. Messer werden selten, Löffel nur für flüssige Speisen, Gabeln gar nicht gebraucht; bei Tisch gebraucht man nur die rechte Hand, und bringt mit den Fingern die Speisen in den Mund, indem man dieselben eher hinein- wirft wie hineinsteckt. Ein unentbehrliches Möbel in jeder javauisclien Haushaltung ist ferner die Sirihdose mit dazu gehörigem Spucknapf. In der Dose werden nicht allein Betelblätter aufbewahrt, sondern auch andere kleine Dosen für Tabak, Gambir, Pinang und Kalk, denn alle diese Stoffe hat der Sirihkauer nöthig. Fügen wir nun noch einige Töpfe und Pfannen hinzu zur Bereitung der Speisen, ferner einige Bambuskörbe, einfache Ackerbau- Geräthe und solche zum Spinnen und Weben, so haben wir eine ziemlieh genaue Vorstellung dessen, was die Hütte des javanischen Bauern birgt. Bei jeder Wohnung stehen kleine Bambus-Scheunen zum Aufbewahren von Reis, ferner der Büff'elkral, der jedoch nur ein umzäunter Platz ohne Dach ist. Für Hühner und anderes Kleinvieh giebt es besondere Ställe, die Katzen jedoch, deren Schwanz nur 4 bis 5 cm lang ist und sieh durch ein hackenförniiges Ende auszeichnet, theilen das Haus mit den Familienmitgliedern. Beim ge- ringen Javanen geniessen die Hunde oft dasselbe Vorrecht, obschon sie für den Muselmann auf gleicher Stufe mit dem Schweine stehen, und die mageren javanischen Köter, mit ihrem langen, schmalen Kopf, den spitzigen Ohren, dem kurzen, grauweissen Haare und dem langen, kahlen Schwanz, den Abscheu selbst des grössten Huudefreundcs erwecken würden; obschon sie mit geradezu unglaublicher Gleichgiltigkeit behandelt werden, so dass sie sich mit dem schmutzigsten Abfall begnügen müssen, sind sie doch muthig und ihrem Herrn treu. Ein etwaiges Pferd wird einfach an einem Baum festgebunden, nur bei Häuptern findet man kleine, rohgezimmerte Ställe. Enter dem Dache des Hauses hängen auch die Käfige der vom Javanen so sehr geliebten Turteltauben. Jede Wohnung mit ihren Nebengebäuden ist umgeben von einem grösseren oder kleineren Grundstück, welches von einer Bambushecke umgrenzt wird. Darauf findet man Obstbäume, Gemüse und Blumen. Auch da, wo die Aecker gemeinschaftliches Eii;entum sind, gehört der die Hütte umgebende Grund dem Eigentümer derselben als Privatbesitz. Hohe Palmen und andere Obstbäume be- schützen die Hütte vor den heisseu Strahlen der Mittags- sonne und liefern einen Ueberfluss herrlicher Früchte und angenehme Zuspeisen zum Reis. Mitten im Dorfe, meistens vor einem Hause, welches sich durch hölzerne, schön bearbeitete Pfeiler auszeichnet, und dessen grössere Oberfläche es als das des Dorfober- hauptes erkennen lässt, sehen wir einen kleinen, vier- eckigen Platz, den man Alon-alon nennt; in grösseren Dessas liegt daran auch die Moschee, mitten darin er- hebt sich, wie ein grüner Berg ein riesiger Waringiu- baum (Fieus indica). Diese Bäume, schon früher durch die Hindus und jetzt noch durch die Ja\anen für heilig gclialten, bilden durch Aussenden von Luftwurzeln Neben- stämme und dadurch Blätterkronen von erstaunenerregen- dem Umfang. Die herabhängenden, lebendig grünen Blätter lassen keinen Lichtstrahl durch und bieten dem Spaziergänger den Genuss eines erquickenden Schattens, der noch erhöht wird durch den herrlichen Blumenduft, welchen der Wind ihm zuführt. Die Hauptplätze der Regentschaften (Bezirke) be- stehen aus einer Vereinigung von Dessas wie die hier oben beschriebenen, zwischen welchen breite, meist gerade, mit feinem Kies beworfene Wege ofl'en gehalten sind. Den Mittelpunkt der Stadt bildet ein grosser Alon-alon, an welchem die Wolinung des Regenten liegt, nebst einer grossen Moschee. Die Regentenwohnungen sind oft von Stein und bestehen aus mehreren Gebäuden. Ein Theil der Zimmer ist gewöhnlich auf europäische Weise möblirt, wobei mehr Ueberfluss als guter Geschmack entwickelt wird. Dieser Theil der Wohnung ist hauptsächlich für europäische Besucher l)estimmt, aber auch in den eigent- lichen AVohnräumen, die mehr auf javanische Weise ein- gerichtet sind, bemerkt man viel mehr kostbare Kissen, Matten, Gardinen, Sirihdosen und andere Geräthe, als in der Wohnung eines armen Landmannes. Machen wir uns nun näiier bekannt mit den Be- wohnern der Städte und D(irfer und beginnen wir mit ihren Kleidern. Die Inländer kleiden sich meistens mit Baumwollstoffen, welche ihnen tlieils die Arbeit ihrer Frauen, theils die europäische Industrie liefert. Dieser zweifache Ursprung hat keinen Einfluss auf die Art der Kleidungsstücke, denn, um einen vortheilhaften Absatz für ihre Production zu finden, hat sich die europäische Industrie in den inländischen Geschmack gefügt, sowohl in der Zeichnung der Kleidungstücke, als in ihrer Form. Zwischen der Kleidung beider Geschlechter besteht ein geringerer Unterschied als bei andern Völkern, da auch die Männer es vorgezogen haben, sich im freien Gebrauch ihrer Gliedmaassen durch einen Frauenrock zu behindern. Dieses Kleidungsstück nennt man Sarong (Scheide oder Köcher). Ein anderes rockähnliches Klei- dungsstück ist der Kain, der sich von dem Sarong da- durch unterscheidet, dass seine Enden nicht aneinander genäht sind; dieses letztere Kleidungsstück heisst auch, wenn es von Männern getragen wird, Bebed, und als Frauenrock Tapih. Einem Manne zu sagen, dass er unter dem Tapih sitzt, ist gerade keine Schmeichelei. Männer ziehen das an der Vorderseite herabhängende Ende des Bebed zwischen den Beineu durch und stecken es hinten fest. Der Tapih wird .stets bis zu den Knöcheln getragen; das Band, womit er um die Taille festgemacht wird, heisst Udet. Zwischen dem Rock der Damen und der gewöhnlichen Frauen besteht der Unterschied nur in der Feinheit und Kostbarkeit des Stoffes. Kinder tragen Bebed oder Tapih nur bei festlichen Gelegenheiten und haben dann auch einen Brustlappen an, der mit Bändern um Hals und Leib festgemacht wird. Kinder von ge- wöhnlichen Leuten laufen vom 15. bis 18. Monat ab bis etwa zum 7 Lebensjahr ganz nackt herum. Männer bedecken den Oberleib mit dem Kutungan, eine Weste von weisser oder farbiger Baumwolle, mit einem Kragen und bis zum Ellenbogen reichender Aermeln|; bei Frauen stimmt damit der Kemben überein, ein Leiu- wandstreifen, der unter den Armen um den Leib gewiekelt wird, um die Brust zu bedecken, oder an dessen Stelle der Kutang, eine weisse, baumwollene, mit Aernieln ver- sehene Weste, welche man über der Brust zuknöpft. Ueber dem Kuntungan tragen die Männer einen kurzen Rock von blauem Tuch oder blauer Baumwolle mit helleren oder dunkleren Streifen, welcher mit einem Stehkragen um den Hals sehliesst, übrigens offen ist und bis an die Hüften reicht, während die weiten Aermel nur eben über den Ellenbogen hingehen; die äussere Brustbekleidung der Frauen ist am Halse oö'en, sonst bis an die Hüften geschlossen, während die langen engen Aermel um das Handgelenk zugeknüpft sind. Der Fraueu- rock ist gewöhnlich einfarbig, meistens blau. Unter dem XI. Nr. 45. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 535 Bebed träfet der gemeine Javiine oft noch eine weite, bi.s an die Kniee reichende Hose, den Katok. Schuhe werden im Allgemeinen nicht gebraucht; Leute aus den niedern Volksklassen binden sich dann und wann hölzerne Sohlen unter die Füsse; selbst geringere Häuptlinge gehen ge- wöhnlich barfuss. Die Männer halten ihre langen, dem natürlichen Wachsthum überlassenen Haare durch einen halbrunden Schildpattkamm in einen Chignon zusammen und bedecken sie mit einem bunten Kopftuch, Iket, welches sie so um den Kopf wickeln, dass es ohne Knoten, nur durch Ein- stecken derEndzipfelanseinemPlatze festhält. Unterden vor- nehmen Javaneu ist es ein Zeichen von Ehrfurcht, das Haar im Beisein von Höherstehenden in langen Strähnen über Hals und Schultern herabhängen zu lassen; diese letztere Haartracht ist für den Inländer ordonnanzmässig, wenn er vor einem Fürsten erscheint; dann ist aber der Kopf mit dem Kuluk bedeckt, einer runden Staatsmütze von weissem oder hellblauem Tuch; zum Beschützen des Gesichtes gegen die Sonne trägt der Javane oft einen sehr primitiven Strohhut (Tudung) über dem Kopftuch. Unter all diesen Kopfbedeckungen ist der Tudung die einzige, welche dann und wann von Frauen getragen wird, nändich, wenn sie im offenen Felde Arbeit zu ver- richten haben; sie machen auf mancherlei Weise von ihrem Haare einen Chignon auf dem Hinterkopf, und jede dieser Weisen trägt einen besonderen Namen; das kurze Haar, welches die Stirne unigiebt, ist zu kurz, um in den Chignon aufgenommen zu werden, es wird meistens ab- geschnitten oder abrasirt. Ferner werden Blumen in das Haar gethan, neb§t verzierten Haarnadeln, und bei Bräuten wird es oft mit Gold und Edelsteinen geschmückt. Männer und Frauen salben ihr Haar mit wohlriechendem Oel. Im Allgemeinen sind die Javanen grosse Liebhaber von Wohl- gerüchen, und in den Wohnungen der Angesehenen werden stets Benzoe oder andere wohlriechende Dinge verbrannt. Von der gewöhnlichen Haartracht macht die der Kinder eine Ausnahme. Mohamed legte den Eltern die Verpflichtung auf, den Kopf zu rasieren und nur zwei Haarlocken bei den Knaben bis zu ihrem zweiten Geburts- tag stehen zu lassen. Diese Vorschrift wird in Java ziemlich allgemein befolgt, sowie überhaupt die Vor- schriften des Islams um so genauer befolgt werden, j'e mehr sie auf im Grunde gleichgiltige Dinge Bezug haben. Diese Haarlocken bleiben an beiden Seiten des Kopfes stehen und wachsen nach und nach zu langen Strängen heran. Bei der Beschneidung werden ihre Spitzen ab- geschnitten und von da ab lässt man sie frei wachsen; dem Bräutigam jedoch werden nochmals einige Haare abgeschnitten, da, wo er als Kind die beiden oben ver- meldeten Locken trug. Auch den Mädchen wird das Haar abrasirt, nur auf dem Scheitel bleibt eine kleine Haarlocke stehen, so dass sich ein Kamm bildet, den man jedoch nicht durchwachsen lässt, obschon er stets länger bleiben muss, als das sehr kurz abgeschnittene üln-ige Haar. Bei der Beschneidung und der Hochzeit wird auch vom Kamme etwas Haar abgeschnitten. Der tägliche Schmuck der Javanen hat im Allgemeinen wenig materiellen Werth. Der Ohrschmuck der Frauen ist meistens von BüÖelhorn oder Kupfer und hat die Form eines Cylinders mit ausgebogenen Enden; die Bingc, wo- mit Männer und Frauen ihre Finger schmücken, sind meistens von Kupfer, bei Männern selbst oft von Eisen. Bei feierlichen Gelegenheiten jedoch und allgemein bei angesehenen Leuten, wird dieser Schmuck durch goldenen ersetzt, und sind die Ringe mit verschiedenfarbigen Edel- steinen besetzt. Als Puder für das Gesicht gebraucht man vor Allem für IJräute Rcispulver, welches mit l.'oscn- wasser parfumirt wird. Im Allgemeinen ist der malayische Typus nach un- seren Begriffen nicht schön ; von dieser Regel machen die Javaninnen keine Ausnahme. Angehörige der niederen Stände, welche täglich der freien Luft ausgesetzt sind, und schwere körperliche Arbeit zu verrichten haben, ver- lieren jegliche Anziehungskraft, sobald die erste Blüthe der Jugend vorbei ist, und werden mit den Jahren fürchterlich hässlich. Bei den Frauen und Töchtern der Häujjtlinge und des Adels ist Schönheit weniger selten, da dieselben sich der Sonne nicht aussetzen; als Ideal der Schönheit betrachten die Javaninnen selbst weniger regelmässige Züge, als eine goldgelbe Hautfarbe. Ihre Gestalt ist regelmässig, muskulös, eher mager als dick und gut proportionirt; sie haben rabenschwarzes, doch sehr grobes Haar, funkelnde Augen und äusserst kleine, sehr geschmeidige Hände und Füsse. In den Dörfern sind sie sehr furchtsam; beim unerwarteten Aublick eines Europäers laufen sie schreiend weg; in Männergesellschaft sind sie still, und im Allgemeinen ruhig und gehorsam. Sich selbst und ihre Familie bekleiden sie meist mit Baumwollstoffen, welche theils ihrer eigenen Arbeit ent- stammen, theils ihnen durch die europäische Industrie geliefert werden. Auf dem weissen Stoffe, welcher zu Sarongs, Kopftüchern und anderen Kleidungsstücken ver- wendet wird, bringen sie Blumen Thiere und Arabesken an, durch ein sehr verwickeltes Verfahren, welches man Batik nennt. Erst müssen aus freier Hand die Figuren auf den Stoff' gezeichnet werden, darnach werden die Zeichnungen mit einer Lage flüssigen Wachses bedeckt; dieses lässt man darauf träufeln durch eine feine Röhre, welche am Unterende einer kleinen Schale sitzt, in der das kochende Wachs sich befindet. Dann wird der Stoff" gefärbt und die mit AVachs l)edeckten Theile stechen weiss von der Grundfarbe ab. Nun wird ein Theil des Wachses mit heissem Wasser entfernt, der bereits gefärbte Theil des Stoffes aber mit Wachs bedeckt, da er keine andere Farbe mehr annehmen soll und der Stoff in eine andere Farbe getaucht. Für jede einzelne Farbe muss die Ar- beit wiederholt werden, bis der Stoff' mit den gewünschten bunten Zeichnungen ausgeschmückt ist. Die Ränder der Bilder fliessen natürlich bei dieser primitiven Bearbeitung ineinander, doch sieht das Ganze hübsch, mitunter selbst geschmackvoll aus. Mit der körperlichen Pflege steht noch eine andere Sitte in Verbindung, durch welche der Javane eine der schönsten Gaben der Natur, einen Mund mit weissen und regelmässigen- Zähnen, muthwilllg vernichtet. Die Gewohnheit, die Vorderzähne abzufeilen und mit Gold zu bekleiden, scheint ein alter, allgemeiner Brauch zu sein unter den Völkern des malayischen Stammes und gehört zu der Reihe von sonderbaren und barbarischen Mitteln, von welchen die Naturv(ilker Gebrauch machen, um ihrer Eitelkeit Genüge zu leisten. Von diesem abscheuliclien Gebrauch ist bei den Javanen die Gewohnheit übrig ge- blieben, die Oberfläche der Schneidezähne abzufeilen. Da hierdurch der Schmelz der Zähne weggenommen und ihr Schwarzwerden befördert wird, scheint dieser Usus Anlass gewesen zu sein, dass die Inländer weisse Zähne als Hundszähne bezeichnen und davor solch eine Abscheu haben, dass sie sich selbst künstlicher Mittel bedienen, um die abgefeilten Zähne so rasch wie möglich schwarz zu färben. Dieses geschieht durch Einreibungen mit einer fettigen, schwarzen, aus gebrannten Cocosnuss- schalen hergestellten Farbe. Das Färben und Schwarz- machen der Zähne tiiidet bei Kindern oft schon im S. oder 9. Jahre statt und wird später noch einmal wiederholt, muss jedoch stets der Hochzeit vorangehen. In enger Beziehung mit seiner Kleidung stehen die ({egenstände, welche der Javane gewöhnlich bei sich 536 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 45. trägt. In seinem Gürtel hat er stets ein Taschentuch und eine Tasche, in welcher er sein Geld, seinen Tabak u. s. w. aufbewahrt; auch trägt selbst der ärmste Javauc Sirih bei sich, entweder in einer Dose oder in den Zipfel seines Taschentuches geknüpft. Selbst im tiefsten Frieden geht kein Javane ohne Waffen aus. Sein Kris, der im , Gürtel oder in einem dafür bestimmten Riemen steckt, ist sein unzertrennlicher Gefährte. Man trägt diesen au der linken Seite, so dass man ihn mit der rechten Hand sehr leicht herausziehen kann, im Hof kostüm jedoch wird er an der rechten Seite getragen, denn dabei muss man an der linken Seite ein grosses Hack-Messer tragen, und noch ein kleineres Messer in einer hölzernen Scheide, ein Symbol der Bereitwilligkeit des Trägers, auf seines Meisters Befehl einen Baum zu fällen oder Gras zu schneiden. Zum Kriegskostüm gehören drei Krise; einen au der rechten Seite, den andern an der linken und einen hinten im Gürtel, ausserdem ein Schwert an einem besonderen Bande an der linken Seite und eine Lanze in der Hand. Von den drei Krisen muss der erste das Eigenthum des Kriegers sein, der zweite ein Erbstück seiner Familie, und der dritte ein Hochzeitsgescheuk vom Vater seiner Braut. Der Kris ist wieder einer von den Gegenständen aus dem javanischen Leben, über welche man ein ganzes Buch schreiben könnte, wenn man die zahllosen Ver- schiedenheiten schildern wollte, in Klinge, Griff und Scheide, die Namen, welche jeder Verschiedenheit ge- geben werden, das Verhalten zwischen der Form und dem Werth des Krises und dem Rang des Trägers, nebst den Vortheilen, welche nach dem Aberglauben der Inländer mit gewissen Eigenschaften des Krises verbunden sind. Der Kris ist ein Dolch; seine Klinge ist gerade 30 bis 40 Centimeter lang, dabei flach wie eine Säbelklinge, aber zweischneidig. Die Sehneide, obwohl nie viel ab- weichend von einer geraden Linie, folgt, in vielen der meist vorkommenden Verschiedenheiten, grösseren oder kleineren Buchten. Der Unterschiede allein in Bezug auf die Klingen, von welchen jede einen besonderen Namen hat, giebt es mehr als hundert. Bei kostbaren Krisen ist die Klinge oft schön damascirt; dieses geschieht durch Zusammenschmieden von gewöhnlichem Eisen mit Pamor, einem sehr weissen Schmiedeeisen, welches in verschie- denen Theilen Indiens, jedoch nicht in Java vorkommt. Pamor wird nie allein l)earbeitet, sondern in Adern oder Fäden durch das gewöhnliche Eisen mit vielen Win- dungen hingezogen, und dadurch wird nicht allein die Schönheit, sondern auch die Zähigkeit und der Zusammen- hang der Waffe vermehrt. Der Contrast zwischen der gewöhnlichen Eisenfarbe und den silberweissen Adern wird H(»ch dadurch erhöht, dass der fertige Kris mit einer Miscliuiig von Citronensaft und Arsenicum eingerieben \\ii'd; dieser üraucii ist wohl die Ursache der Mythe, dass die .iavanen ihre Krise vei-giften, um die damit beige- brachten Wunden gefährlicher zu machen. An das obere Ende der Klinge ist ein Stift festgeschmiedet, welcher befestigt wird in einen Griff von Holz, Bein, Hörn oder Elfenbein. Derselbe ist in i)hantastisciien Formen ge- schnitten und oft mit Diamanten eingelegt. Die Scheide ist immer von Holz, aber (ift in einer zweiten von Silber oder (iold üljcrzogen. Die schönen Krise, welche die javanischen Grossen tragen, gehören zu den merkwür- digsten Producten der javanischen Industrie, und erheben den Verfertiger fast zu dem Kange eines Künstlers. In den Augen der .Javanen ist der Kris ein sdich wiclitiger Gegenstand, dass selbst viele Legenden über ihn circu- liren; gewöindich wird seine Erfindung dem berliinnten mythiselien Hehlen lÜiadcn Pandji zngesciirieben. Wird der Kris, obschon verschieden an Werth und Form, von allen Javanen ohne Unterschied getragen, so ist der Sonnenschirm (Pajong) ein Unterscheidungszeichen für Fürsten, Prinzen und Beamten. Der Pajong ist ein grosser Sonnenschirm mit langem Stock und wird den genannten Personen durch einen Diener über den Kopf gehalten. Die Farbe oder Farben des Pajongs sind gold, roth, grün, blau und gelb. Die Vertheiluug dieser Farben in Streifen und Bänder, theilweise auch der Knopf, weisen den Rang des Besitzers an. Nun kommen wir zur Ernährung und den damit in Verbindung stehenden Gebräuchen. Gewöhnlich braucht der Javane täglich zwei Mahlzeiten, das Mittagsmahl gegen 12 Uhr, und die Abendmahlzeit nach Sonnenunter- gang zwischen 7 und 8 Uhr. Diese Mahlzeiten nehmen die Kinder gemeinschaftlich mit den Eltern ein. Das Mittagessen ist das Hauptmahl und das einzige, bei welchem der Javane warme Speisen geniesst, die seine Frau ihm bereitete, während er bei seiner Arbeit war. Wasser ist dabei sein einziger Trank. Will jemand in der Zwischenzeit etwas essen, so geht er in den Warong. Folgen wir ihm dahin und sehen wir, was ihm da ge- boten wird, nachdem die Einrichtung des Warongs erst kurz angedeutet ist. Der Warong ist für den Javanen das, was das Wirthshaus, das Cafe und das Restaurant für die ver- schiedenen socialen Abstufungen der Europäer ist. Derselbe ist nicht leicht zu beschreiben. Die Naschlust des Javanen ist gross und dieser Sucht wird auf allerlei Weise Genüge geleistet. Ueberall wo ein Fest gefeiert wird, wo eine umfangreiche Arbeit verrichtet wird, wo etwas, von welcher Art es auch sei, stattfindet, wobei ■ eine Anzahl Menschen versammelt sind, findet man stets ' einen Warong. Die primitivste Form desselben besteht aus zwei runden Körben, die an den Enden eines Bambus- stoekes über die Schultern getragen werden, und bedeckt sind mit einem flachen Korbe, auf welchem die Waarcn ausgestellt sind. Eine andere Art besteht aus einigen Kisten, die nebst den Waaren das Nöthige enthalten, um warm zu halten, was warm gegessen werden nmss. Den stärksten Gegensatz dazu bilden die Warongs, welche in gewöhnliehen Häusern gehalten werden, wobei die Veranda eingerichtet ist als Etalage und als Platz für die Gäste. Der typische Warong steht zwischen diesen Extremen; es ist eine Hütte am Wege mit einem stark abhängenden Dache, welches oft so tief reicht, dass man sich sehr l)ücken muss, um hineinzukommen; auf einem breiten Tisch von flach geklopften Bambus sitzen mit gekreuzten Beinen einige Frauen, (der Warong wird stets von Frauen gehalten) umgeben von Körben und Töpfen, welclie ge- kochten Reis, Gemüse und andere Waaren enthalten. Der Tiseli ist von niedrigen Bambnsbänken umgeben, auf welchen sich die meist zahlreichen Gäste niederlassen. Hier ruht alles von der Tagesarbeit ans, alle vergessen ihre Sorgen und freuen sich ihrer Rulie unter all den Herriicidvciten, welche die javanische Kociikunst ihnen zu fabelhaft niedrigen Preisen anbietet. Gekochter Reis, die Hauptschüssel jeder javanischen Mahlzeit, wird auch hier am meisten verlangt, und keine der übiiclien Zuspeisen wird man daliei vermissen. Gc- liiati'uer l'iscli. Iihien eine Liste der Genussmittel, welche nebst fViseiu'm (tbst im Warong käuflich sind. Unter den (ietränirlassen und dem Studium der Bedingungen, von denen die Ausbreitung des Parasiten abhängig ist, grössere Aufmerksamkeit zugewemlet. Dieser vermehrte Hinweis darauf, dass die parasitärc^n Er- krankungen mehrfach als abhängig von gewissen Zuständen des Nährorganismus, z. B. von gewissen Schwächestadien nachge- wiesen worden sind und dass wir deshalb bei Epidemien zu er- forschen suchen müssen, ob solche disponirenden Eigenschaften im Pflanzenkörper vorhanden und auf welche Weise diese zu beseitigen sind, dieser Punkt gewinnt eine ganz andere Be- deutung, sobald er sich in einem Buche findet, das für Praktiker mit bestimmt ist. So lange die Theorie, dass zur Erzeugung der parasitären Krankheit ausschliesslich das Vorhandensein des Para- siten genügt und nicht dazu auch ein disponirter Nährboden ge- hört, in wissenschaftlichen Kreisen allein discutirt wurde, war sie in ihren Folgen weniger gefährlich. Sobald sie aber den prak- tischen Kreisen zugeführt wird, entscheidet sie darüber, ob der Landwirth einfach thatlos sich ergiebt und die Vernichtung seiner Ernten als ein unabwendbares Unglück ruhig über sich ergehen lässt, weil der Parasit einmal vorhanden und durch die bekannten Mittel nicht zu beseitigen ist, oder ob er thatkräftig vorzubeugen sucht. Sobald dem Landwirth gelehrt wird, dass bei Erkrankungen seiner Culturpflanzen in manchen Fällen der Parasit stets vorhan- den ist, aber wirkungslos bleibt, weil die Culturpflanze in ihrer nor- malen Entwickelung nicht empfängnissfähig für den Schmarotzer ist, wird er zur Selbsthilfe erzogen. Er wird beobachten und nachdenken, wie er seine Cultur ändern muss, um jene empfängnissfähigen Zustände der Pflanzen zu vermeiden. Er legt das Hauptgewicht auf die Vorbeugungs- maassregeln, auf eine allgemeine Pflanzenhygiene und nicht mehr auf die Bekämpfungsmethode. Dies ist der wesentlichste Vortheil der Theorie von der viel- fach vorhandenen Praedisposition bei Erkrankung eines Organis- mus. Und diese Anschauung mehr wie früher betont zu haben, ist in dieser zweiten Auflage des auch für die Praktiker be- stimmten Werkes das Hauptverdienst. Dem wissenschaftlichen Arbeiter wird das Buch durch die wenigstens bis 1893 eifrig durchgeführte Sammlung des Materials und die objeetive Be- handlung desselben ein sehr willkommenes Hülfsmittel sein. Paul Sorauer. 1. Eugene Bouchö et Ch. de Comberousse, Lecons de Göometrie, redigees suivant les derniers programmes officiels et accom- pagnees, pour chaque lei;on, d'exercices et de problemes gradues. Premiere partie. 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Postzeitungsliste Nr. 4S27. Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere AufträRe ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaiuc wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit TolIständlKer ^uellenans^abe gestattet. Die Lammbach-Verheerungen bei Kienholz im Berner-Oberland am 31. Mai und 20.— 24. August 1896. Von Dr. Leo Wehrli. Wir reisen im Geiste von der grossen Fremden-Cen- tralc Liizern über den Briinig- nach Meiringen, jenem einst so reizvollen OberUinderdorf, das ans der Asche der grossen Brände von 1879 und 1891 ebenso rasch als ge- schmacklos wieder emporgestiegen ist. Die Brünigbahn lulirt über Brieuzwyler nach Brienz, ihrer Endstation, wo der Hommer-Fremdenstrom anfs Daniiit'schitt' verladen und nach Giessbach und Interlaken gebracht wird. Kurz vor Brienz umzieht die Bahnlinie in weitem Bogen, dem obern Ende des Brienzersees entlaug, den gewaltigen Öchuttkegel des Lammbaches. Der Zug fährt langsam auf dem eben erst wieder gefliekteu Damm dahin, und ein wüstes Schutt- und Schlammfeld links und rechts bedeutet, dass hier mächtige Naturereiguisse in jüngster Zeit haben Gewalt vor Recht ergehen lassen. Nördlich über Brienz erhebt sich die formenarnie Gipfel- reihe des steilen Brienzergrates, der beim Tannhorn (2223 m) beginnt, von da erst nordöstlich, dann östUch ziehend im Rotbhorn (2351 m) culminirt und nach Osten bis Südosten im Arnihaken (2217 m), Aruitirst (2208 m) und Wy- lerhorn (2ÜÜ6 m) nach der Brttnig-Passböhe (998 m) ab- steigt. Vom Tannhorn bis zum Wylerhorn, d. h. auf 11km Gratlänge (nahezu 10 km Luftlinie) hat der tiefste Sattel (kurz vor dem Wylerhorn) noch 1861 m; alle anderen Grat-Einschnitte liegen über 2000 m. Dazwischen erheben sich breitdreieckige, unschöne Gipfel, von denen das Rothhorn (mit Bergbahn) durch seine wunderbare Aussicht auf die Eisriesen des Finsteraar-Jungfrau-Mas- sives hohe Berühmtheit erlangt hat. Vom jenseitigen (linken) Ufergehänge des Brienzer- sees aus betrachtet, sind die Südabhänge des Brienzer- grates ebenso einförmig, fast langweilig, wie die Gipfel- zone. Unzählige, kahle Rinnsale schneiden einige hundert Meter unter der Gratlinie in die steilen Alpweiden ein, vereinigen sich trichterweise gegen die Waldregion hinab zu tief eingesägten Sammelsehluchten und fahren unten als gefährliche Wildbäche durch enge Pforten ins Haupt- thal der Aare hinaus. Dort bauen sie mächtige Schutt- kegel, auf deren Oberfläche das Bachbett im Laufe der Zeit beständig hin und her schwankt, bald den eigenen Ablagerungen ausweichend, bald gestaut durch den Schutt des Nachbarbaches. „Das Geländ ist hier im Allgemeinen öd" — sagt schon Professor J. Rud. Wyss in seiner „Reise in das Beruer Oberland" (Bern, 1817, II. Bd. S. 878 ff.) — „und trägt die Spuren öfterer Verwüstung durch wieder- holte Wassergrössen einer Anzahl Bäche, die vom Brienzer- grat, jeder in einem eigenen scheusslichen Tobel, sieh herniederziehn." Zwischen Brienz-Oberdorf und Brienz-Tracht ergiesst sich der Tracht bach in den See, der im Herbst des Jahres 1870 einige Häuser des Dorfes Brienz zerstörte, wobei mehrere Personen vmikamen (vide Berner Tage- blatt vom 5. IX. 96). Es folgt östlich der Glyssenbach, der durch eine künstliche, geradlinige Abllussrinne seinen Schutt direkt in den See transportirt; weiter der Schwanden bach; dieser war im Unterlauf ebenfalls corrigirt, seine Schale wurde jedoch durch einen Aus- bruch seines unheimlichen Nachbarn, des Lamml)aches, am 31. Mai dieses Jahres eingedeckt; jenseits des breiten Lammbach-Schuttkegels sammeln der Eistlenbach, der Fahrenbach und der Abfiuss des Lungengrabens ihre Wasser im Faulbach, der dem Nordfuss des Ballen- berges entlang ungefähr parallel der Aare sich auf einem zierlich gebuchteten Delta in den See ergiesst. „Entsetzlichen Schutt und Grand" — fährt J. Rud. Wyss fort (loc. cit.) , haben all diese Bäche seit Jahrhun- derten schon hergewälzt, und da die Vorspränge des 546 Naturwisseuschaftliche Wocheuscbrift. XI. Nr. 46. Brienzergrates nur aus Bri,iehstückeii obue Felseukeru aufgestappelt scheinen; so hat man ferner auf Jahrhunderte hinaus hier Erdschlipfe und Sehlamniströnie zu gewärtigen." So sind die Siedelungs- verhältnisse von Alters her ge- geben. Die Dörfer liegen iu den todten Winkeln links und rechts von der Austrittstelle der Schlucht aus dem Gebirge, also zwischen den einzelnen Sehuttkegeln, am Berg ange- lehnt. Ursprünglich waren die Hauser, durch ihre etwas er- höhte Lage gegenüber den Schuttkegeln, gesichert. Heute aber ist bäutii; der Schutt schon eine Breite von 3 km ansteigt, also etwa höher als die Siedelung: ein Beständig den Wän- am Fusse führt der sgebiet ist nicht giebt in Kord. plötzlicher Verstoss des Wild- baches kann sie verschütten, sobald die Muhre gleich an der Spitze des Schuttkegels „ausleert." Wohl das bedenklichste jener Wildbachsysteme, welche sich zwischen Brienz und Brienzwyler von Norden her ins Aarethal offnen, ist die Lammbach-Schlucht. Ver- gleiche für das Folgende das beigedruckte Kärtchen. Bis fast zum Arnihaken (2217 m) hinauf, zwischen Giebelegg-Alp und Gummeu-Aip, hat sie ihr Sammel gebiet baumförmig verzweigt. Ein rechtsufriger Seitenast greift gegen Irtschelen und Egg rückwärts. In schauer- licher Schlucht fährt die Lamm meridional zu Thal. Kahle, meist ungangbare Wände mit frischen Anrissen — von der eigentlichen Tobel - Oberfläche sind nach amtlichen Berichten kaum 5*'/f| bewaldet — kenn- zeichnen den obern Rand des „Grabens", steile, bewegliche Schutthalden bestimmen da, wo sie in der Tiefe von links und rechts zusammentreffen, die Abflussrinnc. brechen Steine von den ab, und unten, der Schutthalden, Bach Material weg Das Einzu gerade gross. Es unsern Alpen viel grössere, „böse" Schluchten, z. B. in der Zone der Bündnerschiefer im mittleren Graubünden. Was aber den Lammbach besonders schliunn erscheinen lässt, ist, neben der Kahliieit seiner Ge- rinne, die grosse Steilheit seines Sammclgebietes und dessen petrographisclie und geologisclie Bescliaffcnheit. Der Wildbach hat sicii tief in einen Abhang cingcfressen, der, iu der Projection des Kartenbildes gemessen, auf 3^ ßiebeteg^Ä. ■■^^>i:~^' 2351 -^J^^^^^i/fflAm tV pO — cv . -^ , 'r';v 2JI7 ^aoo ^rlsmel^ M' .Alp Söo \ Maassstab 1 1 Süd 40011O. Eyuidlstanz 30 m. -I- 1 km -I- -I '. km Kartenskizze des Lammbach -Gebietes bei Brienz (Berncr (tborlauil). Mit Benutzung der H. v. Steiger'schen Skizze in 1 : 2Ü000, der Siesfried- karte iu l:5ü00ü, sowie eigener photograpbisclicr Aufuahmen von Dr. Leo Welirli Zürich. Risse, Spalten, A])sitzungen. Lamnibacli-Ausbriicli vom Herbst ISM. J3mf Lammbach- und Schwandeubach-Ausbruch vor ^ 31. Mai 18H6. <^^ Lammbacb-Ausbruch vom 2u.— 24. August 1S96. Der I'fei! und die Kreuzehen benn Rufisatz deuten den Alibrucb und die verschüttete (iuelle an. I.inlvs davon der Stausee. von 900 m auf 2200 m Jleerhöhe 24" mittlerer Böschung aufweist. Wie viel steiler noch müssen die oberen Bartieen der Schlucht sein, welche als cycloidisclie Curve in diesen Berghang sich hineingehöhlt hat! Der ganze Abhang ist aus den untersten Schichten der Kreideformation aufgebaut : kieselige oder mehr thonige Kalke, gelegentlich mit Mer- geln wechsellagernd, bilden 1—2 dem dicke, lose ge- schichtete Lagen, die in allen Eichtungen quergeklüftet sind und so der Erosion leichtes Spiel bieten. Das sind die „Bruchstücke ohne Felseu- kern", aus denen nach Wyss die „Vorsprünge des Brienzer- grates aufgestappelt scheinen." Erst au der Schwandertluh tritt solideres Gestein — ein hübsches Schichtgewölbe in Malmkalk — zu tage. Am Eingang der Schlucht fallen die Berriasschichten 25 bis 30° in den Berg hinein; weiter aufwärts, oberhalb des „blauen Egg'-, bilden sie kleine, rutschige Platten, die etwas steiler als der Abhang bergauswärts neigen. Stück um Stück des lockeren Ge- steinsmateriales bricht ab und stürzt nach in den alles ver- schlingenden Graben, und die Lamm besoi'gt den Weiter- transport der parallelopipedi- schen Stücke von Ptiaster- steingrösse nach dem Ab- lagerungsgebiet, dem grossen Schuttkegel. Man unterscheidet beim natürlichen Transport fester Massen auf der Erdoberfläche, insbesondere bei einem Wild- bachsystem gewöhnlich drei deutlieh verschiedene Stufen: das Sammelgebiet, wo die Erosion in voller Thätigkeit ist, den Samnielcaual, wo Erosion und Alluvion sich das Gleichgewicht halten, und end- lich das Ablagerungsge- biet oder den Sehuttkcgel. Sammelgebiet und Schuttkegel sind beim Lammbach in ty- pischer Weise vorhanden. Da- gegen hatte sich die Spitze des Sehuttkegels soweit rück- dass die Ab- szone bereits weit in den ursprünglichen Samniel- canal hinaufreichte, der da- durch zeitweise vielleicht 15 — 20 ni hoch aufgefüllt wurde. Erodirtes Einzugsgebiet plus Sainmelcanal messen im Kartenbilde bei einer Länge von nahezu 3 km (in tbeihveise sich deckend. wärts aufgehäuft lagerun XI. Nr. 46. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 547 gerader Linie gemessen) und einer durchschnittliciien Breite von 300 — 500 ni, zusammen ungefähr IV4 qkni. Die falctische Oberfläche ist natürlich in Folge ihrer grossen Steilheit um einen ziemlichen Procentsatz grösser. Der ychuttkegel des Lammbaches mag eine Ober- fläche von gegen zwei Quadratkilometer haben, bei einem basalen Umfang von S'/s "»d Mantellinieu von 1 bis höchstens 2 km Länge. Der Schuttkegel steigt vom Seeniveau (566 m) bis zu 900 m, also über 300 m an. Im obersten Theil beträgt die Böschung lO**, weiter unten 6", dann, in der äusseren Randzone, ziemlich un- vermittelt nur noch 3 — 4", im Mittel ungefähr 8". Links und rechts von der Austrittstelle der Schlucht liegen in den bewussteu AVinkeln die Dörfer Hofstetten und Schwanden (Alt- und Neu-Schwanden, oder, wie sie auch heissen und wie wir einer Namencoufnsion auf den topographischen Karten wegen lieber sagen wollen: Ober- und Ünter-S eh wanden). Die Spitze des Schuttkegels beherrscht diese Positionen bereits, und beide Dörfer sind schon wiederholt theilweise verschüttet worden. Nach J. Rud. Wyss (loc. cit.) zerstörte im Jahre 1797 ein „Schlammstrom von aufgelöstem brüchigem Schiefer zu Hochstetten (sie! Ref.) und etwas oberhalb nördlich davon zu Schwanden 37 Häuser und eine Jlenge von Gärten und fruchtbaren Wiesen. Der See blieb von den Lasten des hereingeflötzten Schlammes mehrere Mo- nate lang trüb." Mächtige Mauern zu beiden Seiten der Schluchtmündung zeugen von der freuudnachbarlichen Ge- sinnung der beiden Dörfer,- die nach der bekannten Methode des „heiligen Sanct Florian" durch partielle Ver- bauung jedes den gefährlichen Bach von sich abzu- wenden suchte. In der letzten Zeit schien Hofstetten gesicherter, während vor zwei Jahren eine frische Schutt- zunge bedenklich nahe gegen Oberschwandeu hinüber- bog. (Siehe unser Kärtchen, Strom von 1894.) Die Lamm biegt heute gleich nach ihrem Austritt aus der wilden Schlucht fast rechtwinklig nach Westen um. Die ganze Schuttkegeloberfläehe ist ein Parallel- gerippe alter, ganz oder theilweise überwachsener Schutt- ströme, deren Relief durch eine dürftige Buschvegetation nur noch prägnanter hervortritt. Wenige Äleter über dem Niveau des Brienzersees umzieht die Brünigbahn auf 2 m hohem Damme den Lammbachkegel, und etwa 20 — 30 m höher durchquert ihn die Landstrasse, welche von Brienz her bis auf die Mitte des Schuttlscgels etwas ansteigt. Dort steht das Dörfchen Kienholz. Friedlich hinter Obstbäumen versteckt liegen die freundlichen Häuser auf sanft ansteigender Böschung, vom frühen Morgen bis Abends spät von der Sonne bestrahlt. Wohl- gepflegte Gärten und ein fruchtbarer Wieseuplan dachen sich langsam zum See hin ab. Und oben, in der bösen Schlucht, lauert der gefährliche Wildbach, drohen Berg- stürze. So ist der Ort durch seine exponirte Lage gerade- zu prädestiuirt zum Schauplatz verheerender Naturereig- nisse, das Grabdenkmal von früheren Katastrophen, selbst wiederum zum Grabe bestimmt. Jahrhunderte lang bezeichneten einige zerstreute Hütten die Stelle, wo zu Ende des 15. Jahrhunderts das grosse Dorf Kienholz gestanden hatte, das „sammt dem Schlosse Kien, theils mit Steinen, Schlamm und Graus überschüttet, theils in den Brienzer See hinausgeschwenunt" wurde — so berichtet J. Rud. Wyss über das Unglück vom Jahre 1499 — „und mit Theilnahme sieht man endlich einen Ort von Neuem aufblühen, der einst in seinem Umfang den ewigen Bund zwischen Bern und den Waldstätten, den Eintritt Berns in die Eidgenossenschaft sah (anno 1353, Ref.) .... Nach dunkler Ueberlieferung hat eben der Schlanunstrom, welcher Kienholz bedeckte, zugleich den Brienzer See niederwärts gedrängt; denn vor Alters soll dieser bis hart an den Ballenberg sich erstreckt haben." Zehn Meter hoch sei damals das Dorf mit Schutt ein- gedeckt worden. Am 31. Mai dieses Jahres nach anhaltendem Regen- wetter war Kienholz wiederum in grosser Gefahr, ver- schüttet zu werden. Fünf Tage zuvor, am 26. Mai, hatte im Saunneigebiet ein beträchtlicher Abrutsch stattge- funden. Eine Felspartie am Rufisatz (linke Schlucht- wand, s. Kärtchen), die, wie es scheint, schon 15—20 Jahre durch eine theilweise wieder mit Schutt und Lehm ausgefüllte Kluft abgetrennt war, glitt als Felsschlipf ab. Wie fernen Donner soll man es in Schwanden gehört haben. Ein Stück Wald mit über 60 grossen Tannen war stellend mit abgefahren; die Tannen sind in den Rand- zonen des Complexes etwas durcheinander geworfen, in der Mitte aber noch meistens in ihrer ursprünglichen Stellung: jetzt, auf mehr horizontaler Unterlage, gegen den Berg geneigt, während sie oben am steilen Hang auf- recht gestanden hatten; der Winkel zwischen Boden und Baum ist derselbe geblieben, aber die Lage beider hat sich als Ganzes verändert. Die Abrissfläche am Rufisatz ist ein weithin sichtbares Dreieck von 210 m Basis und 140 m Höhe und fällt 49° SW. Diese Zahlen sind der vortrefflichen Arbeit H. von Steiger's über den Aus- bruch des Lammbaches am 31. Mai 1896 entnommen. (Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern.) Die lehmige Basis der absinkenden Massen wurde unter dem Druck der nachfolgenden Felscomplexe aus- gequetscht und brandete an der rechten Schluchtwand über dem „blauen Egg" etwa 10 m empor. In diesem Theile der Ablagerung fanden H. v. Steiger und Dr. Kissling, der von der Regierung beauftragte geo- logische Experte, Trümmer mit auffallenden Gleitflächen, und H. V. Steiger macht besonders darauf aufmerksam, dass keine Blöcke mit frischen Bruehflächen wahrzunehmen waren. Das deutet auch darauf hin, dass schon ein alter Bruch bestanden hatte. Die ursprünglich obersten Partien liegen der Ab- risswand zunächst. Das sogenannte blaue Egg muss eine aus der rechtsuferigen Wand nach der Schlucht- mitte vorspringende Schulter anstehenden Felsens ge- wesen sein, auf welcher der Felsschlipf zum Stillstand kam. Das Volumen der Ausfüllung mag 300 000 m^ be- tragen. (Die Angaben der technischen Experten schwan- ken von 300 000 1jis 1 500 000 mK) Die Massen blieben im Tobel liegen und verbarrikadirten den Bach, der einige Zeit ausblieb. Ausserdem wurde eine starke Quelle verschüttet, die jahraus jahrein Wasser genug zum Betrieb einer kleinen Säge lieferte (H. v. Steiger). In der Bevölkerung trifft mau die Meinung, jene Quelle sei der unterirdische Abfluss des Ey-See jenseits des Brienzer- grates (s. Kärtchen), was nach der Schichtlage nicht ab- solut unmöglich wäre. Bach und Quelle stauten sich zu einem kleinen See und brachen schliesslich am Sonntag, den 31. Mai früh Morgens 3 Uhr 40 (H. v. Steiger) mit Macht durch. Der See war bei H. v. Steigers Besuch, am 31. V. — Wühl nach dem Ausbruch — noch 45 m lang, 35 ni breit und 2 m tief. Zwar wurde von dem eigentlichen Stau- material des Felsschlipfes nur wenig (kaum \-^) mitge- nommen. Aber die plötzlich vermehrte Wassermasse fegte den ganzen Sammelkanal bis 10 m tief aus und überführte bis Nachmittags 1 Uhr den Schuttkegel mit einem breiten Felde neuen Schuttes. Der Verwüstungs- strom verbreiterte sich, zumTheil eincnStrom vom Jahre 1894 eindeckend, südlich von Unterschwanden in bedenklich drohender Weise, sandte jedoch nur einen verhältniss- mässig schmalen Geschicbestrcifcn hart an Kienholz vor- bei über die Strasse und liahnlinie an den See. Die 548 Naturwissenschaftliche Wochenschritt. XI. Nr. 46. Schale des Sehwaudenbaches wurde dadurch ausgefüllt, ein Haus von Kienhol/, mit Schutt umgössen, ein anderes vom östlichen Rande des Stromes angegossen (wenn das Wort erlaubt ist)-, die Strasse war hart am Gasthof zum „Teil" vorbei auf circa 100 m Länge 1—3 m hoch ein- gedeckt und der Bahnverkehr für kurze Zeit unterbrochen, viel gutes Wieslaud auf immer vernichtet. Der üuglücksbach hat wenigstens das Gute, dass er in der Regel nicht plötzlich, sondern langsam auszu- schütten pflegt. Die Geschiebemassen rückten so all- mählich vor, dass die Bauern noch Zeit hatten, auf den bedrohten Wiesen vor dem Schuttstrome her das Gras abzumähen und einzuheimsen. Damals war es ein scharf abgegrenzter Wall von gleichmässig pflastersteingrossen, eckigen Geschieben, getragen von relativ wenig Wasser, das auf flacherer Böschung auslief und dadurch den Wall zum Stehen brachte. So compact geschlossen war der Schuttstrom, dass waghalsige Buben sich damit vergnügten, vorn auf der Stirn der sich langsam thal- wärts wälzenden Masse herumzutanzen. Die scharfen und hohen Ränder der Ablagerung gegen das Wiesland stimmen mit diesen Aussagen überein. Häufig erscheinen die mittleren Partien des Schuttstromes gegenüber den Rändern eingesunken, die wie Moränen stehen geblieben sind. H. V. Steiger maass Morgens 6V2 Uhr zwischen Unter- und Oberschwauden bei 10 — 11 m breiter Fluss- masse ein Fortschreiten von 24 m per Minute (hier Breite der abgelagerten Masse 50 m, Dicke 4 m), bei Ober- schwanden bei einer Breite der bewegUchen Masse von 7 — 8 m ein Fortschreiten von 36 m per Minute; dort war das Bett schon erheblich erodirt — wie denn über- haupt der Larambach meist in seiner selbstgeschaffenen Rinne bleibt bis zu der Stelle, wo der Schuttkegel un- vermittelt flacher wird; dort verbreitern sich die Schutt- massen rasch. Unterhalb der Ausmündungsstelle der Schlucht fand H. v. Steiger Morgens 9 Uhr 2 m Ge- schwindigkeit pro Secunde in 6 m breiter Flussmasse und ein Sinken der alten Schuttoberfläche durch ver- mehrte Erosion im Bachbett um 8—9 m innerhalb 5 Stunden! Das Areal dieses Schuttstromes beträgt rund ^j^ qkm, woran der Schwandenbach mit etwa 50 000 qm parti- cipirt. Rechnen wir die mittlere Dicke auf 2 m — jeden- falls eher zu wenig, als zu viel — , so erhalten wir für den Ausbruch vom 31. Mai 1896 ein Volumen von einer halben Million Cubikmeter, alles nur aus dem nach und nach eingefüllten Sammelcanal und den nachstürzenden Schutthalden herausgefegt. Das Lanimbachgebiet wurde im Auftrage der Berncr Regierung von mehreren Experten (Ingenieur, Förster, Geolog) untersucht, und der grosse Rath bewilligte einen Credit von 10 000 Frcs. Die Einwohner der bedrohten Ortschaften suchten auf Anrathen der Experten durch Wiederausgraben des Bachbettes (Freilegnng der Schale des Schwandenbachcs) den Lauf des Bösewichtes in der Nähe der Dörfer wieder einigerniaassen zu regeln und so die unmittelbarste Gefahr zu beseitigen. Mittlerweile hatte im Sammelgebiet der Bach sich unter den Schuttmassen des Felssehlipfcs liindurch einen neuen, unterirdischen Weg gebahnt und trat nun über dem blauen Egg in Form mehrerer starker, weithin sicht- barer Quelliirme wieder zu Tage. Am 12. .Juni, ungefähr um 2'/2 Uhr Morgens, erfolgte (nach der Schrift von H. v. Steiger) ein neuer Ausbruch, der sich über den alten vom 31. Mai ergoss und ca. 400 m oberhalb Kienholz stehen blieb. Das drei Wociien andauernde Regenwetter im August bereitete jedoch eine Katastrophe von viel grösseren Dimensionen vor. Donnerstag, den 20. August, fing die Lamm wieder an zu „kommen". Und sie „kam" fast ununterbrochen Tag und Nacht Itis Sonntag, den 23. früh Morgens 5 Uhr. Samstag Nachmittags erfolgte der Haupt- stoss: im obersten Thcile des Schuttkegcls hatte sich der Bach bis auf einen festen Riegel anstehenden Felsens hinab, d. h. etwa 5 m vertieft; der Felsen, 30" berg- einwärts fallende Schichten, wurde etwas unterhöhlt, und schliesslich wälzte der Bach noch 10 m hoch eine Anzahl grosser Felsblöcke von 1 — 5 m^ Inhalt auf und hinter den Riegel. Es entstand eine Barrikade, hinter der sich der Bach eine Zeit lang staute; dann aber brach er mit vermehrter Wucht hervor, übersprang in schauerlicher Cascade das Hinderniss und ergoss sich unaufhaltsam zu Thal. Seitlich stürzten überall von den bis 60" steilen (übermaximal steil gewordenen) Borden Sehuttmassen nach, und vom Grunde des rasch sich vertiefenden Gerinnes wurde Geschiebe ausgekolkt. So vermehrt schob sich die Suppe, diesmal viel schlammreicher als früher, noch etwa .300 m weit in geschlossenem Graben abwärts, ver- breiterte sich dann aber wie die früheren Muhrgäuge südlich von Schwanden. Zum Theil wurde der Strom vom 31. Mai wieder eingedeckt; sein östlicher, gelappter Rand blieb frei; dafür griff die neue Muhre westlich unterhalb Unterschwanden bis jenseits des Schwanden- bachcs über ihren Vorgänger hinaus, bog dann aber nach links ab und wandte sich mehr südlich, direct auf das Dorf Kienholz zu (s. Kärtchen). Das Haus oberhalb der Landstrasse, das im Frühjahr gerade noch vom östlichen Rand des Schuttwalles gestreift war, ist nun vom west- lichen Rande des neuen Stromes vollends umzogen und auf l'/2 ™ Höhe mit Steinen eingegossen, sodass man ohne Treppe in das erste Stockwerk des Hauses ge- langen könnte. Das Wirthshaus „Zum Teil", das im Frühjahr verschont geblieben war, ist jetzt ganz ver- schlammt. Das dazu gehörige hölzerne Oeconomiegebäude mit dem Tanzsaal wurde tale quäle aufgehoben und schwimmend etwa 100 m abwärts transportirt. Als es auf dem Bahndamm angelangt war, blieb der Giebel des Gebäudes in den Telei)hon- und Telegraphendräiiten hängen und riss mehrere Stangen zu Boden; die Lei- tungen wurden unterbrochen. Diesem Umstände soll es zu verdanken sein, dass das merkwürdige Geschiebe nicht umkippte, ulid die Möbel, die beim Herannahen des Un- glückes massenhaft in die vermeintlicii sichere Remise geflüchtet worden waren, konnten nun doch noch unver- sehrt herausgeholt werden. Am Eisenbahndamm angelangt, stauten sich die Gesc hiebe massen. Es war dies Mal viel feineres Geröll und Schlamm dabei, welche nach unten auslaufen mussten, sobald dem weiteren Vorrücken durch den Bahn- damm Halt geboten war. Der Damm der Brünigbahn ist unterhalb Kienholz 1,5 bis 2 m hoch und hatte nur einen kläglicii kleinen Durcblass von höchstens 3 m Licht- weite für den bösen Bach. Die Lagerung der Geschiebe in concentrisch bogigen Wülsten ausserhalb dieser Oeff- nung lässt erkennen, dass der Durcblass zuerst richtig functionirte. Allein bald musste er angesichts der immer mächtiger anrückenden Massen zu eng werden. So staute sich ein gewaltiger Geschiebewail hinter dem Eisenbahn- damm. Die schlammigen Bestaudtheile iiatten Zeit, aus- zufliessen und füllten nach und nach die ganze Curve bis zur Schienenhöhe auf. Das ergab der Balni entlang einen 20 — 50 m breiten Schlammsee von 1 — 2 m Tiefe, der sich rückwärts immer weiter aufstaute und nach den Seiten zungenförmigc Ausläufer entsandte. Viele Juch- arteu schönsten Kulturlandes und mehrere Wohnhäuser mit Gärten fielen ihm rettungslos zum Opfer. Traurig XI. Nr. 46. Naturwissenschaftliche Wocheuschrift. 549 spiegelten sich die herausragenden Giebelfenster im glänzend glatten Schlamme. In der „Allmend", südwestlich unterhalb Kienholz, stauten sich gleichzeitig die gröberen Schuttmassen, über- führten auf 150 m Länge die Bahnlinie 1 m hoch und erzwangen sich schliesslich 100 m westlich des bestehen- den Durchlasses gewaltsam den Durehbruch: der Damm riss auf ca. 10 m Länge, und unter den Eisenbahn- schienen hinweg, die wie eine geborstene Hängebrücke mit ihren eisernen Schwellen schief in der Luft hängen blieben, entleerten sich die nächstgelegenen Schuttpartien in den See, wo sie in einem 3 m hohen Steilabsturz ab- brachen. Durch die plötzliche Uferüberlastung, wahrschein- lich durch Ausquetschen darunterliegenden Schlammes, sank eine kleine Bucht in die Tiefe. Die Hauptmasse jedoch war durch die Stagnirung am Eisenbahndamm bereits so weit entwässert resp. ent- schlammt worden, dass sie liegen bleiben musste. Am Montag, den 24. August Nachmittags, zerstreute die lang entbehrte Sonne die verhängnissspendenden Regenwolken und enthüllte zu Kienholz ein trauriges Bild wüster Zerstörung. Zehn Gebäude, grösstentheils statt- liche Wohnhäuser, hölzerne und steinerne, stecken in 1 bis 2 m tiefem Schutt und Schlamm. Andere sind bloss theilweise umflossen. Ein halbes Dach mit vollständiger Schindelbedeckung, nebst einer Unzahl Balken und Baum- strünkeu flottirte auf dem Schlamme, der zu einem unheimlichen Substrat geworden war: zu dick zum Schwimmen, zu dünnflüssig, als dass es Stand geboten hätte. Und beständig stiessen im oberen Theile des Schutt- kegels noch neue Schuttmassen nach, die sich zwar meist nicht mein- bis ganz ins Thal hinab ergossen. Am Montag Nachmittag beobachtete ich an der Spitze des Schuttkegels, wie sich bei einem solchen Nachschub das Bett, oder besser gesagt der „Kännel^', innerhalb 20 Minuten um 1 Meter, innerhalb weiterer 10 Minuten um wiederum fast 1 Meter ruckweise erhöhte, wobei sich die Massen etwa 300 Meter weit thalauswärts wälzten. Glaubwürdige Zeugen versicherten, dass bei einem tüch- tigen „Stoss" der ganze damals 10 Meter tiefe, oben 15 bis 20 Meter, in der Sohle 5 — 10 Meter breite Graben im Verlauf einer Stunde gefüllt sein könne. Es ist ein grossartig wüstes Schauspiel für Auge und Ohr. „Es kocht immerwährend", sagte ein Aelpler, „und wenn's gekocht ist, so wird angerichtet". Wie wallende Milch in der Pfanne, wölbt sich mit plump ge- lappter Front die braune Brühe auf, oft bis 1 m hohe Wülste bildend. Zuerst fliesst das Wasser, zu dick^ um nur zu schäumen, oben und seitwärts ab; dann bleibt es einige Minuten fast aus, bis genügend hiuterfüllt ist, und mit Gepolter und Gerassel treibt wieder ein Schub vor- wärts. Im Nu sind 10 m* des Kännel-Protiles von der Bewegung ergriffen, wo vorher der Bach kaum 1 m^ in der Seeunde führte. Wie ein schmutziger Gletscher windet sich das Hauptcontingent in übertriebenen Curven von Bord zu Bord; man hört das Rollen und Klirren der ein- zelnen Steine, ab und zu torkelt ein grober Block einher; von der untergrabenen Seite stürzen Stein um Stein nach, oft ganze Wagenladungen; obenauf schwimmen und drehen und überkippen sich Stämme und Wurzelstrünke. An diesen ist es möglich, die Geschwindigkeit ungefähr zu messen. Sie beträgt mitten auf dem Strome, wo sie natürlich maximal ist, im Durchschnitt 2'/., — 3 "2 m per Seeunde, hält jedoch nie lange an, weil sich die Massen alsobald wieder eine Zeit lang schwellend stauen. Man versteht kaum, wie das wenige Wasser die vielen Steine überhaupt zu tragen vermag. Schätzungsweise sind es höchstens 50 Prozent Wasser, welche die Masse in Be- wegung setzen. Wie ein zäher Brei fliesst sie drohend einher; die Steine spielen die Rolle von Molekülen, deren Grösse bei der enornienMasse und der ihr innewohnenden Energie ausser Betracht fällt. So vermag nach lange anhaltendem Regenwetter ein Wildbach zu wüthen, der in trockenen Sommern nicht soviel Wasser führt, dass es einen besonderen Abfluss brauchte: er versickert danu vorweg im Schuttkegel. Im Dorf Kienholz war man seit 5 Tagen und ebeu- soviele Nächte hindurch an fieberhafter Arbeit. Anfangs wurden eiligst überall Schutzwehren gebaut. Grosse Tannen schleppten sie herbei, machten Verhaue, Bretter- verschläg'C, Pallisadenbauten, richteten in der Hast grosse Steinwälle her, um die Verwüstung von Haus und Hof fern zu halten. Tliür und Thor wurden mit Laden ver- rammelt; ein Herrschaftshaus sah wie auf einen Strassen- kampf vorbereitet aus mit dichter Bretterwand hinter eisernem Garteuzaun. Die Vorkehren waren hier über- flüssig, weil der Strom das Gut verschonte, anderswo ohnmächtig, weil der anrückende Feind jegliches Hinder- niss umdrückte, durchfloss oder mitnahm. Aber man konnte eben zuvor nicht wissen, welche Dimensionen und Richtungen der wilde Vernichter annehmen werde. Bei der Anlage solcher Schutzwehren wird in der Eile oft ein grosser Fehler gemacht. Damit ja nichts durchkomme, sucht man die Sperren möglichst dicht zu luachen, legt z. B. bei Bretterverschlägen direct Brett auf Brett, womöglich noch mit genau gesägten Rändern. Das ist just ungünstig. Man bringt den Muhrgang gerade dadurch am ehesten zum Stehen, dass mau ihm das Wasser abzapft. Lasse man deshalb lieber zwischen den einzelnen Brettern einer solchen Wand kleine Zwischenräume von 3 — 5 cm. Im Kauderthal hat iu diesem Sommer während der gleichen Regenperiode der Bon derb ach ausgeleert. Durch Zufall gerieth die Muhre in die alte Landstrasse, und deren relativ schwacher Lattenzaun, mit 10 — 15 cm. Zwischenraum zwischen den einzelnen übereinander be- festigten Latten, vermochte den wohl V2 ™ hohen Schutt- strom gänzlich zu localisiren, durch Entwässerung zum Stehen zu bringen und den Schaden soweit zu beschräukeu, dass die umliegenden Wiesen verschont blieben, mit Aus- nahme einer kaum 2 m breiten Zone links und rechts der Strasse, die das auslaufende Wasser theilweise und nur leicht mit feinem Schutt, etwa von der Grobe gewöhn- lichen Strasseuschottcrs, überspülte. Kehren wir zum Dorfe Kienholz zurück! Nachdem einmal diel grandiose Verwüstung eine vollendete That- sache geworden, galt es für die armeu Leute, zu retten, was überhaupt noch zu retten war. Nothbrücken wurden ge- schlagen, damit die Feuerwehr zu den betroffenen Häusern gelangen und herausholen konnte, was irgendwie noch von Werth war. Möbel, Bettzeug, Heu und Streue, Ofen- rohre, Haus-, Küchen- und Feldgeräthe wurden in wirrem Durcheinander auf Karren oder in bereitgehalteue Kähne verladen und nach dem nahen Brienz geführt, wo Freunde oder Verwandte Unterschlupf gewährten. Schwimmende Bretter, Balken und Baumstrünke wurden mit langen Haken eingezogen, um wenigstens einiges Brennholz daraus zu gewinnen. Die Ernte im Garten und auf dem Felde, Bohnen, Kartofl'ehi, Rüben, Kohl u. s. w., wurde unreif abgeholt, soweit sie im Umkreis der Uuglücksstätte noch zu bekommen war. Von den Baumfrüchten wird wohl gar nichts zu gewiunen sein, und die Obstbäume, die mit der halben Krone im Schlamm und Schutt be- graben sind, dürttcn kaum weiter vcgetiren können. Der Verkehr zwischen beiden Ufern des Schlanmi- stromes, der in der Zone der Landstrasse und Eisenbahn etwa 300 m breit ist, war in den ersten Tagen nur über den See per Schilf möglich, oder ganz hoch oben am 550 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 46 Schuttkegel, und dort nur, wenn gerade kein Schutt-Nach- schub erfolgte. Nach ein paar Tagen war quer durch das Schutt- und Schlammfeld etwas oberhalb der gänzlich ein- gedeckten Strasse ein hölzerner Nothsteg für Fussgänger errichtet. Etwa 100 Mann arbeiteten an der Freilegung und Wiederherstellung der Bahnlinie. Die Remise vom „Teil" musste abgebrochen werden ; der Bachdurchlass war schon am Montag früh annähernd abgedeckt, aber der Schutt war schon zu träge, um in bedeutenderer Menge abzu- fliessen, sodass jeden Augenblick ein neuer Dammbruch zu befürchten war. besonders da, wo der Schlamm-Stausee schon hindurchsickerud in die concave Bahncurve drückte. Am Montag Abend konnte man mit Vorsicht zu Fuss die Bahnlinie wieder passiren. Die Passagiere der Brünig- bahn mussten aussteigen und wurden in grossen Traject- kähneu per Schleppdampfer nach Brienz gebracht und umgekehrt. Am Mittwoch cursirten die Züge wieder normal. Die Störung war für die Bahn um so empfind- licher, als sie gerade in eine Zeit fiel, wo viele Fremde verkehrten. Es ist ganz klar, dass der Eisenbahndamm die so grosse Ausdehnung des Unglückes bedingt hat. Wäre kein Damm dagewesen, so hätten die Massen direct in den See ausmünden können, und die Ver- wüstungszone wäre vielleicht auf die Hälfte oder noch weniger ihrer unteren Breite reducirt geblieben. So aber sind eine Reihe von Häusern und Gütern mitbetroffen worden, für die man an eine unmittelbare Gefahr wohl gar nicht gedacht hatte. Man erzählte, ein Ingenieur habe den Damm beim Anrücken der Gefahr mit Dynamit sprengen wollen; doch sei dies nicht gestattet worden. An die Möglichkeit einer so bedeutenden Schlammstauung wird künftig bei Concessionirung von Eisenbahnen, welche ähnliche Schuttkegel umziehen sollen, ernstlich zu denken sein; sollen Bahn und rückliegende Gelände gesichert sein, so müsste die Bahnlinie im Bereich der Muhrgänge als Brücke (Viaduct) gebaut werden. Der Gesammt schaden jener verhängnissvollen Augusttage wurde für die Bewohner von Kienholz anfangs auf 200 OUO Francs geschätzt. Nachträglich dürfte er sich eher noch höher herausstellen. Welchen Schaden die Brünigbahn erlitt, entzieht sich unserer Berechnung. Versicherung gegen solchen Wildbachschaden giebt es natürlich nicht. Das neu eingedeckte Areal beträgt — nach Messungen auf unserer Kartenskizze, die nach Zeichnungen an Ort und Stelle, Photographien und topo- graphischen Karten zusammengestoppelt ist — wiederum 'A Quadratkilometer. Rechnet man die Verheerungen vom .31. Mai hinzu und berücksichtigt hierbei, dass der Ausbruch vom Frühjahr zu einem guten Theil (0,15 km-') durch die neuen Muhrgänge wieder überdeckt wurde, so resultirt für 1896 ein verwüstetes Areal von rund % Quadratkilometer, wovon circa der dritte Theil, also circa 140000 m^ = 14 Hectaren gutes Culturland waren! Das Volumen der Schuttmassen, welche der Lamm- bach in diesem Jahr im Schuttkegel auflagerte, dürfte mindestens eine Million Kubikmeter betragen. Nicht nur die direct betroffenen Häuser wurden zer- stört; eine Reihe benachbarter mussten, als in hohem Maasse gefährdet, geräumt und verlassen werden und sind dadurch entwerthet worden. Im Ganzen wurden 48 Familien mit 148 Personen, darunter 27 Hauseigen- thümer, obdaciilos. Der grosse Rath von Bern bewilligte neuerdings (9. Sept. 1896) einen vorläufigen Credit von 45 000 Frs. für die dringendsten Sciiutzarbeiten gegen den Lammbach. Eine allgemeine Liebesgabensammlungim ganzen Schweizer- lande hat bereits erfreuliche Resultate ergeben, trotzdem manche Gegenden unseres schönen Landes mit eigener Wassernoth zu kämpfen hatten. Es wäre auch das erste Mal gewesen, dass ein Ruf nach freundeidgenössischer Hülfe erfolglos verhallt wäre! Der Lammbach wird aber noch lange nicht zur Ruhe kommen. Eine an sich geringfügige Stauung im Saumielgebiet, oder selbst nur im oberen Theile des Schuttkegels, kann wieder eine Katastrophe herbeiführen. Einzig das Grabenvolum im obern Schuttkegelgebiet be- trug am 24. August, nach dem grossen Ausbruch, bei einer Länge von 500 m und einem Qnerprofil von 10 m Tiefe, 20 m oberer Breite und 5 — 10 m Sohle, etwa 60 000 kbm, eine Geschiebemasse, die schon einen respectabeln Muhrgang liefern kann. Nim hat am 2. September wiederum ein kleiner Ausbruch stattgefunden. Prof. Dr. C. Schmidt be- richtet darüber wie folgt: „Ein erster Vorstoss war eine ziemlich steinige Muhre, die sich als ein etwa ein Jteter dicker Lappen auf die Sohuttmasse vom 31. Mai legte. Dann kamen im Laufe des Morgens mehrere schlamm- reichere Stösse. Ein Schlammstrora ergoss sich bei den ersten Häusern von Kienholz über die Strasse; die eigent- liche Muhre, die sich in zwei Zungen geteilt hatte, blieb etwa 200 m über der Strasse stehen. Die aus der Muhre abfliessenden Wasser vereinigten sich mit dem Sehwandeu- bach, welcher nach rechts hinübergedrängt wurde, von neuem Land verwüstete und die Strasse wegriss." Der Kännel hat sich kolossal vertieft. Die oben beschriebene Schlamm-Cascade über den anstehenden Felsenriegel im obersten Theile des Schuttkegels giebt Prof. Schmidt (Anfang September) auf 25 m an. Und doch war gleich nach der ersten Stauung an jenem Riff durch tüchtige Sprengungen im Anstehenden dem Bach ein ordentlicher Durchgang künstlich verschafft worden. Die unterste Schutzmauer gegen Schwanden drohte schon bei meinem Besuch am 24. August einzustürzen; die alte Thalsperre am Eingang der Schlucht war schon theilweise abgesunken, und der Fussweg, welcher von da am rechten Bachbord entlang zog, musste streckenweise neu angelegt werden. Am 6. September traf Dr. Kissling nur noch einige Reste der alten Thalsperre. Der Fussweg war am 11. September (nach freundlicher Mittheilung von Herrn Prof. Heim) ganz verschwunden, der Sammelcanal 13 bis 15 m vertieft, bei einer Sohlenbreite von 8 — 12 m, und die rechtsufrigen, unterfressenen Schutthalden in kleinen und grossen Komplexen beständig im Nachrutschen be- griffen; eine der grossen Stau-Quellen im Rufisatz-Schlipf hat sich ein grausiges Sehlüchtchen von 10 m Tiefe ge- graben. Jetzt ist der Sammelcanal wieder ausgefegt. Nach Berechnungen von Prof. Heim sind vom Juni bis Sep- tend)er einzig aus dem l'/2 km langen Sammelcanal etwa 400 000 nr' Schutt gefördert worden. Man könnte über die Vertiefung der Rinne einerseits froh sein, weil sich der Bach dadurch innner tiefer in den Schuttkegel eingräbt und so die Ausschüttungs-Gefahr für das Dorf Schwanden verringert. Andererseits aber bedingt diese rasche und bedeutende Tieferlegung der Sohle im ohne- hin labilen Samelgebiet vermehrte Erosionsthätig- keit, und die im Sammelcanal überall nachstürzenden lockeren Schutthalden liefern auf längere Zeit genügend Material zu gefäln-lichen Stauungen unr. P. Harzer, Dircctor der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. (Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden dor Astronomie und kosmischen Pphsik.) Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. Vi. Geologische Ausflüge in die Umgegend von Berlin. Von Dr. Max Fiebelkoni. * Mit 40 Abbildungen md 2 KartonbeilageD. * 130 S. gr. 8. — Preis l.SO Mk. Die Lufthülle der Erde, der Planeten und der Sonne. Von L. 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Juni 1896 schreibt darüber: Anlage und Ausführung dieses reizenden und dankenswerthen Werkchens erinnern lebhaft an die mancherlei prächtig ausgestatteten Taschenbücher über die Al|)enflora, und wir können dem Büchlein einen glücklichen Erfolg voraus- sagen, denn es bietet dem Naturfreund und Besucher des Brockens nicht nur ein sicheres hotanisches Vademecum, sondern zugleich — durch eine frisch geschrie- bene, naturliistorische und geschichtliche Skizze, in der auch Sage und Lied Ik'rück^irliiigunj,^ gefunden haben - ein dauerndes .Souvenir. Den :iu}^eiifäliigen Theil des Werkchens bilden die brillanten farbigen l'tlanzentafeln mit lii4 Vertretern der Brockenüora iu überraschender Naturtreue, denen eine kurze erläuternde Erklärung beigefügt worden ist u. s. w. Das Erscheinen des hochfein ausgestatteten Buches, dem Johannes Trojan einen poetischen Gruss mit auf den Weg gegeben hat, wird gewiss bei allen liesuchern des Harzes und bei allen Naturfreunden grosse Freude hervorrufen. 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Die Linie seiner längsten Ausdehnung liegt wagrecht in der Richtung, die hier gewöhnlich Länge oder — doch meist nur bei Möbeln, Heeresaufstellungen u. dergl. — Tiefe heisst; also die von vorne ungefähr längs des gesammten Ver- dauungscanals nach hinten gerichtete Linie, die wir als die Hauptaxe oder eigentliche „Körperaxe" bezeichnen wollen, wenngleich diese anatomisch und entwickelungsgeschicht- lich anders oder wenigstens näher zu bestimmen wäre. Sie fällt so deutlieh in die Erscheinung, dass unser Blick wohl zuerst an ihr entlang läuft und die von Thier zu Tliier verschiedenen Körperformen, die sich in ihrer Richtung erstrecken, am ehesten beachtet. Die zweite, vom Bauch („ventral") gerade zum Rücken („dorsal") gehende und meist den Füssen gleichgerichtete Haupt- linie steht lothrecht und entspricht der Richtung, die auch sonst Höhe heisst. Beide Linien, Länge und Höhe, bestimmen zusammen eine Ebene, durch die wir uns das Thier in Hälften zerschnitten denken können; diese Hälften sind bekanntlich in der Hauptsache, namentlich dem äusseren Anblick nach, symmetrisch, d. h. grob ge- sprochen: die zu beiden Seiten jener Ebene gelegenen Stücke sind einander gleich, nur zum Theil in so ent- gegengesetztem Sinne gleich, wie wir es an unseren beiden Händen beobachten können. Diese sogenannte „Medianebene" ist der mittelste von all den Schnitten durch das Thier hindurch, die in gleicher Richtung, d. i. in der Fläche der Seitenansicht, verlaufen würden, und die man „Sagittalebenen" nennt. Die dritte Hauptlinie bekommen wir, wenn wir sie senkrecht zu einer von diesen Ebenen, also seitlich oder quer durch den Leib hindurch gezogen denken. Ihre Richtung ist wobl am wenigsten markirt, am meisten noch durch die Einschnitte der Insecten oder die Querlinien des Gürtelthicres. Mit der Höhenlinie zusammen bildet sie beliebig viele „trans- versale" oder „Querschnitte", deren einen die Vorder- ansieht darstellt. Betrachten wir das Gesagte näher. Wir können uns ein Thier zwar in unzähligen Richtungen zerschnitten oder vermittels je eines Durchschnittes zerlegt denken. Allein ganz von selbst kommen wir dazu, drei von jenen Richtungen zu bevorzugen: die eine gerade von vorn, d.i. vom Kopfende, nach hinten, d.i. zum Sehwanzende; die andere gerade von oben (dorsal) nach unten (ventral), die dritte gerade von Seite zu Seite (transversal). Unter dieser Bestimmung des „gerade" verstehen wir zweierlei. Erstens bedeutet es Richtungen, die schon durch den Bau des Thieres gegeben sind; insonderheit die ,,hingitudi- nale" oder Längsrichtung. Zweitens: wenn Eine solche Richtung gegeben ist, sind damit auch die zwei anderen gegeben. Wir wissen aus ungezählten Beispielen und nicht zuletzt aus unserm eigenen Körper, was man unter einem rechten Winkel und unter senkrechten Richtungen zu verstehen hat. Denken wir uns nun eine Linie vom vor- deren Ende des Thieres bis zum rückwärtigen gezogen, also in der Längsrichtung, so kann darauf in irgend einem Punkte, der als Mittelpunkt des ganzen Systems noch näher zu bestimmen ist, nicht nm- Jlinc, sondern eine unzählige Menge von Linien senkrecht stellen, sfern- förmia- um den einen Punkt herum. Jedoch nur Eine 562 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 47. von diesen Linien hat, ausser dass sie zu jener ersten Linie „senkrecht" steht, auch noch die Eigenschaft, „lothrecht" zu sein, d. h. in der Richtung eines durch die Schwerkraft gespannten Bleilothcs und somit senkrecht auf einer allbekannten Ebene zu stehen, d. i. auf der Hori- zontalebene oder, grob gesprochen, auf dem Fussboden. Uud nur noch Eine Linie unter den übrigen senkrechten zeichnet sich dadurch aus, dass sie gleich der ersten Linie „wagerecht" ist, d. h. parallel dem Fussboden, und auf jenen beiden Linien, nicht nur auf der einen, senk- recht steht. Von diesen drei Linien steht somit jede auf den beiden anderen senkrecht; zwei davon sind „wagerecht", eine ist lothrecht. Irgend welche zwei Linien unter diesen drei bilden zusammen das, was wir als ein „Coor- dinateusystem" (und zwar als ein rechtwinkliges) besser kennen, als man angesichts des fachgelehrten Ausdrucks glauben möchte. Wer auf Canevas stickt, hat nicht nur mit einem vielfachen Coordinatensystem zu tluin, d. i. mit den sich senkrecht kreuzenden Grundfäden, sondern denkt auch sozusagen in Coordinaten, weil er die Lage jedes Fadens, den er einstickt, auf jenes System im Sinne grösserer oder geringerer Entfernungen von je zwei bestimmten Coordinaten beziehen muss. Darauf hat mit Recht Moriz Benedikt aufmerksam gemacht. Indessen handelt es sich hier nur um zwei „Coordinaten- axen". Zu ihnen kann, wie im obigen Fall der drei Richtungen beim Thier, noch eine dritte, wiederum senk- rechte Coordinate oder Coordinatenaxe treten, also z. B. beim Thier zur Haupt- oder Körperaxe und Höhenaxe die Queraxe. Haben wir uns derart mit Linien beholfen, so können wir uns jetzt auch au Flächen, und zwar an ebene Flächen, au Ebenen, halten. Zwei solche Coordinaten bestimmen mit einander eine Ebene oder lassen durch sich eine Ebene legen. Von drei Coordinaten lassen dies je zwei zu; in dreifacher Weise aber kann man hier je ein Paar zusammenfassen und mithin eine Ebene legen. Im Beispiel vom Thier geben erstens die Längs- linie und die Höhenlinie zusammen eine lothrecht ge- stellte Ebene: die Mediauebene. Zweitens geljen die Längslinie und die Querlinie miteinander ebenfalls eine, und zwar wagerecht gestellte, Ebene: die Horizontalebene. Drittens geben die Querlinie und die Höhenlinie eine, wieder btthrccht gestellte Ebene: den Querschnitt. Auch diese drei Ebenen lassen sich als ein Coordinatensystem, und zwar als ein System von Coordinatenebenen, be- trachten. Zugleich aber laufen jeder dieser Ebenen unzählige andere parallel; also können wir ein Thier nach einer der drei Riehtungen unzählige Jlale durchsclinciden, ver- mittels beliebig vieler „Längs- oder Sagittalschnitte", „Horizontalschnitte" und „Quer- oder Transversalscbnitte." Nun beachten wir zweierlei. Erstens ist die Längs- richtung des Thieres, also die auffälligste, zugleich die allcrhiiuligstc Richtung seiner Bewegungen. Das Thier geht, läuft, springt und fliegt zumeist nicht in der Rich- tung seiner Beine, also zwischen unten und oben, auch nicht in der seines Querschnitts, also zwischen rechts und links, sondern in der seiner Längsaxe, also zwischen hinten und vorn, und zwar wieder zu allermeist von hinten nach vorn. Auch der in der Bewegung so freie Vogel bleibt in der Hauptsache dabei: bewegt er sich schräg, so ist es vielmcin- der Wind, der ilini eine zur Längsaxe geneigte Richtinig giebt. Auch beim tollsten Springen, wie es eine Katze z. B. ausführt, wird von der Gleichheit der Längslinie und Bewegungslinic nur wenig abgewichen; wie mannigfach sich auch die Bewegungs- richtung ändert, wie schräg sie auch zu der eben noch eingenommenen Körperhaltung steht — rasch folgt auch diese dem neuen Commando. Darin dürfte ein Haupt- theil des Anmutbreizes liegen, den die spielenden Sprünge von Thieren auf uns ausüben. Aber nicht nur die Gleichheit der Längsaxe und Bewegungsrichtung giebt uns dabei ein wohlthueudes Gefühl; auch das relative Gleichbleiben jeder der drei Ausdehnungslinien des Thieres gewährt ein solches Gefühl. Wie immer der Körper herumgeworfen werden möge: stets kommt nach vorübergehenden Ausnahmsstellungen die Längslinie hori- zontal und gerade zwischen vorn und hinten, die Höhenaxe lothrecht und gerade zwischen Bauch- und Rückenmitte, die Queraxe wieder horizontal und gerade zwischen den Seitenmitten zu liegen. Ausnahmen, wie wenn ein Hund etwas schräg läuft, ein Zicklein mehr in die Höhe als nach vorn springt, ein Vogel unserem Griff zunächst seit- lich ausweicht, erregen einen komischen oder überhaupt verwunderlichen Eindruck, ebenso wie eine Verschiebung der Axeu aus der eben beschriebenen Lage. Zweitens beachten wir, dass die Stellung eines Thieres sich von der Stellung eines leblosen Gegen- standes und die Bewegung eines Thieres sich von der Bewegung eines solchen durch etwas unterscheiden, was überhaupt dem Thier gegenüber allem Leblosen eigen ist: seine Abhängigkeit vom Leben. Das Thier steht so fest in seinen di-ei Richtungen da wie ein gutgebautes Möbel; es bewegt sich in der beschriebenen Weise so sicher wie ein fliessendes Wasser oder ein geworfener Stein. Diese Gegenstände werden nur durch äussere Einwirkungen aus ihrer Lage oder Bewegung gebracht; das Thier kann es auch werden, wird es jedoch nicht nur dadurch, sondern auch durch innere Ursachen. Stirbt es, so bricht es zusammen und bleibt so liegen, wie ein gleichgebauter lebloser Gegenstand daliegen würde; es braucht nicht einmal sterben, braucht nur matt werden, und es verliert ebenfalls seine sonstige Lage und Be- wegung. Auch wenn es vorher gesessen ist oder gelegen hat, bewirkt ein inneres Nachlassen noch ein Zusammen- fallen. Dieses Nachlassen ist nur wenig von der augen- blicklichen Willkür des Thieres abhängig, in der Haupt- sache vielmehr von seinen unwillkürlichen Vorgängen und Zuständen, z. B. seiner Ermüdung. D i e Eigen- schaft aber an diesen Vorgängen und Zuständen, welche hier zumeist in Betracht kommt, ist mit einer wohl er- laubten Allgemeinheit kurz als Lebcusfrischc zu be- zeichnen. In dem Jlaass, als es an ihr mangelt, mangelt es an der eigentlich animalischen Haltung und Bewegung; so schon während des Schlafes. Sehen wir jetzt zu, wie weit das Gesagte auch für den Menschen gilt. Sofort steht uns der Haui)tunterschied vor Augen: die Längslinie des Körpers, die eigentliche Körperaxe, liegt nicht wagerecht, sondern lothrecht; der Mensch steht und geht aufrecht und zeigt darin seine körperliche Würde. Kein Thier ist auf die Dauer zum aufrechten Gang befähigt. Damit sind zugleich einige weitere Verschiedenheiten gegeben. Zuvörderst kann jetzt die Linie vom Bauch zum Rücken nicht mehr in die Höhe, sondern nur wagerecht, von vorn nach rückwärts laufen. Dagegen bleibt die Querlinie wie beim Thier: zwischen rechts und links. Von diesen drei Riehtungen ist wieder die der Längslinie des Körpers, der nun lothrecht stehenden „Körperaxe", die wichtigste und augenfälligste; während jedoch beim Thier den zweiten Rang an Wichtigkeit und Auffälligkeit die Ausdehnung vom Bauch zum Rücken, meist durch die Beine markirt, einnimmt, ninnnt ihn beim Menschen die Qucrlinie ein. Die Extre- mitäten — Beine und Arme — kommen ja nicht mehr wie beim Thier der ßauchrückenlinie zugute, sondern der Längsaxe; allerdings in beiden Fällen der Höhen- XI. Nr. 47 NatuiwisscnscIuU'tlicIic Wocbeuschrirt. 563 liiiic, die uur eben beim Mciischeu eine andere Axe seines Leibes ist als beim Tbier. Um so niebr wird dnrcb Arme und Beine, die ja bei rubigem Stand zur Längsaxc parallel sind, die Wiebtigkeit dieser betont. Dazu konmit noch, dass sie die Richtung unseres haupt- sächlichen Wacbstliunis ist, und dass wir ihr entlang die Grössenverbaltuissc der Körpcrtheile bestimmen; sie mag also zugleich auch die Axe des Wachsthunis und die der Proportion heisseu. Ist so beim Menschen wie beim Thier die Längsaxe die wichtigste (schon weil sie dem Verdauungskanal und der Säule des Gehirns und Rückenmarks entlang zieht), so nimmt, wie gesagt, den zweiten Rang- bei beiden nicht die gleiche Axe ein; vielmehr folgt hier an Wichtigkeit beim Thier die Bauchriickenlinie, beim Menseben die Querlinie. War diese beim Thier wenig oder selten markirt, so ist sie beim Menschen sclion im Ivnociiengerüst etwas stärker bezeichnet: am Gesicht durch die Kiefer mit den Zähnen, am Rumpf durch die Rippen und durch das Schlüssel- bein, das uns ja bei decoiletirten mageren Damen oft genug unschön auffällt. Doch stehen diese Knochen nicht durchaus in gerader Querrichtung, wie die der Arme und Beine wenigstens annähernd in gerader Längsrichtung stehen, sondern krümmen sich zugleich zu beiden Seiten nach rückwärts (dorsal); die Rippen gehen sogar, an der Seite, in die Richtung der Bauchrückenlinie über, um erst hinten wieder die Querrichtung zu finden. Ihren beson- deren AVerth besitzt diese Richtung noch darin, dass in ihr der Körper symmetrisch gebaut ist; also mag sie auch die Axe der Symmetrie heissen. Die dritte und zunächst wenigst wichtige Axe des menschlichen Körpers ist die von der Bauch- zur Rücken- seite, die ventro-dorsale. In ihrer Richtung laufen die eben erwähnten Seitentheile der Rippen und ungefähr die Knochen des Fusses. So sehr nun diese Riclitung für den Bau des menschlichen Körpers an Wichtigkeit hinter den zwei anderen zurücksteht, so sehr überragt sie diese an Wichtigkeit für die ortsverändernde Be- wegung. Das Thier bewegt sich in der Richtung seiner Hauptaxe, der Mensch in der seiner wenigst wich- tigen Nebeuaxe. Von den drei Axen des menschlichen Körpers fassen wir nun wiederum je zwei zu einer Ebene oder einem mittleren Durchschnitt zusammen, um ein System von drei solchen Coordinatenebenen zu bekommen. Erstens die Höhen- und Querlinie; ihre Ebene verläuft ungefähr in der Stellung der Stirne, „frontal", oder „transversal". Zweitens die Höhen- und Bauchrückenlinie; ihre Ebene verläuft „median" oder überhaupt „sagittal". Drittens die Quer- und Bauchrückenlinie; ihre Ebene verläuft „horizontal". Zu jeder dieser Ebenen lassen sich aber beliebig viele parallel legen, die also zu beiden Seiten jeder mittleren Ebene verlaufen. Nur ist nicht jede von diesen gleich stark vor ihren gleichgerichteten Genossen ausgezeichnet; eine mittlere Froutalebene und eine mitt- lere Horizoutalebcne sind nur ziemlich willkürlich festzu- legen, wie wir denn im ganzen Bisherigen über den Mittelpunkt des Systems und damit über die genaue Lage der flauptaxen und Hauptebenen keine abschliessende Bestimmung getrofi'eu. Um so schärfer zeichnet sich unter allen „sagittalen" Schnitten der mittlere aus, der denn auch in bevorzugter Weise deu Namen des „Medianschnittes", der „Median- ebene" oder kurz der „Mediane" bekommen hat. Seine Lage wird dadurch unzweifelhaft, dass zu seinen beiden Seiten, in der Querrichtung und also von ihm aus „late- ral", der Körper in der Hauptsache symmetrisch gebaut ist. Ausser diesem Umstand und ausser dem anderen, dass im Innern des Körpers, namentlich im Schädel, einige Bestandtheile als „unpaarige Organe" diese Ebene niar- kiren, wird sie auch noch ^•on aussen dadurch bemerkbar, dass ihr Rand an der Oberiläche des Körpers deutlich gekennzeichnet ist. Auf diesem Rand liegen an der oberen Seite des Kopfes die zwei Stellen, die für ge- wöhnlich der Wirbel und der Scheitel heissen: dieser die oberste (nicht inniier höchste) Stelle des Schädels, jener die Stelle der hinteren „Fontanelle", wozu noch die vordere „Fontanelle" kommt; diese beiden sind die beim Neugeborenen noch oifenen Partien des Schädels. Im Gesicht folgen: die Nase, die Einfurchung der Oberlippe (genannt „ünternascnrinne"), etwa Markirungen der Kinn- mitte durch Ijarthaare oder durch das (irUbclien; im Hals vorne der Kehlkopf und die Einbuchtung unter ihm (zwischen den beiden niusculi sterno-cleido-mastoidei); am Rumpf das Brustbein und die Herzgrube unter ihm, bei Frauen die Furche zwischen den Brüsten, d. i. der „Busen"; weiterhin der Nabel und die den Unterleib ab- schliessenden unpaarigen Organe; dann die durch den Zusammenschluss der Beine gebildete Furche. Auf der Rückseite eine gleiche Furche, au die sich oben eine andere, die Mittellinie des Gesässes, anschliesst. Es folgt eine weniger deutliche Furche, die Mittellinie des Rückens, deren Deutlichkeit aber insofern zu einem schönen Körperbau erfordert wird, als man sie auch „Schönheitslinie" nennt. Sie entspricht der Wirbelsäule, und diese tritt ober ihr so weit hervor, dass dadurch wieder, im „Genick", eine Markirung des Medianraudes entsteht. Von da an läuft der Rand, etwa noch betont durch eine Furche zwischen zwei Muskeln (musculi cucul- lares), hinauf bis wieder zum Scheitel. Ueber diesen läuft die Naht zweier Schädelknochen, die unter dem Namen der „Sagittal-" oder „Pfeil-"Nath jegliche Sagittal- richtung und insonderheit die Medianebene kennzeichnet. Je nach individuellen Verschiedenheiten des Körpers und nach seiner jeweiligen Lage tritt der Medianrand mehr oder weniger in die Erscheinung. Seine kräftige Betonung ist ein Stück Betonung der Natur und dadurch von ästhetischem Werth, wie schon der Name „Schrmhcits- linie" andeutet. Als ein Beispiel aus der bildenden Kunst sei das berühmte Gemälde Paul Baudry's, des Aus- schmückers der Grossen Oper zu Paris, des Virtuosen im Darstellen nackter Frauenkörper, erwähnt: „Die Perle und die W^oge" (vom Jahr 1863, wiedergegeben in den „Kunst- historischen Bilderbogen" No. 254). Der vorhin beschrie- bene Rückraud der Medianebene ist kaum irgendwo so deut- lich und mit solcher Wirkung herausgearbeitet, mag es sieh auch eher um Manier als um „natürliche" Kunst handeln. Wir wissen, die Medianebene steht in gewöhnlicher Lage senkrecht auf den Horizont, also lothrecht. Diese Richtung behält sie nun meistens auch in anderen Lagen bei, als die ist, in der wir zunächst ein Lebewesen be- trachten. Von der Bewegung haben wir schon soweit gesprochen, dass wir jetzt erkennen, wie die Median- ebene dabei im grossen Ganzen ihre lotrechte Lage be- hauptet. Aber auch in der Ruhe behauptet sie sich gern, wenigstens annähernd. Nur dann geräth sie hier ganz oder einigermaassen in horizontale Lage, wenn der ruhende Körper auf der Seite liegt. Allein häutig genug findet dies nicht oder nur wenig statt, und dann bleibt auch die Mediauebene mehr oder minder lothrecht In künstlerischen Darstellungen dürfte jene Umlageruug eine Seltenheit sein. Diese Vorherrschaft der lothrechten Stellung der Mediane berechtigt uns, eine solche Körperlage eine primäre zu nennen. Nun die Parallelen zur Medianebeue. So viele auch gedacht werden können, so wenige treten doch am Körper hervor. Derart sind die nach vorn, allerdings etwas seitlich gerichteten Füsse mit ihren Knochen und 564 Naturwissenschaftliche Wochcüschrilt. XI. Nr. 47. den Zehen daran; dagegen die Arme und Hände nur bei Streckung naeli vorn, die Hände selb.st in diesem Fall nur bei lothrechter Haltung, bei dieser jedoch auch dann, wenn sie hängen. um so reichlicher bietet sich uns die Sagittalrichtung dar, wenn wir den menschlichen Körper von der Seite betrachten. Deutlich treten im Einzelnen wohl nur die Ohrmuschel und die Schläfe, etwa noch die Wange und die Nasenseite als Sagittaltiächeu hervor. Wohl aber ist die Gesammtansicht von der Seite als eine solche Sagittalfläche zu denken; sie bildet das, was wir im gewöhnlichen Leben als Profil kennen. Vergleichen wir nun die Profilansicht des Thicres mit der des Menschen, so sagt wohl schon der alltägliche Eindruck, dass sie beim Thier natürlicher ist als beim Menschen; und dieser Eindruck wird durch unsere ge- nauere Erwägung bestätigt. Denn die Sagittalrichtung setzt sich beim Thier ans den Richtungen der wichtigsten und der zweitwichtigsten Axe, d. i. der Längen- und Hohenaxe, zusammen; beim Menschen jedoch aus der wiciitigsten und der drittwichtigsten Axe, d. i. der Längen- oder Hohenaxe und der Bauchrückenaxe. So wichtig die Mediauebene im Innern und an der Ober- fläche, so wichtig ferner die dorso- ventrale Richtung zwischen vorn und hinten für jeden bewegten Körper ist: so unwichtig sind die Sagittalschnitte für den ruhenden Körper des Menschen. Dieser will, besondere Ausdrucks- fällc abgerechnet, en face gesehen sein, das Thier im Piotil. Sich ohne besondere Rechtfertigung im vollen oder fast vollen Profil abbilden zu lassen, dürfte demnach ein gut Stück Unnatürlichkeit sein. Anders in Bewegung oder in bewegter Stellung. Denn weitaus die meisten Bewegungen des Menschen geschehen ebenso in sagittaler oder Rücken-Bauch-Richtung, wie die des Thieres in longitudinaler. Also wird zur Bewegung das Profil und zum Profil die Bewegung passen. Lichtbildaufnahmen im Profil fallen auch meistens nicht recht „lebendig" aus, abgesehen von Bewegungsaufuahmen. Für den Anblick des ruhenden Menschenkörpers ist die vordere Parallele zur mittleren Querebene das richtige, der vorderste Frontalschnitt oder die Frontalebene schlecht- weg; zusammengesetzt aus Längs- und Breiten- oder Querrichtuug. An sie hält sich der Künstler, falls es nicht einen besonderen Bewegungsausdruck gilt; in- sonderheit für den Ausdruck von Ruhe und Würde; und zwar in älteren und ernsteren, strengeren Werken ge- nauer als in späteren und mehr heiteren. Vertreten ist sie vor Allem durch die Stirue, die ihr ja auch den Namen giebt. Allerdings steht die Stirne kaum jemals so genau senkrecht, wie es in der Medianebene mehrere Körpertheile thun ; vielmehr tritt sie nach oben ein wenig zurück. Indcss misställt uns ein stärkeres „Fliehen" der Stirne als etwas thierähnliches, eine grössere Steilheit der Stirne gefällt uns als etwas echt Menschenwürdiges. Abgesehen von diesen Unterschieden mag noch beachtet werden, dass die Stirne in der Hauptsache nicht genug eben ist, um eine Ebene genügend zu repräsentiren. Wohl aber bildet eine solche ihr mittlerer unterer Theil, die ungefähr dreieckige Stelle über der Nasenwurzel, ge- nannt die „Glatze" oder „Glabella". Unter den Theilen des Gesichts sind etwa die vordere Fläche der dopi)elten Zahnreilie und vielleicht noch das Kinn als Ebenen der Frontalrichtung zu bezeichnen. Viel wichtiger ist jedoch in diesem Sinn die gesammte Lage des Gesichts. Wäh- rend es beim Thier, einschliesslich der Atfen, vor dem Schädel liegt und dadurch die Horizonfalerstreckung abermals verstärkt, steht es beim Jlensciien fast senk- recht unter dem Schädel als ein entscheidender Beitrag zur Höhenerstreckung. Auch der übrige Theil der Vorderansicht des Menschen betont die Frontalrichtung in ebenso starker AVeisc, wie die Seitenansicht es ihrerseits mit der Sagittalrichtung in belangloser Weise thut. Die Brust, der Bauch und das, was der Aussenanblick v(mi Becken sehen lässt, sind trotz mancher Krümmungen deutliche Ausprägungen der vor- deren Frontalebene oder -ebenen. Auch die beiden Knie- scheiben gehören dazu. Auf der Rückseite ist es ledig- lich der Rücken, der in seiner Einförmigkeit eine (.Juer- cl)ene niarkirt. Schliesslieii wäre noch in der Kunst der manchen religiösen Figuren beigegebene Heiligenschein oder „Nimbus" zu erwähnen, falls er nicht schief von oben vorn nach unten hinten verläuft, sondern vielmehr als ein gerader Hintergrund augelegt ist. Wir sehen immer wieder, dass den natürlichen Aul)lick des menschlichen Körpers für gewöhnlich die Aufnahme „en face" bildet, womit freilich noch kein strenges, starres Einhalten dieser Richtung erfordert ist. Hierher gehört auch, dass wir uns von der Dicke oder Magerkeit eines Menschen, wie mir scheint, eine Vorstellung zumeist in der Breiten- oder Querrichtung, weniger in der Tiefen- oder Sagittalrichtung machen, in welcher eine Leiliesfülle wohl am ungünstigsten aussieht. Auch der Anblick des durch Schnürung und polsterige Auftreibung verunstalteten weiblichen Körpers dürfte von der Seite noch widerlicher sein als von vorne. Zwei „Ansichten" des Menschenkörpers, auch „Normen" genannt, haben wir bisher durchgesprochen: die Seiten- ansicht oder die im Profil („Norma lateralis") und die Vorderansicht oder die en face („Norma frontalis"). Es bleibt noch die dritte übrig, die von oben, die Ansicht der horizontalen Erstreckung des Körpers, genommen von oben oder von unten (daher „Norma verticalis" genannt). Allein gerade diese ist unter allen dreien am wenig.sten eine Ansicht; wir blicken doch allzuselten einem Menschen gerade auf seinen Scheitel hinab oder gar auf seine Sohlen hinauf. Jenes kommt immerhin bei Betrachtungen des Kopfes und insonderheit des Schädels vor; aus der Lehre von seiner Messung ist denn auch jene dreifache „Normen"-Bezeichnung genommen. In dieser Lehre hat man sich wohl am meisten bemüht, eine verlässlichc Horizontalebene zu finden. Am ehesten schien die Basis des Schädels dazu geeignet; aus ihr bestimmte der Franzose Broca eine Ebene, die vorn am Oberkiefer da endigt, wo die Schneidezähne entspringen (Coudylo-Alveolar- ebene). Auf eine böhere, die sogenannte „deutsche Horizontalebene", die für uns den Vorzug hat, einiger- maassen auch dem äusseren Anblick zugänglich zu sein, haben sich jetzt die meisten deutschen Anthropologen geeinigt: sie geht vom oberen Rand der äusseren Oefl'nung des knöchernen Gehörganges über das deutlich hervor- tretende Jochbein bis dorthin, wo der untere Rand der knöchernen Augeidiöhle seine tiefste Stelle hat („Auriculo- Orbitaebene"). Solche Ebenen, genommen von dem Bau des Körpers, nennt man anatomische Ebenen. Daneben hat derselbe Franzose Broca eine sogenannte physiolo- gische Ebene zu bestimmen gesucht, d. h. eine, die statt vom Bau vielmehr von einer Verrichtung des Körpers hergenommen ist. Wenn unser Kopf und unsere Augen ihre gewöhnliche ruhige Lage einnehmen, dann Idicken wir so vor uns hin, dass die Sehrichtung der Augen (ihre „optische Axe") mit der Kreisfläche des Erdhorizontes, kurz mit dem Boden, parallel ist. An dieser Blickebene haben wir nun in der That für den lebenden Körper die l)estinnnteste und leichtest zu benützende Horizontale, die als die wirkliche „Projectionscbene der Natur" bezeichnet werden kann; für Zwecke der Schädelmessung (Kranio- metrie) musste sie allerdings durch eine anatomische Be- stinnnung ersetzt werden, die jedoch abermals nicht frei von Unsicherheiten ist. XI. Nr. 47. Nuturwisseuseliaftlichc Wocheiischrilt. 565 Für (Ich i;e\völmliclieii Anblick des Körpers siud ein- zelne Ihiriziintalebeueu in grobem Ungefähr ganz gut anzugeben. Analog zu jeuer Blickebene haben wir die untere Fläche eines auf dem Kopf balancirten oder fest- gestemmten Gegenstandes, in der Kunst bei den „Kano- phoren" und „Karyatiden'-, selbst die untere Fläche oder auch die Krempe einer in gleichem Sinne aufgesetzten Kopfbedeckung, wie es z. B. die Hüte der griechischen Terracotten sind. Analog zu den anatomischen Ebenen hinwider haben wir den Hals, genauer die Ebene seines mittleren ümfangs, in der Kleidung gekennzeichnet durch Halsbänder verschiedener Art. Dann die Schultern, deren Abweichung von der Horizontalen nach abwärts zuweilen durch die Bekleidung „verbessert" wird, wozu bei Uni- formen oft noch eine besondere Betonung des Wagrechteu kommt. Aehnlich dem Hals erscheint die Taille: ihr mittlerer Umfang ergiebt wieder eine horizontale Kreis- liäche und kann durch Gürtel oder dergl. hervorgehoben werden. Einigermaassen und sogar am unmittelbarsten wird die Horizontale vertreten durch die Unterfläche der Füsse, die (allerdings geschweifte) Sohle; und diese Kenn- zeichnung der wagrechteu Ebene ist um so befriedigender, je strenger die Füsse ihre natürliche, „aristokratische" Haltung — massig nach aussen — einnehmen. Endlich kann noch mannigfacher Körperschmuck in Reif- oder Händerforni wagrechte Ebenen andeuten: um die Stirn, um die Arme, um die Beine. Soweit die wichtigsten Richtungsunterschiede des ruhig dastehenden Körpers beim Thier und beim Menschen. Darnach bestimmen sich auch die Unterschiede und Gleich- heiten in ihrer Bewegung. Beide bewegen sich in der Richtung ihres natürlichen Blicks, des Blickes, den die Augen bei der „Primärstelluug" einnehmen, also gerade nach vorn. Diese Bewegungsrichtung fällt aber beim Thier mit seiner hauptsächlichen Körperausdelinung, mit der eigentlichen Körperaxe zusammen; beim Menschen steht sie auf dieser und auf den Querliuien, also auf den Frontalebcuen, auf der face, senkrecht, in der Richtung der Tiefenausilelinuug und somit in der Medianebene. Diese Ebene ist es auch, zu deren beiden Seiten sich die Symmetrie des menschlichen Körpers darstellt. Zu sehen bekonmien wir diese Symmetrie am besten en face — wieder ein Grund für den natürlichen Vorzug dieses An- blicks. Beim Thier bietet allerdings auch der Vorder- anblick die Symmetrie dar und der Profilblick nichts davon; doch die beste Anschauung der Symmetrie des Thierleibs gewinnen wir meistens von oben, im Blick aut die Horizontalebene. Beide aber, Thier wie Mensch, bleiben bei ihren Bewegungen in der Ebene, zu deren beiden Seiten die Symmetrie waltet, in der senkrecht nach vorn gerichteten Ebene und setzen diese in der Richtung nach vorne fort. Beide bleiben also ihrer Naturform auch darin treu — nur dass der Mensch durch sein Stehen, das zunächst die wichtigste, die Hölunn-ich- tuug, betont, es noch mehr thut als das Thier, das seine Hauptrichtung hinwider noch mehr durch die Bewegung markirt. Beide aber lassen durch ihre in der Hauptsache unveränderte Bewegungsrichtung bei allem Dureheinauder- wimmeln vieler Exemplare, beim unsymmetrischsten Ge- woge doch eine feste Grundrichtung erkennen und eine beruhigende Grundstimmung des Anblicks fühlen. Beide kommen endlich darin überein, dass ihre Stellung und Bewegung — im Gegensatz zu den leblosen Gegenständen — von ihrem Leben überhaupt und von seinen jeweiligen Zuständen abhängen. Im Allgemeinen, im Besonderen unterscheiden sie sich allerdings wieder wesentlich. Auch der Mensch kann seine Axen gleich dem Thier stellen, wenn er kriecht; und er thut dies als Kind und bei manchen Arbeiten thatsächlich. Auch der Mensch kann in dieser Stellung zusamnienl)recheu, durch Ermattung oder Tod, braucht also jedenfalls eine eigene Kraft, um sie festzuhalten. Noch ein Mehr au Kraft be- darfer jedoch, wie wir bei den Versuchen der Kinder sehen, um sich darüber zur aufrechten Stellung zu erheben; und um sieh darin zu erhalten, bedarf er, wie der nächstbeste Fall von Ermüdung zeigt, ebenfalls einer eigenen Kraft, ja sogar, wie wohl ohne Weiteres angenommen werden darf, eines Mehr an Kraft gegenüber dem vierfach ge- stützten Thier und Kind. Und dieses Mehr an Kraft ist zur körperlichen Betonung seiner .Menschlichkeit nöthig und ist hinwider abhängig von seinem Leben überhaupt, von seinem jeweiligen Lebenszustand insbesondere. Von der Berliner Gewerbeaussteilung 1896. (Fortsetzung.) 5. Gartenbau (Gruppe XXII). Ein näheres Eingehen auf Einzelheiten der Gruppe „Gartenbau" erscheint hier nicht angebracht. Die Höhe, auf der sich der Berliner und deutsche Gartenbau be- findet, kam vorzüglich zum Ausdruck. — Wir wollen über den gegenwärtigen Standpunkt desselben nach den Angaben des Specialkataloges der Gruppe das Folgende bemerken. Während bis über die Mitte dieses Jahrhunderts hin- aus der grösste Theil der Handelsgärtner sich den ver- schiedensten Zweigen des Gartenbaues widmete und zu gleicher Zeit die Gemüse-, Obst-, Topfpflanzen-, Schnitt- blumen-Cultur etc. pflegte, sind in neuerer Zeit mehr die Specialgesehäfte aufgekonnnen, welche möglichst nur einem Zweige des Gartenbaues ihre Aufmerksamkeit schenken und eine bestimmte Gultur betreiben. Es ist erklärbch, dass diese Specialisten ganz Hervorragendes auf dem betreffenden Gebiet leisten. Sehen wir uns in Deutschland nach derartigen Speeialculturen um, so finden wir vielfach, da.ss dieselben auch durch die Oertüchkeit bedingt sein können. Z. B. ist Dresden und Umgebung der einzige Ort Deutschlands, in welchem die ansässigen Handelsgärtner die Cultur von Camellien, Rhododendren und indischen Azalien in ungeheuren Massen betreiben. Es wäre in keinem anderen Orte Deutschlands möglich, ebenso grosse Massenculturon dieser l'flanzeugattuuien mit denselben Erfolgen zu betreiben, da die von flen dortigen Züchtern verwendete und zu einem üppigen Ge- deihen dieser Pflanzen nothwendige Haideerde (Moorerde) mit weniger grossen Unkosten aus den Wäldern der Um- gebung von Dresden zu besehafl'en ist. Ausser diesen Pflanzen ziehen die Gärtner Dresdens und seiner Umgebung namentlich Treibrosen und Rosen-Hochstämme. Erfurts Handelsgärtnerei umfasst im Grossbetriebe ebenfalls nur einige Zweige. Der älteste ist die Cultur der Brunnenkresse auf der Thalcbene Dreien- brunnen. Sie ist die einzige handclsgärtnerisch i)etriebene Deutschlands, sie dürfte jedoch in der Rentabilität anderen Gemüseculturen gegenüber Vortheile nicht bieten. Aus- gedehnt sind ferner, wie in keinem anderen Orte Deutsch- lands, die Blumenkohl-Oulturen, namentlich diejenige des echten Haage'seheu Zwergblunienkohls. 566 Natui-wissenschaftlichc Wocliensclirit't. XL Nv. 47 ünerreiclit steht weiter die Anzucht von Sonimerflor- hlunien da, namentlich Levkoyeu, Astern, Phlox, Balsa- niinen, Rittersporn, Nelken etc. zur Gewinnung von Samen, wie auch zu deniselheu Zwecke die Anzucht von ein- jährigen Blumen für Töpfe, als Primeln, Calceolarien, Ciuerarien etc. Während Erfurts Samenculturen sich iu der Haupt- sache auf die Gewinnung von Gemüse- und Blumen- sämereien erstrecken, werden iu Quedlinburg laudwirth- schaftliclie und Gemüse-Sämereien gezogen. Viele tausende Morgen Landes dienen dort zur Herauzucht dieser Sämereien. Ein gewaltiger Fortschritt ist auf dem Gebiete des Obstbaues iu Deutschland zu verzeichnen. Während bis in die 60 er Jahre hinein die AnpHan- zung oft ungeeigneter, theils werthloser Obstsorten schlechte Erfolge auf diesem Gebiete zeitigte und die Lust und Liebe zum Obstbau mehr schwand als gefördert wurde, ist von dieser Zeit an ein freudiger Umschwung zu constatiren. Diese Thatsache ist nicht zum Mindesten den Bestrebungen des im Jahre 1860 gegründeten deutschen Pomologenvereins zu verdanken, welcher sich seit seiner Entstehung unausgesetzt dannt befasst hat, unter den vielen existirenden Obstsorten diejenigen aus- zuwählen und zur Anpflanzung zu empfehlen, welche auf Grund der gemachten Erfahrungen am besten gedeihen und reichste Erträge liefern. Er ist es auch gewesen, welcher die Anregung zur Veranstaltung von Obstmärkten gegeben hat, die in den letzten Jahren, namentlich iu Frankfurt a. M., immer grösseren Umfang gewauuen und zur Bildung einer Centralstelle für Obstverwerthung in genannter Stadt führten. Es sind dort z. B. im Jahre 1894, einem nicht über- reichen Obstjahre, folgende Quantitäten deutschen Obstes zum Verkauf angeboten worden: Aepfel .... 12822725 kg Birnen . . . . 1 616 980 „ Kirschen .... 838 670 „ Mirabellen ... 43 100 „ Reineclauden . . 44 842 ., Zwetschen . . . 800 370 „ Auf den in Frankfurt a. M. im Herbste 1894 abge- haltenen Obstmärkten betrug der Gcsammtumsatz: Aepfel 752 327 kg Birnen 92 000 „ Pflaumen 32 000 „ Der durch die oben erwähnte Centralstelle für Obst- verwerthung erzielte Gesammtumsatz betrug im Jahre 1894 5 225 000 kg Obstes. Auch wurden zu gleicher Zeit ca. 30 000 Litßr Mostobst angeboten. Die Falirikation von Obst- und Beerenwein, welche bis vor gar nicht langer Zeit das Privilegium der süd- deutschen, namentlich württembergischeu und liessischen Obstzüciiter war, hat sieh ebenfalls bereits über ganz Deutschland verbreitet, wenn auch im Norden nicht in dem Maasse wie im Süden. Der Export Deutschlands an Apfelwein betrug in den letzten Jahren in Fässern und Flaschen mehr als 50 000 Mark pro Jahr. Trotz des bedeutenden Aufschwunges unseres heimath- lichen Obstbaues wird der Bedarf an Obst durch die eigenen Culturen lange nicht gedeckt, sondern wir zahlen jäln-lich noch viele Millionen an das Ausland für Obst. Zum Beisi)iel werden in einem Jahre oft mehr als 250 000 Centner Aepfel und Birnen auf der Elbe nach Berlin und Hamburg befördert, mit welcher Unmenge uns Böhmen versorgt. Die Schweiz liefert in manchen Jahren über 1500 Wagenladungen Mostobst ä 10 000 kg nach Württemberg. Aus diesen Betrachtungen ersehen wir zur Genüge, dass auf allen Gebieten des Garteubaues eine freudige Fortentwickelung im ganzen deutschen Reiche zu ver- zeichnen ist, und wenden uns nun speciell dem Gartenbau Berlins zu. Den heutigen Handelsgärtuereibetrieb in Berlin und seiner Umgebung können wir eintheilen in die Cnltur von Topfpflanzen, Baumschulartikelu, Blumenzwiebeln, Maiblumen, in Landschaftsgärtnerei, Gemüsebau, Blumen- uud Pflanzentreiberei, Sameuzucht und Samenhandel, Schnittblumencultur und Schnittblumcnhaudel. Was nun die Cnltur der Topfpflanzen anbelangt, so erstreckt sich die Heranzuciit namentlich auf dieselben Gattungen, welche schlechtiiin unter dem Namen Markt- M pflanzen in Berlin figuriren. Es sind dies hauptsächlich " harte Palmensorten, Ficus elastica (Guumiibaum) Myrtheu- Kronenbäumchen, „Laurus" (Viburnum) Tinus, Rhododen- dron, Camelien, Azalien, Eriken, Aralien, Adiantum, Be- gonia Rex, Ciuerarien, Ejjhcu, Fuchsien, Pelargonien, Plectogynen etc. Die eben genannten Pflanzengattungen kommen in grossen Posten in der Berliner Gärtner-Markthalle zum Verkauf, die Preise dafür sind jedoch in den letzten Jahren sehr gedrückt. Auch nach dem Auslande wird ein erheblicher Theil al)gesetzt, und es sind namentlich einige Städte Russlands, welche diese Topfgewächse einführen. Eine hervorragende Rolle im Berliner Gärtnerei- betriebe nimmt die Baumschulencultur ein. Ihr sind über 2000 Jlorgeu Landes in der Umgebung von Berlin ge- widmet und von allen Städten Europas besitzt Berlin die grössten Baumschulenculturen. Vorherrschend werden in Massen herangezogen : Obst- bäume in allen Formen, Alleebäume, Zier- und Park- gehölze, Conifereu und Rosen. Auch Beerenobst und Treibgehölze sind reichlich vertreten. .Mit der exacten Herauzucht von Formbäumen, wie sie früher nur in Frankreich zu erhalten waren, ist nament- lich der Berliner Baumschulenbetrieb bahnbrechend vor- wärts gegangen. In" diesen Artikeln ist auch der Export nach dem Auslande, nameutlich Russland, Oesterreich, Dänemark, Schweden und Norwegen, ein ganz gewaltiger. Auch Amerika und selbst Süd-Afrika sind alljährliche Abnehmer. Die nördlich gelegenen Länder ziehen den Ankauf deutscher Erzeugnisse den l'ranzösichen Producten viel- fach V(U-, da die ersteren eihcblich widerstandsfähiger sind und sich daher den rauhen Klimaten besser anpassen. Einzig in ihrer Art in Deutsehland ist die Cultur der Blumenzwiebeln in Berlin, welche jetzt einen Flächeu- raum von über 100 Morgen einnimmt. Haui)tsächlich werden Hyazinthen uud Tulpen ge- zogen, in kleineren Quantitäten auch Krokus, Narzissen, Tazetten, Scilla, Galantiius, Iris, Lilien. Die Berliner Hyazinthen sind zum Frühtreiben in den hierzu geeigneten Sorten sehr beliebt und werden den Harlemern in dieser Hinsicht vorgezogen. Die Zwiebel kommt im hiesigen leichten Sandboden früiicr zur Reife, sie tritt also eher in den ruhenden Zustand und kann demgemäss nach einer längeren Ruheperiode bessere Treibresultate geben. Derjenige Zweig des Gartenbaues, welcher sich mit der Einrichtung von Gärten- und Parkanlagen beschäftigt, die Laudschaftsgärtnerei, ist in Berlin uud Umgebung zu grosser Vollkommenheit gelaugt. Ein Spaziergang durch ilie Villeneolonien bei Berlin, als da sind: Colonie Grune- wald, Steglitz, Gross-Lichtertelde, Zehlendorf, Schlachten- see, Wannsee, und die vielen reizenden Vorgäi'tcn im XI. Nr. 47. Natnrwi.sscnschaftlicbe Wochenschrift. 567 Westen der Stadt überzeugt uns von der Thätigkcit genialer GartenkUnstler. Den Weltmarkt haben sich die Berliner Maiblumen- treibkeinie erobert, welche nicht nur im Inlande, sondern namentlich auch im Auslande Absatz finden. Derlin pro- ducirt jährlich 10 Millionen Maibliunentreibkeime, wovon über die Hälfte nacb dem Auslande, besonders nach England und Amerika gehen. Die Berliner Maiblumen sind zur Frühtreilicrei als die l)esten anerkannt und werden den in schweren Bilden cultivirtcu Keimen vorgezogen. In den letzten Jahren bat die Ausfuhr, besonders nacb Amerika, nachgelassen, woran die dortigen ungünstigen finanziellen Verbältnisse die Schuld tragen. Die' Anzucht der bekannten Gemüsearten stellt in Berlin auf bober Stufe und wird im grossen Stile be- trieljen. Berühmt und beliebt ist der Berliner Spargel, welcher iunner leichten Absatz findet. Grosse Fortschritte hat die Blumen-Treiberei gemacht und besonders das Treiben von Flieder. Die hier ge- triebeuen Flieder stehen den aus Frankreich importirten nicht nach, sie sind im Gegentheil vielfach erheblich schöner, zumal sie in Berlin selbst Absatz finden und in voller Frische auf den Markt gelangen. Ebenso florirt die Rosen-Treiberei, welche fast iu Jeder Gärtnerei anzu- treffen ist. Hier steht allerdings die massenhafte Einfuhr von abgeschnittenen Rosen aus Italien und Süd-Frankreich in scharfer Concnrrenz gegenüber, da es unnKiglich ist, zu einem gleich billigen Preise im Januar und Feliruar Rosen zur Blüthc zu bringen, wie solche aus den süd- lichen Gegenden eingeführt werden. Jedoch sind die hier getriebenen Rosen weit wertbvoller, da der herrliche Duft ihnen erhalten bleibt, welcher den importirten Blumen fehlt. Die Samenzucht Berlins ist nur gering, dagegen ist der Handel mit Sämereien ein ganz flotter zu nennen. In demselben Maasse, wie sich Berlin vergrössert, steigt auch der Consum vou abgeschnittenen Blumen und aus solchen geschmackvoll hergestellten Arrangements. Die nicht nur in den Hauptstrassen, sondern auch in weniger belebten Tbeilcn Berlins überall anzutreffenden herrlich geschmückten Blumenläden regen die Kauflust des Publikums ungemein an und geben ein recht erfreu- liches Bild von dem Aufschwünge des Blumenhandels. Der Berliner liebt die Blumen über Alles, und wohl in keiner anderen Stadt Dentsclilauds trifft man im alltäg- lichen Verkehr so viel blumengeschmückte Knopflöcher wie in Berlin. Die Cultur der Orchideen zum Zwecke des Schnittes erweitert sieb von Jahr zu Jahr, und es fiuden diese reizenden Blumen in geschmackvollen Arrangements immer mehr Verwendung. Einen regen Handelsartikel mit gutem Absätze bilden getrocknete Blumen und Gräser, theils hiesiger, meist je- doch ausländischer Cultur. Die in der Gärtner-Markthalle in Berlin erzielten Preise für Topf- und Freilandi)flanzen, abgeschnittene Blumen, Gemüse etc. gelten innerhalb Deutschlands viel- fach als Normalpreise, und daraus gebt zur Genüge her- vor, dass der gärtnerische Handel Berlins eine führende Stellung in Deutschland einnimmt. Aus der zu der Gruppe gehörigen nicht stark ver- treten gewesenen wissenschaftlichen Abtheilung wollen wir nur der grossen Firma Brückner, Lampe & €o. gedenken. Sie hatte eine treffliche Drogen-Sammlung ausgestellt. Die grosse Anzahl von 130 Arten Chinarinde, etwa 80 Arten Gummi Arabicum, viele Arten von Coca etc. sowie ferner die Sammlung der Fasern und Hölzer, die sehr reichhaltige Samndung aller Arten von Sämereien wären hervorzuheljen. Für ebenso erwähnenswerth halten wir auch: dass in der Sammlung die abweichenden Arten und vielen Verfälschungen, die auf den Markt gekonmien sind, vorgeführt wurden. Für das grosse Publicum war die Vorführung der Original-Packungen, z. B. von Opium, Sarsaparilla, Rhabarber etc. von besonderem Interesse, da Viele Opium, Sarsaparilla etc. noch nicht gesehen haben. Die Anlage der Samndung ist namentlich für die Pharmakognosie ein wirkliches Verdienst. Sie ist ständig im Hause der Firma (Neue Grünstrasse) zu be- sichtigen. ■ (Schluss folgt.) Altägyptisches Brot ist der Gegenstand eines Vor- trages, den Gebeimrath Wittmack in der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin hielt. — Die Brote, die sich jetzt in der ägyptischen Abtheilung der Kgl. Museen in I»crlin unter No. 15 — 17 befinden, stammen aus dem Grabe des Mentuhotep (c. 2500 v. Chr.) und hatten nach den bei der Auffindung angefertigten Zeich- nungen theils flaehkreisrunde, theils kegelförmige (Jestalt. Jetzt sind sie zum Theil in Staub zerfallen. Ihre Farbe ist tief schwarzbraun. Die Bruchstücke vou ganzen Körnern, die Spelzen- und Grannentbeile, die man bei allen Proben gewahrt, lassen vermutben, dass es sich um Brot aus grob- gemahlener, nicht einmal gebeutelter Gerste handelt. Die mikroskopische Untersuchung bestätigt dies. Die langen, wellig berandeten, verkieselten Oberhautzellen der Spelzen; die Kurzzellen zwischen den langen Zellen; die faserförmigen, stark verdickten Hypodermalzcllen unter der Oberhaut; endlich, was das Entscheidende ist, die in 2 — 3 Schiebten bintereinanderliegenden Kleberzellen unter der Schale (bei Weizen etc. liegen sie einreibig) beweisen, dass es sich um Gerstenbrot handelt. Die Frage nach dem Gährungsmittel Hess sich nicht entscheiden, da wohl zahlreiche Bakterien und Schimmel- pilzfäden, aber nur ein einziges befenähnlicbes Geliilde vorgefunden wurde, von dem Au.ssehen einer Kainnhefe- sprossung. Höchst bemerkenswerth ist, dass die Krume durch Zusatz vou wässeriger Jodkaliumlösung blau gefärbt wurde. Die Stärkekörner, die übrigens wie bei dem heutigen Brote, fast alle verkleistert siud, haben sich also durch die Jahrtausende hindurch erhalten, ebenso wie nach Schweinfurth die Farbstoffe vieler Blütben, z. B. Delphinium, Centaurca depressa, Lesbania, Mohn, Saflor und das Grün der Wassermelonenblätter, Objecte, die im Museum des Botanischen Gartens zu Berlin zu sehen sind. Interessant ist die Feststellung Prof. Wittmack's auch insofern, als dadurch von Neuem die Ansieht derer bestätigt wird, die die Kultur der Gerste für älter halten als diejenige des Weizens. 1^- Ueber die Wirkung des elektrisclieii Organes von Torpedo haben F. Jolyet, P. Ri viere und Jobcrt Versuche angestellt, deren Resultate sie in den Arbeiten aus den Laboratorien der Station Zoologique d'Arcachon, aus dem Jahre 1895 veröffentlichen. D'Arsonval hatte festgestellt, dass die Entladungen des hinteren Tbeiles des elektrischen Organes ';,oo ^ccunde später stattfänden, als die des vorderen Theiics. Er hatte danach die Frage aufgestellt, ob man nicht bei diesem ( )rgane verschiedene, unabhängig von einander functionirende Abtheilungen habe. Verf. stellten eine Anzahl Versuche hierüber an, fanden aber weder zwischen vorn 'uul hinten, noch zwischen 568 Natnrwissenschaftliche Wochensclirii't. XI. Nr. 47. rechts und links Zeituutcrscliiede bei den Entladunuen, was um so auffälliger ist, als die Nervenleitung in diesem Organe eine sehr langsame, 8—9 m in der Secunde ist. Sie glauben daher, dass alle Nerven der elektrischen Organe gleich lang seien und fügen hinzu, dass, da dies Organ zur Vertlieidigung und zum Angriti' diene, es im Interesse des Thieres läge, dass alle Theile desselben gleichzeitig den Schlag ausübten, damit er möglichst stark und wirksam sei. Zugleich gelang es den Ver- fassern festzustellen, dass Torpedo selbst durch seine Schläge beeinflusst werde. Der elektrische Schlag wird begleitet von einer sciir kurzen Muskel-Contraction, die besonders deutlich an der Unterseite des Körpers ist, an einem Muskel, der von dem Vorderrande der Clavicula zum Herabzielier des Unterkiefers geht. Hier maasseu die Verfasser die Zusammenziehungen und fanden, dass sie .jedes Mal "/,Qg Secunde nach dem elektrischen Schlage stattfanden, wodurch der Zusammenhang beider bewiesen ist. — Vier graphische Figuren erläutern die Versuchs- Ergebnisse. Reh. lieber die Beziehungen zwischen hydrogra- phischen und meteorologischen Phänomenen hat Otto Pettersson in Stockhohii im Augustheft der „Meteoro- logischen Zeitschrift" einen umfangreichen Aufsatz vei-öff entlichst, der uns allgemeinen Interesses werth erscheint, und der zu weiteren Forschungen auf einem Gebiete anregt, auf welchem sicher Entdeckungen von grosser Tragweite flu- die Meteorologie und Klimatologie zu erwarten sind. Indem wir ganz kurz über den Inhalt dieser Abhandlung berichten, ist es unser Wunsch, da- durch dem Originalaufsatzc möglichst viele Leser und dem darin enthaltenen Vorschlage zu einer internationalen hydrographischen Durchforschung des nördlichen Theiles des Atlantischen Oceaus, der Nordsee und der Ostsee lahlreichc Interessenten und Förderer zuzuführen. Durch Forschungen der letzten Jahre hat sich un- zweideutig ergeben, dass zwischen dem Zustande der Meeresoberfläche und gewissen klimatischen Schwan- kungen von kurzer Periode ein enger Zusammenhang bestellt, und zwar ist der Einfluss des Meeres auf das Klima zur Winterzeit bedeutender als im Sommer. Da man früher die Erforschung der nördlichen Meere nahezu ausschliesslich im Sommer betrieben hatte, so war dieser Zusanmienhang kaum bemerkt worden. Zwar wird der Einfluss des Meeres auf das Klima Nordeuropas eher über- als unterschätzt, doch geschieht dies nur auf Grund der vagen Vorstellung von dem „Golfstrom", ohne dass man sich dabei auf thatsäehliche Beweise stützte. Zur Erklärung der Thatsache, dass die mittlere Winter- temperatur Skandinaviens 10 — 20** C. höher ist, als die geographische Lage bedingt, sind nach Pettersson vor Allem drei F'ragen zu beantworten: 1. Wo ist der Golfstrom im Winter zu finden? 2. Welchen Wärnicvorrath bringt derselbe, und wie wird dieser Wärmevorrath ausgenutzt? 3. Ist diese Wärme(|uelle als constant zu betrachten, d. h. enthält der Golfstrom oder die nördlichen Aus- läufer desselben alljährlich zu derselben Jahres- zeit denselben Wärmevorrath, oder finden von Jahr zu Jahr Schwankungen statt in der Tem- peratur oder in der Gesammtwärme des Wassers, und existirt irgend welcher Zusammenhang zwischen diesen Schwankungen und den klima- tischen Verhältnissen? Die Antwort, welche der heutige Stand der Meeres- forschung auf diese Fragen giebt, ist niclit befriedigend; die Lösung dieser Fragen ist aber, wie unmittelbar ein- leuchtet, von ausserordentlicher Wichtigkeit. Aus diesem Grunde unternimmt es nun Pettersson, selbst einen Beitrag für diese Lösung zu liefern und besonders zu weitergehenden, allgemeinen Unternehmungen anzuregen. Das, was Pettersson als ersten Versuch zur Beant- wortung der aufgeworfenen Fragen beibringt, ist sehr bc- achtenswerth, doch können wir hiei' nur wenige Ergeb- nisse herausgreifen. Als eine bemerkenswerthe Folge aus den angestellten Untersuchungen ergiebt sich vor allem, dass während der Wintermonate die atmosphärischen Isobaren und Isothermen dieselbe oder wenigstens eine ähnliche Gestalt haben, wie die hydrographischen Grenz- linien, die Isohalinen (Linien von gleichem Salzgehalt) und die Isothermen der Meeresoberfläche. Besonders auf- fallend ist die Correspondeuz der letzteren Curven mit den atmosphärischen Isobaren, derart, dass die Area des kleinsten barometrischen] Druckes mit der Area der höchsten Oberflächentemperatur des Meeres oder mit der Ausbreitung des Wassers von dem höchsten Salzgehalte (dem Ausläufer des Golfstrome.s) annähernd zusammen- fällt. Dies führt zu einem causalen Zusammenhange, den Pettersson in dem Satze ausspricht: .,Die Bedingung für die Entstehung einer dauernden barometrischen Depression im Winter über irgend einem Theil des Atlantischen Oceans ist, dass ein Zweig oder Ausläufer des Golfstroms dort vorhanden ist, welcher dem Minimum als Unterlage dient, woraus dasselbe die zu seiner Erhaltung nöthige Energie schöpft." Beim Eintritt des Winters ist dieser Wärmevorrath naturgemäss am grössten, und je mehr diese Wärmequelle im Laufe des Winters versiegt, desto mehr schwächt sich ihre Wirkung auch ab, was mit der Thatsache übereinstimmt, dass sich im Mai etwa die grossen atmosphärischen Druckunterschiede beinahe aus- geglichen haben. Es finden hiermit die grossen oeea- nischen Minimumregionen des Winters, auf welche be- sonders der dänische Meteorologe Iloftmeyer seine Auf- merksamkeit richtete, eine naturgemässe Erklärung, aber auch die Thatsache, dass die kleineren Minima vorzugs- weise den Wasserwegen folgen, dürfte damit dem Ver- ständnisse näher gerückt sein. Hinsichtlich der zweiten der oben angegebeneu Fragen ergeben die bisherigen Forschungen das Resultat, dass im Winter (vom November bis März) eine vollkonmieu gleichmässige Temperatur in allen Tiefen der Nordsee von der Oberfläche bis zum Boden vorhanden ist, während im Sommer die oberen Wasserschichten eine höhere Temperatur haben als die unteren. Dies wird bewirkt durch die verticale Circulation innnerhalb des Meer- wassers, die ihrerseits wieder dadurch verursacht wird, dass die wärmeren Oberflächeutheilchen ihre Wärme an die kältere Luft abgeben und nun dem aufsteigenden wärmeren Wasser Platz machen. Hiermit ist auch eine Ventilation des AVassers der Nordsee verbunden, indem die an der Oberfläche abgekühlten Wassertheilchen mit Luft gesättigt zu Boden sinken. In der Ostsee ist der aufgespeicherte Wärmevorrath weit geringer als in der Nordsee; er wird aber dadurch sehr wirksam, dass eine höhere Anfangs- und eine niedere Endtemperatur vor- handen ist, inid es liegt hierin nach Pettersson höchst wahrscheinlich die Erklärung für das ungewöhnlich milde Herbstklima der Ostseeküste Schwedens. Im Laufe des Winters giebt das Ostseewasser soviel Wärme ab, dass die Temperatur derselben schliesslich nur etwa 2** beträgt. Zur Eisbildung in der offenen Ostsee wäre nöthig, dass noch 50 — 100 000 Kalorien von jedem Quadratmeter der Oberfläche abgegeben würden. Wenn das Wasser der von Kattegat einfliessendcn Unterströmung ein höheres Niveau erreichte, würde höchstwahrscheinlich die Ostsee in kalten Wintern zufrieren, wie es aus früheren Jahr- hunderten (zuletzt 1573) bekannt ist. Für die Richtigkeit XI. Nr. 47. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 569 dieser Erklärung stützt sich Pettersson auf die That- sache, dass im Mittelalter bei der südwestlichen Spitze von »Schonen und sogar südlich von Gotland massenhaft Häriuge gefangen wurden ; dies setzt voraus, dass damals salzhaltiges Wasser in viel stärkerem Maasse durch die genannte Unterströmung der Ostsee zugeführt wurde als jetzt. Es ist hier also in geschichtlicher Zeit eine Ver- änderung vor sich gegangen. Was die dritte Frage betrifft, nämlich die Constanz der Wärmequelle, so kommt hier Pettersson auf Grund einer ausführlichen Untersuchung im Wesentlichen zu fol- genden Ergebnissen : In gewissen Jahren zeigt der Atlan- tische Driftstrom (der Golfstrom) nicht nur in seiner Rich- tung, sondern in seiner Intensität Schwankungen, welche mit gewissen klimatischen Verhältnissen (dem Eintreffen von kalten und von warmen Wintern) in Nordeuropa zu- sammenzufallen scheinen. Jedenfalls kann die Tempe- ratur der Nordsee im Winter (Februar) von einem Jahr zum anderen beträchtlich schwanken ; hiermit steht in auf- fallender Weise die Thatsache in Einklang, dass der all- gemeine Charakter der Wintermonate Februar und März in den skandinavischen Ländern sich je nach der grösseren oder geringereu Meerestemperatur milder oder kälter ge- staltet. In Betreff der Luftdruckverhältnisse kommt Pettersson nach Untersuchungen, bei denen er von Dr. Ekholm unterstützt wurde, zu dem nicht über- raschenden Ergebniss, dass in warmen Wintern die Minima des norwegischen Meeres und der Nordsee fast ausschliesslich vorherrschend sind. Auf Grund derartiger Untersuchungen, wenn sie in ausgiebigem Umfange regel- mässig betrieben werden, wird sich nach Ansicht von Pettersson künftig eine Prognose über den allgemeinen Charakter des kommenden Winters anstellen lassen, indem man bei Beginn der kälteren Jahreszeit das Verhalten des Meeres berücksichtigt. Die Fülle interessanter Beziehungen und die Auf- klärung über manche bisher räthselhafte Erscheinung, welche Pettersson aus dem verhältnissmässig geringen Beobachtungsmaterial schon jetzt hat ableiten können, lassen es in der That äusserst erwünscht erscheinen, all- gemeinere und s_ystematische Beobachtungen über die berührten Verhältnisse anzustellen; es handelt sich hierbei um wichtige meteorologische und klimatologische Fragen, und es kommen auch sehr erhebliehe commercielle Inter- essen dabei in Betracht. In den oberen Wasserschichten von 600 — 800 m Tiefe, die eine so veränderliche Natur zeigen, spielt sich der Mechanismus der grossen Meeres- strömungen ab, sie enthalten die Wärmequelle für die Wintermonate, und in ihnen befindet sich das Plankton. Es wird also, wie dies auch auf dem internationalen Geo- graphencongress 1895 zu London ausgesprochen wurde, auch für die Hochseefischerei aus derartigen Beobachtungen ein günstiges Ergebniss zu erwarten sein. Den Schluss der interessanten Arbeit Pettersson's, aus welcher wir nur wenige Resultate hier haben wieder- geben können, bildet ein detaillirter Plan für die hydro- graphische Durchforschung der hier besprochenen Meere, den Pettersson in Gemeinschaft mit Ek man aufgestellt hat. Wir begnügen uns mit dem Hinweise auf denselben und sehliessen unseren Bericht mit dem Wunsche, dass dieser Plan bald zur Ausführung gelangen möge. G. Die Sanduhrstructiir der Krystalle. — Nachdem die Gesteine der mikroskopischen Erforschung zugänglich gemacht worden waren, fiel bald auf, dass in manchen Gesteinen gewisse farbige Gemeugtheile, vorzugsweise Augite, Färbungsunterschiede der die verschiedenen Flächen bildenden Substanzen zeigten; die Längsschnitte solcher Krystalle boten demnach Bilder, welche au die bekannten Stundengläser erinnerten und der Structur obige Bezeichnung verschafften. Diese Wachsthums- erscheinung dünkte nicht schwierig daraus zu erklären, dass nach einer stürmisch verlaufenen frühesten Jugend- periode eingetretene ruhigere Entwickelung dem bis dahin nur zur Skelettbildung gelangten Mineralindividuum nun gestattet habe, die Wachsthumslüeken mit in Folge der Krystallausseheidungen inzwischen etwas abgeänderter Krystallsubstanz auszufüllen. Dass dem nicht so ist, zeigt jetzt A. Pelikan in einer (in Tschermak's Miner. und petrogr. Mittheil. XVI. Bd. enthaltenen) Abhandlung „über den Sehichtenbau der Krystalle", einer sehr inhalt- reichen Abhandlung, in welcher Pelikan unter anderen auch darzulegen versucht, dass man die Augite krystallographisch auf Grund der Aetzfiguren zu orientiren habe und dass die Diopside wahrscheinhch hemiedrischer Natur sind. Nach Pelikan sind die verschiedenfarbigen Theile der Krystalle von Sanduhrstructur nicht nach einander, sondern zu gleicher Zeit gebildet worden; die Ver- grösserung der Individuen erfolgte unter gewissen Um- ständen nicht durch mehr oder minder gleichmässigen Absatz gleicher Substanz auf allen Flächen, wobei also gleich alte Schichten von gleicher chemischer Beschaffen- heit sein müssen, sondern gleichzeitig schieden sich an den verschiedenen Flächen eines Krystalles verschiedene Substanzen aus. Vergegenwärtigen wir uns die Wachsthumsverhält- nisse der Miueraliudividuen. Befindet sich der Krystall oder Krystallkeim in einer in Uebersättigung gehaltenen Lösung seiner Substanz, so findet bei ungehindertem und ununterbrochenem Wachsthum eine regelmässige und allseitige Vergrösserung unter Bewahrung der ursprüng- lichen Gestalt statt; Schichtenaufbau ist solchenfalls nur dort erkennbar, wo Fremdkörper in zonaler Anordnung eingeschlossen wurden, oder wo secundäre Einflüsse zur Geltung kamen. Entsteht- durch beschleunigtes Wachsthum um den wachsenden Krystall herum ein Lösungshof, d. h. eine Zone von nicht übersättigter Lösung, und geht die Diffusion innerhall) der Lösung zu langsam vor sich, um der Hofbildung bald und dauernd abzuhelfen, so sind die an den Krystallkanten und -ecken zusammeustosseuden Flächentlieilchen bedeutend im Vortheil gegenüber den inmitten der Flächen belegenen, da für gleich grosse Flächentheile an der Kante und entfernt davon der Sub- stanz-Bezugsraum verschieden gross ist : es tritt dann, wie wir dies beim Kochsalz und Natronsalpeter in vorzüg- licher Ausbildung finden, Kantenwachsthum ein, welches keine geschlossenen Flächen, sondern an deren Stelle Pyramiden- oder trichterförmige Vertiefungen mit in Stufen gegliederten Wänden liefert. Durch nachträgliche Ausfüllung dieser Flächendefecte oder Krystallfactoren glaubte man also bislang die Sanduhrstructur gegeben. Schichtenbau weisen die Krystalle gewöhnlich zu- gleich mit Färbuugsverschiedenheiten in demselben auf. Nach der Natur der Färbung unterscheidet Pelikan fol- gende drei Fälle: 1. Der färbende Stoff hat mit dem Wirthkrystalle keine chemische Verwandtschaft und ist für sich nicht krystallisationsfähig. Beispiele hierfür sind die zahl- reichen Färbungen künstlicher Krystalle durch Pflanzen-, Thier- und andere Farbstoft'e, durch Kohlenwasserstoff bei Steinsalz, Flussspath, Quarz. 2. Die Färbung wird zwar durch einen anorganischen Stoft" bewirkt, derselbe ist aber nicht isomorph mit dem Wirthkrystalle. (Beispiele : Zinnerz, Baryt). 3. Die Farbe rührt von einer isomorphen Substanz her. (Beispiele: Alaun, Granat z. Th., Augit z. Th.). 570 Natnrwisseuschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 47. Betrachten wir die vorstehend angeführten Fälle näher, aber in umg-ekehrter Ordnung, indem wir bei den isomorpheu Substanzen beginnen, so finden wir bei diesen Schichtenbau selten. Isomorphe, d. h. chemisch analog zusammengesetzte und in gleichen oder doch ähnlichen Formen krjstallisirende Substanzen bilden er- sichtlich lieber Mischkrystalle, welche aus gemischten Lösungen mit gleichmässiger Färbung hervorgehen; doch lassen sich verhältnissmässig leicht ausgezeichnete Schicht- krystalle erzielen, nämlich durch das Weiterwachsenlassen eines Krystalles in einer Lösung isomorpher Substanz. Wegen der ausgesprochenen Farbenunterschiede hat zu solchem Versuche Hauer folgende 4 Salze empfohlen: Magnesium-Nickelsulfat, Magnesium-Kobaltsulfat, Magne- siumsulfat-Chromat und Magnesiumsulfat. Bei allen diesen Schiclitkrystallen erkennt man auf allen Flächen gleich dicke Zuwachschichten. Wie bei diesen künstlichen Bil- dungen, so ist auch bei den von Natur gelieferten ge- schichteten Mischkrystallen, wie den Carbonaten sowohl der Kalkspath- als auch der Aragonit-Gruppe und insbe- sondere bei den Plagioklasen, die Schichtumhüllung stets allseitig und geschlossen, also nichts von Sanduhrstructur oder Sectorenbildung zu bemerken. Der zweite Fall der Färbung, nämlich durch nicht isomorphe Krystallsubstanz, gehört in die Reihe der, seit Biich's Zeiten l)ereits von den Feldspathcn bekannten Erscheinung der regelmässigen (oder krystallographisch orientirten) Verwachsungen verschiedener Mineralien; auf diesem Wege kann eine ümwachsung eines Krystalles durch verschiedenfarbige nichtisomorphe Mineralsubstanz, also auch ein Schichtenbau hervorgehen: Bei solcher orientirten Verwachsung verschiedener Mineralien werden aber immer gewisse Flächen des Wirthkrj'stalls bevor- zugt, indem z. B. Albitkrystalle fast ausschliesslich auf den Flächen der Prismenzone des Orthoklases (von Ba- veno), Rutile immer nur auf der Basis des Eisenglanzes aufsitzen. Aehnlichen Einfluss gewisser Krystallflächen auf die Beschaffenheit der auf ihnen sich ansetzenden Substanz lassen nun auch die Beobachtungen an durch nicht kry- stallisationsfähige, chemisch nicht verwandte Stoffe ge- färbten Wirthskry.stallen (also der erste der oben ange- führten Fälle!) erkennen. Von grösserem Interesse aber noch ist der Versuch, den zum Zwecke von Pleochroismus- Studien Senarmout zuerst ausgeführt hatte. Pelikan wiederholte denselben, d. h. suchte entstehende Krystalle von Strontiumuitrat durch Campecheholzfarbstoif zu färl)en, und fand, dass die Farbstott'aufnahme seitens der Kry- stalle nicht gleichmässig erfolge, sondern dass die Prisnienflächen ungefärbte Anwachskcgel, die übrigen Flächen hingegen prachtvoll gefärbte Anwachskegel hatten; bei genügend langsamem Wachsthume bildeten sich häufig zum Schlüsse ungefärbte Schichten aus. Es entstand also Sectorenbildung und Sanduhrstructur. Aus allen angeführten Thatsachen folgert Pelikan, dass das Zustandekommen der sogenannten Sanduhr- structur nicht auf das Hinzutreten isomorpher, sondern auf die Anwesenheit nicht isomorpher Stoffe zurückge- führt werden muss; er hält jene für eine vollkommene Parallele zu den orientirten Verwachsungen ungleich- artiger Minerale, oder für einen Specialfall derselben. Der Unterschied besteht nur darin, dass bei den orien- tirten Verwachsungen der eine Krystall bereits fertig ge- bildet war, als die Lösung, welche die zweite Substanz enthielt, iiinzutrat. Wenn der zuerst gebildete Krystall nicht mehr weiter wuchs, konnten sich auf seiner Ober- fläche die Krystalle des zweiten in jener Stellung ansetzen, welche ihnen die orientirenden Kräfte ihrer Unterlage vor- schrieben. Wenn aber in der Lösung gleichzeitig beide Stoffe enthalten sind, „so kann das Wachsthum entweder in der Weise erfolgen, dass in einem gegebenen Momente auf der Oberfläche des einen Minerales die Ausscheidung des zweiten erfolgt, wobei unter der Annahme, dass die erste Substanz orientirend auf die zweite wirkt, alle Krystalle der letzteren eine krystallographisch bestimmte L;ige annehmen werden, und dass dann der Krystall eine neue Schicht ansetzt, auf welcher sich wieder Krj'stalle der zweiten Substanz ansiedeln können. Eine Wieder- holung dieses Vorganges (der Wechsellagerung) führt zu jenem Endresultate, wie es in den orientirten Ein- schlüssen vorliegt. Es kann aber auch eine gleich- zeitige Ausscheidung der beiden Stoffe erfolgen, sie krystallisiren dann mit einander. In diesem Falle muss die Vertheilung der Molekel der zweiten Sub- stanz in der Masse des Krystalles eine regelmässige sein, da sich die orientirenden Kräfte der Hauptsubstauz oft"enl)ar auf jede Molekel der zweiten erstrecken werden. Es ist also eine orientirte Verwachsung der Molekel der zweiten Substanz mit dem in Bildung begriffenen Krystalle der ersten." Die Causalitätsverhältnisse der Sanduhrstructur und der orientirten Verwachsung noch weiter zu verfolgen, insbesondere die Wirkungsgrössen der doch immer nur in ungemein geringen Mengen vorhandenen Fremdstoffe zu bestimmen, hält Pelikan für noch wohl möglich. "^ 0. L. Zur Frage der TeiiiLS-Rotatioii. — In No. 1646 1 der „English Mechanic" wird über Prof. Keeler's Be- stimmung der Rotation von Jupiter, Saturn und Venus auf spektroskopischem Wege berichtet und erwähnt, dass Venus eine langsamere aber deutliche Rotation zeigte. Damit ist diese Frage endgiltig zu Gunsten meiner Beobachtungen entschieden und der Beweis er- bracht, dass die Beobachtungen von Perrotin, Mascari, Cerulli und Sacchini, trotz der denselben zur Verfügung stehenden grossen Instrumente — auf Irrthum be- ruhten. In einer der nächsten Nummern der „Astronom. Nachr." wird auch in Bezug auf die Rotation des Mer- kur ein unanfechtbarer Beweis zu Gunsten meiner Beob- achtungen enthalten sein. Angesichts der Keeler ge- lungenen spektroskopischen Feststellung der Rotation beweist auch die eben eingetroffene Meldung Lowells, in welcher er sich auf Seite Schiaparellis stellt, nur die Untauglichkeit der Riesenfernrohre zur Wahrnehmung der allerschwächsten Helligkeitsabstufungen auf Planeten. L. Brenner. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Die Privatdoconten der Mineralogie bezw. physikalischen Chemie in Berlin Dr. Hermann Traube und Dr. Hans Jahn zu ausserordentlichen Professoren; der Privat- docent der Chemie in Heidelberg Dr. Emil Knövenagel zum ausserordentlichen Professor. Berufen wurde: Der Privatdocent der Philosophie in Marburg Dr. Ludwig Busse als ordentlicher Professor nach Rostock. Es starb: der Professor der Physik in Halle Dr. Karl Se- bastian Cornelius. L i 1 1 e r a t u r. Josepha Kodis, Zur Analyse des Apperceptionsbegriffes. Eine histcprisch-kritischo Untersuchung. S. Calvary tt Co. Berlin 1S93. Obige Schrift ist ein Beitrag zur Förderung einer rein mechanischen Auffassung der seelischen Erscheinungen. Sie sucht dies dadurch zu erreichen, dass sie einerseits in ihrem ersten Theilo die hauptsächlichsten in der Geschichte hervor- getretenen A p p e r c e p t i o n s-Bogrifle historisch kritisch untersucht, andererseits in ihrem zweiten Theile die in Frage kommenden seelischen Erscheinungen an der Hand einer auf dem Boden der streng mechanischen Weltauffassung stehenden, also rein be- XI. Nr. 47. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 571 schreibenden, reine Erfahrung wollenden Erkeuntnisstheorie — wie sie die Kritik der reinen Erfahrung von Richard Avenarius bietet — systematisch darstellt. Wir haben zwei grosse Gruppen seelischer Thatsachen: Wahr- nehlnungen (Elemente) und Gefühlsbetonungen (Charakterisirungen). Die erstere bezeichnet die gewöhnliche Psychologie als die „mehr objectiv charakterisirten Bewusstsseinserscheinungen", die an- deren als die „mehr subjectiv charakterisirten". Bei den ersteren ist die mechanische Auffassung am ersten durchgedrungen, weil hier die Durchführung der mechanischen Verfassung ver- hältnissmässig leicht war. Dagegen zeigten sich bei der zweiten Gruppe grosse Schwierigkeiten, insbesondere soweit es den „Willen" und eben die „Apperception" betraf. Unsere Schrift greift also eine der brennendsten Fragen der Psychologie heraus; die Lösung derselben bedeutet auch im Wesentlichen den Sieg der mecha- nischen Auffassung. Die Schrift geht gründlich und sorgfältig vor: Descartes, Leibniz, Wolf, Kant, Herbart, Steinthal, Lazarus, Wundt und Avenarius werden nacheinander in ihren bezüglichen Lehren dargestellt und eingehend kritisch beleuchtet. Diese Kritik bietet eine Fülle treffender, lichtvoller Bemerkungen, schade dass der Stil — er verräth eine Nichtdeutsche — öfter zu wünschen übrig lässt. Drei Hauptbegriffe der Apperception werden unterschieden: 1. Apperception als ein Vorgang, der den Vorstellungen die Klarheit oder die Bewusstheit mittheilt, (Leibniz u. s. w.) Die einzelne Welle erzeugt nur eine schwache unklare Wahr- nehmung, ihr Geräusch wird nur empfunden (percipirt), aber nicht bemerkt (appercipirt). Erst das Zusammenkommen vieler ein- zelner Wellen bringt ihr Geräusch zum klaren Bewusstsein, zur Apperception. 2. Apperception als reflexive Erkenntnis s, d. h. als Be- ziehung des gedachten Objectes auf das denkende Subject (Wolfs Ansicht). 3. Apperception als Bewegung zweier Vorstellungs- massen gegen einander zur Erzeugung einer Erkenntniss, be- sonders Herbarts Ansicht: z. B. ein vernommener Schall wird als Schlag der nächsten Thurmuhr bestimmt, aufgefasst (appercipirt). Li diesen Apperceptionstheorien ist nun noch viel nicht- mechanische Auffassung vorhanden ; auch noch bei der in der obigen Schrift vorletzten von Wundt, der trotz aller seiner physiologischen Grundlegungen die Apperception nur zu einem Theile mechanisch erklärt, zu einem anderen Theile dies aber für nicht möglich erachtet und recht bedenkliche Erklärungs-Hülfs- mittel (sein ,.inneres Princip" und seine „ps_vchische Kausalität") verwendet. Erst mit Richard Avenarius wird uns eine rein mechanische Auffassung sämmtlicher in Betracht kommenden Vorgänge geboten. Insbesondere tritt bei ihm der Gesichtpunkt der Umwandlung von Unbekanntem in Bekanntes auf Grund der Uebung (Gewohnheit) hervor. Das Nähere lese man in der viel- fach anregenden Schrift nach, die allen psychologiscli Interessirten bestens empfohlen sei. Dr. M. Klein. Dr. Theodor Liebisch, o. ö. Professor der Mineralogie an der Universität Güttingen. Grundriss der physil^alischen Kry- stallographie. Mit 898 Figuren im Te.xt. Leipzig, Verlag von Veit & Comp. 189«. 8". 506 S. — Preis 13,40 M." In seinem vor fünf Jahren erschienenen Lehrbuche der phy- sikalischen Krystallographie brachte uns der Verfasser eine über- sichtliche, eingehende Darstellung unserer gesammten Kenntniss von der Physik der Krystalle. Dem gediegenen Werke stellt er im vorliegenden Buch einen Grundriss zur Seite, welcher fast eben so umfangreich wie jenes ist. Derselbe soll vorzugsweise dazu dienen. Studirende in das Gebiet der Krystallographie einzu- führen; deshalb werden auch keine specifischen krystallogra- phischen, sondern nur genügende mathematische und physika- lische Vorkenntnisse vorausgesetzt. Die erste Abtheilung des Buches umfasst die Morphologie. Sie beginnt mit den einfachsten Erfahrungen über die äusseren Formen der Krystalle und behandelt insbesondere das Gesetz von der Beständigkeit der Flächenwinkel, das Auftreten der Sym- metrie, die Ableitung der Formen eines krystallisirten Körpers aus einer Grundform und das geometrische Grundgesetz der Krystallpolyeder. Von diesem, welches meist als Gesetz der ra- tionalen Indices bezeichnet wird, werden auch die gleichbedeu- tenden Ausdrücke, das Gesetz der Zonen und das der rationalen Doppelverhältnisse erörtert. Hierauf folgt die Darstellung der Symmetriegesetze, welche die Vorgänge des Wachsthums und der Auflösung der Krystalle beherrschen, wobei die Begriffe der geo- metrischen und krystallographischen Symmetrie, der Symmetrie- elemente und die Deckoperationen, d. h. die Operationen, durch welche ein Krystall in eine mit der vorherigen gleichberechtigte Lage übergeführt wird, besprochen werden Dann werden aus der Verbindung des geometrischen Grundgesetzes der Krystall- polyeder mit den Deckoperationen die in homogenen Krystallen möglichen Anordnungen von Symmetrieelementen, d. h. die zwei unddreissig Ki-ystallabtheilungen hergeleitet, die zu sechs Krystallsystemen zusammengefa.sst werden. Endlich werden diese letzteren einzeln abgehandelt und durch Beispiele belegt. Die zweite, umfangreichere Abtheilung des Werkes bringt die Darstellung der physikalischen Vorgänge in krystallisirten Körpern, also die physikalische Krystallographie im engeren Sinne. Zunächst wird darauf hingewiesen, dass erfahrungsgemäss der Verlauf jener Vorgänge von der krystallographischen Sym- metrie abhängig ist. Letzterer entspricht stets die physikalische Symmetrie, aber nicht umgekehrt. Um die Analogien in den Gesetzen der verschiedenen Erscheinungen behufs Erleichterung des Ueberblickes hervorheben zu können, ist bei der Besprechung die Reihenfolge der Erscheinungen so gewählt worden, dass die mit höherem Grade der Symmetrie vorangehen, die mit niedri- gerem Grade folgen. Demgemäss werden thermische Ausdehnung einschliesslich homogener Deformation, Wärmoleitung, elektrische Leitungsfähigkeit in metallisch leitenden Krystallen, thermoelek- trische Ströme, inducirter Magnetismus, dielektrische Polarisation, optische Eigenschaften, Elastieität, Festigkeit, Härte, Sprödigkeit, Plasticität, einfache Schiebungen nach Gleittlächen, Einfluas ela- stischer Deformation auf das Verhalten der Krystalle, Pyroelek- tricität und Piezoelektricität, elektrooptische Erscheinungen, um- kehrbare Umwandlungen krystallisirter Körper nach einander betrachtet. Die hervorragende Bedeutung der optischen Eigen- schaften bei der Untersuchung der Mineralien, die ausgedehnte Verwendung der optischen Untersuchungsmethoden besonders bei petrographischen Studien gab Veranlassung , die Auseinander- setzungen über die optischen Erscheinungen in den Krystallen möglichst eingehend zu gestalten. Dieser Abschnitt ist demnach recht umfangreich geworden und umfasst beinahe die Hälfte des ■Buches. Die physikalischen Vorgänge und ihre Beobachtung sind bei der Darstellung vornehmlich erläutert und somit auch die zahlreichen, dazu gebräuchlichen Instrumente mehr oder weniger ausführlich berücksichtigt worden. Theoretische Erör- terungen sind eingeschränkt worden, aber reichliche Litteratur- hinweise erleichtern ein tieferes Eindringen nach dieser Seite hin. Der Grundriss ist mit fast 900 sorgfältig ausgewählten Figuren ausgestattet. Nach Auswahl, Anordnung und Behand- lung des Stoffes ist er in hohem Maasse geeignet, den beabsich- tigten Zweck zu erfüllen, da gerade auch von den wichtigsten Abschnitten, den über die geometrischen und optischen Eigen- schaften der Krystalle, hervorgelioben werden muss, dass sie aus- gezeichnet gelungen sind. Das Buch wird dem Studirenden ein vortrefflicher Leitfaden sein, nicht minder aber dem Lehrer eine geschätzte Zusammenfassung des Stoffes darbieten. Der Preis des Buches ist massig. ' .Scheibe. Bauer, Geh. Beg.-E,. Prof. Dr. lUtax, Edelsteinkunde. Leipzig. - 27.50 M. Bernthsen, Prof. Dr. A., Kurzes Lehrbuch der organischen Chemie. Braunschweig. — 10 M. Bianchi, Luigi, Vorlesungen über Differentialgeometrie. 1. Lief. Leipzig. — 12 M. Binder, Prof. Wilh., Theorie der unicursalen Plancurven 4. bis 3. Ordnung in synthetischer Behandlung. Leipzig. — 12 M. Cohn, Dr. Jonas, Geschichte des Unendlichkeitsproblems im aliendländischen Denken bis Kant. Leipzig. — 5 M. Cranz, Oberrealsch.-Iiehr. Doz. Prof. Dr. Carl, Compendium der theoretischen äusseren Ballistik. Leipzig. — 20 M. Hegemann, Prof. E., Uebungsbuch für die Anwendung der Aus- gleichsrechnung nach der Methode der kleinsten Quadrate auf die praktische Geometrie. Berlin. — 5 M. Karte des Herzogt. Saclisen-Altenburg. Leipzig. — 17,50 M. Richter, OberbibUoth. Paul Emü. Bibliotheca geographica Ger- maniae. Leipzig. — 22 M. Rubinstein, Dr. Susanna, eine Trias von Willensmetaphysikern. Leipzig. — 2 M. Ule, Priv.-Doz. Dr. "Willi, Zur Hydrographie der Saale. Stutt- gart. — 4,5<.t M. Wehrli, Dr. Leo, Das Dioritgebiet von Schlans bis Disentis im Bündner Oberland. Bern. — 8 M. Wertheim, Realsch.-Prof. Gust., Die Arithmetik des Elia Mis- rachi. Braunschweiü. — "> M. Inhalt: Hans Schmidtkunz, Stellung und Anblick des menschlichen Körpers. — Von der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896. (Fortsetzung.) — Altägyptisches Brot. — Ueber die Wirkung des elektrischen Oi'ganes von Torpedo. — Ueber die Beziehungen zwischen hydrographischen und meteorologischen Phänomenen. — Die Sanduhrstructur der Krystalle. — Zur Frage der Venus-Rotation. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Josepha Kodis, Zur Analyse des Apperceptionsbegriffos. — Dr. Theodor Liebisch, Grundriss der physikalischen Krystallographie. — Liste. 572 Naturwissenschaftlicbe Wocheuschrilt. XI. Nr. 47. Yerlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin SW. 46. Italien Ansichten und Streiflichter von Victor Hehn. Fünfte Auflage mit Lebensnachrichten über den Verfasser. Eleg. geb. 7 Mark. „Das bedeutendste Buch, das uns der diesjährige Büchermarkt über Italien gebracht hat ein Buch, das ganz die stark subjective, geistreiche, so schroffe und doch wieder so zarte, so rücksichtslose wahre und doch dabei so human ab- wägende, vornehme Art Hehns athmet. Der Herausgeber hat wohl Eecht, wenn er saL't, es sei das Tiefste, Freieste, Originellste, in die dem Inhalt Terwandteste Form Gegossene, was seit Goethe über Italien gesagt worden sei." Gegen postfreie Einsendung des Betrages erfolgt die Zusendung postfrei. Sum «iTuc-aebiand), pcrftcüfjav für Kinber Bom 6.-1S. Sebmc-iabre. (Slegantc founc einffid)c 3lnf>füt)vun8. (frftc frniiktntliiilcr Sdjiilliniihfabrik A. Lickroth & Co. Fraiikentlial StjeiiU'falj. 'Jlclteftci; gadietnlilitiemciit euro))n§. 28 erste AussteMiings-Preise. Siit'tifatiou aller v2i)ftenie ton cid)ulbantcit. X<'iieste Konstruktionen. lurngeräthe, Eisenmöbel etc. .ftatalogc oratio u. fr.in£o. Scrfrctec aciud)t. lu Ferd. Uiiuimlers Verlagsbiicii- handlung in Berlin SW. 12 erschien: Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am köngl. Realgymn. in Berlin 4-t4 Seiten gr. 8. Preis 6 M., geb. TM. Illußrierter ^rfdinihkatalog. 3>crjcidjnis gcÄicgcncv populärer ^crdjcnßo'crfic unb ber (ftcmpcffcljcn ^taffificr-jlusgaljcn lerö. gümmlErs |lcrlaBslJUd)ijantilunB. u: Zu Scliränken zusammenstfllbare ScluihfächerfiirSammlungen jeder Art. D. G. M. No. 27559. • Prospekte franko ! • Carl Elsaesser Schönau bei Heidelberg ((Irossli. Binlcn.) Dr. F. Crantz, Rlieiiiisclies Mineralien - Contor. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. Geschäftsgründung 18:!?.. Bonn ü.l RH. fieschäftsgründung is;!:i. Liefert Mineralien, Dleteoriten, Edelsteinmodelle. Versteinerungen. Gesteine, sowie alle mineralogisch -geologischen Apparate und Utensilien als Lehrmittel für den naturwissenschaftlichen Unterricht. Eigene Werkstätten für Herstellung von a) Krystallmodellen in Holz, Glas und Pappe, sowie von matlicruatisclu'n .Modellen aller Art. b) Dünnschliffen von Mineralien, Gesteinen und Petrefacten zinii nlikro^'0., i'aiiisiuiciistr. 26, prämlirt auf der Berliner Gewerbeausstellung 1896, eni]ifiehlt sich zum direkten Bezöge .,^,\.\ ..gi, Die ans unseren Colpuicy exporfir|teiy o,(^-.|j ducte. — Bei uiibefäügener ik^'^raclitiin;^ wn-cl^cf Jd^^^^^ dass unsere Colonien in Bezug: '■aut'di^.ExpoitprotUikfei die deuthchen Merkmale eines ■,n(iqh sehr, jiii^wuHicIicn,.-, Stadiums zeigetf. Bis auf die sich jetzt zu einiger ,ß^^.j deutUng einporschwingeiidcn Plantagenprodukte (Ckcao und Tabak für Kamerun, Katfee und Vanille für 582 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 48. Ostafrika, Baumwolle und Tabak für das Südseegebiet) sind es meist solche Rohstoffe, die auch in ganz unculti- virten Gegenden die Ausfuhr ermöglichen, Palmöl und Palmkerne, Kopra, Kautschuk, Elfenbein, wilde Strauss- federn, Hölzer etc., ürproducte, welche bis auf die zwei ersten durch die Zwischenkunft des Europäers nur wenig vermehrt werden können, höchstens 'dass durch die Ver- besserung der Communicationsmittel grössere Strecken der Ausbeutung erschlossen werden. Als zweites Zeichen der wirthschaftlichen Jugendlich- keit ist der Umstand anzusehen, dass von den meisten Produkten bisher nur relativ kleine Quantitäten in den Export gelangen; für die eigentlichen Plantagenproducte ist die Ursache ja leicht verständlich, da einerseits die meisten Plantagen noch keine Vollernten geben, anderer- seits der Unternehmungsgeist zur Anlage von Plantagen erst geweckt werden müsste. Bei den Urproducten haben wir dagegen mehrere bemerkenswerthe Ausnahmen, indem einige Exportproducte in ganz ausserordentlich grossen Massen zum Export gelangen; dies beruht auf zwei ver- schiedenen Ursachen, bei Elfenbein und Kautschuk, even- tuell auch beim Kopal, auf dem im Vergleich zu den Gewinnungskosten unverhältnissmässig hohen Werth, bei Palmkern, Palmöl und Kopra auf der grossen Zu- gänglichkeit des an der Küste befindlichen Produktions- gebiets. Alles dagegen, was nicht unmittelbar zugänglich ist, oder einen besonders hohen uud verlockenden Preis er- zielt, gelangt erst in auffallend geringen Quantitäten zur Ausfuhr. Es liegt dies aber durchaus nicht an einer Inferiorität unserer Schutzgebiete in Bezug auf Klima und Boden; die grosse Jlenge der in den Colonien selbst zu beschaffenden Producte ist der beste Beweis dafür; dass sie nicht ordentlich zur Ausfuhr gelangen, muss also an- dere Gründe haben. Liegt es vielleicht daran, dass sich der Export dieser Gegenstände nicht rentirt? Auch dies ist im Allgemeinen nicht der Fall, denn wir sehen in der That, dass dieselben Producte aus den Nachbarcolonicu, die klimatisch uud kulturell auf fast derselben Stufe stehen, zum Theil in grossen Quantitäten exportirt werden. In grossen Qantitäten kommen z. B. Erdnüsse, Sesam und Wachs aus Portugiesisch-Ostafrika, Kolanüsse aus Liberia, Aflenfelle und Zierhölzer von der Goldküste, Piassava aus Sierra Leone und Liberia, Orlean aus dem Congogebiet, Strophantussamen aus Britisch-Centralafrika, Massoi und Paradiesvögel aus Holländisch-Neuguinea, Trepang und Perlscbalen aus Englisch-Neu-Guinea, Felle, Gummi etc. von dem Soraaliland, Wolle, Straussfedern, Producte der Viehzucht aus Englisch-Südafrika. Man kann thatsäch- lich und mit Recht sagen: es giebt, abgesehen von den oben angführten, wenigen, grossen Exportartikeln, kaum ein Product unserer Colonien, das nicht in benachbarten Gebieten in bedeutend grösseren Quantitäten ausgeführt würde; namentlich sind es die englischen Besitzungen, die sich in dieser Richtung durch eine schnellere Ent- wickelung auszeichnen. Psittacose. — Man wird sich noch des Streites ent- sinnen, der in Berlin vor etwa .Jahresfrist über die Frage entbrannte, ob der Papagei die Keime der Tuberkulose nnd andererer Krankheiten auf den Menschen übertragen könnte. Im Februar d. J. trach nun in Paris in einer Familie, in der ein kranker Papagei gepflegt worden war, eine Familienepidemie aus, der man den Namen Psittacose (von Psittacus, Papagei) beilegte, da man an- nahm, dass diese Infectionskrankheit von dem Papagei auf die Menschen übertragen worden sei. Seit dieser Zeit haben zwei französische Forscher, Gilbert imd Fournier, bakteriologische Untersuchungen über diesen Gegenstand angestellt, worüber die „Revue scientifique" vom 31. October er. kurz berichtet. Schon 1893 hatte Nocard einen Bacillus beschrieben, welchen er in dem Mark der Flügelknochen von direct aus Amerika importirten Papageien gefunden hatte. Diesen Bacillus haben jetzt Gilbert und Fournier wieder anfgefunden, und zwar in den Eingeweiden und dem Mark eines verendeten Papageien und in dem Ilerzblute einer an der Psittacose verstorbenen Frau. Er ist vou ausserordentlicher Viru- lenz, nicht nur für Papageien, sondern auch für Mäuse, Meerschweinchen, Kaninchen und Tauben. Dem Typhus- bacillus ist er sehr ähnlich, unterscheidet sich aber durch seine starke Virulenz für viele Thiere, sowie dadurch, dass seine Culturen auf Gelatine und Kartoffel äusscrlich sichtbar sind. Die Psittacose ist wahrscheinlich häufiger als mau bisher geglaubt hat und jedenfalls oft mit anderen lu- fectionskrankheiten verwechselt worden. Gilbert und Fournier glauben, dass man ihr einen ziemlichen Theil der in bestimmten Familien und Häusern epidemisch auf- tretenden Lungenkrankheiten zuzuschreiben hat. Aus diesem Grunde verlangen sie eine strenge Beaufsichtigung der Papageienimporte sowie ausführliche Instructionen für Vogelhändler und die Leute, welche Papageien halten. S. Seh. Ueber „Röntgenstrahl en von hoher Intensität"*) berichtet Professor Dr. Buka in Charlottenburg (Deutsche Medizinische Wochenschrift 1896, 5. November). Bei Versuchen mit denselben vermochte Buka nicht allein durch Zinkblech und Eisenplatten von mehr als 2,b mm Dicke eiserne Gegenstände ausserordentlich scharf zu photographiren, sondern er kam dabei auch zu folgendem unbeabsichtigten Experiment. Es befindet sich in dem Atelier ein mit einer doppelten, starken Friesdecke be- deckter Tisch mit ca. 2 cm starker Platte, auf welchen gelegentlich Patienten bei Aufnahmen gelegt werden. Unter dem Tisch steht ein Zinkkasten, in welchem die photographischen Platten aufbewahrt werden, unter anderen ein Carton mit 6 Platten 30/40. Als auf einer dieser Platten ein Becken photographirt wurde, zeigte sich bei der Entwickclung gleichzeitig eine sehr deutliche Photographie des Griffes, der auf dem Deckel dieses Zinkkastens angebracht ist. Ja sogar, als einige Tage später eine Schädelaufnahme gemacht wurde — der Vorsicht wegen auf der untersten der sechs Platten — zeigte sich auch da ncK'h der Griff in voller Deutlichkeit. Es hatte also die benutzte Röhre auf eine Entfernung von mehr als 1 Meter eine doppelte Friesdecke, eine Tischplatte, sowie den Deckel eines Zinkkastens durch- drungen und den Griff" desselben gleichzeitig auf sechs übereinanderliegende Glasplatten photographirt. Auch einige Versuche über die Photographie mit Röntgenstrahlen in grösserer Entfernung hat Buka an- gestellt. Auf 1 m Entfernmig wurde in fünf Minuten ein sehr gutes Bild einer Hand erhalten, auf welchem die Structur der Knochen tadellos wiedergegeben ist. Weniger gut war das Resultat bei der Aufnahme einer Hand in fünf Minuten bei 2 m Entfernung, d. h. eigentlich nur, weil die Hand nicht ruhig gelegen hatte, wie sich aus der Photographie ergiebt. Gleichzeitig lagen auf der Platte eine Uhrkette, eine Busennadel, Stahlfedern in einer •) Siülie diese Wocfienschrift 1896 Nr. 11, 19, 21, 24 untl 31. XI. Nr. 48. Naturwissenschaftliche Wocheuschrift. 583 Schachtel und ein Portemonnaie. Alle diese Gegenstände sind ausserordentlich scharf. In dem Portemonnaie sieht hian sehr deutlich alle darin enthaltenen Gegenstände, Münzen, Schrotkörner, die Form mehrerer .Stadtbahn- billets, kleine Staubtheilchen, die sich in der Ecke einer Tasche angesammelt hatten, die Falten im Leder tt. f. Ai Von den Stahlfedern ist eine eine 8önnecken'sche Rund- schriftfeder, auf dieser trat scharf die Nummer 2 hervor; ein Umstand, der wohl nur daraus zu erklären ist, dass das Metall an der betreffenden Stelle durch die Prägung etwas dünner ist. Bei späteren Versuchen gelang es Buka sogar auf eine Entfernung von 6,30 m und 10 m von Röhre und Platte in 10 bezw. 20 Minuten noch deutliche Bilder von Gegenständen im Portemonnaie, Blasensteinen, Federn im Carton u. s. w. zu erhalten. Die perspectivische Verzerrung darzustellender Knochen, Organe u. s. w. wird nach diesen Versuchen um so geringer, und die Bilder nähern sich umsomehr der wahren Grösse der Gegenstände, je weiter dieselben von der Röhre entfernt sind. Irrthümer in der medi- cinischen Diagnostik sind somit in Zukunft leichter zu vermeiden. So scharfe und detailreife Bilder hatte Buka bei der bisher üblichen Entfernung von ca. 20 bis 40 cm der Röhre vom Object nicht erhalten. Mit Recht hebt B. auch hervor, dass es für den Patienten angenehmer ist, die Röhre in einem grösseren Abstand als bisher von seinem Körper angebracht zu sehen. Mz. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ordentliche Professor der Zoologie in Berlin Geh. Regierungsrath Dr. Karl Möbius zum Ver- waltungs-Director des Museums für Naturkunde als Nachfolger des Prof. Beyrich ; der ordentliche Professor der Geologie Dr. Wilhelm Dames zum Director der geologiseh-paläontologischen Abtheilung daselbst; der ordentliche Professor der Patliologie und Therapie in Breslau Dr. Käst zum Geh. Medicinalrath ; der ausserordentliche Professor der Agriculturchemie in Breslau Dr. Weiske zum Geh. Regierungsrath; der Professor der Chemie an der technischen Hochschule zu Karlsruhe Dr. Engler zum Geheimrath II. Klasse; die Professoren der theoretischen Ma- schinenlehre bezw. Geometrie daselbst Dr. Brauer und Dr. Haid zu Geh. Hofräthen; der ausserordentliche Professor der Chi- rurgie in Leipzig Dr. Tillnianns zum Geh. Medicinalrath; der ausserordentliche Professor der Anthropologie in Leipzig Dr. phil. et med. Emil Schmidt zum ordentlichen Professor; der Privat-Docent der Physik in Berlin Dr. Ernst Pringsheim zum ausserordentlichen Professor; die Privat-Docenten der Chemie daselbst Dr. Traube und Dr. Friedheim zu ausserordentlichen Professoren; die Privat-Docenten für Mathematik bezw. Syphilis in Krakau Dr. Kepinski und Dr. Zarewicz zu ausserordent- lichen Professoren; der Privat-Docent für analytische Chemie, Maass- und Gas-Analyse an der Freiberger Bergakademie Dr. E. B r u n k zum ausserordentlichen Professor ; Kreisthierarzt F r i c k zum Docenten für Chirurgie an der thierärztlichen Hochschule zu Hannover; der Privat-Docent für innere Medieiu in Königsberg Dr. Falkenheim zum ausserordentlichen Professor. Berufen wurden: Der ordentliche Professor für Irrenheil- kunde iu Erlangen Dr. Anton Bumm nach München als ordent- licher Professor und Director der Kreisirrenanstalt; der Assistent am landwirthschaftlichen Institut zu Göttingen als ausserordent- licher Professor der Land wirthschaft nach Jena; der ausserordent- liche Professor für Chemie in Marburg Dr. F. W. Küster als Privatdocent für physikalische Chemie nach Göttingen; der Privatdocent der Chemie in Wien Dr. Pomcranz als Adjunct ans chemische Laboratorium der deutschen Universität Prag. Niedergelegt hat seine Stellung: Der ordentliche Professor der Chemie und Mitdirector des chemischen Instituts in Bern Dr. Rössel. Es starben: Der Mathematiker Prof. Christian Harms in Oldenburg; der ausserordentliche Professor der Chemie in Berlin Geh. Rath Dr. Eugen Seil; der um die Augenheilkunde sehr verdiente Dr. Moritz Schneller in Königsberg; der frühere Gemralarzt des 5. Armeocorps Dr. Friedrich Schrader in Goslar- der Professor der Astronomie in Stockholm Hugo Gylden. L i tt e r-äi ü f. Paul Stäckel und Friedrich Engel, Die Theorie der ParaÜel- Unien von Euklid bis auf Gauss, eine Urkundensammlung zur Vorgeschichte der niQhteuklidischen Geometrie. Mit 14a Figuireti iih Texl ulrli del- ffachbildung eines Bneies von Gauss: B. G. Teubner. Leipzig iSÖö. In dem mit grosser Sachkenntniss zusammengestellten Werke sind namentlich die älteren Arbeiten reproducirt, die noch vor Bolyai, Lobatschofsky und Gauss die ISerechtigung einer vom Parallelenaxiome unabhängigen Geometrie andeuteten oder ge- radezu ansprachen. Seit Beltrami 1889 darauf hinwies, dass schon 1733 Bolyai zugeschriebene Sätze ausgesprochen sind, hat man sich an den Gedanken gewöhnt, dass auch die genannten drei Mathematiker bei ihren folgenschweren Untersuchungen Vor- läufer gehabt haben, deren Arbeiten sie freilich nicht kannten. Ausser dem von Beltrami ans Tageslicht gezogenen Jesuiten Saccheri sind namentlich noch Lambert (1786), Schweikart und Taurinus (1826) als solche Vorläufer anzusehen. Ausser den ge- nannten Gelehrten hat der Verfasser noch Euklid und John Wallis (1616—1703) behandelt. Zu jedem dieser Mathematiker giebt das Werk eine ausführliche Einleitung nebst Litteratur- angabe und dann mit genauem Text die wichtigsten Briefe und Abhandlungen, die sich auf das Parallelen-Axiom bezw. den nicht-euklidischen Raum beziehen. Das fleissig durchgearbeitete Werk wird den Metaphysikern ebenso wie den Mathematikern theils als Quelle der Belehrung, theils als Nachschlagebuch will- kommen sein. G. Die Fortschritte der Physik im Jahre 1895. Dargestellt von der physikalischen Gesellschaft zu Berlin. 51. Jahrgang, erste Abtheilung, enthaltend: Pliysik der Materie. Redigirt von Richard Börnstein. Friedrich Vieweg u. Sohn. Braun- schweig 1896. — Preis 20 M. Getreu dem Versprechen der Redaction ist der vorliegende Band pünktlich im Herbst 1896 erschienen und giebt wiedeillm ein vollständiges Bild von der neuesten Thätigkeit der Gelehrten. Wir erkennen schon bei flüchtiger Durehblätterung dieses, sowie der entsprechenden früheren Bände sehr deutlich, in wie hohem Grade z. B. die Probleme der phvsikalischen Chemie sowie die Construction immer geeigneterer bemonstrationsmittel gegen- wärtig die Köpfe unserer Physiker beschäftigen, während andere Gebiete, wie namentlich die Akustik, vielleicht in Folge eines gewissen Abschlusses, dem sich hier die Forschungen nähern, des Neuen autfallend wenig uns darbieten. — Die einzelnen Referate geben im Allgemeinen trotz ihrer Kürze ein klares, werthvolles Bild des wesentlichen Inhalts der betreffenden Publicationen, ob- gleich an einigen Stellen, es seien hier z. B. die Artikel auf S. 4-5 erwähnt, eine etwas ausführlichere und verständlichere Dar- stellung wünschenswerth erscheint. F. Kbr. Herbarium Europaeum. Unter Mitwirkung des Fräuleins M. Eysn und der Hiureu: Adamovic, Blocki, v. Borbas, Born- müller, Brandis, H. Braun, Dürer, Engelhardt, Foietto, Gelert, Gelrai, Götz, Hofmann, Huth, Jörgeusen, Kaufmann, Klemm, Kretzer, Kükenthal, Linton, Murr, Münderleiu, Oborny, Panek, Pinkwart, Prager, Prechtelsbauer, Revorchon, L. Richter, Riese, Ross, Ruthe, Schmidely, Spindler, Steurer, Straehler, Stribrny, Sydow, Tscherning, Toepffer, Troch, Ullepitsch, Wagner, Wahl- stedt, Waisbecker, Zahn etc. Herausgegeben von Dr. C. Baen itz. - Prospect. XXX. Jahrgang. Breslau 1897. — Preis 0,50 M. Der Prospect umfasst 18 Seiten und bietet getrocknete Pflanzen an aus: Europa, Kleinasien und Amerika. Klebs, Prof. Dr. Geo., Ueber die Fortpflanzungs-Physiologie der niederen Organismen, der Protobionten. Jena. — 18 M. liilienthal, Prof. Dr. B. v., Grundlagen einer Krümmungslehro der Curvi'uscharen. Leipzig. — h M. Markoff, Prof. A. A., Ditferenzialrechnung. Leipzig. — 7 M. MarshaU, Prof. Dr. Will., Die deutschen Meere und ihre Be- wohner. Lei])zig. — 24 M. Netto, Dr. Eug.,' Vorlesungen über Algebra. 1. Bd. Leipzig. 12 M. Inhalt: Dr. Wilhelm Pabst, Thierfährten in dem Oberrothliegenden von Tambacli in Thüringen. \oii tler Berliner Gewerbe- Ausstellung 1896. (Schluss). — Psittacose. — Ueber Röntgenstrahlen von hoher Intensität. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Lllteratur: Paul Stäckel und Friedrich Engel, Die Theorie der Parallellinien von Euklid bis auf Gauss. — Die Fortschritte der Physik im Jahre 1895. — Herbarium Europaeum. — Liste. Verlag vou Gebrüder Borutraeger iu Berlin SW. 46. Lehrbuch der ökologiscli(iiIMIan/eiiji;('(>Kia|iliie. Eine Einfülirung- in die Kenntnis der Pflaiizeiivei'eiiie Dr. Eugenius Warming, Universitäts-Profcssor der Botanik uud Director des Butaiüschen Gartens zu Kopenhagen. Deutsche, vom Verfasser genehmigte, durchgesehene und vermehrte AvTsg^abe Dr. Emil Knoblauch, Trivatdocenten der iJotaiiik an der Universität zu Giessen La(Ieiii»reis geh. 7 Mark, geb. 8 Mark. Gegen postfreie Einsendung' des Betrages erfolgt Zusendung postfrei. i iuinÄJiiUögcb vaiid) terltcUbar für .ftinber vom G.-18. acbenoiabre. (Slciiautc ioivie ciiiiacftc 51iiSfiU)vuii9. (frftc fiaiiliriitl)olfr Siil)iilliniilifabrili Ä. Lickroth & Co. Frsinkentlial iUfjeinvfalj. ?lcltcftc§ gn*ctn6Iificmtnt euvopn?. 28 erste AusstellungsPreise. gcibtitafiL'ii cillcr il)(tcnit> l'oii tid)iiIL\iiitfit. Xouest«' Koiistruktionfn. Turngeräthe, Eisenmöbel etc. Äatalogc otatiä u. frcinEo. SScttretcr geiucbt. PATENTBUREAU Öirich R. JVlaerz Berlin NW., LÜisenstr. 22. • Gegründet 1878, Patent-, Marken: u. Musterschulz für alle Länder. L Skioptikon nebst 2 (i:i»zyliiidern mit Mano- metern und gr. Projektinnsschirm, nur wenige Male gebniueht, zu verkaufen. Otlerten unter W. 2951 an Rudolf Olosse, Breslau. In Ferd. liiiiiiiiilers Verlagsbueh- haudliiiig in Berlin SW. 12 erschien : Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am köngl. Realgymn. in Berlin 444 Seiten gr. 8. Preis 6 M., geb. 7 M. Photographische Apparate und Bedarfsartikel. Spoeialität: >i|>iejjel-Caiiie.ras. Sind die praktischsten Hand-Apparate. Das beliebige Objectiv dient gleichzeitig als Sucher. Das Bild bleibt bis zum Eintritt der Be- lichtung in Bildgrösse sichtbar. Die Visierscheibe dreht sich um sich selbst {für Hoch- und Quer- Aufnahmen). Spiegel-Camera 9/12 cm zum Zusuniniciilcg'cii. Alleinvertrieb der Westendorp Jk Weliner-Platten. „ „ Pilliiaj "wollen I. Länge'.schnitt durch eine reife Stratiotes- Frucht von Braunschweig. Natürl. Grösse. p das proximale, d das distale Ende der Frucht. Die reifen Samen, welche hier weiss erscheinen, sehen in natura braun aus. Ge- zeichnet von Dr. P. Schiemenz. . 7. Querschnitt durch eine reife Stratiotes- Frucht von Braunschweig. Natürl. Grösse. Gezeichnet von Dr. P. Scliiemenz. Mitteleuropas zu Wasser-Aloü Deutschlands so kann sie Wie das resp. doch sich 1889, Theilen „Laponia Kemensis" der Ablagerung des ertragen. Helsingsfors begleitenden Flora Finnlands vor und überschreitet in sogar den Polarkreis. Während unteren Torflagers von Klinge hat sie jedenfalls unter gemässigten klimatisclien Verhältnissen in der dortigen Gegend existirt, wie sich aus der mit voller Sicherheit ergiebt. In der Geographie Botanique Raisonnee von Decan- dolle findet sich Bd. II, S. 715 die auffallende Angabe, dass Stratiotes aloides L. auch auf den Molukkeii, auf Java und Malabar vorkomme. Decandolle beruft sich dabei auf Kunth, Enunieratio, III, S. 8; aber hier iiabe ich eine solche Angabe nicht gefunden, und sie ist auch thatsächlich unrichtig. Immerhin seheint es mir nicht unnütz, auf den Irrthum Decandolle's bei dieser Gelegen- heit hinzuweisen. Wie weit die Gattung Stratiotes während der Diluvial- und Tertiär-Periode verbreitet ge- wesen ist, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Jetzt, wo wir durch Keil hack wissen, dass P\illiculites cari- natus und F. kaltennordheiniensis zur Gattung Stratiotes gehören, werden solche Untersuchungen wesentlich er- leichtert sein. *) Dieses Werk koiuite icl rof. Dr. Ascherson nachlesen. der Bibliothek des Herrn 588 NaturwisscDScIialtliche Woelieiiscliritt. XI. Nr. 49. Die neuen serumtherapeutiseheu Bestrebungen in der Hcilliunde haben auch zur Erfindung eines Heilserums gegen Sclilaugengift Veranlassung gegeben, dessen dele- tärcn Wirkungen die Aerzte bekanntlieh bisher ohnmächtig gegenüberstanden. Ein solches Heilmittel hat zwar für Deutschland noch weniger Bedeutung als die vielumstrittene Pasteur'sche Milzbrandimpt'ung, weil die beiden einzigen in Europa vorkommenden Giftschlangen in Deutschland noch viel seltener beobachtet werden, als der Milzbrand. Indessen kommen doch giftige Schlangen in unseren Colo- nien, wenngleich nicht entfernt so häufig, als z. B. in den englischen vor. In Indien sollen jährlich mehr als 20 000 Menschen durch die Bisse der Naja haje, der Cobra di CapcUo u. s. w. getödtet werden. Versuche, das Schlangen- gift chemisch rein darzustellen, sind zwar sehr zahlreich gemacht worden, haben aber noch zu keinem befriedigen- den Resultat geführt. Man weiss nur soviel sicher, dass es ein eiweissartiger Körper ist, der als Gift bereits ausge- schieden wird. Ob es verschiedene Arten von Schlangengift giebt, erscheint zweifelhaft, wahrscheinlich ist immer der- selbe giftige Stoff in demselben in verschiedener Concen- tration wirksam. In neuester Zeit haben nun englische und französische Forscher festzustellen versucht, ob sich Thiere gegen das Schlangengift schützen lassen. Am erfolg- reichsten ist bei derartigen Versuchen bisher Dr. Calmette, ein Schüler Pasteur's gewesen, welcher Kaninchen und Meerschweinchen erst ganz schwache, allmählich steigende Dosen eines Schlangengiftes einspritzte, bis das Blut- serum dieser Thiere antitoxische Eigenschaften gewonnen hatte, d. h. das Schlangengift unwirksam zu machen ver- mochte. So heben z. B. fünf Tropfen Blutserum eines so vorbereiteten Kaninchens die Wirkung des Doppelten der sonst tödtlicheu Dosis des Schlangengiftes auf. Eine Einspritzung von vier Cubikcentimeter dieses Serums eine Stunde nach stattgehabter Vergiftung schützte vor deren Ausbruch. Dr. Calmette hat dieses Schlangengift- serum genau nach den Behring'schen Principien her- gestellt und seine Wirksamkeit bis auf einen Immuni- sirungswerth von 1 auf 20 000 gesteigert. Das Serum soll sich in einzelnen Fällen bereits bei Vergiftungen von Menschen durch Schlangenbisse bewährt haben, grössere Erfahrungen fehlen indess noch. Das Schlangengiftserum ist erst jüngst durch eine französische chemische Fabrik in den Handel gebracht worden, üebrigens empfiehlt der F^rfinder selbst, neben den Heilserumsinjectionen die bis- her übliche Methode der localen Behandlung der Biss- wunde nicht zu vergessen, um die Bildung weiteren Gift- stoffes in derselben und dessen Aufsaugung in die Körpersäfte des Gebissenen zu verhüten. Auch dieses Serum vermag das schon resorbirte Gift im Körper nicht mehr unwirksam zu machen, wohl aber die weitere Gift- wirkung aufzuhalten, indem es die Gewebszellen und Säfte widerstandsfähig macht. A. üeber Flohdressur äussert sich Adolf Bickel nach der „Insectcn-Börsc''-Leipzig in der Beilage der „Münchencr Allgemeinen Zeitung": In erster Linie handelt es sich bei der Dressur der Flöhe darum, den Thiercn das Springen abzugevvöimcn. Anstatt sich in einzelnen Sätzen fortzubewegen, müssen sie kriechen, müssen sie laufen lernen. Zu diesem Ende bringt man die Thiere einige Zeit zwischen zwei Glasplatten, deren Zwischenraum jedoch so eng ist, dass er einen richtigen Sprung der Thiere verhindert. Nun verkünnncrt aber ein Glied, welches während längerer Zeit in Unthätigkeit verharrt und nicht gel)raucht wird. Die Muskulatur eines Beines, das in Folge irgend einer chirurgischen Krank- heit längere Zeit unbenutzt in einem Verband liegen muss, atrophirt. Genau so verhält es sich mit der Muskulatur der Sprungbeine des Flohes; denn zu solchen hat sich ein Extremitätenpaar bei diesen Insecten be- sonders entwickelt. Normaler Weise besitzen diese Thiere eine enorme Kraft in diesen Gliedmaassen; die Muskulatur muss darum hoch entwickelt, sie muss, wenn wir ihre kolossalen Leistungen, an die in der That keine Leistung der Muskulatur eines Säugethieres heranzureichen scheint, ins Auge fassen, eine ungemeine Ausbildung erfahren haben. Diese an andauernde, schwere Arbeit gewöhnten Muskelmassen werden nun plötzlich für längere Zeit in Unthätigkeit versetzt. Die Folge davon ist, dass ihre Kraft verloren geht, dass diese Muskulatur und mit ihr die ganze Extremität atrophisch wird. Nun hat man den Thieren allerdings das Springen abgewöhnt, das lieisst in Wirklichkeit bat man sie in gewissem Sinne der Or- gane beraubt, die einen Sprung bei ihnen ermöglichten. Kriechen können unsere Insecten noch. Dazu ist die Muskelkraft nicht nöthig, welche der Sprung erfordert, üebcrhaupt scheint durch die ganze Prozedur in erster Linie nur die Kraft dieser besonderen Extremitäten, nicht die des ganzen Thieres, so sehr geschädigt zu werden. Denn die Thiere können auch jetzt noch Arbeiten ausfuhren und Lasten bewältigen. Ist diesse Schwächung der Sprung- muskulatur erreicht, so nimmt mau nunmehr die Thiere und schlingt ihnen einen sehr feinen Draht um ihre Taille, das heisst um die Einschnürung zwischen Thorax und Abdomen. Der Floh ist auf diese Weise in einer starren Schlinge befestigt, die sich auf den Rücken des Thieres in einen laugen, dünnen Draht auszieht. Zu dieser Operation gehört eine besondere Geschicklichkeit, da begreiflicher Weise die Thiere bei der Feinheit ihres Körperbaues leicht Noth leiden. Jetzt ist es nun nicht mehr schwer, mehrere so präparirte Flöhe mit ihren Drähten auf dem Rücken zusammenzukoppeln, sie an kleine metallene Wägelchen zu befestigen, sie vor einen Schubkarren, einen Schlitten oder an ein kleines Carroussel anzuspannen, oder an dem auf dem Rücken in die Höhe ragenden Draht ein Papierkleidchen oder sonst irgend einen Gegenstand zu befestigen. Die metallenen Wägel- chen und die anderen Spielzeuge, welche die Thiere in Bewegung setzen, müssen im Vergleich zu der Grösse der durch die voraufgehende Operation doch immerhin geschwächten Thiere noch als recht bedeutend und ihr Gewicht als recht erheblieh bezeichnet werden. Die Kraft der Thiere reicht auch nur dann hin, die von ihnen geforderte Arbeit auszuführen, wenn die Reibung, welche diese Gegenstände auf ihre Unterlage ausüben, so unbedeutend wie möglich ist. In Folge dessen bleiben die Thiere, welche durch die Art ihrer Fesselung sich nur dann von der Stelle bewegen können, wenn sie die ihnen angehängte Last mitziehen, stehen und verharren in Unthätigkeit, sobald man das Gespann auf eine rauhe Unterlage, zum Beispiel auf ein Filztuch hinsetzt. Bickel entnimmt aus diesen Thatsaehen, dass die Flöhe ihre Bewegungen nicht in Folge eines in- tellektuellen Antriebes, sondern eines Reflexreizes aus- führen, und zwar sobald sie aus ihrer ruhenden Lage im Käfig genommen werden oder mit dem Hauch des Mundes erwärmt werden. Die Bewegung der Thiere mit den Beinen fängt nun nicht etwa erst dann an, wenn man die Thiere nach der Herausnahme ans dem Kasten auf den Boden der Arena gesetzt hat, sondern die Thiere führen häufig ihre Gehbewegungen beieits in der Luft aus. Auch diese offenbar ganz zwecklosen Bein- bewegungen in der Luft beweisen so recht deutlich, dass wir es hier beim Floh lediglich mit Reflexen zu thun haben. Auf diesem einfachen Experiment basiren nun XI. Nr. 49 Niitiirwisscnscljaftlichc Wocbcnschntt. 589 alle l'roduetioncn tliescr Tliiere im Circii.s; überall liandclt es sich im (Iruiule genommen um die g-leiehc Erseheinun.u-, um die gleiche Thätig-keit dieser Insecten. Von dem äussert seltenen Riesenhai Selache inaxima hat kürzlich die naturhistorische Samnünng des Museums in Hergen ein Exemplar von hervorragender Griisse er- worben, das über 8 m lang ist und im Juui dieses Jahres in einer Lachswaade bei Stolmen gefangen wurde; das bisher in diesem Museum vorhandene Exemplar maass nur kaum 4 m und war vor ca. 50 Jahren an der Küste bei Bergen erlegt worden. Auch in den Museen der übrigen Länder ist dieser Fisch ausserordentlich selten und nur das in Lissabon soll einen Vertreter dieser Art von ähn- licher Grosse aufzuweisen haben wie das Bergener Museum. Es ist diese Haiart, norwegisch Brygden oder Brugden genannt, nicht nur der grösste Hai, sondern wohl auch der grösste Fisch aller Meere übci-haupt. Er bietet viel Interessantes in zoologischer Hinsicht; so lebt er z. B. im Gegensatze zu den übrigen Haien hauptsäch- lich von Plankton, zu dessen Aufnahme seine Kiemen- bogen mit einem eigenthümlichen Siebapparat versehen sind. Was seine Verbreitung betritft, so wurde er früher viel häufiger gefunden als jetzt, und zwar an der ganzen Küste von Norwegen. Um das Jahr 1760 begann die Fischerei des Brygden an der Küste von Namdal, l)reitete sich bald auch weiter südlich aus und wurde nun so leb- haft betrieben, dass der Fisch, welcher zu Anfang dieses Jahrhunderts die einträglichste Erwerbsquelle jenes ganzen Küstenstriches war, fast ganz aus dieser Gegend verschwunden ist. Während im Sonmier des Jahres 1800 31 bei Bergen gefangen wurden, ist in den letzten 42 Jahren dort kein einziger dieser Riesenhaie mehr er- beutet worden. Da der Brygden, wie bereits oben erwähnt, kein Raubfisch ist, so kann man, um ihn zu locken und zu tischen, keinerlei Köder verwenden, und es gleicht da- her sein Fang dem Walfang. Verwerthet wird von ihm nur die Leber; es wird berichtet, dass manche Fische 5 bis 7, ja sogar 14 bis 16 Tonnen Leber lieferten; diese ist so fett, dass 6 Tonnen Leber 5 Tonnen Thran er- geben. Ueber die Grösse des Fisches werden in älteren Berichten ganz fabelhafte Angaben gemacht, so erzählt man von Fischen, die 72 bis 100 Fuss lang waren und 0. N. Loeberg giebt an in „Norges Fiskerier", dass in dem Zeitraum von 1820 bis 1830 die Länge der im Korsfjord und Sälbjörnstjord gefangenen durchschnittlich 40 Fuss betragen habe. Auf Grund der ausserordent- lichen Grösse dieser Haiart, ihrer kleinen Zähne u. s. w. suchte der Bisehof Guunerus, der ein grosser Ichthyologe war, in einer gelehrten Abhandlung vom Jahre 1765 nach- zuweisen, dass der Fisch, welcher einst den Propheten Jonas verschlungen, kein Walfisch, sondern ein Brygden war. G. A. Die Stammform der Wirbelthiere behandelt ein Aufsatz des Herrn Otto Jaekel in den Sitzungs-Berichten der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom 21. Juli 1896. — Die Frage nach den Vorfahren des Wirbelthierstammes ist in neuerer Zeit öfter in den Kreis der Forschungen gezogen und sehr verschieden beant- wortet worden. Man begtigte sich nicht damit, die miirphogenetisclien Beziehungen zwischen Wirbelthieren und Wirbellosen im Allgemeinen festzustellen, sondern suchte, wie der neueste Versuch A. Götte's zeigt, den Stanmi der Wirbelthiere direct bis zu dem Typus so niedriger Thiere wie der Turbellarien zurückzufüliren. Diese weithinausgreifenden Speculationen gingen über- wiegend von rein embryologischen Grundlagen ans. Man suchte und fand Vergleichspunkte in den Ontogenien der Wirbelthiere mit verschiedenen Evertebrateu und konnte dieselben gerade hier wohl deswegen um so leichter finden, als es sich bei dem Vergleich um sehr frühe Entwieke- lungsproeesse handelte, in denen einfache mechanische Bedingungen namentlich räumlicher Art für die ersten Bildungsvorgänge verscliiedener Thiertypen nur wenige Wege oft'en lassen. Schon die Verschiedenheit der Lösungen zeigt, auf wie unsicheren Bahnen sich diese Speculationen bewegten. Die jMorphologie sowohl der lebenden wie der fossilen Wirbelthiere hat sich im Allgemeinen auf zuverlässigerem Boden gehalten und sei es auf systematischem, sei es auf pliylogenetischem Wege die Stufenleiter der Entwickelung zunächst innerhalb des Wirbelthierstammes festzustellen gesucht. Diese Forschungen ergaben das unwiderlegliche Resultat, dass die niederst organisirten Wirbelthiere die Fische sind, und dass unter diesen wieder einige wie die Selachier und Ganoiden die primitivsten Organisations- verhältnisse darbieten. Daraufhin konnte man den Fischen den niedersten Platz in der Systematik der Wirbelthiere unbedenklich einräumen. Anders steht es indess mit der Frage, ob man be- rechtigt war, diesen rein anatomisch-systematischen Befund so in" Phylogenie umzusetzen, wie es thatsäehlich ge- schehen ist. Man hat die Fische als die niederst or- ganisirten Wirbelthiere zugleich zu den Stammformen der übrigen gemacht und auch in jeder Hinsieht die Conse- quenzen dieser Auffassung gezogen, indem man allen morphogenetischen Studien einzelner Organisationsverhält- nisse die Voraussetzung zu Grunde legte, dass man in der Ausbildung der bcliretfenden Organe bei den Fischen den Ausgangsininkt für die Entwickelung derselben bei den übrigen Wirbelthieren zu suchen habe. Am auf- fallendsten prägt sich das aus in den Forschungen über die Entwickelung der paarigen Extremitäten. Wenn wir an eine Erklärung der Entstehung der selben herantreten, so müssen wir uns zunächst wohl ihre Bedeutung klar zu machen suchen. Es kann doch kaum eine Meinungsverschiedenheit darüber Platz greifen, dass die paarigen Extremitäten den Körper dirigiren. Dass sie dazu thatsäehlich dienen, sehen wir überall, und dass dies ihre wahre und wesentlichste Bedeutung ist, können wir daraus entnehmen, dass sie ganz verschwinden oder we- nigstens verkümmern, sobald sie von anderen Organen dieser Function enthoben werden. Die Dirigirung des Körpers gestaltet sich nun sehr verschieden, je nachdem die Thiere im freien Wasser, auf dem Boden oder in freier Luft leben. Danach unter- scheiden sieh drei Formen der Extremitäten, als Flosse, Fuss und Flügel. Wenn wir uns die Frage vorlegen, welche von diesen drei Ausbildungsformen die ursprüng- lichste war, so können wir wohl die zuletzt genannte ohne Weiteres auscheiden, da wir ausnahmslos davon überzeugt sind, dass die Flugbewegung in der Luft auf einer sehr specialisirten und "spät erlernten Leistung der Extremi- täten beruht. Bezüglich der lieidcn anderen Extremitäten- formen hat man sieh stillschweigend für die erste ent- schieden, weil man eben die Fische als Stammformen der bodenbewohnenden Wirbelthiere betrachtete. Die Möglichkeit, dass aber auch das Gcgenthcil der Fall sein könnte, wird a priori Niemand bestreiten können. Wir können also im Verfolg dieser Möglichkeit ainiehmeu, dass die ältesten Wirbelthiere sich mit vier als Träger des Körpers dienenden „Füssen" auf dem Meeresboden bewegten, und dass die Erhebung ins freie Wasser erst secundär unter einem Functionswechsel der Extremitäten vor sich ging. Wir würden dann die Fische aus der Ahnenreihe der Tetrapoden ausscheiden, und die letzteren 590 Naturwissensctiaftliche Wocliciisclirift. XI. Nr. 49 I direct auf jeue kriechenden Urformen zurückführen. Stellen die Fische in der That einen solchen selbständigen Scitenstannn dar, so brauciien wir naturgemäss das Prototyp der verschiedenen Organe der höheren Verte- braten nicht mehr in deren Ausbildung bei den Fischen zu suchen. Da sich bei diesen Versuchen schon viele Schwierigkeiten crgelien haben und noch weitere leicht einschen lassen, so könnte, wenn sich die Wain-sciieinlich- keit obiger ^[ögiichkeit ci-gicbt, für das Vcrständniss der Morpiiogenie des Wirbeithierkörpers viel gewonnen werden. Gehen wir zu der Betraciitiing dieses Falles in praxi über, so müssen wir zunächst die Thatsache anei'kennen, dass sich ein üebergang vom Leben auf dem 15oden zur freien Schwimmbewegung sehr vielfach vollzogen hat. Dass die Cetaccen und Robben, die Ichthyosauriden, Plesiosauridcn und Mosasauriden von bodenbewohnenden Vorfahren abstammen, wird wohl von keiner sachkundigen Seite mehr bezweifelt. Der üebergang ist hier sogar noch bedeutungsvoller als die Vorfahren nicht nur zeit- weise auf dem Boden des Wassers, sondern vorher auf dem Boden des Landes lebten. Die morphologische Mannigfaltigkeit, welclic sich ))ei dieser Umbildung der Extremitäten ergiebt, beweist zugleich die pliysiologische Leichtigkeit dieses Wechsels der Bewegungsart. Wir finden, meint Herr J., dagegen keinen auch nur einigcrmaassen vollständigen Üebergang von einer schwim- menden zu einer laufenden Extremität, im Gegensatz zu den vielerlei verschiedenen und vollkommenen Ueber- gängen in umgekehrter Eichtung. Nach seiner Auffassung entwickelt sich kein Theil, kein Organ des Körpers nach zufälligen von seinem inneren Wesen und Wirken unabhängigen Momenten, sondern in der von ihm selbst activ ausgeprägten Methode und Richtung seiner Function. Besonderen Werth legt er auf die Thatsache, dass überall gerade 2 Paare von Extremitäten vorhanden sind und kommt zu dem Resultat, dass deren Vorhandensein bei den Fischen keine so gefestigte physiologische Be- deutung hat, dass ihre einstige Entstellung unter den Lebensbedingungen schwimmender Formen verständlich würde. Wie die 4 Räder des Wagens, so heben die 4 Ex- tremitäten der Landthiere den Körper über den Boden und gestatten ihm, zunächst wohl durch einfache aber ungleichmässig erfolgende Vorwärtsbewegung, unter gleich- zeitiger Verlegung des Schwerpunktes des Körpers nach voi-n, densell)en vorwärts zu schieben. Diese Function der Extremitäten hält J. deshalb i'ür die ursprüngliche, weil alle übrigen specialisirteren Bewegungsformen von einem solchen Ausgangsstadium unmittelbar abgeleitet werden können, und weil in einem solchen die Conscdi- dirung der Vierzahl der Extremitäten ihre natürlichste Erklärung findet. Wir finden auch bei den Arthropoden dass die Zahl der zur Bewegung benützten Beinpaare in einzelnen Abtheilungen constant wird; so werden ja bei den Decapoden 5, bei den Spinnen 4, bei den Inseeten 3 Bcinpaarc zur festen Regel. Wir k<'innen gerade bei den Arthropoden den sicheren Nachweis erbringen, dass bei ihnen ursprünglich jeiles Metamer des Körpers ein Beinjjaar trug, und dass in den genannten Fällen die Existenz von 5, 4 oder 3 Beinpaaren auf eine Verkümme- rung oder anderweitige Veränderung der übrigen zurück- zufiün-en ist. Wenn wir die Lebensweise iler Spinnen und Inseeten betrachten, so werden wir zugelien müssen, dass denselben je nach ihrer Lebensweise auf einem für ihre geringe (Jrösse relativ uncl)enen Boden kaum weniger als b, 4 bezw. 3 IJeinpaare ausreichend sein würden. In Combination mit der überall hervortretenden Spartendenz in der organischen Natur würde sieb aus obigen Rück- sichten die Erklärung für jene Zahlen von Beinpaaren ergeben. Von entwickelungsgeschiclitlicheu Momenten ausgehend unterscheidet J. Thiere, die einen ontogenetisch einfachen Körper bilden, wie die Coelcnteraten, die Echinodermen, die Brvozoen, Brachiopodcn und Mollusken. In dem Körper dieser Thiere vollzieht sich die Arbeitstlieilung ontogene- tisch ein einziges Mal; es kann dann in ht, wie die Anatouiieen der Menschen und der Thiere. Die 1. Aufl. von 1884 braclite 398 Seiten mit 140 Abbildungi'n, die vorliegende neue Auflage umfasst nicht weniger als 550 Seiten mit 235 Abbildungen, unter denen viele Originalzeichnungen: ein erfreuliches äusseres Zeichen, dass die physiologische Pflanzen- Anatomie in den letzten 12 Jahren wesentlich gefördert worden ist, nicht zum wenigsten von Haberlandt selbst. Neu hinzu- gekommen sind 1. ein ausführliches Capitel über den Bau und die Functionen der typischen Pflanzenzelle, 2. ein Abschnitt über ,. Apparate und Gewebe für besondere Leistungen." In der An- ordnung des Stoffes wurde keine wesentliche Aenderung vor- genommen: die Abschnitte des Buches sind nach einer kurzen Einleitung die folgenden: 1. Die Zellen und Gewebe der Pflanzen, 2. Die Bildungsgewebe, 3. Das Hautsystem, 4. Das mechanische System, 5. Das Absorptionssystem, 6. Das Assimilationssystem, 7. Das Leitungssystem, 8. Das Speichersystem, 0. Das Durch- lüftungssystem , 10. Die Secretionsorgane und Excretbeiiälter, 11. Der schon genannte neue Abschnitt „Apparate und Gewebe für besondere Leistungen", wie Haftoi-gane, Bewegungsirewebe, reizpercipirende Organe und reizleitende Organe und Gewebe, 12. Das secunditre Dickenwachsthum der Stämme und Wurzeln. Den Beschluss bildet ein Register. Nicht nur dem Fach-Botaniker und -Zoologen, sondern auch dem Studirenden und bei der klaren Schreibweise des Verfassers und dem Geist, den das Buch beherrscht, schliesslich auch dem Laien, der sich für Botanik interessirt, kann es treffliche Dienste leisten. Die reichen Litteratur-Angaben ermöglichen es dem Weiterarbeitenden, sich selbstständig bequem zurechtzufinden. Niemand, dessen wissenschaftliches Streben über eine blosse Kenntnissnahme von Einzelthatsachen hinausgeht, wird die physio- logische Pflanzenanatomie unbefriedigt aus der Hand legen können, und so vermag Referent dasselbe nur wärmstens zu empfehlen und den Wunsch auszusprechen: es möchte die weiteste Berück- sichtigung finden. P. Robert von Lendenfeld, Aus den Alpen. Illustrirt durch Original-Zeichnungen von E. F. Compton und Paul H e v. Bd. I: Die Westaipen. Mit 1 Farbendrucktafel und 186 TexV und Vollbildern. Bd. II.: Die Ostalpen. Mit 1 Farbendruck- tafel und 217 Text- und Vollbildern. Prag (F. Tempsky), Wien (F. Tempsky) und Leipzig (G. Freytag) 189Ü. — Preis 30 M. Ein schönes, vornehm, prächtig und wahrhaft künstlerisch ausgestattetes VVerk für den Weihnachtstisch! 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Wir erfahren also in gediegener, gemeinverständlicher Weise zunächst etwas über die Entstehung der Alpen, die geologischen und geographischen Eigenthümlich- keiten werden genügend hervorgehoben, die Bewohner ziehen an unserem Auge vorüber, die von den Touristen mit Vorliebe auf- gesuchten Punkte werden geschildert, Städte und Dörfer, Denk- mäler und für die Menschen-Geschichte bedeutsame Oertlichkeiten lernen wir kennen. Dass unter den naturwissenschaftlichen Erörterungen die geologischen im Vordergrunde stehen, bedarf keiner Rechtfertigung. Gerade über die Bildung der Boden-Ver- hältnisse will der Besucher und Bewunderer der Alpen zunächst und ausgiebiger etwas erfahren. Wir zweifeln nicht daran, dass diesbezüglich v. Lendenfeld das Richtige getroffen hat, denn wir wissen, dass sogar Gelehrte anderer Disciplinen, das für den geologisch etwas Geschulten sonst so treffliche Buch von Fraas (Die Scenerio der Alpen) zu „gelehrt"' fanden, und den Wunsch nach elementarer Geschriebenem äusserten. Das vorliegende Werk wird solchen Wünschen durchaus gerecht: es bringt Demjenigen, der sich über die Geologie der Alpen, soweit es den Nicht-Fach- mann überhaupt interessirt, zu Orientiren wünscht, nicht zu viel und nicht zu wenig und in der passenden Form. — Die Ab- bildungen beleben den Te.xt in wundervoller und anregender Weise und rufen in allen Kennern der Alpen angenehme und freundliche Erinnerungen wach, und in jedem, der diese Perle der Erde noch nicht geschaut hat, den sehnlichen Wunsch hervor, sie kennen zu lernen. Wiesenschaftlicher Centralverein und Humboldt • Akademie. Skizze ihrt-r Thätigkeit un Man Verlans«' Prospect mit Abbil- dungen und Empfehlungen. Festgescbenk für Knaben von 10 16 Jahren. 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Herausgegeben von der Vereinigung vun Freunden der Astronuniic uiul kosmischen Physik. = In 13 Sectioiioii: = 1. Cyguus. IV. Serpens. VII. A(iuil:u X- Norma. II. Ursa major. V. Cancer. VIII. Corvus. XI. Argo navis. III Perseus. VI. Pisces. IX. Eriilanus. XII. Phoenix. Diese Sternkarten werden geliefert: als Atlas (je 1 Ex. der 12 Karten enthaltend) in Lederpapierumschlag gel: , als Block (10 Ex. einer Karte enthaltend) auf Pappe, mit Gebrauchsanweisung. Exemplare des Atlas oder der Blockausgabe sind zum Preise von I Mark durch jede Buchhandlung zu beziehen. Kunsttischlerei für Photographie von E. H. Friede, Berlin XO., Paiiisadenstr. 2(S, prämilrt auf der Berliner Gewerbeausstellung 1896, empfiehlt sicli zum diroktoa Bezüge seiner renemmirten Krzeug- idsse, hesonder.s seiner neusten Klappcamera liir Hand- und St:ltivaul'n:ihnie. Komplete Ausrüstung für wissenschaftliche Institute, Gelehrte, Künstler und Amateure, ojijektive, i'latten etc. von d<:n renounnirti.>sten Firmen. Prftaiistv t/rnil». Verantwortlieher Kedacteur : Dr. Henry Polonie, Gr. Lichterfelde (l'.-B.) bei Berlin, Potsdameratr. 35, für den inserateutlieil : Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: FerU. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12 Redaktion; ^ Dr. H. Potonie. Verlag:: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. Xr. Band, Sonntag, den 13. December 189(5. Nr. 50. Abonnement : Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- \ Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge ent- mstalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post is ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 4S27. Jl- . bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abflrack ist nur mit vollständiger «tnellenangabe gestattet. Ueber den Ursprung der Sprache. Von Dl-. Adolf Steuer in Wien.*) Die Sprache ein Geschenk der Gölter. - Das Kind findet die Sprache als etwas Fertiges vor. — Das Problem vom Ursprung der Sprache unlöslich und zurückzuführen auf das Problem von der Entwickelung der Sprache. — Thiersprache. — Articulirt und unarticulirt. — (ieberde- und Lautsprache. - Laut- und Bewegungsgeberdc. - Die Sprache der Taubstummen. — Die einfachsten Lautsprachen der Menschen. — Der GesanR. — Das Zählen. — Primitive Rechen- maschinen. — Zahlensysteme. - Bedeutung des Namens. — Die Schrift. — Entstehung der Sprache und Entstehung der Art. - Schluss. Dass die Sprache uns von der Gottheit gegeben sei, sagten schon unsere Vorfahren, und ihre Nachkommen haben es ihnen geglaubt und durch viele, viele Jabr- bunderte getreulich nachgedacht und nachgesprochen. Allein neben dieser primitivsten Auffassung tauchen hie und da andere auf, die, wenngleich uns heute nicht minder nicht befriedigend, doch vielleicht einen kleinen Fortschritt in der Frage bedeuten. Epikur lehrte, dass der Mensch beim Sprechen instinktiv verfahre, indem seine Natur ihn 7Axm Sprechen antreibe und neuerdings berichtet wieder C. Alberts**), selbst der Sprachforsclicr Griinm hätte die Sprache eine Ertinduug der ersten Menschen- familic genannt. Herder und seine Nachfolger, und vor allen Humboldt machten der naiven Ansiciit, als sei uns die Sprache von einem Sprachmeister vor Zeiten einge- drillt worden, ein Ende, und wie überall, so wurde auch hier mit grossem Erfolge auf den Eutwickelungsgaug der Sprache Rücksicht genommen. Dass wir das Wunder der Sprache zumeist nicht genügend würdigen, mag darin seinen Grund haben, weil wir als Kinder mit dem Erwachen des Bewusstseins die Sprache als etwas Feststehendes vorfinden. Nur plötzlich, unerwartet auftretende Erscheinungen interessiren uns, an den täglichen Räthseln der Natur gehen die meisten achtlos vorüber. Drum wundert sich das naive Kind, *) Der Artiiiel ist tlieilweiae ein Referat über einen von Reg.-Riitli Macli im vergangenen Wintersemester gehaltenen Cyclus von Vorträgen (Psycliologie und Logik der Forscluuig). Da Mach bereits einen Theil seiner Vorträge in Druck gelegt, steht zu er- warten, dass auch diese später in Drucli erscheinen werden. **) „Ueber den Ursprung der Spraelie" von Carl Alberts (Bonn) in „Natur" 1890, No. 31. wenn es hört, dass es auch seine eigene Muttersprache mühsam erlernen musste und ist erstaunt, wenn es zum ersten Male eine Sprache reden hört, die es nicht versteht. „Wie nur die vielen S])rachen entstanden sein mögen?" so seine Frage, und hilfsbereit erzählt lieb Mütterchen die Geschichte vom Thurnibau zu Babel. Aber bald tauchen Zweifel auf — die Probleme drängen zu einer vernünf- tigen Lösung! Schon früher wiesen wir auf die Bedeutung der Ent- wickelungsgeschichte hin, und auf diesem Wege hoffen wir dem Ziele näher zu kommen. Also nicht nach dem Ursprung, sondern, wie der bekannte Wiener Philosoph Reg.-Rath Prof. Mach (und seinen Ausführungen wollen wir hier im Allgemeinen folgen) nachdrücklich hervor- hebt, nach der Entwickelung der Sprache müssen wir fragen. Wie anders aber soll sich diese entwickelt haben, als aus der Thiersprache? Immer noch finden wir die Meinung vertreten, die Thiersprache sei etwas von der menschlichen durchaus Verschiedenes, Mit nichten! Es ist zwischen beiden nur ein gradueller Unterschied. Zur Unterscheidung beider wird erstere unarticulirt. letztere articulirt genannt. Was ist aber articulirt und unarticulirt? Wer jemals einer recht lebhaften Neger- Conversation als stiller Beobachter beigewohnt hat, wird zugeben müssen, dass er gewiss nichts als Laute hörte, — und oft recht unarticulirte. Ja man darf wohl be- haupten, dass jede Sprache, die wir nicht verstehen, unarticulirt klingt. „Ncmec" nennt darum der Slave den Deutschen und schon die alten Griechen bezeichneten die Barbaren als „äykoaaoi^'' — stumm! Selbst dem gebildeten Europäer dürfte es schwer 598 Naturwi.ssenscliai'tliche Wochenschrift. XI. Nr. 50. falleu, verschiedene ihm unverständliche Sprachen aus- einanderzuhalten und von einander zu unterscheiden — • Alles scheint ihm ein gleiches Kauderwälsch von Con- sonanten und Vocalen. AVir können hier treffend die Sprache mit der Physiognomie veri;'leichen. Dem Nieht- tachmanu scheinen die einzelneu Individuen mancher tiefer stehender Volker einander vollkommen ähnlich, und, um ein anderes, oft citirtes Beispiel heranzuziehen, nur der Schafhirte weiss jedes Thier seiner Herde mit Namen zu benennen, erst nach einiger üebung finden auch wir die thatsächlichen Unterschiede. Mag es sich nicht auch ähnlich mit der Thier- und Menschensprache vcrlialten"? Hier wie dort Laute und Lautverbindungen, meist unterstützt von Gesten. Wer sagt uns, dass nur unsere, uns geUlutige Menschensprache artieulirt sei und die der Thiere, wenigstens der höher- stehenden, nicht? Nur kindische Selbstüberhebung, ba- sirend auf den uns von Jugend auf geläufigen, aber falschen Begriffen von unserer Höhe und Gottähnlichkeit kann hier Unterschiede finden. Wir müssen bei der Thier- bezw. Menschensprache zweierlei untersclieiden: die Geberden- und die Laut- sprache. Erstere, phylogenetisch wohl das Ursprünglichere, kann oft sehr entwickelt sein, während die Lautsprache kaum in den ersten Anfängen vorhanden ist und um- gekehrt. Die Geberdensprache, bei uns Menschen zu einem oft recht dürftigen Verständigungsmittel herabgesunken, hat bei vielen Thieren eine hohe Bedeutung. Wir lesen darüber manch interessantes Beispiel in den Werken Darwin's, namentlich in dem Bande „Ueber den Aus- druck der Gemüthsbewegungen" und wollen hier aus dem Capitel „Associirte, gewohuheitsmässige Bewegungen bei niederen Thieren" nur eines anführen. Will ein Thier an irgend einer schmerzenden Stelle, die es selbst nicht erreichen kann, gekratzt werden, so kratzt es ein anderes genau an derselben Stelle, und dieses erweist daun seinem Genossen den gewünschten Freundschaftsdienst. Solche Bewegungen, keineswegs die ursprünglichsten in der Geberdensprache, sind unter die Reflexbewegungen einzureihen und erklären weiter, warum Pferde, während sie gereinigt, gebürstet werden, Ohren und Lippen zurück- ziehen und zu beissen versuchen. Dass die Geberdensprache sieh zumeist hauptsächlich bei gesellig lebenden Thieren entwickelt, ist leicht zu begreifen. In ihrer ursprünglichsten Form mag sie sich auf Warnungszeichen beschränkt haben, indem ein er- schrecktes Thier durch einen reflectorisch ausgestossenen Schrei und die damit verbundenen Angst und Furcht zeigenden Bewegungen seine Genossen, unabsichtlich zu- nächst, von der drohenden Gefahr verständigte. Damit finden wir aber auch schon den Uebergang von der Geberden- zur Lautsprache, wie man denn auch in der Geberdensprache eine Laut- von einer Bewegungs- geberde unterschieden hat. Bevor wir indessen zur eigentlichen Lautsprache über- gehen, mag noch Folgendes erwähnt werden. Kin oft angeführtes Beispiel echter Geberdensprachc ist die der Insecten, bezw. der Hymenopteren. Es ist nicht zu zweifeln, dass die Sprache dieser Thiere hoch entwickelt ist, wie überhaupt alle ihre geistigen Fähig- keiten, wenngleich wir uns, wie Lubbock lehrt, auch hier vor Ucbertreibung hüten müssen; dagegen scheint nur ein directer Vergleich ihrer Verständigungsweise mit unserer Sprache durchaus unstatthalt, weil ja diese Thiere in ihrer Stammesentwickelung einen vollkommen ver- schiedenen Zweig darstellen, der von dem unserer Aiincn unvergleichlich weit entfernt ist. Darum dürfte es auch unrichtig sein, das Gehirn dieser Thiere mit dem Ver- tebratenhirn, wie es z. B. Drbal*) thut, in directen Ver- gleich zu ziehen. Noch auf ein ergiebiges Feld zum Studium der Ge- berdensprache mag hier in Kürze hingewiesen werden: das Studium der Taubstununcn. Dass die Geberden- sprache nicht nur nachgeahuit wird, sondern auch unter Umständen selbst gebildet wird, kcinnen wir an ihnen am besten erkennen, indem sich manche Taubstumme selbst ihre Sprache bilden. So wurde z. B. von einer solchen Person der Begriff „rothes Zelt" folgendermaassen dar- gestellt: zunächst wurde in der Luft ein Dreieck gezeichnet, hierauf zur Bezeichnung der Farbe auf die Lippen ge- deutet. Selbsverständlich ist bei dieser Art der Ver- ständigung eine Flexion und Abstraction unmöglich, aber wir werden bald sehen, dass auch an die einfachsten Lauts])rachen diesbezüglich keine zu hohen Ansprüche ge- stellt werden dürfen. Bei der Lautsprache haben wir die schon früher er- wähnten Interjectionen, also Laute, die nur den unmittel- barsten Gefühlsausdruck bilden (Empfindungslaute, Em- pfindungswörter), als die primitivsten, zugleich für unsere Eintheilung als Verbindungsglieder der Laut- und Geberden- sprache anzusehen. Auch die nachahmenden Laute haben eine nicht zu unterschätzende Iicdeutung, doch wäre es wohl übertrieben, wollte man alle Wörter auf nach- ahmende Laute zurückführen. Viele Wörter ändern näm- lich im Laufe der Zeit ihre Bedeutung, so zwar, dass es oft schwer fällt, später noch die ursprüngliche Bedeutung eines Wortes zu erkennen (z. B. Pipa = Pfeife, oder Feder = Vogelfeder, Schreibfeder, Stahlfeder). Ein Kind, das nichts als Hunde gesehen, nennt jedes vierfüssige Thier, das ihm begegnet, Hund — auch ein Schwein, und die Römer nannten Löwen Hunde, die Griechen aber die grossen Saurier Krokodile — Eidechsen. „Fisch" hiess ursprünglich jede Jagdbeute aus dem Wasser, „Thier" dagegen jedes Fleisch von Landthieren, die man jagte. Als Beweis für die UnvoUkommenheit mancher Laut- sprachen mag die Thatsache dienen, dass in manchen Sprachen die Pronomina keine lautliche Bezeichnung haben, sondern die Personenangaben durch passende Geberden ersetzt werden. So sind viele Indianer nur bei Licht im Stande zu sprechen, wie ja andererseits auch bei uns selbst Sätze und Wörter nur in der Verbindung und mit richtiger Betonung, im Verein mit den entsprechenden Gesten einen richtigen Sinn geben und voll verstanden werden. Die einfachsten Sprachen haben w-eiter keine Verba; so werden im Chinesischen nur die Wurzeln aneinander- gesetzt. Darum ist auch im Englischen, das fast keine Flexion hat, ein Wort Verbum und Substantiv zugleich, und daraus folgt weiter die hohe Bedeutung der Wort- folge in dieser Sprache. Noch ein Moment dürfen wir bei der Frage nach der Entstehung der Spraciie nicht ausser Acht lassen: Den Gesang, die Musik. Thiere, die das Jahr über kaum jemals zu hören sind, werden zur Zeit der Liebe laut und in der geschlechtlichen Zuchtwahl wird die Stimme gewiss auch eine bedeutende R(dle spielen. So wird einem unserer nächsten Verwandten aus der Gruppe der Anthropoiden, einem Gibbon (Hylobates agilis) nachge- rühmt, er gebe zur Brunstzeit eine ganze Scala von Tönen zum besten, und Black lock**) sagt geradezu: „die erste S])raclie unter den Menschen war Musik." Jlit der Entwickclung der Sprache in engem gene- tischen Zusammenhang ist die Kunst des Zählens, und *) Dr. Matthias Drbal, Loliibin-li der cmpiiisclien Psychologie, IV. Auflage. S. V,. **) Darwill, ('.csclilochtliclie Ziiclitwahl, II. Band, XIX. Cap. (Carns). XI. Nr. 50 Natui-wisseiiscliaf'tlichc WoclienscbriCt. .099 auch hier müssen wir, wollen wir die Entwicicclung dies- l)czüi;licli verfolgen, auf die tiefer stehende Thierwelt zurik'kblicken. Ich bin überzeugt, dass auch bei manchen Tbicrcn zum mindesten ein Bcgritf der Vielheit und Ein- heit, bczw. Minderheit, vielleicht auch ein gewisses Ab- schätzungsverniögen vorhanden ist. Oder sollte nicht ein U'iiier einen Platz, der ihm reichlich Futter verspricht einem solchen mit armseligen Nahrangsvorräthen vor- ziehen, einen Feind weniger fürchten als ein Heer derselben V ISrehm weiss ein nettes Geschichtchen von einem anthropoiden Affen zu erzählen, dem man die ersten Begriffe des Zählens beigebracht hatte. Nach einiger Mühe konnte der Aftc mit Strohhalmen bis drei zählen; man nannte z. B. die Zahl 2 und der Aft'e reichte zwei Halme. Immerhin könnte man dieses Phänomen als blosse Associationserscheinung erklären, wenn nicht weiter fol- gendes berichtet wurde: Alan legte dem Rechenkünstler nur einen Halm hin und verlangte zwei. Dieses Kunst- stück schien anfangs wohl für das arme, geplagte Affen- hiru zu complicirt, schliesslich wusste sich das Thier aber doch zu helfen: es theilte den Strohhalm in zwei Theile und reichte beide seinem erstaunten Meister. Se non e vcro, e ben trovato! . . . Auch der Mensch operirte ursprünglich nur mit wenigen Zahlen, und benützte als Rechenmaschine seinen Körj)er: Finger und Zehen. Dass diese Anfänge des Zählens thatsäcblich so vor sich gingen und nicht lediglich von Gelehrten in dieser Weisj ausgeklügelt wurden, beweist z. B. die Sprache der Zulus. Bei ihnen bedeutet die Zahl 6 — „nehmend den Daumen", d. h. die Hand ist nun abgezählt und ich muss mit dem Daumen der zweiten Hand mit dem Ab- zählen beginnen. Am Orinoko heisst 5 „die ganze Hand", G „eins von der anderen Hand", 10 „beide Hände", 11 „eins vom Fuss", 15 „der ganze Fuss", 20 „der ganze Mensch". Selbstverständlich haben viele dieser soge- nannten „Wilden", wie der Europäer cousequent jene Volksstämme zu benennen beliebt, längst vergessen, was diese Zahlen ursprünglich heissen, und erst den modernen, vergleichenden Sprachforschern haben wir diese inter- essanten Aufschlüsse zu verdanken. In dem Zählen der 10 Finger hat aber auch das so- genannte deeadischc System, das Zehnersystem, seinen Grund, während andererseits aus demselben Grunde auch die Zahl 20 einen gewissen Abschlu.ss bringt und dem „Zwanzigersystem" seinen Ursi)rung verdankt. Neben iieiden tinden wir aber auch noch ein „Sechzigersystem" (von den Babyloniern stammend). Wie ist dieses wohl cnlstanden? Wir wissen, dass sich die Babylouier viel mit Astronomie bcfassten und so leicht veranlasst wurden, den Kreis zu theilen. Dieser aber zerfällt durch den Kadius in sechs Theile; jeder Theil nach dem decadischen System wieder in 10 Theile getheilt, giebt 60. Beim Zählen hat die Fixirung einer gewonneneu hohen Zahl eine grosse Bedeutung und einen besonderen Werth und zu diesem Zwecke finden wir z. B. bei den Peruanern die Knotenschrift (Quippu oder Khippui in Ge- brauch, während die SUdseeiusulaner durch Steinchen- legen zählen und in gewissen Intcrvalleu eine Grup])e von Steinchen durch einen anderen Gegenstand (Stäbehen etc.) ersetzen. Dass alle unsere eomplicirten Rechen- opci-atioiien schliesslich auf einfaches Zählen zurück- zufüiu'eu sind, beweist ferner auch die Rechenmaschine der Alten, der Ahacus. Wollen wir uns schliesslich über den wahren Werth des Zählens informiren, so mag hier noch folgende treflliche Definition Platz finden: „Zählen heisst, Dinge, welche wegen ihrer Gleich- artigkeit schwer unterscbeidbar sind, mit Zeichen ver- sehen." Wenn uns aber die üebersicht erleichtert werden soll, müssen die Zeichen leicht und uns geläufiger sein als das, was wir unterscheiden wollen — unser Körper aber, die Finger, die wir zum Zählen benutzen, sind dies in der That im höchsten Maasse. Kehren wir nun von diesem speciellen Fall des Zählens zur S])rache zurück, so sehen wir, dass sie in erster Linie aus Namen besteht, und diese werden un- ])ewusst zu Zeichen für Thatsachen. Die Namen gelten nicht nur für den Si)recher als Associations-Gentren, sondern auch für den Angesprochenen, sobald er ein con- ventionclles Zeichen geworden ist. Ein Name ist ein neues Blerknuxl, das einer Sache hinzugefügt ist, also eine Bereicherung einer Thatsache. Der Name hat aber noch eine andere Bedeutung — eine ethische. Wüi'dcn nämlich alle Eigennamen })lötzlich verschwinden, so würden die einzelnen Personen zu perspccti\isclien Punkten zusammenschrumpfen, sie würden sicii, wie die niederen Thiere, nach einer einmal eingetretenen Trennung ewig fremd bleiben. So aber ist mit dem Namen eine Summe von Vorstellungen verknüpft und dieser Umstand erklärt UDS die Sucht der Menschen, ihren „guten Namen'- unter ihren Mitbüi'gern zu erhalten, freilieh gar oft auch auf die Gefahr hin, dem „guten Namen" ein offenes Auf- treten, überzeugungstreues Handeln zum Opfer zu bringen. Auch die Zahlen sind schliesslich nur Namen, durch die wir ähnliche Dinge auseinanderzuhalten bestrebt sind; der Unterschied zwischen Eigennamen und Zahlen ist nur der, dass eine Zahl zugleich den Ort im System kennt- lich macht, während in blossen Eigennamen gewöhnlich der Begriff' des schlechtbin Gleichartigen, Gleicliwerthigen liegt. Darum ist auch in kleineren Städten, in denen jedes Haus seinen Namen und wohl gar auch sein Schild hat, das Bcdürfniss noch nicht vorhanden, Häuser zu numeriren und Häusercomplexe nach dem Coordinaten- system zu unterscheiden. Bei den schon früher erwähnten Südseeinsulanern pflegt man eine grosse Summe von Einheiten, die mittelst der Steinchen gezählt wurden, nicht nur durch ein Stäbchen zu fixiren (Buchstaben = Buchenstäbe der Deut- schen!) sondern auch durch Einschnitte in ein Kerbholz, und darin haben wir wohl die Uranfänge unserer Schrift zu erblicken, der wir auch in Kürze hier gedenken müssen. Aehnlich wie beim Ursprung der Sprache ist auch hier die Schrift nach einer naiven Volksanschauung ein Geschenk der Götter; den Chinesen brachte ein Drache die Schrift auf Felsstücken vom Himmel herab. Heute wissen wir, dass die Schrift weder auf diesem Wege noch durch eine plötzliche Erfindung in Gebrauch kam, sondern ebenfalls eine Entwiekelungsgesehichtc hinter sich hat und in ihren ersten Anfängen weit in die graue Vor- zeit zurückreicht. Es darf als sicher hingestellt werden, dass sie zum grössten Theil aus einer Bilderschrift lu'rvor- ging, die Frage aber, ob wir diesbezüglich auch bei der Thierwelt die ersten schüchternen Versuche vorfinden, darf wegen der Schwierigkeit der Beantwortung, wohl auch wegen der Werthlosigkeit und Kühnheit der diesbezüg- lichen Angaben hier füglieh übergangen werden. Es ist zweifelhaft, ob die ersten Zeichnungen bezw. Aufzeich- nungen einem gewissen ästhetischen Gefühle der Vor- fahren ihre Entstehung verdanken oder lediglich zum praktischen Gebrauche verwendet wurden. Oft mag der vorweltliche „Pfadfinder" in die Lage gekonmaen sein, der nachfolgenden Herde seiner Stammes- genossen den Weg durch Steine, abgebrochene Aeste vorzuzeigen, oder Gebrauchsgegenstände (Waffen) vielleicht mit gewissen, vereinbarten Zeichen versehen au bestimmten ßOO Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 50. Punkten zu deponiren. Heute noch ist, wie wir wissen, eine älinliche Art der Verständigung hei Zigeunern sehr gchräuchlich. Ständige Versammlungsorte eines Stammes mögen oft Veranlassung gegeben haben in dort vorhandene Bäume Zeichen einzugraben, während andererseits die Stamnicsindividuen selbst durch eigenartige Tätowirungen sicli von einander unterschieden. Diesen auf solche und ähnliche Weise entstandenen Figuren eine bestimmte Be- deutung beizulegen, war eben so leicht und naheliegend, wie andererseits einen vereinbarten abstracten Begriff aus diesen Bildern herauszulesen. Wurden nun diese ab- gekürzt, so gelangen wir zur Begrilfsschrift, und ungefähr nach dem Cluster des Bilderräthsels ist die Hierogl3'phen- schrift der Egypter zu erklären. Wie die Worte, so gelten also auch schliesslich Bilder den Menschen als Associations-Centren, aus denen dann eine rege, kindliche Phantasie alles Mögliche heraus- zuarbeiten vermag. Dem spielenden Kinde genügt ein Holzstück, um seiner Einbildungskraft freien Lauf zu lassen — es hätschelt dasselbe wie eine Puppe und die Indianerin, der ihr Kind gestorben, schenkt einem ähn- lichen Objecto ihre ganze mütterliche Liebe. Aber auch die Zauberei hat in solchen Bildern ihre Quelle. An der Puppe wird aller Zauber ausgeführt, der jener Person zugedacht ist, die die Puppe vorstellen soll. l)araus erklärt sich auch die heillose Furcht, die die „Wilden" vor dem Porträtiren empfinden. ■ Wenn wir uns zum Schlüsse nochmals den Ent- wickelungsgang vergegenwärtigen, den die Sprache (und anschliessend daran die Schrift) genommen von den ersten, unvollkommenen Anfängen, wie sie uns heute noch als letzter Rest theils in der niederen Thierwelt, theils bei tief stehenden Volksstämmen erhalten sind, bis zu jener wunderbaren Vollkommenheit unserer Zeit, beobachten wir ferner, wie Sprachen entstehen und vergehen, sich kreuzen und verschmelzen, wie auch hier ein Kampf ums Dasein herrscht, der das Nützliche, Beste erhält, Untaugliches»ver- nichtet, dann fühlen wir die Analogie unserer Frage mit der über die Entstehung der Arten, die Darwin so meisterhaft behandelte. Die letzten Räthsel zu lösen ist uns freilich hier wie dort versagt, bedeutet doch die Lösung jedes Problcmes in der Wissenschaft immer nur ein Rück verlegen desselben auf jene Grund probleme, die uns noch lange, vielleicht für immer unlösbar bleiben werden. Allein es ist ein bedeutender Fortschritt unserer Zeit, alles auf natürliche Weise erklären zu wollen, und diesem gesunden Realismus, von dem unsere heutigen Forscher (zum allergrössten Theile wenigstens) erfüllt sind, dürfte es auch gelingen, den albernen Fetischismus zu besiegen und solides Wissen zu schaffen, wo bisher phantasti- schen Wunderglaube waltete. Die Sprache unseres Propheten, der wir Gehör schenken sollen, ist einzig die Stimme der Natur! Eiue seltene Dämmerungserscheinuug. — Ich habe am 25. November d. Js. hier in Czernowitz eine ebenso schöne wie seltene Dämmerungserscheinuug beob- achtet, über welche im Folgenden berichtet werden soll. Gleich nach Sonnenuntergang war der Himmel grösstentheils hell, nur im SW schwebten Cirrostratus- Wolkeu in bedeutender Höhe, einen etwa 2 Grade breiten Raum über dem südwestlichen Horizonte frei lassend. Ausserdem wurden an mehreren Stellen in einer Meeres- höhe von etwa 500 Metern — 250 Meter über der Stadt — „Wolkenfische" bemerkt, welche als dünne, nach oben convexe und scharf begrenzte, nach unten concave und undeutlich begrenzte, horizontale Nebel-Lamellen er- schienen. Am Boden war es völlig windstill, auch die tiefen Nebellamelien und die hohen Wolken erschienen fast stationär. Die Temperatur betrug — 8°, Etwa 10 Minuten nach Sonnenuntergang bemerkte ich eiue röthliche Lichtsäule, welche sich genau senkrecht von der (hinter dem Horizonte verschwundeneu) Sonne bis zu einer Höhe von 5° über den Horizont erhob. Unten war sie etwa 40, oben 70 Minuten breit. Diese Lichtsäule lag vor den Wolken, welche sich, wie er- wähnt, im »Südwesten befanden und war ebenso deutlich unten, wo der klare wolkenfreie Horizonthimmel, wie oben, wo die Wolken ihren Hintergrund bildeten. In unveränderter Helligkeit dauerte die Erscheinung 20 Minuten lang, dann begann das anfangs orangerothe Licht dunkler, scharlacliroth zu werden um nach weiteren 10 Minuten ganz zu verschwinden. Im Grossen und Ganzen sah die Lichtsäule wie das, gleichfalls als vertikaler Streifen erscheinende Spiegelbild einer nahe dem Horizonte befindlichen Lichtquelle in einem, durch Wellen bewegten Wasserspiegel aus, nur dass die Säule hier nicht von der Lichtciuelle — in unserem Falle der Sonne — nach abwärts, sondern nach aufwärts gerichtet war. Ich zwcille nielit, dass diese Aehnlichkeit einen realen Grund hat, dass nämlich die von mir beobachtete, senkrecht in die Luft emporragende Lichtsänle einer ähnlichen Reflexwirkuug ihre E^ntstehung verdankte, wie die nach abwärts gerichteten Reflexbihler auf bewegten Wasserspiegeln. Ich vermuthe, dass in beträchtlicher Höhe, jedoch unterhalb des Niveaus jener südwestlichen Wolken, eine scharfe, horizontale Trennungsfläehe zwischen zwei verschieden warmen, übereinander liegenden Luftschichten lag, an welcher die Sonnenstrahlen nach abwärts refiectirt wurden. Es ist anzunehmen, dass sich die über und unter dieser Tren- nungsrtäche befindlichen, verschieden warmen Luftmassen verschieden bewegten. Helmholtz hat gezeigt, dass in solchem Falle an der Trennungsfläehe Luft wellen entstehen, welche den von Winden erzeugten Wasser- welleu ähnlich sind. Diese, das Sonnenlicht reflectirende Trennungsfläehe war also vermuthlich wellig und musste daher das Spiegelbild der Sonne ebenso als langen, scheinbar verticalen, gegen den Zuschauer hin ver- breiterten Streifen refleetiren, wie der bewegte Wasser- spiegel ein solches Licht als verticalen Streifen zurück- wirft. In Anbetracht der Diseussion, welche neuerlich in Bezug auf die Ursache des Alpen- Nachglühens statt- gefunden hat, gewinnt diese Beoljachtung Itesonderes Interesse, denn sie ist wohl geeignet, die Annahme zu stützen, dass in der That, wie von einigen Seiten be- hauptet wird, zuweilen horizontale, reflectirende Flächen in grossen Höhen in der Luft vorkommen. R. von Lendenfeld. lieber ilire Uurcluiuei'ii'ig: von Südost-Celebes und die wissenschaftlichen Gesichtspunkte, welche sie bei der Erforschung von Celebes geleitet haben, machen die Herren P. und F. Sara sin in den Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, XXIII No. 7 Mit- theilungen. Das Inncnland von Celebes war zum weitaus grossten Theile völlig unbekannt geblieben; in diesem Umstände lag der hauiitsächlichste Anlass, weshalb die Bereisung der Insel unternommen wurde. Zur Erkenntniss der Tek- tonik und Stratiographie sind vollständige Durehquerungcn uncrlässlich. In erster Linie waren rein geographische XI. Nr. 50. Naturwissenschaftliche Wochenschritt. 601 Gesichtspunkte leitend; der zurückgelegte Weg war mittelst Konipass und Bussole aufzunehmen, der Lauf der P^lUsse und das Streichen der Gebirge zu erkunden, und successive Stationen waren astronomisch festzulegen. Die Fauna und Flora, die Stratigraphie und Tektonik waren zum Zweck einer geologischen Geschichte der Insel sorgfältig zu berücksichtigen. Eine tektonisclie Erklärung der eigen- thümliehcn Form der Insel, deren verschiedene Arme sich in bogenförmige Inselreihen weitbin fortsetzen, soll zu einer Einsicht in die Art des Zusamnienbrucbes des ur- sprünglichen australisch - asiatischen Continentes führen. Die Beachtung der „Stellung und Daehung" der Gebirgs- züge giebt Anhaltspunkte zur Beurtheilung des Verlaufes der von den Armen weiter ausstreichenden Inselreihen. Von diesen letzteren werden Kesselbrüche umschlossen. Ein System von solchen leitet von den ostasiatischen Inselgiiirlanden durch den Malayischen Archipel hindurch nach dem grossen Südbogen (Andamanen u. s. w., Java u. s. w.) hinüber. Der Golf von Tamaiki wird halb- mondförmig von einigen solchen umsäumt, welche in den Ost- und den Südostarm weiterstreichen; darauf folgt westwärts eine ähnlich gerichtete Absenkung, in deren Längsverlauf drei ausgedehnte und tiefe Seen sich hin- ziehen, der „Seengraben" der Insel. Die übrigen Ge- birgszüge, mit Einschluss derjenigen des Nordarmes, scheinen sämmtlich nach der Nordwestecke der Insel hin- zustreichen, an welcher wildzerrissenen Stelle eine Verbin- dung mit Borneo bestanden haben dürfte. Die Stratigraphie bildete ein besonderes Studium. Den alteruptiven Gesteinen (Granit, Quarzit, Grünsteiu u. a. m.) auflagernd kam von sedimentären Bildungen ein gewaltiges Lager rother Thone zur Beobachtung, am stärksten entwickelt im nördlichen luselarmc. Um über- lagert ein nicht minder mächtiges System grauer Thone, Mergel, fein- und grobkörniger Sande, von welchem ver- schiedene Schichten an organischen Resten reich sind; sie enthalten abwechselnd marine, lacustre und terrestrische Formen, von letzteren phanerogame Pflanzen. Auf die grauen Thone legt sich eine ungeheure Decke neogenen Kalksteines, im Innern der Insel in Form von Korallen- kalktluhen bis zu etwa 1000 m Höhe ansteigend, küsten- wärts aber in die lebenden Rille des Strandes sich fort- setzend. Konglomeratschichten leiten von den grauen Thonen nach der Kalkdecke hinüber. Endlich wurden junge Süsswassersedimente, aus Seen abgelagert, ange- troffen, so Süsswasserquarz bei Sonder in der Minahassa und Raseneisenstein am Matanna-See, beide mit thierischen und pflanzlichen Resten dicht angefüllt. Recenter Vul- canismus tritt im nordöstlichen und östlichen Theile des Nordarmes vielleicht von Goroutalo über die Togeau- Inseln bis an die Küste von Central-Celebes (bis Cap Api) sich fortsetzend, und ferner im südlichen Ende des Süd- armes auf. Celebes ist also zum weitaus grössten Theile nicht vulcanisch, theilung der Vulcane Studium unterzogen. Die Fauna und Flora der Insel weist Componenten sowohl australischen als asiatischen Charakters auf, wo- bei die Zahl der letzteren überwiegt; eine scharfe Grenz- linie besteht indessen so wenig östlich von Celebes, wie westlich davon. Anklänge an bestimmte benachbarte Inselgruppen, ja an noch viel weiter entlegene Gebiete sind deutlich zu erkennen. Deshalb wurde die locale geograpliische Verbreitung der Thiere und Pflanzen genau beobachtet, wie dies die für die einzelnen Halbinseln verschiedene geologische Geschichte und die nach den Höhen wechselnden Unterschiede zu fordern schienen. Dann ist nocli der Reichthum der Insel an endemischen, höchst eigenartigen Formen besonders zu überdenken. Die bestimmten Linien folgende Ver- in der Minahassa wurde einem Für die geographische Verbreitung hauptsächlich der Pflanzen erschien die Anstellung meteorologischer Beob- achtungen wichtig. Die Ethnologie der unbekannten Völkerschaften des Inneren wurde ebenfalls in den Kreis der Bearbeitung gezogen. Ein grosser Theil von Central-Celebes und die nörd- liche Hälfte von Südost-Celebes bilden miteinander das ausgedehnte Fürstenthum Luhu. dessen Beherrscher in Paloppo, am Golf von Boni, residirt. Die ganze Küsten- bevölkerung dieses grossen Reiches, den König und die herrschende Klasse mit einbegriffen, ist mohammedanisch; sie nennen sich Buginesen und sprechen die buginesische Sprache, während das Innere von heidnischen, Dämonen und Vorfahrengeister verehrenden Stämmen, den Toradjas bewohnt ist. üeber diese Toradjas beanspruchen die Küsteu-Buginesen die Oberhoheit, und zu diesem Zweck hat der König von Luhu in die verschiedenen Theile seines Landes seine Verwandten als Statthalter hingesetzt, welche dort auf Kosten der Bevölkerung leben, sich aber im Uebrigen um die Centralgewalt in Paloppo nicht mehr bekümmern, als ihnen gerade gut däucht. Das ganze grosse Reich ist überhaupt so schlecht verwaltet, dass es seinem Zerfalle nahe ist. Mit Holland steht der König von Luhu im soge- nannten Verbältniss der Bundesgenossenschaft; Tribut bezahlt er nicht, und das Weseuthche seiner Verpflich- tungen besteht hauptsächlich darin, dass er mit keiner anderen fremden Macht Verträge abschliessen darf. Solcher bald mehr, bald minder selbständiger Fürstcn- thümer giebt es in Celebes eine grosse Zahl, indem that- säehlich nur Macassar im Süden mit einigen umgebenden Landschaften und im äussersten Nordosten der Insel die kleine Minahassa und das Gebiet von Goroutalo direct von holländischen Beamten verwaltet werden. Der Wunsch, die südöstliche Halbinsel zu bereisen, erwachte bei Gelegenheit der Durchquerung von Central- Celebes, als Führer erzählten, dass dort ein mächtiges Seebeekeu liege, welches selbst den Posso-See an Aus- dehnung übertreffe. Von der Ussu-Bai, au der Nordostecke des Golfes von Boni gelegen, nahm die Reise ihren Anfang. S.'s landeten an einer Stelle, wo eine mächtig breite Lagune in die Bai von Ussu einmündet, und übernachteten in elenden Fiseherhütten am Strande, mit Namen Laguria. Am anderen Morgen fuhren sie in kleinen Kähnen diese an der Mündung reichlich 500 m breite Lagune aufwärts; ihre Ufer waren zunächst flach, von stelz wurz- ligen Mangroven-Wäldern und einzelnen Nipa-Palnien bestanden; bald jedoch theilte sie sich in zwei annähernd gleich starke Aeste ; sie folgten dem nördlichen und bogen nach einer starken Stunde Ruderns in ein kleines, kaum 10 m breites Flüsschen ein, das sieh in das linke Ufer der Lagune ergoss. Seine Ufer bekleidete nicht mehr Mangroven-Dickicht, sondern niederer Buschwald. Nach einer weiteren Stunde machte dieser Maisfelderu mit Häusern und Gruppen von Cocospalmen Platz; S.'s be- fanden sich nun in dem grossen Buginesendorf Ussu, das in einem rings von Waldbügeln umzogenen Kessel recht freundlich sich präsentirte. Der oben erwähnte andere grosse Ast der Lagune soll nach dem Dorf Malili führen. Ein gutes Haus wurde vom Oberhaupt des Dorfes Ussu zur Wohnung angewiesen, so dass S.'s sich hier willkommene Gäste wähnten, was, nebenbei gesagt, in mohammedanischen Malayenlandcn fast ausnahmslos eine Täuschung ist. Schon am Abend erklärten einige Häuptlinge, es sei gegen den adat, d. h. gegen die Sitte des Landes, dass 602 Naturwissenschaftliche Wociicusciirift. XI. Nr. 50 Europäer hicrlier kiiiiicii, es sei weit besser, Mieder zu gci)eii. Es iiiusste nun i;ewartet werden. 1'agsiibcr war es empfindlich warm; die Abende da- gegen wurden so kühl, dass den aus den Sümpfen nach Hause getriebenen nassen Büffeln zum Erwärmen Feuer angemacht wurde, an welclies auch die Ziegen sich gerne herandrängten, und doch liegt Ussu noch so wenig über der (»l)erfläche des Meeres, dass an seinem kleinen Flüsschen Ebbe und Fluth sich noch deutlich fühlbar machten. Am fünften Tage endlich beschlossen S.'s, ins Un- liekannte aufzubrechen, auch ohne die Zustimmung der lläu])tlinge. Gleich hinter dem Dorf begann der Hochwald. Der Pfad, leise steigend, folgte immer dem kleinen üssu-Fluss, hier Dongi genannt; bald wurde er über alle Maassen schlecht, dichtes Wurzelwerk überspaun ihn, und da- z\yischen fanden sich tiefe, mit gelbem Lehm, dem Ver- witterungsin-oduct quarzreicher Gesteine, gefüllte Pfannen, in welclie man bis zu den Knien einsank; gefallene Baumstännue spenten beständig den Pfad; stachlige Rotangpalmen, ülier den Weg sich legend, zerrissen Haut und Kleider, und die Träger tiberschlugen mit ihren Lasten beständig auf dem glatten Boden, der ihren nackten Füssen keinen Halt bot. Mehrmals wurde der Fluss durclischritten, längst welclicm Pandanus- und Bandtus-Arten dichte Bestände bildeten. Ein weissgrauer Quarzit fand sich an verschiedenen Stellen anstehend. Nach 4'/oStündigeni Marsch stiessen die Reisenden in dem bis hierher lückenlosen, feuchten Wald, auf eine kleine, trockene, grasbedecktc Lichtung, wo die Hütte für die Nacht aufgeschlagen werden konnte, rings von hochstäimnigcm, majestätischen Urwald umgeben. Aufs Neue tauchten sie am folgenden Morgen in den sonnen- losen Waldtunnel, und dieselben Leiden wie gestern be- gannen wieder. Von der mächtigen Vegetation seien nur Farne aus dem Genus Marattia erwähnt, dessen Wedel hier eine Länge von nach Schätzung reichlicl! 6 m er- reichen. Der Weg begann beträchtlicher als gestern an- zusteigen und nach einigen Stunden nahm der Wald ein Ende. Mit wahrem Durst trank das Auge, an den dunkeln Schatten gewöhnt, die hellen, frischen Farben eines von der Sonne bestrahlten, grasbewachsenen Thaies, welches kesselartig von Bergketten umschlossen war, deren Rücken Wald und deren Abhänge Grasflächen, von ferne an die Weiden des Jura erinnernd, mit bebauten Flächen untermischt, trugen; ein kleiner Bach, der De- kossua, wand sich silbern durch den Thalboden. Die Bergrücken zogen ungefähr von Nordwest nach Südost. S.'s erfuhren, dass die Bewohner dieser Gegend nicht mehr mohauniiedanische Buginesen, sondern Toradjas seien, vom Stamme der To Bela, welcher den ganzen n(irdlichen Theil von Südost -Celebes bevölkere. Der durchschrittene Waldgürtel war somit der Grenzwall zwischen zwei Culturen gewesen, der ursprünglicheren des Inneren und der mohammedanischen der Küste. S.'s stiegen in die Thalsohle hinab und wanderten dem kleinen Flusse folgend weiter. Ringsum Alanggras, nur längs den von den Bergen herabkommenden Bächen senkten sich Streifen Waldes ins Thal hernieder. Eine solche Grasdecke, eine Savannen-Landschaft, bedeutet in Celebes keinen ursprünglichen Zustand, sondern tritt stets sekundär an die Stelle des durch Menschenhand zu Kultur- zwecken oder aus Uebermuth vernichteten Waldes. In 360 m Höhe wurde in der Nähe einiger kleiner Hütten und Maisfelder, mit Namen Suloai, unter Frucht- bäumen das Lager für die Nacht errichtet. Einige l'o Bela näherten sich den Reisenden; es waren Leute von echt malayischem Typus, die im Allgemeinen den Buginesen der Küste äusserst ähnlich waren und bloss etwas zarter gebaut erscliienen; ihr Haar war wellig. Ausser dem Schanituch (Tjidako) waren sie meist nackt; dafür schmückten sich einige reichlich mit Halsbändern aus Glasperlen oder Arm- und Beinringen aus Metall. Auf dem Rücken trugen sie einen Rucksack, aus dem Fell des Gemsbüffels, Anoa depressicornis, gearbeitet. Trotz eines Verbots wurde die Reise fortgesetzt. Die Thalsohle stieg langsam an, einförmig mit Gras be- wachsen ; dann wand sich der Pfad die nördliche, nicht minder kahle Thalwand hinauf. Oben angekommen, in 6S0 m Höhe, zeigte sich in nördlicher Richtung ein zweitci- noch höherer, paralleler, ebenfalls ungefähr NW — S(_) ziehender Rücken. Im Thal zwischen diesem und dem 1. Rücken zeigten sich Felder und Häuser zerstreut. Nur von füuf Vertrauten begleitet, erklommen S.'s um Mittag bei entsetzlicher Hitze die ungemein steile, über 900 ni hohe, grasbewachsene Halde der jenseitigen Thal- wand. Indessen öffnete sich vor ihnen statt des sehnlichst erwarteten Seebeckens bloss ein neues Thal, und jen- seits erhob sich ein noch höherer Rücken, beide dieses Mal nicht mit Gras, sondern nnt schwerem Wald bekleidet. Auffallend für das europäische Auge erschienen die vielen weissgefärbten Stänmie der Waldbäume und fernci' die auch in anderen Tropenläudern, so von Haberlandt auf Java, beobachtete unregelmässige Kontur der Wald- decke. Während bei uns die Oberfläche des Waldes eine beinahe horizontale Linie bildet, ragen im Tropenwald fast immer einzelne Riesenbaumkronen breit und hoch über die anderen empor und geben dem Walde ein wildes und zerrissenes Aussehen. Die Ueberschreitnng des nächsten waldbedeckten Rückens war eine mühsame Arbeit, da bloss eine steile, glatte Bachrunse als Pfad diente, und es zeigte sich von oben wieder nichts, als ein neuer düsterer Waldberg. Endlich, als dieser erklommen war (940 m), nahm der Wald ein Ende, und es öffnete sich zu ihren Füssen ein tiefes, breites Thal, in welchem ein herrlich blauer Sce- spiegel schinnnerte, der Matanna-See. In weitem, flachen Bogen schweifte der bandförmige, fast buchtenlose See zwischen abgerundeten Waldbergzügen von West nach Südost, an Form und Farbe dem Thuner See ähnlich, an Länge und Breite ihn übertreffend. Ueber steile (iras- halden, angenehm geschmückt durch Gruppen grell roth blühender Bäume, stiegen die Reisenden zum Secspiegel hinab. Hier fanden sie zu ihrem Erstaunen im See ein Pfahlbaudorf, Matanna oder Paku genannt und von To Bela Taradjas bewohnt. Etwa zwanzig Häuser standen in einer unregclmässigen Reihe im seichten Wasser längs dem Ufer liingebaut, mit dem letzteren und zuweilen auch untereinander durch lange Brücken ver- bunden, welche in primitiver Weise aus lose auf Stützen hingelegten Stöcken bestanden. Jedes einzelne Haus be- sass eine aus gefällten jungen Bäumen oder rauhen Planken, die sich stets als Reste unbrauchbar gewordener Einbäunie erwiesen, hergestellte Plattform, von welcher aus ein mit Kerben versehener Baumstannn oder eine primiti\e Leiter in einen oberen, von geflochtenen Palm- Ijlättcrn umschlossenen, armseligen Wohnraum führte. Die (üebel waren mit aus Holz geschnitzten Büft'elhörncrn oder ähnlichen Verzierungen geschmückt. Auf dem festen Laiub; in der Nähe standen Vorrathshäuschcn für Feld- früchte in grosser Zahl, ebenfalls auf Pfühlen, neben ein- ander. Zum Schutz gegen Ratten und Mäuse waren die oberen Enden der Pfähle entweder durch Querscheiben unterbrochen oder mit einer Hülse aus glatten Palmblatt- scheiden umgeben. Pfahldörfer an den Meeresküsten finden sich durch den ganzen Malayisehen Archipel und Neu Guinea weit XI. Nr. M. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 603 verbreitet; solche in Süsswasserbecken sind indessen heut7Aitage auf der ganzen Erde g-rosse Seltenheiten. Diese Pfahldörfer beschwören in unserem Geiste eine längst entschwundene Epoche herauf, insofern, als auch längs der Ufer unserer europäischen Wasserbecken solche |)('irfer im Wasser standen. Es ist wegen des Schmatzes, dass die Leute im Wasser bauen, und in der That kann kaum ein einfacheres Mittel gefunden werden, die Ab- fälle von Haushalt, Mensch und Ilausthier zu entfernen, als sie dem Wasser, das sich regelmässig erneuert und liei Hochwasser alles rein fegt, zu übergeben. Wo Pfahl- dörfer auf festem Boden stehen, spottet denn auch in der Regel der Morast um und unter den Häusern jeder Be- schreibung. Wir dürfen wohl annehmen, dass auch bei unseren europäischen Pfahlbauern die Schmutzfrage der maassgebende Beweggrund war, die Wohnungen ins Wasser zu stellen, und nicht, wie man gewöhnlich denkt, die Furcht vor feindlichen Ueberfällen oder gar wilden Thieren. Der Spiegel des Sees liegt ziemlich genau 400 m über dem Meere. Da er für heilig gilt, wollte S.'s kein Eingeborener begleiten. Zwei grosse Einbäume, von denen der eine vorn geschnitzt und roth und weiss be- malt war, nebst einer Anzahl theilweise recht hübsch dekorirter Ruder wurden ihnen indessen gern gegeben. Längs des Ufers zog sich eine schmale, seichte Zone hin, die sich dann plötzlich zur Tiefe senkte. Schon nahe an diesem Absturz wurden Tiefen von über 100 m gemessen, und solche von 200 folgten bald. Die grösste bei dieser ersten Excursion im westlichen Theil des Sees gemessene Tiefe betrug 367 m; später indessen, als quer über die Mitte des Sees von Sarawako nach Sokoijo übergesetzt wurde, fand sich, bevor die Hälfte des Weges zurückgelegt war, mit dem Lot von 480 m Länge kein Grund "mehr, so dass also, da der Seespiegel 400 m über dem Meer liegt, der Boden des Sees sich stellenweise unter die Oberfläche des Meeres hinabsenkt. Die seichte Bank längs des Ufers war reichlich mit Muschelu und Schnecken besäet, darunter Melanien von gewaltigeu Dimensionen. Eine Anzahl den Reisenden noch unbekannter Fische und Krebse fielen ihnen hier ebenfalls zur Beute. Nach zwei Tagen setzten S.'s die Reise von Matanna nach dem zweiten See, dem Towuti, fort. Zu diesem Zweck musste der Matanna-See bis zu seinem im Süd- osten liegenden Ausfluss verfolgt werden. Nach ungefähr drei Stunden Ruderns trafen S.'s wieder auf ein Dorf, Sarawako mit Namen, welches aber nicht wie Matanna ins Wasser gestellt war, sondern aus einer grossen Menge ganz dicht auf einander gebauter, auf festem Grund ruhender Pfahlhäuser bestand. Grenzen- loser Unrath häufte sich unter den Häusern und auf den Gassen an; Fruchtbäume und ein niederer Erdwall um- gaben das Dorf. Mehrere grosse Schmiedewerkstätten fielen auf. Eisen findet sich am Matanna-See in erstaun- lichen Quantitäten; das hier verarbeitete wird aus erdigen Klumpen herausgeschmolzen, welche aus dem Boden ge- graben werden. Die in Sarawako gearl)eiteten Lanzen und Kiewangklingen geniessen über ganz Gelebes hin eines besonders guten Rufes und gehen als werthvolle Tauschwaaren weithin. Wahrscheinlich ist ihre Fal)ri- kation eine alte Industrie des Ortes; sie scheint, neben der Gewinnung des Damarharzes, einen gewissen Wohl- stand der Bevölkerung zu erzeugen, denn die Leute waren reichlich mit gutem Tuch l)ekleidet, ganz ähnlich wie die Buginesen der Küste. Der Ausfluss am Südosteude des Sees verliert sich bald im Wald zwischen Hügelzügen, so dass man ihn nicht genau verfolgen konnte; es kann aber keinem Zweifel unterliegen, dass die Angabe der Eingeborenen, er gehe nach dem Towuti-See, richtig ist; einige setzten hinzu, er verschwinde gelegentlich unter dem Boden. Es begann nun wieder Fussreise; der sehr gute Pfad führte erst durch (iestrüpi) und dann mehrere Stunden lang durch einen lückenlosen Waldtunnel; weiter folgten grasbewachsene Hügel, von deren einem sich plötzlich der Blick auf eine ungeheure Wasserfläche öffnete. Der Towuti-See ist von wahrhaft gewaltigen Dimen- sionen. Bis in die duftige Ferne dehnte sich der blaue Spiegel aus, von hohen Ketten überall umgeben, deren Ausläufer als schöne Vorgebirge sich in den See hinein- seukten, grosse Buchten malerisch umschliessend; in der Mitte erschien eine hohe Insel, wie ein Berg aus dem Wasser aufsteigend, Locha mit Namen, auf welcher die Toradjas der Gegend ihre Leichen in den Klüften der Felsen beisetzen. Die Gegend um den Towuti-See schien spärlich be- völkert zu sein; dichter Hochwald bedeckte, so weit man sah, die Bergrücken und senkte sich fast überall bis un- mittelbar zum Seespiegel hinab. Kein Pfahldorf stand im Wasser, und die einzigen von Menschen bewohnten Hütten waren einige armselige Fischerbaracken am Strand, mit Namen Pekalowa. Wohl zeigten sich in der Nähe des Standortes der Reisenden grössere Strecken Landes urbar gemacht, aber Niemand erntete die Früchte der Bäume und Felder; das zugehörige Dorf stand todt und verlassen, die Häuser waren zerstört, und der aus Erde und Bambus errichtete Schutzwall zeigte deutliche Spuren des eingedrungenen Feindes. Die Leute, die hier das Land gebaut, wo mochten sie jetzt sein"? todt vielleicht oder weit über die Berge in die Sclaverei verkauft. Als S.'s in dieser Gegend einem Trupp Eingeborener begegneten, sahen sie diese schweigsam, einen hinter dem andern, nach allen Seiten spähend, daherziehen, in schuppige Panzer aus Büffelfcll oder Kriegsjacken aus Pflanzenfaser gehüllt, auf dem Kopf einen Helm aus Ro- tang geflochten, in der Hand die schwere, aus einem ein- zigen Stück Eisen bestehende Lanze, offenbar in der Erwartung, jeden Augenblick davon Gebrauch machen zu müssen. In den ewigen kleinen Kriegen, welche hier geführt werden, theils um Sclaven und andere Güter, wie z. B. Dauiarharz, zu gewinnen, theils um einen in den Augen des Toradja noch werth volleren Besitz, Menschenköpfe, zu erjagen, wobei dann die Blutrache zwischen Dorf und Dorf, Stamm und Stamm, auf lange Zeit hinaus die Kriegs- fackel nie ganz erlöschen lässt, haben wir jedenfalls den Grund zu sehen, warum eine so herrliche Gegend, wie die Landschaft um den Towuti-See, von finsterem Urwald bedeckt ist, statt Tausenden glücklicher Menschen zur friedlichen Wohnstätte zu dienen. Die grossen Dimensionen des Sees erschwerten die kartographische Arbeit in hohem Grade; bloss um die Insel Loeha zu erreichen, waren über 4 Stunden Ruderns von 30 Menschen nöthig. Die Insel zeigte sich völlig unbewohnt, von länglich gestreckter Gestalt, mit mehreren Buchten umsehliesseuden Vorgebirgen; ihre höchste Erhebung mag etwa 250 m betragen; steil und felsig fallen die Ufer in den See ab, kaum einen Fuss breit ebene Landungsfläche bietend; über und über er- schien sie mit herrlichem Hochwald bekleidet, in welchem pinienartig gestaltete Casuarinen sieh besonders auszeich- neten. Von Gräbern wurde nichts gefunden, da S.'s nicht tiefer ins Innere eindringen konnten. Flora und l'auna schienen einige Eigenartigkeiten zu bieten, und es drängte sich die Frage auf, ob sich auf dieser kleinen Insel be- reits Loealvarietäten haben ausbilden können. Locha ist die höchste Erhebung eines den See von NO nach SW 604 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XL Nr. 50. durchziehenden Gebirgszuges, dessen Verlauf noch durch zwei weitere kleine, aus dem See auftauchende Insel- chen bezeichnet wird. Von Loeha dehnt sich der See noch nach Süden ungeheuer weit aus; seine von NO nach .SW ziehende Hauptachse mag reichlich 50 km messen, bei einer mittleren Breite, im nördlichen, breitesten Theil von gut 30, weiter südlich etwa 20 km. Der Towuti-See ist also das bedeutendste der bis jetzt auf Celebes be- kannten Siissvvasserbecken; die grösste Tiefe des Sees, die auf der Fahrt nach Loeha gemessen wurde, betrug 152 m, doch mögen an anderen Stellen sich weit be- trächtlichere Abgründe finden. . Schwieriger gestaltet sich die Frage nach dem Aus- fluss des Towuti-Sees. Nach den übereinstimmenden An- gaben aller darum Befragten wässert der See nach dem Golf von Boni, also nach der Westküste der südöstlichen Halbinsel, aus. Wie bereits mitgetheilt, ist der Towuti-See von wal- digen Bergketten umzogen, und es war deutlich zu er- kennen, wie diese Höhenzüge sich in diejenigen, welche den Matanna-See umrahmen, fortsetzten. Die zwischen den beiden Seen liegende Strecke erschien als ein zwischen den Ketten abgesenkter, hügeliger Boden. Wenn sich nun weiterhin, wie wir schon erwähnten, die Bergketten des Matanna-Sees in diejenigen, welche den Posso-See um- ziehen, verfolgen lassen, so erhalten wir einen gewaltigen. Central- und Südost-Celebes durchsetzenden Graben, in welchem, je durch Hügelland von einander geschieden, drei mächtige Seebecken liegen. Am vierten Tag seit der Ankunft am See kehrten S.'s auf demselben Weg, auf dem sie liergekommen, nach Sarawako am Matanna-See zurück. Am Nordufer des Matanna-Sees hörten sie, sei ein Platz, Sokoijo, wo alle li Tage und zufällig auch morgen, Markt abgehalten werde, bei welcher Gelegenheit aus allen Theilen der Landschaft Tomori Leute zusammenkämen, nm ihre Waaren zu vertauschen. So fuhren S.'s denn nordwärts über den See. So- koijo besteht aus einigen Reihen kleiner, von Mongo- und Brotfruchtbäumen beschatteter Marktbuden, welche sich nur alle 14 Tage, am Markttage, beleben, sonst aber unltewohnt sind. Die Erwartung, hier ein reiches Volks- leben anzutretfeu, wurde nichterfüllt; aus Furcht vor S.'s und wohl noch mehr vor den vielen Begleitern, hatte sich Niemand eingestellt; die Leute hielten sich alle auf den nahen Waldhügeln versteckt. Erst am folgenden Tag, als die friedlichen Absichten durch Boten bekannt ge- macht waren, rückten die Leute truppweise mit ihren Waaren an. Es waren alles Toradjas, die meisten, mit Ausnahme von Kopf- und Schamtuch, nackt, einige in Panzern, alle mit schweren, oft mit Widerhaken ver- sehenen Lanzen bewaftnet. Die Waaren bestanden aus getrockneten Süsswasserfischen, frisch geernteten Reis- büschcln, süssen Kartoffeln, Maiskolben, Hühnern, Eiern, Bananen, Tabak und Stoffen aus geklopfter Baumrinde. Alle diese Sachen vertauschten sie unter einander und mit den Leuten vom jenseitigen Seeufer. Geld wurde nicht angenommen; der ganze Umsatz ging auf dem Wege des Tausches vor sich. Am Seestrand bei Sokoijo, vom Wasser direct be- spült, stand ein sehr merkwürdiges Konglomerat an, be- stehend aus Stücken von Eisen, Grünstein, Quarzit, Quarz, Sand und Tlion. Darin fanden sich in Menge Melanien- und Muschelschalen eingebettet, den jetzt im See lebenden ganz ähnlich, ferner Stückchen von Kohle. Die Ei.sen- broeken lagen als solche im Conglomerat, doch hatte sich um die ganze Formation auch ein schichtartiger Ueberzug von Eisen gebildet. Zunächst war nun der Bergrücken nörd- lich vom See zu ei-klimmen, welcher an dieser Stelle die Wasserscheide zwischen den Golfen von Boni und Tomaiki bildete; vS.'s überschritten sie in 650 m Höhe; der Berg schien aus Grünstein zu bestehen. Dann wandte sich der Pfad steil und rauh durch dichten Wald thalwärts, bis sich mit eins eine helle Parkgegend öffnete; schöne, leichthügelige Grasflächen zeigten sich weithin ausge- streckt, von duukelen Waldrändern umzogen, und in der blauen Ferne erhob sich ein zackiges Waldgebirge, aus welchem weisse Flühen hervorschimmerten; es war der Bergkranz, der die Bai von Tomori umschliesst. Die Landschaft behielt auch am folgenden Tag den- selben offenen Charakter bei, nur mehrten sich die be- bauten Strecken. Bei einem grösseren, eben noch durch- watbaren Fluss trafen S.'s auf ein stattliches Toradja- Dorf, mit Namen Sokita. Weiter wechselte wieder Park- landschaft mit immer häufiger werdenden Kulturflecken und Wohnungen ab. Plötzlich hemmte ein grosser und reissender Fluss, der Puabu, unerwartet den Marsch, doch gelang es nach einiger, Zeit eine aus Schlingpflanzen hergestellte, höchst gefährliche, bei jedem Schritte krachende und lebhaft schwankende Brücke zu finden, auf welcher, wenn auch mit Mühe, der üebergang bewerk- stelligt werden konnte. Am jenseitigen Ufer des Puabu befand sich ein grosses Dorf, Togo, von einem Ringwall umgeben, der igelgleich von Bambusspitzen starrte; es stand fast leer, da die meisten Bewohner aus Furcht vor den Reisenden ent- flohen waren. Die offene, hügelige Graslandschaft, mit eingestreuten Feldern und Wohnungen nahm nun bald ein Ende, und etwa um die Mitte des folgenden Tages betraten S.'s von Neuem schweren Hochwald. Es braucht kaum ge- sagt zu werden, dass ihm diesell)e Bedeutung zukomme, wie dem ähnlichen Waldgürtel westlich. Der Wald war hier stellenweise durch enorme Pandaneen ausgezeichnet, welche die Höhe mächtiger Palmen erreichten. Beim Austritt aus dem Walde trafen S.'s auf eine kleine Niederlassung buginesischer Kaufleute, Tampira, an einem mächtigen Fluss gleichen Namens gelegen. Von hier kann man zu Wasser in wenigen Stunden die Küste erreichen. Um 4 Uhr Abends traten S.'s auf schwankem Kahn die Fahrt nach der Küste an. Den hier etwa 60 m l)reiteu, rasch strömenden und vermuthlich sehr tiefen Fluss begleitete beiderseits ein verschwenderisch ausge- statteter Hochwald. Die ungeheuren Bäume des Ufers waren über und über mit Farnen und hartblättrigeu Orchideen bedeckt; wie riesenhafte Guirlanden verbanden Schlingpflanzen die einzelneu Stämme oder flössen, breite Kaskaden von Laubwerk bildend, von den Kronen hun- dert und mehr Fuss tief zur Erde hinab. Kletterpalmeu, Rotangartcn, deren elegant geschnittene Fiederblätter in lange Ranken auslaufen, die, mit einer Menge Widerhaken bildender Stacheln bewehrt, der rasch wachsenden Pflanze sicheren Halt geben, zwängten sich überall rücksichtslos durch die Lücken in die Höhe, um sich endlich siegreich auch über die höchsten Kronen hinaus zum Lichte zu er- heben. Gruppen hochstämmiger Fächerpalmen, zwischen die Laubbäume reichlich vertheilt, brachten in das gross- artige Gemälde eine höchst anmuthige Abwechselung, während die jungen, noch stammlosen oder ganz kurz- stännnigen Exemplare, deren Riesenblätter unmittelbar aus dem Erdboden zu spriessen scheinen, das Ufer zier- lich einrahmten, das Ganze in der Abendsonne ein Natur- bild von ergreifender Pracht. Uebcrall, wo die Pflanzenwelt sich so ungezügelt entfaltet, dass sie dem feuchten Waldboden nur selten Sonnenstrahlen gönnt, drängt sie die Thierwelt zurück; nirgends waren Säugcthierc, nicht einmal Affen, zu sehen. XI. Nr. .00. Naturwisscuschaftliche Wocheuschrift. 605 Bloss einzelne Ntisliornvögel luitl Fliif;e isabellfarbener, grosser Tauben nährten sieli in den hohen Kronen der Fieus-Arten von den rothcn Früchten, und von Zeit zu Zeit erhob sieh aus einem Uferbuseh, dureh die Ruder auf- geschreckt, schweren Fluges der glänzend gefärbte, grosse Purpur-Reiher, um sich einige hundert Sehritte weiter aufs Neue niederzulassen. Nach zwei Stunden Fahrt wurde der Fluss breiter und träger, der Wald niedriger und ärmer, und schon zeigte sieh hin und wieder zerstreut, als deutlicher Vorbote des nicht mehr fernen Meeres, die Brackwasser liebende Nipa-Palme. Am anderen Morgen erkannten S.'s, dass sie sieh am Eingang der Tomori-Bai befanden, einer herrlichen, Non kräftigen, über und über bewaldeten, aus dichtem, weissen Kalk bestehenden Bergen unisehlossenen, insel- reiehen Bucht. Hinter den Kalkbergen erhob sich in der Ferne ein Kranz noch viel mächtigerer Gebirge, unter denen sich die Tokalla-Kette durch ihre schöne und kühne Form besonders auszeichnete. Wet.torübersiclit. — Früher als in der grossen Mehrzahl der Jahre zog im vergangenen November der Winter in die deutschen Lande ein. Nachdem die Tem- |)eraturen zu Beginn des Monats verhältnissmässig hoch gewesen waren, nordöstlich der Elbe an den ersten zwei Nachmittagen noch vielfach lO'C. überschritten hatten, fand lemptraturen im Novtmlmr . U%, 6 OhrMcr^tns iiotmal, SUlir Moroni, tat^lidies iVlaximuhi. bcz\y- Mtyiin allgemein, wie die beistehende Zeichnung ersichtlich macht, eine bedeutende Abkühlung statt. In den Nächten vom 5. bis zum 7. herrschte in den meisten Gegenden Deutschlands leichter Frost. Dann erwärmte die Luft sich wieder, besonders schnell im Süden, wo am 8. No- vember die höchsten Temperaturen des Monats vorkamen. Während dort sodann bis zur letzten Novemberwoche die Wärmeverhältnisse sich sehr gleichmässig gestalteten und von den normalen nur wenig abwichen, trat seit dem 12. in Norddeutschland zum zweiten Male Kälte ein, welche abermals im Osten besonders empfindlich wurde. Am 17. und 18. gingen daselbst die Nachttemperaturen durchschnittlich bis — 5°, in der Provinz Ostpreussen sogar — 9^ C. herab. Nach einem neuen Wärmcrüekfall, bei welchem jedoch die Temperaturen ihre normale Höhe nicht mehr wesentlich überschritten, stellte sich mit dem 26. November noch strengerer Frost als vorher ein, der sich jetzt auch auf Süddeutschland ausdehnte und bis zum Monatsschlussc dort Tag und Nacht anhielt. .\m 27. früh herrschten zu Mcmcl 11, zu Königsberg und Neufahrwasser 10, am 30. zu Bamberg sogar 12" Kälte; auf Main und Neckar fand beträchtliches Eistreibeu statt, durch das auch auf dem Oberrhein die Schiffahrt sehr behindert wurde. Durch diesen letzten Zeitabschnitt wurden die Mitteltemperaturen des Monats noch merklich hcrabgedrückt, so dass sie an den norddeutschen Stationen um volle 2, an den süddeutschen um 1'/.," hinter ihren vicljährigen Durchschnitts werthen zurückblicben. Gemeiniglich tritt im Spätherbst und Winter Kälte zusammen mit Trockenheit, milde Witterung mit Nässe verbunden auf. Dass diese alte Regel sich auch im letzten Ndvenibcr vollauf bewährte, wird durch einen Vergleich der obigen Temperaturzeiehnung mit der hier Hont der Niedtrsmlde^e in ü m i«i»m Novtmbcrtaftt -16%- I.MotW 6 ejtscilland 18 96 95 M M «1 II dargestellten Vertheilung der Niederschläge erwiesen, da einer jeden der Frostperioden ein beinahe oder gänzlich trockener Zeitabschnitt entsprach. Wie aus dem rechten Ende unserer Niederschlagszeichnnng hervorgeht, haben in den letzten sechs Jahren trockene imd nasse November- monate regelmässig mit einander abgewechselt. Aber nur der November 1892 war noch trockener als der dies- jährige, in welchem die gesammte Regenhöhe an den nordwestdeutschen Stationen durchschnittlich 25,() Milli- meter, an denjenigen östlich der Elbe 31,9 und südlich vom Main 34,1 Millimeter betrug. Davon fielen mehr als zwei Drittel während der ersten Hälfte des Monats. In den ersten Tagen des November fanden in ganz Deutschland zieudich ergiebige Niederschläge statt. Ein flaches barometrisches Minimum zog von Frankreich uord- ostwärts zur Ostsee, wo dasselbe am 3. November mit einem zweiten, vom norwegischen Meere gekonnnenen in Ver))indung trat und sich dabei vertiefte. Bei heftigen nordwestlichen Winden und unter zahlreichen Regen- und Hagelsehauern, welche zu Hamburg von einem Gewitter begleitet waren, begaben sich darauf beide Minima in das Innere Russlands, während von Westen her ein Gebiet hohen Luftdruckes rasch nachfolgte. Aehnliche Vorgänge wiederholten sich bis zur Mitte des Monats noch mehrere Male; Barometerdc])ressionen drangen tlieils von der scan- dinaviseheu Halbinsel, thcils von Frankreich in Deutsch- land ein, von wo sie jedoch bald durch Maxima, die aus England kamen, ostwärts vertrieben wurden. Die Folge davon war ein häufiger Wechsel zwischen sonniger und trüber Witterung; doch hielten sich dabei die Nieder- schläge in Deutschland innerhalb massiger Grenzen, wo- gegen in Ober- und Mittelitalien seit dem 7. November sehr starke Regengüsse tuid Ueberschwennnungen vor- kamen. Etwas beständiger wurde dtxs Wetter, als am 13. No- vember ein tiefes Minimum aui' dem Atlantischen Ocean 606 Naturwisseuscliaftlichc Wochenschrift. XI. Nr. M. bei Schottland erschien und alUniihlich südostvvärts fort- schritt, während das Hochdruckgebiet von jetzt au längere Zeit in Russland verweilte. In Norddeutsehland stellten sich trockene Ostwinde mit klarem, g-rossentheils wolken- losen Himmel ein. Dagegen befand sich Süddeutschland noch im Bereiche der Depression, welche wiederum in Italien, mehr aber noch auf der Balkanhalbinsel ausser- ordentlich reichliche Niederschläge verbreitete. Besonders wurden durch dieselben Bosnien und Serbien schwer be- troffen, wo durch Hochwasser im Gebiete der Drina und Morava Bahndämme und Strassen zerstört, Brücken ab- gerissen wurden und zahlreiche Häuser einstürzten. Nachdem vom 19. bis 21. November eine flache De- pression mit leichten Regen- und Schneefällen im Norden von Deutschland vorübergezogen war, schritt ein umfang- reiches und höheres Maximum, als seine Vorgänger waren, langsam von Frankreich durch Mitteleuropa hindurch, um sich schliesslich in Russland mit dem dort schon vorhan- denen Maximum zu vereinigen, so dass jetzt in Ostruss- land bei klarem Himmel furchtbars Kälte entstand, die am 23. zu Perm und Tschcrdyn bis — 34'* C. anwuchs. Auch in ganz Deutschland begann eine kalte Trockenzeit mit Windstillen oder schwachen östlichen Winden, wobei jedoch die Sonne durch Nebelgewölk an den meisten Tagen verhüllt wurde. Erst am 27. November drang vom adriatischen Meere ein Minimum, welches bei Triest einen heftigen, den Verkehr zu Wasser und zu Lande sehr er- schwerenden Borasturm hervorgerufen hatte, nordwärts vor und breitete über die östliche Hälfte Deutschlands eine Schneedecke aus, die am letzten Monatstage zu Königsberg bereits 25 Centimeter Höhe erreichte, während im Gebiete der Nordsee beim Herannahen einer Depression aus Nordscandinavien Regenwetter einsetzte. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ausserordentliclie Professor der Astrono- mie in Heidelberg Dr. Wilhe Im Vale nt iner zum ordentlichen Professor; der Bryologe Dr. Karl Müller in Halle zum Pro- fessor; der Sanitätsrath und Hofarzt Dr. Boer in Berlin zum Professor; der ordentliche Professor der Hygiene in Giessen Dr. Gaffky zum Geh. Medizinalrath; der Oberbibliothekar an der Stadtbibliothek in Mainz Dr. Velko zum Professor; der Bibliothekar Alfred Börckel daselbst zum Hofrath; der Privatdocent der Frauenheilkunde in Berlin Dr. Wilhelm Nagel zum ausserordentlichen Professor; der ausserordentliche Professor der Gtihrungschemio an der teclinischcn Hoclischule zu München Dr. Lintner zum ordentlichen Professor; der ausserordentliche Professor der Mathematik an der technischen Hochschule zu Graz Dr. Peithner Freiherr von Lichtenfels zum ordentlichen Pro- fessor. Berufen wurden: Kegierungsrath Dr. von Buchka, Mitglied des Kaiserlichen Patentamtes, Privatdocent der Chemie an der Berliner Universität ins Kaiserliche Gesundheitsamt; der ausser- ordentliche Professor der Chemie in Rostock Dr. Albert Toehl ins kaiserliche Patentamt. Abgelohnt hat: Der Professor der Eisenhüttenkunde an der Borgakadmie zu Freiburg i. S. Bergrath Ledebur einen Ruf nach Japan. Es habilitirten sich: Dr. Heinrich Rosin, Assistent ander medicinischen Universitäts-Poliklinik, in Berlin für pathologische Anatomie; Dr. Heinrich Laehr, Assistent an der Chariteklinik, in Berlin für Nervenkrankheiten. Esstarben: Der ehemalige Professor der patliologischeii Anatomie in Halle Geh. Mi^dicinalrath Dr. Tlieodor Ackermann; Geh. Sani- tätsrath Dr. Leo Klein in Berlin; der eliemalige Oberarzt an der inneren Abtheilung des Eppendorfer Krankenhau.ses Dr. Karl Eisonlohr in Funchal; der leitende Arzt des Stettiner Kranken- hauses Bethanien Dr. Hans Schmidt; der Privatdocent der Zoologie und Assistent am zoologischen und anatomischen lustitut an der Kgl. Akademie zu Münster Di'. Fritz Westhoff. S. 583 Bd. XI. No. 48 ist Dr. Moritz Schneller als gestorben gemeldet ; derselbe hat seine ganze \\'irknngszeit als Augenarzt in Danzig Uiicht in Königsberg) zugebi'acht und ist auch in Danzig gestorben. Prof. Dr. Bail. L i 1 1 e r a t u r. Prof. Dr. Felix Wahnschaffe, Unsere Heimath zur Eiszeit. AllgemeinverstiincUiclier N'ortrag. Mit 4 Abbildungen. Robert Oppenheim (Gustav Schmidt) Berlin 1896. — Preis 0,75 M. lier kurze, 31 Seiten umfassende Vorti-ag ist sehr geeignet zur Einführung in das Verständniss der Entstehung unseres hoimathliclien Bodens. Jeder Gebildete wird das Bedürfniss fühlen, eine Anschauung zu erhalten, wie unser Sand, Lehm und Geschiebe-Mergel entstanden ist: kurz und bündig rindet er be(|uem in dem vorliegenden Heftchen hierüber Auskunft, da die Schilderung der Eiszeit nothwendig diese Bildungen berücksichtigen muss. Die vier Figuren bringen ein klares Kärtchen von Europa während der grössten Ausdehnung der Inlaudeisbedeekung, ein Profil einer Grube im Geschiebemergel, eine Karte der Moränen- Landschaft der Uckermark und eine solche der Flusssysteme Norddeutschlands am Schluss der Eiszeit, welche die ursprüngliche Verbindung der jetzigen Weichsel mit der Oder und der Oder mit der Elbe durch Angabe der alten Stromthäler anschaulich demonstrirt. Fridtjot Nansen, In Nacht und Eis. 1. Lieferung. F. A. Brock- liaus in I^eipzig. Bei dem hohen Interesse, das allseitig der Veröffentlichung Nansen's entgegengebracht wird, zeigen wir, ohne die folgenden abzuwarten, das Erscheinen der ersten Lieferung der deutschen Ausgabe seines Werkes über seine Nordpolfahrt an. In derselben entwickelt Nansen die vor seiner Reise bestehenden Ansichten über das Gebiet um den Nordpol und über die möglichen Wege zu dessen Erschliessung. Klar legt er seinen Plan dar, der mit dem hartnäckigsten Widerstände berühmter Polarforscher zu kämpfen hatte. Nansen's Plan sei „der reine Wahnsinn", wurde unverhohlen erklärt. Aber der Forscher Hess sich nicht irre machen; nach seinen Angaben wurde ein ganz eigenartiges Schiff gebaut. Mochten auch die „Autoritäten" noch so sehr die grauen köpfe schütteln über das kuriose Schiff; Nansen's Plan erwies sich ja später als in allen Theilen wohl begründet. An Gefahren hat es natürlich nicht gefehlt. Man betrachte z. B. das Bild „Die Fram im Mondschein nach der grossen Eispressung". Wir sehen das Schiff festgefroren in das Packeis, das sich rings um die „Fram" in verderbendrohender Weise auflhürmte. Hätte der geringste Vorsprung des Fahrzeuges dem Eise Widerstand ge- leistet, so wäre es ebenso sicher unter dem furchtbaren Druck des Eises vernichtet worden, wie die Schifte früherer Polarexpe- ditioneu in ähnlicher Lage. Statt dessen presste das Eis das Schiff in die Hölie, sodass es plötzlich oben auf den riesenhaften Schollen sass und ein ganz gemüthlicher Aufenthaltsort war, wie uns das zweite Bild „Eine Kartenpartie im Salon" beweist. Unter den drei dem Spiele huldigenden Männern fesselt besonders Ka- pitän Sverdrup, eine echte Seemannsgestalt, der man ansieht, dass sie keine Gefahren scheut. Die endlose Eiswüste und die beiden tapferen Wanderer Nansen und Johansen auf ihren Schnee- schuhen zeigt ein drittes Bild „Nach Süden!" Achtzehnte Denkschrift, betreffend die Beliämpfung der Beblauskrankheit. 1895. (Amtlich, 115 S. nelist o Karten der im Deutschen Reiche früher und 1895 neu aufgefundenen Reb- lausherde und 2 Plänen der Rebenveredelungsstationeu zu Engers etc. und Eibingen.) — Im Jahre 1895 wurden im Deutsclien Reiche 158 Reblausherde mit 18 086 inficirten Rebstöcken neu entdeckt. Die Flächenausdehnung derselben ist leider wogen der Verschiedenartigkeit der Berichterstattung der einzelnen Sach- verständigen schwer zu übersehen. Nach Berechnung des Re- ferenten dürfte die direct inficirte Fläche 17,29 ha noch nicht er- reichen. Für annähernd ll'-j ha Fläche wurden von der Re- gierung Entschädigungen im Betrage von über 76 200 M. bezaldt. Insgesammt betrugen die Unkosten zur Bekämpfung der Roblaus 421500 M. und bisher überhaupt 5 GOO 236 M. Am meisten inficirt erscheinen dem Flächeninhalt der neu- entdeckten Herde nach immer noch die Rheinin-ovinz und Elsass- Lothringen, w^o sich der Stand der Infection im Vergleich mit dem Vorjahre wegen der andauernd heissen Witterung ver- schlechtert hat. Sodann folgen in absteigender Linie: Provinz Sachsen, Hessen - Nassau. Rheinpfalz, Saargebiet, Königreich Sachsen unil Württemberg. Leider w^urde auch in der bisher für reblausfrei gehaltenen Rheinpfalz ein glücklicherweise von den werthvollsten Rebengeländen abgesonderter, umfangreicher Reblausherd (in der Gemarkung Sausenheim bei Grünstadt) auf- gefunden, dessi^n Ursjirung bisher nicht entdeckt werden konnte. Dagegen wurde das gesammte Moselgebiet der Rheinprovinz bei sorgfältiger Untersuchung durchaus reblausfrei gefunden. Soweit die Ursache der Infectionen zu ermitteln war, Hessen sich die- selben theils auf Ansteckung durch benacldjarte Herde, theils auf frühere Eiufidirung französischer oder lothringischer Reben zurückführen (so in der Gemarkung St. Goar aus dem verseuchten Orleans, in der Gemarkung Grosshemmoi'sdorf im Riedthale, XI. Nr. 50. Naturwissenscbaltliche Wochenschrift. ()t)7 oinom Seitentliiile der Saar, aus Metz und in der Gemarkung Tliann im Oberelsass aus Vallicres in Lothringen). Welclie enorme Arbeit zur Auffindung dieser Herde geleistet werden niusste, beweist z. B. die Angabe, dass im Klieingebiet 837 OuO Weinstöcke, in Hessen-Nassau auf 63 ha Fläche jeder Stock, zu- sammen 428 217 Stöcke, untersucht wurden. Die Revision der in den Vorjahren zerstörton Herde hatte fast ausnahmslos das günstigste Ergebniss, soweit Schwefnlkohlenstotf und Petroleum (vgl. Naturw. Wochenschr. Bd. IX. No. 47, S. hll) zur Ver- nielitung verwendet wurden. Formol dagegen erwies sich nach einem damit in der Rheinprovinz angestellten Versuche nicht als sicher wirkendes Mittel zur Vertilgung der Reblaus. Nebenher laufen die Arbeiten in den Rebenveredelungs- stationen, wozu ausser ausgezeichneten europaischen Sorten des edlen Weinstocks (Rieslingreben, Burgunder etc.), amerikanische Arten (Vitis Riparia, Solonis, York Madeira etc.) und Kreuzung europäischer und amerikanischer Sorten (Gutedel oder Riessling und Riparia; Gutedel und Solonis) verwendet wurden. Die amerikanischen, gegen die Reblaus weit widerstandsfähigeren Arten wurden als Unterlage benutzt und mit europäischen Sorten veredelt. Auch die Hybriden dienten als Veredelungsunterlage. Zur Düngung der Unterlagen waren Taubenmist und Hornmehl von sichtlichem Erfolge. Als bestes Bindematerial beim Veredeln erwiesen sich durchlochte Veredelungskorke. Am besten gediehen die Veredlungen in anfänglich bedeckt gehaltenen und nach dem Austreiben allmählich immer mehr gelüfteten Kästen, wegen der darin vorhandenen, stets stark feuchten Luft Die Stöcke wurden während des Sommers gegen die Pernospora zweimal mit Kupfer- kalkbrühe bespritzt. Bei Ripaoria rupestris und Solonis war dies Mittel wegen ihrer Widerstandsfähigkeit unnöthig. Um durch- schnittene Edelreiser in strengen Wintern für die Frühjahrs- voredelung gegen Frostbeschädigung zu schützen, bewies sich EinSchichtung in massig angefeuchteten Torfmull in einer 1 m tiefen Grube als bestes Mittel. Auch einige biologisclie Resultate in Beziehung auf die Reb- laus wurden im verflossenen Jahre gewonnen. Eine schnell ein- tretende Abkühlung auf etwa 0" stört nicht allein die Ent- wickehing der Reblansnymijhen, sondern tödtet sogar gewöhnlich diese, sowie auch die ausgewachsenen Rebläuse. Jungen Reb- läusen ist sie weniger schädlich. Die andauernd trockene und warme Witterung war der Entwickelung geflügelter Rebläuse sehr günstig, so dass von solchen im Freien von Ende August ab 1.55 aufgefunden wurden. Auch gelang es endlich, die bisher im deutschen Infectionsgebiete noch niclit gefundenen Nachkommen der geflügelten Form zu züchten. Mehrere zu vollständiger Ent- wickelung gebrachte Eier derselben lieferten binnen 10 — 16 Tagen die sogenannten Geschlechtsweibchen, von denen eins nach ötägigem Fasten das Winterei ablegte. Im Anschluss an frühere Arbeiten von Moritz und Ritter (vgl. Naturw. Wochenschr. 1. c. S. 578) wurde noch festgestellt, dass bei Einwirkung von Schwefelkohlenstoft' auf Rebläuse oder deren Eier unter 20" das Leben erst bei mehrstündiger Einwirkung vernichtet wird. Von grösstem Interesse ist auch diesmal wieder ein Vergleich der Reblauserkrankung in Deutschland mit der im Auslande. Er beweist, dass dank der ausgezeichneten (allerdings theilweise sehr übertriebenen, vergl. Naturw. Wochenschr. 1. c. S. 578) Maassregeln der Regierung Deutschland von allen weinbauenden Ländern Europas (Angaben über Griechenland fehlen aber!) sich in Bezug auf»die Seuche bei weitem in günstigster Lage befindet. Frankreich, das Land, welches hauptsächlich die Einschleppung der Reblaus mit amerikanischen Reben in Europa veranlasst hat, besass 1894 eine Weinbaufläche von 1748 642 ha, wovon 620 000 ha mit einheimischen, noch reblausfreien Reben bepflanzt waren. 1893 wurden gegen 50 Millionen, 1894 gegen 40 Millionen Hektoliter Wein geerntet. In den von der Reblaus heimgesuchten Departe- ments wurden 1S'J4 rund 2 116 973 Franken an Grundsteuern er- lassen. 35 325 ha wurden zum Zweck der Bekämpfung der Reb- laus unter Wasser gesetzt, 60 000 ha mit Schwefelkohlenstoff' und Sulfocarbonaten behandelt. Wo geringere Weine gebaut werden, nimmt die Reblaus mangels der Bekämpfung immer mehr über- hand. Allein in der Gironde betrug die Ausdehnung der durch die Reblaus zerstörten Weinberge 67 000 ha; die Weinbaufläche betrug daselbst nur noch 138105 ha. Man zieht jetzt dort vor, auf amerikanische Unterlagen veredelte Reben wegen der grossen Erträge neu anzupflanzen. 1894 wurden 663 214 ha Weinbauflächo in Frankreich auf diesem Wege wiederhergestellt. Der Weinbau beginnt somit dort sich von seinen früheren Verlusten zu erholen. In der Champagne hat sich die Infection noch weiter ausge- breitet; die Herde an der Marne erreichen eine Ausdehnung von annähernd 12 ha. Die dortigen Weinbergsbesitzer haben ein obligatorisches Syndikat zum Zwecke der Bekämpfung der Reb- laus ins Leben gerufen, konnten sich aber über die zu er- greifenden Maassregeln noch nicht einigen. — In Algier sind noch 120 000 ha Weinbaufläche reblausfrei. Es ist daselbst den ver- vereinton Anstrengungen der Bevölkerung und io«;el-t!anieras. Sind die praktischsten Hand-Apparate. 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BeUagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme BriPKeEeld bei der Post 15 4 extra. Postzeitimssliste Nr. 4954. Jl- bei allen Annonceubureaui wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiser <^nellenaneabe gestattet. Die Alfuren von Halmahera. Halmahera, die grosse Molukkeninsel, wird von zwei verschiedeneu Völkerschaften bewohnt, welciie auch ziemlich scharf von einander getrennt leben. Die einen, „Orangslam" (Anhänger des Islam), genannt, sind zweifellos Malayen. Sie bewohnen die Küstenorte und nur vereinzelt finden sich auch tiefer im Lande Ansiede- lungen von ihnen vor. Die Anderen sind die „Alfuren", ein gänzlich davon verschiedener Stamm, der zur poly- nesischen Rasse gehören dürfte. Die Alfuren wohnen zum Theil am Meere, zum grössten Theil aber in den Ebenen des Innern, besonders dicht an grösseren Wasser- läufen (Kau) oder Binnenseen (Galela). Schon aus dem Umstände, dass sie von der Küste verdrängt sind, lässt sich folgern, dass sie die älteren Bewohner des Landes sind. Den Alfuren widmet Prof. Dr. W. Kükenthal inseinem interessanten Reisewerke*) eine umfassende Schilderung, der wir Folgendes entnehmen. Mit dem Namen „Alfuren" werden auf verschie- denen Inseln des Ostens die im Innern wohnenden un- civilisirten Völker bezeichnet. „Alfuren ist also keines- wegs der Name eines bestimmten Volksstammes, sondern ein CoUectivname. Von den über den Ursprung dieses Namens existirenden Hypothesen ist wohl diejenige von A. B. Meyer die plausibelste, wonach der Name „Alfure" von dem im nordwestlichen Neu-Guinea wohnenden Volks- stamme der Arfüs herrührt, die früher sehr gefürchtet waren. Die Bewohner der Molukken wie anderer Inseln, *) Ergebnisse einer zoologischen Forschungs- reise in den Molukken und in Borneo, im Auftrage der Senckenborgischen naturforschenden Gesellschaft auf Koston der RUppellstiftung ausgcfiilut von Prof. Dr. W. Kiikenthal. I. Theil: Reisebericht. Mit G3 Tafeln, 4 Karten und 5 Ab- bildungen im Text. Frankfurt a. M. 18V)6. In Commission bei M. Diesterweg. Die Abbildungen sind nach den Sammlungen und Photographien Prof. Kiikentlial's hei-gestellt von der litho- graphischen Anstalt von Werner &, Winter in Frankfurt u.M. welche die Küsten Neu-Gnineas besuchten, hörten von einem gefürchteten wilden Volksstamm in dessen Innern und übertrugen seinen Namen auf die wilden Stämme ihres eigenen Landes. Die Alfuren Halmaheras zerfallen in eine grosse Anzahl Stämme, die von Kau, Tobelo, Galela, Tu- baro u. s. w., welche trotz vieler gemeinsamer, anthro- pologischer und ethnologischer Züge doch auch manches Ab- weichende besitzen. So ist z. B. die Sprache der einzelneu Stämme so sehr verschieden, dass die Alfuren der Ost- küste nicht die Sprache der Alfuren der Westküste ver- stehen und nur durch Anwendung der ternatanischen Sprache ist eine Verständigung möglich. Ihre Kultur- stufe ist im Grossen und Ganzen die gleiche; die am tiefsten stehenden sind wohl die im Waldesinnern herumstreifen- den Oraug Tugutil, die aus dem Districte von Kau stammen. Der Körperbau der Alfuren ist kräftig und von schönem Ebenmaass der Glieder. Von den Malayen unter- scheidet sie ihre bedeutende Körpergrösse, denn Gestalten von 1,80 m sind gar nicht selten, sowie die lichtbraune bis dunkelbraune Hautfarbe. Die Haarfarbe ist schwarz bis kastanienbraun. Wenn auch der Haarwuchs der Alfuren an und für sich kein besonders starker ist, so fällt er immerhin gegenüber der spärlichen Behaarung der Malayen auf. Auffällig erscheint die Kleinheit des Kopfes, was die Körpergrösse der Männer noch stärker hervortreten lässt. Das Gesicht ist breit, jedoch springen die Backenknochen nicht stark vor und das Kinn tritt etwas zurück. Die Nasenflügel sind breit. Die Zähne sind stark entwickelt. Eine merkwürdige Sitte ist die Zahnfeiluiig; die Schneidezähne des Ober- und Unter- kiefers werden nämlich mit den anderen Zähnen gleich nefeilt und es wird sodann noch in die Oberseite eines jeden Schneidezahnes eine horizontale Rinne eingefeilt. Der grösste Theil der Alfuren ist scsshaft und ihre Ausicdc- 610 iSIaturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 51. hingen bilden grössere oder kleinere Dörfer; ein Theil aber durchwandert den Süden sowie die benachbarten Inseln. Auch diese Leute werden oft für längere Zeit sesshaft, beginnen Mais- und andere Kulturen anzulegen und bauen sich alsdann stabilere Hütten. Nur diejenigen, welche in den Urwäldern herumstreifen, um zu jagen oder um Waldproducte einzusammeln, begnügen sich mit Wohnungen primitivster Art, aus vier in die Erde gerammten Pfählen, die ein schräges Dach aus Blättern von Fächer- palmen bedeckt. Für die Alfurenhäuser in den Dörfern ist die achteckige Form charakteristisch, welche dadurch zu Stande kommt, dass sich um einen quadratischen Mittelbau vier niedrige Vorbauten gruppiren, deren Ecken abgestumpft sind. Der hohe, mit Giebel versehene Mittelbau überragt die Seitentheile, wie Fig. 1, die Abbildung Kleidern gefertigt, die oft meterlangen schmalen Lenden- tUcher der Männer und die breiteren, kürzeren, sarong- artigen Gewänder der Frauen. Bei kleineren Kindern fehlt die Kleidung vollkommen. Bei den Knaben besteht sie aus einer Lendenschnur, aus Bast geflochten, von der vorn ein viereckiges Stückchen Tuch herabhängt (Fig. 2). Die Rindenkleider sind aber vielfach schon von Kattun- stoffen, die mit dem zunehmenden Verkehr ihren Weg zu den Alfuren gefunden haben und wegen ihrer Billigkeit grossen Anklang finden, verdrängt (Fig. 2). Die Alfuren selbst verstehen das Weben von Zeugen nicht. Ferner zeigt sich ihre Kunstfertigkeit in den aus Palmblättern geflochtenen Hüten und in den aus Orchidcenstcngeln hergestellten Dosen und Kästchen, deren Oberflächen mit hübsch geschwungeneu Arabesken aus aufgereihten Perleu, i Fig. 1. Sabua (Gemeindehaus) in Dudubessy. eines Gemeindehauses, zeigt. Bei diesem geräumigen Bau fällt auf, dass alle Seitenwände fehlen, dafür gehen aber die Dacbtheile tief herab. In diesem Gemeindehaus finden die gemeinsamen Mahlzeiten der Dorfbewohner statt. Die das Dachgerüst tragenden Säulen im Innern sind sehr sorgfältig durch kunstvolle Schnitzereien ver- ziert. Kunstsinn und Kunstfertigkeit der Alfuren sind näm- lich hoch entwickelt und treten vor allem zu Tage in den geschmackvollen Mustern auf den Rindenkleidern. Die ursprüngliche Kleidung der Alfnren besteht aus der Rinde eines Baumes, einer Broussonetia (wahrscheinlich pa- pyrifera), die auf folgende Weise hergestellt werden. Die Rinde wird in breiten Streifen abgelöst, einige Zeit in Wasser aufgeweicht und hierauf mit einem Klöppel breitgeschlagen. Ist die sich stark verbreiternde Rinde endlich dünn genug geklopft und getrocknet, so wird sie vermittelst der Kohle des Dammarharzes mit mannigfaltigen und geschmackvollen Zeichnungen versehen. Die zu Fest- kleidern bestimmten Stücke werden auch vielfach gefärbt. Aus diesen Rindenstücken werden dann zwei Arten von Glimmerplättchen oder Papierschnitzereien verziert sind. Der Schmuck, welcher von den Alfuren getragen wird, ist sehr gering. Tättowirung scheint auch zu fehlen. Die Nahrung der Alfuren besteht im wesentlichen aus Sago, der aus der Sagopalme durch Waschen gewonnen und in Thonröhren zu dachzicgelartig geformten Sago- broten gebacken wird. In einigen Districten wird auch Reis gebaut. Das Fleisch der jagdbaren Thiere, nament- lich des Wildschweines und des Hirsches, wird ebenso wie Fische nicht verschmäht. Von Genussmitteln ist Tabak zu nennen, welcher so- wohl geraucht als auch gekaut wird, und Palmwein, den man einfach vom Baume abzai)ft. Aus dem Geschlechts- leben der Alfuren imponirt zunächst die für die Völker des Ostens auffälhge Thatsache der Monogamie und strengster Reinhaltung der Ehe, was allein schon auf eine tiefe Kulturstufe hindeutet. Ehebruch, besonders von Seiten der Frau, ist sehr selten, und wird viefach mit dem Tode bestraft. Auch Scheidungen und Ver- stossungeu kommen selten vor, denn die Behandlung der XI. Nr. 51 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 611 s. w. ganze Religion Frau von Seiten des Mannes ist eine gute und Streitig- keiten zwisciien den Ehegatten sind selten. Beim Ein- gehen der Ehe werden gewisse Cerenionien beobachtet, doch findet sich auch nocli die primitive Form des Weiber- raubes und der Entführung. Die jungen Mädchen ge- niessen dagegen die grösste Freiheit, so lange sie unver- heirathet sind und nützen sie auch stark aus. Die transcendentalen Anschauungen der Alfuren stehen noch auf einer tiefen Stufe. Um ihre fundamentalen reli- giösen Begriffe von einem obersten Wesen ranken sich, verschieden nach den einzelnen Stämmen , allerhand Aberglau- ben und Bräuehe, der Glaube an Zau- berei, das Tragen von Talismanen, Ver- ehrung der „Won- gies", d. h. der See- len ihrer Voreltern und gestorbeneu Ver- wandten, Tänze reli- giöser Art u Ihre kann man kurzweg als einen Däraonis- mus bezeichnen. In dem geheimnissvol- len Dunkel der Ur- wälder, in denen sie wohnen, umgeben von einer in mannig- fachen, ihnen uner- klärlichen Erschei- nungen sich kund- gebenden, üppigen und kraftvollen Na- tur, die ihnen oft ge- nug feindlich entge- gentritt, gebiert ilire Phantasie die lebens- feindlichen Dämo- nen , die Swangis. Zu ihrer Hülfe rufen sie die C4eister ihrer Vorfahren herbei, sie gegen die bösen Gei- ster zu schützen, und so entsteht mit der Furcht vor feind- lichen Gewalten ein Ahnenkultus. Eigenthümlieh ist die Art und Weise der Leichenbestat- tung, die mit grossen Kosten und tagelang andauernden Festlichkeiten verbunden ist. Zunächst wird 3 Tage und Nächte mit Trommeln und (longs lärmende Musik gemacht, um die bösen Geister von der Besitzer- greifung der Leiche abzuschrecken. Nachdem der Leich- nam drei Tage im Hause gelegen hat, was bei der hohen Temperatur für die Bewohner der Hütte, wie für die Nachbarn, keine Annehmlichkeit ist, wird er eingegraben. Nach drei Monaten werden die Reste wieder ausgegraben und dann in eine Kiste gesetzt, welche in Form eines kleinen Häuschens hinter der Wohnung liegt. (Fig. 3.) Diese Beisetzung wird wieder von langdauernden Festen begleitet, zu deren grossen Kosten Nachbarn und Gäste Fig. 2. Alfurenfraueu und -Kinder. beitragen. Hauptsächlich werden Tänze und ailcriiand Verkleidungen und Ausschmückungen von jungen Mädcheu und Männern dabei aufgefidirt. Die kleinen Todtenhäus- chen (Fig. 3) oft hübsch verziert und mit grossartigem Schnitzwerk versehen, tragen auf Tfählen die Leiehen- kiste. Unter derselben ist dann noch zwischen den Pfählen ein Podium angebracht, auf dem die Habselig- keiten des Verstorbenen, darunter stets die Sirihdose, liegen und rings herum sind Scherben von zerschlagenem Gesehirr zerstreut. Die Gebeine des Todten sind in weisses und rothes Kattun- zeug eingewickelt und als äussere Um- hüllung dient ein breites Stück Rinden- zeug, welches aber nicht bemalt ist, son- dern nur eine zier- liche , mit Danmiar- kohle angefertigte Zeichnung aufweist. Dem Todten werden nicht nur Schmuck- sachen, sondern viel- fach auch Geld nnt- gegeben. Stirbt einer der herumstreichen- den x\^lfureu fern von der Heimath, so ha- ben die Stammesge- nossen die Pflicht, seine Ueberreste nach der Heimath zu brin- gen. Suchen die Be- wohner eines Dorfes eine andere Wohn- stätte, so nehmen sie sämmtliehe todten Angehörigen mit. Die Alfuren waren und sind heute noch in Ternate vielfach als ein blutdürstiges und rohes Volk ver- schrieen, vor dem man den Reisenden nicht genug warnen könnte. Prof. Küken- thal, der auf seinen ausgedehnten Streif- zügen durch Halma- hera mit den ver- schiedensten Stäm- men der Alfuren in Berührung kam und hier mehrere Wochen unter ihnen und im engsten Verkehr mit ihnen lebte, stellt ihnen aber das beste Zeugniss aus und lobt vor allem ihre Gast- freundschaft und Dankbarkeit. Sie sind mit ihrem Leben durchaus zufrieden und aus dieser Zufriedenheit resultirt auch ein Grundzug ihres Wesens: eine gewisse kindliche Heiterkeit, die den Verkehr mit ihnen sehr angenehm macht. Den Ruf der Blutdürstigkeit hat den Alfuren jeden- falls die früher allgemein verbreitete Sitte des „Koppen- snellen" eingetragen. Sic hat aber ebenso wie das See- räuberwesen in den letzten Decennien vollkommen auf- gehört. Kriegszüge kommen ebenfalls seit langem nicht mehr vor. Die früher im Kriege gebrauchten Waffen 612 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 51. werden jetzt theilweise zu friedlicheren Jagdzwecken be- nutzt, so die Holzlanzen. Die unter ihnen existirenden schön geschmiedeten Eisenlanzen sind nicht im Lande selbst verfertigt, sie stanuuen aus früheren Kriegszügen gegen Ost-Celebes. Als Schwerter dienen lange schmiede- eiserne Hauer, auch längere eigentliche Schwerter, welche in schön geschnitzten und verzierten Holzscheiden getragen werden (Fig. 4). Als Vertheidiguugswaffe dient der schmale Parierschild („salawako"), der jetzt nur noch bei dem nationalen Kriegstanz gebraucht wird. Die Verzierungen bestehen aus eingelassenen, hübsch angeordneten Pcrl- mutterstückchcn. Wahrheitsliebe und Eigenthumssinn sind hoch aus- gebildet. Diebstahl ist ein Verbrechen, auf dem der Tod steht. Ihre Kenntnisse sind nicht ausgebreitet; ihr geistiger gestellt, von denen bisher aber keine Anspruch auf sichere Begründung machen kann. Die Alfuren haben mancherlei von ihren malayischen Nachbarn angenommen, so dass sich ihr ursprünglicher Typus stark verändert hat. Erst die Bewohner des Binnenlandes lassen die eigentlichen Alfuren-Charaktere erkennen. Wenn nun auch eine Vermischung mit Malayen sicher zu constatiren ist, so ist das nicht der Fall mit Papuas. Es giebt zwar Autoren, welche eine solche Vermischung als ganz feststehend annehmen, z. B. ist Wallaee sogar der Meinung, dass die Alfuren ein Mischvolk zwischen Malayen und Papuas darstellen. Wenn nun auch die Untersuchungen darüber noch längst nicht als abge- schlossen zu betrachten sind, so ergiei)t sich doch schon ■ 1 IHH ^Q RH HflK v S^Mbfe , ' '?'— '^■1 ' '^^IImI H If ^ E IPHn^^j-^^^^ — ■■■■ ■:■ ' ^ . E 9 1 Fig. 3. Alfurische Todtenkisten bei Soah Konorah. Horizont ist ein beschränkter, aber innerhalb des- selben bewegen sie sich vollkommen frei und leicht. Eine Schrift fehlt ihnen vollkommen, es ist nichts be- kannt, was auf eine primitive Schriftform schlicsscn lassen könnte. Der Charakter der Alfuren steht in vieler Hinsicht höher als der der Drang slam, welche mit den Alfuren zu- sammen Halmahera bewohnen. Wenn es auch diesen noch häufig genug gelingt, die harmlosen, kindlichen Al- furen auszubeuten und über's Ohr zu hauen, so wäre es doch falsch, die letzteren als die weniger intelligenten anzusehen. Der Alfure ist auch viel arbeitsamer als der in Fauliieit verkommende Drang slani. Von Seiten der Mission ist das auch ganz richtig erkannt worden, denn nur unter den Alfuren, nicht unter den Drang slam wirkt der einzige auf Halmahera lebende Missionar. Die Al- furen sind zweifellos viel entwickelungsfähiger als die degenerirten Drang .slam. Ueber den Ursprung und die Verwandtschaft der Alfuren von Halmahera sind mancherlei Hypothesen auf- jetzt, dass wir es auf keinen Fall mit einem Mischvolke zu thun haben, sondern dass die Alfuren ein altes, in vieler Hinsicht auf früher Entwickelungsstufe stehendes Volk darstellen, das sich von seineu nächsten Nachbarn, den Malayen, wie den Papuas, in vielen und wesentlichen Punkten unterscheidet. Wichtiger als weitgehende Specu- lationen über den möglichen Ursprung der Alfuren, ist eine Untersuchung, ol) sieh verwandte Stämme auf an- deren Inseln des Mollukkischen Archipels finden, so z. B. auf Ceram (Seran) und Buru, worüber die neuesten Untersuchungen von Martin vorliegen. Wenn auch viele Unterschiede (Körpergrösse, Haarfarbe und Bartwuchs, Hautfarbe, Tättowirung, Gesichtsausdruck u. s. w.) die Al- furen dieser Molukkeninseln von denen llahnaheras trennen, so ist doch auch manches Gemeinsame, sowohl in anthropo- logischer Hinsicht, als auch speciell in socialer Organisation, religiösen Anschauungen sowie auch in der Aehnlich- keit von Waffen und Geräthen zu verzeichnen. Küken- thal glaubte daher, dass die Alfuren von Halmahera noch den ursprünglichsten Typus zeigen, während die I XI. Nr. 51. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 613 von Cerani und Buru stark mit Papuas gemischt sind und fasst die Alfuren der Molukiven als die letzten Reste einer alten, prämalayischeii Bevölkerung auf, die sich noch am reinsten auf Halniahera er- halten hat. Starke Vermischung mit den benachbarten Papuas haben die Bergalfuren von Ceram und Buru hervorge- bracht und die ursprünglichen, alfurischen Charaktere au den Küsten Cerams das malayische Element zurücktritt. Eine vollkommen davon zu trennende Frage ist die nach der Herkunft und der Verwandtschaft der ursprüng- liclien Alfuren. Ob wir es hier mit den letzten Resten eines Stammes dravido-australischer Rasse zu thuu haben, oder ob Beziehungen zu anderen Rassen sich er- geben werden, muss späteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Fig. 4. Zwei tobeloresische Krieger. verwischt. Eine spätere Vermischung hat mit den Ma- layen stattgefunden. Die Bewohner von Tcrnate, Tidore und anderen kleinen, Halniahera vorgelagerten Inseln sind das Resultat einer solchen, ebenfalls schon ziemlich alten Vermischung der ursprünglichen alfurischen Bevölkerung mit malayischen Einwanderern. Auch in den Oraug slam Haluiaheras wird etwas alfurisches Blut fliessen, während Die Untersuchungen an den zwei mitgebrachten Al- furen-Schädeln ergaben, dass der Weiberschädel ausge- sprochen mesocephal ist, während der Mäunerschädel zwischen brachycephal und mesocephal steht. Beide Schädel sind ausgeprägte Hochschädel, und weisen in jeder Hinsicht von den Malayen verschiedene Ver- hältnisse auf. F. R. Ueber die Wirkung des elektri.scheii Bogenliclites auf die Gewebe der Augen hat J. Ogneff in einer der grössten Stahl- und Eisenindustrien Russlands, nämlich in der von Struwe & Comp, in Kolomma bei Moskau, Untersuchungen an Fröschen, Tauben und Kaninchen an- gestellt (PflUgers Archiv für die gesammte Physiologie Bd. 63). Veranlasst wurden diese Untersuchungen durch einige sehr intensiv auftretende Augenerkrankungen der Arbeiter, nachdem man das Bernados'sche Verfahren der elektrischen Zusammeuschweissung von Metallen in der Fabrik eingeführt hatte. Die Versuchsthiere wurden möglichst unter denselben Bedingungen und in demselben Räume dem elektrischen Licht ausgesetzt, wie die Ar- beiter: die histologische Untersuchung ergab, dass eine kurze Zeit dauernde Einwirkung des elektrischen Bogen- liehtes von grosser Intensität und besonderem Reichthura an violetten und ultravioletten Strahlen als directer Reiz auf die Kerne der Epithelzellen und die Zellen der Hornhaut wirke, eine karyokinetische Zellvermehrung stellt sich als unmittelbare Folge der Beleuchtung ein. Eine längere Einwirkung hat eine Nekrose der Zellen zur Folge, wobei auch in erster Linie die Zellkerne getroffen werden. In den Horuhautzellen geht der Nekrose eine amitotische Kernvermehrung voran. Ver- schiedene Gewebe und Bestandthcile des Auges reagieren auf die Lichteinwirkung, am schwächsten äussert sich die- selbe an der Retina. Die Linse und der Glaskörper blieben gänzlich unbetroflTen. R. 614 Naturwisseuschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 51. lieber das Blut und seine Cirkulatiou bei Krebsen veröfifentlichen F. Jolyet und H. Viallanes Studien und Experimente in den „Travaux des laboratoires de la Sta- tion Zoologique d'Archadou" aus dem Jahre 1895. Bei der Untersuchung des Blutes von Limulus fiel vor Allem die ungeheuere Menge auf, die demselben aus dem Herzen zu entziehen war. Ein Individuum von 860 gr. Gewicht gab 105 cm' Blut her, ein anderes von 690 gr. 80 cm^. Es beträgt also das Blut dieser Krebse V» ^es Körper- Gewichtes, gegen Vso bei den Cephalopoden und Vis beim Menschen. Die Dichtigkeit des Blutes schwankte zwischen 1,035 und 1,037. Seine Farbe war an der Luft ein schönes Ultramarinblau; entzog man ihm den Sauerstoff, so ward es blass milchweiss opalescirend, nahm aber so- fort wieder die erstere Farbe an, wenn man es an der Luft oxydiren liess. Die Verfasser konnten feststellen, dass die Aenderungeu in der Farbe des Blutes bei Krebsen und Mollusken nur von seinem Sauerstoff-Gehalt abhängig waren. Die Kohlensäure hatte darauf keine Wirkung. — Die respiratorische Aufnahme-Fähigkeit des Blutes be- trug 2,7 0/0 Sauerstoff, 4,5% Kohlensäure, 1,6% Stick- stoff". Der Farbstofi des Blutes wurde durch Hitze und durch Alkohol zerstört. Das geronnene Eiweiss ist bläu- lich, welclic Farbe durch Trocknen noch deutlicher wurde. In Alkohol und Wasser gewaschen und bei 110" getrocknet, ergab es 81,8 gr. Blutfarbstoff". Das P'iltrat war klar und farblos. Der Kreislauf von Limulus ist bedeutend höher ent- wickelt als der der anderen Krustaceen. Das Venenblut ist nicht wie bei diesen in den Lakunen des Körpers verbreitet, sondern im grössten Theile seines Laufes in deutliche Gefässe eingeschlossen, die aus echten venösen Capillaren entspringen. Ebenso lösen sich die Arterien iu echte, in jene übergehende Capillaren auf, die man in allen Gliedern und Geweben findet. Der im Herzen von Limulus herrschende Blutdruck ist wegen der oberflächligen, leicht zugänglichen Lage des ersteren leicht durch Einführung einer Caniile zu messen, an die man einen Hales'schen Manometer oder oder einen Magendic'schen Cardiometer befestigt. Bei ersterem erhob sich die Flüssigkeits-Säule in schnellen Stüssen bis 65 — 70 cm; bei letzterem stieg die Queck- silbersäule sofort auf 6 cm; und die Erhebungen durch die Systole noch um 6 mm. Bei verschiedenen Pagariden war der ganze Druck 8 — 10 mm, der der einzelnen Systolen etwa 4 mm. Ferner maassen die Verfasser noch den Herzschlag in der Pcricardial-Höhle vom lebenden, un- verletzten Thicre mittelst eines genau beschriebenen aber recht einfachen Verfahrens. Im Allgemeinen blieb sich die Stärke der einzelnen Schläge gleich; nur jede Athemhewegung, etwa jede Minute eine, vergrösserte sie ganz beträchtlich, viel mehr als bei anderen Krebsen, was wohl der Geschlossenheit des Gefässsystems zuzu- schreiben ist. Zuletzt machten die Verfasser noch einige Experi- mente am ausgeschnittenen Herzen, das wie das der nie- deren Wirbelthiere noch eine Zeitlang weiter schlägt, und durch den elektrischen Strom reizbar ist. Diese Versuche hatten vor Allem den Zweck über die Natur des Tetanus des Herzens aufzuklären. Die genau be- schriebenen Versuche ergaben, dass das Herz der Krabben (Caneo) sich verhält, wie die gewöhnlichen weissen ge- streiften Muskeln. — Die Abhandlung ist mit einer Anzahl graphischer Illustrationen der Versuchsresultate ausgestattet. Reh. lieber den Eiiifluss des Lichtes auf die Orgaii- bildnng im Thierreiche theilt J. Loch einijre Versuche rinen Hydroidpolypen, Eudendrinni racemosum ergaben (Pflüger's Archiv für die gcsannnte Physiologie, Bei. 63). Der Einflass des Lichtes auf die Eutwiekelung der Thiere ist mehrfach untersucht worden, doch war die Möglich- keit, dass das Licht, wo es überhaupt einen Einfiuss hat, nur die Eutwiekelung einzelner Organe beeinflusst, während es andere Organe unbeeinflusst lässt, nicht berücksichtigt worden. Die in dieser Richtung angestellten Züchtungs- versuche Loeb's ergaben denn auch, dass die Polypeu- bildung bei den Stämmen von Eudendrium racemosum vom Lichte abhängig ist. Das Licht begünstigt die- selbe, denn im Dunkeln werden keine oder nur sehr spär- liche Polypen gebildet. Dagegen erleidet die Wurzel- bildung im Dunkeln keine Störung. Vorwiegend die stärker brechbaren (blauen) Strahlen des diffusen Tages- lichtes üben diesen fördernden Einfluss auf die Polypen- bilduug aus, während die weniger brechbaren (rotlien) wie die Dunkelheit wirken. Versuche an den Eiern von Fundulus führten zu dem Ergebniss, dass dieselben sich im Dunkeln ebenso vollkommen und rasch entwickeln als im Licht. Dagegen ist die Zahl der in der Dotterhaut der Fundulus-Embryoneu gebildeten Chromatophoren vom Lichte abhängig. Sie ist im Dunkeln erheblich geringer als im Lichte. R. mit. die sich bei der Züchtung des rasenbildenden i iiii- Eine umfassende Arbeit „Ueber Cacteenalkaloide" hat A. Heffter in den Ber. D. Chem. Ges. 27, 2975 und 29, 216 veröff'entlicht. Die ausführlichen Untersuchungeu sind veranlasst worden durch die Mittheilung eines früher in Mexico ansässigen deutschen Arztes Dr. Fischer, der zu Folge die Indios des nördlichen Mexicos gewisse Cacteen als narkotische Genussmittel gebrauchen. So gelang es Heffter aus einer beträchtlichen Menge (1000 Stück) in Stücke zerschnittener Pflanzen von Anhalonium fissuratum ein Alkaloid, das er Auhalin be- nennt, zu isoliren. Die Base krystallisirt in Prismen, schmilzt bei 115", ist in kaltem Wasser schwer, in Aethcr, Alkohol, Methylalkohol, Chloroform und Petroläther da- gegen sehr leicht löslich, kann aber aus keinem der ge- nannten Lösungsmittel in analysenreiner Form erhalten werden. Zur Feststellung der empirischen Formel dienten daher die gut charakterisirten Salze: Das Anhalinsulfat (Cn,Hi;NO)o • H2SO4 + 2HoO, farblose bei 197" schmelzende Tafeln, das Anhalinchlorhydrat CioHi^NO • HCl, feine, sehr hygroscopische Täfelchen und das Anhalinoxalat (CioHi^NO)^ • (C00H).2. Aus der Elementaranalyse dieser Verbindungen folgt dann ohne Weiteres die Zusammen- setzung der freien Base als: C,uHi7N0. Von Versuchen zur Aufklärung der Constitution des Anhalins musste wegen der schlechten Ausbeute, 1 kg Cacteen gaben nur 0,2 g Alkaloidsulfat, Abstand ge- nommen werden. Ausserordentlich reich an Basengehalt erwies sieh die Cactee Anhalonium Williamsi, die 0,89 pCt. eines Alkaloides enthielt, für das Verfasser unter Bezug auf den mexicanischen Namen der Mutterpflanze „Pellotc" den Namen Pellotin wählt. Es krystallisirt aus Alkohol und Petroläther in durchsichtigen Tafeln, schmeckt in- tensiv bitter, schmilzt bei HO" und hat die Zusanmien- setzung: CisHjgNOg. Die AlkaloTdreagenticn : Kaliumf|uecksilber]'o(lid, Kaliumcadniiumjodid, Kaliunnvismuthjodid und Jodjod- kalium liefern zunächst amor])he Niederschläge, die bald ki\staliiniscli werden. Das PellotinplatiHcidorid (C,3H,9N03)2H2ptCl,; l)il(let goldgelbe Krystallaggregate, das Pellotinchlorhydrat: C|.,H,,,NO:, • HCl rhombische, wasscrhelle Prismen, während das Oxalat iu Nadeln krystallisirt. XI. Nr. 51. Naturwissenschaftliche Wochenschriit. 615 Durch Einwirkung: acquivalenter Mengen l'ellotin und Jodmethyl in methylalkolischcr Lösung erhält man das Jodmethylat: Ci^HitiNO^ • CHgJ, das aus Methylalkohol in schnce weissen Prismen krystallisirt, die bei 198" schmelzen. Das Pellotin selbst ist eine tertiäre Base und besitzt zwei Methoxylgruppen (OCH.,) im Molekül; aus der Existenz eines Benzoylpellotius: C,:jHi8N03 • C7H5O folgt ausserdem die Anwesenheit ein Hydroxylgruppe (OH). Von weiteren Derivaten des Pellotins möchte ich hier noch erwähnen, das Methylpellotin jodmethylat: C\4H2iN03 • CH3J, das aus Wasser in farblosen, derben Prismen krystallisirt, und beim Behandeln mit Silber- oxyd die äusserst hygroskopische Ammoniumbase: C[4H2iN03 • CH3OH giebt und ferner das Pellotinqueck- silberchlorid: CiaHnjNOg • HClHgClj, das in scbneeweissen Tafeln krystallisirt und durch geringe Löslichkeit in kaltem Wasser und Alkohol ausgezeichnet ist. — Alkaloide aus Anhalonium Lewinii. Aus der von den Indiancru Nordamerikas und des Südwestens der Union wegen der stark berauschenden Wirkung sebr beliebten Cactee Anhalonium Lewinii Hennings seu Lophophora Lewinii Rusby, die unter dem Namen „Museale Buttons", das heisst „Schnapsköpfe", gehandelt wird, hat Hefl'ter eine Anzahl von AlkaloTden gewinnen können, zu deren Isolirung er getrocknete und gepulverte Scheiben dieser Pflanze wiederholt mit 70pro- centigem Alkohol digerirt. Die alkolischen Auszüge werden vereinigt, der Alkohol abdestillirt und der Rück- stand durch Filtration von Harz befreit. Nach Zusatz von Ammoniak wird die Flüssigkeit wiederholt mit Aether, und da derselbe nicht alle Alkaloide aufnimmt, noch einige Male mit Chloroform ausgeschüttelt ; beide Auszüge werden sodann gesonderter Untersuchung unterworfen. Aetherauszug. Der Aetherauszug liefert nach dem Verdunsten des Aethers, Anrühren des braunen Rück- standes mit Wasser, Neutralisiren mit Schwefelsäure und Abtiltriren ausgeschiedener Harzmassen beim Einengen Krystalle, die durch Alkoholzusatz zur Mutterlauge be- trächtlich vermehrt werden können. Die gesammelten und vereinigten Krystallmengen lösen sich in heissem Wasser und krystallisiren beim Erkalten wieder aus; mau erhält auf diese Weise die gemischten Sulfate zweier neuer Alkalo'ide: Der bei Weitem grösste Theil der Krystalle besteht aus feinen, farblosen Nadeln, dem Sulfat des Auhalonidins, der kleinere Theil aus langen glänzenden Prismen, dem schwefelsauren Mezcalin. Führt man jetzt die noch in der Mutterlauge be- findlichen Alkaloidsulfate in wässriger Lösung durch vorsichtigen Zusatz von Baryumchlorid in salzsaure Salze über und filtrirt das abgeschiedene schwefelsaure Baryum ab, so erhält man beim Einengen der Lösung das Chlor- hydrat eines dritten Alkaloides, das identisch mit dem von Lewin beschriebenen Anhaloniu ist; durch mehr- maligen Zusatz von Alkohol können weitere Mengen dieser Base abgeschieden werden. Beim Versetzen der restirenden Mutterlauge mit alkolischer Sublimatlösung erhält man schliesslich in kleinen zu Drupen vereinigten Nadeln das Quecksilber- doppelsalz eines vierten und letzten Alkaloides, das Ver- fasser Lophorin benennt. Chloroformauszug. Enthält ausschliesslich Mezcalin, dessen Sulfat beim Neutralisiren mit Schwel'elsäurc und Ein- dampfen der Lösung in langen Prismen auskrystallisirt. — L Mezcalin, CnHi^NOs. Die freie Base kann durch Ausschütteln einer wässrigen alkalisch gemachten Lösung des schwefelsauren Mezcalins mit Chloroform erhalten werden; sie krystallisirt aus Alkohol in weissen Nadeln, schmilzt bei 151", löst sich leicht in Chloroform, Benzol, Alkohol und Wasser, schwer dagegen in Aether und Petroläther und liefert eine grosse Reihe wohl charakteri- sirter Derivate; die Anzahl der im Molekül enthaltenen Methoxylgruppen beziffert sich auf drei. n. Anhalonidin, CioHijNOj. Die Trennung des Au- halonidins vom Mezcalin ist schwierig und mit grossen Verlusten verknüpft; sie basirt auf der ungleichen Löslich- keit der Clorplatinate in Wasser. Das Anhalonidinplatin- chlorid (CioHiäNO;,).^ • R^PtClg, das in rothen Tafeln krystallisirt, ist weit schwerer löslich als das Mezcalin- platinchlorid. Durch Zerlegen der so gewonnenen reinen Platiu- doppelverbindung kann schliesslich das freie Anhalonidin er- halten werden; es krystallisirt aus Aether in gelben Nadeln, schmilzt bei 160°, löst sich leicht in Wasser, Chloroform, Benzol und Alkohol und besitzt zwei Methoxylgruppen. III. Auhalonin, C,.,Hi5N03 scheidet sich beim Ver- setzen einer wässrigen Lösung des Chlorhydrates mit Ammoniak in weissen, verfilzten Nadeln aus, die bei 85,5" schmelzen und leicht in Aether, Alkohol, Chloro- form und Petroläther löslich sind; die Base enthält nur eine Methoxylgruppe. Das Anhaloninchlorhydrat CigHijNOg • HCl bildet, farblose, das Anhaloninplatinchlorid (Ci.2H,5N03)2H2PtCl(; goldgelbe Prismen. IV. Lophophorin, C^Hi^NOg. Die freie Base fällt beim Versetzen einer wässerigen Lösung des Lophophorin- chlorhydrates, das mittels der bereits erwähnten Queck- silberdoppelverbindung zugänglich ist, mit Alkali ölförmig aus; die freie stark toxische Base selbst zeigt keine Neigung zur Krystallisation, bildet jedoch eine Reihe gut krystallinischer Salze und Doppelverbindungen; so krystallisiren z. B. das Chlorhydrat in farblosen, das Platinchlorid in goldgelben Nadeln. Alle vier Alkaloide liefern beim Betupfen mit con- centrirter Schwefelsäure eine citronengelbe Farben- erscbeinung, die beim Erwärmen in Violet umschlägt; salpeterhaltige Schwefelsäure erzeugt eine dunkelviolett- rotlie Färbung, die nach einiger Zeit in Braun übergeht. Dr. A. Speier. Ein Beitrag zur Kenntuiss unseres Mondes. — Herr Prof. L. Weinek hat bei der Untersuchung von Licknegativen neben dem Krater d westlich des Riphäen- gebirges auf dem Monde zwei Kraterchen gefunden, deren optische Bestätigung Herr C. M. Gaudibert zu liefern suchte. Einigemale hat dieser jedoch „absolut nichts davon sehen können", später hat er jene Bodenwelle erkannt, die auch Karte 17 meines Atlas darstellt, endlich am 27. Juli 1894 präsentirte sich der grössere Parasit im N, während der kleinere im NO nur „einen Moment lang" aufblitzte. Da ich im vollen Einverständniss mit meinem französischen Collegen bin, dass die Photographie „in Verbindung mit der teleskopiscben Beobachtung" rasch die Selenographie vervollkommnen werde, so nahm ich schon frühe gleiche Untersuchungen auf, fand aber bez. d absolut keinen Anhalt für die Existenz der frag- lichen Objecte. Meine ablehnende Stellung in dieser Sache, die aus vielen sorgfältigen Uutersuchunge;n hervorgegangen und durch Zeugnisse mehrerer fremder Astronomen gestützt ist, wurde Herrn Gau- dibert bekannt, der sich nun im Sirius darüber beklagt, dass „Herr Fauth fortfährt, die Existenz des dem Krater d anhängenden Begleitkraters zn leugnen." Er verweist zugleich auf seiue Ausführungen in „Astr. Nachr." 3310. Da aber dort ausser allgemeiner Belehrung über das Be- obachten feiner selenographischer Details, die ohnedies jedem ernstlichen Mondforscher geläutig sein muss, nur 616 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 51. die nackte Thatsache der Verificirung zu finden ist, so bleibt unverständlich, was der Hinweis bezweckt. Es sei mir deshalb gestattet, meine abweichende Ansicht mit den vorhandenen Belegen zu begründen, damit der Irrthum beseitigt werde, als handle es sich hier um ein blosses Leugnen, aber auch der andere Irrthum, als könnten die Herren Weinek und Gaudihert ein reelles Object gesehen haben! Ich erspare n]ir, auf die vielfachen Zufälle eiuzugehen, die in der photographischen Schichte kraterähnliche Bildungen erzeugen können, will auch nur andeuten, dass der Schluss auf Reellität auch dann noch nicht zwingend sein muss, wenn ein solches Object sich auf zwei Platten fände ! Ehe ich zu den Beobachtungen selbst übergehe, darf ich nicht unerwähnt lassen, dass die von mir und den anderen citirten Beobachtern benützten Instrumente nach Ausweis ihrer Leistungen — der 5 Zöller ausge- nommen — ohne Zweifel in optischer Hinsicht besser sind als der lOzöllige Reflector Gaudibert's, welcher Beobachter zudem nach eigener mehrfacher Schilderung nur unter den misslichsten Umständen und in der beschränktesten Umgebung thätig sein kann. Vor allem aber beruht die optische Verificirung nur auf einer einzigen, in jeder Beziehung isolirten Wahrnehmung! Dazu berichtet Herr Prof. Prinz, die Objecto seien auf keiner einzigen seiner Mondplatten zu erkennen. Auf meine Bitte hin haben eine Reihe Sternwarten d beobachten wollen; nur von fünf Seiten jedoch konnte der ungünstigen Witterung wegen die Be- obachtung ausgeführt werden. Objectiv- Entfernung der Name Tag Luft Vergr. Lichtgrenze Bemerkungen. Oeffnung West Ost J. Krieger 4. IX. 93 10" n Klinik in Strassbiirg Prof. Dr. Ku.ssniaiil zum Geh. llath mit dem Titel Kxeellcnz; der ordentlieho Profe.ssor der Hygiene in Giesson Dr. G eorg Gaffky zum Geh Medicinalrath; der Privat- docent der Chirurgie in Heidelberg Dr. Bernhard von Beck zum ausserordentliehen Professor; der Botaniker Dr. Felix Ki eni tz-G erl of f in Weilburg a. d. Lahn zum Professor; der Director des Krankenhauses Wiedon in Wien Dr. Victor von Mucha zum Director des allgemeinen Krankenhauses da- selbst als Naclifolger des Prof vonBoohm; der Privatdocent der Physik au der technischen Hochschule zu Berlin-Charlottenburf^ Dl-. Kalischer zum Professor; Prof. Maurice Loewy zum Leiti'r der Sternwarte in Paris; der Privatdocent der medicinischon Cheinio in Freiburg i. B. Dr. Autenrieth zum provisorischen N:i(difolger Prof. Baumanns; der ausserordentliche Professor dei-Gäli- ruugscheuiie an der technischen Hochschule in München Dr. K. Lint- ner zum ordentlichen Professor; der Privatdocent der Mathematik an der technisclien Hochsclnile in Budapest J. Kürschak zum ausserordentlichen Professor; Anton Pestalozzi in Zürich zum Assistenten am botanischen Museum da.=jelbst; der ausserordentliche Professor der Geologie in Innsbruck Blaas zum ordentlichen Professor: der Privat-Docent der gerichtlichen Medicin in Krakau Wachholz zum ausserordentlichen Professor; J. Ehrhardt von Meilen zum 4. Hauptlehrer für allgemeine Therapie und Albert Husterholz von Schön cn be rg zum Lehrer für ambulatorische Klinik und Li'iter der e-xternen Praxis an der Thierarzneischule in Züricli; die Privatdocenten der Chemie Vortmann und Bam- berger an die technische Hochschule zu Wien zu Professoren. Berufen wurden; Der Privatdocent der Geologie in Budapest Szadeczky als ausserordentlicher Professor nach Klausenburg; der ausserordentliche Professor der Anatomie in Prag Obrznt an die böhmische Universität zu Prag; der ordentliche Professor der Mathematik an der deutscheu technischen Hochschule zu Prag Alle an die technische Hochschule zu Wien. Es habilitirten sich: H. Hammerl für Hygiene in Graz, K. Akouss und B. Kugitzka fih- Chemie in Klausenburg; von Korczynski für innere Medizin in Krakau; Haskovoc für Neuro])athologie an der böhmischen Universität Prag; B almer für Photographie und Lüschor für Medicin in Bern; Th. Beer für vergleichende Physiologie in Wien. In den Ruhestand trat: Der ordentliche Professor der ge- richtlichen Medizin in Krakau Hai bau; bei dieser Gelegenheit wurde ihm das Adelsprädikat verliehen. Es starben: Der ordentliche Professor der Dermatologie in Krakau Rosner; der Privatdocent der medizinischen Chemie und Vorsteher des bacteriologischen Instituts im Thierarzneispital in Wien R. Kerry; der amerikanische Astronom Benjamin Althorp Gould. Einladung zum XII. Deutschen Geographentag in Jena am 21., -22. und 23. April IStlV. — Der XI. Deutsche Geographeu- tat;- in Bremen hat beschlossen, die nächste Tagung in der Oster- wochc vom 21. bis 23. April in Jona stattfinden zu lassen, zu welcher die Unterzeichneten hiermit ergebenst einladen. Als Hauptberathungsgegenstände sind in Aussicht genommen: 1. Berichterstattung über den Stand der Arbeiten der vom XL Deutschen Geographentag in Bremen gewählten deutschen Com- mission für Südpolar-Forschung; 2. Polar Forschung (Nordpol, Südpol). 3. Geophj'sische Fragen (Erdbeben, Beziehungen zwischen Sclnverkraftmessungen, erdmagnetischen Aufnahmen und Geo- tektonik u. s. w.); 4. Biologische Geographie (Thier- und Pflanzen- geographie); 5. Thüringische Landeskunde; 6. Schulgeographische Fragen. Es wird gebeten, die Anmeldung der auf diese Fragen be- züglichen Vorträge möglichst bald und spätestens bis zum 1. Fe- bruar 1897 an den unterzeichneten Vorsitzenden des Ortsaus- schusses (Jena, Zoologisches Institut) gelangen zu lassen. Bei einer Ueberzahl von Anmeldungen wird eine Auswahl getroft'en werden unter besonderer Berücksichtigung der Zeit der An- meldung sowie der näheren oder ferneren Beziehung der in Frage kommenden Hauptthema. Geschäftliche, insbesondere die Aenderungen der Satzungen betreffende Anträge sind bis zum 1. März 1897 in bestimmter Fassung an den unterzeichneten Geschäftsführer des Centralaus- schusses (Berlin SW., Zimmerstr. 90) einzureichen. Von einer geographischen Ausstellung soll für diese Tagung abgesehen werden, in Berücksichtigung der durch die örtlichen Verhältnisse bedington Schwierigkeiten, insbesondere des Mangels geeigneter Räumlichkeiten. An die Tagung wird sich eine Excursion nach Weimar an- schlicssen. Ferner sind auch geologisch-geographische Ausflüge in die nähere Umgebung Jenas, sowie der Besuch des Schlachtfeldes ge- plant. Während der Tagung wird Gelegenheit gegeben werden, die auch für Geographen interessante optische Werkstätte von C. Zeiss, sowie das glastochnische Laboratorium von Schott und Genossen zu besiiditigen. Die baldige Aiuneldung zinu Besuch des (ieographentages ist erwünscht. Man kann demselben ;ds Mitglied oder als Theilnobraer beiwohnen. Diejenigen, welche dem Geographentage als stäiidigo Mitglieder angehören oder sich als solche anmelden, zahlen für das Versammlungsjahr einen Beitrag von (j Mark, wofür sie Zu- tritt und Stimmrecht auf der Tagung, sowie die Bericlite über die Verhandlungen des Geographentages und die sonstigen Druck- sachen ohne weitere Nachzahlung erhalten. Wer dem Geographen- tage nur als Theilnehmer beizuwohnen wünscht, hat einen Beitrag von 4 Mark zu entrichtCTi, erhält jedoch die gedruckten Verhand- lungen nicht unentgeltlich; im Uebrigcn geniesst er während der Dauer der Tagung dieselben llt-chte wie die Mitglieder. Anmeldungen werden an den Generalsekretär des Ortsaus- schusses, Herrn Dr. F. Römer (Jena, Zoologisches Institut) er- beten und mögen von der Einsendung des betreffenden Betrages begleitet sein, wogegen die Zustellung der Mitglieds- oder Thoil- neh merk arte erfolgt. Jena, im Decendier 189i;. Im Namen des Central- und Ortsausschusses: Der Vorsitzende des Centralausschusses Prof. Dr. G. Neumayer, Wirkl. Geh. Adm.-Ratli, Director der deutschen Seewarte in Ham- burg. Der Vorsitzende des Ortsausschusses Prof. Dr. W. Küken- thal, Vorsitzender der Geograpliischen Gesellschaft in Jena. Der Geschäftsführer des Centralausschusses Georg Kolm, Ingenieur-Hauptmann a. D., Generalsekretär der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Wilibald A. Nagel, Der Lichtsinn augenloser Thiere. Eine biologische Studie. Mit 3 Fig. Gustav Fischer. Jena 1896. - Preis 2,40 Mk. Der Vorgang des Sehens ist im Allgemeinen an die Existenz von Augen geknüpft. Die Fähigkeit," hell und dunkel, Licht und Schatten zu unterscheiden, ist jedoch auch bei absolutem Fehlen von Augen denkbar. Nothwendig ist dazu nur, dabs in der Körperbedockung des betreffenden Wesens sich Nerven- endigungen befinden, welche für den Reiz der Lichtschwin- gungen "empfänglich sind. Die Reizwirkung des Lichtes kann nun aber eine directe oder eine indirecte sein. Indirecte Reiz- wirkungeu übt das Licht selbst auf die Nerven der menschlichen Haut aus; auch abgesehen von der W^irkung der Wärmestrahlen, welche eben als Wärme empfunden wird, kann das Licht bei hoher Intensität und namentlich bei grösserem Reichthum an den stärker brechbaren Strahlen in der menschlichen Haut Ver- änderungen erzeugen, die als Schmerz empfunilen werden. Doch wird man darum der menschlichen Haut noch keinen Lichtsinn zuschreiben, vor allem desshalb nicht, weil die aus der Reizung resultirende Schmerzempfindung an und für sich nicht erkennen lässt, dass sie die Folge eines Lichtreizes ist — jeder andere Entzündungsreiz würde eben solche Empfindung erzeugen können, — und ferner auch deshalb nicht, weil jene Empfindung erst nach langdauernder Einwirkung des Reizes langsam und all- mählich zu Stande konnnt. Eine Aeusserung des Liehtsinnes beim Menschen w-ird man nur da constatiren, wo als Folge eines Helligkeitswechsels unmittelbar eine gerade für diesen Reiz cha- rakteristische Empfindung auftritt. Bei Thiercn werden wir uns freilich damit begnügen müssen, eine als unmittelbare Folge des Helligkeitswechsels eintretende motorische Reaction als Kriterium für die Existenz des Lichtsinnes zu betrachten. Wir werden dabei die weitere Bedingung stellen müssen, dass der Versuch, um möglichst einwandfrei zu sein, mit massig hellem Licht (nicht directem Sonnenlichte) angestellt sei, dass die dunklen Wärme- strahlen abgeblendet seien und andere, nicht beabsichtigte Reiz- wirkungen als ausgeschlossen gelten können. Dem immer noch möglichen Einwände, dass bei empfindlichen Thieren selbst die Helligkeit des zerstreuten Tageslichtes eine schmerzhafte Empfindung erzeugen könne, würde am besten zu begegnen sein, wenn es gelänge, bei einem Thiere, bei w^elchem man Lichtsinn nachweisen will, ausgeprägte Reaction auf plötz- liche Beschattung, also auf Herabsetzung der herrschenden Hellig- keit, zu erzielen. Von schmerzhafter Wirkung der Dunkelheit wird niemand sprechen wollen. Derartige Versuche, bei welchen die hier aufgestellten Be- dingungen erfüllt sind, lassen sich nun in der That an einer ganzen Reihe von Thiercn mit dem prägnantesten Erfolge aus- führen. Vor allem sind es einzelne Molluskenarten, die derartige Erscheinungen beobachten hissen. Muscheln von den Familien der Cardiiden oder Veneriden z. B. reagiren prompt selbst auf leichte Verdunklung, auf einen Sehat-tenstreifen, der über sie hinstreift. Sie schliessen blitzschnell ihre vorher entfalteten Siphonen, unter Umständen auch die 618 NaturwisseusuhafÜicbc Wocbeiisclirin. XL Nr. 51. Schalen. Die Venusrauscheln verschwinden oft unter dem Ein- flüsse eines solchen Reizes plötzlicli im Sande, indem sie sich mit Hilfe ihres muskulösen Fusses versenken. Im übrigen sind die Reactionen bei den einzelnen Arten recht verschieden, einzelne reagiren träge und unsicher, andere gar nicht. Bei manchen der letzteren hndet man eine erheblich ge- steigerte Empfindlichkeit, wenn man die Thiere in etwas er- wärmtos Wasser bringt. Manche Muschelarten reagiren ausser auf Beschattung auch auf plötzliche Zunahme der Helligkeit, und zwar dann meistens in umgekehrtem Sinne, wie auf Beschattung, d. h. durch Vorstrecken und Erweitern der Siphonen. Wieder andere Muscheln scheuen das Licht und suchen ihm zu entfliehen, z. B. die Sandmuschel (Psammobia). Die Lichtempfindlichkeit äussert sich bei diesen Thieren auch darin, dass sie, wenn sie im Halbdunkel ihre Sipho- nen ausgestreckt haben, bei jeder Zunahme der Helligkeit die- selben verkürzen, eventuell ganz einziehen. In helles Tageslicht gebracht, suchen sie sich in den Grund einzugraben, oder wenn ihnen dies unmöglich gemacht ist. schnellen sie sich mit Hülfe ihres Fusses wild umher. Die hierbei wirksamen Strahlen sind diejenigen des ge- sammten sichtbaren Spectrums mit Ausnahme des Roth. Von augenlosen Muscheln, welche keine Siphonen besitzen, ist besonders die Auster gegen plötzliche Beschattung sehr em- pfindlich, in geringerem Maasso die Malermuschel (Unio). Bei allen lichtempfindlichen augenlosen Muscheln sind es vor- zugsweise die reich innervirten Partien am Mantelrande, welche als Sitz der Lichterapfindlichkeit zu betrachten sind, üewisse andere Muschelarten besitzen an eben dieser Stelle wohl ausgebildete Augen, eine Thatsache, die es minder aufi'allend erscheinen lässt, \yenn auch bei jenen anderen Muscheln die Nervenendigungen am Mantelrande eine hochgradige Empfindlichkeit für Helligkeits- schwankungen haben, obgleich sie nicht zu Augen im morpho- logischen Sinne zusammengeordnet sind. Nicht unmöglich, und im Hinblick auf gewisse Beobachtungen an anderen Sinnes- organen niederer Thiere sogar wahrscheinlich ist es, dass die Nervenendigungen des Mantelrandes die Lichtempfindlichkeit nicht als einzige Function haben, sondern dass sie nebenbei auch der Perception anderer, etwa chemischer und mechanischer Reize dienen könnten, wie überhaupt die Specialisirung der Sinnes- nerven und ihrer Endorgane für eine einzige bestimmte Sinnes- thätigkeit bei niederen Thieren lange nicht in dem Maasse vor- geschritten zu sein scheint, wie bei Wirbelthieren („Wechsel- Sinnesorgane"). Ausser den Muscheln haben noch manche andere wirbellose Thiere die Fähigkeit, auf Helligkeitsschwankungen trotz Mangels der Augen energisch zu reagiren. Das gilt z. B. für manche unserer gewöhnlichen Gehäuseschnecken, die bei Beschattung zurückzucken, auch wenn sie der Augen beraubt sind. Auch augenlose Würmer reagiren theils auf Beschattung, theils auf helle Belichtung durch Bewegungen; der bekannte Amphioxus lanceolatus, dem man irrthümlich Augen zugeschrieben hat, ent- flieht eiligst, sowie helles Licht ihn trifl't. Sitz dieser Licht- empfindlichkeit ist bei ihm nicht etwa der Kopf, sondern die ganze Körperoberfläclie. Gewisse Pflanzenthiere, ja selbst eine Menge einzelliger Wesen zeigen sich ebenfalls gegen plötzliche Helligkeitsschwankungen sehr empfindlich. Allgemein kann man sagen, dass diejenigen Tiiiere, welche besonders auf plötzliche Beschattung reagiren, solche sind, die eine Schale oder Röhre besitzen, in welche sie sich bei drohender Gefahr zurückziehen können. Die Verdunkelung erscheint ihnen als der Ausdruck der Annäherung eines Feindes oder einer sonstigen schattenwerfenden Masse, welche ihre Sicherheit be- droht. In keinem einzigen Falle sind es wirkliche Dunkelthiore, welche in dieser Weise reagiren. Umgekehrt sind diejenigen Geschöpfe, welche auf ein- fallendes helles Licht durch Rückzug reagiren, ausschliesslich solche, die sieh für gewöhnlich dem Tageslicht und der freien Luft oder dem Vyassor durch Eingraben in den Boden entziehen. Unter diesen Thieren, deren es ja unzählige giebt, zeichnen sich nun aber die als besonders liclitempfindlich erkannten dadurch aus, dass sie ihren Versteck zeitweilig (absichtlich oder unab- sichtlich) verlassen (Regenwürmer, Amphioxus) und somit unter dmi Einfluss von Lichtstrahlen kommen können. Die Licht- empfindlichkuit dient ihnen dann dazu, die störende Bestrahlung zu bemerken um ihr dunklos Versteck wieder aufzufiiulen, d. h. zu erkennen, ob sie sich tief genug zurückgezogen haben, um vom Lichte nicht mehr gctroff'en zu werden. Von den augenlosen Muscheln haben die lichtscheuen Arten zarte zerbrechliche S(tlialen, — Grund genug, den Sandgrund oder Höhlungen aufzusuchen und das freie Wassi'r zu fliehen — , die anderen Arten, die auf Beschattung am stärksten reagiren, er- weisen sich durch starke, zuweilen mit Stacheln bewehrte Schalen als dem Aufenthalt im freien Wasser weit mehr angepasst. Was allen augonloscn Thieren selbst bei höchstgradiger Lichtempfindlichkeit abgeht, ist die Fähigkeit, die Formen der sie umgebenden Gegenstände wahrzunehmen Hierzu gehört ein dioptrischer Apparat, der bewirkt, dass ein difl'erenzirtes Bild auf der lichtcmpfintllichen Schicht entsteht. Auch die Wahrnehmung der Richtung, in welcher sich eine Lichtquelle oder ein schatten- werfender Körper befindet, sowie der Bewegung dieser Objecto, ist für augenlose Geschöpfe nur in beschränktester Weise möglich. In den lichtompfimllichen Hautpartien sind häufig Pigment- flecke zu bemerken, jedoch keineswegs in allen Fällen (z. B. nicht bei der sehr lichtempfindlichen Muschel Psammobia), und auch in den Fällen, wo Pigment reichlich vorhanden ist, scheint es in keinerlei Beziehung zu den lichtempfindlichen Elementen zu stehen. Die von manchen Autoren vermuthete nahe Beziehung zwischen Lichtempfindlichkeit und Pigmentanhäufung ist jeden- falls für einen gro.sseu Theil aller Fälle nicht vorhanden. Licht- empfindung setzt nicht das Vorhandensein von Pigment voraus. Dass trotzdem in allen wirklichen Augen (mit Ausnahme der albinotischen) sich Pigment in der Nähe der Siimesepithelien vorfindet, ist ein Beweis dafür, dass es in irgend einer anderen, bis jetzt noch nicht aufgeklärten Weise, beim Sehacte von Wichtigkeit ist. Aus den mit zerstreuten lichtempfindlichen Nervenendigungen ausgestatteten Hautpartien entwickeln sich nun bei anderen Thieren allmählich augenähnliche Gebilde, indem sie sich gruppen- weise zu einem Sinnesorgan mit deutlichem Nervenstamm zu- sammenschliessen, durch grubenartige Einsenkung vor gröberen mechanischen Einwirkungen schützen und dann auch bald die ersten Anfänge zur Bildung eines dioptrischeu Apparates zeigen. Das Nähere über diesen phjdogenetischen Entwickelungsgang ^welchem ein ausserordentlich ähnlicher ontogenetischer bei den höheren Mollusken entspricht) wäre in dem in der Ueberschrift genannten Schriftchen nachzulesen, die einzelnen Umbildungsstufen lassen sich nicht wohl in Kürze beschreiben. Hervorgehoben sei hier nur, dass die dioptrischeu Apparate von primitivem Baue, wie man sie vielfach bei Wirbelloseu findet, noch zu unvollkommen sind, als dass sie ihre Bedeutung in der Eutwerfung eines deut- lichen reellen Bildes und in der Unterscheidung der Formen der umgebenden Gegenstände liegen könnte. Diese Bedeutung werden die Augen bei Wirbellosen nur in der Minderzahl der Fälle haben. In den anderen Fällen, so zum Beispiel bei den Augen der Muscheln, den Punktaugeu der Insecten und Spinnen, den Augen niederer Würmer und Krebse, wird die Bedeutung des dioptrischeu Apparates eine andere sein. Es wird durch die Sammelliusenwirkung die auf das einzelne Nervenelement fallende Lichtmongo vermehrt, somit die Reizschwelle tiefer gerückt werden. Ferner wird die Linse die Wahrnehmung der Richtung erleichtern, in welcher sich ein bestimmter leuchtender oder dunkler Punkt befindet, und gestatten, zu erkennen, ob die um- gebenden Objecte sich in Ruhe oder Bewegung befinden. Damit diese (für Raubthiere in gleicher Weise wie für durcli viele Feinde gefährdete Thiere) wichtige Wahrnehmung bewegter Ob- jecte in einiger Schärfe möglich sei, ist eine reelle Abbildung unerlässlich. Die Abbildung darf aber dabei so verschwommen sein, dass von einer Erkennung der Formen noch nicht zu reden ist. Einige Worte seien noch über die Eintheilung des Stoffes in der oben genannten Abhandlung gesagt, aus deren Inhalt hier einzelne Punkte herausgegriffen worden sind. Sie zerfällt in drei Abschnitte, deren erster, die Wiedergabe eines akademischen Vortrages mit dem Titel „Sehen ohne Augen", eine kurze Ueber- sicht über das Thatsaclienmaterial und die mannigfachen sich daran anknüpfenden biologischen Fragen geben soll. Der zweite Abschnitt beschreibt genauer die vom Verfasser angestellten Ver- suche über den Lichtsinn augenloser Thiere. Der dritte Ab- schnitt besteht aus fünf Zusätzen, in welchen einige in dem Vor- trage berührte Fragen näher beleuchtet werden; ihre Ueber- Schriften lauten 1. „Lichtempfindlichkeit und Lichtempfinduug", 2. ,.Kann der Schatten, die „Negation des Lichtes", als Reiz wirken?" ( — diese beiden Abschnitte sind bestimmt, gewissen von B. Rawitz aufgeworfenen Bedenken entgegenzutreten — ). o. „Die Organe des Lichtsinnes augenloser Thiere" ( — diese werden als Wechselsinnosorgane der niederen Sinne aufgefasst — ). ■1. „Raphael Dubois' Theorie der Sinnesempfindungen in ihrer Anwendung auf die dermatoptische Function" ( — diese Theorie wird bekämpft — ) und ö. „Die Beileutung des lichtbrechenden App.irates in niederen Augenformen." Den Schluss bildet ein Litteraturverzeiohniss. (x.) 0. F. 0. Nordstedt, Index Desmidiacearutu citationibus locu- ^ pletissimus atijuo bibliograi)hia. ( Ipus subsidiis et ex aerario ■ regni suecani et ex pccunia regiae societatis scientiai'um hol- " miensis collatis editum. Berolini. Fratres Borntraeger. 189ü. - Preis '.'0 M. Während dir letzten Jahre wurde das Studium der Des- midiaceen sehr eifrig betrieben unil eine Menge neuer Formen sind beschrieben worden. Deshalb ist trotz des vor sieben Jahren XI. Nr. 51. Naturwisscnsehaftliclie Wocheusclirift. G19 ersL-liieneiieu „Syllo{!;u Algaruin" von Du Toni das Bcdürfniss nacli einem vollständigen Index mit Citaten sehr dringend. Eine solche Arbeit muss aber, um dem gestellten Zwecke zu entsprechen, die ganze, auch ältere Litteratur berücksichtigen. Verf., der während meines dreissigjährigen Desmidiaceen-Studiums viele Arbeiten über diese Pflanzen publicirte, unterzog sich der Mühe, auch die ältere Litteratur durchzugehen. Die Bibliographia umt'asst beinahe 1200 Titel von Arbeiten (von kleinen Notizen bis grösseren Werken), aus welchen der Verf. selbst die Citate genommen hat. Die Citate sind keine Abschriften aus anderen Arbeiten, alle sind original. Einen so ausführlichen Index (mit Citaten) dürfte es schwerlich über eine andere grössere Pflanzenfamilie geben. Da sehr wahrscheinlich Niemand künftig die ganze Desmidiaceen- Litteratur durchgehen möchte, um eine ahnliche Arbeit zusammen- zustellen, wird dieser Index Desmidiacearum von bleibendem Werthe sein. Da jedes Citat eine eigene Zeile bildet, alle Citate unter dem bezüglichen Aufschlagewort chronologisch geordnet sind, und der Name jeder Subspecies, Varietas oder Forma fett gedruckt ist, die Autoreunamen dagegen cursiv, so kann man jedes Citat leicht finden. Ausserdem ist dem 310 Seiten um- fa.ssenden Buche ein Register beigegeben, in dem die Arten unter jeder Gattung alphabetisch aufgezählt sind. Die Zahl der Citate beläuft sich auf ungefähr 24 000. Littrow's Wunder des Himmels oder Gemeinfassliche Dar- stellung des Weltsystemes. 8. Auflage. Nach den neuesten Fortschritten der Wissenschaft bearbeitet von Dr. Edmund Weiss, Director der Sternwarte und Professor der Astronomie an der k. k Universität zu Wien. Mit 14 lithograi>hirten Tafeln und 1.55 Holzschnitt-Illustrationen. Berlin 18i)7. Ferd. Dümnilers Verlagsbuchhandlung. — Preis 14,40 M. Zu unserer Freude können wir wiederum eine Neu-Auflage der besten, in erster Auflage schon ISh'A erschienenen, populären Astronomie anzeigen; die siebente Auflage haben wir Bd. IV. (1889) No. 22, S. 176 besprochen. Kein besserer Führer Hesse sich empfehlen, um Eingang zu finden in der erhabensten Wissen- schaft als Littrow's Wunder des Himmels, und die gebührende Anerkennung ist ja auch dem Werk stets und allseitig geworden. Es umfasst in seinem trefflich von dem Astronomie-Professor der k. k. Universität in Wien, Herrn Dr. Edm. Weiss, auf den neuesten Standpunkt der Wissenschaft gebrauchten Text, ohne jedoch die ursprüngliche anheimelnde Färbung desselben zu ver- wischen, nicht weniger als 1100 Seiten. Berücksichtigt man dabei die grosse Anzahl Textabbildungen und die zum Theil farbigen Tafeln , so muss das Werk als ausserordentlich preiswerth be- zeichnet werden. — Die Arbeit des Herrn Weiss war keine kleine, denn u. a. machten die Entdeckungen der grossen auf der Ober- fläche des Mars vor sich gehenden Umwälzungen, die bereits auf mehr als 400 angewachsene Zahl der Asteroiden, die Auffindung einer Reihe merkwürdiger, hochinteressanter Kometen, und die wichtigen Errungenschaften, welche wir der Photographie und Spektroskopie in der Erkenntniss des Fixsternhimmels verdanken, eine durchgreifende Umarbeitung der betreffenden Partien des Werkes nöthig. Auch sonst hat Weiss viel ändern, kürzen und verbessern müssen, so dass die Verdienste, die sich dieser um das schöne Werk erworben hat, grosse sind. Die vierte Abtheilung des Buches, welche die „beobachtende Astronomie oder Be- schreibung und Gebrauch der astronomischen Instrumente" be- handelt, ist am meisten verändert. Mit Pietät hat W. in der Vorrede zur achten Auflage der Littrow's gedacht, die an den früheren Auflagen gearbeitet haben; er hat die \vichtigsten Stellen der früheren Vorreden mit Angabe des Erscheinens der ersten Auflage ausgezogen, sodass der Leser auch ein treft'endes Bild über die Geschichte des mit Recht be- rühmten Buches erhält. Das sollte in Neubearbeitungen — falls nicht alle Vorreden abgedruckt werden können, was freilich das Beste ist — stets geschehen. Die natürlichen Pflanzenfarailien, begründet von A. Engler und K. Prautl. fortgesetzt von A., Engler. Lief. 140 und 141. Wilhelm Engelmann. Leipzig 189G. — Preis 3 Mk. Lief. 140 enthält die Fortsetzung der Labiaten, bearbeitet von I. Briquet, Lief. 141 den Schluss der Fucacecn (F. R. Kjell- mann), die Dictj-otaceen (Kjellmann), Rhodophyceen, Lema- neaceen, Helminthocladiaceen und dem Beginn der Chactaugiaceen (Fr. Schmitz und P. Hau pt fleisch). Eine den Lieferungen beigefügte „Ankündigung" äussert sich über das Erreichte und dc' prttettt- ,;um .üii JIniil Ciniirnbcre. aitit 244 giluftv. 7,5(1 ä'i., cU-ciiiiit cn'bimbcu 9 IV. ^oifrr f ^f^^rlJ nis ^ttll^rnt. ^i^iii yaul Cinbrilbrrix. O.'tit oiiioiii Jinlbilb, Hl '.HlUiiliMiiuicu :c. IXM Wi.. Hai il*'^' '^ -'■''■ ^latiutcüf itt Ute 3uäuiaff. §0!ii!l-plitirdirr iloiimii lum ®|j. fttvi{\ia. 3 4';,, cU'gcT't !iflnmöcii 4 l'i. Cliuc 3d)tctticv% ^frtJtme» iUnni ir |tl. guM. 1,00 m, dcg. f|cli. 2,40 »i. b|u ti{;icl)ru ituvA) jctir ^iid)l)aitMiutgi.H 3fi'rb. ptimmfcro tlH'rfartoOüdiiianMuitrt -«?8 BERL.IN SWL12^^^ „Lethaea" Geolog. (i.technol.Handl. v. Dr. Monke Görlitz. Wegen Aufgabe des Geschäftes Mineralien, Gesteine, Petrefacten mit 40"'o Rabatt. Ausführl. Lagerverzeichn. portofrei. PATENTBUREAU Öirich T^. jV^aerz Berlin NW., Luisenstr. 22. ~ Gesründet 1878 : Patent-, Marken- u. Musterschutz, für alle Länderrip In Ferd. Ilünimlers Terlagsbuch- handliing in Berlin SW. 12 erschien; Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Prufossor am köngl. Rcalgynin. in lierlin. 444 Seiten gr. 8. Preis ÜM., geb. 7 M ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦«♦♦♦♦♦♦ I Dr. Robert Muencke | ♦ Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. t ♦ Teeliiiisehes Institut für Anfertigung wissensehaftiieher Apparate ♦ ♦ untl Gerätliseliaften im Gesammtgebietc der Naturwissenscliafteu. ♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦«♦♦«♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Kunsttischlerei für Photographie vnvi K. II. Fri(Ml(S Herlill NO., l'allisjulenstr. 2ü, nrämiirt auf der Berliner Gewerbeausstellung 1836, ein|)(iclilt »ieli zum direlvten Bezüge sc-incr rciioniinirtiMi Erzeug- nisse, licsumlers seiner neusten Klappcamera für Hand- uthI Stativ:iul'n.iliinr. 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Abonnement : Man abonnirt bei aUen BuchhandlunceD und Poat- y Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 J.. Grössere AufträRe ent- instalten. wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist .Ä 4.— <3|3 apreclienden Rabatt. Beilagen nach Ueberelnkunft. Inseratenannahme Brineegeld bei der Post ib m extra. PostzeituuRsliste Nr. 4954. -"■ bei allen Annoncenbureaux wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollstäiidieer <{aellenaiisabe gestattet. Die Transformisten des 18. Jahrhunderts. Nach Dr. W. Seh imkiewitsch , Professor tier Zoologie an der kaiserl. Universität St. Petersljurg. In jeder Wissenschaft tritt, naciidem eine gewisse Menge von Thatsaclien angeluliit't worden ist, eine Periode des Systeniatisirens ein. Der Anfang des 18. Jalirliunderts zeigt besonders ein solches Bestreben zur Sciiaffung eines Systems in der Zoologie. Nach dem ersten wichtigen Schritt, welchen im vorhergehenden Jahrhundert John missgliicl ten Ray in dieser Richtung gethau, nach dem Versuche Kleins, die verschiedeneu Klassen auf Grundlage rein äusserlicher Merkmale zu bestimmen, trat Linue auf. In einer solchen Epoche werden die Forscher natürlich mehr unterscheidende als verbindende Merkmale, mehr Mannigfaltigkeit als Einheitlichkeit suchen, denn je scharfer die einzelnen Gruppen gesondert sind, um so vollkommener ist das System. Es ist auch leicht be- greiflich, dass man in einer solchen Epoche für einen Transformismus, der sich auf die Vererbung der Formen und (]ie Einheitlichkeit der Typen im Bau der Thiere und Pflanzen stützt, keine thatsächliche Grundlage fand. Es waren zu wenig Thatsachen zur Begründung einer solchen Theorie vorhanden, und wenn sie auch vorhanden waren, so war doch die Aufmerksamkeit der Forscher nicht auf sie gerichtet. Und doch lebte der transfor- mistische Gedanke in den Geistern fort und fand seine weitere Entwickelung; allein dies geschah fast aus- schliesslich unter dem Einfluss der meta))hysischen Lehren jener Zeit, vor allem der Leibuiz'schen Philosophie. Ohne auf das ganze Leibniz'sche System näher eingehen zu wollen, mögen doch einige der Hauptzüge desselben Er- wähnung finden, welche uns das Verständniss der Lehren der Transformisten des 18. Jahrhunderts ermöglichen. In dem Bestreben, das Wesen des Stofl'es zu erklären, hat Leibniz angenommen, dass alles Bestehende aus einer unendlichen aber constanten Zahl metaphysischer Einheiten, „Monaden' heiten bezeichnet er zusammengesetzt sei. Diese Ein als die wahren Individuen, die ur- sprünglichen Elemente aller Erscheinungen. Zwischen Todtem und Lebendem, Bewusstem und Unbewusstem giebt es keinen Unterschied; alles hängt nur ab von dem Grade der Entwickelung der Monaden. Die Geburt ist eine einfache Metamorphose und ebenso der Tod, der nur für uns Menschen ein scheinbar plötzliches Ereiguiss ist. Der Mensch war ehedem ein „spermatisches Thier'-, das nur im Dunkel uubewussten Empfindens dahinlebte, und erst als es zum Bewusstsein gelangte, wurde es zum Menschen. Die lebendige Seele wird, indem sie im Laufe ihrer Entwickelung die ewigen, uothwendigen Wahrheiten erkennt — und diese Erkenntniss unterscheidet den Menschen von den Thieren — ein Bürger in der Repu- blik der Geister, ein ewiger, unsterblicher Geist. Daher die allgemeine Stufenfolge und Entwickelung des eiuen aus dem anderen, natura non facit saltum. Obwohl jede Monade ein selbstständiges Leben führt, steht doch ihre Entwickelung im Zusammenhang mit der Entwickelung der anderen Monaden, denn alles ist vorhergesehen und vorherbestimmt von der Gottheit; daher die allgemeine Ordnung und Harmonie. Was die Classification des Thier- reiches betrifft, so hält Leibniz die einzelnen Classeu für so eng mit einander verbunden, dass es unmöglich sei zu bestimmen, wo die eine aufhört und die andere be- ginnt. Indem er die fossilen Ammoniten mit dem Nau- tilus der heutigen Thierwelt vergleicht, indem er die mannigfaltigen Variationen dieser verwandten Formen betrachtet, gelangt er zu demf Schlüsse, dass bei verän- derten Arten sich Lebensbedingungen auch eine Veränderung der vollziehen kann. Ja er giebt sogar^ ö von dem Gesetze der Continuität ausgehend, die Möglichkeit zu, dass in einer anderen Welt Uebergangsformen zwischen Menschen und Affen vorhanden sein mögen. Zu der Lehre von der Vererbung gelangten ihre Vertreter im 18. Jahrhundert auf zwei Wegen: eine Reihe G22 Naturwissenscliaf'tliche Wochenschrift. XI. Nr. 52. vou Denkern verfocht diesen Gedauiien vom rein aprio- ristischen Staudpunkte, so Robinet, De Malliet, Maupertuis, Diderot, während andere Forscher, wie Bounet, es ver- suchten, die Folge der Formen der Thierwelt im Lichte dieser Idee zu betrachten. Gewiss waren auch Buffon und Erasmus Daiwin die philosophischen Anschauungen ihrer Zeit nicht fremd und übten einen gewissen Einfluss auf sie aus, allein diese Männer schöpften ihre Vorstel- lungen bereits aus einer anderen Quelle, aus dem Studium der Thatsacbeu, wie es sich besonders klar bei Buffon zeigt. Weder Robinet noch De Malliet, der unter dem Pseudonym Teliamed schrieb, noch auch Maupertuis, der in Berlin mit Voltaire in lutriguen wetteiferte, waren Zoologen, nichts desto weniger verdienen ihre Anschau- ungen die Aufmerksamkeit des Historikers. Robinet, der seiner Zeit von Cuvier verspottet wurde, behauptet^? wie Buffon, dass der Begriff der Art ein Produet unserer Unwissenheit sei; denn es gebe nichts Gleiches auf der Welt, überall lierrsche vielmehr das Priucip der Continuität; die Natur wiederhole sieh nicht, sonderu die Formen seien in steter Fortentwicke- lung begriffen. Und so sei auch der Mensch durch eine Reihe von Uebergangsformeu, die gleichsam mis.sglückte Versuche zur Erschaffung des Menschen darstellen, mit den niedersten Geschöpfen verbunden. Die weitere Ent- wickeluug kann vollkommenere Wesen erzeugen als der Mensch unserer Tage, indem sie die Schönheit A])ollos mit der der Venus vereint zu einem Hermaphroditen. Robinet's Lehren beruhen also auf dem Leil)niz'schen Ge- setz der Continuität. Aus diesem Einfluss der Leibniz- schen Philosophie erklärt sich auch Robinet's Behauptung, die gesammte Materie sei lebendig, die Sterne, die Sonne, die Erde, die Planeten, alles seien lebende Wesen. De Malliet, den seine „Entretiens d'un philosophe Indien avec un missionnaire fran^ais" unverdienter Weise iu den Ruf eines Atheisten gebracht haben, vertritt gleich- falls die transformistischen Ideen. Er stellte die Hjpo- these auf, dass alle Thiere ursprünglich Mceresthiere ge- wesen, und mit der Naivetät jeuer Zeit nahm er auch die Existenz von Meeresmenschen an. In dem Maasse, wie das Meer vom Festlande zurückgedrängt wurde, haben die Wesen, welche auf dem Festlande lebten, ihre Ge- wohnheiten, ihre Gestalt geändert, und diese veränderte Organisation haben sie ihrer Nachkommenschaft vererbt. Diese Hypothese, die mehr der Form als dem Wesen nach etwas absonderlich ist, ermöglichte de Malliet die Erkenntniss der wahren Natur der Fossilien zu einer Zeit, da über sie die wunderbarsten Vorstellungen herrschten. Maupertuis geht von seiner Hypothese der Ver- erbung aus, welche die Darwin'sche der Pangenesis und die Lehre Hackers, der die Vererbung durch das Ge- dächtuiss der Plastidulen, jener hypothetischen den Mo- lekeln des organisirten Stoffes ungefähr entsprechenden Elemente, zu erklären sucht, in sich vereinigt. Die Ele- mente, welche den Embryo bilden, schwimmen im Samen des Vaters und der Mutter, und ein jedes von ihnen, ge- wisscrmaassen ein Auszug aus einem bestimmten Theile des väterlichen oder mütterlichen Körpers (ähnlich den Gemmulen Darwin's) behält eine Erinnerung (une espece de Souvenir) seiner früheren Lage (ähidich den Plasti- dulen lläckel's); so ist denn ein jedes Element im lü'irper des lunbryos bestrebt, diejenige Ijage einzunehmen, die es im Körper des Vaters oder der Mutter eingenommen hatte. Auf diese Weise erkläit Maupertuis die Aehnlich- keit der Nachkommen mit den Eltern. Sind nun irgend welche Elemente in zu grosser oder geringer Anzahl im Samen vorhanden, so entstehen Missgestalten, im erstcren Falle solche mit überzähligen Organen, im letzteren solche rait Defecten. Interessant ist es, wie dieser Pliiloso])h die Erscheinung des Atavismus erklärt: „die Elemente, welche ein solches Wesen (das die Merkmale des Grossvaters oder eines entfernteren Ahnen aufweist) bilden, snid eher geneigt, die beim Grossvater gewohnte Lage beizubehalten, als die, welche sie im Körper des Vaters inne hatten, sei es weil sie bei dem Erstereu länger mit einander ver- bunden waren, oder weil die sie verbindende Kraft bei jenem grösser war als bei letzterem, so gruppiren sich diese Elemente zuweilen bei dem Embryo gerade so wie sie bei dem Grossvater gruppirt gewesen." Mit derselben Annahme erklärt Maupertuis auch die Bildung neuer Arten, wobei man unwillkürlich an die Lehre Wcismann's er- innert wird, nach welcher die individuellen Verschieden- heiten durch Molekularverändcrungen in den Geschlechts- zellen bedingt werden. „Diese (sich neu bildenden) Arten verdanken ihre Entstehung den zufälligen Gebilden, in welchen die Elemente die Ordnung, iu der sie sich bei den Eltern befanden, nicht beibehalten haben. Jede Un- regelmässigkeit (pas d'crreur) hat zur Bildung einer neuen Art geführt. Indem diese Erscheinung sich häutiger wiederholte, entstand die unendliche Mannigfaltigkeit der Formen, die wir heute beobachten können, und die mit der Zeit noch grösser werden wird, oljwohl diese Zunahme im Laufe der Jahrhunderte kaum bemerkbar sein wird." Demgegenüber bemerkt Diderot in den „Pensees sur riuterpretation de la nature", dass um das Entstehen der Thiere zu erklären, die Annahme genüge, dass die organischen Molekeln eine besondere Art rudimentärer Sensibilität besitzen, welche sie veranlasst, die bequemsten und geeignetsten Combinationeu einzugehen. Das Thier ist eine Combination solcher Molekeln, welche von dieser Sensibilität geleitet sich so zusammengefügt haben, wie es ihrer Gestalt und ihren Eigenschaften entspricht. In- folge der Veränderungen, welche das Spiel der noch nicht in den Zustand der Ruhe gelaugten Molekeln im Organismus hervorruft, können die bereits in bestimmter Weise gestalteten Verhältnisse wieder gestört und umge- ändert werden. Wir wissen nicht, ob die Pflanzen und Thiere so, wie sie sind, auch bleiben werden, und hätte uns der Glaube nicht die Schöpfung gelehrt, so würde der Philosoph zu der Frage bei'echtigt sein, ob die Pflanzen und Thiere immer so gewesen sind. Ebenso wie das Individuum gewisse Stufen der Entwickelung und des Alters durchläuft, so entstehen, leben und ver- gehen, oder leben fort in einer neuen P'orm vielleicht auch die Arten. Bonnet ist bekannt durch die Entdeckung der jung- fräulichen Zeugung bei den Blattläusen und seine Beob- achtungen über die ungeschlechtliche Fortpflanzung bei der Hydra und den AVürmern. Jedoch boten seine Beob- achtungen und die zu jener Zeit bekannten Thatsachen ihm nur wenig Material für die eiue oder andere seiner Hypothesen. Er war vielmehr im Grunde der erste Natur- forscher, welcher versuchte, die nach der Leibniz'schen Lehre a ])riori vorhanden sein sollende Stufenfolge in der gesammten materiellen und geistigen Welt klar dar- zustellen. Es war der erste, natürlich naive Versuch. Wenn die Natur keinen Sprung macht, so muss man sich demnach alles Bestehende als eine allmähliche Stufen- folge vorstellen „vom geringsten Atom bis zum höchsten Cherub". Bonnet unterscheidet vier Kategorien von Wesen: 1. nicht organisirte, 2. organisirte, aber unbe- seelte, 3. organisirte und beseelte, 4. organisirte, beseelte und vernunftl)egabte. Es mögen Welten vorhanden sein, deren Bewohner nur aus Wesen der ersten Art bestehen und andererseits auch solche, deren Bewohner alle der letzten, höchsten Classe angehören. „Wie herrlich", so ruft er aus, „ist das liimndische Jerusalem, wo ein Engel das Wesen mit der geringsten Intelligenz ist!" — XI. Nr. 52 Naturwisseiiscliaftliulic VVdüliciiscIirift. (523 Die Stufenfolge der ( )rganisnieii .scib.st wurde liäufii;- 7-u construiren versucbt, allerdings nur auf Grund der Lebenswei.se der Tliierc oder rein äusserlicher Merkmale. Die Verbindung zwiseben dem Menseben und den Vier- füsslcrn bildeten der Orang-Utang und die übrigen Atfen, wäbrend diese wieder dureli das fliegende Eicbhorn, die Fledermaus und den Strauss mit den Vögeln in Ver- bindung gebracbt wurden. Diese letzteren waren durcb Vermittelung der Wasservögcl und der fliegenden li'iscbe mit den Fischen verwandt, und diese wieder mittels der Kletterfische, der Aale und Wasserscblangen mit den Schlangen. Die Schnecken stellten das Bindeglied zwischen den Schlangen und Muschcltbieren dar, welche durch die Würmer, welche in Röhren leben, und die Schmetterlinge, deren Kaupen ja ebenfalls Röhren bilden, mit den Inseeten in Verbindung traten. Durch die Gall- wespen, Bandwürmer, Polypen, Medusen, die empfindsame Mimose wurde alsdann der Uebergang zu den l^flanzen hergestellt. Die Hechten, Schimmelpilze, Trüftel, Korallen und Koralloiden, Talk, Gyps, Selenit, Schiefer verbanden die Pflanzenwelt mit den Gesteinen, die wieder durch die Fossilien und Krystallc mit den Salzen verwandt waren. Zwischen den Salzen und den Metallen stand das Vitriol, letzere standen vermittels der Metalloide in Zusammen- hang mit dem Schwefel, dieser durch das ßergharz nnt der Erde, welche durch die „reine Erde" mit dem Wasser in Verbindung gebracht wurde, auf dieses folgten dann die Luft, das Feuer und „noch feinere Stoffe." Allein schon damaLs sprach Pallas, ein Forseber, der sich stets durch bewunderungswürdige Schärfe und Nüchternheit des Denkens auszeichnete, die Ansicht aus, dass das wahre Verhältniss zwischen den verschiedenen Or- ganismen nicht durch eine geradlinige Reihe dargestellt werden köune, vielmehr sei dafür die Form eines Baumes mit unendlichen Verzweigungen zu wählen. Doch sicherlich kann selbst die moderne Wissenschaft einige Gedanken Bonnet's aeceptiren, die er allerdings nicht auf Thatsachen zu gründen vermochte, sondern nur auf abstracte Betrachtungen. In Folgendem ein kurzes Beispiel: „Man .sage einem Laien", so sehreibt Bonnet, „dass es den Philosophen schwer wird, eine Katze von einem Rosenstrauch zu unterscheiden, und er wird den Philosophen verspotten, denn, wird er sagen, es giebt nichts Leichteres auf der Welt, als diese beiden Wesen auseinander zu halten. Der Grund dafür liegt darin, dass der Laie nur von speciellen Ideen ausgebt, der Philosoph dagegen von allgemeinen. Man nehme den Begriffen Katze und Rosenstrauch diejenigen Eigen- schaften, welche sie als Wesen einer bestimmten Gattung, Art und Klasse charakterisiren, und lasse ihnen nur die, welche ihnen als Thier und Pflanze überhaupt zukommen, so wird man keine Grenze mehr angeben können, wo sich ein Unterschied zeigte zwischen einer Katze und einem Rosenstrauch.'' .Thier und Pflanze sind nichts Anderes als Modificationen der organischen Materie, sie sind aus demselben Stoffe aufgebaut und einen Unter- schied zwischen ihnen kennen wir nicht." Wie so viele Andere huldigt auch Bonnet der Theorie, von den Kataklysmen, wonach jedesmal eine allgemeine Umwälzung der Erdoberfläche nöthig war, um eine neue Fauna hervorzubringen. Der biblische Sehöpfungsbericht sollte sieb auf die letzte derartige Umwälzung beziehen. Diese Erneuerungen der Fauna erklärte Bonnet durch die Annahme der Existenz unzerstörbarer Keime, welche die Umwälzungen überlebten. Obwohl diese Keime im Voraus erschaffen sind, bethätigen sie ihr Dasein nach einer gewissen Ordnung und in vorherbestinunter Har- monie, wie das auch Lcibniz für seine Monaden ange- nommen hatte. Die Lehre von den Keimen war überhaupt sehr ver- breitet und viele suchten mit ihrer Hilfe die Entstehung der Fossilien wie der Eingeweidewürmer zu erklären. Man meinte, diejenigen Keime, welche in die Gesteine der Berge verschlagen worden, gaben dort die Fossilien, während aus denen, welche in die I.,eiber der Thiere geriethen, die Parasiten erwuchsen. Den Beweis für das Vorhandensein der Keime ausserhalb der Geschlechts- organe erblickte Bonnet in der von ihm entdeckten un- geschlechtlichen Vermehrung, in der Fähigkeit der Thiere, nicht nur in den Sexualtbcilen, sondern auch an anderen Stellen ihres Leibes Nachkommenschaft zu erzeugen. Dieser Beweisversuch ist darum bemerkenswerth, weil hier versucht wird, die Behauptung auf beobachtete That- sachen zu stützen. Während Bonnet also das Vorhandensein ewiger und unzerstörbarer Keime annimmt, verwirft er die Vorstellung einer Urzeugung. Er polemisirt darüber gegen einen anderen Forseher, der, obwohl er nachgewiesen, dass die Trichinen nicht, wie man früher glaubte, spontan im Fleische entstünden, doch an der Urzeugung festhielt, den Ein- bezügbch des Entstehens der Parasiten in geweiden der Thiere. Die Annahme der uranfänglich erschaft'enen Keime führte Bonnet dazu, sich der Theorie von der Einscbachtelung der Keime anzuschlie.ssen. Erasmus Darwin kam um dieselbe Zeit zu dem entgegen- gesetzten Ergebniss, er verwarf diese Lehre, nach welcher man Keime annehmen müsste, „die kleiner sind, als die Teufelchen, die den heiligen Antonius versuchten, von denen doch eine Schaar "von 20 000 auf der feinsten Nadelspitze ganz bequem ihre wilden Tänze aufführen konnte." Bonnet hingegen sagt in seinen Ausfuhrungen: „ich habe dargethan, wie thöricht es ist, diese Hypothese mit Berechnungen widerlegen zu wollen, die uns die Phantasie schrecken sollen, und deren wahren Zweck ein aufgeklärter Geist leicht erkennt. Es ziemt sich nicht, dass die beschränkte Vorstellungskraft, welche alles fassen, alles handgreiflich vor Augen haben will, sich ein Urtheil über Dinge anmaasst, die allein dem Bereich des Verstandes angehören und nur vom Auge des Philo- sophen erkannt werden können." Jedermann ist der Name Buffons bekannt; anders seine Lebren, die kennt auch mancher Specialist nicht. Dank seiner eleganten Sprache und dem warmen lyrischen Ton seiner Schriften hat er seiner Zeit eine Berühmtheit und grosse Popularität erlangt, die sieh bis auf unsere Tage erhalten hat. Der schwungvolle Styl Buffons gab Voftaire Anlass zu dem Witzworte, seine Naturgeschichte sei gar nicht natürlich. Jedoch in seinem Charakter waren Züge vorhanden, um derentwillen er weder unter seinen Zeitgenossen noch in der Geschichte ein grosser Mann werden konnte. Wie Cuvier sagt, fehlten ihm „die Geduld und die physischen Organe, die zur Beobach- tung von Kleinigkeiten erforderlich sind"; daher sein Zusammenarbeiten mit Daubenton, der die Mühe der Beobachtung ülternehmen musste. Allein ein wesentlicher Fehler warbei ihm eine gewisse Unklarheit des Denkens, woraus sieh die Ungenauigkeit seiner Ausdrucksweise er- klärt, die Unfähigkeit zu verallgemeinern und das Schwanken in seinen Anschauungen. Er war sich be- wusst, dass an dem Linne'schen System etwas mangel- haft war, aber worin dies eigentlich l)estand, das blieb ihm unklar. „Den Menschen mit den Affen zusammen- zustellen, den Löwen mit der Katze, und zu sagen, der Löwe ist eine Katze mit einer Mähne und einem langen Schwanz, — das heisst die Natur erniedrigen und nicht sie beschreiben, und ihr Namen geben." In diesen Worten spricht er seine Entrüstung über Linne aus und versucht alsdann selbst eine Classification zu 624 Naturwisscuschaitliclie Woclicnscliriit. XI. Nr. 52 geben, die er allerdings keineswegs bis zum Ende durch- fübrt; dabei bcscbäftigt er sich auch mit der Frage der Verwandtschaft des Menschen mit den Affen. Zugleich erklärt er, dass alle systematische Eintheilung ein Werk des Menschen sei zur Erleichterung des Verständnisses der Natur. „Wenn wir die thatsächliche Stufenfolge der lebenden Geschöpfe nicht verstehen können, so liegt die Schuld an uns und nicht an der Natur, sie kennt all die angeblichen Familien nicht und stellt in Wirklichkeit nur eine Gesammtheit von Individuen dar." Ursprünglich Vertheidiger der Constanz der Arten neigte er sich später der Vorstellung von ihrer Veränder- lichkeit zu. „Der Mensch allein von allen lebenden Wesen besitzt eine so starke Natur, dass er sich überall vermehrt und allen klimatischen Einflüssen der Erde Widerstand zu leisten vermag. Kein einziges Thier hat dieses Vorrecht bekommen und weit entfernt, sich über- all vermehren zu können ist die Mehrzahl der Thiere an bestimmte klimatische Bedingungen gebunden, ja sogar nur auf einzelne Gegenden beschränkt. Der Mensch ist in Allem eine Schöpfung des Himmels, die Thiere in Vielem Geschöpfe der Erde. Die Thiere des einen Konti- nents finden wir nicht auf dem anderen und wenn wir sie finden, so sind sie bereits umgewandelt, kleiner ge- worden an Wüchse, kurz haben sich so verändert, dass man sie nicht mehr erkennen kann. Muss man nun nicht annehmen, dass auch ihre Eigenschaften, weniger be- ständig als die des Mensehen, variiren und allmählich eine fundamentale Veränderung erfahren können "? dass in Folge dessen die weniger vollkommenen, minder beweglichen, mangelhafter ausgerüsteten Arten im Laufe der Zeit ver- schwunden sind oder noch verschwinden werden? Ihr Bestehen, ihr Leben, ihr ganzes Wesen hängt davon ab, welche Gestalt der Mensch der Erdoberfläche geben wird." Diese Sätze wurden zu einer Zeit geschrieben, da Linne erklärte: „Tot numeraraus species, quot ab iuitio creavit infinitum Ens." Obwohl die Leibniz'sche Philosophie unbestreitbar auf Buffon von Einfluss gewesen ist, so war es doch vor Allem das Studium der Fauna Amerikas, welches eine entschiedene Umwälzung seiner Ansichten über die Ver- änderlichkeit der Arten zur Folge hatte. Er gelangte zu der Ueberzeugung, dass die amerikanischen Thiere in der That die.selben sind, wie die der alten Welt und von denselben abstammen, dass sie sich aber unter der Wir- kung des neuen Klimas verändert haben in Folge der- selben Ursachen, welche die Trennung der Kontinente herl)eigeführt hatten. Bekanntlich wirkte in derselben Richtung die Bekanntschaft udt der amerikanischen Pflanzen- und Thierwclt auf Charles Darwin. Wir sehen also, wie zu Buffon's Lehren diejenige von der Veränderlichkeit der Arten gehört, oder, wie er sieh ausdrückt, die Annahme ihrer Fähigkeit, sieh zu ver- vollkommnen oder zu entarten, was sich unter der Ein- wirkung der äusseren Lebensbedingungen vollziehen soll; zu gleicher Zeit sehen wir ihn aber, wie weiter unten erörtert werden soll, an der Existenz eines vorgezeich- neten Planes für die constante Entwickelung der Arten festhalten. Unser Forseher fragt nun weiter: „welches Verhält- niss können wir zwischen der Verwandtschaft der Arten unter sich und der bekannten Verwandtscliaft der Unter- arten einer und derselben Art finden? Entstellt die Unter- art nicht ebenso wie die zusamniengesetztc Art in Folge der Unähnlichkeitcn der Individuen einer reinen Art, welche die erste Grundlage der Unterart bilden?" „Die Unterart ist eine entstehende Art," so lautet ja auch einer der grundlegenden Sätze Darwins. Als .Alittel zur Be- stimmung des Verwandtschaftsgrades schlägt Buflon die Kreuzung vor. „Steht der Esel dem Pferde näher als das Zebra? Steht der Wolf dem Hunde näher als der Fuchs oder der Schakal? Welche verwandtschaftlichen Be- ziehungen werden wir annehmen müssen, die den Menschen mit den Affen verbinden, denen er doch seiner Organi- sation nach so nahe steht? Das sind Frae-en, die ver- mittelst der Kreuzuni Das sind Fragen, gelöst werden müssen." Auch das Grundgesetz; der Vermehrung der nisinen hat Buffon wohl erkannt. Er Orga- sagt: „der ge- wöhnliche Lauf der lebendigen Natur ist im Allgemeinen immer derselbe, sich gleich bleibende; seine stete Regel- mässigkeit stützt sich auf zwei unerschütterliche Tliat- sachen: die grenzenlose Fruchtbarkeit, mit der alle Arten ausgestattet sind, und die zahllosen Hindernisse, welche diese Fruchtbarkeit bis zu einem gewissen Grade ein- dämmen und da+ur sorgen, dass zu jeder Zeit die Menge der Individuen einer und derselben Art ungefähr die gleiche bleibt." Er sab also völlig klar, dass jede Art, wenn sie nicht dem Aussterben nahe ist, kraft ihrer grenzenlosen Produetivität das Bestreben zeigt, sieh zu vermehren. Und in der Tliat ist ja die Zahl der er- zeugten eutwickelungsfähigen Keime gleich der Menge derjenigen Organismen, die am Leben bleiben und zur Fortpflanzung gelangen, vermehrt um die noch grössere Anzahl derer, welche den ungünstigen Verhältnissen zum Opfer fallen und untergehen müssen. Zwischen diesen Verhältnissen und der Ausbreitung einer Art besteht ein Antagonismus in der Natur, der Buftbn nicht entgangen ist. Wir wissen, dass die intensive Produetivität das Massenauftreten mancher Arten, die periodische Ver- änderung der Zahl der Individuen einer Art an einem bestimmten Orte und viele andere Erscheinungen be- dingt und wir wissen, dass die ihr entgegenwirkenden Kräfte, deren Abscbwäehuug die genannten Erscheinungen hervorruft, den Kampf ums Dasein darstellen. Button erkannte, dass das Verhältniss der Lebewesen zu ein- ander sieh als ein solches des Kampfes erweist: „sind denn alle Thierarten früher so gewesen, wie sie jetzt sind? Sind nicht die schwächeren Arten durch die stärkeren und noch vielmehr durch die Herrschaft des Menschen, der tausend Mal zahlreicher als irgend eine andere Art geworden ist, vernichtet worden?" Alle diese Beziehungen erfasste er instinctiv, allein er versäumte es, sie unter einander zu verbinden und in einen ursächlichen Zusammenhang zu bringen mit der Veränderung der Arten. Manche übertriebenen Verehrer Buffons sehen an verschiedenen Stellen seiner Schriften deutliche Hinweise auf sehr viele Punkte der Lehre Darwins, aber diese verstreuten Beobachtungen, welche für uns, die wir post factum urtheilen, in einem anderen Lichte erscheinen als für die Zeitgenossen Buttons und für ihn selbst, bleiben doch innner nur vereinzelte, in kein System zusammengefasste Andeutungen. Wie bereits kurz erwähnt, nimmt Buft'on an, dass bei aller Veränderlichkeit die Natur einem vorgezeichneten Plane folgt, eine Vorstellung, die sich bei ihm mit einer anderen verbindet, nämlich der von der „Einheit des Planes". „Nehmen wir aus der grossen Mannigfaltigkeit der Wesen, welche die Erde bevölkern, ein einziges, z. B. den Menschen, als Ausgangspunkt unserer Betrachtung, wir werden finden, dass, obgleich alle Thiere nach ihrem Belieben leben und allmäbiieh bis zur Unendlichkeit variiren, doch ein primärer und allgemeiner Plan vor- handen ist, der sich sehr weit verfolgen lässt, und von dem Abweichungen schwieriger .sind als Veränderungen in der Form und anderen äusseren Verhältnissen ; denn abgesehen von den Organen der Verdauung, der Blut- eireulation und der Zeugung, die allen Tiiieren aus- nahmslos eigen sind, und ohne welche ein Thier weder XI. Ni-. 52 Niiturwisscuschaf'tliche Wocbcuschnlt. ()2f) leben noch sich fortpflanzen könnte, ist auch in den- jenigen Tlieilen, welche die grössten äusseriichen Variationen aufweisen, eine wunderbare Aehnliehlceit vor- banden, die uns auf die Idee eines allgemeinen Planes führt, unter dessen Einfluss Alles erzeugt wird." Unter Hinweis auf Daubenton, welcher die Identität der Knochen des Vorderbeines der Pferde mit der menschlichen Hand nachwies, schlägt Button vor, die Aehnlicblicit im Bau eines bestimmten Organes vom Menschen bis zu den Vierfüsslern, von diesen bis zu den Waltischen, dann bis zu den Vögeln, Reptilien und Fischen zu verfolgen, um sich zu überzeugen, dass „das höchste Wesen bei der Erschaffung der Thiere stets nach ein und derselben Idee verfuhr, die er auf alle möglichen Arten variirte." In seineu metaphysischen Anschauungen stand Buffon weit hinter seiner Zeit zurück, er kam darin denen des Anaxagoras nahe. Er nahm die Existenz von organischen Molekeln an, weiche, überall zerstreut, das Bestreben hätten, Thiere und Ptiauzeu zu bilden, aber wenn sie auf Hindernisse stiessen, käme es nur zur Entstehung mikro- skopischer Keime. Indem das Thier sich ernährt und an Grosse zunimmt, fügt es seinem Körper nur neue Molekeln zu, die es in der Xahrung findet, daher ist das Wachsen eines Thieres dem Wachsen der Krystalle ähnlich. Die Entstehung eines neuen Wesens ist nichts weiter als ein Anhäufen ähnlicher IMolekel. Das Samenkorn enthält bereits in conceutrirter Form den ganzen Baum, der später aus ihm erwächst, die Knospe, die seinem Zweige entspriesst, enthält wieder den Baum der nächsten Gene- ration und so fort. Doch diese Keime sind nicht inein- andergeschachtelt wie die Evolutionisten es angenommen hatten, ihre Neubildung erfolgt vielmehr durch die An- häufung von Molekeln, welche durch die Nahrung von der Aussenwelt aufgenommen worden sind. Die organi- schen Molekel zerfallen nach dem Tode des Thieres, aber sie werden nicht zerstört und treten später wieder als Bestandtheile in andere Thiere ein; so besteht ein ewiger und unverwischbarer Unterschied zwischen der lebendigen und der todten Materie. Trotz der grossen Popularität Buifons, die so weit ging, dass man sich gewöhnte, in seiner Person die zoologische Wissenschaft zu sehen und zu verehren, haben bereits damals ernstere Geister wie Condorcet und D'Alembert ihre Stimme erhoben gegen seine Philosophie, die sich weder auf Beobachtung noch Experimente stützte. Seine metaphysischen Vorstellungen, seine astro- nomischen Lehren und viele seiner biologischen Lehren sind schon seit langer Zeit begraben, allein der Gedanke der Evolution barg in sich alle Bedingungen, sich lebens- fähig zu erhalten. Erasmus Darwin ist, worauf auch sein Enkel Charles hingewiesen hat, der unmittelbare Vorläufer von Lamarek. Nicht ganz mit Recht hat ihm Quatre- fagcs auch die Lehre von dem inneren Drange des pri- mären Wesens zum Fortschritt zugeschrieben. Im Wesentlichen unterscheidet sich die Lehre Erasmus Dar- wins nur sehr wenig von derjenigen Lamarcks. Auf dem Wege der Analogie gelangt er zu seinen Ergebnissen, und zwar betrachtet er zunäclist die em- bryonale Entwickelung der Oi-ganismen. Wie wir bereits gesehen haben, verwarf er die Einschaclitelungstheorie. Der Keim ist seiner Annahme nach eine Faser, welche durch das Ende einer Nervenfaser gebildet wird. Diese Faser besitzt persönliche und vei-erbte Eigenschaften, welche auf sie übergegangen sind, da sie ja nichts weiter ist als ein Theil des elterlichen Organismus. Sie besitzt Reizbarkeit, Sensibilität und Willen. Sie ernährt sich, wächst und wird complicirter durch Aufnahme neuer Theile lebender Materie. In dem Maasse wie die Faser complicirter wird, treten neue Eigenschaften auf; diese schaffen neue Bedürfnisse und die Bedürfnisse haben neue Gewohnheiten zur Folge, welche in der Veränderung des Organismus im Laufe seines Lebens ihren Ausdruck finden. Ebenso ging auch die Entwickelung der Arten vor sich; die primären Wesen waren einfach organisirte Fasern, die wie jede chemische Verbindung Eigenschaften besasseu, welche das Geschick dieser Fasern in diesen oder jenen Verhältnissen bestimmten. Die warmblütigen Thiere entwickelten sich aus diesen Fasern einer Art und es ist sehr wahrscheinlich, dass alle Thiere mit warmem und kaltem Blut ursprünglich denscUien Fasern ent- stammten, dazu gehören auch die Fische, also sämmtliche Wirbcltbiere. Die Insecten (nach moderner Classification Gliederfüsser) entstanden aus einer anderen Art von Fasern, und die von Linne unter der Klasse der Würmer zusammengestellte Schaar wirbelloser Formen von Fasern einer dritten Art. So entwickelten sich die drei Typen parallel neben einander. Die Entwickelung einer jeden Faser wurde natürlich durch ihre Eigenschaften bestinnnt, aber es wirkten auf sie auch ihre eigenen Emplindungeh, das Gefühl der Lust oder der Unlust, das Bestreben, die Freuden zu ver- längern und den Schmerzen zu entfliehen. Drei Bedürf- nisse sind ihnen eigen: sich zu vermehren, sich zu er- nähren und ungefährdet zu leben. Aus diesen Bedürf- nissen entspringen Gewohnheiten, welche sich ebenfalls vererben. In seiner Zoonomia sagt E. Darwin: „Im Hin- blick auf die Metamorphose des Frosches von der Kaul- quappe bis zum ausgewachsenen Thiere, auf die \'qv- änderungen, welche eine künstliche Züchtung erzielt, wie bei den Pferden, Hunden und Schafen, auf diejenigen ferner, welche durch die klimatischen Verhältnisse und den Wechsel der Jahreszeiten hervorgerufen werden, wie der Ersatz der Wolle durch Haare bei den Schafen in warmen Zonen, die weisse Färbung der Hasen und Reb- hühner in den Polargegenden, beachten wir ferner die Veränderungen, welche durch eine Gewohnheit erzeugt werden, z. B. bei Menschen gewisser Berufsarten, oder solche in Folge künstlicher Verstümmelungen oder von Ein- flüssen während des Embryonalzustandes, wie bei Kreuzung der Arten und Bildung von Anomalien, ziehen wir schliesslich in Erwägung die Einheit des Planes im Bau aller warmblütigen Thiere, so gelangen wir zu dem Schlüsse, dass sie alle von einer gleichen Faser ab- stammen müssen. Es erleiden endlich alle Thiere Ver- änderungen in Folge von Gewohnheiten beruhend auf der Empfindung von Lust oder Unlust, und einige dieser er- worbenen Neigungen und Veränderungen werden den Nachkommen vererbt". So finden wir bei Erasmus Darwin die Lehre von der erblichen Ueberlieferung der fnnctionellen Eigenthümlichkeiten ausgesprochen, die später von Lamarek entwickelt wurde. Sogar das klassische Beispiel eines Muskels, welcher sich, in Thätig- keit befindlich, vergrössert, finden wir schon bei ihm. Im Weiteren deutet er bereits auch au, dass das Geweih des Hirsches nicht zur Vertheidigung und zum Kampfe erworben sein dürfte, sondern als Scbnuick für das Männchen, dass die Färbung der Thiere ihnen dazu dienen kann, unbemerkt zu bleiben, dass die Kämpfe der Männchen den Zweck haben (er behält die teleologische Ausdrucksweise bei), .,die P'rhaltung der Art durch die stärkeren und activeren Individuen zu garautircn." All das weist schon i'echt deutlich auf die geschlechtliche und natürliche Zuchtwahl hin, aber es sind doch erst nur Hiuweisungen. So hat die Idee des Transformismus, die bereits im Alterthume bei den griechischen Metaidiysikern auftrat, dann im Mittelalter eine ganz abnorme Form annahm, die 626 Natnr\visscii.scLi;i('tliclic Wocbciiscliritt. XI. Nr. 52. sieli zuwcilcu noch im 17. Jahrliuiulcrt zeigte, eine vcr- hältuissniässig recht reiche Blüthe g-ezeitigt in einer Ei)oche, da der Stand der Wissenschaften und die wissen- schaftlichen Bedürfnisse sie scheinbar am wenigsten be- günstigten. Wir sehen ferner, dass zu jener Zeit sieh zwei Richtungen absondern: die eine, von Buffon ver- treten, stellt als wichtigsten Factor für die Evolution die äusseren Bedingungen und Einflüsse in den Vordergrund, die andere, an deren .Spitze Erasnius Darwin steht, den Willensimpuls und die Gewohnheit. Obgleich E. Darwin keinen genetischen Stammbaum angiebt, wie später Lamarck, stellt er sich doch das genetische Verhältniss der Lebewelt nicht in der Form einer geradlinigen Stufenfolge vor, wie es Bonnet that; seine (ienealogie der Fasern stellt ja drei auseinander- gehende Zweige dar. Im Allgemeinen bleiben alle transformistischen Er- wägungen ohne eine thatsächliche Grundlage aprinristisch. Diese Grundlage war auch dann noch nicht V()rl)creitet, als sich die Idee zu den vollendeteren Lehren von Lamarck und St. Hilaire ausgestaltete. Und in der That, bevor man daran geht, alle Thierformen auf einen allmählich sich ausbreitenden Stamm zurückzuführen, sollte man sich in ihrer morphologischen Organisation zurechtzntinden snclien und ihre gairze Mannigfaltigkeit zunächst auf einige bestinnnte Typen zurückführen. Und das hat Cuvier gethan; dafür war das thatsächliche Material vor- handen, welches für die Construirnng eines genetischen Stammbaumes fehlte. Nicht nur in Folge seiner per- sönlichen Eigenschaften, sondern mehr noch zu Folge der historischen Nothwendigkeit musste St. Hilaire mit seiner Lehre von der Einheit des Planes seinem genialen Schüler, der die Lehre von den Typen geschatt'en hat, in jenem berühmten Streite weichen. Der transformistische Gedanke auf metaphysischer Grundlage hat dann bald eine frühzeitige und krankhafte Frucht gezeitigt in der deutschen Naturphilosophie. Doch abgesehen davon sind alle von den hervorragendsten Transformisten gegebenen Erklärungen der Evolution so unbefriedigend, dass nüchtern j Geister wie Cuvier, Lyell und andere leicht ihre .Mangelhaftigkeit einsahen. Daher beginnt die Geschichte des wissenschaftlichen, auf That- saehen gegründeten Transformismus erst mit Charles D ar wi n, der in genialer Weise den ursächlichen Zusammen- hang gefunden hat zwischen der Veränderlichkeit der Arten, der grenzenlosen Fruchtbarkeit jeder einzelnen von ihn n und dem Kampf ums Dasein. Die von ihm ::ebotene Erklärung, welche selbst Lyell zu überzeugen vermochte, hat der Idee von der Beständigkeit der Arten für alle Zeiten ein Ende gemacht.*) G. A. *) Eine „Aufzählung von Gelehrten, die in der Zeit von Ijamarck bis Diirwin sieh im Sinne der Deseendcnz Ijehre ge- iius.sert Imbon", li;it der Unterzeichnete in dieser Zeitschrift Band V (1890) No. 45 S 441 If. geboten. - P. Die geographische Verbreitxing der Siisswasser- protozoeu hat W. Schewiakoff behandelt. Verfasser hatte sich während seiner in den Jahren 1889 — 9ü unternommenen Reise in Nord-Aniciika, den Sandwich-Inseln, Neu-Seeland, Australien und dem ma- layischen Archipel als Hauptaufgabe gestellt, die SUss- w asser- Protozoen dieser entlegenen Erdtheile genauer zu beobachten und zu studiren. In dem ersten Theil seiner obigen Arbeit werden die in den erwähnten Ländern aufgefundenen Protozoen unter genauer Angabe ihrer Fundorte und der Art ihres Vorkommens aufgezählt, zu- nächst in systematischer Reihenfolge und sodann auch nach ihren Fundorten geordnet. Darunter sind mehrere Arten als für die Wissenschaft neu eingehend beschrieben und auf den angefügten Tafeln abgebildet. Bezüglich derselben sei auf die Arbeit selbst verwiesen; hier möge nur der zweite Theil näher besprochen werden, welcher sich mit der geographischen Verbreitung der Süsswasser- Protozoen befasst. Hier giebt Verfasser eine eingehende Besprechung der Litteratur über die liisher in den anderen vier Welttheilen beobachteten Süsswasser-Protozoen und stellt sie zur bequemeren Orientirung und Vergleich in fünf Tabellen zusammen. An der Hand dieses That- sachenmaterials, sowie auf Grund seiner eigenen Studien während der Reise sucht der Verfasser die Frage nach der geographischen Verbreitung der Süsswasser-Protozoen zu beantworten, ob nämlich die Annahme einer geogra- phischen Localisation oder die einer universellen Ver- breitung berechtigt sei. Verfasser bestätigt die letztere bereits von Bütsohli aufgestellte Ansicht, dass man l)ei den Süsswasser-Protozoen von einer geographisciicn Ver- breitung nicht reden könne, sondern dass ihnen eine uni- verselle oder kosm()i)olitischc Verbreitung zukomme. Zur Begründung dieser Ansicht werden namentlich folgende Thatsachen angeführt: Trotzdem die Protozoenforsehung in den aussercuropäischen Ländern bisher sehr lückenhaft ist und obschon manche Formen in Europa selbst ziem- lich selten gefunden werden, sind ausserhalb Europas bisher über -'/j (66 7o) (1er europäischen Gattungen und über die Hälfte (55,8 " o) ''er europäisehen Arten angetroffen worden. Die in den übrigen aussercuropäischen Ländern noch nicht beobachteten Formen, sind nach den in Europa ge- machten Erfahrungen, noch sicherlich zu erwarten. Diese Verinuthuug wird noch durch den Umstand bestärkt, dass sich in einem fremden Lande um so mehr europäische und nicht abweichende, neue Formen herausstellen, je mehr dieselben untersucht werden. Ferner erfreuen sich unter den ausserhalb Europas angetroffenen Formen die- jenigen der ausgedehntesten Verbreitung, welche auch in Europa zu den gemeinsten oder verbreitetsten gehören. Der Procentsatz der neuen aussercuropäischen, d. h. in Europa noch nicht angetroffenen Formen ist ein geringer und beträgt für die Gattungen 7,6 % und für die Arten ll,8''/o. Und es ist sogar höchst wahrscheinlich, dass diese neuen aussercuropäischen Formen auch noch in Europa angetroffen werden. Zum Beweise dieser Ver- muthung dienen erstlich die Erfahrungen, welche man liezüglich der selten in Europa beobachteten Formen ge- sannnclt hat und ferner der Umstand, dass eine neue Ciliate, welche Dr. Schewiakotf in Neu-Seeland beobachtet hatte, im nächsten Jahre in Heidelberg von Dr. v. Er- langer wiedergefunden wurde. Alle diese Schlüsse führen zu dem Resultat, dass man durchaus nicht von einer geographischen Verbreitung der Süsswasser-Protozoen im Sinne der höheren Thicre und Pflanzen sprechen kann, sondern dass ihnen vielmehr eine ubiquitäre oder universelle Verbreitung zukonnnen muss. Zum Schluss werden die Verbreitungsniittel der Pro- tozoen eingehend besprochen, als welche Luft- und Wasser- strömungen, sowie aetiv wandernde Thiere, namentlich Vögel und Insecten, aber auch Säugethiere und Amphi- bien anzusehen sind. R- Charles T. Simpson, von dem Nationalmuseum zu Washington, weist in einem Aufsatze des „American Naturalist" (vol. 30, S. 379 ff.) nach, dass die A'erbrei- tuiigdergegeinviirtigeniiordaiuerikanischeiiUiiioniden- XI. Nr. 52. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 627 Fauna durchaus dazu angethan sei, die Ergebnisse der neuereu Glaciaiforschuni:;- hinsichtlich der Gestaltung- des nordamerikanischen Flussnetzes in der Quartärzeit des weiteren zu stützen. Die Unioniden des heutigen Mississiitpi und seiner Tributäre unterscheiden sich von denjenigen der Ströme der unmittelbaren atlantischen Al)dachnng in scharf ausgesprochener Weise. Die Mississippi-Arten sind fast durchgängig- gross, dickschalig, kräftig ausgestaltet und prächtig gefärbt, die atlantiselien Arten verhältniss- mässig klein, dünnschalig und in Gestalt und Farljc schlicht und einfach. Der Red River of the North und der Saskatschewan sowie aucii der Mackenzie sind aber von Mississippi-Unioniden bewohnt, und desgleichen auch die fünf grossen Lorenzo-Seen, die Flüsse und Seen von Wiskonsin und Michigan, der Champlain See und der Hudson, in welch letzteren Gewässern sich der Mississippi- Fauna nun zahlreiche atlantische Formen beinnschen. Der Schluss, dass vor nicht sehr langer Zeit eine Ueber- wanderung aus dem Mississippi-Gebiete in die Gebiete der arktischen und atlantischen Abdachung stattgefunden habe, ist also nicht abzuweisen. Die üeberwandcrung kann aber nicht wohl anders erfolgt sein, als auf der- artigen natürlichen Wasserwegen, wie sie nach den Dai- legungen von Cliamberlin, Salisbury, Upliam etc. in der Quartärzeit, als die Eiskappe den Gewässern den Abfluss gegen Norden und Nordosten wehrte, zwischen dem Red River und Minnesota River und zwischen den Grossen Seen und dem St. Croix, dem Illinois, dem Wabash, dem Champlaiu-See und dem Hudson vorhanden waren. E. Deckert. Neue Golderzfuude in Schlesien. — Auf Grund einer am 22. Juni d. J. präseutirten Muthuiig ist dem Grubendirector F. Dehl zu Wiesbaden das liergwerks- eigenthum in einem über 2 Millionen Quadratmeter grossen Felde in den Gemeinden Gcppersdorf und Scbmottseifeu im Kreise Löwenberg zur Gewinnung der im Felde vor- kommenden Golderze am 10. November verliehen worden. Der Fundpunkt liegt an der Grciftenlterg-Löwenberger Eisenbahn. Der Fund tritt im Thonschiefer auf und ist verbunden mit Quarz und Schiefer. Geognostisch scheint das Vorkommen dem Silur anzugehören. Der Gehalt des Erzes an Gold und Silber ist ziemlich hoch. Inwieweit dieser Gehalt aber nicht bloss localer Natur ist, ist bis- her noch nicht festgestellt. Die Decimal-CIa.s.sification. — In der jetzigen Zeit vollzieht sich eine Umwälzung im Bibliotheks- Wesen, die von noch nicht vorauszusehender Bedeutung und aucli für die Naturwissenschaften mit ihrer riesig anschwellenden Litteratur von grösster Wichtigkeit ist.*) Es dürfte daher hier wohl angebracht sein, in kurzen Umrissen das System, das diese Umwälzung hervorbringt, zu kenn- zeichnen, und das um so mehr, als zum Theil ganz falsche, mindestens aber sehr voreingenommene Ansichten darüber herrschen. Schon seit langem empfanden es die Bibliographen als ein immer dringender werdendes Bedürfniss, bei dem kolossalen Anwachsen der gesammten Litteratur ein System zu haben, das einmal ein bequemes Ordnen und Einordnen der bezw. in die Bibliotheken erlaubte, vor Allem aber auch die Herstellung leicht übersichtlicher, Jedem verständlicher Kataloge ernWiglichte. Seither stellte sich jeder Bibliothekar sein System selbst zusannnen, das *) Vorgl. übei- wissenschaftliplie Faclilittoi-atur und die Mittel dieselbe allfjemein und leicht zrifjänglicli zu machen aucli ..Natur- wissenscli. Woclienschi-." IX, S. 'Jül. allen Anderen schwer oder gar unverständlich war, und vor Allem den Wechsel- Verkehr der verschiedenen Bibliotheken zu einem sehr umständlichen und seinen Zwecken sehr wenig dienlichen machte. Da wurde vor Kurzem ein System bekannt, das endlich Erlösung aus diesen unerquicklichen Zuständen zu bringen schien, ein System, das der Amerikaner Mclvil Dewey, derzeitiger Bibliothekar der New- York State Library, vor 20 Jahren „erfunden" und seitdem ständig praktisch erprobt und weiter ausgebaut hatte. Es hatte in Amerika unter dem Namen Decimal-Classification schon weite Verbreitung ge- funden, war von dem UnterrichtsMinisterium in Washington staatlicii anerkannt und von mehr als 1000 Bibliotheken angenommen worden. In Europa hatte es keinerlei Be- achtung oder nur Missdeutung gefunden. So hatte ein französischer Bibliograph den Namen des Systems dahin deuten zu uiü.ssen geglaubt, dass man die Bücher nach dem Meter-.System (in Quadrat-Centimetern) messen und einordnen solle. Es waren zwei Brüsseler Advokaten, die zuerst in Europa den Werth der Decimal-Classification Dewey 's er- kannten und, begeistert von ihrer Genialität, nicht ruhten noch rasteten, bis sie ihr die verdiente Würdigung errungen hatten. Die Herren H. Lafontaine und P. Otlet, deren Namen für immer aufs engste mit dem Namen des Deei- mal-Systems, wie man Dewey's Classification kurzweg nennt, verbunden sein werden, stellten auf eigene Kosten und unter angestrengtester Arbeit einen Catalog von mehr als 400 000 Titeln, bezeichnet und geordnet nach diesem System auf. Ihrer Propaganda und vielleicht noch mehr dem praktischen Nachweise des hohen Werthes desselben gelang es endlich, die Beachtung weiterer Kreise zu er- regen, und, als Krönung ihrer Arbeit, in Brüssel zwei In- stitute ins Leben zu rufen, die specicU der Verbreitung und Ausarbeitung des Decimal-Systems dienen sollen. Das eine ist das von den oben genannten Herren be- gründete und 1895 von dem für Kunst und Wissenschaften so empfänglichen Könige von Belgien zum staatliehen Amt erhobene „Oftice international de Bibliographie", dessen Zweck ist die Herstellung eines allgemeinen biblio- graphischen Repertoriums nach dem Decimal-System; das andere ist das „Institut international de Bibliographie" das die wissenschaftliche Ergänzung- des crsteren Ijildet und vor Allem die Weiterausarbeitung des Systems zum Zwecke hat. Sehen wir uns dieses nun genauer an. Es geht von der allgemein verbreiteten Praxis aus, jedes Werk, jede Arbeit u. s. w. mit einem Index zu versehen, nach dem es bezw. sie bequem eingeordnet werden kann. Statt diesen nun aber rein willkürlich zu wählen oder in einer Beziehung zum Inhalt, die nur dem verständlieh ist, der gerade die betreffende Eintheilung genau kennt, setzt Dewey den Index nach einem genau ausgearbeiteten, lo- gischen System zusammen, so dass er, Jedem verständ- lich, zugleich möglichst genau den Inhalt des betreffenden Werkes u. s. w. bezeichnet. Zu diesem Index benutzt Dewey das Einzige, was international und Jedem, welche Sprache er auch spricht, gleich bedeutungsvoll ist, die arabischen Ziffern und zwar nur die Grundzahlen, von 0 — 9, die er in einfachster "Weise combinirt. Dewey theilt zuerst das Gesammtgebiet des menschlichen Wissens in 9 Klassen ein, die er mit den Zahlen 1 — 9 bezeichnet, und denen er Werke ganz allgemeinen Inhalts, mit 0 be- zeichnet, voranstellt. Diese 10 Klassen sind folgende: 0 Allf^omeine Werlce. 1 Pliilosopliie 2 Religion. 3 Sociologie. 4 Philologie. 5 Naturwissenschaften. () Nützliche Künste. 7 Scliiine Künste. 8 Litteratur. 9 Geschichte. 628 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 52. Jede (lieser Klassen thcilt Dewey wieder in i) Ab- theilungeu ein, mit den Ziflern 1 - 9 bezeichnet, die au zweiter Stelle kommen, und denen wieder die allgemeine Arbeit aus dem Gebiete jeder Klasse, mit 0 bezeichnet, vorangestellt werden. .Als Beispiel fuhren wir die Abtbei- liuiiicn fohcnder drei Klassen auf: 5 Naturwissonsc haften. .'lO Allgcin. Naturwissiüisehart. 51 Mutlioiimtik. •')2 Astronomie. .'lö Pliysik. '>i Chemie. bö Geologie. .')() Paläontologie 57 Biologie. 58 Botanik. .59 Zoologie. 53 Physik. .530 Allgemeine Physik .531 Mechanik. .532 Hydrostatik. 533 Aerostatik. ' 534 Aknstik. 535 Optik. 536 VVärme. 537 Elektricität. 538 Magnetismus. 539 Moleknlarjihysik. I Philosophie. 10 Allgemeine Philosophie. I I Metaphysik. 12 Besondere metapliys. Gegen- stände. 13 Geist und Körper. 14 Philosophische Systeme. 15 Geistige Fähigkeiten, Psy- chologie. • -- ^,-. 16 Logik. 58 Botanik. I 17 Etliik. 18 Philosophen des Alterthums und Mittelalters. 19 Moderne Philosoplien. 0 Geschichte. 90 Allgemeine Geschichte. "1 Geographie und Reisebeschreibung. 92 Biographie. 93 Alte Geschichte. 94 Moderne Geschichte von Europa. 95 — von Asien. 96 — von Afrika. 97 — von Nordamerika. 98 — von Südamerika. 99 — Oeeanien und Polarregion. Jede dieser Abtheilungen wird dann wieder iu neun Unterabtheilungen eingetheilt, und jedes Mal werden wieder die mit 0 bezeichneten Arbeiten allgemeineren In- haltes den übrigen vorangestellt. Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, dass diese Uuterabthcilungs-Zahleu in die dritte Stelle kounnen. Auch hiej- nochmals drei Beispiele zur Erläuterung: 57 Biologie. 570 Allgemeine Biologie. 571 Prähistorisclie Archäologie. 572 Ethnologh'. 573 Naturgeschich. d. Menschen. .')74 Homologien. 575 Entwickelung, Art. 576 Ursprung des Lebens. 577 Eigenschaften der leben- digen Substanz. 578 Mikroskojiie. 579 Präparation, Taxidermie u. s. w. 59 Zoologie. 590 Allgemeine Zoologie. 59! Physiologie, Morphologie, Faunistik. 592 Invertebrata. 593 Protozoa, Kadiata. 594 Mollusca, Molluscoidea, Tunicata. 595 Articulata. 596 Vertebrata. 597 Pisces, Amphibia. 598 Reptilia, Aves. 599 Mammalia. Selbstverständlich geht die Eintheilung so weiter. Innner konmien die Zahlen der Untergruppen in die der Zahl der (iruppe nacbfulgeiide Stelle, 'i'heoretisch konnte man natürlicli damit fortfahren bis zur Unendlichkeit; aber die l'ra.xis gebietet bald Halt. Mehr wie 7 Zahlen dürfte man wohl kaum hintereinander verwenden, um die Uebcrsichtlicldteit nicht zu sehr zu erschweren. Schein- bar sind ja auch schon 7 Zahlen wenig übersichtlich. Aber einmal kommt man dem zu Hülfe, indem man nach der dritten Stelle einen J'unkt setzt, und dann gewöhnt man sich in jeder Wissenschaft sehr rasch an verschie- dene inmicr wiederkehrende Zahlen-Gruiipen. So werden den I^hysiker die beiden ersten Ziffern 53 bald nicht mehr stören, so dass die eisentlieh für ihn in Betracht eile anfani;eii. kiininicndi'ii Ziflern ei-st mit der di'itten Sl Ebenso in allen anderen Disciplinen. So scheint z. B. die Zahl 5'.)5. 784 ziemlich schwer übersichtlich. Aber die beiden ersten Ziffern kommen für den Zoologen eben nicht in Betracht; denn sie findet er in allen Zahlen. Auch wird er sich sehr rasch daran gewöhnen, dass 595 Gliederthicre bedeutet und ebenso rasch, dass .595. 7 die Insecten sind. Und für den, der diese Zahl am meisten braucht, für den Entomologen, fangen also die in Rück- sicht zu ziehenden Ziffern erst mit der vierten bezw. dritten Stelle an. In kürzester Frist hat er sich daran gewöhnt, dass die so sehr häufig wiederkehrende Zahlen- Gruppe 78 nach dem Punkte Lepidoptera bedeutet. Er Übersicht also auch sie mehr oder weniger unbewusst und beachtet nur die letzte Ziffer 4. die ihm sagt, dass es sieh um die Jlacrolepidopteren handelt, ü. s. w., u. s. w. So wird es überall gehen, d. h. die anscheinend grossen Zahlen werden sich dem geistigen Auge bei häutigerem Gebrauch sehr rasch in leicht übersichtliche Zahlen- Gruppen verwandeln. Auf jeden Fall wird Jeder, der einmal in einer grösseren Bibliothek gearbeitet hat, den Vorzug dieses Systems einsehen, gegenüber den dort gebräuchlichen Bezeichnungen, von denen ich als Beispiel nur zwei an- führen will: M3 5 h B und K h U, Fi B I, e IIo. Sehr leicht lassen sich auch complicirtere Titel aus- drücken, indem man mehrere Zahlen zusammenstellt. Doch will ich hierauf nicht eingehen, als zu weit führend. Ich glaube, es wird der Name Decimal-System ein- leuchten und ebenso die ausserordentliche Einfachheit und Praktischkeit desselben. Die richtige Brauchbarkeit hat das System aber erst dadurch erhalten, dass Dewey ein sehr ausführliches alphabetisches Verzeichniss aus- gearbeitet hat, in dem hinter jedem Worte die Zahl, die seine Bedeutung ausdrückt, steht. Es thut also, wenn Jemand aus einer nach dem Dewey'schen System geord- neten Bibliothek Werke zu Rathe ziehen will, durchaus nicht nöthig, das ganze System zu studireu, oder selbst nur einen Tlieil; er hat nur im alphabetischen Verzeich- nisse den Artikel aufzuschlagen, sich die dahinter stehende Zahl zu merken, und sie im Bibliotheks-Gatalog aufzu- suchen, so findet er Alles, was über das betreffende Ge- biet vorhanden ist. Seine höchste Vollkommenheit erlangt das ganze System aber erst, wenn die Cataloge nicht iu Buch- son- dern in Zettelform hergestellt werden. Es ist dann nichts leichter als das Einreiben der neuen Zettel, das einfach nach der Zahlenfolge geschieht, oder das Orieutiren in einem solchen Cataloge, wo naturgemäss alle Arbeiten mit gleichem Inhalte, mit gleichen Ziffern bezeichnet, bei einander stehen. Und wer gar einmal die wunderltar praktische Anordnung der Zettel in den von dem Library Bureau angegebeneu Kästen gesehen hat, wo sie an einen Stab hintereinander gereiht sind, so dass man in ihnen blättern kann, wie in einem Buche, der ist fest davon überzeugt, dass diesem System die Zukunft gehört. Und in der That hat das System schon recht bedeu- tende Fortschritte errungen. Nicht nur dass Dewey's l)Uch schon in fünfter Auflage erschienen ist, betitelt: Melvil Dewey, Deeimal-Classiticatiou and Relativ Iudex for Libraries, clippiugs, notes etc. Library Bureau 1894. 593 Seiten (die erste Auflage 1876 hatte nur 42 Seiten!), nicht imr, dass es in Amerika schon fast allgemeine Ver- breitiuig gefunden hat, auch in Euro])a hat es für die kurze Zeit schon sehr viel Anwendung und Beachtung er- langt. Die Association fran(,'aise pour l'avancement des Sciences hat den Plänen des Brüsseler Institutes officiell zugestimmt, viele Bibliotheken, Verlagsbuchhandlungen u. s. w. haben sich mit ihnen einverstanden erklärt, das Listilut in I5rüssel gielit jährliche liulletins heraus, denen XI. Nr. 52. Naturwisscnscbaftliclie Wuehciisclirift. (129 die ol)ii;en Ang'aben zum Theil entnommen sind, bereitet Uebcrsetzungen von Dcwey's ßucb vor, und veröffentlicht, bezw. bereitet vor: Bibliographia pbilosophica, B. .socio- logica, astronomica, pbibjlogica, geologica und pliysio- logica. Eine ganz besondere Bedeutuni;- bat das Deci- mal-Systeni für die Zoologie gewonnen. Die Royal Soeicty of London hat sich schon mit ihm befasst, um CS für ihre Arbeiten anzunehmen, Prot'. Carus, der Alt- meister der Zoologisehen Bibliographie, bezeichnet und ordnet nach ihm die Litteratur-Beilage des Zoologischen Anzeigers, und in Zürich hat sich ein Zweigbureau des Brüsseler Institutes, unter der Leitung von Herrn Dr. Field, unter der Aufsicht einer internationalen Zoologischen Com- mission und mit Unterstützung der hervorragendsten zoo- logischen Gesellschaften und Institute, begründet, zur Herstellung eines Zettel-Kataloges der laufenden zoolo- gischen Litteratur. Dies bringt uns auf einen anderen Gesichtspunkt. Dewey hat seine Classification ausschliesslich für Riblio- theks-Zwecke aufgestellt, eine wissenschaftliche Ein- thcilung nur soweit berücksichtigend, als es sich mit dem Praktischen vertrug. Ist nun diese Eintheiluug, bezw. das ganze System ebenso verwendbar für einen, den rein wissenschaftlichen Zwecken dienenden Special-Katalog"? Die Frage ist wohl kaum jetzt schon zu beantworten. Das dürfte wohl sicher sein, dass das System an sich berufen ist, auch hier zu ausschliesslicher Herrschaft zu gelangen. Aber eine andere Frage ist, ob die Classification so, wie sie jetzt ist, allen Ansprüchen genügt. Darauf kann nur die Zeit, d. h. die Praxis Antwort geben. Und gegen- über den vielen, nicht hoch genug anzuschlagenden Vor- theilen des Systemes, empfiehlt es sich, es einstweilen einmal so anzunehmen, wie es ist. Stellen sich Fehler heraus, so können sie nur auf diese Weise beseitigt werden. Und da ist vor Allem Mitarbeit der Specialisten nöthig. Jeder soll seine Erfahrungen sammeln und sie dem Brüsseler Bureau mittheilen. Natürlich darf nicht daran gedacht werden, kleine Aenderungen vorzunehmen, sowie sie sich als wünschenswerth herausstellen, da das nur heillose Verwirrung geben würde. Sind wirklich Aenderungen nöthig, so muss man so lange warten, bis genügend Erfahrungen gesammelt sind, um auf einmal das ganze System umzugestalten und zwar so umzuge- stalten, dass es dann auch die höchsten Anforderungen zufriedenstellt. Und das ist ohne Zweifel in wenig Jahren möglich, wenn Alle mitarbeiten, und man dem System nicht mit Voreingenommenheit entgegentritt, sondern es betrachtet als das, was es ist, eine genial einfache, die denkbar praktischste Lösung der bibliographischen Schwierigkeiten, natürlich, wie Alles Menschliche, nicht frei von Mängeln. Um die Anwendung des Systemes an einem Beispiele ausführlicher klar zu legen, denke ich in einem nächsten Aufsätze auch den Zettel-Katalog des Züricher Bureaus etwas genauer zu beschreiben. Dr. L. Reh. Aus dem wissenschaftlichen Leben. EiiKimit wiu-Ul'u: Dn- stilndi^e Hilt'sarlicitt'r im Miiiistei'ium tler öfiVntliclien Arbeiten in Berlin Prof. Williehn Seibt zum Gell. l\eKiermig;sratli; Kandid.at Lii t z zum Assistenten für Matlie- m.'itliik an der technisclien Hocliscbule zu Münehen; der ordent- iiclie Professor der Pliysiologie in Innsbruck Dr. M. v on Vin tsch- i;;au zum Hofrath; Praktikant P. Klement an der Czernowitzor Universitiits-Bibliotliek zum Amanuensis; der bisherige interi- mistische Leiter der Lemberger Thierarzneischule Prof. J. Szpil ■ mann zum Diroctor derselben; der ausserordentliche Professor der Culturgesohichte in Klausenburg Vajda zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Der frühere Kreisphysikns Dr. Kngelmanu ins Reichsgesundheitsamt; der ordentliche Professor der Zoologie an der deutschen Universität Prag Hatscliek nach Wien. Es habilitirten sich: An der technischen Hochschule in Brunn der BibHotheks-Scriptor K. Zelbr für theoretische Astronomie und der Primärarzt der mährischen Laudesirrenanstalt S. Korn- feld für Anatomie, Physiologie und physiologische Psychologie. Es starben: Der eiiemalige Leibarzt der Kaiserin Augusta Geh. Eatb Veiten in Bonn; Geb. Bergrath Brockboff in Bonn; der Professor der Agriculturcbemie an der landwirtbscliaft- licben Akademie zu Hohenbeim Dr. von Wolff in Stuttgart; diT polnische Afrikareisonde Stephan Scbolz-Kogozinski in Paris; der Docent für Forstwissenschaft an der Forstlehranstalt zu Aschaffenburg Forstmeister Lizius; der Professor der Geologie in Padua Dr. Arturo Ncgri (durch Selbstmord). Litteratur. Max Bisle, kc'uiigl. Gymnasialprofessor und Religionslehrer, Zeugnisse aus der Natur. Betrachtungen über die Schönheit, Zweckmässigkeit und Siunl)ildlicbkeit der Natur. Mit einer Farbendruck- und 8 autotyp. Tafeln. Verlag von Dr. liuttler- Seitz, Augsburg. — Preis 3 M. Das Buch ,^\vill ein christlicher Handweiser für die An- schauung und Betrachtung der Natur" sein; es bringt einzelne populäre" Aufsätze, z. B. über das Licht, die Sonne, den Mond, die Wolken, den Wald u. s. w. Man merkt dem Buch an, dass Verfasser — soweit sichs um naturhistorische Dinge bandelt — nur compilirt hat, aber es ist das mit Geschick geschehen. Der Botaniker Kerner (K. von Marilaun) wird in dem Buch constaut Marilann genannt. Farbige Kaninchenbilder nach Aquarellen von Jean Bnngartz. Naturwabre Farbendrucke von 18 verschiedenen Kaninchen- rassen. Magdeburg, Creutz'sche Verlagsbuchhandlung. — Preis cart. 3,60 Mark. Es sind gute farbige Rassenbilder, die der Atlas bietet. Die Kaninchenzüchter werden die aus der Künstlerhand stammenden, 17x24 cm umfassenden Aquarelle dankbar begrüssen, zumal der Maler selbst eifriger Pfleger und Züchter aller modernen Kaninchenrassen ist und so in der Lage war, die Aquarelle durchaus charakteristisch unil getreu nach dem Leben anzufer- tigen. Die Farbentafeln enthalten deutsche, englische und franzö- sische Unterschriften (Rassen-Bezeichnungen), sodass die „Farbigen Kaninchenbilder" auch im Ausland die gewünschte Verbreitung finden werden. R. Metzner, Botanisch-gärtnerisches Taschenwörterbuch. Ein Leitfaden zur riclitigen lienennung und Aussprache lateinischer Pflanzennamen. Mit einem Anhange, enthaltend die bildliche Darstellung der verschiedenen Formen und Zusammensetzungen aller Pflanzen-Organe. Robort Oppenheim (Gustav Schmidt). Berlin 189G. — Preis 3,G0 Mk. Der ausführliche Titel des Buches gielit Auskunft über seinen Zweck; übrigens sind nicht bloss die lateinischen sondern natür- lich auch die wichtigsten der griechischen Sprache entlehnten Termini aufgeführt. Das Buch zerfällt in drei Theile, der erste giebt Auskunft über Wortbildungen aus der Lateinischen, soweit das für die botanische Nomenelatur von Werth ist, der zweite bringt vornehmlich eine Liste wiclitiger Speciesnaraen mit Angabe der Betonung und Uebersotzuug, der dritte Theil nach Lcunis eine kurze Orgauographie. E. Kayser, Die Fauna des Dalmanitensandsteins von Klein- linden bei Giessen. Mit 5 Lichtdruck-Tafeln. Jlarburg. N. G. Elwert'sche Verlagsbuchhandlung, 1896. — Preis 3 M. (Separat- abdruck aus den Schriften der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften zu Marburg. Band 13. Erste Abtheilung.) Laugjährige Bemühungen des Autors, den Ursprungsort eines im Marburger geologischen Institut ohne Fundortsangabo vorge- fundenen Stückes von rötblichera .Sandstein mit Resten von Tri- lobiten, insbesondere eines Dalmaniten aufzufinden, sind von Er- folg gekrönt gewesen. " Herr Professor Kayser hat dann die verschollen gewosonon Fundpunkte, welche sich in nächster Nähe der Stadt Giessen be- finden, ausgebeutet und gründet auf das hier gewonnene reiche Material die kleine Monograjihie. ITeber die stratigraphische Stellung dos fraglichen Gesteins, eines rötblichen Quarzitsandsteines mit algenartigen Resten, der mit Quarzitschiefern, sowie mit sandig-schiefrigen und mit thon- schieferartigen Sedimenten wechsellagert, hat der Autor aus der geologischen Umgebung der L'undpunkto keine sicheren Schlüsse 630 Naturwisseascliartlicbc Woclienschrifl. XI. Nr. 52. ziehen können, da die Aufschlüsse im Dalmanitensandstein un- günstig sind, und da die Deutung der an die Vorkommen an- grenzenden Gesteine z. Th. noeh unsicher ist. Das Haupt-Gewicht legt daher der Autor auf die Untersuchung und Deutung der in dem Sandstein aufgefundenen organischen Reste. Beschrieben und grösstentheils abgebildet werden Formen der Gattungen Odontochile (Dalmanites), Phaeops, Cheirurus, Cy- phaspis, Bronteus, Mimoceras, Gyroceras, Spirifer, Cj'rtina, Athyris, Atr^'pa, Pentamerus, Orthis, Strophomena, Leptaena, Leptagonia. Fenestrella, Cyathophyllum, Cladochonus, Favosites, Pleurodictyum, im Ganzen 30 Arten. Neu aufgestellt werden die Arten Odontochile (Dalmanites) hassiaca E. Kayser, Mimoceras Maureri E. Kayser. Charakteristisch für die facielle Deutung dieser Fauna ist das anseheinend gänzliche Fehlen von Gastropoden und Lamellibran- chiaten, sowie die Seltenheit von Cephalopoden im Dalmaniten- Sandstein. Von grossem Interesse ist das individuenreiche Auf- treten von Dalmanites, einer Trilobiteugattung, die dem Autor bisher aus dem Devon des Rheinischen Schiefergebirges nur in zwei Fragmenten bekannt geworden ist, und deren Reste in Eu- ropa sonst nur im Devon der Umgebung von Prag in ähnlicher, das Gestein erfüllender Individuen -Zahl beobachtet worden sind. Gegenüber der Deutung von Fr. Maurer, der die ihm be- kannten Reste des Kleinlindener Gesteins als Unterdevon aufge- fasst hat, glaubt der Autor den Dalmanitensandstein in das Mitteklevon stellen zu müssen. Er stützt sich auf das Vorkommen von Athyris concentnca; Atrypa reticularis, var. aspera; Cyrtina heteroclita; Leptaena interstrialis; Leptagonia rhomboidalis; Orthis Eifeliensis; Orthis Gervillei; Strophomena Sowerbyi; Favorites Goldfussi, F. polymorpha,- F. cristata; Pleurodictyum Selcanum, Phaeops Frechi, Bronteus laciniatus, Cheirurus gib- bus, Odontochile hassiaca, sowie einer Art der Goniatiten-Gattung Mimoceros. Für die genauere Bestimmung des Dalmaniten-Sandsteines als unteres Mitteldevon ist dem Verfasser das Vorkommen von Orthis Gervillei und von Strophomena Sowerbyi maassgebend, ferner das Auftreten von Cheirurus gibbus, Odontochile hassiaca, von Phaeops cf. Sternbergi und von Gyroceras äff. alatum. Der Dalmanitensandstein würde nacli Herrn Kayser's weiteren Ausführuugen ein ungefähres Aequivalent der älteren Wissen- bacher Schiefer, des älteren Tentaculitenschiefers von Leun, des Ballorsbacher Knollenkalkes, des Greifensteiner Crinoiden-Kalkes und der Cultrijugatus-Schichten in der Eifel sein. Weitere Be- ziehungen werden zu den Thüringischen Tentaculiten-Schiefern, zu den Kalk führenden Schiefern von Zorge und von anderen Punkten des Unterharzes, den Tentaculiten-Schiefern Cataloniens und den Knollenkalken des Böhmischen G' gefunden. Verfasser betont endlich die im Texte mehrfach angezogene Wichtigkeit, die er der Facies für die Zusammensetzung von Faunen beilegt. Den Schluss der kleinen Monographie bildet eine Auseinander- setzung polemischen Inhaltes mit i . FrecJi über die stratigra- phischc Stellung des Böhmischen G' und verwandter Bildungen, sowie ein bedauernder Hinweis auf den Umstand, dass aus der Untersuchung des Kleinlindener Dahnanitensandsteines keinerlei Anhaltspunkte für die Deutung der in der Gegend von Glossen weit verbreiteten groben Grauwacken gewonnen sei. A. D. Dr. Theodor Engel, Pfarrer in Eislingen, Geognostischer Weg- weiser durch Württemberg. Anleitung zum Krkenm-n cler Schichten und zum Sammeln der Petrefacten. i. verinelirte und verbesserte Auflage. Mit VI Tafeln, 7 geologischen Land- schaftsbildern und einer geognostisehen Uebersichtskarte. E. Schweizerbart'schc Verlagsbuchandlung (E. Koch). Stutt- gart 181)6. — Preis 8 Mk. Es ist bekannt, wie der petrefactenreiche Jura Württembei'gs auf das Volk gewirkt hat zur dilettantischen Beschäftigung mit dem Boden ihrer Heimath ; classisch ist in geologischer Hinsicht das Schwabenland geworden: jedem Geologen sind die dortigen Verhältnisse bekannt. Wir brauchen kein Wort zu verlieren über die Wichtigkeit von Büchern wie das vorliegende. Was eine Localflora für den Floristen mid heimischen Botaniker ist, das ist in noch höherem Maasse ein geognostischer Führer oder Wegweiser für ein be- stimmtes Land. In noch höherem Maasse, weil es leider Botaniker giebt, die sieh um die systematische Kenntniss der ( )l)jecte ihrer Wissenschaft nicht hinreichend kümmern ; giebt es docli botanische Anatomen und Phj'siologen, die die gemeinen Piianzen ihrer Um- gebung nur recht ungenügend kennen. Der vorliegende treffliche Wegweiser ist vor 1.3 Jahren zum ersten Mal erschienen; in dem Zeitraum bis jetzt hat sich wie in allen Disciplinen der Natm-wisschaft, aucli in der (ieologie und speciell in der Geologie Württembergs vieles geämh'rt, und der Verfasser hat es verstanden, sein nützliches Buch auf der Höhe zu halten. Es hiess das, fast ein neues Work schaffen. Die Abbildungen in dem Wegweiser sind klar und gewissen- haft, ebenso die übersichtliche geognostische Karte. Litteratur- angaben unterstützen den Fachmann, und ein ausführliclies Register erleichtert die Handhabung des Buches, das 470 Seiten umfasst. Dr. Gottlob Linck, o. ö. Professor der Mineralogie an der Uni- versität Jena. Grundriss der Krystallographie für Studierende und zum Selbstunterricht. Mit 482 (Jriginaltiguren im Text und 2 farbigen, lithographirten Tafeln. 252 S. 8". Jena, Verlag von Gustav Fischer, 1896. — Preis 8 Mark. Der Grundriss ist in der Absicht verfasst worden, Studierenden und sonstigen Freunden der Mineralogie einen Leitfaden in die Hand zu geben, welcher geeignet ist, dieselben mit den wesent- lichen Theilen der Krystallographie bekannt zu machen, der aber zugleich einen massigen Preis und handlichen Umfang nicht über- schreitet. Mit Recht ist dabei auf die wachsende Bedeutung dieses Wissenszweiges in verwandten Gebieten, z B. in der Chemie, hin- gewiesen worden. Für ein eingehendes Studium der Krystallo- graphie soll das Buch nicht ausreichen. Hierzu müssen umfang- reichere Lehrbücher, wie sie in den ausgezeichneten Werken von Groth und Liebisch vorliegen, herangezogen werden. Verfasser hat den Stoff in drei Abtheilungen zerlegt. Im ersten, einleitenden Theil werden hauptsächlich erläutert: das Wesen des krystallisirten und amorphen Zustandes der Körper, die Entstehung des Krystalls, die Symmetrieelemente, das Gesetz von der Beständigkeit der Kantenwinkel, die Eintheilung der Krystalle in Systeme auf Grund der vorhandenen Symmetrie- ebenen, die Begriffe von Holoedrie, Hemiedrie u. s. w., die Be- deutung der Coordinatenaxen und Grundformen, das Gesetz der rationalen Kantensehnitte, das Zonengesetz, die Verwachsungen der Krystalle, Ausbildung der Krystalle und die Pseudomorphosen. — Die zweite Abtheilung bringt die Darstellung der sechs Krystall- systeme mit ihren Unterabtheilungen. Mit dem regulären Systeui beginnend werden die 32 durch ihre Symmetrieeigenschaften unter- schiedenen Klassen der Krystalle erläutert und durch Beispiele belegt, soweit solche bekannt sind. — In der dritten Abtheilung handelt es sich um die physikalisclien Eigenschaften der Krystalle. Die Eigenschaften der Dichte, Elasticität, Cohäsion, Spaltbarkeit, Gleitung, Härte, Auflösung und Zersetzung, sowie das Verhalten der Krystalle gegen die Wärme, gegen Magnetismus und Elec- tricität werden ziemlich kurz, dagegen die optischen Eigen- schaften, entsprechend ihrer Wichtigkeit, ausführlich besprochen. Auch die Beziehungen zwischen dem Krystall und seiner chemi- schen Zusammensetzung, z. B. die Ersclieinungen des Isomorphis- mus, der Morphotropie, Entropie, finden Berücksichtigung. Im Anhang wird auf ein Mikroskop zur Untersuchung kleiner Kry- ställchen im polarisirten Licht hingewiesen und sein Gebi'auch angegeben. Vom Verfasser ist die Eintheilung der Krystalle in sechs Krystallsysteme nach Maassgabe der für sie (d. h. bei den holoedri- schen Formen) charakteristischen Anzahl von Symmetrieebenen beibehalten worden. Sie hat den Vorzug der besseren Anschau- lichkeit, leidet aber auch an der Incongruenz, dass in die derartig festgelegten Abtheilungen als eine Art auffälligen Anhangs die mit geringerer Synmietrie begabten hemiedrischen u. s. w. Ge- stalten eingereicht werden müssen. Abweichend von der bei uns gebräuchliclien Methode bezieht Verfasser ferner die Gestalten des hexagonalon Systems nur auf die verticale und zwei neben einander liegende unter 60" sich schneidende horizontale Coordi- natenaxen. Dadurch wird es unmöglich, dass die einfache Gestalt auch stets als isoparametrischer Flächencomplex erscheint. Dass über die Messung der Krystallwinkel und die einfacheren, dazu gebräuchlichen Instrumente nichts mitgetheilt wird, mag von Manchem als ein Mangel empfunden werden. Ein paar verein- zelte kleine Lapsus, zum Theil unbezweifelbare Druckfehler, sind leicht zu berichtigen. Im Uebrigen muss besonders anerkannt werden, dass der Verfasser bei der Auswahl und Bearbeitung des umfangreichen Stoft'es mit Sorgfalt und Geschick verfahren ist und das Wichtige treffend hervorgehoben hat. Der Grundriss, welcher zu dem mit einer überaus grossen Zahl sorgfältig gezeichneter Figuren und zwei farbigen Tafeln ausgestattet ist, erscheint somit wohl ge- eignet in die Kenntniss der wichtigsten Capitel der Krystallo- graphie einzuführen und wird zum Gebrauch empfohlen. Scheibe. Dr. Otto Luedecke, a. o. Professor der Mineralogie an der Universität in Halle a. S., Die Minerale des Harzes. Eine auf fremden und eigenen Beoljachtungen beruhende Zusamnien- stidhing der von unserem heimischen Gebirge bekannt gewor- denen Minerale und Gesteinsarten. Mit einem Atlas von 27 Tafeln und 1 Karte. Berlin, Verlag von Gebrüder Bornträger, 1890. — Preis 56 Mark. Das hervorragende Werk bringt die langjährigen Unter- suchungen der Hallenser Krystallographeu an den Harzmineralien, XI. Nr. 52. Niitiirwissen.scliiirtlichc Woelieiisclii'ift. IVM deren Vorkommen er zum grüssten Tlieil aus eigener Anschauung kennt. Nach Anfülirung der Litteratur für jedes Mineral folgt das genaue Verzeichniss der Fundorte unter steter Berücksichti- gung des geologischen Zusammenhanges mit den umgebenden Schichten, darauf die chemische Zusammensetzung, die Form und zuletzt — soweit bekannt — die physikalischen Eigenschaften. Die Anordnung der Minerale ist die jetzt allgemein übliche nach chemisclien Gesichtspunkten und von den einfacheren Verbin- dungen zu den complicirteren fortschreitend. Für die Bezeichnung der Flüchen wurden die gebräuchlichen Miller'schen und Nau- mann'schen Symbole gewäldt; bei jenen Mineralien, die zahl- reiche Flächen und reich entwickelte Zonen aufweisen, wurden diese in eine stereographische Projection eingetragen, um so die Eigenthümliohkeiten der Flächenanordnung zu zeigen. Wir begrüssen das Erscheinen des tadellos ausgestatteten Werkes mit grosser Freude: es wird sicher zur Förderung der Konntniss unserer heimischen Minerale wesentlich beitragen. Ludwig David und Charles Scolik, Photographisches Notiz- und NachschlageBucli für die Praxis. Mit 5 Kunstbeilagen. Fünfte neu bearbeitete Auflage. Halle a. S. — Preis 4 M. Dieses recht handliche, bequem in der Rocktasche unter- zubringende Werk enthält auf 254 Seiten eine Fülle von Be- lehrungen für den Berufs- und Araateurphotographen und erweist sich als ein werthvolles Nachschlagebuch für die meisten in Be- tracht kommenden Fragen. Zunächst werden pi-aktisehe Winke und Vorschriften für die pliotographische Aufnahme, das Entwickeln und Copiren ge- geben und das Negativ- und Positiv-Verfahren nach verschiedenen Methoden und mit verschiedenen Materialien besprochen. Ein längeres Kapitel belehrt sodann über die malerische Wirkung in der Photographie. Es folgen Abschnitte über photographische Objective, Diapositive, kurze Vorschriften für die Pra.xis mit allerlei nützlichen Recepten, ein chcmisclier Theil, Tabellen ver- schiedener Art, eine alphabetische Aufzählung ])hotographischer Reproductions- und Druckverfahren und ihres Wesens, eine An- gabe der in deutscher Sprache erscheinenden Fachzeitschriften und der photographischen Vereinigungen und schliesslich eine Tabelle photographisch-historischer Daten. Als Beilagen sind dem Buche eine Focusdift'erenz-Tabelle und ein Negativ-Register an- gefügt, ausserdem fünf Kunstblätter in Heliogravüre, Repro- ductiouen von Aufnahmen grösseren Formats. Zierliche Vignetten in Zinkographie schmücken die Köpfe fast aller Kapitel. Druck und äussere Ausstattung lassen kaum etwas zu wünschen übrig. Der Inhalt sowohl wie auch der verhältnissmässig niedrige Preis des Buches dürften ihm wohl viele Freunde zuführen. Schulte. Vierteljahrssclirift für wissenschaftliche Philosophie unter Mitwirkung Max Heinze und Alois Kiehl herausKCtceben von Richard Avenarius. XXX. Jahrg. Leipzig, O. R. Reissland. 1898. — Der vorliegende Band enthält abgesehen von Bücher- Besprechungen und -Anzeigen und sonstigen bibliographischen Mittheilungen die Abhandlungen: Fr. Carstanjon, Entwickelungs- factoren der niederländischen Frührenaissance. Ein Versuch zur Psychologie des künstlerischen Schaffens. — H.Cornelius, Das Gesetz der Hebung. — R. Willy. Der Empiriokritizismus als einzig wissenschaftlicher Standpunkt. — M. Guggenheim, Zum Leben Spinozas und den Schicksalen des tractatus theologico-i)0- liticus. — Th. Achelis, Adolf Bastian. — E. Wac liier, Zur Natur- und Entwickclungsgeschichte der ethischen Erscheinungen und Werthe. — M. Guggenheim. Nachtrag zum Artikel über Spinoza. — Fr. Carstanjen, Nachruf an Richard Avenarius (mit .seinem Bildniss). — Avenarius' Berichtigungen zur „Kritik der reinen Erfahrung." — S. Kabl eschkof f. Die Erfahrbarkeit der Begriffe geprüft an dem Begriffe der Erfahrung. — E Reich, Die Socialethik als Lehrgegenstand der Hochschule. — M. Gelis, Bericht über den IIL Internationalen Congrcss für Psychologie. Bendt, Franz, Katechismus der Differential- und Integralrechnung. Leipzig. — 3 .Mark. Brauns, Prof. Dr. B., Chemische Mineralogie. Leipzig. — 8 Mark. Brühl, Gust., Zwischen Alaska und Feuerland. Berlhi. — 10 .M Bungartz, Jean, Illustrirtes Katzenbuch. Berlin. — 3 Mark. Erdmann, Prof. Dr. Joh. Ed , Psvchologische Briefe. Leipzig. — S Mark. Fol, Prof. Dir. Dr. Herrn., Lehrbuch der vergleichenden mikro- skopischen Anatomie mit Einschluss der vergleichenden Histologie und Histogenie. 2. (Schluss-)Lfg.: Die Zelle. Leipzig. — 9 Mark. Fraas, Conserv. Prof. Dr. Eberh., Die schwäbischen Trias-Saurier .Stuttgart. — 12 Mark. Fuchs, Prof. Dr. Ernst, Lehrbuch der Augenheilkunde 6 \ui\ Wien. — 14 Mark. Gautier, Prof. Arm., Die Chemie der lebenden Zelle. Wien. — ■IfiO Mark. Geologische Spezialkarte des Herzogthum Baden. 42. Sins- heim. Heidelberg. — 2 Mark. Gruber, Ed., Ueber Aufbau und Entwickelung einiger Fucaceen. Stuttgart. — 24 Mark. Grüss, Dr. J., Ueber Lösung und Bildung der aus Heniicellulose bestehenden Zellwände und ihre Beziehung zur Gummosis. Stuttgart. — 7 Mark, Haberlandt, Prof. Dr. G., Physiologische Pflanzenanatomie. Leip- zig — 16 Mark. Haeckel, Ernst, Systematische Phylogenie. Berlin. — 17 Mark. Hamann, Prof. Dr. Otto, Europäische Höhleufauna. Jena — U Mark. Hippokratis, sämmtliche Werke. 2. Bd. München. — 9,60 Mark. Höffding, Prof. Dr. Harald, Geschichte der neueren Philosophie. ■2. Bil. Leipzig. — 10 Mark. Jodl, Prof. Frdr., Lelnbuch der P.sychologie. Stuttgart. — 12 M. Keühack, Landesgeologe Dr. Konr., Lehrbuch der praktischen Geologie. Stuttgart. — 16 Mark. Koken, Prof. Dr. Ernst, Die Leitfossilien. Leipzig. — 14 Mark. liuedecke, Prof. Dr. Otto, Die Minerale des Harzes. Berlin. — — 60 Mark. Mach, Prot. Dr. E., Die Principien der Wärmelehre. Leipzig. — 10 Mark. Maier, Priv.-Doc, Repet. Dr. Heinr., Die Syllogistik des Ari- stoteles. 1. Theil, Die logische Theorie des Urtheils bei Ari- stoteles. Tübingen. — 4,60 Mark. Munk, Prof. Dr. Imman., Physiologie des Menschen und der Säugethiere. Berlin. — 14 Mark. Prausnitz, Prof. Dr. W., Grundzüge der Hvgiene. München. — 7 Mark. Rauber, Prof. Dr. A, Die Regeneration der Krystalle. 2. Unter- .suchuugsreilio. Leipzig. — 6 Mark. Reiflf, Gymn.-Prof. Dr. R., Theorie molekular-elektrischer Vor- gänge. Freiburg i. B. — 6 Mark. Ross, Priv.-Doc. Dr. Herm., Icones et descriptiones idantarum novaruni vel rariorum horti botanici Panormitani. Berlin. — 10 Mark. Sachs, Prof. Dr. B., Lehrbuch der Nervenkrankheiten des Kindcs- alters. Wien. — 14 Mark. Schwantke, Dr. Arth., Die Drusenmineralien des Striegauer Granit.s. Leipzig. — 2,80 Mark. Sinram, A., Kritik der Formel der Newton'schen Gravitations- Theorie. Leipzig. — 1 Mark. Spamer's grosser Hand-Atlas in 150 Kartenseiten nebst alphabe- tischem Nanienverzeichniss. Leipzig. — 20 Mark. Stromer v. Reichenbach, Dr. Ernst Frhr., Die Geologie der deutschen Schutzgebiete in Afrika. München. - 7,50 Mark._ Valentiner. Prof. Dr. W., Handwörterbuch der Astronomie. 1. Bd. Breslau. — 24 .Mark. Vierkandt, Priv.-Doc. Alfr., Naturvölker und Kulturvölker. Leipzi.ü. — 1(1,80 Mark. Wahnschafife, Landesgeol. Prof. Priv.-Doz. Dr. Fei., lin>.rc Heimath zur Eiszeit. Berlin. — 0,75 Mark. Wiedemann, Prof. Dr. Eilhard, Das neue physikalische Institut der Universität Erlangen. Leipzig. — 6 Mark. Wundt, Thdr., Die Besteigung des Cimonc della Pala. Stuttgart. — 16 Mark. Zimmermann, Priv.-Doc. Prof. Dr. A., Die Morphologie und Physiologie des pflanzlichen Zellkernes. Jena. — 5 Mark. Die Erneuerung des Aboiniements wird den geelirteii Abneliniern dieser Woclieiiselirift hierdurch in geneigte Erinnerung gebracht. Die Verlagsbuchhandlung. Inhalt: Prof. Dr. W.' Schimkiewitsch , Die Transformisten des 18. Jahrhunderts. — Die geographische Verbreitung der Süss-' Wasserprotozoen. — Verbreitung der gegenwärtigen nordanierikanischen Unioniden-Fauna. — Neue Golderzfunde in Schlesien. — Die Docimal-Classification. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Max Bisle, Zeugnisse aus der Natur. — Farbige Kaninchenbilder. — R. Metzner, Botanisch-gärtnerisches Taschenwörteibuch. — E. Kayser, Die Fauna des Dalmanitensandsteins von Klcinlinden bei Giessen. — Dr. Theodor Engel, Geognostischer Wegweiser durch Württendierg. — Dr. Gottlob Linck, Cirundriss der Krystallographie. — Dr. Otto Lucdecke, Die Minerale des Harzes. — Ludwig David und Charles Scolik, Photo- graphisches Notiz- und Nachschlage-Buch für die Praxis. — Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie. — Liste. 632 Naturwissenschaftliche Wüchciischrit't. XI. Nr Soeben irurde rullsliindig: fl. von Ildiiiliiillx^ Handbuch der physiologischen Optik. Zweite, umgearbeitete Auflage. XIX und 1335 Seiten gr. 8». Mit 254 Abijiklungeu im Text, einer farbigen und sieben Scliwai-zdrnclc-Tafoln. Preis M. 51. — , gebunden M. 54.— . Ausfü/irliclier Prospect mit Vorreden und Inlialtsverzeiclinis steht unent- geltlich und postfrei zu Diensten. Verlag von Leopold Voss in Hamburg-, Hohe Bleichen 34. „Lethaea" Geolog. u.technol.Handl. v. Dr. Monke Görlitz. PATENTBUREAU Ölrich !{. JV(a?rz Berlin N W;, Lüisenstr. 22. Patent-, Markerifrüi Musterschulz "■■ für alle Länder; ; Wegen Aufgabe des Geschäftes Mineralien, Gesteine, Petrefacten mit 40» n Rabatt. Ausführt Lagerverzeichn. portofrei. Miipirirrirr ©rfdinihkotalog. iJcrjcicftnts gcöicgcncr poputiircr ^cfcOcnfiiucrfic mit In ^cmpcrfcftcn ^[af(iäcr-3lusga6en ffrü. liimmlcrs lerlngsbiidjlianbliins. !♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦»♦♦» ♦♦♦♦♦♦♦» ♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦■ von Poncet Glashütten -Werke 54, Köpnickerstr. BERLIN SO., Köpnickerstr. 54, -^ ,_ Fabrik und Lager aller Gefässe und Utensilien für ehem., pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. 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Verantwortlicher Redacteur : Dr. Henry rotoni^, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12 '.^Wi«. "i,\(''J ll^ \.;„ol/ '' 1 w] ■^^A ;*X»i SrJ^^. ^ri «, ~^< 4. * . -> V-'^ ■ . '^ V ** ''*^' -i?^ /■X, c ' -*. ' .••«•• f ' v'5'. rv:-.., lä^l:^'- f.^ .